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Full text of "Archiv für österreichische geschichte"

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Archiv 


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-i 


für 


österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 


vou  der 


zur  Fliege  vaterlandisd 


»chichte  auli^estelllen  Commisslon 


it  i\i 


lii 


kai8erllchen 


S^aats-Oberrealsct 

kadomitt  d^P  l^i^Vflchaftoii. 

Kar  N 


Sechsundsiebzigster  Band. 


Erste   Hälfte. 


r-'- 


^    -7 


^^¥ 


Wien,  1890. 


in    C'  o  m  ni  i  X  8  i  o  u    bei    V,  T  e  iii  p  m  k  y 

Bacbhlmllcr  d«r  lula.  AkwUmi«  J*r  Wu#«ii>eli*A«u 


STANFORD  UBRARY 
OCT  10  1962 


lA«'*«^ 


V,  7  ^ 


I 


Druck  von  Adolf  Holzhausen, 
k.  und  k.  Hof-  und  UniT«niUts-Buchdracker  in  Wien. 


Inhalt  des  scchsnudslebzigstcn  Bandes. 

Erste  Hälfte. 


Seite 
Die    Augsburger    Allianz     von    1686.      Von    Dr.   H.  v.   Zwiedineck- 

Südenhorst 1 

Ueber    den   Zug   Kaiser  Karls   V.   gegen   Algier.     Eine    Untersuchung 

von  Dr.  Gustav  Turba 25 

Briefe  der  Kaiserin  Maria  Theresia  und  Josefs  II.  und  Berichte  des 
Obersthofmeiaters  Grafen  Anton  Salm  (17.  März  1760  bis  16.  Jänner 
1705).  Aus  dem  Fürstlich  Salm'schen  Archive  zu  Raitz.  Mit- 
getheilt  von  Dr.  phiL  Franz  Zweybrtlck 109 

Jotfef  Freiherr  von  Simbschen  und  die  Stellung  Oesterreichs  zur  ser- 
bischen Frage  (1807  —  1810).  Von  Dr.  Franz  Ritter  von 
Krones ^ 127 


-=^?30- 


DIE 


AUGSBURGER  ALLIANZ 


VON  168«. 


VON 


D«  H.  V.  ZWIEDINEOK-SfDENHORST. 


Arcbiv.   Ud.  LXXYI.  I.  Hälfte. 


Ueber  die  Anregungen  und  Vorverhandlungen  zu  dem 
am  9.  Juli  1686  zu  Augsburg  abgeschlossenen  AUianztractate 
war  bisher  sehr  wenig  bekannt.  Mit  Recht  konnte  Richard 
Fester  in  seiner  1886  erschienenen  werth vollen  Arbeit  über 
,Die  armirten  Stände  und  die  Reichskriegsverfassung'  (1681 — 
1697)  die  Behauptung  aufstellen,  ,der  grosse  Augsburger  Bund 
von  1686  stehe  auf  einmal  fertig  vor  uns  da,  ohne  dass  irgend 
etwas  Zuverlässiges  über  seine  Anfänge  bekannt  geworden 
wäre',  indem  er  gleichzeitig  darauf  hinwies,  dass  auch  ,der 
neueste  Bearbeiter  dieser  Epoche  von  holländischer  Seite,  der 
Biograph  Wilhelms  von  Oranien,  P.  L.  Müller,  keinen  Aufschluss 
darüber  zu  geben  vermochte,  ob  Oranien  die  eigenthche  Trieb- 
feder des  Bundes  gewesen  sei',  was  von  mancher  Seite  be- 
hauptet worden  war.  Wenn  ich  es  irgend  vermeiden  konnte, 
wollte  ich  mich  in  einer  zusammenfassenden,  wenn  auch  sonst 
nicht  auf  archivalischen  Quellen  beruhenden  Darstellung  der 
deutschen  Politik  jener  Zeit  doch  der  Noth wendigkeit  entziehen, 
es  bei  der  EIrwähnung  dieses  Mangels  an  Wissen  bewenden 
zu  lassen,  weshalb  ich  mich  zu  dem  Versuche  entschloss,  im 
kaiserlichen  imd  königlichen  Staatsarchive  nach  jenen  Acten 
Umschau  zu  halten,  welche  die  erwünschten  Aufklärungen  bieten 
würden.  Der  Versuch  gelang  ohne  besondere  Schwierigkeit, 
da  der  Fascikel  150  ,Frieden8acten'  das  wesentliche  auf  die 
Allianz  Bezug  nehmende  Material  vereinigt  und  somit  die 
Durchsicht  desselben   meinen  Anforderungen   genügen   konnte. 

Im  Folgenden  erlaube  ich  mir  eine  gedrängte  Zusammen- 
stellung der  flir  die  Reichsgeschichte  nicht  unwichtigen  Ver- 
handlungen und  Abmachungen  auf  Grund  der  von  mir  ein- 
gesehenen archivalischen  Quellen  zu  geben.  Die  wörtliche 
Wiedergabe  von  Actenstücken  schien  mir  zu  dem  angedeuteten 
Zwecke    einer   vorläufigen    Information    nicht   erforderlich;    ich 

1» 


lu  soluiinko  luioli  dahor  in  dor  Bi-5la^o  auf  die  Veröffentlichung 
t'UiON  oinrijr. n  SolmiUons,  da^  naoh  Form  und  Inhalt  gleich 
iHinorkotisworih  ist  und  dm  Standpunkt  vortrefflich  kenn- 
/.»irhnoi,  Nxolohoti  die  l>ipIoniaTio  Ludwiirs  XIV.  wälirend  der 
isM\»Nsion  Maohtontlahunj:  Krankrt  iohs  einnahm.  Es  konnte  nicht 
nunio  AufaraUo  ^oir,,  alle  Kiiden  auizudeiken  und  zu  verfolgen, 
duivh  wolehe  die  hier  ct^sohildene  Aeiion  mii  allen  übrigen 
y.eH^ONohieluH\  heu  V.^rirauo^r.  Äusainm^nhäuül :  ich  musste  dies 
emor  auf  eiuÄj^^heudtnu  l^u  eil  er- Studium  hejrnindeten  Geschichte 
*ler  Ixeporuuir  l.eojMlds  1.  iilHrl,M^Mn.  die  ja  doch  endlich  in 
Aujfrirt  ^euouuueu  wor^io«  uiusjs  ia  —  wenn  A.  Pribram  seinen 
K^N^SNou  AUMohiou  ir**«t>^u  WeiWn  kann  —  nicht  mehr  allzu- 
l«n^o  auf  sioh  >\  arten  la>s-on  winl 


\\\\  Wuuer   >\>u   It^^  auf  It^N.^   war  in  Deutschland   der 
^Mau\M>  au  eiue  Uujjvrx^  l^uer  d«>ts  FTienion^zustandes  mit  Frank- 
»>^ieh    NehxNu  >ehr  er>ehnttert.      M:t  irTv>>*om  Vertrauen   hatte  ja 
^'^^^h  Nu^u^au^)  den   AWehht^s^  dt>s   x^nrazi^ii^^duigen  Waffenstül- 
Maudoj*    >xxm    Uv     Au^j^f^^st    It^    au^^ni^mm^n,    derjenige    am 
>>euv^>toi^^  der  NS'h  au^,  n\o*tt".\  danir.i  K^mühi  hane:  der  grosse 
KuvUu^l    >x\u   U^\^v,dev,l>u)x      Ka^   hanx^   durch   den  W'affenstili- 
*l^U\l  deu  iK^jxjHolk^^e^j:  j:x>4ivr-  Frtv.kTo::c^4  und  die  THrkei  anter 
MU^uuM^i^eu  \  e\^^,^hv,>s>vv»  \*^n^^e:*5er,  ^r*d  eiiK^  Frist  gewinnen 
^^^'^U^^u,  um  sl\x^  U> '-^ehuix^^r.  v,v.t>^r  »ur.  deuts^chen  Mächten  zum 
i*>\\vke  dev  Wah^N^v^^^  xiev  Ke^K<::'iHro5!Är.  umxnppstdten.  Seine 
\  \^U^u\Jmv\\\v>;  u\^j  \V\x^-*it\^v)i  *ÄSeT  dx  rftTkeaihiho,  das  darauf 
t^^(vo>ud>^  U^lu>r/.;N^    ««t  s?.^*/,  Ka>>»er  >*-aren  der  Ausdruck  einer 
^\^^^^k,    d^e   er  >n^^>    *^v^  .Uhrvv>,r,w^r,  ak  dk  riohti«  erkannt, 
\lse  f^*^..uh4)\N  \\  ^)^^.^^,  ss\,v\  .5,r  v::v^rv:be  A>i>M:}ihiss  des  Friedens 
N\vu  ^\m^^^^*^^^    e,^^v,^V\-^   <vv,',AO>;t   V^ano..     Im  Sommer  1686 
*\n)Unu    ^v^\»,n^    S>^Me^>    ^N^y^v-Ä   ar,    .v-r  IVsT^aii  Ar  die  Wieder- 
>v\\\NS^\^\'v    d^.x    K,vv;*nnn^>  Tr-^rr.    .^^vk   da*  Kaiserhaus  in 
><vs\  Kv  \vi   .aVv       ^n?^  ^ar  »Ä  <Nr^*nrÄ,  ,-.as>  jk^ier  Erfolg,  der 
\Kv\*  H^-^vs-;,  n\a,nUn   sM'-.o  -iNNv    Vrry^iTTu:  fhr  LTidwic  XIV.  sein 
N\\\\\l%s  A^\  N^^'-^  r^.sL-v  ,\,\x  ,^H'^nvi>rc  K*n-)K->  lYrapensationen 

^Vv  sNi^>^v>i>>>^  \l>v:vv.y»t  ^;  lV«iÄ->.kn*i  machu-  ans 

[K^>^^vAvs5  .V,  >   iNsvi>#.-T.  ^arnals^  ^tts  Twilauf  gehetzten 

1^ 


Unter  diesen  Umständen  war  es  nicht  anders  zu  erwarten, 
als  dass  diejenigen  Reichstheile,  welche  von  einem  Einfalle  fran- 
zösischer Heere  zunächst  betroffen  werden  mussten,  an  die 
Vorbereitung  der  Gegenwehr  dachten.  Vom  Reichstage,  der 
die  Berathung  des  punctum  securitatis  wiederholt  auf  die  Tages- 
ordnung gesetzt,  die  endgiltige  Erledigung  desselben  aber  noch 
niemals  versucht  hatte,  war  nichts  zu  hoffen.  Die  Kreise  muss- 
ten  trachten,  sich  auf  dem  von  ihnen  schon  mehrmals  betretenen 
Wege  der  Association  und  gegenseitiger  Besitzstandsversiche- 
ningen  so  gut  als  mögUch  selbst  zu  helfen.  Sie  konnten  es 
auch  nicht  ausser  Acht  lassen,  sich  rechtzeitig  der  Hilfe  des 
Kaisers  und  anderer  Potentaten  zu  versichern,  wie  es  durch 
Waldecks  Vermittlung  1682  zu  Laxenburg  geschehen  war.  Im 
December  1G85  wurde  in  der  Versammlung  des  fränkischen 
Kreises  der  Wunsch  nach  Berathungen  und  Verabredimgen 
wegen  Erhaltung  des  Friedens  ausgesprochen.  Graf  Ludwig 
Gustav  von  Hohenlöhe-Schillingsft'u'st,  kaiserlicher  Gesandter 
beim  fränkischen  Kreise,^  machte  darüber  Mittheilungen  nach 
Wien  und  veranlasste  dadurch,  dass  am  7.  Jänner  1686  an  die 
Directoren  des  oberrheinischen  Kreises,  Fulda  und  Hessen- 
Kassel,  und  am  12.  d.  M.  an  Sachsen-Eisenach  und  Sachsen- 
Gotha  kaiserliche  Decrete  mit  der  Einladung  ergingen,  im 
Monate  Februar  Bevollmächtigte  nach  Nürnberg  zu  senden,  um 
sich  dort  an  den  vom  fränkischen  Kreise  gewünschten  Ver- 
handlungen zu  betheiligen.  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  man 
in  Wien  ernstlich  an  das  Zustandekommen  der  Versammlimg 
schon  im  Februar  geglaubt  hat;  der  kurze  Termin  weist  jedoch 
darauf  hin,  dass  man  die  Angelegenheit  mit  einer  gewissen 
Frische  zu  betreiben  entsdilossen  war.  Die  Zusage  der  ober- 
rheinischen Directoren  erfolgte  am  1.,  die  des  Herzogs  Friedrich 
von  Sachsen- Gotha  am  26.  Februar. 

Mittlerweile  hatte  Graf  Hohenlohe  unter  dem  13.  Febniar 
ein  von  ihm  ausgearbeitetes  Allianzproject  der  kaiserlichen  Re- 
gierung vorgelegt.  Er  ftihrt  darin  aus,  dass  die  Reichsconstitution 
und    die    Reichsexecutionsordnung    die    Stände    ohnehin    schon 

*  Iniliot-Koeller,  Notitia  proceruiu,  lib.  VIII,  cap.  V.  Ludwig  Gustav,  Sohn 
dos  katholisch  gewordoueu  Grafen  Georg  Friedrich,  war  geboren  8.  Juni 
1634,  in  erster  Ehe  mit  Gräfin  Marie  Eleonore  v.  Hatzfeld,  in  zweiter 
mit  Gräfin  Anna  Barbara  v.  Schnnborn  vermählt,  und  starb  21,  Fq«- 
bniar  1697. 


verpflichte,  sich  bei  Bedrohung  und  Verletzung  ihrer  Gebiete 
gegenseitig  Hilfe  zu  leisten;. es  handle  sich  demnach  zunächst 
nur  darum,  die  Specialcasus,  wann  die  Hilfe  geleistet  werden 
solle,  festzustellen.  In  der  gegenwärtigen  Lage  komme  es  vor 
Allem  darauf  an,  die  Grenzen  derart  mit  Truppen  zu  besetzen, 
dass  dieselben  bei  drohender  Gefahr  sofort  zusammengezogen 
werden  können.  Die  Mannschaft  muss  alljährlich  campiren  und 
inspicirt  werden.  Ein  General-Feldmarschall  sei  zu  erwählen, 
zu  verpflichten  und  zu  bezahlen,  eine  gemeinsame  Kasse  ein- 
zurichten, Magazine  müssten  in  Stand  gesetzt  werden.  Die  Ver- 
theidigungsmassregcln  hätten  sich  nach  den  Anordnungen  des 
zuerst  verletzten  Reichsstandes  zu  richten.  Die  von  den  Ver- 
bündeten ins  Feld  zu  stellende  Mannschaft  berechnet  Hohenlohe 
nach  dem  Fusse  des  sechzigsten  Mannes 

für  den  Kaiser 16.000  Mann 

„    Schweden  (nach  eigenem  Antrage)     .  10.000  „ 

„    Kurbayem  (ohne  das  Kreiscontingent)     8.000  „ 

„    Burgund  (Spanien) 6.000  „ 

„    den  fränkischen  Kreis 4.000  „ 

„    den  schwäbischen  Kreis 6.000  „ 

„    den  bayerischen  Kreis 2.000  „ 

den  oberrheinischen  Kreis  mit  Hessen- 


Kassel  4.000 


n 


„    die  fürstlich  sächsischen  Häuser     .     .     2.000      „ 

zusammen  mit  58.000  Mann. 

Die  Allianz  habe  so  lange  zu  dauern,  bis  punctum  securitatis 
in  Kegensburg  ausgemacht  ist.  Sämmtliche  Keichsstände  können 
zu  derselben  eingeladen  werden. 

Am  25.  Februar  wurde  dem  Grafen,  der  persönlich  mit 
den  kaiserlichen  Käthen  in  Wien  verhandelt  zu  haben  scheint, 
ein  Decret  zu  ,seiner  Abschickung  und  ferneren  Verrichtung' 
ausgestellt.  Er  wird  darin  beauftragt,  den  ausschreibenden 
Fürsten  und  Directoren  des  fränkischen  und  obeiTheinischen 
Kreises,  sowie  allen  übrigen  Fürsten,  für  welche  er  Creditive 
besitze  (Kurpfalz,  Bamberg,  Würzburg,  Bayreuth,  Anspach, 
Kassel,  Darmstadt,  Fulda,  Eichstädt,  Deutschmeister,  Kur-Trier, 
Köln,  Mainz),  zu  eröffnen:  Es  sclieine,  dass  die  Krone  Frank- 
reich gegen  Holland,  die  Schweiz,  absonderlich  die  Stadt  Basel, 
die    österreichischen   Vorlande,    Kostnitz    und   Kurpfalz,   Krieg 


^nhrcn  wolle.    Dagegen  musa.?  mau  sich  liei  Zeiteu  diirfh  recht- 
BcKaffene  Vereinbamng;  befpstigcn.  Dio  Pfal»  sei  am  meisten 
■bedroht.     Man   dürfe   auf  Seiten   der   Stände   mit   der  Hilfe- 
HuBtung  nicht  warten,  bis  kaiserliche  Truppen  ins  Reich  kommen, 
nrns  bei  wahrendem  Tllrkenkriege  ^anz  unmüglieh  sei,  sondern 
BlBflBse  die  vorhandenen  Mannschaften   sofort  gebrauchen,  Kost- 
ItUtz,   Itheinfelden,   Mannheim,   Frankfurt,   Philippsburg,   Mainz 
■■■  B.  w,  besetzen  und   dem  Kurfilreten  von  der  Pfalz  Hilfe  zur 
Bferfllgung  Btellen.    Da  man  über  Bayerns  Intentionen  noch  nicht 
^Qllig    aufgeklärt    sei,    so    könne    man  dem  Grafen    noch   keine 
deBnitire  Instruction  ertheilen,  er  solle  jedoch  hei  Fltrsten  und 
LStänden  das  Interesse  fiir  das  Bilndniss  befördern.    Wenn  das- 
selbe nicht  zu  Stande  kÄme,  müsste  sich  der  Kaiser  mit  einigen 
müchtigen  Kurfiirsten  und  Fürsten  des  Reiches  verbinden  und 
dann  zugeben,  dass  die  minderen  zu  Quartieren  und  Contribu- 
tioncn  herbeigezogen  werden.  Die  C red enzscb reiben  fllr  die  rheini- 
ftcben  Kurfiirsten  werden  dem  Grafen  nur  cventualiter  mitgegeben, 
denn  es  sei  nicht  rathsam,  dieselben  in  das  Ulindniss  nufznneh- 
piaeD,    da  Frankreich  dies   als  Feindsehgkeit  aufnehmen  könne. 
Nachdem  Ilohenlohe  diese  Instruction  und  dio  ihm  dnrch 
IJecret  vom  36.  Februar  angewiesenen  Reise  Vorschüsse  in  Em- 
■pfang   genommen   hatte,   trat   er   den  Rtlckweg   ins  Reich   an. 
Am  12,  März  meldete  er  aus  Nürnberg,    dass   der  Convent  da- 
selbst nicht  stattfinden  werde  und   dass  man  neuerliche  kaiscr- 
Kehe  Excitatoria  erwarte.     Bayern  wünsche  Augsburg  als  Ver- 
sammlangsort.    Zu  Ende  des  Monates  war  er  in  Frankfurt  am 
I      Main,  von  wo  er  ddo.  30.  d.  M.  über  die  Stimmung  in  ileidel 
■^erg  berichtete.    Der  franztisische  Gesandte  habe  den  Kurt\trsten 
^Hb«r  versichert,    er  hlitte   von    seinem  Könige   keine  ,TbätIich- 
^Hnff  zn  befilrchten,    dennoch   sehe  der  Knrfllrst  ein,   ,dftss  die 
^tlefahr  und  der  Schaden  augcnblickbch  zugleich  kommen  kann', 
upd    sei    entschlossen,    vom    fritnkischen    und    oberrheinischen 
Kreise  2000,  von  den  Lüneburgiscben  Häusern  und  Kurbayem 
etliche  hundert  Mann  als  Besatzungen  in  seine  Lande  zu  nehmen. 
Hobenlobe   erklärt,   er  sei   im  Begriffe,   sich  zn  den  drei  geist- 
lichen Kurfiirsten  zu  begeben,   werde  jedoch  auf  seiner  Rück- 
reise   nach    Augsburg    nochmals    in     Heidelberg    vorsprechen. 
Wodurch   man  sich  bestimmt  gesehen  bat,   die   gegenüber  den 
I     rheinbchcn  Hilfen  gebotene  Vorsicht,  welche  in  der  Instnicitoii 
^HSstn  25.  Februar  Ausdruck  fand,   ausser  Acht   zu  lassen,   ^^iH 


^mei 
H)e{ 


8 

aus  den  Acten  nicht  hervor.  Es  ist  möglich^  dass  die  letzten 
mlindlichen  Aufträge,  welche  Hohenlohe  in  Wien  entgegen- 
genommen hat,  ihm  grösseren  Spielraum  gewährten,  und  dass 
er  aus  den  bereits  gepflogenen  Besprechungen  mit  anderen 
Rcichsständen  die  Ueberzeugung  gewonnen  hat,  man  dürfe  die 
rheinischen  Höfe  nicht  ohne  Verständigung  lassen.  Es  ist  aber 
auch  nicht  ausgeschlossen,  dass  er  im  Eifer  ftlr  sein  Project 
etwas  weiter  gegangen  ist,  als  man  in  Wien  für  gut  fand;  min- 
destens hat  man  ihm  von  dieser  Seite  den  Vorwurf  gemacht, 
er  habe  das  Geheimniss,  in  welches  die  vorbereitenden  Schritte 
zu  der  neuen  gegen  Frankreich  gerichteten  Verbindung  gehüllt 
sein  sollten,  nicht  genügend  gewahrt. 

Ein  kaiserliches  Schreiben  an  Hohenlohe  vom  5.  April 
beginnt  mit  folgendem  nicht  sehr  gUmpf liehen  Tadel:  ,Wir 
mögen  Dir  gnädigst  hiermit  nicht  bergen,  dass  Wir  ganz  un- 
belicbig  vernehmen  müssen,  welchergestalt  jeniges  Projekt  zu 
einer  Bündnus  und  Zusammensetzung  des  franckischen  mit 
denen  benachbarten  Kreisen,  auch  fremden  Potenzen  zu  Ke- 
gensburg,  auch  anderwärts  also  unzeitig  ausgebrochen  und  diviü- 
girt  worden,  dass  es  bei  der  Krön  Frankreich  eine  ungemeine 
gelosia  erwecket  und  die  von  selber  bisher  vornehmende  ÜLriegs- 
zubereitung  allein  durch  diesen  Vorwand  bemäntelt  werden 
wollen.  Wann  nun  dieses  und  der  Franzosen  auf  denen  GrÄn- 
zen  hin  und  wieder  zusammenziehendes  Kriegsvolk  bei  des 
Kurflirsten  zu  Pfalz  Liebden  eine  sothane  billige  apprehension 
verursachet,  dass  uns  dieselbe  beweglichst  ersuchet.  Wir  ge- 
ruheten  der  Krön  Frankreich  alle  Veranlassung  zu  einem  ge- 
waltthätigen  An-  und  Überfall  zu  benehmen,  bevorab  da  die 
vorhabende  Zusammensetzung  zu  Nieraands  Beleidigung,  son- 
dern blos  zur  Rettung  und  Sicherheit  des  Teutschen  Vaterlandes 
abzielet,  und  bisher  noch  in  lauter  Weitläufigkeit  bewendet, 
woraus  kaum  sobald  ein  rechtes  compositum  zu  hoffen.  So  haben 
Wir  den  zu  diesem  Ende  auf  die  Bahn  gekommenen-  Vorschlag 
Uns  gnädigst  gefallen  lassen.^  Gleichzeitig  wurde  dem  Grafen 
mitgetheilt,  dass  ,die  Commission  hinsichtlich  der  neuen  Allianz 
bei  denen  am  Rheinstrom  benachbarten  Fürsten^  dem  Gouver- 
neur von  Philippsburg,  Maximilian  Johann  Graf  von  Starhem- 
berg,  übertragen  worden  sei. 

Hohenlohe  war  aber  mittlerweile  bereits  mit  den  rheini- 
schen   Kurflirsten    in    Verkehr    getreten.      Er    berichtete    am 


9 

13.  April  aus  Frankfurt  über  eine  Unterredung  mit  dem  Kur- 
fiirsten  von  Mainz,  der  ihn  sofort  über  die  Allianz  befragt  habe. 
Der  Kurflirst  erklärte,  er  wolle  sehen,  was  man  zu  Augsburg 
machen  würde,  hernach  werde  er.  sich  resolviren.  Als  er 
(Hohenlohe)  von  Köln  zurückgekommen,  ,haben  die  französi- 
schen Ministri  so  stark  dagegen  laboriii;,  dass  der  Kurftlrst  ganz 
irre  geworden  und  gesagt,  man  solle  abwarten,  bis  das  punctum 
securitatis  publicae  könnte  eingerichtet  werden'.  Bei  Kur-Köln 
gehe  Alles  auf  den  gleichen  Schlag,  Kur-Trier  habe  die  kaiser- 
liche Proposition  mit  Freuden  und  Consolation  angesehen. 

Auf  den  Vorwurf  der  Indiscretion   antwortete  Hohenlohe 
zuerst  am   20.  April   mit  der  Erklärung,    dass  er  das  Allianz- 
project  nur  dem  kurbayerischen  Gesandten  in  Regensburg  mit- 
getheilt  habe.     Die  Sache  war  aber  damit  nicht  abgethan,    da 
sie   in  Wien   noch   immer   weiter  verfolgt  wurde.     Sie   bildete 
den  Gegenstand  einer  Conferenzberathuug  am  22.  April.     Der 
darüber  an  den  Kaiser  gerichtete  Bericht  enthält  zunächst  eine 
Wiederholung   der  Meldungen  Hohenlohes    über   seine  Bespre- 
chungen  mit   den  ßeichsständen,    wobei   noch   die  Bemerkung 
gemacht  wird:   ,In  Regensburg   habe    der   von  Jena   des  Kur- 
fiirsten  von  Brandenburg  tägUch  zunehmeixde  Devotion  zu  kai- 
serlicher Majestät  treffUch  contestirt  und  erinnert,  dass  die  katho- 
lischen Eidgenossen   der  AlUanz   beizutreten   bewogen   werden 
mögen,  denn  die  protestireudc  wolle  der  Kurfürst  zu  disponiren 
suchen.'     Die   geheimen   Conferenzräthe    Graf  Königseck    und 
Graf  Strattmann   gaben   ihr  Votum   dahin  ab,   die  kaiserlichen 
Excitationes  seien  abzusenden,  und  zwar  mit  der  Bestimmung, 
dass  die  Zusammenkunft  in  Augsburg  am  24.  Mai  oder  8.  Juni 
stattzufinden  habe.    Das  Ausschreiben  sei  mit-  Behutsamkeit  zu 
verfassen,    ,damit  es  bei  der  Krön  PVankreich   nicht   pro  novo 
classico  cantu  aufgenommen  werden   könne'.     Hohenlohe   aber 
sei  anzuweisen,  sich  in  dieser  delicaten  Sache  mit  gebührender 
£ehutsamkeit    zu    verhalten,    ,masscn    seine    des    Grafen    von 
Hohenlohe    zu    Regensburg   vorher   gebrauchte   Vertraulichkeit 
kündlicher    Massen    misbraucht    und    in    lauter    (^ift    verkehrt 
worden.    Es  blieben  zwar  des  von  Jena  gethane  contestationes 
dahingestellet,    ob   sie   aus  rechtschaffenem  Gemüt  candide  ge- 
meint  seien   oder   nicht;  jedennoch   aber   würde  Er  Graf  von 
Hohenlohe   inskünftig   sich    besser   vorsehen    müssen,    ehe    und 
bevor  er  sich  einem  Jeden  also  eröfftic  und  biosgebe,  gestalten 


10 

sein  abgefasstes  Allianzproject  noch  vor  seiner  Abreise  dahier 
dem  kurbrandenburg.  Gesandten  von  Schmettau  ganz  intem- 
petive  zu  Händen  gekommen,  dem  Jena  communicieret  und 
durch  diesen  dem  Verius  ^  wiederum  beigebracht  worden,  wel- 
cher seine  glossulas  cavillatorias  et  ludibria  darüber  nicht  ge- 
spart/ Die  deputirten  Rilthe  beantragten,  dem  Grafen  ftir  den 
Augsburger  Tag  noch  besondere  Instructionen  zu  ertheilen  und 
ihm  den  Reichshofrath  Sailer  an  die  Seite  zu  geben.  Die  Ab- 
sichten des  Kaisers  seien  dem  in  Wien  anwesenden  spanischen 
Botschafter,  dem  Grafen  von  Mansfeld  in  Spanien,  dem  Grafen 
von  Windischgräz  in  Kcgensburg,  dem  Grafen  von  Nostiz  in 
Schweden,  dem  Grafen  Clary  in  Dresden,  dem  Baron  von 
Fridag  für  Berlin  und  die  fürstlichen  Häuser  Lüneburg  bekannt- 
zugeben, umsomehr,  als  sie  den  geistlichen  Kurfllrsten  schon 
,erinnert^  worden.  Es  sei  die  Frage  aufgeworfen  worden,  ob 
der  fränkische  Kreis,  von  welchem  Pfalz  nur  500  Mann  be- 
gehre, nicht  ein  paar  tausend  Mann  nach  Ungarn  senden  könne. 
Dagegen  habe  Kur-Trier  geltend  gemacht,  da  Brandenburg  und 
Sachsen  so  ansehnliche  Hilfe  wider  den  Erbfeind  stellen,  möge 
man  die  fränkischen  Völker  zur  Sicherung  des  Rheins  und  der 
Feste  Ehrenbreitstein  verwenden. 

Bemerkenswerth  ist  in  den  Ausführungen  der  Herren  Con- 
ferenzräthe  das  Misstrauen  gegen  die  brandenburgischen  Diplo- 
maten. Die  Haltung  Jenas  in  Regensburg  dürfte  noch  keine 
der  kaiserlichen  Politik  ganz  freundliche  gewesen  sein,  denn 
Jena  konnte  nicht  wissen,  dass  der  Abschluss  des  branden- 
burgisch-österreichischen Bündnisses  in  naher  Aussicht  stand. 
Gerade  in  den  Tagen,  in  welchen  Graf  Hohenlohe  sein  Allianz- 
project an  den  fränkischen  und  rheinischen  Höfen  empfahl, 
setzte  Baron  Fridag  in  Berlin  das  verhängnissvolle  Intriguen- 
spiel  wegen  des  Schwiebusscr  Kreises  in  Scene;  am  22.  März 
erst  wurde  der  neue  Vortrag  mit  dem  Kaiser  von  Friedrich 
Wilhelm  unterzeichnet;  ei'st  am  18.  Mai  erfolgte  die  Ratification 
in  Wien. 

Graf  Hohenlohe  rechtfertigte  sich  in  freimüthiger  Weise 
hinsichtlich  der  ihm  vorgeworfenen  Unvorsichtigkeit  im  Verkehre 
mit  fremden  Diplomaten.   Den  kurbrandenburgischen  Residenten 


*  Ludwig;  Verjufl,  Graf  von  Crecy,  königlich  französischer  Gesandter  beim 
Reichstage  in  Regensburg. 


11 

von  Schmettau,  schrieb  er  am  11.  Mai  aus  Frankfurt,  kenne 
er  nicht,  er  habe  auch  sein  Lebtag  keine  Correspondcnz  mit 
ihm  gepflogen.  Mit  Jena  habe  er  sich  in  Regensburg  nicht 
mehr  herausgelassen,  als  zu  dessen  Information  unumgänglicli 
nothwendig  war.  Brandenburg* müsse  übrigens  Alles,  was  dem 
fränkischen  Kreise  mitgetheilt  wird,  durch  die  beiden  branden- 
burgischen Häuser  erfahren.  Er  habe  sich  gar  nicht  bioss- 
gegeben, sondern  zu  präcaviren  gesucht,  damit  nicht  wieder  von 
diesem,  gleich  von  dem  vorigen  Laxenburger  Allianzwerk  un- 
gleiche und  schädliche  Gedanken  entspringen  mögen.  Uebrigens 
richte  die  allzugrosse  Behutsamkeit  in  dergleichen  ,publiquen 
Affairen',  welche,  weil  sie  durch  ganze  Kreise  gehen,  vorhin 
nicht  allzuwohl  verborgen  bleiben  können,  bisweilen  mehr 
Schaden  und  Diffidenz  als  Nutzen  an,  was  man  bei  Aufrichtung 
des  vorigen  Bündnisses  genugsam  gesehen  habe. 

Die  letzte  Instruction  für  die  Augsburger  Verhandlungen 
wurde  am  21.  Mai  an  Hohenlohe  und  Johann  Friedrich  von 
Seilern  ^  erlassen.  *  In  derselben  wird  zunächst  auf  die  NützHch- 
keit  des  Laxenburger  Recesses  hingewiesen.  Da  derselbe  nun- 
mehr ,exspirirt'  sei,  solle  auf  dem  Augsburger  Congress  eine 
neue  Verbindung  geschaffen  werden,  als  deren  Zweck  ,Schutz 
der  Reichsstände  gegen  unverhofften  Ueberfall  und  Vergewalti- 
gung^, Wahrung  des  westphälischen  und  Nymweger  Friedens, 
sowie  des  Waffenstillstandes  mit  Frankreich  bezeichnet  wird. 
Oesterreich  bietet  zu  dieser  Sicherung  des  Reiches  trotz  des 
Türkenkrieges  16.000  Mann.  Die  übrigen  Conditionen  könnten 
nach  dem  Laxenburger  Recess  oder  nach  dem  Hohenlohe'schen 
Project  eingerichtet  werden.  Spanien  und  Schweden  sollen  in 
den  Tractat  eingeschlossen  oder  ihnen  wenigstens  der  Beitritt 
offengelassen  werden.  Die  Candidatur  des  Markgrafen  Christian 
Ernst  von  Bayreuth  als  General  der  Cavallerie  für  die  Kreis- 
völker sei  zu  unterstützen.  Der  Kurfürst  von  Bayern  habe 
ursprünghch  geglaubt,    der  Kaiser  wolle  ihm  die  Direction  bei 


*  £b  kann  nur  Johann  Friedrich  I.  gemeint  sein,  der  1675  aus  der  Pfalz, 
wo  er  am  Hofe  des  Kurfürsten  Karl  Ludwig-  eine  hervorragende  Stellung 
eingenommen  hatte,  nach  Wien  gekommen  und  von  der  reformirten  zur 
katholischen  Religion  übergetreten  war.  Am  28.  October  1G84  war  er 
in  den  Rcichsritterstand  erhoben  worden,  wurde  1693  Freiherr,  1713 
sammt  seinem  Neffen  und  Adoptivsöhne  Johann  Friedrich  II.,  der  1675 
geboren  ist,  Reichsgraf. 


12 

dem  Augsburger  Convent  zuweisen,  es  wurde  ihm  jedoch  bei 
seiner  Anwesenheit  in  Wien  erklärt^  dass  dies  wegen  der  iin- 
katholischen  Stände  nicht  angehe. 

Am  14.  Juni  meldeten  Hohenlohe  und  Seilern  ihre  Ankunft 
in  Augsburg  und  übersendeten  die  Copie  der  Instruction,  welche 
die  Gesandten  des  fränkischen  Kreises  mitgebracht  hatten.  Am 
21.  Juni  war  bereits  die  Mehrzahl  der  Abgeordneten  in  Augs- 
burg versammelt.  Ihre  Stimmung  wird  als  eine  sehr  günstige 
bezeichnet.  Schwierigkeiten  seien  nicht  zu  erwarten.  Bald 
stellte  es  sich  jedoch  heraus,  dass  die  Gesandten  des  schwäbi- 
schen Kreises  sich  in  nichts  Weiteres,  als  in  die  Erneuerung 
des  bestehenden  Bündnisses  einlassen  und  keinen  Zusatz  zu- 
gestehen wollten,  welcher  darauf  hindeute,  wen  die  Allianz  in 
oder  ausserhalb  des  Reiches  angehe.  Auch  die  kurfürstlich 
bayerischen  Räthe  in  München  (der  Kurfürst  war  bei  der  Armee 
in  Ungarn)  trugen  Bedenken,  die  Bayern  zugemutheten  Lasten 
bedingungslos  auf  sich  zu  nehmen.  Schweden  war  nicht  in  der 
Lage,  eine  bestimmte  Truppenzahl  zu  nennen.  Salzburg  hatte 
schon  am  9.  Mai  erklärt,  es  könne  sich  an  der  Allianz  und 
also  auch  an  dem  Augsburger  Tage  nicht  betheiligen,  da  es 
alle  seine  Kräfte  für  die  Hilfe  gegen  die  Türken  aufgewen- 
det habe. 

Trotzdem  kam  der  AUianztractat  in  unerwartet  kurzer  Zeit 
zu  Stande.  Er  wurde  am  9.  Juli  von  den  Gesandten  des  Kai- 
sers, der  Krone  Spanien  (für  den  burgundischen  Ki'eis),  Schwe- 
dens, Bayerns  und  des  bayerischen  Kreises,  des  fränkischen 
Kreises  und  der  sächsischen  Herzoge  unterzeichnet.^  Ein  von 
demselben  Tage  datirter  Nachtragstractat  enthält  die  Erklärung 
von  Kurpfalz,  der  gegenwärtigen  Bundeseinigimg  demnächst 
beizutreten,  und  Bestimmungen  über  die  Vertheilung  der  Be- 
satzungstruppen, welche  Pfalz  zur  Verfügung  gestellt  werden 
sollten.  Am  17.  Juli  meldeten  die  oberrheinischen  Kreisstände, 
deren  Verpflichtung  im  Tractate  bereits  ausgesprochen  war, 
ihren  Beitritt-,  am  6.  August  konnte  Seilern  aus  Heidelberg 
melden,  dass  Kurpfalz  sich  der  Allianz  anschliessen  und  1000 
Mann'  zu  Fuss  und  400  zu  Pferd  dazu  stellen  wolle.  Der  In- 
halt des  Tractates  wich  von  dem  Hohenlohe'schen  Projecte  nicht 

*  Der  Abdruck  bei  Lünig,  Reichsarchiv,  p.  Spec.  1,  p.  337  u.  s.  f.  entspriclit 
dem  im  Wiener  Staatsarchiv  erliegenden  Originaldocument. 


13 

wesentlich  ab.  Von  Wichtigkeit  war  die  Bestimmung  im 
Punkte  in,  dass  die  Hilfe  schon  bei  drohender  »Gefahr  und 
nicht  erst  nach  erfolgtem  Ueberfalle  geleistet  werden  müsse. 
War  der  Angriff  auf  einen  der  Bundesverwandten  schon  in 
Ausflihrung  gekommen,  so  musste  der  Friedensstörer  von  Bundes 
wegen  abgemahnt  und  eine  Bundesversammlung  zur  Berathung 
der  einzuleitenden  Schritte  einberufen  werden.  Die  Stelle  eines 
Höchstcommandirenden  des  Bundesheeres  wurde  nicht  definitiv 
besetzt.  Es  heisst  nämlich  im  Punkte  IX:  ,So  hat  man  von 
Seiten  gesammter  höchst-  und  hoher  Bundes -Verwandten  dafür 
gehalten,  dass  förderist  auf  Ihro  kurftirstl.  Durchl.  zu  Bayern, 
sowohl  wegen  verschiedener  anderer  hohen  Considerationen,  als 
ftlmemlich  wegen  dero  in  so  vielen  Gelegenheiten  dem  Rom. 
Reich  und  gemeiner  Christenheit  zum  besten  bereits  erwiesenen 
und  noch  gegenwärtig  erweisenden  Helden-Muths,  zu  reflec- 
tiren,  annebenst  aber  Ihro  HochftLrstl.  Gnaden  zu  Waldeck 
zum  General-Feldmarschall,  Ihr.  Hochf.  Durchl.  zu  Branden- 
burg-Bayreut  zum  General  von  der  Cavallerie,  und  zum  General- 
Wachtmeister  zu  Fuss  den  General- Wachtmeister  Hans  Karl 
von  Thtingen  .  .  .  von  nun  an  benennet.^  Die  Unterscheidung 
zwischen  ,reflectiren^  und  ,benennen^  war,  wie  sich  aus  dem 
Folgenden  ergeben  wird,  keine  blos  stilistische  Abwechselung, 
sondern  eine  absichtliche  und  bedeutungsvolle. 

Wenn  auch  Herr  Johann  Rudolf  Wämpel  ftlr  Kurbayem 
und  den  bayerischen  Kreis  den  Tractat  unterzeichnet  hatte,  so 
war  die  Mitwirkung  des  Kurflli'sten  doch  noch  nicht  als  gesichert 
zu  betrachten.  Max  Emanuel  schrieb  am  7.  Juli  aus  dem  Lager 
von  Ofen  an  den  Kaiser,  er  wolle  die  ihm  auferlegten  8000  Mann 
nur  stellen,  wenn  der  Kaiser  den  Subsidienvertrag  von  1683, 
welcher  in  1  Yj  Jahren  ausgehe,  auf  die  drei  Jahre,  fllr  welche 
das  Augsburger  Bündniss  aufgerichtet  ist,  verlängere;  auch  er- 
warte er  zuversichtlich,  dass  ihm  das  Generalat  übertragen 
werde.  Für  diese  Zugeständnisse  waren  jedoch  die  geheimen 
Räthe  in  Wien  nicht  eingenommen.  Die  Conferenz  erstattete 
am  22.  Juli  ein  Referat  an  den  Kaiser,  welches  sich  ausschliess- 
lich mit  der  neuen  Allianz  beschäftigte.  Sie  sprach  zunächst 
die  Meinung  aus,  man  solle  sich  um  den  Beitritt  auswärtiger 
Mächte  nicht  weiter  bewerben.  Der  spanische  Gesandte  habe 
selbst  vermeint,  dass  man  das  Allianzwerk  nicht  durch  das 
jedenfalls  fruchtlose  Bemühen  stören  solle,  die  ausser  dem  Reiche 


14 

gelegenen  Lande  Spanien,  Schweden  und  die  Generalstaaten 
einzuschliessen.  Der  Minister  der  Generalstaaten  sei  einige 
Tage  vor  dem  Abschlüsse  nach  Augsburg  gekommen,  habe  je- 
doch die  Inclusion  nicht  begehrt.  Er  sei  nur  über  Anregung 
des  Grafen  Windischgrätz  für  seine  Person  und  ohne  Befehl 
seiner  Principale  nach  Augsburg  gereist.  Der  Herzog  von 
Holstein-Gottorp  (der  sich  damals  wieder  neuen  Bedrückungen 
durch  Dänemark  ausgesetzt  sah)  habe  um  Aufnahme  in  den 
Tractat  und  Zusicherung  des  Status  anni  1675  angesucht,  wor- 
auf ihm  schriftlich  geantwortet  wiu*de,  ,dass,  wie  man  sich  aller- 
seits des  §.17  des  aufgerichteten  Recesses  (durch  welchen  die 
Aufnahme  neuer  Bundesmitglieder  dem  Kaiser  eingeräumt  wurde) 
erinnerte,  also  zweifele  man  nicht,  der  Herzog  werde  sich  be- 
lieben lassen,  sich  bei  kais.  Majestät  darunter  weiter  aller- 
unterthänigst  anzumelden  und  zugleich  gegen  dieselbe,  wie  auch 
bei  dem  zu  Nürnberg  bevorstehenden  franckischen  Kreis  Convent 
gegen  selbige  und  andere  sich  vermuthHch  dort  einfindende 
Gesandtschaften  und  Alliirten  ratione  quanti  et  reliquorum  prae- 
standorum  in  specie  zu  erklären.^  Die  Gesandten  des  schwäbi- 
schen Kreises  meinen,  wenn  nur  noch  einige  mächtige  Reichs- 
stände beitreten,  so  werden  sie  gewiss  nicht  die  letzten  sein. 
Wegen  der  kurbayerischen  Forderungen  sei  zu  erinnern,  wie 
beschwerlich  das  bayerische  Generalat  im  schwedischen  Kriege 
gefallen  sei,  sowie,  dass  der  Kaiser  durch  Erhaltung  eines 
Corps  von  16.000  Mann  aus  eigenen  Mitteln  ohnehin  das  Meiste 
leiste.  Man  solle  bedauern,  dass  des  Kurfürsten  Schreiben  erst 
zwei  Tage  nach  Unterfertigung  der  Tractate  angelangt  sei, 
und  dem  Kurfürsten  bedeuten,  dass  bei  seiner  Anwesenheit  in 
Wien  noch  über  ein  und  anderes  weitläufiger  conferirt  werden 
könne.  ,Was  Holstein-Gottorp  anlangt,  ist  die  gehorsamste  De- 
putation der  Meinung,  dass  nachdem  E.  kais.  Majestät  vermöge 
art.  secreti  des  mit  Schweden  habenden  Tractates  (vom  12.  Oc- 
tober  1682,  Art.  XDt)  verbunden  sein,  dem  Herzoge  zu  dem 
Seinigen  zu  verhelfen,  man  diesseits  keine  Difficultät  zu  machen 
habe,  ihn  in  diesen  Tractat  einzunehmen,  sondern  es  sogar  gut 
sein  würde,  dass  Sie  durch  mehrere  Reichsstände  dazu  autori- 
sirt  würden.^ 

Die  Ansicht  der  deputirten  Räthe  über  das  Gedeihen  des 
Bundes  war  damals  eine  äusserst  günstige;  man  rechnete  schon 
auf  den   Beitritt  Sachsens  und  Brandenburgs,   da   es   in   dem 


15 

Referate  schliesslich  heisst:  , Weilen  auch  die  KurfUrsten  zu 
Sachsen  und  Brandenburg  bisher  diese  Augsburgische  Versamm- 
lung und  die  dabei  gehabte  Intention  nicht  zu  improbiren,  son- 
dern vielmehr  im  guten  Ausgang  zu  wünschen  gezeigt,  so 
könnte  denenselben  gleichfalls,  respective  durch  den  Grafen 
Clary  und  Baron  Freytag  (Fridag)  davon  eine  Abschrift  eom- 
municirt  und  Sie  beide  zu  gleichmässiger  Accession  eingeladen, 
insonderheit  aber  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  für  die  in 
Beförderung  dieses  Werkes  namens  der  Anspachischen  Pupillen 
beigetragenen  officia  E.  kais.  Majestät  aggradiment  durch  den 
Baron  Frey  tag  gezeigt  werden/ 

Am  24.  August  lief  die  Ratification  des  Recesses  durch 
den  oberrheinischen  Kreis  und  die  westerwaldischen  Stände, 
durch  Spanien  und  Bayern  ein;  am  26.  August  erklärte  sich 
der  fränkische  Kreisconvent  zu  Nürnberg  bereit,  die  Hilfe  für 
Pfalz  auch  an  das  Hnke  Rheinufer  marschiren  zu  lassen,  die 
Accession  von  Pfalz  und  Holstein  anzunehmen;  das  Hochstift 
Würzburg,  welches  sich  in  Uneinigkeit  mit  dem  Kreise  befand 
und  sich  von  ihm  getrennt  hatte,  wollte  zu  Zwecken  der 
Allianz  ein  Regiment  errichten.  Vom  September  ab  ging  die 
Angelegenheit  jedoch  entschieden  rückwärts.  Schweden  kam 
(18.  September)  mit  der  Erklärung,  es  könne  sich  vorläufig  auf 
nichts  weiter  als  auf  seine  Matrikularb  ei  träge  einlassen.  Max 
Emanuel  von  Bayern  verlangte  (23.  September)  neuerdings  eine 
kaiserliche  Resolution  wegen  der  Subsidien.  Am  30.  October 
berichtete  der  österreichische  Principalgesandte  am  Reichstage, 
Graf  Windischgrätz,  es  seien  Abgeordnete  der  Stadt  Nürnberg 
bei  ihm  gewesen,  welche  ihrem  Befremden  darüber  Ausdruck 
gegeben  hätten,  dass  man  wegen  ,Vollendung  der  Augsburgi- 
schen Allianz'  weder  Kreistage  noch  andere  Zusammenkünfte 
veranlasse.  ,Inmittel8t  brächten  die  Widrige  sowohl  dem  fi'än- 
kischen  als  schwäbischen  Kreise  sorgliche  Gedanken  bei,  als 
ob  das  ganze  Werk,  nur  in  selbigen  Gegenden  Quartier  zu 
machen,  angesehen,  welches  er  (Windischgrätz)  ihnen  aber 
multis  rationibus  zu  benehmen  gesucht'  Der  Kreisconvent  zu 
Nürnberg,  der  endlich  im  November  zusammentrat,  wollte  auch 
keinen  Fortgang  nehmen,  es  hatten  sich  dabei  Schwierigkeiten 
•wegen  der  Kasse  ergeben,  ein  Uebelstand,  der  sich  wohl  bei 
sämmtlichen  Reichsständen  wiederholte.  Die  Anschauungen  der 
kaiserlichen   Regierung   über   die  Allianzangelegenheit  sind   in 


16 

einem  ConfereuzprotokoUe  wiedergegeben,  welches  ohne  Zweifel 
aus  dem  Ende  des  Jahres  1686  stammt,  obwohl  eine  genauere 
Datirung  desselben  mangelt.  Es  trägt  die  Ueberschrift  ,Augs- 
burger  Allianz  1686^  und  enthält  auf  pag.  16  u.  s.  f.  nach  Wieder- 
holung der  uns  schon  bekannten  Vorgänge  und  Aeusserungen 
folgendes  Schlussvotum : 

,Dieses  alles  haben  Ew.  kais,  Maj.  geheime  Bäthe  der 
Graf  von  Königsegg  und  Graf  von  Stratman  in  einer  den  27.  ver- 
wichenen  Monaths  gehaltenen  Conferentz  reiflich  erwogen  und 
wahrgenommen,  dass  die  ausgspurger  alliantz  fast  mehr  zurück 
als  vor  sich  gehet  in  betracht  nicht  allein  der  Cardinal  von 
Saltzburg  nun  zum  zweitenmal  sich  beschuldiget  dabey  zu  con- 
curriren  sondern  auch  der  Churftlrst  von  Bayern  dieselbe  nicht 
änderst  ratilicieren  will  es  sey  dan,  dass  ihm  das  Generalat 
über  die  Armee  aufgetragen  und  die  Subsidia  von  Ew.  kais. 
Mt.  continuirt  werden,  annebenst  auch  der  König  in  Schweden 
darzu  änderst  nicht  als  wegen  seiner  in  dem  Reich  gelegenen 
Landen  und  auf  den  Fuss  seinen  matricular  anschlags  beyzu- 
treten  willens,  und  sich  sonst  ratione  cassae  und  anderer 
Puncten  noch  so  \nel  schwerigkeiten  anzeigen.  Ob  bey  solcher 
bewandtnuss  das  mittel  umb  solcher  zum  Stand  und  perfection 
zu  bringen  seyn,  eine  newe  Crays  Versamblung  von  Ew.  kais. 
Maj.  aus,  wie  der  Graf  von  Hohenlohe  vermeinet,  zu  veran- 
lassen, da  stehet  die  gehorsamste  Deputation  darumb  an,  weilen 
dadurch  nur  newr  praetextcn  AnfUnge  gegeben  und  doch  in 
dem  Werk  selbst  nicht  viel  gerichtet  werden  würde.  Sie  ist 
vielmehr  der  gehorsamsten  Meinung,  dass  man  vorher  ein  wenig 
klarer  in  der  sach  sehen  müsste,  und  zu  erwarten  hette,  was 
Spanien,  Schweden,  Holland,  Bayern,  Sachsen,  Brandenburg 
und  Lüneburg  zu  thun  gesinnet  wären,  damit  man  nicht  um- 
sonst newen  Allarm  mache  und  sich  newen  Unkosten  und  Zeit- 
verlierung  unnützlich  exponiere,  inmittels  jetzt  gleichwohl  der 
Graf  von  Hohenlohe  die  willige  Stände  in  guter  Neigung  und 
Disposition,  auch  das  Allianzwerk  in  dem  Stand,  wo  es  an  itzo 
ist,  zu  erhalten  und  den  fränk.  Creys  Stand  Ew.  kayl.  Maj. 
gnädigst  Wohlgefallen  ob  derenselben  letzt  gefassten  Schluss, 
dass  sie  nemlich  in  allen  Pimcten  den  Tractat  ratificieren,  zu 
bezeugen  und  dahin  auszutragen,  dass  wan  schon  die  gesammte 
Alliirte  nicht  so  bald  zusammenkommen  möchten,  etwan  die 
franckische    Stande    inmittelst    die    noch    ausgestellt    bleibende 


Itiinct«.  unter  sich  zur  Richtigkeit  bringen  mächten  bei  deren 
g^eotorio  sieb  dann  nuch  die  Alliirte  vernehmen  laaeen  könnten/ 
Die  Oogner  der  Allianz  waren  selbstversUlndlieh  die  fran- 
llcösiBcIien  Diplomaten  in  Deutschland  und  die  von  ihnen  beein- 
^ussten  Reichsstände.  Dass  die  ersteren  von  dem  Beginne  der 
IVerhandlungen  an  über  dieselben  nnterriclitet  waren,  ist  aus 
Mem  bereits  Mitgetheilten  sehr  beetimmt  hervorgegangen.  Das 
Schreiben  des  franzüsischen  Bevollmächtigten  beim  Reiehatage 
in  Regensburg  an  den  schwedischen  Gesandten  von  Snoilsky, 
weiches  ich  in  der  Beilage  veröffentliche,  gibt  genügenden  Be- 
weis dafttr,  dass  Frankreicli  schon  vor  dem  Abschlüsse  des 
Angsburger  Bündnisses  über  die  Bedeutung  desselben  sehr  gut 
nnterrichtet  war  und  keine  Mittel  gescheut  hat,  den  Theil- 
nehmem  desselben  die  Freude  daran  grtlndlich  zu  verderben,' 
Aach  auf  publicistischem  Wege  wurde  gegen  die  neue  Allianz 
flgitirt,  und  zwar  in  den  ,ConBideration8  sur  la  Ligiio  d'Augs- 
bom^'  (citirt  in  den  ,Letti'ee  historiquee,  Mars  1692')  und  in  den 
jLdttres  d'un  bourgeois  de  Cologne',  deren  mir  fünf  bekannt 
geworden  sind.'  Es  ist  mehr  Hohn  als  ernstliche  Beunruhigung 
:  allen  diesen  Aeussemngen  zu  entnehmen;  wo  letztere  be- 
iDnt  wird,  geschieht  dies  nur,  weil  Frankreich  jeden  Vor- 
trand  ergriff,  um  seine  eigenen  starken  Rüstungen  begründen 
i  können. 

Es  mag  sein,  dass  es  manchen  Reichspoütikern  unzweck- 
äSig  erschien,  durch  neuerliehe  Berathungon  über  das  Bund- 
,  daa  ja  nichts  Anderes  als  die  dringendsten  Vertheidigungs- 
Bstalten  gegen  Frankreich  einzuleiten  versuuhte,  diese  gefährliche 
icht  KU  reizen;  der  Hauptgrund,  dass  es  auch  mit  dieser 
wie  mit  allen  die  Reichsdefonsion  betreffenden  Anstalten 
iBiobt  vorwärts  geben  wollte,  war  der  Mangel  an  Opferwillig- 
*'keit,  die  Leere  der  Gasse,  für  die  Niemand  sorgen  wollte,  und 
diesmal  insbesondere  die  kühle  Zurückhaltung  Bayerns,  das  ja 
mit  seiner  Bundcsleistung  allen  Anderen  vorangehen  sollte.' 
Das  letzte  Actenstück  des  Wiener  ätaatsarchivs,   welches  aus- 


>  Uan  vergleiche  Pufendorf,  Bw.  Braailenbiuy.,  lib.  XIX,  g§.  32,  33. 
'  Simmtlich  gednickt:  .Cologne,  chee  Pierre  Marteau,  I6Ö6.' 
'  Ueber  die  BamlUinngen  Frankreichs,  den  KiirfUrBten  toh  Hnyeni  von  der 
Terbindang  mit  dem  Kaiser  lositiilaBen.  fiodon  sieb  worthvolle  Mittbeilun- 
gen  in  den  ,Hemoirea  du  Dnc  de  Villars',  der  moh  seit  1685  in  iler  Unt- 
gebang  Max  Einaaneli  behad, 

Bi.  Lnvi.  1.  niKip  1 


I 


Bchliesslich   über   die   Angsburger  Allianz   handelt,   beweist   es 
aufa  Deutlichste.     Es   ist   diea   das   Protokoll   einer  Conferenü, 
welche    von  Kflnigseck    und    Strattmanu    mit    dem    bayriechen 
Minister  Freiherrn  von  Berckheim  am  17.  Janner  1687  in  Wien 
gehalten  wurde.    Eönigseck  erwähnt  der  Bereitwilligkeit  einig 
wolJgesinnten  FUreten  und  Stitnde,  flir  die  Sicherhoit  des  Reichäi 
Vorkehrungen  zu  treffen,  sowie  der  Angriffe,  welche  die  dam 
hervorgegangenen    Bemühungen   von   8eite   der   Krone  ] 
peichs  erfahren   haben.     Es  würde  den  Bundes  verwandten  i 
dem  gesammten  römischen  Reiche  zu  unausltischlichem  Schim 
und  Schaden  gereichen,  wenn  man  sich  durch  die  fronsCsisol 
Drohung  abschrecken   und   das   heilsame  Werk   ganz   erliegM 
lassen   sollte.     Der  Kaiser  rechne  daher  zuversichtlich   darauf! 
der  Kurfürst    werde  es  an   seiner  RatiBcation   nicht  ,erwinde9 
lassen,  und  erwarte  von  Berckheim  authentische  Aufklärnngtj 
über  die  Gedanken  und  Intentionen  seines  Herrn  in  Ansehu] 
der  gegenwärtigen  Zustünde.     Berckheim   erwiderte,   der  Kai 
fürst  würde  wie  bislier  auch    künftig  Alles    beitragen, 
Ihrer  kaiserlichen  Majestät  Diensten  vorträglich  erachtet  werdoj 
mfichte,   und  sich  davon  durch  französische  Bedrohung,   ob  ( 
zwar    derselben    fast   um   nächsten    exponirt    wäre,    nicht   oIk  J 
schrecken  lassen.     Er  wisse  auch  nichts  Anderem,  als  dass  < 
Kurfürst  das  Allianzwesen   approbire  und  dem  Iteiche  vortrj^ 
lieh   hielt;   gleichwie   er  sich   aber   erinnere,   dass  Seine   kuj 
Durchlaucht  noch  vor  ihrer  Zurlickkunft  aus  dem  Lager  Dir* 
kais.  Majestät  deshalb  zugeschrieben,  darauf  aber  die  Resolution 
nicht  erhalten,  so  würde  Seine  kurf.  Durchlaucht  dieselbe  vor- 
hin   erwarten    and    sich    alsdann    ferner   herauslassen    können, 
allermaassen  er  auch  die  Nachricht  habe,    dass  zwar  der  Sei 
Graf  von  Thun   in   seiner  jüngsten  Audienz  beim  KurfUrste 
Anregung  gctlian,  dass  die  Allianz  (zwischen  Bayern  und  A&A 
Kaber)  bald  zu  Ende  gehen  und  Ihrer  knis.  Majestät  schwdr^ 
fallen  würde,   die  Subsidicn  länger  zu  continuiren,   worauf  dar  J 
Kurfürst  geantwortet  hätte,   dass   er   aus   eigenen  Kräften 
bisherige   Last   unmöghch    allein    würde   ertragen    können, 
Uebrigen  aber  sich  weiter  nicht  herausgelaason  in  der  Meinui 
dass  man  mit  ihm,  Berckheim,  allhier  weiter  darüber  spreche 
und   die   kaiserliche  Resolution    über  des  Kurfürsten  Schreibei 
orOSnen  werde.     Auf  einer  mündlichen   udur  sdirifUichon  1 
theilung  derselben  müsse  er  dalicr  bestttbeii. 


19 

Conclxisum:  Weil  aus  der  Antwort  al)ziinehraen,  dass  Ihre 
kurf.  Durchlaucht  auf  die  Continuatiou  der  Subsidien  antrage 
und  vor  deren  Feststellung  schwerlich  den  Tractat  ratifi'ciren 
werde,  Sr.  kais.  Majestät  Deputirte  aber  nicht  darüber  instruirt 
wären,  so  wllrden  sie  es  Ihrer  Majestät  mündlich  hinterbringen, 
ob  dieselbe  geruhen  wollte,  das  Werk  durch  mehrere  Ministros 
überlegen  zu  lassen. 

Zu  weiteren  Berathungen  scheint  es  nicht  gekommen  zu 
sein,  die  ,Friedensacten'  des  Jahres  1687 .  enthalten  grössten- 
theils  nur  Correspondenzen  über  die  Vermittlungsversuche  der 
päpstlichen  Curie.  Der  Augsburger  Bund  blieb  auf  dem  Pa- 
piere, in  Wirklichkeit  ist  er  nicht  in  Anwendung  gekommen. 
Der  französische  Uebcrfall  im  Herbste  1688  traf  die  westlichen 
Rcichstheile  nahezu  unvorbereitet,  und  es  bedurfte  neuer  Bünd- 
nisse und  Abmachungen,  um  so  viele  Truppen  auf  die  Beine 
zu  bringen,  als  man  zur  nothwendigsten  Gegenwehr  bedurfte, 
nachdem  Mainz  durch  VeiTath  gefallen,  die  Pfalz  bereits  ver- 
wüstet war. 


*L* 


BEILAGE, 


Copla  Sehreibens  Ton  dem  franzSsischen  Plenipotentlario 
zn  Regen spnrg  an  den  sehwedlsehen  Abgesandten  zu  Angs- 

purg  H.  T.  Snolsky. 

A  Ratisbonne  le  18.  Juin  1688. 
Monsieur. 

J*avoue  que  jay  est^  Surpris  qnand  vous  me  fistes  hier  la  grace  de 
m'envoier  faire  compliment  avant  vostre  d^pai-t  pour  Ausbourg.  Je  ne 
pensois  pas  a  Tassemblee  qui  doit  sytenir  et  je  ne  croiois  point  quelle 
dast  si  tost  comencer.  J'avois  fait  mon  compte  de  pouvoir  vous  voir  de- 
main  en  vostre  logis  tranquillement  et  k  loisir,  et  m*y  aquiter  de  la  visite 
et  de  toutes  les  honestetez  que  j'avois  reeves  de  vous  avant  vostre  d^part 
pour  Nuremberg,  et  depuis  vostre  retour  de  ce  pays-lä  Mais  voiant  que 
cela  ne  pouvoit  estre  pai'ceque  vous  partiez  aujourdhuj  de  tres  grand 
matin  jenvoiay  chez  vous  pour  savoir  si  je  pourrois  vous  y  rendre  mes 
devoirs.  Je  croy  devoir  au  moins  y  suppiger  par  cette  lettre,  puisque  vos 
coui'ses  et  mes  occupations  ne  m*ont  pas  permis  d'y  satisfaire  mieux  ny 
plustost. 

Vous  estes  enverit^  un  ten-ible  homme  de  tant  batre  le  pais  on  ne 
sait  oü  vous  atraper  et  oü  vous  joindre.  Je  me  faisois  pourtant  un  grand 
plaisir  de  Tesperance  de  vous  cntretenir.  J'avois  apris  que  vous  aviez 
fait  ä  huisclos  dans  la  Nebonstube,  ou  chambre  s^crette  des  confSrenees, 
de  grandes  plaintes  de  contraventions,  que  vous  disiez  avoir  estä  faites 
par  la  France  au  traite  de  trövo.  Je  croy  que  nous  aurions  bien  ci  en- 
semble  la  dessus  car  je  suis  seur  que  vous  ne  croiez  pas  ces  contravon- 
tions  et  je  doute  mesme  qile  vous  eperiez  que  d'autres  les  croient.  U  a 
plu  a  la  commission  Imp.  d'envoier  aussi  le  15.*'  de  ce  mois  me  r^pr^sen- 
ter  quelques  griofs  dont  elles  pr^tend  que  TEmp'.  pourroit  se  plaindre, 
et  je  ne  penses  pas  quelle  parle  et  ayisse  en  cela  plus  serieusement  que 
vous.  car  qui  Tempescheroit  non  plus  que  vous  de  mettre  la  main  k 
Texecution  du  traito  de  tr^ve,  Si  on  ne  trouvoit  pas  plus  d*avantage  ä 


tenii'  Je  lit  jon-te  le»  choses  en  euspens  qu'ä  les  regier  eiitiärem«nt  selon 
qu'on  en  est  convenu?  Jo  ne  doiit  point,  monsiear,  t\ae  vdds  n'ajez  veii 
UD  ecrit  quelle  me  fit  lire  et  un  antre  quelle  me  fit  mettre  eo  meBme 
tempa  entre  lee  maing.  Car  comme  voas  avez  en  tnut  cela  un  dessein 
comnn  pour  rassembli^e  d'Äasboui^  on  voit  assez  qae  toiib  avez  coucert6 
ensemble  tuue  ces  subtils  mo;ens  il'y  r4ussir.  Je  voas  enmie  les  respon- 
ses  qne  j'oi  faites  k  ces  ecrite.  Blies  oo  seroicnt  pas  manvaises  h  comnni- 
qner  k  vos  d6putez  de  l'assemblee  d'Ausboorg.  Je  ne  saj.  Monsieur,  si 
Tons  voudriez  bien  ea  prendre  le  soin.  Oe  ne  serait  peat  ostre  paa  nne 
petite  marque  de  siiicerit^,  de  laqnelle  il  est  bon  qne  todg  pnissiez  los 

^bien  persnader  pour  les  faire  entver  sur  d'aussi  petiteB  choaes  et  aussi 
ftm  värifici^s  quo  celles  dunt  <m  afeite  de  faire  on  bi-nit  dans  d'auKsi 
grands  et  anssi  immenses  engagement  qne  cenx  qn'on  leni*  propoBe. 

Comme  je  me  fiate  de  la  pensee  qu'avec  moi,  qne  voiib  savez  estre 
instruit  aeeez  a  foad  de  qnoi  il  s'agit  en  tont  ceri  vous  n'aurioz  pas 
TDulu  en  faire  finesse,  j'ai  grand  regi'et  d'avour  perdn  le  plaisir  qne  nonE 

tanrions  eu  d'en  plaisantcr  librement  enBemble,  et  de  noua  6ga.yeT  l'imi^- 
aation  aur  ce  qui  e'y  passe  et  snr  ce  qn'on  en  pent  ntendre. 
Vons  eussiez  en  mesme  tempg  hien  \>u  snpl^er  au  defaut  de  lettre» 
de  Dannemarck,  de  Hambonrg,  du  pajg  de  Lunebourg  et  de  quelques 
antrSR  endroits,  qui  m'ont  entiärement  manque  par  le  devnier  ordre,  en 
m'aprenant.  Si  leg  quatre  ou  cinq  cenn  hoinmes,  pour  les  quels  on  me 
mande  de  Zele  du  2.'  de  ce  mois,  que  la  Biiuence  de  Br6me  avoit  de- 
mand^  passage  a  M'.  le  Duc  de  Zele  pour  aller  en  Hongrie,  eont  efectiye- 
meut  en  marche,  on  s'il  y  a  del'  asparence  quils  puissent  bien  tost  partir; 
Bi  la  prrjfince  de  Breme  a  enfln  trouv^  les  rint  mile  ^cdb  qu'on  lui  de- 
mande  et  qnelle  cherchoit  encore  le  1."  de  ce  mois  pour  l'entretieii 
des  »uze  on  donze  cens  hommes  que  votis  estoa  engc^ez  k  envoier  en 
Hon^e  par  traitä  et  pour  vons  aquiter  des  mois  Komains  et  s'il  reste  k 
eette  Provinue  quelque  esperanc«  de  trouver  cet  argent  oit  si  eile  Ik  en- 
tiirement  perdue,  et  si  on  Hollande  on  Tons  a  accorde  les  dem  vaisseani 
que  rostre  cnvoy^  y  demandoit  pour  transporter  de  troupea  en  Allemagne, 
quelle  vme  on  pent  avoii'  en  rechei'chant  ai  instamment  au  moins  deux 
Tiuaseanx,  et  quol  notubre  de  troupes  on  peut ;  faire  passer,  aur  tout  oela 
et  Biir  mile  autre  chosses  de  cette  iiature,  nous  euseions  bien  ti-ouT4  de 
qnoi  Dons  donnev  carrifire  par  des  röfleiions  divertissantes,  Car  nous  ne 
■omiau  pa£  obligez  d'estre  m^lancholiiiues  et  dedire  ou  depi-endre  t«utes 
choeea  serionsement  pour  le  seruee  de  nos  maitres. 

A  propOB  de  cela,  monsieur,  vons  ne  m'avcz  point  di  depuis  votre 
retour  de  Xureinborg  si  vons  aviez  fct.it  aux  estats  de  Franconie  comme 


22 

Yous  me  le  dissiez  si  agreablement  avant  que  de  partir,  la  proposition  de 
vous  promettre  de  boDs  quartiere  pour  autant  de  ti'oupes  que  yous  Tajez 
oubli^  puisque  nous  conYenions  que  cela  yous  etolt  absolument  n^cessaire. 
Cela  ii*est  pas  encore  trop  ä  negliger  ä  Tassembl^e  d^Ausbourg,  et  quand 
quatre  ou  cinq  cercles  yous  en  donneroient,  ce  ne  seroit  pas  assurement 
trop  du  moment  que  yous  aurez  dans  Tempire  Tarmee  de  dix  mile  hom- 
mes  qu'on  marque  que  yous  aYez  oferts  dans  le  fameux  projet  del*  al- 
liance  que  yous  doYOZ  traiter  ä  Ausbourg.  M^  Telecteur  de  Brandenbonrg, 
la  maison  de  Brunswig,  et  yos  autres  Yoisins  de  la  baute  et  de  la  basse 
Saxe  et  de  Westphalie,  ne  seroient  pas  trop  comodes  ny  trop  faciles  dans 
les  commencemens  pour  Youloir  estre  les  premiers  ä  yous  en  foumir.  II 
Yaut  inioux  prendre  de  bonne  beure  yos  seuretez  pour  n'en  point  man- 
quer  plus  prez  du  Bbein  et  dans  des  proYinces  qui  sont  plus  partage^s 
enti'e  de  Princes  et  Estats  moins  puissans.  Yous  yous  souYiendrez  sans 
doute  de  ce  que  je  yous  ai  dit  et  ä  beaucoup  de  gens,  que  feu  M'.  le 
Marecbal  de  Helmfeld  me  disoit  sur  ce  propos,  lorsque  je  le  passay  de 
Stade  k  Londrez  dans  Tyacbt  que  le  feu  roi  d'Angleterre  m'aYoit  fait 
rbonneur  de  m*enYoier  pour  me  ti*ansporter  de  Hambourg  en  France. 
Aussi  ne  croije  pas,  que  yous  trouYiez  de  dificulte  a  couYenir  et  de  pas- 
sages  et  des  quai-tiers  quand  on  comprendra  bien  la  necessit^  que  yous 
en  aYez  pour  la  ligue  qui  se  propose.  II  se  trouYera  peut  estre  encore 
dans  quelques-une  des  Estats  Protestans  les  mesmes  sentimens  qui 
les  portoient  du  temps  de  Ferdinand  second  ä  yous  ouYrir  les  portes  de 
tous  costez  et  ä  yous  assister  de  toutes  leurs  forces.  D  poura  peut  estre 
aussi  se  trouYer  encore  chez  quelque-une  des  Catboliques  des  Images 
de  saints  et  des  cbassis  de  reliques  d'argent.  Tout  cela  ne  sera  pas 
mauYais.  Vous  n'aYOz  qu'a  signer  ralliance  ä  Ausbourg  et  ä  Yenir.  H 
me  semble  que  tout  est  prest  aussi  cela  ne  peut-il  manquer  si  yous  avez 
la  bont^  d'ofrir  ä  ces  messieurs  du  cercle  de  Suabe,  comme  je  ne'n  doute 
point  qu'en  s'engageant  de  lern*  cost^  ä  defendre  pour  yous  les  extremi- 
tez  de  la  LiYonie  et  Celles  de  la  Laponie,  et  pour  les  Espagnols  celles  des 
Indes  orientales  et  occidentales  et  jusques  aux  barques  de  leuins  pescheurs, 
de  froid  et  de  chaud,  de  tout  orage  et  de  tout  accident,  yous  defendrez 
aussi  leur  pays  aYOc  les  dix  mile  bommes  que  yous  y  tiendrez,  de  tous  les 
passages  de  trouppes  d'Auti'icbe  et  des  autres  de  ce  cost6-lä  qui  vou- 
droient  aller  Yors  le  Bhin,  de  tous  les  repassages  Yolontaires  ou  fouriez, 
de  toutes  les  marcbes,  remarches,  et  contremarcbes  de  toutes  les  stations 
et  de  tous  les  quartiers  du  General  Staab  et  autres. 

Comment  ces  M".  de  Suabe  auroient  ils  le  coeur  assez  dur  pour 
YOUS  refuser  d^entrer  dans  la  ligue,  oü  on  a  tant  d'euYie  ie  les  embarquer 


23 

insensiblement  pour  le  desselns  que  vous  faites  fort  bien  de  ne  leur  pas 
dire,  si  vous  leur  repräsentez  bien  vivement  qn^en  la  concluant  vous  avez 
aussi  tost  indispenseblement  besoin  pour  la  maintenir,  d'amples  et  larges 
qnai-tiers  (avec)  la  bi^me  d'autre  fois  ou  au  moins  de  bons  gros  subsides 
en  argent,  jusqu'ä  ce  que  vous  trouviez  moyen  par  la  suite  de  vous 
mettre  en  estat  d'avoir  Tun  et  Tautre.  Ce  qui  seroit  de  beaucoup  le 
meilleur?  serieusement  parlant,  monsieur,  je  croi  que  tous  les  gens  — 
qui  ont  la  moindre  connoissance  des  affaires  jugeront  que  sans  se  donner 
tant  de  mouvement  et  de  peine  ce  seroit  plustost  foit  de  penser  efective- 
ment  ä  executer  le  trait^  de  tr^ve,  et  d'y  mettre  la  main  tout  de  bon  et 
que  Tecrit  de  la  garentie  reciproque,  qui  y  est  promise  et  qui  se  peut 
faire  en  douze  llgnes  d'ecrlture  Egales  pour  tous  le  partis,  seroit  plus 
ais4  ä  dresser  que  le  traitä  de  vos  ligues,  et  auroit  plus  d'efet,  et  de 
solidit^  pour  assurer  le  repos  de  la  Chrestient^  que  vos  idees  d'alliance 
poui'  pavenir  ä  le  troubler  et  pour  faire  esperer  quelque  succez  del'avoir 
troubl^. 

Mais  quo!  qui  en  ariye  il  semble  bien  que  vostre  roiaume  de  Suede 
sera  ä  couvert  des  suites  par  sa  Situation  de  mesme  que  celui  de  France 
par  sa  puissance,  et  par  la  cuirasse  dont  il  est  environne  des  meillaures 
places  du  monde  qui  sont  foi-tific^s  dans  la  derniere  perfection. 

Je  vous  souhaite  de  tout  mon  coeur  en  vostre  voyage  toute  la  satis- 
faction  particuli^re  qui  peut  s'acorder  avec  le  bien  public  et  le  repos  de 
la  chrestient^,  et  en  toutes  rencontres,  tous  les  avantages  que  nostre 
amiti^  m*engage  ä  vous  desirer.  Ce  me  seroit  un  grand  sujet  de  joie,  si 
je  pouvois  vous  donner  quelques  preuves  que  je  suis  veritablement 

monsieur 
Vostre  tres-humble  et  tres  ob^issant  serviteur 

le  C.  de  Crecy. 
(Wieu,  k.  u.  k.  Staatsarchiv.   Priedensacten,  Fase.  150.) 


ÜBER  DEN 


ZUG  KAISER  KARLS  Y 


GEGEN  ALGIER. 


EINE   UNTERSUCHUNG 


VON 


D"  GUSTAV  TüßBA. 


%** 


Vorwort. 


JJer  Plan  zu  vorliegender  Abhandlung  wurde  von  mir 
entworfen,  als  ich  mich  im  Auftrage  der  kaiserlichen  Akademie 
der  Wissenschaften  in  Wien  mit  Vorarbeiten  zum  ersten  Bande 
der  jVenetianischen  Depeschen  vom  Kaiserhofe',  welche  vor 
Kurzem  erschienen  sind,  beschäftigte.  Unter  diesen  Depeschen 
befand  sich  auch  eine  solche  des  venetianischen  Gesandten 
Marino  Giustiniani  aus  dem  Hafen  von  Bugia  vom  10.  Novem- 
ber 1541,  welche  sich  über  die  Gründe  des  Misslingens  der 
Algierexpedition  ausspricht,  und  seine  Angaben  haben  mich  ver- 
anlasst, mich  mit  der  Frage  eingehender  zu  beschäftigen,  ob 
Kaiser  Karl  V.  wirklich  die  Schuld  an  dem  Unglücke  seiner 
Flotte  und  seines  Heeres  vor  Algier  triflft. 

Im  Verlaufe  der  Untersuchungen  war  ich  zu  einem  ein- 
gehenden Quellenstudium  genöthigt  und  habe  mich  überzeugt, 
dass  manche  unrichtige  Auffassung  zumeist  durch  den  Mangel 
entweder  an  genauerer  Prüfung  oder  an  Kenntniss  des  gesamm- 
ten  Quellenmaterials  zu  erklären  ist.  Trotzdem  dass  ich  es 
ungern  that,  musste  ich  daher  dem  ersten  Theile  vorliegender 
Abhandlung  einen  zweiten,  ausschliesslich  den  Quellen  gewid- 
meten Theil  folgen  lassen,  der  sich  aber,  soweit  die  Dissertation 
Dr.  Schomburgk's  (Die  Geschichtschreibung  über  den  Zug  Karls  V. 
gegen  Algier  1541,  Leipzig  1875)  richtige  Ergebnisse  enthält, 
nur  mit  einem  kurzen  Hinweise  auf  dieselben  begnügt. 

Am  Schlüsse  habe  ich  einige  Actenstücke  aus  dem  Wiener 
und  Florentiner  Archive  veröffentlicht,  welche  ich  dem  ganz  be- 
sondem  Entgegenkommen   beider  Archivdirectionen   verdanke. 


28 


L  Theil. 

Ist  dem  Kaiser  Karl  V.  das  Misslingen  des  Algier- 
zuges zuzuschreiben? 

1. 
Kaiserliehe  und  tflrkisehe  Kriegsrflstnngeii. 

Im  Jahre  1535  trug  sich  Karl  V.  eine  Zeit  lang  mit  dem 
Gedanken,  das  Heer,  welches  Tunis  erobert  hatte,  zu  einem 
Zuge  gegen  Algier  zu  verwenden.  Er  verzichtete  aber  damals 
auf  dieses  Unternehmen  wegen  der  in  seinem  Heere  ausge- 
brochenen Krankheiten,  wegen  der  vorgerückten  Jahreszeit  und 
der  bedeutenden  Entfernung  Algiers  von  Tunis.*  Auch  im  folgen- 
den Jahre  äusserte  er  die  Absicht,^  diesen  Kriegszug  zu  unter- 
nehmen, kam  jedoch,  mit  dem  Kriege  gegen  Frankreich  voll- 
auf beschäftigt,  nicht  zur  Ausführung  seines  Vorsatzes  und  gab 
auch  nach  dem  Waffenstillstände  von  Nizza  dem  Drängen  der 
Spanier,  welche  diese  Expedition  besonders  wünschten,  nicht 
nach,  da  er  inzwischen  den  Plan  einer  Offensivbewegung  gegen 
die  Levante  entworfen  hatte. 

Doch  versuchte  er  sein  Ziel  auf  andere  Weise  zu  er- 
reichen. Er  begann  mit  Khair-ed-Din,  der  die  Verwaltung 
Algiers  seinem  Diener,  dem  Renegaten  Hassan  Aga  überlassen 
hatte  und  selbst  Commandant  der  türkischen  Flotte  geworden 
war,  im  Jahre  1538  Unterhandlimgen,^  die  bis  zum  Frühjahr 
des  Jahres  1541*  fortgesetzt  wurden  und   das  Ziel  verfolgten, 


1  Der  Kaiser  an  Hannart,  Goleta,  16.  Augast  1535  (Lanz,  Correspondenz 
Karls  V.,  Leipzig  1845,  U,  200). 

'  Lorenzo  Bragadino  an  die  Signoria,  Rom,  1.  Mai  1536  (bei  Rawdon  Brown, 
Calendar  of  state-papers  and  manuscripts  existing  in  the  archives  and 
collections  of  Venice  V,  42). 

'  Lafaente  (Historia  general  de  Espafla,  Madrid  1853,  XI,  180 — 194)  hat 
die  betreffenden  Actenstücke,  welche  in  der  Colleccion  de  docum.  inSd. 
I,  207—227,  und  im  Memorial  bist.  espaiSol,  Madrid  1853,  VI,  531  f.  ab- 
gedruckt sind,  für  die  Vorgescbichte  der  Algierexpedition  zuerst  benützt. 

*  Zuletzt  wird  über  dieselben  in  einem  Briefe  Lasky's  an  Ferdinand  aus 
Constantinopel  vom  30.  März  1541  (Gevay  III,  132)  gesprochen:  »BarbarosM 


29 

Barbarossa  zu  bewegen,  den  Kaiser  als  Oberherm  anzuerkennen 
und  dem  Vasallitätsverhältnisse  gegen  den  Sultan  zu  entsagen. 
Ausserdem  wurde  von  ihm  verlangt,  dass  er  einen  grossen  Theil 
der  türkischen  Flotte  dem  Kaiser  in  die  Hände  spielen,  den 
Rest  verbrennen  und  seinen  ältesten  Sohn  nach  Spanien  schicken 
solle.  Barbarossa  aber  begehrte  Tunis,  dann  das  von  den 
rhodischen  Rittern  dem  Kaiser  zur  Vertheidigung  übergebene 
Tripolis,  endlich  die  Gebiete  und  Festungen  von  Bona  und 
Bugia.  Ohne  Zweifel  wäre  beim  Gelingen  dieses  Planes  von 
Seite  des  Kaisers  gegen  die  türkische  Macht  ein  erfolgreicher 
Schlag  geflihrt  worden. 

Die  Gründe,  weshalb  diese  Unterhandlungen  von  Seite 
des  Kaisers  abgebrochen  wurden,  lagen  nicht  so  sehr  in  den 
sich  erhebenden  Schwierigkeiten  wegen  Abtretung  der  von 
Barbarossa  verlangten  Gebiete,  insbesondere  von  Tunis,  welches 
der  Kaiser  dem  ihm  sehr  ergebenen  Muley  Hassan  zu  entziehen 
keinen  Grund  hatte,  sondern  darin,  dass  Barbarossa  den  Sultan, 
sei  es,  um  den  bei  diesem  gegen  ihn  aufkeimenden  Verdacht  zu 
ersticken,  sei  es  aus  anderen  Gründen,  von  Allem  in  Kenntnis 
erhielt,  was  er  mit  dem  Kaiser  verhandelte.  Wie  konnte  aber 
andererseits  Karl  V.  das  Mittel  finden,  durch  welches  er  Bar- 
barossa zur  Einhaltung  von  Verpflichtungen  verhalten  konnte? 
Dies  war  eine  —  wie  wir  aus  einer  venetianischen  Depesche  * 
ersehen  —  auch  von  Zeitgenossen  erkannte  Schwierigkeit,  die 
nicht  zum  geringsten  Theile  das  Scheitern  dieser  Unterhand- 
lungen verursacht  hat. 

Die  Verhandlungen  mit  Barbarossa  waren  noch  nicht  end- 
giltig  abgebrochen,  als  andere  zwischen  Hassan  Aga  und  dem 
Kaiser  begonnen  wurden.  Von  welchem  der  beiden  Theile  die 
ersten  Vorschläge  ausgiengen,  ist  ebenso  wenig  wie  die  Frage 
zu  beantworten,  ob  diese  Unterhandlungen  ernstlich  gemeint 
waren   und   ob   sie   ähnliche   Zwecke   wie   die   mit  Barbarossa 


habet  eciam  (sie)  practicam  cum  Cesare  vol  prorege  sicilie  sicuti  proximis 
maiestati  yestrae  scripsi  (17.  März),  et  nuper  in  una  navi  anconitana  re- 
mißit  ioannem  de  arago  qni  liuc  ex  Sicilia  cum  gallico  galeone  diebus 
carnifl  privü  venerat  misitque  illo  alium  hispanum  Romerum  .  .  .;  mea 
itaque  est  opinio  quod  nunc  cum  cesare  candide  agat,  ubi  confiulo,  ne 
cesar  illum  contemnat  sed  pocius  componat/ 
1  Antonio  Capello,  Pietro  Mocenigo  und  Marino  Ginstiniani  an  die  Signo- 
rie,  aus  Gent  vom  26.  April  1540  (Venetian.  Dep.  vom  Kaiserhofe,  Wien 
1889,  I,  428). 


30 

geflihrten  verfolgtcD.*  Sie  düriten  aber  auch  bald  abgebrochen 
worden  sein,  und  es  könnte  dies  mit  zu  den  Ursachen  zn  zählen 
sein,  welche  den  Kaiser  in  dem  Entschlüsse  bestärkten^  sich 
Algiers  mit  Gewalt  zu  bemächtigen. 

Es  ist  nämUch  sehr  wahrscheinUch,  dass  Karl  V.  schon 
zu  Beginn  des  Jahres  1541  die  bestimmte  Absicht  gehabt  hat^ 
in  diesem  Jahre  gegen  Algier  zu  ziehen.  Wenn  Guasto,  der 
kaiserliche  Statthalter  von  Mailand,  Camillo  Colonno  mit  ,35 
oder  30  Hauptleuten'  im  Jänner  zu  sich  berief  und  mit  diesen 
tägUch  Besprechungen  hielt,^  so  ist  wohl  das  NaheHegendste  zu 
glauben,  dass  der  Kaiser  seinem  Statthalter  den  Auftrag  ertheilt 
habe,  mit  den  Genannten  Vorbesprechungen  über  Anwerbung 
von  Truppen  zu  pflegen.  Am  18.  Februar  1541  berichtet  der 
Bischof  von  Aquila,  Bemardo  Santio,  an  Cardinal  Alexander 
Farnese,  dass  Camillo  Colonna,  der  sich  später  an  dem  Algier- 
zuge betheiligte,  in  Nürnberg  angekommen  und  dass  Bemardino 
de  Mcndoza  beauftragt  worden  sei,  sich  bis  Ende  April  des- 
selben Jahres  mit  der  gesammten  spanischen  Flotte  bei  Genua 
einzufinden.^  Der  kaiserliche  Hofchronist  Gomara ^  erzählt,  dass 
dieser  Befehl  auch  an  Herzog  Alba  ergangen  sei,  und  dass 
letzterer  und  Mendoza  bei  der  Insel  Mallorca  erst  im  Monate 
August  einzutreffen  hatten.  Das  Verhältnis  des  Kaisers  zum 
französischen  Könige  war  damals  noch  nicht  so  gespannt,  dass 
er,  sei  es  zur  Offensive  gegen  oder  Defensive  vor  Frankreich, 
solche  Massregeln  hätte  ergreifen  wollen. 

Am  französischen  Hofe  spricht  man  bereits  im  Anfang 
Februar  von  ,grossen  Vorbereitungen   des  Kaisers  in  Italien'.* 

1  Aus  den  von  Berbrugger  in  dor  Revue  africaine  IX,  379  publicirten  drei 
Briefen,  die  auch  Grammont  (Relation  de  Texpedition  de  Charles-Quint 
contre  Alger  par  Yillegaignon,  88  sq.)  mittheilt,  besonders  demjenigen  des 
Gouverneurs  von  Oran  an  den  Kaiser  lässt  sich  eben  nur  der  Beginn 
von  Verhandlungen,  nicht  aber  Inhalt  und  Dauer  derselben  constatiren. 

2  ,The  marquez  of  Guaste  hathe  sent  for  Signor  Camylle  de  Collonja,  being 
one  for  the  Emperours  chieff  capitaynes  and  a  gp'ete  man ;  who  ys  cumme 
into  hym  with  25  or  80  capitaynes  and  mauy  more  dothe  repeire  towards 
hym  dayly;  the  very  entent  wheroff  ys  not  yet  perfitly  knowne.*  Wallop 
an  K.  Heinrich  Vm.,  Melun,  26.  Jänner  1541.    State-pap.  VIII,  504. 

5  Nuntiaturberichte  Morone's  im  Histor.  Jahrb.  1883,  IV,  668. 

*  Crouica  de  los  Barbarozas  (Memorial  bist,  espafiol,  Madrid  1853,  VI),  432. 

^  Montmoroncy  an  Marillac  (ohne  Ortsangabe),  3.  Februar  1541,  in  der 
Correspondance  politique  de  MM.  de  Castillon  et  Marillac,  ambassadeuis 
de  France  en  Angleterre  (1537—1542),  par  Eaulek,  Paris  1885,  p.  267. 


31 

Am  21.  März  berichtet  der  französische  Gesandte  in  Venedig/ 
dass  Goasto  in  Genua  mit  Andreas  Doria  zusammengekommen 
sei,  und  am  14.  April,  dass  der  Kaiser  den  Letzteren  beauftragt 
habe,  seine  Galeeren  auszurüsten,  um  ihn  nach  Spanien  zu 
fllhren.  Auch  in  Constantinopel  weiss  ein  von  ,Afrika'  zurück- 
gekehrter Gesandter  Barbarossa's  Anfangs  Mai  über  die  ,Vor- 
bereitungen  und  die  Flotte  des  Kaisers^  so  viel  zu  sagen,  dass 
seine  Meldung  Bestürzung  hervorruft.'-^  In  demselben  Monate 
wird  am  französischen  Hofe  bekannt,  dass  der  Kaiser  nach 
Italien  gehen  will,^  und  von  Regensburg  berichtet  der  venetia- 
nische  Gesandte,^  Viele  seien  der  Ansicht,  dass  ein  Unternehmen 
des  Kaisers  in  die  Levante  stattfinden  werde,  was  sie  besonders 
aus  Dispositionen  über  seine  Flotte  schliessen  wollen. 

Wenn  der  venetianische  Gesandte  am  14.  Mai  nur  un- 
genau berichten  konnte,  weil  der  Kaiser,  wie  wir  aus  einer 
fünf  Jahre  später  von  ihm  abgegebenen  Erklärung  wissen,^  noch 
möglichst  vermied,  seine  Absicht  kundzugeben,  so  ist  seine 
spätere  Meldung  vom  2.  Juni,  es  seien  Befehle  zur  Ausrüstung 
einer  Flotte  und  Armee  für  eine  Algier-Expedition  nach  Ita- 
lien gesandt  worden,  schon  ganz  bestimmt.^  Die  Werbungen, 
welche  der  Kaiser  in  Deutschland  und  in  Italien  betrieb,  hielt 
er  so  lange  als  möglich  geheim,  was  Gegenrüstungen  seitens 
des  Papstes,  der  Franzosen  und  der  Venetianer  zur  Folge  hatte; 
denn  Niemand  wollte  glauben,  dass  er  zum  Schutze  Neapels 
vor  Barbarossa,  wie  seine  Umgebung  ausstreute,  oder  nur  zu 
seiner  persönlichen  Sicherheit  in  Italien,  wie  der  päpstliche  Legat 


>  2<eller,  La  diplomatie  firan^aise,  vers  le  milieu  du  XVI™«  siöcle,  Paris 
1881,  p.  273;  E.  CharriSre,  N^gociations  de  la  France  dans  le  Levant, 
Paris  1848,  473. 

'  yVenit  huc  murat  aga,  quem  barbarossa  in  africam  miserat  .  .  .  iste 
murat  dicit  multa  de  aparatu  et  armata  cesaris  incussitque  timorem  et 
difficultatem.'  Laski  an  Ferdinand,  Constantinopel,  8.  Mai  1541  (Gevay 
in,  141). 

5  Howard  an  K.  Heinrich  Vm.,  Ambois,  19.  Mai  1641  (State  pap.  Vm,  668). 

*  Many  persons  are  of  opinion  that  bis  Majesty  will  retum  to  Flanders, 
especially  as  he  has  sent  away  his  whole  fleet,  that  it  may  go  into  the 
Levant,  having  also  dismissed  the  400  spears  who  accompanied  him  thus 
far.    Francesco  Contarini,  Regensburg,  14.  Mai  (Bawdon  Brown  V,  101). 

^  Beiffenberg,  Hist  de  Vordre  de  la  Toison  d'or,  Bnixelles  1830,  p.  417. 

*  Franc  Contarini  an  die  Signorie,  Regeusborg,  2.  Juni  1641.  Rawdon 
Brown  V,  104. 


32 

Morone  ^  eine  Zeit  lang  glaubte,  Truppen  anwerben  lasse.  Der 
Papst  verbot,  daher  solche  Werbungen  im  päpstUchen  Gebiete. 
Erst  in  München,  auf  dem  Wege  nach  ItaUen,  klärte  der  Kaiser 
den  Legaten  über  den  Zweck  seiner  Rüstungen  auf. 

Nach  all  dem  Gesagten  kann  behauptet  werden,  dass  der 
Kaiser  spätestens  im  Frühjahre  1541  Rüstungsbefehle  nach 
Italien  und  Spanien  abgehen  Hess. 

Es  lag  ursprünglich  nicht  in  des  Kaisers  Absicht,  in 
Deutschland  lange  zu  verweilen.  Wenn  wir  annehmen,  dass 
er  seinen  Algierzug  mögUchst  bald  unternehmen  wollte,  so  be- 
greifen wir,  weshalb  er  am  26.  Februar  in  Regensburg  dem 
päpstlichen  Nuntius  gegenüber  den  Wunsch  aussprach,  das  Re- 
ligionsgespräch,* sowie  den  Reichstag  bald  zu  beenden,  und 
weshalb  von  verschiedenen  Seiten  über  seine  Absicht,  bald  nach 
Italien  zu  gehen,  berichtet  wird.^ 

Aber  auch  die  Türken  hatten  bereits  im  Winter  Rüstun- 
gen begonnen,  und  die  Nachrichten  über  ihre  beabsichtigten 
Unternehmungen  —  zu  Lande  gegen  Ungarn,  zur  See  gegen 
die  itahenischen  Küsten  —  wurden  im  Juni  immer  beunruhi- 
gender. Zwar  hatten  Meldimgen  über  einen  geplanten  türkischen 
Angriff  gegen  die  genannten  Küsten  die  Ausrüstung  einer 
grossen  kaiserhchen  Flotte  nicht  veranlasst,  doch  stand  der 
Kaiser,  im  Falle  sie  sich  bewahrheiteten,  gerüstet. 

Der  Versuch  des  Kaisers,  auf  dem  Regensburger  Reichs- 
tage einen  kräftigen  Beschluss  zur  Führung  eines  Krieges  gegen 
die  Türken  durchzusetzen,  war  fast  gänzlich  gescheitert,   weil, 

1  Berichte  Morone's  vom  4.  und  19.  Juli  1541.  Histor.  Jahrb.  1S83,  IV, 
628  f.,  629. 

'  , . . .  ma  con  grande  affetto  mi  disse  (rimp.)  che  si  volesse  osar  sollecitudine 
accioch6  li  negocii  con  celeritii  fussero  espediti.'  Von  diesem  Drängen 
bemerkt  Morone  (an  Farnese):  Jl  che  stimo  ö  impossibUe  et  dannoso' 
(Lämmer,  Mon.  vatic.  359). 

'  Jie  Roi  d*Angleterre  a  dit  ä  Marillac,  qu*U  s^avoit  de  bien  bon  lieu, 
que  Tempereur  sans  s^joumer  auxdites  Allemagnes,  passeroit  au  plna- 
tost  en  Italy.'  Marillac  an  Montmorency,  London,  25.  Jannar  1541, 
Correspondance  politique  266.  —  ,Se  conforme  tous  les  joors  que  Tem- 
pereur  ne  tasche  que  mectre  les  affaires  d^Allemagne  en  suspend  et 
dilation  pour  acc^lerer  son  voyaye  en  Italye.*  Marillac  an  Franz  L, 
London,  12.  Februar  1541,  ibid.  268.  -—  ,£yerybody  is  of  opinion  that 
the  Emperor's  departure  will  take  place  in  a  few  days.'  Franc.  Con- 
tarini,  Regensbui^,  81.  Mai  1541,  Rawdon  Brown  Y,  108;  vgl.  auch  oben 
Seite  31,  Note  3. 


33 

wie  König  Franz  schon  vor  dem  Schlüsse  des  Reichstages  mit 
Recht  schreiben  konnte,^  die  deutschen  Stände  die  WaflFen  gegen 
die  Türken  nicht  ergreifen  wollten,  ausser  wenn  Deutschland 
selbst  angegriffen  würde.  Nur  gegen  weitgehende  religiöse  Zu- 
geständnisse,^ zu  denen  der  Kaiser  aber  nicht  zu  bringen  war, 
hätte  er  eine  grössere  Hilfe  erhalten.  Was  er  vom  Reiche  jetzt 
erreichte,  war,  dass  sich  nach  seinem  Abgang  aus  Deutsch- 
land»  die  bewilligten  10.000  Mann  zu  Fuss  und  2000  zu 
Pferde  *  in  der  zweiten  Septemberwoche  in  Bewegung  setzten,* 
also  zu  einer  Zeit,  wo  der  Sultan  bereits  (seit  29.  August)® 
im  Besitze  von  Ofen  war. 

Ebenso  wenig  Erfolg  hatte  sein  Versuch,  eine  neue  Liga 
gegen  die  Türken  zu  errichten,  an  der  er  selbst,  sein  Bruder 
Ferdinand,  der  Papst  und  die  Venetianer  theilnehmen  sollten. 
Denn  der  Papst  zeigte  hiefür  keinen  grossen  Ernst'  sowohl 
vor,  als  auch  während  der  Zusammenkunft,  welche  er  mit  dem 
Kaiser  zwischen  dem  12.  und  dem  18.  September  in  Lucca 
hatte.  Noch  weniger  wollten  sich  die  Venetianer  einer  gegen 
die  Türken  gerichteten  Verbindung  anschUessen,  vielmehr  Neu- 
tralität im  strengsten  Sinne  bewahren;  denn  sie  hatten  1539  mit 
denselben  einen  Frieden  geschlossen,  welchen  sie  nicht  brechen 
wollten.  Sie  wollten  aber  ebenso  wenig  in  den  zwischen  Franz  I. 
und  dem  Sultan  bestehenden  Bund  eintreten,  obwohl  die  Pforte 
dies  sehr  wünschte.^    Die  Abhaltung  eines  Concils  in  Vicenza, 


*  ,Au  surplas  je  veulx  bieii  vons  advertir  comino  j'ay  pr^sentement  eu 
lettres  de  Katisbonne  .  .  .  par  lesquellos  Ton  m'advertist  .  .  .  qiie  les 
Allemans  ne  veuUent  prendre  les  armes  pour  le  faict  de  Hongrie,  si  le 
Türe  ne  donne  jusqu^s  k  la  Gennanye  .  .  .*  Franz  I.  an  Marillac  (ohne 
Ortsangabe),  24.  Juni  1541,  Corresp.  politique,  316. 

'  Morone  an  Card.  Farnese,  Regensburg,  21.  Juni  1541,  1.  c,  621. 
>  Er  verliess  Regensburg  am  29.  Juli. 

*  Herbais,  bei  Gachard,  Collections  des  voyages  des  souverains,  Bruxelles 
1874,  n,  196;  Francesco  Contarini  an  die  Signorie,  Regensburg,  3.  Juli 
1541  (Rawdon  Brown  V,  107). 

6  Heidek  an  K.  Heinrich  VIU.,  Neuburg,  6.  Sept.  1541  (State  pap.  VIH,  601). 

^  Hammer,  Geschichte  des  osman.  Reiches  (zweite  Aufl.  1834)  II,  172. 

'  Paruta,  Storia  di  Venezia  (Venetia  1645),  525  sg.;  Gasp.  Contarini  an 
Farnese,  Regensburg  10.  Juli  1541,  Histor.  Jahrbuch  1880, 1,  493;  Morone 
an  Farnese,  Regensburg,  27.  Juli  1541  (Lämmer,  382  sgg.). 

*  Paruta,  524  sgg.;  Laski  an  K.  Ferdinand,  Coustantinopel,  13.  März  1541 
(Gevay  Uli  120);  der  Bischof  von  Montpellier  an  Franz  I.,  Venedig 
80.  Juli  1540,  bei  Ribier,  Lettres  et  m^moires  d'^stat,  Paris  1666, 1,  536  sq. 

ArehiT.  Bd.  LXXTI.  I.  HUIte.  s  ^ 


34 

also  auf  ihrem  Gebiete,  gestatteten  sie  aus  dem  Grunde  nicht, 
weil  sie  besorgten,  der  ISidtan  könnte  vermuthen,  dass  auf  dem- 
selben ein  gemeinsames  Vorgehen  gegen  ihn  beschlossen  werde, 
und  dass  sie  darum  als  die  Haupturheber  dieses  Concils  er- 
scheinen würden.  ^ 

Gewiss  beeinflusste  aber  das  Verhalten  der  Venetianer 
zu  diesen  Fragen  jener  Umstand  sehi'  wenig,  welchen  der 
französische  Gesandte  in  Venedig  Franz  I.  am  14.  Septem- 
ber mittheilt. '^  Er  behauptet  nämlich  erfahren  zu  haben,  die 
Venetianer  seien  darüber  gekränkt,  dass  der  Kaiser  dem  P-apste 
gegenüber  die  Aeusseruug  fallen  gelassen  habe,  auf  die  Vene- 
tianer käme  es  nicht  an,  sie  seien  ohnehin  in  seiner  Hand 
(,en  son  poing').  Man  muss  vielmehr  sagen,  die  Venetianer 
wollten  ihre  Kräfte  überhaupt  nicht  aufs  Spiel  setzen,  sondern, 
wie  Jovius  von  ihnen  in  einem  Briefe  vom  29.  Juli  1541  ^  sagt: 
,stare  con  tappeto  alla  finestra  a  veder  quelle  che  si  farä/ 

,Gleich  nach  seiner  Ankunft  in  Italien'  ^  erhielt  der  Kaiser 
die  sichere  Nachricht  von  dem  persönlichen  Erscheinen  des 
Sultans  in  Ungarn.  Nachdem  er  Mailand,  wo  er  am  22.  August 
einen  festlichen  Einzug  gehalten,  verlassen  hatte,  und  während 
er  auf  genuesischem  Gebiete  weilte,^  kam  ihm  spätestens  am 
10.  September 'i   die   Nachricht   von    der   Besetzung    der  Stadt 


*  Paruta,  525  8g.;  N^ociations,  514. 

2  Negociation»,  514. 

3  Nicht  1542,  wio  bei  Domenichi,  Lettoro  volgare  di  P.  Giovio  (Venetia 
1500),  p.  81,  zu  leson  ist.  Der  ganze  Inhalt  dieses  Briefes  au  Stefan 
Colonna  weist  nämlich  unbedingt  auf  das  Jahr  1541,  insbesondere  die 
Erwähnung  der  vier  venetianischcn  Gesandten  Gioan  Veniero,  Nicol6 
Tiepolo,  Vicenzo  Grimani,  Marco  Ant.  Contarini,  welche  beauftragt  worden 
waren,  den  von  Tirul  kommenden  Kaiser  au  der  veuetianischen  Grenze 
feierlich  zu  empfangen,  was  auch  am  14.  August  geschah.  Die  Namen 
derselben  finden  wir  bei  Paruta,  p.  527,  gleichfalls  citirt  Versehen  in 
Jahreszahlen  kommen  bei  Dumenichi  übrigens  einige  Male  vor. 

*  Commontairen,  de  Charles-Quint  par  K.  de  Lettenhovo,  Bruxelles  1862, 
1).  59. 

^  ,Cum(juo  ad  oram  Gcnuensem  pervenissemus  atque  ibl  primum  inopina- 
tum  Turchanim  tyrannj  adventum  in  Hungaria  atque  eins  ingressum  in 
Budam  intellexissemus  .  .  .*  Instruction  des  Kaisers  für  den  Speierer 
Keichstag  1542  ("Wiener  Archiv,  Keichstagsacten  1542). 

^  Dies  ergibt  sich  aus  dem  Itinerar  Karls  V.  bei  Vandeuesse  190  sq.  und 
aus  dem  Umstände,  dass  der  Kaiser  am  6.  September  einen  Brief  König 
Ferdinands  vom  26.  August  über  die  Niederlage  von  dessen  Armee  bei 


35 

Ofen  (29.  August)  durch  den  Sultan  zu,  weither  am  2.  Sep- 
tember in  dieselbe  einritt.  Vorher  hatte  die  Königin  Isabella, 
Witwe  Johann  Zapolya's,  die  Burg  den  Truppen  Soliman's  ein- 
räumen müssen.  So  gelangte  diese  Stadt,  welche  König  Fer- 
dinand noch  vor  der  Ankunft  des  türkischen  Heeres  in  seine 
Gewalt  bekommen  wollte,  für  dritthalb  Jahrhunderte  in  türki- 
schen Besitz. 

2. 
Was  bewog  den  Kaiser  zum  Zuge  gegen  Algier? 

Während  der  Kaiser  in  Lucca  mit  Paid  lU.  zusammen- 
kam, wurden  die  letzten  Vorbereitungen  zur  Abfahrt  nach 
Algier  getroffen.  In  Lucca  versuchte  der  Papst  den  Kaiser 
von  seinem  Zuge  abzubringen,  jedoch  vergeblich;  solches  war 
bereits  in  Regensburg  von  einigen  Ständen,  insbesondere  den 
katholischen  Bischöfen,*  später  von  Christoph  Madruzzo,  Bisehof 
von  Trient,*  während  Karl's  V.  Anwesenheit  daselbst  (10.  bis 
13.  August),  ebenso  in  Mailand  von  Guasto  und  in  Genua  von 
Andreas  Doria,  nach  Ulloa  ^  auch  von  Ferdinand  von  Gonzaga, 
dem  Vicekönige  von  Sicilien,  nach  Giustiniani's  Depesche  vom 
10.  November  *  sogar  von  ,tutti  li  sui  conseglieri  et  principali'  mit 
demselben  Erfolg  versucht  worden.  Dass  diese  Behauptung 
Giustiniani's  unrichtig  ist,  geht  aus  den  Commentaires  •'»  hervor, 
welche  behaupten,  der  Kaiser  habe  den  Zug  unternommen: 
,et  par  d'autres  raisons  qui,  ainsi  qu'on  Ta  dit,  Yy  enga- 
geaient*  (l'Empereur);  man  ersieht  hieraus,  dass  mindestens  ein 
Theil  seiner  Räthe  für  den  Zug  gegen  Algier  gewesen  ist. 


Ofen  erhielt  (Wiener  Archiv,  Cod.  supplem.,  681).    Ein  Courier  brauchte 
von  Genua  nach  Wien  zehn  bis  zwölf  Tage. 

*  ,Di  poi  dissi  (a  Sua  M**),  che  li  prefati  vescovi  tutti  con  grand'  in- 
stantia mi  havevano  pregato  che  io  »upplicassi  Sua  M^  iiistantemcnte 
che  non  volesse  partir  diu  et  lasciar  Germania  in  tanto  pericolo  in 
quauto  era.*  —  Gasp.  Contarini  an  Famose,  Regensburg,  10.  Juli  (Histor. 
Jahrb.  I,  492  f.).  —  ,The  Emperor  is  sending  Orders  to  Italy  to  prcpare 
for  the  Algerine  expedition,  he*having  determined  to  undcrtake  it;  and 
although  many  persons  think  it  unreasonablo.'  Franc.  Contarini, 
Regensburg,  2.  Juni  1541  (Rawdon  Brown  V,  104). 

3  N^gociations,  512. 

s  Vita  di  Ferrante  Gonzaga,  Yenetia  1563,  f.  113. 
*    <  Vgl.  unten  8.  69. 

»  p.  60. 

-SV* 


36 

Andreas  Doria  hat  nicht  nur  nach  der  Ankunft  des 
Kaisers  in  Genua,  sondern,  wie  wir  aas  Sepülveda  *  wissen^ 
lierc'its  nach  Empfang  der  Befehle  zur  Ausrüstung  einer  Flotte 
von  der  Expedition  abgerathen.  Diese  Weisungen  waren 
ihm  höchst  unangenehm;  denn  er  fUrchtete  ft&r  Gtenna,  seine 
Vaterstadt,  einen  Angriflf  sowohl  von  Seite  der  grossen  Flotte, 
mit  welcher  die  Türken  —  was  der  venetianische  Gesandte  auf 
dem  Kcgensburger  Reichstage  als  sehr  wahrscheinlich  erklärte 
—  gegen  die  KiLsten  Italiens  einen  Zug  unternehmen  wollten, 
als  auch  von  Seite  Frankreichs.  Letzteres  wohl  deshalb,  weil 
er  meinte,  die  Verstärkung  der  Garnisonen  von  Piemont*  deute 
auf  den  Beginn  eines  neuen  Krieges  mit  Frankreich.  Darum 
rieth  Andreas  Doria  dem  Kaiser  in  einem  in  diesem  Sinne  ab- 
gefassten  Schreiben,  die  Algicrexpedition  in  diesem  Jahre  nicht 
zu  unternehmen.  Dieser  antwortete  jedoch  seinem  Admiral^ 
er  lasse  sich  von  einem  lange  gewünschten  Unternehmen,  zu 
dem  er  jetzt  den  definitiven  Entschluss  gefasst,  nicht  abbringen; 
falls  zur  Vertheidigung  Italiens  etwas  anzuordnen  nöthig  sei, 
werde  er  es  nicht  unterlassen;  Doria  aber  möge  die  erhaltenen 
Befehle  vollziehen.  Gleichzeitig  beruhigte  er^  ihn  über  den 
Einfall  der  Franzosen  mit  der  Versicherung,  dass  man  fUr  dieses 
Jahr  einen  solchen  nicht  zu  flirchten  habe. 

1  De  rebus  gcstis  Caroli  V.,  Matriti  1780,  ET,  134. 

^  Auch  der  englische  König  fragte  den  französischen  Gesandten  Marillac, 
ob  dies  auf  den  Ausbruch  eines  Krieges  deute,  worauf  dieser  Folgendes 
antwortete:  ,.  .  .  qu'on  ävoit  lev6  et  envoy^  gens  Äs  places  de  Pj^mont, 
ainsi  (|U*on  a  cousturae  faire  chacun  an  sur  le  renouveau  pour  renfforcer 
les  gamisons  de  plus  grand  nombre  qu'on  ne  tient  commun^ment  Ty^er, 
d'aultant  que  le  beau-temps  est  plus  suspect;  que  d^envoyer  aultres  gens 
par  de^a  il  n^en  estoit  aucunes  nouvelles,  bien  estoit  vraysemble  que 
monsieur  le  mareschal  de  Hannobault  comme  lieutenant  du  roy  et  gou- 
vemeur  du  pays,  y  pourroit  aller  si  Tempereur  passoit  en  Italye  ou  selon 
que  le  besoing  aultreraont  le  requeroit/  Marillac  an  Montmorency, 
London,  25.  März  1641,  Corresp.  politique,  279. 

'  Wie  aus  dem  Berichte  des  französischen  Gesandten  in  Venedig  an 
Franz  I.  vom  6.  September  ersichtlich  (N^gociations,  p.  512):  ,.  .  .  qu'il 
(Feveque  de  Trente)  estoit  tont  assenr^,  que  V.  M.  (Francois)  n'y  feroit 
point  guerre  pour  ceste  fois  ne  jusques  k  la  primav^re;  et  il  (l'empereur) 
a  escript  k  Andr6  Doria,  qu'il  a  irba  bonne  intelligence  avec  V.  M.  et 
qu'il  ne  fault  point  douter  de  vostre  coust^  d^aulcun  destourbier  en 
Itallye.*  Diese  Bemerkungen  des  firanzösischeu  Gesandten  sind  verspätet; 
denn  auch  das  mitgetheilte  Gespräch  des  Kaisers  mit  dem  Trienter 
Bischöfe  fand  zwischen  dem  10.  und  dem  13.  Aug^ust  statt. 


37 

,  Wie  Andreas  Doria  brachten  auch  die  meisten  der  früher 
Genannten  die  Gefahr  von  Seite  Frankreichs  und  dies  mit 
einiger  Berechtigung  vor.  Denn  das  Misstrauen  des  französi- 
schen Königs,  welches  durch  Verstärkung  der  piemontesischen 
Garnisonen  sich  geoffenbart  hatte,  war  besonders  seit  der  Er- 
mordung seiner  beiden  Gesandten  Rincone  und  Fregoso  (Juni 
1541)  auf  mailändischem  Gebiete  so  gross,  dass  ihm  die  Zu- 
sammenkunft zwischen  Kaiser  und  Papst  äusserst  unlieb  war, 
weil  er  fürchtete,  der  Kaiser  könnte  vom  Papste  Geldunter- 
stützung für  seinen  Algierzug  oder  die  Tüi'ken  überhaupt  er- 
langen und  dieselbe  dann  zum  Angriffe  auf  Piemont  oder  die 
Provence  —  wie  Jovius  '  will  —  verwenden.  In  solchen  Ge- 
danken wurde  er  auch  bestärkt,  weil  er  bis  zum  August  immer 
von  kaiserlichen  Rüstungen,  aber  nie  etwas  Sicheres  über  ihren 
Zweck  erfuhr.^  Ja,  Franz  hatte  sogar  zur  Deckung  Piemonts 
gegen  einen  etwaigen  Ueberfall  Ende  JuU  eine  grössere  Truppen- 
zahl dahin  abgesandt.^  Zwar  hatte  der  Papst  mit  seinen  Be- 
mühungen, ein  friedliches  Einvernehmen  zwischen  beiden  Fürsten 
herzustellen  und  den  Kaiser  zu  Zugeständnissen  gegen  Frankreich, 
namentlich  in  Bezug  auf  Mailand  zu  bewegen,  keinen  Erfolg,^ 
anderseits  war  aber  das  Verhältniss  zu  Frankreich  noch  nicht 
so  gespannt,  dass  ein  Krieg  schon  in  diesem  Jahre  ausbrechen 
musste.  Es  wurde  vielmehr  nach  der  Abreise  des  Kaisers  von 
Lucca  der  jüngere  Granvella  an  den  Papst  und  ein  anderer 
Gesandter,  Franz  Manrique,^  nach  Frankreich  geschickt,  um 
sowohl  am  päpstlichen  als  auch  am  französischen  Hofe  die  Un- 
schuld des  Kaisers  an  dem  Morde  der  französischen  Gesandten 


J  Historiarum  sui  temporis,  1.  XL,  Lutetiae  1554,  IT,  268;  Ncgoeiations,  507. 

'  Reiffenberg,  Hist.  de  Tordre  de  la  Toison  d'or,  Bruxelles  1830,  p.  417; 
Tgl.  oben  Seito  31. 

*  ,.  .  .  ^our  estre  adverty,  quo  rempereur  descend  en  Italye  avec  six  ou 
sept  mil  lansquenetz,  j'ay  nagii^res  envoye  en  Pi6raont  mou  cousin,  le 
sieur  d^Annebault,  marescbal  de  France  et  faict  passer  apr^s  luy  bon 
nombre  de  gendarmerie  et  de  gens  de  pi6  et  oultre  cela  je  faictz  tenir 
prest  dix  mille  Suisses,  pour  les  faire  descendre  ei  tante  est  qne  j'en 
aye  besoing  et  qu'on  nie  vienne  envahyr  ^s  villes  et  lieux  que  j*ay  soubz 
mon  ob^issance.*  Franz  an  Marillac,  9.  August  (Corresp.  politique,  3*25). 
Dasselbe  in  Jovius'  Briefe  an  Stefano  Colonna  aus  Rom  yom  29.  Juli 
1541  (Domenichi,  p.  81). 

^  Zeller,  Diplomatie  fran^aise,  277  sq. 

»  Papiers  d'^tat  du  Cardinal  de  Granvelle  II,  639;  Leva  III,  457. 


darztitlnin.     Auch   hatte   Karl  V,   ein   cigenhtodigeg  ächreiB 
an  Franz  I.  in  sehr  versöhnlichem  Tone  gerichtet,  welches  ( 
Könige  seine  Ahreiae  zum  Algierzuge  anzeigte,' 

Mag    dem   wie    immer   sein:    der   Kaiser   hat   mit 
AeuBserung,  welche  er  bereits  in  Trient  dem  dortigen  Bij 
gegenüber  that,  dass  nämlicli  die  Franzosen  bis  zum  Frühjahre 
1542  Ruhe  halten  werden,  Recht  behalten. 

Der  zweite  Grund,  weshalb  man  dem  Kaiser  vom  Algier- 
zugB  abrieth,  war  die  Tih'kengefahr  in  Ungarn,  namentlich  nach 
dem  missiungenen  Versuehe  der  Wiedergewinnung  Ofens  und 
der  erfolgten  Ajikunft  des  Sultans  daselbst.  Insbesondere— 
nahmen  es  einige  deutsche  Fürsten  dem  Kaiser  tlbel,  dasSi^H 
sich  der  Verhältnisse  in  Ungarn  nicht  angenommen  habe.  H^H 
Landgraf  Philipp  witzelte  llber  den  Abgang  des  Kaisers  d^H 
Deutschland:  er  habe  sich  die  ehrenvollere  Aufgabe  auf  d^^| 
entfernten  Kriegsschauplätze  und  nicht  die  leichtere  der  ^^| 
kUmpfung  der  TUrken  in  Ungarn  ausßrwJVhlt.^  Was  diesen  Vl^H 
wurf  betrifft,  so  darf  man  behaupten,  dass  der  Kaiser  in  Ung^^H 
eine  klägliche  ßolle  gespielt  hütte,  da  ihm  die  deutschen  Sttt^^H 
auf  dem  Kegensbrn-ger  Reichstage  nur  sehr  geringe  Knegsmi^^| 
und  selbst  diese  zu  spät  gewährten.  Ausserdem  hatte  er  n^H 
Künig  Ferdinand  3000  Mann  italienischer  Truppen  von  d^H 
Markgrafen  Marignano  in  Italien  anwerben  lassen.  Mehr  koo^H 
er  bei  seinen  geringen  Geldmitteln,  wie  er  seinem  Bruder  v4^H 
sicherte,  nicht  thun.  Denn  diese  mochten  wohl  iWr  eine  ^^H 
pedition  nach  Afi-ika  ausreichen,  weil  eine  solche  nur  B<^^| 
kurze  Zeit  dauern  konnte,  und  wurden  überdies  durch  SiQ^^| 
ningsmassrcgeln  an  der  piemontcsisch-mailändischen  Grenze  st^^| 
in  Anspruch  genommen.'  j^H 

Der  Kaiser  hatte  aber,  wie  wir  ans  einer  herrlichen  B«^H 
wissen,  die  er  im  Jahre  1538  vor  vcnctlauischen  Gesandten^H 
Niü^a  hielt,  eine  begründete  Abneigung  gegen  die  Führung  ^^| 
TUrkenkriegcs  im  grossen  Stile,  da  er  seit  den  Erfahrun^^H 
des  Jahres  1532  Überzeugt  war,  dass  der  Sultan  jeder  Hatq^H 
Schlacht  ausweiche  und  seinen  Gegner  durch  einen  kostspiellg^H 
Krieg    an    den    Grenzen    nur    fortwährend    beschäftigen    a^l 

■  Nd^cJAtiuns,  [I.  t>3\.  ^^M 

>  Jovias,  Historinniin  ntii  letnporJs  II.  '2A6  ni|  ^^M 

*  Brief  de>  Kuseni  an   K.  Ferdinanil  aiin  Oonua  vom  <1.  SoiiWinber  I^^^| 

^^JKlMtt  Arrliiv.  rn.1    .„,,|.in..,    mu.  .^^^^I 


39 

erschöpfen  wolle.'  Ein  grosses  Rcichsheer  hätte  also  wieder 
keinen  Erfolg  erzielt  und,  wie  im  Jahre  1532,  König  Ferdinands 
Jjänder  verwüstet.  Unter  solchen  Umständen  hatte  er  wohl 
Orund  zu  ^betonen:^  ,Per6  pensavo  che  fosse  molto  meglio 
prendere  un'  impresa  piccola  con  la  mia  fredezza  et  riuscirne 
bene  che  una  grande  per  far  nulla/ 

Oesterreich  war  nach  dem  Einzüge  Soliman's  in  Ofen  sehr 
bedroht.  Wien  hatte  kein  Heer  zu  seinem  Schutze,  und  die 
kärglichen  Reste  der  seit  dem  22.  August  zersprengten  und 
Tcmichteten  österreichischen  Truppen,  welche  die  Einnahme 
Ofens  erzwingen  wollten,  hatten  nach  dem  Tode  Rogendorf's 
keinen  bewährten  Führer  mehr.  In  Wien  fürchtete  man 
die  Schrecknisse  einer  zweiten  Belagerung.  Welche  Gefahr 
drohte  einer  Stadt,  die  gegenüber  einem  grossen  türkischen 
Heere  mit  300  (?)  Kanonen  von  Artillerie  fast  entblösst  war!  ^ 
In  dieser  Lage  schickte  König  Ferdinand  Gesandte  mit  Ge- 
schenken an  Soliman,  um  einen  Frieden  zu  erreichen.  Diese 
wurden  zwar  freundlich  aufgenommen,  verliessen  aber  am 
12.  September  das  türkische  Hauptquartier,  da  die  Verhand- 
lungen wegen  der  hohen  Forderungen  SoUman^s  zu  keinem  Re- 
sultate gefiihrt  hatten;  nicht  einmal  ein  Waffenstillstand  ward 
gewährt.  Trotzdem  verliess  der  Sidtan  am  22.  September  Ofen 
und  kam  bereits  am  20.  November  wieder  in  Constantinopel  an. 
Wir  haben  uns  hier  die  Frage  zu  stellen,  warum  der 
Sultan,  zumal  da  sich  ihm  kein  Heer  hätte  entgegenstellen 
können,  dennoch  weder  zur  Belagerung  Wiens  aufbrach,  noch 
auch  sonst  etwas  Ernstes  gegen  die  österreichischen  Länder 
unternahm.  Zinkeisen  ^  meint:  ,Es  lag  nicht  in  Soliman's  Plan, 
den  Gesandten  etwa  an  der  Spitze  seines  Heeres  auf  dem 
Fusse  zu  folgen  und  Ferdinand  den  Frieden  unter  den  Mauern 


'  Depesche  vom  24.  Mai  1538  (Vcnetian.  Dop.  vom  Kaisorhofe  I,  70). 

'  Gasp.  Contarini  an  Faniese,  Regensburg,  10.  Juli  1541,  1.  c,  493.  — 
Villegaignon  (Relation  de  Texpodition  de  Cliarles-Quint  contre  Alger  par 
Nicolas  Durand  de  Villegaignon,  Paris  et  Alger  1874,  M.  Grammont, 
p.  31)  äussert  sich  Uhnlich:  ,...  sed  quia  tantum  apparatum  exposcit 
Turcarum  amplitudo,  ut  eum  non  posset  citius  quam  inennte  aestate 
Universum  comparare,  Interim  dum  ei  dat  operam,  Africanum  bellum 
suscipiendum  sibi  esse  putavit/ 

'  KOnig  Franz  an'Marillac,  Lans  en  Bresse,  17.  September  1641,  Corre- 
spondance  politique,  338. 

^  Geschichte  des  osman.  Reiches  n,  847. 


4() 

von  Wien  vorzuschreiben;  die  Erfahrung  von  1529  stand^  wie 
es  scheint,  noch  zu  lebendig  vor  seiner  Seele/  Obgleich  sich 
diese  Erklärung  •  hören  lässt,  so  werden  doch  noch  andere 
Gründe  den  Sultan  zu  UnthUtigkeit  und  Rückzug  ^us  Ungarn 
bewogen  haben. 

In  seiner  Instruction  für  den  Speiercr  Reichstag  bemerkt 
der  Kaiser,  dass  er  nach  der  Zusammenkunft  in  Lucca  Nach-' 
richten  empfangen  habe,  nach  welchen  der  Sultan  sich  hauptsäch- 
hell  wegen  der  bedeutenden  kaiserlichen  Flotte  zum  Rückzuge 
entschlossen  habe,'  und  dass  auch  von  der  türkischen  Flotte 
nichts  zu  fürchten  war.  Wir  haben  hier  keinen  Grund,  der  Angabe 
des  Kaisers  zu  misstrauen,  obwohl  die  üble  Seite  der  Instruction 
von  uns  unten  hervorgehoben  werden  wird.  Es  ist  im  Gegen- 
theile  möglich,  dass  der  Kaiser  den  Angriff  der  türkischen 
Flotte  durch  seine  Rüstungen  zur  See  verhinderte,  jedoch  auch 
wahrBcheinhch,  dass  er  durch  seinen  Plan,  Algier  zu  er- 
obern, das  erreichte,  was  er  nach  den  Angaben  fast  aller 
Quellen  von  seinem  Algierzuge  erwartete:  die  Ablenkung 
des  Sultans  und  seines  Heeres  von  den  österreichischen  Erb- 
landen. Denn,  wenn  sich  Soliman  veranlasst  sah,  nach  drei- 
wöchenthcher  Unthätigkeit  in  Ofen  nach  Constantinopel  zurück- 
zukehren, so  hat  gewiss  hiezu  auch  der  Umstand  beigetragen, 
dass  er  sich  in  seiner  Hoffnung,  gegen  Oesterreich  und  Ungarn 
einen  unvermutheten  und  darum  um  so  empfindHcheren  Schlag 
führen  zu  können,  getäuscht  sah,  weil  der  Kaiser  selbst  die 
Offensive  in  derselben  Richtung  ergriff,  in  welcher  er  zur 
bitteren  Erinnerung  des  Sultans  im  Jahre  1535  einen  schönen 
Erfolg  errungen  hatte:  nämlich  gegen  die  türkischen  Besitzun- 
gen  in  Afrika.     Wir  wissen  aus  Berichten  Laski's^   an  König 


*  ,Verum  qiium  audivissenius  Turcam  sese  in  Graociam  recepisse,  idque 
ma^na  ex  parte  ob  famain  nostrae  classis  quam  ille  vererj  videretar  . .  .* 
An  Stolle  der  Worte  ,8ese*  bis  ,vidüretur*  steht  von  anderer  Hand  am 
Kande  ^ex  Ilungaria  reditiim  in  snas  ditiones  parare  et  iam  ad  iter  se 
aeomptare  ob  id  maxime  qnod  fama  et  opiniouo  nostrae  classis  terri- 
tu8  esset*. 

2  ,Uxor  iraperatoris  cras  intrabit  Constantinopolim,  cni  ivit  (sie)  obviam 
barbarossa,  nt  lainentarotnr  de  amissis  africae  locis.*  Constantinopel, 
13.  März  (Gevay  III,  121).  —  (Imperator)  ,redibit  enim  huc,  ut  bar- 
barossam  cum  armata  expediat;  dolet  enim,  quod  *barbarossa  amisit  sna 
in  africa  loca*.  Constantinopel,  5.  Februar  (Gevay  HI,  110).  —  »Bar- 
barossa  ab  Omnibus  nunc  bassis  (Paschas)    odio   perseqnitar   propterea 


41 

Ferdinand  vom  Jahre  1541,  dass  nicht  blos  Barbarossa,  son- 
dern auch  der  Sultan  und  seine  Umgebung  an  diesen  Erfolg 
mit  grossem  Aerger  dachten.  Neben  dem  Hinweise  auf  die 
Algier  drohende  Gefahr  mag  dem  Sultan  wirklich  von  seinen 
Rathgebem  zu  bedenken  gegeben  worden  sein:  der  Misserfolg 
von  1529  und  die  vorgerückte  Jahreszeit.^  Der  Kaiser  konnte, 
als  er  in  Mallorca  einen  Brief  König  Ferdinands  vom  22.  Sep- 
tember erhalten  hatte,  in  dem  dieser  von  des  Sultans  über- 
triebenen Forderungen,  aber  noch  nicht  von  dessen  Abzug 
spricht,  seine  Reise  nach  Algier  mit  Beruhigung  ^  fortsetzen. 

Wenn  der  Kaiser  so  hartnäckig  auf  seiner  Unternehmung 
gegen  Algier  bestand,  so  geschah  es  auch  aus  Rücksicht  fllr 
Spanien,  Neapel  und  Sicilien,  welche  alle  unimterbrochenen 
Küstenplünderungen  von  Seite  der  algierischen  Seeräuber  aus- 
gesetzt waren.  Stets  hatten  die  Spanier  in  den  Kaiser  ge- 
drungen, eine  Expedition  dieser  Art  zu  imtemehmen,  weil  sie 
eben  am.  meisten  zu  leiden  hatten.  Dabei  wünschten  sie  auch 
wegen  der  grossen  Zahl  von  Moriscos,  denen  sie  nie  trauen 
mochten,  eine  Sicherheit  vor  äusseren  Gefahren.  ^  In  der  That 
betheiligte  sich  eine  stattUche  Anzahl  der  hervorragendsten 
spanischen  Edelleute  freiwillig  imd  auf  eigene  Kosten  an  dem 
Algierzuge  unter  Alba's  Commando.  Im  Falle  des  Gelingens 
dieser  Unternehmung  hätte  der  Kaiser  fast  das  ganze  westliche 
Mittelmeerbecken  beherrscht,  der  Handel  wäre  mehr  gesichert 
und  die  Küstenbewohner  wären  nicht  in  steter  Furcht  vor 
Plünderung  gewesen. 

Den  Kaiser  leitete  aber  noch  eine  andere  Erwägung. 
Wären  nämlich  die  für  den  Algierzug  bestimmten  Truppen  aus 

quod  fiscum  imperatoris  debilitavit,  nuncqne  postquam  basse  vident  eum 
in  africa  amisisse  tot  loca,  contemnunt  eum,  neqne  amplius  timent,  ne 
ad  Cesarem  deficiat*    Constantinopel,  17.  März  1541  (Gevay  III,  123). 

^  Andreafl  von  Kamora,  der  30.  August  aus  dem  türkischen  Lager  entfloh, 
machte  bald  darauf  König  Ferdinand  folgende  Mittheilung:  ,Alle  Türken 
mi^sriethen  dem  Sultan,  diese  Stadt  zu  belagern,  da  es  schon  einmal  ohne 
Vortheil  geschehen  sei  und  dieses  jetzt  wieder  der  Fall  sein  würde.  Es 
wäre  besser,  vor  Eintritt  des  Winters  nach  Constantinopel  zurückzukehren, 
da  der  Weg  dorthin  so  weit  und  die  Strassen  so  schlecht*  (Bucholtz,  Ge- 
schichte Ferdinand's  I.,  Wien  1833,  IX,  318). 

'  Vergleiche  im  Anhange  den  Brief  des  Kaisers  an  KOnig  Ferdinand  vom 
16.  October  1641. 

'  Pietro  Mocenigo  an  die  Signorie,  Toledo,  20.  October  1638,  Venetianische 
Depeschen  I,  216. 


42 

Italien,  Neapel  und  JSieilien  nach  Ungarn  geschickt  worden,  so 
hlltten  sie  dort  nichts  mehr  unteniehmen  können,  da  die  Jahres- 
zeit ])ereits  zu  weit  vorgerückt  gewesen  wäre,  abgesehen  da- 
von, dass  ja  bereits  am  22.  September  der  Sultan  Ofen  verliess. 
Anderseits  verbot  die  Rücksicht  auf  die  Gefahr  von  französi- 
scher Seite,  diese  Streitkräfte  für  einen  Krieg  in  Ungarn  zu 
sammeln  und  erst  im  Frühjahre  den  Kampf  zu  beginnen,  da 
der  Kaiser  im  Frühjahre  einen  Angriff  in  Italien  oder  Spanien 
ftlrchten  musstc.  Dagegen  konnte  der  Zug  gegen  Algier,  wie 
der  Kaiser  richtig  beurtheilte,  wenn  er  rasch '  unternommen 
wurde,  namentlich  mit  Rücksicht  auf  die  Stärke  seiner  Flotte 
und  die  schwache  Besatzung  Algiers,  von  welcher  er  Kenntniss 
hatte,  in  diesem  Jahre  gelingen.  Endlich  konnte  Karl,  einmal 
Herr  Algiers,  Flotte  und  Landarmee  zu  einem  Angriffe  auf 
französisches  Gebiet  verwenden,^  wenn  die  Franzosen  aus  ihren 
Drohungen  Ernst  machten. 

Jovius  lässt  Karl  V.  Andreas  Doria  und  Guasto  gegen- 
über erklären:  er  bestehe  auf  diesem  Zuge,  qimm  Algerium 
midtis  de  causis,  priusquam  maria  hybemis  aquilonibus  claudan- 
tur,  expugnari  facile  possit."*  Der  Kaiser  meinte  also,  der  Zug 
gelinge  gewiss,  wenn  er  unternommen  werde,  bevor  die  stür- 
mische winterliche  Jahreszeit  beginne. 

Darin  liegt  aber  gerade  der  Hauptvorwurf,  den  man  gegen 
den  Kaiser  erhoben  hat  und  noch  erhebt,  dass  er  den  Hafen 
von  Spezia  mit  seinen  Galeeren  zu  einer  Zeit  verlassen  habe^ 
als  niclit  allein  Doria,  sondern  auch  jeder  andere  erfahrene 
Seemann  ihm  mit  Wahrscheinlichkeit  kein  gutes  Wetter  für 
seine  Flotte  hätte  prophezeien  können.  Auch  der  Papst  gab 
dem  Kaiser  ungefähr  Mitte  September  zu  erwägen:^  weil  die 
Küste  Afrikas  arm  an  Häfen,  sei  ,hyemis  navigatio'  nicht  räth- 
lich.  Und  nachdem  der  Kaiser  am  Abend  des  28.  Septembers, 
also  eine  Woche  nach  Solimans  Abgang  nach  Constantinopel,  mit 


'  Villegaig^nou,  j).  31 :  ,Rein  in  coleritate  positani  esse  videbat*  (Imperator). 

2  jCuiiis  voti  si  mo  (Caroluni)  Dij  conipotem  fecorint,  contemnemus  carte 
Gallorum  niiiias  atquo  Iiis  profecto  classibiis  et  copiis,  quibus  stipendia 
gravi  guniptu  porsolntii  videti»,  si  tenioro  sose  commoverint  nitro  eornm 
andaciani  retundemus*  (JoviuH  11,  267). 

8  Ibid. 

*  Villegai^on,  p.  31. 


43 

seinen  Galeeren  den  Hafen  von  Spezia  verlassen  hatte,  um  sich 
mit  den  übrigen  Flottenabtheilungen  aus  Sicilien  und  Spanien  bei 
Mallorca  zu  vereinigen/  da  schrieb  am  15.  October  1541  der 
Bischof  von  Montpellier,  fi'anzösischer  Gesandter  ^  in  Venedig,  an 
Franz  I.  tlber  diese  Abreise:  ,Quant  au  voyage  de  Tempereur, 
ainsi  que  m'ont  dict  plusieurs  gens  qui  cognoissent  le  navigaige 
de  la  mer  Mediterran^  .  .  .  ils  estimont,  ledict  empereur  avoir  en 
trfes  mauvais  temps  pour  aborder  en  coste  d' Algier,  mesmement 
ung  cappitaine  qui  est  k  mon  logeis,  lequel  est  fort  praticien 
de  ce  pays,  pour  avoir  estö  XII  oü  XV  ans  esclave  plus  dome- 
sticque  de  Barberousse/  Man  sieht  aus  diesen  Worten,  dass 
nicht  blos  Doria  und  der  Papst,  sondern  auch  mancher  Andere 
die  Geföhrlichkeit  einer  solchen  Seereise  erwog. 

Hatte  der  Kaiser  wirklich  so  spät  die  Befehle  zur  Aus- 
rüstung der  Flotte  abgehen  lassen,  dass  sie  erst  jetzt  auslaufen 
konnte?  Wir  kommen  damit  zur  Erörterung  einer  ganz  unbe- 
achteten und  doch  für  uns  sehr  wichtigen  Frage. 

Schon  zu  Beginn  des  Jahres  1541  waren  die  definitiven 
Befehle  des  Kaisers  zur  Ausrüstung  einer  Flotte  abgegangen. 
Wir  haben  bereits  gesehen,  wie  unangenehm  es  für  Andreas 
Doria  war,  diesen  Befehl  auszuflihren,  wie  er  den  Kaiser  von 
seinem  Plane,  gegen  Algier  zu  ziehen,  abbringen  wollte,  und 
welche  Antwort  ihm  zu  Theil  ward.  Welche  Wirkung  der 
Brief  Karls  bei  Doria  trotz  alledem  hatte,  wissen  wir  von  einem 
Chronisten,  der,  nach  manchen  Richtungen  hin  geprüft,  sich  stets 
als  ein  gewissenhafter  und  vermöge  seiner  guten  Informationen 
zuverlässiger  Autor  erweist:  nämlich  von  Sepulveda.  Dieser 
sagt:  3  Andreas  Doria,  bei  welchem  die  Rücksicht  auf  sein 
Vaterland  und  die  Furcht  vor  den  Feinden  mehr  als  die  Be- 
fehle Karls  vermochten,  ,rem  tarn  negligenter  administra- 
vit,  dum  vellet  Carolum  ad  Germaniam  et  Italiam  totam  aesta- 
tem  consumere,  ut  eins  profectionem  plus  quam  mensem 
moraretur^ 

Was  vermag  gegen  diese  grosse  Verzögerung,  von  der  wir 
nach  all'  dem  früher  Bemerkten  (S.  32  und  36  f.)  annehmen  müssen. 


1  Die  Vereinigung  mit  den  neapolitanischen  und  maltesischen  Schiffen  fand 

bei  Cagliari  statt. 
'  N^ociations,  620. 
s  n,  134. 


44 

dass  sie  wirklich  stattfand^  die  ^fatalis  mora^  von  ,zwei^  Tagen, 
wie  Jovius  ^  die  Verzögerung  der  Landung  nennt!  Die  letztere 
Verspätung  wurde  dadurch  herbeigeführt,  dass  der  Kaiser,  trotz- 
dem er  bereits  am  20.  October  vor  Algier  mit  seiner  Flotte  er- 
schien, die  Ausschiffung  auf  den  23.  October  verschieben  mosste, 
da  seine  Truppen  am  21.  und  22.  October  nur  mit  grossen  Be- 
schwerlichkeiten und  Gefahren  wegen  des  stürmischen  Meeres  ans 
Land  zu  bringen  gewesen  wären;  ausserdem  konnte  die  10  Kilo- 
meter westUch  von  Algier  entfernte  spanische  Flottenabtheiluug 
wegen  des  scharfen  Ostwindes  das  Cap  Caxines  (wenige  gatb 
Schiffe  ausgenommen)  nicht  umfahren;  die  Landung  aber  musste 
gleichzeitig  und  nach  Vereinigung  aller  Schiffe  stattfinden.  Die 
zweitägige  Verzögerung,  die  Jovius  Niemand  zur  Last  legt, 
entriss  nach  seiner  gewiss  richtigen  Bemerkung  den  schon  siche- 
ren Sieg  Karls  Händen.  Einen  um  wie  viel  mehr  sicheren  Sieg 
aber  gar  eine  Verzögerung  von  einem  Monate!  Diese  hätte  Jo- 
vius doch  auch  anführen  sollen.  Mag  sein,  dass  er  dieses  Ver- 
säumniss  des  Andreas  Doria  nicht  kannte;  wir  werden  aber 
bald  sehen,  dass  er  an  einer  anderen  Stelle  trotz  guter  Kennt- 
niss  der  Sachlage  Andreas  Doria  doch  geschont  hat. 

Allein  sehen  wir  nach,  ob  nicht  Aeufiserungen  anderer 
Autoren  oder  Berichte  vorhegen,  durch  welche  diese  Verzöge- 
rung der  Ausrüstung  der  Flotte  bestätigt  wird. 

Die  Commentaires  ^  geben  uns  auch  in  dieser  Beziehung 
Aufschluss:  ,Bien  que  T^quipement  et  les  apprSts  de  cette 
flotte  eussent  durö  plus  qu'il  ne  convenait  et  quoique  U 
Saison  fiit  presque  perdue  .  .  .  s'embarqua.' 

Am  14.  November  1541  schrieb  Karl  mit  eigener  Hand 
aus  Bugia,  von  wo  er  mit  dem  kärglichen  Reste  seiner  Flotte 
noch  längere  Zeit  wegen  der  Stürme  nicht  loskommen  konnte, 
unter  dem  Eindrucke  des  tiefen  Schmerzes  über  die  misslungene 
Unternehmung  an  seine  Schwester  Maria :  ^  ,Congnoi8terÄs  que 
ce  que  en  Taultre  ^  vous  ay  escript,  de  X  jours  plus  tost  oü 
plus   tard,   que  le  tard  n'at  servy   que   de   pis:   le   plus   tost 


1  II,  f.  269. 
'  p.  69  sqq. 

3  Coinpte  rendu  des  söances  de  la  Commissiou  royale  d^histoire  de  Belgiqne 

1856,  n™«  s^rie,  Vm,  115. 
*  Leider  ist  uns  dieser  Brief  nicht  erhalten  (vgl.  nnten  Seite  62). 


45 

Sans  doute  l'emprinse  fut  est^  achev^e.  II  y  a  eu  tant 
de  longeurs  et  de  (sie)  tant  de  coust^s^  que  je  le  viens  k 
payer  sans  en  estre  en  coulpe:  que  est  contre  mon  ordinayre/  * 

Obwohl  in  den  letztgenannten  Angaben  Donars  Name 
nicht  genannt  wird,  ist  doch  zu  sagen^  dass  sie  SepiUyeda's 
Notiz^  die  nur  auf  eine  authentische  Mittheilung  zurückgehen 
kann,  völlig  bestätigen.  Ausserdem  ist  zu  beachten,  dass  die 
spanische  Flottenabtheilung,  welche  mit  der  kaiserUchen  in 
Mallorca  zusammentreffen  sollte,  bereits  mehr  als  zehn  Tage 
bei  der  Insel  Iviza  auf  den  Kaiser  gewartet  hatte,  bis  derselbe 
endlich  am  13.  October  auf  Mallorca  ankam.^ 

Schliesslich  wissen  wir  aus  den  Commentaires  ^  un^  der 
kaiserlichen  Instruction  für  den  Speierer  Reichstag,  dass  der 
Kaiser  aus  Deutschland  vorerst  nach  Spanien  zurückkehren  und 
von  dort  erst  den  Zug  gegen  Algier  unternehmen  wollte.  Dies 
beweist,  dass  er  mit  den  thatsächlich  eingetretenen  Verzöge- 
rungen nicht  rechnete. 

Warum  unternahm  aber  der  Kaiser  trotz  der  grossen  Ver- 
zögerung, welche  die  Ausrüstung  der  Flotte  erfuhr,  dennoch 
den  Zug?  Die  Commentaires  *  geben  auch  hierauf  eine  Antwort, 
wenngleich  sie  nicht  erschöpfend  ist: 

,Bien  que  le  equipement  et  les  appröts  de  cette  flotte 
eussent  durö  plus  qu'il  ne  convenait,  et  quoique  la  saison  fiit 
presque  perdue  toutefois,  comme  on  ne  pouvait  donner  un  autre 
emploi  aux  d^penses  qui  avaient  M  faites,  et  par  d'autres 
raisons  qui,  ainsi  qu'on  la  dit,  Ty  engageaient,  Tempereur 
consid^rant  que  le  temps  est  dans  la  main  de  Dieu  s'embarqua 
au  dit  port  de  la  Spezzia  .  .  / 


1  Eine  Aeassemng  eines  Ungenannten,  der  an  der  Expedition  theilnahm, 
kann  auch  herangezogen  werden  (Collection  des  yoyages  des  souverains 
des  Pays-Bas,  Bruxelles  1881,  III,  415):  ,Et  aprös  avoir  Sadicte  MajestS 
B^otumö  en  ladicte  ville  (Milan)  environ  XY  jonrs  (unrichtig;  nur  acht 
Tage)  il  se  commenchoit  k  ennnyer  d^estre  sy  longtemps  sans  veoir  son 
arm^  laqnelle  estoit  quasi  toute  preste. 

3  Das  Schiff,  welches  den  Führern  Alba  und  Mendoza  die  Ankunft  des 
Kaisers  auf  Mallorca  überbringen  sollte,  traf  die  spanische  Flottenab- 
theilung auf  Iviza  nicht  mehr,  weil  sie  bereits  nach  Algier  abgegangen 
war  (Brief  des  Kaisers  an  Tavera,  CoIIecc.  de  doc.  I,  234). 

*  p.  68. 

«  p.  59. 


46 

Die  Zeitgenossen  und  vielleicht  wir  selbst  können  nament- 
lich mit  Rücksicht  auf  den  unglücklichen  Ausgang  des  Unter- 
nehmens nicht  umhin,  d4m  Kaiser  daraus  einen  Vorwurf  zu 
machen,  dass  er,  trotzdem  die  Flotte  so  spät  ausgerüstet  war, 
dennoch  den  Zug  unternahm.  Aber  wii*  können  sein  Vorgehen 
gleichwohl  sehr  begreiflich  finden,  wenn  wir  auch  zugestehen 
müssen,  dass  die  Expedition  wirkHch  nur  auf  gut  Glück  unter- 
nommen ward.  Wäre  die  Expedition  nicht  unternommen  worden, 
so  hätten  eine  Flotte  und  ein  Heer,  deren  Ausrüstung  so  viel  Kosten 
verursacht  hatte,  keine  Verwendung  finden  können.  Aber  noch 
andere  von  einem  Theile  seiner  Räthe  vorgebrachte  Gründe 
bewogen  den  Kaiser,  auf  der  Ausführung  seines  früheren  Ent- 
schlusses zu  bestehen.  IJesonders  dürfte  betont  worden  sein, 
dass  er  im  nächsten  Jahre  von  Seite  Frankreichs  in  Italien  und 
von  Seite  der  Türken  in  Ungarn  viel  zu  sehr  in  Anspruch  ge- 
nommen sein  werde,  als  dass  er  dann  mit  der  Realisirung  seines 
Offensivplanes  gegen  Algier  rechnen  könne.  Dazu  kam  aucli 
die  Besorgniss  des  Kaisers,  dass  er  bei  Verschiebung  des  Unter- 
nehmens die  zu  einem  solchen  Angriff  jetzt  wenig  gerüstete 
Stadt  im  nächsten  Jahre  durch  umfassende  Vorkehrungen  der 
Pforte,  insbesondere  aber  durch  die  türkische  Flotte,  welche  dies- 
mal ihre  beabsichtigten  Küstenangriffe  unterlassen  hatte,  der- 
art gesichert  finden  würde,  dass  ein  Zug  mit  grosser  Aussiebt 
auf  Erfolg  nicht  mehr  unternommen  werden  könne.  Endlich 
war  der  Kaiser  durch  sein  gegebenes  Versprechen  den  Spaniern 
gegenüber  gebunden,  welche  so  grosse  Kosten  zur  Ausrüstung 
der  nun  segelfertigen  Flotte  nur  wegen  Algier  aufgewendet 
hatten. 

3. 

Verlauf  der  Algierexpedition. 

Zur  Erläuterung  der  folgenden  Fragen  wollen  wir  uns 
nur  km'z  und  in  den  Hauptmomenten  die  Ereignisse  der  Ex- 
pedition von  der  Ankunft  der  Flotte  vor  Algier,  am  20.  Oc- 
tober,  bis  zum  26.  October,  dem  Tage  des  Abzuges  des  Heeres 
von  dort,  vorfUhren. 

Von  Mallorca  fuhr  die  kaiserliche  Flotte  an  die  afrika- 
nische Küste,  an  welcher  sie  am  20.  October  ankam.  Die 
unter  Alba's   und  Bemardino  de  Mendoza's  Führung  stehende 


47 

spanische  Abtheilung  war  indessen  schon  vor  dem  Kaiser  an- 
gelangt. Während  dieser  Theil  der  Flotte  westlich  von  Algier 
bei  Cap  Caxines  verblieb,  lief  der  andere,  grössere  in  den  Hafen 
von  Matifou  ein,  der  ungeftlhr  15  Kilometer  östlich  von  Algier 
gelegen  ist.  Der  Kaiser  liess  nun  die  Küsten  erforschen,  um 
einen  günstigen  Landungsplatz  aufzufinden.  Doch  konnte  die 
Landung  nicht  vor  dem  23.  October  stattfinden,  da  das  Meer 
sehr  unruhig  war. 

Vor  ^  der  Landung  hatte  der  Kaiser  an  Hassan  Aga  einen 
spanischen  Edelmann,  Lorenzo  Manuel,  gesandt,  welcher  diesen 
aufforderte,  die  Stadt  unter  sehr  günstigen  Bedingungen  zu 
übergeben.  Man  erinnerte  Hassan  an  seine  christliche  Abkunft  ^ 
und  versprach  im  Falle  der  Uebergabe  seinen  Truppen  freien 
Abzug,  ihm  selbst  aber  bedeutende  Belohnungen,  welche  nach 
MarmoFs^  Angabe  ihn  beinahe  zur  Annahme  der  Vorschläge 
gebracht  hätten,  wenn  nicht  der  Renegat  Mehemet  den  schwan- 
kenden Willen  seines  Herrn  mit  dem  Hinweis  auf  seine  Pflichten 
gegen  den  Sultan  und  auf  die  Pflicht  des  Kampfes  gegen  die 
Christen  zur  entschiedenen  Ablehnung  dieser  Vorschläge  ge- 
bracht hätte. 

Obwohl  nur  ein  Theil  der  spanischen  Schiffe  das  Cap 
Caxines  umschifft  und  sich  mit  dem  andern  Theile  der  Flotte 
vereinigt  hatte,  beschloss  der  Kaiser  dennoch  die  Landung,  da 
das  Meer  ruhiger  geworden  war.  Diese  begann  am  23.  October 
bei  Tagesanbruch  in  der  Bai  von  Algier  an  einer  Stelle,  welche 
ungefähr  ,7  bis  8  Miglien'  östUch  von  Algier  gelegen  war.^ 
Die  Soldaten  wurden  mit  Munition  und  Lebensmitteln  für 
nur  zwei  bis  drei  Tage  ausgerüstet  ans  Land  gebracht,  um 
gegen  den  sie  an  der  Küste  erwartenden,  fast  ausschhesslich 
aus   leichter  Reiterei  bestehenden   und   in   seinen  Bewegungen 

*  Jovius  II,  270;  Marmol,  Description  general  de  Afriea,  Granada  1873, 
II,  f.  217;  nur  Sandoval  (II,  405)  sagt  ,pue8  como  el  Emperador  salto 
en  tierra  embio  .  .  .*  —  Doch  diesem  in  chronologischen  Angaben  stets 
ungenauen  Autor  ist  viel  eher  ein  Irrthum  zuzuniuthen  als  Jovius  und 
dem  ihm  folgenden  Theilnehmer  an  dem  Zuge,  nämlich  Marmol. 

^  Ab  Christ  in  Sardinien  geboren,  war  er  in  Barbarossa's  Gefangenschaft 
gekommen,  erwarb  sich  aber  so  sehr  dessen  Vertrauen,  dass  er  ihn  in 
der  letzten  Zeit  sogar  zu  seinem  Stellvertreter  in  Algier  einsetzte. 

»  f.  1«  17  V. 

*  Vergl.  den  Brief  des  Kaisers  an  K.  Ferdinand  vom  3.  November  1541  (An- 
hang) und  SepiUveda  II,  143. 


48 

äusserst  flinken  Feind  ebensowenig  wie  auf  dem  Weitermarsche 
behindert  zu  sein.^  Um  Mittag  begann  ein  heftiger  Wind  die 
See  so  aufzuwllhlen^  dass  man  Reiterei  und  Lebensmittel  nicht 
mehr  ans  Land  bringen  konnte.^  Wenngleich  mit  Schwierig- 
keiten verbunden,  war  doch  gegen  Abend  die  Landung  des 
grösstcn  Theiles  des  Heeres,  nämlich  von  ungefähr  22.000  Mann, 
bewerkstelligt;  dagegen  konnte  nur  wenig  Reiterei  imd  Artillerie 
ans  Land  gebracht  werden.  Die  Feinde  wurden  mit  Hilfe 
eines  von  den  Galeeren  eröflFneten  Geschützfeuers  gehindert,  die 
Landung  zu  stören. 

Am  Abende  lagerte  die  kaiserliche  Armee  nach  einem 
kleinen  Marsche  bei  einer  Quelle  am  Fusse  des  eine  Strecke 
lang  fast  parallel  mit  der  Küstenlinie  verlaufenden  Hügelzuges, 
nahe  dem  Felde  von  Hamma.^  Am  nächsten  Tage  (24.  October) 
beschloss  der  Kaiser  Lebensmittel  und  Artillerie  erst  dann  ans 
Land  bringen  zu  lassen,  sobald  er  der  Stadt  näher  gekolnmen 
sei,  weil  dann  die  Landung,  namentlich  wenn  man  sich  auf  gute 


^  Bericht  Magnolotti's,  des  SecretÄrs  dos  päpstlichen  Letten  bei  Leu, 
Vita  di  Carolo  V,  Amsterdam  1700,  HI,  15. 

2  ,Elle  (rannte)  fut  en  moins  de  qiiatre  heures  desembarqa6e,  je  dis  h 
plus  grand  partio  de  nostre  arm^e:  mais  en  un  instant  vint  nne  for- 
tune  et  tempeste  de  mer,  si  grande  furieuse,  .que  jamais  bomme  avoit 
veu  et  neantmoins  nous  gaiguamcs  tcrre.*  M^moires  de  Feny  de  Gn^on 
par  Robaulx  de  Soumoy  (Collect,  de  m^moires  relatifis  k  Thistoire  de 
Belgique),  Bruxelles  1858,  58. 

3  Dieses  Local  ist  durch  die  Angaben  des  kaiserlichen  Briefes  yom  2.  No- 
vember (vgl.  Anhang),  des  Zohrat-el-Nayerat  (Qrammont,  119)  und  des 
Mannscriptcs  von  Mohkemä  (Ibid.  129)  ziemlich  sicher.  Auch  der  Lan* 
dungsplatz  könnte  vollkouimon  genau  angegeben  werden,  wenn  man  über- 
oiiistinimendo  Angaben  über  die  Länge  des  an  diesem  Abende  vom  kaiser- 
lichen Heere  zurückgelegten  Weges  zur  Hand  hätte.  Yillegaignon  (Gram- 
mont,  35)  gibt  dieselbe  mit  »circiter  mille  passuumS  Marmol  (f.  118  r.)  aber 
mit  ,como  un  <][uarto  de  legua*  (also  über  1  Kilometer)  an.  Auf  diese  beiden 
letzteren  Angaben  gestützt,  nimmt  nun  Grammont  an,  dass  die  Landung 
in  der  Nähe  des  gerade  1000  Schritte  von  dem  erwähnten  Lagerplatie 
entfernten  ,Tombeau  des  Mondjahdine*  (Grab  der  Märtyrer  dee  heiligen 
Krieges)  stattgefunden  habe.  Obwohl  diese  Coi\Jectiir  sehr  plausibel 
klingt,  so  scheint  sie  mir  doch  nicht  ebenso  sicher,  da  der  Brief  des 
Kaisers  an  K.  Ferdinand  (s.  Anhang)  und  Sepiilveda  zwei,  Herbais  (bei 
Gachard,  Collection  des  voyages  des  souverains  de  Pays-Bas,  Bmzelles 
1874,  U,  195)  sogar  drei  Miglien  als  zurückgelegten  Weg  angibt,  so  dass 
die  Landung  mehr  Ostlich  stattgefunden  hat.  Vgl.  Bevae  critiqne  d*histoiie 
et  de  litt^rature,  Paris  1880,  tom.  IX,  p.  218. 


49 

von  dem  Heere  eingenommene  Positionen  stützen  konnte,  mit 
grösserer  Bequemlichkeit  geschehen  konnte.  Dort  bildet  nämlich 
die  Küste  eine  fast  halbkreisförmige  Einbuchtung  und  die  bis- 
her parallel  mit  derselben  streichenden  Hügel  entfernen  sich  all- 
mälig  von  dem  Meere.  Auch  hatte  es  sich  bei  den  schon  am 
Abende  des  23.  Octobers  begonnenen  und  am  folgenden  Morgen 
wieder  aufgenommenen  Scharmützeln  mit  dem  Feinde  -  gezeigt, 
dass  zur  Verhütung  von  grösseren  Verlusten  im  eigenen  Heere 
und  zum  Zwecke  der  späteren  Beschiessung  der  Stadt  die 
Positionen  auf  den  Hügeln  genommen  werden  mussten,  von 
denen  Algier  beherrscht  wird.  Sie  wurden  denn  auch  an 
diesem  Tage  von  den  Spamem  mit  grosser  Mühe  gewonnen. 
Unterdessen  kam  noch  ein  Theil  der  Truppen  ans  Land;  der 
Rest  blieb  aber  noch  auf  spanischen  SchiflFen,  da  sich  diese  erst 
während  der  letzten  zwei  Tage  mit  der  übrigen  Flotte  ver- 
einigen konnten.  * 

Zwischen  den  Spaniern  und  Italienern,  deren  Corps,  an 
die  Meeresküste  gelehnt,  eine  steinenie  Brücke  und  den  über 
dieselbe  zu  einem  Stadtthore  führenden  Weg  zu  bewachen  hatte, 
befand  sich  der  Kaiser  mit  seinen  Hofleuten,  der  Garde  und 
den  deutschen  Truppen.  Das  ganze  Heer  hatte  eine  vortheil- 
hafte  und  gesicherte  Stellung  inne;  seine  Verbindung  mit  der 
Flotte  war  durch  die  Italiener  hergestellt. 

Nach  dem  Rathe  der  Ingenieure  wurde  gegen  die  durch 
Kanonen  nur  schwach '  vertheidigten  Mauern  ein  Geschützfeuer 
der  Flotte  in  Aussicht  genommen,  von  dem  man  sich  grossen 
Erfolg  versprach.^  Noch  am  Nachmittage  begann  man  Ar- 
tillerie, Munition  und  Lebensmittel  auszuschiflFen;^  am  kommen- 
den Tage  sollte  der  Angriff  zu  Lande  und  zur  See  beginnen. 
Kurz  Alles,  was  man,  soweit  menschlicher  Blick  reichen  konnte. 


^  Magnalotti,  18;  Bandini  an  Cosimo,  Metfus,  2.  November  (s.  unten  An- 
hang); der  Kaiser  an  Ferdinand,  Matifou,  3.  November  (Ibid.),  und  an 
Tavera  (Coli,  de  docum.  in^ditos,  Madrid  1842, 1,  237);  Brief  des  Vaflnelos 
(Ibid.  229  sq.). 

'  Bandini  an  Cosimo,  4.  November  (s.  Anhang). 

3  MagnaloUi,  23. 

*  Jovins   n,    272;    Sandoval    (Vida   y    hechos    del    Emperador  Carlos  V, 
Pamplona  1640,  DL,  406)  hat  hierüber  eine  Jovius  ergänzende  Nachricht, 
die  er  einer  spaniBchen  Quelle  entnahm;  Guazzo,  Historie,  Venedig  1549, 
f.  286;  Ulloa,  Vita  di  Carlo  V,  Venezia  1560,  f.  116. 
ArckiT.  Bd.  LXXYI.  I.  Hälfte.  4 


50 

für  nöthig  fand,  wie  Villegaignon  sich  ausdrückt,'  war  ge- 
schehen, und  Alles  schien  im  besten  Gelingen :  da  begann  gegen 
9  Uhr  Abends  ein  grosser  Sturm,  der  sich  schon  einige  Stunden 
vorher  angekündigt  hatte,  den  ganzen  nächsten  Tag  (25.  Oc- 
tober)  wüthetc  und  durch  welchen  Tausende  von  Menschen, 
sowie  130  bis  150  Schiffe  sammt  Proviant,  Munition  und  Ar- 
tillerie zu  Grunde  gingen.  Damit  waren  auch  die  schönsten 
Hoffnungen  des  Kaisers  und  seiner  nun  von  Lebensmitteln 
ganz  entblösstcn  Armee  vernichtet  Den  Mangel  an  Zelten 
empfand  man  jetzt  bei  dem  strömenden  Regen  recht  bitter,  da 
die  Soldaten  gegen  Frost  und  Nässe  schutzlos  waren.  Diese 
Noth  benützten  die  Feinde  am  Morgen  des  25.  Octobers,  um 
die  Italiener,  welchen  die  Bewachung  der  früher  erwähnten 
Brücke  anvertraut  war,  bei  Sturm  und  Regen  anzugreifen. 
Diese,  zum  grössten  Theile  neu  geworbene  Truppen,  flohen  aber, 
und  die  sie  verfolgenden  Mauren  imd  Türken  drangen  bis  in 
die  Nähe  des  kaiserlichen  Zeltes  vor,  wurden  jedoch  mit  Hilfe 
der  deutschen  Truppen  wieder  vertrieben.  Aehnlich  erging  es 
den  Schaaren,  welche  die  Spanier  auf  den  Höhen  ange- 
griffen hatten. 

Dem  Kampfe,  welcher  von  den  Malteserrittem  und  einem 
Theile  der  italienischen  Truppen  gegen  die  Mauren  und  Türken 
geführt  wurde,  bei  welchem  die  kaiserlichen  Truppen  einmal 
beinahe  in  Algier  eingedrungen  wären,  machte  der  Kaiser 
durch  sein  persönliches  Eingreifen  mit  den  deutschen  Truppen 
ein  Ende. 

Der  Mangel  an  Artillerie  und  Lebensmitteln,  die  bei  der 
heftig  bewegten  See  nicht  ans  Land  zu  bringen  waren,  bewogen 
den  Kaiser  zum  Abzüge  von  Algier  (26.  October).  Nach  drei 
Tagen  kam  man  am  28.  October  bei  Cap  Matifou  an,  worauf 
nach  einigen  Ruhetagen  die  Wiedereinschiffung  des  Heeres  be- 
gann und  am  3.  November  vollendet  wurde.  Aber  auch  auf 
dem  Wege  nach  Europa  hatte  die  Flotte  mit  den  grössten  Wider- 
wärtigkeiten zu  kämpfen  und  erlitt  grosse  Verluste. 


*  IJoi  (jr.'iiiiniuiit,  j».  IM\. 


51 


4. 
Die  angeblichen  Fehler  des  Kaisers. 

Man  hat  Karl  V.,  abgesehen  von  den  früher  h/äsprochenen 
Vorwlii-fen,  auch  den  Fehler  nachgewiesen,  dass  er  als  der 
oberste  Leiter  des  Unternehmens  versäumt  habe,  bei  der  Lan- 
dung gleichzeitig  mit  den  Truppen  auch  Munition,  Artillerie 
und  Lebensmittel  auszuschiffen.  Hätte  er  dies  nicht  versäumt, 
meint  man,  so  wäre  die  grosse  durch  den  Sturm  herbeigeführte 
Katastrophe  veimieden  worden,  weil  das  Heer  auf  alle  Fälle 
wenigstens  genug  Proviant  und  Munition,  ausserdem  aber  eine 
grosse  Artillerie  besessen  hätte,  welche  nicht  mit  den  Schiffen 
in  das  Meer  versunken  wäre.  Von  diesem  Vorwurf  findet  sich 
merkwürdiger  Weise  in  allen  Quellen  bis  auf  die  Depesche 
Marino  Giustiniani's  vom  10.  November^  keine  Erwähnung; 
selbst  in  den  türkischen  nicht,  obgleich  diese  einen  solchen 
Fehler  des  Kaisers  verwerthen  konnten.  Dagegen  wurde  in 
der  Darstellung  des  Algierzuges  von  Sander  Rang  und  F.  De- 
nis 2  und  in  einer  jüngeren  Arbeit  von  Grammont  ^  dieser 
Vorwurf  auf  Grund  eines  nicht  vollständigen  Quellenmaterials 
in  derselben  Schärfe  wie  von  Giustiniani,  aber  ohne  Kennt- 
niss  seiner  Depesche  erhoben.^  Alle  Quellen  bringen  den  Ge- 
danken zum  Ausdrucke,  dass  man  sich  gegen  eine  solche  Even- 
tualität, nämlich  einen  unvorhergesehenen  Sturm,  eben  nicht 
schützen  konnte.  Giustiniani  bemerkt  aber  in  seiner  Depesche, 
dass  der  genannte  Fehler  auch  Ferdinand  von  Gonzaga*^  als 
Leiter  des  Unternehmens  nach  dem  Kaiser  treffe,  dass  Gonzaga 


J  Venetianischo  Depeschen  vom  Kaiserhofe  I,  434  f. 

2  Fondation  de  la  R^ence  d* Alger,  Paris  1837,  II,  330. 

5  1.  c,  p.  84  sq. 

*  Der  anonyme  Verfasser  des  ,Aper(ju  historique,  statistiqne  et  toi)ographi- 
que  snr  Tötat  d' Alger'  (Paris  1830)  sagt  dagegen  (p.  28)  von  der  Lan- 
dung: »Les  bagages  n*avaient  point  encore  6te  d^barqu^s.  On  avait 
commence  et  avec  raison  par  les  combattans;*  er  spricht  auch  nicht  von 
einem  Fehler  des  Kaisers  in  diesem  Punkte. 

^  Da  Bandini  in  seinen  Depeschen  an  Cosimo  nichts  von  diesen  oder 
anderen  Fehlem  des  Kaisers  weiss,  so  können  wir  auch  nicht  .angeben, 
was  ihn  veranlasst  hat,  ohne  nähere  Begründung  zu  schreiben:  ,Don 
Ferrante  (Gonzaga)  non  si  ä  dimostro  troppo  grau  c«pitano*  (Bugia, 
4.  November  1541,  vgl.  unten  Anhang). 

4* 


52 

zwar  diesen  daran  erinnert  hätte,  Munition,  Artillerie  und 
Lebensmittel  gleich  ans  Land  bringen  zu  lassen,  jedoch  verwirrt 
worden  sei,  da  der  Kaiser  so  viel  gesprochen  habe. 

Wir  mlissen  aber  bedenken,  dass  dieser  Vorwurf,  wenn 
er  überhaupt  Jemanden  träfe,  jedesfalls  auch  Andreas  Doria 
treffen  müsste,  weil  dieser  die  Ausschiffung  mit  dem  Kaiser 
leitete. 

Ueberlegt  man,  welche  Folgen  der  grosse  Sturm  für  die 
Flotte  und  das  Heer  gehabt  hätte,  wenn  die  Ausschiffung  der 
Truppen  und  Lebensmittel,  sowie  der  Artillerie  in  der  Art  er- 
folgt wäre,  welche  man  nach  dem  Misslingen  des  Unternehmens 
anzugeben  wusste,  so  muss  man  unbedingt  zugestehen,  dass 
der  Sturm  keine  so  grosse  Verheeiomg  herbeigeführt  hätte. 
Doch  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  der  Kaiser  nach  einem  be- 
stimmten, von  richtigen  Motiven  eingegebenen  Plane  vorging; 
dass  der  Sturm  diesen  Plan  durchkreuzen  werde,  konnten  weder 
er,  noch  seine  Generale  voraussetzen.  Es  mag  auch  richtig 
sein,  dass  Gonzaga  an  die  Fortsetzung  der  Ausschiffung  von 
Munition,  Lebensmitteln  und  Artillerie  gedacht  hat,  doch  wird 
man  diesen  Umstand  nicht  als  Beweis  dafür  anfiihren  können, 
dass  der  Plan,  nach  welchem  der  Kaiser  vorging,  an  und  flir 
sich  ein  schlechter  war.  Wir  müssen  ims  den  Vorgang  des 
Kaisers  vor  Augen  fiihren: 

Obwohl  ein  relativ  gilnstiger  Platz  zur  Landung  gewählt 
wurde,  so  ergaben  sich  bei  der  Ausschiffung  doch  bedeutende 
Schwierigkeiten,  weil  die  Boote  an  der  seichten  Küste  die 
Truppen  nicht  bis  ans  Trockene  bringen  konnten,  so  dass  diese 
eine  Strecke  lang  oft  tief  im  Wasser  waten  mussten.^  Ausser- 
dem hatten  sie  schon  während  der  Landung  gegen  die  flinken 
und  berittenen  Feinde  zu  kämpfen;  ja  es  war  vielleicht  nur 
dem  Mitv\'ii'ken  des  Geschützes  der  Galeeren  zu  danken,  dass 
die  Landung  weder  verhindert,  noch  verlangsamt  worden  ist 
Aus  diesen  Gründen  und  um  den  Angriffen  des  flinken  Fein- 
des gegenüber  auch  auf  dem  Marsche  nicht  behindert  zu 
sein,  bekam  jeder  Soldat  möglichst  wenig  Gepäck  und  nur 
Lebensmittel  für  zwei  bis  drei  Tage.  Eine  grössere  Menge  von 
Lebensmitteln  am  23.  October  ans  Land  zu  bringen,  ward  aber 
wieder  durch  den  heftigen  Wind  unmöglich  gemacht,   der  sich 

^  Magnalotti,  15  sq. 


53 

am  Nachmittago  erhob.  Wir  kennen  bereits  den  Grund,  warum 
der  Kaiser  zur  Besetzung  der  Höhen  schritt  und  eine  grös- 
sere Menge  von  Lebensmitteln  imd  Artillerie  am  Vormittage 
des  nächsten  Tages  nicht  ausschiffen  liess.  Nachdem  die  Be- 
setzung der  strategisch  bedeutenden  Positionen  erfolgt,  auch  die 
Verbindung  des  Heeres  mit  der  Flotte,  welcher  die  Beschies- 
sung  Algiers  von  der  See  zugedacht  wurde,  hergestellt,  also 
die  Möglichkeit  einer  bequemen  und  gesicherten  Ausschiffung 
von  Artillerie,  Munition  und  Lebensmitteln  geschaffen  war,  er- 
liess  der  Kaiser  wirklich  schon  am  Nachmittage  des  24.  Oc- 
tobers  den  Befehl,  alles  Erforderliche  ans  Laiid  zu  schaffen.* 
Pedro  de  Cueva  und  Luys  Pizano  sollten  insbesondere  die  Ar- 
tillerie, der  ,Proveedor  de  la  armada^,  Francisco  Duarte,  Lebens- 
mittel ans  Land  bringen. ^ 

Das  Heer  erwartete  in  hofliiungsvoller,  freudiger  Stimmung 
auch  den  Vollzug  dieses  Befehles,  doch  sollte  es  die  bitterste 
Enttäuschung  erfahren,  die  einem  Führer  und  seinem  Heere  zu 
Theil  werden  konnte:  ein  Sturm  "^  verhinderte  nicht  blos  die 
AusfUhning,  sondern  vernichtete  auch  die  Hoffnung  auf  eine 
erfolgreiche  Belagerung,  indem  zahlreiche  Schiffe  mit  Artillerie, 
Munition  und  Lebensmitteln  untergingen.* 

Wir  müssen  nach  all'  dem  Gesagten  betonen,  dass  es  ge- 
wiss zu  weit  gegangen  ist,  dem  Kaiser,  dessen  gut  angelegter 
Plan  durch  ein  Naturereigniss  unvermuthet  durchkreuzt  wurde, 
Fehler  vorzuwerfen,  weil  man  nachträglich  herausgeklügelt  hat, 
dass  man  es  so  und  nicht  anders  hätte  anstellen  sollen,  um  auch 
gegenüber  einem  Sturme  geschützt  zu  sein.  Es  mag  aber  hiebei 
nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  die  Ausschiffung  der  ganzen 
Munition,  Artillerie  und  Lebensmittel  sich  als  eine  zeitraubende 


»  Joviufl  II,  272. 

2  Sandoval  nach  einer  spanischen  Quelle  II,  400. 

^  Der  von  Mitternacht  bis  gegen  5  Uhr  Früh  den  grössten  Schaden  auge- 
richtet haben  dürfte  (Bandini  an  Cosimo,  Bugia,  4.  November  1541). 

*  ,8ua  M^  (nach  seiner  Ankunft  bei  Caj)  Matifou)  subito  and6  in  galera 
a  vedere  il  Principe  Doria  et  per  quanto  ritraggo  si  condolse  a88ai  della 
perdita  delle  galere  et  lo  couforto  et  proniesse  ricompeusa  et  pianse  la 
Sua  disgratia  che  Dio  non  li  havesse  voluto  prestar  gratia  di  potere  sbar- 
care  et  rartiglieria  et  vettovaglie,  perch^  certissimo  si  puo  teuere 
che  SB  vi  era  tempo  o  modo  di  far  la  batteria  vi  si  entrava/ 
Bandini  war  von  der  Richtigkeit  dieser  Worte  überzeugt,  sonst  hätte  er 
wohl  eine  Bemerkung  zu  denselben  gemacht.   (Ibid.) 


54 

Thätigkcit  erwiesen  hätte,  die  dui*ch  die  stark  bewegte  See  am 
23.  Oetober  während  des  Naehmittages  unterbroehen  und  am 
Abende  des  nächsten  Tages  noch  nicht  völlig  beendet  wor- 
den wäre. 

Aber  noch  ein  anderer  Vorwurf  ist  erhoben  worden:  man 
hätte  doch  den  ganzen  Bedarf  an  Lebensmitteln,  Munition  und 
Artillerie  ausschiffen  und  die  Flotte  nach  Matifou  oder  Bugia 
zurückschicken,  oder  docli  gleich  anfangs  in  einem  dieser  Häfen 
landen,  den  erwähnten  Bedarf  ans  Land  bringen  und  die  Flotte 
daselbst  zurücklassen  sollen.  Bei  diesem  Vorwurfe  envägt  man 
jedoch  nicht,  dass  die  Flotte  bei  der  geschützten  Lage  Algiers 
zur  See  immer  Hand  in  Hand  mit  dem  Heere  operiren  musste. 
Wir  haben  bereits  den  Nutzen  dieser  Cooperation  bei  der 
Landung  gesehen,  kennen  aber  auch  die  Versicherung  der 
Ingenieure,  dass  Algier  zur  See  angegriffen  werden  könne 
und  müsse. 

Von  Giustiniani   ist  in  seinem  Berichte  auf  den  Unwillen 
der    Italiener    und    Spanier    gegen    den    Kaiser    wegen    seiner 
schlechten  Anordnungen   hingewiesen  worden.     Dieser  ist  aber 
ganz  erklärUch;   denn  das  ganze  Heer  musste  über  den  Rück- 
zug, den  es  antreten  musste,  über  die  Erfolglosigkeit  des  Zuges, 
dann   über  den  äussersten  Mangel  an  Lebensmitteln,   und   alle 
Männer  von  edlem  Gemüth  insbesondere  über  die  eingetretene 
DemoraUsation   und  Lieblosigkeit  gegen  die  Verwundeten,   die 
man   des  Oefteren   der  Wuth   des  verfolgenden  Feindes  preis- 
gab, verstimmt  und  unwillig  sein.    Am  Wenigsten  konnte  aber 
ein  Theil  der  spanischen  Offieiere,   an  ihrer  Spitze  der  kühne 
Eroberer  von  Mexico,  Ferdinand  Cortez,  den  Misserfolg  ertragen 
und  wollte  nicht  unverrichteter  Dinge  den  afrikanischen  Boden 
verlassen.     Cortez  erbot  sich  sogar,   dem  Kaiser,   falls  ihm  die 
spanischen   und   ein   Theil   der   deutschen  Truppen   überlassen 
würden,  umzukehren  und  den  Angriff  auf  Algier  zu  erneuern, 
was  jedoch  abgelehnt  wurde.     Dass  aber  ein  solches  Heer  ge- 
neigt ist,   eher  ungerecht   als  gerecht  gegen  seinen  Fühi'er  zu 
urtheilen,   bedarf   keiner  weiteren   psychologischen   Erklärung. 
Ja,   ich   möchte   behaupten,   die  Lage,    in  der  sich   Giustiniani 
selbst  befand,  welcher  auf  dem  Zuge  krank  geworden  war  und 
den   grossen  Mangel  an  Lebensmitteln  auf  dem  Rückzug  von 
Algier  nach  Matifou,  ebenso  wie  in  Bugia  mitempfinden  musste, 
macht   auch   die  Vorwürfe   gegen  den  Kaiser  begreiflich.     Ei* 


55 

ißt   in  Folge   der  Entbehrungen   und  Anstrengungen   nach    der 
Ankunft  in  Öpanicn  daselbst  gestorben. 

Nachdem  wir  die  Handlungen  des  Kaisers  erklärt  haben, 
inlissen  wir  jetzt  einer  andern  Erklärung  derselben  Erwähnung 
thun,  welche  Grammont  in  seinen  Anmerkungen  zu  Villegaignon  * 
gehefert  hat;  er  selbst  hat  derselben  aber  nur  den  Rang  einer 
Vermuthung  und  Hypotliese  zuweisen  können.  Er  führt  näm- 
lich an,  dass  Karl  V.  sich  ohne  Schwertstreich  Algiers  zu  be- 
mächtigen geho£ft  habe.  Daraus  erkläre  sich  Alles:  man  habe 
nur  für  zwei  Tage  Lebensmittel  mitgenommen,  weil  die  Flotte, 
wie  man  hoflfte,  im  Hafen  von  Algier  selbst  Lebensmittel  und 
Munition  ans  Land  bringen  würde.  Ebenso  habe  man  die 
Ebene  von  Hama  ^  nicht  besetzt,  von  welcher  Grammont  meint, 
dass  sie  zur  Deckung  des  Rückzuges  wichtig  war:  der  Kaiser 
habe  eben  nicht  gedacht,  sie  wieder  passiren  zu  müssen.  Ferner 
bemerkt  Grammont,  dass  einige  Zeilen  bei  Marmol,^  dessen 
Abhängigkeit  von  Jovius  er  nicht  kennt,  die  Vermuthung  zu- 
lassen, dass  der  Kaiser  kui'z  vor  dem  Unternehmen  gegen 
Algier  mit  Hassan  Aga  in  Verhandlungen  getreten  sei;  diese 
Annahme  könne  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Umstände  ge- 
bracht werden,  dass  wir  von  dem  Beginne  von  Unterhandlungen 
mit  Hassan  Aga  im  Anfange  1541  besonders  durch  einen  Brief  des 
Gouverneurs  von  Oran  an  den  Kaiser  unterrichtet  seien.  Ebenso 
würde  sich  hieraus  die  Unentschlossenheit  Hassan  Aga's  gegen- 
über den  von  Manuel  überbrachten  Vorschlägen  erklären,  aus 
welcher  er  erst  durch  den  Renegaten  Mehemet  gerissen  worden 
sei.  Es  sei  zwar  noch  immer  schwer  zu  sagen,  ob  Hassan  Aga 
die  Verhandlungen  aufrichtig  geführt  habe.  Doch  glaubt  es 
Grammont  daraus  entnehmen  zu  können,  dass  Hassan  Aga  dem 
Kaiser  den  Boden  für  sein  Erscheinen  geebnet  habe,  indem  er 
nur  800  Türken  zur  Vertheidigung  hatte,  während  ein  anderer 
Theil  seiner  Truppen  dem  Beherrscher  von  Fez  und  Marocco  ^ 
im   Kampfe   gegen    die   Portugiesen   beistand.     Endlich   glaubt 


>  p.  b4  sq. 

'  Die  Nichtbesetzung  derselben  liat  dem  kaiserlicliou  Heere,  al»  e»  auf 
dem  Kückziige  war,  gar  kciueu  Schaden  verursacht.  Im  Gegenthoil  wäre 
durch  ihre  Besetzung  das  Heer  verzettelt  worden  und  hätte  beim  Aus- 
falle am  25.  October  vielleicht  noch  mehr  gelitten. 

»  f.  217;  vgl.  oben  8.  47. 

*  Jovius  II,  271. 


56 

Grammont  seine  Hypothese  auf  eine  Stelle  Baudoin's  •  stützen 
zu  können^  welcher  erzählt^  dass  ein  Gesandter  aus  Algier  naeh 
der  EinSchliessung  der  Stadt  zum  Kaiser  gekommen  sei,  um  ihn 
zu  bitten,  ein  Thor  ,tUr  Diejenigen  offen  zu  lassen,  welche  ent- 
fliehen wollten*.  ,Nach  anderen  Historikern,'  wie  Grammont 
sagt,  ohne  sie  aber  zu  citiren,  soll  auch  Abends  ein  Maure  sich 
mit  dem  Kaiser  unterhalten  und  denselben  nach  der  Unter- 
redung in  einer  düsteren  Stimmung  zurückgelassen  haben. 
Grammont  meint,  hieraus  ergebe  sich,  dass  Hassan  Aga  trotz 
seiner  entschiedenen  Ablehnimg,  zu  der  ihn  seine  Umgebung 
und  die  Stimmung  der  Bevölkerung  veranlasste,  im  Stillen  doch 
flir  die  Annahme  der  kaiserlichen  Vorschläge  zur  Uebergabe 
der  Stadt  gewesen  sei. 

Diese  Vermuthungen  sind  nach  dem,  was  wir  bisher 
ausgeführt  haben  (vgl.  oben  S.  47),  zum  Theile  von  selbst 
widerlegt;  wir  müssen  aber  dennoch  ein  Urtheil  über  dieselben 
gewinnen. 

Es  lässt  sich  die  Möglichkeit  nicht  leugnen,  dass  Karl  V. 
diu'ch  Unterhandlungen  mit  Hassan  Aga  unnützes  Blutvergiessen 
vermeiden  wollte.  Doch  könnte  sich  GJrammont  die  angeblichen 
Fehler  Karls  V.  nach  seiner  Art  nur  dann  erklären,  wenn  die 
Behauptung  SandovaPs,'^  die  er,  ohne  es  zu  sagen,  hiebei  im 
Auge  hat,  richtig  wäre,  womach  der  Kaiser  seinen  Gesandten 
nach  der  Landimg  an  Hassan  Aga  geschickt  hätte.  Wie  wir 
aber  bereits  erwähnten  (vgl.  oben  S.  47),  geschah  dies  vorher. 

Als  Karl  V.  die  ablehnende  Antwort  erhalten  hatte,  liess 
er  die  Landung,  ohne  sie  durch  das  Abwarten  des  Restes  der 
spanischen  Flottenabtheilung,  der  bei  Cap  Caxines  stand,  zu 
verschieben,  sogar  an  einem  Sonntage  (23.  October)  bewerk- 
stelligen. Wir  wissen  zwar  von  einem  Beginne  von  Unterhand- 
lungen mit  Hassan  Aga  (Anfang  1541),  aber  nichts  über  Inhalt 
und  Dauer  derselben  und  am  wenigsten  das,  was  Grammont 
vermuthct,  nämlich  dass  Hassan  Aga  ähnlichen  Vorschlägen, 
wie  sie  Barbarossa  gemacht  worden  waren,  sich  geneigt  gezeigt 
hätte.  Man  darf  vielleicht  umgekehrt  behaupten:  die  Vorschläge 
des  Kaisers,  wenn  sie  Hassan  Aga  vor  dem  Algierzuge  wirk- 
lich   gemacht    wurden,    haben    eine    entschiedene    Ablehnung 


>  Histoire  de  Malthe,  Paria  1643,  I,  357. 
2  t  II,  p.  405. 


57 

erfahren;  sonst  hätte  Karl  V.  nicht  so  energisch  auf  seiner 
Expedition  bestanden.  Wenn  er  noch  vor  der  Landung  des 
Heeres  eine  Aufforderung  zur  Ucbergabe  an  ihn  richtete,  so 
wollte  er  eben  gestützt  auf  Flotte  und  Heer  die  Annahme  der 
VorsclJäge  erzwingen.  Marmors  Angabe  über  Hassan  Aga 
kann  deswegen  vollkommen  wahr  sein,  nur  braucht  man  daraus 
nicht  das  zu  vermuthen,  was  Grammont  gerne  gescldosson  hätte. 
Dass  Hassan  Aga  aber  zu  einem  entschiedenen  Widerstände 
gegen  den  Kaiser  entschlossen  war,  könnte  der  Umstand  be- 
weisen, dass  er  durch  zahlreiche  Geschenke  die  maurische  Be- 
völkerung um  Algier  vor  der  Ankunft  des  Kaisers  zu  gewinnen 
suchte  '  und  wirklich  gewann;  sie  hat  auch  durch  ihre  cigen- 
thümliche  Kampfesart,  die  heute  noch  ziemlich  dieselbe  ist,  der 
kaiserlichen  Armee  grossen  Schaden  zugefügt. 

Was  die  Berufung  Grammont's  auf  Baudoin  betrifft,  so 
ist  sie  belanglos,  da  der  Autor  sein  Material  in  einer  oft  sehr 
confusen  Art-  verarbeitet  hat.  Die  Worte  Baudoin's:  ,Un 
mottigfcrc  sortit  de  la  ville  qui  donna  k  TEmpereur  advis  .  .  . 
qu'il  falloit  laisser  une  porte  libre  aux  Mores  qui  deliberoient 
de  quitter  l'Aga  et  sc  retirer,'  -^  wenn  sie  auch  auf  Wahrheit  be- 
ruhen würden,  sprächen  aber  gerade  gegen  Grammont's  An- 
nahme, nach  welcher  hauptsächlich  die  kriegslustige  Stimmung 
der  Bevölkerung  Hassan  Aga  gezwungen  habe,  die  Ucbergabe 
der  Stadt  zu  verweigern.  Für  diese  Stelle  hat  Baudoin,  was 
Grammont  nicht  wusste,  der  Bericht  eines  Theilnehmers  an  dem 
Algierzuge,  nämlich  Magnalotti's,  des  Secretärs  eines  päpstlichen 
Legaten,  vorgelegen.  Dieser  spricht^  von  einem  Gesandten, 
welcher  auf  seihen  Wunsch  zum  Kaiser  gefiihrt  wurde  und  zu 
ihm  die  eben  angeführten  Worte  sprach.  Dass  aber  dieser  Ge- 
sandte bald  Argwohn  erregte,  deswegen  auf  die  Folter  gespannt 
wurde,  sich  auf  derselben  als  Spion  bekannte  und  darum  hin- 
gerichtet wurde,  dies  Alles  vermisst  man  bei  Baudoin. 

Was  schliesslich  die  von  Grammont  angeführte,  zu  neuen 
Vermuthungen  benützte  Erzählung  von  dem  Mauren  betrifft, 
der  den  Kaiser  wegen  einer  üblen  Nachricht  in  Trauer  versetzt 


»  Jovius  II,  271. 

2  Verjfleiche  hierüber  das  Urtlieil  Sander  llang's  und  F.  Denis'  (Fondatiou 

de  la  K^genco  d*AIger)  II,  '252. 
»  t.  I,  p.  365  sq. 
«  p.  24. 


\iH\fi%  r^p  rp^'A^ai^T*-.  :•  fi  L  TT.  i-k*?  ziiT  .«Ü^  anderen  Historikei^^ 
iU-fii'U  (ir^ir.Ui'rur  »i:-^^  Ari^r^?'*-  »-niniminu  nkrhc  in  die  Hand 
jr<^ k orn rnr ri  -in d.  I >  ■• -h  k- •  nr.*- a  w ir  auf  ii mnd  unseres  Quellen- 
iusiU'ri:iU-y,  Urhaiipt^m.  da.s?  ^;e  äknÜchen  Werth  haben  müssen, 
w\i'  Haiuloin  ^f-Urst. 

5. 
Andrea  Boria*!»  Verhalten. 

Wir  wolK'ii  <\ic  Kn3rtfnin<j:en  über  (Ke  Frage,  ob  dem 
KaiwT  'li<*  ScliuM  an  d«Tn  Mis-slinj^en  der  Unternehmung  gegen 
Algi^T  zuzusclireiben  .sei,  damit  abschlicssen,  dass  wir  auch  die 
Kra^o  zu  bcantwortcm  vcrhuch<.»ii,  ob  der  durch  den  Sturm  her- 
brigciVilirtc  grosse  Verhist  nicht  durch  gewisse  Vorkehrungen 
hilttc  bc<lcutcnd  vcrminrlcrt  werden  können  und  im  bcjahen- 
(h^n  Falle,  wen  di<;  »Schuld  trifft,  diese  Massregeln  versäumt 
zu  haben. 

l'jii  MoHKint  scheint  mir  hier  besonders  wichtig  zu  sein, 
aur  welches  die;  V(^rfasser  der  ,Fondation  de  laRegcncc  d'AIger" 
l)en»itrt  aufmerksain  gr^worden  sind,  das  sie  aber  ohne  Herbei- 
/.ielnmg  der  beiden  hiefllr  entscheidenden  Quellen,  nämlich 
riloa's  und  Magnalotti's,  nur  streifen  konnten.  Wir  wissen 
niimlich  aus  niehn»ren  Quellen,'^  dass  der  verheerende  Sturm 
vom  äi").  Oi'tober  sich  einige  Stunden  vorher  ankündigte,  von 
Magnalotti  und  Ulloa  aber  ganz  ausdrlleklich,  dass  Andreas 
Wmix  Zeit  genug  gi»habt  hätte,  sich  mit  seiner  Flotte  nach 
Maiitou  odt»r  Hugia  zu  begeben,  zumal  da  er  als  erfahrener 
Soemauu  einige  Stiuiden  vorher  den  Sturm  mit  Bestimmtheit 
vorau:ig\^>ehon  hatte»  Hoch  habe,  wie  ebenfalls  Magnalotti  und 
rilivi  c^iur  bt\stimint  behaupten,  Doria  seine  Galeeren  nicht  an 
o:5*,*n  4:x*>ohUirton  Ort  t\\hnMi  wollen,  ^e  ben  sapesse  perinn 
X  .'V.  :uuo  lo  galoe\^  dau\it  er  den  Kaiser  nicht  verlasse  (,per 
".;"  ÄMvÄr,o.i^r,Ar\^  rhuporinoiv*"^.»  Nach  diesem  Verhalten  Doria's 


■•■?»>.>     Xi«",    ,Nx,\    V    V,V,    MAp>Äloir:.    41:    VxwoHicbor   Brief  an 
**i  ■••'"«,  ^.  ^-<*^.    *     ■••.*    N    iJ^   .;:  \>»v^^  V.  i   11*. 


59 

dilrten  wir  uns  nicht  wundern,  wenn  während  des  8turmes 
11  seiner  eigenen  Galeeren,  I  des  Antonio  Doria,  1  des 
Don  Garciä  de  Toledo  (aus  Neapel)  und  nur  1  aus  Spanien 
zu  Grunde  ging.*  Der  Verlust  an  spanischen  Galeeren  war 
deswegen  ein  so  geringer,  weil  Bemardino  de  Mendoza,  der 
Führer  der  spanischen  Flottenabtheilung,  mit  12  Galeeren  Zu- 
flucht in  der  Nähe  des  Cap  Caxines  gesucht  und  gefunden 
hatte.^  Freilich  ging  dafiir  ein  grosser  Theil  der  kleinen 
spanischen  Schiffe  zu  Grunde. 

Kann  man  aber  Andreas  Doria  mit  der  Begründung  ent- 
schuldigen, er  habe  seine  Galeeren  nur  deswegen  nicht  nach 
Matifou  oder  Bugia  geftihrt,  um  den  Kaiser  nicht  zu  verlassen? 
Er  musste  es  ja,  nachdem  der  Sturm  mindestens  hundert  und 
dreissig  Schiflte  vernichtet  hatte,  doch  thun,  um  wenigstens  noch 
den  Rest  der  Flotte,  besonders  der  Galeeren,  zu  retten! 

Liest  man  Ulloa,  dessen  Werk  fast  19  Jahre  nach  dem 
Algierzuge  zum  ersten  Male  erschien,  so  bemerkt  man,  dass 
er  gar  nicht  daran  denkt,  Doria  in  dieser  Richtung  einen  Vor- 
wurf zu  machen.  Man  findet  es  aber  begreiflich,  wenn  man 
von  ihm  selbst  erftlhrt,  dass  er  in  dieser  Beziehung  ganz  be- 
sonders die  Ansicht  eines  begeisterten  Verehrers  des  Andreas 
Doria,  nämlich  des  Genuesen  Albara,  wiedergibt:  ^  ,.  .  .  et  pero 
gli  toccö  quel  gran  danno  essendosi  potuto  rimediare,  andan- 
dosi  alla  volta  di  Busia  6  al  capo  Matafuso  come  fecero  molti 
altri  per  salvarsi.  Et  tutte  queste  cose  habbiamo  noi  sentite 
dire  a  persone  degne  di  fede,  che  vi  si  trovarono  presenti  a 
tanta  miseria  et  specialmentc  a  un  gentilhuomo  genovese, 
nostro  amicissimo,  chiamato  M.  Giuseppe  Albara,  il  quäle 
havendogli  noi  mostrato  queste  historie  per  esser  persona  savia, 
et  che  discorse  bene  intomo  le  cose  del  mondo,  ci  disse  tutto 
quel  che  habbiamo  detto  de  Signor  Principe,  quasi 
dolendosi  come   buon  servitore  di  Sua  Eccellenza,  che 


*  Gnazzo,  286;  Sepiilveda  II,  146;  Sandoval  nach  seiner  spanischen  Quelle 
II,  408;  Sieur  Francisqne  bei  Kaulek,  Conrespondance  politique  de  Ca- 
stillon  et  Marillac,  p.  273;  Brief  Bandini's,  Matifou,  2.  November  1541 
(vgl.  unten  Anhang). 

'  Sepiilveda  II,  146;  Ulloa  (f.  117):  ,Et  pero  gli  (Andrea  Doria)  quel  gran 
d*  anno  essendosi  possutr)  rimediare,  andandosi  alla  volta  di  Busia  o  al 
capo  MatafuB  come  fece-ro  molti  altri  per  salvarsi.* 

»  f.  117. 


m 

1111  atto  L'tm  nota)>ile  fossc  ascoso  a  ^li  huomini^  essendo  degno 
(V  immortal  memoria/ 

Ulloa  hat  vielleicht  nicht  so  sehr  der  Historie  einen  Dienst 
erwei8<;n,  als  auf  den  begeisterten  Verehrer  Andreas  Doria's, 
auf  Alhara,  Kilcksicht  nehmen  zu  müssen  geglaubt,  indem  er 
harmlos  diesen  wunden  Punkt  berührt.  Nicht  so  Jovius,  der 
aus  Kiieksichten  für  Anfbreas  Doria  absichtlich  diese  Angelegen- 
heit fast  gar  nicht  berührt. 

Ma^nalotti,  dem  Joviiis  als  Hauptquelle  folgt  (vgl.  unten 
jJovius'),  macht  aus  dem  erwähnten  Versa umniss  Andreas  Doria 
ebenso  wenig  als  Ulloa  einen  Vorwurf.  Was  er  in  dieser  Be- 
ziehung sagt,  ist  Folgendes:  * 

,Gia  egli  (Andrea  Doria)  haveva  pronosticato  la  tempestk, 
piu  höre  prlina  .  .  .  di  modo  che  haverebbe  possuto  mcttersi  in 
salvo  e  ritirarsi  nel  porto  vicino  di  Bugia  con  le  galee ;  ciö  non 
ostaiite  non  volle  muoversi  del  luogo,  dovc  havea  dato  V  ancore 
al  fondo  per  abbandonare  V  Imperatore  col  lasciarlo  quivi  a  terra 
c  dare  in  tal  modo  ardire  a  gli  infedeli  d'  assalirlo  o  di  metterlo 
in  rotta,  nel  vederlo  senza  speranza  d'  imbarco.^ 

Es  ist  wohl  der  Mühe  werth,  in  dieser  Beziehung  auch 
Jovius,  den  Benutzer  Magnalotti's,  zu  lesen  (H,  274):  ,Ipse 
Auria  non  tarn  sibi  quam  Caesari  iratus,  qui  disciplinae 
navalis  rationem  et  certos  inclinantes  autumni  dies  navigantium 
observatione  praedamnatos  neglexisso  videretur,  incredibili 
animo  contra  tempestatem  indomitus  permansit  suadentiumque 
j)rece8  ut  se  conservaret  adeo  fortiter  rcjecit,  ut  eos  aeerrimis 
vc^rbis  tamquam  publicae  salutis  proditores  ad  unam  carinam 
descendere  iubcret' 

Die  ftlr  Jovius'  Stellungnahme  in  unserer  Frage  sehr 
charakteristischen  Worte  ,non  tam  sibi  .  .  .  iratus  .  .  .',  die  er 
ohne  vorausgehende  Erklärung  und  Begründung  unvermittelt 
anfllhrt,  hat  Sandoval  —  vielleicht  mit  Hilfe  seiner  spanischen 
Qu(»llen  —  ganz  wohl  verstanden,  denn  er  gibt  sie  folgcnder- 
massen  wieder:'-^  j^^^^J  enojado  consigo,  por  no  aver  acertado 
el  surgidero,  y  con  el  Emperador  que  porfiö  a  yr  tan  tarde.' 
Trotzdem  aber  Jovius  einerseits  durch  die  Worte  ,non  tam  sibi 
iratus'  seine  Meinung  über  Doria's  Fehler  oder  seine  Kenntniss 


»     \K  41. 

«  t.  II,  p.  408. 


61 

desselben^  anderseits  durch  das  ,videretur'  andeutet,  dass 
er  Doria's  Vorwurf*  gegen  den  Kaiser  seinen  Beifall  nicht 
zollt, "^  so  hat  er  doch  Doria  geschont,  indem  er  weder  in  der 
citirten,  noch  in  einer  andern  Stelle  die  in  seiner  Vorlage 
(Magnalotti)  enthaltene  Angabe  wiedergibt,  nach  welcher  Doria 
schon  einige  Stunden  vorher  aus  sicheren  Aneeichen  auf  den 
bevorstehenden  Sturm  schliessen  konnte,  aber,  um  den  Kaiser 
nicht  zu  verlassen,  seine  Galeeren  nicht  in  Sicherheit  brachte. 
Denn  Jovius  fuhrt  dem  Leser  blos  vor,  wie  während  des 
Sturmes  trotz  der  Bitten  seiner  Umgebung  Andreas  Doria  sich 
dennoch  weigerte,  ,sich^  in  Sicherheit  zu  bringen.  Wenngleich 
er  in  seiner  Vorlage  bei  diesem  Punkte  keinen  Vorwurf  gegen 
Andreas  Doria  fand,  so  war  Jovius  in  der  That  verständig  ge- 
nug, um  einzusehen,  dass  er  die  erwähnte  Angabe  Magnalotti' s 
in  seine  Darstellung  nicht  aufnehmen  könne,  da  jeder  einiger- 
massen  denkende  Leser  Doria' s  Entschuldigung  für  sein  Ver- 
halten nicht  genügend  und  ihn  nur  schuldig  finden  müsse.  Da 
er  letzteres  verhüten  wollte,  hat  er  zu  jenem  meisterhaft  stili- 
sirten  und  von  uns  citirten  Satze  als  Auskunftsmittel  gegriffen. 


IL  Theil. 

Die  Quellen. 

1. 

Berichte,  welche  von  Angeiizengen  während  oder  bald 
nach  der  Algierexpedition  fiber  dieselbe  verfasst  wurden« 

a)  Aeusserungen  Karls  V. 

1,  Briefe, 

Von  dem  Kaiser  besassen  wir  bisher  zwei  Briefe,  die  über 
den   Verlauf  der  Algierexpedition   handeln.     Der   eine    ist   an 


1  Wie  ihn  Jovins  aus  einem  von  Magnalotti  mitgetlieilten  Briefe  des  An- 
dreas Doria  an  den  Kaiser  genau  kannte.     Vgl.  nnten  ,Magnalotti*. 

^  Sollte  er  also  doch  wissen,  dass  die  Schuld  der  grossen  VerzOgening  der 
Expedition  Doria  treffe,  und  es  in  seinen  Historien  nicht  gesagt  haben?! 


C)2 

Cardinal  Tavcra,  welcher  wälirend  der  Abwesenheit  des  Kaisers 
die  RegierungsgeschUfte  Spaniens  ftlhrte,  der  zweite  an  Don 
Diego  Ilurtado  de  Mendoza,  kaiserlichen  Gesandten  in  Venedigs 
gerichtet.^  Beide  Briefe  sind  in  spanischer  Sprache  abgefasst; 
wir  besitzen  aber  den  Brief  an  Mendoza  nur  in  ungenauer 
italienischer  Uebcrsetzung  bei  Ruseelli.*  Beide  behandeln  die 
Ereignisse  des  Zuges  von  Mitte  ( )ctober  bis  2.,  beziehungsweise 
3.  November  1541.  Am  15.  October  war  bereits  ein  Brief  des 
Kafsers  an  Tavera  von  Mallorca  und  Tags  darauf  von  derselben 
Insel  an  Mendoza  abgesandt  worden,  wie  wir  aus  den  Eingangs- 
worten der  Briefe  vom  2.  und  3.  November  wissen,  welche  der 
Kaiser  vom  ,Cabo  de  Metefus'  (Matifou)  abgehen  Hess.  Die 
Briefe  vom  15.  und  IG.  October  liegen  uns  nicht  vor;  dafür 
aber  fand  ich  im  Wiener  geheimen  Haus-,  Hof-  und  Staats- 
archive' alte  (aus  den  Ftinfzigerjahren  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts stammende)  und  genaue  Abschriften  zweier  Briefe  des 
Kaisers  an  seinen  Bruder  König  Ferdinand  aus  Mallorca  vom 
16.  October  imd  aus  Matifou  vom  2.  November  1541,  welche 
bei  der  Unzuverlilssigkeit  der  erhaltenen  Uebcrsetzung  und  bei 
der  Gedankenlosigkeit,  mit  welcher  die  Copie  des  spanischen 
Textes  im  sechzehnten  Jahrhunderte  angefertigt  wurde,*  uns 
eine  um  so  willkommenere  ErgUnzung  bieten,  als  alle  die  ge- 
nannten Briefe  eine  treue  Wiedergabe  der  Ereignisse  und  Ein- 
drucke der  vorangegangenen  Tage  enthalten.  Der  Kaiser  theilt 
hier  seine  Dispositionen,  die  Motive  zu  denselben,  das  Schick- 
sal des  Landheercs  und  der  Flotte  und  die  Gründe  mit,  welche 
ihn  zum  Abzüge  von  Algier  bewogen. 

Ausserdem  besitzen  wir  noch  drei  Briefe  des  Kaisers  an 
seine  Schwester  Maria  vom  14.,  28.  November  und  5.  December 
1541,'*  von  denen  die  beiden  ersten,  wie  ich  durch  Collationi- 
rung  constatiii;  habe,  bis  auf  orthographische  Verschiedenheiten 

^  ('olloccion  do  docum.  inöditos,  Madrid  1842,  I»  234  sg. 

2  Lottore  di  principi,  Venezia  1577,  III,  74  8g. 

^  Cod.  Hupplein.  G81   (h.  Anhang). 

*  So  gibt  der  italieniflche  (RiiRcelli  HI,  74)  und  der  zuverlKssige  französische 
Text  (s.  unten  Anhang)  40  bis  50  Miglien  als  Entfernung  zwischen  der 
In8ol  Cabrera  und  dem  Hafen  von  Palma,  der  spanische  Text  (1.  c,  I, 
234)  ,once  o  una  niillas*  an,  da  der  Copist  im  Original  XL  und  L  für 
XI  und  I  vorlas;  ähnliche  und  davon  verschiedene  Versehen  sind  häufig. 

'  Coinpto  rondu  des  seances  de  la  Coniniission  Hoyale  d'histoire  de  Belgrique, 
Iroxenes  185«,  VIII,   113.v*vv. 


63 

und  ganz  geringe  Zusätze  fast  yoIlstUndig,  der  dritte  aber 
nur  in  dem  die  Algierexpedition  betreffenden  Theile  inhaltlich 
mit  den  drei  an  denselben  Tagen  an  König  Ferdinand  abge- 
schickten Depeschen  tibereinstimmen. 

2.   Die  Instruction  für  den  Sf eierer  Reichstag  des  Jahres  1542 

und  die  Commentaires. 

Die  Darstellung  des  Algierzuges  musste  sich  in  Karls  V. 
Commentarien,^  nachdem  an  die  zehn  Jahre  seit  der  Expedition 
vergangen  waren,  ganz  anders  gestalten  als  zu  einer  Zeit,  wo 
die  Eindrücke  der  Erlebnisse  frisch  und  schmerzlich  waren. 

Abgesehen  davon,  dass  bei  der  AUgemeinlieit  der  Aus- 
drücke gewisse  Stellen  der  Commentaires  nur  dann  vollkommen 
verständlich  werden,  wenn  man  vollständigere  Quellen  zur  Hand 
hat,  verhüllen  sie  sich  in  unserer  Partie  dort,  wo  man  eine  An- 
gabe der  Gründe  erwartet,  welche  den  Kaiser  zur  Expedition 
gegen  Algier  bewogen,  in  einen  Schleier.^ 

Ausführlicher  hat  sich  Karl  V.  über  die  Motive  und 
Zwecke  seiner  Expedition  gegen  Algier  in  einer  zwar  nicht  von 
seiner  Hand  herrührenden,  mindestens  aber  in  seinem  Aufti'age 
verfassten  Instruction  ^  nicht  lange  nach  dem  imglückhchen  Aus- 
gange des  Algierzuges,  am  28.  December  1541,  geäussert.  Nach 
derselben  sollten  sein  Bruder  Ferdinand,  Naves  imd  Hugo  von 
Montfort  als  seine  Bevollmächtigten  auf  dem  Speierer  Reichs- 
tage des  Jahres  1542  unter  Anderm  auch  die  Gründe,  welche 
ihn  zu  diesem  Zuge  bewogen,  bekanntgeben.  Wir  wollen  nun 
von  diesem  Punkte  aus  versuchen,  über  den  Werth  beider 
Quellen  ein  Urtheil  zu  gewinnen. 

Wenn  wir  den  Angaben  der  Commentaires  folgen,  so  war 
der  Kaiser  zur  Leitung  des  Reichstages  vom  Jahre  1541  in 
Regensburg  erschienen,  um  die  Religionsangelegenheiten  zu 
schlichten.  Als  nach  endlosen  Verhandlungen,  die  aber  zu 
keinem  Uebereinkommen  führten,  Gerüchte  zu  cursiren  begannen. 


>  CommentAires   de   Charles-Quint    par   Kervyn    de    Lettenhove,    Paris    et 

Braxelles  1862,  59  sw. 
'  p.  60  heisst  es:  ,.  .  .  et  par  d'autres  raisons  qui,  ainsi  qii'on  Ta  dit,  Vy 

engageaient.*     Aehnlich  p.  59:    »Döjii  avant   d'apprendre    ces   nouvelles, 

Tempereur  par  diverses  raisons  qiü  le  g^idaient  avait  fait  des  grands  pr^- 

paratifs  potir  entreprendre  .  .  .  Texp^dition  d' Alger/ 
'.  Wienw  Archiv,  Reichstagsact^^n  ir>42,  I  und  11. 


•'>4 

dass  SnluiR  Solioukn  in  Ungarn  mit  simrker  Ueeresmacht  er- 
scheinen werde,  iiane  mAn  noch  keine  Vorbefeitiuigen  zum 
^'hutze  geje^^n  einen  Einfeiil  in  OisterTeiehiaches  Gebiet  getroffen. 
IVvh  schon  vorher  hdtte  der  Kaker  xa  einer  Unternehmung 
gt*iron  Abrier  irertlsteu  welche  er  nach  seiner  Ankunft  in  Spanien 
AUS  .verschiedenen  Gründen'  ins  Werk  zu  setzen  wünschte, 
itleich  nach  seiner  Ankunft  in  Italien  empfing  er  die  sichere 
Nadiricht,  da$$  die  Türken  mit  grosser  Macht  in  Ungarn  er- 
scheinen wilnleu.  Aus  die:^em  Gmnde  ging  er  nach  Lucca, 
um  mit  dem  P^^i^te  UWr  die  Mittel  zu  Terhandehoi«  welche  der 
Organisation  eines  Kauipte:>  gegen  die  Türken  dienten.  Da  er 
aWr  sah.  das«;  dies<^  Oonfervnzen  keine  Resuhate  ei^ben^  be- 
gab er  sich  nach  S^H^zia«  um  zu  warten«  bis  seine  Flotte  zur 
Abtal\rt  bervnt  sei. 

lK>r  Inhalt  vier  Instruction,  so  weit  er  denselben  Gregen- 
stand  betrifft«  ist  toIg\'nder:  Als  die  Vergehe  zur  EIrrichtung 
einer  l'uion  £  wischen  Katholiken  und  Pr^e^tanten,  zugleich 
aWr  auch  zur  krÄt\igx'u  Hilteleistung  des  Reiches  gegen  die 
Türken  ohne  Krtolsr  blieWn  und  Nachrichten  von  verschiedenen 
Seiten  einlieteru  die  uaiuentlich  .vv»u  den  Venetianem*  in  G^en- 
wart  der  Reichs^tsinde  tUr  vollkommen  verlisslich  erklärt  wur- 
den, das^  der  Sultan  nicht  in  eigener  Person  in  Ungarn  er- 
scheicen,  vielmehr  den  ^rrSsseren  Theil  seiner  Streitkräfte  zu 
eJEirr  Expedition  ziur  S^v  gegx»n  NeapeL  Sicilien  und  andere 
Küs^^-rn  verwenden  wcr\U\  lo  lies*  der  Kaiser  eine  starke  Flotte 
ausrüsten,  reiste  selWt  in  grCVscsimoglicher  Eile  nacb  Italien^  Hess 
al*er  früher  zur  Werbung  v^ni  dreitausend  italienischen  Soldaten, 
die  mit  den  deutschen  Tnipjvn  nach  Ungarn  gehen  sollten, 
^ield  n;4ch  Italien  aWeudcn,  IMeso  Truppen  schienen  dem 
Kaiser  zur  Abwehr  der  tiu-kischen  Truppen*  welche  damals  in 
Ungarn  waren,  genügend.  IVr  Kaiser  bescklosis  —  imd  dies 
theüte  er  den  Keich^tünden  mit  —  im  FaUe  eines  Angriffes 
auf  Italien.  Neapel.  Sicilien  inler  S^vunien.  welcher  damals  ftLf 
sicher  ;::ehalten  wunio.  sich  mit  seiner  Flotte  in  eisrener  Person 
der  türkischen  entgege^nzustelleu.  um  dadurch  auch  die  türki- 
schen Streitkräfte  von  Ungarn  abzulenken:  im  Falle  aber  die 
FIot;e  zTir  Abwehr  der  türkischen  nicht  benoihigt  würde,  be- 
seht:<«ss  er.  sie  ziu'  Erv^Wnmg  Algiers  zu  benützen. 

In  Genua   erfuhr  der  Kaiser  von   der  unerwarteten  An- 
des   Sultans   in    Ungarn    und    von    seinem   Einzüge   in 


65 

Ofen.  ^  Deswegen  glaubte  er  die  Zusammenkunft  mit  dem 
Papste  nur  beschleunigen  zu  müssen,  um  ein  gemeinsames  Vor- 
gehen gegen  die  Türken  zu  berathen.  Paul  III.  habe  sieh  auch 
geneigt  gezeigt,  in  Bezug  auf  Concil  und  Türkenbekämpfiing 
hilfreich  beizustehen  (was  in  den  Commentaires  in  Abrede  ge- 
stellt wird).2  Dann  habe  der  Kaiser  die  Nachricht  erhalten, 
dass  einerseits  die  Türken,  eingeschüchtert  durch  die  Instand- 
setzung seiner  Flotte,  von  einem  Angriffe  auf  die  italienischen 
Küsten  abstehen  würden,  andererseits  der  Sultan  sich  zur  Ab- 
reise von  Ofen  anschicke,  und  in  Ungarn  der  vorgerückten 
Jahreszeit  wegen  nichts  Anderes  geschehen  könne,^  als  dass 
man  die  ungarischen  Qrenzfestungen  mit  Besatzungen  versehe. 
Mit  der  auf  diese  Weise  freigewordenen  Flotte  habe  nun  der 
Kaiser  seine  Expedition  unternommen. 

Man  sieht,  dass  die  Commentaires  in  ihren  Angaben  sich 
mit  denen  der  Instruction  nur  im  Allgemeinen  decken.  Der 
Kaiser  wollte  in  der  Instruction  verschweigen,  was  er  in  den 
Commentaires  ausdrückUch  erwähnt,  nämlich  dass  er  die  Be- 
fehle zur  Ausrüstung  der  Flotte  vor  dem  Eintreffen  der  Nach- 
richten über  die  Absichten  der  Türken  ertheilt  habe.  Aus 
Rücksicht  auf  den  unglücklichen  Ausgang  des  Unternehmens 
wollte  er  eher  die  Meinung  erwecken,  der  Algierzug  sei  nur 
darum  unternommen  worden,  weil  die  zur  Abwehr  der  türki- 
schen Angriffe  an  den  italienischen  Küsten  bestimmte  Flotte 
unnöthig  geworden  und  schUesslich  für  das  blos  eventuell  in 
Aussicht  genommene  Unternehmen  verwendbar  war. 


>  Am  29.  Anglist  1541  war  die  Stadt  in  türkischen  Händen. 

3  Dann  heisst  es  in  der  Instruction,  der  Kaiser  liabe  in  Angelegenheit  der 
Tttrkenbekärapfang,  des  Concils  und  des  Stillstandes  mit  Frankreich  den 
jüngeren  Granvella  beim  Papste  zurückgelassen;  aber  nie  wird  die  That- 
sache  erwähnt,  dass  der  Papst  die  Gründung  einer  neuen  Liga  nicht  be- 
trieb, wenngleich  er  sie  dem  Kaiser  gegenüber  grundsätzlich  nicht  aus- 
schlug. Dies  ist  wohl  dadurch  zu  erklären,  dass  der  Kaiser  den 
Protestanten  keine  Gelegenheit  geben  wollte,  gegen  den  Papst  erzürnt 
zu  werden,  was  er,  besonders  nach  dem  resultatlosen  Regensburg^r  Re- 
ligionsgespräch,  vermeiden  wollte. 

'  Bei  der  Stelle:  ,.  .  .  neque  per  anni  tempus  amplius  fieri  posset  in  Hun- 
garia,  nisi  at  arces  et  loca  ,quae  supersint*  (die  letzten  zwei  Worte  ge- 
strichen) {miesidiis  munirentur*  hat  Leva  (Storia  docum.  di  Carlo  V. 
Venezia  1867,  m,  328)  die  Worte  ,per  anni  tempus*  irrig  mit  ,per  lo 
spacio  di  an  anno'  übersetzt. 
IxeUT.  Bd.  LXXn.  I.  HUfte.  b 


r;6 

Aber  aacfa  in  müderer  Ricfatimg  lisst  sich  eine  beabsich- 
tigte Färbung  der  An^ben  der  Instmctian  bemerken. 

Bereits  im  Winter  von  1510  41  wurden  von  Seite  der 
Türken  ^rn>sse  Rüstungen  zu  Lande  imd  zur  See  begonnen. 
Hierüber,  sowie  über  die  Ge£üir  eines  Türkeneinbruches  in 
Un<ram  wurde  Ferdinand  von  Laski.^  seinem  in  Haft  gehaltenen 
Unterhindler  in  Constantinopel.  vei^tündigt.  so  dass  bei  Er- 
Öffnung  des  Kegensburger  Reichstages  auf  diese  Grefahr  hinge- 
wiesen werden  konnte;-  auch  am  firanxosischen  Hofe  hatte  man 
hievon  Kunde,  wie  eine  Anzahl  von  Briefen  Franz  I.'  imd  des 
englischen  Gesandten  daselbst  zeigt. ^  Dennoch  betont  Laski 
in  seinen  Briefen  bis  zum  11.  Mai  ausdrückUch,  dass  er  an  eine 
Unternehmung  des  Sultans  gegen  Ungarn  doch  nicht  glaube. 
Die  Nachrichten,  welche  der  venetianische  Gesandte  fVancesco 
Contarini  dem  Kaiser  mittheilen  konnte«  werden  wirklich,  wie 
die  Instruction  versichert«  im  Ganzen  genommen  von  der  Art 
gewesen  sein,  dass  sie  den  Kaiser  und  die  Stände  bis  zum  Juni 
in  der  Ansicht  bestärkten,  die  Türken  hätten  fiir  dieses  Jahr 
eher  eine  bedeutende  Flottenuntemehmung  im  Sinne.  Vom 
Monate  Juni  bis  zur  Abreise  des  Kaisers  ^August)  trafen  aber 
solche  Nachrichten  von  Laski  ^  (wahrscheinUch  auch  noch  der 
drohende  Brief  Soliman's  vom  20.  Juni.^  der  die  Kriegserklärung 
an  Ferdinand  enthält),  in  Regensbuig  ein.  dass  das  Erscheinen 
eines  grossen  türkischen  Heeres  unter  Soliman's'  Führung  in 
Ungarn  nicht  bezweifelt  werden  konnte.' 


*  Gevay,  Urkunden  nnd  Actenstücke  zur  Cre:$chichte  der  Verhältnisse  «wischen 
Oe«terrcich-Ungam  und  der  Pforte,  Wien  1842,  in,  101—123. 

'  ,.  .  -  »So  he  prayed  the  Prince»  .  .  .  to  pntvide  agsiinst  the  Torks,  who 
now  evidently  intended  again  invadinir  Anstria/  Francetico  Contarini 
an  die  Signoria  von  Venedig,  Regensburg-,  6.  April  1&41  (Rawdon  Brown 
V,  98). 

>  Brief  Franz  L  an  Marillae  (ohne  Ortsangabe),  1.  April  1541,  Correspon- 
«lanee  ]Kilitiqne,  282. 

*  Wallop  an  Heinrich  Mll.,  Melun,  26.  Jänner  1541,  State  pap.  VIII,  514. 
'  Howard    an  Heinrieh   \TII.,    Ambois,    19.  April,    State   pap.  Vm,    552; 

I^anki  an  Ferdinand,  Constantinopel,  11.  Mai,  21.  Mai,  10.  Juni  (Gevay 
UI,  140  ff). 

«  Gevay  IH,   147. 

'  Ki'mifjr  Ferdinand  bittet  in  einem  Briefe  vom  1.  Juli  Krmig  Heinrich  Vm. 
(Htat^f  pap.  VIU,  582)  um  Hilfe  gegen  die  in  Ungarn  einbrechenden  Tür- 
ken, nnd  im  Gespräch  mit  Gasp.  Contarini  ersucht  er  dieaen  am  9.  Juli, 
sii.h  flir  ihn  beim  Papste  in  derselben  Angelegenheit  au  verwenden,  wor- 


67 

Es  nimmt  uns  daher  Wunder,  wenn  Karl  V.  in  seinen 
Commentaires  bemerkt: 

^,11  (rempereur)  quitta  donc  Ratisbonne  avant  d'^tre  pleine- 
ment  inform^  de  Finvasion  du  Türe  .  .  ./  und  es  scheint  dem- 
nach Morone's  Meldung  aus  Trient  vom  13.  August^  begründet: 

,Monsignore  Qranvella  dissimula  la  venuta  del  Turcho  in 
Ongheria;  ma  non  credo  per  altra  causa  se  non  che  forsi  stima 
esser  vergogna  venendo  il  Turcho  a  queUa  parte  che  noi 
andiamo  ad  im'  altra/ 

Dass  man  auch  in  Italien  einen  türkischen  Flottenangriff 
fllrchtete,  beweist  ein  Brief  des  iranzösischen  Königs  vom 
6.  Mai  ^  und  ein  solcher  des  französischen  Gesandten  in  Venedig 
vom  12.  Juli;  ^  dass  Andreas  Doria  ihn  fürchtete,  erzählt  uns 
Sepülveda.-*  An  demselben  12.  Juli  erklärt  auch  Karl  V.  den 
Ständen  ausdrücklich,"^  dass  er  Nachrichten  empfangen  habe, 
nach  welchen  die  Türken  einen  Angriff  auf  die  italienischen 
Küsten  beabsichtigen,  und  dass  er  daher  seine  Abreise  be- 
schleunigen müsse,  um  denselben  abzuwehren.  Jedoch  erhielt 
Ferdinand  ungefHhr  zur  selben  Zeit  eine  Depesche  Laski's  vom 
10.  Juni,   welche  entgegen  seinem  letzten  Berichte  ^  versichert, 

über  G.  Contarini  (lIi»tor.  Jahrb.  I,  495)  vou  Kogensburg,  13.  Juli,  an 
Famese  schreibt:  ,Sua  Maest^  entro  a  raggiouare  delle  cose  di  Ungaria 
et  di  Bnda  et  (pii  molto  si  dolse  che  ess«  non  bastan\  a  sostener  qnella 
impresa,  dicendo  li  Tnrchi  verrano  et  ci  cacciaranno  in  Bnda  et  io  sarö 
sforzato  a  ritiramii  in  Aiistria  et  Dio  sA,  se  mi  potro  difTendere,  il  che 
dicendo  di  modo  che  a  me  fece  grandissima  coinpassione/ 

»  Lämmer,  390. 

'  An  Marillac  (Corres]».  politique,  299) :  ,11  est  arrivö  en  France  un  Cheva- 
lier de  Rhodes  qui  a  asseur^  pour  certain  au  roi  ,qne  ceulx  de  leur 
religion  ont  descouvert  deux  cens  milles  tnniuesques  pr^s  de  Corfou  et 
est  ledit  Chevalier  expressement  venu  parde4;^a,  pour  notiffier  aux  aultres 
chevalliers  dUcelle  religion,  qn'ilz  ayent  tous  k  eulx  retirer  k  Malte.' 

3  ,11  (Sultan)  a  laisse  Barberousse  audict  Constantinople  pour  faire  mectre 
en  ordre  Tarmöe  de  mer  qui  sera  bien  plus  gros  que  on  ne  pen<;oit,  et 
jÄ  estoient  presque  prester  LX  gall^res,  mais  si  trös  secretement  que 
personne  n*on  8<;avoit  rien*  (N^gociations  I,  504).  Spätere  Briefe  des- 
selben Qesandten  vom  15.  October  und  10.  November  (N^oeiations  I, 
520  und  527)  sprechen  noch  immer  von  einer  segelfertigen  grossen  tilr- 
kischen  Flotte. 

«  De  rebus  gestis  Caroli  V,  II,  134. 

'  Herbais,  Collect,  des  voyages  des  souverains  des  Pays-Bas,  Bmxelles 
1874,  II,  182. 

•  Vom  21.  Mai  1641  (Oevay  HI,  143). 


68 

dass  Barbarossa  keine  Flotte  ausrüsten  werde.  ^  Bedenkt  man 
ferner,  dass  der  Kaiser  zwei  Tage  vor  jener  Erklärung  (10.  Juli) 
dem  Cardinal  Contarini^  seinen  Missmath  über  die  Verhand- 
lungen des  Regensburger  Reichstages  und  besonders  über  die 
geringe  Hilfeleistung  gegen  die  Türken  bekennt  und  in  Bezug 
auf  den  Algierzug  bemerkt,  es  sei  eine  kleinere  Unternehmung 
mit  einiger  Aussieht  auf  Erfolg  einer  grossen  vorzuziehen,  bei 
der  man  sieher  nichts  ausrichten  würde,  und  erwägt  man 
schliesslich,  dass  die  Commentaires  über  Bef\irehtungen  eines 
türkischen  Sceangriffes  als  Motiv  zur  Ausrüstung  der  kaiser- 
lichen Flotte  nichts  wissen,  so  wird  man  wohl  sagen  dürfen, 
dass  dem  Kaiser  die  Nachrichten  über  die  türkische  Flotte  in- 
sofeme  gelegen  kamen,  als  er  auf  dieselben  hinweisen  konnte, 
um  seine  baldige  Abreise  dem  Reichstage  gegenüber  besser  be- 
gründen zu  können,  welchem  er  seinen  Unmuth  über  die  Ver- 
handlungen doch  nicht  zeigen  wollte. 

Ein  Motiv,  das  Karl  V.  zum  Theil  auch  leitete,  als  er  die 
Algierexpedition  unternahm,  hat  er  in  seiner  Instruction  nicht 
erwähnt:  nämlich  die  Rücksichtnahme  auf  die  Spanier,  welche 
einerseits  zum  Zuge  drängten,  andererseits  des  Oefteren  an  sie 
gestellte  Forderungen  von  Geld-  und  Truppenleistungen  für  den 
Türkenkrieg  damit  beantworteten,  dass  sie  sich  vorerst  selbst 
gegen  ihre  eigenen  Gefahren  angesichts  der  vielen  Plünderun- 
gen der  algierischen  Piraten  an  den  spanischen  Küsten  vorsehen 
müssten.  Im  Falle  des  Gelingens  des  Algierzuges,  meinte  nun 
der  Kaiser,  würde  ihnen  dieser  Vor  wand  benommen  ^  und  sie 
'zur  Bekämpfung  der  osmanischen  Macht  auch  in  Ungarn  her- 
angezogen werden  können.  Karl  V.  konnte  aber  diese  Rück- 
sichtnahme auf  die  Spanier  den  Deutschen  gegenüber,  besonders 
nachdem  sein  Unternehmen  gescheitert  war,  nicht  officiell  ent- 
decken; als  deutscher  Kaiser  durfte  er  nicht  zeigen,  dass  er, 
von  dieser  Rücksichtnahme  beeinflusst,  einen  misslungenen  Zug 
unternommen  habe. 


^  jHnrbarossA  mi  1 1  a m  h o c  anno  parabit  claasein,  quoniam  remiges 
habere   non   potpst.*     Coiistantiiiopel,  10.  Juni  1541  (Gevay  Ell,   144). 

^  G.'Lsp.  ContArini  an  Faniese,  Kepfensburg,  10.  Juli  1541  (1.  c,  493). 

3  Bei  Villegaignon  (Relation  de  Texp^ition  de  Charles-Quint  contre  Alger 
par  Granimont,  Paris  et  Alger  1874),  p.  81,  wird  dies  besonders  stark 
betont. 


G9 


b)    Marino    Giustiniani's    Depesche    an    das    Collegium 
der  Zehn  aus  Bugia  vom  10.  November  1541.* 

Marino  Giustiniani  (1489 — 1542)  wurde  wegen  seiner  Be- 
liebtheit und  theologischen  Kenntnisse  von  vielen  geistlichen 
und  weltlichen  Fürsten,  welche  auf  dem  Regensburger  Reichs- 
tage versammelt  waren,  als  Nachfolger  Francesco  Contarini's 
dringend,  jedoch  vorläufig  vergeblich  erbeten;  denn  er  wurde 
erst,  als  der  Kaiser  zu  seinem  Zuge  gegen  Algier  in  Italien 
die  letzten  Vorbereitungen  traf,  zum  Gesandten  ernannt,  um 
ihn  dahin  zu  begleiten. 

Die  früher  (vgl.  oben  S.  51  imd  54)  genannte  Depesche  *' 
Giustiniani's  vom  10.  November,  die  aber  in  Folge  von  Stürmen 
erst  nach  einem  Monate  und  zwölf  Tagen  von  Bugia  in  Venedig 
anlangen  konnte,  enthält  sein  Urtheil  über  die  Gründe,  welchen 
das  Misslingen  des  Algierzuges  zuzuschreiben  sei.  Die  Depesche 
ist  chiffrirt,  um  zu  verhindern,  dass,  wie  vieles  Andere  in 
jener  Zeit,  auch  dieser  Bericht  dem  kaiserlichen  Gesandten 
Mendoza  in  Venedig  hinterbracht  werde. 

c)   Antonio  Magnalotti's  Bericht   an  Papst  Paul  III. 

Ueber  die  Algierexpedition  besitzen  wir  auch  einen  Be- 
richt Antonio  Magnalotti's,  welcher  als  Secretär  eines  päpst- 
lichen Legaten^  mit  Ottavio  Farnese,  dem  Enkel  des  Papstes, 
den  Kaiser  nach  Algier  begleitet  hat. 

*  Veiietian.  Depeschen  vom  Kai»erhofo,  Wien  1889,  I,  434 f.  und  die  Ein- 
leitung, p.  XHI. 

'  Komanin  (Storia  docum.  di  Venezia,  Vonezia  1858,  VI,  203)  und  Leva 
(III,  458)  kennen  von  venetianiHcheu  Beriebten  über  den  Algierzug  nur 
diesen.  Vielleicbt  finden  sich  noch  die  anderen  Dopeschen  Giustiniani^s; 
dass  er  solche  geschrieben  hat,  kann  man  schon  auf  Grund  der  ersten 
Worte  der  Depesche  vom  10.  November  behaupten:  ,Fino  questa  hora 
non  ho  scripto  altro  se  non  il  vero  successo  .  .  .*  Das  Unglück  vor  Algier 
wurde  auch  in  der  Finalrelation  Marino  Cavalli^s  vom  Jahre  1543  be- 
rührt; Alböri  (ser.  I,  t.  III,  p.  95)  fand  es  aber  nicht  nöthig,  diese  Stolle 
abdrucken  zu  lassen. 

3  Magnalotti  nennt  seinen  Namen  nicht.  Der  Nuntius  Moronc  (nach  Leti 
II,  578:  Marrone,  welche  Verstümmlung  Tiller  [463;  vgl.  unten  S.  70] 
und  Schels  [265 ff.;  vgl.  unten  S.  70]  nachgeschrieben  haben),  war  beim 
Algierzng  nicht  zugegen,  obwohl  er  seit  27.  November  1540,  dem  Tage 
seiner  Ankunft  in  Worms  (Lämmer,  Mon.  Vatic.,'  306),  Nuntius  beim 
Kaiser  war;  er  sprach  vielmehr  ausdrilcklich  den  Wunsch  aus,  den  Kaiser 


70 

Seine  Relation,  die  nur  Tiller, ^  Scliels*-'  undChotin^  unter 
den  neueren  Bearbeitern  des  Algierzuges  kennen,  ist  im  dritten 
Bande  von  Leti's  Vita  di  Carolo  V  (Amsterdam  1700,  p.  11  sqq.) 
abgedruckt.  Einer  der  Freunde  Lcti's  hat  sie  nach  einem  im 
Turiner  Archiv  befindlichen  Manuscript  copirt  und  ihm  zu- 
gesandt. Merkwürdig  ist,  dass  in  neueren  Darstellungen  dieser 
Bericht  nur  in  den  ungenügenden  und  schlechten  Auszügen 
bei  Vertot^  und  Baudoin^  benützt  wurde.  Auch  Schomburghk* 
kennt  nm*  diesen  Auszug,  da  er  nur  den  zweiten  Band  Leti's, 
nicht  aber  den  dritten  eingesehen  hat,  in  dem  sich  Magna- 
lotti's  Relation  findet.  Magnalotti  hat  auch  den  Brief,  den  Doria 
dem  Kaiser  schrieb,  und  in  welchem  er  ihm  nach  der  ver- 
heerenden Wirkung  des  Sturmes  vom  25.  October  rieth,  den 
Rückzug  anzutreten,  seiner  Erzählung  wörtlich  eingefügt.  Seine 
Angaben  über  den  Verlust  an  Schiffen  an  dem  genannten  Tage 
beruhen,  w^e  er  selbst  sagt,'  auf  einer  dem  päpstlichen  Legaten 
hierüber  zugekommenen  Liste. 

Doch  weist  Magnalotti's  Bericht  einige  sehr  bedeutende 
und  unbegreifliche  Irrthümer  auf.  So  sind  die  Angaben  über 
die  Stärke  der  gelandeten  italienischen,  spanischen  imd  deutschen 
Truppen  unrichtig  imd  beruhen  auf  falschen  Informationen.** 

Die  wenigen  chronologischen  Angaben  sind  zum  Theilc 
ebenso  unrichtig.  Nach  ihm  erfolgten  die  grossen  Verluste  zur 
See  und  zu  Lande  nicht  am  25.  October,  sondern  am  28.  Oc- 
tober; imd  auf  denselben  verhängnissvollen  Tag  zurückkom- 
mend,-' gibt  er  sogar  den  29.  October  an. 

auf  dieser  Expedition  nicht  begleiten  zu  dürfen  (Lämmer,  390,  und  Uisior. 
Jahrb.  1883,  IV,  647),  welchem  auch  entsprochen  wurde.  Als  Beweis  für 
Letzteres  dient  sein  Schreiben  an  Farnese  aus  Mailand  vom  18.  October 
1541,  das  also  zwei  Tage  vor  der  Ankunft  der  kaiserlichen  Flotte  an  der 
afrikanischen  Küste  geschrieben  ist  (Lämmer,  391). 

1  Uormayr^s  Archiv,  Wien  1830,  Nr.  59. 

2  Oosterr.  milit.  Zeitschr.,  Wien  1830,  II,  205if. 

^  Lcs  exp^ditions  maritimes  de  Charles-Quint  en  Barberie,  Toumay  1857, 

p.  229. 
*  Hist.  des  Chevaliers  de  Malte,  Paris  1726,  III,  197  «iiq. 
^  Hist.  des  Chevaliers  de  Malte,  Paris  1643,  355  sqq. 
®  Die  Geschichtschreibung  über  den  Zug  Karls  V.  gegen  Algier,  Leipzig 

1875,  S.  41f. 
^  p.  38. 
5  p.  17  sq. 
«  p.  42. 


71 

Die  wideraprechendsten  Angaben  enthält  der  Schluss  * 
unseres  Briefes.  Magnalotti  erwähnt  nämlich  den  Aufenthalt 
des  Kaisers  in  Bugia  und  bemerkt  hierauf,  dass  dieser  den 
Befehl  zur  WiedereinschiflFung  am  16.  November  crtheilt  habe 
und  nach  Cartagena  gefahren  sei.  In  dieser  Stadt  habe  sich 
der  Kaiser  nur  einen  Tag  aufgehalten,  weil  er  bald  in  Ocana 
ankommen  wollte,  wohin  er  am  folgenden  Tage  aufgebrochen 
sei,  jedoch  nicht,  ohne  früher  von  Andreas  Doria  herzlichen 
Abschied  zu  nehmen.  ,Wir  werden  aber,^  bemerkt  schliesslich 
Magnalotti,  ,nicht  vor  drei  Tagen  abreisend 

Nach  dem  Gesagten  kann  also  nur  die  Abreise  von  Bugia 
gemeint  sein;  diese  erfolgte  aber  nach  mehrmaligen  missglück- 
ten Versuchen  nicht  am  16.,  sondern  am  23.  November.  Von 
Bugia  l^m  der  Kaiser  nicht  gleich  nach  Cartagena,  sondern  zu- 
erst (am  26.  November)  nach  Mallorca.  Daselbst  verabschiedete 
er  sich  von  Doria'-*  und  fuhr  erst  am  28.  November  nach  Car- 
tagena, wo  er  vom  1.  bis  5.  Deccmber  verweilte,  um  dann  seine 
Reise  nach  Ocana  und  Madrid  anzutreten. 

Dass  die  Datirung  des  Briefes  ,Cartagona,  19.  November 
1541^  sicherlich  unrichtig  ist,  leuchtet  nach  den  vorausgeschick- 
ten Bemerkungen  von  selbst  ein.  Der  Bericht  ist  zwar  in  Car- 
tagena geschrieben,  was  auch  die  Eingangsworte:  ,Lc  dirb  che 
giunti  qui  in  Cartagena  quasi  semivivi^  beweisen,  jedoch  keines- 
wegs am  19.  November,  sondern  ungefähr  Anfangs  Deccmber. 

Es  ist  unglaublich,  dass  die  verwirrten,  lückenhaften  An- 
gaben   am    Schlüsse  3    des    Briefes    von    Magnalotti    herrühren 


*  ,Abbonacciato8i  i»oi  il  niare,  con  nna  buona  parte  di  vento  favorevole 
8iia  M**  Imp.  ordinö  V  imbarco,  che  se^i  li  16  Novembre  e  si  stossero 
le  vele  et  indrizzosi  il  timone  per  la  volta  di  Cartagena,  navigatione, 
che  riusci  pur  troppo  felice  per  farci  rammeinorare  le  disgratie  passate. 
Non  si  fermö  che  un  sol  giomo  Cesare  in  questa  cittk  impaticnto  del 
8U0  viaggio  in  Occagna  per  veder  lo  sue  tiglivole  verso  dove  »'  inviö  il 
giomo  seguente,  licentiatosi  prima  con  segni  di  gran  cordialitä  dal  Doria, 
col  quäle  (doch  nur:  Imperatore  V)  deve  partire  Monsignor  Legato  per  la 
volta  di  Madrid,  dove  sara  ancora  a  suo  tempo  äua  M^  Imperiale;  ma 
per6  non  partiremo  de  qui  prima  di  tre  gionü/     (III,  67.) 

'  Commentaires,  p.  62;  Herbais,  Collection  de  vojages  des  souverains  des 
Pays-Bas  II,  198 sq.;  Bepülveda  II,  149. 

'  Bei  Jovins  (Historiarum  sni  temp.  II,  276),  der  Magnalotti  wlb  in  an- 
deren Theilen,  so  auch  in  diesem  benützt,  Iftsst  sich  von  dieser  Ver- 
worrenheit nichts  wahrnehmen. 


72 

sollten.  Wir  werden  e»  liier  wahrscheinlich  mit  späteren  — 
etwa  durch  Copisten  verursachten  —  Entstellungen  zu  thun 
haben. 

Wenn  jedoch  in  diesem  Berichte  einiges  Erwähnenswerthe 
nicht  angeführt  wird^  so  hat  man  sich  gegenwärtig  zu  halten, 
dass  es  auch  nicht  Absicht  Magnalotti's  war.  Alles  ausführlich 
zu  erzählen;  denn  er  verweist  gleich  zu  Beginn  seines  Briefes 
auf  einen  anderen,  welchen  der  Legat  abfassen  und  der  den 
seinigen  ergänzen  werde. '  Ein  sehr  grosser  Theil  der  Relation 
ist  der  Erzählung  der  Thatcn  der  Malteserritter  und  Italiener 
gewidmet;  spärlich  sind  aber  Mittheilungen  über  Verdienste 
der  spanischen  Truppen. 

d)   Giovanni  Bandini. 

Der  Florentiner  Giovanni  Bandini  war  eine  Zeit  lang 
diplomatischer  Agent  Alessandro  Medici's  bei  Karl  V.;  in  der- 
selben Eigenschaft  ist  er  auch  später  f\ir  Cosimo  Modici  thätig 
gewesen.^  So  viel  mir  bekannt  geworden  ist,  wurde  er  Ende 
1540  aus  Worms  von  diesem  abberufen,'  begleitete  jedoch  nicht 
lange  darnach  den  Kaiser  auf  seinem  Algierzuge  und  nach 
Spanien.  Auf  diesem  Zuge  hat  er  bei  der  Strandung  der  Ga- 
leere Gianncttino  Doria's  (Neffen  des  Admirab),  mit  welchem 
er  ziemlich  vertrauten  Umgang  gepflogen  zu  haben  scheint,  nur 
sein  und  seiner  Diener  Leben  retten  können. 

Bedauerlich  ist  fUr  uns,  dass  er  bei  Abfassung  der  ersten 
(vom  2.  November)  seiner  zuerst  von  Ranke  ^  benützten  und 
nun  von  uns  im  Anhange  publicirten  Depeschen  an  Cosimo 
Mcdici  aus  dem  Monate  November  1541  sich  nicht  Zeit  nahm 
oder  solche  fand,  über  die  Landung  und  die  Operationen  des 
kaiserlichen  Heeres  genauer  und  ausführlicher  zu  berichten. 

^  ,Rimettendomi  io  a  qualcho  di  piu  ricever^  la  Beatitudine  Vostra  nella 

lettera  di  Mons.  Legato*  (p.  14).    Die  Existenz  diese«  Briefes  konnte  ich 

nicht  nachweisen,  ebensowenig  Anhaltspunkte  fUr  eine    bereits  erfolgte 

Benutzung  gewinnen. 
2  Varchi,  Storia  tiorontina,  per  cura  di  Mich.  Sartorio,  Milauo  1846,  t  II, 

p.  297. 
'  ,Scripsi  discessisse  Go.  Uandinum   rovocatum  a  Cosmo,   qui  nos  omni 

parte    oppugnat,    sed    frustra    laborabit.*     (Morone   an  Famese,  Worms, 

8.  Jihnor  1541;  Lämmer,  p.  323.) 
*  Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Reformation  (5.  Aufl.),  Leipzig  1873, 

Bd.  IV,  S.  171. 


73 

Was  wir  sonst  aus  seinen  Meldungen  erfahi*en,  beruht  — 
die  Angabe  über  die  Zahl  der  verlorenen  Schiffe  abgerechnet 
—  auf  Wahrheit  und  ergänzt  auch  theilweisc  unsere  Kennt- 
nisse, die  wir  aus  anderen  Berichten  schöpfen. 

e)  Das  Journal  Vandenesse's  *  und  die  ,Rclation 

de  l'expÄdition  d'Alger^^ 

Gachard*  hat  von  dem  Journal  Vandenessc's,  welcher 
wahrscheinlich  seit  1535  das  Amt  eines  ,Controleur  de  la  maison 
imperiale^  inne  hatte,  tiberzeugend  nachgewiesen,  dass  das  Tage- 
buch in  dem  bis  zum  Jahre  1542  reichenden  Theile  nichts  als 
eine  Abschrift  der  in  der  Madrider  Nationalbibliothck  von  ihm 
entdeckten  ,Description  des  voyages,  faicts  et  victoires  de  TEm- 
pereur  Charles-Quint^  von  Herbais  mit  sehr  geringen  Zusätzen 
ist.  Herbais,  der  1536  ,gentilhommc  de  chambre'  geworden  war, 
begleitete  in  seiner  Stellung  den  Kaiser  auch  auf  dem  Algier- 
zuge. Ueber  den  Charakter  seiner  Darstellung  hat  sich  Schom- 
burgk  näher  geäussert.^ 

Von  Privatcorrespondenzen  ist  uns  niu*  eine  gleichzeitige 
wörtliche  Abschrift  aus  dem  Tagebuche  Herbais',^  ein  in  den 
,Papier8  d'^tat^  ^  abgedruckter  Brief  eines  Ungenannten,  welcher 
weder  Datum  noch  Adresse  trägt,  erhalten. 

Der  Inhalt  des  Briefes  beginnt  nun  folgcndermassen : 

,Le  lundy  17*  Octobre  [1541  avisc  quej  Sa  Majest^  estoit 
deliberö  s'embarquer  [dans  le  port  de  Maillorque,  oü  estoit 
arrivc  le  vice  roy  de  Sicille  avec  huit  millc  Espaignolz,  et  aussi 
estoient  arrivez  les  six  mille  Allemans,  que  Ton  avoit  embar- 
qu6  a  la  Specia,  et  six  mille  Ytaliens  que  Ton  embarquö  a 
Libomc] '  arriva  une  galfere  d'Espaigne  apportant  nouvelle  .  .  .^ 

*  Collectioii  dea  voyage«  des  souvcrains  do  Pays-Ba»  par  Gachard,  Bruxolles 

1874,  t.  II,  p.  188—199. 

'  Ch.  Weiss,  Papiers  d'ötat  du  Card,  do  Granvello  d'apr^s  les  maiiuscrits 
de  la  bibliotheqne  do  Besanvoii,  Paris  1841,  II,  612  svv. 

'  In  der  Einleitung  zu  t.  II  dor  ,Collectiou  des  voyagesS  §.  2,  und  in 
seinem  Werke:  ,Les  biblioth^ques  de  Madrid  ot  do  TEscurial*,  Bnixelles 

1875,  16. 
<  S.  29. 

*  Vandenease,  194—199. 

*  II,  612  sw.;  Gachard  (Collect,  des  voyages,  t.  III,  p.  XXX  d.  Einleittmg). 
'  Vandenesse,  194. 


74 

Mit  Ausuahme  der  in  Klammern  gesetzten  Worte  dieses 
Briefes  ist  alles  Andere  bis  zu  Ende  desselben  der  ,üe8cription 
de  Herbais^  wörtlich  entlehnt;  aber  auch  die  in  Klammem  ge- 
setzten Worte  finden  sich  in  Herbais  unmittelbar  vorher.*  Aus 
den  angeführten  ersten  Zeilen  des  Briefes  lässt  sich  erkennen^ 
dass  am  17.  Octobcr  an  dieselbe  unbekannte  Person  (Gran- 
vella  V)  von  Mallorca  ein  anderer  Brief  abging^  der  die  Ereig- 
nisse wahrscheinlich  von  des  Kaisers  Abreise  von  Spczzia  bis 
zur  Ankunft  in  Mallorca  in  einer  dem  Tagebuch  wieder  Wort 
fllr  Wort  gleichen  Fassung  enthalten  hat.  Aus  den  Schluss- 
worton  des  vorliegenden  Briefes  lässt  sich  die  Datirung^  näm- 
lich Cartagena,  Anfang  December  1541,  feststellen.^  Denn 
unser  Brief  schliesst  mit  der  Ankunft  des  Kaisers  in  Cartagena, 
wo  dieser  vom  1.  bis  6.  December  verblieb. 

f)    Der   Brief  des   Commendador  VaiTuelos   an    einen 

Ungenannten. 

In  der  ,Collcccion  de  documentos  inöditos*  (I,  229  8g.)  ist 
aus  einem  Miscellanencodex  der  Escurialbibliothek  eine  gleich- 
zeitige Copic  eines  Briefes  publicirt,  welcher  vom  Commendador 
Vanuelos  von  Cartagena  am  10.  November  1541  an  einen  Un- 
bekannten abgesandt  wurde.  Er  erzählt  in  diesem  seine  Er- 
lebnisse während  der  Algicrexpedition  seit  dem  16.  October,  an 
welchem  Tage  er  seinen  letzten  Brief  an  seine  Frau  abgesandt 
habe.  Der  Text,  in  Abschrift  erhalten,  ist  nicht  ganz  fehler- 
und lückenfrei. 

Ueber  die  Person  dieses  Vanuelos  konnte  mir  nichts 
Näheres  bekannt  werden.  Doch  scheint  es  mir,  dass  Vanuelos 
einer  der  Commcndadores  des  Ordens  von  Alcantara  war,  die 
sich,  wie  wir  aus  Jovius  ^  und  Scpiilvcda  ^  wissen,  an  der  Algier- 
expedition betheiligten. 

Der  genannte  Brief  ist  fllr  unsere  Partie  erwähnenswerth, 
weil  in  demselben  die  Bewegungen  und  das  Schicksal  der 
Flotte  und  hauptsächlich  der  spanischen  Flottenabtheilung  unter 


*  Vaudenesse,  1 93  sq. 

2  Die  vom  Herausgeber  nicht  versucht  wurde. 
5  II,  272.  ' 

*  U,  UO. 


75 

Bemardino  de  Mendoza  viel  eingehender  erzählt  werden  als 
die  Operationen  des  Landheeres,  die  nur  nebenbei  berührt 
werden.  Dies  erklärt  sich  aber  daraus,  dass  Vaftuelos,  wie 
aus  seiuem  Briefe  selbst  zu  ersehen  ist,'  weder  landete,  noch 
an  den  Operationen  des  Heeres  theilnahm. 

Neben  anderen  etwas  fehlerhaften  Angaben  enthält  der 
Bericht  auch  den  Irrthum,  dass  Vanuelos  den  Kaiser  ,öamstag 
den  22.  October^  statt  am  20.  October  vor  Algier  ankommen 
und  ,dann^  landen  lässf^ 

g)  Nicolas  Durand  de  Villcgaignon. 

Eijie  sehr  bekannte,  von  gleichzeitigen  und  späteren  Ge- 
schichtschreibern  öfters  benutzte  «nd  in  jüngster  Zeit  durch 
Herrn  Grammont  ^  neu  commentirte  Quelle  für  den  Algierzug  ist 
der  Bericht  Nicolas  Durand  de  Villegaignon's,  eines  Kdelmannes 
aus  der  Provence,  der  als  Malteserritter  einen  sehr  rühmlichen 
Antheil  an  den  Kämpfen  der  Ordensritter  genommen  hat. 

Dieser  Bericht,  ein  an  ,Guillaume  du  Bellay,  seigneiu*  de 
Langey',  in  ziemlich  correctem  Latein  geschriebener  Brief,  wurde 
bald  nach  dem  Algierzuge  in  Rom,  wo  Villcgaignon  zur  Hei- 
lung seiner  Wunden  weilte,  abgefasst  und  darin  die  Algier- 
expedition aus  der  Einnnerung  erzählt.^ 

Mit  besonderem  Vergnügen  fUhrt  er  bis  ins  Einzelne  die 
Thaten  der  rhodischen  Ritter  vor,  die  auch  andere  Berichte 
einer  ehrenvollen  Erwähnung  fl'ir  werth  erachtet  haben. 

Nur  in  zwei  Punkten  kann  man  der  Darstellung  Villc- 
gaignon's   grössere  Unrichtigkeiten   nachweisen.     An  der  Stelle 


*  I,  230  sq.  —  Auf  dem  Schiffe,  auf  welchem  »ich  Vaituelos  befand,  war 
auch  ein  von  ihm  als  ,Don  Luis*  bezeichneter  Theilnehmer  an  der 
Expedition.  Wiewohl  den  Ilerausgeheni  zugestanden  werden  muss,  dass 
aus  einer  solchen  Angabe  nichts  Bestimmtes  geschlossen  werden 
könne,  so  ist  dennoch  nicht  unmriglich,  dass  der  als  Commendador  mayor 
de  Alcantara  bekannte  Verfasser  der  Geschichte  des  schmalkaldischen 
Krieges  und  einer  Relation  über  den  tunesischen  Feldzug:  Luis  d'Avila 
liier  gemeint  ist. 

3  I,  230  sq. 

'  Relation  de  Texpödition  de  Charles-Quint  contre  Alger  par  Nicolas  Durand 
de  Villcgaignon,  Paris  et  Algfer,  1874. 

*  Vergl.  W.  Schomburgk,  8.  11—26. 


7G 

(p.  29),  wo  er  von  der  Ankunft  des  Kaisers  in  Italien  spricht, 
bemerkt  er:  ,Quo  simul  ae  pervenisset  (imperator),  exercitum 
summa  diligentia  cogi  et  militum  novas  manus  conscribi  ius- 
sit,  magnumque  navium  numerum  Genuae  atque  Neapoli  in- 
strui/  ^  Diese  Bemerkung  ist  unrichtig,  denn  der  Kaiser  hatte 
seine  Instructionen  zur  Ausrüstung  einer  Flotte  und  eines  Heeres 
schon  von  Regensburg  abgehen  lassen.  Doch  konnte  Ville- 
gaignon  über  diese  Dinge  nicht  so  genau  unterrichtet  sein, 
denn  gleich  im  Anfange  seines  Briefes  sagt  er  ausdrücklich, 
er  sei  erst  durch  Freunde  in  seiner  Heimat  von  der  Ankunft 
des  Kaisers  in  Italien  und  von  dem  beabsichtigten  Zuge  gegen 
Algier  benachrichtigt  worden. 

An  einer  zweiten  Stelle  (p.  42)  erzählt  er  yjon  den 
Schiffen,  welche  trotz  wiederholter  Versuche  der  zu  ihrer  Hilfe 
zurückgelassenen  Galeeren  wegen  des  Sturmes  nicht  fortgebracht 
werden  konnten,  dass  sie  an  der  felsigen  Küste  scheiterten  und 
dass  eine  bedeutende  Anzahl  von  Personen,  die  sich  noch  ans 
Land  gerettet  hatten,  gegen  die  Bedingung  der  Erhaltung  ihres 
Lebens  sich  Hassan  Aga  ergeben  wollten;  doch  sei  diese  Be- 
dingung nicht  angenommen  und  sie  alle  bis  auf  den  letzten 
Mann  niedergehauen  worden.  Andere  hiebei  in  Betracht  kom- 
mende Quellen  wissen  aber,  dass  diese  Bedingung  angenom- 
men wurde,  und  bemerken,  ganz  gegen  Villegaignon's  An- 
gabe, dass  Hassan  Aga  selbst  herbeigekommen  sei,  ihnen  das 
Leben  geschenkt  und  sie  zu  Sclaven  gemacht  habe.*-^  Gram- 
mont**  hat  mit  Recht  diese  Unrichtigkeit  dem  Umstände  zu- 
geschrieben, dass  Villegaignon  in  Rom,  wo  er  erst  über  dieses 
Ereignis^  informirt  worden  sein  kann,  eine  entsprechende  ihm 
zugekommene  Nachricht  in  seinen  Bericht  aufnahm.  Denn  dass 
dies  etwa  eine  Erfindung  oder  absichtliche  Veränderung  Villc- 
gaignon's  sei,  kann  nicht  angenommen  werden :  es  widerspräche 
dem  Umstände,  dass  er  sonst  nur  Richtiges  gebracht  hat  Ausser- 
dem bekennt  er  selbst,^  dass  er  als  Verwundeter  nur  die  Zahl 


*  p.  29  »q. 

2  Dor  französische  Gesandte  in  Venedig  an  König"  Franz  I.  am  24.  De- 
ccmber  1541.  N^gociations  de  la  France  dans  le  Levant  par  E.  Char- 
ri6re  I,  527. 

3  p.  106. 

*  p.  40. 


77 

der   Tod  teil   und   Verwundeten   überhaupt,   sowie   die   der   ge- 
fallenen und  verwundeten  rhodischen  Ritter  angeben  könne.  ^ 


2. 

Berichte,  welche  ron  Aiigenzeugren  erst  längere  Zeit 
nach  dem  Alglerzngc  abgefasst  wnrden. 

a)  Berieht  eines  Ungenannten. 

Im  Jahre  1881  gelangte  im  dritten  Bande  der  ,Colleetion 
des  voyages  des  souverains  des  Pays-Bas'  (p.  403  —  448)  der 
Bericht  eines  Theilnehmers  an  der  Algicrexpedition,  der  sich 
nur  ,Quidam'  nennt,  zur  Veröffentlichung.  Das  Manuscript  aus 
dem  sechzehnten  Jahrhundert,  welches  man  in  der  Bibliothek 
von  Toumay  fand,  ist  betitelt: 

,Bricf  recucil  de  pluyseurs  cntreprinses,  bellcs  chasses  et 
entröes  faictes  par  la  Majestö  Imperialle  en  poursuyvant  son 
voyage  d'Argeil,  environ  Fan  XV*'  quarante,  et  ce  r<5digi^  par 
escript  au  Heu  de  repos  par  maniere  d'exercitation,  par  un 
quidam  suyvant  Sadicte  Majestö  en  cherchant  aventurcs,  le- 
qucl  n'a  aultrcs  tesmoings  prins  quo  sa  propre  veue  et  prö- 
sence/ 

Der  Bericht  dieses  Quidam,  eines  jungen  Mannes  —  über 
sein  Alter  lilsst  sich  nichts  sagen  —  beginnt  mit  der  Abreise 
des  Kaisers  aus  den  Niederlanden  nach  Kegensburg  (1541)  und 
endet  mit  den  Ereignissen  kurz  nach  der  Erstünnung  Dürens 
(1543).  Die  Erzählung  der  Ereignisse  der  Jahre  1542  und 
1543,  welche  er  als  ,Gentilhomme  de  la  maison  de  TEmpereur 
en   Testat   de   constillier^  "^   erlebte,   ist   sehr   kurz,   dagegen  die 


>  S.  42  f. 

^  Die  Herausgeber  des  dritten  Bandes  der  ,Collection  dos  voyages*  geben 
(p.  XXXIII)  an,  dass  der  ungenannte  Verfasser,  ein  Niederländer  von  Ge- 
burt, auf  seine  I^itte  zu  Logroflo,  wohin  er  dem  Kaiser  gefolgt  war,  im  Oc- 
tober  1542  zum  Pagen  ernannt  worden  sei.  Diese  Zeitbestimmung  beruht 
aber  auf  einem  Irrtbume,  da  der  Kaiser  in  diesem  Jahre  im  genannten 
Orte  sich  nur  am  7.,  8.  und  9.  Juni  aufhielt.  Vergleicht  man  die  be- 
treffende Angabe  de^  Anonynais  (III,  438)  und  das  Journal  Vandenesse*s 
(ü,  208),  so  ergibt  sich,  dass  Qnidam  am  7.  Juni  1542  in  kaiserlichen 
Dienst  aufgenommen  und  am  nächsten  Tage,  an  dem  das  Frohnieich nams- 
fest  begangen  wurde,  hiefllr  dem  Kaiser  persönlich  seinen  Dank  abstattete. 


7« 


Darstellung    der    Knn|rni«»'r    des  Jahres    1^1.    besonders   des 

Algierzages,  sehr  acurfbhrlicli  gehalten. 

Was  seinen  Bericht  anlielangt.  so  Termisst  man  in  dem- 
selben Datirungen  naeh  W^Krhen-  oder  laufenden  Tagen  des 
Monates.  ,Lend*-main\  «ee  joiir*.  .enriron  XV  joiirs*,  .denx  joors 
apres'  und  Aehnliches  sind  die  einzigen  Zehbestinunangen,  die 
er  bietet.  Zuweilen  ^  z.  B.  p.  420  und  p.  433)  sind  seine  An- 
gaben noch  unl>estininiter.  z.  B.  ^ung  jour  ou  denx  apres' 
oder  .quelques  jours  apres'.  Nur  ein  einziges  Mal  liest  man 
eine  genaue  Zeitangabe,  die  aber  fiir  ihn  leicht  zu  merken, 
daher  auch  leicht  wiederzugeben  war.  Er  bemerkt  n9mlich,^ 
dass  die  Wiedereinschiflfung  des  Heeres  während  des  ADer- 
heiligen-  und  Allerseelentages  erfolgte.  Dieselben  vagen  und 
ungenügenden  Zeitangaben  finden  sich  in  der  kurzen  £rz&hlmig 
der  Ereignisse  der  Jahre  1542  und  1543. 

Femer  ist  auffallend,  dass  in  dem  Berichte  unseres  Autors 
80  Manches  fehlt,  was  man  bei  der  sonstigen  Ausführlichkeit 
desselben  vermisst.  Es  ist  beispielsweise  befremdend,  dass  der 
Ungenannte  zwar  anfiihrt.  dass  der  Papst  widerrathen  habe, 
die  Algierexpedition  noch  im  Jahre  1541  zu  unternehmen,  aber 
nirlit  erwUhnt.  dass  Andreas  Doria  und  Vasto  dem  Kaiser  gegen- 
über ähnliche  Grilnde  vorbrachten.  Ebensowenig  erwähnt  der 
Autor  die  Absendung  eines  kaiserlichen  Gesandten  an  Hassan 
AgH  mit  der  AutTordening  zur  Uebei^be  der  Stadt  unter 
p;lhiNtigen  Bedingungen  u.  s.  w. 

I  ){^v  Mangel  jeder  bestimmten  Zeitangabe,  sowie  das  Fehlen 
iiH'lir  Oller  wenigtT  wichtiger  Angaben  findet  seine  natürliche 
Mrlilllnnig,  wenn  man  annimmt,  dass  der  Ungenannte  die  Er- 
InhiiinN«^  d(«N  Algieiv.ugi'S  nicht  bald,  sondern  geraume  Zeit  nach 
ilt^niHelboii  geHrhrieben  habe.  Ja.  es  dürfte  mit  Rücksicht  auf 
ili(«  UnheNtinuntlioit  der  Zeitangaben  auch  ftir  die  Jahre  1543 
inul  liVUi  nu'lit  gewagt  sein,  anzunehmen,  dass  die  Aufzeich- 
nung aller  Kreignisso  aus  dem  Oediichtnisse  zum  l^Gndesten  erst 
Ende   [Ml\,  wenn  nicht  noch  si^iter  erfolgte. 

Ich  war  aber  ganz,  ei'slaunt.  als  ich  wahrnahm,  dass  der 
Ungenannte  gegen  die  Vei'sieherung.  die  er  auf  dem  Titel 
seines  Werkes  gibt:  ».  .  ,  lequel  i^quidam)  n'a  aultres  tes- 
moings  print,  que  sa  pt\>pn*  veue  et  presence'  doch  einen  andern 

>  p.  433 


79 

Zeugen,  nämlich  Villegaignon,  zur  Darstellung  seiner  Erlebnisse 
in  auffälliger  Weise  benützt  hat.  Sichere  Zeitangaben  hat  Qui- 
dam  bei  Villegaignon  freilich  nicht  finden  können,  obwohl  dieser 
hierin  doch  noch  Besseres  bietet.  Fast  Alles,  was  man  bei 
dem  Ungenannten  nicht  erwähnt  findet,  ist  auch  in  Villegaignon's 
Bericht  nicht  anzutreffen.  Man  muss  überhaupt  sagen,  dass 
Quidam  dem  ihm  in  lateinischer  Sprache  vorUegenden  Berichte 
Villegaignon's,  welchem  er,  seine  eigenen  Einschaltungen  aus- 
genommen, namentlich  in  Bezug  auf  die  Ereignisse  vor  Algier 
stets  als  fahrender  Quelle  gefolgt  ist,  gerade  die  wichtigsten 
Stellen  fast  wörtlich,  mit  ganz  geringen,  unbedeutenden  Zu- 
sätzen entnimmt  imd  sie  blos  ins  Französische  übersetzt.^ 

Hin  und  wieder  macht  die  Uebersetzung  den  Eindruck, 
als  ob  sie  frei  sei,  weil  der  Verfasser  das  Latein  an  einzelnen 
Stellen  nicht  vollständig  verstanden  habe.^ 

Bei  einer  solchen  Benützung  Villegaignon's  braucht  man 
sich  natürlich  nicht  zu  wundem,  wenn  Quidam  auch  einige 
irrige  Angaben  seiner  Vorlage  nachgeschrieben  hat.^ 

Zu  den  bedeutenderen  eigenen  Zusätzen  des  Quidam  ge- 
hört die  Beschreibung  der  Reise  des  Kaisers  nach  Regensburg 
und  von    dort  nach  Italien^   und   gegen  Schluss  des  Berichtes 


>  Vgl.  z.  B.  Villegaignon,  p.  30  sq.,  und  Quidam,  p.  409,  417  nnd  421. 

^  Als  Beleg  hiefÜr  dienen  uns  die  Stelleu  bei  Quidam,  p.  421,  und  bei 
Villegaignon,  p.  34  8q.: 


Ubi  primum  terram  pediten 
attigenint  (equites  enim  pauci  eo 
die  navibus  emissi  sunt)  genera- 
üm  snmma  coeunt  alacritate,  se- 
seqne  expedinnt  ad  excipiendos 
liostes  .  .  . 


Et  Ik  oü  noz  piötons  penrent 
mectre  le  pied  k  terro  —  car  de  clie- 
vaulx  y  eult  bien  peu  mis  hors  des 
naves  ce  jour  \k  —  en  tr^s  grande 
diligence  et  tr6s  abilles  se  misrent 
en  ordre  d'ung  tr^s  grant  et  animö 
cour^üge  pour  recepvoir  et  combattre 
a  toutfö  oultrance  les  Arrabes  .  .  . 

'  Z.B.  gibt  Villegaignon,  p.  42,  an,  dass  der  Kaiser  nach  seiner  Abfahrt 
von  Matifou  vier  Galeeren  zum  Scliutze  jener  Schiffe  zurückgelassen 
habe,  welche  wegen  des  Sturmes  das  Cap  Matifou  nicht  umschiffen 
konnten.  Wirklich  gibt  auch  Quidam  (p.  436)  statt  der  richtigen  Zahl 
von  fünf  Galeeren  nach  Villegaignon  nur  vier  an.  Der  bedeutendste 
Fehler  ist  aber  Quidam  (p.  436)  passirt,  als  er  die  Angabe  Villegaignoii's 
(p.  43)  nachschrieb,  nach  welcher  die  dem  Tode  entronnenen  Insassen  der 
gestrandeten  Schiffe  bis  auf  den  letzten  Mann  niedergehauen  worden 
seien.    Vgl.  CharriÄre  I,  527. 

«  p.  403—423. 


80 

da»  Hclir  charakteristische  Gespräch,  welches  der  Kaiser  mit 
Hcinon  Vertrautesten  ftlhrt:  ^  Nicht  Furcht  sei  es,  sagt  dieser, 
waH  ihn  so  verzagt  mache  —  denn  er  stürbe  gerne  um  den 
Pniis,  alles  Verlorene  gerettet  zu  sehen  —  sondern  er  sei  trost- 
los, weil  er  vor  seinen  Augen  so  viele  ,grans  seigneurs  et  gen- 
tilzhommes^  und  Andere  sterben  sehe,  ohne  helfen  zu  können; 
nicht  einmal  den  Lebenden  könne  er  Speise  gewähren;  wenn 
noch  der  liest  der  Flotte  vernichtet  werde,  könne  man  sich 
nur  mehr  den  Tod  wünschen. 

iJitjse  vertrautesten  Personen  seiner  Umgebung  ermahnen 
den  Kaiser  nach  dieser  Kede,  seine  Trauer  und  seinen  Schmerz 
dein  ohnehin  schon  entmuthigten  Heere  zu  verbergen  und  eine 
heiterte  Micsne  anzunehmen  (,dissymuler  en  se  faindant  [sie]  et 
iiionstrant  tousjours  joyeulx^);  sie  rathen  ihm,  nicht  zu  ver- 
zweifeln, noch  sei  die  Flotte  nicht  ganz  vernichtet;  um  aber 
dem  Mangel  an  Lebensmitteln  Rir  den  Augenblick  abzuhelfen, 
solle  er  Pferde  schlachten  lassen. 

Von  genauer  Kenntniss  der  Vorgänge  in  der  Umgebung 
Karls  V.,  zugleich  aber  von  der  OflFenheit  des  Ungenannten 
zeugen  die  nachfolgenden  Worte:  ^  ,Et  ce  reponce  ainsy  fynye, 
combien  que  Sa  Magestc^  le  sceusse  tr^s  bien  faire,  dissymulant 
son  dueil,  ce  neantmoings  une  grande  partie  de  ladicte  arm^e 
fut  aulcunemcnt  tenue  en  la  susdicte  perturbation  et  fächerie  '.  . .' 
Eine  solch'  genaue  Kenntniss  dürfte  der  Verfasser  wohl  nie- 
mand Anderem  als  eitler  Person  verdanken,  welche  das  Ver- 
trauen des  Kaisers  genoss. 

Das  Gesammtresultat  unserer  Betrachtungen  ist  also,  dass 
der  ungenannte  Verfasser  den  Bericht  Villegaignon's  kürzte  oder 
mit  eigenen,  mehr  oder  weniger  umfangreichen  Ergänzungen 
in  seiner  Darstellung  versah,  weil  es  ihm  bei  seiner  schon  ver- 
blichenen Erinnerung  bequemer  und  nothwendig  schien,  dies 
zu  thun. 


»  p.  432. 
2  p.  433. 


81 
b)   Marmol,  Guyon,  Bernstein  und  Gomara.* 

Luis  de  Marmol  war  auch  Theilnehmer^  an  der  Expedi- 
tion gegen  Algier  und  veröffentlichte  sein  Werk  über  Afrika^ 
von  wo  er  nach  einer  ,7  Jahre  und  8  Monate^  dauernden  Ge- 
fangenschaft um  die  Mitte  des  siebenten  Jahrzehnts  des  sech- 
zehnten Jahrhunderts  nach  Spanien  zurückgekehrt  war,  im 
Jahre  1573.  Man  kann  es  daher  schon  deswegen  unserem 
Autor  verzeihen,  wenn  er  zur  Wiederbelebung  seiner  Erinne- 
rungen flir  unsere  Partie  Meister  Jovius  zur  Hand  nahm  und 
fUr  seine  Darstellung  benützte.  Am  Greifbarsten  tritt  diese  Be- 
nützung in  jenem  Theile  hervor,  welcher  die  Ankunft  der  kai- 
serlichen Flotte  an  der  afrikanischen  Küste  und  die  darauf 
folgenden  Ereignisse  bis  zum  Eintritt  des  Sturmes  am  25.  Oc- 
tober  behandelt.^  In  der  folgenden  Partie  hat  er  die  fUr  den 
Zweck  seiner  Erzählung  viel  zu  breit  angelegte  Darstellung 
des  Jovius  stark  gekürzt  wiedergegeben  und  durch  seine,  fast 
nur  spanische  Truppen  und  Führer  betreffenden  Bemerkungen 
ergänzt. 

Die  Memoiren  Ferry  de  Guyon's,^  Hans  Christoph  von 
Bemstein's*  und  Francisco  Lopez  de  Gomara's*  sind  schon  von 
Schomburgk^  als  ungenügend  erkannt  worden. 

3. 
Briefe  an  E.  Franz  I.  nnd  an  Cardinal  Alexander  Farnese. 

Von  einiger  Bedeutung  fUr  unsem  Gegenstand  sind  die 
Briefe  Wilhelm  Pellicier's,  französischen  Gesandten  in  Venedig 


1  Descripcion  general  de  Africa,  Graiiada  1573,  t.  II,  f.  217—220. 

2  Er  behanptet  nämlich  in  der  Einleitung  (t.  I,  p.  2),  dass  er  an  dem  Zuge 
gegen  Tunis  als  ,aun  moQo  de  peqnefia  edad*  theilgenommen  habe  ,y  des- 
pues  de  la  felice  expngnacion  della  seguido  las  vanderas  Imperiales  en 
todas  las  empresas  de  Affrica  por  espacio  de  veynte  y  dos  aflos  y 
padescido  siete  aitos  y  ocho  meses  de  c^ptiverio*. 

'  f.  217  sq.;  man  muss  ihm  chronologische  Fehler  verzeihen. 

<  M^moires  de  Ferry  die  Guyon  par  Robaulx  de  Sonmoy  (Collection   de 

m^moires  relatifs  k  Thistoire  de  Belgique,  Rmxelles  1858). 
'  BQlan,  Geheime  Geschichten  und  räthselhafte  Menschen  YII,  S.  1 — 12. 
*  Cronica  de   los  Barbarojas   (Memorial   historico  espaßol,   Madrid  1868, 

VI),  p.  430  8g. 
7  g.  88—41  imd  S.  48. 
AkUt.  B4.  LXXTI.  I.  HUfte.  ^ 


82 

und  Bischofs  von  Montpellier,  an  König  Frans  L  vom  April  bis 
zum  Endo  des  Jahres  1541.*  In  diesen  Briefen  sind  alle  Nach- 
richten, die  dem  franzosischen  Gesandten  über  die  Vorberei- 
tungen zum  Zuge,  den  Zweck  der  Reise  des  Kaisers  nach 
Italien,  über  die  Tttrkcngefahr  filr  Karl  V.  und  Ferdinand  I. 
und  den  Verlauf  der  Expedition  gegen  Algier  zukamen,  niedei^ 
gelegt.  Doch  sind  neben  richtigen  Nachrichten  auch  cursirende 
falsche  Gerüchte  oder  Nachrichten,  die  der  iranzösische  Ge- 
sandte schon  durch  mündliche  Weiterverbreitung  entstellt  übei^ 
kommen  hat,  aufgenommen. 

Charriire,  der  Herausgeber  dieser  Briefe,  hat  auch  einen 
jRapport  d'un  agent  h  Franyois  I**  sur  Texpödition  d'Alger* 
veWiftentlicht.  Es  ist  dies  ein  undatirtcr,  von  einem  ungenannten 
Agenten  an  Franz  I.  gerichteter  Brief  über  das  Misslingen  der 
Algicrexpedition.  Der  i>rt,  von  welchem  aus  der  Brief  ab- 
gesandt wurde,  ist  ebensowenig  als  der  Tag  der  Absendung 
ersichtlich,  so  dass  es  Charrit^re  wahrscheinlich  mit  einer  Copie 
zu  thun  hatte.  Der  Bericht  ist  auf  Grund  mündlicher  Mitthei- 
lungen von  Theilnehmern  an  dem  Algierzuge,  vielleicht  auch 
schriftlicher  Nachrichten  verfasst  und,  obwohl  nicht  vollständig, 
so  doch  in  den  gegebenen  Punkten  richtig.  Nur  die  Angabe, 
dass  die  Gesandten  von  England  und  Portugal  ,100.000  Dn- 
caten^  verloren  hsltten,-  ist  unrichtig.  Wir  wissen  nämlich  aus 
einer  Depesche^  des  französischen  Gesandten  am  englischen  Hofe, 
Slarillac's,  der  über  Auftragt  Fninz  I.  gerade  hierüber  Erkun- 
digungen einzog,  dass  Henry  Knyvet,  der  englische  Gesandte, 
im  Ganzen  nur  GOOO  bis  7000  Ecus  verlor. 


*  Charriciv,  Nejrooiations  de  l.i  France  dniis  le  Levant,  Paris  1848,  I, 
473 — -»'itK  Einzelne,  nicht  unerhebliche  Briefe  PelHcier's  hat  Jean  Zeller 
besonders  in  der  Aixer  Bibliothek  l^enützen  nnd  in  »einem  Werke  ,Lä 
diplomatie  fran^ai.se  rers  le  milien  du  XVI*  siWe,  d*apr^  la  corresjwn- 
dance  de  Gnillanme  Pellicier,  ereqne  de  Montpellier.  ir»,39 — 1542*  (Paris 
1881)   verwerthen  kennen,  welche  Cliarriere  unbekannt  geblieben  sind. 

'  N^TOciations  I,  h2i. 

'  Aus  London  vom  5.  Februar  1542:  ,11  n*y  a  ancune  apparence  qne  le  roi 
d'Auorleterre  ait  contribne  a  la  depense  de  Texp^ition  d' Alger.  La  plus 
gprande  perte  que  son  ambassadeur  dict  par  lettres  avcHr  faict  est  de 
Bopt  a  hnict  mille  ose  uz  tant  en  argent  comme  en  antre«  meables  . .  .* 
(Correspondance  |K>litique,  p.  380). 

Aus  Verres  vom  14.  Januar  1542  <  Correspondance  poHtiqnc«,  p.  380>. 


83 

Da  der  letzte  Punkt  dieses  Berichtes  die  erfolgte  Ankunft 
des  Kaisers  in  Cartagena  *  und  dessen  Absicht,  nach  Toledo  zu 
gehen,  bespricht,  so  dürfte  unser  Brief,  mag  nun  der  ungenannte 
Agent  aus  Spanien,  Stidfrankreich  oder  aus  Italien  berichtet 
haben,  kurz  vor  oder  nicht  lange  nach  Mitte  December^  1541 
abgefasst  worden  sein. 

Ergänzungen  —  aber  nicht  Berichtigungen  der  in  anderen 
vorausgegangenen  Briefen  enthaltenen  irrigen  Meldungen  —  zum 
Berichte  des  Ungenannten  bringen  die  Briefe  des  französischen 
Gesandten  in  Venedig  vom  4.,*  18.,  24.  und  31.  December  1541. 

Erst  in  jüngster  Zeit  ist  die  Correspondenz  veröffentlicht 
worden,  welche  Charles  de  Marillac,  französischer  Gesandter 
am  englischen  Hofe  in  den  Jahren  1537  bis  1642,  mit  Franz  I. 
und  dem  Connetable  Anne  de  Montmorency  fUhrte.*  Sie  dient 
unseren  Zwecken  fast  in  derselben  Richtung  wie  diejenige  des 
französischen  Gesandten  in  V(?nedig.  Mehr  als  die  Berichte 
Marillac's  sind  einige  Briefe  beachtenswcrth,  welche  der  fran- 
zösische König  und  Montmorency  an  ihn  über  den  Verlauf  des 
Regensburger  Reichstages,  die  Absicht  des  Kaisers,  nach  Italien 
zu  gehen,  und  die  türkischen  Vorbereitungen  und  Angriffe 
absandte.^ 


*  Wo  er  vom  1.  bis  6.  December  1541  verweilte. 

'  Auf  alle  Fälle  hätte  bei  der  Edition  der  N^gociations  der  Brief  des 
französischen  Gesandten  in  Venedig  vom  4.  November  vor  diesem  Rapport 
stehen  sollen. 

3  In  diesem  Briefe  ist  (p.  526)  die  unrichtige  Nachricht  mitgetheilt,  dass 
der  Kaiser,  als  er  auf  seinem  Rückzuge  einen  durch  die  starken  Regen- 
g^üsse  angeschwollenen  Fluss  nicht  zu  überschreiten  vermochte,  von  einem 
Mauren  sammt  den  Hofleuten  über  eine  Furt  gldcklich  ans  andere 
Ufer  gebracht  wurde.  Thatsächlich  überschritt  aber  der  Kaiser  mit  den 
italienischen  Truppen  den  Fluss  auf  einer  Brücke,  wälirend  die  Spanier 
den  Fluss  mittelst  einer  Furt  überschritten,  welche  sie  gefunden  hatten, 
weil  einige  der  Ihrigen  einen  Mauren  den  Fluss  so  durchschreiten  sahen. 
Aehnlicher  Art  sind  andere  Entstellungen  von  Nachrichten. 

*  Correspondance  politiqne  de  Mrs.  de  Castillon  et  Marillac,  ambassadeurs 
de  France  en  Angleterre  (1637—1542),  par  Kaulek,  Paris  1885  (im  In- 
ventaire  aaalytique  des  affaires  ätrangöres). 

*  Und  «war  vom  28.  Februar  (p.  272),  1.  April  (p.  282),  (Amboise)  6.  Mai 
(p.  299),  24.  Juni  (p.  316),  26.  Juli  (p.  323),  9.  August  (p.  326),  (Jaligny) 
28.  Angoßt  (p.  832)  (Lans  en  Bresse),  17.  September  (p.  838  sw.).  Der  Ort 
der  Absendnng  ist  in  Briefen  Franz  I.  an  Marillac  häufig  nicht  angegeben. 


84 

Einer  Depesche  Franz  I.  vom  8.  December  1541  ^  war 
auch  ein  uns  erhaltener  kurzer  Bericlit  beigeschlossen^  welchen 
ihm  ein  ,Sieur  Francisque'^  aus  einem  nicht  genannten  Hi^en- 
platze  am  25.  November  über  den  Verlauf  des  Algierzuges  zusandte. 
Durch  die  Ankunft  zweier  Schiffe  ,in  diesem  Hafen^  war  der 
Absender  des  Briefes  in  den  Stand  gesetzt,  einige  Ergänzungen 
und  Berichtigungen  zu  einem  früheren  Berichte  zu  machen, 
welcher  uns  aber  nicht  vorUegt. 

Neben  der  Fülle  von  Nachrichten  über  die  Vorgänge  beim 
Kegensburger  Religionsgespräche  finden  wir  in  den  Depeschen 
Francesco  Contarini's  •'*  (venetianischen  Botschafters  am  kaiser- 
lichen Hofe)  an  die  Signorie,  sowie  in  denen  des  Collocutors 
Gasparo  Contarini^  und  des  päpstlichen  Nuntius  Morone^  an 
Cardinal  Alexander  Farncse  auch  vereinzelte  Mittheilungen  über 
die  Gründe  des  Zuges  gegen  Algier  und  den  beabsichtigten 
türkischen  Angriff. 

4. 

Darstel Innren  des  Algierzuges  In  htstorlschen  oder  bio- 
graplitsehen  Werken  dos  sechzehnten  Jahrhunderts. 

a)   Sepülvt3da.  ^ 

Sepulveda  hat,  wie  man  -weiss,  seine  Geschichte  Karls  V. 
nicht  selbst  veröffentlicht,  sondern  sie  ebenso  wie  eine  Geschichte 
über  die  ersten  Regierungsjahre  Phihpps  II.  nur  im  Manuscript 


J  j).  372  8V. 

'  Ich  vermag  so  wenig  als  der  Herausgober  über  ihn  Näheres  anzugeben. 

Wenn   er  im  Namen-   und  Sachregister  j».  486   unter  den   ^französischen 

Gesandten   in  Deutschland*  figurirt,   so  beniht  dies  auf  einem  Irrthume; 

denn    die    einzige    Depesche,    welche    von    ihm    abgedruckt    ist,    spricht 

dagegen. 
3  Bei  Rawdon  Brown,  Calendar  of  Stite-papers  and  manuscripts  existing  in 

Venice,  London  1873,  V,  98—107. 

*  L.  Pastor,  Corresp.  d.  Canl.  Cont^rini  wHhrend  seiner  deutschen  Legation 
1541   (Histor.  Jahrb.  I,  1880),  379flf.  und  489 ff. 

*  IJimmer,  Monum.  vaticana  historiam  eccles.  saec.  XVI  illnstrantia,  Fri- 
burgi  Brisg.  1861,  p.  364  sqq.;  Nuntiatnrberichte  Morone's  (Histor.  Jahrb. 
1883,  IV),  621  ff. 

»  De  rebus  gestis  Caroli  V,  Matriti  1780,  t.  II,  1.  XX,  c.  1—21,  p.  183  sqq. 
der  ,Opera  edita  et  inedita*. 


85 

hinterlassen.  Nur  seine  Briefe*  sind  bei  seinen  Lebzeiten  1557 
erschienen.  Der  Grund,  warum  Sepiilveda  sein  Werk  über  Karl  V. 
nicht  veröffentlichen  wollte,  dürfte  auch  darin  zu  suchen  sein, 
dass  er  einerseits  Manches  über  Personen  und  Ereignisse  der 
Oeffentlichkeit  ungern  übergeben,  anderseits  aber  wegen  der 
Unbestechlichkeit  seiner  Feder  nicht  unterdrücken  wollte. 

Es  lässt  sich  behaupten,  dass  er  für  die  Geschichte  von 
1536  angefangen,  also  für  die  Zeit  nach  seiner  Ernennung  zum 
Hofhistoriographen,  sich  nicht  mehr  auf  fremde  Historiker,  na- 
mentlich auf  Jovius  stützte,  sondern  dass  er  Informationen  bald 
nach  den  Ereignissen  über  dieselben  zu  erlangen  suchte.  Dies 
zeigt  auch  ein  Brief  Sepiilveda's  vom  13.  Juni  1541  '^  an  Gasparo 
Contarini,  wo  er  sich  Auskunft;  über  die  Keligions-  imd  Concils- 
angelegenheiten,  über  welche  dieser  mit  dem  Kaiser  verhandelte, 
erbittet. 

Auch  für  den  Algierzug  hat  er  vorzügliche  Quellen  benützt, 
so  dass  man  ihn,  wie  überhaupt,  so  auch  flir  unsere  Partie, 
trotzdem  es  von  Vielen  geschehen  ist,  nicht  unbenutzt  lassen  darf. 

Wir  besitzen  nämlich  von  Sepiilveda  einen  an  Cardinal 
Tavera  gerichteten  Brief  vom  Ende  November  oder  Anfang 
Deceraber,^  welcher  folgendermassen  beginnt: 

,Suavissimas  tuas  litteras,  Praesul  gravissime  et  simul 
exempla  epistolarum,  que  ad  te  de  rebus  bellicis  et  infausta 
illa  nostrorum  ad  Argeliam  Mauretaniae  navigatione  a  Carole 
Cesare  missae  fuerunt,  accepi.' 

Aus  den  Eingangsworten  ersehen  wir,  dass  Sepiilveda 
mindestens  zwei,  wenn  nicht  mehr  Briefe,  welche  der  Kaiser 
an  Tavera  über  die  Algierexpedition  schrieb,  von  diesem  in 
Copien  zugeschickt  erhielt.^ 


'  Opera  edita  et  inedita,  III. 

J  m,  195. 

5  Die  Herausgeber  haben  es  unterlassen,  die  Abfassnngszeit  des  undatirten 
Briefes  zu  bestimmen  (III,  197). 

*  Diese  Briefe  und  eventuell  einer  aus  Bupia  (?)  dürften  sich  in  der 
Escurialbibiiuthek  im  Original  befinden.  Denn  Gachard  verweist  in 
seinem  Werke  ,Le8  biblioth^ques  de  Madrid  et  de  Escurial*,  p.  557,  auf 
eine  Anzahl  von  Originalbriefen  aus  den  Jahren  1539 — 1543,  welche 
Karl  y.  an  Tavera  gerichtet  hat.  Diese  finden  sich  aber  nicht  in  jenem 
Miscellaneencodex,  aus  welchem  die  Herausgeber  des  ersten  Bandes  der 
,Collec(aon  de  docum.  in^.'  die  gleichzeitige  Copie  des  Briefes  an  Tavera 
publicirt  haben,   sondern  in  einem  andern  Codex  der  Escurialbibliothek. 


86 

Vergleicht  mau  nun  die  Briefe  des  Kaisers  aus  diesen 
Tagen,  so  erkennt  man,  dass  sie  der  Autor  geschickt  zu  seiner 
Darstellung  verwendet  hat.  Man  sieht  aber  zugleich^  dass  unser 
Chronist,  da  der  kurze  Brief  dem  Zwecke  seiner  Darstellung 
nicht  genügen  konnte,  daneben  auch  andere  Mittheilungen  über 
die  Vorgänge  vor  Algier  benutzt  hat;  von  welchen  Personen 
ist  nicht  sicher  zu  bestimmen. 

Es  erscheint  mir  aber  am  wahrscheinlichsten,  dass  Sepül- 
veda  auch  von  Don  Luis  d'Avila,  dem  Commendador  mayor  de 
Alcantara  (obwohl  er  ihn  nicht  nennt),  mag  nun  in  Vanuelos* 
(vgl.  oben  S.  75)  Bericht  unter  dem  ,Don  Luis'  *  wirklich  Avik 
gemeint  sein  oder  nicht,  Mittheilungen  über  den  Algierzug  be- 
kam. Avila,  welcher  als  Theilnehmer  an  der  Tunisexpedition 
über  diese  eine  uns  erhaltene  Darstellung  verfasste,  war  eine 
am  Hofe  Karls  V.  wohlgelittcne  Persönlichkeit,  mit  der  Sepul- 
veda  auch  im  Verkehr  stand.^  Avila  wird  sich  auch  an  dem  Algier- 
zuge betheiligt  haben,  da  ja  sein  Orden  an  demselben  theilnahm. 

b)  Jovius.  3 

Jovius  ist  ein  Schriftsteller,  von  dem  man  wohl  behaupten 
kann,  dass  er  trotz  der  zahlreichen,  schon  von  seinen  Zeit- 
genossen erhobenen  und  später  nur  wiederholten  Beschuldigun- 
gen gegen  seine  vollkommene  Unparteilichkeit  noch  heute  im 
Allgemeinen  grosses  Vertrauen  geniesst.  Das  ziemlich  günstige 
Urtheil,  das  Ranke*  über  ihn  gefällt  hat,  scheint  sich  aber  in 
Bezug  auf  seine  Unparteilichkeit  doch  nicht  bewähren  zu  wollen. 
Jovius  ist  jedenfalls  eine  nur  mit  grosser  Vorsicht  zu  benutzende 
historische  Quelle. 

Dass  Jovius  Magnalotti's  Bericht  an  den  Papst  bei  seiner 
ganzen  Darstellung  über  den  Algierzug  nicht  blos  vor  sich 
gehabt,  sondern  auch  stark  benützt  hat,  ist  nicht  allein  wegen 
der   Gruppirung   des   gesammten   Stoffes,   sondern  —  was  aus- 


rollten die  Uerauflgober  der  ,Colleceiou  de  docum.  in6d/  wirklich  eine 

schlechte    Copio    publicirt   habeu,    während    das  Original    in   derselben 

Bibliothek  war? 
*  Colleccion  de  docum.  in6d.  I,  230. 

3  Ein  Brief  de8selben  an  Avila,  Opera  edita  et  inedita,  III,  118. 
'  Historiarum  sui  temporis  libri  XL,  Lutetiae  1664,  t.  II,  266  sqq. 
^  Zur  Kritik  neuerer  Geschichtsschreiber  XXXIV  (der  gesammelfteo  Werke), 

p.  71  ff. 


87 

schlaggebender  ist  —  auch  wegen  der  vielen  Stellen,  welche 
die  Gedankenreihe,  und  des  Oefteren  selbst  Worte  Magnolotti's 
wiedererkennen  lassen,  gar  nicht  zu  bezweifeln. 

Jovius  hat  hiebei  an  manchen  Stellen  Magnalotti's  Bericht 
bedeutend  gekürzt,  Einiges,  das  ihm  unwichtig  schien,  weg- 
gelassen, dagegen  auch  andere,  wahrscheinlich  mündliche  Mit- 
theilungen hinzugefügt 

Nach  dem  Gesagten  müssen  bei  Jovius  solche  Angaben, 
bei  denen  er  von  seiner  Vorlage  abweicht,  sehr  auffallen.  Die 
Angabe  Magnalotti's,  es  seien  in  Folge  des  Kampfes  vom 
25.  October  im  Ganzen  mindestens  400  Soldaten  verwundet^ 
und  über  350  Mann  der  italienischen  Truppen  getödtet  worden,^ 
ist  bei  Jovius  in  ,ungefkhr  300  Todte^  und  ,über  200  Verwundete* 
verändert.^  Ebenso  aiiffallend  ist  es,  wenn  Jovius  den  von 
Magnalotti^  (auf  Grund  einer  dem  päpstlichen  Legaten  über- 
sandten Liste)  angegebenen  Verlust  von  150  Schiffen  auf  140 
herabmindert^  und  den  Verlust  von  7600  Menschen,  welche  am 
25.  October  durch  Kampf  und  Sturm  umkamen,  gänzUch  ver- 
schweigt. 

In  seinem  Briefe  an  Stefano  Colonna  vom  10.  December 
1541  ®  sagt  er,  basirend  auf  Mittheilungen,  wie  er  selbst  bemerkt, 
von  zahlreichen  in  Rom  angekammenen  Theilnehmem  der  Ex- 
pedition: ,Sono  perduti  huomini  piü  di  dodeci  mila,  legni  cento 
ottantatre  con  artegUaria  infinita  et  dicesette  galec;  hanno  man- 
giato  da  mille  et  ottocento  cavalli  .  .  .*  Jovius  mochte  wohl 
eine  gewisse  Scheu  haben  —  um  nicht  mehr  zu  sagen  —  diese 
Verlustziffern  in  seinen  Bericht  aufzunehmen.  Die  Angaben 
seines  Briefes  sind,  wenn  überhaupt,  so  nicht  stark  übertrieben. 
Denn  schon  am  25.  October  waren  7600  Menschen  und  150 
Schiffe    zu    Grunde    gegangen.''    Weitere    grosse    Verluste    an 

J  Leti  m,  39. 

2  Leti  m,  30  sq. 

'  II,  274. 

*  p.  38. 

5  II,  274. 

•  Domenichi,  Lottere  volgare  di  Mous.  Paolo  Giovio,  Yoiiezia  1561,  p.  81. 
"^  Die  gesammte  Flotte  zählte  ungefKhr  450  bis  500  Schiffe  verschiedenster 

Grösse,  das  Heer  sammt  der  Bemannung  der  Flotte  ungefähr  30.000  Mann. 
VUlegaignon  gibt  den  Verlust  an  Schiffen  am  25.  October  mit  130  (p.  367), 
Vafiuelos  (p.  283)  mit  120  und  Giustiniani  den  Vorlust  bis  10.  November 
eben£all8  auf  120,  dagegen  Sandoval  (II,  406)  nach  einer,  wie  wir  noch 


88 

NcDschen^  fUr  welche  wir  keine  Zahlenangaben  besitzen,  erlitt  das 
Heer  durch  den  schwierigen  Marsch  von  Algier  nach  Matifou, 
sowie  durch  den  Mangel  an  Lebensmitteln,  die  Flotte  aber  nicht 
minder  bedeutende  Verluste  an  Menschen  und  Schiffen  in  Folge 
der  späteren  Stürme. 

Ausser  Magnalotti  hat  Jovius  für  die  Darstellung  des 
Algierzuges  keine  andere  der  von  uns  bereits  charakterisirten 
Quellen  benützt  Die  Quelle,  an  deren  Benützung  man  zuerst 
denken  könnte,  weil  der  Verfasser,  Villcgaignon,  sich  zur  selben 
Zeit  wie  Jovius  in  Hom  aufhielt,  wurde  von  ihm  nicht  benützt 

Dass  Jovius  mündliche  Nachrichten  in  grosser  Zahl  be- 
nützte, gibt  er  selbst  an.^  Zunächst  lassen  sich  bei  ihm  Mit 
theilungen  erkennen,  die  wahrscheinlich  auf  eine  an  der  Action 
der  spanischen  Truppen  betheiligte  Person  zurückgehen,  aber 
auch  von  einem  Italiener  oder  Deutschen  herrühren  könnten. 
Bei  dem  Uebergehen  von  Magnalotti  zu  einer  anderen  Quelle 
ist  unserem  Autor  einmal  ein  grösseres  Versehen  passirt 

Magnalotti  sagt  (p.  24)  vom  24.  October :  ,Tutto  questo  giomo 
si  occupö  a  situarsi  et  alloggiarsi  con  grandissimo  incommodo 
et  danno  degli  Spagnoli;'  Jovius  in  der  correspondirenden 
Stelle  (II,  272)  bemerkt  aber  mit  merklicher  Veränderung:  ,qui- 
bus  praeliolis  toto  integro  die  ad  noctem  usque  certatum  est . .. 
nullo  quidem  periculo  sed  longa  defatigatione  Hispanio- 
rum.^  Indem  Jovius  im  weiteren  Verlaufe  seiner  Darstellung 
die  bei  Magnalotti  erwähnte  Hinrichtung  eines  im  kaiserlichen 
Lager  erschienenen  Spions  als  werthlos  übergeht,  sagt. er  im 
Anschlüsse  an  die  citirte  Stelle  mit  Herbeiziehung  einer  andern 
Quelle:  ,nam  inductis  iam  tenebris  barbari  alii  aliis  succedentes 
neque  a  loco,  quem  insedcrant,  neque  ab  instituta  jaculandi 
consuetudine  discesserunt'  und  fUhrt  aus,  wie  die  Spanier  ,den 
nächsten  Tag'  die  Höhen  der  Berge  nach  schweren  Kämpfen 
besetzten.  Dies  würde  also  am  25.  October  geschehen  sein.  Die 
Besetzung  der  Höhen  in  Folge  der  von  Jovius  besprochenen 
Kämpfe  fand  aber  (wie  Magnalotti  richtig  bemerkte  ,tutto  questo 


sehen  werden,  zuverlässigen  spanischen  Quelle,   entgegen  dem  von  ihm 
auch  benützten  Jovius,  mit  150  Schiffen  an,   so  dass  die  letzte  Angabe 
diejenige  Magnalotti's  nur  bestätigt. 
'  II,  p.  27Ö:   ,.  .  .  nee    quae   a  multis    narrantibus   audivi    superata 
pericula  et  misorrimos  casus  .  .  .* 


giomo')  am  24.  October  statt.  Dieser  Feliler  ist  Jovius  wegen 
des  Mangels  an  Tagesdaten  sowohl  bei  Magnalotti,  als  auch  bei 
der  andern  Quelle  passirt.  Am  Abende  des  23.  Oetobers  fanden 
die  von  ihm  erwähnten  Scharmützel  statt,  welche  man  nach 
seiner  Darstellung  auf  den  24.  setzen  müsste. 

Die  nähere  Bestimmung  der  Quelle,  welcher  Jovius  die 
Bemerkungen  über  die  spanischen  Truppen  entnommen  hat,  ist 
nicht  möglich.  Etwas  mehr  Anhaltspunkte  bietet  Jovius'  eigene 
Darstellung  zur  Eruirung  itaUenischer  Quellen,  welche  unser 
Autor  neben  Magnalotti  benützt  hat. 

Wenn  er  nämlich  (II,  272)  hervorhebt:  ,Ex  bis  praefero- 
cem  Maurum  cominus  egressum  Lucidus  Komanus  quamquam 
sauciatus  interficit',  so  scheint  mir  in  der  Nennung  dieses  Rö- 
mers eine  Art  Rücksichtnahme  auf  Nachrichten  zu  liegen,  welche 
,Lucidus'  dem  in  Rom  vor  und  nach  dem  Zuge  gpgen  Algier 
weilenden  Jovius  geboten  hat.  Die  Ehre,  von  ihm  genannt 
zu  werden,  erfuhren  noch  vier  andere  Herren,  nämlich  Fran- 
ciscus  Balneus,  Titus  Amerinus,  M.  Antonius  Porrötanus,^  und 
mit  einer  ganz  flüchtigen  Erwähnung  Celese,'^  ohne  dass  sie 
gerade  glänzende  Heldenthaten  verrichtet  hätten. 

ScIdiessUch  könnte  man  vermuthen,  dass  Jovius  auch  von 
dem  conte  deir  Anguillara,  mit  dem  er  in  Verkehr  stand,^  Mit- 
theilungen über  die  Algierexpedition  empfing. 

c)  Sandoval.^ 

Von  diesem  Quellcncompilator  bemerken  die  Autoren  der 
,Fondation  de  la  Regence  d' Alger',  Sander  Rang  und  F.  Denis  :^ 
,äandova]  et  le  manuscript  du  Mehkemö  voila  les  deux  autorites 


*  II,  273:  »Frauciscus  Balueus,  Titus  Amerinus  et  M.  Ant.  Porretauus,  qui  ad 
ligueam  pontem  intrepide  cousistuut  oxce])ta  toracihus  jacula  in  liostes 
remittoudo  .  .  .  spatium  fugae  et  ob  id  multis  salutoni  poperenmt/ 

'  U,  272:  ,.  .  .  iuterfocto  siguifero  Collosiao  .  .  /;  Celese  verdankt  die  ,Newe 
uod  wahrliafftigo  Zeytung*  alle  ihre  Angaben  über  den  Zug.  Vgl.  Scliom- 
burgk,  42  f. 

'  In  einem  Briefe  aus  Korn  vom  23.  Juli  1541  schreibt  er  an  Stef.  Colonna 
(Domenicbi,  p.  87) :  ^Antonio  Doria  ha  ordino  di  far  due  mila  fanti,  como 
hieri  mi  scrisso  il  conto  dolF  Anguillara.*  Dieser  war  aber  auch  Thcil- 
nehmer  an  der  Expedition. 

♦  Vida  y  hechos  dcl  Emperador  Carlos  V,  Pamplona  KUO,  t.  II,  p.  400  sijq. 
Die  erste  Auflage  erschien  zu  Valladolid  1604  bis  lOOO. 

»  II,  265. 


irrriragablcs,  qui  pcuvcut  nous  conduire  vers  la  veritö/  Der 
(Uiuibc  HU  die  uiierscliütterliehe  Autorität  Sandoval's  ist  zwar 
von  Seite  des  Autors  der  1874  erschienenen  Arbeit  übjpr  den 
AlgicTzug,  nämlich  von  Grammont,  in  nicht  so  stricter  Weise 
wiederholt  worden,  doch  lehrt  die  häutige  Nebeneinanderstollong 
von  ilovius  und  Sandoval  bei  Erörterungen  kritischer  Fragen 
in  diesem,  wie  in  anderen  Werken,  dass  der  Glaube  an  eine 
solche  Competenz  Sandovars  und  dessen  Gleichberechtigung 
neben  Jovius  thatsächlich  vorhanden  ist,  trotzdem  die  Abhängig- 
keit Sandoval's  von  Jovius  schon  Ranke  betont  hat* 

In  der  That  folgt  auch  Sandoval,*  dessen  Werk,  ein 
Qui^llenconglomerat,  nur  mit  Vorsicht  zu  benützen  ist,  dem 
Jovius  auch  in  unserer  Partie  zum  grössten  Theile  in  unver- 
kennbarer Weise.  Da  er  abweichend  von  Jovius  seine  Ge- 
schichte in  Bücher,  Capitel  und  Paragraphen  theilt,  so  passirte  es 
ihm,  dass  er  öfters,  und  zwar  namentlich  bei  Benützung  anderer 
Quellen  neben  Jovius  und  bei  Aenderung  der  Disposition  dieser 
Vorlage  einzelne  von  letzterer  angeführte  Momente  vergass  und 
sie  gar  nicht  erwähnte.  Die  Auszüge  aus  Jovius  gelingen  ihm 
manchmal  nicht  gut,-^  so  dass  sie  öfters  zweideutig  und  nur 
dann  vollkommen  verständUch  werden,  wenn  man  Jovius  wieder 
zur  Hand  nimmt. 

Die  wenigen  Angaben  nach  Wochentagen,  die  Sandoval 
macht  —   Jovius   hat   ihm   in   dieser   Beziehung   nichts   bieten 


1  Dout^ehu  Geschichte  im  Zeitalter  der  Keformation  (5.  Aufl.)  II,  382 f.;  Zur 
Kritik  neuerer  Geschichtsschreiber,  ges.  Werke  XXXIV,  115  f. 

'  HfMtrilgo  zur  geringeu  Kcuutiüss  seiues  Lebens  hat  Ferrer  del  Rio  (Deca- 
(luncia  de  EspaÜa,  Madrid  1850,  I,  305  sgg.)  geliefert. 


3  ».  ü.  Jovius  II,  273 : 

»(^uuni  Ferdinandus  Gonza^ra 


Sandoval  U,  406: 

,Lleg6  Don  Hemando  de  Gon^aga, 
.  .  .  iratuH  cohortibus  loco  pulsis  '  haviendo  reprehendido  los  Italianos 
Mupurvonitcohortibusque  virosfor-  j  con  grande  enojo,  paasion  y  ira,  les 
!i«H  ut  fugno  dcducus  nobili  conatu  i  hiz6,  que  siguiessen  los  Turcos  por 
dihu^nuit,  in  hosten  impotum  fa-  cobrar  su  honra  contradizieudolo 
conv  nU{\w  acritor  perseiiuendo  mucho  el  Camillo.* 
iiitor  portAH  coinpellcro  iussit.  Id 
viM'd  (Niluinnn  nisi  magno 
«'Ulli  p«»riiMilo  fiori  posso 
ti^Htiibntur,  sod  Gonaaga 
gniioriiNi  nrdoriH  plonus  .  .  .* 


91 

können  —  sind  fast  alle  falsch.^  Von  den  Weglassungen  und 
eben  erwähnten  Feldern  abgesehen,  sind  Sandoval  in  anderer 
Beziehung  keine  Unidchtigkeiten  nachzuweisen. 

Ausser  der  Benützung  des  Jovius  kann  man  bei  Sandoval 
die  Benützung  anderer  Nachrichten,  die  von  Spaniern  herrühren 
müssen,  bemerken.  Und  in  der  That  führt  er  auch  selbst 
(p.  409  und  p.  411)  eine  Relation  an,  deren  Verfasser  er  aber 
nicht  nennt. 

Schliesslich  lag  Sandoval  noch  eine  Relation  eines  Doctor 
Hillescas^  vor;  Schomburgk^  hat  aber  nachgewiesen,  dass  er 
auch  Gomara  und  Villegaignon  benützt  hat. 

d)   Martin   Garcia   Cerezeda.* 

Es  ist  dies  eine  Quelle,  die  seit  ihrer  Auffindung  und 
Publication  im  Jahre  1873  bis  jetzt  noch  nicht  benützt  worden 
ist.  Cerezeda  widmete  sein  in  Mussestunden^  verfasstes  Werk, 
welches  die  Feldzüge  und  andere  Ereignisse  in  den  Heeren 
Karls  V.  von  1521  bis  1545  schildern  sollte,  als  er  nach  einer 
langen  Reihe  militärischer  Dienstjahre  im  Jahre  1545  oder  1546 
in  seine  Vaterstadt  Cordova  zurückgekehrt  war,  dem  Herzog 
von  Sesa  und  Terranova,  Don  Gonzalo  Hernandez  de  Cordova. 
Dieses  Werk  ist  einer  eingehenden  Betrachtung  würdig,  weil  es 
ausser  den  vielen  Nachrichten  über  die  Kriege  Karls  V.  auch 
andere,  für  die  Geschichte  dieses  Kaisers  überhaupt  werthvolle 
Mittheilungen  enthält. 

Was  wir  über  die  Persönlichkeit  des  Autors  wissen,  ist, 
da  die  Herausgeber  trotz  fleissiger  Nachforschungen,  wie  sie 


^  Kotalier  (Hist.  d' Alger  et  de*  la  piraterie  des  Ture^  dans  la  Mediterran^e 
a  dater  du  seiziome  siecle,  Paris  1841)  bemerkt  t.  I,  p.  314,  Anm.  2,  dass 
er  ,fa.st  alle  Daten*  über  diese  Expedition  Sandoval  entnommen  habe. 
Deswegen  blieben  in  seiner  Darstellung  Fehler  in  dieser  Richtung 
nicht  aus. 

'  p.  411:  ,Y  ol  Doctor  Ilillescas  dizo  por  relacion  de  un  caballero  que  se 
hall6  en  esta  jomada,  que  aviendo  ol  Eniperador  .  .  .*■ 

'  S.  47f. 

*  fTratado  de  la  canipanas  y  otros  acontccimcntos  de  los  ejörcitos  del 
emperador  Carlos  V  .  .  .  desdo  1521  hasta  1545  por  Martin  Garcia  Cere- 
zeda, cordovös,  soldado  en  ac^uellos  ej^rcitos/  publicalo  la  sociedad  de 
bibliötilos  eupafloles,  Madrid  1873. 

*  »En  los  tiempos  que  en  la  milicia  fjillaba  ociosidad.  (t.  I,  p.  1.) 


92 

versichern/  nichts  linden  konnten,  auf  seine  eigenen,  ans  der 
Widmung  und  aus  seinem  Werke  hin  und  wieder  heranzu- 
ziehenden Aeusserungen  zu  stutzen.  Es  ist  aber  immerhin  recht 
wenig,  was  wir  daraus  erfahren.  Man  weiss  nicht  einmal  den 
Namen  seiner  Eltern  und  Brüder,  deren  er  auch  in  der  Wid- 
mung gedenkt,  ebensowenig,  wann  er  geboren  wurde,  und  wie 
lange  er  nach  dem  Jahre  1545  lebte.  Dass  einer  seiner  Brüder 
sich,  wie  er,  ebenfalls  dem  militärischen  Berufe  gewidmet  hätte, 
ist  nach  den  Widmungsworten  unwahrscheinlich. 

Begünstigt  vom  Herzoge  von  Sesa,  kam  er  am  24.  Juni 
1519  nach  Rom  und  begann  alsbald  seine  militärische  Laufbahn 
in  Italien.  Welche  Charge  or  bekleidete,  ist  nicht  bekannt. 
Er  selbst  nennt  sich  auf  dem  Titelblatte  seines  Werkes  ,Martin 
Garcia  Corezcda,  cordovös,  soldado  en  aquellos  ejörcitos',  und 
demgemäös  sprechen  die  Herausgeber  seines  Werkes  in  der 
Einleitung  nur  ganz  allgemein  von  einem  ,tercio'  und  ,soldado'. 

Wir  besitzen  aber  einen  unbeachtet  gebliebenen  Brief 
des  Hofpredigers  und  Chronisten  Don  Antonio  de  Guevara^ 
,para  el  capitan  Ccrczeda'.^  Die  Angabe  des  Vornamens, 
ebenso  des  Adressortes  fehlt.  In  diesem  Briefe  antwortet  Gue- 
vara auf  die  von  Cerezeda  gestellte  Bitte,  ihm  einen  guten 
Rath  zur  Heilung  seiner  kranken  Tochter  zu  ertheilen.  Wenn 
unter  diesem  Cerezeda  unser  Martin  Garcia  Cerezeda  gemeint 
ist,  so  hätte  er  den  Brief  Guevara's  im  Marquisat  Saluzzo,  wo 
er  unter  dem  General  Prospcro  Colonna  1522  diente,  erhalten. 

Wenn  auch  die  ,tcrcios'  häufig  sehr  gebildete  Männer 
waren,  so  lässt  sich  doch  aus  dem  ganzen  Charakter  des  Werkes 
vermuthen,  dass  die  Abfassung  desselben  durch  einen  einfachen 
Holdaten  zum  Mindesten  unwahrscheinlich  ist. 


J  t.  in,  p.  XXVm  der  Einleitung. 

2  Der  zwar  keine  jj^eordnet«  Clironik  hinterlansen  hat,  aber  miudestenR  Auf- 
/eiclmunpren  für  eine  solche,  welche  Sandoval  fiir  Bein  Werk  benützen 
durfte  (II,  1.  XXVII,  c.  6).  Dass  er  wirklich  au  einer  solchen  (^hronik 
ar])eitete,  ergibt  sich  unter  Anderni  auch  aus  der  Einleitung  »u  seiner 
J)e<'ade  de  Gesa  res'  (1544)  f.  7  v.  Neben  anderen  Gründen  der  Verz(Sge- 
rung  der  Herausgabe  dieser  Decade  führt  er  an:  ,y  aun  escrevia  en  la 
imperial  chronic^i^ 

3  Neu  herausgegeben  von  Eugenio  Ochoa  in  der  »Bibliotheca  de  autores 
espaßolesS  Madrid  1846,  t.  XIII,  p.  186  sqq.;  der  Brief  ist  aus  Valladolid 
vom  9.  Hai  1522. 


93 

Obwohl  über  den  grösstcn  Tlieil  dessen,  was  er  berichtet, 
scharf  beobachtender  Augenzeuge,  hat  er  doch  in  sein  Werk 
der  Vollständigkeit  halber  Einzelnes,  was  er  nicht  selbst  erlebt 
und  gesehen,  aufzunehmen  fUr  gut  gefunden,  wobei  ihm  die 
Mittheilungen  von  Augenzeugen  zur  Verfllgung  standen. 

In  der  Einleitimg  zum  dritten  Bande  ^  wird  auch  darauf 
hingewiesen,  dass  sich  aus  Cerezeda's  Bericht  über  den  Algier- 
zug bis  auf  eine  einzige,  aber  auch  nicht  beweiskräftige  Stelle,'^ 
nicht  bestimmt  folgern  lasse,  dass  er  Theilnehmer  an  dem- 
selben gewesen  sei,  weil  nirgends  seine  persönliche  Theilnahme, 
die  er  sonst  stets  deutlich  wahrnehmen  lasse,  betont  werde. 
Dass  Cerezeda  nicht  persönhch  an  der  Expedition  theilgenomraen 
und  dieselbe  nur  nach  dem  Berichte  eines  Augenzeugen  dar- 
gestellt habe,  lässt  sich  aber  besser  durch  Prüfung  des  Inhaltes 
seines  Berichtes  selbst  erkennen. 

Nach  der  minutiös  genauen  Angabe  Cerezeda's,^  dass  der 
Kaiser  ,a  los  veinte  6  dos  de  Agosto,  un  lüncs,  ä  la  veinte  y 
dos  horas'  in  Mailand  eingezogen  sei,  könnte  man  annehmen, 
dass  der  Autor  diesen  Einzug  wiegen  der  von  Ouasto  (Statt- 
halter von  Mailand)  bei  dieser  Gelegenheit  vorgenommenen 
Truppenrevue  selbst  gesehen  habe.  Doch  ist  die  weitere  An- 
gabe, der  Kaiser  habe,  als  er  in  Italien  war,  an  die  Vice- 
könige  von  Neapel  und  KSicilien  und  an  Doria  Befehle  zur  Aus- 
rüstung einer  Flotte  und  Armee  abgesandt,  unrichtig;  denn  die 
Befehle  an  die  Genannten  waren  schon  von  Regensburg  aus 
abgegangen. 

Bis  auf  obgenannte  Tagesangabe  sind  alle  übrigen  Zeit- 
bestimmungen für  unsere  Partie  unrichtig  oder  absichtlich  all- 
gemein gehalten. 

In  der  Ansicht,  dass  unser  Cerezeda  nicht  Theilnehmer 
an  der  Algierexpedition  gewesen  sei,  wird  man  aber  noch  durch 
andere  irrige  Angaben  bestärkt,  welche  bei  ihm  vorkommen. 
Eines  dieser  Versehen  verdient  hier  erwähnt  zu  werden. 

Magnalotti  meldet  uns,^  dass  vom  Könige  von  Cu^co  ein 
Gesandter  zu  Karl  V.  nach  Bugia  gekommen  sei,  um  ihn  zur 


«  p.  xxm. 

5  yPnedo  decillo  e  con  inucho  verdad,  qiie  el  Enii)era*lor  y  grandes  y  los 
demas  trocaron  las  sobras  de  agua  con  las  faltas  de  pan*  (III,  p.  8). 

» m,  p.  1. 

4  Leti  m,  &68q. 


94 

liUekkehr  und  zu  erneuertem  Angriffe  gegen  Algier  mit  Hilfe- 
versprcclmnofen  zu  bewegen,  dass  aber  der  Kaiser  diesen  An- 
trag abgelehnt  und  den  Gesandten  reichlich  beschenkt  entlassen 
habe.  Weil  nun  Jovius,'  auf  Magnalotti  gestützt,  nicht  aber 
Villegaignon,  von  dieser  Gesandtschaft  meldet,  so  hat  Gram- 
mont  sich  zu  der  Bemerkung  veranlasst  geftmden,^  es  sei  un- 
wahrscheinlich, dass  Villegaignon  dieser  Gesandtschaft,  wenn 
sie  wirklich  stattfand,  nicht  Erwähnung  gethan  hätte.  Gram- 
inont  ist  mit  seiner  Bemerkung  gewiss  im  Unrecht,  weil  er 
Magnalotti's  Bericht  nicht  gekannt  hat,  der  dieselbe  Angabe 
wie  Jovius  macht,  so  dass  ein  Zweifel  hierüber  oder  ein  Miss- 
trauen gegen  Jovius  unzulässig  sind.  Auch  Cerezeda  meldet 
von  dieser  Gesandtschaft,  jedoch  an  unrechtem  Orte.'''  Er  gibt 
nilmlich  an,  dass  der  Gesandte  zu  Karl  V.  nach  Matifou  ge- 
kommen sei.  Da  wir  aber  alle  Ursache  haben,  dem  gleich- 
zeitigen Berichte  eines  Theilnehmers,  wie  Magnalotti,  mehr 
Glauben  zu  schenken  und  anzunehmen,  dass  der  Gesandte  nach 
Bugia  gekommen  sei,  so  müssen  wir  dieses  Versehen  Cerezeda's 
der  schlechten  Wiedergabe  der  betreffenden  Mittheilung,  die 
er  von  einem  Augenzeugen  erhielt,  zuschreiben. 

Die  Frage,  von  wem  Cerezeda  die  Mittheilungen  über 
den  Algierzug  erhalten  habe,  lllsst  sich  nicht  beantworten.  Als 
wahrscheinlich  dürfte  nur  anzunehmen  sein,  dass  er  sich  von 
einem  Capitän  oder  Soldaten  der  spanischen  Truppenabtheilung* 
Bericht  erstatten  Hess,  welche  unter  Luiz  de  Vargas'  Führung  von 
Algier  nach  der  Lombardei  und  Piemont  zurückkehrte. 

e)   Alfonso   Ulloa. 

Der  Vater  Alfonso  Ulloa's,  ein  spanischer  Capitän  und 
intimer  Freund  des  Ferdinand  Cortez,  hiess  Francisco  und 
war  Thcilnehmer  an  der  Algierexpedition.  Der  Sohn,  Alfonso, 
>vurde  wegen  seiner  Fähigkeiten  von  Maximilian  11.  und 
Philipp  n.  wiederholt  zu  diplomatischen  Missionen  verwendet, 
lebte  vom  Ende  der  Fünfzigerjahre  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts bis  zu  seinem  1580  erfolgten  Tode  gewöhnlich  in 
V(!nedig   und   unteniahm,    da    er   der   italienischen   wie   seiner 

<  11.  270. 

2  p.  108. 

>  III,   11. 

'  CorcziMln,  in,  t:J;  C«»llei'tion  de  docniii.  inedit.  I,  240  (Brief  an  Tavera). 


95 

spanischen  Muttersprache  mächtig  war,  die  Uebersetzung  spani- 
scher Historiker  ins  Italienische.  Er  schrieb  aber  auch  selbst- 
ständig historische  Werke,  so:  ,Vita  et  fatti  di  Carlo  V^,  in 
erster  Auflage  1560,  und  ,Vita  di  Ferrante  Gonzaga^,  1563  in 
Venedig  erschienen.  Diese  beiden  Darstellungen  sind  auch  fi\r 
unsere  Partie  in  Betracht  zu  ziehen,  weil  sie  sich  gegenseitig 
ergänzen. 

In  beiden  Werken  hat  nun  Alfonso  Ulloa  ausser  Jo\nus, 
den  er  selbst  als  seine  Quelle  angibt,^  filr  unsere  Partie  Mit- 
theilungen von  Theilnehmem  ^  an  der  Expedition,  darunter  solche 
seines  Vaters  und  des  von  ihm  ebenfalls  genannten^  Genuesen 
Giuseppe  Albara  benützt.  Unser  Autor  hat  aber  ausser  einigen 
Mittheilungen  über  Ferdinand  Cortez  in  seiner  in  chronologi- 
schen Angaben  fehlerhaften  Darstellung  nichts  von  Bedeutung 
gebracht. 

V. 
Türkische  Darstollnngen. 

Hier  kommt  zuerst  der  Razaouät  in  Betracht,  eine  Ge- 
schichte der  Siege  Aroudjs  und  Khair  ed-Dins,  welche  auf 
Befehl  Soliman  Pascha's  von  einem  gewissen  vSinan  Tschaouch 
im  sechzehnten  Jahrhundert  geschrieben  ist  und  in  französischer 
Uebersetzung  von  Venture  de  Paradis  in  der  ,Fondation  (\ß 
la  R^gence  d' Alger^  bei  Sander  Rang  et  F.  Denis  ^  vorliegt.  Die 
den  Algierzug  betreffende  Partie  hat  auch  Grammont*^  in  seiner 
Ausgabe  Villegaignon's  abdrucken  lassen. 

Fem  er  ist  der  ,El-Zohrat  cl-Nayerat'  zu  nennen,  der 
1780  von  einem  gewissen  Tlcmcenien,  wie  am  Schlüsse  des 
Werkes  zu  lesen,  vollendet  und  gleichfalls  von  Grammont**'  in 
Uebersetzung'   fUr  unsere  Partie   mitgetheilt  wurde.     Letzteres 


'  In  «einer  ,Vita  di  Carlo  V*  wird  im  Anhange  unter  den  von  ihm  benutzten 

Antoren  auch  Jovins  genannt. 
«  Vita  di  Carlo  V,  f.  118  v. 
»  Ibid. 
«  Paria  1837, 1. 1,  p.  1—339  et  t.  II,  p.  1—69;  die  den  Algierzug  betreffende 

Partie  t  II,  p.  61—69. 

*  Beilage  Nr.  2  (p.  121  srw). 

•  Beilage  Nr.  1,  112  sqq. 

^  Ton  Alphonae  Ronssean,  Alger  1841. 


96 

Werk  hat  wie  im  Allgemeinen,  so  auch  für  den  Algierzag 
Vieles  wörtlich  dem  Razaouat  entlehnt 

Beide  Berichte,  die  in  Bezug  auf  Orts-  und  —  soweit 
solche  vorhanden  sind  —  Zeitangaben  zuverlässig  sind,  bieten 
aber,  mit  den  von  uns  bereits  besprochenen  Darstellungen  ver- 
glichen, eher  ein  Bild  der  Entstellung  und  plumpen  Uebcrtrei- 
bung  als  lautere  Wahrheit  dar.  Ich  sage  plimipe  Uebertreibung: 
denn  wie  soll  man  es  anders  nennen,  wenn  der  El-Zohrat  el- 
Nayerat  einen  erdichteten  Brief  des  Kaisers  mit  der  Aufforde- 
rung zur  unbedingten  Ergebung  an  Hassan  Aga  und  eine  ebenso 
erfundene  Antwort  des  Letzteren  an  den  Kaiser  einfügt  und 
beide  Briefe  mit  den  grössten  Schimpfworten  als  Anspraehs- 
formeln  beginnen  lilsst? ' 

Oegenliber  dem  El-Zohrat  el-Nayerat  macht  noch  der 
Razaouat  einen  günstigeren  Eindruck,  obwohl  der  erfinderischen 
Phantasie  auch  bei  diesem  Manches  zuzuschreiben  ist.  Man 
ist  (lamm  fast  erstaunt,  wenn  man  richtige  Angaben  liest: 
z.  B.  (p.  112  bei  Grammont):  ,Die  vereinigte  Armada  hatte 
eine  Stilrke  von  400  und  nach  gewissen  Autoren  von  450  Se- 
geln', und  diese  Zahlen  eher  kleiner  als  die  wirkliche  Flotten- 
stärke findet.  Doch  der  Wahrheit  folgt  auch  hier  gleich  die 
Erfindung  auf  dem  Fusse  nach:  ,Die  Zahl  der  Truppen^,  heisst 
es  nämlich,  ,welche  in  diese  Fahrzeuge  eingeschifft  wurden, 
eri'cichte  50.000  Mann^  Ebenso  erstaunt  man,  die  Zahl  der 
während  des  Sturmes  vom  25.  October  verlorenen  Schiffe  auf  nur 
130  veranschlagt  zu  finden. 

Der  brauchbarste  unter  den  türkischen  Berichten  ist  ein 
aus  dem  Archive  von  Mehkem^  stammendes  und  von  Venture 
de  Paradis  übersetztes  Manuscript,  welches  nur  den  Algierzug 
behandelt.  Diese  Quelle  weist  eine  ziemlich  richtige  Kenntniss 
der  Vorgänge,  insbesonders  aber  der  (.)ertlichkeiten  um  Algier 
und  der  dortigen  militärischen  Führer  auf.  Freilich  muss  man 
die  Uebertreibung  der  Stärke  des  kaiäerlichen  Heeres  und 
—  als  eine  Folge  davon  —  der  Zahl  der  Gefallenen,  Verwun- 
deten und  während  des  Sturmes  Ertrunkenen  dem  unbekannten 
Autor  zu  Gute  halten.  Dieser  Bericht  dürfte,  wenn  auch  nicht 
gleich  nach  der  Expedition,  so  doch  gewiss  noch  im  sechzehn- 
ten Jahrhunderte  verfasst  worden  sein. 


J  Grftmmont,  Villegaignou,  115  sq. 


97 

In  jüngster  Zeit  hat  Herr  Pelaez  ^  einen  anonymen  türki- 
schen Autor,  welcher  sich  die  Yerherriichung  der  Thaten  Chair- 
ed-Din  Barbarossa's  zur  Aufgabe  gesetzt  hat,  in  italienischer 
Uebersetzung  veröffentlicht.  Unglücklicherweise  enthält  der  von 
ihm  im  Archive  zu  Palermo  entdeckte,  noch  dem  sechzehnten 
Jahrhunderte  angehörende  Codex  nur  eine  spanische  Ueber- 
setzung des  türkischen  Originals,  welche  der  Secretär  König 
Philipps  n.,  Al9amora,  mit  Hilfe  eines  ,türkischen  Sclaven^ 
(eines  geborenen  Atheners  und  Enkels  eines  Janitscharen)  im 
Auftrage  seines  Königs,  der  sich  für  Barbarossa's  Thaten  sehr 
interessirte,  im  Jahre  1578  vollendete. 

Das  Werk  beginnt  mit  der  Erzählung  des  Ursprunges 
der  Familie  Chair-ed-Din's,  um  die  chronikartige  Schilderung 
seiner  Thaten  und  Schicksale  mit  einer  an  Uebertreibungen 
nicht  armen,  in  chronologischen  Angaben  aber  auch  in  dieser 
Partie  unzuverlässigen  Darstellung  des  Verlaufes  der  Algier- 
expedition zu  schhessen.  Die  glückliche  Rettung  Algiers  scheint 
ako  mit  den  Anlass  zur  Entstehung  des  Werkes  gegeben  zu 
haben;  sonst  hätte  der  Autor  sein  Werk  bis  zum  Tode  Barba- 
rossa's  (1546),  der  ja  gar  keinen  Antheil  an  den  Kämpfen  von 
Algier  genommen  hat,  fUhren  können. 


1  Archivio  storioo  SicUuuio  1880—1887,  Y,  381. 


ArekiT.  Bd.LXZVl   I.  HUfte. 


ANHANG. 


Der  Kaiser  an  König  Ferdinand. 

Mallorca,  16.  October  1541. 

Monseigneur,  mon  bon  fröre,  Je  suis  avec  graut  d^ir  actendant  de 
voz  nouvelles  et  ce  que  dois  voz  derniöres  sera  succed^  de  rannte  dn 
turcq,  lesquelles  j'espöre  ne  tarderont,  selon  que  je  ne  doube  aarez  en?oy^ 
voz  lettres  ä  mon  ambassadeur  k  Gennes  pour  les  me  faire  Tenir  comme 
le  voiis  escripvoye  par  mos  derniöres  döz  Tespöce.^  Oultre  le  contenn  es- 
quelles  et  ce  que  vous  aara  declaire  le  conseillier  Naves  n'est  depuis  riens 
snrvenu  d'avontaige,  sinon  que  suis  tousjonrs  este  en  mer  et  tant  ä  vent 
que  k  force  des  ramcs  suis  arrive  hier  ensomble  toute  ma  court  avec  qna- 
rante  trois  gallöres  on  ceste  isle  oü  que  j'ay  trouvä  Tarmee  de  Naples  et 
Secille  dosia  anivee.  Et  selon  los  nouvelles  que  j*ay  de  celle  d'Espaigne 
j'espöre  quelle  ne  tardera.  Et  combien  que  la  mer  soit  estd  parfois  assez 
baulte  et  bi*ave  et  le  veut  souvent  contraire  et  que  ä  ceste  occasion  noz 
gallöres  ont  eu  aulcune  fois  peyne  de  prendre  teiTe,  si  n'ay  je  jusqnes  h 
maintenant  eu  dommaige  quelconque,  bien  me  suis  je  tronvö  nng  petit 
travaill^  en  Tislo  de  Corsiga  du  mal  de  ma  poictne;  mais  prteentement  je 
m'en  trouve  bien  et  fais  mon  compte  partir  d'icy  incontinant  que  ladicte 
arm^e  d'Espaigne  sera  amvee,  que  j'actens  d'heure  ä  autre  pour,  au  plaisir 
de  Dieu,  aller  contre  Algor  et  achever  mon  emprinse.  Du  succ^  de  laquelle 
vous  advortii'ay  le  plus  souvent  quo  pourray,  vous  priant  faire  de  votre  constel 
le  semblable  et  me  remectant  quant  aux  autres  affaires  ä  ce  qu'en  enten- 
drez  de  temps  ä  autre  par  lo  seigneur  de  Grantvelle,  du  qnel  döz  mondict 
embarquomont  n'ay  aussi  ou  nouvelles,  ne  seray  ceste  pour  maintenant 
plus  prolixe. 

Depuis  ce  que  dessus  escript  et  en  Tinstant  que  vouloye  d^pescher 
ceste  ay  receu  les  vötres  du  XXII*  du  mois  pass6,  ausquelles  ne  s^auroie 
respondre  d'avantaige  quant  ä  ce  qu'ay  pass6  avec  le  pape  ny  aussi  tou- 
chant  Cesar  Fregoso  et  Rincon  de  ce  qu'en  entendi*ez  par  ledict  conseillier 
Naves  et  le  depesche  que  vous  envoyay  par  courrier  exprös  döz  lesp^, 
par  le  quel  aurez  veu  ce  ä  quoy  me  suis  submis  et  le  pouvoir  et  Charge 
qu'ay  laiss6  au  seigneur  de  Grantvelle,  le  quel,  je  suis  ceiiiain,  vous  ad- 
vertira  de  temps  ä  autre  de  Testat  et  succös  de  tous  affaires  en  ce  constel 
lä,  et  jusques  aussi  je  soye  adveii;y  de  ce  qu'il  aura  en  ce  besongne,  ne 
vous  en  s9avroie  dois  icy  donner  plus  coi-tain  advis. 

*  Spezia. 


99 

Et  quant  ä  la  reponce  faycte  par  le  Turcq  k  voz  ambassadeurs  et 
lettres  qu'il  vous  a  escriptes  par  eulx,  ä  la  verite  sa  demande  semble  par 
trop  exhorbitante,  et  puisqne  esperez  sa  retraicte,  et  qu'il  n*y  a  apparence 
qne  pour  ceste  ann^e  il  passe  plus  oultre,  yous  aurez  temps  en  communi- 
qner  avec  les  estatz  des  voz  pays  et  ce  pendant  entendrez  aussi  la  Charge, 
qne  quant  ä  ce  j'ay  donn^  audict  conseiliier  Naves  selon  laqnelle  et  ce 
qn'il  besongnera  avec  les  estatz  de  rempire,  ponrrez  prendre  meilleor  reso- 
Intion ;  et  esperant  qne  de  brief  m^advertirez  dn  tont  amplement,  remectray 
k  loi*s  YOUS  y  respondre  plus  particnli^rementy  et  a  tant  etc.  De  la  ville 
de  Malliorqne  ce  XVI*  d*octobre  1541. 

Aprte  tont  ce  que  dessus  escript  et  voyant  qne  mon  arm^e  d'Espaigne 
tarde  si  longuement  et  qne  le  vent  pour  venir  est  pr^sentement  contraire 
et  qne  en  Tactendant  se  pourra  perdre  beancop  de  temps,  je  me  snis  de- 
termine  partir  d*icy  an  plaisir  de  Dien  si  avant  qne  le  vent  soit  bon,  demain 
an  matin,  et  par  les  cincq  gall^res  qne  j'enyoye  dois  icy  avec  mes  royaulx 
en  Espaigne  j'escripte  an  dnc  d'Alye  qne  avec  tonte  la  dicte  armee  je  pren- 
gue  le  chemin  droit  contre  Alger,  et  apr^  avoir  fait  regarder  qnelle  artil- 
lerie,  il  y  a  ^  gall^res  et  nayyeres  estans  icy  ponr  ponvoir  d^sembarqner 
et  m*en  ayder  par  teiTe,  sans  ponr  ce  d^sarmer  lesdictes  gall^res  et  naves 
j'ay  tronve  qne,  combien  ladicte  arm^e  d'Espaigne  ne  vint  ä  temps,  qn'il 
en  y  a  assez  bon  et  sonfßsant  nombre  et  qn*il  n'est  besoing  qne  ä  ceste 
occasion  d*avantaige  ladicte  arm^e  d'Espaigne. 

De  la  main  de  Sa  Ma^. 
Mons'^,  mon  bon  Mre,  ponr  non  avoir  faulte  etc. 

Der  Kaiser  an  König  Ferdinand. 

Matifou,  2.  November  1541. 

Mons**,  mon  bon  fr^re  vons  avez  ven  par  mes  lettres  que  vous  escrip- 
vis  d^z  Mayorcque  du  XVI^  du  mois  pass^  tont  ce  qu'estoit  succede  en 
mon  voyage  jusques  lors.  Et  le  lendemain  aniva  audict  Mayorcque  une  de 
mes  gall^res  d'Espaigne,  par  laqnelle  fus  adverty  qne  le  surplus  de  mon 
ann^e  illecq  estoit  arriv6  en  Tisle  d'Evisse,^  pass^  dix  ou  donze  jours,  et 
qn*elle  n*avoit  pen  passer  plus  onltre  pour  le  vent  qn'avoit  tonsjours  est^ 
contraire.  Et  par  la  mesme  gall^re  envoyay  de  rechief  advertir  ladicte  arm^e 
que  avec  le  premier  bon  vent  eile  prlnt  le  chemin  droit  contre  Argel.  Et 
ayant  anssi  foit  partir  les  anltres  naves  venues  dTtalie  estans  audict  Mayor- 
cque, me  rembarquay  le  XVlll*  du  dict  mpis  et  vins  le  soir  prendre  port  en 

IlbiHL 

1* 


100 

Viah  de  Gabrera  quaiante  ou  cinquante  mille  dadict  Maiorque,  oü  que  de- 
meuray  colle  nuict. 

Et  le  lendemain  XIX*  au  point  de  jonr  me  mis  an  gonlfe  arec  bon 
vent,  le  quel  dara  tout  ledict  jour  et  la  nuyt  suyyant,  de  mani^re  que  le 
jeady  aussi  au  point  du  jour  je  descouyris  la  coste  de  barbarie  et  joinete- 
ment  se  descouvrirent  les  naves  qu'estoyent  parties  dudict  Maicrcque  et 
toutes  mes  gall^res  d'Espaigne  et  combien  que  le  yent  lors  se  trouTa  con- 
traire  touteffois  coutinuay  je  ma  navigation  et  arrivay  environ  le  midy  en 
la  playe  dudict  Ai*gel  et  pour  ce  que  le  soir  le  vent  se  renforfa  et  la  mer 
se  haulsa  je  m'en  allis  avec  partio  de  mes  gall^res  emprte  d'ime  poincte 
de  montaigne  du  coustel  de  levant  et  les  aultres  passarent  da  constel  de 
ponent.  Et  les  navires  vindrent  aacrer  ayec  grant  traveil  partie  en  ladiet 
playe  et  les  autres  demour^rent  temporisans  en  mer  le  mieulx  qn'eUes 
peurent,  et  feis  aussi  demourer  losdictes  gall^res  d^Espaigne  dudict  ooustel 
de  ponent  pour  actondre  iesdictes  naves  qui  pour  ayoir  yent  oontraire  ne 
peurent  aborder  on  ladiet  playe;  et  continna  ledict  yent  ainsi  oontraire  les 
vendrody  et  sambedy  ot  la  mer  tousjours  si  haulte  que  Iesdictes  nayires  et 
gall^res  qu'estoyont  dudict  coustel  de  ponent  ne  se  peurent  joindre  ayec 
les  aultres,  n'y  fut  possiblc  de  pouvoir  dessembarquer  jusques  an  dimenche 
XXIII*  du  matin  que  la  mer  dovint  bonasse. 

Et  s'assorablaront  en  ladiet  playe  touttes  ledictes  naves  et  gall^m 
tant  Cellos  qu'estoyont  ompr^s  de  moy  que  les  aultres,  et  se  d^sembarqua 
toute  rinfantorie  8e2)t  ou  huit  mille  pr^s  dudict  Ai'gel.  Et  pour  ce  que  aprte 
midy  la  mor  se  commen^a  de  rechief  ä  haulser,  ne  fut  possible  pour  ce 
jour  dosembaiquer  iioz  clievaulx  uy  victuailles  et,  pour  nun  perdre  temps, 
fois  marchcr  toutc  huiictc  infanterio  avcc  quolquo  peu  de  victuailles,  qu*ilz 
debvoiont  porter  avcc  eulx,  eiimr(yii  deux  müle  emprds  d'une  fontaine,  oü 
que  je  campis  pour  colle  nuict. 

Et  tant  au  desembarquer  que  en  marchant  se  monstr^rent  par  les 
montaigncs  gi'aut  quantite  de  mores  et  alarbes  ä  cheval  espanchez  en  di- 
vers coustelz  uiais  ilz  n'approcharent  jamais  ot  ne  feirent  dommaige  quel- 
concque  synou  environ  la  minuyt,  que  d^z  uno  montaigne  ä  Tendroit  du 
Heu,  oü  j'estoye  löge,  vint  cei-taiu  nombre  desdicts  mores,  lesquelz  crians 
et  meuant  grant  bruyt  tirarent  plusieurs  coups  d'arquebuses,  mais  ilz 
ne  feirent  dommaige  quelconcque  par  ce  qu*ilz  en  furent  incontinent  chassez. 

Et  le  jour  suy  vant,  tant  pour  tousjours  plus  aproucher  dudict  Argel 
que  aussi  pour  estre  lä  le  lieu  plus  ä  couvert  et  commode  pour  d^embar- 
quer  Tai-tillerie  ot  victuailles,  m'avan^ay  encoires  d^autres  trois  miUe  et 
assiz  mon  camp  k  deux  mille  peuplus  ou  moins  dudict  Argel,  et  gaignarent 
lesdicts  Espaignolz  le  dessus  de  la  montaigne,  oü  ilz  logearent  edle  nuyt 


paar  äviter  et  eiupescker  le  dommoi^e  que  däü  la  les  mores  eussent  pea 
bire  il  mos  camp.  Kt  mm  s  apprucharent  mesdictes  gallbree  jueqneB  om- 
ladicte  vUIe,  et  comtiien  que  dois  icelle  se  tirarent  plusieiire  cops 
fBrtillerie  tarn  allencmtro  desdioies  gallSres  que  en  nwndict  carap  ai  ne 
iront  ilz  ool  dammaige.  Et  pendant  ee  temps  arrivarent  en  ladict  playe 
la  pluspart  des  navieroH  de  mun  aimöe  d'EspaigTie  et  descouvrit  Ton  eii 
haulte  mer  Celles  que  pour  le  temps  contrali'e  n'eBtoyent  peu  appriKher, 
lesquelles  avec  grande  difficult«  arrivareat  le  mesrae  jirar. 

Et  snr  la  nDjt  ae  commenfa  le  temps  k  troubler  et  piuvüii'  et  se 

le  vent  au  nourt.  qu'est  la  traverse  de  ladict  playe,  et  creut  la  luer 

nnyt  et  ledict  vent  lellemeat  ([iie  mon  cainp  en  fut  fort  travaillö  et 

la  [ilufipart  des  tentes  et  paviÜons  tumbireot.   Et  lesdictes  galläres  et 

ann^e  de  mer  en  fnrent  en  trfes  gi-and  dangier  et  avec  grosse  difficiilte 

preeervavent  ladicte  nuyt  de  non  donnor  en  tflrre,  n'ayans  lieu  quel- 

icqae  pour  elles  retirer  n'y  mectre  h  couvert. 

Et  Bur  le  {loint  du  jnur  Toyans  les  ennemjs  ce  qne  madicte  arm4e 
'roit  tant  en  wer  que  en  terre,  et  le  grand  dangier  oü  qu'elle  estoit,  et 
Tsiullans  aider  du  tnnips  et  se  tenans  tant  plus  a.sseurex  pour  co  qu'ih 
lyent  que  pour  la  conttuaelle  pluye  tant  grando  l'ai'quebnserie  ne  lee 
ivoit  nuyre,  se  juiudirent  tous  ensemhlo  taut  les  Alarbes  que  Turcqs 
Mores  qu'estuient  audict  Argel  et  vindrent  aasaillir  mon  arm^e  tant  du 
d  de  la  montaigne,  laquotle  tcmiient  les  Bspaignolz,  que  du  coustel  de 
.  oü  esleienl  leR  Ytaliens.  Mals  les  Alnrbes,  qu'ostoient  venu'i  du 
de  ladict  inontaigne,  fnrent  incontineut  rebouttox  et  mis  on  fuyto 
iBur  grante  [lerte  et  doruinaige,  et  du  cuustel  des  Ytaliens,  cumliien  que 
'eneoramenceinent  par  l'iiupdtuositd  et  forue  des  enneniys  conti  du  quet 
int  contrains  eulx  retirer  juitqiies  empr^s  lenr  esqnadron,  toutofTois  ilz 
A  one  rencliarge  avec  l'assiBtence  de  ceilain  nouibie  d'Allemans  quo 
tvoyay  et  ucuh  de  uia  maisun,  tellonient  qn'ila;  chasBärent  lesdicte 
temys  jusquo»  deilaus  les  portos  dudlet  Argol  ot  en  tuarant  grant  noinbre. 
Et  entiiitaut  cnatinuant  ut  augineutant  tuuMJours  des  vent  et  tem- 
ia  mer  avnc  tres  grande  impctuoBit^,  lesdictes  gall^ros  ne  peurent 
illien  re8iBt«r  que  quarturze  d'olleu  ue  donnarent  k  la  tiaverse  ot  los 
soiibstindrout  aver.  extreme  ti'avail,  joctuos  ou  mer  leur  artillene 
.litrBB  choHes  puur  osti'e  deschajgiies  ot  plus  legieres;  et  des  navierea 
^nnai-ent  en  tcri'o  tuns  Ire  potitz  vaisseuuli  at  certaines  grosses  et 
tvullreseoDppareutet  abatirontlesmastzai'bres.gaureR  et  tout  le  dessus 
cbuteaulx  et  rnmiirit  le  tout  en  mer  puur  |touvoir  mieuli  pri^serrer 
ie  Tictnailies  et  antres  munitions,  dont  elles  eatoient  cbarg^.  Rt 
il  lesdieteti  nnvcs  ut  K^lläres  on  tel  estat  et  »an«  enpuir  de  p»avuir 


102 

r^ister  n*y  soubstenir,  si  la  tempeste  enst  plus  gu^res  continu^,  il  pleut 
ä  Notre  Seigneor  que  snr  le  soir  le  vent  s'abaissa  nng  petit  et  combien 
que  la  mer  estoit  tousjours  merveilleusement  haalte  si  se  soubstindrent 
ellcs  toute  la  nuyt  et  le  jour  suyyant,  que  lors  la  mer  et  aussi  le  vent  s'adoul- 
cirent,  de  mani^re  que  le  meci*edy  (sie)  matin  les  gall^res  penrent  retoor- 
ner  empr^s  dudict  Ai*gel  au  lieu,  oü  elles  avojent  est^  quant  la  tormente 
commen^a.  Mais  ainsi  que  le  soleil  se  levoit,  le  vent  se  re]ifor9oit  et  se 
sentant  encores  lesdictes  gall^res  du  travail  pass^,  et  ayant  la  cappitaine 
du  prince  Doria,  en  laquelle  je  vois,  i'eceu  ce  matin  ung  cop  de  canon  de 
ceulx  dudict  Argel,  elles  furent  contrainctes  se  partir  et  aller  empr^  la- 
dicte  poincte,  oü  qu 'elles  estoient  avant  mondict  d^sembarquement.  Mais 
les  naves  domeurarent  tousjours  au  mesme  dangier. 

Quoy  considerant  et  que  en  mon  camp  n'y  avoit  yictuailles  quel- 
concques  et  que  Celles  que  Ton  avoit  peu  d^sembarquer  estoient  desia 
mcngecs  les  deux  jours  prec^dens,  et  qu*il  n*y  avoit  moyen  qnelconcque 
d'en  pouvoir  desembarquer,  et  pour  non  laisser  perdre  tout  mondict  camp 
pai'  famine,  ä  laquelle  Ton  ne  pouvoit  r^sister,  fus  contraint  le  lever  pour 
approcher  la  mer  et  lesdictes  gall^res  et  cheminay  ledict  jour  cinq  on  six 
mille  jusqu^emprös  d'une  rivi^re,  oü  je  logeay  la  nuyt  et  le  lendemain.  —  Et 
ce  pendant  se  feirent  toutes  extremes  dilligences  pour  essayer  si  Ton 
pourroit  d^sembarquer  quelques  victuailles  desdictes  navieres,  mais  il  fnt 
impossible  pour  la  haulteur  de  la  mer  et  se  soubstint  tout  mondict  camp 
ces  deux  jours  avec  palmites,  que  se  cueilloyent  pai*  le  champs,  et  de  la 
cbair  dos  chevauh,  que  je  feis  tuer  et  repartir.  Et  partant  de  lä  cbeminay 
encoroH  autros  deux  jours  avec  la  mesme  necessit^  et  jusques  que  avec 
tr^s  gnindo  difficulto  je  arrivis  k  Tendroit  de  ladict  poincte,  oü  estoient 
lesdictes  gallores,  taut  pour  faulte  desdicts  victuailles  que  pour  deux 
gi'andos  rivi^res  qu'il  convint  passer.  Et  lors  s'en  d^sembarqua  quelque 
quantite  d^s  galleres  et  aussi  d^s  naves  plus  prochaines,  lesquelles  lesdictes 
gall^res  tii*arent  le  plus  pr^s  de  terre  qu'elles  peurent,  et  avec  ce  et  la- 
dicte  chair  de  chevaulx  furent  mes  gens  ung  peu  secouruz,  lesquelz  certes 
estoient  en  tr^s  grande  n^cessit^  et  pendant  ce  temps  suyvoyent  conti- 
nuollement  mondict  camp  grant  nombre  d*Alarbes  ä  cbeval  et  aultres  qui 
soi-tireut  dudict  Argel.  Mais  ilz  sont  tousjours  est4  facillement  reboutez 
et  mis  en  fuyte  sans  faire  grant  dommaige. 

Les  gent  qu'estoient  es  gall^res,  qu'ont  donn6  en  terre,  sont  la  plus- 
part  saulvez  et  de  ceulx  qui  sont  mors  n*y  a  personne  de  respect.  Et  ainsi 
estant  icy  arriv^  et  considerant  ce  qu'ost  succed^  et  ce  que  s^est  perdu  de 
mon  armeo,  de  victuailles,  artillerio  et  munitions  et  de  la  difficulto  du  temps 
et  de  ceste  playe,  et  pour  non  aventurer  le  surplus  de  ce  qu*ü  a  pleu  ä 


103 

Dieu  encores  me  laisser,  me  suis  r^solu  laisser  poar  maintenant  ceste 
emprhise  jusques  en  autre  meilleore  saison,  qne  avec  sa  divine  [6i*äce]  eile 
se  poorra  mieulx  achever,  et  rembarquer  les  gens  ^s  naves  que  sont  de- 
monrees  et  m'en  aller  en  Espaigne  tant  poar  entendi*e  et  pourveoir  aux 
affaires  d'illec  qae  poar  estre  miealx  ä  propos  de  mes  aatres  royaolmes 
et  pays  et  de  tout  ce  qae  concerne  le  bien  publicque  de  la  christient^. 

Quant  aux  Espaignolz  qu'avoye  fait  venir  de  Naples  et  Secille,  con- 
siderant  Testat  auquel  je  laissay  les  affaires  dltalie,  France,  et  aultres 
publicques,  m*a  semble  le  meillear  d*en  envoyer  deux  mille  en  Lombardie, 
afin  que  avec  ceulx,  qui  desia  sont  ä  Milan  et  en  Piedmont,  ilz  se  paissent 
employer  en  ce  que  le  besoing  et  n^cessit^  s'offrii'ont.  Et  le  surplas  des- 
dictes  Espaignolz  poar  soulaiger  mesdicts  royaulmes  de  Naples  et  Secille 
des  foulles  qa*ilz  en  ont  eu,  je  les  envoye  en  Sai*danie,  afin  qu'ilz  se  entre- 
tiennent,  poui*  dois  lä  aassi  les  envoyer  selon  que  la  n^ssitö  s'addonnera. 

Les  Ytaliens  et  AUemans  je  les  envoye  d^sembai'qaer  a  Ligome, 
Lesp^  et  Gennes  et  remectz  aux  prince  Doria  et  marquis  del  Gasto  que, 
s*ilz  voyent  qu'il  soit  besoing  d'en  retenir  quelque  nombre,  qu'ilz  le  facent 
et  les  employent  selon  le  besoing. 

Les  hommes  d'armes  de  Naples  s'en  y  retourneront,  aussi  fönt  ceulx 
d*Espaigne,  en  leur  quartier. 

Le  prince  Doria  s'en  retournera  avec  moy  jusque  ä  mayorcque,  Evisse 
DU  la  Fromentera.  Et  dois  lä  m'en  iray  avec  les  gall^res  d'Espaigne  d6s- 
embarquer  en  Cartagena,  et  ledict  prince  s'en  retournera  ä  Gennes  avec 
les  unze  galleres  que  luy  sont  demeurees,  et  celles  de  Naples,  Monigo, 
Anthoine  Boria'et  conte  de  TAnguilar.  Et  ä  tant  etc. 

Escript  au  camp  ä  dix  huit  mille  d'Ai-gel  le  second  jour  de  No- 
vembre  1541. 

De  la  main  de  Sa  Ma^ . 
Monseignear,  mon  bon  fräre,  vous  verrez  par  ce  que  dessus  le  etc. 


GioYazmi  Bandini  an  Herzog  Cosimo.^ 

Matifon,  2.  November  1541. 

Di  Maiorca  furno  Toltime  mie  de'  xv  et  xvij  del  passato,  per  le 
quali  V.  Ex*  haiä  inteso  quello  che  insino  alFhora  era  successo.  Di  poi 
S.  M^  face  vela  alli  xviij  per  la  volta  di  Caprara,  et  di  11  sempre  con  buon 

1  Vgl.  oben  S.  72.  Die  hier  abgedruckten  Briefo  verdanke  ich  der  Güte  des 
Herrn  Cesare  Guasti,  Superintendenten  der  toscanischen  Archive,  welcher 
mir  dieselben  copiren  liess  und  nach  Wien  sandte. 


104 

tempo  si  condnsse  Giovedl  mattina  alli  xx  al  Cavo  d*Algieri  con  tutta  Far- 
mata  salva;  donde,  considerato  il  sito  della  cittä,  quella  sera,  per  ndurre 
le  galere  al  sicuro,  si  andö  al  Cavo  di  Marsadeben,  ^  vicino  alla  terra  xxy 
miglia,  dove  si  statte  il  giorno  sequente.  Et  Taltro  giomo  si  condnssero 
le  galere  al  Cavo  de  le  Casine  per  pigliare  acqua,  et  di  li  la  mattina,  che 
fu  Domenica  alli  xxiij,  S.  M^  sbarcö  lontano  ad  Algieri  iiij  miglia  ^  con  gran 
parte  della  fanteria  et  con  parte  deirartiglieria;  et  il  seqnente  giorno  ha- 
vendo  sbarcato  il  resto  de'  fanti  et  quasi  tutti  e  cavalli,  fece  marciare 
avanti  el  campo,  pai-te  per  la  costa  del  monte,  et  parte  per  la  sommitä; 
et  cos)  si  accampö  appresso  alla  terra  un  trar  di  mano,  senza  esser  impe- 
dito  da'nemici,  de'quali  grandissimo  numero  si  era  sparso  per  la  montagna; 
et  inoltre  haveva  fatto  accostare  le  galere  sotto  la  ripa  della  cittä  appresso 
il  campo,  et  cosl  la  cosa  cominciava  andar  bene.  Ma  Martedl  mattina  alli 
xxY  si  levö  siffatta  bniTasca  et  cos)  mal  tempo,  che  si  perse  dimolte  galere: 
di  quelle  del  Principe^  xi,  una  d'Anton  Doria»  di  Napoli  un*  altra,  et  nn* 
altra  di  Spagna,  et  di  navilj,  tra  grossi  et  minuti,  se  n'^  guasto  gran 
numero.  Per  la  quäl  cosa,  S.  M^  vedendosi  il  tempo  contrario  et  mancare 
la  vettovaglia  si  risolv^  ritirarse;  talch^  Mercordi  mattina  alli  xxvj  fece 
marciar  il  campo  indietro  a  poco  a  poco  insiho  a  questo  Cavo  yiij  miglia 
d* Algieri,  et  Domenica  air  ultimo  fece  imbarcare  la  fanteria  italiana,  et  hoggi 
li  Alemanni  et  li  Spagnoli,  et  se  non  fusse  stato  dipoi  mal  tempo  si  sarebbe 
imbarcato  anco  il  resto.  Et  perö  h  restato  in  terra  Don  Ferrante  con  la 
gente  di  Sicilia  et  di  Roma,  la  quäle  s'imbarcherä  o  questa  notte  o  domat- 
tina.  S.  M^  ha  resoluto  andarsene  con  tutte  le  galere  del  Principe  et  di 
Spagna  a  quella  volta,  et  mandare  la  fanteria  spagnola  in  Sardigna,  li 
Todeschi  alla  Spetie  et  li  Italiani  a  Livorno,  et  farli  licentiare,  che  vadia 
ciascuno  al  suo  paese.  Donde,  subito  ch'io  intesi  le  fanterie  italiane  doversi 
sbarcare  a  Livorno,  andai  a  trovar  S.  M*^  et  dimandaili  se  per  tal  conto  la 
commandava  alcuna  cosa;  la  quäle  rispose  che,  mandandocon essa  duiCom- 
missarij,  cio^  Joan  de  Laraondo  et  Joan  de  Argazayn,  V  uno  veditore  et  V  altro 
pagatore,  che  la  paghi  di  quello  se  li  deve  et  li  dia  licentia,  non  voleva  altro 
se  non  che  TEx*^  V.  avertisse  di  far  risolvere  questa  gente  senza  che  si  facesse 
tumulto  0  danno  alcuno ;  et  perö  ho  giudicato  esser  bene  dare  questa  mia 
a'sopraditti  Commissarii  che  la  mandino  subito  che  arrivano  a  M.  Chiaris- 
simo,  accio  che  l'Ex*  V.  ne  sia  avertita  et  si  possa  in  ciö  governare  in 
quel  modo  che  gli  parra  migliore,  et  per  tal  conto  ancora  non  ho  voluto 

'  Vielleicht  identisch  mit  Bordj  Mersa  et  Dubleane,  das  jedoch  nur  4  Km. 

westlich  von  Algier  liegt 
»  Wohl:  VUI;  vgl.  oben  8.  47. 
'  Andrea  Doria. 


105 

lassar  di  mandare  la  copia  della  presente  per  la  via  di  Genova,  acciö  che 
se  le  navi  che  vanno  a  quella  volta  arriveranno  prima,  prima  li  sia  man- 
data.  Et  con  questo  farö  fine,  non  lassando  perö  di  dirli  come  per  la  Dio 
gratia  ritrovandomi  sopra  la  galera  del  Signor  Giannettino,  che  similmente 
si  h  persa,  mi  salvai  insieme  con  tutti  li  miei  servitori,  ma  tutta  la  roba 
andö  male.  Talchö  (come  si  pu5  pensare)  mi  trovo  male  in  arnese.  Tut- 
tavia,  havendo  conservata  la  vita,  non  si  h  fatto  poco,  et  ne  ringratio  Dio. 
Et  non  hayendo  altro,  con  tntto  il  core  mi  raccomando  alla  bnona  gratia 
di  V.  E*,  che  Dio  li  dia  lunga  et  felice  vita  etc. 

Giovanni  Bandini  an  Herzog  Cosimo. 

Bugia,  4.  November  1541. 

La  sconfitta  h  stata  grande,  pcrchö  si  h  perduto  con  le  galere,  oltre 
airartiglieria  minuta,  xviij  bravissimi  cannoni,  e  quali  (bench^  sieno  ca- 
scati  in  mare,  perch^  le  galere  detteno  tutte  in  terra  quasi  in  dua  miglia 
di  luogo)  con  xv  dl  di  buon  tempo  questi  mori  li  caveranno  fuora,  et  fa- 
ranno,  secondo  me,  molto  a  proposito  per  loco ;  perch^  a  quelle  ch'  io  ho 
possuto  considerare  al  trarre  che  hanno  fatto  questi  dl,  ne  havevano  falta. 
Hanno  morto  assai  piü  delli  nostri  ehr  noi  delli  loro«  et  ogniuno  ha  fatto 
male,  et  Tltaliani  peggio  di  tutti.  Don  FeiTante  non  si  h  dimostro  troppo 
gi'an capitano.  Vanno  2/m Spagnoliin Lombardia,  11  altri  tutti  inSardegna; 
questo  verno,  li  Todeschi,  s'el  Marchese  ne  harä  bisogno,  li  teiTä,  et  se  no, 
se  n'andranno.  II  Principe  andrä  con  S.  M**  sino  a  Yeviza,^  et  S.  M^  a 
Cartagena  con  le  galere  di  Spagna,  et  il  Principe  a  Barzelona,  credo  a  ra- 
settare  questo  resto  delle  galere,  le  quali  per  la  tormenta  grande  son  re- 
State  tutte  intenebrate.  Et  hoggi  che  semo  aiTivati  a  Bugia,  ne  motte  due 
in  carena,  et  parecchi  deiraltre  fanno  acqua;  et  il  principe  et  tutti  li 
marinari  pratichi  dicano  che,  sl  come  la  tormenta  durö  cinque  höre,  havesse 
durato  dieci,  non  restava  vasello  di  quanti  ce  n'crano  che  non  se  ne  facesse 
polvere.  Ci  semo  ritft'ati  in  tre  dl  lungo  la  marina,  dove  habbiamo  havuto 
a  passar  dua  fiumi,  che  sopra  11  primo  si  fece  il  ponte,  et  fu  retroguardia 
il  S*'  Camillo^;  Taltro  si  passö  senza  ponte  a  eigne  di  cavallo,  et  con  in- 
finito  mal  tempo  et  disordine,  et  tanto  di  poco  ordine,  come  di  non  haver 
da  mangiare  et  non  poter  haverne,  per  essere  il  marc  grossissimo,  et 
le  galere  non  potere  sovenirci,  talch^,  se  non  fussero  stato  le  galere 
rotte,  et  non  so  quante  navi  che  trovammo  lungo  la  marina  alsl  rotte,  ha- 


1  Ibiza. 
'  Colonna. 


106 

riamo  fatto  malissimo  e  fatti  nostri.  Et  con  tntie  queste  cose  il  Signor 
Zannettino  dice  che  questa  ^  stata  la  piü  ordinata  guerra  che  Ini  habhia 
yisto  dove  sia  stata  S.  M^.  AiTivammo  VenenÜ  alli  28  al  Cavo  di  Met- 
fus,  che  sono  xij  miglia  per  terra,  che  le  facemmo  in  tre  di.  S.  M^  subito 
andö  in  galera  a  vedere  il  Principe,  et,  per  quanto  riiraggo,  si  condolse 
assai  della  perdita  delle  galere,  et  lo  confortö  et  promesse  ricompensa,  et 
pianse  la  sua  disgratia  che  Die  non  1!  havesse  Yolnto  prestar  gratia  di 
potere  sbarcare  et  Tartiglieria  et  vettovaglie,  perch^  certissimo  si  puö 
teuere  che  so  vi  cra  tempo  o  modo  di  far  labatteria,  vi  si  entrava;  perch^ 
nou  si  0  visto  tra'nemici  altro  che  cavalli  arabi,  qnali  sono  in  camicia,  con 
diie  zagagliette  et  qualche  100  scoppietti,  fra  a  cavallo  et  a  pi^,  et  qaesti 
mai  di  notte,  salvo  una  volta  forse  20  di  loro,  cl^e  h  qnella  cosa  che  ci  ha 
aiutato,  ch^  altrimenti  eravamo  fatti  tutti,  et  senza  alcnn  rimedio.  H  Prin- 
cipe sta  aspettare  quello  partoriranno  le  buone  parole  di  S.  M^,  et  non 
pui»  credere  lo  effetto  habbia  a  essere  di  sorte  che  ricompensi  il  danno, 
ancorch^  per  V  armata  si  dice  che  li  darä  50/m  scndi,  x  corpi  di  galere  et  4/m 
d'entrata  per  Zannettino.  Et  con  tatto  qaesto  sta  di  malavoglia,  et  vole 
in  ogni  mo<lo  tornare  a  armare  qaesto  anno  6  o  8  galere,  perch^  vole  esser 
l>atrono  delli  altri  che  hanno  galere.  Et  Zannettino  mi  ha  detto  cosl  mo- 
strando  per  via  di  discorrere:  ^Quanti  forzati  credi  tu  che  mi  mandera  il 
Duoa  quando  arriviamo?**  HoUi  risposto  che  tutti  quelli  che  vi  sarano 
sempro,  ma  che  lo  stato  di  V.  Ex*  ne  fa  pochi  etc.  II  Duca  d^Alva  quattro 
d\  sono  cominoi^  a  exercitar  Tofficio  di  Maiordomo  maggiore;  et  cosl  ce 
n'andremo  in  Spagna.  se  a  Dio  piacerä.  Dove  per  condurci  et  per  ricon- 
dürre  li  altri.  essendosi  perduti  vaselli  piü  di  50,  hanno  fatto  amazzare 
tutti  li  cavalli.  idest  quelli  che  la  tormenta  non  haveva  morti  n^  la  sete. 
Et.  bencho  si  dioa  assai  piü.  ascendano  a  mUle  i  morti,  et  la  maggior  parte 
in  mare.  che  non  si  sou  possuti  sbarcare.  et  quasi  la  maggior  parte  de 
gimtilhomini  spagnoli.  et  fra  essi  il  Conte  di  Feria,  del  qnale  non  ci  h 
nuova.  Hieri  ci  partimmo  da  Metfus.  et  in  ricambio  d'andare  a  Jeviza,  ci 
siamo  condotti  qui  questa  mattina  avanti  di  con  nn  mare  al  cielo,  et 
si  perde  in  sul  partire  una  nave  con  500  homini,  non  so  se  spagnoli 
0  italiani.  et  ce  ne  restorn«^  forse  altre  xx.  che  per  il  tempo  non  pos- 
settero  uscire.  et  le  galere  n<>n  le  possetten^  rimorchiare  senza  gran  peri- 
colo.  beuche  vi  restasse  4  o  6  galere  di  Spagna  con  esse.  Peru,  se  da 
Algieri  usoissen>  vaselli.  s<mo  in  mal  termine.  et,  per  quello  si  ritrahe, 
vo  no  s<>U'»  2,'^*  et  fra  osso  »lua  sralere:    Dio  non  vorrä  tanto  male. 

1  IVr  Kai5«.'r  spricht  boi  dii^^em  Anbu%<«  nur  ron  ,aaciineB  naTyret',  die 
vou  deu  ttLut  tu  ihrvui  $chuuo  £urückpüas«eiien  Galeeren 


107 

S.  M^  h  scesa  in  terra,  et  qui  starä  tanto  ch'el  tempo  sia  baono,  che 
non  si  sa  qaanto;  ha  dato  commissione  a  tutte  le  navi  che  venghino 
qua;  ma  il  temporale  non  lo  concederä  a  una  gran  pai*te.  Et  cosl 
potria  essere  ch'el  pagatore  et  commissario  arrivassero  senza  lo  spaccio 
di  S.  M^,  con  il  quäle  io  manderö  questa.  Et  porch^  di  qui  partiranno 
le  galere  de  Sicilia  con  il  Vicer^,  al  quäle  S.  M^^  ha  donato  7/m  scudi  per 
aiuto  di  costä,  ho  pensato  per  quella  via  mandare  il  duplicato,  acciö  che 
y.  Ex*  per  una  via  o  per  Taltra  resti  di  tutto  avisata.  Et  per  non  man- 
care  anche  a  me  stesso,  non  havendo  altro  ordine  a  rimettermi  in  ordine 
per  poter  vivere,  havendo  perduto  tutto  quello  havevo,  ricorro  alla  Ex*  V., 
et  la  prego  mi  aiuti  con  quello  parrä  a  lei,  acciö  che  io  mi  possa  provedere 
per  poter  sequitare  S.  M*^,  perch^  con  quello  mi  h  restato  male  lo  potrö 
fare,  essende  restato  in  camicia:  la  prego  mi  perdoni  et  mi  faccia  gratia 
d'nn  verso  di  risposta.  Et  con  questo  bacio  la  mano  di  V.  Ex*,  che  Bio 
li  dia  lunga  et  felice  vita. 

Postscript  vom  4.  November. 

Non  si  essende  per  ancora  fatto  lo  spaccio,  mi  resta  avisarli  di  piü 
come  hieri  alli  iij  del  presente  S.  M^  si  part\  di  Metfus,  essendosi  la  notte 
passata  imbarcato  Don  FeiTante  con  quel  resto  de'soldati  che  era  restato 
in  ten*a,  et  con  cattivo  tempo  arrivamo  questa  mattina  in  questo  poi*to 
con  tutte  le  galere  salve,  excetto  4  o  6  di  Spagna  che  restorono  in  quel 
cavo  con  quelle  navi  che  per  il  mal  tempo  non  si  poterno  rimorchiare  et 
stanno  a  gran  pericolo.  E  nel  partii*  nostro  si  perse  una  nave  con  500 
homini,  non  havendo  potuto  sopportare  piü  la  burrasca  per  esser  per  Taltro 
mal  tempo  indebolita,  come  anche  tutte  Taltre.  II  resto  si  trova  qui  salvo, 
dove  S.  M**  stai-a  espettando  il  buon  tempo  per  potersi  condurre  in  Spagna; 
che  a  Dio  piaccia  concederci  prospera  navigatione.  Et  non  tenendo  alti'o, 
mi  raccomando  alla  buona  gi*atia  di  V.  Ex*  etc. 

Postscript  vom  14.  November. 

Siamo  alli  xiiij  del  presente,  et  per  ancora  non  si  h  espedito  lo 
spaccio:  perö  V.  Ex*  intenderä  come  S.  M^,  non  cessando  il  mal  tempo, 
non  ha  possuto  peranco  partir  di  qui.  S'intende  che  una  nave  Bugugea 
si  h  persa  con  piü  di  800  persone,'  che  pai'te  erano  homini  d'arme,  et 

• 

ihrem  Schicksale  überlassen  wurden.  (Der  Kaiser  an  Maria,  Bugia,  4.  No- 
vember 1541,  113  SV.) 
1  Der  Kaiser  (an  K.  Maria,  Bugia,  14.  November  1541,  p.  115)  gibt  700 
Personen  an. 


108 

parte  fanti  spagnoli,  et  co8\  si  dnbita  haranno  fatto  deiraltire,  essende 
State  (secondo  dicano)  a  questi  dl  il  tempo  piü  triste  ch'il  passato.  Piacerä 
a  Die  che  cesserä,  et  che  S.  M^  si  cendurrä  salva  in  Spagna  con  tntto 
questo  reste  deirarmata;  il  che  da  tntti  h  desiderato  per  nscire  di  qni, 
dove  certo  si  sta  con  gran  disagio  et  di  vettovaglia  et  d'ogn'  altra  cosa. 
Et  non  havendo  altro,  in  buona  gratia  di  V.  Ex^  mi  raccomando,  che  Dio 
li  dia  Innga  et  felice  vita  etc. 


Giovanni  Bandini  an  Henog  Goaimo. 

Mallorca,  26.  NoYember  1541. 

Di  Bugia  furono  Tultime  mie  de'  4  et  14  del  presente,  le  quali  man- 
dai  per  la  via  di  Sicilia,  et  alli  16  per  la  via  di  Genova  inviai  11  duplicato 
di  esse,  per  le  qaali  V.  Ex'^  intenderä  tutto  quelle  era  sucesso  insino  a  quel- 
lt hora.  Dipoi,  alli  23  havendoci  Dio  finalmente  concesso  bnon  tempo,  S.  M^ 
paiiü  da  quel  porto,  et  cosl  in  tre  dl  siamo  arrivati  qui  salvi  per  la  gratia  di 
Dio.  Donde  questa  notte,  essendosi  proviste  tutte  le  galere  di  vettovaglia 
(di  che,  come  si  scrisse  per  le  precedenti,  ce  n'era  grandissimo  bisogno), 
si  partirä  il  Principe  con  tutte  le  sue  galere,  et  se  n'andrä  alla  volta  d'Ita- 
lia.  Et  domane  S.  M^  similimente  si  partirä  per  la  volta  di  Jeviza  et  Car- 
tagena  con  solo  le  galere  di  Spagna.  A  Dio  piaccia  condurci  a  salvamento. 
Qui  habbiamo  trovato  lettere  di  Spagna  come  lä  credevano  che  S.  M.^  fusse 
perduta  con  tutta  Tarmata:  et  cosl  il  Principe  et  tutto  il  mondo  stava  di 
mala  voglia.  Qua  habbiamo  trovato  delle  navi  partite  da  Algieri  con  delli 
Todeschi,  delli  Italiani  et  Spagnoli  che  dovevano  venir  in  Italia,  delle  quali 
alcune  ne  son  corse  a  Cartagena  et  Alicante,  et  poi  tornate  qua.  Et  cosl 
a  poco  a  poco  se  ne  ritrova,  et  anco  s'intende  di  qualcuna  perduta.  Dio 
sia  quelle  che  ponga  fine  a  tanto  mal  tempo. 

Di  novo  non  so  che  dirle,  salvo  che  S.  M*^  ha  dato  al  Principe 
3/m  ducati  d'entrata  sopra  vassalli  nel  regno,^  et  che  doppo  lui  venghino  nel 
Signor  Zannettino,  et  Tuffitio  del  Prothonotario  maggiore  per  sua  vita 
quitali  forsi  xx/m.  ducati,  che  li  era  debitore  di  vettovaglie,  et  cosl  se  ne 
viene  contento,  et  con  intentione  di  armare  questo  verno  galere  etc. 
Ältro  non  ho  che  dire.  Di  core  alla  buona  gi'atia  di  V.  Ex*  mi  raccomando, 
che  Dio  li  dia  lunga  et  felice  vita  etc. 

^  Gemeint  ist  Neapel. 


BRIEFE 


DER 


KAISERIN  MARIA  THERESIA  UND  JOSEFS  II. 


UND 


BERICHTE 

DES 

OBEKSTHOFMEISTERS  GRAFEN  ANTON  SALM 


17.  MÄRZ  1760  BIS  16.  JÄNNER  1765. 


AUS  DEM  FÜRSTLICH  SALM'SCHEN  ARCfflVE  ZU  RAITZ. 


MITGETHEILT 

VON 

DR.  PHIL.  FBANZ  ZWEYBRÜCK. 


Vorbemerkungen. 


JJie  vorliegenden  Briefe,  Handbillete,  Zettel  von  der  Hand 
der  Kaiserin  Maria  Theresia  und  des  nachmaligen  Kaisers  Josef  TL,, 
sowie  die  Berichte  des  Grafen  Anton  Salm  befinden  sich  im 
ftirstl.  Salm  -  Reifferscheidt'schen  Archive  zu  Raitz  in  Mähren 
und  sind  mir  von  Seiner  Durchlaucht  dem  Fürsten  Hugo  Salm- 
Reifferscheidt  in  zuvorkommendster  Weise  behufs  Abschrift  zur 
Verfügung  gestellt  worden. 

Dem  Archive  einverleibt  wurden  sie  durch  Grafen  Anton 
Salm  (aus  der  Hainspachcr  Linie),  geboren  6.  Februar  1720, 
vermählt  am  1.  September  1743  mit  Raphaela  von  Roggendorf, 
Kammerherr  bei  dem  Erzherzog  Josef,  20.  August  1760  Oberst- 
hofmeister der  Erzherzogin  Isabella  (Infantin  von  Parma),  1 .  Jänner 
1764  Obersthofmeister  des  Erzherzogs  Josef,  seit  dem  15.  Sep- 
tember 1765  Oberstkämmerer,  gestorben  5.  April  1769  zu  Brüssel. 

Im  Jahre  1759  war  die  Vermählung  des  Erzherzogs  Josef 
Gegenstand  zahlreicher  diplomatischer  Verhandlungen,  vor  Allem 
zwischen  Frankreich  und  dem  Wiener  Kaiserhofe  gewesen;  der 
achtzehnjährige  Prinz,  dem  ursprtingUch  die  Prinzessin  Josefa, 
die  älteste  Tochter  des  Königs  Karl  von  Neapel,  als  Gemahlin 
bestimmt  war,  sollte,  so  lautete  der  Wunsch  Ludwigs  XV.,  mit 
dessen  Enkelin,  der  Infantin  Isabella  von  Parma,  vermählt  wer- 
den. Es  wurde  dies  dem  Wiener  Cabinet  in  derselben  Zeit 
nahegelegt,  da  das  letztere  in  eifrig  betriebene  Unterhandlungen 
mit  dem  französischen  Minister  Choiseul  wegen  eines  neuen 
Allianzvertrages  eingetreten  war. 

Der  Kaiserin  mag  das  Abgehen  von  dem  ersten  Vermäh- 
lungsplane schwer  gefallen  sein,  mau  acceptirte  aber  schliesslich 
das  französisclie  Project;  dem  neapoUtanischen  Hofe,  der  sich 
natürlich  gekränkt  fUhlte,  und  dem  dortigen  Minister  wurden 
neue,  Ersatz  bietende  Propositionen  gemacht  und  als  schwer- 


112 

wiegendstes  Motiv,  welches  die  kaiserlichen  Eltern  zu  solcher 
Sinnesänderung  bestimmt  haben  sollte,  die  ausserordentliche 
Herzensneigung  des  Erzherzogs  Josef  angefUhrt,  welche  Be- 
gründung die  Kaiserin  ebenfalls  nur  nach  geäussertem  Wider- 
willen genehmigte.  (Siehe  Anieth,  Maria  Theresia  V,  456  und 
Anmerkung  658.) 

Dieser  Thatsache  einer  leidenschaftlichen  Initiative  des 
jungen  Fürsten  wurde  und  wird  auch  noch  heute  Erwähnung 
gethan,  obwohl  Alfred  v.  Ameth  in  seinem  monumentalen  Werke 
über  die  grosse  Kaiserin  bereits  eine  stark  herabstimmende 
AeuBserung  des  Grafen  Kaunitz  citirt  (ebenfalls  V,  Anmerkung 
658).  Die  vorliegenden  Briefe  I— V,  welche  der  Prinz  an  den 
Grafen  Anton  Salm  richtet,  sind  nun  deswegen  von  Wichtig- 
keit, weil  wir  von  dem  Erzherzog  selbst  mit  herzlicher  Ein- 
fachheit und  E^larheit  zu  hören  bekommen,  in  welcher  Stimmung 
er  in  die  Ehe  eintritt. 

Einen  bezeichnenden  und  rührenden  Nachruf  auf  jene 
Tage  dieser  seiner  ersten  Vermählung  sendet  Josef  an  seinen 
nunmehrigen  Obersthofmeister  Salm  am  16.  Jänner  1765. 

Berichte  des  Grafen  Salm  an  die  Kaiserin,  versehen  mit 
ausftlhrUchen  Randbemerkungen  derselben,  ebenso.  Handbillete 
und  Zettel  Maria  Theresiens  führen  uns  an  das  letzte  Kranken- 
lager und  an  die  Bahre  der  leider  so  früh  dahingeschiedenen 
ersten  GemahUn  des  Erzherzogs. 

Die  zärtliche  Fürsorge,  der  tief  leidenschaftliche  Schmerz 
Josefs,  das  mitfühlende,  hochsinnige  Walten  seiner  edlen  Mutter 
finden  in  diesen  Schriftstücken  intimen  Charakters  ihren  herz- 
bewegenden Ausdruck. 

Zwei  Aeusserungen  der  Kaiserin  erscheinen  aber  dem  Her- 
ausgeber des  Hervorhebens  werth,  weil  sie  vielleicht  die  Er- 
klärung ftir  eine  Reihe  sentimentaler  Anekdoten  zu  bieten  ver- 
mögen, welche  sich  an  die  Persönlichkeit  der  Erzherzogin 
Isabella  knüpfen. 

Der  Erzherzog  soll  sich  nach  dem  Tode  seiner  Gemahlin 
dem  verzweiflungsvollsten  Gram  derartig  hingegeben  haben, 
dass  seine  Schwester  Marie  Christine  es  ftir  gerathen  erachtet 
hätte,  ihren  Bruder  durch  die  ernüchternde  Beweisführung  zu 
heilen,  dass  er  von  der  Verstorbenen  nie  geliebt  worden  sei; 
die  Vorlage  einer  Reihe  von  Briefen  hätte  nun  zwar  die  er- 
wünschte überzeugende  Wirkung  ausgeübt,  aber  auch  den  ent- 


113 

täuschten  Witwer  fortan  herb  und  abwehrend  gegen  jede  weib- 
Uche  Einwirkung  werden  lassen. 

Ameth  stellt  in  feinsinniger  Weise  die  Richtigkeit  dieser 
üeberUeferungen,  welche  unter  Anderem  auch  die  bekannte 
Tochter  des  Hofrathes  v.  Greiner,  Caroline  Pichler,  in  ihren 
Denkwürdigkeiten  erwähnt,  in  Frage  und  constatirt  vor  Allem, 
dass  kein  Beleg  für  dieselben  angefahrt  werden  könne.  (Ameth, 
Maria  Theresia  VII,  57.) 

Der  Herausgeber  weist  nun  auf  jene  zwei  Billete  der 
Kaiserin  XTTT  und  XVII  hin,  von  denen  das  erste  sicherlich, 
wahrscheinlich  aber  auch  das  zweite,  seinem  Inhalt  nach  inner- 
halb des  kleinen  erzherzoglichen  Hofstaates  bekannt  wurde.  Der 
energische  Befehl,  alle  Schriften  ,bis  auf  die  kleinen  Zettel' 
zuiückzuhalten,  und  die  angefahrte  Aeusserung  der  Infantin, 
dass  nicht  Alles  für  den  Gatten  sichtbar  sei,  konnten  wohl  in 
den  Kreisen  der  Hofbediensteten  einen  novellistischen  Kern  ab- 
geben, umsomehr  als  dieselben  den  so  schwergebeugten  jungen 
Witwer  bereits  im  nächsten  Sommer  wiederum  anscheinend 
ruhig  -in  neuerlichen  Vermählungsunterhandlungen  befindlich 
wussten. 

Dass  jene  Schriften  der  Verstorbenen,  wie  wir  wohl 
heute  annehmen  können,  nichts  enthalten  haben  als  fromme 
Aus^hrungen,  die  in  ihrer  religiösen  Askese  etwa  auch  die 
Ehe  in  Kerbem  Tone  besprachen,  dass  Josef,  von  seiner  kaiser- 
lichen Mutter  zur  Wiederverheirathung  gedrängt  und  durch 
die  Erinnerung  an  Isabellen  leidenschaftlich  bewegt,  sich  ver- 
gebens bemüht  hat,  ihre  jüngere  Schwester  als  Gattin  heim- 
zuAihren,  haben  jene  nur  oberflächlich  unterrichteten  Kreise 
wahrscheinUch  nie  erfahren. 

Ueber  die  wirkUche  Stimmung  des  Prinzen  erhalten  wir 
authentischen  Aufschluss  in  den  zwei  hier  mitgetheilten  Briefen 
der  Kaiserin  an  den  mit  Josef  in  Frankfurt  weilenden  Salm 
und  in  dem  bereits  erwähnten  Begleitschreiben  Josefs,  welches 
nach  Lambach  gerichtet  ist. 

Freilich,  das  starke  Gefühl,  welches  der  Erzherzog  und 
seine  kaiserliche  Mutter  laut  Zeugenschaft  der  vorliegenden 
Docmnente  für  diese  erste  Gattin,  resp.  Schwiegertochter  gehegt 
und  welches  sie  sich  auch  tief  im  Innern  bewahrt  haben,  als 
die  Pflicht  sie  an  eine  neue  Verbindung  zu  denken  zwang, 
hat  nichts  mit  süsslicher  Ueberschwenglichkeit  zu  schaffen,  wie 

Ankhr.  Bd.  LXXYI.  I.  HUfte.  B 


114 

sie  jenem  lästigen  Tross  so  gut  gefHlIt,  der  die  schwatzhafte 
Gefolgschaft  welthistorischer  Persönlichkeiten  bildet^  aber  innig 
empfindende,  aufopferungsvolle  Naturen  sehen  wir  da  vor  uns, 
und  den  Oesterreicher,  welcher  der  Betrachtung  geschichtlicher 
Entwicklungen  nachgeht,  erfUllt  es  mit  freudigem  Stolz,  solches 
von  diesen  beiden  erlauchten  Gestalten  künden  zu  können, 
deren  Andenken  mit  der  Begrtlndung  des  neuen  Oesterreichs 
unzertrennlich  verknüpft;  ist. 


I. 

Mon  eher  Salm 

J'ai  reca  avec  bien  du  plaisir  hier  votre  lettre  et  je  vons  snis  bien 

Obligo  de  tous  les  bons  souhaits,  qae  vons  me  faite  a  roccasion  de  mon 

jour  de  naissance;  je  suis  bien  charm^e,  qu  apres  toutes  les  inquietndes, 

qae  vous  nous  avez  faite,  vous  vous  portez  mieux,  vous  me  conaises  assez, 

ponr  savoir,  combien  votre  maladie  m'a  inquiet^  et  de  la  perte  ireparable 

surtout  dans  ces  circonstances^  qne  j'aurai  faite,  si  je  vous  avois  perdu; 

car  Tespece  d'homme  comme  vous  ete  est  bien  rare  et  outre  cela  nous 

sommes  deja  accoutumes  ensemble  depnis  13  ans,  que  vous  laboures  a  me 

faire  poi*ter  des  fruits;  conservez  vous  donc,  je  vous  pris  et  menagez  one 

sante,  qui  me  devra  etre  encore  d'un  grande  service,  surtout  4e  nouvell 

etat,  dans  iequell  je  vois  entrer,  qui  est  difücile  pour  un  chacun,  mais 

surtout  delicat  pour  moi  par  les  raisons  que  vous  savez,  je  finis  en  vous 

recomendant  de  rester  plus  iongtemps  a  Brian,  afin  de  vous  i*etablir 

entierement,  adieu  je  serai  toujours  de  mon  eher  Salm 

le  tres  fidelle 
ce  17  Mars  1760.  Joseph. 

P.  S.  faites  je  vous  prie  mes  complimens  a  Madame  et  dite  loi, 
qu'elle  servira  d'exemple  a  ma  future  Princesse,  afin  que  quand  je  serai 
malade,  qu'elle  me  soigne  aussi  si  bien. 

n. 

Mon  eher  Salm,  j'ai  reeu  avee  bien  du  plaisir  la  Lettre,  que  vous 
avez  bien  voulu  m'eerii'e.  je  vous  vois  devans  mes  yeux  en  m'eerivant 
eette  lettre,  votre  gorge  aura  et^  un  peu  ferr^e,  vons  n*aurez  pas  pa  parier 
dans  ee  moment  la,  et  les  jeux  auront  et^  rouges;  la  deseription,  que  vous 
me  faites  de  la  Prineesse  est  trop  avantagense,  pour  ne  me  pas  flater  de 


116 

Vesperance  d'^tre  heureux,  je  vous  conois  depnis  15  ans,  et  vous  me  co- 
naissez  anssi,  c'est  pourqnoi  je  vons  en  crois  plus  qu'a  tont  autre,  et  je 
suis  persuad^,  que  vons  ne  ilatez  pas.  si,  comme  je  Tespere,  je  serai 
henreox,  je  crois  avoir  merit^  cette  grande  grace  de  Dieu  par  la  parfaite 
indiference,  dans  la  quelle  j'ai  toujours  et^  dans  le  choix,  que  leues 
Majest^s  ont  faites  d'une  Epouse  pour  moi.  en  cela  je  me  suis  comme  vons 
sayez  entierement  abandonn6  ä  la  bont^  divine,  et  k  la  tendresse  des  mes 
Parens,  a  la  fin  contre  yeut  et  mar^e,  jai  et^  destin^  k  PInfante,  que 
j'epouse,  pour  ce,  qui  me  regarde,  je  ferai  certainement  mon  possible  pour 
meriter  son  estime,  et  sa  confiance;  pour  Tamour,  vous  sayez,  que  je  ne 
fais  pas  Pagreable  et  Pamant,  et  que  c'est  meme  contre  ma  nature.  aussi 
je  vous  prie,  si  vous  en  avez  Toccasion  de  Ten  prevenir,  afin  qu'elle  ne 
cherche  point  de  trouver  en  moi  un  jeune  homme  tir6  a  quatre  epingles, 
et  qui  lui  dira  cent  joli  rien,  mais  un  homme  resolu  a  avoir  tous  les  egards 
et  attentions  des  le  premier  moment,  qu'elle  pourra  desirer.  voil^  ce  que 
je  crois,  qui  est  de  mon  devoir,  et  que  j*excuterai  certainement,  arrive  ce 
quil  peut.  mais  un  moyen,  et  Tunique  peutetre  de  captiver  mon  coeur, 
c'est  si  eile  avoit  la  bonte  de  mettre  sa  confiance  en  moi,  et  de  me  de- 
mander  en  des  occasions  mon  conseil,  que  je  lui  donerai  toujours  le  plus 
sincerement  et  le  meilleur,  que  je  saurai  sans  plaisanterie ;  car  pour  un 
objet,  qni  vous  regarde  de  si  pres,  il  n'y  a  certainement  point  de  plaisanterie, 
qui  tienne.  Diii.  voila  mon  eher  Salm,  comme  je  peuse,  je  viens  de  faire  des 
exercices  spirituelles  et  une  confession  generale;  ainsi  tous  les  pech^s  de 
jeunesse  sont  effac^s;  dieu  j'espere  me  gardera  a  Tavenir  des  autres.  faites 
je  vous  prie,  bien  mes  compliments  au  Prince  Liechtenstein  *  et  dite  lui; 
que  je  lui  suis  bien  obliger  pour  sa  lettre  et  pour  le  minuet,  qu'il  a  dans6. 
et  recomandes  lui  de  menager  sa  personne  tr^s  necessaire  pour  le  bien 
de  Tetat.  je  suis  fach^  de  n'avoir  pas  pu  lui  repondre.  mais  la  diction  et 
le  titre,  que  je  dois  lui  doner,  on  le  cherche  seulement  dans  la  Chancelerie, 


*  Feldmarschall  Fürst  Wenzel  Liechtenstein,  welcher  als  ausserordentlicher 
Botschafter  bei  der  Vermählungsfeier  in  Parma  fnngirte,  berichtet  der 
Kaiserin  unter  Anderem:  ^llo  (die  Lifantin  Isabella)  a  surpass6  en  tout 
mon  attente  et  je  puls  assurer,  votre  Majest6  Imperial  qu^aucun  de  ses 
Portraits  lui  ressemblo  et  que  son  peintre  trouvera  bien  de  la  difficulti 
k  la  rencontrer.  Cette  Phisionomie  fine,  cette  douceur  et  modestie,  mel6e 
avec  beaucoup  de  Dignit^  en  feront  un  obstacle.  Son  Altesse  Royale 
r&rchiduc  sera  le  plus  heureux  prince  de  la  terre,  vue  le  Caractere  et 
0on  coeur.  Je  dois  ajouter  k  votre  Majest^,  qu'elle  a  caus^e  Tadmiration 
k  tous  les  Cavaliers  de  ma  suite. 
Paima,  4.  September  1760.* 

(K.  n.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien.) 

Ö* 


116 

faites  aas8i  mes  complimens  a  Madame  d'Erdedi,^  et  vous  ponyez  lui 
montrer  cette  lettre,  afin  qu'elle,  sache  comme  je  pense  au  sujet  de  la 
Princesse.  Les  afaires  de  guerre  ne  vont  pas,  comme  je  les  souhaite  et 
jer  ai  toujonrs  predit,  que  tant  qu'on  ne  m* j  laissera  point  aller,  la  guerre 
se  finira  point.  Yoila,  vous  direz,  un  fort  sot  discours  d'nn  amant,  qui 
doit  se  marier  dans  trois  semaines.  mais  ma  gloire,  le  Service  de  Tlmpera- 
trice  et  le  bien  etre  des  peuples  me  ferait  partire  mdme  de  l'autel  en  cam- 
pagne,  si  on  me  le  permettoit.  pourtant  avant  que  de  partire  etant  deja 
a  Tautel,  je  prendrais  la  princesse  par  la  t^te  et  je  Tembrasserais  ^  con 
gusto  conforto  je  m'en  irai  a  rsmn^e.  vous  penserez  en  lisant  ceci,  qü*on 
voit  bien,  que  je  ne  suis  pas  marine  encore  un  mois,  et  qu'alors  je  ne 
penserais  plus  tant  en  Alexandre,  cela  se  peut,  car  je  n'ai  point  senti 
encore  les  charmes  de  Pamour,  qui  me  feront  peut  etre  tourn^  la  tete, 
comme  ils  Tont  fait  a  tant  des  gens  bien  plus  sages  que  moi.  adieu  portei 
vous  bieji  et  marchez  patetiquement  en  general  Comandant  d'nne  Legion 
de  femelies,  je  serai  toujonrs  mon  eher  Salm. 

Votre  tres  fidelle 
ce  10  7bre  1760.  Joseph. 

m. 

Mon  eher  Salm,  j'ai  recu  avec  bien  du  plaisir  votre  seconde  lettre, 
je  me  flatte,  que  vous  aurez  aussi  recu  celle,  que  je  vous  ai  6crit  et  qui 
6toit  si  longue.  je  ne  doute  pas,  qu'elle  vous  aura  fait  rire;  de  toutes  les 

• 

relations,  et  contes,  qu'on  m'a  fait  de  Tlnfante,  ancun  ne  m'a  fait  plaisir, 
que  le  votre,  ou  vous  me  marquez,  qu'elle  aime  tant  la  sincerit^,  et  qu'elle 
veut  avoir  un  mari,  qui  soit  en  mdme  temps  son  ami.  me  voila  trait  pour 
trait,  si  cela  est,  je  me  sens  le  plus  heureux  des  hommes ;  car  je  ne  me 
soucie  n*y  du  visago,  n'y  de  la  gaietö,  n'y  des  autres  agrements.  pourvu, 
que  j'ai  une  Epouse,  qui  agisse  rondement  avec  moi,  et  qui  soit  en  meme 
temps  mon  amie.  si  cela  arrive,  je  commence  a  sentir,  que  l'Alexandre 
s'evanouira,  et  que  mon  cocur  jusqu'asteur  insensible  et  de  roc  pour  les 
atraits  de  L'Amour,  se  laissera  prendre  dans  ses  filets;  je  vous  avone, 
que  depuis  deux  jours,  que  je  me  sais  marie,  que  je  ne  fais  plus  tant  le 
fier,  je  ne  scais  pas  pourquoi,  mais  je  me  sens  un  peu  deja  remn^  le  coenr, 
quoique  je  ne  Tavoue  pas,  neamoins  je  regarde  souvent  le  Calendrier, 
pour  voir,  combion  de  temps  il  me  faudra  ötre  encore  mari^  in  Partibus 
Infidelium;  a  la  fin  aujourdhui  14  jours  nous  nous  verrons  a  Laxemboorg» 
que  je  ferai  une  sötte  figure  a  moitiö  embarass^,  hors  de  mon  naturell 


1  Qr&fin  Antonie  Erdödy,  geb.  Grilfin  Batthyany,    Obenthofmeistenn  der 
Erzherzogin  Isabella. 


117 

Youlant  faire  Taimable,  peutetre  apr^s  qaelqne  temps  deja  amoureux.  enfin 
pour  YonSy  qui  me  conaissez,  il  j  aura  de  quoi  rire ;  adieu  jusqu'a  ce,  que 
j'ai  le  plaisir  de  vous  dire  de  bouche  que  je  suis  votre 

tres  fidelle 
ce  17  7bre  1760.  Joseph. 

P.  S.  Je  vous  prie  remerciez  bien  de  ma  pari  Tlnfante  pour  Topera, 
qu'elle  vous  a  charg^  de  m'envoyer  et  dites  lui  quelque  chose  de  beau,  et 
de  galants,  car  je  suis  trop  uni  dans  mes  facons  de  penser  pour  trouver 
de  pareilles  choses. 

IV. 

Mon  eher  Salm  j'espere^  que  vous  ayez  recu  les  deux  lettres,  que 

je  vous  ai  ecrites  mais  comme  le  Courier  part,  je  n'ai  pas  pu  m'empecher 

de  vous  marquer  encore  par  celle  ci,  que  je  suis  fort  curieui  de  voir  tout 

ce,  que  vous  m'avez  ecrit  de  beau  de  PArchiduchesse.  je  vous  recomande 

de  ne  pas  vous  charger  en  passant  par  les  Provinces  des  toutes  sortes  de 

recomendations  et  d'empecher,  que  mon  Epouse  ne  s'en  Charge,  parce  que 

vous  savez  vous  meme,  que  cela  serait  fort  incomode  a  PImperatrice ;  je 

vous  donne  part,  que  l'Infant  m'a  second6  a  merveille,  sans  le  savoir  pour 

faire  partir  de  ches  mon  Epouse  les  deux  Merciers  mere  et  fille;  ce  sont 

des  personnes  intriguantes  et  dangereuses;  j'en  quis  quitte  gi*aces  aDieu 

et  elles  ne  resteront  point  ches  mon  Epouse;  ainsi  je  vous  recomande 

meme  en  voyage  d'avoir  Poeil  sur  eux  et  si  vous  pouvez  meme  de  les 

ecarter,  pour  qu'ils  ne  puissent  pas  doner  encore  le  dernier  coup;  vous 

vojez,  que  je  vous  fais  Comissionaire  des  interets  de  mon  menage  mais  a 

un  homme,  qui  m'est  tant  attachö,  que  vous  Petes,  je  peut  hardiment 

confi^  tout  ce,  que  je  pense  la  dessus ;  plus  que  le  moment  aproche,  plus 

je  vous  avouerai,  que  je  me  sens  emu  non  d'empressement  mais  de  crainte 

de  ne  pas  etre  heureux  dans  ce  etat;  je  me  sens  fort  jeune  et  a  peine  capable 

de  me  gouverner  moi  meme,  coment  dirigeraye  une  femme;  je  n'ai  jamais 

encore  senti  les  atraits  de  PAmour,  Dieu  sait,  coment  j'en  serai  trait^, 

enfin  toutes  ces  Id^es  me  fönt  trembler  et  me  fönt  faire  des  reflexions  un 

peu  melancoliques  mais  jai  mis  ma  confiance  en  Dieu  et  avec  sa  grace 

tout  est  possible;  dans  une  couple  des  jours  vous  verrez  encore  un  Courier 

d'Amour  mais  qui  ne  ressemble  pas  tout  a  fait  a  Cupidon,  cest  Hamilton  * 

je  vous  recomande  de  le  presenter  a  Parchiduchesse,  comme  un  des  mes 

serviteurs.  adieu  portes  vous  bien  mes  complimens  a  toutes  les  femelies 

je  snis  votx-e  ties  fidelle 

ce  20  7bre  1760.  Joseph. 

1  Anton  Graf  Hamilton,  Kainmerlierr. 


118 


V. 


Mon  eher  Salm  les  deux  lettres,  que  vous  venez  de  m'ecrire,  m'ont 
fait  un  plaisir  bien  sensible,  quoiqne  vous  me  rassiiriez  sur  des  pointes 
bien  essentiels  et  quoiqne  je  vous  croie,  neanmoins  je  suis  fort  inquiet  et 
j'ai  une  certaine  peurc  de  me  marier  plus  que  je  n'aurai  d'aller  dans  une 
bataille ;  plus  que  le  temps  aproche  et  outre  cela  ayant  recu  toutes  les  in- 
structions  de  Sa  M.  L'Empereur,  qui  me  fönt  horreur  et  qui  m'ont  eitre- 
mement  surpris,  je  suis  extremement  en  peine  de  mon  bonheur  fntur,  je 
n'entre  certaincment  dans  cet  etat  par  aucune  curiosit^  ou  avidit^  de  bete; 
le  pens6  seule  de  me  devoir  porter  a  cela,  me  coute  infinement  et  me  de- 
goute.  j'ai  mis  et  metrai  toujours  mon  unique  confiance  en  Dieu;  c*esta 
son  unique  gloire,  que  je  dostine  mon  mariage  et  c'est  de  lui,  que  j'attends 
toutes  les  consolations :  vous  vous  moquerez  de  moi  en  vojant  mon  in- 
quietude,  mais  je  puis  vous  assurer  que  jamais  de  la  vie  je  ne  me  suis 
souti  si  abattu  et  nettement  afflig6  encore  sans  raison  mais  seulement 
de  peure,  de  ne  pas  bien  rencontrer.  si  j*etois  un  particulier,  je  renverse- 
rais  tout  et  je  ne  me  pourai  jamais  resoudre  a  me  marier,  mais  comme 
victime  de  l'etat  je  me  sacrifie  esperant,  que  Dieu  voudra  accepter  cette 
soumission  en  bonne  part  et  m'en  recompens6r  si  pas  dans  ce  monde,  aa 
moins  dans  Tautre.  voila  mos  inquietudes  et  que  leurs  Majestes  cherchent 
a  dctruire  mais  augmentent  de  momeut  en  moment  plus  que  Tinstant  de- 
cisjve  aproche.  adieu  portes  vous  bien  je  serai  toujours 

Mon  eher  Salm 

votre  tres  fidell 

ce  28  7bre  1760.  Joseph. 

P.  S.  je  vous  suis  bien  oblige  de  ce,  que  vous  avez  fait  cause  de 
la  mercier. 

VI.  (Zettel.) 

Wan  er  nur  die  Liste  deren  Camerherren  schicken  moegte  und 
selbst  wan  es  sein  kan  zu  mir  komen  gottlob  wir  haben  eine  glückliche 
Entbindung.  M.  Th. 

Vn.  (Zettel.) 

nous  attendons  de  vous  autres  T ordre,  si  on  doit  faire  la . . .  toc- 
tion,  et  si  eile  est  en  etat  ou  non.  tout  sera  toujours  preparö,  je  m*adresse 
ä  vous,  sachant  le  reste  du  monde  trop  occupö.  dit  moi  un  mot  comm® 
eile  Test  a  prescnt  domandcz  les  nouvelles  k  la  Erdody. 

(IC.  Th.) 


119 

Vm.  (Zettel.) 

j'ai  chargöe  mayer  ^  de  vous  parier  pour  Penterrement  de  notre  petit 
ange  qui'doit  etre  comme  ma  fille  dans  un  cas  pai-eil  Tat  etoit. 

je  vous  prie  de  me  marquer  tont  les  jours  qnelque  chos  comme  yous 
trouvez  Joseph,  si  vous  le  vojez  sil  at  dermis  et  combien  sil  mange  ausi 

et  comme  vous  le  trouvez  vous  pouvez  juger,  combien  cela 

m'interesse.  je  me  fie  en  vous,  que  vous  me  dii'ois  la  verit4. 

IX. 

Sacr^e  Majest^ 

J'ai  differ^  liiere  au  soire  et  envoyer  mon  tres  humble  raport,  jusqu'a 
ce  que  j'ai  vus  Monseigneur  se  mettre  au  lit,  pour  pouvoir  mander  la  clo- 
ture  de  la  journee.  11  etoit  10  heure  et  demi  lorsque,  je  Tay  expedi^.  mais 
on  me  \k  raport^  cachett^,  parceque  si  bien  Votre  Majost^,  que  Sa  Majest^ 
TEmpereur  etolent  deja  retir^.  Je  me  permettois,  que  Monseigneur  passeroit 
une  nuite  plus  tranquil.  il  a  ^te  avant  de  se  coucher  beaucoup  plus  rassure 
et  me  dit  en  se  c^uchant,  pour  aujourdhuit  j*espore  de  dormir,  car  apr^s 
les  allarmes  de  ce  matin  nous  ue  pouvions  pas  nous  üatter  d'avoir  une  si 
bonne  soii*6e.  cependant  son  premier  someil  n'a  dur^  que  deux  heures  de- 
puis  10  et  Y2  jusqu*a  11  et  V2»  il  s^^s*  l^vö  pour  passer  ä  la  chambre  de 
Madame  mais  ne  s'y  est  arett^,  qu'un  quard  heure.  puis  il  s'est  recouche 
jusqu'a  apres  trois  heure.  mais  n*a  pas  dormi  beaucoup,  et  la  peu  de 
someil,  dont  il  a  jouit,  etoit  inquiet.  apr^s  s'etre  un  peu  arrett^  dans  la 
chambre  de  la  Malade,  il  a  voulu  reposer,  mais  cela  de  n*a  pas  dur^  long- 
tems  avant  6  heure  il  est  encore  repass^  chez  Madame  et  n'en  est  revenu 
qu'apr^s  7  heure;  il  me  dit  en  rentrant,  je  ne  suis  pas  si  contens  que 
hiere,  et  me  fit  le  detail  de  la  nuite,  dont  Yotre*  Majest^  aura  deja  ^t^  in- 
formö  par  van  Suite. ^  il  a  bon  visage  et  vient  de  prendre  son  dejeuner; 
il  con vient  avec  moy,  qu41  faut  dans  cette  cruelle  maladie  commencer  a 
s'aprivoiser  avec  les  allarmes,  je  ne  luy  fais  poin  de  long  raisonnement 
la  dessus,  car  il  seroient  innutil  de  luy  trop  precher,  il  me  suffit,  quil  m'a 
donn^  parole,  que  si  les  chose  devoient  empirer,  quMl  me  permettra  de 
penser  au  lieu  de  luy.  il  est  a  plaindre,  cela  est  certain,  mais  il  le  seroit 
encore  davantage,  si  on  le  genoit.  Dieu  nous  preserve  qu'il  arrive  quelque 
chose  de  funest,  mais  en  tout  cas,  jai  deja  forme  mon  plan  et  Yotre  Majest4 
peut  6tre  tranquil,  pour  ce  qui  concerne  Monseigneur.  il  m*est  d'une 


<  Johann  Adam  Mayr,  wirklicher  Hofkammerrath. 
3  Gerhardus  van  Swieten,  Protomedicus. 


120 

grande  consolation  de  voir,  qne  je  ne  le  gdne  pas  et  qu'il  me  considere, 

comme  une  personne,  qui  aura  soin  de  luj  dans  roccasion.  il  m'a  assur^e, 

quil  68  laiHsera  diriger.  j'aurois  envoi^  ce  raport  plas  tot,  mais  depois  Mon- 

seignour  est  habill6,  j'etois  pr^s  toujours  avec  lui  et  pais  je  passe  d'une 

chambre  a  Tautre  pour  finir  mon  billet.  car  s*il  me  trouve  a  ecrire,  il  veut 

lir  ce  que  je  mande. 

le  24  9bre  9  heure. 

Bandglosse  der  Kaiserin. 

Je  vous  prie  d'envoier  en  droiture  vos  billiets  a  quel  heure  que  ce 
soit  a  la  Guttemberg,  ^  fussent  meme  la  nuit.  je  vous  suis  bien  sensible- 
inent  oblig^e  des  soings  actuelles  et  suis  bien  tranquille  de  sayoir  mon 
Als  ontre  vois  mäins;  il  n'y  a  que  votre  sant^,  qui  me  fait  trembler;  pensez 
y  donc.  L*Emp.  vous  at  donnie  ceux  pour  la  maison,  Dieu  veuille  nous 
en  preseiTer.  si  vous  voyez,  que  cela  va  plus  mal  ne  laissez  plus  sortir  le 
coufessour  de  la  cour  le  pei*e  Höller  ^  et  reischach,^  auquell  le  fils  parois 
avoir  le  plus  de  confiance  et  qui  je  trouve  de  meme  le  plus  convenable; 
vous  resterioz  meme  tous  3  avec  lui  loger  dans  la  maison.  les  premiers 
jours  si  ce  malheur  nous  devroit  arriver,  dont  je  ne  saurois  encore  me 
fain^  le  moindro  idöe,  en  ce  cas  vous  chargerois  hamilton  de  tout  le  detail 
ot  ordonances  qui  sont  a  faire  pour  les  triste  ceremonie  et  qu'il  s'entens 
on  Unis  avec  Uhlfold^  et  Kovonhuller,*  etant  destin^  seuil  pour  vous  ne 
quittor  la  personne  du  fils«  qui  aura  besoing  de  toutes  votre  secours.  vous 
avoi  bien  niison,  que  la  gouo  seroit  asteur  le  plus  cruel  pour  lui  et  ne 
fonnt«  quo  rirritor:  ainsi  on  lui  laissera  plein  libert^  d'entrer  et  sortir 
toujours  ot  do  uo  lo  ims  soparer,  quo  do  son  propre  gre.  s'il  etoit  meme 
pnvsont  au  oruol  momout,  quo  Hiou  vouille  nous  en  preserver,  vous  avez 
doja  bt^uuvup  gH^uöo.  d\iYoir  obtouu  do  lui,  qu*il  se  remet  a  vos  soings. 
jo  no  saurais  vous  oiprimor,  oombion  jo  suis  sensible  a  tont  vos  pmdentes 
dis)HV(itious  ot  soin){v, 

quo  fWis  lo  )>auYr\^  maroobalV  *  dit  lui  quolque  chose  de  ma  pari,  que 

jo  *ui>»  tr\»p  «iYAblio  do  lui  lunivoir  oiTin* 

M.  Th. 

You»  dov^vi  oaohor  au  tlls  notn*  wm'^siHmdonc«*, 

*  I^i^aUu»   \»\Um\u\»  Uc^lUn»  S  vi  SS    Vh^s^l.  Or .  IWichtrat^r  Josefs. 


121 

X. 

Monseigneur  a  tres  peu  din^,  mais  cela  est  ass^s  naturel  et  11  vant 
presque  mieux  dans  Tagitatioii,  ou  il  se  trouve.  son  unique  soulagement 
est  de  se  trouver  a  porte  de  la  Malade;  s*il  y  entre,  il  ne  s'approche  pas 
tout  du  lit,  que  ces  jonrs  passes,  s'est  tout  ce  que  moy  et  les  Medecins 
ont  pu  obtenir  de  luy.  Dieu,  a  qu*il  offre  a  tout  moment  ses  angoisses,  la 
fortifie  et  le  preservera  de  tout  mal.  il  nous  tient  parole  et  ne  touche,  n'y 
embrasse  Madame  son  Epouse.  il  m'a  dit  ce  matin,  mon  eher  Salm,  je  yous 
prie  tant,  que  ma  femme  vit,  laisses  moy  la  consolation  de  la  voire.  si  Dieu 
dispose  d'Elle,  faites  de  moy  ce,  que  vous  voul^s  et  je  me  Taissoray  diriger. 
je  scais,  que  je  dois  cette  obeissance  a  mes  Parens  et  au  Public,  je  luy 
ay  mis  du  vinaigre  dans  son  mouchoir,  car  Todeur  dans  la  chambre  est  tr^s 
forte,  que  Votre  Majeste  se  tranquilise  sur  son  chapitre,  ilfait  ce  qu*il 
peut.  ce  servit  trop  Taccabler,  que  de  lo  trop  contraindre  a  moin,  que  les 
medecins  ne  le  jugent  indispensablement  necessaire. 

25  a  3  heui-e  V|  apr^s  midi. 

Bandglosse  der  Kaiserin. 

Vous  auroit  vue  par  mon  billiet  de  hier,  que  j'ai  pensö  de  meme  et 
qu'il  faut  lui  laisser  ces  juste  empressemens.  si  le  bon  Dieu  veut  l'unir  ä 
sa  chere  femme,  toutes  nos  prevoiances  ne  Tempecheront  pas.  il  est,  ou 
son  coeur  et  son  devoir  Tappelle,  je  n'en  suis  nuUement  inquete,  je  Taime 
d'autant  plus  de  le  voir  si  decidie  et  tendre.  M.  Th. 

XL  (Zettel.) 

Comme  nos  allarmes  augmentent,  je  vous  prie  de  me  marquer  deux 
fois  par  jours  l'etat  de  Joseph  vous  jugez  bien,  qui  est  un  point,  que  me 
tiens  le  plus  a  coeur  et  s'il  at  dormis  cette  nuit  informez  vous  en  exacte- 
inent  aux  valets  de  chambre  pour  m*en  donner  des  nouvelles 

n'abbandonez  pas  le  fils  et  restes  le  plus,  que  vous  pouvez  chez  lui 
poui-  le  faire  parier  pleurer  sans  le  gener.  M.  Th. 

Xn.  (Zettel.) 

je  m^adresse  a  vous  dans  mes  plus  gi'andes  detresses :  on  dit  Tarchi- 
dnchesse  a  Tagonie  un  mot  de  reponse,  je  vous  conjure,  donn^  ce  crucifix 
au  chanoine,  pour  qu*il  s'en  serve  a  la  mort  de  cette  grande  et  sainte 
princesse.  je  vous  conjure  ay^z  soing  de  ce  tresor,  que  dans  le  douleur  il 
ne  soit  egar^e. 


>>^ 


f  >M 


XTTT    iZettsL^ 


Li«»i>fe^c«  '»rtio«iT  in  ieaen  uu^fidEseligvii  angenblick,  wo  wir  sind, 
:>ut  aiir  iTupirr  y\m  i^neajvniTOi  aKheiL  die  Ton  allen  was  liebes  ?er- 
\»Un*u  'it'i'a  '>«K«<tzt*  xh,  7ine  Dich  veiaema«  nicbt  mir  Haar  zn  procoriren, 
<u*  i«»r  iiittti>ml>«nc  :u  scmcicen.  üe  sie  wird  aiislflffton  lassen  und  aaff 
iil  iw  ^'iir'ffteu  j:«*b«  w«'iii  jcac.  iatf  kein  kleines  Zettnl  yerlohren  gehe; 
iuu  von  rut'mi^r  ;{:uicze  taauile  !$eiber  habe  and  nein  eintxiger  Trost  sind, 
.iuch  <imtTtitr  ^»(»«pa  3ua  ind  'freist  sein  kooinen,  wan  er  sie  yerlangi, 
wril  <i««  hmo  ^Hr:s^  »TH^e  luAeben  and  koennen  einmal  der  unschuldigen 
TK-hcor  iieu«»u.  :un*  ä^*ninw  -ind  <r>iwe  nmtter  Terehren  und  imitiren. 
tuitiim  vüirttte««  x\x  tuica  iuf  Dich,  iai»  in  dieses  wobl  besorgen  werdest; 
luwh  .itl  ilbn^u  Vi!>niien2»»n  l2?c  un  einer  «fer  groessten,  denen  Du  mir 
'.ttid  ior  tuoiiIU*  :iiuu  ianäc.  M.  Th. 


Ljk  i\>ur>at^>  i^  Jier«  :»>«t  passe«  fort  tranquillement.  Monseigneur 
s'ost  \\*u(.KH«  .'jkptvs  iiaer  ^  lir.  il  a  tu  an  de  ses  nouTeaux  chevaux  An- 
<!;i:s.  ^uo  s.>tt  Ks^uior  ^  3i%>ucv  :MQ&f  M  fenetres.  durant  le  temps  des  vi- 
^•!o6.   i  .&  pr;o  ivtfc  uous  ec  le  rvcs»  .{«  lasoiie  s'est  pass6  en  conversation. 
S^'tt  VlrcsM!»  KoyjLt*  ^  porte  Dien  mercj  fort  bien,  Tappetit  et  la  someil 
rv^'ouuou:.  :I  par*>  Jk  tuuc  moment  de  la  perte  qo*il  Tient  de  faire  arec 
plus  io  ;r;ui^u::i:«*.  i  ^>unii:w  et  cnint  en  nitae  tems  Theure,  qa*il  doit 
\oir  Y.^trv  ÄAJ**«^«'    ;1  <\»!  cvache  apre*  10  henre  et  vient  de  s^ereiller 
ji  7  heurv.  Mjki;im^  i  Kri*^av  m*a  ecrite  hiere«  que  Yotre  Majest^  Ini  avoit 
orviiHtu^«  ie  p«irv.u:r^  jk^jvurihaLt  et  demain  aux  obseques  et  que  peat  dtre 
Kilo  4uru  läk  ^mfto?  A^ec  lei«^  iamet»  de  se  mettre  a  ses  pieds;  je  ne  S9ai8,  si 
j^t'jio  es^H!>ivr  U  m^m<  ^T;ice.  ec  dittans  la  dessus  les  gracieux  ordres  de 
Votiv  Mj^tK^ce. 

Antwori  der  Kaiserin  am  Bande: 

Vous  pouvei  Tenir  aussi  et  meme  tout  tos  domestiques &  ^ 

rot  irrt  »io  avnnt  10  houw. 

XV. 

1/iippotit  do  mon  seigneur  etoit  mediocre,  pourtant  mieux  qua  biere. 
il  fiiMit  pluN  de  sonsibilite  aujourdhuit,  il  s'occupe  beaucoup  a  ecrire.  se 
plnin  (lo  toiiiH  ou  tems  onvors  nous  de  son  triste  sort,  mais^ses  plaiBtes 
Moni  mnlli'^oH  d Nietes  dos  resignations,  maintenant  il  lit  des  papiers,  Q^^ 
H.  M.  Ktnporuur  luy  a  euToje,  il  a  un  peu  seign^  ce  matin,  mais  celan* 


123 

pas  dur6  longtems  cela  ne  me  snrprend  pas  car  8on  sang  doit  extremement 
6tre  agit^.  II  m'a  dit,  qu*il  souhaiteroit,  que  je  rende  los  derniers  devoira 
a  Ma  Maitresse,  en  conduisant  renteiTeinent.  S.  M.  rEmpereur  etant 
sarvenus,  je  luy  en  ay  demande  la  peiToission,  il  me  Ta  gracieasement 
accorde.  je  supplie  V.  M.  de  vouloir  bien  aussi  me  permettre,  que  je  m'ab- 
sente  pour  ce  tems  de  mon  Maitre  et  que  je  me  rende  a  ce  triste  devoir. 
le  Marechal  et  chambelant  rosteront  aupres  de  luy. 
A  Sa  Majeste  Tlmperatrice. 

Bandglosse  der  Kaiserin. 

Vous  ferois  tres  bien  le  fils  etant  pourvue,  mais  je  voudrois  que  le 
confesseur  reste  dans  la  maison  pendant  le  tems.  vous  me  dirois  sincere- 
ment  pour  ma  direction,  TEmp.  voudroit  y  etre  pendant  ce  tems;  si  cela 
n*etoit  peut  etre  mienx  Ten  detourner.  ne  yous  at  il  rien  dit  de  ma  lettre 
est  il  content  de  moi. 

XVn.  (Billet  der  Kaiserin.) 

Le  bon  Dieu  nous  a  fait  une  grande  grace,  qu'apres  le  grand  mal- 
heur  il  soutiens  encore  mon  fils.  je  ne  me  flate  pas  que  cela  restera  comea. 
j'ai  tout  remis  au  bon  Dieu  et  n'atens  plus  de  consolation,  que  dans  Tautre 
monde.  le  marechal  batyani  s'est  charg^  de  faire  le  raport  de  sa  sante 
deux  fois  par  jour,  j'exige  de  vous,  que  vous  me  mandez  Totat  de  son  coeur, 
ce  qu'il  dit  ce  qu'il  fait;  ne  menagez  pas  ma  sensibilit^,  tout  cela  m'est 
consolation,  faite  moi  donc  tout  ces  jours  un  raport  pareil.  j'exige  aussi 
de  vous,  que  vous  me  faite  le  recit  de  cette  derniere  et  fatale  nuit,  quand 
eile  est  entree  en  agonie,  si  eile  at  encore  parlee,  si  eile  at  souferte,  si 
eile  etoit  presente,  si  le  fils  y  etoit  toujours,  depuis  quelle  heure  et  a  quelle 
place,  ce  qu*il  a  dit  et  fait  dabord  apres;  tout  cela  m*est  chere  et  pretieux, 
je  ne  saurois  asses  vous  marquer  ma  reconnaissance  pour  tout  les  tendro 
soing,  que  vous  en  avez  pris.  M.  Th. 

XVn.  (Zettel.) 

si  Joseph  s*est  tranquilisee.  pour  le  portrait  il  Taura 

recue.  pour  les  papiers  je  suis  tres  embarass^e  car  eile  m'a  dit  souvent, 
qu'elle  me  les  recomandoit,  que  tout  n*  etoit  pas  visible  pour  lui.  pouriez 
vous  me  suggerer  quelques  moyens  de  les  pouvoir  voir  la  premiere.  Sous 
le  pretexte  de  les  avoir,  fais  chercher  tout  suite  comme  chez  tout  le  reste 
de  mes  enfants,  ou  croyez  vous  une  autre  expedient  meilleur. 

je  vous  suis  oblig^e  pour  la  triste  relation 

M.  Th. 


124 

XYm.  (Billet  der  Kaiserin.) 

lieber  Graff  Salm  ich  kan  ihm  nicht  genngsam  meiner  Erkenntlich- 
keit exprimiren  über  seine  mir  gelejsteten  Dienste,  seit  18  Jahren  bej 
meinem  Sohn  Joseph,  als  jener  bev  meiner  so  innigst  geliebten  Frauen 
Schwiegertochter,  besonders  aber  in  diesen  so  nnglücklich  als  betrübten 
Zeiten  vor  die  Torsorge.  die  er  Tor  meinen  geliebten  und  unglücklichen 
söhn  gehabt,  fahre  er  aber  fort  ihme  in  allen  mit  rath  und  thatt  an  die 
Hand  zu  gehen :  besonders  jetzund,  wo  er  sein  obristhoffmeister  benent 
ist.  sein  und  mein  Vertrauen  billig  besitzt  und  er  kan  versichert  sein  das 
alezeit  ihme  und  denen  seinigen  besonders  zngethan  sein  werde. 

Maria  Theresia. 

dieser  ring  und  eine  tabattiere,  von  welcher  das  portrait  noch  nicht 
verfertigt  ist,  solle  ihm  zum  bestaendigen  gedaechtnis  seiner  unvei^leich- 
lichen  Frauen  dienen  und  als  ein  pfand  meiner  Erkenntlichkeit. 

anno  1764  1.  Januari. 

XIX. 

ce  29  (Maerz  1764). 

Je  suis  bien  contente.  que  vous  est  arriv^  et  que  votre  sante  s*est 
si  bien  contenue.  je  crains  un  peu  la  journee,  quoique  belle  d^aujourd'hui 
pour  vous  et  celle  de  couronement.  qui  assomeroient  un  homme  robuste, 
encore  plus  un  reconvalescent.  je  suis  tres  contente  de  votre  relation.  je 
crains  seulement  Tembaras  et  gene  a  Francfort  et  Taudience,  ou  visite 
de  Telecteur  de  mayence  n*at  pas  ete,  comme  on  auroit  dut  Tattendre.  il  ne 
at  rien  dit  des  obligations,  qu*il  lui  a  que  Telection  s*est  fait  si  prompte- 
ment  effectivement  nous  lui  avons  toute  Tobligation.  les  complimens  nous 
content  (rien).  sur  tont  vis  a  vis  de  nos  egaux.  je  le  vois  devant  mes 
yeui.  il  faut  esperer.  quil  reparera  tont  cela  avec  polit«sse.  je  vous  prie 
de  remettre  celui  a  mayer  et  Tautre  a  reisach,  meme  il  contiens  des  co- 
missions  de  ma  part.  je  dois  vous  avertir,  que  le  fils  m'at  demande  tout 
d*un  Coup  leslie  pour  son  chambelland.  je  vous  prie  de  me  dire^  si  vous  le 
trouvez  convenable  ou  non;  j'ai  gagne  en  attendant  du  tems  jusqu'au  re- 
tour. Vous  dirois  a  Leslie  ^  de  ma  part  de  faire  bien  mes  comissions  a 
parme  et  de  n'en  parier  a  qui  que  ce  soit  pas  meme  a  Joseph  et  fils  me 
paroit  de  nouveau  extremement  contre  le  mariage  et  indigne  contre  la  ba- 
varoise.  Hamilton  et  tout  ce  monde  lui  en  parlent;  vous  savez  ce,  que 
j*en  pense.  mais  je  crois,  qu*il  faii*a  de  meme  pour  tous  les  quelles  il 


*  Anton  Graf  y.  Leslie,  Kammerherr. 


125 

croira,  qu'on  Toudrois  lui  destiner.  c'est  le  meme  langage,  qu'il  tiens  astcur 
qa'il  a  tenne  pour  Tlnfante.  je  crains  quo  cela  me  coutera  encore  bien 
des  chagrins  et  soings.  menagez  vous  et  conservez  moi  an  bon  et  fidel 
serviteur.  Maria  Theresia. 

je  Yous  fais  mes  complimens  snr  le  rois  des  romains. 

XX. 

(Aus  einem  andern  Briefe  der  Kaiserin,  nach  Frankfurt  gerichtet.) 

.  .  .  mes  lettres  etoient  un  pen  caustiqae  mais  j'ai  un  peu  preche; 
11  parois,  qu'on  s'en  corrige.  et  remplis  de  douleur  et  de  degout  poor  se 
remai'ier  pas  meme  celle  de  parme,  qu'il  faat  de  tems  pour  feimer  ia  plaje 

je  n'ois  m'en  repondre  la  dessus,  que  de  convenir  que  sa 

douleur  etoit  juste  sa  perte  etant  si  grande  mais  qu'il  ne  sera  jamais  bien 
guerit  que  par  un  autre  attachement  sans  entrer  en  detail 

XXI.  (Zettel.) 

12.  November  1764  ,da  die  bay.  Princessin  Josepha  als  brauth  m. 
„allergn.  Herrn  Josephe  11  roem.  K.  ist  decidiret  worden.* 

Yenez  chez  moi  a  10  heure,  le  fils  s'est  conduit  tout  ou  mieux  dieu 
Teuille  donner  la  continuation. 

xxn. 

Je  vous  envois  ici  mon  eher  Salm  Le  lettre  pour  mon  Epouse  vous 
la  lui  donnerez  d^abord  en  arrivent.  je  souhaite,  que  vous  en  soyes  con- 
tente,  quoique  vous  trouveres  une  grande  diference  entre  Lampach  et 
Casal  Magior;  mais  le  vin  est  tire,  il  faut  le  boire  et  cela  de  meilleure 
grace  que  possible,  quoique  cela  me  coute.  j'espere,  que  vous  seres  heu- 
reusement  arrive  et  que  votre  sante  n^aura  pas  soufert  de  L'humidit^. 
mes  compliments  a  Madame  de  Lynden '  et  tout  la  cour  de  meme  qu'a 
Madame  Creuth,  si  vous  la  voyöz.  adieu  a  revoir  Dimanche  je  serai  toujours 

ce  16  Janvier  1765.  Joseph. 


*  Maria  Johanna  Barbara  Gräfin  d'Aspremont-Lynden,  geb.  Gräfin  v.  Nostitz, 
Obersthofmeisterin  der  Römischen  Königin  Maria  Josefa. 


JOSEF  FREIHERR  VON  SIMBSCHEN 


UND  DIE 


ELLUNG  ÖSTERREICHS  ZUR  SERBISCHEN  FRAGE 


(1807—1810). 


VON 


D»  FRANZ  RITTER  VON  KRONES, 

PROFESSOR  AK  DRR  UNIVERSITIT  IN  GRAZ, 
CORRESPOKDIREKDES  MITOLIID  DER  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHArTEN  IN  WIEN. 


Vorbemerkung. 


Zu  den  bedeutsamsten  politischen  Fragen,  die  den  Ge- 
sichtskreis der  österreichischen  Politik  im  Zeitalter  der  Fran- 
zosenkriege beherrschten,  zählt  die  serbische,  der  Aufstand  im 
Süden  der  Donau  unter  der  Führung  Kara  Georgs  Petrovi6, 
und  eine  entscheidende  Phase  in  dem  Verhältnisse  des  Wiener 
Cabinetes  zu  dieser  weltgeschichtlichen  Volkserhebung  knüpft 
sich  an  die  Jahre  1807 — 1810,  innerhalb  deren  auch  eine  ver- 
hängnissvolle Kjrise  des  heimischen  Staatswesens,  die  schwerste 
Erschütterung  seines  Machtbestandes,  verläuft. 

Die  Hauptrolle  in  dieser  Phase  der  serbischen  Politik 
Oesterreichs  spielt  als  Vertrauensmann  der  Wiener  Regierung 
Feldmarschalllieutenant,  dann  Feldzeugmeister,  Josef  Freiherr 
V.  Simbschen  (geb.  1746,  6.  Oct.,  gest.  1820, 14.  Januar),  dessen 
handschriftlicher  Nachlass,^  von  seinem  Enkel,  Julius  Freiherm 
V.  Simbschen,  k.  k.  Oberstlieutenant  i.  R.,  dem  Verfasser  dieser 
Abhandlung  in  zuvorkommendster  Weise  zur  Benützimg  über- 
lassen, den  wesentlichsten  Behelf  zur  Darlegung  des  geschicht- 
lichen Sachverhaltes  abgibt. 

Dieser  Behelf  ermöglicht  es,  das,  was  A.  Beer  in  seinem 
verdienstlichen  Werke  ,Die  orientalische  Politik  Oesterreichs 
seit  1774*  (1883)  auf  Grundlage  des  Actenbestandes  im  Wiener 
Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  und  Kriegsarchiv  über  die  Mission 
Simbschen's  in  der  serbischen  Frage  episodarisch  einflicht,  nach 
allen  Richtungen  zu  ergänzen  und,  verbunden  mit  dem  Vor- 
leben Simbschen's,  als  etwas  Ganzes  monographisch  darzustellen. 


1  "Es  sind  dies  vornehmlich  seine  412  Folioseiten  umfassende  Vertheidigungs- 
schrift  oder  Apologie  aus  dem  Jahre  1816,  die  bezüglichen  Actenstücke 
und  die  sein  BerufiBleben  bis  1807  betreffenden  Decrete  und  C'orrespon- 
denzen. 

▲reldT.  Bd.  LXXYl.  I.  H&lfte.  9 


JOSEF  FREIHERR  VON  SIMBSCHEN 


UND  DIE 


:ELLUNG  ÖSTERREICHS  ZUR  SERBISCHEN  FRAGE 


(1807—1810). 


VON 


D"  FRANZ  RITTER  VON  KRONES, 

PROFESSOR  AN  DRR  UNIVERSITIT  IN  QRAZ. 
C0RRE8P0NDIRENDE8  MITOUID  DER  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN  IN  WIEN. 


Simbachen,  der  um  diese  Zeit  (1.  August  1788)  Major  des 
I.  Banalgrenz regimentes  geworden  war,  die  Gelegenheit  zu 
rascher  Beförderung.  1789  (17.  Febmar)  dem  Generalquartier- 
meiaterstabe  zugethcilt,  rückte  Simbsuhen  am  3.  Mai  des  gleichen 
Jahres  zum  Oberstlieutenant  vor  und  wurde  1790  (14.  Februar) 
Oberst,  vertraut  mit  den  Verhältnissen  der  Militärgrenze  und 
der  serbo-croatischen  Sprache  miTchtig.  1791,  21.  September, 
ging  or  zu  seinem  Regimente  ab. 

Als  die  Kämpfe  mit  der  französischen  Republik  auf  dem 
Boden  Italiens  begannen  (1793),  finden  wir  Simbschen  im  Mai- 
ländischen als  Vertrauensmann  des  damaÜgen  Statthalters,  Erz- 
herzog Ferdinand  von  Modena-Este,  zunächst  mit  der  Aufgabe 
betraut,  Ankunft,  Zweck  imd  Ueiscplan  dos  vom  Nationalcon- 
vcnte  entbotenen  und  wohl  ausgerüsteten  Diplomaten  Sdmouville, 
damals  Vertreters  Frankreichs  in  Genua,  auszukundschaften. 
Wie  uns  Simbschen  in  seiner  Denkschrift  erzKhlt,  sandte  ihn  der 
Erzherzog  unter  der  Maske  eines  Triestiner  Kaufmannes  und 
mit  einem  zu  diesem  Zwecke  ausgefertigten  Passe  nach  Genua. 
S^monville  war  mit  stattlichem  Gefolge,  24  Personen,  und  ver- 
sehen mit  Schmuck  und  Kostbarkeiten  aller  Art,  im  angebiichen 
Werthe  von  20  Millionen  Francs  (!),  eingetroffen  und  erhielt 
während  der  Anwesenheil  Simbschen's  von  seinem  Ministerium 
den  Auftrag,  sich  durch  die  Schweiz  und  das  venctianische 
Gebiet  in  die  Lagunenstadt  zu  begeben,  hier  einzusclüfFen  und 
den  Weg  nach  Constantinopel  zu  nehmen.  Er  sollte  die  Pforte 
durch  Worte  and  Geschenke  zu  kriege ria eben  Bewegiuigeu  an 
der  Südgrenze  Oesterreichs  veranlassen,  um  so  den  kaiserlichen 
Heeren  am  Rheine  und  in  den  Niederlanden  das  plangcrechte 
Weiterführen  de«  Krieges  thunlichst  zu  verleiden. 

Man  hatte  unserem  Simbschen  den  damaligen  Oberliente- 
nant  (spSter  Feldmarschalllieutenant)  Richter  von  Binneiilhal 
in  der  Verkleidung  eines  HandkmgS'lieners  beigegeben.  Sic 
bereisten  nun  die  Schweiz,  das  Walüser  Land,  die  Ufer  des 
Lago  maggiore  und  Lago  di  Com«,  um  möglichst  verlässliche 
Nachrichten  über  die  Mission  des  genannten  Franzosen  ein- 
zuholen. Ee  sei  ihnen  auch  gelungen,  alle  Einleitungen  zu 
treffen,  dass  Si'monville  und  sein  Gefolge  am  20.  Juli  17J»3 
am  I-ago  di  Como  angehalten  imd  mit  ihrer  gaintm  Habe, 
Papieren,  Geld  und  Kostbnrkrtiten  festgenommen  werdan 
konnten. 


133 

Was  wir  über  diese  Begebenheit  aus  gleichzeitigen  Archi- 
yalien^  und  zwar  aus  den  Correspondenzen  der  Wiener  Hof-  und 
Staatskanzlei  erfahren,^  betrifft  nur  die  bezügliche  Kundschafter- 


^  lieber  die  Gefangennehmung  des  französischen  Gesandten  Charles  Louis 
Hugo  S^monville  und  Hugo  Bemard  Maret's  (bevollmächtigten  Mini- 
sters der  firanzösischen  Republik  beim  KOnige  beider  Sicilien)  der  Madame 
S^monville  und  der  zehn  Bediensteten  S^monyille's  und  Maret's  vergleiche 
die  interessanten  Actenstücke  in  den  ^Quellen  zur  Geschichte  der 
Politik  Oesterreichs  während  der  französischen  Revolutions- 
kriege* (1793—1797)  von  H.  v.  Zejssberg  I.  (Wien  1882),  zunächst  die 
Depeschen  des  Osterreichischen  Geschäftsträgers  in  Graubtindten  (Chur), 
Cronthal,  an  Grafen  Wilczek,  k.  k.  bevollmächtigten  Minister  und  Re- 
gierungspräsidenten in  Mailand,  und  an  Minister  Thugut,  vom  7.  Juli 
1793  ff.  Cronthal  hatte  (a.  a.  O.  S.  141)  am  2.  Juli  in  Erfahrung  gebracht, 
dass  in  wenigen  Tagen  S^monville,  vormals  in  Genua,  dann  in  Turin, 
über  das  Veltlin  nach  Venedig  abgehen  wolle,  und  zwar  in  Gesellschaft  des 
nach  Neapel  bestimmten  Maret  u.  A.  Sie  kamen  über  Genf,  Lausanne 
nach  Zürich  ,mit  vielem  Gtolde*.  Am  gleichen  Tage  (schreibt  er  an 
Thugut)  habe  er  die  Meldung  an  Grafen  Wilczek  abgehen  lassen.  12.  Juli 
schreibt  Cronthal  an  Grafen  Wilczek  aus  Coira  (a.  a.  O.  S.  148),  die  fran- 
zösischen Sendlinge  seien  den  8.  in  Coira  eingetroffen,  und  zwar  22  Personen 
im  Ganzen,  von  St.  Gallen  herüber;  den  11.  reisten  sie  nach  Lancio 
weiter,  um  dann  den  Weg  nach  Bergüns;^über  den  Albulapass  nach  dem 
Engadin  und  über  die  Bernina  und  Poschiavo  nach  Yaltelin,  sodann  über 
Tirano  und  Monte  Apiica  ins  Venetianische  fortzusetzen.  Den  13.  Juli 
meldet  Cronthal  aus  Chur  weiter  an  Thugut  (a.  a.  O.  S.  149),  die  Reise- 
gesellschaft sei  am  8.  Juli  Abends  in  Chur  eingetroffen  und  den  12.  Früh 
weiter  gereist.  ,DieBe  Leute,*  schreibt  Cronthal,  ,müssen  entweder  eine 
unglaubliche  Menge  Goldes  bei  sich  haben,  oder  sie  sind  desperate  Leute, 
denn  sie  scheinen  die  Louisdor  nicht  mehr  als  Kreuzer  zu  schätzen.  Sie 
wollten  Alles  durch  Gk>ld  bezwingen.  Man  suchte  sie  von  der  Unmög- 
lichkeit zu  überzeugen,  dass  sie  ihre  ungeheuren  Wagen,  auch  zerlegt, 
nicht  über  die  Gebirge  bringen  würden.  Sie  hörten  aber  keinen  Rath 
und  thaten  gerade  so,  wie  sie  es  haben  wollten  .  .  /  Durch  einen  ihnen 
nachgeschickten  Vertrauensmann  erfuhr  Cronthal,  dass  sie  endlich,  von 
den  fast  unüberwindlichen  Schwierigkeiten  ihres  ursprünglichen  Vorhabens 
überzeugt,  den  Weg  über  die  Albula  und  Bemina  aufgaben  und  die 
bessere  Bergstrasse  über  den  Septimer  nach  Kleffen  (Chiavenna)  einzu- 
schlagen beschlossen,  ,wo  sie  also  dennoch  nothgezwungen  den  Mailän- 
dischen Grenzen  so  nahe  vorbei  müssen,  welchen  sie  bis  jetzt  mit  so  vielen 
Kosten  und  durch  alle  nur  möglichen  Mittel  auszuweichen  gesuchet  haben*. 
Cronthal  habe  die  Abänderung  ihres  Reiseplanes  sogleich  nach  Mailand 
gemeldet  Ueber  die  Gefangennehmung  selbst  ist  massgebend  der  Bericht 
des  Dr.  Pozzi  aus  Gravedona  (am  Comersee)  vom  26.  Juli  an  Erzherzog 
Ferdinand  t.  Este,  Statthalter  in  Mailand  (a.  a.  O.  S.  150  f.).  Demzufolge 
wurde   der  Genannte   von  einem  verlässlichen  Kundschafter  zu  Traona 


134 

thätigkeit  eines  gewissen  Dr.  Pozzi  und  die  entscheidenden 
Vorkehrungen  des  Podestk  von  Traona.  Hievon  verständigen 
uns  die  Depeschen  des  österreichischen  Geschäftsträgers  in 
Qraubündten,  Cronthal,  an  Grafen  Wilczek,  Präsidenten  der 
mailändischen  Regierung,  und  an  den  Minister  Freiherm  von 
Thugut.  Immerhin  lässt  sich  ein  Zusammenwirken  verschiedener 
Persönlichkeiten  zum  gleichen  Zwecke  annehmen. 

Auch  weiterhin  stand  Simbschen  bei  dem  Erzherzog  Fer- 
dinand in  Gunst.  ^  Das  Eriegsjahr  1795  zeigt  uns  Simbschen  an 
den  Kämpfen  bei  Savona  (23.  Juni),  Loano  (23.  November)  und 
Dego  (28.  November)  betheihgt.  So  kam  es  denn  auch  bald 
(9.  December)  zu  seiner  Beförderung;  er  verUess  als  General- 
wachtmeister oder  Generalmajor^  den  Boden  Italiens. 

Bald  fand  Simbschen  die  Gelegenheit,  sich  bei  der  grossen 
Armee  Oesterreichs  in  Deutschland  hervorzuthun.  Er  begegnet 
uns  unter  dem  Oberbefehle  Erzherzog  Karls  im  Sommer  1796 
auf  dem  deutschen  Kriegsschauplatze,  bei  Wetzlar,  Kirchheim, 
Friedberg,  Limburg  und  Neuwied,  vertheidigte  neun  Wochen 
die  Festung  Mainz  bis  zu  deren  Entsätze  vom  4.  September, 
bestand  mit  Erfolg  das  Gefecht  bei  Wiesbaden  (9.  September) 
und  nahm  Theil  an  der  Wiedereroberung  von  Dietz  und  Bingen. 
Ebenso  verdienstlich  wirkte  er  im  Reservecorps  der  kaiserlich 
niederländischen  Armee  in  den  Kämpfen  vor  Limburg,  Wies- 


( Valtelin)  über  die  Ankunft  der  fransOsischen  BeiBegesellBchüft  des  N&heren 
unterrichtet  und  bewirkte  durch  den  entschlossenen  Podestii  von  Traont 
den  25.  Juli  die  Gefangensetzung  derselben  in  Norate,  am  Lago  dl 
Mazsola,  bei  Chiavenna,  in  der  N&he  der  Osterreichischen  Grenxe.  Sie 
waren,  wie  Cronthal  am  27.  Juli  an  Thugut  berichtet  (a.  a.  O.  8.  1&3),  in 
Vieo-Soprano  (in  Bergeil,  5  Stunden  von  Chiayenna)  benachrichtigt  wor- 
den, dass  die  mail&ndische  Regierung  an  der  Qrense  Anstalten  getroffen 
habe,  sie  aufzufangen.  Sie  blieben  daher  einige  Tage  in  Vico-Soprano, 
um  sich  für  die  Weiterreise  nach  Chiavenna  und  weiterhin  bündtnischeo 
Geleites  zu  versichern.  —  Man  schaffte  die  Ge&ngenen  aunlchst  nach 
('Omo,  um  sie  dann  in  der  Citadelle  von  Mantua  unterzubringen. 

1  170r>,  7.  Juli  schreibt  Erzherzog  Ferdinand  aus  Monza  an  Simbschen, 
dankt  ihm  für  die  gemachten  Meldungen  über  die  Erfolge  der  kaiser- 
lichen Truppen,  fordert  ihn  zu  weiteren  Mittheilungen  über  die  Disloca- 
tionou  der  letztereu,  die  verwundeten  Officiere  u.  s.  w.  auf  und  empfiehlt 
ihm  die  Herstellung  der  versprochenen  Karte.  (Orig.  N.  S.  ss  Nachlass 
Simbschens.) 

3  Zu  dieser  Bof^trderung  beglückwünschte  ihn  Erzherzog  Ferdinand  ans 
Mailand  23.  December  1796  (Orig.  N.  S.). 


185 

baden  ^  Königstein  und  bei  der  Deckung  der  Reichsstadt 
Frankfurt. 

Wie  sehr  er  damals  schon  das  Vertrauen  des  Generalissi- 
mus; Erzherzog  Karl^  besass^  geht  aus  dem  Schreiben  des  Letz- 
teren an  Simbschen  vom  21.  Juli  1798  (Prag)^  hervor,  worin 
der  kaiserliche  Prinz  ihm  flir  seine  Zuschrift  und  den  bei- 
geschlossenen Entwurf  einer  ,Verbesserung  des  Kriegswesens' 
dankt  Sobald  der  Erzherzog  das  Schriftstück  gelesen,  werde 
er  es  an  den  Kaiser  gelangen  lassen.  Einige  Wochen  später 
(16.  November  1798)  dankt  er  ihm  aus  Friedberg  iftir  die  Ueber- 
sendung  von  drei  Karten,  welche  er  bald  zurückstellen  wolle, 
und  verspricht  ihm  in  der  Folge  etwas  flir  Simbschen's  ältesten 
Sohn  (Josef)  zu  thun,  was  augenblicklich  bei  der  bestehenden 
Avancementssperre  nicht  möglich  sei.'^ 

Auch  Feldmarschalllieutenant  Sztäray  stand  mit  Simbschen 
in  näheren  Beziehungen.  1799,  24.  Februar,  schickt  Sztäray 
die  ihm  anvertrauten  Schriftstücke  mit  dem  Bemerken  zurück, 
dass  deren  Bearbeitung  dem  Verfasser  zum  Ruhme,  dem  Kriegs- 
wesen zum  Nutzen  gereiche.^  Die  Erkrankung  des  genannten 
Feldmarschalllieutenants  bot  unserem  Simbschen  auch  Gelegen- 
heit, sich  unter  der  Fahne  des  Erzherzogs  Karl  in  der  ent- 
scheidenden Schlacht  bei  Liptingen- Stockach  (25.  und  26.  März 
1799)  —  in  Stellvertretung  Sztäray's  —  als  Befehlshaber  eines 
selbstständigen  Corps  auszuzeichnen. 

Er  rückte  dann  mit  der  Avantgarde  des  flir  den  Krieg 
in  der  Schweiz  bestimmten  kaiserlichen  Heeres  über  die  eid- 
genössische Grenze,  machte  die  blutige  Schlacht  bei  Zürich  (4.  Juni 
1799)  mit  und  stand  auch  den  Russen  unter  Suwarow  in  den  ver- 
lustreichen Kämpfen  an  der  St.  Gotthardstrasse,  in  Uri,  im  Canton 
Glarus  imd  in  Graubündten  (September — October  1799)  zur  Seite. 

Wie  sehr  Erzherzog  Karl  Simbschen  schätzte,  beweisen 
seine   Briefe   vom   23.  October^   und  6.  November  1799.    Der 


1  Orig.  N.  8. 

2  Orig.  N.  8. 

*  Datirt  von  Amberg.  Orig.  N.  8. 

*  1799, 23.  October,  Donaneschingen.  Der  Erzherzog  beantwortet  Simbschen^s 
Schreiben  vom  22.  December.  Von  einem  General-Avancement  sei  ihm 
nichts  bekannt.  ,8ollte  jedoch,*  heisst  es  weiter,  ,wider  Vermuthen  dieser 
Fall  eintreten,  so  seien  8ie  überzeugt,  dass  ich  Ihnen  nicht  nur  volle 
Gerechtigkeit  widerfahren  lassen,  sondern  auch  thätigst  für  Sie  mich  ver- 
wenden werde.* 


i 


136 

Greneralissimus  ist   sichtlich   bemüht,    Simbschen    die    Meinung 
man  verkeime,   unterschätze  seine  Leistungen,    zu    benehmen  ' 

Vom  14.  Februar  1800  datirt  der  Armeebefehl  Erzherzog 
Karls,    worin    Simbschen    zum    Oeneralinspector    und   Director 
sftmmtlicher  ergänzenden  Vertheidigungsanstalten  im  Reiche  er- 
nannt wird,  um  ,in  die  verschiedenen  theils  bereits  bestehenden 
theils  noch  zu  errichtenden  Landesbewaffnungen  das  erforder- 
liche  System,   sowie  die  nöthige  Einheit  und  Verbindung  mit 
den  k.  k.  Truppen  zu  bringen'.^  Ein  Schreiben  Fassbender's 
der  rechten  Hand  des  Generalissimus  in  allen  Administrativmass- 
regehi,  vom  10.  Juli  1800  (Regensburg)  lobt  die  Thätigkeit  Simb- 
schen's  in  den  fränkischen  und  oberrheinischen  Reichskreisen ' 

Im  verhängnissvollen  Kriegsjahre  1800  befehligte  Simb- 
schen ein  Corps  im  Spessart;  das  nächste  (1801)  bescheerte  ihm 
(6.  März)  die  Ernennung  zum  Feldmarschalllieutenant.  An  ihn 
als  solchen  schreibt  (15.  November  1801)  Erzherzog  Karl  er 
möge  sein  Gutachten  über  die  im  Zuge  befindlichen  Verbesse- 
rungspläne ftlr  das  Heerwesen  abgeben.^ 


'  Der  zweite  Brief  (vom  6.  November  1799)  laatet:  J^ieber  Herr  General! 
Die  Gesinnungen  der  Achtung  und  Zuneigung,  welche  ich  Ihnen  mit  Ver- 
gnügen jederzeit  beweise,  werden  Ihnen  den  wannen  Antheil,  den  ich  an 
Ihrer  Lage  nehme,  nicht  nur  verbürgen,  sondern  Sie  zugleich  mit  der  Ver- 
sicherung beruhigen,  dass  ich  Ihre  gerechten  Ansprüche  auf  eine  Belohnung 
bereits  mit  allem  Nachdruck  geltend  zu  machen  bemüht  war.  Ich  sehe  nun 
dem  günstigen  Erfolge  meiner  Verwendung  ebenso  sehnsachtsroll  entgegen, 
als  es  mir  angenehm  ist,  Ihnen  zu  wiederholen,  dass  ich  mit  aller  Werth- 
schStzung  verharre,  lieber  Herr  General,  Ihr  aufrichtigst  ergebener  Erz- 
herzog Karl  m.  p.*  (Orig.  N.  S.) 

s  Orig.  N.  S. 

'  Orig.  N.  S.   Fassbender  nennt  Simbschen   in  seinem  Briefe  ^seinen  alten 
verehrungswürdigen  Freund*. 

*  ISOl,  15.  November,  Wien.  Erzherzog  Karl  an  FML.  Simbschen. 
,Se.  llajesat  befehlen  mir  in  allen  Zweigen  der  Militärverwaltung  die 
mifglichsto  Vereinfachung  und  jene  Aenderungen  zu  treffen,  welche  die 
Armee  auf  den  höchsten  Grad  von  Vollkommenheit  bringen  kOnnen.  Da 
nun  jeder,  der  mit  Aufmerksamkeit  den  Lauf  des  Krieges  beobachtete 
die  Ueb^rzengung  aufgenommen  hat,  dass  ohngeachtet  der  Güte  unseres 
Exercitiums,  dem  man  die  Beweglichkeit  der  Truppen  verdanket,  selbes 
doch  durch  die  geinderte  Art  den  Krieg  zu  führen  mit  Nutzen  einigen 
Aenderungen.  ohne  das  System  zu  umwälzen  oder  den  Mann  weniger  zu 
beschlftigen,  unterzogen  werden  kann«  so  fordere  ich  den  Herrn  Feld- 
marschallUeutenant,  von  Dero  Einsicht  und  Kenntnis«  überseogt,  auf,  mir 
bis  Ende  Jinner  1^>:2  Ihre  Bemerkungen  über  das  Infimterie-Exercier- 


137 

Später  müssen  wir  ihn  als  Divisionär  in  Mähren  voraus- 
setzen, da  ein  Schreiben  des  damaligen  Statthalters  Josef  Grafen 
von  Wallis  (1805,  27.  Mai)  vorliegt,  worin  er  seinen  Dank  für 
Simbschen's  Thätigkeit  und  Eifer  in  der  Bewältigung  der  da- 
maligen Ueberschwemmungsgefahren  ausspricht.* 

Die  bedeutendste  militärische  Leistung  Simbschen's  knüpft 
sich  an  den  italienischen  Krieg  Oesterreichs  vom  Jahre  1805, 
an  den  WaflFengang  Erzherzog  Karls  gegen  die  Franzosen.  Als 
die  Entscheidung  bei  Caldiero  geschlagen  wurde  (29.  bis 
31.  Oetober),  befehligte  Simbschen  acht  Infanterieregimenter  und 
acht  Husarenschwadronen  und  hielt  nicht  nur  unter  dem 
Corpsbefehle  Bellegarde's  seine  heftig  ängegriiBFene  Stellung  ge- 
gen General  Molitor  fest,  sondern  vollführte  auch  aus  eigenem 
Antriebe  die  entscheidenden  Bewegungen,  wie  dies  auch  der 
Bericht  des  Generalissimus  vom  17.  November  1806  anerkannte. 

Auf  dem  durch  die  vcrhängnissvollen  Ereignisse  vor  Ulm 
und  das  Vordringen  Napoleons  I.  nach  Oesterreich  und  Mähren 
erzwungenen  Rück^^ge  aus  Italien  ertheilte  Erzherzog  Karl 
3.  December  1805  (Gross -Sonntag  in  Steiermark)  ^  unserem 
Simbschen  eine  Reihe  wicfitiger  Aufträge,  die  mit  seiner  Be- 
stallung zum  Leiter  der  Vertheidigungsanstalten  Innerosterreichs 
und  der  Militärgrenzc  zusammenhiengen. 

An  ihn  wurden  laut  eines  gleichzeitigen  Befehles  die 
Generale  Knezevich,  Rakichevich,  Stojanich,  Oberst  Boxich  ge- 
wiesen und  ihm  einige  Officiere  des  Generalquartiermeister- 
stabes zugetheilt.  ^  Auch  Feldmarschalllieutenant  Jellachich  hatte 
sich  den  Weisungen  Simbschen's  in  Hinsicht  der  Insurrections- 
mannschaft  und   ihrer  künftigen  Verwendung  zu  fügen.     Zwei 

Regulament  an  dio  Hand  za  geben,  und  stelle  nachfolgende  drei  Grund- 
lagen zu  Bearbeitung  desselben  auf,  als:  1.  Hintanlassung  alles  Ent- 
behrlichen, 2.  die  grösste  Vereinfachung  des  Ueberbleibenden,  damit 
besonders  alle  Bewegungen  auf  die  einfachst  leichteste  Art  in  der  ge- 
schwindesten Zeit  vollbracht  werden  kOnnen,  und  3.  Unterricht  für  die 
Officiers,  "wie  sie  sich  zu  benehmen  haben,  a)  um  ihre  unterhabende 
Mannschaft  zu  bilden,  b)  sie  so  zu  führen  und  mitzuwirken,  damit  alle  Be- 
wegungen mit  Schnelligkeit  und  grösstor  Genauigkeit  ausgeführt  werden. 
Erzh.  Karl.*  (Orig.  N.  8.) 

1  Josef  Graf  Wallis  war  damals  Gouverneur  Mährens,  bald  darauf  Oberst- 
burggraf von  Böhmen. 

»  Orig.  N.  ö. 

»  Orig.  N.  8. 


I 


138 

Tage  später  (7.  December,  Gross-Körmend)  schreibt  der  Ad- 
latus  des  Erzherzogs^  Graf  Grünne;  Referent  des  obersten  Chefs 
der  Militärverwaltung,  an  Simbschen,  seine  Verdienste  in  der 
Schlacht  bei  Caldiero  und  in  der  jetzigen  Dienstleistung  habe 
man  dem  Kaiser  besonders  angerühmt  und  ftlr  ihn  die  Ver- 
leihung des  ersten  frei  werdenden  Infanterieregimentes  erbeten.^ 
Simbschen  wurde  auch  im  November  1806  Inhaber  des  43. 
Infanterieregimentes.  Den  Maria  Theresienorden  hatte  ihm  be- 
reits der  April  des  gleichen  Jahres  bescheert.^ 

Damals  (1806)  befand  sich  Simbschen  in  Marburg.  Hier 
traf  ihn  ein  Schreiben  Grünne's  vom  11.  April,  bemerkenswerth 
in  mehr  als  einer  Richtung,  so  dass  es  vollinhaltlich  wieder- 
gegeben zu  werden  verdient.'  Es  beweist  neuerdings  das  Ver- 
trauen Erzherzog  Karls  als  Generalissimus  und  Kriegsministers, 
der  in  Simbschen  den  rechten  Mann  für  die  wichtige  Stellung 
eines  Divisionärs  in  Croatien  mit  dem  Sitze  in  Agram  er- 
kannte. 

In  dieser  Stellung  blieb  denn  auch  «Simbschen  bis  zum 
Juni  1807,  welcher  Monat  seine  neue  bedeutsame,  aber  auch 
für  ihn  verhängnissvolle  Emennuofg  zum  Commandirenden  in 
Slavonien  mit  dem  Amtssitze  in  Peterwardein  vollzogen   sah.^ 

Diesen  Posten  hatte  bis  dahin  der  —  nach  Simbschen's 
Angabe  —  damals  schon  96jährige  Feldzeugmeister  Freiherr 
von  Geneyne  seit  16  Jahren  innegehabt.  £^  war  hoch  an  der 
Zeit,  einen  Personenwechsel  eintreten  zu  lassen,  denn  ein  solches 
Amt  bedurfte  der  vollen  Kraft  eines  rüstigen  Mannes. 

n. 

Slmbschen^s  AmtsvorgSnger  Im  slavonlschen  Oeneralate 

und  die  Zustande  in  der  MilitSrgrenze  bis  zum  Abgange 

Slmbschen's  nach  Peterwardein  (1783—1807). 

Freiherr  von  Geneyne  hatte  seinerzeit  nicht  un ver- 
dienstlich   gewirkt.     Als    Oberst    des    deutsch-banater    Grenz- 

1  Orig.  N.  S. 

2  Vgl.  Hirten feld.  Der  militärische  Maria  Theresienorden  und  seine  Mit- 
gUeder,  S.  784. 

3  S.  Anhang  Nr.  I. 

*  1807,  14.  Juni,  Ofen.    Der  Commandirende  Freiherr  ▼.  Alvinsi  beglück- 
wünscht Simbschen  zn  seiner  Emennong.    Qrig.  N.  8. 


regimentes  ward  ihm  —  zwei  Jahre  nach  tier  Thronbesteigwng 
Kaiser  Josefs  11.  —  der  Auftrag  gegeben,  mit  einer  BereiBung 
der  MUitärgrenze  die  umfassendsten  Erhebungen  zu  verbinden 
und  darüber  eingehend  au  berichten. ' 

Genejne  vollzog   1783—1785    diesen  Auftrag,   und   seine 
Eingabe  deckte  eine  Fülle  von  Ucbelständen  auf,  deren  dring- 
liehe   Abstellung    begründet    wurde.     Um    ein    GnmdUbel,    die 
Ueberbllrdung    der    StabsofG eiere    mit    poütisch- administrativen 
Geschäften,  zu  beseitigen,  achlug  er  die  Trennung  des  Militär- 
dienstes von  der  eigentliehen  Administration  vor,  welche  letztere 
eine  selbstständige  militärische  Oantonsverwaltung, 
Regimentsc  omm  an  den  zur  Seite,  einzurichten  wäre. 
Kaiser  Josef  11.  genehmigte   diese  Vorschlage,   beförderte 
'^eneyne  zum  Generalmajor  und   Hess  verauehawcise  die  Tren- 
nung oder  Zweitheilung   der   militärischen   und  administrativen 
Amtssphäre  zunächst  im  deutsch-banater  Grenzcommando  durch- 
4blireii,    womit  die  Conscription,  Mappirung  und  Individualver- 
leUung  der  Grundstücke,   ausschliesslich  des  Waldes  und  der 
[otweiden,  Hand  in  Hand  ging.     Im  Jahre   1784  wurde  auch 
Tschajkistenbatailloii    in   gleicher   Weise   eüigerichtet   und 
meyne   (13.  Febi-uar  1785)   beauftragt,    einen   Plan    filr    die 
;«nisirung   aller   Grenzdistricte    nach    dem    (Jan tonal Systeme 
aoszuarbe  i  ten . 

Bevor  es  jedoch  zu  der  bezüglichen  , Verfassung'  der 
slavonischen  Militärgrenzc  kam,  bewirkte  ihr  Commandant, 
Feldmarschall  Graf  Wenzel  Colloredo,  durch  die  von  ihm 
geltend  gemachten  , Vorstellungen'  eine  neue  com mission eile 
Berathung  der  Grenzreform,  und  mit  um  so  leichterem  Erfolge, 
da  auch  das  Banal-  oder  croatische  Grenzcommando  mancherlei 
Bedenken  geltend  machte.  So  kam  es  denn  zufolge  der  im 
[ofkriegsrathe  gepHogeneu  Berathuugen  vom  25.  bis  30,  Mai 
[85     zur    Bearbeitung     detailHrter     Cantonsverfassungen 


<  Vgl.  fibBT  die  benaglicbe  MiUtSrgrenKveriiassnng  und  iliru  geschiclitUcben 
Wandlungen:  C.  L.  B.  ".  Hiolaiiuger,  StatiaÜk  der  Militärgrenze  des 
Ortamichutlieii  Kaiserthume,  3  Thie.,  Wien  lälT;  UtjoieDovi,;,  Die 
HanwonimaiuoDOii  der  Südslaven,  Wien  1809;  Vanifok,  SpeciiilgeBchichte 
der  OMeITeichiac^1lOD  MiUtai^renKe,  Wien  lä74  ff.  ^4  Thle.);  Bchwicker, 
Qeachichte  der  Bcterreiclüsclien  MiliEIr^Tcnie,  Wien  und  Teachen  1883; 
djun   die   hnndachriflliche  Apologie  Simbsehen'a   ans  dem  Jahre  1816. 


140 

dxtrcli  die  ein2>*In«»n  GeneraJeommjmdos  mit  der  Frist  bis  No- 
rember  1TS6. 

Die  betreffende  Lebtnzur  des  FeldnuurschalDieutenaiits  de 
Vins  erhielt  den  Beifall  des  Monarchen«  und  sie  wurde  des- 
halb  der  neuen  jSy^enuJverordnung*  Tom  14.  Februar  1787 
zu  Grunde  gelegt,  mit  welcher  die  Einrichtung  der  neuen 
Caniönsvertassungen  für  die  croatische  oder  Banal-,  die  sla- 
Tonische  und  Avt  Banater  oder  ungarische  Militftrgrenze  vorge- 
zeiehnei  erscheint. 

Diese  Reform  befriedigte  jedoch  keineswegs  in  Allem  und 
Jedem,  daher  fehlte  es  denn  auch  nicht  an  nachträglichen  Gut- 
achten, Verhandlungen,  hofkriegsräthlichen  Rescripten,  und  das 
General-Grenzinspectorat  des  Feldzeugmeisters  Freiherm 
de  Vins  «1791 — 179??»  konnte  die  mannigfaltigen  Uebelstände 
nicht  beheben,  ilie  man  Torwiegend  ak  Schlagschatten  der 
CantonsverfisL^suniT  ansah. 

Als  daher  Colloredo  Anfangs  1799  zum  Nachfolger 
de  Vins*  im  MUitärgrenzinspectorate  ernannt  wurde,  kam  es 
am  17.  September  ISOO  zur  Beseitigung  des  dualistischen 
Cantonssysiems  der  Militärgrenze  und  zur  Wiederherstellung 
einer  einheitlichen  Verwaltung,  deren  Credit  allerdings  auch 
bald  wieder  ins  Sinken  kam. 

Der  Vertreter  und  Trüger  einer  Neugestaltung  des  Heeres- 
wesens Oesterreichs  seit  iSOl.ErzherzogKarl,  erkannte  alsbald, 
dass  auch  die  Grenze  einer  griindlichen,  allgemeinen  und  organi- 
schen Reform  bedürfe,  zu  deren  Ermügliehung  die  umfassend- 
sten Vorerhebungen  angeordnet  wurden.  1803  wurde  eine  com- 
missionelle  Berathung  unter  dem  Vorsitze  Erzherzog  Lud- 
wigs angeordnet  und  das  Ergebniss  derselben  (Ende  Juli  1803) 
einer  besonderen  Hofcommission  mit  dem  Generalmajor  und 
Hofkriegsrathe  Klein  an  der  Spitze  zur  Prllfung  der  einzelnen 
Punkte  auf  dem  Wege  einer  Bereisung  der  Militärgrenze  nach 
einer  Instruction  vom  15.  August  1803  überwiesen. 

Nach  Beendigimg  dieser  Untersuchungsreise,  welche  8^  'j 
Monate  in  Anspruch  nahm,  legte  die  bezeichnete  Hofcommission 
ihre  Erhebungen  einer  1804  unter  dem  Vorsitze  Erzherzog 
Ludwigs  neugebildeten  Organisirungs-Hofcommission  vor,  aus 
deren  Berathungen  die  wichtige  Arbeit  des  Hofkriegsrathes 
K.  V,  Pidoll  und  des  Hofkriegsraths-ConcipisteU;  dann  Secretärs 


141 

F.  J.  Kleyle  hervorging/  1806  neuen  Begutachtungen  unter- 
zogen wurde  und  7.  August  1807  unter  dem  Titel  ,Grund- 
gesetze  für  die  Karlstädter,  Warasdiner,  Banal-Slavo- 
nische  und  Banater  Militärgrenze^  die  Sanction  des 
Kaisers  erhielt,  um  dann  vom  1.  November  1807  an  in  Wirk- 
samkeit zu  treten.  Erzherzog  Ludwig  wurde  als  ,GeneraI- 
Grenzdirector^  mit  der  Durchführung  des  neuen  Systems 
betraut. 

Es  ist  nicht  die  Aufgabe  dieses  Aufsatzes,  die  Einzel- 
bestimmungen dieses  umfangreichen  Grenzstatuts  zu  erörtern. 
Nur  eine  Hauptbestimmung  soll  hier  zur  Sprache  kommen,  da 
dieselbe  den  stärksten  Gegensatz  zu  dem  älteren  Grenzsystem 
bildet  und  gerade  in  der  Zeit  der  Amtsführung  Simbschen's 
Störungen  der  öflFentHchen  Ordnung  herbeiflihrte. 

Bisher  waren  die  Grundstücke  der  Grenzbevölkerung 
reine  Militärlehen,  deren  Niessbrauch  (usus  fructus)  dem 
Grenzer  zustand,  -r  gerade  so,  wie  dies  bei  dem  benachbarten 
ungarischen,  slavonischen  und  croatischen  Bauer  der  Fall  war. 
Allerdings  hub  der  I.  Abschnitt  des  neuen  Grundgesetzes  mit 
der  Erklärung  an,  ,dass  alle  hegenden  Güter  in  der  Grenze 
Mihtärlehen  sind,  auf  welche  Sr.  Majestät  das  Obereigen- 
thum  (dominium  directum)  zusteht^,  aber  diese  Gründe  galten 
nunmehr  als  solche,  deren  immerwährendes  erbliches 
Nutzeigenthum  (dominium  utile)  den  Grenzern  gesichert 
bUeb. 

Auf  diese  Weise  wurde  der  Grenzer  einer  eigentUchen 
Grundunterthänigkeit    überhoben    und    seine   Stellung  ungleich 

>  Klejle,  Franz  Joachim  R.  v.,  geb.  1775,  14.  October,  zu  Hasslach  im 
Grossherzogthnme  Baden,  1797  ff.  in  (österreichischen  Staatsdiensten,  1803 
Concipist  des  Hofkriegsrathes,  und  zwar  im  Militärgrenz-Departement  nnd 
als  sehr  brauchbare  Kraft  bereits  1804  bei  der  mit  der  Bereisung  der 
Militärgrenze  betrauten  Hofcommission  verwendet;  Protokollführer  der- 
selben, 1806  auch  in  der  Präsidialkanzlei  des  Armeeministers  Erzherzog 
Karl  angestellt  und  seit  1807  Hofkriogsrathssocretär.  1808  Begleiter  des 
Militärgrenzdirectors  Erzherzog  Ludwig;  1809  bei  Erzherzog  Karl,  in 
dessen  Privatdiensten  wir  ihn  dann  linden,  gest.  31.  October  1864.  Kleyle 
wurde  durch  seine  Heirat  mit  der  Tochter  des  Hofkriegsrathes  v.  Okell, 
Beferenten  in  den  politisch-ökonomischen  Geschäften  des  Militärgrenz- 
Departements,  um  so  enger  mit  dessen  CoUegen,  dem  Justizreferenten 
V.  Hietzinger,  und  seinem  ursprünglichen  Gönner  Karl  v.  Pidoll 
(geb.  1770,  gpest.  1840)  befreundet,  den  er  bei  der  Ausarbeitung  des  Mili- 
täigrenzfltatutes  Ton  1807  wesentlich  unterstützte. 


142 

günstiger  als  die  des  Bauers  ausserhalb  des  Gbenzverbandes, 
denn  sein  Grundherr  war  der  LandesfÜrst. 

Grundbesitz  zu  erwerben^  galt  nunmehr  ausschliesslich  als 
Recht  des  Grenzers,  während  weder  der  Beamte  noch  der 
Grenzofficier  Ghrundbesitz  innehaben  durfte.  Das  Stammgut  des 
Grenzers  war  als  ein  zum  Bestände  des  Wirthschaftshauses  fär 
unentbehrlich  geltender  Theil  des  Besitzes  unveräusserlich;  in 
Hinsicht  des  ,Ueberlandes^  konnte  der  Grenzer  frei  ver- 
fUgen. 

Durch  das  immerwährende  erbliche  Nutzeigenthum  am 
Stanmigute  und  das  VerfUgungsrecht  in  Ansehung  der  üebe^ 
landgründe  wurde  der  ursprüngliche  Charakter  des  Militärlehens 
nicht  unwesentlich  abgeändert.  Anderseits  zeigte  sich  die  Ent- 
richtimg der  Grundsteuer  in  der  Grenze  ungleich  weniger 
diückend  als  die  bezügliche  Giebigkeit  des  Bauers  der  Nach- 
barschaft. 

Was  somit  unstreitig  eine  Wohlthat  ftlr  den  Grenzer 
wurde,  gestaltete  sich  zur  Quelle  der  Unzufriedenheit  des  Land- 
mannes ausserhalb  der  Confinien,  indem  er  sein  Loos  mit  dem 
des  Cantonisten  scheelen  Auges  zu  vergleichen  anfing. 

Wir  müssen  nun  aber  noch  ein  Moment  ins  Auge  fiassen, 
welches  für  die  weitere  Darstellung  nicht  ohne  Belang  ist,  näm- 
lich die  Verfassung  der  Bürgergemeinden  in  den  Grenz- 
communitäten:  I.  Classe:  Earlowitz,  Semlin  und  Pete^ 
wardein,  welche  am  1.  Mai  1787  durch  ein  besonderes  Re- 
lativ festgestellt  wurde. 

Demzufolge  bestand  hier  der  Magistrat  aus  einem  Bürge^ 
meister,  vier  Käthen  mit  Sitz  und  Stinmie  und  einem  Eanz- 
listen.  Zwei  von  diesen  Käthen,  den  Stadtsjndicus  und  den 
Stadtschreiber,  ernannte  das  Generalcommando,  dem  die  Ueber- 
wachung  der  Commune  und  die  periodische  Beeidigung  der 
Bürgerschaft  zustand,  während  die  beiden  anderen  Rathsstellen 
von  der  Bürgerschaft  durch  Wahl  besetzt  wurden.  Das  General- 
commando ernannte  aber  auch  den  Bürgermeister,  der  immer  ein 
Officier  sein  musste,  ja  es  konnten  selbst  —  im  Falle  kein  ftü* 
die  zwei  durch  Wahl  zu  besetzenden  Rathsstellen  geeigneter 
Bürger  vorhanden  —  letztere  mit  Officieren  besetzt  werden. 
Es  unterlag  somit  auch  das  sogenannte  Wahlrecht  der  Bürger- 
schaft dem  massgebenden  Einflüsse,  der  Controle  von  Seiten  des 
Generalcommandos. 


Ucberdiea  gsb  es  ja  auch  einen  Ton  der  MiliUlrgewaJt 
mgesetzten,  den  Stadtmagistrat  tiberwachenden  BUrgerausschuss. 
—  Die  Besetzung  der  Pfarrstellen  war  dem  Hofkriegsratbe, 
die  der  Lehrerstellen  der  Schulcommission  des  Regimentes  vor- 
behalten. 

Die  Bürgerschaft  hatte  beim  Ausmarsche  der  dritten 
Bataillons  und  während  der  Lagerübungen  die  Gebietsfestungen 
gegen  Sold  zu  besetaen,  Vorspann  und  MilitftrbequartiruDg  zu 
leisten. 

Unter  solchen  Verhältnissen  blieb  das  Gemeindewesen 
dieser  Commanen  I.  und  noch  mehr  das  der  des  n.  und  lH. 
Ranges  (Brod,  Mitrowitz,  Weisskirchen,  Vinkovce, 
Neu-  und  Alt-Gradisca)  mit  seinen  VoUbürgem  und  Aus- 
bürgern (Contribuenten)  militärisch  bevormundet,  und  dies  — 
verbunden  mit  dem  Umstände,  dass  die  Bürgermeister  der  drei 
StSdtekategoricn  blos  300,  150,  100  fl.,  die  Syndici  600,  400, 
300,  die  Stadtachreiber  300  und  200  fi.  Jahresbosoldung  be- 
zogen, —  wurde  eine  Quelle  intriguenspinnenden  Uebelwollens 
der  Commuuen  und  unlauteren,  der  Bestechlichkeit  zugäng- 
ihen,  Gebahrens  ihrer  Amtsti^ger. 

ni. 

Me  Schwierigkeiten  der  fimtlioheii  Stellung  Slmbsehen^s 
|Itt  coiuuiaiullrender  (ieiieral   der  tilaToiiiselien  Grenze. 

Als  Simbscheu  sein  neues  Amt  aus  den  Händen  des  hoch- 
l^hrten  Geneyne  überkam  —  zunächst  1011  mierledigt  ge- 
iebeoe  Äctenstücke, '  wie  dies  bei  dem  Greisenalter  seines 
nrgängers,  anderseits  bei  der  allzugrossen  Sparsamkeit  der 
giening  tn  der  Bestellung  von  Arbeitskräften  ftlr  die  Prä- 
Eilkauzlei  und  das  Appellatiansgericbt  in  Petemardein  nicht 
Fander  nehmen  kann,  —  entging  ihm  keineswegs  die  Ueber- 
dung  und  bedenkliche  Verantwortlichkeit  seines  Postens. 

Zunächst  stellte  er  das  Ansuchen,   ihn  ausschliesshch  mit 
I  militärisch-politischen  Commando   zu   betrauen   und 
des   Präsidiums    beim   Militärappellationsgerichte    zu 
^  Öberheben,   ,weil   er  von   der  Rechtsgel ehrtheit  nicht  die   min- 
desten   Begriffe   hätte'.     Er   musste   sich  jedoch   dem  Systeme 
iUgen  und  die  doppelte  Thätigkeit  auf  seine  Schultern  nehmen. 


L 


144 

Ende  Juli  erhielt  er  die  Würde  eines  kaiserlichen  Geheim- 
rathes,  und  als  solcher  hatte  er  der  kaiserlichen  Weisung  zu- 
folge den  Eid  in  die  Hände  des  ^nächsten'  Geheimrathes,  des 
griechisch-nichtunirten  Metropoliten  Stratimirovi6  als  Stell- 
vertreters des  Monarehen,  abzulegen.^ 

Simbsehen  übernahm  mit  dem  Peterwardeiner  General- 
conmiando  auch  den  Kreis  der  militärischen  Würdenträger 
und  Ressortbeamten,  welche  seinem  Vorgänger  zugetheilt 
waren,  Persönlichkeiten  von  verschiedenem  Schlage  und  un- 
gleicher Leistungsfähigkeit,  die  er  erst  kennen  lernen  musste 
und  an  deren  Auskünfte  und  Einschläge,  gleichwie  an  ihren 
guten  Willen  er  als  Neuling  in  neuen  Verhältnissen  gewiesen 
war,  Persönlichkeiten,  die  in  der  Bewältigung  der  massenhaften 
Rückstände  angesichts  der  neu  zuwachsenden  Geschäfte  schwer- 
lich Wunder  wirkten. 

Simbschen's  Verantwortlichkeit  für  Alles  und  Jedes  in 
militärischen,  politischen  und  administrativen  Angelegenheiten 
wurde  durch  die  Unsicherheit  und  Verworrenheit  der  öffent- 
lichen Zustände  als  Erbschaft  des  unglücklichen  Ejdegsjahres 
1805  erschwert,  in  einem  Gebiete,  wo  es  jeden  Augenblick 
Kriegsrüstungen,  Unruhen,  Räubereien,  Gerichtshändel  ohne 
Ende,  Handels-  und  Contumazschwierigkeiten  und  dergleichen 
gab.  Vor  Allem  aber  musste  ihm  sein  ämtliches  Verhältniss 
nach  oben  hin  —  zum  Hofkriegsrathe  —  bedenkliche  Klippen 
bereiten. 

Wie  immer,  gab  es  auch  damals  zwischen  den  Militftr- 
commanden  und  der  bureaukratischen  Verwaltungs- 
partei des  Grenzdepartements  im  Schoosse  der  obersten 
Armeebehörde  einen  Gegensatz  in  den  beiderseitigen  An- 
schauimgcn  und  eine  damit  zusammenhängende  Rivalität,  die 
dadurch  genährt  wurde,  dass  der  unmittelbare  schriftliche  oder 
persönliche  Verkehr  der  Grenzcommandanten  mit  den  hoch- 
gestellten Vorständen  der  Armeeverwaltung  und  Grenzaufsicht, 
den  Erzherzogen  Karl  und  Ludwig,  nicht  selten  auch  die 
unmittelbaren  Weisungen  des  Monarchen  und  seine  Aufforde- 
rungen  zu  Immediatsberichten   in   einer  und  der  andern  An- 


1  1807,  29.  Juli,  Wien.  Mittheilung  des  Oeneralissimus  und  Erzherzogs  Karl. 
Orig.  N.  S.,  23.  August,  Wien.  Verständigung  durch  den  Obersten  General- 
Adjutanten  Grafen  WinipfTen  bezüglich  der  Eidesleistaiig.  Oiig.  K.  8. 


145 

gelegenheit  eine  gewisse  Eifersucht  bei  den  Referenten  im 
Hofkriegsrathe  wachriefen,  die  ihrerseits  wieder  einen  stän- 
digen Späherdienst  zur  Ueberwachung  der  Militärcommandanten 
unterhielten. 

So  zeigte  sich's  denn  später,  wie  Simbschen  behauptet, 
dass  er  an  den  Hofräthen  und  Referenten  in  Sachen  der  Militär- 
grenze: Karl  R.  v.  Pi  doli -Quintenbach  (für  das  Oekonomisch- 
Administrative),  Josef  v.  Hietzinger  (flir.das  Justizfach)  und 
Okell  (Personalien)  keine  Freunde  hatte,  während  sie,  ein- 
schliesslich den  Hofkriegsrathssecretär  Kleyle,  unter  einander 
eng  befreundet,  eine  starke  Partei  bildeten,  mächtiger  als  die 
Stütze,  welche  Simbschen  durch  geraume  Zeit  an  dem  Ver- 
trauen der  Erzherzoge  Karl  und  Ludwig  besass. 

Die  gefährlichste  Klippe,  war  und  blieb  jedoch  die  poli- 
tische Vertrauensmission,  welche  Simbschen  dem  serbi- 
schen Aufstande  gegenüber  auf  sich  nehmen  musste.  Der 
Soldat  und  Verwaltungschef  sollte  auch  den  geriebenen  Diplo- 
maten abgeben,  den  Serben  entgegenkommen,  ohne  den  kaiser- 
lichen Hof  in  den  wachsamen  Augen  der  Pforte  und  Russlands 
im  Geringsten  zu  compromittiren,  den  wechselnden  politischen 
Verhältnissen  sein  Benehmen  anpassen,  nach  bestimmten  Wei- 
sungen handeln  und  doch  auch  nach  eigenem  Ermessen  vor- 
gehen, zwischen  den  Zeilen  lesen,  bei  jedem  Schritt  nach  Vor- 
wärts sich  den  Weg  nach  Rückwärts  offen  halten,  ein  verläss- 
liches Kundschafterwesen  mögHchst  wohlfeil  und  unauffällig 
einrichten,  den  Puls  der  Volksstimmung  in  der  Nachbarschaft 
fühlen,  dem  weitverbreiteten  und  durch  den  Serbenaufstand 
genährten  Räuberunwesen  steuern  und  das  verwickelte  Grenz- 
sperr- und  Contumazwesen  überwachen,  —  ebenso  viele  Auf- 
gaben als  schlüpfrige  und  holprige  Wege,  auf  denen  man 
leicht  ausgleiten  und  stolpern  konnte. 

IV. 

Oesterreich  und  der  Serbenanfstand  vor  der  Uebernahme 
des  Grenzcommandos  durch  Simbschen  (1804 — 1807). 

Wir  haben  da  unseren  Rückblick  zunächst  an  das  Jahr 
1804  zu  knüpfen.  1 

'  Für  das  Weitere  wurden  vorzugsweise  benützt:  A.  Beer,  Die  orientalische 
Politik  Oeeterreichs  seit  1774  (Prag-Leipzig,  1883),  beziehungsweise  von 
▲rekiT.  Bd.  LXXYI.  I.  HUfte.  10 


146 

In  ihnjr  wachsenden  Bedrängniss  wandten  sich  die  auf- 
ständischen Serben  an  die  Commandantcn  der  österreichischen 
Militärgrenze,  zunäclist  an  den  Amtsvorgänger  Simbschen's, 
Feldzeugmeister  Geneyne,  um  Unterstützung.  Dies  versuchte 
Mathias  Nenadovi6,  der  Kampfgenosse  und  Vertrauensmann  des 
Kara  Gyorgye  (Georg)  Petrovi6  (Ömi  Juri,  ,schwarzer  Georg')' 
mit  einem  Bittgesuche,  dem  sich  ein  gleiches  Schreiben  an 
den  Karlowitzer  Metropoliten,  Stratimirovi6,  anschloss. 

Geneyne  und  Stratimirovi6  wiesen  in  ihrer  Antwort  auf 
die  politisclie  Freundschaft  Oesterreichs  und  der  Pforte  hin, 
die  es  der  erstgenannten  Macht  verbiete,  das  aufständische 
Serbien  zu  imtorstützen.  Docli  versprach  der  Feldzeugmeister, 
eine  Aussöhnung  zwischen  den  Janitscharen-Dahi's,  ^  den  dama- 
ligen Gewalthabern  in  Belgrad,  und  den  serbischen  Insurgenten 
versuchen  zu  wollen,  was,  wenn  er  es  auch  thatsächlich  beab- 
sichtigte, von  vornherein  aussichtslos  war. 

Den  2.  Mai  1804  berief  nun  Kara  Georg  nach  dem 
zwei  Wegstunden  von  Belgrad  entfernten  Dorfe  Ostru2nica  an 
der  Sava  (5ine  Skupschtina,  in  welcher  neun  Punkte  der  For- 
derungen der  Serben  vereinbart  wurden,  und  begab  sich  als- 
dann mit  sechzehn  (Genossen  nach  Scmlin,  wo  sich  bereits  die 
Abgesandten  der  Belgrader  Janitscharen-Dahi's  eingefunden 
hatten.  Die  Verhandlungen  hatten  selbstverständlich  keinen 
Erfolg,  und  der  Krieg  nahm  seinen  weiteren  Verlauf. 

Die  Seniliner  und  Neusatzer  Ungarn-Serben  unterstützten 
auch  werkthiltig  ihre  Stamm-  und  Glaubensgenossen  jenseits  der 
Donau  und  Save  mit  Gelddarlehen,  Schiessbedarf  und  Lebens- 
mitteln, wobei  die  österreichischen  Grenzbehörden  durch  die 
Finger  sahen.  Auch  begaben  sich  k.  k.  Officiere  zu  den  Auf- 
ständischen, um  in  ihren  Reihen  zu  kämpfen;   einer  von  ihnen 


deiiisoHken :  Zehn  Jahre  «isterreichischer  Politik  (1801  — IdlO),  Leipng 
1877  (^das  erstjiiigeführte  Werk  deckt  sich  Welfach  mit  dem  von  ans 
benutzten  Material  und  auch  inhaltlich  in  den  allgemeinen  politischen 
Gesichtspunkten);  ferner  L.  v.  Kanke,  Serbien  und  die  Türkei  im  neun- 
zehnten Jahrhundert,  Leipzig  1Ö79.  Beiy.  v.  Kallay,  ,Ge0chichte  der 
8erl>en\  deutsch  von  Sihwicker,  I.  (1878);  J)ie  Orientpolitik  Ross- 
land$\  deutsi'h  von  Öchwicker  ^1878)  und  den  Nachlass  Simb8chen*s. 

*  Wir  wenlen  gemeinhin  die  Namensform  ,Kara  Geoig*  anwendeo. 

'  Per  Name  ist  den  ,I>eyV  der  Barbaresken  nacbgebildeL  VgL  Ranke 
a.  a.  O.  S.  63. 


147 

war  jener  Stefan  Jefti6,  der  bei  Kara  Georg  die  Dienste 
eines  Geheimschreibers  übernahm. 

Oesterreichs  Diplomatie  sorgte  aber  auch  dafür,  dass  die 
Punctationen  der  Serben  an  die  Pforte  gelangten,  und  der 
Vezir  von  Bosnien,  Bekir  Pascha,  erschien  als  Vollmachtträger 
der  Pforte  in  Semlin,  woselbst  unter  den  Augen  des  Feldzeug- 
meisters Geneyne  der  Ausgleich  versucht  wurde.  Man  konnte 
nicht  zu  Ende  kommen,  da  die  Serben  auf  der  Beseitigung 
der  Dahi's  und  auf  der  Bürgschaft  Oesterreichs  bestanden. 

Dennoch  schien  es,  als  sollte  es  zu  einer  gedeihlichen 
Auseinandersetzung  zwischen  den  Serben  und  der  Pforte  kom- 
men, welcher  selbst  ja  das  Unwesen  der  Janitscharen-Dahi's 
von  Belgrad  im  Serbenlande  nicht  behagen  konnte.  Als  nun 
diese  in  ihrer  Bedrängniss  aus  Belgrad  nach  der  Inselfestung 
Ada-Kaleh,  bei  Orsova,  flohen,  gab  Bekir  Pascha  bei  der 
Zusammenkunft  mit  Kara  Georg  zu  BeU-Potok,  unweit  von 
Belgrad,  die  Dahi's  der  Rache  des  aufständischen  Serbenvolkes 
preis,  indem  er  die  bezügliche  Weisung  an  den  Befehlshaber 
von  Orsova,  Redscheb  Pascha,  ergehen  Hess.  So  konnte  der 
Waffengenosse  des  schwarzen  Georg,  Milenko,  die  Dahi's  in 
Ada-Kaleh  überfallen,  niederschiessen  und  ihre  abgeschnittenen 
Köpfe  mit  sich  in  das  freigewordene  Belgrad  nehmen. 

Das  blutige  Ende  der  Janitscharen-Dahi's  brachte  aber 
keinen  Frieden  zwischen  der  Pforte  und  den  Serben  zu  Stande. 
Im  Gegentheile,  der  Kampf  entbrannte  bald  von  Neuem,  denn 
dieser  Erfolg  machte  die  Serben  kühner,  und  die  Pforte  bestand 
hinwieder  auf  ihren  Herrschaftsbefugnissen.  Bekir  Pascha,  der 
nun  Gewalt  brauchen  wollte,  entging  mit  genauer  Noth  dem 
Verderben. 

Schon  vor  der  Semliner  Verhandlung  —  Anfangs  Mai  1804 
—  hatte  Kara  Georg  durch  den  österreichischen  Grenzerhaupt- 
mann Schaitinski  die  Erklärung  an  den  Wiener  Hof  gelangen 
lassen,  dass,  wenn  ihm  die  Eroberung  von  Belgrad  gelänge,  er 
sowohl  diese  Festung  als  auch  die  beiden  anderen,  Schabacz 
und  Semendria  (Smederovo)  und  überhaupt  ganz  Serbien  — 
nach  Wunsch  seines  Volkes  —  dem  österreichischen  Kaiser 
übergeben  und  sich  einen  kaiserlichen  Prinzen  als  Statthalter 
erbitten  werde.  ^  Sollte  Oesterreich  aber  nicht  geneigt  sein,  den 


1  K&lUj,  (beschichte  Serbiens  I,  420  f.  A.  Beer,  Orientpolitik  184  f. 

10* 


148 

naturgemässen  Besitz  des  Nachbarlandes  anzutreten,  so  wäre 
Kara  Georg,  obzwar  ungern,  gezwungen,  sich  im  Namen  des 
ganzen  Volkes  an  eine  andere  Macht  zu  wenden,  um  endlich 
diese  christliche  Nation  aus  der  Sclaverei  der  ungläubigen 
Türken  zu  befreien. 

Der  damalige  österreichische  Minister  der  auswärtigen 
Angelegenheiten  unterbreitete  in  einer  Denkschrift  vom  25.  Mai 
1804  den  Antrag  Kara  Georgs  dem  Kaiser  Franz.  Man 
empfahl  zum  Schlüsse,  sich  daiüber  mit  der  russischen  Regie- 
rung zu  verständigen  und  anderseits  an  die  Pforte  mit  gut  ge- 
meinten Vorstelhmgen  heranzutreten.  Das  geschah  denn  auch. 
Dass  sich  das  Cabinet  Cobenzl  mit  dieser  PoUtik,  Allerwelt- 
Freund  sein  zu  wollen,  nach  keiner  Seite  hin  Dank  verdienen 
konnte,  ist  leicht  begreiflich. 

Metropolit  Stratimirovi6  erhielt  vom  Wiener  Hofe  den 
Wink,  einen  beschwichtigenden  Hirtenbrief  an  den  serbischen 
Clerus  und  das  serbische  Christenvolk  zu  richten,  was  er  auch 
(30.  Mai  1804)  that. 

Die  Serben  wandten  sich  25.  Juni  1804  an  Stratimirovi6, 
um  bei  seinem  ,Gönner',  Erzherzog  Karl,  eine  Unterstützung  der 
Serbensache  anzuregen. 

Stratimirovi6  hatte  allerdings  ganz  andere,  dem  Interesse 
Oesterreichs  nichts  weniger  als  zusagende  Ideen  im  Kopfe, 
denen  er  ziemlich  gleichzeitig,  und  zwar  im  Juni  1804  in  jener 
Denkschrift  Ausdruck  gab,  welcher  er  —  klüglich  —  seine 
Unterschrift  entzog,  um  sie  dann  durch  den  Erzpriester  Prota 
Samborski,  vormals  Beichtvater  der  (1801  verstorbenen)  russi- 
schen Grossflirstin  Alexandra  Pawlowna,  Gattin  des  Erzherzog- 
Palatins  Josef,  dem  Petersburger  Cabinet  und  seiner  damaligen 
Seele,  Czartoryiski,  zukommen  zu  lassen.^ 

Der  Metropolit  von  Karlowitz  tritt  in  dieser  Schrift  ftbr 
einen  nach  Art  der  Repubhk  Ragusa  oder  der  jonischen  Inseln 
—  unter  dem  Protectorate  Russlands  —  eingerichteten,  der 
Pforte  tributären  ,Volks8taat^  Serbien  ein,  dessen  Grenzen,  auf 
Kosten    Oesterreichs,     durch    den    Bezirk    von    Cattaro,     das 

1  KÄllay  a.  a.  O.  429  f.  Dass  man  von  Seite  des  Wiener  Hofes  Strmtimi- 
rovid  stets  mit  einigem  Misstrauen  betrachtete,  beweist  der  Auftrag  des 
Grenzdirectors  Erzherzog  Ladwig  vom  4.  November  1807  an  Simb- 
Hchen,  auf  den  Karlowitzer  Metropoliten  und  die  ungarischen  Serben 
ein  aufmerksames  Auge  zu  behalten.  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  73. 


149 

kroatische  Litorale  und  Syrmien  zu  vergrössem  wären,  wofür 
Oesterreich  als  Entschädigung  einen  Theil  von  Ttirkisch-Croatien 
an  der  Unna  und  die  (kleine)  Walachei  bis  zui*  Aluta  erhalten 
könnte.  An  die  Spitze  dieses  serbischen  Volksstaates  sollte  ein 
russischer  Grossfürst  treten,  der,  mit  genügender  Heeresmacht 
ausgerüstet  ins  Land  kommen  oder  von  einem  Statthalter  mit 
3000 — 4000  Mann  russischer  Truppen  in  der  Regierung  vertreten 
würde,  da  für  einen  förmlichen  Freistaat  das  Serbenvolk  noch 
nicht  reif  sei.  Die  Schöpfung  eines  serbo-slavischen  Staates  sei 
für  Russland  ebenso  nützlich  als  ruhmvoll  für  sämmtliche  Slaven, 
jedenfalls  ungleich  vortheilhafter  als  der  Plan  Russlands,  ein  west- 
Hches  Kaiserthum  wieder  aufzurichten,  da  unter  den  orientalischen 
Christen  auch  die  Russen  imgebildet  und  ihres  Volksthums  ver- 
lustig würden.  Auf  die  Treue  der  Griechen  könne  nicht  ge- 
rechnet werden,  da  sie  ebenso  vorurtheilsvoU  an  ihrer  Nationa- 
lität festhielten,  wie  die  Polen  an  dem  katholischen  Glauben. 
Die  Verwirklichung  jenes,  Serbien  betreffenden,  Planes  sei 
gegenwärtig  möglich. 

Abgesehen  von  der  nicht  nebelfreien  Planmacherei  des 
ungam-serbischen  Kirchenfürsten  dürfte  dem  damaligen  Pre- 
mier Russlands,  Czartoryiski,  die  Schlussbemerkung  über  die 
Polen  nicht  sonderlich  behagt  haben;  so  kam  es,  dass  er  die 
Denkschrift  dem  Czaren  gar  nicht  vorlegte  imd  die  ganze 
Angelegenheit  —  wie  man  sagt  —  im  Pulte  liegen  blieb. 

Immerhin  gab  es  unter  den  Serbenführem  Persönlich- 
keiten, die  bei  der  Aengstlichkeit,  mit  welcher  Oesterreich 
seine  NeutraUtät  der  Pforte  gegenüber  zu  wahren  sich  beflissen 
zeigte,  die  Hilfeleistung  und  das  Protectorat  des  stamm-  und 
glaubensverwandten  Russland  ins  Auge  fassten. 

Anfangs  März  1805  hatten  sich  die  Serbenflihrer  an  Erz- 
herzog Karl  mit  der  Bitte  gewendet,  dem  Sultan  anzuzeigen, 
dass  bei  der  Einforderung  des  Tributes  gewissenlos  vorgegangen 
werde.  Einige  Wochen  später  (29.  März)  erklären  sie,  man 
müsse  sich  der  Räubereien  erwehren,  das  Vorgehen  der  Türken 
sei  vertragswidrig.  Im  Juni  d.  J.  bitten  sie  um  Unterstützung, 
um  Erlaubniss  der  Lieferung  von  Schiessbedarf  durch  die 
ungaro-serbischen  Handelsleute:  Milosch  Nerkovi6,  Dimitri  Mar- 
kovi6  und  Dragutin  Miliutinovi6,  insbesondere  um  einen  Ka- 
nonier und  um  Ueberlassung  einer  alten  Kanone  gegen  Baar- 
zahlongy  was  Alles  jedoch  die  Hofkammer  ablehnte. 


150 

• 

Unter  solchen  Verhältnissen  begreifen  wir  das  Hervoi^ 
treten  einer  russophilen  Strömung  1804 — 1805,  und  einer 
ihrer  Wortfllhrer  wurde  der  ehemalige  österreichische  Qrenzer- 
hauptmann  Peter  Tschardaklija  Novakovic,  der  im  Juli  1804 
unter  die  Serben  ging  und  sich  im  September  desselben  Jahres 
mit  Mathias  Nenadovi6  imd  Ivan  Proti6  über  Bukarest  nach 
Kussland  begab.  Die  Botschaft  kam  jedoch  im  Jänner  1805 
mit  leeren  Händen  zurück,  denn  auch  Russland  wollte  aus 
seiner  Reserve  nicht  heraustreten.* 

Seit  dem  Sommer  des  Jahres  1805  veränderte  sich  wesent- 
lich das  Gepräge  und  das  Ziel  der  serbischen  Erhebung.  Die 
Petition  der  Skupschtina  an  den  Sultan,  welche  im  Juni  an  den 
Grossherm  abging,  und  der  Heerzug  Hafiz  Paschas  gegen  die 
Serben  beweisen  dies.  Der  ,loyale'  Aufstand,  der  ursprünglich 
gegen  das  Wüthcn  der  unbotmässigen  Janitscharen-Dahi's  los 
gebrochen,  tritt  nun  in  das  Stadium  der  eigentlichen  ,revolutio- 
nären  Erhebung^;  es  gilt  die  Abschüttelung  der  osmanischen 
Provinzialherrschaft.  Bei  Iwanowce  kreuzen  die  Serben  (18. 
August  1805)  ihre  WaflFen  mit  einem  Heere  der  Pforte,  nicht 
wie  vormals  mit  Janitscharen  und  Krdschalen;^  schon  der  oben 
erwähnte  Ausgang  der  Unternehmung  des  bosnischen  Veziers, 
Bekii-  Pascha,  deutet  dies  an. 

Aber  auch  die  Einrichtung  des  serbischen  Aufstands- 
regimes bildete  sich  damals  weiter.  Bisher  lag  Alles  in  der 
Hand  des  gewaltigen  Naturmenschen,  des  schwarzen  Georg, 
und  seiner  Mithäuptlinge,  die  im  Bedarfsfalle  eine  Volksver- 
sammlung (Synod),  Skupschtina,  einberiefen.  Jetzt  kam  es 
zur  Gestaltung  des  ,Sowet^,  eines  Verwaltungsrathes,  Senates, 
mit  welchem  die  Kriegshäupter,  voran  Kara  Georg,  der  ,Ober- 
anflilirer  der  serbischen  Nation^,  gewissermassen  die  Macht 
theilten.  Den  Vorschlag  hiezu  machte  der  Ungaroserbe  Theodor 
Philippoviö  aus  Ruma  in  Syrmien,  der  seine  russische  Pro- 
fessur in  Charkow  aufgab  und  im  April  1805  nach  Serbien 
abging,  nachdem  er  auf  den  Rath  des  MetropoHten  Stratimirovii 
seinen  Namen  in  ,Boscha  Grujovi6^  geändert  hatte.? 

»  KÄllay  a.  a.  O.  436  f. 

2  Knlsclialen,  Krd.schalijc,  entlassene  türkische  Soldaten,  welche  auf  eigene 
Faust  gegen  Sold  das  Kriegshandwerk  oder  die  Weg«lagerei  trieben. 
GiiscliancziAlj  war  ein  solcher Krdschalenhäuptling.  Ranke  a.  a.  O.  64, 105* 

3  Källay  a.  a.  O.  485  ff. 


151 

In  der  zweiten  Hälfte  des  Jänner  1806  trat  die  serbische 
Skupschtina  in  Ostru2nica  zusammen  und  beschloss  die  Absen- 
dung von  drei  Gesuchen  an  den  Kaiser  von  Oesterreich,  an  • 
den  Sultan  und  an  den  Czaren.  Mathias  Nenadovi6,  Uroäevi6 
und  Grujovid  (Philippovi6)  gingen  mit  der  Petition  nach  Wien 
ab,  während  die  jbeiden  anderen  Gesuche  auf  diplomatischem 
Wege  nach  Constantinopel  und  Petersburg   befördert  wurden. 

Es  war  vorauszusehen,  dass  all  dies  in  der  Sachlage  nichts 
ändern  würde.  Der  Stein  blieb  nun  einmal  im  Rollen;  die  Ser- 
ben wollten  nicht  länger  EÄJahs  sein,  und  die  Pforte,  welche 
ihre  bisherigen  Herrschaftsrechte  festzuhalten  entschlossen  war, 
durfte  nun  auf  die  Freundschaft  Napoleons  I.  pochen,  wel- 
cher damals  die  ,Integrität  der  Türkei^  gegen  das  slavische 
Völkei-protectorat  Russlands  ausspielte,  worauf  Czar  Alexander  I. 
—  bei  aller  äusseren  Zurückhaltung  in  der  Serbenfrage  — 
nicht^  verzichten  wollte. 

Oesterreichs  Politik  befand  sich  in  einer  unangenehmen 
Klemme.  Stadion,  der  neue  Minister  des  Aeussern,  war  für  die 
stricteste  NeutraUtät.  Die  kaiserliche  EntschUessung  th  eilte  im 
Wesentiichen  diese  Ansicht,  gab  den  Befehl,  dem  österreichi- 
schen Internuntius  in  Constantinopel  (Freiherrn  von  Stürmer) 
die  nöthigen  Weisungen  zu  ertheilen,  wie  eine  gedeihliche  Ver- 
mittlung zwischen  den  Serben  und  der  Pforte  in  Angrifif  zu 
nehmen  sei  und  verfugte  nicht  blos  die  Uebersendung  der 
serbischen  Petition  an  den  Czaren,  sondern  auch  eine  Bekannt- 
gabe der  von  Oesterreich  getroffenen  Massregeln.  Ausserdem 
Uess  jedoch  der  Kaiser  die  Serbendeputation  (28.  Februar  1806) 
zu  einer  Besprechung  mit  seinem  Ilofsecretär  Wallenburg  be- 
scheiden, welcjie  damit  schloss,  dass  ihnen  der  Letztgenannte 
ein  muthigcs  Ausharren  anempfahl,  ,bis  man  zu  ihren  Gunsten 
in  Constantinopel  geeignete  Bedingungen  erwirkt  habe',  und  die 
Möglichkeit,  sich  mit  der  Pforte  auszugleichen,  nahelegte,  wäh- 
rend die  Abgeordneten  der  Serben  ilir  Vertrauen  in  die  kaiser- 
hche  Vermittlung  kundgaben,  aber  zugleich  um  irgend  eine 
Unterstützung,  mindestens  um  die  Zusage  der  Aufnahme  ihrer 
Familien,  im  Nothfalle,  in  das  kaiserliche  Gebiet  baten.  * 

Der  Wiener  Hof  wollte  aber  bei  aller  Zurückhaltung,  die 
sein  schwieriges  Verhältniss   zu   den   streitenden  Grossmächten 


1  Beer,  Orientpoliük  189  ff. 


152 

gebot,  die  Serben  ebenso  wenig  preisgeben  als  in  ihrem  Ver- 
trauen zu  Oesterreich  für  immer  erschüttern,  wie  dies  aus  den 
•  weiteren  Thatsachen  erhellt. 

Sultan  Selira  III.  war  fest  entschlossen,  den  Serbenaufstand 
mit  bewaffneter  Hand  niederzuwerfen.  Der  frühere  Pascha  von 
Skutari,  Ibrahim,  traf  als  Wali  Rumäniens^ von  Sofia  aus  die 
umfassendsten  Rüstungen  gegen  die  Serben.  Aber  auch  diese 
Hessen  es  an  Gegenanstalten  nicht  fehlen,  so  dass  die  wohl- 
gemeinten Aufforderungen  Oesterreichs,  man  möge  beiderseits 
die  Feindseligkeiten  einstellen,  ebenso  wenig  etwas  finchten 
konnten  als  die  Vermittlung  des  Freiherm  v.  Stürmer,  welche 
der  Diwan  —  allerdings  in  bester  Form  —  ablehnte. 

Der  Krieg  entbrannte  mit  aller  Heftigkeit.  Kara  Greorg 
und  seine  Waffengenossen  hatten  es  zunächst .  auf  die  Festung 
Schabaez  abgesehen.  Dadurch  kam  es  zu  misslichen  Behelli- 
gungen des  österreichischen  Grenzgebietes.  Die  Pforte-  ver- 
langte von  dem  österreichischen  Befehlshaber  der  dem  be- 
lagerten Schabaez  gegenüberliegenden  Feste  Klenak  die  Zu- 
rückweisung der  aus  der  verödeten  Matschwa  massenhaft 
herüberflüchtenden  Serben.  Dieser  meldete  es  dem  Comman- 
dircnden  in  Semlin,  welcher  die  Aufnahme  untersagte  und 
sämmtlichen  Grenzbehörden  die  gewaltsame  ZurücktreiboDg 
aller  auf  österreichischem  Gebiete  sich  ansammelnden  Insur- 
genten gebot. 

Man  glaubte  dies  zur  Wahrung  der  Neutralität  thun  äu 
müssen,  weil  die  Serben  nach  den  für  sie  glückUchen  Scha^ 
mützeln  bei  Schabaez  die  fliehenden  Türken  bis  auf  das  öster 
reichischc  Ufer  verfolgten  und  auch  nicht  wenige  von  ihnen 
tödteten,  welches  tadclswürdige  Vorgehen  auch- der  Metropolit 
Stratimirovic  durch  seinen  Vertrauten,  den  gewesenen  öster 
reichischen  Grenzhauptmann  Jovanovi6,  den  Serben  ernstlich 
vorhalten  Hess. ' 

Ohnehin  wollte  die  Wiener  Regieraiig,  so  weit  es  sich 
mit  den  Grundsätzen  der  Neutralität  vertrug,  der  Nothlage  der 
Serben  entgegenkommen.  Der  Kaiser  genehmigte  (9.  April  1806) 
den  Vortnig  Erzherzog  Karls  als  Armeeministers,  wonach  grös- 
seren Haufen  von  Serben,  wenn  sie  imbewaffnet  nach  Oester 
reich  kämen  oder  die  Waffen  an  der  Grenze  freiwillig  nieder- 

1  KÄUay  a.  a.  O.  5,37  f. 


153 

legen  würden,  die  Aufiiahme  insofeme  zu  gestatten  sei,  als 
keine  begründete  Besorgniss  entstünde,  dass  sie  dem  Staate  aus 
Mangel  an  Nahrung  oder  Unterkunft  zur  Last  fallen  würden. ' 

Die  Mittelstellung  Oesterreichs  erzeugte  mancherlei  ver- 
wickelte Sachlagen.  Denn  die  Pforte  begehrte,  man  solle  die 
in  Schabacz  eingeschlossenen  Türken  ebenso  mit  Mundvorrath 
versehen,  wie  man  solchen  den  Serben  hatte  zukommen  lassen, 
was  denn  auch  imter  gewissen  Bedingungen  eingeleitet  wurde. 

Der  Versuch  Oesterreichs,  zwischen  den  Serben  und  den 
Schabaczer  Türken  einen  Ausgleich  zu  treffen,  scheiterte  daran, 
dass  die  Serben  die  türkischen  Forderungen  unannehmbar  fan- 
den. Beiderseits  ging  man  in  den  Kämpfen  mit  Erbitterung  und 
Grausamkeit  vor.  Stratimirovi<!;  schrieb  auch  —  oc^wiss  nicht 
ohne  einen  Wink  vom  Hofe  erhalten  zu  haben  —  im  Mai  1806 
an  die  serbischen  Häuptlinge,  man  möge  noch  nicht  vergessen, 
dass  der  Sultan  der  Oberherr  sei  und  es  bis  auf  Weiteres 
auch  bleiben  werde.  Die  Serben  sollten  der  Türken  schonen, 
mit  den  österreichischen  Grenzerofficieren  das  beste  Einver- 
nehmen unterhalten,  einträchtig  bleiben  und  dem  Oberanflihrer 
Kara  Georg  treu  ergeben  sein. 

Die  Matschwa  und  Posawina,  der  türkischen  Uebermacht 
preisgegeben,  unterwarfen  sich  freiwillig  wieder,  unter  den  An- 
führern der  Serben  drohten  Spaltungen  auszubrechen.  Dennoch 
blieb  der  Aufstand  imter  Waffen  und  zum  Aeussersten  ent- 
schlossen.    Schabacz  und  Belgrad  müssten  serbisch  werden! 

Der  schlimmste  Feind,  der  Hunger,  begann  immer  erbar- 
mungsloser zu  wüthen.  Sammlungen  unter  den  auswärtigen 
Serben  trugen  nicht  viel  ein.  So  erbrachte  eine  solche  unter  der 
serbischen  Kaufmannschaft  in  Triest  nur  12.750  Gulden.  Wie 
im  April,  so  wiederholte  auch  im  Spätjahre  (November  1806) 
Kara  Georg  seine  Bitte  in  Wien  um  Zufuhr  von  Lebens- 
mitteln, aber  die  Rücksichten  der  Neutralität,  noch  mehr  viel- 
leicht die  serbischen  Grenzverletzungen  erschwerten  ein  solches 
Entgegenkommen.  Jeremia  Gari^  wurde  nach  Wien  als  Bitt- 
steller entboten,  den  Einkauf  von  Mehl  und  Getreide  zu  er- 
wirken, sonst  müssten  die  Serben  zu  Grunde  gehen. '-^ 

Anderseits  schickte  man  Peter  Itschko  als  Unterhändler 
eines  Friedens  nach  Constantinopel.  Hier  aber  wog  nicht  bloss 

»  Beer  a.  a.  O.  193  f. 
2  KÄllay  a.a.O.  683  f. 


154 

der  Entschluss,  den  Serbenaiifstand  zu  brechen^  Bondem  auch 
der  Einfluss  Frankreichs  vor.  Napoleon  liess  den  Sultan  zum 
Kriege  mit  Russland  drängen^  da  diese  Macht  als  Verbündete 
der  Montenegriner  im  Bereiche  der  Bocche  di  Cattaro  der 
französischen  Herrschaft  in  Dalmatien  sehr  unbequem  wurde. 
Bevor  noch  die  förmhche  KriegserklHrung  zwischen  der  Pforte 
und  Kussland  ausgewechselt  wurde  und  Itschko  aus  Stambol 
mit  leeren  Händen  zurückkam  (December  1806),  nahmen  die 
Serben  die  Stadt  Belgrad  mit  Sturm  und  im  Jänner  des  folgen- 
den Jahres  (1807)  schloss  der  Krdschalen-Häuptling  Guschanczi- 
Ali  mit  den  Serben  eine  Capitulation  ab,  welche  ihnen  die  von 
ihm  besetzt  gehaltene  ^untere  Festung'  einräumte,  ein  Ereigniss, 
das  der  französische  Botschafter  bei  der  Pforte,  Sebastiani,  in 
seinem  Schreiben  vom  28.* Jänner  1807^  an  den  Landescom- 
mandantcn  Dalmatiens,  Marmont,  nicht  ohne  einen  misstrauischen 
Seitenbhck  auf  Ocsterreich,  mitzutheilen  sich  befliss.  Es  blieb 
nur  noch  die  obere  Festung  Belgrads  in  den  Händen  der 
Türken,  da  Soliman  Pascha  ihre  Uebergabe  entschieden  ve^ 
weigerte. 

Als  jedoch  den  7.  Februar  1807  die  Serben  auch  in  Scha- 
bacz  einrückten  —  der  österreichische  Oberst  Obuöina  hatte  am 
3.  Februar  die  Capitulation  unterhandelt  — ,  und  die  türkische 
Besatzung  nach  Bosnien  abzog,  erkannte  auch  Soliman  Pascha 
die  Nothwendigkeit,  sich  in  das  Unvermeidliche  zu  fügen,  und 
erbot  sich  den  7.  März  die  obere  Festung  Belgrads  zu  räumen. 
Leider  kam  es  am  8.  März  beim  Abzüge  der  Türken  zu  einem 
von  dem  blinden  Hasse  der  Serben  veranlassten  Wortbruche, 
zu  einer  Metzelei,  deren  Nachwirkungen  das  Verhältniss  der 
Pforte  zu  dem  Aufstande  verschlimmem  mussten.  '^ 

So  hatten  die  Serben  trotz  ihrer  bisher  verzweifelten  Lage 
zwei  wesentliche  Erfolge  zu  verzeichnen,  und  die  Ereignisse 
trieben  weiter.  Die  Pforte  war  in  den  Krieg  mit  Russland  ver- 
wickelt, der  ihr  über  den  Kopf  wuchs,  und  das  Einschreiten 
der   Franzosen   von   Dalmatien    aus    zu    ihren  Gunsten   wurde 


1  Marmo  11  t's  Memoiren,  deutsch  von  Goldbeck,  II.  (1807 — 1812),  Potsdam 
1857,  S.  56—59.  ,.  .  .  Sie  haben  ohne  Zweifel  die  Nachricht  von  der  Ein- 
nahme Belgrads  durch  die  Serbier  erhalten.  Diese  Festung  hat  sich  aus 
Mangel  an  Lebensmitteln  ergeben.  Es  scheint  mir,  dass  Oesterreich  diesem 
Ereigiiiss  niclit  ganz  fremd  ist  .  .  .* 

2  Kallay  a.  a.  O.  594— 595. 


155 

durch  die  im  Mai  1807  stattgefundene  Janitscharen-  und  Palast- 
revolution lahmgelegt.^ 

Als  nun  an  die  Stelle  Selims  HI.  der  den  Franzosen  ab- 
geneigte Sultan  Mustafa  IV.  trat  und  auf  eine  Wafifenruhe 
mit  Russland  lossteuerte,  kam  denn  auch  Ende  August  1807 
bei  Slobosia-Gyurgyewo  ftir  acht  Monate  eine  solclje  zu  Stande. 
Einige  Wochen  vorher  war  jedoch  schon  ein  russisches  Hilfs- 
corps von  1500  Mann  unter  dem  General  IssajefF  den  Serben 
zugezogen  und  vereinigte  sich  (30.  Juni)  mit  ihnen  bei  Negotin. 

Das  war  der  erste  bedeutungsvolle  Schritt  zu  einer  Co- 
operation der  Russen  und  Serben  wider  den  geraeinsamen  Feind, 
und  die  Czarenpolitik  fand  in  solcher  Weise  die  Wege  offen  zu 
einer  Einmischung  in  die  serbischen  Angelegenheiten,  welcher 
das  neutrale  Oesterreich,  um  es  nach  keiner  Seite  hin  zu  ver- 
derben, fem  bleiben  musste. 

Dennoch  hatte  man  sich  im  Spätjahre  1806  auch  in  Wien 
mit  dem  Gedanken  eines  Einschreitens  beschäftigt,  Erzherzog 
Karl  in  einem  Vortrage  an  den  Kaiser  die  Besetzung  Belgrads 
empfohlen,  allerdings  mit  der  Begründung,  die  Festungsstadt  sei 
nach  Herstellung  des  Friedenszustandes  im  Süden  der  Donau 
der  Pforte  wieder  zurückzustellen,  damit  Belgrad  keinen  den 
Interessen  Oesterreichs  abträgKchen  Halt  für  die  Pläne  Serbiens 
oder  Russlands  abgebe. 

Minister  Stadion  hinwieder  fand  dies  Project  angesichts 
der  poUtischen  Sachlage  mehr  als  bedenkhch.  General  Vincent 
erhielt  den  Auftrag  Ende  December  1806,  den  Gewalthaber 
Frankreichs  darüber  auszuholen,  und  berichtete  Jänner  1807, 
Napoleon  habe  in  Bezug  Belgrads  und  Orsovas  die  Bedingung 
gestellt,  Oesterreich  müsste  vorher  die  Pforte  davon  verstän- 
digen und  die  österreichischen  Soldaten  in  der  Verkleidung  von 
Türken  oder  Serben  einrücken  lassen.  Kaiser  Franz  war  schliess- 
lich froh,  dass  sein  Bruder  selbst  den  Plan  ganz  fallen  Hess. 

Die  erwähnten  Ereignisse  des  Jahres  1807  mussten  jedoch 
Erzherzog  Karl  und  Stadion  mehr  denn  je  nachdenklich  machen, 
denn  der  militärische  und  politische  Standpunkt  Oesterreichs 
fand  sich  durch  den  Fall  Belgrads  und  Schabacz',   noch  mehr 

»  Ranke  a.  a.  O.  124  ff.,  KAllay  596  f.,  Beer  198  f.  Ueber  die  Revolution 
in  Constantinopel  und  den  Rückschlag  derselben  auf  die  von  Dalmatien 
aus  gegen  Serbien  vorbereiteten  Rüstungen  Marmont's  Memoiren  a.  a.  0., 
XI.  Buch,  69  ff. 


156 

• 

jedoch  durch  die  Helferrolle  Russlands  in  Serbien  sehr  unan- 
genehm berührt. 

So  hing  denn  Alles  in  unerquicklicher  Schwebe,  und  die 
den  neuen  Gefahren,  der  begreiflichen  Unversöhnlichkeit  und 
kriegerischen  Entschlossenheit  der  Pforte  entgegenblickenden 
Serben  erscheinen  um  diese  Zeit  in  drei  Parteien  gespalten. 

Kara  Georg  und  dessen  massgebender  Anhang  be- 
hielten Oesterreich  als  wohlwollenden  Nachbar  im  Auge  und 
mochten  sich  vorderhand  auf  die  Wahrung  des  bisher  schwer 
Errungenen  beschränken,  während  eine  zweite  Partei,  mit  Luka 
Lazarevi6,  Miloje  Petrovi6  und  Mladen  Mitrofanovi6 
an  der  Spitze,  ein  ,grossserbisches  Reich'  vom  Schlage  des  der 
sagenberühmten  Nemanjaden  schajQTen  zu  können  vermeinte, 
auch  auf  die  Ungaroserben  durch  Sendlinge  einwirken  liess 
und  thatsächlich  da  und  dort,  auch  in  österreichischen  Grenz- 
regimentem,  Gesinnxmgsverwandtschaft  anregte.  Eine  dritte 
Partei,  geführt  von  Milenko  Stoi6,  Novakovi6,  Sivkovi6 
und  Bischof  Pro tic  von  Belgrad,  verfocht  als  eigentliche  Russo- 
philenpartei  den  Anschluss  an  das  sprach-  und  glaubensver- 
wandte Czarenreich.^ 

Russland  schickte  damals  als  ,Generalconsul'  in  das  ser- 
bisch gewordene  Belgrad  den  Staatsrath  Constantin  Radofini- 
kin,  den  ,schlauen  Griechen',  dessen  Verhaltungsbefehle  be- 
greiflicher Weise  dahin  gingen,  die  Sympathieen  der  Serben 
für  den  Kaiser  aller  Reussen  thunlichst  warm  zu  halten,  ihr 
politischer  Gewissensrath  und  Freund  zu  werden  und  über  alle 
Vorkommnisse  fleissig  zu  berichten.^ 

Die  bisherige  Sprödigkeit  Oesterreichs  begünstigte  das 
Spiel  der  Russophilen,  die  sich  in  der  Zeit  vor  und  nach  dem 
Tilsiter  Frieden  zwischen  Frankreich  und  Russland  an  den 
Czaren  wandten,  fUrs  Erste,  um  ihr  Zusammenwirken  mit 
einem  Russenheere  gegen  die  Franzosen  in  Dalmatien  anzu- 
bieten, bei  welcher  Gelegenheit  Czar  Alexander  zum  ,Kaiser 
von  Serbien'  ausgerufen  und  dies  verjüngte  Serbenreich  durch 
Bosnien,  die  Herzegowina  und  das  Gebiet  von  Cattaro  ver- 
grössert  werden  sollte,  Gedanken,  die  eine  gevrisse  Verwandt- 
schaft mit  den  Träumen  jener  grossserbischen  Partei  verrathen, 
fürs  Zweite  sodann  mit  dem  Zwecke,   eine  günstige  Regelung 

»  Beer  200. 

3  Ueber  Kadofinikiu  s.  Ranke  119,  Beer  201. 


157 

der  Zukunft  Serbiens,  anlässlich  des  Tilsiter  Friedens,  durch 
Russland  herbeizuführen.  Man  wolle  nimmer  das  türkische  Joch 
tragen  und  jedwedem  Versuche  einer  anderen  Macht  in  dieser 
Richtung  entschieden  begegnen.  Napoleon  habe  sich  nämlich 
bereit  erklärt,  Kara  Georg  als  ,König  der  Serben^,  unter 
französischer  Hoheit,  anzuerkennen,  ein  Anwurf,  der  selbst- 
verständUch  nur  Feindseligkeit  gegen  den  Oberanflihrer  athmet. 
Ueber  alles  dieses  verbreitet  sich  der  Bericht  des  österreichi- 
schen Diplomaten  Grafen  Merveldt  und  versetzte  die  leitenden 
Ejreise  in  eine  begreifliche  Unruhe  und  Spannung. ' 

Es  galt  nun  wieder,  je  deutlicher  die  Anzeichen  einer 
Verständigung  zwischen  Russland  und  Frankreich  wurden, 
Fühlung  und  Einfluss  bei  den  Serben  zu  gewinnen.  In  diese 
neue  Phase  der  serbischen  Politik  Oesterreichs  ftQlt  die  Ueber- 
nahme  des  slavonischen  Grenzcommandos  durch  Freiherm  von 
Simbschen  und  seine  Rolle  als  Vertrauensmann  der  Regierung. 
Zunächst  war  es  Erzherzog  Karl  als  Kriegsminister,  dann  der 
Kaiser  selbst  und  das  Ministerium  der  auswärtigen  Angelegen- 
heiten, welche  Simbschen  mit  wichtigen,  aber  nicht  immer  dank- 
baren, Aufgaben  bedachten. 

V. 

Simbschen   als  Diplomat  in   der  serbischen  Frage   bis 
zum  Ausbruche  des  neuen  Krieges  Oesterreichs  mit  Na- 
poleon 1807—1809. 

Wir  haben  bereits  oben  der  schwierigen  Erbschaft  ge- 
dacht, welche  Simbschen  als  Militär-  und  Verwaltungschef,  aber 
auch  als  Diplomat  aus  den  Händen  seines  greisen  Vorgängers 
übernahm.  Die  letztere  Aufgabe,  die  des  Unterhändlers  zwischen 
der  Wiener  Regierung  und  den  serbischen  Volksflihrern,  sollte 
ihn  am  meisten  beschäftigen,  den  Schlussabschnitt  seines  bisher 
vortheilhaft  beurtheilten  und .  von  massgebender  Seite  ausge- 
zeichneten Berufslebens  bilden  und  ihm  in  ihren  verhängniss- 
vollen Rückwirkungen  harte  Prüfungen  bescheren. 

Von  jetzt  an  ist  seine  Apologie  oder  Rechtfertigungsschrift 
vom  Jahre  1816  mit  ihren  actenmässigen  Aufschlüssen  die  we- 
sentliche Grundlage  unserer  Darstellung,  welche  anderseits  in 
den  von  Beer  aus  gleichen  und  verwandten  Quellen  geschöpften 

«  Beer  201—202. 


158 

Ausführungen  über  die  Mission  Simbschen's  eine  wiehtige 
Vorarbeit  anerkennen  muss.  Allerdings  beruht  der  wesentliche 
Unterschied  zwischen  dem,  was  Beer  diesbezüglich  bietet,*  und 
dem,  was  hier  zur  Erörterung  gelangt,  darin,  dass  der  genannte 
Historiker  in  seinem  die  ganze  ,orientalische  Politik  Oester- 
reichs  seit  1774'  bis  zur  jüngsten  .Phase  umfassenden  Werke 
den  , Aufstand  in  Serbien'  bis  1813  aus  dem  Gesichtspunkte 
der  gi'ossen  Machtfragen  episodarisch  behandelt  und  selbstver- 
ständlich dje  ämthche  Thätigkeit  Simbschen's  nur  streifen 
kann,  während  letztere  in  der  vorliegenden  Abhandlung  den 
Mittelpunkt  abgibt,  mit  Persönlichkeiten  und  Vorfällen. zu- 
sammenhängt, welche  den  Zwecken  der  Darstellung  Beer's  fem- 
Hegen,  gerade  aber  einen  tieferen  Einblick  in  das  Getriebe 
der  serbischen  Frage  und  in  die  Zustände  der  öster- 
reichischen Militärgrenze  erschliessen. 

Es  war  die  Zeit,  in  welcher  die  beiden  leitenden  Persön- 
lichkeiten, Erzherzog  Karl,  der  Kriegsminister,  und  Stadion, 
der  Staatskanzler,  wenngleich  in  ihren  Grundanschauungen  nicht 
Eines  Sinnes,  in  der  Ueberzeugung  von  der  Noth wendigkeit 
der  Kriegsbereitschaft  Oestcrreichs  zusammenti*afen.^  Galt  die- 
selbe zunächst  einer  wahrscheinlichen  ,Aggression  von  Seiten 
Frankreichs',  so  musste  sie  doch  auch  die  Stellung  der  Mon- 
archie im  Süden  der  Donau  in  ihr  Bereich  ziehen^  denn  hier 
sollte  den  beunruhigenden  Entwürfen  der  Staatskunst  Russlands, 
seiner  Ausbeutung  des  Serbenaufstandes,  ein  Riegel  vorgeschoben 
werden,  umsomehr,  als  die  Czarenpolitik  einen  Weg  cinschlng, 
welcher  bald  zu  den  Erfurter  Uebereinkünften  vom  Herbste 
des  Jahres  1808  mit  Frankreich  führte,  wodurch  eine  gründliche 
Verschiebung  der  grossen  Machtfragen,  vor  allen  der  orientali- 
schen, zu  Tage  trat. 

Bevor  wir  jedoch  den  Faden  der  bezüglichen  Actenstücke, 
die  Weisungen  an  Simbschen  und  dessen  Berichte  in  der  ser- 
bischen Angelegenheit,  aufnehmen,  mögen  einige  Vorbemerkungen 
ihren  Platz  finden. 


1  Beer  behandelt  in  seiner  Orientpolitik  diese  Epoche  von  8.  202  fL  nn 

und  ebenso  bieten  seine  ,Analekten*  eine  Keihe  wichtiger,  sich  mit  dem 

Nachlasse  Siinbschen*s  deckender  Actenstücke. 
3  Beer,  Zehn  Jahre  (österreichischer  Politik,  11.  Buch  ^ie  OatarreichiBche 

Politik  unter  Stadion',  insbes.  262  ff.  Vgl.  Krones,  Zur  Geschichte  Oester- 

reichs  1792—1816  (Gotha  1886)  65  ff. 


159 

Die  Aufzeichnungen  Simbschcn's  und  die  bezüglichen  Acten 
nennen  uns  eine  Reihe  von  Persönlichkeiten,  deren  er  sich  als 
Vertrauensmänner  oder  Unterhändler  in  seinem  Verkehre  mit 
Kara  Gteorgye  und  dessen  Vollmachtträgem,  anderseits  als  Kund- 
schafter behufs  Ergrllndung  der  Vorgänge  in  Serbien  bediente.^ 

Zunächst  war  es  sein  ältester  Sohn  Josef,  damals  Major, 
später  Oberst  des  Gradiscaner  Grenzregimentes.^  Eine  wichtige 
Rolle  spielt  der  Semliner  Militärcommandant,  Oberst  von  Perss. 
Viel  beschäftigt  erscheint  der  Semliner  Handelsmann  Milosch 
UroSevi6,  neben  ihm  sein  Berufsgenosse  Demeter  Bratogli6 
und  der  Brauer  und  Handelsmann  Constantin  Hagya.  Folgen 
wir  weiter  Simbschen's  Mittheilungen,  so  begegnen  wir  neben 
dem  Grafen  Josef  Peja6cvi6,  dem  General- Auditoriats-Lieute- 
nant  Steffanoviö,  dem  pensionirten  Rittmeister  Christof  Haöi6, 
Bürgermeister  von  Semlin,  an  dessen  Stelle  dann  ein  Antagonist 
Simbschen's,  Göhlis,  trat,  dem  Stuhlrichter  Szalay  aus  Ruma, 
dem  Fiscal  Greguri6  von  Tcmesvdr  und  dem  Arendator  oder 
Pächter  des  Fischfangs,  der  Eichelmast  und  des  Weinschankes 
Jurko  Petrovi6  aus  Passowa,  auch  dem  Arzte  Garzony,  dem 
Arader  Weinhändler  Pop o vi 6,  dem  Wagner  Nagy,  einem 
Barbier  aus  Neusatz,  dem  Semliner  Feldwebel  und  Handels- 
sensale Peter  Brankovi6,  dem  Schweinehändler  Katona,  dem 
Karlowitzer  Wein-  und  Fruchthändler  Stefan  Haöi6,  dem  Neu- 
satzer Handeismanne  Peter  Blau,  den  Peter wardeiner  Handels- 
leuten Herschel  und  Diwan,  dem  dortigen  Apotheker  Schams 
und  dem  Fleischbankarcndator  Kolarevi6,  —  einer,  wie  es 
nicht  anders  sein  konnte,  bunt  gemischten  Gesellschaft,  der 
auch  alle  jene  Lieferanten  beizuzählen  sind,  die  im  Jahre  1809 
die  Versorgung  der  Festungen  Peterwardein,  Essegg,  Gradisca, 
Brod  imd  Raöa  unter  der  Bedingung  übernahmen,  dass  man 
sie  mit  Ausfuhrpässen  nach  Serbien  und  Bosnien  versehe,  um 
dort  flir  Salz  und  Getreide  Schlachtvieh  und  andere  Verpfle- 
gungsgegenstände einzuhandeln.  Selbst  der  Belgrader  Stadt- 
armen bediente  sich  Simbschen  mitimter  als  Aufpasser  und 
Auskunftgeber. 

Aber  auch  die  Vertrauensmänner  oder  ,Correspondenten' 
Russlands;  und  zwar  Radofinikin's  und  seines  serbischen  An- 
hanges  verzeichnet   Simbschen;    es    seien    dies    zugleich  jene 

'  Dm  Folgende  nach  der  Angabe  der  Apologie  Simbschen's. 
>  Geb.  12.  Februar  1788,  gest.  7.  März  1824. 


160 

unter  einander  eng  verbündeten  Leute  gewesen,  die  dann  auch 
die  Rolle  von  hofkriegsräthlichen  ,Aufpa8sem'  und  Anklägern 
ihm  gegenüber  spielten.  Der  Eine  von  ihnen,  Gottschlig,  Pro- 
tokollist des  Peterwardeiner  Commandos,  verstand  es  wohl  lange 
genug,  sein  Treiben  den  Augen  seines  Vorgesetzten  zu  ver- 
schleiern. Dann  nennt  Simbschen  den  ziemlich  vorlauten  Bürger- 
meister von  Semlin,  Göhlis,  Nachfolger  des  Christof  Ha6i£  im 
Amte,  Bruder  eines  vielbeschäftigten  Wiener  Arztes,  dem  ein- 
flussreiche Verbindungen  zu  Gebote  standen,  und  die  am  gleichen 
Orte  befindlichen  Beamten:  Stadtsyndicus  KoUitsch,  Postver- 
walter Kratay  und  Polizeicommissär  Vetter.  Ihnen  traten 
Semliner  Kaufleute,  insbesonders  Demeter  Ratkovi6,  eigentlich 
Marko  vi  6,  ein  gewinnsüchtiger  Erbschleicher,  der  sich  von 
dem  Semliner  Platzmajor  Mitesser  und  dem  bereits  genannten 
l^ostvcrwaltcr  Kratay  als  russischer,  dann  als  türkischer  Spion 
habe  verwenden  lassen,  und  Markoviö'  würdiger  Genosse,  Ana- 
stas  Diamandi,  eine  Zeitlang  Geschäftsfreund  des  Bratogli6 
und  Hagya,  dann  mit  ihnen  zerfallen,  später  (1812)  zu  ach^ 
jähriger  Schanzarbeit  verurtheilt  —  an  die  Seite. 

Es  ist  nicht  leicht,  in  einer  solchen  Rechtfertiguugsschrifl, 
wie  sie  uns  Simbschen  bietet,  das  rein  Sachliche  herauszufinden 
und  von  dem  pei-sönlichen  Momente,  den  subjeetiven  An- 
schauungen des  Verfassers,  loszuschälen,  —  immerhin  erscheint 
es  ganz  begreiflich,  dass  seineu  Bestrebungen  von  mancher 
Seite  im  Geheimen  entgegengewirkt  wurde,  und  dass  besonders 
der  eigennützige  Geschäftsgeist  in  allen  jenen  zum  Widersacher 
erwuchs,  die  sich  durch  Begünstigungen  der  von  ihm  gebrauch- 
ten Kundschafter  in  ihrem  Piigennutz  gekränkt  fanden. 

Aber  auch  nach  anderer  Richtung  hin  gab  es  Schwierig- 
keiten. Neben  der  Wiener  Cabinetspolitik  machte  sich  auch 
wie  immer  eine  spccifisch  ungarische  in  der  serbischen  Frage 
bemerkbar,  die  den  ,Rebellen^  nicht  hold  war  und  vor  weiter 
gehenden  Sympathiecn  der  Ungaroserben  fUr  die  Sache  der 
Stamm-  und  Glaubensbrüder  Besorgnisse  empfand,  die  aller- 
dings auch  den  Wiener  Kreisen  nicht  fremd  waren  und  selbst 
Simbschen  mitunter  anwandelten. 

Wer  die  ,geheime  Instruction'*  Erzherzog  Karls  an 
Simbschen  vom  18.  Februar  1808  aufmerksam  durchliest,  findet 


*  Actcnstücke  der  Apologie  Nr.  1.    Abgedruckt  auch  bei  Beer»  Orient- 


161 


sogleich  das  ungemein  Heikle  der  diplomatischen  Aufgabe  her- 
aus, die  *dem  Peterwardeiner  Militärcommandanten  und  Verwal- 
tungschef zugedacht  bHeb.  Er  hätte  bereits  früher  ,umständliche 
Instructionen  des  General-Grenzdirectors'  (Erzherzog  Ludwig) 
erhalten  sollen/  die  nun  ,so  weit  modificirt  wurden,  als  es  die 
gegenwärtigen  Verhältnisse  nothwendig  machend 

Was  bereits  im  Jahre  1806  Erzherzog  Karl  angestrebt 
hatte,  die  österreichische  Besetzung  von  Belgrad,  erscheint  in 
der  Instruction  des  kaiserlichen  Prinzen  nunmehr  als  ,von  nicht 
zu  berechnendem  Vortheile  fUr  die  Ruhe  und  Sicherheit  der 
diesseitigen  Provinzen'  betont.  Die  Occupation  von  Belgrad  habe 
Simbschen  als  seine  persönUche  Meinung,  als  seine  Idee,  und 
zwar  mit  Darlegung  der  Vortheile,  welche  dadurch  den  Serben 
erwüchsen,  durch  seine  Vertrauenspersonen  drüben  andeuten 
zu  lassen,  um  die  Gesinnungen  der  Serben  auszuholen  und  ihr 
Entgegenkommen  zu  veranlassen.  Nur  im  Nothfalle  sei  ein  per- 
sönlicher Meinungsaustausch  zwischen  ihm  und  den  Führern 
der  Serben  angezeigt.  Der  österreichische  Hof  dürfe  hiebei  in 
keiner  Weise  compromittirt  und  das  Geheimniss  seines  Auf- 
trages verletzt  werden.  Bei  einiger  Geneigtheit  der  Serben  in 
der  angedeuteten  Richtung  könnte  Simbschen  eine  Rücksprache 
mit  dem  Metropoliten  von  Karlowitz,  Stratimirovi6,  nehmen, 
aber  erst  dann,  wenn  er  der  guten  Gesinnung  dieses  ,feinen 
und  verschlagenen  Mannes*  sicher  sei.  Mit  den  Geldmitteln  zur 
Entlohnung  der  Vertrauensmänner  solle  weder  gegeizt  noch 
verschwenderisch  umgegangen  werden.  Der  Schwerpunkt  der 
Aufgabe  Simbschen's  ruhe  in  der  Beachtung  des  schicklichsten 
Zeitpunktes  ,die  Verhandlungen  rasch  fortzuführen  oder  abzu- 
brechend 

Diesem  mit  allerhand  Vorbehalten  ausgestatteten  Auftrage, 
der  so  ziemHch  Alles  dem  politischen  Takte  und  diplomatischen 
Spürsinne  Simbschen's  —  unter  keiner  geringen  Verantwortlich- 
keit —  überliess,  suchte  derselbe  nach  Thunlichkcit  zu  ent- 
sprechen. Schon  drei  Tage  nach  Empfang  der  Weisung  des 
Erzherzogs  erstattete  er  einen  vorläufigen  Bericht,  wie  er  diese 

talische  Politik  Oesterreichs  (welches   Werk    fortan    fast    ausschliesslich 
citirt  wird).    Analekten  VII,  790—793;  im  Texte  8.  202  f. 
1  Dass  er,  auffällig  genug,  diese  Weisungen  des  Grenzdirectors  nicht  er- 
hielt, findet  sich  in  Simbschen^s  Berichte  an  Erzherzog  Karl  vom  24.  März 
1808  auadrücklich  bemerkt. 
Archir.   Bd.  LXXTI.  I.  Hilfte.  11 


162 

Unterhandlungen  einzuleiten  vorhabe,  nicht  ohne  der  verschie- 
denen Anstünde  zu  gedenken,  und  schilderte  die  politifiche  und 
militärische  Sachlage.^ 

Den  7.  März  meldet  Simbschen  die  Entsendung  seines 
Veiiimueysmannes  Milosch  UroSevi6  nach  Belgrad,  um  hinter 
die  Anschläge  des  russischen  Consuls  Radofinikin  zu  kommen, 
drei  Tage  später  die  ihm  hinterbrachte  Ankunft  Kara  Geoi^ 
in  der  genannten  Stadt,  woselbst  dieser  einen  ,Synod'  oder  eine 
Nationalversammlung  (Skupsehtina)  abhalten  wolle.  Zugleich 
legt  er  ein  Verzeiclmiss  der  uns  schon  bekannten  Persönlich- 
keiten in  Semlin  bei,  die  durch  Correspondenzen  und  Denun- 
tiationen  Simbschen's  Unterhandlungen  entgegenwirkten.  ^ 

Vom   gleichen   Tage,    an   welchem   Simbschen   den  letzt- 
angeft'ihrten  Bericht  abgehen  liess,    datirt   eine   zweite  wichtige 
und   umfangi*eiche  Weisung  Erzherzog  Karls,   die  sich  mit  der 
Depesche  des  Peter wardeiner  Commandanten  kreuzte   und  die 
Antwort  auf  dessen  Bericht   vom  24.  Februar   entliielt'    Der 
kaiserliche  Prinz  erwähnt  zunächst,   über   die   serbischen  Ver- 
hältnisse durch  den  General-Grenzdirector  (Erzherzog  Ludwig) 
im  Laufenden  erhalten  zu  sein,  und  bezeugt  sein  ^Wohlgefallen 
an  dem  Eifer  und  der  Klugheit'  Simbschen's  bei  der  Behandlung 
der  ganzen  Angelegenheit.   Da  Simbschen  damals  die  Nothwen- 
digkeit  einer  namhaften  Geldsendung  für  seine  Zwecke  betonte, 
so  verweist  ihn  der  P^rzherzog  auf  ihr  baldiges  Eintreffen.  Die 
Hauptsache,  die  eventuelle  Besetzung  Belgrads,  für  deren  Mög- 
lichkeit   und    Dringlichkeit    Simbschen    eintrat,    behandelt   der 
Arnieemiuister  und  Generalissimus  in  vorsichtigster  Weise.  Käme 
es  zu   einer  diesbezüglichen  Vereinbarung  mit  den  Serben,  80 
solle  SU  weit  als  möglich  eine  ,furmliche  Capitulation  vermieden 
werden'.  Simbschen  wolle  den  Serbon  thunlichst  begreiflich  ma- 
cheu,  ,dass  eine  unbedingte  Ueberlieferung  der  Festung  allein 
als  ein  vollgiltigcr  Beweis  ihres  aufrichtigen  Vertrauens   anzu- 
sehen ist^  Für  den  Fall  jedoch,  dass  sie  auf  der  Abschliessuug 
einer  Capitulation  beständen,   möge  dies  unter  den  vorgezeich- 
neten Bedingungen  vollzogen  werden.  Eine  Besetzung  Belgrads 
dui'ch  Simbschen  ,auch  ohne  Rückfrage'  dürfe  nur  im  ,äusser- 

1  Simb.scheii  au  Erzherzrig;  Karl,  24.  Februar,  Peterwardein.  ActenstQcke 
der  Apologie  Nr.  2. 

2  Acteiistüc'ke  zur  Apologie  Nr.  3  und  4. 

3  Actenstücke  zur  Apologie  Nr.  5.  Beer,  Analekten  VU,  Nr.  2,  7d4~7%. 


163 

sten  Falle  vor  sich  gehen*.  Sonst  habe  sich  derselbe  an  die 
Weisungen  vom  18.  Febmar  zu  halten  und  jede  verdächtige 
Eilfertigkeit  zu  vermeiden.  Er  müsse  ihm  daher  , wiederholt  die 
genaueste  Vorsicht  und  Behutsamkeit*  empfehlen. 

Von  besonderem  Interesse  ist  auch  der  Schlusssatz.  Simb- 
schen  hatte  den  Widerwillen  der  Serben  gegen  eine  Einverleibung 
mit  Ungarn  betont,  dessen  Statthalterei  in  einer  lateinischen 
Verordnung  sie  als  ,Rebellen'  erklärte;  Erzherzog  Karl  er- 
mächtigt ihn,  die  Serben  hierüber  zu  beruhigen  und  durch 
seine  Vertrauenspersonen  jedes  gegentheilige  Gerücht  als  un- 
statthaft* zu  erklären. 

Bevor  noch  diese  Weisung  von  Wien  eintraf,  hatte  Simb- 
schen  an  Erzherzog  Karl  (14.  März  1808)  die  Anzeige  erstattet, 
dass  ein  gewisser  Mlinari6,  k.  k.  Rittmeister,  seinen  Bestrebungen 
entgegenwirke  und  über  einen  nicht  unbedeutenden  Anhang 
verftige.  Er  wird  als  ein  Ränkeschmied  beargwöhnt,  der,  mit 
dem  Postverwalter  Kratay  und  mit  dem  Geschäftsmanne  Mediero 
in  Verbindung,  einerseits  Simbschen's  Thätigkeit  den  Russen 
verrathe,  andererseits  ihn  in  Wien  verschwärze.  Simbschen 
kommt  darauf  noch  in  zwei  folgenden  Depeschen  zurück.^ 

Einer  der  wichtigsten  Stimmungsberichte  über  die  aufstän- 
dischen Serben  wurde  vom  Major  Simbschen  au  seinen  Vater, 
den  Commandanten  in  Peterwardein  (21.  März),  erstattet. 

Der  Erstgenannte  kam  mit  den  vertrauten  Genossen  Kara 
Georgs,  Mladen  und  Mi  1  oje  Petrovi6,  zusammen,  die  sich 
oifen  über  ihre  schlimme  Lage,  den  Mangel  an  Schiessbedarf 
und  die  Hungersnoth  im  Serbenlande  ausliessen,  über  die  Ränke 
Radofinikin's,  den  Russophilen  Miladorovi6  und  den  englischen 
Agenten  Michelson  loszogen. 

Der  Einfluss  Russlands  sei  von  der  Zeit  an,  als  Nenadovi6 
und  Grujevi6  (Philippovic)  mit  leeren  Händen  von  Wien  (1806, 
Frühjahr)  zurückkamen,  gewachsen;  man  habe  eine  halbe  Mil- 
lion Gulden  durch  Radoiinikin  erhalten.  Kara  Georg  möchte 
sich  gern  des  russischen  Consuls,  der,  wie  sie  bemerkten,  ein 
Betrüger  sei,  entledigen,  und,  wie  er,  wolle  auch  das  Volk  den 
Anschluss  an  Oesterreich,  denn  es  sei  des  aufreibenden  Krieges 
müde.  Man  zweifle  aber  an  der  Bereitwilligkeit  des  Kaisers, 
die  Serben  zu  schützen,   da  man  schon  vor  zwei  Monaten  um 

*  Acteii8tücke  zur  Apologie  Nr.  6,  7,  8  vom  14.,  17.  und  2ü.  März.    Im 
letzteD  Acteiutttcke  wird  die  Abreise  des  Ml  in  arid  gemeldet 

11* 


164 

Pulver  gebeten,  aber  keine  Zusage  erhalten  habe.  Der  Hass 
gegen  Ungarn  und  Alles,  was  mit  seiner  Verfassung  zusammen- 
hänge, sei  allgemein;  dagegen  würde  man  sich  eine  Einrichtung 
wie  die  der  Militärgi'enze  gefallen  lassend 

Die  Berichte  des  Obersten  Perss  an  Simbschen  (vom  23. 
und  28.  März  1808)  bestätigten  den  Wunsch  der  Serben,  unter 
österreichische  Herrschaft  zu  kommen,  gaben  aber  auch  ihrer  Be- 
sorgniss  Ausdruck,  durch  eine  öflFentHche  Kundgebung  den  Fran- 
zosenkaiser herauszufordern  und  ihn  dahin  zu  bringen,  die  Serben 
entweder  durch  Russen  oder  Türken  züchtigen  zu  lassen. 

Am  27.  März  hatte  Oberst  Perss  eine  Besprechung  mit 
Mladcn,  Miloje,  Milenko  und  Popovi6,  welche  die  Dringlichkeit 
rascher  Unterstützung  vertraten. -^ 

Auf  Grundlage  aller  dieser  Kundschaftsberichte  erstattete 
Simbschen  seinen  Bericht  vom  31.  März  an  Erzherzog  Karl 
und  meldete  die  Ankunft  Kara  Georgs  in  Belgrad;  die  dies- 
fillhge  frühere  Nachricht  war  oiSenbar  verfrüht.' 

Seine  Darlegungen  hatten  die  Folge,  dass  der  Generalis 
simus  den  4.  April  1808  an  Simbschen  die  Weisung  ergehen 
Hess,  sich  gegebenen  Falles  zur  Besetzung  Belgrads  des  Regi- 
mentes Eszterhäzy  zu  bedienen.^ 

Vor  dem  Eintreffen  dieser  Depesche  hatte  Simbschen  mit 
Kara  Georg  in  der  verfallenen  ,Tschardake' '"^  Mertvastracha 
an  der  Save  eine  Besprechung  gehabt,  über  die  er  aus  Semlin 
(5.  April)  eingehend  berichtet.^  Dieses  Actenstück  ist  eines 
der  gewichtigsten  Zeugnisse  für  die  Bereitwilligkeit  des  obersten 
Anführers  der  Serben,  mit  Oesterreich  abzuschli essen. 

Kara  Georg  hob  in  dieser  Besprechung  mit  der  Erklftning 
an,  dass  die  Serben  dem  Hause  Oesterreich  und  insbesondere 
dem  Erzherzog  Karl  ftir  seine  werkthätige  Gesinnung  dankbar 
8c;ien.     Um     so    schmerzlicher    und    betrübender    wäre    daher 

*  A  c  t  e  n  M  t  ii  c  k  o  der  A])ologie  Nr.  7,  1 .  Beilage ;  bei  Beer  venseichnet  und 
fri-fTiari  8.  204. 

^  Artr.iiKtücko  der  Apologie  Nr.  6,  Beilage  2,  3,  und  Nr.  7  bei  Beer, 
H.  1204.  Penw  machte  auch  Simbschen  auf  die  bedenkliche  Haltung  des 
K<?mlimer  Olierstlieut.  Mitesser  und  dessen  Vertraulichkeiten  mit  Rado- 
finikiii  und  dem  Russophilen  Novakovic  aufmerksam. 

*  Act<^nHtücke  der  Apologie  Nr.  9. 

*  Actc.nMtncko  der  Apologie  Nr.  12. 

'"  Kl»  b«;z«?iihnet  sio  Simbschen  in  »einer  Apologie. 
'   A«l<jnntncke  der  Apologie  Nr.  II.    Beer  204  f. 


165 

für  sie  die  Erfahrung  des  Jahres  1807  gewesen,  als  Kaiser 
Franz  auf  Anrathen  des  ungarischen  Landtages '  die  all- 
zeit getreue  und  anhängliche  Serbennation  verlassen,  der  Grau- 
samkeit des  Türken  preisgegeben  und  jede  Zufuhr  aus  seinem 
Grenzgebiete  untersagt  habe.  Da  alle  Bitten  imd  Gegenvor- 
stellungen vergebUche  bheben,  wandte  man  sich  daher  an  Russland 
und  erhielt  von  dieser  Macht  Geld,  Schiessbedarf  und  Kriegshilfe. 
Ueberdies  sei  der  russische  Staatsrath  Radofinikin  nach  Belgrad 
gekommen.  Russland  vermöge  aber  auch  mit  dem  besten  Willen 
nicht,  die  Serben  vor  dem  Hungertode  zu  bewahren.  Zu  An- 
fang des  verflossenen  Winters  (1807)  seien  zwei  französische 
Officiere  nach  Serbien  gekommen  und  hätten  zwei  Millionen 
Piaster  angeboten,  wenn  sich  die  Serben  unter  den  Schutz 
Frankreichs  stellten.  Kara  Georg  habe  aber  sowohl  gegen 
Radofinikin  als  gegen  die  französischen  Emissäre  sich  geäussert, 
auch  mehrere  Millionen  an  Geld  würden  da  nicht  helfen,  so 
lange  die  Grenzsperre  von  Oesterreich  herüber  bestünde  und 
es  unmöglich  sei,  Lebensmittel,  Waffen  und  Schiessbedarf  ein- 
zuAihren.  Beide  Theile  versprachen  ihm  nun  ihre  wirksame 
Vermittlung,  doch  sei  bis  jetzt  nichts  geschehen.  Er,  der  Synod 
und  die  Häupter  des  Volkes  lebten  der  Ueberzeugung,  dass 
angesichts  der  gegenwärtigen  Spannung  zwischen  Russland  imd 
Frankreich  kein  anderer  Ausweg  bleibe,  als  sich  unter  den 
Schutz  des  Kaisers  von  Oesterreich  zu  begeben. 

Simbschen  sei,  wie  er  vernommen,  der  illyrischen  Sprache 
mächtig  und  von  Jugend  auf  ein  Freund  der  Serbennation. 
Deshalb  habe  er  den  Weg  zu  ihm  gemacht,  um  ihn  zu  bitten, 
die  Wünsche  der  Serben  zu  verwirklichen,  die  aber  nicht  da- 
hin zielten,  blos  Schützlinge  Oesterreichs  zu  werden,  sondern 
die  Einverleibung  ihres  Landes  mit  Oesterreich  beträfen.  Sei 
ja  doch  die  Hälfte  der  Nation  bereits  dort  und  in  der  Militär- 
grenze angesiedelt.  Dies  könnte  man  aber  nur  unter  nach- 
stehenden Bedingungen  vor  sich  gehen  lassen: 

Serbien  dürfe  niemals  zu  Ungarn  geschlagen 
werden,  sondern  bleibe  als  Militärgrenze  oder  nach  deutschen 
Gesetzen  verwaltet,  auch  unabhängig  vom  ungarischen  Mauth- 
wesen,  keiner  geistlichen  Bevormundung  seines  eigenen  Kir- 
chentbums    ausgesetzt,    blos    vom   Kaiser   behen*scht   und   von 


^  Denelbe  wurde  den  6.  November  1807  geschlossen. 


166 

militärischen  Vorstehern  verwaltet.  Kara  Georg  wolle  der  Elrste 
sein,  der  sich  Mühe  geben  werde,  das  österreichische  Militär- 
cxcrcitium  zu  erlernen;  der  Kaiser  von  Oesterreich  möge  ferner 
den  Serben  einen  Frieden  so  lange  nicht  aufnöthigen,  bis  Nissa 
(Ni§)  und  der  übrige  Theil  Serbiens  erobert  sei,  was  Kara 
Georg  bald  zu  bewerkstelligen  gedenke,  wenn  ihm  Oesterreich 
etwas  an  Gcscht'itzen  und  Schiessbedarf  zukommen  liedse,  femer 
einige  Artilh^risten,  die  man  als  Serben  verkleiden  könne.  Er 
und  sein  Volk  bäten  zunächst  um  ausgiebige  Unterstützung  mit 
Getreide  und  ilehl,  damit  man  es  der  ärmsten  Bevölkening 
vorschussweise  zukommen  lassen  könne.  Für  die  Bezahlung 
nach  Herstellung  des  Friedens  verbürge  sich  die  Gesammtheit 

So  erscheint  denn  das  Ergebniss  der  Zusammenkunft 
Simbschen^s  mit  Kara  Georg  ftlr  den  ersten  Blick  als  ein  die 
kühnsten  Erwaitongen  überfliegender  Gewinn  des  Augenblicks; 
nicht  Belgrad  allein,  ganz  Serbien  soll  österreichisch  werden, 
allerdings  unter  Bedingungen,  die  sich  aber  durchaus  nicht  als 
unannehmbar  zeigten.  ,Bis  Constantinopel  wolle  man  dann  mit 
Simbschcn  ziehen*.  —  Immerhin  begriff  auch  Simbschen,  dass 
diese  Frucht  noch  lange  nicht  reif  genug  sei,  um  gepflückt  zu  wer- 
den, und  dass  sich's  Oesterreich  wohl  überlegen  werde,  in  Voraus- 
sicht eines  neuen  Krieges  mit  Napoleon  und  vor  den  Augen  der 
Türkei  und  Russlands  sogleich  beide  Hände  darnach  auszustrecken. 
Es  konnte  ihm  nicht  entgehen,  dass,  wenn  es  auch  Kara  Georg 
redlich  meinen  mochte,  hinter  seiner  Meinung  durchaus  nicht  ganz 
Serbien  stand,  und  er  durfte  auch  nicht  die  nächste  bedenkliche 
Veranlassung  des  überraschenden  Angebotes:  die  Nothlage  Ser- 
biens, das  Bcdürfniss,  von  Oesterreich  Nahnmgs-  und  Kriegs- 
mittel möglichst  bald  zu  erhalten,  unterschätzen.  Ueberdies  war 
er  sich  nicht  bjos  seiner  grossen  Verantwortlichkeit  bewusst; 
wiederholt  zur  äusserstcn  Vorsicht  gemahnt,  ermass  er  auch 
die  Gefahr,  seine  Unterhandlimgen  von  anderer  Seite  durch- 
kreuzt oder  nach  oben  hin  in  falsches  Licht  gestellt,  denuncirt 
zu  sehen. 

Wir  erwähnten  bereits,  dass  eine  solche  Persönlichkeit 
der  Rittmeister  illinari6  war. 

Auf  ihn  und  Postverwalter  Kratay,  kommen  die  Depe- 
schen Simbschen's  vom  17. — 28.  März  wiederholt  zu  sprechen. 
Er  fUrchte,  dass  sie  seine  Unterhandlungen  zu  hintertreiben  und 
durch   ihren  Anhang  in  Wien   zu  verdächtigen  bestrebt  seien. 


167 

Oberst  Perss  meldete  an  Simbschen,  das  Vorgehen  des  Oberst- 
lieutenant Mitesser  sei  den  Unterhandlungen  mit  dem  Serben 
abträglich;  er  verkehre  allzu  vertraulich  mit  den  russischen 
Consul  Radofinikin  und  mit  dem  russophilen  Serben  Novakovid. 
Die  Anzeigen  Simbschen's,  Mlinari^  betreffend^  hatten  auch  zur 
Folge,  dass  Erzherzog  Karl  (25.  März)  den  Commandirenden 
mit  der  ,Confinirung',  das  ist  Ausweisung  des  Genannten  be- 
auftragte. ' 

Auch  vor  den  ihm  von  seinem  Vorgänger,  Freiheri'n  von 
Geneyne,  bezeichneten  und  bei  der  Polizeihofeteile  notorisch 
gewordenen  ,Spionen'  Russlands  und  der  Pforte  musste  Simb- 
schen  auf  der  Hut  bleiben. 

Die  wichtigsten,  vorzugsweise  von  Kadoiinikin  gebrauchten 
Aufpasser,  den  SemUner  Kreis,  leimten  wir  oben  kennen.  Simb- 
schen's  Aufzeichnungen  bieten  ausserdem  eine  Liste  anderer 
solcher  Persönlichkeiten  aus  dem  Handels-  und  Gewerbestande. 
Es  waren  dies  der  türkische  Tabak-  und  Pfeifenhändler  Haym 
Schalter  aus  Ofen,  der  macedonische  Jude  Amoslin,  die 
Temesvärer  Handelsleute:  Mangyarlia,  Kauth,  Hansovid, 
Knaus  und  Horeczky,  Kaffeesieder  Petri6  aus  Pancsova 
und  die  Peterwardeiner  Insassen:  Bürgermeister  Stainer, 
Nikoli6  (Fasselwirth),  Rausch  (Bäcker),  Rübsam  (vormals 
Diener  bei  Geneyne)  und  Civi6.  Es  hiess  somit,  die  Augen 
nach  allen  Seiten  offen  halten.^ 

In  einer  Reihe  von  Depeschen  an  Erzherzog  Karl,^  deren 
erste  (11.  April)  noch  vor  dem  Empfange  der  gleichdatirten 
Weisung  des  Letztgenannten  nach  Wien  abging,  beschäftigt 
sich  Simbschen  mit  dem  Verhalten  des  Veröczer  Obergespans, 
Josef  Grafen  von  Majläth,-^  mit  dessen  Vorhaben,  nach 
Belgrad  zu  reisen,  vor  Allem  aber  mit  den  Kundschafts- 
berichten über  das  Erscheinen  des  genannten  ^lagnaten  in 
Belgrad  und  seine  Zusammenkunft  mit  Radotinikin.  Simbschen 
bemerkt,  dass,  wenn  auch  diese  Reise  zufällig  und  ohne  höheren 
Auftrag  unternommen  worden  wäre,  es  den  dermaligen  politi- 
schen Verhältnissen  nicht  angemessen  sei,  die  gefährliche  Auf- 
merksamkeit   des    russischen    Staatsrathes    Radotinikin,     eines 


*  ActenstÜcke  der  Apologie  Nr.  8. 

*  Actenitücke  der  Apologie  Nr.  13  (U.  April),  14  (18.  April)  mit  bezüg- 
lichen Berichten  des  Obersten  Perss  aus  Semlin. 

kk  17<$0,  gett  1S20,  nachmals  Präsident  der  ungarischen  Hofkammer. 


168 

^schlauen  Griechen^;  zu  erregen.  Ueberdies  habe  Majläth  sich 
zum  Begleiter  eine  Persönlichkeit  ausersehen^  die  von  dem 
Wiener  Polizeiministerium  als  Russenireund  der  genauen  Ueber- 
wachung  empfohlen  sei,  nämlich  den  Edelmann  VidAk,  Grund- 
herrn von  Maczedonia. '  Ausserdem  reiste  mit  ihm  der  Comitats- 
assessor  Stratimirovi6  von  Kulpin,  ein  Neflfe  des  Karle  witzer 
Metropoliten,  der  noch  kurz  zuvor  auf  Befehl  des  General- 
Militär-Grenzdeparteraents  vom  14.  November  1807  unter  Auf- 
sicht und  Beobachtung  seitens  eines  Rittmeisters,  eines  Oberlieute- 
nants und  einer  halben  Escadron  Husaren   gestellt  worden  sei. 

Das  Erscheinen  des  ungarischen  Magnaten  in  Belgrad 
müsse  bei  den  Serben  böses  Blut  machen.  Sie  vergässen  es 
nicht,  dass  die  königi.  ungarische  Statthalterei  den  29.  December 
1807  eine  lateinische  Proclamation  erlassen  habe,  worin  sie  als 
,Rebellen'  gagfixi  ihren  legitimen  Herrscher,  den  Sultan,  gebrand- 
markt wären.  Ihre  Abneigung  gegen  das  ungarische  Staats- 
wesen würde  nur  noch  mehr  erregt.  Habe  sie  doch  Simbschen, 
anlässKch  der  Bekanntgabe  der  Wiener  Capitulationspunkte  in 
Hinsicht  auf  die  Uebergabe  Belgrads  vom  10.  März,  im  Namen 
des  Kaisers  ausdrücklich  und  bestimmt  versichern  müssen,  dass 
die  serbische  Provinz  Ungarn  nie  einverleibt  und  nach  dessen 
Landesverfassung  behandelt  werden  solle. 

Die  Weisung  Erzherzog  Karls  an  Simbschen  vom  11.  April, 
welche  sechs  Tage  später  in  dessen  Hände  gelangte,  billigte  im 
Allgemeinen  das  Vorgehen  Simbschen's,  trug  ihm  jedoch  auf, 
die  Serben  vorsichtig  zu  behandeln.  Da  nämlich  vorzugsweise 
die  Nothlage  ihre  Häupter  in  Belgrad  derartig  entgegenkom- 
mend zu  machen  scheine,  so  müsse  man  mit  der  Befriedigung 
ihrer  ,Forderungen  um  Lebensmittel,  WaflFen  und  Munition*  so 
lange  zuwarten,  ,bis  sich  die  Serbier  zur  nöthigen  Gewähr- 
leistung für  die  Aufrichtigkeit  und  Festigkeit  ihrer  Gesinnungen 
herbeilassend  Simbschen  solle  über  die  nöthigen  und  entschei- 
denden Schritte,  sofern  es  ohne  wesentlichen  Nachtheil  geschehen 
könne,  immer  erst  die  Entschlicssung  des  Erzherzogs  einholen, 
übrigens  aber  nichts  versäumen,  um  die  Serbier  auf  die  bisherige 
stille,  kein  Aufsehen  erregende  Weise  in  ihrer  BereitwilKgkeit 
und  guten  Stimmung  zu  bestärken.'^ 

^  Maczedonia,    Herrschaft   im    Banate.    Die   Familie    wurde    mit   Vincens 

Joannovlc-Vidak  1763  geadelt. 
2  ActeiiHtücke  der  Apologie  Nr.  10.    Beer,  Analekteu  VII,  Nr.  3,  796. 


169 

Bald  nach  dieser  Zuschrift  traf  am  20.  April  die  vom 
14.  d.  M.  datirte  Weisung  von  Wien  ein,  welche  als  eine  Er- 
gänzung der  früheren  Instruction  gelten  kann,  zugleich  aber 
einem  rascheren  Entgegenkommen  in  Hinsicht  der  Versorgung 
der  Serben  den  Weg  ebnen  sollte.  In  dieser  Beziehung  wird 
Simbschen  ermächtigt,  falls  ,die  Noth  so  gross  sei,  dass  die 
Serbier  die  weitere  Entschliessung  nicht  abwarten  könnten,  und 
auf  eine  augenblickliche  Aushilfe  dringen  wüi*den,  die  Ver- 
proviantirung  mit  Getreidefrüchten  -und  Mehl  in  kleiner  Quan- 
tität durch  Private  gegen  Baarzahlung  oder  Sicherstellung  ge- 
schehen zu  lassen,  und  zwar  in  aller  Stille,  ,ohne  dass  die  dies- 
seitigen Behörden  davon  öflFentlich  Kenntniss  nehmend  Unter 
allen  Umständen  mllsse  man  nur  insoweit  nachgiebig  sein,  als 
es  sein  dürfe,  um  die  Serben  bei  guter  Stimmung  zu  erhalten, 
und  jede  weitere  Unterstützung  von  Seite  Oestcrreichs  bis  zur 
Ueberlieferung  des  Unterpfandes  (Belgrad)  ablehnen,  in  diesem 
Falle  aber  auch  die  Zusage  bestimmt  wiederholen,  dass  Serbien 
nie  mit  Ungarn  vereinigt  oder  nach  ungarischen  Gesetzen  re- 
giert würde.  Sollten  es  unvorhergesehene  Umstände  dahin  brin- 
gen, dass  man  Belgrad  besetzen  oder  befürchten  müsse,  es  von 
einer  andern  Macht  besetzt  zu  sehen,  ehe  Simbschen  neue 
Verhaltungsbefehle  zukommen  könnten,  so  habe  er  sofort  auf 
das  Verlangen  oder  Anerbieten  der  Serben  davon  Besitz  zu 
nehmen.  Eine  solche  rasche  Massregcl  solle  ohne  vorläufige 
Anfrage  nur  im  äussersten  Falle  getroflfen  werden  und  Simb- 
schen davon  sogleich  durch  einen  Courier  die  Anzeige  zu 
erstatten,  inzwischen  aber  Alles  vorzukehren,  um  einen  ,Aflfront' 
zu  vermeiden. ' 

Die  Dinge  nahmen  jedoch  eine  andere  Wendung,  ebenso 
unangenehm  für  den  Auftraggeber  als  für  dessen  Vollmacht- 
träger, und  eine  unbefangene  Würdigung  der  Thatsachen  dürfte 
den  Beweis  führen,  dass  Simbschen,  wenn  auch  zum  diploma- 
tischen und  politischen  Hellscher  nicht  geboren,  doch  nach 
bester  Ueberzeugung  und  sicherlich  nicht  mit  Absicht  gegen 
die  Instructionen  handelte,  und  dass  er  keineswegs  für  die 
unberechenbaren  Hindernisse  und  Lähmungen  seines  guten 
Willens  verantwortlich  gemacht  werden  könne. 


*  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  15.    Beer,  Analekten  Vll,  Nr.  4,  797. 


170 

Schon  vor  dem  Eintreffen  der  Wiener  Depesche  vom 
14.  April  hatte  Simbschen  (18.  Apiil)  in  derselben  Eingabe, 
welche  sich  über  die  Reise  Majiäth's  und  seiner  Begleiter  nach 
Belgrad  erging,  an  Erzherzog  Karl  berichtet,  Simbschen's  Unter- 
händler, Milosch  Urofievi^,,  besorge  Verrath  und  allerhand  ihm 
daraus  erwachsende  Schäden.  Oberst  Perss  meldete  (17.  April)* 
Simbschen,  UroSevic  sei  an  Radofinikin  verrathen,  und  be- 
merkte bei  Uebersendung  eines  Schreibens  Kara  Georgs  an 
Simbschen,  das  Briefsiegel  zeige  sich  verletzt;  man  habe  somit 
den  Brief  eröfftiet. 

Wir  werden  gleich  sehen,  wie  die  russische  Diplomatie 
solche  Aufschltisse  in  Wien  auszunutzen  verstand,  ausgiebiger 
als  dies  Simbschen  ahnen  mochte. 

Andererseits  ergab  sich  ein  und  def  andere  Zwischenfall, 
der  die  begreifliche  Absicht  Simbschen's,  nochmals  persönlich 
mit  Kara  Georg  zu  unterhandeln,  vereitelte.  Der  Peterwardeiner 
Commandant  hatte  acht  Tage  nach  dem  Empfange  der  Wei- 
simg Erzherzog  Karls  (vom  14.  April)  an  den  Letzteren  die 
Meldung  eretattet,  er  habe  die  bewilligte  Ausfuhr  von  Mehl 
und  Getreide  unter  den  vorgeschriebenen  Modalitäten  eingeleitet 
und  davon  den  Obcranflihrer  der  Serben  durch  UroSevi6  ver- 
ständigen lassen.  Einer  seiner  Vertrauensmänner,  Haöi6,  hätte 
eine  Unterredung  mit  den  Serbenhäuptem  MIaden  und  Miloje 
gehabt  und  einfahren,  dass  Radofinikin  nach  einem  achttägigen 
Aufenthalte  in  Topolia  wieder  nach  Belgrad  zurückgekehrt  sei. 
Uebcrdies  sei  ihm  durch  Haöi6  die  Meldung  zugekommen,  dass 
ein  neuer  Aufstand  der  Bevölkerung  des  syrmischen  Landes 
und  des  Banates  drohe  und  militärische  Vorkehrungen  ge- 
troffen werden  mussten.^ 

Dazu  kam  noch,  wie  er  am  5.  Mai  nach  Wien  berichtet, 
seine  Abordnung  als  königlicher  Commissär  zur  Wahl  eines 
neuen  Bischofs  der  ungarischen  Serben  und  der  Auftrag,  den 
Grenzdircctor  oder  Oberinspector,  Erzherzog  Ludwig,  auf 
dessen  Bereisung  der  Conlinien  zu  begleiten.  Diesem  Berichte 
schloss  Simbschen  das  Schreiben  Kara  Georgs  vom  17.  29.  April 
(Topolia)  an  Milosch  Uro5evi6  bei,    in  Begleitung  der  Meldung 


'  Die  Meldung  dos  Obersten  Peres  als  Beilage. 

'  Simbschen  an  Erzherzog  Karl,  28.  April  ISO*^.     Actenstücke  der  Apo- 
logie Nr.  16. 


171 

des  Obersten  Peres,  dasselbe  sei  unterwegs  eröffnet  und  gelesen 
worden. ' 

Als  sieben  Tage  später  Simbschen  an  Erzherzog  Karl 
eine  zweite  Depesche  abgehen  Hess  (12.  Mai),  hatte  er  bereits 
in  Erfahrung  gebracht,  dass  Kara  Georg  eret  in  zehn  Tagen 
von  der  Drina,  wo  er  einen  Einfall  der  Türken  abwehren  müsse, 
nach  Belgrad  zurückkommen  könne.  Dies  sei  ihm  insofern  er- 
wünscht, als  er  selbst  nach  Essegg  zum  Empfange  Erzherzog 
Ludwigs  abgehen  müsse.  Er  habe  auch  diesfalls  (11.  Mai)  an 
Kara  Georg  geschrieben. 

Zugleich  aber  hielt  es  Simbschen  flir  angezeigt,  durch  die 
Aussicht  auf  ansehnliche  Geldbelohnungen  die  wichtigsten  Häupter 
der  Serben:  Kara  Georg,  Mladen  imd  Miloje  in  guter  Stim- 
mung fttr  Oesterreich  zu  erhalten,  und  zwar  brachte  er  für  den 
Eretgenannten  100.000,  flir  jeden  der  beiden  Anderen  50.000  fl. 
in  Antrag.^  Erzherzog  Karl  erklärte  sich  damit  (24.  Mai)  ein- 
veretanden  unter  der  Voraussetzung,  dass  sie  sich  mit  diesen 
Suramen  ,gänzlich  abfinden*  Hessen.  Diese  Weisung  erhielt  Simb- 
schen erst  später  zugestellt,  da  er  bereits  zu  der  oben  ange- 
deuteten Grenzbereisung  abgegangen  war.^ 

Bevor  wir  den  Faden  der  weiteren  Unterhandlungen  Simb- 
schen's  mit  Kara  Georg  und  seinen  GenossenVieder  aufnehmen, 
müssen  wir  nun  auf  einen  andern  Gegenstand  etwas  näher  ein- 
gehen, der  in  einer  der  behandelten  Depeschen  Simbschcn's  an 
Erzherzog  Karl  gestreift  erechoint,  mit  der  Grenzbereisimg  Erz- 
herzog Ludwigs  im  Zusammenhange  steht  und  den  Anlass  zu 
einem  geheimen  Auftrage  des  Kaisers  an  Simbschen  vom 
24.  März  1808  abgab. 

In  diesem  Handbillet  betraut  der  Monarch  den  Genannten 
mit  der  Aufgabe,  ihm  ,unmittelbare,  freimüthige  Berichte'  über 
die  Volksstimmung,  über  Klagen  gegen  die  Regierung,  über 
dienstschädliche  oder  unerlaubte  ,Vorgänge'  von  Beamten,  Oftt- 
cieren  und  sonst  Angestellten,  über  Alles,  was  flir  den  Staat 
nachtheilig  sei,  gleichwie  über  alles  Wichtige  und  Merkwürdige, 
was  er  in  Erfahrung  brächte,  einzusenden,  und  zwar  in  un- 
mittelbarer Correspondenz.    Er  solle  sich  offenherzig  äussern, 

1  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  17.    Die  Meldung  des  Obersten  Perss 

vom  3.  Mai  mit  dem  Schreiben  Kara  Georgia. 
'  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  19. 
3  Ebenda  Nr.  20. 


172 

wie  er  diese  Berichterstattungen,  ohne  Aufsehen  zu  erregen, 
einzuleiten  gedenke,  da  der  Kaiser  nicht  unbemerkt  lassen 
könne,  dass  äimbschen's  letzthin  eingeschickter  Bericht  in 
fremde  Hände  gerieth  und  dem  Monarchen  erst  aus  diesen 
zukam.  Und  als  Simbschen  am  10.  April  dem  Auftrage  des 
Monarchen  entsprach,  erliess  der  Kaiser  ein  zweites  ELandbillet, 
worin  er  den  Commandirenden  der  slavonischen  Grenze  an- 
wies, alle  besonders  wichtigen  Berichte  an  den  Cabinetsdirector 
Anton  Neuberg  zu  leiten.^  Es  erhellt  daraus,  dass  man  an 
höchster  Stelle  von  bedenkliehen  Ruhestörungen  und  Aufstands- 
symptomen im  Bereiche  der  Militärgrenze  und  ihrer  Nachbar- 
schaft Kenntniss  hatte,  dass  in  dieser  Richtung  Simbschen  auch 
mit  dem  Grenzdirector,  Erzherzog  Ludwig,  eine  Correspondenz 
pflog,  und  dass  ihn  seit  der  Uebemahme  des  Peterwardeiner 
Grenzcommandos  diese  Angelegenheiten  in  Athem  hielten. 

Seine  Rechtfertigungsschrifb  lässt  uns  im  Zusammenhange 
die  verschiedenartigen  Unruhen  vom  Schlüsse  des  Jahres  1807 
bis  1809  überblicken.2 

Während  der  sechzehn  Jahre  der  Amtsführung  s^es 
Vorgängers  Geneyne  hatten  Räuberbanden  das  Grenz- 
gebiet unaufhörlich  heimgesucht.  Sie  kamen  besonders  aus 
Serbien,  wo  sich  lausende  aus  Noth  und  Verzweiflung  diesem 
Handwerke  ergaben  und  in  grossen  Schwärmen  auch  das  Grenz- 
gebiet Oesterreichs  heimsuchten.  Hier  mischten  sich  damit  Aus- 
reisser,  Landstreicher  und  anderes  Gelichter  und  so  wurde  das 
Gebiet  um  Neusatz,  der  Theisser  Krondistrict,  die  angrenzen- 
den Gespanschaften,  ja  selbst  die  Gegend  um  Peterwardein  von 
dieser  Plage  arg  heimgesucht,  der  kaiserliche  Geheimrath  und 
königliche  Commissär  Lovas,  Bischof  Habakumovi6  auf 
oflFener  Strasse  ausgeraubt,  Freiherr  Geneyne  selbst  wieder- 
holt angefallen,  die  Tschajkistenmannschaft  entwaffnet  und 
misshandelt.  Mit  frechem  Muthc  vereitelten  die  Räuber  die  von 
Geneyne  angeordnete  Marschbereitschaft  einer  Grenadierab- 
theilung. Von  serbischer  Seite  organisirten  dieses  Treiben,  wie 
Simbschen  nachmals  in  Erfahnmg  brachte,  insbesondere:  Miloje 
Petrovi6,  Milenko  Stoi6,  Luka  Lazarevi6,  der  Hajduk 
Veliko  u.  A.    Ihre  Genossen   unter   den  Ungaroserben   waren 


*  Siehe  Anhang  Nr.  11  und  111. 
2  Apologie  vom  Jahre  1816. 


173 

zwei  Kalugier  Mönche,  einige  Popen,  der  Schulmeister  von 
Vogain,  die  pensionirten  Hauptleute  Radi6  Petrovi6,  Nova- 
kovi6,  im  Vereine  mit  Semliner  und  Pancsovaer  Insassen,  und 
diese  Unruhen  erwuchsen  zu  einer  weit  um  sich  greifenden 
Bewegung,  welche  die  österreichischen  Serben  von  der  ungari- 
schen Herrschaft  frei  machen  sollte  und  uns  begreiflich  er- 
scheinen lässt,  weshalb  die  Ofener  Statthalterei  den  serbischen 
Aufstand  gegen  die  Türken  als  ,BebeUion^  brandmarkte  und 
die  eigenen  Serben  als  verdächtige  Freunde  derselben  scharf 
im  Auge  behielt. 

Das  war  die  Sachlage,  als  Simbschcn  das  Militärcommando 
von  Geneyne  übernahm. 

Er  hatte  mit  dem  Räuberunwesen  noch  genug  zu  thun.  So 
fanden  Gewaltthaten  zu  Rdcz-Becse  an  dem  Edelmanne  Czu- 
hi6,  zu  Palanka  an  dem  Adeligen  Popovid  statt;  im  Bezirke 
des  Tschajkisten-Bataillons  wurde  der  Grenzer  Soki6,  in 
Karlowitz  der  Handelsmann  Stoiöi6,  bei  Slankamen  das 
Fahrzeug  türkenflüchtiger  Juden  ausgeraubt;  die  von  den  Jahr- 
märkten in  Futak,  Rama  und  Mitrovitz  heimkehrenden 
Kaufleute  hatten  wiederholt  das  gleiche  Schicksal,  so  auch  Edel- 
höfe  im  Banate,  in  Syrmien,  die  Salaschen  bei  Semlin.  Die 
Räuber  wollten  sogar  die  Communalcasse  in  Palanka  und  den 
ganzen  Jahrmarkt  zu  Futak  ausplündern  und  versuchten  schliess- 
lich die  40  Millionen  grossbritannischer  Subsidiengelder 
(in  Silberbarren),  welche  zu  Peterwardein  verwahrt  lagen, 
durch  einen  kecken  Uebcrfall  zu  erbeuten. 

Solche  Anschläge  suchte  Simbschcn  während  seiner  Amts- 
fllbrung  durch  die  sogenannten  ,Mustuluk8in^,  d.  i.  besoldete 
geheime  Ausspäher '  in  Erfahrung  zu  bringen  und  zu  vereiteln. 
Diese  Massregel  war  entschieden  wirksamer  als  die  Bestellung 
von  Untersuchungscommissionen,  wie  eine  solche,  ohne  allen 
Erfolg,  der  ungarische  Stattlialtereirath  KomÄromy  in  Synnien 
abhielt. 

Bedenklicher  und  geftlhrlicher  als  diese  in  entschiedener 
Abnahme  begriffenen  Räubereien  gestalteten  sich  jedoch  die 
Anzeichen  der  wachsenden  Unzufriedenheit  unter  den  Bauern 
in  der  Nachbarschaft  des  Grenzgebietes  und  unter  den  Grenzern 
selbst,  Vorzeichen  örtlicher  Aufstände,  die  auch  zur  That  wur- 

'  Der  Uriqfining  diener  Bezeichnung  iM  mir  nicht  bekannt. 


174 

den  und  mit  der  principiell  gutgemeinten  Organisirung  der 
Militärgrenze  vom  Jahre  1807  zusammenhingen. 

Der  grundunterthänige  Bauer  beneidete  den  Grenzer  um 
seinen  freierwerblichen  Grundbesitz,  dessen  ,Ueberland'  sogar 
verkäuflich  blieb,  während  die  Grenzer,  als  deren  Con- 
scription  für  die  Landwehrbataillons  vorgeschrieben  wurde, 
die  Meinung  fassten,  sie  hörten  nun  auf,  freie  Militärlehen- 
besitzer zu  sein  und  würden  zu  Bauern  und  Contribuenten. 

So  kam  es  während  seiner  Amtsführung  zu  Aufstän- 
den der  Bauernschaft  in  Syrniien,  im  Bariate,  auf  der  slavoni- 
schen  Herrscliaft  Vuoin  und  nach  seiner  Abberufung  auf  den 
Pakraczcr,  Ku^'iner  und  Moslaviker  Landgütern,  anderseits 
zu  massenhaften  Desertionen  von  Grenzern  nach  Bosnien  und 
Serbien. 

Simbschen  that  sein  Möglichstes,  um,  im  Vereine  mit  dem 
General-Feldmarschalllieutenant  Freiherrn  von  Lattermann  und 
den  Generalmajoren  und  Brigadiers  Lutz  und  Pfanzeltem,  auf 
die  Grenzer  beschwichtigend  einzuwirken.  Auch  setzte  er  sich 
mit  dem  bosnischen  Statthalter  der  Pforte,  Hallibeg  oder  Ibra- 
him Pascha,  ins  Einvernehmen  und  bewirkte  so  die  Auslieferung 
von  Ausreissern  der  Regimenter  Alvinczy  und  Jella('i6. 

Simbschen,  dem  bekanntlich  der  Kaiser  selbst  die  frei- 
müthige  Darlegung  seiner  Ansichten  über  die  Lage  abgefordert 
hatte,  hatte  sich  gegen  die  neue  Grenzgesetzgebung  vom 
Jahre  1807  als  eine  die  angrenzenden  Comitatsbauern  aufregende 
Neuerung  ausgesprochen.  Auch  war  er  der  Ansicht,  dass  diese 
Einrichtung,  wenngleich  von  der  Grenzbevölkerung  ,mit  Freude 
und  .Jubel  begrüsst^,  ihre  nicht  zu  unterschätzenden  Nachtheile 
habe,  vor  Allem  fUr  das  Aerar  und  das  liecht  der  Krone. 
Denn  die  mit  ihr  verbundtuie  ökonomische  Verwaltung  sei  höchst 
kostspielig  und  die  Umwandlung  der  Militärlehen  in  Freisassen- 
besitzungen, mit  verkäuflichen  Ueberlandsgründen,  eine  Ein- 
busse  der  Krone. 

Diesen  Staudpunkt  habe  ja  auch  Marschall  Marmont  als 
Commandirender  der  illyrischen  Provinzen  Frankreichs  getheilt, 
da  er  (1810)  das  Gesuch  des  Gradiscaner  Regimentes,  den 
Jesenovaczer  Grenzern  ihre  über  der  Save  in  der  französi- 
schen Banalgrenze  gelegenen  Gründe  verkaufen  zu  dürfen, 
mit  der  Erklärung  zurückwies,  da  diese  Gründe  kein  Privat- 
eigenthum,   sondern  Militärlehen  seien,   und  der  österreichische 


175 

Kaiser  keine  Befugniss  habe,  sein  vererbtes  lehensherrliclies 
Recht  zum  Naehtheile  seines  £rben  oder  Nachfolgers  in  der 
Regierung  aufzugeben,  so  könne  Kaiser  Napoleon  als  sein  der- 
maliger  Nachfolger  nach  Ejriegsrecht  den  Verkauf  dieser  Lehens- 
gründe, auf  welche  die  Friedensartikel  von  1809  nicht  anwend- 
bar seien,  unmöglich  gestatten.^ 

Kehren  wir  nun  wieder  —  nach  dieser  Abschweifung  — 
zu  dem  weiteren  Gange  der  Unterhandlungen  Simbschen's  mit 
den  Serben  zurück.  Sie  waren  von  keinem  günstigen  Sterne 
begleitet  Die  Zwischenfälle  erwiesen  sieh  als  nachtheilig,  der 
schiiftliche  Verkehr  hinkte,  und  als  Simbschen  sich  genöthigt 
glaubte,  aus  der  ihm  eingeschärften  Zurückhaltung  etwas  her- 
austreten zu  müssen,  um  Kara  Georg  mid  dessen  Vertraute 
nicht  allzusehr  abzukühlen,  fuhr  die  gut  bediente  russische  Di- 
plomatie dazwischen. 

Am  5.  Mai  1808  hatte  der  serbische  OberanfWu-er  an 
Simbschen  einen  Brief  gesendet.'-^  Die  Nothwendigkeit,  der 
Kriegsgefahr  an  der  Drina  zu  begegnen,  mache  es  ihm  un- 
möglich, sich  zu  einer  zweiten  vertraulichen  Besprechung  mit 
Simbschen  einzufinden.  Statt  seiner  würden  seine  Schriftführer 
und  Vertrauensmänner,  Jefti6  und  M laden,  eintreffen.  Der 
Commandirende,  wie  bekannt,  von  der  Grenzbereisung  des  Erz- 
herzogs Ludwig  in  Anspruch  genommen,  empfing  das  Schreiben 
erst  am  19.  Mai  und  beantwortete  es  den  nächsten  Tag."^ 

Auch  er  sei  jetzt  verhindert,  eine  persönliche  Besprechung 
einzugehen,  habe  jedoch  als  seine  Vollmachtträger  den  Semliner 
Obersten  Perss,  den  Oberstlieutenant  Stanossavlevici,  den 
Bürgenneister  von  Semlin  Haci6  und  den  Handelsmaim 
Milosch  Uroäevi6  abgeordnet,  um  mit  den  Vertretern  Kara 
Georgs  eine  Abmachung  zu  treffen. 

Die  Instruction  der  Vertreter  Simbschen's  besagte  Folgen- 
des:   Sollte  die  Uebergabe  Belgrads   an    die  Kaiserlichen  statt- 

'  Darauf  bezieht  sicli  die  Apologie  Simbschen'«.  Bemerken-swerth  er- 
scheint der  Bericht  Marmont^s  an  den  franz^Ssischou  Obergenchts-Präsi- 
denten  ans  Karlstadt  vom  3.  September  1810  (Memoiren  II,  286  f.),  worin 
er  die  überkommene  Verfassung  Militär-Croatiens  ein  jMeisterwerk*  nennt, 
^ch  kann,*  heisst  es  hier,  ,von  der  Kraft  und  Vorzüglichkeit  der  Insti- 
tationen  nicht  g^enag  Lobes  machen.  Es  wäre  traurig,  eine  der  Kchfiiuten 
Einrichtungen  neuerer  Zeit  aus  Unkenntnis»  zerstJtrt  zu  sehen.* 

>  ActenstUcke  der  Apologie  Nr.  21.  Beer,  207—208. 

*  ActenstUcke  der  Apologie  Nr.  21,  5.  Stück. 


176 

finden,  so  bliebe  die  Communication  mit  den  österreichischen 
Staaten  ungestört  und  die  Serben  würden  Alles  erhalten^  was 
zu  ihrem  Unterhalte  und  zur  Vertheidigung  nothwendig  sei. 
Auch  im  schlimmsten  Falle  stünden  Belgrad  und  die  kaiser- 
lichen Grenzlande  den  Serben  als  Zufluchtsstätten  filr  Weib, 
Kind  und  Habe  offen.  Bei  der  Besetzung  Belgrads  wolle 
Oesterreich  die  Verpflichtung  der  Inschutznahme  der  Serben 
gegen  jedweden  Feind  übernehmen,  sie  mit  Waffen  und  Schiess- 
bedarf versehen  und  die  Festungswerke  in  guten  Stand  setzen. 
Serbien  könne  seine  bestehenden  Einrichtungen  bis  zur  end- 
giltigen  Entscheidung  seiner  Geschicke  behalten,  die  Gewalt 
seiner  Anfllhrer  und  des  Synods  werde  keinerlei  Einbusse  erleiden. 
Die  Privatbesitzungen  bleiben  im  ungestörten  Besitze  ihrer  der- 
maligen Eigenthümer.  Belgrads  Festung  solle  nie  zum  Nach- 
theile der  Serben  an  deren  Feinde  ausgeliefert,  auch  die 
ungarische  Landesverfassung  nach  Abschluss  des  Friedens 
nimmer  eingeführt  werden,  sondern  nur  das  System  der  Militftr- 
grenze  zur  Geltung  gelangen.^ 

Vergleichen  wir  diese  Vollmacht  mit  den  Capitnlations- 
punkten  in  der  Weisung  Erzherzog  Karls  an  Simbschen  vom 
10.  März  1808,  so  ergibt  sich  allerdings  ein  wesentlicher  Untei^ 
schied  in  den  Zusicherungen  allseitiger  Unterstützung  an  die 
Serben,  neben  manchem  Uebereinstimmenden.  Man  darf  jedoch 
nicht  vergessen,  dass  gerade  jetzt  dem  Commandirenden  von 
Peterwardein  ein  Festhalten  der  serbischen  Sympathien  noth- 
wendig, ein  Entgegenkommen  unabweislich  erscheinen  musste, 
dass  er  überzeugt  war,  den  von  russischer  Seite  beobachteten 
und  bearbeiteten  Serben  könne  mit  einer  platonischen  Zunei- 
gung Oesterreichs  keineswegs  gedient  sein.  Ausserdem  erfahren 
wir,  dass  schon  vorher  die  AnfUhrer  der  Serben,  infolge  der 
Unterhandlungen  Simbschen's,  dem  Grenzdirector  Erzherzog 
Ludwig  das  Anerbieten  in  Semlin  machen  Hessen,  Oesterreich 
möge  ganz  Serbien  als  Provinz  übernehmen;  dieser  vertagte 
die  Entscheidung  und  ertheilte  Simbschen  den  Auftrag,  vor- 
läufig eine  Capitulation  in  Ansehung  Belgrads  abzuschliessen. 
Simbschen  handelte  somit  nicht  auf  eigene  Faust. 


'  Die   lustnictiuii   SinibBchen's   vom  20.  MäI.    ActenHtflcke  der  Apologie 
Nr.  22.    Beer,  208. 


177 

Als  Simbschen  auf  der  Grenzbereisung  von  Peterwardein 
abwesend  war,  erhielt  er  eine  Hiobspost  um  die  andere  nach- 
gesandt. Zunächst  meldete  (26.  Mai)  sein  Adlatus  Feldmarschall- 
lieutenant Freiherr  v.  Lattermann,  der  vormalige  Consul  Peter 
Itsko,  ein  wichtiger  Vertrauensmann  imd  Unterhändler,  sei 
(17.  Mai)  in  Belgrad  vergiftet  worden,^  und  Perss  theile  einen 
Kundschaftsbericht  mit,  wonach  Belgrad  in  Vertheidigungs- 
zustand  gesetzt  würde.  Letztgenannter  schrieb  dann  über  die 
Ränke  des  russischen  Staatsrathes  Radofinikin  und  sein 
Hetzen  unter  den  Serben  gegen  Oesterreich,  über  den  Anschlag 
der  Russophilen  in  Belgrad,  den  österreichischen  Kundschafter 
Urodeyi6  zusammenzuhauen.  Man  habe  tausend  Ducaten  auf 
den  Kopf  eines  zweiten  Vertrauensmannes  Simbschen's,  des  oft 
genannten  Christoph  Haöi^,  gesetzt,  weil  ausgesprengt  wurde, 
Oesterreich  wolle  Serbien  in  Besitz  nehmen  und  es  den  Türken 
ausUefern.  Radofinikin  sei  in  Semlin  eingetroffen  und  verkehre 
mit  seinen  dortigen  Vertrauten,  worüber  auch  Hacic  Meldungen 
erstattete.  Die  Serben  würden  von  irgend  einer  Seite  aufge- 
muntert, die  Verhandlungen  in  die  Länge  zu  ziehen  und  so 
ihre  Selbstständigkeit  durchzusetzen.  ^  Auch  der  Bericht  der 
vier  Bevollmächtigten  Simbschen's  aus  Semlin  (24.  Mai  1808) 
über  ihre  Besprechimg  mit  Mladen  Milanovi6  und  Jefti6  lautete 
nicht  ganz  erwünscht.  ^  Am  bedeutungsvollsten  war  jedoch  das 
am  3.  Juni  vom  Obersten  Perss  einbegleitete  ,Absage8chreiben' 
Kara  Georgs  (18./30.  Mai)  und  des  serbischen  Senates 
(23.  Mai/1.  Juni),    das    von   Radofinikin    verfasst    worden   war 


^  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  22.  (Beer  208.)  lieber  Peter  Itsko'a 
Vergan^nheit  als  Dolmetsch  eines  türkischen  Gesandten  in  Berlin  nnd 
Geschäftsführers  (Consnls)  europäischer  Kaufleute  in  Serbion  und  seine 
Vermittlerrolle  siehe  KAllay  I,  578  f.  und  Ranke  103—104. 

2  Berichte  des  Obersten  Perss  aus  Semlin  vom  27.  bis  30.  Mai.  Simbschen 
erhielt  sie  am  1.  oder  2.  Juni  1808  zu  Vinkovce. 

'  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  21,  vom  31.  Mai  und  1.  Juni  (Ha6ii5  an 
Simbschen)  und  Nr.  23,  Simbschen  an  Erzherzog  Ludwig  (12.  Juni,  Peter- 
wardein), mit  dem  Berichte  seiner  vier  Abgeordneten  an  die  Serben  aus 
Semlin  vom  24.  Mai.  Am  gleichen  Tage  schrieb  Oberst  Perss,  die  Serben 
schienen  durch  irgend  Jemand  aufgcmuntort  worden  zu  sein,  die  Ver- 
handlungen in  die  Länge  zu  ziehen  und  ihre  Selbstständigkeit 
durchzusetzen.  Derselbe  hatte  auch  am  27.  Mai  die  Meldung  erstattet, 
der  SerbemmfQhrer  Milan  Milovanovid  sei  aus  üabsucht  abtrünnig, 
d.  i.  ein  BuMenfreund  g^eworden. 

ArdÜT.  Bd.  LXXVI.  I.  Hilfte.  12 


178 

und  bewies,  dass  auch  der  oberste  serbische  Anflihrer  dem 
russischen  Einflüsse  und  dem  Drucke  der  aufgeregten  öffent- 
lichen Meinung  nachzugeben  sich  gezwungen  sah  und  vorder- 
hand von  Oesterreich  zurückzog.  * 

Radofinikin  hatte  seine  Stellung  in  Belgrad  bestens  aus- 
genützt. Durch  seine  Aufpasser  in  Belgrad  und  drüben  in  Sem- 
lin,  Auffangen  und  Weiterbefordem  der  Kundschaftsberichte  an 
Simbschen,  Einsichtnahme  in  die  Depeschen  des  Letztgenannten, 
welche  ihm  abschriftlich  in  die  Hände  gespielt  wurden,  kam  er 
bald  in  die  Kenntniss  von  Allem,  was  er  wissen  wollte.  Sein 
achttägiger  Ausflug  nach  Topolia  (Mitte  April),  wohin  auch 
Kara  Georg  abgegangen,  hatte  wohl  nur  den  Zweck,  den  Ober- 
anftlhrer  der  Serben  stets  vor  den  Augen  zu  haben.*  Die 
Zurückhaltung  Oesterrcichs  den  Serben  gegenüber  konnte  bestens 
verwcrthct  werden,  um  durch  die  Kussophilen  das  Misstrauen 
gegen  Oesterreich  als  kaltsinnigen  und  doch  begehrlichen  Nachbar 
und  Freund  unter  den  Serben  zu  verbreiten  und  zu  nähren. 
Die  wichtigsten  Unterhändler  Simbschen's  räumte  man  aus 
dem  Wege,  wie  Itsko,  oder  bedrohte  sie  als  gemeinschädliche 
Spione.  Russisches  Geld  half  nach;  so  erkaufte  man  die  Ge- 
sinnung des  Häuptlings  Milan  Milovanovi6,  wie  Jefti6  selbst 
bezeugte.  Vollends  gestaltete  sich  die  Unterhandlung  über  Bel- 
grads Besetzung  durch  die  Oesterreicher  zu  der  bequemsten 
Handhabe,  um  auszusprengen,  man  wolle  das  jetzige  Bollwerk 
occupiren  und  Serbien  tückisch  in  die  eigenen  Hände  locken, 
um  das  Land  den  alten  Zwingherren,  den  Türken,  auszuliefern. 

Kara  Georg  mag  dies  Alles  nicht  geglaubt  haben,  er 
traute  sicherlich  auch  jetzt  dem  russischen  Stimmungsmacher 
Radofinikin  nicht  über  den  Weg,  aber  er  war  doch  auch  zu 
viel  Serbe,  um  nicht  der  Diplomatie  Oesterrcichs,  ihrem  ver- 
deckten Spiele  zu  misstrauen,  und,  trotz  der  Natur  eines  Ge- 
waltmenschen, klug  genug,  um  nicht  gegen  den  Strom  zu 
schwimmen.  So  setzte  er  denn  auch  seinen  Namen  unter  jenen 
von  Radofinikin  entworfenen  Absagebrief,  welcher  das  von  der 


^  ActenstUcke  der  Apologie  Nr.  21.  Ha(i6  an  Simbschen,  2.  Juni  1808. 
Das  jAbsJigesclirciben'  Kani  Georgs  und  des  serbischen  Senates  Tom 
80.  Mai  (18.  alten  Stils)  1808,  oinbegleitet  vom  Obersten  Perss.  Simbschen 
befand  sich  damals  auf  der  Inspectionsreiso  in  Morovid. 

'  üebor  den  Aufenthalt  Radofinikin's  in  Topolia  schrieb  Hadi^  an  Simb- 
Mchen  den  2^».  April   IHOU.    Siehe  ArtonstUrke  der  Apologie  Nr.  16. 


179 

Hand  wies,  was  gleichzeitig  den  Gegenstand  der  Geheimver- 
handlungen  der  Vollmachtträger  Sirabschen's  und  Kara  Georgs 
gebildet  hatte. 

Wir  müssen  noch  nachtragen,  dass  Uro8evi6  (13.  Mai)  au 
Kara  Georg  schrieb,  Oesterreich  bürge  für  einen  ausgiebigen 
Schutz,  man  wolle  Kara  Georg  als  serbisches  Oberhaupt  aner- 
kennen und  erwarte  von  ihm  ein  Unterpfand  seines  guten 
Willens.  •  Simbschen  lasse  ihm  eine  neue  persönliche  Bespre- 
chung vorschlagen,  die  zu  Warasdin  oder  an  einem  andern 
Orte,  je  nachdem  man  dies  vereinbare,  stattfinden  solle.  Dieser 
Brief  habe  den  Oberanführer  der  Serben  stutzig  gemacht,  er 
wurde  misstrauisch  und  zu  einer  Mittheilung  an  Radofinikin 
veranlasst,  der  ihm  rieth,  im  freundschaftlichen  Tone  zu  ant- 
worten, aber  auch  seiner  Verwunderung  Ausdruck  zu  geben, 
weshalb  nicht  Simbschen  selbst  darüber  geschrieben.  Letzterer 
.habe  nun  an  Kara  Georg  einen  Brief  abgehen  lassen,  der  Alles, 
was  sein  Unterhändler  berichtet  hatte,  bestätigte. 

Beide  Schreiben  wurden  nun  von  dem  russischen  Bot- 
schafter am  Wiener  Hofe,  Fürsten  Kurakin,  in  französischer 
Uebersetzung,  dem  Minister  Stadion  vorgelesen,  der,  davon 
aufs  Unangenehmste  berührt,  die  Erklärung  abgab,  er  wisse 
von  dem  AUen  nichts  und  bezweifle  die  Richtigkeit  der 
Angaben  ebenso  wie  die  Echtheit  der  Briefe.  Jedenfalls  er- 
scheine das,  was  Radofinikin  über  seine  Rolle  in  dem  Handel 
vorbrachte,  durchaus  nicht  über  jeden  Verdacht  erhaben.  Der 
Minister  Hess  sich  dabei  auch  über  die  bekannte  Schlauheit  der 
Serben  und  UroSevi6  als  Intriguanten  aus,  um  die  unbequeme 
Interpellation  des  russischen  Diplomaten  abzulehnen. 

In  einer  Note  an  Erzherzog  Karl  bedauerte  er,  dass 
die  bisherigen  klugen  Vorkehrungen  in  der  serbischen  Ange- 
legenheit ihren. Zweck  verfehlten,  dass  man  andere  Massnahmen 
ausdenken  müsse,  um  sich  den  Einfluss  auf  die  Serben  zu 
sichern  und  der  Einwirkung  Russlands  zu  begegnen.  Und  an 
den  Gesandten  Oesterreichs  in  Petersburg,  Freiherm  v.  Binder, 
schrieb  er:  Der  Antrag  der  Serben,  sich  in  den  Schutz  Oester- 
reichs zu  begeben  und  in  irgend  einer  Form  dem  Wiener  Hofe 


<  Ueber  das  Weitere  Beer  209—212.  Das  Ganze  ging  durch  die  Hände 
Badofinikin*8  und  der  rassischen  Gesandtschaft  und  muss  daher  mit  etwas 
Misstranen  aufgenommen  werden. 

12* 


180 

unterthan  zu  werden,  widerstreite  zu  sehr  dem  Systeme,  das 
die  österreichische  Regierung  der  Pforte  gegenüber  stets  an  den 
Tag  gelegt  habe. 

Wir  begreifen,  dass  Erzherzog  Karl  über  diese  Eröffnungen 
sehr  ungehalten  war,  und  dies  umsomehr,  als  er  von  den  militä- 
rischen Vorkehrungen  am  Grenzcordon  erfuhr,  welche  Simb- 
schen,  oflFenbar  unter  dem  Eindrucke  jener  schlimmen  Wendung 
der  Dinge  in  Belgrad,  zufolge  jener  Absagebriefe  und  der  Nach- 
richten über  die  Befestigung  Belgrads,  zu  treffen  Anlass  fand. 
Er  hatte  sich  noch  vor  der  Rückkehr  nach  Peterwardein  von 
Mitrowitz  in  Symiien  aus  (4.  Juni  1808)  beeilt,  das  Scheitern 
seiner  Unterhandlungen,  als  dem  Verrathe  und  den  Ränken 
Radofinikin's  entsprungen,  dem  Erzherzoge  zu  melden.  ^ 

Zwei  Tage  nach  Empfang  der  Note  Stadion's,  den  8.  Juni, 
schrieb  Erzherzog  Karl  an  Simbschen,  wie  sehr  es  ihn  befremde, 
dass  Uro§evi6  den  Serben  die  weitgehendsten  Zusicherungen« 
gemacht  habe  und  Simbschen  selbst  in  einer  Zuschrift  dafür 
eingetreten  sei,  was  Alles,  sowie  die  Depesche  des  Uroäevi6  zur 
Kenntniss  des  russischen  Botschafters  in  Wien  gelangt  und  von 
ihm  dem  Minister  der  auswärtigen  Angelegenheiten  mitgetheilt 
worden  wäre. 

Diese  unzeitigen  Versicherungen  hätten  Simbschen  com- 
promittirt,  und  er  habe  sich  dadurch  von  den  erhaltenen  Auf- 
trägen entfernt.  Er  könne  ihn  deswegen  und  anlässlich  seiner 
weiteren  Massregeln,  die  er  in  der  Zuschrift  vom  4.  Juni  an- 
zeigte, ,nicht  von  jedem  Vorwurfe'  freisprechen.  Am  ,allerübel- 
sten*  sei  es  jedoch,  dass  er  ,feindselige  Massregeln'  längs  des 
ganzen  Cordons  ergriffen  habe,  da  man  dies  als  einen  Racheact 
zufolge  des  Misslingens  der  Unterhandlungen  deuten  und  auf- 
fassen werde.  Simbschen  möge  daher  allsogleich  die  Conmiuni- 
cation  im  Cordon  in  dem  Maasse  eröf&ien,  wie  solche  vor  dem 
Beginne  der  Unterhandlungen  bestand,  und  nur  in  Bezug  der 
Ausfuhr  von  Waffen  und  Schiessbedarf  die  Vorschriften  streng 
wie  bisher  in  Vollzug  bringen,  um  jedem  Verdachte  einer  Feind- 
seligkeit zu  begegnen,  nicht  allen  Einfluss  auf  die  Serben  ein- 
zubüssen  und  sich  für  die  Folge  die  Möglichkeit  einer  An- 
näherung vorzubehalten.  2 


*  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  21. 

2  Actenstücke  der  Apolo^e  Nr.  24.   Beer  212  f.  und  Anhang:  Analekten 
VII,  5,  798—799. 


181 

Bevor  noch  die  Antwort  und  Rechtfertigung  Siinbschen's 
eintraf^  erliess  Erzherzog  Karl  (10.  Juni)  eine  zweite  Weisung 
an  denselben,  die  gewissermassen  als  Ergänzung  der  zwei  Tage 
zuvor  erlassenen  Depesche  zu  gelten  hatte.  Zunächst  verschärft 
der  Generalissimus  den  Befehl:  ,bei  schwerer  Verantwortung 
keine  der  gewaltsamen  Massregeln,  welcher  in  dem  Berichte 
vom  4.  Jimi  vorgeschlagen,  gegen  die  Serbier  eintreten  zu  las- 
sen, und  in  Ansehung  des  wechselseitigen  Verkehrs  vielmehr 
alles  auf  den  Fuss  zu  setzen,  wie  es  am  Schlüsse  des  vorigen 
Monates  stände  Er  müsse  anfänglich  noch  ein  Mehreres  thun, 
um  den  übeln  Eindruck  und  das  Aufsehen  zu  vermindern, 
welches  er  durch  sein  ,ganz  vorschriftswidriges  Benehmen  er- 
regt habe*.  Die  ,unbe8onnenen  Kundschafter  und  Unterhändler' 
Haöi6  und  Milosch  Uroäevi6  sollen  augenblicklich  auf  eine 
,eclatante'  Art  aller  Aufträge  enthoben  und  von  der  Person 
Simbschen's  femgehalten  werden,  damit  so  ein  Theil  der 
Schuld  auf  sie  gewälzt  und  durch  MissbiUigung  ihres  Be- 
nehmens den  ärgerlichen  Vorgängen  das  Auffallende  einiger- 
massen  benommen  werde.  Simbschen  habe  sich  jedes  Schrittes 
zu  enthalten,  der  auch  im  Entferntesten  den  Anschein  hätte, 
als  wäre  das  Vorgefallene  höheren  Ortes  missbilligt  worden, 
und  vorderhand  selbst  solche  Massnahmen  zu  vermeiden,  wo- 
durch er  sich  sonst  ohne  Aufsehen  Einfluss  in  Belgrad  zu  ver- 
schaffen wüsste. 

Sollten  sich  die  Serben  noch  in  irgend  einer  Sache  an  ihn 
wenden,  so  müsse  er  sich  ohne  den  geringsten  SeitenbUck  oder 
Vorwurf  über  das  Vergangene  mit  jener  Mässigung  gegen  sie 
benehmen,  die  jetzt  allein  an  ihrem  Platze  sei.* 

Diese  Rüge  und  Weisung,  welche  Simbschen  für  die  ge- 
naueste Vollziehung  dieser  Befehle  auf  das  Strengste  verant- 
wortlich machte,  empfing  derselbe  den  16.  Juni.  Schon  drei 
Tage  zuvor  war  seine  Aufklärung  und  Rechtfertigung  nach 
Wien  abgegangen.  Er  trage  nicht  die  Schuld  an  der  üblen 
Wendung  der  Dinge,  an  dem  Scheitern  der  Pläne,  die  er  im 
Geiste  seiner  Aufträge  gefördert  hätte.  Schlechtgesinnte  Leute  auf 
österreichischer  Grenzseite  hätten  Gerüchte  verbreitet,  durch 
welche  Radofinikin  aufmerksam  gemacht  worden  und  in  Kennt- 


>  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  26.     Beer  a.  a.  O.  uiici  Analekten  VlI, 
6,  799—800. 


182 

niss  von  den  Unterhandlungen  gekommen  wäre.  Seine  Massregeln 
amCordon  seien  durch  die  Ereignisse  von  drüben  veranlasst.  Unter 
den  Beilagen  befand  sich  ein  Bericht  des  Obersten  Perss  über 
die  Erklärung  Radoiinikin's,  dass  flir  die  Serben  die  Zeit  ge- 
kommen, ihre  Selbstständigkeit  durchzusetzen,  und  ein  zweiter, 
kurz  zuvor  (11.  Juni)  eingelangter,  worin  der  Semliner  Com- 
mandant  den  grossen  Mangel  der  Serben  an  Nahrungsnütteh 
darlegte  und  zur  Hintanhaltung  von  Ausschreitungen  und  Ge- 
bietsverletzungen ihrerseits  um  eine  Verstärkung  der  Cordons- 
truppen  ansuchte.^ 

Damit  hing  denn  auch  der  Schluss  des  Kechtferdgungs- 
schreibens  Simbschen's  zusammen,  der  sich  bestimmte  Wei- 
sungen über  die  Getreide-  und  Salzausfuhr  nach  Serbien 
erbat. 

Diese  Bitte  verstärkte  Simbschen  in  der  Depesche  vom 
17.  Juni  an  Erzherzog  Karl,  worin  er  die  Tags  zuvor  empfan- 
gene Weisung  (vom  10.  Juni)  beantwortete.^  Indem  er  dersel- 
ben gewissenhaft  nachkonmien  zu  wollen  erklärt,  begründet 
er  sein  Ansuchen  um  diesföllige  bestimmtere  und  deutlichere 
Instructionen,  erörtert  die  bisherigen  Handelsbeziehungen  mit 
Serbien  und  legt  dar,  dass  der  Kaiser  kurzweg  verboten  habe, 
Getreide  und  Salz  nach  Serbien  auszuführen,  während  anderer- 
seits die  Serben  blos  die  Ausfuhr  von  Borstenvieh  gestattet 
hätten. 

Das  Ansuchen  Simbschen's  erledigte  Erzherzog  Karl  mit 
der  Weisung  vom  8.  Juli  1808.  Der  Kaiser  habe  eine  Erweite- 
rung oder  Einschränkung  der  Getreide-  und  Salzausfuhr  nach 
Serbien  der  Verfligung  Sirabschen's  ganz  und  gar  überlassen. 
Die  Gewährung  oder  Verweigerung  habe  sich  nach  dem  Ver- 
halten der  Serben  zu  richten  und  bleibe  daher  ohne  weitere 
Anfrage  der  Beurtheilung  und  Massnahme  Simbschen's  anheim- 
gestellt. ^ 

Es  ist  die  letzte  vorliegende  Zuschrift  des  Generalissimus 
an  den  Peterwardeiner  Commandirenden.  Dem  Erzherzoge  war 
die  diplomatische  Action  Serbien  gegenüber  gründlich  verleidet 


*  ActeuHtüeke   der  Apologie   Nr.  25;   mit   Berichten   das   Oberston  Perss 

au8  Semliii  als  Beilagen. 
3  Ebenda. 
3  Ebenda  Nr.  28. 


183 

worden,  und  das  dem  Staatskanzler  Stadion  vom  Kaiser  ab- 
verlangte Gutachten  über  die  serbische  Frage  sprach  vorläufi- 
gem Zuwarten  das  Wort. 

Der  Monarch  hatte  die  Frage  aufgeworfen,  ob,  bei  der- 
maligem  Verzichte  auf  eine  Cooperation  Kara  Georgs  und  seiner 
Volksgenossen,  Oesterreich  in  der  Besetzung  Belgrads  selbst- 
ständig vorgehen  und  dies  ohne  nachtheilige  Folgen  bewerk- 
stelligen könne.  1 

Stadion  erklärte  sich  in  seinem  Vortrage  voiq  10.  Juni 
1808  dagegen,  mit  Rücksicht  auf  die  vorhandene  Ungunst  der 
pohtischen  Sachlage  und  auf  die  massgebenden  Mächte:  Russ- 
land und  Frankreich.  ,Nur  wenn  Russland  es  versuchen  wollte', 
sich  durch  Ueberrumpelung  in  den  Besitz  von  Belgrad  oder 
Orsowa  zu  setzen,  sei  zu  erwägen,  ob  die  österreichischen 
Befehlshaber  an  der  Grenze  dem  nicht  zuvorkommen  sollten, 
um  die  Besetzung  jener  festen  Plätze  durch  russische  Truppen 
zu  Gunsten  der  sonst  gefährdeten  österreichischen  Grenze  zu 
vereiteln,  da,  wenn  einmal  die  Russen  von  Belgrad  und  Orsowa 
Besitz  ergriffen  hätten,  es  eine  schwierige  Aufgabe  würde,  sie 
daraus  zu  entfernen.  Die  Entscheidung,  ob  die  Besetzung  von 
Belgrad  räthUch  oder  nicnt  räthlich,  th  unlieb  oder  unthunlich 
sei,  welche  Einleitungen  hicflir  zu  treffen  wären  und  welche 
Sprache  man  gegen  Russland  und  Frankreich  diesbezüglich  zu 
führen  habe,  müsse  den  verschiedenen  Zeitumständen  angepasst 
werden. 

Die  Zeitimistände  wurden  allerdings  nicht  günstiger.  ^ 
Napoleon  hatte  bereits  in  dem  Tilsiter  Frieden  mit  Russland 
(7.  Juli  1807)  die  Sache  der  Türkei  so  gut  wie  preisgegeben. 
Auf  dem  Congresse  zu  Erfurt  (September  bis  October  1808) 
that  er  den  entscheidenden  Schritt  zur  Verständigung  mit  Czar 
Alexander  I.  über  die  orientalische  Frage,  indem  er  gegen  die 
Anerkennung  seines  Bruders  Josef  als  König  von  Spanien  und 
der  Napoleoniden  überhaupt  in  ihrer  Rang-  und  Machtstellung 
von  Seiten  Russlands  dessen  Vergrösserung  auf  Kosten 
Schwedens  und  der  Türkei  nicht  hindern  wolle.  Es  handelte 
sich  da  einerseits  um  Finnland,  anderseits  um  die  Moldau 
und   Walachei.     Sollte    die   Pforte   eine   Abtretung   der   beiden 


1  Darüber  siehe  Beer  210^212. 

'  Kanke  134  f.  Beer,  Zehn  Jahre  (istorreichischer  Politik  278—327. 


184 

Provinzen  verw'cigcm  und  der  Krieg  deshalb  wieder  ausbrechen^ 
so  wllrde  er  an  einem  solchen  so  lange  nicht  theilnehmen^  als 
ihn  die  Pforte  allein  filhrte;  würde  sich  aber  eine  andere  Macht 
hineinmischen,  dann  sei  er  bereit,  mit  Russland  vereint  vor- 
zugehen. 

Der  von  beiden  Kaisem  von  Erfurt  aus  an  England  ge- 
richtete Friedensantrag,  dem  bald  der  Abbruch  ihres  diplomati- 
schen Verkehres  mit  dem  britischen  Cabinete  folgte,  als  dieses 
Gegenbedingungen  aufwarf,  anderseits  Napoleons  Forderung 
an  Oesterrcich,  seine  Rüstungen  einzustellen,  liessen  den  nahen 
Ausbruch  des  europUisclien  Kriegsgewitters  voraussehen,  welcher 
im  Frühjahre  1809  erfolgte. 


VI. 

Simbschcn  nnd  die  Serben  vom  Ansbmche  des  Krieges 
Oesterreielis  mit  Xapoleon  bis  zur  YcrmShlang  des  Fran- 
zosenliaisers  mit  Maria  Louise  von  Oesterreieh.  1809  bis 

März  1810. 

Der  Misserfolg  der  diplomatischen  Action  mit  den  Serben 
vom  Jahre  1808,  die  Absetzung  der  Belgrader  Frage  von  der 
Tagesordnung  hatte  den  Verkehr  Simbschen's  mit  Kara  Georg 
und  seinen  Genossen  durchaus  nicht  für  inmier  aufgehoben. 
Lag  es  ja  doch  auch  im  Interesse  der  Politik  Oesterreichs  — 
und  dies  besonders  seit  der  vom  Erfurter  Congresse  ge- 
schaffenen Neugestaltung  der  Dinge  —  mit  den  Serben  in  Füh- 
lung zu  bleiben. 

Zur  Zeit,  als  die  heftigsten  Kämpfe  zwischen  ihnen  und 
der  Pforte  wieder  ausbrachen,  anderseits  die  schwungvolle 
Kriegserklärung  Oesterreichs  gegen  den  französischen- Gewalt- 
haber die  Presse  verliess,  und  der  Volkskrieg  in  Tirol  wider 
die  Fremdherrschaft  losbrach,  —  sehen  wir  den  diplomatischen 
Verkphr  Simbschen's  mit  Kara  Georg  deutHch  wieder  auf- 
genommen und  Milosch  Uro§cvi6  neuerdings  als  Unterhändler 
in  Verwendung. 

Letzterer  überbrachte  dem  Oberanflihrer  der  Serben  ein 
Gezelt  als  Ehrengabe  des  Commandanten  von  Peterwardein  und 


185 

veranlasste  Kara  Georg   zu   einem   ausführlichen  Schreiben   an 
Simbschen  vom  2./14.  April  1809.» 

Zunächst  bemerkt  der  Oberanführer  der  Serben,  dass  der 
Krieg  mit  den  Türken  auf  allen  Seiten  entbrenne,  und  knüpft 
an  diese  Meldung  die  Bitte  um  die  Fortdauer  des  Wohlwollens 
Simbschen's,  des  ,ersten'  Freundes  der  Serben.  Sodann  wird 
die  jVäterliche  Liebe^  des  österreichfschen  Kaiserhofes  gepriesen 
und  die  ewige  Dankbarkeit  des  Serbcnvolkes  bezeugt.^  Er  be- 
theuert, nie  den  Gedanken  gehegt  zu  haben,  jenen  Unruhen, 
welche  unter  den  Bewohnern  des  östen'cichischen  Grenzlandes 
ausgebrochen  seien  und  deren  grösstes  Unglück  werden  müss- 
ten,  irgend  einen  Vorschub  zu  leisten.  Vielmehr  lasse  er  Simb- 
schen wissen,  dass  drei  von  diesen  Unruhestiftern,  die  sich  nach 
Serbien  geflüchtet,  auf  seinen  Befehl  an  die  serbischen  Grenz- 
hüter dort,  wo  man  ihrer  habhaft  wurde,  den  Tod  durch  den 
Strang  fanden.  So  werde  er  es  auch  mit  den  Anderen  halten 
und  nicht  anders  mit  seinen  eigenen  Leuten,  die  sich  solchen 
Bösewichtem  anschlössen.  Er  bitte  auch,  solche  auf  österreichi- 
scher Seite  zustandegebrachten  Serben  ihm  auszuliefern,  damit 
er  sie  mit  dem  Tode  bestrafen  könne,  und  sei  bereit,  die  öster- 
reichischen Flüchtlinge  aufzufangen  und  über  die  Grenze  nach 
Oesterreich  zu  schaffen,  oder,  wenn  man  sie  nicht  einfangen 
könne,  zu  tödten  und  hievon  die  Anzeige  zu  erstatten. 

Kara  Georg  habe  von  der  Erneuerung  des  Krieges  der 
Oestcrreicher  gegen  Frankreich  vernommen  und  beeile  sich 
daher,  Simbschen  der  freundnachbarlichen  Gesinnung  der  Ser- 
ben zu  versichern.  Sollte  auch  das  österreichische  Grenzgebiet 
von  Truppen  ganz  entblösst  werden,  so  bliebe  es  dennoch  vor 
den  Serben  so  sicher,  als  wenn  es  hüben  und  drüben  nur  Einen 
Herrscher  gäbe.  Simbschen  wolle  davon  den  Obersten  in  Semlin 
verständigen. 

Der  Brief  Kara  Georgs  kommt  auf  Vorgänge  im  öster- 
reichischen Grenzgebiete  zu  sprechen,  die  im  April  1809  zu 
einer  -Correspondenz  zwischen  Simbschen  und  dem  Kaiser 
führten. 


'  Vgl.  Beer,  Orientpolitik  Oe.  213.  Simbschen  scliloss  das  Sclireiben  Karä 
Georgs  dem  Berichte  an  Kaiser  Franz  bei  (Actenstücke  der  Apologie 
Nr.  30,  Beilage  1). 


186 

Aus  dem  wandernden  Hoflager  (damals  zu  Schärding) 
erliess  Kaiser  Franz  I.  am  19.  April  ein  Handbillet  an  den 
Peterwardeiner  Commandanten,  *  welches  den  Besorgnissen  des 
ilonarchen  vor  der  bedenklich  werdenden  Auflehnung  der 
Unterthanen  gegen  ihre  Grundherren  Ausdruck  gibt  und  auf 
das  Entweichen  zahlreicher  Provinzialisten  hinweist,  die  sich  der 
Recrutirung  entziehen  wollen.  Simbschen  möge  insgeheim  alles 
Nothwendjge  vorkehren.  Schon  vorher  war  dem  Commandiren- 
den  eine  kaiserliche  Weisung  (vom  5.  April)  und  auch  eine 
solche  von  Erzherzog  Rainer  in  Hinsicht  der  Ausreisser  unter 
den  Grenzern  zugekommen,  und  Simbschen's  diesbezügliche 
Anfrage  beim  Grenzdirectorium  von  dem  letzteren  dahin  er- 
ledigt worden,  es  seien  solche  Deserteurs  gleich  den  Anderen 
zu  behandeln.^ 

Vor  dem  Einlangen  des  kaiserlichen  Handbilletes  vom 
19.  April  erhielt  (13.  April)  Simbschen  die  Meldung  des  Ober- 
sten Perss  aus  Semlin,  es  seien  vier  Räuberbanden  ins  Banat 
und  in  die  Bäcser  Gespanschaft  eingefallen,  deren  eine  in  Becs- 
kerek  und  an  anderen  Orten  70.000  Gulden  zusammengerafft 
habe ;  ihr  Hauptmann  M  i  1  o j  e  P  e  t r  o  v  i  6,  der  bekannte  Serben- 
häuptling, habe  die  Hälfte  davon  für  sich  in  Anspruch  ge- 
nommen.** 

Wir  erklären  uns  daraus  die  Betheuerungen  Kara  Georgs, 
dass  er  solchen  Uebelthätern  fem  stünde,  und  ebenso  sein  Ver- 
sprechen, solchen  Gewaltthaten  von  Seite  der  Serben  mit  aller 
Strenge  zu  begegnen  und  den  österreichischen  Behörden  in  der 
Bewältigung  solcher  Gefahren  hilfreiche  Hand  zu  bieten. 

Den  7.  Mai  1809  erledigte  Simbschen  den  eine  Woche 
vorher  empfangenen  Auftrag  des  Kaisers.*  Er  sehe  sich  ver- 
pflichtet, dem  Monarchen  offen  und  freimüthig  darzulegen,  wie 


I  Af.tenstücko  der  Apiilogio  Nr.  21).  Simbschen  erhielt  das  Schreiben  den 
30.  x\i.ril  1809,  siehe  Anhang  Nr.  IV. 

'  Actenstücko  der  Apologie  Nr.  30. 

3  Apologie.  Auszug  au.s  dem  Potorwardeiner  Präsidial protokoll,  "Nr.  124. 
Actenstücke  zur  Apohjgie  Nr.  30,  mit  mehreren  Beilagen,  so:  Ausweis 
über  di(}  Doserteurs;  Schreiben  des  Keliaja  (Secretärs)  des  bosnischen 
Statthalters  ITallil  Ibrahim  Pascha  in  Hinsicht  der  Ausreisser;  Schreiben 
des  VerJiczcr  ComitAtes  in  Hinsicht  der  Wiederherstellung  der  Ruhe  in 
Vucsin  u.  s.  w. 

*  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  30. 


187 

es  sich  mit  den  Zuständen  im  ganzen  Grenzgebiete  verhalte. 
Es  sei  ihm  gelungen,  die  seit  1807  entstandenen  Unruhen  in 
Syrmien,  im  Banate  und  im  Provinziale  Slavoniens  durch  ent- 
sprechende Vorkehrungen  nicht  nur  zu  stillen,  sondern,  dank 
seinen  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  Kara  Georg  und  zu 
dem  Pascha  von  Bosnien,  alle  späteren  heimlichen  Verbindungen 
und  Aufwiegelxmgen  zu  entdecken  und  zu  vereiteln.  Wiewohl 
die  drei  Reserve-  imd  fünf  Landwehrbataillons  kaum  hinreich- 
ten, die  fUnf  Festungen:  Peterwardein,  Essegg,  Brod,  Gra- 
diska  und  Raöa  zu  besetzen,  habe  er  dennoch  von  den  29.000 
waffenfähigen  Grenzern  13.000  mit  den  für  Serbien  bestimmten, 
später  confiscirten  Feuergewehren  ^  bewaffnet  und  mit  andern 
brauchbaren  Karabinern  aus  den  Zeughäusern  der  Grenz- 
festungen versehen,  um  sie  zum  Dienste  an  der  bosnischen 
Grenze  zu  verwenden. 

Simbschen  müsse  jedoch  seinem  Monarchen  die  freimtithige 
Anzeige  erstatten,  dass  die  Volksstimmung  in  den  bürger- 
lichen Communitäten,  besonders  in  Semlin  und  Neusatz,  nicht 
die  beste  sei,  und  die  Desertion  nach  Serbien,  auch  im  Peter- 
wardeiner Grenzbezirke  zunehme.^  Das  verschulde  die  verfehlte 
Wahl  der  Magistratspersonen,  die  Besiedelung  von  Neusatz  und 
der  anderen  Militärcommunen  mit  schlechtem,  hergelaufenen  Ge- 
sindel,—  vor  Allem  jedoch  der  mangelhafte  Rechtszustand 
in  diesen  Grenzstädten.  Seitdem  das  Communitäten-Regulativ 
des  Feldmarschalls  Grafen  Colloredo  aufgehoben,  gebe  es 
eigentlich  gar  keine  Verfassung  oder  Constitution  der  Militär- 
communen. Auf  die  Grenzbevölkerung  wirke  erbitternd, 
dass  man  nach  dem  neuen  Statut  die  Fahnenflucht  des  Gren- 
zers nicht  mit  dem  Verluste  des  Militärlehens,  sondern  mit  der 
Strafe  bedrohe,  welche  auf  die  Desertion  des  Liniensoldaten 
gesetzt .  sei.  Schliesslich  verwies  Simbschen  auf  die  Folgeübel 
solcher  Amtshandlungen  der  Wiener  Referenten  des  Militärgrenz- 


>  Bezüglich  diener  ConÜHcatioii  hntto  Hich  der  serbische  Senat  am  8.  Mai 
1808  an  deu  Grenzdirector  Erzherzog  Ludwig  gemeldet  (vgl.  Heer, 
Orientpolitik  Oe.  208). 

'  1808,  22.  Mai  hatte  Erzherzog  Karl  an  Siuibschen  die  Weisung  erlassen, 
über  die  Stimmung  der  Orenzer  angesichts  der  neuen  Grundgesetze  für 
die  Militärgrenze  Bericht  zu  erstatten.  Actonstücke  der  Apologie  Nr.  106 
and  Simbi»chen  diesen  Bericht  (im  Sinne  der  Mittheilungen  an  den  Kaiser 
vom  Jahre  1809)  den  D.  Juli  1808  abgegeben.   Ebenda,  Nr.  107. 


188 

Justizdepartements  im  Hofkriegsrathe,  die  den  örtlichen  Ver- 
}iältnisscn  der  Grenze  nicht  angemessen  seien. 

Simbscheu  bietet  in  seiner  Apologie  vom  Jahre  1816  einige 
nicht  behinglosc  Aufsclihlsse  über  die  üble  Wirthschaft  des 
Semliner  Magistrates  in  der  damaligen  Aiifgebotssachc. 

Als  nämlich  der  Hof  kriegsrath  die  Stellung  von  Landwehr- 
bataillons durch  die  Communen  von  Peterwardein,  Karloi^itz 
und  Semlin  anordnete,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  sich  diese 
bürgerlichen  Landwehnnänncr  die  Montur  und  Rüstung  aus 
den  Zeughäusern  auf  eigene  Kosten  verschaffen  sollten,  hätten 
sich  der  Bürgermeister  von  Semlin,  Göhlis  (Haöi6'  Nachfolger) 
und  seine  Gesinnungsgenossen:  Syndicus  Kollitsch,  Stadt- 
schrcibcr  Spiess,  Polizeicommissär  Vetter,  die  Magistratsräthe 
Liborio  und  Waberen  durch  Bestechung  verleiten  lassen,  in 
die  Listen  gerade  die  ärmsten  Bürger  eintragen  zu  lassen  und 
die  reichsten  zu  verleugnen.  Es  entstand  unter  den  Semliner 
,Macedoniern',  Bulgaren,  Zinzaren  und  portugiesischen  Juden 
eine  beträchtliche  Desertion,  um  sich  dem  Waflfendicnste  zu 
entziehen.  Simbschen  beschuldigt  —  nebenbei  gesagt  —  den 
als  Landfriedensstörer  und  Räubergenossen  berüchtigten  Serben- 
häupthng  Miloje  Petrovi6,  derselbe  habe  im  Einverständnisse 
mit  dem  russischen  Consul  Radofinikin  durch  einige  unter  diesen 
Flüchtlingen  in  Semlin  an  zwei  Orten  Feuer  legen  lassen  und  die 
wegen  Raubmord  hier  gefangen  gehaltenen  Sträflinge  aus  ihren 
Kerkern,  den  sogenannten  ,Temnicen'  befreit,  um  die  Unsicher- 
heit und  die  schlechte  Stimmung  der  SemHner  zu  nähren. 

Mitte  Juni  1809  erhielt  Simbschen  vom  Obersten  Perss 
aus  Semlin  die  Meldung,  dem  Serbenhäuptlinge  Miloje  Petrovic 
werde  die  Schuld  der  Schlappe  der  Serben  vor  Nisch  beige- 
messen und  Kara  Georg   wolle   ihn  mit   dem  Tode  bestrafen.* 

Wir  werden  auf  die  weiteren  Gesclücke  dieser  Persönlich- 
keit, welche  auch  in  dem  Processe  Simbschen  eine  wichtige 
Rolle  spielt,  später  zurückkommen.  Für  jetzt  genügt  es,  diese 
wichtige  liegebcnheit  im  serbisch-türkischen  Kriege  hervorzu- 
heben, weil  sie  dem  Entgegenkommen  Kara  Georgs  einen  neuen 
und  kräftigen  Anstoss  gab. 

Den  glänzenden  Frühjahrserfolgen  der  Serben  an  der 
Drina,  am  Lim,  um  Sjenica  und  gegen  Novi-Bazar  setzte  An- 


1  Apologie.    Auszug  aus  dem  Peterwardeiner  Präsidialprotokoll,  Nr.  201. 


189 

fangs  Juni  1809  die  Niederlage  einer  Heeresabtheilung  vor  der 
Türkenfestang  Nisch  einen  unvorhergesehenen  Riegel.  Kara 
Geoi^  hatte,  die  Führung  des  wichtigen  Unternehmens  auf  den 
Rath  Mladon's  dem  herrschsüchtigen  und  prahlerischen  Miloje 
Petrovi6  übertragen  und  dadurch  den  bisherigen  Vertheidiger 
der  Stellungen  bei  Alexinac,  Peter  Dobrinjac,  schwer  gekränkt. 
Nun  aber  rechtfertigte  Miloje  gar  schlecht  das  in  ihn  gesetzte 
Vertrauen,  und  die  Türken  nutzten  den  Erfolg  von  Nisch  derart 
aus,  dass  sie  bald  auch  das  linke  Morawaufer  bedrohten.' 

Daher  wandte  sich  nun  wieder  Anfangs  Juli  Kara  Georg 
an  seinen  ,Freund  und  Gönner^  Simbschen  mit  Werbungen  um 
die  Gunst  und  den  Schutz  Oesterreichs,  allerdings  zu  einer 
Zeit,  da  sich  das  Verhängniss  der  Monarchie  auf  dem  Schlacht- 
felde bei  Wagram  vollzog.  Der  Bericht  Simbschen's  an  das 
damalige  Haupt  des  Hof  kriegsrathes,  Feldmarschall  Wenzel  Grafen 
von  Colloredo,  vom  12.  Juli  1809,  beweist  jedoch,  dass  der 
Commandirende  Peterwardeins  jeder  irgend  nur  bestimmten 
Zusage  in  seiner  Antwort  an  den  Oberanftihrer  der  Serben 
auswich.*'  Das  Jahr  1808,  die  damals  empfangenen  Rügen 
hatten  Simbschen  gewitzigt.  Zudem  war  die  Lage  Oesterreichs 
nicht  derart,  um  nur  irgend  etwas  Greifbares  versprechen  zu 
können. 

Die  Antwort  CoUoredo's,  vom  29.  Juli  aus  Pest  datirt, 
wohin  der  Hofkriegsrath  einstweilen  —  da  Wien  in  Feindes- 
hand —  seinen  Sitz  verlegt  hatte,  pflichtet  zunächst  der  rich- 
tigen Behandlung  der  Anträge  Kara  Georgs  durch  Simbschen 
bei.  Es  sei  die  gewöhnliche  Taktik  der  Serben,  sich  in  jeglicher 
Bedrängniss  mit  Vermittlungs-  oder  Unterwerfungsapträgen  bei 
dem  österreichischen  Hofe  einzufinden,  ohne  jedoch  damit  Ernst 
zu  machen,  ja  vielmehr  um  dies  zur  Trübung  seines  Verhält- 
nisses mit  Russland  und  der  Pforte  zu  missbrauchen.  Simbschen 
habe  somit  ganz  recht  gethan,  nicht  früher  auf  die  serbischen 
Anträge  eingehen  zu  wollen,  bis  sich  nicht  Kara  Georg  darüber  des 
Näheren,  und  zwar  mündUch,  geäussert  liätte.  Man  müsse  also 
diesfalls  zuwarten.  Dennoch  möge  sich  Simbschen  vor  Augen 
halten,  dass  es  dem  Hause  Oesterreich  nicht  gleichgiltig  sei, 
ob  Serbien  unter  türkischer  oder  russischer  Oberherr- 


1  Ranke  186  f. 

'  Actenstficke  der  Apologie  Nr.  31.  Vgl.  Beer  214. 


190 

Schaft  stünde,  und  dass  die  Ausbreitung  der  letzteren  Macht 
längs  der  Grenze  Oesterreichs  und  die  Verviel&ltigung  der 
Berührungspunkte  in  jeder  Hinsicht  als  ein  für  das  diesseitige 
Staatsinteresse  höchst  nachtheiliges  Ereigniss  angesehen  werden 
müsse. 

Simbschen  solle  also  die  Beziehungen  mit  den  Serben 
weiter  pflegen^  selbe  nieht  suchen,  ihnen  aber  auch  nicht  aus- 
weichen und  gegebenen  Falles  auf  irgend  einer  ^Formalität^, 
einer  schriftlichen,  bindenden,  Zusage  bestehen,  ,daniit  Kara 
Georg  es  unmöglich  würde,  seine  Schritte  in  der  Folge  wieder 
abzuleugnen  oder  auf  eine  für  Oesterreich  nachtheilige  Art  zu 
entstellend  Seit  dem  Einrücken  russischer  Truppen  in  Galizien 
müsse  man  allerdings  jeden  Anlass,  das  Petersbui^er  Cabinet 
herauszufordern,  vermeiden,  nichtsdestoweniger  aber  den  Staats- 
vortheil  im  Auge  behalten. 

Schliesslich  erledigt  der  Hofkriegsrathspräses  eine  Anfrage 
Simbschen's  vom  15.  April  (!)  dahin,  ,dass  die  bisher  conni- 
vendo  zugelassene  Ausfuhr  von  Mehl,  Salz  und  Brodfirüchten 
nach  Serbien  auch  fernerhin,  jedoch  nur  insoweit  zu  gestatten 
sei',  als  sie  mit  der  Bedeckung  des  eigenen  Bedarfes  vereinbar 
bleibe,  die  Staatsverwaltung  nicht  compromittire  und  diese  ganz 
,unaufftlllige'  Gefklligkeitsbezeugung  von  Seite  der  Serben  durch 
eine  , vollkommene  Reciprocität'  erwidert  werde.  ^ 

Simbschen  hatte  auch  in  den  ernsten  Kriegsläufen  die 
Hände  voll  zu  thun.^  Er  wurde  angewiesen,  sich  nach  Vukovar 
zu  begeben,  um  einer  Generalcongregation  in  Gesellschaft  des 
Diakovarer  Bischofs  Mandi6  beizuwohnen  und  hier  gemein- 
schaftlich mit  den  Ober-  und  Vicegespänen  der  Syrmier,  Verö- 
czer  und  Pozseganer  Comitate  alle  Anstände  bei  der  Ausrüstung 
der  drei  Provinzial-Insurrectionsregimenter  zu  beheben 
und  letztere  zur  Verstärkung  des  Banus  Gyulai  in  Marsch  zu 
setzen.  Dies  sei  ihm  auch  trotz  der  Widerspenstigkeit  der 
Grundunterthanen  von  Valpov,  die  sich  sogar  an  ihrem  Herrn, 
dem  Freiherm  von  Prandau,  vergriflFen,  binnen  drei  Tagen 
gelungen,  und  er  habe  dann  das  Veröczer  Insurrectionsregiment 
durch  einige  Grenzerdivisionen  mit  etwas  Geschütz  von  Essegg 
bis  an  die  croatische  Grenze  escortiren  lassen. 


*  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  31,  Anhang  Nr.  Y.  Beer  214  f. 
-   Uobor  alles  Folgende  die  Apologie. 


191 

Nach  Peterwardein,  unter  Simbschen's  Obhut,  wurden  da- 
mals das  kaiserliche  Familienarchiv,  der  Schatz,  das  Vennögen 
der  Erzherzoge,  mehrere  Tausend  Centner  Silberbarren  britischer 
Subsidien  und  auch  die  Quecksilbervorräthe  geflüchtet. 

Von  Xomorn  aus,  wohin  der  Kaiser  bald  nach  der 
Schlacht  bei  Wagram  den  Weg  durch  Mähren  und  Oberungam 
eingeschlagen  hatte,  erhielt  Simbschen  —  um  diese  Zeit  bereits 
Feldzeugnaeister  —  am  10.  August  neue  Weisungen.^ 

Der  Monarch  beauftragt  ihn,  den  Gewaltthaten  ein  Ende 
zu  machen,  welche  seit  geraumer  Zeit  die  Karlstädter  Militär- 
grenze an  verschiedenen  Punkten  jenes  Districts,  das  vormals 
türkisch  war,  durch  den  Sistover  Frieden  jedoch  an  Oesterreich 
kam,  beunruhigten.  Man  habe  befestigte  Orte  eingenommen, 
Häuser  niedergebrannt,  die  Grenzer  ausgeplündert,  ihr  Vieh 
weggetrieben.  Ebensowenig  als  das  nachdrücklichste  Einschreiten 
bei  der  türkischen  Behörde  im  bosnischen  Travnik  hätten  bis- 
her die  militärischen  Vorkehrungen  des  Karlstädter  und  Waras- 
diner  Generalcommandos  Abhilfe  verschafft,  und  immer  wieder 
würden  von  den  durch  die  Franzosen  aufgehetzten  und  sich 
dem  Ausmarsche  gegen  die  Serben  entziehenden  Bosniern 
neue  Feindseligkeiten  begonnen.  Trotzdem  der  kaiserliche  Inter- 
nuntius (Freiherr  von  Stürmer)  bei  der  Pforte  sehr  nachdrück- 
liche Formans  an  den  Statthalter  in  Travnik  erlangte,  sei  es 
nicht  besser  geworden,  da  dem  Letzteren  entweder  die  Macht, 
die  schuldtragenden  Häuptlinge  zu  paaren  zu  treiben,  oder  der 
gute  Wille  fehle,  dies  zu  thun.  Es  bedürfe  also  wirksamerer 
und  augenblicklicher  Massregeln.  • 

Simbschen  solle  daher  von  den  unter  seinem  Befehle  ste- 
henden Waffenfähigen  8000—10.000  Mann  Fussvolk  und  bei- 
läufig 1000  Reiter  nach  ihrer  besonderen  Eignung  zusammen- 
bringen, mit  diesen  nach  Crontien  aufbrechen,  hier  alle  vei'ftig- 
baren  Truppen  an  sich  ziehen  und  sein  so  gebildetes  Corps 
mit  dem  nöthigen  Geschütz  und  Schiessbedarf  versehen.  Sobald 
Simbschen  in  die  Gegend  von  Karlstadt  eingerückt,  habe  er 
sofort  den  österreichischen  Consul  in  Travnik  von  seiner  An- 
kunft zu  benachrichtigen,  damit  dieser,  gleichzeitig  von  der 
geheimen  Hof-  und  Staatskanzlei  hiezu  verhalten,  dem  Pascha 
von  Bosnien  die  bestimmte  Erklärung  abgebe,  dieser  möge  die 


'  Siehe  Anhang  Nr.  VI.  Actenstiicke  der  Apologie  Nr.  32. 


192 

bezüglichen  Aufträge  der  Pforte  ohne  Zeitverlust  in  Vollzug 
setzen,  widrigenfalls  man  bemtissigt  wäre,  sieh  selbst  Genug- 
thuung  zu  verschaffen.  Das  sollte  denn  auch,  falls  der  türkische 
Statthalter  die  schuldige  Abhilfe  nicht  leisten  würde,  geschehen, 
natürhch  mit.  der  Vorsicht,  dass  man  nach  Kriegsrecht  nur 
wider  jene  verfahre,  die  sich  gegen  die  österreichische  Grenze 
Feindsehgkeiten  zu  Schulden  kommen  Hessen.  Würde  aber  der 
türkische  Pascha  die  Aufträge  der  Pforte  pünktlich  erfüllen, 
oder  die  Ruhe  in  der  Grenze  schon  vor  dem  Elintreffen  Simb- 
schen's  hergestellt  sein,  so  habe  dieser  mit  seinem  Corps  in  der 
Nähe  von  Karlsstadt  zu  bleiben  und  die  weiteren  Befehle  des 
Kaisers  abzuwarten. 

Dieser  kaiserliche  Befehl  vom  10.  August,  wurde  zwei 
Wochen  später  (25.  August)^  aus  dem  Hoflager  zu  Totis  durch 
eine  neue  Weisung,  was  die  Truppenstärke  und.  Ausrüstung 
betraf,  wesentlich  eingeschränkt,  da  sich  die  Umstände,  welche 
den  Kaiser  veranlasst,  die  Formirung  dieses  Corps  anzuordnen, 
geändert  hätten.  Das  Commando  der  Husarendivision  wurde 
dem  ältesten  Sohne  Simbschen's,  Josef,  Major  des  Gradiskaner 
Regimentes,  übertragen.  Bis  auf  weiteren  Befehl  habe  Simb- 
schen  das  Generalcommaudo  in  Peterwardein  fortzuführen,  und 
dasselbe  nach  seinem  Abmärsche  Feldmarschalllieutenant  Finke 
(Peterwardeiner  Festungscommandant)  zu  übernehmen. 

Um  diese  Zeit  befand  sich  aber  auch  schon  auf  dem 
Wege  zu  Simbschen  der  Brief  Kara  Georgs  vom  16./28.  August 
aus  Belgrad,  an  den  sich  eine  neue  Phase  der  serbisch-öster- 
reichischen Unterhandlungen  knüpfte. 

Gerade  zur  Zeit,  als  das  Eindringen  eines  Russenheeres 
über  die  Donau  und  dessen  Erfolge  den  Krieg  der  Pforte  gegen 
die  Serben  wirksam  lähmten  und  die  Serben  wieder  aufathmen 
konnten,  fand  sich  der  Oberanführer  des  Aufstandes  bewogen, 
mehr  denn  zuvor  den  Anschluss  an  Oesterreich  zu  suchen. 

Es  wäre  widersinnig,  anzunehmen,  dass  den  gewaltigen 
Kämpen  die  reine  Vorliebe  für  Oesterreich  beherrschte.  Kara 
Georg  war  durch  und  durch  Serbe,  ebenso  stürmisch  tapfer 
als  mit  der  Schlauheit  des  Naturmenschen  ausgestattet.  Vor 
seinen  Augen  stand  als  Ziel  die  Freiheit  Serbiens  und  seine 
Herrschaft  über  das  Serben volk,  dessen  Fesseln  er  vornehmlich 


*  Siehe  Anhang  Nr.  VII.  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  36. 


193 

gebrochen.  Ueberdies  hatte  die  österreichische  PoUtik  vor  lauter 
Rücksichten  und  Besorgnissen  noch  nie  einen  herzhaften  Anlauf 
genommen^  Serbiens  Zukunft  zu  entscheiden,  die  alten  Pläne 
zur  Vorschiebung  der  Reichsmacht  im  Süden  der  Donau  zu 
verwirkUchen,  Serbien  zu  schirmen  und  festzuhalten;  Russland 
war  ihm  da  zuvorgekommen. 

Aber  Oesterreich  war  und  blieb  doch  ein  wohlwollender 
und  wenn  auch  manchmal  zögernder,  karger,  so  doch  nütz- 
licher, Lebens-  und  Kriegsbedarf  den  Serben  vermittelnder 
Nachbar^  mit  dem  man  es  nie  verderben  durfte.  Für  Kara 
Georgs  FtQirerrolle  und  ernsthche  Herrschaflspläne  bot  Oester- 
reich einen  Rückhalt,  während  die  Russophilen  unter  den  Ser- 
ben ihm  abgeneigt  waren,  scheelen  Auges  sein  Ansehen  be- 
fehdeten, es  zu  untergraben  sich  bemühten. 

Seit  dem  bösen  Tage  vor  Nisch  hatte  sich  ja  die  innere 
Spaltung  gemehrt,  und  der  Vertrauensmann  Russlands,  Rado- 
finikin,  begünstigte  sie,  um  seinen  Anhang  zu  stärken,  Kara 
Georg  an  die  Wand  zu  drücken,  gefügiger  zu  machen. 

Der  Oberanführer  der  Serben  traute  den,  Russen  nicht, 
bei  aller  Erwünschtheit  ihrer  Bundesgenossenschaft  in  schwie- 
rigen Lagen,  während  der  Anschluss  an  Oesterreich  der  Ac- 
tionsfreiheit  und  der  Zukunft  Kara  Georgs  nur  forderUch  er- 
schien. 

So  erklären  wir  uns  den  Inhalt  der  Zuschrift  Kara  Georgs 
an  Simbschen,*  dem  vor  Kurzem,  wie  oben  schon  angedeutet, 
die  Beförderung  zum  Feldzeugmeister  zu  Theil  geworden  war. 

Der  Oberanflihrer  der  Serben  bezieht  sich  in  seinem 
Schreiben  zunächst  auf  eine  Besprechung,  zu  der  er  den  Sem- 
liner  Militärcommandanten  Perss  und  den  ,Bruder^  Milosch 
(UroSevid)  nach  Belgrad  zu  kommen  ersucht  habe.  Er  meldet 
sodann,  General  Radofinikin  sei  in  der  Nacht  aus  Belgrad  ent- 
wichen und  habe  die  Serben  ,treulos  verlassen  und  veiyathen', 
und  begründete  nach  einigen  Lobsprüchen  auf  die  ,Gunst  und 
Gnade'  des  Wiener  Hofes  und  dem  Hinweise  auf  seine  Be- 
sprechung mit  Simbschen  vom  Jahre  1808,  wie  es  kam,  dass 
er  sein  damals  gegebenes  Wort  nicht  einlösen  konnte.  Rado- 
finikin habe  den  Serben  abgeredet  und  sie  mit  der  Einflüsterung 


'  Siehe  Anhang  Nr.  VIII.  Actenstttcke  der  Apologie  Nr.  34.  Vergleiche 

Beer  214. 
ArehlT.  Bd.  LXXYI.  I.  H&lfte.  13 


194 

zurückgeschreckt;  dass  ihr  Anschluss  an  den  österreichischen 
Hof  so  viel  wie  ihre  Auslieferung  an  die  Türken  bedeute. 

Ueberdies  habe  der  russische  General  gesagt,  zwischen 
den  Russen  und  Franzosen  sei  die  Auftheilung  der 
österreichischen  Länder  bereits  ausgemacht,  so  dass 
Serbien  bei  den  ^Deutschen'  keine  Hilfe  finden  könne. 

Der  kaiserliche  Hof  und  Simbschen  mögen  den  Serben 
ihr  Schwanken  verzeihen,  sie  wieder  in  den  Schutz  Oesterreichs 
aufnehmen  und  zunächst  mit  den  unumgänglichen  Erfordernissen 
versehen.  Leider  könne  er  augenblicklich  zu  einer  Besprechung 
mit  Simbschen  nicht  erscheinen,  da  er  Kriegsvorbereitungen  an 
der  Morawa  treffen  müsse;  sobald  er  aber  abkommen  könne, 
werde  er  sich  einfinden  und  sich  auch  dem  Kaiser  vorstellen. 
Vorläufig  schicke  er  mit  diesem  Schreiben  und  mündlichen 
Aufträgen  seinen  Bevollmächtigten  Stephan  Jeftid  ab.  Wahr- 
scheinlich werde  Simbschen  vom  Semliner  Commandanten  Perss 
über  seine  Besprechung  mit  Kara  Georg  die  Meldung  erhalten 
haben.  Den  Milosch  Uroäeviö  wolle  Simbschen  in  Semlin  be- 
lassen, da  er  als  Unterhändler  sehr  nothwendig  sei. 

Der  Bitte  um  baldige  Antwort  entsprach  Simbschen  am 
Tage  des  Eintreffens  der  Botschaft  Kara  Georgs  (30.  August) 
mit  wenigen  Zeilen,  worin  er  die  Uebergabe  der  Zuschrift  Kara 
Georgs  durch  Jefti6  und  das  Eintreffen  der  Meldung  des  Ober- 
sten Perss  über  die  Besprechung  mit  dem  OberanfUhrer  der 
Serben  bestätigt  und  mittheilt,  dass  er  das  Schreiben  Kara 
Georgs  und  den  Bericht  über  die  mündlichen  Aussagen  seines 
Secretärs  Jofti«;  dui'ch  einen  Courier  an  den  Kaiser  befördert 
habe.  Kara  Georg  wisse  ohnehin,  dass  Simbschen  auf  eigene 
Faust  nichts  unternehmen  dürfe,  bis  er  nicht  von  seinem  Hofe 
dazu  beauftragt  sei.' 

Am  gleichen  Tage  (30.  August  1809)  erstattete  Simbschen 
an  seinen  Vorgesetzten,  Feldmarschall  Grafen  Wenzel  Colloredo, 
nach  Pest  einen  umständlichen  Bericht  als  Einbegleitung  des 
Schreibens  Kara  Georgs. ^ 

Gestern  (29.  August)  sei  ihm  durch  den  Semliner  Militär- 
commandanten, Obersten  Peres,  die  Meldung  von  dem  Ver- 
schwinden  des  russischen  GeneraJconsuls  Radofinikin   aus  Bel- 


^  Anhang  Nr.  IX.  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  86. 
^  Anhang  Nr.  X.  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  33. 


195 

grad  und  der  Erklärung  Kara  Öeorgs,  er  bitte  um  den  Schutz 
Oesterreichs,  zugekommen.  Heute  sei  der  Secretär  des  serbi- 
schen Oberanflihrers,  Stefan  Jefti6,  in  Begleitung  des  Land- 
wehrhauptmannes Milosch  UroSevid  eingetroffen  und  habe  ihm 
das  Schreiben  Kara  Georgs  in  serbischer  Urschrift  sammt  dessen 
deutscher  Uebersetzung  eingehändigt,  nebst  der  mündlichen 
Erklärung,  Kara  Georg  sei  ganz  bereit,  die  Festungen  Bel- 
grad, Semendria  und  Schabacz  als  Unterpfand  der  echten 
und  aufrichtigen  Gesinnungen  der  Serben  zur  Besetzung  mit 
österreichischen  Truppen  auszuliefern.  Sollten  aber  die  bestehen- 
den Verhältnisse  der  Uebemahme  und  Besetzung  der  erwähnten 
Festungen  hinderlich  sein,  so  wolle  der  österreichische  Kaiser 
durch  einen  Courier  an  den  Befehlshaber  der  Türken  und  sei- 
nen Internuntius  in  Constantinopel  bei  der  Pforte  einen  Waffen- 
stillstand zum  Heile  der  Serben  auswirken. 

Simbschen  habe  seinen  Weisimgen  entsprechend  an  Kara 
Georg  geantwortet.  Da  ihm  die  politischen  Verhältnisse  der 
Cabinette  unbekannt  seien,  so  unterbreite  er  den  Gegenstand 
der  Allerhöchsten  Entschliessung  und  bemerke  nur,  dass  er 
nach  Abschlag  aller  sonst  in  Verwendung  stehenden  Truppen 
gegebenen  Falles  an  30.000  wehrftlhige  Grenzer  —  unter  dem 
Befehle  des  FeldmarschalUieutcnants  Fincke,  der  Brigadiers  Frei- 
herrn von  Ricsan,  Marquis  Vasquez  und  des  Obersten  Obuöiua 
—  aufbieten  könne,  von  denen  allerdings  13.000  nicht  bewaffnet 
seien  und  für  deren  Ausrüstimg  erst  gesorgt  werden  müsste. 

Es  währte  ziemlich  lange,  bevor  die  kaiserliche  Weisung 
an  Simbschen  eintraf;  war  es  doch  die  Zeit  der  Kämpfe  zwischen 
der  Friedens-  imd  Bjriegspartei  am  Hoflager  zu  Komorn  und 
Totis,  welche  das  Nachspiel  der  Wagramer  Schlacht  und  des 
Znaimer  Waffenstillstandes  (14.  JuU)  bilden,  des  neuen  Rüstens, 
Hin-  xmd  Herschiebens  der  verfUgbaren  Truppen,  des  Zaudems 
und  Schwankens. 

So  war  z.  B.  Simbschen,  da  die  früher  nothwendig  er- 
schienene Demonstration  gegen  Bosnien  unterblieb,  ausersehen 
gewesen,  den  Landsturm  Lmerösterreichs  werkthätig  zu  unter- 
stützen, die  Befreiung  Innerösterreichs  und  der  Seeküste  zu 
erleichtem  und  zu  beschleunigen.  Am  16.  September  1809 
schrieb  Kaiser  Franz  aus  Totis  an  seinen  Bruder  Erzherzog 
Johann,   dem    die   Aufgabe    der   Weiterftlhrung    des   Krieges 

gegen  Napoleon  zugedacht  war,  auf  die  Ankunft  des  Feldzeug- 

13* 


196 

meisters  Simbschen  mit  Truppen  aus  Slavonien  könne  wegen 
neu  eingetretener  Umstände  nicht  gerechnet  werden,  wie  es 
dem  Erzherzog  bereits  bekannt  sei.  Statt  Simbschen's  werde 
Feldmarschalllieutenant  Knesevich  mit  10.000 — ll.OOÖ  Mann 
im  Bjriegsfalle  eingreifen.^ 

Erst  vier  Tage  nach  dem  Abschlüsse  des  Wien-Schön- 
brunner  Friedens  vom  14.  October  1809,  dem  kostspieligsten 
und  drückendsten,  welchen  Oesterreich  je  geschlossen,  erging 
das  kaiserliche  Handschreiben  an  Simbschen^  als  Erledigung 
seiner  Eingabe  vom  30.  August.  Der  Letztgenannte  war  inzwi- 
schen bemüht  gewesen,  die  Serben  in  ihrer  guten  Stimmung 
für  Oesterreich  warm  zu  halten,  die  Erfolge  Napoleons  zu  ver- 
schleiern und  die  Friedensverhandlungen  als  eine  Folge  des 
Ansuchens  Frankreichs  bei  dem  widerstandskräftigen  und 
kampfbereiten  kaiserlichen  Hofe  darzustellen. 

Wenn  die  Nachricht  von  der  fertigen  Thatsache  des 
Friedens  und  den  grossen  Einbussen  Oesterreichs  hiebei  die 
Serben  eines  Anderen  belehren  musste,  so  konnte  auch  der 
Inhalt  der  kaiserlichen  Entschhessung  vom  18.  October,  ein 
Ausfluss  des  Vortrages,  den  der  künftige  Staatslenker  Oester- 
reichs, Graf  Metternich,  damals  bereits  mit  einer  Hand  am 
Ruder,  den  10.  d.  M.  über  den  Antrag  Kara  Georgs  erstattet 
hatte,  den  Oberftlhrcr  der  Serben  überzeugen,  dass  der  kaiser- 
liche Hof  vorderhand  nur  die  Wiederaufnahme  seiner  ,diplo- 
matischen  Action  bei  der  Pforte  zu  Gunsten  einer  An- 
näherung zwischen  beiden  Theilen  auf  einer  billigen  Grandlage' 
zusagen  wolle. 

1  Kaiser  Franz  an  Erzherzog  Johann.  Totis,  16.  September  1809  (Nach- 
lass  Erzherzog  Johanns):  ,Lieber  Herr  Bruder  Erzherzog  Johann! 
Um  den  Landsturm  in  InnerOsterreich  werkthätig  zu  unteratiitzen  und 
die  Befreiung  Inneroesterreichs  und  der  Seeküsten  zu  erleichtem  und 
zu  beschleunigen,  habe  ich  bei  dem  Umstände,  wo  auf  die  Ankunft  des 
FZM.  Simbschen  mit  Truppen  aus  Slavonien  wegen  neu  eingetretener 
Umstände  vor  der  Hand  nicht  gerechnet  werden  kann,  wie  es  E.  L.  be- 
reits bekannt  ist,  ungefähr  10.000 — 11.000  M.  unter  Commando  des  FML. 
Knesevich  bestimmt,  welche  im  Falle  der  Fortsetzung  des  Krieges  theils 
gegen  Steiermark,  theils  gegen  Krain  und  die  Seeküste  zu  wirken  haben 
werden  .  .  .* 

^  Actonstücke  der  Apologie  Nr.  37,  siehe  Anhang  Nr.  XL  Auch  von 
Beer  S.  216  citirt.  Vgl.  auch  den  hier  Analekten,  S.  800—802  abgedruck- 
ten Vortrag  des  Ministers  Metternich  vom  10.  October  (Totis)  über 
die  serbische  Frage. 


197 

Simbschen  wird  in  diesem  Erlasse  beauftragt^  sich  alle 
Mühe  zu  geben,  ,die  wirklichen  Gesinnungen  des  serbischen 
Anflihrers  zu  erforschen  und  jede  Compromission  des  Letzteren 
gegen  Uns  auf  officiellem  Wege  zu  befördern;  da  sie  in  jeder 
Hinsicht  sowohl  zu  näherer  Kenntniss  der  Lage  der  Dinge  als 
zu  einer  nützUchen  Ausdehnung  unseres  Einflusses  in  die  ser- 
bischen Angelegenheiten  wünschenswerth  ist^ 

Der  Peterwardeiner  Commandant  und  Vertrauensmann 
der  österreichischen  Regierung  in  der  bewussten  Sache  liess  es 
an  BemtLhungen  in  diesem  Sinne  nicht  fehlen,  wie  dies  sein 
Bericht  vom  11.  December  1809  bezeugte  Auch  gelang  es 
ihm,  die  Auslieferung  österreichischer  Deserteurs  von  Seite  der 
Serben  zu  erwirken,  und  andererseits  behielt  er  ein  wachsames 
Auge  für  jene  seit  1808  bemerkbaren  Agitationen,  einge- 
schmuggelten Flugschriften  und  dergleichen,  welche  unter 
den  Serben  Ungarns  das  Erstehen  eines  neuen  grossser- 
bischen Reiches  und  den  Anschluss  an  dasselbe  verkündigten. 

Simbschen,  der  es  als  seine  Aufgabe  und  auch  als  Ehren- 
sache ansah;  das  Verhältniss  Oesterreichs  zu  Serbien  auf  das 
Geleise  einer  endgiltigen  Abmachung  zu  lenken,  den  Stein  ins 
Rollen  zu  bringen,  entschloss  sich  zu  einer  persönlichen  Ver- 
ständigung mit  Kara  Georg  und  dem  Senate  der  Serben;  die 
Besprechung  fand  in  der  That  den  28.  December  1809  statt, 
und  ihr  Ergebniss  wurde  die  am  nächsten  Tage  ausgefertigte 
Zuschrift  Kara  Georgs  und  des  Senates;  sie  fUhrt  als  Datum 
den  17./29.  December. ^ 

In  den  Eingangsworten  geschieht  der  ,mündlichen  Unter- 
redung' mit  Simbschen  vom  28.  December  Erwähnung;  ausser- 
dem wird  der  ,Briefe'  gedacht,  aus  denen  man  neuerdings  Be- 
weise ,von  der  angeborenen  Milde  und  väterlichen  Gnade'  des 
Kaisers  gewonnen  habe.  Hiemit  erscheint  offenbar  die  kaiser- 
liche Weisung  vom  18.  October  an  Simbschen  und  der  Auf- 
trag an  den  Internuntius  zu  Unterhandlungen  mit  der  Pforte 
gemeint. 

Das  weitere  Schreiben  überfliesst  von  Dankgeftihl  und 
Vertrauen   für  das   werkthätige   Wohlwollen   des  Kaisers  und 


*  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  38.  Vgl.  über  den  Gang  der  österreichi- 
schen Politik  Beer  S.  214-220. 
3  Ebenda,  Nr.  40.  Siehe  Anhang  Nr.  XU.  Vgl.  Beer  217—218. 


198 

iinterlässt  es  auch  nicht,  die  eigene  Haltung  gegen  die  Pforte, 
den  allgemeinen  Aufstand  ,der  Serben  gegen  ihren  gesetzlichen 
Kaiser'  (den  Sultan)  durch  die  ,vielen  Ungerechtigkeiten  und 
Unbilden',  welche  man  erlitten  habe,  zu  rechtfertigen. 

Als  Grundlage  eines  Ausgleiches  mit  der  Pforte  werden 
der  österreichischen  Regierung  nachstehende  Punkte  als  Er- 
gebniss  des  gepflogenen  Uebereinkommens  unterbreitet: 

i.  Der  Kaiser  von  Oesterreich  wird  der  Schatzherr 
Serbiens. 

2.  Allgemeine  Amnestie  von  Seite  der  Pforte  für  AUes, 
was  während  des  ganzen  Krieges  auf  Seite  der  Serben  began- 
gen wurde. 

3.  Die  Serben  sollen  als  ,Contribuenten  und  beziehungs- 
weise Vasallen  der  ottomanischen  Pforte  zu  keinem  andern 
Dienste'  verpflichtet  sein  als  zur  Entrichtung  der  auszumachen- 
den Abgaben  im  Baaren. 

4.  Zwischen  den  tributären  Serben  und  den  Türken  soUen 
als  Grenze  die  natürhchen,  durch  Berge  und  Flüsse  bestimmten 
Marken  und  die  von  ihnen  gegenwärtig  innegehabten  und  be- 
wachten Stellungen  anerkannt  werden.  (Nun  folgt  die  förmliche 
Grenzbeschreibung.) 

5.  Diese  Grenze  soll  von  keinem  Theile  anders  als  einzig 
und  allein  in  Handelsangelegenheiten  überschritten  werden. 

6.  In  Belgrad  habe  ein  kaiserlich  österreichischer 
Consul  seinen  ständigen  Sitz,  welcher  noch  vor  Anfang  des 
künftigen  Congresses  eintrefi^en  soll. 

7.  Der  Beschluss  über  jeden  wichtigen  Erlass,  der  von 
der  kaiserlichen  Regierung  an  die  serbische  Nation  erlassen 
wird,  soll  dem  österreichischen  Monarchen  durch  einen  der 
serbischen  Abgeordneten  eingehändigt  werden. 

8.  Deshalb  hat  ein  Vertreter  der  serbischen  Nation 
in  Wien  zu  bestehen  als  Empfänger  der  Briefschaften  seiner 
Landsleute  und  Uebernehnier  der  kaiserlichen  Antworten  und 
EntSchliessungen. 

9.  Der  Tribut  an  die  Pforte  soll  auf  dem  gleichen  Wege 
durch  den  österreichischen  Gesandten  dem  Sultan  eingeantwortet 
werden. 

10.  Jeder  rechtgläubige  Christ,  der  unter  den  Serben  an- 
getrofi*en  wird,  könne  auch  hier  ferner  verbleiben,  ohne  dahin 
zurückkehren  zu  müssen,  wohin  er  zuständig  ist. 


199 

11.  Die  in  serbischer  Gefangenschaft  befindlichen  Türken 
sollen  gegen  gefangene  Serben  ausgewechselt  werden. 

12.  Für  den  Friodenscongress  sei  ein  Ort  in  den  öster- 
reichischen Staaten  auszuersehen  und  demselben  nicht  blos  die 
Vertretung  der  Serben  und  der  Pforte,  sondern  auch  anderer 
Potentaten  beizuziehen.  Damit  jedoch  die  nothwendigen  Vor- 
arbeiten ihren  ungestörten  Verlauf  nehmen  könnten,  wolle  der 
Kaiser  einen  Waffenstillstand  vermitteln,  der  ohne  sein 
Vorwissen  weder  gebrochen  noch  verlängert  werden  dürfe. 

Bevor  diese  bedeutsame  Kundgebung  aus  Belgrad,  von 
Kara  Georg  und  dem  Senate  unterschrieben,  durch  die  Hände 
Simbschen's  den  Weg  nach  Wien  einschlug,  hatte  der  Vortrag 
Metternich's  vom  23.  December  1809  den  Inhalt  des  kaiser- 
lichen Handschreibens^  vom  30.  December  vorgezeichnet,  das 
als  Ergänzung  des  Bescheides  vom  18.  October  zu  gelten  hat 
und  sich  mit  der  Depesche  Simbschen's  vom  4.  Jänner  1810^ 
als  Einbegleitung  der  Belgrader  Punctationen  kreuzte. 

Die  Absicht  des  Kaisers  ginge  dahin,  heisst  es  in  der 
Weisung  des  Monarchen,  vorderhand  nichts  unversucht  zu 
lassen,  um  eine  aufrichtige  Aussöhnung  zwischen  den  streiten- 
den Theilen  gegen  billige,  den  künftigen  Ruhestand  der 
Serben  wider  jede  Willkür  sichernde  Bedingnisse  zu  Stande 
zu  bringen. 

Der  kaiserliche  Internuntius  zu  Constantinopel  sei  hierüber 
mit  bestimmten  Weisimgen  verschen  worden,  über  welche 
noch  gegenwärtig  das  strengste  Stillschweigen  beobachtet  werden 
müsse,  um  kein  unzeitiges  Aufsehen  zu  erregen.  Inzwischen 
habe  Simbschen  die  Serben  mit  gehöriger  Vorsicht  und,  ohne 
der  Action  des  Internuntius  bei  der  Pforte  im  geringsten  zu 
erwähnen,  auf  die  Möglichkeit  eines  Ausgleiches  mit  der 
Pforte  nach  und  nach  vorzubereiten  und  auf  diesem  Wege  auch 
die  bezügüchen  Wünsche  derselben,  die  ihnen  am  wichtigsten 
erscheinenden  Bedingungen  zu  erfahren,  die  man  als  Grundlage 
einer  künftigen  Unterhandlung  annehmen  könnte. 

Simbschen  möge  in  dieser  Richtung  durch  geschickte 
Emissäre  besonders  auf  den  Handelsstand  und  die  unteren 
Volksclassen  der  Serben  als  ruheliebende  Elemente    einwirken 


'  Actenstücke   der  Apolo^e   Nr.  41    uud  Anhang  Nr.  XIII.    VpK  Hoer 

217. 
'  Actenstücke  der  Apoloj^o  Nr.  39. 


200 

und  die  Bereitwilligkeit  des- Kaisers  andeuten,  demnächst  einen 
Agenten  oder  Consul  nach  Belgrad  zu  senden^  damit  er  dort 
als  Rathgeber  und  Vermittler  wirke.  Selbstverständlich  sei 
auch  Georg  Pctrovi6  davon  zu  verständigen  und  das  Vertrauen 
der  Serben  durch  ein  gefklliges  Benehmen  und  eine  und  die 
andere  Erleichterung  in  Hinsicht  der  bestehenden  AusAihrsperre 
zu  gewinnen. 

Gegen  den  russischen  Agenten  Radofinikin  und  die 
französischen  Offi eiere  in  Belgrad  habe  sich  Simbschen 
freundschaftlich  zu  benehmen,  jedoch  einen  wie  den  andern 
so  viel  als  möglich  im  Auge  behalten  zu  lassen  und  das  dies- 
falls Erhobene  so  wie  alle  sonstigen  Vorfälle  und  bemerkens- 
werthen  Symptome  der  allgemeinen  Stimmung  drüben  dem 
Kaiser  ,schleunig  und  ausführlich  einzuberichten^ 

Als  nun  jene  Kundgebung  Kara  Georgs  und  des  serbischen 
Senates  von  Simbschen  den  4.  Jänner  1810  nach  Wien  beför- 
dert wurde  und  man  die  Belgrader  Bedingungen  mit  den  ziem- 
lich gleichzeitigen  Anerbietungen  der  Pforte  vergUch,  zeigte 
sich  der  9chrofFcn  Gegensätze  weit  mehr  als  der  ^discutirbaren 
Punctationen^ '  Denn  der  Divan  war  nur  erbötig,  den  Serben 
eine  allgemeine  Amnestie  zu  gewähren,  den  verhassten  Befehls- 
haber Kuschan  Ali  abzurufen,  die  Einhebung  des  Tributes  nicht 
mehr  den  türkischen  Finanzbeamten,  sondern  dem  Gouverneur 
in  Belgrad  zuzuweisen  und  alle  Steuerrückstände  nachzusehen. 
Dagegen  müssten  aber  Kara  Georg  und  die  übrigen  Serben- 
häuptlinge für  immer  beseitigt  werden,  wofür  die  Pforte  ihnen 
eine  sorgenfreie  Existenz  verbürge.  Als  Grundbedingung  eines 
Ausgleiches  machte  die  Türkei  den  Ausschluss  jeder  fremden 
Bürgschaft  oder  wie  immer  gearteter  Einmischung  und  ,die 
Verzichtleistung  auf  die  Idee  von  Independenz  von  Seite  der 
Serben'  geltend,  sie  hielt  somit  den  Standpunkt  des  Herrschers 
gegenüber  aufständischen  Unterthanen  fest. 

Mettcrnich's  Vorschläge  gingen  nun  allerdings  dahin,  der 
Pforte  nahezulegen,  dass  eine  Beseitigung  der  Führer  des 
Serbcnvolkes  vor  der  Anbahnung  eines  Ausgleiches  denselben 
von  vornherein  unmöglich  machen  würde,  imd  dass  sich  der 
Sultan  mit  der  Hauptsache,  mit  der  Zahlung  des  Jahrestributes 
von   Seite    der   Serben    begnüge,    denen   die   eigene   Regelung 


1  Vgl.  Beer  218  f.    Ranke  141. 


201 

ihrer  inneren  Verhältnisse  zu  überlassen  wäre.  Die  Bereit- 
willigkeit Kara  Gkorgs  und  des  Senates  zu  einem  Waffenstill- 
stände könne  die  Pforte  zu  einer  Entzweiung  der  Serben  mit 
den  Russen  benützen.  Dagegen  solle  man  dem  ObcranfUhrer 
der  Serben  begreiflich  machen^  dass  die  Beibehaltung  des 
Senates  und  der  Ausschluss  aller  türkischen  Behörden  jedem  Aus- 
gleiche unübersteigliche  Hindemisse  bereite.  Uebrigens  hoffe  man 
bei  der  Pforte  eine  Amnestie  im  ausgedehntesten  Sinne  des 
Wortes,  die  Ableistung  des  Tributes  in  Belgrad  und  die  Ent- 
fernung der  türkischen  Beamten  aus  Serbien  zu  erwirken. 

Der  E^ser,  in  dessen  Augen  die  Serben  unter  allen  Um- 
ständen ^Rebellen  gegen  die  gesetzliche  Herrschaft^  blieben, 
wollte  jedoch  nichts  davon  wissen,  dass  man  den  Anführern 
der  Serben  bestimmte  Hoffnungen  auf  eine  Amnestie  eröffne, 
und  gab  den  Auftrag,  in  den  Weisungen  an  Simbschen  möge 
überhaupt  Alles  vermieden  werden,  was  nicht  in  den  Aeusserun- 
gen  der  Pforte  vollkommen  begründet  sei. 

Diese  unfruchtbare  Politik  der  Neutralität  und  des  Aller- 
weltfreundseinwollens,  begehrlicher  Zurückhaltung  und  halber 
EntSchliessungen  wurzelte  allerdings  in  dem  eonservativen 
Princip  und  Rechtsgefühle  des  Kaisers,  in  der  begreiflichen 
Scheu  vor  neuen  Verwicklungen  und  Gefahren  und  entsprach 
auch  den  schwer  geschädigten  Machtverhältnissen  des  Staates, 
der  Aengsthchkeit  der  Kronräthe,  —  aber  sie  konnte  bei  den 
Serben,  denen  man  die  eine  Hand  winkend,  die  andere  ab- 
wehrend entgegenhielt,  keinen  günstigen  Eindruck  machen, 
und  sie  trug  ihre  schlechten  Früchte,  denn  sie  leitete  das  Wasser 
auf  Russlands  Mühle. 

Es  darf  uns  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  Simbschen,  der 
Militär,  den  vorgeschriebenen  diplomatischen  Eiertanz  schliess- 
lich nicht  zur  Zufriedenheit  ausführte,  wenn  er  den  ,Intentioncn^ 
der  Cabinetspolitik  vorzugreifen  schien. 

Bis  zum  März  des  Jahres  1810,  in  welchem  sich  ein  Er- 
eigniss  ersten  Ranges,  die  Vermählung  Napoleons  mit  der 
österreichischen  Kaisertochter,  vollzog,  schweigen  die 
Acten  über  Simbschen's  Unterhandlungen  mit  den  Serben. 
Dann  sprechen  sie  wieder. 


202 

VII. 

Oesterreich  und  die  serbische  Angelegenheit  Tom  MSrz 
des  Jahres  1810  bis  zum  Abschlüsse  der  AmtsthStigkelt 

Slmbschen^s  (Noyember  1810). 

Das  Neujahr  1810  bescheerte  den  Serben  manchen 
schweren  inneren  Zank  und  Hader.  Kara  Georgs  Vorherrschaft 
hatte  ihre  Gegner,  die  Oligarchie  der  Gospodaren  erhob  sich 
wider  Petroviö,  und  sein  Liebäugeln  mit  Oesterreich  verdross 
die  namhaft  verstärkten  Russophilen.  Zunächst  kehrte  sich  der 
Sturm  gegen  seine  Vertrauten,  Mladen  und  Miloje,  die  er  nun 
preisgeben  musste;  Jakob  Nenadovic,  der  Führer  der  Opposi- 
tion, trat  an  die  Spitze  des  ,Sowet^,  des  Senates,  und  räumte 
hier  auf.* 

So  gewannen  die  Russen  immer  mehr  Boden,  und  nicht 
vergebhch  erhess  Kamensky,  der  neue  Feldherr  der  CBaren- 
armee,  die  den  Tllrkenkrieg  1810  mit  verstärkten  Kräft;en  und 
noch  grösseren  Erfolgen  wieder  aufiaahm,  jenen  Aufruf  an  die 
Serben,  worin  er  sie  als  Brudergenossen  eines  Stammes  und 
Glaubens  begrüsste;  auch  ihres  Hauptes,  Kara  Georg,  wurde 
kltlglicher  Weise  ehrend  gedacht. 

Kara  Georg  blieb  an  der  Spitze,  ihn  wagte  man  nicht  zu 
stürzen,  die  Gegnerschaft  begnügte  sich  mit  dem  obigen  &- 
folge  und  mit  dem  Siege  der  Sympathieen  für  Russland. 

Der  Oberanführer  hatte  sich  Mladen's  und  Miloje's  entschla- 
gcn.  Letzterem  konnte  er  ohnehin  die  Schlappe  vor  Nisch  nicht 
vergeben;  man  hörte  im  Juni  1809,  er  habe  ihm  den  Tod  zu- 
gcschworen.  Das  muss  sich  dann  wieder  äusserHch  etwas  be- 
glichen haben,  aber  Miloje  misstraute  ihm  seither,  und  als  man 
ihn  ächtete,  Kara  Georg  nach  ihm  fahnden  liess,  flüchtete  er  im 
Februar  1810  auf  österreichischen  Grenzboden. 

Den  28.  d.  M.  meldete  Oberst  Perss  aus  Semlin,*  der 
serbische  Anführer  Miloje  Petrovi6  sei  herübergekommen  und 
habe  erklärt,  hier  zu  bleiben  und  österreichischer  Unterthan 
zu  werden.  Diese  Flucht  musste  in  den  Augen  Kara  Georgs 
als  Vcrrath  an  der  Serbensache  gelten.    Miloje  war  Deserteiu*, 


»  Ranke  142,  146  f. 

2  Apologie.  Auszug^  aus  dem  Peterwardeiner  PräsidialprotokoUf  politisches 
Departement. 


203 

und  gestützt  auf  jene  Abmachung  mit  Simbschen,  derzufolge  er 
seinerseits  die  Wegelagerer  und  österreichischen  Ueberläufer  in 
ziemlicher  Zahl  einfangen  und  über  die  Donau  schaffen  Hess  * 
und  das  Gleiche  vom  Commandanten  Peterwardeins  erwarten 
durfte^  begehrte  Elara  Georg  alsbald  die  Auslieferung  Miloje's,^ 
der  nach  seiner  ,Auscontumacirung^  zu  Semlin  auch  handfest 
gemacht  wurde. 

Aber  gleich  darauf  berichtet  auch  (7.  März  1810)  das 
Semliner  CommandO;  der  arretirte  Miloje  Petrovi6  wolle  Seiner 
Majestät  selbst  oder  dem  commandirenden  General  wichtige 
Entdeckungen  machen.^  Miloje  wurde  nun  den  13.  März  1810 
von  Semlin  nach  Peterwardein  escortirt,  Verhören  und  Confron- 
tationen  mit  Genossen  seiner  früheren  Räubereien  unterzogen 
und  am  13.  April  der  serbischen  Regierung  ausgeliefert.  Die 
Weisung  des  Hofkriegsrathes  vom  7.  d.  M.,  Miloje,  falls  er 
noch  nicht  ausgeliefert  sei,  nach  Temesvär  schaffen  zu  lassen 
und  dem  serbischen  Oberanflihrer  eine  ,dilatorische^  Antwort 
zu  geben,   ging  erst  am  11.  April  von  Wien  ab  und  traf,  wie 


'  YerzeichniM  der  am  6.  December  1809  von  Kara  Georg  dem  serbischen 
Senate  ausgelieferten  ,Räaber*:  Kuzman  Ugodics  von  Feldvar,  Adam 
Markovics  vom  Job.  Jellaöid'schen  Infanterie-Regiment,  Pantelia  Pantolics, 
Jakob  Theodorovics,  Szavakovics,  Jovan  Petrovics  vom  Peterwardeiner 
Grenzregiment,  Jovan  Mitrovics  alias  Nikolics,  Nedelka  Jovanovics,  Sem- 
liner Insassen,  Maxim  Millovanovics  vom  Deutsch- Banater  Grenzregi- 
ment. Verzeichniss  der  am  30.  December  1809  aus  Belgrad  nach  Semlin 
in  die  Contumaz  ausgelieferten  Räuber,  nämlich':  Jovan  Maletics  von 
Kupinovo,  Jovan  Stettics  von  Ogar,  Jakob  Dobrilovics  von  Pervo,  Theo- 
dor Petrovics  von  Ogar,  Aiidrio  Szeinsevics  von  Kleuak,  Rudivoj  Klaics 
von  Klenak;  gesammte  vom  Peterwardeiner  Grenzregiment. 

1810,  28.  März.  Nachstehende  Personen  wurden  von  dem  Peter- 
wardeiner Generalcommando  zur  Auslieferung  seitens  der  Serben  verlangt: 
1.  Achim  Gavrilovics,  2.  Michailo  Stivkovic,  3.  Dimitar  Odorovaczky, 
4.  Ivan  Kopansky,  5.  Prokopia  Keresztics,  6.  Zaria  Jeremies,  7.  Jevren 
H.,  8.  Glisa  N.,  beide  von  Vukovar,  9.  Avram  Babics,  10.  Nikola  Kuz- 
manovics,  11.  Ignaz  Oztoics,  12.  Pavo  Jurisics,  13.  Axentia  N.  Polievcze, 
14.  Dimitri  Nogics,  15.  Marko  N.,  16.  Maxim  N.,  Deserteur  vom  Regi- 
ment Jelladid,  17.  Jakob  Czerni,  18.  Vaczo  N.,  19.  Gliso  Milinkovics, 
20.  Jovan  N.,  21.  Czerni  Kusman,  22.  Andrie  Bershlics,  Harambassa. 
Apologie,  Actenstücke;  Auszüge  aus  dem  Peterwardeiner  Präsidialprotokoll. 

•  2.  Mi^.    Meldung  des  Obersten  Perss  aus  Semlin.    Ebenda. 

•  7.  März.  Meldung  des  Obersten  Perss  aus  Semlin.  Ebenda.  Siehe  An- 
hang Nr.  XXVI  imd  die  Darlegung  des  Sachverhaltes  im  Texte  der 
Apologie  von  1816. 


SiiiibBchcn  darlegt,  zu  apRt  ein.    Eftra  Geoi^  verftigte  Miloji 
lltnriclitung,  wolchc  am  15.  April  zu  Schabacz  stattfand. 

äiiiibscheii  hielt  aicli  streng  an  die  vorgcaciclinotc  Nen- 
tralitJlt.  Er  widerrietli  in  einer  Vorstellung  (13.  JSnner  1810) 
die  von  den  Serben  in  Wien  augesnchto  Ausliilfc  mit  Munition,' 
Anders  glaubte  er  aus  Rilcksichten  der  Reciprocität  in 
Fall  Milojo  PotroTi6  handeln  zu  müssen,  und  ebenso  war 
bereit,  die  Verhandlungen  zwischen  Eara  Qeorg  und 
Wiener  Hofo  zu  fördern.  Er  versprach  wiederholt  die 
tuello  Auslieferung  Milojc's  und  liess  durch  den  ciuen  der  So» 
lÄrc  des  serbisehcn  Oberanlllhrers,  dessen  Verwandten,  Jainüii 
Dimitriovic,  seinen  Rath  und  seine  guten  Dienste  nach  Bel- 
grad entbieten,  wie  dies  auch  aus  dem  Schreiben  Kara  Geoi^ 
vom  4.  16.  Milrz  1810  hervorgeht.* 

Der  OberanfÜbrer  der  Serben   orklllrt   sich   entsi 
dem  Winke  Simbschen's  durch  die  Sendung  des  Senat 
Ivan  SKavid-Jugovi6   nach  Wien   mit   einem  Glücksi 
zur  Heirat  der  Kaiserstochter  nachzukommen,   und   bittot 
Corauian  dir  enden,  seinem  Versprechen  gemÄse,  dem  gei 
Soudbotcn  seinen  Sohn,  den  Orcnxennajor  Josef  v.  Siml 
als  Boglcitcr  mitzugob<.^n. 

Dieses  Glückwunschschreiben,  von  Kara  Georg  nnd 
Bdgmder  ,NBtionalseDate'  unterseichnet,   preist  die  Vorsehanff, 
die    den    ,heroischen    Geist'     Napoleons    zur    ehelichen    Vor- 
kiiulung   mit   der  Tochter  de«  Kaisers  von  tlesterreich  bei 
Der  grösste  Theil  von  Europa  segne  diese  .innigste  Verbtnidi 
An  «wci  mächtigsten  Höfe'  als  ßUrgscIuil\  kommender  ,£oU< 
Zeilen'.     Das  S«rbenvolk   hofft   von  dem  Monarchen 
fireiung,   vorweist  auf  seine  Bitton  vom  December  des 


ÖIO) 
ion,'   ^_ 

inüi^^^ 


■  Sn  iiUBMI  iich  ätDabKtw«  in  wiaer  ApulD^f*. 
Am  Sarbwi  oin*  t)M«illi   Blaä,  t*«hrvr  wri  FMMntalsa  nbmMM  ca 


r  laiu  iB  ••(»•■  Tnraac«  u  4*«  K«iMr  ak  Wt— auh.  mät 
m  Chttainiiht  «inntBter  «ad  Mm  iliiilihiMi 


■illrkn  *tt  A|mfc^  Kr  Vt   Si*4«  Anhanx^  SXZT  «•AXX.V. 

■""Vfl  Butt    ai   t     »»J    AMlAtrL:     <—        'T  ■ 


205 

fenen  Jahres^  wünscht  —  wie  immer  —  ,xinter  dem  glorreichsten 
Scepter  Oesterreichs  seine  Glückseligkeit  zu  finden^  und  über- 
liefert das  mit  seinem  Blute  theuer  erkaufte  Loos  Serbiens 
den  Händen  des  Kaisers  von  Oesterreich  und  Napoleons  des 
,Ghro8sen^ 

Bevor  diese  neue  serbische  Botschaft  in  Wien  eintraf, 
erliess»  damals,  als  Vertreter  seines  nach  Paris  abgegangenen 
Sohnes,  Fürst  Georg  Metternich,  im  Namen  des  Kaisers 
eine  Weisung  an  Simbschen,  um  damit  seine  Eingabe  vom 
4.  Jänner  1810'  zu  erledigen  und  ihn  mit  den  Grundsätzen 
vertraut  zu  machen,  nach  welchen  der  Kaiser  die  serbischen 
Angelegenheiten  von  österreichischer  Seite  behandelt  wissen 
wolle.  Vergleichen  wir  diese  Note  mit  dem  Gutachten  des 
Grafen  Metternich,  das  wenige  Wochen  vorher  (3.  Fe- 
bruar 1810)  erstattet  wurde,  so  begegnen  wir  darin  neben 
mancher  üebereinstimmung  einem  wesentUchen  Unterschiede. 
Hier  wie  dort  ist  von  dem  wohlverstandenen  Interesse  Oester- 
reichs an  der  Wiederherstellung  der  Ruhe  Serbiens  die  Rede, 
von  der  Rückkehr  desselben  unter  osmanische  Herrschaft  und 
von  der  Unmöglichkeit  für  die  Wiener  Regierung,  unter  den 
,gegenwärtigen  Conjuncturen^ .  öffentHch  als  Vermittler  aufzu- 
treten. Während  sich  jedoch  der  Vortrag  des  Ministers 
Metternich  (vom  3.  Februar  1810)  in  ausflihrUcher  Weise  über 
die  dem  kaiserlichen  Intemimtius  bei  der  Pforte  zu  ertheilenden 
Weisungen,  andererseits  über  beschwichtigende  und  herabstim- 
mende Winke  flir  den  Oberanführer  und  den  Senat  der  Serben 
verbreitet,  entschlägt  sich  in  der  Note  vom  21.  März  1810  an 
Simbschen  das  Wiener  Cabinet  einer  jeden  directen  Theil- 
nahme  am  serbisch-türkischen  Friedenswerke  und  be- 
auftragt den  Commandirenden  von  Peterwardein,  dem  serbischen 
Senate  bekannt  zu  geben,  dass  sich  dieser  von  nun  an  ohne- 
weiters  an  den  Vollmachtträger  der  Pforte,  Redscheb-Aga, 
Befehlshaber  in  der  Festung  Orsova,  wende. ^ 

Das  war  allerdings  nicht  sehr  aufmunternd,  weder  ftlr  die 
Serben,  noch  für  Simbschen.  Dennoch  fand  sich  in  dieser  Note 
ein  geheimes  Hinterpförtchen   erschlossen.     Es  bleibe  nämlich 


1  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  39. 

>  Ebenda  Nr.  42.  Siehe  Anhang  Nr.  XVI.  Vgl.  Beer  22t;  Analekteu  803 
Uf  806.   Der  Vortrag  vom  3.  Februar  1810. 


206 

dem  Ermessen  und  der  Bekanntschaft  Simbschen's  mit  der  der- 
maligen Stimmung  der  Gemtither  drüben  anheimgestellt,  Mittel 
und  Wege  zu  linden,  die  von  der  Pforte  einstweilen  gemachten 
Zugeständnisse  in  gaAz  imverftlnglicher  Weise  zur  Kenntniss 
der  gemeinen  Volksclassen  (Serbiens)  zu  bringen,  da  die  letz- 
teren nunmehr  Alles  erhalten,  was  sie  verlangen,  und  die  Führer 
wahrscheinlich  durch  die  allgemeine  Stimme  gezwangen  wer- 
den könnten,  sich  in  der  Unterhandlung  geschmeidiger  zu  be- 
zeigen/ 

Diese  Weisung  erhielt  Simbschen  den  30.  März,  zwei 
Wochen  später  als  die  Belgrader  Botschaft  vom  4./17.  März. 
Jugovi6  und  Simbschen's  ältester  Sohn  machten  sich  den 
19.  März  auf  den  Weg  nach  Wien  und  mussten  hier  mehrere 
Wochen  verweilen,   bevor  ihnen  ein  Bescheid  zu  Theil  wurde. 

Zu  dieser  Angelegenheit  bietet  Simbschen's  Apologie  vom 
Jahre  1816  nachstehenden  Commentar. 

Schon  Anfangs  März  1810  Uess  ihm  Elara  Georg  die  ver- 
trauliche Mittheilung  zukommen,  er  hätte  aus  Wien  von  seinen 
dort  befindhchen  Glaubensgenossen  imd  Vertrauensmännern  die 
Nachricht  erhalten,  der  Kaiser  von  Oesterreich  habe  aus  Anlass 
der  fälschUchen  und  erdichteten  Anzeige,  der  russische  Staats- 
rath  Radofinikin  sei  mit  russischen  Truppen  nach  Serbien  ge- 
kommen, um  von  diesem  Königreiche  Besitz  zu  nehmen,  —  be- 
schlossen, die  serbische  Nation  ihrem  eigenen  Schick- 
sale zu  tiberlassen,  jede  österreichische  Vermittlung  bei  der 
Pforte  abzulehnen  und  die  Serben  mit  ihren  Anträgen  an  den 
Kuschanczy  Hallil-Aga  imd  an  den  Redscheb-Aga  zn 
verweisen.  Die  serbische  Regierung  habe  daher  an  die  Beiden 
Abgeordnete  entsendet,  um  doch  einstweilen,  bis  die  kaiserliche 
Antwort  in  Betreff  der  zugesagten  Vermittlung  eingetroffen  wäre, 
einen  Waffenstillstand  herbeizuftihren.  Kuschanczy  Hallil-Aga 
habe  jedoch  die  Abgeordneten  als  ,Rebellen'  einkerkern,  Red- 
scheb-Aga  ausserhalb  der  Festung  Orsowa  warten  und  beschei- 
den lassen,  ,er  wolle  mit  den  servischen  Schw ,  die  sich 

mit   russischen   Schw beloffen^,   nichts   zu   thun   und  zu 

sprechen  haben,  Aeusserungen,  die  so  gut  wie  das  Benehmen 
des  erstgenannten  Amtsträgers  der  Pforte  nichts  weniger  als 
unglaublich  erscheinen. 

Kara  Georg  bäte  daher  den  Feldzeugmeister  um  seinen 
Rath,  was  zu  thun  sei,  um  des  kaiserlichen  Schutaes  theilhaftig 


207 

zu  werden,  da  jetzt  durch  die  Vermählung  der  Erzherzogin 
Marie  Louise  mit  dem  Kaiser  Napoleon  ein  Freundschafts-  und 
Verwandtschaftsband  geknüpft  sei,  und  die  friedlichen  Verhält- 
nisse aller  europäischen  Staaten  von  dem  mächtigen  Schutze 
dieser  beiden  Monarchen  abhingen. 

Simbschen  beantwortete  diese  vertraulichen  Anfragen  und 
Mittheilungen  dahin,  es  sei  das  Beste,  vorderhand  den  kaiser- 
lichen Bescheid  auf  seine  Eingabe  vom  4.  Jänner  1810  abzu- 
warten, da  bei  der  noch  rauhen  Jahreszeit  die  Türken  den 
Feldzug  gegen  Serbien  nicht  unternehmen  dürften.  Die  Nach- 
richt der  Wiener  Vertrauensmänner  Kara  Georgs  rücksichtlich 
der  Ablehnung  des  Friedenswerkes  von  Seite  des  Kaisers  käme 
ihm  ganz  unwahrscheinlich  vor.  Immerhin  wäre  es  möglich, 
dass  der  Einfluss  Russlands  und  das  zweideutige  Benehmen 
der  serbischen  Nation,  die  immer  nur  Schutz  imd  Vermittlung 
bei  Oesterreich  nachsuche  und  andererseits  von  Selbstständig- 
keit träume,  den  Anlass  zu  dieser  Ablehnung  darbieten 
konnten. 

Die  Serben  durch  die  neuen  Rüstungen  der  Pforte  beun- 
ruhigt und  lange  vergeblich  eines  Bescheides  aus^  Wien  gewärtig, 
schickten  nun  den  Secretär  Stefan  Jefti6  und  den  Synodal- 
beisitzer Jainitie  Dimitrievi6  mit  einer  Deputation  nach  Peter- 
wardein,  um  hier  die  Capitulation  Belgrads  abzuschliessen  und  die 
Abmachung  der  Synode  oder  dem  Senate  der  Serben  vorzulegen. 
Simbschen  erklärte  ihnen,  er  werde  ihren  Antrag,  Belgrad  dem 
Kaiser  auszuliefern,  dem  Wiener  Hofe  melden,  nur  müssten  sie 
unbedingte  Unterwerfung  unter  den  Scepter  Oesterreichs  geloben 
und  den  Unterthanseid  mittelst  einer  Homagialurkunde  durch 
eine  Botschaft  an  den  Kaiser  gelangen  lassen. 

Um  aber  alle  Compromittirung  des  Hofes  zu  vermeiden, 
Hess  Simbschen  dem  serbischen  ,Nationalrath-Kanzler^  Szavi6 
Jugovi6  einen  Pass  unter  dem  Titel  eines  Handelsmannes  aus- 
fertigen und  gab  ihm  seinen  Sohn,  Major  v.  Simbschen,  zum 
Begleiter. 

Was  nun  diese  Peterwardeiner  Vereinbarung  betrifft, 
so  kam  thatsächlich  die  Ausfertigung  und  Uebergabe  der 
Homagialurkunde  zu  Stande,  und  Simbschen  nahm  keinen  An- 
stand, auf  ausdrückliches  Verlangen  der  serbischen  National- 
synode, in  Gegenwart  des  Erzbischofs  Metropoliten  Stratimirovi6 
V.  Kolpin,    des   Adlatus,    Öeneral-Feldmarschalllieutcnant   Frei- 


208 

heim  von  Finke  und  des  Semliner  Militärcommandanten,  Ober- 
sten Peres  zu  Karlowitz,  einen  Tag  vor  der  Abreise  des 
Kanzlers  Jugovi6  und  des  Majors  von  Simbschen  nach  Wien, 
den  Nationalhäuptem  der  Serben  zu  veraprechen  und  zu  ge- 
loben, dass  Simbschen,  von  dem  Augenblicke  der  kaiserlichen 
Entgegennahme  jener  Homagialurkunde  an,  die  serbische  Nation 
den  kaiserUchen  Absichten  gemäss  in  Allem  unteretützen 
wolle,  wie  dies  die  vom  Oberaten  Perss  und  vom  Senator 
Stanisavlevid  —  als  beidereeitigen  Vollmachtsträgem  —  ver- 
einbarten Capitulationspimkte  besagten. 

Simbschen  hatte  geflissentlich  als  Ort  dieser  Abmachungen 
nicht  Peterwardein,  sondern  Karlowitz  erkoren  und  ausser  den 
betheiligten  Personen  Niemanden  zugelassen.  Er  hoffte  so  das 
Geheimniss  besser  zu  wahren,  und  in  dieser  Hoffnung  bestärkte 
ihn  das  Gerücht,  die  serbische  Nation  habe  eine  Botschaft  nach 
Wien  gesendet,  um  sich  ihn  als  obersten  Anführer  zu  er- 
bitten. Diese  ,falsche  Sage^  bestärkte  ihn  nur  in  der  Annahme, 
dass  die  beiderseitigen  Unterhändler  über  den  eigentlichen 
Sachverhalt  reinen  Mund  gehalten  hätten.  Szavi6  Jugovi6  und 
der  Sohn  Simbschen's  sollten  in  Wien  über  die  Sachlage  be- 
richten, und  sie  reisten  bekannthch  ab,  bevor  noch  die  Note 
des  Fürsten  Mettemich  vom  21.  März  1810  in  Peterwardein 
eintraf. 

Kurz  nach  der  Abreise  Beider,  noch  vor  Ende  März  1810 
sandte  Kara  Georg  seinen  Vertrauten,  Stefan  Jefti6,  mit  der 
Anzeige  nach  Peterwardein,  dass,  nachdem  die  Türken  und 
bosnischen  Osmanli  die'Drina  übersetzt  und  die  Feindseligkeit 
mit  dem  Abbrennen  einiger  Dörfer  eröffnet  hätten,  der  Ober- 
anführer  der  Serben  an  jenen  Strom  geeilt  sei,  um  dem  Vor- 
dringen des  Feindes  Einhalt  zu  thun.  Die  Greise,  Weiber  und 
Kinder  der  eingeäscherten  Ortschaften  hätten  sich  in  die  Maöwa 
und  in  den  Landstrich  um  Schabacz  gezogen;  zu  Gunsten  dieser 
Unglücklichen  möge  man  von  österreichischer  Seite  Zuftihr  von 
Lebensmitteln  gestatten  und  die  Handelsleute  diesbezüglich  an 
den  serbischen  Befehlshaber  in  Schabacz  weisen.  Dies  Ansuchen 
habe  der  Kaiser  auch  genehmigt  imd  dem  Peterwardeiner  Com- 
mando  die  bezügliche  Weisung  ertheilt. 

Szavid  Jugovi6  und  Major  Simbschen  brachten  in  Wien 
sieben  Wochen  zu,  ohne  einen  greifbaren  Erfolg.  Der  eigent- 
Uche  Leiter  der  auswärtigen  Angelegenheiten^  Graf  Mettemich, 


209 

weilte  noch  in  Paris,  um  Napoleon,  den  Allgewaltigen,  über 
seine  Pläne  und  Gesinnungen  filr  Oesterreich  auszuholeii;  sein 
altersschwacher  und  geistig  nie  sonderlich  hervorragender  Vater 
Fürst  Georg^  versah  inzwischen  die  Geschäfte  mit  dem  Staats- 
rathe  Hudelist,^  Mettemich's  Vertrauensmanne,  zur  Seite. 

Jefti6  erhielt  noch  während  seiner  Anwesenheit  bei  Simb- 
schen  durch  einen  von  Wien  heimkehrenden  ,Raizen^  (Serben) 
aus  Neusatz  die  Botschaft  des  Synodalkanzlers  Szavi6.  Er 
sei  nach  einer  Reise  von  fünf  Tagen  in  Wien  eingetroffen, 
vom  Major  Simbschen  zum  Director  des  kaiserlichen  Cabinets 
geführt  und  durch  diesen  einer  geheimen  Audienz  bei 
dem  Monarchen  theilhafdg  geworden.  Kaiser  Franz  habe 
nicht  allein  die  Unterwerfungsanträge  der  Serben  sehr  gnädig 
aufgenommen,  sonderp  ihrem  Abgeordneten  auch  die  Versiche- 
rung ertheilt,  wegen  der  Besitzergreifung  von  Belgrad  und 
Serbien  das  Nöthige  verfügen  zu  wollen.  Dann  Uess  er  ihn 
zum  Fürsten  Georg  Mettemich  und  zum  Hofrath  Hudelist 
fuhren.  Letzterer  nahm  den  Deputirten  Serbiens  sehr  gut  auf 
und  theilte  ihm  mit,  dass  behufs  endgiltigen  Bescheides  zuvor 
noch  das  Eintreffen  eines  Couriers  aus  Paris  abgewartet  werden 
müsse.  Szavi6  möge  sich  bis  dahin  gedulden  und  in  Wien 
verborgen  halten,  um  dann  auf  den  ersten  Wink  die  Rückreise 
mit  Major  Simbschen  antreten  zu  können.  Inzwischen  werde 
man  alle  nöthigen  militärischen  Massregeln  vorkehren.  Die 
gleiche  Meldung  erhielt  Simbschen  von  seinem  Sohne  aus  Wien. 
Die  Truppen  seien  bereits  ausgewählt,  worüber  der  Feldmar- 
schalllieutenant und  General-Quartiermeister  Radetzky  das 
Nähere  schreiben  und  Simbschen  die  allerhöchste  Zufrieden- 
heit aussprechen  werde. 

Simbschen  hatte  ein  Schreiben  an  Radetzky,  eingeschlossen 
in  dem  Briefe  an  Major  Simbschen,  gerichtet,  worin  er  verschie- 


*  Franz  Georg  Fürst  von  Mettemich,  geb.  als  Keichsgraf  9.  März  1746  in 
Coblenz,  gest.  in  Wien  1818,  11.  August,  trat  1774  aus  den  Diensten 
Kartriers  in  Österreichische.  1791  war  er  österreichischer  Minister  in 
Brüssel,  1797  Bevollmächtigter  am  Rastatter  Congresse;  1803  in  den 
Fürstenstand  erhoben.  1810  vertrat  er  seinen  Sohn  in  der  Leitung  der 
auswärtigen  Angelegenheiten.  Aus  seiner  Ehe  mit  Beatrix  Aloisia  Gräfin 
von  Kageneg^  war  Clemens  Wenzel  Lothar  der  erstgeborene  Sohn. 

'  Josef  von  Hudelist,  geb.  1759  zu  St.  Veit  in  Kärnten,  seit  1803  Hofrath 
der  k.  k.  Hof-  and  Staatskanzlei. 

ArdüT.  Bd.IiXXYI.  I.HUft«.  14 


210 

dene  Anzeigen  erstattete  und  insbesondere  der  Erledigung 
einiger^  Anfragen  gewärtig  war.  Auf  dieses  Sehreiben  Simb- 
schen's  antwortet  Radetzky '  (25.  April  1809)  in  verbindlichster 
Weise. 

Dem  Commandirenden  von  Peterwardein  war  es  vorzüg- 
lich darum  zu  tliun,  über  den  Geschäftsgang  beim  Hofkriegs- 
rathe  seit  dem  Eintritte  des  neuen  Präsidenten,  Grafen  Belle- 
garde, und  zwar  aus  einem  für  ihn  ungemein  wichtigen  Ge- 
sichtspmikte,  aufgeklärt  zu  werden.  Durch  leidige  Erfahrungen 
gewitzigt,  wünschte  er  sich  bezügHch  der  Geheimhaltung  seiner 
ftlr  Wien  bestimmten  vertrauÜchen  Mittheilungen  beruhigt  zu 
sehen.  Der  General-Quartiermeister  erklärt  diesfalls,  Simbschen 
könne  olme  alle  Besorgniss  dem  in  Peterwardein  ,stationirten 
Ofticiere*  des  Generalstabes  solche  Mittheilungen  machen.  Die 
Gesammtleitung  des  ,Kundscha{ts-  und  Nachrichtssystems'  sei 
überdies  ihm  (Radetzky)  als  Chef  des  Generalstabes  übertragen, 
und  das  eigene  Bureau,  welches  hiefUr  vorhanden  sei,  bestünde 
ganz  aus  Militärs,  so  dass  keine  der  von  Simbschen  und  von 
vielen  anderen  Seiten  einlaufenden  Nachrichten  in  die  Hände 
eines  ,hofkriegsrät]ilichen  Civihsten'  gelange.  Dass  sich  das 
allerdings  nicht  so  ganz  verhielt,  sollte  der  Process  Simbschen's 
lehren. 

,Wir  sehen  mit  Verlangen,^  hiess  es  zum  Schlüsse  des 
Briefes  Radetzky 's,  ,dem  raschen  Fortgange  des  grossen  Werkes, 
welches  Euer  Excellenz  da  imten  begonnen  haben,  entgegen, 
indem  der  Nutzen  iilr  den  Staat  nur  gross  und  aussehend  sein 
kann.' 

Radetzky  allerdings,  der  MilitärpoUtiker  von  weitem  Blick, 
dessen  Denkschriften  beweisen,  wie  er  damals  und  auch  später 
der  Orientpolitik  Oesterreichs  den  Anstoss  zu  einer  gewinn- 
bringenden Machtentwicklung  im  ganzen  Umkreise  der  südlichen 
Donau  gegeben  zu  sehen  wünschte,  war  gleicher  Meinung 
wie  Simbschen,  aber  es  lag  nicht  bei  ihm,  das  ,grosse  Werk' 
vorwärts  zu  bringen. 

Simbschen  durfte  aus  den  Depeschen  des  Jugovi6  und 
seines  eigenen  Solmes  und  aus  ihrem  langen  Verweilen  in  Wien 
die  Hoffnung  auf  wichtige  Massnahmen  des  österreichischen 
Hofes  im  Sinne  der  Occupation  Serbiens  schöpfen.     Ueberdies 


1  Siehe  Auhang  XVUl. 


211 

hielt  er  sich  durch  die  damaligen  Ereignisse  in  Serbien  und 
die  Kundgebungen  dorthin  ftir  verpflichtet,  die  Stelhmg  Oester- 
reichs  und  dessen  Vortheil  zu  wahren. 

Der  oberste  Anfiilirer  der  Serben  schickte  näniHch  seinen 
leiblichen  Sohn,  Alexander  Karagyorgjevi6,  und  den  blutsver- 
wandten Secretär  Jainitie  Dimitrieviö  unter  dem  Verwände, 
die  Auslieferung  der  beideraeitigen  Uebelthäter  und  Strassen- 
räuber  zu  verhandeln,  nach  Peterwardein.  Hier  gaben  sie 
vor  Simbschen,  den  Feldmarschalllieutenants  von  Fincke  und 
Wetzel  und  dem  Hofsecretär  von  Kissics  die  Erklärung  ab, 
Simbschen  möge  die  dem  Kaiser  von  Oesterreich  in  aller 
Form  bereits  abgetretene  Festung  Belgrad  durch  k.  k. 
Truppen  besetzen  lassen,  damit  die  serbische  Nation,  in  Ge- 
mässheit  der  seit  mehr  denn  zwei  Jahren  wiederholten  Ver- 
sprechungen, ihre  Weiber,  Kinder  und  bewegliche  Habe  dahin 
in  Sicherheit  bringen  könne.  Ohnedies  betrachteten  sich  die 
Serben  laut  der  bereits  vor  einem  Monate  ausgefertigten  Ho- 
magialurkunde  als  wirkliche  k.  k.  Unterthanen.  Die  beiden 
Blutsverwandten  Kara  Georgs  hätten  den  Auftrag,  zum  Beweise 
der  aufirichtigen  Gesinnung  und  AnhitngUchkeit  der  Serben  an 
Oesterreich  als  Geiseln  bis  zur  Rückkunft  des  Synodalkanzlei'S 
Jugovid  und  bis  zur  allgemeinen  Huldigung  in  Peterwardein 
zu  verbleiben. 

Als  Anlass  dieses  bedeutsamen  Vorganges  bezeichneten 
die  Botschafter  Kara  Georgs  die  ji'mgsten  Ereignisse  im  Kriegs- 
staate der  Serben.  Die  Feldhauptleute  Milenko  Stoi6  und 
Hajduk  Veliko  und  mehrere  andere  Volksftlhrer  seien  abtrün- 
nig geworden  und  hätten  gegen  den  OberanfUhrer  und  den 
Senat  derselben  Aufruhr  angezettelt,  was  die  Türken  alsbald 
benützten  und  über  die  Morawa  und  Drina  verheerend  ein- 
brachen. Es  sei  nun  zu  besorgen,  dass  die  Türken,  noch 
bevor  der  mit  der  Unterwerfungsurkunde  nach  Wien  abge- 
sandte Bevollmächtigte  zurückkäme,  bis  nach  Belgrad  vordrin- 
gen und  diese  von  allen  Vertheidigungsmitteln  entblösste  Festung 
besetzen  könnten. 

Simbschen  erkläi-te  auf  das  Angebot  der  Serben,  ein 
solches  Vorgehen  hinge  nicht  von  ihm  ab,  man  müsse  die 
Rückkunft  des  Jugovic  aus  Wien  abwarten,  was  die  Abgesand- 
ten  Kara   Georgs   in   Peterwardein   mit   der  Verwahrung,    der 

mögliche    Verlust   Belgrads    an    die    Türken    dürfe    dami    den 

14* 


214 

wurden,  übrigens  die  Serben  der  aufrichtigen  Theilnahme  des 
Monarchen  an  ihrem  Geschicke  zu  versichern. 

Die  Zuschrift  des  Fllrsten  Mettemich  spart  mit  den  Worten 
nicht,  um  über  die  ^häkhcho^  Ahgelegenheit,  so  gut  es  geht, 
hinwegzukommen.    Der  Gedankengang  ist  folgender: 

Den  Glückwunsch  der  serbischen  Nation  zur  Vermählung 
seiner  Tochter  habe  der  Monarch  mit  Wohlgefallen  entgegen- 
genommen und  dies  auch  dem  Abgesandten  Szavi6  Jugovi6  zu 
erkennen  gegeben.  Da  ein  solches -Glückwunschschreiben  auch 
an  den  Kaiser  Napoleon  abgegangen,  so  möge  Simbschen  in 
Erfahrung  bringen,  welche  mündliche  oder  schriftliche  Gegen- 
äusserung darüber  erfolgt  sei.  Was  die  serbischen  Anträge  auf 
Unterwerfung  und  Uebcrgabc  Belgrads  betreffe,  so  erinnere 
sich  wohl  Simbschen,  dass  eine  solche  Verhandlung  bereits  ein- 
mal ,zu  einer  äusserst  unangenehmen  Compromittirung  gegen 
Russland  und  die  Pforte^  geführt  habe,  es  daher  ,unverzeihlich^ 
wäre,  sich  abermals  solchen  Missverständnissen  auszusetzen. 

Anderseits  wolle  aber  Simbschen  die  Oberhäupter  Serbiens 
in  ihren  bisherigen  guten  Gesinnungen  zu  erhalten  bestrebt  sein. 
Was  femer  die  Friedensaction  Oesterreichs  bei  der  Pforte  anbe- 
lange, möge  Simbschen  dem  Jugovi6  solche  Mittheilungen  machen, 
welche  der  Sachlage  entsprächen,  die  doch  er  am  besten  beurthei- 
Icn  könne.  Jüngst  habe  der  Kaiser  erfahren,  dass  Radofinikin  mit 
einem  Russencorps  im  Anmarsch  nach  Serbien  begriffen  sei,  um 
von  dessen  Festungen,  namentlich  von  Belgrad  Besitz  zu  nehmen. 
Das  könne  Oesterreich,  auch  wenn  selbst  die  gegenwärtigen  poli- 
tischen Conjuncturen  es  ihm  zu  thun  verwehren,  keineswegs  ge- 
schehen lassen.  Simbschen  möge  trachten,  das  Nähere  darüber 
zu  erfahren. 

Simbschen  schickte  mit  diesem  , dilatorischen  Schreiben* 
den  Kanzler  .Ingo vi 6  und  seinen  Sohn,  Major  von  Simbschen, 
nach  Belgrad.  Bei  dessen  Ankunft  und  Ueberbringung  der 
etwas  kühlen  Botschaft  brach  Kara  Georg  in  die  bezeichnenden 
Worte  aus:  , Warum  bringst  Du  die  Truppen  nicht  mit  Dir, 
um  Belgrad,  alle  Festungen  imd  ganz  Serbien  in  Besitz  zu 
nehmen?  Wenn  Euer  Kaiser  uns  nicht  haben  will  oder  nicht 
nehmen  dart\  so  müssen  wir  uns  an  die  erste  beste  christliche 
Macht,  sei  es  Russ  oder  Franzos,  die  da  kommt,  ei^eben,  denn 
wir  sind  nicht  mehr  im  Stande,  uns  allein  gegen  die  Türken  zu 
vertheidigen  oder  zu  behaupten.* 


215 

Nach  der  Rückkehr  des  Sohnes  aus  Belgrad  (13.  Mai) 
berichtete  Simbschen  an  den  Kaiser  und  an  den  Hofkriegsraths- 
präses  Bellegarde  ^  über  die  Sachlage  das,  was  er  von  Belgrad 
aus  und  durch  seine  Kundschafter  in  Erfahrung  gebracht. 

Kara  Georg  sandte  nun  seinen  Secretär  Jeftic  an  Simb- 
schen mit  dem  mündlichen  Auftrage,  dem  Commandanten  von 
Peterwardein  zu  eröffiien:  Russland  habe  die  Serben  aufgefordert, 
sich  mit  ihnen  gegen  die  Türken  zu  vereinigen,  und  zu  diesem 
Zwecke  eine  Heeresabtheilung  nach  Bore6  abzuschicken,  wo- 
gegen man  den  Serben  Pulver,  grobes  Geschütz  und  Waffen 
zukommen  lassen  werde.  Der  Oberanftlhrer  der  Serben  erwarte 
nun  von  Simbschen  einen  wohlmeinenden  Rath,  was  zu  thun  sei. 
Dieser  vertröstete  ihn  auf  das  Eintreffen  neuer  ministerieller 
Weisungen,  sagte  die  Unterstützimg  mit  Schiessbedarf,  in  un- 
au£ßUliger  Weise,  zu  und  rieth  dem  Kara  Georg,  den  Antrag 
der  Russen  unter  dem  Verwände,  die  Friedensverhandlimg  mit 
der  Pforte  sei  bereits  unter  Oesterreichs  Vermittlung  eingeleitet, 
abzulehnen. 

Aber  solch  diplomatisches  Fhckwcrk  hielt  nicht  Stand  der 
Wucht  der  Ereignisse,  der  Logik  der  Thatsachen. 

Vor  dem  18.  Mai  erhielt  Simbschen  eine  vortrauliche  Mit- 
theilung des  Szavi6  Jugovi6  aus  Belgi'ad.^  Der  lange  Aufent- 
halt in  Wien  sei  ein  hartes  Versäumniss  geworden,  denn  als  er 
heimkam,  hätte  die  ganze  Sache  bereits  eine  entgegengesetzte 
Richtung  genommen,  der  neue  Russenfeldherr,  Feldmarschall 
Kamensky,  einen  kräftigen  Aufruf  an  die  Serben,  mit  vielen 
Versprechungen  und  Zusagen  erlassen.  Es  gälte  zunächst  den  Zuzug 
nach  Ostrowo,  der  Donau-Insel  bei  Widdin,  und  an  4000  Mann 
Serben  würden  »uch  dahin  abziehen,  miter  dem  Verwände,  als 
wolle  man  den  Hajduk  Veliko,  der  sich  dahin  geflüchtet,  ver- 
folgen. Radofinikin  und  Besak,  Beide  den  Serben  verhasst, 
seien  des  Dienstes  enthoben  und  nach  St.  Petersburg  abberufen 
worden.  Damit  sei  in  der  öflfentlichen  Meinung  viel  gewonnen. 
Graf    Zukatow,    Militärcommandant    zu    Kralowa,    habe    die 

»  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  84  und  85.  An  Bellegarde  schrieb  Simb- 
schen, dass,  nachdem  Se.  Majestät  der  Kaiser  dem  Vernehmen  nach  ab- 
wesend sei,  dem  Hofkriegsrathspräsidenten  die  nothwtindigen  Anzeigen  in 
Hinsicht  Serbiens  und  der  Küssen  ersUittet  würden. 

2  Dechiffrirtes  Schreiben  des  Szavid  Jugovid  an  Simbschen.  Actenstücke 
der  Apologie  Nr.  48. 


216 

politischen  Geschäfte  in  Serbien  ttbemommen.  ^Daher  schwebe 
die  Bekannte  (Belgrad)  in  grösster  Gefahr/  Ausserdem  brachte 
Simbschen  in  Erfahrung,  dass  eine  Serbenversammlung  in  Se- 
mcndria  stattfand,  und  dass  die  Waffengemeinschaft  der  Russen 
und  Serben  insofern  durchgesetzt  wurde,  als  jene  4000  Mann 
unter  dem  Knez  Peter  Dobrinac  in  der  That  nach  Oßtrowo  auf- 
brachen.^ Gleich  darauf  meldete  der  Commandirende  von  Peter- 
wardein  nach  Wien,  die  Serben  hätten  den  Rado  Vuöetid  als  poli- 
tischen Kundschafter  nach  Paris  entsendet.^  Eis  herrsche  unter 
ihnen  eine  starke  russische  Strömung.  Ueberdies  sei  der  aus 
Montenegro  gebürtige,  mit  manchem  russischen  Orden  ge- 
schmückte Archimandrit  Spiridion  Philippoviö  bestimmt,  den 
russischen  Staatsrath  Radofinikin  in  Belgrad  zu  ersetzen. 

Philippovi6  traf  den  19.  Mai  1810  im  Amtssitze  Simb- 
schen's  ein,  welcher  bereits  durch  die  Polizeihofistelle  auf  den 
,geftlhrlichen  Menschen'  aufmerksam  gemacht  worden  war^  und 
ausserdem  am  Tage  der  Ankunft  des  verdächtigen  Gastes  eine 
darauf  bezügliche  Note  des  Feldmarschalllieutenants  Radivojevi6 
aus  Temesvär  erhielt,'*  von  wo  eben  Philippovi^  gekommen. 
Da  derselbe  mit  keinem  vorschriftsmässigen  Passe  versehen 
war,  so  bot  dies  dem  Commundanten  von  Peterwardein  einen 
erwünschten  Vorwand,  den  Archimandriten  nach  Temesvär 
zurückzuweisen.  Simbschen  verband  dies  mit  einer  Note  an  das 
Banater  Generalcommando,  man  wolle  künftighin  derlei  Emissären 
nicht  das  ganze  Land  und  dessen  feste  Plätze  bereisen  lassen, 
sondern  gleich  an  der  Grenze  zurückweisen.** 

Dennoch  gelang  es  später  dem  genannten  Sendlinge  Russ- 
lands, Philippovi6,  mit  mehreren  ( )flicieren  der  russischen  Armee 
in  Belgrad  einzutreffen.  Hier  that  er  Alles,  tun  im  serbischen 
Senate  fiu*  den  Anschluss  an  Kussland  zu  wirken,  Kara  Georg 
zu  beeinflussen,  den  innem  Frieden  im  Geiste  seiner  Sendung 
zu  fordern  und  als  Mann  der  Kirche  durch  Ansprachen  und  in 

»  Vgl.  Kauke  247  —  24». 

2  Acteiistüeke  der  Apologie  Nr.  41).  2U.  Mai  1810. 

3  28.  Mai  1810.  Acteiistüeke  der  Apologie  Nr.  87.  Am  27.  Mai  schrieb 
Bellegarde  an  Simbschen  in  Hinsicht  eines  zuwartenden  Verhaltens  su  den 
Serben.    Acten  stücke  der  Apologie  Nr.  86. 

*  Apologie. 

^  Acten  stücke  der  Apologie  Nr.  50. 

^'  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  61.  20.  Mai  1810. 


217 

Predigten  gegen  das  unselige  Vertrauen  auf  Oesterreich  zu  eifern. 
Seit  den  Zeiten  des  ,Wojewoden'  Johann  Corvin  hätten  die 
Herrscher  Ungarns  und  die  Kaiser  vom  Hause  Oesterreich  nicht 
weniger  ab  achtmal  das  Königreich  Serbien  und  die  rechtgläubige 
Nation  den  Türken  preisgegeben  und  ausgeliefert.^ 

Im  Juli  1810  tauchte  ein  zweiter  Vertrauensmann  der 
Russen^  der  Archimandrit  Stefan  Vukoti6  mit  vier  Begleitern 
aufy  reiste  ungehindert  und  unaufgehalten  durch  ganz  Croatien 
und  traf  Ende  des  genannten  Monates  mitten  im  slavonischen 
Grenzgebiete,  zu  Vinkovce,  ein.  Trotz  aller  Gegenanstalten 
Simbschen's  gelang  es  ihm  auch,  durch  Französisch-Illyrien  nach 
Bosnien  zu  gehen  und  in  der  Gegend  von  Banjaluka  einen 
Aufstand  gegen  die  Türken  unter  den  christlichen  Rajahs  zu 
veranlassen.  ^ 

•  ^^^  

Dem  Allen  zum  Trotz  hingen  die  Entschliessimgen  des 
kaiserlichen  Hofes  den  Serben  gegenüber  wie  bisher  in  dem 
Netz  der  ewigen  Bedenken  und  Rücksichten,  und  die  Winke 
von  Paris  aus  vermehrten  sie  nur.  Die  Besorgnisse  vor  Russland 
wuchsen  aber  nebenher,  das  Misstrauen  gegen  Frankreich,  das  ein 
unbequemer  Nachbar  Oesterreichs,  und  zwar  auf  dessen  Kosten, 
tief  ins  Grenzgebiet  hinein,  geworden  war,  blieb  auch  seit  der 
Heirat  Maria  Louisens  im  Kaiser  rege,  und  dennoch  gewahrten 
Fürst  Mettemich  und  Bellegarde  immer  noch  in  einer  konser- 
vativen Anstandspolitik  das  beste  Auskunftsmittel.  ^ 

,Da  die  gegenwärtigen  Conjuncturen,'  schrieb  der  Hofkriegs- 
rathspräsident  (27.  Mai  1810)  an  Simbschen,  ,keincswegs  ge- 
statten, durch  Besitznahme  der  festen  Plätze  Serbiens  neue, 
weitaussehende  Verwicklungen  herbeizuführen',  so  habe  sich  der 
Feldzeugmeister  vor  der  Hand  blos  auf  die  aufmerksame 
Beobachtung  der  Vorgänge  in  Serbien  zu  beschränken, 
Alles  zu  vermeiden,  was  mit  den  freundschaftlichen  Verhältnissen 
Oesterreichs  zur  Pforte  unvereinbarlich  wäre,  desgleichen  aber 
auch  alle  Truppenbewegungen  an  der  Grenze  zu  unterlassen 
die   den  Serben  und  Russen  auffallen  oder  zu   Missdeutungen 


1  Ranke  147. 

>  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  53.  26.  Aagust  1810.  Peterwardeiner 
PrSflidialerlasB  in  Hinsicht  des  als  russischer  Emissär  eingetroffenen  Archi- 
mandriten  Vukotiö. 

>  Beer  229  f.  Aber  die  Haltung  Napoleons  und  Oesterreichs  in  der  Serben- 
firage. 


218 

Anlass  geben  könnten. '  Simbschen's  Bericht  an  Bellegarde 
über  seine  Unterhandlungen  mit  den  Serben  (7.  Juni  1810) 
konnte  unter  solchen  Verhältnissen  keine  Wirkung  erzielen. 

Man  sass  im  Monat  August^  je  unangenehmer  die  Berichte 
über  die  Kriegserfolge  der  Russen  wurden,  hinsichtlich  der  Be- 
setzungvonBelgrad  am  grünen  Tisch  zu  Rathe.  Feldzeugmeister 
Peter  von  Duka,  ein  Vertrauensmann  des  Kaisers  in  militärischen 
Dingen,  Bellegardc  und  Fürst  Georg  Metternich  kamen 
zu  der  Ansicht,  dass  man  abwarten  und  die  Zusammenziehung 
eines  Observationscorps  von  10.000 — 12.000  Mann  vertagen  könne.' 
Dem  bezüglichen  Vortrage  an  den  Kaiser  vom  23.  August  1810 
folgte  eine  Woche  später  die  vom  Fürsten  Georg  Metternich 
an  Simbschen  erlassene  Weisung.^ 

Zunächst  bemerkt  der  Minister,  dass  bei  der  Möglichkeit 
kriegerischer  Vorgänge  an  der  Grenze  Anordnungen  ,mit  der 
nöthigen  Geheimhaltung'  zu  treffen  seien.  Deshalb  habe  der 
Kaiser  ihm  und  dem  Hofkriegsrathsprttsidenten  die  Absendung 
eines  eigenen  Officiers  mit  den  betreffenden  Instructionen  auf- 
getragen. 

Der  Cordon  solle  seinem  Endzwecke  entsprechen,  um  die 
österreichischen  Grenzbewohner  zu  schützen,  anderseits  nöthigen 
Falles  Gewalt  mit  Gewalt  zu  vertreiben. 

Da  die  Wendung  des  Krieges  an  der  unteren  Donau  zn 
Gunsten  der  Türken  ein  Vorrücken  der  Russen  zur  Besitznahme 
von  Belgrad  voraussehen  lasse,  so  habe  Simbschen  über  die  Be- 
wegungen der  streitenden  Parteien  möglichst  genaue  und  ver- 
lässliche Kundschaftsberichte  einzuziehen,  da  die  gewöhnlichen 
nur  selten  <lor  Absicht  zu  entsprechen  schienen. 

Nun  kommt  die  ministerielle  Weisung  auf  die  serbisch- 
türkische  Friedensangelegenheit  vom  Frühjahre  1810  zu 
sprechen.  Durch  <  >esterreichs  Bemühimgen  wäre  sie  so  weit 
gediehen,  dass  eine  Art  stillschweigenden  Waffenstillstandes 
z^nsclien  Türken  und  Serben  eingetreten  sei,  und  die  Pforte 
ihren  Commandanten   von  Orsowa  bereits  bevoUmächtigt  hätte, 

>  .Vctoustüi'ko  dor  AiHiIo^e  Nr.  ^7  uiul  88.  Auhaug  Nr.  XX. 

•  H«>or  236.  FeHzeugrnieister  Peter  Freiherr  von  DuXa  (geb.  1756  za  Essegg) 

war  häutig  Kntligeber  des  Kaiser»  iu  niilitärisch-politiscben  Dingen. 
'  Ao  ton  stücke  der  AjMilogie  Xr.  57.  Auhnug  Nr.  XXI.  SO.  Aogost  1810. 

W'ber  den    ministeriellen  Vortrag  «u  den  Kaiser  Tom  S3.  August  riebe 

Heer  *2:M. 


219 

die  Grundlage  einer  Annäherung  zu  vereinbaren.  Bei  der  Er- 
öfhiung  des  diesjährigen  Feldzuges  der  Küssen  sei  es  jedoch 
ihrer  Partei  unter  den  Serben  gelungen,  diese  Friedensbestre- 
bungen zu  hintertreiben  und  im  serbischen  Senate  derart  die 
Oberhand  zu  gewinnen,  dass  cHe  Unterhandlungen  abgebrochen 
wurden.  Da  die  hiedurch  herbeigeführte  Aenderung  der  Sach- 
lage das  Serbenvolk  abermals  geneigt  machte,  auf  den  Frieden 
zu  denken,  so  sei  es  die  Willensmeinung  des  Kaisers  und  sein 
Befehl,  den  gegenwärtigen  Augenblick  auszunützen.  Simbschen 
wolle  daher  ohne  Zeitverlust  mit  Czerni  Georgia  (Kara  Georg) 
oder  mit  einigen  anderen,  dem  österreichischen  Interesse  gün- 
stigen, Oberhäuptern  derselben  eine  vertrauliche  Besprechung 
veranstalten  und  dabei  mit  der  nöthigen  Umsicht  zu  erkennen 
geben,  dass  der  österreichische  Hof  wie  immer  bisher  so  auch 
jetzt  zur  Erwirkung  des  erwünschten  Friedens  mit  der  Pforte 
bereit  sei,  ja  selbst  die  Bürgschaft  solcher  Abmachungen  über- 
nehmen wolle.  Nur  müssten  die  Serben  einsehen,  dass  als  erste 
Bedingung  Einstellung  der  Feindseligkeiten  und  Trennung  ihrer 
Truppen  von  dem  russischen  Heere  unabweislich  wäre. 

Bei  diesem  Anlasse  habe  Simbschen  den  Serben  das  Täu- 
schende der  russischen  Verheissungen,  die  sich  bis  jetzt  so  wenig 
bewährt  hätten,  in  Erinnerung  zu  bringen  und  bcgreitiich  zu 
machen,  dass  ihr  wohlverstandenes  Interesse  erheische,  sich 
ausschliesslich  an  den  Schutz  des  Wiener  Hofes  zu  halten  und 
keinerlei  Einflüsterungen,  welcher  Art  immer,  Gehör  zu  geben. 

Ueber  die  Gegenäusserungen  und  Alles,  was  einiges  Licht 
auf  die  ganze  Sachlage  werfen  könne,  wolle  dann  Simbschen 
so  umständlich  und  so  schleunig  als  möglich  berichten. 

Der  Ausgleich  zwischen  Serbien  und  der  Pforte 
sei  der  angelegentlichste  Wunsch  des  Kaisers,  da  man  die  längere 
Fortdauer  eines  solchen  unruhevollen  Zustandes  der  Dinge  in 
Serbien  nicht  zugeben  könne. 

Simbschen  sei  vormals  schon  beauftragt  worden,  den  Serben 
die  Absendung  eines  österreichischen  Consuls  nach 
Belgrad  anzukündigen;  er  werde  nun  ermächtigt,  ihnen  die 
nächstbevorstehende  Ankunft  eines  solchen  Vertreters  der  Wiener 
Regierung  förmlich  bekannt  zu  geben,  da  man  nur  noch  be- 
schäftigt sei,  ihn  mit  den  nöthigen  Weisungen  zu  versehen. 
Dieser  Consul  wurde  bei  seiner  Abreise  an  Simbschen  gewiesen, 
um  von  diesem  die  nöthigen  Winke  zu  erhalten. 


220 

Diese  wichtige  ministerielle  Depesche  erhielt  Simbschen 
den  4.  September  1810  zugleich  mit  einer  Weisung  Bellegarde's 
vom  31.  August,  deren  Inhalt  ihn,  den  fleissigen  Beschaffer  aUer 
militärischen  und  politischen  Nachrichten,  die  in  seinem  Gesichts- 
kreise lagen,  kränken  musste  und  gewissermassen  die  trüben 
Tage  anmeldet,  welche  ihm  bald  beschieden  waren. ' 

Es  fand  sich  nämUch  darin  die  Stelle,  dass  seine  eigenen 
Berichte  als  auch  die  von  ihm  eingeschickten  Kundschaftsnach- 
richten den  thatsächlichen  Ereignissen  nicht  entsprächen, 
er  möge  daher  eigene  Officiere  zur  Einholung  verlässlicher  An- 
zeigen in  Semlin  und  ebenso  an  der  serbischen,  bosnischen  und 
illyrischen  Grenze  anstellen. 

Wir  wissen  mm,  wie  sehr  das  Eriegsglück  im  russisch- 
türkischen Kriege  des  Jahres  1810  wechselte.  Im  Juni  (11.,  12) 
gelang  den  Türken  der  Entsatz  von  Rustschuk,  dagegen  nöthigten 
die  Russen  unter  Langeron's  Führung  Silistria  (oder  Drstr,  Raz- 
grad)  zur  Uebergabe.  In  der  Schlacht  bei  Schumla  siegten 
23.  Juni  die  Türken,  am  24.  erfochten  die  Russen  Vortheile. 
Dass  die  Pforte  Frieden  schliessen  werde  und  müsse,  sah  Napo- 
leon voraus,  was  aus  seinem  Gespräche  mit  Mettemich  über  den 
Krieg  an  der  unteren  Donau  hervorging.*  Die  Wiener  Diplo- 
maten hofften  viel  zu  viel  auf  die  Widerstandskraft  und  die  Ei^ 
folge  der  Türkei,  deren  Truppen  sich  allerdings  tapfer  schlugen. 
Rustschuk  wurde  mit  Erfolg  vertheidigt,  aber  der  Sieg  der  Russen 
an  der  Jantra  (7.  September)  zog  dann  die  Uebergabe  nach  sich. 

Simbschen  weist  in  seiner  Apologie  den  Tadel  unzureichender 
Nachrichten  imd  unverlässlicher  Kundschafterei  zurück. 

Er  habe  sogleich  die  Meldung  von  den  Schlachten  bei 
Schumla  und  Galacz  erstattet  und  zugleich  angezeigt,  was  ihm 
zwei  Vertraute  aus  Belgrad  hinterbrachten.  Eine  auf  Veran- 
lassung der  dort  eingetroffenen  russischen  Deputation  abgehaltene 
Serbenversammlung  habe  den  Anschluss  an  Russland  begehrt 
und  den  Kara  Georg  überstimmt,  mithin  auch  zum  Anschlüsse 
genöthigt.  Er  müsse  sich  daher  anfragen,  was  es  mit  der  Unter- 
stützimg  der  Serben  weiterhin  filr  ein  Bewandtniss  haben  solle. 

J  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  89.  Die  Weisung  beeagte  übrigens  die 
Besetzung  der  Grenze  und  die  Aufrecbthaltung  des  Ck>rdon8  «ur  Ver- 
hinderung von  Gebietsverletiungen  seitons  der  kriegsführenden  Mächte. 
8.  Anhang  Nr.  XXn. 

3  Beer  232. 


diese  Berichte  vom  l(i.  und  18.  Mai  hübe  or  den  (ullerrtings 
lieh  unbeatinimten  und  zur  Passivität  mahnenden)  Bescheid 
27.  Mai  (s.  o.)  erhalten. 

Siffihachen  liabe   die   Erstürmang   von   Baszarcsik    durch 

ie   Russen,   die  Capitulatiün  von  Silistria,   das  Vorrücken  der 

len   nach    Hirsovo-Turtukai   und  Vama,   ihren   durch   zwei 

?ago   wiederholten   und    uiiBalungtnen  Angriff  auf  Rustschuk, 

spatere  und  von  den  Russen  gewonnene  Schlacht  bei  Rust- 

ihuk,   die   Elunahme   von  Rustschuk,   Sislowo  und  Giurgiewo 

wie     die    Ankunft:    des     Emissäre     Sjiiridion     PhiJip- 

oviö,    des   Nikola   Theodorovit    und   des   Kosakenobersten 

Siki^  und  anderer  russischer  Officierc '  gemeldet,  so  auch  die 

iwegungen  der  Russen  unter  den  Generalen:  Zukatow,  O'Rurk 

'^d  Sasa,  ihi'e  Vereinigung  mit  den  Serben,  die  Operationen  am 

lok,  an  der  Morawa  und  Drina,  gleichwie  die  Besetzung  von 

Octrowa,  Berza-PaEanka,   Bania,  Negotina,  Jogodina,  Kladowa, 

iowa,   Bregowa,   Deligrad,    Kruschewacz,    Alexincze,    Gov 

isovacz  und  der  Ma6wa  und  die  Vorfklle  bei  Sokol,   an  der 

mischen  Grenze  zur  Anzeige  gebracht. 

Judenfalls  hätte  Simbschen  vorth eilhafter  fiir  die  eigene 
inft  gehandelt,  wenn  er  —  mit  verschränkten  Annen  — 
;ewartet  hätte,  wie  dies  in  den  massgebenden  Kreisen  Wiens 
der  Fall  war.  Aber  gerade  die  ministeriellen  Eröflnungen  vom 
30.  August  bestimmten  ilm  -/.u  Vorkehrungen,  die  man  ihm  dann 
weder  in  Wien  noch  in  Belgrad  dankte. 

Zunächst  berichtete  er  an  die  Regierung,  dass  nicht  die 
m,  sondern  die  Türken  der  geschlagene  Theil  seien.  Trotz- 
im  sich  so  die  Sachlage  immer  ungünstiger  gestalte,  und  Russ- 
tand in  Belgrad  vorhcn-sehe,  werde  er  dennoch  den  kaiserlichen 
Anfh-Agcn  zu  entsprechen  bestrebt  sein,  Nur  müsse  er  sich  noch 
Weisung  erbitten,  wie  er  sich  zu  benehmen  habe  für  den 
Kara  Georg  oder  die  anderen  Häupter  bei   der  ver- 


'  ActeoKtUcbe  der  A(]<il(igie  Kr.  65  und  66  (10.  Sejitombt-r).  betielinngs- 
Ue rieht  dea  t^ucntiner  Cotumanilanteii  Perss  mit  Belgrnder 
Nociiiiclilen  über  die  lleitiebiiag«ii  äea  Spiridion  PhiMj>]>i>vi('  niid 
NUioln  Thnudoroviif,  Weisuugen  i^iinibBcheD's  fui  den  OberMen  Pirna 
in  Hi&Bivht  ilvr  boiduu  geiumnteii  russiBi'heii  Eiiiiiullre  und  de»  Obersten 
Niki<!  und  ^{teivliiuitige  Meldung  an  den  HuCkrie^raÜuiprliaidenten  Qrafan 
von  Bellc^Arde.  Nikoln  Theodomvit',  nin  Petarwnn leiner  QreniofBcier. 
^Im  lieh  für  eiueu  nisKischaii  UauptiuBnii  nus. 


222 

trauliclien  Besprechung  die  gleiche  Unterstützung  von  Seite 
OesterreichB  beanspruchen  würden,  die  ihnen  dermalen  von  den 
Russen  zu  Theil  geworden  sei,  oder  ob  man  die  Einstellung 
aller  Feindseligkeiten  bei  den  im  Anmärsche  befindlichen  türki- 
schen Truppen  zu  Gunsten  eines  Waffenstillstandes  zu  erwirken 
sich  geneigt  finden  lasse?* 

Ohne  einen  dicsfiüligen  Be3cheid  erhalten  zu  haben^  ging 
dennoch  Simbschen  daran,  sich  mit  Kara  Georg  in  der  ihm 
angedeuteten  Richtung  zu  verständigen;  es  geschah  dies  Mitte 
September  1810,^  wie  dies  aus  der  wichtigen  Instruction  des 
serbischen  Oberanftlhrers  flir  seinen  Geheimschreiber  Stefan 
Jefli6  (9,/ 21.  September  Varvarin)  hervorgeht.  Zunächst 6./ 18.  Sep 
tember  hatte  Kara  Georg  von  Knipowitza  aus  die  Bestellung 
eines  k.  k.  Consuls  fiir  Belgrad  abgelehnt.^  Hierauf  liess  er 
das  ausführliche  Schriftstück  zu  Varvarin  verfassen.  Noch  vor 
dessen  Eintreffen  war  ein  Bericht  Simbschen's  vom  22.  September 
an  Mettemich  und  Bellegarde  über  eine  frühere  Zuschrift  Kara 
Georgs  (6.^18.  September)  abgegangen  und  stellte  die  Vorherr- 
schaft der  Russenfreunde  unter  den  Serben  ins  volle  Licht.  ^ 

Die  Weisung  für  Jefli6  oder  ,Gevatter  Steve*  (Stephan) 
zeigt  am  besten,  wie  kühl  und  zurückhaltend  Kara  Georg  über 
das  jüngste  Entgegenkommen  des  Wiener  Hofes  dachte.'*^ 

Drei  Schreiben  habe  er  von  Simbschen  erhalten,  deren 
kehies  er  bisher  beantwortet  habe.  Das  ei'ste  betreffe  einige 
türkische  Familien  aus  Semendria,  die  man  auf  österreichischen 
Boden  herüber  lassen  solle.  Dazu  sei  jetzt  nicht  Zeit,  man 
müsse  zuvor  den  Frieden  abschliessen.  In  diesem  Sinne  habe 
er  schon  diesfalls  an  Simbschen  geschrie])en. 


^  Vgl.  Acteustücke  dor  Apologie  Nr.  58  in  dem  Berichte  vom  B.Sep- 
tember 1810  als  Antwort  auf  die  ministerielle  Weisung  vom  BO.  August 
1810. 

2  11.  September  1810.  Aktenstücke  der  Apologie  Nr.  69.  Simbschen  an 
Kara  Georg  und  den  serbischen  Senat  mit  der  Meldung,  dass  der  Kaiwr 
einen  (.-onsul  nach  Heigrad  absenden  werde,  nebst  Einladung  an  den 
Oberantilhrer  der  Serben  zu  einer  Zusammenkunft.  Doch  gedenkt  die  Var- 
variner  Volhnacbt  ilir  Jeftid  (siehe  weiter  unten  Anmerkung  5)  dreier 
Zuschriften  Sinibschen's,  die  beiden  anderen  folgten  also  einander  unmittel- 
bar.   Das  oben  citirte  Schriftstück  vom  11.  September  war  das  sweite. 

3  Actenstücke  der  Apologie  Nr.  60. 
<  Ebenda  Nr.  61,  62. 

'■*  Ebenda  Nr.  66.  Anliang  Nr.  XXIII.  Beer  238—289,  in  konem  Ausscug. 


223 

Dessen  zweiter  Brief  an  ihn  und  den  Senat  der  serbischen 
Kation  betreflfe  die  Ankunft  eines  österreichischen  Consuls  in 
Belgrad;  das  könnte,  wenn  es  die  Russen  erführen,  den  Serben 
das  grösste  Unglück  zuziehen. 

Im  dritten  Schreiben  lade  ihn  Simbschen  zu  einer  ge- 
heimen Unterredung  in  Semlin  ein;  dazu  habe  er  jetzt, 
wo  aller  Augen  auf  ihn  und  seine  KriegsfUhrung  gerichtet  seien, 
keine  Zeit,  könne  sich  auch  nicht  vorstellen,  was  er  ihm  nur 
mündlich  mittheilon  dürfe;  er  selbst  habe  keine  Geheimnisse 
vor  seinen  Secretären.  Könne  Kara  Georg  nicht  selbst  erscheinen, 
erkläre  Simbschen,  so  woUe  der  Oberanfuhrer  der  Serben  ein 
paar  Vertrauensmänner  absenden.  Da  Kara  Qeorg  in  dieser 
Beziehung  keinen  Andern  als  seinen  Gevatter  Steve  (Stephan 
Jefti6)  zur  Verfügung  habe,  so  möge  dieser  nach  Semlim  ab- 
gehen und  dem  Commandirenden  Nachstehendes  eröffnen: 

I.  Die  Absendung  eines  österreichischen  Consids  nach 
Belgrad  helfe  in  einer  so  verwirrten  und  kritischen  Zeit  nichts; 
nur  ein  gegen  den  Feind  gestelltes  Heer  sei  die  wahre  Hilfe. 
Die  Bestellung  eines  österreichischen  Consuls  in  Belgrad  wäre 
den  Franzosen  und  Russen  zuwider,  oder  es  müssten  die  Con- 
suln  aller  drei  Kaiser:  Russlands,  Frankreichs  und  Oester- 
reichs,  dort  ihren  Sitz  nehmen. 

n.  Das  Beste  wäre  es,  wenn  sich  die  drei  Höfe  verständigten, 
was  sie  bezwecken  oder  fUr  Recht  erkennen;  dazu  wären  dann 
auch  die  Serben  bereit.  Sie  wünschten  ihre  Gesetze  und  Pri- 
vilegien zu  erhalten  und  werden  ihrem  Beschützer  dankbar  sein. 
Die  übrige  europäische  Türkei  sollen  die  drei  Kaiser 
unter  einander  so  theilen,  wie  sie  es  als  das  Beste  er- 
kennen. 

m.  Jefti6  soUe  den  Commandirenden  zu  Peterwardein  be- 
fragen, ob  Oesterreieh  den  Serben  helfen  wolle,  damit  diese  es  bei 
Zeiten  erführen.  Für  diesen  Fall  werde  man  dankbar  und  erkennt- 
lich sein.  Doch  müsse  man  über  die  Art  und  Weise  einer  solchen 
Hilfe  ins  Klare  kommen.  Vermöge  es  Oesterreieh,  die  Türkei  inner- 
halb acht  oder  ssehn  Tagen  von  allen  Grenzen  Serbiens  zurück- 
zuwerfen, so  soU  dies  bald  geschehen,  damit  die  Serben  diesen 
Verheissungen  trauen  und  flir  die  Zukunft  das  Ihrige  weiter 
thun  könnten. 

rV.  Zweckdienlicher  und  ungefährlicher  mit  Rücksicht 
auf  Buafiland  wäre  ein  Angriff  Oesterreichs  auf  Bosnien,  den 


224 

die  Serben  nnterstützen  würden,  und  den  auch  Frankreich  nicht 
hindern  \\ürdc.  Es  könnte  dies  auch  unter  dem  naheliegenden 
Vonvande  stattfinden,  dass  mit  dem  gleichen  Rechte  wie  die 
Russen  in  Bulgarien  ,die  Oesterreicher  in  Bosnien  vorgehen  dürften. 
Auch  sei  hei  der  gegenwärtigen  Entblössung  der  Festungen 
Bosniens  dessen  Eroberung  nicht  schwer  und  hiemit  den  Serben 
Hilfe,  Oesterreich  hinwieder  ein  grosser  Nutzen  beschieden. 

V.  Eine  Besetzung  Serbiens,  dieses  mit  so  viel  Blut 
rückeroberten  Landes,  wäre  keinem  der  betheiligten  Höfe  lieb, 
zumal  es  in  der  europäischen  Türkei  Länder  genug  gebe,  welche 
sich  die  drei  Kaiserniächte  leicht  unterwerfen  könnten.  Dennoch 
wolle  sich  Serbien  von  seinem  ,ersten  Freunde  und  nächsten 
Nachbar^  nicht  abwenden,  womit  genug  gesagt  sei. 

VI.  Kussland  lasse  die  Serben  scharf  beobachten  und 
behalte  auch  Oesten*eich  im  Auge,  damit  letzteres  nicht  zum 
Herrn  Serbiens  angenommen  werde,  oder  etwa  eine  andere 
Macht.  Es  wünsche  nichts  Anderes,  als  dass  die  Serben  türkische 
Unterthanen  bleiben,  aber  für  sich  allein  bestehen  imd  dem  Sultan 
einen  Pauschaltribut  entrichten,  wie  dies  bei  der  Moldau  und 
Wallachei  schon  früher  der  Fall  war.  Wer  jedoch  den  Serben 
zuerst  den  Frieden  erwirke,  solle  auch  ihr  Scbutzherr  werden. 
Russland  kenne  den  Wunsch  Serbiens,  selbstständig  zu  sein, 
aber  auch  die  Gesinnung  des  Volkes  zu  Gunsten  Oesterreichs, 
deshalb  sei  es  besorgt  und  zurückhaltend.  Kara  Georg 
und  die  Seinen  müssten  daher  im  Geheimen  und  Verborgenen 
handeln. 

VII.  Simbschen  möge  ihm  nur  die  echte  Wahrheit  auf- 
richtig als  Antwort  sagen  lassen,  Kara  Georg  werde  ihm  dann 
seinen  endgiltigen  Beschluss  bekannt  geben.  In  der  langen 
Zeit  von  sieben  Jahren  habe  Russland  den  Serben  in  keiner 
Hinsicht  irgend  eine  Hilfe  geleistet,  ausser,  so  weit  es  sein  eigenes 
Interesse  betraf,  während  Oesterreich  Hilfe  bot  und  die  Serben 
selbst  die  Herrschaft  dieses  Staates  angesucht  hätten.  Die  Ver- 
hältnisse Oesterreichs  und  dessen  Staatsinteresse  liessen  dies 
aber  nicht  zu,  und  so  wären  denn  auch  die  Serben  damit  von 
einem  Tage  zum  andern  hingehalten  worden. 

Mit  einem  Hinweise  auf  die  Sachlage,  die  es  verbiete, 
,von  einem  armen  bedi'ängten  Volke,  das  sich  mit  seinen  Thränen 
und  seinem  Blute  selbst  befreit  hat,  zur  Unzeit  und  ohne  alle 
Mühe  Nutzen  zu  ziehen^  und  der  Gerechtigkeit  Gottes  zuwider- 


225 

zuhandeln^  und  auf  die  berechtigten  Erwartungen  und  Forde- 
rungen der  Serben  schliesst  das  ausführliche  Actenstück. 

Wir  begreifen,  dass  unter  solchen,  von  der  Politik  des 
Wiener  Cabinets  himmelweit  verschiedenen  Voraussetzungen 
die  Besprechung  Simbschen's  mit  Jefti6  kein  gedeihliches 
Ergebniss  haben  konnte,  und  dass,  als  der  Commandirende  von 
Peterwardein  darüber  seinen  Bericht  am  4.  October  1810  nach 
Wien,'  und  zwar  an  den  Auftraggeber  Fürsten  Metternich,  in 
Begleitung  der  Instruction  Kara  Georgs  für  seinen  Vertrauens- 
mann, gelangen  liess,  im  Schoosse  des  Wiener  Ministeriums 
der  Aerger  über  das  Ansinnen  Kara  Georgs  und  die  nur  zu 
deutliche  Stimmung  der  Serben  sich  nun  gegen  Simbschen's 
,Eigenmächtigkeiten'  kehrte.  ^ 

Wissen  wir  doch,  dass  im  August  1810,  als  der  noch  in 
Frankreich  weilende  Minister  der  auswärtigen  Angelegenheiten, 
Graf  Metternich,  im  Gespräche  mit  Napoleon  den  Eindruck 
gewann,  der  Imperator  würde  eine  Besetzung  Belgrads  und 
die  Uebemahme  der  Schutzherrschaft  Serbiens  durch  Oester- 
reieh  ruhig  geschehen  lassen,  dagegen  aber  nicht  einen  einzigen 
festen  Platz  am  südlicheif  Donauufer  den  Russen  gönnen, 
und  nach  Wien  in  diesem  Sinne  schrieb,  man  solle  Belgrad 
ins  ,Dep6t'  nehmen  und  Serbien  als  künftigen  Besitz  Oester- 
reichs  betrachten,  der  eigene  Vater,  Fürst  Georg  Metter- 
nich, dieser  politischen  Anschauung  auf  das  Entschiedenste  ent- 
gegentrat und  die  Vermeidung  jeder  ,Complication^  mit  Kussland 
und  der  Pforte  predigte,  allerdings  mit  dem  Sclüusssatze,  be- 
züglich Belgrads  müsse  man  gegebenen  Falles  den  Russen 
zuvorkommen.  Und  als  Russland,  seit  dem  Frühjahre  1810 
bestrebt,  sich  durch  die  Mission  Schuwalow's  mit  Oesterreich 
über  dieses  Capitel  zu  einigen,  am  10.  October  den  Courier 
des  Czaren  in  Wien  eintreffen  liess,  welcher  die  Geneigtheit 
des  Kaisers  Alexander  I.  überbrachte,  ,Alles  zu  bewilligen,  was 
man  nur  vernünftiger  Weise  verlangen  könnte',  um  Oesterreich 
von  Napoleon  I.  abzuziehen,  sprach  sich  in  seinem  Vortrage 
vom  17.  October  1810  Fürst  Georg  Metternich  fiir  eine  Ver- 
ständigung mit  Russland  aus. -^ 


1  Actenstück  e  der  A|>ologie  Nr.  63. 

>  Beer  259  f. 

>  Beer  i40  f. 

AreUT.   Bd.  LXXYI.  I.  H&lfte.  15 


22(5 

Kaiser  Franz  verschob  Alles  bis  zur  Heimkunft  seines 
Ministers  aus  Paris^  und  dieser  kehrte  mit  der  Oewissheit  des 
Krieges  Napoleons  gegen  das  Czarenreich  zurück,  den  der 
französische  Imperator  nicht  suche,  der  aber  ausbrechen  müsse, 
weil  Kaiser  Alexander  I.  ,einer  kriegerischen  Partei  überliefert 
wäre^  Bald  wurde  ihm  allerdings  klar,  wer  durchaus  den  Kri^ 
wolle,  und  dass  Oesterreich  in  diesem  neuen  Weltconflictc 
Stellung  nehmen  müsse. 

In  der  serbischen  Frage  blieb  das  ,Temporisiren^  die 
Losung  des  Wiener  Cabinets;  auch  der  Leiter  der  auswärtigen 
Angelegenheiten  ( )csterreichs  wurde  zum  Anwalt  des  Zuwartens 
und  Beobachtens,  und  dies  um  so  mehr,  als  er  die  Interessen- 
politik der  Serben  wandelbar  fand  und  Russlands  Thatkraft  und 
Bestrebungen  Serbien  gegenüber  unterschätzte. 

Simbschen's  Stellung  war  erschüttert;  der  Prozess  Simb- 
schen's  wirft  manches  Streiflicht  darauf.  Kurze  Zeit  nach  der 
Rückkunft  Mettemich's  aus  Paris  vollzog  sich  sein  Verhängniss. 
Er  hatte  dazumal  durch  eine  Estafette  des  Banus  die  Nachricht 
erhalten,  der  Kaiser  wolle  die  Grenzen  bereisen,  und  bereitete 
Alles  zum  Empfange  des  MonarcTiien  vor;  bald  aber  traf  die 
Nachricht  ein,  der  Kaiser  werde  von  Croatien  nach  Ghraz  reisen, 
der  Besuch  der  Confinien  unterbleiben.^ 

Ein  aus  der  Hauptstadt  der  Steiermark  vom  24.  October 
1810  datirtes  Handschreiben  des  Kaisers  verständigte  Simbschen, 
der  Monarch  finde  es  den  Umständen  und  seinen  Diensten  an- 
gemessen, das  Peterwardeiner  Generalcommando  dem 
Feldzeugmeister  Hiller  zu  übertragen.*  Simbschen  habe 
seinem  Nachfolger  nicht  nur  alle  Geschäfte  seiner  bisherigen 
Amtsthiltigkeit,  sondern  auch  alle  in  Hinsicht  der  serbischen 
und  türkischen  Angelegenheiten  erhaltenen  Instructionen  und 
Weisungen  zu  übergeben,  ihn  von  Allem  genau  in  Kenntniss 
zu  setzen  und  sich  für  seine  Person  nach  Wien  zu  verftlgen, 
wo  ihm  der  Kaiser  seine  weitere  Willensmeinung  bekannt  geben 
werde. 


^  Apologie. 

2  Actonstücke  der  Apologie.  Anhang  Nr.  XXIV.  Erzherzog  Johann 
verzeichnet  in  sein  Tagebuch  vom  25.  October  1810  die  Notiz:  ^infiion 
des  H  illor  Htatt  Sinib8chen*R,  um  die  Türkei  za  beobachten 
und  die  Gelegenheit  zu  benutzen:  Belgrad^  Servien.* 


227 

Diese  Weisung  empfing  Simbschen  den  30.  Oetober  als 
Vorboten  schlimmerer  Erlebnisse,  die  er  allerdings  nicht  ahnen 
mochte.  Mitte  November  1810  traf  Feldzeugmeister  Freiherr 
von  Hill  er  ein. '  Simbschen  übergab  ihm,^  im  Beisein  seines 
Adlatus  Feldmarschalllieutenant  von  Wetzel,  des  Festungscom- 
mandanten Feldmarschalllieutenant  von  Fi ncke,  des  Brigadiers 
Oeneralfeldwachtmeisters  von  Weiss,  des  Genie-  imd  Forti- 
ficationsdirectors  Generalmajor  von  Danus,  des  Artillerie- 
districtsdirectors  Oberstlieutenant  von  Kaisergruber,  der  sieben 
als  Appellationsrichter  angestellten  Generalauditoriatslieutenants 
und  des  Stabsauditors,  alle  die  Peterwardeiner  Verwaltung  des 
slovenischen  Grenzdistricts  betrefi'enden  Acten  der  ökonomischen 
Geschäftsgebahrung,  des  Sanitätscordons,  des  Wald-  und  Forst- 
schulwesens, der  Grenzbauflihrung,  der  Gefklle  u.  s.  w.,  ander- 
seits der  Präsidialverhandlungen  des  allgemeinen  MiUtärappel- 
lationsgerichtes,  des  ,Judicium  militare',  die  Conduitenlisten  aller 
angestellten  Militär-  und  Civilbeamten  und  die  Rückstände. 

Sodann  erklärte  Simbschen  im  Beisein  WetzeFs  und  Fincke's 
ab  ausschliesslich  damit  Vertrauten,  in  Hinsicht  der  serbi- 
schen Unterhandlungen,  dass  er  alle  dai*auf  bezügUchen 
geordneten  imd  rotulirten  Acten  stückweise  verlesen  wolle. 
Hiller  erwiderte  darauf,  der  Kaiser  habe  ihn  mit  allerhand  ge- 
heimen und  dringhchen  Aufträgen  zu  betrauen  geruht,  die  ihn 
nach  S emiin  abzugehen  nöthigten.  Er  wolle  auch  Simbschen 
mit  einer  Verlesung  der  umfangreichen  Actenstücke  nicht  plagen, 
da  er  von  dem  Wesentlichen  in  Wien  bereits  verständigt  worden 
sei.  Hofsecretär  Kissics  solle  ihn  Abends  besuchen,  ihm  die 
wichtigsten  Acten  vorlesen  und  diese  selbst  so  lange  in  Ver- 
wahrung behalten,  bisHiller's  Adjutant  mit  seiner  Bagage  einträfe. 

Hiller  ging  dann  auch  nach  Semlin  ab,  um  mit  dem  Ober- 
anführer  der  serbischen  Nation  zu  unterhandeln.  Bis  zu  seiner 
Rückkunft  soUte  auf  Hiller's  Ansuchen  Simbschen  noch  in  Peter- 
wardein  bleiben. 

Als  18.  November  1810  der  neue  Commandirende  der 
slavonischen  Grenze  von  Semlin  wieder  eintraf,  kam  er  mit  leeren 


'  Hiller,  Franz  Freiherr  von,  1801  Commandirüiidor  in  Tirol,  1806  im  Kriege 
um  Tirol  und  Vorarlberg  als  Befehlshaber  daselbst;  1806  Commandirender 
Obertteterreichs;  1809,  bis  zur  Schlacht  bei  Aspem,  Corpscommandant. 

'  Für  dies  und  das  Weitere  die  Apologie. 

15* 


228 

Händen.  Kara  Georg,  auf  den  Hiller  drei  Tage  wartete,  war 
nicht  gekommen,  sondern  liess  sich  entschuldigen,  dass  ihn  ein 
Ausschlag  am  Körper  verhindere,  Topolia  zu  verlassen.  Aber 
selbst  im  Falle  seiner  Gesundheit  würde  er  sich  zu  Semlin  in 
keine  weiteren  Unterhandlungen  einlassen  können,  weil  sich 
die  serbische  Nation  bereits  in  den  Schutz  Rasslands 
begeben  habe.* 

In  dieser  Eröffnung  und  in  der  Besetzung  Belgrads 
durch  die  Russen  (Februar  1811)2  lag  der  beste  Beweis, 
dass  die  Zuwartungspolitik  Oesterreichs  nicht  im  Rechte  war, 
jedenfalls  weniger  als  der  gute  Wille  Simbschen's,  seinem  Staate 
den  Weg  nach  Serbien  offen  zu  halten. 


1  Apologie.  —  Hiller  war  ISOl,  für  kurze  Zeit,  in  Agram  stationirt,  1807 
Commandirender  in  der  Karlstadt- Warasdiner  Militärgrenze,  somit  kein 
Neuling  in  den  dortigen  Verhältnissen,  überdies  äusserst  ehrgeizig. 

3  Auch  Schabacz  und  Semendria  (Smederowo)  erhielten  russische  Besatzung. 
Erzherzog  Johann  schreibt  in  sein  Tagebuch  zum  16.  Februar 
1811:  yBesetzung  Belgrads  durch  die  Russen,  wir  haben  es 
rersSumt!* 


ANHANG. 

Belege  aus  dem  Nachlasse  Simbschen^s. 


I. 

1806,  11.  April  1860.  ^  FML.  Graf  Grüxme  an  FML.  Freiherm 

V.  Simbsohen  in  Marburg. 

Hochwohlgeborner  Freiherr, 
Hochgebietender  Herr  Feldmarschalllieutenant! 

Euer  Hochwohlgeboren  sind  zu  gerecht  gegen  sich  selbst,  um  die 
Terschiedenen  zum  Theil  unangenehmen  Auftrage,  die  Sie  erhalten,  einer 
andern  Ursache  als  dem  öffentlichen  Zutrauen  in  Ihie  Kenntnisse,  in 
Ihren  Eifer  *und  in  Ihre  Thätigkeit  zuzuschreiben.  Freilich  können  andere 
Divisionscommandanten  ruhig  ihr  vidi  schreiben,  aber  Männer  von  Ihrem 
Gehalt  sind  von  rechtswegen  von  dieser  nihigen  Unthätigkeit  ausge- 
schlossen und  müssen  der  gemeinen  Sache  und  Ihrer  Reputation  dies  Opfer 
bringen. 

Von  dieser  Seite  kann  ich  also  Euer  Hochwohlgebohren  mit  allem 
gewiss  ungeheuchelten  Antheil,  den  ich  an  Ihrer  Zufriedenheit  nehme, 
unmöglich  bedauern,  sondern  wünschte  vielmehr  von  mehreren  Seiten 
ähnliche  Klagen  zu  hören.  Von  dem  Wunsch  des  FML.  Elsnitz,  einen 
Tausch  zu  finden,  ist  mir  gai*  nichts  bekannt ;  indessen  hab  ich  doch  Sr. 
königlichen  Hoheit  gelegentlich  davon  gesprochen;  seine  Antwort  war: 
»Kroatien  ist  jetzt  für  uns  eine  der  wichtigsten  Gränzprovinzen,  und  ich 
kenne  Niemand,  der  sich  bestens  dahin  schickt  als  FML.  Simbschen.' 
Diese  Anekdote  gehöi*t  zu  dem  ersten  Theil  von  den  unangenehmen  Kom- 
missionen, und  doch  müssen  Euer  Hochwohlgeboren  gestehen,  dass  der 
Herr  nicht  Unrecht  hat.  Verzeihen  Sie  meine  Fi-eymüthigkeit;  ich  sündige 


^  Alle  ActenstQcke,  welche  A.  Beer  in  seinem  Werke,  Analekten  Nr.  VII 
bis  XIV,  8.  790—818  mittheilt,  sind  hier  Helbstverständlich  weggelassen. 


230 

auf  Ihre  Geduld,  aber  ich  schmeichle  mir,  dass  Euer  Hochwohlgeboren 
vuu  meiner  aufrichtigen  Verehrung  überzeugt  seyn  werden.  Wenn  die 
Geschäfte  so  fort  gehen  wie  bis  jetzt,  so  werde  ich  blind  und  kontrakt; 
wir  haben  ein  solches  Chaos  gefunden,  dass  man  sich  zu  Tod  arbeiten 
kann;  ich  komme  keine  Nacht  vor  halb  zwölf  Uhr  aus  meiner  Kanzlei 
und  bin  oft  stumpf  vor  Arbeit.  FML.  Gyulay  ist  Banus  geworden;  er  ge- 
hört nicht  zu  der  Zahl  der  Unglficklichen.  Erhalten  Sie  mir  Ihre  fernere 
Gewogenheit;  ich  verharre  mit  der  ausgezeichnetsten  Hochachtung 

Euer  Hochwohlgeboren  gehorsamster  Diener 
Wien,  den  11.  April  1806.  Gr.  Grünne,  GFML. 

(Original.) 

n. 

1808,  24.  Man.  —  Kaiser  Frans  an  FML.  Freiherm  ▼.  Simbaolien. 

Lieber  FML.  Baron  von  Simbschen! 

Das  Vertrauen,  welches  ich  in  Ihre  Person  setze,  bewegt  Mich, 
Ihnen  den  eben  so  wichtigen  als  geheimen  Auftrag  zu  machen,  mir  un- 
mittelbare freimüthige  Bericlite  über  die  Volksstimmnng,  über  Klagen 
gegen  die  Begiei-ung,  über  dienstschiUiliche  oder  unerlaubte  Vorgänge  von 
Beamten,  Offiziers  oder  sonst  angestellte  und  Oberhaupt  über  Alles,  so 
Sie  für  den  Staat  nachtheiliges  fanden  und  erfahi*en,  so  wie  über  alles 
Wichtige  und  Merkwürdige,  so  zu  Ihrer  Kenntniss  gelangen  sollte,  oder 
Sie  zu  erheben  nothwendig  erachten,  zu  erstatten.  Meine  Gesinnung  ist 
hiei-über  eine  förmliche  Korrespondenz  mit  Ihnen  unmittelbar  zu  unter- 
halten, und  erwarte  ich  ehestens  Ihre  offenherzige  Aeusserung,  wie  Sie 
diese  Berichterstattungen  ohne  Aufsehen  zu  eiTegen,  einzuleiten  gedenken; 
da  ich  Ihnen  nicht  unbemerkt  lassen  kann,  dass  Ihre  letzthin  an  Mich 
eingeschickte  Vorstellung  in  fremde  Hände  gelangt  und  Mir-  erst  von 
diesen  zukam. 

Wien,  den  24.  März  1808.  Franz  m.  p. 

(Abschrift.) 

m. 

1808,  10.  Mai,  Wien.  —  Kaiser  Franz  an  FML.  v.  Simbaohen. 

.  Lieber  FML.  Baron  Simbschen! 

Zur  Beantwortung  Ihres  Berichtschreibens  vom  10.  des  verflosse- 
nen Monates  April,  dessen  Inhalt  ich  einstweilen  zur  Nachricht  nehme, 


231 

erhalten  Sie  die  Weisung,  alle  jene  Anzeigen  u.  Berichte,  welche  Ihnen 
unmittelbar  ?on  mir  abgefordert  oder  welche  Sie  selbst  wegen  besonders 
wichtigen  Ursachen  in  einzelnen  Fällen  Mii*  zu  erstatten  finden  werden, 
unter  der  hier  beiliegenden  Adresse*  einzuschicken. 

Wien,  am  10.  Mai  1808.  Franz  m.  p. 


*  An  des  k.  k.  ^h.  Kabinetsdirektor  Uorrn  Atitou  Neuborg  Wohlgebureu 
zu  Wien. 

(Abschrift.) 


IV. 

1809,  2./14.  April,  Belgrad.  —  Kara  G.  Petrovioh  an  Simbsohen. 

Ich  habe  die  Ehre  Euer  E.  gehorsamst  zu  berichten,  dass  wir  neuer- 
dings mit  den  Türken  Krieg  haben  und  in  Gottes  Namen  mit  unserer 
Armee  auf  allen  Seiten  gegen  den  Feind  abnicken.  Wir  halten  es  dem- 
nach für  unsere  Pflicht,  Ihnen  als  unserem  ersten  Freunde  davon  die 
gehorsamste  Meldung  zu  erstatten  und  uns  Ihrem  Wohlwollen  ao  wie  bis- 
her geschehen  auch  für  die  Zukunft  zu  empfehlen.  Denn  wer  war  unser 
grösster  Freund,  der  uns  in  unserer  Noth  so  gnädig  unterstützte  und 
seine  väterliche  Liebe  uns  bezeugte,  als  der  durchlauchtigste  österreichische 
Kaiserhof,  welches  nicht  nur  mir,  sondern  unserer  ganzen  Nation  wohl 
bekannt  ist  und  ewig  unvergesslich  bleiben,  so  wie  sich  unsere  Dankbar- 
keit für  die  uns  väterlich  erwiesenen  vielen  Wohlthaten  von  einem  Ge- 
schlechte zum  andern  bis  in  Ewigkeit  fortpflanzen  wii'd.  Ich  habe  woiters 
vernommen,  dass  Ihre  Leute  einigemal  eine  Revolte  (wiewohl  diese  sie 
selbst  in  das  grösste  Unglück  stürzen  müsste)  angezettelt  und  sich  ge- 
äusseil;  haben,  dass  ich  mit  ihnen  diesfalls  einverstanden  sei.  Das  behüte 
Gott!  Ich  habe  nie  solch  einen  Gedanken  gehabt,  und  so  wie  ich  denke,  so 
denken  auch  alle  Vorsteher,  denn  unser  Herrgott  selbst  müsste  uns  strafen, 
wenn  wir  nur  den  mindesten  Gedanken  haben  konnten,  Ihrem  Hofe,  einem 
solchen  Freunde,  der  uns  in  unserer  Noth  so  grossmüthig  unterstützte, 
auch  das  geringste  Uebel  zufügen  wi  wollen.  So  viele  Wohlthaten  können 
nicht  leicht  vergessen  werden,  und  es  wird  noch  eine  Zeit  kommen,  wo 
man  es  in  Werken  bezeugen  wird,  welche  Wohlthaten  uns  der  öster- 
reichische Hof  erwiesen  hat.  Ferner  haben  wir  E.  E.  zu  melden,  dass  von 
den  nämlichen  Leuten,  die  auf  Ihrer  Seite  Unruhen  erregen  und  uns  mit 
den  Ihrigen  zu  entzweien  gesucht  haben,  welches  aber  der  Allmächtige 
nicht  zugelassen  hat,  drei  derselben  sicli  auf  unsere  Seite  geflüchtet,  auch 
hier  Unruhen  zu  erregen  getrachtet  haben,  auf  meinen  Befehl  von  meinen 


232 

an  der  Grenze  befindlichen  Vorstehern  gefangen  und  an  der  nämlichen 
Stelle  ihrer  Gefangennehmung  aufgehängt  worden  sind.  Auf  gleiche  Art 
vernehme  ich,  dass  es  noch  einige  solcher  Bösewichter  gebe,  aber  ich  hoffe, 
dass  ich  sie  auch  zu  Händen  bekommen  und  schon  wissen  werde,  was 
mit  ihnen  zu  machen  sei.  Sollten  sie  von  Euerer  Seite  sein,  so  werde  ich 
sie  Ihnen  übei*geben;  sollten  sich  aber  einige  der  Unsrigen  finden,  welche 
sich  an  solche  B^sewichter  schliessen,  werde  ich  solche  an  das  Ufer  der 
Save  bringen  und  selbe  dortselbst  im  Angesichte  der  Eurigen  und  Uns- 
rigen zum  abschreckenden  Beispiele  aufhängen  lassen.  Wir  bitten  E.  E. 
auch,  wenn  allenfalla  einige  unserer  schlechten  Leute  sich  zu  den  Eurigen 
gesellen  und  hinüber  kommen,  selbe  aufzufangen  und  in  unsere  Hände 
zu  liefern,  wir  werden  sie  sodann  vor  den  Augen  der  Eurigen  mit  dem 
Tode  bestrafen,  was  hingegen  von  Euern  derlei  Leuten  auf  unserer  Seite 
angetroffen  wird,  wie  schon  mehrere  hier  bemerkt  worden  sind,  werden 
wir  sie  aufzufangen  trachten  und  sie  Euch  übei*geben;  sollten  wir  selbe 
aber  nicht  lebendig  fangen  können,  so  werden  sie  getödtet  und  Ihnen  die 
Anzeige  hievon  erstattet  werden.  Auf  diese  Weise  kann  Buhe  und  Ord- 
nung auf  der  Grenze  erhalten  werden.  Endlich  haben  wir  vernommen, 
dass  auch  Ihr  den  Krieg  mit  Frankreich  erneuem  werdet,  daher  wir  Omen, 
hiemit  die  Versicherung  unserer  freundnachbarlichen  G^innungen  geben, 
damit  Bir  nicht  die  geringsten  Zweifel  uns  beti-effend  haben  möget  und 
ziehen  könnt,  gegen  wen  Ihr  nur  wollt;  sollte  Euere  Grenze  auch  ganx 
leer  bleiben,  so  wird  selbe  von  uns  aus  eben  so  sicher  sein  als  wenn  wir 
beide  unter  Einem  Sccpter  stünden.  Ich  bitte  demnach  E.  £.  auch  den 
H.  Obersten  in  Semlin  von  diesen  unseren  Gesinnungen  unterrichten  la 
wollen,  wie  wir  uns  hier  mit  ihnen  in  Allem  einzuvernehmen  haben. 

Ich  bitte  um  eine  gnädige  Antwort  auf  diese  meine  Zuschrift  und 
empfehle  mich  zu  E.  E.  fernerem  Wohlwollen 

untei*thänigst43r  Diener 

Kara  Georgia  Petrovics, 
Oberster  8orv.  AnfttHrer. 

Belgrad,  am  2./14.  April  1809.. 

Der  Milosch  Urossevich  hat  mich  mit  einem  sehr  guten  Zelte  beehrt 
und  mir  gesagt,  dass  er  es  von  E.  E.  erhalten  habe,  wofür  ich  E.  E.  ver- 
bindlichst danke;  ich  bitte  nur  noch  um  die  Gnade,  wenn  allenfalls  noch 
einige  derlei  Zelte  vorhanden  sein  sollten,  mir  noch  6  etwas  kleinere  durch 
den  Milosch  zukommen  zu  maclien ;  ich  werde  selbe  gern  mit  Bank  be- 
zahlen. 

(Abschrift.) 


233 

V. 
1809, 29.  Juli,  Fest. — GFM.  Graf  Wenzel  Ck>Uoredo  an  Simbschen. 

So  oft  die  Servier  und  ihr  Anführer  Kara  Georgia  sich  bisher  auf 
irgend  eine  Art  in  Gedi'äng  und  Verlegenheit  befanden,  war  es  ihre  ge- 
wöhnliche Taktik,  sich  mit  Vermittlungs-  oder  Unterwerfungs-Anti'ägen 
an  den  hiesigen  Hof  zu  wenden,  die  aber  nicht  nur  keine  Folgen  hatten, 
sondern  noch  überdies  missbraucht  wurden,  um  einmal  die  Auf  sichtigkeit 
des  russisch  kaiserlichen  Hofes,  ein  andermal  jene  der  Pforte  zu  erregen, 
und  so  die  diesseitigen  Verhältnisse  mit  beiden  zu  trüben.  Der  Herr  FML. 
(S.)  haben. daher,  wie  es  die  Beilage  Ihres  Berichtes  vom  12.  d.  zu  er- 
kennen geben,  den  neuerlichen  Antrag  des  Petrövich  (Kai*a  G.)  ganz 
richtig  gewürdigt,  indem  sie  demselben  bedeuten  Hessen,  dass  Sie  daiauf 
keine  Bücksicht  nehmen  könnten,  bis  jener  sich  mündlich  näher  darüber 
geänsseiii  haben  würde. 

Vor  Allem  ist  nun  der  Erfolg  dieser  Gesinnungen  abzuwarten  und 
seiner  Zeit  hieher  anzuzeigen,  ehe  der  Hen-  FML.  sich  in  irgend  etwas 
näher  einlassen. 

Zu  Berichtigung  Ihrer  politischen  Ansicht  kann  ich  jedoch  für  künf- 
tige Fälle  nicht  unerinnert  lassen,  dass  es  dem  Hause  Oesterreieh  keines- 
wegs gleichgiltig  seye,  ob  Servien  unter  ottomanischer  oder  russischer 
Oberherrschaft  stehe,  und  dass  die  Ausdehnung  dieser  letzteren  Macht 
längs  unserer  Grenze  und  die  Vervielföltigung  der  Berührungspunkte  als 
ein  in  jeder  Hinsicht  für  das  diesseitige  Staatsinteresse  höchst  nachthei- 
liges Ereignis  angesehen  werden  müssto. 

Der  Herr  FML.  werden  demnach  wohl  thun,  einer  Annähemng  mit 
Kara  Georg  nicht  auszuweichen,  sie  aber  auch  nicht  zu  suchen  und,  so 
oft  von  bestimmten  Anträgen  die  Rede  ist,  unter  der  vollkommen  gegrün- 
deten Vorstellung,  dass  sonst  von  dem  allerhöchsten  Hofe  keine  Rücksicht 
darauf  genommen  werden  könnte,  auf  irgend  einer  Foimalität  zu  bestehen, 
wodurch  gedachter  Anführer  in  die  Unmöglichkeit  versetzet  werde,  den 
gethanen  Schritt  in  der  Folge  wieder  abzuläugnen,  oder  auf  eine  uns  nach- 
theilige Art  zu  entstellen. 

Uebrigens  sind  seit  dem  wirklich  erfolgten  Einrücken  der  russisch 
k.  Truppen  in  Galizien  die  Verhältnisse  zwischen  beiden  Höfen  von  der 
Art,  dass  zwar  alles  vermieden  werden  muss,  was  die  Vennuthnng  be- 
gründen könnte,  als  ob  unsere  Absicht  dahin  ginge,  das  Petersburger 
Cabinet  zu  reitzen,  dass  aber  dasjenige  danim  keineswegs  ausser  Acht 
gelassen  werden  darf,  was  der  Vortheil  und  Nutzen  das  Staates  erheischt. 


Endlich  bemerke  ich  ii>icli  in  Bezug  auf  Uie  frühere  Anfraß  d 
H.  FML.  TOm  lö.  April  d.  J.,  dniSs  die  bislior  ctinaiTCndo  zugvIa« 
Ausfuhr  von  Mehl,  Salz  und  BrodfrOchteu  nooh  Sei-vien  vor  der  Haud  auj 
fernei-bin  jeiloch  nur  iusoweit  zu  gestatten  seye,  als  sie  mit  der  fiodecVui 
des  ei^neo  Bedaifs  voreiobar  ist,  die  Staats verwaltang  dabej  anf  kei^ 
Weise  comprumittirt  orsoheint,  uikd  diese  gi^nz  unaufBichtliche  tiefallil 
heitsboxcugung  Berviitvherijeits  durch  eine  vollkumuieue  Uet^iiinuität  t 
widert  wird.  —    —  —  —  —  — — 

(AbKbrifl.) 


1809,  10.  August,  Komorn.  -   Kaiser  Frauz  an  FZU.  Froibora 
V.  Simbsohen. 

Lieber  FZM.  Itarun  Simbschou! 

Schon  seit  gerauniei'  Zeit  wird  die  Karlstadter  Orenze  an  ver 
denen  Punkten  jenes  Distrikts,  welcher  vurmala  tOrhiucli  wai*, 
Sistuwer  Frieden  aber  mir  zngcfallen  ist,  beunruhiget.  Feste  Plätze  « 
den  mit  Gewalt  genommen,  Uäuger  niedoi^ebrannt,  die  Greaxen  > 
geplündert  und  ihr  Vieh  weggetrieben    Die  nachdrück lichslen  KinBchrei- 
taugen  zu  Ti-avuik  haben  ebensowenig  als   ilie   von   dem    Kai-Islä>lt«r- 
Worosdiner  Gonei-alkommando   getiulTencu  m  11  italischen   VorkehruDgl^ J 
bisher  eine  Abhülfe  verschätzt,  und  nach'kurzen  Untorbrcchungea  werd 
v'in  Seiten  der  durch  die  Franzosen  aufgewiegelten  und  sicJi  dadurch  d 
Ausmarscb  gegen  die  Sei*vier  entziehenden  BoHuier  Feindseligkeit«!!  ü 
wiediy  aiigefititgen. 

Ich  will  diesem  Unwesen,  was  bereits  sehr  schädliche  Folgen  gt 
bat  und  in  der  Folge  noch  ornstücliere  haben  dürfte,  erufetlich  und  sc 
ein  Ende  gemacht  wissen. 

Auf  ilio  Vorstellung  Meines  Internuntius  hat  zwar  diu  Pfurt«  se^ 
nncbdi'flcktiche  Fei'mans  an  'len  Gouverneur  von  Travriik  e.rlussun.  Ali< 
bisher  fehlen  entwxder  diesem  die  Mittel,  j«ne  Kapitäne,  welche  na  dt« 
GowultU]ntigkoit4<n  Si-huld  tragen.  *.»  P.'uireii  %u  trcibeu,  o^Ier  er  Mtinivi 
gegen  dieselben.  Kraftvollere  Ma^i^regelu  siud  daher  uuumgäuglicli  ii 
weuilig,  und  Ich  befehle  Ihnen  sonudi,  vuu  der  untei'  Ihroiu  CooitD 
stehenden  waffenßhigeu  Mannschaft  acht-  bi.s  znlmtansonil  Mona  1 
terie  und  beiläuHg  Tausenil  Iterilteiie,  woxu  die  zu  iictiTou  Dieimteu  | 
meiatan  geeigueten  und  zu  Iluuse  entbetirlicben  Leute  xu  wählen  sjq 
la  Tersammoln  und  mit  diesen  nach  Ki-oaiien  nufzubreirhon,  w: 


235 

von  dispoibler  Mannschaft  YOi'finden,  an  sich  zu  ziehen  nnd  Ihr  Corps  mit 
dem  nöthigen  Geschütz  und  Munition  zu  versehen. 

Sobald  Sie  in  die  Gegend  von  Eailstadt  gekommen  sind,  haben  Sie 
meinen  Consul  zu  Travnik  von  Ihrem  Eintreffen  zu  benachi-ichtigen,  da- 
mit dieser,  wie  er  auch  durch  die  geheime  Hof-  und  Staatskanzlei  dazu 
angewiesen  wird,  dem  Gouverneur  von  Bosnien  bestimmt  erkläre,  dass  er 
die  Befehle  der  Pforte  gegen  jene  seiner  Untei^gebenen,  welche  die  Un- 
rahen  auf  der  Grenze  erregen,  und  unterhalten,  ohne  Zeitverlust  in  Voll- 
zug setze,  den  Stand  der  Dinge,  so  wie  er  sich  vor  dem  Ausbruch  der 
Feindseligkeiten  befand,  wieder  herstelle,  Genugthuung  verschaffe  und 
die  wirksamsten  Massregeln  zur  Erhaltung  der  Ruhe,  Ordnung  und  Sicher- 
heit an  der  Grenze  unverzüglich  ergreife,  indem  man  sonst  wider  Wunsch 
und  Willen  bemüssigt  wäre,  sich  selbst  Genugthuung  zu  verschaffen,  was 
auch  auf  den  Fall,  wenn  der  Gouverneur  die  schuldige  Abhülfe  nicht  lei- 
sten sollte,  ohne  Weiteren,  jedoch  mit  der  Vorsicht  und  Mässigung  zu 
geschehen  hat,  dass  die  Waffen  nur  gegen  diejenigen  gebi*aucht  werden, 
welche  feindselig  gegen  Mein  Gebiet  verfahren  sind,  oder  noch  ver- 
fahren. 

Wenn  aber  der  Gouverneur  die  Aufträge  seines  Hofes  pünktlich 
vollziehet,  oder  die  Ruhe  an  der  Gränze  schon  vor  Ihrem  Eintreffen  her- 
gestellt wäre,  so  haben  Sie  doch  bis  auf  Meinen  weiteren  Befehl  mit  dem 
Truppencorps  in  der  Nähe  von  Karlstadt  zu  verbleiben  und  doi-t  Meine 
weitere  Bestimmung  abzuwaiiien. 

Sowohl  die  Vei-sammlung  der  Mannschaft  als  auch  der  Aufbruch 
nach  Kroazien  ist  möglichst  zu  beschleunigen.  Das  Corps  hat  von  dem 
Zeitpunkte  seiner  Versammlung  in  den  Genuss  der  Kriegsgebühr  zu 
treten  und  ist  für  dessen  vollständige  Ausrüstung  und  Vei*pflegung  so 
wie  für  die  Versorgung  der  Ki-anken  bestens  zu  sorgen. 

Das  Karlstadter-Warasdiner  Generalkommando  wird  angewiesen, 
Ihnen  hiebei  werkthätigst  an  die  Hand  zu  gehen. 

Ich  erwarte  Ihre  unverzügliche  Anzeige,  bis  wann  der  wirkliche 
Aufbruch  geschehen  kann,  und  bis  wann  das  Corps  bei  Karlstadt  wird 
eintreffen  k((nnen,  so  wie  Sie  überhaupt  über  Alles,  was  auf  Meine  vor- 
liegende EntSchliessung  Bezug  nimmt,  die  Berichte  und  Relazionen  un- 
miUelbar  an  mich  einzusenden  haben. 

Eomom,  den  10.  August  1809. 

Franz  m.  p. 
'  (Abschrift.) 


236 


vn. 


1800,  26.  Augast,  Totis.  —  Kaiser  Fraiui  an  FZK.  Freiherr 

V.  Simbaohen. 

Lieber  FZM.  Baron  Simbscben! 

Ich  habe  aus  Ihrem  Berichte  mit  Wohlgefallen  entnommen,  dass 
Sie  den  Inhalt  meines  Befehles  vom  10.  August  dergestalt  vollzogen  haben, 
dass  Sie  gesammte  diese  Truppen  versammeln  und  im  Marsche  nach  Carl- 
stadt setzen  können.  Ich  linde  aber  nun,  da  die  Umstände,  welche  mich 
veranlasst  haben,  die  Foiinirung  dieses  Corps  anzuordnen,  geändert  sind, 
Meinen  Befehl  vom  10.  dieses  nachstehend  zu  modifizii*en. 

Itens  haben  Sie  nur  mit  dem  3.  Beserve-Bataillon  zn  marschiren. 

2tens  die  3  Land- Bataillons  bleiben  zui*  Besetzung  der  Festungen 
und  zum  Cordons-Dienst  im  Lande.  Nur  insoweit  diese  nicht  hinreichen, 
hat  die  Landwehr  Aushilfe  zu  leisten,  wobei  ich  Ihnen  aber  ansdrücklidi 
anempfehle,  die  Einleitung  so  zu  treffen,  dass  die  Landwehr  nicht  ferne 
vom  Haus  zum  Dienst  verwendet  werde;  durch  kluge  Vertheilung  kann 
dieses  erzielt  werden. 

3tens  statt  eines  Hussai*enregiments  von  1000  Pferden  haben  Sie 
nur  1  Division  nach  der  vorgeschlagenen  Starke  zu  stellen,  welche  den 
Namen  Slavonisch-syrmische  Hussaiendivision  zu  führen  hat  und  zum 
Ausmarsche  mit  den  3  Beserve-Bataillons  bestimmt  ist, 

4tens  die  Csaikisten-  und  Land-Division  als  Pionier-Division  ist 
entbehrlich. 

In  Folge  dieser  Anordnung  verändert  sich  auch  das  Maass  der  Be- 
dürfnisse und  Aushilfen,  die  Sie  für  das  Corps  fordern,  und  indem  ich 
dem  Hofkriegsrathe  diesfalls  meinen  Willen  zu  erkennen  gebe,  trage  ich 
demselben  auf,  für  die  vollständige  Ausrüstung  des  Corps  zu  sollen,  und 
Sie  haben  sich  um  alles,  was  Sie  zur  Büstung  und  Mobilmachung  dieses 
Corps  bedüifen,  an  den  Hofkriegsrath  zu  wenden.  Das  Commando  der 
Division  Hussaren  übertrage  ich  dem  Major  Baron  Simbscben  des  Gradis- 
kaner  Begimentes,  dem  ich  den  Befehl  ertheile,  sogleich  nach  Peterwar- 
dein  zu  gehen. 

Die  vorgeschlagene  Montirung  der  Hussaren  mit  braunen  Pelzen, 
lichtblauen  Leibein  mit  Ermein,  lichtblauen  Hosen  und  schwarzem  Czako 
bewillige  ich  —  in  so  fern  der  Vorrath  an  braunen  und  lichtblauen 
Tüchern  bei  der  in  Neusatz  etablirten  Marburger  Oeconomie-Commission 
noch  so  bedeutend  ist,  widrigenfalls  wird  mein  Hofkriegsrath  die  Farbe 
der  Tücher  bestimmen,  welche  er  zur  Bekleidung  dieser  HossanndiTision 


237 

am  leichtesten  herbeischaffen  kann.  Ich  werde  diesem  Tmppen-Detache- 
ment  einen  Bri^dier  und  die  allenfalls  nöthigen  Offiziers  des  Gen.  M.  St. 
seiner  Zeit  zusenden.  Der  Hof kriegsrath  erhält  den  Auftrag,  die  Anstel- 
lung der  nöthigen  Offiziere  zu  besorgen  und  die  Truppen  mit  der  n((thigen 
Artillerie  auszurüsten.  Da  der  ausmarschierende  Stand  der  Truppen  so 
sehr  Yermindert  worden,  so  wird  auch  die  Ernennung  eines  Coi*ps-Adju- 
tanten  überflfissig  und  Sie  können  die  Geschäfte  durch  Verwendung  Dires 
Adjutanten  leicht  besorgen. 

Nur  die  3  Beserve-Bataillons ,  dann  die  Division  Hussaren  kann 
auf  dem  Kriegsfuss  verbleiben.  Alle  übrigen  Truppen  sind  vodl  Tage  des 
Empfanges  dieses  Befehls  auf  Friedensfuss,  wie  sie  es  sonst  waren,  zu 
versetzen. 

Sie  werden  bis  auf  weiteren  Befehl  nicht  nur  fQr  Dire  Person  das 
Oen.  Commando  in  Peterwardein  fortfflhren,  das  nach  Ihrem  Abmarsch 
der  FML.  Finke  zu  übernehmen  hat,  sondern  Sie  haben  auch  die  Beserve- 
Bataillons,  die  bei  Empfang  dieses  Befehles  schon  in  Marsch  sein  könnten, 
halten  zu  machen,  in  enge  Goncentrirung  zu  verlegen,  mit  Thätigkeit  an 
ihrer  vollständigen  Ausrüstung  und  Mobilisirung  zu  arbeiten  und  so  bereit 
zu  halten,  dass  dieselben  gleich  nach  Empfang  eines  zweiten  Befehles  auf- 
brechen können.  Wenn  diese  3  Bataillons  mit  allem  nöthigen  versehen 
sind,  erwarte  ich  auch  die  Anzeige  darüber. 

Die  übrigen  Tnippen,  die  in  Folge  dieses  Befehles  zum  Ausmarsche 
nicht  mehr  bestimmt  sind,  sind  nach  erhaltener  Weisung  zweckmässig 
zu  verwenden. 

Dotis,  den  25.  August  1809.  Franz  m.  p. 

(Abschrift.) 

vm. 

1809,  16./28«  August,  Belgrad.  —  Kara  G.  Petrovioh  an 

Simbsohen. 

Gnädigster  Herr  General  Feldzeugmeister  von  Simbschen  und  Lan- 
descommando-General !  Ich  habe  die  Ehre  E.  E.  zu  berichten,  dass  ich 
dem  Herrn  Obersten  und  Szemliner  Militar-Commandanten  von  Perss  ge- 
schrieben und  denselben  gebeten  habe,  mit  dem  Bruder  Milosch  zu  mir 
sm  einer  wichtigen  Unterredung  herüberzukommen.  Ich  habe  mich  danach 
mündlich  mit  selbem  besprochen  und  ihnen  unsere  damaligen  Umstände 
erM!net.  Ich  melde  also  auch  E.  E.  in  Kurzem,  dass  der  Herr  General 
T.  Ba^toAnikin  heute  Nachts  von  hier  aus  Belgrad  entwichen  seye  und  uns 


238 

treulos  vorlassen  und  verrathen  habe,  ohne  dass  wir  uns  die  Ursache  hie- 
vnn  erklären  wissen.  Gott  mOge  ihn  richten ! 

Wir  bekennen  E.  E.,  dass  wir  seit  Anfang  unseres  Krieges  keinen 
getreuem  und  gnädigeren  als  Euer  durchlauchtigsten  österreichischen  Hof 
gehabt,  denn  wer  hat  uns  sonst  geholfen  und  bis  zum  heutigen  Tag  glück- 
lich gemacht?  Wir  bitten  also  Ihren  kaiserlichen  Hof  abermalen,  uns  in 
Ihren  gnädigen  Schutz  aufzunehmen,  uns  zu  helfen  und  uns  mit  dem  Er- 
forderlichen an  die  Hand  gehen  zu  wollen.  Wir  erkennen  nächst  Gott 
Niemanden  als  Euer  gnädigsten  Hof  und  rufen  und  nehmen  nur  selben 
zu  unserin  Helfer  und  Better  auf,  welches  unser  Wunsch  von  jeher  ge- 
wesen und  sich  schon  längst  realisirt  hätte,  so  wie  ich  bereits  vorigen 
Jahres  mit  E.  E.  auf  Ihrer  Seite  bei  Mertva  Strassa  *  mich  besprocheu 
und  mit  Beistimmung  der  ganzen  Nation  mein  Wort  g^eben  habe,  und 
es  sicher  auch  gehalten  hätte,  wenn  nicht  eben  dieser  HeiT  General  Kado- 
finikin  uns  abgeredet  und  damit  abgeschreckt  hätte,  dass,  wenn  wir  uns 
an  den  österreichischen  Hof  anschliessen,  derselbe  uns  sicher  wieder  an 
die  Türken  ausliefern  würde. 

Ueberdies  sagte  er  uns  noch:  Es  seye  bereits  zwischen  den  Bussen 
und  Franzosen  zuverlässig  beschlossen  und  ausgemacht,  dass  die  Fran- 
zosen alle  östei'reichische  Länder  bis  nach  Mähren  und  von  Mähren  an 
die  Bussen  unter  sich  theilon  wei'den,  daher  wir  bei  den  Deutschen  keinen 
Schutz  ßnden  könnten.  Auf  diese  Weise  ist  es  nun  diesem  General  ge- 
lungen, uns  zu  betrügen  und  von  unserem  Vorhaben  abzubringen.  Wir 
bitten  nun  Ihren  durchlauchtigsten  Kaiserhof  und  E.  E.  unteithänigst, 
das  bisher  Geschehene  uns  gnädigst  zu  vergeben  und  uns  wieder  in  Ihren 
Schutz  und  Gnade  aufzunehmen,  uns  zu  helfen  und  mit  den  unumgäng- 
lichen Erfordernissen  versehen  zu  wollen.  Wir  bitten  ernstlich  Gott,  dann 
Euern  Kaiserhof,  uns  zu  helfen  und  in  dieser  Noth  nicht  zu  verlassen. 
Wir  wollen  entweder  mit  Euch  alle  sterben  oder  durch  Euch  glücklich 
werden  und  bleiben.  Ich  habe  gerade  selbst  zu  E.  E.  kommen  wollen  und 
Ihnen  alles  dieses  auch  noch  Mehreres  mündlich  vortragen  wollen,  allein 
ich  muss  den  Augenblick  gegen  die  Morawa  abgehen,  um  daselbst  mein 
Heer  aufzustellen,  «Positionen  zu  fassen  und  gute  Hinterhalte  zu  legen, 
die  Posten  längs  der  Morava  zu  visitiren  und  den  Truppen  die  sirengsten 
Befehle  und  Massregeln  zu  ertheilen.  Sobald  ich  aber  meine  Truppen 
ordentlich  aufgestellt  und  feste  Positionen  genommen  haben  werde,  will 
ich  dann  zu  E.  E.  kommen  und  mich  dem  Kaiser  selbst  vorstellen.  Für 


...  ist  eino  Chardaiiuo  unter  dor  Uedentuiig  ,yerlomer  Ponton*    (netit 
Simbscheu  in  Klammern  bei). 


239 

itzt  schicke  ich  aber  meinen  getienen  Secretaire,  Herrn  Stefan  Jeftich, 
welchem  ich  alle  meine  Aufträge  und  die  nnnmschränkte  Vollmacht  er- 
theilt  habe,  in  meinem  Namen  alles  zu  vollfühi'en.  Er  soll  dieses  Schreiben 
E.  E.  übergeben  und  Ihnen  auch  mündlich  über  Alles  Bed'  und  Antwort 
geben.  Wahrscheinlich  wird  Ihnen  auch  der  Hen-  Oberst  Perss  bereits 
gemeldet  haben,  wie  ich  mit  ihm  mündlich  geredet  und  was  ich  mit  ihm 
in  Geheim  verhandelt  habe. 

Schliesslich  bitte  ich  E.  E.,  den  Herrn  Milosch  Urosgevics  a^u  Semlin 
zu  belassen  und  nicht  wo  andershin  zu  kommandiren,  denn  er  ist  zur  Be- 
sorgung und  Ueberlieferung  unserer  Briefschaften  und  aller  unserer  Ver- 
handlungen sowohl  au  den  durchlauchtigsten  Eaiserhof  als  an  E.  E.  Exzel- 
lenz daselbst  erforderlich.  Uebrigens  empfehle  ich  mich  dem  allerhöchsten 
Kaiserhofe  so  wie  E.  E.  zu  höchsten  Gnaden  und  geharre  einer  möglichst 
baldigen  Antwort  entgegen  sehend,  mit  unbegränzter  Hochachtung  und  bin 

E.  E.  unterthänigster  und  dankbarster  Diener 

Kara  Georgia  Petrovich 
Ob.  serv.  Anführer. 
(Abschrift.) 

IX. 

1809,  80.  Aug^ust.  —  Simbsohen  an  Kara  G.  Petrovioh. 

Ihr  Schreibon  vom  16./28.  d.  M.  habe  ich  heute  durch  ihren  Secre- 
tair  Stefan  Jeftich  erhalten,  so  wie  mir  auch  gestern  vom  Herrn  Obersten 
von  Perss  dasjenige  zugekommen  ist,  was  er  mir  über  ihre  mündliche  Be- 
sprechung  zu  melden  hatte.  Sie  können  sich  versichert  halten,  dass  ich  den 
wärmsten  Antheil  an  ihrer  dermal  igen  Angelegenheit  nehme  und  daher  einen 
eigenen  Courier  mit  Ihrem  Schreiben  an  S.  Majestät,  meinen  gnädigsten' 
Kaiser  und  König  absende,  wobei  ich  jenes  mitberichte,  was  mir  Jeftich 
mündlich  anvertraut  hat.  Da  Sie  ohnehin  wissen,  dass  ich  für  mich  nichts 
unternehmen  darf,  bis  ich  nicht  von  meinem  allerdurchlanchtigsten  Hofe 
dazu  beauftragt  werde,  so  wünsche  ich  den  besten  Eifolg  zu  Befriedigung 
Ihrer  Wünsche.  (Abschrift.) 

X. 

1800»  80.  August.  —  Simbsohen's  Bericht  an  FM.  Graf  Wenzel 

Colloredo  nach  Fest. 

Ueber  den  Voifall,  dass  der  russische  General -Consul  Staatsrath 
Badofinikin  Belgrad  verlassen  und  der  serbische  oberste  Anführer  Kara 


240 

Georgia  Petrovics  um  den  Schutz  des  Hauses  Oesterreich  gebeten  habe, 
ist  mir  gestern  von  dem  Szemliner  Militarcommandanten,  Obersten  Perss, 
die  nebengehend  urschriftliche  Anzeige  zugekommen: 

Heute  traf  unter  B^Ieitung  des  Szemliner  Landwehrhauptmannes 
Milosch  Urossevics  der  Secretär  Stefan  Jeftich  allhier  ein,  der  mir  von 
gedachtem  K.  G.  Petrovics  das  ebenfalls  in  Urschrift  nebst  der  deutschen 
Uebersetznng  beigeschlossene  Schreibon  überbrachte  und  im  Namen  des 
benanntjBn  serbischen  Anführei*s  mündlich  erklärte,  dass  derselbe  ganz 
bereit  seye,  die  Festungen  Belgrad,  Szemendria  und  Sabacz  zur  Be- 
setzung mit  k.  österreichischen  Tiiippen  abzutreten  und  die  anverlangen- 
den Geiseln  als  Untei-pfand  der  verbürgend  ächten  und  aufrichtigen  Ge- 
sinnungen zu  überliefern,  wenn  die  Nation  sich  des  Schutzes  und  der 
Unterstützung  an  Munition  und  Nahrungsmitteln  unseres  durchlanchtig- 
sten  Hauses  eifrenen  darf.  Weiters  aber  erklärte  Jeftich  die  Bitte  seines 
Befehlshabers  (im  Falle  die  itzigen  Verhältnisse  an  der  Uebernahme  und 
Besetzung  der  erwähnten  Festungen  und  einer  decisiven  Zusage  des  höch- 
sten Schutzes  hinderlich  sejn  sollten),  dass  S.  Majestät  geruhen  möchten, 
durch  einen  Courier  an  den  Gommandanten  der  türkischen  Tmppen  so 
wie  an  den  k.  österreichischen  Internuntius  und  königlich  englischen  Ge- 
sandten in  Constantinopel  bei  der  ottomanischen  Pforte  einen  Waffen- 
stillstand huldreichst  auszuwirken,  weil  alsdann  an  der  Zeit  gewonnen 
würde,  und  die  asiatischen  Truppen  ohnehin  nach  Verlauf  des  September- 
Monates  zurückzukehren  pflegen,  folglich  die  Möglichkeit  der  servischen 
Behauptung  unter  der  geheimen  österreichischen  Beschützung  nicht  zu 
bezweifeln  wäre.  So  wie  ich  nun  nach  £.  E.  hohen  Weisungen  v.  29.  Mai 
und  29.  Juli  d.  J.  theils  mich  selbst  benommen  theils  die  nöthigen  Instruc- 
.  tionen  erlassen  habe,  Vorbescheide  ich  unter  einem  dem  K.  G.  Petrovic«, 
dass  (da  ich  zu  eigenmächtigen  Unterhandlungen  nicht  bevollmächtigt  bin) 
seine  Anträge  im  vorgeschriebenen  Wege  zur  Allerhöchsten  Kenntniss 
S.  Majestät  des  Kaisers  und  Königs  bringe  und  mir  die  höchsten  Befehle 
erbitte. 

Unbekannt  mit  denen  politischen  Verhältnissen  der  Eabinete, 
unterlege  ich  daher  diesen  Gegenstand  der  hohen  und  höchsten  Ent- 
schliessung  und  bemerke  nur  dabei,  dass  einerseits  zwar  Slavonien  von 
allen  Linien  und  reguliii;en  Grenztruppen  entblöst  seye,  doch  aber  nach 
Abschlag  der  geleisteten  Ergänzungen  zu  dem  Feldstande  und  der  bereits 
nach  Croatien  abmarschierten  9364  Mann  Infantene  und  1112  Mann 
Hussaren,  denen  in  denen  Festungen  befindlichen  Landwehr-Bataillons 
und  Bürgermilice,  annoch  erforderlichen  Falles  bei  30.000  wehrfähige 
Grenzer  der  hierländigen  3  Regimenter  und  des  Czaikisten-Besirkes  nebst 


241 

dem  Gen.  FML.  Finke,  dann  denen  Brigadiers  =  (Generalen  Baron  Bicsan, 
Marqnis  Yasqnez  und  Oberst  Obuchina  zu  Gebothe  stehen,  welche  Grenz- 
mannschaft aber  nicht  montirt  und  13.000  derselben  nicht  bewaffnet 
sind;  ich  hingen  anderseits,  sobald  die  allerhöchste  Besolution  w^en 
den  Erfordernissen  f&r  das  nach  Ci'oatien  bereits  abgerückte  Truppen- 
Corps  einlangte,  mich  in  Folge  des  allerhöchsten  Auftrages  dahin  ?erffigen 
werde,  daher  E.  Excellenz  die  AusfQhi*ung  der  gegenwärtigen  Staatsan- 
gelegenheit nach  hohem  Ermessen  an  meinen  mir  derzeit  noch  unbewussten 
Nachfolger  im  General-Commando  einzuleiten  geruhen  wollen. 

(Abschrift.) 

XI. 

1809,  18.  Ootober,  Totis.  —  Kaiser  Franz  an  FZM. 

Freiherm  v.  Simbschen. 

Auf  die  Mir  durch  den  Eriegsminister  einbegleiteten  Anfragen  den 
Antrag  des  servischen  Oberbefehlshabers  Kara  G.  Pctrovics  betreffend 
finde  Ich  Ihnen  zum  Nachverhalte  mitzugeben,  dass  Sie  gedachtem  Ober- 
befehlshaber erklären  müssen,  dass,  obschon  die  zwischen  Mir  und  der 
Pforte  bestehenden  freundschaftlichen  Verhältnisse  Mir  nicht  erlauben, 
zu  Gunsten  der  servischen  Nation  gegen  die  Pforte  thätig  aufzutreten. 
Ich  jedoch  mit  Vergnügen  diese  Verhältnisse  benützen  wollte,  um  eine 
Annäherung  zwischen  beiden  Theilen  auf  einer  billigen  Grundlage  her- 
beizuführen, und  dass  Mein  Internuntius  zu  Constantinopel  bereits  in 
diesem  Sinne  instruirt  ist. 

Sie  werden  bei  dieser  Gelegenheit  die  Uneigennützigkeit  und  Auf- 
richtigkeit geltend  zu  machen  suchen,  wovon  Ich  durch  diesen  Schritt  der 
servischen  Nation  so  bestimmte  und  von  dem  russischen  Benehmen  so 
verschiedene  Beweise  geben.  Zugleich  müssen  Sie  sich  alle  Mühe  geben, 
die  wirklichen  Gesinnungen  des  servischen  Anführers  zu  erforschen  und 
jede  Compromission  des  Letzteren  gegen  Uns  auf  offiziellen  Wogen  zu 
befördern,  da  sie  in  jeder  Hinsicht  sowohl  zu  näherer  Eenntniss  der 
Lage  der  Dinge  als  zu  einer  nützlichen  Ausdehnung  unseres  Einflusses 
in  die  servischen  Angelegenheiton  wünschenswerth  ist.  Ueber  den  Gang 
dieses  Geschäfts  werden  Sic  von  Zeit  zu  Zeit  die  ungesäumten  Berichte 
erstatten. 

(Abschrift.) 
AzflkiT.  Bd.  LXXVI.  I.  Hilft«.  16 


242 

xn. 

1809, 17.  29.  Deoember,  Belgrad.  —  Ziisohrift  Kara  Georgs  und 

des  serbisohen  Senates  an  Simbschen. 

(Uoborsetznng  aus  dem  Sorbischen.) 

Euer  Exzellenz,  gnädigster  Hen'!  Gestern  hatten  wir  die  hohe  Ehre 
uns  diii'ch  mündliche  Unterredung  mit  E.  E.  und  Vorzeigung  der  Briefe 
von  der  angobornen  Milde  und  väterlichen  allerhr)ch8ten  Gnade  Sr.  k.  k. 
Majestät  neuerdings  zu  überzeugen. 

Wir  beeilen  uns  daher  hiemit  feierlichst  zu  erklären,  dass  unsere 
Liebe  und  Ergebenheit  gegen  den  durchlauchtigsten  österreichischen  Kai- 
sorhof,  welche  durch  widrige  Zeitumstände  nur  einstweilen  verwoiTen  und 
gefährdet  wurde,  stets  aufrichtig  fest  und  unerschütterlich  war  und  sein 
wird,  indem  wir  immer  gewünscht  haben  und  noch  wünschen,  unser  Glück 
und  Wohlstand  so  wie  die  übrigen  Nationen  unter  dem  wohlthätigen  öster- 
reichischen Szepter  zu  finden,  in  dem  vollen  Vertrauen,  dass  auch  wir, 
die  wir  schon  so  vieler  mehr  als  väterlicher  Wohlthateu  genossen,  unserer 
Gerechtsamen  uns  erfreuen  werden.  Wenn  jedoch  die  Umstände  und  poli- 
tischen Verhältnisse  diesen  unsren  Wünschen  durchaus  entgegen  sein 
sollten,  so  wollen  wir  bis  auf  bessere  und  günstigere  Zeiten  uns  auch  da- 
mit begnügen,  der  Ottomanischen  Pforte  den  Tribut  zu  entrichten. 

Obschon  mau  aber  von  der  Gorechtigkeitsliebe  und  dem  Wohlwollen 
der  Regierung  zu  derselben  untergebenen  Völkern  übeiT^eugt  ist.  so  hat 
man  doch  vollgiltigo  Beweise,  dass  es  in  den  Türkischen  Staaten  viele 
Excedonten  gebe,  welche  gegen  die  Regierung  selbst  ungehorsam  und 
eigenmächtig  handeln  und  viele  Ungerechtigkeiten  und  Unbilden  an  an- 
dern gewaltsam  ausüben,  so  wie  es  offenbar  ist,  dass  solche  Gewaltthäter 
auch  unsern  allgemeinen  Aufstand,  die  wir  gegen  unseren  gesetzlichen 
Kaiser  so  nie  eine  böse  Absicht  gehabt,  herbeigeführt  haben. 

Wii'  sind  daher  zu  unserer  Sicherheit  und  Dauerhaftigkeit  des  Frie- 
dens veranlasst,  in  kindlichem  Vertrauen  untei-thänigst  zu  bitten,  damit 
Se.  kais.  kön.  Majestät  unser  Veimittler  und  Fürsprecher  bei  der  Otto- 
manischen Ffoi-te  zu  sein  die  allerhöchste  Gnade  haben  wollen,  zu  welchem 
Ende  wir  nachstehende  Punkte  unserm  gepflogenen  Uebereinkommen  ge- 
mäss beizusetzen  die  Gnade  haben  (sie). 

1.  Diiss  S.  kais.  Majestät  der  Kaiser  unser  Schutzherr  sei. 

2.  Allgemeine  Amnestie  für  Alles,  was  während  des  ganzen  Krieges 
begangen  ist. 

3.  Sollen  wir  Contribuenten  und  beziehungsweise  Vasallen  der 
ottomanischen  Pforte  auf  die  Ai*t  werden,  dass  wii*  zu  keinem  andern 


243 

Dienste  verpflichtet  seien,  als  blos  zur  Entrichtung  der  ausgemacht  wer- 
denden Abgaben  im  Baaren. 

4.  Sollen  die  Grenzen  der  nun  contribuirenden  Serbier  mit  den 
Türken  nach  der  natürlichen  Lage  durch  Berge  und  Flüsse,  dann  die  Po- 
sitionen, welche  wir  noch  heute  dato  innehaben  und  von  unsern  Wachten 
und  Vorposten  besetzt  halten,  bestimmt  und  anerkannt  werden,  nämlich 
von  der  Save  längs  der  Drina  bis  zu  dem  Zusammenflusse  dei^selben  mit 
der  Lima,  von  der  Lima  auf  den  Berg  Schargan  und  Javor,  hernach  längs 
dem  Berg  Golia  bis  an  den  Fluss  Studeniza,  dann  längs  der  Studenica  bis 
Eopavnik,  so  dass  Kupavnik  und  Samskowi  hieher  zufallen,  sodann  von 
da  an  den  Fluss  Toplica  und  längs  dieses  Flusses  über  Bulgar-Morawa 
gerade  an  den  Ui*sprung  des  Flusses  Toponica  und  den  grossen  Timok 
und  endlich  längs  dem  Lauf  des  Timok  bis  in  die  Donau. 

5.  Dass  über  diese  hier  bezeichnete  Grenze  in  keiner  Angelegenheit, 
weder  die  Türken  herüber  noch  die  Serbier  hinüber  treten  dürfen  ausser 
einzig  und  allein  in  Handelsangelegenheiten. 

6.  Dass  ein  kais.  kou.  Consul  immer  in  Belgrad  residire  und  noch 
vor  Anfang  des  künftigen  Congrosses  hieher  komme. 

7.  Jeder  wichtige  Gegenstand,  so  von  der  erlauchten  Regierung  an 
die  Nation  abgesendet  wird,  solle  Sr.  k.  k.  Majestät  durch  einen  unserer 
Abgeordneten  eingehändigt  werden.    Es  soll  daher 

8.  Ein  Repräsentant  der  Nation  in  Wien  bestehen,  an  welchen  die 
Briefschaften  gesendet  werden,  und  welcher  die  Antworten  und  Reso- 
lutionen wieder  zu  empfangen  hat. 

9.  Soll  jenes,  was  wir  unserm  Kaiser  überhaupt  zu  zahlen  haben, 
auf  diesem  nämlichen  Wege  durch  den  k.  k.  Gesandten  der  h(»hen  Pforte 
eingeantwortet  werden.  Uebrigens 

10.  Dass  ein  jeder  rechtgläubige  Christ,  welcher  hier  angetroffen 
wird,  hier  auch  ferner  verbleiben  kr)nne,  ohne  dahin  zurückkehren  zu 
müssen,  wo  er  hergekommen  ist. 

11.  Sollen  die  in  unserer  Gefangenschaft  befindlichen  Türken  gegen 
unsere  Eingeborne  ausgewechselt  werden. 

In  Betreff  dieser  Friedcnsunterhandlung  und  deren  Befestigung 
bitten  wir  untei-thänigst,  dass  Se.  k.  k.  Majestät  einen  Ort  in  allerhöchst 
Ihren  Staaten  allergnädigst  zu  bestimmen  gejuhe,  wo  dieser  Congress  ge- 
halten und  Alles  abgeschlossen  werden  kann.  Zu  diesem  Congresse 
wünschten  wir,  dass  ausser  unseren  und  den  Türkischen  Depntirten  auch 
Einige  anderer  Potentaten  erscheinen  mögen.  Damit  aber  inzwischen  bis 
zur  gänzlichen  Beendigung  dieses  Friedenstraktates  an  demselben  mit 

Sicherheit  gearbeitet  werden  könne,  bitten  wir  alleruntei-thänigst  einen 

16* 


244 

WaffeDstillstand  zwischen  uns  und  der  hohen  Pforte  abzuschliessen,  wel- 
cher ohne  Vorwissen  Sr.  k.  k.  Majestät  weder  gebrochen  noch  Terlängert 
werden  soll,  indem  von  beiden  Seiten  genug  Blut  mit  Erbitterung  schon 
vei-gossen  worden  ist. 

Dies  ist,  gnädigster  Herr,  unsere  wahrhafte  und  feste  Gesinnung, 
aufrichtig  geschildei-t,  welches  wir  Euer  Exzellenz,  von  Deren  edlem  Her- 
zen, grossmüthiger  und  edler  Denkungsart  gegen  uns  wir  überzeugt  sind, 
mit  innigster  Rührung  zu  Füssen  legen  und  dabei  annoch  unterthänigst 
bitten,  die  Sache  dieser  ganzen  Nation,  welche  £.  E.  so  huldreich  auf  sich 
zu  nehmen  die  Gnade  hatten,  S.  kais.  kOn.  Majestät  vorzutragen,  nach 
Ihren  besten  Kräften  zu  unterstützen  und  uns  den  erfreulichen  Bescheid 
baldmöglichst  zu  erbitten. 

Indem  wii'  uns  zu  ferneren  Gnaden  empfehlen,  haben  wir  die  Ehre, 
mit  vollkommenster  Hochachtung  und  Ergebenheit  zu  verharren  Euer  Ex- 
zellenz, Gnädigster  Herr,  unterthänigste  Diener 

Belgrad,  am  17./29.  Dez.  1809. 

(1.8.)  Kara  Georgia  Petrowich  m.  p. 

Oberster  serbischer  Anführer. 
(1.  s.)  Dirigirender  Senat  der  serbischen  Nation. 

(Abschrift.) 

xm. 

1809,  30.  December,  Wien.  —  Kaiser  Franz  an  FZM.  Simbsohen. 

Meine  Ansicht  geht  dahin,  vor  Allem  nichts  unversucht  zu  lassen, 
um  eine  aufrichtige  Aussöhnung  zwischen  der  Pforte  auf  billige,  den 
künftigen  Buhestand  der  Servier  gegen  jede  Willkür  sichernde  Beding- 
nisse zu  Stande  zu  bringen.  Mein  Internuntius  zu  Constantinopel  ist  hier- 
über mit  bestimmten  Weisungen  versehen  worden,  über  deren  Inhalt  je- 
doch, um  nicht  ein  unzeitiges  Aufsehen  zu  erregen,  für  dermal  das  strengste 
Stillschweigen  beobachtet  werden  muss.  Das  Resultat  wird  seinerzeit  den 
servischen  Oberhäuptern  mitgetheilt  werden.  Indessen  haben  Sie  aber  zd 
trachten,  sie  auf  Idee  und  Möglichkeit  einer  Ausgleichung  mit  der  gehöri- 
gen Umsicht,  und  ohne  der  in  Constantinopel  getroffenen  Einleitungen 
im  geringsten  zu  erwähnen,  nach  und  nach  vorzubereiten  und  bei  den  ge- 
meinschaftlichen Besprechungen  ohngeföhr  die  Bedingungen  und  Wünsche 
zu  erfahren ,  welche  die  Servier  für  die  angelegentlichsten  halten  und  die 
bei  einer  künftigen  Unterhandlung  als  Grundlage  angenommen  werden 
könnten. 


94S 

Sehr -vortheilhaft  wird  e»  dabei  Hein  und  angomein  zur  Krieichtei-ung 

H  OeschilfteB  beitragen,  wenn  Sie  Kich  ilui-ch  geacliickte  EmlHsflii-s  ejneu 

|fnflass  aaf  den  Handelsstaad  und  die  unteren  Volksklassen,  die  sich 

nüglich  nach  Ruhe  sehnen,  zu  vei-schaffen  im  Stande  sind,  um  eie  von 

Htinen  wohlwollenden  Gesinnungen  und  von  Meinem  Wunsche,  in  Soi-vien 

bald  m<3glichst  Frieden,  ßuhe  und  Ordnung  wieder  hergestellt  zu  sehen, 

iu  allgemeinen  Äosdrückea  eu  verstündigen,  zn  deren  noch  mehrerer  Bc- 

Uiguug  Ich  auch  bereit  bin,  dem  ausdrücklich  ei'kläi-tea  Wunsche  der 

ierbSapt«L'  gemäss  demnächst  einen  Agenten  oder  Oonsul  nach  Bel^'itid 

iisendon,  an  den  man  eich  alldoi't  wird  wenden  ki^nnen,  um  die  Wünsche 

r  Nation  an  mich  gelangen  zu  lassen,  und  dessen  hauptsächliches  Oe- 

^äft  sein  wird,  der  Nation  mit  Rath  und  That  au  die  Hand  zu  gehen, 

I  nach  so  vielen  nberatandonen  Drangsalen  endlich  den  Zustand  von 

B  horbeizufflhj'en,  dessen  Servien  so  sehr  hedaiT. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  ton  dieser  Absendung  eines  Ägen- 

1  auch  (ieorg  Petruvics  vurlÄufig  zu  verständigen  ist  und  das  Vertrauen 

r  Servier  durch  ein  geßlliges  Benehmen,  hauptsächlich  aber  durch  eine 

■'Ader  die  andere  Erleichterung  der  Absicht  auf  die  bisher  gespenle  Aus- 

'ftihr  vi>n  Lebensmitteln   (wozu  vorzüglich  solche  Ai'tikel,  die  man  im 

Iisniie  leichter  entbehren  kann,  zu  wählen  sind)  in  Anspruch  genommen 

worden  mnss. 

1  den  russischen  jVgenton  lladofinikin ,  sowie  gegen  die  zu 

Lflelgrad  etwa  nnwesendeu  fmnzilsischen  Offiziere  haben  Sic  sich  freund- 

Bhaltlich  zu  benehmen,  jedoch  den  Einen  und  die  Anderen  so  viel  m'>g- 

I  im  Änge  halten  zu  lassen,  und  das  hierüber  Erhobene,  sowie  auch 

I  (toimtigen  Vuifallenheiton  und  die  bemorkenswci'theu  Entwicklungen 

r  öffentlichen  Stimmung  Mir  schleunig  und  ausführlich  ei  nz  übe  rieh  ton. 

(Abschrift.) 


XIV. 

p.0,  i.jie.  Uärz.  —  Kara  Qeorg  PetFovich  an  FZH.  FreihQrm 
V,  Simbschon. 

Otis  Schreiben  Euer  Ezcellenz.  in  woldiem  dJesolbon  mir  ^um  zwei- 

■  Mal  Tsi-sprechon,  den  hiesigen  Hauptmissothäter  Hiloje  PetR'Tics  iu 

t  Hindu  zu  liefern,  habe  ich  erhalten,  auch  die  mflndlichen  Aufti-ägo 

fini  mir  mßin  Sokretair  Jainitio  Dimitriovich  umstündlich  erklärt,  sowie 

E.  K.  dl«  Gnade  hatten,  ihm  zu  befehlen.    Ich  habe  E.  K.  fQr  alles  den 

wäiitiitt^ri  Dank  hihzuatatten  und  folge  fero  Rathe.    Ich  schicke  meinen 

\  ^MreuKH  Ivan  S/avics  Jugoyjcs,  Secretaire  des  Nütionalraths,  als  llepu- 


246 

tirten  mit  Vollmacht  sammt  einer  Devotionszuschrift  an  Se.  k.  k.  Majestät 
ab.  Ich  beharre  fest  bei  meinem  Worte,  wie  ich  es  E.  E.  gelobet  habe 
und  bitte,  belieben  Dieselben  nach  Ihrem  Versprechen  den  Herrn  Major, 
Dero  Sohn,  mit'  ihm  nach  Wien  zu  schicken  und  ihn,  unseren  besagten 
Deputirten,  auf  das  kräftigste  S.  k.  k.  Majestät  anzuempfehlen,  damit  die 
Sache  desto  geschwinder  und  besser  geendigt  werden  könne. 

Der  Frühling  ist  schon  da,  und  unser  Herrgott  beschütze,  was  noch 
voifallen  kann.  Unser  ganzes  Glück  hängt  von  Sr.  k.  k.  Majestät  ab,  seien 
E.  E.,  unser  Fürsprecher  bei  S.  k.  k.  Majestät,  versichert,  dass  jeder  Ser- 
vier mit  dankbarem  Hei-zen  sich  E.  E.  als  seines  grössten  Wohlthäters 
erinnern  werde. 

Ich  verbleibe  mit  Hochachtung  und  Ei-gebenheit 

E.  E.  gehorsamster  Diener 

K.  G.  Petrovics, 
oberster  Anführer  der  servischen  Nation. 

Belgrad,  den  4./16.  März  1810. 

(Abschrift.) 

XV. 

Da«  von  Ssavics  Jugovics  an  den  Wiener  Hof  übermittelte 
Schreiben  der  serbischen  Nationalsynode  vom  4./16.  Mars  1810. 

Die  Voi-sehung  des  Höchsten,  um  Euer  k.  k.  Majestät  fOr  das  Wohl- 
ergehen Hochdero  getreuen  ünterthanen  väterlich  besorgtes  Herz  durdi 
einen  besondern  Vorfall  zu  trösten  und  das  Glück  vielzähliger  Völker  zu 
begiUnden,  wollte  den  heroischen  Geist  Sr.  k.  k.  Majestät  Napoleons  des 
Grossen  zur  ehelichen  Verbindung  mit  Ihrer  k.  k.  Hoheit  der  Grossfürstin 
Maria  Ludovica,  Euer  k.  k.  Majestät  vielgeliebten  Tochter,  bewegen,  und 
der  grösste  Theil  von  Eiu-opa,  dem  diese  innigste  Verbindung  der  zwei 
mächtigsten  Höfe  goldene  Zeiten  andeutet,  segnet  der  gesalbten  Personen 
heilige  Ehe,  das  Unterpfand  der  allgemeinen  Glückseligkeit.  Bei  diesem 
allgemeinen  Jubel,  um  unsern  wäimsten  Antheil  zu  bezeugen,  wagen  wir 
servische  Nation  unsere  hei-zliche  Freude  am  Fusse  Dero  k.  k.  Majestät 
Thrones  fromm  zu  eröfnen,  indem  wir  den  wohlthätigen  Schöpfer  anbethen, 
den  Nouverehlichteu  seinen  neuen  Segen  in  vollstem  Maasse  zum  Ti'ost 
und  beständigen  Glücke  der  beiden  höchsten  Höfe  und  vieler  vieler  Völker, 
unter  welche  auch  wir  uns  zälileu,  verleihen  wolle.  Denn  wir  erkennen 
es,  dass  das  Glück  unserer  Nation  immer  von  den  höchsten  Monarchen 
Oesterreichs  abgehangen  hat,  von  Höchstdero  angeborner  Milde  wir  auch 


247 

heut  zu  Ta^  unsere  Befreiung  z.u  erlangen  hoffen,  so  wie  wir  es  in 
unserer  vorigen  Zuschrift  vom  1 7.  19.  Dozomher  veiHossenen  1809  Jahres, 
welche  wir  durch  den  Herrn  (Kommandanten  6FZM.  Bai-on  Simbschen  E. 
k.  k.  Majestät  zu  unterbreiten  gehorsamst  angesucht  haben,  feierlich  er- 
kläi't  haben,  dass  wir  immer  gewünscht  haben  und  wünschen,  unter  dem 
glorreichsten  Szepter  Oesteireichs  unsere  Glückseligkeit  zu  finden,  ebenso 
itzt  vertrauen  wir  und  übei*geben  unser  und  unseres  mit  der  theuei*sten 
Aufopferung  unseres  Blutes  erkauftes  Vaterlandsloos  den  geheiligten  Hän- 
den E.  k.  k.  und  S.  k.  k.  Napoleons  des  Grossen  Majestäten. 

Monai'ch I  Mittelst  dieses  unseren  Deputiiton  Ivan  Szavics  Jugovir^ 
Nationalraths-Sekretairen  fallen  wir  zu  Höchstdero  Füssen.  Verwerfen 
E.  k.  k.  Majestät  eine  Nation  nicht,  von  deren  ewiger  Liebe,  Treue  und 
Devotion  gegen  Höchstdero  Thron  E.  k.  k.  Majestät  übei'zeugt  werden, 
sondern  geruhen  uns  mit  Höchstdero  Antwort  zu  trösten.  Indem  wir  uns 
der  höchsten  Gnade  empfehlen,  ersterben  wir  in  der  tiefsten  Ehrfurcht 
und  Ergebenheit 

Euer  k.  k.  Majestät  höchstergebener  getreuestor  Diener 

Kara  G.  Petrovics, 
Ober- Anführer  der  servischen  Nation. 

Nationalsenat  zu  Belgrad,  den  4./16.  März  1810. 

(Abschrift.) 

XVI. 

1810«  21.  März,  Wien.  —  Aus  der  Weisung  des  Fürsten  Georg 

Mettemich  an  Simbschen. 

8.  Majestät  habe  in  Folge  seines  am  4.  Jänner  1810  erstatteten 
Berichtes  anzubefehlen  geruhet,  Simbschen  mit  den  Grundsätzen  bekannt 
zu  machen,  nach  welchen  S.  Majestät  die  serbischen  Augelegouheiten  un- 
sererseits behandelt  wissen  wolle.  Diese  Grundsätze  seien: 

a)  dass  Oesterreichs  wohlverstandenes  Interesse  in  politischer,  mili- 
tärischer und  Commercialhinsicht  gleich  dringlich  fordere,  die  Wiederher- 
stellung der  Ruhe  in  Servien  zu  befördern. 

b)  dass  die  Bückkehi*  der  Sei*vier  unter  die  ottomanische  Herrschaft 
unter  gewissen,  den  künftigen  Buhestand  dieser  Provinz  sichernden  Be- 
dingungen hiezu  das  dienlichste  Mittel  sei  und 

c)  dass,  wenngleich  die  gegenwärtige  Conjunctur  Oesterreichs  nicht 
wohl  gestattet,  öffentlich  in  der  Sache  als  Vermittler  aufzutreten,  doch 
kein  anderer  Weg,  welcher  ohne  sich  zu  rx)mpromittireu  eingeschlagen 


248 

werden  kann,  unversucht  gelassen  werjlen  müsse,  um  einen  so  wftnschens- 
werthen  Zweck  zu  erreichen. 

d)  dass  Simbschen  nicht  öffentlich  sondern  nur  in  Geheim  wirken 
solle,  um  die  senrische Nation  zum  Frieden  geneigt  zu  stimmen,  und  dass  selbe 
mit  ihren  gemässigteren  Friedensbedingnissen  an  den  bekannten  Comman- 
danten  der  Festung  Orsova,  Redscheb  Aga,  der  mit  den  nöthigen  Voll- 
machten versehen,  zur  Friedensunterhandlung  zu  weisen,  übrigens  aber 
Simbschens  eigenem  Ermessen  und  näherer  Bekanntschaft  mit  der  der- 
maligen Stimmung  der  Gemüther  zu  beurtheiien  anheimgestellt  und  nur 
annoch  bemerket  werde,  dass  die  strengste  Geheimhaltung  der  Sache  fortan 
von  der  grössten  Wichtigkeit  sei. 

(Abschrift.) 

xvn. 

1810,  21.  Mars.  —  Aus  dem  Schreiben  des  Fürsten  G^eorg 

Mettenüch  an  Simbsohen. 

Uebrigens  hat  nach  den  neuesten  Nachrichten  die  Pforte  bereits 
den  bekannten  Commandanten  der  Festung  Oi'sova,  Redscheb  Aga,  mit 
den  nöthigen  Vollmachten  und  Weisungen  versehen,  nur  die  Antrage  der 
Servier  anzuhören,  und  ihnen  die  Entschlüsse  des  türkischen  Hofes  mit- 
zutheilen.  Euer  Excellenz  wollen  daher  solches  dem  servischen  Senate  zu 
erkennen  geben,  damit  er  sich  von  nun  an  ohne  weiters  geradezu  an  ge- 
dachten Bevollmächtigten  wende  und  mit  selbem  unmittelbar  die  Ange- 
legenheiten der  Nation  ins  Beine  bringe,  indem  es  dem  allerhöchsten  Hof 
auf  keine  Weise  anstehet,  weder  die  Bolle  eines  Vermittlers  hiebei  auf 
sich  zu  laden,  noch  sonst  durch  eine  directe  Theilnahme  an  der  ganzen 

Verhandlung  irgend  einer  unangenehmen  Verwicklungsich  auszusetzen 

(Abschrift.) 

xvm. 

1810,  26.  April,  Wien.  —  FML.  und  General -Quartiermeister 

Graf  J.  Badetzky  an  Simbschen. 

Indem  ich  mii*  die  Ehre  gebe,  Euer  Excellenz  füi'  Dero  gütige  Mit- 
theilung unter  dem  9.  dieses  meinen  Dank  abzustatten,  beeile  ich  mich 
umsomehr,  Hochdenenselben  sowohl  die  richtige  Abgabe  des  an  Dero  Herrn 
Sohn  eingeschlossenen  Briefes  zu  bestätigen,  als  auch  E.  E.  über  den  Ge- 
schäftsgang in  Konntniss  zu  setzen,  welcher  seit  der  Ankunft  Sr.  Excellenz 
des  H.  FM.  Grafen  v.  Bellegarde  bei  dem  hofkriegsr&thlichen  Präsidio 


Rttflndot,  damit  E.  E.  aus  aller  Besorgtheit  w^n  Dorc)  güti^fen  Mit- 
leilung:  der  geheimen  Nachrichten  an  Jen  in  Poterwardein  kumniiindirten 
Of&iier  das  Generulstabs  sein  mngea.  Es  ist  der  hohen  Einsicht  Euor 
Eicellenz  niuht  eut^rangen,  welchen  Antheil  iler  (ieneralquartiBi-tnetstcr 
aD  der  Kenatniss  der  Vorgänge  in  und  ausser  unserer  Meniircliie  haben 
,  wenn  er  richtige  und  zum  Zwecke  fahrende  Dis^iositionen  ont- 
I  sntl;  es  ist  daher  die  ganze  Leitung  diese»  Geschäftes,  des  Kund- 
lafts-  und  Nachrichtesystems  aber  insbesondere,  mü-  übertragen,  und 
)  eigene  Bureau,  welches  ich  hiezu  habe,  besteht  ganz  aus  Milituirs, 
Ihiu  keine  der  vn  Euer  Eseellenz  und  sehr  vielfach  einlaufende  Nach- 
ea  irgend  in  die  Hände  eines  hofkriegsräthlichen  Civiliston  kfimmt. 
Wir  sehn  mit  Verlangen  Jen  rasuheu  Fortschritten  des  grossen 
HTerkee,  welches  E.  E.  da  unten  brennen  haben,  entgegen,  indem  der 
jVntzen  für  den  Staat  nui'  gross  und  aussehend  sein  kann. 

Genehmigen  E,  E.  die  Versicherung  meiner  ausgezeichnetsten  Hoch- 
ditung  und  Ehrfurcht,  mit  der  ich  bin  E.  E.  gehoi-sanister  Diener 
Graf  Radetzky. 
{Abdchrift.} 


XIX. 

jblO,  29.  April,  Wien.  —  Pürat  Georg  Hetternlch  an  Slmbschen. 

Auf  ausilrfick liehe  11  Befehl  H.  Majestät  soll  ich  bei  Gelegenheit  des 
t  dem  servisclien  Beputii-lan  SzaTics  Jug«vics  von  hier  nach  Peter- 
1  zurfickk ehrenden  UeiTn  Major  von  Simbschon  E.  E.  in  Erledi- 
ng Dero  Berichtes  v.  19.  Martio  von  der  gegen  diesen  Deputivten  hier 
rteo  Spi-acJie  und  der  Ansicht  des  Gegenstandes  Oberhaupt  zu  dorn 
ide  onten'ichten,  ilamit  dieselben  hierdurch  in  den  Stand  gosetzet  wer- 
den, bei  sich  ergehender  Gelegenheit  Dero  Aeussernngen  und  Benehmen 
darnach  zu  bemessen. 

Da«  eingesendete  Ulückswuuschschreiben  des  Kara  Georgia  zu  der 

Vermählung  der  durchlauchtigsten  Frau  Erzherzogin  Louise  mit  dem 

Kaiser  Napoleon  konnte  als  ein  neuer  Beweis  der  nie  bezweifelten  Ge- 

,  (üauungea  von  Anhänglichkeit  und  Vci'trauen  der  servischen  Nation  von 

^'Hajest&t  nicht  anders  als  mit  Wohlgefallen  aufgenommen  werden,  und 

i  dieaea  dem  Jugovics  in  den  allergnädigsten  Ausdrücken  zu  erkennen 

{eben  woi'den. 

Da  aber  nach  mehreren  ziemlich  verlässlich  und  aburoinstimmen- 

I  Anzeigen  aiu  ähnliches  Glücbswunschschreiben  von  Seite  des  Bel- 

r  Senates  auch  au  den  Kaiser  Napoleon  ei'gangen  ist,  so  wird  es 


260 

erforderlich  sein,  dass  E.  E.  sich  bestreben,  hierüber  besonders  aber  fiber 
die  darauf  etwa  erfolgende  mündliche  oder  schriftliche  Gegen- 
äusserung etwas  näheres  zu  erfahren. 

In  dem  Schreiben  an  unseren  allergnädigsten  Monarchen  wird  Ser- 
viens  Schicksal  in  dessen  und  in  des  Kaisers  Napoleon  Hände  gelegt.  Es 
würde  \ilso  in  jeder  Hinsicht  voreilig  sein,  sich  schon  deimal  über  die 
Anträge  von  Unterwerfung  und  Besetzung  Belgrads  durch  österreichische 
Truppen,  welche  Jugovics  kraft  einer  ihm  von  dem  Oberbefehlshaber  und 
dem  Senat  in  allgemeinen  Ausdrücken  abgefassten  Vollmacht  hier  münd- 
lich gemacht  hat,  zu  erklären,  besonders,  da  die  ähnliche  E.  £.  wohl  er- 
innerliche, über  den  nähmlichen  Gegenstand  gepflogenen  Verhandlung  in 
ihren  Resultaten  zu  einer  äusserst  unangenehmen  Compromittirnng  gegen 
Kussland  und  die  Pfoi-te  geführt  hat,  und  es  also  ganz  unverzeihlich  sein 
würde,  sich  der  Möglichkeit  eines  abeimaligen  dui*ch  die  Zeitumstände 
noch  ungleich  bedenklicheren  Missverständnisses  auszusetzen. 

Euer  E.  wollen  daher  von  diesen  Bemerkungen  den  angemessenen 
Gebrauch  machen,  wenn  etwa  das  duixh  die  Zeitumstände  mehr  als  je 
nothwondig  gewordene  umsichtige  Benehmen  des  hiesigen  Hofes  andere 
Beweggründe  als  den  eben  angefühi-ten  beigemessen  werden  wollte.  Man 
sollte  zwai*  nach  den  vielen  und  redenden  Beweisen,  welche  unser  aller- 
gnädigster  Monarch  von  seiner  Sorgfalt  und  Theilnahme  an  Allem,  was 
das  Wohl  Servions  betrifft,  und  von  seinem  Wunsche,  dieses  Wohl  mit- 
telst Herstellung  der  Ruhe  für  die  Zukunft  und  dauerhaften  Grundlagen 
zu  sichern,  jede  Missdeutung  dieser  Art  für  ohnmöglich  halten,  da  in- 
dessen ein  solcher  Fall  sich  schon  öfters  ereignet  hat,  so  dürfte  eine 
solche  Erinnerung  nicht  überflüssig  sein  nnd  E.  E.  die  Gelegenheit 
benutzen,  nicht  nur  die  österreichisch  ergebenen  Oberhäupter 
in  ihren  bisherigen  guten  Gesinnungen  zu  erhalten,  sondern 
selbe  auch  zur  thätigen  Mitwirkung  zu  einem  so  äusserst  er- 
wünschten Zwecke  mit  dem  Beisatz  aufzufordern,  dass  von 
Seite  des  hiesigen  Hofes  nichts  unversucht  gelassen  werden 
wird,  denselben  zu  befördern. 

Der  üeputii-te  Jugovics  hat  hier  vor  seiner  Abreise  ab  aerario  einen 
Reisebetrag  von  tausend  Gulden  in  B.  Z.  erhalten.  Man  hat  ihn  auch  in 
allgemeinen  Ausdrücken  in  die  Kenntniss  der  von  der  Pforte  vor  einiger 
Zeit  zu  einer  Aussöhnung  mit  Servien  gemachten  E.  E.  mitgetfaeilten 
Vorgloichsvorschlägen  gesetzt,  in  Betreff  derer  Details  aber  an  E.  E.  ver- 
wiesen, weil  Hochdieselben  nach  der  augenblicklichen  Lage 
der  Dinge  am  besten  zu  beurtheilen  im  Stande  sind,  was  ihm 
davon  mitgetheilt  werden  kann. 


261 

Ich  mas8  noch  eines  wichtigen  ümstandeB  erwähnen,  der,  wenn  er 
sich  bestätigte,  die  graste  Aufmerksamkeit  verdienen  würde.  Es  ist 
nähmiich  Sr.  Majestät  ganz  neuerlich  im  vertrauten  Wege  die  Anzeige  zu- 
gekommen, dass  H.  V.  Radofinikin  mit  einem  Corps  russischer  Truppen 
im  Anmarsch  sein  könnte,  um  von  den  servischen  Plätzen,  namentlich 
aber  von  Belgrad  Besitz  zu  nehmen.  Es  würde  übeiüüssig  sein,  E.  E. 
auf  die  äusserst  gefahrlichen  Folgen,  welche  für  Oesterreich  aus  einer 
solchen  Nachbarschaft  entstehen  müssten,  aufmerksam  zu  machen  und 
dass,  wenn  bis  zur  nähereu  Entwicklung  der  gegenwärtigen 
politischen  Conjunctureu  die  Zeitumstände  dermal  Oester- 
reich noch  nicht  gestatten,  die  festen  Plätze  Serviens  selbst 
zü  besetzen,  wir  doch  ebenso  wenig  deren  Besetzung  durch 
Russland  zugeben  könnten.  Ich  muss  daher  E.  E.  angelegentlichst 
empfehlen,  Dero  eiiistliche  und  angestrengteste  Aufmerksamkeit  darauf 
zu  verwenden,  hierüber  etwas  Bestimmteres  zu  erfahren  und  das  Er- 
hobene an  S.  Migestät  einzuberichten,  indem  ich  übrigens  nicht  zweifle, 
dass  Hochderselben  unter  einem  von  Seite  des  Hof  kriegsrathes  die  den 
Umständen  angemessenen  Weisungen  zugefertiget  werden. 

Mit  dem  bescheidenen  Benehmen  des  Jugovics  hatte  man  hier  alle 
Ursache  zufrieden  zu  sein,  und  können  E.  E.  ihm  dieses  rühmliche  Zeug- 
niss,  auf  welches  er  einen  Werth  zu  legen  scheint,  bei  Kara  Georg  und 
den  übrigen  Oberhäuptern  unbedenklich  ei-theilen. 

Ich  verharre  mit  vollkommenster  Hochachtung 

gehorsamster  Diener 

in  Abweseuheit  des  Herrn  Staatsministers  der  auswärtigen  Geschäfte 

P.  G.  Fürst  von  Metternich-Winneburg. 

(Abschrift.) 

XX. 

1810,  27.  Mai,  Wien.  -—   Hofkriegsrathspräsident  Graf  BeUe- 

garde  an  Simbschen. 

Da  die  gegenwäiiiigen  politischen  Conjunctureu  keineswegs  ge- 
statten, durch  Besitznahme  der  festen  Plätze  Serviens  neue,  weit  aus- 
sehende Verwicklungen  herbeizuführen,  so  haben  sich  E.  E.  vor  der  Hand 
blos  darauf  zu  beschränken,  dass  die  Aufmerksamkeit  auf  die  doi*tigon 
Voi^nge  verdoppelt  und  selbe  so  schnell  als  möglich  und  verlässlich  ein- 
berichtet werden,  ohne  sich  weiter  in  etwas  einzulassen,  was  mit  denen 
Zeitamständon  eben  so  wenig  als  mit  denen  freundschaftlichen  Verhält- 
nissen unseres  Hofes  gegen  die  Pforte  vereinbarlich  wäre,  weswegen  auch 


252 

mit  denen  an  der  Grenze  befindlichen  Tmppen  solche  Bewegungen, 
welche  denen  Russen  oder  Serviern  auffallen  oder  zu  Deutungen  Anlass 
geben  könnten,  durchaus  vermieden  werden  müssen  .  .  . 

(Abschrift.) 

XXI. 

1810,  30.  August,  Wien.  —  Schreiben  des  Ministers  Fürsten 

Gtoorg  Mettemich  an  Simbschen. 

(31.  Aagust  von  Bellegarde  zageschickt  und  4.  September  empfangen.) 

Da  unter  den  gegenwärtigen  Umstanden  die  Kriegsoperationen 
längs  der  senrischen  Grenze  leicht  sehr  lebhaft  werden  könnten  und  es 
daher  dringlich  wird,  mehrere  darauf  Bezug  habende  Anordnungen  ohne 
Zeitverlust,  jedoch  mit  der  nöthigen  Geheimhaltung  zu  ti*effen,  haben 
Sr.  Majestät  mir  und  dem  Gen.  Feldmarschall,  Hof  kriegsrathspräsidenten 
Grafen  von  Bellegardo  aufzutragen  geruhet,  E.  E.  mittelst  Abscgidang 
eines  eigenen  Offiziers  mit  den  eigenen  Weisungen  zu  versehen. 

So  wie  ich  mich  nun  in  Ansehung  desjenigen,  was  in  den  militäri- 
schen Wirkungskreis  gehöret,  auf  das  hierüber'  von  Seite  des  gedachten 
Herrn  Hofkriegsrathspräsidenten  unter  einem  an  E.  E.  gelangende  be- 
ziehe, beschränkt  sich  das  in  politischer  Hinsicht  einzuhaltende  Benehmen 
auf  folgende  Gesichtspunkte: 

1.  Sicherstellung  unseres  eigenen  Grenzcordons. 

2.  VoiTückung  der  Russen  gegen  Beigrad. 

3.  Vordringen  der  Türken  in  Servien. 

4.  Die  denen  Serviern  zu  machenden  vertraulichen  Mittheilungen, 
ad  1.  In  Ansehung  des  Gordons  kommt  nichts  anderes  zu  erinnern, 

als  dass  er,  um  seinem  Endzwecke  zu  entsprechen,  hinreichend  sein  muss, 
das  diesseitige  Territorium  gegen  jeden  Unfug  der  gegen  selbes  vordrin- 
genden Parteien  zu  schützen  und,  wenn  es  nöthig  wird,  Gewalt  durch 
Gewalt  abzutreiben. 

ad  2.  Die  Wendung,  welche  der  Krieg  an  der  untern  Donau  zu 
Gunsten  der  Pforte  genommen  hat,  und  einige  andere  Daten  lassen  eine 
Vurrückung  der  Russen,  um  sich  Belgrads  zu  bemeistem,  vorhersehen,  und 
hätten  daher  Euer  E.  für  dermalen  Dero  ganze  Aufmerksamkeit  zu  be- 
schi'änkcn,  von  den  Bewegungen  der  streitenden  Parteien  die  möglichst 
genauesten  und  verlässlichen  Kundschaften  einzuziehen,  da  die  gewöhn- 
lichen nur  selten  der  Absicht  zu  entsprechen  scheinen. 

ad  3.  Es  ist  E.  Excellenz  bekannt,  dass  die  Nation  und  ihre  Ober- 
häupter dieses  Frühjahr  einige  Bereitwilligkeit  bezeiget  haben,  sich  unter 


Knrissen,  sie  viir  kfinftigea  Bodi-fickiiiigen  sichernden  Bedingnnc^n  unter 
iJiA  Garantie  OeBteneichs  mit  der  Pfoi-to  auf  eine  friedliche  Art  auszu- 
gleichen, niiil  dass  liie  Sache  durch  diesBeitige  ßeraßhiingen  bereits  dithin 
gMiehen  var.  düss  eine  Art  stillschweigenden  WaffeustiUstuniles  xwisohcn 
deaTarkenund  Semern  längs  der  Grenze  bestand,  auch  der  türkische  Com- 
mandant  von  Orsova  bevnllmiichtigt  war.  mit  letztem  die  Grundlage  einer 
Annäherung  zu  verabreden.  So  wie  es  aber  bald  darauf  der  ruHsischen  Pai'tei 
|M  Rrfiffnung  des  diesjähriifen  Feldzuges  durch  allerlei  Mittel  gelang:,  diese 
)dIicbenlleiitrebnn^enzuhititei'treiben,undimserviecheuSeQatdei'gestalt 
IftOberhand  zu  gewinneu,  daas  die  Daterhaudlungen  abgebrochen  wurden, 
binuastodieNothlage  der  Servier  g^renwlirtig  wieder  eine  gänzlich  verän- 
»  Lage  der  Dinge  herbeiführen,  welche  die  Servier  geneigt  machte,  aber- 
b  auf  die  unlängst  bezeugten  friedlichen  Gesinnungen  xurOclcznkouiinen. 
ad  4,  In  dieser  Hinsicht  nun  ist  es  S.  Majestät  Willensmeinung  und 
rfehl,  dass  der  g^euwärtige  Augenblick  benutzt  werde,  um  in  einer 
rauliohen   Unterredung,  welche  E.  E.  ohne  Zeitverlust  mit  Czerni 
BOl^iaoder  einigen  anderen  der  dem  diesseitigen  Interesse  günstigen  aer- 
:hen  Oberhäuptern,  auf  eine  un  auf  sichtliche  Art  veranstalten  wullen, 
Qselben  mit  der  n^ithigea  Umsicht  zu  erkennen  zu  geben,  dass  der 
hiesige  Hof  sich  bekunntermassen  bei  der  Pfi)rte  immer  verwendet  habe, 
um  den  «o  sehr  erwünschten  fiuhestand  in  Servien  auf  beiderseits  an- 
nehmliche Bedingungen  wieder  herzustellen,  und  nicht  nur  bereit  sei,  dies 
ancb  fernerhin  zu  thun,  sunJern  selbst  die  Garantie  des  zu  Verabredenden 
in  übernehmen,  tiamit  auf  solche  Art  der  Nation  jede  mit  den  Umständen 
verträgliche  Sicherheit  verschafft  werde;  nur  würden  sie  wohl  einsehen, 
Ihss  die  erste  Bedingung  davon  sein  müsste,  dass  die  Feindseligkeiten 
^ngeetellt  werden  und  die  mit  den  Russen  vereinigten  servischen  Trupiieii 
^Bdi  von  selben  trennen.    Es  wäi'e  ihnen  bei  dieser  Gelegenheit  das  Tau- 
^Bbende  der  russischen  Verbcissungen,  die  sich  bisher  so  wenig  bewährt 
^■Aeo.  und  allem  Anscheine  nach  in  Zukunft  noch  weit  weniger  bewähren 
Hlrften,  in  Erinnerung  zu  bringen,  und  begreiflich  zu  machen,  wie  sehr 
^k  wohlverstandenes  Interesse  es  gegenwärtig  mehr  als  je  erheische,  sich 
^■eschUesslich  an  den  Schutz  des  hiesigen  Hofes  zu  halten,  und  keinen 
^■idaren  Kinflüsterungen  was  immer  für  einer  Art  Gehör  zu  geben.    Ihre 
^hgenäusseiiing,  sowie  übei'liimpt,  was  Qbei*  ihre  dermalige  Ansicht  des 
^HgQDstondes  und  Geneigtheit  von  den  vormals  geforderten  Bedingungen 
^^tter  Ausgleichung  ein  oder  der  andere  Punkt,  an  welchem  sich  selbe  vor- 
^■glich  gostuBseu  hatten,  aufzugeben,  einiges  Licht  verbreiten  kann,  wäie 
^■diuin  vnn  E.  E.  so  umständlich  und  so  schleunig  als  möglich  hieher 
^Bbxulierichtcn .  Da  eine  solche  Ausgleichung  der  an  gelegentlichste  Wunsch 


254 

unseres  allei-gnädigsten  Monarchen  ist,  und  eine  längere  Fortdauer  des 
gegenwärtigen  so  unrnhevollen  Znstandes  der  Dinge  in  Servien  anf  keine 
Weise  zugegeben  werden  kann. 

E.  Excellenz  sind  bereits  vormals  beauftiaget  gewesen,  den  Serviem 
die  Absendung  eines  österreichischen  Consuls  nach  Belgrad  anzukündigen, 
an  welchen  sie  sich  wenden  könnten,  um  das  Weitere  in  der  Sache  zu 
verabreden:  Hochdieselben  werden  nun  ermächtiget,  ihnen  die  Ankunft 
dieses  Consuls  als  nächst  bevorstehend  förmlich  anzuzeigen,  da  man  nur 
noch  beschäftiget  ist,  ihn  hierorts  mit  den  nöthigen  Weisungen  zu  ver- 
sehen. Er  wird  bei  seiner  Abreise  an  Euer  Excell.  gewiesen  werden,  um 
die  durch  die  neueston  Zcitläufe  nothwendig  gewordenen  Anleitungen  zu 
empfangen.  S.  Majestät  i*echnen  bei  der  Ausführung  des  vorliegenden 
wichtigen  Auftrages  mit  vollkommener  Zuvei-sicht  auf  Euer  Exe.  erprobte 
Einsicht,  Kcnntniss  der  Localität  und  Personen,  indessen  ich  mit  Ver- 
gnügen die  Gelegenheit  benutze,  Hochdenselben  die  Versicherung  jeuer 
ausgezeichneten  Hochachtung  zu  erneuern,  mit  welcher  die  Ehre  habe 
zu  sein  .  .  . 

(Abschrift.) 

xxn. 

1810,  31.  August,  Wien.  —  HofkriegsrathspraBident  Bellegarde 

an  Simbsohen. 

Darin  fand  sich  die  Bemänglung:  dass  sowohl  S.'  Berichte  als  auch 
eingeschickte  Kundschaftsnachrichtcn  nicht  entsprechend  und  den  wirk- 
lichen P^reignissen  adäquat  befunden.  S.  möge  sich  daher  sowohl  bei  dem 
Semlincr  Militär-Commandanten  Obersten  Perss  als  auch  bei  den  übrigen 
«liesfalls  bosser  versehen  und  au  der  servischen,  bosnischen  und  frauzö- 
sisch-illyrischen  Grenze  eigene  Offiziere  zur  Beobachtung  und  Einholung 
verlässlicher  Kundschaftsnachiichten  anstellen. 

(Abschrift.) 

xxm. 

1810,  e./21.  September,  Varvarin.  —  Kara  Georgia  Petrovioh 
an  seinen  Qeheimschreiber  Stefan  Jeftios. 

(Au«  dem  SerbiRchen  übersetzt) 

Gevatter  Steve! 

Hiemit  mache  ich  Ihnen  bekannt,  dass  mir  von  dem  kommandireu- 
den  Herrn  Generalen  in  Slavonien  drei  Schreiben  zugekommen  sind,  welche 


ichllmen  übersende,  und  uub  wclcheo  Sie  ersdiBn  werden,  wiisoi-  si^hruibt: 
,  icb  babo  nuch  keines  beantwortet. 

Im  ersten  schreibt  er  wegen  gewisser  türkischer  Kaniiüen  aus  Se- 

udria,  w^en  welcher  ich  scliuii  verflossen  on  Winters  dem  Vala  den 

ti'og  ertbeilt,  selbe  nnter  iler  Haud  herüber  tu  lussen.  wie  es  bei-eits 

loh  geooheheu  ist.  Nnn  schreibt  er  mir  wieder,  das»  von  diesen  Familien 

1  dm  2urück|i;ebliebeu  seien,  welche  ich  auch  uuf  die  deutBclio  Seite 

lHberlusäeu  solle.  Jetzt  i^t  es  weder  Zeit  dazu,  nuch  erlauben  es  meine 

ll&^nde,  UQsern  Feind  jetzt  aus  dem  Liindit  zu  lassen,  welchen  unser 

Uid  ganz  bekannt  ist.    lub  habe  ihm  schon  gi'si'Jirieben  imd  ftosu^t, 

s  sobald  es  einmul  Frieden  gibt,  ich  nicht  nur  eine  itder  zwei  soudcrii 

Alle  entlassen  und  ihm  übei^ben  werde. 

Im  Andern  eichi-eibt  er  nowohl  mir  als  dem  Senut,  liikss  er  uns  ciueii 
gewissen  Consul  für  Serbien  zusenden  wird,  jetzt  in  der  grrisKteu  Vcr- 
wii'mng.  durch  welche  Cuntiuls- Ankunft  suwulil  sie  als  wir  iks  grrisste 
Duf^lflck  uns  zuziehen  könnten,  wenn  es  die  Kursen  ei-fahi-eu. 

Im  dritten  Schreiben  ludet  er  mich  zu  einer  geheimen  Unterredung 
li  Semlin  ein,  wuzu  jetzt  keine  Zeit  ist,  dass  ich  meine  Grenzen  ver- 
1)6,  denn  jetzt  sieht  Alles  auf  mich,  und  wenn  icb  jetit  meine  Geechäfte 
srlJesBe,  sn  kannte  Alles  hiednrch  verdarben  werden.    Ich  weiss  auch 
at,  was  dies  für  eine  (geheime  Unterredung'  sei,  welche  er  nicht  schrift- 
h  mittheilen  kOnne,  da  ich  keine  Gebeimuisaehabe.  von  welchen  meine 
■e  keine  Kenntniss  hätten.  Weitere  schreibt  er  mii',  dass.  wenn 
t  selbst  kommen  kr'nnte,  icb  ein  iiaar  vertraute  Leute  statt  meiner 
uken  seüte,  welchen  er  vei-lruucn  kilunte. 

Ich  weiss  gegenwärtig:  keinen  andern  als  Sie,  den  ich  statt  meiner 
D  schicken  kOnute,  um  »ich  über  Alles  zu  besprechen,  und  diiniit  er 
e  Geheimnisse,  so  er  mii-  sayeu  wollte,  Ihnen  entdecken,  und  icb 
I  darnach  beuehmen  kinine.  Sie  können  in  meinem  Namen  unbe- 
Blir&nkt  über  Nuubsteheudcs  reden.  Erstens:  Ihn  zu  befragen,  was  er 
Ibeimes  mit  uns  zu  reden  habe.  Dies  soll  er  Ihnen  eröffnen  Wird  Ihnen 
,  dass  sie  uns  zum  Besten  der  Nation  einen  Consul  schicken  «ollen, 
I  ItOooen  Sie  ihnen  antworten,  dass  uns  in  dieser  verwnilAn  und  kiiti- 
1  Zeit  du-  Consul  allein  nichts  helfen  könne,  sondern  dass  nur  ein 
[en  den  Feind  gestelltes  IK' er  die  wahre  llUfesei.  Sie  sehen  jet^t  selbst, 
B  Baseland  seine  Kriegsmacht  gegen  die  Türken  aufgestellt  und  uus- 
ibreitet  habe,  auch  seine  Armeen  sich  bis  an  unsere  Gi-nnzen  uiibdehiieti 
1  somit  ans  helfen,  die  Türken  eher  zum  Frieden  zu  zwingen  und  iiu- 
t  Unabhättirigkeit  m  erwirken:  nach  dem  Frieden  »bei  wollen  nii  gai 
t  nisHischen  Truiipeii  Mit  iinserei'  Seite  haben.  Wie  killte  denn  ^u<\ 


256 

jetzt  der  Consul  Sr.  kais.  Majestät  allein  sich  zu  Belgrad  aufhalten?  Dies 
wäre  ja  sowohl  Frankreich  als  Bussland  zuwider,  oder  es  mfissten  die 
Consuln  aller  drei  kaiserlichen  Höfe  zu  Belgrad  residiren,  aber  das  wäre 
auch  unthunlichi  und  ebenso,  wenn  ohne  Einvernehmen'aller  drei  Kaiser- 
thümer,  nämlich  Russlands,  Frankreichs  und  Oesterreichs,  eines  seine 
Armee  auf  dem  linken  Donau-  oder  Save-Ufer  halten  wollte;  daher  es  am 
besten  wäre,  wenn  sich  die  Höfe  yerständigen  würden,  was  sie  bezwecken 
und  für  Recht  erkennen;  dazu  sind  wir  auch  bereitwillig.  Wir  wünschen 
unsere  Gesetze  und  Privilegien  zu  erhalten.  Wer  sich  dann  aber  als  onser 
Beschützer  darstellt,  dem  werden  wir  auch  dfuikbar  sein.  Die  übrige 
europäische  Türkei  hingegen  sollen  die  drei  Kaiser  unter  einander  ?er- 
theilen,  wie  sie  es  am  besten  wissen. 

Sobald  Sie  den  commandirenden  Herrn  Generalen  befragen,  was  er 
jetzt  zu  reden  beschlossen  habe,  soll  er  Ihnen  bestimmt  erklären,  ob  sie 
uns  helfen  oder  nicht  helfen  wollen,  damit  wir  es  bei  Zeiten  wissen.  Wenn 
sie  sich  hierauf  erklären,  dass  sie  uns  helfen  können,  so  soll  ihre  Mühe 
nicht  ohne  Dank  und  Erkenntlichkeit  bleiben,  doch  müssen  wir  beider- 
seits wissen,  von  welcher  Art  diese  Hilfe  sein  soll;  denn,  wenn  sie  die 
Türken  in  8  oder  10  Tagen  von  allen  unsren  Grenzen  zurückschlagen 
oder  entfernen  können,  so  sollen  sie  es  bald  thun,  damit  wir  ihren  Ver- 
heissungen  trauen  und  für  die  Zukunft  ai'beiten  können;  ist  aber  auch 
dies  nicht  thunlich,  so  sollen  sie  nur  in  Bosnien  einfallen;  wir  wollen 
ihnen  Bosnien  erobern  helfen.  Wir  wissen  auch,  dass  ihnen  Frankreich 
darin  nicht  zuwider  sein  wird;  dadurch  wäre  uns  auch  geholfen.  Wenn 
aber  in  diesen  verwiri-ten  Zeiten  ein  Kriegsheer  offen  hieher  nach  Serbien 
käme,  so  würde  dies  den  Russen  sicher  zuwider  sein,  so  dass  diese  dann 
sammt  den  Türken  sowohl  über  uns  als  auch  über  Oesterreich  herfallen 
und  uns  beide  somit  in  das  gif>sste  Unglück  stürzen  würden.  Wenn  sie 
aber  über  das  nun  leere  Bosnien  herfielen,  so  könnte  Alles  leicht  bewirkt 
und  ihr  Wunsch  und  Wille  befriedigt  werden,  unter  dem  guten  Verwand, 
dass  nachdem  die  Russen  mit  ihrer  Kiiegsmacht  in  Bulgaiien  wirken,  die 
Oesterreicher  es  mit  gleichem  Rechte  in  Bosnien  thun  könnten.  Bosnien 
wäre  jetzt  leicht  zu  erobern,  weil  sie  jetzt  viele  Tinippen  gegen  uns  ge- 
wendet und  auch  einen  Theil  gegen  die  Russen  abgeschickt,  sohin  die 
bosnischen  Festungen  leer  gelassen  haben.  Hiedurch  könnten  sie  uns 
eine  Hilfe  und  sich  zugleich  einen  grossen  Nutzen  verschaffen.  Uebrigens 
wird,  so  weit  ich  es  begi*eife,  es  keinem  Hofe  lieb  sein,  dass  ein  anderer 
dies  fertige,  mit  so  viel  eigenem  Blute  eroberte  Land  unter  seine  Herrschaft 
bringe,  da  es  um  Serbien  herum  in  der  europäischen  Türkei  Lftnder  genug 
gibt,  welche  die  Kaiseimächte  sich  leicht  unterwürfig  maohen  konnten. 


257 

Es  wäro  zwar  leicht,  ein  fertiges  Land  in  Besitz  zu  nehmen,  aber 
die  anderen  Höfe  werden  es  nicht  zulassen.  Doch  soll  ein  vernönftiger 
Mensch  seinen  ersten  Freund  und  nächsten  Nachbar  am  meisten  achten 
und  sich  von  ihm  nie  abwenden;  hiemit  ist  Ihnen  genug  bekannt  und  be- 
stimmt worden. 

Jetzt  gibt  es  viele  russische  Leute  in  unsenn  Lager,  welche  dai-auf 
sehen  und  spähen,  ob  Serbien  ein  anderer  Hof  annehmen  oder  ob  es,  wie 
eB  heisst,  für  sich  bleiben  werde.  Eussland  hat  ein  grosses  Augenmerk 
sowohl  auf  uns  als  auf  Oesterreich,  damit  wir  letzteres  nicht  (zum  Herrn) 
annehmen  oder  vielleicht  jemand  andern;  es  wünscht,  dass  wii*  nichts 
anders  als  türkische  ünterthanen  seien,  jedoch  für  uns  allein  bestehen 
und  dem  Kaiser  (der  Türkei)  einen  Pauschal-Tribut  entrichten,  wie  es 
vorhin  die  Moldau  und  Wallachei  gethan  hat.  Doch,  wer  uns  zuerst  den 
Frieden  erwirkt,  der  soll  auch  unser  Schutzherr  worden.  Bussland  weiss 
CS,  dass  wir  Niemands  Ünterthanen,  sondern  für  uns  selbstständig  zu  sein 
wünschen,  aber  wir  wissen  auch,  dass  uns  Oesterreich  am  nächsten  steht, 
und  dass  dasselbe  uns  bisher  jede  Hilfeleistung  geboten  hat,  deswegen  ist 
auch  Eussland  besorgt  und  zögert  so  sehr,  deshalb  müssen  wir  auch  ins- 
geheim und  vor  ihm  verborgen  handeln. 

Ich  verlange  nur,  dass  Sie  (der  commandirende  Herr  General)  mir 
durch  diese  meine  Leute,  welchen  Sie  so  wie  mir  selbst  vertrauen  können, 
die  echte  Wahrheit  aufrichtig  als  Antwort  sagen  und  werde  Ihnen  her- 
nach meinen  letzten  Entschluss  bekannt  geben.  Denn  in  der  langen  Zeit 
von  sieben  Jahren  hat  uns  Kussland  nicht  die  geringste  Hilfe  in  irgend 
einem  Stücke  geleistet,  ausser  so  weit  es  sein  eigenes  Interesse  eif ordert 
hat,  aber  von  Ihnen  haben  wir  Hilfe  und  sogar  Ihre  Ünterthanen  zu  sein 
erbeten,  jedoch  haben  Ihre  Uuistände  und  Ihr  Staatsinteresse  es  nicht  zu- 
lassen können,  sondern  haben  uns  dies  von  einem  Tag  zum  andern  und 
bis  auf  heute  vorenthalten. 

Ich  kann  keinem  Hofe  etwas  befehlen,  sondern  nur  in  meinen  Nöthen 
um  Gnade  bitten.  Also,  die  drei  Kaiser,  der  russische,  österreichische  und 
frainzösische  sollen  sich  mit  einander  ins  Kinvei'uehmen  setzen,  denn,  so 
wie  es  ihnen  gefällig  sein  und  ihr  Interesse  mit  sich  bringen  wird,  sollen 
sie  unter  einander  ausmachen;  ich  werde  allem  beitreten. 

Jenes  Reich  aber,  welches  von  einem  aimen,  bedrängten  Volke, 
welches  sich  mit  seinen  Thränen  und  seinem  Blute  selbst  befreit  hat,  ohne 
alle  Mflhe  zur  Unzeit  Nutzen  ziehen  will,  wird  selbst  dem  lieben  Heiland 
zuwider  sein,  denn  gi'oss  ist  die  Gerechtigkeit  Gottes,  und  Niemand  kann 
wissen,  was  er  noch  erleben  wird. 

Arehir.   lld.  LXXVI.  I.  H&lfte.  17 


258 

Wir  wollen  keinem  Kaiserreiche  entgegen  sein,  ausser  einem  ofifen- 
baren  Feinde,  den  Türken»  von  welchem  wir  nie  Ruhe  und  Frieden  hatten, 
was  wir  nimmer  ertragen  können  und  uns  bis  zum  letzten  Blutstropfen 
wehren  wollen,  bis  zuletzt  der  Wille  des  Hen'n  geschieht.  Allen  Höfen 
ist  OS  bekannt,  was  für  ein  Joch  der  Sklaverei  wir  von  dem  Türken  er- 
dulden mussten,  was  nicht  mehr  zu  erti-agen  war.  Wir  sind  auch  gegen 
kein  Beich  aufgestanden,  um  es  zu  stürzen,  sondern  nur,  um  uns  von  dem 
schweren  Joche  und  der  schweren  Barbarei  zu  befi^eien  oder  zu  Grunde 
zu  gehn.  Wer  uns  jedoch  im  Einverständniss  mit  den  übrigen  Höfen  auch 
ein  formliches  Kriegsheer  zur  Hilfe  sendet,  von  dem  wollen  wir  ein  solches 
auch  bereitwillig  entgegennehmen,  nur  damit  wir  uns  die  Türken  vom 
Halse  schaffen;  sollten  wir  ihnen  oder  auch  dem,  welcher  uns  zuerst  mit 
den  Türken  Frieden  schafft  und  für  uns  Bürge  ist,  einigen  Pauschaltribnt 
geben  müssen;  nur  wollen  wir  keinen  Türken  unter  uns  leiden.  Den  ein- 
stimmigen Abmachungen  und  Beschlüssen  der  Kaiser  wollen  wir  beitreten; 
was  die  Zeit  zuletzt  mit  sich  bringt  und  die  Weisheit  des  uns  nächsten 
Hofes  als  unseres  ei-sten  Freundes,  das  soll  auch  schliesslich  geschehn. 

Varvarin,  am  9.  21.  Sept.  1810. 

Kara  Georgia  Petrovics, 

(Abschrift.)  Oberster  serbischer  Anführer. 

xxrv. 

1810,  24.  October,  Graz.  —  Kaiser  Franz  I.  an  Simbschen. 

Lieber  Fcldzongmeister,  Baron  Simbschen! 

Ich  finde  es  den  Umständen  und  Meinem  Dienste  angemessen,  das 
von  Ihnen  bisher  geführte  Goncral-Commando  an  den  Feldzeugmeister 
Ililler  zu  übertragen.  Sie  werden  daher  gedachtem  Feldzeugmeister,  so- 
bald er  bei  Ihnen  eintrifft,  nicht  nur  alle  Generalcommando-Geschäfte, 
sondern  auch  alle  erhaltenen  Instructionen  und  Weisungen  in  Betreff  der 
servischen  und  türkischen  Angelegenheiten  ordnungsmässig  übergeben 
und  ihn  von  allen  bisherigen  Verhandlungen  und  Gang  dieser  Geschäfte 
genau  in  die  Kenntniss  setzen,  sodann  sich  aber  für  Ihre  Person  nacb 
Wien  verfügen,  wo  Ihnen  Meine  weitere  Willensmeinung  bekannt  gelben 
werden  wird.  (Abschrift.) 

XXV. 

1810,  9.  Deoember.  —  Hofkriegsrathspräsidiiun  an  Simbsoheii. 

S.  Majestät  hätten  in  der  Zeit,  wo  noch  das  General-Commando  in 
Slavonien  von  S.  geführt,  in  mehreren  ihm  übei'ti'agenen  politischen  Ver- 


259 

handlangen  sein  unzwockmä8siges  Benehmen  zu  missbilligen  und  aus- 
«Inicklich  zu  befehlen  befanden,  dass  ihm  die  vorhergegangeneu  Verhand- 
lungen zu  dem  Ende  bekannt  gemacht  werden  sollen,  um  dem  hofkriegs- 
rfithlichen  Präsidio  darüber  ehestens  seine  umständliche  Bochtfei-tigung 
zukommen  zu  machen,  welche  selbes  sodann  Sr.  Majestät  vorzulegen  be- 
auftragt sei.  (Abschrift.) 

XXVI. 

1810,  28.  Februar. 

1)  (Auszug  ans  dem  General-Conimando  Elenchus  des  polit.  Dcpartem.) 

Bericht  des  Semliner  Militär -Commando,  dass  der  gewesene  ser- 
vische  Anführer  Milojc  Potrovics  aus  SeiTien  entwichen  und,  da  er  sich 
erklärt,  kaiserlicher  Unterthan  worden  und  herüben  bleiben  zu  wollen,  in 
die  Semliner  Contumace  aufgenommen  wurde. 

1810,  2.  März. 

2)  Semliner  Militär-Commando.  Ansuchen  des  servischen  obersten 
Anführers  Kam  Georgia  Petrovics  um  Auslieferung  des  herüber  geflüch- 
teten Miloje  Petrovics. 

1810,  6.  März. 

3)  Miloje  Petrovics  habe  nunmehr  auscontumazirt  und  sei  verhaftet 
worden.  (Oberst  Perss  an  Simbschen.) 

4)  1810,  7.  März. 

Semliner  Militär-Commando  meldet,  dass  der  airetirte  Miloje  Petro- 
vics S.  Majestät  selbst  oilor  dem  c^mmaudirenden  Generale  wichtige  Ent- 
deckungen machen  wolle. 

f))  1810,  13.  März,  Semlin.  —  Oberst  Ferss  an  Simbsohen. 

Zufolge  der  hohen  Verordnung  v.  1 1.  u.  präs.  12.  curr folget 

der  hier  inhaftirt  gewesene  Servianer  Miloje  Petrovics  unter  der  Beglei- 
tung eines  Herrn  Offiziers  und  zweier  verlässlichen  Gemeinen  mit  dem 
commissionaliter  versiegelten  Felleisen  zu  weiterer  hoher  Verfügung  in 
dieser  Sache,  wozu  man  noch  beifüget,  dass  der  begleitende  Herr  Offizier 
den  Auftrag  erhielt,  den  gesagten  Miloje  Petrovics  an  das  dortige  Festungs- 
kommando.  das  Felleisen  aber  an  die  hohe  Landesstelle  abzugeben  und 

seinen  Marsch,  den  selber  heute  antrat,  schnell  fortzusetzen. 

17* 


260 

1810,  14.  Mars,  Feterwardein.  —  Gtoneral-Auditor  Lieutenant 
von  PU^am  an  das  FeBtungsoonunando. 

6)  Da  der  Miloje  Petrowics  gostern  mittelst  Escorte  eingetroffen, 
gegen  welchen  mehrere  Aussagen  wegen  des  aii  geraubten  Sachen  genom- 
menen Antheils  von  den  Thätorn  eingebracht  wurden,  so  wird  das  Festungs- 
commando  angewiesen,  den  Miloje  Petrovics  durch  das  Stabsanditoriat 
darüber  vernehmen,  sein  mitgebrachtes  Felleisen  commissionaliter  in 
Gegenwart  des  Petrovics  untersuchen  und  beschreiben,  wobei  das  vor- 
gefundene Geld  bei  dem  Judicio  delegato  Militari  depositiren  und  davon 
die  anerlaufenen  Escortinmgsunkosten  zufolge  anliegender  Berechnung 
gegen  Quittung  tilgen  zu  lassen,  über  den  Befolg  sodann  den  Bericht  zu 
erstatten. 

Expediatur,  Simbschen.  Pilgram  m.  p. 

1810,  2.  August,  exped.  —  Sünbsohen  an  Herrn  Auditor-Lieute- 
nant Pilgram  beim  Appellationsgeriohte. 

7)  Die  am  6.  u.  30.  December  1809  ausgelieferten  Eauber  sollen 
nach  Aeusserung  des  H.  Gen.  Auditor-Lieutenant«,  wie  bereits  bekannt, 
ausgesagt,  dem  Miloje  Petrovics  von  dem  Eaube  106.000  Gulden  abgeführt 
zu  haben.  Da  der  Kara  Georgia  Petrovics  die  zu  Sabacz  vorgefundenen,  ge- 
raubten Präziosen  zur  Zurückstellung  an  die  Eigenthümer  dem  Appel- 
lationsgerichte zugeschicket,   so  kommt  aus  den  Acten  ein  Auszug  zu 
machen,  worin  obige  Summa  specifisch  auszuweisen,  um  selbe  an  den 
obersten  servischen  Anführer  schicken  und  die  Hereinbriuguug  von  dem 
Miloje  Peti*ovics\schen  Nachlasse,  wie  er  versprochen  hat,  fordern  zu 
können.    Ebenso  wird  mit  den  am  22.  Juli  d.  J.  ausgelieferten  Banater 
Raubern:  Theodor  Thodorovics,  Xivan  Csarapics  und  Simo  Kossanovics 
füi-zugehen  sein,  wenn  ihr  Verhör  vollendet  und  erhoben  werden  sollte, 
dass  sie  die  im  Banate  unter  dem  Uaram  Bassa  Knsman  Buli  geraubten 
siebenzig  tausend  Gulden  mit  Miloje  Petrovics  getheilet  haben,  um  so, 
wie  bereits  Sr.  Majestät  dem  Kaiser  und  dem  Kriegsministerio  die  vor- 
läufige Anzeige  gemacht,  auch  von  Seite  des  Appellationsgerichts  dem  Hof- 
kiiegsrathe  hierüber  Bericht  erstatten  zu  können. 

Simbschen. 
(Abschrift.) 


Ausfi^egeben  am   1.  Juli  1890. 


Archiv 


Brreichische  Oeschichte. 

Herausgegeben 

Pfl^  raterländischer  Geschichte  aufgestellten  CodudIssIoii 

in 

kaiserlichen  Ucademie  der  WlBsenschafteo. 


SechsundsiebzigBter  Band. 

Zweite  Hälft«. 


Wien,  1890. 

In   CommiBBioD  bei   F.  Tempiky 


\ 

\ 


Archiv 


für 


österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

von  der 


zur  Pflege  vaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Cummission 


der 


kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Sechsundsiebzigster  Band. 


Wien,  1890. 

In    Gommission    bei    F.   Tempsky 

Bachhindler  dar  fads  Alud«nii«  d«r  Wfw ntchifteii 


Druck  TOD  Adolf  Holiliftason  in  Wi«n. 


\- 


\  . 


Inhalt  des  sechsandsicbzigsten  Bandes. 


Seite 
Die    Augsburger   Allianz    von    1686.     Von    Dr.  H.  v.  Zwiediueck- 

Südenhorst 1 

Ueber   den  Zug  Kaiser  Karls  V.  gegen  Algier.     Eine    Untersuchung 

von  Dr.  Gustav  Turba  25 

Briefe  der  Kaiserin  Maria  Theresia  und  Josefs  II.  und  Berichte  des 
Obersthofmeisters  Grafen  Anton  Salm  (17.  März  1760  bis  16.  Jänner 
1765).  Aus  dem  Fürstlich  Salm^schen  Archive  zu  liaitz.  Mit- 
getheilt  von  Dr.  phil.  Franz  Zweybrück 109 

Josef  Freiherr  von  Simbschen  und  die  Stellung  Oesterreichs  zur  ser- 
bischen Frage  (1807  —  1810).  Von  Dr.  Franz  Kitter  von 
Krones 127 

Studien   über  das  Stiftungsbuch    des  Klosters   Zwettl.     Von  Dr.  phil. 

Michael   Tangl 261 

£>ie   Einführung    des   Johanuiter-Ritterordens    in   Kärnten    und  dessen 

Commende  und  Pfarre  Pulst  daselbst.  Von  August  von  Jaksch     349 

1814.  Ausgang  der  französischen  Herrschaft  in  Ober-Italien  und  Brescia- 
Mailänder  Militär -Verschwörung.  Mit  einem  urkundlichen  An* 
hange.     Von  Freiherr  von  Helfert 405 

Zur   deutschen  König^wahl  Maximilians  I.   Von  Dr.  Adolf  Bachmann     557 


V 


STUDIEN 


ÜBER  DAS 


STIFTUNGSBUCH 


DES 


KLOSTERS  ZWETTL 


VON 


j)B  pjj.L  MICHAEL  TANGL. 


Ai^T.  Bd.  LXIYL  n.  Hälfte.  \A 


Die  Durchforschung  des  der  nachfolgenden  Arbeit  zu 
Grunde  liegenden  handschriftlichen  Materials  erfolgte  auf  einer 
Studienreise,  welche  ich  als  Mitglied  des  k.  k.  Institutes  fUr 
österreichische  Geschichtsforschung  mit  Unterstützung  des  hohen 
k.  k.  Ministeriums  flir  Cultus  und  Unterricht  um  Ostern  1887 
nach  Zwettl  unternahm.  Indem  ich  die  hiebei  gewonnenen  Er- 
gebnisse veröffentliche,  ist  es  mir  eine  angenehme  Pflicht, 
dem  hochwürdigsten  Herrn  Abt  des  Cistercienserstiftes  Zwettl, 
P.  Stefan  Rössler,  der  mir  nicht  nur  die  Benützung  des  Stifls- 
archives  mit  weitgehendster  Liberalität  gewährte,  sondern  auch 
durch  Uebersendung  eines  Urbars  und  einzelner  Urkunden  nach 
Wien  das  Zustandekommen  meiner  Arbeit  wesentlich  förderte, 
meinen  tiefempfundenen  Dank  auszusprechen. 


I.   Die  Handschrift.   Abfassungszeit. 

Verbindung  von  erzählender  historischer  Darstellung  mit 
vollinhaltlicher  Wiedergabe  von  Urkunden  gehört  im  Mittelalter 
zu  den  literarischen  Seltenheiten.  Für  die  ältere  Zeit  hat  Sickel 
in  den  ,Acta  Karolinorum'  1, 12 — 13  die  wenigen  Fälle  zusammen- 
gestellt, und  aus  dem  12.  und  13.  Jahrhundert  wüsste  ich  nur 
noch  das  ,Chronicon  Laureshamense'  (SS.  21)  hinzuzufügen. 
In  Betracht  föUt  hiebei  die  wesentlich  verschiedene  Bedeutung, 
welche  der  Urkimde  im  Mittelalter  und  gegenwärtig  zukommt. 
Für  uns  hat  die  Urkunde  einen  rein  historischen  Werth,  gleich- 
wie das  Annalenwerk,  die  Vita,  die  Chronik;  und  Aufgabe  der 
modernen  Geschichtschreibung  ist  es,  durch  Würdigung  der 
£igenart  und  des  Werthes  jedes  dieser  historischen  Zeugnisse 

zur    richtigen    Erkenntniss    der    Vergangenheit    zu    gelangen. 

18* 


264 

Anders  im  Mittelalter:  für  dasselbe  hat  die  Urkunde  fast  aus- 
schliesslich rechtliche  Bedeutung,  indem  sie  entweder  rechts- 
kräftig an  sich  ist  oder  durch  die  ,notitia  testium*  die  Herstellung 
des  Zeugenbeweises  ermöglicht.  Da  darf  es  uns  nicht  wundem, 
dass  besonders  die  Reichsgeschichtschreibung  auf  die  Aufnahme 
von  Urkunden  im  engeren  Sinne  verzichtet;  wo  dennoch  urkund- 
liches Material  geboten  wird,  sind  es  meist  Briefe,  Mandate, 
Staatsverträge,  kurz  Stücke  politischen,  nicht  privatrechtlichen 
Inhalts. 

Dieser  Art  gehören  die  Fälle  an,  die  uns  bei  Otto  von 
Freising,  bei  Rahewin  oder  beim  sogenannten  Ansbert  begegnen. 
Auffallender  ist  es,  dass  uns  bei  der  rein  localen  Bisthums-  oder 
Klostergeschichte  nicht  häufiger  Fälle  einer  solchen  Verbindui^g 
entgegentreten;  denn  neben  der  Würdigung  der  politischen 
Thätigkeit  des  jeweiligen  Bischofs  oder  Abtes  kommt  es  dabei 
doch  wesentlich  auf  die  Geschichte  der  Besitzungen  des  Bis- 
thums oder  Klosters  an,  und  für  diese  sind  die  Urkunden  die 
sicheren  Beweismittel  und  festen  Marksteine.  An  Versuchen 
einer  urkundlich  belegten  Bisthums-  oder  Klostergeschichte  hat 
es  zwar  nicht  gefehlt;  aber  die  ,6esta  episcoporum  Cameracen- 
sium^  oder  das  ,Chronicon  Halberstadense'  und  ,Laureshamensc' 
bleiben  doch  gegenüber  den  vielen  Klosterannalen  von  rein 
localer  Färbung,  neben  denen  ganz  unabhängig  Copialbücher 
gefuhrt  wurden,  in  grosser  Minderzahl.  Der  Grund  hiefiir  liegt, 
wenn  ich  nicht  iri'e,  in  der  Schwierigkeit,  in  eine  erzählende  Dar- 
stellung die  vorhandenen  Urkunden  einzureihen,  oder  zu  dem 
geordneten  Urkundenvorrathe  einen  verbindenden  Text  zu  finden. 
Die  ,Ge8ta  episcoporum  Cameracensium^  und  das  ,Chronicon  Lau- 
reshamense'  behelfen  sich  mit  rein  chronologischer  Anordnung,  imd 
das  ist  ja  ftlr  die  ältere  Zeit,  wo  der  Urkundenvorrath  spärlicher 
ist,  und  da  überhaupt  die  zeitliche  Aufeinanderfolge  vielfach 
dem  sachlichen  und  causalen  Zusammenhange  entspricht,  ganz 
gut  durchführbar.  Seit  dem  13.  Jahrhundert,  wo  die  Entwicklung 
der  Privaturkunde  so  umfassend  um  sich  greift,  wird  dies  jedoch 
ganz  unmöglich.  Deshalb  hört,  wie  bereits  Sickel  hervorhob, 
etwa  um  1200  eine  solche  Verbindung  geschichtlicher  Erzählung 
mit  urkundlichem  Material  fast  gänzlich  auf 

Ein  ganz  vereinzeltes  Beispiel  dieser  Art  aus  späterer  Zeit 
ist  der  ,Liber  fundationum'  des  Cistercienserstiftes  Zwettl.  Nach 
Schrift  und  Ausstattung  eine  Prachthandschrift,  sollte  er  inhalt- 


265 

lieh  Alles  bieten,  was  Archiv  und  Bibliothek  des  Klosters  an 
wichtigen  Urkunden  verwahrten,  was  sich  über  Geschichte  und 
Schicksale  des  Klosters,  seiner  Gründer  und  Wohlthäter,  seiner 
Bedränger  und  Feinde  in  schriftlichen  Aufzeichnungen  vorfand 
oder  als  mündliche  Ueberlieferung  von  Geschlecht  zu  Geschlecht 
fortcrerbt  hatte.  Daher  finden  wir  die  verschiedenartigsten 
Elemente  früherer  und  späterer  Zeit  in  diesem  so  mannigfaltigen 
historischen  Denkmale  vereinigt:  neben  einem  lateinischen  Ge- 
dichtin leoninischen  Versen  eine  deutsche  Reimchronik,  Urkunden 
im  Wortlaut,  die  wichtigsten  zum  allgemeinen  Verständniss 
übersetzt  in  die  deutsche  Muttersprache,  die  sich  mehr  und 
mehr  zu  selbstständiger  Uterarischer  Bedeutung  emporringt, 
daneben  aber  auch  noch  einfache  Traditionsnotizen,  wie  sie  einem 
früheren  Entwicklungsstadium  der  Privaturkunde  entsprechen. 
Wenn  auch  der  Verfasser  bei  dem  Versuche,  das  reiche  Urkunden- 
material  wenigstens  zum  grössten  Theil  in  den  Rahmen  einer 
systematischen  Darstellung  zu  pressen,  schliesslich  gescheitert 
ist  und  scheitern  musste,  so  ist  doch  dieser  Versuch  an  sich 
bemerkenswerth  genug. 

Dem  gegenüber  hat  das  Zwettler  Stiftungsbuch  bisher 
nicht  jene  Beachtung  gefunden,  die  es  seines  reichen  Inhaltes 
und  der  interessanten  Form  wegen  gleichmässig  verdiente.  Der 
älteste  Bearbeiter,  Abt  Bernhard  Link,  hat  sich  begnügt,  den 
reichen  Inhalt  in  seinem  Annalenwcrke  Jahr  ftir  Jahr  gewissen- 
haft zu  verwerthen,  ohne  sich  in  nähere  Erörterungen  über 
Abfassungszeit,  Tendenz,  Art  der  Urkunden-  und  Quellen- 
benützung und  dergleichen  einzulassen;  kritisch  hat  er  dabei 
lediglich  die  älteste  Zeit  und  die  Vorgeschichte  der  Kuenringer 
behandelt.  Der  Berufenste,  uns  über  all  diese  Fragen  Auskunft 
zu  geben,  wäre  der  Herausgeber  des  ,Liber  fundationum',  der 
Zwettler  Capitular  Johann  von  Fräst,  gewesen  •,  aber  dieser  starb 
noch  während  der  Edition,  und  so  unterbUeb  das  in  der  Ein- 
leitung (Fontes  rerum  Austr.  11,  3,  p.  XVI)  angekündigte  Werk, 
in  welchem  er  unter  Eingehen  auf  die  Original-Urkunden  einen 
sachUchen  und  geschichthchen  Commentar  zu  den  Angaben  des 
Stifliungsbuches  liefern  wollte.  Was  er  aber  in  den  16  Seiten 
der  Einleitung  bietet,  ist  ungenügend  und  unzureichend  wie  die 
Ausgabe  selbst;  wirklich  gut  ist  nur  die  p.  IX — XII  reichende 
Inhaltsangabe.  Nicht  einmal  darüber,  ob  die  ersten  ftlnf  Bücher 
das   ,Rentenbuch'    und    die    ,neuere    Urkundensammlung'    von 


266 

gleicher  oder  verschiedener  Hand  geschrieben  sind,  wo  und  wie 
oft  ein  solcher  Wechsel  eintritt,  erhalten  wir  bestimmte  Auskunft. 
Es  heisst  hierüber  p.  VII  niu*  ganz  kurz:  ,Später  bemerkt 
man  wohl  einige  Aendenmg  in  der  Haltimg  der  Schrift,  die 
sich  bei  einigen  Urkunden  verliert,  aber  später  wieder  erscheint; 
es  wird  hierüber  in  der  Folge  mehr  gesagt  werden/  Dieses  Ver- 
sprechen ist  aber  leider  nicht  eingelöst.  Hatte  der  Editor  über 
so  wichtige  Punkte  im  Unklaren  gelassen,  so  war  es  von  späteren 
Benutzern,  die  den  Codex  nicht  vor  sich  und  Einblick  ins  Ar- 
chiv nicht  hatten,  kaum  zu  erwarten,  dass  sie  zu  abschliessenden 
Ergebnissen  diesbezüglich  gelangen  würden.  Dies  geschah  um  so 
weniger,  als  sich  seit  Fräst  noch  Niemand  mit  dem  Zwettler 
Stiftungsbuche  an  sich  beschäftigte,  sondern  Forscher  wie  Friess^ 
und  Bussen*^  nur  bestrebt  waren,  sich  den  Werth  unserer  Quelle 
flir  ihre  Untersuchungen  als  Mittel  zum  Zweck  klar  zu  machen. 
So  kommt  es,  dass  man  über  die  Frage  nach  Verfasser  und 
Abfassungszeit  noch  immer  zu  keinem  befriedigenden  Ergebniss 
gelangt  ist.  Ueber  diese  Frage  werden  bei  Copialbüchern  meist 
nicht  viel  Worte  verloren.  Man  stellt  aus  den  verschiedenen  Aus- 
stellergruppen die  jüngsten  Urkunden  zusammen,  und  stimmt 
mit  den  daraus  gewonnenen  Ergebnissen  der  Schriftcharakter, 
so  gelangt  man  mit  einiger  Sicherheit  zu  dem  Schlüsse,  die  An- 
lage des  Chartidars  habe  unter  diesem  und  jenem  Bischof  oder 
Abt  stattgeftmden.  Schwieriger  wird  die  Sache  in  unserem  Falle, 
wenn  uns  in  dem  erzählenden  Theile  Angaben  über  Zeit  luid 
Verfasser  gemacht  werden,  die  untereinander  und  mit  den 
Datirungen  der  Urkunden,  aus  denen  wir  darauf  schliessen,  in 
Widerspruch  stehen.  Fräst  vertritt  in  der  Vorrede  folgende  An- 
sicht: p.  22  ftlhrt  sich  der  Abt  Ebro  (1273—1304)  in  erster 
Person  als  Verfasser  des  Werkes  ein,  an  dem  sich  schon  mehrere 
seiner  Vorgänger  versucht  hätten.  Aber  auch  Ebro  kommt  mit 
seiner  Arbeit  nicht  zum  Abschlüsse,  sondern  wird  daran  durch 
den  Tod  gehindert.  Wie  weit  Ebros  ursprüngliche  Arbeit  reichte, 
will  der  Herausgeber  unentschieden  lassen,  ebenso,  ob  Ebros 
Nachfolger  (Jtto  1.  (1304 — 1323),  der  auf  Anrathen  des  Bischofs 
Wernhard  von   Passau   das  Werk  fortsetzte,    seine   Arbeit  ein- 


*  ,Die  Horren  von  Kuenring*.    Wieu  1874. 

2  ,Der  Krieg   vou   1278   uml   dio   Schlacht   bei   Dürnkrut*.     Excurs   Nr   3. 
Archiv  für  österr.  Geschichte  62,  78  ff. 


R^fa  an  die  seinos  Vorgängers  anschloss  oder  die  letalere  zuvor 
K^er  Ueberai-beitung  imtcrzog;  Otto  hat  dann  die  fünf  BUchtr 
nis  f.  135  im  Jahre  1311  zu  Ende  gefUhrt.  Ob  der  spittcre 
Bvachtrag  noch  tod  ihm  oder  erst  von  seinem  Nachfolger,  Abt 
Bßregor  I.,  herrührt,  illsst  der  Herausgeber  wieder  dahingestellt. 
^B  Auch  Friess  hält  p.  3  und  dann  wiederholt  in  seinem  Werke 
^Ben  Abt  Ebro  für  den  Verfasser.  Auf  seine  Zeitbestiinranng 
H|er  drei  Relationen  über  die  Geschichte  der  Kucnrin^r  werde 
BbIi  an  späterer  Stelle  einzugehen  babon. 

H  Bussen  rUckto  der  Frage  in  seinem  kurzen  Excuree  zuerst 

HpAhor  an  den  Leib.  Er  hält  die  fUnI'  BUcher  fUr  ein  einheitliches, 
KilDtcr  Abt  Otto,  nicht  von  ihm  selbst,  sondern  in  seinem  Aufh-a^e 
BWrfasetca  Werk,  welchem  ältere,  von  Abt  Ebro  herrührende 
BAn&eiehnungcn  zugrunde  lagen. 

H  1304  oder,   wie  Bussen  annimmt,    1305   wird    erst   durch 

RffitBchof  Wernhard  von  Passau  der  Impuls  zur  Anlegung  eines 
Chai-tulars  gegeben;  da  aber  von  König  Albrecht  I,  als  ,quondam 
Komanorum  rex'  gesprochen  wird,  schliesst  Busson,  dass  die 
Abfassung  erst  nach  dem  1.  Mai  1308  begonnen  haben  könne, 
wälirend  sie  mit  dem  Jahre  1311  schloas;  dies  entnimmt  Bussen 
den  SchluBswortcn  der  fünf  Bücher:  ,Wer  das  Work  fortsetzen 
wolle,  möge  mit  dem  Jahre  131!  beginnen.' 

Dies  der  bisherige  Stand  der  Frage,  an  den  ich  uun  an- 
nüpfen  will,  indem  ich  zunllchst  eine  genauere  Beschreibung 
Ibb  Codex,  als  sie  der  Herausgeber  gehefert  hatte,  zu  geben 
rsaehe. 

Der  jLiber  fundadonum  monasterii  Zwetlensis'  ist  ein  Per- 

mentcodex  in  Folio  (49  Cm.  hoch,  33  Cm.  breit )  von  UI7  Blättern; 

erste    und  letzte  Blatt  kleben  an  dem  vorderen  und  rllck- 

rftrtigen  Deckel  und  sind  an   den  beiden  Innenseiten  erst  von 

fepäterer  Hand  beschrieben,  und  zwischen  f.  153  und  154  lUiif't 

ein  Blatt  ohne  Folioniunmer,   so  dass  zu  den   194  Blättern  der 

Folienzählung  noch   drei  Blätter  hinzukommen.  -  Der  Codex  ist 

^h^  einen  starken,   mit  einer  Bärenhaut  überzogenen  und  durch 

^■Bssingknöpfe  geschützten  Holzdeckel  gebunden.  Das  Pergament 

^B  ziemlich  glcichmässig,  weiss  und  gut  geglättet.     Der  Codex 

^Bvteht  AUS  30  Lagen,  die  sich  folgend ermassen  vertheilcn:  Die 

^Butsche   Keimchronik  bÜdct  einen  Tomio,   dessen  erstes  Blatt, 

^He  «rwahnt,  am  Vorderdcckel  klebt  und  von  erster  Hand  un- 

^KBchrioben  ist:  nacli  Fräst  f.  1—5.  Nnn  folgen  zehn  vollständige 


268 

Quinternionen  f.  6 — 105  incl.;  f.  106—116  bilden  einen  Sexternio, 
dessen  erstes  Blatt  bereits  ursprünglich  herausgeschnitten  und 
wovon  nur  noch  der  Falzstreifen  sichtbar  ist;  f.  117  — 126 
(13.  Lage)  ist  ein  vollständiger  Quinternio,  f.  127 — 135  (14.  Lage) 
ein  Quintemio  mit  fehlendem  ersten  Blatt,  breiter  Falzstreifen 
sichtbar;  hiemit  enden  die  flinf  Bücher.  Die  nächsten  drei  Lagen 
umfassen  das  Rentenbuch,  und  zwar  ist  Lage  15  (f.  136 — 145) 
ein  vollständiger  Quinternio,  Lage  16  (f.  146 — 156,  153  a  ein- 
gon»chnet)  ein  vollständiger  Sextemio  und  Lage  17  (f.  157 — 165) 
oin  Quinternio  mit  ursprünglich  herausgeschnittenem  ersten  Blatt 
l>io  letxten  drei  Lagen  umfassen  dann  die  Fortsetzung  der  Ur 
kundousammlung,  und  zwar  ist  Lage  18  (f.  166 — 177)  ein  voD- 
Htäiuligor  Sextemio,  Lage  19  (f.  178—185)  ein  Quatemio  und 
l*«^^  30  (f.  186  -  195)  ein  Quintemio,  dessen  letztes  Blatt, 
wio  erwälmt,  an  den  rückwärtigen  Deckel  angeklebt  ist. 

l>io8er  Anordnung  entspricht  nun  eine  bereits  von  ursprüng- 
liohor  Hand  erfolgte  Lagenbezeichnimg,  die  Fräst  p.  XIV  ganz 
u\i^vt>r$tHnden  und  als  Dekadenzählung  gedeutet  hat,  bei  der 
hIIoiHoi  Uuregt^lmässigkeiten  vorgekommen  seien.  Die  deutsche 
Koimohronik  ist  in  diese  Zählung  nicht  aufgenommen; 
oi'Ht  mit  der  »weiten  Lage  beginnt  die  Zählung  in  der  Weise, 
\Ihss  auf  der  Yersoseite  des  letzten  Blattes  jeder  Lage  unten 
iu  der  Mitte  die  Oninungsrahl  in  römischen  Ziffern  mit  tiro- 
uineheui  u*  steht,  die  aber,  da  die  erste  Lage  nicht  mitgezählt 
isHt,  uu\  ein*  hinter  der  wirkliehen  Anzahl  der  Lagen  zurück- 
Moiht,  nie  14.,  IS.  und  U^.  Lage  sind  ausnahmsweise  bereits 
Huf  dem  ersten  Blatte  signirt. 

Die  Blätter  der  ersten  Haltte  jeder  Lage  weisen  überdies 
liHiitig  Zählung  mit  arabischen  Ziffern  auf. 

Auf  eine  ebenfalls  ursprüngliche  sachliche  Signirung  komme 
ich  später  umständlich  zu  sprechen. 

Endlich  hat  der  Codex  noch  eine  Foliirung,  die  auch  die 
(hiutsehe  Reimchronik  einbezieht,  aber  erst  dem  16.  Jahrhimdert 
anzugehören  scheint.  Ich  schHesse  dies  daraus,  dass  nur  noch 
die  Ziffer  4  ihre  alte  Form  aufweist,  während  alle  übrigen,  be- 
sonders auch  5,  bereits  ihre  modernen  Formen  angenommen 
haben.  Sie  beginnt  mit  Uebergehung  des  ersten  Blattes  (wohl 
ein  Zeichen,  dass  der  Einband  älter  ist)  auf  f.  2,  lässt  zwischen 
f.  153  und  154  ein  Blatt  unbezeichnet  und  endet  auf  dem  vor- 
letzten Blatte,  so  dass  wir  194  Foliennummern  erhalten^  denen 


269 

die  Bezeichnung  in  der  Frast'schen  Ausgabe  entspricht  und 
nach  der  auch  ich,  um  Verwirrung  zu  vermeiden,  citire. 

Das  Linienschema  ist  im  ganzen  Codex  im  Wesentlichen 
dasselbe;  es  wurde  in  zwei  Columnen  geschrieben,  die  ca.  2  Cm. 
von  einander  abstehen  und  auf  beiden  Seiten  durch  verticale 
Tintenlinien  begrenzt  werden.  Die  Zahl  der  horizontalen  Linien 
ist  bis  f.  165:  46 — 45,  von  f.  166:  44 — 43;  das  hängt  damit  zu- 
sammen, dass  anfangs  weiter  an  den  oberen  und  unteren  Rand 
geschrieben  wurde.  Der  Abstand  der  Linien  ist  9 — 10  Mm. 
Zu  bemerken  wäre  noch,  dass  im  ersten  Theil  bis  f.  165  dickere, 
weichere  Linien,  im  zweiten  feine,  scharfe  TintenUnien  vorherr- 
schen. Jede  Schriftzeile  steht  zwischen  je  zwei  Linien;  das 
deutsche  Gedicht  ist  in  der  Linining  nicht  consequent  behandelt. 

Ich  gehe  nun  ilber  zur  Schrift.  Dieselbe  ist,  der  Bestimmung 
des  Codex  gemäss,  dessen  wichtigem  Inhalte  auch  eine  präch- 
tige Ausstattung  entsprechen  sollte,  äusserst  sorgfältig.^ 

Der  Schriftcharakter  steht  sehr  nahe  dem  von  Sickel  in  den 
Mon.  Graph.  IV,  13  gebotenen  Stücke  der  ,Continuatio  Novi- 
montensis*,  nur  ist  die  Schrift  des  ,Liber  fundationum*  noch  etwas 
grösser.  Die  ersten  fünf  Bücher  sind  wesentlich  von  einer  Hand  in 
schöner,  gewandter  gothischer  Minuskel  geschrieben.  Die  Schrift 
ist  äusserst  gleichmässig,  Schäfte  und  Balken  sehr  stark,  Bre- 
chung  vollständig  durchgeführt;  a  hat  doppelte  Höhlung,  inner- 
halb der  Worte  findet  sich  stets  langes,  am  Schlüsse  rundes  «; 
der  Schaft  des  f  ragt  etwas  über  und  läuft  oben  spitz  zu;  Ober- 


'  Die  Schreibthäti|rkeit  in  Zwettl  war  damalH  überhaupt  eine  sehr  rogo, 
worauf  ))ereit8  Fräst  in  seiner  Geschichte  von  Zwettl  in  der  ^Kirclilichen 
Topog-raphie  von  Niedor^ist^rreich*  II,  3  (XVI)  bei  Abt  Ebro  hinwies. 
Insbesondere  scheint  eine  Keihe  von  mit  Miniaturen  gezierten  Hand- 
schriften damals  entstanden  zu  sein.  Eine  willkommene  Erklärung  hiefür 
bietet  eine  Stelle  im  ,Rentenbuche'  p.  534,  aus  der  wir  erfahren,  dass  Zwettl 
zu  denjenigen  Cistercienserklöstern  gehörte,  in  denen  der  Cantor  eine 
eigene  Dotation  für  Bibliothek  und  Schreibstube  erhielt,  während  für  die 
zum  kirchlichen  und  täglichen  Gebrauch  bestimmten  Bücher  der  Pförtner 
zu  sorgen  hatte;  p.  534:  ,Item  redditus  cantoris  vidolicet  II  taleuta  Georii, 
unum  de  antiquo  molendino  in  Pezleins  et  unum.  Notandum,  quod 
in  multis  domibus  ordinis  cantores  redditus  habent  et  vineas,  tU  ex  eis 
hibliothecam  irvttatirentf  fjlosatas  hihlias  covnparent,  ftcriptorilms  necessaria 
aniferani  et  procurenl  .  .  .  NoUindum,  quod  in  multis  domibus  ordinis 
{>ortarii  bonos  redditus  habent,  ex  qnibus  libros  matutinales  et  diur- 
nalia  comparant.*  Vgl.  Winter,  Die  Cistorcienser  des  nordöstlichen 
Deatschlands,  1,  13. 


270 

und  Unterschäfte  sind  wenig  entwickelt;  i- Striche  finden  sich 
immer,  auch  über  einfachem  i.  Gekürzt  ist  reichlich,  aber  nicht 
übermässig;  als  allgemeines  Abkürzungszeichen  dient  ein  ge- 
rader, kurzer,  kräftiger,  scharf  abgegrenzter  Strich;  flir  er,  ur 
und  U8  begegnen  die  gewöhnlichen  Kürzungszeichen ;  überhaupt 
ist  das  herrschende  Kürzungssystem  vollkommen  regelrecht  an- 
gewandt. Die  Initialien,  sowie  die  Titel  der  einzelnen  Abschnitte 
und  Urkunden  rühren  nicht  von  derselben  Hand  her,  sondern 
von  einem  eigenen  Rubricator.  Die  Initialen  sind  zum  Theil 
ganz  prächtig,  einzelne  enthalten  sogar  schöne  Miniaturen;  auf 
diese,  sowie  auf  die  künstlerische  Ausstattung  des  Codex  muss 
ich  mir  versagen,  näher  einzugehen,  und  ich  verweise  dies- 
bezüglich auf  das  von  Fräst  Bemerkte. 

Eine  Aenderung  in  der  Contextschrift  bemerke  ich  zuerst 
f.  lOß'ji  ,item  littera  confirmationis'  (Fräst  387).  Der  Grund- 
charakter der  Schrift  ist  vollkommen  derselbe,  aber  der  Zug 
ist  etwas  ungleicher,  weniger  gewandt,  die  Schäfte  sind  etwas 
länger  und  dünner,  daher  mehr  zusammengedrängt;  als  Kürzungs- 
zeichen dient  ein  kleiner,  von  links  nach  rechts  verdickter  Bogen; 
beim  a  reicht  die  Trennungslinie  der  beiden  Höhlungen  nicht 
ganz  bis  zum  Hauptschaft;  in  der  deutschen  Urkunde  f.  107 
wird  u  neben  v  stark  angewendet,  während  Hand  a  das  v  mit  ganz 
entschiedener  VorUebe  gebraucht;  auch  die  Tinte  ist  etwas  lichter. 
Diese  Hand  b  schreibt  aber  zunächst  nur  die  eine  Urkunde  Fräst 
388  bis  f.  107';  der  weitaus  grössere  Theil  dieser  Seite  ist  dann 
freigelassen,  und  f  108  setzt  wieder  die  ursprüngliche  Hand  ein 
und  schreibt  nun  ohne  Unterbrechung  das  fUnfte  Buch  zu  Ende. 

Von  gleicher  Hand  und  gleicher  Tinte  folgt  dann  noch 
der  Abtkatalog  (Fräst  488)  bis  incl.  ,Otto  XH.  sub  quo  liber 
iste  sine  dubio  instauratus.  Gregorius  XHI.^  Das  Folgende  ist 
von  wechselnden  Händen  nachgetragen;  was  darüber  Fräst  im 
Anhange  p.  706  sagt,  kann  ich  nur  bestätigen.  Von  Hand  a 
folgt  nun  auch  f.  136—165  das  ,Rentenbuch';  f.  166  (Fräst  585): 
,Qui  hunc  librum  in  dcscriptionibus  privilegiorum  vel  predionim 
Zwetlensis  monastcrii  augere  desiderat  etc.*  schreibt,  Hand  J; 
aber  schon  f.  166'  (Fräst  588)  ,Ich  Otto  gehaizzen  der  Otten- 
stainer  von  Perigawe*  setzt  wieder  die  erste  Hand  a  ein.  Erst 
f.  175'.^  (Fräst  617)  ,Ich  Örtlich  von  Winchel'  tritt  wieder 
Hand  b  auf  und  schreibt  bis  f.  177.  Mit  Fräst  622  ,Notandum 
quod   anno   domini   MCCCXI   quidam   cardinalis'  fährt   wieder 


271 

Hand  a  fort  und  beginnt  f.  178',  noch  die  Bulle  Johanns  XXII. 
(Fräst  629),  bricht  aber  f.  179,  (Fräst  630)  mitten  im  Satze  ab; 
,in  hac  parte  supplicacionibus  inclinati^  schreibt  bereits  Hand  b. 
Erst  f.  184  setzt  Hand  a  wieder  ein  (Fräst  648)  ,Ich  Johans 
von  Starchenberch  etc/  schreibt  aber  nur  bis  f.  184';  mit  ,pri- 
vilegium  domine  Gerdrudis  Straningerine^  (Fräst  649)  ßllirt 
wieder  Hand  b  fort.  Mit  f.  186  (Fräst  655)  ,privilegium  Fride- 
rici  regis  Romanorum^  setzt  noch  einmal  Hand  a  ein;  die  letzte 
von  derselben  eingetragene  Urkunde  ist  dann  f.  ISO'j  (Fräst  668) 
,Ich  Hovg  der  Tvrse  von  Lichten vels^  f.  190  ,privilegium  do- 
mini  Alberonis  de  Chirchperch'  schreibt  dann  wieder  Hand  b 
bis  f.  1932  (Fräst  680)  ,super  aUqua  bona  in  Rukkers' ;  von  hier 
an  trägt  eine  dritte  Hand  mit  lichterer  Tinte  und  kleinerer 
Schrift  aber  sonst  demselben  Schriftcharakter  noch  zwei  Ur- 
kunden aus  dem  Jahre  1331  nach. 

Endlich  begegnen  im  Codex  eine  Reihe  von  Correcturen 
und  Nachträgen.  Der  Corrector  hat  in  feinerer,  steiler  Schrift 
die  Schreibweise  einzelner  Wörter  verbessert  und  ausgelassene 
Worte  nachgetragen,  ausserdem  aber  auch  sachUche  Erläute- 
rungen gegeben;  so  rlihren  von  ihm  folgende  bei  Fräst  im  An- 
hange verzeichnete  Nachtragungen  her:  Bl.  16,  2.  S.,  2.  CoL, 
Bl.  21,  1.  S.,  2.  CoL;  Bl.  25,  2.  S.,  1.  Col.;  Bl.  70,  2.  S.,  2.  Col.; 
Bl.  85,  2.  S.,  1.  Col.  Ende  und  Bl.  101,  1.  S.,  2.  Col.,  eine  Er- 
zählung aus  dem  Leben  des  Zwettler  Conversen  Hugos  des 
Tursen  von  Lichtenfels.  Ausserdem  begegnen  noch  Nachträge 
von  verschiedenen  meist  noch  dem  14.  Jahrhundert  angehörigen 
Händen;  eine  Reihe  dieser  Nachträge,  darunter  die  bei  Fräst 
689 — 693  abgedruckten  Bullen  Innocenz  VII.  und  Bonifaz  IX. 
rilhren  von  einer  sehr  charakteristischen  Cursivc  des  beginnenden 
15.  Jahrhunderts  her,  die  auch  in  zahlreichen  Codices  der 
Zwettler  Bibliothek  begegnet;  in  einem  dieser  Nachträge  (Fräst 
704  erste  Zeile)  linden  wir  die  Jahreszahl  1407. 

Ich  komme  noch  auf  die  deutsche  Reimchronik  zu  sprechen: 
wie  in  der  Lagenzähluug  und  dem  Linienschema  nimmt  sie 
auch  graphisch  eine  Sonderstellung  ein,  indem  sie  bei  weitem 
weniger  sorgfältig  geschrieben  ist  als  der  übrige  Codex ;  Correc- 
turen und  Nachträge  von  der  Hand  des  Correctors  nehmen 
hier  ganz  bedenklich  überhand.  Auch  hier  ist  aber  ein  Wechsel 
der  Hände  zu  constatircn,  indem  f  4,  Z.  12  (Fräst  17)  ,Cliu- 
nigen  chaisem  wer  des  ze  vil'  Hand  b  einsetzt. 


272 

Ehe  ich  hiemit  ganz  abschliesse,  will  ich  zur  Erörterung 
dessen  übergehen,  was  Fräst  p.  488 — 497  und  682 — 686  abge- 
druckt hat  und  was  nach  seiner  Ausgabe  ziemlich  unverständ- 
lich ist.  Es  sind  dies  nämlich  Indices,  und  die  jedem  Worte 
beigegebenen  römischen  Ziffern  mit  einem  folgenden  Buchstaben 
des  Alphabets  beziehen  sich  auf  eine  noch  von  der  ersten  Hand 
vorgenommene  sachliche  Signirung,  über  die  sich  eine  etwas 
knappe  Erklärung  in  der  Einleitung  bei  Fräst  p.  XIV  und  XV 
findet. 

Der  ganze  Codex  zerfilUt  in  Abtheilungen,  die  auf  jedem 
Blatte  oben  in  der  Mitte  durch  römische  Zahlen  bezeichnet 
sind;  innerhalb  jeder  Nummer  folgt  Bezeichnung  der  einzelnen 
Urkunden  oder  Abschnitte  nach  dem  Alphabete;  doch  sind 
öfters  auch  mehrere  stofflich  zusammengehörige  Urkunden  unter 
einem  Buchstaben  vereinigt.  Sowohl  das  deutsche  wie  das 
lateinische  Gedicht  sind  von  dieser  Eintheilung  ausgeschlossen, 
was  sehr  erkläriich  ist,  da  der  Zweck  derselben  ja  hauptsächlich 
war,  fUr  das  rasche  Nachschlagen  bei  praktischen  Besitzfragen 
eine  Handhabe  zu  bieten. 

Erst  f  7i  (Fräst  27)  bei   der  prosaischen  Paraphrase  be- 
ginnt die  Zählung  mit  /a,  die  Zeichnung  f.  8,  die  den  Stamm- 
baum  der  Kuenringer   darstellt,    hat   dann  6,    f.  8',    ,nimc  ad 
primum   fundatorem   etc.'  c,    ,notandum    quod   primus   fundator 
noster  Hadmarus'  d;  dagegen  hat  das  erste  Diplom  König  Con- 
rad III.  keinen  eigenen  Buchstaben,  sondern  e  tritt  erst  zu  ,in- 
cipit  expositio  huius  privilegii^    Dass  gleich  beim  ersten  Alpha- 
bet der  Buchstabe  z  fehlt,  hat  bereits  Fräst  hervorgehoben.  Im 
Ucbrigen  geht  diese  Signirung  nun  regelmässig  fort.  Ist  ein  Al- 
phabet zu  Ende,    so   wird   die  Ordnungszahl  um  eins  erhöht, 
und  das  Alphabet  läuft  nun  von  Neuem.    Hervorzuheben  wilre 
noch,  dass  diese  Signirung  durch  den  Abschluss  der  einzelnen 
Thcile    des  Codex   keine   Stönmg  erleidet,   sondern  dass  ganz 
unabhängig  von  den  fünf  Büchern  zum  ,Rentenbuche^  das  11.  und 
von  du  zur  Fortsetzung  der  Urkundensammlung  das  17.  Alphabet 
hinüberreicht. 

Gegen  Ende  des  Codex  geräth  diese  Signirung  jedoch  in 
Unordnung.  Unter  Nr.  18  läuft  das  Alphabet  nur  bis  0  (f  176V)j 
dann  beginnt  mit  f.  177  rechts  oben  XIX  und  a  zu  Alexander, 
B  zu  Bonifatius,  c  zu  Clemens  (Fräst  622—624).  Ich  erkläre 
mir  hier   das  Anfangen  eines  neuen  Alphabets  dadurch,  dass 


273 

Bullen  von  Päpsten  nacheinander  aufgenommen  wurden,  deren 
Namen  mit  den  drei  ersten  Buchstaben  beginnen;  diese  scheinen 
anfangs  nur  ftir  den  Rubricator  an  den  Rand  geschrieben  worden 
zu  sein,  dann  aber  eben  durch  die  Reihenfolge  Anlass  gegeben 
zu  haben,  dass  nun  bei  der  Signirung  mit  d,  e  etc.  fortgefahren 
wurde.  Das  geht  dann  regelmässig  fort  bis  f.  ISS'j  u;  nun  aber 
folgt  auf  f.  184,  k  und  rechts  oben  ursprünglich  XIX,  später 
aber  wurde  das  I  daraus  radirt;  f.  188'i  hat  unten  z,  f.  189 
X'X'\  je  ein  /  zwischen  den  beiden  und  nach  dem  zweiten 
Zehner  ist  radirt,  ebenso  ein  a  bei  f.  189i.  Erst  f  189'i  steht  a 
f.  189'2  h  und  f.  190  rechts  oben  XXI,  wobei  I  von  späterer 
Hand  hinzugefügt  ist.  Das  Alphabet  geht  f  190  bis  incl.  d, 
f.  191  hat  links  oben  e,  daneben  aber  XXII,  f.  192  g  und  XXIII, 
f.  193  XXIIIl 

Bei  dem  19.  Turnus  des  Alphabets  hat  jedenfalls  eine 
Irrung  stattgefunden,  indem  der  ursprüngliche  Schreiber,  statt 
auf  V  X  folgen  zu  lassen,  wieder  zu  h  zuiückkehrte.  Der  Grund 
hieftir  ist  nicht  klar,  ein  Fehlen  von  Blättern  ist  aber  durchaus 
nicht  anzunehmen,  da  diese  Signirung  mit  der  Anordnung  der 
Lagen  in  keinerlei  Zusammenhang  steht.  Nach  der  ursprüng- 
lichen Zählung  laufen  daher  unter  XIX  zwei  unvollständige 
Alphabete,  eines  von  a  bis  y  und  ein  zweites  von  k  bis  z,  so 
dass  von  XIX  k  bis  XIX  v  alle  Signirungen  doppelt  vorkommen. 
Das  hat  eben  eine  spätere  Correctur  hervorgerufen,  indem  man 
f.  184,  in  dem  XIX  das  /  radirte  und  so  die  Ordnungszahl 
umsetzte;  ebenso  wurde  bei  XX  vom  Corrector  ein  /  hinzu- 
gefügt; zu  bemerken  ist  aber,  dass  in  den  Indices  die  Citate, 
soweit  sie  von  erster  Hand  eingetragen  sind,  für  die  Zahlen  vor 
der  Correctur  gelten.  Der  dann  f.  191,  192  und  193  mit  XXII, 
XXIII  und  XXIIIl  signirte,  hat  das  ganze  System  überhaupt 
nicht  mehr  verstanden,  sondern  damit  fortlaufende  Foliirujig 
bezeichnen  zu  müssen  geglaubt;  die  Buchstaben  laufen  von 
f.  189',  an  unbekümmert  um  diese  Umsetzungen  der  römischen 
Zahlen  fort. 

Auf  diese  Eintheihmg  also  beziehen  sich  die  Zahlen  und 
Buchstaben,  die  den  Worten  der  beiden  oben  erwähnten  Indices 
beigefügt  sind.  Beide  Indices  sind  von  erster  Hand  angelegt, 
weisen  aber  zahlreiche  Nachträge  auf.  Fräst  hat  dies  allerdings 
ganz  unterschiedslos  edirt,  wie  denn  überhaupt  gerade  in  diesem 
Punkte  das  Vorgehen  des  Herausgebers   nicht  zu  billigem  va»\.. 


274 

Man  wird  von  einer  Edition  kaum  verlangen,  dass  sie  alte 
Quatemionen-  und  Folienbezeichnungen  aufnehme,  aber  gerade 
in  unserem  Falle  durfte,  wenn  die  Indices  veröffentlicht  wurden, 
auch  die  ihnen  zugmnde  liegende  Signirung  nicht  übergangen 
werden,  da  ja  sonst  die  ersteren  allein  f)ir  den  Benutzer  ganz 
werthlos  sind.  Dazu  kommt  noch,  dass  Bernhard  Link  in  seinen 
Annalen  nach  dieser  Signirung  citirt,  und  dass  daher  durch 
Aufnahme  derselben  auch  die  Brauchbarkeit  dieses  noch  immer 
unentbehrHchcn  Werkes  entschieden  erhöht  worden  wäre. 

Der  Charakter  der  beiden  Indices  ist  unschwer  zu  erkennen. 
Der  bei  Fräst  488  ff.  abgedruckte  entspricht  dem,  was  wir  ,In- 
dex  locorum^  nennen  würden,  während  p.  682  ff.  ein  ,Index  perso- 
narum  et  rerum'  folgt.  Die  Anlegung  des  ersten  Index  war 
bereits  im  Laufe  der  Arbeit  beabsichtigt,  da  man  hiefÜr  zu 
Beginn  des  ,Rentenbuches'  zwei  Blätter  der  betreffenden  (15.) 
Lage  freiliess,  erfolgte  jedoch  erst  später,  da  sich  auch  bereits 
von  erster  Hand  Citate  aus  dem  dritten  Theile  finden. 

Ich  gehe  nun  über  zur  Verwerthung  dessen,  was  wir  aus 
der  Anlage  der  Indices  in  Verbindung  mit  dem  SchriftbestaDde 
des  Codex  für  die  Abfassungszeit  des  ,Liber  fundationum'  in 
seiner  heutigen  Gestalt  gewinnen  können. 

Aus  der  Fortsetzung  der  Urkimdensammlung  sind  13  Stücke 
in  den  ersten  Index  von  Hand  a  eingetragen  und  bis  auf  eine  Ur- 
kunde Fräst  586  auch  alle  von  derselben  Hand  geschrieben;  die 
jüngsten  dieser  Stücke  sind:  Fräst  661  (1319  Juni  9)  und  Fräst 
656  (1319  Juni  18.) 

In  dem  zweiten  Index  linden  wir  aus  dem  späteren  Theile 
von  Hand  a  ebenfalls  13  Stücke  verzeichnet  und  auch  zumeist 
geschrieben;  ausgenommen  ist  Fräst  644  ,privilegium  Friderici 
dicti  GnemhcrteP  (1324  October  21),  welches  Hand  b  schrieb, 
und  die  Bulle  Papst  Johann  XXIL  (1326  März  1),  in  deren  Ein- 
tragung, wüe  bereits  crw^ähnt,  Hand  a  und  h  sich  theilten. 

Ich  komme  hier  noch  einmal  auf  den  oftmaligen  Wechsel 
der  Hände  in  dem  dritten  Theile  des  Codex  zurück.  Schon 
dass  Hand  a  in  den  Index  Urkunden  einträgt,  die  von  h  ge- 
schrieben sind,  beweist,  dass  die  beiden  Hände  jedenfalls  gleich- 
zeitig sein  müssen,  obwohl  Urkunden  aus  den  Zwanzigerjaliren 
des  14.  Jahrhunderts  nur  von  h  eingetragen  sind,  während  von 
a  nur  die  Bulle  Johann  XXII.  begonnen,  dann  aber  h  zur 
Fertigstellung  überlassen  wurde. 


275 

Eine  genaue  Vergleichung  hat  mich  zu  dem  Ergebniss 
geführt,  dass  Hand  b  mit  dem  Rubricator  identisch  ist, 
der  also  fUr  diesen  letzten,  wahrscheinlich  mit  einiger  Eile 
fertiggestellten  Theil  aushilfsweise  auch  als  Contextschreiber 
eintrat,  und  zwar  hauptsächlich  die  späteren,  den  Zwanziger- 
jahren angehörigen  Urkunden  zum  Sammeln  und  Eintragen 
erhielt.  Näherhegend  wäre  allerdings,  anzunehmen,  dass  sich 
die  beiden  Schreiber  nach  Lagen  oder  Blättern  in  ihre  Thätig- 
keit  gethcilt  hätten;  das  bewährt  sich  aber  keineswegs,  indem 
sich  der  Wechsel  der  Hände  ganz  unabhängig  davon  vollzieht. 

Das  Ergebniss,  zu  dem  die  Untersuchung  des  Schriftbestandes 
und  der  Indices  gelangt,  ist  folgendes: 

1.  Der  ganze  Codex  in  allen  drei  Theilen  ist  ein- 
heitlich angelegt  und  wesentlich  von  einer  einzigen 
Hand  geschrieben;  nur  im  dritten  Theile  ist  eine  zweite, 
gleichzeitige  Hand,  der  Rubricator,  als  Contextschreiber  thätig. 

2.  Der  Abschluss  der  Arbeit  kann  nicht  vor  dem 
Jahre  1327  erfolgt  sein;  denn  vom  1.  März  1326  ist  die 
jüngste  noch  von  erster  Hand  in  den  Index  eingetragene  und 
theilweise  noch  geschriebene  Urkunde,  die  BuDe  Johann  XXH., 
datirt.  Bedenkt  man  die  Zeit,  die  zwischen  Datirung,  Expe- 
dirung,  Zustellung  und  endlicher  Eintragung  in  den  Codex 
nothwendig  verlaufen  musste,  so  gelangen  wir  zum  Jahre  1327 
als  dem  frühest  möglichen  der  Vollendung  des  Werkes. 

Wie  lässt  sich  nun  mit  diesem  gewonnenen  Ergebnisse 
der  Anfang  des  Werkes  ,Nos  fi'ater  Ebro  dictus  abbas  de  Zwetel 
etc.'  in  Einklang  bringen? 

Gewiss  wird  jeclermann  zugeben,  dass  ein  Codex  von 
solchem  Umfange  und  so  sorgfältiger  Ausführung  nicht  in  wenigen 
Tagen,  wohl  kaum  in  einem  Jahre  entstanden  sein  kann.  Aber 
ebenso  unhaltbar  wäre  die  Annahme,  dass  ein  und  derselbe 
Schreiber  durch  mindestens  25  Jahre  an  der  Fertigstellung  des 
Werkes  gearbeitet  habe,  eine  Annahme,  die  nothwendig  ein- 
treten müsste,  wenn  man  nach  dem  Wortlaut  der  Vorrede  auch 
nur  den  Beginn  des  Werkes  in  die  Zeit  Ebros  setzen  würde.  ^ 


1  Besonders  wenn  man  mit  Sacken  ,Die  Cistercienserabtei  Zwettl  in  Nieder- 
OflterreichS  in  Heider  und  Eitelberger,  ,Kan8tdenkmale*  2,  42,  annimmt, 
dass  Ebro  gleich  zu  Beginn  seines  Regimentes  an  die  Anlegung  des 
Stiftungsbuches  g^egangen  sei. 


276 

Schon  das  allein  ftihrt  uns  dazu,  der  Ansicht  Busson's 
beizupflichten,  dass  wohl  eine  ältere  Arbeit  des  Abtes  Ebro  be- 
nutzt, nicht  aber  der  ,Liber  fundationum'  auch  nur  in  seinen 
ersten  Theilen  eine  solche  sei. 

Aus  dem  Inhalte  des  Stiftungsbuches  allein  feststellen  zu 
wollen,  welcher  Art  diese  Arbeit  Ebros  gewesen  sei,  bis  wohin 
sie  gereicht,  welchen  Umfang  sie  gehabt  habe,  wäre  eine  ganz 
müssige  Streitfrage,  zu  deren  Lösung,  wie  schon  Fräst  in  der 
Einleitung  (p.  VI)  richtig  hervorhob,  das  Werk  selbst  gar 
keinen  Anhaltspunkt  bietet.  Und  doch  hat  Fräst,  wie  aus  einer 
Bemerkung  in  seiner  ,Geschichte  Zwettls'  in  der  ,Kirchlichen 
Topographie  von  Niederösterreich'  II,  3  (XVI)  hervorgeht, 
jene  Vorarbeit  des  Abtes  Ebro  gekannt,  ohne  merkwürdiger 
Weise  auf  das  nahe  Verhältniss  derselben  zum  ,Liber  fundationum' 
aufmerksam  geworden  zu  sein.  ^ 

Bei  Durcharbeitung  des  Zwettler  Archivkataloges  gelang 
es  mir,  auf  diese  Vorarbeit  zu  stossen.  Dieselbe  ist  als  ,LibeUus 
reddituum  a  domino  Ebrone  abbate  conscriptus'  verzeichnet  und 
hat  folgende  Einleitung,  die  ich,  weil  die  Art  ihrer  Aufnahme 
in  den  ,Liber  fundationum'  für  mittelalterliche  Quellenbenützung 
überhaupt  sehr  charakteristisch  ist,  hier  wörtlich  mittheile: 

,Nos  frater  Ebro  dictus  abbas  de  Zwetel  omnibus  presens 
scriptum  intuentibus   huius  vite  cursum  ita  peragere,  ut  in  ce- 
lesti  patria  mercantur  coronari  gloria  et  honore.   Quoniam^  non- 
nulli  conati  sunt^  monasterii  possessiones  earum  redditus  in  unum 
conscribere,   ut  ad  miütorum  noticiam  devenirent,   ut^  per  hoc 
difficilius  posscnt  minui  aut  alienari  a  monasterio  a  quocunque: 
ignoramus  quid  in  causa  fuerit,  quod  nidlus  ante  nos  hune  uti- 
litatis   affectum   perduxerit  ad  effectum.     Verum   considerantes 
fructum    laboris    nobis    reservatum    secundum    illud    sapientis: 
,bonorum  laborum  gloriosus  est  fructus*  huic   negotio   dedimus 


1  1.  c.  p.  40.  Die  Flüchtigkeit  der  BenUtzuug  ersieht  man  am  besten  dAraos, 
dass  aus  der  Jahreszahl  1280  und  ,uostri  regiminis  anno  octavo*  bei  Fräst 
1288  wurde,  was  dann  auch  wieder  in  die  oben  citirte  Arbeit  Sacken'? 
überging. 

2  L.  fund. :  quoniam  quidem. 

3  L.  fund.:  scribere  et  depingere  genealogyam  fundatorum  Zwetlensis  nio- 
uasterii  nee  nou  possessiones  et  redditus  ipsius,  ut  ad  multorum  noticiam 
etc. 

*  L.  fund.:  et. 


irain  diligoiitem '  nranesque  retlditus  poBsessionum  iiostri  mona- 
videlieet  vülanira  per  ordinem  ac  beneficiorum  et  quicquid 
ser^icio  annua  snbiacet  vel  sab  seirntii  nomine  conprehenditur, 
diligeutissimo  in  hoc  volumine  conaeribentes.  Noveril  itaque 
lector  omnia  que  claiistrum  liabuit  nostrejirovisionia  tempore  in 
redditibas  dumtaxat  hie  posita  et  uniuscmnsfjue  scrvicii  debitam 
quantitatem,  liect  plurima  sint  notata,  que  nostris  temporibus  ob 
ioopiam  colonoriini  et  terre  inquietudinem  nil  aolvcrunt.  Actum 
io  domini  M°  CC"  LXXX",  nostri  regiminis  anno  VUl".' 

Wir  Beben,   der  erste  Theil  der  Vorrede  ist  fast  wörtlich 
den  ,Liber  tundstionum'  übergegangen,  nm:  dass  als  Zweck 
Arbeit  nicht   nur   die  Aufzeichnung   der  Besitzungen  und 
:tlnfte,   sondern  die  Darsteliung  der  Geschichte  der  Kuen- 
[ger  in  Wort  und  Bild  beaeichnet  wird.  Mitten  im  Satze  hört 
die  Benutzung  auf,   weil  sich  der  weitere  spedelle  Theil 
Vorrede  aum  ,Libor  fimdationum'  nicht  mehr  eignet.    In  der 
Arbeit   Ebroa  folgt  nun  auf  die  Von-ode   unmittelbar  eine  Auf- 
zählung der  Einkünfte,   welche  das  Kloster  Zwettl  von  seinen 
einzelnen  Besitzungen  zu  beziehen  hatte;  es  ist  die  Arbeit,  die 
im  Wesentlichen  dem  bei  Fräst  498 — 585  abgedruckten  Renten- 
buche  als  Quelle  zugrunde  liegt,  und  ich  werde  bei  Besprechung 
dieses  Theiles  näher  aui'  die  Handschrift  Ebros  einzugelien  haben. 
yon  dem  ersten  Thfile  des  Stiftungsbuches  jedoch,    den  fiinf 
Lebern,  die  sich  durch  diese  sonderbare  Art  von  Quellenhenlltzung 
idrilckhch  als  Werk  Ebros  einführen,  gehört  diesem  Abte  kein 
'ort  an. 

Wir  haben  uns  also  für  die  Inangriffnahme  des  Werkes 
einen  anderen,  späteren  ,terminus  a  quo'  umzusehen,  und 
ein  solcher  wird  uns  ja  p.  2fJ5 — 266  mit  wünsch enswerther 
Ausführlichkeit  gegeben.  Zwei  Urkunden,  die  Bischof  Wemhard 
Ton  Passau  dem  Stifte  Zwettl  über  die  Ineorporirung  der 
larinenca pelle  in  Wien  und  die  Bewilligung  zum  Verkaufe 
äaes  bisher  dazu  gehßrigen  Hauses  ausgestellt  hatte,  waren  in 
Verlust  geratlieu,^  und  man  trat  an  den  Bischof  mit  der  Bitte 
um  eine  Neuausfertigung  heran;  dieser  willfahrte  dem  Ansuchen, 
gab  aber  gleichzeitig  den  Rath,   man   möge   die   vorhandenen 


Ton 
U«th. 
Htines 
»VerlL 


*  Hier  bricht  die  Vorrede  des  ,Liber  fundationiim'  ab. 
'  Der  Antor   spricht  anidrltcklich   tud  den   litterae  snper  i.'A|i|ip1Ih 
iH)  t?t  iloiuii  (FrHflt  äflft),  ilie  verloreu  wjir«n. 

1.  HXVI.   li.  Uriirie  w 


278 

Originale  in  einem  Copialbuche  sammeln,   damit^   wenn   schon 
ein  oder  das  andere  Original  verloren  ginge,  wenigstens  eine 
Abschrift  davon  erhalten  bliebe.  Folgt  nun  die  Neoansfertigang 
Bischof  Wemhards:    Wien  1304  Februar  3.  Die  Unmöglichkeit 
dieser  Datirung  ist  schon  Link  aufgefallen.  ^     Wohl  lässt  sich 
nachweisen,  dass  Bischof  Wemhard  damals  in  Wien  war.   Am 
1.  Februar  dieses  Jahres  stellt  er  nämlich  für  das  Schottenkloster 
ein  Transsumpt  der  Stiftungsurkunde  Heinrichs  IL  aus.  Allerdings 
ist  der  Ausstellungsort  in  der  Datirung  nicht  genannt;^  aber  die 
Stelle  in  der  Corroborationsformel,  dass  die  Transsumirong  aus 
dem  Grunde  erfolge,    weil  es  für  den  Abt  schwierig  sei,   die 
Urkunde  selbst  stets  mit  sich  zu  ftkhren,'  hat  doch  nur  dann 
einen  Sinn,  wenn  der  Abt  des  Schottenklosters  die  Anwesenheit 
des  Bischofs  in  Wien  dazu  benützte,  um  sich  an  Ort  und  Stdle 
ein  rechtskräftiges  Transsujnpt  ausfertigen  zu  lassen.   Ueberdies 
urkundet  der  Bischof  auch  kurz  zuvor  am  27.  Jänner  in  Wien.^ 
Andererseits  war  auch  der  Abt  von  Zwettl  damals  in  Wien; 
es  war  dies  aber  nicht  der  in  der  Urkunde  genannte  Otto,  sonden 
noch  Ebro,   welchem  damals  Adelheid  die  Greifensteinerin  ein 
Haus  auf  dem  Stefansiriedhof,  ,den  Greifensteiner',  verkaufte.^ 
Ebro  starb  am  29.  Februar  1304;    damit  ist  aber  die  Datirung 
der  nicht  an  ihn,  sondern  bereits  an  seinen  Nachfolger  gerich- 
teten Urkunde  ganz  unvereinbar. 

Noch  eine  weitere  Schwierigkeit  gesellt  sich  hinzu.  Nacb 
dem  Ausspruch  des  Verfassers  ist  die  eben  besprochene  Ur 
künde  die  Neuausfertigung  der  p.  264  und  265  abgedruckten 
Briefe  über  denselben  Gegenstand,  die,  beide  an  Abt  Otto  ge- 
richtet, vom  23.  December  1304  datirt  sind,*  also  später  fielen 
als  die  ^ittera  renovationis^  Letztere  ist  noch  im  Original  vor 
banden,  das  genau  dieselbe  Datirung  trägt  Ein  Fehler  des 
Copisten  ist  daher  ausgeschlossen.  Wir  werden  daher  zunächst 


1  Annales  Anstrio-OlarayalleiiBes  566. 
)  Fontes  rerom  Austr.  11,  18,  113,  Nr.  95. 

3  1.  c:  cum  gTAYe  äbi  esset,  piivilegiom  ad  viun  tarn  longin^puun  ^ 
portare. 

*  Urknndenbuch  des  Landes  ob  der  Enns  6,  606. 

*  Fräst  429. 

*  Das  Original  der  ersten  Incorporirangsoj^nde,  Fräst  264 — 865,  itt  '^ 
Archive  des  Stiftes  Zwettl  erhalten  und  trigt  gleich  der  iweiten  Urkwid^ 
das  Datom  X.  (nicht  Y.)  Kai.  JanuaiiL 


prilfen,  ob  sich  die  ,Littora  renovationis'  inhaltlich  als  Neuaus- 
fertigang  der  beiden  zeitweilig  verlorenen  erkennen  litsat  Dazu 
ist  es  nfithig,  kurz  auf  den  sachlichen  Zusammenhang  einzu- 
gehen. 

Das  bisher  ziu-  E athari neu ea pelle  gehörige  und  im  Besitze 
Zwettls  befindliche  Capellanshaus  sollte  infolge  der  beabsichtigten 
Erweiterung  des  Chores  der  Stefanskirche  demolirt  werden. ' 
Zum  E>satze  daflir  erwarb  Abt  Ebro  zunächst  ein  anderes 
Haus,  am  Stefansfriedhofe,  den  .Greife nstein er'.  Die  wahi-Schein- 
lieh  durch  Ebros  bald  darauf  erfolgten  Tod  unterbrochenen  und 
verzögerten  Verhandlungen  nahm  dann  Abt  Otto  wieder  aut, 
indem  er  sich  von  dem  Diöeesanbischof  die  nöthige  Einwilligimg 
ztira  Verkaufe  des  bisherigen  Hauses  an  die  Wiener  Bllrger. 
erbat.  Bischof  Womhard  willfahrte  dem  in  der  einen  der  vom 
23.  Decomber  1304  datirten  Urkunden,  während  er  durch  die 
andere  die  bisher  einem  Weltgeistlichcn  zugetlieilte  Kiitharinen- 
capelle  dem  Kloster  Zwettl  incorporii-te.  Von  diesen  beiden 
Urkunden  hatte  die  letztere  einen  bleibenden  Wcrth,  während 
die  Bedeutung  der  ersteren  mit  dem  wirklichen  Vollzüge  des 
Verkaufes  erloschen  war.  Bei  einer  infolge  zeitweiligen  Verlustes 
der  beiden  Urkunden  nothwendigcn  Neuausfertigung  konnte  es 
sieh  daher  imr  um  die  IncoriMirirungsurkunde  handeln,  während 
es  mit  Beziehung  auf  die  andere  Urkimde  genügte,  unter  den 
OrUndcn  nur  Incorporirung  des  mittlerweile  erfolgten  Verkaufes 

S  Capelianhauses  zu  gedenken.  Und  dieser  Sachlage  entspricht 

I  die  ,Littera  rcnovationis'  in   der  That;    denn   riaeh  der  er- 
Incorporirung    heisst    es:    ,Ad    hanc    autem    gratiam 

tcedendam  pretcr  preallcgatas  causas  specialiter  nos  permovit, 
i  domus  sc«  dos  dicte  cappelle,  quam  cappellarius  inhabitave 

Isaevit  et  debuit,  est  ab  eadem  eapella  in-ecuperabiliter  alie- 
propter   quod   per   cappellarium   carentem   certo  hospicio 
di'cta  cappella  non  bene  poterat  provide  gubemari.' 

Die  ,Littera  renovationis'  muse  also  ausgefertigt  sein  jeden- 
falls nach  dem  23.  December  1304  und  vor  dem  27.  Jänner  1307, 
an  welchem  Tage  Erzbischof  Conrad  von  Salzburg  bereits  ein 
TraosBumpt  derselben  ausstellte.'  Halten  wir  an  dem  Tages- 
.  Februar  —  fest,  so  ergeben  sich  überhaupt  nur  zwei 


280 

Einreihungen,    1305   und    130G.    Zur   Entscheidung  der  Frage 
ist  es  nöthig,  das  Itinerar  des  Bischofs  Wemhard  von  Passau^ 
soweit  dies  überhaupt  möglich  ist,   zu  verfolgen,  wofllr  ich  fol- 
gende Daten  aufbringen  konnte:    1304  December  21   Passau;* 
1305  Jilnner  23  Passau,^   April  17  Wien,-^   April  25  St  Polten,* 
December  21  Wien;-^  1306  März  26  St.  Polten, «  April  19  Wien." 
Wir  finden  den  Bischof  demnach  damals  in  den  ersten  Monaten 
des  Jahres  regelmässig  in  Wien,    dem  er  als  einstiger  Pfarrer 
der  Stadt  lebhafteres  Interesse  entgegenbringen  mochte.     War 
Wemhard  am  21.  Jänner  1305  noch  in  Passau,   so  konnte  er 
doch  11  Tage  später  bereits  in  Wien  Urkunden;  nachdem  ihn 
die  folgenden  Wochen  über  wohl  die  Diücesanvisitation  an  der 
Ostgrenze  seines  Sprengeis  beschäftigt  hatte,  feierte  er  in  Wien 
noch  das  Osterfest  (18.  April),   während  wir  ihn   in  der  Oetav 
nach  Ostern  (25.  April)  bereits  auf  dem  Rückzuge  aus  Oester 
reich   in   St.  Polten   finden.     Auch   zu  Weihnachten   desselben 
Jahres  war  Wemhard  wieder  in  Wien;  dass  er  diesen  Aufent- 
halt bis  zum  3.  Februar  ausgedehnt  hätte,   ist  zwar  nicht  aus- 
geschlossen,  aber  auch  nicht  wahrscheinlich;    denn  die  beiden 
letzten  der  angeftihrten  Urkunden  lassen  ftir  Ende  März  oder 
Anfangs   April   schon  auf  eine  weitere  Donau  abwärts  unter 
nommene  Reise  schUessen.  So  nehme  ich  denn  keinen  Anstand, 
mich  der  bereits  von  Link*  vorgenommenen,   wenn  auch  von 
ihm   nicht   näher   begründeten    Einreihung   der    Urkunde  zum 
3.  Februar  1305   anzuschhessen,    an   welchem  Datum   die  An- 
wesenheit des  Bischofs  Wemhard  in  Wien  ganz   gut  möglieh 
und  ein  beim  Mundiren   der   Urkunde   erfolgtes  Verschreiben 
von  ,quinto  in  quarto'  leicht  erklärlich  ist" 


1  Monumenta  Boica  12,  434;  zugleich  eine  Stütze  für  die  Richtigkeit  der 
Datirung  in  den  beiden  Zwettler  Urkunden  vom  23.  December  1304. 

^  Ich  verdanke  dieses  Datum  einer  gütigen  Mittheilnng  meines  Freundes 
Dr.  Erben  aus  einer  bisher  unedirten  Urkunde  für  Mattsee. 

3  Urknndenbuch  des  Landes  ob  der  Enns  4,  485. 

*  Ebendaselbst  486. 

B  Urknndenbuch  des  Klosters  Altenburg,  Fontes  remm  Austr.  11,  21,  lH* 

^  Urknndenbuch  des  Landes  ob  der  Enns  4,  502. 

'  Urknndenbuch  des  Klosters  Altenburg,  Fontes  remm  Austr.  11,  21,  113. 

8  1.  c.  566,  Sp.  2. 

^  Chronologisch  Hesse  sich  die  falsche  Datirung  nicht,  wie  Busson  will 
1.  c.  80,  durch  Annahme  von  Weihnachtsepoche,  sondern  hOchsteivi 
durch    ,calculu8   Florontinus'    erklären,    der    in   unseren   Gegenden  mxu 


^^V  Nach  dieser  längeren  Auseinandersetzung,  die  durch  die 
^Hbdentimg  der  beeproclieneu  Urkunde  fttr  die  Entstehungs- 
^^MBchicbteMes  ,Liber  fundationum'  einigeiinassen  geret-Ktfertigt 
^^Bin  dürfte,  fahre  ich  in  der  Erörterung  der  Frage  nach  der 
^Hbfassungazeit  des  Stiftiingsbuches  fort. 

^f         Sei  OS,   dasB  die  Vorarbeiten   so  lange  Zeit   in  Anspruch 

^HtobmeD,  sei  es,  dass  man  mit  der  InangrifKiahme  des  Werkes 

^nberhaupt  noch  zSgerte,  gf^wiss  ist,  dass  dem  Rathc  des  Bischofs 

HpEe  Ausfilhrnng  nicht  auf  dem  Fusse  folgte.     Busson  setzt  die- 

^ublbe  in  die  Zeit  von  1308 — 1311;    denn  dass  p.  \m  von  dem 

^Btbemaligen  römischen  König  Albrecht  gesprochen  wird,  setzt 

^BpHeen  am   1.  Mai  1308  erfolgte  Ermordung  als  bereits  ei-folgt 

J^fteaus,  wahrend   sich    der  ,terniinu8  ad  quem'   klar  aus   dem 

ScWussaatze  p.  488  ergibt:    ,Qui   autem   hoc   volumen  in  trans- 

seriptione  privilegiorum  adhuc  monasterio  nostro  dandnrum  for- 

sitan  augere  dcsiderat,   ab  anno  MCCCXI  incipint  et  deinceps 

^ttW  ordinem   sie   procedat.     Quid   enim  post  nos   futurum   sit, 

HwBteritaB  hoc  videbit.' 

r^        'Ta  ein  nocli  viel  bestimmteres  Zeugniss  und  eine  noch  ge- 
nauere Begrenzung  fllr  den  Absehluss  des  ,Liber  fundationum' 
scheint  folgende  Stelle  in  einer  am  8.  Jimi  1311  zu  Zwettl  ans- 
gesteUten   Urkunde   des   Abtes   Johann   von   Heiligenkreuz   zu 
bieten  (Fräst  586):  ,Si  quis  autem  raonacbonim  vel  convcrsorum 
aut  aliorum  officiaHum,    qui  forsitan  privilogiomm  vel  bbri  pre 
dioriim  noticiara  non  habucrit,   haue  nostram  paternam  et  deli 
beratam  coustitucionem  transgressus  fuerit  aut  quippiam  ex  hiis 
ijue  in   lihrv  preiitorum  aut  privilegiorum  Ztcetlensis  monastsni 
^^uiit  carciiie  exarata  .  .  .  vendiderit  aut  in  alios  rodditus  commu 
HjtfKreaSt,    eandem   vcndicionem    aut   commutacionem   vel    ahena- 
^^pttoem  ömnimodis  annullamus  cassamus  et  tutaliter  reti-actamus. 
^V',       Daraus  allein  wird  jedermann  schücsscn,  dass  damids  der 
HSdber  fundationum'   bereits  vollendet  war,   und  dass   man  den 

^^^  päpstlichen  Privile^leu  vielleJcht  bekannt,  aber  iu  Urkuodeu  «icber  lüitbt 

^^^E  in   Anwendung  war.     Bei  der  fUr  den   3.  Februar   1301   Ueatimuit  uacb- 

^^^V  wei«baren  Anwesenheit  des  Bischufa  von  PaaMn  und  des  Abtes  von  /uettl 

^^^f  in  "Wien  schiene  es  verlockend,  die  Erklärung  nacli  Ficker'scher  Theurio 

^^B  in  der  Awuüime  einec  Neuausfertigung'  oder  spAtervn  Aiufertiguiig  unter 

^^^B  Beiheiialtung  de«  uraprUng'liohen  Actunu  ta  (ucben.    Doch  dadurch  wUr- 

^^^K  den  die  (Ihrigen  ifi'hwierigkeiten  nicht  liehobeu,  sondern  noch  vergrUesert, 

^^H  weil   dimn   div   beiden  Urkunden  vuni  £3.  Ueceuiber  1304  und  das  unhe 

^^^k  VerhIltui.H*  der  .Littera  renuvatianis'  zu  ihnen  sich  mcVA  \te^ri.Sa\i. 


282 

gerade  zur  Klostervisitation  in  ZwetÜ  anwesenden  Abt  des  Matter- 
klosters vermochte,  das  Werk  durch  seine  Autorität  als  officielles, 
fUr  Alte  verbindliches  zu  kennzeichnen.  Dem  entsprach  er  denn 
auch  in  einer  Weise,  die  sich  mit  der  den  ,Liber  fiindationum^ 
durchziehenden  Tendenz  vollkommen  deckt  und  das  vom  Kloster 
ihm  vorgelegte  Concept  deutlich  verräth. 

Allein  vom   15.  Juni  1311  datirt  eine  bereits  f.  107  ein- 
getragene Urkunde  Alberos  von  Kirchberg  (Fräst  388). 

Da  ist  allerdings  gleich  eines  zu  beachten:    die  Urkunde 
ist  in  dem  ganzen  ersten  Theile  die  einzige  von  Hand  B  ge- 
schriebene,   und  es  bliebe  also  die  Annahme  übrig,    dass  der 
Rest  von  f.  106'  und  f.  107  ursprünglich  aus  unbekannten  Grün- 
den leer  gelassen  worden  und  die  Eintragung  erst  gleichzeitig 
mit  dem  Abschluss  des  letzten  Theiles  erfolgt  sei.    Doch  bild«a 
f.  106  und  107  die  ersten  Blätter  einer  neuen  Lage,  und  es  ist 
demnach  eine  ursprüngliche  Lücke  viel  weniger  zu   erklttren, 
als  wenn  die  Blätter  dem  Schlüsse  einer  solchen  angehörten.^ 
Noch  weniger  begreift  man  aber,  warum  dann  gerade  die  eine 
Urkunde  hier  nachgetragen  und  nicht  gemeinsam  mit  den  übrigen 
in   der   Fortsetzung   der   Urkundensammlung  gebracht  Mrurde. 
Der  Wechsel  der  Hände  scheint  hier  vielmehr  auf  eine  zeit- 
weilig eingetretene  Stockung  des  Werkes  hinzuweisen;  dasselbe 
konnte  dann  am  St.  Veitstage  1311  höchstens  bis  f.  106  gediehen 
sein,  der  Rest  des  fünften  Buches  und  das  ,Rentenbuch'  waren 
noch  ausständig. 

Dass  1311  nicht  so  streng  als  Schlussjahr  anzusetzen  ist, 
zeigt  femer  die  Stelle  über  Leuthold  von  Kuenring  (Fräst  241): 
,Sed  iam  de  eius  miseriis  scribere  cessamus,  qui  cum  iam  in 
prosperis  constitutum  gaudere  estimamus,'  die  wohl  erst  nach 
dem  am  18.  Juni  1312  erfolgten  Tode  Leutholds  geschrieben 
sein  kann;  und  dem  entspricht  auch  der  ganze  Charakter  der 
p.  239 — 240  über  seine  Schicksale  gebotenen  Erzählung,  in  welcher 
auch  nicht  ein  Wort  darauf  hindeutet,  dass  von  einem  noch 
Lebenden  die  Rede  sei. 

Endlich  scheint  folgende  Stelle  ftlr  eine  andere,  viel  spätere 
Abfassungszeit  mit  Bestimmtheit  zu  sprechen: 


^  Das  erste  Blatt  der  Lage  (Fräst  106 — 116)  war  schon  arsprfliiglich  her- 
ausgeschnitten worden  (vgl.  oben  S.  268);  ein  Gleiches  hätte  ja  mit  va» 
Versehen  leer  gelassenen  Blättern  auch  geschehen  können. 


Die  beidoii  Cifitercienserklöater  ZvetÜ  und  Aldersbach  io 
lierii  wareu  in  eine  Reilie  von  ßesitzstreitigkeiten  gerathen, 
die  mit  grosser  Erbitterung  und,  wenn  wir  dem  Autor  des 
Stiftungsbuches  glauben  dürfen,  von  Seite  Aldersbachs  mit  nicht 
Btots  redlichen  Mitteln  gefehlt  wurden.  Eine  derselben  drehte 
sieh  um  den  Besitz  der  Kirehe  in  Thaya;  es  kam  zu  einem 
Schiedssprucli  des  Abtes  Hermann  von  Ebrach,  der  die  Kirche 
dem  Kloster  Zwettl  ab-  und  Aldersbach  zusprach.  Dartiber  ent- 
brennt der  Verfasser  des  Stütungsbuches,  der  auch  sonst  Proben 
eines  recht  freimUthigeu  Urtheils  ablegt,  in  hellem  Zorn  (Fräst 
340);  ,Fuit  autom  eccleaia  in  Teya  »bbati  de  Alderspacb  a  visi- 
tatore  et  fautore  suo,  videlicet  domino  abbate  Ebracense  anno 
MCCLXXXXH  adiudicata  et  abbati  Zwetleusi  non  solum  modo 
mirabili  sed  et  miserabih  ablata;  sed  utinam  atite  quadriennium 
per  impeticionem  prescrijitio  interrumperetur.'  ,Möge  doch  vor 
Ablauf  von  ner  Jahren  die  Verjährung  durch  Einspruchs- 
erhebung  unterbrochen  werden!'  Die  Urkunde  des  Abtes  Her- 
mann von  Ebrach  ist  im  Zwettler  Archive  noch  im  Originalo 
vorhanden  und  tiägt  das  Datum:  1292  Juni  12.  Da  bei  kirch- 
liclicm  Besitz,  sei  es  Zehentbezug  oder  Kirchengut  selbst,  vierzig- 
jilhrigo  Präacriptionsfrist  erforderlich  war,'  lief  sie  in  unserem 
Falle  am  12.  Juni  1332  ab;  und  da  nach  Angabe  dea  Verfassers 
Qoch  vier  Jahre  übrig  sind,  um  Rechtsachritte  gegen  den  unge- 
r«chten  Schiedsspruch  zu  ergreifen,  gelangen  wir  für  die  Ab- 
fjusnngszeit  dieser  Stelle  zum  Jahre  1327 — 1328.  Freihch  ist 
dieser  Stelle  von  anderer  Unnd  am  Itande  nachgetragen: 
est  XL  aunos',  waa  Fräst  im  Anhange  6^'J  in  folgender 
a  gibt:  Bl.  !!'4,  1.  S.,  1.  Col.  bemerkt  eine  andere  gleichzeitige 
r  nicht  viel  spätere  Hand,  das  ,quadri6nnium'  erklärend: 
t  est  XL  annos.' 

Syntaktisch  kann  sich  der  Commentar  auch  nur  darauf 
beziehen;  aber  durch  diese  von  anderer  Hand  heigelUgte  Er- 
kllLrung  ist  noch  immer  nicht  bewiesen,  daas  auch  der  Autor 
selbst  unter  den  Jahren  hier  eigentlich  Jahrzehnte  verstanden 
habe,  da  er  doch  anderweitig  (p.  156)  dafUr  den  Ausdruck 
,pracscriptio  quadragesimalis'  sehr  wohl  kennt.  Hielte  mau  aber 
an  der  Beweiskraft;  der  Stelle  fest,  so  gelangte  man  für  die 
Abfassung  auch  dieses  früheren  Theiles   genau  zu   dem  Zeit- 


i 


Decret.  Gregorii  IX.  1.  U,  t 


284 

punkte;  den  wir  oben  (S.  275)  als  den  frühest  möglichen  ftür  die 
Vollendung  des  dritten  Theiles^  des  Urkundennachtrages;  kennen 
gelernt  haben.  Man  müsste  dann  annehmen^  das  Werk  sei  in 
der  uns  vorliegenden  Gestalt  damals  einheitlich  entstanden  — 
eine  Annahme,  der  ja  auch  der  Schriftbefund  nicht  widersprÄche 
—  wobei  ähnliche  1311  vollendete  Vorarbeiten  benützt  wurden. 

Zu  einem  bestimmten  Ergebniss  gelangen  wir  daher  trotz 
der  anscheinend  so  klaren  Zeitangabe  nicht,  und  es  wird  sich 
darum  handeln,  ob  sich  nicht  aus  der  näheren  Betrachtung  des 
von  Fräst  als  Rentenbuch  bezeichneten  zweiten  Theiles  eine 
Entscheidung  zu  Gunsten  des  einen  oder  anderen  Ansatzes 
ergibt. 

Verzeichnisse  über  Zehenten  und  die  Abgaben,  welche 
den  Cistercienserklöstem  von  ihren  Ackerhöfen  und  Besitzungen 
zuflössen,  mögen  in  jedem  dieser  Klöster  zu  rein  geschäfUichem 
Gebrauch  schon  frühzeitig  angelegt  worden  sein.  Dies  war  um 
80  nothwendiger,  als  ja  durch  die  Veränderungen  und  Ver 
besserungen  in  der  wirthschaftlichen  Bearbeitung  des  Bodens, 
sowie  durch  die  sich  stets  mehrenden  frommen  Schenkungen,  durch 
Kauf-  und  Tauschverträge  diese  Dinge  in  stetem  Wandel  und 
Wechsel  begriffen  waren.  Der  Verfasser  des  Stifbingsbuches 
verlangt  ausdrücklich  von  den  Vorstehern  der  Grangien  und  den 
einzelnen  Officialen  des  Klosters,  dass  ein  jeder  einen  Rotolus, 
eine  Zehentliste  (,littera  censuaUs')  bei  sich  führe  und  in  Evi- 
denz halte,  in  welcher  die  Namen  der  Besitzungen  und  der 
Zehentpflichtigen,  die  Höhe  der  Abgabe  und  die  Zeit  der  Lei- 
stung genau  eingetragen  sei.  ^  So  rühmt  er  besonders  einem 
Abte  von  Ebrach  nach,  dass  er  bei  seinen  Visitationsreisen  den 
Achten  und  Officialen  der  Tochterklöster  besonders  genau  auf 
die  Finger  gesehen  und  Leute,  bei  denen  er  in  den  Eintragungen 
irgendwelche  Vernachlässigung  wahrnahm,  unnachsichtlich  ihres 
Amtes  entsetzt  habe.     Neben  solchen  einzelnen  Rotuli  wird  es 


1  Fräst  664 :  Omnes  enim  grang^arii  vel  ceteri  officiales  quocunqne  nomine 
censeantur,  rotulum  vel  litteram  censnalem  debent  habere,  in  quo  pre- 
diomm  vel  villamm  nostrarum  una  cum  censu  et  nominibns  colonorom 
et  quo  tempore  servire  debeant,  diligencius  et  omni  seguicie  preposita 
conscribantur.  Vidimus  enim  quendan  abbatem  venerabilem  EbracenseiB, 
qui  rotulum  scriptum  secum  in  visitationibus  deferre  solebat,  in  qoo 
omnium  monasteriorum  ad  so  immediate  spectantinm  possessionee  vel  tnnue 
pensiones  tam  abbatum  quam  officialium  conscripte  erant  etc. 


^Hfttm,  wie  das  Beispiel  jenes  Abtes  tuq  Ebrnch  beweist,  gewiss 
^^ictt  nur  vereinzelt  Gesammtverzeielmissß  über  die  Leistungen 
jiller  StiftsgUter  in  den  einzelnen  Klöetem  gegeben  haben.  In 
Zwett!  ISsst  sich  die  erste  Spur  hieven  unter  Abt  Ebro  nach- 
weisen, obwohl  es  nach  dem  ausdiilcklichen  Zeugniss  der  Vor- 
rede bereits  unter  seinen  Vorgängern  an  vereinzelten  Versuebcn 
nicht  gefehlt  hatte.  Ebro  war  vor  seiner  Wahl  zum  Abte  KeJler 
mei&ter  (cellerarius)  des  Stiftes  gewesen.'  Dieses  Amt  beschränkte 
sieb  damals  nicht  etwa  blos  auf  die  Obsorge  über  den  Stifts- 
kellcr,  sondern  der  Bruder  Kellermeister  war  —  ich  kann  dies- 
bezüglich nur  auf  die  trefflichen  Ausführungen  Winter's  verweisen^ 
—  zugleich  der  Oekonomieverwalter  des  Klosters;  er  hatte 
gegenttber  seinen  Mitbrlldem,  welche  die  strenge  Ordensregel 
^^■Ige  an  das  Kloster  fesselte,  vor  Allem  den  ft^ien,  ungehinderten 
^^nrkchr  mit  der  Aussen  weit  voraus.  Unter  seiner  Aofeiclit 
^B^den  alle  Ackerhöfe,  ihm  wurden  alle  Einkünfte  abgeliefert, 
hei  allen  geschäftlichen  Verhandlungen  des  Klosters,  bei  Kauf- 
und Tausch  vertragen  wurde  er  zugezogen;  wie  der  Prior  in 
geistlichen,  so  war  der  Kellermeister  in  weltlichen  Angelegen- 
~t&iten  nächst  dem  Abte  der  bedeutendste  Mann  im  Kloster. 
Die  ökonomische  Leitung  des  Stiftes  Zwettl  scheint  bc- 
bdere  unter  Abt  Conrad  (1269—1267)  keine  glückliche  ge- 
azusein.  Wenigstens  berichtet  uns  ein  im  ,Liber  fiindationum' 
|83|  geraachter,  dem  14.  Jahrhundert  entstammender  Nachtrag 
,  dasa  Abt  Conrad  wegen  der  vielen,  wahrscheinlich 
unvortbeilhaften  TauschvertrSge  schliesslich  zur  Niederlegmig 
seiner  Würde  verhalten  worden  sei.  Das  mag  den  Convent 
nach  der  kurzen  Prälatur  Piterolfs  (1267 — 1272)  bewogen  haben, 
die  Leitung  des  Klostera  den  Händen  des  praktisch  erprobten, 
aach-  und  weltkundigen  Kellermeisters  anzuvertrauen;^  und  der 
Erfolg  lehrte,  dass  man  damit  keinen  Missgriff  begangen  hatte. 
Kbro  war  damals  ein  noch  verh&ltnissmässig  junger  Mann,  nach 
deu  Angaheu  des  Htiftungsbuehcs  erst  elf  Jahre  Priester,  Jeden- 
f  es  seine  persönhche  Tüchtigkeit,  vermöge  deren  ihm 
eines  der  vrichtigsten  Klosterärater  und  endlich  die  Abt- 

r  Urknode  seiDes  Vo längere,  des  Atiles  PiteroU  (Wiea  Villi  er- 
L  tcfaeint  er  als  .Ebro  cellernrio«  uostar"  uuter  den  Zeugen.  Fräst  {{31—332. 
f  WinMr,  Die  CiMercienser  dos  uurdniiEliuUeii  DeutsciLliirida  bi»  zum  Auf- 
r  treten  der  Bettelorden.    Gotb.i  ISää.    1,   II. 

9  Wahl  Ebro»  erfolgte  «m  5.  Februar  IS73  (t>ast  im]. 


286 

würde  übertragen  wurde.     Die  Zeit^  in  der  Ebro  die  Leitung 
des  Stiftes  übernahm^   war  nicht  die  günstigste.     Noch  waren 
die   Wunden^  welche  die  Kämpfe   des  österreichischen  Inter- 
regnums dem  Lande  geschlagen  hatten,  unter  der  eben&Us  nicht 
kampfesarmen  Regierung  Ottokars  kaum  yemarbt,   da  wurde 
es  seit  der  Wahl  Rudolfs  von  Habsburg  immer  klarer,   dass 
dieser,  der  kein  blosser  Schattenkönig  nach  dem  Beispiele  Richards 
und  Alfons'  sein  wollte,  entschlossen  war,  ;^die  Rechts-  und  Beats- 
frage  in   den   ehemalig  babenbergischen   Landen   nöthigenfüb 
mit  Waffengewalt  zum  Austrag  zu  bringen.     Dazu  kam,  daas 
Zwettl  seine  ehemalige  festeste  Stütze  in  dem  Geschlechte  seiner 
Gründer,  der  Herren  von  Kuenring,  verloren  hatte.  Die  einzel- 
nen Vertreter  dieses  mächtigen  Hauses  gingen  in  ihrer  Haltung 
damab  so  weit  auseinander,   dass  Albero  in  der  Schlacht  am 
Weidenbache    in  König   Rudolfs   Heer   den   Heldentod   starb, 
während  Heinrich  das  Interesse  Ottokars  so  sehr  zu  dem  seinen 
gemacht  hatte,  dass  er  seine  Tage  in  der  Verbannung  beschliess^ 
musste.  So  waren  das  Kloster  Zwettl  und  sein  Abt  vollständig 
auf   die    eigene  Kraft   und   Klugheit    angewiesen,     ümsomehr 
muss  man  dem  Abte  Ebro  volle  Anerkennung  zollen,  dass  er 
mit  richtigem   politischen   Takt   die    ihm   anvertraute  Kloster 
gemeinde  durch  den  Sturm  der  grossen  Umwälzungen  gelenkt 
hat    So  war  es  möglich,   dass  das  Stift,   dem  sich  Ottokar  in 
einer  Reihe  noch  vorhandenen  Urkunden  bis  an  sein  Ende  ab 
grossmüthiger  Gönner  erwiesen  hatte,  auch  die  Gunst  des  neuen 
Landesherrn  sofort  genoss.  Von  der  reichen  Thätigkeit  aber,  die 
Ebro  auf  dem  Gebiete  des  wirthschaftlichen  Gedeihens  seines 
Klosters  entfaltete,  gibt  Fräst  258  eine  Zusammenstellung,  die 
in  der  grossen  Zahl  der  nun  ungleich  häufiger  werdenden  in 
den  Jiber  fundationum'  keineswegs  vollständig  aufgenommenen 
Urkunden  einen  sprechenden  Beleg  findet  Grewiss  war  es  aach^ 
nicht  ohne  sein  Verdienst  und  Zuthun,  dass  Zwettl  nun  mit  den 
Brüdern  Heinrich  und  Leuthold  von  Kuenring  wiedw  in  jenes 
innige  Verhältniss   kam,   ¥rie  es  einst  zu  Hadmars  H.  Zeiten 
bestanden  hatte. 

Dieser  so  umsichtige  und  geschäftskundige  Mann  ging  im 
Jahre  1280,  als  die  Stürme  des  Kampfes  ausgetobt  hatten  und 
eine  ruhige  Zeit  gedeihlicher  Entwicklung  den  österreichischen 
Landen  in  Aussicht  stand,  daran,  das  erste  uns  erhaltene  Ab- 
pibeuverzeichniss  seines  Stiftes  anml^^n. 


H        Die  ursprüDglicIie  Arbeit  beschränkt  sich  auf  zwei  Qua- 
■fcrnionen  (25Cin.  hoch,  U5  5Cm.  breit),   denen  dann  noch  eine 
■Xdige   von  zwei  Doppelblättera   hinzugefügt    ist,    die   aber   nur 
EHachtrüge  enthult.    Als  Einband  ist  ein  starkes  Pergaraentblatt 
^torweudet,   tieeaen   zweiter   Theil   3  Cm.  Über    den   Seitenraad 
Kerausragt  und  Übergeschlagen  werden  konnte,  Das Linienschema 
Kt  in  zwei  Columnen  getheilt  und  besteht  aus  26  horizontalen 
^md  4  verticalen  feinen  Tintenlinien ;  die  Schrift  ist  eine  schöne, 
sorgfältige  und  gleichmääsigo  Minuskel;  die  luitialien  der  Eigen- 
namen und  die  HatzanlUnge  sind  diu'cb  Ruhriciriing  hervorgehoben. 
Xach    der    schon   früher  wörthch    wietlergegebenen   Einleitung 
folgt  das  Abgabe nverzeichniss  von  75  aufgezählten  Besitzungen 
und  hipTauf  von  f.  9'  au:    ,redditus  omnium  officialium   primo 
merarii,  redditus  custodia  Michaelis  persolvendi,  redditus  sub* 
tllarii,  redditus  intirmarii  monachonim,  redditus  infirmarii  eon- 
persorum,  redditus  curie  in  Retachen,  redditus  curie  in  Duren- 
iffvo,  hie  continetur  ius  civile,  quod  servitur  curie  in  Hedrelisdorf.' 
ieche  verschiedene  Hände,  die  theilweise  auch  im  ,Liber  iunda- 
*  tümum'  begegnen,  haben  dann  diese  Zehentlisten  mit  Nachti'ägon 
VOTsehen  und  auf  den  h-tzten  vier  Blilttern  auch  Urkunden  ein- 
getragen, und  zwar:  Böhmer  Ficker  Nr.  ITül,  Pottliast  Nr.  8496, 
Meiller  154^  Nr.  24  und  eine  Urkunde  Rapotos  von  Falkenherg, 
1245  Mai  2'X 

Diese  Arbeit  ist  nun  die  Quelle  für  den  zweiten  Haupt- 
theil  unseres  Werkes  (Fräst  498—585),  der  mit  seiner  Vorlage 
auch  in  der  Anlage  Übereinstimmt. 

Man  wird  fragen,  warum  ich  das  hier  bei  der  Zeitbestimmung 
iereinbeziehe  und  nicht  bei  der  Besprechung  der  Quellen  dos 
rsbucbcs,  umsomehr  als  sich  aus  der  einen  Thatsache, 
Ifis  eine  Arbeit  Ebros  aus  dum  Jahre  1280  in  den  ,Liber  fun- 
ktionum'  aufgenommen  ist,  doch  keine  neuen  Anhaltspunkte 
:  die  Abfassiuigszeit  ergeben  und  anderersfita  das  lientenbucli 
llbBt,  deesea  jUngste  erwäitnte  Urkunde  (Fräst  574)  dem  Jahre 
BIO  angehört,  weder  nach  der  einen  noch  nach  der  anderen 
kfatung  hin  sich  verwerthen  zu  lassen  scheint. 

Das  Archiv  des  Klosters  Zwettl  bewahrt  aber  noch  ein 
idcres  Güterverzcichniss,  das  im  Kalalog  als  ,Liber  reddituum' 
seichnet  ist  mit  dem  Zusätze:  ,videtur  scriptus  esse  circa 
hem  XIII.  vel  initium  XIV.  seculi'.  Das  ist  ungenau;  denn  aus 
mer  Stelle  f  2'  geht  hervor,  dass  das  Veizeichniss  nach  ISäd 


I 


288 

angelegt  sein  muss:    Jn  civitate  habemus  onam  domum^  quam 
licet  diu  habuerimus^   tarnen  modo  anno  domini  MCCCXX  est 
nobis  a  domino  de  Liechtenstain  coUata  et  privilegio  suo  sigillo 
appendente  et  civium  sigillo  perpetuo  confinnata/    Der  Codex 
(14  Cm.  hochy  10  Cm.  breit)  ist  in  einen  alten  Holzdeckel  mit 
gepresstem   Lederrücken   gebunden  und   bestand  ursprünglich 
aus  55  Blättern^  welche  oben  in  der  Mitte  mit  arabischen  Ziffern 
bezeichnet  sind;  f.  60  und  öl  fehlen  jetzt  Die  ersten  vier  Lagen 
sind  ,Quintemionen^^  denen  als  fünfte  Lage  ein  Quatemio  folgt; 
f.  52 — 55  bilden  dann  noch  eine  Lage  von  zwei  Doppelblättem. 
Die    ursprüngliche   Lagenbezeichnung   links   unten   am    Rande 
ist  theils  noch'  vorhanden^  theils  wurde  sie  beim  Einbinden  weg- 
geschnitten.   Das  Linienschema  besteht  aus  23  horizontalen  und 
2  verticalen  feinen  Tintenlinien;    geschrieben  wurde  in  einer 
Colunme.     Auch   dieser  Codex,   welcher  auf  dem  Deckel  ab 
^Libellus  fundorum*  bezeichnet  ist,    während  er  f.   1   in  rubro 
mit  den  Worten:  ,redditus  monasterii  domus  Zwetlensis'  beginnt, 
enthält  Nachträge,   theilweise    von    gleichen   Händen    wie   der 
,Libellus  Ebronis'  und  das  Stiftungsbuch.  Das  Verhältniss  dieser 
drei  Verzeichnisse,   von  denen  ich  der  Kürze  wegen  das  des 
Abtes  Ebro  mit  jE,  den  ,Libellus  ftmdorum'  mit  jPund  das  Renten- 
buch  des  ,Liber  fundationum*  mit  R  bezeichnen   wiU,   ist  nun 
näher  zu  verfolgen.     In   der  Anlage  im  Grossen   und   Ganzen 
stehen  sich  JE  und  R  näher;  denn  beide  zählen  zuerst  die  Ein- 
künfte der  einzelnen  Gehöfte  und  Güter  auf  und  lassen  dann 
die  der  einzelnen  Officien  des  Stiftes  folgen,  während  jF,  ohne 
die  letzteren  auszuscheiden,  nur  die  Zehentbezüge  von  den  ein- 
zelnen Besitzimgen  ajiftlhrt.  Die  Reihenfolge  der  Ortsnamen  ist 
in  allen  drei  Listen  verschieden:  -B  beginnt  mitWietzen,  Fund 
R  mit  Rudmans,    weichen  dann  aber  sofort  von  einander  ab. 
Der  Inhalt  von  E  ist  sowohl  in  "F  als  auch  in  R  fast  wörtlich 
aufgenommen;  die  beiden  letzteren  bieten  aber  ein  bedeutendes, 
bei  den  entwickelteren  Verhältnissen  einer  späteren  Abfassungs- 
zeit leicht  erklärliches  Plus.   Dass  femer  diese  Zusätze  sich  in 
den  meisten  Fällen  vollständig  oder  bis  auf  ganz  geringftlgige 
Differenzen  decken,  dass  z.  B.  im  Gegensatz  zu  E  die  nämlichen 
Personen  als  zehentpflichtig  genannt  werden,  beweist  uns,  dass 
F  und  R  sich  zeitlich  sehr  nahe  stehen  müssen.    Aber  gerade 
die  wenigen  Abweichungen  gestatten  eine  vollständige  Lösung 
der  Frage  nach  der  zeitlichen  Aufeinanderfolge  beider,   woftr 


lagen 


^K  mit  Uebergehimg  von  minder  Wiclitigem  nur  die  entsclieiden- 

Hn>  Stellen  biete:  R  (Fräst  510  zur  Besitzung  Manshalms):  ,No- 

tandum   etiam,   quod  post   mortem    Chunegundis  relictc  domini 

Ortolfi   predifte  de  Cliirchpercli  in  eadem  villa  Auslmlms   red- 

tus  Xn  solidorum  ad  Zwetleuse  monasteriuiu  devolventur.' 

F.  ,e.t  «b  uxoi'e  8«a,  que  pottea  viortua  eit,  domina  Cliune- 

V  beneficia  et  aream/ 
Die  Priorität  von  ß  gegenüber  F  ist   damit  allein  schon 
Aergestellt,   und   dazu  stimmt  auch,   wenn   F  zur  Besitzung 
fednitz  (Fräst  499)  einen  abweichenden  Ansatz  mit  den  Worten 
Wtet:    ,aliug  liher  habet  minus  XL  den.',  was  wieder  beweist, 
dass  F  als   dem  spätesten  zwei  solche  Lieten,   E  und  Ä,  vor- 
lagen. 

Genauere  Einschränkungen  ergeben  sich  aus  Folgendem: 

F  f.  17'  erwälmt  Einkünfte  in  Siebenlinden;  davon  tindet 

i  in  Ä  noch  nichts,  wob!  aber  begegnet  im  Urkundenanhange 

(Prast   656)   eine   Urkunde   Friedrichs  III.    1319   Juni   18,    in 

welcher  die  Erwerbung  jeuer  Einktinfte  von   den  Herren  von 

^^pchberg  bestätigt  wird. 

^^F  ^  f.  40:  ,In  Reiutal  iuxta  Vclspereh  habemua  VHI  bene- 
^^Bft  a  domino  de  Waise  Eberharde'.  Reintal  fehlt  noch  in  E, 
^^pegen  bringt  der  dritte  Theil  (Fräst  659— 661 )  die  Schenkungs- 
^^^KUnde  Eberhards  von  Walsee  1318  Decentber  31. 
^f  Zur  Besitzung  Waltenstayn  (Fräst  508)  bietet  F  den  Zu- 
Satz:  jltem  ibidem  ex  novo  emimus  a  domiuis  de  Pucchporch 
V  beneficia  et  trea  areas.'  Die  entsprechende  Urkunde  der  Puch- 
berger  (Fraet  639)  datirt  vom  24.  Juni  1315. 

Daraus  ei^ibt  sich  mit  voller  Sicherlieit:  die  Stelle  Fräst 
^  über  die  Verjährungsfrage  wegen  der  Kirche  in  Thaya  ist, 
rehr  sie  auch  anfangs  verblüfft,  flir  die  Frage  der  Abfassungs- 
Keit  des  ,Liber  fundationum'  voUsüindig  werthlos.  Und  wenn  man 
1311  wegen  der  anderen  daran  sieb  knüpfenden  Bedenken  nicht 
^femng  als  Abschlussjahr  betrachten  will,  so  wird  man  doch  an- 
^Hu&Bti  müssen,  dass  man  damals  bereits  tüchtig  an  der  Arbeit 
^^k.  Die  Sammlung  des  Materials  war  mit  diesem  Jahre  beeu- 
^H^  die  Ausftihrung  bednrfte  noch  einiger  Zeit;  und  die  Ur- 
^■tade  des  am  8.  Juni  1311  gerade  zur  Klostervisitation  an- 
^Blenden  Abtes  von  HeÜigenkreuz  konnte  man  sich  zu  dem 
^Kt\etigem  Werden  begriffenen  Werke  so  gut  erbitten    wie  zu 


^berge 
^^whi 


290 

dem  bereits  völlig  vollendeten.     Spätestens  1315  war  auch  der 
zweite  Theil,  das  ,Rentenbuch',  abgeschlossen.^ 

Sehr  einfach  stehen  die  Verhältnisse  bezüglich  der  Ab- 
fassungszeit des  dritten  Theiles.  Der  graphische  Bestand  ist 
schon  erörtert  worden,  und  die  Gleichheit  des  Verfassers  ergibt 
sich  aus  der  Stelle  (Fräst  613):  ,Licet  prius  in  aliqua  parte 
secundi  libri  huius  opcris  descripsimtis/  Die  jüngste  in  diesem 
Nachtrag  gebotene  Urkunde  ist,  wie  schon  erwähnt,  eine  Bulle 
Johanns  XXII.  vom  1.  März  1326;  dagegen  ist  eine  Bulle  des- 
selben Papstes  vom  28.  Juni  1328,  welche  einen  Streit,  der 
wegen  des  Salzbezuges  zwischen  Zwettl  und  dem  Erzbischof 
von  Salzburg  entstanden  war,  zu  Qunsten  Zwettls  entschied, 
also  gewiss  zu  den  ,privilegia  utiliora*  gehörte,  nicht  mehr  auf- 
genommen. 

So  glaube  ich  auch  nach  der  anderen  Seite  hin  eine  ziem- 
lich enge  Qrenze  gefunden  zu  haben  und  das  Jahr  1327 — 1328 
als  Endpunkt  der  ganzen  Arbeit  mit  ziemlicher  Wahrschem- 
lichkeit  bestimmen  zu  können. 

Anderthalb  Jahrzehnte  etwa  nach  Abschluss  der  ursprüng- 
lichen Arbeit  ging  man  daran,  eine  Reihe  von  indessen  er 
haltenen  besitzrechtlich  wichtigen  Urkunden  nachzutragen.  Die 
Mundirung  besorgte  zum  Theil  noch  der  nämliche  Schreiber, 
der  sich  bereits  im  erste  Theile  als  treflflicher  Kalligraph  bewährt 
hatte.  Daneben  war  im  gleichen  Masse  der  Rubricator  (Hand  B) 
thätig,  vielleicht  ein  Schüler  des  ersteren,  wofür  die  aufiallende 
Aehnlichkeit  des  Schriflcharakters  sprechen  würde. 

Wir  haben  schliesslich  noch  der  Frage,  wer  wohl  der  Ve^ 
fasser  des  Stiftungsbuches  sei,  kurze  Aufmerksamkeit  zu  widmen. 

Von  Abt  Ebro  kann  nach  Allem  keine  Rede  mehr  sein, 
und  dass  auch  Abt  Otto  keinen  Anspruch  hat,  dafür  zu  gelten, 
hat  Bussen  bereits  nachgewiesen. 


^  Die  Anlage  von  F  wonige  Jahre  nach  R  läast  sich  aua  den  geringen 
sachlichen  Differenzen,  die  man  ebenso  gut  als  NachtrXge  am  breiten 
Rande  des  L.  fund.  bringen  konnte,  nicht  erklilren.  WahiBcheinlich  waren 
es  praktische  Gründe,  vermöge  deren  man  die  Zehentliaten  auch  io  hu^ 
lieberem  Format,  als  es  der  in  Folio  geschriebene  Prachtcodex  bot,  be- 
sitzen wollte.  Aus  gleichen  Gründen  bewährte  sich  wohl  auch  das  in  ^ 
(p.  498)  aufgestellte  historisch-chronologische  Fortschreiten  in  der  Anf- 
zfthlung  der  Besitzungen  nicht,  weshalb  man  in  F  eine  ünmtflUnng  toi^ 
nahm. 


Ändereraeils  stimme  ich  ebenso  darin  mit  Bubsod  Uberein, 
ein  Werk  wie  das  vorliegende  keine  rein  private  Arbeit 
sein  könne,  sondern  im  Auflrag  und  unter  Einßusenahme  des 
Abtes  erfolgt  sein  müsse.  Schon  die  nothwendige  Eiiisicbtnalimo 
in  alle  Urkunden  und  Handschriften  des  Klosters  setzt  dies 
voraus,  abgeseiicu  von  der  prächtigen,  gi'oss  angelegten  Aus- 
stattung; und  dci-  beste  Beweis  hiefUr  ist  wohl  die  schliessliche 
Sanctionirung  durch  den  Abt  des  Mutterklosters. 

Eine  andere  Frage  ist,  ob  nicht  Abt  Gregor  (Abt  seit 
12.  Februar  132ft)  der  Verfasser  sein  könne,  so  zwar,  dass  er 
die  Arbeit,  die  er  einst  unter  Abt  <)tto  als  Klosterbnider  be- 
gonnen, später  als  Abt  fortgesetzt  und  zu  Ende  gefUlirt  IiÄtte. ' 
Manches  liesSe  sich  dafUr  geltend  machen.  So  wissen  wir  aus 
der  Cont.  Zwetl.  lU.  (SS.  9.  668),  dass  er  aus  der  Stadt  Zwettl 
geboren  gewesen  sei,  also  die  genaue  Localkenntntss,  die  dem 
Verfasser  des  Stiftungsbuches  unleugbar  eigen  war,  gewiss  be- 
sessen haben  musstc.  Es  würde  sich  auch  erklären,  dass  er  im 
Nachtrage  p.  613  noch  einmal  auf  das  Ereigniss  zurUckkommt, 
wie  einst  die  Stadt  Zwettl  von  den  Sühnen  Hadmars  von  Kuen- 
dem  Stifte  entfremdet  worden  sei. 

Als  gewiss  glaube  ich  aber  annehmen  zu  dürfen,  dass  der 
saer  eine  bedeutende  angesehene  Stellung  im  Kloster  ein- 
len  haben  musa,  denn  von  einem  Manne  In  untergeord- 
neter Stellung,  etwa  einem  blossen  Conversen,  besäen  sich  gar 
manche  mit  grossem  Freimuth  ausgesprochene  Aeusserungen 
nicht  erklären.  Ich  werde  darauf  bei  Besprechung  der  Tendenz 
und  Aidage  des  Werkes,  zu  der  ich  nun  übergehe,  noch  näher 
_  itorUckzukommcn  haben. 

^^L       Bei  einem  Werke,   das  wie  das   unserige   geschichtliches 
^Bptd  rechtliches  Material  in  sich  vereinigt,    wird  es  sich  darum 
liandeln,  festzustellen,  was  davon  das  Vorwaltende,   Ausschlag- 
gebende war:  ob  die  Urkunden  nur  zur  Füllung  und  Ergänzujig 
der  hietorischen  Erzählung,  oder  ob  umgekehrt  der  darstellende 


wie  e 
^■erfa 


II.    Tcudenz  and  Anlage. 


'  AM  Ore^r  begegnet  ['□□(««  reram  Austr.  n,  6,  S66  in  eloeir  Dritunde 
I  Ton  183(1  Oct.  31  «In  Scbaffer  des  von  Znaltt  abbKngigea  Ciatercien- 
,   MtianeiiklüsMm  äl.  Ueruhnnl-Maytau, 


292 

Theil  nur  zur  Verbindung  und  Erklärung  der  mitgetheilten  Ur- 
kunden dienen  sollte;  endlich^  wie  der  Einfiluss  beider  Richtungen 
bei  der  Anordnung  des  ganzen  Stoffes  zum  Ausdruck  gelangt  ist 

Die  Vorrede  des  Werkes  ist  bei  ihrer  bekannten  Prove- 
nienz fUr  unsere  Frage  nicht  massgebend.  Hat  der  Verfasser 
doch  nur  durch  die  Hinzufügung,  dass  er  die  Genealogie  der 
Kuenringer  in  Wort  und  Bild  darzustellen  beabsichtigte,  der  ftr 
einen  ganz  beschränkten  Zweck  berechneten  Vorrede  des  Abtes 
Ebro  eine  allgemeinere  Bedeutung  zu  geben  versucht 

Viel  näher  klärt  uns  über  den  Charakter  des  Werkes  be- 
reits die  p.  265  mitgetheilte  Veranlassung  auf.  Man  hatte  den 
Rath  erhalten,  ein  Chartular  anzulegen,  und  diesem  Rathe  wollte 
man  nachkommen,  indem  man  ,wenn  nicht  alle,  so  doch  die  nüts- 
licheren  Urkunden*  sammelte.  Praktisch-rechtliche  Gründe  sind 
es  also,  die  zum  Entstehen  des  Stiftungsbuches  die  nächste 
Veraidassung  boten,  und  das  Vorwalten  derselben  ist  deutlich 
genug  durch  das  ganze  Werk  zu  erkennen.  Besonders  sind  es 
zwei  Hauptrichtungen,  die  wie  ein  rother  Faden  das  Werk  in 
allen  seinen  Theilen  durchziehen: 

1.  die  Sorge  um  die  Integrität  des  historisch  entwickelten 
Besitzstandes  und 

2.  die  Zehentfrage. 

Mit  Schmerz  muss  der  Verfasser  sich  gestehen,  dass  gar 
manche  von  den  ursprüngUchen  Besitzungen  des  Stiftes  dem- 
selben nunmehr  entrissen  sind  (p.  13ö),  und  es  ist  seine  Absicht, 
durch  die  Anlegimg  des  Stiftnngsbuches  allen  jenen,  welche 
einstiges  Klostergut  im  Besitz  haben,  ihr  Unrecht  vor  Aug^ 
zu  stellen  und  durch  Anführung  der  Rechtstitel  seines  Klosters 
sie  zur  Gutmachung  des  Geschehenen  zu  bewegen. 

Ist  diese  Tendenz  p.  100  ganz  allgemein  ausgesprochen, 
so  kommt  er  nun  in  einer  Reihe  von  Stellen  auf  ganz  specieDe 
Fälle.  So  wenn  er  p.  53  wegen  Entfremdung  des  Ghites  Kranum 
hinzufügt,  möge  doch  Gott  den  Herzogen  und  Edlen,  welche 
es  in  Besitz  haben,  in  den  Sinn  geben,  dass  es  zum  ursprttng' 
Uchen  Bestände  des  Klosters  gehöre.  Besonders  aber  wendet 
er  sich  an  die  Adresse  der  Stifter  seines  Hauses,  an  die  Herren 
von  Kuenring  und  deren  Sippe.  Ungern  schreibe  er  darüber 
(p.  125),  weil  er  wohl  wisse,  dass  es  Vielen  unangenehm  sei; 
aber  wenn  einer  der  Stifter  aus  der  Leetüre  des  Baches  xor 
Einsicht  seines  Unrechtes  gelange   und   dasselbe   gut   mache, 


werde  seine  MüLe  keine  vergebliche  sein.     Und  ähnlich 

'li^Bst  es  p.  437:    Widerwillig  und  gegen  die  in  der  Einleitung 

uusgesjiruchcnc  Absicht  des  Bucfaee  schreibe  er  von  den  Bg- 

(IrÄngeru  seines  Klosters;  aber  er  wolle  ihnen,  die  dem  Hause 

in   den    nnruhigeu  Kriegszeiton  gar   manchen   Besitz    entrisson 

hätten,  durch  sein  Werk  wenigstens  ins  Gewissen  reden,    p.  löf* 

richtet  er  an  die   Kuenringer  die  Aufforderung,    sich  wohl  zu 

■  präfen,  ob  sie  das  dein  Kloster  entrissene  Gut  denn  auch  recht- 

Bfa&sftig  inne  hätten,  und  das  geschehene  Unrecht  noch  in  diesem 

Vtkebeo  gut  zu  machen,  damit  sie  nicht  dem  Strafgerichte  Gottes 

anheimfallen.     Noch   allgemeiner   spricht   er    diesen   Gedanken 

p.  139   aus:    es  sei  nachgerade   zu   verwundern,    dass   gewisse 

Laien  tmd  Geistliche,  welche  KJostergut  unrechtmässig  besitzen, 

tjwicht  Kircbenstrafe  und  ewige  Verdammniss  fürchten;  und  nun 

t  eine  aeUr  weit  hergeholte  Wundergeschichte,  wie  ein  König 

traft   worden   sei,    der   sich    durch   schlechte   Rathgeber   zu 

altthfttigeii    Schritten    gegen     ein    Kloster    hatte    verleiten 


Diesen  Bedrängern  des  Stiftes  werden  als  leuchtende  Bei- 

l^le  entgegengehalten   Heinrich  und  Leuthold  von  Kuenring 

f.  222,  238—239,  608,  612),    die  ,wie  Lilien  aus  Domen  und 

B  Rosen  aus  Feldblumen'  enteprossen  seien.  Es  sind  die  beiden 

rüder,    die  in   ihrer  Gesinnung  gegen  Zwettl  wieder  ganz  in 

(  Bahnen  des  alten  Hadmar  U.  einlenkten.     Besonders  wird 

I  Leuthold  erzählt,  welchen  Schmerz  er  über  die  Entfremdung 

Htcher  Klostergüter  durch  Angehörige  seines  Hausos  erapfun- 

i  habe;  und  es  wird  ihm  sogar  die  Aeusserung  in  den  Mund 

er  würde  seine  Kinder,    die  er  zärtlich  liebe,    eher  mit 

r  Hand  tödten,   als  sie  zu  Feinden   der  Fatoilienstiftung 

A wachsen  sehen. 

Den    vollen    Grimm    des   Verfassers    bekommt    der    Abt 

rieh    von    Alderspaeh   zu    fllhlen    (p.  .335),    der   nach   der 

eeugung  desselben  dem  Kloster  Zwettl  schweres  Unrecht 

f*ftlgt  hatte.    Gerade  dass  es  von  geistlicher  Seite  und  noch 

dazu  von  einem  Orden sgenosscn  geschehen  ist,  erfüllt  den  Zwett- 

ler  MOnch  mit  imi  so  grösserer  Erbitterung.    Er  beschuldigt  den 

IderepacherAbt  un  ter  Anderem  selbst  der  UrkundenerEcldcichung 

'.  Mätuier,  die  wie  Abt  Hermann  von  Ebracb  filr  ihn  Partei 

haben,    der    BestecUichkeit    (p.   341);    insgesammt 

!  uwt  Gottes  .Strafgericht  bedroht. 

.    Bd  LUVi    Jl.  ll.Ofu..  ^u 


294 

Allein  der  Verfasser  begnügt  sich  nicht;  die  Sache  vom 
rein  ethischen  Gesichtspunkte  aus  zu  erörtern  und  mit  Himmel 
und  Hölle  zu  drohen^  sondern  er  geht  auch  auf  die  juristische 
Seite  dieser  Besitzstreitigkeiten  ein^    besonders  auf  die  Verjäh- 
rungsfrage.  So  heisst  es  p.  93,  er  behandle  die  Sache  ^propter 
prescriptionis    utUitatem^,    und    p.    127:    gewaltsam    entrissenes 
Kirchengut   könne   weder   durch  vierzig-,  noch  durch  hundert- 
jährige Frist,  noch  durch  ,Immemorialpräscription'  verjährt  werden. 
Und  noch  näher  geht  der  Verfasser  auf  diese  Frage  p.  156—158 
ein.     Hier  begegnet  uns  eine  vollständige,  streng  juristisch  ge- 
haltene Abhandlung  über  die  Erfordernisse  einer  rechtsgiltigen 
Verjährung.  Vier  Dinge  seien  dazu  nöthig:  ,continuatio  posses- 
sionis, bona  fides,  iustus  titulus^  und  ,res  non  vitiosa^  Die  beiden 
letzten  Punkte  seien  bei  der  gewaltthätigen  Art,  wie  Heinrich  and 
Hadmar  von  Kuenring  sich  seinerzeit  der  Klostergüter  bemäch- 
tigten,  ganz  ausgeschlossen,   ebenso  die  ,bona  fides';    und  die 
Entschuldigung  mit  Unkenntniss  will  der  Verfasser  eben  durch 
seine  Darstellung  unmöglich  machen.    Ebensowenig  sei  ein  un- 
unterbrochener Besitz  vorhanden;  denn  wiederholt  habe  seither 
das  Kloster  seine  Besitzrechte  von  Päpsten  und  Landesfürsten 
bestätigt  erhalten.  Da  könne  nach  dem  Ausspruch  des  Papstes 
Alexander  von  rechtsgiltiger  Veijährung  gar  keine  Rede  sein. 
Die  betreflfende  Stelle  (p.  156)  ist  wörtlich  aus  der  Decretalen- 
Sammlung  Gregors  K.  (1.  H,  t.  26,  c.  5)  citirt.     Auch  in  dem 
letzten  Theile  des  Werkes  wird  diese  Frage  p.  614  noch  ein- 
mal gestreift. 

Ueberall  tritt  der  Verfasser  für  wenigstens  formelle  Wah- 
rung des  gesetzmässig  zustehenden  Rechtes  ein;  denn  wenn 
auch  eine  wirkUche  Restitution  noch  nicht  erfolgte,  so  soll  doch 
durch  Rechtsschritte  die  ,continuatio  possessionis^  verhindert 
werden.  Den  gleichen  Rath  ertheilt  er  (p.  243)  auch  den  Nonnen 
von  Maylan-St.  Bernhard,  einem  von  ZwetÜ  abhängigen  Kloster:' 
er  räth  ihnen,  eine  durch  die  Herren  von  Dachsberg  entfremdete 
Pfarre  zurückzufordern,  weil  ihn  das  dadurch  zugefügte  Un- 
recht mit  Unwillen  erfiille. 

Noch  in  einer  anderen  Frage  bewährt  sich  der  Ver&sser 
als  sattelfester  Canonist:  Es  lag  im  Interesse  jedes  Klosters,  die 

1  Für  den  EinfloBs  Zwettb  ist  besondere  die  Thatsache  beseidmendf  da» 
in  8t.  Bernhard  ganz  nach  dorn  Muster  des  4^iber  ftindationnin'  ein  Stif- 
tungsbuch angelegt  wurde.  (Ed.  Zeibig,  Fontes  reram  Anstr.  11,  6, 187  ff.) 


295 

ihm  nahestehenden  Adelsgeschlechter  zu  hewegen,  sich  dasselbe 
zur  Begräbnissstätte  zu  erwählen,  womit  ja  allerlei  fromme 
Stiftungen  und  Schenkungen  zu  Gunsten  des  Klosters  verbunden 
waren.  Dies  scheint  den  seit  dem  13.  Jahrhundert  immer  mehr 
sich  häufenden  Klöstern  der  verschiedenen  Orden  Anlass  zu 
einem  nicht  immer  mit  ganz  lauteren  Mitteln  geführten  Wett- 
streit gegeben  zu  haben,  so  dass  sich  Papst  Bonifaz  Vlll.  be- 
müssigt  sah,  in  seinen  Nachtrag  zur  päpstUchen  Decrctalen- 
sammlung,  den  sogenannten  ,Liber  Scxtus^,  eine  eigene  dies- 
bezügUche  Bestimmung  aufzunehmen  (III,  12,  1),  welche  dem 
durch  Androhung  kirchlicher  Censuren  steuern  sollte.  So  hatte 
Zwettl  seinerzeit  die  Bestattung  der  Herren  von  Mistelbach 
verloren,  und  der  Verfasser  beschuldigt  deshalb  seine  Kloster- 
vorfahren bei  aller  ihnen  sonst  schuldigen  Achtung  der  Nach- 
lässigkeit, den  concurrirenden  Orden  aber  ruft  er  die  erwähnte 
Verfügung  Bonifaz  VÜI.  ins  Gedächtniss,  die  er  ausdrtlcldich 
als  im  ,Liber  Sextus^  enthalten  citirt. 

Die  zweite  durch  den  ganzen  ,Liber  fundationum'  immer 
wiederkehrende  Frage  ist  die  betreflfs  der  Zehenten.  Zehent- 
befreiungen  spielen  in  den  Klosterprivilegien  seit  jeher  eine 
grosse  Rolle  und  waren  auch  in  die  seit  dem  12.  Jahrhundert 
immer  häufiger  werdenden  grossen  päpstlichen  Privilegien  über- 
gegangen, ohne  dass  die  einzelnen  Päpste  untereinander  und 
gegenüber  den  verschiedenen  Klöstern  und  Orden  ganz  gleich- 
massig  vorgegangen  wären;  ich  habe  darauf  bei  den  ältesten 
päpstlichen  Privilegien  ft'ir  Zwettl  noch  zurückzukommen.  Erst 
Alexander  III.  hat  dafür  eine  ebenfalls  ins  canonische  Recht 
übergegangene  ^  feste  Norm  eingeführt,  die  er  aber  mit  Unrecht 
schon  auf  seinen  Vorgänger  Hadrian  FV.  zurückleitet,  indem 
er  nämUch  den  Klöstern  im  Allgemeinen  Zehentfreiheit  nur  von 
den  durch  eigener  Hände  Arbeit  urbar  gemachten  Neubrüchen 
gewährte,  daneben  aber  eine  aus  Cisterciensern,  Templern  und 
Johannitern  bestehende  Gruppe  von  Meistbegünstigten  aus- 
schied, denen  er  volle  Zehentfreiheit  von  allen  ihren  Arbeiten 
zusicherte. 

Nun  halten  wir  uns  gegenwärtig,  dass  gerade  das  Ende 
des  12.  und  der  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  die  Blüthezeit  des 
Cißtercienserordens  sind,   in  der  die  neuen  Stiftungen  sich  un- 


1  Decret.  Gregrorii  III,  80,  10. 


296 

gemein  mehrten, '  die  schon  bestehenden  aber  mit  immer  neuen 
Schenkungen  bedacht  wurden,  so  dass  z.  B.  Zwettl,  dessen  erste 
Mönche  unter  Noth  und  Entbehrungen  mühsam  an  dem  Urwald 
rodeten,  der  Oesterreichs  und  Böhmens  Grenzmarken  schied, 
zu  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  durch  die  Freigebigkeit  und 
Grossmuth  Hadmars  11.  von  Kuenring  sich  bereits  eines  behag- 
lichen Wohlstandes  erfreute. 

Dazu  kam,  dass  diese  Schenkungen,  der  höheren  Cultiur- 
stufe  des  Landes  entsprechend,  meist  nicht  mehr  unwirthliches, 
erst  urbar  zu  machendes  Land  betrafen,  sondern  bereits  be- 
bauten Boden,  von  dem  nach  uraltem  kirchlichen  Herkommen 
bisher  dem  Bischof,  beziehungsweise  Pfarrer  der  Zehentbezng 
zugestanden  hatte.  Nun  kamen  immer  grössere  Theile  solchen 
Landes  an  die  Klöster,  denen  immer  neue  päpstliche  Privilegien 
—  auch  deren  Blüthezeit  ftült  ja  in  unsere  Periode  —  voDe 
Exemtion  von  allen  Abgaben  zusicherten. 

Kein  Wunder,  dass  dies  unter  dem  Secularclerus,  der  so 
Einkünfte  verlustig  ging,  auf  deren  Bezug  er  ein  gutes  Recht 
zu  haben  glaubte,  steigende  Missstimmung  erzeugte,  deren  Wort- 
führer die  Bischöfe  wurden.  So  bildete  diese  Angelegenheit 
eine  der  Fragen,  die  auf  dem  bevorstehenden  vierten  Lateran- 
Concil  dringend  einer  Lösung  bedurften. 

Innocenz  IQ.  befand  sich  dem  gegenüber  in  keiner  leichten 
Lage.  Einerseits  konnte  er  das  billige  Verlangen  der  Bischöfe 
nicht  gut  verwehren,  umsoweniger  als  er  ihrer  tbatkrüftigen 
Unterstützung  bei  seinen  politischen  Bestrebungen  bedurfte; 
andererseits  war  es  misslich,  dem  Orden,  der  sich  treu  wie  keiner 
bisher  in  die  Dienste  der  Curie  gestellt  hatte,  lang  genossene 
Freiheiten  auf  dem  Concil  abzusprechen.  Der  Papst  wfthlte 
einen  Mittelweg;  er  bewog  die  zum  Generalcapitel  versammelten 
Cistercienseräbte,  freiwillig  auf  das  Recht  der  vollen  Zehentfreiheit 
von  Gütern,  die  ihnen  fürderhin  übertragen  würden,  zu  verzichten. 
Um  einen  Ausweg  zwischen  den  doch  zu  Recht  bestehenden 
Privilegien  und  der  angestrebten  Einschränkung  zu  finden,  be- 
schloss  man,  bereits  zehentpflichtiges  Land  überhaupt  nicht  mehr 
zu  kaufen  oder,  wenn  es  durch  fremde  Schenkimgen  übertragen 
würde,  Pächtern  zu  überlassen,  die  dann  fltr  den  Ejrchenzehent 


^  Nach  Janauschek,  ,OrigiueH  CinterciensesS  zXhlte  ich  von  1160  bis  1S15 
an  210  Neugrüudungen. 


■k£Eukommen   hstton.     Wurden   sie   über   bereits    urbares  und 
Pbllier  zehentpflichtigGs  Land  selbst  bebauen,  dann  sei  auch  von 
BtreD  Klfistern  der  Zelient  wie  von  Laien  zu  entrichten. 
L        Diese  BesehlUsficwurdnn  in  die  Acten  des  1215  abgehaltenca 
UiAteraQ-Concils'  aufgenommen.' 

L  Hefele  in  seinor  Conciliengeachichte'  gibt  dieses  Statut 
Bliebt  ganz  riehtig  wieder,  wenn  er  den  Inlialt  mit  den  Worten 
j^drilckt:  ,die  Cistereienser  und  andere  Mfinche  mllsstcn  von 
SPremden  Gütern,  die  sie  bereit»  erworben  haben  oder  noch  er- 
i^rerben,  den  Kireben  den  Zohont  entrichten'. 
p  Von  den   bereits   erworbenen   Gütern  ist  dabei  gar  nicht 

tue  Rede,  sondern  der  Beschluss  bezieht  sieb  nur  auf  die  , terrae 
|£enae  et  ammodo  acquirendae',  nicht  auf  die  ,nc(]uisitae',  da 
tAuu  Beschluss  rückwirkende  Kraft  ja  nicht  zukam. 
k  Der  Verfasser  des  Zwettler  Stiftungsbuches  hat  den  be- 
trefieaden  Canon  des  Concils  jedenfalls  richtiger  aufgefasst,  wenn 
cc  ihn  als  ütlarkstein  in  besitzrechtlichen  Fragen  betrachtet  und 
bei  Gttterbesitz  vor  und  nach  1215  strenge  scheidet,  eine  Ten- 
denz, die  sich  durch  das  ganze  Werk  verfolgen  lässt.  Die  erste 
jhende  Auseinandersetzung  darüber  finden  wir  p.  88 — 91. 
ird  nun  zuerst  genau  deijenige  Gnindcompiex  aufgezftblt, 
h  1215  bereits  im  Besitze  des  Klosters  befand;  die  Liste 
ist  dann  p.  485 — 487  bedeutend  vervolUtilndigt  und  wohl  darnach 
von  wenig  späterer  Hand  auch  an  der  betreffenden  ersten  Stelle 
nachgetragen.  Daran  werden  nun  die  Folgerungen  geknüpft: 
Von  dem  bereits  vor  1215  innegehabten  Besitz  ist,  wenn  er 
cigenhiUidig  bearbeitet  wird,  kein  Zehent  zu  entrichten.  Aber 
der  Autor  geht  entschieden  zu  weit,  wenn  er  für  sein  Kloster 
davon  nicht  nur  <lie  Zehentfreiheit,  sondern  auch  die  Zehenthen*- 
Ücbkeit  in  Anspruch  nimmt,  so  dass  im  Falle  der  Verpachtung 
-oder  Veräussenmg  nicht  dem  Bischof  oder  Pfarrer,  sondern  dem 
der  Zehent  zu  entrichten  sei.  Hauptstütze  fiir  den  Autor 

hiefür  die  Bulle  Honorius'  ID.  (Potth.  Nr.  7320,  Fräst  Ö2); 
allein  in  dieser  mrd  dem  Urden  nur  das  Recht  zugesichert, 
dass  ftlr  »Uc  vor  1215  erworbenen,  aber  im  Laufe  der  Zeit 
verpachteten,  verpfändeten  oder  verälusscrten  Besitzungen,  sobald 

wieder  in  eigene  Bewirthschaftung  durch  die  KliJster  zurüek- 


■CtUte 


il  aa.  IÜ12-104.1  C.  LV.  =  Decnt.  OrBgorii 


298 

kehren,   sofort  auch  alle  Privilegien   und  Freiheiten  wieder  in 
Kraft  treten. 

Ist  die  Frage  über  das  Alter  des  Besitzes  nicht  klar,  dann 
empfiehlt  der  Verfasser  genaue  Untersuchung  und  im  FaUe  des 
Besitzes  vor  dem  Lateran  -  Concil  Geltendmachung  der  voDen 
Zehentbelreiung  (487,  529).  Auch  zu  Schluss  des  Rentenbuches 
kommt  er  noch  einmal  deutUch  und  eindringlich  auf  diese  Frage 
zurück  (568) :  immer  und  immer  müsse  er  dies  auch  den  geistig 
minder  Gewandten  (simplicioribus)  einprägen,  denn  von  allem 
vor  1215  Besessenen  seien  keinerlei  Abgaben  zu  leisten. 

Daran  knüpfen  sich  nun  allerlei  Folgerungen  und  Rath- 
schläge  für  die  Leitung  des  Stiftes  sowohl  wie  auch  ftbr  die 
ausübenden  Organe.  Das  Stiftungsbuch  sollte  nach  der  Ab- 
sicht des  Verfassers  eben  auch  Wegweiser  in  allen  praktischen 
Fragen  der  Verwaltung  sein. 

Weil  auf  Kenntniss  und  Wahrung  des  Rechtsstandpunktes 
solches  Gewicht  gelegt  wird,  werden  diejenigen  getadelt,  welche 
Leuten  von  ungenügender  geistiger  BefUhigung  und  ohne  Eifer 
die  Leitung  von  Ackerhöfen  anvertrauen.' 

Weil  femer  der  älteste  Besitzstand  solche  Zehentvorrechte 
gegenüber  dem  später  erworbenen  geniesse,  sei  es  unsinnig, 
etwas  davon  zu  verpachten  oder  gar  zu  veräussem  (p.  563). 
Der  Autor  macht  überhaupt  aus  seiner  Abneigung  gegen  jed- 
wede Kauf-  und  Tauschgeschäfte  kein  Hehl.  p.  37  erklärt  er 
es  mit  als  Zweck  seines  Werkes,  von  der  leichtsinnigen  Vor 
nähme  solcher  Besitzveränderungen  abzumahnen;  p.  463  be- 
zeichnet er  derlei  als  thöricht  und  weist  aus  dem  alten  Testa- 
mente auf  das  warnende  Beispiel  des  Nabob  hin.  Selbst  den 
Abt  Ebro  kann  er  hieboi  von  Vorwurf  nicht  ganz  freisprechen. 

Andere  Stellen  sind  direct  an  die  Adresse  der  Officialen 
gerichtet.  So  wird  ihnen  p.  485  grössere  Rücksichtnahme  auf 
den  Convent  eingeschärft,  p.  472  Nachlässigkeit  vorgeworfen. 
Ganz  bezeichnend  ist  die  Bemerkung,  die  sich  p.  215  an  eine 
Urkunde  König  Albrechts  I.  knüpft:  zur  Erlangung  dieser  ü^ 
künde  habe  man  seinerzeit  (1298)  die  Reise  nach  Nürnberg 
nicht  gescheut;  das  schreibe  er  der  trägen  Ofiicialen  wegen, 
denen  es  schon  zu  mühsam  sei,  sich  deshalb  zu  geistlichen  und 


^  p.  81 :  Male  ergo  faciuiit,  qui  ydiotaä  vol  8iiie  indiistria  personiu«  lociot 
in  graagÜs,  qui  hec  attendere  vel  inqnirere  minus  curant 


Fbie 


BHlc^ 


weltlichen  Fllrsten  nach  Pussaii  oder  benachliarton  Orten  an 
beguhtin. 

Öeradc  die  Bostimmung  des  Werkes,  auch  uiinder  ge- 
lildeteu  KIoat(>rbrUdem,  Convcrson  und  Laien  Belehrung  zu 
tneten,  war  wohl  die  Ui-sache,  dasa  di-eien  der  wichtigsten  Ur- 
kunden, dem  ersten  Diplom  König  Konrads  III.  (p.  35),  dem 
ersten  päpatUchßn  Privileg  Innocenz'  II.  (p,  39)  und  dem  in 
Urkunde  Herzog  Albrechts  I.  inserirten  Privileg  Kaiser 
ledricbs  H.  für  die  österreichischen  Cistercienserklüster  (p.  207) 
ich  deutsche  Uebersotzungen  beigegeben  wurden;  anlilsslich 
des  zuletzt  erwähnten  Falles  wh'd  ausdrücklich  hervoi^ehoben, 
CS  gcBehehe,  um  langsamen  und  ungeübten  Erklärem  an  die 
Hand  zu  gehen.' 

So  sehr  aber  Veranlassung  und  Tendenz  des  Werkes 
[tisch  ■  rechtlichen  Gesichtspunkten  entsprangen,  so  wenig 
■en  diese  für  die  Art  der  Anlage  massgebend.  Diese  iat 
viehnebr,  wenigstens  in  den  ersten  Theilen  des  Werkes,  ledig- 
lich an  der  Hand  der  historischen  ErzUhhmg  versucht  worden. 
Entscheidend  hiefiir  war  wohl  der  Umstand,  dass  sich  an 
das  au  die  Spitze  des  ersten  Buches  gestellte  viel  ältere  latei- 
nische Gedicht  über  das  Geschlecht  der  Kuenringer  bis  Had- 
mar  n.  und  die  Begr^dung  des  Klosters  Zwettl  eine  prosaische, 
urkundlich  belegte  Paraphrasirung  bequem  anschliessen  konnte ; 
und  als  dies  kann  man,  glaube  ich,  das  erste  Buch  am  besten 
bezeichnen.^ 

■  In  der  That  macht  das   erste  Buch  als  logisches  Ganzes 

[fioen  recht  günstigen  Eindruck,  Der  erzählende  Theil  bc- 
l^eliränkt  sich  nicht  blos  auf  eine  kurze  Verbindung  der  ein- 
tgereihten  Urkunden,  sondern  besitzt,  abgesehen  von  der  quanti- 
[.^tiven  Ausdehnung,  durch  die  Mittheilung  vieler,  aus  mündlicher 
nsd  achriftliclier  Ueberlielerung  geschupften  Nacbricliten,  durch 
MBrililii  Im  und  topographische  Erläuterung  der  Stifitungsurkuude 
iMbststAndigen  Werth.  Dazu  kommt,  dass  die  Darstellung  dos 
MBten  Buches  mit  dem  Tode  Hadmars  U.  von  Kuenring  den 
Deckbar  passendsten  Abscliluss  findet.  Deun  erst  Uadmar  II.  hatte 
nirch  eine  Reihe  grossmUthiger  Schenkungen  den  Hchlossstein  zur 

^^  p.207:  Item  ex|jositio  eiuadem  privilepü  in  TeuUiuico  i>rupter  tardoB  el 
^V   Inexiiert'x  eipositorea  Unic  opustnlo  est  aiiueia. 

^■f  Nlberua  flUvr  iliui  VerliiUtniss  der  drei  KoUtioneii  nbvr  ilie  Oercfaivlit« 
^B    det  Kuenniiicor  aieho  unten. 


300 

Stiftung  seiner  Ahnen  gelegt;  der  dem  Euenringer  so  ge- 
wogene Herzog  Leopold  VI.  hatte  diesen  Schenkungen  seine 
Bestätigung  hinzugefügt  und  so  das  Verhältniss  des  Stiftes  zum 
Landesflirsten  in  feste  Formen  gebracht;  zwei  Jahre  aber  vor 
dem  Hinscheiden  Hadmars  H.  hatte  das  vierte  Lateran-Concil 
neue  Satzimgen  fllr  die  Besitz-  und  Zehentverhältnisse  aufgestellt 
Andererseits  wurden  mit  dem  bald  darauf  verstorbenen  Herzog 
Leopold  dem  Glorreichen  fllr  die  österreichischen  Lande  auch 
Ruhe  und  Frieden  auf  lange  Zeit  zu  Grabe  getragen  und  ganz 
besonders  die  Geschicke  Zwettls  durch  die  so  plötzlich  ver- 
änderte Haltung  der  Kuenringer  in  neue  Bahnen  gelenkt  Die 
ftir  diese  Zeit  ja  noch  spärlichen  Urkunden  (sammt  den  Tra- 
ditionsnotizen 27)  fügen  sich  zwanglos  in  den  Rahmen  der  Dar- 
stellung ein.  Das  chronologische  Fortschreiten  ist  hieftir,  dem 
Gange  der  Darstellung  gemäss,  wenn  auch  nicht  starr  und  aus- 
nahmslos, festgehalten.  Nur  zwei  Urkunden,  die  Bulle  Papst 
Honorius'  HI.  von  1224  (p.  92)  und  die  Urkunde  Herzog  Leo- 
polds VI.  von  1229  (p.  83),  vielleicht  auch  die  p.  96  abgedruckte 
Traditionsnotiz,  ragen  zeitlich  über  die  durch  die  EIrzählung 
gebotene  Grenze  hinaus,  ohne  dass  dies  störend  wirkte,  da  sie 
ja  logisch  dem  Inhalte  des  ersten  Buches  viel  näher  stehen  ais 
dem  späteren. 

Freilich  muss  andererseits  hervorgehoben  werden,  dass 
der  Autor  keineswegs  das  ganze  urkundliche  Material  auftiahm, 
das  ihm  ftir  diese  Zeit  zur  Verftigung  stand.  Von  den  noch 
später  zu  erwähnenden  Inedita  abgesehen,  gehörten  von  den 
in  den  ,Liber  fimdationum'  an  späteren  Stellen  aufgenommenen 
Stücken  die  p.  108  abgedruckte  Urkunde  der  Adelheid  von 
Turnau  (1204),  sowie  die  p.  436  folgenden  Traditionsnotizen 
zeitlich  sicher  ins  erste  Buch.  Es  muss  dahingestellt  bleiben, 
ob  der  Verfasser  auf  dieses  Material  tlberhaupt  erst  bei  einer 
späteren  Nachlese  aufmerksam  wurde  oder  es  als  in  den  Gang 
der  Erzählung  nicht  einreihbar  absichtlich  ausschied  und  so  die 
ftir  die  spätere  Zeit  sich  ohnedies  häufenden  Schwierigkeiten 
nur  noch  vergrösserte. 

Die  Schwierigkeiten,  das  Werk  auch  ftirderhin  im  Rahmen 
einer  Geschichte  der  Kuenringer  fortzusetzen,  traten  gleich  im 
zweiten  Buche  oflFen  zu  Tage.  Erstens  theilt  sich  das  Ge- 
schlecht in  verschiedene  Linien,  so  dass  ein  stetiges  chrono- 
logisches  Fortschreiten    schon    sehr   erschwert  ist;    dann    aber 


■oheD  sie   ihrer  Familionstütung  ktlhl,  jh  feindlich  gegenüber, 
fe  (iass  in  eine  Erzählung  ihrer  Thaten  eich  die  vielen  zu  Gun- 
sten Zwcttls  gegebenen  Urkunden  logisch  kaum  einreihen  lassen. 
Dem  Herzog  Friedrich  gegenüber  befinden  sie  sich  in  offener  Em- 
^riuig,  der  Katostroplie  König  Ottokara  gegenüber  nehmen  die 
;elnen  Glieder  des  Hauses  eine  ganz  entgegengoaetzte  Hai- 
ein.   Der  Autor  selbst  scheint  sich  dieser  Schwierigkeiten 
ttewoBst  gewesen  zu  sein.     Daher  begann  er  das  zweite  Buch 
wohl  uüt  dem  Aufstande  Hadmars  und  Heinrichs  von  Kuenrinp, 
RÜirte  die  Genealogie  des  Hauses  aber  nicht  durch  die  folgenden 
Jahrzehnte  fort;    dieselbe   wird  vielmehr  erst  im  dritten  Buche 
I)  nachgeholt.    Den  Schwerpunkt  des  übrigens  schon  stark 
Icktretendcn  Textes   des  zweiten  Buches  bilden  die  bereits 
'ahnten  Ausführungen  über  Besitz-,  VerjahrungB-  und  Zehent- 
Daneben   finden   sich  kurze,   annalistischen   Aufzeieh- 
igea  ontoommene  Bemerkuugen  über  die  Landesflirsten,  und 
le   derselben   Über   den   Untergang  Künig  Ottokai-s  II,  muss 
deus   ex   machina'    zu   einem   ziemlich  unvermittelten  Act- 
luss  dienen. 

Viel  günstiger  waren  die  Grundlagen  zur  Disposition  des 
itten  Buches.    Die  Brüder  Heinrich  und  Leuthold  von  Kuen- 
zftKlten  wieder  zu   den  hervorragendsten  Wohlthiltern  des 
tes;  eine  Darstellung  der  Besitzungen  und  des  Wachsthums 
«Iben  konnte  sich  daher  wieder  leichter  an  die  Schilderung 
Lebens  und  Wirkens   dieser  Männer   anreihen.     Die  Neu- 
Inung  der  Verbltltnisae   des  Landes   knüpft   an   den   Herzog 
späteren  König  Albrecht  I.  an,   die  Verwaltung   und   Lei- 
lg  des  Klosters  rulit   glciehzcitig  in  den  Händen  des  so  her- 
vorragenden Abtes  Ebro. 

Deshalb    sagt    der    Autor    in    der   Einloitong   des   dritten 
-fioches  (300),  er  wolle  handeln  von  drei  hervorragenden  Mfin- 
:   von   Kflnig  Albrecht,   von   Leutliold  von  Kuenring  und 
Abt  Ebro. 

In  Wirklichkeit  finden  wir  in  dem  erzählenden  Theil  dieses 
es  daj!  Versprechen  mangelhaft  genug  erfUllt.  Was  über 
■echt  I-  gesagt  wird,  sind  wenige  und  knappe  Auszüge  aus 
.Continuiitio  Zwetlensis  III.'  Das  über  Leuthold  von  Kuen- 
Bemerkte  ist,  wie  der  Nachtrag  hiczu  im  Urkundenauhang 
bei  Weitem  nicht  voUstilndig,  gehört  aber  immerhin  mit 
22ä  imd  2-iU  ff.  gebotenen  NaehtrSgou  zur  Geschichte  der 


302 

Kuenringer  zum  WerthvoUston  dieses  Buches,  üeber  Abt  Ebro 
erhalten  wir  *  ausser  einer  Reihe  seine  Thätigkeit  berührender 
Urkunden  nur  eine  Zusammenstellung  der  von  ihm  im  Interesse 
des  Klosters  abgeschlossenen  Rechtsgeschäfte.  Das  Buch 
schliesst,  wie  es  den  Landesherm  an  erster  Stelle  erwähnt 
hatte,  p.  262  mit  dem  Berichte  über  seine  am  1.  Mai  1308  er- 
folgte Ermordung. 

So  war  die  Erzählung,  wenn  auch  in  grossen  Zügen  und 
höchst  lückenhaft,  bis  ca.  1310  gelangt;  von  bis  dahin  ausge- 
stellten Urkunden  war  jedoch,  trotzdem  besonders  im  dritten 
Buche  der  verbindende  Text  schon  fast  ganz  in  den  Hinter- 
grund getreten  war,  ein  ganzer  Stoss  zurückgeblieben^  der  eine 
Ergänzung  des  Werkes  dringend  erheischte.  Diese  zu  bieten 
war  der  Zweck  des  vierten  und  fünften  Buches;  und  zwar 
wurde  dabei  von  der  früheren  Art  der  Anlage,  die  sich  ftür 
Urkundenedition  nicht  bewährt  hatte,  nunmehr  abgewichen. 
Die  beiden  letzten  Bücher  tragen  den  Charakter  eines  eigent- 
lichen Chartulars.  Nicht  mehr  von  diesen  und  jenen  Männern 
wollen  sie  handeln,  sondern  nur  Urkunden  wollen  sie  mehr 
bringen,  nach  bestimmten  Gesichtspunkten  geordnet  (p.  263,  317). 

Bezeichnend  hiefür  ist,  dass  gerade  zu  Beginn  des  vierten 
Buches  der  Rath  des  Bischofs  Wemhard  von  Passau  ^erwähnt 
wird,  die  vorhandenen  Urkunden  in  einem  Copialbuche  zu 
vereinigen. 

Der  geringe  verbindende  Text,  den  man  noch  beibehielt, 
beschränkt  sich  auf  eine  kurze  Aneinanderreihung  der  ver- 
schiedenen Urkunden  oder  Urkundengruppen  und  ist  historisch 
ziemlich  werthlos. 

Das  vierte  Buch  sollte  Urkunden  aus  der  Zeit  der  Aebte 
Bohuslaus,  Conrad,  Ebro  und  Otto  nachtragen.  Wir  würden 
demnach  eine  chronologische  Anordnung  erwarten,  imd  eine 
solche  hätte  sich  gewiss  am  meisten  empfohlen.  Allein  schon 
die  Abtreihe  ist  keine  ununterbrochene;  und  indem  der  Verfasser 
überdies  mit  dem  jüngsten  Abte,  Otto,  begann,  hat  er  das  System 
vollends  auf  den  Kopf  gestellt.  Schliesslich  scheint  er  selbst  ein- 
gesehen zu  haben,  dass  er  auf  diesem  Wege  nicht  mehr  vorwärts 
komme.  Ganz  plötzlich  schloss  er  p.  317  das  vierte  Buch,  wie 
er  versichert,  ,weil  er  zu  Weiterem  eile*  (wohl  die  Sache  an- 
ders anfassen  wolle?)  und  ,um  beim  Lesen  nicht  Ueberdross 
zu  erzeugen*. 


303 

Für  das  flLnfte  Buch  wird  dann  die  in  mittelalterlichen 
Chartularen  sehr  beliebte  Art  der  Einreihung  nach  Aussteller- 
gruppen zum  Grundsatz  gemacht,  so  zwar,  dass  auf  diQ  Ur- 
kunden geistlicher  Würdenträger  die  der  Ministerialen,  der 
edlen  Frauen,  des  minderen  Adels  und  der  Bürger  folgen  sollten.  • 
Aber  auch  dieses  System  wird  bereits  p.  322  durchbrochen, 
indem  lediglich  aus  localen  Gesichtspunkten  Urkunden  hier  ein- 
gereiht worden  ,propter  consonantiam  materie,  quia  de  vinea 
Nozzel  tractare  videntur^  Nimmt  man  dazu  die  Stelle  am  Schlüsse 
des  fünften  Buches  (p.  488),  in  welcher  ein  etwaiger  Fortsetzer 
aufgefordert  wird,  mit  dem  Jahre  1311  zu  beginnen  und  so 
,per  ordinem'  (also  wohl  chronologisch?)  fortzuschreiten,  so  ge- 
langt man  zu  dem  ganz  interessanten  Ergebniss,  dass  im  Zwettler 
Stiftungsbuche  schier  alle  im  Mittelalter  überhaupt  üblichen 
Arten  der  Urkundenanordnung  durchgeftlhrt  oder  wenigstens 
versucht  sind:  pragmatische  Einreihung  in  historische  Erzählung, 
Anordnung  nach  Ausstellergruppen,  nach  chronologischen  imd 
topographischen  Gesichtspunkten. 

III.  Der  erzBhleiide  Theil  des  ,Liber  fandationiim^  und 

seine  Quellen. 

Ich  gehe  nun  über  zur  Erörterung  der  in  den  ,Liber  fun- 
dationum^  aufgenommenen  historischen  Nachrichten,  ihrer  Quellen 
und  deren  Benützung. 

In  erster  Linie  haben  uns  hier  die  an  die  Spitze  des 
Werkes  gestellten  drei  verschiedenen  Relationen  über  die  Ge- 
schichte der  Kuenringer  zu  beschäftigen.  Friess,  der  Einzige, 
der  sich  mit  dieser  Frage  bisher  eingehender  bcfasst  hatte,  ge- 
langt (p.  3)  zu  folgendem  Ergebniss:  Die  erste  Relation,  das 
lateinische  Gedicht,  entstand  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts, und  zwar  nicht  vor  dem  Ende  des  dritten  Decenniums 
desselben,   weil  der  Inhalt  die  Verleihung  der  Sehenkenwürdc 


1  Wenn  ich  den  betreffenden  Passuä  (p.  317)  richtig  verstehe,  so  gelit  daraus 
hervor,  dass  damals  die  Urkunden  im  Zwettler  Arcliive  nach  diesen  Aus- 
stellergnippen  geordnet  waren.  In  der  kurzen  Zeit  meines  Aufenthalten 
war  es  mir  leider  nicht  müglich,  festzustellen,  ob  sich  die  alten  Dorsual- 
signatoren  auf  eine  derartige  Eintheilung  beziehen.  Jetzt  sind  die  Ur- 
kunden topographisch  nach  den  im  Texte  erwähnten  Besitzungen  ge- 
ordnet. 


304 

an  die  Kuenringer  voraussetzt.  Gleichzeitig  wurde  davon  für 
diejenigen^  denen  der  ungemein  schwülstige  Stil  der  leoninischen 
Verse  minder  verständlich  wäre,  eine  ^prosaische  Uebersetzung' 
veranstaltet.  Erst  zu  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  trat  als  letztes 
Glied  die  deutsche  Reimchronik  hinzu. 

Bezüglich  der  Reihenfolge  stimme  ich  Friess  vollkommen 
bei,  wenn  ich  auch  im  Einzelnen  zu  wesentlich  abweichenden 
Ergebnissen  gelange. 

Das  lateinische  Gedicht  findet  sich  ausser  im  ,Liber  fon- 
dationum^  auch  noch  auf  dem  ersten  Blatte  des  Cod.  8  der 
Zwettler  Stiflsbibliothek,  und  zwar  mit  einer  im  ,Liber  fundationam' 
weggelassenen,  von  Fräst  anderweitig  veröffentlichten  £Iinleitung.* 
Aus  dieser  geht  hervor,  dass  ein  Mönch  des  Stiftes  Zwettl,  der 
sich  wahrscheinlich  schon  bei  anderen  Gelegenheiten  als  Haus- 
poet  bethätigt  hatte,  in  höherem  Auftrage  es  unternehmen  musste^ 
die  Geschichte  der  Kuenringer  zu  besingen. 

Das  Gedicht  ist  in  kleiner,  zierlicher  Minuskel  in  drei  Co- 
lumnen  auf  die  Rectoseite  des  ersten  Blattes  geschrieben;   der 
Schriftcharakter  ist  entschieden  älter  als  der  des  Stiftiungsbuches; 
die  Schaftbrechung  ist  noch  unvollständig  durchgeflihrt,  t-Striche 
finden  sich  nur  über  Doppel-t,  nicht  auch  über  einfachem,  am 
Schlüsse  der  Wörter  begegnet  neben  rundem  auch  noch  langes  i. 
Der  untrüglichste  Beweis  aber  fllr  die  Priorität  dieser  Aufzeichnung 
besteht  darin,  dass  einzelne  Worte,  die  im  ,Liber  ftindationuin^ 
auf  Rasur  stehen,   in  Cod.  8  abweichen,   also  anfänglich  genau 
nach  diesem  abgeschrieben,   später  aber  corrigirt  wurden;  so 
p.  23,  Z.  13  des  Gedichtes  ,Bawarorum',  Cod.  8  ,AuaroruniV 
p.  23,  Z.  4  V.  u.  ,8uccre8cere'.  Cod.  8  ,accrescere^;  p.  23  letzte  Zeile 


1  Arcliiv  für  Kunde  österr.  Gescliichtsquelleu  2,  266,  »Urkunden  und  ge- 
schichtliche Notizen,  die  sich  in  den  Handschriften  des  Stiftes  Zwettl 
finden*. 

^  Gerade  diese  Abweichung  scheint  mir  einiger  Beachtung  werth.  ^ 
Verfasser  dieser  ältesten  Relation  nennt  die  hergebrachten  Hauptfeinde 
der  Ostmark  Böhmen  und  Ungarn,  während  es  Kämpfe  mit  den  Baiern, 
wenn  auch  der  Bischof  von  Kegensburg  gerade  zur  Mailberger  Schlicht 
den  Böhmen  eine  Hilfsschaar  gesandt  hatte,  bis  zu  den  Tagen  Friedrichs 
dos  Streitbaren  in  grösserem  Umfange  überhaupt  nicht  gab.  Avari  f^ 
Ungarn  ist  überdies  sehr  selten;  in  österreichischen  Annalen  begepiet 
es  zu  1174  in  den  Ann.  Meli.  (SS.  9,  504)  und  in  der  Cent  Zwetl  ü 
(SS.  9,  641). 


■nrali'.  Cod.  8  ,fatali';  doi-  Vers  p.  27  ,Chvnriiigeii  gaiidet  dum  fau- 
^pB  nomen  adaugct'  ist  in  Cod.  8  ain  Rande  nachgetragen.' 
W  Öehcn  wir  auf  den  Inhalt  ntthor  ein:  Unter  Kaiser  liein- 

fr)jch  dem  , Bösen'  (dem  Viei-ten;  eine  Verwechslung  oder  Vor- 
Bchmelzung  mit  Heinrich  V.  anzunehmou,  bietet  diese  Relation 
noch  kernen  Gnind)  fallen  Bölimen  und  Ungarn  verheerend  in 
das  Land  des  Markgrafen  Leopold  (des  Zweiten)  ein.  In  dieser 
Bedrängniss  sehiekt  ihju  sein  ,B''id*^'*'  Erzbischof  Poppo  von 
Trier  einen  kriegserfahrenen  .Verwandten'  zu  Hilfe.  Der  Mark- 
graf nimmt  ihn  mit  Freuden  auf  und  verti'ant  das  Heer  seiner 
Fllhning  «n.  Azzo  erringt  einen  hen-lichen  Sieg,  und  zum  Lohne 
dofttr  gibt  ihm  der  LandesfUrst  eine  Gemahlin  aus  edlem  Hause 
und  verleiht  ihm,  der  als  Heerfilbrer  und  Bannertrilger  die 
Würde  eines  Marschalls  bereits  thatsäehlich  ausgeübt  hatte, 
flberdies  das  Schenk enamt,  wie  dies  die  heutige  Nachfolge 
seines  Geschlechtes  darin  bezeuge.  Von  der  eigentlichen  formellen 
Verleihung  des  Marsch ailamtes  ist  in  dem  lateinischen  Gedichte 
nicht  die  Rede.  Das  Folgende  ist  kurz  gefasst:  Azzo  hat  drei 
Söhne:  Anshahn,  Nizo  und  Albero,  Nizos  Söhne  sind  Pilgrim 
and  Hadmar  I.,  der  mit  seiner  Gemahlin  Gertrud  in  jungfräu- 
licher Ehe  lebt  und  sein  reiches  Erbe  zur  Gründung  eines 
Cistercienserklosters  zu  verwenden  beschliesst:  dies  der  Ursprung 
Zwetds.  Noch  wilhrend  des  Baues  stirbt  der  Stifter  und  lüast 
sieb,  da  der  Fortbestand  der  Neugrilndung  noch  keineswegs 
äcber  gestellt  ist,  in  Glittweih  begraben.  Alberos  Sohn,  eben- 
|^£Üls  Albero,  ist  dann  der  Vater  Hadmars  U.,  dessen  Grossmuth 
nd  Frömmigkeit  in  lebhaften  Farben  geschildert  werden.  Das 
idicbt  schliesst  mit  einer  frommen  Bitte  fUr  Hadmars  Seeten- 
1  und  das  Wohl  seinur  Nachkommen. 

Gerade  der  Schlusstheil  könnte  wohl  die  Meinung  erwecken, 
er  noch  zu  Lebzeiten  Hadmars  H.  abgefasst  sei.  Die 
eien  Praesentia  scheinen  dat\lr  zu  sprechen,  obwohl  sie  bei 
nhafter  Schilderung  auch  früher  bereits  begegnen,  besonders 
■  der  drittletzte  Vei-s:  ,quod  petit  hoc  audi,  guod  oivit,  sit 
pt  laudi'.     .\llein  Subjcct  zu   diesem  ,vivit'  kann  ebenso  gut 

)  bb  DSbni«  liier  ßleich  die  Qeleganhoit.  einige  LeBefehler  Pr&at'e,  die  den 

ohnedies  oft  douUen  Sinn   des  Oodicbtes  nuch  mehr  entstellen,   zo  \<e- 

riotttigen!   p.  33,   Z.  S  lies  que   «t.  quam,  p.  S4,  Z.  11   BbdiM  it.  ^bdiila. 

oa  M.  mos,  p.  25,  6.  Z.  v,  n.  eot  st  et,  |i.  26,  Z.  III  quoniM» 

L  Z.  22  rite  Mi  H.i.:iiitiir,  p.  27,  Z.  IT  vreriisqne  «t,  vnriiqne,   ^^M 


306 

das  unmittelbar  yorangegangene  ^concio'  sein;  denn  es  soll  ja 
vor  Gott  eben  zu  den  Verdiensten  Hadmars  zählen,  dass  er 
den  Bestand  Zwettls  erst  recht  sicherte.  Andererseits  scheint 
der  vorletzte  Vers:  ,penis  sublatum  fac  eum  sine  fine  beatum^ 
sich  wohl  nur  auf  einen  bereits  Verstorbenen  beziehen  zu  können. 
Bezeichnend  ist  auch,  dass  der  spätere  Autor  des  Stiftungsbuches 
p.  610  die  nänüichen  Verse  auf  den  damals  längst  verstorbenen 
Heinrich  IV.  (VI.)  von  Kuenring  wiederholt. 

So  kann  uns  dieser'Schluss  nicht  hindern,  zur  Festsetzung 
der  Abfassungszeit  jenen  Weg  einzuschlagen,  den  bereits  Friess 
erfolgreich  betreten  hat.  Was  uns  über  Azzos  Auftreten  e^ 
zählt  wird,  ist  Sage,  unvermögend,  vor  ernster  historischer 
Kritik  zu  bestehen.  Aber  eben  das  Wesen  der  Sage  ist  es, 
dass  sie  die  Dinge  nicht  aus  der  Luft  greift,  sondern  an  wirk- 
lich geschehene  Ereignisse  anknüpft;,  diese  aus  dem  chrono- 
logischen Zusanmienhange  reisst  und  zum  Mittelpunkte  freier 
dichterischer  Verarbeitung  macht.  *  Besonders  liebte  man  es  im 
Mittelalter,  Einrichtungen  und  Errungenschaften  der  jüngsten 
Vergangenheit  durch  Hinaufrücken  in  graue  Vorzeit  den  Nim- 
bus hohen  Alters  zu  verleihen. 

In   unserem  Fall   ist   der  geschichtliche  Kern   wohl  der, 
dass    ein    Kuenringer    als    Heerftlhrer^    nicht    ausdrückhch  als 
Marschall,  einen  Sieg  über  die  Böhmen  errang,  wofiir  ihm  der 
Landesherr  das  erbliche  Schenkenamt  übertrug.    Der  concrete 
Fall  ist  nicht  schwer  zu  linden:  es  ist  der  Sieg,  den  Heinrich  I. 
(HI.)  von  Kuenring  1226  als  ,rector  totius  Austriae^  über  die 
Böhmen  erfocht,  die,  erbittert  über  die  Vermählung  des  Kaiser 
sohnes   Heinrich   mit   Margaretha  von  Oesterreich,   in   die  an- 
grenzenden Theile  des  Landes  eingefallen  waren.    Noch  unter 
Herzog  Leopold  VI.  war  den  Kuenringern  hieftir  die  Marschalls- 
würde, vielleicht  auch  schon  das  Schenkenamt  übertragen  worden; 
urkundUch  erscheinen  sie  1233  zum  ersten  Male  im  Besitze  beider 


^  In  dieser  Hinsicht  ist  es  vielleicht  nicht  recht,  über  die  Nachricht  tod 
der  Einwanderung  der  Kuenringer  ans  den  Rheinlanden  einfach  hinweg 
zugehen.  Dass  Azzo  gerade  von  Erzbischof  Poppo  in  die  Ostmark  g^ 
sandt  worden  sei,  ist  wohl  ebenso  unbegründet  wie  die  Nachricht,  ^ 
Poppo  der  Bruder  Leopolds  II.  war.  Aber  eine  gewiase  Familientradition. 
dass  einer  der  Vorfahren  einst,  vielleicht  gelegentlich  der  grossen  Ungiun* 
kriege  Kaiser  Heinrichs  UI.,  in  die  Ostmark  gelangt  sei,  scheint  mir  dem 
Ganzen  doch  zu  Grunde  zu  liegen. 


Hoßlmter. '  Die  Abfassung  des  Gedichtes  setzt  also  jedenfftlls 
(lie  Verleihung  der  Sc  henken  würde  voraus;  auffallen  niuss,  duss 
des  wohl  noch  früher  tlbertragenen  Mai-schallsamtes  nicht  aus- 
drücklich gedacht  wurde.  Der  Grund  scheint  zu  sein,  dass 
damals  die  Thatsache,  dass  der  Sieger  wohl  Heerführer,  abei' 
nickt  eigentlicher  Marschall  war,  noch  frisch  in  der  Erinnerung 
haftete.  Die  Belohnung  war  dann,  daas  er  in  der  WUrde,  die 
■  als  jsignifer'  ja  factisch  ausgeübt,  auch  ferner  belassen  und 
1  noch  überdies  das  Schcnkenamt  übertragen  wurde. 

Andererseits  seheint  (p.  26)  die  ,suecessio  postcritatis'  an- 
ndeuten,  dasa  die  Würde  sich  in  der  Familie  bereits  vererbt 
tte,  wie  denn  1233  bereite  die  Söhne  Heinrichs  von  Kuenring 
1  Besitze  beider  Aemter  erscheinen.  Alles  dies  zusammcn- 
mommen,  halte  ich  daf\lr,  dass  die  Abfassung  des  lateinischen 
ledichtes  bald  nach  1230  erfolgt  sei. 

Ich  gehe  nun  über  zur  prosaischen  Erzählung,  die  Fricss 
r  eine  gleichzeitige  Uebersetzung  hJtlt.  Auch  von  ihr  sagt  der 
iotnpiJator  des  Stiftungsbuches,  dass  er  sie  anderswo  bereits 
orgefiinden  habe;  aber  aus  Verweisungen  auf  das  Spätere 
,BicHt  infrtt  patebit,  sicut  in  coosequentibus  apparcbit). 
I  der  Ankündigung  uud  Einreibung  einer  Zeichnung  (p.  31) 
Qld  endhch  aus  der  Einfügung  von  Urkunden  gebt  hervor, 
:  der  Text,  wenigstens  in  der  uns  vorliegenden  Fassung, 
iSEchliesshch  fUr  das  Stiftungsbuch  berechnet  ist,  also  von  dessen 
rfasser  herrührt,  wenn  auch  annalistische  Quellen  nebenbei 
taUtzt  sind.  So  sind  die  p.  28  mit  ausdrücklicher  Berufung 
if  Chroniken  gebrachten  Nachrichten  über  die  Gefangennahme 
Papstes  Paschalis  IT.  und  die  Schlacht  bei  Mailberg  der 
wcttler  Relation  den  Melker  Annalen  entnommen.^  Das  lateinl- 
ilie  Gedicht  ist  der  prosaischen  Ueherarbeitung  gewiss  zugrunde 
degt  worden,  was  wir  am  besten  an  einzelnen  Versen  ersehen. 


)  Vgl.  nl>er  Aaa   CiniizD   (>!•«   1.  c.  ]>.  3.  67— bu,  6:1— ß»,  76   und   KegeaU-ii 

Nf.  214,  223. 
|l  88.  3,  &00  Cod.  Zwetl.  lOS  ad  «.  10»'>  Bxwnrii  et  Bohemii   cum   I.ii("i1du 

mBTchiooe  ilünicnvariint  et  viconint  Moureberge,  wKlirend  ilie  Melker 
nmg  den  Tag  nogibt,  die  Art  der  Feinde  ;iber  nicht  nennt.  Ad  n.  tili): 
.  tleiiiricna  ~rei  iiin^DHm  »ipaditiuuem  in  llaliftm  moTit  et  Pasualem  pnpnm 
I   Böhm  cepit;  m  fehlt  nber  der  in  Relation  I  foli^nde  Z»biiU:  sed  iHiglen 

oln»  grstiiiin  o(  bontidicti'mein  imiicrinli-iii  nwwnln»  esl. 


308 

die  einfach  wörtlich  in  den  Context  au%enommen  wurden.^ 
Den  Charakter  einer  blossen  Uebersetzung  trägt  sie  aber  keines- 
wegs, vielmehr  erscheint  die  Sage  in  wesentlich  entwickelterer, 
auf  spätere  Entstehungszeit  hinweisender  Gestalt.  Kaiser  Hein- 
rich IV.  und  V.  sind  hier  bereits  zu  einer  Person  verschmolzen, 
wie  die  Erwähnimg  des  Römerzuges  von  1111  beweist;  ebenso 
Markgraf  Leopold  11.  und  m.;  denn  der  bei  Mailberg  von 
Böhmen  und  Baiem  Bedrängte  wird  gleichzeitig  als  Stifter  von 
Klostemeuburg  und  Heiligenkreuz  genannt.  Erzbischof  Poppo 
von  Trier  wird,  indem  man  ihn  mit  dem  unter  Otto  I.  thäti- 
gen  Dänenmissionär  identificirte,  als  Apostel  der  Dänen  be- 
zeichnet. ^ 

Die  Sage  von  Azzo  ist  wesentlich  in  derselben  Gestalt 
wiedergegeben,  nur  ist  jetzt  Azzo  ausdrücklich  als  Marschall 
bezeichnet  (p.  29  ,more  marchalci^  und  noch  deutlicher  p.  51 
,de  Atzonis  progenie,  qui  fuit  marchalcus  et  pincema  Austrie'). 
Bedeutend  erweitert  erscheint  die  Sage  dann  bei  Hadmar  I. 
durch  die  Erzählung  von  dem  grünenden  Baume,  durch  den 
die  heilige  Maria  dem  Stifter  die  Stelle  der  späteren  Kloster 
kirche  anwies  (p.  31),  und  bei  Albero  HE.  durch  die  Nachricht 
von  dem  Ursprung  des  Namens  Kuenring  (p.  52).  Endlich  be- 
weist uns  die  Stelle  p.  29:  ,unde  et  multis  annis  in  Austria  de 
eins  progenie  multi  sunt  marschalci  et  pincerne  Austrie  ordinatiV 
dass  sie  erst  geschrieben  sein  kann,  als  die  Verbindung  der 
beiden  Hoftlmter  aufgehört  hatte,  sich  also  mindestens  eines 
dei'selben  nicht  mehr  in  den  Händen  derKuenringer  befand;  und 
zwar  war  es  das  Marschallsamt,  welches  1278  durch  die  Partei- 
nahme seines  Inhabers  Heinrich  V.  von  Kuenring  für  Ottokar 


1  p.  29:  Qui  dum  miraretur  .  .  .  vox  sonat  e  celis,  vir  strenue,  senre  fidelis 
etc.;  in  grösserem  Masse  p.  65 — 67  bei  Hadmar  II. 

2  Vgl.  Dümmler,  Otto  der  Grosse,  390—391.  Poppo  von  Trier  gehört  w 
jenen  Männern,  die  frühzeitig  Mittelpunkt  eines  g^zen  Sagenkreises 
wunlen.  So  wird  von  ihm  in  den  ,6esta  Treverorum*  SS.  8,  177,  179 
eine  mit  allerlei  Fährliehkeiten  und  Abenteuern  erftiUte  Wallfahrt  in 
den  Orient,  die  ihn  bis  Babylon  fUhrte  und  drei  Jahre  in  Anspruch  Dshm, 
erzählt.  Bresslau  (Jalirbücher  der  deutschen  Geschichte,  Konrad  U-> 
2,  314  ff.,  Excurs  IX)  hat  die  Ungereimtheit  dieser  ganzen  Ersäblang 
nachgewiesen. 

3  Vgl.  in  der  Deutschen  Keimchronik  p.  10;  da  von  sein  afterchampft  g^' 
woHen  ist  Scheinch  und  marschalch  manige  frist. 


309 

von  Böhmen  dem  Hanse  verloren  ging,  während  das  Schenken- 
amt bis  zum  1365  erfolgten  Tode  Leutholds  DI.  im  Besitze 
der  Euenringer  verblieb.* 

Diese  zweite  Relation  über  die  Geschichte  der  Kuenringcr 
ist  demnach  keine  blosse  Uebersetzung  des  lateinischen  Gedichtes, 
sondern  eine  von  dem  Verfasser  des  ,Liber  fundationum^  zu 
Beginn  seines  Werkes  vorgenommene  Ueberarbeitung  desselben, 
welche  neben  den  leoninischen  Versen  auch  annalistische  Quellen 
und  Urkunden  benützte  und  die  ganze  Sage  in  wesentlich  ent- 
wickelterer Gestalt  wiedergab. 

Wenden  wir  uns  schliesslich  noch  znr  deutschen  Reim- 
chronik: die  Sage  tritt  hier  ganz  in  derselben  Form  auf  wie 
in  der  prosaischen  Erzählung;^  schon  dies  spricht  dafilr,  dass 
diese  beiden  Relationen  untereinander  zeitlich  näher  stehen  als 
zum  lateinischen  Gedicht. 

Nebst  manchen  Anklängen  ^  findet  sich  eine  Stelle  in  beiden 
wörtlich  gleichlautend  (p.  13  und  52):  ,hie  habent  die  chünen 
ditz  landes  an  einem  ring,  da  von  sol  daz  hous  halzzen  Chün- 
ring^  Das  könnte  auf  den  ersten  Blick  wohl  zu  der  Annahme 
führen,  dass  die  Stelle  ursprüngKch  in  der  Reimchronik  ge- 
standen habe  und  aus  dieser  zeitlich  demnach  früheren  Relation 
in  die  lateinische  Erzählung  übergegangen  sei.  Allein  diese  An- 
sicht wird  erstens  schon  durch  die  Erwägung  abgeschwächt, 
dass  die  Verse  sich  rhythmisch  in  (lie  Reimchronik  gar  nicht 
einfügen,  und  dass  das  Wortspiel  überhaupt  nicht  anders  als 
deutsch  gegeben  werden  konnte;  dann  aber  beweist  eine  Reihe 
von  Stellen,  dass  die  Reimchronik  erst  nach  Vollendung  des 
ganzen  Werkes  verfasst  sein  kann.  So  wenn  es  von  dem  Ritt 
Hadmars  I.  um  die  dem  neuen  Kloster  anzuweisenden  Be- 
sitzungen heisst:  ,mit  welherh  andacht  er  ez  umreit  über  lanch 
und  über  breit,  und  wiö  gar  er  sih  vleiz,  daz  er  ez  ouz  zeiget 
unde  reiz,  des  ih  gesweig  alsant  da;  an  disem  büh  vint  man 
ez  anderswa'  (p.  11,  vgl.  p.  43);    oder  p.  16:    ,8wer  daz  vast 


>  FriesB,  Eßgest.  Nr.  332,  1278,  April  16,  orscheint  Hoinrich  nocli  aIh  Mar- 
Bch&ll,  während  Regest.  Nr.  335,  1278  AugiiHt  12,  von  ihm  schon  aU 
,quondam  maschalci  AuÄtrie*  gesprochen  wird;  vgl.  ferner  1.  c.  p.  162,  176. 

*  Anch  hier  erscheinen  Kaiser  Heinrich  IV.  nnd  V.  nnd  Markgraf  Leo- 
pold n.  nnd  m.  identificirt,  p.  1  und  10. 

'  Sicnt  legitor  in  chronicis  —  als  man  ez  an  den  ehkronken  list;   more 

marchalci  —  sam  ein  marschalh  tot. 
Artkir.  Bd.  LXXYJ.  II.  Hilfte.  1\ 


310 

unt  gentzlih  sfth,  der  vint  cz  an  discm  bfih*;  p.  17:  ,aii  dem 
pueh  gcschriben  stet^;  p.  18:  ,von  Hainreihen  wench  ih  sagen 
wil,  an  dem  pueh  ist  von  im  vil^ 

Diese  Stellen  beweisen^  glaube  ich,  zur  Genüge,  dass  die 
deutsche  Reimchronik  erst  nach  der  Vollendung  des  Stiftungs- 
buches  entstand;  und  das  wird  auch  durch  den  bereits  hervor- 
gehobenen Schriftbefund  bestätigt,  indem  die  Reimchronik  in 
die  Lagenzählung  nicht  aufgenommen  und  in  Linirtmg  und 
Schrift  viel  weniger  sorgflUtig  behandelt  ist;  andererseits  bttrgt 
uns  die  Thatsache,  dass  doch  die  ursprünglichen  Schreiber 
daran  betheiligt  waren,  dafür,  dass  der  Zeitunterschied  kein 
allzugrosser  sein  kann.  Die  Genealogie  der  Kuenringer  wird 
in  der  Reimchronik  unter  zahlreichen  Sprüngen  in  der  Zeitfolge, 
wie  sie  bei  der  Verzweigtheit  des  Geschlechtes  kaum  zu  vcr 
meiden  waren,  bis  auf  Leuthold  I.  gefllhrt;  soweit  war  sie  ja 
auch  im  Stiftungsbuche  behandelt  worden.  In  näherer  Ausfüh- 
rung der  Stelle  p.  235:  , Johannes  autem  et  Elyzabet  Agnes  et 
Leutholdus  iunior  eorum  genealogiam  sine  dubio  occupaveront', 
heisst  es  in  der  Reimchronik:  ,Johan,  Leutold  das  erzcaigent, 
wand  si  sich  in  tugende  naigent;  Elspet  Agnes  daz  ouh  offent, 
di  zu  got  auh  vil  wol  hoffent,  daz  er  si  vor  laid  behuete  nnd 
geb  in  ein  guet  gemuete.'  Diese  Stelle  kann  wohl  nur  bei  Leb- 
zeiten dieser  vier  Kinder  Leutholds  I.  geschrieben  sein. 

Nach  Friess  starben  Johann  und  Leuthold  11.  1348,  Ebbet 
nach  1340  imd  Agnes  nach  1359;  die  Stelle  ist  also  jeden&lb 
vor  1348  geschrieben.  Eine  weitere  kleine  Einschränkung  er- 
gibt sich  aus  Folgendem:  Die  Verse  der  Reimchronik  waren 
vom  Rubricator  mit  einer  Reihe  von  Randnotizen  versehen 
worden,  die  Fräst  als  inhaltlich  werthlos  nicht  in  die  An»- 
gabe  aufnahm,  und  fast  bei  sämmüichen  mit  vollem  Rechte. 
Eine  dieser  Bemerkungen  zu  p.  19,  Vers  3  und  4  bietet  aber 
wenigstens  ein  chronologisches  Interesse:  ,Nota  de  domino  AI- 
berone  iuniore  de  Chunring,  qui  in  Seveld  resideU  Es  ist  dies 
nach  Friess  Albero  VU.  von  Kuenring-Weitra- Seefeld,  welcher 
1299  in  den  factischen,  1319  in  den  rechtlichen  Besitz  Seefelds 
gelangte  und  1342  starb. ^  Die  Randnotiz  und  umsomehr  das 
Gedicht  selbst  müssen  daher  vor  1342  geschrieben  sein.  Damit 
gelangen  wir  aber  flir  die  Abfassungszeit  der  Reimchronik  auf 

1  Friess  1.  c.  184  ff. 


I 


eiDcn  ziemlich  eng  begronzlon  Zeitraum,  mul  ich  glaube  nicht 
za  in-en,  wenn  ich  sie  mit  der  Zasanimenstellung  des  dritten 
Theilüs,  der  Fortsetzung  der  Urkundensammlung,  in  Verbindung 
bringe,  also  ca.  1327  ansety.e.  Das  Stiftuugsbuch  war  in  seinen 
ersten  Theilen  bereits  vollendet,  Anordnung  und  Zählung  der 
Lagen  festgestellt  und  durchgelührt,  da  wurdo  dem  Streben 
nach  populilrer  Darstellung,  das  sioh  in  der  Uebersetzung  der 
wichtigsten  Urkunden  bereite  geltend  gemacht  hatte,  auch  da- 
durch Ausdruck  verliehen,  dass  man  die  Erzählung  ^on  der 
Vorgeschichte  und  Genealogie  der  Knenringer  in  deutsche  Reime 
brachte.  Der,  wie  es  scheint,  mit  ziemlicher  Eile  geschriebene 
Teraio,  der  diese  Verse  enthielt,  wurde  dann  dem  ganzen 
Werke  vorgebunden,  ohne  dasa  deshalb  die  bereits  bestehonde 
Lsgenzählung  geändert  worden  wäre.' 

Aach  t\ir  den  weiteren  geschichtlichen  Theil  des  Stiftungs- 
Imches  sind  schrifdiclie  Quellen  benützt;  der  Verfasser  beruft 
«dt  ja  an  verechiedenen  Stellen  darauf,  er  habe  seine  Nach- 
dchten  aus  Chroniken  geschöpft. 

Das  Nächstliegende  ist  dabei  wohl,  einen  Blick  auf  die  in 
Zwettl  selbst  rntsLandenen  annalisti sehen  Aufzeielinimgen  zu 
werfen.  Früher  als  im  Mutterkloster  Heil  igen  kreuz  war  Ja  hier 
im  Nordwalde  der  historische  Sinn  rege  geworden.  Wie  anders- 
wo benutzte  man  auch  hier  für  die  ältere  Zeit  die  Melker 
Aonaleu,  jedoch  in  etwas  freierer,  selbstständigerer  Weise.  Dass 
Jlachrichten  daraus  im  .Stiftungsbnchc  Aufnahme  und  Verwerthung 
iden,  WTirde  schon  erwähnt.  Mit  dem  Jahre  1159  beginnen 
j|ann  selbständige  historisehe  Aufzeichnungen,'  und  für  die 
Achtsigerjahre  des  12.  Jahrhunderts  bildet  die  ,ContiDuatio 
Siwetlensis  altera'  eine  ganz  vorzügliche  Quelle,  die  aber  mit 
äem  Jahre  1189  plützlicb  abbricht.  Obwohl  der  Autor  des 
Stiftungsbuches  diese  Aufzeichnungen  gewiss  gekannt  hat,  ist 
doch  eine  Benützung  derselben  nicht  ausdrlicklicli  nachweisbar; 
zum  Mindesten  hätte  bei  sorgsamer  Benützung  der  ,Continuatio 
Zwetlcnsis  I.'  der  Abtkatalog  (p.  4aH]  vollständiger  und  genauer 


*  Di«  BAiinclimnik  findet   nicli   mit  gleicliotn  Incigiit  iiml  Eipliui 
^neni  Pester  Cwtex  s.  X.VI.  Vgl.  Pertz,  Archiv  C,  HS. 

)  BedUoli,  Die  UHterr.  AniutÜAtik.  Mitth.  d.  Inst.  3,  497  ff.,  nührend  Wst^ 
hacL  Khüii  Teil   II 411  Mii  diu  ,Cont.  Zwell    I.'  nntigPBi'liiuilen  hntte.^ 


312 

ausfallen  müssen;    so  aber  wurden   die  beiden  Aebte  Rüdiger 
und  ebenso  Poto  und  Kapoto  zu  je  einer  Person  vereinigt* 

Dagegen  sind  mehrfaclie  Beziehungen  des  ,Liber  funda- 
tinuni'  zur  ,Continuatio  Zwetlensis  tertia^  nachweisbar,  einer 
Quelle,  die  dem  Abte  Bernhard  Link  noch  vorgelegen  haben 
niuss,  heute  aber  verloren  ist;  auch  die  Gebrüder  Petz  haben 
sie  nicht  mehr  gekannt.  Wattenbach  hat  sie  aus  den  Gitaten 
bei  Link,  einem  Neuberger  Codex  und  einem  Codex  der  Wiener 
Hofbibltothek  reconstruirt.  In  dieser  Gestalt  reicht  sie  von 
1241 — 1330;  wenn  sich  vielleicht  auch  Nachrichten  aus  früheren 
Jahren  gefunden  hatten,  so  dürften  sie  wohl  kaum  von  Interesse 
und  Wichtigkeit  gewesen  sein,  weil  sie  in  diesem  Falle  ein  so  ge- 
wissenhafter Benutzer  wie  Abt  Link  kaum  unberücksichtigt  ge- 
lassen liiltte.  So  klafft  denn  in  den  geschichtlichen  Aufzeichnnn- 
gen  Zwettls  ftlr  die  letzten  Jahre  Leopolds  V.  und  die  ganze 
llegiorungszeit  Leopolds  VI.  eine  bedauerliche  Lücke,  und  erst 
die  unruhigen  Zeiten  Herzog  Friedrichs  11.  scheinen  diese 
Thiltigkcit  wieder  in  Fluss  gebracht  zu  haben. 

Gleich  bei  Erwähnung  der  Leithaschlacht  lässt  sich  eine 
Bent\tzung  der  genannten  Quelle  nachweisen: 

L.  fund.  146.  Cont  Zwetl.  m.  88.  9,  655. 

Lcgitur  enim  in  cronicis,  quod  Anno  domini   1247  Prideri- 

llngaris  tcrram  Austriae  intrare  cus  dux  Austrie  Ungaris  terram 

volontibus   ipse   Fridorieus   ar-  Austrie  vastare  volentibos  oc- 

matus  iuxta  Humen,  qui  vocatur  curit  armatus  et  iuxta  flomen 

Loyta  eis  occurrit  cum  multi-  quod    vocatur    Leitha    paiiter 

tudino  Australium  dominorum.  congressi  alterutrum  se  crebris 

Qui  congressi  pariter  se  crebris  ictibus  mactaverunt. 
ictibus    mactaverunt.     In    quo  In  quo  tamen  congressn  dux 

tamrn    congrossu    dux  Austrie  Austrie   vir  strenuus   et  fortis 

Fridorieus  vir  strenuus  et  fortis  occubuit. 
ocoulmit  vidolicet  anno  domini 
MOrXLVII   in  die  sancti  Viti 
martiris. 

I  nio  von  orstor  llaiid  oinf^tragonen  Nachrichten  sind  durch  eine  Reihe 
von  Jahnen  zn  doni  nMchst  höheren  Jahre  gestellt,  so  daas  die  wa  1U7 
or/Hhlton  Ercipiisst'  in  Wirklichkeit  zn  1146  gehOren.  Da  aber  alle 
Notixon  übor  TikI  und  Wahl  von  Aebten  von  sp&terer  Hand  nachgetragen 
sind,  hat  dioso  Vorsc)üt>l>uag  auf  sie  ^*oh1  keinen  Besng.    Der  Naehtng 


313 


Die  yContinuatio^  wird  vom  Verfasser  des  Stiftungsbuelics 
selbst  als  das  ^prius^^  als  die  Quelle  bezeichnet. 

Ebenso  begegnet  uns  eine  theilweise  wörtliche  Benützung 
dieser  Annalcn  bei  der  Erzählung  vom  Tode  König  Ottokars,  obwohl 
sieh  hier  der  Verfasser  nicht  ausdrücklich  auf  Chroniken  beruft : 


Cont.  Zwetl.  UI.  1.  c.  657. 

A.  d.  1278  supradictus  rex 
Bohcmie  opposuit  se  regi  Ro- 
manorum  et  collectis  exerciti- 
bus  copiosis  congrcssi  sunt  ad 
pugnam  reges  utrique  iuxta 
flumen  Marchiam  VII.  Kl.  Sep- 
tembris  et  cecidit  in  die  illa 
illustrissimus  rex  Bohemie  et 
multi  de  exercitu  eins  intcr- 
fecti  sunt  multi  etiam  captivati 
et  submcrsi.  Ex  parte  autem 
regis  Ilomanonim  cecidit  domi- 
nus Albero  fratcr  Lcutoldi  de 
Khunring. 


L.  fnnd.  199. 

Cum  idem  illustris  rex  Ota- 
karus  Bohemie  cum  rege  Ro- 
manorum Rudolfe  congressurus 
exercitum  suum  iuxta  fluvium 
Marchiam  conduxisset  et  e  con- 
trario Romanorum  rex  Rudolfus 
suum  exercitum  congrcgasset, 
in  ipsa  congressione  prelii  ce- 
cidit illustris  rex  Bohemie  Ota- 
karus  et  cum  ipso  multi  de  eins 
exercitu  sunt  occisi.  Prelium 
autem  factum  est  inter  hos 
utrosque  reges  anno  domini 
MCCLXXVin.  videhcet  VII. 
Kl.  Septembris,  que  Kalendc 
tunc  temporis  in  sexta  feria 
habebantur.  Ex  parte  autem 
regis  Romanorum  Rudolfi  ce- 
cidit dominus  Albero  fratcr 
domini  Lcutoldi  de  Chvnring 
nostri  fidelissimi  fundatoris.  Sed 
ex  parte  regis  Bohemie  Ota- 
kari  non  solum  multi  sunt  occisi 
verum  etiam  multi  captivati, 
multi  etiam  in  acqua  Marchia 
sunt  submersi. 

Das  Stiftungsbuch  als  die  abgeleitete  Quelle  ist  ausführlicher 
und  enthält  mancherlei  Zusätze,  doch  ist  der  Einfluss  der  Vor- 
lage unverkennbar.  ,Liber  fundationum^  262  (Rudolfus)  ,uxorem 
duxit  dominem  .  .  .  reginam  Galisie^ 

Cont.  Zwetl.  in,  1.  c.  662  ,ducta  in  uxorem  regina  Galisie'. 


kann  nach  der  Stelle  zu  1159:  ,dedicatur  monasterium  in  Zwetl  a  Cluin- 
rado  Pataviensi  pastea  archiepiscopo  facto  erst  nach  1164  erfolgt  sein. 


314 

Wieder  scheint  der  Autor  die  Quelle  benutzt,  aber  die 
Absicht  gehabt  zu  haben^  noch  den  Namen  hinzuzufügen;  wahr- 
scheinlich  konnte  er  ihn  augenblicklich  im  Kloster  nicht  erfahren, 
und  der  Nachtrag  unterblieb. 

Eine  bestimmte  Berufung  auf  schrifdiche  Vorlage  begegnet 
dann  wieder  p.  262  anlässlich  der  Schilderung  des  Todes  König 
Albrechts  I.:  ^qui  talem  tamen  lamentabilem  mortem  a  lohanne 
iilio  fratris  sui  Rudolfi  legitur  incurisse  et  forsitan  aliquo  occulto 
dei  iudicio  meruisse^    Den  Schlüssel  zu  diesem  an  und  fUr  sich 
etwas    unverständlichen   Nachsatz   gibt   uns    wieder    die  Cent 
Zwetl.  III.     Der  Autor   der  Eintragungen  jener  Jahre   ist  ein 
grosser  Judenhasser  (vgl.  1.  c.  658  ad  a.  1293,  94).  Nun  waren 
nach  seiner  Darstellung  1306  die  Juden  in  St.  Polten  bei  Be- 
ligionsschändung  ertappt  worden,  worauf  das  Volk  in  gerechter 
Erbitterung  über  sie  herfiel  und  einige  von  ihnen  tOdtete.  Der 
Pöbel,    der   diese   Gelegenheit  nicht  vorübergehen   liess,   ohne 
sich    an   dem   Eigenthum   der  Juden   gründlich   zu   vergreifen, 
bot   dem   Herzog   und   König  Albrecht  willkommenen   Anlass, 
gegen  die  Stadt  mit  äusserster  Strenge  vorzugehen.  Es  bestand 
die  Absicht,   sie  völlig  dem  Erdboden  gleichzumachen  und  die 
Einwohner    in    Potenbrunn    anzusiedeln.     Erst   auf  Bitten  de» 
Bischofs  Wernhard  von  Passau  und  des  gesammten  Clerus  ge- 
lang es,  den  Zorn  des  Königs  und  Landesflirst^n  durch  schwere 
Bussgelder   zu    besänftigen:    ,Hoc    autem   factum    in    rege  ex 
conscquentibus  domino  displicuisse  probatur,  dum  abinde  nego- 
tiorum eins  prosperitas  omnis  in  deterius  relabi  videtur.' 

Anklänge    finden   sich    auch    bei   Erwähnung   des  Todes 
Leutholds  von  Kuenring: 

L.  fund.  61 1.  Cont.  Zwetl.  III.  1.  c.  669,  ad  a.  ISll 

Anno  domini  MCCCXII  vi-  Eodera  anno  tcrtio  die  post 

delicet  tercio  die  post  festum  Viti,  que  dies  in  sabbato  habe- 
beati  Viti  martiris,  id  est  XV.  batur,  obiit  fidelis  atque  pi»s 
Kalend.  lulii,  que  dies  timc  dominus  Leutholdus  Chunrin- 
temporis  in  sabbato  habebatur,  garius  de  Tyemstain  studiosus 
obiit  dominus  Levtoldiis  de  fundator  et  amator  huius  Zwet- 
Chvnnring  fidelissimus  fundator  lensis  cenobii  pronepos  Hadmari 
Zwetlensis  monasterii.  secundi  fundatoris  et  in  pres- 

biterio  est  sepultus. 
Die  häufige  Benützung  dieser  Quelle  fUr  den  ganzen  in 
Betracht  kommenden  Zeitraum  macht  es  höchst  wahrscheinlich. 


^■|6S  such  dann  auf  eie  vorwiesen  war,  wü  wir  es  bei  der  ja 
^BAngBlbaftcii  Ueberliefei-ung  lieute  nieht  mehr  nacbzuweisE^o 
^■ffiuligen;  so  wenn  p.  147  gesagt  wird,  dass  Hemianii  von 
^bdeti  ,socuiidum  cronicae'  das  llerzogthum  Oesterreich  nur 
^Brei  Jahr«  iimegehabt  liube,  oder  wenn  es  p.  430  lieisst,  die 
^■tTwirrung  der  Üiiige  in  OeKterreleli  habe  ,secundum  cronicaa' 
^K  Jahre  124t*  begonnen. 

^L  Diese  ao  nahe  Bezieliiuig,  zu  der  sich  noch  der  Umstand 
^»ellt,  dass  sowohl  das  Ötiftungsbucb  wie  auch  die  ,Continuatio 
^nrctl.  III.'  fast  mil  demselbou  Jahre  enden,  macht  es  doppelt 
^BdauoHich,  dass  es  nicht  mtiglieh  ist,  aus  dein  Schriftbestande 
^bd  dem  jedenfalls  erfolgten  Wechsel  der  Hände  des  Original- 
^K^ex  vielleicht  noch  weitere  Schlüsse  zu  ziehen.  Fast  will  es 
^Hch  dünken,  dass  für  die  leUte  Zeit,  für  die  das  Stiftungsbuch 
Hbhl  Urkunden,  aber  keinen  historischen  Text  eutliält,  beide 
Hbellen  parallel  neben  einander  angelegt  wurden.  Der  sicheren 
^Bundlagc  outbehrend,  kann  dies  natürlich  nur  vage  Vormuthiing 
^■biben. 

^[       Zeigten  uns  die  bisher  angeführten  Stellen,  die  allerdings, 

wir  können  sagen,  die  wichtigsten  Momente  der  Landesgeschiehte 

betrafen,  eine  recht  genaue  Benutzung  der  Vorlage,  so  sprechen 

^Midere  wieder  daHlr,  dass  der  Autor  des  Stiftungsbuches,  dem 

kjL^er  historische  Theil  nieht  Hauptsache  wai',  auch  recht  summa- 

ich  vorgehen  konnte.  So  wird  p.  200  zum  Jahre  1281  die  Er- 

imng  Albreehtu  zum  Herzog  von  Oesterreich  erwUhnt,  wklirend 

i  so  gut  bekannte  und  viel  benutzte  Vorlage  genau  die  Er- 

lantuig  zum  Landesverweser  und  die  Belehnung  schied. 

Noch  stftrker  ist  es,    wenn  auf  derselben  Seite  mit  aus- 
icher  Berufung  auf  das  Zeugniss  der  Chroniken  erzählt 
dass  Albreeht  121^8   unmittelbar  seinem  Vater  Rudolf  in 
•  deutschen  Königswtirde  folgte.  Das  Königtlmm  Adolfs  von 
tau,  das  dem  Autor  schon  aus  seiner  Quelle  unbedingt  bekannt 
1  musste,  wird  als  Rir  Üesten-oieh  unbedeutend  und  flir  Zwettl 
k-ads  belangtos  einfach   todtgoschwiegen.     Wir  werden  gut 
8  dies  auch  für  andere  historisch  uiirichtige  Nachrichten 
■  Augen  zu  halten   und  dieselben  nicht  dui-chwegs  der 
UDkenntniss  des  Vei-fassera  zuschreiben. 

Schon  Friese  ist  es  aufgefallen,  dass  Herzog  Friedrich  II. 

der  Streitbare  p.  101  und  spilter  noch  wiederholt  als  der  erste 

^BsTzog  dieses  Namens   bezeichnet  wird.     Da  könnte  man  den 


316 

Verfiisser  wohl  damit  entschuldigen,  dass  Friedrichs  I.  Regierung 
ereignisslos  und  von  kurzer  Dauer  war,    so  dass  der  über  ein 
Jahrhundert    später    sclireibende    Autor    dieser   wenig    hervor- 
tretenden PersönHchkeit,  die  auch  in  den  uns  erhaltenen  Zwettler 
annalistischen  Aufzeichnungen  nicht  erwähnt  wird,  nicht  gedachte. 
Geradezu  wunderiich  aber  sind  die  Nachrichten,  die  uns  p.42 
aus  der  Reichsgeschiclite  geboten  werden.  Vor  Allem  wird  mit 
Bei-utung  auf  Chroniken  mit  grossem  Nachdrucke  betont,  dass 
König  Konrad  III.  später  ziun  Kaiser  gekrönt  worden  sei.    In 
keiner  der  österreichischen  Annalen  wird  davon  berichtet,  nur 
in   der  ,Continuatio  Claustroneoburgensis  11.^  (SS.  9,  615)  wird 
er   bei  Erwähnung   seines   Todes  ,imperator*  genannt   und  ab 
solchen  nennt  er  sich  selbst  in  der  bei  dem  allgemein  verbreiteten 
Otto  von  Freising  (Qesta  I,  25)  mitgetheilten  Correspondenz  mit 
dem  gi'iechischen  Kaiser.  Möglich  auch,  dass  eine  Verwechslung 
mit  Konrad  II.  vorliegt;   ungleich  wahrscheinlicher  aber  ist  ein 
Stückchen  Tendenz  dabei  mit  im  Spiele.   Dieselbe  liegt  in  der 
gleich  darauf  folgenden  Stelle:  ,quod  idcirco  expressimus,  ut  si 
verbi   gratia    quis    dicere   vellet,    quod   possessiones   monasterii 
nostri  non  essent  conlirmate  ab  aliquo  imperatore.'    In  der  That 
hat  Zwettl  bis  ins  1  o.  Jahrhundert  nie  ein  kaiserliches  Privileg 
erhalten.     Kaiser  Friedrich  IL   hat  allerdings   1227  ein  grosses 
Privileg  für  die  gesammten  österreichischen  Cistercienserklöster 
ertheilt,   auf  welches  man  in  Zwettl  ganz  besonderes  Gewicht 
legte;  daftir  zeugt  eine  ganze  Reihe  von  Transsumpten,  Vidimus 
und  Copien,  in  denen  sich  diese  Urkimde  findet.    Aber  Zwetd 
hat  daran  doch  nur  participirt,  und  das  Original  wurde  im  Mutter 
kloster  lleiligenkreuz  verwahrt.  Und  während  Lilienfeld  durch 
die  Bemühung  seines  Stifters  bereits  1217   ein  eigenes  kaiser- 
liches Diplom   erhielt   und   HeiUgenkrcuz   zu  jener   gewaltigen 
Schaar  von  Bittstellern  gehörte,  die  sich  anlässlich  der  Anwesen- 
heit Kaiser  Friedrichs  II.  in  Oesterreich  an  ihn  herandrängten 
und  dafür  mit  Gunstbriefen  bedacht  wurden,  scheint  Zwettl  sich 
damals   schon   im   Gegensatze   zu   den  dem  Erlöster   und  dem 
Landesfürstcn  gleich  feindlichen  Kuenringem  enger  an  Herzog 
P^Mcdrich   angeschlossen   und   auf  alle  Fälle   es   vermieden  zu 
haben,  um  die  kaiserliche  Gunst  zu  buhlen;^    so  kam  es,  dass 


1  Die  ganz  vorscliiedcno  llaltungf  beider  Kl(5ster  kommt  auch  in  den  anna- 
listi8chon  Quollen  zum  Ausdruck;   gegenüber  der  dem  Henog  ftaaierBt 


)  auch  daiuiüs  leer  ausging.  Ein  tjnwand,  wie  ihn  der  Ver- 
äscr  au  widerlogen  sucbt,  war  natürlich  rechtlich  ganz  belang- 
[.loe;  denn  dns  königliche  Diplom  sUnd  ja  dem  kaiserlichen  zu- 
iÜT  deutechca  Gebiet  an  Gilügkeit  iind  Unanfechtbarkeit 
am  kein  Haar  nach.  Aber  der  Nimbus,  der  den  kaiserlichen 
Namen  selbst  in  jenen  Zeiten  des  Niederganges  der  Macht  noch 
immer  umgab,  Hess  den  Mangel  doch  llihlhar  erscheinen.  Und 
so  redete  sich  der  Autor  selbst  gerne  ein,  daaa  der  einstige 
Mitbegründer  und  Gönner  des  Klosters  schliesslich  ja  auch 
Kaiser  geworden  sei. 

Der  Todestag  Konrads  Ol.  ist  analog  den  meisten  öster- 
reichischen Nekrologien  auf  den  14,  Februar  llÖä  angegeben.' 
DasB  darüber  auch  in  Zwettl  schriftliche  Aufzeichnungen  be- 
standen haben,  ist  gar  nicht  zu  bezweifeln. 

Konrad  111.   sei   nach   dem   Zeugniss   der  Chroniken  auf 

Heinrich  den  Bösen  gefolgt,  und  auf  diesen  selbst  folgte  Fried- 

fSeb  IL,  der.  das  Privileg  fiir  die  österreichischen  Cistercienser- 

Jster  verliehen  habe.     Diese  mit  diliTen  Worten  p,  42   mit- 

ftlieilte  Ansicht   über   die  Reihenfolge   der  deutschen  Könige 

jdingt  bedenklich  genug.  Dass  die  Oesterreich  wenig  berührende 

Eegierung  König  Lothars   111.   unberücksichtigt  blieb,    könnte 

noch  angehen;  aber  dass  Friedrich  L  und  IL  ganz  wie  in  der 

deutschen   Kaiaersage   zu   einer  Person   verschmolzen   und  die 

dazwischen  fallenden  Regierungen  Heinrichs  VL,   Philipps  von 

k  Schwaben  und  Ottos  IV.  dem  Autor  einfach  unbekannt  geblieben 

1  sollten,    lässt  sieh  bei  aller  Trübung  und  Verwirrung  der 

ÜBtonschen  Kenntnisse  und  Anschauungen,    wie  sie   dank  der 

istloson   OompUationen   eines   Martin   von   Troppau   oder  der 

lenkerechen  Machwerke  seit  dem    14.  Jahrhundert  mehr  und 

^lir    einriss,    doch   kaum   amiehmeu.'     Der   Verfasser    scheint 

elmebr  hier  so  wie  bei  der  Iguorirung  Adolfs  von  Nassau  und 

elloicht  auch  Herzog  Friedrichs  I.  in  starrer  Anwendung  eines 


,    mtitigDiiatigtsn  jCouL  Sniicniceusui  IL'  (pbt  die  ,Coiit.  Zwetl.  III.'  von  seiner 

I   Be^eruDg  eiu  duruhitiu  noblwnllendes  Bild;   wenn  sie  Huub  i^wiiu  E>ret 

tibI  BpKUir  verfMst  int,  glniiliu  icli  nie  doch  ttlr  die  nllguuienie  Ansulmiiiing, 

iiu  KIciKler  Hicli  firt^recbl  lintt«,  verwerthen  zu  kHuuoti, 

■  Vg\.  BeruharUi,  JnhrbUi^ber  Konrads  lU.  Uä5-0Ü6. 

j  emcbeint  z.  B.  Otto  IV.  in  einet  dem  Aulot  doch  Hohlhakaiinlen  Ur- 
I    knnde  Hodoinrs  U.   io   der   Datiruiig:    Ottoiie   qu»rto   lenente  imperiuiii 
Itp.ab. 


318 

von  ihm  p.  194  aufgestellten  Prineips  vorgegangen  zu  sein; 
,eos  tantum  nostro  opusculo  inserimus^  quonun  privilegia  in 
nostro  monasterio  reservamus/ 

Das  gibt  dem  erzählenden  Theil  eine  eigenthümliche  Be- 
leuchtung. Nicht  Geschichte  an  sich  soll  er  bieten^  sondern  nur 
die  geschichtliche  Stellung  jener  Personen  erläutern^  die  zum 
Kloster  in  irgend  welchen  Beziehungen  gestanden  hatten.  Dem 
Autor  sind  zum  Mindesten  die  heimischen  Geschichtsquellen 
bekannt^  und  er  benützt  sie^  wo  es  sein  Interesse  erheischt^ 
genau;  wo  dies  nicht  der  Fall  ist,  bringt  er  wider  sein  besseres 
Wissen  lückenhafte  und  darum  unrichtige  Nachrichten. 

Er  erübrigt  noch  zu  sehen,  welche  Quellen  für  die  zahl- 
reichen in  dem  weiteren  Werk  zerstreuten  Bemerkungen  zur 
Geschichte  der  Kuenringer  benützt  wurden.  Des  lateinischen 
Gedichtes  wurde  als  solcher  schon  gedacht;  sonst  beruht  ge- 
rade hier  ein  grosser  Theil  der  Nachrichten  auf  mündlicher 
Ueberlieferung,  wie  sie  sich,  Geschichte  und  Sage  vermischt, 
von  Geschlecht  zu  Geschlecht  fortpflanzte.  Der  Compilator  be- 
ruft sich  zu  wiederholten  Malen  darauf;  so  ausser  vielen  ,fortar, 
aiunt^  und  ähnlichen^  p.  438:  ,est  enim  traditio  seniorum  inhae 
domo  pcne  decrepitorum';^  unter  diesen  ,seniores'  wird  p.  615 
ausdrücklich  der  Abt  Ebro  erwähnt.  Besonders  nachdrücklich 
wird  der  mündlichen  Tradition  gedacht  bei  Schilderung  des 
Aufstandes  Heinrichs  und  Hadmars  von  Kuenring  gegen  Herzog 
Friedrich  H.,  p.  100:  ,8icut  nobis  seniores  monasterii  nostri 
etiam  cum  lacrimis  assertionc  veridica  retulerunt';  und  noch  ge- 
nauer p.  613:  ,sicut  a  senioribus  vel  laicis  centennariis  vel  octo- 
genariis  ccrta  relationc  compcrimus,  quos  et  ipsi  vidimus  et  au- 
divimus,  sicut  ipsi  in  memoria  habuerant^ 

Daneben  wurden  in  Zwettl  über  die  Genealogie,  Geburts- 
und Todestage  der  Stifter  und  wohl  auch  über  die  rechtlieheii 
Beziehungen  zum  Kloster  gewiss  Aufzeichnimgen  gefUlirt.  Wenn 
der  Autor  von  Hadmar  H.  sagt  (p.  65):  ,de  isto  Hadmaro  se- 
cundo  .  .  .  multa  laude  digna  scribuntur  et  referuntur',  so  könnte 
man  dabei  wold  zunächst  an  das  lateinische  Gedicht  denken; 
allein  dieses  bietet  an  Thatsächlichem  nahezu  nichts.   Ganz  un- 


»  p.  er»,  67,  107,  126,  127,  134. 

2  Aehnlich  auch  p.  485:  ,iiixta  traditionem  seniorum  huius  domus*. 


«9 


Breifdiinfte  Vei'weise  auf  scliriftliohp  Quellen  begegnen  dann 
p,  135:  ,quod  isli  duo  fratros  cognoraento  caneg  de  Chvnnving 
vix  vig^nti  Septem  annis  vel  amplius  lecundum  chroiiicas  post 
mortem  patris  floruemut",  oder  p.  tiOl':  ,fertiii'  etiain,  qnod  do- 
LeutolduB  frater  eius  senior  douiino  Hainrico  predietu 
tt  o<;to  aiiois,  croiitci«  aulem  atlestantibuB  poet  mortem  eius 
VI  et  amplius  Bupervixit'. 

Erhalten  hat  sich  von  solchen  Aufzeiilinuugeu  nichts  ausser 
in  das  Stiftungsbuch  p.  45  f.  aufgenommenen  über  die  Be- 
iträehtigung  des  Klosters  durch  den  Bruder  Uadmurs  L,  den 
Pfarrer  ]'ilgrim  von  Zwettl.  Nach  einer  Mittheilung  Frast's  im 
8,  Bande  des  Perta" sehen  Archivs  sollte  der  Codex  13  der  Zwettler 
Bibhothek  auf  dem  letzten  Blatte  in  Schrift  des  13.  Jahrhunderts 
le  Erzählung  enthalten,  wie  sich  die  Sühne  Hadmars  II.  der 
It  Zwettl  bemUchtigteu.  Allein  dies  ist  eine  biosae  Alischrift; 
■Äst  betreffenden  Stelle  des  Stiftungsbuches,  geschrieben  von 
der  sehr  charakteriGtisehen  Cursive  des  beginnenden  15.  Jahr- 
hundertü,  die  in  den  ,Liber  fundationum'  imd  in  zahlreiche 
^ere  Zwettlcr  Codices  Eintragungen  machte. 

Einzelne  der  Über  die  Kuenringer  mitgetheilten  Daten 
letn  zur  Discussion  heraus.  So  finden  sich  über  den  Tod 
nrichs  JV.  (VI.)  zwei  verschiedene,  einander  widei-sprechende 
itttee;  p.  ItiS:  ,obüt  aiitem  iste  sti'enuus  et  nobilis  Ilainricus 
Chvnnring  a.  domini  MCCLXXXVII  in  vigilia  puriticatiouis 
Marie  semper  virginis';  der  2.  Februar  fiel  damals  auf 
Sonntag,  daher  die  Vigiha  auf  den  1.  Februar.  Dagegen 
608  ,obiit  autom  in  Velspcrch  predictus  dominus  Uainrieus 
Chvnnring  sine  herodibus  Tun  dato  r  Zwetlonsis  monasterii 
ilissimus  a.  domini  MCCLXXXVI.  II.  Kl.  Febr.  circa  puri* 
itionem  hoate  Marie  semper  virginis  gloriose'.  Friess  hat 
ten  Düppelansatz  nicht  beachtet  und  nimmt  p.  148  den 
..  jKnner  1286  als  Todost&g  an;  das  stellt  sich  aber  aus  den 
'on  Friess  seinem  Werke  im  Anhange  beigeftlgten  Regesten 
Nr.  39ü  und  391,  Urkunden  ausgestellt  zu  Göttweih  l'2Sö,  In- 
diction  14.  Juli  21,  in  denen  Heinrich  von  Kuenring  noch  unter 
den  Zeugen  erscheint,  als  unrichtig  heraus.  Der  Fehler  Iftsst 
sich  durch  bloBscB  Verlesen  von  M.CG.LXXX.V.U.  |  Kl.  Febr. 
y.u  MCCLXXXV  U.  Kl.  Febr.,  wobei  die  Einheiten  zum  Tages- 
dAtum  gezogen  und  der  Jahresangabe  noch  ein  I.  beigefügt 
leicht  erklären. 


^^■urt 


J 


320 

Dagegen  hat  Friess  p.  23  an  das  Datum  des  Todes  Had- 
niars  I.  mit  kritischen  Erörterungen  glücklich  angeknüpft.  Denn 
der  Angabe  des  Stiftungsbuches^  p.  53:  ,obiit  a.  d.  MC  quadra- 
gesimo  octavo  videlicet  VI.  Kl.  Julii  id  est  tercio  die  post  festam 
beati  Urbani  pape  et  martiris^  stehen  gegenüber  die  Göttweiher 
Annalen  (SS.  9,  602)  ad  a.  1138:  jH^dmarus  de  Chunringen 
piae  mcmoriae  obiit/  Friess  hat  sich  unter  gleichzeitiger  Richtig- 
stellung des  Tagesdatums  —  27.  Mai,  nicht  26.  Juni  —  ftlr  letzteren 
Ansatz  (1138)  entschieden. 

Indem  ich  mich  den  von  Friess  beigebrachten  Ghründen 
vollständig  anschliesse,  möchte  ich  nur  noch  hinzufügen,  dass 
auch  die  Wahl  Göttweihs  zur  Begräbnissstätte,  ,weil  das  Schick- 
sal der  eigenen  Stiftung  noch  nicht  genügend  gesichert  schien', 
eher  für  den  früheren  Zeitpunkt  als  ftlr  1148  spricht,  wo  der 
Bestand  Zwettls  durch  königUche  und  päpstliche  Privilegien 
rechtlich  bereits  vollständig  gesichert,  die  Fährlichkeiten  der 
ersten  Ansiedlung  bereits  glücklich  überwimden  waren  und  der 
Klosterbau  schon  rüstig  vorgeschritten  gewesen  sein  muss.  Auch 
dass  Hadmar  auf  dem  Todtenbette  seiner  Stiftung  noch  300 
Mark  Silber  vermachte,  die  sich  dann  noch  Herzog  Leopold  IV. 
(f  18.  October  1141)  gegen  Ueberlassung  des  Gutes  Kmmaa 
zur  Verwendung  erbat  (Fräst  50),  müsste,  wenn  anders  die 
ganze  Erzählung  auf  Wahrheit  beruht,  unbedingt  gegen  die 
Angabe  des  Stiftungsbuch e§  sprechen.  Die  erst  um  die  Mitte 
des  14.  Jahrhunderts  entstandenen  ,Annales  Zwetlenses'  berich- 
ten, dass  ein  Hadmar  von  Kuenring  auf  dem  Kreuzzug  von 
1147  gestorben  sei.^  Das  ist  eine  blosse  Verwechslung  mit 
Hadmar  H.  und  dem  Kreuzzug  von  1217,  während  Bemhardi 
1.  c.  596  Hadmar  von  Kuenring,  ,wohl  einen  Neflfen  des  gleich- 
namigen Gründers  von  ZweÜ',  als  Theilnehmer  am  zweiten 
Kreuzzuge  anführt. 

Den  von  Friess  beigebrachten  Argumenten  hat  sich  auch 
der  gegenwärtige  Abt  von  Zwettl,  P.  Stefan  Rössler,  in  einem 
trefflichen  Abriss  der  Geschichte  Zwettls  in  Brunner's  ,Ein 
Cistercienserbuch^  p.  542  ff.  nicht  verschlossen;  allein  er  ist 
dabei  auf  eine  Schwierigkeit  aufmerksam  geworden,  die  sich 
bei   Billigung   des   Göttweiher  Ansatzes   erhebt.     Wie  verträgt 


^  SS.  9,  679:    ^profectio   peregrinorum    ad   lerusalem;   in  qua  profectione 
mortuus  est  fandator  noster  Hadmarus*. 


sich  damit  die  aUgcmein  als  um  die  Jiiliresweiide  von  1138  auf 
1133  erfolgt  angenomiiiene  Gründung  von  Zwettl,  wenn  der 
Stifter  bereitB  uni  die  Mitte  des»olben  Jahres  gestorben  sein 
soUf"  Küssler  schlilgt  zur  Lösung  der  Schwierigkeit  vor,  den 
Tod  Ilikdmars  ins  Jahr  1139  au  setzen,  jedenfalls  vor  1140, 
weil  er  sonst  sicherlich  in  der  ,Continuatio  Zwetlensis  I.'  bereits 
erwäliut  worden  wJlre.  Dagegen  möclite  ich  einwenden,  dasa 
mir  daß  8  in  der  Jahreszahl  gerade  durch  die  Uebereinstimmung 
der  beiden  von  einandL>r  ganz  iinabliangigen  und  sonst  wider 
sprechenden  djuellon  verbürgt  scheint.  Es  wird  sich  umgekehrt 
vielleicht  besser  empfehlen,  dem  iJaturn  der  Gründung  Zwettla 
das  Augenmerk  zuzuwenden.  Der  ,Liber  fundalionum'  befindet 
hieb  dai'übei-  mit  sich  selbst  in  Widerspruch,  indem  er  p.  22 
,11  Id.  Januar.',  dagegen  p.  31  ,11  Kl.  Januar.  1138'  ab  den  Tag 
der  Gründung  angibt  Janaiischek  erklärt  das  erstere  als  blossen 
Schreibfehler,  indem  er  hervorhebt,  dass  alle  übrigen  Aufzeich- 
nungen über  den  Tag  der  Gründung  mit  der  zweiton  Angabe 
akereinslimmen.  Die  Schwierigkeit  läset  sich  in  unserem  Falle 
ieicht  dadm'ch  beseitigen,  dass  man  Umsetzung  der  Jabreszalil 
■MUt  der  fUr  unser  Gebiet  damals  noch  allgemein  üblichen  Weih- 
^Bamditaepoche  annimmt,'  wonach  ,11  Kl.  Januar,  1138'  unserem 
^Iprlvestertag  1137  entspricht. 

i: 


Als  lieiRjiieln  für  Unuctiungr  «loa  Jahres  mit  dem  WeihnÄL-liWlJige  knim 
ieh  mf&hren:  Urkiuideiibiiob  des  l^tidus  ob  der  Ediib  i,  ä4l,  Nr.  161, 
Uritunde  Budiof  Oeginhatl»  von  Paiisaii  (Orif^.)  mit  dpr  Datimng:  1148 
Dacember  2G  Anno  aiihiiii  ordinntinnia  episoai)>i  VTIII  ICc^nbi-rt  atarl) 
«bor  bereits  um  10.  Nnvfmher  lUä,  folglich  euti^i riebt  dna  Dnliini  nueorem 
:i«.  UaMmber  1U7. 

rrkondenbuch  tu»  OOnweih,  Fontei  remm  lustr.  O.  8,  S70,  Nr.  14, 
Urknnile  des  ErabiicheE!  iCberhNrd  1.  von  SnUbarg,  Decomber  I1Ö3,  nlier 
mgnuite  Cliiinrndo;  König  Konrad  lU.  wKr  iwhon  um  lä,  Febniw  llfiä 
gMlnrbDn.  wälirsnil  der  in  der  Urkiuide  erwÄliriW  Duinproj.st  Iliigo  vuii 
SaUbni^  erat  imoh  dem  7.  Sejilembpr  1161  zu  dieser  Würde  gelangte; 
<■  kann  siub  duher  wieder  nar  um  die  Tn|i:e  vom  25,  bis  31.  Dcccinber 
IISI   handeln.    (Vgl.  Huiller,  Salaborger  KegMten  p.  iSb,  Anm.  !ii— 37,) 

Zahn,  Steirisches  Urkundeubucb  1.  IGO,  Nr,  674,  lUkunde  eines 
rrop*tns  Vau  ^oi-Mnu  IISQ  ,feria  ijuarta  in  ruslu  luinctumm  liinniientiiiiii' 
(sliininl  dir  don  38,  December  lläS). 

So  borSi^hlcn  auch  ille  Molker  uiirl  Kreinttiuniislurer  Aiinnleii  (SS  9. 
HM,  548)  don  ani  81.  Dccamler  I11D4  erfnl^ten  Tnd  Herzog  Lmpolds  V 
■tahrc  1196,  nbetuu)  Qrsi>rlingticli  anch  der  sogenanuto  Ankert,  wii 
(Jodal.    1195   iu    !lfl4   .■.irriKirW(v^l    Foiilm  rerimi  Aiislr.  l,  f>,  ftt%. 


322 

Als  Todestag  des  gewaltigen  Hadmar  11.  wird  im  ^Liber 
fundationum'  p.  99  der  21.  Juli  1217  angegeben,  und  Röhricht 
in  seinen  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Kreuzzüge  2,  370,  Friess 
und  Rössler  sind  dieser  Annahme  gefolgt  Wie  Friess  p.  50 
meint,  hat  Hadmar  das  heilige  Land  gar  nicht  mehr  erreicht, 
sondern  ist  auf  der  Ueberfahrt  nach  Spalato  gestorben.  Fassen 
wir  kurz  zusammen,  was  uns  im  Stiftungsbuch  über  die  letzte 
Lebenszeit  des  grössten  Kuenringers  erzählt  wird  (p.  99): 

Als  die  Ueberfahrt  begonnen  werden  sollte,  war  das  Meer 
stürmisch;  da  bat  Hadmar  die  Schiffer,  wenigstens  bis  Mitte^ 
nacht  zu  warten,  um  welche  Stunde,  wie  er  überzeugt  sei,  die 
Klosterbrüder  zu  Zwettl  für  ihn  beten.  Es  wurde  ihm  will- 
fahrt, ,und  nachdem  Meeresstille  eingetreten  war,  fuhr  er  gegen 
Jerusalem.'  ,In  ti*ansmarinis  partibus'  —  aus  dem  ganzen 
Zusammenhange  wird  man  wohl  schliessen  dürfen:  im  heiligen 
Lande  *  —  fiel  er  in  eine  Krankheit  und  starb  am  Vorabend 
von  Maria  Magdalena.  Wäre  uns  darüber  nichts  weiter  übe^ 
Uefert,  so  glaube  ich  nicht,  dass  jemand  den  Tod  Hadmars  E 
anders  als  zum  Jahre  1218  einreihen  würde.  Denn  Anfangs 
Juli  befand  sich  Herzog  Leopold  und  mit  ihm  wohl  auch  der 
österreichische  und  stcirische  Heerbann  noch  in  Glemona.' 
Nimmt  man  die  Zeit,  die  bis  zur  erfolgten  Einschiffung  in 
Spalato  verging,  so  konnte  der  Herzog  und  mit  ihm  Hadmar 
trotz  der  nach  der  ,Continuatio  Claustroneoburgensis  JL'  bei- 
spiellos raschen  Ueberfahrt  von  sechzehn  Tagen  nicht  mehr  vor 
August  an  die  syrische  Küste  gelangen.   Man  müsste  dann  an- 


Anm.  3).  Als  gegentheiliges  Beispiel  wüsste  ich  nnr  eine  Urkande  Her- 
zog Ottokars  von  Steiermark  anznfQhren  (Urknndenbuch  des  Landes  ob  der 
Enns,  2,  401,  Nr.  278  =  Zahn,  1,  625,  Nr.  649),  wo  Incamaäon^thre 
und  Königs-  nnd  Kaiseijahre  Friedrichs  I.  zu  11S6  stimmen,  also  Ken- 
jahrsepoche vorliegt,  während  Zahn  die  Urkande  ftlschlich  zum  87.  De- 
cember  1185  einreiht. 

>  Der  Autor  verwendet  übrigens  denselben  Ausdruck  beim  Tode  Henog 
Leopolds  VI.  p.  101:  ,obiit  in  transmarinis  partibus';  er  ist  zweifelhaft, 
ob  hier  Italien  als  ,transmarinae  partes'  bezeichnet  sein  sollte,  oder  ob 
nicht  viel  eher  eine  Verwechslung  mit  dem  Kreuzzug  vorliegt;  dass  man, 
um  nach  Italien  zu  gelangen,  wohl  die  Alpen,  aber  kein  Meer  zu  fiber- 
setzen brauche,  war  gerade  den  Deutschen  im  Mittelalter  doch  zu  ge- 
läufig, als  dass  man  geographische  Anschauungen  von  der  Hohe  der 
Shakespeare'schen  Küste  von  Böhmen  annehmen  mfisate. 

3  Meiller,  Regesten  122,  Nr.  152. 


ihmeti,  dasa  Hinlmiir  den  FeMzug  in  iSyricn  und  auch  den 
Aufbruch  nach  Damiette  noch  mitgemacht  habe,  liier  aber  der 
BUrde  der  Jahre  und  den  Angriffeti  des  ungewohnten  Klimas 
e riefen  sei. 

In  diesem  Schlüsse  glanbe  ich  mich  nun  trotz  der  über- 
eferten  Jahreszahl  1217,  bei  der  ein  .Lapsns  calami'  leicht 
jDterlauTen  konnte,  nicht  irremachen  lassen  zu  sollen. 


TV.    Auswahl  lind  Wl^-dcrgaln'  der  rrkmulen. 

Nach  all  dem  Vorhergehenden  gelange  ich  nun  zur  Be- 
fcchimg  der  in  den  ,Liber  fandationuni'  eingereihten  Urkun- 
iind  hiemit  wieder  zur  Verwcrthung  des  archivalischen 
[atcrisls.  Hat  uns  dasselbe  schon  bei  der  Frage  der  Abfassunga- 
t  dea  Stiftungöbaches  Ocsichtspunktp  an  die  Hand  gegeben, 
'  die  aus  dem  blossen  Inhalt  des  Werkes  gar  nicht  zi\  gewinnen 
waren,  ao  ist  dies  in  noch  höherem  Grade  bei  Erlttuterung  der 
Frage  der  Fall,  nach  welcher  Richtung  und  in  welchem  Aus- 
inasae  die  Auswahl  der  Urkunden  fUr  das  Stiftungsbuch  erfolgt 
Bei,  und  ob  die  in  dem  Werke  ganz  bestimmt  ausgepra^e  Ten- 
denz vielleicht  Einflnas  auf  die  Treue  der  Wiedergabe  des  ur- 
f  kandliohen  Materials  ausgeübt  habe. 

Der  Compilatar  dea  Stiftungsbuches  hat,  offen  und  red- 
pKg  wie  auch  in  anderen  Fragen,  so  auch  ich  möchte  flagen 
i  Reductionaplan  ftlr  die  Aufnahme  von  Urkunden  in  sein 
MTerk  una  nicht  vorenthalten  (^Frast  26C):  ,Igitur  ad  consilium 
lomini  Wernliardi  venerabilis  antistitis  eccleaio  Pataviensis  pene 
mia  vel  saltem  uliUora  prwtlegia  domus  nostre  conscribi  vel 
iscribi  fecimus'  und  am  Schlüsse  des  fUnften  Buches  (Fräst 
i8):  y^iitandHm  insuper,  qaod  in  koc.  opuaculo  omnia  priin- 
domun  noftre  nullatenug  »unl  tranic.ripta:  unde  si  qua 
wssitus  domtii  noatre  ingrucre  ceperit,  ad  conservatorium 
pivilegionim  nostrorum  protinua  rocurratur,  ut  quid  in  se  con- 
t'idcatur.  UtiHora  lainen  priviUgut  domus  noatre  m 
9  »unt  volutnine  exarata.' 

Wir  ersehen  daraus,  daas  der  Autor  nicht  nach  dem  Vor- 
I  Bonetigcr  Chartulare  das  vorhandene  Urkundenmaterial  ins- 
mt  eintragen  wollte,  sondern  dabei  eine  gewisse  Auswahl 
i£.  In  welcher  Weise  dies  geschah,  kann  nur  eine  Zusammen- 
lellung   dfis   im  Zwetller  Archiv   noch  vorhandenem  Hft*\Ä"[\&ua 


324 

an   Originalen  zeigen.     Bis    1300,   bis  zu  welchem   Jahre  ich 
dies  in   der  beschränkten   Zeit  memes  Aufenthaltes   in  Zwettl 
durchführen   konnte,   sind  von  247  in  den  ,Liber  fundationnm' 
aufgenommenen  Urkunden    185   noch    im   Original   Yorhanden. 
Das  Verhältniss  stellt  sich  noch  günstiger,  wenn  man  bedenkt, 
dass  von  einigen  päpstlichen  Bullen  wie  Potth.  Nr.  7320,  30618, 
20623   sich   die   Originale   überhaupt  nie   in  Zwettl   befandcD. 
Manch  andere  Urkunden  mögen  bei  Veräusserung  oder  Tausch 
von  Besitzungen  im  Laufe  der  Zeit  an  die  neuen  Besitzer  aus- 
geliefert worden  sein.   EndUch  dürften  sich  bei  genauer  Durch- 
sicht aller  Fascikel  noch  manche  Urkunden  finden,  die  in  dem, 
wie  ich  annehmen  zu   können   glaube,   unvollständigen  Archiv- 
katalog   nicht  verzeichnet  sind.     Im  Ganzen  und   Grossen  ist 
das  UeberUeferungsverhältniss  immerhin  ein  günstiges  zu  nennen, 
umsomehr,   als   sich   besonders   für  die  ältere  Zeit  und  die  ftr 
uns   wichtigsten  Ausstellergruppen    (deutsche    Könige,    Päpste, 
Landesfürsten)  fast  gar  keine  Lücken  finden.    Einen  auffallend 
grossen  Bruchtheil  von  den,   wenigstens  dem  Katalog  nach,  in 
Zwettl  nicht  mehr  nachweisbaren  Originalen  liefern  die  Urkun- 
den des  Bischofs  Wernhard  von  Passau  und   des  Abtes  Ebro 
von  Zwettl. 

Andererseits  aber  finden  sich  bis  1300  105  Originale,  die 
in  den  ,Liber  fundationum^  nicht  aufgenommen  und  daher  bis 
auf  den  heutigen  Tag  ,inedita^  geblieben  sind.  Der  Schlnss, 
den  wir  zunächst  daraus  ziehen,  ist  wohl,  dass  der  Compilator 
sie  fUr  ,privilegia  minus  utilia^  gehalten  und  daher  seinem  Werke 
nicht  eingereiht  habe. 

Eine  nähere  Prüfung  soll  uns  zeigen,  nach  welchen  Ge- 
sichtspunkten er  dabei  vorging.  Gleich  von  vornherein  aossa- 
scheiden  sind  drei  Urkunden,  die  Zwettl  gar  nicht  berühren 
und  sich  zur  Zeit  der  Abfassung  des  Stiftungsbuches  wohl 
überhaupt  nicht  im  Besitze  des  Klosters  befanden.  Es  ist  dies 
erstens  eine  Bulle  Urbans  IV.  (Orvieto  1264,  Mai  9,  Potth.  — ), 
durch  welche  der  Bischof  von  Gurk  zur  Absolution  einiger 
seiner  Diöcesangewalt  unterstehenden  Brandleger  ermächtigt 
wird;  wie  das  Stück  nach  Zwettl  kam,  ist  nicht  recht  erkUir- 
hch.  Eine  andere  Urkunde  rührt  wohl  von  einer  um  Zwettl 
hochverdienten  Persönlichkeit,  dem  Kuenringer  Hadmar  IL; 
her;  aber  es  ist  eiixe  ca.  1208  erfolgte  Schenkung  an  das 
böhmische  Kloster  Pomuk;  endhch  ein  drittes  Stück:  Otto  von 


325 

Meissau  stiftet  ein  ewiges  Licht  in  der  Dominikanerkirche  zu 
Krems  (1244). 

Unter  den  Zwettcl  selbst  betreffenden  Urkunden  möclite 
ich  an  die  Spitze  stellen  zwei  päpstliche  Bullen  von  Gregor  X. 
(Orvieto  1272,  Octobcr  12,  Potth.  — )  und  Martin  IV.  (OrAueto 
1284,  Juni  1,  Potth.  — );  es  sind  dies  kleine  Privilegien  in 
Form  und  Ausstattung  der  Litterae  cum  filo  serico.  Diese 
ganz  allgemein  gehaltenen,  nach  der  Formel :  ,cum  a  nobis  pe- 
titur  —  eapropter  —  nidli  ergo  —  si  quis  autem'  abgefassten 
Bullen  mussten  gegenüber  den  ausftihrlichen  grossen  Privilegien 
des  12.  und  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  allerdings 
als  minder  wichtig  erscheinen;  und  es  ist  bezeichnend  flir  den 
rein  praktischen  Sinn  des  Compilators,  dass  er  sich  auch  durch  die 
hohe  Würde  der  Aussteller  nicht  zur  Aufnahme  veranlasst  ftlhlte. 

Aus  dem  nämlichen  Grunde  blieben  auch  sieben  Urkun- 
den über  rein  geistliche  Dinge  (Ablässe,  Altarweihen)  und  sechs 
über  Einlage  und  Rückzahlung  von  Depositengeldern  unberück- 
sichtigt. Dass  der  ftlr  Zwettl  s<f  ungünstige  Schiedsspruch  des 
Abtes  Hermann  von  Ebrach,  dessen  p.  340  mit  wahrem  Grimme 
gedacht  wird,  zu  den  ,Privilegia  minus  utilia'  geworfen  und 
daher  von  der  Ehre  der  Veröffentlichung  ausgeschlossen  wurde, 
darf  uns  nicht  Wunder  nehmen. 

Zwettl  hatte  1186  von  Herzog  Fricidrich  von  Biihmen  Be- 
sitzungen bei  Wittingau  imd  Sagar  erhalten,  und  Ottokar  I. 
hatte  1221  diese  Schenkung  ))estätigt.  S|)äter  alx^.r  war  das 
Kloster  in  einer  misslichen  Lage,  in  die  es  durch  langwierige 
ßesitzstreitigkeiten  mit  Euphemia  von  Potendorf  gerathen  war, 
genothigt,  diese  Besitzungen  zu  verkaufen  (Fräst  144).  Da 
in  Folge  dessen  die  betreffenden  Urkunden  einen  praktischen 
Werth  flir  das  Stift  nicht  mehr  hatten,  wurden  «ie  (ebenfalls 
übergangen,  sowie  auch  eine  Bulle,  die  Innocenz  III.  am  13.  Fe- 
bruar 1207  (Potth.  — )  zu  Gunsten  Zwettls  erlassen  hatte,  als 
es  in  seinen  diesbeztlglichen  Besitzrechten  Ijcdroht  wurde. 

Dagegen  sind  p.  272  ff.  Urkunden  aufg(»nommen,  die  einst 
flir  Lilienfeld  ausgestellt  worden,  später  aber  beim  Verkauf  der 
betreffenden  Besitzung,  Haibach,  in  den  Besitz  Zwettls  ge- 
kommen waren. 

Zu  den  ,inedita'  zählt  auch  eine  Gruppe  von  Urkunden 
über  freie  Salzzufuhr;  zwei  davon  sind  von  Ottokar  H.  von 
Böhmen,  je  eine  von  Herzog  Albrecht  I.,  Otto  Pfali»grÄ.fe\3L  \i^\ 

ArebiT.  Bd  LXXVI.  Ji.  Hilftc  ^^ 


326 

Rhein  und  Herzog  Heinrich  von  Baiern  ansgestellt.    Auch  ihre 
Uebergeluing  lässt  sich  allenfalls  dadurch  rechtfertigen,  dass  ja 
eine  ganze  Reihe  auf  den  nämlichen  Gegenstand  bezliglicher  Ur- 
kunden ohnedies  Aufnahme  gefimden  hatten  und  die  Bezugsrechte 
Zwettls   daher   bereits  vollauf  gesichert  schienen.     Schwieriger 
wird  die  Erklänmg  schon  bei  ein  paar  anderen  Gruppen.    So 
sind  vier  Urkunden  übergangen,   die   sich   auf  die  Entstehung 
und    die    früheren   Schicksale   der  Katharinenkapelle   in  Wien 
und  des  daranstossenden  Hauses  auf  dem  Stefansfriedhofe,  das 
sich  einst  im  Besitze  Zwettls  befand,  beziehen,   während  doch 
andere  darauf  bezügliche  Urkunden  Aufnahme  gefrinden  hatten. 
Uebergangcn   sind   femer   drei   Urkunden   König  Ottokars  II., 
in    welchen    er    die   Unterthanen    des   Klosters    von   Abgaben, 
Vogtei  und  fremder  Gerichtsbarkeit  befreit,  und  eine  von  1259, 
mittelst  welcher  er  einen  Besitzstreit  zwischen  Zwettl  und  seinem 
Ofticialen  Reinbert  schlichtet;    dann   eine  Urkunde  Herzog  Al- 
brechts  I.   vom   16.  April    1291,    in   welcher   er   Schenkungen 
Leutholds  von  Kuenring  an  das  Kloster  Zwettl   bestätigt,  oder 
eine  Urkunde  des  päpstlichen  Legaten  Giiido,  Cardinalpriesters 
von    S.  Lorenzo   in   Lucina,   in   welcher   er   bezeugt,    dass  die 
Cistercienser   den   päpstlichen   Legaten    keinerlei   Abgaben  zu 
entrichten  hätten. 

Die  grosse,  nach  Ausscheidung  alles  diesen  übrig  bleibende 
Mehrzahl  von  Stücken  aber  umfasst  66  rein  besitzrechtliehe, 
das  Kloster  Zwettl  dircct  berührende  Urkunden,  theils  Schen- 
kungen, theils  Kauf-  und  Tauschverträge,  oder  Schlichtung  Ton 
Besitzstreitigkeiton.  Hier  ist  das  Vorgehen  und  die  Auswahl 
des  Compilators  einfach  nicht  mehr  zu  rechtfertigen;  denn  es 
lässt  sich  durchaus  nicht  einschen,  was  so  mancher  inhaltlich 
oft  minder  wichtigen,  aber  in  das  Stiftungsbuch  aufgenonunenen 
Urkunde  den  Vorrang  verschafft  haben  sollte.  Es  sei  noch 
bemerkt,  dass  diese  incdita  keineswegs  etwa  von  fUr  das 
Kloster  minder  bedeutenden  Ausstellergruppen  herrühren,  son- 
dern es  befinden  sich  darunter  unter  anderen  acht  Urkunden 
von  Kuenringem,  ebenso  viele  von  Abt  Ebro.  Da  scheint  es 
doch,  dass  dem  Compilator  bei  der  wenig  systematischen  Art, 
in  der  er  die  Urkunden  in  sein  Werk  einreihte,  indem  er  über 
ein  beständiges  Experimentiren  eigentlich  nie  hinauskam,  manches 
,Privilegium  utile',  das  seinen  Platz  im  Stiftungsbache  immerhin 
verdient  hätte,  entgangen  ist. 


327 

Indem  ich  mir  vorbehalte,  die  weiteren  Folgerungen  dar- 
aus am  Schlüsse  dieser  Erörterungen  zu  ziehen,  gehe  ich  nun 
zur  Behandlung  der  Frage  über,  ob  und  inwieweit  die  in 
dem  Werke  zu  Tage  tretende  Tendenz,  besonders  im  Punkte 
der  Zehentfrage,  von  Einfluss  auf  die  Treue  der  Eintragung 
gewesen  ist. 

Berücksichtigt  sollen  dabei  hauptsächUch  werden  die  bei- 
den Diplome  König  Konrads  IH.  und  die  päpstlichen  Bullen; 
denn  sie  sind  die  inhaltlich  wichtigsten  Urkunden,  die  päpst- 
lichen Privilegien  für  die  Zehentfrage  geradezu  ausschlaggebend, 
und  überdies  die  einzigen,  deren  Beurtheilung  auf  Grund  der 
bisherigen  diplomatischen  Arbeiten  mit  einiger  Sicherheit  mög- 
lich ist. 

Ich  gehe  gleich  über  zur  Gründungsurkunde  von  Zwcttl, 
ausgestellt  von  König  Konrad  III.  zu  Selz  1139,  Stumpf  Nr. 
3403.  Dieselbe  ist  von  Fräst  zweimal,  und  zwar  in  der  ,Kirch- 
lichen  Topographie  von  Niederösterreich'  II,  3  (16.  B.),  p.  8 
aus  dem  Original  und  in  der  Ausgabe  des  Stiftungsbuches 
p.  32  aus  dem  Chartular  abgedruckt;  der  Incorrectheit  des 
ersten  Druckes  wegen  gebe  ich  einen  genauen  Abdruck  des 
Originales  im  Anhang.  Eine  Vcrgleichung  der  Texte  ergibt: 
die  Eintragung  in  den  ,Liber  fundationum'  ist  in  der  Wieder- 
gabe des  Rechtsinhaltes  genau;  sonst  aber  finden  sich  manche 
Differenzen;  so  ist  im  Titel  der  Name  des  Königs  hinzugefl'igt, 
während  in  der  Zeugenreihe  die  Worte:  ,Engelhardus;  aderant 
etiam  capellani  curi§  Chunradus  frater  noster*  fehlen;  das  Mono- 
gramm ist  genau  nachgezeichnet;  die  Schreibweise  der  Eigen- 
namen ist  selbstverständlich  grundverschieden. 

Die  Urkunde  ist  auf  beiderseitig  gleichartigem  Pergament 
(60  Cm.  hoch,  40  Cm.  breit)  von  einer  Hand  mit  dunkelbrauner 
Tinte  in  kräftiger  diplomatischer  Minuskel  geschrieben;  von 
Linirung  findet  sich  keine  Spur.  Die  Datirung  scheint  erst 
nach  der  Siegelung  geschrieben;  so  erklärt  es  sich,  dass  der 
Schreiber,  durch  den  Wulst  des  Siegels  behindert,  die  Datuni- 
zeile  nur  bis  zur  halben  Breite  der  Urkunde  ftlhrte  und  dann 
in  einer  zweiten  und  dritten  Zeile  darunter  fortfuhr.  Die  Zahlen 
der  Indiction  und  des  Regierungsjahres  stehen  auf  Rasur;  die 
von  Stumpf  aus  dem  Original  gegebene  Correctur:  Indict.  II. 
ist  unrichtig.  Das  durchgedrückte  Wachssiegel  war  in  der 
Mitte  unter  der  Recognitionszeile  angebracht,  wurde  aber  %^&\föt 


328 

lieraus^esclmitten ;  dafür  zeugt  ein  kreisrundes  Loch  von  4  Cm. 
Durchmesser  mit  scharfen  Schnitträndem;  das  Siegel  hatte  nach 
dem  erkennbaren  Abdruck   des  llandcs   10  Cm.  DurchmesserJ 
Sollte  ich  nun  auf  Grund  der  äusseren  Merkmale  ein  Ur- 
theil    über   die  Echtheit   des  Diploms   abgeben^   so  gerathe  ich 
dabei   in   recht   üble  Lage.     Nicht   nur,   dass   wir   eine  Arbeit 
über   die   Kanzlei  König  Konrads  HI.  noch   nicht   besitzen,  es 
fehlt   überdies    an    dem    nöthigen    Vergleichsmaterial.     In   den 
Kaiserurkunden  in  Abbildungen  klafft  gerade  für  diese  Uebe^ 
gangsperiode    noch    eine    bedauerliche    Lücke;    von    Original- 
diplomen  Konrads  HL  befindet  sich  in  Wien  kein  einziges,  in 
Niederösterreich  ailsscr  den  beiden  Zwettler  Stücken  nur  noch 
eine   in   den  Mon.  graph.  V,  13   reproducirte  Klosterneuburger 
Urkunde,  Stumpf  3534.     Sonst  war   mir   nur   noch    zugänglich 
ein  Facsimile  von  Stumpf  3425,  Kopp,  Schriftt.  Nr.  41,  femer 
von   Stumpf  3544   bei   Pessl,  ,Chronicon  Gottwicense^  345  und 
von  Stumpf  3567  bei  Walther,   ,Lexicon  diplom.  T.  IX.'    Das 
Vcrgleichsmatcrial  ist  demnach  dürftig  genug. ^ 


^  Dor  an  einem  A1)^um  fremesflene  ])urc*hniesRGr  des  SiegBlbildes  betrügt 
8  Cm.,  was  sich,  1  Cm.  auf  boidon  Seiten  filr  den  Wnlst  ^rechnet,  da- 
mit pfanz  pnt  vereinen  lUjwt. 

2  Mittlerweile   war  es  mir  nWtglicli,   wenigstens  die  ProbeblKtter  von  den 
in   die   zehnte   Liefernnp  der  Kaiserurknnden  in  Abbildungen  nnfzuneh- 
menden  Urkunden  Konrads  JIl.  einsehen  zu  kennen.   Es  sind  dies  ausser 
der  jüngst  von  Kehr  im  Neuen  Archiv  16,  363  ff.  besproclienen  Pnrpnr- 
urkunde  für  Corvey  die  Dijjlome  Stumpf  Nr.  3369,  3372,  3424,  3441,  nnd 
icli  k")nnte  nicht  sagen,  dass  die  Auswalil  der  Stücke  eine  glückliche  sei. 
Kommt    es    in    dieser  an   Schwankungen  so   reichen   Zeit   hauptsKchlirh 
darauf  an,   zunächst  womfJglich  das  RegelmKssige  kennen  zu  lernen,  nm 
so  zur  IJeurtlieilung  der  zahlreichen  Abweichungen  gesicherten  Boden  ro 
gewinnen,   so   wird  dieser  Zweck  durch  die  Reproduction  der  genannten 
Diplome   nur  wonig  gef?>rdert;    denn   mit  Ausnahme   von   Stumpf  3369, 
bei    welchem    die    einzige   Unregelmässigkeit    in    der  Verschiebung  von 
Signum-  und  Recognitionszeile   besteht,   sind   die  Stücke  selbst  durchans 
Unica.     Der  Schrift  nach  steht  das   in  Titel  und  Fassung  recht  abnorme 
Stumpf  3424  (vgl.  Hernhardi  207,  Anm.  5)  nebst  dem  unten  l>esprochenen 
Stumpf  3425  unserem   Zwettler  Diplom   am  nächsten.     In  der  gans  ab- 
sonderlichen Rocognition   von   Stumpf  3372:    ,B2go  Amoldns  cancellariitf 
vice  summi  cancollarii  Magontini  scripsi  et  subscripsi',   die   nur  noch  in 
dem  unmittelbar  darauf  folgenden  und  ebenfalls  noch  im  Original  erhal- 
tenen Diplom  Stumpf  3373  für  das  Kloster  S.  Remigins  in  Rheims  wieder- 
kehrt, sah  ich  nur  den  weiter  unten  vertretenen  Sats  bestätigt,  dass  nn- 
gewöhnliche  Wendungen  oder  Titulaturen,  die  wahrscheinlich  aiuseiiialb 


329 

Das  Chrismon  ist  in  allen  Stücken  wesentlich  gleich,  ein 
durch  WellenUnien  ausgeftültes  C.  Die  verlängerte  Schrift  des 
Protokolls  beschränkt  sich  bei  allen  auf  Invocation  und  Titel; 
bei  Mon.  graph.  V,  13  fllllt  sie  die  ganze  Zeile  aus,  bei  Kopp  41 
und  dem  Zwettler  Diplom  wird  der  noch  in  die  erste  Zeile  fallende 
Beginn  des  Contextes  in  gewöhnlicher  diplomatischer  Minuskel 
geschrieben.  Mit  Stumpf  3544  hat  das  Zwettler  Diplom  die  starke 
Hervorhebimg  des  ersten  Buchstaben  des  Contextes  gemein. 
Die  auch  zeithch  nächstliegenden  Stumpf  3403  (f.  Zwettl)  und 
3425  (Kopp  41)  stehen  sich,  soweit  dies  an  den  wenigen  zur 
Vergleichung  vorhandenen  Worten  festgestellt  werden  konnte, 
auch  in  der  Contextschrift  durch  die  geraden  uuverziertcn  Ober- 
schäfte von  Z,  d,  h  und  die  verzierten  8  und  /,  sowie  durcli 
die  weit  unter  die  Zeile  reichenden  v  nahe;  gemeinsam  ist  auch 
das  Kürzungszeichen  und  der  starke  Ilaken  fiU*  us.  Älon.  graph. 
V,  13  weist  denselben  festen  Schriftcharakter  auf,  ähnlich  sind 
auch  die  langen,  unter  die  Zeile  reichenden  r  und  die  leicht 
nach  links  gebogenen  Unterschäfte;  sonst  sind  die  Schäfte  in 
Mon.  graph.  V,  13  mehr  verziert.  Das  Eschatokoll  ist  bei  den 
fünf  Stücken  verschieden  behandelt:  Stumpf  3425,  3544  und  3567 
haben  für  Signum-  und  Kecognitionszeile  verlängte  Sclirift,  Mon. 
graph.  V,  13  für  keine  von  beiden  und  für  die  llecognition  nicht 
einmal  eine  eigene  Zeile.  St.  3403  (f.  Zwettl)  steht  in  der  Mitte; 
die  Signumzeile  hat  verlängerte  Schrift,  die  Recognition  steht  in  ei- 
gener Zeile  und  weist  zahlreiche  Uncialbuchstaben  auf  ohne  eigent- 
lich verlängerte  Schrift;  gemeinsam  mit  Stumpf  3425  sind  die 
i-Striche  über  ,archicancellarii'.  Das  Monogramm  steht  neben  der 
Kecognitionszeile  auf  und  hat  in  allen  Stücken  wesentlich  denselben 
Typus;  das  des  Zwettler  Diploms  ist  etwas  grösser  mit  stärkeren 
Schäften.  Das  ineinander  verschlungene  i  und  o  steht  bei  Stumpf 
3403  und  3544  in  der  Fläche  des  Monogramms  selbst,  während 
es  bei  den  übrigen  unter  den  Fusspunkt  hinabgerückt  ist.  Die 
Datumzeile  beginnt  in  Stumpf  3403  und  3425  mit  langgestrecktem 
a  ohne  Mittelbalken;  ,amen'  ist  in  Majuskel  geschrieben. 

So  wenig  diese  dürftige  Zusammenstellung  zur  Herstellung 
eines  exacten  Schriftbeweises  genügt,  scheint  sie  mir  doch  das 
Eine  zu  verbürgen,  dass  uns  in  der  Zwettler  Gründungsurkunde 


der  Kanzlei  entstandcu,   von  KanzloischrDiborn  Au%egriäon  und  in  zeit- 
lich naliestehendeu  Diplomen  verHUchswei8e  angewendet  wurden. 


330 

eiu  in  Schrift  und  Form  kanzleigemäss  ausgestattetes  Diplom 
vorliegt,  das  besonders  mit  dem  zeitlieh  nächststehenden  Stumpf 
3425  manche  Berührungspunkte  aufweist. 

Gehen  wir  auf  den  Inhalt  der  Urkunde,  und  zwar  zunächst 
auf  den  formellen  Theil  ein:   hierin  hat  Bemhardi  in  den  Jahr- 
büchern Kourads  III.  Manches  vorgearbeitet,  indem  er  die  grosse 
Mehrzahl  der  bei  Stumpf  verzeichneten  Urkunden  in  einer  Reihe 
von  Anmerkungen  besprach  und  sich  dabei  auch  bemtlhte,  die 
Fickcr'schen    Untersuchungen    zu    verwerthen;    aber    der    mit 
groöS(im  Fleisse  durchgeführten  Arbeit   mangelt  vor  Allem  die 
Uebersichtlichkeit,  indem  die  zahlreich  verstreuten  Einzelbemer 
kungen  nirgends  zusammengefasst   sind,   und   dann  das  eigene 
Urtheil.     Ohne  zum  Zwecke   einer  blossen  Hilfsarbeit  tiefer  in 
das  Urkundeuwcsen  Konrads  III.  eindringen  zu  können,   habe 
ich  Avcnigsteiis  aus  den  mir  zugänglichen  Urkundendrucken  die 
Formeln  zusammengestellt,  um  mir  gerade  bei  dieser  an  Schwan- 
kungen  so   reichen   Zeit   einen   Ueberblick    über   das   kanzlei- 
massig Zulässige  zu  verschaflfen.^    Damach  ergibt  sich  filr  den 
Titel  als  das  Regelmässige:  ,Conradu8  divina  favente  dementia 
Romanorum  rex  secundus^;  für  die  Signumzeile:  ,Signum  domni 
Conradi  Romauorum  regis  secundi',  vereinzelt  das  Attribut  ,in- 
victissimi';    ftir    die    Recognition:    ,Ego    Amoldus    cancellariiis 
vice  .  .  .  (Moguntini  archiepiscopi  et)  archicancellarii  recognovi*. 
In  der  späteren  Zeit  ist  der  volle  Titel  des  Mainzers  Regel,  in 
den  ersten  Regierungsjahren  schwankt  der  Gebrauch.    Für  die 
Datirung  bildet  sich  nach    und  nach  eine  Zweitheilung  heraas, 
zu  einer  Zeit,    wo    sie    aus   den    päpstlichen  Privilegien  bereits 
verschwunden  ist.     Das  GewöhnUche  ist:    ,Anno   dominice  in- 
carnationis  .  .  .  indictione  .  .  .  rcgnante  Conrado  Romanorum  rege 
secundo,  anno  vero  regni  eins  .  .  .  Dat^'  (seltener  ,actum')  Ort, 
eventuell   Tag;    ,in   Christo    feliciter   amen^     Statt    ,anno'   und 
,data^   findet   sich  auch  das  den  älteren  Diplomen  entnonmiene 
,data'   und   ,actum*;   für   die  unserem  Diplom  zunächstliegende 
Zeit  ist  die  erstangeftihrte  Form  weitaus  vorherrschend  (Stumpf 
8381,  3387,  3389,  3402—3407,  3409,  3421,  3422,  3424,  3425); 
in    Stumpf  3523  Or.  sind  die  beiden  Theile   durch   die   Reco- 
gnition getrennt.'-^ 

1  Vjrl.  darüber  jetzt  aucli  Bresslau  U.  L.  1,  360,  Anin.  2;  360  f. 
^  Von   Interesse  ist  es,  die  Gründe  kennen  zu  lernen^  ans  welchen  der 
HoraiiH^ebcr  der  , Fontes  rcritm  Bemensinm*  1,  412  die  Originalität  Ton 


331 

Halten  wir  dazu  unser  Stumpf  3403,  so  finden  wir  8ignum- 
zeile  und  Datirung  vollkommen  regelrecht,  während  in  der 
Recognition  das  ,domni'  vor  dem  Namen  des  Erzkanzlers  und 
in  Formel  11  der  ganz  abnorme  Titel  auffHUt.  Eine  Fälschung 
ist  in  solchem  Falle  überhaupt  nicht  wahrscheinlich;  denn  diese 
scheiden  sich  meist  streng  in  zwei  Gruppen:  in  Fälschungen 
im  engeren  Sinne,  die  ohne  echte  Vorlage  oder  mit  Benützung 
von  Diplomen  früherer  oder  späterer  Herrscher  angefertigt  wur- 
den und  sich  meist  durch  die  graphische  Ausstattung  und  durch 
ungereimtes  oder  mindestens  unzeitgemässes  Protokoll  verrathcn, 
und  in  Interpolationen,  bei  denen  ein  echtes  Diplom  zur  Vor- 
lage genommen  und  unter  strenger  Beibchaltimg  des  Formel- 
rahmens und  mögUchst  getreuer  Nachahmung  der  Schrift  sach- 
lich erweitert  oder  umgeändert  wird.  Nur  der  letztere  Fall 
könnte  bei  der  kanzlcigemässen  Ausstattung  und  den  vollkommen 
regelmässigen  übrigen  Formeln  bei  Stumpf  3403  statthaben; 
aber  gerade  dann  würde  es  sich  erst  recht  nicht  erklären,  dass 
der  Fälscher  durch  Einfügung  eines  ungebräuchlichen  Titels 
die  Glaubwürdigkeit  seines  Machwerkes  von  vornherein  arg 
beeinträchtigt  hätte.  Selbst  für  diesen  Fall,  zu  dessen  Annahme 
übrigens  kein  triftiger  Grund  vorliegt,  müssten  wir  mit  Ficker 
die  Unregelmässigkeit  bereits  auf  die  echte  Vorlage  zurück- 
führen. 

Zu  Formel  H  unseres  Diploms  bemerkt  Bernhardi  122, 
Anm.  45:  ,Der  Titel  Chuonradus  secuudus  Romauorum  rex  au- 
gustus  kommt  in  dieser  Fassung  nur  noch  in  Stumpf  3404  und 
3535  vor;  letzteres  ist  gleichfalls  für  ZwetÜ  und  Stumpf  3-403 
nachgebildet.'  Auf  diesem  Wege  wird  man  wohl  schwer  zu 
einem  Urtheil  darüber  kommen;  ich  glaube  vielmehr  drei  Dinge 
scheiden  zu  müssen:  1.  den  Titel  ,augustus',  2.  Fehlen  der 
Devotionsclauscl,  und  3.,  was  Bernhardi  ja  gar  nicht  wissen 
konnte,  Fehlen  des  Königsnamens  im  Original. 


Stumpf  3400  anzweifelt:  1.  beim  Erzbischof  von  Mainz  steht  nur 
»archicancellarii*,  nicht  »archiepiscopi*  (vgl.  dagegen  oben  S.  330);  2.  in 
einer  vom  König  selbst  erlassenen  Urkunde  erklärt  sich  nicht  der 
Beisatz:  ,regnante  Conrado  Romanorum  rege  secundo*;  —  allein  diese 
Stilisirung  ist  geradezu  die  regelmässige;  3.  Sigillum  pondens  statt  im- 
pressum;  soweit  ich  nach  Angabe  der  Dnicke  feststellen  konnte,  findet 
sich  Sigillum  pendens  noch  bei  Stumpf  3407,  3480,  3579.  Vgl.  Bresslau 
U.  L.  1,  966. 


332 

Der  Zusatz  augustus,  in  späterer  Zeit  auch  vom  deutschen 
König  angewendet,  ist  in  unserer  Zeit  noch  Prärogative  des 
Kaisertitels,  kommt  daher  Konnid  III.  rechtmässig  nicht  zu. 
Dennoch  linden  wir  in  den  Diplomen  dieses  Königs,  der  ja  auf 
Ansehen  und  Titel  um  so  eifriger  bedacht  war,  je  weniger  die 
wirkhche  Machtvollkommenheit  dem  entsprach,  wiederholte  Ver- 
suche, den  sehnhch  gewünschton  und  nie  erlaugten  Kaisertitel 
wenigstens  theilweisc  einzubürgern.  Wenn  in  der  bei  Otto  von 
Freising  (Gesta  I,  25)  überlieferten  Correspondenz  mit  dem 
byzantinischen  Hofe  der  volle  Kaisertitel  geführt  wird,  so  ist 
dies  wohl  aus  dem  Rangstreit  zwischen  dem  abend-  und  morgen- 
ländischen Kaiserreich  zu  erklären.  Ziemlich  häutig  tindet  sich 
der  Titel  ,Romanorum  rex  et  semper  augustus'  in  der  Wibal- 
dinischen  Briefsammlung,'  in  Schreiben  des  Königs  an  Papst 
Eugen  III., *^  an  die  Kömer,^  an  die  Pisaner^  imd  an  Abt  Wi- 
bald;^  offenbar  ist  auch  hier  das  Bestreben  vorhanden,  den 
vorwiegend  italischen  Empfängern  gegenüber  wenigstens  einen 
Theil  der  kaiserlichen  Autorität  zum  Ausdruck  zu  bringen. 

Auch  in  den  Diplomen  begegnen  einzelne  unter  sich  nicht 
ganz  gleichartige  Fälle;  so  tritt  in  Stumpf  3376  Or.,  3399  K., 
3404  K.,  3481  (Jr.  ganz  analog  dem  Zwettler  Diplom  der  Zu- 
satz augustus  wohl  in  Formel  II  auf,  kehrt  aber  in  der  Signum- 
zcilc  und  der  Datirung  nicht  wieder;  zu  bemerken  wäre  auch, 
dass  sich  die  angeftihrtcn  Diplome  zeitlich  ziemlich  nahestehen 
und  sämmtlich  in  die  ersten  Regierungsjahre  fallen.  Bei  Stumpf 
3571  K.  und  3580  K.,  welche  das  augustus  in  Titel,  Signum- 
zeile und  Datiiomg  gleich  massig  aufweisen,  Hesse  sich  streiten, 
ob  dies  nicht  blosser  Zusatz  des  späteren  Copisten  ist;  allein 
es  wäre  dann  schwer  zu  erklären,  dass  man  an  zwei  verschie- 
denen Orten  (Bisthum  Hildesheim  und  Kloster  Liesbom)  zwei 
Urkunden  ganz  in  <lemselben  Sinne  überarbeitet  hätte;  wieder 
scheint  vielmehr  auch  der  kurze  zeitliche  Zwischenraum  auf" 
einen  vereinzelten  Versuch  eines  bestimmten  Schreibers  oder 
Dictators  hinzuweisen. 


*  Jaff^,  Mon.  (.'orbeiuiisia,  Bibliotlieca  1. 

2  1.  c.  opistola  Nr.  83,  84,  217,  281,  2.80,  289,  242,  24«,  840,  846. 

3  1.  c.  Nr.  845. 

*  1.  0.  Nr.  844. 

•■'  1.  c.  Nr.  144,  17U. 


333 

Ganz  absonderliche  Titulaturen  erscheinen  in  Stumpf  3558 
und  3559  im  ganzen  Formeh-ahmen:  ,Conradus  d.  f.  cl.  sue  regaHs 
prosapie  Romanorum  rex  secundus  augustus';  in  Stumpf  3559, 
das  nur  in  Copio  vorhanden  ist,  ist  das  ,secundus^  in  F.  II  zu 
,semper^  corrumpirt,  die  Signumzeile  fehlt.  Bei  Stumpf  3558, 
einem  noch  erhaltenen  Diplom  für  das  Kloster  St.  Lambrecht, 
liesse  sich,  natürlich  nur  nach  den  inneren  Merkmalen;  wohl 
die  Vermuthung  aufstellen,  dass  es  nicht  in  der  königlichen 
Kanzlei  entstanden,  sondern  von  dem  EmpfHnger  bereits  fertig 
eingereicht  worden  sei;  dafür  würde  auch  der  Umstand  sprechen, 
dass  die  Arenga  starke  Anklänge  an  das  älteste  päpstliche  Pri- 
vileg für  das  genannte  Kloster  aufweist.^  Allein  dann  ist  noch 
immer  nicht  aufgeklärt,  wie  dieselbe  Fassung  in  ein  Diplom 
für  das  mit  St.  Lambrecht  in  gar  keinem  Zusammenhang  stehende 
Kloster  Raitenhaslach  (Stumpf  3559)  kommt.  Möglich,  dass  ein 
Schreiber  an  der  pompösen  Fassung  Gefallen  fand  und  sie  für 
das  eine  Diplom  versuchsweise  beibehielt. 

Der  Zusatz  augustus  dürfte  demnach  in  Diplomen  Kon- 
radö  in.  als  selten,  aber  nicht  unstatthaft  erscheinen. 

Aufßllliger  ist  das  Fehlen  der  Dcvotionsclausel;  es  be- 
gegnet ausser  in  der  wohl  gleichzeitig  mit  dem  Zwettler  Diplom 
ausgefertigten  Klosterneuburger  Urkunde  Stumpf  3404  nur  noch 
in  Stumpf  3499,  einer  nach  Bernhardi  433,  Anm.  10  sehr  man- 
gelhaft überUeferten  Copie.  Noch  bedenklicher  ist  das  Fehlen 
des  Königsnamens;  dass  der  König  im  Titel  genannt  sein  musste, 
war  für  jeden  Fälscher  ebenso  selbstversUlndlich  wie  für  das 
Kanzleipersonal.  Da  lässt  sich  das  Fehleu  desselben  nur  der 
Nachlässigkeit  und  Gedankenlosigkeit  zuschreiben,  mid  diese 
glaube  ich  bei  dem  mechanisch  arbeitenden  Kanzleisehreiber 
viel  eher  voraussetzen  zu  können  als  bei  eineiÄ  doch  mit  be- 
stimmter Absicht  und  Sorgfalt  vorgehenden  Fälscher.  Dank 
der  durch  die  ,Mon.  Germ.  Diplomata'  angebahnten  gewissen- 
haften Urkundenedition  unserer  Tage  haben  wir  ja  von  dem 
Walten  der  königlichen  Kanzlei  ebenso  richtigere  als  filr  dieselbe 


*  IL.  Nr.  6230.  Zahn,  Urkundeiibuch  1,  115:  ,Religiosi8  desiderÜH  digiiuin 
est  facileni  probere  coiiHensuin,  nt  .tidolin  devotio  colerom  sortiatur 
effectam.* 

Stampf  3558.  Zahu  1,  2D2:  ^JuKti»  ot  religiosis  desideriis  digimni 
est  facilem  prebere  coiiHenHiim,  ut  fidolin  et  rntionabilis  devotio  celereni 
ttortiatur  effectuni.* 


334 

minder  günstige  Begriffe  erhalten.  "^Auch  für  die  Zeit  Kon- 
rads III.  wäre  unser  Fall  nicht  der  einzige;  so  lautet  Formel  II 
von  Stumpf  3517  Or.:  ,Cunradudus  divina  favente  dementia  rex 
seeuudus';  der  Name  des  Königs  ist  verballhornt,  das  ^Roma- 
norum'  wohl  nur  aus  Flüchtigkeit  weggelassen,  ebenso  in  Stumpf 
3425  Or. ;  aus  dem  gleichen  Grunde  dürfte  in  Stumpf  3503  K. 
und  3599  Or.  das  ,favente'  in  der  Devotionsclausel  fehlen;  in 
Stumpf  3397  K.  lässt  sich  nicht  entscheiden,  ob  in  der  Datirung 
,A.  d.  ine.  1139,  indict.  II.  anno  vero  regni  eins  11.*  das  ,regnante 
domno  Conrado  Romanorum  rege  secundo*  erst  vom  Copisten 
oder  bereits  vom  Kanzleischreiber  weggelassen  wurde. 

Bei  unserem  Stumpf  3403  will  es  mir  fast  scheinen,  dass  aus 
Versehen  der  ganze  erste  Theil  von  Formel  11:  ,Conradus  divina 
favente  dementia'  weggeblieben  sei  und  erst  mit  ,S6Cundus  etc.* 
begonnen  wurde.  Ganz  vereinzelt,  wenn  auch  für  die  Kritik 
von  minderem  Belang,  ist  in  der  Recognition  der  Zusatz  ,domni'; 
derselbe  findet  sich  sonst  nur  noch  in  Stumpf  3426  a,  K. 

Im  Ganzen  bietet  die  Abnormität  der  unter  Konrad  III. 
überhaupt  vielfach  schwankenden  Titelform  keinen  genügenden 
Grund,  an  der  Echtheit  der  Zwettler  Gründungsurkunde  zu 
zweifeln,  zumal  da  auch  der  Rechtsinhalt  zu  keinerlei  Bedenken 
Anlass  gibt.  Die  angeführten  Besitzungen  befanden  sich  stets 
im  unangefochtenen  Besitze  Zwettls  und  kehren  überdies  in  der 
nur  wenig  jüngeren  und,  wie  ich  unten  nachzuweisen  glaube, 
unzweifelhaft  echten  Bulle  Innocenz'  II.  wieder.  Auch  die 
fehlerhafte  Schreibweise  ,Lerate8^  statt  ,Geratcs*  (das  heutige 
Dorf  Gerotten  nördlich  von  Zwettl)  erklärt  sich  eher  bei  einem 
Schreiber  der  Kanzlei  als  bei  einem  ortskundigen  Fälscher  im 
Kloster.* 


*  Die  stilistische  Fa8.siing  der  Gronzbesehrcibung  iu  Stumpf  3403  ist  ein 
wahres  Muster  von  Uiibeholfenhoit  und  Unverständlichkoit.  Der  Autor 
des  Stiftungsbuches  hat  erst  in  dem  hinzugefügten  Commentar  und  be- 
sonders in  der  Sage  von  dem  Ritt,  den  Hadmar  von  Kuenring  und  Abt 
Hermann  um  die  Grenzen  des  Klostergebietes  unternommen  haben  sollen 
(Fräst  43),  einen  Schlüssel  zum  Verständniss  geboten.  Die  heutigen  topo- 
grapliischen  Bestimmungen  hat  der  hierin  wohl  berufeuBto^  Localhistoriker 
Fräst  in  der  ,Kirchlichcn  Topographie*  1.  c.  7,  w^ie  ich  glaube,  vollkommen 
befriedigend  gegeben.  Besonders  scheint  mir  durch  Frasfa  Eiklärang 
der  ,Polen8teig'  als  westüstlicho  und  der  3^k™6i>steig*  als  südnOrdltche 
Strasse  sichergestellt. 


iesalich     seien     noch     iIlt     Eiiireiliiinff    iler     Urkunde 

leo  gfswidmct.     Slmiipl'  tul    sk'h  entgegen  dem  alteu 

Böhmer' sehen    ADsatze    iür    den    Spätherbst    1139    entschieden. 

ludiction  III  würde  an  und  tUr  sicli  für  eine  Septemberindiction 

>  and  daher  fUr  die  Htumpfauhe  Kini-eihimg  spreehen;  aUein  die 

^hl  steht  auf  Kaüur,  ohne  dass  sieh  entscheiden  liease,  ob  die 

Jorreetnr  ureprünglich  oder  erst  nuehtriiglichvorgeuomuieu  wurde; 

I  Stumpf  Nr.  3402,  3419,  3432,  344»,  3480,  348Ö  ateUt  sich 

llierdies  Neujahrsindietioii  als  die  vorherrschende  heraus.    Das 

r  ist  nicht  cutscheidend,  da  sich  Küuig  Konrad  im  Laute 

)  Jahres  1139  nwcimal  im  Ebass  aufhielt.    Auch  dass  ^lark- 

f  Leopold  IV,   bereits  den  Herzogstitel  von  Baiern  fUhrt,  ist 

tcht  massgebend,   denn   die  Belehnung  dürfte  naeh  Bcrnhardi 

bereits   vor   dein   ersten  Aufenthalte  im  Elsaes  erfolgt  sein. 

Von   den   Zeugen   erscheinen   Bischof  Embrico  von  Wüizburg, 

\  Herzog  Friedrieh  von  Schwaben   und   Markgraf  Hermann  von 

Baden   fast   in   allen  Stücken  früher  und  später  in  des  Königs 

Mähe.      Das    Entscheidende    dürfte    die    Erwilhnung    Bischof 

Qebhards  von  Strassburg   in   der   Zeugenreihe  sein.     Gebhard 

wV*^  ^  keiner  der  Urkunden  vom  Frühjahr  113"J,   von  denen 

Köülige  in  Strassburg  selbst  ausgestellt  sind,  als  Zeuge  angef\ihrt, 

1  ich  mir  nur  daraus  erkläre,  dass  er  damals  nicht  in  Strass- 

gewvilt,    sondern   an   dein   gleichzeitig   tagenden   zweiten 

araa-Coneil   theilgenonimen   haben   inuss.    Gerade  seiu  Auf- 

wten   in   Stumpf  3403  und  3404   bestimmt   mich   dazu,   miuh 

i  Stompfschea  Ansätze  anzuscbliesscn. 

Wesentlich  schwieriger  gestaltet  sieh  die  Frage  über  das 

weite  Diplom  Konrads  lU.  für  Zwettl,  Stumpf  3535  (Fräst  41). 

nras  bei  Stumpf  und  auch  im  Zwettler  Archivkatalog  als  Original 

eichnet   wird,   ist   ein   auf  beiden  Seiten  gleich  schlecht  gc- 

Iftttutes  Pergamentstück    (^liuks  24,  rechts  23  Cm.  hoch,   oben 

B'2,  anten  132  Cm.  breit),  mit  dunkler  Tinte  von  einer  Hand 

Hchrieben   auf  elf  blinden  Linien  in  roeto;   links  und  rechts 

t  ganz  an  den  Rand  geschrieben-,  die  verlängerte  Schrift  der 

Ktcn  Zeile  ist  ungleich  hoch;   zwischen  Z.  1  und  2  und  Z.  9 

10  finden  sich  Spuren    frUlierer    Schrift;    über  ,rex-  (Z.  2) 

Hit  gauz  verblasst  ,qui',  unter  ,HartmaDnus  cpiscopus'  (Z.  II}) 

I  ebenfalls  Schriftspuren   und   ebenso   (iber  ,Bawarie  Engil- 

'  (Z.  10)  vier  lange  Schärte  wie  von  verlängerter  Schrift; 

angeführten  Worte  seibat  stehen  auf  Rasur;   Z,  IJ  ist  nach 


336 

/(ui  dicitiir'  ein  ,Ch'  radirt  und  erst  Z.  7  mit  ^Champ^  begonnen. 
Von  8iegclunjL|^  findet  sich  keine  Spur. 

Eines  zeigt  das  vorliegende  Stumpf  3535  auf  den  ersten 
Blick,  dass  es  die  äusseren  Merkmale,  die  wir  von  einem  feier- 
lichen Diplom  verlangen,  nicht  an  sich  trägt.  In  der  schlichten 
Fassung  und  Ausstattung  erinnert  es  einigermassen  an  die  Ur^ 
künde  Lothars  IQ.  in  den  ^Kaiserurkimden  in  Abbildungen^, 
Lief.  6,  T.  6,  nur  dass  es  noch  das  Fehlen  des  ganzen  Eschato- 
kolls  voraus  hat.  Bereits  Ficker  hat  in  seinen  Beiträgen  zur 
Urkundenlehre  2,  8  darauf  hingewiesen,  dass  unter  Konrad  HI. 
die  Scheidung  zwischen  feierlichen  und  einfachen  Privilegien 
ihren  Anfang  nimmt;  letztere  entbehren  im  Eschatokoll  meist 
Signum  und  Recognition,  eraetzen  aber  diese  mangelnden  Be- 
glaubigungsformen durch  AntUhnmg  von  Zeugen.  Es  wird  sich 
vielleicht  empfehlen,  die  für  Konrad  III.  vorliegenden  Diplome 
mit  unvollständigem  Eschatokoll  ins  Auge  zu  fassen,  und  zwar 
die  Originale,  da  mau  ja  bei  Copien  nie  sicher  sein  kann,  ob 
nicht  erst  der  Copist  Signum  und  Recognition  als  ihm  unwesent- 
lich weggelassen  hat.  Nur  bei  einer  Copie  Stumpf  3557  haben 
wir  eine  bestimmte  Nachricht  (vgl.  Ficker  2,  137):  Kaiser 
Friedrich  hat  dieses  Diplom,  dem  das  ganze  Eschatokoll  fehlt, 
wörtlich  bestätigt  mit  der  Begründung:  ,Quoniam  quidem  ante- 
fatus  predecessor  noster  huiusce  negotii  Privilegium  loco  illi  morte 
prevcntus  facta  nimirum  prefati  verbi  dilatione  non  reliquerat' 

Die  Erklärung  sucht  Ficker  darin,  dass  auch  dem  Origi- 
nale das  Eschatokoll  fehlte,  dass  es  unausgefertigt  als  Coneept 
oder  Reinschrift  liegen  blieb. 

Von  erhaltenen  Originalen  gehören  hierher  Stumpf  3388,^ 
3418,  34()1,  34<)3,  3514,  3518,  3530,  3563,  3603.  Es  nimmt 
mich  einigermassen  Wunder,  dass  Ficker  und  nach  ihm  Bem- 
hardi  fast  von  allen  diesen  Urkunden  annehmen,  dass  sie  von 
der  Kanzlei  entweder  als  besiegelte  Blanquette  ausgegeben  oder 
von  den  Empfängern  Ijcreits  fertig  nur  zur  Siegelung  eingereicht 
worden  seien. 

Silmmtliche  Stücke  enthalten  doch  eine  Reihe  gemeinsamer 
Slerkmale:  Signum  und  Recognition  fehlen  (nur  Stumpf  3430 
weist  Signumzeile  auf),  doch  sind  die  Urkunden  besiegelt  und 
mit  Zeugen  versehen;  die  Datirung  ist  kürzer,  nur  in  Stumpf 
3463  zweitheilig,  und  eingeleitet  mit  ,Acta  sunt  hec*  etc.;  3518 

»  Echtheit  zweifelhaft;  v^l.  ötumpf,  ZusÄtze  Nr.  3388. 


337 

hat  dafür  die  Variante:  ,Facta  sunt  hec^;  im  Titel  begegnet 
mehrfach  das  ,ego^  Es  fiillt  doch  auf,  das  die  verschieden- 
sten Parteien  sich  nach  ein  und  derselben  Schablone  Königs- 
urkunden ausgefertigt  haben  sollten;  freilich  lässt  sich  dagegen 
einwenden,  es  sei  eben  die  Schablone  der  Privaturkunden;  aber 
diese  kann  ja  ebenso  gut  die  Kauzlei  selbst  für  minder  feier- 
liche Ausfertigungen  angenommen  haben.  Die  Frage  zu  lösen 
wird  wohl  der  Untersuchung  des  graphischen  Bestandes  dieser 
Diplome  vorbehalten,  bleiben,  besonders  ob  Zeugen  und  Da- 
tirung  von  gleicher  Hand  wie  der  Context  geschrieben  oder 
von  anderer  Hand,  wohl  in  der  Kanzlei  gleichzeitig  mit  der 
Siegelung,  nachgetragen  sind.  Zeugen  und  Datirung,  mögen 
sie  sich  auf  Handlung  oder  Beurkundung  beziehen,  kann  ich 
mir  in  der  von  der  Partei  selbst  ausgefertigten  Königsurkunde 
nur  erklären  im  Blanquette  und  in  der  nach  erfolgter  Bewilli- 
gung des  Königs  geschriebenen  und  nur  zur  Siegelung  einge- 
reichten Urkunde,'  auf  keinen  Fall  aber  in  dem  von  dem  Em- 
pßlnger  erst  zur  Bestätigung  eingereichten  Urkundenentwurf. 
Das  zeigt  am  besten  Stumpf  3603,  eine  Originalsupplik  des 
Grafen  Quido  von  Biandrate,  fUr  deren  italienische  Provenienz 
das  von  Bemhardi  204,  Anm.  3  gänzlich  missverstandene  Chris- 
mon  in  Labarumform  und  die  Lotharische  Livocation:  In  nomine 
dci  eterni*  sprechen;  der  Entwurf  selbst  entbehrt  des  ganzen 
Eschatokolls,  enthält  aber  mehrere  Nachträge  und  Zusätze  von 
untereinander  theilweise  wieder  verschiedenen  Händen;  einer 
derselben  (Zusatz  2)  enthält  eine  ZeugenreÜH».  (vgl.  Bernhardi  1.  c). 
Der  Entwurf  war  nach  Ficker  2,  504  dazu  ])ostimmt,  als  Vor- 
lage filr  eine  kanzleigemässe  Ausfertigung  zu  dienen,  erhielt 
aber,  da  sich  diese  verzögerte  und  schliesslich  unterbliel),  eine 
vorläufige  Beglaubigung  durch  Sigillum  impressum. 

Kehren  wir  nach  diesem  Excurs  zu  unserem  Z wettler 
Diplome  zurllck,  so  Hesse  sich  dasselbe  seinem  Inlialte  nach  zu 
den  einfachen  Privilegien  ganz  gut  einreihen.  Die  Datirung 
tritt  zwar  in  noch  primitiverer  Gestalt  auf,  enthält  aber  dieselben 
Elemente,  auf  die  auch  die  Datirung  von  Stumpf  3518  beschränkt 


*  Einen  interesflanten  Nachtrag  in  «lor  Zeuponreiho  hiotot  das  für  die 
zehnte  Lieferung  der  Kcaiflcrurkutidon  in  Ahbildiinf^en  lieHtiinnito  Probe- 
blait  von  Stumpf  3372,  wo  mit  ,Embrico  Werceburgonsi»  opiscopns*  eine 
neue  Hand  einsetzt  und  die  folf^enden  Zeugen  big  hart  zur  Signumzeilo 
hin.  einachiebt. 


338 

ist.     Auch   der  in  der  Mitte  zwischen  diplomatischer  Minuskel 
und  reiner  Bücherschrift  stehende,  jedenfalls  zeitgemässe  Schrift- 
charakter liesse   sich   daftlr  geltend   machen.     Auffallender  ist 
schon  das  Fehlen  der  Siegelung.    Aber  unserer  Urkunde  fehlt 
eines,  was  SickeP  mit  Recht  als   den   wichtigsten  Unterschied 
in   der  äusseren   Gestaltung   zwischen  Concept  und  Reinschrift 
geltend   macht,   die  ,carta  legitima*.     Mochte  die  AusfertigODg 
ih  der  Kanzlei   oder  von  Seite   des  Empfängers    erfolgen,  auf 
jeden  Fall   musste   reines  Pergament  von  entsprechender  Güte 
und  Grösse  dazu  genommen  werden,  nicht  aber  ein  kleiner,  schief- 
winkeliger  schlechter  Zettel,  der  bereits  Spuren  früherer  Benützung 
an  sich  trug.    Dies  allein  benimmt  schon  unserer  Urkunde  den 
Anspruch  auf  Originalität.     Ebensowenig  aber  kann  von  einer 
Fälschung   die   Rede   sein;   denn   von  einem  Fälscher  wäre  es 
noch  viel   unerklärlicher,   dass   er   durch  Wahl   eines    elenden 
Schreibstoffes   seinem  Werke   im  voraus  alle   Glaubwürdigkeit 
benommen  hätte.     Femer  lag  ja,  wie  Titel  und  Arenga  bezeu- 
gen. Stumpf  3403  als  Vorurkunde  vor;  an  ihr  konnte  sich  der 
Fälscher  über  die  Erfordernisse  eines  regelrechten  Diploms  doch 
leicht  informiren.    Wir  werden  uns  mit  Ficker  vielmehr  hüten, 
Mangel  einzelner  Beglaubigungsformeln  als  Verdachtsgrund  der 
Fälschung  anzimehmen.    Auch  der  Beweggrund  zu  einer  solchen 
ist   nicht   einzusehen.     Inhalt   der  Urkunde   ist  die  Bezeugung, 
dass  der  König   auf  Vermittlung  Herzog  Heinrichs  von  Baiern 
dem  Kloster  ZwetÜ  einen  Wald  geschenkt  habe,  der  zwischen 
dem   Kampflusse   und   ,einem   allen   Bewohnern  jener  Gegend 
sehr  bekannten  Wege'  li^ge;    dieser  Weg  ist  der  ,Polensteig^, 
und  die  Schenkung   betrifft   den   KJosterwald,    der   unmittelbar 
dem  Stifte  gegenüber  am  rechten  Ufer  des  Kamp  ansteigt  und 
nach   den   angegebenen  Grenzen   bereits  zu  dem  in  der  Grün- 
dungsurkunde verliehenen  Besitze  gehörte,   dort  aber,   als  zwi- 
schen den  Dörfern  Rudmans  und  Pötzles  liegend,  nur  implicitc 
mitbegriffen   war.     Damit   wird   die  Annahme   irgend   welcher 
mala  fides  haltlos. 

Bleibt  also  nur  die  Möglichkeit  zwischen  Concept  und 
Copie,  und  diese  Frage  wage  ich  nicht  mit  Bestimmtheit  «u 
entscheiden.  Der  Inhalt  wäre  flir  den  Zweck  eines  Conceptes 
vollkommen  gerechtfertigt:  Titel  und  Arenga  aus  der  Vorurkunde 


1  Beiträge  zur  Diplomatik  VI.    Wiener  Sitzungsberichte  86,  4120—481. 


3S9 


hui-   Inlialt-,   Zeugen   und   die  Elemente  der  Datinin^; 
iei  bliebe  os  unentachieden,  ob  die  Reinschrift  die  schlifhkTc 
des  einfaoben  Privilegs  beibebalten  oder  durch  Ausflllliino; 
Eschnlokolls  nach  den  dem  Ingrossator  geläufigen  Fonneln 
xata   feierlichen    Privileg   werden   sollte;    die   Anwendung    von 
Terlängerter  Schrift   und  langen  Oberschäften  Hesse  sich  dabei 
^er  hlichstens  durch  die  Annahme  erklären,  dass  eine  Art  von 
!om«tischer  Majuskel    als    der    dir    den  Kanzleischreiber  ge- 
ttigen   Schrift   auch   zum  Concept  in  Gebrauch  gewesen  sei. 
Die   Einreibung   der  Urkunde  zum  Regensburger  Reicha- 
I,  Frilhjahr  1147,  bei  Stumpf  und  Bemliardi  543  ergibt  sich 
der  Zeugenreihe.  Wohl  erscheinen  alte  Zeugen  bei  Rühricht. 
»ti^ge   Jtnr   Geschichte   der   Kreuzzüge   2,   311  ff.   als   Theil- 
imer  am  zweiten  Kreuzzuge;  aber  Röhricht  beruft  sich  dabei 
Dadik    (Oeseliichte   Mährens  3,  237)   und   dieser   auf  das 
^etiler  Diplom,   das   er   erst   im  Lager,   etwa   hei  Ardakker, 
ausgestellt  sein  iMsst.    In  Wirklichlfeit  haben  die  Bischöfe  Hein- 
rich  von   Ol  mutz    und   Anselm   von   Havelberg    nielit    an    der 
königlichen  Kreuüfabrt,   sondern   am   gleichzeitigen  Slavenzuge 
th eilgenommen;  Anselm  von  Havelberg  erscheint  noch  auf  dem 
Nürnberger  Reichstage,  23.  April,  in  der  Umgebung  des  Kfinigs, 
dagegen   nicht   mehr   die   Bischöfe    Hartmann  von  Brixen  und 
Itmann  von  Trient. 

Gleich  den  beiden  Diplomen  König  Konvads  HI.  soll  nun 
auch  die  Reihe  der  an  Zwettl  verliehenen  päpstlichen  Privi- 
legien in  den  Kreis  der  Untersuchung  gezogen  werden;  es  sind 
dies:  Priv.  Innoccnz'  II.  IL.  807Ö,  Hadrians  IV.  IL.  10252, 
lenanders  HI.  IL.  13349,  Innocenz'  HI.  Potth.  3896;  dazu 
imcn  noch  zwei  zur  Interpretation  der  Zehentfrage  erlassene 
liben  Urbans  HI.  TL.  15909  nnd  Gregoi-s  IX.  Potth.  8496. 
Das  Privileg  Innoccnz'  II.  sieht  nach  der  bis  jetzt  einzig 
(kannten  Uelierlieferung  aus  dem  Stiftungsbuche  (Fräst  37) 
sht  sehr  Vertrauen  erweckend  aus.  Erstens  wird  darauf  gegen 
sonstige  Gepfiogenheit  in  den  späteren  Privilegien  nie  Rüek- 
it  genommen;  dann  begegnet  im  Context  ein  mit  der  Da- 
\g  unvereinbarer  Passus.  Während  nJtmlich  die  Datumzeile 
N  Annahme  von  Stilus  Florentinus  zum  27.  Februar  1140  in 
Angaben   stimmt/    wird   im  Context   der  am  18-  October 


»  Sriinitjnli 


^  -Kl.  VvX 


340 

1141  verstorbene  Baiernherzog  Leopold  bereits  als  ^nobilis  me- 
moriae'  ])ezcichnet;  die  Bulle  könnte  daher  frühestens  in  den 
Februar  1142  gehörend  Dem  widersprechen  aber  nicht  nur  alle 
Zeitangaben,  sondern  auch  der  Kanzlernarae  Aimerich.  Grund 
und  Entst(jhung  einer  Fälschung  scheinen  leicht  erklärlich.  Der 
Autor  legt  bei  seiner  oben  erörterten  Tendenz  in  der  Zehentfrage 
grossen  Werth  auf  die  volle  Zehentfreiheit  alles  vor  dem  vierten 
Lateran  -  Concil  innegehabten  Besitzes.  Nun  hatte  aber  das 
Privileg  Hadrians  IV.  IL.  10252  dem  Kloster  Zwettl  nur  von 
den  Neubrüchen  Zehentfreiheit  zugestanden,  während  Heiligcn- 
ki'cuz  allerdings  am  27.  Februar  1 140  von  Innocenz  IL  die 
volle  Abgabenfreiheit  von  allen  Arbeiten  zugesichert  erhalten 
hatte. '^  Da  war  es  wohl  möglich,  dass  der  Compilator  des 
Stiftungsbuches  die  ihm  gewiss  zugängliche  älteste  Bulle  des 
Mutterklosters  zu  eigenen  Zwecken  copirte,  dabei  aber  durch 
die  Hinzufligung  des  ,nobiIis  memoriae'  zum  Namen  des  mit- 
begründenden Herzogs  selbst  seinen  Betrug  verrieth. 

Der  Verdacht  betreffs  der  Zehentfrage  wird  bei  näherer  Be- 
trachtung sofort  hinfällig.  Die  Päpste  des  12.  Jahrhunderts  waren 
in  der  Gewährung  von  Zehentbefreiungen  nicht  consequeht.  Inno- 
cenz II.  gehörte;  darin  zu  den  freigebigeren;  so  wurde  von  ihm 
einer  Reihe  von  Klöstern  volle  Zehentfreiheit  zugestanden,  so 
IL.  804G  für  das  Kloster  Prüfingen,  7504  f\ir  St.  Vanne  de 
Verdun,  7544,  8073  und  8078  fUr  die  Cistercienserklöster  «air- 
vaux,  Salem  und  A]ten])erg,  letzteres  Privileg  von  demselben 
Tag  wie  das  Heiligenkreuzer;  ebenso  vom  23.  November  1140 
für  St.  Paul  (Fontes  rerum  Austr.  II,  39,  79)  und  vom  9.  April 
1143  fiir  Neustift  in  Tirol  (Fontes  rerum  Austr.  11,34,  7).  Eine 
feste,  auch  ins  canonische  Kecht  übergangene  Norm  hat  zuerst 
Alexander  III.  eingeführt,^  indem  er  nur  den  Cistorciensern, 
Johannitern  und  Templern  volle  Zehentfroiheit  gewährte,  bei 
allen  anderen  Orden  aber  dieses  Recht  auf  die  Neubrüche  ein- 
schränkte.  So  erhielt  Zwettl  durch  die  oben  angef\lhrtc  Bulle 
dieses  Papstes  Zehentfreiheit  von  allen  ,labores',  während  den 
Klöstern   St.  Paul   und   Neustift   (IL.   12799,  12845)   das  eben 


'  Hernliardi  .setzt  sie  zu  1141,  weil  er  irrtbüinllcb  bereits  1140  als  das 
Tofbisjabr  Herzog  Loripobis  jinbinnnt;  vergleiche  dagegen  Meiller,  Re- 
gestoii  j).  29. 

2  Urkundenbiicb  des  Klosters  Ileiligeukreuz,  Fönte«  rerum  Austr.  II,  11,  4. 

3  Vgl.  oben  S.  295. 


341 

erwähnte  Privileg  Innocenz'  IL  auf  die  ,novalia'  beschränkt 
wurde.  Aber  mit  Unrecht  führte  Alexander  III.  diese  Ver- 
folgung bereits  auf  seinen  Vorgänger  Hadrian  IV.  zurück. 
Dieser  war  vielmehr  noch  strenger  vorgegangen,  indem  er  volle 
Zehentfreiheit  keinem  Orden,  auch  den  Cisterciensern  nicht, 
zugestand.  In  zahlreichen  Privilegien  dieses  Papstes,  die  ich 
zu  dem  Zwecke  durchsah,  ist  mir  auch  nicht  ein  Ausnahmsfall 
begegnet.  Von  Cistercienserklöstem  führe  ich  flir  deutsches 
Gebiet  Hardenhausen  (IL.  10076)  und  ausserdem  eines  der  vier 
Stammklöster,  Pontigny,  an;  beide  erhielten  nur  zugestanden: 
,Sane  novalium  vestrorum  .  .  .  nullus  a  vobis  decimas  exigere 
presumat'  Weder  das  Schwanken  in  dieser  Richtung,  noch 
das  Verdrängen  eines  bereits  bestehenden  ,privilegium  maius' 
durch  ein  ,minus',  wie  wir  es  bei  St.  Paul  und  Neustift  nach- 
weisen konnten,  darf  uns  demnach  befremden;  es  entfkUt  daher 
auch  jeder  Grund,  das  Zwettler  Privileg  vom  sachlichen  Stand- 
punkt aus  anzuzweifeln;  dagegen  bleibt  die  chronologische 
Schwierigkeit  bestehen. 

Läge  uns  das  Privileg  nur  in  Copie  vor,  so  wäre  die  ein- 
fachste Lösung  wohl  die,  in  dem  Zusatz  ,nobilis  memoriae*  eine 
für  die  chronologische  Einreihung  belanglose  Pietätsäusserung 
des  Copisten  zu  erblicken.  Nun  fand  ich  aber  in  Zwettl  die 
inhaltlich  vollkommen  gleichlautende,*  mit  allen  Kriterien  der 
Echtheit  versehene  Originalbulle  vor,  zu  deren  Prüfung  mir  in 
den  Pflugk-Harttung'schcn  ,Specimina'  und  besonders  in  den 
jetzt  im  Besitz  des  k.  k.  Instituts  ftlr  österr.  Geschichtsforschung 
befindlichen,  viel  sorgftlltigeren  und  instructiveren  Diekamp- 
schen  Pacsimiles  ein  reiches  Material  zu  Gebote  stand;  von 
Originalen  wurden  das  vom  gleichen  Tage  ausgestellte  Privileg 
für  Heiligenkreuz  (IL.  8080),  ein  im  k.  und  k.  geheimen  Haus-, 
Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien  befindliches  Privileg  für  das  Salz- 
burger Capitel  (IL.  7937)  und  zwei  Privilegien  aus  dem  Archive 
des  Stiftes  St.  Paul  in  Kärnten,  das  eine  für  Lorch  (IL.  7771), 
das  andere  ftlr  St.  Paul  (IL.  8106),  in  die  Untersuchung  ein- 
bezogen. 

Das  Privileg  Innocenz  H.  fiir  Zwettl  (52*5  Cm.  hoch, 
43*7  Cm.  breit)  ist  von  einer  Hand    mit  dunkelbrauner  Tinte 

*  Das  störende  ^unt*  statt  »siimiis*  (Fräst  87),  femer  ,(lilecto'  statt  ,dilecte* 
und  Z.  7  von  nnten  ,hoc'  statt  ,her*  stellten  sich  als  blosse  Lesefehler 
des  Editors  herans. 

AnUT.  Bd.  LXIYJ.  JJ.  Hiltte.  "^ 


342 

auf  gut  calcinirtem  Pergament  geschrieben;  die  Unterschriften 
sind,  wie  unten  näher  auszuflihren,  individuell;  an  rothgelber 
Seidenschnur  hängt  die  gleich  dem  ganzen  Privileg  vorzüghch 
erhaltene  Bleibulle  (Namenstempel  =  Diekamp,  Mittheilungen 
des  Instituts  ftlr  österr.  Qeschichtsforschung  3,  61ö  Innocenz  IL 
Nr.  2  =  Abb.  Nr.  11,  Apostelstempel  =  Diekamp  1.  c,  Abb. 
Nr.  2).  Diekamp  vermochte  diese  Bulle  erst  seit  1143  nachzu- 
weisen, während  sein  letztes  Beispiel  von  der  Bulle  Innocenz  11. 
Nr.  1  dem  Jahre  1139  angehört;  da,  wie  ich  gleich  bemerken 
will,  auch  das  Heiligenkreuzer  Privileg  bereits  die  dem  Zwettler 
analoge  Bleibulle  ti*ägt,  ist  das  Vorkommen  derselben  seit  1140 
gesichert;  an  der  St.  Pauler  Urkunde  ist  die  Bulle  leider  ab- 
gefallen. 

Auch  in  Schrift  und  Ausstattung  gleichen  sich  das  Zwettler 
und    Heiligenkreuzer  Privileg   auf  ein    Haar;   so   in    der  ganz 
charakteristischen  Verzierung  der  verlängerten  Schrift;  die  Con- 
textschrift    stimmt    bis    in   alle   Einzelheiten   (gespaltene    Ober- 
schäfte, kurz  gezogene  et-  und  «f- Verbindungen,  die  sonst  sehr 
seltene  Verschränkung   von   ae).     Vollkommen   in   Grösse  and 
Gestalt  gleichen   sich   auch  ,Rota^  und  ,Benevalete*;   die  ,Sub- 
scriptio  papae^  ist  identisch,  die  Cardinalsunterschrift;en  begegnen 
in   gleicher   Ordnung,   Stellung   imd   demselben   Abstand,'  nur 
bei  den  Cardinaldiakoncn    stehen  im  Heiligenkreuzer  Privileg: 
,Ego  Gregorius'  und  ,Ego  Octavianus'   noch   genau   unter  den 
beiden   vorhergehenden,   und    erst  ,Ego   Presbiter'   tritt   weiter 
nach   rechts.     ,Ego    Gregorius    diaconus    cardinalis    sancti   An- 
geli  SS.'  ist  überhaupt   die   einzige  nicht  ganz  identische  Cardi- 
nalsunterschrift, indem  der  Name  des  Cardinais  ausgeschrieben 
ist  gegenüber  GG  im  Zwettler  Privileg;  ,sancti  Angeli  und  Sub- 
scriptionszeichen  decken  sich  wieder  vollkommen. 

Die  verlängerte  Schrift  der  ersten  Zeile,  besonders  die 
Ausschmückung  des  /  als  Initiale  des  Papstnamens  und  des  in 
ppm  findet  sich  ebenso  in  den  Diekamp'schen  Facsimilen  von 
n..  7893,  7972,  8046  und  Pflugk-Harttung,  Specimina  T.  68, 
Nr.  2  rechts   IL.  8036.     Zur  Vergleichung  der   Contextschrift 

1  Es  mag  hier  bemerkt  werden,  dass  im  Original  des  Heiligenkreaser  Pri- 
vilegs entgegen  der  Ausgabe  in  den  »Fontes  rerum  Austr.  II,  11,  Nr.  4  der 
Cardinalpriester  Lucas  seinen  Titel  nicht  von  den  ,socüS  aondem  von  den 
ysancti*  Johannes  und  Paulus  führt,  und  daas  der  xweite  der  Diakonen 
sich  nicht  ,Lepotto%  sondern  ,Ego  Otto*  nennt. 


343 

ist  das  Harttung'sche  Facsiinile  zu  dürftig;  wohl  aber  begegnet 
derselbe  Schreiber  im  St.  Pauler  Privileg. 

Die  Rundschrift  der  ,Rota'  ^  hat  in  allen  Stücken  denselben 
Charakter:  schief  gestelltes  a  mit  etwas  überragendem  Schaft, 
d  mit  kurzer,  stark  nach  links  geneigter  Überlänge,  inindes, 
etwas  unter  die  Zeile  auslaufendes  «,  in  ,noster^  Ligatur  von 
8t  und  Majuskel  r. 

Bezüglich  der  Subscriptio  papae  habe  ich  das  von  Die- 
kamp  1.  c.  576  aufgestellte  Ergebniss  nur  bestätigt  gefunden. 
Sie  ist  in  allen  von  mir  verglichenen  Stücken  identisch;  etwas 
grösser  als  die  Oontextschrift  mit  langen,  geraden  oder  nur 
wenig  nach  links  ausgebuchteten  Oberschäften,  die  Unterlänge 
des  g  in  ,Ego^  ist  stets  mit  Schlinge  versehen,  im  Namen  be- 
gegnet immer  langes  *,  in  ,catholicc  ecclesi^^  immer  e  caudata, 
das  h  von  catholic^  ist  immer  auslaufend,  nie  nach  rechts  um- 
gebogen, in  eps  rundes,  nach  abwärts  auslaufendes  «;  das  Sub- 
scriptionszeichen  besteht  aus  zwei  parallelen,  stark  gekrümmten 
Strichen,  die  von  zwei  ebenfalls  parallelen  gekreuzt  sind.  In 
der  St.  Pauler  und  Lorcher  Bulle  ist  die  Gleichheit  der  Tinte 
in  Devise  und  Subscriptio  papae  und  ihre  Verschiedenheit  von 
der  Tinte  der  Oontextschrift  sehr  deutlich  erkennbar. 

Das  Benevalete  tritt  in  mehreren  Formen  auf;  es  schwankt 
in  der  Grösse  und  dann  vorzüglich  in  der  Behandlung  des  A 
und  des  vom  zweiten  Schaft  nach  links  ausgehenden  Balkens. 
In  der  früheren  Zeit  wird  das  A  geradlinig  gebildet,  der  BjU- 
ken  verläuft  sehr  charakteristisch  nach  links  oben  (Diekamp, 
FacsimUe  von  IL.  7456,  7937,  771)4,  PHugk-Harttung  T.  65,  67). 
Daneben  ist  seltener  das  im  Zwettler  und  Heiligenkreuzer  Pri- 
vileg begegnende  ,Benevalete^  mit  geschweiftem  A  und  horizontal 
nach  links  verlaufendem  Balken  (Diekamp,  FacsimUe  von  IL. 
7974,  Pflugk-Harttung^  T.  68,  Nr.  2,  rechts,  St.  Pauler  Privileg). 

Die  Cardinalsunterschriften  zeigen,  soweit  eine  Vergleichuug 
möglich  war,  theils  einen  einzigen  feststehenden,  thcils  ein  paar 
von  einander  verschiedene  Typen;  das  erklärt  sich  bei  Annahme 
von  stellvertretender  Subscription  ganz  gut  dadurch,  dass  in 
dem  einen  Falle  die  Stellvertretung  dieselbe  blieb,  während  sie 
in  einem  andern  wechselte. 

Ich  komme  schliesslich  zur  Datumzeile:  Vor  Allem  handelt 
es   sich,   die  Antheilnahme   des  Kanzlers   an    derselben  festzu- 

*  Adiuva  nos  deus  salutarU  noster. 


344 

i?u-Uen.     Wenii  Kaltenbrannt-r    Mhth.  1.  3f©»    bervi>rhebt  dass 
Aimeric-u*  an  der  Schreibung:  der  Datumzeile  im  Grossen  und 
Ganzen  keinen  Antheii  hau   S4j   kann  ich  dem  nur  zustimmen: 
alK:r  während  für  die  trühere  Zeit  und  auch  später  fiir  Gerard 
und  Koland  die  Art  der  Antheilnahme   im  Einzelnen    bestimmt 
ist,   sind    ^erad^-   tur  Ainit-rii-h  weder  Kaltenbrunner  noch  Die- 
kamp  zu  jM^sitivm  Er;rebnisi?en   gehmgt,    während  Pflugk>Hart- 
tung*   fcich    elienso   vorsieht! ^r    als    un>>estimmt    dahin   Äusserte, 
dass   ydurcli   Aimerich   die   Nanlensinitiale   öfters    nachgetragen 
wurde".    leh  <rlaube  Ainierieli  ^nz  bestimmt  die  Neuerung  zu- 
weisen zu  können,  die  später  unter  Anastasius  IV.  der  Kanzler 
Koland  wieder  aufgenommen  hat,  die  regelmässige  Naehtragaiu: 
der  Initiale  iles  Eigennamens.     In   allen   von  mir  eingesehenen 
Originalen  ist  das  A  mit   dunklerer  Tinte  und  in  etwas  kräfti- 
gerem Zuge  nachgetragen,   steht   auch  von  den  Qbrigen  Buch- 
staben   des   Namens   etwas   entfernt.     l>ie  Individualität  des  A 
glaube   ich   auch   aus   den    Diekamp'schen    Facsimilen  von  IL. 
7450,  7495,  7030,  7792,  7794,  781»,  7972,  7974,  7975,  8W6 
und   aus   Pflugk-Haittung  T.  *>8  (IL.  8063)   und  69  (IL.' 8056) 
schliessen  zu  können. 

,I)at'  ist  fast  immer  gekürzt;  hat  man  ,data^  oder  ,datam' 
aufzulösen?  Kaltenbrunner  (1.  c.  392)  entscheidet  sich  flir  ,datum^ 
da  er  als  einziges  Original  mit  ,data*  IL.  7724  kennt;  allein 
jdata^  begegnet  auch  ausgeschrieben  in  Pflugk-Harttung  T.  65 
(IL.  7779)  und  dem  Diekamp'schcn  Facsimile  von  IL.  77üi 
Gerade  dies  bestärkt  mich,  im  Zusauunenhang  mit  dem  von 
Kaltenbrunner  hervorgehobenen  Fall,  zum  Mindesten  fllr  die  Zeit 
Innocenz'  IL  ,d{ita'  aufzulösen.  Das  Pontiticatsjahr  wird  noch 
in  der  Kegcjl  in  Ziffern  ausgedrückt;  der  später  fast  ausnahms- 
los geltende  Brauch,  dasselbe  in  Buchstaben  zu  schreiben,  findet 
sich  ausser  den  drei  Privilegien  fiir  Zwettl,  Heiligenkreuz  und 
St.  Paul  nur  noch  in  den  Dickamp'schcn  Facsimilen  von  IL.  7493 
und  8100. 

Lässt  sieh  also  fiir  die  älteste  Papstbulle  Zwettls  der  Schrift- 
beweis viel  bestimmter  erbringen,  als  dies  beim  Diplom  König 


1  Die  Urkuiidüii  dur  päpstlichen  Kanzlei  vom  10.  bis  13.  Jahrliuudert, 
Archiv,  Zs.  6,  '12.  Vgl.  auch  die  Erklärung  zu  Pflugk-Uarttungf  »Acta 
l)(>ntirtcuiu*  1,  138,  Nr.  158,  und  Löwenfeld  in  der  Recenaiou  von  ,Acta 
])(>ntiticuni*  1  im  llistoriMchen  Jahrbuch  2,  \1\^. 


345 

Konrads  III.  der  Fall  war,  so  gilt  es  noch,  den  chronologische^ 
Widersprach  aufzuklären.  Wie  wir  sahen,  erhielt  am  gleichen 
Tage  auch  das  wenig  früher  gegründete  Muttcrkloster  Zwcttls, 
Heiligenkreuz,  die  päpstliche  Bestätigung,  und  zwar  weisen  die 
beiden  Bullen  gleiche  Schrift  und  gleiches  Dictat  *  auf.  Da  war 
es  sein*  leicht  möglich,  dass  der  Dictator  den  noch  lebenden 
Baiernherzog  Leopold  IV.  mit  dem  Gründer  von  Heiligenkreuz, 
Markgrafen  Leopold  HI.,  der  damals  allerdings  schon  ,nobiUs 
memoriae^  war,  verwechselte.  So  erkläre  ich  mir,  dass  dieser 
chronologisch  unmögliche  Zusatz  statt  ins  Heiligenkreuzer,  ins 
Zwettler  Privileg  kam.  Die  Datirung  vom  27.  Februar  1140 
wird  daher  unangefochten  bestehen  können. 

Auch  die  folgenden  Privilegien  Hadrians  IV.  (IL.  10252) 
vom  14.  Februar  11572  und  Alexanders  III  (IL.  13349)  vom 
29.  März  1179  sind  in  schön  erhaltenen  Originalen  vorhanden. 
Die  Eintragung  in  das  Stiftungsbuch  ist  sorgfältig  und  genau, 
ebenso  auch  bei  der  Littera  Urbans  HI.  (IL.  15959)  vom 
2(k  März  1187;  nur  bei  der  Littera  Gregors  IX.  (Potth.  Nr. 
849G)  vom  15.  März  1230  konnte  ich  eine  Interpolation  nach- 
weisen: während  der  Text  des  Originales  lautet:  ,vel  decimas 
laborum  de  terris  habitis  ante  concilium  generale,  quas  propriis 
manibus  aut  sumptibus  excolunt  seu  nutrimentis  animalium^, 
sclialtct  der  ,Liber  fundationum^  nach  excolunt  die  Worte  ein: 
^t  de  nuvalibus  sive  ante  concilium  sive  post  ricquisitis'.  Wenn 
auch    diese    Interpolation    nach    den    Beschlüssen    des    vierten 

1  Da  (las  ,re1igio8am  vitam  eligeiitibus^  uocb  niclit  die  Alleinherrschaft  der 
späteren  Zeit  erlangt  hat,  sondern  einige  Mannigfaltigkeit  im  Dictat  noch 
vorwaltet,  ist  anch  auf  diesen  Umstand  einiges  Gewicht  zu  legen;  das 
Incipit  unserer  beiden  Privilegion:  ,In  apostolicao  sedis  specula*  gehört 
zu  den  selteneren. 

-  Pontiiicatsjahr  und  Indiction  beweisen,  dass  das  Incarnationsjahr  lloG 
nach  stilus  Florentinus  angesetzt  ist;  das  unnWiglichc  XVII.  Kl.  Mart. 
kann  ich  doch  nur  als  Schreib-  oder  Rechenfehler  auffassen  und  kehre 
daher  zum  alten  Jaff6*schen  Ansatz  (14.  Febniar)  gegenüber  dem  Löwou- 
feld^schen  in  der  Neubearbeitung  (IJi.  Februar)  zurück.  Der  Schrift- 
cbarakter  ist  derselbe  wie  in  Mon.  graph.  V,  14,  mit  dem  auch  das  In- 
cipit  gemeinsam  ist;  besonders  eigenthümlich  sind  die  langgezogenen  s 
und  die  weitgesperrten  »^ Verbindungen.  Gut  erhaltene  Bleibulle  an 
rothgelber  Seidenschnur;  Namonstempel  =  Diekamp,  1.  c,  Hadrian  IV., 
Nr.  2,  Abb.  Nr.  17;  Apostelstempel  =  Diekamp,  Hadrian  IV.,  Nr.  2,  Abb. 
Nr.  3.  Das  Privileg  Alexanders  III.  bat  denselben  Apostelstempel,  aber 
Namenstempel  =  Diekamp,  Alexander  III.,  Nr.  8,  Abb.  Nr.  20. 


346 

iiateran-Conoils  vollkommen  richtig  ist  (vgl.  oben  8.  296),  so 
bleibt  der  Zusatz  doch  eine  wenn  auch  nicht  mala  iide  unter- 
nommene Eigenmächtigkeit,  zu  der  sich  der  Autor  durch  sein 
beständiges  Hervorheben  der  Wichtigkeit  des  Lateran-Concils 
für  die  Zehentfrage  hinreissen  Hess. 

Von  allen  in  den  ,Liber  fimdationum'  aufgenommenen  päpst- 
lichen Bullen  fehlt  nur  zu  dem  grossen  Privileg  Innocenz'  III. 
(Fräst  84  ff.,  Potth.  Nr.  3896)   das   Original.     Dem   immerhin 
aufßilligen   Umstände,   dass  gerade   dieses  Privileg   in   Verfaßt 
gcrathen   sein   sollte,   sowie  der  Erwägung,   dass   man    bei  der 
Grösse   dieses  Papstes  im  Mittelalter  einen  besonderen  Werth 
darauf  legte,   sich   auf  von  ihm  ausgestellte  Bullen  berufen  zu 
können  (wie  denn  bereits  zu  seinen  Lebzeiten  auf  seinen  Namen 
notorisch  viel  gefälscht  wurde),   steht  andererseits  die  sonstige 
bona  lides  des  Autors  entgegen,   ferner,   dass  sowohl  Heiligen- 
kreuz  wie   auch   Baumgartenberg  von  denselben  Tagen  Privi- 
legien Innocenz'  III.  besitzen  (Potth.  3899,  3900)  und  das  eben 
gegründete  Lilienfeld  damals  die  päpstliche  Bestätigung  erhielt 
(Potth.  3V)10');  gerade  anlässHch  des  letzterwähnten  Ereignisses 
scheinen  die  österreichischen  Cistercienserklöster  coUectiv,  wohl 
dui'ch  einen  gemeinsamen  Procurator,  um  Bestätigung  ihrer  Rechte 
und  Freiheiten  bei  der  Curie  eingeschritten  zu  sein.   Es  wäre  also 
im  Gcgcntheil   auftflllig,   wenn   gerade  Zwettl   hicbei   sich  aus- 
geschlossen hätte.     Eine  Verglcichung   mit  dem  Wortlaute  der 
anderen  Privilegien  zeigt  uns  dieselben  inhaltlich  identisch;  nur 
an  einer  Stelle  weist  das  Z wettler  Privileg  allen  anderen  gegen- 
über ein  kleines  Plus  auf.    Fräst  85:  ,Sane  laborum  ve^stronun 
quos   propriis   manibus   aut   sumptibus   Colitis,   tarn  terris  cultis 
quam  incultis  [novalihus  duntaxat)  sive  de  ortis  etc.  .  .  .  nuUus 
a  vobis  dccimas  exigere  vel  extorquere  presumat/    Halten  wir 
dazu  die  Bulle  Gregors  IX.,  wo  wir  eine  ähnliche  Interpolation 
aus    dem   Vergleich    mit    dem    Original    bestimmt    nachweisen 
konnten,    so   glaube   ich   in    der  Annahme  nicht  zu  irren,  dass 
wir  es  auch  hier  mit  einer  solchen   zu   thun  haben,   dass  aber 
sonst  der  Text   getreu   dem  jetzt  verlorenen  Original  entnom- 
men ist. 

Die  gute  Meinung,  die  wir  nach  Allem  von  dem  Vorgehen 
des  Compilators  gewonnen  haben,  hat  auch  eine  CoUationirong 
der  Babenb  erger  und  ältesten  Kuenringer  Urkunden  nur  be- 
stätigt.    Insbesondere  zeigten  zahlreiche  Stichproben,   dass  die 


347 

Datirungen  mit  einer  ,oft  bis  in  kleine  Details  gehenden  Ge- 
nauigkeit wiedergegeben  sind;  nur  p.  358  ist  bei  MLXIII  CC 
und  p.  443  bei  MCCXXXIX  ein  L  ausgeblieben. 

Das  in  der  Ausstattung  wohl  prächtigste  österreichische 
Chartular  bewährt  sich  demnach  auch  inhaltlich  sorgsam  und 
genau. 

Der  Verwerthung  des  in  Zwettl  vorhandenen  urkundlichen 
Materials  ist  aber  durch  die  überdies  unzureichende  Edition  des 
Stiftungsbuchea  noch  keineswegs  Genüge  geschehen.  Kann  uns 
besonders  bei  wichtigen  Urkunden  selbst  die  beste  Copic  das 
Original  nicht  ersetzen,  so  würden  umsomehr  die  vielen  in  das 
Chartular  nicht  aufgenommenen  Urkunden  Berücksichtigung  er- 
fordern, und  für  die  Zeit  nach  1327  sind  wir  vollends  auf  die 
knappen  Auszüge  bei  Link  angewiesen. 

Aufgabe  eines  künftigen  Urkundenbuchcs  des  Klosters 
Zwettl  wird  es  daher  sein,  eine  noch  recht  fühlbare  Lücke  in 
der  Kenntniss   der  Geschichtsquellen  Oesterreiehs  auszufilllen 


ANHANG. 

König  Konrad  IIL  bestätigt  auf  Bitten   Herzog  Leopolde  von 
Baiem   die   Gründung  und  Dotiimng   des    Cistercienserklosters 

Zwettl  durch  Hadmar  von  Kuenring. 

8elz,  11.39  (Spätherbst). 

Stnmpf  3403.     Meiller  p.  26,  Nr.  9. 

Original  im  Archiv  des  Stiftes  Zwettl  {A).  Liber  fniKlationnm  f.  8', 2  (^)- 
Frant,  Kirchliche  Topographie,  1I./3  (XVI),  8  ans  A.    Ludewig,  Kel.  Mss.  4,  25. 
Link,  Annales  134.     Fraat,  Fontes  ronim  Austr.  II.,  3,  32  ans  li. 

l    In  nomine  sancto  et  individn^  trinitatis.    Secundus*  Bomanonim  rox 

augustiis.    * 

Ad  honorem  conditons  nostri  ciiiiis  disposiciono  subsistimiis  et  gn- 
bernamur  qnieti  fideliiim  debita  sollicitndine  providentcs,  ob  statiim  regni 
nostri  ad  senricium  sanct^  et  pei-petn^  virginis  Mari^  conscntiento  an- 
nuente  rogante  et  iina  mecnm  mann  sua  tribnente  Lupoldo  Bawai'ico  duc^ 

•  «o  A. 


348 

tradidimus  predium  Zwctel  dictum  in  Nordica  silva  8itam  cum  hin  Tillis: 
Gezesnicca,  Racensrnta,  Zembecolines,  Lerates,  Gradenze,  Biitmares,  Sce- 
lebaos;  cum  his  aiitem  tractibuB  et  finibtiß  notatnr:  8cilicet  a  lapide  qui 
est  ultra  terminum  Mowderates  Howmade  a  latere  uno  tenditar  in  direc- 
tum usque  ad  viam  que  antiquitus  dicitur  Bolenstic,  que  via  est  cei-tiis 
tcrminus  usque  ad  aliam  viam  que  etiam  antiquitus  vocatur  Beheimestic; 
b^c  vero  via  ex  altero  latere  est  cei*tissimus  terminus,  dividens  se  a  pre- 
dicta  via  in  loco  cuius  vocabulum  est  Gutentannen  et  veniens  usque  ad 
fluvium  qui  Zwetel  dicitur  inde  pmcedit  usque  ad  alinm  fluvium  qui  roaior 
Cbamp  nnncupatur.  Quidquid  preterea  his  duabus  viis  infra  predictum 
tenninum  concluditur:  in  pascuis  in  aquis  sive  aquai'um  decursibus  in 
silvis  pratis  i^^ris  novalibus  cultis  vel  excolendis  vel  quidquid  einsdem 
possessor  predii  Hademarus  in  predicta"  Nordica  silva  possedit,  quatenos 
fratres  illic  ad  servicium  salvatoris  nostri  eiusque  genitricis  congregati 
sive  congregandi  secundnm  regulam  sancti  Benedicti  per  hanc  nostr^  con- 
stitucionis  paginam  contutati  sine  omni  presumptionis  infestatione  nnllum 
unquam  habentes  advocatum  libere  degant  et  pro  nobis  ac  regni  nostri 
statum  attencius  conditorem  omnlum  exorent.  Ut  autem  h^  constitncio 
nostra  firma  et  incovulsa  omni  permaneat  evo,  hanc  cartam  inde  scribi  et 
sigilli  nostri  inpressione  signari  iussimus. 

Testes  quoquo  qui  presentes  aderant  subnotari  fecimus,  quomm 
nomina  h^c  sunt:  Embrico  Wiziburgensis  episcopus,  Gebohardus  Argenti- 
nensis  episcopus,  Fridericus  «lux  Alsaci^,  Herimannus  marchio  de  Bada, 

V  

Otto  abbas  Salsonsis,  Odalricus  comos  de  Lonzeburc,  Manegoldus  de  Werda, 
Marquardus  de  Grunbach,  Waltherus  de  Lubenhusen  et  f rater  eius  Engel- 
hardus;  aderant  etiam  capellani  curi§  Chunradus  frater  noster,  Adelber- 
tus,  Swichorus,  Heinricus,  Warinherus  et  alii  quam  plurimi. 

*  Signum  domni  Conradi  liomanorum  regis  secundi,  ♦ 

Ego  Arnoldus  cancellarius  vice  domni  Alberti  Mogvntini  archiepi- 
scopi  et  archicancellarii  recognovi.  (M.) 

Anno  dominicc  incarnationis  MCXXXVIin,  indictione  HI,**  regnante 
Clivnrado  Romanonim  rege  socundo,  anno  vero  regni  eius  U.**;  data  apn<l 
Salsam;  in  Christo  feliciter  amen.  (S  I.  D). 

*  di  vmi  gleicher  Hand  nachffetragen. 
*'  auf  liasnr. 


DIE  EINFÜHRUNG 


DES 


lANNITER-RITTERORDENS 


IN  KÄRNTEN 


UND  DESSEN 


COMMENDE  UND  PFARRE  PULST 


DASELBST. 


VON 


AUGUST  VON  JAKSCH. 


r.   Ba.  LIXVI.  11.  HÄlfl«.  *Ii^ 


Einleitung. 


Ankershofcn  beklagte  kurz  vor  seinem  Tode  in  einem 
Aufsätze,*  worin  er  auf  die  vielfachen  Lücken  in  der  Geschichte 
Kärntens  hinweist,  unter  manchem  Andern  auch  den  Umstand, 
dass  man  nicht  einmal  das  Jahr  wisse,  wann  der  Johanniter- 
und  der  deutsche  Ritterorden  in  ELämten  Eingang  fanden. 

Einen  dieser  dunklen  Punkte  aufzuhellen,  die  Geschichte 
des  Johanniterordens  in  Kärnten,  seine  Einfiihrung  und  Fort- 
entwicklung, soweit  dies  das  vorhandene  Quellenmaterial  ge- 
stattet, darzustellen,  ist  Zweck  des  Folgenden.  Wenn  auch  nicht 
im  Besitze  allzu  zahlreicher  Daten,  glaube  ich  dennoch  mit  der 
VeröffentUchung  des  Resultates  nicht  länger  zögern  zu  sollen, 
da  die  Hoffiiung  eine  sehr  geringe  ist,  dass  einem  Andern  mehr 
archivalische  Nachrichten  über  die  Johanniter  in  Kärnten  zu 
Gebote  stehen  sollten  als  mir. 

Wenn  auch  die  folgende  Darstellung  meist  über  eine  An- 
einanderreihung von  mageren  Regesten  nicht  hinauskommt,  so 
wird  doch  gewissermassen  damit  der  Anfang  in  einem  merk- 
würdiger Weise  bisher  ganz  vernachlässigten  Gebiete  öster- 
reichischer Localgeschichte  gemacht.  Geschichten  der  einzelnen 
Commenden  in  den  verschiedenen  österreichischen  Ländern  gibt 
es  überhaupt  noch  nicht.  Das  Meiste  hierüber  findet  sich  in 
dem  freiUch  mit  Vorsicht  zu  benützenden  Buche  von  Dr.  M.  M. 
Fcjrfar:  ,Aus  dem  Pantheon  des  hohen  souveränen  Johannitcr- 
Ritterordcns^  Nikolsburg  1882.  Dortselbst  ist  S.  76  die  Grün- 
dung der  Commende  Pulst  durch  Herzog  Ulrich  von  Kärnten 
mit  Bcrufdng  auf  die  in  Prag  liegende  Originalurkunde  erwähnt, 


1  Archiv  für  vaterländische  Geschichte  und  Topographie  6,  20. 


352 

dabei  ist  es  um  so  unbegreiflicher,  dass  Feyfar  S.  68  der  Er- 
zählung des  Hieronymus  Megiser  in  dessen  ^Annales  Carinthiae' 
S.  1729  folgt,  dass  nämHch  Ruprecht,  der  letzte  des  Geschlechtes 
von  Pulst,  die  Kreuzherren  daselbst  gestiftet. 

Auch  Heinrich  Hermann  gedenkt  in  seinem  Handbuche 
der  Geschichte  Kärntens  vorübergehend,  namenthch  in  den 
culturgcschichtlichen  Abtheilungen  seines  Werkes,  mit  Berufung 
auf  das  Pulster  Archiv  dieser  Commende.  Doch  sind  leider 
die  meisten  Nachrichten  falsch. 

Für  die  folgende  Dai'stellung  habe  ich  nachstehende  Archive 
benützt.  Das  Malteserordensarchiv  in  Prag,  woselbst  ich  bis 
auf  einiges  Weniges  alle  die  Commende  Pulst  betreffenden 
Archivalien  einsehen  konnte,  bot  selbstverständlich  das  Wich- 
tigste. Das  Archiv  der  Commende  Pulst  bildet  dortselbBt  gleich 
den  anderen  Commendenarchiven  eine  eigene  Abtheiliing.  Der 
im  18.  Jahrhunderte  ohronologisch  angelegte  Katalog  ist  betitelt: 
,Collectaneum  seu  prothooollo  —  compendium  variorum  privile- 
giorum,  iurium,  gratiarum,  donationum,  instrumentorumaliarumqae 
rerum  ad  commendam  Pulst  spectantium  ab  anno  1300  usque  ad  a 
1700.'  Vervollständigt  wurde  dei-selbe  durch  den  jetzigen  Ordens- 
archivar Herrn  P.  Ferdinand  Warter,  so  dasa  dieser  Katalog 
heute  35  Nummern  umfasst.  l£s  wurde  mir  auch  die  Copie 
einer  ,Serie8  preceptorum  et  couunendatorum'  von  Pulst  vor- 
gelegt, welche  nach  Aussage  des  genannten  Herrn  Archivars 
von  einem  Comthur  zu  Wien  Namens  Franz  de  Paula  Edlen 
von  Smitmer  im  18.  Jahrhunderte  verfertigt  wurde.  Mau  sieht 
aus  demselben,  dass  dem  Verfasser  auch  die  32  heute  noch  im 
Pfarrhofo  zu  Pulst  liegenden  Urkunden  nicht  fremd  waren. 

Das  Archiv  des  kärntnerischen  Gesohichtsvereina  in  Kla- 
genfurt  besitzt  im  Ganzen  21  Urkunden,  welche  sich  mehr  oder 
minder  auf  die  Commende  und  Pfarre  Pulst  beziehen  und  von 
welchen  —  den  Signaturen  nach  zu  scbliessen  —  die  Mehrzahl 
aus  Pulst  selbst  stammen  dürfte. 

Was  die  Schicksale  des  Pulster  Archives  betrifft,  so 
erfahren  wir  aus  einem  Berichte  des  Pfarrvicars  Harnisch  zu 
Pulst  an  das  Gurker  Consistorium  im  Jahre  1807,  dass  der 
Pulster  Comthur  Graf  Strassoldo  o.  1771  seinem  Pfarrvicär 
Clammer  aufgetragen,^  die  wichtigsten  Originaldocumente  gegen 


1  ConsistoriaUrchiv  au  Klagenfurt:  Pulst  Y,  Nr.  9. 


353 

Empfangscfaein  seinem  Amtmanne  Ignaz  Podem  unverzüglich 
zu  übergeben  und  durch  denselben  an  das  Priorat  des  Ordens 
in  Prag  üborschicken  zu  lassen.  Offenbar  waren  da  auch  die 
ältesten  Urkunden  dabei,  welche  heute  noch  im  Prager  Archive 
liegen.  Harnisch  erzählt  ferner,  dass  der  Commenda Verwalter 
Martin  Mayr  mehrere  Körbe  von  Schriften  aus  den  Commenda- 
kästen  wegtragen  und  in  seiner  Behausung  durch  die  Flammen 
verzehren  Uess.  Das  Gurker  Consistorialarchiv  in  Klagenfurt 
verwahrt  zehn  Fascikel  von  Acten,  welche  sich  auf  Pulst 
beziehen. 

DafUr,  dass  mir  alle  diese  Urkunden  und  Acten  zur  Be- 
nützung überwiesen  wurden,  bin  ich  vor  Allem  dem  leider  nun- 
mehr verewigten  Herrn  Josef  Slansky,  Prior  des  Malteser- 
convcntes  zu  Prag  und  Comthur  von  Pulst,  sowie  dem 
genannten  Herrn  Ordensarchivar  P.  F.  Wärter,  femer  dem 
Pfarrer  Herrn  Wenzel  Stmad  in  Pulst  und  endlich  dem  Herrn 
Canonicus  und  fürstbischöflichen  Kanzler  Lambert  Einspieler 
in  Klagenfurt  zu  grösstem  Danke  verpflichtet. 


Der  Orden  des  heiligen  Johannes  von  Jerusalem,  der 
älteste  geistliche  Ritterorden,  welcher  bekanntlich  seine  Ent- 
stehung um  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  frommen  Kaufleuten 
aus  der  Stadt  Amalfi  verdankt,  jedoch  erst  nach  der  Eroberung 
Jerusalems  diirch  die  Christen  1099  seine  eigentliche  und  fiir 
die  Folge  massgebende  Gestalt  gewann,  welcher  nach  dem  Ver- 
luste Jerusalems  an  die  Ungläubigen  1191  Ptolemais  und  hun- 
dert Jahre  später  Cypern  als  Sitz  erkor,  sodann  1309  auf  die 
neu  eroberte  Insel  Rhodus  übersiedelte,  bis  zum  Jahre  1522, 
wo  Rhodus  in  die  Hände  des  Sidtans  Soliman  fiel,  dortselbst 
verblieb,  hierauf  1533  von  Kaiser  Karl  V.  die  Insel  Jlalta  ge- 
schenkt erhielt,  bis  endlich  die  Franzosen  1798  sich  Maltas 
bemächtigten  imd  dadurch  der  souveränen  Herrlichkeit  des 
Ordens  ein  Ende  machte,  —  dieser  einst  grosse  und  mächtige 
Orden  erwarb  in  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  zuerst  Be- 
sitzungen innerhalb  der  Qrenzen  des  heutigen  Kaiserthums 
Oesterreich. 


354 

In  Niederosterrcich  schon  vor  1156  im  Besitze  vor  Mour- 
berch/  der  späteren  Commende  Mailborg,  dotirt  und  stiftet 
König  Wladislaw  I.  von  Böhmen  in  einer  Urkunde,  welche 
Erben  ungefUhr  in  das  Jahr  1159  setzt,^  das  Johannitercapitel 
in  Prag.  In  Steiermark  legte  Erzbischof  Adalbert  von  Salz- 
burg 1197  durch  Schenkung  der  Kirche  zu  Uebersbach  an 
den  Orden  den  Grund  zur  späteren  Commende  Fürstenfeld.^ 

Es  ist  nun  merkwürdig,  dass  die  Johanniter  in  Kärnten 
zuerst  in  und  um  Friesach,  also  in  jener  Gegend  Güter  ge- 
winnen, wo  nachmals  einzig  und  allein  der  deutsche  Ritterorden 
als  Grundbesitzer  erscheint. 

Im  Februar  des  Jahres  1214  schenkt  nämlich  Wichard 
von  Karlsberg  auf  einer  Pilgerfahrt  im  heiligen  Lande  zu  Aceou 
in  Syrien,  nachdem  er  selbst  wahrgenommen,  welche  Wohl- 
thatcn  das  St.  Johannesspital  täglich  den  kranken  Armen  er- 
weist und  vom  Ordensmeister  Guarinus  de  Monte  Acuto  zum 
Mitbruder  aufgenommen  worden  war,  in  Uebereinstimmung  mit 
seiner  Gattin  und  seinen  Söhnen  dem  genannten  Spital  sein 
Gut  zu  Engelsdorf  (Ainglebolstorf)  bei  Friesach,  welches  jähr- 
lich 4  Mark  Silber  Einkünfte  abwii'ft.* 

Bald  darauf  muss  der  Besitz  der  Johanniter  auch  nach 
Fricsach  selbst  hinübergegriffen  haben.  Im  April  1218  gibt 
Friedrich  von  Pettau  (Bctho)  dem  Johanniterspital  und  dessen 
Meister  Guarinus  sein  Haus  in  Friesach  (Frisahe),  welches  er 
früher  vom  Orden  gekauft,  zu  seinem  imd  seiner  Eltern  Seelen- 
heil wiederum  zu  Geschenk.^   Wann  und  auf  welche  Weise  die 


1  Meiller,  Kcgeston  zur  Geschiebte  der  Markgrafen  aus  dem  Hause  Baben- 
berg:,  S.  37. 

2  Reg^esta  Bobemiae  et  Moraviae  1,  132. 

3  Zabii,  Urkunden bucb  des  Herzogthums  Steiermark  2,  56. 

*  Original,  Prag  Nr.  1.  Der  Wortlaut  der  Urkunde  im  Anhang  1.  Wichard 
ist  seit  V2i\  in  kärutnorischen  Urkunden  nicht  mehr  nachweisbar.  Seine 
Gattin  ist  unbekannt,  seine  Söhne  sind:  Ulrich,  Propst  von  Völkermarkt, 
Ifoinricb,  auch  von  Silberberg  genannt,  und  Wichard  II. 

*  Diese  Urkunde  wurde  1858  von  W.  Wattenbach,  damals  noch  Archivar 
in  Breslau,  dem  Director  des  känitnerischen  Geschichtsvereines,  Br.  An- 
kershofen,  aus  eiuer  im  18.  Jahrhundert  verfassteu  handschriftlichen 
Geschichte  der  Maltesorcommende  Gröbnig  bei  Leobschütz  in  Preussisch- 
Schlesien  abschriftlich  nütgetheilt;  darnach  ist  dieselbe  bei  Zahn,  Ur- 
kundonbucb  2,  225  gedruckt,  im  Regest  jedoch  irrthümlich  auf  den 
deutsehen  Orden  bezogen. 


Jimter  um  ihren  Friosachnr  liesitz  kamen  und-  die  doutsf  hen 
'densrittor  an  ihre  Stelle  traten,  darüber  sind  wir  vuUstilndig 
■  Dunkeln  gelassen.  Wiesen  wir  auch,  dass  der  deutsche  Ritter- 
1  seit  1240  in  Friesach  nachweisbar  ist,'  so  fehlen  uns  für 
)  Jahre  1318  bis  1362  alle  Nachricbten  über  die  Johanniter 
i  Kärnten. 

Dauernden  Eingang  in  diesem  Lande  fand  der  Johannitei*- 

idcn  erst  durch  Hei-zog  Ulrich  II.    Dieser  LandestUrst  schenkte 

den    18.  Jänner   zu   St.  Veit^   dem   St.  Johannesspital   zu 

lilberg    (Mewerperge)    in    Niede rösterreich    zum    Seeleiiheile 

seines  Vaters  Uemhard  und  seiner  übrigen  Voreltern  die  in  der 

Diitceae  Gurk  gelegene  Kirche  in  Pulst,'  über  die  dem  Herzog 


Et  Archiv  fQr  vaterlSndUthe  0(>Huhichte  nnd  T(i)KigTHj)tiie  6.  S'2. 
k<  Ori|;iiiftl,  Pr«g  Nr.  2,  sieho  Anhnn^  2. 

t  lieber  die  VorgWBuliiehte  de«  Östlich  von  der  Stadt  8t.  Veit  icelogeneii 
k  Ort«a  PulM  sei  Folgendes  milgetheilt.  Pulst  wird  daa  erate  Mal  'MW, 
Febromr  13,  in  einer  Urkunde  Kniser  Olto^i  I,  nla  ,villa  ßiilesisc'  emSlint 
'  (Mon.  Gorm.  Dipl.  1,  304).  Schon  1131,  Juli  lö,  liöreti  wir  von  der  Marien- 
'  kircfae  «n  Pulst,  einer  Filiale  der  I'farre  xu  GUnbclmeh  (Archiv  für 
Knnde  Osterr.  Geschiclitennellen  R,  £04,  Nr.  SSI,  Orig.  Ver.).  Als  erster 
h  Plarrar  von  PuiM  tritt  nns  iirknudlich  H'iinriuh  läri4,  Miti  31,  entgegen, 
)^  Er  «ischeiot  bia  13G3  in  den  LTrkuDden  der  Horsn^  Bernh.trd  und  l'l- 
■  lieh  U.,  in  arsleren  rIs  Capinn  des  8ohuea  Ulrich  luid,  Daclidein  dieser 
f  1269  Bur  Kegrieriiug  gfelangte,  aU  heraoglifhur  Caplaii  (Ver.).  Die  Spon- 
heimer  Herzoge  maditen  mit  ihren  in  und  nni  Pulnt  gelegenen  QQtern 
k-Anrh  Suhenknniren  an  fremde  Qotteshüuaer.  So  vergabt  Herzog  Bernhard 
i  liS4,  Decembnr  19,  dem  Spital  am  Semmering  zwei  Mansen  von  seinem 
k  Gute  Pulst  mit  der  liedingnng,  dieselben  jadcnott  ivieder  um  30  Mark 
k  BWihiklniieTi  mi  hltnneii  (Zahn,  Urkiindenlint^h  3,  Slb).  Herzog  Ulrich  Tl. 
^-Whenkt  läBG,  MSni  IT,  dem  Spital  am  Pybm  drrä  Mansen  hei  Pulst 
k  (Urkunden buch  dw  Landes  o1)  der  Eniu,  3S2).  Pulst  war  aiit.'h  derKiln 
b  CtDM  Sponlintiu'acheu  Hiniaterialengeschlechti^s.  Znontt  erschL'int  ein 
LltilMhrant  von  Palat  1116  aIü  Zeuge  in  einer  Schenkung  de«  Grafen 
LBenikwfl  T.)ii  Hponheim  au  das  KloHl«r  Sl.  Paul  (Fonts«  reniiu  Auüi-r. 
!-(,  99,  13),  sodann  in  Gurker  Urkeuden  lIä4^U37  (Orig.  Ver.),  darunter 
I  aitmi*!  aoNunmen  mit  Kgipci  von  Pulst.  In  einer  Donation  daa  Grafen  nn 
la  KlMtiv  Victriug  ca.  1143  werden  unter  den  Zeugen  neben  Uiltebrnnt 
wh  Oemng,  Hugo  und  Uerenibert  von  Polst  genannt  (Archiv  flir  Kunde 
torr.  GeschichtBiiuellen  h,  iä»,  Nr.  -26»  mit  Lesefehlem).  In  einer  nu- 
im  Urkunde  ans  ilerselh^n  Zeit  dir  Victring  heisst  Hillebrant  gerailetu 
Ir  Hinlaleriale  ile»  Grafen  Bernhard  (Archiv  ftlr  Kunde  Osterr.  Üesehiclita. 
I  quAllen  fi,  2dä,  Vr.ilt)).  Von  Pulst  tiennen  sicli  noch  llUä  Uerliut". 
II»4  PriodriHi.  11M4— I1!)H  Higl>olo  in  Urkunden  Heraog  Ulrichs  1.  frir 
L   81.  Paul  (Fontes  niruni  Anstr  11,  31".  S.  IPr,,  •»%  Uli).  Iäl3.  April  I  Siegfried 


356 

das  Patronatsrecht  zusteht,  mit  allem  Zubehör  nach  dem  Tode 
oder  freiwilligen  Rücktritt  des  jetzigen  Pfarrers  Heinrich,  her- 
zoglichen Caplanes. 

Dieser  Schenkung  stimmte  auch  Ulrichs  Bruder  Philipp, 
der  Erwählte  von  Salzburg,  zu  und  hing  sein  Siegel  an  die 
Urkunde.  Es  muss  auffallen,  dass  in  diesem  Gründungsprivi- 
legium  ^  der  nachmaligen  Commende  Pulst  eine  Einwilligimg  des 
Bischofs  von  Gurk  gar  nicht  erwähnt  ist,  da  ja  der  Herzog 
doch  nur  sein  weltliches  Vogteirecht  über  die  Kirche  von  Pulst 
verschenkte,  der  geistliche  Obere  aber  nach  wie  vor  der  Bischof 
blieb.  Pfarrer  Heinrich  resignirte  nach  der  Schenkung  PuIstB 
an  Mailberg  nicht;  noch  1263,  Mai  21,  wird  er  urkundlich 
Pfarrer  genannt.  Sein  Nachfolger  ist  Pfarrer  Ortolf  von  Pulst 
1265 — 1273,2  im  ersteren  Jahre  auch  herzoglicher  Caplan.  Ob 
derselbe  bereits  von  den  Johannitern  dem  Bischöfe  von  Gurk 
präsentirt  worden  war  oder  nicht,  ist  unbekannt.  Herzog  Ulrichs 
Bruder  Philipp  stellte  noch  bei  Lebzeiten  des  Ersteren  zu  Wien 
am  15.  October  1267  einen  Bestätigungs-  und  Confirmationsbrief 
über   Kirche   und  Haus   zu  Pulst  aus,   dessen  Wortlaut  leider 


in  einer  Urkunde  Herzog  BemhardB  fUr  Victring  (Archiv  fttr  Kvnde 
Osterr.  Qoschichtsqnellen  20,  201,  Nr.  713).  Der  Leiste  aus  dem  Ge- 
flchlechte  von  Pnlst,  welcher  urkundlich  yorkommt,  ist  Helwic  in  einer 
Schenkung  Heinrichs  von  Himmelberg  an  das  Kloster  Gk>e0s  1256,  Oc- 
tober 16  (Copie  Ver.). 

1  In  Prag  (Nr.  lOa,  vgl.  S.  32)  liegt  ein  Promemoria  des  Comthars  Scheiber 
vom  Jahre  1609,  darin  er  unter  Anderm  sagt:  ,Vor  alten  Zeiten,  ehe 
die  Commende  Pulst  aufgerichtet  worden,  haben  dieses  Ordens  Brüder 
zu  St.  Veit  gewohnt  und  haben  das  Kirchlein  St.  Johann  im  Erlach  allda 
genannt,  inne  gehabt.'  Basselbe  erzählt  ein  offenbar  auf  dem  Vorher 
gehenden  beruhender  Aufsatz  über  Pulst  aus  unserem  Jahrhunderte 
(Prag  Nr.  86).  Diese  irrige  Ansicht  mag  durch  die  nun  rerlofene  Ur- 
kunde Herzog  Bernhards  (Anhang  4,  Nr.  4)  hervorgerufen  worden  sein: 
,ein  lateinischer  Lehensbrief  .  .  .  über  die  Grundstücke  vor  der  Stadt- 
mauer zu  St.  Veit  bei  St.  Johanneekirche  gelegen  ddo.  St  Veit  1228.* 
Doch  ist  es  nicht  nothwendig  anzunehmen,  dass  der  Empfänger  der  Ur- 
kunde der  Johanniterorden  war.  Als  dieser  sodann  von  Pnlst  ans  Gmnd- 
l)e«itz  in  St.  Veit  erwarb,  darunter  auch  solchen,  welcher  als  landesfünit- 
liebes  Lehen  vom  Herzog  Bernhard  einem  gewesenen  Besitxer  verbrieft 
worden  war,  kann  die  Urkunde  vom  Jahre  1228  leicht  nach  Pnlst  ge- 
kommen sein.  Denn  Herzog  Ulrich  U.  bfttle  die  Kirche  in  Pnlst  gewiss 
den  Johannitern  in  St.  Veit,  wenn  solche  vorhanden  gewesen  wiren,  ge- 
Hchenkt  und  nicht  der  Commende  Mailborg. 

'  Orig.  Ver. 


357 

nicht  erhalten  ist/  ebenso  wie  eine  Urkunde  Ulrichs  über  das 
Niedermoos  und  einen  Acker  zu  St.  Veit  an  der  Glan,  aus- 
gestellt im  Jahre  seines  Todes  1269.2 

Indessen  muss  auch  der  Bischof  von  Gurk,  und  zwar  durch 
mehrere  Urkunden  seine  Einwilligung  zur  Schenkung  der  Pul- 
ster  Kirche  an  die  Johanniter  zu  Mailberg  zum  Ausdruck  ge- 
bracht haben.  Diese  Einwilligimg  wird  ausdrücklich  in  dem 
Privilegium  König  Rudolfs  vom  18.  December  1276,  Wien, 
hervorgehoben,  3  worin  Rudolf,  nachdem  ja  König  Ottokar  im 
Wiener  Frieden  auch  auf  Kärnten  verzichtet,  dem  Mailberger 
Spitale  den  Besitz  von  Pulst  genau  nach  dem  Wortlaute  der 
Schenkungsurkunde  von  1263  bestätigt. 

Sehr  zu  bedauern  ist  der  Verlust  einer  Bulle  ^  des  Papstes 
Nicolaus  in.  (1277 — 1280),  gerichtet  an  den  Bischof  von  Gurk, 
entweder  Dietrich  11.,  gest.  1278,  oder  Johann  I.,  gest.  1281, 
wahrscheinlich  ein  Mandat.  Vielleicht  hatten  schon  damals  die 
geistlichen  Jurisdictionsstreitigkeiten  zwischen  den  Johannitern 
und  dem  Bischof  von  Gurk  begonnen,  von  denen  wir  später 
öfters  hören  werden. 

Doch  schreibt  Bischof  Johann  I.  von  Gurk  1281,  Jänner  23, 
einem  ungenannten  Pfarrer  von  Pulst  zugleich  mit  anderen  sei- 
ner Diöcese  2  Mark  Provision  für  die  päpstUchen  Abgesand- 
ten vor."^ 

Erst  nachdem  die  Brüder  des  Johanniterordens  in  Besitz 
der  Pulster  Kirche  gekommen  waren,  erwarben  sie  auch  Grund- 
besitz in  St.  Veit.  Vermuthlich  dürfte  die  Johanneskirche  ,im 
Erlach'  bei  der  Stadt,  welche  gegen  Ende  des  vorigen  Jahr- 
hunderts abgetragen  wurde,**»  eine  Stiftung  des  Ordens  sein. 

Dass  in  Pulst  ein  Comthur  residirte,  welcher  auch  in  der  ^-  Comthur: 
Stadt  St.  Veit  ein  Haus  besass,   erfahren   wir  zuerst  im  Jahre     unbekannt 
1292.     Derselbe   gehörte    zu   den   Käthen   des   Sohnes   Herzog        *^*' 
Mainhards  von  Kärnten,   Lud>vig,   welcher  damals  die  Regent- 


1  Anhang  4,  Nr.  6. 

3  Anhang  4,  Nr.  7. 

>  Anhang  3. 

^  Anhang  4,  Nr.  1. 

^  Tangl,  Handbuch  der  Geschichte  Kärntens  366,  Orig.  Ver. 

*  KSmtneriBche  Zeitschrift  6,  149.     Die  Kirche  stand  am  jetzigen    alten 
Friedhof,  rechts  von  der  Strasse  von  der  Eisenbahn  in  die  Stadt    Ver- 
gleiche unten  S. 
ArehiT.   Bd.  LXXTL  U.  Hüfte.  24 


358 

Schaft  ftir  seinen  Vater  führte   und  zu  St.  Veit  residirtie.     Der 
Comthur^   dessen  Name  uns  nicht  überliefert  ist^   Hess  sich  mit 
Erzbischof  Konrad  von  Salzburg,   beziehungsweise   mit   dessen 
Vicedom  zu  Friesach,  Rudolf  von  Fohnsdorf,  und  mit  Graf  Ul- 
rich  von  Heunburg   in   eine  Verschwörung   ein,   welche   dahin 
abzielte,  Ludwig  zu  überfallen  und  gefangen  zu  nehmen.    Abt 
Johann  von  Victring  erzählt,  dass  durch  das  Haus  des  Comthors 
der  Minengang  gelegt  wurde,    durch  welchen  die  Angreifer  in 
die   Stadt  gelangten.     Die    Gefangennahme   Ludwigs    glückte; 
allein  furchtbar  war  die  Strafe,   welche   der  von  seinem  Vater 
nach  Kärnten  geschickte  älteste  Sohn  Herzog  Meinhards,  Otto, 
über  die  Schuldigen  verhängte.   Während  die  Steierische  Reim- 
chronik berichtet,  dass  die  Verschwörer,  welche  sich  nicht  ge- 
flüchtet hatten,   die  Todesstrafe   dadurch  erlitten,   dass  sie,  an 
Pferde   gebunden,    durch   die  Stadt  St.  Veit  geschleif);  wurden, 
erzählt  Abt  Johann,  dass  nur  der  Comthur  von  Pulst  auf  diese 
grausame  Weise  den  begangenen  Verrath  sühnen  musste.^ 

Es  dauert  nun  geraume  Zeit,  ehe  wir  wieder  von  einem 
Pulster  Comthur  hören. 

Bruder  Konrad,  genannt  von  Hakenberg,  Gewaltiger  an 
des  Meisters  statt  über  die  Häuser  des  heiligen  Spitales  von 
Jerusalem,  zu  Oesterreich,  Steiermark,  Kärnten  und  Krain,  ve^ 
leiht  1298,  den  7.  November,^  mit  Erlaubniss  des  Meisters  der 
deutschen  Lande  dem  Mathey  und  seinen  drei  Söhnen:  Ortolf, 
Mathey  und  Niclas,  auf  Lebenszeit  und  nicht  weiter  Aecker, 
welche  1  Pfund  Friesacher  Münze  gelten,  zunächst  bei  dem 
Wege  gegen  die  Wimitz  (Bach  bei  St.  Veit)  also,  dass  sie  den 
Brüdern  von  Pulst  jährlich  zu  Weihnachten  3  ß  Pfennige  die- 
nen sollten. 

Ortolf,  Herrn  Niclas  Sohn  von  St.  Veit,  hatte  von  seinem 
Bruder  Niclas  ein  Gut  übernommen,  davon  dieser  dem  Hause 
zu  Pulst  4  Mark  Gülten  gelobt  hatte.  Ortolf  stellt  nun  dem 
genannten  Hause  den  3.  Mai  130P  die  4  Mark  in  der  Weise 
sicher,   dass   er   demselben  1  Mark   auf  die  Behausung  weist, 


1  Steirische  Reimcbronik  bei  Pez:    Scriptores  rerum  Austr.  3,  624^  5S9; 

Johann  von  Victring  bei  Böhmer,  Fontes  1,  333;   vgl.  Tangl,  Handbuch 

der  Geschichte  Kärntens  579  ff. 
'  Orig.  Pulst;  Hermann,  Handbuch  der  Geschichte  KAmtens  1,  412,  nennt 

Konrad  mit  Berufung  auf  diese  Urkunde  fÜlBchlich  €k>iiithiir  von  Polit 
»  Orig.  Ver. 


359 

welche  zu  zwei  Dritteln  seinem  Bruder  gehört,  2  Mark  weniger 
40  Pfennige  auf  den  Chienperg  und  1  Mark  10  Pfennige  auf 
eine  Besitzung  zu  Strassburg  im  Gurkthale. 

Perchtold  der  Rebtz  von  Pupitsch  bei  Pulst  (Puetpetschach) 
gibt  dem  Gotteshause  zu  Pulst  aus  Liebe   zu   Gott  und  Maria 
und   um   seiner   Seele  willen   2V2   Hüben   zu   Pupitsch,   seines 
Erbes  und  Eigens  am   21.  Jänner  1315^  also,   dass   man   ihm 
jährlich   auf  L.ebenszeit   vom   genannten   Gotteshause   4   Mark 
Friesacher  Pfennige   in   drei  Raten   reiche.     Diese  Schenkung 
geschah,  wie  es  in  der  Datirung  heisst:  ,dieweil  Bruder  Fried- 
rich   von    Oppenheim  Comthur    zu  Pulst  ist  gewesen^     Doch   ^^^  !*"*!*"' 
fertigt  am  selben  Tage  nicht  Comthur  Friedrich  dem  Perchtold  v.oppenheim 
den  Revers  über  dessen  Schenkung  aus,  sondern  Heinrich  von    isi'»— ^321. 
Chastel,  Comthur,  und  die  Kreuzbriider  des  Conventes  zu  Mail- 
berg (Morperge)  Namens  ihres  Hauses  zu  Pulst. '^ 

In  dieselbe  Zeit  fällt  auch  eine  andere  Urkunde.  Herman 
von  Aichov,  Schaffer  zu  Hollenburg,  verkündet  den  27.  März 
1315'  zu  Victring  die  letztwillige  Anordnung  seines  verstorbenen 
Schwagers  Haertel  von  Hollenburg,  der  kurz  vor  seinem  Tode 
mit  Willen  seiner  Frau  Kunigunde  dem  Pulster  Gotteshause 
3V2  Hüben:  1  zu  Görtschach  und  2^2  zu  Angern  vermacht 
hatte.  Die  erstere  Hube  soll  den  Herren  zu  Pulst  zur  Besserung 
auf  den  Tisch  dienen,  die  anderen  Hüben  dagegen  die  Witwe 
auf  Lebenszeit  innehaben.  Nach  ihrem  Tode  sollen  dann  die 
Hüben  zu  Angern  ebenfalls  dem  Gotteshause  Pulst  zufallen 
und  den  Herren  zur  Besserung  auf  den  Tisch  dienen.  Für  den 
Fall  aber,  dass  eine  gemeinsame  Fahrt  über  Meer  wird,  so 
sollen  der  Comthur  und  die  Herren  von  Pulst  die  3'/2  Hüben 
verkaufen  und  den  Erlös  durch  ihre  höchste  Meisterschaft 
in  den  deutschen  Landen  über  das  Meer  hinüber  dem  hei- 
ligen Grabe  zu  Hilfe  und  Förderung  senden.  Der  Comthur 
Friedrich  und  die  Herren  von  Pulst  geloben  auch  dem  Hermann 
von  Aichov  und  der  Witwe  Kunigunde,  ihnen  hierüber  eine 
Handfeste  von  der  höchsten  Meisterschaft  des  Ordens  in  deut- 
schen Landen  zu  verschaffen,  damit  der  Inhalt  der  Urkunde 
unverbrüchlich  gehalten  werde. 


«  Orig.  Ver. 
2  Orig.  Ver. 
»  Orig.  Ver. 


360 


Cointhur  Friedrich  von  Pulst  kauft  noch  1321,  6.  Februar, 
in  einer  zu  Klagenfurt  ausgestellten  Urkunde  *  von  den  Brddern 
Hermann  und  Niclas  von  Portendorf  deren  Freimann  Niclas  zu 
Kottendorf.  Seither  versiegen  die  Quellen  über  Pulst,  um  erst 
wieder  zu  Hiessen,  als  nach  dem  Tode  Herzog  Heinrichs  von 
Kärnten  1335  dieses  Herzogthum  an  die  Habsburger  gedieh. 
Damals  beeilten  sich  Geistlichkeit,  Adel  und  Bürger,  von  dem 
neuen  LandesfUrsten  Herzog  Otto  von  Oesterreich  Bestätiguu^n 
ihrer  Privilegien  und  Freiheiten  zu  erlangen.  Auch  Pulst  stellte 
sich  ein  und  erhielt  von  Herzog  Otto  am  30.  Juli  1336  einen 
Confirmations-  und  Bestätbrief,"^  der  leider  verloren  ging. 

Der  dritte  Comthur  von  Pulst,  der  urkundlich  nachge- 
3  Comthur:  wicscu  wcrdcu  kauu,  ist  Ulrich. 3  1338,  14.  Juni,  verkaufen 
Jäckel  der  Ruschel,  Bürger  zu  St.  Veit,  und  Elisabeth,  die 
Witwe  des  Ulrich  Schnepf,  seines  Mitbürgers,  dem  Jäklein  von 
Minzenbach  (dicht  bei  Pulst),  gleichfalls  St.  Veiter  Bürger,  ihre 
Ijehensrechte,  welche  sie  gehabt  haben  von  dem  ehrbaren 
Manne  Bruder  Ulrich,  Comthur  von  Pulst^  an  der  Hofstatt,  ,in 
dem  Winchel  pey  dem  Vrechen^  Es  ist  dies  die  einzige  LV 
künde,  in  welcher  uns  Ulrich  genannt  wird. 

Indess  muss  die  finanzielle  Lage  der  .Commende  Polst 
nicht  die  günstigste  gewesen  sein.  Der  Comthur  und  die  Brü- 
der waren  zu  VerpfUndung  und  Verkauf  von  Gütern  gezwungen. 
Niclas  von  Pichlem  und  seine  Frau  Katharina  hatten  von  dem 
ehrbaren  Manne  Johann,  dem  Vreyn,  Comthur,  und  den  Convent- 
brüdern  zu  Pulst  mit  Erlaubniss  deren  obrister  Meisterschaft 
eine  Hube  sammt  Zehent  zu  Pichlem  um  12  Mark  Agleyer 
erkauft,  um  welche  Summe  das  Pulster  Haus  andere  Kuben 
ledigte  und  löste;  das  Ehepaar  schenkte  nun  den  4.  Februar 
1355*  Gott  und  Marien  zu  Lob  imd  Dienst  auf  Todesfall  die 
genannte  Hube  sammt  dem  Zehent  wieder  nach  Pulst  und  ver- 
pflichtet sich  ftlr  Lebenszeit,  jährlich  dahin  2  Vierling  resches 
Getreide  zu  reichen. 


4.  Comthur: 
Johann  der 
Vrejr  1865. 


*  Orig.  Ver.  Die  eingran^  erwähnte,  von  Smitmer  verfasste  Reihe  der 
Citmthure  vdu  Pulst  ftllirt  irrthünilich  zum  Jahre  1321  einen  Comthar 
Ulrich  au. 

'  Anhang  4,  Nr.  8. 

'  Snütnior*8  Reihe  hat  talschlich  zum  Jahre  1338  den  Comthur  Niela«. 

*  Orig.  Ver. 


361 

Indem  die  Johanniter  von  Herzog  Ulrich  die  Pfarrkirche 
Pulst  zu  Geschenk  erhalten  hatten,  mussten  dieselben  auch  ftir 
den  regelmässigen  Gottesdienst  dortselbst  Sorge  tragen.  War  der 
Comthur  ein  Geistlicher,  so  besorgte  er  selbst  die  Agenden  des 
Pfarrers,  war  er  ein  Ordensritter,  so  musste  ein  Geistlicher  ihm  flir 
den  Gottesdienst  zur  Seite  stehen.  Einen  solchen  Caplan  lernen 
wir  aus  einer  Urkunde  ddo.  1360,  Jänner  5,*  kennen,  worin  der 
bereits  genannte  Niclas  von  Pichlem  und  seine  Gattin  eine 
Hube  daselbst,  welche  früher  dem  Hause  zu  Pulst  gehörte,  dem 
ehrbaren  Manne  Seyfried,  derzeit  Caplan  zu  Pulst,  um  8  Mark 
guter  Agleyer  Pfennige  mit  der  Bedingung  verkaufen,  dass, 
falls  die  Verkäufer  dem  Caplan  die  8  Mark  vom  6.  Jänner  an 
binnen  Jahresfrist  rückerstatten,  die  Hube  wieder  denselben 
anhcimf&Ut.  Entschlagen  sich  die  Käufer  ihres  Rückkaufr(!chtes, 
so  muss  Seyfried  sie  noch  mit  2  Mark  Agleyer  entschädigen, 
worauf  die  Hube  sein  Eigen  wird. 

Aus  dem  Jahre  1385  ^  kennen  wir  zwei  Urkunden  Ottos 
von  Ehrenfels  ftlr  Pulst.  In  der  einen  vom  29.  April  ^  bekennt 
er,  dass  von  einer  Wiese,  die  er  von  dem  seligen  Enderlein 
dem  Schulmeister,  Bürger  zu  St.  Veit,  gekauft  und  die  Pulster 
Lehen  ist,  jährlich  dem  Comthur  9  ß  und  10  Wiener  Pfennige 
zu  Zinsen  ist.  Die  andere,  ausgestellt  vom  1.  Mai  zu  St.  Veit: 
,ein  Stift-  und  Lehenbrief  über  eine  Wiese  bei  St.  Johann  zu 
St.  Veit  vor  der  Stadt^  ist  verloren.** 

Den  Namen  eines  Comthurs  von  Pulst  erfahren  wir  erst 
wieder  im  Jahre  1387  gelegentlich  eines  Streites  mit  der  Pfarr- 
ffcmeinde  über  die  Vertheilunff  der  CoUecte.    Comthur  Michael  ^  comtbur: 

^  _    ,  _-  xr  .    1  TT  T  -1    1        1         ci  Michael  1887. 

von  Pulst  schliesst  unter  Vermittlung  Hans  des  ^Schenk,  ötatt- 
halters  des  Johanniterordensmeisters  in  Oesterreich  und  Steier- 
mark, Comthurs  zu  Melling,  und  des  Hang  von  Liemberg  am 
6.  Juli  1387  einen  Vergleich  mit  den  Kirchenkämmerem  Namens 


1  Orig.  Ver. 

2  Zum  Jahre  1375  fUhrt  Hermann  1.  c.  1,  412  mit  Berufung  auf  das  Pulster 
Archiv  einen  Comthur  Ulrich  von  Schenk  an.  Bei  der  Unzuverlässlich- 
keit  Hermann's  halte  ich  es  für  rathsam,  diesen  Comthur  hier  wegzu- 
lassen, der  auch  in  Smitmer's  Liste  fehlt,  umsomehr,  da  in  einer  Pulster 
Urkunde  (s.  u.)  vom  Jahre  1387  ein  Hans  der  Schenk,  aber  freilich 
nicht  als  Comthur  vorkommt;  dies  scheint  Hermann  zu  seiner  Notiz  ver- 
anlasst zu  haben. 

a  Orig.  Vor. 

«  Anhang  4,  Nr.  12. 


362 

der  Kirche  und  Gemeinde,  demnach  der  Comthor  und  seine 
Nachfolger  jedesmal  zwei  Theile  und  die  Kirche  einen  Theil 
der  CoUecte  (Samnung)  empfangen  sollen^  wofür  der  Comthur 
verpflichtet  ist,  das  ewige  Licht  vor  dem  Allerheiligsten  zu  er- 
halten und  die  Altäre  zu  beleuchten,  lieber  diesen  Vergleich 
stellen  sowohl  der  Comthur,  als  auch  die  Kirchenkämmerer  je 
eine  nahezu  gleichlautende  Urkunde  ausJ  Nachdem  Comthur 
Michael  einen  Antheil  an  der  Collecte  hatte,  ist  als  sicher  an- 
zunehmen, dass  er  nicht  ein  Ordensritter,  sondern  ein  sogenann- 
ter Priestercomthur  war,  welcher  als  Geistücher  zugleich  die 
Seelsorge  in  Pulst  versah. 

Chuncz  von  Zempnig  verpftlndete  1397,  Juni  3,  der  Kirche' 
zu  Pulst  flir  dargeliehene  5  Pfiind  Wiener  Pfennige  sein  Gut 
zu  Zempnig  (bei  Pulst),  davon  man  unter  Anderem  auch  dem 
Comthur  zinst. 

6.  comthuT :  Comthur  Hans  Gugel  von  Pulst  wird  uns  das  erste  Mal  in 
Hans  Gugei  einer  Urkunde  vom  2.  April  1406  genannt,  "^  in  welcher  Nike! 
1406-1411.    von  Minzenpach  ihm  und  dem  Orden  zu  Pulst  einen  Acker  in 

der  ,Studinicz'  bei  dem  Bach  um  2'/a  Pfund  Wiener  Pfennige 
verkauft.  Derselbe  Nikel  und  Anna,  seine  Schwester,  Ruprechts 
von  Minzenpach  Witwe,  verpfänden  den  12.  August  1408^  der 
Pulster  Kirche  ihr  Gut  zu  Buch  um  dargeUehene  16  Pfund 
Wiener  Pfennige.  Noch  einmal  tritt  uns  Comthur  Hans  Gugel, 
und  zwar  mit  dem  Prädicate  ,von  Pirbawm^  den  25.  März  141P 
urkundlich  entgegen,  indem  ihm  und  seinen  Conventbrüdeni 
Reimprecht  der  Gradenegger  ein  Gut  zu  Pupitsch  für  ein  an- 
deres an  der  ,Bodiczen'  bei  dem  ,Samikh*  vertauscht 

7.  Comthur:  GugcFs  Nachfolgcr  dürfte  Bruder  Georg  von  Michelstetten 
(joorg  von    gewcscn  seiü,  welchem  Wolf  Satler  zu  St.  Veit  1418,  März  12,* 

Michelstetten      .  ,  i        a 

1418.  eine  Hube  zu  Radelsdorf  bei  Pulst  um  49  Gulden  verkaufte. 
Es  ist  dies  die  einzige  urkundliche  Erwähnung  des  Comthurs 
Georg. 

Gandolf  von  Kulm  und  Chuna,  seine  Gattin,  geben  1420, 
den  1.  November,  der  Marienkirche  zu  Pulst  zwei  Aecker  und 


*  Orig.  Ver. 

2  Orig.  Ver. 

3  Orig.  Ver. 

*  Orig.  Pulst. 

*  Orig.  Ver.   Der  Ausstellungsort  ist  Liemberg. 
6  Orig.  Pulst. 


363 

eine  Wiese  an  dem  niedem  Kulm^  sowie  eine  Hofstatt  daselbst 
käuflich  um  3  Pfund  Wiener  Pfennige  hintan.  Doch  soll  Gan- 
dolfy  so  lange  er  lebt^  Alles  um  einen  jährlichen  Zins  von 
28  Wiener  Pfennigen  innehaben  und  nach  seinem  Tode  jeder  In- 
haber des  Gutes  der  Barche  jährlich  60  Wiener  Pfennige  dienen. 

Eine  Aufbesserung  der  Einkünfte  des  Comthurs  von  Pulst 
bedeutete  es,  als  Emreich,  Herzog  von  Czeelsch,  Herr  von 
Lymbach,  und  seine  Gattin,  die  Erbtochter  Anna  von  Liemberg, 
ftlr  sich  und  jeden  nachfolgenden  Inhaber  der  Feste  Liebenfels 
(dicht  bei  Pulst)  den  9.  November  1427  ^  aus  besonderen  Gnaden 
dem  Gotteshause  Pulst,  dem  St.  Johannesorden  von  Jerusalem 
und  jedem  Comthur  daselbst  das  Recht  verleihen,  in  dem  Pfarr- 
hof für  ewige  Zeiten  ein  Wirthshaus,  Tafem,  zu  haben  und 
Wein,  sowie  jedes  andere  Getränk  in  und  ausser  dem  Hause 
um  Geld  zu  verkaufen. 

1453,  den  25.  Mai,^  versetzte  Georg  Pichler  der  Pidster 
Kirche  eine  Wiese  zu  Pichlem  um  32  Pftind  Pfennige  mit  Vor- 
behalt des  Löserechtes  für  zehn  Jahre.  Blasius  unterm  Kam- 
berg und  seine  Frau  Helena  verkauften  1462,  Mai,^  der  Kirche 
ihr  Gut  unter  dem  Kamberg,  genannt  am  Stein,  um  25  Pfund 
Pfennige.  Der  bereits  erwähnte  Georg  Pichler  und  Margarethe, 
seine  Gattin,  stiften  der  Marienkirche  ihre  Wiese  unter  Feistritz 
und  einen  Acker  bei  Albern  zu  einem  ewigen  Jahrtag,  be- 
stehend aus  einer  gesungenen  Vigihe,  einem  gesungenen  Seel- 
amt, zwei  gesprochenen  Messen  und  einem  gesungenen  Marien- 
amte am  Sonntag  nach  Martini  mit  vier  Priestern.  Die  Kirchen- 
kämmerer haben  dem  Comthur  jährlich  V2  Pftmd  Pfennige  zu 
geben,  womit  dieser  die  functionirenden  Priester  zu  entlohnen 
und  zu  verköstigen  hat.  Alle  Sonntage  soll  des  Pichler  und 
seiner  Frau  von  der  Kanzel  aus  gedacht  werden.  Die  Urkunde, 
welche  vom  11.  November  1466  datirt  ist,  besiegeln  Heinrich 
Frauensteiner   und   der   .ehrsame   und   geistliche'   Herr  Ulrich,  ®  ^<^™*' 

^         ,  T^   ,       ^  Ulrich  1 

Comthur  von  Pulst.* 


«  Orig.  Pulst.  Vgl.  Anhang  4,  Nr.  9. 

2  Orig.  Pulst. 

3  Orig.  Pulst. 

<  Orig.  Ver.  Das  Siegel  Ulrichs  ist  verletzt;  doch  sieht  man  oineu  Engel, 
der  ein  Schild  mit  dem  Aialteserkreuz  hält.  Von  der  Legende  noch 
lesbar:  ,S.  fratris  .  .  ndatoris  in  Pulst.' 


364 


9.  Comthor: 

Michael 

Bauer  tod 

Sweybart 

1471  - 1480. 


Als  Kaiser  Friedrich  Tu.  im  Frühjahr  1469  nach  Kärnten 
kam  und  sich  zu  St.  Veit  aufhielt^  suchte  auch  die  Commende 
Pulst  um  Confirmation  ihrer  Rechte  an  und  erhielt  sie.  Der 
Kaiser  stellt«  zwei  Urkunden  aus/  welche  beide  verloren  sind; 
die  eine  mit  anhangendem  grossen  Wachssiegel  dürfte  die  eigent- 
liche Bestätigungsurkunde  der  Rechte  und  Freiheiten  der  Com- 
mende gewesen  sein,  die  andere  vom  20.  April  mit  kleinem 
Hängesiegel  die  Confirmation  der  1427  von  den  Inhabern  des 
Schlosses  Liebenfels  an  Pulst  verliehenen  Tafemgerechtigkeit 
enthalten  haben.'' 

Die  Brüder  Wilhelm,  Georg  uijd  Wol%ang,  oberste  Erb- 
schenken in  Kärnten  und  Herren  zu  Osterwitz,  verkaufen  1471, 
Februar  6,^  dem  ehrwürdigen  Herren  Michel  Pawer,  Comthur 
zu  Pulst,  Johanniterordensbruder,  ihr  fireies,  eigenes  Gut  am 
Zupot  (Zwepat)  um  10  Pfund  Landeswährung,  behalten  sich 
aber  ewiges  Rückkaufsrecht  der  Art  vor,  dass  der  Verkauf 
von  Seiten  der  Osterwitzer  vierzehn  Tage  vor  Michaeli  und  von 
Seite  Pulsts  zwei  Monate  vor  diesem  Tage  kündbar  ist.  Die- 
selben Gebrüder  verpfenden  147ö,  Mai  15,*  der  Marienkirche 
zu  Pulst  in  ähnlicher  Weise  ihr  Gut  daselbst,  welches  Hans 
Zerer  inne  hat. 

Bei  der  genannten  Kirche  bestand  auch  eine  fronune 
Marienbruderschaft.  Zwischen  dieser  und  dem  Comthur  Michael 
Pawer  waren  Streitigkeiten  ausgebrochen,  indem  derselbe  für 
das  Seelbitten  eine  Entlohnung  beanspruchte.  Die  Brüder  und 
Schwestern,  sowie  die  ganze  Pfarrgemeinde  begaben  sich  in 
den  Pfarrhof,  wo  laut  Urkunde  vom  2.  März  1477  *  folgende 
Vereinigung  getroffen  wurde.  Jeder  Comthur  soll  alle  Sonntage 
auf  der  Kanzel  gemäss  eines  Registers  fiir  sämmtliche  leben- 
digen und  todten  Mitglieder  der  Bruderschaft  beten.  Dafür 
erhält  derselbe  aus  der  Bruderschaftsbüchse  60  Pfennige,  der 
Caplan  32  Pfennige  und  jeder  Chorschüler  24  Pfennige  jährlich 
zu  Georgi  ausbezahlt.  Der  Comthur  soll  dagegen  an  dem,  was 
ein  Bruderscliaftsmitglied  oder  ein  Auswärtiger  der  Bruderschaft 
schenkt  oder  vermacht,  keinen  Antheil  haben.    Falls  die  Bruder- 


»  Anhang  4,  Nr.  10-11. 

2  Vgl.  S.  863  und  S.  374  Prag  10 a. 

3  Orig.  Pulst. 
*  Orig.  Pulst. 
5  Orig.  Pulst 


365 

Schaft  sich  an  MitgHedem  künftighin  mehren  wttrde  und  gleich 
anderen  Bruderschaften  im  Lande  eine  besondere  Stiftung  zu 
Frommen  und  Nutzen  der  Lebendigen  imd  Todten  machen 
wollte,  80  sollte  dies  mit  Wissen  und  Rath  des  Comthurs  ge- 
schehen. Zu  diesem  von  den  Blichsenmeistern  der  Bruder- 
schaften ausgestellten  Vertragsbriefe  fertigt  Comthur  Pawer, 
offenbar  zugleich  Pfarrer,  also  Johanniterordenspriester,  erst  1480, 
März  27,  die  völlig  gleichlautende  Gegenurkunde  aus.' 

Derselbe  Comthur,  diesmal  mit  dem  Prädic^te  ,von  Swey- 
bart',  gibt  dem  Albrecht  Baumgartner,  Bürger  zu  Feldkirchen, 
1478,  März  27,2  eine  Hube  zu  Krahberg  (Chrabrigk)  bei  Feld- 
kirchen zu  Kaiürecht.  Indessen  hatten  im  Sommer  desselben 
Jahres,  wie  uns  Unrest  erzählt,'^  ein  Schwärm  der  nach  Kärnten 
eingefallenen  Türken,  welche  vom  Gurkthale  über  das  Gebirge 
ge2sogen  waren.  Pulst  heimgesucht.  Ob  Kirche  und  Commende 
hiebei  Schaden  litten  oder  nicht,  ist  nicht  überliefert. 

Der  Nachfolger  des  Comthurs  Michael  Bauer  dürfte  wahr- 
scheinlich Georg  Florstett   gewesen   sein^   ausdrücklich  Ordens-  lo. comthur: 
ritter  genannt;  wir  vernehmen  von  ihm  aus  späteren  Urkunden     Fiorstctt 
von  1494  und  1503,^  dass  er  dem  Thomas  Kurzleben  die  Hube  J^8i(7)-i*9« 
am  Krahberg  verpfändete. 

In  seine  Zeit  gehört  vielleicht  die  Urkunde  von  1488, 
April  23,  laut  welcher  Ruprecht  von  ,New'^  der  Marienkirche 
Pulst  sein  Gut  im  ,New^  sammt  einer  Mühle  zu  einem  am 
Martinitage  abzuhaltenden  und  aus  Vigilie,  gesungenem  Amte 
und  Seelamte,  sowie  gesprochener  Messe  bestehenden  Jahrtage 
stiftet.  Der  Comthur  soll  hieflir  80  Pfennige  erhalten  und  das 
erübrigende  Geld  ftlr  Beleuchtimg  und  Baubessening  der  Kirche 
verwendet  werden. 

Doch  sollten  schlimme  Zeiten  für  Pulst  kommen.  Die  seit 
dem  Jahre  1480  in  Kärnten  hausenden  Ungarn  ^  hatten  am 
23.  April  1488  ^  die  gleich  oberhalb  Pulst  gelegene  Feste  Lie- 
benfels besetzt.     Unter   dem   Befehle   eines   gewissen  Sigmund 

*  Orig.  Pulst;  doch  siegelt  der  C'orathur  nicht. 

^  Ong.  Pulst;  es  siegelt  der  Markt  Feldkircheu. 
3  Hahn,  Collectio  monumentorum  1,  639. 

*  Vgl.  8.  367. 

*  Orig.  Ver.    Hermann  1.  c.  1,  412  gilt  Ruprecht  von  New  als  Comthur 
«  Vgl.  Hermann  1.  c.  1,  206  ff. 

1  Unrest  1.  c.  789-740. 


366 

Schwuski  befestigten  sie  mit  Hilfe  des  zur  Robot  gezwungenen 
Volkes  das  Schloss,  und  wer  seines  Gut  und  Lebens  sicher  sein 
wollte,  musste  beitragen,  die  Ungarn  mit  allem  Nöthigen  zu 
versorgen.  Viele  Leute  hatten  ihre  Lebensmittel,  ihr  Hab  und 
Gut  in  der  Pulster  Kirche  geborgen.  Die  Ungarn  beraubten 
das  Gotteshaus,  besetzten  dieses,  sowie  das  Haus  des  ComthurB. 
Nach  dem  Tode  König  Mathias  Corvinus'  1490  begannen  die 
Ungarn  Kärnten  zu  räumen.  Sie  zogen,  und  zwar  zuerst  von 
Liebenfels,  am  25.  September  ab.^  Jeden£Etlls  hatte  Pulst  die 
zwei  Jahre  hindurch  viel  zu  leiden, 
comtbur:  Obzwar    Comthur    Ulrich    Sircher   von    Pulst    erst    1493, 

Ulrich  j^uij  15^  urkundlich  auftritt,  so  dürfte  er  doch  bereits  1491 
191-1504.  Comthur  gewesen  sein,  da  auf  seinen  Siegeln  diese  Jahreszahl 
vorkommt.  Er  war  vermuthUch  ein  Kärntner,  da  er  in  Feld- 
kirchen einen  Vetter  hatte.  ^  Jedenfalls  gehörte  er  dem  geistlichen 
und  nicht  dem  ritterlichen  Stande  an  und  dürfte,  wie  wir  es 
später  noch  öfters  sehen  werden,  ein  kärntnerischer  Priester 
gewesen  sein,  welcher  erst  mit  der  Pfarre  Pulst  das  Johannit6^ 
kreuz  erhielt. 

In  der  genannten  Urkunde  ^  vom  15.  Juni  geben  die 
Kirchenkämmerer  mit  Wissen  und  Willen  des  ,ehrwürdigen 
und  geistlichen  Herrn^  Comthur  Ulrich  ,Sürcher'  und  der  Pfarr- 
gemeinde  daselbst  dem  Michael  Sagmeister,  dessen  Frau  und 
Erben  die  Säge  in  der  ,Öber'  ob  der  Feistritz  zu  Kaufrecht 
Es  siegelt  Sircher.^ 

Am  gleichen  Tage  besiegelt  dieser  noch  eine  solche  Kauf- 
rechtsurkunde für  Pertl,  des  Philipp  Sohn,  über  eine  Wiese  in 
Saburba  ob  St.  Leonhard  sammt  einem  Acker  ,im  Ess  avf  der 
Leiten'  und  einem  Garten  unter  Philipps  Haus.^ 

Comthur  Ulrich  Namens  der  Kirche  erwirbt  1494,  Jänner 
27,<^  vom  Kloster  St.  Paul  im  Lavantthale  eine  Hube  im  ,Gawn' 


1  Unrest  1.  c.  746. 

2  Siehe  S.  367. 

3  Orig.  Pulst. 

*  Das  runde  Siegel,  welches  sich  noch  zweimal  erhalten  hat,  aeigt  in  ^^ 
Mitte  einen  Kopf  mit  Heiligenschein,  darunter  eine  Tartsche  mit  dem 
Johanniterkreuz.  Die  Legende  lautet:  ,Si(gillum)  Virich  8irch(er)  o^ 
(dinis)  sa(nc)ti  Ioh(anni)s  1491.* 

^  Orig.  Pulst. 

0  Orig.  Pulst. 


367 

zwischen   den   Gütern   der   Polster   Kirche,   darauf  ,Rupert  in 
Newn*^  gesessen  ist. 

Am  26.  April  ^  1496  löst  Peter  Zehner  zu  Polantschgerhof 
bei  Feldkirchen  (Polaintschzig)  die  Hube  zu  Krahberg,  welche 
einst  Comthur  Ritter  Georg  Vlorstet  für  20  Pfund  Pfennige 
Landfitwährung  dem  Thomas  Kurzleben  versetzt,  um  diese 
Pfandsumme.  Allein  Comthur  Ulrich  Sircher  war  bemüht,  diese 
Hube  nicht  in  fremden  Händen  zu  lassen,  sondern  dieselbe 
wenigstens  einem  seiner  Verwandten  zu  vergaben.  So  verpfän- 
det er  dieselbe  1503,  April  26,-*  seinem  Vetter  Ulrich  ,Surcher^, 
Bürger  zu  Feldkirchen,  um  20  Pfund  Pfennige. 

Mit  Comthur  Ulrich  Sircher's  Wissen  schliessen  Christof 
Kulmer  1503,  December  21,^  und  der  Commendenunterthan 
Lorenz  zu  Pupitsch  (Pupitschach)  einen  Tauschvertrag.  Der- 
selbe Comthur  intervenirt  noch  in  einer  Urkunde  von  1504, 
April  24,^  worin  sich  Heinrich  Kulmer  mit  der  Marienkirche  zu 
Pulst  um  eine  ihr  einst  von  Bemhart  Toringer  geschenkte  Hube, 
von  welcher  Kulmer  den  dritten  Theil  rechtUch  anzusprechen 
hatte,  dahin  vergleicht,  dass  Kulmer  die  Hube  von  dem  Gottes- 
hause heimnimmt  und  davon  derselben  jährlich  1  Pfund  Pfennige 
insolange  dienen  soll,  bis  Kulmer  der  Pulster  Kirche  eine  andere 
gleichwerthige  Hube  einantwortet. 

Den  Comthur  Ulrich  Albl  lernen  wir  aus  einer  einzigen  »2Con»tJ»«r: 
Urkunde  von  1519,  October  20,^  kennen,  laut  welcher  er  dem  1519. 
Feldkirchner  Bürger  Peter  Mägerl  und  dessen  Leibeserben  eine 
Hube  zu  Krahberg  in  Kaufrechtsweise  gibt,  welches  Kaufrecht 
Mägerl  von  seinem  Mitbürger  Albrecht  Baumgartner,  dem  die 
Hube  einst  vom  Comthur  Michael  Bauer  verliehen  worden  war,' 
um  6  ungarische  Gulden  ablöst. 

Zum  Jahre  1533   nennt  uns   das   von  Smitmer^  verfasste  is  c-orathur 

Christi&n 

Verzeichniss  der  Pulster  Comthure  Christian  Glatz  als  solchen,    oiau  1533 


>  Vgl.  S.  365. 

'  Orig.  Pulst;  der  Comthur  heisst  hier  Voretet. 

3  Orig.  Pulst;  Ulrichs  Vorgänger  heisst  hier  Florstet,  Comthur  Sircher  be- 
siegelt die  Urkunde  wie  oben. 

*  Orig.  Pulst 
»  Orig.  Pulst. 

•  Orig.  Pulst. 

^  1478,  siehe  S.  365. 
«  Vgl.  8.  352. 


368 

ohne  dass  wir  heute  mehr  im  Stande  sind,    denselben   urkund- 
Hch  nachzuweisen. 
corathur:  Aus  dem  Siegel  des  Comthurs  Virgil  Windisch  von  Pulst, 

J'?^  welches  die  Jahreszahl  1533  trägt,  darf  man  vielleicht  schliessen, 
33-1544.  dass  derselbe  bereits  in  diesem  Jahre  zur  Würde  eines  Com- 
thurs gedieh.  Erst  1544  tritt  er  uns  urkundlich  entgegen.  König 
Ferdinand  hatte  vornehmlich  zur  Bekämpfung  der  Türken  ein 
Zwangsdarlehen  ausgeschrieben.  Comthur  Virgil  Windisch  und 
die  Kirchenkämmerer  Namens  des  Gotteshauses  Pulst  strecken 
zu  diesem  Zwecke  110  Pfund  Pfennige  vor  und  verpfänden 
darum  1544,  Jänner  9,^  dem  edlen  Leonhard  Locbner  von 
Liebenfels  Hüben  zu  Pulst,  Kamberg,  Buchberg  und  Steinpichl. 
Comthur  Windisch  erscheint  noch  in  einer  Urkunde  von 
1545,  October  13,*-'  in  welcher  die  Kämmerer  mit  seinem  und 
der  ganzen  Pfarrgemeinde  Wissen  dem  Oswald  Weber  und 
dessen  leiblichen  Erben  zwei  Aecker  unter  der  Wolfsgrube  bei 
Zweikirchen  zu  Kaufrecht  verleihen. 

Durch  einen  Zeitraum  von  mehr  als  zwanzig  Jahren  fehlt 

uns  jede  Quelle  über  die  Geschichte  von  Pulst.    Erst  1567  tritt 

Comthur:  uns  Georg  Schobcr   als  Comthur   und  Pfarrer   urkundUch  ent- 

Schober      g^g®^-     ^*  dieser  aber  in  einem  Actenstücke  vom  Jahre  1592 

58— i5i>7.    von  sich  sagt,  er  sei  nunmehr  63  Jahre  alt  und  bereits  35  Jahre 

Comthur  von  Pulst,  ^  so  muss  er  die  Commende  im  Jahre  1558 

in  einem  Alter  von  29  Jahren  angetreten  haben. 

Der  kaiserliche  ßath  und  obrister  Zeugmeister  Franz  von 
Popendorf  trug  sich  mit  der  Absicht,  in  seinem  Vaterlande 
Kärnten,  wie  es  "1567  hcisst,  *  einen  Edelmannssitz  zu  erbauen, 
wozu  er  sich  ein  dem  edlen  Lochner  zu  Liebenfels  gehöriges 
Grundstück  ausersehen  hatte,  welches  aber  dieser  ihm  nur  dann 
überlassen   wollte,   wenn  Popendorf  dafiir   für  Lochner  den  in 


*  Orig.  Pulst.  Auch  der  (.'omthur  hängt  sein  ,Petschaft*  an  die  Urkunde; 
dasselbe  zeigt  ein  Herz,  darüber  ein  Kreuz. 

2  Orig.  Pulst.  Das  anhängende  Siegel  des  Comthurs  zeigt  ein  halbrundes 
Schild  mit  dem  Johanniterkreuz.  Hinter  dem  Schilde  steht  Maria,  in 
dem  linken  Arm  das  Christkind  und  in  der  rechten  Hand  eine  Kirchen- 
fahne  haltend.  Zu  beiden  Seiten  des  Kopfes  Marias  steht  die  Jahreszahl 
15  —  33.  Eine  sonstige  Legende  ist  nicht  vorhanden.  Dasselbe  Wapp«D 
mit  der  Jahreszahl  1537  ist  auch  auf  der  Nordseite  des  Kirchthurmes  w 
Pulst  sichtbar. 

3  Siehe  S  371. 

*  Prag  4. 


369 

der  Nähe  von  Liebenfels  ansässigen  Pulster  Unterthan  Hans 
von  Zempnig  in  Tauschweise  erwerben  könnte,  und  wandte  sich 
zu  diesem  Zwecke  an  den  Comthur  Schober  und  den  Statt- 
halter des  Johanniterordens  Römer,  sowie  an  den  böhmischen 
Grossprior  Wenzel  Has  von  Hasenburg  und  den  Comthur  von 
Gröbnig,  Georg  von  Prosskau,  welchem  vom  Grossprior  endlich 
die  Entscheidung  der  Sache  tibertragen  wurde.  Allein  ein 
Schreiben  der  Pfari'gemeinde  Pulst  an  den  Grossprior  Has  vom 
8.  Februar  1668,  worin  sie  sich  energisch  gegen  den  Auswechsel 
verwahrt,  ,da  es  die  Pfarrgemeinde  nicht  will  zugeben  und  es 
ihr  besonders  zuwider  scheint',  machte  allen  Bestrebungen 
Popendorf's,  obzwar  dieser  am  Schlüsse  des  Jahres  1567  bereits 
2000  fl.  für  den  Bau  ausgegeben,  ein  Ende.  Aus  diesen  an 
und  für  sich  belanglosen  Thatsachen  können  wir  entnehmen, 
dass  die  Commende  Pulst  seit  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
dem  böhmischen  Grosspriorate  imterstand,  während  früher  eigene 
Statthalter  fUr  die  in  Oesterreich,  Steiermark  und  Kärnten  ge- 
legenen Ordenshäuser  bestanden.^  Comthur  Schober  scheint 
ein  eifriger  Bekämpfer  des  Protestantismus  gewesen  zu  sein. 
Er  benachrichtigt  1568  den  Bischof  Urban  von  Gurk  vom 
Treiben  des  St.  Veiter  Prädicanten  Stefan  Hassler.^ 

Als  infolge  der  Abmachungen  des  Brucker  Landtages 
vom  Jahre  1578  ein  Heer  von  Klageniurt  unter  dem  General- 
obersten Freiherm  Georg  von  Khevenhüller  zur  Sicherung  der 
croatischen  Grenze  auszog,  befand  sich  auch  der  Pulster  Com- 
thur Georg  Schober  mit  zwei  Pferden  bei  demselben.'  Wie  es 
ihm  auf  diesem  erfolglosen  Feldzuge  erging,  wissen  wir  nicht. 
Jedenfalls  aber  kehrte  er  gesund  wieder  heim. 

Papst  Sixtus  V.  befiehlt  1586,  Mai  14,  dem  Bischöfe  Chri- 
stof Andreas  von  Gurk,  gegen  einige  Priester  in  Pulst,  von 
denen  ihm  zu  Ohren  gekommen  war,  dass  sie  ein  der  priester- 
lichen Wurde  entgegengesetztes  Leben  führen  und  dadurch 
Aergemiss  unter  den  Leuten  erregen,  gemäss  den  kirchlichen 
Gesetzen  vorzugehen  und,  obzwar  sie  unter  dem  Verwände, 
sie  unterstünden  dem  exempten  Johanniterorden,  die  bischöf- 
liche Visitation   zurückweisen,    die   Priester  zu   strafen,    sowie 


»  Vgl.  S.  368,  361. 

2  Hermann  1.  c.  2,  2,  186. 

3  Valvasor,  Beschreibung  des  Erzherzogtliuins  Kärnten  1688,  S.  178.  Her^ 
mann  1.  c.  2,  82. 


370 

Pulst   entweder   selbst  zu   visitiren   oder  durch   einen  Andern 
visitiren  zu  lassen.^ 

Wir  stehen  hiemit  am  Anfang  der  das  16.,  17.  und 
18.  Jahrhundert  füllenden  Streitigkeiten  zwischen  der  Com- 
mende  Pulst  und  dem  Bischöfe  von  Gurk  rücksichtlich  des  geist- 
lichen Jurisdictionsrechtes  des  letzteren  über  die  Pfarrkirche. 
Es  müssen  schon  seit  längerer  Zeit  auch  an  anderen  Orten 
zwischen  den  Ordinariaten  und  Ordenshäusern  derartige  Zwistig- 
keiten  bestanden  haben.  Die  Streitsache,  deren  Wesen  das  vor- 
erwähnte Mandat  Sixtus  V.  vollständig  zum  Ausdrucke  bringt, 
war  bereits  1571  vor  den  päpstlichen  Stuhl  gekommen.  Pius  V. 
entschied  in  diesem  Jahre  durch  die  Bulle  vom  12.  September,^ 
nachdem  er  beiden  Theilen  vorher  ewiges  Stillschweigen  auf- 
erlegt und  alle  bei  welchen  Instanzen  immer  anhängigen  Pro- 
cesse  cassirt,  dass  jeder  Ordinarius  in  der  Eigenschaft  eines 
päpstlichen  Delegirten  die  Johanniterordenskirchen  seiner  Diö- 
cese,  welche  Seelsorgezwecken  dienen,  und  deren  Priester,  je- 
doch nur  in  Hinsicht  auf  die  Seelsorge  und  die  Sacramente 
visitiren  solle.  Dem  Ordinarius  steht  das  Recht  zu,  Priester 
ohne  Titel,  also  ,ad  nutum'  entfembare,  sofort  zu  amoviren, 
diejenigen  aber,  welche  einen  Titel  haben,  zu  suspendiren,  die 
Ordensoberen  zu  ermahnen,  innerhalb  eines  vorgeschriebenen 
Zeitraumes  an  Stelle  der  Amovirten  andere  taugliche  Geistliche 
aufzustellen  und  den  Suspendirten  Coadjutoren  an  die  Seite  zu 
setzen,  nachdem  diese  der  Ordinarius  früher  approbirt  Wird 
die  Besetzung  von  Seiten  des  Ordensoberen  nicht  innerhalb  der 
vorgeschriebenen  Zeit  vorgenommen,  so  soll  inzwischen*  der 
Ordinarius,  bis  der  Orden  das  Versäumte  nachholt,  dies  thun. 
Die  Diöcesane  haben  alle  Visitationen,  Approbationen  und  Con- 
firmationen  unentgeltlich  zu  leisten.  Diejenigen  aber,  welche 
nicht  seit  Alters  die  Ausübung  des  Jurisdictionsrechtes  über 
die  Ordenskirche  zu  erweisen  im  Stande  sind,  wird  ein  solches 
in  der  Bulle  vollständig  abgesprochen.  Dieser  Passus  hatte  zur 
Folge,  dass  gerade  dadurch  der  Streit  zwischen  dem  Johanniter 
Orden  und  den  Ordinariaten  recht  angefacht  wurde. 

Auch  in  Pulst  sollte  er   bald   losbrechen.     Indessen  hielt 
man   es   beim   Orden   für   angemessen,   Comthur   Schober  von 


^  Klagenfart  ConBiBt.  L  Orig. 
'  Klageofart  ConsiBt.  I.  Copie. 


Ist  durcli  eine  andere  Person  zu  creetzen,  Dereelbe  erliillt 
1592 '  von  Philipp  Ridtesfl  v.  Lamberg;,  GrosBge waltigen  in 
Deutschland  imd  Gesandten  am  Wiener  Hofe,  den  Auftrag,  am 
24.  April  die  Commende  Pulst  dem  (JomtLur  Michael  Egelaeer 
▼on  Ebenfiu't  einzuräumen  und  daftlr  die  letztere,  in  Nieder- 
lerreich gelegene,  zu  llbemehraen.  Am  2.  April  bittet  Schober 
len  Grossgewaltigen,  diesen  Tausch  auf  sieh  beruhen  zu  lassen. 
Als  Jüngling  habe  er  selbst  eiiinml  nach  Ebenfiirt  verlangt; 
min  sei  er  63  Jahre  alt,  gebrechlich  und  seit  35  Jahren  Com- 
tliur  von  Pulst.  Aach  Egolscer  trage  kein  Verlangen,  za  tau- 
.  Dieser  Wechsel  kam  auch  nicht  zu  Stande. 
Dagegen  erhielt  Schober  I59Ö*  von  seinem  Ordensherm 
Aon  Auftrag,  fUr  eine  Zeit  lang  die  Administra^on  der  Com- 
mende St.  Peter  in  Krain  zu  übernehmen.  Unterm  19.  Mltrz 
meldete  er  dies  dem  Weihbischof  und  Dompropst  Karl  von 
Oiirk  und  theUt  zugleich  mit,  dasa  er  flir  die  Zeit  seiner  Ab- 
oheit  den  Christof  Mitte rdorf er  als  seinen  Vertreter  in 
licht  auf  die  Üumniende  und  auch  als  Caplan  für  die  8eel- 
anf  ein  Jahr  aufgenommen.  Der  Bischof  von  Gurk  citirte 
;tea:dorfer  auf  sein  Schloss  Strassburg,  da  er  ihn  im  Ver- 
it  hatte,  er  sei  kein  ordentlicher  katliolischer  Piiester.  Durch 
Prüfung  erwies  sich  zwar  das  Gegeutheil;  allein  der  Bischof 
ipbot  dennoch  dem  Administrator  Mitterdorfor  die  Ausübung 
äedsorge,  da  er  nicht  mit  seiner  Erlaubniss  angestellt  wor- 
war.  Der  Bischof  besehwerte  eich  auch  beim  böhmischen 
iprior  Matheus  Leopold  Popel,  Herrn  von  Lobkowitz.*  Die 
iter  Pfarrgemeinde  und  Schober  wendeten  sich  am  21.  Juni 
init  Vorstellungen  an  Bischof  Christof  Andre  von  Gurk.*  Der 
Comthur  habe  namens  seines  Herren,  des  bühmischen  Gross- 
priors, als  Administrator  der  Pfarre  Mi Iter dorfer  zu  seinem 
iCBplan  aufgenommen.  Infolge  seiner  Absetzung  mUsse  nun  die 
imeinde  ohne  Seelsorger  sein  und  die  Täuflinge  zu  dem  Prä- 
iBten  nach  Liembcrg  oder  Sl,  Veit  tragen.  Sie  bitten  drin- 
gend, Uitterdorfcr  die  Seelsorge  ausüben  zu  lassen,  damit  nicht 
etwa  die  Prädicanten  Einfluss  gewinnen  und  ein  ,Villacherischer 
Httndel'  entstehe,  womit  auf  den  Empfang  des  Patriarchen  von 


p  €apl 


1. 


'  Prag  6. 
I  Frag  6. 
*  Zwei  verloreue  Aulwonschrelben  werden  Cuiuist.  1.  e 


372 

Aquileja  hingewiesen  wird,  welchen  demselben  die  protestanti- 
schen Bürger  Villachs  am  1.  November  1594  bereiteten,  indem 
sie  sein  Wohnhaus  umzingelten  und  nur  mit  Mühe  vor  weiteren 
Insulten  abgehalten  werden  konnten.*  Auf  diese  energische 
Eingabe  der  Gemeinde  liess  der  Bischof  durch  seinen  General- 
vicär  Propst  Matheus  von  Strassburg  einen  abschlägigen  Be- 
scheid ergehen. 

Comthur  Schober  war  indess  nach  Krain  abgegangen, 
lieber  Aufforderung  des  Grosspriors  Lobkowitz  erstattete  er 
am  30.  Juni  über  den  Pulster  Streitfall  von  St.  Peter  aus  Be- 
richt. Dem  Gurker  Bischof  handle  es  sich  nur  darum,  auf 
Pulst  ein  Recht  zu  erhalten.  Seit  120  Jahren  sei  aber  erweis- 
lich, dass  die  Bischöfe  keine  geistUche  Jurisdiction  über  Polst 
ausgeübt,  ausser  man  hätte  sich  gegen  die  katholische  Religion 
vergangen,  was  seines  Wissens  nie  geschehen.  Die  Pfiirr- 
gemeinde  habe  öffentlich  erklärt,  wenn  man  sie  noch  länger 
ohne  Gottesdienst  lasse,  werde  sie  sich  wenig  um  den  Bischof 
kümmern,  sondern  sich  an  sectische  Priester  wenden.  Der 
Grossprior  möge  daher  der  Vermessenheit  des  Bischöfe  ent- 
schieden entgegentreten  und  sich  beim  apostolischen  Nuntius 
um  Dispens  oder  ein  Dimissoriale  für  Mitterdorfer  bewerben, 
damit  sich  dieser  ungehindert  der  Seelsorge  in  Pulst  unter 
ziehen  könnte.  Auch  die  Pfarrgemeinde  machte  ein  Gesuch  an 
den  Grossprior,  worin  der  Wunsch  ausgesprochen  wurde,  die 
Rechte  des  Ordens  durch  den  Bischof  nicht  schmälern  zu 
lassen.  Es  möge  Mitterdorfer  und  womöglich  auch  Comthur 
Schober  ihnen  gelassen  werden.  Wenn  letzteres  nicht  möglich 
sei,  solle  Schober  seinen  Nachfolger  selbst  vorschlagen.  Wie 
dieser  Streit  in  seinen  Einzelheiten  weiter  verlaufen,  ist  unbe- 
kannt. Aber  durch  Vermittlung  des  Johanniterordensgesandten 
am  päpstlichen  Hofe  wurde  ein  scharfes  Decret^  des  aposto- 
lischen Protonotars  und  Generalauditors  Marcellus  Lantes  e^ 
wirkt,  in  welchem  den  5.  November  1597  mit  Bezug  auf 
die  Bulle  Pius  V.^  dem  Bischöfe  von  Gurk  jedes  Jurisdictions- 
recht  über  Pulst  abgesprochen  ward.  Jedenfalls  erkannte  auf 
das  hin  der  Bischof  Mitterdorfer  als  rechtmässigen  Caplan  in 
Pulst    an,    welcher    auch    seinerseits   zu   Concessionen    geneigt 

^  Hermann  1.  c.  2,  1,  S.  210. 

2  Prag  7. 

»  Siehe  8.  870. 


373 

schien,  da  er  1598,  im  Jänner,  beim  Generalvicär  anfragte,^ 
wie  er  sich  gelegentlich  der  Beerdigung  einer  Häretikerin,  deren 
Familie  seit  200  Jahren  das  Begräbnissrecht  in  der  Polster 
Kirche  zustehe,  zu  verhalten  habe.  Im  Jahre  1597  zog  endlich 
Schober  für  immer  von  Pulst  ab  und  übernahm  definitiv  die 
Commende  St.  Peter  in  Krain.  Das  Urbar  von  Pulst,  welches 
er  bei  dieser  Gelegenheit  seinem  Nachfolger  Comthur  Veit 
Scheiber  von  Maderbach  übergab,  ist  noch  erhalten.^ 

Scheiber  war  seit  1592  Pfarrer  von  S.  Gandolf  (südwest-  iccomthur: 
lieh,  nahe  bei  Pulst),  welche  Kirche  in  geistlicher  Hinsicht  dem  ^  M»deri!ach 
Erzbischofe  von  Salzburg  unterstand.    Auf  vieler  weltlicher  und    i5»7— leie. 
geistlicher    Herren    Bitten    hatte    Grossprior    Lobkowitz    dem 
Scheiber  die  Commende  Pulst  verliehen.    Der  Grossprior  rich- 
tete   1599   an   den    Erzbischof   das   Ansuchen,^   dem   Scheiber 
neben   der  Commende,    wenn   schon   nicht  auf  Lebenszeit,   so 
doch  fUr   einige  Jahre   noch    die  Pfarre  S.  Gandolf  zu   lassen. 
Die  Commende   sei   durch  Scheiber's  Vorgänger  arg   vernach- 
lässigt, an  Gebäuden  sehr  abgekommen  und  der  Besserung  be- 
dürftig.    Der  Erzbischof  willfahrte   dem  Wunsche   des   Gross- 
priors.    Comthur  Scheiber   vermied   möglichst  jedweden  Streit 
mit  dem  Bisthume  Gurk.    Er  erhielt  auf  seine  Bitten  1600  das 
Recht,  von  der  Häresie  zu  absolviren.* 

Der  Grossprior  erneuerte  1601  die  an  den  Erzbischof  von 
Salzburg  gestellte  Bitte.*  Im  folgenden  Jahre  petitionirte  auch 
die  Pfarrgemeinde  S.  Gandolf  in  diesem  Sinne,  indem  sie  be- 
sonders den  frommen  Wandel  Scheiber's  hervorhob,  durch 
welchen  die  Pfarrkinder  schon,  ehe  noch  Erzherzog  Ferdinand 
die  Religionsreformation  in  Kärnten  eingeführt,  zur  Kenntniss 
und  Uebung  der  alleinseligmachenden  katholischen  Religion 
gelangten.®  Infolge  dessen  blieb  Scheiber  bis  an  sein  Lebens- 
ende auch  Pfarrer  von  S.  Gandolf  und  Hess  sich  daselbst  durch 
einen  Vicar  vertreten.  Dass  Schreiber  auch  von  dorther  Ein- 
kommen  bezog,  kam  ihm  sehr  zu  statten,  denn  die  Lage  der 
Gemeinde    Pulst    war    eine    recht    üble    geworden.      Comthur 


*  ConHiRt.  I. 
2  Prag  8. 

'  Prag  9  b  CB). 
^  Oonsbt.  I. 
ö  Prag  9  b  (C). 

•  Prag  9  b. 

ArehiT.  Bd.  LXXYI.  II.  U&lfte.  25 


374 

Scheiber  wendete  sich  1606  daher  mit  einer  Eingabe  an  das  auf 
den  9.  Februar  angesetzte  Provinzialordenscapitel  in  Prag.  In 
erster  Linie  beklagte  er  sich  über  das  Anwachsen  der  Steuern, 
besonders  die  Verdreifachung  des  Rüstgeldes.  Das  Commenden- 
gebäude  sei  vollständig  verfallen,  doch  reiche  das  Einkommen 
zu  einem  Neubau  nicht  aus.  Da  die  Kirche  nicht  einmal  einen 
Messner  besolden  könne,  so  zahle  ihn  der  Comthur  aus  seinem 
eigenen  Säckel.  Derselbe  könne  sich  keinen  Caplan  halten  und 
müsse  Alles  selbst  verrichten.  Die  Commendenunterthanen  im 
Dorfe  Pulst  seien  am  25.  März  1605  durch  eine  Feuersbrunst 
verunglückt,  so  dass  von  ihnen  keine  Geldhilfe  zu  erwarten.  Die 
Kulmer,  Herren  der  umliegenden  Schlösser  Hohenstein  und 
Rosenbichl,  welche  seit  Alters  zu  Qiebigkeiten  an  die  Kirche 
verpflichtet  waren,  hätten  solche  schon  unter  dem  Comthur 
Schober  nicht  geleistet.  Ueberhaupt  sei  der  protestantische 
Adel  ein  Feind  der  Geistlichkeit.  Von  den  40  zinspflichtigen 
Gärten,  welche  die  Commende  einst  in  St.  Veit  besass,  er- 
übrigen nur  noch  15. 

Die  Folge  dieses  Gesuches  war  es,  dass  der  Orden  1609 
einen  Visitationscommissär  in  der  Person  des  Heinrich  Frei- 
herm  von  Logau,  Comthurs  von  Fürstenfeld  und  Troppau,  nach 
Pulst  abordnete.  Aus  den  Beschwerden,'  welche  der  Comthur 
namens  der  Commende  und  die  Kirchenkämmerer  fUr  die 
Kirche  dem  Commissär  vorlegten,  erfahren  wir  Näheres  über 
die  Pulster  Verhältnisse.  Der  Comthur  gibt  an,  dass  seine  im 
Gerichte  Liebenfels  gelegene  Commende  besonders  von  dem 
Herm  dieses  Schlosses,  Georg  von  Wildenstein,  femer  Christof 
Kulmer  auf  ßosenbichl  und  dessen  Bruder  Balthasar  auf  Hohen- 
stein viel  zu  leiden  habe,  so  dass  er  sich  zum  Schutze  seiner 
Rechte  einen  Advocaten  in  Klagenfurt  halten  müsse,  welcher 
jährlich  bei  20  fl.  kostet. 

Als  grössten  Feind  bezeichnet  Scheiber  den  Balthasar 
Kulmer,  welcher  ihm  das  von  Kaiser  Friedrich  HI.  bestätigte 
Tafernrecht^  der  Commende,  nachdem  er  dasselbe  mit  Eück- 
sicht  darauf,  dass  das  Schankgeschäft  mit  seiner  priesterlichen 
Würde  nicht  vereinbar  ist,  einem  Unterthan  verpachtete,  streitig 
machen   will,   worüber   der   Process  schon  seit  drei  Jahren  bei 


»  Prag  9  a,  10  a. 
»  Vgl.  a  363,  364. 


376 

der  Landschrannc  anhängig  ist.  Scheiber  wiederholt  die  Klage^ 
dass  von  den  umliegenden  Schlössern  die  gebührenden  Zinsun- 
gen  nicht  geleistet  werden.  Sehr  schlimm  stehe  es  in  St.  Veit, 
wo  vor  der  Stiftung  der  Commende.  —  wie  Scheiber  meint '  — 
die  Ordensritter  einst  gewohnt  und  die  Johanneskirche  in  Er- 
lach daselbst  innegehabt  haben.  Auf  welche  Weise  von  den  vierzig 
einst  zinspflichtigen  Gärten  in  der  Stadt  der  Commende  so  viele 
entfremdet  werden  konnten,  dass  nur  mehr  fUnfzehn  übrig  sind, 
sei  unbekannt,  aber  begreiflich,  da  die  Gärten  ohne  Vorwissen 
des  Comthurs  verhandelt  werden  und  die  Stadt  St.  Veit  die 
betreffenden  Urkunden  ausfertigt.  Scheiber  empfiehlt,  sich  dies- 
bezüglich um  Abhilfe  an  den  Herrn  der  Stadt,  den  Landes- 
ftirsten  zu  wenden.  Die  Johanneskirche  habe  ein  eigenes  Be- 
gräbnissrecht, welches  die  St.  Veiter  Bürgerschaft  benützt 
Dieselbe  hat  nicht  nur  durch  ihre  Prädicanten  der  Kirche  allen 
Ornat  wegnehmen,  sondern  auch  das  Dach  zu  Grunde  gehen 
lassen.  Comthur  Scheiber  bittet  femer  um  Aufklärung,  wie  er 
sich  gegenüber  dem  Bisthumo  Gurk  zu  verhalten  habe.  Einmal 
sei  der  Consistorialassessor  Dr.  Colling  in  sein  Haus  gekommen 
und  habe  ihn  zu  examiniren  sich  erlaubt,'-  worauf  er  erklärte: 
in  dem  Ordenhause  nehme  er  keine  Visitation  und  kein  Exa- 
men an,  in  der  Kirche  dagegen  wolle  er  Rede  und  Antwort 
stehen.. 

Das  Jahreseinkommen  der  Commende  beträgt  nach  Scheiber 
49  fl.  5  ^  baares  Geld,  22  V^  Vierling  Weizen,  37  V2  Vierling  Roggen, 
11  Vierling  Gerste,  60  Vierling  Hafer,  3  Vierling  Hopfen,  8  Haar- 
zechling  (ELanf),  9  Faschinghennen,  1  Kitz  und  1  Lamm.  Da- 
von hat  der  Comthur  nach  Prag  jährlich  als  Respons  10  Du- 
caten  (k  105  kr.  =  17  fl.  4  /?),  sowie  die  Annaten  im  Betrage 
von  5  Ducaten  (=  8  fl.  6  ß)  und  fiir  die  Jahre  1607—1608 
noch  die  doppelte  Respons  wegen  etlicher  zerschmetterter  Ga- 
leeren, also:  20  Ducaten  (=  35  fl.)  zu  entrichten.  Das  ganze 
Einkommen  ist  nun  im  LandgUltbuche  beansagt  und  muss  dem- 
gemäss  versteuert  werden.  Obzwar  der  Comthur  bei  seinem 
Antritte  noch  mit  77  fl.  Steuer  abgekommen,  habe  sich  dieselbe 
jetzt  auf  124  fl.  b  ß  10  Pfennige  erhöht.  Die  Maierhofgründe 
tragen   zwar  Getreide,    doch    gehe  Alles   für   das  Gesinde   auf 


>  Vgl.  8.  366,  Anm.  1. 

3  Den  10.  Atigust  1608  nach  Consist  I. 

26* 


376 

Futtermangel   hindere   den  Betrieb  der  Viehzucht.     Wenn  nun 
ein  Grundherr  ausserdem  kein  Zinsgetreide  hat  und  von  einem 
Gulden  Einkommen  ö  ß  Landsteuer  zahle,    mOsse  er  nothwen- 
digerweise   zu   Grunde   gehen.     Ausserdem   hatte  der  Comthur 
schon  zweimal  ein  dem  GültenanschLig  entsprechendes  Quantum  ' 
Proviantgetreide  fUr  die  croatische  Grenze  zu  liefern.    Was  die 
sonstigen  Ausgaben  anbelangt,  berichtet  Scheiber,  dass  er  j&hr 
lieh  zum  Landtage  nach  Klagenfhrt  müsse.    Da  nun  die  S^sion 
mindestens  zwölf  Tage  dauerte   so  gehen  zur   Zehmng  wenig 
stons  15  fl.  auf.     Am  Kirch  weihtage   müsse   man   in  Pulst  ein 
Mahl   geben,   das    10  fl.  kostet.     Als   er   die  Commende   über 
nahm,   habe   er  kein  Inventar,  ja  nicht  eines  Kreuzers  Werth 
in  Vieh,  Getreide  oder  Hausrath  von  seinem  Vorgänger  Schober 
empfangen,    dagegen    einen   Steuerausstand   von    130  fl.   über- 
nommen, wofilr  ihm  Schober  die  Wintersaat  eingehändigt,  welche 
aber  nicht  30  fl.  werth  war.     Auch   war  sein  Vorgänger  noch 
50  fl.  Respons  nach  Prag  schuldig,  die  Scheiber  bezahlen  musste. 
Viel  Geld  hätten  ihn  auch  zwei  Reisen  nach  Prag,   sowie  eine 
auf  Befehl  des  Priors  vorgenommene  Msitirung  der  Commende 
St.  Peter  in  Krain  gekostet.    Er  habe  auch  viel  ftr  Reparaturen 
und  Baubesserungen  am  Commendengebände  ausgegeben,  ferner 
Obstbäume   gepflanzt,   was  Alles  sich  auf  mehr  als  500  fl.  be- 
laufe.    Comthur  Scheiber  kommt   zum  Schlüsse,   dass  mancher 
Bauersmann   oder  gewöhnliche  Landpriester   viel   besser  leben 
könne   als   ein  Comthur  von  Pulst,   und    dass  er  sich  ohne  die 
Pfarre  zu  St.  Gandolf  überhaupt  nicht  halten  könnte,  wie  denn 
auch   alle   seine  Vorgänger  von    Pulst   wegzukommen   strebten 
und   keiner   daselbst   verstorben   ist.     Er  bittet  endlich  um  die 
Erlaubniss,   sieh    nach  St.  Gandolf  zurückziehen    und  von  dort 
aus  die  IVimmende  administriren  zu  dfürfen.    Scheiber  unterliess 
es  bei  dieser  Gelegenheit  auch  nicht,  das  Archiv  der  Commende 
zu  revidiren  und  dem  Visita tionscommissär  ein  Verzeichniss  der 
Arohivalien    vorzulegen.     Er    versprach    auch,    die    alten   und 
schwor  losorliohen  Urkunden  fleissig  in  ein  Libell^  abzuschrei- 
ben, und  bittot  zugloich,   zu  veranlassen,   dass  die  kaiseriichen 
und  filrstliohen  Freiheiten  und  Privilegien  aufs  Neue  ausgerichtet 


»  In  oiiuMu  l^^rrhot*- Inventar  v»>m  Jahre  1877  (Coosisl.  V,  25)  ist  sab  Nr.  12 
oin  Ko)H^rtortnm  vom  Jahiv  1^>09  erwihnt.  Meine  Bemfllioiigeiiy  dieses 
Buch«>c$  habhat't  lu  werden,  waren  leider  m^^ebUch. 


377 

und  bestätigt  werden,  was  besonders  bei  diesen  gef&hrlichen 
Zeiten  rathsam  sei.^ 

Auch  die  Kirehenkämmerer  hatten  genug  Beschwerden 
am  Herzen,^  welche  sie  dem  Visitationscommissär  vorbrachten. 
Vor  Allem  gegen  die  schon  erwähnten  drei  Schlossbesitzer, 
welche  Kirchengüter  eingezogen  hatten  und  die  Pflichtigen  Ab- 
gaben verweigerten.  Besonders  Georg  von  Wildenstein  auf 
Liebenfels  spiele  gern  den  Gerichtsherm  auch  in  der  Kirche 
und  Commende  imd  schaffe  mit  Messner  und  Kirchendiener, 
was  doch  nur  dem  Comthur  zustehe.  Auch  befände  sich  im 
Schlosse  Liebenfels  eine  St.  Nicolauscapelle,  wo  vor  Zeiten  der 
Comthur  am  Christtage  die  Messe  zu  lesen  pflegte,  wie  dies 
noch  Schober  zu  Lebzeiten  des  Mathes  Lochner  von  Lieben- 
fels, des  Letzten  seines  Mannsstammes,  gethan.  Dessen  einzige 
Tochter  Ursula  heiratete  den  Ludwig  Atthems,  erst  Deutsch- 
ordensprofess,  später  Protestant.  Unter  ihm  kam  die  Capelle 
ganz  ab.     Jetzt  ist  dieselbe  eine  Speisekammer. 

Ln  Februar  1609  habe  die  grosse  Glocke  zu  Pulst  einen 
Sprung  bekommen.  Sie  wurde  zu  Völkermarkt  im  Gewichte 
von  16  Centner  10  Pfund  neu  gegossen,  am  9.  April  vom  Gurker 
Weihbischof  geweiht  und  am  13.  April  glücklich  am  Thurm 
aufgezogen.  Der  Giesserlohn  sammt  2  Centner  neuer  Glocken- 
speise belief  sich  auf  228  fl.  48  kr.,  die  Gesammtkosten  auf 
ungefähr  300  fl.  Obzwar  die  Landschaft  dazu  einen  Beitrag 
leistete,  viele  edle  Herren,  darunter  auch  Grossprior  von  Lob- 
kowitz,  beisteuerten,^  so  wären  sie  dem  Glockengiesser  noch 
immer  100  fl.  schuldig.  Zu  Zeiten  Schober's  sei  ein  Klagen- 
farter  lutheiischer  Bürger  in  das  Tabernakel  eingebrochen  und 
habe  die  Kirche  geschädigt.  Dieselbe  habe  weder  Zins-  noch 
Zehentgetreide  und  erhalte  sich  meist  von  Almosen.  Comthur 
Scheiber  sei  fUr  die  Kirche  eifrig  thätig  gewesen.  Ihm  ver- 
danke sie  einen  neuen  Altar  zu  Ehren  der  Heiligen  Valentin 
und  Florian,  eine  neue  Kirchenfahne,  ein  neues  Salzburger  und 
römisches  Missale,  einen  neuen  Kelch  u.  A.  m.  Die  Kirche  sei 
so  arm,  dass  nicht  einmal  das  ewige  Licht  vor  dem  Allerheilig- 
sten  erhalten  werden  könne. 


1  Prag  10  b.  Vgl.  Anhang  4. 

2  Prag  9  a. 

3  Sein  Beitrag  betrug  5  fl.  24  kr.     Prag  U. 


378 


Ob  infolge  dieser  Klagen  des  Comthurs  und  der  Kirche 
von  Seite  des  Ordens  helfend  eingegriffen  wurde,  ist  aus  den 
Acten  nicht  zu  ersehen. 

Bei  allem  Eifer,  welchen  Scheiber  seinen  Obliegenheiten 
angcdeihen  Hess,  scheint  sein  sittliches  Verhalten  nicht  frei  von 
Tadel  gewesen  zu  sein.  1612,  Jänner  18,  macht  Dompropst 
Mathias  von  Gurk  den  Bischof  Johann  Jakob  aufmerksam,^  dass 
der  Comthur  von  Pulst  und  der  Pfarrer  von  Friedlach  ,propter 
turpissimum  concubinatum,  in  quo  versantur^  eine  scharfe  Za- 
rechtweisung verdienen.  Inwiefern  diese  Anschuldigung  berech- 
tigt war  oder  nicht,  lässt  sich  nicht  entscheiden. 

Kurz  vor  seinem  Tode,  den  4.  April  1615,  kaufte  Scheiber 
von  Marie  Salome,  des  Leonhard  von  Ernau  Witwe,  ein  Gut 
im  Saustall,  aus  welchem  Kaufe  der  Commende  später  unan- 
genehme Verwicklungen  erwachsen  soUten.  Ende  1615  oder 
Anfang  1616  starb  Scheiber. 

Am  25.  April  1616  wendet  sich  Elrzherzog  Ferdinand  von 
(^esterreich  von  Graz  aus  in  einer  eigenhändig  gefertigten  Zu- 
schritlt^  an  den  Grossprior  und  das  Capitel  von  Böhmen  mit 
der  Bitte,  die  erledigte  Commende  Pulst  dem  ihm  vom  Bischof 
i7.roBith«r:  Johann  Jakob  von  Gurk  empfohlenen  Matheus  Plirger,  bisher 
Warror  von  Sirnitz,  zu  verleihen.  Offenbar  handelte  es  sich 
dem  Bischof  danun,  dass  nach  Pulst  ein  gefügiger  Mann  komme, 
iin^ssprior  von  Lobkowitz  entsprach  dem  Verlangen  des  Era- 
herzogs  und  vorlieh  unterm  4.  Juni  1616^  dem  Ptlrger  die 
(kommende  mit  der  Bedingung,  dass  er  jährlich  um  den  1.  Mai 
ivgolmiissig  die  herkömmliche  Pension  oder  Responsion  nach 
Prag  ontrichto.  Gleich  bei  seinem  Antritte  ergaben  sich  An- 
stände, deriMiwegen  er  sich  am  15.  Juli  *  an  den  Ordenskamder 
Hr.  Melchior  (luiss  nach  Prag  wandte.  Püi^r  hätte  das  £U 
luH*li  angosohlagene  Inventarium  von  seinem  Vorgänger  über- 
nohnion  sollen,  während  der  Hausrath  nach  seiner  Ansicht  über- 
sehtltzt  und  das  Gt>treide  seither  im  Preise  gesunken  wäre. 
Si*hlimiuer  stand  die  Sache  wegen  des  von  Scheiber  erkauften 
IfUtes  im  Saustall  IX^r  Landesvicedom  Namens  der  landes- 
t\lrstliehen  Patrv>natspfarre  St.  Gandolf,  welche  Scheiber  in  Bezog 


IHt«  hin  0«. 


879 

auf  Baureparaturen  völlig  vernachlässigt,  da  ihr  Erträgniss  zur 
Deckung  des  Pulster  Deficits  verwendet  worden  war,  machte 
Ansprüche  auf  das  Gut  mit  der  Begründung,  dass  Scheiber 
dasselbe  in  seiner  Eigenschaft  als  Pfarrer  von  St.  Gandolf  ge- 
kauft, und  wollte  sich  nur  dann  zufrieden  geben,  wenn  ihm 
die  Hälfte  des  Werthcs  ausbezahlt  würde.  Der  Vermögensstand 
der  Commende  ergab  1616  ein  Minus  von  185  fl.  22  kr.  2  Pfen- 
nigen. Was  auf  diese  Eingabe  Scheiber's  hin  von  Prag  aus  ge- 
schah, ist  unbekannt.  Allein  die  fortwährenden  Klagen  über 
die  schlimme  Lage  der  Conmiende  Pulst  —  vermuthlich  liefen 
auch  von  anderen  Commenden  ähnliche  ein  —  mögen  es  wahr- 
scheinlich mit  verursacht  haben,  dass  der  Ordensritter  Niclas 
Karl  von  Gaschin  und  Rosenberg  ohne  Vorwissen  des  böhmi- 
schen Grosspriors  Heinrich  Freiherm  von  Logau  sich  eine 
Bulle  des  Grossmeisters  zu  Malta  ddo.  1624,  Juni  22,  zu  ver- 
schaffen wusste,  worin  die  Absetzung  der  Priestercomthure  und 
Einziehung  ihrer  Commenden  mit  der  Begründung  verfügt  wurde, 
dass  sie  nicht  aus  dem  Prager  Convonte  hervorgegangen,  son- 
dern vom  böhmischen  Grossprior  ernannt  wurden,  sohin  säcular 
erscheinenJ  Diese  Verftlgung  traf  auch  den  Comthur  Pürger, 
welcher  ja  bis  zu  seiner  Ernennung  zum  Comthur  von  Pulst 
durch  den  Grossprior  ein  weltlicher  Priester  der  Diöcese  Gurk 
gewesen  war.  Er  machte  seine  GegenvorsteUungen,  welche 
auch  das  Resultat  hatten,  dass  er  bis  an  seinen  Tod  Comthur 
von  Pulst  blieb;  er  erscheint  ausser  1622  noch  1635  als  Sieglcr 
von  Urkunden.2  Doch  hatte  die  Bulle  des  Grossmeisters  vom 
Jahre  1624  zur  Folge,  dass  fürderhin  kein  Priester  überhaupt 
und  kein  solcher  aus  Kärnten  die  Würde  eines  Comthurs  be- 
kleidete, sondern  ein  Ordensritter  aus  vornehmem  Stande,  welcher 
in  seinem  Einkommen  nicht  allein  auf  die  magere  Commende 
Pulst  angewiesen  war.  Derselbe,  meist  von  Pulst  abwesend, 
wurde  dort  durch  einen  Administrator  in  Hinsicht  auf  den  welt- 
lichen Besitz  vertreten,  während  ein  Geistlicher  unter  dem  Titel 
Vicär  der  Seelsorge  oblag.  Oft  war  der  Vicär  auch  zugleich 
Administrator. 


*  Prag  16.  Dieser  wichtige  Act  konnte  mir  leider,  weil  unauflindbar,  zur 
Bentltzung  nicht  vorgelegt  werden  und  ich  war  sohin  auf  die  kargen 
Worte  des  Archivkatalogs  gewiesen. 

5  Orig.  Ver. 


380 

Wann  Pürger  gestorben  ist,   wissen  wir  nicht.     Da  es  in 

einem  späteren  Actenstücke  ^  heisst,  er  sei  über  25  Jahre  Com- 

thur  von  Polst  gewesen,  so  kann  er  irühestens  1642  vom  Tode 

ereilt  worden  sein. 

8.comthur:  Pürger's   Nachfolger  ist   Graf  Johann  Josef  von  Herber 

ohann  jowf  ^^^^^^     Derselbe   wurde   ca.  1630  als   Sohn   des  Johann  Max, 

uru   TOD  ^ 

Herb«ntetn    seit  1648  Landeshauptmannes  in  Steiermark,  und  der  Eleonore 
i6M-ie9i.    Katharina,   geb.  Freün  von  Brenner,  geboren   und  trat  frOh  in 
den  Johanniterorden  ein.     Nehmen  wir  an,    dass   er  frühestens 
im  Alter  von  24  Jahren  die  Conmiende  Pulst  angetreten  haben 
kann,  so  kommen  wir  auf  das  Jahr  1654;  doch  scheint  Herber- 
stein gemftss  den  Gurker  Consistorialacten  schon  1652  Comthur 
von  Pulst  gewesen  zu  sein.^    Er  diente   seinem   Orden  haupt- 
sächlich als  tapferer  Krieger,   kämpfte  gegen   die  Ungarn  and 
Türken.     Gegen   letztere   ward  er  1686  Befehlshaber  der  Mal- 
teserflotte.     Auch   hatte  er  sich   1664  in  der  Schlacht  bei  St 
Gotthard  ausgezeichnet.     1676  erhielt  er  die  Würde  Grossbailli 
deutscher  Zunge  in  )[alta,   1682   die   eines  Grosspriors  in  Un- 
garn.    Er  ist  auch   der  Stifter   der  Commende   St.  Josef  bei 
Karlstadt  (^1689).    Zuletzt  bis  an  sein  Lebensende  war  er  com- 
maudironder  General  in  Croatien,  Slavonien  und  den  österreichi- 
schen  Seeküsten.     Bei   seiner   kriegerischen   Thätigkeit   ist  es 
iH^groiflich,    dass  Herberstein  nicht  viel  Gelegenheit  hatte,  sich 
in  Pulst  aufzuhalten. 

Nach  dem  Tode  Pürger's  bestellte  der  Gurker  General- 
vicUr  Sebastian  Vinoschitz  proWsorisch  den  Bartholomäus  Po- 
litzer, später  Pfarrer  in  Micheldorf  bei  Friesach,  flir  die  Seel- 
sorgo  in  Pulst,  ohne  dass  Jemand  eine  Einsprache  dagegen 
erhoben  hätte.  Allein  Bartholomäus  brachte  es  nicht  zu  einer 
derinitivon  Anstellung.  Als  eigentlicher  Vicär  von  Pulst  4ritt 
uns  Simon  Peter  Schadamar*  entgegen,  welcher  aber  schon 
1(563  die  Pfarre  Friedlach  erhielt,  wodurch  das  Vicariat  Pulst 
(luroli  Resignation  erledigt  wurde.  Wie  die  Anstellung  Schada- 
nmr'H  zu  Stande  kam,  ist  unbekannt.    1654,  am  24.  September, 

I  CouniHi.  I. 

^  WiirÄimch,  Biograph.  Lexikon  8,  338. 

*  CoiiMiHt.  I,  II.    Alle  Nachrichten,  fiir  welche  im  Folgenden  keine  Quelle 
iin^ogf^ben  iHt,  ntammen  aus  dem  Gurker  Consistorialarchiv  in  Klagenfnrt 

*  Hfriitiiior*H  Verzeichniss  führt  Schadamar  als  Comthnr  von  Pulst  an,  w« 
dun  thntHUchlichen  Verhältnissen  nicht  entspricht. 


irandot  eich  der  Giirker  Generalvicttr  Orefici  an  den  Comthur 
Sterborstcin.  Er  betont,  dasa,  nachdem  nun  mehr  nls  ein  Jahr 
init  Erledigung  des  Vicariates  Pulst  verflossen  sei,  eigentlich  es 
OBre  devoluto'  dem  Bischöfe  von  Gurk,  Erzherzog  Sigmund 
BiranK,  zustehe,  einen  Priester  dorthin  zu  ernennen,  bittet  aber 
mn  Conithur,  zur  Erhaltung  guter  Nachbarschaft  nochmals  ehc- 
•tens  einen  geeigneten  Geistlichen  zu  prSsentiren.  Ein  Vorschlag 
erfolgte  aber  nicht  und  verblieb  Schadamar  noch  bis  April  1655 
in  Pulst,  bis  er  endlich  an  Orifici  meldet,  dasB  er  im  Begriffe 
stehe,  seine  Station  zu  verlassen,  mit  dem  Ansuchen,  einen  Nach- 
;er  zu  bestimmen,  damit  dieser  das  Inventar  übernehme. 
licbzeittg  verstandigte  der  Herberstein' sc  he  Advocat  in  Kla- 
iirt,  Dr.  Waitz,  den  General  vi  ctlr,  er  habe  vom  steirischcn 
Ijandesbauptmanne,  dem  Vater  des  Comthurs,  die  Nachrieht 
erhalten,  dass  der  Johanniterorden  dem  Bischöfe  von  Gnrk 
durchaus  keine  Jurisdiction  zugestehen  wolle.  Und  so  stellte 
der  Bevollmächtigte  des  Comthurs  Herberstein,  Michael  von 
CastoUz,  k.  Ratli  und  (Jberaufachlager  zu  St.  Veit,  einen  Priester 
ittis  Krain  Namens  Adam  Promik  zu  Pulst  an,  ohne  denselben 
iMrerst  dem  Gurkei-  (.)rdinariate  zu  Examen  und  Approbation 
:iistcllen.  Premik,  nach  Gurk  citirt,  erscheint  nicht  und 
Vird  infolge  dessen  ,a  divinis'  suspendirt  und  an  seine  Stello 
«in  anderer  Geistlicher  vom  Ordinariate  nach  Pulst  abgeordnet 
und  in  einer  Fihalkirche  gelegentlich  des  Kirchweihfestes  der 
Pfarrgemeinde  als  Curat  vorgestellt.  Auch  Casteliz  ist  anwesend 
ittnd  pr»t«stirt  vor  dem  Altare  gegen  diese  Ernennung.  Einige 
;c  später  vertreibt  Casteliz  den  Curaton,  dessen  Name  nnbo- 
tnnt  ist,  vollständig,  so  dass  derselbe  genöthigt  ist,  bei  einem 
in  Feistritz  Unterkunft  zu  suchen.  Am  nÄchsten 
itage  eilt  Generalvicäi-  Orefici  nach  Pulst.  Er  findet  die 
ihenthUrcn  geschlossen.  Es  wird  ihm  bedeutet,  der  snspon- 
VicÄT  Premik  sei  nicht  zu  Hause.  Der  Generalvicllr  iHsst  die 
iken  Unten,  es  erscheint  viel  Volk,  doch  die  Kirebcnthüren 
len  sich  nicht.  Endlich  zeigt  eich  Casteliz,  den  Grctici  um 
Kirchenschlllssel  bittet.  Casteüx  weist  ein  Decret  des  Com- 
Herherstein  vor,  denmacb  der  von  Gurk  eingesetzte  Curat 
Pulst  nicht  geduldet  werden  dilrfe,  und  entfernt  sich  sodann, 
ohne  die  KirchenseblHsscl  auszufolgen.  BestUrzt  bleibt  der 
OeneralvicÄr  stehen.  Es  erübrigt  ihm  nichts,  als  trotz  des  äonn- 
til^   flas  Volk   ohne   Gottesdienst   zu   lassen    und   dasselbe   zu 


II  foigei 
KUeic 
^eufi! 


aas  I 
^Vorei 

Fvird 


I 


382 

ermahnen,  die  Messe  in  einer  der  benachbarten  PfiEtrrkirchen 
zu  hören.  Tags  darauf  aber  begibt  sich  Orefici  zum  kämt- 
nerischen  Landeshauptmann  Grafen  Kroneck,  damit  Casteliz 
durch  das  ,brachium  saeculare'  gezwungen  werde,  die  Kirchen- 
schlUssel  herauszugeben  und  dem  Curaten  den  nothwendi- 
gen  Unterhalt  zu  reichen.  Der  Landeshauptmann  sendet  ein 
Mandat  an  Casteliz;  doch  bewirkte  es  nichts.  Im  G^;en- 
theil  überschickt  dieser  dem  Generalvicär  einen  Befehl  der 
Grazer  Regierung  des  Inhaltes,  dass  Orefici  von  den  Angriffen 
und  Censuren  gegen  Pulst  abstehen  möge.  Der  Generalvicär 
bleibt  die  Antwort  nicht  schuldig;  leider  ist  sie  nicht  erhalten. 
Seither  ist  Alles  äusserlich  still.  Ein  desto  lebhafterer  Briefwechsel 
zwischen  dem  Landeshauptmann  Graf  Kroneck  von  Kärnten  und 
dem  von  Steiermark,  dem  Vater  des  Comthurs,  entwickelte  sich. 
Endlich  tritt  Landeshauptmann  Graf  Kroneck  als  Vermittler 
auf.  Es  wird  ein  Vergleich  vorgeschlagen,  demnach  Premik 
dem  Gurker  Ordinariate  zur  Prüfung  und  Approbation  vo^ 
geschlagen  werden  sollte.  Der  Generalvicär  geht  darauf  nicht 
ein,  er  verlangt  die  Entfernung  des  Premik,  welcher  trotz  seiner 
Suspension  in  Pulst  Gottesdienst  gehalten.  Es  solle  der  Com- 
thur  einen  andern  qualificirten  Priester  ohne  Präjudiz  der  beider- 
seitigen Rechte  präsentiren.  Die  Sache  verzögerte  sich,  da  der 
Vertrag  vorerst  dem  böhmischen  Grossprior  und  dem  Bischöfe 
von  Gurk,  damals  Erzherzog  Sigismund  Franz,  zur  Genehmi- 
gung und  Mitfertigung  hätte  vorgelegt  werden  müssen. 

Indess  lässt  der  Generalvicär  den  von  der  Mutt^rkirche 
vertriebenen  Pulster  Curaten  in  der  Filiale  Lebmach  functioniren. 
Orefici  wendet  sich  sodann  hauptsächUch  wegen  des  Vertrages 
um  Rath  und  Einfiussnahme  an  das  Salzburger  Consistorium. 
Eine  Einmischung  wird  abgelehnt,  doch  in  einer  Zuschrift  vom 
14.  Jänner  1656  gerathen,  den  Curaten  von  Pulst  nicht  abza- 
borufen,  da  hiedurch  ein  Präjudiz  geschafften  würde,  Casteliz^ 
welcher  sich  immer  noch  die  Kirchenschlüssel  herauszugeben 
weigert,  erst  durch  die  weltliche  Gewalt  belangen  zu  lassen, 
und  ist  dies  erfolglos,  dann  erst  zu  excommuniciren.  Die  Rechte 
Gurks  in  Bezug  auf  Pulst  wurden  von  Seiten  Salzburgs  als 
unanfechtbar  angesehen. 

Der  geplante  Vertrag  reducirte  sich  endlich  auf  ein  ein- 
faches Uebereinkoumien  zwischen  dem  Gurker  Qischof  und 
Comthur   Herberstein,    das   im  December   1656   abgeschlossen 


388 

wurde.  Der  gewöhnlichen  Präsentationsformel  des  Comthurs: 
^pro  animarum  cura  et  approbatione^  sollen  die  Worte  ,citra 
praeiadicium  ac  salvis  tarn  nostrae  .  .  .  religionis  (des  Ritter- 
ordens) qnam  ordinarii  Gurcensis  iuribus,  quousque  causa  iuris- 
dictionis  ordinariao  in  paroehia  Pulst .  .  .  inter  utramque  partem 
controversa  in  curia  Romana  decidatur^  hinzugefügt  werden. 
Der  Comthur  wollte  anfangs  im  Vorbehalte  der  Rechte  des 
Bisthums  nicht  gedenken,  gab  aber  schliesslich  nach.  Der  ganze 
Streitfall  war  also  vor  die  päpstliche  Curie  gebracht  worden. 
Auf  Grund  dieser  Vereinigung  präsentirte  Comthur  Herberstein 
(ddo.  1657,  März  27,  Graz)  den  Priester  Georg  Habat  als  Vicär 
ftir  Pulst  zur  Prüfung  und  Approbation,  nach  dessen  Abgang 
1660,  14.  Mai,  durch  seinen  Bevollmächtigten  Dr.  Calvucci  den 
Rupert  Clamer.  Am  selben  Tage  schliesst  der  Comthur  einen 
Vertrag  mit  Clamer,  demnach  er  diesem  auch  die  Commende 
zur  Administration  auf  drei  Jahre  überlässt,^  wofür  der  Ad- 
ministrator sich  verpflichtet,  die  Landsteuem  zu  zahlen,  jähr- 
lich 100  kaiserliche  Gulden  oder  150  rheinische  Gulden  in 
zwei  Raten  zu  entrichten,  sowie  jedes  Jahr  mindestens  12  rhei- 
nische Gulden  für  Bauherstellungen  zu  verwenden. 

Eine  Feuersbrunst  verzehrte  1662  die  Commende  voll- 
ständig^ jedoch   baute  Comthur  Herberstein  Alles   wieder   auf. 

Der  Nachfolger  Clamer's  war  Mathias  Warschnik  seit  1665. 
Er  erlangte  das  Vicariat  gerade  in  der  Zeit  der  Sedisvacanz 
nach  dem  Tode  des  Bischofes  Sigismund  Franz,  auf  welche 
Weise  ist  unbekannt.     Doch  zog  er  bald  wieder  ab. 

Im  Jahre  1666  wurde  zu  Pulst  ein  Meliorationsprocess 
abgehalten.  Zu  einem  solchen  war  gemäss  den  Ordensstatuten 
ein  jeder  Comthur  mindestens  alle  25  Jahre  einmal  verpflichtet. 
Das  Protokoll  über  einen  solchen  Meliorationsprocess  hiess  Ca- 
breum.'^  Es  ist  dies  ein  Inventar  der  liegenden  Güter  einer 
Commende  mit  Grundbeschreibung  und  einem  Berichte  über 
den  früheren  und  jetzigen  Zustand  derselben,  sowie  mit  einem 
authentischen  Zeugnisse  über  die  Meliorationen.  Das  Pulster 
Cabreum  vom  2.  November  1666^  ist  vom  öffentlichen  Notar 
Johann  Adam  Niclas  und  den  kaiserlichen  Oberamtsgeschworenen 


>  Prag  16. 

«  Vgl.  Du  Gange,  Glossarium  (1842)  2,  10. 

»  Prag  20. 


384 

zu  St.  Veit  Wolf  Wässner  imd  Peter  Schreinmacher  als  Zeugen 
gefertigt.  Der  Zustand  der  Kirchen-  und  Commendengebäude 
stellt  sieh  gemäss  des  Cabreums  folgendermassen  dar.  Die  ge- 
mauerte^ mit  Stein  gedeckte  Kirche  liegt  in  einem  ummauerten, 
mit  drei  Thüren  versehenen  Friedhof.  Die  Kirche  hat  vier 
Altäre,  davon  der  Hauptaltar  wie  das  ganze  Gotteshaus  Maria 
Schutzmantel;  der  zweite  Johann  dem  Täufer^  der  dritte  den 
Heiligen  Florian  und  Valentin,  der  vierte  endlich  dem  heiligen 
ELreuz  geweiht  ist.  Kirche  und  Sacristei  sind  gewölbt;  gegen 
Westen  steht  der  viereckige,  gewölbte  Thurm  mit  vier  Glocken 
und  einer  grossen  Schlaguhr.  Auf  dem  Friedhofe  liegt  eine 
zwar  noch  bedachte  und  bauständige,  inwendig  aber  ganz  öde 
Capelle.  Die  Kirche,  seit  Alters  Pfarrkirche,  hat  zwei  Filialen, 
eine  bei  St.  Veit  ausser  der  Stadt  bei  dem  Fleischbänkenthor 
St.  Johann  Baptist,^  woselbst  viermal  des  Jahres  Gottesdienst 
gehalten  wird,  die  andere  zu  Pupitsch,  dem  heiligen  ürban 
geweiht,^  worin  aber  seit  elf  Jahren  kein  Gottesdienst  mehr  hat 
statthaben  können,  da  sie  durch  Vieh  und  auf  andere  schmäh- 
liche Art  entweiht  wurde.  Eine  Neueinweihung  konnte  infolge 
Abwesenheit  der  Gurker  Bischöfe  von  ihrer  Residenz  noch  nicht 
vorgenonmien  werden.  Ausserdem  obhegt  der  Pfarre  Pulst  die 
Providirung  der  dem  Nonnenkloster  zu  Goess  in  Steiermark 
gehörigen  Bartholomäikirche  zu  Lebmach. 

Dem  Cabreum  nach  ist  endlich  das  vor  zwei  Jahren  ab- 
gebrannte, aber  wieder  hergestellte  Oommendcnhaus  ein  schlech- 
tes altes  Gebäude,  weil  es  alle  Zeit  nur  eine  Caplan-Commende 
gewesen. 

Erst  1668  hören  wir  wieder  von  einem  Pulster  Vicär.  Am 
19.  Juli  schreibt  das  Gurker  Consistorium  an  Gregor  de  Lucä, 
Bestandinhaber  oder  Temporalienadministrator  der  Commende 
Pulst  und  den  vom  Comtliur  Herberstein  dahin  abgeordneten 
Commissär  Franz  Steinberger,  dass  man  die  Präsentation  des 
Priesters  Clemens  Tanzenberger  fiir  Pulst  zwar  erlialten;  allein, 
dieselbe  halte  sich  nicht  an  das  1656  vereinbarte  Formular, 
welches  Versäumniss  man  nachholen  möge.  Bis  dahin  soll  die 
Admission  des  Tanzenberger  zur  Scelsorge  in  suspenso  bleiben. 
Doch  hat  das  Ordinariat  demselben  nach  entsprechendem  Examen 


J  Vgl.  8.  367. 

2  Ileute  ein  Baiiornhaiis  ,beiin  Wendel*. 


1  Approbation  die  ÄagUljung  der  Soelsorge  einstweilen  erlaubt, 
mit  die  Pulater  Gemeinde  keinen  Schaden  leide.  Dieses  Zu- 
tetilndniss  und  der  Umstand,  dass  infolge  des  zweimal  rascli 
iciieinander  eintretenden  BiBcliofweehaols  in  Gurk  (1673  und 
■75)  auf  die  noch  ausstälndige  ordeutliehe  Prfleentation  Tanzen- 
Srger'a  vergessen  wurde,  sollten  Hlr  das  Ordinariat  von  übler 


Ende  April   1682   entsagte   Tanzenberger   mit  Erlaubniss 

I  Bischofea  von  Gurk  der  weiteren  Ausübung  der  Seolsorge 

It  Pulst  und  es  stcJlte  sich  dem  Consistorium  der  aus  Klagenfurt 

gebllrtige  Paul  Fiseher  mit   der  Bitte  vor,    ihn    provisorisch    in 

l^ulst  anznstellen,    da  er  die  aiehere  Hoffnung  liege,  vom  Com- 

thur  llerberstein,  sobald  dieser  ins  Land  käme,  die  PrUsentotiou 

^Kp  erlangen.     Obzwar  Fischer  bereits  seit  zwölf  Jahren  in  der 

^Hnöcese  Gurk  als  Ptiester  thätig  war,  wurde  er  dennoch  noch- 

^H(a!a   geprüft   und  für  tauglich  befinden.     Fischer  stirbt  schon 

^^B  August,  ohne  die  angehoffte  Priteentation  erhalten  zu  haben. 

^^pDch  am  Tage  des  Leichenbegängnisses  erhielt  der  Curat  ven 

^^Blantschach   und   -Sorg,   Josef  FUsal,   ein  Deeret   vom  Gurker 

Consistorium,  einstweilen  die  Seeiaorge  in  Piüst  zu  ilbemelimen, 

und  sich  darüber  vor  dem  Herberste  in 'sehen  Pfleger  der  Com- 

mende,  Frana  Pogathey  (zugleich  Pfleger  von  Liemberg),  aus- 

pvreisen.     Ftlssl  konnte  ungehindert  functioniren,   doch  erhielt 

r  keinen  Lohn  hiefür,  worüber  er  sich  beim  Consistorium  be- 

da   er  ja   in   Olantschach   einen   Vertreter   auf  eigene 

wten  bestellen  musste. 

Indessen    wartete   man  vergeblich  in  Ourk  auf  eine  Prä' 
mtation  von  Seiten  des  Comthurs.    Im  October  sehreibt  daher 
•hot  Johann  VIH.  an    den   zu  Karletadt  weilenden  Herber- 
en und  fordert  denselben  auf,   bis   zum   25.  November  einen 
teignetcn  Priester  zu  präsentiren.  widrigenfalls  das  Ordinariat 
ILst  in   Pulst   einen  Vicär  einsetzen  werde.     Auch  bittet  der 
ichof  um  entspreehende  Kutlohnung  des  Provisors  Füssl  und 
I  ErUssung  eines  Befehles  an  die  Bediensteten  des  Comthurs, 
ide  Verletzung   der   Rechte   Gurks   künttighin   zu    vermeiden. 
1  19.  October  antwortet  Oomthur  Herberstein:  die  Comthure 
ten  stets  ihre  Vicitre  ernannt,  welche  sich  einfach  beim  Or- 
IbariAte  anmeldeten,  wie  dies  zuletzt  auch  bei  Fischer  der  Fall 
Wesen  und  seit  '2^  Jahren,  seit  er  die  Oommencle  inne  habe, 
Bier  geschehen.     Alle  früheren  Bischöfe  von  Gurk  seien  mit 


386 

ihm  zufrieden  gewesen,  und  so  hoffe  er,  es  werde  auch  iß  Zu- 
kunft so  sein.  In  der  Antwort  vom  7.  November  gibt  der  Bi- 
schof seiner  Verwunderung  Ausdruck,  dass  Herberstein  auf  die 
vielen  Präsentationen,  welche  bereits  seit  dessen  Antritt  der 
Commende  erfolgt  sind,  und  sogar  auf  das  freundschaftliche 
Uebereinkommen  vom  Jahre  1656  vergessen  zu  haben  scheine. 
Zu  Pulst  tritt  inzwischen  Johann  Josef  GiUi  als  Secretär  des 
Comthurs  Herberstein  mit  dem  Sitze  in  Liembei^  auf.  Derselbe 
wollte  es  mit  dem  Qurker  Ordinariate  nicht  ganz  verderben. 
Unter  der  Hand  schickt  er  einen  Bericht  über  ähnliche  Juris- 
dictionsstreitigkeiten  zwischen  dem  Erzbischofe  von  Prag  und 
dem  Orden  ein,  infolge  dessen  sich  das  Gurker  Ordinariat 
um  nähere  Auskünfte  nach  Prag  wendet. 

Am  1.  Jänner  1683'  gibt  Johann  Josef  Graf  von  Herbe^ 
stein,   Qrossprior  von   Ungarn   und   Comthur   von  Pulst,   seine 
Commende  dem  Geistlichen  Peter  Winter  als  Administrator  auf 
drei  Jahre   um  jährlich   200  fl.  in  Bestand.     Winter  hat  die 
Steuern  zu  zahlen,  die  Baureparaturen  zu  besorgen  und  200  fl. 
Caution  zu  erlegen.     Nachdem  aber  die  Commende  im  letzten 
Sommer  vollständig  abgebrannt  war,  verpflichtete  sich  Herber 
stein,    dieselbe   sobald   als   möglich   mit  Ausnahme    der   einge- 
äscherton Commendenmühle   aus   eigenen  Mitteln   wieder  voll- 
ständig aufzubauen.   Am  12.  Jänner  entschuldigt  sich  Gilli  beim 
Ordinariate  wegen  der  verspäteten  Präsentation,  und  schon  am 
nächsten  Tage    stellt   sich  in  Strassburg  der  Weltpriester  der 
GuVker  Diöcese,  Peter  Winter,  mit  einem  der  Vereinigung  vom 
Jahre    1656   entsprechenden   Präsentationsbriefe   des    Comthurs 
vor,  dessen  Unterechrift  aber  fehlte.     Man  bedeutete  dies  dem 
Candidaten  und  Gilli.    Am  21.  Jänner  kommt  Comthur  Herber 
stein  persönlich  nach  Pulst  und  trägt  die  fehlende  Unterschrift 
nach.     Nur  spricht  er  den  Wunsch  aus,  Winter,  der  ja  schon 
einmal  flir  die  Seelsorge  geprüft   worden   sei,   nicht   mehr  zn 
examiniren,  weil  es  nie  üblich  war,  mit  für  Pulst  präsentirten 
Geisthchen  in  dieser  Weise  vorzugehen.    Ende  Jänner  erscheint 
Winter  mit  dem  gehörig  ausgefertigten  Präsentationsinstrumente 
vor  dem  Gurker  Consistorium,  wird  trotzdem  geprüft  und,  ob- 
zwar  er  hinter  dem  Mittelmasse   zurückblieb,    für    die   Pfarre 
Pulst  mit  der  Begründung  approbirt,   dass    elbe  schwach  bc- 

J  Prag  17. 


tmd 


Ikert   lind   in  iIlt  Nähe  von  St.  Veit  und  Klageufurt  gelegen 

allwo  sicL  der  Viciir  in  schwierigen  Fällen  ßaths  erliolRn 

köane.  Winter  leistete  auch  den  vors chrit^mtlss igen  Eid  in  die 

Hände  des  bischöflichen  Comraisaära  Johann  Stieff  von  Kriinzcn, 

ipst  za  Kreig. 

Nicht  einmal  einen  Monat  tibte  Winter  die  Seelsorge  äus, 

Clemens  Tanzenherger,   nunmehr   PfaiTei-  von   Gradenegg, 

den  biBchöfliehen  Coromissären  am  25.  Februar  eidlich  fol- 

ide  Aas§age  macht:   Sonntag,  den  7.  Februar,  kam  Tanzen- 

irger,   von  Winter  au  Tische  geladen,   noch   vor  Schluse  der 

Meese    nach   l*ulst.     Auch   SecretSr   Gilii   war   in   der  Kirche. 

Mach  dem  Gottesdienste,  als  Tanienbergor  mit  Winter  aus  der 

Sacristci  trat,   wttrtcte  schon  Gilli  zwei  Schritte  vor  der  Thtlr. 

Das  Kirchenvolk   hatte   sieb   meist   verlaufen,   es   standen   nnr 

noch  Hanns  Ernst  Freiherr  von  Seenusa,  die  Kirch enkftmmerer 

einige   Männer   nn<i  Weiber   da.     Winter   blieb   vor   dem 

icretttr  stehen,  welcher  nun  ungefähr  folgend crmassen  zu  reden 

lub:  Nachdem  Fischer  gestorben,  habe  Winter  über  Präaen- 

ion   des  Oorathurs  vom   Bischöfe  von  Gurk  die  Pfarre  Pulst 

erhalten,  und  es  lilge  ihm  (Gilli)  Namens  des  Grafen  die  Pflicht 

ob.  Winter    der    Pfarrgemeinde    als    ihi-en    rechtmässigen    Seel- 

soi^er,  dem  sie  Gehorsam  imd  Ehrfurcht  schuldet,  vorzustellen. 

Den  Viciir  ermahnte  OiUi,  wachsam  und  fleissig  zu  sein,  damit 

keine  Klagen  in  Hinsicht  des  Gottesdienstes  einlaufen.     Nach- 

dem  Gilli  zu  reden  aufgehört,  verneigte  sich  der  Vicär  Winter, 

ih  aber  kein  Wort.     Hierauf  dankte  Seenuss  Namens  der 

imeinde  dem  Secrctär  Gilli  daiUr,  dass  die  Gemeinde  endlich 

[er  oimnal  mit  eiuem  ordentlichen  Seelsorger  versehen  sei. 

Diesen   Vorgang  l»-sUltigt   auch   der  am    16.  März   nach 

ibtirg  berufene  Winter  und  filgt  hinzu,  dass  ihm  Gilli  Alles 

schon  zwei  Tage  vorher  angekündigt.    Obzwar  sich  Winter 

Uokenntniss    der  Verhältnisse    entschuldigte,    wird    er    zur 

ife   in   Strassburg   durch   zwei  Tage  in  einem  Busszimmer 

■gesperrt,   sodann   auf  seine   Bitten   hin   entlassen.     An  Gilli 

lg  ein  Ermahnungssch reiben,   binnen  zwölf  Tagen  vor  der 

lor  Kirche  zu  «-idevrufen  und  die  Unreohtmässigkeit  seiner 

itroductionshandlung  Ötfentlieh  zu  verkünden,  widrigenfalls  über 

die  Excoramunication  verhängt  werden  würde.  Uer  Secretär 

ortet  am  24.  März  lUS'd,  er  begreife  nicht,  wie  er  die  diö- 

le  Jurisdiction  verletzt  haben  künne,  da  selbe  strittig  sei; 


388 

diese  Introductionen  seien  auch  bei  anderen  Commenden,  z.  B. 
Heilenstein  und  St.  Peter  in  Krain  üblich. 

Uebrigens  habe  er  im  Auftrage  des  Comthurs  gehandelt. 
Auf  letzteres  hin  schreitet  der  Bischof  nicht  mit  der  Excom- 
munication  ein,  sondern  verschiebt  dieselbe,  wie  er  Gilli  meldet, 
bis  er  mit  dem  Comthur  ins  Reine  gekommen.  Letzteren  bittet 
Bischof  Johann  VIII.  am  9.  April,  ihm  Genugthuung  von  Gilli 
zu  verschaffen,  gegen  welchen  er  nur  zur  Erhaltung  nachbar- 
licher Freundschaft  nicht  gleich  mit  Kirchenstrafen  vorge- 
gangen. 

Winter  wird  auf  den  Gründonnerstag  in  die  Gurker  Kathe- 
drale citirt,  um  bei  der  Oelweihe  ab  Diakon  zu  assistiren,  ent- 
schuldigt sich  jedoch  unter  Vorweis  eines  Decretes  des  Com- 
thurs, worin  dieser  ihm  bei  Strafe  der  Entsetzung  von  seiner 
Pfründe  und  Einziehung  all  seines  Hab  und  Gutes  verbietet, 
ohne  ausdrückliche  Erlaubniss  auch  nur  einer  Citirung  von 
Seiten  des  Bischofs  Folge  zu  leisten  oder  bei  einer  Synode  zu 
erscheinen. 

Indessen  traf  am  21.  Mai  vom  Kanzler  des  Prager  Erz- 
bisthums  die  gewünschte  Aufklärung  über  die  in  der  Diöcese 
Prag  gelegenen  Johanniterpfarren  ein.  Es  werden  zwei  Gat- 
tungen von  Pfarren  unterschieden,  erstens  solche,  welche  von 
Ordenspriestern  providirt  werden,  in  spiritueller  imd  temporeller 
Hinsicht  dem  böhmischen  Grosspriorate  unterstehen  und  von 
diesem  ohneweiters  verliehen  werden.  Zur  zweiten  Gattung 
gehören  jene  Pfarren,  welche  mit  weltlichen  Priestern  besetzt 
werden,  die  vom  Grossprior  dem  Erzbischofe  zu  präsentiren 
sind.  Beide  Arten  von  Pfarren  unterHegen  aber  in  Hinsicht 
auf  die  Seelsorge  der  Correction  und  Visitation  des  Erzbischofes. 

Erst  am  24.  Mai  1683  beantwortete  Comthur  Herberstein 
aus  Graz  den  Brief  des  Gurker  Bischofes  vom  9.  April.  In 
demselben  bedauert  er,  dass  die  bischöflichen  Beamten  die 
ohnehin  innerhalb  weniger  Jahre  durch  zweimalige  Feuersbrunst 
geschädigte  Commende  nicht  in  Ruhe  lassen,  sondern  mit  Ge- 
walt der  Gurker  Jurisdiction  unterwerfen  wollen.  Gilli  habe 
nichts  Anderes  gethan,  als  was  des  Ordens  Gerechtsame  mit 
sich  bringt.  Denn  es  gehe  aus  den  päpstUchen  Privilegien 
sonnenklar  hervor,  dass  der  Orden  in  seinen  Commenden  der 
rechte  Ordinarius  ist,  der  Diöcesan  aber  nur  unter  gewissen 
Bedingungen  als  päpstlicher  Delegat  ein  Visitationsrecht  ausUben 


389 

dürfe.  Der  Bischof  möge  nur  die  noch  ausstehende  päpstliche 
Entscheidung  abwarten. 

Es  trat  eine  Ruhepause  ein. 

Auch  im  Jahre  1684  leistete  der  Vicär  Winter  der  Citirung 
auf  den  Gründonnerstag  zur  Oelweihe  nach  Gurk  mit  Berufung 
auf  das  Decret  des  Comthurs  keine  Folge,  erst  1685,  als  ihm 
von  Seite  Gurks  mit  der  Suspendirung  gedroht  worden  war. 
Im  Mai  kam  Comthur  Graf  Herberstein  nach  Pulst.  Von  seinem 
in  der  Nähe  gelegenen  Schlosse  Liemberg  aus  richtete  er  ein 
Schreiben  an  den  Bischof  des  Inhaltes,  dass  Winter  aus  blosser 
Einfalt  der  Citirung  nachgekommen  sei.  Er  bittet,  in  Zukunft 
alle  Vorladungen  zu  unterlassen,  da  er  Winter  sonst  durch  eine 
taugKchere  Person  ersetzen  müsste.  Er  nennt  den  Bischof  Jo- 
hann VIII.  seinen  gnädigen  Herrn,  erklärt  den  Gurker  General- 
vicär  als  Urheber  der  Belästigungen  Pulsts  und  droht,  falls 
diese  nicht  aufhören  sollten,  mit  der  Sperrung  der  Kirche.  Der 
Bischof  blieb  die  Antwort  nicht  schuldig.  Er  selbst  und  nicht 
der  Generalvicär  Stieff  habe  Winter  citiren  lassen,  dessen  Nach- 
folger nicht  anders  behandelt  werden  würde.  Der  Bischof  habe 
Winter  für  die  Seelsorge  approbirt  und  könne  denselben  ent- 
weder selbst  oder  durch  Commissäre  visitiren  lassen.  Er  habe 
Informationen  aus  Rom  und  Prag,  dass  sein  Vorgehen  ganz 
richtig  sei.  Herberstein  protestirt  den  25.  Juni  von  Karlstadt  aus 
gegen  die  Visitation  durch  Commissäre.  Er  sei  bald  30  Jahre 
Comthur  und  erinnere  sich,  dass  die  Bisehöfe  stets  nur  persön- 
lich Visitationen  vorgenommen. 

Letzteres  wollte  denn  auch  in  der  Folge  Bischof  Johann 
VIU.  thun.  Am  4.  Octobcr  1685  Abends  kam  er  im  Schlosse 
Rosenbichl  dicht  bei  Pulst  an  und  schickte  sofort  seinen  Kammer- 
diener in  die  Commende,  um  die  Visitation  fiir  morgen  Früh 
anzukündigen.  Der  Kammerdiener  jedoch  fand  das  Thor  der 
Commende  verschlossen.  Dasselbe  wurde  ihm  auch  nach  lan- 
gem Pochen  nicht  geöffnet.  Als  in  der  Frühe  alle  Zugänge  in 
die  Commende  und  sogar  die  in  die  Kirche  gesperrt  gefunden 
wurden,  blieb  dem  Bischöfe  nichts  Anderes  übrig,  als  unver- 
richteter  Dinge  abzuziehen.  Winter  verabsäumte  nicht,  sich 
sofort  schriftlich  damit  zu  entschuldigen,  dass  der  Comthur  durch 
seinen  Castellan  im  Schlosse  Liemberg  ihm  und  allen  Com- 
mendadienern  bei  Strafe  der  sofortigen  Entlassung  verboten,  bei 
einer  vorfallenden  Visitation  die  Kirchen-  und  Sacristeischlüssel 

An^iT.  Bd.  LXXYI.  U.  Hälfte.  26 


390 

Jemandem  auszufolgen.     Daraufhin  lud  der  Bisehof  den  Vicär 
bei  Strafe  der  Suspendirung  zur  Verantwortung  vor.     Als  der- 
selbe  nicht   gehorchte,    wurde   er   wirklich   suspendirt  und   an 
seine   Stelle   der   Priester  Veit  Springer   nach  der  Filiale  Leb- 
mach abgeordnet,   um   von  dort  aus  bis  auf  Widerruf  die  Pul- 
ster   Seelsorge   zu   besorgen.     Für   den  Augenblick   fügte   sich 
Winter  in  sein  Schicksal.     Allein  über  Anstiften  des  Comthurs 
erlaubte  er  sich  seit  dem  Osterfeste  1686  wieder  öffentlich  Messe 
zu  lesen.     Graf  Herberstein   hatte   indess   eine  Beschwerde  bei 
der  Grazer  Regierung  eingereicht,   worin  er  sich  über  die  Ex- 
communication   und   Suspendirung   seines  Vicärs   beklagt    Da 
der  Streitfall,  beim  päpstlichen  Stuhle  anhängig,  noch  nicht  ent- 
schieden sei,   so  möge  der  Bischof  von  Gurk  unter  Androhung 
der  Temporaliensperre  zur  Reintegrirung  des  Vicärs  verhalten 
werden.     Ohne    die   Sache   weiter  zu   untersuchen,    erfloss  am 
9.  April  1686  von  Seiten  der  Regierung  an  den  Gurker  Bischof 
ein  ganz  im  Sinne  des  Comthurs  gehaltener  Erlass.  Johann  VIII. 
entgegnete   zunächst   der  Regierung   am  3.  Mai,   dass  eine  Ex- 
communication  von  seiner  Seite  nie  verhängt  worden,  von  einer 
eigentUchen  Litispendenz  bei  der   Curie  könne  nicht  die  Rede 
sein,    da   man   sich    1656   provisorisch   auf  eine   Präsentations- 
formel  bezüglich    des  jeweiligen   Pulster  Vicärs   vereinigt  und 
der   Comthur  in   seinem   Schreiben   vom   25.  Juni   1685*  dem 
Bischöfe    das   Visitationsrecht    ausdrücklich    zugestanden    habe. 
Er   bittet   schliesslich    um    das   ,brachium  saeculare'  g^gß^  ^^^ 
Vicär  Winter.    Nicht  genug  an  dem,  wendete  sich  der  Bischof 
am  10.  Mai  mit  einer  Immediateingabe  an  den  Kaiser  Leopold^ 
worin  er  sich  über  den  Erlass  der  Grazer  Regierung,   welcher 
in  einer  rein  geistlichen  Sache  erflossen  und  daher  gewiss  den 
Intentionen  des  Kaisers  nicht  entsprechend  sei,   beklagte,  wes- 
halb   er   um   Remedur   bittet.     Schon  am   16.  Mai  richtete  der 
Kaiser  ein  scharfes  Rescript  an  die  innerösterreichische  geheime 
Rathsstelle,  worin  er  streng  verbietet,  der  verhängten  Suspension 
Winter's  etwas   in  den  Weg  zu   legen   oder  etwa  gar  dem  Bi- 
schöfe von  Gurk  die  Temporalien  zu  sperren,  und  befiehlt,  der 
Regierung   in   Graz    zu    bedeuten,    künftighin   mit   dergleichen 
Drohungen  gegen  vornehme  Geistliche  nicht  sogleich  ohne  des 
Kaisers   Wissen   zu   verfahren,   sondern   behutsam   umzugehen, 


1  Vgl.  S.  889. 


.  er  mit  dem  päpstlichen  Stuhle  bosonders  bei  ge.gon- 
hRrtigeo  Umständen  niclit  unnötliij;  in  Zwietracht  gerathe.  äollte 
noehmals  das  ,Ijrachiiim'  verlangt  werden,  so  möge  die  Regie- 
rung nach  Geblilir  verfügen. 

t  Winter  hatte  unterdessen  fortwährend  in  Pulst  Gottesdienst 
iahen.  Auf  Ansuchen  des  Bischofs  um  das  .brachium'  im 
ni  schickte  zunächst  die  Regierung  eine  Vurwarnimg  an  den 
mthur  Herberatein.  Allein  da  der  Vieär  Winter  in  seiner 
Unbotmässlgkcit  fortfuhr,  ersuchte  der  Bischof  nochmals  um 
die  Ertheilung  des  ,brachium'.  Miin  zögerte  damit,  weil  Her- 
tein  gerade  in  militärischem  Dienste  von  Graz  abwesend 
Dann  hatte  derselbe  auch  einen  einflusareichen  Vennittler 
E  der  Person  des  Grafen  Leopold  Kollonitz,  Bischofs  von  Raab, 
inden,  welcher  selbst  einmal  das  Malteserkreuz  getragen. 
Wgebens  suchte  dieser  den  Gurker  Bischof  brieflich  zur  Nach- 
pbigkeit  zu  bewegen. 

Uer  Comtliur  Graf  Herberstein  proteatirtc  bei  der  Regie- 
ing  gegen  das  ,brachium'.     Am  35.  September  erliesa  Bischof 
Aiann  ein  Decret  an  die  PuUter  Pfarrgemeinde,  dessen  Inhalt 
itht   bekannt   ist,   worin  aber  walirseheinlich  die  Excommuni- 
i  über  den  Vicär  Winter  ausgesprochen  worden  sein  dlirfte. 
5,  November   endlich   befahl    die   Grazer  Regierung   dem 
Landeshauptmann    in    Kärnten,    gegen   Winter    einzuschreiten. 
Infolge  dessen  wurde  dieser  am  20.  November  auf  das  bischöf- 
^Jüsbe  Schloss  Strassburg  gebracht,    dortselbat   intemirt  und  am 
^^Ki  yor   dem   Consistorium   einem   eingehenden  Verhöre   unter- 
^Hq^en.     Doch   auch    der  Malteser-Grossprior  in  Prag  hatte  von 
^^fflen  diesen  Vorgängen  erfahren.    Derselbe,  Ferdinand  Ludwig 
Liebsteinsky,  Reiehsgraf  von  Kollowrat,  erliess  den  13,  Novem- 
ber '  ein  Patent  an  die  Pulster  Pfarrgemein  de,   worin  er  gegen 
^^hfl   Verfahren  gegen   den   Vicäi'   Winter   Protest   einlegt   und 
^^■lidi'inglich   befiehlt,   nur  in  Winter   den  von  dem  Ritterorden 
^HSiiii  gesetzten,  von  niemand  Anderem  als  von  dem  Grossprior 
nnmittetbar  abhängenden   ordentlichen  Seelsorger  zu  erkennen, 
demselben  ungeachtet  der  kralYlosen  Proclanmtionon  des  Bischofes 
von  Gurk  allen  schuldigen  Gehorsam  in  geistlichen  Dingen  zn 
und   falls   etwas   an  dem  Lebenswandel  und  den  Sitten 
I  Vicärs  zu  tadeln  wäre,   sich   tleshalb   nur   beim  Grossprior 


392 

als  kraft  päpstlicher  Privilepen  wahrem  und  rechtmässigem 
Ordinarius  zu  beschweren.  Aehnlichen  Inhaltes  dllrfte  auch 
ein  verlorener,  an  den  Bischof  Johann  gerichteter  Brief  des 
Grosspriors  gewesen  sein,  welchen  ersterer  am  29.  December 
1686  beantwortete. 

Während  Vicär  Winter  noch  im  Schlosse  Strassburg  fest- 
gehalten wurde,  tauchte  anfangs  des  Jahres  1687  in  Pulst  ein 
Priester  Namens  Johann  Josef  Woschitz  auf,  welcher  ohne  Wei- 
teres doi-tselbst  Gottesdienst  zu  halten  begann.  Kaum  hatte 
man  in  (jurk  davon  erfahren,  so  wurde  der  Piilster  Curat  in 
Lebmach,  Veit  Springer,  beauftragt,  Woschitz  als  unrechtmässi- 
gen PfaiTcr  imd  Eindringling  öffentlich  zu  verkündigen.  Zu- 
gleich erliess  der  Landeshauptmann  liber  Ansuchen  des  Gurker 
Ordinariates  hinter  einander  zwei  scharfe  Befehle  gegen  Wo- 
schitz. Ein  Briefwechsel  zwischen  dem  Prager  Grossprior  und 
dem  Bischöfe  von  Gurk,  welcher  sich  auf  alle  diese  Vorgänge 
bezogen  haben  dürfte,  ist  verloren  gegangen.  Comthur  Herber- 
stein war  nachgiebiger  geworden.  Sein  Bevollmächtigter  de 
Johanni  präsentirte  gemäss  des  Formulars  vom  Jahre  1656  am 
26.  Februar  1687  den  Woschitz.  Das  Ordinariat  wies  aber  die 
neue  Präsentation  an  Stelle  des  suspendirten  Winter,  der  nun 
in  Freiheit  gesetzt  wurde,  ab.  Alle  Bitten  des  Comthurs  waren 
erfolglos. 

Mittlerweile  hatte  Bischof  Johann  VIII.  1686  die  Würde  eines 
Cardinalpriesters  (»Hangt. ^  Infolge  dessen  offenbar  kam  die  seit 
Langem  beim  päpstlichen  Stuhle  anhängige  Streitfrage  zwischen 
Gurk  und  Pulst  in  Fluss.  Es  dauerte  lange,  bis  sieh  beide 
Parteien  über  die  dem  Cardinalscollcgium  vorzulegenden  Frage- 
punkte einigen  konnten.*^  Erst  im  Jahre  1688  wurden  dieselben, 
und  zwar  sechzehn  an  der  Zahl,  dem  Collegium  vorgelegt.  In 
zwei  Sitzungen,  am  7.  und  28.  August,  wurde  darüber  ent- 
schieden. Gemäss  der  Entscheidung  des  CoUegiums  stellte  sich 
die  Sache  von  nun  an  so.  Jeder  Pulster  Vicär  muss  vom 
Gurker  Bischöfe  für  die  Seelsorge  examiniii;  und  approbirt  wer 
den,  auch  wenn  er  schon  für  eine  andere  Kirche  seine  Befähigung 
erhärtet  hat.  Derselbe  kann  sowohl  vom  Bischöfe  als  auch  vom 
Comthur  aus  eigcnier  Machtvollkommenheit  von  Pulst  ammovirt 


^  Schroll,  Series  episcoporum  36. 
2  Prag,  Pulst  IH. 


393 

werden.  Eine  Installation  des  Pulster  Vicärs  steht  nur  dem 
Bischöfe  zu;  doch  ist  dieselbe  nicht  noth wendig.  Weltlichen 
Beamten  des  Comthurs  ist  eine  solche  vorzunehmen  nicht  ge- 
stattet. Eine  Visitation  der  Kirche  in  Hinsicht  auf  die  Seelsorge 
darf  der  Bischof  oder  dessen  Generalvicär  nur  kraft  übertragener 
päpstlicher  Gewalt,  welche  in  jedem  Falle  zu  betonen  ist,  vor- 
nehmen. Dagegen  steht  es  dem  Bischöfe  in  seiner  Eigenschaft 
als  Ordinarius  zu,  den  Pulster  Vicär  in  Hinsicht  auf  die  Seol- 
sorgc,  den  Lebenswandel  und  die  Sitten  zu  visitiren  und  zu 
corrigiren.  Der  Vicär  ist  verpflichtet,  die  Diöcesansynoden  zu 
besuchen,  die  Diöcesanfeste  seinen  Pfarrkindcm  zu  verkünden, 
der  Oelweihc  beizuwohnen,  sowie  das  Oel  und  Chrisma  vom 
Bischöfe  in  Empfang  zu  nehmen  und  überhaupt  allen  Befehlen 
des  Letzteren  in  Bezug  auf  die  Seelsorge,  als  auch  in  allen 
Citirungen  deshalb  zu  gehorchen.  Der  Bischof  hat  dagegen 
bei  dem  Todfalle  eines  Pulster  Vicärs  mit  dem  Begräbniss  und 
der  Inventur  gemäss  der  Ordensregel  nichts  zu  schaffen.  Doch 
soll  der  Bischof  bei  Erledigung  des  Vicariates  den  Comthur 
zur  Präsentation  eines  Geistlichen  innerhalb  der  canonischen 
Zeit  ermahnen. 

Im  Wesentlichsten  war  also  die  Entscheidung  zu  Gunsten 
Gurks  ausgefallen.  Nur  wurde  in  Rom  noch  verfügt,  dass 
die  Seelsorge  von  Lebmach  nach  Pulst  wieder  zu  übertragen 
sei  und  Winter  wieder  als  Vicär  angestellt  werde,  was  auch 
geschah. 

Comthm'  Graf  Johann  Josef  Herberstein  soll  1692  gestor- 
ben sein.  Ob  er  die  Commende  bis  an  sein  Lebensende  inne- 
hatte, ist  zweifelhaft.  Denn  als  1691  der  Pfleger  der  Herrschaft 
Rosenbichl  sich  gewaltthätiger  Weise  im  Commendenhofe  einen 
Kecruten  auszuheben  erlaubte,  so  wird  er  vom  Landeshaupt- 
mann über  Beschwerde  des  Johann  Ferdinand  Grafen  von 
Herberstein,  Malteserorden sritter  und  Receptor  des  böhmischen 
Grosspriorates,  gezwungen.  Letzterem  Genugthuung  zu  leisten. 
Johann  Ferdinand  II.  war  ein  Neffe  des  Comthurs  Johann 
Josef,  ein  Sohn  von  dessen  Bruder  Johann  Ferdinand  I.  Er 
war  1672  in  den  Malteserorden  eingetreten  und  starb  1721. ^ 
Wenn  also  auch  Johann  Ferdinand  IL  Graf  von  Herberstein 
nicht  formlich  Comthur   von  Pulst   war,    so    scheint    ihm   diese 

»  Wurzbach  1.  c.  »,  336. 


394 

doch  auf  irgend  eine  Weise  untergeordnet  gewesen  zu  sein,  bis 

dieselbe  definitiv  1695  wieder  besetzt  wurde. 

comthur:  Es   erlangte   die  Würde   eines   Comthurs  von  Pulst   Karl 

raf  Ton     «Josef  Graf  von  Dietrichstein  aus  der  Weichselstätter-Rabenstein- 

trichstein  schcu    HauptHuie    dicscs   Geschlechtes,    ein    Sohn    des    Grafen 

'^-''^^    Johann  Christof  (f  1704)   und  der  Maria  Elisabeth  Galler  von 

Schwambcrg.    Graf  Karl  Josef  wurde  1721  auch  Comthur  von 

Altbrlinn  und  Oberkralowitz,  1737  Titular-Grossprior  von  Ungarn 

und  starb  den  5.  August  1738  zu  Wien.^ 

Comthur  Dietrichstein  ernannte  laut  eines  1695,  August  13, 
zu  Valette  auf  der  Insel  Malta  gefertigten  Notariatsactes  den 
Johann  Karl  Gaier  in  Graz  zu  seinem  Bevollmächtigten  in  Hin- 
sicht auf  Pulst.  Im  selben  Jahre  am  7.  November  wurde  im 
Auftrage  des  Johanniterritters  Johann  Christian  Frei-  und  Bannen 
herrn  von  imd  zu  Gloyach  ein  neues  Cabreum  verfasst,^  welches 
sich  in  nichts  Wesentlichem  von  dem  uns  schon  bekannten  aus 
dem  Jahre  1666  unterscheidet. ^  Verfertiger  waren:  der  Land- 
schranncnadvocat  Ad.  Seyfned  Prunner,  Nikel  Secher,  Bürger, 
und  Andreas  Rossmann,  kaiserlicher  Oberbergamtseisenspeditor 
zu  St.  Veit. 

Am  10.  Juli  1718  starb,  85  Jahre  alt,  der  Vicär  Peter 
Winter  zu  Pulst.  Er  hatte  längst  einen  Curaten  Namens  Johann 
Struggl  zur  Seite,  welcher  vom  früher  genannten  Bevollmäch- 
tigten des  Comthurs  als  Nachfolger  Winter's  dem  Bischöfe  von 
Gurk  präsentu't  und  von  diesem  auch  approbirt  wurde.  Im 
September  deissclben  Jahres  ward  von  Seiten  des  Bischofes 
Jakob  eine  Visitation^  der  Pulster  Pfarrkirche  und  ihrer  Filialen: 
Lebmach,  St.  Johann  in  St.  Veit  imd  St.  Urban  vorgekehrt 
Erwähnenswerth  ist  nur  der  Befund  zu  St.  Urban.  Diese  Ca- 
pelle  solle  so  bald  als  mögHch  reparirt  und  der  Capellensehatz 
nicht  wie  bisher  bei  einem  Bauer,  sondern  im  Gotteshause  selbst 
verwahrt  werden. 

Vicär  Struggl  schaffte  flir  die  Kirche  zu  Pulst  und  flir 
jene  zu  Lebmach  je  einen  neuen  Altar  an.  Der  erstere  sollte 
aus  einem  mannshohen  Crucifixe  und  einem  Bildnisse  darunter 


^  Erach  und  Griiber,  Encyklopädie,  »Dietricbstein*  S.  148.    Noch  immer  die 
beste  Genealogie  des  Geschlechtes. 

2  Prag,  Pulst  21. 

3  Vgl.  8.  383. 

*  Prag,  Pulst  22. 


395 

mit  Maria^  Johannes  und  Magdalena  bestehen,  der  zu  Lebmach 
der  heiligen  ApoUonia  geweiht  sein.  Da  Stniggl  aber  vor  der 
Aufrichtung  der  Altäre  den  Bischof  von  Gurk  nicht  um  Er- 
laubniss  gefragt,  so  kam  es  1732,  als  dieselben  geweiht  werden 
sollten,  zu  einer  Diflferenz  mit  dem  Ordinariate,  welche  aber 
bald  ausgeglichen  wurde ;  nicht  so  eine  andere,  welche  entstand, 
als  1734  von  Seite  Gurks  eine  Visitation  der  Filiale  Lebmach 
angeordnet  wurde.  Comthur  Dietrichstein  hatte  dem  Struggl 
strenge  verboten,  eine  Visitation  zuzulassen.  Ehe  noch  der  Streit 
grössere  Dimensionen  annehmen  konnte,  starb  1735  Struggl, 
welchem  bereits  seit  Langem  krankheitshalber  ein  Coadjutor 
Namens  Josef  Seepacher  zur  Seite  stand.  Struggl  hatte  testa- 
mentarisch abzüglich  einiger  kleinen  Legate  die  Pulster  Kirche 
als  Universalerbin  eingesetzt.  Seepacher,  welcher  zum  Nach- 
folger Struggl's  ausersehen  war,  hatte  sich  dadurch  beim  Gurker 
Ordinariate  missliebig  und  unmöglich  gemacht,  dass  er  den 
Todesfall  StruggFs  zu  spät  angezeigt.  Infolge  dessen  dirigirte 
das  Consistorium  nacheinander  zwei  Priester  aus  Strassburg  zur 
provisorischen  Besorgung  des  Gottesdienstes  in  Pulst,  bis  endlich 
Comthur  Graf  Dietrichstein  1735,  15.  August,  den  ihm  vom 
Landeshauptmanne  Johann  Anton  Grafen  Goess  empfohlenen 
Johann  Kleindienst,  bisher  Pfarrer  von  Herzendorf,  dem  Bischöfe 
von  Gurk  für  das  Vicariat  Pulst  präsentirte.  Trotz  des  Protestes 
der  Pulster  Pfarrgemeinde  gegen  die  Confirmirung  des  Klein- 
dienst, welchem  ein  übler  Ruf  vorherging,  der  aber  gemäss  der 
stattgehabten  Untersuchung  durchaus  unbegründet  war,  wurde 
dieser  am  29.  September  für  die  Seelsorge  in  Pulst  confirmirt. 
Schon  früher  hatte  der  Comthur  dem  Kleindienst  die  Admini- 
stration der  Commende  gegen  die  üblichen  Verpflichtungen 
verliehen. 

Als  Nachfolger  des  im  Jahre  1738  verstorbenen  Comthurs 
von  Pulst,  Grafen  Karl  Josef  von  Dietrichstein,  nennt  uns  Smit-  ^'  ^^"^ 
mer's  Verzeichniss  den  Grafen  Josef  Karl  von  Lamberg-Sprinzen-  Karl  «r»f 
stein.     Derselbe  wurde  1716  geboren  und  starb  1761.^  Lambcr 

Am  11.  October  1741  ward  eine  Visitation  der  Commende   ns«— n 
durch   den  Malteser  Grafen  Althann   vorgenommen.     Im  Jahre 
1744   scheint   der  Administrator  und  Vicär  Johann  Kleindienst 
von  Pulst  abgezogen  zu  sein,  nachdem  wiederholte  Klagen  der 


>  Wurzbach  1.  c,  14.  Band,  Stammtafol. 


396 

Pfarrkinder  gegen  ihn  eingelaufen  waren.    An  seine  Stelle  kam 
Josef  Wolfgang    Clammer.     Laut   einer   am    17.  Februar    1752 
zu  Malta   ausgestellten  Bulle  des  Ordensgrossmeisters  Emanuel 
Pinto  betraute  dieser  den  Reichsgrafen  Michael  Ferdinand  von 
Altliann,    Grosskreuz-Rice vitore,   sowie  die  Malteserordensrittter 
Anton  Grafen  von  Hamilton  und  Philipp  Grafen  von  Sinzendorf 
mit    der   Durchführung    eines    Meliorationsprocesses    zu   Pulst,' 
nachdem  Conithur  Graf  Lamberg   auf  seiner  Commende   nütz- 
liche Verbesserungen  vorgenommen,  von  welchen  er  authentische 
Kunde  zu  geben  wünschte.    Alle  drei  Commissäre  waren  durch 
anderweitige    Geschäfte    persönlich    zu    erscheinen    verhindert, 
ebenso  Graf  Lamberg,   welcher  sich   damals  in  Malta  aufhielt. 
Derselbe    Hess    sich    durch    den   Hofagenten   Franz   Ferdinand 
Bachmann   vertreten.     Bei   dem   Meliorationsacte   am   21.  Juni 
1752  waren  daher  dieser,    dann  statt  der  genannten  drei  Com- 
missäre Johann  Andre  von  Glaunach  zu  Katzenstein,  Syndicus 
der  Stadt  St.  Veit,  und  Franz  Adam  Madrian,  Pfarrer  zu  Glant- 
schach  und  Sorg,  sowie  der  Vicär  Clammer  gegenwärtig.   Nach- 
dem die  stellvertretenden  Commissäre  den  Eid  abgelegt,  begaben 
sie  sich  zunächst   in  die  Kirche  zu  Pulst.     Sie  fanden  dies^be 
wohlgebaut,  durchaus  gewölbt  und  mit  Schiefer  gedeckt,  herum 
ein    grosser   Friedhof,    innerhalb    desselben    eine    alte   Capcllc. 
Die  Kirche  hatte  früher  vier  Altäre,  jetzt  sechs.  Der  Hochaltar 
zeigt   alte,    doch   saubere   Bildhauerarbeit.     Das    Bild    Marions 
mit   dem   Jesuskinde    ist    etwas   hinter   dem   Altare   eingesetzt. 
Der  Altar  wie  die  Kirche  ist  Maria  Schutzmantel  geweiht.    Der 
Altar  des  heiligen  Johann  Baptist  verräth  ebenfalls  tüchtige  Bild- 
hauerarbeit;   ferner  befinden  sich  in  der  Kirche  noch  folgende 
Altäre:  der  Altar  der  Heiligen  Florian,  Valentin  und  Sebastian, 
der  neue  Krcuzaltar,^   dann   rechter  Hand   ein  grösserer  Altar 
der  schmerzhaften  Mutter  Gottes  und  gleich  daneben  ein  klei- 
nerer,   dem  gekrönten  Haupte  Christi  geweiht,    welch   letzterer 
vom  Administrator  Clammer  auf  eigene  Kosten  errichtet  wurde. 
Das  Holzwerk  des  Thurmes,  in  welchem  vier  Glocken  hängen, 
darunter  die  grösstc,   bei  23  Centner  schwer,    ist   schlecht  und 
bedarf  einer   Erneuerung.     Zur   Pulster   Kirche   gehören  zwei 
Fihalen:    die   St.  Johanneskirche   in  St.  Veit  und  St.  Urban  in 


1  Prag,  Pulst  25 

2  Vgl.  S.  394. 


397 

Pirpitsch.  Die  erstere  ist  7  Klafter  lang  und  4  Klafter  breit. 
Das  Kirchengebäude  war  ruinös,  der  Thumi  zum  Einstürzen. 
Clamracr  Hess  Alles  theils  auf  eigene  Kosten,  theils  mit  Pidster 
Kirehengeldem  restauriren  und  den  Thurm  neu  aufbauen.  Ausser 
dem  dem  heiligen  Johannes  geweihten  Hauptaltar  befindet  sich 
in  der  St.  Veiter  Filiale  noch  ein  Josefialtar.  Die  nöthigen 
Paramente  sind  vorhanden  und  werden,  da  eine  Sacristei  fehlt, 
in  einem  Repositorium  hinter  dem  Altare  verwahrt.  Der  rothe 
Kuppelthurm  steht  mitten  in  der  Kirche,  worin  drei  Glocken, 
die  grösste  fast  600  Jahre  (!)  alt,  hängen.  Um  die  Kirche  er- 
streckt sich  der  Friedhof,  dessen  Mauer  fast  gänzlich  eingefallen. 
Die  Filiale  St.  Urban  in  Pupitsch  ist  sehr  klein,  hat  einen  Thurm 
mit  zwei  Glocken,  einen  einzigen  Altar  und  befindet  sich  gegen- 
wärtig in  gutem  Zustande,  nachdem  Clammer  dieselbe  vor 
Kurzem  restauriren  Hess.  Beide  Filialen  haben  kein  Vermögen 
und  sind  ganz  auf  das  Opfergeld  gewiesen.  Das  Erträgniss  der 
Pulster  Kirche  beüef  sich  1751  auf  283  fl.  32  kr.  2  Pfennige, 
wovon  Alles  bestritten  werden  muss.  An  Capitalien  ist  nur  das 
Winter'sche  im  Betrage  von  308  fl.  25  kr.  2^/3  Pfennige  vor- 
handen. Die  Unterthanenausstände  belaufen  sich  auf  335  fl. 
59  kr.  ^1^  Pfennige.  Die  zwei  letzteren  Posten  machen  zusammen 
644  fl.  24  kr.  und  3  Pfennige,  daher,  wenn  noch  die  Struggl- 
sche  Verlassenschaft  im  Betrage  von  420  fl.  37  kr.  1  Pfennig, 
welche  der  gewesene  Administrator  Klcindienst  der  Kirche  vor- 
enthält, darum  der  Process  anhängig  ist,  hinzukäme,  das  Ver- 
mögen der  Kirche  1065  fl.  2  kr.  ausmachen  würde.  Das  Com- 
mendengebäude  ist  schadhaft  und  sehr  reparaturbedürftig.  Die 
linke  Seite  beginnt  sich  zu  senken,  die  rechte,  woselbst  sich 
die  Wohnung  des  Administrators  befindet,  ist  noch  im  ziem- 
lichen Zustande.  Für  Baubesserimgen  des  Commendengcbäudes 
wurden  1747 — 1751  721  fl.  32  kr.  verausgabt.  Es  wurden 
auch  zwei  Bestandscontracte  über  die  Commende  aus  den  Jaliren 
1749  und  1752  vorgelegt,  denen  zufolge  der  Administrator  dem 
Comthur  300  fl.  Bestandgcld  zu  entrichten  hat.  Das  Erträgniss 
der  Commende  beläuft  sich  ohne  Abzug  der  landesftlrstlichen 
Steuern  (aber  einschliesslich  der  Vicedomamtssteuer  mit  5  fl. 
18  ß)  auf  384  fl.  3  ß  und  20  Pfennige  Baargeld  und  213  fl. 
l  ß  n  Pfennige  Urbariale  von  39  Unterthanen.  gi.comthnr: 

An  Stelle  des  1761  verstorbenen  Comthurs  Grafen  Lamberg  Leopold  Graf 
trat   Comthur   Leopold   Graf  von   Strassoldo.     1767  wurde  ein   nei-u^a. 


398 

Meliorationsprocess  zu  Piikt  vorgenommen,  aus  den  Jahren  W72 
und  1780  sind  Cabrccn  der  Commende  Pulst  vorhanden.^  Der 
verdiente  und  eifrige  Vieilr  und  Administrator  Clammer  zu  Pulst 
rcsignirt<3  im  Jahre  1773.  Graf  Strassoldo,  Comthur  von  Mail- 
berg und  Pulst,  präsentirte  dem  Gurker  Bischöfe  als  Nachfolger 
Clammer's  den  Ludwig  de  Giovanelli.  Erwähnenswerth  ist,  dass 
laut  Inschrift  1780  auf  des  Letzteren  Bestellung  der  berühmte 
Tiroler  Maler  Martin  Knoller  das  Bild^  am  Pulster  Hauptaltar 
gemalt  haben  soll.  Wann  Strassoldo  gestorben,  ist  unbekannt, 
üoch  erscheint  er  noch  1780  in  einem  freiherrlich  Egger'schen 
Lehensbrief  genannt.*"^ 
Comthur:  Sciu   Nachfolgcr  war  Johann  Anton  Ricci,    Domherr  von 

nton*Klcci  Laibach,  zuerst  1787  als  Comthur  auftretend.  Durch  ihn  wurde 
87?-i8i8.  die  alte  Johanneskirche  zu  St.  Veit,  eine  gesperrte  Capelle, 
wie  es  im  Actenstücke  heisst,**  1791  um  400  fl.  an  den  St.  Veiter 
Bürger  Johann  Mayrhofer  verkauft.  Im  Jahre  1808  hören  wir 
von  einem  Meliorationsprocesse  zu  Pulst.  Im  selben  Jahre  ward 
Ricci  Dompropst  von  Laibach,  zugleich  Pfarrer  von  Radmanns- 
dorf  in  Krain.^  Der  letztere  Umstand  veranlasste  das  Gurker 
Consistorium,  bei  der  Regierung  anzufragen,  ob  denn  der  Besitz 
der  Laibacher  Dompropstei  und  der  Pfarre  Radmannsdorf  mit 
dem  der  Commende  Pulst  vereinbar  sei.  Die  Regierung  ent- 
schied im  bejahenden  Sinne.  Nach  dem  Tode  Ricci's,  welcher 
auch  die  Würde  eines  ,Episcopus  Drusensis  in  partibus  infide- 
huui^  bekleidete,  wurde  1818  der  Titel  eines  Comthurs  von 
Pulst  auf  den  jeweiligen  Prior  des  Prager  Malteserconventes 
übertragen, 
.corathui:  Der  Erste  in  dieser  Reihe  ist  Prior  Franz  Wilhelm  (1818 

wn'hohn      ^^®  1822).    Auch  unter  diesem  bUeb  es  noch  gebräuchhch,  dass 
318-1822.    der  Comthur  von  Pulst  dem  Bischöfe  von  Gurk  bei  Erledigung 
des  Vicariatcs   einen   Geistlichen   der  Gurker   Diöcese   für  die 
Scclsorge  präsentirte. 
.Comthur:  Audcrs  wurdc  CS  unter  Wilhelms  Nachfolger  Franz  Stock- 

„^";'!*       low.     Bereits  wiederholt  hatten  sich  die  Vicäre  über  die  Höhe 

Stocklow  ^        ^  ^ 

S22— 1859.    der  Pachtsumme,   um   die   ihnen   die  Commendengüter  hintau- 


J  Praf?,  Pulst  26,  27,  30. 

2  Vgl.  Känitnoriscbe  Kunsttopographie  287. 

3  Orig.  Pulst. 

*  Prag,  Pulst  31. 

5  Catalogus  cleri  diocesis  Laibauensis  1885,  S.  4. 


399 

gegeben  waren,  beklagt.  Vicär  Harnisch  kündigte  1823  dem 
Comthur  Stocklöw  den  Pachtvertrag.  Es  wurde  ein  neuer  mit 
Harnisch  abgeschlossen,  demnach  dieser  jähriich  200  fl.  C.-M. 
Pacht  imd  30  fl.  flir  Gebäudereparaturen  zahlen  sollte.  Harnisch 
gab  sich  damit  nicht  zufrieden.  Da  ihm  ein  angesuchter  Be- 
standgeldnachlass  von  100  fl.  nicht  bewilligt  wurde,  so  kündete 
Harnisch  im  Herbste  1825  den  Vertrag,  so  dass  er  im  Früh- 
jahre 1826  abziehen  konnte.  Derselbe  erhob  auch  den  Anspruch 
auf  eme  förmliche  Congrua,  welche  ihm  aber  von  Seiten  des 
Ordens  mit  der  Begründung  nicht  zugestanden  wurde,  dass  der 
Seelsorger  in  Pulst  nicht  als  Pfarrer,  sondern  als  einfacher  Bene- 
ticiat  anzusehen  sei.  Als  das  Gurker  Consistorium  dem  Comthur 
bedeutete,  dass  unter  diesen  Umständen  in  der  Gurker  Diöcese 
kein  Priester  flu*  Pulst  zu  finden  sein  werde,  erwiderte  Stock- 
löw, dass  er  einen  solchen  aus  dem  böhmischen  Malteserconvente 
nach  Kärnten  abordnen  werde,  als  Congrua  des  Vicärs  von 
Pulst  aber  der  Ueberschuss  des  Ertrages  der  Commendengüter 
nach  Abzug  des  Pachtschillings  anzusehen  sei.  Das  Consistorium 
ging  auf  den  Vorschlag  des  Comthurs  ein.  Nur  stellte  dasselbe 
die  Bedingung,  dass  der  für  Pulst  zu  präsentirende  Malteser- 
priester sich  nicht  nur  einer  Prüfung  in  Hinsicht  auf  die  Seel- 
sorge beim  Gurker  Ordinariate  zu  unterziehen  habe,  sondern 
auch  der  deutschen  Sprache  in  Wort  imd  Schrift  mächtig  sein 
müsse.  Seit  1824  fungiren  denn  als  Seelsorger  in  Pulst  Priester 
des  böhmischen  Malteserconventes,  welche  aber  nicht  mehr  vom 
Comthur,  sondern  vom  Grossprior  präsentirt  werden.    Sie  führen  m.  comthur 


als   solche   den  Titel:    Commendenadministratoren  und   Pfarrer      jarg^ch 


Johann 
Jaretich 

von  Pulst.  Nach  dem  Tode  Stocklöw's  bekleideten  die  Priore  isse-isse. 
des  Prager  Malteserconventes  Johann  Jaresch  1859 — 1886  und  «e-^'omthur: 
Josef  Slansky  1886 — 1889  die  Würde  eines  Comthurs  von  Pulst,    imi-i^a. 


ANHANG. 


1. 

Wichard  von  Karlsberg  schenkt  dem  St,  Johannes 'Hospital  zu 
Jerusalem  ein  Gut  zu  Engelsdorf  hei  Friesaxih. 

Accon  1214,  Februnr. 
Originalurkunde  (Pergament)  im  Maltoserarchive  ssu  Prag,  Nr.  1. 

t  In  dei  nomine.    Ego  Wicardus  de  Karlesperc  in  partibus  Sirie 

peregrinus  existcns  et  considerans  beneiicium  sancte  domus  hospitalis  * 

Jerusalem  quod  erogatiir  misericorditer  et  devote  cotidie  infirmis  paapcri- 

bus,  ut  ipsorum  possem  fieri  particeps  orationum  et  beneficiorum  dicte 

domus,  a  fratre  Gvarino  de  Monte  Acuto  venerabili  magistro  einsdem  re- 

ceptus  in  confratrem  cum  uxore  mea  et  filiis  dedi  libere  pure  et  simpliciter 

donationis  instrumento  inter  vivos  dictis  pauperibus  prcsentibus  et  faturis 

in  clemosinam  ad  habendum  tenendum  et  possidendum  iure  hereditario  et 

faciendum  quicquid  sibi  libuerit  vel  ordinaverint  faciendum,  pro  redem- 

ptionc  anime  mco  uxoris  mee  et  filiorum  meorum  et  pai'entum  meorum  pre- 

dium  meupi  quod  est  in  Carinthia  iuxta  Frisacum  Ainglebolstorf,  qood 

mihi  reddit  annuatim  IUP'  marchas  argenti  sine  labore,  cum  omnibus  sois 

pertinentiis :  cultis  et  incultis  pratis  et  nemoribus  et  quicquid  iuris  vel 

dominii    ibi   habeo    vel  habere    debeo    sine  aliqua   penitus  retensione. 

Actum  Accon  in  prescntia  testium  subscriptorum:  domini  Frederici  de 

sancto  Jacobo  mei  capellani,  domini  Sigardi  militis,  domini  Harnidi  plebani 

de  Goniz,  domini  Robertj  sacerdotis,  domini  Alberj,  domini  Edimaris  de 

Pernestaj,  domini  Henrici  de  Goniz,  domini  Hartemanni  militis  de  Man- 

dorf,  domini  Rogeii  Sueuj,  domini  Leonardi  et  Hermannj  et  Henricj  de 

Siluerpcrc,  domini  Gazelini  de  Gvorque.    Anno  dominice  incai'nationis 

M°CC"XIIIP,  mense  tebruarii. 

Sig.  pond.  an  fjfrüner  Seidonschnur.     Logende:    f  Wichardi  de  Charb- 
perch;  im  Bilde  ein  Löwe. 


401 

2. 

Herzog  Ulrich  von  Känifen  schenkt  dem  Johanniterord^nshause 

Mailberg  die  Kirche  Pulst, 

St.  Veit  1263,  Jänner  18. 
Originalurkunde  (Pergament)  im  Malte^jerarchive  zu  Prag,  Nr.  2. 

In  nomine  domini  amen.  Ne  gesta  rerum  temporalium  a  memoria 
liominum  repente  transeant  velud  umbra,  necessario  scripture  officium 
quod  in  se  recordacionem  retinet,  est  inventum.  Hinc  est,  quod  nos  VI- 
ricus  dei  gracia  dux  Karinthie,  dominus  Carniole  noticiis  singulorum  pre- 
sens  scriptum  perspiciencium  inculcamus,  quod  nos  attendentes  et  consi- 
derantes,  quantum  fructum  salvacionis  post  transitum  huius  vite  elemosina 
subministrat,  pro  remedio  anime  domini  et  patris  nostri  Bernhardi  quon- 
dam  ducis  Karinthie  felicis  recordacionis  ceterornmque  progenitorum  no- 
strorum  venia  delictorum  et  precipue,  ut  hie  et  in  futuro  apud  dominum 
n(»bis  salutis  meritum  augeatur,  ecclesiam  seu  capellam  nostram  in  Pulst, 
in  qua  tamquam  patronus  ius  habuimus  presentandi,  sub  Gvrcensi  dyocesi 
constitutam  cum  prediis  decimis  et  suis  pertinenciis  ac  iuribus  universis 
quocumqne  nomine  censentur,  quibus  plebani  eiusdem  ecclesie  freti  sunt 
actenus  in  eadem,  post  obitum  vel  voluntariam  cessionem  domini  Heinrici 
nostri  capellani  quem  in  ipsa  ecclesia  instituimus  pro  plebjino,  domui  ho- 
spitalis  sancti  Johannis  Jerosolimitane  in  Mewerperge  donavimus  libere 
et  absolute,  nulla  condicione  interveniente  que  preiudicare  possct  dicte 
domns  fratribus  in  futurum,  imperpetunm  possidendam.  Et  ne  sollempnis 
nosti'a  donacio  per  nos  vel  fratrem  nostrum  Philippum  venerabilem  elec- 
tnm  Salzburgensem,  nostros  heredes  vel  quoslibet  successores  imposterum 
ad  irritum  deducatur,  presentem  paginam  scribi  providimus  et  sigillorum 
nostri  et  karissimi  fratris  nostri  qui  in  ipsa  largicione  suam  voluntatom 
nobis  prestitit  et  consensum,  munimine  duximus  roborandam  in  evidens 
testimonium  et  cautelam.  Testes  huius  rei  sunt:  Otto  venerabilis  electus 
ecclesie  Lauendinensis  Salzburgensis  prepositus,  Albricus  propositus  sancti 
Virgilii  in  Frisaco,  Fridericus  comes  de  Ortenburch,  Vlricus  de  Volchen- 
marcht  prepositus,  Vluingus  de  Stubenberch,  Vluingus  de  Leibenz,  Ditri- 
cus  de  Altheim,  Arnoldus  et  Gotfridus  fratres  de  Nidekke,  Heinricus  de 
Ceiselberch,  Swarzmannus  de  Volchenmarcht,  Sifridus  de  Mernberch,  Dit- 
marus  de  Engelschalsvelde,  Fridericus  de  Stadeke,  Tleinricus  de  Prunne 
et  alii  quam  plures.  Act.  aput  Sanctum  Vitum  anno  domini  jVI*CC°LXlII°, 
XV**  kalend.*  feb. 


kalend  ohne  Ahkilrzimgsz^ieheii. 


402 

2  Sig.  pend.  Das  erste  Herzog  Ulrichs  an  grilnen  SeidenfKden  ist  ver- 
loren. Da.s  zweite  des  Erwählton  Philipp  an  roth-gelben  Seidenfäden  ist  ab- 
gerissen, liegt  aber  bei.  Es  zeigt  die  Legende:  ,.  .  .  hilippi  dei  gfk  heredis 
Karinthie  et  Car.*  Das  Siegel  stimmt  vollständig  mit  dem  bei  Tangl,  Hand- 
buch der  Geschichte  Kärntens  127  beschriebenen.  Es  wird  dadurch  die  That- 
sacho  festgestellt,  dsLss  sich  Philipp  schon  bei  Lebzeiten  seines  Bruders  1263 
dieses  Siegels,  in  dessen  Legende  er  seine  erbrechtlicben  AnsprQcbe  anf 
Kärnten  und  Krain  zum  AiLsdnick  bringt,  und  nicht  erst  1274  bediente. 


3. 

König  Rudolf  bestätigt  den  Johannitern  zu  Mailberg  die 

Schenkung  der  Kirche  zu  Pulst, 

Wien  1276,  December  18. 

Originalurkunde  (Pergament)  im  Malteserarchive  zn  Prag,  Nr.  3. 

Rudolf  US  dei  gratia  Komanorum  rex  semper  augustus.  Universis 
prosentes  littoras  inspecturis  gratiam  suam  et  omne  bonum.  Ex  tenore  pri- 
vilegii  religiosorum  virorum  fratrum  hospitalis  sancti  Johannis  Jherosoli- 
mitani  ia  Mcwerberge  regali  nuper  culmini  prosentati  pleno  et  plane  co- 
^novinius,  quod  quondam  Vlricns  felicis  memorie  düx  Karinthie  et  domiDns 
Carniole  de  voluutate  fratris  sui  Philipp!  eisdem  fi-atribus  ecclesiam  sive 
capellam  de  Puls  cuius  patronus  exstitit,  cum  iure  patronatus  eiusdem 
ecclesie  ac  onmibus  attinentiis:  prediis  videlicot  et  decimis  a<J  iuribus  nni- 
versis  pro  remedio  animo  patris  sui  Bernhardi  quondam  ducis  Karinthie 
ac  alioruni  progcnitorum  suorum  memoria  sempiterna  concessit  libere  per- 
petuo  possidendam  venerabilis . .  Gurceusis  episcopi  loci  eiusdem  ordinarii 
in  donatione  premissa  benivolo  annuente  consensu,'  sicut  ipsius  episeopi 
instrumenta  super  hoc  tradita  innnunt  evidenter.  Nos  igitor  predictorum 
frati-um  devotis  supplicationibus  favorabiliter  inclinati  predictam  conces- 
sionem  ipsis  factam  a  prcfato  duce  in  ecclesia  prenotata  de  predictoram 
consensu  episcopi  vidolicet  et  fratris  ipsius  ducis,  prout  predicta  concessio 
Kuperius  est  expressa,  ratam  habemus  et  gratam  et  presentis  decreti  möni- 
mine  cx)nfirmamus.  In  cuius  rei  testimonium  presens  scriptum  exinde 
conscribi  et  magcstatis  nostre  sigillo  fecimus  communiri.  Datum  Wienne 
XV.  kal.  ianuarii,  indictione  V^,  anno  domini  millesimo  ducentesimo  sep- 
tuagesimo  sexto,  regni  vero  nostri  anno  llll*^. 

Sig.  pend.  an  violett  weissen  Seidenfäden  zerbröckelt,  rund  9*5  Cm.  iiQ 
Durchnie8.ser. 


•  s  in  sen  \)€rbessert  aus  c. 


403 

4. 

Pulst  1609,  Mai  1. 

Titel  aussen:  Notula  der  brieflichen  Urkunden,  freiheiten  und  stiftbriefe 

bei  der  Commende  Pulst. 
Titel  vorn:  Eelation  u.  verzeichniss  der  gefertigten  scbriftlichen  Urkun- 
den, freiheiten,  stift-  u.  Wechselbriefe,  so  bei  der  Commenda  Pulst  vor- 
handen sein. 

Privilegia  und  freiheiten. 

1 .  Erstlich  ein  bulla  von  der  päpstl.  heiligkeit  Nicoiao  in.  an  den  bischof 
zu  Gurk  lautend  wegen  der  commenda  Pulst  mit  einem  bleiern  an- 
hangendem insigel;  hat  kein  jarzal.  Diser  papst  aber  hat  regirt, 
da  man  nach  Christi  geburt  gezält  hat  1276  jar. 

2.  Eine  abschrift,  so  papst  Nicolaus  V.  u.  Gregorius  VIII.  dem  ordens- 
haus  zu  Wien  u.  allen  dises  löbl.  ordens  rittern  und  Ordensbrüdern 
gegeben  hat. 

3.  Eine  abschrift  bullae  Clementis  papae. 

4.  Ein  lateinischer  lehenbrief  von  Bernhard  herzog  in  Kärnten  über 
die  grundstücke  yor  der  Stadtmauer  zu  S.  Veit  bei  S.  Johannskirchen 
gelegen,  des  datum  ist:  S.  Veit  in  1228  jjir. 

5.  Donatio  domini  Udalrici  ducis  Carinthiae  super  ecclesiam  in  Pulst. 
Datum  apud  S.  Vitum  a.  d.  1263.    15  kal.  febr. 

6.  Item  ein  bestät-  u.  confirmationsbrief  über  die  Kirche  u.  haus  Pulst 
vom  herzog  Philippen  in  Kärnten,  des  datum  ist:  Wien  den  18.  kal. 
Novemb.  im  1267  jar. 

7.  Mer  ein  brief  von  weiland  herzog  Ulrich  in  Kärnten  hochlöblichster 
gedächtniss  über  das  Nidermoss  u.  einen  acker  zu  S.  Veit  an  der 
Glan  gel.,  des  datum  ist:  S.  Veit  im  1269  jar. 

8.  Item  mer  ein  confirmations-  u.  bestätbrief  v.  herzog  Otto  in  Kar.  a. 
1336.  3.  kal.  aug. 

9.  Item  herzog  Ehrenreich  von  Gelsch  (!)  u.  herr  zu  Lymbach  giebt  von 
der  festung  Liebenfelß  aus  dem  haus  Pulst  die  freihoit,  dass  ein  jed- 
weder comthur  daselbst  auf  ewig  in  u.  ausser  «ler  commenda  möge 
tafern  halten  u.  trank  ausschenken,  bekräftigt  mit  2  kleinen  anhan- 
genden insigeln  des  datum  ist  am  sontag  vor  S.  Mei-tentag  im  1427  jar. 

10.  Mer  ein  konfirmation  u.  bestätbrief  von  kais.  Friedrich  hochseeligster 
gedächtniss  über  das  haus  Pulst  mit  einem  kleinen  anhangenden 
insigel,  des  datum  ist  S.  Veit  in  Kär.  am  pfinztag  vor  s.  Jö^jgentag 
im  1469  jar. 

11.  Die  andere  konfirmation  u.  bestätbrief  so  höchst  gedachter  kais. 
Friedrich  dem  hause  Pulst  geben  hat  mit  einem  grossen  von  weissen 


404 

wachs  anhangenden  kais.  insigel,  des  datum  ist  S.  Veit  in  Kär.  im 
14()9.jar. 
12.  Item  ein  stift-  und  lehenbrief  vom  herrn  Otto  v.  Ehrenfelß  über  eine 
wieso  bei  S.  .T(>hans  zu  S.  Veit  vor  der  Stadt  gelegen,  welche  die  Tra- 
pischen  erben  jeder  zeit  innen  gehabt,  des  datum  ist:  S.  Veit  auf 
S.  Philip  u.  Jaoobstag  im  1385  jar. 

Gemeine  stiftbriefe. 

18.  Unterschiedliche  stiftbriefe  über  besetzte  hüben,  grund  u.  bo.len, 
die  zwar  sehr  alt,  kaum  leserlich  (die  ich  fleißig  in  ein  libel  will  ab- 
schreiben), aber  noch  unversehrt  auf  kleine  pergamene  zetteln  ge- 
schrieben mit  anhangenden  kleinen  insigeln  vorhanden  sind  derer 

1\)  stück.» 

Wechslbriefe. 

1 4.  Cicfei-tigte  Wechselbriefe,  die  meine  vorsidl  seelig  mit  etlichen  herrn  n. 
hindleuten,  wie  auch  mit  frau  äbtissin  z.  S.  Jörgen  am  Lengsee  mit 
gründen,  flecken,  rain,  äckerlein,  wislen  getauscht  u.  darum  ordentlich 
wochselbrief  aufgerichtet  haben  u.  solicher,  wie  ich  befind,  der  com- 
menda  zu  besserung  u.  nutzen  gereichen,  sein  der  9  stück  vorhanden 

Weil  dann,  wol  geborner  gnädiger  u.  gebietender  heiT,  nicht  allein 
derselben,  sondern  auch  menigklichen  offenbar  u.  bewust  ist,  dass  zu  jetzi- 
jjfcn  letzten  gefarlichen  zeiten  die  geistlichen  guter,  einkommen,  alte  frei- 
heiten  u.  Privilegien  von  den  friedhassigen  und  wiederwärtigen  grossen 
anstoss  u.  gefahr  (wie  ich  es  dann  aus  erfahi'ung  wol  schreiben  kann) 
leiden  müssen,  derwegcn  ist  demnach  an  E.  6.  u.  herrlicbkeiten  mein  ge- 
horsam bitten  und  supplicieren,  die  wolten  dero  hochtragenden  verstand^ 
u.  dieses  armen  gotteshauses  Pulst  verhofl'entlich  treuester  patron  n.  herr 
i^nadigbehülflich  sein  u.  fürsehung  thun,  damit  die  obbezcichueten  kaiser- 
lichen u.  fürstlichen  freiheiten  u.  Privilegien  renoviert  u.  Jiuf  ein  neues 
aufgericht  u.  bestiit  werden  mochten,  wie  nun  solches  an  ihm  selbst  höchst 
notwendig  ii.  dieser  armen  commenda  zu  gutem  schütz  u.  aufnehmen  ge- 
raten wiinie. 

Pulst  d.  1.  Mai  lß09. 

E.  0.  u.  der  ganzen  Assemblea  gehorsamster  kaplan 

Veit  Scheiber 
S.  Joh.  Onlnsprioster  u.  comthiir  da-selbst. 

Or'ig.  Malteserarchiv  Pulst   lO.b. 


*   \"uf\e   von   diesen    rrkunden,    wenn    nicht  alle,   dürften  in  da.s  Vereins- 
archiv in  Kla^renfurt  jifekonnnen  sein,    wo   sie  jetzt  nocli  zu  finden  siui 

# 


1814 


A.XJ8aANG 


DER 


•f 


FRANZOSISCHEN  HERRSCHAFT 


IN  OBER-ITALIEN 


UND 


BRESCIA-MAILÄNDER 


MILITÄR-VERSCHWÖRUNG. 


MIT  EINEM  URKUNDLICHEN  ANHANGE. 


VON 


FREfflERR  VON  HELFERT. 


ArehiT.  Bd.  LXXYI.  tl.  H&lfte.  ^'^ 


JDer  Uebergang  der  italienischen  Oberherrschaft  von 
Frankreich  auf  Oesterreich  im  Jahre  1814  wird  neuerer  Zeit 
von  den.Geschichtschreibem  jenseits  der  Alpen  mit  Vorliebe 
behandelt,  namentlich  von  jenen  der  Stadt  Mailand,  die  ja  den 
Hauptschauplatz  jener  Ereignisse  abgab.  Es  steht  ihnen  jfiir 
diesen  Zweck  ein  sehr  mannigfaches  und  ziemHch  reichhaltiges 
Materiale  zu  Gebote,  nicht  blos  an  gedruckten  Monographien, 
sondern  auch  an  sehr  beachtenswerthen,  zum  Theil  jetzt  erst 
ans  Licht  gezogenen  Handschriften,  theils  Hinterlagen  der  Am- 
brosiana, theils  im  Besitze  einzelner  Familien. 

Die  Benützung  dieser  verschiedenartigen  Quellen  ist  aber 
in  einer  gewissen  Richtung  nichts  weniger  als  imbefangen.  Zwar 
hat  der  wilde  Ton,  haben  die  geradezu  gemeinen  Schimpfereien 
gegen  Oesterreich,  die  seit  ihrer  Erhebung  im  Jahre  1848  bei  un- 
seren heissblütigen  Nachbarn  gang  imd  gäbe  waren,  seit  der  poli- 
tischen Einigung  der  apenninischen  Halbinsel,  seit  der  Erreichung 
dieses  durch  ein  halbes  Jahrhundert  von  ihnen  angestrebten 
Zieles,  merklich  nachgelassen.  In  den  jüngeren  Erscheinungen 
des  lombardischen  Büchermarktes,  den  letzten  Bänden  Cusani's, 
den  späteren  Werken  Cesare  Cantü's,  den  geschichtlichen  Essays 
eines  Bonfadini,  eines  Giov.  de  Castro  stösst  man  sogar  auf 
Stellen,  die  einer  richtigeren  Beurtheilung,  ja  einer  Anerkennung 
der  österreichischen  Gesetzgebung  und  Verwaltung  ziemlich 
nahe  kommen.  Allein  trotz  dieses  unverkennbaren  Strebens, 
dem  langjährigen  Walten  der  ,Tedeschi'  in  ihrem  schönen  Lande 
einigcrmassen  gerecht  zu  werden,  durchzieht  doch  selbst  bei 
Schriftstellern  solchen  Charakters  der  durch  die  Macht  der  Ge- 
wohnheit eingewurzelte  und  zu  einer  gewissen  patriotischen 
Pflicht  gewordene  Widerwille  gegen  die  nordische  Grossmacht 
ihre  ganze  Darstellung  und  bricht  nicht  selten  in  Aeusserungen 
duich,   die   sich   vielleicht   in  der  minder  unanständigen  Form, 


"IT 


408 

aber  gewiss  nicht  im  Wesen  von  den  Vorwürfen,  Anschuldi- 
gungen und  —  nennen  wir  nur  das  Kind  beim  rechten  Namen! 
—  hilssHehen  Verleumdungen  früherer  Jahrzehnte  unterscheiden. 

Dazu  haben  es  alle  diese  Schriftsteller,  die  früheren  wie 
die  späteren,,  verabsäumt,  die  Wiener  Archive  zu  Rathe  zu 
ziehen,  woher  es  kommt,  dass  sie  in  manchen  der  wichtigsten 
Fragen  in  dem  ebenso  weiten  als  unsicheren  Gebiete  der  Muth- 
massungen,  nur  zu  häufig  in  jenem  der  Fabel,  herumtappen  und 
hier  unter  mehreren  Möglichkeiten  gewiss  jene  wählen,  die  ilmen 
den  günstigsten  Anlass  bietet,  dem  von  ihnen  verwünschten 
Oesterreich  eins  anzuhängen. 

Letzteres  trifft  ganz  besonders  bei  einem  Zwischenspiele 
zu,  das  bisher,  eben  wegen  Vernachlässigung  verlässlicher  Zeug- 
nisse, in  den  italienischen  Geschichts werken  nur  sehr  ver- 
schwommen und  vielfach  vergriffen  behandelt,  in  den  deutscheu 
mit  wenig  Andeutungen  abgefertigt  zu  werden  pflegt,  das  aber 
in  seiner  nun  enthüllten  wahren  Gestalt  einen  ungemein  inter- 
essanten Stoff  bietet,  so  wie  dasselbe  unleugbar  den  eigentlichen 
Schlusspunkt  der  melir  als  zwanzigjährigen  französischen  Herr- 
schaft im  oberen  Italien  bildet. 

Wien,  am  sechsundsiebenzigsten  Jahrestage 
der  Maihlnder  ,baüulle  des  parapluies^ 


Chronologische  Uebersieht  des  Inhalts. 


814  Jauimr  11. 

14. 

Februar 

4. 

5. 

6. 

8. 

11. 

März 

3. 

0. 

14. 

April 

5. 

15. 

16. 

17. 


18. 
19. 
20. 


21. 
22. 


23. 
24. 

26. 


Bundesvertrag  zwischen  Oesterreich  und  Neapel.    Seite  416. 

Capitalsteuer  von  1  "/^  in  Mailand.    8.  423. 

Einmarsch  der  Kaiserlichen  in  Verona.    S.  416. 

Aufruf  des  Feldmarschalls  Grafen  Bellegardo  an 
die  Italiener.    S.  416. 

Zusammenkunft   Bellegarde's    mit    K($nig   Joachim.    S.  416. 

Schlacht  am  Mincio.    S.  416. 

Capitnlation  der  Veste  von  Verona  an  die  Oesterreicher.  S.  417. 

Allerhöchste  Entschliessung  in  Sachen  der  illyrisch-italieni- 
schen Freimaurer-Beamten.    S.  420  2,  537. 

Lord  Bentinck  landet  in  Livomo.    S.  417. 

Aufruf  Bentinck's  an  die  Italiener.    S.  417. 

Nachricht  in  Mailand  und  Mantua  von  dem  Einzug  der  Ver- 
bündeten in  Paris    S.  430. 

und  von  der  Abdankung  Napoleon's.    S.  430. 

Waffenstillstand  zwischen  Bellegarde  und  Prinz 
Eugen  zu  Schiarino  Rizzino.    S.  430  f. 

Ausserordentliche  Senatssitzung  in  Mailand  —  Beschluss  einer 
Deputation  und  Adresse  an  die  verbündeten  Mächte  — 
Guicciardi  und  Castiglioni  nach  Mantua  zum  Vicekönig. 
S.  433—435. 

Aufregung  in  Mailand  —  Umtriebe  der  Austriacanti  und 
Italici  puri.    S.  435—437. 

Verwahrung  gegen  die  Beschlüsse  des  Senats  —  Petition  an 
die  Verbündeten.    S.  435. 

Stadt  und  Hafen  Genua  von  Bentinck's  Truppen  besetzt.  S.  457. 

Aufstand  in  Mailand  —  Auseinandersprengung  dos 
Senats  —  Grässliches  Ende  des  Finanzministers 
Prina  —  »König  Pino*  .  .  .  Aufstände  in  Bergamo 
und  Brescia.    S.  437— 450. 

Herstellung  der  Ordnung  in  Mailand.    S.  451 — 454. 

Zusammentritt  der  Wahlcollegien  im  Brolotto  —  Provisorische 
Kegentschaft  —  Pino  mit  dem  militärischen  Oberbefehl 
betraut.    S.  454—456. 

Admiral  Duperrö  räumt  das  Arsenal  und  den  Hafen  von 
Venedig.    S.  457. 

Militär-Convention  von  Mantua.    S.  459. 

Die  Generale  Teodoro  Lecchi,  Palombini  und  Paolucci  bei 
Pino  in  Mailand.    S.  459  f. 

Pizzighettone  von  den  Oesterreichem  besetzt  —  FML.  Mar- 
chese  von  Sommariva  erscheint  als  Commissär  der  Alliirten 
in  Mailand.    S.  460. 


410 

1811  April     26.    Lord  Beiitinck  iu  Genua  erklärt  die  alte  Verfassuiig  wieder 

hergestellt.    S.  458. 

27.  Prinss  Eugen  verlässt  mit  seiner  Familie  Mantua. 

8.  461. 

28.  Einmarsch  der  Kaiserlichen  in  Mantua,  in  Brescia  —  Ein- 

marsch der  Vortruppen  Bellegarde^s  unter   FML.  Grafen 
Neipperg  in  Mailand.    S.  461  f. 
f,     Lattuada  bei  Bentinck  in  Genua.    S.  458. 
30.    Frederico  Confalonieri  in  Paris.    8.  472. 
Mai       2.    Rodueirung  der  Guardia  civica  von  Mailand.    S.  470. 

4./ 12.    Neuntl^ige   Andacht  in  Venedig  für  die  Befreiung  von 
den  Franzosen.    8.  465. 

7.  Empfang  der  Mailänder  Deputation  bei  Kaiser  Franz  I.  in 

Paris.    8.473. 

8.  Einmarsch  Bellegarde*8  in  Mailand.    8.  477. 
„     FML.  Graf  Bubna  besetzt  Turin.    8.  488. 

13.  Msgr.' Agostino  Kivaroli  erscheint  als  Bevollmächtigter  Pius 

VU.  in  Rom.    8.  488. 
17./20.    Graf  Julius  8tras8oldo  nimmt  von  Parma  und  Piaceuui 

Besitz  für  die  Kaiserin  Maria  Louise.    8.  489. 
18.    Bericht  Confalonieri's  aus  Paris  an  Grafen  Verri  in  MaiUud. 

8.  476.» 
20.    Feierlicher  Einzug  Vittore  Emanuele*s  in  Turin.    8.  489. 

24.  ebenso  Pius  VII.  in  Rom.    8.  489. 

25.  Erste  Kundmachung  mit  dem  kaiserlichen  Doppel- 

adler in  Mailand  —  Feldmarschall  Graf  Belle- 
garde bevollmächtigter  Commissär.für  die  lom- 
bardischen Provinzen.    8.  482. 

26.  Bellegarde  löst  die  WahlcoUegien  auf  und  über- 

nimmt den  Vorsitz  der  provisorischen  Regent- 
schaft.   8.  482. 

27.  Abschiedsaudienz  der  Mailänder  Deputation  bei  Kaiser  Franz 

in  Paris.    8.  475  f. 

30.  Tagesbefehl  Bellegarde^s  über  die  Reorganisation 

der  italienischen  Armee.    8.  486. 

31.  Vortrag  Bellegardo's  an  den  Kaiser.    8.  482. 

Juni     10.  Herabsetzung  verschiedener  8teuern  in  der  Lombardei.  S.  49:!. 

12.  Verkündigung  des  Pariser  Friedens  in  Mailand.    8.  489. 

„  Die  Mailänder  Deputation  g^ht  in  Paris  auseinander.    S.  477. 

14.  8candal  im  Theatro  alla  Cauobbiama  in  Mailand.    8.  4*.N). 
16.  Graf  Htarhemberg  in  Florenz  verkündet  allgemeine  Amnestie. 

8.  493  f. 
26.,  27.    Excesso  italienischer  Officiere  in  Brescia.    8.  502. 

29.  Militärische  Expedition  gegen  das  Räuborwesen*    8.  502. 
Juli     12.    Kaiserliches    Handschreiben,    betreffend    die   ex- 
königlich italienischen  Truppen.    8.  499.* 

„     Auflösung  einer  Freimaurer-Log«  in  Mailand.    8.  510. 

15.  8r.  Esquiron   de  8aint-Agnan   bei  Graf  Bombelles  iu  Paris. 

8.  608  f. 

16.  Bombelles  an  Metternich.    8.  509,  538—541. 

„     Herzog  Franz  IV.  von  Oesterreich-Este  triflft  iu  Modena  ein. 
8.  495. 

30.  Die  illyrische  Deputation  vor  Kaiser  Franz  I.  in  Wien.  8. 493.* 


411 

1S14  Juli  31.    Graf   La2ansky    Präsident    der    Central -Orpauisiriiiijifs-Hof- 

Coniinission  in  Wien.    S.  499. 
Au^iust     1.    Die   exköniglich   italioni«chen   Ministerien   in   Mailand   auf- 
gelöst.   S.  498  f. 
5.    Angeblich  beabsichtigter  Losbruch  in  Mailand.  S.  508,  511  f., 

539  f. 
9.    Cabinetj:»schreiben  des  Kaisers  Franz  an  Baron  Hager  iUier 
die  Freimaurer.    S.  541. 
Septenibor     1.    Bombelles  an  Mettemich.    S.  541  f. 

15.    Hager  an   Bellegarde   wogen   Ausfindigmachung  und   Fest- 
nahme des  Comelli.    S.  513. 
ca.  '20.    Moretti   und   Olini   im    Theater   zu    Brescia  —  Ur- 
sprung der  Militär-Verscliwörung.    S.  516. 
Octohor  10.    Die  loni bardische  Deputation  vor  Kaiser  Franz  I.  in  Wien. 

S.  493.» 

21.  Hager   an  den  Kaiser  über  die  geheimen  Machinationen  in 

Italien  und  Absendung  eines  Vertrauten   dahin.    S.  512  f. 
"20.    Kaiserliche  Entschliessung  über  den  alten  und  neuen  lom- 
bardischen Adel.    S.  501.* 
November     2.    Bericht  Bombelles^  aus  Paris  nach  Wien.    S.  524,  544  f. 
„     ISaint-Agnan  reist  von  Paris  ab.    8.  524. 
3.    Zusammenkunft    der  Mailänder  Militär-Verschworenen    bei 

Brunetti.    S.  520  f. 
„     ebenso  bei  Bellotti.    S.  521. 

5.  Lattuada    bei    Piuo,   welcher  die    angebotene    Führerschaft 

ausschlägt.    S.  521. 

6.  Bellotti  bei  Fontanelli  mit  dem  gleichen  Ergebnisse.    S.  521. 
8.    Hager  an  Bollogarde  über  die  Mission  Saint- Agnairs.  Ö.  525.' 

14.    Kaisorlicho     Entschliessung     über     Hager's    Vortrag     vom 
21.  October. 

19.  20.    Beabsichtigter    Angriff   auf   Mantua    und    Los- 

bruch in  Mailand  —  Militärische  Vorkehrungen 
in  Mailand.    S.  525  f.,  529  f. 

20.  Bellotti  und  de  Meestre  bei  Teodoro  Lecchi.    8.  523. 

22.  Bellegardo    an    Hjiger    über   das  Eintreffen    Saint-Agnan's 

in  Mailand.    S.  545. 
„     Mart^chal  führt  Saint- Agnan  bei  liasori  ein.    8.  531. 

23.  Zweites  Erscheinen  Saint-Agnan*s  bei  K^asori.    8.  532. 

24.  Aufbruch    der    k.  k.    italienischen    Truppenkr»rpor 

in  die  niirdlichen  Garnisonen.    8.  532. 
26.    Dritte  und  entscheidende  Zusammenkunft  8aint-Agnan\s  mit 

den  Militär- Verschworenen.    8.  532  f. 
Df^cembor    3./4.    liasori,    Maröchal,   Gas[)arinetti    und    Lattuada   verhaftet. 

8.  533. 
5.    P.  A.  Carror  aus  Mailand  an  Baron  Hager  in  Wien.  8.  545  f. 
10.    Derselbe  an  denselben.    8.  546. 
10. — 18.    Weitere  Verhaftungen  in  Mailand.    8.  53  t  f. 
Ausgang    der    lombardischen    Militär- Vorschwr»rung. 

ö.  o3i). 


1. 

U  eher  eine  Million  Streiter  aus  zwei  Dritttheilen  der  euro- 
päischen Lande  gebot  unmittelbar  oder  mittelbar  der  Imperator, 
als  er  gegen  die  einzige  von  ihm  noch  nicht  gebeugte  festlän- 
dische Macht  das  Schwert  zog;  aber  mehr  als  hundert  Millionen 
Menschen,  aus  deren  Mitte  er  jene  bewaffneten  Kämpfer  hatte 
holen  lassen,  wünschten  nicht  seinen  Adlern,  sondern  wünschten 
dem  Gegner,  wider  den  ihre  Söhne  und  Brüder  gezwungen  im 
Felde  standen,  Sieg  und  Triumph.  Hatte  er  doch  selbst  nach 
dem  grossen  Unglück  von  Moskau,  statt  gewarnt  in  sich  zu 
gehen,  jenen  masslosen  Uebermuth  beibehalten,  der  die  Men- 
schen überhaupt  nur  als  Werkzeuge  seines  Ehrgeizes  ansah 
und  dem  nach  seinen  Franzosen  die  anderen  Nationen  vollends 
niindcrwerthig  galten.  ,Was  sind  mir  200.000  Leute  !^  sagte 
er  in  der  berühmten  Dresdener  Unterredung  zu  Mettemich, 
imd  als  dieser  entrüstet  ausrief:  ,Oeffnen  wir  Thüren  und  Fen- 
ster, auf  dass  Europa  diese  Worte  höre!'  setzte  er,  gleichsam 
sich  verbessernd,  hinzu:  ,Nun  ja,  es  mögen  100.000  Franzosen 
gewesen  sein,  aber  die  andern  waren  Deutsche,  Polen,  Ita- 
liener .  .  / 

Napoleon  hatte  die  Völker  missachtet  und  beleidigt,  er 
hatte  sie  verletzt  und  geärgert  —  j'ai  choquö  les  peuples^,  er- 
kannte er  selbst  zu  spät,  als  er  entthront  den  Boden  Frankreichs 
verlassen  musste  — ,  und  die  Völker  vergalten  es  ihm  mit 
Flüchen  und  Verwünschungen,  mit  dem  bittersten  Hass  und 
Ingrimm.  Diese  Stimmung  war  diesseits  der  Alpen  nicht  stärker 
und  aUgemeiner  als  jenseits  derselben  auf  der  apenninischen 
Halbinsel,  die  unter  dem  herrischen  Walten  seiner  Unterkönig- 
linge  nicht  minder  zu  dulden  imd  zu  tragen  hatte  als  Oester- 
reich  und  Preussen,  als  die  Deutschen  und  Spanier,  und  deren 
Söhne  im  Norden  wie  im  Süden  Europas  für  fremde  Interessen 
verbluteten.  Man  berechnete  es  auf  22.000  Mann,  welche  Ita- 
lien der  spanische  Krieg  kostete;  die  italienische  Nobelgarde 
war  bis  auf  5  Mann   zu  Grunde   gegangen.     Mit  27.000  Mann 


413 

war  1812  der  Vicekönig  Prinz  Eugen  Beauhaniais  in  den  russi- 
schen Feldzug  gezogen,  ein  Theil  unter  seiner  persönlichen 
Führung,  der  andere,  bei  14.000  Mann,  unter  dem  Befehle  des 
Generals  Domenico  Pino,  eines  Mailänders  von  Herkimft.  Ge- 
boren 1.  October  1767,  hatte  Pino  noch  unter  der  Cisalpinischen 
Republik  Dienste  genommen.  Er  war  dann,  erbittert  über  die 
französischen  Willküracte  und  Räubereien,  1796 — 1798  aus- 
getreten imd  hatte  sich  einem  Vereine  angeschlossen,  der  das 
Losungswort  erkoren:  ,Italia  fark  da  sfe^  Doch  unter  dem 
Königreich  finden  wir  ihn  in  hoher  Stellung,  1804  wird  er  mit 
dem  Portefeuille  für  den  Krieg  betraut,  1806  zum  Ersten  Ca- 
pitän  der  Garde  ernannt.  Er  leitet  1808 — 1809  die  Belagerung 
von  Stralsund,  glücklicher  als  der  Friedländer,  und  wird  dann 
in  Spanien  verwendet,  aus  welcher  Zeit  von  ihm  einige  Züge 
von  uneigennütziger  Grossmuth  erzählt  werden,*  die  zu  seiner 
sonstigen  unersättlichen  Habsucht  einen  lichtvollen  Gegensatz 
bilden.  Er  war  eitel  und  ehrgeizig  und  hörte  sich  gern,  ein 
Seitenstück  zu  Latour  d'Auvergne,  den  ,ersten  Grenadier  der 
Cisalpina^  nennen.  Er  war  dabei  patriotischer  Italiener  und 
gerieth  mit  dem  Vicekönig,  welchem  er  verletzende  Bevorzugung 
der  Franzosen  zum  Vorwurf  machte,  in  ein  heftiges  Zerwürf- 
niss;  Prinz  Eugen  verstand  es  zwar  nachderhand,  den  General 
wieder  an  sich  zu  ziehen,  allein  der  Stachel  blieb.  Die  Italiener 
fochten  in  Russland  tapfer  und  erfolgreich,  aber  an  der  Moskwa 
verlor  Pino  bei  4000  Mann,  nahezu  ein  Dritttheil  seines  Corps. 
Es  erfolgte  der  aufreibende  Rückzug  in  einem  der  strengsten 
Winter  des  Jahrhunderts.  Prinz  Eugen  erreichte  Marienwerder 
mit  233  Mann,  einzelne  Abtheilungen  stiessen  noch  dazu,  im 
Ganzen  vielleicht  e  i  n  Tausend  von  don  dem  Imperator  im  Früh- 
jahre zugeftlhrten  siebenundzwanzig.  Doch  kein  Wort  des  Be- 
dauerns, weder  von  ihm  noch  vom  Kaiser,  über  den  so  jammer- 
vollen Verlust  kam  nach  Mailand,  nur  der  Befehl,  die  entstan- 
denen Lücken  durch  neue  Werbungen  zu  ergänzen. 

Noch  während  zwischen  der  ,grossen  Armce^  und  den 
Heeren  der  Verbündeten  diesseits  und  jenseits  des  böhmischen 
Erzgebirges  die  Würfel  im  Fallen  waren,  überschritt  ein  öster- 
reichisches  Corps   unter  FZM.  Baron  Johann  Hiller  die  Drau, 


>  Cantüf  Della  Indipendenza  Italiaua  Croiii8t(>ria  (Toriiio,  Napoli,  Roma 
1872—1873)  1,871. 


414 

19.  September  1813,  drllcktc  die  Truppen  des  Vicekönigs  hinter 
den  Isonzo  zurück  und  besetzte  am  letzten  des  Monats  Laibach, 
die  Hauptstadt  der  illyrischen  Provinzen,  deren  Veste  der  franzö- 
sische Obrist  Leger  nach  einer  kurzen  Beschiessung  am  5.  Oc- 
tober  räumte.  Am  23.  befand  sich  Eugen  in  Udine,  am  24. 
überschritt  die  österreichische  Vorhut  den  Isonzo.  Am  26.  rich- 
tete Hiller  aus  Trient  einen  Aufruf  an  die  ,Völker  Italiens^ 
Mit  einem  Heere  von  60.000  Mann  habe  er  die  Alpen  über- 
schritten und  stehe  in  Begriff,  den  Boden  Italiens  zu  betreten: 
,die  Tyrannei,  unter  deren  Joch  ihr  geseufzt,  die  euren  Gc- 
werbsfleiss  und  Handel  zu  Boden  getreten,  eure  Jugend  im 
fernen  Norden  und  in  Spanien  für  eine  ungerechte  Sache  ver- 
derben Hess,  die  mit  allen  Segnungen  des  Himmels  begnadeten 
Gefilde  Italiens  in  einen  Schauplatz  des  Jammers  verwandelt, 
sie  hat  ihre  Grenze  erreicht.  Ihr  kennet  die  Mittel  der  Gegen- 
wehr, die  der  Feind  wider  euch  führen  kann,  os  sind  seine 
letzten.  Erhebet  euch  also,  Völker  Italiens,  erinnert  eure  Kin- 
der, dass  das  alte  Vaterland  des  Ruhmes  sie  geboren  hat,  und 
dass  der  schönste  Ruhm  sei,  unter  den  Fahnen  des  gerechtesten 
der  Monarchen  für  den  Frieden  der  Welt  und  die  Unabhängig- 
keit der  Völker  zu  kämpfen.' 

Die  Völkerschlacht  bei  Leipzig  war  geschlagen,  Napoleon 
ging  über  den  Rhein  zurück  und  crliess  an  seinen  Stiefsohn 
den  Befehl,  mit  allen  seinen  Truppen,  französischen  wie  italieni- 
schen, ihm  zu  Hilfe  zu  kommen.  Diesmal  versagte  Engen, 
sonst  der  folgsame  Diener  seines  kaiserlichen  Herrn,  den  Ge- 
horsam, allerdings  nur  in  der  Form  entschuldigender  Vorstellung, 
indem  er  in  einem  am  3.  November  an  den  Kaiser  gerichteten 
Schreiben  vorzüglich  den  Umsüind  geltend  machte,  dass  unter 
den  Umständen,  wie  sie  waren,  zahlreiche  Fahnenflucht  die 
Reihen  seiner  Regimenter  lichten  müsste.  Er  hatte  an  jenem 
Tage  sein  Hauptquartier  in  Vicenza,  das  er  aber  schon  am 
4.  nach  Verona  verlegte,  zur  selben  Zeit,  als  der  k.  k.  FML. 
Ignaz  Peter  Chevalier  Marschall  in  Mestrc  einrückte,  um  Ve- 
nedig von  der  Landseitc  einzuschliessen.  Am  14,  schlug  Hiller 
sein  Hauptquartier  in  Vicenza  auf,  südlich  vom  Po  manöverirte 
GFWM.  Laval  Graf  Nugent,  der  am  18.  in  Ferrara  einzog. 
P>  musste  es  zwar  vier  Tage  später,  durch  französische  Ab- 
theilungen in  der  Flanke  und  im  Rücken  bedroht,  wieder  räu- 
men; allein  es  war  das  ein  Zwischenfall,  der  im  grossen  Gange 


415 

der  Begebenheiten  nichts  Undcrn  konnte,  nämHch  tiarin,  dass 
die  französisch-itahenische  Armee  trotz  mancher  mehr  oder  min- 
der glücklichen  Vorstösse  immer  enger  in  die  Vcrtheidigung 
gedrängt  wurde,  weil  das  Gebiet  ihrer  kriegerischen  Macht- 
kreise eine  Einschränkung  nach  der  andern  erfuhr.  Am  9.  De- 
cember  besetzte  GFWM.  Gundaker  Graf  Starhcmberg  Rovigo, 
so  dass  mit  Ausnahme  der  Hauptstadt  und  einiger  festen  Plätze 
der  grösste  Theil  der  vcnetianischen  Terraforma  im  thatsilch- 
lichen  Besitze  der  österreichischen  Truppen  war,  über  welche 
am  15.  Baron  Hiller  den  Oberbefehl  an  den  kaiserlichen  Feld- 
marschall Grafen  Bellegarde  abgab. 

König  Joachim  von  Neapel  stand  im  Begriffe,  mit  den 
Verbündeten  seinen  Frieden  zu  machen.  Bald  nach  der  Leip- 
ziger Schlacht  hatte  er  durch  den  Grafen  Micr  mit  Ocsterreich 
zu  unterhandeln  begonnen  und  war  darauf  in  seine  Haupt- 
stadt zurückgekehrt,  von  wo  aus  er  durch  den  Marchese 
Gallo  mit  Lord  Bcntinck  in  Palermo  anzuknüpfen  suchte,  um 
sich  von  der  sicihschen  Seite  sicherzustellen;  denn  er  trug 
sich  mit  weiten  Plänen,  mit  denen  er  vorderhand  noch  ge- 
heim that,  auf  welche  aber  aus  allerhand  Wahrzeichen  zu 
schliessen  war. 

So  schien  denn  von  den  südlichen  Abfaulen  der  Alpen  bis 
zu  den  Caps  von  Spartivento  und  S.  Maria  di  Leiica  alles  aus 
den  Fugen  gehen,  auf  der  apenninischen  Halbinsel  eine  neue 
r)rduung  der  Dinge  anheben,  oder  vielleicht  richtiger  die  alte 
vor  1796  wieder  in  ihre  Rechte  eintreten  zu  wollen. 


2. 


In  dem  in  der  Mailänder  Ambrosiana  hinterlegten  Tage- 
buche eines  gewissen  Mantovani,  eines  Dieners  und  Anhängers 
Oesterreichs  von  altem  Schlage,  heisst  es  zum  1.  Jänner  1814: 
,Das  neue  Jahr  beginnt  mit  einem  sehr  lobenswerthen  Ansätze, 
d.  h.  nicht  mehr  mit  der  Hoffnung,  von  unserer  Regierung  be- 
freit zu  werden,  sondern  mit  der  Gewissheit^  binnen  einigen 
Tagen  ein  stattliches  Corps  von  Oesterreichern  in  Mailand  zu 
haben.'  Darum,  heisst  es  weiter,  tragen  die  Leute  auch  mit 
Geduld  die  alltäglichen  schier  unerschwinglichen  Lasten  und 
Abgaben,  ,8ie  halten  die  Klagen  zurück  in  Erwartung  der  nahen 


416 

Abhilfe^'     So   rasch    nun,   wie   der  vertrauensselige  Mantovani 
CS   sich    dachte,   wickelten   sich  allerdings  die  Dinge  nicht  ab; 
allein  darin  sah  er  richtig,    dass   alles   einer  nicht  mehr  aufisu- 
haltenden  Katastrophe  zueile.   Am  11.  Januar  kam  der  Bündniss- 
vertrag  zwischen  Oesterreich  und  Neapel  zustande;  für  letzteres 
ging   Marchese   Gallo   mit  Lord   Bentinck   im  Namen  Siciliens 
einen  Waffenstillstand  ein.     König  Joachim  zog  gegen  Norden, 
am  28.  befand  sich  sein  Hauptquartier  in  Bologna,  und  Belle- 
garde  durfte   nun  erwarten,   für   seine  Unternehmungen  gegen 
den  Vicekönig  verstUndige  und  kräftige  Unterstützung  zu  finden. 
Am  4.  Februar  wurde  Verona  besetzt,  von  wo  er  am  5.  einen 
Aufruf  an  die  Italiener  crliess:  die  Stunde  der  Befreiung  habe 
geschlagen,  die  Völker  Italiens  werden  die  Wohlthat  nationaler 
UnabhUngi»;keit  geniessen;  ,ihr  Piemontesen',  ihr  ,edlen  Toscaner^, 
jenes  alte  Haus  von  Este^  werden  in  ihre  früheren  glücklichen 
Verhältnisse  zurückkehren ;  ,dic  Hauptstadt  der  chi*istliehen  Welt* 
werde   aufliören,   ,dic   zweite   eines  fremden  Reiches   zu  sein'. 
So  war  es  allerdings  nicht  von  dem  Abenteurer  auf  dem  Throne 
von    Neapel    gemeint,    dessen    Schleppträger    aus    der    Schule 
schwatzten.      General    Carascosa,    der    Modena     und    Reggio 
besetzte,  und  der  Procurator  Pocrio  in  Ancona  erliessen  Aufrufe 
ganz  anderen  Charakters  als  der  des  kaiserlichen  Feldmarschalls: 
sie  verhiesscn  ,Italien^  Einheit  und  Unabhängigkeit  unter  ihrem 
Könige,  was  sie  freilich  gleich  darauf  in  ,Süditalien'  verbessern 
mussten. 

Am  6.  Februar  hatte  Bellegardc  eine  Unterredung  mit 
Joachim,  wobei  ein  gemeinsames  Vorgehen  gegen  die  Stellung 
des  Prinzen  Eugen  verabredet  wurde.  Zwei  Tage  darauf  kam 
es  am  Mincio  zu  einer  Schlacht  zwischen  den  Kaiserlichen  und 
der  französisch-italienischen  Armee;  es  wurde  von  beiden  Seiten 
tapfer  und  ausdauernd  gekämpft  und  beide  Theile  schrieben 
sich  den  Sieg  zu;  was  aber  nur  in  verneinendem  Sinne  der 
Fall  war,  indem  jeder  den  andern  gehindert  hatte^  sein  Ziel 
zu  erreichen:  Bellegarde,  der  am  rechten  Ufer  des  Mincio 
Fuss  fassen,  Eugen,  der  seinen  Gegner  hinter  die  Etsch  hatte 
zurückdrängen  wollen.  Der  einzige  Gewinn,  den  die  Kaiser- 
lichen davon  hatten,  war  der,  dass  sich  die  Veste  von  Verona 


1  Bei  Giov.  Do  Castro,  La  restauraziono  austriaca  in  Milano;  Arch.  stur. 
Lombardo  1888,  p.  597. 


417 

nicht  länger  halten  konnte,  die  am  11.  capitulirte.  König  Joa- 
chim hatte  gar  nichts  gethan,  das  Unternehmen  Bellegarde's  von 
Süden  her  zu  unterstützen,  imd  so  war  der  heimtückische  Mann, 
der  seine  abseitigen  Zwecke  verfolgte,  den  Kaiserlichen  von 
keinem  besonderen  Nutzen,  so  dass  Metternich  vom  französi- 
schen Kriegsschauplatze  an  den  Grafen  Micr  in  Neapel  sciirieb: 
,Wenn  der  König  damit  alles  gethan  zu  haben  glaubt,  dass  er 
nicht  über  uns  herfällt,  so  wäre  es  fast  besser,  ihn  zum  offenen 
Feinde  zu  habend' 

* 

Noch  eine  dritte  Macht  trat  jetzt  gegen  die  Streitkräfte 
des  Königreiches  Italien  in  den  Kampf;  aber  auch  auf  dieser 
Seite  herrschten,  mindestens  was  den  Vertreter  derselben  betraf, 
besondere  Neigungen  und  Pläne.  Seit  dem  Umschwünge  in 
der  allgemeinen  Weltlage  hatte  Lord  William  Bentinck  kein 
Hehl  daraus  gemacht,  dass  er  flir  einen  italienischen  Freistaat 
mit  einer  Verfassung  nach  britischem  Muster  sei.^  Allerdings 
musste  er  um  der  Verbündeten  seines  Vaterlandes  willen  seinen 
Phantasien  Grenzen  setzen.  Nachdem  er  nach  einem  mit  Oester- 
reich  und  Neapel  verabredeten  Plane  am  9.  März  bei  Livorno 
seine  Truppen,  Briten,  Sicilianer  und  Deutsche,  bei  8000  Mann, 
ausgeschifft  hatte,  beschränkte  er  sich  in  seinem  Aufrufe  vom 
14.  der  Hauptsache  nach  darauf,  er  sei  gekommen,  den  Italie- 
nern die  Hand  zu  reichen,  ,um  sie  von  dem  eisernen  Joche 
des  Bonaparte  zu  befreiend 

Mittel-  und  Oberitalien  waren  jetzt  ein  grosses  Schlacht- 
feld, auf  welchem  österreichische,  britische  und  neapolitanische 
Abtheilungen  vielfach  Schulter  an  Schulter  gegen  die  Truppen 
des  Königreiches  Italien,  welches  nur  mehr  dem  Namen  nach 
bestand,  manövrirten.  In  Ancona  und  den  Marken  setzten  sich 
die  Neapohtaner  fest;  in  den  Legatiojnen  operirten  österreichische, 
neapoUtanische  und  britische  Truppen;  um  die  Lagunen,  um 
den  Gardasee,  an  der  Etsch  imd  am  Mincio  gab  es  fortwährende 
Kämpfe  zwischen  Oesterreichern  und  Franco-Italienern,  und 
wenn  auch  letztere  mitunter  vorübergehende  Vortheile  er- 
rangen,   im  grossen   Durchschnitt    waren    die   Kaiserlichen    im 


1  Helfert,  Joachim  Mural  (Wien,  Manz,  1S78),  S.  9. 
>  Bericht   des   Grafen   Adam    Neipperg    nach  Wien   vom    30.  Juli    1814 
K.  u.  k.  Hans-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien. 


418 

Fortschritt,   die   Truppen   Eugens   in   der   KUckwärtsbewegong 
begrifFcn. 

Das   Schicksal   der   apenninischen   Halbinsel    ging    seiner 
Entscheidung    entgegen.     Zwischen   dem   Hauptquartier  König 
Joachims   und   dem   zur   Stimde   auf  französischem  Boden  hiD 
und  her  wandernden  Cabinete  des  Kaisers  Franz  fand  ein  leb- 
hafter Depeschen-  und  Courirwechsel  statt,  eigenhändige  Briefe 
der  beiden  Souveräne  fielen  dazwischen.  Den  Ton  gaben  Oester- 
reich  und  dessen  Verbündete  an.    Bereits  wurde,  König  Joachim 
imd  Lord  Bentinck  zum  Trotz,  ernstlich  fllr  die  Rückkehr  der 
alten  Dynastien  gehandelt.    Oesterreichische  Truppen  zogen  in 
Rom  ein  und  besetzten  die  Engelsburg,  in  Florenz  fasste  Graf 
Starhemberg  festen  Stand,  jene  um  den  heiUgen  Vater,   dieser 
um   den   Grossherzog  Ferdinand   HI.  in   ihre   Staaten   zurück- 
kehren zu  lassen.     In  den  Departements  des  Panaro  und  Cro- 
stolo,  die  das  herzustellende  Herzogthum  Modena  bilden  sollten^ 
richtete   Graf  Nugent  als  Commandant  dor  südwärts   vom  Po 
operirenden  verbündeten  Truppen    eine   einstweilige  Militärver- 
waltung  für  Erzherzog  Franz  von  Oesterreich-Este  ein.    Lord 
Bentinck  brach  von  Livomo  in  nordwestlicher  Richtung  gegen 
Genua  auf,  die  Rückkehr  des  seit  1800  auf  die  Insel  Sardinien 
gebannten  Königs  Victor  Emanuel  in  sein  festländisches  Besitz- 
thum  war  nur  eine  Frage  der  Zeit,  und  dann  musste  auch  über 
das  Schicksal  des  alten  Freistaates  an  der  Riviera  entschieden 
werden. 

* 

Dass  Graf  Bcllcgarde  nicht  für  fremde  Zwecke  und  Inter- 
essen südwärts  der  Alpen  manövrirte,  konnte  sich  jeder  über- 
legende Politiker  sagen;  auch  machte  die  österreichische  Re- 
gierung durchaus  kein  Hehl  daraus,  dass  es  ihr  in  erster  Linie 
um  Zurückgewinnung  der  ihr  in  den  napoleonischen  Kriegen  im 
Südwesten  der  Monarchie  entrissenen  Gebietstheile  zu  thun  sei. 

Von  dem  Augenblicke,  als  auf  deutscher  Erde  der  Wende- 
punkt im  Glücke  Napoleons  eingetreten  und  der  letzte  Kampf 
auf  den  Boden  Frankreichs  verlegt  war,  dessen  schliessHcher 
Ausgang  nur  über  den  Zeitpunkt  seines  Eintrittes  Zweifel  auf- 
kommen Hess,  hatte  Kaiser  Franz  die  fortschreitende  Besetzung 
der  illyrischen,  dalmatinischen  und  norditalischen  Provinzen 
als  Rücknahme  ihm  in  den  Jahren  seiner  Demüthignng  gewalt- 


entrissener  Reichstlicile  aufgefaast  und  im  (befolge  seiner 
I  ^ege  auf  dem  Sehlaclitfelde  an  die  Wiedcreinncfatnng  derselben 
auf  üstcrreicliischen  t'usB  schreiten  lassen.  Der  Anfang  war  in 
Illyrien  gomaclit  und  vor  Allem  die  Reinigung  der  Behörden 
^tt  fremdländischen  Elementen  in  Angriff  genommen  worden. 
Unter  tranztisischer  Herrschaft  und  auf  unmittelbaren  Be- 
1  Napoleons  hatte  der  Geheimbund  der  Freimaurer  in  allen 
lieren  Creseilscliaftskr eisen,  und  ganz  besonders  im  Heere 
in  den  Aemtem,  ausgedehnte  Verbreitung  gefunden.  In 
^terreicb  waren  alle  geheimen  GeBellschaften  verboten,  mit 
^em  öffentliclien  Dienstvcrliäituisse  unvereinbar  erkJUrt.  Unter 
I  FreimaurciTi,  auf  welche  jetzt  die  kaiaerücben  Reorgani- 
ioncQ  auf  allen  Stufen  der  Justiz,  in  allen  Zweigen  der  Ver- 
ütung  stiessen,  waren  höchst  begabte  und  verdiente  Miluner, 
1  bi  der  napoleonischcn  Zeit  mehr  aus  Dionstbeätssenhcit  oder 
tieil  es  eine  Art  Modo  war  an  den  Alfanzereien  des  mystisehen 
IrUdorÜiums  theilgenommen  hatten  und  die  es  daher  keine 
Eeberwindung  kostete,  sieh  davon  unter  einer  dem  Geheim 
\  abholden  Regierung  loszusagen.  Hingegen  gab  es  andere, 
die  sich  zu  tief  In  da»  gestürzte  System  eingelassen  hatten,  zu 
innig  mit  demselben  verwachsen  waren,  als  dass  man  die  Er- 
wartung hegen  konnte,  sie  würden  in  der  geiinderten  Lage 
treue  und  aufrichtige  Dienste  leisten.  Manche  von  ihnen  waren 
sehr  unsaubere  Hubjccte,  sittenlos,  tyrannisch  und  habgierig,  die 
niesten  Blutsauger  zählten  zm-  Secte  der  Freimaurer,  die  darum 
im  Allgemeinen  bei  der  Masse  der  Bevölkerung  verhasst  war 
und  vielfach  mit  den  verabscheuten  Jakobinern  verwechselt 
ii-den.  Einzelne  verliesaen  bei  der  neuen  Wendung  der 
inge  freiwillig  ihren  Dienst,  andere  wurden,  trotz  aller  Gegen- 
rauche,  die  sie  und  ihre  Beschützer  machten,  bcfehlswcisc 
1  ihren  Posten  entfernt.' 

Was  Irisher  in  Erain  und  im  GSrzisehen   geschehen  war, 

Ute  nnn  in  gleicher  Weise  in  dem  von  den  kaiserlichen  Truppen 

tckärobcrten  obcritalischen  Landstrichen  stattfinden.     Hchon 


I  tt[e  Affion  der  ebPnialiEiiii  ObersWn  Piiliüni-  nnil  renunr-lliifttdlo  (jplat 
t  Im  Arcbiv  dw  MlnJiiUi-inmH  iIoh  Dinem',  iHi  wonle  citin'ri  A.  J.)  1814 
'  Conviiliit  ,VRn>ii.'liHnniii)raii'  Hind  voll  der  tntarm«i>ii labten  EiiiiAlnliEtitoii 
i<  in  dItHAr  ltic'lit4iiii;,  nuf  w4u  itk  ile»  kfltilligeii  (lAHchicIitMidiniibnr  der 
^•JtiMK£npatinii  iiiul  liitroHukrntLtchen  Koorgniiiiuttioii  ron  Illyiien  ISIS  und 
]8U  hlTioit  n.r.i-hi.-  aiifiiKirkMim  <r('i>inclit  li.iLinii. 


420 

war  fiir  das  bestandene  italienische  Königreich  der  k.  k.  FZM. 
Fürst  Heinrich  XV.  von  Reuss-Plauen   als  General-Gouverneur 
im  Namen  der  verbündeten  Mächte  bestellt,  der  k.  k.  Regierungs- 
rath  Anton  von  Raab  ihm  als  Polizei-Oberdirector  an  die  Seite 
gegeben,  mit  dem  Sitze  vorläufig  in  Verona,  von  wo.  so  lange 
die  Lagunenstadt   nicht   bezwungen  war,   die  einstweilige  Ver- 
waltung   der    venetianischen    Terraforma   ihren   Anfang  nahm. 
Wie   in   den   anderen  wiederbesetzten  Provinzen   wimmelte  es 
auch  hier  von  ,schlechten  Beamten^,  d.  h.  solchen,  die  freimau- 
rerisch  angesteckt  waren  und  von  denen  sich  eine  ernstgemeinte 
Lösung  von  diesen  Banden  nicht  erhoffen  Hess.  Schon  im  Febmar 
1814  bestand  Raab  beim  General-Gouverneur  auf  der  Absetzung 
des  Postdirectors  Barbiera  als   eines  Freimaurers,  Werkzeuges 
der  italienischen  Polizei  und  VertriEiutcn  des  ehemaligen  Dcpar- 
tementspräfecten  Barons  Ant  Smancini,  und  Ersetzung  desselben 
durch  den  altösterreichischen  Postbeamten  Joh.  Theod.  Hanappel.^ 
Gegen  Ende  März  kam  dem  Fürsten  der  kaiserliche  Befehl  zu, 
,dass  jene  Beamten  in  den  occupirtcn  Provinzen,  welche  die  provi- 
sorische österreichische  Regierung  auf  ihren  Dienstposten  belässt, 
verludtcn  werden  sollen,  eidlich  anzugeloben,  dass  dieselben,  fiük 
sie  mit  einer  Freimaurerloge  oder  einer  anderen  geheimen  Ge- 
sellschaft in  Verbindung  stünden,   sich  sogleich  davon  lossagen 
und  in  keine  solche  Gesellschaft  mehr  treten  wollend*    Zu  den 
ersten,   deren  Schicksal  sich  in  dieser  Richtung   entschied,  ge- 
hörten der  Präsident  Prebatta  und  der  Rath  Pradclla  vom  Ge- 
richtshofe zu  Viccnza;   sie   venveigerten   den  Eid    und  wurden 
allsogleich  ilu*es  Dienstes  entlassen. 

3. 

Das  ex-venetianische  Gebiet  westlich  vom  Mincio  (Ber 
gamo,  Brescia),  das  Mantuanische,  Mailand  und  die  Lombardei 
waren  thatsächlich  noch  in  franco-italienischer  Gewalt,  aber  die 
Stützen  dieses  Besitzes  schwankten  und  krachten  in  allen  Theilen, 


*  Laut  Schematiismiiä  vou  1812  Oberpostamts-Controlor  in  GrSts. 

2  Allerhöchste  Entschliessnn^  vom  3.,  Schreiben  des  Obersten  Polixeipräsi- 

denton  Franz  Freihemi  von  Ha^r  zu  Allentsteig  vom  30.  Mars  1814,  A  J. 

, Verschwürungen'.     (}e<lnickte  Eidesformel  und  Revers,  gleich  von  FZH. 

Baron  Ililler  bei  seinem  Einrücken  auf  venetianisches  Gebiet  festgestellt 

und  kundgemacht,  ebenda  Z.  1549  ad  83. 


^Bd  Luftzug  kuuTitt^  eie  zum  .Sturz  bringen,  ein  Fuuken  in  vcr- 
^Bhreode  Flaiunieu  setzen, 

^K        Prinz  Eugen  Beauharnais,  StiefBohn  Napoleons,  Vicekönig 
W^a  Italien,  war  für  seine  Person  und  im  gesellschaftlichen  Um- 
^«Dg  nicht  eben  unbeliebt,   uuil   in    noch   liöiierem  Grade  Hess 
sich  das  von  seiner  üemahlin  Augusta  Amoüa,  einer  bayrischen 
Prinzessin,    sagun.     Unter   den   einflussreichen   M (Innern   seines 
Hofes  waren  nicht  wenige  von  entschieden  günstiger  Wirksam- 
keit,  und   es   war    unter   seinem  Walten   ohne  Frage  Manches 
fiir  das  Land  geschehen.    Obenan  an   Verdiensten  und  Erfolgen 
'Und  darum  auch  in  der  allgemeinen  Achtung  stand  Conte  Fran- 
ico  Meizi  d' Eril,  der  treue  und  kluge  Berather  des  Prinzen 
I  allen  grossen  Fragen.     Einer  vornehmen    lombardischen   Fa- 
[dlie  entsprossen,  geb.  zu  Mailand  am  )3.  März   1753,  in  jungen 
Kammerherr    der    Kaiserin    Maria  Theresia,    wai"  Melzi 
JtBch  Ausbruch  der  Revolution    zu    einem    Haupthebel    bei    der 
Gründung    der   ciealpinischen  Repubhk,    sowie    später    bei    der 
Schüpfung  des  Königreiches  Italien   geworden  und  in  der  Mei- 
nung  vieler  seiner  lombardischen   Laudsleate    zum   Vicekonig 
letzteren    ausersehen.      Das    war    nun    allerdings   nicht  ein- 
treten;   (loch    als    Grosskauzler    des    Königreiches,    mit    dem 
wzogstitel  von  Lodi  ausgezeichnet,  war  er  in   der  Verwaltung 
lad    im    Staatsrath    nach    dem  Prinzen  Eugen    der  erste  Mann 
i  Königreich.     In  der  Zeit,   in  der  wir  uns  bewegen,  war  er 
tht  gerade  horhbetagt,  er  hatte  eben  erst  die  äechzig  hinter 
ich;  allein  seine  Gesundheit  war  erschüttert,  er  litt  an  der  da- 
tligen  Modekrankheit  der  Vornehmen,  an  der  Gicht,  die  ihn 
ntweise  wochenlang  an  Bett  und  Zimmer  fesselte.' 

Es  fehlte  aber  auch  nicht  an  Persönhchkeiten  in  der  nächsten 

Umgebung   des  Vicekönigs,   deren  Sitten  und   Gebahren   nicht 

'  dazu  beitragen  konnten,  das  franzüsische  Regiment  volksthümlich 

zu  machen,  was  namentlich  von  den  Conti  Paradisi  aus  Moden« 

and  Minister  Vaccari  galt,  die  sich,  wie  man  ihnen  nachsagte, 

1  JfuBher  als  ihre   Übrigen   Landsleute   dfinkten,   weil  sie  von  der 

18t  der  französischen  Sonne  bestrahlt  waren.     Das  war  der 


■  Unter  den  neueren  MailBiifler  euhriftstellern  hat  niemand  Mel»  ho  Itot^li 
I    gartellt,  mid  wr-lil  mit  vielem  Oruud,  «1«  B.  Boofadini,  FninaeMo  Melii 
t  •  il  parioda  Italinna  ^Mt^siu  (iecolu  di  fAtriotiamo,  Milano,  Trovo«,  ISStl. 
[1.  1—60). 


422 

Punkt,  der  das  Selbstgefühl  der  Lombarden  am  empfindlichsten 
verletzte  und  der  sie  selbst  das  mancherlei  Gate,  das  sie  der 
Regierung  Eugens  zu  danken  hatten,  übersehen  und  vergessen 
Hess.   War  er  es  doch  selbst,  der  kaiserliche  Stiefsohn,  der  sein 
Königreich  nicht  anders  verwaltete  denn  als  eine  Provinz  des 
weiten  französischen  Kaiserthums,   und   nach  dessen  Sinn   die 
Italiener  die  menschenverschlingende  Heeresfolge  als  eine  Ehre 
aufzufassen  hätten,  welche  die  grosse  Nation  ihnen  zutheil  werden 
lasse.    Ganz  in  diesem  Geiste  sprach  und  handelte  der  Cabinets- 
secretär  des  Prinzen  Graf  Mejean,  Franzose  von  Herkunf);,  dessen 
Gesinnung  eine  blinde  Bewunderung  und  Ergebenheit  f)ir  seinen 
unmittelbaren  Herrn  und  für  den  grossen  Kaiser  in  Paris  kenn- 
zeichnete. Unter  dem  Druck  des  Missbehagens,  des  Widerwillens, 
der  bei  dem  Lombarden  durch  den  französischen  Uebermuth, 
durch  das  hochfahrende  Wesen  «des  imperialistischen  Anhangs 
genährt  wurde,   litten  auch  solche  Männer,   denen  sonst  gleich 
Melzi  nur  Rühmliches  nachzusagen  war,  die  aber  in  der  öffent- 
lichen Meinung  gleich  so  vielen  anderen  als  einfache  Werkzeuge 
des  fremden  Unterdrückers  galten. 

Die  Fülle  des  Hasses  traf  eine  Persönlichkeit  von  hervor- 
ragender Begabung  und  vielfach  anerkennungswürdigem  (%a- 
rakter,  aber  von  einer  Gefügigkeit  und  Dienstfertigkeit  nach 
oben,  einer  unbeugsamen  Strenge,  ja  Härte  nach  unten,  die  alles 
Mass  überschritten.  Es  war  der  Finanzminister  des  Königreichs 
Conte  Giuseppe  Prina,  Piemontese  von  Geburt  und  schon  daram 
den  Mailändern,  diq  ihren  Nachbarn  jenseits  des  Ticino  von 
Haus  aus  nicht  besonders  hold  waren,  ein  Dom  im  Auge.  Ein 
Mann  von  entschiedenem  Talent,  ein  pflichtgetreuer  Beamter, 
der  vom  Morgen  bis  in  die  sinkende  Nacht  bei  seiner  Arbeit 
war,  hatte  sich  Prina  um  die  Ordnung  des  staatlichen  Haushaltes 
unleugbare  Verdienste  erworben,  er  war  ehrlich  und  hatte  reine 
Hände.*  Aber  schon  1802  hatte  Melzi  in  einem  Berichte  an 
den  ersten  Consul  über  Prina  geklagt,  er  sei  verhasst  in  der 
Lombardei,  wie  er  es  früher  im  Piemontesischen  gewesen,  sein 


'  ,Qaant  k  son  patrimoine,  il  est  ayM  quUl  n*en  avait  point,  et  sa  £unUle 
ne  recueillit  k  sa  mort  aucun  h^ritage* ;  i^tnde  sur  Thistoire  de  la  Lombardie 
etc.  MS.  d'un  Italien  pnbli^  par  H.  L^zat  de  Pons  (Paris,  Laisn^,  1846)  p.  73. 
Es  gibt  auch  eine  italienische  Ausgrabe  ,Stadi  intomo  alla  atoiia*  eoe^  die 
ich  aber  nicht  ans  eigener  Anschauung  kenne.  Als  Verfitaeer  oder  richtiger 
Verfasserin  gilt  allgemein   die  Fürstin    Cristlna   Belgioioao-TrinUi- 


ktiffahrendos  Wesen,  ,sc'me.  ironische  Hftrte  gegen  die  Steiicr- 
■fitclitigen'  erzeugten  allgemeine  Erbittening.  Unter  ilem  Kaiaer- 
■Rtm  wurde  dicB  nicht  besser  sondern  schlimmer.  Stolz  nnd 
■ftrr,  Verächter  der  Volksgunst.  kannte  Prina  rUeksichtaloe 
■llehM  als  den  Willen  seiner  französischen  Gebieter:  wenn  auß 
nris  das  Wort  kam.  es  werde  Geld  gebraucht,  rauaste  Geld 
iftrbeig(*ftehnfft  werden  um  jeden  Preis,'  Die  Steuern  waren 
Tiel  und  gross,  die  Auflagen  auf  die  noth wendigsten  Lebens- 
bedürfnisse stiegen  immer  höher,  mi  den  alten  Abgaben  kamen 
fiisl  mit  jedem  Jahr  neue,  noch  am  24.  Jänner  1814  eine 
(.'api  tatst  euer  von  1  Percent.  Was  aber  am  meisten  di-ückte  und 
in  itllen  Geschäftskreisen  einen  stets  wiederkehrenden  Unwillen 
nlthrte,  war  eine  Protok  ollsten  er.  il  i-egistro.  eine  vergleichs- 
weise hohe  Abgabe  die,  bei  Gefahr  der  Ungiltigkeit  des  ganzen 
indels,  flir  die  Eintragung  aller  KSafe  und  Verkäufe,  aller 
■leben,  aller  Erbschaften  etc.  in  die  öffentlichen  Bücher  zu 
entrichten  war.  Dazu  waltete  bei  Eintreibnng  dieser  verschiedenen 
Schuldigkeiten  eine  unerbittliche  Strenge,  die  von  Mitgefühl  und 
Barmherzigkeit  nichts  wusste.  Gereizt,  wie  die  Öffentliche  Meinung 
Igen  den  Piemonteser  war,  liess  sie  dabei  ausgiebige  Abfälle 
~  Nebengewinn  Sic  in  den  eigenen  Säckel  des  Finanzministers 
Ijessen;  er  galt  für  fabelhaft  reich  und  die  ,Casa  Prina'  filr 
angefiillttnit  unglaublichen  Sehätzen.  Allein  der  ehemalige  Palast 
Sannazari,  den  er  bewohnte,  war  keineswegs  sein  Eigenthnm; 
^iaa  Gebäude  war  vor  längerer  Zeit  in  den  Besitz  des  grossen 
ipitsk  Qb ergegangen,  von  welchem  es  Napoleon  fllr  den  Staats- 
hatte  ankaufen  und  zur  Amtswohnung  des  jeweiligen 
lanzministers  heniehtcn  lassen,  dessen  Bureaux  in  dem  gegen- 
iriiegenden  Palazzo  Marino  iintergebracht  waren.  Als  die 
itigsten  seiner  Beamten,  denen  er  volles  Vertrauen  schenkte, 
Pavesi  nnd  Pioltini;  sie  waren  deshalb  nicht  minder 
t  als  der  Minister  selbst,  und  das  Wort  machte  die  Runde 
[AÜand:  es  werde  nicht  besser  werden,  so  lange  ,die  drei  P 
it  ans  der  Welt  geschafft  seien. 
Bei  80  bewandten  Umständen  war  es  nicht  zn  wnndern, 
die   französische   Partei    nicht    blos   in- Mailand,    sondern 


^■«eis 

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i  ,PriiM'.  hiesB  es  im  Oeat.  Beob.  1814,  Nr. 
Piemonteaer,  welnhen  Biioimpart«  ne^n  i 
Kchaffen  beniindcii  i'hr.'«'. 


Mai  8,  TOI.  .eil 
■  Oeld  >i 


424 

weithin   im  Lande  mit  jedem  Jahre^    welches  dieses  Reimen! 
währte,  sichtlicher  zusammenschmolz.  Ausser  den  wenigen  per- 
sönlichen Verehrern  und  uneigennützigen  Anhängern  des  vice- 
königlichen   Paares  bildeten  dessen  durchschnittlichen  Anhang 
solche,  die  bei  einem  Wechsel  des  Regimentes  einem  unsicheren 
Loose  entgegensahen,  im  äussersten  Falle  ihren  Posten  und  die 
damit  verbundenen  Einkünfte  und  Bezüge  zu  verlieren  hatten, 
also  in  der  ersten  Reihe  die  Minister  und  höheren  Kegierungs- 
beamten.  In  diese  Classe  zählten  aus  dem  gleichen  Grunde  der 
ehemalige   von   Kapoleon   gegrafte  .  Minister   des   Staatsschatzes 
und  jetzige   Senatspräsident  Antonio   Yen  er  i   aus  Reggio  and 
mit  ihm  die  Mehrzahl  der  höheren  Gesellschaft  im  Modenesischen. 
Denn  eben  aus  Modena  und  Reggio   waren  Leute    von  Geist 
und  Thatkraft,  geschickt  und  verwendbar,  unter  französischem 
Regiment  zu   den  höchsten  Ehrenstellen  gelangt  und  standen 
anderen  auf  einer  unter  den  günstigsten  Vorzeichen  betretenen 
Laufbahn  die  glänzendsten  Aussichten  offen;    hiemit  musste  es 
besonders  dann  ein  Ende  haben,  wenn  ihr  Gebiet  staatlich  von 
jenem  am  linken  Ufer  des  Po  abgetrennt  würde.    Zu  den  An- 
hängern  Eugens,    oder    vielmehr    der  an   seinen  Namen  sieb 
knüpfenden  Ordnung  der  Dinge,  gehörte  die  Mehrzahl  der  Ge- 
nerale und  höheren  Ofliciere,  bei  denen  häufig  ein  edleres  Motiv 
als  das  des  blossen  Eigennutzes  mit  ins  Spiel  kam.    Sie  hatten 
unter  seiner  Führung  in  einer  Reihe  von  Feldzügen  die  Mühen 
des  Lagerlebens,  die  Gefahren  auf  dem  Schlachtfelde,  sie  hatten 
Siege  und  Ehren  mit  ihm  getheilt,  und  das  Band  solcher  Kamerad- 
schaft ist  oft  inniger,    gilt  als  heiliger  als  das  blos  persönlicher 
Freundschaft. 

Gleichwohl  gab  es  selbst  in  diesen  Kreisen  Manche,  die 
wankten  oder  geradezu  zum  Abfall  neigten,  sei  es  aus  persön- 
lichen Anlässen,  sei  es  weil  sie  grundsätzlich  das  französische 
Joch  satt  hatten.  Qeneral  Luigi  Conte  Mazzucchelli,  ein 
Brescianer,  hatte  sich  in  Mailand  eben  in  Machenschaften  gegen 
das  bestehende  Regiment  eingelassen,  als  er  vom  Vicekönig 
nach  Mantua  berufen  wurde,  um  daselbst  als  Chef  des  Qeneral- 
stabes  zu  fungiren.  Mazzucchellis  Genossen  witterten  eine  Ent- 
deckung ihres  hochverrätherischen  Treibens  und  mehrere,  wie 
Marchese  Fagnani,  der  Advocat  Reina  flüchteten  über  die 
Grenze. 


■  179 


In  demselben  Masse,  in  welchem  sieli  dk'  Roibon  diT  IJnau- 
haruisten  lichtete,  ja  in  viel  hßherem  Grade  verstärkte  sieb  eine 
andere  Partei,  welche  die  neueren  Mailänder  Geschicbtschrcibcr 
als  .Austriaeanti'  bezeichnen,  die  aber  damals  von  ihren  Gegnern 
aU  Mate  Hai  ioni  verhUhnt  wurden,  als  ob  sie  selbst,  die  be- 
ihnenden  Anhänger  dee  Imperialismus,  von  eigennützigen  Ab- 
;hlen   frei  wären! 

An  Flass  gegen  die  franBösische  Ordniing  der  Dinge  und 
Iben  dämm  an  sebnsUelitiger  Erinnerung  an  die  öalen-eichiBchc 
lit  hatte  es  während  der  ganzen  eisalpinischen  und  vieckönig- 
liehen   Periode   nicht  gefehlt.     Noch   war  es  unvergessen  beim 
stolzen  lombardischcn  Adel,    dass  mit  dem  Eintritt  der  sanscu- 
lotte'schen   Gewaltherrschaft  —  in  dem    beriichtigten    jtrienmo' 
1796   bis   1798  —  seine  Titel   und  Wappen   abgeschafft,   seine 
ideicommissc  aufgelöst  worden  waren,  dasa  dem  , Bürger'  An- 
Litta,    weil  er  es  gewagt,  auf  dem  Partezettel  flir  seinen 
verstorbenen  Vater  dessen  Marehesat  zur  Geltung  zu  bringen, 
wegen  dieser  ,entehrenden'  Berllhmung  eine  Strafe  von  hundert 
Dncaton  auferlegt,  jn  wegen  des  enormen  Grades  der  Beleidigung 
ises  Bussgeld   auf  das  Doppelte  erhöht   worden  war.     Noch 
iten  viele,  wie  Marchese  Francesco  Pictro  Ghisilieri-Caldorini, 
alte  Graf  Confalonieri,    die  am  kaiserlichen  Hofe  zu  Wien 
Kammcrhcrrcnschlüsscl  getragen,  von  Joseph  U.,  Leopold  II,, 
ine  II.  persönlichen  Umgangs  gewürdigt  worden  waren.  War  es 
iter  solchen  Umständen  zu  wimdcrn,  wenn  Oesterreich  unter  dem 
[bardischen  Adel  seine  zähen  Anhänger  hatteV  Der  Marchese 
■ivabenc  erwähnt  aus  seiner  Jugendzeit  eine  Persiinlichkeit, 
als  noch  der  galhsehe  Hahn  den  zweiköpfigen  Adier  unter 
len  Krallen  gehabt,  nicht  müde  geworden  sei,  den  baldigen 
larscb    der   Oesterrcicher    in   Mantua    zu    prophezeien.     Zu 
grimmigsten  Haasern   Frankreichs  und  dessen  Kaisers  ge- 
hörte Conte  Filippo  Carlo  Ghislieri  aus  Bologna,  den  Napoleon 
hatte  einsperren,   eines  Tbeiles  seiner  Gilter  berauben  lassen; 
Btidz   Eugen  hatte  ihm  zwar   die   Befreiung   erwirkt,    aber   er 
iste  Mailand  meiden,  weil  oi-  als  .österreichischer  Spion'  galt. 
latsächlich  war  er  als  Land  es  verwiesener  wiederholt  in  Wien 
esen,  um  sich  dort,  wie  es  bei  der  Mailänder  Polizei  hieas, 
cisnngcn'  zu  holen.     Er  war  dabei  in  nähere  Beziehungen 
Conte  Alfonso  Oastiglioni    getreten,    der    sich  in  ähnhcher 
imung  am  kaiserlichen  Hnfp  einfand,  aber  zuletzt  nach  Mailand 


426 

zurückging;    um    die    ihm    angedrohte    Beschlagnahme    seiner 
Güter    abzuwenden;    ein    Amt    oder    eine   Ehrenstelle    hat   er 
von  den  Napoleoniden  nie  angenommen.    Von  Filippo  GhisUeri 
wurde  erzählt,    dass  er  Verkleidungen  nicht  scheue,    sich  bald 
als  Bettelmönch,  bald  als  Bauer  im  Lande  herumtreibe,  um  för 
seine  Pläne  Stimmung  zu  machen.  In  den  letzten  Monaten  1813 
zeigte    er   sich    wieder   Freunden    in    Mailand,    namentlich   im 
Hause  des  Marchese  Rosales,    in  jenem  des  Barons^    Giuseppe 
Gambanara  aus  Pavia,  eines  der  entschiedensten  Parteigänger 
Oesterreiehs,  dessen  Frau  sie  am  viceköniglichen  Hofe  spOttebd 
,Madame  des  öcrevisses^  hiessen.    Bei  Gambanara  und  Rosales 
fanden  von  1813  zu  1814  jene  geheimen  Zusammenkünfte  statt, 
aus    deren    Schoosse    mit    dem    kaiserlichen    Armeecommissftr 
Grafen  Peter  Goess,  ja  mit  dem  Oberbefehlshaber  Grafen  Belle- 
garde verdeckte  Beziehungen  angeknüpft  wurden.     Unter  den 
Austriacanti  oder  Materialioni  galten  ausser  den  bereits  Genannten 
als  die  eifrigsten  und  thätigsten  die  Conti  Fagnani,  Giuho  Otto- 
lini  —  ,duquel  il  n'y  a  pas  de  plus  grand  Autrichien,  rhonime 
le  plus  sage  et  le  plus  loyal',  wie  es  in  einem  amtUchen  Berichte 
von  ihm   hiess  —  Antonio   Greppi,    Giacomo  Mellerio,   Giberto 
Borromeo,  Diego  Guicciardi,  Rath  Freganeschi,    der  Venediger 
Marchese  Maruzzi.  Guicciardi  gehörte  dem  italienischen  Senate 
an,   und  es  waltete  bei  ihm  noch  ein  besonderer  Beweggrund, 
sich    die    österreichische   Herrschaft    zu    verlangen.     Gebomer 
Veltliner    wünschte    er,    dieses    Thal   mit   Worms    und   Cleven 
(ValtelUna,    Bormio,   Chiavenna),    die   vordem   zu  Graubündteo 
gehört  hatten,  bei  der  Lombardei  zu  erhalten,    und  da  er  sich 
denken  konnte,  dass  bei  dem  Zusammenbruche  des  Napoleonischen 
Weltreiches  die  Schweiz  grosse  Anstrengungen  machen  würde, 
die  ihr  entrissenen  Thäler  zurückzubekommen,    so  schien  ihm 


*  Bei  den  neueren  Mailänder  Geschichtschreibem  wird  Gambanara  durch- 
wegs als  Conte  angeführt.  In  dem  von  Bellegarde  im  Juli  1814  zusammen- 
gestellten  Verzeichnisse  des  neuen  lombardischen  Adels  kommt  er  aber 
ausdrücklich  in  der  Abtheilung  der  3&roni*  und  mit  der  Bezeichnang 
jAwocato*  vor.  Es  kann  also  nur  angenommen  werden,  dass  die  Gambanan 
von  altem  Mailänder  Grafenadel  waren  und  unser  ,Advocat*  diesen  seit 
1796  verbotenen  und  verlorenen  Titel  nach  der  G^tattung  des  Kaisers 
Franz  I.  neuerdings  zur  Geltung  brachte.  Eine  Khnliche  Bewandtnis! 
mag  es  mit  dem  ,ßaron^  Giuseppe  Casati,  königl.  ital.  Staatarath, 
gehabt  haben. 


üin  Staat  vou   der  Mnuht  und   dem  Ansolieu   Uc&turreiclis 
der  Lage  zu  sein,  Bolche»  Widerstand  zu  brechen,' 

Die  üsterreichische  Partei  recrutirte  sich  indeesen  keines- 
s  blos  aus  dea  vornehmeren  Sehichtcn  der  GeaeUscIiaft. 
dem  fortwährenden  Wechsel,  hei  der  Unruhe  der  lclzt«n 
Jahrsehnte,  bei  der  unausgesetzten  Kriegsbereitschaft  und  den 
damit  Terbundenen  steten  Anforderungen  an  Geld  und  Kanonen- 
futter trat  bei  gar  vielen,  selbst  Leuten  der  minderen  Volks- 
classen,  die  Erinnerung  an  die  guten  alten  Zeiten,  an  die  Ruhe 
und  Sicherheit  unter  den  üsterreichisehen  Herrschera  immer 
lebendiger,  immer  kraftiger  hervor,  und  besonders  das  Andenken 
Ilaria  Theresiens  wirkte  in  Mailand  und  der  Lombardei,  wie 
das  ja  in  ähnlicher  Weise  in  den  belgisehen  Gebieten  der  Fall 
woldthuend  und  veraöhnend  nach.  ^  Selbst  der  bessere 
ilstand,  der  sich  unter  den  ü-anzüsisehen  Gesetzen  und  Ein- 
ihtungen  unverkennbar  gehoben  und  bürgerliche  Existenzen 
geschaffen  hatte,  die  an  Iteichthum  und  Wohlbehagen  mit  dem 
feinsten  Adel  wetteifern  konnten,  gab  gleichwohl  der  ruhigen 
gleichmilssigen  Verwaltung  des  Hauses  Ocsterrcich  den  Vorzug 
und  erblickte,  gegenüber  dem  ropublicanisehou  Ucbermuthe 
und  der  imperialistiHchen  Ausbeutung  von  Frankreichs  Seite,  in 
dem  milden  Regimentc  einer  Theresia,  eines  Leopold  das  Ideal 
litiei-  Regierung. 


Neben  der  Österreiehischen  Partei  war  eine  andere,  die 
dienisebe,  die  der  , reinen  Italiener  —  Italici  puri',  antibeau- 
inistiseh  gleich  joner,  in  ihren  positiven  Zielen  aber  ziemlich 
äieilt.  Die  hervorragendste  PersönJichkeit  in  dieser  Gruppe 
r  der  jüngere  Confalonieri,  Graf  Federico,  in  seinen  jüngeren 
iren  als  Dandy  bekannt,  wovon  ihm  auch  späterhin  noch 
^ncbes  verbheben  war,  dabei  von  aristokratischen  Manieren  und 
D  einem  oft  verletzenden  Hoehmuth  selbst  gegen  Personen  seines 
inga,  bei  denen  er  darum  der  , freisinnige  Sultan  —  Sultano 


'  BinK«Hend  beBchSftipt  sich  mit  Diüpn Quitcisrdi  BoofAdini  i.  c  B4— ; 

1  nalengbflre  Biiinei^iiig  xii  Österreich   er  a\a  ,un  errore,  tnn  n 

iviamento'  hinzTisteUeii  sacht 
t  ,1  LombuTili  .  .  .  ricordavnno   con  nllecto  U  Umpu    <ti   Maria  TereM  •; 
I  cnofiuo  npnlimento  ilelle  avile  istililBioni';  Cantfi.  CrouiEloria  II,   I 


428 

liberale'  hiess.^  Graf  Federico  grollte  dem  Vicekönig,  der  ihm 
eine  Stelle  in  seinem  Hofstaat  angeboten  hatte^  was  dem  stolzen 
Cavalier,  der  seine  Herkunft  von  einem  der  ersten  und  ältesten 
Geschlechter  Mailands  ableitete^  eher  als  Beleidigung  denn  als 
Ehre  erschienen  war.  Man  sprach  auch  in  der  Stadt,  daas 
Eifersucht  mit  im  Spiele  sei,  weil  der  Vicekönig  der  schönen 
und  geistvollen  Gräfin  Teresa,  einer  gebomen  Casati,  etwas 
auffallend  den  Hof  mache,  wobei  indess  das  Benehmen  der  ehr- 
baren Frau  über  jeden  Verdacht  erhaben  blieb.  Der  ahe 
Confalonieri  hielt  an  seinen  österreichischen  Traditionen,  und 
auch  sein  Sohn  und  dessen  Gesinnungsgenossen  Marchese  Carlo 
Castiglioni,  die  Conti  Antonio  Durini,  Podestk  von  Mailand,  Gia- 
como  Ciani,  Benigno  Bossi,  Gian  Giacomo  Trivulzi,  Luigi 
Porro-Lambertenghi,  neigten  insoweit  zu  der  österreichischen 
Partei,  als  sie  ihr  Ziel  unter  österreichischer  Aegide  oder  durch 
Benützung  und  gewandte  Ausbeutung  des  österreichischen  Ein- 
flusses zu  erreichen  hofften.  Sie  hatten  dadurch  mit  den  Austri*- 
canti  nahe  Berührungspunkte,  so  dass  sie  in  ihren  minder  ent- 
schiedenen Abzweigungen  mit  den  lauer  gestimmten  Oestst- 
reichern  fast  zusammenflössen.  Der  erhebUche  Unterschied  war 
nur  der,  dass  die  österreichische  Partei  ein  klares  Ziel  vor 
Augen  hatte,  fest  und  einig  war,  sich  kühn  und  entschlossen 
und  dabei  doch  wieder  klug  und  vorsichtig  hielt,  während  den 
,reinen  Italienern'  ein  etwas  verschwommenes  Bild  von  Selb- 
ständigkeit und  Unabhängigkeit  vorschwebte,  welchem  die  einen 
auf  diese,  die  anderen  auf  jene  Weise  leibhafte  Gestalt  zu  leihen 
vermeinten:  unter  einem  österreichischen  Prinzen,  unter  König 
Joachim  von  Neapel,  unter  dem  Herzog  von  Clarence,  dritten 
Sohn  König  Georg  III.  von  England;  auch  gab  es  Solche,  die 
nur  unter  einem  eingebomen  Oberhaupte  das  Heil  zu  finden 
hofiten.  Für  Muratisten  galten  der  General-Polizeidirector  von 
Mailand  Conte  Giacomo  Luini  und  General  Teodoro  Lecchi, 
dessen  Bruder  Giuseppe  unter  neapolitanischen  Fahnen  diente. 
Eine  eigenthümliche  Stelle  nahm  General  Pino  ein.  Dass 
er  Anti-Beauharnist  war,  und  zwar  grimmiger,  darüber  waltete 
kein  Zweifel;  der  Vicekönig  hatte  nach  dem  russischen  Feldzug 
durch  Zuweisung  eines  minderwcrthigen  Commandos  die  Eitel- 


^  Semplice  Verilii  opposta  alle  mensogne  di  Enrico  Mislen  (Pari^  18M) 
130;  als  Verfasser  gilt  Paride  Zajotti. 


E«t  PinoB  emptiudlich  verletzt  und  ilU^rdü-s  dussen  Habsiii^Iit, 
ler  bei  piiieui   riesigen   Kinkoniiaon  von   145.000  Fr.   stets  ei-- 
mte  Geldforderungen  machte,    nicht  z«  befnedigcn  vermocht. 
KOb  «r  jfidoch  zu  den   i-cincn   Itahcncm  zählte^    ob  er  zu  den 
I  Ifuratiston  gehörte   oder  nur  Selbstetreber  war   —   denn  auch 
von  oinom  ,Rc  Pino'  schwebt«  etwas  in  der  Luft  —  mag  dahin- 
gestellt bleiben;  er  war  vielleicht,  je  nach  den  UmsWiidon  von 
—1  «Uem  etwas.    Die  Muratisten  hofften  auf  eine  Bewegung  König 
foaehima  zu  ihren  Gunsten,    und  auch  Pino,  falls  er  etwas  für 
i^eh  BölbBt  anstrebte,   sah  wohl  ein,    dass  er  dies  ohne  Beihilfe 
es  Kßnigs  von  Neapel  nicht  zu  erreichen  vermochte.     Er  wie 
ie  anderen  tibersahen  dabei,  dass  die  ncapolitaniselien  Truppen 
<m  den  österreichischen  umstellt  waren  und  dass  König  Joachim 
(cbt  einen  Schritt  unternehmen  konnte,  wenn  die  kaiserlichen 
generale  damit  nicht  einverstanden  waren. 

Von  den  Persönlichkeiten,  die  in  diesen  kritischen  Zeit- 
liuften  viel  genannt  wurden,  darf  der  Mailander  Ad vocat  Tra- 
nicht  unerwähnt  bleiben.  E^  stammte  aus  8.  Lazam  in 
^iar  Lomellina,  in  deren  Gebiet  er  ausgedehnte  und  erträgniss- 
irriebe  Liegenschaften  besass.  Auch  bei  ilim  waren  es  zunächst 
pftnilnlielie  Gründe,  die  ihn  den  Feinden  des  Vieekoniga  in  die 
me  führten ;  es  hiess,  er  habe  Senator  des  Königreiche  werden 
RroUen  und  sei  aus  Verdruss,  dass  er  dies  nicht  habe  erreichen 
nneD,  unter  die  , reinen  Italiener'  gegangen.  In  dem  Salnn  seiner 
,  sowie  in  jenem  einer  unverheirateten  Dame,  Bianca  Milcsi, 
ren  die  hervorragendsten  Parteigänger  dieser  Gruppe,  Fede- 
(  Confalonieri,  Porro-Laraberlenghi,  Bossi,  Ciani,  häufig  zu 
ben;  auch  von  den  Oesterr  ei  ehern  erschienen  manche  in  diesen 
•eisen,  namentlich  Oambanara  im   Hause  der  Milcsi. 


Das  Hauptquartier  des  Vieekönigs  befand  sieh  in  Mantua. 
Dahin  entbot  er  aus  Mailand  seine  ihrer  Niederkunft  entgegen- 
iarrende  Gemahlin.  Der  wohlmeinende  und  kluge  Herzog  von 
Lodi  n'eth  von  diesem  Schritte  ab.  Augusta  Amalia  war  beliebt, 
und  sollte  es  ein  Prinz  sein,  den  sie  ihrem  Herrn  schenkte,  so 
B-Ww  durch  dessen  Eigenschaft  als  geborener  Mailänder  auch 
den  Vater  ein  bedeutsamer  Vorsprung  gewonnen.  Doch 
tgcn  ging  darauf  nicht  ein,  er  wollte  die  Prinzessin  in  ihrer 
n  Stunde  bei  sich  haben. 


430 

Am  30.  März  1814  war   der  Einmarsch  der  verbündeten 

Heere   in  Paris   erfolgt;    nach  Mailand  und  Mantua  kam  die 

Nachriclit  um  den  5.  April.    In  der  Hauptstadt  erregte  sie  Jubel 

und    zugleich    Schadenfreude    über   den    Sturz    des    gehassten 

Tyrannen : 

E  tn  che  superbivi  enfiata  polve, 
re  dei  regi,  ove  sei?  Di  Dio  V  oscura 
procella  ti  circonda  e  ti  dissolve  .  .  . 

Unter  den  vielen  Spottgedichten  auf  Napoleon  fand  sich 
das  folgende 

Epitaphe 

Passaut  ne  pleiire  pas  moii  sort  — 
Si  je  vivais  tii  soraies  mort,* 

Anders  war  die  Stimmung  in  Mantua,  doch  mit  dem 
gleichen  Gefühl^  dass  man  sich  am  Anfang  des  Endes  betindc. 
Im  Hause  des  Vicekönigs  herrschte  Bestürzung.  Am  13.  wurde 
Augusta  Amalia  entbunden,  aber  nicht  von  einem  Prinzen, 
sondern  von  einer  Prinzessin,  die  auf  den  Namen  Theodolinde 
getauft  wurde.  Das  störte  zwar  die  Pläne  Melzi's,  aber  es  zer 
störte  sie  nicht.  Die  Stimmimg  in  der  Hauptstadt  und  weithin 
im  Lande  wurde  mit  jedem  Tage  ungünstiger  für  die  französische 
Sache,  ein  entscheidender  Schritt  musste  geschehen.  Der  Grosa- 
kanzler  rieth  die  drei  Wahlkörperschaften  —  CoUegi  Elettondi 
—  einzuberufen;  es  war  das  der  Wunsch  und  Plan  der  italie- 
nischen Partei,  ohne  dass  die  Oesterreicher,  die  vorsichtig  an 
sich  hielten,  etwas  einzuwenden  fanden;  namentlich  im  Hause 
Freganeschi,  wo  Persönlichkeiten  von  beiden  Schattirungen 
einander  trafen,  wurde  diese  Auskunft  besprochen.  Nur  Prinz 
Eugen  wollte  sich  auch  mit  diesem  Vorschlag  nicht  befreunden; 
die  Massregel  mochte  ihm  revolutionär  erscheinen.  Melzi  be- 
antragte jetzt  eine  ausserordentUche  Sitzung  des  Senates,  und 
hiezu  gab  Eugen  seine  Einwilligung. 

Um  den  15.  April  wurde  in  Mantua  der  Vertrag  von 
Fontainebleau  vom  11.,  die  Abdankung  Napoleons  bekannt, 
und  nun  beeilte  man  sich,  vorerst  die  militärischen  Angelegen- 
heiten in  Ordnung  zu  bringen.  Am  16.  April  kam  auf  dem  in 
der   Nähe   von   Mantua   gelegenen   Schlosse   Schiarino   Rizzino 

1  Mantovani  bei  De  Castro  599. 


zwisch<;u  (ipin  FeUliuiU'sclmUlieutenaiit  Gruft- ii  Neipperg  im 
Namen  Bellegarde's  and  dem  Divisio liege iieral  Zucchi  Im  Namen 
lies  Vicekönigs  eine  Militär  Convention  «ustande,  der  zufolge  jeder 
Ttieil  in  der  Stellung  bleiben  sollte,  die  seine  Truppen  im  Augen- 
blieke  innebatteu.  Dai-nach  wurde  die  Etach  als  Grenze  bestimmt, 
die  am  iinkcn  Ufer  des  Flusses  gelegenen  festen  Plätze  Venedig, 
Osopo,  Palmanuova,  Legnago,  sollten  von  den  Viceköniglicben 
geräumt  und  den  Kaiserlichen  Übergeben  werden.  Die  franzö- 
siacben  Tmppen  in  der  Armee  des  Vicekönigs  wurden  naeb 
Frankreich  zurtickbeordert.  Noeli  wurde  abgemaebt  —  und  dies 
ging  über  die  Grenzen  einer  rein  militürischen  Uebereinkunft 
hinaus  —  dass  über  das  künftige  Schicksal  des  KUnigreicbs 
Italien  der  Entschluss  der  verblindeten  Mächte  abzuwarten  sei; 
dem  Prinzen  Engen  wurde  zugestanden,  zu  diesem  Bebul'c  eine 
Gesandtschaft  nach  Paris  abgeben  zu  lassen. 

Die  Absicht  der  beauharnit^tiscben  Prn'tei   war,    von   den 
Alliirten    die   Erhaltung   dfs   KSnigreichs   Italien   und   die   Er- 
hebung des  Prinzen  Eugen   zum  König  zu   erbitten,   zumal  es 
verlautete  —  oder  etwa  mit  Absieht  verbreitet  wurde  —  dass 
Kaiser  Alexander  von  Russland  ftir  diesen  Plan  gewonnen  und 
dem  Prinzen  Beaubarnais,    der  ja   aueb  an  seinem  Schwieger- 
vater,  dem  KUnig  Maximilian  Joseph  von  Bayern,  eine  Stütze 
hatte,  gewogen  sei.   Es  war  darauf  zu  reebnen,  dass  die  trans- 
padanischen  Gebiete,    Modena,  Bologna,  Itavenna,  Ancona,  für 
die  Aulrecbtlialtung   des   Königreiches   eich   einsetzen   würden. 
Es  kam  jetzt,  so  meinte  der  Herzog  von  Lodi  und  sein  Anhang, 
nur  auf  den  Ausspruch  dos   Senates  an,    und  eben  fUr  diesen 
Zweck  war  der  ausserordentliche  Zusammentritt  dieser  hüchsten 
Körperschaft  anberaumt  worden.     l>ie  Abordnung  nach   Paris 
sollte  aus  zwei  Generalen,   etwa  Achillc  Fontanelli,  derzeitigem 
^^Sjaegsuinifiter,  und  Bertolotti,  und  zwei  Mitgliedern  der  Kegierung, 
^Hwleicht  den  Ministern  Prina  und  Testi,  bestehen;  letztere  hätten 
^^■A,    unmittelbar  nachdem   sie  gewählt,    nach   Mantua  zu  ver- 
^^Igen   und   vom  Vicekönig  die   näheren  Weisungen  sowie  Em- 
pfehlungsschreiben   au    den   Kaiser    Franz    ontgcgcozunchmen. 
Aus  Mantua  gingen  Conte  Vaccari  und  Eugens  Cabinetssecretär 
Mi-^eun  nach  Mailand  ab,  um  die  bevorstehenden   Bcrathungen 
dca  Senates  zu  Gunsten  ihres  Prinzen  zu  stimmen.    Seinerseits 
wollte  der  Kßnig  von  Neapel  die  durch  den  Vertrag  von  Scbia- 
^■^o  Kizziuo  gescbaffcne  Lage  für  seine  Ziele  nützen  und  fasste 


432 

von  Piacenza  aus  eine  Vorwärtsbewegung  gegen  Mailand   ins 
Auge,  was  jedoch  Bellegarde  zu  vereiteln  wusste. 

Ucberhaupt  kam  es  bei  der  grossen  Entscheidung,  die  be- 
vorstand, weder  auf  König  Joachim,  noch  auf  Prinz  EugeD, 
weder  auf  den  Mailänder  Senat,  noch  auf  die  Mantuaner  Minister 
und  Generale  an^  sondern  in  erster  Linie  auf  die  Stinminng 
der  tonangebenden  Classen  und  der  von  diesen  abhängigen 
Masse  der  Bevölkerung.  Als  am  16.  die  Abdankung  Napoleons 
in  Mailand  bekannt  wurde,  war  das  Gelindeste,  was  man  darüber 
hören  konnte:  ,L'ha  voluto  —  Er  hat  es  nicht  anders  gewollt* 
Unter  dem  Adel  herrschte  Schadenfreude  über  die  Demüthigong 
Frankreichs,  über  die  Rache,  welche  die  alten  Dynastien  an 
dem  corsischen  Emporkömmling  genommen,  vor,  bei  Vielen 
verbunden  mit  dem  Wunsche  von  Wiederherstellung  der  früheren 
Zustände.  Die  französischen  Bestandtheile  der  Armee  des  Vice- 
königs  rüsteten  zum  Abmarsch.  Generallieutenant  Graf  Grcnier 
sollte  sie  nach  Hause  führen;  der  ,Corriere  Milanese'  brachte 
einen  warmen  Nachruf,  rühmte  die  Eintracht,  die  zwischen  den 
französischen  und  italienischen  Waffenbrüdern  bestanden.^  Das 
war  aber  mit  nichten  die  Meinung  der  Leute.  Das  Volk  hasstc 
ebenso  die  französischen  Generale,  als  den  französischen  Soldaten 
überhaupt.  In  den  Städten,  wo  noch  französische  Garnisonen 
lagen,  sehnte  man  sich  nach  ihrem  Abmarsch  und  fürchtete 
sich  zugleich  davor;  denn  es  ging  das  Gerede,  dass  die  bundes- 
befreundeten Helden,  bevor  sie  abzögen,  einsacken  wollten,  so 
viel  sie  vermöchten,  und  das  sah  diesen  Räubern  ähnlich.  Wie 
vortheilhaft  stachen  gegen  sie  die  österreichischen  Truppen  ab, 
von  denen  nun  schon  der  grösste  Theil  von  Ober-  und  Mittel- 
itaUen  besetzt  war,  deren  Generale  sich  menschlich  zeigten 
und  auf  strengste  Mannszucht  hielten.*  In  allen  Gegenden,  in 
allen  Plätzen,  wo  kaiserliche  Abtheilungen  längere  Zeit  l^n, 
wussten   sie   sich   nicht  blos  das  Lob  der  Regierenden  —  das 

1  In  deutschem  Auszüge  Oest.  Beob.  Nr.  129  vom  9.  Mai  S.  700  f. 

^  Das  sage  nicht  ich,  das  sagt  ein  Schriftsteller,  der,  gleich  allen  neueren 
Mailänder  Clironisten  und  Geschichtschreibem,  dem  Osterreichischen  Re- 
giment nichts  weniger  als  hold,  vielmehr  spinnefeind  und  gram  ist,  De 
Castro  La  Caduta  del  Regno  Italico  (Milano,  Treves,  1882)  154,  da,  wo 
er  von  der  Besetzung  Veronas  durch  die  Oesterreicher  und  die  Unter- 
ordnung der  Stadt  unter  die  Befehle  des  Prinzen  ReuM  spricht:  ,che 
parve  un  miracolo  di  govcmatore  dopo  le  Superlative  insolence  e  depre- 
dazioni  dei  FrancesiS 


pllte  bei  den  fllliiiiizmässigen  Rilckslcliteii,  die  man  eiiizu)ialti;ii 
b  bemilsaigt  glaubte,  vielleicht  nicht  so  viel  sageu  —  hI»  such 
B  SyiDpathicu  der  Bevölkerung,  die  AnerkenDung  der  städtischen 
[etueindeii  zu  gewinnen. 


Die  aiisserordentlitlic  Sitzung  des  Senates  wurde  vom 
itulienischen  Grosskanzk>r  am  späten  Abend  des  ItJ.  für  den 
morgigen  Tag,  der  ein  Feiertag,  IVoilieli  nach  den  franmisi sehen 
Gesetzen  ein  abgeschaffter  war,  anberaumt,  und  sogleich  durch- 
flog die  Sladt  das  öerüclit,  es  handle  sieh  darum,  den  Prinzen 
Eitgeu  zum  Künig  von  Italien  zu  machen.  I>er  Eindruck,  den 
diese  Kunde  hervorrief,  war  der  übelste;  ein  Wort  ging  durch 
Ue  Kreise,  die  der  Beauharnisten  ausgenommen:  ,He  no,  chi 
sere  Italia  spogUo  u  disprezzö.'  Bei  einem  grossen  Theile  der 
aiaturen  herrsehte  auch  denhalb  Misastimmung,  weil  sie  von 
Eelzi  auf  eine  so  ungewöhnhehe  Art  zusammengerufen  worden, 
(ich  dabei,  sagten  sie,  eine  Stellung  herausgenommen  habe, 
I  ob  er  Staatsoberhaupt  sei. 

So  begann  denn  die  Sitzung  des  17.,  weiche  Veneri  als  PrR- 
Uent  leitete,  unter  sehr  ungünstigen  Vorzeichen.  Dazu  kam,  dass 

■  Herzog  von  Lodi  in   der  Nacht  einen  heftigen  Gichtanfall 
^abt  hatte  und  am  Tage  der  Sitzung  sein  Zimmer  nicht  ver- 

1  konnte.  Die  Stelle  seines  persönlichen  Vortrages  vertrat 
t  von  ihm  mit  gewohntem  Geschicke  ubgefasste  Botsehafl  an 
I  Senat,  deren  Inhalt  in  dem  Vorschlage  gipfelte,  diiss  der 
mat  zwei  Mitgheder  für  eine  Sendung  nach  Paris  bestimmen 
blUge,  welche  von  den  Alhirteu,  namentheh  vom  Kaiser  Franz, 
Einstellung  der  Feindseligkeiten  und  Aufreehthaltung  des  König- 
reichs Ilahen  in  dessen  bisherigem  Umfange  und  mit  dem 
ttinzen  Fugen  Beauharnais  als  König  zu  erbitten  hiltten.  Nach- 
I  das  Schriftstück   verlesen,    erhob   sich   Diego   Guicciardi, 

■  in  der  Form  wie  in  der  Sache  dou  Ausführungen  Melzi's 
^nkt   für  Punkt  entgegentrat  und    besonders   dessen   Berech- 

ing  anfocht,  im  Namen  der  Kegieruug  zu  sprechen.  Als  Carlo 
ein  allgemein  geachteter  Mann,  der  eine  Mittelstellung 
Haschen  den  Parteien  einnahm,  den  Satz  ausführte,  das  Volk 
I  Hailand  werde  sich  nie  einen  König  Fugen  gefallen  lassen, 
lutragte  Conte  Dandolu  die  Zusammensetzung  einer  Siebcner- 
nmission,  die  fürs  Erste  vom  Grosskanzler  nähere  Aufschlilsisc 


434 

erholen  und  noch  am  selben  Tage  ihre  Anträge  erstatten  sollte. 
Der  Vorschlag  wurde  gutgeheissen  *  und  es  begaben  sich  drei 
Mitglieder  der  Commission,  Guicciardi,  Verri,  Dandolo^  zu  dem 
Herzog  von  Lodi,  der  sie  vergeblieh  von  der  Noth wendigkeit 
zu  überzeugen  suchte,  Eugen  zum  König  auszurufen.  Auch 
sandte  er  einen  Eilboten  nach  Mantua  mit  der  dringenden  Auf- 
forderung, der  Prinz  möge  nicht  säumen,  sich  in  Mailand  zu 
zeigen.  Diesem  aber  widerstrebte  es,  sich  der  Bevölkerung 
aufzudringen;  auch  war  billig  zu  zweifeln,  ob  ein  solcher  Schritt 
an  der  Lage  etwas  ändern  konnte. 

Um  8  Uhr  abends  trat  der  Senat  wieder  zusammen.  Dan- 
dolo  verlas  den  Antrag  der  Commission,  der  gleichfalls  eine 
Abordnung  nach  Paris,  und  zwar  von  drei  Personen,  und  den 
Fortbestand  des  Königreichs  Italien  bezweckte,  aber  sich  von 
jenem  Melzi's  in  dem  Hauptpunkte  unterschied,  dass  Prinz 
Eugen  von  den  Verbündeten  nicht  zum  Herrscher  erbeten, 
sondern  sich  darauf  beschränkt  wurde,  dessen  Person  und  Ver- 
dienste in  anerkennender  Weise,  doch  nur  in  allgemeinen,  ziem- 
lich bedeutungslosen  Ausdrücken  zu  gedenken.  Es  erhob  sich 
ein  heftiger  Meinungsstreit,  wobei  die  Minister  Vaccari  und  Prina 
die  eine,  die  Conti  Massari  und  Verri  die  andere  Seite  vertraten. 
Zuletzt  siegten,  in  weit  vorgerückter  Stunde  und  mehr  durch 
die  Ermüdung  ihrer  Gegner  als  durch  das  Gewicht  ihrer  Ghiinde, 
die  Anti-Beauhaniisten,  worauf  sich  die  Senatoren  ziemlich  auf- 
geregt von  ihren  Sitzen  erhoben.  In  die  Abordnung  waren  ge- 
wählt: Diego  Guicciardi,  Luigi  Castiglioni  und  Minister  Testi. 
Als  die  beiden  crsteren  erfuhren,  dass  sie  sich  zimächst  dem 
Vicekönig  vorzustellen  hätten,  wollten  sie  den  erhaltenen  Auftrag 
zurücksagen,  mussten  sich  aber  fttgen,  da  die  Zeit  drängte. 
Testi  war  unwohl  oder  schützte  Unwohlsein  vor,  da  es  ihn  als 
Minister  zweifelsohne  drückte,  sich  seinem  bisherigen  Herrn  in 
einer  Mission  vorzustellen,  die  im  Grunde  eine  Ablehnung  von 
dessen  Ansprüchen  und  Wünschen  bedeutete.  Guicciardi  und 
Castiglioni   fuhren  noch  in  derselben    Nacht  nach  Mantua  ab. 

Während  der  Senats  Verhandlungen  am  17.  hatte  Genend 
Pino  eine  lauge  Unterredung  mit  dem  General- Polizei director 
Luini,  über  deren  Verlauf  nichts  Näheres  verlautete,  die  aber 
gewiss  nicht  den  Vortheil  Eugens   zum  Ziele  hatte.     Die  weit- 


1  Namen  bei  T)e  Castro,  Caduta  68. 


Sfbreitcle  AluieigiinfT  ge^en  dies*-)]  tral  in  einem  Sohriftsliloke 

a  Tage,  in  welcliem  sicli  Anhänger  Oeslerreiclis,  reiue  lulieuer 

iiDd  Miiratisten,  PeraoDeii  vom  Adel,   vou  der  Oivica,  aus  dem 

Handelsstande  vereiDigten,  um  gegen  die  Besclilüsse  des  SenateB, 

»Is   welchem   der  Beruf  mungle,   als  Vertreter   der   Nation    zu 

sprechen  und  ku  handeln,  entschiedene  Verwahrung  einzulegen. 

Die    Bewegnng   wälirte    den    ganzen    18.  und   19.  fort,    in    dun 

^^BRosem  Cicogna,  Coufalonieri,  Castigiioni,  8ilva  kamen  Pei-Boncn 

^^Blr  italienischen  und  der  üeterreichischen  Partei  zusammen;  bei- 

^^^fa  war  es  darum  zu  tliun,  so  eilig  als  möglich  den  Prinzen  ab- 

^^Hliiun:  jenen,  weil  nie  dadurch  die  Unabhängigkeit  zu  erreichen 

^^Kmeinten,  diesen,  weil  sie  siclier  waren,  die  Dazwischenkunft 

^^fir  Kaiserlichen   zu   beschleunigen.     Der  jüngere  Confalonieri 

giJt    als    einer    von   jenen,    die   sich    am    eifrigsten   Umtrieben. 

Unterschriften  zusammenzubringen  und  insbesondere  in  Freunde 

i  dringen,  dass  sie  ihre  Namen  unter  das  Schriftstück  setzten. 

ko,  Alfonso  Castigiioni,   MeJIerio  waren  die  ersten,   die  untor- 

klineten;    auch   der  Name  Alessandro  Manzoni's,    des  schon 

uals  gefeierten  Dichters,  fehlte  unter  den  Unterschriften  nicht;' 

Vbi-H,  obwohl  Antieugenist,  war  nicht  zu  bewegen,  ein 

Biches  zu  thun. 

Zur  selben  Zeit  wurde  die  an  die  verbündeten  Mächt«  zu 
»reichende  Petition  aufgesetzt,  welche  für  Italien  die  gleiche 
Ibstftndigkeit  und  Unabhängigkeit  verlangte,  die  bereits  Deutsch- 
und  Spanien  zutheil  geworden  sei;  unterzeichnet  waren: 
pderico  Confalonieri,  Porro,  Ciaui,  Verri,  Bossi,  hier  auch 
}kIo  Verri,  im  Ganzen  mehr  als  160  Naraen.'^ 


Am  19,  April  brachte  ,Uiornale  Italiano'  die  Kutidmadmug 

16.  abgeschlossenen    Waffenstillstandes,    zugleich    mit 

1  Armeebefehl  des  Vicekönigs.  womit  er  seine  französischen 

Fenbrüder  verabschiedütc.     Dieae  Nachrichten   trugen  dazu 

f  die  allgemeine  Aufregung  zu  steigern.   Der  PodesUi  Conte 


Weitere  Unterzeichner   bei   Fm.  Cuxani.   Storin  di  Mikr 
114.  2. 

Aach  hier  emc hei tit  der  Name  MsnBnni's.  der  dn von  etiva  i 
tehütb:  Jo  »teBSo  avea  «ottoscritts,  uon  «Itri  Milanesi,  um 

10   VII    (1873). 

ein  Jnlir  spater 
i  petizioiiB  slle 

*V<Ma*e  ron  cui  «  chiedevn  k  creazion«  Ji  rii.  Regi.o  Ittlie,.-; 

1«.  deCastr«, 

436 

• 

Durini  wurde  genöthigt^  in  einem  Saale  des  Broletto,  des  Muni- 
cipalpalastes  von  Mailand^  die  Bürger  sich  einzeichnen  zu  lassen, 
die  gegen  die  Voten  der  wenigen  ,erkauften'  Senatoren  Ein- 
sprache erheben  wollten.  Ihm  fiel  auch  die  Aufgabe  zu,  die 
Verwahrung  gegen  die  am  17.  vom  Senate  gefassten  Beschlüsse 
in  die  Hände  des  Präsidenten  Veneri  gelangen  zu  lassen. 

Allein  bei  Protesten  und  Petitionen  war  es  in  der  Zeit 
vom  17.  zum  19.  nicht  gebUeben.  Gewaltsameres  war  im  Finstern 
geplant  worden,  das  am  nächsten  Tage  zur  Entscheidung  kommen 
sollte;  es  bedüi*fe,  hatte  es  geheissen  und  hiess  es  noch  fort^ 
einer  entschiedenen  Volksbewegung,  in  welcher  die  allgemeine 
Meinung  zum  Durchbruch  gelange.  . .  Dass  Derartiges  vorbereitet 
und  angelegt  worden,  darüber  sind  alle  Zeugenschaften  einig; 
sie  lauten  aber  so  unbestimmt,  so  verschwommen,  dass  man  sie 
unbefangen  nur  als  Gerüchte  bezeichnen  kann.  Als  Anstifter 
wurden  genannt  General  Pino,  Advocat  Traversi,  Gius.  Gam- 
banara,  also  einer  von  den  Halbmuratisten,  einer  von  den  ,Iüi- 
Uci  puri^,  einer  von  der  österreichischen  Partei;  aber  auch  der 
jüngere  Confalonieri,  Cicogna,  Bossi,  CastigUoni  werden  als 
Theilnehmer  an  den  Besprechungen  genannt,  die  in  Casa  Tra- 
versi stattgefunden.  Hier  soll  verabredet  worden  sein,  ent- 
schlossene Leute  aus  den  Bergen  nördhch  von  Mailand  und 
von  jenseits  des  Ticino  kommen  zu  lassen,  ihnen  sechs  Lire 
für  jeden  Tag,  den  sie  von  ihrem  Herde  fern  wären,  anzuweisen, 
denen,  die  sich  besonders  hervorthun  würden,  eine  grössere  Be- 
lohnung zukommen  zu  lassen;  Gambanara  wurde  von  den 
Späteren  als  jener  genannt,  oder  unverkennbar  angedeutet,  der 
den  Zahlmeister  abgegeben,^ 

Zwei  Thatsachen  waren  sehr  auffallend  und  schienen  jene 
Muthmassungen  zu  bestätigen.  Gegen  Abend  des  19.  kamen  in 
Mailand  truppweise  handfeste  Kerle  von  verdächtiger  Miene 
und  Haltung  an,  besonders  aus  der  Gegend  von  Novara,  wo 
Traversi  seine  einträgUchen  Besitzungen  hatte.  Und  zur  selben 
Zeit,  wo  in  den  Vorstädten  Mailands  so  unheimliche  Gestalten 
auftauchten,    wurden    auf   Veranstaltung    Luini's,    wie    Andere 


^  Vg^l.  £tude  57 — 59  mit  Carte  segrete  della  Polizia  austriaca  (Capolago 
tip.  elv.  1851)  I,  262—264,  267,  441  f.,  wo  Casa  Traversi  als  jene  be- 
zeichuet  wird,  in  deren  Kreise  ,veune  org^anizzata  la  riToluzione  dal  celebre 
20  aprile  1814*. 


I  wollten,  )iuf  ausdrllcklicheii  Befehl  Puio'b  von  der  oline- 

)  Bchwaelien  Garnison  Mailands  zwei  Coloiiiien  nacb  Varese 

iad  Seste  Calendo  abmarscbiren  gemacht,    zur  Vertheidigung, 

!  es  hiess,   von  Puiikteti,    die,  wie  mit  besserem  Grund  von 

r  andern  Seite  behauptet  wurde,  von  keinem  Feinde  bedroht 


Für  wessen  Person,  wenn  es  zu  einem  Autstande  kommen 
Rillte,    man    ernstliche  Besorgnisse    hegen  musste,    das  war  der 
Fiuaiizminister  Prina.   Der  unglückselige  Mann  hatte,  ausser  dem 
allgemeinen  Widerwillen,  der  ihn  wegen  der  Härte  und  Unerbitt 
I  Mohkeit  seines  Systema  traf,  aueh  in  den  verschiedenen  Classen 
s  besonderen  Feinde.  So  in  eben  jenem  Traversi.  der  es  Prina 
tschob,   dass   er  seine   Ernennung   »um    Senator   hintertrieben 
Iahe;  so  in  jenen  Battelieri  vom  Ticino,  die  ihm  todtfeiud  waren, 
r«il    er    ihnen    den    einträglichen    Schmuggel    verdarb.     Auch 
fchlte    es    weder    an    allerhand    Wahrzeichen    von     böswilliger, 
»ch  an  ausdrUckhchen  Warnungen    von  wohlmeinender  Seite. 
lem  Wohnhaus   hatten   sich    iu  den   letzten  Tagen  Auf- 
■elinften    gefunden,    wie    ,L'asa    d'atüttare,    rica)jito    al    dottor 
Scapa',    Oller  an  der  Strasaenecke:    ,Prina,   Prina,   il  giorno  si 
uvvicina.'     Ein  Billet  soll   ihm  zugestellt  worden  sein,    das  ihn 
dringend   autforderte,    Mailand   flir   einige   Tage    zu    verlassen. 
Heine  persünlichen  Freunde  erschöpften  sich  in  Bitten  und  Vor- 
stellungen, er  möge  beizeiten  der  Gefulir  aus  dem  Wege  gehen. 
Uer  Abbate  Giuseppe  Prina,  Professor  des  Natui--,  Völker-  und 
Kirche  arechtes  in  Pavia,  kam  jiach  Mailand  gefahren  und  hielt 
den  Wagen,   den  er  gemietbet,   vor  der  Porta  Ticinese  in  Be- 
.  leitBchaft,    um   seinen  Knider  aus  der  Stadt  zu  entftihren.     Es 
■■nr  alles  omsonst.   Der  Mann  mit  dem  eisernen  Willen  schlug 
Hte  Zureden  seiner  Freunde  ebenso  in  den  Wind  als  die  kaum 
^Behr  täuschenden  Anzeichen  des  Volkahasses.  ,1  saria  nen  Pi 
moateis  —   Ich   mllsste   kein   Pieraontese   sein!'   sagte    er    und 
zeigte  sich,   als  ob  es  gar  nichts  gäbe,  in  gewohnter  Weise  zu 
I  :Pferde  in  den  Strassen,  was  seinen  Feinden  als  ein  Uebermass 
I  heraus  forderndem  Hohn  und  Trotz  galt. 


Der  20.  April  1814  war  als  Mittwoch  der  Tag,  wo  sich 
i  Senat  des  Königreichs  Italien  regelmässig  versammelte,  die 
tEaag  pflegte  um  Mittagszeit  zu  beginnen.    Der  Thiorgen  licss 


438 

sich  unfreundlich  und  regnerisch  an;  trüb  und  düster  lag  66 
auch  über  den  Gemüthern.  In  Regierungskreisen  ahnte  man 
nichts  Gutes.  Im  Kriegsministerium  fand  morgens  eine  Zusanmien- 
kunft  bei  dem  Abtheilungschef  Obrist  Arese  statt,  wo  man  nur 
bedauernd  constatiren  konnte,  dass  einige  der  yerlässlichsten 
Bestandtheile  der  Garnison  aus  der  Stadt  entfernt  worden.  Der 
Kriegsminister  Fontanelli  befand  sich  in  Mantua  zu  Diensten 
des  Vicekönigs,  in  seiner  Abwesenheit  führte  Gteneral  Bianchi 
d'Adda  die  Geschäfte.  Zu  diesem  verfUgte  sich  der  einstweilige 
Leiter  des  Ministeriums  des  Innern  de  Capitani  und  verlangte 
Bereitschaft  der  Truppen  i\ir  einen  Fall  des  Bedarfes;  als  er  die 
erst  am  Vorabend  erfolgte  Abordnung  an  den  Ticino  und  gegen 
den  Lago  Maggiore  vernahm,  drang  er  in  den  General,  die 
Truppen  ohne  Aufschub  zurückzurufen.  Bianchi  schützte  den 
Mangel  von  Instructionen  vor,  de  Capitani  möge  sich  an  einen 
General  von  höherem  Range,  etwa  Conte  Pino  wenden,  was 
jedoch  der  andere  mit  der  ganz  richtigen  Bemerkung  ablehnte^ 
dass  Pino  zur  Zeit  keine  autoritative  Stellung  in  Mailand  be- 
kleide. Diesem  Mangel  abzuhelfen,  beschickte  der  Leiter  des 
Kriegsministeriums  den  General  Pino  und  Uess  ihn  ersuchen, 
den  militärischen  Oberbefehl  über  die  Stadt  zu  übernehmen, 
was  Pino  dadurch  einleitete,  dass  er  die  wenigen  Truppen  der 
Linie,  die  zur  Zeit  in  Mailand  waren,  in  ihre  Kasernen  con- 
signirte. 

Trotz  der  bedenklichen  Wahrzeichen  an  den  Tagen  zuvor 
und  der  unheimUchen  Stimmung  am  heutigen  hatte  man  doch 
nicht  gemeint,  den  Zusammentritt  des  Senates  absagen  zu  sollen; 
auch  die  gewöhnliche  Palastwache  war  nicht  verstärkt,  sie  be- 
stand am  20.  aus  acht  bis  zehn  Dragonern  unter  Capitain  Marino 
vom  Platzcommando.  Als  die  Senatoren  gegen  Mittag  heran- 
fuhren, fanden  sie  das  Gebäude  von  einer  Menge  umkgeit, 
die  mehr  Neugierde  herbeigeführt  zu  haben  schien,  überwiegend 
den  besseren  Ständen  angehörig,  was  sich  aus  der  grossen  An- 
zahl aufgespannter  Regenschirme  feinerer  Sorte  abnehmen  liess.^ 
Auf  einer  Bank  nächst  dem  Hauptthore  gewahi-te  man  eine 
herkulische  Gestalt,  in  welcher  einige  den  Bediensteten  eines 
herrschaftlichen  Hauses   erkennen   wollten,    und   wie   eine  der 


^  ,PioYeva,  e  quelle  ombrelle  spiegate  attennaTano,  per  cosl  dire,  la  minaodi 
che  poteva  forse  legg^ersi  sul  volto  di  parecchi';  De  Castro  Cadnta  88. 


Eqaipagen  vorfiihr,  gab  jener  das  Zeichen,  ob  der  Senator 
ler  von  den  Anhängern  der  gegenwRrtigeu  Regierung  sei  oder 
iht,  worauf  dann  regelmässig  Püffe  oder  ermimtemder  Zimif 
Aber  es  wareii  aufli  feinere  Herren,  die  ähnliche  Zeichen 
iben.  Carlo  Verri  wurde  beim  Aussteigen  aus  seinem  Wagen 
Beifall  und  Hunde  klatschen  begrttsst;  während  er  aber  die 
ippe  hinanstieg,  WTirden  vom  Porwl  her  Pfiffe  und  Rufe  des 
uthes  laul,  die  offenbar  einem  seiner  Genossen  von  der 
;en'Bchon  Partei  gulten;  in  seinen  späteren  Aufzeichnungen 
ausdrücklich,  er  habe  in  einem  der  Zeichengeber  den 
ifen  F.  C.  (Federico  Confalonieri)  erkannt. 

Die  Sitsung  sollte  wie  gewöhnlich  mit  der  Anzeige  der 
:e8ordnung,  dem  Vortrag  der  eingelaufenen  OeschäftäBtUcke 
etc.  beginnen.  Die  Senatoren  hatten  bereits  ihre  Sitze  einge- 
nommen, als  sich  Conte  Benigno  BoH«i,  Oapitain  der  Civica, 
anmeldete  und,  vorgelassen,  die  Bitte  vorbrachte,  es  möchte 
ib  der  l^enat  am  heutigen  Tag,  statt  von  regulärer  Truppe, 
seinen  bewaft'neteu  Mitbürgeni  bewachen  und  beschützen 
n.  Obwohl  das  Begehren  gar  sehr  eine  unlautere  Neben- 
absicht wittern  hesB  —  Boss!  war  entschiedener  Anti-Beauhamist 
—  willfahrten  die,  wie  es  schien,  von  allem  Anfang  etwas  klein- 
laut gewordenen  Senatoren  dem  Verlangen,'  dessen  Frt"üllung 
;ens  zar  selben  Zeit  ohne  senatorisches  Zuthun  in  anderer 
py-eise  vor  sich  ging. 

Denn  unten   auf  der  Strasse   hatte  sich  in  der  Zwischen- 
1  unter  die  anständigeren  Leute,  die  sich  dort  eingefimden, 
tehr  und  mehr  händelsuchendes  Volk  gemischt,  Leute  aus  den 
Jateren  Schichten  der  üeseUsclmft,  darunter  solche,  die  offenbar 
peht  der  einheimischen  Bevölkerung  angehörten  und  sieh  unter 
i  Vorwand,  Schutz  vor  dem  Regen  zu  suchen,    in  die  Kin- 
des  Palastes  hineinschoben.     Die  Dragoner   widersetzten 
ih,  rerhafteten  einen  der  Dränger.    Aber  jetjst  wirft  sich  die 
inge   auf  die  Wache,   befreit   den  Gefassten,   entwindet  den 
^daten  die  Waffen  und  setzt  sie,  das  ,N'  von  ihren  Monturen 
l  Helmen  reissend,  auf  die  Strasse.   Veni  im  Senate  erbietet 
ih,  die  Menge  zu  beglltigen.  Er  ist  beim  Hinaustreten  vor  die 
Mite  sehr  erstaunt,   ganz  andere  Gestallen  vor  sich  zu  sehen. 


K 

0»' 


t  f  ra   fl    prima    procecUnieuto    metodio< 


della   nvoluzioDe' ;    Bonfadii: 


440 

als  er  bei  seiner  Ankunft  gewahrt  hatte.  Er  verlaugt,  dass 
jemand  vortrete  und  zu  wissen  gebe^  was  man  eigentlich 
wolle.  Keine  Antwort,  die  Masse  bleibt  unbeweglich,  der  Senator 
zieht  sich  zurück.  Doch  immer  ärger  nimmt  das  Gedränge  zu, 
immer  tobender  wird  das  Gebahren  des  Schwalles,  wie  dumpfes 
Grollen  dringt  es  in  den  Sitzungssaal,  wo  eine  ordentliche  Be- 
rathung  zur  UnmögUchkeit  wird.  Abermal  unternimmt  es  Verri, 
diesmal  von  den  Senatoren  Massari  und  Felici  begleitet^  vor 
die  Leute  zu  treten,  die,  unbekümmert  um  alle  Mahnungen, 
von  der  Bürgerwehr  kaum  sehr  entschieden  aufgehalten,  nun 
immer  tiefer  in  den  Thorweg  des  Palastes  bis  gegen  den  Stiegen- 
aufgang und  den  Hof  dringen.  Conte  Verri  spricht  begütigend 
zu  der  Menge,  die  einen  Augenblick  stille  hält  und  sich  anstän- 
diger beträgt.  Als  die  drei  Senatoren  sich  anschickten,  in  den  Saal 
zurückzukehren,  wird-  dem  Verri  von  unbekannter  Hand  ein 
Zettel  zugesteckt  und  die  Bitte  beigefügt,  er  möge  den  Inhalt 
im  Senate  vorlesen;  es  standen  darauf  in  unverkennbar  entstellten 
Zügen  die  Worte:  ,Spanien  und  Deutschland  haben  das  fran- 
zösische Joch  abgeschüttelt,  ItaUen  thue  dasselbe!^  Kaum  hatte 
Verri  mit  seinen  Begleitern  den  Rücken  gekehrt,  als  die  Unruhe, 
das  Gedränge,  der  tobende  Ungestüm  von  neuem  losbrachen; 
schon  war  ein  Theil  der  grossen  Treppe  von  der  Menge  ge- 
wonnen, als  zum  drittenmal  Verri,  der  sich  überhaupt  sehr 
muthig  und  entschlossen  zeigte,  heraustrat  und,  umgeben  von 
einigen  Officieren  der  Civica,  in  der  Mitte  der  Stiege  innehielt, 
wo  sich  ihm  Federico  Confalonieri  zur  Seite  stellte.  ,Wir  wollen 
wissen,^  rief  es  aus  dem  SchwaU  von  Köpfen  herauf,  ,was  der 
Senat  am  17.  beschlossen  hat?^  ,Zwei  sehr  gute  Sachen:  Ein- 
steUung  der  FeindseUgkeiten  und  Unabhängigkeit  der  Nation.^ 
Die  kluge  Auskimft  that  ihre  Wirkung,  ein  Murmeln  des  Bei- 
falls Uess  sich  vernehmen,  das  aber  allsogleich  —  auf  einen 
Wink  Confalonieri's?  —  in  die  wildeste  Aufregung  umschlug: 
,Wir  wollen  den  Vicekönig  nicht,  wir  woUen  den  Senat,  seinen 
Schmeichler,  nicht,  wir  wollen  unverzügliche  Einberufung  der 
Wahlcollegienl^  Jetzt  schienen  alle  Bande  gelöst,  Verri  trat  in 
den  Senat  zurück,  wo  in  dem  Schrecken  und  Wirrsal  Verri 
nicht  daran  dachte,  das  ihm  zugekommene  Papier  hervorzuziehen, 
dessen  Verlesung  übrigens  an  der  augenblicklichen  Lage  nichts 
ändern  konnte;  denn  die  Hauptstiege  herauf,  näher  und  näher 
an  den  Eingang  des  Saales,  schob  und  drückte  sich  die  Menge, 


441 

aus  dem  Lärm  und  Geschrei  tönte  es  immer  wieder:  ^Nieder 
mit  dem  Vicekönig!  Nieder  mit  dem  Senat!  Die  Sitzung  auf- 
heben!^ Einer  der  Senatoren  —  man  erinnerte  sieh  nachderhand 
nicht,  wer  es  gewesen '  —  ergriff  Feder  und  Papier  und  schrieb 
die  Worte  nieder:  ,Der  Senat  ruft  die  Deputation  zurück  und 
ladet  die  Wahlcollegien  ein,  die  Sitzung  ist  aufgehoben.'  Unter 
das  Datum:  ,Milano  20  aprile  alle  ore  due  a  mezzo  pom/  setzt 
Präsident  Veneri  seinen  Namen,  mehrere  Senatoren  finden  sich 
herbei,  den  Beschluss  auf  andere  Streifen  zu  vervielfilltigen,  um 
diese  imter  die  Menge  zu  werfen.  Verri  versucht  es  noch  ein- 
mal, den  wüsten  Andrang  aufzuhalten,  doch  sogleich  ist  er  wieder 
zurück.  ,Wir  haben  keine  zwei  Minuten  zu  verlieren!'  Hinter 
ihm  mehrere  Officiere  der  CSvica,  Bataillonschef  Pietro  Ballabio, 
Benigne  Bossi,  blass,  mit  verstörten  Mienen,  und  ihnen  nach 
die  Menge  in  den  Senat,  dessen  Berathungssaal  im  Nu  von 
ihnen,  gleich  den  wilden  Kriegern  des  Brennus,  überfluthet  ist. 
Umsonst  versuchen  einige  der  beliebteren  Staatsmänner  die 
Leute  zur  Besinnimg  zu  bringen.  ,Das  ist  recht  schön,  was  Sie 
da  sagen,'  ruft  ein  gemeiner  Kerl,  ,aber  jetzt  wollen  wir  den 
Prina.'  Man  versichert  ihm,  der  Finanzminister  sei  in  der  heutigen 
Sitzung  nicht  erschienen,  und  zuletzt  mussten  es  die  Leute 
glauben,  die  jetzt,  während  die  Senatoren,  an  den  Wänden  sich 
fortdruckend,  oder  von  einigen  beherzteren  Männern  ihrer  Be- 
kanntschaft in  die  Mitte  genommen,  unter  tausend  Mühen  und 
Aengsten,  manche  nicht  ohne  wirkliche  Lebensgefahr,  das  Freie 
gewannen,  ein  vandalisches  Zerstörungswerk  an  den  Einrichtungs- 
stücken, an  den  Acten  und  Papieren,  an  den  Verzienmgen  der 
Wände  begannen.  Abermals  wird  Federico  Confalonieri  genannt, 
der  mit  der  Spitze  seines  Regenschirmes  das  von  Appiani  ge- 
malte Bildniss  Napoleons  durchstochen,  worauf  es  von  der  Mauer 
herabgerissen  und  durch  das  Fenster  auf  die  Strasse  hinab- 
geschleudert wurde.^ 

Noch  während  sich  diese  Auftritte  im  Senatsgebäude  ab- 
spielten, wahrscheinlich  unmittelbar  nachdem  die  Wachmann- 
schaft aus  demselben  auf  so  gewaltsame  Weise  entfernt  worden 


1  ,Non  saprei  indicare  chi  lo  dett6';  Bericht  Verri*8  bei  Cusani  Storia  di 

MUano  VO,  121. 
'  ,Certo,  11  Confalonieri  agi  in  tntta  quella  giomata  con  impeti  gioTanili'; 

Bonfadini  (NB.  ein  Bewunderer  und  Lobredner  des  Conte  Federico^  14T^ 


442 

war,  hatte  sich  der  Polizeipräfect  von  Mailand  Villa  in  das 
Kriegsministerium  begeben  und  daselbst  erwirkt,  dass  der 
Bataillonschef  der  Veliten  Luigi  Vercellon  und  der  Major  Giu- 
seppe de  FeHci  den  Befehl  erhielten,  alle  vorhandenen  Streit- 
kräfte zur  Verftlgung  der  Polizei  zu  stellen.  Da  der  Greneral- 
director  der  PoHzei  fUr  den  AugenbUck  nicht  zu  finden  war 
—  er  hielt  sich,  wie  man  später  in  Erfahrung  brachte,  in  dem 
Hause  des  Grafen  Qiberto  Borromeo  verborgen  —  so  nahm  es 
Villa  auf  sich,  den  Bataillonschef  mit  einigen  40  Grenadieren 
der  Veliten  und  28  Dragonern  unter  Capitain  Bosisio  auf  den 
Schauplatz  der  Ausschreitungen  zu  beordern.  Dies  zeigte  sich 
von  solcher  Wirkung,  dass  die  Menge  in  den  Strassen,  auf  den 
blossen  Anblick  der  bewaffneten  Reiter,  auseinanderzulaufen 
begann.  Da  erschien  Luigi  Cima,  Adjutant  Pino's,  und  über 
brachte  Vercellon  den  gemessenen  Befehl,  seine  Mannschaft  in 
das  Castell  zurückzuführen  —  eine  verhängnissvolle  Massregel, 
welche  die  rauflustige,  raubsüchtige  und  rachelechzende  Menge 
nun  vollends  sicher  machte.  Auch  der  Finanzintendant  Frigerio, 
der  200  seiner  Leute  in  St.  Giovanni  alla  Casa  rotta,  also  im 
Mittelpunkte  der  Stadt  beisammen  hatte,  erbat  sich  von  Pino 
die  Erlaubniss,  ausrücken  zu  düifen;  er  erhielt  keine  Antwort 
und  wagte  auf  eigene  Faust  nichts  zu  unternehmen.  Von  aussen 
war  kein  Anmarsch  zu  erwarten,  da  von  unbekannten  Thätern 
die  Telegraphenapparate  auf  den  Thürmen  von  S.  Celso,  S.  Vin- 
cenzo  und  Paradiso  zerstört  waren,  so  dass  nach  Mantua  keine 
Nachricht  gelangen  konnte,  wie  es  in  der  Hauptstadt  stand 
und  was  da  vorging. 

Nachdem  die  Zerstörung  im  Innern  des  Senatspalastes 
vollzogen,  aller  Hausrath  theils  zertrümmert,  theils  davongeschleppt 
und  der  Schwärm  der  Verwüster  wieder  auf  der  Strasse  wät, 
gab  es  einen  Augenblick  der  Unentschlossenheit,  was  nun  weiter 
zu  beginnen  sei.  Zuletzt  schien  sich  die  Rotte  gegen  Porta  nuov» 
bewegen  zu  wollen,  wo  der  Herzog  von  Lodi  seine  Wohnung 
hatte,  als  eine  Stimme  im  gebietenden  Tone  die  Worte  ,vcrBO 
S.  Fedele'  ertönen  Hess.  ,Gott  allein  weiss  es  zu  dieser  Stunde,' 
heisst  es  bei  dem  neuesten  Schilderer  dieser  Ereignisse  (Bon- 
fadini 104),  ,ob  es  die  Stimme  des  Grafen  Federico  Confalonieri 
war!'  Das  verhängnissvolle  Wort  brauchte  nur  ausgesprochen 
werden,  so  rief  es  die  Erinnerung  alles  dessen  wach,  was  ja 
schon  am    Morgen,  ja  in  den  Tagen  zuvor^    als  Parole  finsr 


443 

gegeben  war,  und  mit  lautem  Geschrei  wälzte  sich  jetzt  die 
Masse,  unter  welcher  noch  immer  viele  seidene  Regenschirme 
zu  sehen  waren,  gegen  den  Platz  S.  Fedele  in  die  Contrada 
Marino  vor  ,Casa  Prina^,  welche  die  Hausleute  eben  Zeit  noch 
gewannen  rasch  zu  schliessen.  Es  war  zwischen  3  und  4  Uhr 
nachmittags. 


Minister  Prina  war  an  diesem  Tage  in  der  That  nicht  im 
Senate  gewesen,  so  weit  schienen  denn  doch  die  Vorstellungen 
seiner  Freunde  auf  ihn  gewirkt  zu  haben.  Mehr  aber  gelang  ihnen 
nicht.  Der  Pfarrverweser  von  S.  Fedele  —  der  Propst  und 
eigentliche  Pfarrer,  seit  Jahren  vom  Schlage  gerührt,  be- 
fand sich  auswärts  —  beschickte  den  Minister  mit  dem  Aner- 
bieten, ihn  zu  sich  zu  nehmen,  wo  er  in  den  Räumen  der  Unter- 
kirche alles  ruhig  abwarten  könne.  Professor  Prina  befand 
sich  noch  bei  ihm,  imd  dieser  bewog  ihn,  wo  nun  schon  die 
änsserste  Gefahr  im  Anzüge  war,  im  letzten  Augenblicke  sich 
in  ein  abgelegenes  Gelass  des  obersten  Stockwerkes  zu  retten, 
wo  er  ihm  einen  Abate- Anzug,  den  er  vorsorglich  herbeigeschafft 
hatte,  zurückliess.  Mittlerweile  war  das  Hausthor  gewaltsam 
erbrochen  worden,  durch  das  sich  die  Menge  in  das  Innere 
ergoss,  so  dass  Professor  Prina  von  Glück  sagen  konnte,  als 
es  ihm  gelang,  imerkannt  und  unbehelligt  die  Strasse  zu  ge- 
winnen; er  fuhr  ohne  Aufschub  nach  Pavia  zurück.  Ein  Um- 
stand soll  niclit  unerwähnt  bleiben,  weil  er  einen  Beweis  mehr 
liefert,  wie  leicht  es  gewesen  wäre,  der  Bewegung  Herr  zu 
werden,  freilich  nicht  durch  blosse  Worte  und  begütigende  Vor- 
stellungen, an  denen  es  Pino  und  Porro-Lambertenghi,  die  sich 
in  dieser  ganzen  Zeit  in  der  Nähe  der  gewaltsamen  Auftritte 
bewegten,  nicht  fehlen  liessen,  sondern  durch  ernste  Massregeln, 
was  sich  ja  schon  beim  Aufrücken  der  Dragoner  Bosisio's  ge- 
zeigt hatte.  Diesmal  war  es  etwas  Anderes.  Oben  am  Palaste 
Marino,  dem  der  Casa  Prina  gegenüberliegenden  Gebäude  hatte 
sich  eine  Dachrinne  gelockert  und  starrte  mit  ihrem  Ende  auf 
die  Strasse  hinab,  was  von  unten  gesehen,  zumal  bei  dem  die 
Aussicht  trübenden  Regen,  für  den  Lauf  eines  oben  postirten 
Geschützes  gehalten  werden  mochte.  ,Kanonen,  Kanonen!'  rief 
einer^  der  dies  bemerkte,  und  brachte  damit  so  viel  Schrecken 


444 

unter  die  Menge^  dass  sich  schon  Viele  zum  Davonlaufen  an- 
schickten ;  nur  wurde  der  Irrthum  begreiflicherweise  im  zweiten 
Augenblicke  aufgeklärt  und  die  Menge  blieb J 

Den  meisten  Leuten^  die  sich  nun  schon  in  den  Rtomen 
des  ersten  Stockwerkes  herumtrieben,  war  es  mehr  um  hab- 
haften Gewinn  zu  thun,  so  dass  sie  völlig  zu  vergessen  schienen, 
dass  es  ja  eigentlich  die  Person  des  verhassten  Ministers  war,  auf 
die  sie  Jagd  zu  machen  hatten.  Waren  es  doch  fabelhafte  Schätze, 
die  in  der  Wohnung  des  Steuer-  und  abgabensüchtigen  Finanz- 
ministers aufgehäuft  liegen  mussten!  Doch  nur  einer  von  allen 
machte,  so  schien  es,  einen  werthvollen  Fang.  Es  war  ein 
Mann,  nach  seinem  Ansehen  und  Anzug  den  besseren  Ständen 
angehörig,  der  sich,  kaum  dass  der  Eintritt  in  das  Innere  des 
Gebäudes  erzwungen  war,  geraden  Weges,  als  ob  er  hier  zn 
Hause  wäre,  in  das  Arbeitszimmer  Prina's  verfligte,  die  Schub- 
lade des  Schreibtisches  erbrach,  einen  Pack  von  Papieren  zu- 
sammenraffte und  mit  diesem  unter  dem  Arm,  um  alles  Andere 
sich  nicht  kümmernd,  durch  die  Menge  fortging.  Es  haben 
dies  Viele  gesehen,  allein  niemand  wusste  zu  sageü,  wer  der 
Mann  gewesen,  und  nur  schliessen  konnte  man,  dass  es  Werth- 
papiere,  Schuldscheine,  Verschreibungen  gewesen,  die  auf  diese 
Weise  abhanden  gekommen,  wie  sich  denn  nichts  dergleichen 
in  der  Verlassenschaft  gefunden.^  Es  wurden  selbst  Namen 
genannt:  so  hätten  Pino  und  Traversi  hohe  Summen  dem  Prina 
geschuldet  und  wäre  in  diesem  Umstände  mit  ein  Erklärungs- 
grund der  Haltung  zu  suchen,  welche  die  beiden  Männer  jenen 
Auftritten  gegenüber  beobachtet.**  Es  hatten  überhaupt  bei  den 
unsauberen  Händeln  mehr  Personen  ihre  Hände  im  Spiel,  als 
sich  dabei  blicken  Hessen.  So  war  Conte  Fagnani  nirgends 
sichtbar,  er  war  durch  Unwohlsein  zuhause  gehalten  oder  steUte 
sich  so;  aber  er  hatte  seine  Stellvertreter  auf  der  Strasse,  seinen 
Kammerdiener  und  einen  vertrauten  Landgeistlichen,  die  bald 
hier,  bald  da,  wo  es  am  ärgsten  zuging,  im  Haufen  zu  sehen 
waren.  So  wurde  nachderhand  in  Mailand  erzählt.  Auch  darüber 
scheint  kein  Zweifel  statthaft,  dass  die  Meuterer  zu  einem 
grossen  Theile  erkauft  waren.  In  einer  in  der  Ambrosiana  auf 


»  :fetude  73. 

2  CuBani  Vn,  129—132. 

9  Cantü  Cronistoria  I,  891. 


'ahrten   Denkachrift   (ifs  Conto    Giuvio    versichert   derselbe, 

olt  an  dem  verhängniaB vollen  Tage  auf  Leute  aus  dem 

Volke  gostosBcn  zu  sein,  die  den  ,verhei8senen  Lohn*  verlangten, 

^eeer  um  zu  niiBshandeln  und  zu  tödten,  jener  um  das  Haus  des 

^^Knisters  dem  Boden  gleich  zu  machen'.' 

^^^  Das  Gesindel  in  Prina's  Wohnung  könnt«  sich  in  der 
^^Bnptsache  nur  an  mindere  Werth-  und  OebrauchsgegonstJlnde 
halten,  die  sich  auf  Tischen,  in  Schränken,  an  den  Wänden 
fanden;  selbst  Bettzeug,  Einrichtungsstücke,  allerhand  GerSth- 
Schäften  wurden  nicht  verschmäht,  welche  Männer  uud  Frauen 
(Inneren  Schlages  pro cession »weise  aiis  dem  Hause  fortschleppten. 
Der  nachmalige  Geschichtschreiber  ßeiner  Vaterstadt  konnte  als 
Knabe  vom  Balcon  seines  väterlichen  Hauses  dies  anwidernde 
Schauspiel  beobachten ;  unter  Anderem  ist  ihm  ein  starker  Kerl 
in  der  Erinnerung  geblieben,  der  ein  schweres  Eisengitter  mit  sicht- 
Uchor  Anstrengung  fortbrachte.'  Kc  gründliche  Durehwtthlimg 
aller  Innenränmc  der  Casa  Prina  war  endlich  im  obersten  Stock- 
werke angelangt,  und  hier  soll  es  oin  Theatertisehler  der  Scala, 
Colombo  mit  Namen,  gewesen  sein,  der  in  das  Gemach  gelangte, 
iu  welchem  Prina  seine  Unikleidung  noch  nicht  zustande  ge- 
bracht hatte  und  darum  augenblicklich  erkannt  wurde. ^  ,E  qui', 
rief  Colombo  triumphirend,  und  nun  waren  Itaub  und  Diebstahl 
vergessen,  alles  warf  sich  auf  den  halb  angekleideten  Mann, 
der  unter  zahllosen  Streichen,  ölOssen,  Schlägen,  mit  den  Fiiusten, 
mit  Stücken  und  Knitteln,  mit  eisernen  Werkzeugen,  unter  fort- 
währenden höhnenden  Zurufen  ,Questo  per  la  carta  boUala' 
tQuesto  pel  registro'  aus  dem  Zimmer  h er auege rissen,  die  Stiege 
Kinabgezerrt  wurde.  Er  war  halb  nackt  und  mehr  todt  denn 
lebendig,  als  man  im  ErdgesehoBse  angelangt  war,  wo  sie  ihn 
durch  ein  Fenster  denen  draussen  auf  der  Strasse  zuschoben 
oder  zuwarfen,  um  ihn  hier  neue  Misshandlungen  erdulden  zu 
lassen.  Da  war  es  ein  Häuflein  menschlich  fühlender  Leute, 
denen  es,  indem  sie  sich  ergrimmter  und  erbitterter  als  die 
anderen  stellten,  zuletzt  gelang,  den  Märtyrer  in  ihre  Mitte  zu 
nehmen   und   in   den   Thor  weg   eines   anstossenden    Hauses   zu 


'  Bm  Da  Castro  C«duUi  1 

>  Cnsmni  VTI,  133"). 

I  AfatreiFheriiie    Angalien    U 

Cadutk  na  f 


446 

retten.  Die  wahren  Wüthcriche  merkten  indess  bald  die  Finte, 
entrissen  das  unglückliche  Opfer  den  schützenden  Armen  seiner 
Befreier  und  brachten  es  von  neuem  auf  die  Strasse,  um  ihr 
Werk  grausamer  Misshandlung  fortzusetzen. 

General  Pino  und  Conte  Porro  Hessen  es  die  ganze  Zeit 
an  Abmahnungen  nicht  fehlen,  die  aber,  wie  einige  wollten, 
mehr  wie  versteckte  Aufmunterungen  klangen.  Der  Podestk 
veröflfentUchte  einen  Aufruf,  worin  er  seine  Mitbürger,  ,die  guten 
Mailänder^,  aufforderte,  in  ihre  Behausungen  zurückzukehren 
und  sich  da  ruhig  zu  verhalten.  Aber  zu  werkthätiger  Hilfe 
fUr  den  bejammernswerthen  Mann  entschloss  sich  keiner,  nicht 
Pino,  nicht  Porro,  auch  niemand  von  den  anderen,  obwohl,  wie 
die  Prinzessin  Cristina  Belgioioso  ausdrücklich  bemerkt,  ,die 
Strassen,  durch  welche  Prina  geschleppt  wurde,  angeftült  waren 
von  besser  gekleideten  Leuten,  die  sich  gegen  den  unablässig 
strömenden  Regen  unter  seidenen  Regenschirmen  schützten^^ 
Man  sieht,  die  ,ombrelli  di  seta^  spielten  an  diesem  Unglückstage 
keine  unbedeutende  Rolle,  daher  die  Beauhamisten  nachderhand 
sarkastisch  von  einer  ,bataille  des  parapluies^  sprachen.  Dens 
auch  das  kam  vor,  dass  die  Spitze  mehr  als  eines  dieser  Werk- 
zeuge des  Friedens  dazu  verwendet  wurde,  die  Qualen  des 
armen  Prina  durch  unbarmherzige  Stiche  zu  vermehren;  darunter 
ein  Edelmann,  den  der  Geschichtschreiber  Mailands  nicht  bei 
Namen  nennt,  aber  als  einen  der  ,Itahci  puri*  bezeichnet.' 
Bittend  hob  Prina,  sobald  er  sie  einen  Augenblick  frei  hatte, 
die  gefalteten  Hände  empor  und  flehte,  sein  Schicksal  voraus- 
sehend, mit  dem  Ausruf  ,Confessione^  um  einen  Priester.  Es 
war  ein  solcher  zur  Hand,  Don  Franc.  Antonio  OrioU,  früher 
Klostergeistlicher,  jetzt  Erzieher  im  Hause  des  Marchese  Litta 
Modignani,^  der  sich  durch  die  Menge  Bahn  brach,  um  dem 
Geopferten  die  letzten  Tröstungen  der  Rehgion  zu  spenden. 
Allein  er  wurde  fortgestossen.  ,Nein,  er  soll  mit  allen  seinen 
Sünden  zur  Hölle  fahren!^  rief  einer  der  Lyncher.  Es  kamen 
besser  denkende  Leute  nach  S.  Fedele  gelaufen,  bittend,  es 
möge  ein  Geistlicher  mit  Vorhaltung  des  hochwürdigsten  Gutes 
unter  die  Menge  treten,  um  durch  Ehrfurcht  und  heilige  Scheu 


»  Etüde  70  f. 

2  CuBani  VII,  134. 

'  Nachmals  Bischof  von  Orvieto  und  Cardinalpriester. 


!  Wutli  des  Haufens   /.u    bamien;    allein   dem  Pfarrverwesc-r 
ihlte  es  an  Mutli  und  der  Versuch  unterblieb.' 

Auf    dem    Platze    S.   Fedele,    an    einer   der    Ecken    des 
lotteehattBee,   bracb  Prina  zusammen,  und    diesen  Augenblick 
iDtltzten   einige   beherzte   MUnner   um   ihn    rasch    in   ein   an- 
wende»  Haus   zu  schieben,    dessen   Eingang  sie  hinter  ihm 
kTBchlossen.  Es  gehörte  dem  Weinlülndler  PereIH,  ein   Tischler 
mfanti  liatte  darin  seine  Werkstatt,  im  Hofe  befand  sich  ein  Stoas 
^Bcbichteter  Bretter,  hinter  denen  Prina  im  ttuasersten  Falle 
Irersteck  finden  konnte.  Er  war  vollends  zu  retten,  wenn  eine 
kleine  Thiir  geöffnet  wxirde,    die  mit  dem  Nebenhause  in  Ver- 
bindung stand;    allein   der  Kaffeesieder  Borrani,    der  dort  sein 
Geschäft    hatte,    befilrchtete    VcrwUstung    und    Ausplünderung 
seiner  Räume  und   verweigerte  den  Schlüssel.     Auch  eine  Ab- 
lenkung der  Gefahr  Prina's  wollte  sich  bieten,    die  allerdings 
dafür    einen    anderen    traf.     Der    Di  visionär    Baron    Peyri,    von 
seinem   Adjutanten  begleitet,    wollte  sich  durch   das  GedrÄnge 
den  Weg   frei  machen,    wie   Einige   liinzuftigen,    um   Prina  zu 
ilfe  zu  kommen;    doch  da  er  htass  und  hager  eine  entfernte 
ihnlichkeit  mit  dem  Minister   hatte,    so   wurde  er  für  diesen 
ist  gehalten,  und  schon  stürzten  sich  wUthende  Leute  auf  ihn, 
ITten   ihm   die  Kleider  vom  Leibe  und  machten   ihm,    trotz 
iner  and   seines  Begleiters  fortwährenden  Betheuefung,    dass 
15  der  Gesuchte  nicht  sei,  wohl  den  Garaus,  wenn  nicht  General 
bo  hinzukam,  ihn  unter  den  Arm  nahm  und  der  Menge  entr 

Dunkelheit  war  schon  hereingebrochen,   bei  Lampen  und 
ickelschein  arbeiteten  Maurer  an  der  NiedeiTcissiing  der  Casa 
wahrend   der  wilde  Haufen  vor  dem  Hause  des  Wein- 
lodlerB  stand  und  stürmisch  Einlass  verlangte.    Gewiegte  Per- 


i'.elli  iii  seinan  AntDerkungen  zu  Pellico'B  .Pri^oDi'  (Milano,  Li- 

'   br«ri«  di  Dsnte,   1BG7)  briu^  S.  477— 4T0   in  dem   Abscliuitt  ^ccidio  äi 

'    Prina'  ein  Gewebe  von  Umicbtigkeiteii,  üher  vielehsa   die  ucueren  Hni- 

Itnder  Oaiirhicbtwhreiber   meist    mit   StilUchwei^n   hinweggehen.     Dhb 

g  auf  Recimnng  angenauer  InCormBtionen  geauhrieben  werden ;  hiugegen 

hkbeii  wir  keinen   Grund,   iltn  Cur  einen   unw&hrh&fton   Mann  zu  halten 

und  daruin  nach   dun  helseilu   sii  setzun,    was  er  penOnlicb  erfahren  zu 

bitben  angibt.   So  eriHhlt  er,  der  kranke  Propst  von  8.  Fedele  habe  vier 

I    Jahre  nwh  dlei>en  Ereignissen  in  ihm  gesagt:  ,Se  io  fowl  RUtn  nel  niio 

^o  parrcici-'hiiilB,  rerto  non  mi  anrei  fatlo  anpeltare.' 


448 

sonen,    unter  anderen  Ugo  Foseolo,    redeten  aus  Fenstern  und 
von  Balconen  das  Volk  an,  alles  vergeblich.  Schon  schleppten 
Leute  Reisbündel  herbei,    die   sie  vor  dem  Thore  aufthilrmten^ 
um  es  in  Brand  zu  stecken;  schon  kamen  andere  mit  schweren 
Eisenwerkzeugen,   um  es  einzuhauen;    schon    tönten    die  Rufe 
,fiioco^  ,morte'  wild  durcheinander,  als  Prina,  um  nicht  Andere 
mit    in    sein    Unglück   hineinzuziehen,    freiwillig  sein  Versteck 
aufgab,    das  Hausthor  öffnen  Hess  und  mit  den  Worten:  ,Da 
bin  ich,    misshandelt  mich  nicht !^   sich  selbst   seinen   Peinigem 
überlieferte.  Die  Worte  waren  kaum  gesprochen,  als  ein  roher, 
mit   einem   Hammer    bewaffneter   Strolch    einen    so    wuchtigen 
Hieb  gegen  Prina's  Haupt  führte,    dass  dieser  bewusstlos  zu- 
sammenstürzte.    Aber   es   war   noch   Leben  in  ihm  und  noch 
hingen  ihm   einige  Fetzen  am  Leibe,    als  er  an   ein  Brett  ge- 
bunden und  durch   den   Strassenkoth,   unter  fortwährend   strö- 
mendem Regen,  bis  auf  den  Cortusio  gezogen  wurde,    wo  die 
Wtitheriche  am  Demanio,  dem  Gebäude  des  Stempelamtes,  Halt 
machten.     An   die  Mauer  dieses  Hauses   lehnten  sie  das  Brett 
mit  dem  jetzt  vielleicht  schon  entseelten  Körper  an  —  es  konnte 
nicht  angegeben  werden,  in  welchem  Zeitpunkte  Prina  gestorben 
—  und  thaten   ihm    allen  möglichen  Schimpf  an,    schleuderten 
einen  Stempelbogen  ihm  ins  Antlitz  oder  stopften  ihm  höhnend 
damit  den  Mimd:  ,Eccoti  Prina  la  tua  carta  bollata!'  Allein  es 
sollte  mehr  geschehen:    sein  Körper  sammt  dem  Gebäude,  aus 
welchem   so   viel    Unheil   für   die   steuerpflichtige    Bevölkerung 
ausgegangen,    sollten   in    Flammen    aufgehen,    ein    grossartiges 
Autodafe  soUte  den  Schluss  des  Vergeltungsactes  bilden,  welchem 
das  Volk  seinen  Peiniger  überlieferte. 

Mittlerweile  hatte  Graf  Durini,  da  sein  erster  Aufruf  keine 
Wirkung  geäussert,  einen  zweiten  erlassen,  worin  er  die  Bürger, 
die  es  gut  mit  der  Ordnung  meinten,  auf  die  Sammelplätze  der 
Civica  berief  und  sie  aufforderte,  bewaffnet  zur  Herstellung 
der  Ruhe  einzuschreiten.  Das  wirkte.  Es  fand  sich  bald  eine 
und  die  andere  Abtheilung  zusammen,  die  von  verschiedenen 
Seiten  gegen  den  Schauplatz  der  Greuel  eilten,  in  dessen  unmittel- 
barer Nähe  ein  Haufe  eben  daran  war,  eine  Specereihandlong 
zu  stürmen,  um  sich  brennbare  Flüssigkeiten  (acqua  ragia)  zu 
verschaffen  und  damit  das  Holzwerk  um  und  im  Demanio  zu 
sättigen.  Das  Anrücken  der  Nationalgarde  gegen  den  Cortusio 
von  zwei  verschiedenen  Seiten  genügte,  um  das  Gesindel  zur 


HAU  di 


Bninoniig  zu  bringeu,  das  allsogleich  aiisoinanderstob  und  mit 
grossem  Geschrei  sich  uach  verschiodoneu  Uichtimgen  zerstreute. 
CKnch  der  MiliUlrcommaiidant  unternahm  jetzt  etwas  Ernsteres. 
HTon  einem  Adjutanten  begleitet,  begab  sich  Piuo  uuter  die 
Sfttdenhalle  der  äcala,  hess  Fackeln  Lerbeibriiigen  und  dietirte 
eineu  Aufsatz,  der  dann  aus  dem  Fenster  eines  gegenüber- 
hegenden  Hauses  vorlesen  wurde:  er  entliieh  die  Autforderung 

die  i[itbUrger,  sicli  zurückzuziehen,    und  das  Versprechen. 

IS  gleich  am  moi^gen  Tage  die  Wähle ollegien  einberufen 
lllon.  I>ie  Menge  zersb'eute  sich  ziemlich  aufgeregt 
und  mit  allerhand  Kufen,  darunter  eim'gen  ,Viva  il  re  Pino!' 
Die  entseolto  Hülle  Priua's  wurde  in  den  Hof  des  Brofetlo  ge- 
schafft. Sie  sah  mehr  einem  von  der  Hchlacbtbunk  gebrachten 
Fleiscbktumpon,  als  einem  menschlichen  Kürper  äbnheh;  schau- 
dernd bemiihtcn  sieh  Anwesende,  die  Prinu  im  Leben  gekannt, 
seine  Züge  herauszufinden.  Aber  merkwürdig,  ärztliche  Fach- 
männer gaben  ihr  Outachten  dahin  ab,  dass  von  den  zahllosen 
Wunden,  die  sie  untersuchten,  keine  einzige  tödtlich  gewesen. 
Prina  hatte  entkräftet  durch  Schrecken  imd  Seelenangst  seinen 
Ocist  aufgegeben;  das  Martyrium,  das  in  seiner  Wohnung 
begonnen  imd  auf  dem  Cortusioplatze  geendet,  hatte  über  vier 
Stunden  gedauert.'  Im  Dunkel  dv  Nacht  wurde  die  Leiche 
auf  den  Friedhof  von  I'orta  Comasina  gebracht  und  die  Stelle 
der  Grablegung  unbezeichnet  gelassen,  sei  es  von  Freunden, 
um  Unglimpf  an  dem  Todten  hintanzuiialten,  sei  es  von  Feinden, 
um  nachträgliche  ehrende  Slihne  zu  vereiteln.  Die  Verwüstungen 
in  seinem  Hause  dauerten  bis  in  die  späte  Nacht  hinein,  Vasen 
.wurden  zerschlagen,  Fensterstöcke  ausgebrochen,  selbsl  Marmor- 

:ln  ausgehoben  und  zertrümmert,   dos  statthche  Gebäude  zu 

■T  wU&ten  Stätte  gemacht. 


•  Niwli  getlianoni  Werke  bcL  don  Thülarn  dor  Blutlohn  nuHgeialill  nordeu. 

behauptet  die  Belgioiosu  (Ktude  5il)t  .Mais  celni  <iui  m-hevH  d'itrnu.'liisr 

'    la  vie  KU  luinistre   Prinii,  re<;at  une  fürte  Bomme  d'argüiit  de  In  part,  si 

D*MI  des  mains  du  uumte  Gambanars'.   Ja  Ut  Prina  Überhaupt,  Buweil 

n  Wanden  ilie  Kede  seia   kann,  getüitet   wonlenV     Und  dieses  ange- 

'  es  einer,  der  sich  dieser  Tliat  rübnien  kennte?  Sollte  sieb 

)   nklit  vielmehr  diese  gauee  Belutuptuug  auf  ein  Uetrülscbe  in  den  Kreisen 

I   der  .rolnun  Italieiicr,  denen  der  Nauieu  Gaiubaium  Uberdieuinmeu  schluvlit 

II  den  Ulirtii  klang,  inrllukzuführen  seiuV 


450 

Noch  darf  nicht  unerwähnt  bleiben^  dass  an  demselben 
Tage,  der  Mailand  so  viel  Schrecken  und  Greuel  brachte^  Äehn- 
liches,  ja  noch  Aergeres  an  anderen  Punkten  des  Landes  statt- 
fan(l.  In  Bergamo  wurde  in  einem  Volksauflauf  der  Präfect 
getödtet.  In  Brescia,  wo  sich  das  Gerücht  verbreitet  hatte,  der 
Commandant  der  abmarschirenden  französischen  Colonne  wolle 
zuvor  die  Stadt  plündern  lassen,  riefen  4000  Mann  einheimischer 
Truppen  Bürger  und  Volk  zu  Hilfe,  das  sich  ihnen  zahlreich 
anschloss,  so  dass  die  Franzosen  in  fluchtähnlicher  Eile  abziehen 
mussten.  Dann  ging  es  vor  die  Wohnung  des  Präfecten  Soman- 
zari,  der  sich  durch  Flucht  über  die  Dächer  rettete;  allein  eine 
Anzahl  anderer  beauhamistischer  Beamten  sollen  der  Volks- 
wuth  zum  Opfer  gefallen  sein. '  Wenn  in  Verona  nichts  Aehnliches 
gegen  den  ungemein  verhassten  Präfecten  Smancini^  geschah^ 
so  war  es  die  österreichische  Besatzung,  die  es  zu  keiner  Un- 
ordnung kommen  Hess. 

6. 

Am  späten  Abend  des  20.  erschienen  die  Conti  Loigi 
Porro  und  Giov.  Serbelloni  in  der  Kaserne  Sta.  Marta  und  riefen: 
die  Dinge  seien  besser  ab§elaufen,  als  man  zu  beftirchten  ge- 
habt. Sie  entfernten  sich  sodann  und  sandten  eilige  Botschaft 
in  das  Hauptquartier  des  Grafen  Bellegarde,  den  sie  baten,  nicht 
länger  zu  säumen,  um  in  Mailand  Ordnung  zu  machen.  Einige 
behaupten,  sie  hätten  sich  persönlich  zu  dem  Feldmarschali 
verfügt,  was  aber  von  anderen  Zeitgenossen  geleugnet  wird  und 
in  der  That  gewichtige  Gründe  der  WahrscheinUchkeit  g^n 
sich  hat.^  Seinerseits  brachte  der  Herzog  von  Lodi  einen  kurzen 
Bericht  über  die  Ereignisse  des  Tages  und  die  Stimmung  der 
Einwohnerschaft,  die  er  als  ,tiefen  und  allgemeinen  Hass  gegen 
die  Franzosen^  charakterisirte,    zu  Papier  und  sandte  damit  in 


>  Nach  Oest.  Beob.  Nr.  129  vom  9.  Mai  S.  701  ,swOlf  bis  vienehnS  was 
wohl  schwer  zu  glauben  isti 

3  Siehe  das  Gedicht  Stenerello's  bei  De  Castro  Caduta  S.  165,  wo  der 
Dichter  den  Prinzen  Reuss  mit  der  Seele  Prina^s  ssusammenfÜhrt 

3  Geradezu  lächerlich  ist  die  Behauptung  Maroncelli'Ba.a.0.  479,  Belle- 
garde habe  den  Grafen  Porro  ,non  rispettando  il  diritto  delle  genti*  fest- 
nehmen lassen  —  warum  und  wofür  denn?  —  dieser  aber  sei  entflohen 
,e  tom6  alla  reggenza  recando  le  triate  nuove  . . .  (?!)' 


■gerückter  Stunde  einen  Eilboten  an  den  Vicekönig  ab.   Auf 
■ranlasBung  des  Barons  Zanuli  reiste  Obrist  Antonio  Cavazzu 
gleichfalls  nach  Mantua,  wo  er  morgens  den  21.  eintraf. 

In   der  Nacht  vom   20.  zum   21.  berief  der  Podestä  den 
meinderatli   der   Stadt  (Gonsiglio    comnnale),  der  sich  unter 
i  Vorsitz  des  Conte  Gtan    Lnua    deUa  Somaglia  alsbald   iui 
lipletto  versammelte.  Hier  wurde  «Üe  unverzügliche  Einberufung 
'  drei  WahlcoUegien,    gteiebzeitig  aber,    da  das  Ministerium 
Lviel  wie  gefipreugt  war,  die  Einsetzung  einer  provisorischen 
pentschafl    beschlossen,    bestehend    aus    den    Conti    Giberto 
Alberto    Litta,    Giurgio    Oiulini.    Giaeomo    Mellerio. 
|rlo    Verri    vom    alten    Mailänder    Adel,    Domenico    Pino    und 
lovanni  ßazzetta,  Mitglied  des  Caäsationshofes,  vom  neuen.  Mit 
genahme  Verri's,  dem  sie  den  Vorsitz  übertrugen,  und  General 
welchem  der  Oberbefehl  über  die  verfügbaren  Streitkräfte 
Vertraut  wurde,  gehörten  alle  der  österreii.' bischen  Partei  an; 
I  auch   der  gewesene   kSnighch    italienische   tStaatsrath    Baron 
ISeppe  Pallavieiiü,  der  als  GeneralsccreCär  fangirle.  Die  pro- 
rischfi  Regentschaft,    die   im  Palaste   des  Vicckünigs  ihren 
Sitz   aufsehlug,    begann    damit,   alle   ordnungli  eben  den   Bürger, 
besonders  aus  der  besitzenden  Classc,    zu  mannhaftem  Schutze 
aa£cufordem,  was  einen  guten  Eindruck  machte  und  rasche  Folge- 
leistung  fand.  Es  wurde  beschlossen,  die  drückendsten  Anlasse 
zu  Unzufriedenheit,  besonders  der  ärmeren  Volksciasse,  beiseite 
zu   schaffen,    den  Preis    von  Salz  und  Tabak,    gewisse  Postge- 
bühren auf  die  Hälfte  herabzusetzen,  die  städtische  Verzehrungs- 
Bteuer  (taritfa   sul   dazio-consumo)   zu   massigen,   die    verhasste 
igistertaxe  aufzuheben,  die  einzigen  Sohne  und  Stützen  ihrer 
vom  Militärdienst  zu  befreien,  den  Pranger  iUr  Frauens- 
^oncn   und  bei  leichteren  Vergehen  abzuschaffen,   durchaus 
meinnUtzige   Massregeln,    die   theils   sogleich,    theils    in    den 
ninffolgenden  Tagen  zur  AusflUirung  gelangten. 

General  Pino  verbrachte,  wie  von  einer  ziemlich  unter- 
Ichteten  Seite  behauptet  wird,'  den  Ubngen  Theil  der  Nacht 
in  eigenthümlichen  Vorbereitungen,  Als  eine  Person  bei  ihm 
eintrat  und  ihrer  Verwunderung  Au&druck  gab,  Uin  in  so  früher 
[genstunde  bei  der  Toilette  zu  finden,  und  frug:  was  denn 
r  geschehen  werde?   erwiderte  der  General;   ,Was  weiter 


452 

gescliehen  wird?  Wer  kann  das  voraussagen?  Am  Ende  heisst 
es  in  einem  alten  Spruch:  der  erste  König  war  ein  gl&cklicher 
Soldat/  Kaum  dass  der  Morgen  graute^  setzte  er  sich  im  yollen 
Staate  zu  Pferde  und  ritt,  von  seinem  Adjutanten  begleitet, 
durch  die  Strassen  der  Stadt.  Wieder  ertönten,  wie  am  gestrigen 
Abend,  vereinzelte  Rufe:  ,Viva  il  re  Pino!',  die  aber  durch 
andere  ,Libertk!^  ,Uguaglianza!'  übertönt  wurden.  Einige  der 
QleichheitS'  und  Freiheitsmänner  riefen  ihm  zu,  er  solle  seine 
Orden  entfernen;  der  General  knöpfte  seinen  Ueberrock  zu,  um 
ihnen  den  ärgerlichen  Anblick  zu  entziehen. 

Die  Stadt  stand  von  den  gestrigen  Ausschreitungen  her 
noch  immer  unter  dem  Gebote  des  schlechtesten  Theiles  ihrer 
Bevölkerung.  Gedungene  Arbeiter  nahmen  die  Zerstörung  der 
Casa  Prina  mit  frühestem  Morgen  wieder  auf,  es  schien  daranf 
abgesehen,  das  Gebäude  dem  Boden  gleich  zu  machen.  Die 
Strassen  wogten  von  gemeinen  Leuten,  die  erhobenen  Hauptes 
und  drohenden  Blickes  auf  neue  Gegenstände  ihrer  Mord-  und 
Kaubsucht  zu  fahnden  schienen;  bei  mehr  als  einem  fanden 
sich  Stricke  eingeseift  und  zum  Verknüpfen  hergerichtet  Zu 
diesen  stiess  nun  vielerlei  Gesindel  von  auswärts.  Auf  die  Nach- 
richt von  den  gestrigen  Ereignissen  und  von  der  Aussicht  auf 
neue  Beute  gelockt,  strömten  zu  den  Stadtthoren  Leute  vom 
Lande  herein,  mit  Messern,  scharf  zugeschliffeneu  Sensen  und 
anderen  rohen  Waflfen  und  Werkzeugen  versehen,  und  in  so 
herausfordernder  Haltung,  dass  die  Thorwache  es  aufgab,  ihres 
Amtes  zu  walten  und  sich  ruhig  hinter  ihren  Fenstern  hielt.  Im 
Mittelpunkte  der  Stadt  zog  sich  die  kleine  Besatzung  des  vice- 
königlichen  Palastes  in  das  Innere  und  nahm  vorsichtig  ihre 
Kanonen  mit  sich:  nach  Anderen  wäre  letzteres  auf  Befehl  Pino's 
geschehen,  der  auch  in  diesem  Punkte  einer  Forderung  des 
Volkswillens  nachgegeben  habe.  Auch  alle  anderen  öffentlichen 
Gebäude  waren,  wenn  nicht  überall  von  aussen  bewacht,  doch 
im  Innern  besetzt,  theils  von  Truppen  der  Linie,  theUs  von  Ab- 
theilungen der  Bürgergarde,  und  als  der  Pöbel  gewahrte,  dass 
der  Oberbefehlshaber  diese  Posten  einen  nach  dem  andern 
abritt,  da  war  es  nichts  mehr  mit  dem  ,König  Pino',  da  waren 
es  jetzt  Pfiffe  und  Ausrufe  aller  Art,  die  ihm  in  die  Ohren 
gellten.  Auch  an  Freiwilligen  fehlte  es  nicht;  so  thaten  sich 
mehrere  entschlossene  Männer  aus  dem  Handelsstande  zusammen 
und  besetzten  bewaffnet  das  Innere  des  grossen  Waarenhaoses 


45S 

So  kam  es^  dass  der  zerstörungslustige  Pack^  wo  er  immer  sein 
Müthehen  kühlen  wollte^  am  Kriegsministerium^  am  Hauptmauth- 
gebäude^  an  dem  Schatzministerium^  überaU  wohl  bewehrte  Ab- 
theilungen trafy  die  sich  ihm  entgegenstellten  und  ihn  zum  Abzug 
nöthigten.  Der  gichtbrüchige  Melzi  befand  sich  eben  in  der 
Capelle  seines  Palastes  nächst  Porta  Nuova^  als  ihm  sein  Neffe 
und  Adoptivsohn  Francesco^  Capitain  der  Civica,  die  Botschaft 
hinterbrachte:  ein  wilder  Haufe,  darunter  viele  Köhler  und 
Weibsbilder  vom  gemeinsten  Schlage,  voran  eine  schwarz- 
goldene Fahne,  sei  gegen  ihn  im  Anzug.  ,Lasse  mich  die  Messe 
zu  Ende  hören',  sagte  der  Grosskanzler,  ,dann  wollen  wir 
sprechen'.  Der  jüngere  Melzi  eilte  fort,  brachte  einen  Trupp 
Nationalgarde  und  Finanzwächter,  auch  Arbeiter  vom  nahen 
Münzamte  zusammen,  griff  im  rechten  Augenblicke  den  Haufen 
an  und  vertrieb  ihn. 

Ungeachtet  all  dieser  vereinzelten  Niederlagen  des  Strassen- 
pöbels  zeigten  die  im  IVIittelpunkte  der  Stadt  durcheinander 
wogenden  Massen  noch  immer  eine  bedrohliche  Haltung,  die 
durch  mancherlei  Aufreizimgen  von  unbekannten  Urhebern 
fortwährend  gesteigert  wurde.  Der  Aufruf  Pino*s  vom  gestrigen 
Abend  war  herabgerissen,  an  seiner  statt  klebte  ein  Maueranschlag 
voll  der  wüthendsten  Ausfeile  gegen  die  französische  Gewalt- 
herrschaft, gegen  ,buona-Parte',  gegen  den  Viceköiiig,  aber  auch 
gegen  die  Oesterreicher  —  ,morte  ai  T  .  .  .'  (Tedeschi?)  —  als 
die  Wünsche  ,des  grössten  Theiles  der  italienischen  Truppen^* 
Auch  an  Zerrbildern  fehlte  es  nicht;  eines  zeigte  den  Prina,  wie 
er  zum  Fenster  hinausgeworfen  wird,  darunter  die  Spottverse: 

Ricchezze  fatte  coir  altrui  rovine 
van  da  lieto  principio  a  triste  fine. 

Der  Tag  konnte  noch  immer  schUmm  ausfallen,  als  sich 
mit  einemmal  das  Gerücht  verbreitete  —  General  Polfranceschi 
wird  von  einigen  Seiten  als  derjenige  bezeichnet,  der  es  ab- 
sichtlich ersonnen  habe  —  und  der  Ruf  erscholl:  eine  Abtheilung 
Oesterreicher  zeige  sich  vor  Porta  Komana.  Dahin  drängte  jetzt 
alles,  was  sich  an  einem  lang  entbehrten  Schauspiel  weiden 
wollte,  und  da  bei  Volksauf  laufen  jeder  Art   die -Neugierigen 

>  Wortlaut  mit  allen  grammatikalischen  und  orthographischen  Fehlem,  nach 
einer  aufbehaltenen  gleichzeitigen  Abschrift    bei  Cusani   VII,   156  f.: 
0.  auch  De  Castro,  Caduta  135  f. 
▲rehir.   Bd.  LXXYL  II.  Hilfta.  ^V) 


454 


einen  starken  Beetundtheil  zu  bilden  ptle^en,  so  wurde  durch 
dieue  Ablenkung  die  Menge  auf  dem  Domplatiie  und  in  den 
dahin  mündenden  Gassen  und  (jässchen  in  sülchem  Ürade  ge- 
lichtet, dass  Streifwachen  der  Civica  sie  oline  grosse  Behinde- 
rung durchstreifen  konnten.  Dieselben  hatten,  gleich  jenen  der 
regulären  Truppe,  gemessenen  Befehl,  alles  zu  vermeiden,  was 
dnen  thilttichen  Zusammenstoss  herbeiführen  könnte,  desiiaib 
auch  das  Bajonuet  nicht  aufzupäanzen,  was  denn  auch  beobachtet 
wurde.  Nur  in  einem  einzigen  Fahnlein  vermochte  einer  der 
Wchrmilnner,  welchem  ein  halb  verrostetcB  Gewehr  zugefallen 
war,  beim  besten  Willen  das  Bajonnet  nicht  vom  Laufe  zu 
lösen.  Als  nun  diese  Abtlieilung,  die  der  Capitain  Beruardo 
Ottolini  befehligte,  aus  der  Strasse  del  Rebecchino  auf  den 
Domplatz  einbog,  ertönte  sogleich  der  Ruf:  ,Herunt€r  mit  dem 
Bajonnet!'  und  schon  flogen  Steine  aiif  den  Zug,  als  Ottolini 
die  Gewehre  zu  senken  befahl  und  seine  Mannschaft  mit  vor- 
gehaltenem Lauf,  darunter  auch  der  mit  dem  widei-spenstigen 
Bajonnet,  vorrilcken  Hess.  Dieses  Manöver  Überraschte  in  solchem 
Grade,  dass  der  bis  dahin  trotzig  übermUthige  (laufe  wie  Spreu 
auaeinanderstob,  unter  dem  lebhallen  Beifallsklatschen  der  an 
den  Fenstern  befindlichen  Personen,  die  mit  besorgter  Spaimuiig 
diesen  rasch  sich  abspielenden  Auftritt  verfolgt  hatten.'  Die 
Entschlossenheit  Ottohni's  hatte  aber  die  weitere  Folge,  dass 
nun  auch  die  anderen  Abtlieilungcu  der  Civica  Mutli  bekamen 
Ernst  zu  machen,  was  der  Stadt  binnen  kurzem  das  gewohnte 
Aussehen  wiedergab.  Einige  der  HauptstJinker  und  Uebeltliilter 
wurden  festgenommen  und  auf  des  Pohzeipräfecten  Villa  kräf- 
tiges Einschreiten  im  Oastetl  hinter  Schloss  und  Riegel  vorlAutig 
unschudlich  gemacht;  auf  Villa's  Andringen  sammelte  der  Oe- 
richtsactuai'  Lomazzi  die  Beweismittel,  um  gegen  die  Hilftlinge 
gerichtliche  Untersuchung  einzuleiten. 


Am  22.  April  traten  die  WahlcoUegien  im  Saale  der 
zusammen.  Bei  der  KUrze  der  Zeit  und  wohl  auch  aus  andoren 
naheliegenden  Rücksichten  hatte  man  sich  bei  der  Einberotoiu. 
auf  jene  Bezirke  beschränkt,  die  nicht  von  Truppen  dia-  """'  " 
bUndeten  besetzt  wai'en  und  daher  tm  GrundtJ  uuti,;r  ntiUl 


465 

Commando  standen.  Es  war  daher  eine  äusserst  unvollständige 
Versammlung,  in  welcher  der  Staatsrath  Luigi  Giovio  den  Vor- 
sitz zu  fiihren  berufen  wurde.  Kr  zeigte  sieh  als  Anti-Beauhamist. 
^Möchten  die  Alpen,  die  einen  auf  die  andern  gcthürmt',  so 
hiess  es  in  seiner  ersten  Ansprache,  ,uns  für  immer  von  jener 
Nation  scheiden,  die  zu  allen  Zeiten  in  unser  Vaterland  Unglück 
und  Verderb  gebracht  hat^;  als  Wunsch  der  Nation  bezeichnete 
er  , verfassungsmässige  Einrichtungen  mit  einem  unabhängigen 
Haupte^  Die  WahlcoUegien  schritten  ftü's  erste  zur  Anerkennung 
der  provisorischen  Regentschaft  und  des  dem  General  Pino 
übertragenen  Oberbefehls.  Sie  erklärten  Senat  wie  Staatsrath 
fllr  abgeschaflft,  entbanden  alle  Functionäre  im  Militär  und  Civil 
von  deren  Verpflichtungen  gegen  den  Vicekönig  und  verlangten 
dafür  Vereidigung  im  Dienste  der  neuen  Gewalten.  Sie  ver- 
kündeten Amnestie  und  Freiheit  für  alle  politischen  Gefangenen, 
sowie  für  solche,  die  wegen  Fahnenflucht,  GeftlUsübertretungen 
u.  dgl.  in  Haft  sassen.  Sie  beschlossen  Aufhebung  aller  Mass- 
regeln der  Continentalsperre,  Abschaflfung  der  tassa  d'arti  e 
mestieri,  Beschränkung  der  Jagdfreiheit.  Sie  fanden  es  schUess- 
lieh  in  der  Ordnung,  ihren  Zusammentritt,  sowie  die  Uebernahme 
der  ihnen  anvertrauten  Gewalt  den  auswärtigen  Gesandtschaften 
und  den  commandirenden  Generalen  bekanntzugeben,  die  ver- 
bündeten Mächte  aber,  mit  Widerruf  der  vom  bestandenen 
Senate  getroffenen  Wahl,  durch  eine  eigene  Abordnung  nach 
Paris  zu  beschicken,  um  jene  einzuladen,  theilzunehmen  an  dem 
Werke,  die  Wohlfahrt  Italiens  zu  begründen.*  Mit  Beziehung 
auf  diesen  Schritt  erliess  das  Municipium  einen  Auiruf  an  die 
Bewohner  von  Mailand,  eine  dreitägige  Andacht  in  der  Kirche 
zu  den  heiligen  Schutzengeln  zu  begehen:  ,Le  alte  Potenze 
ascolteranno  con  benignitii  i  voti  di  un  popolo  che  ripone  in  Dio 
la  8ua  fiducia.^^ 

In  AusfÜhnmg  des  Amnestiebeschlusses  —  obwohl  es  kaum 
fraglich  war,  dass  die  dort  aufgeführten  Kategorien  auf  den 
vorliegenden  Fall  nicht  passten  —  ertheilte  der  Oberbefehls- 
haber der  bewaflfneten  Macht  dem  General  Paini  den  Auftrag, 


1  Vgl.  Oe«t.  Beob.  Nr.  130  vom  10.  Mai,  ö.  709:  ,Die  veroiiiigten  WahlcoUegien 
an  das  italienische  Volk*;  unterzeichnet  L.  Giovio,  Präsident,  Roncalli 
und  Bellani,  Secretäre. 

>  Nach  Mantovani  a.  a.  O.  598  wäre  dieses  Triduum  angeordnet  worden 
,per  implorare  il  divino  patrocinio  sulla  tranquilliti  dei  cittadini*. 


456 

die  wegen  der  Vorlalle  am  20.  und  21.  in  Haft  genommene 
MisseUiäter  in  Freiheit  zu  setzen.  Die  gegen  sie  eil 
Untersuchung  i^iirde  niedergeschlagen  und  der  energische 
präfect  Villa  von  seinem  Posten  entfernt.  Hingegen  sollte  ts 
mit  allen  weiteren  Verhetzungen  und  aufrührerischen  Mjukt 
anschlagen,  mit  allen  Zerrbildern  und  Spottgedichten  aus  Anks 
der  letzten  Ereignisse  ein  Ende  haben. 

Eine  Kundgebung  nicht  aufreizenden  Charakters  entdeckte 
man  an  einem  dieser  Tage  auf  dem  Friedhofe,  der  Prina's  Reste 
aufgenommen  luitte.  Die  Stelle^  wo  dieselben  eingesenkt  worden, 
kannte  man  nicht  oder  wollte  und  durfte  sie  nicht  kennen; 
es  wurde  daher  am  Eingang  des  Gottesackers  die  Inschrift  an- 
gebracht : 

Per  r  occnlta  pieta  d'  uomini  onesti 
g^acciono  qui  del  piü  fedel  Ministro 
i  massacrati  miserandi  resti. 


^Heute',  schrieb  Silvio  Pellico  am  23.^  ^befindet  sich  Hai- 
land  in  vollem  Frieden^  froh  über  seinen  Sieg  gegen  die  Philo- 
napoleoni  und  gegen  die  Käuber  und  Plünderer,  zwei  grftssliche 
Zwillingpestilenzen  (duc  orride  pesti  gemeUe),  vor  denen  Gott 
für  alle  Zeiten  jedes  christliche  Land  bewahren  möge!'  Der 
auf  so  hohen  Grad  gestiegene  Franzpsenhass  liess  das  Aeusseiste 
befürchten,  wenn  sich  in  der  kaum  zu  einiger  Ruhe  gebrachten 
Stadt  französische  Truppen  zeigten.  Es  war  eine  Division  vom 
Corps  Grenier,  die  auf  dem  Rückmarsch  nach  Frankreich  dnrcb 
Mailand  ziehen  wollte;  Pino  vermochte  den  General  Royer,  der 
die  Colonne  befehligte,  in  Binasco  zu  halten,  von  wo  sodann 
am  nUchsten  Tage  die  Richtung  gegen  Magenta  eingeschlagen 
wurde. 

Die  Walilcollegien  schritten  an  diesem  Tage  unter  Giovio'* 
Vorsitz  zur  Abfassung  ihrer  Adresse  an  die  verbündeten  Mächte: 
Unabhilugigkeit  und  ein  möglichst  grosses  Gebiet  fUr  ihrea 
neuen  Staat,  damit  derselbe  eine  achtunggebietende  Stelle  im 
europäischen  Gleichgewichtssystem  ausfUlle;  fireie  Veifassung* 
deren  Formen  die  Wahleollcgien  zu  bestimmen  haben  würden: 
monarchische  Regienuig  erblich  nach  dem  Rechte  der  Erstge- 
burt, luiter  einem  Fürsten,  dessen  Eigenschaften  daf&r  bürgen, 
duss  or  sie  die  Wimdeu  und  Leiden  des  gestürzten  Regimentes 


457 

^r^pssen  machen  werde.    In  die  Abordniitift.  die  diese  Wünsche 

ich  Paris  bringen  sollte,  wurden  gewählt,  und  zwar  vom  Adel: 

iderico  Confalonieri,   Alberto   Litta,   Marchese   Gian  Oiacomo 

nnilzio  (Triulzi)  und  Somag;lia  aus  Mailand,   die  Conti  Marc' 

ntonio  Ffe  aus  Brescia  und  Serafino  Sommi  aus  Cremona;  aus 

Bidetn  höheren  Handelsstande  Giaoomo  Ciani  und  Pietro  Ballabio, 

^aäs  Schriftfülivei-   soUte  sie  Marchese   Giaeomo  Beccaria,    Sohn 

äea  berühmten  Rechtsgelehrten  und  Schriftstellers,  begleiten. 

Einige  der  Gewählten  traten  gleieh  am  24,  ihre  Reise  an. 


7. 

Zur  selben  Zeit,  da  sich  die  geschilderten  Ereignisse  in 
lombardischcn  Hauptstadt  abspielten,  hatten  die  Verbündeten 
dem  italienischen  Kriegsschauplätze  neue  Erfolge  zu  ver- 
Am  20.  hatten  die  Kaiserlichen  die  Lagunenstadt  zu 
setzen  angefangen,  ara  22.  der  franKöeische  Admiral  Duperrö 
Arsenal  sowie  das  ganze  Material  der  Marine  den  Oester- 
hern  übergeheu. 

Ira  Westen  der  Halbinsel  war  Lord  Bentinok  gegen  Genua 
ingertlckt,  hatte  am  17,  die  Forts  Stn.  Tecla  und  Richelieu 
■mt;  in  der  Nacht  vom  18.  zum  13.  waren  in  der  Capitidation 
S,  Francesco  d' Albaro,  welche  der  General  M'Farlano  im 
ICD  Bentinck's  unterzeichnete,  Stadt  und  Hafen  von  Genua 
die  Verbündeten  übergegangen,  worauf  am  2L  der  Abmai-sch 
franzilsischen  Besatzung  in  der  Richtung  von  Pignerol  er- 
Der  rasche  Lord  machte  kein  Hehl  aus  seiner  Mei- 
nang,  die  Stadt  Doria's  in  ihre  alten  Rechte  wieder  eingesetzt  zu 
sehen;  ,wa9  die  Genuesen  vor  Allem  wünschen',  schrieb  er  am 
2S.  an  Lord  Castlereagh,  ,ist,  das«  ihre  Stadt  nicht  zu  Piemont 
gesehlagen  werde'.  Die  Kunde  von  dieser  Haltung  Bentinck's 
verbreitete  sich  rasch  durch  Oberitalien  bis  nach  Venedig,  wo  sich 
jüsbald  Stimmen  vernehmen  Hessen:  ,Wenn  Genua  wieder  Re- 
.pnblik  wird,  kann  Venedig  Provinz  bleiben?'  Auch  die  italienische 
~  ;ei  in  Mailand,  die  einen  grossen  Anbang  in  der  Bürger- 
gftrd«  hatte,  konnte  nicht  ruhig  bleiben.  Nicolo  Ugone,  auch 
kurzweg  Ugo  Foscolo,  in  jüngeren  Jahren  Officicr  der  Cis- 
alpina,  kurze  Zeit  Professor  in  Pavia,  dann  wegen  seiner  exal- 
m  Ansichten  abgesetzt  und  aus  Italien  verwiesen,  Gelehrter 
Schriftsteller   von   Ruf,   war  jetz-t  in   Mailand   wieder  auf- 


jusbfl 
Lpnbli 
■Krt. 

kurz 
alpii 


468 

getaucht  und  wurde  von  einigen  Missvergnügten  erkoren,  nach 
Genua  zu  reisen.  Allein  gleich  darauf  besannen  sich  seine  Ab- 
sender wieder  und  schickten  ihm  einen  Eilboten  nach,  er  möge 
zurückkehren,  ,damit  man  nicht  vorzeitig  Verdacht  erwecke'; 
auch  hatten  sie  erfahren,  dass  M'Farlane  im  Auftrage  seines 
Oberbefehlshabers  in  Mailand  erscheinen  solle,  dem  sie  sodann 
die  durch  Foscolo  zu  überbringende  Denkschrift  unmittelbar 
einhändigen  könnten. 

Noch  von  einem  zweiten  Boten  aus  Mailand  wird  berichtet 
Giovanni  Saveri  Lattuada  aus  Ponte  Curone  in  der  Lomellinaf 
ein  jüngerer  Mann,  der  sich  der  Advocatie  widmete  und  unter 
dem  gefeierten  Giandomenico  Romagnosi  politischen  Stadien 
oblag,  nebstbei  Officier  in  der  Civica,  bereiste  in  dieser  Zeit, 
es  ist  unklar  ob  aus  eigenem  Antrieb  oder  von  seiner  Partei 
ausgeschickt,  verschiedene  mittelitalienische  Städte  und  kam 
zuletzt  nach  Genua,  wo  er  am  28. '  mit  Bentinck  in  persönliche 
Berührung  trat.  Der  edle  Lord  hatte  zwei  Tage  früher,  am 
26.  April,  einen  Aufruf  erlassen,  laut  dessen  die  genuesische 
Verfassung  von  1797  wiederhergestellt  und  eine  provisorische 
Regierung  aus  dreizehn  Mitgliedern  eingesetzt  wurde,  die  bis 
zum  1.  Jänner  1815  zu  fungii*en  haben  werde.  In  solcher 
Stimmung  konnte  sich  Bentinck  den  Ansichten  Lattuada's,  die 
auf  die  Erhaltung  eines  unabhängigen  Königreichs  Italien  hinaus- 
liefen, nicht  abgeneigt  zeigen;  er  bemerkte  nur,  dass  er  för 
den  Augenblick  gebundene  Hände  habe,  er  wolle  indess  die 
Wünsche  der  Italiener  seiner  Regierung  vortragen. 


Von  zwei  verschiedenen  Seiten,  wie  firüher  bemerkt  worden, 
war  nach  Mantua  am  Vormittag  des  21.,  einem  Donnerstag, 
die  Nachricht  von  den  Mailänder  Vorfällen  am  20.  gelangt 
Guicciardi  und  Castiglioni  empfahlen  sich  beim  Vicekönig  und 
eilten  in  die  Hauptstadt  zurück,  wo  sie  gleich  Verräthem  an 
der  guten  Sache,  da  sie  sich  in  Verhandlungen  mit  dem  napo- 
leonischen Prinzen  eingelassen,  mit  scheelen  Blicken  empfangen 
wurden.     Die   Generale    des   italienischen   Heeres    drangen  in 


*  Das  Datum  habe  ich,  wenn  mich  meine  Erinnerung  nicht  tSuscht,  äea 
im  Archiv  des  Obersten  Gerichtshofes  (ich  werde  citiren  A.  G.)  eriiegüiidea 
Processacten  über  die  sogenannte  Militärrerschwdning  entnomniein. 


Eugen,  PT  mögt-  Maiiliui  bosi'iKt  litilten,  mit  einem  Thoilc  seiner 
ITrupiien  —  Let^chi  schlug  die  Division  Zucchi  vor  —  auf  Mai- 
Ituid  niarschiren  und  dort  die  oberste  Gewalt  wieder  in  seine 
BBnde  ncbmen.  Dooh  der  Prinz  lehnte  ab.  Der  Aufstand  in 
Hailand,  sagte  er,  habe  die  Abmachungen  vom  16.  »errissen;  er 
■rolle  siüli  einem  Lande  nieht  aufdrängen,  das  sich  so  entschieden 
|egen  ihn  ausgesprochen;  es  solle  um  seinetwillen  kein  Blirger- 
feri^g  heraufbeschworen  sein.  In  einem  in  solchem  Sinne  moti- 
irirten  Schreiben  an  den  Herzog  von  Lodi  legte  er  seine  Ge- 
inlt  nieder;  in  einem  warmen  Tagesbefehl  nahm  er  Abschied 
Ion  seinem  Heere;  an  General  Pino  richtete  er  die  Bitte,  er 
Ige  das  Volk  zui"  Kühe  bringen,  auf  dass  es  nicht  durch 
Aoascb reitungen  die  hohen  JlHchte  beirre.  Am  23.  kam  in 
leinem  Namen  und  Auftrage  /.u  Mantua  zwischen  dem  Divisions- 
igenoral  Carlo  Zucchi  und  dem  k.  k.  GenBralmajor  Adam  Grafen 
a  Ficquelmonl,  Gcncraladjutanten  des  Grafen  Bdlftgarde,  eine 
leoe  Uehereinkunfl  zustande,  laut  welcher  nun  auch  die  In  der 
HilitärconveDtion  von  Schiarino  Hizzino  vorbehaltenen  Gebiets- 
teile sammt  der  lonibardischen  Herrschaft  zur  Besetzung  ,im 
Ismen  der  hoben  verbündeten  Mächte'  überlassen  wurden. 

Nicht  so  leicht  nahmen  Eugen's  Generale  die  Sache,    ,Die 
jlesterreicher,'   hiess  es  da,  ,die  so  oft  vor  uns  davongelaufen, 
tbÜea  jetzt  die  Herren  spielenl'!'     Noch  in  der  Nacht  des  23. 
jttteo  Lecchi,    Gins.  Frederico  Palümbini  imd  Marcliese   Amil- 
eare  Paolncci  mit  Igmizio  Prina  als  Öeheimschreiber  nach  Mai- 
land,   wo   sie   am   Nachmittag   des   24.  eintrafen   und   sich   un- 
mittelbar in  die  Wohnung  Pino's  begaben.   Er  hatte  eine  grOseere 
^^fteselischaft  bei  sich,  in  deren  Mitte  er  sie  empfing;    er  wolle, 
^HpUBerte  er,  mit  ihnen  kein  Geheimniss  haben.    Mit  dem  , König 
^Hbho'    war   es    nun    fi-eilich    vorbei;     aber   wenn   ei-   schon  einen 
uideren  als  Gebieter  anerkennen  müsse,  mochte  er  sich  sagen, 
so  solle  es  nur  einer  von  den  gross  mächtigen  sein.    Die  Generale 
boten    ihm   den   Oberbefehl  an:    ,die  Festung  Mantua   sei   nut 
lAbensmitteln    und    Schiessbedarf    ausreichend    versehen;    die 
mzösischen  Generale  Grenier  und  Serras  befänden  sich  noch 
Bseits  der  Alpen  und  könnten  in  wenig  Tagemärschen  wieder 
■  Ort  und  Stelle  sein;  alles  verblu-ge  einen  guten  Erfolg'.   Doch 
ino  wollte  von  nichts  dergleichen  hüren,  es  bleibe  nichts  Ubrig, 
1  sich  den  Umständen  zu  fUgen.    Als  man  auf  die  Ereignisse 
1  20.  Jiu  sprechen  kam,  äusserte  er  sich  mit  sträflicher  Leicht- 


460 

ferligkeit:  ,Nun  was  soll's  damit?  Die  Geschichte  ist  gut  genug 
ausgefallen.  Wenn  o^  schon  eines  Opfers  bedurfte^  so  blieb  es 
bei  einem  einzigen  und  die  Wahl  war  keine  schlechte/'  Noch 
versuchten  die  Vertreter  der  italienischen  Armee  ihn  in  ihrem 
Sinne  zu  überreden,  Pino  blieb  bei  dem,  was  er  gesagt.  Ak 
sie  zuletzt  sahen,  es  fruchte  alles  nichts,  sag^  der  eine  zu  ihm 
resignirt:  ,Ich  bin  Marchese  Paolucci,  aber  ich  besitze  keinen 
Knopf,  ich  werde  daher  Oesterreich  dienen  müssen,  und  ich 
werde  es  mit  Ehren  thim/  Sie  zogen  sich  unverrichteter  Dinge 
zurück  und  der  Major  Bertolossi  von  der  königlichen  Grarde 
sandte  noch  denselben  Abend  in  ihrem  Auftrage  Botschaft  an 
Zucchi,  es  sei  kein  Grund  mehr,  mit  der  Uebergabe  von  Mantoa 
zu  zügem. 

Auch  befand  sich  die  österreichische  Armee  bereits  im 
vollen  Anmärsche  auf  Mailand.  Die  Vorhut  befehligte  der 
k.  k.  Feldmarschalllieutenant  Albert  Adam  Graf  Neipperg,  der 
am  26.  die  Festung  Pizzighettone  besetzte.  An  demselben  Tage 
wurde  die  Militärconvention  vom  23.  in  Mailand  amtlich  kund- 
gemacht und  erschien  der  k.  k.  Feldmarschalllieutenant  Annibale 
Marchese  Sommariva  als  Commissar  der  verbündeten  Mächte, 
von  der  Bevölkerung  auf  das  freudigste  empfangen,  alles  trug 
weisse  und  rothe  Cocarden.  Er  stieg  im  Gebäude  des  Kriegs- 
ministeriums ab,  mit  dessen  einstweiliger  Leitung  er  Bianchi 
d*Adda  betraute,  imd  orliess  einen  Aufruf  an  die  Mailänder,  die  er 
mahnte,  mit  Ruhe  und  Vertrauen  abzuwarten  die  Beschlüsse  der 
hohen  verbündeten  Mächte,  die  dem  Welttheil  den  lang  ersehnten 
Frieden  bringen  würden.  Der  Expräsident  Veneri  und  der  Ei- 
kanzler  Guicciardi  begaben  sich  aus  dem  Castell,  wohin  sich  am 
20.  viele  Mitglieder  des  Senates  geflüchtet  hatten  und  zum  Theil 
noch  dort  befanden,^  zu  dem  kaiserlichen  Commissar,  einerseits 
um  das  Verhalten  ihrer  Körperschaft  im  Sturme  der  letzten  Er 
eignisse  zu  rechtfertigen,  anderseits  um  gegen  die  Auflösung  der- 
selben Verwahrung  einzulegen.  Letzteres  mussten  sie  wohl  ehren- 
halber thun,  Ernst  war  es  ihnen  damit  kaum.  Auch  erfolgte  von 
Seite  des  kaiserlichen  Commissars  keine  Antwort  noch  Bescheid. 
Die  drei  WahlcoUegien  hatten  mit  der  Sendung  ihrer  Erkorenen 


1  ,La  faccenda  fu  assai  ben  condotta;  giacch^  si  voleTa  ana  rittima,  bifti 

una  sola,  n^  fu  Bcelta  male'. 
»  Oe«t.  Beob.  Nr.  129  vom  9.  Mai  8.  701. 


B»»ch  Paris  ihren  Benif  vorläufig  erfüllt;  ob  nuch  feiner  m,ii  gif 
^■pfie  Reihe  komiuen  werde,  hing  vom  Erfolge  dieser  ihrer  Heu- 
^BttDg  ab.  Hingegen  bestätigte  der  Marchesc  bis  auf  weiteres 
^KäB  proviBorische  Regentschaft,  die  ihrerseits  am  27.  ihrun  Mit- 
*  börgera  den  baldigst  zu  erwartenden  Einmarsch  der  Kaiserliehen 
ankündigte:  , Empfanget  als  eure  wahren  Befreier  jene  Krieger, 
die  ihr  Leben  für  eure  Sicherheit  ausgesetzt  habe^nl  Empfanget 
Kne  mit  der  ihnen  gebührenden  Gastfreimdsehaft,  indem  ihr  sie 

^B  Am  97.  April  voriicss  dor  Vicekönig  mit  seiner  Familie  in 
^rdBvc  Stille  die  Stadt  Mantua,  begleitet  von  den  aufriehtigon  Sym- 
pathien seiner  persönlichen  Anhänger,  von  dem  Bedauern  vieler 
der  Generale  und  höheren  Officiere  der  italienischen  Armee. 
In  den  unteren  Kreisen  des  Heeres  waltete  eine  amlere  Stim- 
mung vor,  es  fehlte  nicht  an  Murren  und  halblauten  Missfalls- 
bezeigTingen,  viele  Soldaten  zeigten  nicht  geringe  Lust,  sich  auf 
_  die  Wagen  mit  den  Geldtruhen  zu  werfen,  die  er,  wie  sie  meinten, 
zusammengescharrtes  Gut  aus  Italien  entführe.  Von  einem 
ilein  k.  k.  Husaren  begleitet,  kam  man  nach  Verona,  wo 
erste  Nacht  zugebracht  wiu-de. 
Am  28.  marschirte  FeldmarschalUieutenjint  Anton  Mayer 
Heldenfeld  in  das  von  den  italienischen  Truppen  bereits 
lumte  Mantua  ein  und  besetzte  FeJdraarsclialllieutenant 
mz  Penner  von  Fenueberg  Brescia,  in  dessen  Welehbüd 
Division  des  italienischen  Generals  Bonfanti  einquartirt  war. 
jQanz  Brescia,'  hiess  es  in  einer  Correspondenz  des  ,Bnte  von. 
Sildtirol'  vom  29.,  ,ging  den  Langerwarteten  durch  die  Porta 
Torre  Lunga  entgegen';  abends  war  Stadtbeleuchtung  und  Fest- 
TOretellung  im  Theater,  wo  der  commandirende  General  mit 
;eistertem  Beifall  empfangen  wurde.  Doch  dies  war  wenig 
m  den  Empfang  in  Mailand,  wo  schon  am  Vormittag  des 
der  Anmarsch  Neipperg's  bekannt  geworden  war.  Gedichte 
Mailänder  Mundart  verkündeten  jubelnd  die  baldige  Ankunft 
Kaiserlich  eil.  VermÖglichere  Einwohner  fuhren  in  Kutschen 
tis  Melegnano,  um  die  ersten  zu  sein,  die  anrückende  Colonne 
zu  begrüssen.  Die  Umgebung  der  Porta  Romana,  sowie  den 
wi£  deni  Mittelpunkte  der  Stadt  dahin  führenden  Corso  erfüllte 
■ke    dicht   gedrängte    Menge;    an    geeigneten    Punkten    waren 


462 

Bretterbühnen  iiir  da»  schaulustifre  Publicam  ernchtety  Fenster 
und  Balcone,  wo  sieh  Kopf  an  Kopf  drängten,  zeigen  ach  mit 
Teppichen^  mit  Blumen  und  grünen  Zweigen  geschmückt  Und 
bei    all   dem   keine   Unordnung,   kein   lärmender   Zwischenfall, 
nach  den  blutig  geliässigen  Auftritten  acht  Tage   firüher  nicht 
die  geringste  Feindseligkeit,  nichts  als  Freade.  heiteres  Behagen, 
höchstens  übersprudelnde  Lustigkeit.  ,Ich  erinnere  mich  nicht,' 
schrieb  ein  Augenzeuge  in  sein  Tagebuch,*  ,ein  ähnliches  Schaa- 
spiel  gesehen  zu  haben;  so  sehr  ist  es  wahr,  dass  Kondgebongen, 
die  aus   dem  Herzen  kommen  und  nicht  befohlen  sind,  einen 
Stempel  wahrer  Grösse  und  Aufrichtigkeit  haben/     Viele  der 
Leute   standen    seit  8   Llir  vormittags    auf   ihrem   Phitse  und 
erst  in  den  Nachmittagsstunden  trafen  nähere  Meldungen  ein. 
Ein  Conte  C  .  .  .  jagte  sein  Pferd  durch  die  Porta  Romana  uf 
die  Heerstrasse,   kam  dann  wieder  zurückgesprengt:    ^ie  sind 
in  Melegnano!'  ,Sie  sind  bei  San  Donato!^  ,Sie  sind  schon  bei  den 
Mauthschranken!^   und  jede  solche  Post  rief  frenetischen  Bei- 
fall aus  den  Fenstern,  von  Balconen   und  Dächern^   von  der 
Strasse  hervor.  Endlich  kamen  sie  an,  es  war  um  5  Uhr  nach- 
mittags, Graf  Neipperg  an  der  Spitze.  Zwischen  einer  Doppel- 
reihe der  in   voller  Parade  ausgerückten  Bürgerwehr  und  von 
drei   Regimentern   berittener  Jäger,    die   man   aus    Lodi   hatte 
kommen   lassen,    marschirten   sie  mit  klingender  Musik  unter 
fortwährenden  stürmischen  Ausbrüchen  der  Freude  von  Porta 
Romana  bis  auf  den  Domplatz,    von   wo   sie   in  ihre  Quartiere 
entlassen  wurden.    Abends  allgemeine  Stadtbeleuchtung  von  ans* 
gesuchter  Sinnigkeit  und  Pracht  —  ,8tudiata  e  ricca',  wie  sich 
.unser  zeitgenössischer  Gewährsmann  ausdrückt.^ 

I  Mantorani  bei  De  Castro,  Kestaurazione  605. 

3  Die  modernen  Mailänder  Geschichtschreiber  nergeln  und  zerren  an  diesen 
Zeu^issen,  was  sie  können.  Cusani  VII,  194  f.  kann  allerdings  als 
Zeitgenosse  ,1a  baldanzosa  gioia  dei  partigiani  anstriaci*  nicht  leugnen, 
allein  diese  ,evviva*  seien  doch  nur  ^scarsi^  gewesen,  die  Cirica  und  ,li 
popolazione*  seien  stumm  geblieben;  und  wie  erst  hätten  sich  die 
schmutzigen  und  bestaubten  Gestalten  der  kaiserlichen  Soldaten  ,di  tinte 
razzo'  ausgenommen  ,al  confronto  dei  brillanti  uniformi  e  del  marmle 
aspetto  dei  nostri^  (die  städtische  Garde  und  die  berittenen  Jäger  waren 
in  Parade  ausgerückt  und  die  Kaiserlichen  den  ganzen  Tag  auf  der 
Landstrasse  marschirt!).  De  Castro,  von  gleicher  Gesinnung  wie  die 
andern,  aber  ein  wahrheitsliebender  Mann,  spricht  es  8.  603  offen  aus,  wie 
widerwärtig  ihm  der  nicht  zu  leugnende  freudige  Empfong  der  Oeiter* 


Am  seihen  Tage  war  der  Vicoköiilg  von  Verona  aiifgobroL'hen 
reiate  von  da,  immer  im  strengsten  Incognito,  mit  Vermeidung 
m  Aufsehens,  weiter  durch  das  Land  Tirol,  nicht  ohne  Besorg- 
vor  Ausbrüchen  des  seit  18t)9  keineswegs  erloschenen  Hasses. 
:h  es  geschaii  nichts,  und  in  München  wurde  ihm  der  herr- 
!te  Empfang."  Prina  Kugen  Beauharnais  hatte  sich  in  der  letz- 
kridschen  Zeit,  wie  es  von  seiner  vornehmen  Gesinnung  nicht 
era  zu  erwarten  gewesen,  mit  selbstverlengnendem  Edelmuth 
:ommen,  und  dies  wurde  ihm  selbst  von  Seite  der  alliirten 
ibte  anerkannt  und  gedankt.  Obwohl  Stiefsohn  ihres  gefllrch- 
;en  und  gehassten  Gegners,  genoss  er  für  seine  Person  ihre 
vollste  Achtung,  selbst  jene,  was  am  meisten  sagen  will,  des  Nach- 
folgers Napoleon's  auf  dem  französischen  Thron.  Als  er  einige  Zeit 
spHter  in  Paris  erschien,  um  dem  jetzigen  Gebieter  Frankreichs 
seinen  Besuch  abzustatten,  kündigte  ihn  der  dienstthuende 
Kümmerer  mit  den  Worten  an:  ,Der  Herr  Marquis  von  Bcaii- 
harnaisl'  ,Nicht  so',  wies  ihn  Ludwig  XVHL  zurecht,  indem 
er  auf  den  Angemeldeten  zuschritt,  .sagen  Sie:  Seine  Hoheit 
der  Prinz  Engen!  und  setzen  Sic  hinzu:   Gross-Connetable  von 

Enkreicb,  so  es  ihm  gefiele,  dies  anzunehmen.' 
s. 
,Die  Itahener  sind  jetzt  von  einer  Art,    dass  tausend  Ly- 
ge    und    zehntausend    Timole on    und    hunderttausend    Wa- 
shington und  eine  Million  spartanischer  Krieger  es  nicht  zustande 
brächten,  sie  als  Nation  zu  constituiren.'  So  schrieb  im  Frühjahre 


reicher  seh  .Triate  cnaa  a  dtre,  ma  vera,  e  ulile  dn  sRpere  ad  ogni  modo^ 

^li  ÄuMriuri  ebbero  lieta  nccoglienüa.'  Beieichnenil  isl  ea  mich,  daas  von  den 

erwUmten  Herren,  ao  aorgsmn  sie  toaei   sind,    handelnde  Personen   mit 

Tkuf-  and  Familiennunen  za  bezeichnen,  der  Craifliche  ,Conte'  kaum  mit 

dem  AnfangsbnchstAben   beieivhtiet   wird,   gleichsam   nm   dessen   heutig« 

Nachkommen  nicht  errCthen  nu  lassen,  denen  Bälbslveratindlivh  die  stflr- 

'    mischen  österreichischen  Sympathien  von  damalii  ein  Grenel  sind. 

t  6«i  De  Castro.  Caduta  144.  f.  Anm.  Bndet  sich  ein  Werkeben  erwKhnt:  J.e 

i  Boi  Pino  k  la  balaille  des  paraplnies*,  gwlmcktin  Deulachland  Mai  MiH; 

b  ak  Verfiuier  habe   Graf  Mäjean  gegolten,  Cabinetasecretair  des  Prinzen 

,   Bugen,  iu  dessen  GeJeile  er  nach  MUnchen  gegangen  war.    Ich  habe  mich 

aber  Tergehlich  in  den  Wiener  Bibliotheken  bemüht,  vergeblich  in  jenen 

j   VOB  München  und  Berlin  Kchriftliche  Kacfafrage  gehalten,  nirgends  wnaite 

von  eiai-r  »ulchen  Schrift, 


464 

1814  Ugo  Foscolo,  einer  von  den  Jtalici  puri*,^  und  wir  dürfen 
ihm  um  8o  eher  glauben,  als  sein  Wehruf  ein  Echo  in  dem 
schlecht  verhohlenen  Ingrimme  fand,  welchem  andere  seiner 
Gesinnungsgenossen  in  allerhand  höhnischen  Ausfällen  Luft 
machten,  wie: 

Sono  d*  Italia  le  contimde  amone 
or  dal  gallo  preda,  or  dal  tedesco  — 
£  il  goffo  popolaccio  animalesco 
inaledico  chi  va,  plaude  chi  viene. 

Es  soll  hier  nicht  auf  vergangene  Zustände  zuriickgegriffen, 
es  soll  nicht  untersucht  werden,  ob  in  der  That  in  den  neunziger 
Jahren  die  Oesterreicher,  da  sie  gingen,  verflucht,  die  Franzosen, 
da  sie  kamen,  mit  Beifall  begrüsst  worden  waren:  das  aber  lei- 
det keinen  Zweifel,  dass  jetzt  das  Verhältniss  dasjenige  war,  wie 
es  sich  im  letzten  Satze  des  italienischen  Vierzeilers  ausgesprochen 
fand.  Auch  war  das  nicht  zu  verwundem.  Nach  dem  aufregenden 
Wechsel  der  Weltereignisse  in  den  letzten  zwei  Jahren,  nach 
dem  schrecklichen  Eindrucke,  den  das  blutige  Ende  der  fran- 
zösischen Herrschaft  in  Mailand  zurückgelassen,  war  es  nur  ein 
GefUhl,  das  alles  beherrschte,  gab  es  nur  einen  Gedanken,  der  alle 
erfüllte.  Alle  Classen,  alle  Schichten  der  Bevölkerung  hatten  ein 
unsagbares  RuhebedUrfniss,  einen  Drang,  eine  Sehnsucht,  endlich 
einmal  herauszukommen  aus  dieser  seit  einem  Vicrteljahrhundert 
wechselnden  Spannung  und  Aufregimg,  aus  diesem  endlosen 
Kriegszustande,  aus  diesen  schon  nicht  mehr  zu  ertragenden 
Lasten  und  Bedrängnissen  an  Blut  und  Geld,  endlich  einmal 
Frieden  zu  haben,  sicheren  Bestand  vor  sich  zu  sehen.  Denn, 
dass  die  Oesterreicher  sich  zuiücknehmen  wtirden,  was  sie  früher 
besessen,  dass  sie  von  ihren  Mitverbündeten  zuerkannt  erhalten 
würden,  was  sie  vorläufig  im  Namen  derselben  in  Besitz  ge- 
nommen, das  stand  nunmehr  in  so  sicherer  Aussicht,  dass  kein 
ernster  Politiker  daran  zweifeln  konnte. 

In  einer  weitläufigen  Denkschrift,  die  der  wirkliche  ge- 
heime Rath  Anton  von  Baldacci  um  das  Jahr  1816  über  den 
Zustand  der  verschiedenen  Bestandtheile  der  Monarchie  abfasste, 
hiess  es  von  den  zurückerworbenen  Gebieten,  dieselben  hätten 


>  Bei   De   Castro,  Caduta  221,  mit  dem  Nachsatz:  yL"  onivenalitA  ^  co- 
rottissima  e  la  corruzione  non  pu6  essere  g^arita  che  4alla  diatnudone.* 


jdorch    mehr    als    zwanzig] älirige    Krafttiberspanniing    in 

lelir   leidenden   ZustandB   and  in    einer    gänzUehon   Zer- 

tg    ihres    Geldwesens,    die    so    viele    andere    Zerrüttungen 

iidÜch  nach  sich  zieht",  beftmden.'  Dieser  Satz  galt  nicht 

letzter  Linie   von    dem   venetianischen  Gebiete   und  nament- 

von  der  altberilhmten  Lagunenstadt  selbst,   deren  Handel 

dem   eisernen   Gebote  der  CoiitineutalBperre  den   empfind- 

isten  RUckgang  erfahren   hatte.     Die  alte  Republik  war  au 

eigenen  Ohnmacht  nnd  WUrdelosigkeit  zugrunde  gegangen, 

id   so  kurz  der  Zeitraum   war,   den  ihr  Gebiet  darauf  unter 

irreichischem  Scepter  verbrachte,  so  fehlte  es  nicht  an  Sym- 

fen  aus  jenen  Tagen,  die  sich  zu  den  Hoffnungen  auf  einen 

ickbringenden   Umschwung  in   allen   Verhältnissen   gesellten. 

ihon  am  4.  Mai  wurde  eine  nenntftgige  Andacht,  jeden  Tag  in 

lem   anderen  Kirchspiele,    für   die   Befreiung  der  Stadt  von 

französischen   Joche   angeordnet   und   am    12.   mit    einem 

■liehen  Bittgang    von    San  Marco    beschlossen;    sämmtliche 

.hmen  daran  ThcU,   alle  im  Hafen  liegenden  Schiffe, 

;hr  als  siobcnzig  an  der  Zahl,  hiasten  die  ösierreichische  Flagge 

in  das  Gelüute  aller  Glocken  donnerten  Kanononsalven  hin- 

und  stiegen  Raketen  sausend  in  die  Luft;  bis  zum  Schlüsse 

Procesaion  blieben  die  Gewülbe  in  ganz  Venedig  geschlossen. - 

zweite  Landwehrbataillon  der  aufgeweckten  ,Deutschmeiater 

[dete    die    Gai-nison    der    Stadt    und    verkehrte    in    munterer 

eise,  trotz  der  gegenseitigen  Un Verständlichkeit  der  Sprache, 

it  der  Bevölkerung. 

Der  Sitz  des  venetianischen  General-Gonvemements  war 
in  Padua,  wo  Fürst  Reuss  sein  Hauptquartier  aufschlug. 
Pur  die  Civilgeschäfte,  namentlich  die  Polizei,  stand  ihm  Anton 
von  Raab  zui-  Seite,  dessen  vorläufiges  Personale  als  Gber- 
immissare  und  Commissare  theils  Einheimische  wie  Giavarina 
^deten,  theils  solche,  die  man  aus  den  altüsterreie  bis  eben  Pro- 
oder  von  der  Obersten  Polizeibehörde  zu  Wien  entsendet 
ktte,  wie  Adam  Stocka,  Eanzellist  bei  der  Hofstelle,  Karl 
PflUb  von  Ehrenheim.  Der  Wirkungskreis  des  General-Gouver- 
nements erstreckte  sich  über  das  rechte  Po-Ufer  hinaus;  Leopold 
^ftlentia  Ferstl  fungirte  als  exponirtcr  Obercomniissar  in  Ferrara. 


^Catte 


-oties,Freiben-AntonT.liHli]acciiuiAri'liivrj1rüBterT.  (iesubioliluLXXIV. 

1.  Beüb.  Nr.  U7  vom  27.  Mai,  S,  M02, 


4*56 

Unter  dt-ii  von  tler  früheren  Regierung  Übernommenen  Beamten 
nahm  Baron  Antonio  Mulazzani  eine  hervorragende  SteOiuig 
ein.  Er  war  unter  der  italienischen  Regierung  Freimaurer  ge- 
wesen, hatte  sich  aber  auf  das  kaiserliehe  Grabet  ohne  Wider 
rede  von  denselben  losgesagt  und  diente  jetzt  Oesterreieh  ab 
i.ieueral-Polizeioommissar,  wie  er  sich  betiteln  Hess,  mit  Eifer  und 
Verstand.  Die  Zustünde  der  Terrafemia  gingen  einer  rasclieD 
Besserung  entgegen  und  hätten  für  den  Augenbliek  kaum  etwas 
zu  wünschen  übrig  gelassen,  ohne  eine  Landplage^  an  welcher 
die  neuen  Behörden  nicht  schuld  waren.  In  den  letzten  Tagen 
des  gestürzten  Kegimentes  waren  Verbrecher,  die  man  auf  die 
Insel  Elba  verwiesen  hatte.  Gefangene  aus  den  Strafhfiusen 
von  Venedig,  Mantua  und  anderen  Orten,  theils  entlassen  worden, 
theils  ausgebrochen;  die  Fregatten  ,Principessa  di  Bologna' 
und  yPiave'  hatten  im  Hafen  von  Venedig  ihre  Mannschaft  dienst- 
los ans  Land  gesetzt,  Ausreisser  aus  den  Reihen  der  italienischen 
Armee  kamen  tiiglich  dazu;  durchaus  Elemente,  die  ohne  Brot, 
für  kein  Handwerk  abgerichtet,  jeder  anhaltenden  Arbeit  ent- 
wöhnt, theils  Schlupfwinkel  in  den  Städten  anfsachten,  theik 
in  die  Berge  und  Wälder  liefen,  hier  wie  dort  auf  den  Erwerb 
aus  dem  Stegreif  angewiesen.  Gleich  in  den  ersten  Wochen 
seines  Amtssitzes  in  Padua  hatte  der  Qeneral-Gtouvemeur  zu 
klagen^  dass  tiiglich  Diebstähle  und  Räubereien  vorkämen, 
dass  keine  Nacht  ohne  einen  gewaltsamen  Einbruch  vergehe, 
dass  selbst  in  den  Gassen  von  Venedig,  wo  die  Polizei  noch 
nicht  auf  den  gehörigen  Stand  gesetzt,  Personen  angefallen  und 
geplündert  würden. 


Ende  April  oder  Anfang  Mai  erschien  vor  Bellegarde 
eine  Abordnung  der  Mailänder  Wahlcollegien,  deren  Präsident 
Graf  Giovio  den  Sprecher  abgab.  ,Sie,  so  nahe  dem  Monarchen, 
der  mit  so  viel  Ruhm  auf  dem  Throne  Karls  des  Grossen  und 
der  Ottone  sitzt,  werden  unser  Fürsprecher  bei  den  verbündeten 
Mächten  sein  und  unserem  Lande  Unabhängigkeit  verschaffen, 
geschlitzt  von  weisen  Gesetzen  und  von  einem  Fürsten,  welchen 
wir  alle  segnen.'  Die  Wünsche  waren,  wie  man  sieht,  in  so 
allgemeinen  Ausdrücken  abgefasst,  dass  man  das  Verschiedenste 
darunter  verstehen  konnte,  und  so  war  auch  die  Antwort  des 
Feldmarschalls.  Am  meisten  sprang  das  Wort  ,Unabhängigkeif 


467 

heraus,  das  aber,  wie  wir  wissen,  der  Graf  in  anderem  Sinne 
verstand  als  die  ,Italici  puri^  und  die  Wortführer  der  Collegi 
Elettorali.  Die  vorherrschende  Stimmung  des  Landes,  ja  der 
Hauptstadt  stand  bei  letzteren  gewiss  nicht.  ,So  wenig  die  bluti- 
gen Ereignisse  des  20.  April  dem  eigentlichen  Volk  von  Italien  zu- 
zuschreiben sind,'  so  Hess  sich  der  ,Bote  von  SüdtiroP  aus  Mai- 
land schreiben,  ,ebenso  wenig  haben  die  Beschlüsse  der  Wahl- 
coUegien  mit  dem  Willen  der  Nation  zu  schaffen.' ' 

Sommariva,  entweder  nach  eigenem  Ermessen  oder  nach 
empfangener  Weisung,  enthielt  sich  jeder  Einmischung  in  die 
inneren  Angelegenheiten  des  Landes  und  der  Hauptstadt,  wo 
es  in  Folge  dessen  ziemUch  bunt  durcheinander  ging.  Einerseits 
bUeben  die  Beamten  jeder  Art  nach  wie  vor  auf  ihren  Posten, 
darunter  die  verhasstesten,  solche,  denen  man  die  Schuld  aller 
beklagten  Missstände  und  Bedrückungen  zuschob.  Dazu  regte 
sich  in  Mailand  jetzt  mitchtiger  als  zuvor  der  eigenstädtische 
Geist,  der  den  Piemontesen  von  jenseits  der  Agogna  ebenso  als 
, Ausländer'  neidete  wie  den  Modenesen  von  jenseits  des  Po, 
den  ,Abhub  aller  Departements,  von  denen  wir  überfluthet 
worden  und  die  wir  füttern,  wir,  die  wir  den  vierten  Theil  des 
Königreichs  ausmachten  und  die  wir  uns  gefallen  lassen  inussten !'  '^ 
Im  Militärwesen  geschah  sogar  ein  Uebriges.  Obwohl  jeder  Ver- 
nünftige sich  sagen  musste,  dass  die  bisherige  italienische  Armee 
vielleicht  eine  Verminderung,  aber  gewiss  keine  Vermehrung 
erfahren  werde,  machte  General  Pino  von  der  Gewalt,  deren 
Fortdauer  eine  sehr  unbestimmte  war,  ausgedehntesten  Gebrauch, 
beförderte  Brigadegenerale  zu  Divisionären,  Obriste  zu  Generalen, 
Capitains  zu  BataiUonschefs  nach  Lust  und  Gunst.  An  der  Spitze 
der  PoUzeiverwaltung  stand  noch  immer  jener  Luini,  auf  den 
seit  dem  Unglückstage  des  20.  April  alle  elirlichen  Leute  mit 
Fingern  zeigten  und  dem  sie  nachsagten,  dass  er  auch  jetzt,  an- 
statt die  Gereiztheit  der  Gemüther  und  verdeckten  Machenschafi;en 


«  Oest.  Beob.  Nr.  163  vom  2.  Juni,  8.  828  f. 

^  C.  L.  Rasini  an  Confalonieri,  Mailand,  Mai:  ,Gli  impiegati  di  qualunque 
Borta  si  confermano  nel  loro  posto,  e  quindi  ecco  di  niiovo  in  trionfo 
quella  sentinadi  g^nte  che  rovina  il  nostro  paese*.  Vgl.  Alberico  Felber 
an  denselben:  ,qaella  immensa  torba  di  canaglia  che  ci  circonda  an- 
coraS  Federico  Confalonieri  Memoire  e  Lettere  pubblicate  per  cura 
di  Gabrio  Casati,  Milano,  Hoepli,  1889,  II,  296—298. 


4ß8 

aller  Art  zur  Ruhe  zu  bringen^  diese  Stimmung  begünstige  und 
ihr  neue  Nahrungsstoffe  zuführe.  Als  die  provisorische  Re- 
gentschaft endlich  der  gereizten  Volksstimmung  nachgab, 
wurde  er  nicht  einfach  von  seinem  Posten  entfernt ^  sondern 
auf  einem  der  Richterstühle  beim  Cassationshofe  in  Sicherheit 
gebracht. 

Inmitten  der  aUgemeinen  Strömung^  die  den  eingetretenen 
Umschwung  mit  Freuden  begrüsste,  weil  sie  in  dessen  Gefolge 
die  Behebung  jener  Uebelstände  erbhckte,  über  die  sie  sich 
zur  Stunde  noch  zu  beschweren  hatten,  und  im  geraden  Gegen- 
satze zu  jenen  Mailänder  Kindern,  die  den  Ki*ei8  ihrer  Lands- 
mannschaft nicht  eng  genug  gezogen  haben  konnten,  gab  es 
verschiedene  Gruppen  von  Unzufriedenen,  die  nichts  so  sehr 
besorgten  als  eine  Verkleinerung  oder  Theilung  des  Gebietes, 
welches  das  bisherige  Königreich  ItaHen  gebildet  hatte,  und 
in  dessen  weitem  Umfange  Platz  für  Posten  und  Anstellungen 
war,  die  sie  im  entgegengesetzten  Falle  möghcherweise  verloren, 
welche  folglich,  weit  davon,  den  Mann  von  der  Agogna  als  einen 
,Fremden'  abzuweisen,  das  gemeinsame  Vaterland  so  gross  als 
möglich  haben  wollten.^ 

Ernste  Bedenken  konnte  die  Stimmung  in  den  Kreisen 
der  italienischen  Armee  erwecken.  Ihre  Regimenter  befanden 
sich  zur  Zeit  noch  in  allen  wichtigen  Gamisonsorten,  zumal  um 
Mantua  und  um  Brescia,  und  bildeten  —  nach  der  Truppen- 
zahl,  wie  solche  in  den  HeeresUsten  geführt  wurden  —  eine 
achtunggebietende  Macht.  In  Wirklichkeit  waren  freilich  ihre 
Reihen  gar  sehr  gelichtet,  da  Ausreisserei  mit  dem  Zeitpunkte 
begonnen  hatte,  wo  es  mit  dem  Königreich  Italien  abwärts  zu 
gehen  angefangen;  es  bildeten  sich  daraus,  nebenbei  bemerkt, 
ähnhche  Zustände  heraus  wie  jene,  über  die  Ftb:^  Reuss  im 
Venetianischen  zu  klagen  hatte.  Und  wenn  der  gemeine  Mann 
in  die  Berge  und  Wälder  lief  und  zum  Banditen  wurde,  so 
gingen  die  Oflicicre,  besonders  die  höheren,  unter  die  Ve^ 
schwörer.  Sie  konnten  die  glorreichen  Zeiten  des  Schlachten- 
kaisers und  ihrer  eigenen  aUgebietenden  Herrlichkeit  nicht  ver- 
gessen — 


1  Lodovico  De  Breme  an  Confalonieri  16.  Mai  a.  a.  O.  11,  302:  ,Qaale 
smania  prende  ora  ai  Milanesi  di  attaccarci  ad  essi,  mentre  non  si  cessaTt 
mal  tin  qui  di  chiamarci  forestieri  e  di  ricordarci  all"  uopo  che  siam 
Piemontesi,  perchö  appunto  deir  Agogna?* 


469 

oin  Reich  von  Soldaten  wollt*  er  gründen, 

die  Welt  anstecken  und  entzünden, 

sich  alles  vermessen  und  unterwinden  .  .  . 

Stolz  und  Uebermuth  bäumten  sich  bei  vielen  von  ihnen 
dagegen  auf,  fortan  mit  jenen  Ocsterreichern  Kameradschaft 
eingehen  zu  sollen,  auf  die  sie  seit  zwei  Jahrzehnten  vornehm 
herabzusehen  sich  gewöhnt  hatten.  Herren  dieser  Sorte  redeten 
sich  allen  Ernstes  ein,  sie  seien  es  gewesen,  vor  denen  die 
Oesterreicher  in  hundert  Schlachten  , davongelaufen':  sie  sprachen 
mit  mitleidigem  Achselzucken  von  der  ,Unftlhigkeit  der  öster- 
reichischen Generale*;  sie  spöttelten  über  die  ,armseligen  Kroaten 
und  Slavonier,  Panduren  und  Böhmen^ 

Auch  die  Bürgerwehr  in  Mailand,  in  der  letzten  Zeit  bei 
9000  Mann  stark,  barg  schlimme  Elemente,  in  denen  vielfach 
der  alte  republikanische  Geist  der  Cisalpina  wieder  erwachte. 
Aus  ihren  Kreisen  vorzügUch  gingen  Maueraufschriften  ,Indi- 
pendenza  o  morte'  aus,  wurden  Aufrufe  vorbereitet,  um  sie  im 
geeigneten  Augenblicke  unter  die  Menge  zu  werfen  ;^  in  ihren 
Reihen  wurden  jene  riesenhaften  Pläne  ^  ausgeheckt,  zu  deren 
Ausfuhrung  ihnen  nichts  als   der  Muth  und  die  Mittel  fehlten. 


Man  muss  wohl  sagen,  es  war  nur  ein  Bruchtheil  der  ge- 
bildeten Classen  Mailands,  die  sich  in  den  Netzen  derartiger 
Utopien  verfingen  und  die,  wälurend  die  letzte  Entscheidung  doch 
nur  von  Paris  ausgehen  konnte,  ihre  Blicke  immer  wieder  nach 
jener  Seite  richteten,  von  der  ihnen  Männer  wie  Bentinck  und 
M'Farlane  beistimmend  zu  winken  schienen.  Lord  Bentinck  galt 
den  Missvergnügten  in  Mailand  als  der  eigentliche  Freiheits- 
bringer  für  ItaHen,  und  an  diesen  wandte  sich  Baron  Sigismondo 
Trecchi,  ohne  dass  wir  erfahren,  ob  aus  eigener  Eingebung 
oder  ob  und  von  wem  er  abgeordnet  worden.  Er  war  ein 
jüngerer  Mann  und  in  seiner  Vaterstadt  für  einen  von  der  Anglo- 
manie  angesteckten  Elegant  bekannt.  Bei  der  Zusammenkunft, 
die  er  mit  dem  britischen  Lord  in  Genua  hatte,  soll  eine  Fahne 
in  den  italienischen  Farben  eine  Rolle  gespielt  haben;  es  wird 
aber  beigefügt,  es  lasse  sich  nicht  sagen,  ob  Trecchi  die  Fahne 


1  ^dee  gigantesche*,  Felber  an  Confalonieri  a.  a.  O. 
Archiv.  Bd.  LXXVI.  H.  Hilfto.  31 


470 

dem  Lord  überbracht  oder  umgekehrt  letzterer  sie  dem  Mai- 
länder Baron  ,als  Zeichen  der  Aufmunterung'  gewidmet  habe.* 

Um  die  Monatswende  von  April  und  Mai  erschien  General 
M'Farlane   im  Auftrage  Bentinck's  in  Mailand^    wie    es   hiess^ 
um,    etwa   infolge   von   Trecchi's   Besuch,    die    Stimmung  des 
Landes  zu  erforschen.'     Wenn  er  sich  dabei   an   die  goldene 
Jugend  hielt,  die  im  Opemhause  den  Ton  angab,  so  konnte  er 
sich  die  öffentliche  Meinung  nicht  günstiger  für  die  Engländer 
wünschen:    so  oft  sich  M'Farlane  in  der  Scala  zeigte,   empfing 
ihn  rauschender  Beifall,  während  dieselben  Leute,  die  ihm  den- 
selben  spendeten,   beim   Erscheinen   des  Commissars   der  ve^ 
bündeten  Mächte  in  eisigem  Schweigen  verharrten.    Auch  ügo 
Foscolo  machte  sich  jetzt  wieder  zu  schaffen.    Er  wühlte  unter 
den   Offi eieren,   seinen   ehemaligen   Geftlhrten:    ,man  müsse  es 
von  Oesterreich  in  Erfahrung  bringen,  was  es  aus  uns  zu  machen 
gedenke,  aus  den  Witwen  und  Waisen  unserer  auf  dem  Felde 
der  Ehre  gefallenen  Kameraden,    aus  dem  ruhmvollen  Namen 
unserer  Waffengenossenschaft'.     Auch   bei   den   Oßicieren  der 
Civica  fand  er  Unterstützung.  Gerade  in  diesen  Tagen,  2.  Mai, 
war  an  die  Bürgerwehr  der  Befehl  ergangen,  die  Waffen  nieder- 
zulegen und  ihren  Präsenzstand  herabzusetzen,   ein  Gebot,  das 
nicht   geeignet   war,    die   in   diesen   Kreisen    herrschende   üble 
Laune  zu  bannen.  Ohne  Zweifel  unter  Foscolo's  Mitthun  wurde 
eine  Beschwerdeschrift  abgefasst,  die  er  dem  General  M'Farlane 
überreichte;   von  den  näheren  Umständen  dieser  Zusammenkunft 
ist  nichts  Verlässliches  aufbehalten. 

Das  aber  leidet  keinen  Zweifel,  dass  dieser  Schritt  selbst  bei 
der  Mailänder  Unabhängigkeitspartei  keineswegs  allseitige  Billi- 
gung fand,  da  die  besonneneren  Köpfe  sich  gegenwärtig  hielten, 
dass  eine  endgiltige  Entscheidung  doch  nur  von  Paris  ausgehen 
könne.  Ihnen  war  Foscolo  ein  unbequemer  Stänker  und  Störe- 
fried, sie  suchten  den  aufdringlichen  Patron  in  dieser  kritischen 
Zeit  auf  Reisen  zu  schicken  und  vermochten  den  Genei'al  Pino, 
ihm  eine  Sendschaft  ins  Toscanische  zu  geben,  um  die  von  der 
Insel  Elba  rückkelirenden  Truppen  nach  Mantua  und  Cremona 
zu   fiihren.3     Foscolo   soll   bei  dieser  Gelegenheit   nach  Genua 

^  jfcttide  38.         2  ,Per  esploraro  lo  circostanzo  dol  paese*;  Pelber  an  Con-, 

faloiiieri  a.  a.  O.  IT,  296. 
3  Nach  Rasini,    der  von  Ausreissem  von  der  Insel  Elba  spricht,  liatt^ 

Foscolo  sifi   zu   iiberroden,   ,per  non  trovarsi  coli  col  nnovo  abitatore  di 


471 

gekommen  sein  und  sich  Bentinck  vorgestellt,  haben,  ,iim  die 
verrathene  Ehre  der  italienischen  Armee  unter  britischen  Schutz 
zu  stellen';  der  Lord,  heisst  es  weiter,  habe  sich  ziemlich  un- 
freundlich über  Oesterreich  ausgesprochen,  zuletzt  aber  erklärt, 
dass  er  in  der  Angelegenheit  nichts  thun  könne,  Foscolo  und 
seine  Beauftrager  hätten  das  unter  sich  selbst  abzumachen. 

Diese  oder  eine  ähnliche  ausweichende  Antwort  hat  die 
innere  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  da  der  edle  Lord  nun  schon 
nicht  mehr  im  Unklaren  sein  konnte,  dass  sein  voreiliges  Auf- 
treten in  Genua  keineswegs  die  Billigung  der  Mächte  ftlr  sich 
habe.  An  demselben  Tage,  wo  Bentinck  in  seinem  Aufrufe  die 
Wiederherstellung  der  genuesischen  Verfassung  verkündet  hatte, 
war  von  Lord  Castlereagh  an  ihn  die  Nachricht  ergangen:  es 
sei  König  Victor  Emanuel  eingeladen  worden,  von  seinem  fest- 
ländischen Erblande  ohne  Aufschub  Besitz  zu  nehmen.  Die 
Einverleibung  der  alten  Doriastadt  war  damit  allerdings  nicht 
ausgesprochen;  aber  es  folgte  aus  Baris  6.  Mai  die  Mahnung 
nach:  ,Seine  Herrlichkeit  möge  einstweilige  Vorkehrungen  in 
keinem  andern  Sinne  tröffen,  als  dass  solche  der  künftigen  po- 
litischen Gestaltung  in  diesem  Theile  von  Europa  nicht  vor- 
greifen und  bei  der  Einwohnerschaft  nicht  Erwartungen  erregen, 
die  dann  nicht  erfüllt  werden  könnten;'  auch  den  österreichischen 
Generalen  gegenüber  sei  Vorsicht  geboten:  ,Eure  Lordschaft 
sind  so  entfernt  vom  Sitze  der  Berathungen  der  verbündeten 
Mächte,  dass  ich  wünschen  muss,  dass  von  Ihrer  Seite  kein 
Schritt  geschehe,  die  Gährung  zu  nähren,  welche  in  diesem 
Augenblicke  in  Italien  über  Regierungsfragen  zu  herrschen 
scheint.^  * 


qnei  pacsi,  a  portarsi  ai  loro  corj)!  .  .  .*  Was  im  AI Ipj^eni einen  die  da- 
malige SteHnng  Foscolo's  betriflFt,  so  ist  es  von  Interesse,  die  Urtheile 
der  modernen  Mailänder  Geschir.htsehroibnnK'  mit  jenen  von  Ufjo's  Zeit- 
genoMen  zu  vergleichen.  Jene  verliorrliclieu  ihn  als  edlen  Märtyrer  fiir 
den  italienischen  Gedanken;  wo  gleichwohl  etwas  vorkommt,  was  dazu 
nicht  stimmen  will,  wie  seine  nachmalige  Annäherung  an  die  österreichi- 
schen Gewalthaber,  bleibt  kein  Mittel  der  Beschönigung  solcher  Schritte 
nnversncht;  denn  er  kann  ihnen  nicht  hehr  und  rein  genug  dastehen. 
Wie  die  Zeitgenossen  dachten,  haben  wir  oben  im  Texte  gesehen.  ,Si 
riconobbe  infine  la  necessitA,  di  allontanarlo^  schreibt  Rasini  an  Con- 
falonieri  II,  299,  also  ein  Italico  puro  an  den  andern,  und  bezeichnet 
ihn  als  ,capo  promotore  del  partito  che  inquietava  il  paeseS 
»  Castlereagh,  Despatches  HI,  (X),  508,  IITj  (XI),  14  f. 


472 


9. 

Von  den  Abgeordneten  der  Mailänder  Wahlcollegien  war 
Graf  Federico  Confalonieri  der  erste  an  seinem  Platze;  er  traf 
am  30.  April  morgens  ,mit  seinem  Begleiter*  —  ohne  Zweifel 
dem  Secretär  der  Deputation  Marchese  Beccaria  —  in  Paris 
cin^  hatte  also  die  Reise  in  der  fllr  die  damaUgen  Verkehrs- 
verhältnisse  ziemlich  kurzen  Frist  von  sechs  Tagen  aüsgefährt 
Die  militärischen  Abgesandten  des  Prinzen  Eugen^  die  Generale 
FontaneUi  und  Bertoletti,  befanden  sich  noch  in  Paris.  Der 
erste  hatte  anfangs  den  Mund  ziemlich  voll  genommen:  ,35.000 
italienische  Bajonnete  würden  unter  allen  Umständen  das  Land 
dem  Vicckönig  erhalten  haben';  seine  Grosssprecherei  hatte 
indess  nicht  lang  gedauert  und  war  nach  und  nach  zu  der 
Versicherung  zusammengeschrumpft:  ,er  habe  dem  Prinzen  trea 
gedient;  jetzt  beuge  er  sich  dem  Willen  der  Nation.'  Bertoletti 
spielte  den  Erkrankten.  Confalonieri  konnte  sich  wohl  den 
Grund  sagen:  ihre  Mission  war  gescheitert,  wie  die  seine 
scheitern  sollte,  denn  dies  erkannte  er  gleich  in  den  ersten 
Tagen. 

Mit  welchem  Auftrage,  mit  welchen  eigenen  Ideen  und 
Plänen  war  Confalonieri  an  den  Sitz  der  jetzt  weltgebietenden  und 
welttheil enden  Verbündeten  gekommen!  Der  Zweck  der  Sendung 
war:  von  denselben  ein  selbständiges  Königreich  ItaUen  mit 
eigener,  von  den  Wahlcollegien  zu  berathender  Verfassung  zu 
erbitten.  Die  Frage  der  Persönlichkeit  des  Monarchen  war  bis 
zur  Stunde  eine  offene.  Da  das  Uebergewicht,  ja  das  Allein- 
gcwicht  Ocsterreichs  in  den  Angelegenheiten  des  Po-Landes 
weder  zu  verkennen  noch  zu  leugnen  war,  so  dachten  die  meisten 
an  einen  österreichischen  Erzherzog,  etwa  den  Erzherzog  Franz 
von  Modeua-Este  ,di  sangue  misto  austro-italico^  Confalonieri  filr 
seine  Person  scheint  von  allem  Anfang  nach  einer  andern  Seite 
geblickt  und  sich  als  letztes  Ziel  etwas  Neues  vorgesetzt  zu  haben. 
Er  dachte  an  die  Vereinigung  von  ganz  ItaUen  in  einen  Staat; 
verhere  dadurch  Mailand  seinen  hauptstädtischen  Glanz,  so  sei 
es  besser,  dass  Italien  eine  Grossstadt  habe,  als  jedes  seiner 
Länder  seine  kleinere  oder  grössere  Hauptstadt;  als  möglicher 
Mittel-  und  Einigungspunkt  galt  ihm  die  savoyische  Dynastie 
,gik  la  piü  forte  deir  ItaHa  norica^ 


Doch   die 


SthritK-,    die   er  iiotl   seine    bald 


^^tommcnen  Genossen  —  Trivulzio  und  Sonimi  am  3.  Mai, 
Lit(R  und  8oma^Iia  am  4.;  Graf  F^.  Hess  bis  zum  13.  auf  ^IlIi 
iviirten  ^  in  der  franzfisischen  [{»uptstadt  machten,  und  die 
.Schuppen  fielen  ihm  von  den  Augen!  Am  dritten  Tage  nach 
seiner  Ankunft  schrieb  er  seiner  Gemahlin:  ,Das  Venotianische 
und  die  Lombnrdie  sind  unwiederbringlich  Oesterrcich  über- 
liefert; möge  diese  Krone  auf  das  Haupt  eines  imabhängi^en 
Fürsten  gesetzt  werden,  und  unsere  WUnsehe  sind  erMIt;  uia 
rnrizonte  su  di  cio  mi  fa  tremare'.  Und  am  4.  Mai:  ,Oesterreich 
ist  der  Gebieter,  der  nnum schränkte  Herr  unserer  Geschicke.  Es 
handelt  sich  nicht  mehr  danun,  von  den  hohen  Mächten  eine 
freisinnige  Verfassung,  Unabhängigkeit,  Königreicli  ftlr  sich  etc. 
zu  verlangen;  es  handelt  sich  gehorsamst  zu  erbitten,  was  ein 
Herr  uns  wird  gewähren  wollen."  Gleichwohl  mussten  sie  ihre 
Schritte  thun,  denn  dazu  waren  sie  hergesandt.  Am  7.  hatten 
sie  Audienz  heim  Kaiser  Franz.  Er  trat  ihnen  freundlich  ent- 
gegen, aber  nicht  um  sie  zu  hören,  sondern  sie  hüren  zu  lassen. 
Jhr  gehört  mir,'  das  waren  seine  ersten  Worte,  ,nBch  dem 
Keclite  der  Abtretung  und  nach  dem  Reciite  der  Eroberung. 
Ich  liebe  euch  als  meino  guten  Unterthanen,  und  als  solche 
wird  mir  nichts  näher  am  Herzen  liegen  als  euer  Heil  und  Wohl.' 
Man  konnte  nicht  einschmeichelndpr,  verheissungsvoller,  väter- 
licher sprechen,  als  es  der  Kaiser  in  der  halben  Stunde  that, 
welche  die  ,frcuildsc haftliche  Unterredung'  dauerte;  ,doch  er 
Sprach  als  Herr!  Von  Bedingungen  und  Zugeständnissen',  wie 
Confalonieri  nach  Mailand  schrieb,  , konnte  keine  Rede  sein'. 
Als  er  oder  ein  anderer  von  den  Abgeordneten  eine  An- 
spielung iinf  die  übrigen  Gebiete  des  Königreichs  Italien  machte, 
8^e  er  freundlich,  aber  entschieden:  .Königreich  Italien,  nein, 
weil  ich  meine  Augen  nicht  auf  das  richte,  was  einem  Andern 
gehören   muss.' 

Prinz  Eugen  Heauhamais  war  zur  selben  Zeit  in  Paris, 
von  Ludwig  XVHI-,  wie  früher  erzählt,  in  auszeichnender  Weise 
empfangen  und  behandelt.  Die  Mitglieder  der  Mailänder  Ab- 
ordnung wichen  ihm  aus,  was  ihn  verletzte,  was  aber  bei  der 
Natur  ihrer  Sendung,  die  ja  auf  seine  Fernhaltung  gegründet  war, 
kaum  anders  sein  konnte.  Eines  Tages  trafen  sich  Eugen  und 
Confalonieri  im  Voraaalc  Castle reagh's  und  standen  einander  Aug' 

^b^ug'  gegenüber,  für  den  Prinzen  kein  behagliches  Zusammen- 


ircffou.'  Ee  v-ar  dies  an^detu  Tage  «xler  Vorb^^  wo  üo  ^«tllDdcr 
Herren  bei  dem  britischen  Stinisler  des  fSjiswärtiffen  voreprcchoi 
sotitcu.  Sic  htitten  bereits  vertrauliche  Unierrcdungen  mit  den 
Ministem  Nessohwdc  und  W'ilhelni  v.  Humboldt,  mit  Porw>  di 
Boi^  gehabt,  ohne  von  einem  derselben  etwas  Tröstlicheres  er- 
fahren zu  kOnneu;  Hunibuldl  Damcntlieh  liess  nielit  undeutlich  mer- 
ken, daasPreussen.  das  starke  GritTe  ins  deutsche  Gebiet  zu  machen 
vorhatte^  Oeslcrreich  neidlos  seine  italienischen  Erwerbungen 
^nne.  Bei  der  Zusammenkunft  mit  t'asllereagh  soDie  ConGi- 
lonieri  den  Sprecher  machen,  der  überhaupt,  obwohl  er  dem 
Alter  nach  zu  den  jüngeren  SlitgUedem  der  Ueputalion  gebarte, 
so  ziemlich  die  erste  Rolle  unter  ihnen  spielte.  Bei  dem  britbchen 
Lord  war  es  C'onfalonieri  hauptsnchlieh  darum  zu  tfattn,  dw 
Verfassungsfrage  in  den  Vordergrund  zu  aellcn  und  hiefaci  anf 
das  leuchtende  Beispiel  der  engUschcn  Zustande  hituraweiscii. 
In  höchst  bezeichnender  Weise  für  einen  Briten,  dem  ja  doch 
9cine  Einrichtangon  über  Alles  gehen.  lehnte  Castler«agh  diese 
Uerufiuig  ab.  England,  metnio  er,  sei  mit  derlei  Nachbüdin^eii 
und  L'cbertragungeu  nicht  immer  sehr  glücklich  gewesen:  wa» 
Kogbuid  seit  altenhor  Ntrtzen  bringe,  mftsae  djmtm,  oea  einge- 
fiiltrt  in  Landern  mit  ganz  anderen  äitten  und  Anschammgco, 
nicht  von  Reichem  Vortheil  sein.  ,Wir  haben  damit  erst  jQi 
eine  soldte  Erfidirung  in  8kitien  gemacht:  miaen  Vm 
konnte  in  jenem  Lande  nicht  Wurzel  taasen,  ae  < 
andern  niössen.'  Was  übrigens  ücaterreich  betreffe,  fahr  er  i 
»1  sei  dios  eine  Begitning,  gcgeo  wddie  sich  beaandvn  m 
»chriDEcn  dio  Unbsttluuwn  mAt  vHUiig  bitten.  .1»  i^'  ticschicfale 
dieses  Hauses  Ins  aof  den  heutigen  Tag  finden  wir  k«i 
Spur  von  LVbrrbebang  in  der  flacht  oder  Gewalt;  ' 
fvhlt  eher  dtovfa  den  Mangel  i^leher  l^ngc  ab  dncli  I 
Ucbcmiass  dvr«clbi>u.  Ich  s|<rvTiie  offen  an  Ihnen  und  i 
Ihnen  meine  Vnterstfltznng  nicht  enlxM-hcD.  wenn  ich  Sie 
cinMn  cismH'ti  Jucbe  nberliefert  sAhe..  Mrie  das  franxTisisehe  war, 
das  Sic  w  «bot  abgeschottelt  haben,  i^-  wer 
KaiMr  emcn  gUon  Hem  habou.'     Die  l'iiti-rrr 


AbndecB    war   kUmrr. 


er    äfiract 


gMeben    ^inne. 


Alt  IVmUhigung  erfuhrrn  sti-  v^m  Seite  drä  Kaiser?  1 
Mit  4«  Piiaaoa  g^Witim:   Sm^mai  *pM*  la  4ic>>tl  <Q  ml*  t 


Bfrc  ilmcu  gleich  angckilndi^rt  wurilo,  duss  sio  der  Czar  tiii^lil 
aU  DepuIatioQ  empfunge,  sondern  als  hervurragL'ude  Italiener 
(Italiuui  iUiislri).  Bei  der  Audienz  selbst  richteten  siu  gar  nichts 
au6,  sie  kamen  nicht  einmal  recht  zum  Wort.  Zuerst  Confalonieri 
und  ein  zweitesmal  Litta  versuchten  dem  Geaprituhe  eine  po- 
litiEchi;  Wendung  zu  geben;  beidemal  fiisl  ihnen  Alexander  in 
die  Hede  und  brachte  diese  auf  gleichgiltige  Gegenstände.  Zu- 
leUit  entlieea  er  sie,  damit  sie  ja  nicht  vergässen,  wofUr  er  sie 
lOmnien,  mit  dem  Ausdrucke  seiner  Befriedigung  ,de  m'ötre 
icurö  par  cette  occasion  le  plaisir  de  faire  votre  connaissanee 
individnelle,' 

Bevor  er  Paris  verliess,  um  in  seine  Erbstaaten  zurück- 
zukehren,   wollte   Kaiser   Franz   seine   Mailänder  noch   einmal 
sprecben,  um  ihi-e  Anliegen  und  Wünsche  zu  vernehmen.   Der 
Xlmpfang  war  auf  den   27.  um  5  Uhr  nachmittags   festgesetzt. 
Audienz  trug  das  Gepräge  einer  wo  möglich  noch  freieren 
rugczwungenhcit  als  das  erstemal.    Die  Mailänder  konnten  das 
[erschiedenstc   vorbringen;    die   Antworten,    die   ihnen   zutlieil 
■den,  werfen  neue  Streiflichter  auf  den  Charakter  jenes  mcrk- 
■digen  Monarchen.  ,Ieh  rechne  auf  Sie,'  sagte  er  als  Begi-üssung, 
Sie^    in  Ihr  Land  zurückgekehrt,    dasselbe   von  meinem 
■ichtigen    Wille u    unterrichten    weriien,    das    Wohl    meiner 
Unterthancn  unwandelbar  zum  Ziele  zn  haben.'     Ala  die  Ab- 
geordneten etwas  Näheres,    was   sie    ihren  Mitbürgern    zusagen 
kltnntcn,  ,Bperanzu  positive',  zu  wissen  wlluEchten,  erwiderte  der 
tcr:  flu\i  werde  thun,  was  ich  kann;  ich  liebe  es  uicht,  viel 
iprechen,   aber  zu  hidteu.'     Ob  Seine  Majestät  nicht  für 
linden  wolle,   die   iltiUenischeu  Truppen  gesondert  und  bei- 
zu  halten?     ,Sie  werden  in  eigenen  Kegimenl«rn  bci- 
bleiben   und  ihre  alten  Dienste  sollen  nicht  vergessen 
aber  sie  müssen  sich  fügen  leraun  und  von  einem  gc- 
len  aufrührerischen  Geiste  lassen,  von  dem  sie  sich,  wie  man 
Mailand   schreibt,  oriWlt  zeigen,    sonst    werde   ich   zu 
iereu  Mitteln  greifen  müssen.'   Einen  heiklen  Punkt  bildeten 
sogenannten  NationnlgUter,    das  in  der  Zeit  der  Revolution 
Privateigenthura  Übergegangene   öffentliche  Gut,   und   os  ist 
bekannt,  dass  mehr  als  eine  der  wiederhergestellten  Regierungen 
diesen    Besitzwechsel    nicht    anerkennen    wollte.     Nicht    so    der 
Kwser  von  Oesterreich;  ,Io  ho  riconosciuto  Napoleone  per  Icgit- 
.tipio   sovrano,    devo   rieonoscere   ijuindi  legittimi  gli  atti  di  lui.' 


476 

Diesen  Standpunkt  nahm  er  auch  bezüglich  der  weggeftlhrten 
Kunstschätzc  ein,  welche  die  Italiener  zurückgestellt  wünschten. 
Er  begreife  dieses  Begehren,  meinte  der  Kaiser,  und  er  selbst 
wünsche,  dass  dies  geschehe;  ,ma  fe  un  affare  delicato*,  besonders 
rücksichtlich  jener  Oegenstilndc,  die  den  Sammlungen  des  Louvtc 
einverleibt  seien.  Aber,  warfen  die  Mailänder  ein,  es  befinde 
sich  Privateigenthum  darunter,  namentlich  der  Familie  Borromco. 
,Das  ist  etwas  Anderes:  was  Privatgut  ist,  das  schliesst  jeden 
Zweifel  aus,  es  muss  unter  allen  Umständen  herausgegeben 
werden/  Die  künftige  Einrichtung  des  Landes  wurde  erwähnt, 
die  Eigenthümlichkeiten  der  Sitten  und  Anschauungen;  ein  Bei- 
rath  von  Landesangehörigen,  meinten  die  Abgeordneten,  würde 
die  beste  Auskunft  geben.  , Seien  Sie  überzeugt,  dass  ich  nichts 
Wichtiges  unternehmen  werde,  ohne  die  Ihrigen  zu  hören,  sie 
zu  Käthe  zu  ziehen.*  Die  Schifffahrt  auf  dem  Po,  die  freie  Aus- 
fuhr des  Getreides  und  hundert  andere  Angelegenheiten  wurden 
berührt  und  in  der  leutseligsten  Weise  von  einem  Monarchen  be- 
schiedcn,  der  dabei  nicht  eine  Linie  über  die  von  ihm  unver- 
rückbar eingehaltenen  Grenzen  des  Selbstherrschers  hinaus- 
schritt. 

Die  Audienz  hatte  wohl  über  eine  Stunde  gedauert,  und 
wenn  die  ,reinen  Italiener',  aus  denen  ja  allein  die  Abordnung 
zusammengesetzt  war,  in  dem,  wozu  sie  hergeschickt  worden, 
von  Anfang  bis  zu  Ende  nur  eine  grosse  Täuschung  erfahren 
hatten,  so  mussten  sie  sich  halb  wider  Willen  gestehen,  dass 
sie  es  mit  einem  Gebieter  zu  thun  hatten,  der  die  besten  Ab- 
sichten hegte  und  dessen  Herablassung  die  freieste  Meinungs- 
äusserung gestattete.^    Sie   hatten  jetzt  in  Paris  nichts  mehr  zu 


*  ,A  tutto  cio  era  dak)  luogo  dair  estrema  affabilitÄ  di  quel  Sorrano'  — 
aus  dem  Munde  eines  Italiano  purissimo  ein  doppelt  werthvolles  Zeug- 
niss.  Ich  habe  kaum  nöthig,  beizufügen,  dass  die  ganze  obige  Darstel- 
lung den  sehr  ausführlichen  Berichten  des  Grafen  Federico  Confalonieri 
(Lottere  II,  3 — 44)  entnommen  ist,  Briefen  an  seine  Gemahlin,  die  ge- 
feierte Teresa  Casati,  vom  30.  April,  3.,  4.,  8.,  13.,  14.,  18.,  22.,  23.,  28., 
30.  Mai,  3.  bis  11.  Juni  aus  Paris,  16. .bis  30.  Juni  aus  London,  dann 
dazwischen  seinem  Berichte  vom  18.  Mai  ,al  conte  Carlo  Verri,  presideute 
dolla  Keggensgi  provvisoria  di  Ooverno*.  Die  erste  Audienz  bei  Kaiser 
Franz  9 — 11,  jene  bei  Ca.««tlereagh  16 — 22,  die  zweite  Audienz  beim 
Kaiser  26—29.  Manclie  kleinere  interessante  Züge  laufen  nebenher, 
z.  B.  wo  ihm  gleich  am  ersten  Tage  die  vielerlei  fremdländischen  Truppen 
auffallen:  ,Tedcschi,  Prussiani,  Bavari,  Sassoni,  Russi';  seine  Auslassungen 


^Kan  und  sehnten  Ah'  Abberufung  st^iti^ns  ilirpr  Vollmachtgebci- 
Hd  Mnilsnd  horboi,  um  auscinsmlcr  gelten  zu  künncn.  Krst  am 
B»<  Juni  fftnd  dies  etntt,  die  Deputation  erklitrte  sich  fllr  nuf- 
■|däst,  Graf  Ffc  war  bereits  abgegangon,  Trivulzio  und  Sommi 
Bistcn  eine  Reise  nach  Holland  und  in  die  Schweiz  an,  Ballabio, 
^hotanolli  und  Confalontcri  unternahmen  einen  Ausflug  nach 
^Binidoti,  wo  einige  Tage  später  aueh  Litta  und  Smuaglia  eintrafen. 
^k  Nur  Ciani  und  Becearia  kehrten  unmittelbar  naeh  Mailand 
^■ri\ck,  wohin  auch  wir  uns  begeben  mlissen,  um  nach  diesem 
^Br  Zeit  voraneilenden  Zwischenspiele  nachzusehen,  was  sieh 
BaBlerweilc  in  der  lorabanlischen  Hauptstadt  zugetragen  halte. 

i  10. 

■%  Am  K  Mai  IÖ14  war  der  kaiserliche  Fcldmarschall  firaf 
HpeDegardcandor  Spitze  von  12,000  Mann  in  Mailand  cinmarschirt, 
Hbnitruppen,  besonders  die  guten  Pferde  fielen  auf;  drei  Tage 
Bj^tt-'r  kamen  5000  nach;  die  festen  Plfttze  und  wichtigeren 
BBlttdte  hatten  kleine  Oarnisonen. 

^h.        Die  Bellegarde,   ein  wallonisches  Geschlecht,   später  in 
^BToyen  ansässig,  haben  hilufig  auswärtigen  äouveraincn  iu  Krieg 
^hd  Frieden  gedient  und  den   Namen  ihres  Hausos   vielseitig 
Iprdient  gemacht.  Graf  Johann  Franz  war  Obersthnfmcister  der 
Prinzen  Xaver  und  Kari  zu  Dresden,  als  ihm  29.  August  175fi 
ein  Sohn  geboren  wurde,  den  wir,  Heinrich  mit  Namen,  schon 
1771   in  der  auBgozeichneten  Reiterschaar  der  Gardcs  du  Corps 
finden;  er  hat  bis  in  sein  höchstes  Alter  den  Ruf  eines  ebenso 
■gewandten  als  eleganten  Reiters  genossen.  Im  Jahre   1772  ver- 
tauscht der  kaum  sechzehnjährige  Graf  den  kursilchsi scheu  Dienst 
mit  dem  kaiserüelien  und  wird  Lieutenant  beim  Dragonerregiment 
Zweibriicken.   Meister  in  allen  ritterlichen  Uebungen,  von  einer 
..einnehmenden  Persünlichkeit,  eifrig  im  Dienst,  maasvoll  in  seinem 

Aber  Fontniielli  (5  .a^isce  |>axiuiniente')  oiler  über  ilon  Z»r.  Erat  nauli 
P&ris  gakoimiion,  spricht  er  von  den  liberalen  Nuiguiigon  dk'Bes  Mun- 
t  »Tthon:  ,il  «iel  fnccin  oho  i  me»«i  che  porrii  a  qiiesla  ^Htido  o]iern  iion 
b'tndiBMno  le  aae  intenKiuiii'  (4);  niioh  der  Auilienz  (Sit)  bat  er  nur  Ai»- 
k  drfleke  des  Spottes  Über  ihn:  ,1' IniporaCnrf  AlesMuidro  Kpm|ire  comU'a 
Lr'nelle  auo  idee  Mvftlleresi-nineDta  cssltale';  wie  Alexnnder  den  ärnffii 
7  ron  Artois  nnd  den  von  den  Bnnrbons  verachteten  Cnnlaincourt  xu  einer 
I  Tafel  Iftdet  (31);  wie  ,tiitUi  lo  sCono  de'snai  diplomntici'  on^ncenilet 
I  werden  mniiit«,  um  ihn  abxnhalt«n,  als  Loidtragender  beini  Btjgrahniaa 
der  Kuiaorin  Jueofine  xn  erscheinen  (33)  x.  d^^l.  in. 


J 

d 


478 

Benehmen  und  Gebahren,  weiss  er  seine  Mussestunden  fem  von 
ausschweifenden  Zerstreuungen  der  Jugend  zur  Vermehrung  seiner 
Kenntnisse,  zur  Bildung  seines  Geistes  zu  verwenden.  Seine 
Laufbahn  ist  eine  rasche:  1778  und  1779  Rittmeister  in  den 
Feldzügen  gegen  Preussen,  1781  Major,  1784  Obristlieutenant^ 
1785  Obrist.  Der  9.  September  1788  verzeichnet  seine  erste 
Waffenthat:  an  der  Spitze  von  vier  Schwadronen  des  inner-öster- 
reichischen Dragonerregimentes  Berlichingen  (Nr.  1)  wirft  er  in 
dem  Treffen  bei  Beschanie  die  Türken  und  führt  dadurch  die 
Entscheidung  des  Tages  herbei.  1792  zum  Generalfeldwacht- 
meister befördert,  legt  er  im  Jahre  darauf  am  17.  August  im 
Marmoler  Walde,  am  12.  September  mit  Obrist  Fürst  Johann 
Liechtenstein  bei  Avcsnes  le  See,  am  15.  imd  16.  October  in 
der  Schlacht  bei  Wattignies,  wo  er  den  rechten  Flügel  comman- 
dirt,  dann  im  Feldzuge  von  1794  bei  Cateau  (17.  und  20.  April) 
an  der  Marque  und  bei  Templeneuve  (17.,  18.  und  22.  Mai) 
wiederholte  Proben  umsichtiger  und  erfolgreicher  Tapferkeit  ab 
und  erwirbt  sieh  die  belohnende  Auszeichnung  des  Theresien- 
kreuzes.  Im  Jahre  1797,  bereits  Feldmarschalllieutenant^  wird 
er  mit  General  Graf  Merveldt  nach  Leoben  zur  Verhandlung 
des  Waffenstillstandes  mit  dem  jungen  Buonaparte  beordert 
Bald  darauf  finden  wir  ihn  wieder  im  Felde,  1799  als  Ober- 
befeldshaber  in  Tirol,  wo  er  durch  seinen  Sieg  bei  Taufers 
am  4.  April  gegen  Lecourbc  die  Verbindung  mit  Deutschland 
herstellt,^  dann  in  Itahcn  unter  Suwarow,  wo  er  gegen  des 
letztem  Weisung  am  20.  Juni,  den  geeigneten  Ort  und  Zeit- 
punkt erfassend,  das  Treflfen  bei  Casinagrossa  wagt  und  gewinnt, 
wofür  er  den  nachträglichen  Beifall  seines  Oberfeldherm-Sonder- 
lings  erntet.  Die  Rückkehr  Buonaparte's  aus  Aegypten  und  der 
Tag  von  Marengo  bringen  Oesterreich  um  alle  Früchte  zweier 
siegreichen  Feldzüge;  seine  Heere  können  nicht  mehr  auf  Er- 
folge zählen,  ihrem  jetzigen  Commandanten  G.  d.  C.  Grafen 
Bcllegarde  fällt  nur  die  Aufgabe  zu,  soviel  als  möglich  davon 
zu  retten  und  in  Sicherheit  zu  bringen.  Bellegarde's  Verwen- 
dung ist  von  da  an  bald  im  Felde,  bald  in  der  Verwaltung, 
1805  in  Oberitalien,  wo  er  sich  in  den  heissen  Tagen  von 
Caldicro  (29.  bis  31.  October)  das  Commandeurkrcuz  des  The- 
resienordcns  erkämpft,  1806  als  Commandirender  in  Inneröster- 


J  Rittersberg,  Milit.  Kalender  (Prag  1825)  S.  131—134. 


^cti,  dann  iu  tJalizicn,  1809  in  den  Schlachten  bei  Asperii, 
Vsgram  and  Znaim^  1810,  mit  dem  Feldmarscballstabe-Kus- 
gezeichnet,  wieder  in  Gatizien,  sodann  als  Präsident  des  Ilof- 
kriegsrathea  in  Wien.  Im  Jatire  1813  ist  er  Mitglied  der  engern 
Conferenz,  welche  die  KriegsrQstungen  zu  betreiben  hat,  und 
arbeitet  mit  solchem  Erfolge,  dasa  sieh  Kaiser  Franz  gegen 
einen  seiner  Vertrauten  äussert:  ,l>er  Bellegarde  hat  das  Un- 
mögliche mtiglich  gemacht,' 

So  zeigt  sich  uns  Graf  Heinrich  Bellegardc  als  ein  Mann 
nach  dem  Ausspruche  des  Römers  -toga  aagoque  clarus';  er 
hatte  achtzehn  FeldzUge  mitgemacht,  darunter  vier  ab  ftbcr- 
bcfchlshaber;  er  hatte  wiederholt  den  Hofkricgsrath  geleitet, 
zu  verschiedenen  Malen  an  der  Spitze  wichtiger  Provinzen  ge- 
standen und  sich  in  allen  diesen  Stellungen  bewälirt.  Denn  er 
war  ein  Mann,  der  in  seiner  Pflicht  aufging,  der  nichts  über 
das  Gebot  und  den  Dienst  seines  Monarchen  kannte,  eine  Eigcu- 
schnft,  die  wir  bei  hohen  Mihtärs  jener  Zeit  oft  genug  antreffen. 
,Er  war,'  sagt  sein  pietätvoller  Biograph,  ,ciner  der  wenigen 
Edelsten,  welche  die  Unterordnung  des  eigenen  Kuhmes  zum 
Vortheile  des  höchsten  Zweckes  als  eine  wohl  herbe,  aber  heilige 
Verpflichtung  des  Feldherrn  erkennen.'  Das  hatte  er  besonders 
in  der  letzten  Zeit,  in  seinen  Beziehungen  zu  dem  zweideutig- 
sten der  Verbündeten,  zu  König  Joachim  von  Neapel,  gezeigt. 
iGltickliehcrwciso,'  schrieb  er  damals  nach  Paris,  , haben  uns 
seine  Schliche  und  Ränke  keinen  Schaden  bereitet  —  il  n'a 
fait  de  mal  qu'ä  moi,  en  me  privant  peut-fitre  d'un  peu  de 
gloire;  mais  l'armöe,  les  pays  ont  ^t^  consorvt^cs,  et  en  bon 
toyen  c'est  un  grand  motif  de  coiisolation.' 

Graf  Bellegarde  war  von  mittlerer  Grösse  und  schlanker 
ntalt,  seine  Haltung  soldatisch  gerade,  aber  nichts  woniger 
I  ateif.  Er  verwendete  Sorgfalt  auf  seinen  Anzug,  so  dass 
1  Aeiissercs  den  Ausdruck  stattlicher  Ritterlichkeit  mit  einer 
math  vereinigte,  die  als  Widerschein  seines  Innern  bei  der 
ten  Annäherung  gewann.  Ein  Militär  und  Cavalicr  von 
»enschaftlicher  Bildung,  gebot  er  über  drei  Sprachen,  die  er 
,  gleicher  Ungezwungenheit,  mit  gleicher  Gewandtheit  im 
indlichen  und  schriftlichen  Ausdruck  zu  handhaben  verstand.' 


>  der  verdienteBten   iiitarrcicliisi^tißia  PersOii]ii.-hkeit(Tii   dor  nnpolcoiii 
[   »ehen  Periode  isl,   was  wxne  Hcrkimft   und  erslo  Ijiiifbalui   hfitriffi,   v«i 


480 

Bei  seinem  Auftreten  in  Mailand  fand  Graf  Bellegarde 
neben  der  provisorischen  Regentschaft  sieben  Ministerien  des 
bestandenen  Königreichs  Italien  vor:  für  die  auswärtigen  An- 
gelegenheiten mit  einer  Abtheilung  in  Paris  (Minister  Conte 
Marescalchi)  und  einer  andern  in  Mailand  (Carlo  Boi^hi); 
für  die  inneren  (Generalsecretär  Paolo  de  Capitani);  fllr  die 
Justiz  (Conte  Giuseppe  Luosi);  filr  die  Finanzen  (Graf  Barbö); 
für   Krieg   und   Marine  (Minister-Stellvertreter  General  Bianchi 

der  in-  und  aufliändischen  Biographie  arg  behandelt  worden.  In  Biogr.  des 
hommes  vivants  I,  sept.  1816,  p.  338  f.  ist  er  ,n6  a  Chambery  vers  1760*. 
Ebenso  in  der  Oesterr.  National-Encyklopädie  I,  1835,  also  noch  za  Belle- 
garde^s  Lebzeiten.  Bei  Lombroso  ,\{te  dei  primarj  Generali  eec.  dal 
1796  al  1815'  (Milano,  Borroni  e  Scotti  1843,  also  noch  vor  seinem  Tode] 
II,  428  findet  sich  die  erste  Tagesangabe:  geboren  zu  Chambery  18.  De- 
cember  1760.  Der  Nekrolog  in  FrankTs  Sonntagsblättem  1845,  S.  705  f., 
bringt  nur  die  Jahreszahl  1760,  wobei  wir  übrigens  erfahren,  Bellegarde 
habe  1815  den  KOnig  Joachim  bei  Ferrara  und  Occhiobello  geschlagen 
und  am  2./3.  Mal  dessen  Heer  bei  Tolentino  vernichtet  —  eine  in  einem 
vaterländischen  Dnickwerke  unverzeihliche  Verwechslung  mit  Bianchi! 
Zwei  Jahre  nach  Bellegarde's  Tode  erschien  dessen  ausführliche  Bio- 
graphie aus  der  Feder  des  k.  k.  Majors  im  Generalquartiermeisterstabe 
Karl  Freiherm  v.  Smola  (Wien  1845,  Heubner),  an  dessen  Angaben  ich 
mich  in  der  obigen  kurzen  Skizze  einmal  schon  deswegen  gehalten  habe, 
weil  doch  mit  Grund  vorauszusetzen  ist,  dass  der  Verfasser  sich  ein- 
gehender mit  seinem  Stoffe  zu  beschäftigen  und  verlässlichere  Nachrichten, 
namentlich  über  die  von  allen  bisherigen  Angaben  abweichende  Zeit  der 
Geburt,  einzuziehen  in  der  Lage  war  als  die  bisherigen  Notizler.  Gleich- 
wohl finden  wir  noch  1851  bei  Hirtenfeld  und  Meynert,  Mil.  Con- 
versations-Lexikon  I,  S.  352,  das  unrichtige  ,Chambery  1760%  aber  darauf 
das  richtige :  er  sei  ,zuerst  in  sächsische,  dann  iu  Osterreichische  Dienste' 
getreten,  und  1853  in  der  Nouv.  Biogr.  generale:  ,n6  k  Chambery  en  1755*. 
Nun  erscheint  Wurzbach  1856,  der  unsem  Helden  wieder  am  18.  De- 
cember  1760  zu  Chambery  geboren  sein  und  ,Jius  ])iemontesischen  Dien- 
sten in  Osterreich ische'  übertreten  lässt;  denn  die  abweichenden  Angaben 
beruhen  ,auf  einer  Verwechslung  mit  Bellegarde's  Bruder  Friedrich,  der 
1753  geboren  war'.  Worauf  Wunebach  diese  Entdeckung  gründet,  wird 
leider  nicht  nachgewiesen,  was  um  so  nöthiger  wäre,  da  keiner  der  vor- 
ausgegangenen Biographen  1753,  sondern  1756  oder  1755  als  Geburts- 
jahr angegeben  hatte  und  nach  der  Todesanzeige  der  »Wiener  Zeitung* 
1845,  Nr.  204  vom  26.  Julius,  S.  1593  der  Verstorbene  ,88  Jahre  alt*  war, 
was  zu  1756,  aber  weder  zu  1755  noch  zu  1760  passt  Hirtenfeld, 
Thcrosienorden  1857,  IH,  S.  756  und  die  neuesten  Conversationslexika 
von  Brockhaus  und  Meyer  halten  sich  danim  mit  vollem  Rechte  an 
Smola.  — -  Ueber  Belleganlo's  Erscheinung  und  Charakter  zwei  aller- 
dings nicht  sehr  freundliche  Urtheile  preussischer  Diplomaten  s.  Wert- 
heim er,  Oesterreich-Ungam  H,  390','. 


w 


p^Ailila);  fiii'  die  geiHtüclien  Angel egenhuitcn  (Abt  Gaetano 
Oiudici);  ilir  den  öffentlicheu  Schutz  (miniatero  del  tesoro 
pnbblico,  Minister  Graf  Veneri).  BuUogai-de  litsss  diese  Mi- 
iiistcnen  bis  »iif  Weiteres  fortbestehcu,  nar  dasa  sit'h  sclbst- 
vcrsUliidlicli  ihr  Wirkungskreis  auf  die  in  kaiaerttchein  Be- 
sitz befiudlicLcu  Bestaudtbcile  des  ehemaligen  Künigreiehs 
Italien  bescliränkte.  Die  Oberleitung  der  Polizei  musste  dvr 
Fdduiiu'Sfhall  in  die  dgeiio  Hand  nehmen;  er  bat  aber  den 
Kaiser,  ilim  einen  verlUsglicheo  Mann  zur  Seite  zu  gebun,  da 
ibni  Beibat  weder  im  Lande  noch  auswärts  eine  geeignete  Per- 
sonlieldioit  bekannt  sei.'  Ab  Gesetze  blieben  vorderhand  die 
franzöaiaehen;  nur  bexüglich  der  Ehe  glaubte  Bellegarde  den 
Bestimmungen  des  Code  Napoleon,  ,nach  welchen  zur  üilligkeit 
der  Khe  die  priesterliche  Einsegnung  nicht  nothwendig  und  der 
Ehescheidung  in  mehreren  Fällen  stattgegeben  war,  provisorisch 
eine  den  Vorschriften  unserer  heiligen  Keligion  angemessene 
ichttiDg'  geben  zu  sollen."' 

Obwolil  in  der  geschilderten  Weise,  mit  geringen  Aus- 
imen,  in  den  ersten  Tagen  so  ziemlich  Alles  auf  dem 
alten  Platze  bheb,  hielt  man  sich  dessenungeachtet  im  Publicum 
überzeugt,  dass  eine  neue  Ordnung  der  Dinge  nicht  werde  auf 
sich  warten  lassen,  besonders  als  verlautete,  Bellegarde  habe 
nch  gegen  die  tollen  Beförderungen  durch  den  General  Pino 
;eeprochen,  dessen  Stern  damit  im  Erblassen  war.^  Als  sich 
'ioneri,  Guicciai-di  und  Paradisi  im  Namen  des  Senates  vor- 
len  wollten,  erklili'te  er,  sie  nur  als  Einzelpersonen  cmpfan- 
zu  können;  sie  hatten  den  kühnen  Plan  —  in  mehreren 
itliehen  Berathungeu  in  Onsa  Alelzi  soll  dei-selbe  ausgebrütet 
len  sein  —  sich  von  dem  kaiserlichen  Feld mai-sc hall  einen 
für  den  10.  zur  Abhaltung  ihrer  , regelmässigen'  Sitzungen 
erbitten;  er  schlag  es  ihnen  rund  ab. 

In  Paris  war,  wie  erzäldt,  über  die  künftige  (jestalt  der  apen- 
iachen  Halbinsel  bereits  entschieden,  am  22.  traf  ein  gewisser 
■  A.  J.  Itelltigfinle  an  den  Kaiser  21.  Mai  ltji4. 

:  ,\VeU  ei  mir  den  AllerhilclisUn  GüHinninigeii  vullkomme»  an- 
in  ersiihimi,  du»  von  daui  frstea  Tag  Ihrer  Itt^ioruiig  diu  auf- 
hören Rotl,  tviu  in  der  Gesetigebtm^  der  vorij^eu  Bt^gieruiig  mit  dan 
OrundslLUeii  Jer  katboliauhon  Beligiuii  iu  offeueui  und  iliroiiteni  Wider- 
epmuhe  steht,  habe  ivh  den  EhegeaeUeii'  eto, 

ai  au  Coufatuiiieri  II.  Mai:  ,Oii<la  t\ieiiaaui  che  le  iwsa  pomino  an- 
il«r  iiieglio'  .1,  (1.  O.  301», 


482 

Fiocclri  als  Eilbote  Confalonicri^s  an  die. provisorische  Regentschaft 
mit  dieser  Nachricht  in  Mailand  ein.*  Am  25.  erschien  die  erste 
Kundmachung  mit  dem  kaiserUchen  Doppeladler  an  der  Spitze: 
sie  betraf  die  Ernennung  des  kaiserlichen  Feldmarschalls  als  ,Be- 
voUmächtigter  Commissar  flir  die  zu  der  ehemaligen  österreichi- 
schen Lombardei  gehörigen  Provinzen^,  inbegriffen  das  Alan- 
tuanische  und  jene  Departements  am  linken  Ufer  des  Po,  die 
nicht  vom  k.  k.  General-Gouvernement  von  Venedig  abhängig.' 
Bellcgarde  erklärte  am  Tage  darauf  die  WahlcoUegien  für  auf- 
gelöst, Senat  und  Staatsrath  fUr  abgeschafft;  die  annoch  be- 
stehenden Behörden  erhielten  die  Weisung,  nach  den  in  Kraft 
bestehenden  Gesetzen  ihre  Geschäfte  fortzuführen,  in  zweifel- 
haften Fällen  sich  an  ihn  zu  wenden.  Den  Vorsitz  in  der 
provisorischen  Regentschaft,  die  einstweilen  belassen  wurde, 
nahm  Bellegarde  für  sich  selbst  in  Anspruch;  Graf  Carlo  Verri 
war  somit  abgedankt.^  ,Die  Regenz',  berichtete  Bellegarde 
am  31.  Mai  an  den  Kaiser,  ,hat  bis  jetzt  die  souveraine  Gewalt 
ausgeübt;  jetzt  ist  sie  die  oberste  Behörde,  welche  mit  mir  und 
unter  meinem  Vorsitz  die  mir  allergnädigst  anvertrauten  Pro- 
vinzen im  Allerhöchsten  Namen  Eurer  Majestät  verwaltet.  Die 
Verordnungen  gelangen  von  mir  und  der  Regenz  zum  Vollzug 
an  die  Ministerien  und  von  diesen  an  die  Präfecten,  Intendanzen 
und  sonstigen  Unterbehörden^ 

.  Eine  neue  Ordnung  der  Dinge  war  somit  in  Scene  gesetzt, 
die  österreichische  Partei  war  in  vollem  Siege,  die  Feinde  der 
gestürzten  Grössen  brüteten  Vergeltung  und  Rache.  GefUng- 
niss,  Galeere,  Galgen,  zum  mindesten  Verbannung  waren  di6 
Strafen,  welche  die  neue  Regierung,  so  meinten  sie,  allen  müsse 
zutheil  werden  lassen,  deren  feindselige  Gesinnung  bekannt  sei. 
Das  war  jetzt  die  Zeit,  wo  das  Späher-  und  Angebcrthum  seine 
Blüthen  trieb;  kein  Tag,  wo  nicht  von  Ungenannten  oder  auch 
von  Genannten,  die  sich  wohldienerisch  an  die  jetzigen  Herren 


^  Offenbar  jener  Bericht  vom  18.,  dessen  in  der  Anmerknng  1  zn  S.  476 
gedacht  worden. 

*  Die  Allerhöcliste  Entschliossnng  datirte  vom  14.  Mai;  Oest.  Beob.  Nr.  157 
vom  G.  Jnni,  S.  846. 

3  Marchese  de  Rremo  an  Confalonieri  26.  Mai  (JI,  305):  ,Ogfgi  il  »ig^or 
Conrpiistatoro  a  preso  lo  redini  in  mano,  togliendole  da  quelle  di  Verri 
e  della  Reggenza,  sebbeno  di  codesta  faccia  le  viste  ancora  di  non  et»er 
lui  ehe  il  prinio.     Figuratevi  qnanti  visi  d'arrabbiati  r*  incontrano.* 


des  Tages  herandrängten,   giftgeschwoUene  Anzeigen  und  Auf- 
forderungen  8U   behürdlichem  Einschreiten  überreicht  wurden, 
die  BeUegarde  meist  ohne  sie  zu  lesen  ins  Feuer  warf.     Dazu 
wurden  allerhand  Presscrzeugniase  aus   der  abgelaufenen  Zeit, 
J>ruckwerke  von  ,Jan8enisten'  und  ,Athei3ten',  von  ,Jacobinorn' 
id  jRepnblikanem'  als  Beweise  des  gefährlichen  Geistes,  den  sie 
bannen  habe,  der  Polizei  angesteckt.    Den  dankbarsten  Stoff 
Terten  in  dieser  Richtung  noch  immer  die  Freimaurer  wegen 
ir  grossen  Verbreitung  in  allen  Zweigen  der  Verwaltung  und 
Heeresdienstes,    und  überhaupt   wegen   der   Bevorzugung, 
deren  sie  sich  unter  dem  früheren  Regiment  zu  erfreuen  hatten. 
Auf  vertraute  von  Raab  nach  Wien  geleitete  Denkschriften  und 
Anzeigen  und  in  deren  Folge  aus  Wien  herablangende  Befehle 
de  der  Stand  der  Freimaurer  sowohl  in  der  Lombardei  als 
Venetianischen   personenweise   erhoben,   nnd   da   zeigte   es 
HCb  in  der  That,   dass  es  keine  Schichte  in  den  besseren  Ore- 
sellschaf^classen  gab,  Civil  und  Militilr,  Laien,  aber  auch  Geist- 
liche,  in   denen   dieser  Geheimbund   nicht   seine  mitunter  sehr 
zahlreichen  ZugehUrigen  besnss.'    In  Mailand  hatten  vier  Logen 
bestanden:    Imperiale   Carolina,   Reale   Gioseftina  —  nach   der 
Kaiserin  Joseline  — ,  Reale  Eugenio  und  Reale  Amalia  Augusta, 
der  Vicekünig  war  Grossraeiater  über  alle   gewesen,   über   ihm 
hatte  der  Kaiser  in  Person  gestanden.*     Doch   hatte  sieh 


K 


<i  A.  J.  1SI4.  Bell,  zu  2103  ad  83  Soiei  Hii^h  ititlieninch  nnd  in  rl^uticher 
Uebarae<Uiing  ein  anonj-raea  und  nndatirtsH  iiefüge«  Hämoire  gi>gen  dio 
Freimiiiinir,  mit  sehr  vielen  persDiiUvheii  Nütiien  und  Cliartikteristiken; 
e.i  iit  nn  den  ,Onoriiliiuiiniii  Signor  Ci>innii«HAriD  dt  Polixin'  gerirlil^t,  also 
entwtvl^r  an  Valrnsgini  in  VeMn.i  «der  iliirch  dipBPn  «n  Raab  in  Padii.i. 
TfirfiiMer  war  der  Adrocnt  Dr.  Zanetti  in  Voronn,  ein  .ibgennj^r  Feind 
iim  fnuiiniiischen  Regiments. 

A.  X.  O.  Ü32G  xd  83,  wo  Herr  v.  Raab  einen  .Blenco'  der  Uailitnder  Ft«U 
manrer  an  den  Pnlixeiiir&tidenten  llnrnn  Ilnger  sendet.  Dan  »ehr  nnnien- 
raiolie  Vene'ii^hnisa  nntentisheidet  .Prntelli  di  prima  Classe'  nnd  nolclie 
,di  secuiiiln'.  An  der  Spille  jener  «tohen  gesell  riehen:  .Nspoleone  Bona- 
luule.  Eugenio.  Mel*i  d'Eril  Dum,  di  Lodi  Giuu'da  R'ig.;  dann  fol^n 
n.  a.  Conte  Feneroli  Oius.  Gr.  ltlBg;^iordaina.  Müreacalchi  Ferdinando, 
Taociuri,  Hinistr«  dell'Intamn.  Fontnnelli  Aebille.  Pina  Domenifo,  Gr- 
nerals  Kv.  Hnnti  Vincen:tn,  Meaibro  dell'  tsüt,.  Bar.  Locchi  Atigelo, 
C-  Verri  Carlo  Scn« .  Lnini  Giacon.o  Dir.  gen.  di  PoUnia,  C»  Polfrati- 
OMobi  Pietro  Genomlo.  Bar.  Sinandiii  Ant,  Pret.  dell'Adige.  Bar,  Fnrd, 
Forro  Pref.  de)  Brenla.  Prinn  Lnigi  Sog.  delia  Dirux.  ilolle  Kei-clie,  die 
id   Vii'i'-t'rpfptli    der  Add.i,   Chioegi«,    Airogna   etr,  dlt,      |!|itPr 


484 

schou  in  der  letzten  Zeit  keine  derselben  in  aufrechtem  Stande 
befunden^  da  sie  der  Vicekönig  im  September  1813  schliessen 
licss  und  alle  ferneren  Zusammenkünfte  verboten  hatte;  es  hatten 
sich  viele  Unordnungen  in  dieselben  eingeschUchen^  es  waren 
Personen  von  zweifelhaftem  Charakter^  selbst  anrüchige  Sub- 
jecte  aufgenommen  worden,  deren  Versammlungen  keinen  an- 
dern Zweck  als  Gelage  mit  reich  besetztem  Tische  und  ge- 
füllten Bechern  z,\i  haben  schienen;  Prinz  Eugen,  so  hiess  es, 
habe  mit  ihnen  eine  Reform  vornehmen,  die  Logen  in  eine 
gelehrte  Gesellschaft  umgestalten  wollen,  wozu  es  allerdings  im 
Sturme  der  unmittelbar  darauf  drängenden  Ereignisse  nicht  ge- 
kommen war.  Aehnlich  stand  es  in  Venedig.  Hier  hatte  nur 
eine  Loge,  Eugenio  Adriatico,  bestanden,  aber  mit  mehreren 
Vei-sammlungsorten,  in  Casa  Reche  bei  S.  Maria  al  Ponte  delle 
Erbe,  in  Casa  Franzetti  bei  S.  Lucia  am  Canale  grande,  bei 
S.  Margarita,  in  Canal  Rcggio  und  noch  an  einem  fünften  Orte, 
so  dass  man  im  PubUcum  ebenso  viele  Logen  zu  zählen  pflegte.^ 
Als  Stifter  der  Loge  und  erster  Meister  vom  Stuhl  wurde  ein 
Conte  Ragoni  genannt,  der  sich  jetzt  auf  einen  Anhänger 
Oesterreichs  hinausspielte,  gewiss  dem  Kaiserstaate  gegenüber 
keine  feindseligen  Gesinnungen  hegte,  obwohl  er  der  Polizei 
als  einer  von  jenen  galt,  die  ftlr  einen  unabhängigen  constita- 
tionellen  König  von  Itahen  seh  wannten.  Auch  hatte  Ragoni 
die  Loge  seit  mehreren  Jahren  nicht  besucht  und  sich  zur 
Nobil  Donna  Maria  Benzon  gezogen,  zu  Zeiten  der  Republik 
eines  der  schönsten  und  galantesten  Weiber  von  Venedig,  das 
auch  jetzt  noch  seine  feurigen  Anbeter,  darunter  eben  unsem 
Grafen,  zählte.  Eine  Zeit  unterhielt  sie  den  besuchtesten,  oder 
vielmehr  den  einzigen  Salon  in  der  Lagunenstadt,  wo  nicht  g^ 
spielt,  sondern  blos  geplaudert  wurde  und  sich  aller  Stadttratsch 
zusammenfand,  so  dass  von  dort  auch  alle  Gerüchte  ausgingen. 
Mit  PoUtik  hatte  sich  die  Benzon  ihr  Lebelang  nicht  beschäf- 
tigt,  sondern  einzig  mit   Liebeshändeln,    und   so    war  auch  ihr 


den  ,Fratolli  di  seconda  Classe*  folgen  dann  die  dii  minorum  gentium, 
bei  denen  merkwürdigorwcise  die  Advocaten  keine  besonders  auffollende, 
dagegen  Profossoron  und  Lehrer  aller  Anstalten  eine  sehr  g^rosse  Rolle 
spielen. 
»  A.  J.  Convolut  »Verschwörungen*  1814,  Z.  2047  ad  83;  in  der  ,8pecifica* 
daselbst  iiguriren  Beamte  aller  möglichen  Art,  vier  Richter,  drei  Adro- 
caten,  vier  als  ,Ebreo*  bezeichnete  Individuen  etc. 


mßoü,  obwohl  er  polizeilich  Überwacht  wurde,  in  politinchcr 
Rn^cht  völlig  harraloa'  und  ebenso  wenig  trug  der  eliemaligc 
Meister  vom  Stuhle  etwas  von  seiner  freimaurerischen  Vergan- 
genheit in  den  Salon  der  gefeierten  Weltdame  hinüber.  Anc-li 
in  allen  llauptorten  der  üepai-teraenta  hatte  es  Logen  gegeben: 
Ainalia  Ängusta  in  Breacia,  La  Rena  in  Verona;  in  Mantua 
hatte  der  Vicekünig  auf  Befehl  Napoleon's  eine  Loge  im  alten 
heraoglifhen  Palast  herrichten  lassen.  Aber  keine  dieser  Logen 
scheint  melir  in  Thiltigkcit  gewesen  zu  sein.  Von  der  Loge 
Capaee  in  Pjidua  erfahi-en  wir  bestimmt,  dass  sie  vor  dem  Ein- 
marsch der  Kniscrliclien  durch  den  Präfecteu  Baron  Porro  ge- 
schlossen worden,*  wie  sich  auch  die  Loge  Eugenio  Adriatieo 
zu  Venedig  noch  vor  Ende  des  Bloens  von  selbst  aufgelöst 
iMttc;  als  im  Juni  bei  dem  Advocaten  Pietro  Coraarolo  und 
Buchhiindler  GiuB.  Picotti  Haussuchung  gehalten  wurde, 
■hten  diese  nicht  die  geringste  Schwierigkeit,  alles,  was  sie 
noch  in  Händen  hatten,  Freimaurerschilrzen,  In  siege),  Deco- 
rationen und  Medaillen,  Werkzeuge  und  BUclier  an  die  Behörde 
auszuliefern,  von  welcher  diese  tiegenstände  mit  Vermeidung 
alles  Aufsehens  vertilgt  wurden.  Von  einer  Gefälirlichkeil  der 
Freimaurer  als  Ivörperaehaft  konnte  bei  so  bewandten  Umstttn- 
den  kaum  viel  die  Kede  sein,  höchstens  in  der  Person  einzelner 
ir  Mitglieder.  Wenn  Prinz  Eugen  die  Mailander  Logen 
;en  Fraas  und  Völlerei  hatte  scliliesaen  müssen,  so  waren 
ohne  Frage  in  politischer  Linie  von  keiner  Bedeutung.  Auch 
»  das  Freimaurerthnni,  wie  schon  früher  erwähnt,  ausser- 
seiner  Kreise  weder  Ansehen  noch  Achtung.  ,Man  er- 
,'  berichtete  der  venetianische  GeneralPolizeidirector  nach 
I,'  ,den  hiesigen  Frcymaurern  zu  viel  Ehre,  zu  glauben, 
sie  EinüusB  auf  das  Publicum  haben  können;  sie  werden  zu 
von  dem  Volke  verachtet,  Freymaurer  oder  ein  schlechter 
:U  sind  hing  bey  dem  gemeinen  Mann  synonima.' 


mhntu 

fem 


Bedenklicher   waren   fiir   den   Grafen  ßellegarde   manche 

gänge   in   den   Kreisen  der  gewesenen  italienischen  Armee, 

äbwohl  er  auch  hier  an  der  Ucberzcugnng   festhielt  und  selbe 

■  ItMb  |tn  Ha^r.  Pudun  U.  Juli  IH14. 

■  Saab  15.  Juli  A.  J. 
ti  au  Hager,  Pxlun  15,  Aiigiist, 


486 

in  Wien  zur  Geltung  zu  bringen  suchte:  so  lang  nach  aussen 
Friede  gehalten  werde,  sei  von  all  diesen  Machenschaften,  ge- 
heimen Abreden  und  Plänen  nichts  zu  besorgen.  Dass  es  derlei 
verdecktes  Spiel  gab,  litt  keinen  Zweifel,^  obwohl  man  in  Re- 
gierungskreisen bis  zur  Stunde  nichts  Qenaueres  wusste.  Auch 
machte  ja  die  Ungewissheit,  die  über  das  Schicksal  und  die 
künftige  Bestimmung  der  einzelnen  Officiere  noch  immer 
herrschte,  eine  grössere  Erregung  derselben  begreiflich.  Dazu 
der  Hochmuth  der  gewesenen  Glieder  der  ,grossen  Armee',  der 
Theilnehmer  an  deren  (seither  freilich  erblasstem)  Ruhm  und 
Triumphen.  In  Brescia  imd  anderen  Städten,  wo  noch  viel 
italienisches  Militär  lag,  aber  nur  geringe  österreichische  Be- 
satzungen waren,  gab  es  zwischen  diesen  und  jenen  fortwäh- 
rende Händel  und  Reibungen,  Schlägereien  und  selbst  Tödtun- 
gen;  unter  den  Officieren  beider  Theile  kam  es  häufig  zu 
Duellen.  Nur  die  grosse  Mässigung,  ja  Selbstverleugnung  Belle- 
garde's  verhinderte  ähnliche  Ausschreitungen  in  der  Hauptstadt, 
wo  sich,  wie  Mantovani  in  seinem  Tagebuch  zu  verstehen  gibt, 
die  italienischen  Officiere  begnügten,  den  kaiserlichen  ins  Ge- 
sicht zu  lachen,  Schimpfworte  in  den  Bart  zu  murmeln  und 
die  Faust  im  Sack  zu  machen.  Eine  baldige  Reorganisation 
der  italienischen  Heerestheile  und  Eingliederung  derselben  in 
die  k.  k.  Armee  that  dringend  noth;  ein  erster  Schritt  dazu 
wurde  damit  gemacht,  dass  man  alle  französischen  und  corsi- 
schen  Officiere,  aber  auch  alle,  die  anderen  Staaten  Italiens  zu- 
gehörten,  einfach  nach  Hause  schickte.  Bezüglich  der  ein- 
heimischen sah  sich  der  kaiserliche  Feldmarschall  am  20.  Mai 
veranlasst,  eine  Commission  mit  den  Generalen  Villata  und 
Mazzucchelli  niederzusetzen,  welche  deren  seitherige  Haltung  zu 
untersuchen  und  über  jene,  die  sich  eine  Verletzung  der  Dis- 
ciplin  schuldig  gemacht,  abzuurtlieilen  hätte.  Am  30.  geschah 
ein  Schritt  weiter:  ein  Tagesbefehl  Bellegarde's  betraf  die  Um- 
sehaflfung  der  ehemaligen  italienischen  Truppenkörper  in  k.  k. 
österreichische,  zugleich  mit  der  Bekanntgabe,  dass  Sc.  Majestät 
beschlossen  habe,  jene  Officiere  der  ersteren,  welche  die  Bahn 
der   Pflicht   und   Ehre   nicht  verlassen   haben,    in    die    Reihen 


1  Mailand,  16.  Mai:  ,Si  spera  che  il  tempo  migliori;  sera  passata  coi  ca- 
merata  Bongi,  Stampa  e  fratelli  Montanari;  abboccamontö  ayato  col  signor 
colonello  Bidasio.'  De  Castro,  Caduta  220  nach  einem  von  ihm  ein- 
gesehenen Mann«cript  der  Familie  Bignami. 


Lllerhüclist  Ilirer  Ariiieo  aufzunehmen,'   die  beatandenun  Garde- 

'  regirnenter  als  in  den  Rahmen   der  üstcrreichisehen  Hceresein- 

riehtung  nicht  passend  wurden  aufgelöst,  1.  Juni,  und  uus  zn-oi 

üBtert*eiciiisc!ien   und   zwei   vordem   italienischen   Generalen  — 

BuffeodQro  LecHii  fUr  die  Infanterie,  Villatn  flir  die  Cavallerie  — 

:  Commission   gebildet,    um   die   anbefohlene  Ke Organisation 

irchzutUhren. 

Im  grossen  Publicum   waren   es   nur   wenige   Plnnmacher 
I  der  Partei  der   , reinen  Italiener',   die  trotz    der   für  jeden 
lonnenen  Politiker  nicht  mehr  zu  raissdontcnden  Nachrichten 
I  Paris  von  der  Idee  eines  im  abhängigen  Künigreiehs  Italien 
nbt  litfiscu  wollton.    Von  einem  Kränzchen  sonderbarer  SchwUr- 
i"  wurde  sot^ar  eine  Adresse  an  Kaiser  Alexander  berathen, 
,Novara'  datirt,  auf  das  ,ruhmvoiie  Haus  von  Savoyen' 
inwius,  (las  jitalieuisch'  und  , dessen  Ahnen  der  Ruhm  und  die 
Eierdo    Italiens'   seien.     Als  Verfasser  galt   Ugo   Foscolo,    und 
I  sah  ihm  allerdings  Ubnlich;   indessen   Hess   sich   nichts   cr- 
eisen  und  man  musste  sich,  einem  Befehle  aus  Wien  zufolge, 
I  begnügen,  ihn  zw  Überwachen.    Mehrere  hielten,  weil  ja  Oeater- 
reich   aobon   nicht   mehr   zu   umgehen   sei,   an   dem  Erzherzog 
Franz  von  Ocsterreich-Este  fest;  in  einer  zu  Mailand  gedruckten 
—  -SchriA  ,Sui  futuri  destini  d'Italia'  wurde  er  eingeladen,  die  Ge- 
HHdiifke  dei'  Halbinsel   in    die   Hand   zu   nehmen.     Graf  Porro- 
HfeiBnibertcnghi,  der  porsUnliche  Freund  Confalonieri's,  aber  klüger 
*  ttnd   vorsichtiger  als  dieser,   steifte   sich   nicht  auf  den  Ilei-zog 
von  Modena,  er  verlangte  sich  nur  überhaupt  einen  iisterreielii- 
sclien   Prinzen   und   maclite   aus   seinen  Wünschen   in   wilder- 
ten Unterredungen  mit  dem  kaiserlichen  Fcldmarscliall,  mit 
1  Grafen  Nugent  u.  A.  kein  Hehl :  mit  Modena  vereinigt,  etwa 
i  dazugesc Wagen,  würde  es  ein  schönes  Königreich  geben, 
t  30.000  bis  40.000  Bajonneten  eine  achtunggebietende  Vor- 
,uer   gegen   Frankreich,    eine   Hauptstadt    wie   Ungarn    eine 
mibe,   LandstJlnde   aus   dem  Adel,   der  wetteifern   würde,    den 
iz  des  Thrones  zu  erhöhen,' 
Aus  dem  Vcnetianischen,  dessen  Bewohner  von  einer  sanf- 
fon   und  fiigsamcrcn  GemUthsart   sind,    verlautete  von   derlei 


L  Botib.  Nr.  Ifll  vom  l.'i  .In 
an  Cnnfnlouipri  VA.  Mni 
;  Trcves.  I87S)  1-6. 


■i  C.inti'i  ,11  Comilinlore 


488 

Entwlirfen  und  Vorschlägen  nichts;  hier  gab  es  höchstens  Ge- 
rüchte, und  in  der  Lagunenstadt  selbst  nächtliche  Aufschriften 
an  den  Mauern  öffentlicher  Qebäude,  Anschläge  an  den  Strassen- 
ecken  u.  dgl.  Einer  dieser  Aufrufe  begann:  ^Concittadini! 
Popoli  di  Venczia!  Pubblici  funzionari!'  und  schloss  mit  den 
Worten :  , Viva  la  nostra  Indipendenza  Nazionale,  Viva  la  nostra 
prossima  Redenzione!'  Ein  anderer,  gleich  dem  früheren  ano- 
nym, enthielt  die  Aufforderung,  sich  bei  den  verbündeten  Mäch- 
ten für  die  Unabhängigkeit  der  apenninischen  Halbinsel,  für 
die  Wiederherstellung  des  italienischen  Königreiches  oder  jene 
der  Republik  von  San  Marco  zu  verwenden.  Thatsächlich  ge- 
schah nichts,  wenn  es  auch  nicht  an  vereinzelten  Gläubigen 
felilte,  die  solchen  Kundgebungen  ganz  unbekannter  Urheber 
Schaft  und  verdächtigen  Charakters  nachliefen  und  es  z.  B. 
allen  Ernstes  hinnahmen,  Kaiser  Franz  werde  aus  eigenem  An- 
triebe den  Grossmüthigcn  spielen  und  seine  oberitalischen  Er- 
oberungen zu  Gunsten  eines  selbständigen  Königreiches  Italien 
wieder  herausgeben,  allenfalls  an  den  Grossherzog  von  Toscana 
mit  dem  Titel  eines  Königs  von  Italien  abtreten.  Als  der  Mar 
diese  Ghislieri  im  Juni  1814  durch  Verona  reiste,  konnte  er 
derartige  Redereien  mit  eigenen  Ohren  hören. ^ 

11. 

Mittlerweile  war  die  Herstellung  der  alten  Ordnung  in 
allen  Gebieten  von  Ober-  und  Mittel-Italien  in  vollem  Zuge.  In 
Tui'in  gebot  seit  8.  Mai  der  k.  k.  Feldmarschalllieutenant  Ferdi- 
nand Graf  Bubna  als  Militärgouverneur  an  der  Spitze  österreichi- 
scher Truppen  von  allen  Waffengattungen;  unter  ihrem  Schutze 
waltete  Marchese  Asinari  di  San  Marzano  als  Civilgouvemeur 
und  Präsident  des  obersten  Regierungsrathes.  In  Rom  hatte  am 
13.  Mai  gleichfalls  unter  dem  Schutze  kaiserlicher  Besatzung 
Msgr.  Agostino  Rivaroli  als  Bevollmächtigter  Seiner  Heiligkeit 
von  dem  ehemals  päpstlichen  Gebiete  vorläufigen  Besitz  ergriffen. 
Die  Monarchen  dieser  Länder  wurden  mit  jedem  Tag  erwartet. 
Lord  Bentinck,  der  um  die  Mitte  Mai  dem  Grafen  Bellegarde 
in  Mailand  einen  Besuch  abgestattet  hatte,  eilte  nach  Genua 
zurück,  um  am  17.  morgens  den  von  seiner  Insel  zurückkehrenden 
König  begrüssen  zu   können;    am  Tage    darauf  setzte  Vittore 

1  Carte  seg.  I,  22;  vgl.  ebenda  28-  30,  242  f. 


£manuele  I.  seine  Reise  fort  und  hielt  am  20.  feierlichen  Eiiiziip 
in  die  Stallt,  die  mehr  als  fünfzehn  Jahre  früher  sein  königlicher 
Bruder  kummervoll  verlassen  hatte.     VJit  Ta^e   später  sah  die 
ewige  Stndl  ein  Ähnliches  Schauspiel.  Von  dem  k.  k.  Ilofratli  und 
bevuUm&clitigten   Minister   Lndwig  Ritter  von   Lebzeitern,   der 
als  Vertreter  der  verbündeten  Machte  in  einem  vierspllnnigcn 
l&lawagen  entgegengefatircn,  einige  Miglien  vor  Rom  ehrfurehts- 
lU   begrlisst,    von  einer  Abtheilung  k.  k.  Husaren  zu   beiden 
iten   der  Porta  del  Popelo   als   Ehren  bedeck  ung   empfanpen, 
PiuB  VIT.  nach   Rom  zurück,    das  er  seit  der  Nacht  des 
fii  Juli  lÖtKI  mit  keinem  Fuase  betreten  hatte.  Um  dieselbe  Zeit, 
}7.  und  30.  Mai,   nahm  Graf  Julius  Strussoldo  als  kaiserlicher 
imissär  im  Namen  Maria  Louisens  Besitz  von  Parma,    Pia- 
iza  und  Guastalla,  anfangs  Juni  wurde  eine  Regentschaft  mit 
its  Cesare  Ventura  als  Diroctor  an   der  Spitze  bestellt,    die 
ihrem  Namen   die  einstweilige  Leitung  der  Geschäfte  über- 
nahm.    In  solcher  Weise  war  auf  der  apenninisehen  Halbinsel 
die  Hauptsache  tliatsKchlich  bereits  in  Vollzug  gesetzt,   als  der 
Pariser  Friede  vom  30.  Mai  die  Unabhängigkeit  Italiens  als  Gnmd- 
Htz  aufstellte;    es  war  damit  gemeint,  dass  Italien,  das  hinHlro 
Belbstttndigen  Staaten  bestehen  werde,    seine  bisherige  Ab* 
von    Frankreich    ebenso   verliere,    die    französisehc 
Oherherrsehafl  hier  ebenso  ein  Ende  haben  sollte  wie  in  Deutsch- 
land, in  der  Schweiz,  auf  der  pyronilisehen  Halbinsel. 

Am  12.  Juni  durchzogen  in  Mailand  öfiTentiiche  Ausrufer 
unter  Trompclensehall  die  Stadt.  Ein  Aufruf  Bcllegarde's,  der 
an  allen  wichtigeren  Punkten  hcrabgelesen  wurde,  maehte  der 
Bevölkerung  kund  und  zu  wissen,  dass  die  lombardisehen  Pro- 
len,  inbegriffen  Stadt  und  Gebiet  von  Mantua,  dauernd  dem 
lerreiehischcn  KaSsersttiate  einverleibt  seien  —  ,le  voatre  pro- 
e  sono  dcfinilivamente  incorporate  all'  Impero  d'  Austria'. 
den  folgenden  Tag  wurde  die  feierliehe  Begehung  des  Te 
n  laudamus  in  allen  Haupt-  und  Pfarrkh-ehen  der  Stadt 
sagt.  Ein  Deeret  der  provisorischen  Regentschaft  vom  13. 
erklärte  die  Formel  ,Während  des  Bestandes  der  provisorischen 
Regierung'  und  ebenso  die  Wappen  und  Farben  des  letzt 
bestandenen  Königreichs,  ,gli  emblemi  del  cessalo  govemo'  für 
abgeschafft:  das  österreichische  Wappen  und  die  Bczeichnuug 
des  Hegierungsjahres  des  Kaisers  und  Königs  Franz  I.  haben 
AH  deren  Stelle  zu  treten. 


ranser  r  ri 
B  Htz  aufstc 
Kms  selbsU 
PWigigkeit 


490 

Die  italienische  Partei  war  damit  abgedankt,  und  sie  be- 
nutzte den  ersten  gegebenen  Anlass,  ihrem  Unmuth  über  den 
nun  endgiltig  eingetretenen  Regierungswechsel  Luft  zu  machen. 
Am  14.  wurde  im  Theater  dclla  Canobbiana  ein  Stück  auf- 
geführt, betitelt  ,Die  Schlacht  bei  Leipzig'  und  eigens  zu  Preis 
und  Ehre  der  hohen  Verbündeten  angelegt.  Es  erfolgten  aus 
der  Masse  der  Zuschauer  Pfiffe  und  Zischlaute,  was  einen  solchen 
Scandal  zur  Folge  hatte,  dass  das  Haus  geräumt  werden  musste. 
Es  war  das  Werk  einzelner  politischer  Störefriede;  denn  von 
sympathischen  Rückerinnerungen  an  den  Geschlagenen  von 
Leipzig  war  in  der  Masse  der  Bevölkerung  ebenso  wenig  die 
Rede  als  in  den  höheren  Schichten  der  Gesellschaft,  in  deren 
Kreisen  Spottversc  und  Witzreden  auf  Napoleon  und  dessen  An- 
hang, Schmähschriften  einheimischen  und  fremden  Fabrikates 
die  Runde  machten.  In  einem  französischen  Gedicht  ,Le  songe 
d'  Enghien'  erhebt  sich  der  Prinz  aus  seiner  Gruft  und  erscheint 
seinem  Mörder:  ,11  y  a  un  Dieu  vengeur.'  Ein  Testament  Napo- 
leon's  in  Versen  begann:  ,Je  l^gue  aux  Enfers  mon  g^nie'  und 
schloss:  ,Et  r  höpital  k  mes  parens'.  Auf  einem  der  Zerrbilder, 
von  denen  es  in  der  Stadt  wimmelte,  war  der  ,Buonapart'  zu 
schauen,  wie  er  im  Hemd  aus  Paris  davonlauft.  Schon  Hessen 
sich  Stimmen  hören,  dass  mit  allem  aufgeräumt  werde,  was  an 
den  gestllrzten  Tyrannen  erinnern  könnte;  nichts  mehr  von 
einem  ,Foro  Bonaparte',  nichts  von  einer  ,Porta  Marengo';  der 
Stolzes  Triumphbogen  am  Marsfelde,  nicht  mehr  ein  Gedenkzeielicn 
filr  Schlachten  und  Siege  sollte  er  sein,  sondern  ein  Denkmal 
der  Wiederkehr  des  lang  ersehnten  Friedens! 

In  den  Reihen  der  österreichischen  Partei,  und  das  war 
jetzt  die  weit  überwiegende  Mehrheit  in  allen  Classen,  herrsch- 
ten Freude  und  Jubel.  In  den  Familien  des  alten  lombardischen 
Adels,  die  noch  die  Zeiten  Thcresicns  und  Josephs  erlebt  hatten, 
kümmerte  man  sich  wenig  um  die  Stichelrcdcn  der  Missvergnügten 
über  die  ,k.  k.  Kämmerer',  die  nun  ihre  goldgestickten  Fracks 
mit    dem    goldenen   Schlüssel  zur   Seite    wieder   hervorzögen,' 


1  Von  k.  k.  Kämmerern  aus  der  früheren  österreichischen  Zeit  werden  im 
Hof-  und  Staats-Schomatismus  von  1816  angeführt,  lebten  also  noch  al^ 
alte,  zum  Theilo  uralte  Herren,  und  zwar  von  der  Ernennung  1765 
Marchese  Carlo  Arconati,  1769  Graf  Pietro  Visconti  Borromeo  und  Duca 
Antonio  Litta  Visconti,  1773  Marchese  Alfonso  Litta  (zugleich  wirklicher 
Geheimrath),  1775  die  Grafen  Francesco  Visconti  und  Ottayiano  Borromeo, 


jjder  über  die  Bibliotlieknic  <lcr  Arabrosiaiia,  die  ilire  güldenen 
^tten  und  Medaillen  wieder  zeificii  Itönnten.  In  der  Tliat  gin^^ 
rcb  die  oberen  Sebiobteii  dur  Gcsellscliaft  eine  starke  Strö- 
LUng  nach  rückwärts,  so  dass  in  der  Stadt  vielfacl»  davon  ge- 
Mchen  wurde,  die  provisorische  Regentschaft  habe  es  sich 
I  Ziele  gesetzt,  alles  auf  den  Stand  vor  1796,  dem  Beginn 
s  Trienniums  verabscheuten  Angedenkens,  zurückzubringen. 
Personen,  die  sich  mit  solchen  Ideen  trugen,  waren  im  Grunde  auch 
Unzufriedene,  nur  dass  ihr  Missinuth  gerade  den  entgegengesetzten 
Charakter  von  jenem  der  Idealisten  nationaler  Unabhängigkeit 
hatte;  denn  ihnen  war  die  rricksehrittliche  Bewegung  viel  zu 
langsam,  der  kaiserliche  UevoUnaächtigte  an  alt  und  zu  schläfrig, 
jBellftardi'  sollte  er  heissen,  nicht  Bellegarde. 

Der  aber  liess  -sieh  nicht  irre  machen.  Er  kannte  nun 
t  Mailänder  schon  sehr  wohl  und  wnsste,  kaum  dass  er 
I  paar  Wochen  da  gewaltet  hatte,  recht  gut,  wen  er  zu  seiner 
beeilten  zu  stellen  habe  und  wer  unter  die  Böcklein  auf  der 
ken  Seite  gehöre.  Adel,  CIcrns  und  Landvolk,  so  berichtete 
H  nach  Wien,  zeigten  die  entschiedenste  Abneigung  gegen  das 
MtUrzte  Regiment  und  hätten  die  Anhänglichkeit  an  das  Kaiser- 
I  ungeschwächt  erhalten;  Militär,  Beamte  und  der  Mittel- 
ind  seien  Gegner  der  neuen  Ordnung  der  üinge.  ,Es  ist 
lOglich,  dass  sie  ihre  Wünsche  auf  die  Nähe,  in  welcher  sich 
r  Kaiser  Napoleon  betindet,  auf  das  in  den  Augen  des  Publi- 
ms  nicht  klare  Betragen  des  Königs  von  Neapel,  auf  die 
gTttzu&iedenheit  der  Armee  in  Frankreich,  zum  Theil  auch  auf 
Inangen,  welche  ihnen  früher  von  den  englischen  Generalen 
tht  worden  sind,  gründen'. '  Aber  er  war  sich  darüber  klar, 
6  mit  der  Beseitigung  der  französischen  Hen-schaft  die  Haupt- 
Ae  gewonnen  war  und  dass  seine  Regierung  damit  den  Gross- 
l  der  Bevölkerung  auf  ihrer  Seite  habe,  vorausgesetzt,  dass 
1  davon  ausgehe,  das  Gute,  was  an  neuen  Einrichtungen  die 


JT79  und  1777  Giberto  Bormraoo,  Alfoiuu  CHBtiglioni  und  Carlo fruiiw. 
Itnriiu;  ilaiiii  mit  Unterbrechung  in  der  Josefinlwheii  Zeit  von  Iieopuld  II. 
niid  FnuiK  U.  179*;  I>on  Giulio  OtlvIiDi,  AlborUi  Litbi,  Vitaliami  Cun- 
fAlvtiiori,  Aiigtisto  Ca:<ati,  1791  Gnif  yratic.  Gina.  Gniuniardi,  Marrhem 
Fnuiu.  I'letro  Gliieüieri,  1793  Mnrehosu  Amiibale  Somiuanvs,  Graf  Giu- 
'  aepiM  GnmbiU'iiuK,  Uarrbese  OiaoibntLisla  Litta-Moda^nini,  Gruf  Carlo 
OuiwUrdi 
ft>  A,  J.  Ildtegarde  au  de»  Kaiser  31.  Mai  ISU. 


492 

Zwischenzeit  gebracht,  zu  erhalten  oder  doch  zu  schonen,  den 
eingerissenen  Uebelstilnden  sobald  als  möglich  Abhilfe  zu  schaiFen. 
Manches  in  letzterer  Hinsicht  war,  wie  wir  gesehen,  gleich  in 
den  ersten  Tagen  nach  dem  Sturze  des  französischen  Systems 
geschehen,  anderes  geschah  jetzt.  So  wurde  mit  Erlass  vom 
10.  Juni  die  verhasste  einpercentige  Capitalsteuer  endgiltig  auf- 
gehoben und  um  dieselbe  Zeit  die  von  Napoleon  eingeführte 
Abgabe  von  50  Percent  fllr  alle  aus  dem  Ausland  eingeführten 
italienischen  und  lateinischen  Bücher,  und  von  1  Percent  fUr 
den  Bogen  jedes  in  Italien  gedruckten  Buches  abgeschafft 
Kücksichtlich  der  Salzpreise,  des  Tabaks,  des  Dazio  consumo 
liess  sich  zwar  die  von  der  Gemeindevertretung  gleich  in  der 
Nacht  vom  20.  zum  21.  April  verfügte  Herabsetzung  auf  die 
Hälfte  nicht  aufrecht  halten;  sie  wurden  auf  den  Stand  von 
179G  gesetzt,  was  immer  gegen  den  Tarif  in  der  letzten 
Eugenischen  Zeit  eine  ganz  erhebUche  Ermässigung  war.  Die 
jährUchen  Einnahmen  gingen  infolge  dieser  Massregeln  allerdings 
bedeutend  herab  —  man  wollte  den  Ausfall  auf  jährlich  7,268.095 
Lire  berechnet  haben  — ;  allein  Bellegarde  erklärte  in  Wien,  das 
gehe  nun  eben  nicht  anders,  da  ,das  Abgabensystem  der  vorigen 
Regierung  offenbar  so  überspannt  war,  dass  es  ein  sonst  sanftes 
und  ruliiges  Volk  bis  zum  Ausbruch  seiner  Verzweiflung  ge- 
bracht hat^^ 

In  ähnhcher  Weise  ging  Fürst  Keuss  im  Venetianischen 
vor,  ausserordentliche  Abgaben  w^urden  abgeschafft,  drückende 
herabgesetzt.  Das  Hauptaugenmerk  bildete  hier  mit  Recht  Ve- 
nedig selbst  und  da  wieder  ganz  besonders  der  Handel,  der 
unter  französischem  Regiment  nahezu  auf  den  Nullpunkt  ge- 
bracht war.  Die  Aufhebung  der  Continentalsperre  und  die 
Freundschaft  der  britischen  Flagge,  die  noch  kurz  vorher  der 
Schifffahrt  aller  mit  Frankreich  verbündeten  oder  von  diesem 
abhiingigen  Seegebietc  so  gefiihrlich  gewesen,  brachten  in  kür- 
zester Frist  neues  Leben  in  den  Hafen  der  Lagimenstadt,  welchen 
Schiffe  mit  Colonialwaaren  aus  der  Levante,  von  den  jonischen 
Inseln,  aus  Rotterdam  und  Marseille  zu  besuchen  begannen,  ^on 
einer  Woche  zur  andern  zählte  man  mehr  Handelsfahrer.  Wie 
ftlr  den  venetianischen  Seeverkehr  überhaupt,  so  hatte  die 
französische  Regierung  auch  für  die  Sicherung  des  venetianischen 


*  A.  J.  Belleganle  an  den  Kaiser  31.  Mai  1814. 


»fens  nur  Btiefmütteriiiih  gesorgt.  Die  Miirazzi,  dio  beriihmlen 
BJDwälle  am  Eingange  deeaclben  bei  Malainocco,  wnrcn  zwar 
whl  Acm  Verfallo  preisgegeben,  aber  deren  Erhaltung  nur 
teig  betrieben  worden,  so  daas  jetzt  ein  rasches  und  umfassendes 
Bugreifen  Noth  ihat.  i>er  General- Gouverneur  nahm  in  Person 
i  Augenschein  vor  und  ordnete  unverweiltc  Inangriffnahme 
r  arforderlichcn  Arbeiten  an.  Dass  von  der  Bevölkerung  eine 
!  wohlwollende  und  naeh  allen  Riehtungen  aufraerksarao 
tfttigkeit  bald  erfasst  und  dankend  anerkannt  wurde,  braucht 
icLl  gesagt  werden,  und  dass  die  neue  Regierung  und  deren 
;ane  dadurch  volksthUmlicIi  im  besten  Sinne  dos  Wortes 
rden,  war  eine  begreifliche  Folge  davon.  Es  bedurfte  darum 
icht  erst  eines  Winkes  von  oben,  um  Kundgebungen  in  solchem 
Sinne  an  die  Stufen  des  Allerhöchsten  Thrones  gelangen  zu 
lassen.  8tädtc  und  Gemeinden  baten  um  Wiederherstellung  der 
friiliereo  Österreichischen  Verfassung,  der  Freiheiten  und  Be- 
günstigungen, die  sie  seinerzeit  genossen.  Wie  in  dem  illyrischen 
Departement  Isonzo,  so  wurden  in  den  venetiani sehen  Provinzen 
Mitte  Juli  Anstalten  getroffen,  Deputationen  nach  Wien  zu  senden, 
um  dem  Monarchen  fiir  den  eiTungenen  Frieden  und  für  die 
sie  beglüekcnde  Wiedervereinigung  mit  dem  Kaiserstaate  zu 
dtmküii. '  im  Mailüodischen  war  man  zwar  noch  nicht  so  weit, 
an  Anregungen  und  Vorbereitungen  fllr  einen  solchen 
iritt  fehlte  es  auch  hier  nicht. 


Slldlitih  vom  Po  waren  in  der  Zwischenzeit,  immer  unter 
a  Auspicieii  des  kaiserhehen  Doppeladlers  und  in  Aiisälhrung 

Pariser  Friedens,  einige  Veränderungen  eingetreten.  In 
»■enz  hatte  es  Gene.ratmajor  Graf  Starhemberg  als  Mtütär- 
mmandant  von  Toscana   und  Generalgouvemeur  von  Lucca 

Piombiuo   unternommen,    dem   von   der   Bevölkerung   mit 

ibiisucht  erwarteten  Grossherzog  die  Wege  zu  bereiten;    am 

0.  Jnni   war  allgemeines  Vergeben  und  Vergessen  verkllndet 

L-f  Di*  niyrUche  De|intatinu  erxclilen  aiu  .in.  Juli,  10  Utir  *>.rniItM^n,  vor 

I  Kai*er,  lllr   ilie  reiietiiuilsdin   fiixle  iuli   ilen  Tag  Licht  augog:ebeui 

^  ADrcileu  der  beiilen  Deputatiouun  nnd  Antworten  des  Kkisers  Umt  Beob. 

'  ITr.  «40  f.  vom   iH.  uut  29.  Aiigust.   8.  1389   f„  1294  f.     Der   fei<^rliclle 

Empfang  ilor   lombardisc^hen  Depiitatiuii  nni   in.  Outuber,  Ansprüche  und 

Antwort  obnuln  Nr.  3Hf'  min  fZ.  S.  IBM  f. 


494 

worden;  keiner  Angeberei,  aber  auch  keiner  Privatrache  sollte 
hinfllro  stattgegeben  werden;  am  24.  hatte  ein  in  den  schmeichel- 
haftesten Ausdrücken  abgefasstes.Decret  die  Nationalgarde  von 
ihrem  bisherigen  Dienste  enthoben.  Die  ehemals  päpstlichen 
Legationen  waren  von  den  Truppen  König  Joachim's  geräumt 
worden,  die  sich  dafür  in  den  Marken  festsetzten  und  sich  da- 
selbst häudUch  einzurichten  begannen.  In  seinem  Namen  erklärte 
General  Ambrosio  den  Metauro  als  Grenzfluss  zwischen  dem 
königlichen  und  dem  päpstlichen  Gebiete.  Um  die  Mitte  Mai 
wui'de  in  Ancona  ein  besonderer  Gerichtshof  für  alle  in  den 
Departements  Metauro,  Musone  und  Tronto  begangenen  Ver- 
brechen gegen  die  öffentliche  Ruhe  und  Sicherheit  niedergesetzt. 
Im  Juli  gab  der  König  aus  besonderer  Huld  und  Gnade  Ancona 
alle  Vorrechte  eines  Freihafens,  wie  es  dieselben  vor  dem  Jahre 
1797  besessen,  zurück,  und  was  dergleichen  Begünstigungen 
mehr  waren,  durch  die  sich  der  Abenteurer  auf  dem  Throne 
von  Neapel,  gegen  alle  Einsprüche  der  römischen  Curie,  die 
Zuneigung  und  den  guten  Willen  seiner  neuen  Unterthanen  zu 
gewinnen  suchte.  Denn  dass  er  um  dieses  schöne  Stück  Land 
sein  bisheriges  Königreich  vergrössem  wolle,  war  bald  aller 
Welt  klar;  man  muthete  ihm  aber  noch  mehr  zu.  ^er  König 
von  Neapel  macht  sich  viel  zu  schaffen,'  schrieb  Baron  Bausset 
im  August  an  Herrn  v.  Meneval;  ,er  besitzt  eine  schöne  Armee 
und  einen  gefüllten  Schatz,  fast  die  ganze  ehemalige  Armee 
des  Königreichs  Italien  hat  bei  ihm  Dienste  genommen;  man 
raunt  sich  in  die  Ohren,  er  mache  Ansprüche  auf  Bologna  mid 
sei  in  diesem  Augenblicke  damit  beschäftigt,  seine  Truppen  an 
der  Grenze  der  Legationen  Revue  passiren  zu  lassen'.^ 

Doch  mit  Bologna  war  es  für  ihn  nichts;  denn  hier  stan- 
den die  Kaiserlichen  unter  GM.  Baron  Ludwig  Eckhardt  Die 
ehemals  königlich  itaHenischen  Departements  des  Reno,  des 
unteren  Po  und  des  Rubicon  waren  gemeinschaftlich  unter  eine 
Regierungscommission  mit  dem  k.  k.  Gubemial-  und  Intendanz- 
rath  Grafen  Strassoldo  gestellt,  von  welcher  die  administrative 
und  militärische  Reorganisation  dieser  Landstriche  in  Angriff 
genommen  wurde;  in  letzterer  Hinsicht  wurden  ein  Cavallerie- 
und  zwei  Infanterie-Regimenter  errichtet,  jenes  mit  dem  Sammel- 
platz in  Forli,  die  beiden  anderen  in  Bologna  und  Ferrara.  Bo- 


'  M6neval,  Napoleon  et  Marie  Louise  II,  174  f. 


;na  war  zugleich  der  Sitz  sowohl  des  Truppeneommandoa  als 

r  RegicrungscommlBBton ;  iii  Rechts  seichen  ging  der  lastaiizim- 

t  naeh  Mailand.     Von   einer  Herausgabe  der  Legationen  an 

1  Papel  war  vorläufig  keine  Jti'de.    Den  Besitz  dieses  reichen 

febietes  hatte  OesteiTeieh  withreud  der  ganzen  napeleoui sehen 

Bit   für  sich  selbst  ins  Auge   genommen;   das   stand   für   den 

igenbliek  allerdings  sehr  in  Frage,  da  uinn  desselben  bei  dem 

en  Res  tan  ratioTiB  werke,   das   der   kommende  Wiener  Con- 

zum  Abschlüsse   zu   bringen    hatte,   vielleicht  für  ander- 

Bi6ge  EntsühädigungsansprÜche,  wie  etwa  der  Exkönigin  von 

itnirien,   benöthigen   könnte.     An   dem  Besitz   seiner  italicni- 

ihen  Nebenlinien  war  Kaiser  Franz  gesonnen  nicht  rütteln  zu 

Isen.     ächon    befand    sich    Erzherzog  Franz  von  Oesterreich- 

^e  anf  dem  Woge  in  das  alte  Besitzthum  meines  Hauses.   Als 

r  dabei  durch  Padua  kam,   stellte   er  an   den  Regierungsrath 

Iftltaab  die  Frage,  ob  er  etwas  von  den  ncapolitHnischen  Car- 

sse.     Raab  vermochte   keine  Auskunft  zu   geben,   da 

I  der  Tliat   bisher   diesseits   und  jenseits   des   Mincio 

:•  mit  den  Freimaurern   zu   thun   halte.     Der  Herzog   schien 

issen;  er  meinte,  der  Bund  der  Carbonari  sei  gegen 

xtat  gerichtet,   weil   sie   auf  dessen  Befehl  verfolgt  würden.' 

I  16.  Juli   erschien   Herzog   Franz   IV.  mit   seiner  Gemahlin 

I  Beatrice,  einer  savoyisclien  Prinzessin,  in  der  Hauptstadt 

nunmehrigen   ,Staatcn'   Modena,   Reggio  und  Mirandola. 

Für   die   mancherlei  Geschäfte,   die  jetzt   au   den  Grafen 

lUegarde  herantraten,  wurde  ihm  der  wirkliche  Geheime  Rath 

iliard  Freiherr  Rosctli  von  Roaenegg,   zuletzt  Vicepräsi- 

Bit  des  galizischen   Landesguberniums,  an  die  Seite  gegeben. 

1  den  alten  Parteigängern  Oesterreichs  aus  dem  oberitalischen 

tdel  dftrfto   ihm  Marcheso  Ghislieri   mit  seiner  Orts-  und  Per- 

nenkenntniss  vielfach  zu  Diensten  gestAndon  haben.    Im  Uobri- 

i  waren  grossonthcils  die  früheren  Beamten  an  ihrem  Platze. 

dlcgarde,  eine  edle  Natur,  war  zu  harten  Massregoln  in  dieser 

ihtong   schwer   zu   bewegen.     Als   ihm   Baron   Rosetti   eines 

1  davon  sprach,   die  Hälfte  der  Beamten  bei  allen  Behör- 

I  wäre  als  überflüssig  zu  entlassen,  erwiderte  ihm  der  Graf: 

ExcellenK   mögen   im  Rechte   sein,   dass   wir   der   einen 

ftlFto  nicht  bedtlrfen;  allein  ich  bin  überzeugt,  dass  sie  ebenso 


.  mg" 


496 

des  Kaisers  bed&rfen  wie  Se.  Majestät  der  andern  Hälfte/ '    In 
allen  Stöcken   konnte  Bellegarde   gleichwohl    solche    Naehsicbt 
kaum  walten  lassen.     Einmal  war  nicht   zu    leugnen^   dass  in 
der  That  ein  Ueberfloss  von   Beamten   vorhanden    war,   da  es 
der  gefallenen  R^erung  darum  zu  thun  gewesen,    in   gut  ge- 
zahlten,  zum   Theil   glänzend   gestellten  Organen    einen  kräfti- 
gen Anhang  und  willige  VcJlstrecker  ihrer  nur  zu  häufig  will- 
kürlichen und  gewaltsamen  Massregeln   zu  haben.     Dabei  war 
nicht   zu   übersehen,    dass   ein   grosser  Theil    dieses   Beamten- 
körpers für  den  Umfang  des  bestandenen  Königreichs  berech- 
net und  darum  in  dem  engem  Rahmen  der  jetzigen  Lombardei 
nicht  zu  verwenden  war,  ,weil  die  Kosten  derselben',  wie  Belle- 
garde selbst  sich  gestehen  musste,  ,welche  dem  Gesammtkörper 
des   vorigon   Königreichs   f^bar  waren,    nun  auf  dem  dritten 
Theil  desselben   lasten  und  daher  diesen  ausser  allem  Verhält- 
niss  bebürden*.     In   dieser  Erwägung  stellte    die    provisorische 
Regentschaft  die  Besetzung  aller  erledigten  Plätze  ein  und  kün- 
digte allen  Beamten,   die   nach   ihrer  Herkunft  dem  gegenwär- 
tigen Territorium  nicht  angehörten,  vom  1.  Juni  an  den  Dienst 
Aber  auch  in  anderem  Sinne  that  eine  ,Purification'  des  Be- 
amtenstandes noth,  eine  Ausscheidung  solcher,  die  unzweideutig 
ihre   Abneigung   gegen   die   neue   Ordnung    der   Dinge   ange- 
sprochen, sich  eines  Verbrechens  schuldig  gemacKt  oder  durch 
unsittlichen  Lebenswandel  die  Achtung  des  I^iblicums  verioren 
hatten  und  daher  das  Zutrauen  der  Regierung  entschieden  nicht 
verdienten :  ,hiezu  gehören  vor  allem  gewiss  mit  vollstem  Rechte 
Priester  und  Mönche,   die  ihre  Gelübde   gebrochen   haben  und 
zum   öffentlichen  Aergemisse   in  Aemtem   mit  Weib  und  Kin- 
dern leben^^     Ein  solches  Aergemiss  Hess  sich  am  allerwenig- 
sten in  einer  Zeit  dulden,  wo  die  katholische  Kirche  nach  jähr- 
zehentlangem    Drucke    wieder   zu    Freiheit    und    Ansehen   zu 
gelangen    schien;   wo  der  heilige  Väter  auf  den  Stuhl  des  hei- 
ligen   Petrus   zurückgelangt  war   und   die  wieder   eingesetzten 
italienischen  Regierungen  sich  bestrebt  zeigten,  den  geistlichen 
Stand  zu  heben,  klösterliche  Gemeinschaften  in  die  aufgehobe- 
nen   Klöster   zurückzuführen,    eingegangene   Bisthümer   wieder 
einzurichten;    wo    Marchese    Tapparelli    d'Azeglio    im    Namen 


>  Cusani,  Storia  VII,  248  f. 

'  Bellegarde  an  den  Kaiser  31.  Mai. 


jEttoro  Emaimi^le's  dem  Papste  erklärte,  es  sei  (ieiu  Künigc- 
lun,  sein  Volk  zur  alten  Früiumigkeit  zurückzu- 
führen und  darum  auch  die  abgeacrhafTten  Feiertage  wieder 
einzuführen.  So  wiirden  dünn  in  Mailand  angCBtcllte  Priester, 
I  seit  Jahren  mit  Beiechlüferinncn  im  eigenen  Haushalt  leb- 
t  und  in  Sitte  und  Wandel  alles  abgeati-eift  hatten,  was  an 
ren  heiUgen  8t&nd  ei-imterte,  aus  dem  Staatsdienste  entfernt, 
der  aufjütllcndsten  äeiapiele  bot  der  als  Gelehrter  und 
Ißhriftsteller  vielverdiente  Archiv dire clor  Don  Luigi  Ilossi,  der 
t  3000  Lire  in  den  Ruhestand  versetzt  wurde.' 

Bei  der  Polizei,  in  wieder  erworbenen  Land estli eilen  einem 
r.  wichtigen   Oeechilftszweige,   waren   ausser  Luiiii   und  Villa, 
iJche   die   Regentschaft  schon   vor  Bellegarde's  Ankunft  ent- 
fernt halte,  alle  Plätze  in  den  früheren  Händen;  an  ihrer  Spitze 
stand  einstweilen  Pagani,  gleichfalls  von  der  früheren  Regierung 
Hbcrnomraen.     Am  Ende   war   man   von  den  cingebomen  Poli- 
zisten, wenn  man  sie  in  Kcspect  zu  halten  wusste,  noch  besser 
bedient    als    von    Personen,    die,    aus    Wien    hergeschickt    oder 
_einer  andern  Provinz  entnommen,  den  ihnen  völlig  neuen  Buden 
ÜBt  kennen  lernen  sollten  und  die  deshalb,   min<lestens   in  der 
iMten  Zeit,  mitunter  eine  etwas  liLeherliehe  Rolle  spielten.    Das 
namentlich   mit   einem  Paulin  Feuerle  iler  Fall,   der,   aus 
Wien  entsendet,  dem  Obriatheutenant  Gideon  von  Maretich  für 
Polizeidienate   beigegeben    wurde.     Es   war   ein  leichtgläubiger 
Schwarzseher,  wie  es  nur  einen  geben  konnte,  dessen  Berichte 
nie  Uta    als    Warnungen    und    Wehklagen    enthielten,    darunter 
häulig  MHrchen,  die  er  sich  hatte  aufbinden  lassen.   Bin  reden 
^^B,  hüren,  sah  es  in  Mailand  geradi^zu  trostlos  aus.    ,Mit  ueueu 
HR^anntschaf^en,'    huisst   es   in    einem  Schreiben  vom  2Ö.  Juni, 
^HtarfW  CS  mir  schon  etwas  schwer  seyn,  da  wir  Teutache  bey- 
^Tlahe  allgemein  gehassl  worden.    Ich  versichere  Sie,  die  Unzu- 
friedenheit llbersteigt  alle  Grenzen,    und   mit   eben  jenem  Ver- 
gnügen wilrde  man  uns  wieder  verjagen,  mit  welchem  man  uns 
vor  sieben  Wochen  aufgeuoninien  hat.''  Unter  solchen  Umstünden 


einer 

(pstei: 
■«rar   : 


9HDi.  VU,  ä4G-24tJ. 

*  AoBSUgBWuiHe  A.  J.  Iäl4  ad  VMi;  e»  acliBiut  oin  l'rivatsvhri 


iigewi 


1  aiiStorBn  vom  31.  Juli  liien«  es:  JÜnn  ve'va,  ilium  beim 
I  EiuTflcliBn  ilnserer  Truppen  in  MHylitnd  die  Qetrerbsteule  duruli  ai'hl 
L>  TtgB  mU  Sutileifvu  der  Dolche  sich  bescIiHftigten.'  Wer  sind  diese  .man'? 
niifmerkunLiie   Maiitovani  nagi  dnvuD   nirlita. 


498 

konnte  Ghislieri,  der  sich  mit  der  Polizei  viele  Mühe  gab,  wenig 
Befriedigung  dabei  haben;  ,e8  wird',  berichtete  Regierungsrath 
Raab  nach  Wien,  ,noch  einige  Zeit  der  Prüfung  bedürfen,  um 
den    dermaligen   Polizeibeamten   Glauben   zu  schenkend    Raab 
selbst  arbeitete  im  Venetianischen   als  Polizei-Oberdireetor  viel- 
fach   mit    frischen   Kräften,    auch   hat    er    sich    als    geschulter 
und  erfahrener  Staatsdiener   mit   den    übernommenen   Beamten 
ohne  Zweifel   besser   zurechtgefunden    aJs  Ghislieri  in  Mailand, 
der  selbst  erst  seine  Schule   durchzumachen    hatte.     Als  provi- 
sorische   Obercommissare   fungii-ten    die    uns    zum   Theil  schon 
bekannten    Giavarina   in   Padua,    Ambcrg  in  Verona,  Hanappel 
in  Venedig;    auch   der  in   Ferrara    exponirte   Polizei-Obercom- 
missär  Ferstl    war  an  Raab  gewiesen.     Ferstl   und   Hanappel, 
zuletzt  in  Binlnn  und  in  Graz,  waren  neue  Erwerbungen,  Am- 
berg, nach  seinem  Namen  zu  schliessen,  ohne  Zweifel  auch. 

Nach  der  erklärten  Einverleibung  der  lombardisch-vene- 
tianisehen  Pro^^nzen  konnten  Massregeln  nicht  auf  sich  warten 
.lassen,  welche  die  Anpassung  der  seitherigen  Einrichtungen  auf 
die  nunmehr  österreichischen  Verhältnisse  zum  Ziele  hatte.  Am 
27.  .luli  erschien  eine  Kundmachung  der  provisorischen  Regent- 
schaft, laut  welcher  vom  1.  August  aufzuhören  hatten:  die  Mini- 
sterien des  Innern  und  des  Cultus,  deren  Geschäfte  vorläufi«^ 
von  der  Regentschaft  selbst  besorgt  werden  sollten;  das  Mini- 
sterium der  Finanzen  und  der  Oberste  Rechnungshof,  an  deren 
Stelle  eine  Generalintendanz  zu  treten  hatte;  das  Ministerium 
der  Justiz,  dessen  Functionen  auf  die  höheren  JustizcoUegien 
und  eine  Commission  in  Gesetzgebungssachen  übergin^-en.  Hier 
konnten  nun  massenhafte  Dienstentlassungen  nicht  vermieden 
werden,  und  dass  die  auf  die  Strasse  gesetzten  Beamten  und 
Diener  nicht  zu  den  Vergnügten  im  Lande  gehörten,  war  be- 
greiflich genug.  Die  oberste  Leitung  der  Armee-  und  Marine- 
angelegenheiten nahm  Graf  Bellegarde  persönHch  in  die  Hlind; 
der  italienische  Generalstab  w\u*de  fiir  aufgelöst  erklärt  und 
vom  1.  August  die  Functionen  aller  Territorial-,  Divisions-  und 
Festungscommanden  eingestellt;  sämmtliche  Officiere,  mit  Aus- 
schluss der  GeneraUtät,  wurden  an  die  Depots  von  Vimercate 
und  Casalmaggiore  gewiesen,  um  daselbst  ihre  fernere  Bestim- 
mung zu  erwarten.     FUr  die  Beendigung   des  Reorganisirongs- 


Hrkes  wurde  eine  AUBserordentliche  Kriega commissi on  nieder- 
letxt,  die  ilire  Arbeiten  bis  Ende  Oi;tober  beendet  haben 
sollte.  Den  Vorsitz  in  derselben  ftüirte  Marchese  Somniariva, 
ihm    zur   Seite    der    gewesene    Genera löecrelür    des  KHegsmini- 

^^teriuma    Gencml    Marehese   Paolneci;    zugewieaen  als  Arbeiter 

^^^^  der  Feldkrie^scommissür  von  Einkhemer. 

^^^      Von    Allerhöchster    Stelle    eräossen    jetzt    einschneidende 

^^Feifllingen.  Beztiglich  der  Armee  ging  die  kaiserliche  Willens- 
meinung dabin:  ,da8S  die  in  Meine  Itieuste  übernommenen  ita- 
lienischen Truppen,  sobald  und  nach  Muss  als  sie  formirt  sind, 
in  Meinen  deutschen  Staaten,  und  zwar  zur  Erlernung  des  Dien- 
stes in  Casernen  verlegt  werden,  worüber  ich  dem  llot'krieg«- 
rathe  bereits  Meine  JJet'ehie  ertheilet  Imbo';  Graf  Bellegarde 
werde  sich  daher  mit  dem  Hofkriegsratlis-PrJlsidenten  Fürsten 
Hehwarzenbei^  diesfalls  ins  Kinvernohmeti  setzen.'  Für  die 
anderen  Angelegenheiten  und  Fragen  setzte  Kaiser  Franz  mit 
Ca binetssch reiben  vom  31.  Juli  ,z«r  Einrichtung  der  der  üster- 
reichischen  Monarchie  seit  dem  letzten  Kriege  bereita  ange- 
wachsenen und  noch  in  der  Folge  zufaUeiiden  Lllnder'  eine 
eigene  (Jentrai-OrganisirungS'Huffoiuraiasion  unter  Voraita  des 
Hofkanzlers  frokop  Grafen  La^ansky  nieder;  zum  VieeprKsi- 
deuten  derselben  wurde  Philipp  Freiherr  von  Wessenberg,  zu 
KfUheii  für  das  politische  Fucli  Hofrath  Karl  von  Kubeek  und 
Oraf  von  Guieciardi,  für  die  geistlichen  Angelegenheiten  Au- 
gustiu  von  Gruber,  lUr  die  Studien  Regierungsrath  von  Debrois 
ernannt.  Hinsichtlich  der  zurückgewonnenen  italienischen  Ge- 
biete überwog  bald  die  Meinung,  dieselben  in  zwei  Gouverne- 
ments zu  theilcn,  jedes  Gouvernement  in  Kreise  oder  Provinzen 
untcrzutheilen  und  so  viel  als  möglich  die  Österreichische  Ge- 
setzgebung cinzufUliren.  Für  jene  Abtheilung  inusste  es  in 
Frage  kommen,  ob  man  sieh  dabei  an  die  alten  Grenzen  des 
venetiauischen  Gebietes  zu  halten  babe,  oder  nicht  die  jenseits 
des  Mincio  gelegenen  exvenetianischen  Landstriche  von  Brescia, 
"  ergsmo  und  Cremona  lieber  dem  Mailänder  Gubomium  unter- 
Inen  sollte.  Die  OrganisirungscoiDmission  and  die  Polizeihof- 
Qle  hatten  darüber  die  Wünsche  der  Bevölkerung  abzuhorchen.' 


FAIIerbnohBtea    ItamWhrmb^n    nii   lloll^giinle    vom    12.  .In 
r  Vortrage  vom  21.  uri.l  :il.  MnL. 

url,   Knifl«r  Fr.iiiz  I,  (Wii>ii,  noWiT,   1S72)   11)4  f. 


500 

An  alle  Länderchefs  erging  überdies  der  Auftrag,  Verzeichnisse 
und  Charakteristiken  der  in  den  verschiedenen  Dikasterien  be- 
findlichen Beamten,  die  der  italienischen  Sprache  mächtig  wären, 
einzusenden.* 

Einen  Gegenstand  von  Wichtigkeit  für  einen  monarchischen 
Staat  wie  Oesterreich  bildete  der  Adel.  In  der  cisalpinischen 
Repubhk  war  er  einfach  abgeschafft  worden^  niemand  durfte, 
wie  wir  an  dem  Falle  Litta  gesehen,  bei  was  immer  fUr  einem 
Anlasse  von  seinem  gleichheitswidrigen  Prädicate  Gebranch 
machen.  Das  Empire  hatte  die  Institution  des  Adels  wieder 
hervorgezogen  und  eipen  neuen  geschaffen:  Herzoge^  Grafen, 
Barone  und  Ritter.  Herzoge  waren  in  der  Lombardei  nur 
drei,  darunter  der  von  Lodi,  der  Titel  war  in  männlicher  Linie 
nach  dem  Rechte  der  Erstgeburt  erbhch.  Der  Conte-  und  Baron- 
titel war  nur  persönlich,  dafern  nicht  die  Erlaubniss  zur  Er- 
richtung eines  Majorates  mit  einem  der  betreffenden  Adels- 
stufe nach  dem  Gesetze  entsprechenden  jährlichen  Einkommen 
erwirkt  wurde.  Die  Cavalieri  der  eisernen  Kröne  ftihrten 
gleichfalls  ihren  Adel  persönlich;  doch  war  es  ihnen  ebenso 
gestattet,  denselben  nach  Art.  Xu  des  VU.  Statute  costituzio- 
nale  durch  Stiftung  eines  FamiUen-Fideicommisses  erbUch  zu 
machen^  es  waren  aber  von  den  lombardischen  Rittern  nur 
zwei,  die  von  dieser  Bestimmung  Gebrauch  gemacht  hatten. 
Im  Ganzen  war  der  neue  Adel  nicht  sehr  zahlreich,  43  Conti, 
41  Baroni,  und  Bellegarde  beantragte  daher  beim  Kaiser,  sel- 
ben umsomehr  gelten  zu  lassen,  da  er  ja  überwiegend  an  die 
Person  des  NobiHtirten  geknüpft  sei  und  mit  diesem  zu  Grabe 
gehe.  Der  Wiedereintritt  des  alten  ,grösstentheils  im  Dienste 
des  durchlauchtigsten  Erzhauses'  erworbenen  Adels  in  die  frü- 
heren Rechte   galt  dem  bevollmächtigten  Commissär  als  selbst- 


1  A.  J.  Hofkanzloi-Decrot  vom  11.  Aiigust,  Nr.  9669/1634.  Die  Wirksam- 
keit der  Organisirnng^commission  erstreckte  sich  auch  über  die  illyri- 
schen Provinzen  mit  Ausnahme  des  Villacher  Kreises,  auf  Tirol  nnd 
Vorarlberg.  Unter  den  Mitgliedern  derselben  finden  wir  im  April  1815 
ausser  den  oben  genannten  die  Hofräthe  von  Eiberg  und  Rinna,  den 
Kreishauptmann  Freihorrn  von  Metzburg,  den  Regierungsrath  Freiherrn 
von  Türkheim.  —  Irgendwo  fand  ich  einen  Conte  Lazzarelli  als  Präsi- 
denten einer  zur  Organisirung  der  italienischen  Provinzen  in  Wien  fin- 
gesetzten  Hofcomnüssion;  ich  habe  aber  weder  in  den  Schematismen, 
noch  in  den  Acten  diesen  Namen  gefunden. 


Lndlich.     Vom   Monarchen    wurden    'liese   Grundsätze    im 
^meinen  genehmigt.' 

Im  Laude  aelbat  war  das  Dringendste,  mit  der  Reorgani- 
sation der  italienischen  Tnippenkürper  ins  Reine  zu  kommen. 
Unter  der  Mannschaft  hatte  die  Ausreisserci  in  solchem  Grade 
zugenommen,  daes  man  den  Zeitpunkt  herankommen  sah,  wo 
es  mehr  {^)fliciere  als  Soldaten  geben  würde."  Sehr  viele  flohen 
in  die  Marken  zu  König  Joachim,  der  es  an  geheimen  Auf- 
reizungen diese  ganze  Zeit  hindurch  nicht  hatte  fehlen  lassen; 
sie  wollten,  hiess  es  bei  diesen  Verftllulen,  weder  öaterreichisehe 
Dienste  amiehmen,  noch  kaiserliche  Unterthanen  werden.  Die 
Mehrxahl  blieb  wohl  im  Lande,  aber  nicht  immer,  um  zum 
heimatliehen  Herd  zurllckzukehren ;  nicht  wenige  verlegten  sich 
r  das  Handwerk,  das  einen  hänfenen  Boden  hat,  oder  ge- 
pten  sich  jenen  Banden  zu,  (bc  sich  aus  anderen  Classen, 
rabschiedeten  Amtsdienom,  niederen  Öewerbslcuten  ohne  Ver- 
t  recnitirten  und  alle  Wege  und  Strassen,  alte  vereinzelt 
Menden  Gehüfle,  aber  aelbat  geacblossene  Ortschaften  unsicher 
ichten.  Jeden  Tag  bekam  man  von  Diebstählen  und  Kaub- 
lüen,  von  Einbillchen,  selbst  TodtsclilOgon  zn  hören,  nicht 
iffcoeu  Lande,  sondern   auch   in   verschiedenen  Quar- 


*  Adel»-Ärch.  (Mm.  <\.  I.),  13.  Jnli  Hollcganle  an  ,ltii  Kaisor,  19,  Sej.teraber 

*  LaUiHkj  an  rien  Kaiser,  26,  0<.^k>ber,  Ofen,  kaiierlicbe  BiiKuliliessung', 
Jenen  vom  allen  Adi>1,  die  von  der  italieDinslieii  Stsataverwalliiiig  mit 
aeaem  Ailelatitel  lietlieJt  tvarden,  wodiirch  sie  auf  ihre  alleren  Titel  var- 
Bichtet  £u  hitben  Bcheiiieu,  seien  Jone  einfscli  su  biMtgtigen,  en  wBre 
denn,  dosa  aie  bei  8r.  MnjORÜil  um  Rüi^kveTHetsung-  in  dun  n.ltcn  Adel 
einücbritteii.     Liftr   neue   Adot   bleibe,   wie  er  Qbemummen  wurden,   ent- 

'   weder  persJ^nlich  mler  EdeiroinmiBRariBcli,  daforu  derselbe  nicht  .im  Fnlle 

.   Iimonderer  VerdieuBtlicIikeit   um   Se.  Mi^estKt'  fiir   mannlirlie  und  weili- 

.   lieb«  Kauhkemmen   erblirb  geinaclil   werde.     Eioe  aus  JuhUh-  und  puli- 

tiscben  Iteamteu  in  Mailand   ziisauimeugeiietzte  üommissinn  bntte  die  in 

der  einen   oder   andern  Iticbtimg  erforderlicben  Beweiimittel  xu  prafc-n, 

II  «weifelhaften  Fällen  Vortrag  an  den  Kaiser  tu  erstatten. 

■  JL  J.  lSt4  Cunrulut  ,VerHFhwiiningen':  ,1  reggimenti  aano  aswii  diminuiti 

i  Ibnut  per  le  continiiate  dosorzioiii,  o  »e  ai  proseguisue  cokI  Bnrk  mag- 

t  giore  it  uumeru  degli  urfii-iali  di  quelU  dei  Holda^.'    Aas  einem  St-hrei- 

1  24.  Juni,  der  Absender  ist   oii^bt  genannt,   Adressat  aliec  war 

Bmoh   Giacomo   Oaspari,  gewesonor  Präfect  dea  Deportemenls  Metuuro, 

r  Napoleon  Freimaurer  erster  C'lnase.  jet»t   den  OsIerreichiHyhon  Be- 

'   iiOrden,   wohl  um  anderer  UmsUnde  willen,  in  hohem  Grade  yerdichüg 

nnd  darum  sotgaunst  ilberwatlit. 

1  AnkiT.  Vi-  Lxivi.  U.  Hiin>.  aS 


502 

tieren  von  Mailand,  so  dass  zuletzt  Massregeln  in  grösserem 
Style  ergriflFen  werden  mussten.  Am  29.  Juni  wurde  aus  Mai- 
land ein  Streifcommando  von  800  Reitern  ausgesandt  und  von 
da  an  täglich  so  viel  liederliches  Gesindel  eingebracht,  dass 
bald  alle  für  die  Bewahrung  desselben  verfügbaren  Räumlich- 
keiten zu  eng  wurden.  Von  den  Militärbehörden  wurde  Befehl 
auf  Befehl  erlassen,  Frist  für  Frist  angesetzt,  bis  zu  welcher 
die  Ausreisser  gegen  Zusicherung  der  Straflosigkeit  sich  unter 
ihren  Fahnen  wieder  einzufinden  hätten.  Durch  einen  späteren 
Armeebefehl'  sicherte  Bellegarde  allen  einzigen  Söhnen,  sowie 
Ehemännern,  die  Kinder  besässen,  auf  ihr  Ansuchen  Verab- 
schiedung zu,  aber  gleichfalls  nur  unter  der  Bedingung,  dass 
sie  nicht  fahnenflüchtig  geworden  oder  den  ihnen  zur  straffi^ien 
Rückkehr  gewährten  Zeitpunkt  nicht  unbenutzt  gelassen. 

Unter  den  Officieren  währte  die  üngewissheit  über  ihr 
künftiges  Los  und  daher  Missmuth  und  Widerspruchslust  nun 
schon  in  das  dritte  Monat  hinein.  Allerhand  Gerüchte  trugen  das 
ihrige  bei,  diesen  störrischen  Geist  zu  nähren.  Als  in  der  zwei- 
ten Hälfte  des  Juni  die  Generale  Sommariva  und  Villata  in 
Brescia  erwartet  wurden,  um  die  in  der  Stadt  und  Umgegend 
gamisonirendcn  fünf  italienischen  Regimenter  zu  organisiren, 
lief  ihnen  das  Gerücht  voran:  nach  dem  Plane  des  Inspectors 
Cortesi  sollten  drei  Viertheile  der  Ofticiere  verabschiedet  und 
nur  jene,  die  mindestens  vier  Feldzüge  mitgemacht  und  eine 
Verwundung  davongetragen,  auf  halben  Sold,  400  Lire  jährlich, 
gesetzt,  alle  anderen  einfach  entlassen  werden. ^  Die  Aufregung, 
die  dadurch  in  den  betroflFenen  Kreisen  entstand,  überschritt 
alles  Mass.  In  einer  Nacht,  um  den  26.  oder  27.,  gaben  ita- 
lienische Officiere,  von  Wein  und  Punsch  erhitzt,  unter  Ge- 
schimpfe auf  Oesterreich  und  dessen  Regierung  einander  feier- 
lich das  Wort,  eher  das  Leben  daran  zu  setzen,  als  tmter  den 
kaiserlichen  Fahnen  zu  dienen;  sie  brachen  dann,  immer  lär- 
mend und  fluchend,  auf,  durchzogen  mit  wüstem  Treiben  die 
nächtlich  stillen  Strassen  und  misshandelten  jeden  österreichi- 
schen Officier  oder  Soldaten,  der  ihnen  in  den  Wurf  kam.^ 

Gegen  Ende  Juli   war  man  mit  dem  Reorganisationsplan 
fertig.     Aus  den  lombardisch-venetianischen  Bestandtheilen  der 

'  Vom  9..  September. 

'  Nncli  dem  oben  angeführten  Privatschreiben  vom  24.  Jnni. 

3  Raab  an  Hafifor,  Pacbia  2.  Juli.  A.  .1. 


gew<'seneD  italienischen  Anneo  sollten  vier  Linien-Infanterie- 
Kegimeuter  —  eines  in  Como,  zwei  in  Brestia,  das  vierte  in 
Montei'hiari  — ,  »■ier  leichte  Infanterie-Bataillons,  den  k.  k,  Jä- 
gern vergleicLbar  —  zwei  in  Bergamo,  einos  in  Varcse,  das 
vierte  in  C'asalinaggiore  — ,  endlich  ein  Chovcaiixlegcra-Regi- 
inent  gebildet  werden.  Die  Infanterie- Regimenter  wnrden  neben 
jenen,  die  schon  zur  Zeit  der  früheren  österreichisehen  Horrsehaft 
in  OberitAJien  bestanden  Iiattcu,  an  die  Werbbezirke  gewiesen: 
Nr.  13  Padua,  Nr.  23  Lodi,  Nr.  38  Bi-escia,  Nr.  43  Como  und 
Sondrio;  zu  Inhabern  derselben  wurden  ernannt  die  k.  k.  Feld- 
marscballlieutenants  Maximilian  Froihen-  v.  Wimpffen,  Franz 
Freiherr  v,  Mauroy  de  Merville,  Johann  v.  Prohaska  und  General- 
Feldwaclitmeister  Johann  Karl  Fürst  Paar,  also  durchaus  verdiente 
Generale  aus  dem  illteron  österreichischen  Persontdstande.  Daas 
man  keinen  der  italienischen  Generale  mit  einem  solchen  Ehren- 
nnd  Vertrauensposten  aufizeichnete,  war  filr  den  Anfang  wohl 
jreiÜich;  in  den  kaiserlichen  Dienst  übemoramcn  aber  wur- 
aehr  viele,  darunter  selbst  solche,  deren  napoleonisch- 
IgeniscliG  Anschauungen  und  Absiebten,  deren  Widerwille 
p;n  die  eingetretene  Wandlung  gerade  in  der  letzten  Zeit 
fcr  stark  hervorgetreten  waren,  wie  bei  Fontanelli,  dem  let«- 
i  Kriegsminister  des  Prinzen,  bei  den  Generalen  Palombini 
pd  Zucchi;  sie  wurden  alle  drei  mit  Feldmarschalllieutenants- 
mg  in  die  k.  k.  jVrmee  eingetheilt  und  zwar,  gleich  Ludwig 
eafen  Mazzucolielli  und  Giac.  FU.  Huyoel  Baron  de  Meestre, 
9  ^angestellte',  Palomdini  und  Zucchi  insbesondere  als  Diri- 
^näre;  de  Moestre  wurde  in  seiner  letzten  Stellung  als  Director 
militärisclieu  Waisenhauses  von  San  Luca  belassen.  Als 
tneral majore  oder,  wie  damals  der  Titel  häutiger  lautete, 
meral- Feld  Wachtmeister  wurden  übernommen  Bertoletti,  Vil- 
Paohicci,  Paini  u.  A.  Von  den  , angestellten'  Obriaten 
laden  wir  allerdings  nur  zwei  in  selbständiger  Verwendung: 
iseppc  Fiuetti  als  Festnngscommandanten  von  Pizzighetone 
und  Pietro  von  Businelli  als  Obristen  des  neu  errichteten  Linicn- 
Jnfanterie-Regiments  Nr.  43;  bei  den  anderen  drei  Nr.  13,  33 
und  38  wurden  Giarab.  Cometti,  Carlo  Olini  und  Ferdinand  Graf 
iccopieri  als  zweite  Obriste  eingetheilt,  ebenso  Giov.  Cav,  Nar- 
bei  Savoyen-Dragonem  Nr.  5,  Antonio  Conte  Serbeiloni 
gä  Frimont- Husaren.  Bei  den  nen  errichteten  leichten  Batail- 
wurden  Pietro  Varesi  und  Silvio  Moretli  als  Obriste,  Pietro 


504 

Cav.  Pavoni  als  Obristlieutenant  an  die  Spitze  gestellt;  das  that- 
säclilicbe   Commando  erhielten   aber  nicht    sie,    sondern    unter 
ihnen  Obristlieutenant  Franz  Freiherr  von  Griess  und  die  Majore 
ßlasius   Graf  Begna   und   Gius.  Bozzo   di   Borgo,    altgeschulte 
österreichische  Officiere,  während  jene,  in  die  k.  k.  Armee  neu 
aufgenommen,  selbst  erst  den  Dienst  kennen  und  üben  zu  lernen 
hatten.     Es   lag  also   dieser  Veranstaltung   kein  Missü^auen  zu 
Grunde   und  sie  war  nicht  als  Zurücksetzung   anzusehen,  sod- 
deni   ergab   sieh    einfach  aus  der  vorläufigen  Lage  der  Dinge. 
Vom  Major  abwärts*  wurden  in  den  neu  errichteten  Regimen- 
tern alle  Stellen,  vereinzelte  Fälle  etwa  ausgenommen,  mit  Eün- 
heimischen   besetzt,   was   allerdings   für   die  grosse  Anzahl  von 
Offieieren  aller  Waffengattungen,  welche  der  itaUenischen  Armee 
angehört   hatten,   nicht   auslangte.     Eine  grosse  Anzahl  konnte 
vorläufig   nicht  untergebracht  werden,   wurde  auf  halben  Sold 
gesetzt    und    an   die  Depots   zu  Casahnaggiore,   Gallaratc  und 
Paviu  gewiesen,  wohin  auch  die  aus  der  spanischen  oder  russi- 
Hchen,   britischen  oder  deutschen  £a*iegsgefangenschaft  zurück- 
kehrenden Officiere   einrücken   gemacht  wurden.     Man  nannte 
sie   jisolati';    einige   davon   verlangten   und   erhielten  ihre  Ent- 
lassung,  nicht  wenige  nahmen  in  der  Armee  König  Joachim's 

Dienste. 

12.  . 

Karl  Franz  Comelli  von  Stuckenfeld,  angeblich  in 
Aquileja  geboren,  Sohn  eines  kaiserlichen  Officiers,  lässt  sich 
mit  zwei  Worten  als  das  vollendete  Abbild  eines  Flausenmachers 
und  Abenteurers  charakterisiren.  Am  1.  Juli  1795  Lieutenant 
im  k.  k.  Infanterie- Regiment  Nr.  43,  im  selben  Jahre  wegen 
einer  bei  San  Giacomo  mit  grosser  Bravour  erfolgreich  durch 
geführten  Attaque  über  Vorschlag  des  Feldzeugmeisters  Joseph 
Baron  de  Vins  mit  der  goldenen  Medaille  ausgezeichnet,  war 
im  Jahre  darauf  nach  der  AflFaire  bei  Peschiera  als  ,verniisst* 
angeführt  und  ein  ÄFonat  später,  7.  September,  im  Gefecht  bei 
Primolano  gefangen  worden.     Wann  und  wie  er  sich  das  eine 


>  In  der  italieuiscbeu  Armee  hatten  zum  Theil  andere  Kategt>rieii  bestanden: 
,coI()iieIlo^  galt  jetzt  als  Obrist,  ,maggiore'  als  Obristlieutenant,  ,capo* 
battagliouo/  als  Major.  Es  hatte  drei  Kategorien  von  ,capitani'  gegeben, 
davon  wurden  jene  der  ersten  Hauptleute,  der  zweiten  und  dritten  Capitin- 
Lieutenants;  ebenso  ,tenente'  erster  Clause  =  Oberlientenant,  zweiter 
OHso  TT-  L'rutonant.  ,sotto-tpnento*  =  FKhndrich. 


^|Bd  (Ua  anderenial  wieilei-  luaziimiti'hen   gewusst,  ist  tik-lit  j^v- 
»'  tegt;  sicher  ist,  dasa  er  iu  allem  fjross  war,  wobei  es  atif  Schlau- 
heit, suf  List  und  Finten,  auf  sich  Verbergen  und  unerkanntes 
Diirchmtachon  ankam.     So  leistet  er  noch    ira   selben   Monate, 
wo  CT  in  feindliche  HAnde  gei-athen  war,  seinem  eigenen  Heere 
einen  wichtigen  Dienst,  indem  er  als  Bauer  verkleidet  an  Feld- 
marschalilieutennnt   Davidovich    in    Verona    mündliche   Befehle 
überbringt.     Vom  19.  zum  32.  November  recognoseirt  er  unter 
Misdiandlungen  durch  ft-anBösische  Soldaten  und  physische  Stra- 
pazen a.llcr  Art,  wobei  ihm  seine  gohlone  Medaille  verloren  geht, 
die  fcindhche  Stellung  vor  Verona,   aehleieht  nach   Villanuova 
und  ziiriiek,   nach  Vcronii,    nach  Ala.     Am  ö.  Pecember  zum 
Obcrlioutenant  beim  Freicorps  Gynlai  befilrdert,  erbietet  er  sich, 
wenn  ihm  zu  seiner  Sicherheit  ein  tingirter  Abscliied  gegeben 
würde,  im  Kücken  der  französischen  Armee  eine  Art  Revolution 
in  Scene  zu  setzen.     Vierzehn  Tage  spiltcr   hat    er  mündliche 
Nachricht    wegen    bevorstehenden    Entsatzes   nach    Manlua    zu 
bringen,  httlt  sich  drei  Tage  und  Nfichte  im  Schilfe  verborgen, 
bis   man  die  von  ihm  zur  Nachtzeit  gegebenen  Zeichen  in  der 
feetung  bemerkt  and  ihn  abholt.     Am   1.  Mai   lTfl7  Capitain- 
ntenant,  am  4.  November  XIW  wirklicher  llnuptmann  in  dem 
l^lfetierrichteten  Regiraente  Nr.  4'^.  sendet  er  an  Kaiser  Franz  II. 
ein    jgehorsamstes    Project'    die   Festung   Mantua    mit   geringen 
Mitteln  wiederzugewinnen  und  erbittet  sicli  datllr  statt  der  ver- 
lorenen Medaille  einen  Orden  und  die  Reftirderung  zum  Obrist- 
Hjkntenant;  ira  Falle  des  Misslingens  ,ißt  Unterzeichneter  immer 
^P^lreit,   fllr   seine    Frechheit  mit   seinem  Kopfe  Euer   Majestät 
M  lÜtlsfaction  zu  leisten'.     Das  ,Projccf'  musa  nicht  angenommen 
worden  sein  und  gegen  Ende  des  Jahres  finden  wir  ihn  ,wegen 
unbescheidener  Reden'  in  Haft  und  in  gerichtliche  Untersuchung 
—.gelogen.    Auf  hofkriegsräthlichen  Befehl  vom  SO.  Januar  1799 
■M^d  er  zwar  aus   dem  Arreste  befreit,   da  der  Fall,  fUr  eine 
HaHbho  strafweise  Behandlung  nicht  geeignet,  höchstens  es  rceht- 
lertigen   könne,   ,auf  das    Benehmen    dieses  Hauptmannes   ein 
obaehtsames  Auge  zu  haben';  er  wird  zum  Kegimente  de  Vins 
Nr.  37    übersetzt   und   nach   Vorarlberg   ,instradirt'.     Dodi   ist 
^'  damit   ein   Wendepunkt   in   Comelli's   Lebensbahn   eingetreten, 
^Kpd  xwar  zum  .Sehlimuiercn.  Im  3ilärz  1799  geräth  er  abermals 
^■^Kriegsgefangenschaft,  wird  im  Juh  ranzionirt  imd  macht  am 
^Hk  August  den  Vorachlag,  zwei  venetianischc  leichte  Bataillons 


Dis   n 

Beete 
l^ibtiei 


506 

ZU  errichten,  wovon  er  dem  einen  als  Major  vorgesetzt  werden 
soll.  Gleich  darauf  linden  wir  ihn  ,al8  einen  gefährlichen  und 
bösen  Grundsätzen  anhängenden  Mann'  neuerdings  in  Unter- 
suchung gezogen.  Am  11.  Octobcr  ist  der  Bruch  mit  seiner 
doch  zu  einem  grossen  Theile  ehrenhaften  Vergangenheit  voll- 
zogen: er  geht  bei  FenestrcUe  über  das  Gebirge  zum  Feinde, 
welchem  er  die  Stellung  der  Kaiserlichen  verräth.  DaRir  wird 
er  als  Deserteur  fiir  ehrlos  erkannt,  am  11.  Mai  1800  zu  Bar- 
dighera  sein  Name  an  den  Galgen  geschlagen.  Er  nimmt  fran- 
zösische Dienste  und  will  es  hier  zum  Obrist  gebracht  haben, 
er  schreibt  sich  jetzt  ,Charles  Franyois  Comte  Comelli  de  Stucken- 
feld'  oder  fiir  Vertraute  C.  F.  C.  C.  d.  S.  Im  Juni  1805  wünscht 
er  in  die  kaiserliche  Armee  zurückzukehren,  Graf  Cobenzl  ver- 
wendet sich  von  Paris  aus  für  ihn  beim  Erzherzog  Karl,  der 
jedoch  darauf  nicht  eingehen  will:  ,man  glaubt,  dass  ein  solcher 
Ueberläufer  auf  keine  Art  eine  Rücksicht  verdient'.  Gleichwohl 
finden  wir  ihn  drei  Jahre  später  in  Beziehungen  zu  dem  kaiser- 
lichen Prinzen,  welchem  er  aus  dem  Schlosse  H^mösv^z  3.  August 
1808  sein  Unglück  schildert'  und  von  welchem  er  bald  darauf 


*  Der  Brief  bog-iiint  mit  den  Worten,  die  ihm  sein  Vater  auf  dem  Todten- 
bette  gesagt  habe:  ,Lor8que  mos  malheurs  cesseront  les  tiens  ne  feront  pent- 
etre  que  commeiicer.*  In  was  für  einer  Schmiere  Comelli-Sohn  sich  da- 
mals befanden  habe,  wird  aus  seinem  Schreiben  nicht  klar.  Aber  er  ist 
grösser  als  sein  Unstern:  ,c*est  la  fermet^  dans  Tadversit^  et  non  Ttn- 
solence  dans  la  prosp^rit^  qui  distinguo  les  hommes  de  caract^re  d'arec 
Ics  amcs  triviales/  In  einem  Postscriptum  dankt  er  für  die  erlang 
,salva  guardia^  Ein  zweites  Postscriptum,  vom  15.  August  datirt,  schil- 
dert die  letzte  Gefahr,  die  er  gelaufen:  er  hat  ein  Versteck  iu  dem 
Schlosse  einer  Vicomtesse  gefunden,  deren  Gemahl  auf  dem  Schaffet  ge- 
blutet; das  Schloss  ist  eben  jenes  oben  im  Text  genannte,  die  Vicomtesse 
ist  seine  Flamme  —  ,(iui,  je  Tavoue,  mon  Prince,  est  la  seule  foibleese 
de  mon  cwur*  — ;  eines  Tages  wird  er  durch  Lärm  und  Durcheinander- 
laufen im  ganzen  Schlosse  erschreckt;  schon  will  er  sein  yersteck  ver- 
lassen, als  die  Schlossherrin  in  sein  Cabinot  stürzt,  um  vor  Allem,  da 
Gendarmen  das  Schloss  umstellt  haben,  seine  Papiere  in  Sicherheit  zn 
bringen,  darunter  auch  diesen  Brief;  genug,  er  wird  gerettet,  ab«r  d« 
Ganze  ist  in  eine  solche  Phrasenschwulst  gehüllt,  dass  ein  gewöhnlicher 
Sterblicher  daraus  nicht  klug  wird  —  wenn  nicht  das  Ganze  von  Anfang 
bis  zu  Ende  erfunden  ist!  .  .  .  Die  actenmässige  Zusammenstellung  der 
den  Comelli  bis  1808  betreffenden  Daten  aus  den  Archivalien  des 
Reichskriegsministeriums  hat  mir  der  Herr  Director  Oberst  Leander  von 
Wetzer  gütigst  verschafft,  welchem  ich  mich  dafür  zu  ganz  besonderem 


Bfii  Sich erhettsst'h ein    fUr  allp  (,'ivil-   und  Militärhchörilcii  der 
lUBerliclii^n  Landu  erhält.  Damit  scheint  es  zusanimen  zu  hängen, 
:  von  anderer,  allenlingB  nieht  amtlidier  Ssitc  eri'ahren: 
Jamelli  habe  180il  in  Italien  dem  Erzherzog  Johann  Spähcrdicnste 
'  ^JeJeislot  und  Versuirho   zur  Kcvointionirung;  des  Landes  gegen 
die  KrRuzosen  gemacht,  Naeh  dem  fVir  Ocsterreich  so  unglück- 
liehen  Ausgange    des   Feld/uges   bleibt   ComcUi   wieder   nichts 
tbrig  ilIs  Frankreich,  wo  er  jedoch  festgenommen  und  eingesperrt 
und   jede  feste  Lel^rensstelluiig  verfiert.     Er    seheint   von 
I  IUI  auf  den  .Stegreif  angewiesen  zu  sein,  wobei  er  in  Schulden 
UoaDnehmlichkeiten    aller  Art   ^erieth;    ,er  hat',   schrieb 
tchmiUa  Mettcrnich   von   ihm,    ,wfthrend  meines  Pariser   Aui- 
thaltea  alle  Gefängnisse  durchgewandert'.    Er  versucht  ee  dann 
Ipt  der  höheren  Politik,  A.  h.  mit  Verschwörungen  und  Umsturz- 
tUncu  in  grossem  Styl.  Er  schliesst  steh  an  die  in  Paris  leben- 
n  miflBvergnügten  Italicner  an,  die  hei  dem  röinischen  Sehrift- 
[*  Angeloni  und  einem  Arzte  Comara  zusammenzukommen 
«n,    und    trägt    dabei    einen    wlitlienden    Oestcrreiclierhass 
r  Hchau.    Er  geht  dann  nach  London  und  gilt  als  Haupt  der 
t  lebenden  Independisten,  Augelo  Boneili,  Abatc  Macpherson, 
I  und  Gidon  Uous  etc.  in  ihrem  Kreise  ist  er  der  ,General 
mte  Uomelli',  nach  aussen  deckt  er  sich  mit  dem  Pseudonym 
Kur  Bertoldi  aus  Delmenhorst,  wohin  der  Umsehlag  über  die 
r  ihn  bestimmten  Briefe  adressirt  werden  mtlase. 

Hiebt  so  genau  sind  wir  Über  eine  zweite  Persönlichkeit 
■richtet,  von  deren  Vorleben  wir  nicht  mehr  wissen,  als 
asic  uns  selbst  davon  erzählt.  Sieur  Esqujron  de  St.  Agnan' 
;  sich  als  ,homme  de  letti-es',  will  1808  durch  den  Grafen 
Bttärnich  dem  Kaiser  Franz  ein  Werk  liben'cieht  und  dafür  die 
Ueno  Medaille  erhalten  haben.  Im  Frühjahr  1814  benützt  er 
)  Anwesenheit  dieses  Monarchen  in  Paris,  um  demselben  die 
'  Uefurung  seines  ,Dieu,  la  nature  et  Ics  iois'  zu  Füssen 
[^  legen,   wofür   er  vom  Kaiser,   so  zum  mindesten  berichtet 


t.  Dnnko  vorpfliclitet  filkle.    Von  IHOS  hI>  versiegt  leider  diese  verlRiiAlicIie 

lOoelle, 

liDiM  i»t  wnhl  die  richtige  Suhreibung;  niulit  ,S»int  Aifpian',  wia  e»  in  ileu 

i  Wiener  Dud  MfLÜäuderDetiPsulieii  tieUnt,  wozu  wutil  lUe  NninutisSliiilicIikoit 

I   mit  jetiem  frauzllniicbeii  Di|iliiuifit«u  hu  den  iiäi.'LHi)^('lien  Hnfen  Baruu  lEtuuK- 

j   Man  de  Salat- Aigniui,   HchvfH^r  CAiiUim'unrt'x,   der   nitcli   der  tjohtiii^ht 

I   Wt  Leipzig  die  l>el(»]inte  ß'ille  »jiielle,  Äiilntw  jrogebeu  li.iben  »ing. 


508 

St.  Agnan  selbst,  auf  das  ireundlichste  empfangen  wird.^  Um 
die  Mitte  Juni  ist  er  in  London  und  triflFt  hier  mit  Comelli  zu- 
sammen,  welchem  er  vor  Jahren  aus  irgend  einer  der  vielen 
Verlegenheiten  jenes  Abenteurers  herausgeholfen  hat.  Dieser 
war  jetzt  wieder  in  voller  Thätigkeit.  Als  ,Le  Comte  Charles 
Fran9oi8  Comelli  de  Stuckenfeld'  richtete  der  Windbeutel, 
während  Kaiser  Alexander  nach  London  kam,  durch  den  Ge- 
sandten Grafen  Liewen  an  den  Zar  imd  an  den  König  von 
Preussen  Denkschriften,  in  denen  er  gegen  Oesterreich  hetzte 
und  insbesondere  den  Grafen  Liewen  bat,  vom  Kaiser  den  Be- 
fehl zu  erwirken,  ,afin  qu'aucun  des  Italiens  qui  se  trouvent  prison- 
niers  de  guerre  dans  son  empire,  ne  soit  rendu  en  Autriche  ou 
en  Italic  jusqu'  k  nouvel  ordre^^  Dem  St.  Agnan  machte  er 
wichtige  Enthüllungen:  in  den  ersten  Octobertagen  werde  in 
ganz  Italien  eine  Revolution  ausbrechen,  ein  römisches  Reich 
mit  einem  ,Cäsar'  und  drei  Consuln  an  der  Spitze  solle  aus- 
gerufen, Kaiser  Franz  umgebracht  werden,  zwei  Generale  aus 
der  Umgebung  des  Kaisers  seien  im  Geheimniss,  um  das  übrigens 
bis  zur  Stunde  weder  Napoleon  auf  Elba  noch  Prinz  Eugen 
etwas  wissen;  Russland  sei  dem  Unternehmen  günstig,  um  da- 
durch Oesterreichs  Pläne  auf  die  apenninische  Halbinsel  zu 
kreuzen.  Wer  der  künftige  Cäsar  sei,  wollte  Comelli  nicht  sagen; 
jedenfalls  werde  derselbe  einer  der  regierenden  Familien  Europas 
entnommen  sein.  Einverstanden  mit  dem  Entwürfe  seien  viele 
höhere  Officiere  der  Armee  des  Königreichs  Italien,  und  es 
sei  mit  diesen  eine  Zusammenkunft  für  den  5.  August  in  Mai- 
land angesetzt,  wo  man  das  Nähere  besprechen  werde.  Comelli 
wollte,  so  theilte  er  St.  Agnan  mit,  am  1.  Jidi  London  verlassen 
und  über  Holland,  Delmenhorst  und  Tirol  nach  ItaUen  reisen, 
um  am  bestimmten  Tage  in  Mailand  einzutreffen. 

St.  Agnan  kehrte  nach  Paris  zurück,  meldete  sich  am 
15.  Juli  bei  dem  kaiserlichen  Commissar  am  französischen  Hofe 
Grafen  Ludwig  Bombelles  und  eröffnete  diesem,   bei  welchem 


*  Diese  Dinge  kann  St.  Agnan  nicht  erfunden  und  erlogen  haben,  da  er 
sich  sagen  musste,  dass  Graf  Bombelles  darüber  nach  Wien  berichten 
werde,  wo  man  seine  Angaben  controliren  konnte.  Ich  bemerke  aber, 
dass  ich  weder  in  Qu6rard,  La  France  litt^raire,  seinen  Namen  unter 
den  Schriftstellern,  noch  in  der  kaiserlichen  Fideicommiss-Bibliothek  so 
Wien  die  dem  Kaiser  Franz  überreichten  Werke  gpefonden  habe. 

2  A.  J.  1814  ad  83,  Fascikel  , Verschwörungen*. 


Ich  dessi'n  Bruder  Heinrich,  k,  k.  Hauptmann  und  Botschnfte- 
kvatier,    befand,    die    geheimen   Anschläge   Comelli'a    und    auf 
reichem  Wege  und  durch  welche  Beziehungen  er  zu  dem  Ver- 
men  des  letzteren  gekommen  sei.   Kr  Übergab,  gleichsam  als 
Irgen    fiir    die   Wahrheit   seiner  Aussagen,    eine    Anzahl    von 
^riftsttlcken,   vorbereitete  Aufrufe,   Instructionen  u.  dgl.,    die 
Coraelli   erlialten   haben    wollte.     Er   orbot   sich   selbst 
ich  Mailand  zu  reisen,  dafern  ihm  nur  die  nöthigen  Geldmittel 
geschossen  würden,  und  dort  seinen  Verkehr  mit  Comelli  und 
Basen  Genossen,  von  denen  er  erwartet  werde,  zu  unterhalten, 
I  stets  in  Kenntniss  ihrer  iiilehsten  FlKne  zu  sein.     Er  stellte 
[dieBem  seinen  Sehritt  als  ein  grosses  Wagniss  vor,    fUr  das  er 
ic\i  sicheres  Geleite  und   strengste  üeberwachung  seitens  der 
tolizei  erbitten  müsse,   wenn  er  nicht  den  Dolchen   der  Ver- 
forenen  verfallen  solle. 
Auf  die  beiden  Bombelies  machte  der  französische  Edel- 
mann den  günstigsten  Eindruck,     Graf  Ludwig  bedauerte  nur, 
sich  nicht  vom  Fleck  weg  entscheiden   zu   können,   da  er   in 
einer  so  wichtigen  Angelegenheit  vorerst  in  Wien  anfragen  müsse. 
Oahin    ging   am   IH,  Graf  Heinrich   ab,   um  dem  Staatskauzier 
durch  mündlichen  Bericht  ku  ergflnxen,  was  sein  Bruder  in  der 
amüichen  üepeschc  zu  Papier  gebracht  hatte.' 


Gegen   Ende  Juni   war  aus   Padua  nach   Wien   berichtet 
yräcTt,  dass  in  Mailiind  ,zicmlich  offen'  zweierlei  Subsoriptions- 
len  umliefen,  für  solche,  die  sich   erböten,  Waffen  zu  tragen, 
I  und  flir  jene,   die  Geld   hergeben  wollten.     Noch  bedenklicher 
lauteten   die    Meldungen   Feuerle's:    die   aufgelöste    italienische 
Armee   imd   die  Miss  vergnügten   in  Bologna,   Bresciii,  Verona, 
Udine   führten    eifrige    Correspondenzen    und    trilgen    ,wohl   ge- 
schliffene Stiletc   in  .Stücken  und  Stiefeln'   bei   sich,    daher   das 
von  der  (ruberen  Regierung  erlassene  scharfe  Verbot  verborgene 
Waffen  zu  tragen  orncuort  werden  sollte.'  Wo  die  Polizei  von 
iheimen  Zusammenkünften  erfuhr,  schritt  sie  unverzüglich  ein, 

1^  A.  J.  Beils^  XU  Nr.  6778  ad  V2lrl\    in  AWi-Urift  Iwigen'hlnaseu:    t.  Be- 
■    sclir«ibniie  Aar  fmschieclonea   GelieimBeieheni    t.  Reglemona  pruviaoirea 
favT  1e  Ooiivenieinent;    B.  Apper^ii  iles   moyens  il'exJciitLoii;    4.  Projot 
d'nns  proutnnuitiiin  hui  Peiiple«  Ao  TEmpire  RomAin. 

«  K««b  »n   ir«frfr  l'n.l.if.  SS..  Kni„Tli>  M:iilnnd  2!».  .Iiini. 


510 

wie  am  12.  Juli  gegen  eine  Versammlung  der  Fi-eimaurer  bei 
St.  Olona,  deren  Papiere  und  Gelder  man  mit  Beschlag  belegte. 
Vier  Tage  später  fanden  sich  beim  Kaufmann  Sovcsi  Kisten  mit 
Flinten  und,  wie  man  sich  in  der  Stadt  erzählte^  einige  Fäss- 
chen mit  Pulver,  woraus  allerdings  nicht  mit  Nothwendigkeit 
folgte,  dass  dem  Besitz  und  Vertrieb  dieser  Artikel  regierungs- 
feindliche Absichten  zugrunde  lägen;  sie  wurden  indessen  be- 
hördlich in  Empfang  genommen. 

In  den  leitenden  Regierungskreisen  war  man  nicht  so 
furchtsam.  Die  doppelten  Subscriptionslisten  für  Waffen  und  für 
()eld,  erklärte  Bellegarde  in  einem  Berichte  vom  19.  JuH  an 
Baron  Hager,  seien  eine  Fabel;  er  sei  bis  zur  Stunde  keiner 
antiösterreichischen  Verschwörung  auf  die  Spur  gekommen;  die 
etwa  in  einigen  Dipartimenti  noch  umlaufenden  Unterschnft- 
bogon  Hlhrten  aus  der  Zeit  vor  dem  Einmarsch  der  Kaiserlichen 
her  und  seien  Nachklänge  der  damaUgen  mailändischen  Petition, 
welche  die  Unabhängigkeit  des  Königreichs  Italien  zum  Ziele 
hatten.  Auch  von  den  Freimaurern  besorgte  er  nichts.  Gegen 
Ende  Juli  kam  der  venetianische  Polizei-Oberdirector  nach  Mai- 
land, von  wo  er  Verzeichnisse  und  Charakteristiken  der  Einge- 
weihten an  Baron  Hager  nach  Wien  sandte.  Die  Freimaurer 
galten  ihm,  und  dies  war  ohne  Zweifel  auch  Bellegarde's  Mei- 
nung, als  unschädlich:  ,Mag  seyn,  dass  sich  einzelne  in  der 
Wohnimg  dieses  oder  jenes  Bruders  zusanmieniinden;  das  ist 
aber,  obwohl  die  poiizeiUchen  Organe  angewiesen,  die  Privat- 
zusammenkilnfte  bekannter  Freymaurer  zu  überwachen,  schwer 
zu  verhindern;  der  Regierung  muss  es  genug  sein,  zu  wissen, 
dass  selbe  in  keiner  Loge  ordentlich  zusammenkommen.' 

Allein  die  unteren  PoUzeiorgane  gaben  sieh  keine  Ruhe 
und  auch  von  anderer  Seite  wurde  unablässig  gegen  die  Secte 
geschürt.  Unseren  Feuerle  finden  wir  hier  in  seinem  Element, 
er  richtet  seinen  Blick  weit  über  die  Grenzen  des  Mailändischen : 
Jn  Turin  sollte  eine  Freimaurergesellschaft  aufgehoben  werden; 
als  aber  imser  Militär  erschien«  fand  sich  unser  General  Bubna 
in  selber,   welcher  die  Wache  unter  Drohungen  zurückwies.^  ^ 

*  Kaah  »u  Ha^r,  Paidu»  15.  Ausist. 

-  A.  J.  «Vor?chwr»nui^n%  MaiUnd  10.  August.  Ist  dieser  Angabe  m  trmoen? 
Kiitvr^ler  war  der  OberbefehlsKaber  der  k.  k.  Trappen  in  Turin  Frei- 
niaurer«  djuin  konnte  militürisckersetfe»  gegen  die  Logen  nicht  eingeschritten 
werdoii.    Oder  es  iKUide  gegen  die  Tnriner  Logen  militniischerKits  ein- 


611 

Der  Buchdrucker  Nie.  Bettoni  in  Padua  wollte  eine  heftige 
Schlaft  Napoleons  Erhebung  und  Fall  ein  Werk  der  Freimaurer' 
auflegen;  der  Aufsatz  wurde  mit  Bemerkimgen  des  Polizei- 
commissars Giavarina  und  des  regierungsfreundlichen  Advocaten 
ValcntincUi  nach  Wien  geschickt;^  in  Druck  durfte  er  aber 
nicht  gelegt  werden,  man  wollte  Aufsehen  vermeiden;  denn,  wie 
der  Bischof  von  Padua  klagte,  ,dic  freimaurerische  Bündelei 
herrscht  mehr  wie  je'.  Es  kamen  auch  von  anderen  Seiten 
Warnungen.  So  berichtete  Graf  Ncipporg,  im  Juli  und  August 
an  der  Seite  der  Kaiserin  Maria  Louise  in  den  Bädern  von  Aix, 
an  den  Fürsten  Mettemich  und  macht<3  gleichzeitig  den  Grafen 
Bellegarde  aufmerksam,  dass  eine  geheime  Thätigkeit  auf  Bil- 
dung eines  itaUenischen  Bundes  ,ganz  nach  den  Grundsätzen 
des  Tugendbundes'  ausgehe  und  die  Herstellung  einer  italienischen 
Republik  zum  Ziele  habe;  britische  Staatsmänner  seien  wohl 
diesen  Bestrebungen  nicht  abgeneigt:  ,Es  sollen  sehr  viele 
Staatsbeamte  in  den  italienisch-österreichischen  Provinzen  bereits 
zu  dieser  Gesellschaft  gehören  und  sie  soll  hauptsächhch  auf 
das  italienische  Militär  zu  wirken  trachten'.^  Von  Wien  aus  liess 
man  die  Freimaurer  nicht  aus  dem  Auge,  immer  wieder  wurden 
Verzeichnisse  derselben  abverlangt  und  eingeliefert.  So  erfolgte 
denn  seitens  der  provisorischen  Regentschaft  in  Mailand  am 
26.  August  eine  scharfe  Kundmachung  gegen  die  Freimaurer 
,ed  altri  consimili  Societk';  GefUngniss  zwischen  zwei  Monaten  und 
einem  Jahr,  bei  einem  Rückfall  noch  schärfere  Strafen,  bei  Be- 
amten Entlassung  aus  dem  Dienste,  waren  auf  die  Uebertretung 
gesetzt.  Am  9.  September  veröflfentlichte  Fürst  Reuss-Plaucn  in 
Padua  einen  ähnlichen  Erlass.^ 

*  ♦ 

Der  5.  August  war  in  Mailand  ohne  irgend  eine  ausscr- 
gewöhnliche  Erscheinung  vorübergegangen.  St.  Agnan  der  edle 
Ritter  war  nicht  gekommen,  weil  ihm  Graf  Bombelles  nicht  das 


gescbritten,  dann  konnte  der  Oberbefehlshaber  der  k.  k.  Truppen  nicht 
Freimaurer  sein! 

'  A.  J.  ,Ver8chw^5rungen*  3377  ad  83,  der  Aufsatz  selbst  liegt  dem  Acte 
nicht  bei. 

3  8t.  A.  1814,  30.  Juli,  8.  August. 

3  A.  J.  »Verschwörungen*,  Z.  2636/83  mit  Exemplaren  der  beiden  Kund- 
machungen.   Die  Mailänder  ist  unterzeichnet:  II  Commissario  plenipoten- 


512 

gewünschte  Geld  vorgeschossen;  aber  auch  Comelli  scheint 
nicht  eingetroffen  zu  sein,  da  er  sonst  den  argwöhnischen  Blicken 
der  Mailänder  Polizei  kaum  würde  entgangen  sein.  Das  ganzo 
Stelldichein  mit  vorgeblichen  italienischen  Verschwörern  war 
etwa  eine  Erfindung  der  beiden  Schwindler  oder  des  französischen 
Ca  valiers  allein.  Ihre  Enthüllungen,  die  in  der  zweiten  Hälflc 
Juli  den  Fürsten  Mettemich  und  den  Freiherm  Hager-Altensteig 
eine  Zeit  lang  beschäftigt  hatten,  waren  bereits  in  den  Hinter- 
grund getreten,  als  aus  Tirol  vom  k.  k.  Oberlandescommissar 
Anton  Leopold  von  Roschmann-Hörburg  Nachrichten  einliefen, 
die  neuerdings  die  Blicke  auf  die  lombardische  Hauptstadt 
lenkten.  Es  waren  keine  bestimmten  Angaben,  die  Roschmann 
liefern  konnte,  weder  in  der  Sache  noch  bezüglich  der  Persön- 
lichkeiten, es  waren  blosse  Anzeichen,  dass  imter  der  Oberfläche 
etwas  gähre,  dass  auf  ein  Ziel,  das  er  nicht  näher  zu  beschreiben 
vermochte,  hingearbeitet  werde. 

Graf  Bombelies  erhielt  jetzt  von  Wien  aus  die  Weisimg, 
den  Herrn  von  St.  Agnan  kommen  zu  lassen  und  mit  demselben 
über  die  Mailänder  Reise,  zu  der  er  sich  das  erstemal  erboten 
hatte,  zu  verhandeln.  Die  Besprechimg  fand  in  den  letzten  Tagen 
August  statt.  St.  Agnan  zeigte  sich  aber  jetzt  etwas  schwieriger. 
Er  gebrauchte  allerhand  Ausflüchte;  er  erklärte,  er  könne  nicht 
abreisen,  er  habe  Schulden,  ohne  einen  Vorschuss  von  8000  fl. 
könne  er  nicht  flott  werden;  übrigens  sei  sein  Erscheinen  in 
Mailand  für  den  Augenblick  nicht  dringend,  nachdem  das 
Stelldichein  vom  5.  August  verpasst  worden,  sei  an  einen  Los- 
bruch vor  dem  October  nicht  zu  denken.  Graf  Bombelies  gab 
dem  Schwätzer  einen  Vorschuss  von  500  fl.  und  berichtete  nach 
Wien.  Bei  der  ersten  Unterredung  mit  dem  französischen  Sieur 
hatte  dieser  auf  den  kaiserlichen  Commissar  den  vortheilhaftesten 
Eindruck  gemacht:  das  sei  ,un  homme  de  bien  et  de  bons  prin- 
cipes  et  dont  la  foi  ne  saurait  etre  suspectöe^  Jetzt  urtheilte  man  in 
Paris,  und  noch  mdhr  in  Wien,  über  ihn  anders,  obwohl  man  seine 
Dienste  vorderhand  nicht  zu  entrathcn  vermeinte.  Ueber  Comelli 
th eilte  Bombclles  mit,  dass  er  in  Italien  zu  sein  scheine,  und  Graf 
Bellegarde  sollte  doch  wohl  Anstalten  ti'eflfen  ,pour  bien  observer 


ziario  BcUeganle  Presidoiite.  Per  la  Reg^enza  II  segr.  generale  A.  Stri- 
gelli.  (Strigclli  war  zuletzt  Secretar  des  kOnigl.  italienischen  Staatsratbcs 
ge.wesen.) 


icölt^rat','  In  der  Tbat  beschiuktfi  Hager  den  kaiserlichen 
eldautrscIiAll  mit  dem  dienstlichen  Ersuchen,  den  berüchtigten 
melli-8tuckenfeld  ausfindig  zu  machun  und  Überwachen  zu 
aeüj  lö.  >Septeniber.  Seinerseits  blleli  Ruschtuann  in  Innsbruck 
nicht  uuthätig.  Um  sich  Klarheit  darüber  zu  verschaffen,  was 
Jenseite  der  Alpen  gesponnen  werde  und  welches  die  Theii- 
nelimcr  an  den  vcreteckten  Vorgängen  seien,  beschlnss  er  einen 
gewandton  und  vertrauenswürdigen  Mann  als  ,taux  frfere'  nach 
Mailand  zu  senden.  Seine  Wahl  traf  erst  den  Ti-ienter  Advo- 
caten  Prati,  dann  entschied  er  sich  aber  fUr  den  gewesenen 
Podcatii  von  Trieut  Dr.  Cbeluzzi,  den  er  mit  einem  ,Reisegeld- 
verlag*  von  2000  fl.  CM.  ausstattete.' 

Der  voraohmon  Gesinnung,  dem  ritterlichen  Charakter 
des  Grafen  Bellcgardc  widerstrebte  das  eine  nicht  minder  als 
das  andere.  Er  gab  auf  die  Sendung  des  Trienter  ,falscben 
Bniders'  ebenso  wenig  als  auf  die  Enthllllnngen  des  französischen 
Edelmannes,  welch  letztere  Mett«rnich,  so  gegründete  Zweifel 
er  selbst  in  deren  Glaubwürdigkeit  setzen  mochte,  dem  kaiser- 
lichen Feldmarsehall  kurz  zuvor  niitgetheilt  hatte."  ,Welchon 
Zweck  diese  Leute  bey  derlei  falschen  Angaben  sich  vorzeichnen,' 
schrieb  ßelJegarde  am  23.  September  an  den  Chef  der  Polizci- 
hofstelle,  ,kann  ich  wohl  nicht  ergründen,  vielleicht  blos  um 
uns  irrezufuhren  und  zu  unzeitigen  Massregeln  zu  verleiten.' 
Bellcgarde  glaubte  überhaupt  an  keine  Verschwörung.  Unzn- 
^■ledcne,  meinte  er.  gehe  es  überall,  ,aher  diese  billigen  nicht 
r  bestimmten  I'artoy';  wenn  der  Congrcss  Frieden  bringe, 


!>  A~  J,  tS14  Heilag'?  za  Nr.  3699  aä  1202. 

i  E«  ist  ilbrigena  xa  Itemerkon,  ditus  dor  Name  Clielnxzi's  in  ileii  Depcsi'lieii 
Dallegarde'«  nicht  vorkommt,  wühl  alier  der  siucH  Etturi,  Qlier  den  sitli  Bullo- 
gurde  iD  »ehr  ^ringuchätKi^r  Weine  iiu»pricht:  er  hüro  ilin  nn,  er  l»me  siuli 
von  ilim  eriftlilen,  aber  er  gebe  ihm  keine  AaftrSge  noch  Beglanlii^inga- 

^■direiben;  seine  H>Itiiiig  im  Tosrnnischen,  Ton  wo  er  den  Exkaiser  am- 

i  Kp'unü'mi  wollte,  liaho  ihn  sehr  verdichti^  ^macht  ,da  Tonloir  bion  plua 
iT  Mxl  l^ie«  de  Klpul^on  iju'i  celtes  de  notre  umr*  (December).   Die 

I  MOgUebktiit  icheint  mir  nicht  aiugeiichlaiaea,  (Um  CheluxKi  nnil  Bttori 
B  nnd  dieselbe  Person  sind,  d.  li.  iluis  sich  dar  VertrHueimmniin  Rosi^b' 
mann'«,  der  hIb  ehemaliger  PodestH  einer  su  wichtigeu  St»dt  wie  Trient 
nicht  Idifht  iinbeuierkt  bleiben  konnte,  ReiHednctimente  Aat  jenes  Pseu- 
donym annbediingen  hahe. 

*  A.  J.  Metl.<n<iil>  nn  UHlug'nrd«.  WJpn  »1.  Ausist. 


liabe  man  niolit  i\ns  geringste  zu  beftii-uhtun'.  In  iler  That  hl 
Oraf  Bellegarde  sowohl  seine  eigene  als  die  vcnetianisi 
Polizei  zu  oft  auf  falsclieii  Fährten  ertapjit,  um  so  leicht  neuen 
Angebereien  sein  Ohr  zu  leihen.  Obwohl  die  Freimaorerlogen 
unterdrückt  waren,  wollten  die  untereu  (li^ane  immer  wieder 
von  allerliand  Treiben  dieser  Secte  wissen,  von  Versendungen 
von  Kisten  mit  Büchern  freimaurorischen  Inlialts,  wovon  unter 
anderen  der  Postwagendireclor  Gioacchino  Storasi  in  Verona 
zu  erzllhlen  wisse  u.  dgl.  Wenn  sie  mit  solchen  Meldungen 
in  Mailand  nnil  Venedig  kcinra  Glauben  zu  finden  ineinten, 
so  wandtoll  sie  sich  unmittelbar  nach  Wien.  So  lief  daselbat 
im  September  eine  Anzeige  aus  Venedig  ein,  dass  sich  in  einem 
vom  Mittelpunkte  entlegenen  Sladtthcüe.  in  einem  Privatliausc 
der  Pfarre  ai  Carmini  Freimaurer  der  Loge  la  LeÜKia  ver 
sammeln;  Raab,  den  der  Oberste  Polizciprstsidcnt  hierüber 
befragte,  stellte  die  Sache  entschieden  in  Abrede,  Ana  Laibach 
berichtete  man  von  Anliilngern  der  Napoleoniden  unter 
Freimaurern:  sie  trügen  auf  der  Bnist  unter  dem  Kleide 
Medaille  mit  der  Biene  und  einem  schlafenden  Adler  und  sttchl 
uiit  ftlien  Mitteln  MissvopgnÜgen  gegen  die  bestehenden  Rcgie- 
rungeu  zu  verbreiten.  Dann  kamen  wieder  Anzeichen  von 
einer  ,Betta  detta  dei  Raggi'  in  Mailand,  die  unter  dem  Deck- 
mantel von  Werken  der  WoIdlhJitigkeit  politische  Knnke  spii 
Gelder  sammle,  Hilfskräfte  suche;  hochgestellte  Personen, 
unter  ein  Mitglied  der  provisorischen  Kegentsehaft,  seien 
der  Spitze.  Auch  die  Engländer  Hessen  keine  Ruhe  und  gewannen 
immer  mehr  Anhang  in  der  Lombardei,  selbst  Über  den  Minciu 
hinüber;  der  IHvisionsgcnerai  Palombini  habe  Subscriptl  uns  listen 
in  dieser  Hiehtuiig  eröffnet,  im  Cafe  ai  Servi  werde  die  äavhi- 
ganz  unumwunden  betrieben.  Der  uubUndige  Beifall,  mit  welchem 
der  in  Mailand  weilende  Lord  Bentinck  begrilsst  worden, 
oft  er  sich  in  der  Theaterloge  gezeigt  habe,  sei  ein  nidit 
missdeutendes  Wahrzeichen.  Feuerte  wollte  wissen,  dasato  Qi 
von  den  Engländern  eine  Revolution  vorbereitet  werde;  eine 
eigene  Seete  der  ,Neri'  —  schwarzer  Anzug,  Schnurr-  und 
Bnckenbai-t,  unter  der  Lefze  ein  SpitzbJlrtchen  —  unterböte 
lebhiiftcn  Verkehr  mit  gleich  gesinnten  Lombarden:  Zu- 
AbgAiig  von  ÜenuGseu  und  Piemontesen,  geheime  2\u 
künfte  derselben  mit  Einheimischen,  seien  in  MiüUiiiI 
Alltägll flies.    Aber  aneh  von  Frankreich,  wo  die  altge 


kibacb 

'M 

Rcgie- 
1  von 
Dect.^ 

'4 

nn  m^^ 
innen 
[incio 
listen 
iavhi- 
eheu 
I,    M^B 


riedenlieit    uinur    neuen    Jievoluliun    in    die    Hilmli;    arbeite, 

ike  den  Freimaurern  frolie  Aussicht:  man  köune  cb  ihren  ver- 

1  Gesii'hlern  ablesen,  daas  sie  g'uten  Mutlies  seien,  ,weil 

I  durch  selbe  in  ihren  vonnaHgen  Wirkungskreis  und  Glanz 

■  eingesetzt  zu  werden  hoffen'.' 

Solch  allgcmeinf-n  Redereien  konnte  man  glauben  und 
glauben.  Bellegarde  glaubte  ihnen  nicht,  weil  selbst  in 
(cheu  Fällen,  wie  in  jenem  von  Venedig  oi  Carmini,  wo  he- 
mmte Anhaltsii  unkte  gcgebeu  waren,  bei  nilherer  Nachforschung 
)  Örumllosigkeit  derselben  an  den  Tag  trat.  So  hatte  Luigi 
[dini,  ein  tlbel  beleumundeter  Mensch,  von  geheimen  Umtrieben 
'  Freimaurer  in  Bologna  und  Umgebung  berichtet:  in  der 
BisiUera,  einem  an  der  Strasse  nach  Modena  gelegenen  Land- 
1  des  Marchese  Caprara,  hielten  sie  ihre  Zusammenkiiufte, 
t  hätten  sie  ihre  Cassc  (bei  3,0OO.OU0  Fr.),  ihr  Archiv,  ihre 
iffen,  ihre  scliwarz-rothen  Cocarden.  Der  kaiserliche  Generai- 
ffnUmächtigte  befahl  scharfe  Untersucbtmg:  es  fand  sich  aber 
!|3er  in  der  Ghisiliera  noch  in  einem  andern  Landhauae  der 
i  dae  Geringste,  so  dass  Bell^arde  die  ganze  Sache  für 
uiden  und  erlogen  erklärte. 

Bedeutsamer  aU  di(^  ganze  Gewirre  von  Meldungen  und 
(Zeigen  war  ein  Moment,  worin  die  Angaben  St.  Agnan's,  so 
oig  Glauben  man  ihnen  im  übrigen  schenken  mochte,  mit 
Mittheiliingen  des  Grafen  Neipperg  zusammenstimmten: 
Kde  sprachen  von  ,mchreren  Genoralen  der  gewesenen  Armee 
Königreichs  ItaUen*.  Ueber  diese  wunde  Stelle  konnte 
»t  Bellegarde,  so  lang  das  italienische  Militär  noch  im  Lande 
wlte,  nicht  achtlos  hinausgehen.  Denn  es  Hess  sich  nicht  ver- 
inen,  dass  es  in  Ofticierskreisen  ein  verdächtiges  Zusammen- 
kon  der  Köpfe  gab,  dass  ein  gewisser  Geist  der  Unruhe  und 
des  Widerspruchs  in  ihren  Reihen  noch  fortwährend  sein  unheim- 
liches Wesen  trieb,  wenn  es  auch  bisher  niclit  gelungen  war, 
«twus  Greifbarem  auf  die  Spui-  zu  koi 


■  A.  J.  Venedig  3».  Septeiiil.L>r,  UaHU  nti  lligi:i;  I^tibai'L  1.  UrtulHT.  Kri^n- 
ninger  an  Itnab;  Veij»ili|;  G.,  vnii  eiuem  ünWknniilcii;  s.  ttanb  an  lln- 
1  p&Riiiin.  lu  ileni  Heridite  roni  8.  wenlnii  die  Zaiclien  d«r  Aiiglo- 
I   bsRchriebeii;   ihr   KrkanouuKfigeaprJtt^h   laute:   A,  Socim)»».   B.  Ai 

L  InTvlioL  A.Ouon.  A  AU'Italia. 


616 


13. 


Es  dürfte  kaum  vor  der  zweiten  Hälfte  September  ge- 
wesen sein,  dass  sich  die  Obriste  Moretti  und  Olini  im  Theater 
von  Brcscia  trafen.  Silvestro  Moretti  aus  Zavallo,  um  1777 
geboren,  erst  Geistlicher,  hatte  unter  der  Republik  den  Vornamen 
Silvio  angenommen  und  das  kirchliche  Gewand  mit  dem  Sol- 
datenrock vertauscht,  in  welchem  er  von  Stufe  zu  Stufe  stieg.' 
Er  sowohl  wie  Paolo  Olini  —  aus  Pinzano  in  Friaul,  ein  Vier- 
ziger, verheiratet  —  hatten  beide  ihren  Rang  in  der  k.  k.  Ar- 
mee nicht  eingebüsst,  aber  das  Regimentscommando,  dessen  sie 
sich  in  der  italienischen  Armee  erfreut  hatten,  war  ihnen  bis 
auf  weiteres  vorenthalten,  was  ihnen  als  empfindliche  Kränkung 
galt.  Auch  Obristlieutenant  Pa von i,  aus  Orzinovi  in  der  Lom- 
bardei, noch  nicht  dreissig  Jahre  alt  und  jetzt  in  ähnlicher 
Lage  wie  die  beiden  Andern,  soll  an  der  Unterredung  theil- 
genommen  haben,  die  sich  zuletzt  mit  der  Möglichkeit  beschäf- 
tigte, dem  Königreich  Italien  die  frUhere  Selbständigkeit  und 
Unabhängigkeit  zm'ückzugewinncn.  Moretti  und  Olini,  nach 
anderer  Angabe  Moretti  und  Pavoni,  reisten  in  kurzer  Zeit 
darauf  nach  Monza,  wo  sie  den  Musterungsinspector  Innocente 
Ugo  Brunetti,  aus  Lodi  gebürtig,  Ffcund  Ugo  Foscolo's,  auf- 
suchten und  von  da  in  das  nahegelegene  Belvedere,  wo  zur 
Zeit  Fontanelli  weilte.  Graf  Achille  Fontanelli,  Modencser, 
hatte  zu  den  zähesten  Anhängern  des  Prinzen  Eugen  gehört, 
aber,  wie  wir  gesehen,  schon  in  den  Pariser  Tagen  seinen  Ton 
bedeutend  hcrabgestimmt;  jetzt  war  er  angestellter  k.  k.  Feld- 
marschalllieutenant und  weniger  als  je  in  der  Laune,  seine 
ehemaligen  Anschauungen  in  den  Vordergrund  zu  stellen.  Es 
würde  sich,  meinte  er,  viel  für  die  italienische  Unabhängigkeit 
thun  lassen,  wenn  sich  die  Armee  noch  im  Besitze  von  Mantua 
bcfilndc,  ohne  diesen  Besitz  sei  man  auf  Hilfe  von  aussen  an- 
gewiesen; allein  weder  von  Frankreich,  noch  von  Bentinck  und 
den  Engländern  sei  etwas  zu  hoffen,  auf  den  König  von  Neapel 
nicht  zu  zählen;  die  Sache  habe  keine  Aussicht  auf  Erfolg,  er 
wolle  davon  nichts  wissen,  man  möge  nicht  weiter  darüber  reden.^ 


*  Semplice  verita  etc.  137  f. 

2  Kr.  A.  »Vortrag  beim  Kriegsrechte  über  die  der  Theilnahme  Am  Hoch- 
verrath  und  beziehungsweise  der  Mitwissenschaft  angeklagten  ehemaligen 
Generalinspoctor  der  Musterungen  wie  auch  Gk>uyemeur  des  Mail£nder 


K  In  dieser  Zeit  scheint  es  geweseu  zu  sein,  dasa  sich  in 
fttntaa,  wo  die  Eugen'tichen  Erinnerungen  Uüt^h  stark  nach- 
wirkten, eine  Gesellschiift  unter  dem  Namen  ,Centri'  bildete, 
die  ilire  StHrke  in  unverbrüthliehem  Gelieimthim  suchte;  ihren 
Jüjtgliedem  war  es  auf  die  Seele  gebunden,  nichts  von  ihren 
.tuten,  von  ihren  Genossen,  von  ihren  Zusammenkilnften  etc. 
Papier  zu  bringen,  nichts  darüber  zu  reden  als  unter  vier 
Attgen.^  Die  Gen  tri  gaJtcn  als  eine  Abzweigung  der  Carbonari; 
dieser  letztere  Name  selbst  tauchte  nordwärts  vom  Po  jetzt  zum 
ersteniDBl  auf,  und  zwar  sctieinen  es  Mantua  und  Mailand  ge- 
weeen  zu  sein,  wo  die  Secte  ihre  sehr  vereinzelten  Anhänger 
Einer  der  eifrigsten  war  der  junge  Advocat  Lattuada, 
wir  von  seiner  Reise  nach  Genua  her  kennen,  wo  er  sich 
Lord  Bentinck  filr  den  Bestand,  ftlr  die  ,Ehre'  der  italieni- 
en  Ai-mee  eingesetzt  hatte.  Er  sollte  auch  jetzt,  wenn  nicht 
erste,  jedenfalls  die  thätigste  Rolle  spielen,  so  dass  er  nicht 
Grund  als  die  Seele  des  Complots  bezeichnet  wurde,  denn 
;Ughch  durch  ilm  wurden  immer  mehr  Personen  in  das  Ge- 
lbe hineingezogen.  Jakob  Philipp  Baron  de  Meestre  Huyoel, 
HotlUnder  von  Herkunft,  aber  Mailänder  von  Geburt,  ein  hoher 
Vierziger,  Hagestolz,  war  unter  der  italienischen  Regierung  zu- 
letzt 6eneraIins]iector  der  Musterungen  (alle  Rnssegne)  und 
eremeur  des  Militärwaisenhauses  von  San  Luca  in  Mailand 
2Ben.  In  der  letzteren  Stellung  hatte  ilin  die  üsterreichische 
eruug  belassen,  und  er  hatte  also  keinen  Grund,  sich  zu 
beklagen  oder  auf  einen  Umsturz  der  bestehenden  Ordnung 
der  Dinge  hinzuarbeiten;  gleichwohl  war  er  einer  der  ersten 
nnt&r  den  Generalen,  der  sich  für  ein  solches  Unternehmen 
Mpwinnen   liess.     Auf  seine    Anregung   oder   doch   mit   seinem 

^^  HUltKrwiÜBeiiliausea  Philipp  Jakob  da  Meentra  Hnyoel,  dann  die  Obrinteii 

K  PauI   Oliai,   SilviuB   Muretti   und   l'eter   Vareso,    sowie    Obriullieiiteiiniit 

V  Peter  PftToni.    Uüntiut,  nm   18.  Nuvembor  1815.    BUhrent.  HAiiptiiiaiiii 

V  und  Auditor  (34  Bogen  fol.  halbbrflcliigl.  Fflr  da»,  wn»  MnilSiider  Vor- 
B  ßUle  und  PersHulirlikeileii  betrifft,  iHl  die  Prinzesnin  Belgioiiiao-Tri- 
^L  »iiUi  in  solchen  Änfüliruiipjn,  die  sie  nns  eieener  Erfahruog  oder  «ii» 
^^  UiUliüInngen  an  mittelbarer  Theilnelimer  HcbSpfeii  konnte,  umnomebr  kii 
^&  hSren,  als  sirh  ihre  Aiigntieii  ia  der  Ilaiiptsaclie  mit  den  Grgebiiiisen  der 
H  Rtra^eriubtlit'lien  Untersiiclinii^  decken.  Wo  nie  aber  diene  Linie  über* 
^P  oclirAiteiid  da«  Gebiet  der  &1nthmassungeti  betritt,  nicli  auf  clna  Hüren- 
^P  Mfisn  verlKKHt,  sinil  ibr  «ehr  srgo  Miiuigritre  nach xii neigen. 

Ml  Da  Cnetre,  Hondo  xet^retu  VIIl,  10^— 1IJ4. 

H  *nli]<.  BJ.  LIIVI.  tl   ütlirir  ?>\ 


518 

Einverständniss  begab  sich  in  den  ersten  Oetobertagen  Lattuada 
nach  Brescia,  um  den  durch  die  Absage  Fontanelli's  abgerisse- 
nen Faden  der  Verhandlungen  wieder  anzuknüpfen.  Lattuada 
trug  ein  Schreiben  eines  Obristen  Bonfan ti  bei  sich,  mit  welchem 
er  sich  bei  Olini  in  dessen  Qarnisonsort  Pompiano  einführte. 
Er  machte  diesen  aufmerksam,  dass  man  nicht  allein  stehe, 
dass  eine  geheime  Gesellschaft,  die  ,Centri'  das  gleiche  Ziel 
verfolge,  dass  man  der  Unterstützung  der  Carbonari,  zu  denen 
jetzt  schon  Männer  wie  Ant.  Maria  Caprotti,  Bartolomeo  Cave- 
doni,  Santino  Gerosa  gehörten,  versichert  sein  könne.  Ein 
Plan,  die  Gardafestung  Peschiera  durch  Ueberfall  zu  gewinnen, 
wurde  besprochen.  Hier  mochte  auch  abgemacht  worden  sein, 
gegen  die  neueren  Theilnehmer  so  zu  sprechen,  als  ob  sich 
FontaneUi,  auf  dessen  Namen  und  Stellung  alle  Officiere  viel 
gaben,  der  Sache  nicht  abgeneigt  gezeigt  hätte.  Als  solche 
Theilnehmer  erschienen  jetzt  nach  und  nach:  die  Generale  Teo- 
doro  Lecchi  aus  Brescia  und  Gaspare  Bellotti  aus  Turin,  der 
oben  genannte  Ca ve doni,  Modeneser,  ehemaliger  Adjutant  Ge- 
neral Severoli's,  der  Bataillonschef  D elf ini,  der  Kriegscommissar 
Mancini.  Zweier  Persönlichkeiten  muss  besonders  gedacht  wer- 
den. Die  eine  war  der  Obrist  Antonio  Gasparinetti  zu  Ponte 
di  Pieve  im  Trevisanischen  um  1770  geboren,  verheiratet;  fana- 
tischer Napoleonist,  begabt  und  entschlossen,  hatte  er  alle  Feldzüge 
mitgemacht  und  war  zuletzt  in  Böhmen  in  Gefangenschaft  ge- 
rathen;  jetzt  befand  er  sich  auf  der  Liste  jener  von  Oesterreich 
übernommenen  Officiere,  die  ,wegen  schlechter  conduite'  mit 
einer  Abfertigung  entlassen  werden  sollten.  Der  andere  war 
Giovanni  Rasori  aus  Parma,  ein  Mann  von  Geist  und  Kennt- 
nissen, aber  überspannt  und  dabei  über  die  Massen  von  sich 
eingenommen;  er  war  früher  Militärarzt  gewesen  imd  hatte  dann 
eine  schöne  Stellung  am  grossen  Hospital,  von  der  ihn  die 
gegenwärtige  Regierung  enthoben  hatte;  daher  sein  Hass. 

Welche  Haltung  General  Zucchi  beobachtete,  ist  nicht 
ganz  klar  geworden.  Er  befand  sich  in  der  zweiten  Hälfte 
October  in  Reggio,  seiner  Heimat,  und  soll  hier  vom  Obristen 
Pavoni,  auch  einem  der  übernommenen  Officiere,  aufgesncht 
.worden  sein.  Zucchi  habe  dann,  als  der  Abmarsch  der  italie- 
nischen Regimenter  über  die  Alpen  vorbereitet  wurde,  in  Brescia 
zu  Moretti,  Olini  und  Cavedoni  geäussert:  sie  möchten  ihre 
Ideen  nicht  aufgeben,  er  für  seine  Person  werde  seine  Abreise 


verzügern,  werde  sich  in  Verona  nufhalton,  um  für  den  Fall, 
ala  ihr  PJan  Aussicht  auf  Ei-foHg  habe,  bereit  zu  sein.  Es  haben 
aber  spater  nicht  bloB  Zucchi  und  Pavoni  ihre  Zusamraenkunft 
in  Rcggio  rundweg  geleugnet,   es  sind  auch   andere  Umstände 

trvorgekommen,  welche  die  Sache  sehr  in  Zweifel  ziehen 
»en. 
Mitwisser  und  Gesinnungsgenosse  der  ßeheimbUndler  war 
ch  der  Eseadronschef  Üesare  Ragani  ans  Modena,  der  in 
neapolitanische  Dienste  trat,  um  von  dieser  Seite  den  Anschlag 
fördern  zu  helfen.  Er  nahm  vom  Grafen  Teodoro  Lecchi  an 
dessen  Bruder,  den  neapoUtaniachon  General  Grafen  Giuseppe, 
dann  vou  de  Meestre  und  Lattnada  an  den  Professor  Salli  in 
Keapcl  Erapfehhingssfhreiben  mit,  lun  durch  diese  Mittflsper- 
soncD  den  Künig  Joaetiim  wissen  zu  lassen,  dass,  falls  ihm  der 
Wiener  Congress  Schwierigkeiten  bereiten  sollte,  er  in  (^ber- 
Italien  eine  Partei  linden  werde,  auf  deren  thatkräftigc  Unter- 

I^tzung  er  zählen  könne,  sobald  es  gelte,  die  Unabhängigkeit 
In  Ittilien  heraus  teilen. 
Die  Wochen  rückten  vor,  immer  bestimmter  lauteten  die 
Bchnchten  von  dem  bevorstehenden  Auszug  der  einheimischen 
Trupp enkürper,  wo  dann  allein  , Deutsche'  im  Lande  sein  wür- 
den. Schon  begannen  sich  die  im  Piemontesischen  dislocü'tcn 
Kaiserhchen  von  Westen  gegen  Osten  zu  bewegen,  sie  nahmen 
die  Sympathien  des  Monarchen  wie  der  Einbeimiaehen  mit  sich. 
Die  Stadt  Nizza  widmete  dem  ci-sten  Bataillon  vom  Linien- 
Infanterie-Regiment  Gyulai  in  dankender  Anerkennung  der  von 
demselben  eingehaltenen  Mannszucht  eine  reichverzierte  Fahnen- 
binde, worauf  das  Stadtwappen  mit  der  Inschrift:  ,Nicaea  in- 
olytae  primae  eohortt  Gyulai  giata.'  Der  Commandant  des  sie- 
benten Jägcrbataillons  Übrist  Karl  Freiherr  Vayder  von  Malberg 
erhielt  vom  König  den  piemontesischen  Ilausorden  ,zum  Dank 
für  das  treffliche  Benehmen  der  k.  k.  Truppen'.  Jede  Kunde 
solcher  Art  vergällte  den  Militär- Verschworenen  ihre  Freude 
and  vergällte  ihr  Herz.  Sie  entfalteten  jetzt  eine  fieberhafte 
Thätigkeit.  Es  fanden  immer  häufigere  Besuche,  Zusaromen- 
klinfte,  Unterredungen  statt,  von  Cavedoni  mit  de  Moostro,  mit 
Delfini,  mit  Lattuada,  von  Moretti  mit  Lecchi,  von  Lattnada 
■LDiit  de  Meestre.  Bellutti.  Lecchi,  Delfini  etc.    Allein  thatsilchlich 


520 

ging  nichts  vorwärts.  Die  in  Brescia  und  Pompiano  wurden 
ungeduldig,  sie  verlangten  von  denen  in  Mailand  und  Monza 
entschiedene  Schritte:  ^lieber  das  Glück  der  Waffen  mittelst 
eines  Aufstandes  versuchen,  als  abmarschiren,  bevor  das  Schick- 
sal des  Vaterlandes  entschieden/  Auf  neapoUtanischen  Beistand 
war  keine  Aussicht.  König  Joachim,  versteckt  und  zweideutig, 
wie  er  war,  wünschte  wohl  dem  Unternehmen  Erfolg,  aUein 
geschehen  konnte  für  dasselbe  seinerseits  nichts,  da  er  für  den 
Augenblick  mit  Oesterreich  in  guten  Beziehungen  stand.  In 
diesem  Sinne  schrieb  auch  der  jetzige  neapolitanische  Escadrons- 
chef  Ragani  an  Lattuada:  Salfi  habe  es  fllr  unmöglich  erklärt, 
das  bestehende  gute  Einvernehmen  zwischen  den  Höfen  von 
Wien  und  Neapel  zu  stören. 

Zu  Anfang  November  erhielten  die  Brescianer  die  Ein- 
ladung, sich  in  Mailand  einzufinden.  Am  3.  abends  kamen 
Olini,  Moretti,  Cavedoni,  Lecchi,  Lattuada  —  de  Meestre  wurde 
erwartet,  erschien  aber  nicht  —  bei  Brunetti  zusammen,  wo 
über  folgenden  Plan  berathcn  wurde:  Cremona,  Beiname, 
Brescia  sollten  sich  unter  dem  Schutze  der  einheimischen  Regi- 
menter erheben,  die  geringe  Besatzung  der  befestigten  Plätze 
Peschiera  und  Rocca  d'Anfo  wäre  zu  überrumpeln,  italienische 
Cavallerie  hätte  'auf  Verona  zu  reiten  imd  sich  des  dortigen 
Artillcrieparkes  sowie  jenes  von  Comusco  zu  bemächtigen; 
ein  höherer  Militär,  der  Mantua  genau  kenne,  hätte  durch  Ein- 
verständniss  mit  dortigen  Gesinnungsgenossen,  namentlich  mit 
den  ,Centri^,  das  Innere  der  Festung  zu  gewinnen;  Modena 
wäre  im  Sturm  zu  besetzen,  der  Herzog  gefangen,  die  öffent- 
lichen Gassen  in  Empfang  zu  nehmen,  um  es  dem  Unternehmen 
an  den  nöthigen  Geldern  nicht  fehlen  zu  lassen.  Gleichzeitig 
wäre  auf  die  Hauptstadt  loszuziehen,  in  Mailand  wäre  durch 
fortwährendes  Sturmläuten,  durch  Rufe  in  den  Strassen  ,Costi- 
tuzione!  Libertk!*  eine  Erhebung  der  Massen  einzuleiten,  das 
wiedererstandene  Königreich  ItaHen  und  eine  provisorische  Re- 
gierung auszurufen;  dabei  hätte  man  sich  der  österreichischen 
Gewalthaber  vom  Militär  und  Civil  todt  oder  lebendig  zu  be- 
mächtigen, die  ihrer  Führer  beraubten  kaiserlichen  Truppen 
zum  Abmarsch  zu  nöthigen;  im  Falle  des  Misslingens  war 
Rückzug  ins  Toscanische  vorgezeichnet.  In  Mailand,  hiess  es, 
befänden  sich  50  ausser  Dienst  gesetzte  Officiere,  bei  400  ver- 
abschiedete Soldaten,  über  welche  der  ehemalige  commandirende 


UJUtant  Cavedoiii  den  Bfl'chl  ilberm.'hiaLii  wliiiie.  Lattuiida, 
xyutantmnjor  der  BUrgergarde,  hatte  diese  zu  gtnviniien  und 
Generiil  de  Mecstrc's  Oommando  zu  steilcit.  Lecchi  und 
inottj  sollten  sich  es  aDgelt-gcn  sotn  Jassen,  geschickte  OfGciere 
L  gewinnen. 

Nach  geschlossener  Berathung  verlicsa  man,  um  keinen 
^wdacbt  zu  erregen,  einzeln,  wie  man  gekommen  war,  das 
Qaus.  Am  4.  traf  man  sich  bei  Genoral  Bellotti:  Leechi,  Olini, 
Lattuadii,  diesmal  auch  de  Mcostrc,  dann  Oasparinetti.  Es  hiess, 
man  müsse  ein  Haupt  mit  volksthUinlichera  Namen  liabcn.  Genannt 
wurden  Pino  und  Fontauclli;  auch  Leechi  war  da,  der  aber  be- 
scheiden ablebnte:  sein  Name  habe  keinen  so  populären  Klang, 
um  ein  Unternehmen  von  so  grosser  Wichtigkeit  und  Aus- 
dehnung daran  zu  knüpfen;  in  seinem  Innern  schrak  er  wohl 
vor  einem  gefilliriichen  und  wahrscheinlich  sehr  blutigen  Wag- 
nisB  zurück.  Lattuada  sollte  bei  Pino,  Bellotti  bei  Fontanelli 
vorsprechen.  Es  geschah  in  den  unmittelbar  darauffolgenden 
Tagen,  5,  und  6,  November.  Die  Mission  Lattuada's  scheiterte 
voUet&ndig;  ,Bie  wollten  mich  zu  ihrem  Kaubgesellen  machen', 
äusserte  Pino  in  späteren  Tagen  in  wegwerfendem  Tone.  Auch 
Bellotti  ging  einer  Enttäuschung  entgegen.  ,Üieser  Gegenstand 
ist  mir  unangenehm,'  sagte  Fontanelli,  ,redeu  wir  von  etwas 
Anderem.'  Als  er  seinem  Gaste  eine  Prise  anbot,  war  von  der 
zitternden  Hand,  mit  welcher  er  ihm  die  geöffnete  Doso  hinhielt, 
die  grosse  Auiregung  seines  Innern  abzunehmen.'  Ais  Bellotti 
auf  seinen  Antrag  zurückkam,  lehnte  Fontanelli  unbedingt  ab. 
Ea  befand  sich  zur  Zeit  der  General  Giflenga,  ein  Piemon- 
tese,  in  Mailand,  der  mit  Bellotti,  Leechi,  Lattuada  und  einem 
zweideutigen  Subject,  einem  ,Speculanten'  Bonafour  um  die 
Mitte  November  bei  de  Rfeestre  zusammentraf.  Da  es  mit  der 
Bundeshilfe  von  Neapel  nichts  war,  wollte  man  sich  von  Pie- 
raont  her  verstärken,  und  für  diesen  Zweck  war  ohne  Zweifel 
Giflenga  herbeigebeten.  Allein  von  seiner  Seite  erfolgte  die  Er- 
klärung, dass  auf  sein  Vaterland  wohl  nur  zu  rechnen  wäre, 
wenn  man  seinem  König  die  italienische  Krone  anbieten  wollte; 
CT  uiUese  tndess,  fügte  er  gleich  bei,  stark  zweifeln,  dass  sich 
^ittore  Emanuele  dazu  hergeben  würde. 


t  hier  Brnnetti  sWtl   Beüutti   geiiai 


522 

So  war  man  denn  nach  so  vielfältigen  und  langwierigen 
Verhandlungen  kaum  weiter  als  am  ersten  Tage:  man  hatte 
keinen  Führer,  man  hatte  nur  eine  Fülle  von  Projecten,  von 
denen  keines  einen  sicheren  Grund  besass.  Und  doch  stand  der 
Abmarsch  der  italienischen  Truppenkörper  bevor,  man  wollte  be- 
reits den  Tag  wissen:  am  21.  November.  Was  geschehen  sollte, 
musste  rasch  geschehen.  Auf  Theilnehmer  wurde  nach  allen 
Seiten  gefahndet;  Deltini  und  Mancini  zeigten  sich  ift  diesem  Punkte 
besonders  betriebsam.  Auch  an  neueren  Plänen  fehlte  es  nicht 

Mancini  war  ein  vertrauter  Freund  des  Obristen  Varese, 
auf  den  er  bei  seinem  Anschlage  auf  Mantua  und  Mailand 
rechnen  zu  dürfen  meinte;  die  Ausflihrung  war,  wie  Gerosa, 
Thürhüter  beim  Militär -Appellationsgericht,  aus  Mancini's  Munde 
vernommen  haben  wollte,  ,cosa  facilissima^:  Am  Abend  des  19. 
schleichen  sich  200  als  Landleute  verkleidete  Officiere  mit  ver- 
borgenen Waflfen  in  die  Casematten  von  Mantua  ein,  über- 
wältigen in  der  Nacht  zum  20.  die  Wachen  an  den  Stadtthoren 
und  öffnen  letztere,  um  1500  Mann  unter  Obrist  Varese  einzu- 
lassen; diesen  werde  es  dann  ein  Leichtes  sein,  sich  der  Stadt 
und  Festung  zu  bemächtigen.  In  derselben  Nacht  wird  der  Los- 
bruch in  Mailand  erfolgen,  wo  8000  in  Kisten  verpackte  Waffen, 
Munition  und  Brandraketen  in  Bereitschaft  zu  halten  sind,  letztere 
um  fUr  den  Fall,  dass  seitens  der  ,Deutschen'  Widerstand  ver- 
sucht würde,  das  Castell  anzuzünden  und  dadurch  alles  in  Auf- 
ruhr und  Verwirrung  zu  bringen.  Die  Waffen  werden  unmittel- 
bar vor  dem  Losbruch  an  Gendarmen  und  Pompiers,  an  einen 
Theil  der  Artilleristen  von  Pavia,  an  3000  Taglöhner,  dann 
eine  Anzahl  Beamte  und  Civilpersonen  ausgetheilt;  um  3  Uhr 
nach  Mitternacht  werden  die  Glocken  von  allen  Thiirmen  der 
Stadt  das  Alarmzeichen  geben,  sofort  alle  Strassen  besetzt,  alle 
österreichischen  Officiere,  daforn  es  nicht  den  Frauen  gelänge, 
sie  in  ihren  Wohnungen  festzuhalten,  auf  dem  Wege  in  ihre 
Casernen  abgefangen.  Nachdem  das  glücklich  abgelaufen,  wird 
man  an  Bellegarde  herantreten,  ihm  die  Unmöglichkeit  eines 
Widerstandes  begreiflich  machen  und  ihm  einen  schriftlichen  Be- 
fehl an  die  Garnison  von  Alessandria  (8000  Mann,  deren  Bezwin- 
gung selbst  einem  so  hitzköpfigen  Plänemacher  wie  Mancini  ein  zu 
starkes  Stück  war)  wegen  Uebergabe  der  Festung  abnöthigen. 

Zur  Ausflihrung  dieses  Anschlages  fehlte  vorderhand  nicht 
weniger  als  alles:  für  Mailand  die  8000  wohlverpackten  Waffen 


K-  es  gab  ZwciHer,  die  da  nnjuiU;n,  es  stünden  litit^hsteits  eben- 
Ibviel  hundert  zur  Verfligunp!  — ,  für  Mantna  die  200  zu  ver- 
kk-idcnden   Officiere,    die    1500    aus    der    Umgebung    lierbei- 
zuflihrendeu   Soldaten,    und    vor    allem    der   Anführer!     Pictro 
arese  (Varesi?)   aus   Montecalvo   in   Picmont,    3D  Jahre   alt, 
■heiratet,  Vater  von  vier  Kinder,  jetzt  k.  k.  Obrist  im  I.  (istcr- 
ihiBcb-italienJBcben    leiehtcn    Bataillon,     das    in    Casttglinne 
le  Stiviere,  nicht  weit  von  Mantua  lag,  wurde  fUr  den  17.  in 
liland  erwartet,  wo  er  jedoch  erst  am  19.  morgens  eintraf,  ao 
Manctni's  Vorschlag,  ftlr  dessen  AusfUhrung  noch  denselben 
ibend   sowohl   in   Mailand  als  in   Mantua   Vorbereitungen    zu 
iffen   waren,    vorläufig  aufgegeben   werden  niusstc.     Maneini 
Ltte   überhaupt   die   KechniiDg   ohne   den  Wirth  gemacht,   da 
Varese,    nach    allen    Anzeichen   zu   schh essen,   in   keinem 
le  fUr  ein  so  hirnverbranntes  Project  gewinnen  hess. 
Die  anderen  glaubten  noch  immer  daran.  Am  20.  erschienen 
liBllotti  und  de  Meestro  bei  Lecchi,  welchem  sie  mittheilton,  Varese 
habe  eine  neue  Art  gefunden,  Mantua  zu  überrumpeln.  [nWahr- 
iicit  befand  sich  der  Obrist  zur  selben  Stunde  in  einer  ganz  anderen 
Verfassung.  Lattuada  hatte  für  den  20,  sieh  vorgesetzt,  einen  letzten 
Versuch  bei  Fontanclli,  der  jetzt  zu  Garo  am  Comerseo  weilte, 
wegen  der  Führerschaft  KU  wagen  und  den  Obristen  Varese  zur 
Theilnahmc  eingeladen,  was  dieser  mit  der  Boweggründung  an- 
nahm, er  habe  ohnedies  vorgehabt,  vor  seinem  Ahmarsch  dem  (!e- 
neral  und  ehemaligen  KriegsminJstcr  einen  Abschiedsbesuch  abzu- 
Diesen    Zweck    erreichte  Varese,    sein    Begleiter   den 
en  nicht:  Fontanelli  lehnte,  wie  das  erste  und  zweite  Mal,  in 
eichender  Form  ab;  er  lobe  BO  von  aller  Welt  abgcsebieden, 
da£S   er    niehts    erfahre,    als  was   ihm  dann  und  wann  von  Be- 
suchern zugeti-agen  werde, 

Unter  diesen  UnistffinJen  vei-fielen  die  Mailänder  Ge- 
heimbündler auf  den  Obristen  Ohni,  dem  sie  nach  Brescia 
Bchricben,  es  werde  ihm  demnächst  der  Zeitpunkt  der  Aus- 
i^hrung  mitgetheilt  werden.  Die  Gesinnungsgenossen  in  Como, 
Ibir^^'^r  Montechiaro,  Crcmona  erhielten  die  Weisung,  nicht« 
^■unternehmen,  bevor  sie  nicht  das  Beispiel  von  Brescia  gesehen.' 

^b  Dia  UaJlHuiIer  GescIiivliIitcltreiliiTr  behaupten,  die  MilitÜT'Vonclivitlriliig 
H  BOi  niob  il«ii  wiederholt  fehlgcsclila^neii  Vereuüheo,  eineu  F&hrcr  nn 
^M  diu  Spitse  xit  »telieii,  uiid  iiiiuli  dem  Aiifbnti^h  iler  italietiisolien  Truppeti- 
^B    kOrpcr   iiBcti    dem    N»rdeu    viii    di^ii    Tlieilnehuieni    bereits   aufgv^liun 


neral 

^Kstte 


524 

14. 

Gegen  Ende  Octobcr  war  man  in  Wien  entschlossen^  es 
mit  Herrn  v.  St.  Agnan  zu  versuchen.  Unser  Vertreter  in  Paris 
war  jetzt  in  seinem  Misstraucn  gegen  den  zweideutigen  Gesellen 
—  dieser  habe,  wie  Bombelles  dem  Grafen  Bellegarde  mittheilte, 
,sonst  auch  der  französischen  Polizei'  gedient  —  bereits  so  weit, 
dass  er  es  nicht  gcrathen  fand,  diesen  sich  selbst  zu  überlassen, 
sondern  ihn  zu  beaufsichtigen  beschloss.  Er  fand  den  geeig- 
neten Mann  hiezu  in  der  Person  des  Abate  Principe  Alticri, 
eines  Oesterreich  und  der  alten  Ordnung  der  Dinge  durchaus 
ergebenen  Mannes,  der  durch  seinen  Namen  und  seine  Familie 
Zutritt  in  den  ersten  Kreisen  Italiens  hatte.  Würden  sich,  schrieb 
Bombelles  nach  Wien,  die  Angaben  St  Agnan's  als  nichts  denn 
elende  Ausgeburten  seiner  Phantasie  (de  miserables  avortons  de 
son  imagination)  erweisen,  so  könne  Altieri  ohne  Aufschub  nach 
Paris  zurückkehren,  im  anderen  Falle  werde  er  durch  seine 
ausgebreitete  Personenkenntniss  dem  Grafen  Bellegarde  dankens- 
werthe  Dienste  zu  leisten  vermögen.* 

Der  2.  November  war  für  die  Abreise  St.  Agnan's  fest- 
gesetzt; vierundzwanzig  Stunden  früher  ging  Altieri  von  Paris 
ab,  mit  einem  vertraulichen  Schreiben  an  den  kaiserlichen  Feld- 
marschall in  Mailand  versehen.  Bei  diesem  trafen  nun  Anzeichen 
von  so  verschiedenen  Seiten  imd  in  solcher  Menge  zusammen, 
dass  seine  lang  festgehaltene  Ueberzeugung,  es  gebe  keine  Ver- 
schwörung, weder  in  der  Hauptstadt  noch  in  den  Provinzen, 
einigermassen  erschüttert  werden  musste.  Den  Esquiron  de  St. 
Agnan,  wurde  ihm  von  Baron  Hager  bemerkt,  habe  man  zwar 
für  nichts  als  einen  ränkevollen  Abenteurer  zu  halten;  gleich- 
wohl scheine  derselbe  mit  den  geheimen  Machenschaften  in 
Mailand  nicht  unvertraut  zu  sein,  da  er  einen  gewissen  Rasori 
und  Lattuada  genannt,  die  ja  von  ihm,  Bellegarde,  selbst  ab 
,sehr  verdächtig*  bezeichnet  worden   seien.     Ein  dritter  Name 


gewesen,  als  der  falsche  französische  Marquis  als  agent  provocateur 
in  ihrer  Mitte  erschienen  sei  und  die  Wiederaufnahme  dahinzielender 
Schritte  bewirkt  habe.  Aus  den  im  Texte  erwähnten  Vorgängen  gegen- 
über Olini  und  den  auswärtigen  Garnisonen,  Vorgängen,  die  mit  dem  lur 
selben  Zeit  bei  Rasori  noch  nicht  eingeführten  Saint- Agnan  nichts  zu 
thun  haben,  geht  die  Grundlosigkeit  jener  Behauptung  hervor. 
1  Instructions  donnees  k  Mr.  TAbb^  F^  Altieri;  A.  J.  181-1,  4496  ad  1202. 


^pu'de  von  Hager  gonaiml:  der  des  Generals  Zucchi,  der  unter 
Bio  vorzüglichsten  Anhänger  det«  Prinzen  Eugen  gehört  habe 
Hnd  daher  sorgßliti^st  zu  libcrwaehtm  sei.' 
K  Seine  ablehnende  Uultiing  gegen  jede  Verschwörungs- 
Becherci  hatte  Graf  Bellegardn  ft-Uher  damit  niotivirt,  das», 
KJUs  der  Wiener  Congres»  allaciHgcn  Frieden  bringe,  (ür  Italien 
Bjclits  zu  besorgen  sei.  Allein  anch  in  diesem  Punkte  hatte  sieh 
^He  Sachlage  geändert,  denn  gerade  Italien  war  es,  von  wo 
Bein  ersehnten  Frieden  die  erste  Störung  drohte.  Der  König 
Bpu  Neapel,  so  wurde  laut  im  Publicum  gesprochen,  habe  un- 
verkennbar die  Absieht,  nicht  blos  zu  behalten,  was  thatgltchlieh 
^bter  seinem  Gebote  stehe,  sondern  seine  Grenzen  noch  weiter 
HjHrziirUcken.  Die  Bevollmftehtigten  der  europäischen  Ftlrsten- 
H^ser  und  Staaten  waren  uoch  lang  nicht  in  Wien  eingetroffen, 
^Bb  man  in  der  Umgebung  Känig  Juaehini's  wissen  wollte,  dass 
^B  wegen  der  von  Ru&sland  gefurderten  Herausgabe  Galiziens 
^B  einem  Kriege  mit  Oesterreieh  kommen  und  dies  sodann  der 
^■Bitpunkt  sein  werde,  die  italienischen  Pläne  zu  verwirklichen, 
HBie  Sectirer  und  Clubisten  schrieen  Künig  Joachim  als  Bc- 
«■eicr  Italiens  aus,  als  denjenigen,  welcher  der  apenninischen 
Halbinsel  Freiheit  und  Unabhängigkeit  verschaffen  werde,  eine 
Hoffnung  die  aus  Neapel  selbst  in  allen  Wegen  bestärkt  und  ge- 
Bllirt  wurde.*  Schon  stieg  in  Wiener  Kreisen,  so  freundschaft- 
^Bh  die  diplomatischen  Beziehungen  zwischen  dou  beiden  Höfen 
^■r  Stunde  waren,  der  Argwohn  auf,  dass  König  Joachim  gc- 
^kmen  Verkehr  mit  der  Insel  Elba  unterhalte  und  wohl  Fcind- 
^^Uges  gegen  Oesterreieh  im  Schilde  führe,  dafem  es  nicht  ge- 
^■Dge,  seine  Anerkennung  als  König  von  Neapel  bei  den  Con- 
^pessmächten  durchzusetzen. 

^K  ThatsHclilich  verstärkte  König  Joachim  seine  Kriegsstellung 
^■mer  mnhr,   hielt  seine  Armee  im  schlagfertigen  Sbiud,   Hess 

^L  >  A.  J,  Hager  au  BeUegnrde,  8.  Nofember.  Die  Aeunserung:  (ibf^r  Rtuuri 
^K  null  I^ttuadn  int  zwnr  eineni  späleron  Schruibou  Hager'»  entuuiunian, 
^m  ätii  sber,  da  man  nm  (t.  Dm^emlier  in  Wien  niutiC  niesuD  krjimtu,  was 
^B  Tiifti  Ü.  zum  4.  in  Mailand  riir^titlieti,  gleichfalls  ilen  Stempel  der  Vor- 
^k      dcblen  nnd  Vorbereitali  gen  trägt. 

K<*  A.J.  Femtl,  Ferrnrn  14.  Augiut;  Memuiro  Dr.  Zanetti'a.  Voronn  Sep- 
^B  tember  et  pniisim.  Iro  (Jctober  erschien  eine  Kliipwhrift,  die  für  König 
^B  Joachim  alx  Hau))t  von  Italien  AnliJlnger  warb.  Die  Ssterreichisuho 
^H  Poliiei  hatte  eirien  Grafen  Rani^ni  (Ra^nni?),  von  denen  IViuiuesco  iii 
^H     Boloftnil,  Otiuep|ie  in  Veneilttr  —  der  Kitter  der  UeiiKun.  k.  nben  Ü.  4N4  — 


526 


• 


die  Festungswerke  von  Ancona  ausbessern  und  durch  neue  An- 
lagen vermehren.  Im  Spätherbst  begann  er  in  den  Marken 
drei  neue  Regimenter  zu  errichten,  jedes  mit  5  Bataillons  zu 
900  Mann,  und  bezeichnete  sie  als  italienisch-neapolitanische  (italo- 
napolitani).  Auch  griff  er  zu  dem  alten  Mittel  der  romanischen 
Regierungen,  fremdländische  Söldner  anzuwerben;  seine  Agenten 
bereisten  die  Schweiz,  um  Militärconventionen  für  zwei  Regimenter 
abzuschliessen.  Dabei  liess  er  die  Einwohner  der  Marken  gegen 
die  päpstliche  Herrschaft  verhetzen;  alle  FehlgriflFe,  die  man 
von  Rom  aus  leider  häufig  genug  beging,  wurden  von  seinen 
Organen  ausgenutzt,  um  das  Volk  gegen  den  Papst,  die  Car- 
dinäle  und  die  ganze  geistliche  Wirthschaft  aufzureizen,  hin- 
gegen den  italienischen  Einheits-  und  Unabhängigkeitsgedanken 
durch  prahlerische  Redensarten  und  Verheissungen  grosszuziehen. 
Während  er  der  römischen  Cui'ie  drohte,  wenn  diese,  auf  die 
Heiligkeit  des  Asylrechtes  sich  berufend,  neapolitanische  Fahnen- 
flüchtige an  seine  Behörden  nicht  ausliefern  wollte,  gewährte 
er  selbst  Ausreisscrn  aus  allen  Theilen  Italiens,  Verfolgten  oder 
Missvergnügten  aus  dem  Piemontesischen,  verabschiedeten  fran- 
zösischen OflScieren,  ja  selbst  entsprungenen  Verbrechern  Auf- 
nahme in  die  Reihen  seines  Heeres. 

Der  Zusammentritt  des  Wiener  Congresses  änderte  nichts 
an  seiner  bisherigen  Haltung.  Er  machte  keine  Miene,  seine 
Armee,  da  doch  der  Weltfrieden  verkündet  war,  in  sein  König- 
reich zurückzuführen;  seine  Vortruppen  standen  am  östlichen 
Ufer  der  Adria  über  Sinigaglia  hinaus  bis  gegen  Fano,  land- 
einwärts bis  an  die  Abfälle  des  Apennin.  Er  schaltete  und 
waltete  in  den  von  ihm  besetzten  Gebieten  wie  in  seinem  Eigen, 
schrieb  Steuern  und  Abgaben,  hob  Recruten  aus  und  suchte 
auf  der  andern  Seite  durch  Begünstigungen,  die  ihn  nichts 
kosteten,  cinigermassen  auszugleichen,  was  ihm  durch  drückende 
Forderungen  und  Zumuthungcn  die  Gemüther  entfremden 
konnte.  So  hob  in  seinem  Namen  General  Carascosa,  der  im 
Spätherbst    1814   in    den  Marken   den   Oberbefehl  ftlhrte,    die 


domicilirte,  im  Verdacht,  weil  sie  beide  als  heftige  Napoleouisten  galten;  es 
kam  jedoch  später  hervor,  dass  die  Schrift  in  Neapel  vorfasst  und  von  dort  aus 
verbreitet  worden  sei.  GiiiseppeRangoni,  berichtete  am  1.  December  Raab  an 
den  Chef  der  Polizei-Hofstelle,  sei  eine  sehr  anständige  Persönlichkeit,  ^ein 
Freund,  aber  auch  kein  Feind  Oesterreichs*.  Der  Titel  der  gedachten 
Flugschrift  wird  in  den  von  mir  eingesehenen  Acten  nidit  angegeben. 


iuiiisteuer  auf  und  gab  den  Getreidohandcl  frei.  Die  Nat-h- 
fichten,  die  aus  Paris,  aus  Turin  und  bosonders  aus  Wien  ein- 
trafen, konnten  den  König  in  seiner  kriegerischen  Haltuug  nur 
bostjlrkeu,  wenn  er  es  nicht  vorzog,  durch  Rückkelir  in  seine 
Grenzen  und  strongstes  Ansichhalten  den  ihm  feindlichen  Mächten 
jeden  Vorwand  zu  einem  Angriffe  zu  nehmen.  Denn  nicht  blos 
untornaluncn  die  Gesandten  König  Ferdinand'a  von  Sicilion, 
Commandour  Alvaro  RufFo  und  Fürst  Castel  Cicala  alles  Mög- 
lieie,  es  zu  einem  Bniehe  der  Verbündeten  mit  ,Genoral  Mural' 
kommen  zn  lassen ;  nicht  blos  wies  Ludwig  X VÜI,  seinen 
Congreesgesandtcn  an,  seine  Nachgiebigkeit  in  die  WUnsebc  der 
Mächte  von  dem  Auftreten  derselben  gegen  Mural  ivbbäjigig  xu 
machen;  nicht  bios  suchte  Victor  Eraanuei  durcli  den  Marquis 
de  SaintMarsan  in  gleichem  Sinne  England  und  Oesterrcich  als 
die  scithcngen  Vertheidiger  Kfiiiig  Joachim's  umzustimmen: 
schon  hatte  Frankreich  Vorbereitungen  getroffen,  seine  Absichten 
mit  Waffengewalt  durchzusetzen,  und  hatte  sich  nur  durch  die 
Weigerung  des  sardinischen  Künigs,  der  franztisisuhen  Armee 
Dmchaug  durch  seine  Staaten  zu  gestatten,  und  durch  die  noeli 
entschiedenere  Erklärung  Mettcrnicli'a:  ,Der  erste  französisebc 
Soldat,  der  den  Boden  Italiens  betritt,  bo deutet  den  Krieg 
_zwiseben  OesteiTcich  und  Frankreich'  bewegen  lassen,  von 
iem  Vorhaben  vorläufig  abzustehen.'  Allein  ob  es  Oesterreieh 
lingen  werde,  ja  ob  es  auch  nur  den  ernsten  Willen  liabc, 
König  Joachim  unter  allen  Umständen  auf  dem  Throne 
1  Neapel  zu  erhalten,  durfte  um  so  mehr  bezweifelt  werden, 
I  die  eigene  Haltung  desselben  dem  Argwuhn  der  ihm  von 
wrnherein  feindseligen  Mächte  stets  neue  Nahrung  autllhrte. 
,Ich  gäbe  die  Welt  dafür,'  sagte  Mettemich  zu  Saint-Marsan, 
,den  König  Ferdinand  auf  dem  Throne  von  Neapel  zu  sehen, 
<^ber  wir  können  dafUr  keinen  Krieg  filhren.'  Und  Kaiser  Franz, 
BÜtm  der  Marquis  die  ernsten  Gefahren  schilderte,  wenn  Murat 
l  Neapel  bliebe:  ,Sic  haben  Recht;  doch  ich  hoffe,  er  werde 
Iph    selbst   seinen    Untergang    bereiten.'^     Keine   Frage,    dass 


*  Donieaiiui  Biauco,  Storia  il.iuunieiitAta  d.  dipl.  mirop.  in  Italin  (Tnrino, 
1866)  L  6.  ^6  f .  87,  90  f.,  383,  3»8.  König  Victor  Emoimel  »n  Sftinl- 
HsTNiii.  8,  Nnvunilier, 

*  Ebenilft  I,  4;  v^L  -l')3  Talleyruid  lu  Saiiil-Manan:  ,V<tug  verroK  iiue. 
loreqii«  l'lUlie  «um  urgsnia^e,  cette  nffnire  rienilra  il'elle-iDediU  el  ma- 
viendra  k  loul  le  nioiide.' 


528 

König  Joachim  um  diese  Stimmungen  wusste,  wofUr  auch  der  fiir 
ihn  peinliche  Umstand  sprach,  dass  seine  beiden  Wiener  Ge- 
sandten Fürst  Cariati  und  Herzog  von  Campochiaro  noch  immer 
ohne  Erfolg  um  Zulassung  zu  den  Berathungen  des  Congresses 
warben. 

Aber  auch  Bellegarde  kannte  die  Stimmungen  in  Wien, 
sowie  er  die  Entwürfe  des  Königs  von  Neapel  durchschaute, 
und  wenn  er  unter  solchen  Umständen  die  Möglichkeit  eine« 
Krieges  auf  der  apenninischen  Halbinsel  erwog,  dann  konnte 
es  ihm  nicht  mehr  gleichgiltig  sein,  ob  es  in  den  ihm  anver- 
trauten Provinzen  Elemente  gab,  die  nur  auf  eine  Verwicklung 
nach  aussen  warteten,  um  sodann  alles  für  einen  gewaltsamen 
Losbruch  im  Innern  in  Bewegung  zu  setzen.  Auch  griffen  die 
neapolitanischen  Umtriebe  jetzt  schon  ganz  merklich  in  die  Ver- 
hältnisse der  lombardisch-venetianischen  Gebiete  ein.  Vom  ehe- 
mals italienischen  Escadronschef  Ragani  wurde  bereits  erzählt, 
dass  er  den  ihm  bevorstehenden  österreichischen  Kriegsdienst  mil 
dem  neapolitanischen  vertauscht  hatte,  und  er  war  nicht  der 
einzige  Officier,  der  so  handelte.*  Noch  zahlreicher  waren  es 
einzelne  von  der  Mannschaft  der  ehemaligen  italienischen  Armee, 
die  unter  die  Fahnen  des  Königs  von  Neapel  liefen,  wo  sie  mit 
offenen  Armen  aufgenommen  wurden.  Gewiss  fehlte  es  nicht  an 
geheimen  Hetzern,  welche  sie  dazu  aufforderten,  während  eigene 
Sendlingc  das  Land  zu  beiden  Seiten  des  Mincio  durchstreiften, 
um  die  Waffen  solcher  Ausreisser  zu  sammeln  oder  den  Bauern 
Feuergewehre  abzukaufen,  die  bei  guter  Gelegenheit  über  die 
Grenze  geschmuggelt  werden  sollten.  Im  Venetianischen  galten 
der  neapolitanische  Consul  Pecheneda  als  der  Leiter,  die  Büchsen- 
macher Ludovico  und  Gactano  Piccoli,  Vater  und  Sohn,  der 
eine  in  Verona,  der  andere  in  Padua,  als  Hauptunterhändler  in 
dieser  Sache;  der  Consul  sagte  ihnen  11  Francs  ftir  das  Stück 
zu,  so  viel  sie  ihm  an  Flinten  zu  liefern  vermöchten.  Bis  zum 
October  hatte  Pecheneda  durch  solche  Mittel  bereits  2000  Ge- 
wehre zusammengebracht.  Ein  beträchtliches  Quantum  Queck- 
silber hatte  er,  den  kaiserlichen  Zollaufsehern  zum  Trotz,  ausser 


*  A.  J.  Pierre  Antoine  Carrer  an  Hager  Nr.  10,  wo  er  auf  erhaltene  Wei- 
sung verspricht,  allen  Eifer  aufzubieten,  ,pour  vous  präsenter  bientot  la 
note  des  noms  de  tous  les  Individus  qui  se  sont  dijk  rendus  k  Ancone 
ou  qui  ont  encore  l^intention  de  s'y  rendre*. 


529 

Land  zu  schaffen  gewusst.  Schon  verlautete  von  drei  gestohlenen 
Kanonen^  die  er  in  seinem  Hause  verborgen  halte^  und  kam 
man  seinen  Versuchen  auf  die  Spur,  Leute  von  der  Dogana 
zu  bestechen,  um  seinen  ganzen  Waffenvorrath  zu  Schiffe  zu 
bringen. 

Die  Ausreisserei  in  die  Marken  wurde  zum  Theil  durch 
ein  Landesunglück  gefördert,  das  auch  nach  anderen  Seiten 
hin  seine  üblen  Folgen  äusserte.  Die  Enite  des  Sommers  1814 
war  ungünstig  ausgefallen,  nicht  blos  im  lombardisch-venetianischen 
Gebiet,  sondern  auch  nordwärts  der  Alpen,  wie  in  Krain,  wo 
der  Ertrag  der  Kebc  im  Frühjahre  durch  Reif,  im  Sommer 
durch  schlechte  Witterung  vereitelt,  der  Buchweizen,  in  vielen 
Gegenden  die  Hauptnahrung,  durch  frlüizeitigc  Kälte  vernichtet 
worden,  so  dass  eine  Hungersnoth,  wenn  nicht  früher  ,doch  ge- 
wiss im  künftigen  Frühjahre'  vorauszusehen  war.*  Li  Mailand 
dachte  man  an  ein  Getreideausfuhrverbot,  in  Padua  an  ein 
Auswanderungsverbot,  da  bei  der  drohenden  Nothlage  die 
Vorspiegelungen  listiger  Werber  offene  Ohren  fanden.  Aus 
den  spanischen  Feldzügen  heimkehrende  Soldaten  verbreiteten 
die  Kunde:  der  König  von  Spanien  gebe  jedem  Einwanderer 
unentgeltlich  Grund  und  Boden  im  Wertho  von  300  Lire,  Steuer- 
freiheit für  die  ersten  drei  Jahre,    dazu  3  Lire  für  den  Tag.*^ 

So  wirkten  die  äussere  Lage  und  die  Zustände  im  Innern 
zusammen,  um  den  Grafen  Bellegarde  abzuhalten,  jene  Mah- 
nungen, die  ihm  aus  Wien,  aus  Paris,  aus  Linsbruck  zukamen, 
einfach,  wie  er  es  bisher  gethan  hatte,  in  den  Wind  zu  schlagen. 
Allein  aus  Mailand  selbst  und  aus  den  Provinzen  liefen  Nach- 
richten ein,  die  er  nicht  gänzlich  unbeachtet  lassen  konnte. 

• 
15. 

Es  ist  aus  den  von  mir  eingesehenen  Behelfen  nicht  zu 
deuten,  auf  welchem  Wege  die  Behörden  von  dem  Anschlage 
auf  Mailand  und  von  den  Lostagen  des  19.  und  20.  November 
Kenntniss  erhielten;  Thatsache  waren  gewisse  Massregeln  und 
Vorsichten,   die   sich   nur   aus   einer   vorausgegangenen,    wahr- 


>  A.  J.  Krenning^er,  Laibach  1.  October,  an  Hager:  ,Der  Untertban  wird, 
wenn  er  seine  Ernte  auch  ganz  vcräussert,  bei  weitem  nicht  so  viel 
darans  lösen,  um  die  Gaben  berichtigen  zu  kHnnen/ 

»  Carte  segr.  I,  216^219,  222—224. 


Bcheinlich  blos  allgemein  gehaltenSD  Warnung  erklären 
Auffallen  musste  es  im  Publicum  jedenfalls,  dase  unerwartet 
alle  Glöckner  und  Thurmwäcliter  der  behördliche  Befebl  kam, 
nur  xa  den  rcgelraäsGiigen  Tageszeiten  und  kirchlichen  Uand- 
luugen  zu  läuten,  aleo  alles  Festgeläute  sowie  das  Anschlagen 
bei  Feuersbr linsten  zu  unterlassen.  Am  18.  November  erhielten 
die  Commandanten  der  italienischen  Tnippenkiirpcr  Befehl  sich 
fiir  den  24.  zum  Ausmarscli  bereit  zu  machen;  von  Böswilligen 
wui*de  ausgesprengt,  man  werde  sie  nicht  mit  ihren  Waffen 
abrücken  lassen,  weil  man  ihnen  nicht  traue.  Zur  selben  Zeit 
wurden  in  der  Hauptstadt  die  Haupt-  und  Thorwaohen  ver- 
stjlrkt,  die  übrigen  Truppen  in  ihre  Oasernen  consignirt;  in  der 
Nacht  vom  19.  zum  20.  durchstreiften  starke  Patrouillen,  von 
je  einem  PoIiKeicommissar  begleitet,  die  Strassen,  ebenso  in 
Jener  vom  20.  zum  21.' 

Kurz  zuvor,  am  18.  oder  19.,  war  St.  Agnan  in  Mailand 
eingetroffen.  Auf  seiner  Keise  von  Turin  hatte  er  einen  Reise- 
gefährten gefunden,  dessen  Leichtgläubigkeit  und  sorglose  Mitlheil- 
samkcit  er  ftir  die  Zwecke  seiner  Sendung  trefflieb  zu  benütsen 
verstand.  Es  war  Jean  B.  Marclial  oder  M&ri'chal,  ausCIeiiric 
in  Lothringen,  früher  Mililür.irzt,  jetzt  in  Mailand  als  Handels 
mann  ansässig,  verheiratet,  44  Jahre  alt,  mit  welchem  sieb, 
unser  Chevalier  als  französischer  Landsmann  und  Itoyalist 
kannt  machte.  Er  bereise,  liess  er  jenen  im  Vertrauen  wii 
in  höherem  Auftrage  Italien,  um  die  Stimmung  zu  erforschen^ 
der  Kflnig,  der  Herzog  von  Berry  vermöchten  nicht  ohne  Schmerz 
das  scliüne  Land  zu  sehen,  das  so  lang  mit  Frankreich  vereint 
gewesen.  St.  Agnan  durchsctiaute  seinen  Mann,  von  dem  er 
flberxeugt  war,  dass  er  das  Geheinnis  nicht  bei  sich  behalten 
wcnlc' 

Am  zweiten  oder  dritten  Tag  nach  seiner  Anknnfl  in  Mai- 
land stellte  sich  Sieur  Esquiron  de  Saint -Agnan  dem  kaieer 
liehen  Oencral -Bevol Imfich tiglen  vor.  Der  Kindraek,  den  er  «if 
diesen  machte,  war  der  denkbar  ungünstigste.  BoUegardc 


sicb.^^ 

isMggjH 

;henfH 


*  Carrpr,  91.  NoTnmbvr,  nn  Tlae^'i'.  rrwUiDl  .lo  bmlt  iTnu*  c 
tjiii  dsTBil  ri'latcr  k  Milnn  ilaiu  Im  niiil  iln  19  mi  daiu  < 
amronl':  «r  tuiW  sich  Tv-rgvlillrli  bniullht,  <]«iuiiiAr«ia  *n  prfiilin-n;  aiao 
lunnklp  Tiin  finm  .runafiiratiun  ijui  ilavi>il  Hn  gtMüa  fat  ilw  >it&clvn 
ItkliMi»  nJii|;riUi^' ;  linlü»«!.  livUnI  h  ■um  t<<'bluni.  .1 

'  hoAn   1 10  f. 


531 

sich,  mit  was  für  einer  Art  Schelm  er  es  zu  thun  habe:  sei  es 
ein  bourbonischer  Anskunder?  diene  er  der  französischen  Re- 
volutionspartei? oder  sei  er  Spitzbube  auf  eigene  Rechnung? 
Ueber  eines  war  Bellegarde  vom  ersten  Augenblick  im  Klaren: 
dass  es  der  Franzose  in  letzter  Linie  darauf  abgesehen  habe, 
Geld  zu  bekommen,  und  möglichst  viel  Geld.  Unter  anderen 
Umständen  würde  ihn  Bellegarde  einfach  abgewiesen  haben. 
Aber  die  Lage  war  ebenso  kritisch  als  dunkel,  und  darum  die 
Verantwortung  nicht  zu  tibernehmen,  sich  eine  Gelegenheit 
möglicher  Aufhellung  entgehen  zu  lassen;  dazu  die  Weisungen 
aus  Wien!  So  ermächtigte  er  den  ihm  verdächtigen  Patron  nicht, 
er  hiess  ihn  nicht  thun;  aber  er  durfte  ihn  auch  nicht  hindern, 
er  liess  ihn  gewähren.* 


Am  22.  abends  fUhrte  Marchai  seinen  Turiner  Reisegefährten 
bei  Dr.  Rasori  ein.  St.  Agnan  stellte  sich  als  Sohn  eines  Pairs 
von  Frankreich  vor;  er  sei  bei  König  Ludwig  XVIIL,  der  für 
Italien  grosse  Sympathien  hege,  gern  gesehen  und  wünsche  die 
ihm  vom  Hofe  ertheilten  Aufträge  einem  grösseren  Kreise  mitzu- 
theilen.   Es  wurde  eine  Zusammenkunft  filr  den  nächsten  Abend 


^  In  den  Processacten  über  die  ,congiura  militare*  ist  von  ,einem  wirklichen 
oder  angeblichen  Franzosen,  der  sich  Chevalier  de  St.  Aignan  nannte*, 
die  Rede.  Es  muss  also  zu  jener  Zeit  in  Mailand  nnter  den  Theilneh- 
mern  an  der  Militär- Verschwörung  ein  Zweifel  über  die  Persönlichkeit 
des  französischen  Zwischenmannes  bestanden  haben.  Die  Prinzessin 
Belgioioso  aber  lässt  jene  Alternative  fallen,  hält  sich  allein  an  den  ,an- 
geblichon*  und  liefert  £tude  110  eine  Erzählung,  die  ihr  seither  von 
allen  neueren  Mailänder  Geschichtschrei bem  nachgeplaudert  wurde:  Graf 
Bellegarde,  aus  Savoyen  gebürtig,  habe  daselbst  arme  Verwandte  von 
dunklem  Dasein  besessen;  einen  dieser  Vettern,  einen  verschlagenen 
Menschen,  habe  er  vermocht,  unter  dem  Namen  eines  Chevalier  oder 
Marquis  von  St.  Aignan  nach  Mailand  zu  kommen,  hier  einen  Agenten 
der  Bourbons  zu  spielen  etc.  etc.  Nun  wissen  wir  aber,  1.  dass  es  kein 
angeblicher  St.  Aignan,  sondern  ein  wirklicher  Sieur  Esquiron  de  St.  Agnan 
war;  2.  dass  derselbe  kein  Vetter  des  kaiserlichen  General-Bevollmäch- 
tigten, ja  nicht  einmal  ein  Bekannter  desselben  war;  3.  dass  es  nicht 
Bellegarde  gewesen,  der  den  französischen  Chevalier  nach  Mailand  hat 
kommen  lassen;  4.  dass  diese  Einmischung  eines  fremden  Factors  durch- 
aus nicht  nach  dem  Sinne  des  Feldmarschalls  war,  der  sich  vielmehr 
denselben  von  allem  Anfang  am  liebsten  vom  Halse  geschafft  haben 
würde. 


verabredet,  wo  aucli  Lattuii<la  und  Gasparlnetti  erscfaiv 
St.  Agnan  rückte  nun  mit  näheren  Angaben  heraus:  »eia  Kl 
sei  bereit,  Geld  ntiil  Truppen  herzugeben,  Macdonald  oder 
8uult  würden  die  letzteren  bef'eliligen;  an  die  Spitze  des  wieder- 
liergestellleu  Italiens  solle  der  Herzog  von  Berry  oder  der  Graf 
von  Artois  als  König  ausgerufen  werden;  aber  zunäehst  mrtsse 
man  in  Paris  wissen,  was  vom  Lande  selbst  aus  ge&ehebeo 
wolle,  und  es  sei  daher  nothwendig,  ein  festes  Programm 
zuarbeiten,  das  er,  Sl  Aguaii,  ain  toassgebenden  Orte  vori« 
könne.  Die  anwesenden  Italiener  erboten  sich,  bis  näcl 
Samstag  zweckdienliche  Sehriflstlicke  zn  liefern. 

Zwei  Tage  vor  Ablauf  dieser  Frist,  der  24.  November  IÖI4. 
war  der  Zeitpunkt,  an  welchem  der  Aufbruch  der  italtenischeo 
Tnippeokurper  in  ihre  neuen  Garnisonen  jcuseits  der  Alpen 
erfolgen  sollte.  General- Feld  Wachtmeister  Fnui*  Freiherr  von 
Süden  eiliess  an  seine  Brigade  einen  Tagesbefehl,  worin  er  den 
Truppen  Mannszueht  empfahl  und  vor  Ausreisserei  warnte. 
In  der  That  erfolgte  der  Ausmarech  allenthalben  c^e  Anstand 
und  Störung,  selbst  jene  Ofliciere  nicht  aiisgcnommeD,  <li«  an 
den  früheren  gclieimcn  Abivden  und  ^tachensdiaften  iheilge- 
nonimeu;  der  einzige  Olini  bat.  ,wegeD  Benclitigung  seiner 
Familien  an  geJegonhoiten',  um  Urlaub.  Dagegen  marschirtf, 
Obristlieutenant  Pavoni  mit  Feldniarschalllieutouant  Zi 
welchem  er  einstweilen  beigegeben  war.  Am  ä5.  war  bereits 
in  ilarscli,  allerdings  noch  aaf  italicniscbem  Boden;  allein 
nachdem  sie  diesen  verlasseji  hUten,  spiegehe  St.  Agnan  den 
Versah woreni-n  vor,  werde  es  ein  Leichtes  sein,  sie  zum  Abfall 
und  inr  RQckkehr  in  die  Tleimal  tu  bewegen. 

Die  dritiA  Zosammenkunfi  in  der  Wohnung  ttasori's  fand 
wie  verabredet  am  %  statt.  Die  Geheimbündler  waren  ihrer 
Zusage  g«re<'ht  geworden  und  legten  ihre  Auf&size  auf  d«n  IWh 
()rs  Hauses  nieder:  Rasori  einen  Aufruf,  den  der  OberlMiritUa- 
habvr  dos  fnuncOsBcfaca  lUlfecorps  bei  seinem  t^nmarscli  in 
Italien  erlassen  »olho,  eine  Attfibrdentag  an  dir  Itabearr,  ach 
den  Tmppen  äava  Befreiers  uumscUicesm,  cänea  achwunghnf\ 
gchahracn  Anfraf  ihnGelmi  Inhahns:  6asparin<^  rir'-^n  Plan 
der  R«rvnhittonirung  ItaUrns:  Lattnada  einen  \' 
nnd  dir  llanpipunkti'  für  tUnt^-tmog  einer  \ 
giemng.  Ihr  rrMa>~isi«chor  Freund  erschien  ' 
AnlltU  war  TBrrt."irt;  denn  er  braehu-  dt«  Hiol«-vi"«<iT  dir  p. 


ächirt*,^— 


533 

scheine  auf  ihrer  Spui*  zu  sein,  da  ihn  auf  der  Strasse  ver- 
dächtige Gestalten  nicht  aus  den  Augen  gelassen  hätten;  er 
wiQs  eine  Pistole  vor,  mit  der  er  sich  im  schlimmsten  Falle 
Luft  machen  werde.  Der  Hausherr  wurde  von  seiner  Wirth- 
schafterin  abgerufen;  er  kam  mit  der  Nachricht  in  das  Zimmer 
zurück,  dass  das  Haus  von  Auflauerern  umstellt  sei.  St.  Agnan 
ergab  sich  ins  Fluchen  und  Schimpfen,  fasste  die  zur  Verlesung 
vorbereiteten  Schriftstücke,  wie  um  sie  in  Sicherheit  zu  bringen, 
mit  einem  festen  Griflf  zusammen  und  verliess,  ohne  auf  Lattuada 
zu  hören,  der  ihm  die  Papiere  abforderte,  in  Eile  das  Zimmer 
und  das  Haus.^ 

Keiner  von  ihnen  hat  ihn  in  Mailand  mit  einem  Auge 
wiedergesehen,  da  Bellegarde  sich  des  dienstbeflissenen  Mohren, 
nachdem  dieser  seine  Schuldigkeit  gethan,  alsbald  zu  entledigen 
wusste.  Er  gab  ihm  Reisegeld  und  einen  gewandten  Menschen 
als  Begleiter,  dem  gegenüber  St.  Agnan  sich  entschlüpfen  Hess, 
dass  ihn  eigentlich  die  französische  Polizei  ausgesandt  habe, 
,de  venir  sonder  Tesprit  public  en  Italic^  Der  Simplen  war 
mit  dichtem  Schnee  bedeckt  und  so  musste  der  Umweg  über 
Turin  gemacht  werden,  wo  der  Abenteurer  dem  Grafen  Bubna 
einen  weiteren  Reisebeitrag  (,quelque  petite  somme  d'argent') 
herausschwindelte,  um  seine  Reise  nach  Paris  fortzusetzen. 


In  der  Nacht  vom  3.  zum  4.  December  wurden  Rasori, 
Lattuada,  Gasparinetti  und  Marchai  in  ihren  Wohnungen  aus- 
gehoben, unter  Bedeckung  von  40  Dragonern  in  einem  der 
Thürme  des  Castells  in  Sicherheit  gebracht  und  gleich  darauf 
polizeilich  verhört.  Sie  verlegten  sich  nicht  aufs  Leugnen  und 
ihre  Aussagen  führten  auf  weitere  Spuren.  Am  5.  leitete  Pagani, 
der  bis  auf  weiteres  die  Geschäfte  der  General-Polizeidirection 
führte,  den  Verbalprocess  über  die  Festnahme  Rasori's,  die  mit 
Lattuada,  Gasparinetti  und  Marchai  aufgenommenen  Protokolle 
und  die  von  St.  Agnan  eingelieferten  Schriftstücke  an  den  kaiser- 


^  Die  obigen  Einzelnheiten)  fast  durchaus  nach  der  Erzählung  der  Prin- 
zessin Belgioioso  (6tude  110 — 115),  die  in  allen  wesentlichen  Punkten 
mit  den  Ergebnissen  der  strafgerichtlichen  Untersuchung  übereinstimmt, 
ein  Beweis  mehr  für  die  8.  517  Anm.  behauptete  Glaubwürdigkeit  der 
Verfasserin  in  allem,  was  sie  von  unmittelbaren  Theilnohmem  an  jenen 
Vorgängen  erfahren  haben  konnte. 
Archiv.  Bd.  LXXVl.   H.  Hälfte.  35 


534 

liehen  General-BevoUinäehtigen,  der  ftir  die  weiteren  Schritte 
eine  Speeialcommission  unter  dem  Vorsitz  des  k.  k.  General- 
Feldwachtmeisters  Raban  Baron  Spiegel  niedersetzte;  Beiräthe 
waren  Hofrath  Filippo  Marchese  Ghislieri,  Major  Franz  Weiss 
V.  Rettenberg  im  Generalquartiermeisterstabe,  Appellationsrath 
Franc,  della  Porta;  Schriftführer  (cancelHere)  Carini. 

Die  Untersuchung  gewann  nun  einen  weiteren  Umfang 
und  Furcht  befiel  alle,  die  sich  irgend  einer  Schuld  bewusst 
waren  oder  in  den  Verdacht  einer  solchen  zu  fallen  besorgten. 
Namentlich  waren  es  mehrere  Beamte  der  Post,  von  denen  es  hiess, 
dass  sie  Corrcspondenzen  mit  den  Napoleoniden  und  versteckten 
Anhängern  derselben  beförderten;  ein  Casatti  ging  mit  seinen 
Freunden  zu  Rath,  ob  sie  sich  nicht,  solang  es  noch  Zeit  sei, 
aus  dem  Staub  machen  sollten.  Der  Schritt  unterblieb,  ohne 
Zweifel  weil  sie  dahinter  kamen,  dass  es  sich  bei  den  Verhören 
im  Castell  um  ganz  andere  Dinge  handle.  Gegründeter  waren 
die  Mahnungen,  die  General  Lecchi  von  wohlmeinender  Seite 
empfing;  allein,  wie  man  sich  erzählte,  durch  Grafen  Alfonso 
Litta  und  dessen  Sohn  sicher  gemacht,  schlug  er  die  Warnung 
in  den  Wind  und  blieb,  bis  es  zu  spät  war.  In  der  Nacht  vom 
10.  zum  11.  wurden  er,  de  Meestre  und  Bellotti  eingezogen, 
in  jener  vom  12.  zum  13.  der  Thürhüter  Gerosa,  der  die  vor- 
lauten Aeusserungen  Mancini's  wegen  des  Anschlages  auf  Mantua 
verschiedenen  Personen  mitgetheilt  hatte.  Vom  14.  zum  15.  traf 
das  gleiche  Loos  den  Obristen  Olini  in  Brescia,  in  der  Nacht 
vom  17.  zum  18.  den  gewesenen  Ajutante  commandante  Cave- 
doni  ebenda,  vom  5.  zum.  6.  Januar  1815  den  Obristen  Varese, 
in  der  darauffolgenden  Nacht  Caprotti.  Obrist  Moretti  befand 
sich  als  ttberzähHger  Obrist  im  II.  leichten  Infanteriebataillon 
bereits  in  Graz  als  ihn  auf  eingelangten  Befehl  der  Conmiandant 
des  38.  Linien-Infanterieregimentes  Prochaska,  Franz  Schreiber, 
am  7.  Januar  verhaften,  dessen  Papiere  versiegeln  und  diese 
sammt  dem  Besitzer  derselben  durch  den  Hauptmann  Johann 
V.  Vorbeck  von  Casteler-Infantcrie  Nr.  27  nach  Mantua  bringen 
Hess.  Mit  Innocente  Brunetti,  dessen  Verhaftung  in  der  Nacht 
vom  9.  zum  10.  Januar  erfolgte,  und  mit  dem  in  die  nördlichen 
Provinzen  abmarschirten  Obristlieutenant  Pavoni,  welchem  der 
Haftbefehl  auf  den  Fersen  folgte,  hatte  die  Regierung  alle  Mit- 
schuldigen an  der  grossen  Militär -Verschwörung  in  sicherem  Ge- 
wahrsam,   zwei  allein  ausgenommen,   die,   vorsichtiger  als   die 


535 

übrigen,  noch  zu  rechter  Zeit  das  Weite  gesucht  hatten:  der  ge- 
wesene Ki'iegscommissar  Muncini  und  der  ehemalige  Bataillonschef 
Delfini.  Denn  auch  der  nunmehr  neapoHtanische  Escadronschef 
Ragani,  der  das  BindegHed  zwischen  jenen  und  dem  Haupt- 
quartier König  Joachim's  hatte  abgeben  sollen,  fiel  beim  Be- 
treten seiner  modenesisehen  Heimat  den  Häschern  in  die  Hände 
und  wurde  an  die  kaiserlichen  Behörden  abgeUefert. 

Die  lombardische  Militär- Verschwörung  war  im  Keime  er- 
stickt und  damit  der  letzte  ernste  Versuch  einer  Wiederherstellung 
des  Königreichs  Italien  unter  französischem  Schutz  und  Schirm 
gescheitert.  Es  gab  ohne  Frage  noch  Männer,  deren  Wünsche 
an  dem  gestürzten  Regimente  hingen:  allein  sie  standen  für 
sich,  sie  hatten  keinen  Zusammenhang,  keinen  Rückhalt  und 
vermochten  vereinzelt  nichts.  Wann  immer  das  politische  Un- 
wetter losbrach,  das  aus  dem  neapolitanischen  Lager  von  An- 
eona  drohte  —  mit  den  Mantuaner  Centri,  auf  deren  vorbereitende 
Thätigkeit  König  Joachim  im  Stillen  gerechnet  hatte,  war  es 
nun  aus  und  vorbei. 

Die  strafgerichtHche  Untersuchung  der  im  December  1814 
und  Januar  1815  verhafteten  Personen  zog  sich  mit  der  letzten 
Entscheidung  bis  in  das  Jahr  1816  hinein.  Das  Verbrechen, 
auf  welches  die  Anklage  lautete,  war  Hochverrath,  auf  welchen, 
selbst  wenn  es  beim  Versuche  geblieben,  der  Tod  gesetzt  war. 
Mildernde  Umstände  verschiedener  Art,  in  erster  Reihe  das 
reumüthige  Bekenntniss  der  Gefangenen,  dann  aber  der  Umstand 
dass  aus  der  vor  seiner  Verwirklichung  vereitelten  Unternehmung 
keinerlei  Schaden  nach  aussen  entstanden  war,  bestimmten  den 
Kaiser  Franz  zur  Umwandlung  der  Lebensstrafe  in  schweren 
Kerker  von  einigen  Jahren,  in  welche  überdies  die  in  der 
Untersuchungshaft  zugebrachte  Zeit  eingerechnet  werden  sollte. 
Den  zu  achtjährigem  Festungsarrest  verurtheilt  gewesenen  ac- 
tiven  Militärs  de  Meestre,  Moretti  und  OUni  wurde,  nachdem 
sie  die  Hälfte  ihrer  Strafzeit  in  musterhafter  Ergebung  abge- 
sessen hatten^  der  Rest  der  ihnen  anberaumten  Frist  vollends 
nachgesehen. 

Mehrere  Jahre  später  soll  Jean  Baptist  Mar^chal  in  Paris 

unter    den   Säulenhallen    des   Palais   Royal   auf  den   Sieur    de 

Saint -Aignan,    seinen    gesprächigen   Reisebegleiter    von    Turin 

nach  Mailand,   gestossen  sein,  ihn  bei  der  Gurgel  gefasst  und 

mit  einem   spanischen   Rohre   aus   Leibeskräften   durchgewalkt 

86» 


536 

haben.  •  Was  sonst  aus  ihm  geworden,  hat  sich,  so  scheint  es,  bis- 
her der  Oeffentlichkeit  entzogen,  und  ebenso  ist  von  dem  General 
und  Grafen  Comelli  von  Stuckenfeld,  den  die  kaiserlichen  Be- 
hörden gegen  Ende  1814  in  Italien  vermutheten,  nichts  Ver- 
lässliches bekannt  geworden.  Es  wäre  immerhin  interessant, 
Näheres  über  die  ferneren  Schicksale  und  den  Ausgang  dieser 
beiden  politischen  Hochstapler  zu  vernehmen. 

1  l^tude  116. 


ANHANG. 


1. 

In  Sachen  der  Freimaurer, 

Schreiben  an  den  Herrn  FZM.  Freiherrn  von  Latter  mann,  illjrischen 
Gouverneur  in  Laibach;  an  Herrn  FZM.  Fürsten  von  Reuss,  italienischen 
General -Gouverneui-  in  Padua;  an  Herrn  GM.  von  Tomassichs,  dalma- 
tinischen Gouverneur  in  Zara. 

S.  M.  geruhten  veimittelst  a.  h.  Entschliessung  vom  3.  d.  M.  zu  be- 
fehlen, dass  jene  Beamten  in  den  occupii-ten  Provinzen,  welche  die  provi- 
sorische österreichische  Regg.  auf  ihren  Dienstposten  belässt,  verhalten 
werden  sollen,  eidlich  anzugeloben,  dass  dieselben,  falls  sie  mit  einer 
Frey maur er- Loge,  oder  einer  andern  geheimen  Gesellschaft  in  Verbindung 
standen,  sich  sogleich  davon  lossagen  und  in  keine  solche  Gesellschaft 
mehr  treten  wollen. 

Ich  bitte  E.  E.  diese  a.  h.  Anordnung  bei  den  Ital.  Beamten  Ihres 
Gouvernements,  soweit  sie  solche  betreffen  kann,  in  Anordnung  bringen 
und  die  eidlichen  Reverse  derselben  mir  einsenden,  überhaupt  aber  nun 
mit  desto  strengerer  Aufsicht  das  Fieymaurer  Wesen  unter  den  öffentl. 
Beamten  controliren  lassen  zu  wollen. 

Wien,  am  20.  März  1814.  Hager. 

2. 

Angelobuiigs- Formel  der  Mitglieder  der  provisorischen 

Regentschaft. 

(Beilage  zum  Vortrage  Bellegarde's  an  8e.  Maj.  vom  21.  Mai  1814.   J.  A.  ad 

164  ex  Sept.  1814.) 

Essende  volonta  Sovi-ana,  che  Voi  o  Signori  abbiate  da  continuare 
provvisoriamente  nell' esercizio  delle  funzioni  di  Reggenti  del  Governo: 

Prometterete  e  giurerete  Fedeltä  a  Sua  Maosta  1'  Imperatore  e  Re 
Francesco  I,  Vostro  Clementissimo  Sovrano  e  Signore,  übbidienza  alle 
Leggi,  Ordini  e  Decreti,  che  veiTanno  dalla  Maesta  Sua  emanati,  Subordi- 


538 

nazione  a  Sua  Eccellenza  il  Signor  Conte  Feld  Maresciaüo  Commissario 
Ploniputoiiziario,  o  cbi  furo  potrobbe  lo  suc  vcci. 

Prometterote  e  giurerete  cbe  nel  disimpegno  della  Carica  provviso- 
riamente  affidatavi  adempireto  con  zolo,  Lealta  ed  osatezza  i  doveri  della 
mcdcsima. 

Promettorete  e  giurereto  finalmonte  di  non  appartenere  ne  diretta- 
mente,  no  indirettamente  a  veruna  Societa  segreta,  qiialunque  ne  sia  la 
denominazione,  ed  in  caso  che  vi  apparteneste  promettercte  e  giurerete  di 
rinunziarvi  immodiatamente. 

Promotto  et  giuio  d'osservaro  fedelniente  tutto  quanto  ora  mi  e 
State  letto  e  che  ho  pienamente  inteso.    Cosi  Dio  mi  ajuti. 

3. 

Copie  d'un  rapport  du  Comte  de  Bombelles  ä  S,  A.  le  Prince  de 
Metternich,  en  date  Paris  le  16  Juillet  1814. 

Une  döposition  dont  Tobjet  me  parolt  d'iine  majeure  impoi*tance,  la 
revelation  d'une  trame  odieuse,  qui,  si  Ton  doit  en  croire  les  apparences, 
auroit  pour  but  le  plus  noir  des  attentats,  m*ont  sembl6  exiger  Texpedition 
Sans  delai  du  präsent  Courrier.  Je  ne  puis  encore  juger  si  dans  le  rapport 
que  je  vais  avoir  Thonneur  de  faire  ä  V.  A.  tout  est  confonne  a  la  plus 
exacte  verite,  ou  si  Tinexperience  du  d^lateur  lui  a  fait  supposer  plus  d'im- 
portance  qu'il  n'y  en  a,  aux  faits  qu'il  a  enoncös;  mais  dans  tous  les  cas, 
j'ai  cru  qu'il  etoit  indispensable  de  mettre  le  plustöt  possible  V.  A.  au 
courant  d'une  affaire  dont  les  suites,  si  on  n'y  mettoit  la  plus  sevöre  at- 
tention, pourroient  avoir  le  plus  grand  danger. 

Mr.  d'Esquiron  de  St.  Agnan  qui  est  venu  me  trouver  hier,  est  un 
liommc  de  Icttres,  qui  a  eu  Thonneur  d'offrir  en  1808  par  le  canal  de  V.  A. 
un  ouvrago  ä  S.  M.  TEmpcreur. 

II  en  obtiut  une  mcdaille  d'or  quMl  porto  encore.  Au  dernier  sejour 
de  S.  M.  il  Paris  il  a  mis  sous  Ses  yeux  la  proraiöre  partie  d'un  sec<aid 
ouvrage  iutitule:  Dieu,  la  naturc,  et  les  loix.  Mr.  de  St.  Agnan  preteml 
avoir  ct^  accueilli  avec  la  plus  grande  bonte  de  notro  Souvcraiu,  qui  lui 
a  promis  de  ne  point  l'oublier  dans  Toccasion.  Apres  le  dopart  de  TEm- 
pereur  Mr.  de  St.  Agnan  so  reudit  a  Londres,  oii  des  affaires  d'interet 
reclamoient  sa  proseuce.  C'est  la  qu'il  retrouva  vers  la  mi-Juin  un  cer- 
tain  Comte  Coinolli  ne  a  Aquiloja  en  Frioul,  homme  audacieux  et  entre- 
prenant,  jadis  au  service  d' Antriebe,  mais  ayant  depuis  plusieurs  annee« 
voue  la  baine  la  plus  deoidee  a  notre  Gouvernement  St.  Agnan  ayant  conuu 
Comelli  il  y  a  trois  ans  a  Paris,  et  lui  ayant  rendu  quelques  Services  lors 


639 

d'nne  incarcei-ation  qu'il  avoit  subie  pour  cause  de  dettes,  il  en  fut  ac- 
cueilli  avoc  amitie.  C'est  apr^s  l'avoir  questionn^  sur  ses  projets  et  sur 
sa  maniere  d'envisager  les  ^venemens  qu'il  erat  pouvoir  lui  ouvrir  son 
cceui*.  C'est  alors  qu'il  lui  fit  part  des  trames  vastes  et  perfides  dont  il 
tient  los  fils  en  main,  et  qu'il  se  flatte  de  pouvoir  mettre  k  ex^cution  dans 
les  Premiers  jours  d'Octobre.  C*est  ä  cette  öpoque  que  Tltalie  entiöre  doit 
se  rovolutioimer,  et  qu'un  Empire  romain  sous  les  auspices  de  trois  Con- 
suls  et  d'un  Empereur  qui  prendra  le  nom  de  C^sar  doit  6tre  ^tabli.  Les 
conjurös  ont  formö  l'ex^crable  plan  d'assassiner  en  mtoe  tems  TEmpereur 
notre  auguste  Maltre,  et  ils  se  flattent  (je  repete  ceci  comme  on  Ta  de- 
pose;  mais  sans  y  ajouter  foi)  que  la  Bussie  saisira  ce-m^me  instant  pour 
effectuer  ses  projects  en  Pologne.  Comelli  doit  avoir  dit  ä  Mr.  de  St.  Agnan, 
que  deux  militaires,  qui  ont  l'honneur  d'approcher  l'Empereur,  sont  du  com- 
plot,  mais  il  n'a  jamais  voulu  s'expliquer  sur  leurs  noms,  j'aimeäcroireque 
ceci  est  une  calomnie  de  ce  miserable,  mais  dans  tous  les  cas  il  sera  facile  ä 
la  police  de  savoir  qui  se  trouve  en  coiTespondance  avec  Comelli.  On  lui 
ecrit  simplement  ,pour  le  G6n6ral  C*  en  ajoutant  une  seconde  enveloppe  k 
Tadresse  du  Sr.  Bertoldi  ä  Delmenhorst.  C'est  le  5.  aoüt  qu'il  compte  6tre  ä 
Milan.  II  est  parti  le  1.  Juillet  de  Londres,  et  doit  passer  pai*  la  Hollande, 
Delmenhorst,  et  le  Tyrol.  II  est  n^anmoins  probable  qu'il  voyagera  sous 
un  nom  supposö.  Le  Chevalier  de  Floret,  ayant  vu  plusieurs  fois  ce  Comelli 
pendant  son  söjour  ä  Paris,  pouiTa  donner  son  Signalement.  Quand  il 
ecrit  ä  ses  complices,  il  se  sert  au  Heu  de  signature  du  paraphe  suivant 


Le  Chiffre  convenu  est  une  croix  k  une,  deux,  ou  trois  branches;  la 
premiöre  »J<  veut  dire,  continuez  ä  travailler  dans  le  sens ;  la  seconde  rib. 
le  moment  decisif  approcho  et  tout  va  bien.  La  troisii^me  ^^  le  coup  va 
etro  frappe.  Dans  un  des  derniors  billots  quo  Comelli  ocrivit  ä  St.  Agnan  il 
lui  enjoignoit  de  luy  onvoyer  saus  delai  des  nouvolles  du  Duc  de  Kiario 
et  d'un  certain  Confino.  Co  Confino  est  Türe  d'origino,  un  dos  plus  mau- 
vais  Sujets  qui  existent,  et  je  crois  qu'il  est  oncoro  ä  Paris.  Je  m'iufor- 
merai  de  ce  fait  le  plus  proniptement  possiblo.  Ce  qui  est  sur,  c'est  que 
St.  Agnan  l'a  rencontr^  dans  le  courant  de  muis  de  mai  dans  la  cour  de 
S.  M.  l'Empereur  a  Paris,  et  qu'il  pretendoit  etro  omploye  au  service  de 
S.  M.  C'est,  au  roste,  un  coquin  du  plus  bas  otago,  ot  dont  Comelli  ne 
compte  propablement  se  sorvir  quo  comme  d'un  assassiu  ä  ses  ordres. 

Comelli  a  assuro  quo  ui  Napoleon,  ui  le  Priuce  Eugene  no  connois- 
sent  ses  projets.  II  n'a  jamais  voulu  dire  les  noms  de  trois  pretendaus 
au  tröne  Imperial,  mais  a  cortifie  qu'ils  etoient  mombres  de  maisons 


540 

souveraines.  II  compte  beaucoup  sur  Tassistance  de  la  plus  grande  partie 
des  officiers  supörieurs  de  Taiinee  Napolitaine,  de  quelques  familles  de 
Milan  et  de  Rome,  de  plusieurs  g^n^raux  de  la  ci-devant  aim^e  d'Italie  et 
de  quelques  chefs  de  parti  du  Tyrol  Italien.  Dans  Tassemblee  ä  laquelle 
St.  Agnan  assista  ä  Londres  ä  la  fin  de  Juin  il  trouva  une  trentaine  de 
personnes  tous  Italiens  k  Texception  de  quatre  Anglais.  Les  trois  pieces 
ci-jointes  ^  donneront  quelque  clart^  ä  V.  A.  sur  cette  odieuse  et  atroc« 
afTaire.  La  proclamation  qui  doit  paroltre  au  mois  d'Octobre  en  fi-an^ais 
et  en  Italien  a  ete  redigee  par  Comelli  lui-m^me.  La  puissance  que  les 
conjur^s  redoutent  avec  raison  le  plus  c'est  rAutriche.  C'est  la  haine  la 
plus  profonde  contre  notre  Cabinet  qui  les  dirige.  Si  Tltalie  a  seconde 
long  tems  les  vues  de  Napoleon,  disoit  Comelli,  c'ötoit  dans  Tespoii-  de 
contribuer  ä  riiumiliation  de  TAutriche.  Depuis  le  mariage  Tltalie  n'eut 
plus  de  confiance  en  lui. 

Je  ne  r6p4te  tous  les  mauvais  propos  de  ces  plus  mauvaises  tetes  en- 
core  que  pour  mettre  V.  A.  ä  mdme  de  juger  Tesprit  qui  anime  ces  scel^rats. 

Si  j'exp4die  mon  fröre  en  Courrier  ä  Vienne,  c'est  quMl  a  assiste 

comme  moi  aux  d^positions  de  Mr.  de  St.  Agnan,  et  quMl  sera  ä  m^me  de 

Vous  donner,  mon  Prince,  mille  petits  details  qui  öchappent  ä  la  plume. 

Si  V.  A.  ne  juge  pas  ä  propos  de  Texpedier  en  Coumer  ä  Mr.  le  Marechai 

de  Bellegarde  pour  lui  communiquer  les  m^mes  renseignemens,  j'osc  la 

supplier  de  me  le  renvoyer  sur  le  champ  pour  que  je  puisse  sans  delai 

savoir  vos  intentions  au  sujet  de  Mr.  de  St.  Agnan.  Ce  dernier  s'engage, 

si  V.  A.  le  juge  ä  propos,  ä  se  rendre  ä  Milan,  continuer  ses  relations 

avec  les  conjurös,  et  donner  au  Gouvernement  tous  les  moyens  de  saisii* 

tous  los  fils  de  la  trame.    Si  V.  A.  me  röexpediait  sans  d^lai  mon  frerc,  il 

pourroit  etro  de  retour  ici  au  prcmier  aotit.   St.  Agnan  pourroit  alors  partir 

pour  Milan,  et  s'y  trouvcr  lo  5.  joui*  du  rendez-vous  des  conjures.    II  de- 

siroroit  etro  mis  sous  la  surveillance  la  plus  exacte  de  la  policc  pour  sa 

sQiote  personelle,  craignant  beaucoup  d'etre  assassine.    V.  A.  me  rcud 

asscz  justice  pour  ne  pas  douter  quo  je  me  mettrai  en  quatre  pour  obtenir 

encoro  plus  de  details  sur  tout  coci.    Mon  attachement  a  la  vie  et  ii  la 

nioi-t  a  l'Auguste  personne  du  plus  adorö  des  Souverains,  et  mon  devoue- 

meut  sans  bornes  pour  V.  A.  sont  les  garants  de  mon  zöle.  Je  n'ai  cepen- 

dant  pas  voulu  retardor  d'uno  miuuto  le  depart  de  mon  fr^re  envisageant 

Taffaire  comme  d'un  interet  trop  pressant.    J'aurai  Tcjeil  aussi  sur  \(^ 

demarches  d'un  certain  Angeloni,  homme  de  lettre«,  romain  de  naissance. 

1  Siülio  oben  S.  500;  der  geneigto  Leser  wird  es  mir  violleicht  danken, 
wenn  ich  ihn  von  der  Durchsicht  dieser  hirugespinnstischon  Schriftstücke 
frei  Iialte. 


541 

et  sur  Celles  d'un  medicin  nomine  Cornara.  Ce  deux  individus  sont  le 
point  de  ralliement  ä  Paris  do  tous  les  lalieus  mecontents.  Ils  sont  de 
plus  en  correspondance  avec  des  Busses  et  beaucoup  de  Polonais. 

4. 
In  Sachen  der  Freimaurer, 

Lieber  Freyherr  von  Hager!  Von  allen  Verzeichnissen  über 
Freymaurer,  sowie  von  Personsbeschreibungen,  welche  Ihnen  bis  nun  aus 
den  Italienischen  und  Illyrischen  Provinzen  zugekommen  sind,  oder  noch 
zukommen  werden,  haben  Sie  Meinem  Hofkanzler  Grafen  Lazansky,  als 
Pi-äsidenten  der  neu  aufgestellten  Zentralorganisirungs-Kommission,  Ab- 
schriften zum  gehöligen  Gebrauch  mitzuthcilen. 

Gutenbrunn  den  9.  August  1814.  Franzm.  p. 

5. 

(A.  J.  1814,  Beilage  zu  3529  ad  1202.) 

Paris  1.  7bre  1814. 
Mon  prince! 

Depuis  les  ordres  que  j'ai  re^us  de  V.  A.  j'ai  fait  venir  M.  de  St. 
Agnan  et  Tai  engage  ä  partir  pour  Milan.  II  m'a  repondu  qu'etant  implique 
dans  un  proces  tr^s  considerable  pour  lui  il  ne  pourroit  quitter  Paris  sur 
le  champ,  que  d'ailleurs  il  y  avoit  des  dettes  et  quMl  ne  lui  seroit  possiblo 
de  s'absenter  que  moyennant  une  avance  de  8000  francs.  Si  j'etois  bien 
convaincu  de  Tindispensabilite  do  la  presence  de  Mr.  de  St.  Agnan  a  Milan, 
j'aurai  bien  pris  sur  moi  de  lui  fournir  les  fonds  qu'il  demande.  Mais 
comme  il  ne  me  parait  pas  d'aprös  les  assertions  mcme  de  Mr.  St.  Agnan 
que  les  conjui'es  puissent  avancer  l'epoque  qu'ils  ont  choisio  pour  Texe- 
cution  de  leur  plan  (opoque  fixee  au  mois  d'octobro)  j'ai  prefero  attcndro 
a  ce  sujet  les  ordres  ulterieures  do  V.  A.  D'ailleurs  Mr.  de  St.  Agnan 
ayant  manque  son  premier  rondez-vous  qui  ötoit  fixe  au  5.  aoüt,  il  ne  sera 
plus  attondu  par  les  conjures  qu*en  8bre,  et  d'ici-lä  V.  A.  peut  me  faire 
savoir  ses  intentions. 

Au  reste  Mr.  do  St.  Agnan,  a  qui  j'ai  fait  une  avance  de  500  fr., 
me  tiondra  au  fait  de  tont  ce  qui  lui  parviendra  subsequemment.  II  paroit 
certain  que  Comelli  est  maintenant  on  Italie,  je  crois  qn'il  serait  interes- 
sant d'engager  Mr.  de  Bellegarde  ä  prondre  toutes  les  mesures  necessaires 
pour  bien  obsorver  ce  scolerat.  Gar  en  Tarretiint  sur  Ic  champ  on  don- 
neroit  Teveil  ä  ses  complices,  qui  d'aprös  tous  mes  renseignemonts  doivent 
ötre  nombreux. 


542 

L'Italie  n'est  point  au  reste  le  seul  pajs  livr^  ä  des  fermentations 
politiquos.  Quoiqu'ou  disent  les  feuilles  fi'an9aises,  la  France  est  loin 
d'etre  tranquille.  L'armeo  tout  en  se  r^organisant,  conserve  un  mauvais 
esprit.  A  Ncvers  il  y  a  eu  des  troubles  assez  serieux,  et  c*est  toujours  la 
force  arm^o  qui  donne  le  mauvais  exemple,  car  le  peuple  en  general  est 
assez  paisiblo.  Lors  de  tant  de  troubles  et  de  malheurs  il  ne  se  r^voltera 
contre  aucun  Gouvernement  et  ne  sera  fonci^rement  attache  ä  aucun.  II 
falloit  aux  Romains  du  tems  de  Suetone  du  pain  et  des  spectacles.  Cette 
devise  est  devenue  entiM'ement  celle  de  la  France. 

Les  chambres  donnent  bien  plus  d'entraves  ä  un  Monarqne,  eclaire 
il  est  vrai;  mais  irr^solu  dans  le  parti  qu'il  a  ä  prendre,  qu'on  ne  le  pen- 
seit  dans  le  principe.  Le  Budget  ä  la  Chambre  des  D^put^s  et  la  liberte 
de  la  presse  h  celle  de  Pairs  occupent  les  esprits,  et  le  Gouvernement  ne 
s*est  pas  encore  foiin4  une  majorit^  bi0n  d^cidee.  Tout  n*a  tant  bien  qne 
mal  si  la  paix  subsiste ;  mais  une  guerre  quelconque  perdroit  la  France. 
II  n'est  pas  inutilo  que  V.  A.  seit  bien  convaincue  de  cette  verite;  eile 
doit  dirainuer  de  beaucoup  Tinfluence  que  Mr.  de  Talleyrand  cherchera  ä 
se  donuer  au  congrös;  il  compte  pai-tir  le  10  pour  Vienne. 

Bombelles.^ 

6. 

Präsidial 'Vortrag  über  die  geheimen  Machinationen  in  Italien 

und  Absendung  eines  Vertrauten  dahin, 

(Concept) 
E.  M. 

Unter  den  Notizen,  welche  ich  über  das  geheime  meuterische  Trei- 
ben in  Italien  erhielt  und  worüber  ich  E.  M.  am  18.  d.  M.  einen  a.  u.  Vor- 
trag erstattete,  waren  auch  zwey  Schreiben  des  Hofrathes  von  lloschmann 
aus  Innsbruck  vom  31.  August  und  2.  September,  welche  ich  E.  M,  in 
beylicgcnden  Copien  a.  u.  zu  Füssen  lege. 

Ich  habe  darüber  mit  dem  Minister  des  Aeussern  Fürsten  Metter- 
nich  Rücksprache  gepflogen  und  überdies  dasjenige  an  FM.  Gr.  Bellegarde, 
an  FZM.  Fürsten  Rouss  sowie  an  den  Hofrath  Roschmann  selbst  erlassen, 
was  die  angebogenen  Expeditions-Copien  ausweisen. 

Aus  dem  Erlasse  an  Roschmann  geruhen  E.  M.  huldvoll  zu  ent- 
nehmen, dass  ich  zwar  seinen  Antrag  den  Prati  von  Trient  als  faux  frerc 


1  Am  1*2.  September  theilt  Metternich  diesen  Bericht  ,iii  der  Hochdenselben 
ohnehin  bekannten  Angelegenheit  des  Herrn  von  St.  Aguan'  dem  Obersten 
'"ölizei-Präöideuteu  mit. 


543 

nach  Mailand  zn  senden,  um  doii;  den  Gang  der  Machinationen  zu  beob- 
achten und  die  Theilnehmer  davon  zu  erforschen,  nicht  verwerflich  fand, 
jedoch  mich  darüber  mit  dem  Fürsten  Metternich  einzuvernehmen  und 
das  Besultat  davon  dem  Eoschmann  nachzutragen  vorbehielt,  ehe  Prati 
nach  Italien  abgehen  sollte. 

Fürst  Metternich  hat  mir  zwar  über  diesen  Gegenstand  noch  nicht 
geantwortet,  aber  Eoschmann  schritt  inzwischen  zur  Execution. 

In  dem  Anschlüsse  berichtet  er  mir,  dass  er  bey  näherer  Nach- 
forschung über  Prati's  Individualität  denselben  zu  der  bezielten  Mission 
nicht  verwenden  zu  können  glaubte,  dagegen  aber  den  ehemaligen  Podesta 
von  Triont  Dr.  Cheluzzi  dazu  als  vollkommen  geeignet  ausersah  und  mit 
einem  Eeisegeldverlage  von  2000  fl.  W.  W.  in  C.-M.  versah. 

Dermahl  lässt  sich  weder  über  die  Qualität  des  Cheluzzi  zu  dieser 
Mission,  noch  über  die  Veranlassung  der  Mission  selbst  etwas  erinnern, 
nachdem  Eoschmann  zum  Werke  geschritten  ist,  ehe  er  die  weitere  An- 
weisung angesucht  oder  erhalten  hat.  Ich  kann  lediglich  in  seiner  Wahl 
nach  der  Darstellung,  welche  er  über  Cheluzzi's  politischen  und  morali- 
schen Character  macht,  compromittii'en,  allein  Eoschmann  will  nun  meine 
Authorisation  haben,  um  den  Cheluzzi  für  den  Fall  der  Nothwendigkeit 
seiner  längeren  Anwesenheit  in  Italien  und  der  dort  zu  machenden  Aus- 
lagen, ausser  obigem  Verlage  einen  grössern  Geld-Credit  zu  eröffnen. 

Hiezu  nehme  ich  mir  nun  die  ehrfurchtsvolle  Freiheit  E.  M.  a.  h. 
Genehmigung  gehorsamst  zu  erbitten. 

Wien  am  21.  October  1814.  Hager. 

Der  Kaiser  resolvirte  am  14.  November:  ,Die  von  Eoschmann  ver- 
anlasste Absendung  des  Dr.  Cheluzzi  nach  Mailand  war  voreilig,  weil  er 
vor  allem  Ihre  Weisung  hierüber  hätte  abwarten  sollen.  Als  eine  gc- 
scliehene  Sache  nehme  Ich  diese  Absendung  in  der  Voraussetzung,  dass 
Cheluzzi  die  zu  einer  so  heiklichen  Sendung  eif orderlichen  Eigenschaften 
in  vollem  Masse  besitzt,  wofür  Mir  Eoschmann  verantwortlich  bleibt,  zur 
Nachricht  und  ermächtige  Sie,  den  Cheluzzi  für  den  Fall  der  Nothwendig- 
keit seiner  längeren  Anwesenheit  in  Italien  mit  dem  noch  erforderlichen 
weitern  Geldverlage  gehörig  versehen  zu  lassen;  jedoch  werden  Sie  dafür 
sorgen,  dass  Cheluzzi  nicht  länger,  als  es  wirklich  nothwcndig  ist,  in  Italien 
verweile,  und  dass  Mir  seine  einlangenden  Berichte  vorgelegt  und  über 
das  ihm  eifolgto  Geld  und  dessen  Verwendung  gehörig  Eechnung  gelegt 
und  das  hiervon  allenfalls  Erübrigte  zurückgestellt  werde.* 


544 

7. 

Extrait  d'un  Rapport  de  Mr,  le  Comte  de  Bombelies  en  date  de 

Paris,  le  2.  Novembre  1814. 

Depuis  la  dorni^re  depöche  que  Yotre  Altesse  m'a  fait  rhonneur  de 
m'adrosser  au  Sujet  du  Sr.  Esquiron  de  St.  Agnan  je  me  suis  fait  un  de- 
voir  de  suivre  ponctuellement  les  ordres  que  Vous  avez  bien  voulu,  mon 
Priüce,  me  donner  ä  cet  4gard.  Mes  dorniges  sur  Tindividu  en  question 
s'accordent  toutes  ä  me  prouver  que  c'est  un  tr^s  mauvais  sujet,  un  homme 
peu  fiablo,  mais  il  est  d'un  autro  cOte  presque  certain  qu'il  entretient  des 
intelligences  avec  les  sc^lerats  qui  cherchent  ä  culbuter  et  devaster  Tltalie, 
et  qu'une  fois  sür  d'une  recompense,  il  peut  rendre  des  Services  eminens 
ou  dövoilant  les  coupables  et  leurs  trames.  Ce  n'est  toutefois  qu'avec  une 
extreme  prudence  qu'on  peut  emplojer  un  pareil  homme,  cai'  ses  relations 
intimes  avec  la  Police  de  Paris  ne  me  permettent  plus  de  douter,  qu'il 
n'en  soit  un  agent  secret;  et  si  jamais  (ce  que  je  suis  loin  de  croii'e)  il 
pourrait  entrer  dans  la  politique  de  la  France  de  soutenir  sous  main  les 
factieux  de  ritalio,  Mi\  de  St.  Agnan  sans  aucun  doute  se  porterait  vo- 
lontiers  ä  rendre  dans  ce  sens  toute  sorte  de  Services.  Comme  toutefois 
je  pronds  la  libertö  de  le  r^peter,  avec  une  extröme  circonspection  on  peut 
tirer  parti  de  Mr.  de  St.  Agnan,  je  n\ai  pas  cru  devoir  lui  refuser  Targcnt 
necessaire  ä  son  voyage,  du  moment  qu*il  est  venu  me  dire  que  l'etat  de 
SOS  affaires  lui  permettait  de  partir  et  que  Tinstant  de  devoiler  la  pliis 
odieuse  des  trames  et  de  faire  avorter  le  projet  des  conspii*ateui*s  etait 
iirrivö.  Quoique  je  sois  bion  eloigne  de  croire  tous  les  romans  du  Sr.  Si. 
Agnan,  je  me  serais  soumis  k  une  trop  grande  responsabilite  cn  nV 
joutaut  aucun  foi  a  sos  depositions.  II  part  donc  aujourd'hui  rauni  de 
lottres  pour  le  Comtc  de  Bubna  et  le  Marechal  de  Bellegarde.  Pour  evitcr 
au  roste  ä  Mr.  le  Marechal  tout  espöce  d'cmbarras  et  le  bien  mottre  au 
fait  de  Tetat  dos  choses,  ainsi  quo  des  Services  que  Mr.  de  St.  Agnan  peut 
rendre  et  dos  inconveniens  quo  son  caractere  prosente,  j'ai  cni  necessaire 
d'oxpodior  dös  hier  a  Milan  Mr.  l'abbe  Altieri,  portoui-  d'une  lettre  wn- 
fidentiello  pour  Mr.  lo  Comte  de  Bellegarde.  Je  joins  ä  ce  trös-humble 
rapport  copie  des  instructions  dont  j'ai  pourvu  Tabbö.  Ce  dernier  peut 
d'aillours  ötro  de  la  plus  grande  utilite  en  Italie.  Son  zöle  egale  son  in- 
tolligcnce.  II  connait  les  principales  familles  de  ce  pays  la  et  inspire  en 
qualito  de  patriote  plus  de  confiance  qu'un  etranger.  Je  crois  donc,  mon 
Priuce,  n'avoir  rien  noglige  pour  que  notrc  Auguste  Souveiiiin  soit  seni 
dans  cettc  occasion  comme  II  le  merite.  J'ai  compose  un  petit  chiflfre  dont 
j'ai  donne  le  double  ä  l'abbo  Altieri,  afin  de  le  mettre  ä  memo  de  m'in- 


545 

struire  de  la  tournure  que  vont  prendre  les  choses  en  Italie.  Je  serai  en 
attendant  h  Taffüt  des  menees  du  Gouvernement  fran^ais,  et  je  crois  pou- 
voir  me  flatter  qu'elles  ne  m'öchapperont  pas. 

8. 

Nr.  784. 

MonBieur  le  Baron! 

Je  ne  dois  pas  dififerer  h  mander  ä  V.  E.  que  le  Sr.  de  St.  Aignan 
qui  denon^a  h  Mr.  de  Bombelles  ä  Paris  une  pretendue  conspiration  en 
Italie  dirig^e  par  le  nomm^  Comelli,  est  aiTive  ici  depuis  quelques  jours, 
mais  il  s'en  faut  bien  qu*il  soit  de  l'utilite  qu'on  comprit.  D'abord  il  ne 
donne  aucune  indication  pröcise  sur  les  pr^tendus  conjures,  et  d'ailleurs 
dans  son  verbiage  on  S9ait  pas  assez  d^mäler  s'il  est  un  espion  des  Bour- 
bons,  s'il  sert  ä  un  parti  revolutionnaire  en  France,  ou  bien  s'il  a  d'autres 
vues  indirectes,  et  ce  qu'il  y  a  de  plus  sür,  c'est  qu'il  ne  cherche  qu'ä 
avoir  de  Targent  et  ä  se  rendio  interessant  pour  en  avoir  d'avantage.  Je 
ne  peux  donc  pour  le  moment  den  annoncer  de  positif  sur  le  compte  du 
Sr.  de  St.  Aignan  k  V.  E.  et  je  me  reserve  ä  lui  en  rendre  un  compte 
plus  exacte  quand  par  des  autres  entrevues  avec  lui  j'aurai  mieux  connu 
son  vöritable  caract^re. 

Agr^ez  etc.  Bellegarde  F.  M. 

Milan  ce  22.  Nov*  1814. 

A.  Mr.  le  Baron  de  Hager  ä  Vienne. 

9. 
P.  A.  Carrer  an  Baron  Hager  in  Wien, 

Nr.  9. 

Excellence 

Par  mes  n"  pröcedents  et  par  le  dernier  aussi  en  date  30  novembre 
j*ai  eu  rhonneur  d'assurer  V.  E.  que  la  Police  de  Milan  surveillait  atten- 
tivement,  aujourd'hui  j'ai  l'bonneur  de  vous  annoncor,  Mr.  le  Baron,  que 
hier  k  5  heures  du  matin  la  Police  a  fait  arrester  quattre  Individus, 
c*e8t  ä  dire 
Basori,  Medecin  et  Chirurgien,  homme  d'^sprit  et  de  connaissance  qui 

avait  sous  Tex  Vice  ßoi  beaucoup  d'influence. 
Gasparinetti  Colonel  de  Cavallerie  Italienne,  homme  ä  talent,  ferme, 

qui  a  fait  toutes  les  campagnes  et  qui  a  ^t^  fait  prisonnier  en 

Bohöme. 


546 

Latuada  ci-devant  officier  de  la  Garde  Nationale  de  Milan,  homme  de 

pou  de  rossources,  on  mo  le  dit. 
Marechal  que  je  crois  Fran9ais,  qui  ötait  au  Service  Militaire-Italien  du 

quel  je  me  rescrve  de  presenter  a  V.  E.  des  dctails  plus  sürs  dans 

mon  n"  suivant,  et  en  menie  tems  je  s^aurai  vous  annoncer  ropinion 

qu'on  porte  sur  Tarrestation  des  susdits. 

Agroez  etc.  Carrer. 

Milan  le  5  Xmbre  1814. 

10. 
(Beilage  zu  1202,  Fascikel  460.    1814.) 

On  ne  peut  rien  pen^trer  sur  la  qualit^  de  leurs  crimes,  quelqnun 
pretend  qu'ils  conspiroient  contre  la  tranquillite  publique  et  qne  Mare- 
chal seit  le  Premier,  qui  se  seit  adress^  ä  Rasori,  comme  homme  ä  tete 
chaude  et  qu^ils  aient  tires  k  leurs  pai*tis  les  deux  antres;  si  le  suppose 
est  vrai  les  coraplot  pourroit  avoir  des  partisans  en  France  puisque  on 
m'assure  quo  Marechal  est  Fi*an9ais.  Je  continuerai  u  voillcr  sur  cette 
affaire  pour  me  procurer  Thonneur  d'exposer  ä  V.  E.  les  eclaii-cissenients 
que  je  reussirai  ä  me  procurer,  en  attendant  ayez  la  bonte  d'agi'^er  le  re- 
nouvellement  du  haut  respect,  avec  lequel  j'ai  Thonneur  d'etre 

De  V.  E. 

Milan  le  10  Xmbre  1814. 

Votro  tres  hiimble  et  obeissant  Serviteur 

Pierre  Antoinc  Carrer. 


Namen-Register. 


Aberdeen,  Lord,  in  Paris  474. 

Alexander  L,  Kaiser  von  Russland, 
in  Paris  431,  474  f.,  477  Anm., 
487,  508. 

Altieri,  Principe,  Abate  524,  544  f. 

A  m  b  e  r  g,  Polizeicommissar  in  Verona, 
498. 

Ambrosio,  neapolitanischer  General, 
494. 

Angeloni,  Schriftsteller,  507,  540. 

Appiani,  Maler,  441. 

Arconati,  Carlo  Marchese,  1765  k.  k. 
Kämmerer,  490  ^ 

Arese,  Francesco  Barone,  Obrist,  Ab- 
theilungs  -  Chef  im  italienischen 
Kriegsministerium,  438. 

Arrivabene  425. 

Artois,  Graf,  477  Anm.,  532. 

Asinari,  s.  San  Marzano. 

Angusta  Amalia  von  Baiem,  Ge- 
mahlin des  Prinzen  Eugen,  421, 
429  f.,  485. 

Austriacanti  425 — 427. 

Azeglio,  Cesare  Tapparelli  d', 
Marchese,  sardinischer  Gesandter 
in  Rom,  496  f. 

Baldacci,  Anton  v.,  464  f. 

Ba Ilabio,  Pietro,  Banquier,  Batail- 
lons-Chef der  Civica,  441,  457, 477. 

Barbiera,  Postdirector  in  Verona,  420. 

Barb6,  Giovanni  Conte,  gewesener 
Staatsrath,  Leiter  des  italienischen 
Finanzministeriums,  480. 

Bausset  494. 

Bazzetta,  Giac.  Barone,  gewesener 
Staatsrath,  Mitglied  der  provisori- 
schen Regentschaft,  451. 


Beauharnais,  s.  Augusta,  Eugen. 

Beauharnisten  421—425,  431. 

Beccaria,  Giacomo  Marchese,  457, 
472,  477. 

Begna,  Blasius  Graf,  k.  k.  Obrist- 
lieutenant,  504. 

Belgioioso-Trivulzi,  Prinzessin 
Cristina,  422',  436S  446,  517  Anm., 
531\  533S  s.  weiter  iltude. 

Bellani,  Secretär  der  WahlcoUegien, 
455». 

Bellegarde,  Graf  Heinrich,  k.k.Feld- 
marschall,  Abstammung  und  Vor- 
leben, 477—479;  gegen  Prinz  Eu- 
gen 409-411,  415—418,  426,  431, 
450,  459,  466  f.;  bevollmächtigter 
Commissar  für  die  lombardischen 
Provinzen  480—492,  495  f.,  498  bis 
501,  537  f.;  ,Belletardi*  491;  glaubt 
an  keine  Verschwörungen  510,  512 
bis  515;  muss  zuletzt  doch  daran 
glauben  515,  525,  528  f.,  534;  Hal- 
tunggegenüber St.Agnan  530  f.,  533, 
545. 

Bellott i,  Gaspare,  italienischer  Bri- 
gadegeneral, in  der  congiura  mili- 
tare,  518  f.,  521,  532;  verhaftet 
534. 

Bentinck,  Lord  William,  in  Gtonua 
410,  415—418,  457  f.,  469—471; 
in  Mailand  488,  514. 

Benzon,  Maria,  Nobil  Donna  484  f. 

Berry,  Herzog,  530,  532. 

Bertoldi   k  Delmenhorst    507,  539. 

Bertoletti,  Antonio,  General,  431; 
in  Paris  472;  k.  k.  General-Feld- 
wachtmeister 508. 


548 


IJ(irt<)l<)8si,  Major  der  königlichen 
(}ar(lo  in  Mailand,  460. 

Hottoni,  Nie,  Huehdrueker  in  Padua, 
511. 

lUanchi  d'Adda,  italienischer  Gene- 
ral, Stoll Vertreter  des  Kriegsmini- 
Hters,  438,  460,  480. 

Hianco,  Domen.,  Storia  docum.  della 
diplomatica  Europea  in  Italia  (To- 
rino  1865),  527»,  2. 

lUdaHio,  Uuggiero,  Obrist,  486^ 

IH  g  n  a  ni  i,  Santo,  Artillerie-Officier, 
486». 

iiom belle»,  Heinrich  Graf,  k.  k. 
Hauptmann  und  Uotschafts-Cava- 
lier  509,  540. 

— ,  Ludwig,  Bruder  des  Vorigen,  kai- 
Horlioher  Commissar  am  französi- 
schen Hofe,  411,  508  f.,  511—513, 
524,  528,  633,  538—542,  644  f. 

Honafour  521. 

Honolli,  Angelo,  507. 

H  o  n  f  a  d  i  n  i,  Romualdo,  Mezzo  Secolo 
di  Patriotismo  (Milano,  Treves 
1886),  4211,  4391  et  passim. 

Honfanti,  Antonio  Baron,  General, 
461. 

— ,  italienischer  Obrist,  618. 

— ,  Mailänder  Tischler,  447. 

Bongi  4861. 

Borghi,  Carlo,  im  Ministerium  des 
Aeossem,  480. 

Borrani,  Kaffeesieder,  447. 

Borromeo,  Giberto,  Conte,  1776  k.  k. 
Kämmerer,  490  * ;  Austriacante  426, 
442;  Mitglied  der  provisorLwhen 
Regentschaft,  461. 

—,  Ottaviano  Conte,  1776  k.  k.  Käm- 
merer, 490*. 

— ,  Familie,  476;  s,  auch  Visconti. 

Bosisio,  Capitän  der  italienischen 
Dragoner,  442  f. 

Bossi,  Benigno  Conte,  capitano  della 
Civica,  428  f.,  435  f ,  439,  441. 

— ,  Luigi,  Monsignore,  gewes.  Staats- 
rnth,  Archivdirector,  497. 

Bozzo  di  Borgo,  Gius..  k.  k  Major, 
604. 


Breme  s.  de. 

B  r  u  n  e  1 1  i,  InnocenteUgo,  Musteruugs- 

inspector,  in  der  Militär- Verschwö- 
rung  411,   516,   620  f.;    verhaftet 

634. 
Bubna,   Graf  Ferdinand,   k.  k.  Feld- 

marschalllieutenant  in  Turin,  411, 

488,   533,   644;   Freimaurer?  510. 
Bührent,   k.  k.  Hauptmann- Auditor, 

517  Anm. 
Busin  eil  i,    Pietro   de,    k.  k.  Christ, 

503. 
C  .  .  .,  Conte,  462,  463  Anm. 
Campochiaro,  Herzog,  628. 
Cantü,    Cesare,    Della  ludipendenza 

Italiana  Cronistoria    (Torino,  Na- 

poli,  Roma  1872/1873),  413»,  427- 

et  passim. 
— ,  n  Conciliatore  e  i  Carbonari  (Mi- 
lano, Treves  1878),  487». 
Capitani,  s.  de. 

Caprara,  Marchese,  in  Bologna,  515. 
Caprotti,    Ant.  Maria,    Kriegsbncb- 

haltungs-Beamter,  Carbonaro,  618; 

verhaftet  634. 
Carascosa,  neapolitanischer  General, 

416,  626  f. 
Carbonari  in  Neapel  496 ;  Auftauchen 

in  der  Lombardei   617  f.;   s.  auch 

Centri. 
Cariati,  Fürst,  628. 
Cariui,  Cancelliere,  634. 
Carrer,  Pierre  Antoine,  vertrauHchf 

Briefe  an  Baron  Hager  628«,  530', 

546  f. 
Carte  segrete  della  polizia  austriaca 

(Capolago    tip.    elv.    1861)    436', 

629'. 
Casati,    Augusto,    1790    k.  k.  KSm- 

merer,  491  Anm. 
— ,  Gabrio  (jun.),  Memorie  e  lettere 
di  F.  Confalonieri  (Milano,  HoepU 

1889),  467»,  474»  et  passim. 
— ,  Giuseppe    Baron,    gewes.   Sta^ti»- 

raUi,  426». 
— ,  Teresa,  s.  ConfalonierL 
Casatti,  bei  der  Mailänder  Postbe- 
hOrde,  634. 


549 


Castel  Cicala,  Füret,  527. 

Castiglioni,  Alfonso  (Luigi?)  Conte, 
1777  k.  k.  Kämmerer,  491  Anm.; 
Senator  409,  426,  434—436,  458. 

— ,  Carlo  Marchese,  Italico  puro,  428. 

Castlereagh  inParis467, 471,  473  f.; 
Despatches  476  '. 

Castro,  8.  de. 

Canlaincourt  477  Anm. 

Cayazzo,  Antonio,  ObriBt,  451. 

Cavedoni,  Bartolomeo,  aus  Modena, 
Ajntante  Commandante,  in  der 
Militär -Verechwörung  518  —  521; 
verhaftet  534. 

Ceccopieri,  Ferdinand   Graf,    k.  k. 
.       Obriflt,  508. 

Centri  in  Mantua  517  f.,  520,  535. 

Cheluzzi,  Dr.,  ehemaliger  Podestj\ 
von  Trient,  von  Roschmann  als 
,fanx  fröre'  nach  Mailand  g^chickt, 
513,  543. 

Chiaro,  Carlo  (Gend.-Officier),  Rela- 
zione  manoscritta  della  Seduta  del 
Senato  il  17  aprile  1814,  s.  Cu- 
sani,  Storia  VII,  89». 

C  i  a  n  i  (Giani  ?),6iacomo  428  f.,  435,457. 

— ,  Filippo,  Banqoier,  477. 

Cicogna,  Carlo,  Kämmerer  am  vice- 
königlichen  Hofe,  435  f. 

Cima,  Lufgi,  Adjutant  Pino's,  442. 

Clarence,  William  Duke  of,  dritter 
Sohn  Georg  m.,  428. 

Codini,  Luigi,  515. 

C  o  1  o  m  b  o,  Theatertischler  der  Scala, 
445. 

Comarolo,  Pietro,  Advocat  in  Vene- 
dig, 485. 

Comelli  von  Stuckenfeld,  Karl 
Franz,  Herkunft  und  Vorleben, 
420,  504—509;  Enthüllungen  an 
St.  Agnan  512  f.,  588—545;  in  Ita- 
lien? 536,  541. 

Cometti,  Giov.,  k.  k.  Obrist,  503. 

Confalonieri,  Federico,  427—429, 
435  f.;  am  20.  April  439—442, 457; 
in  ParU  411,  472-477,  482. 

— ,  Memorie  e  lettöre  s.  Casati. 

— ,  Teresa,  geb.  Casati,  428,  473,  476^ 
ArohiT.  Bd.  LXXYI.  n.  Uiirte. 


Confalonieri,  Vitaliano,  1790  k.  k. 

Kämmerer,  425,  428,  491  Anm. 
Confino  539. 
Cornara,  Arzt,  507,  540. 
Cortesi,  Inspector,  502. 
Cusani,  Fra.  Storia  di  Milano  (Fra- 

telli    Borroni    1873,    VII),    435», 

441  >  et  passim. 
Dandolo,  Conte,  Senator,  433  f. 
De    Breme,     Lodovico,     Marchese, 

468«,  482  3. 
Debrois,    v.,    k.  k.   Regierungsrath, 

499. 
de  Capitani,  Paolo,   Leiter  des  ita- 
lienischen Ministeriums  des  Innern, 

438,  480. 
de  Castro,  Giovanni,  Ti  mondosegreto 

(Milano,  Daelli  et  C.  1864),  517  ^ 

—  — ,  La  Caduta  del  Regno  Italico 
(Milano,  Treves,  1882),  432  »,  438 » 
et  passim. 

—  — ,  La  restaurazione  austriaca  in 
Milano  (Arch.  stör.  lomb.  1888), 
416»,  435  2. 

D  e  1  f  i  n  i,  italienischer  Bataillons-Chef, 
in  der  congiura  militare  518  f., 
522;  rettet  sich  durch  Flucht  535. 

della  Porta,  k.  k.  Hofrath,  534. 

de  Meestre  Huyoel,  Fil.  Jac.  Baron, 
gewesener  General  -  Inspector  der 
Musterungen  (alle  Rassegne),  Gou- 
verneur des  militärischen  Waisen- 
hauses S.  Luca,  k.  k.  Feldmarschall- 
lieutenant, 503;  in  der  Militär- 
Verechwörung  411,  517  f.,  520  bis 
523 ;  verhaftet  und  verurtheilt  534  f. 

Duperrö,  Admiral,  409,  457. 

Durini,  Conte  Antonio,  PodestÄ.  von 
Mailand,  428,  436;  am  20.  April 
446,  448,  451. 

— ,  Carlofranco,  1777  k.  k.  Kämme- 
rer, 491  Anm. 

E  c  k  h  a  r  t,  Baron  Ludwig,  k.  k.  General- 
major, in  Bologna,  494. 

Ehrenheim,  s.  Pfülb. 

Eiberg,  v.,  Hofrath,  500«. 

E  i  n  k  h  e  m  e  r,  V.,  Feldkriegscommissar, 
499. 

86 


550 


Enghien,  Herzog,  490. 

Esquiron,  s.  Saint-Agiian. 

Ettori,   ,faux  fr^re*  in  Italien,  5132. 

ifctude  sur  Thistoire  de  la  Lombardie 
dans  les  trente  deruieres  ann^es. 
M.  S.  d'uu  Italien  (Belgioioso) 
publie  par  H.  L^zat  de  Pons 
(Paris,  Laisnö  1846),  422 1,  43fii, 
441 1  et  paBsim. 

Eugen  Beauhamais,  Vicekönig  von 
Italien,  im  russischen  Feldzuge 
413;  gegen  Bellegarde  409f.,413  f., 
416,  418,  421  f.,  424,  428-435; 
Verliältniss  zu  den  Freimaurern 
419,  4832,  484  f.;  Abdankung  und 
Abreise  458—463;  in  Paris  463, 
472—474. 

Fagnani,  Marchese  (Conte?)  424, 
426,  444. 

F6,  Marcantonio  Conte,  aus  Brescia, 
457,  473,  477. 

Felber,  Alberico,  Freund  Confalo- 
nieri's,  467  2,  469»,  470  2. 

Felici,  Senator  in  Mailand,  440. 

— ,  Giuseppe  de.  Major,  442. 

Feneroli,  Giuseppe  Conte,  Gran 
Maggiordomo,  4832. 

Fenner  von  Fennenberg,  Franz, 
k.  k.  Feldmarschalllieutenant,  461. 

Ferdinand  III.,  Grossherzog  von 
Tcscana,  418,  488,  493. 

—  IV.,  König  von  Neapel  und  Sici- 
lien,  627. 

Ferstl,  Leopold  Valentin,  Polizei- 
Obercommissär  in  Ferrara,  465, 
498,  525  2. 

Fouerle,  Paulin,  in  Mailand  497, 
509  f.,  514. 

Ficquelmont,  Graf  Adam,  k.  k.  Ge- 
neral -  Feld  Wachtmeister,  General- 
Adjutant  Bellegarde's,  459. 

Finetti,  Gins.,  k.  k.  Obrist,  Festungs- 
commandant in  Pizzighettone,  503. 

Fiocch  i,  Courier  Confalonieri's,  481  f. 

Fl  Orot,  Engelbert  Joseph,  k.  k.  Hof- 
und  Botschat'tsrath  539. 

F  o  n  t  a  n  e  1 1  i,  Achille  Conte,  aus  Mo- 
dena,  italienischer  Kriegsminister, 


431,  438,  483*;  in  Paris  472,477 
Anm.;  Versuche,  ihn  für  die  Mi- 
litär-Verschwörung zu  gewinnen 
411,  503,  516,  518,  521,  523. 

Foscolo,  Ugone  (ügo),  448,  464; 
bei  Bentinck  und  M'  Farlane  457  f., 
470  f. ;  der  kaiserlichen  Regierung 
verdächtig  487. 

Franz  I.  in  Paris  410  f.,  431,  473, 
475  f.,  489,  507  f.,  588;  über  König 
Joachim  418,  527,  535;  mildes 
Urtheil  über  die  Militär- Ver»chwo- 
renen  535;  s.  auch  541. 

—  IV.  von  Oesterreich-Este,  Herzog 
von  Modena,  410,  418,  495;  König 
von  Italien?  472,  487. 

Freganeschi,  Conte,  Rath,  426, 
430. 

Freimaurer  unter  napoleonischer 
Regierung  419;  namentlich  in  Mai- 
land und  in  Venedig  483—485; 
von  Gestenreich  verboten  und  ver- 
folgt 419  f.,  510  f.,  514  f.,  537,  541. 

Frigerio,  Finanz-Intendant  in  Mai- 
land, 442. 

Gallo,  Marchese,  415  f. 

Gambanara,  Baron  (Graf)  Giuseppe, 
aus  Pavia,  1 791  k.  k.  Kämmerer,  491 
Anm.;  für  Oesterreich  thätig  426, 
429,  436,  449  >. 

Gas  pari,  Giacomo  Cav.,  Präfect  de» 
Metauro,  5012. 

Gasparinetti,  Antonio,  in  der  Mili- 
tär-Verschwörung, 411,  518,  521, 
532;  verhaftet  533,  545. 

Georg  III.  von  England  428. 

Gerosa,  Santino,  üsciere  beim  Mili- 
tär -  Appellations  -  Gericht,  Carbo- 
naro, 518,  522;  verhaftet  534. 

Ghisilieri  (Ghislieri),  Filippo 
Carlo,  aus  Bologna,  Marchese, 
1800  k.  k.  Kämmerer,  491  Anm.; 
Antinapoleonist  425  f. ;  Vertrauens- 
mann der  österreichischen  Regie- 
rung 488,  495,  498,  534. 

—  -Calderini,  Franc.  Pietro  Mar- 
chese, 1791  k?  k.  Kämmerer,  425. 

Giani,  Giacomo,  s.  Ciani. 


551 


Qiavarina,  Giovanni,  Polizei-Ober- 

commissar  in  Padoa,  498,  511. 
Giflengfa(Gifflenga?),  piemontesi- 

scher  General,  521. 
Giovio,    Lodovico   Conte,   königlich 

italienischer  Staatsrath,  Präsident 

der  WahlcoUegien,  445, 455  f.,  466; 

Mannscript  in  der  Ambrosiana  445  ^ 
Giudici,  GaStano,  Abt,  481. 
Giulini,  Giorgio  Conte,  451. 
6 0^88,  Graf  Peter,  General-Intendant 

der  k.  k.  Armee  in  Italien,  426. 
Grenier,  französischer  General,  432, 

456,  459. 
Greppi,  Antonio  Conte,  426. 
Griess,    Franz    Freiherr    von,    k.  k. 

Obristlieutenant,  504. 
Grub  er,  Augustin,  499. 
Guicciardi,  Conte  Carlo,  1798  k.  k. 

Kämmerer,  491  Anm. 
— ,  Diego,  426,  433  f.;   am  17.  April 

1814  409,  458,  460;  darnach  481; 

k.  k.  Hofrath  499. 
— ,  Francesco,  1491  k.  k.  Kämmerer, 

491  Anm. 
Hager  (Haager)  zu  Altensteig,  Franz 

Freiherr  von,  Präsident  der  k.  k. 

Obersten  Polizei-  und  Censur-Hof- 

stelle  410  f.,  420,  537  et  passim. 
Hannapel     (Hanappel),     Johann 

Theodor,     Postamtsverwalter     in 

Verona,  420,  498. 
Hill  er,   Johann  Freiherr  von,  k.  k. 

Feldzeugmeister,  413-415,  420.  . 
Hous  507. 
Humboldt,   Wilhelm  von,   in  Paris 

474. 
Italia  farä  da  so  413. 
Italici  puri  427—429  et  passim. 
Joachim,  s.  Murat. 
Johann,  Erzherzog,  507. 
Josef  ine,  Kaiserin,  477  Anm.,  483. 
Karl,  Erzherzog,  506  f. 
Krenninger  in  Laibach  515 *,  529  ^ 
Kübeck,  Karl  von,  k.  k.  Hofrath,  499. 
Lattermann,  Christoph  Freiherr  von, 

k.  k.  Feldzeugmeister,  Gouverneur 

in  niyrien,  637. 


Lattuada,  Giov.  Saverio  (Sovera?), 
in  Genua  bei  Bentinck,  458;  Haupt- 
triebfeder der  Militär -Verschwö- 
rung 410  f.,  517—524,  632;  ver- 
haftet 533,  546. 

Laiansky,  Graf  Prokop,  Präsident 
der  Organisirungs-Hofcommission, 
411,  499,  501»,  541. 

Lazzaretti,  Conte,  1814  Präsident 
der  Hofcommission  in  Wien?  500  ^ 

Lebzeltern,  Ludwig  Ritter  von,  k.  k. 
Hofrath  und  bevollmächtigter  Mi- 
nister in  Rom,  489. 

Lecchi,  Angelo  Baron,  aus  Brescia, 
483». 

— ,  Giuseppe  Conte,  neapolitanischer 
General,  428,  519. 

— ,  Teodoro  Conte,  königlich  italieni- 
scher General,  409,  411, 428,  459  f. ; 
Mitglied  der  kaiserlichen  Militär- 
Organisirungs-Commission  487;  in 
die  Militär- Verschwörung  verfloch- 
ten 518—523;  verhaftet  534. 

Leger,  französischer  Obrist,  414. 

L^zat  de  Pons,  s.  !^tude. 

Lieven,  Graf,  508. 

Litta,  Alberto  Conte,  1790  k.  k.  Käm- 
merer, 451,  491  Anm.;  Mitglied  der 
provisorischen  Regentschaft  in  Mai- 
land 457;  in  Paris  473,  475,  477. 

— ,  Alfonso  Marchese,  1773  k.  k.  Käm- 
merer, 490',  534. 

—  Modignani  (Modagnini?),  Giamb. 
Marchese,  1791  k.  k.  Kämmerer, 
446,  491  Anm. 

—  Visconti,  Antonio  Duca,  1769  k.  k. 
Kämmerer,  425,  490 1. 

Lomazzi,  Gerichts- Actuar,  454. 

Ludwig  XVm.  463,  527,  531  f. 

.Luini,  Conte  Giacomo,  General-Poli- 

zeidirector  in  Mailand,   428,   434, 

436,  483  2;  am  20.  April  442;  von 

seinem   Posten  entfernt  467,  497. 

Luosi,  Conte  Giuseppe,  Gran  Giudice 
und  Staatsrath,  480. 

Macdonald  532. 

Macfarlane,  britischer  General  457  f. ; 
in  Mailand,  470. 

36* 


552 


Macpherson  507. 

Malberg,  s.  V«ajder. 

Mancini,    KriegRCommissar,    in    der 

Militär -Verschwörung  518,  522  f.; 

entflieht  535. 
Mantovani,    Diario,    Manuscript   in 

der  Ambrosiana,    415  f.,   455'  et 

passim. 
Manzoni,  Alessandro,  435. 
Marchai   (Marechal),  Jean  Bapt, 

411,  530—532;  verhaftet  und  ver- 

urtheilt  533,  535  f.,  546. 
Marescalühi,  Ferdinand,  483'. 
— ,  Conte,  Minister,  480. 
Mar  et  ich,  Gideon  von,  k.  k.  Obrist- 

lieutenant    im    General  -  Quartier- 
meisterstabe, 497. 
Maria  Beatrice  aus  Modena  495. 

—  Louise  von  Parma  410,  489  f., 
511. 

—  von  Hetrurien  495. 

—  Theresia,  gesegnetes  Andenken 
in  der  Lombardei  427. 

Marino,  Capitän  vom  Platzcommando, 
438. 

Maroncelli,  Pietro,  Addizioni  alle 
,Mie  Prigioni*  di  S.  Pellico  (Pel- 
lico,  Opere  compl.  Milano  1857), 
4471,  4503. 

Marschall,  Ignaz  Peter,  k.  k.  Feld- 
marschalllieutenant, 414. 

Maruzzi,  Marchese,  aus  Venedig  426. 

Massori,  Senator  in  Mailand,  434,  440. 

Materialioni  426. 

Mauroy,  s.  Merville. 

Maximilian  Joseph  von  Bayern  431. 

Mayer  von  Heldenfeld,  Anton, 
k.  k.  Feldmarschalllieutenant,  461. 

Mazzucc belli,  Conte  Lnig^,  könig- 
lich italienischer  General,  424, 486 ; . 
k.  k.  Feldmarschall lieutenant  503. 

Meestre,  s.  de. 

Mejan  (M^jean),  Graf,  Cabinets- 
SecretKr  Eugens,  422,  431;  La 
bataille  des  parapluies  463 1. 

Mellerio,  Conte  Giacomo,  426,  435; 
Mitglied  der  provisorischen  Regent- 
Schaft  451. 


Melzid'Eril,  Conte  Francesco,  Duca 
di  Lodi,  Grosskanzler  und  Siegel- 
bewahrer des  Königreichs  Italien, 
421  f.,  429—435;  Angriff  auf  seine 
Wohnung  442,  450,  463,  459;  dar- 
nach 481;  8.  auch  483',  500. 

— ,  Francesco,  des  Vorigen  Neffe  und 
Adoptivsohn,  453. 

M^neval,  Napol^n,  et  Marie  Loaloe 
494. 

Merville,  Franz,  Freiherr  von  Man- 
roy,  k.  k.  Feldmarscballlientenant, 
508. 

Mette  mich  410—412,  417  et  pas- 
sim; Haltung  gegenüber  König 
Joachim  527. 

Metzburg,  Johann  Freiherr  von, 
Kreishauptmann  in  Zolkiew,  500  >. 

Meynert,  Kaiser  Franz  L,  499'. 

Mier,  Graf,  415,  417. 

Milesi,  Bianca,  429. 

Montanari,  Fratelli,  486». 

Monti,  Vincenzo,  483'. 

M  o  r  e  1 1 i,  Sil vestro  (Silvio),  Herkunft, 
516 ;  k.  k.  Obrist  603 ;  in  der  Militär- 
Verschwörung  411,  616,  518—520; 
verhaftet  und  verurtheilt  534  f. 

Mulazzani,  Antonio  Baron,  General- 
Commissar  der  venetianischen  Po- 
lizei, 466. 

Murat  Gioacchino,  König  von 
Neapel,  im  Bunde  mit  Oesterreich 
409,  415—418;  Rüstungen  und 
Werbungen  519  f.,  626-529;  Ver- 
hältniss  zur  Militär- Verschwörung 
519  f. 

Muratisten428f.,431f.,494, 501,504. 

Napoleon  412,  414;  an  der  Spitze 
der  norditalienischen  Freimaurer 
483',  585;  Verwünschung  seines 
Andenkens  in  Mailand  430,  432. 
490. 

Narboni,  Giovanni  Cav.,  k.  k.  Christ, 
503. 

Neipperg,  Graf  Albert  Adam,  k.  k, 
Feldmarschalllieutenant,  410,  417, 
431,  460—462;  in  Aix-les-Bains 
611,  519. 


ÖÖ3 


Nesselrode  474. 

Nugent,  Graf  Layal,  k.  k.  General- 
Feldwachtmeister,   414,  418,  487. 

Olini,  Paolo,  k.  k.  Obrist,  603;  in  der 
MlUtär- Verschwörung  411,  616, 
618,  620—523,  632;  verhaftet  und 
verurtheilt  634  f. 

Orioli,  Franc.  Antonio  Don,  446. 

Ottolini,  Bemardo,  Capitän  der  Ci- 
vica,  426,  464. 

— ,  Giulio  Conte,  1790  k.  k.  Kämme- 
rer, 491  Anm. 

Paar,  Johann  Karl  Fürst,  k.  k.  Feld- 
marschalllieutenant, 603. 

Pagani,  Polizeichef  in  Mailand,  497, 
633. 

Paini,  Giulio,  königlich  italienischer 
(General,  466 ;  k.  k.  Generalmajor  603. 

Pallavicini,  Baron  Giuseppe,  Ge- 
neral-Secretär  der  provisorischen 
Regentschaft,  461. 

Palombini,  Gius.  Frederico,  könig- 
lich italienischer  General,  409, 
469  f.;  k.  k.  Feldmarschalllieute- 
nant, 603,  614. 

Paolucci  (Paulucci),  Amilcare  Mar- 
chese,  königlich  italienischer  Ge- 
neral, 409,  469  f. ;  k.  k.  General- 
Feldwachtmeister  499,  603. 

Paradisi  aus  Modena,  königlich  ita- 
lienischer Senator,  421,  481. 

Pavesi,  Finanzbeamter  unter  Prina, 
423. 

Pavoni,  Pietro  Cav.,  k.  k.  Obrist  im 
3.  leichten  italienischen  Bataillon, 
604 ;  mit  Zucchi  in  hochverrätheri- 
schem  Einverständniss?  616,  618  f., 
632;  verhaftet  634. 

Pecheneda,  neapolitanischer  Cousul 
in  Venedig,  Waffeneinkauf  und 
Waffenschmuggel,  528  f. 

P  ein  CO,  Silvio,  466. 

Perelli,  Weinhändler,  447. 

Peyri,  Baron  Lodovico,  königlich 
italienischer  General,  447. 

Pfülb  Edler  von  Ehrenheim,  Karl, 
Polizei -Obercommlssar  in  Padua, 
465. 


Piccoli,  Lodovico  und  Gaetano, 
Büchsenmacher  in  Verona  und 
Padua,  628. 

Picotti  (Pinotti?),  Giuseppe,  Buch- 
händler in  Venedig,  486. 

Pino,  Domenico  Conte,  königlich  ita- 
lienischer Divisions-Gtoneral,  Zer- 
würftiiss  mit  dem  Vicekönig  409, 
413,  428  f.,  434—436;  ,re  Pino* 
428,  449,  462,  469 ;  am  20.  AprU 
437  —  449;  militärischer  Oberbe- 
fehlshaber in  Mailand  461 — 466, 
459,  466  f.;  Mitglied  der  provi- 
sorischen Regentschaft  451,  470, 
481;  Versuch,  ihn  in  die  congiura 
militare  hineinzuziehen  411,  621; 
s.  auch  4832. 

Pioltini,  Finanzbeamter,  423. 

Pius  Vn.  Rückkehr  nach  Rom  410, 
489. 

Poörio,  Procurator  in  Ancona,  416. 

Polfranceschi,  Pietro  Conte,  könig- 
lich italienischer  General,  453, 
4832. 

Porro,  Giovanni  (Ferdinand?)  Baron, 
Präfect  des  Departements  derBrenta, 
4832,  485. 

Lambertenghi,  Lodovico  Conte, 

428  f.,  436,  487;  am  20.  April  443, 
446,  450;  Versuche  bei  den  öster- 
reichischen Gereralen  487. 

Pozzo  di  Borgo  474. 

Pradella,  Richter  in  Vicenza,  420. 

Prati,  Advocat  in  Trient,  513,  642  f. 

Prebatta,  Gerichtspräsident  in  Vi- 
cenza, 420. 

Prina,  Giuseppe  Conte,  Vorleben  und 
Charakter  422,  431,  434;  ,Ca8a 
Prina*  462 ;  Märtyrerthum  und  Ende 
409,  437,  441—449,  453,  456. 

— ,  Giuseppe,  Professor  des  Natur-, 
Völker-  und  Kirchenrechts  in  Pavia, 
437,  443. 

— ,  Ignazio,  459. 

— ,  Luigi,  segr.  della  Direzione  delle 
Zecche,  4832. 

Prohaska,  Johann  von,  k.  k.  Feld- 
marschalllieutenant, 503. 


554 


Raab,  Anton  Edler  von,  k.  k.  Reg^e- 
rungfsratli,  Polizei-Oberdirector  in 
Verona,  420;  in  Padua  496,  498 
et  passim. 

Ragani,  Cesare,  königlich  italieni- 
scher, dann  neapolitanischer  Es- 
cadrons-Chef,  in  der  Militär- Ver- 
schwörung 519  f.,  528;  verhaftet  535. 

Ragoni  (Rangoni?),  Francesco  und 
Giuseppe  Conti,  in  Bologna  und 
Venedig  484,  5262. 

Rasini,  C.  L.,  Freund  Confalonieri's, 
467»,  470»,  4813. 

Rasori,  Giov.,  Med.  Dr.  in  der  Mili- 
tär-Verschwörung, 411,  518,  524; 
Zusammenkünfte  in  seiner  Woh- 
nung 531  f.;  verhaftet  533,  545  f. 

Reina,  Advocat  in  Mailand,  424. 

Reuss-Plauen,  Fürst  Heinrich 
XV.,  k.  k.  Feldzeugmeister,  420; 
General  -  Gouverneur  in  Verona 
4322,  4502;  in  Padua  465  f.,  492  f., 
537  et  passim. 

Riario,  Herzog,  539. 

Rinna,  k.  k.  Hofrath,  500». 

Rivaroli,  Agostino,  Mons.,  410,  488. 

Romagnosi,  Gian  Domenico,  458. 

Roncalli,  Secretär  der  Wahlcollegien, 
4551. 

Rosales,  Marchese,  426. 

Roschmann-Hörburg,  Anton  Leo- 
pold von,  Ober-Laudoscommissär 
in  Tirol,  512  f.,  542  f. 

Rosetti  von  Rosenegg,  Bernhard 
Freiherr  von,  k.  k.  Kämmerer  und 
wirklicher  Geheimer  Rath  in  Mai- 
land, 495  f. 

Rousseau,  s.  Saint-Aignan. 

Roy  er,  französischer  General,  456. 

Ruffo,  Alvaro,  Commandeur,  527. 

Saint-Agnan,  Sr.  d*Esquiron  de, 
Vorleben,  507;  eröffnet  sich  dem 
Grafen  Bombelles  in  Paris  410  f., 
508— 512,538— 541  ;reist  nach  Mai- 
land 524,  544 ;  angebliches  Verhält- 
niss  zu  Bellegarde  531 » ;  spielt  seine 
Rolle  als  ,faux  fr^re'  530  —  533; 
Rückkehr  nach   Paris   533,  505  f. 


Saint-Aignan,   Sr.  Rousseau  de, 

5071. 

Marsan,  s.  San  Marzano. 

Salfi,  P/t>fe88or  in  Neapel,  519  f. 
San  Marzano,  Asinari  di  (Saint- 

Marsan),  Marchese,  Civilgouver- 

neur  in  Turin,  488;  beim  Wiener 

Congress  gegen  Marat  627. 
Schreibers  Franz,  k.  k.  Obrist  bei 

Prohaska-Infanterie  Nr.  38,  534. 
Schwarzenberg,  Fürst,  k.  k.  Feld- 
marschall, 499. 
Serbelloni,    Conte    Antonio,   k.  k. 

Obrist,  603. 
— ,  Giovanni,  460. 

Serras,    französischer  General,  459. 
Severoli,  Filippo  Conte,  k.  k.  unan- 

gestellter  Feldmarschalllientenant, 

618. 
Silva  436. 
Smancini,  Antonio  Baron,  königlich 

italienischer  Staatsrath,  prefetto  del 

Dipart.  delF  Adige  420,  460,  4833. 
Somaglia,  Gian  Luca  della,  Conte, 

451,  457,  473,  477. 
Somanzari,  Präf ect  in  Breecia,  450. 
Sommariva,     Annibale     Marchese, 

1791   k.  k.  Kämmerer,  490  Anm.; 

k.  k.  FeldmarschalUieutenant    in 

Mailand  409,  460  f.,  467,  499,  502. 
Sommi,  Serafino  Conte,  ausCremona, 

457,  473,  477. 
Soult,  Marschall,  532. 
Sovesi,  Kaufmann  in  Mailand,  510. 
Spiegel,  Raban  Freiherr  von,  k.  k. 

Generalmajor,  634. 
Stampa,  Massimiliano,  von  Soncino, 

Ceremonienmeister,  486*. 
Starhemberg,  Graf  Guudacker,  k.  k. 

Generalmajor,  Militär-Commandant 

in  Toscana  410,  415,  418,  493. 
Stenerello,  Dichter,  4502. 
Stocka,    Adam,    k.  k.  Polizei-Ober- 

commissär,  465. 
Storasi,  Gioacchino,  Postwagendirec- 

tor  in  Verona,  514. 
Strassoldo,  Graf  Julius,  k.  k.  Re- 

gierungs-  und  Intendanzrath,  kai- 


55Ö 


serlicher  Commisaar  in  Parma,  410; 
in  Bologna  489,  404. 

8trigelli,  Antonio  Conte,  General- 
Secretär  der  provisorischen  Regent- 
schaft, 512  Anm. 

Süden,  Franz  Freiherr  von,  k.  k. 
General-Feldwachtmeister,  532. 

Talleyrand  527^,  542. 

Tapparelli,  s.  Azeglio. 

T  esti,  königlich  italienischer  Minister, 
431,  434. 

Tomassich,  k.  k.  General-Feld  Wacht- 
meister, Gouverneur  von  Dalmatien, 
537. 

Traversi  aus  S.  Nazaro  (Lomellina), 
Advocat,  429,  436,  437,  444. 

Trecchi,  Sigismondo  Baron,  469  f. 

Triulzi  (Trivulzio),  Gian  Giacomo 
Conte,  428,  457,  473,  477. 

TUrkheim,  Freiherr  von,  k,  k.  Re- 
gierungsrath  500  ^ 

Vaccari,  Conte,  königlich  italieni- 
scher Minister,  421,  431,  434,  483^ 

Yalentinelli,  Advocat  in  Padua, 
511, 

Varese  (Varesi),  Pietro,  k.  k.  Obrist 
503;  in  der  Militär-Verschwörung 
522  f.;  verhaftet  534. 

Vayder  von  Malberg,  Karl  Frei- 
herr von,  k.  k.  Obrist  und  Comman- 
dant  des   7.  Jägerbataillons,   519. 

Veneri,  Antonio  Conte,  aus  Reggio, 
ministro  del  tesoro  pubblico,  481; 
Senatspräsident  424,  433,  436,  441, 
460. 

Ventura,  Cesare  Conte,  Director  der 
Regentschaft  in  Parma,  489. 

Vercellon,  Luigi,  Bataillons -Chef 
der  Civica,  442. 

Veriti,  Semplice,  opposta  alle  men- 


zogne    di   Enrico    Misley    (Parigi 
1834),  428»,  516». 

Verri,  Carlo  Conte,  410,  433—435; 
am  20.  April  439—441 ;  Präsident 
der  provisorischen  Regentschaft451 , 
476»,  482;  s.  auch  483'. 

Villata,  Giov.  Baron,  königlich  ita- 
lienischer Brigadegeneral  486  f.; 
k.k.General-Feldwachtmeister,502. 

Villa  Giacomo  (Giovanni?),  Polizei- 
präfect  in  Mailand,  442,  454 ;  von 
seinem  Posten  entfernt  456,  497. 

Visconti,  Francesco  Graf,  1875  k.  k. 
Kämmerer,  490». 

—  -Litta,  Pietro  Conte,  1775  k.  k. 
Kämmerer,  490». 

Vittore  Emanuele  I.,  Rückkehr 
nach  Turin  410,  418,  471,  488  f , 
497;  gegen  König  Joachim  521, 
527. 

Vorbeck,  Johann  von,  k.  k.  Haupt- 
mann bei  Chasteler-Infanterie  Nr.  2, 
534. 

Weiss  von  Rettenberg,  Franz, 
k.  k.  Major  im  General-Quartier- 
meisterstabe, 534. 

Wessen berg.  Philipp  Freiherr  von, 
499. 

W  i  m  p  f  f  e  n,  Maximilian  Freiherr  von, 
k.  k.  Feldmarschalllieutenant,  503. 

Zajotti,  Paride,  s.  Veritä. 

Zanetti,  Agostino,  Advocat  in  Verona, 
Denkschrift  gegen  die  Freimaurer, 
483  \  5252. 

Zanoli,  Baron  in  Mailand,  451. 

Zucchi,  Carlo  Baron,  königlich  ita- 
lienischer Divisionsgeneral,  431, 
459,  460;  k.  k.  Feldmarschall- 
lieutenant 503;  in  der  Militär- 
Verschwörung?  518  f.,  525,  532. 


ZUR 


DEUTSCHEN  KÖNIGSWAHL 


MAXIMILIANS  I. 


VON 


D"  ADOLF  BACHMANK 

0. 0.  PROnSSOR  AN  DEB  PRAGER  DBUTSCHEIT  UmVEBSITlT. 


I.  Das  Wahlproject  und  Kaiser  Friedrich. 

Schon  J.  G.  Droysen,  der  zuerst  der  inneren  Entwicklung 
der  deutschen  Geschichte  im  ausgehenden  XV.  Jahrhunderte 
näher  getreten  ist,  hat  bemerkt,  dass  die  Königswahl  Maximilians 
wohl  einmal  eine  eingehendere  Untersuchung  verdiene,  und 
gleich  auch  eine  und  die  andere  der  Fragen  genannt;  die  zu 
beantworten  er  nicht  in  der  Lage  sei.^ 

Grund  dafür  war  die  Unzulänglichkeit  des  Materiales,  das 
leider  auch  seitdem  nicht  allzu  sehr  vermehrt  wurde.  In  der 
That  muss  sich  hier  wie  in  so  vielen  Fällen,  soll  die  Arbeit 
gelingen^  genaue  Sachkenntniss  mit  sorgsamer  Kritik  und  Ana- 
lyse der  Quellen,  Combinationsgabe  mit  strenger  Objectivität 
und  Thatsächlichkeit  verbinden. 

Wenn  im  Nachfolgenden  der  Versuch  gemacht  wird,  die 
Vorgänge  bei  der  Erhebung  Maximilians  I.  auf  den  deutschen 
Thron  festzustellen,  so  erscheint  schon  dadurch  die  Ueberzeugung 
des  Verfassers  zum  Ausdrucke  gebracht,  dass  der  Aufsatz 
H.  Ulmann's  über  die  Wahl  Maximilians  I.  in  den  ,Forschungen 
zur  deutschen  Geschichte^  ^  obigen  Forderungen  in  einer  oder 
der  andern  Hinsicht  nicht  genügt. 

Nicht,  als  ob  die  Ulmann'sche  Untersuchung  jeglichen 
Verdienstes  entbehrte:  eine  Anzahl  wichtiger  Thatsachen  wird 
hier  zuerst  beigebracht,  und  wenn  Ulmann  darauf  aufmerksam 
macht,  dass  die  Haltung  Kaiser  Friedrichs  der  Wahlsache 
seines  Sohnes  gegenüber  anders  war,  als  gewöhnlich  erzählt 
wird,  so  dürfte  dies  in  einem  gewissen  Grade  nicht  zu  bestreiten 
sein.     Nur    geht  Ulmann,   indem  er  Belege  dafür  findet,   dass 


>  Geschichte  der  preuasischen  Politik  II,  1  (2.  Auflage,  Leipzig  1868),  380. 
3  XXn  (GOttingen  1882),  133—158. 


660 

Erzherzog  Maximilian  lange  Zeit  seine  Wahl  eifrig  betrieb, 
während  der  Kaiser  unter  gewissen  Umständen  sich  zurückhaltend 
ja  ablehnend  erwies,  mit  der  Erklärung,  der  Kaiser  habe  überhaupt 
die  Erhebung  seines  Sohnes  nicht  blos  nicht  angestrebt,  sondern 
ihr  geradezu  bis  zum  letzten  Augenblick  widerstrebt,  weit  über 
den  Thatbestand  hinaus.  Man  wird  gestehen:  klarer,  nator- 
gemässer  erscheinen  durch  derlei  Aufstellungen  die  Vorgänge, 
welche  zur  Wahl  Maximilians  1486  flihrten,  gewiss  nicht,  wohl  aber 
vielleicht  interessanter  und  pikanter;  und  wer  in  des  alten  Kaisers 
Bilde,  das  ohnehin  des  tiefen  Schattens  genug  aufweist,  einen 
recht  absonderlichen  Zug  suchen  will,  der  hat  ihn  hier:  Fried- 
rich wird  der  starre  eigenwillige  Alte,  der  auch  zu  ganz  un- 
richtiger Zeit  am  leeren  Schein  der  Macht  festhält  selbst  dem 
Vortheile  des  einzigen  Sohnes  imd  seines  Hauses  gegenüber! 

Im  Einzelnen  behauptet  Ulmann:  1.  Es  ist  sicher,  dass 
Kaiser  Friedrich  früher  (vor  Ende  1485)  jeden  Antrieb  zur 
Erhebung  seines  Sohnes  abgewiesen  habe. '  2.  Dass  der  Kaiser 
erst  ,ganz  seit  Ende  1485',  und  zwar  dann  zur  Wahl  seine  Zu- 
stimmung gab,  als  kein  anderes  Mittel  blieb,  um  die  Hilfe 
des  Reiches  gegen  Ungarn  zu  erlangen.  ^  3.  Dass  Maximilian  es 
war,  der  den  Kurfürsten  den  Preis  für  ihre  Stimmen  zahlte,^ 
sowie  denn  4.  auch  diesmal  der  ganze  Vorgang  ,einen  Aufwand 
an  kleinen  Mitteln  der  Bestechung  aufweist,  der  hinter  keiner 
Wahl  zurücksteht^  ^ 

Die  imtenfolgenden  Darlegungen  werden  selbst  zeigen, 
wie  wenig  von  all  dem  richtig  ist.  Das  Verhältniss  des  Kaisers 
zum  Königsprojecte  ist  aber  an  sich  zu  wichtig  für  die  ganze 
Frage,  als  dass  es  nicht  sofort  im  Allgemeinen  erörtert  werden 
sollte. 

Politische  Erwägungen  und  pcrsönUche  Gründe  sollen  (nach 
Ulmann)  den  Kaiser  zum  Widerstände  gegen  die  Wahl  des 
Sohnes  vermocht  haben:  trübe  Erfahrungen,  die  er  mit  den 
Kurfürsten  gemacht,  mahnten,  mit  der  Zustimmimg  zur  Erhebung 
eines  römischen  Königs  voi*sichtig  zu  sein,  da  ja  die  Möglich- 
keit nicht  ausgeschlossen  war,  dass  nicht  Maximilian  von  Oester- 
reich,  sondern  ein  Anderer  gewählt  werde;  dazu  sei  der  Kaiser 

1  Forschungen  1.  c,  S.  133,  143. 

2  Ebendort  S.  143. 

3  Ebendort  S.  146. 
«  Ebendort  S.  140. 


561 

nie  geneigt  gewesen,  von  seinen  Ansprüchen  und  Rechten  auch 
unr  das  Mindeste  zu  vergeben,  und  das  Alter  habe  ihn  darin 
nicht  williger  gemacht,  sondern  nur  ,starrer,  eigenwilliger,  un- 
fähiger zu  den  unerlässlichsten  Zugeständnissen^ 

Zeugnisse  von  Zeitgenossen  und,  was  die  Hauptsache  ist, 
Aeusserungen  des  Kaisers  selbst  werden  zur  ferneren  Unter- 
stützung angeführt.  Wir  prüfen  das  Eine  wie  das  Andere. 

Es  ist  Thatsache,  dass  Kaiser  Friedrich  von  den  Tagen 
seiner  Kaiserkrönung,  1452,  bis  1480,  dem  Jahre,  von  dem  wir 
ausgehen  wollen,  Ungehorsam  und  Widerstand,  ja  Aufruhr  und 
Empörung  in  den  eigenen  Landen  wie  im  Reiche  draussen  in 
überreichem  Masse  erfahren  hat.  Lnmer  und  immer  wieder 
seit  1453  hatten  ehrgeizige  Fürsten  sogar  den  Versuch  gewagt, 
neben  oder  gegen  ihn  das  Reich  selbst  an  sich  zu  bringen; 
,dann  begann,  dadurch  angestiftet  und  gefordert,  die  Territo- 
rialität in  trotzigem  Selbstbewusstsein  das  Reichsoberhaupt  zu 
missachten;  von  Böhmen,  Baiem,  Ungarn,  js^  von  Oberösterreich 
aus,  durch  des  Kaisers  eigenen  Bruder,  schien  die  Niederwerfung 
des  Trägers  der  Reichskrone  bevorstehend,  schien  der  Kaiser, 
in  Deutschland  verachtet  und  verschollen,  zu  Zeiten  formUch  in 
seine  von  inneren  Kämpfen  zerrissenen  Erblande  gewiesen^^ 

Aber  trotzdem  und  ,bei  allen  Missgriffen  und  UnfUllen 
hatte  Friedrich  m.  Project  auf  Project  zum  Falle  gebracht^  und 
sich  nicht  blos  über  Wasser  gehalten  und  seinen  Eigenbesitz 
bedeutend  vermehrt,  sondern  1477  im  Nordwesten  des  Reiches 
seinem  Hause  neue  weite  Aussichten  eröffnet,  im  Reiche  aber 
wenigstens  an  Einfluss  allseitig  gewonnen.  Längst  schon  ,machte 
sich  hier  und  überall  unwiderleglich  die  Meinung  geltend,  den 
Kaiser  beiseite  zu  schieben  sei  unmöglich,  alles  Anstürmen 
gegen  ihn  eitel,  er  in  Allem  und  Jedem  doch  zuletzt  massgebende*-^ 

Jetzt  kam  auch  ein  persönliches  Moment  hinzu.  Zufolge 
der  verwandtschafdichen  und  auch  politischen  Beziehungen,  in 
denen  um  1480  die  Kurfürsten  Ernst  von  Sachsen,  Jakob  von 
Trier  und  Hermann  von  Köln  zum  Kaiserhofe  standen,  dann 
nach  der  poUtischen  Vergangenheit  des  Kurfürsten  Albrecht  von 
Brandenburg,  den  Erfahrungen  Diethers  von  Mainz,  bei  der 
Jugend  und  dem  Charakter  des  Pfalzgrafen  und  Königs  Wladis- 

>  A.  Bachmann,  Deutsche  Reichsgeschichte  unter  Friedrich  ni.  nnd  Max  I. 

(Leipzig  1884),  606—607,  zum  Jahre  1467. 
3  Ebendort  S.  607. 


562 

law  von  Böhmen  hatte  der  Kaiser  jetzt  fUr  seine  Würde  ab- 
sohit  nichts  zu  fiirchten. 

Bis  zu  einem  sehr  hohen  Grade  galt  doch  ein  Gleiches 
von  der  Wahl  eines  römischen  Königs  neben  ihm,  und  zwar 
gegen  seinen  Willen!^ 

Vollends  undenkbar  endlich  war  der  Fall,  dass  der  Kaiser  die 
Zustimmung  zur  Wahl  seines  Sohnes,  natürUch  zufolge  von  Ver- 
handlungen mit  den  Kurfürsten,  in  der  sicheren  Erwartung  und 
auf  deren  Zusage  hin,  dass  Maximilian  gewählt  werde,  gab, 
und  dass  dann  die  Fürsten  einen  Andern  wählten.  So  traurige 
Beispiele  von  Auflehnung  und  Treulosigkeit  dem  Kaiser  gegen- 
über deutsche  Kurfürsten  auch  gegeben  haben,  eine  solche 
Falschheit  war  und  blieb  doch  unerhört.  Dagegen  kennt,  was 
Ulmann  übersehen  zu  haben  scheint,  die  ältere  Reichsverfassung 
und  kannte  man  zur  Zeit  Friedrichs  IQ.  sehr  wohl  eine  Desig- 
nation des  Nachfolgers  seitens  des  Reichsoberhauptes  als  ein 
ihm  aus  alter  Zeit  zustehendes  Recht,  das  erst  die  spätere  Ent- 
wicklung beseitigte,  imd  gab  es  bis  ins  13.  Jahrhundert  und, 
wenn  wir  auf  Wenzel  von  Böhmen  Rücksicht  nehmen,  auch 
noch  nach  der  Goldenen  Bulle  eine  Wahl  und  Ej*önung  wehrfähiger 
Söhne  der  eben  regierenden  Kaiser  zu  römischen  Königen.  Es 
kam,  wenn  auch  nicht  ein  Rechtsgrund,  so  doch  eine  Rechts- 
erinnerung dem  Sohne  des  Reichsoberhauptes,  aber  nur  diesem 
allein,  bei  einer  Bewerbung  um  die  Wahl  zugute. 

Die  Königswahl  nun  von  1486  und  das  Verhalten  des 
Kaisers  vor  und  bei  ihr  anbelangend,  darf  zunächst  allgemein 
die  Behauptung  aufgestellt  werden,  dass  der  Kaiser  die  Er- 
haltung des  deutschen  Thrones  bei  seinem  Hause  nicht  blos 
wünschte,  sondern  als  nothwendig  ansah  für  die  habsburgischen 
Erblande,  wie  für  das  Reich  selbst.  Denn  die  Wahl  eines 
Andern,  sagt  er  selbst  in  seiner  Proposition  an  die  Kurfürsten, 
der  etwa  zu  Habsburgs  ,erblichen  Landen  nicht  Neigung  trage', 
könnte  bewirken,  dass  die  österreichischen  Herzogthümer  da- 
durch ,in  der  Feinde  und  fremder  Nation  Hände  wüchsen', 
indem  ,des  Reiches  Hilfe  für  sie  dadurch  zerrissen  würde',  und 
dass  anderseits  ,durch  die  Feinde  ein  solcher  Einbruch  in  Deutsch- 
land beschehen  möchte',  der  ,hernachmals  schwer  wieder  einzu- 


*  Die  bezüglichen  Argumentationen  Illmann's  Seite  133  und  146  enthalten 
einen  unlöslichen  Widerspruch. 


fligea  sei."    Wenn  je  einer  schützte  zudem  Friedrich  TIT.  die 
pkllnfte  und  das  Ansehen,  die  das  KaiaertLum  noch  zu  bringen 
mochte,  so  wenig  streng  er  es  mit  den  Pflichten  nahm. 
Aber  es  gab  da  filr  Kaiser  Friedrich  doch  auch  Mancherlei 
1  bedenken.    War  auch  bei  seinen  Lebzeiten  die  Wahl  eines 
Andern  nicht  zu  besorgen,  so  blieb  es  doch  wieder  fraghch,  ob 
die  Kurfürsten,  auch  auf  seinen  Wunsch,  geneigt  sein  wurden, 
^^■Inen    Sohn    neben    ihn   zum    römischen   Konige    zu    erheben. 
^^Bte   ganze    Reihe    von    Momenten,    die    Persönlichkeiten    der 
^^Bthler  und  des  Bewerbers,  dessen  politische  Lage  und  Mnclit- 
^^^^ung,  vor  Allem  aber  auch  die  Beziehungen  des  Kaisers  zu 
^^Bn  Koi'fUrsten,   seine  Verhältnisse,    die  Eindrucke   tod   seiner 
^^pgierung  im  Reiche,  wozu  ja  jene  des  Sohnes  die  Fortsetzung 
xn  werden  versprach,  kamen  dabei  in  Betracht.  Galt  es  da  fHr 
Friedrich  Tll.  nicht,  einen  Moment  abzuwarten  und  zu  ergreifen, 
in  dem  all  das  möglichst  günstig  lag,  wo  die  Kurfilrsten  freund- 
^^bi  gesinnt  und  Maxiuiilian  als  König  begeh  reu  sw  er  th  erschien, 
^^K  vor  Allem  das  Regiment  des  Vaters  in  Ansehen  und  Macht 
^^plstand?     TTnd   konnte   ein  Misserfolg  —  eine  Ablehnung  des 
Erzherzogs   bei  Lebzeiten    des  Kaisers    nicht  leicht  ungünstige 
Stimmungen  erzeugen  und  selbst  auf  die  Bewerbung  Maximilians 
Uch    dem  Tode  des  Vaters   auf  das  Nachtheiligste  einwirken? 
Man  rechne  dazu,    Jass  den  Kaiser,    mochten  auch  148Ü 
^e  Angelegenheiten  sonst  leidlich  in  Ordnung  sein,  zweierlei 
:  unablässig  drückte,    die  Ungarn-    und  TUrkennoth    und 
t  Erschöpfung  seiner  Finanzen,  man  ei-wäge  die  schrecküche 
iogsamkeit  der   kaiserlichen  EntSchliessungen  gegenüber  der 
tchsenden  Menge  unangenehmer,  ja  gefUhrlicher,  aber  oft  wich- 
tor  Aufgaben  und  GesthUfte,  den  TTang  zur  Vorsicht  und  zum 
liigen   Zuwarten,   der  in  des  Kaisere  Wesen  la^;,    gegi'ündot 
die   Ueberzeugung,    dass   auch    ohue   gewaittames   Zuthun 
die  Rückkehr  der  Ordntmg  der  Dinge  auf  naturgemilsseui  Wege 
erfolgen   müsse,   und  geü'agen  von   der  unerschütterlichen  Zu- 
versicht auf  ilio  künftige  Grösse  seines  Hauses,    endlich  seine 
gründliche  Abneigung,  0,»fer  zu  bringen,   wfthrend   doch  ohne 
Bolche   an   eine  Wahl  MaidmiLans   nicht  zu  denken   war:    und 
Kn  wird  begreifen,  weshalb  der  Kaiser  eben  dieser  Frage  mit 
^pelter    Bedächtigkeit    nahe    trat.     Wie    leicht  aber   konnte 


1   Dol  J.  J.  Milllei.  Itfli.OiBUlgKlIieHtnim  ii 


r  Mb\  I..  I.  I 


564 

solches  Bedenken,  das  ja  so  sehr  der  natürlichen  Erwartung,  der 
Vater  werde  kräftigst  flir  die  Sache  des  Sohnes  eintreten,  wider- 
sprach, für  femer  Stehende  den  Schein  erwecken,  dass  Kaiser 
Friedrich  überhaupt  der  Erhebung  Maximilians  nicht  hold  sei? 

Und  durchaus  ähnliche  Ergebnisse  gewinnt  man  bei  dem 
Versuche,  dem  persönlichen  Empfinden  des  Kaisers  in  solcher 
Sache  nahe  zu  konmien.  Gewiss  ist,  dass  Friedrich  IH.  nach 
seiner  Eigenart  ebenso  wie  etwa  in  der  Ueberlassung  eines 
österreichischen  Erblandes  bei  Lebzeiten  an  den  Sohn,  obwohl 
sie  diesem  ja  doch  einst  alle  zufallen  mussten,  so  auch  in  der  Be- 
förderung MaximiHans  an  seiner  Seite  zur  Würde  eines  römi- 
schen Königs  einen  Act  der  Selbstbeschränkung  seinerseits  *  und 
eine  Gnade  und  Wohlthat  für  jenen  sah.  Aber  dass  jene 
Mischung  von  Selbstsucht  und  fUrstlichem  Hochgefühl  bei  ihm 
jemals  in  grossen  poHtischen  Erwägimgen  entscheidend  gewesen 
wäre,  widerlegen  die  Thatsachen.  Was  von  Friedrichs  III.  Starr- 
heit im  Festhalten  seiner- Rechtstitel  gesagt  wird,  gilt  zudem  im 
Grunde  doch  nur  fremdem  Interesse  gegenüber.^ 

Der  Mann  nun,  der  so  sichern  Muthes  dem  Sterne  seines 
Hauses  vertraute,  sah  sich  seit  1467,  dem  Tode  seiner  Gemahlin, 
der  Thatsache  gegenüber,  dass  die  Hofihung  Oesterreichs  lediglich 

—  der  Vetter  Sigmund  von  Tirol  alterte  ohne  gesetzliche  Erben 

—  auf  seinen  einzigen  Sohn,  Maximilian,  gegründet  war:  dar- 
um denn  auch  die  doppelte  Sorgfalt,  mit  welcher  der  Erzherzog 
erzogen  wurde,  daher  die  durch  keine  Selbstsucht,  selbst  wo  es 
sich  um  das  gewaltige  burgundische  Erbe  handelte,  überwimdene 
Zähigkeit,  mit  welcher  der  Kaiser  eine  vorzeitige  Verehelichung 
Maximilians  verweigerte.  ^  Dazu  kam,  dass  es  der  Kaiser,  wie 
schon  bemerkt,  sehr  gut  verstand,  die  theoretische  Machtfülle 
des  deutschen  Königthums  in  Anschlag  zu  bringen  und  sie  bei 
aller  Noth  der  Zeit  und  Umstände  auch  immer  noch  praktisch 

1  , Wiewohl  Ihre  Majeatät  solches  der  kayserlichen  Würde  halben,  die  Gott 
der  Allmächtige  auf  Ihre  Majestät  gewendet  habe  und  Sie  in  Jhr  Grab 
zu  bringen  gedenken,  schwer  sei,*  sagt  der  Kaiser  selbst  über  die  Wahl 
Maximilians  in  der  Proposition  an  die  Kurfürsten  1.  c. 

3  Man  denke  an  die  Concordate  mit  Rom,  die  Mailänder  Belehnnngs-  mid 
Pfälzer  Arrogationsfrage  einerseits,  des  Kaisers  Haltung  in  der  Tiroli- 
schen (1490),  Niederösterreichischen  (1491)  und  eben  der  deutschen 
Knnif»^angelegenheit  (1486)  anderseits. 

3  Beweise  dafür  im  demnächst  erscheinenden  II.  Bande  meiner  Reichs- 
geschichte. 


565 

zu  nützen;  dass  ihm  der  Besitz  des  heiligen  Reiches  nicht  blos 
als  die  unversiegbare  Quelle  von  Ehre,  Recht  und  Nutzen, 
sondern  geradezu  als  das  Mittel  erschien,  die  österi'eichischen 
Erblande  dem  Reiche  und  seinem  Hause  den  herrlichen  Besitz  zu 
erhalten,  auf  dem  es  geflirstet  und  zu  solchem  Ansehen  empor- 
gewachsen war.  Naturgemäss  aber  mussten  solche  Ueberzeugungen 
sein  Denken  und  sein  Streben  darauf  hinlenken,  in  der  Rich- 
tung zu  thun,  was  im  Bereiche  der  Möglichkeit  lag:  das  war 
aber  die  Beförderung  Maximilians  zum  römischen  Könige.  Genügte 
für  solchen  Entschluss  nicht  die  väteriiche  Neigung,  —  wir 
wissen  aber  durchaus  nichts  davon,  dass  das  Verhältniss  zwischen 
dem  Kaiser  und  seinem  Sohne  nicht  etwa  das  richtige  war  — 
so  gebot  ihn  die  dynastische  Verpflichtung.  Es  gab  keine  stärkere 
fUr  Friedrich  m.! 

Dieses  Empfinden,  vordem  zurückgedrängt  durch  jene 
Erwägungen,  die  zum  vorsichtigen  Zuwarten  bis  zum  günstigen 
Augenblicke  mahnten,  und  in  jüngeren  Jahren  an  sich,  wie 
natürlich,  ohne  gi'össere  Berechtigung,  musste  aber  lauter  und 
dringender  mahnen,  je  weiter  der  Kaiser  im  Lebensalter  voran- 
schritt und  je  mehr  er  sich  der  gewöhnlichen  Grenze  menschlichen 
Daseins  näherte.  Und  das  war  1480,  noch  mehr  1485  der  Fall! 
Der  Kaiser  stand  da  im  67.,  beziehungsweise  im  72.  Lebensjahre, 
und  wie  der  König  von  Böhmen  dort,  wo  er  am  8.  August  1480 
dem  Kurfiirsten  von  Brandenburg  gegenüber  seine  Stellung  bei 
einer  römischen  Königswahl  nach  Friedrich  III.  zur  Sprache 
bringt,  meint,  ,der  Kaiser  sei  ein  alter,  abgelebter  Mann',  so 
fllhrte  sich  Friedrich  wohl  nicht  erst  anlässHch  des  Frankfurter 
Kurtages  1486  den  Gedanken  plötzlichen  Hinganges  vor  die  Seele 
und  was  mit  Oesterreich  und  seinem  Hause  werden  könnte,  wenn 
er  ,in  mittlerer  Zeit  mit  Tod  abginge,'  und  die  Kurfiirsten  dann 
nicht  den  Erzherzog  Maximilian,  sondern  ,einen  andern  Herrn 
und  römischen  König  in  der  Stadt  Frankfurt  fllrnehmen  und  er- 
wählen sollten'.* 

Ja,  aber  der  Kaiser  sagt  doch  selbst,  er  habe  die  Wahl 
seines  Sohnes  nicht  gewollt.  Und  Zeitgenossen  bestätigen  dies! 
Wir  wollen  sehen. 

Ulmann  führt  als  das  gewichtigste  Zeugniss  daf^  einen 
Brief  an,  in  welchem  Kaiser  Friedrich  kurz  vor  seinem  Ableben 


1  Ans  der  kaiBerlichen  Proposition  bei  Maximilians  Wahl  1.  c. 
AtcWt.  Bd.  LXXVI.  H.  Hälfte.  37 


566 

den  Hofmarschall  Sigmund  Prüschenk  an  Maximilian  als  an  seinen 
Erben  und  Nachfolger  empfiehlt.'  Von  Jugend  auf,  sagt  der 
Kaiser,  habe  er  Prüschenk  um  sich  gehabt,  keinem  Zweiten,  nur 
ihm  allein  habe  dieser  ,zu  grosser  Ehre  und  in  trefFenlichen  Ge- 
schäften mit  seinem  höchsten  Fleiss  vor  allen  (Andern)  und 
nützlich  gedient^  Trotzdem  habe  er,  der  Kaiser,  gerade  während 
seiner  eben  überstandenen  schweren  Krankheit  merken  können, 
dass  man  gegen  Prüschenk  ,muthwillig  zu  handeln  gedenke',  wo- 
mit ihm  doch  ganz  unbillig  geschehen  würde  und  woran  nur  seine 
treuen  Dienste  und  das  grosse  Vertrauen  des  Kaisers  auf  ihn  schuld 
wären.  Prüschenk  habe  sich  auch  um  Maximilian  Verdienste  er- 
worben, wofür  er,  ,wo  uns  der  Allmächtige  das  Leben  länger  gönnte, 
von  uns,  und  nach  unserm  Tod  von  Euer  Liebe,  nachdem  er  Euch 
in  allen  Euren  Sachen,  wo  die  an  ihm  gelangt  sind,  besonders  dass 
wir  Euch  zu  der  Wald  und  Krönung  Eurer  königlichen  Würde, 
auch  zu  dem  Land  an  der  Etsch  und  zu  Eurer  Erledigung 
kommen  haben  lassen,  bei  uns  vor  allen  Andern  gar  treulich 
gedient  und  angehalten  hat,  billig  mehr  belohnt  werden  sollte.' 
Wer  da  herauslesen  wollte,  dass  der  Kaiser  gegen  die 
Wahl  und  Krönung  Maximilians  gewesen  sei,  müsstc  der  nicht 
ebenso  gut  annehmen,  Friedrich  III.  habe  die  Abtretung  Tirok 
an  seinen  Sohn  (statt  zu  seinen  eigenen  Händen)  nicht  gewollt 
und  ebenso  der  Errettung  desselben  aus  der  Genter  Gefangen- 
schaft widerstrebt]?  Nun  wissen  wir  aber,  dass  der  Zug  des 
Kaisers  1488  nach  den  Niederlanden  zur  Befreiung  Maximilians 
dessen  eigenstes  Werk  war,  welches  er  mit  einer  bei  ihm  ganz 
ungewöhnlichen  Thatkraft  begann  und  vollendete.  Ebenso  un- 
leugbar darf  von  einem  Widerstände  des  Kaisers  gegen  die  Ueber- 
gabe  Tirols  an  den  Erzherzog  um  so  weniger  gesprochen  werden, 
als  Friedrich  nach  seinen  früheren  Beziehungen  zu  den  Tiroler 
Ständen  gar  nicht  daran  denken  konnte,  selbst  der  Nachfolger 
seines  Vetters  zu  werden ;  es  war  denn  auch  von  einer  Ueber- 
nahme  des  Landes  dmxh  den  Kaiser  nirgends  öffentlich  die  Rede, 
vor  Allem  nicht  an  massgebender  Stelle,  in  Innsbruck,^  gewiss 


^  Kaiser  Friedrich  an  Maximilian,  29.  April  1493,  bei  V.  v.  Krans,  Maxi- 
milians I.  vertranlicher  Briefwechsel  mit  Sigmund  Prüschenk,  Freiherr 
von  Stettenberg,  Innsbruck  1875,  86 — 86. 

'  Vgl.  A.  Jäger,  Der  Uebergang  Tirols  und  der  österreichischen  Vorlande 
von  dem  Erzherzoge  Sigmund  an  den  römischen  König  Maximilian 
(1478—1490).     Archiv  für  österr.  Geschichte,  LL  Bd.,  U.  Hälfte,  297  ff^ 


567 

aber  wohl  in  des  Kaisers  Rathe,  wo  der  Prüsehenk  die  Nach- 
folge Maximilians,  wie  die  Befreiungsfahrt  (1488),  empfohlen 
haben  wird. 

Aber  was  für  Gründe  sollte  der  Kaiser  haben,  seinem 
Rathe  ein  Verdienst  zuzuschreiben,  das  ihm  nicht  zukam? 
Sehr  gewichtige.  Die  beiden  Prilschenk,  Sigmund,  der  Hofmar- 
schall, und  Heinrich,  einer  der  kaiserlichen  Feldhauptleute,  hatten 
für  eifrige  und  wichtige  Dienste,  die  sie  in  langen  Jahren  ge- 
leistet, mit  des  Kaisers  unbegrenztem  Vertrauen  Ehren,  Würden 
und  reiche  Einkünfte  erlangt,  sich  aber  auch  der  Neider  und 
Gegner  die  Menge  zugezogen.^  Kein  Wunder,  dass  sie,  um  das 
Erworbene  ängstlich  besorgt  und  weil  der  Kaiser  hochbetagt  war, 
sich  früh  genug  auf  das  eifrigste  bemühten,  auch  bei  dem  Erben, 
Maximilian,  in  Gnaden  zu  sein.  Besonders  der  Hofmarschall  war 
dem  Kaisersohne  mit  Meldungen  vom  kaiserlichen  Hofe,  mit  Ver- 
mittlungen und  Besorgungen  mancherlei  Art  gefällig;^  dagegen 
überwachte  er  eifersüchtig  jede  Aeusserung  über  sich  und  den 
Bruder  an  MaximiHan  und  trat  er  Allem,  was  ihm  irgendwie 
nachtheihg  werden  konnte,  mit  Entschiedenheit  und  Erfolg  nicht 
blos  selbst, "^  sondern  auch  durch  den  Mund  des  Kaisers  ent- 
gegen ;<  war  Sigmund  ja  doch  schliesslich  dessen  erklärter  Lieb- 
ling.* Nun  hatten  während  der  letzten  schweren  Erkrankung  des 
Kaisers  nicht  nur  die  Vertrauten,  die  Maximilian  am  Hofe  seines 
Vaters  hielt,  Michael  von  Polheim  und  Conrad  Baldauf  von  Wai- 
denstein, über  die  Gesinnung  der  Prüsehenk' s  gegen  den  Erben 

398  ff.  Dass  der  Kaiser  in  der  Ueberlassung  des  Landes  Tirol  direct  an 
den  Sohn  ein  Zugeständniss  seinerseits  sah,  ist,  wie  bereits  berührt 
wurde,  sicher.  Aber  noch  unzweifelhafter  ist,  dass  er  bei  den  obwaltenden 
Umständen  sich  dazu  herbeigelassen  hätte,  auch  wenn  Prüsehenk  und 
alle  Käthe  dagegen  gewesen  wären. 

*  Die  Belege  dafür  bei  Chmel,  Regesten  II.  Lichnowsky,  Geschichte  des 
Hauses  Habsburgs  VIII,  Regesten,  v.  1.  Vgl.  V.  v.  Kraus  1.  c,  Einleitung, 
15  ff.,  femer  ebendort  45—47,  54  —  56,  82—83. 

'  Man  vergleiche   die  Schreiben   vom  14.  September  1478,    23.  December 

1481,  24.  Februar  1486  u.  s.  w.  bei  Kraus  1.  c. 
3  Schreiben  vom   23.  Juni   1478,   v.  1479   (Kraus  39—40),  v.  24.  Februar 

1485  und  G.  Jänner  1487. 

*  Schreiben  des  Kaisers  vom  10.  December  148G  mit  der  Bemerkung:  ,als 
ich  euch  vormahlen  etwa  offt  auch  geschrieben,  darauff  äugen  habend 
Kraus  57—58. 

^  Der  Kaiser  selbst  sagt,  dass  er  Prüsehenk  ,mit  sondern  gnaden  geneigt 
sein  weit  und  geholt*. 

37» 


8ehr  verdächtig  geschrieben^'  soDtlem  nach  der  ahe  Yel 
Innsbrack,  Erzherzog  Sigmund,  diesen  vor  den  Biiidem  gewi 
Anderseits  erhielt  der  Hofmatscball,  wir  wissen  nicht  wie. 
Schritten,  die  gegen  ihn  bei  Maximilian  geschehen  träten,  Koni 
Um  Bo  mehr  bcsUirmte  er  nun  den  Kaiser,  obwoh]  dieser  jeb^ 
Mitte  April  1493,  noch  keineswegs  genesen  war,  um  Schutz  und 
Fitrhitte,  and  der  alte  Herrscher,  dem  Liebhng  zu  willfahren, 
wiederholte  nicht  blos  die  alten  ^Mahnungen  aaf  das  Dringendste, 
sondern  iiigte  noch  jene  besonderen  ]icweg^;ründe  neu  hinzu, 
von  denen  er  sich  eines  besonderen  Eindruckes  bei  Maximilian 
versehen  mochte.'  Eine  BeweiskraA  in  unserer  Sache  bosü 
aher  darnach  die  Worte  des  Kaisers  Qber  das  Verdieiut 
mund  Prilschenk'«  um  Maximilians  Wahl  ziemlich  ebenso  wi 
als  etwa  mutatis  mutandis  die  gelegentlichen  fircnndlicben  Wi 
des  Kaisersohnes  an  den  Tiroler  Vetter,  dieser  sei  der 
heber  seiner  Befrei ui^  aus  der  Genter  Gcfangenschmft 
wescn,'^  das  Verdienst  des  Kaisers  darum  beseitigen  koi 
und  sollen. 

Ulmann  fuhrt  femer  für  seine  Behauptung  eine  AeoMI^ 
;  des  Eaieei?  Über  die  !Nachfolgersache  im  Kelch  aa  den 
illrsten  Albreeht  von  Braudenbni^  an  (Schreiben  vom  19.  Fe- 
r  1485).  Damals  war,  wie  sieb  weiter  unten  ergeben  wird, 
ein  Anlauf,  rlie  Walil  des  Erzherzogs  durchzusetzen,  vergeblich 
gewesen;  ein  Versuch,  wovon  dem  allen  Albreeht  Achilles, 
hinter  dessen  Kücken  er  unternommen  worden  war,  doch  etwas 
zu  Ohren  kam.  Obwohl  dem  Kaiser  innerbch  längst  entfremdet, 
zeigte  sieb  der  Kurfürst  doch  über  die  Sache  ungemein  eni- 
pKndhch,  und  in  bitteren  Worten  eriiob  er  Beschwerde."  Die 
wurt  des  Kaisers  war:  Er  habe  Albrecht  von  einer  soloben 
nichts  gemeldet,  da  ihm  kein  Wissen  gewesen  und  er  sicli 


linxu, 

1 


;eAl^^_ 

1 


■  Knna  83—85. 
»  Kr«ii»  SS— »B. 

*  N>cb  dem  Briefe  dos  Rumra  vom  ilt.  ApHI   IltlS  1. 

*  EIaI  itocb  ilpr  Kaianr  nach  all  ilcn  Sitten  im  TVitn  iltw  ScbrntMm*  Bwk 
MD  ßi-liliua«  n|(viitdlii<li|-  >li«  Wort«  Ikiti(ii|:«fBft:  4J*''>*^  ^n-  l^^  Eiwk 
il«n  Slaracfaalch  cai|ifo1h«n  sAin.  a.  f.* 

>  B«i  Llcbuonak}-.  Rac«(™  mu  V1IL  Seite  CCL'XXXIX -CCCXL.  «itluvi- 
hen  Tom  3».  Uiti    HS». 

*  Sriimbea  vom  lt.  f>bni«T  14:^  t>n  J.  ■.  Miauloli.  llw  kainrEirbo  Barti 
dM    Haritcrafe»    Aibroclit    Achillwk.    karfBnÜicb«    IWic^a    1410; 
Berlin   1850,  79— »I  ^ 


5G7 

aber  wohl  in  des  Kaisers  Ratlie,  wo  der  Prlischenk  die  Nach- 
folge Maximilians,  wie  die  Befreiungsfahrt  (1488),  empfohlen 
haben  wird. 

Aber  was  für  Gründe  sollte  der  Kaiser  haben,  seinem 
Rathe  ein  Verdienst  zuzuschreiben,  das  ihm  nicht  zukam? 
Sehr  gewichtige.  Die  beiden  Prüschenk,  Sigmund,  der  Hofmar- 
schall, und  Heinrich,  einer  der  kaiserlichen  Feldhauptleute,  hatten 
für  eifrige  und  wichtige  Dienste,  die  sie  in  langen  Jahren  ge- 
leistet, mit  des  Kaisers  unbegrenztem  Vertrauen  Ehren,  Würden 
und  reiche  Einkünfte  erlangt,  sich  aber  auch  der  Neider  und 
Gegner  die  Menge  zugezogen.^  Kein  Wunder,  dass  sie,  um  das 
Erworbene  ängstlich  besorgt  und  weil  der  Kaiser  hochbetagt  war, 
sich  früh  genug  auf  das  eifrigste  bemühten,  auch  bei  dem  Erben, 
Maximilian,  in  Gnaden  zu  sein.  Besonders  der  Hofmarschall  war 
dem  Kaisersohne  mit  Meldungen  vom  kaiserlichen  Hofe,  mit  Ver- 
mittlungen und  Besorgungen  mancherlei  Art  gefilUig;'^  dagegen 
überwachte  er  eifersüchtig  jede  Aeusserung  über  sich  und  den 
Bruder  an  Maximilian  und  trat  er  Allem,  was  ihm  irgendwie 
nachtheiUg  werden  konnte,  mit  Entschiedenheit  und  Erfolg  nicht 
blos  selbst,^  sondern  auch  durch  den  Mund  des  Kaisers  ent- 
gegen;^ war  Sigmund  ja  doch  schliesslich  dessen  erklärter  Lieb- 
ling.'' Nun  hatten  während  der  letzten  schweren  Erkrankung  des 
Kaisers  nicht  nur  die  Vertrauten,  die  Maximilian  am  Hofe  seines 
Vaters  hielt,  Michael  von  Polheim  und  Conrad  Baldauf  von  Wai- 
denstein, über  die  Gesinnung  der  Prüschenk^s  gegen  den  Erben 

398  ff.  Dass  der  Kaiser  in  der  Ueberlassunj^  des  Landes  Tirol  direct  an 
den  Sohn  ein  Zugeständniss  seinerseits  sah,  ist,  wie  bereits  berührt 
wurde,  sicher.  Aber  noch  unzweifelhafter  ist,  dass  er  bei  den  obwaltenden 
Umständen  sich  dazu  herbeigelassen  hätte,  auch  wenn  Prüschenk  und 
alle  Räthe  dagegen  gewesen  wären. 

*  Die  Belege  dafür  bei  Chmel,  Kegesten  II.  Lichnowaky,  Geschichte  des 
Hauses  Habsburgs  VIII,  Regesten,  v.  1.  Vgl.  V.  v.  Kraus  1.  c,  Einleitung, 
16  ff.,  femer  ebendort  45—47,  54-50,  82—83. 

*  Man  vergleiche  die  Schreiben  vom  14.  September  1478,  23.  December 
1481,  24.  Februar  1485  u.  s.  w.  bei  Kraus  1.  c. 

a  Schreiben  vom  23.  Juni  1478,  v.  1479  (Kraus  39—40),  v.  24.  Februar 
1485  und  G.  Jänner  1487. 

*  Schreiben  des  Kaisers  vom  10.  December  148G  mit  der  Bemerkung:  »als 
ich  euch  vormahlen  etwa  offt  auch  geschrieben,  darauff  äugen  haben*. 
Kraus  57—58. 

^  Der  Kiuser  selbst  sagt,  dass  er  Prüschenk  ,mit  sondern  gnaden  geneigt 
sein  weit  und  scholt*. 

37* 


570 

ebensolches  haben  die  Wähler  im  Wahldeerete  als  ihre  Absieht 
verkündet. ' 

Die  Gründe  aber,  die  den  Kaiser  bestimmten,  dem  Kur- 
fürsten auszuweichen  und  ihn  doch  womöglich  zu  besänftigen, 
werden  unten  klar  werden  und  liegen  zum  Theile  auf  der  Hand. 
Oder  sollte  der  Kaiser  eine  unangenehme  Sache,  an  der  er 
wirklich  persönlich  nur  indirect  Antheil  genommen  hatte  und 
die  überdies  zu  dem  Markgrafen  nur  gerüchtweise  gedrungen 
war,  noch  officiell  bestätigen?  Es  wäre  das  offene  Geständniss 
einer  Niederlage  gewesen,  noch  dazu  einem  Fürsten  gegenüber, 
der  in  der  Sache  selbst  entschieden  gegnerisch  gesinnt  w^ar. 
Uebrigens  war  der  Äfarkgraf  klug  genug  —  die  Umstände, 
unter  welchen  Anfrage  und  Auskunft  erfolgten,  sollen  ja,  wie  be- 
merkt, auseinandergesetzt  werden,  —  die  Antwort  als  das.  zu 
nehmen,  was  sie  war:  gelegentlich  hat  er  hinterher  dem  Kaiser 
neuerdings  geschrieben,  man  habe  über  Dinge  verhandelt,  von 
denen  er  nichts  wisse  oder  vielleicht  wissen  solle. ^ 

Wenig  schwer  wiegt,  was  Ulmann  endlich  für  seine  Mei- 
nung von  Aeusserungen  von  Zeitgenossen  anzuführen  vermag, 
so  hoch  er  selbst  den-  Bericht  bei  Albert  Krantz  anschlägt. 
Dieser  erzählt:  ,Als  der  Herzog  von  Oesterreich  Maximilian 
längst  im  Westen  des  Eeiches  als  Sieger  dastand,  als  er  die 
Franzosen,  rcbeUische  Unterthanen,  ganz  Flandern  bezwungen 
hatte,  wurde  er  von  seinem  kaiserlichen  Vater  nach  Köln  be- 
schiedcn;  mit  ihm  zog  er  nach  Frankfurt  zu  der  Versammlung, 
welche  der  Kaiser  den  Kurfürsten  angesagt  hatte,  um  einen 
neuen  König  zu  erheben :  eben  dafür  war  ja  der  Herzog  selbst 
ausersehen.  Friedrich  hatte  nämlich  seine  Gesinnung  geändert. 
In  früheren  Jahren  soll  er,  von  den  Fürsten  über  die  Erhebung 
Maximilians  befragt,  geantwortet  haben:  Wir  kennen  unsem 
Sohn  besser  imd  wissen,  dass  er  zur  Regierung  nicht  tauglich 
sei.  Er  wollte,  wie  erzählt  wird,  von  jeder  andern  Sache  heber 
hören  als  davon. ^-^  Es  soll  hier  nicht  des  Breiten  ausgeführt 
werden,  dass  Krantz  erst  im  späteren  Lebensalter  (nach  1500, 
wahrscheinlich   nach  1512)  zum   Schreiben  kam,^  und  dass  er 


'  Das  Wahldccrct  der  Kurfürsten  ebendort  10—13  a.  a.  O. 
5  Minutoli,  Kaiserliches  Bucli  102.  Brief  vom  28.  April  1485. 
3  Saxonia,  lib.  XIU,  cap.  I,  pa^r-  385  (Frankfurt  1580). 
*  Seine  Werke  sind  bekanntlich  posthum  erschienen. 


571 

hier  über  Dinge  aus  einer  Zeit  berichtet,  zu  der  er  noch,  fern 
von  pohtischer  Thätigkeit,  sein  Lehramt  in  Rostock  versah.^ 
Aber  beachtenswerth  ist,  dass  Krantz  selbst  jene  Aeusserung  des 
Kaisers  als  ein  Gerücht  bezeichnet;  Thatsache  ist,  dass  Fried- 
rich lU.  in  den  Jahren  vor  der  Wahl  seines  Sohnes  —  und  vor 
1479  konnte  ja  überhaupt  davon  keine  Rede  sein  —  mit  den 
deutschen  Fürsten  nicht  persönlich  verkehrte,  ausser  mit  Herzog 
Albrecht  von  Sachsen,  und  der  war  für  Maximilian;^  ganz  un- 
verträgUch  endlich  ist  es  mit  des  Kaisers  Art  und  Gesinnung, 
über  seinen  einzigen  Sohn  zu  den  Fürsten  in  einer  Weise  zu 
sprechen,  die  ebenso  dessen  Interessen  wie  doch  auch  den  That- 
sachen  widersprach.  Wir  haben  es  hier  eben  mit  nichts  weiter 
zu  thun  als  mit  einer  Schulmeisteranekdote;  geradeso  wie  die 
Wendung,  welche  der  venezianische  Gesandte  Hermolao  Bar- 
baro,  übrigens,  wie  es  scheint,  der  cigentKche  Gewährsmann 
Krantz',  in  seiner  Glückwunschrede  an  den  Kaiser  anlässlich 
der  Wahl  Maximilians  gebraucht:  ,der  Erzherzog  sei  von  den 
Fürsten  gewählt  worden,  obwohl  der  Kaiser  sich  die  Ehre  ver- 
bat, ja  sogar  widerstrebte^,  bei  allen  denen  von  vornlierein  nicht 
schwer  wiegen  kann,  welche  die  Uebertreibungen  und  Steigerun- 
gen, das  Spielen  mit  Satz  und  Gegensatz,  die  gewagten  Behaup- 
tungen und  phrasenhaften  weitausholenden  Beweisführungen  hu- 
manistischer Schmeichelreden  jener  Tage  kennen.^ 

Doch  genug!  Bereits  oben  wurde  aus  der  kaiserlichen 
Proposition  an  die  Kurftirsten  eine  Reihe  von  Angaben  mitge- 
theilt,  aus  denen  sich  unzweifelhaft  ergibt,  wie  der  Kaiser  über 
die  Wahl  seines  Sohnes  dachte.  Oder  soUen  diese  Gründe  und 
Erwägungen  von  ihm  erst  im  letzten  Augenbhcke  ersonnen 
sein,  um  das  auch  selbst  gutzuheissen,  wozu  ihn  die  Fürsten 
genöthigt?  Das  ist  so  wenig  möglich  nach  des  Kaisers  Charakter- 
anlage wie  nach  der  Natur  der  Umstände,  denen  sie,  wie  ge- 
zeigt wurde,  völlig  entsprachen,  und  wird  weiter  widerlegt  durch 
das,   was  von  des  Kaisers  Handlungen  zu  berichten  sein  wird. 


>  i486   ist  er  dort  Decan  dor  philosophischoii  Facultät. 

2  Der  kurze  Aufenthalt  Georgs  von  Baiem-Landshut  beim  Kaiser  zum 
Zwecke  der  Lehennahme  hat  schwerlich  intime  Erörterungen  zwischen 
den  dem  Lebensalter  nach  so  verschiedenen  Fürsten  herbeigeführt. 

5  Die  entscheidenden  Stollen  bei  Müller,  Reichstagstheatrum  I,  48  —  49. 
Was  es  mit  der  Förderung  Erzherzog  Sigmunds  von  Tirol  für  ein  Bewandni» 
hat  (Ulmann  135  und  Anmerkung  2),  wird  unten  gezeigt  werden. 


572 

Diese  Meinung  wird  unterstützt  dui'ch  eine  ganze  Reihe  von 
Zeugnissen  wohlunterrichteter  Geschichtsschreiber  jener  Tage. 
So  meldet  der  ernste  Cuspinian,  der  vertraute  und  vielgeplagte 
Diplomat  des  Kaisers  Maximilian,  kurz:  Kaiser  Friedrich  hat  es 
durchgesetzt,  dass  Maximilian  zum  römischen  Könige  gewählt 
wurde;'  ihm  gesellen  sich  bei  J.  Grünpeck,  gleichfalls  lange 
Jahre  in  Maximilians  Kanzlei  oder  doch  f\ir  seine  Politik  thätig 
und  mit  den  österreichischen  Verhältnissen  wohl  vertraut,^  der 
wackere  Kärntner  Pfarrer  J.  Unrest,  der  des  Kaisers  Unter- 
stützung der  Wahl  bis  zur  eigenen  Abdankung  steigert,''  ebenso 
andere  gewichtige  Stimmen  *  aus  dem  Reiche  wie  aus  dem  Lager 
der  Gegner^  Oesterreichs. 

II.  Das  KSnigsproJect  in  den  Jahren  1480/1  nnd  1484  5. 

1.  Von  der  Absicht  Maximilians  von  Oesterreich,  römischer 
König  zu  werden,  finden  sich  die  ersten  Spuren  in  den  Jahren 
1480  und  1481.  Sie  sind  wenig  deutlich,  aber  mancherlei  Um- 
stände erklären,  weshalb  sie  eben  jetzt  hervortreten.  Infolge 
des  glänzenden  Sieges  bei  Guinegate  (7.  August  1479)  waren 
endlich  bessere  Tage  für  den  jungen  Habsburger  in  den  Nieder- 
landen gekommen.  Nun  wurden  diese  selbst  und  Luxemburg 
von  den  Franzosen  gesäubert,  ein  Bündniss  mit  Eduard  von 
England,  von  Margaretha  (von  York),  der  Herzogin-Mutter  von 
Burgund,  vermittelt,  kam  zu  Stande,  und  auch  in  der  Bevölke- 
rung regte  sich  endlich  grössere  Theilnahme  ftlr  den  Fürsten, 
der  zugleich  auch  bereits  eines  Erbprinzen  sich  erfreute.  Grund 
genug,  dass  der  furchtsame  Franzosenkönig  ernstlich  den  Ge- 
danken friedlicher  Verständigung  mit  dem  Hause  Burgund- 
(Jesterreich  erwog  und  den  Plan  hervorkehrte,  unter  dem  Titel 
einer  Mitgift,  sei  es  für  Maximilians  Schwester  Kunigunde,®  sei 


J  De  Caesaribus  487,  Frankfurt  1601. 

2  Chmel,  Oesterreichiscber  Geschichtsforscher  I,  86.  Vgl.  A.  Czemy,  Der 
Humanist  und  Uistoriograph  Kaiser  Maximilians  I.,  Jos.  Grünpeck.  Archiv 
für  «sterr.  Geschichte  LXXUI,  316  ff. 

3  Chron.  Austr.  bei  Halm,  Collect.  753.  Die  Annales  Melliceuscs  berichten 
leider  blos  die  Thatsachen. 

*  Trithem.  Annal.  Hirsaug.  U,  523. 

*  A.  Bonfini,  Rerum  Hungar.  dec^d.  quatuor  cum  dim.  Kann.  1606,  706. 
«  Vgl.  J.  Chmel,  Monumenta  Habsburgica  I,  3  (Wien  1858),  160. 


573 

es  fiir  Margaretha,  das  Töchterlein  des  niederländischen  Herzog- 
paares^  die  er  mit  seinem  Erben  Karl  zu  vermählen  gedachte, 
wenigstens  einen  Thcil  seines  burgundischen  Raubes  zu  retten. 
Auch  zu  den  Fürsten  des  deutschen  Reiches,  Baiern  nicht  aus- 
genommen, ja  selbst  zu  den  Eidgenossen^  und  Ungarn'^  waren 
Maximilians  Beziehungen  freundlich,  besonders  aber  zu  dem 
Tiroler  Vetter,  mit  dem  übrigens  jetzt  auch  der  alte  Kaiser  so 
gut  stand  wie  sonst  selten.^  Ueberhaupt  lagen  des  Kaisers  Ver- 
hältnisse so,  dass  sie  wenigstens  nicht  von  vornherein  gegen 
den  Plan  einer  Erhebung  des  Erzherzogs  sprachen.  Die  Gegen- 
sätze, die  es  einst  zwischen  ihm  und  grossen  Fürstengruppen 
des  Reiches  gegeben,  waren  abgethan  oder  hatten  ihre  Schärfe 
verloren;  man  wnsste  umsomehr  sich  zu  ertragen,  als  die  alten 
Gegner,  der  Böhmenkönig,  der  Pfalzgraf,  der  reiche  Herzog, 
des  Kaisers  Bruder  Albrecht,  alle  weggestorben  waren.  Fried- 
rich stand  im  Frieden  mit  Böhmen,  und  auf  beiden  Seiten  trat 
das  aufrichtige  Bestreben  hervor,  ihn  dauernd  zu  gestalten,^ 
er  stand  in  leidlichem  Benehmen  mit  seinen  Landständen. 

Anderseits  mochten  ihn  das  wachsende  Alter,  mochte 
ihn  der  frische  Siegeslorbeer,  den  der  im  blühenden  Mannes- 
alter stehende  Sohn  soeben  gepflückt,  mahnen,  der  Zukunft  und 
des  Augenblicks  zu  gedenken. 

Aber  hatte  man  nicht  Ungarn  gegenüber  Beschwerden, 
die,  mit  wachsender  Schärfe  vorgebracht,  demnächst  zum  Kriege 
fiihren  konnten,  wurde  König  Mathias,  durch  die  Siege  über  die 
Türken  und  den  Frieden  mit  Böhmen  nach  anderen  Seiten  ent- 
lastet, nicht  täglich  herausfordernder  und  gewaltthätiger,''  wäh- 
rend die  Türkennoth  dem  Kaiser  verbHeb  ?  Friedrich  III.  stand 
aufs  Neue   vor    der  Aussicht,    die  Hilfe    des  Reiches  für  seine 


>  Vgl.  J.  Chmel,    Monumenta   HabsburgicÄ  I,  3    (Wien  1858),    202—205, 

197—198,  198. 
»  Ebendort  197,  198. 
3  Vgl.   die  Urkunden  bei  Chmel,  Monunienta  Habsburgica  1.  c.  180 — 181, 

184—186,  194—197,  214—215  a.  a.  O.     Chmel,  Regesten  de«  römischen 

Kaisers  Friedrich  UI.,  Abth.  U  (Wien  1859),  701,  Nr.  7430;  703,  Nr.  7460; 

707,  Nr.  7543. 
*  Chmel,  Monumenta  Habsburgica  I,  3,  285—288,  289—290.    Regesten  II, 

702,   Nr.  7436,   7445,  7446;   703,   Nr.  7466.  Bezüglich  des  Verständnisses 

mit  Venedig  siehe  ebendort  Nr.  7456,  7462,  7465. 
^  Schon  im  Juli  1480  steht  der  Zeleuy  als  Diener  des  Königs  Mathias  mit 

1000  Reitern  im  Marchfelde.  Chmel,  Regesten  II,  699,  Nr.  7394. 


574 

Erblande  ansuchen  zu  müssen,  sie  in  weitsehiehtigen  Verhand- 
lungen den  Fürsten  und  Städten  abzuringen.  War  das  die 
richtige  Lage,  zugleich  den  Kui-ftirsten  ein  Weiteres  zuzumuthen, 
den  Erzherzog  als  ihren  künftigen  Herrn  feierlich  anzuerkennen? 

Wir  wissen  nur,  dass  nach  mehrfachen  Verhandlungen 
im  Jahre  1479^  auf  den  10.  Juli  1480  ein  Reichstag  nach  Nürn- 
berg ausgeschrieben  wurde  und  Graf  Haug  von  Werdenberg  den 
Auftrag  erhielt,  dort  um  ausgiebige  Reichshilfe  gegen  die  Türken 
—  gemeint  war  ebenso  und  noch  mehi'  der  Ungarkönig  ^  — 
anzusuchen. 

Hatte  der  Graf  noch  Vollmachten  anderer  Art? 

So  viel  ist  nach  dem  Gange  der  Reichsgeschichte  seit 
Jahrzehnten,  nach  dem  stets  gleichen  Schicksale  der  bisherigen 
Hilfegesuche  des  Kaisers  auf  zahlreichen  Reichstagen  sicher, 
dass  sich  Kaiser  Friedrich  und  seine  Räthe  von  einem  in  alter 
Form  gestellten  Hilfeverlangen  kaum  Grosses  versprachen.  Die 
geringe  Opfcrwilligkeit  Von  Fürsten  und  Städten  und  die  Selbst- 
sucht Aller,  die  tiefgehenden  Gegensätze  zwischen  den  Reichs- 
ständen untereinander,  die  es  selbst  den  Gutgesinnten  und 
Willigen  verboten,  ihre  geringen  Streitkräfte  dem  Kaiser  zur 
Verfügimg  zu  stellen,  während  die  Gegner  die  ihren  zur  freien 
Verwendung  zu  Hause  behielten,  die  durchaus  unbeschränkte 
Art  der  Verwendung  der  bewiUigten  Mittel,  welche  der  Kaiser 
wenigstens  principiell  in  Anspruch  nahm,  waren  die  Gründe 
gewesen,  die  bisher  Alles  verhindert  hatten.  Sie  waren  auch 
jetzt  noch  insgesammt  und  unvermindert  in  Kraft.  Aber  wie  sie 
beseitigen? 

Die  auf  dem  Reichstage  versammelten  Fürsten  handelten, 
gefuhrt  von  dem  Kurfürsten  Albrecht  Achilles  von  Brandenburg, 
unter  dem  Eindrucke  solcher  Erwägungen,  wenn  sie  die  Be- 
seitigung jener  Missstände  durch  eine  engere  Verbindung  der 
mächtigsten  und  zunächst  in  Betracht  kommenden  Reichsstände 
eben  für  die  Zwecke  der  Türkenhilfe,  und  einen  weitgehenden 


1  Man  vorgleiche  jetzt  darüber  F.  Wiedemann,  Die  Reichspolitik  des  Grafen 
Haug  von  Werdenborg  in  den  Jahren  1466  —  1486,  Stettin  1883,  53  ff. 
Wenn  auch  W.  seiner  schwierigen  Aufgabe  im  Qanzen  nicht  gewachsen 
ist,  so  bleibt  seine  Arbeit  doch  verdienstlich. 

2  Wiedemann,  Haug  von  Werdonherg  63.  Schober,  Die  Eroberung  Nieder- 
österreichs durch  Mathias  Corvinus  in  den  Jahren  1482 — 1490.  Blätter 
des  Vereines  für  Landesgeschichte  NiederOstorreichs  XIII,  26. 


575 

Einfluss  auf  die  Verwendung  des  Bewilligten  verlangten.  Sie 
begegneten,  namentlich  in  letzterer  Jlinsicht,  dem  entschiedenen 
Widerstände  des  kaiserlichen  Vollmachtsträgers.  Aber  wie  ge- 
dachte Graf  Haug  sich  zu  helfen,  als  er,  nachdem  die  erwartete 
Initiative  der  Stände  ausgebheben  war,  sich  endlich  genöthigt 
sah,  seinerseits  Vorschläge  zu  thun? 

Einige  Jahre  später  hat  der  Graf  in  Uebereinstimmung 
mit  den  gewichtigsten  unter  den  kaiserHchcn  Käthen  nur  einen 
Weg  fiir  geeignet  erachtet,  dem  Kaiser  zu  helfen,  ohne  dass 
das  Reich  zu  sehr  in  Anspruch  genommen  werde,  und  doch 
nach  MögUchkeit  auch  vom  Reiche  fiir  die  österreichischen  An- 
gelegenheiten Nutzen  zu  ziehen:  der  Weg  war,  dem  Kaiser  seinen 
Sohn,  den  Herzog  von  Burgund,  als  römischen  König  an  die 
Seite  zu  geben  und  diesen  mit  der  Verthcidigung  Oesterreichs 
und  überhaupt  der  Reichsgrenzen  im  Osten  zu  betrauen;  Maxi- 
milian sollte  als  Erbe  von  Oesterreich  und  als  künftiger  Kaiser 
zunächst  mit  den  eigenen  reichen  Mitteln  dafür  aufkommen; 
ihm  würde  aber  auch  das  Reich  Bewilligungen  thun  und  deren 
Verwendung  in  die  Hand  legen. 

Es  war  freilich  durchaus  nichts  Neues,  was  1485  in  Vorschlag 
gebracht  ward:  seit  1454,  seit  Herzog  Philipp,  Maximilians 
zweiter  Vorgänger  in  der  Herrschaft  über  die  biurgundischen 
Lande,  zu  ähnlicher  Aufgabe  mit  der  Würde  eines  römischen 
Königs  geschmückt  werden  sollte,  war  im  Reiche  derselbe  Ge- 
danke in  den  mannigfachsten  Wandlungen  immer  wieder  zum 
Vorschein  gekommen  und  immer  wieder  aufgegeben.  Nun  zeigte 
er  sich  in  der  einfachsten,  natürlichsten  Form :  der  Sohn,  schon 
durch  die  Bande  der  Natur  darauf  gewiesen,  den  Willen  des 
Vaters  gelten  zu  lassen,  des  Kaisers  einziger  Erbe,  ein  mächtiger 
Fürst  reicher  Lande  an  Deutschlands  Grenzen,  sollte  an  Friedrichs 
Seite  treten.     Aber  wir  bescheiden  uns  mit  den  Thatsachen. 

Es  ist  während  des  Nürnberger  Reichstages  der  Versuch 
gemacht  worden,  den  Pfalzgrafen  Philipp  durch  Zugeständnisse, 
die  ihm  der  Kaiser  bisher  verweigert  hatte,  fiir  Oesterreich  zu 
gewinnen.  Die  Gewährungen,  um  die  es  sich  hier  handelte,  sind 
dieselben,  welche  1485  bei  Maximilians  Wahl  den  Preis  ftlr  die 
pfUlzische  Stimme  gebildet  haben,  und  sie  kamen,  nachdem  die 
Verhandlung  jetzt  sich  zerschlagen,  genau  solange  nicht  zur 
Sprache,  als  die  Maximilianischc  Wahlsache  ruhte.  Dass  der 
Kaiser  sich  zu  solchen  Verhandlungen  nicht  dos  liobon  Friedens 


576 

wegen  herbeiliess,  ist  sicher,  da  er  ja  seit  Jahrzehnten  die  pfiü- 
zischc  Gegnerschaft  gleichmüthig  ertrug.  Ebenso  wenig  war  der 
Tllrkenkrieg  die  Ursache  davon,  da  Friedrich  III.  sich  auch 
nicht  durch  das  Scheitern  des  jetzigen  Hilfegesuches  zu  Zu- 
geständnissen bewegen  Hess;  blieb  er  doch  selbst  1484,  in  den 
Tagen  seiner  gesteigerten  Noth,  in  seiner  Ablehnung  fest,  als  eine 
neue  Hilfewerbung  eben  infolge  der  Haltung  des  Pfalzgrafen 
zu  missKngen  drohte.^ 

Die  Sache  weist  so  auf  das  römische  Königsproject.  In 
der  That  ging  bald  darauf  die  Rede,  dass  die  Wahl  statt  oder 
neben  der  Türkensache  das  eigentliche  Ziel  der  Bemühungen 
Werdenberg's  in  Nürnberg  sei.^  Und  wenigstens  am  burgundi- 
schen  Hofe  hat  man  sich  damals  damit  beschäftigt.  Am  6.  No- 
vember 1481  macht  Erzherzog  Maximilian  seinem  Freunde  Kur- 
fürst Hermann  von  Köln  Zusagen  fUr  die  Hilfe,  die  er  ihm  auf  Be- 
fehl des  Kaisers  gethan,  ,falls  es  sich  durch  Schickung  des  allmäch- 
tigen Gottes  oder  besondere  Gnade  seines  lieben  Herrn  Vaters  fügte, 
dass  er  (Maximilian)  zur  römischen  königlichen  Würde  konmie'.' 

Man  gewinnt  aus  manchem  gleich  den  Eindruck,  dass  der 
Werbung  auch  das  Einverständniss  des  Kaisers  nicht  gefehlt  habe: 
einmal  würde  Friedrich  ein  eigenmächtiges  Vorgehen  seiner  Räthe 
und  auch  seines  Sohnes  in  so  wichtiger  Sache  äusserst  imgnädig 
aufgenommen  haben,  —  es  scheint  aber  weder  irgendwie  sein 
Verhältniss  zu  Maximilian  in  jener  Zeit  gestört,  noch  Graf  Haug 
zur  Rechenschaft  gezogen  — ,  und  dann  handelte  es  sich  bei 
dem  Ausgleiche  mit  dem  Pfälzer  um  Zugeständnisse  seitens  des 
Reiches,   was  ja  Wissen  und  Wollen   des  Kaisers   voraussetzt. 

Aber  auch  wenn  man  weiter  in  Rechnung  stellt,  dass 
Graf  Haug,  nachdem  er  zuerst  hatte  merken  lassen,  er  sei  in 
der  Lage,  besondere  Vorschläge  zu  thun,  es  handle  sich  nicht  um 
Geld  u.  s.  w.,  dann  hinterher,  weil  inzwischen  die  Verhandlung 
mit  dem  Pfalzgrafen  sich  zerschlagen  und  ftir  diesmal  das  Königs- 
project aussichtslos  geworden  war,  doch  nichts  Anderes  vorzu- 
schlagen wusste,    als  worüber  man  stets  berathen  hatte:    einen 


^  Wiedemann,  Haug  von  Werdenberg  81—82. 

2  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  14.  Anfrage  Albrechts  von  Brandenboi^  an 
den  Bischof  Wilhelm  von  Eichstädt,  einen  ergebenen  Anhänger  der 
kaiserlichen  Politik. 

3  Lacomblet,  Urkundenbuch  für  die  Geschichte  des  Niederrbeins  IV, 
520—521. 


577 

Heereszug  mit  Macht  oder  die  Einrichtung  einer  Grenzvertheidi- 
gungy  und  schliesslich  doch  wieder  Geld:*  Man  gewinnt  aus 
all  dem  doch  kaum  mehr  als  eine  subjective  Ueberzeugung.  Der 
Schaden  ist  freilich  nicht  allzugross:  die  Dinge  nahmen  ja  auf 
dem  Reichstage  einen  ganz  anderen  Verlauf,  als  es  in  den 
Wünschen  des  Kaisersohnes  und  seiner  ergebenen  Freunde  ge- 
legen sein  mochte. 

Der  Nürnberger  Reichstag  war  nicht  sehr  zahlreich  be- 
sucht. Dafiir  finden  wir  aber  die  Kurfürsten  von  Köln,  Pfalz, 
Brandenburg  und  Sachsen,  letzteren  mit  seinem  Bruder  Herzog 
Albrecht,  dann  die  Witteisbacher  Georg  von  Landshut  und  Otto 
von  Mosbach,  endlich  Graf  Eberhard  von  Württemberg  in  Person 
anwesend.  Die  Fürsten  konnten  sich,  angesichts  der  beweglichen 
Schilderungen  des  Grafen  von  Werdenberg,  der  Ei'kenntniss 
nicht  verschhessen,  dass  in  der  Mahnung  des  Kaisers,  man  ver- 
theidige  mit  den  österreichischen  Landen  zugleich  das  Bollwerk 
des  Reiches  gegen  die  Türken  —  mit  den  Absichten  gegen 
Ungarn  trat  Graf  Hang  erst  später  hervor  —  ein  gross  Stück 
Wahrheit  gelegen,  dass  die  Hilfe  zu  bewilligen  sei;  die  Städte 
gingen  den  alten  Weg  des  Hintersichbringens:  soweit  konnte 
der  kaiserliche  Botschafter  immer  noch  zufrieden  sein.  Aber 
im  Verlaufe  der  weiteren  Verhandlungen  über  das  ,Wie'  stellte 
sich  der  alte  Markgraf  von  Brandenburg  in  den  Vordergrund, 
und  gestützt  auf  die  wenig  rosige  Stimmung,  welche  angesichts 
der  geforderten  Leistungen  auch  bei  den  Fürsten  vorhanden 
war,  gefördert  durch  das  Misslingen  der  Pfälzer  Verhandlung, 
und  indem  Albrecht  endlich  geschickt  das  gemeinsame  Interesse, 
die  fbderativ-repubUkanischen  Tendenzen  des  Fürstenthums  den 
monarchischen  Principien  des  Kaisers  wie  der  Selbständigkeit  der 
minderen  Reichsstände  gegenüber,  zur  Geltung  brachte,  gelang 
es  ihm  in  Nürnberg,  die  Mehrheit  der  anwesenden  Fürsten, 
auch  die  Witteisbacher,  mit  sich  fortzuführen.  Nicht  als  Unter- 
thanen,  sondern  als  Bündner  des  Kaisei*s,  das  war  der  Grund- 
gedanke der  Nürnberger  Beschlüsse,  solle  man  in  die  Sache 
eintreten.  Sollte  das  Reich  ein  Heer  stellen  für  den  Krieg,  so 
wollten  die  Fürsten  auch  das  Recht  haben,  in  all  das  hineinzu- 
redeU;  woraus  er  entstehen  konnte  und  worüber  er  entscheiden 


1  Man  yergleiche  die  freilich  nicht  durchaus  geordnete  Darstellung  Wiede- 
mann's  61  ff. 


578 

sollte,  also  zu  diplomatischer  Vermittlung,  wie  zu  weiterer  Ein- 
flussnahme  auf  den  Gang  des  Krieges.  Es  war  eine  Bewilligung, 
die  nicht  so  sehr  dem  Kaiser  als  dem  Herzoge  von  Oesterreich 
gemacht  wurde  und  das  Kaiserthum  förmlich  zurückstellte.  Sie 
erfolgte  nicht  aus  Pflichtgefühl,  sondern  aus  politischen  und  mili- 
tärischen Gründen,  da  ja  nach  der  Ueberwältigung  Oesterreichs 
im  Norden  Brandenburg  und  Sachsen,  im  Süden  Baiem  un- 
mittelbar in  das  ungarische  Actionsgebiet  fielen.  Sie  kam  end- 
lich wieder  nur  unter  der  Bedingung  zu  Stande,  dass  erst  die 
nöthigen  Geldmittel  beschafft,  der  Friede  im  Reiche  gesichert 
werden  müsse.  Aus  letzterem  erwuchs  —  es  war  dies  einmal  im 
deutschen  Reiche  in  jenen  Tagen  nie  anders  —  der  Beschluss, 
erst  noch  darüber  auf  einem  neuen  Reichstage  zu  verhandeln 
und  zu  beschliessen. 

Zu  gleicher  Zeit  sollte  sich  den  Fürsten  Gelegenheit  bieten, 
—  sie  nahmen  die  Einhebung  der  Türkensteuer  in  ihrem  Sprengel 
in  die  Hand  —  ebenso  nach  unten  hin  neue  Befugnisse  sich  bei- 
zulegen, wie  sie  nach  oben  hin  das  Kaiserthum  förmlich  in  die 
Luft  hoben. 

Der  Brandenburger  selbst  hatte  hinterher  das  Geflihl,  dass 
er  sich  zu  des  Kaisers  Wünschen  und  Ueberzeugungen  in  einen 
scharfen  Gegensatz  gestellt.  Er  sandte  daher  am  21.  September 
1481  von  Neuenhofen  aus  den  von  ihm  gefertigten  , Anschlag'  auf 
Bewilligung  von  Geld  und  Truppen  nach  Wien:  ,Solchs  ich 
Euer  Gnaden',  schreibt  er,  ,zuschicke  .  .  .  zur  Unterrichtung 
der  Sache,  wie  ich  auf  die  beiden  vergangenen  Tagen  zu  Nürn- 
berg gehandelt,  auf  dass  Euer  Gnad  des  ein  wahrlich  Wissen 
von  mir  hab^  damit  Ihr  mich  eigentlich  erfindet  und  erkennt 
als  den  alten  getreuen  Albrechten,  im  unzweifenlichen  Vertrauen 
meinem  Verdienen  nach,  ihr  werdet  nichts  anderes  von  mir  glau- 
ben' etc.^  In  Nürnberg  selbst  aber  stand  Albrecht  1480  zu  dem 
kaiserlichen  Bevollmächtigten  und  jenen,  die  zu  ihm  hielten,  in 
der  schroffsten  Opposition;  er  ,wuchs'  an  jeden,  der  etwas  An- 
deres befürwortete,  als  was  in  seinen  Plänen  lag.  Sie  sind  denn 
auch  schliesslich  vom  Reichstage  gutgeheissen  worden. '-^ 

2.  Die  Entwürfe  des  Brandenburgers  scheiterten  in  kläg- 
licher Weise.  Den  Kaiser  zwar  nöthigte  der  Drang  der  Umstände, 


'  Mimitoli,  Kaiserliches  Buch  14 — 15,  Nr.  8. 

2  Vgl.  darüber  Wiedemanii,  Haug  von  Werdenberg  69  ff. 


579 

seinen  Unmuth  zurückzudrängen.  Er  und  Graf  Haug  von  Werden- 
berg versuchten  sich  zunächst  1481 — 1482  an  dem  schwierigen 
Werke,  aus  den  Nürnberger  Beschlüssen  flir  die  Angelegenheiten 
des  Ostens  Vortheil  zu  ziehen  und  dabei  doch  zu  verhindern, 
dass  die  Verfassungszustände  des  Reiches  unvermerkt  in  neue 
Bahnen  einlenkten.^  Natürlich  waren  die  Fürsten,  voran  Mark- 
graf Albrecht,  sehr  wenig  davon  erbaut.^  Der  Ungarkönig  wies 
jede  Vermittlung  ab:^  sein  Krieg  gelte  dem  Kaiser  und  Oester- 
reich,  nicht  dem  Reiche.  Und  hatte  man  sich  in  Nürnberg  nicht 
eigentlich  selbst  auf  diesen  Standpunkt  gestellt?  Gewann  aber 
daraus  nicht  der  König  das  Recht,  eine  Unterstützung  des  Kaisers 
durch  die  Fürsten  mit  dem  Angriff  auch  auf  ihre  Lande  zu  ver- 
gelten? Auch  nach  unten  hin  schuf  die  Eigenmächtigkeit,  mit 
der  man  die  in  Nürnberg  gefassten  Beschlüsse  nun  durchflihren 
wollte,  ärgerliche  Händel.^ 

Markgraf  Albrecht  erlitt  so  die  schwerste  politische  Nieder- 
lage seines  Lebens,  und  nun  löste  sich  auch  das  alte,  wenn  auch 
oft  gestöile,  so  doch  immer  aufs  Neue  gefestigte  Vertrauensver- 
hältniss  zum  Kaiser,  um  nie  wieder  zu  entstehen.^ 

Zunächst  versagte,  als  es  zur  That  kommen  sollte,  Georg 
von  Baiem-Landshut  und  mit  ihm  das  ganze  Wittelsbachische 
Haus  die  Unterstützung.*''  Sachsen  schreckte  aus  Furcht  vor  des 
Ungarn  Macht  zurück  und  sah  sich  auch  bald  durch  den  Streit 
um  das  Erbe  Wilhelms  von  Thüringen  gespalten  und  ohnmächtig.' 
Zuletzt  schloss,  eben  unter  sächsischer  Vermittlung,  selbst  Mark- 
graf Hans,  Albrechts  ältester  Sohn  und  Verweser  der  Marken, 
einen  einseitigen  Frieden  mit  Ungarn,  und  der  Vater,  so  sehr 

^  Droyaen,  Geschichte  der  preussischen  Politik  I,  2,  322  ff.  Wiedemann, 
Haug  von  Werdenberg  72  ff. 

2  Ebendort  74. 

'  Als  einzige  Frucht  der  deutschen  Vermittlung  erscheint  ein  Waffenstill- 
stand zwischen  König  Mathias  und  dem  Kaiser  vom  10.  Mai  bis  11.  Juni 
1481.  Chmel,  Regesten  H,  702,  Nr.  7449. 

*  Vgl.  Droysen,  1.  c.  W.  Böhm,  Die  Pfaffensteuer  von  1480—1481,  Berlin 
1882,  4  ff.    Wiedemann,  Haug  von  Werdenberg  73  ff. 

^  Aus  eigener  Schuld  befindet  sich  der  allzu  kluge  Albrecht  in  seinen  letz- 
ten Jahren  fast  gänzlich  isolirt. 

*  Droysen,  Geschichte  der  preussischen  Politik  I,  2,  329  ff.  Wiedemann, 
Haug  von  Werdenberg  78.  Es  ist  hier  nicht  der  Platz,  die  specielleii 
Beziehungen  zwischen  König  Mathias  und  dem  Hause  Baiern  zu  erörtern. 

"^  F.  A.  V.  Langenn,  Herzog  Albrecht  der  Beherzte,  Leipzig  1838,  129.  Vgl. 
Droysen,  1.  c.  330. 


582 

grafe  nicht  vertragen  werden  möchten^  dass  dennoch  nichts 
desto  minder  von  seinen  kais.  Maj.  denselben  beiden  Herrn 
ihre  Regalien  geliehen  würden;  damit  hätte  seine  kais.  Maj.  seiner 
Gcrechtigkeitt  nicht  vergeben.  Darauf  hat  die  kais.  Maj.  dem  ge- 
melten  meinem  Bnider  geschrieben,  wie  es  seiner  Gnad,  in  das  Reich 
persönlich  von  seiner  Maj.  Erblanden  zu  ziehen,  gelegen  sei  etc.* 

Der  Bischof  stellt  hier  die  Sache  allerdings  so  dar,  als  ob 
es  sich  auch  bei  dem  ,Innsbrucker  Rathschlag^  lediglich  um 
die  Erlangung  der  Reichshilfe  gehandelt  habe,  fUr  die  der 
Kaiser  in  Person  arbeiten  und  durch  Beseitigung  seiner  Irrun- 
gen mit  verschiedenen  Fürsten  die  Grundlagen  zu  schaffen 
habe.  Aber  bedurfte  es  dazu  eines  besondem  ,Rath8chlags'^ 
der  nochmaligen  Sendung  des  Erzbischofs  von  Gran  nach  Oester- 
reich,  während  doch  bei  dem  Drange  der  Sachlage  vor  Allem 
Eile  noth wendig  schien?  Und  versprach  des  Kaisers  persönliches 
Eingreifen  —  man  denke  nur  an  den  Regensburger  Tag  1471  u.  a. 
—  Erfolg,  sein  Verhandeln  mit  den  Fürsten  den  Frieden?  Auch 
der  Markgraf  merkte  sofort,  dass  es  auf  einen  Reichstag  und 
eine  persönUche  Bitte  des  Kaisers  allein  nicht  abgesehen  seL 
,Ihr  meldet,'  schreibt  er  dem  Bischof  von  Augsburg  zurück, 
,dass  ein  Rathschlag,  (den  Kaiser)  mit  den  Fürsten  zu  vertragen, 
zu  Innsbruck  auf  der  Bahn  gewesen  ist;  ist  mehr  auf  der 
Bahn  gewesen'.^ 

Es  hegen  Gründe  vor,  dass  der  Inhalt  des  Innsbrucker 
,Rathschlag8'  darin  bestand,  der  Kaiser  möge  persönlich  ins  Reich 
kommen,  um  in  directer  Verhandlung  mit  dem  Kurfürsten,  auch 
mit  Pfalz  und  Mainz,  die  Wahl  seines  Sohnes  zum  römischen 
Könige  herbeizuführen;  dies  sei  das  einzige  Mittel,  die  Kräfte 
Burgunds  für  die  Vertheidigung  der  östlichen  Erblande  zu  ge- 
winnen und  auch  die  Hilfe  des  Reiches  dazu  heranzuziehen. 

Eine  ganze  Reihe  von  Momenten  spricht  dafUr. 

1.  Allen  und  gerade  den  Fürsten  imd  Räthen,  die  hier  in 
Innsbruck  tagten,  lässt  sich  ein  gewisser  Antheil  an  der  Königs- 
wahl Erzherzog  Maximilians  nachweisen.  Dem  Vetter  von  Tirol 
dankte  später  Maximihan  selbst  für  die  ,Förderung  und  das 
Schreiben,  an  seine  Gnade  (den  Kaiser)  um  seinetwegen  gethan^* 

*  Schreiben  vom  28.  August  bei  Minutoli  24 — 26. 

2  Forschungen  XXII,  135,  Anm.  2.  Ueber  des  Kaisers  damals  sehr  freund- 
liche Beziehungen  zu  Sigmund  siehe  J.  Chmel,  Regesten  zur  Geschichte 
Kaiser  Friodrichs  IV.,  II,  713,  Nr.  7647;  716,  Nr.  7702. 


583 

Herzog  Albreclit  von  Sachsen,  den  der  Kaiser  mit  der  Ant- 
wartschaft  auf  Jülich  und  Cleve^  schon  1483  von  dem  Ungar- 
könige ab  und  auf  seine  Seite  gezogen  hatte  —  Albreeht  war 
des  Kaisers  Schwestersohn  — ,  bekam  schon  jetzt  die  Rolle  zu- 
getheilty  für  den  erwählten  König  im  Nothfalle  die  Hauptmann- 
schaft des  Ostens  zu  übernehmen  (siehe  unten).  Johann  von 
Gran^  und  Haug  von  Werdenberg  sind  in  der  Wahlsache  des 
Kaisers  erste  Rathgeber.  Der  Bischof  von  Augsburg  stand  eben 
durch  seinen  Bruder  mit  dem  Kaiserhofe  in  steter  Beziehung 
und  jederzeit  der  österreichischen  Politik  zur  Verfligung.  Ihm 
war  jetzt  die  Rolle  zugetheilt,  durch  Scheinvorhandlimgen  mit 
dem  alten  Markgrafen  von  Brandenburg  zu  verhindern,  dass 
dieser  zu  früh  merke,  was  man  an  den  anderen  Kurhöfen  betreibe. 

2.  Die  Sache  blieb  trotzdem,  wie  ja  begreiflich,  nicht  ver- 
borgen. Der  Ruf  ging  durch  das  Reich,  dass  der  Herzog  von 
Burgund  zum  römischen  Könige  gewählt  werden  solle.  In 
Oesterreich  erzählte  man,  Max  sei  bereits  König.  Das  Gerücht, 
wenn  auch  nur  als  ,Bauemgeschrei'  auftretend,  erschien  so 
wahrscheinlich,  dass  der  Brandenburger  Kurfiirst  darnach  seine 
genauen  Entschlüsse  fasste  imd  hinterher  deswegen  die  kaiser- 
lichen Räthe,  ja  den  Kaiser  selbst  zur  Rede  stellte.'* 

3.  Auf  die  Königswahl  Maximilians  spielte  Graf  Haug 
direct  an,  als  er  während  der  Frankfurter  Verhandlungen,  zu 
Beginn  1485,  die  Worte  gebrauchte:  ,Wenn  die  Kurfürsten 
wollten,  so  wäre  wohl  ein  Weg  zu  finden,  damit  der 
kaiserl.  Majestät  und  dem  Reiche  geholfen  würde  ohne 
grosses  Darlegen  der  Fürsten.'^ 

4.  Dieser  Zeit  endlich  gehört  ein  Brief  an,  der  die  Aus- 
sichten des  Erzherzogs  auf  die  Erlangung  der  deutschen  Krone 
eingehend  —  besonders  durch  den  Hinweis  auf  seine  Verwandt- 
schafl  mit  den  dafUr  massgebenden  Persönlichkeiten  und  den 
wichtigsten  Fürstenhäusern  des  Reiches  —  entwickelt  und  weitere 


>  Langenn,  Herzog  Albrecht  d.  B.  136. 

'  Bezüglich  seiner  siehe  auch  Müller,  Roichstagstheatrum  I,  4. 

3  Vgl.  Wiedemanu,  Haug  von  Werdenberg  82—83.  Minutoli  22—26. 

*  Vgl.  Minutoli,  Kaiserliches  Bucli  62-65,  66—68,  80—81.  Auch  die  Frank- 
furter wissen,  dass  es  sich  nocli  um  Anderes  liandelte.  Vgl.  J.  Janssen, 
Frankfurts  Reichscorrespondenz  II,  411  und  TichtePs  Tagebuch  in  Fontes 
rerum  Anstr.  I.  Abth.  I,  30. 

B  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  75—76. 

38* 


684 

Mittel  und  Wege  anräth,  ans  Ziel  zu  kommen.^  Das  ganze 
Schreiben,  von  Droysen  missverstanden,  von  Ulmann  ganz  über 
sehen,  ist  hochinteressant.  Da  ist,  heisst  es,  der  Kaiser  des  von 
Burgund  Vater,  mit  den  Herren  von  Sachsen  und  Baden  ist 
Max  Geschwisterkind;  der  Erzbischof  von  Trier  ist  einer  von 
Baden,  der  Erzbischof  von  Köln  (Hermann  von  Hessen)  ist  Ge- 
schwisterkind mit  Sachsen;  Sigmund  von  Oesterreich  hat  des 
von  Sachsen,  der  des  KurfUrsten  Bruder  ist,  Tochter.  Gäbe 
man  dem  von  Mainz  die  Stadt  Mainz  und  was  er  vom  Reiche 
innehat  ,bleibHch  und  beständig'  oder  doch  derart  als  Pfand- 
schaft, dass  keine  Lösung  erfolgen  mag,  so  ist  er  ,gesättigt'; 
desgleichen  Trier  und  Köln,  der  Ehrung  fiir  sie  und  die  Ihren 
und  des  Bündnisses  nicht  zu  vergessen.  So  habe  man  die  drei 
Erzbischöfe.  Die  Sachsen  könne  Maximilian  gewinnen,  indem 
er  Herzog  Albrecht  zum  Hauptmann  mache  im  Reiche  an  seiner 
Statt  und  ihn  mit  den  nöthigen  Verschreibungen  versehe,  mit 
Begnadung,  Freiheit  und  Höhung;  die  Tiroler  Verwandtschaft 
helfe  dazu:  so  finden  sie  es  ,an  Rathe^  Markgraf  Albrecht  von 
Brandenburg  sei  mit  dem  Hause  Oesterreich  vielfach  verwandt 
,und  ist  sonst  geneigt,  zu  thim,  was  der  kais.  Majestät  und  der 
Freundschaft  lieb  ist.  An  dem  hat  es  nicht  Noth,  so  die  Wahi^ 
heit  vorhanden  ist,  er  lässt  sich  sättigen  mit  Gnadenbriefen^ 
Nur  sei  es  gut,  ihm  die  Sache  erst  ganz  spät  mitzutheilen,  denn 
,wenn  er  es  bei  Zeit  wlisst'  und  gefieF  ihm  nicht,  er  mocht  es 
unterkommend  ,Nun  fehlt  Niemand,  denn  der  König  von  Böh- 
men; dem  gebe  der  Kaiser  seine  Tochter,  so  ist  es  auch  ge- 
macht.' Die  Sache  stehe  darum  nur  an  dem  Kaiser:  ,fkllt  er 
zu,  so  ist  das  Garn  gestrickt'.  Wer  sollte  aber  meinen,  dass 
er  es  nicht  thäte,  da  er  Kaiser  bleibt  nach  wie  vor,  sein  Sohn 
zur  könighchen  Würde  erhöht  wird,  sein  Schwestersohn  ihm 
als  Hauptmann  an  die  Seite  tritt  und  mit  der  Macht  des  künftigen 
Königs  und  des  ganzen  Reiches  ihm  hilft  und  seine  Bürde  ab- 
nimmt? ,Den  Ehren  nach  und  dem  grossen  Nutzen,  darzu 
er  geneigt  ist,'  sei  daher  seine  Zustimmung  sicher.  Der  Brief 
schliesst  mit  den  Worten:  ,Nach  dem  Allen  habt  Euch  zu 
richten   als   ein  Weiser   imd  gedenkt,    dass   Ihr   wisset  (=  in 


>  Bei  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  66 — 68  unter  den  ^eigenhändigen  Notixen 
des  Kurfürsten  Albrecht  von  Brandenburg,  für  die  Prankftirter  Berathnn^ 
bestimmte 


585 

Erfahrung  bringet)  des  Kaisers  Meinung,  wonach  Ihr  Euch  dann 
richtet/ 

Dass  das  Schreiben  diesen  letzten  Worten  zufolge  an 
einen  vertrauten  Rath  des  Kaisers,  vielleicht  geradezu  an  Sig- 
mund Prüschenk,  gerichtet  ist,  bedarf  keines  weitern  Beweises. 
Ebenso  sicher  stammt  es  von  MaximiUan  befreundeter  Seite, 
nach  Allem  aus  seiner  Umgebung,  vielleicht  sogar  indirect  von 
ihm  selbst.  Der  Brief  ist  nicht  vor  der  Vermählung  Sigmunds 
von  Tirol  mit  Katharina  von  Sachsen  (Februar  1484)  geschrie- 
ben, da  er  sie  bereits  als  Thatsache  anftlhrt,^  und  nicht  nach 
dem  Beginn  1485,  denn  um  jene  Zeit  ist  er  bereits  in  des 
Brandenburgers  Händen;  da  er  ferner  diesem  verborgen  bleiben 
sollte  imd  ihm  wohl  erst  spät  und  nur  auf  mancherlei  Umwegen 
zukam,  so  spricht  die  Wahrscheinlichkeit  daftir,  dass  er  ziem- 
lich lange  vor  Anfang  1485  thatsächlich  vcrfasst  ist.  Auch  sonst 
weist  der  Inhalt  des  Briefes  darauf  hin :  wenn  in  ihm  des  Pfalz- 
grafen  gar  nicht  gedacht  ist,  so  geschieht  dies  doch  gewiss  nicht 
aus  Vergesslichkeit,  sondern  weil  mit  Pfalz  damals  ein  Ueber- 
einkommen  noch  nicht  in  Aussicht  stand,  der  burgundische  Hof 
deswegen  in  Verlegenheit  war.  Bekanntlich  ist  erst  (unter  der 
Vermittlung  Albrechts  von  Baiern-MUnchcn?)  im  Juni  1485 
zwischen  Maximilian  und  Kurfürst  Philipp  ein  Uebereinkommen, 
und  zwar  mit  geheimen  Artikeln,  also  wohl  nach  langer  und 
schwieriger  Verhandlung,  zuwege  gekommen. 

Lässt  sich  so  der  eigentliche  ,Rathschlag',  der  von  Inns- 
bruck aus  dem  Kaiser  zukam,  in  der  Hauptsache  mit  ziemlicher 
Sicherheit  erkennen,  so  verrathen  anderseits  die  Worte  Graf 
Haugs  in  Frankfurt,  die  Angaben  seines  Bruders  in  dem  er- 
wähnten Schreiben  an  Albrecht  von  Brandenburg,  wie  sich  die 
Versammlung  in  Innsbruck  den  Verlauf  der  Sache  weiter  vor- 
stellte: Mussten  Kvu'fiirsten  und  Fürsten  des  Reiches  zugeben, 
dass  sie  dem  Reichsoberhaupte  Hilfe  schuldig  seien,  und  ver- 
mochten sie  anderseits  dazu  nicht  Mittel  und  Wege  zu  finden, 
80  bot  die  Wahl  eines  so  mächtigen  Fürsten  wie  Maximilians 
von  Burgimd  Gelegenheit,  diese  Last  ihm  aufzubürden;  die 
Königswürde  gab  Maximilian  anderseits  wieder  Recht  und  An- 
lass,  von  Burgund  und  dem  Reiche  die  Mittel  zum  Schutze 
der  Ostgrenzen  zu  fordern.    Das  Gelingen  der  Wahl  versprach 


>  ,Item  Österreich  hat  des  von  Sachsen  dochter,  der  des  curfursten  bruder  ist/ 


586 

man  sich  aber  nur,  wenn  der  Kaiser  persönlich  ins  Reich 
komme  und  die  Sache  in  die  Hand  nehme,  wenn  er  die  Gegner- 
schaften zu  Oesterreich  beliebe  und  die  Kurfürsten  gewinne, 
vor  Allem  Mainz  und  Pfalz;  wenigstens  dürfe  man  nicht  zö- 
gern, diesen  die  Regalien  zu  ertheilen;  nur  so  >v1irden  sie  ja 
befähigt,  als  Kurfürsten  des  Reiches  an  einer  Königswahl  voll- 
giltigen  Antheil  zu  nehmen. 

Und  schickte  sich  nicht  eben  in  jener  Zeit  Markgraf  Al- 
brecht von  Brandenburg,  der,  wie  sich  zeigen  wird,  bei  der 
Frage  der  Königswahl  keineswegs  die  ihm  zugedachte  Rolle 
zu  spielen  geneigt  war,  an,  mit  der  Aufnahme  Hermanns  von 
Köln  und  der  neuen  Kurfürsten  von  Mainz  und  Pfalz  die  alte 
Kureinung  wieder  herzustellen,  um  dann  durch  sie  gedeckt  um 
so  entschiedener  der  Wahl  Maximilians  entgegenzutreten  und 
durch  seinen  Widerstand  auch  die  Anderen  an  der  Zustinmiung 
zu  hindern?  ^ 

Der  Kaiser  wies  den  Erzbischof  von  Gran  nicht  ab.  Er 
sagte  zu,  von  den  Erblanden  ins  Reich  hinaufzuziehen,  wies 
aber  doch  den  Erzbischof  und  die  übrigen,  auch  den  Bischof 
von  Augsburg  an,  unverweilt  die  Hilfegesuche  an  den  ihnen 
bezeichneten  Orten  anzubringen.^ 

Aber  rasch  änderte  er  wieder  seinen  Entschliiss.'  Die 
Innerösterreicher,  an  die  sich  Friedrich  auf  die  Nachricht  von 
der  Bedrohung  Korneuburgs  gleichfalls  gewendet  hatte,  wurden 
bei  Klosterneuburg  zurückgeworfen.  Der  ungarische  Heerführer 
Davidhazi  begann  nun  aufs  Ernstlichste,  Korneuburg  zu  be- 
schi essen.    Fiel  diese  Stadt,  so  war  Wien  auch  im  Nordwesten 


*  Miimtoli,  Kaiserliches  Buch  47,  49,  59,  bes.  163,  wo  Albrecht  schreibt: 
,Ist  der  Churfilrsten  Sach  ein  halbes  Ding  ausserhalb  der  Eynung.* 

'-'  Ebendort  23:  ,Uff  solches  hat  die  K.  M.  dem  g^melten  meynen  bruder 
geschryben,  wie  es  sein  gnad  in  das  Reych  personlich  von  seiner  M. 
orblanden  zu  ziehen  gelegen  sei,  und  widerumb  jm  und  andern  yglichen 
[geboten],  in  sein  beschiden  ond  zureytten,  auch  mir  zu  [ew.]  gnaden,  und 
hilff  zu  bogoren/  Diiss  man  sich  um  jene  Zeit  mühte,  die  Irrung  zwischen 
Oesterreich-Tirol  und  Württemberg  auszugleichen,  zeigt  ausser  Anderem 
auch  Minutoli,  Kaiserlidios  Buch  21.  Was  den  Zeitpunkt  betrifft,  so  ist  nach 
Minutoli  21,  Nr.  14,  der  Erzbischot'  von  Gran  in  der  zweiten  Hälfte  Juli 
1484  wieder  ins  Reich  zurückgekehrt.  Darnach  auch  die  Zeit,  zu  der 
der  ,Ratslag'  an  den  Kaiser  kam. 

'  ,In  dem  ist  die  geschieht  vor  Kloster  Neuburg  ergangen;  uff  das  hat  sein 
Kaiserl.  Mst.  jr  maynung  geendert.*     Minutoli,  Kaiserliches  Buch  33. 


587 

cemirt,  der  Fall  der  Hauptstadt  gleichfalls  wahrscheinlich.  Kein 
Wunder,  dass  der  Kaiser,  alles  Andere  beiseitesetzend,  sich  jetzt 
mühte,  erst  Korneuburg  zu  retten!  Besondere  Boten  mahnten 
die  nahe  gesessenen  Fürsten  und  Städte  zu  einer  ,eiligen^  Hilfe- 
sendung auf  zwei  Monate.  Der  Kaiser  selbst  half  mit  flehen- 
den Briefen  nach.'  In  Niederösterreich  und  sonst  raflfte  man 
auch  wirklich  an  Hilfsmitteln  zusammen,  was  zu  erreichen  war. 
Alles  umsonst!  Die  Erblande  waren  zu  erschöpft;  von  Kurfilrsten, 
Fürsten  und  Städten  kam  der  gleichmässige  Bescheid,  ohne 
einen  Reichstag  könne  eine  Unterstützung  des  Kaisers  ,furder- 
lich  nit  furgang  habend  Mit  kaiserlicher  Vollmacht  berief 
Graf  Hang  von  Werdenberg  einen  solchen  auf  den  20.  Jänner 
1485  nach  Frankfurt.  Aber  was  war  von  einem  Reichstage 
nach  den  früheren  Proben  zu  erwarten?  Für  Komeuburgs  Er- 
haltung kam  er  jedenfalls  viel  zu  spät:  schon  am  1.  December 
1484  hielten  hier  die  Ungarn  ihren  Einzug.  Und  noch  im  selben 
December  begann  König  Mathias  auch  die  Belagerung  von 
Wien,  der  österreichischen  Hauptstadt,  mit  deren  Errettung  und 
Verlust  der  Kaiser  die  Er  blande   erhalten   und   verloren   sah!^ 

In  solcher  Noth  gewann  die  Meinung  jener,  welche  allein 
auf  die  Erhebung  Maximilians  ihre  Hoffnung  bauten,  neues  Ge- 
wicht. Aber  mahnte  nicht  gerade  wieder  solch'  grenzenlose  Ver- 
legenheit den  Kaiser  zur  äussersten  Vorsicht,  damit  er  nicht 
etwa  auch  das  letzte  Mittel,  die  Wahl  des  Sohnes,  umsonst 
versuche  und  damit  zugleich  die  Zukunft  des  Hauses  gefährde? 

Es  war  so  nicht  allein  die  grosse  Noth  Wiens,  dem  der 
E^aiser  auf  dem  Wasserwege  von  Krems  und  Stein  aus  Unter- 
stützung zu  bringen  sich  rüstete,  imd  die  rauhe  Winterszeit, 
was  Friedrich  trotz  seiner  Geneigtheit,  ins  Reich  zu  ziehen, 
jetzt  in  OesteiTcich  zurückhielt,  sondern  auch  vorsichtige  Zu- 
rückhaltung in  der  Wahlsache.  Sein  Sohn  musste  die  Sache 
unternehmen,  seine  Räthe,  seine  Freunde  sie  fordern,  er  selbst 
gedachte  erst  hervorzutreten,  wenn  Alles  gesichert  sei:  in  kei- 
nem directen  Willensacte,   auch   nicht   einmal   in   dem  Ersuch- 


>  Vgl.  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  26—27,  28—29.  Bei  Brandenburg  waren 
Ende  Juli  Boten  des  Erzbischofs  von  Gran.  Vgl.  ebendort  23  und  24. 
Der  Kaiser  verlangte  die  Hilfe  nur  auf  sechs  Wochen.  Vgl.  ebendort  27. 

2  Ebendort  23,  24-25,  27—28,  29—30  a.  a.  O. 

5  Vgl.  seine  Worte  an  den  Erzbischof  Johann  von  Gran  bei  Chmel,  Monum. 
Habsburg.  I,  3,  280-282. 


588 

schreiben  an  den  Erzbischof  von  Gran,*  liegt  ein  Beweis  für 
seine  Antheilnahme  an  der  beabsichtigten  Wahl  vor.  Friedrich 
hat  sich  damit  begnügt,  seinen  Sohn  als  seinen  Stellvertreter 
zum  Reichstage  zu  senden  und  neben  ihm  den  Erzbischof  von 
Gran,  den  Grafen  Hang  und  Bischof  Willielm  von  Eichstädt 
zu  beglaubigen.'-^  Gab  aber  nicht  der  Ort,  nach  dem  der  Reichs- 
tag berufen  ward,  Frankfurt,  die  alte  Stätte  der  Königswahl,  gaben 
nicht  die  eifrigen  Bemühungen  des  Erzherzogs,  der  kaiserlichen 
Räthe  und  jener  Kurfürsten,  die  wir  von  vornherein  als  Maxi- 
milian günstig  gesinnt  kennen,  Hermanns  von  Köln,  Jakobs  von 
Trier,  Emsts  von  Sachsen,  sämmtliche  Mitglieder  des  Col- 
legiums  zum  Besuche  des  Tages  zu  vermögen,^  Zeug- 
niss  davon,  um  was  es  sich  handelte,  wusste  man  dies  nicht 
ohnehin  allerorts  zu  sagen? 

Der  Kurfürst  von  Brandenburg  hatte  mit  steigendem  Miss- 
behagen und  Missmuth  das  Vorgehen  der  kaiserlichen  Räthe 
und  Parteigänger  gesehen.  Der  Bischof  von  Augsburg  war, 
trotzdem  er  sein  Kommen  angekündigt,  nicht  erschienen;  dessen 
Bruder  Graf  Hang  hatte  in  Nürnberg  und  Koburg  verhandelt, 
an  Ansbach  war  er  vorbeigeritten;^  auch  bei  dem  kaiserlichen 
Protonotar  Waldner,  wie  von  Herzog  Albrecht  von  Sachsen,  der 
sich  auf  der  Heimreise  von  Innsbruck  bei  dem  Markgrafen  auf- 
gehalten, erfuhr  er  nichts.  Nim  kamen  jene  Gerüchte,  jener  Brief. 
Albrechts  Entsclduss  war  der:  die  Wahl  abzuschlagen  —  die 
Gründe,  welche  er  sich  zurechtlegte,  klingen  nicht  übel:  Man 
habe  den  Frankfurter  Tag  nicht  für  solchen  Zweck  berufen;  der 
Kaiser  sei  nicht  da  und  es  fehle  auch  eine  directe  Aeussenmg 
von  ihm  über  die  Wald;  ohne  den  Kaiser  aber  in  eine  solche 
einzutreten,  verbiete  der  geleistete  Eid.^    Uebrigens  sei  es  jetzt 


*  Das  Schreibeu  (1.  c.)  gehört  in  den  Deceniber  1484.  Der  Adressat  ist 
aus  dem  Schreiben  bei  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  53,  Nr.  46,  leicht 
sicherzustellen.     Das  Schreibon  ist  freilich  ostensibel. 

2  Vgl.  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  53,  Nr.  46. 

3  Die  bezüglichen  Schreiben  bei  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  35  ff.  Die 
Antheilnahme  des  Markgrafen  an  diesen  Bemühungen  hatte,  wie  wir 
aus  seinen  Briefen  leicht  erkennen,  einen  andern  Zweck:  die  Wieder- 
aufrichtung der  alten  Kurein ung. 

*  Albrecht  selbst  an  Ernst  von  Sachsen  am  26.  November  1484  bei  Minutoli, 
Kaiserliches  Buch  38,  Nr.  27. 

5  Albrechts  eigenhändige  Aufzeichnungen.  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  64 
bis  65,  Nr.  57. 


589 

nicht  an  der  Zeit,  ,ad  futurum  zu  reden^,  sondern  dem  Kaiser 
in  seiner  Noth  zu  helfen.  —  Der  KuHiiirst  stellte  sich  freilich 
auch  den  Fall  vor,  dass  die  Wahlsache,  gefördert  von  den  an- 
dern Kurcollegen,  dennoch  vorwärts  gehe.  Für  diesen  Fall 
wollte  er  erklären:  Wenn  der  Kaiser  in  Person  erscheine  und 
seinen  Willen  kund  thue  oder  doch  ,eine  Specification^  seiner 
Wünsche  hören  lasse,  dann  komme  es  den  Kurfürsten  zu,  die 
Wahl  in  Verhandlung  zu  nehmen,  und  würde  auch  er  nach  Be- 
redung mit  ihnen  thun,  was  sich  ziemt.  Auch  dann  seinen  Willen, 
eine  Ablehnung  Maximilians,  durchzusetzen,  war  nun  Albrechts 
Streben.  Als  Mittel  sah  er  die  Aufnahme  von  Köln,  Mainz  und 
Pfalz  in  den  Kurverein  an:  dann  war  jeder  der  Kurfürsten 
an  die  Zustimmung  der  andern  gebunden  und  so  der  Einzelne 
leichter  im  Stande,  Beschlüsse  der  Gesammtheit  zu  stören.  Al- 
brecht wünschte  den  Eintritt  jener  in  die  Einung  eben  jetzt  in 
Frankfurt  zu  erreichen:  daher  auch  sein  Interesse  für  ihr  per- 
sönliches Erscheinen. 

Aber  eben  darin  ergab  sich  die  erste  Störung  der  Wahl- 
sache. Philipp  von  der  Pfalz  hatte  1482/83  umsonst  auf  die  Erfül- 
lung der  ihm  einst  in  Nürnberg  eröffneten  Aussichten  gewartet. 
Als  jetzt,  Dienstag  nach  Martini  1484,'  Graf  Hang  von  Wer- 
denberg bei  ihm  erschien,  kam  er  darauf  zurück,  und  da  der 
kaiserliche  Gesandte  offenbar  keine  bezügliche  Vollmacht  be- 
sass,  Hess  auch  der  Kurfürst  sein  Kommen  unbestimmt*  Auch 
später  nicht  vom  Kaiser  befriedigt,  verkündigte  Philipp  den 
KurfUrsten  von  Sachsen,  Brandenburg  und  Mainz  offen,  dass 
er,  weil  ihm  ,nit  vollstreckt^  sei,  was  man  ihm  einst  in  Nüi'n- 
berg  ,zugesagt',  nun  auch  nicht  nach  Frankfurt  reite;  und  alles 
Bemühen,  ihn  doch  hinzubringen,  war  vergebens.^ 

Noch  schwerere  Hemmung  fand  aber  die  Wahlsache  auf 
anderer  Seite.  Konnte  bei  der  Lage  des  Kaisers  an  eine  macht- 
volle Förderung  derselben  durch  ihn  nicht  gedacht  werden,  so 


1  Am  16.  November. 

-  Scliroibeu  au  Enist  von  Sachsen  vom  30.  November  bei  Minutoli,  Kaiser- 
liches Buch  39 — 40:  ,clem  haben  wir  nach  unserer  gelegenheit  ant- 
wort  gegeben*.  Vgl.  ebendort  60—61. 

3  Diesen  Zusammenhang  der  Sache  zeigt  die  Correspondenz  Philipps  mit 
Ernst  von  Sachsen  und  Albrecht  von  Brandenburg  bei  Minutoli,  Kaiser- 
liches Buch  39—40,  51,  58—59,  59-60,  60—61,  61—62,  Nr.  28,  44,  52, 
53,  54,  55. 


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Kcben  )Aq^^| 


Iretur  von  Hessen,  Uenwf;  Sigmunils  von  Urol,  der  Herzoge  AI- 
brecht  und  G«>rg  von  Bsicrn.  Eberhards  von  W&rtlembcrg  t 
Wilhelms  von  EichsiAdt  in  Frankftirt  «ngegcn/  als  er,  nachdi 
des   EnthrrzogB   bisheriges  Femhicibon   geno^isam  entschn) 
und  sein  und  seiner  Rälho  persünliches  Erscheinon   doch 
in   Aussiebt    gestellt   war,    die    kaiserliche  Werbung  thaL     Das 
Ergchniss  der  Verhandlungen  kann  sich  so  der  Kenner  deoUcbcr 
Reichstage  des  15.  JahrhondnrU  leicht  aus  dam  Besncfae  t 
coDstruiren.     Asa  16.  Feh  mar  erhielt  Graf  Hang  des  t 
,Die  Kurfürsten  und  Fürsten  ^nd  willig,  di^  kaiaerficben  ] 
UiUc  und  Kath  zu  thun  nach  Gebühr,  gestalt  der  Sacben  i 
Jedes  Vermögen,    Aber  als  sii-h  die  Sach  hin  liällt  und  findL-t, 
dass  der  kaiserUchcn  Majestill  durch  die,  so  Ue  entgegen  waren, 
nit   so   siiittlich    nnd    nüulieh  Hilfe  geschehen    mfichtc,   i 
NoÜidnrl\  erfordert,    nachdem   der  Mehrerthetl    des  Kcicbee  1 
entboten  noch  gegenwärtig  wäre,  nnd  da,  sollte  durch  die  C 
wftrtigen   etwas  mit  Anschlag   votfienommen   werden,   dks  i 
Andern   verachten   nnd  s^eo   nSchtcnt   hatten   sie  vitj  i 
schlagen,   so   mOchtm  äe  es  tnur  selbst   ausrichten,    dem   : 
wären  zum  Itpicbtita^  nicht  verboten  und  bättt^n  in  atchts  ( 
willigt,  womit  sie  sich  leicht  verantworten  kennten: 
also  die,  die   zogegen  waren,    der    kats.  ^(ajestlt  auch  Dicht  I 
nfitzlidi  sein,  als  es  die  Notbdnrfi  verlangt  und  vom  Reicbe  f 
sdieben  kCtiDte.' 

Dabei  blieb  es,  und  Graf  Haog's  Uebcrrrdnngsgabc  ^ 
Bockle  so  wenig  wie  sein  zorniger  Tadel  soleber  Zostünde'  i 
Sache  zo  iikdem.    Das  Rekh  that  nichts.    Des  Kurfäisleti  i 
Brandenburg   gvschsftige  Plänemacher^i.    womit   er   auch  j 
wieder,   wihrend   seine  lUthc  in  Frankfiin   in   der  Able 
wirklicher  HiWb  m  fest   waren   wie  dii-  (ibrigvn  Boäocbeir  < 
Tages,  «in  Bibcres  Terialütniss  zum  Kais^rr  ra  erbahea  sui 
Uieb  nat&rii^  eargdHÜaslos.' 

in.  Die  Wahl  Skxünlliiins.  Februar  Uf», 

Der  Vcrianl" 
widcrfcglich  | 


593 

vom  Reiche  Hilfe  nicht  erlangen  werde.  Auch  der  hartnäckigste 
Zweifler  musste  dies  zugeben.*  Und  doch  that  die  Hilfe  nir- 
gends und  niemals  mehr  noth  als  jetzt  vor  Wien!  Infolge 
der  lange  dauernden  Absperrung  der  Verbindungen  und  da 
sieh  auch  aus  der  Umgebung  viele  Leute  in  die  Stadt  geflüchtet 
hatten,  war  die  Bevölkerung  schon  im  Februar  1485  mehr  noch 
vom  Hunger  als  vom  Feinde  bedrängt  und  aufs  Aeusserste 
gebracht.  ,Wir  haben  solchen  Hunger  gelitten/  schrieben  Bür- 
germeister imd  Rath  später  an  den  Kurfürsten  von  Brandenburg,^ 
,dass  wir  gerne  Kleie  und  Rinde  gegessen  hätten  und  die  nicht 
hatten,  dass  wir  Katzen-  und  Hundefleisch  genossen,  uns  noch 
einige  Zeit  zu  halten,  und  durch  und  von  dem  grossen  Hunger 
.  .  .  über  sechshundert  Menschen,  Männer,  Frauen  und  Kinder, 
während  der  Belagerung  Hungers  gestorben  sind  und  noch  jetzt 
(Juli)  solcher  Köstigung  wegen  Viele  täglich  sterben.'  Kein  Wun- 
der, dass  es  zu  Gewaltthaten  kam  aus  bitterer  Noth,  dass  die  böh- 
mischen Dienstleute  meuterten  und  in  namhafter  Zahl  zum 
Feinde  übergingen,  dass  bereits  im  Februar  1485  auch  eine  Partei 
unter  der  Bürgerschaft  von  Uebergabe  zu  reden  begann.  Der 
Kaiser  that  wohl  Einiges:  Er  verhandelte  mit  König  Wladislaw 
von  Böhmen,  um  durch  seine  Vermittlung  einen  Waffenstillstand 
zu  erreichen,  er  stellte  Werbungen  an,  und  suchte  von  Krems 
und  Stein  aus  den  Wienern  Mundvorräthe  zu  senden.  Aber  all 
dies  reichte  nicht  zu,  die  Stadt  zu  retten.  Am  1.  Juni  1485 
hielt  König  Mathias  in  Wien  seinen  prunkenden  Einzug.  Die 
Huldigung  des  Landes  folgte  nach;  noch  weiter  als  bisher,  an 
einzelnen  Punkten  bis  westwärts  über  die  Enns,  wurden  die 
ungarischen  Besatzungen  vorgeschoben. 

Die  Bestürzung  des  Kaisers  war  unbeschreiblich.  Hatte 
er  Wien  als  die  Stadt  bezeichnet,  ,die  ein  Behaltung  aller 
unser  Lande  istV^  ihren  Verlust  gleichbedeutend  mit  seiner 
Vertreibung,^  so  schien  nun  letzteres  vor  der  Thür. 

>  Aach  der  Kaiser  schreibt  am  14.  (nicht  12.  April)  an  Markgraf  Albrecht, 
ein  jZasammenkommen*  bringe  ,ganz  keinen  Nutz,  dann  die  Zeit  uns 
zu  ganzem  Verderben  damit  zu  verlieren*.  Minutoli,  Kaiserliches  Buch 
98—99.     Vgl.  auch  Albrecht  selbst  ebendort  103. 

'  Bei  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  111—113;  Brief  vom  8.  Juli  1486. 

3  Chmel,  Monum.  Habsburg,  m,  1,  281. 

^  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  89.  Der  Kaiser  spricht  schon  am  14.  April 
von  seiner  ,Schwermüthigkeit,  darin  wir  durch  täglich  mehr  Anfechtung 
gefallen  sind'. 


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JM;kw   3  4^/>-  jjj[*«rrurü  fck-L  dli*  \VfiuuQdliiiir«ii  dt* 
'i#rü;    i^lJäiz4^nI^Si    i^LiJipf/    «iii    d*rn   Prwb    der 

Au'rk  für  dirii  liL^jt^r  '/L^h  <rb  kenifr  WiLii^ 
fij.*rLr.  Auj  21^.  Mai  «rifübr  ^r.  dawss  Wien  sitsL 
HtA  fi<A'k  ii:«  4<rr  djüm'if  (*A^*:uA^ji  N&cbi  —  dtti>  ^war  m.  tb* 
li<r:k^r  yOeit  füT  fe^iu^r  I^fraLiiiUUjf^rD  oDd  Veiiiaiidriixi£faL  —  ^tam 
*ir  Ui'ii  w'.'L  icje  \Wm*c.  iMno^  e^rL^jn  am  3(*.  MjlI.  iuiiznfu  Tai 
fvrh  aiü  Kuff'irfct  Albnr^.'bt  v<^ij  Brand «^übujT-  J-»**.iQtir  iiQi«er'hK9a 

drillt;!,  di^rh  u.'jd  aud^^r^  uiiMrnr  uüd  d<?§  beü.  Ltbiöif  ^  irtii«*— ^ 
Füri^Urrj  und  Freund«?  um  Ililff^r  und  KatL  zu  ^ersoiuiifiL.  Cn^ 
bind  d«;hli2ilb  in  l'^rbun^,  bald  pfrr&öDlicL  t*«:  bsnifr  Liek 
zu  Mfin,  und  d'rr  ^/bl/^rrürum  und  ander  Sati*-x  aulbt^n  nA 
dir  alri  unj>4rruj  jr<:hon>anic'n  g«?treuen  CTmrfärssHr  Tnii  Beb« 
Fnrund  K^rd*;  zu  lotlurn/^ 


die  {faifz  virrc-hütt  Ut*.     MiuuVßli,  KaLMriiKbe»  Bocä  hJH. 

»  lim-f  VOM*  *•.  Jiili   ll*?:»  t:lf*rtAon  Vr'J  —  Wt. 

>  Eli«riid'/rt  l';';  -107  K»  »^/M  U«zimtru  .MonUe  ik&cü.  «iHfii  «inntai^  Triiii* 
tativ.  Il<rr  v«/fh«?f(f*Tl»<ri<*l^  Hri»^  'Nr.  '*0,  wt  T/j.ai  31,.  !Lä£tic  vrini  17.  Ssl 
iVr  KurfUrKt  fiAtU;  «ff<;  fHih<rn;  A^MU-ht  de«  lOüi^Ti^  p^naaÜrii  Ln»  Bwcs 
zu  k<»fiiiri<rii  ^Mifint//Ii  IfJ-,  «'fiMtlifh  l^luiinpft  Minst^  DK:  J>>r  Kaii>v 
imJI«'  nicht  Auf  «Im?  Hilf«:  ^«1«:»  K^ir|i«rii;  harren.*  UHMfinebr  whuC  is^ 
Kai<M)'r«  j*'t7Ä^*'r  Kutti^rUlitm  auf  fiti^rii  li<'Vfii«lfTen 


695 

Am  6.  Juni  aber  wurde  die  Urkunde   unterzeichnet,   mit 
der  sich  der  Pfalzgraf  verpflichtete,  bei  der  römischen  Königs- 
wahl, falls  der  Kaiser  bei  seinen  Lebzeiten  eine  solche  zu  Gun- 
sten   seines    Sohnes    gestatten    würde,    dem    Erzherzoge    seine 
Stimme  zu  geben  und  sonst  nach  seinem  Vermögen  dabei  mit- 
zuhelfen J     Gegcnverschreibungen   Maximilians   setzen   die  Zu- 
stimmung des  Kaisers  nothwendig  voraus;   gleichgiltig,   ob  die- 
selbe bereits  früher  erfolgt  war  oder,  wozu  der  Moment  passend 
wäre,  erst  jetzt  erfolgte,  oder  gar,  ob  sie  blos  in  Aussicht  stand. 
Mit  gleicher  Energie  schien  der  Kaiser  ferner  handeln  zu 
wollen.     Schon  am  5.  Juni  war  er  in  Salzburg.^   Von  liier  aus 
betrieb   er   die  Uebersiedlung   seiner  Tochter   Kunigunde   und 
die  Ueberführung   seiner  Kleinodien   nach  Innsbruck  und  traf 
er  Anstalten   zum   Schutze   der   erbländischen   Gebiete,   soweit 
er  sie  noch  besass:  je   geringer   seine  Mittel,  je   aussichtsloser 
seine  Sache  war,   um  so  schwieriger,   mülievoller  war  es,  auch 
nur    das   Nötliigste    vorzukehren.     Wie  begreiflich,    sehen   wir 
ebenso  in  Innsbruck,   wo   der  Kaiser  seit  3.  Juh  weilte,  wie 
während  der  nachfolgenden  Züge  durch   das  Reich  Friedrichs 
Sorge  und  Thätigkeit  unablässig  den  Erblanden  zugewendet.^ 
Kaum  mindere  Schwierigkeiten   bereiteten  aber  die  Spal- 
tungen zwischen  den  Fürstenhäusern  des  Reiches,  die  nun  nach 
einer  Richtung   zu  leiten  der  Kaiser  mit  der  Wahlsache  unter- 
nahm.   Am  schlimmsten  stand  es  wieder  im  vielgetheilten  Fran- 
ken!    Der  alte  Gegensatz  zwischen  Brandenburg- Ansbach  und 
Baiem-Landshut   war    in   voller    Stärke    erwacht.     Auch   jetzt 
wieder  hielten  sich  Otto  von  Mosbach  und  das  mächtige  Nürn- 
berg auf  der  Seite  Georgs  des  Reichen  von  Landshut,  während 
Markgraf  Albrecht  den  von  Bamberg  zum  Bündner  hatte.  *   Die 


*  Im  kOnigl.  bairischen  Staatsarchiv  in  München.    Vgl.  Ulmann  141. 

2  Man  vergleiche  des  Kaisers  Itinerar  nach  Chmel,  Regesten  II,  718—719 
und  den  Correspondenzen  bei  Minntoli.  Der  Kaiser  ist  am  1.  Jnni  in 
Linz,  —  3.  Juni  in  Vöcklabnick,  —  5.  Juni  in  Salzburg,  —  3.  Juli  in 
Innsbnick,  —  17.  Juli  in  Kempten,  —  27.  Juli  in  Ulm,  —  6.  August 
in  Ravensburg,  —  15.  August  in  Constanz,  —  20.  August  bis  3.  Septem- 
ber in  Ueberlingen,  —  10.  September  in  Baden,  —  19.  bis  27.  September 
in  Hagenau. 

'  Darüber  geben,  entgegen  den  gewöhnlichen  Declamationen  über  Fried- 
richs Unthätigkeit,  schon  die  bis  jetzt  vorliegenden  Actenstücke  genügend 
Zeugniss. 

♦  Vgl.  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  98—99,  99—101,  105  ff. 


596 

Erledigung  einer  Reihe  kleinerer  Fragen  in  seinem  Sinne,  die 
Auflösung  des  Bundes  Baiems  mit  Nürnberg,  die  Störung  weiterer 
Landshuter  Einungsgelüste  mit  andern  fränkischen  und  schwäbi- 
schen Städten,  welche  lieber  mit  Ansbach  zu  einer  ,Einung  und 
Verstentnus'  sich  ,zusammenthun'  sollten :  *  das  waren  die  An- 
liegen, mit  denen  der  alte  Markgraf  mit  Ungestüm  den  Kaiser 
bedrängte.  Mit  dem  Hinweise  auf  Herzog  Georgs  Verbindung 
mit  Ungam,^  auf  dessen  Absichten  gegen  Nördlingcn  suchte  er 
seine  Forderungen  zu  unterstützen. 

War  aber  Friedrich  eben  jetzt  in  der  Lage,  in  diesen 
Händeln  Partei  zu  nehmen,  ,Herzog  Georg  vor  den  Kopf  zu 
schlagen'?*  Und  musste  nicht  anderseits  sein  schwaches  Be- 
mühen, die  Baiem  zurückzuhalten  und  den  Reichsstädtern  ihre 
unmittelbare  Stellung  in  Erinnerung  zu  bringen,  den  heftigen 
Markgrafen,  der  sich  ganz  andere  Förderung  versprach,  mit 
wachsender  Erbitterung  erfüllen? 

Es  waren  freilich  nicht  diese  Händel  allein,  welche  den 
Kaiser  bestimmten,  von  Ulm  aus,  wo  er  am  27.  Juli  weilte, 
sich  nicht  nach  Franken,  sondern  weiter  westwärts  durch  Schwa- 
ben ziehend,  nach  dem  Oberrhein  zu  wenden.  ,Die  Rede  ist 
hieumb,'  wusste  Markgraf  Albrecht  schon  am  9.  August  zu 
berichten,  ,der  Kaiser  wolle  nach  Strassburg,  seinen  Sohn,  un- 
sern  lieben  Oheim,  zu  ihm  entbieten  und  zwischen  ihm  (Maxi- 
milian) und  Frankreich  verhandeln ;  der  Allmächtige  wolle,  dass 
Alles  gut,  dass  er  (Maximilian)  frei  werde  und  seiner  Majestät 
wol  helfen  mag.'^  In  der  Tliat  ward  bereits  damals  über  die 
Zusammenkunft  von  Vater  und  Sohn  verhandelt  und  Köln  da- 
für bestimmt.^  Auch  war  ja  noch  Mainz'»  für  die  Wahl  zu  ge- 
winnen, vielleicht  auch  mit  Pfalz  und  Trier  manches  zu  ordnen. 
Zu  gleicher  Zeit  warb  Hang  beim  sächsischen  Hofe. 

Sei  es  nun,  dass  die  niederländischen  Dinge  eine  Störung 
brachten,   ,denn   meine  Sachen,'   schreibt   der  Erzherzog  selbst 

*  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  128. 
.2  Ebendort  117. 

>  Ebendort  146. 

*  Schreiben  an  den  Protonotar  Waldner.    Minntoli,  K^serliches  Buch  117. 
5  Maximilians    Briefwechsel    mit  S.  Prüschenk   bei   KraiLS   48 — 49.     Brief 

vom  8.  September. 
^  Dass  dies  jetzt  bereits  geschah,  Lst  mir  nach  dem,    was  wir  über  den 
spätem    (November-)    Aufenthalt   des  Kaisers    bei  dem   Mainzer    wissen 
(s.  unten),  durchaus  wahrscheinlich. 


597 

am  8.  September,  ,noch  nicht  am  besten  darzu  (zur  Zusammen- 
kunft mit  seinem  Vater  u.  s.  w.)  gericht  sind,  angesehen,  dass 
ich  noch  steck'  in  Krieg  mit  den  Lüttich ern;  ich  lösche  aber 
überall  — ,  das  beste,  das  ich  kann,  —  aber  die  -Eil'  thut  mir 
schaden,'  —  sei  es,  dass  die  Meldungen  Graf  Haugs  über  die 
Zustände  im  Osten  nicht  nach  Wunsch  lauteten:  nachdem  der 
Kaiser  fast  den  ganzen  September  in  Baden  und  Ilagenau  ge- 
weilt, gab  er  den  Zug  nach  Köln  plötzlich  auf  und  befand  sich 
der  Hof  am  1.  October  in  Esslingen,  nahe  der  Schwelle  Fran- 
kens. Von  Schwilbisch-Hall  aus  bat  er  dann  am  6.  October 
den  Brandenburger  Kurfürsten  um  eine  persönliche  Zusammen- 
kunft in  Dinkelsbühl  (für  den  10.  October),  ,umb  allerlei  merk- 
licher Sachen  halben,  die  wir  du*  nit  wol  schreiben  noch 
verbotschaften  mögen',  mit  ihm  ,zu  reden  und  zu  handeln'. • 
Es  war  —  um  die  Reichshilfe  hatte  man  genug  geschrieben 
und  gehandelt  —  der  Königswahl  wegen. 

Der  Markgraf  hat  abgelehnt. ^  Er  that  es  unter  den  ge- 
wöhnlichen lebhaften  Betheuerungen  seiner  Hilfebereitheit  und 
Ergebenheit;  er  machte  dafür  weitgehende  Vorschläge,  wie  das 
Reich  auch  sonst  zur  Hilfe  gebracht  werden  könnte ;  er  schützte 
die  üblen  Zustände  des  Reiches  vor;  er  drang  auf  die  Erfül- 
lung seiner  eigenen  Wünsche:^  kein  Wunder,  dass  es  der  Kaiser 
damit  jetzt  und  fernerhin  nicht  eilig  hatte.  Auf  jene  Vorschläge 
gab  er  nicht  einmal  eine  Antwort.^  Der  Brandenburger  zog 
sich  am  selben  Tage  zurück,  voll  Verlegenheit  und  Erbitterung.'' 


^  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  123. 

'  Ebeiidort  187.  ,Auch  mag  die  antwort,  unserm  herni  kayser  gegeben, 
kein  Anderes  erleiden,  nachdem  wir  uns  abgeslahen  haben,  unsern  willen 
zu  geben.*  Albrecht  am  13.  Jänner  148G.  A.  a.  O.  187.  Dies  kann, 
wenn  man  dem  Gang  der  Dinge  folgt,  aus  vielen  Gründen  nur  in  Dinkels- 
bühl geschehen  sein. 

3  Dazu  die  so  willkommenen  eingehenden  Correspondenzen  und  Aufzeich- 
nungen  bei  Miuutoli,  Kaiserliches  Buch  124  ff.,  die  uns  den  Abgang  ähn- 
lichen Materials  fllr  die  Verliandlungen  mit  den  anderen  Kurfürsten  «u 
sehr  empfindlich  machen,  es  freilich  auch  theilweise  ersetzen. 

*  Ebeudort  125. 

*  Man  vergleiche  die  Correspondenzen,  besonders  seinen  Brief  an  seinen 
Sohn  Friedrich  auf  die  (falsche)  Meldung  hin,  er  habe  sich  in  des  Kaisers 
Dienst  begeben,  bei  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  135 — 137;  ferner  IGU 
bis  161,  167—169. 

Archiv.   B4.  TAXVT.   Tl.  Hfllftc.  30 


598 

Gewiss  war  auch  dem  Kaiser  der  Misserfolg  empfindlich. 
Aber  er  erhöhte  nur  seine  Energie  und  Thätigkeit.*  Nach 
mehrfacher  Verzögerung  traf  er  die  sächsischen  Herzoge  und 
den  Bischof  von  Bamberg  am  20.  October  in  des  Bischofs  Residenz. 
Noch  war  man  nicht  nach  allen  Seiten  orientirtj  wie  es  mit  den 
Wahlaussichten  stehe:  es  wurde  daher  zunächst  ein  Tag  der 
RmfÜrsten  nach  Würzburg  für  den  8.  December  in  Aussicht 
genommen.  Darauf  rief  der  Markgraf^  der  bisher  durch  seinen 
Sohn  Friedrich  am  kaiserlichen  Hoflager  seine  Angelegenheiten 
betrieben  und  so  wenigstens  äusserlich  gute  Beziehungen  zu 
dem  Kaiser  gewahrt  hatte,  seinen  Sohn  zornig  ab.^  Er  suchte, 
auch  in  der  Wahlsache,  Beziehungen  mit  Sachsen,  Bamberg 
und  Mainz,  freihch  ohne  Erfolg.  ^  So  hinfkUig  er  war,  so  dass 
er  sich  ,ätzen,  ti*agen  und  aufheben  lassen'  musste,  wie  ,ein 
kleines  Kind',  er  hielt  fest  in  seiner  Gegnerschaft.  Aufs  Schärfste 
wies  er  den  Kaiser  zurück,  der,  eben  mit  dem  Hinweise  auf 
Albrechts  körperliches  Befinden,  ihm  nahelegte,  von  Würzburg 
fernzubleiben  und  einfach  den  dortigen  Beschlüssen  beizutreten. 
Da  haben  wir,  schreibt  Friedrich,  ,mit  unsern  Kurfürsten,  die  per- 
sönlich zu  uns  kommen  werden,  allerlei  allein,  dabei  wir  und  sie, 
als  Du  selbst  weist.  Niemand  ander  gedulden  mögen,  zu  handeln'.^ 
Niemand  habe  das  Recht,  erklärte  hingegen  Albrecht,  ,ihn  sei- 
ner Stimme  zu  berauben'  und  ihm  zuzumuthen,  ,zu  verwilli- 
gen, dass  andere  für  ihn  antworteten'.^  Indem  er  des  Kaisers 
Absicht,  ihn  vom  Würzburger  Tage  fernzuhalten,  wohl  merkte, 
entschloss  er  sich,  nun  doppelt  hinzuschicken,  als  Kurfürst  — 
dafür  verschrieb  er  sich  noch  besonders  Märkische  Räthe  ^  — 
und  als  Füi'st  zu  Ansbach  imd  Nürnberger  Burggraf. 


>  Vgl.  die  Beweise  für  Friedrichs  angestrengteste  Thätigkeit  in  den  fränki- 
schen und  erbländischen  Sachen,  natürlich  vor  Allem  in  der  Wahlange- 
legenheit, in  Verhandlungen  und  Correspondenzen,  in  den  Berichten  des 
Markgrafen  Friedrich  an  seinen  Vater  bei  Minntoli,  Elaiserliches  Buch 
155  ff.,  besonders  188. 

2  Sein  derber  Brief,  den  Markgraf  Friedrich  dem  Kaiser  vorzulesen  hatte, 
bei  Minutoli,   Kaiserliches  Buch  162   (vom  3.  Nov.).     Vgl.  ebendort  148. 

3  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  163—164.  Zu  des  Kaisers  Besuch  in  Bam- 
berg vergleiche  man  noch  Lünig,  Reichsarchiv  XVII,  264  und  beson- 
ders Janssen,  Frankfurter  Heichscorrespondenz  n,  411. 

*  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  166. 

*  Ebendort  167. 

ö  Ebendort  161—162. 


699 

Aber  der  Markgraf  strebte  umsonst  gegen  den  Strom.  In 
persönlicher  Verhandlung  mit  dem  sächsischen  KurfUrsten,  der 
nun  zu  ihm  nach  Nürnberg  gekommen  war/  brachte  der  Kaiser 
um  Martini  die  Sache  ins  Reine.  Dann  erhob  er  sich  (12.  No- 
vember) ^  zum  Zuge  nach  Westen,  zur  Zusammenkunft  mit 
seinem  Sohne.  Noch  sprach  er,  am  16.  November,  von  Augs- 
burg aus  nur  von  dem  Würzburger  Tage,  den  er  ,mit  den 
Churflirsten  und  ethchen  Fürsten^  am  achten  Tage  nach  Maria  Em- 
pftlngniss  —  dahin  wurde  der  Tag  erstreckt  —  halten  wolle, 
aber  voll  gehobenen  Selbstgefühles:  er  werde  dort  ,endHchen  er- 
lernen und  verstehen,  wer  seine  Sachen  zu  fördern  oder 
zu  hindern  geneigt  sei^^  Unablässig  mit  den  österreichischen 
Dingen  beschäftigt,*  zog  der  Kaiser  von  Augsburg  über  NördHn- 
gen  und  Kulsheim  nach  Aschaffenburg,  wo  er,  am  27.  November 
anlangend,  Kurfürst  Berthold  von  Mainz  begegnete  und,  nachdem 
er  nur  einen  Tag  bei  ihm  auf  dem  Schlosse  zu  Steinheim  ver- 
weilt, eilig  weiter  über  Frankfurt  und  Wiesbaden  nach  Köln.^ 

Der  Erzherzog  war  in  Aachen,  dem  Orte  der  Begegnung, 
noch  nicht  eingetroffen,  auch,  seiner  niederländischen  Angelegen- 
heiten wegen,  sein  Nahen  nicht  in  den  nächsten  Tagen  zu  er- 
warten. Aber  das  brachte  keine  Störung  mehr.  Des  Einver- 
ständnisses mit  fünf  Kurfürsten  versichert,  hatte  der  Kaiser 
schon  zu  Beginn  December''  die  Verlegung  des  Kurfürstentages 


*  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  172.  Spalatin's  Meldung  von  dem  Verdienste 
Herzog  Emsts  um  die  Wahl  Maximilians  (bei  Mencke  II,  1095)  scheint 
mir  völlig  berechtigt. 

2  Ebendort  168.    Vgl.  Janssen,  Frankfurts  Reichscorrespondenz  II,  412. 

3  Ebendort  169-170. 

*  Man  vergleiche  Chmel,  Regesten  H,  721,  Nr.  7782—7785,  7788. 

*  Hier  ist  der  Kaiser  am  12.  December  (Janssen,  Frankfurts  Reichscorre- 
spondenz II,  412)  und  urkundet  er  am  15.  December  (Chmel,  Regeston 
II,  722,  Nr.  7791).  Dass  der  Kaiser  die  nicht  unwichtigen  Forderungen 
des  Mainzers  fdr  seine  »Stimme  nicht  erst  jetzt  während  des  eintägigen 
Aufenthaltes  verhandelte  und  guthiess,  sondern  dass  dies  früher,  und  zwar 
wohl  unter  Mitwirkung  Maximilians  geschehen  war,  liegt  auf  der  Hand 
und  wurde  oben  angedeutet,  lieber  des  Kaisers  Zug  und  die  Daten  ver- 
gleiche ausser  Chmel,  Regesten  U,  722  noch  Janssen,  Frankfurts  Reichs- 
corraspondenz  H,  412 — 413. 

•"»  Sein  Schreiben  vom  2.  December  an  Markgraf  Albrecht  bei  Minutoli, 
Kaiserliches  Buch  171—172.  Kurfürst  Berthold  von  Mainz  hatte  am 
30.  November  nach  Ansbach  blos  gemeldet,  dass  für  den  Würzburger  Tag 
die  Zeit  zu  kurz  werden  dürfte. 

39* 


600 

nach  Fraukiiirt  verkündet,  sich  die  Benennung  des  Termines 
zanaehst  noch  vorbehaltend.  &  begründete  die  Veri^rung  mit 
der  Absicht,  seinen  Sohn  Erzherzog  Maximilian  mit  sich  nach 
Frankfurt  zu  brinfren.^  Schon  um  die  Mitte  December  Hessen 
dann  aber  der  Pfalzgraf  und  Erzherzc^  Maximilian  in  Frank- 
furt um  Herbei^  ansuchen  und  daran  ihre  Wappen  anschlagen.* 
Berthold  von  Mainz  folgte  am  17.  December  nach,  etwas  später 
Brandenburg,  dann  Trier  und  Sachsen. 

Was  noch  zu  melden  bleibt,  bildet  die  naturgemässe  Durch- 
führung all  des,  was  die  habsburgische  Politik  auf  mühsamem 
Wege  von  da  und  dort  zusammenwirkend  begonnen  hatte.  Audi 
wir  vermögen  nun,  auf  reichlicheres  oder  doch  weniger  sprödes 
Quellenmateriale  gestützt,  die  Einsicht  in  die  Dinge  leichtor 
zu  gewinnen. 

Auf  die  Kunde  vom  Nahen  des  Sohnes  erhob  sich  der 
Kaiser  mit  Hermann  von  Köln  und  anderen  Fürsten  unverweilt 
zur  Fahrt  nach  Aachen,  wo  er  am  21.  December  eintraf.  Am  an- 
dem  Morgen  war  auch  der  Elrzherzog  zur  Stelle,  Tom  Vater, 
der  ihn  seit  den  Tagen  seiner  Brautfahrt  1^1477)  nicht  wieder- 
gesehen hatte,  und  den  Fürsten  eingeholt  und  be willkommt ^ 
r>hne  viel  Verhandlungen''  —  es  war  ja  zwischen  Vater  und 
Sohn  in  der  Wahlangelegenheit  offenbar  längst  die  Hauptsache 
geordnet  und  im  Uebrigen  Maximilian  gewiss  bereit,  die  Wünsche 
des  Kaisers  zu  berücksichtigen  —  verflossen  die  ersten  Tage 
des  Beisammenseins,  der  Erzherzog  und  die  Fürsten  in  freund- 
schafüichem  Verkehre  sich  gegenseitig  bewirthend,  der  alte  Kaiser 


*  Auch  ibv*  weiss  der  Mainzer  schon  am  30.  November,  sowie  er  offenbar 
mit  «lern  Kaiser  in  volHnrom  Einverständnisse  ist.  L'm  so  zurückhaltender 
ist  er  Albrecht  von  Brandenburg:  penenuber.  Vjrl.  Minutoli,  Kaiserliches 
Huch   173,  176— 177. 

-  So  hätte  Ulmann  bei  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  177  tiudeu  k«5uiien, 
wenn  er  diese  wichtigste  Actensammlunjr  fiir  diese  Dingt?  nur  halbwegs 
genau  durchgesehen  hätte.  Er  kennt  nur  die  zweite  Ansa^  Maximilians 
mit  dem  vergrösserten  Gefolge  von  7<H)  Pferden  bei  Janssen,  Frankfurts 
Keichscorrespondenz  II,  413. 

3  Ludwig  von  Paradies,  der  am  IH.  December  an  die  Frankfurter  schreibt, 
sagt  aus<lrücklich,  wann  der  Kaiser  nach  Aachen  gehe,  sei  noch  nicht 
offenbar. 

*  Bericht  Evolt«  von  Lichtenstein  vom  27.  December  bei  Minutoli,  Kaiser- 
liche« Buch  !»()— 181. 

^  Evolt  sagt  dies  ausdriicklich. 


601 

auf  sich  zurückgezogen,  mit  dem  Besuche  der  Heilthümer  der 
Krönungsstadt,  wie  er  gelobt  hatte,  beschäftigt.  Auch  so  wahrte 
man  durchaus  die  Form:*  am  Christtage,  in  feierlichem  Em- 
pfange Hess  der  Kaiser  dem  Erzherzoge  die  Absicht  seines 
Kommens  mittheilen  und  lud  wiederum  Maximilian  nach  ge- 
ziemendem Danke  den  Vater,  der  in  langen  Jahren  zum  ersten 
Male  an  die  Schwelle  seiner  burgundischen  Lande  gelangt  war, 
ein,  die  Provinzen  zu  besuchen,  den  Enkel  zu  sehen.  Es  hiess 
höfischer  Sitte  Rechnung  tragen,  solche  Einladung  nicht  sofort  ab- 
zulehnen. Erst  am  andern  Tage  geschah  dies,  mit  der  Zusage 
an  den  Erzherzog,  der  Kaiser  sei  ,wol  gewillt',  ein  andermal 
,seinen  Sohn  und  sein  Land  zu  besichtigen';  jetzt  mahne  des 
Reiches  und  des  Hauses  Oesterreich  Nothdurft  zum  Zuge  ins 
Reich.  Noch  am  selben  Nachmittage  vereinbarten  der  Erz- 
herzog und  Hermann  von  Köln  das  Einzelne  mit  dem  Kaiser, 
die  gemeinsame  Fahrt  nach  Frankfurt,  den  Termin  des  Kur- 
fllrstentages  (20.  Jänner)  und  die  Weise  der  Ladungen  an  die 
Fürsten.  Bereits  Dienstag  den  27.  ^vurden  die  Botschaften  an 
die  Ftirstenhöfe  ausgefertigt.^ 

Beide  Habsburger  weilten  dann  die  ganze  erste  Hälfte 
des  Jänner  miteinander  in  Köln,^  nicht  freiwillig,  sondern 
verhindert  von  dem  vollströmenden  Rhein,  der  die  beabsichtigte 
Wasserfahrt  nach  Frankfurt  von  Tag  zu  Tag  verhinderte.^ 
Man  nützte  die  Zeit,  um  die  Kurfürsten  durch  die  Verbriefung 
der  mit  ihnen  getroffenen  Vereinbarungen  hinsichtlich  der  Wahl 
des  Erzherzogs  definitiv  zu  binden.  Am  selben  Tage  (9.  Jänner 
1486)  unterzeichnete  Maximilian  den  Brief  für  den  Kurcrzkanzler 
Erzbischof  Berthold,  der  ihm  des  Reiches  Recht  auf  ,das  gol- 
dene Mainz^  übertrug,  falls  der  Erzherzog  römischer  König  werde 
oder  sonst  zur  Regierung  des  Reiches  komme,  und  ihm  eine 
alte   Schuldsumme   an   den   Kaiser   aus    den  Tagen  Erzbischof 


J  Die  Deductionen  Ulmann's  daraus  (S.  144)  will  ich  hier  nur  im  Allge- 
meinen als  unstichhältig  bezeichnen. 

2  Minutoli  182—184;  die  Fahrt  selbst  (vgl.  S.  600)  war  längst  beschlossen. 

3  Der  Aufbruch  von  Aachen  war  auf  den  29.  Decembor  festgestellt  (Minu- 
toli 182),  scheint  aber  um  einige  Tage  verschoben  worden  zu  sein,  da  der 
Kaiser  am  13.  Jänner  schreibt,  er  weile  nun  zehn  Tage  in  Kr>ln,  und  da 
ein  Aufenthalt  unterwegs  unwahrscheinlich  ist.  Janssen,  Frankfurts  Reichs- 
correspondenz  II,  414,  Nr.  602. 

*  Janssen,  Frankfurts  Reichscorrespondenz  II,  414. 


602 

Adolfs  erliess^  auch  seine  Kanzlerrechte  im  vollen  Umfange  aner- 
kannte u.  8.  w./  und  erlangte  Hermann  von  Köln  seinen  wich- 
tigen Gnadenbrief  fiir  ,dic  hohe  Freundschaft  und  die  nützlichen 
Dienste',  die  dem  Erzherzoge  jetzt  zu  ,höhern  und  mehrem 
Stand  dienend  Maximilian  verpflichtet  sich  darin  einmal,  als 
Herzog  von  Burgund,  dem  Erzbischofe  in  jeder  Fehde  mit  sei- 
nen Nachbarn  von  Berg  und  Cleve  dann  der  Stadt  Köln  mit 
Land  und  Leuten  auf  eigene  Kosten  zu  helfen  und  niemals  die 
einst  von  Erzbischof  Ruprecht  an  Herzog  Karl  den  KUhnen 
und  seine  Nachkommen  rechtswidrig  übertragene  Erbvogtei  über 
die  Kölner  Kirche  mit  den  dazu  gehörigen  Verschreibungen  in 
Anspruch  zu  nehmen,  anderseits  Hermann  im  Falle  seiner  Wahl 
zum  römischen  Könige  alle  Privilegien  seiner  Kirche  u.  s/w. 
zu  bestätigen.  2  Natürlich  fehlte  es  entsprechend  der  Sitte  der 
Zeit 3  auch  nicht  an  reichen  Ehrungen^  für  die  einflussreichsten 
Räthe  der  beiden  Kirchenftirsten. 

Längst  war  Max  auch  wie  wir  wissen  mit  dem  Pfalz- 
grafen übereingekommen.  Nach  den  Verhandlungen,  die  es 
darüber  gab,  den  Forderungen,  welche  der  PfUlzer  hinterher 
erhob,  müssen  wir  schliessen,  dass  es  sich  um  die  Elsässer  Land- 
vogtei  oder  doch  deren  Einkünfte  handelte  und  dass  der  Kaiser, 
seinerseits  wenigstens  zu  dem  Abkommen  den  Willen  auch  jetzt 
versagend,  es  Maximilian  überliess,  eine  Ausgleichung  mit  Kur- 
fürst Philipp  zu  finden.'^  Völlig  imbekannt  ist  dagegen,  was 
Sachsen  und  Trier  bewilligt  erhielten.  Ihre  enge  Verwandt- 
schaft mit  dem  Habsburger  Hause  hat  aber  offenbar  die  Ver- 
ständigung unschwer  finden  lassen.^ 

*  Ulmann  145  und  Anm.  4. 

2  Lacomblet,  Urkundenbuch  IV,  535. 

^  So  liatte  es  auch  jonor  Brief  als  selbstverständlich  bezeichnet. 

*  So  erhielt  der  Kölner  Landhofmeister  Hans  von  Dörnberg  333372  r^®*" 
nische  Gulden,  wohl  nur  sein  Antheil  an  10.000  Gulden  burgundischou 
Geldes,  in  die  er  sich  mit  zwei  anderen  kölnischen  Käthen  theiltc.  Ver- 
gleiche Ulmann  141. 

^  Ich  weiss  sonst  darüber  nur  zu  sagen,  was  Ulmann  141,  Text  und  Anm. 
2,  3,  4  bringt. 

^  Dass  CS  irrig  ist,  was  Ulmann  145  behauptet,  Sachsen  habe  sich  ,in  der 
letzten  Zeit  beflissen*,  »sich  auf  einer  Linie  mit  dem  Brandenburger  zu 
halten*,  ergibt  sich  schon  aus  der  vorhergehenden  Darstellung.  Ausser 
der  Verschreibung  auf  Jülich-Berg  raöchfo  ich  noch  die  Zusage  einer 
Stollvertretung  des  gewählten  römischen  Königs  im  Reiche  durch  Herzog 
Albrecht  in  Erinnening  bringen. 


603 

Und  Brandenburg  und  Böhmen? 

Dem  alten  Markgrafen  war,  trotzdem  er  bekanntlich  in 
die  geheimen  Wege  der  burgundisehen  Wahlpolitik  frühzeitig 
Einsicht  erlangt  hatte,  die  Erfahrung  nicht  erspart  geblieben, 
dass  er  sie  zu  kreuzen  ausser  Stande  sei.  Gefragt  zwar 
hatte  man  ihn,  als  er  sich  aber  versagt,  liess  man  ihn  bei 
Seite.  Erst  als  Alles  richtig  war,  wurde  auch  er  zur  Theil- 
nahme  eingeladen,  ihm  aber  zugleich  ein  lockender  Preis  fUr 
seine  Unterstützung  der  Wahl  in  Aussicht  gestellt,  so  für  den 
Sinneswandel  die  goldene  Brücke  gebaut.  Was  sollte  Albrecht 
thun?  Er  hatte  umsonst  an  der  Erneuerung  der  kurfiirstlichen 
Einung  gearbeitet  und  besonders  für  den  Würzburger  Tag  ver- 
gebens Fühlung  mit  Sachsen  und  Mainz  gesucht;  ^  er  hatte 
ebenso  umsonst  bei  Mainz  wegen  einer  persönlichtin  Beredung 
zugleich  mit  Bamberg  geworben,  als  der  Frankfurter  Tag  an- 
gekündigt war.2  Nun  fligte  auch  er  sich:  am  12.  Jänner  1486 
geschah  in  Ansbach  die  notarielle  Bestätigung  einer  Erklärung, 
in  der  Markgräfin  Ursula,  Albrechts  Tochter,  dem  Vater  ganze 
Vollmacht  ertheilte,  ihre  Vermählung  mit  Maximilian  von  Oester- 
reich  zu  bereden  und  festzusetzen.  ^  Mit  dem  Eifer  des  Neu- 
bekehrten hat  dann  der  greise  Kui'fÜrst  die  Königswahl  und 
Reichshilfe  in  Frankfurt  zu  fördern  gesti'cbt. 

Mit  Böhmen  aber  wurde  ein  Ein  verstau  dniss  überhaupt 
nicht  gewonnen,  da  man  es  zur  Wahl  nicht  lud,  und  es  auch 
an  derselben,  obwohl  böhmisch-polnische  Käthe  *  mit  dem  Bran- 
denburger Kurfürsten  aus  Ansbach  nach  Frankfurt  herüber- 
gekommen waren,  keinen  Antheil  gewann.  Die  Kurfürsten 
haben  sich  später  damit  entschuldigt,  dass  nach  Frankfurt  erst 
nur  ein  Fürstentag,  nicht  ein  Wahltag  angesagt  war,  dass  man 
sich  plötzUch,  während  der  Berathungen,  der  Noth dürft  des 
Reiches  wegen  für  die  Erhebung  Maximilians  von  Oesterreich 
entschieden  habe  und  es  dann  nicht  weiter  möglich  war,  Böh- 
men zu  laden.  ^ 


1  Die  bezüglichen  Acten  bei  Miuutoli,  Kaiserliches  Buch  163 — 166. 

2  Ebendort  174—177,  179—180. 

3  Ulmann  145. 

*  Vgl.  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  176  im  Zusammenhalte  mit  Janssen, 
Frankfurts  Reichscorrespondenz  n,  428.  Damit  entfällt  aber  auch  jene 
Beschuldigung  Ulmann's  gegen  Fugger  (Forschungen  XXII,  135,  Anm.  5). 

<^  Vgl.  Minutoli,  Kaiserliches  Buch  248  und  267. 


604 

Wie  wenig  dies  richtig  ist,  erweist  die  vorhergehende 
Darstellung.  Der  Grund  liegt  eben  ganz  wo  anders.  Seit  1471 
gab  es  nicht  blos  zwei  Könige  von  Böhmen,  sondern  beide 
waren  —  das  ist  freilich  Ulmann  ganz  unbekannt*  —  vom 
Kaiser  belehnte  Könige.^  Wen  sollte  man  da  zur  Ausübung 
des  böhmischen  Wahlrechtes  laden?  BeideV  dann  war  auch 
der  Ungar,  des  Kaisers  Todfeind,  in  die  Sache  gezogen!  Das 
war  den  Habsburgern,  die  ja  die  Wahlangelegenheit  beherrschten, 
unerträgHch.  Einen,  etwa  den  König  Wladislaw  von  Böhmen? 
Dann  gewannen  die  Kurftirsten  an  dem  Ungarkönig,  den  man 
damit  tödtlich  beleidigte,  einen  mächtigen  rücksichtslosen 
Feind:  Brandenburg  und  Sachsen,  die  an  Mathias  angrenzten, 
mögen  dies  mit  allen  Mitteln  bekämpft  haben.  So  blieb  nur 
der  dritte  Weg  übrig:  keinen  von  beiden  zu  laden,  und  sich 
hinterher  mit  dem  Drange  der  Umstände  zu  entschuldigen. 

Da  es  sich  nicht  um  eine  Wahl  bei  Erledigung  des  Reiches, 
sondern  um  die  Erhebung  eines  römischen  Königs  mit  Zustim- 
mung und  auf  Veranlassung  des  Reichsoberhauptes  handelte, 
so  war  ja  ,die  goldene  Bulle^  diesmal  ,nicht  in  Uebung^^  Von 
den  aufstossenden  Mängeln  vermochte  der  Kaiser  zu  dispen- 
siren,  wie  es  auch  wirklich  geschah.  So  ward  die  Wahl  Maxi- 
milians eine  zweifellos  giltige.  ^ 

Sie  ist  auf  die  Präsentation  und  in  Gegenwart  des  Kaisers 
am  16.  Februar  1486  in  Frankfurt  an  üblicher  Stätte  vollzogen 
worden,  —  unter  jenen  Voraussetzungen  und  directen  Zusagen 
seitens  des  Kaisers,  der  Wähler  und  des  Gewählten,  die  sich 
uns  als  Grund  und  Zweck  der  Wahl  ergaben. 


*  Er  sagt  S.  149:  »Kurftirst  des  Reiches  konute  doch  nur  der  vom  Kaiser 
belehnte,  im  Besitze  des  Kurhindes  befindliclie  König  Wladislaw  von 
Böhmen,  der  Jagiellone,  sein/ 

^  lieber  die  Belehnung  des  Königs  Mathias  spricht  sich  der  Korneuburger 

Vertrag  vom    1.   December   1477  aus.     Vgl.  Climol,   Monum.   Habsburg. 

I,  2,    119  —  122.     Ebendort    124—126   der   Huldigungsrevers   des    Königs 

Mathias  von  Ungarn  als  König  von  Böhmen. 
3  Mit   den   bezüglichen  Ausführungen  Ulmann's   (S.  150 — 152)   befinde  ich 

mich  in  völliger  Uebereinstimmung. 

*  lieber  die  Beschwerden  Böhmens  und  Ungarns  und  eine  französische 
Intriguo  s.  Ulmann  153  ff.  Weiteres  über  die  Wahl  in  meiner  Reichs- 
geschichte, Bd.  II. 

'-  Vgl.  Ulmann  S.  144. 


605 

Es  hat  aber  demnach  —  um  noch  einmal  zusammenzu- 
fassen •  —  der  Kaiser  von  Haus  aus  der  Wahl  seines  Sohnes 
nicht  Mriderstrebt,  sondern  sie  herbeizuführen  gewünscht,  frei- 
lich zur  rechten  Zeit  und  unter  günstigen  Umständen,  —  er 
hat  sie  nicht  erst  ,ganz  seit  Ende  1485^,  sondern  lange  zuvor 
gebilligt  und  seit  dem  Sommer  1485  geradezu  persönlich  be- 
trieben, —  es  hat  nicht  Maximilian  allein  den  Kurfürsten  den 
Preis  gezahlt,  sondern  mehr  noch  Kaiser  und  Reich,  —  und 
ist  endlich,  was  den  , Aufwand  an«  kleinen  Mitteln  der  Be- 
stechung^ betriflft,  denn  doch  die  Wahl  Maximilians  I.  hinter 
sehr  vielen  anderen  zurückgeblieben. 


Ausgegeben  am  14.  October  1890. 


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