Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
<. A>. ^v.,^^4*r^
Archiv
A
^
^
-i
für
österreichische Geschichte.
Herausgegeben
vou der
zur Fliege vaterlandisd
»chichte auli^estelllen Commisslon
it i\i
lii
kai8erllchen
S^aats-Oberrealsct
kadomitt d^P l^i^Vflchaftoii.
Kar N
Sechsundsiebzigster Band.
Erste Hälfte.
r-'-
^ -7
^^¥
Wien, 1890.
in C' o m ni i X 8 i o u bei V, T e iii p m k y
Bacbhlmllcr d«r lula. AkwUmi« J*r Wu#«ii>eli*A«u
STANFORD UBRARY
OCT 10 1962
lA«'*«^
V, 7 ^
I
Druck von Adolf Holzhausen,
k. und k. Hof- und UniT«niUts-Buchdracker in Wien.
Inhalt des scchsnudslebzigstcn Bandes.
Erste Hälfte.
Seite
Die Augsburger Allianz von 1686. Von Dr. H. v. Zwiedineck-
Südenhorst 1
Ueber den Zug Kaiser Karls V. gegen Algier. Eine Untersuchung
von Dr. Gustav Turba 25
Briefe der Kaiserin Maria Theresia und Josefs II. und Berichte des
Obersthofmeiaters Grafen Anton Salm (17. März 1760 bis 16. Jänner
1705). Aus dem Fürstlich Salm'schen Archive zu Raitz. Mit-
getheilt von Dr. phiL Franz Zweybrtlck 109
Jotfef Freiherr von Simbschen und die Stellung Oesterreichs zur ser-
bischen Frage (1807 — 1810). Von Dr. Franz Ritter von
Krones ^ 127
-=^?30-
DIE
AUGSBURGER ALLIANZ
VON 168«.
VON
D« H. V. ZWIEDINEOK-SfDENHORST.
Arcbiv. Ud. LXXYI. I. Hälfte.
Ueber die Anregungen und Vorverhandlungen zu dem
am 9. Juli 1686 zu Augsburg abgeschlossenen AUianztractate
war bisher sehr wenig bekannt. Mit Recht konnte Richard
Fester in seiner 1886 erschienenen werth vollen Arbeit über
,Die armirten Stände und die Reichskriegsverfassung' (1681 —
1697) die Behauptung aufstellen, ,der grosse Augsburger Bund
von 1686 stehe auf einmal fertig vor uns da, ohne dass irgend
etwas Zuverlässiges über seine Anfänge bekannt geworden
wäre', indem er gleichzeitig darauf hinwies, dass auch ,der
neueste Bearbeiter dieser Epoche von holländischer Seite, der
Biograph Wilhelms von Oranien, P. L. Müller, keinen Aufschluss
darüber zu geben vermochte, ob Oranien die eigenthche Trieb-
feder des Bundes gewesen sei', was von mancher Seite be-
hauptet worden war. Wenn ich es irgend vermeiden konnte,
wollte ich mich in einer zusammenfassenden, wenn auch sonst
nicht auf archivalischen Quellen beruhenden Darstellung der
deutschen Politik jener Zeit doch der Noth wendigkeit entziehen,
es bei der EIrwähnung dieses Mangels an Wissen bewenden
zu lassen, weshalb ich mich zu dem Versuche entschloss, im
kaiserlichen imd königlichen Staatsarchive nach jenen Acten
Umschau zu halten, welche die erwünschten Aufklärungen bieten
würden. Der Versuch gelang ohne besondere Schwierigkeit,
da der Fascikel 150 ,Frieden8acten' das wesentliche auf die
Allianz Bezug nehmende Material vereinigt und somit die
Durchsicht desselben meinen Anforderungen genügen konnte.
Im Folgenden erlaube ich mir eine gedrängte Zusammen-
stellung der flir die Reichsgeschichte nicht unwichtigen Ver-
handlungen und Abmachungen auf Grund der von mir ein-
gesehenen archivalischen Quellen zu geben. Die wörtliche
Wiedergabe von Actenstücken schien mir zu dem angedeuteten
Zwecke einer vorläufigen Information nicht erforderlich; ich
1»
lu soluiinko luioli dahor in dor Bi-5la^o auf die Veröffentlichung
t'UiON oinrijr. n SolmiUons, da^ naoh Form und Inhalt gleich
iHinorkotisworih ist und dm Standpunkt vortrefflich kenn-
/.»irhnoi, Nxolohoti die l>ipIoniaTio Ludwiirs XIV. wälirend der
isM\»Nsion Maohtontlahunj: Krankrt iohs einnahm. Es konnte nicht
nunio AufaraUo ^oir,, alle Kiiden auizudeiken und zu verfolgen,
duivh wolehe die hier ct^sohildene Aeiion mii allen übrigen
y.eH^ONohieluH\ heu V.^rirauo^r. Äusainm^nhäuül : ich musste dies
emor auf eiuÄj^^heudtnu l^u eil er- Studium hejrnindeten Geschichte
*ler Ixeporuuir l.eojMlds 1. iilHrl,M^Mn. die ja doch endlich in
Aujfrirt ^euouuueu wor^io« uiusjs ia — wenn A. Pribram seinen
K^N^SNou AUMohiou ir**«t>^u WeiWn kann — nicht mehr allzu-
l«n^o auf sioh >\ arten la>s-on winl
\\\\ Wuuer >\>u It^^ auf It^N.^ war in Deutschland der
^Mau\M> au eiue Uujjvrx^ l^uer d«>ts FTienion^zustandes mit Frank-
»>^ieh NehxNu >ehr er>ehnttert. M:t irTv>>*om Vertrauen hatte ja
^'^^^h Nu^u^au^) den AWehht^s^ dt>s x^nrazi^ii^^duigen Waffenstül-
Maudoj* >xxm Uv Au^j^f^^st It^ au^^ni^mm^n, derjenige am
>>euv^>toi^^ der NS'h au^, n\o*tt".\ danir.i K^mühi hane: der grosse
KuvUu^l >x\u U^\^v,dev,l>u)x Ka^ hanx^ durch den W'affenstili-
*l^U\l deu iK^jxjHolk^^e^j: j:x>4ivr- Frtv.kTo::c^4 und die THrkei anter
MU^uuM^i^eu \ e\^^,^hv,>s>vv» \*^n^^e:*5er, ^r*d eiiK^ Frist gewinnen
^^^'^U^^u, um sl\x^ U> '-^ehuix^^r. v,v.t>^r »ur. deuts^chen Mächten zum
i*>\\vke dev Wah^N^v^^^ xiev Ke^K<::'iHro5!Är. umxnppstdten. Seine
\ \^U^u\Jmv\\\v>; u\^j \V\x^-*it\^v)i *ÄSeT dx rftTkeaihiho, das darauf
t^^(vo>ud>^ U^lu>r/.;N^ ««t s?.^*/, Ka>>»er >*-aren der Ausdruck einer
^\^^^^k, d^e er >n^^> *^v^ .Uhrvv>,r,w^r, ak dk riohti« erkannt,
\lse f^*^..uh4)\N \\ ^)^^.^^, ss\,v\ .5,r v::v^rv:be A>i>M:}ihiss des Friedens
N\vu ^\m^^^^*^^^ e,^^v,^V\-^ <vv,',AO>;t V^ano.. Im Sommer 1686
*\n)Unu ^v^\»,n^ S>^Me^> ^N^y^v-Ä ar, .v-r IVsT^aii Ar die Wieder-
>v\\\NS^\^\'v d^.x K,vv;*nnn^> Tr-^rr. .^^vk da* Kaiserhaus in
><vs\ Kv \vi .aVv ^n?^ ^ar »Ä <Nr^*nrÄ, ,-.as> jk^ier Erfolg, der
\Kv\* H^-^vs-;, n\a,nUn sM'-.o -iNNv Vrry^iTTu: fhr LTidwic XIV. sein
N\\\\\l%s A^\ N^^'-^ r^.sL-v ,\,\x ,^H'^nvi>rc K*n-)K-> lYrapensationen
^Vv sNi^>^v>i>>>^ \l>v:vv.y»t ^; lV«iÄ->.kn*i machu- ans
[K^>^^vAvs5 .V, > iNsvi>#.-T. ^arnals^ ^tts Twilauf gehetzten
1^
Unter diesen Umständen war es nicht anders zu erwarten,
als dass diejenigen Reichstheile, welche von einem Einfalle fran-
zösischer Heere zunächst betroffen werden mussten, an die
Vorbereitung der Gegenwehr dachten. Vom Reichstage, der
die Berathung des punctum securitatis wiederholt auf die Tages-
ordnung gesetzt, die endgiltige Erledigung desselben aber noch
niemals versucht hatte, war nichts zu hoffen. Die Kreise muss-
ten trachten, sich auf dem von ihnen schon mehrmals betretenen
Wege der Association und gegenseitiger Besitzstandsversiche-
ningen so gut als mögUch selbst zu helfen. Sie konnten es
auch nicht ausser Acht lassen, sich rechtzeitig der Hilfe des
Kaisers und anderer Potentaten zu versichern, wie es durch
Waldecks Vermittlung 1682 zu Laxenburg geschehen war. Im
December 1G85 wurde in der Versammlung des fränkischen
Kreises der Wunsch nach Berathungen und Verabredimgen
wegen Erhaltung des Friedens ausgesprochen. Graf Ludwig
Gustav von Hohenlöhe-Schillingsft'u'st, kaiserlicher Gesandter
beim fränkischen Kreise,^ machte darüber Mittheilungen nach
Wien und veranlasste dadurch, dass am 7. Jänner 1686 an die
Directoren des oberrheinischen Kreises, Fulda und Hessen-
Kassel, und am 12. d. M. an Sachsen-Eisenach und Sachsen-
Gotha kaiserliche Decrete mit der Einladung ergingen, im
Monate Februar Bevollmächtigte nach Nürnberg zu senden, um
sich dort an den vom fränkischen Kreise gewünschten Ver-
handlungen zu betheiligen. Es ist nicht anzunehmen, dass man
in Wien ernstlich an das Zustandekommen der Versammlimg
schon im Februar geglaubt hat; der kurze Termin weist jedoch
darauf hin, dass man die Angelegenheit mit einer gewissen
Frische zu betreiben entsdilossen war. Die Zusage der ober-
rheinischen Directoren erfolgte am 1., die des Herzogs Friedrich
von Sachsen- Gotha am 26. Februar.
Mittlerweile hatte Graf Hohenlohe unter dem 13. Febniar
ein von ihm ausgearbeitetes Allianzproject der kaiserlichen Re-
gierung vorgelegt. Er ftihrt darin aus, dass die Reichsconstitution
und die Reichsexecutionsordnung die Stände ohnehin schon
* Iniliot-Koeller, Notitia proceruiu, lib. VIII, cap. V. Ludwig Gustav, Sohn
dos katholisch gewordoueu Grafen Georg Friedrich, war geboren 8. Juni
1634, in erster Ehe mit Gräfin Marie Eleonore v. Hatzfeld, in zweiter
mit Gräfin Anna Barbara v. Schnnborn vermählt, und starb 21, Fq«-
bniar 1697.
verpflichte, sich bei Bedrohung und Verletzung ihrer Gebiete
gegenseitig Hilfe zu leisten;. es handle sich demnach zunächst
nur darum, die Specialcasus, wann die Hilfe geleistet werden
solle, festzustellen. In der gegenwärtigen Lage komme es vor
Allem darauf an, die Grenzen derart mit Truppen zu besetzen,
dass dieselben bei drohender Gefahr sofort zusammengezogen
werden können. Die Mannschaft muss alljährlich campiren und
inspicirt werden. Ein General-Feldmarschall sei zu erwählen,
zu verpflichten und zu bezahlen, eine gemeinsame Kasse ein-
zurichten, Magazine müssten in Stand gesetzt werden. Die Ver-
theidigungsmassregcln hätten sich nach den Anordnungen des
zuerst verletzten Reichsstandes zu richten. Die von den Ver-
bündeten ins Feld zu stellende Mannschaft berechnet Hohenlohe
nach dem Fusse des sechzigsten Mannes
für den Kaiser 16.000 Mann
„ Schweden (nach eigenem Antrage) . 10.000 „
„ Kurbayem (ohne das Kreiscontingent) 8.000 „
„ Burgund (Spanien) 6.000 „
„ den fränkischen Kreis 4.000 „
„ den schwäbischen Kreis 6.000 „
„ den bayerischen Kreis 2.000 „
den oberrheinischen Kreis mit Hessen-
Kassel 4.000
n
„ die fürstlich sächsischen Häuser . . 2.000 „
zusammen mit 58.000 Mann.
Die Allianz habe so lange zu dauern, bis punctum securitatis
in Kegensburg ausgemacht ist. Sämmtliche Keichsstände können
zu derselben eingeladen werden.
Am 25. Februar wurde dem Grafen, der persönlich mit
den kaiserlichen Käthen in Wien verhandelt zu haben scheint,
ein Decret zu ,seiner Abschickung und ferneren Verrichtung'
ausgestellt. Er wird darin beauftragt, den ausschreibenden
Fürsten und Directoren des fränkischen und obeiTheinischen
Kreises, sowie allen übrigen Fürsten, für welche er Creditive
besitze (Kurpfalz, Bamberg, Würzburg, Bayreuth, Anspach,
Kassel, Darmstadt, Fulda, Eichstädt, Deutschmeister, Kur-Trier,
Köln, Mainz), zu eröffnen: Es sclieine, dass die Krone Frank-
reich gegen Holland, die Schweiz, absonderlich die Stadt Basel,
die österreichischen Vorlande, Kostnitz und Kurpfalz, Krieg
^nhrcn wolle. Dagegen musa.? mau sich liei Zeiteu diirfh recht-
BcKaffene Vereinbamng; befpstigcn. Dio Pfal» sei am meisten
■bedroht. Man dürfe auf Seiten der Stände mit der Hilfe-
HuBtung nicht warten, bis kaiserliche Truppen ins Reich kommen,
nrns bei wahrendem Tllrkenkriege ^anz unmüglieh sei, sondern
BlBflBse die vorhandenen Mannschaften sofort gebrauchen, Kost-
ItUtz, Itheinfelden, Mannheim, Frankfurt, Philippsburg, Mainz
■■■ B. w, besetzen und dem Kurfilreten von der Pfalz Hilfe zur
Bferfllgung Btellen. Da man über Bayerns Intentionen noch nicht
^Qllig aufgeklärt sei, so könne man dem Grafen noch keine
deBnitire Instruction ertheilen, er solle jedoch hei Fltrsten und
LStänden das Interesse fiir das Bilndniss befördern. Wenn das-
selbe nicht zu Stande kÄme, müsste sich der Kaiser mit einigen
müchtigen Kurfiirsten und Fürsten des Reiches verbinden und
dann zugeben, dass die minderen zu Quartieren und Contribu-
tioncn herbeigezogen werden. Die C red enzscb reiben fllr die rheini-
ftcben Kurfiirsten werden dem Grafen nur cventualiter mitgegeben,
denn es sei nicht rathsam, dieselben in das Ulindniss nufznneh-
piaeD, da Frankreich dies als Feindsehgkeit aufnehmen könne.
Nachdem Ilohenlohe diese Instruction und dio ihm dnrch
IJecret vom 36. Februar angewiesenen Reise Vorschüsse in Em-
■pfang genommen hatte, trat er den Rtlckweg ins Reich an.
Am 12, März meldete er aus Nürnberg, dass der Convent da-
selbst nicht stattfinden werde und dass man neuerliche kaiscr-
Kehe Excitatoria erwarte. Bayern wünsche Augsburg als Ver-
sammlangsort. Zu Ende des Monates war er in Frankfurt am
I Main, von wo er ddo. 30. d. M. über die Stimmung in ileidel
■^erg berichtete. Der franztisische Gesandte habe den Kurt\trsten
^Hb«r versichert, er hlitte von seinem Könige keine ,TbätIich-
^Hnff zn befilrchten, dennoch sehe der Knrfllrst ein, ,dftss die
^tlefahr und der Schaden augcnblickbch zugleich kommen kann',
upd sei entschlossen, vom fritnkischen und oberrheinischen
Kreise 2000, von den Lüneburgiscben Häusern und Kurbayem
etliche hundert Mann als Besatzungen in seine Lande zu nehmen.
Hobenlobe erklärt, er sei im Begriffe, sich zn den drei geist-
lichen Kurfiirsten zu begeben, werde jedoch auf seiner Rück-
reise nach Augsburg nochmals in Heidelberg vorsprechen.
Wodurch man sich bestimmt gesehen bat, die gegenüber den
I rheinbchcn Hilfen gebotene Vorsicht, welche in der Instnicitoii
^HSstn 25. Februar Ausdruck fand, ausser Acht zu lassen, ^^iH
^mei
H)e{
8
aus den Acten nicht hervor. Es ist möglich^ dass die letzten
mlindlichen Aufträge, welche Hohenlohe in Wien entgegen-
genommen hat, ihm grösseren Spielraum gewährten, und dass
er aus den bereits gepflogenen Besprechungen mit anderen
Rcichsständen die Ueberzeugung gewonnen hat, man dürfe die
rheinischen Höfe nicht ohne Verständigung lassen. Es ist aber
auch nicht ausgeschlossen, dass er im Eifer ftlr sein Project
etwas weiter gegangen ist, als man in Wien für gut fand; min-
destens hat man ihm von dieser Seite den Vorwurf gemacht,
er habe das Geheimniss, in welches die vorbereitenden Schritte
zu der neuen gegen Frankreich gerichteten Verbindung gehüllt
sein sollten, nicht genügend gewahrt.
Ein kaiserliches Schreiben an Hohenlohe vom 5. April
beginnt mit folgendem nicht sehr gUmpf liehen Tadel: ,Wir
mögen Dir gnädigst hiermit nicht bergen, dass Wir ganz un-
belicbig vernehmen müssen, welchergestalt jeniges Projekt zu
einer Bündnus und Zusammensetzung des franckischen mit
denen benachbarten Kreisen, auch fremden Potenzen zu Ke-
gensburg, auch anderwärts also unzeitig ausgebrochen und diviü-
girt worden, dass es bei der Krön Frankreich eine ungemeine
gelosia erwecket und die von selber bisher vornehmende ÜLriegs-
zubereitung allein durch diesen Vorwand bemäntelt werden
wollen. Wann nun dieses und der Franzosen auf denen GrÄn-
zen hin und wieder zusammenziehendes Kriegsvolk bei des
Kurflirsten zu Pfalz Liebden eine sothane billige apprehension
verursachet, dass uns dieselbe beweglichst ersuchet. Wir ge-
ruheten der Krön Frankreich alle Veranlassung zu einem ge-
waltthätigen An- und Überfall zu benehmen, bevorab da die
vorhabende Zusammensetzung zu Nieraands Beleidigung, son-
dern blos zur Rettung und Sicherheit des Teutschen Vaterlandes
abzielet, und bisher noch in lauter Weitläufigkeit bewendet,
woraus kaum sobald ein rechtes compositum zu hoffen. So haben
Wir den zu diesem Ende auf die Bahn gekommenen- Vorschlag
Uns gnädigst gefallen lassen.^ Gleichzeitig wurde dem Grafen
mitgetheilt, dass ,die Commission hinsichtlich der neuen Allianz
bei denen am Rheinstrom benachbarten Fürsten^ dem Gouver-
neur von Philippsburg, Maximilian Johann Graf von Starhem-
berg, übertragen worden sei.
Hohenlohe war aber mittlerweile bereits mit den rheini-
schen Kurflirsten in Verkehr getreten. Er berichtete am
9
13. April aus Frankfurt über eine Unterredung mit dem Kur-
fiirsten von Mainz, der ihn sofort über die Allianz befragt habe.
Der Kurflirst erklärte, er wolle sehen, was man zu Augsburg
machen würde, hernach werde er. sich resolviren. Als er
(Hohenlohe) von Köln zurückgekommen, ,haben die französi-
schen Ministri so stark dagegen laboriii;, dass der Kurftlrst ganz
irre geworden und gesagt, man solle abwarten, bis das punctum
securitatis publicae könnte eingerichtet werden'. Bei Kur-Köln
gehe Alles auf den gleichen Schlag, Kur-Trier habe die kaiser-
liche Proposition mit Freuden und Consolation angesehen.
Auf den Vorwurf der Indiscretion antwortete Hohenlohe
zuerst am 20. April mit der Erklärung, dass er das Allianz-
project nur dem kurbayerischen Gesandten in Regensburg mit-
getheilt habe. Die Sache war aber damit nicht abgethan, da
sie in Wien noch immer weiter verfolgt wurde. Sie bildete
den Gegenstand einer Conferenzberathuug am 22. April. Der
darüber an den Kaiser gerichtete Bericht enthält zunächst eine
Wiederholung der Meldungen Hohenlohes über seine Bespre-
chungen mit den ßeichsständen, wobei noch die Bemerkung
gemacht wird: ,In Regensburg habe der von Jena des Kur-
fiirsten von Brandenburg tägUch zunehmeixde Devotion zu kai-
serlicher Majestät treffUch contestirt und erinnert, dass die katho-
lischen Eidgenossen der AlUanz beizutreten bewogen werden
mögen, denn die protestireudc wolle der Kurfürst zu disponiren
suchen.' Die geheimen Conferenzräthe Graf Königseck und
Graf Strattmann gaben ihr Votum dahin ab, die kaiserlichen
Excitationes seien abzusenden, und zwar mit der Bestimmung,
dass die Zusammenkunft in Augsburg am 24. Mai oder 8. Juni
stattzufinden habe. Das Ausschreiben sei mit- Behutsamkeit zu
verfassen, ,damit es bei der Krön PVankreich nicht pro novo
classico cantu aufgenommen werden könne'. Hohenlohe aber
sei anzuweisen, sich in dieser delicaten Sache mit gebührender
£ehutsamkeit zu verhalten, ,masscn seine des Grafen von
Hohenlohe zu Regensburg vorher gebrauchte Vertraulichkeit
kündlicher Massen misbraucht und in lauter (^ift verkehrt
worden. Es blieben zwar des von Jena gethane contestationes
dahingestellet, ob sie aus rechtschaffenem Gemüt candide ge-
meint seien oder nicht; jedennoch aber würde Er Graf von
Hohenlohe inskünftig sich besser vorsehen müssen, ehe und
bevor er sich einem Jeden also eröfftic und biosgebe, gestalten
10
sein abgefasstes Allianzproject noch vor seiner Abreise dahier
dem kurbrandenburg. Gesandten von Schmettau ganz intem-
petive zu Händen gekommen, dem Jena communicieret und
durch diesen dem Verius ^ wiederum beigebracht worden, wel-
cher seine glossulas cavillatorias et ludibria darüber nicht ge-
spart/ Die deputirten Rilthe beantragten, dem Grafen ftir den
Augsburger Tag noch besondere Instructionen zu ertheilen und
ihm den Reichshofrath Sailer an die Seite zu geben. Die Ab-
sichten des Kaisers seien dem in Wien anwesenden spanischen
Botschafter, dem Grafen von Mansfeld in Spanien, dem Grafen
von Windischgräz in Kcgensburg, dem Grafen von Nostiz in
Schweden, dem Grafen Clary in Dresden, dem Baron von
Fridag für Berlin und die fürstlichen Häuser Lüneburg bekannt-
zugeben, umsomehr, als sie den geistlichen Kurfllrsten schon
,erinnert^ worden. Es sei die Frage aufgeworfen worden, ob
der fränkische Kreis, von welchem Pfalz nur 500 Mann be-
gehre, nicht ein paar tausend Mann nach Ungarn senden könne.
Dagegen habe Kur-Trier geltend gemacht, da Brandenburg und
Sachsen so ansehnliche Hilfe wider den Erbfeind stellen, möge
man die fränkischen Völker zur Sicherung des Rheins und der
Feste Ehrenbreitstein verwenden.
Bemerkenswerth ist in den Ausführungen der Herren Con-
ferenzräthe das Misstrauen gegen die brandenburgischen Diplo-
maten. Die Haltung Jenas in Regensburg dürfte noch keine
der kaiserlichen Politik ganz freundliche gewesen sein, denn
Jena konnte nicht wissen, dass der Abschluss des branden-
burgisch-österreichischen Bündnisses in naher Aussicht stand.
Gerade in den Tagen, in welchen Graf Hohenlohe sein Allianz-
project an den fränkischen und rheinischen Höfen empfahl,
setzte Baron Fridag in Berlin das verhängnissvolle Intriguen-
spiel wegen des Schwiebusscr Kreises in Scene; am 22. März
erst wurde der neue Vortrag mit dem Kaiser von Friedrich
Wilhelm unterzeichnet; ei'st am 18. Mai erfolgte die Ratification
in Wien.
Graf Hohenlohe rechtfertigte sich in freimüthiger Weise
hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Unvorsichtigkeit im Verkehre
mit fremden Diplomaten. Den kurbrandenburgischen Residenten
* Ludwig; Verjufl, Graf von Crecy, königlich französischer Gesandter beim
Reichstage in Regensburg.
11
von Schmettau, schrieb er am 11. Mai aus Frankfurt, kenne
er nicht, er habe auch sein Lebtag keine Correspondcnz mit
ihm gepflogen. Mit Jena habe er sich in Regensburg nicht
mehr herausgelassen, als zu dessen Information unumgänglicli
nothwendig war. Brandenburg* müsse übrigens Alles, was dem
fränkischen Kreise mitgetheilt wird, durch die beiden branden-
burgischen Häuser erfahren. Er habe sich gar nicht bioss-
gegeben, sondern zu präcaviren gesucht, damit nicht wieder von
diesem, gleich von dem vorigen Laxenburger Allianzwerk un-
gleiche und schädliche Gedanken entspringen mögen. Uebrigens
richte die allzugrosse Behutsamkeit in dergleichen ,publiquen
Affairen', welche, weil sie durch ganze Kreise gehen, vorhin
nicht allzuwohl verborgen bleiben können, bisweilen mehr
Schaden und Diffidenz als Nutzen an, was man bei Aufrichtung
des vorigen Bündnisses genugsam gesehen habe.
Die letzte Instruction für die Augsburger Verhandlungen
wurde am 21. Mai an Hohenlohe und Johann Friedrich von
Seilern ^ erlassen. * In derselben wird zunächst auf die NützHch-
keit des Laxenburger Recesses hingewiesen. Da derselbe nun-
mehr ,exspirirt' sei, solle auf dem Augsburger Congress eine
neue Verbindung geschaffen werden, als deren Zweck ,Schutz
der Reichsstände gegen unverhofften Ueberfall und Vergewalti-
gung^, Wahrung des westphälischen und Nymweger Friedens,
sowie des Waffenstillstandes mit Frankreich bezeichnet wird.
Oesterreich bietet zu dieser Sicherung des Reiches trotz des
Türkenkrieges 16.000 Mann. Die übrigen Conditionen könnten
nach dem Laxenburger Recess oder nach dem Hohenlohe'schen
Project eingerichtet werden. Spanien und Schweden sollen in
den Tractat eingeschlossen oder ihnen wenigstens der Beitritt
offengelassen werden. Die Candidatur des Markgrafen Christian
Ernst von Bayreuth als General der Cavallerie für die Kreis-
völker sei zu unterstützen. Der Kurfürst von Bayern habe
ursprünghch geglaubt, der Kaiser wolle ihm die Direction bei
* £b kann nur Johann Friedrich I. gemeint sein, der 1675 aus der Pfalz,
wo er am Hofe des Kurfürsten Karl Ludwig- eine hervorragende Stellung
eingenommen hatte, nach Wien gekommen und von der reformirten zur
katholischen Religion übergetreten war. Am 28. October 1G84 war er
in den Rcichsritterstand erhoben worden, wurde 1693 Freiherr, 1713
sammt seinem Neffen und Adoptivsöhne Johann Friedrich II., der 1675
geboren ist, Reichsgraf.
12
dem Augsburger Convent zuweisen, es wurde ihm jedoch bei
seiner Anwesenheit in Wien erklärt^ dass dies wegen der iin-
katholischen Stände nicht angehe.
Am 14. Juni meldeten Hohenlohe und Seilern ihre Ankunft
in Augsburg und übersendeten die Copie der Instruction, welche
die Gesandten des fränkischen Kreises mitgebracht hatten. Am
21. Juni war bereits die Mehrzahl der Abgeordneten in Augs-
burg versammelt. Ihre Stimmung wird als eine sehr günstige
bezeichnet. Schwierigkeiten seien nicht zu erwarten. Bald
stellte es sich jedoch heraus, dass die Gesandten des schwäbi-
schen Kreises sich in nichts Weiteres, als in die Erneuerung
des bestehenden Bündnisses einlassen und keinen Zusatz zu-
gestehen wollten, welcher darauf hindeute, wen die Allianz in
oder ausserhalb des Reiches angehe. Auch die kurfürstlich
bayerischen Räthe in München (der Kurfürst war bei der Armee
in Ungarn) trugen Bedenken, die Bayern zugemutheten Lasten
bedingungslos auf sich zu nehmen. Schweden war nicht in der
Lage, eine bestimmte Truppenzahl zu nennen. Salzburg hatte
schon am 9. Mai erklärt, es könne sich an der Allianz und
also auch an dem Augsburger Tage nicht betheiligen, da es
alle seine Kräfte für die Hilfe gegen die Türken aufgewen-
det habe.
Trotzdem kam der AUianztractat in unerwartet kurzer Zeit
zu Stande. Er wurde am 9. Juli von den Gesandten des Kai-
sers, der Krone Spanien (für den burgundischen Ki'eis), Schwe-
dens, Bayerns und des bayerischen Kreises, des fränkischen
Kreises und der sächsischen Herzoge unterzeichnet.^ Ein von
demselben Tage datirter Nachtragstractat enthält die Erklärung
von Kurpfalz, der gegenwärtigen Bundeseinigimg demnächst
beizutreten, und Bestimmungen über die Vertheilung der Be-
satzungstruppen, welche Pfalz zur Verfügung gestellt werden
sollten. Am 17. Juli meldeten die oberrheinischen Kreisstände,
deren Verpflichtung im Tractate bereits ausgesprochen war,
ihren Beitritt-, am 6. August konnte Seilern aus Heidelberg
melden, dass Kurpfalz sich der Allianz anschliessen und 1000
Mann' zu Fuss und 400 zu Pferd dazu stellen wolle. Der In-
halt des Tractates wich von dem Hohenlohe'schen Projecte nicht
* Der Abdruck bei Lünig, Reichsarchiv, p. Spec. 1, p. 337 u. s. f. entspriclit
dem im Wiener Staatsarchiv erliegenden Originaldocument.
13
wesentlich ab. Von Wichtigkeit war die Bestimmung im
Punkte in, dass die Hilfe schon bei drohender »Gefahr und
nicht erst nach erfolgtem Ueberfalle geleistet werden müsse.
War der Angriff auf einen der Bundesverwandten schon in
Ausflihrung gekommen, so musste der Friedensstörer von Bundes
wegen abgemahnt und eine Bundesversammlung zur Berathung
der einzuleitenden Schritte einberufen werden. Die Stelle eines
Höchstcommandirenden des Bundesheeres wurde nicht definitiv
besetzt. Es heisst nämlich im Punkte IX: ,So hat man von
Seiten gesammter höchst- und hoher Bundes -Verwandten dafür
gehalten, dass förderist auf Ihro kurftirstl. Durchl. zu Bayern,
sowohl wegen verschiedener anderer hohen Considerationen, als
ftlmemlich wegen dero in so vielen Gelegenheiten dem Rom.
Reich und gemeiner Christenheit zum besten bereits erwiesenen
und noch gegenwärtig erweisenden Helden-Muths, zu reflec-
tiren, annebenst aber Ihro HochftLrstl. Gnaden zu Waldeck
zum General-Feldmarschall, Ihr. Hochf. Durchl. zu Branden-
burg-Bayreut zum General von der Cavallerie, und zum General-
Wachtmeister zu Fuss den General- Wachtmeister Hans Karl
von Thtingen . . . von nun an benennet.^ Die Unterscheidung
zwischen ,reflectiren^ und ,benennen^ war, wie sich aus dem
Folgenden ergeben wird, keine blos stilistische Abwechselung,
sondern eine absichtliche und bedeutungsvolle.
Wenn auch Herr Johann Rudolf Wämpel ftlr Kurbayem
und den bayerischen Kreis den Tractat unterzeichnet hatte, so
war die Mitwirkung des Kurflli'sten doch noch nicht als gesichert
zu betrachten. Max Emanuel schrieb am 7. Juli aus dem Lager
von Ofen an den Kaiser, er wolle die ihm auferlegten 8000 Mann
nur stellen, wenn der Kaiser den Subsidienvertrag von 1683,
welcher in 1 Yj Jahren ausgehe, auf die drei Jahre, fllr welche
das Augsburger Bündniss aufgerichtet ist, verlängere; auch er-
warte er zuversichtlich, dass ihm das Generalat übertragen
werde. Für diese Zugeständnisse waren jedoch die geheimen
Räthe in Wien nicht eingenommen. Die Conferenz erstattete
am 22. Juli ein Referat an den Kaiser, welches sich ausschliess-
lich mit der neuen Allianz beschäftigte. Sie sprach zunächst
die Meinung aus, man solle sich um den Beitritt auswärtiger
Mächte nicht weiter bewerben. Der spanische Gesandte habe
selbst vermeint, dass man das Allianzwerk nicht durch das
jedenfalls fruchtlose Bemühen stören solle, die ausser dem Reiche
14
gelegenen Lande Spanien, Schweden und die Generalstaaten
einzuschliessen. Der Minister der Generalstaaten sei einige
Tage vor dem Abschlüsse nach Augsburg gekommen, habe je-
doch die Inclusion nicht begehrt. Er sei nur über Anregung
des Grafen Windischgrätz für seine Person und ohne Befehl
seiner Principale nach Augsburg gereist. Der Herzog von
Holstein-Gottorp (der sich damals wieder neuen Bedrückungen
durch Dänemark ausgesetzt sah) habe um Aufnahme in den
Tractat und Zusicherung des Status anni 1675 angesucht, wor-
auf ihm schriftlich geantwortet wiu*de, ,dass, wie man sich aller-
seits des §.17 des aufgerichteten Recesses (durch welchen die
Aufnahme neuer Bundesmitglieder dem Kaiser eingeräumt wurde)
erinnerte, also zweifele man nicht, der Herzog werde sich be-
lieben lassen, sich bei kais. Majestät darunter weiter aller-
unterthänigst anzumelden und zugleich gegen dieselbe, wie auch
bei dem zu Nürnberg bevorstehenden franckischen Kreis Convent
gegen selbige und andere sich vermuthHch dort einfindende
Gesandtschaften und Alliirten ratione quanti et reliquorum prae-
standorum in specie zu erklären.^ Die Gesandten des schwäbi-
schen Kreises meinen, wenn nur noch einige mächtige Reichs-
stände beitreten, so werden sie gewiss nicht die letzten sein.
Wegen der kurbayerischen Forderungen sei zu erinnern, wie
beschwerlich das bayerische Generalat im schwedischen Kriege
gefallen sei, sowie, dass der Kaiser durch Erhaltung eines
Corps von 16.000 Mann aus eigenen Mitteln ohnehin das Meiste
leiste. Man solle bedauern, dass des Kurfürsten Schreiben erst
zwei Tage nach Unterfertigung der Tractate angelangt sei,
und dem Kurfürsten bedeuten, dass bei seiner Anwesenheit in
Wien noch über ein und anderes weitläufiger conferirt werden
könne. ,Was Holstein-Gottorp anlangt, ist die gehorsamste De-
putation der Meinung, dass nachdem E. kais. Majestät vermöge
art. secreti des mit Schweden habenden Tractates (vom 12. Oc-
tober 1682, Art. XDt) verbunden sein, dem Herzoge zu dem
Seinigen zu verhelfen, man diesseits keine Difficultät zu machen
habe, ihn in diesen Tractat einzunehmen, sondern es sogar gut
sein würde, dass Sie durch mehrere Reichsstände dazu autori-
sirt würden.^
Die Ansicht der deputirten Räthe über das Gedeihen des
Bundes war damals eine äusserst günstige; man rechnete schon
auf den Beitritt Sachsens und Brandenburgs, da es in dem
15
Referate schliesslich heisst: , Weilen auch die KurfUrsten zu
Sachsen und Brandenburg bisher diese Augsburgische Versamm-
lung und die dabei gehabte Intention nicht zu improbiren, son-
dern vielmehr im guten Ausgang zu wünschen gezeigt, so
könnte denenselben gleichfalls, respective durch den Grafen
Clary und Baron Freytag (Fridag) davon eine Abschrift eom-
municirt und Sie beide zu gleichmässiger Accession eingeladen,
insonderheit aber dem Kurfürsten von Brandenburg für die in
Beförderung dieses Werkes namens der Anspachischen Pupillen
beigetragenen officia E. kais. Majestät aggradiment durch den
Baron Frey tag gezeigt werden/
Am 24. August lief die Ratification des Recesses durch
den oberrheinischen Kreis und die westerwaldischen Stände,
durch Spanien und Bayern ein; am 26. August erklärte sich
der fränkische Kreisconvent zu Nürnberg bereit, die Hilfe für
Pfalz auch an das Hnke Rheinufer marschiren zu lassen, die
Accession von Pfalz und Holstein anzunehmen; das Hochstift
Würzburg, welches sich in Uneinigkeit mit dem Kreise befand
und sich von ihm getrennt hatte, wollte zu Zwecken der
Allianz ein Regiment errichten. Vom September ab ging die
Angelegenheit jedoch entschieden rückwärts. Schweden kam
(18. September) mit der Erklärung, es könne sich vorläufig auf
nichts weiter als auf seine Matrikularb ei träge einlassen. Max
Emanuel von Bayern verlangte (23. September) neuerdings eine
kaiserliche Resolution wegen der Subsidien. Am 30. October
berichtete der österreichische Principalgesandte am Reichstage,
Graf Windischgrätz, es seien Abgeordnete der Stadt Nürnberg
bei ihm gewesen, welche ihrem Befremden darüber Ausdruck
gegeben hätten, dass man wegen ,Vollendung der Augsburgi-
schen Allianz' weder Kreistage noch andere Zusammenkünfte
veranlasse. ,Inmittel8t brächten die Widrige sowohl dem fi'än-
kischen als schwäbischen Kreise sorgliche Gedanken bei, als
ob das ganze Werk, nur in selbigen Gegenden Quartier zu
machen, angesehen, welches er (Windischgrätz) ihnen aber
multis rationibus zu benehmen gesucht' Der Kreisconvent zu
Nürnberg, der endlich im November zusammentrat, wollte auch
keinen Fortgang nehmen, es hatten sich dabei Schwierigkeiten
•wegen der Kasse ergeben, ein Uebelstand, der sich wohl bei
sämmtlichen Reichsständen wiederholte. Die Anschauungen der
kaiserlichen Regierung über die Allianzangelegenheit sind in
16
einem ConfereuzprotokoUe wiedergegeben, welches ohne Zweifel
aus dem Ende des Jahres 1686 stammt, obwohl eine genauere
Datirung desselben mangelt. Es trägt die Ueberschrift ,Augs-
burger Allianz 1686^ und enthält auf pag. 16 u. s. f. nach Wieder-
holung der uns schon bekannten Vorgänge und Aeusserungen
folgendes Schlussvotum :
,Dieses alles haben Ew. kais, Maj. geheime Bäthe der
Graf von Königsegg und Graf von Stratman in einer den 27. ver-
wichenen Monaths gehaltenen Conferentz reiflich erwogen und
wahrgenommen, dass die ausgspurger alliantz fast mehr zurück
als vor sich gehet in betracht nicht allein der Cardinal von
Saltzburg nun zum zweitenmal sich beschuldiget dabey zu con-
curriren sondern auch der Churftlrst von Bayern dieselbe nicht
änderst ratilicieren will es sey dan, dass ihm das Generalat
über die Armee aufgetragen und die Subsidia von Ew. kais.
Mt. continuirt werden, annebenst auch der König in Schweden
darzu änderst nicht als wegen seiner in dem Reich gelegenen
Landen und auf den Fuss seinen matricular anschlags beyzu-
treten willens, und sich sonst ratione cassae und anderer
Puncten noch so \nel schwerigkeiten anzeigen. Ob bey solcher
bewandtnuss das mittel umb solcher zum Stand und perfection
zu bringen seyn, eine newe Crays Versamblung von Ew. kais.
Maj. aus, wie der Graf von Hohenlohe vermeinet, zu veran-
lassen, da stehet die gehorsamste Deputation darumb an, weilen
dadurch nur newr praetextcn AnfUnge gegeben und doch in
dem Werk selbst nicht viel gerichtet werden würde. Sie ist
vielmehr der gehorsamsten Meinung, dass man vorher ein wenig
klarer in der sach sehen müsste, und zu erwarten hette, was
Spanien, Schweden, Holland, Bayern, Sachsen, Brandenburg
und Lüneburg zu thun gesinnet wären, damit man nicht um-
sonst newen Allarm mache und sich newen Unkosten und Zeit-
verlierung unnützlich exponiere, inmittels jetzt gleichwohl der
Graf von Hohenlohe die willige Stände in guter Neigung und
Disposition, auch das Allianzwerk in dem Stand, wo es an itzo
ist, zu erhalten und den fränk. Creys Stand Ew. kayl. Maj.
gnädigst Wohlgefallen ob derenselben letzt gefassten Schluss,
dass sie nemlich in allen Pimcten den Tractat ratificieren, zu
bezeugen und dahin auszutragen, dass wan schon die gesammte
Alliirte nicht so bald zusammenkommen möchten, etwan die
franckische Stande inmittelst die noch ausgestellt bleibende
Itiinct«. unter sich zur Richtigkeit bringen mächten bei deren
g^eotorio sieb dann nuch die Alliirte vernehmen laaeen könnten/
Die Oogner der Allianz waren selbstversUlndlieh die fran-
llcösiBcIien Diplomaten in Deutschland und die von ihnen beein-
^ussten Reichsstände. Dass die ersteren von dem Beginne der
IVerhandlungen an über dieselben nnterriclitet waren, ist aus
Mem bereits Mitgetheilten sehr beetimmt hervorgegangen. Das
Schreiben des franzüsischen Bevollmächtigten beim Reiehatage
in Regensburg an den schwedischen Gesandten von Snoilsky,
weiches ich in der Beilage veröffentliche, gibt genügenden Be-
weis dafttr, dass Frankreicli schon vor dem Abschlüsse des
Angsburger Bündnisses über die Bedeutung desselben sehr gut
nnterrichtet war und keine Mittel gescheut hat, den Theil-
nehmem desselben die Freude daran grtlndlich zu verderben,'
Aach auf publicistischem Wege wurde gegen die neue Allianz
flgitirt, und zwar in den ,ConBideration8 sur la Ligiio d'Augs-
bom^' (citirt in den ,Letti'ee historiquee, Mars 1692') und in den
jLdttres d'un bourgeois de Cologne', deren mir fünf bekannt
geworden sind.' Es ist mehr Hohn als ernstliche Beunruhigung
: allen diesen Aeussemngen zu entnehmen; wo letztere be-
iDnt wird, geschieht dies nur, weil Frankreich jeden Vor-
trand ergriff, um seine eigenen starken Rüstungen begründen
i können.
Es mag sein, dass es manchen Reichspoütikern unzweck-
äSig erschien, durch neuerliehe Berathungon über das Bund-
, daa ja nichts Anderes als die dringendsten Vertheidigungs-
Bstalten gegen Frankreich einzuleiten versuuhte, diese gefährliche
icht KU reizen; der Hauptgrund, dass es auch mit dieser
wie mit allen die Reichsdefonsion betreffenden Anstalten
iBiobt vorwärts geben wollte, war der Mangel an Opferwillig-
*'keit, die Leere der Gasse, für die Niemand sorgen wollte, und
diesmal insbesondere die kühle Zurückhaltung Bayerns, das ja
mit seiner Bundcsleistung allen Anderen vorangehen sollte.'
Das letzte Actenstück des Wiener ätaatsarchivs, welches aus-
> Uan vergleiche Pufendorf, Bw. Braailenbiuy., lib. XIX, g§. 32, 33.
' Simmtlich gednickt: .Cologne, chee Pierre Marteau, I6Ö6.'
' Ueber die BamlUinngen Frankreichs, den KiirfUrBten toh Hnyeni von der
Terbindang mit dem Kaiser lositiilaBen. fiodon sieb worthvolle Mittbeilun-
gen in den ,Hemoirea du Dnc de Villars', der moh seit 1685 in iler Unt-
gebang Max Einaaneli behad,
Bi. Lnvi. 1. niKip 1
I
Bchliesslich über die Angsburger Allianz handelt, beweist es
aufa Deutlichste. Es ist diea das Protokoll einer Conferenü,
welche von Kflnigseck und Strattmanu mit dem bayriechen
Minister Freiherrn von Berckheim am 17. Janner 1687 in Wien
gehalten wurde. Eönigseck erwähnt der Bereitwilligkeit einig
wolJgesinnten FUreten und Stitnde, flir die Sicherhoit des Reichäi
Vorkehrungen zu treffen, sowie der Angriffe, welche die dam
hervorgegangenen Bemühungen von 8eite der Krone ]
peichs erfahren haben. Es würde den Bundes verwandten i
dem gesammten römischen Reiche zu unausltischlichem Schim
und Schaden gereichen, wenn man sich durch die fronsCsisol
Drohung abschrecken und das heilsame Werk ganz erliegM
lassen sollte. Der Kaiser rechne daher zuversichtlich darauf!
der Kurfürst werde es an seiner RatiBcation nicht ,erwinde9
lassen, und erwarte von Berckheim authentische Aufklärnngtj
über die Gedanken und Intentionen seines Herrn in Ansehu]
der gegenwärtigen Zustünde. Berckheim erwiderte, der Kai
fürst würde wie bislier auch künftig Alles beitragen,
Ihrer kaiserlichen Majestät Diensten vorträglich erachtet werdoj
mfichte, und sich davon durch französische Bedrohung, ob (
zwar derselben fast um nächsten exponirt wäre, nicht oIk J
schrecken lassen. Er wisse auch nichts Anderem, als dass <
Kurfürst das Allianzwesen approbire und dem Iteiche vortrj^
lieh hielt; gleichwie er sich aber erinnere, dass Seine kuj
Durchlaucht noch vor ihrer Zurlickkunft aus dem Lager Dir*
kais. Majestät deshalb zugeschrieben, darauf aber die Resolution
nicht erhalten, so würde Seine kurf. Durchlaucht dieselbe vor-
hin erwarten and sich alsdann ferner herauslassen können,
allermaassen er auch die Nachricht habe, dass zwar der Sei
Graf von Thun in seiner jüngsten Audienz beim KurfUrste
Anregung gctlian, dass die Allianz (zwischen Bayern und A&A
Kaber) bald zu Ende gehen und Ihrer knis. Majestät schwdr^
fallen würde, die Subsidicn länger zu continuiren, worauf dar J
Kurfürst geantwortet hätte, dass er aus eigenen Kräften
bisherige Last unmöghch allein würde ertragen können,
Uebrigen aber sich weiter nicht herausgelaason in der Meinui
dass man mit ihm, Berckheim, allhier weiter darüber spreche
und die kaiserliche Resolution über des Kurfürsten Schreibei
orOSnen werde. Auf einer mündlichen udur sdirifUichon 1
theilung derselben müsse er dalicr bestttbeii.
19
Conclxisum: Weil aus der Antwort al)ziinehraen, dass Ihre
kurf. Durchlaucht auf die Continuatiou der Subsidien antrage
und vor deren Feststellung schwerlich den Tractat ratifi'ciren
werde, Sr. kais. Majestät Deputirte aber nicht darüber instruirt
wären, so wllrden sie es Ihrer Majestät mündlich hinterbringen,
ob dieselbe geruhen wollte, das Werk durch mehrere Ministros
überlegen zu lassen.
Zu weiteren Berathungen scheint es nicht gekommen zu
sein, die ,Friedensacten' des Jahres 1687 . enthalten grössten-
theils nur Correspondenzen über die Vermittlungsversuche der
päpstlichen Curie. Der Augsburger Bund blieb auf dem Pa-
piere, in Wirklichkeit ist er nicht in Anwendung gekommen.
Der französische Uebcrfall im Herbste 1688 traf die westlichen
Rcichstheile nahezu unvorbereitet, und es bedurfte neuer Bünd-
nisse und Abmachungen, um so viele Truppen auf die Beine
zu bringen, als man zur nothwendigsten Gegenwehr bedurfte,
nachdem Mainz durch VeiTath gefallen, die Pfalz bereits ver-
wüstet war.
*L*
BEILAGE,
Copla Sehreibens Ton dem franzSsischen Plenipotentlario
zn Regen spnrg an den sehwedlsehen Abgesandten zu Angs-
purg H. T. Snolsky.
A Ratisbonne le 18. Juin 1688.
Monsieur.
J*avoue que jay est^ Surpris qnand vous me fistes hier la grace de
m'envoier faire compliment avant vostre d^pai-t pour Ausbourg. Je ne
pensois pas a Tassemblee qui doit sytenir et je ne croiois point quelle
dast si tost comencer. J'avois fait mon compte de pouvoir vous voir de-
main en vostre logis tranquillement et k loisir, et m*y aquiter de la visite
et de toutes les honestetez que j'avois reeves de vous avant vostre d^part
pour Nuremberg, et depuis vostre retour de ce pays-lä Mais voiant que
cela ne pouvoit estre pai'ceque vous partiez aujourdhuj de tres grand
matin jenvoiay chez vous pour savoir si je pourrois vous y rendre mes
devoirs. Je croy devoir au moins y suppiger par cette lettre, puisque vos
coui'ses et mes occupations ne m*ont pas permis d'y satisfaire mieux ny
plustost.
Vous estes enverit^ un ten-ible homme de tant batre le pais on ne
sait oü vous atraper et oü vous joindre. Je me faisois pourtant un grand
plaisir de Tesperance de vous cntretenir. J'avois apris que vous aviez
fait ä huisclos dans la Nebonstube, ou chambre s^crette des confSrenees,
de grandes plaintes de contraventions, que vous disiez avoir estä faites
par la France au traite de trövo. Je croy que nous aurions bien ci en-
semble la dessus car je suis seur que vous ne croiez pas ces contravon-
tions et je doute mesme qile vous eperiez que d'autres les croient. U a
plu a la commission Imp. d'envoier aussi le 15.*' de ce mois me r^pr^sen-
ter quelques griofs dont elles pr^tend que TEmp'. pourroit se plaindre,
et je ne penses pas quelle parle et ayisse en cela plus serieusement que
vous. car qui Tempescheroit non plus que vous de mettre la main k
Texecution du traito de tr^ve, Si on ne trouvoit pas plus d*avantage ä
tenii' Je lit jon-te le» choses en euspens qu'ä les regier eiitiärem«nt selon
qu'on en est convenu? Jo ne doiit point, monsiear, t\ae vdds n'ajez veii
UD ecrit quelle me fit lire et un antre quelle me fit mettre eo meBme
tempa entre lee maing. Car comme voas avez en tnut cela un dessein
comnn pour rassembli^e d'Äasboui^ on voit assez qae toiib avez coucert6
ensemble tuue ces subtils mo;ens il'y r4ussir. Je voas enmie les respon-
ses qne j'oi faites k ces ecrite. Blies oo seroicnt pas manvaises h comnni-
qner k vos d6putez de l'assemblee d'Ausboorg. Je ne saj. Monsieur, si
Tons voudriez bien ea prendre le soin. Oe ne serait peat ostre paa nne
petite marque de siiicerit^, de laqnelle il est bon qne todg pnissiez los
^bien persnader pour les faire entver sur d'aussi petiteB choaes et aussi
ftm värifici^s quo celles dunt <m afeite de faire on bi-nit dans d'auKsi
grands et anssi immenses engagement qne cenx qn'on leni* propoBe.
Comme je me fiate de la pensee qu'avec moi, qne voiib savez estre
instruit aeeez a foad de qnoi il s'agit en tont ceri vous n'aurioz pas
TDulu en faire finesse, j'ai grand regi'et d'avour perdn le plaisir qne nonE
tanrions eu d'en plaisantcr librement enBemble, et de noua 6ga.yeT l'imi^-
aation aur ce qui e'y passe et snr ce qn'on en pent ntendre.
Vons eussiez en mesme tempg hien \>u snpl^er au defaut de lettre»
de Dannemarck, de Hambonrg, du pajg de Lunebourg et de quelques
antrSR endroits, qui m'ont entiärement manque par le devnier ordre, en
m'aprenant. Si leg quatre ou cinq cenn hoinmes, pour les quels on me
mande de Zele du 2.' de ce mois, que la Biiuence de Br6me avoit de-
mand^ passage a M'. le Duc de Zele pour aller en Hongrie, eont efectiye-
meut en marche, on s'il y a del' asparence quils puissent bien tost partir;
Bi la prrjfince de Breme a enfln trouv^ les rint mile ^cdb qu'on lui de-
mande et qnelle cherchoit encore le 1." de ce mois pour l'entretieii
des »uze on donze cens hommes que votis estoa engc^ez k envoier en
Hon^e par traitä et pour vons aquiter des mois Komains et s'il reste k
eette Provinue quelque esperanc« de trouver cet argent oit si eile Ik en-
tiirement perdue, et si on Hollande on Tons a accorde les dem vaisseani
que rostre cnvoy^ y demandoit pour transporter de troupea en Allemagne,
quelle vme on pent avoii' en rechei'chant ai instamment au moins deux
Tiuaseanx, et quol notubre de troupes on peut ; faire passer, aur tout oela
et Biir mile autre chosses de cette iiature, nous euseions bien ti-ouT4 de
qnoi Dons donnev carrifire par des röfleiions divertissantes, Car nous ne
■omiau pa£ obligez d'estre m^lancholiiiues et dedire ou depi-endre t«utes
choeea serionsement pour le seruee de nos maitres.
A propOB de cela, monsieur, vons ne m'avcz point di depuis votre
retour de Xureinborg si vons aviez fct.it aux estats de Franconie comme
22
Yous me le dissiez si agreablement avant que de partir, la proposition de
vous promettre de boDs quartiere pour autant de ti'oupes que yous Tajez
oubli^ puisque nous conYenions que cela yous etolt absolument n^cessaire.
Cela ii*est pas encore trop ä negliger ä Tassembl^e d^Ausbourg, et quand
quatre ou cinq cercles yous en donneroient, ce ne seroit pas assurement
trop du moment que yous aurez dans Tempire Tarmee de dix mile hom-
mes qu'on marque que yous aYez oferts dans le fameux projet del* al-
liance que yous doYOZ traiter ä Ausbourg. M^ Telecteur de Brandenbonrg,
la maison de Brunswig, et yos autres Yoisins de la baute et de la basse
Saxe et de Westphalie, ne seroient pas trop comodes ny trop faciles dans
les commencemens pour Youloir estre les premiers ä yous en foumir. II
Yaut inioux prendre de bonne beure yos seuretez pour n'en point man-
quer plus prez du Bbein et dans des proYinces qui sont plus partage^s
enti'e de Princes et Estats moins puissans. Yous yous souYiendrez sans
doute de ce que je yous ai dit et ä beaucoup de gens, que feu M'. le
Marecbal de Helmfeld me disoit sur ce propos, lorsque je le passay de
Stade k Londrez dans Tyacbt que le feu roi d'Angleterre m'aYoit fait
rbonneur de m*enYoier pour me ti*ansporter de Hambourg en France.
Aussi ne croije pas, que yous trouYiez de dificulte a couYenir et de pas-
sages et des quai-tiers quand on comprendra bien la necessit^ que yous
en aYez pour la ligue qui se propose. II se trouYera peut estre encore
dans quelques-une des Estats Protestans les mesmes sentimens qui
les portoient du temps de Ferdinand second ä yous ouYrir les portes de
tous costez et ä yous assister de toutes leurs forces. D poura peut estre
aussi se trouYer encore chez quelque-une des Catboliques des Images
de saints et des cbassis de reliques d'argent. Tout cela ne sera pas
mauYais. Vous n'aYOz qu'a signer ralliance ä Ausbourg et ä Yenir. H
me semble que tout est prest aussi cela ne peut-il manquer si yous avez
la bont^ d'ofrir ä ces messieurs du cercle de Suabe, comme je ne'n doute
point qu'en s'engageant de lern* cost^ ä defendre pour yous les extremi-
tez de la LiYonie et Celles de la Laponie, et pour les Espagnols celles des
Indes orientales et occidentales et jusques aux barques de leuins pescheurs,
de froid et de chaud, de tout orage et de tout accident, yous defendrez
aussi leur pays aYOc les dix mile bommes que yous y tiendrez, de tous les
passages de trouppes d'Auti'icbe et des autres de ce cost6-lä qui vou-
droient aller Yors le Bhin, de tous les repassages Yolontaires ou fouriez,
de toutes les marcbes, remarches, et contremarcbes de toutes les stations
et de tous les quartiers du General Staab et autres.
Comment ces M". de Suabe auroient ils le coeur assez dur pour
YOUS refuser d^entrer dans la ligue, oü on a tant d'euYie ie les embarquer
23
insensiblement pour le desselns que vous faites fort bien de ne leur pas
dire, si vous leur repräsentez bien vivement qn^en la concluant vous avez
aussi tost indispenseblement besoin pour la maintenir, d'amples et larges
qnai-tiers (avec) la bi^me d'autre fois ou au moins de bons gros subsides
en argent, jusqu'ä ce que vous trouviez moyen par la suite de vous
mettre en estat d'avoir Tun et Tautre. Ce qui seroit de beaucoup le
meilleur? serieusement parlant, monsieur, je croi que tous les gens —
qui ont la moindre connoissance des affaires jugeront que sans se donner
tant de mouvement et de peine ce seroit plustost foit de penser efective-
ment ä executer le trait^ de tr^ve, et d'y mettre la main tout de bon et
que Tecrit de la garentie reciproque, qui y est promise et qui se peut
faire en douze llgnes d'ecrlture Egales pour tous le partis, seroit plus
ais4 ä dresser que le traitä de vos ligues, et auroit plus d'efet, et de
solidit^ pour assurer le repos de la Chrestient^ que vos idees d'alliance
poui' pavenir ä le troubler et pour faire esperer quelque succez del'avoir
troubl^.
Mais quo! qui en ariye il semble bien que vostre roiaume de Suede
sera ä couvert des suites par sa Situation de mesme que celui de France
par sa puissance, et par la cuirasse dont il est environne des meillaures
places du monde qui sont foi-tific^s dans la derniere perfection.
Je vous souhaite de tout mon coeur en vostre voyage toute la satis-
faction particuli^re qui peut s'acorder avec le bien public et le repos de
la chrestient^, et en toutes rencontres, tous les avantages que nostre
amiti^ m*engage ä vous desirer. Ce me seroit un grand sujet de joie, si
je pouvois vous donner quelques preuves que je suis veritablement
monsieur
Vostre tres-humble et tres ob^issant serviteur
le C. de Crecy.
(Wieu, k. u. k. Staatsarchiv. Priedensacten, Fase. 150.)
ÜBER DEN
ZUG KAISER KARLS Y
GEGEN ALGIER.
EINE UNTERSUCHUNG
VON
D" GUSTAV TüßBA.
%**
Vorwort.
JJer Plan zu vorliegender Abhandlung wurde von mir
entworfen, als ich mich im Auftrage der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften in Wien mit Vorarbeiten zum ersten Bande
der jVenetianischen Depeschen vom Kaiserhofe', welche vor
Kurzem erschienen sind, beschäftigte. Unter diesen Depeschen
befand sich auch eine solche des venetianischen Gesandten
Marino Giustiniani aus dem Hafen von Bugia vom 10. Novem-
ber 1541, welche sich über die Gründe des Misslingens der
Algierexpedition ausspricht, und seine Angaben haben mich ver-
anlasst, mich mit der Frage eingehender zu beschäftigen, ob
Kaiser Karl V. wirklich die Schuld an dem Unglücke seiner
Flotte und seines Heeres vor Algier triflft.
Im Verlaufe der Untersuchungen war ich zu einem ein-
gehenden Quellenstudium genöthigt und habe mich überzeugt,
dass manche unrichtige Auffassung zumeist durch den Mangel
entweder an genauerer Prüfung oder an Kenntniss des gesamm-
ten Quellenmaterials zu erklären ist. Trotzdem dass ich es
ungern that, musste ich daher dem ersten Theile vorliegender
Abhandlung einen zweiten, ausschliesslich den Quellen gewid-
meten Theil folgen lassen, der sich aber, soweit die Dissertation
Dr. Schomburgk's (Die Geschichtschreibung über den Zug Karls V.
gegen Algier 1541, Leipzig 1875) richtige Ergebnisse enthält,
nur mit einem kurzen Hinweise auf dieselben begnügt.
Am Schlüsse habe ich einige Actenstücke aus dem Wiener
und Florentiner Archive veröffentlicht, welche ich dem ganz be-
sondem Entgegenkommen beider Archivdirectionen verdanke.
28
L Theil.
Ist dem Kaiser Karl V. das Misslingen des Algier-
zuges zuzuschreiben?
1.
Kaiserliehe und tflrkisehe Kriegsrflstnngeii.
Im Jahre 1535 trug sich Karl V. eine Zeit lang mit dem
Gedanken, das Heer, welches Tunis erobert hatte, zu einem
Zuge gegen Algier zu verwenden. Er verzichtete aber damals
auf dieses Unternehmen wegen der in seinem Heere ausge-
brochenen Krankheiten, wegen der vorgerückten Jahreszeit und
der bedeutenden Entfernung Algiers von Tunis.* Auch im folgen-
den Jahre äusserte er die Absicht,^ diesen Kriegszug zu unter-
nehmen, kam jedoch, mit dem Kriege gegen Frankreich voll-
auf beschäftigt, nicht zur Ausführung seines Vorsatzes und gab
auch nach dem Waffenstillstände von Nizza dem Drängen der
Spanier, welche diese Expedition besonders wünschten, nicht
nach, da er inzwischen den Plan einer Offensivbewegung gegen
die Levante entworfen hatte.
Doch versuchte er sein Ziel auf andere Weise zu er-
reichen. Er begann mit Khair-ed-Din, der die Verwaltung
Algiers seinem Diener, dem Renegaten Hassan Aga überlassen
hatte und selbst Commandant der türkischen Flotte geworden
war, im Jahre 1538 Unterhandlimgen,^ die bis zum Frühjahr
des Jahres 1541* fortgesetzt wurden und das Ziel verfolgten,
1 Der Kaiser an Hannart, Goleta, 16. Augast 1535 (Lanz, Correspondenz
Karls V., Leipzig 1845, U, 200).
' Lorenzo Bragadino an die Signoria, Rom, 1. Mai 1536 (bei Rawdon Brown,
Calendar of state-papers and manuscripts existing in the archives and
collections of Venice V, 42).
' Lafaente (Historia general de Espafla, Madrid 1853, XI, 180 — 194) hat
die betreffenden Actenstücke, welche in der Colleccion de docum. inSd.
I, 207—227, und im Memorial bist. espaiSol, Madrid 1853, VI, 531 f. ab-
gedruckt sind, für die Vorgescbichte der Algierexpedition zuerst benützt.
* Zuletzt wird über dieselben in einem Briefe Lasky's an Ferdinand aus
Constantinopel vom 30. März 1541 (Gevay III, 132) gesprochen: »BarbarosM
29
Barbarossa zu bewegen, den Kaiser als Oberherm anzuerkennen
und dem Vasallitätsverhältnisse gegen den Sultan zu entsagen.
Ausserdem wurde von ihm verlangt, dass er einen grossen Theil
der türkischen Flotte dem Kaiser in die Hände spielen, den
Rest verbrennen und seinen ältesten Sohn nach Spanien schicken
solle. Barbarossa aber begehrte Tunis, dann das von den
rhodischen Rittern dem Kaiser zur Vertheidigung übergebene
Tripolis, endlich die Gebiete und Festungen von Bona und
Bugia. Ohne Zweifel wäre beim Gelingen dieses Planes von
Seite des Kaisers gegen die türkische Macht ein erfolgreicher
Schlag geflihrt worden.
Die Gründe, weshalb diese Unterhandlungen von Seite
des Kaisers abgebrochen wurden, lagen nicht so sehr in den
sich erhebenden Schwierigkeiten wegen Abtretung der von
Barbarossa verlangten Gebiete, insbesondere von Tunis, welches
der Kaiser dem ihm sehr ergebenen Muley Hassan zu entziehen
keinen Grund hatte, sondern darin, dass Barbarossa den Sultan,
sei es, um den bei diesem gegen ihn aufkeimenden Verdacht zu
ersticken, sei es aus anderen Gründen, von Allem in Kenntnis
erhielt, was er mit dem Kaiser verhandelte. Wie konnte aber
andererseits Karl V. das Mittel finden, durch welches er Bar-
barossa zur Einhaltung von Verpflichtungen verhalten konnte?
Dies war eine — wie wir aus einer venetianischen Depesche *
ersehen — auch von Zeitgenossen erkannte Schwierigkeit, die
nicht zum geringsten Theile das Scheitern dieser Unterhand-
lungen verursacht hat.
Die Verhandlungen mit Barbarossa waren noch nicht end-
giltig abgebrochen, als andere zwischen Hassan Aga und dem
Kaiser begonnen wurden. Von welchem der beiden Theile die
ersten Vorschläge ausgiengen, ist ebenso wenig wie die Frage
zu beantworten, ob diese Unterhandlungen ernstlich gemeint
waren und ob sie ähnliche Zwecke wie die mit Barbarossa
habet eciam (sie) practicam cum Cesare vol prorege sicilie sicuti proximis
maiestati yestrae scripsi (17. März), et nuper in una navi anconitana re-
mißit ioannem de arago qni liuc ex Sicilia cum gallico galeone diebus
carnifl privü venerat misitque illo alium hispanum Romerum . . .; mea
itaque est opinio quod nunc cum cesare candide agat, ubi confiulo, ne
cesar illum contemnat sed pocius componat/
1 Antonio Capello, Pietro Mocenigo und Marino Ginstiniani an die Signo-
rie, aus Gent vom 26. April 1540 (Venetian. Dep. vom Kaiserhofe, Wien
1889, I, 428).
30
geflihrten verfolgtcD.* Sie düriten aber auch bald abgebrochen
worden sein, und es könnte dies mit zu den Ursachen zn zählen
sein, welche den Kaiser in dem Entschlüsse bestärkten^ sich
Algiers mit Gewalt zu bemächtigen.
Es ist nämUch sehr wahrscheinUch, dass Karl V. schon
zu Beginn des Jahres 1541 die bestimmte Absicht gehabt hat^
in diesem Jahre gegen Algier zu ziehen. Wenn Guasto, der
kaiserliche Statthalter von Mailand, Camillo Colonno mit ,35
oder 30 Hauptleuten' im Jänner zu sich berief und mit diesen
tägUch Besprechungen hielt,^ so ist wohl das NaheHegendste zu
glauben, dass der Kaiser seinem Statthalter den Auftrag ertheilt
habe, mit den Genannten Vorbesprechungen über Anwerbung
von Truppen zu pflegen. Am 18. Februar 1541 berichtet der
Bischof von Aquila, Bemardo Santio, an Cardinal Alexander
Farnese, dass Camillo Colonna, der sich später an dem Algier-
zuge betheiligte, in Nürnberg angekommen und dass Bemardino
de Mcndoza beauftragt worden sei, sich bis Ende April des-
selben Jahres mit der gesammten spanischen Flotte bei Genua
einzufinden.^ Der kaiserliche Hofchronist Gomara ^ erzählt, dass
dieser Befehl auch an Herzog Alba ergangen sei, und dass
letzterer und Mendoza bei der Insel Mallorca erst im Monate
August einzutreffen hatten. Das Verhältnis des Kaisers zum
französischen Könige war damals noch nicht so gespannt, dass
er, sei es zur Offensive gegen oder Defensive vor Frankreich,
solche Massregeln hätte ergreifen wollen.
Am französischen Hofe spricht man bereits im Anfang
Februar von ,grossen Vorbereitungen des Kaisers in Italien'.*
1 Aus den von Berbrugger in dor Revue africaine IX, 379 publicirten drei
Briefen, die auch Grammont (Relation de Texpedition de Charles-Quint
contre Alger par Yillegaignon, 88 sq.) mittheilt, besonders demjenigen des
Gouverneurs von Oran an den Kaiser lässt sich eben nur der Beginn
von Verhandlungen, nicht aber Inhalt und Dauer derselben constatiren.
2 ,The marquez of Guaste hathe sent for Signor Camylle de Collonja, being
one for the Emperours chieff capitaynes and a gp'ete man ; who ys cumme
into hym with 25 or 80 capitaynes and mauy more dothe repeire towards
hym dayly; the very entent wheroff ys not yet perfitly knowne.* Wallop
an K. Heinrich Vm., Melun, 26. Jänner 1541. State-pap. VIII, 504.
5 Nuntiaturberichte Morone's im Histor. Jahrb. 1883, IV, 668.
* Crouica de los Barbarozas (Memorial bist, espafiol, Madrid 1853, VI), 432.
^ Montmoroncy an Marillac (ohne Ortsangabe), 3. Februar 1541, in der
Correspondance politique de MM. de Castillon et Marillac, ambassadeuis
de France en Angleterre (1537—1542), par Eaulek, Paris 1885, p. 267.
31
Am 21. März berichtet der französische Gesandte in Venedig/
dass Goasto in Genua mit Andreas Doria zusammengekommen
sei, und am 14. April, dass der Kaiser den Letzteren beauftragt
habe, seine Galeeren auszurüsten, um ihn nach Spanien zu
fllhren. Auch in Constantinopel weiss ein von ,Afrika' zurück-
gekehrter Gesandter Barbarossa's Anfangs Mai über die ,Vor-
bereitungen und die Flotte des Kaisers^ so viel zu sagen, dass
seine Meldung Bestürzung hervorruft.'-^ In demselben Monate
wird am französischen Hofe bekannt, dass der Kaiser nach
Italien gehen will,^ und von Regensburg berichtet der venetia-
nische Gesandte,^ Viele seien der Ansicht, dass ein Unternehmen
des Kaisers in die Levante stattfinden werde, was sie besonders
aus Dispositionen über seine Flotte schliessen wollen.
Wenn der venetianische Gesandte am 14. Mai nur un-
genau berichten konnte, weil der Kaiser, wie wir aus einer
fünf Jahre später von ihm abgegebenen Erklärung wissen,^ noch
möglichst vermied, seine Absicht kundzugeben, so ist seine
spätere Meldung vom 2. Juni, es seien Befehle zur Ausrüstung
einer Flotte und Armee für eine Algier-Expedition nach Ita-
lien gesandt worden, schon ganz bestimmt.^ Die Werbungen,
welche der Kaiser in Deutschland und in Italien betrieb, hielt
er so lange als möglich geheim, was Gegenrüstungen seitens
des Papstes, der Franzosen und der Venetianer zur Folge hatte;
denn Niemand wollte glauben, dass er zum Schutze Neapels
vor Barbarossa, wie seine Umgebung ausstreute, oder nur zu
seiner persönlichen Sicherheit in Italien, wie der päpstliche Legat
> 2<eller, La diplomatie firan^aise, vers le milieu du XVI™« siöcle, Paris
1881, p. 273; E. CharriSre, N^gociations de la France dans le Levant,
Paris 1848, 473.
' yVenit huc murat aga, quem barbarossa in africam miserat . . . iste
murat dicit multa de aparatu et armata cesaris incussitque timorem et
difficultatem.' Laski an Ferdinand, Constantinopel, 8. Mai 1541 (Gevay
in, 141).
5 Howard an K. Heinrich Vm., Ambois, 19. Mai 1641 (State pap. Vm, 668).
* Many persons are of opinion that bis Majesty will retum to Flanders,
especially as he has sent away his whole fleet, that it may go into the
Levant, having also dismissed the 400 spears who accompanied him thus
far. Francesco Contarini, Regensburg, 14. Mai (Bawdon Brown V, 101).
^ Beiffenberg, Hist de Vordre de la Toison d'or, Bnixelles 1830, p. 417.
* Franc Contarini an die Signorie, Regeusborg, 2. Juni 1641. Rawdon
Brown V, 104.
32
Morone ^ eine Zeit lang glaubte, Truppen anwerben lasse. Der
Papst verbot, daher solche Werbungen im päpstUchen Gebiete.
Erst in München, auf dem Wege nach ItaUen, klärte der Kaiser
den Legaten über den Zweck seiner Rüstungen auf.
Nach all dem Gesagten kann behauptet werden, dass der
Kaiser spätestens im Frühjahre 1541 Rüstungsbefehle nach
Italien und Spanien abgehen Hess.
Es lag ursprünglich nicht in des Kaisers Absicht, in
Deutschland lange zu verweilen. Wenn wir annehmen, dass
er seinen Algierzug mögUchst bald unternehmen wollte, so be-
greifen wir, weshalb er am 26. Februar in Regensburg dem
päpstlichen Nuntius gegenüber den Wunsch aussprach, das Re-
ligionsgespräch,* sowie den Reichstag bald zu beenden, und
weshalb von verschiedenen Seiten über seine Absicht, bald nach
Italien zu gehen, berichtet wird.^
Aber auch die Türken hatten bereits im Winter Rüstun-
gen begonnen, und die Nachrichten über ihre beabsichtigten
Unternehmungen — zu Lande gegen Ungarn, zur See gegen
die itahenischen Küsten — wurden im Juni immer beunruhi-
gender. Zwar hatten Meldimgen über einen geplanten türkischen
Angriff gegen die genannten Küsten die Ausrüstung einer
grossen kaiserhchen Flotte nicht veranlasst, doch stand der
Kaiser, im Falle sie sich bewahrheiteten, gerüstet.
Der Versuch des Kaisers, auf dem Regensburger Reichs-
tage einen kräftigen Beschluss zur Führung eines Krieges gegen
die Türken durchzusetzen, war fast gänzlich gescheitert, weil,
1 Berichte Morone's vom 4. und 19. Juli 1541. Histor. Jahrb. 1S83, IV,
628 f., 629.
' , . . . ma con grande affetto mi disse (rimp.) che si volesse osar sollecitudine
accioch6 li negocii con celeritii fussero espediti.' Von diesem Drängen
bemerkt Morone (an Farnese): Jl che stimo ö impossibUe et dannoso'
(Lämmer, Mon. vatic. 359).
' Jie Roi d*Angleterre a dit ä Marillac, qu*U s^avoit de bien bon lieu,
que Tempereur sans s^joumer auxdites Allemagnes, passeroit au plna-
tost en Italy.' Marillac an Montmorency, London, 25. Jannar 1541,
Correspondance politique 266. — ,Se conforme tous les joors que Tem-
pereur ne tasche que mectre les affaires d^Allemagne en suspend et
dilation pour acc^lerer son voyaye en Italye.* Marillac an Franz L,
London, 12. Februar 1541, ibid. 268. -— ,£yerybody is of opinion that
the Emperor's departure will take place in a few days.' Franc. Con-
tarini, Regensbui^, 81. Mai 1541, Rawdon Brown Y, 108; vgl. auch oben
Seite 31, Note 3.
33
wie König Franz schon vor dem Schlüsse des Reichstages mit
Recht schreiben konnte,^ die deutschen Stände die WaflFen gegen
die Türken nicht ergreifen wollten, ausser wenn Deutschland
selbst angegriffen würde. Nur gegen weitgehende religiöse Zu-
geständnisse,^ zu denen der Kaiser aber nicht zu bringen war,
hätte er eine grössere Hilfe erhalten. Was er vom Reiche jetzt
erreichte, war, dass sich nach seinem Abgang aus Deutsch-
land» die bewilligten 10.000 Mann zu Fuss und 2000 zu
Pferde * in der zweiten Septemberwoche in Bewegung setzten,*
also zu einer Zeit, wo der Sultan bereits (seit 29. August)®
im Besitze von Ofen war.
Ebenso wenig Erfolg hatte sein Versuch, eine neue Liga
gegen die Türken zu errichten, an der er selbst, sein Bruder
Ferdinand, der Papst und die Venetianer theilnehmen sollten.
Denn der Papst zeigte hiefür keinen grossen Ernst' sowohl
vor, als auch während der Zusammenkunft, welche er mit dem
Kaiser zwischen dem 12. und dem 18. September in Lucca
hatte. Noch weniger wollten sich die Venetianer einer gegen
die Türken gerichteten Verbindung anschUessen, vielmehr Neu-
tralität im strengsten Sinne bewahren; denn sie hatten 1539 mit
denselben einen Frieden geschlossen, welchen sie nicht brechen
wollten. Sie wollten aber ebenso wenig in den zwischen Franz I.
und dem Sultan bestehenden Bund eintreten, obwohl die Pforte
dies sehr wünschte.^ Die Abhaltung eines Concils in Vicenza,
* ,Au surplas je veulx bieii vons advertir comino j'ay pr^sentement eu
lettres de Katisbonne . . . par lesquellos Ton m'advertist . . . qiie les
Allemans ne veuUent prendre les armes pour le faict de Hongrie, si le
Türe ne donne jusqu^s k la Gennanye . . .* Franz I. an Marillac (ohne
Ortsangabe), 24. Juni 1541, Corresp. politique, 316.
' Morone an Card. Farnese, Regensburg, 21. Juni 1541, 1. c, 621.
> Er verliess Regensburg am 29. Juli.
* Herbais, bei Gachard, Collections des voyages des souverains, Bruxelles
1874, n, 196; Francesco Contarini an die Signorie, Regensburg, 3. Juli
1541 (Rawdon Brown V, 107).
6 Heidek an K. Heinrich VIU., Neuburg, 6. Sept. 1541 (State pap. VIH, 601).
^ Hammer, Geschichte des osman. Reiches (zweite Aufl. 1834) II, 172.
' Paruta, Storia di Venezia (Venetia 1645), 525 sg.; Gasp. Contarini an
Farnese, Regensburg 10. Juli 1541, Histor. Jahrbuch 1880, 1, 493; Morone
an Farnese, Regensburg, 27. Juli 1541 (Lämmer, 382 sgg.).
* Paruta, 524 sgg.; Laski an K. Ferdinand, Coustantinopel, 13. März 1541
(Gevay Uli 120); der Bischof von Montpellier an Franz I., Venedig
80. Juli 1540, bei Ribier, Lettres et m^moires d'^stat, Paris 1666, 1, 536 sq.
ArehiT. Bd. LXXTI. I. HUIte. s ^
34
also auf ihrem Gebiete, gestatteten sie aus dem Grunde nicht,
weil sie besorgten, der ISidtan könnte vermuthen, dass auf dem-
selben ein gemeinsames Vorgehen gegen ihn beschlossen werde,
und dass sie darum als die Haupturheber dieses Concils er-
scheinen würden. ^
Gewiss beeinflusste aber das Verhalten der Venetianer
zu diesen Fragen jener Umstand sehi' wenig, welchen der
französische Gesandte in Venedig Franz I. am 14. Septem-
ber mittheilt. '^ Er behauptet nämlich erfahren zu haben, die
Venetianer seien darüber gekränkt, dass der Kaiser dem P-apste
gegenüber die Aeusseruug fallen gelassen habe, auf die Vene-
tianer käme es nicht an, sie seien ohnehin in seiner Hand
(,en son poing'). Man muss vielmehr sagen, die Venetianer
wollten ihre Kräfte überhaupt nicht aufs Spiel setzen, sondern,
wie Jovius von ihnen in einem Briefe vom 29. Juli 1541 ^ sagt:
,stare con tappeto alla finestra a veder quelle che si farä/
,Gleich nach seiner Ankunft in Italien' ^ erhielt der Kaiser
die sichere Nachricht von dem persönlichen Erscheinen des
Sultans in Ungarn. Nachdem er Mailand, wo er am 22. August
einen festlichen Einzug gehalten, verlassen hatte, und während
er auf genuesischem Gebiete weilte,^ kam ihm spätestens am
10. September 'i die Nachricht von der Besetzung der Stadt
* Paruta, 525 8g.; N^ociations, 514.
2 Negociation», 514.
3 Nicht 1542, wio bei Domenichi, Lettoro volgare di P. Giovio (Venetia
1500), p. 81, zu leson ist. Der ganze Inhalt dieses Briefes au Stefan
Colonna weist nämlich unbedingt auf das Jahr 1541, insbesondere die
Erwähnung der vier venetianischcn Gesandten Gioan Veniero, Nicol6
Tiepolo, Vicenzo Grimani, Marco Ant. Contarini, welche beauftragt worden
waren, den von Tirul kommenden Kaiser au der veuetianischen Grenze
feierlich zu empfangen, was auch am 14. August geschah. Die Namen
derselben finden wir bei Paruta, p. 527, gleichfalls citirt Versehen in
Jahreszahlen kommen bei Dumenichi übrigens einige Male vor.
* Commontairen, de Charles-Quint par K. de Lettenhovo, Bruxelles 1862,
1). 59.
^ ,Cum(juo ad oram Gcnuensem pervenissemus atque ibl primum inopina-
tum Turchanim tyrannj adventum in Hungaria atque eins ingressum in
Budam intellexissemus . . .* Instruction des Kaisers für den Speierer
Keichstag 1542 ("Wiener Archiv, Keichstagsacten 1542).
^ Dies ergibt sich aus dem Itinerar Karls V. bei Vandeuesse 190 sq. und
aus dem Umstände, dass der Kaiser am 6. September einen Brief König
Ferdinands vom 26. August über die Niederlage von dessen Armee bei
35
Ofen (29. August) durch den Sultan zu, weither am 2. Sep-
tember in dieselbe einritt. Vorher hatte die Königin Isabella,
Witwe Johann Zapolya's, die Burg den Truppen Soliman's ein-
räumen müssen. So gelangte diese Stadt, welche König Fer-
dinand noch vor der Ankunft des türkischen Heeres in seine
Gewalt bekommen wollte, für dritthalb Jahrhunderte in türki-
schen Besitz.
2.
Was bewog den Kaiser zum Zuge gegen Algier?
Während der Kaiser in Lucca mit Paid lU. zusammen-
kam, wurden die letzten Vorbereitungen zur Abfahrt nach
Algier getroffen. In Lucca versuchte der Papst den Kaiser
von seinem Zuge abzubringen, jedoch vergeblich; solches war
bereits in Regensburg von einigen Ständen, insbesondere den
katholischen Bischöfen,* später von Christoph Madruzzo, Bisehof
von Trient,* während Karl's V. Anwesenheit daselbst (10. bis
13. August), ebenso in Mailand von Guasto und in Genua von
Andreas Doria, nach Ulloa ^ auch von Ferdinand von Gonzaga,
dem Vicekönige von Sicilien, nach Giustiniani's Depesche vom
10. November * sogar von ,tutti li sui conseglieri et principali' mit
demselben Erfolg versucht worden. Dass diese Behauptung
Giustiniani's unrichtig ist, geht aus den Commentaires •'» hervor,
welche behaupten, der Kaiser habe den Zug unternommen:
,et par d'autres raisons qui, ainsi qu'on Ta dit, Yy enga-
geaient* (l'Empereur); man ersieht hieraus, dass mindestens ein
Theil seiner Räthe für den Zug gegen Algier gewesen ist.
Ofen erhielt (Wiener Archiv, Cod. supplem., 681). Ein Courier brauchte
von Genua nach Wien zehn bis zwölf Tage.
* ,Di poi dissi (a Sua M**), che li prefati vescovi tutti con grand' in-
stantia mi havevano pregato che io »upplicassi Sua M^ iiistantemcnte
che non volesse partir diu et lasciar Germania in tanto pericolo in
quauto era.* — Gasp. Contarini an Famose, Regensburg, 10. Juli (Histor.
Jahrb. I, 492 f.). — ,The Emperor is sending Orders to Italy to prcpare
for the Algerine expedition, he*having determined to undcrtake it; and
although many persons think it unreasonablo.' Franc. Contarini,
Regensburg, 2. Juni 1541 (Rawdon Brown V, 104).
3 N^gociations, 512.
s Vita di Ferrante Gonzaga, Yenetia 1563, f. 113.
* < Vgl. unten 8. 69.
» p. 60.
-SV*
36
Andreas Doria hat nicht nur nach der Ankunft des
Kaisers in Genua, sondern, wie wir aas Sepülveda * wissen^
lierc'its nach Empfang der Befehle zur Ausrüstung einer Flotte
von der Expedition abgerathen. Diese Weisungen waren
ihm höchst unangenehm; denn er fUrchtete ft&r Gtenna, seine
Vaterstadt, einen Angriflf sowohl von Seite der grossen Flotte,
mit welcher die Türken — was der venetianische Gesandte auf
dem Kcgensburger Reichstage als sehr wahrscheinlich erklärte
— gegen die KiLsten Italiens einen Zug unternehmen wollten,
als auch von Seite Frankreichs. Letzteres wohl deshalb, weil
er meinte, die Verstärkung der Garnisonen von Piemont* deute
auf den Beginn eines neuen Krieges mit Frankreich. Darum
rieth Andreas Doria dem Kaiser in einem in diesem Sinne ab-
gefassten Schreiben, die Algicrexpedition in diesem Jahre nicht
zu unternehmen. Dieser antwortete jedoch seinem Admiral^
er lasse sich von einem lange gewünschten Unternehmen, zu
dem er jetzt den definitiven Entschluss gefasst, nicht abbringen;
falls zur Vertheidigung Italiens etwas anzuordnen nöthig sei,
werde er es nicht unterlassen; Doria aber möge die erhaltenen
Befehle vollziehen. Gleichzeitig beruhigte er^ ihn über den
Einfall der Franzosen mit der Versicherung, dass man fUr dieses
Jahr einen solchen nicht zu flirchten habe.
1 De rebus gcstis Caroli V., Matriti 1780, ET, 134.
^ Auch der englische König fragte den französischen Gesandten Marillac,
ob dies auf den Ausbruch eines Krieges deute, worauf dieser Folgendes
antwortete: ,. . . qu'on ävoit lev6 et envoy^ gens Äs places de Pj^mont,
ainsi (|U*on a cousturae faire chacun an sur le renouveau pour renfforcer
les gamisons de plus grand nombre qu'on ne tient commun^ment Ty^er,
d'aultant que le beau-temps est plus suspect; que d^envoyer aultres gens
par de^a il n^en estoit aucunes nouvelles, bien estoit vraysemble que
monsieur le mareschal de Hannobault comme lieutenant du roy et gou-
vemeur du pays, y pourroit aller si Tempereur passoit en Italye ou selon
que le besoing aultreraont le requeroit/ Marillac an Montmorency,
London, 25. März 1641, Corresp. politique, 279.
' Wie aus dem Berichte des französischen Gesandten in Venedig an
Franz I. vom 6. September ersichtlich (N^gociations, p. 512): ,. . . qu'il
(Feveque de Trente) estoit tont assenr^, que V. M. (Francois) n'y feroit
point guerre pour ceste fois ne jusques k la primav^re; et il (l'empereur)
a escript k Andr6 Doria, qu'il a irba bonne intelligence avec V. M. et
qu'il ne fault point douter de vostre coust^ d^aulcun destourbier en
Itallye.* Diese Bemerkungen des firanzösischeu Gesandten sind verspätet;
denn auch das mitgetheilte Gespräch des Kaisers mit dem Trienter
Bischöfe fand zwischen dem 10. und dem 13. Aug^ust statt.
37
, Wie Andreas Doria brachten auch die meisten der früher
Genannten die Gefahr von Seite Frankreichs und dies mit
einiger Berechtigung vor. Denn das Misstrauen des französi-
schen Königs, welches durch Verstärkung der piemontesischen
Garnisonen sich geoffenbart hatte, war besonders seit der Er-
mordung seiner beiden Gesandten Rincone und Fregoso (Juni
1541) auf mailändischem Gebiete so gross, dass ihm die Zu-
sammenkunft zwischen Kaiser und Papst äusserst unlieb war,
weil er fürchtete, der Kaiser könnte vom Papste Geldunter-
stützung für seinen Algierzug oder die Tüi'ken überhaupt er-
langen und dieselbe dann zum Angriffe auf Piemont oder die
Provence — wie Jovius ' will — verwenden. In solchen Ge-
danken wurde er auch bestärkt, weil er bis zum August immer
von kaiserlichen Rüstungen, aber nie etwas Sicheres über ihren
Zweck erfuhr.^ Ja, Franz hatte sogar zur Deckung Piemonts
gegen einen etwaigen Ueberfall Ende JuU eine grössere Truppen-
zahl dahin abgesandt.^ Zwar hatte der Papst mit seinen Be-
mühungen, ein friedliches Einvernehmen zwischen beiden Fürsten
herzustellen und den Kaiser zu Zugeständnissen gegen Frankreich,
namentlich in Bezug auf Mailand zu bewegen, keinen Erfolg,^
anderseits war aber das Verhältniss zu Frankreich noch nicht
so gespannt, dass ein Krieg schon in diesem Jahre ausbrechen
musste. Es wurde vielmehr nach der Abreise des Kaisers von
Lucca der jüngere Granvella an den Papst und ein anderer
Gesandter, Franz Manrique,^ nach Frankreich geschickt, um
sowohl am päpstlichen als auch am französischen Hofe die Un-
schuld des Kaisers an dem Morde der französischen Gesandten
J Historiarum sui temporis, 1. XL, Lutetiae 1554, IT, 268; Ncgoeiations, 507.
' Reiffenberg, Hist. de Tordre de la Toison d'or, Bruxelles 1830, p. 417;
Tgl. oben Seito 31.
* ,. . . ^our estre adverty, quo rempereur descend en Italye avec six ou
sept mil lansquenetz, j'ay nagii^res envoye en Pi6raont mou cousin, le
sieur d^Annebault, marescbal de France et faict passer apr^s luy bon
nombre de gendarmerie et de gens de pi6 et oultre cela je faictz tenir
prest dix mille Suisses, pour les faire descendre ei tante est qne j'en
aye besoing et qu'on nie vienne envahyr ^s villes et lieux que j*ay soubz
mon ob^issance.* Franz an Marillac, 9. August (Corresp. politique, 3*25).
Dasselbe in Jovius' Briefe an Stefano Colonna aus Rom yom 29. Juli
1541 (Domenichi, p. 81).
^ Zeller, Diplomatie fran^aise, 277 sq.
» Papiers d'^tat du Cardinal de Granvelle II, 639; Leva III, 457.
darztitlnin. Auch hatte Karl V, ein cigenhtodigeg ächreiB
an Franz I. in sehr versöhnlichem Tone gerichtet, welches (
Könige seine Ahreiae zum Algierzuge anzeigte,'
Mag dem wie immer sein: der Kaiser hat mit
AeuBserung, welche er bereits in Trient dem dortigen Bij
gegenüber that, dass nämlicli die Franzosen bis zum Frühjahre
1542 Ruhe halten werden, Recht behalten.
Der zweite Grund, weshalb man dem Kaiser vom Algier-
zugB abrieth, war die Tih'kengefahr in Ungarn, namentlich nach
dem missiungenen Versuehe der Wiedergewinnung Ofens und
der erfolgten Ajikunft des Sultans daselbst. Insbesondere—
nahmen es einige deutsche Fürsten dem Kaiser tlbel, dasSi^H
sich der Verhältnisse in Ungarn nicht angenommen habe. H^H
Landgraf Philipp witzelte llber den Abgang des Kaisers d^H
Deutschland: er habe sich die ehrenvollere Aufgabe auf d^^|
entfernten Kriegsschauplätze und nicht die leichtere der ^^|
kUmpfung der TUrken in Ungarn ausßrwJVhlt.^ Was diesen Vl^H
wurf betrifft, so darf man behaupten, dass der Kaiser in Ung^^H
eine klägliche ßolle gespielt hütte, da ihm die deutschen Sttt^^H
auf dem Kegensbrn-ger Reichstage nur sehr geringe Knegsmi^^|
und selbst diese zu spät gewährten. Ausserdem hatte er n^H
Künig Ferdinand 3000 Mann italienischer Truppen von d^H
Markgrafen Marignano in Italien anwerben lassen. Mehr koo^H
er bei seinen geringen Geldmitteln, wie er seinem Bruder v4^H
sicherte, nicht thun. Denn diese mochten wohl iWr eine ^^H
pedition nach Afi-ika ausreichen, weil eine solche nur B<^^|
kurze Zeit dauern konnte, und wurden überdies durch SiQ^^|
ningsmassrcgeln an der piemontcsisch-mailändischen Grenze st^^|
in Anspruch genommen.' j^H
Der Kaiser hatte aber, wie wir ans einer herrlichen B«^H
wissen, die er im Jahre 1538 vor vcnctlauischen Gesandten^H
Niü^a hielt, eine begründete Abneigung gegen die Führung ^^|
TUrkenkriegcs im grossen Stile, da er seit den Erfahrun^^H
des Jahres 1532 Überzeugt war, dass der Sultan jeder Hatq^H
Schlacht ausweiche und seinen Gegner durch einen kostspiellg^H
Krieg an den Grenzen nur fortwährend beschäftigen a^l
■ Nd^cJAtiuns, [I. t>3\. ^^M
> Jovias, Historinniin ntii letnporJs II. '2A6 ni| ^^M
* Brief de> Kuseni an K. Ferdinanil aiin Oonua vom <1. SoiiWinber I^^^|
^^JKlMtt Arrliiv. rn.1 .„,,|.in.., mu. .^^^^I
39
erschöpfen wolle.' Ein grosses Rcichsheer hätte also wieder
keinen Erfolg erzielt und, wie im Jahre 1532, König Ferdinands
Jjänder verwüstet. Unter solchen Umständen hatte er wohl
Orund zu ^betonen:^ ,Per6 pensavo che fosse molto meglio
prendere un' impresa piccola con la mia fredezza et riuscirne
bene che una grande per far nulla/
Oesterreich war nach dem Einzüge Soliman's in Ofen sehr
bedroht. Wien hatte kein Heer zu seinem Schutze, und die
kärglichen Reste der seit dem 22. August zersprengten und
Tcmichteten österreichischen Truppen, welche die Einnahme
Ofens erzwingen wollten, hatten nach dem Tode Rogendorf's
keinen bewährten Führer mehr. In Wien fürchtete man
die Schrecknisse einer zweiten Belagerung. Welche Gefahr
drohte einer Stadt, die gegenüber einem grossen türkischen
Heere mit 300 (?) Kanonen von Artillerie fast entblösst war! ^
In dieser Lage schickte König Ferdinand Gesandte mit Ge-
schenken an Soliman, um einen Frieden zu erreichen. Diese
wurden zwar freundlich aufgenommen, verliessen aber am
12. September das türkische Hauptquartier, da die Verhand-
lungen wegen der hohen Forderungen SoUman^s zu keinem Re-
sultate gefiihrt hatten; nicht einmal ein Waffenstillstand ward
gewährt. Trotzdem verliess der Sidtan am 22. September Ofen
und kam bereits am 20. November wieder in Constantinopel an.
Wir haben uns hier die Frage zu stellen, warum der
Sultan, zumal da sich ihm kein Heer hätte entgegenstellen
können, dennoch weder zur Belagerung Wiens aufbrach, noch
auch sonst etwas Ernstes gegen die österreichischen Länder
unternahm. Zinkeisen ^ meint: ,Es lag nicht in Soliman's Plan,
den Gesandten etwa an der Spitze seines Heeres auf dem
Fusse zu folgen und Ferdinand den Frieden unter den Mauern
' Depesche vom 24. Mai 1538 (Vcnetian. Dop. vom Kaisorhofe I, 70).
' Gasp. Contarini an Faniese, Regensburg, 10. Juli 1541, 1. c, 493. —
Villegaignon (Relation de Texpodition de Cliarles-Quint contre Alger par
Nicolas Durand de Villegaignon, Paris et Alger 1874, M. Grammont,
p. 31) äussert sich Uhnlich: ,... sed quia tantum apparatum exposcit
Turcarum amplitudo, ut eum non posset citius quam inennte aestate
Universum comparare, Interim dum ei dat operam, Africanum bellum
suscipiendum sibi esse putavit/
' KOnig Franz an'Marillac, Lans en Bresse, 17. September 1641, Corre-
spondance politique, 338.
^ Geschichte des osman. Reiches n, 847.
4()
von Wien vorzuschreiben; die Erfahrung von 1529 stand^ wie
es scheint, noch zu lebendig vor seiner Seele/ Obgleich sich
diese Erklärung • hören lässt, so werden doch noch andere
Gründe den Sultan zu UnthUtigkeit und Rückzug ^us Ungarn
bewogen haben.
In seiner Instruction für den Speiercr Reichstag bemerkt
der Kaiser, dass er nach der Zusammenkunft in Lucca Nach-'
richten empfangen habe, nach welchen der Sultan sich hauptsäch-
hell wegen der bedeutenden kaiserlichen Flotte zum Rückzuge
entschlossen habe,' und dass auch von der türkischen Flotte
nichts zu fürchten war. Wir haben hier keinen Grund, der Angabe
des Kaisers zu misstrauen, obwohl die üble Seite der Instruction
von uns unten hervorgehoben werden wird. Es ist im Gegen-
theile möglich, dass der Kaiser den Angriff der türkischen
Flotte durch seine Rüstungen zur See verhinderte, jedoch auch
wahrBcheinhch, dass er durch seinen Plan, Algier zu er-
obern, das erreichte, was er nach den Angaben fast aller
Quellen von seinem Algierzuge erwartete: die Ablenkung
des Sultans und seines Heeres von den österreichischen Erb-
landen. Denn, wenn sich Soliman veranlasst sah, nach drei-
wöchenthcher Unthätigkeit in Ofen nach Constantinopel zurück-
zukehren, so hat gewiss hiezu auch der Umstand beigetragen,
dass er sich in seiner Hoffnung, gegen Oesterreich und Ungarn
einen unvermutheten und darum um so empfindHcheren Schlag
führen zu können, getäuscht sah, weil der Kaiser selbst die
Offensive in derselben Richtung ergriff, in welcher er zur
bitteren Erinnerung des Sultans im Jahre 1535 einen schönen
Erfolg errungen hatte: nämlich gegen die türkischen Besitzun-
gen in Afrika. Wir wissen aus Berichten Laski's^ an König
* ,Verum qiium audivissenius Turcam sese in Graociam recepisse, idque
ma^na ex parte ob famain nostrae classis quam ille vererj videretar . . .*
An Stolle der Worte ,8ese* bis ,vidüretur* steht von anderer Hand am
Kande ^ex Ilungaria reditiim in snas ditiones parare et iam ad iter se
aeomptare ob id maxime qnod fama et opiniouo nostrae classis terri-
tu8 esset*.
2 ,Uxor iraperatoris cras intrabit Constantinopolim, cni ivit (sie) obviam
barbarossa, nt lainentarotnr de amissis africae locis.* Constantinopel,
13. März (Gevay III, 121). — (Imperator) ,redibit enim huc, ut bar-
barossam cum armata expediat; dolet enim, quod *barbarossa amisit sna
in africa loca*. Constantinopel, 5. Februar (Gevay HI, 110). — »Bar-
barossa ab Omnibus nunc bassis (Paschas) odio perseqnitar propterea
41
Ferdinand vom Jahre 1541, dass nicht blos Barbarossa, son-
dern auch der Sultan und seine Umgebung an diesen Erfolg
mit grossem Aerger dachten. Neben dem Hinweise auf die
Algier drohende Gefahr mag dem Sultan wirklich von seinen
Rathgebem zu bedenken gegeben worden sein: der Misserfolg
von 1529 und die vorgerückte Jahreszeit.^ Der Kaiser konnte,
als er in Mallorca einen Brief König Ferdinands vom 22. Sep-
tember erhalten hatte, in dem dieser von des Sultans über-
triebenen Forderungen, aber noch nicht von dessen Abzug
spricht, seine Reise nach Algier mit Beruhigung ^ fortsetzen.
Wenn der Kaiser so hartnäckig auf seiner Unternehmung
gegen Algier bestand, so geschah es auch aus Rücksicht fllr
Spanien, Neapel und Sicilien, welche alle unimterbrochenen
Küstenplünderungen von Seite der algierischen Seeräuber aus-
gesetzt waren. Stets hatten die Spanier in den Kaiser ge-
drungen, eine Expedition dieser Art zu imtemehmen, weil sie
eben am. meisten zu leiden hatten. Dabei wünschten sie auch
wegen der grossen Zahl von Moriscos, denen sie nie trauen
mochten, eine Sicherheit vor äusseren Gefahren. ^ In der That
betheiligte sich eine stattUche Anzahl der hervorragendsten
spanischen Edelleute freiwillig imd auf eigene Kosten an dem
Algierzuge unter Alba's Commando. Im Falle des Gelingens
dieser Unternehmung hätte der Kaiser fast das ganze westliche
Mittelmeerbecken beherrscht, der Handel wäre mehr gesichert
und die Küstenbewohner wären nicht in steter Furcht vor
Plünderung gewesen.
Den Kaiser leitete aber noch eine andere Erwägung.
Wären nämlich die für den Algierzug bestimmten Truppen aus
quod fiscum imperatoris debilitavit, nuncqne postquam basse vident eum
in africa amisisse tot loca, contemnunt eum, neqne amplius timent, ne
ad Cesarem deficiat* Constantinopel, 17. März 1541 (Gevay III, 123).
^ Andreafl von Kamora, der 30. August aus dem türkischen Lager entfloh,
machte bald darauf König Ferdinand folgende Mittheilung: ,Alle Türken
mi^sriethen dem Sultan, diese Stadt zu belagern, da es schon einmal ohne
Vortheil geschehen sei und dieses jetzt wieder der Fall sein würde. Es
wäre besser, vor Eintritt des Winters nach Constantinopel zurückzukehren,
da der Weg dorthin so weit und die Strassen so schlecht* (Bucholtz, Ge-
schichte Ferdinand's I., Wien 1833, IX, 318).
' Vergleiche im Anhange den Brief des Kaisers an KOnig Ferdinand vom
16. October 1641.
' Pietro Mocenigo an die Signorie, Toledo, 20. October 1638, Venetianische
Depeschen I, 216.
42
Italien, Neapel und JSieilien nach Ungarn geschickt worden, so
hlltten sie dort nichts mehr unteniehmen können, da die Jahres-
zeit ])ereits zu weit vorgerückt gewesen wäre, abgesehen da-
von, dass ja bereits am 22. September der Sultan Ofen verliess.
Anderseits verbot die Rücksicht auf die Gefahr von französi-
scher Seite, diese Streitkräfte für einen Krieg in Ungarn zu
sammeln und erst im Frühjahre den Kampf zu beginnen, da
der Kaiser im Frühjahre einen Angriff in Italien oder Spanien
ftlrchten musstc. Dagegen konnte der Zug gegen Algier, wie
der Kaiser richtig beurtheilte, wenn er rasch ' unternommen
wurde, namentlich mit Rücksicht auf die Stärke seiner Flotte
und die schwache Besatzung Algiers, von welcher er Kenntniss
hatte, in diesem Jahre gelingen. Endlich konnte Karl, einmal
Herr Algiers, Flotte und Landarmee zu einem Angriffe auf
französisches Gebiet verwenden,^ wenn die Franzosen aus ihren
Drohungen Ernst machten.
Jovius lässt Karl V. Andreas Doria und Guasto gegen-
über erklären: er bestehe auf diesem Zuge, qimm Algerium
midtis de causis, priusquam maria hybemis aquilonibus claudan-
tur, expugnari facile possit."* Der Kaiser meinte also, der Zug
gelinge gewiss, wenn er unternommen werde, bevor die stür-
mische winterliche Jahreszeit beginne.
Darin liegt aber gerade der Hauptvorwurf, den man gegen
den Kaiser erhoben hat und noch erhebt, dass er den Hafen
von Spezia mit seinen Galeeren zu einer Zeit verlassen habe^
als niclit allein Doria, sondern auch jeder andere erfahrene
Seemann ihm mit Wahrscheinlichkeit kein gutes Wetter für
seine Flotte hätte prophezeien können. Auch der Papst gab
dem Kaiser ungefähr Mitte September zu erwägen:^ weil die
Küste Afrikas arm an Häfen, sei ,hyemis navigatio' nicht räth-
lich. Und nachdem der Kaiser am Abend des 28. Septembers,
also eine Woche nach Solimans Abgang nach Constantinopel, mit
' Villegaig^nou, j). 31 : ,Rein in coleritate positani esse videbat* (Imperator).
2 jCuiiis voti si mo (Caroluni) Dij conipotem fecorint, contemnemus carte
Gallorum niiiias atquo Iiis profecto classibiis et copiis, quibus stipendia
gravi guniptu porsolntii videti», si tenioro sose commoverint nitro eornm
andaciani retundemus* (JoviuH 11, 267).
8 Ibid.
* Villegai^on, p. 31.
43
seinen Galeeren den Hafen von Spezia verlassen hatte, um sich
mit den übrigen Flottenabtheilungen aus Sicilien und Spanien bei
Mallorca zu vereinigen/ da schrieb am 15. October 1541 der
Bischof von Montpellier, fi'anzösischer Gesandter ^ in Venedig, an
Franz I. tlber diese Abreise: ,Quant au voyage de Tempereur,
ainsi que m'ont dict plusieurs gens qui cognoissent le navigaige
de la mer Mediterran^ . . . ils estimont, ledict empereur avoir en
trfes mauvais temps pour aborder en coste d' Algier, mesmement
ung cappitaine qui est k mon logeis, lequel est fort praticien
de ce pays, pour avoir estö XII oü XV ans esclave plus dome-
sticque de Barberousse/ Man sieht aus diesen Worten, dass
nicht blos Doria und der Papst, sondern auch mancher Andere
die Geföhrlichkeit einer solchen Seereise erwog.
Hatte der Kaiser wirklich so spät die Befehle zur Aus-
rüstung der Flotte abgehen lassen, dass sie erst jetzt auslaufen
konnte? Wir kommen damit zur Erörterung einer ganz unbe-
achteten und doch für uns sehr wichtigen Frage.
Schon zu Beginn des Jahres 1541 waren die definitiven
Befehle des Kaisers zur Ausrüstung einer Flotte abgegangen.
Wir haben bereits gesehen, wie unangenehm es für Andreas
Doria war, diesen Befehl auszuflihren, wie er den Kaiser von
seinem Plane, gegen Algier zu ziehen, abbringen wollte, und
welche Antwort ihm zu Theil ward. Welche Wirkung der
Brief Karls bei Doria trotz alledem hatte, wissen wir von einem
Chronisten, der, nach manchen Richtungen hin geprüft, sich stets
als ein gewissenhafter und vermöge seiner guten Informationen
zuverlässiger Autor erweist: nämlich von Sepulveda. Dieser
sagt: 3 Andreas Doria, bei welchem die Rücksicht auf sein
Vaterland und die Furcht vor den Feinden mehr als die Be-
fehle Karls vermochten, ,rem tarn negligenter administra-
vit, dum vellet Carolum ad Germaniam et Italiam totam aesta-
tem consumere, ut eins profectionem plus quam mensem
moraretur^
Was vermag gegen diese grosse Verzögerung, von der wir
nach all' dem früher Bemerkten (S. 32 und 36 f.) annehmen müssen.
1 Die Vereinigung mit den neapolitanischen und maltesischen Schiffen fand
bei Cagliari statt.
' N^ociations, 620.
s n, 134.
44
dass sie wirklich stattfand^ die ^fatalis mora^ von ,zwei^ Tagen,
wie Jovius ^ die Verzögerung der Landung nennt! Die letztere
Verspätung wurde dadurch herbeigeführt, dass der Kaiser, trotz-
dem er bereits am 20. October vor Algier mit seiner Flotte er-
schien, die Ausschiffung auf den 23. October verschieben mosste,
da seine Truppen am 21. und 22. October nur mit grossen Be-
schwerlichkeiten und Gefahren wegen des stürmischen Meeres ans
Land zu bringen gewesen wären; ausserdem konnte die 10 Kilo-
meter westUch von Algier entfernte spanische Flottenabtheiluug
wegen des scharfen Ostwindes das Cap Caxines (wenige gatb
Schiffe ausgenommen) nicht umfahren; die Landung aber musste
gleichzeitig und nach Vereinigung aller Schiffe stattfinden. Die
zweitägige Verzögerung, die Jovius Niemand zur Last legt,
entriss nach seiner gewiss richtigen Bemerkung den schon siche-
ren Sieg Karls Händen. Einen um wie viel mehr sicheren Sieg
aber gar eine Verzögerung von einem Monate! Diese hätte Jo-
vius doch auch anführen sollen. Mag sein, dass er dieses Ver-
säumniss des Andreas Doria nicht kannte; wir werden aber
bald sehen, dass er an einer anderen Stelle trotz guter Kennt-
niss der Sachlage Andreas Doria doch geschont hat.
Allein sehen wir nach, ob nicht Aeufiserungen anderer
Autoren oder Berichte vorhegen, durch welche diese Verzöge-
rung der Ausrüstung der Flotte bestätigt wird.
Die Commentaires ^ geben uns auch in dieser Beziehung
Aufschluss: ,Bien que T^quipement et les apprSts de cette
flotte eussent durö plus qu'il ne convenait et quoique U
Saison fiit presque perdue . . . s'embarqua.'
Am 14. November 1541 schrieb Karl mit eigener Hand
aus Bugia, von wo er mit dem kärglichen Reste seiner Flotte
noch längere Zeit wegen der Stürme nicht loskommen konnte,
unter dem Eindrucke des tiefen Schmerzes über die misslungene
Unternehmung an seine Schwester Maria : ^ ,Congnoi8terÄs que
ce que en Taultre ^ vous ay escript, de X jours plus tost oü
plus tard, que le tard n'at servy que de pis: le plus tost
1 II, f. 269.
' p. 69 sqq.
3 Coinpte rendu des söances de la Commissiou royale d^histoire de Belgiqne
1856, n™« s^rie, Vm, 115.
* Leider ist uns dieser Brief nicht erhalten (vgl. nnten Seite 62).
45
Sans doute l'emprinse fut est^ achev^e. II y a eu tant
de longeurs et de (sie) tant de coust^s^ que je le viens k
payer sans en estre en coulpe: que est contre mon ordinayre/ *
Obwohl in den letztgenannten Angaben Donars Name
nicht genannt wird, ist doch zu sagen^ dass sie SepiUyeda's
Notiz^ die nur auf eine authentische Mittheilung zurückgehen
kann, völlig bestätigen. Ausserdem ist zu beachten, dass die
spanische Flottenabtheilung, welche mit der kaiserUchen in
Mallorca zusammentreffen sollte, bereits mehr als zehn Tage
bei der Insel Iviza auf den Kaiser gewartet hatte, bis derselbe
endlich am 13. October auf Mallorca ankam.^
Schliesslich wissen wir aus den Commentaires ^ un^ der
kaiserlichen Instruction für den Speierer Reichstag, dass der
Kaiser aus Deutschland vorerst nach Spanien zurückkehren und
von dort erst den Zug gegen Algier unternehmen wollte. Dies
beweist, dass er mit den thatsächlich eingetretenen Verzöge-
rungen nicht rechnete.
Warum unternahm aber der Kaiser trotz der grossen Ver-
zögerung, welche die Ausrüstung der Flotte erfuhr, dennoch
den Zug? Die Commentaires * geben auch hierauf eine Antwort,
wenngleich sie nicht erschöpfend ist:
,Bien que le equipement et les appröts de cette flotte
eussent durö plus qu'il ne convenait, et quoique la saison fiit
presque perdue toutefois, comme on ne pouvait donner un autre
emploi aux d^penses qui avaient M faites, et par d'autres
raisons qui, ainsi qu'on la dit, Ty engageaient, Tempereur
consid^rant que le temps est dans la main de Dieu s'embarqua
au dit port de la Spezzia . . /
1 Eine Aeassemng eines Ungenannten, der an der Expedition theilnahm,
kann auch herangezogen werden (Collection des yoyages des souverains
des Pays-Bas, Bruxelles 1881, III, 415): ,Et aprös avoir Sadicte MajestS
B^otumö en ladicte ville (Milan) environ XY jonrs (unrichtig; nur acht
Tage) il se commenchoit k ennnyer d^estre sy longtemps sans veoir son
arm^ laqnelle estoit quasi toute preste.
3 Das Schiff, welches den Führern Alba und Mendoza die Ankunft des
Kaisers auf Mallorca überbringen sollte, traf die spanische Flottenab-
theilung auf Iviza nicht mehr, weil sie bereits nach Algier abgegangen
war (Brief des Kaisers an Tavera, CoIIecc. de doc. I, 234).
* p. 68.
« p. 59.
46
Die Zeitgenossen und vielleicht wir selbst können nament-
lich mit Rücksicht auf den unglücklichen Ausgang des Unter-
nehmens nicht umhin, d4m Kaiser daraus einen Vorwurf zu
machen, dass er, trotzdem die Flotte so spät ausgerüstet war,
dennoch den Zug unternahm. Aber wii* können sein Vorgehen
gleichwohl sehr begreiflich finden, wenn wir auch zugestehen
müssen, dass die Expedition wirkHch nur auf gut Glück unter-
nommen ward. Wäre die Expedition nicht unternommen worden,
so hätten eine Flotte und ein Heer, deren Ausrüstung so viel Kosten
verursacht hatte, keine Verwendung finden können. Aber noch
andere von einem Theile seiner Räthe vorgebrachte Gründe
bewogen den Kaiser, auf der Ausführung seines früheren Ent-
schlusses zu bestehen. IJesonders dürfte betont worden sein,
dass er im nächsten Jahre von Seite Frankreichs in Italien und
von Seite der Türken in Ungarn viel zu sehr in Anspruch ge-
nommen sein werde, als dass er dann mit der Realisirung seines
Offensivplanes gegen Algier rechnen könne. Dazu kam aucli
die Besorgniss des Kaisers, dass er bei Verschiebung des Unter-
nehmens die zu einem solchen Angriff jetzt wenig gerüstete
Stadt im nächsten Jahre durch umfassende Vorkehrungen der
Pforte, insbesondere aber durch die türkische Flotte, welche dies-
mal ihre beabsichtigten Küstenangriffe unterlassen hatte, der-
art gesichert finden würde, dass ein Zug mit grosser Aussiebt
auf Erfolg nicht mehr unternommen werden könne. Endlich
war der Kaiser durch sein gegebenes Versprechen den Spaniern
gegenüber gebunden, welche so grosse Kosten zur Ausrüstung
der nun segelfertigen Flotte nur wegen Algier aufgewendet
hatten.
3.
Verlauf der Algierexpedition.
Zur Erläuterung der folgenden Fragen wollen wir uns
nur km'z und in den Hauptmomenten die Ereignisse der Ex-
pedition von der Ankunft der Flotte vor Algier, am 20. Oc-
tober, bis zum 26. October, dem Tage des Abzuges des Heeres
von dort, vorfUhren.
Von Mallorca fuhr die kaiserliche Flotte an die afrika-
nische Küste, an welcher sie am 20. October ankam. Die
unter Alba's und Bemardino de Mendoza's Führung stehende
47
spanische Abtheilung war indessen schon vor dem Kaiser an-
gelangt. Während dieser Theil der Flotte westlich von Algier
bei Cap Caxines verblieb, lief der andere, grössere in den Hafen
von Matifou ein, der ungeftlhr 15 Kilometer östlich von Algier
gelegen ist. Der Kaiser liess nun die Küsten erforschen, um
einen günstigen Landungsplatz aufzufinden. Doch konnte die
Landung nicht vor dem 23. October stattfinden, da das Meer
sehr unruhig war.
Vor ^ der Landung hatte der Kaiser an Hassan Aga einen
spanischen Edelmann, Lorenzo Manuel, gesandt, welcher diesen
aufforderte, die Stadt unter sehr günstigen Bedingungen zu
übergeben. Man erinnerte Hassan an seine christliche Abkunft ^
und versprach im Falle der Uebergabe seinen Truppen freien
Abzug, ihm selbst aber bedeutende Belohnungen, welche nach
MarmoFs^ Angabe ihn beinahe zur Annahme der Vorschläge
gebracht hätten, wenn nicht der Renegat Mehemet den schwan-
kenden Willen seines Herrn mit dem Hinweis auf seine Pflichten
gegen den Sultan und auf die Pflicht des Kampfes gegen die
Christen zur entschiedenen Ablehnung dieser Vorschläge ge-
bracht hätte.
Obwohl nur ein Theil der spanischen Schiffe das Cap
Caxines umschifft und sich mit dem andern Theile der Flotte
vereinigt hatte, beschloss der Kaiser dennoch die Landung, da
das Meer ruhiger geworden war. Diese begann am 23. October
bei Tagesanbruch in der Bai von Algier an einer Stelle, welche
ungefähr ,7 bis 8 Miglien' östUch von Algier gelegen war.^
Die Soldaten wurden mit Munition und Lebensmitteln für
nur zwei bis drei Tage ausgerüstet ans Land gebracht, um
gegen den sie an der Küste erwartenden, fast ausschhesslich
aus leichter Reiterei bestehenden und in seinen Bewegungen
* Jovius II, 270; Marmol, Description general de Afriea, Granada 1873,
II, f. 217; nur Sandoval (II, 405) sagt ,pue8 como el Emperador salto
en tierra embio . . .* — Doch diesem in chronologischen Angaben stets
ungenauen Autor ist viel eher ein Irrthum zuzuniuthen als Jovius und
dem ihm folgenden Theilnehmer an dem Zuge, nämlich Marmol.
^ Ab Christ in Sardinien geboren, war er in Barbarossa's Gefangenschaft
gekommen, erwarb sich aber so sehr dessen Vertrauen, dass er ihn in
der letzten Zeit sogar zu seinem Stellvertreter in Algier einsetzte.
» f. 1« 17 V.
* Vergl. den Brief des Kaisers an K. Ferdinand vom 3. November 1541 (An-
hang) und SepiUveda II, 143.
48
äusserst flinken Feind ebensowenig wie auf dem Weitermarsche
behindert zu sein.^ Um Mittag begann ein heftiger Wind die
See so aufzuwllhlen^ dass man Reiterei und Lebensmittel nicht
mehr ans Land bringen konnte.^ Wenngleich mit Schwierig-
keiten verbunden, war doch gegen Abend die Landung des
grösstcn Theiles des Heeres, nämlich von ungefähr 22.000 Mann,
bewerkstelligt; dagegen konnte nur wenig Reiterei imd Artillerie
ans Land gebracht werden. Die Feinde wurden mit Hilfe
eines von den Galeeren eröflFneten Geschützfeuers gehindert, die
Landung zu stören.
Am Abende lagerte die kaiserliche Armee nach einem
kleinen Marsche bei einer Quelle am Fusse des eine Strecke
lang fast parallel mit der Küstenlinie verlaufenden Hügelzuges,
nahe dem Felde von Hamma.^ Am nächsten Tage (24. October)
beschloss der Kaiser Lebensmittel und Artillerie erst dann ans
Land bringen zu lassen, sobald er der Stadt näher gekolnmen
sei, weil dann die Landung, namentlich wenn man sich auf gute
^ Bericht Magnolotti's, des SecretÄrs dos päpstlichen Letten bei Leu,
Vita di Carolo V, Amsterdam 1700, HI, 15.
2 ,Elle (rannte) fut en moins de qiiatre heures desembarqa6e, je dis h
plus grand partio de nostre arm^e: mais en un instant vint nne for-
tune et tempeste de mer, si grande furieuse, .que jamais bomme avoit
veu et neantmoins nous gaiguamcs tcrre.* M^moires de Feny de Gn^on
par Robaulx de Soumoy (Collect, de m^moires relatifis k Thistoire de
Belgique), Bruxelles 1858, 58.
3 Dieses Local ist durch die Angaben des kaiserlichen Briefes yom 2. No-
vember (vgl. Anhang), des Zohrat-el-Nayerat (Qrammont, 119) und des
Mannscriptcs von Mohkemä (Ibid. 129) ziemlich sicher. Auch der Lan*
dungsplatz könnte vollkouimon genau angegeben werden, wenn man über-
oiiistinimendo Angaben über die Länge des an diesem Abende vom kaiser-
lichen Heere zurückgelegten Weges zur Hand hätte. Yillegaignon (Gram-
mont, 35) gibt dieselbe mit »circiter mille passuumS Marmol (f. 118 r.) aber
mit ,como un <][uarto de legua* (also über 1 Kilometer) an. Auf diese beiden
letzteren Angaben gestützt, nimmt nun Grammont an, dass die Landung
in der Nähe des gerade 1000 Schritte von dem erwähnten Lagerplatie
entfernten ,Tombeau des Mondjahdine* (Grab der Märtyrer dee heiligen
Krieges) stattgefunden habe. Obwohl diese Coi\Jectiir sehr plausibel
klingt, so scheint sie mir doch nicht ebenso sicher, da der Brief des
Kaisers an K. Ferdinand (s. Anhang) und Sepiilveda zwei, Herbais (bei
Gachard, Collection des voyages des souverains de Pays-Bas, Bmzelles
1874, U, 195) sogar drei Miglien als zurückgelegten Weg angibt, so dass
die Landung mehr Ostlich stattgefunden hat. Vgl. Bevae critiqne d*histoiie
et de litt^rature, Paris 1880, tom. IX, p. 218.
49
von dem Heere eingenommene Positionen stützen konnte, mit
grösserer Bequemlichkeit geschehen konnte. Dort bildet nämlich
die Küste eine fast halbkreisförmige Einbuchtung und die bis-
her parallel mit derselben streichenden Hügel entfernen sich all-
mälig von dem Meere. Auch hatte es sich bei den schon am
Abende des 23. Octobers begonnenen und am folgenden Morgen
wieder aufgenommenen Scharmützeln mit dem Feinde - gezeigt,
dass zur Verhütung von grösseren Verlusten im eigenen Heere
und zum Zwecke der späteren Beschiessung der Stadt die
Positionen auf den Hügeln genommen werden mussten, von
denen Algier beherrscht wird. Sie wurden denn auch an
diesem Tage von den Spamem mit grosser Mühe gewonnen.
Unterdessen kam noch ein Theil der Truppen ans Land; der
Rest blieb aber noch auf spanischen SchiflFen, da sich diese erst
während der letzten zwei Tage mit der übrigen Flotte ver-
einigen konnten. *
Zwischen den Spaniern und Italienern, deren Corps, an
die Meeresküste gelehnt, eine steinenie Brücke und den über
dieselbe zu einem Stadtthore führenden Weg zu bewachen hatte,
befand sich der Kaiser mit seinen Hofleuten, der Garde und
den deutschen Truppen. Das ganze Heer hatte eine vortheil-
hafte und gesicherte Stellung inne; seine Verbindung mit der
Flotte war durch die Italiener hergestellt.
Nach dem Rathe der Ingenieure wurde gegen die durch
Kanonen nur schwach ' vertheidigten Mauern ein Geschützfeuer
der Flotte in Aussicht genommen, von dem man sich grossen
Erfolg versprach.^ Noch am Nachmittage begann man Ar-
tillerie, Munition und Lebensmittel auszuschiflFen;^ am kommen-
den Tage sollte der Angriff zu Lande und zur See beginnen.
Kurz Alles, was man, soweit menschlicher Blick reichen konnte.
^ Magnalotti, 18; Bandini an Cosimo, Metfus, 2. November (s. unten An-
hang); der Kaiser an Ferdinand, Matifou, 3. November (Ibid.), und an
Tavera (Coli, de docum. in^ditos, Madrid 1842, 1, 237); Brief des Vaflnelos
(Ibid. 229 sq.).
' Bandini an Cosimo, 4. November (s. Anhang).
3 MagnaloUi, 23.
* Jovins n, 272; Sandoval (Vida y hechos del Emperador Carlos V,
Pamplona 1640, DL, 406) hat hierüber eine Jovius ergänzende Nachricht,
die er einer spaniBchen Quelle entnahm; Guazzo, Historie, Venedig 1549,
f. 286; Ulloa, Vita di Carlo V, Venezia 1560, f. 116.
ArckiT. Bd. LXXYI. I. Hälfte. 4
50
für nöthig fand, wie Villegaignon sich ausdrückt,' war ge-
schehen, und Alles schien im besten Gelingen : da begann gegen
9 Uhr Abends ein grosser Sturm, der sich schon einige Stunden
vorher angekündigt hatte, den ganzen nächsten Tag (25. Oc-
tober) wüthetc und durch welchen Tausende von Menschen,
sowie 130 bis 150 Schiffe sammt Proviant, Munition und Ar-
tillerie zu Grunde gingen. Damit waren auch die schönsten
Hoffnungen des Kaisers und seiner nun von Lebensmitteln
ganz entblösstcn Armee vernichtet Den Mangel an Zelten
empfand man jetzt bei dem strömenden Regen recht bitter, da
die Soldaten gegen Frost und Nässe schutzlos waren. Diese
Noth benützten die Feinde am Morgen des 25. Octobers, um
die Italiener, welchen die Bewachung der früher erwähnten
Brücke anvertraut war, bei Sturm und Regen anzugreifen.
Diese, zum grössten Theile neu geworbene Truppen, flohen aber,
und die sie verfolgenden Mauren imd Türken drangen bis in
die Nähe des kaiserlichen Zeltes vor, wurden jedoch mit Hilfe
der deutschen Truppen wieder vertrieben. Aehnlich erging es
den Schaaren, welche die Spanier auf den Höhen ange-
griffen hatten.
Dem Kampfe, welcher von den Malteserrittem und einem
Theile der italienischen Truppen gegen die Mauren und Türken
geführt wurde, bei welchem die kaiserlichen Truppen einmal
beinahe in Algier eingedrungen wären, machte der Kaiser
durch sein persönliches Eingreifen mit den deutschen Truppen
ein Ende.
Der Mangel an Artillerie und Lebensmitteln, die bei der
heftig bewegten See nicht ans Land zu bringen waren, bewogen
den Kaiser zum Abzüge von Algier (26. October). Nach drei
Tagen kam man am 28. October bei Cap Matifou an, worauf
nach einigen Ruhetagen die Wiedereinschiffung des Heeres be-
gann und am 3. November vollendet wurde. Aber auch auf
dem Wege nach Europa hatte die Flotte mit den grössten Wider-
wärtigkeiten zu kämpfen und erlitt grosse Verluste.
* IJoi (jr.'iiiiniuiit, j». IM\.
51
4.
Die angeblichen Fehler des Kaisers.
Man hat Karl V., abgesehen von den früher h/äsprochenen
Vorwlii-fen, auch den Fehler nachgewiesen, dass er als der
oberste Leiter des Unternehmens versäumt habe, bei der Lan-
dung gleichzeitig mit den Truppen auch Munition, Artillerie
und Lebensmittel auszuschiffen. Hätte er dies nicht versäumt,
meint man, so wäre die grosse durch den Sturm herbeigeführte
Katastrophe veimieden worden, weil das Heer auf alle Fälle
wenigstens genug Proviant und Munition, ausserdem aber eine
grosse Artillerie besessen hätte, welche nicht mit den Schiffen
in das Meer versunken wäre. Von diesem Vorwurf findet sich
merkwürdiger Weise in allen Quellen bis auf die Depesche
Marino Giustiniani's vom 10. November^ keine Erwähnung;
selbst in den türkischen nicht, obgleich diese einen solchen
Fehler des Kaisers verwerthen konnten. Dagegen wurde in
der Darstellung des Algierzuges von Sander Rang und F. De-
nis 2 und in einer jüngeren Arbeit von Grammont ^ dieser
Vorwurf auf Grund eines nicht vollständigen Quellenmaterials
in derselben Schärfe wie von Giustiniani, aber ohne Kennt-
niss seiner Depesche erhoben.^ Alle Quellen bringen den Ge-
danken zum Ausdrucke, dass man sich gegen eine solche Even-
tualität, nämlich einen unvorhergesehenen Sturm, eben nicht
schützen konnte. Giustiniani bemerkt aber in seiner Depesche,
dass der genannte Fehler auch Ferdinand von Gonzaga*^ als
Leiter des Unternehmens nach dem Kaiser treffe, dass Gonzaga
J Venetianischo Depeschen vom Kaiserhofe I, 434 f.
2 Fondation de la R^ence d* Alger, Paris 1837, II, 330.
5 1. c, p. 84 sq.
* Der anonyme Verfasser des ,Aper(ju historique, statistiqne et toi)ographi-
que snr Tötat d' Alger' (Paris 1830) sagt dagegen (p. 28) von der Lan-
dung: »Les bagages n*avaient point encore 6te d^barqu^s. On avait
commence et avec raison par les combattans;* er spricht auch nicht von
einem Fehler des Kaisers in diesem Punkte.
^ Da Bandini in seinen Depeschen an Cosimo nichts von diesen oder
anderen Fehlem des Kaisers weiss, so können wir auch nicht .angeben,
was ihn veranlasst hat, ohne nähere Begründung zu schreiben: ,Don
Ferrante (Gonzaga) non si ä dimostro troppo grau c«pitano* (Bugia,
4. November 1541, vgl. unten Anhang).
4*
52
zwar diesen daran erinnert hätte, Munition, Artillerie und
Lebensmittel gleich ans Land bringen zu lassen, jedoch verwirrt
worden sei, da der Kaiser so viel gesprochen habe.
Wir mlissen aber bedenken, dass dieser Vorwurf, wenn
er überhaupt Jemanden träfe, jedesfalls auch Andreas Doria
treffen müsste, weil dieser die Ausschiffung mit dem Kaiser
leitete.
Ueberlegt man, welche Folgen der grosse Sturm für die
Flotte und das Heer gehabt hätte, wenn die Ausschiffung der
Truppen und Lebensmittel, sowie der Artillerie in der Art er-
folgt wäre, welche man nach dem Misslingen des Unternehmens
anzugeben wusste, so muss man unbedingt zugestehen, dass
der Sturm keine so grosse Verheeiomg herbeigeführt hätte.
Doch ist nicht zu übersehen, dass der Kaiser nach einem be-
stimmten, von richtigen Motiven eingegebenen Plane vorging;
dass der Sturm diesen Plan durchkreuzen werde, konnten weder
er, noch seine Generale voraussetzen. Es mag auch richtig
sein, dass Gonzaga an die Fortsetzung der Ausschiffung von
Munition, Lebensmitteln und Artillerie gedacht hat, doch wird
man diesen Umstand nicht als Beweis dafür anfiihren können,
dass der Plan, nach welchem der Kaiser vorging, an und flir
sich ein schlechter war. Wir müssen ims den Vorgang des
Kaisers vor Augen fiihren:
Obwohl ein relativ gilnstiger Platz zur Landung gewählt
wurde, so ergaben sich bei der Ausschiffung doch bedeutende
Schwierigkeiten, weil die Boote an der seichten Küste die
Truppen nicht bis ans Trockene bringen konnten, so dass diese
eine Strecke lang oft tief im Wasser waten mussten.^ Ausser-
dem hatten sie schon während der Landung gegen die flinken
und berittenen Feinde zu kämpfen; ja es war vielleicht nur
dem Mitv\'ii'ken des Geschützes der Galeeren zu danken, dass
die Landung weder verhindert, noch verlangsamt worden ist
Aus diesen Gründen und um den Angriffen des flinken Fein-
des gegenüber auch auf dem Marsche nicht behindert zu
sein, bekam jeder Soldat möglichst wenig Gepäck und nur
Lebensmittel für zwei bis drei Tage. Eine grössere Menge von
Lebensmitteln am 23. October ans Land zu bringen, ward aber
wieder durch den heftigen Wind unmöglich gemacht, der sich
^ Magnalotti, 15 sq.
53
am Nachmittago erhob. Wir kennen bereits den Grund, warum
der Kaiser zur Besetzung der Höhen schritt und eine grös-
sere Menge von Lebensmitteln imd Artillerie am Vormittage
des nächsten Tages nicht ausschiffen liess. Nachdem die Be-
setzung der strategisch bedeutenden Positionen erfolgt, auch die
Verbindung des Heeres mit der Flotte, welcher die Beschies-
sung Algiers von der See zugedacht wurde, hergestellt, also
die Möglichkeit einer bequemen und gesicherten Ausschiffung
von Artillerie, Munition und Lebensmitteln geschaffen war, er-
liess der Kaiser wirklich schon am Nachmittage des 24. Oc-
tobers den Befehl, alles Erforderliche ans Laiid zu schaffen.*
Pedro de Cueva und Luys Pizano sollten insbesondere die Ar-
tillerie, der ,Proveedor de la armada^, Francisco Duarte, Lebens-
mittel ans Land bringen. ^
Das Heer erwartete in hofliiungsvoller, freudiger Stimmung
auch den Vollzug dieses Befehles, doch sollte es die bitterste
Enttäuschung erfahren, die einem Führer und seinem Heere zu
Theil werden konnte: ein Sturm "^ verhinderte nicht blos die
AusfUhning, sondern vernichtete auch die Hoffnung auf eine
erfolgreiche Belagerung, indem zahlreiche Schiffe mit Artillerie,
Munition und Lebensmitteln untergingen.*
Wir müssen nach all' dem Gesagten betonen, dass es ge-
wiss zu weit gegangen ist, dem Kaiser, dessen gut angelegter
Plan durch ein Naturereigniss unvermuthet durchkreuzt wurde,
Fehler vorzuwerfen, weil man nachträglich herausgeklügelt hat,
dass man es so und nicht anders hätte anstellen sollen, um auch
gegenüber einem Sturme geschützt zu sein. Es mag aber hiebei
nicht unerwähnt bleiben, dass die Ausschiffung der ganzen
Munition, Artillerie und Lebensmittel sich als eine zeitraubende
» Joviufl II, 272.
2 Sandoval nach einer spanischen Quelle II, 400.
^ Der von Mitternacht bis gegen 5 Uhr Früh den grössten Schaden auge-
richtet haben dürfte (Bandini an Cosimo, Bugia, 4. November 1541).
* ,8ua M^ (nach seiner Ankunft bei Caj) Matifou) subito and6 in galera
a vedere il Principe Doria et per quanto ritraggo si condolse a88ai della
perdita delle galere et lo couforto et proniesse ricompeusa et pianse la
Sua disgratia che Dio non li havesse voluto prestar gratia di potere sbar-
care et rartiglieria et vettovaglie, perch^ certissimo si puo teuere
che SB vi era tempo o modo di far la batteria vi si entrava/
Bandini war von der Richtigkeit dieser Worte überzeugt, sonst hätte er
wohl eine Bemerkung zu denselben gemacht. (Ibid.)
54
Thätigkcit erwiesen hätte, die dui*ch die stark bewegte See am
23. Oetober während des Naehmittages unterbroehen und am
Abende des nächsten Tages noch nicht völlig beendet wor-
den wäre.
Aber noch ein anderer Vorwurf ist erhoben worden: man
hätte doch den ganzen Bedarf an Lebensmitteln, Munition und
Artillerie ausschiffen und die Flotte nach Matifou oder Bugia
zurückschicken, oder docli gleich anfangs in einem dieser Häfen
landen, den erwähnten Bedarf ans Land bringen und die Flotte
daselbst zurücklassen sollen. Bei diesem Vorwurfe envägt man
jedoch nicht, dass die Flotte bei der geschützten Lage Algiers
zur See immer Hand in Hand mit dem Heere operiren musste.
Wir haben bereits den Nutzen dieser Cooperation bei der
Landung gesehen, kennen aber auch die Versicherung der
Ingenieure, dass Algier zur See angegriffen werden könne
und müsse.
Von Giustiniani ist in seinem Berichte auf den Unwillen
der Italiener und Spanier gegen den Kaiser wegen seiner
schlechten Anordnungen hingewiesen worden. Dieser ist aber
ganz erklärUch; denn das ganze Heer musste über den Rück-
zug, den es antreten musste, über die Erfolglosigkeit des Zuges,
dann über den äussersten Mangel an Lebensmitteln, und alle
Männer von edlem Gemüth insbesondere über die eingetretene
DemoraUsation und Lieblosigkeit gegen die Verwundeten, die
man des Oefteren der Wuth des verfolgenden Feindes preis-
gab, verstimmt und unwillig sein. Am Wenigsten konnte aber
ein Theil der spanischen Offieiere, an ihrer Spitze der kühne
Eroberer von Mexico, Ferdinand Cortez, den Misserfolg ertragen
und wollte nicht unverrichteter Dinge den afrikanischen Boden
verlassen. Cortez erbot sich sogar, dem Kaiser, falls ihm die
spanischen und ein Theil der deutschen Truppen überlassen
würden, umzukehren und den Angriff auf Algier zu erneuern,
was jedoch abgelehnt wurde. Dass aber ein solches Heer ge-
neigt ist, eher ungerecht als gerecht gegen seinen Fühi'er zu
urtheilen, bedarf keiner weiteren psychologischen Erklärung.
Ja, ich möchte behaupten, die Lage, in der sich Giustiniani
selbst befand, welcher auf dem Zuge krank geworden war und
den grossen Mangel an Lebensmitteln auf dem Rückzug von
Algier nach Matifou, ebenso wie in Bugia mitempfinden musste,
macht auch die Vorwürfe gegen den Kaiser begreiflich. Ei*
55
ißt in Folge der Entbehrungen und Anstrengungen nach der
Ankunft in Öpanicn daselbst gestorben.
Nachdem wir die Handlungen des Kaisers erklärt haben,
inlissen wir jetzt einer andern Erklärung derselben Erwähnung
thun, welche Grammont in seinen Anmerkungen zu Villegaignon *
gehefert hat; er selbst hat derselben aber nur den Rang einer
Vermuthung und Hypotliese zuweisen können. Er führt näm-
lich an, dass Karl V. sich ohne Schwertstreich Algiers zu be-
mächtigen geho£ft habe. Daraus erkläre sich Alles: man habe
nur für zwei Tage Lebensmittel mitgenommen, weil die Flotte,
wie man hoflfte, im Hafen von Algier selbst Lebensmittel und
Munition ans Land bringen würde. Ebenso habe man die
Ebene von Hama ^ nicht besetzt, von welcher Grammont meint,
dass sie zur Deckung des Rückzuges wichtig war: der Kaiser
habe eben nicht gedacht, sie wieder passiren zu müssen. Ferner
bemerkt Grammont, dass einige Zeilen bei Marmol,^ dessen
Abhängigkeit von Jovius er nicht kennt, die Vermuthung zu-
lassen, dass der Kaiser kui'z vor dem Unternehmen gegen
Algier mit Hassan Aga in Verhandlungen getreten sei; diese
Annahme könne in Uebereinstimmung mit dem Umstände ge-
bracht werden, dass wir von dem Beginne von Unterhandlungen
mit Hassan Aga im Anfange 1541 besonders durch einen Brief des
Gouverneurs von Oran an den Kaiser unterrichtet seien. Ebenso
würde sich hieraus die Unentschlossenheit Hassan Aga's gegen-
über den von Manuel überbrachten Vorschlägen erklären, aus
welcher er erst durch den Renegaten Mehemet gerissen worden
sei. Es sei zwar noch immer schwer zu sagen, ob Hassan Aga
die Verhandlungen aufrichtig geführt habe. Doch glaubt es
Grammont daraus entnehmen zu können, dass Hassan Aga dem
Kaiser den Boden für sein Erscheinen geebnet habe, indem er
nur 800 Türken zur Vertheidigung hatte, während ein anderer
Theil seiner Truppen dem Beherrscher von Fez und Marocco ^
im Kampfe gegen die Portugiesen beistand. Endlich glaubt
> p. b4 sq.
' Die Nichtbesetzung derselben liat dem kaiserlicliou Heere, al» e» auf
dem Kückziige war, gar kciueu Schaden verursacht. Im Gegenthoil wäre
durch ihre Besetzung das Heer verzettelt worden und hätte beim Aus-
falle am 25. October vielleicht noch mehr gelitten.
» f. 217; vgl. oben 8. 47.
* Jovius II, 271.
56
Grammont seine Hypothese auf eine Stelle Baudoin's • stützen
zu können^ welcher erzählt^ dass ein Gesandter aus Algier naeh
der EinSchliessung der Stadt zum Kaiser gekommen sei, um ihn
zu bitten, ein Thor ,tUr Diejenigen offen zu lassen, welche ent-
fliehen wollten*. ,Nach anderen Historikern,' wie Grammont
sagt, ohne sie aber zu citiren, soll auch Abends ein Maure sich
mit dem Kaiser unterhalten und denselben nach der Unter-
redung in einer düsteren Stimmung zurückgelassen haben.
Grammont meint, hieraus ergebe sich, dass Hassan Aga trotz
seiner entschiedenen Ablehnimg, zu der ihn seine Umgebung
und die Stimmung der Bevölkerung veranlasste, im Stillen doch
flir die Annahme der kaiserlichen Vorschläge zur Uebergabe
der Stadt gewesen sei.
Diese Vermuthungen sind nach dem, was wir bisher
ausgeführt haben (vgl. oben S. 47), zum Theile von selbst
widerlegt; wir müssen aber dennoch ein Urtheil über dieselben
gewinnen.
Es lässt sich die Möglichkeit nicht leugnen, dass Karl V.
diu'ch Unterhandlungen mit Hassan Aga unnützes Blutvergiessen
vermeiden wollte. Doch könnte sich GJrammont die angeblichen
Fehler Karls V. nach seiner Art nur dann erklären, wenn die
Behauptung SandovaPs,'^ die er, ohne es zu sagen, hiebei im
Auge hat, richtig wäre, womach der Kaiser seinen Gesandten
nach der Landimg an Hassan Aga geschickt hätte. Wie wir
aber bereits erwähnten (vgl. oben S. 47), geschah dies vorher.
Als Karl V. die ablehnende Antwort erhalten hatte, liess
er die Landung, ohne sie durch das Abwarten des Restes der
spanischen Flottenabtheilung, der bei Cap Caxines stand, zu
verschieben, sogar an einem Sonntage (23. October) bewerk-
stelligen. Wir wissen zwar von einem Beginne von Unterhand-
lungen mit Hassan Aga (Anfang 1541), aber nichts über Inhalt
und Dauer derselben und am wenigsten das, was Grammont
vermuthct, nämlich dass Hassan Aga ähnlichen Vorschlägen,
wie sie Barbarossa gemacht worden waren, sich geneigt gezeigt
hätte. Man darf vielleicht umgekehrt behaupten: die Vorschläge
des Kaisers, wenn sie Hassan Aga vor dem Algierzuge wirk-
lich gemacht wurden, haben eine entschiedene Ablehnung
> Histoire de Malthe, Paria 1643, I, 357.
2 t II, p. 405.
57
erfahren; sonst hätte Karl V. nicht so energisch auf seiner
Expedition bestanden. Wenn er noch vor der Landung des
Heeres eine Aufforderung zur Ucbergabe an ihn richtete, so
wollte er eben gestützt auf Flotte und Heer die Annahme der
VorsclJäge erzwingen. Marmors Angabe über Hassan Aga
kann deswegen vollkommen wahr sein, nur braucht man daraus
nicht das zu vermuthen, was Grammont gerne gescldosson hätte.
Dass Hassan Aga aber zu einem entschiedenen Widerstände
gegen den Kaiser entschlossen war, könnte der Umstand be-
weisen, dass er durch zahlreiche Geschenke die maurische Be-
völkerung um Algier vor der Ankunft des Kaisers zu gewinnen
suchte ' und wirklich gewann; sie hat auch durch ihre cigen-
thümliche Kampfesart, die heute noch ziemlich dieselbe ist, der
kaiserlichen Armee grossen Schaden zugefügt.
Was die Berufung Grammont's auf Baudoin betrifft, so
ist sie belanglos, da der Autor sein Material in einer oft sehr
confusen Art- verarbeitet hat. Die Worte Baudoin's: ,Un
mottigfcrc sortit de la ville qui donna k TEmpereur advis . . .
qu'il falloit laisser une porte libre aux Mores qui deliberoient
de quitter l'Aga et sc retirer,' -^ wenn sie auch auf Wahrheit be-
ruhen würden, sprächen aber gerade gegen Grammont's An-
nahme, nach welcher hauptsächlich die kriegslustige Stimmung
der Bevölkerung Hassan Aga gezwungen habe, die Ucbergabe
der Stadt zu verweigern. Für diese Stelle hat Baudoin, was
Grammont nicht wusste, der Bericht eines Theilnehmers an dem
Algierzuge, nämlich Magnalotti's, des Secretärs eines päpstlichen
Legaten, vorgelegen. Dieser spricht^ von einem Gesandten,
welcher auf seihen Wunsch zum Kaiser gefiihrt wurde und zu
ihm die eben angeführten Worte sprach. Dass aber dieser Ge-
sandte bald Argwohn erregte, deswegen auf die Folter gespannt
wurde, sich auf derselben als Spion bekannte und darum hin-
gerichtet wurde, dies Alles vermisst man bei Baudoin.
Was schliesslich die von Grammont angeführte, zu neuen
Vermuthungen benützte Erzählung von dem Mauren betrifft,
der den Kaiser wegen einer üblen Nachricht in Trauer versetzt
» Jovius II, 271.
2 Verjfleiche hierüber das Urtlieil Sander llang's und F. Denis' (Fondatiou
de la K^genco d*AIger) II, '252.
» t. I, p. 365 sq.
« p. 24.
\iH\fi% r^p rp^'A^ai^T*-. :• fi L TT. i-k*? ziiT .«Ü^ anderen Historikei^^
iU-fii'U (ir^ir.Ui'rur »i:-^^ Ari^r^?'*- »-niniminu nkrhc in die Hand
jr<^ k orn rnr ri -in d. I > ■• -h k- • nr.*- a w ir auf ii mnd unseres Quellen-
iusiU'ri:iU-y, Urhaiipt^m. da.s? ^;e äknÜchen Werth haben müssen,
w\i' Haiuloin ^f-Urst.
5.
Andrea Boria*!» Verhalten.
Wir wolK'ii <\ic Kn3rtfnin<j:en über (Ke Frage, ob dem
KaiwT 'li<* ScliuM an d«Tn Mis-slinj^en der Unternehmung gegen
Algi^T zuzusclireiben .sei, damit abschlicssen, dass wir auch die
Kra^o zu bcantwortcm vcrhuch<.»ii, ob der durch den Sturm her-
brigciVilirtc grosse Verhist nicht durch gewisse Vorkehrungen
hilttc bc<lcutcnd vcrminrlcrt werden können und im bcjahen-
(h^n Falle, wen di<; »Schuld trifft, diese Massregeln versäumt
zu haben.
l'jii MoHKint scheint mir hier besonders wichtig zu sein,
aur welches die; V(^rfasser der ,Fondation de laRegcncc d'AIger"
l)en»itrt aufmerksain gr^worden sind, das sie aber ohne Herbei-
/.ielnmg der beiden hiefllr entscheidenden Quellen, nämlich
riloa's und Magnalotti's, nur streifen konnten. Wir wissen
niimlich aus niehn»ren Quellen,'^ dass der verheerende Sturm
vom äi"). Oi'tober sich einige Stunden vorher ankündigte, von
Magnalotti und Ulloa aber ganz ausdrlleklich, dass Andreas
Wmix Zeit genug gi»habt hätte, sich mit seiner Flotte nach
Maiitou odt»r Hugia zu begeben, zumal da er als erfahrener
Soemauu einige Stiuiden vorher den Sturm mit Bestimmtheit
vorau:ig\^>ehon hatte» Hoch habe, wie ebenfalls Magnalotti und
rilivi c^iur bt\stimint behaupten, Doria seine Galeeren nicht an
o:5*,*n 4:x*>ohUirton Ort t\\hnMi wollen, ^e ben sapesse perinn
X .'V. :uuo lo galoe\^ dau\it er den Kaiser nicht verlasse (,per
".;" ÄMvÄr,o.i^r,Ar\^ rhuporinoiv*"^.» Nach diesem Verhalten Doria's
■•■?»>.> Xi«", ,Nx,\ V V,V, MAp>Äloir:. 41: VxwoHicbor Brief an
**i ■••'"«, ^. ^-<*^. * ■••.* N iJ^ .;: \>»v^^ V. i 11*.
59
dilrten wir uns nicht wundern, wenn während des 8turmes
11 seiner eigenen Galeeren, I des Antonio Doria, 1 des
Don Garciä de Toledo (aus Neapel) und nur 1 aus Spanien
zu Grunde ging.* Der Verlust an spanischen Galeeren war
deswegen ein so geringer, weil Bemardino de Mendoza, der
Führer der spanischen Flottenabtheilung, mit 12 Galeeren Zu-
flucht in der Nähe des Cap Caxines gesucht und gefunden
hatte.^ Freilich ging dafiir ein grosser Theil der kleinen
spanischen Schiffe zu Grunde.
Kann man aber Andreas Doria mit der Begründung ent-
schuldigen, er habe seine Galeeren nur deswegen nicht nach
Matifou oder Bugia geftihrt, um den Kaiser nicht zu verlassen?
Er musste es ja, nachdem der Sturm mindestens hundert und
dreissig Schiflte vernichtet hatte, doch thun, um wenigstens noch
den Rest der Flotte, besonders der Galeeren, zu retten!
Liest man Ulloa, dessen Werk fast 19 Jahre nach dem
Algierzuge zum ersten Male erschien, so bemerkt man, dass
er gar nicht daran denkt, Doria in dieser Richtung einen Vor-
wurf zu machen. Man findet es aber begreiflich, wenn man
von ihm selbst erftlhrt, dass er in dieser Beziehung ganz be-
sonders die Ansicht eines begeisterten Verehrers des Andreas
Doria, nämlich des Genuesen Albara, wiedergibt: ^ ,. . . et pero
gli toccö quel gran danno essendosi potuto rimediare, andan-
dosi alla volta di Busia 6 al capo Matafuso come fecero molti
altri per salvarsi. Et tutte queste cose habbiamo noi sentite
dire a persone degne di fede, che vi si trovarono presenti a
tanta miseria et specialmentc a un gentilhuomo genovese,
nostro amicissimo, chiamato M. Giuseppe Albara, il quäle
havendogli noi mostrato queste historie per esser persona savia,
et che discorse bene intomo le cose del mondo, ci disse tutto
quel che habbiamo detto de Signor Principe, quasi
dolendosi come buon servitore di Sua Eccellenza, che
* Gnazzo, 286; Sepiilveda II, 146; Sandoval nach seiner spanischen Quelle
II, 408; Sieur Francisqne bei Kaulek, Conrespondance politique de Ca-
stillon et Marillac, p. 273; Brief Bandini's, Matifou, 2. November 1541
(vgl. unten Anhang).
' Sepiilveda II, 146; Ulloa (f. 117): ,Et pero gli (Andrea Doria) quel gran
d* anno essendosi possutr) rimediare, andandosi alla volta di Busia o al
capo MatafuB come fece-ro molti altri per salvarsi.*
» f. 117.
m
1111 atto L'tm nota)>ile fossc ascoso a ^li huomini^ essendo degno
(V immortal memoria/
Ulloa hat vielleicht nicht so sehr der Historie einen Dienst
erwei8<;n, als auf den begeisterten Verehrer Andreas Doria's,
auf Alhara, Kilcksicht nehmen zu müssen geglaubt, indem er
harmlos diesen wunden Punkt berührt. Nicht so Jovius, der
aus Kiieksichten für Anfbreas Doria absichtlich diese Angelegen-
heit fast gar nicht berührt.
Ma^nalotti, dem Joviiis als Hauptquelle folgt (vgl. unten
jJovius'), macht aus dem erwähnten Versa umniss Andreas Doria
ebenso wenig als Ulloa einen Vorwurf. Was er in dieser Be-
ziehung sagt, ist Folgendes: *
,Gia egli (Andrea Doria) haveva pronosticato la tempestk,
piu höre prlina . . . di modo che haverebbe possuto mcttersi in
salvo e ritirarsi nel porto vicino di Bugia con le galee ; ciö non
ostaiite non volle muoversi del luogo, dovc havea dato V ancore
al fondo per abbandonare V Imperatore col lasciarlo quivi a terra
c dare in tal modo ardire a gli infedeli d' assalirlo o di metterlo
in rotta, nel vederlo senza speranza d' imbarco.^
Es ist wohl der Mühe werth, in dieser Beziehung auch
Jovius, den Benutzer Magnalotti's, zu lesen (H, 274): ,Ipse
Auria non tarn sibi quam Caesari iratus, qui disciplinae
navalis rationem et certos inclinantes autumni dies navigantium
observatione praedamnatos neglexisso videretur, incredibili
animo contra tempestatem indomitus permansit suadentiumque
j)rece8 ut se conservaret adeo fortiter rcjecit, ut eos aeerrimis
vc^rbis tamquam publicae salutis proditores ad unam carinam
descendere iubcret'
Die ftlr Jovius' Stellungnahme in unserer Frage sehr
charakteristischen Worte ,non tam sibi . . . iratus . . .', die er
ohne vorausgehende Erklärung und Begründung unvermittelt
anfllhrt, hat Sandoval — vielleicht mit Hilfe seiner spanischen
Qu(»llen — ganz wohl verstanden, denn er gibt sie folgcnder-
massen wieder:'-^ j^^^^J enojado consigo, por no aver acertado
el surgidero, y con el Emperador que porfiö a yr tan tarde.'
Trotzdem aber Jovius einerseits durch die Worte ,non tam sibi
iratus' seine Meinung über Doria's Fehler oder seine Kenntniss
» \K 41.
« t. II, p. 408.
61
desselben^ anderseits durch das ,videretur' andeutet, dass
er Doria's Vorwurf* gegen den Kaiser seinen Beifall nicht
zollt, "^ so hat er doch Doria geschont, indem er weder in der
citirten, noch in einer andern Stelle die in seiner Vorlage
(Magnalotti) enthaltene Angabe wiedergibt, nach welcher Doria
schon einige Stunden vorher aus sicheren Aneeichen auf den
bevorstehenden Sturm schliessen konnte, aber, um den Kaiser
nicht zu verlassen, seine Galeeren nicht in Sicherheit brachte.
Denn Jovius fuhrt dem Leser blos vor, wie während des
Sturmes trotz der Bitten seiner Umgebung Andreas Doria sich
dennoch weigerte, ,sich^ in Sicherheit zu bringen. Wenngleich
er in seiner Vorlage bei diesem Punkte keinen Vorwurf gegen
Andreas Doria fand, so war Jovius in der That verständig ge-
nug, um einzusehen, dass er die erwähnte Angabe Magnalotti' s
in seine Darstellung nicht aufnehmen könne, da jeder einiger-
massen denkende Leser Doria' s Entschuldigung für sein Ver-
halten nicht genügend und ihn nur schuldig finden müsse. Da
er letzteres verhüten wollte, hat er zu jenem meisterhaft stili-
sirten und von uns citirten Satze als Auskunftsmittel gegriffen.
IL Theil.
Die Quellen.
1.
Berichte, welche von Angeiizengen während oder bald
nach der Algierexpedition fiber dieselbe verfasst wurden«
a) Aeusserungen Karls V.
1, Briefe,
Von dem Kaiser besassen wir bisher zwei Briefe, die über
den Verlauf der Algierexpedition handeln. Der eine ist an
1 Wie ihn Jovins aus einem von Magnalotti mitgetlieilten Briefe des An-
dreas Doria an den Kaiser genau kannte. Vgl. nnten ,Magnalotti*.
^ Sollte er also doch wissen, dass die Schuld der grossen VerzOgening der
Expedition Doria treffe, und es in seinen Historien nicht gesagt haben?!
C)2
Cardinal Tavcra, welcher wälirend der Abwesenheit des Kaisers
die RegierungsgeschUfte Spaniens ftlhrte, der zweite an Don
Diego Ilurtado de Mendoza, kaiserlichen Gesandten in Venedigs
gerichtet.^ Beide Briefe sind in spanischer Sprache abgefasst;
wir besitzen aber den Brief an Mendoza nur in ungenauer
italienischer Uebcrsetzung bei Ruseelli.* Beide behandeln die
Ereignisse des Zuges von Mitte ( )ctober bis 2., beziehungsweise
3. November 1541. Am 15. October war bereits ein Brief des
Kafsers an Tavera von Mallorca und Tags darauf von derselben
Insel an Mendoza abgesandt worden, wie wir aus den Eingangs-
worten der Briefe vom 2. und 3. November wissen, welche der
Kaiser vom ,Cabo de Metefus' (Matifou) abgehen Hess. Die
Briefe vom 15. und IG. October liegen uns nicht vor; dafür
aber fand ich im Wiener geheimen Haus-, Hof- und Staats-
archive' alte (aus den Ftinfzigerjahren des sechzehnten Jahr-
hunderts stammende) und genaue Abschriften zweier Briefe des
Kaisers an seinen Bruder König Ferdinand aus Mallorca vom
16. October imd aus Matifou vom 2. November 1541, welche
bei der Unzuverlilssigkeit der erhaltenen Uebcrsetzung und bei
der Gedankenlosigkeit, mit welcher die Copie des spanischen
Textes im sechzehnten Jahrhunderte angefertigt wurde,* uns
eine um so willkommenere ErgUnzung bieten, als alle die ge-
nannten Briefe eine treue Wiedergabe der Ereignisse und Ein-
drucke der vorangegangenen Tage enthalten. Der Kaiser theilt
hier seine Dispositionen, die Motive zu denselben, das Schick-
sal des Landheercs und der Flotte und die Gründe mit, welche
ihn zum Abzüge von Algier bewogen.
Ausserdem besitzen wir noch drei Briefe des Kaisers an
seine Schwester Maria vom 14., 28. November und 5. December
1541,'* von denen die beiden ersten, wie ich durch Collationi-
rung constatiii; habe, bis auf orthographische Verschiedenheiten
^ ('olloccion do docum. inöditos, Madrid 1842, I» 234 sg.
2 Lottore di principi, Venezia 1577, III, 74 8g.
^ Cod. Hupplein. G81 (h. Anhang).
* So gibt der italieniflche (RiiRcelli HI, 74) und der zuverlKssige französische
Text (s. unten Anhang) 40 bis 50 Miglien als Entfernung zwischen der
In8ol Cabrera und dem Hafen von Palma, der spanische Text (1. c, I,
234) ,once o una niillas* an, da der Copist im Original XL und L für
XI und I vorlas; ähnliche und davon verschiedene Versehen sind häufig.
' Coinpto rondu des seances de la Coniniission Hoyale d'histoire de Belgrique,
Iroxenes 185«, VIII, 113.v*vv.
63
und ganz geringe Zusätze fast yoIlstUndig, der dritte aber
nur in dem die Algierexpedition betreffenden Theile inhaltlich
mit den drei an denselben Tagen an König Ferdinand abge-
schickten Depeschen tibereinstimmen.
2. Die Instruction für den Sf eierer Reichstag des Jahres 1542
und die Commentaires.
Die Darstellung des Algierzuges musste sich in Karls V.
Commentarien,^ nachdem an die zehn Jahre seit der Expedition
vergangen waren, ganz anders gestalten als zu einer Zeit, wo
die Eindrücke der Erlebnisse frisch und schmerzlich waren.
Abgesehen davon, dass bei der AUgemeinlieit der Aus-
drücke gewisse Stellen der Commentaires nur dann vollkommen
verständlich werden, wenn man vollständigere Quellen zur Hand
hat, verhüllen sie sich in unserer Partie dort, wo man eine An-
gabe der Gründe erwartet, welche den Kaiser zur Expedition
gegen Algier bewogen, in einen Schleier.^
Ausführlicher hat sich Karl V. über die Motive und
Zwecke seiner Expedition gegen Algier in einer zwar nicht von
seiner Hand herrührenden, mindestens aber in seinem Aufti'age
verfassten Instruction ^ nicht lange nach dem imglückhchen Aus-
gange des Algierzuges, am 28. December 1541, geäussert. Nach
derselben sollten sein Bruder Ferdinand, Naves imd Hugo von
Montfort als seine Bevollmächtigten auf dem Speierer Reichs-
tage des Jahres 1542 unter Anderm auch die Gründe, welche
ihn zu diesem Zuge bewogen, bekanntgeben. Wir wollen nun
von diesem Punkte aus versuchen, über den Werth beider
Quellen ein Urtheil zu gewinnen.
Wenn wir den Angaben der Commentaires folgen, so war
der Kaiser zur Leitung des Reichstages vom Jahre 1541 in
Regensburg erschienen, um die Religionsangelegenheiten zu
schlichten. Als nach endlosen Verhandlungen, die aber zu
keinem Uebereinkommen führten, Gerüchte zu cursiren begannen.
> CommentAires de Charles-Quint par Kervyn de Lettenhove, Paris et
Braxelles 1862, 59 sw.
' p. 60 heisst es: ,. . . et par d'autres raisons qui, ainsi qii'on Ta dit, Vy
engageaient.* Aehnlich p. 59: »Döjii avant d'apprendre ces nouvelles,
Tempereur par diverses raisons qiü le g^idaient avait fait des grands pr^-
paratifs potir entreprendre . . . Texp^dition d' Alger/
'. Wienw Archiv, Reichstagsact^^n ir>42, I und 11.
•'>4
dass SnluiR Solioukn in Ungarn mit simrker Ueeresmacht er-
scheinen werde, iiane mAn noch keine Vorbefeitiuigen zum
^'hutze geje^^n einen Einfeiil in OisterTeiehiaches Gebiet getroffen.
IVvh schon vorher hdtte der Kaker xa einer Unternehmung
gt*iron Abrier irertlsteu welche er nach seiner Ankunft in Spanien
AUS .verschiedenen Gründen' ins Werk zu setzen wünschte,
itleich nach seiner Ankunft in Italien empfing er die sichere
Nadiricht, da$$ die Türken mit grosser Macht in Ungarn er-
scheinen wilnleu. Aus die:^em Gmnde ging er nach Lucca,
um mit dem P^^i^te UWr die Mittel zu Terhandehoi« welche der
Organisation eines Kauipte:> gegen die Türken dienten. Da er
aWr sah. das«; dies<^ Oonfervnzen keine Resuhate ei^ben^ be-
gab er sich nach S^H^zia« um zu warten« bis seine Flotte zur
Abtal\rt bervnt sei.
lK>r Inhalt vier Instruction, so weit er denselben Gregen-
stand betrifft« ist toIg\'nder: Als die Vergehe zur EIrrichtung
einer l'uion £ wischen Katholiken und Pr^e^tanten, zugleich
aWr auch zur krÄt\igx'u Hilteleistung des Reiches gegen die
Türken ohne Krtolsr blieWn und Nachrichten von verschiedenen
Seiten einlieteru die uaiuentlich .vv»u den Venetianem* in G^en-
wart der Reichs^tsinde tUr vollkommen verlisslich erklärt wur-
den, das^ der Sultan nicht in eigener Person in Ungarn er-
scheicen, vielmehr den ^rrSsseren Theil seiner Streitkräfte zu
eJEirr Expedition ziur S^v gegx»n NeapeL Sicilien und andere
Küs^^-rn verwenden wcr\U\ lo lies* der Kaiser eine starke Flotte
ausrüsten, reiste selWt in grCVscsimoglicher Eile nacb Italien^ Hess
al*er früher zur Werbung v^ni dreitausend italienischen Soldaten,
die mit den deutschen Tnipjvn nach Ungarn gehen sollten,
^ield n;4ch Italien aWeudcn, IMeso Truppen schienen dem
Kaiser zur Abwehr der tiu-kischen Truppen* welche damals in
Ungarn waren, genügend. IVr Kaiser bescklosis — imd dies
theüte er den Keich^tünden mit — im FaUe eines Angriffes
auf Italien. Neapel. Sicilien inler S^vunien. welcher damals ftLf
sicher ;::ehalten wunio. sich mit seiner Flotte in eisrener Person
der türkischen entgege^nzustelleu. um dadurch auch die türki-
schen Streitkräfte von Ungarn abzulenken: im Falle aber die
FIot;e zTir Abwehr der türkischen nicht benoihigt würde, be-
seht:<«ss er. sie ziu' Erv^Wnmg Algiers zu benützen.
In Genua erfuhr der Kaiser von der unerwarteten An-
des Sultans in Ungarn und von seinem Einzüge in
65
Ofen. ^ Deswegen glaubte er die Zusammenkunft mit dem
Papste nur beschleunigen zu müssen, um ein gemeinsames Vor-
gehen gegen die Türken zu berathen. Paul III. habe sieh auch
geneigt gezeigt, in Bezug auf Concil und Türkenbekämpfiing
hilfreich beizustehen (was in den Commentaires in Abrede ge-
stellt wird).2 Dann habe der Kaiser die Nachricht erhalten,
dass einerseits die Türken, eingeschüchtert durch die Instand-
setzung seiner Flotte, von einem Angriffe auf die italienischen
Küsten abstehen würden, andererseits der Sultan sich zur Ab-
reise von Ofen anschicke, und in Ungarn der vorgerückten
Jahreszeit wegen nichts Anderes geschehen könne,^ als dass
man die ungarischen Qrenzfestungen mit Besatzungen versehe.
Mit der auf diese Weise freigewordenen Flotte habe nun der
Kaiser seine Expedition unternommen.
Man sieht, dass die Commentaires in ihren Angaben sich
mit denen der Instruction nur im Allgemeinen decken. Der
Kaiser wollte in der Instruction verschweigen, was er in den
Commentaires ausdrückUch erwähnt, nämlich dass er die Be-
fehle zur Ausrüstung der Flotte vor dem Eintreffen der Nach-
richten über die Absichten der Türken ertheilt habe. Aus
Rücksicht auf den unglücklichen Ausgang des Unternehmens
wollte er eher die Meinung erwecken, der Algierzug sei nur
darum unternommen worden, weil die zur Abwehr der türki-
schen Angriffe an den italienischen Küsten bestimmte Flotte
unnöthig geworden und schUesslich für das blos eventuell in
Aussicht genommene Unternehmen verwendbar war.
> Am 29. Anglist 1541 war die Stadt in türkischen Händen.
3 Dann heisst es in der Instruction, der Kaiser liabe in Angelegenheit der
Tttrkenbekärapfang, des Concils und des Stillstandes mit Frankreich den
jüngeren Granvella beim Papste zurückgelassen; aber nie wird die That-
sache erwähnt, dass der Papst die Gründung einer neuen Liga nicht be-
trieb, wenngleich er sie dem Kaiser gegenüber grundsätzlich nicht aus-
schlug. Dies ist wohl dadurch zu erklären, dass der Kaiser den
Protestanten keine Gelegenheit geben wollte, gegen den Papst erzürnt
zu werden, was er, besonders nach dem resultatlosen Regensburg^r Re-
ligionsgespräch, vermeiden wollte.
' Bei der Stelle: ,. . . neque per anni tempus amplius fieri posset in Hun-
garia, nisi at arces et loca ,quae supersint* (die letzten zwei Worte ge-
strichen) {miesidiis munirentur* hat Leva (Storia docum. di Carlo V.
Venezia 1867, m, 328) die Worte ,per anni tempus* irrig mit ,per lo
spacio di an anno' übersetzt.
IxeUT. Bd. LXXn. I. HUfte. b
r;6
Aber aacfa in müderer Ricfatimg lisst sich eine beabsich-
tigte Färbung der An^ben der Instmctian bemerken.
Bereits im Winter von 1510 41 wurden von Seite der
Türken ^rn>sse Rüstungen zu Lande imd zur See begonnen.
Hierüber, sowie über die Ge£üir eines Türkeneinbruches in
Un<ram wurde Ferdinand von Laski.^ seinem in Haft gehaltenen
Unterhindler in Constantinopel. vei^tündigt. so dass bei Er-
Öffnung des Kegensburger Reichstages auf diese Grefahr hinge-
wiesen werden konnte;- auch am firanxosischen Hofe hatte man
hievon Kunde, wie eine Anzahl von Briefen Franz I.' imd des
englischen Gesandten daselbst zeigt. ^ Dennoch betont Laski
in seinen Briefen bis zum 11. Mai ausdrückUch, dass er an eine
Unternehmung des Sultans gegen Ungarn doch nicht glaube.
Die Nachrichten, welche der venetianische Gesandte fVancesco
Contarini dem Kaiser mittheilen konnte« werden wirklich, wie
die Instruction versichert« im Ganzen genommen von der Art
gewesen sein, dass sie den Kaiser und die Stände bis zum Juni
in der Ansicht bestärkten, die Türken hätten fiir dieses Jahr
eher eine bedeutende Flottenuntemehmung im Sinne. Vom
Monate Juni bis zur Abreise des Kaisers ^August) trafen aber
solche Nachrichten von Laski ^ (wahrscheinUch auch noch der
drohende Brief Soliman's vom 20. Juni.^ der die Kriegserklärung
an Ferdinand enthält), in Regensbuig ein. dass das Erscheinen
eines grossen türkischen Heeres unter Soliman's' Führung in
Ungarn nicht bezweifelt werden konnte.'
* Gevay, Urkunden nnd Actenstücke zur Cre:$chichte der Verhältnisse «wischen
Oe«terrcich-Ungam und der Pforte, Wien 1842, in, 101—123.
' ,. . - »So he prayed the Prince» . . . to pntvide agsiinst the Torks, who
now evidently intended again invadinir Anstria/ Francetico Contarini
an die Signoria von Venedig, Regensburg-, 6. April 1&41 (Rawdon Brown
V, 98).
> Brief Franz L an Marillae (ohne Ortsangabe), 1. April 1541, Correspon-
«lanee ]Kilitiqne, 282.
* Wallop an Heinrich Mll., Melun, 26. Jänner 1541, State pap. VIII, 514.
' Howard an Heinrieh \TII., Ambois, 19. April, State pap. Vm, 552;
I^anki an Ferdinand, Constantinopel, 11. Mai, 21. Mai, 10. Juni (Gevay
UI, 140 ff).
« Gevay IH, 147.
' Ki'mifjr Ferdinand bittet in einem Briefe vom 1. Juli Krmig Heinrich Vm.
(Htat^f pap. VIU, 582) um Hilfe gegen die in Ungarn einbrechenden Tür-
ken, nnd im Gespräch mit Gasp. Contarini ersucht er dieaen am 9. Juli,
sii.h flir ihn beim Papste in derselben Angelegenheit au verwenden, wor-
67
Es nimmt uns daher Wunder, wenn Karl V. in seinen
Commentaires bemerkt:
^,11 (rempereur) quitta donc Ratisbonne avant d'^tre pleine-
ment inform^ de Finvasion du Türe . . ./ und es scheint dem-
nach Morone's Meldung aus Trient vom 13. August^ begründet:
,Monsignore Qranvella dissimula la venuta del Turcho in
Ongheria; ma non credo per altra causa se non che forsi stima
esser vergogna venendo il Turcho a queUa parte che noi
andiamo ad im' altra/
Dass man auch in Italien einen türkischen Flottenangriff
fllrchtete, beweist ein Brief des iranzösischen Königs vom
6. Mai ^ und ein solcher des französischen Gesandten in Venedig
vom 12. Juli; ^ dass Andreas Doria ihn fürchtete, erzählt uns
Sepülveda.-* An demselben 12. Juli erklärt auch Karl V. den
Ständen ausdrücklich,"^ dass er Nachrichten empfangen habe,
nach welchen die Türken einen Angriff auf die italienischen
Küsten beabsichtigen, und dass er daher seine Abreise be-
schleunigen müsse, um denselben abzuwehren. Jedoch erhielt
Ferdinand ungefHhr zur selben Zeit eine Depesche Laski's vom
10. Juni, welche entgegen seinem letzten Berichte ^ versichert,
über G. Contarini (lIi»tor. Jahrb. I, 495) vou Kogensburg, 13. Juli, an
Famese schreibt: ,Sua Maest^ entro a raggiouare delle cose di Ungaria
et di Bnda et (pii molto si dolse che ess« non bastan\ a sostener qnella
impresa, dicendo li Tnrchi verrano et ci cacciaranno in Bnda et io sarö
sforzato a ritiramii in Aiistria et Dio sA, se mi potro difTendere, il che
dicendo di modo che a me fece grandissima coinpassione/
» Lämmer, 390.
' An Marillac (Corres]». politique, 299) : ,11 est arrivö en France un Cheva-
lier de Rhodes qui a asseur^ pour certain au roi ,qne ceulx de leur
religion ont descouvert deux cens milles tnniuesques pr^s de Corfou et
est ledit Chevalier expressement venu parde4;^a, pour notiffier aux aultres
chevalliers dUcelle religion, qn'ilz ayent tous k eulx retirer k Malte.'
3 ,11 (Sultan) a laisse Barberousse audict Constantinople pour faire mectre
en ordre Tarmöe de mer qui sera bien plus gros que on ne pen<;oit, et
jÄ estoient presque prester LX gall^res, mais si trös secretement que
personne n*on 8<;avoit rien* (N^gociations I, 504). Spätere Briefe des-
selben Qesandten vom 15. October und 10. November (N^oeiations I,
520 und 527) sprechen noch immer von einer segelfertigen grossen tilr-
kischen Flotte.
« De rebus gestis Caroli V, II, 134.
' Herbais, Collect, des voyages des souverains des Pays-Bas, Bmxelles
1874, II, 182.
• Vom 21. Mai 1641 (Oevay HI, 143).
68
dass Barbarossa keine Flotte ausrüsten werde. ^ Bedenkt man
ferner, dass der Kaiser zwei Tage vor jener Erklärung (10. Juli)
dem Cardinal Contarini^ seinen Missmath über die Verhand-
lungen des Regensburger Reichstages und besonders über die
geringe Hilfeleistung gegen die Türken bekennt und in Bezug
auf den Algierzug bemerkt, es sei eine kleinere Unternehmung
mit einiger Aussieht auf Erfolg einer grossen vorzuziehen, bei
der man sieher nichts ausrichten würde, und erwägt man
schliesslich, dass die Commentaires über Bef\irehtungen eines
türkischen Sceangriffes als Motiv zur Ausrüstung der kaiser-
lichen Flotte nichts wissen, so wird man wohl sagen dürfen,
dass dem Kaiser die Nachrichten über die türkische Flotte in-
sofeme gelegen kamen, als er auf dieselben hinweisen konnte,
um seine baldige Abreise dem Reichstage gegenüber besser be-
gründen zu können, welchem er seinen Unmuth über die Ver-
handlungen doch nicht zeigen wollte.
Ein Motiv, das Karl V. zum Theil auch leitete, als er die
Algierexpedition unternahm, hat er in seiner Instruction nicht
erwähnt: nämlich die Rücksichtnahme auf die Spanier, welche
einerseits zum Zuge drängten, andererseits des Oefteren an sie
gestellte Forderungen von Geld- und Truppenleistungen für den
Türkenkrieg damit beantworteten, dass sie sich vorerst selbst
gegen ihre eigenen Gefahren angesichts der vielen Plünderun-
gen der algierischen Piraten an den spanischen Küsten vorsehen
müssten. Im Falle des Gelingens des Algierzuges, meinte nun
der Kaiser, würde ihnen dieser Vor wand benommen ^ und sie
'zur Bekämpfung der osmanischen Macht auch in Ungarn her-
angezogen werden können. Karl V. konnte aber diese Rück-
sichtnahme auf die Spanier den Deutschen gegenüber, besonders
nachdem sein Unternehmen gescheitert war, nicht officiell ent-
decken; als deutscher Kaiser durfte er nicht zeigen, dass er,
von dieser Rücksichtnahme beeinflusst, einen misslungenen Zug
unternommen habe.
^ jHnrbarossA mi 1 1 a m h o c anno parabit claasein, quoniam remiges
habere non potpst.* Coiistantiiiopel, 10. Juni 1541 (Gevay Ell, 144).
^ G.'Lsp. ContArini an Faniese, Kepfensburg, 10. Juli 1541 (1. c, 493).
3 Bei Villegaignon (Relation de Texp^ition de Charles-Quint contre Alger
par Granimont, Paris et Alger 1874), p. 81, wird dies besonders stark
betont.
G9
b) Marino Giustiniani's Depesche an das Collegium
der Zehn aus Bugia vom 10. November 1541.*
Marino Giustiniani (1489 — 1542) wurde wegen seiner Be-
liebtheit und theologischen Kenntnisse von vielen geistlichen
und weltlichen Fürsten, welche auf dem Regensburger Reichs-
tage versammelt waren, als Nachfolger Francesco Contarini's
dringend, jedoch vorläufig vergeblich erbeten; denn er wurde
erst, als der Kaiser zu seinem Zuge gegen Algier in Italien
die letzten Vorbereitungen traf, zum Gesandten ernannt, um
ihn dahin zu begleiten.
Die früher (vgl. oben S. 51 imd 54) genannte Depesche *'
Giustiniani's vom 10. November, die aber in Folge von Stürmen
erst nach einem Monate und zwölf Tagen von Bugia in Venedig
anlangen konnte, enthält sein Urtheil über die Gründe, welchen
das Misslingen des Algierzuges zuzuschreiben sei. Die Depesche
ist chiffrirt, um zu verhindern, dass, wie vieles Andere in
jener Zeit, auch dieser Bericht dem kaiserlichen Gesandten
Mendoza in Venedig hinterbracht werde.
c) Antonio Magnalotti's Bericht an Papst Paul III.
Ueber die Algierexpedition besitzen wir auch einen Be-
richt Antonio Magnalotti's, welcher als Secretär eines päpst-
lichen Legaten^ mit Ottavio Farnese, dem Enkel des Papstes,
den Kaiser nach Algier begleitet hat.
* Veiietian. Depeschen vom Kai»erhofo, Wien 1889, I, 434 f. und die Ein-
leitung, p. XHI.
' Komanin (Storia docum. di Venezia, Vonezia 1858, VI, 203) und Leva
(III, 458) kennen von venetianiHcheu Beriebten über den Algierzug nur
diesen. Vielleicbt finden sich noch die anderen Dopeschen Giustiniani^s;
dass er solche geschrieben hat, kann man schon auf Grund der ersten
Worte der Depesche vom 10. November behaupten: ,Fino questa hora
non ho scripto altro se non il vero successo . . .* Das Unglück vor Algier
wurde auch in der Finalrelation Marino Cavalli^s vom Jahre 1543 be-
rührt; Alböri (ser. I, t. III, p. 95) fand es aber nicht nöthig, diese Stolle
abdrucken zu lassen.
3 Magnalotti nennt seinen Namen nicht. Der Nuntius Moronc (nach Leti
II, 578: Marrone, welche Verstümmlung Tiller [463; vgl. unten S. 70]
und Schels [265 ff.; vgl. unten S. 70] nachgeschrieben haben), war beim
Algierzng nicht zugegen, obwohl er seit 27. November 1540, dem Tage
seiner Ankunft in Worms (Lämmer, Mon. Vatic.,' 306), Nuntius beim
Kaiser war; er sprach vielmehr ausdrilcklich den Wunsch aus, den Kaiser
70
Seine Relation, die nur Tiller, ^ Scliels*-' undChotin^ unter
den neueren Bearbeitern des Algierzuges kennen, ist im dritten
Bande von Leti's Vita di Carolo V (Amsterdam 1700, p. 11 sqq.)
abgedruckt. Einer der Freunde Lcti's hat sie nach einem im
Turiner Archiv befindlichen Manuscript copirt und ihm zu-
gesandt. Merkwürdig ist, dass in neueren Darstellungen dieser
Bericht nur in den ungenügenden und schlechten Auszügen
bei Vertot^ und Baudoin^ benützt wurde. Auch Schomburghk*
kennt nm* diesen Auszug, da er nur den zweiten Band Leti's,
nicht aber den dritten eingesehen hat, in dem sich Magna-
lotti's Relation findet. Magnalotti hat auch den Brief, den Doria
dem Kaiser schrieb, und in welchem er ihm nach der ver-
heerenden Wirkung des Sturmes vom 25. October rieth, den
Rückzug anzutreten, seiner Erzählung wörtlich eingefügt. Seine
Angaben über den Verlust an Schiffen an dem genannten Tage
beruhen, w^e er selbst sagt,' auf einer dem päpstlichen Legaten
hierüber zugekommenen Liste.
Doch weist Magnalotti's Bericht einige sehr bedeutende
und unbegreifliche Irrthümer auf. So sind die Angaben über
die Stärke der gelandeten italienischen, spanischen imd deutschen
Truppen unrichtig imd beruhen auf falschen Informationen.**
Die wenigen chronologischen Angaben sind zum Theilc
ebenso unrichtig. Nach ihm erfolgten die grossen Verluste zur
See und zu Lande nicht am 25. October, sondern am 28. Oc-
tober; imd auf denselben verhängnissvollen Tag zurückkom-
mend,-' gibt er sogar den 29. October an.
auf dieser Expedition nicht begleiten zu dürfen (Lämmer, 390, und Uisior.
Jahrb. 1883, IV, 647), welchem auch entsprochen wurde. Als Beweis für
Letzteres dient sein Schreiben an Farnese aus Mailand vom 18. October
1541, das also zwei Tage vor der Ankunft der kaiserlichen Flotte an der
afrikanischen Küste geschrieben ist (Lämmer, 391).
1 Uormayr^s Archiv, Wien 1830, Nr. 59.
2 Oosterr. milit. Zeitschr., Wien 1830, II, 205if.
^ Lcs exp^ditions maritimes de Charles-Quint en Barberie, Toumay 1857,
p. 229.
* Hist. des Chevaliers de Malte, Paris 1726, III, 197 «iiq.
^ Hist. des Chevaliers de Malte, Paris 1643, 355 sqq.
® Die Geschichtschreibung über den Zug Karls V. gegen Algier, Leipzig
1875, S. 41f.
^ p. 38.
5 p. 17 sq.
« p. 42.
71
Die wideraprechendsten Angaben enthält der Schluss *
unseres Briefes. Magnalotti erwähnt nämlich den Aufenthalt
des Kaisers in Bugia und bemerkt hierauf, dass dieser den
Befehl zur WiedereinschiflFung am 16. November crtheilt habe
und nach Cartagena gefahren sei. In dieser Stadt habe sich
der Kaiser nur einen Tag aufgehalten, weil er bald in Ocana
ankommen wollte, wohin er am folgenden Tage aufgebrochen
sei, jedoch nicht, ohne früher von Andreas Doria herzlichen
Abschied zu nehmen. ,Wir werden aber,^ bemerkt schliesslich
Magnalotti, ,nicht vor drei Tagen abreisend
Nach dem Gesagten kann also nur die Abreise von Bugia
gemeint sein; diese erfolgte aber nach mehrmaligen missglück-
ten Versuchen nicht am 16., sondern am 23. November. Von
Bugia l^m der Kaiser nicht gleich nach Cartagena, sondern zu-
erst (am 26. November) nach Mallorca. Daselbst verabschiedete
er sich von Doria'-* und fuhr erst am 28. November nach Car-
tagena, wo er vom 1. bis 5. Deccmber verweilte, um dann seine
Reise nach Ocana und Madrid anzutreten.
Dass die Datirung des Briefes ,Cartagona, 19. November
1541^ sicherlich unrichtig ist, leuchtet nach den vorausgeschick-
ten Bemerkungen von selbst ein. Der Bericht ist zwar in Car-
tagena geschrieben, was auch die Eingangsworte: ,Lc dirb che
giunti qui in Cartagena quasi semivivi^ beweisen, jedoch keines-
wegs am 19. November, sondern ungefähr Anfangs Deccmber.
Es ist unglaublich, dass die verwirrten, lückenhaften An-
gaben am Schlüsse 3 des Briefes von Magnalotti herrühren
* ,Abbonacciato8i i»oi il niare, con nna buona parte di vento favorevole
8iia M** Imp. ordinö V imbarco, che se^i li 16 Novembre e si stossero
le vele et indrizzosi il timone per la volta di Cartagena, navigatione,
che riusci pur troppo felice per farci rammeinorare le disgratie passate.
Non si fermö che un sol giomo Cesare in questa cittk impaticnto del
8U0 viaggio in Occagna per veder lo sue tiglivole verso dove »' inviö il
giomo seguente, licentiatosi prima con segni di gran cordialitä dal Doria,
col quäle (doch nur: Imperatore V) deve partire Monsignor Legato per la
volta di Madrid, dove sara ancora a suo tempo äua M^ Imperiale; ma
per6 non partiremo de qui prima di tre gionü/ (III, 67.)
' Commentaires, p. 62; Herbais, Collection de vojages des souverains des
Pays-Bas II, 198 sq.; Bepülveda II, 149.
' Bei Jovins (Historiarum sni temp. II, 276), der Magnalotti wlb in an-
deren Theilen, so auch in diesem benützt, Iftsst sich von dieser Ver-
worrenheit nichts wahrnehmen.
72
sollten. Wir werden e» liier wahrscheinlich mit späteren —
etwa durch Copisten verursachten — Entstellungen zu thun
haben.
Wenn jedoch in diesem Berichte einiges Erwähnenswerthe
nicht angeführt wird^ so hat man sich gegenwärtig zu halten,
dass es auch nicht Absicht Magnalotti's war. Alles ausführlich
zu erzählen; denn er verweist gleich zu Beginn seines Briefes
auf einen anderen, welchen der Legat abfassen und der den
seinigen ergänzen werde. ' Ein sehr grosser Theil der Relation
ist der Erzählung der Thatcn der Malteserritter und Italiener
gewidmet; spärlich sind aber Mittheilungen über Verdienste
der spanischen Truppen.
d) Giovanni Bandini.
Der Florentiner Giovanni Bandini war eine Zeit lang
diplomatischer Agent Alessandro Medici's bei Karl V.; in der-
selben Eigenschaft ist er auch später f\ir Cosimo Modici thätig
gewesen.^ So viel mir bekannt geworden ist, wurde er Ende
1540 aus Worms von diesem abberufen,' begleitete jedoch nicht
lange darnach den Kaiser auf seinem Algierzuge und nach
Spanien. Auf diesem Zuge hat er bei der Strandung der Ga-
leere Gianncttino Doria's (Neffen des Admirab), mit welchem
er ziemlich vertrauten Umgang gepflogen zu haben scheint, nur
sein und seiner Diener Leben retten können.
Bedauerlich ist fUr uns, dass er bei Abfassung der ersten
(vom 2. November) seiner zuerst von Ranke ^ benützten und
nun von uns im Anhange publicirten Depeschen an Cosimo
Mcdici aus dem Monate November 1541 sich nicht Zeit nahm
oder solche fand, über die Landung und die Operationen des
kaiserlichen Heeres genauer und ausführlicher zu berichten.
^ ,Rimettendomi io a qualcho di piu ricever^ la Beatitudine Vostra nella
lettera di Mons. Legato* (p. 14). Die Existenz diese« Briefes konnte ich
nicht nachweisen, ebensowenig Anhaltspunkte fUr eine bereits erfolgte
Benutzung gewinnen.
2 Varchi, Storia tiorontina, per cura di Mich. Sartorio, Milauo 1846, t II,
p. 297.
' ,Scripsi discessisse Go. Uandinum rovocatum a Cosmo, qui nos omni
parte oppugnat, sed frustra laborabit.* (Morone an Famese, Worms,
8. Jihnor 1541; Lämmer, p. 323.)
* Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation (5. Aufl.), Leipzig 1873,
Bd. IV, S. 171.
73
Was wir sonst aus seinen Meldungen erfahi*en, beruht —
die Angabe über die Zahl der verlorenen Schiffe abgerechnet
— auf Wahrheit und ergänzt auch theilweisc unsere Kennt-
nisse, die wir aus anderen Berichten schöpfen.
e) Das Journal Vandenesse's * und die ,Rclation
de l'expÄdition d'Alger^^
Gachard* hat von dem Journal Vandenessc's, welcher
wahrscheinlich seit 1535 das Amt eines ,Controleur de la maison
imperiale^ inne hatte, tiberzeugend nachgewiesen, dass das Tage-
buch in dem bis zum Jahre 1542 reichenden Theile nichts als
eine Abschrift der in der Madrider Nationalbibliothck von ihm
entdeckten ,Description des voyages, faicts et victoires de TEm-
pereur Charles-Quint^ von Herbais mit sehr geringen Zusätzen
ist. Herbais, der 1536 ,gentilhommc de chambre' geworden war,
begleitete in seiner Stellung den Kaiser auch auf dem Algier-
zuge. Ueber den Charakter seiner Darstellung hat sich Schom-
burgk näher geäussert.^
Von Privatcorrespondenzen ist uns niu* eine gleichzeitige
wörtliche Abschrift aus dem Tagebuche Herbais',^ ein in den
,Papier8 d'^tat^ ^ abgedruckter Brief eines Ungenannten, welcher
weder Datum noch Adresse trägt, erhalten.
Der Inhalt des Briefes beginnt nun folgcndermassen :
,Le lundy 17* Octobre [1541 avisc quej Sa Majest^ estoit
deliberö s'embarquer [dans le port de Maillorque, oü estoit
arrivc le vice roy de Sicille avec huit millc Espaignolz, et aussi
estoient arrivez les six mille Allemans, que Ton avoit embar-
qu6 a la Specia, et six mille Ytaliens que Ton embarquö a
Libomc] ' arriva une galfere d'Espaigne apportant nouvelle . . .^
* Collectioii dea voyage« des souvcrains do Pays-Ba» par Gachard, Bruxolles
1874, t. II, p. 188—199.
' Ch. Weiss, Papiers d'ötat du Card, do Granvello d'apr^s les maiiuscrits
de la bibliotheqne do Besanvoii, Paris 1841, II, 612 svv.
' In der Einleitung zu t. II dor ,Collectiou des voyagesS §. 2, und in
seinem Werke: ,Les biblioth^ques de Madrid ot do TEscurial*, Bnixelles
1875, 16.
< S. 29.
* Vandenease, 194—199.
* II, 612 sw.; Gachard (Collect, des voyages, t. III, p. XXX d. Einleittmg).
' Vandenesse, 194.
74
Mit Ausuahme der in Klammern gesetzten Worte dieses
Briefes ist alles Andere bis zu Ende desselben der ,üe8cription
de Herbais^ wörtlich entlehnt; aber auch die in Klammem ge-
setzten Worte finden sich in Herbais unmittelbar vorher.* Aus
den angeführten ersten Zeilen des Briefes lässt sich erkennen^
dass am 17. Octobcr an dieselbe unbekannte Person (Gran-
vella V) von Mallorca ein anderer Brief abging^ der die Ereig-
nisse wahrscheinlich von des Kaisers Abreise von Spczzia bis
zur Ankunft in Mallorca in einer dem Tagebuch wieder Wort
fllr Wort gleichen Fassung enthalten hat. Aus den Schluss-
worton des vorliegenden Briefes lässt sich die Datirung^ näm-
lich Cartagena, Anfang December 1541, feststellen.^ Denn
unser Brief schliesst mit der Ankunft des Kaisers in Cartagena,
wo dieser vom 1. bis 6. December verblieb.
f) Der Brief des Commendador VaiTuelos an einen
Ungenannten.
In der ,Collcccion de documentos inöditos* (I, 229 8g.) ist
aus einem Miscellanencodex der Escurialbibliothek eine gleich-
zeitige Copic eines Briefes publicirt, welcher vom Commendador
Vanuelos von Cartagena am 10. November 1541 an einen Un-
bekannten abgesandt wurde. Er erzählt in diesem seine Er-
lebnisse während der Algicrexpedition seit dem 16. October, an
welchem Tage er seinen letzten Brief an seine Frau abgesandt
habe. Der Text, in Abschrift erhalten, ist nicht ganz fehler-
und lückenfrei.
Ueber die Person dieses Vanuelos konnte mir nichts
Näheres bekannt werden. Doch scheint es mir, dass Vanuelos
einer der Commcndadores des Ordens von Alcantara war, die
sich, wie wir aus Jovius ^ und Scpiilvcda ^ wissen, an der Algier-
expedition betheiligten.
Der genannte Brief ist fllr unsere Partie erwähnenswerth,
weil in demselben die Bewegungen und das Schicksal der
Flotte und hauptsächlich der spanischen Flottenabtheilung unter
* Vaudenesse, 1 93 sq.
2 Die vom Herausgeber nicht versucht wurde.
5 II, 272. '
* U, UO.
75
Bemardino de Mendoza viel eingehender erzählt werden als
die Operationen des Landheeres, die nur nebenbei berührt
werden. Dies erklärt sich aber daraus, dass Vaftuelos, wie
aus seiuem Briefe selbst zu ersehen ist,' weder landete, noch
an den Operationen des Heeres theilnahm.
Neben anderen etwas fehlerhaften Angaben enthält der
Bericht auch den Irrthum, dass Vanuelos den Kaiser ,öamstag
den 22. October^ statt am 20. October vor Algier ankommen
und ,dann^ landen lässf^
g) Nicolas Durand de Villcgaignon.
Eijie sehr bekannte, von gleichzeitigen und späteren Ge-
schichtschreibern öfters benutzte «nd in jüngster Zeit durch
Herrn Grammont ^ neu commentirte Quelle für den Algierzug ist
der Bericht Nicolas Durand de Villegaignon's, eines Kdelmannes
aus der Provence, der als Malteserritter einen sehr rühmlichen
Antheil an den Kämpfen der Ordensritter genommen hat.
Dieser Bericht, ein an ,Guillaume du Bellay, seigneiu* de
Langey', in ziemlich correctem Latein geschriebener Brief, wurde
bald nach dem Algierzuge in Rom, wo Villcgaignon zur Hei-
lung seiner Wunden weilte, abgefasst und darin die Algier-
expedition aus der Einnnerung erzählt.^
Mit besonderem Vergnügen fUhrt er bis ins Einzelne die
Thaten der rhodischen Ritter vor, die auch andere Berichte
einer ehrenvollen Erwähnung fl'ir werth erachtet haben.
Nur in zwei Punkten kann man der Darstellung Villc-
gaignon's grössere Unrichtigkeiten nachweisen. An der Stelle
* I, 230 sq. — Auf dem Schiffe, auf welchem »ich Vaituelos befand, war
auch ein von ihm als ,Don Luis* bezeichneter Theilnehmer an der
Expedition. Wiewohl den Ilerausgeheni zugestanden werden muss, dass
aus einer solchen Angabe nichts Bestimmtes geschlossen werden
könne, so ist dennoch nicht unmriglich, dass der als Commendador mayor
de Alcantara bekannte Verfasser der Geschichte des schmalkaldischen
Krieges und einer Relation über den tunesischen Feldzug: Luis d'Avila
liier gemeint ist.
3 I, 230 sq.
' Relation de Texpödition de Charles-Quint contre Alger par Nicolas Durand
de Villcgaignon, Paris et Algfer, 1874.
* Vergl. W. Schomburgk, 8. 11—26.
7G
(p. 29), wo er von der Ankunft des Kaisers in Italien spricht,
bemerkt er: ,Quo simul ae pervenisset (imperator), exercitum
summa diligentia cogi et militum novas manus conscribi ius-
sit, magnumque navium numerum Genuae atque Neapoli in-
strui/ ^ Diese Bemerkung ist unrichtig, denn der Kaiser hatte
seine Instructionen zur Ausrüstung einer Flotte und eines Heeres
schon von Regensburg abgehen lassen. Doch konnte Ville-
gaignon über diese Dinge nicht so genau unterrichtet sein,
denn gleich im Anfange seines Briefes sagt er ausdrücklich,
er sei erst durch Freunde in seiner Heimat von der Ankunft
des Kaisers in Italien und von dem beabsichtigten Zuge gegen
Algier benachrichtigt worden.
An einer zweiten Stelle (p. 42) erzählt er yjon den
Schiffen, welche trotz wiederholter Versuche der zu ihrer Hilfe
zurückgelassenen Galeeren wegen des Sturmes nicht fortgebracht
werden konnten, dass sie an der felsigen Küste scheiterten und
dass eine bedeutende Anzahl von Personen, die sich noch ans
Land gerettet hatten, gegen die Bedingung der Erhaltung ihres
Lebens sich Hassan Aga ergeben wollten; doch sei diese Be-
dingung nicht angenommen und sie alle bis auf den letzten
Mann niedergehauen worden. Andere hiebei in Betracht kom-
mende Quellen wissen aber, dass diese Bedingung angenom-
men wurde, und bemerken, ganz gegen Villegaignon's An-
gabe, dass Hassan Aga selbst herbeigekommen sei, ihnen das
Leben geschenkt und sie zu Sclaven gemacht habe.*-^ Gram-
mont** hat mit Recht diese Unrichtigkeit dem Umstände zu-
geschrieben, dass Villegaignon in Rom, wo er erst über dieses
Ereignis^ informirt worden sein kann, eine entsprechende ihm
zugekommene Nachricht in seinen Bericht aufnahm. Denn dass
dies etwa eine Erfindung oder absichtliche Veränderung Villc-
gaignon's sei, kann nicht angenommen werden : es widerspräche
dem Umstände, dass er sonst nur Richtiges gebracht hat Ausser-
dem bekennt er selbst,^ dass er als Verwundeter nur die Zahl
* p. 29 »q.
2 Dor französische Gesandte in Venedig an König" Franz I. am 24. De-
ccmber 1541. N^gociations de la France dans le Levant par E. Char-
ri6re I, 527.
3 p. 106.
* p. 40.
77
der Tod teil und Verwundeten überhaupt, sowie die der ge-
fallenen und verwundeten rhodischen Ritter angeben könne. ^
2.
Berichte, welche ron Aiigenzeugren erst längere Zeit
nach dem Alglerzngc abgefasst wnrden.
a) Berieht eines Ungenannten.
Im Jahre 1881 gelangte im dritten Bande der ,Colleetion
des voyages des souverains des Pays-Bas' (p. 403 — 448) der
Bericht eines Theilnehmers an der Algicrexpedition, der sich
nur ,Quidam' nennt, zur Veröffentlichung. Das Manuscript aus
dem sechzehnten Jahrhundert, welches man in der Bibliothek
von Toumay fand, ist betitelt:
,Bricf recucil de pluyseurs cntreprinses, bellcs chasses et
entröes faictes par la Majestö Imperialle en poursuyvant son
voyage d'Argeil, environ Fan XV*' quarante, et ce r<5digi^ par
escript au Heu de repos par maniere d'exercitation, par un
quidam suyvant Sadicte Majestö en cherchant aventurcs, le-
qucl n'a aultrcs tesmoings prins quo sa propre veue et prö-
sence/
Der Bericht dieses Quidam, eines jungen Mannes — über
sein Alter lilsst sich nichts sagen — beginnt mit der Abreise
des Kaisers aus den Niederlanden nach Kegensburg (1541) und
endet mit den Ereignissen kurz nach der Erstünnung Dürens
(1543). Die Erzählung der Ereignisse der Jahre 1542 und
1543, welche er als ,Gentilhomme de la maison de TEmpereur
en Testat de constillier^ "^ erlebte, ist sehr kurz, dagegen die
> S. 42 f.
^ Die Herausgeber des dritten Bandes der ,Collection dos voyages* geben
(p. XXXIII) an, dass der ungenannte Verfasser, ein Niederländer von Ge-
burt, auf seine I^itte zu Logroflo, wohin er dem Kaiser gefolgt war, im Oc-
tober 1542 zum Pagen ernannt worden sei. Diese Zeitbestimmung beruht
aber auf einem Irrtbume, da der Kaiser in diesem Jahre im genannten
Orte sich nur am 7., 8. und 9. Juni aufhielt. Vergleicht man die be-
treffende Angabe de^ Anonynais (III, 438) und das Journal Vandenesse*s
(ü, 208), so ergibt sich, dass Qnidam am 7. Juni 1542 in kaiserlichen
Dienst aufgenommen und am nächsten Tage, an dem das Frohnieich nams-
fest begangen wurde, hiefllr dem Kaiser persönlich seinen Dank abstattete.
7«
Darstellung der Knn|rni«»'r des Jahres 1^1. besonders des
Algierzages, sehr acurfbhrlicli gehalten.
Was seinen Bericht anlielangt. so Termisst man in dem-
selben Datirungen naeh W^Krhen- oder laufenden Tagen des
Monates. ,Lend*-main\ «ee joiir*. .enriron XV joiirs*, .denx joors
apres' und Aehnliches sind die einzigen Zehbestinunangen, die
er bietet. Zuweilen ^ z. B. p. 420 und p. 433) sind seine An-
gaben noch unl>estininiter. z. B. ^ung jour ou denx apres'
oder .quelques jours apres'. Nur ein einziges Mal liest man
eine genaue Zeitangabe, die aber fiir ihn leicht zu merken,
daher auch leicht wiederzugeben war. Er bemerkt n9mlich,^
dass die Wiedereinschiflfung des Heeres während des ADer-
heiligen- und Allerseelentages erfolgte. Dieselben vagen und
ungenügenden Zeitangaben finden sich in der kurzen £rz&hlmig
der Ereignisse der Jahre 1542 und 1543.
Femer ist auffallend, dass in dem Berichte unseres Autors
80 Manches fehlt, was man bei der sonstigen Ausführlichkeit
desselben vermisst. Es ist beispielsweise befremdend, dass der
Ungenannte zwar anfiihrt. dass der Papst widerrathen habe,
die Algierexpedition noch im Jahre 1541 zu unternehmen, aber
nirlit erwUhnt. dass Andreas Doria und Vasto dem Kaiser gegen-
über ähnliche Grilnde vorbrachten. Ebensowenig erwähnt der
Autor die Absendung eines kaiserlichen Gesandten an Hassan
AgH mit der AutTordening zur Uebei^be der Stadt unter
p;lhiNtigen Bedingungen u. s. w.
I ){^v Mangel jeder bestimmten Zeitangabe, sowie das Fehlen
iiH'lir Oller wenigtT wichtiger Angaben findet seine natürliche
Mrlilllnnig, wenn man annimmt, dass der Ungenannte die Er-
InhiiinN«^ d(«N Algieiv.ugi'S nicht bald, sondern geraume Zeit nach
ilt^niHelboii geHrhrieben habe. Ja. es dürfte mit Rücksicht auf
ili(« UnheNtinuntlioit der Zeitangaben auch ftir die Jahre 1543
inul liVUi nu'lit gewagt sein, anzunehmen, dass die Aufzeich-
nung aller Kreignisso aus dem Oediichtnisse zum l^Gndesten erst
Ende [Ml\, wenn nicht noch si^iter erfolgte.
Ich war aber ganz, ei'slaunt. als ich wahrnahm, dass der
Ungenannte gegen die Vei'sieherung. die er auf dem Titel
seines Werkes gibt: ». . , lequel i^quidam) n'a aultres tes-
moings print, que sa pt\>pn* veue et presence' doch einen andern
> p. 433
79
Zeugen, nämlich Villegaignon, zur Darstellung seiner Erlebnisse
in auffälliger Weise benützt hat. Sichere Zeitangaben hat Qui-
dam bei Villegaignon freilich nicht finden können, obwohl dieser
hierin doch noch Besseres bietet. Fast Alles, was man bei
dem Ungenannten nicht erwähnt findet, ist auch in Villegaignon's
Bericht nicht anzutreffen. Man muss überhaupt sagen, dass
Quidam dem ihm in lateinischer Sprache vorUegenden Berichte
Villegaignon's, welchem er, seine eigenen Einschaltungen aus-
genommen, namentlich in Bezug auf die Ereignisse vor Algier
stets als fahrender Quelle gefolgt ist, gerade die wichtigsten
Stellen fast wörtlich, mit ganz geringen, unbedeutenden Zu-
sätzen entnimmt imd sie blos ins Französische übersetzt.^
Hin und wieder macht die Uebersetzung den Eindruck,
als ob sie frei sei, weil der Verfasser das Latein an einzelnen
Stellen nicht vollständig verstanden habe.^
Bei einer solchen Benützung Villegaignon's braucht man
sich natürlich nicht zu wundem, wenn Quidam auch einige
irrige Angaben seiner Vorlage nachgeschrieben hat.^
Zu den bedeutenderen eigenen Zusätzen des Quidam ge-
hört die Beschreibung der Reise des Kaisers nach Regensburg
und von dort nach Italien^ und gegen Schluss des Berichtes
> Vgl. z. B. Villegaignon, p. 30 sq., und Quidam, p. 409, 417 nnd 421.
^ Als Beleg hiefÜr dienen uns die Stelleu bei Quidam, p. 421, und bei
Villegaignon, p. 34 8q.:
Ubi primum terram pediten
attigenint (equites enim pauci eo
die navibus emissi sunt) genera-
üm snmma coeunt alacritate, se-
seqne expedinnt ad excipiendos
liostes . . .
Et Ik oü noz piötons penrent
mectre le pied k terro — car de clie-
vaulx y eult bien peu mis hors des
naves ce jour \k — en tr^s grande
diligence et tr6s abilles se misrent
en ordre d'ung tr^s grant et animö
cour^üge pour recepvoir et combattre
a toutfö oultrance les Arrabes . . .
' Z.B. gibt Villegaignon, p. 42, an, dass der Kaiser nach seiner Abfahrt
von Matifou vier Galeeren zum Scliutze jener Schiffe zurückgelassen
habe, welche wegen des Sturmes das Cap Matifou nicht umschiffen
konnten. Wirklich gibt auch Quidam (p. 436) statt der richtigen Zahl
von fünf Galeeren nach Villegaignon nur vier an. Der bedeutendste
Fehler ist aber Quidam (p. 436) passirt, als er die Angabe Villegaignoii's
(p. 43) nachschrieb, nach welcher die dem Tode entronnenen Insassen der
gestrandeten Schiffe bis auf den letzten Mann niedergehauen worden
seien. Vgl. CharriÄre I, 527.
« p. 403—423.
80
da» Hclir charakteristische Gespräch, welches der Kaiser mit
Hcinon Vertrautesten ftlhrt: ^ Nicht Furcht sei es, sagt dieser,
waH ihn so verzagt mache — denn er stürbe gerne um den
Pniis, alles Verlorene gerettet zu sehen — sondern er sei trost-
los, weil er vor seinen Augen so viele ,grans seigneurs et gen-
tilzhommes^ und Andere sterben sehe, ohne helfen zu können;
nicht einmal den Lebenden könne er Speise gewähren; wenn
noch der liest der Flotte vernichtet werde, könne man sich
nur mehr den Tod wünschen.
iJitjse vertrautesten Personen seiner Umgebung ermahnen
den Kaiser nach dieser Kede, seine Trauer und seinen Schmerz
dein ohnehin schon entmuthigten Heere zu verbergen und eine
heiterte Micsne anzunehmen (,dissymuler en se faindant [sie] et
iiionstrant tousjours joyeulx^); sie rathen ihm, nicht zu ver-
zweifeln, noch sei die Flotte nicht ganz vernichtet; um aber
dem Mangel an Lebensmitteln Rir den Augenblick abzuhelfen,
solle er Pferde schlachten lassen.
Von genauer Kenntniss der Vorgänge in der Umgebung
Karls V., zugleich aber von der OflFenheit des Ungenannten
zeugen die nachfolgenden Worte: ^ ,Et ce reponce ainsy fynye,
combien que Sa Magestc^ le sceusse tr^s bien faire, dissymulant
son dueil, ce neantmoings une grande partie de ladicte arm^e
fut aulcunemcnt tenue en la susdicte perturbation et fächerie '. . .'
Eine solch' genaue Kenntniss dürfte der Verfasser wohl nie-
mand Anderem als eitler Person verdanken, welche das Ver-
trauen des Kaisers genoss.
Das Gesammtresultat unserer Betrachtungen ist also, dass
der ungenannte Verfasser den Bericht Villegaignon's kürzte oder
mit eigenen, mehr oder weniger umfangreichen Ergänzungen
in seiner Darstellung versah, weil es ihm bei seiner schon ver-
blichenen Erinnerung bequemer und nothwendig schien, dies
zu thun.
» p. 432.
2 p. 433.
81
b) Marmol, Guyon, Bernstein und Gomara.*
Luis de Marmol war auch Theilnehmer^ an der Expedi-
tion gegen Algier und veröffentlichte sein Werk über Afrika^
von wo er nach einer ,7 Jahre und 8 Monate^ dauernden Ge-
fangenschaft um die Mitte des siebenten Jahrzehnts des sech-
zehnten Jahrhunderts nach Spanien zurückgekehrt war, im
Jahre 1573. Man kann es daher schon deswegen unserem
Autor verzeihen, wenn er zur Wiederbelebung seiner Erinne-
rungen flir unsere Partie Meister Jovius zur Hand nahm und
fUr seine Darstellung benützte. Am Greifbarsten tritt diese Be-
nützung in jenem Theile hervor, welcher die Ankunft der kai-
serlichen Flotte an der afrikanischen Küste und die darauf
folgenden Ereignisse bis zum Eintritt des Sturmes am 25. Oc-
tober behandelt.^ In der folgenden Partie hat er die fUr den
Zweck seiner Erzählung viel zu breit angelegte Darstellung
des Jovius stark gekürzt wiedergegeben und durch seine, fast
nur spanische Truppen und Führer betreffenden Bemerkungen
ergänzt.
Die Memoiren Ferry de Guyon's,^ Hans Christoph von
Bemstein's* und Francisco Lopez de Gomara's* sind schon von
Schomburgk^ als ungenügend erkannt worden.
3.
Briefe an E. Franz I. nnd an Cardinal Alexander Farnese.
Von einiger Bedeutung fUr unsem Gegenstand sind die
Briefe Wilhelm Pellicier's, französischen Gesandten in Venedig
1 Descripcion general de Africa, Graiiada 1573, t. II, f. 217—220.
2 Er behanptet nämlich in der Einleitung (t. I, p. 2), dass er an dem Zuge
gegen Tunis als ,aun moQo de peqnefia edad* theilgenommen habe ,y des-
pues de la felice expngnacion della seguido las vanderas Imperiales en
todas las empresas de Affrica por espacio de veynte y dos aflos y
padescido siete aitos y ocho meses de c^ptiverio*.
' f. 217 sq.; man muss ihm chronologische Fehler verzeihen.
< M^moires de Ferry die Guyon par Robaulx de Sonmoy (Collection de
m^moires relatifs k Thistoire de Belgique, Rmxelles 1858).
' BQlan, Geheime Geschichten und räthselhafte Menschen YII, S. 1 — 12.
* Cronica de los Barbarojas (Memorial historico espaßol, Madrid 1868,
VI), p. 430 8g.
7 g. 88—41 imd S. 48.
AkUt. B4. LXXTI. I. HUfte. ^
82
und Bischofs von Montpellier, an König Frans L vom April bis
zum Endo des Jahres 1541.* In diesen Briefen sind alle Nach-
richten, die dem franzosischen Gesandten über die Vorberei-
tungen zum Zuge, den Zweck der Reise des Kaisers nach
Italien, über die Tttrkcngefahr filr Karl V. und Ferdinand I.
und den Verlauf der Expedition gegen Algier zukamen, niedei^
gelegt. Doch sind neben richtigen Nachrichten auch cursirende
falsche Gerüchte oder Nachrichten, die der iranzösische Ge-
sandte schon durch mündliche Weiterverbreitung entstellt übei^
kommen hat, aufgenommen.
Charriire, der Herausgeber dieser Briefe, hat auch einen
jRapport d'un agent h Franyois I** sur Texpödition d'Alger*
veWiftentlicht. Es ist dies ein undatirtcr, von einem ungenannten
Agenten an Franz I. gerichteter Brief über das Misslingen der
Algicrexpedition. Der i>rt, von welchem aus der Brief ab-
gesandt wurde, ist ebensowenig als der Tag der Absendung
ersichtlich, so dass es Charrit^re wahrscheinlich mit einer Copie
zu thun hatte. Der Bericht ist auf Grund mündlicher Mitthei-
lungen von Theilnehmern an dem Algierzuge, vielleicht auch
schriftlicher Nachrichten verfasst und, obwohl nicht vollständig,
so doch in den gegebenen Punkten richtig. Nur die Angabe,
dass die Gesandten von England und Portugal ,100.000 Dn-
caten^ verloren hsltten,- ist unrichtig. Wir wissen nämlich aus
einer Depesche^ des französischen Gesandten am englischen Hofe,
Slarillac's, der über Auftragt Fninz I. gerade hierüber Erkun-
digungen einzog, dass Henry Knyvet, der englische Gesandte,
im Ganzen nur GOOO bis 7000 Ecus verlor.
* Charriciv, Nejrooiations de l.i France dniis le Levant, Paris 1848, I,
473 — -»'itK Einzelne, nicht unerhebliche Briefe PelHcier's hat Jean Zeller
besonders in der Aixer Bibliothek l^enützen nnd in »einem Werke ,Lä
diplomatie fran^ai.se rers le milien du XVI* siWe, d*apr^ la corresjwn-
dance de Gnillanme Pellicier, ereqne de Montpellier. ir»,39 — 1542* (Paris
1881) verwerthen kennen, welche Cliarriere unbekannt geblieben sind.
' N^TOciations I, h2i.
' Aus London vom 5. Februar 1542: ,11 n*y a ancune apparence qne le roi
d'Auorleterre ait contribne a la depense de Texp^ition d' Alger. La plus
gprande perte que son ambassadeur dict par lettres avcHr faict est de
Bopt a hnict mille ose uz tant en argent comme en antre« meables . . .*
(Correspondance |K>litique, p. 380).
Aus Verres vom 14. Januar 1542 < Correspondance poHtiqnc«, p. 380>.
83
Da der letzte Punkt dieses Berichtes die erfolgte Ankunft
des Kaisers in Cartagena * und dessen Absicht, nach Toledo zu
gehen, bespricht, so dürfte unser Brief, mag nun der ungenannte
Agent aus Spanien, Stidfrankreich oder aus Italien berichtet
haben, kurz vor oder nicht lange nach Mitte December^ 1541
abgefasst worden sein.
Ergänzungen — aber nicht Berichtigungen der in anderen
vorausgegangenen Briefen enthaltenen irrigen Meldungen — zum
Berichte des Ungenannten bringen die Briefe des französischen
Gesandten in Venedig vom 4.,* 18., 24. und 31. December 1541.
Erst in jüngster Zeit ist die Correspondenz veröffentlicht
worden, welche Charles de Marillac, französischer Gesandter
am englischen Hofe in den Jahren 1537 bis 1642, mit Franz I.
und dem Connetable Anne de Montmorency fUhrte.* Sie dient
unseren Zwecken fast in derselben Richtung wie diejenige des
französischen Gesandten in V(?nedig. Mehr als die Berichte
Marillac's sind einige Briefe beachtenswcrth, welche der fran-
zösische König und Montmorency an ihn über den Verlauf des
Regensburger Reichstages, die Absicht des Kaisers, nach Italien
zu gehen, und die türkischen Vorbereitungen und Angriffe
absandte.^
* Wo er vom 1. bis 6. December 1541 verweilte.
' Auf alle Fälle hätte bei der Edition der N^gociations der Brief des
französischen Gesandten in Venedig vom 4. November vor diesem Rapport
stehen sollen.
3 In diesem Briefe ist (p. 526) die unrichtige Nachricht mitgetheilt, dass
der Kaiser, als er auf seinem Rückzuge einen durch die starken Regen-
g^üsse angeschwollenen Fluss nicht zu überschreiten vermochte, von einem
Mauren sammt den Hofleuten über eine Furt gldcklich ans andere
Ufer gebracht wurde. Thatsächlich überschritt aber der Kaiser mit den
italienischen Truppen den Fluss auf einer Brücke, wälirend die Spanier
den Fluss mittelst einer Furt überschritten, welche sie gefunden hatten,
weil einige der Ihrigen einen Mauren den Fluss so durchschreiten sahen.
Aehnlicher Art sind andere Entstellungen von Nachrichten.
* Correspondance politiqne de Mrs. de Castillon et Marillac, ambassadeurs
de France en Angleterre (1637—1542), par Kaulek, Paris 1885 (im In-
ventaire aaalytique des affaires ätrangöres).
* Und «war vom 28. Februar (p. 272), 1. April (p. 282), (Amboise) 6. Mai
(p. 299), 24. Juni (p. 316), 26. Juli (p. 323), 9. August (p. 326), (Jaligny)
28. Angoßt (p. 832) (Lans en Bresse), 17. September (p. 838 sw.). Der Ort
der Absendnng ist in Briefen Franz I. an Marillac häufig nicht angegeben.
84
Einer Depesche Franz I. vom 8. December 1541 ^ war
auch ein uns erhaltener kurzer Bericlit beigeschlossen^ welchen
ihm ein ,Sieur Francisque'^ aus einem nicht genannten Hi^en-
platze am 25. November über den Verlauf des Algierzuges zusandte.
Durch die Ankunft zweier Schiffe ,in diesem Hafen^ war der
Absender des Briefes in den Stand gesetzt, einige Ergänzungen
und Berichtigungen zu einem früheren Berichte zu machen,
welcher uns aber nicht vorUegt.
Neben der Fülle von Nachrichten über die Vorgänge beim
Kegensburger Religionsgespräche finden wir in den Depeschen
Francesco Contarini's •'* (venetianischen Botschafters am kaiser-
lichen Hofe) an die Signorie, sowie in denen des Collocutors
Gasparo Contarini^ und des päpstlichen Nuntius Morone^ an
Cardinal Alexander Farncse auch vereinzelte Mittheilungen über
die Gründe des Zuges gegen Algier und den beabsichtigten
türkischen Angriff.
4.
Darstel Innren des Algierzuges In htstorlschen oder bio-
graplitsehen Werken dos sechzehnten Jahrhunderts.
a) Sepülvt3da. ^
Sepulveda hat, wie man -weiss, seine Geschichte Karls V.
nicht selbst veröffentlicht, sondern sie ebenso wie eine Geschichte
über die ersten Regierungsjahre Phihpps II. nur im Manuscript
J j). 372 8V.
' Ich vermag so wenig als der Herausgober über ihn Näheres anzugeben.
Wenn er im Namen- und Sachregister j». 486 unter den ^französischen
Gesandten in Deutschland* figurirt, so beniht dies auf einem Irrthume;
denn die einzige Depesche, welche von ihm abgedruckt ist, spricht
dagegen.
3 Bei Rawdon Brown, Calendar of Stite-papers and manuscripts existing in
Venice, London 1873, V, 98—107.
* L. Pastor, Corresp. d. Canl. Cont^rini wHhrend seiner deutschen Legation
1541 (Histor. Jahrb. I, 1880), 379flf. und 489 ff.
* IJimmer, Monum. vaticana historiam eccles. saec. XVI illnstrantia, Fri-
burgi Brisg. 1861, p. 364 sqq.; Nuntiatnrberichte Morone's (Histor. Jahrb.
1883, IV), 621 ff.
» De rebus gestis Caroli V, Matriti 1780, t. II, 1. XX, c. 1—21, p. 183 sqq.
der ,Opera edita et inedita*.
85
hinterlassen. Nur seine Briefe* sind bei seinen Lebzeiten 1557
erschienen. Der Grund, warum Sepiilveda sein Werk über Karl V.
nicht veröffentlichen wollte, dürfte auch darin zu suchen sein,
dass er einerseits Manches über Personen und Ereignisse der
Oeffentlichkeit ungern übergeben, anderseits aber wegen der
Unbestechlichkeit seiner Feder nicht unterdrücken wollte.
Es lässt sich behaupten, dass er für die Geschichte von
1536 angefangen, also für die Zeit nach seiner Ernennung zum
Hofhistoriographen, sich nicht mehr auf fremde Historiker, na-
mentlich auf Jovius stützte, sondern dass er Informationen bald
nach den Ereignissen über dieselben zu erlangen suchte. Dies
zeigt auch ein Brief Sepiilveda's vom 13. Juni 1541 '^ an Gasparo
Contarini, wo er sich Auskunft; über die Keligions- imd Concils-
angelegenheiten, über welche dieser mit dem Kaiser verhandelte,
erbittet.
Auch für den Algierzug hat er vorzügliche Quellen benützt,
so dass man ihn, wie überhaupt, so auch flir unsere Partie,
trotzdem es von Vielen geschehen ist, nicht unbenutzt lassen darf.
Wir besitzen nämlich von Sepiilveda einen an Cardinal
Tavera gerichteten Brief vom Ende November oder Anfang
Deceraber,^ welcher folgendermassen beginnt:
,Suavissimas tuas litteras, Praesul gravissime et simul
exempla epistolarum, que ad te de rebus bellicis et infausta
illa nostrorum ad Argeliam Mauretaniae navigatione a Carole
Cesare missae fuerunt, accepi.'
Aus den Eingangsworten ersehen wir, dass Sepiilveda
mindestens zwei, wenn nicht mehr Briefe, welche der Kaiser
an Tavera über die Algierexpedition schrieb, von diesem in
Copien zugeschickt erhielt.^
' Opera edita et inedita, III.
J m, 195.
5 Die Herausgeber haben es unterlassen, die Abfassnngszeit des undatirten
Briefes zu bestimmen (III, 197).
* Diese Briefe und eventuell einer aus Bupia (?) dürften sich in der
Escurialbibiiuthek im Original befinden. Denn Gachard verweist in
seinem Werke ,Le8 biblioth^ques de Madrid et de Escurial*, p. 557, auf
eine Anzahl von Originalbriefen aus den Jahren 1539 — 1543, welche
Karl y. an Tavera gerichtet hat. Diese finden sich aber nicht in jenem
Miscellaneencodex, aus welchem die Herausgeber des ersten Bandes der
,Collec(aon de docum. in^.' die gleichzeitige Copie des Briefes an Tavera
publicirt haben, sondern in einem andern Codex der Escurialbibliothek.
86
Vergleicht mau nun die Briefe des Kaisers aus diesen
Tagen, so erkennt man, dass sie der Autor geschickt zu seiner
Darstellung verwendet hat. Man sieht aber zugleich^ dass unser
Chronist, da der kurze Brief dem Zwecke seiner Darstellung
nicht genügen konnte, daneben auch andere Mittheilungen über
die Vorgänge vor Algier benutzt hat; von welchen Personen
ist nicht sicher zu bestimmen.
Es erscheint mir aber am wahrscheinlichsten, dass Sepül-
veda auch von Don Luis d'Avila, dem Commendador mayor de
Alcantara (obwohl er ihn nicht nennt), mag nun in Vanuelos*
(vgl. oben S. 75) Bericht unter dem ,Don Luis' * wirklich Avik
gemeint sein oder nicht, Mittheilungen über den Algierzug be-
kam. Avila, welcher als Theilnehmer an der Tunisexpedition
über diese eine uns erhaltene Darstellung verfasste, war eine
am Hofe Karls V. wohlgelittcne Persönlichkeit, mit der Sepul-
veda auch im Verkehr stand.^ Avila wird sich auch an dem Algier-
zuge betheiligt haben, da ja sein Orden an demselben theilnahm.
b) Jovius. 3
Jovius ist ein Schriftsteller, von dem man wohl behaupten
kann, dass er trotz der zahlreichen, schon von seinen Zeit-
genossen erhobenen und später nur wiederholten Beschuldigun-
gen gegen seine vollkommene Unparteilichkeit noch heute im
Allgemeinen grosses Vertrauen geniesst. Das ziemlich günstige
Urtheil, das Ranke* über ihn gefällt hat, scheint sich aber in
Bezug auf seine Unparteilichkeit doch nicht bewähren zu wollen.
Jovius ist jedenfalls eine nur mit grosser Vorsicht zu benutzende
historische Quelle.
Dass Jovius Magnalotti's Bericht an den Papst bei seiner
ganzen Darstellung über den Algierzug nicht blos vor sich
gehabt, sondern auch stark benützt hat, ist nicht allein wegen
der Gruppirung des gesammten Stoffes, sondern — was aus-
rollten die Uerauflgober der ,Colleceiou de docum. in6d/ wirklich eine
schlechte Copio publicirt habeu, während das Original in derselben
Bibliothek war?
* Colleccion de docum. in6d. I, 230.
3 Ein Brief de8selben an Avila, Opera edita et inedita, III, 118.
' Historiarum sui temporis libri XL, Lutetiae 1664, t. II, 266 sqq.
^ Zur Kritik neuerer Geschichtsschreiber XXXIV (der gesammelfteo Werke),
p. 71 ff.
87
schlaggebender ist — auch wegen der vielen Stellen, welche
die Gedankenreihe, und des Oefteren selbst Worte Magnolotti's
wiedererkennen lassen, gar nicht zu bezweifeln.
Jovius hat hiebei an manchen Stellen Magnalotti's Bericht
bedeutend gekürzt, Einiges, das ihm unwichtig schien, weg-
gelassen, dagegen auch andere, wahrscheinlich mündliche Mit-
theilungen hinzugefügt
Nach dem Gesagten müssen bei Jovius solche Angaben,
bei denen er von seiner Vorlage abweicht, sehr auffallen. Die
Angabe Magnalotti's, es seien in Folge des Kampfes vom
25. October im Ganzen mindestens 400 Soldaten verwundet^
und über 350 Mann der italienischen Truppen getödtet worden,^
ist bei Jovius in ,ungefkhr 300 Todte^ und ,über 200 Verwundete*
verändert.^ Ebenso aiiffallend ist es, wenn Jovius den von
Magnalotti^ (auf Grund einer dem päpstlichen Legaten über-
sandten Liste) angegebenen Verlust von 150 Schiffen auf 140
herabmindert^ und den Verlust von 7600 Menschen, welche am
25. October durch Kampf und Sturm umkamen, gänzUch ver-
schweigt.
In seinem Briefe an Stefano Colonna vom 10. December
1541 ® sagt er, basirend auf Mittheilungen, wie er selbst bemerkt,
von zahlreichen in Rom angekammenen Theilnehmem der Ex-
pedition: ,Sono perduti huomini piü di dodeci mila, legni cento
ottantatre con artegUaria infinita et dicesette galec; hanno man-
giato da mille et ottocento cavalli . . .* Jovius mochte wohl
eine gewisse Scheu haben — um nicht mehr zu sagen — diese
Verlustziffern in seinen Bericht aufzunehmen. Die Angaben
seines Briefes sind, wenn überhaupt, so nicht stark übertrieben.
Denn schon am 25. October waren 7600 Menschen und 150
Schiffe zu Grunde gegangen.'' Weitere grosse Verluste an
J Leti m, 39.
2 Leti m, 30 sq.
' II, 274.
* p. 38.
5 II, 274.
• Domenichi, Lottere volgare di Mous. Paolo Giovio, Yoiiezia 1561, p. 81.
"^ Die gesammte Flotte zählte ungefKhr 450 bis 500 Schiffe verschiedenster
Grösse, das Heer sammt der Bemannung der Flotte ungefähr 30.000 Mann.
VUlegaignon gibt den Verlust an Schiffen am 25. October mit 130 (p. 367),
Vafiuelos (p. 283) mit 120 und Giustiniani den Vorlust bis 10. November
eben£all8 auf 120, dagegen Sandoval (II, 406) nach einer, wie wir noch
88
NcDschen^ fUr welche wir keine Zahlenangaben besitzen, erlitt das
Heer durch den schwierigen Marsch von Algier nach Matifou,
sowie durch den Mangel an Lebensmitteln, die Flotte aber nicht
minder bedeutende Verluste an Menschen und Schiffen in Folge
der späteren Stürme.
Ausser Magnalotti hat Jovius für die Darstellung des
Algierzuges keine andere der von uns bereits charakterisirten
Quellen benützt Die Quelle, an deren Benützung man zuerst
denken könnte, weil der Verfasser, Villcgaignon, sich zur selben
Zeit wie Jovius in Hom aufhielt, wurde von ihm nicht benützt
Dass Jovius mündliche Nachrichten in grosser Zahl be-
nützte, gibt er selbst an.^ Zunächst lassen sich bei ihm Mit
theilungen erkennen, die wahrscheinlich auf eine an der Action
der spanischen Truppen betheiligte Person zurückgehen, aber
auch von einem Italiener oder Deutschen herrühren könnten.
Bei dem Uebergehen von Magnalotti zu einer anderen Quelle
ist unserem Autor einmal ein grösseres Versehen passirt
Magnalotti sagt (p. 24) vom 24. October : ,Tutto questo giomo
si occupö a situarsi et alloggiarsi con grandissimo incommodo
et danno degli Spagnoli;' Jovius in der correspondirenden
Stelle (II, 272) bemerkt aber mit merklicher Veränderung: ,qui-
bus praeliolis toto integro die ad noctem usque certatum est . ..
nullo quidem periculo sed longa defatigatione Hispanio-
rum.^ Indem Jovius im weiteren Verlaufe seiner Darstellung
die bei Magnalotti erwähnte Hinrichtung eines im kaiserlichen
Lager erschienenen Spions als werthlos übergeht, sagt. er im
Anschlüsse an die citirte Stelle mit Herbeiziehung einer andern
Quelle: ,nam inductis iam tenebris barbari alii aliis succedentes
neque a loco, quem insedcrant, neque ab instituta jaculandi
consuetudine discesserunt' und fUhrt aus, wie die Spanier ,den
nächsten Tag' die Höhen der Berge nach schweren Kämpfen
besetzten. Dies würde also am 25. October geschehen sein. Die
Besetzung der Höhen in Folge der von Jovius besprochenen
Kämpfe fand aber (wie Magnalotti richtig bemerkte ,tutto questo
sehen werden, zuverlässigen spanischen Quelle, entgegen dem von ihm
auch benützten Jovius, mit 150 Schiffen an, so dass die letzte Angabe
diejenige Magnalotti's nur bestätigt.
' II, p. 27Ö: ,. . . nee quae a multis narrantibus audivi superata
pericula et misorrimos casus . . .*
giomo') am 24. October statt. Dieser Feliler ist Jovius wegen
des Mangels an Tagesdaten sowohl bei Magnalotti, als auch bei
der andern Quelle passirt. Am Abende des 23. Oetobers fanden
die von ihm erwähnten Scharmützel statt, welche man nach
seiner Darstellung auf den 24. setzen müsste.
Die nähere Bestimmung der Quelle, welcher Jovius die
Bemerkungen über die spanischen Truppen entnommen hat, ist
nicht möglich. Etwas mehr Anhaltspunkte bietet Jovius' eigene
Darstellung zur Eruirung itaUenischer Quellen, welche unser
Autor neben Magnalotti benützt hat.
Wenn er nämlich (II, 272) hervorhebt: ,Ex bis praefero-
cem Maurum cominus egressum Lucidus Komanus quamquam
sauciatus interficit', so scheint mir in der Nennung dieses Rö-
mers eine Art Rücksichtnahme auf Nachrichten zu liegen, welche
,Lucidus' dem in Rom vor und nach dem Zuge gpgen Algier
weilenden Jovius geboten hat. Die Ehre, von ihm genannt
zu werden, erfuhren noch vier andere Herren, nämlich Fran-
ciscus Balneus, Titus Amerinus, M. Antonius Porrötanus,^ und
mit einer ganz flüchtigen Erwähnung Celese,'^ ohne dass sie
gerade glänzende Heldenthaten verrichtet hätten.
ScIdiessUch könnte man vermuthen, dass Jovius auch von
dem conte deir Anguillara, mit dem er in Verkehr stand,^ Mit-
theilungen über die Algierexpedition empfing.
c) Sandoval.^
Von diesem Quellcncompilator bemerken die Autoren der
,Fondation de la Regence d' Alger', Sander Rang und F. Denis :^
,äandova] et le manuscript du Mehkemö voila les deux autorites
* II, 273: »Frauciscus Balueus, Titus Amerinus et M. Ant. Porretauus, qui ad
ligueam pontem intrepide cousistuut oxce])ta toracihus jacula in liostes
remittoudo . . . spatium fugae et ob id multis salutoni poperenmt/
' U, 272: ,. . . iuterfocto siguifero Collosiao . . /; Celese verdankt die ,Newe
uod wahrliafftigo Zeytung* alle ihre Angaben über den Zug. Vgl. Scliom-
burgk, 42 f.
' In einem Briefe aus Korn vom 23. Juli 1541 schreibt er an Stef. Colonna
(Domenicbi, p. 87) : ^Antonio Doria ha ordino di far due mila fanti, como
hieri mi scrisso il conto dolF Anguillara.* Dieser war aber auch Thcil-
nehmer an der Expedition.
♦ Vida y hechos dcl Emperador Carlos V, Pamplona KUO, t. II, p. 400 sijq.
Die erste Auflage erschien zu Valladolid 1604 bis lOOO.
» II, 265.
irrriragablcs, qui pcuvcut nous conduire vers la veritö/ Der
(Uiuibc HU die uiierscliütterliehe Autorität Sandoval's ist zwar
von Seite des Autors der 1874 erschienenen Arbeit übjpr den
AlgicTzug, nämlich von Grammont, in nicht so stricter Weise
wiederholt worden, doch lehrt die häutige Nebeneinanderstollong
von ilovius und Sandoval bei Erörterungen kritischer Fragen
in diesem, wie in anderen Werken, dass der Glaube an eine
solche Competenz Sandovars und dessen Gleichberechtigung
neben Jovius thatsächlich vorhanden ist, trotzdem die Abhängig-
keit Sandoval's von Jovius schon Ranke betont hat*
In der That folgt auch Sandoval,* dessen Werk, ein
Qui^llenconglomerat, nur mit Vorsicht zu benützen ist, dem
Jovius auch in unserer Partie zum grössten Theile in unver-
kennbarer Weise. Da er abweichend von Jovius seine Ge-
schichte in Bücher, Capitel und Paragraphen theilt, so passirte es
ihm, dass er öfters, und zwar namentlich bei Benützung anderer
Quellen neben Jovius und bei Aenderung der Disposition dieser
Vorlage einzelne von letzterer angeführte Momente vergass und
sie gar nicht erwähnte. Die Auszüge aus Jovius gelingen ihm
manchmal nicht gut,-^ so dass sie öfters zweideutig und nur
dann vollkommen verständUch werden, wenn man Jovius wieder
zur Hand nimmt.
Die wenigen Angaben nach Wochentagen, die Sandoval
macht — Jovius hat ihm in dieser Beziehung nichts bieten
1 Dout^ehu Geschichte im Zeitalter der Keformation (5. Aufl.) II, 382 f.; Zur
Kritik neuerer Geschichtsschreiber, ges. Werke XXXIV, 115 f.
' HfMtrilgo zur geringeu Kcuutiüss seiues Lebens hat Ferrer del Rio (Deca-
(luncia de EspaÜa, Madrid 1850, I, 305 sgg.) geliefert.
3 ». ü. Jovius II, 273 :
»(^uuni Ferdinandus Gonza^ra
Sandoval U, 406:
,Lleg6 Don Hemando de Gon^aga,
. . . iratuH cohortibus loco pulsis ' haviendo reprehendido los Italianos
Mupurvonitcohortibusque virosfor- j con grande enojo, paasion y ira, les
!i«H ut fugno dcducus nobili conatu i hiz6, que siguiessen los Turcos por
dihu^nuit, in hosten impotum fa- cobrar su honra contradizieudolo
conv nU{\w acritor perseiiuendo mucho el Camillo.*
iiitor portAH coinpellcro iussit. Id
viM'd (Niluinnn nisi magno
«'Ulli p«»riiMilo fiori posso
ti^Htiibntur, sod Gonaaga
gniioriiNi nrdoriH plonus . . .*
91
können — sind fast alle falsch.^ Von den Weglassungen und
eben erwähnten Feldern abgesehen, sind Sandoval in anderer
Beziehung keine Unidchtigkeiten nachzuweisen.
Ausser der Benützung des Jovius kann man bei Sandoval
die Benützung anderer Nachrichten, die von Spaniern herrühren
müssen, bemerken. Und in der That führt er auch selbst
(p. 409 und p. 411) eine Relation an, deren Verfasser er aber
nicht nennt.
Schliesslich lag Sandoval noch eine Relation eines Doctor
Hillescas^ vor; Schomburgk^ hat aber nachgewiesen, dass er
auch Gomara und Villegaignon benützt hat.
d) Martin Garcia Cerezeda.*
Es ist dies eine Quelle, die seit ihrer Auffindung und
Publication im Jahre 1873 bis jetzt noch nicht benützt worden
ist. Cerezeda widmete sein in Mussestunden^ verfasstes Werk,
welches die Feldzüge und andere Ereignisse in den Heeren
Karls V. von 1521 bis 1545 schildern sollte, als er nach einer
langen Reihe militärischer Dienstjahre im Jahre 1545 oder 1546
in seine Vaterstadt Cordova zurückgekehrt war, dem Herzog
von Sesa und Terranova, Don Gonzalo Hernandez de Cordova.
Dieses Werk ist einer eingehenden Betrachtung würdig, weil es
ausser den vielen Nachrichten über die Kriege Karls V. auch
andere, für die Geschichte dieses Kaisers überhaupt werthvolle
Mittheilungen enthält.
Was wir über die Persönlichkeit des Autors wissen, ist,
da die Herausgeber trotz fleissiger Nachforschungen, wie sie
^ Kotalier (Hist. d' Alger et de* la piraterie des Ture^ dans la Mediterran^e
a dater du seiziome siecle, Paris 1841) bemerkt t. I, p. 314, Anm. 2, dass
er ,fa.st alle Daten* über diese Expedition Sandoval entnommen habe.
Deswegen blieben in seiner Darstellung Fehler in dieser Richtung
nicht aus.
' p. 411: ,Y ol Doctor Ilillescas dizo por relacion de un caballero que se
hall6 en esta jomada, que aviendo ol Eniperador . . .*■
' S. 47f.
* fTratado de la canipanas y otros acontccimcntos de los ejörcitos del
emperador Carlos V . . . desdo 1521 hasta 1545 por Martin Garcia Cere-
zeda, cordovös, soldado en ac^uellos ej^rcitos/ publicalo la sociedad de
bibliötilos eupafloles, Madrid 1873.
* »En los tiempos que en la milicia fjillaba ociosidad. (t. I, p. 1.)
92
versichern/ nichts linden konnten, auf seine eigenen, ans der
Widmung und aus seinem Werke hin und wieder heranzu-
ziehenden Aeusserungen zu stutzen. Es ist aber immerhin recht
wenig, was wir daraus erfahren. Man weiss nicht einmal den
Namen seiner Eltern und Brüder, deren er auch in der Wid-
mung gedenkt, ebensowenig, wann er geboren wurde, und wie
lange er nach dem Jahre 1545 lebte. Dass einer seiner Brüder
sich, wie er, ebenfalls dem militärischen Berufe gewidmet hätte,
ist nach den Widmungsworten unwahrscheinlich.
Begünstigt vom Herzoge von Sesa, kam er am 24. Juni
1519 nach Rom und begann alsbald seine militärische Laufbahn
in Italien. Welche Charge or bekleidete, ist nicht bekannt.
Er selbst nennt sich auf dem Titelblatte seines Werkes ,Martin
Garcia Corezcda, cordovös, soldado en aquellos ejörcitos', und
demgemäös sprechen die Herausgeber seines Werkes in der
Einleitung nur ganz allgemein von einem ,tercio' und ,soldado'.
Wir besitzen aber einen unbeachtet gebliebenen Brief
des Hofpredigers und Chronisten Don Antonio de Guevara^
,para el capitan Ccrczeda'.^ Die Angabe des Vornamens,
ebenso des Adressortes fehlt. In diesem Briefe antwortet Gue-
vara auf die von Cerezeda gestellte Bitte, ihm einen guten
Rath zur Heilung seiner kranken Tochter zu ertheilen. Wenn
unter diesem Cerezeda unser Martin Garcia Cerezeda gemeint
ist, so hätte er den Brief Guevara's im Marquisat Saluzzo, wo
er unter dem General Prospcro Colonna 1522 diente, erhalten.
Wenn auch die ,tcrcios' häufig sehr gebildete Männer
waren, so lässt sich doch aus dem ganzen Charakter des Werkes
vermuthen, dass die Abfassung desselben durch einen einfachen
Holdaten zum Mindesten unwahrscheinlich ist.
J t. in, p. XXVm der Einleitung.
2 Der zwar keine jj^eordnet« Clironik hinterlansen hat, aber miudestenR Auf-
/eiclmunpren für eine solche, welche Sandoval fiir Bein Werk benützen
durfte (II, 1. XXVII, c. 6). Dass er wirklich au einer solchen (^hronik
ar])eitete, ergibt sich unter Anderni auch aus der Einleitung »u seiner
J)e<'ade de Gesa res' (1544) f. 7 v. Neben anderen Gründen der Verz(Sge-
rung der Herausgabe dieser Decade führt er an: ,y aun escrevia en la
imperial chronic^i^
3 Neu herausgegeben von Eugenio Ochoa in der »Bibliotheca de autores
espaßolesS Madrid 1846, t. XIII, p. 186 sqq.; der Brief ist aus Valladolid
vom 9. Hai 1522.
93
Obwohl über den grösstcn Tlieil dessen, was er berichtet,
scharf beobachtender Augenzeuge, hat er doch in sein Werk
der Vollständigkeit halber Einzelnes, was er nicht selbst erlebt
und gesehen, aufzunehmen fUr gut gefunden, wobei ihm die
Mittheilungen von Augenzeugen zur Verfllgung standen.
In der Einleitimg zum dritten Bande ^ wird auch darauf
hingewiesen, dass sich aus Cerezeda's Bericht über den Algier-
zug bis auf eine einzige, aber auch nicht beweiskräftige Stelle,'^
nicht bestimmt folgern lasse, dass er Theilnehmer an dem-
selben gewesen sei, weil nirgends seine persönliche Theilnahme,
die er sonst stets deutlich wahrnehmen lasse, betont werde.
Dass Cerezeda nicht persönhch an der Expedition theilgenomraen
und dieselbe nur nach dem Berichte eines Augenzeugen dar-
gestellt habe, lässt sich aber besser durch Prüfung des Inhaltes
seines Berichtes selbst erkennen.
Nach der minutiös genauen Angabe Cerezeda's,^ dass der
Kaiser ,a los veinte 6 dos de Agosto, un lüncs, ä la veinte y
dos horas' in Mailand eingezogen sei, könnte man annehmen,
dass der Autor diesen Einzug wiegen der von Ouasto (Statt-
halter von Mailand) bei dieser Gelegenheit vorgenommenen
Truppenrevue selbst gesehen habe. Doch ist die weitere An-
gabe, der Kaiser habe, als er in Italien war, an die Vice-
könige von Neapel und KSicilien und an Doria Befehle zur Aus-
rüstung einer Flotte und Armee abgesandt, unrichtig; denn die
Befehle an die Genannten waren schon von Regensburg aus
abgegangen.
Bis auf obgenannte Tagesangabe sind alle übrigen Zeit-
bestimmungen für unsere Partie unrichtig oder absichtlich all-
gemein gehalten.
In der Ansicht, dass unser Cerezeda nicht Theilnehmer
an der Algierexpedition gewesen sei, wird man aber noch durch
andere irrige Angaben bestärkt, welche bei ihm vorkommen.
Eines dieser Versehen verdient hier erwähnt zu werden.
Magnalotti meldet uns,^ dass vom Könige von Cu^co ein
Gesandter zu Karl V. nach Bugia gekommen sei, um ihn zur
« p. xxm.
5 yPnedo decillo e con inucho verdad, qiie el Enii)era*lor y grandes y los
demas trocaron las sobras de agua con las faltas de pan* (III, p. 8).
» m, p. 1.
4 Leti m, &68q.
94
liUekkehr und zu erneuertem Angriffe gegen Algier mit Hilfe-
versprcclmnofen zu bewegen, dass aber der Kaiser diesen An-
trag abgelehnt und den Gesandten reichlich beschenkt entlassen
habe. Weil nun Jovius,' auf Magnalotti gestützt, nicht aber
Villegaignon, von dieser Gesandtschaft meldet, so hat Gram-
mont sich zu der Bemerkung veranlasst geftmden,^ es sei un-
wahrscheinlich, dass Villegaignon dieser Gesandtschaft, wenn
sie wirklich stattfand, nicht Erwähnung gethan hätte. Gram-
inont ist mit seiner Bemerkung gewiss im Unrecht, weil er
Magnalotti's Bericht nicht gekannt hat, der dieselbe Angabe
wie Jovius macht, so dass ein Zweifel hierüber oder ein Miss-
trauen gegen Jovius unzulässig sind. Auch Cerezeda meldet
von dieser Gesandtschaft, jedoch an unrechtem Orte.''' Er gibt
nilmlich an, dass der Gesandte zu Karl V. nach Matifou ge-
kommen sei. Da wir aber alle Ursache haben, dem gleich-
zeitigen Berichte eines Theilnehmers, wie Magnalotti, mehr
Glauben zu schenken und anzunehmen, dass der Gesandte nach
Bugia gekommen sei, so müssen wir dieses Versehen Cerezeda's
der schlechten Wiedergabe der betreffenden Mittheilung, die
er von einem Augenzeugen erhielt, zuschreiben.
Die Frage, von wem Cerezeda die Mittheilungen über
den Algierzug erhalten habe, lllsst sich nicht beantworten. Als
wahrscheinlich dürfte nur anzunehmen sein, dass er sich von
einem Capitän oder Soldaten der spanischen Truppenabtheilung*
Bericht erstatten Hess, welche unter Luiz de Vargas' Führung von
Algier nach der Lombardei und Piemont zurückkehrte.
e) Alfonso Ulloa.
Der Vater Alfonso Ulloa's, ein spanischer Capitän und
intimer Freund des Ferdinand Cortez, hiess Francisco und
war Thcilnehmer an der Algierexpedition. Der Sohn, Alfonso,
>vurde wegen seiner Fähigkeiten von Maximilian 11. und
Philipp n. wiederholt zu diplomatischen Missionen verwendet,
lebte vom Ende der Fünfzigerjahre des sechzehnten Jahr-
hunderts bis zu seinem 1580 erfolgten Tode gewöhnlich in
V(!nedig und unteniahm, da er der italienischen wie seiner
< 11. 270.
2 p. 108.
> III, 11.
' CorcziMln, in, t:J; C«»llei'tion de docniii. inedit. I, 240 (Brief an Tavera).
95
spanischen Muttersprache mächtig war, die Uebersetzung spani-
scher Historiker ins Italienische. Er schrieb aber auch selbst-
ständig historische Werke, so: ,Vita et fatti di Carlo V^, in
erster Auflage 1560, und ,Vita di Ferrante Gonzaga^, 1563 in
Venedig erschienen. Diese beiden Darstellungen sind auch fi\r
unsere Partie in Betracht zu ziehen, weil sie sich gegenseitig
ergänzen.
In beiden Werken hat nun Alfonso Ulloa ausser Jo\nus,
den er selbst als seine Quelle angibt,^ filr unsere Partie Mit-
theilungen von Theilnehmem ^ an der Expedition, darunter solche
seines Vaters und des von ihm ebenfalls genannten^ Genuesen
Giuseppe Albara benützt. Unser Autor hat aber ausser einigen
Mittheilungen über Ferdinand Cortez in seiner in chronologi-
schen Angaben fehlerhaften Darstellung nichts von Bedeutung
gebracht.
V.
Türkische Darstollnngen.
Hier kommt zuerst der Razaouät in Betracht, eine Ge-
schichte der Siege Aroudjs und Khair ed-Dins, welche auf
Befehl Soliman Pascha's von einem gewissen vSinan Tschaouch
im sechzehnten Jahrhundert geschrieben ist und in französischer
Uebersetzung von Venture de Paradis in der ,Fondation (\ß
la R^gence d' Alger^ bei Sander Rang et F. Denis ^ vorliegt. Die
den Algierzug betreffende Partie hat auch Grammont*^ in seiner
Ausgabe Villegaignon's abdrucken lassen.
Fem er ist der ,El-Zohrat cl-Nayerat' zu nennen, der
1780 von einem gewissen Tlcmcenien, wie am Schlüsse des
Werkes zu lesen, vollendet und gleichfalls von Grammont**' in
Uebersetzung' fUr unsere Partie mitgetheilt wurde. Letzteres
' In «einer ,Vita di Carlo V* wird im Anhange unter den von ihm benutzten
Antoren auch Jovins genannt.
« Vita di Carlo V, f. 118 v.
» Ibid.
« Paria 1837, 1. 1, p. 1—339 et t. II, p. 1—69; die den Algierzug betreffende
Partie t II, p. 61—69.
* Beilage Nr. 2 (p. 121 srw).
• Beilage Nr. 1, 112 sqq.
^ Ton Alphonae Ronssean, Alger 1841.
96
Werk hat wie im Allgemeinen, so auch für den Algierzag
Vieles wörtlich dem Razaouat entlehnt
Beide Berichte, die in Bezug auf Orts- und — soweit
solche vorhanden sind — Zeitangaben zuverlässig sind, bieten
aber, mit den von uns bereits besprochenen Darstellungen ver-
glichen, eher ein Bild der Entstellung und plumpen Uebcrtrei-
bung als lautere Wahrheit dar. Ich sage plimipe Uebertreibung:
denn wie soll man es anders nennen, wenn der El-Zohrat el-
Nayerat einen erdichteten Brief des Kaisers mit der Aufforde-
rung zur unbedingten Ergebung an Hassan Aga und eine ebenso
erfundene Antwort des Letzteren an den Kaiser einfügt und
beide Briefe mit den grössten Schimpfworten als Anspraehs-
formeln beginnen lilsst? '
Oegenliber dem El-Zohrat el-Nayerat macht noch der
Razaouat einen günstigeren Eindruck, obwohl der erfinderischen
Phantasie auch bei diesem Manches zuzuschreiben ist. Man
ist (lamm fast erstaunt, wenn man richtige Angaben liest:
z. B. (p. 112 bei Grammont): ,Die vereinigte Armada hatte
eine Stilrke von 400 und nach gewissen Autoren von 450 Se-
geln', und diese Zahlen eher kleiner als die wirkliche Flotten-
stärke findet. Doch der Wahrheit folgt auch hier gleich die
Erfindung auf dem Fusse nach: ,Die Zahl der Truppen^, heisst
es nämlich, ,welche in diese Fahrzeuge eingeschifft wurden,
eri'cichte 50.000 Mann^ Ebenso erstaunt man, die Zahl der
während des Sturmes vom 25. October verlorenen Schiffe auf nur
130 veranschlagt zu finden.
Der brauchbarste unter den türkischen Berichten ist ein
aus dem Archive von Mehkem^ stammendes und von Venture
de Paradis übersetztes Manuscript, welches nur den Algierzug
behandelt. Diese Quelle weist eine ziemlich richtige Kenntniss
der Vorgänge, insbesonders aber der (.)ertlichkeiten um Algier
und der dortigen militärischen Führer auf. Freilich muss man
die Uebertreibung der Stärke des kaiäerlichen Heeres und
— als eine Folge davon — der Zahl der Gefallenen, Verwun-
deten und während des Sturmes Ertrunkenen dem unbekannten
Autor zu Gute halten. Dieser Bericht dürfte, wenn auch nicht
gleich nach der Expedition, so doch gewiss noch im sechzehn-
ten Jahrhunderte verfasst worden sein.
J Grftmmont, Villegaignou, 115 sq.
97
In jüngster Zeit hat Herr Pelaez ^ einen anonymen türki-
schen Autor, welcher sich die Yerherriichung der Thaten Chair-
ed-Din Barbarossa's zur Aufgabe gesetzt hat, in italienischer
Uebersetzung veröffentlicht. Unglücklicherweise enthält der von
ihm im Archive zu Palermo entdeckte, noch dem sechzehnten
Jahrhunderte angehörende Codex nur eine spanische Ueber-
setzung des türkischen Originals, welche der Secretär König
Philipps n., Al9amora, mit Hilfe eines ,türkischen Sclaven^
(eines geborenen Atheners und Enkels eines Janitscharen) im
Auftrage seines Königs, der sich für Barbarossa's Thaten sehr
interessirte, im Jahre 1578 vollendete.
Das Werk beginnt mit der Erzählung des Ursprunges
der Familie Chair-ed-Din's, um die chronikartige Schilderung
seiner Thaten und Schicksale mit einer an Uebertreibungen
nicht armen, in chronologischen Angaben aber auch in dieser
Partie unzuverlässigen Darstellung des Verlaufes der Algier-
expedition zu schhessen. Die glückliche Rettung Algiers scheint
ako mit den Anlass zur Entstehung des Werkes gegeben zu
haben; sonst hätte der Autor sein Werk bis zum Tode Barba-
rossa's (1546), der ja gar keinen Antheil an den Kämpfen von
Algier genommen hat, fUhren können.
1 Archivio storioo SicUuuio 1880—1887, Y, 381.
ArekiT. Bd.LXZVl I. HUfte.
ANHANG.
Der Kaiser an König Ferdinand.
Mallorca, 16. October 1541.
Monseigneur, mon bon fröre, Je suis avec graut d^ir actendant de
voz nouvelles et ce que dois voz derniöres sera succed^ de rannte dn
turcq, lesquelles j'espöre ne tarderont, selon que je ne doube aarez en?oy^
voz lettres ä mon ambassadeur k Gennes pour les me faire Tenir comme
le voiis escripvoye par mos derniöres döz Tespöce.^ Oultre le contenn es-
quelles et ce que vous aara declaire le conseillier Naves n'est depuis riens
snrvenu d'avontaige, sinon que suis tousjonrs este en mer et tant ä vent
que k force des ramcs suis arrive hier ensomble toute ma court avec qna-
rante trois gallöres on ceste isle oü que j'ay trouvä Tarmee de Naples et
Secille dosia anivee. Et selon los nouvelles que j*ay de celle d'Espaigne
j'espöre quelle ne tardera. Et combien que la mer soit estd parfois assez
baulte et bi*ave et le veut souvent contraire et que ä ceste occasion noz
gallöres ont eu aulcune fois peyne de prendre teiTe, si n'ay je jusqnes h
maintenant eu dommaige quelconque, bien me suis je tronvö nng petit
travaill^ en Tislo de Corsiga du mal de ma poictne; mais prteentement je
m'en trouve bien et fais mon compte partir d'icy incontinant que ladicte
arm^e d'Espaigne sera amvee, que j'actens d'heure ä autre pour, au plaisir
de Dieu, aller contre Algor et achever mon emprinse. Du succ^ de laquelle
vous advortii'ay le plus souvent quo pourray, vous priant faire de votre constel
le semblable et me remectant quant aux autres affaires ä ce qu'en enten-
drez de temps ä autre par lo seigneur de Grantvelle, du qnel döz mondict
embarquomont n'ay aussi ou nouvelles, ne seray ceste pour maintenant
plus prolixe.
Depuis ce que dessus escript et en Tinstant que vouloye d^pescher
ceste ay receu les vötres du XXII* du mois pass6, ausquelles ne s^auroie
respondre d'avantaige quant ä ce qu'ay pass6 avec le pape ny aussi tou-
chant Cesar Fregoso et Rincon de ce qu'en entendi*ez par ledict conseillier
Naves et le depesche que vous envoyay par courrier exprös döz lesp^,
par le quel aurez veu ce ä quoy me suis submis et le pouvoir et Charge
qu'ay laiss6 au seigneur de Grantvelle, le quel, je suis ceiiiain, vous ad-
vertira de temps ä autre de Testat et succös de tous affaires en ce constel
lä, et jusques aussi je soye adveii;y de ce qu'il aura en ce besongne, ne
vous en s9avroie dois icy donner plus coi-tain advis.
* Spezia.
99
Et quant ä la reponce faycte par le Turcq k voz ambassadeurs et
lettres qu'il vous a escriptes par eulx, ä la verite sa demande semble par
trop exhorbitante, et puisqne esperez sa retraicte, et qu'il n*y a apparence
qne pour ceste ann^e il passe plus oultre, yous aurez temps en communi-
qner avec les estatz des voz pays et ce pendant entendrez aussi la Charge,
qne quant ä ce j'ay donn^ audict conseiliier Naves selon laqnelle et ce
qn'il besongnera avec les estatz de rempire, ponrrez prendre meilleor reso-
Intion ; et esperant qne de brief m^advertirez dn tont amplement, remectray
k loi*s YOUS y respondre plus particnli^rementy et a tant etc. De la ville
de Malliorqne ce XVI* d*octobre 1541.
Aprte tont ce que dessus escript et voyant qne mon arm^e d'Espaigne
tarde si longuement et qne le vent pour venir est pr^sentement contraire
et qne en Tactendant se pourra perdre beancop de temps, je me snis de-
termine partir d*icy an plaisir de Dien si avant qne le vent soit bon, demain
an matin, et par les cincq gall^res qne j'enyoye dois icy avec mes royaulx
en Espaigne j'escripte an dnc d'Alye qne avec tonte la dicte armee je pren-
gue le chemin droit contre Alger, et apr^ avoir fait regarder qnelle artil-
lerie, il y a ^ gall^res et nayyeres estans icy ponr ponvoir d^sembarqner
et m*en ayder par teiTe, sans ponr ce d^sarmer lesdictes gall^res et naves
j'ay tronve qne, combien ladicte arm^e d'Espaigne ne vint ä temps, qn'il
en y a assez bon et sonfßsant nombre et qn*il n'est besoing qne ä ceste
occasion d*avantaige ladicte arm^e d'Espaigne.
De la main de Sa Ma^.
Mons'^, mon bon Mre, ponr non avoir faulte etc.
Der Kaiser an König Ferdinand.
Matifou, 2. November 1541.
Mons**, mon bon fr^re vons avez ven par mes lettres que vous escrip-
vis d^z Mayorcque du XVI^ du mois pass^ tont ce qu'estoit succede en
mon voyage jusques lors. Et le lendemain aniva audict Mayorcque une de
mes gall^res d'Espaigne, par laqnelle fus adverty qne le surplus de mon
ann^e illecq estoit arriv6 en Tisle d'Evisse,^ pass^ dix ou donze jours, et
qn*elle n*avoit pen passer plus onltre pour le vent qn'avoit tonsjours est^
contraire. Et par la mesme gall^re envoyay de rechief advertir ladicte arm^e
que avec le premier bon vent eile prlnt le chemin droit contre Argel. Et
ayant anssi foit partir les anltres naves venues dTtalie estans audict Mayor-
cque, me rembarquay le XVlll* du dict mpis et vins le soir prendre port en
IlbiHL
1*
100
Viah de Gabrera quaiante ou cinquante mille dadict Maiorque, oü que de-
meuray colle nuict.
Et le lendemain XIX* au point de jonr me mis an gonlfe arec bon
vent, le quel dara tout ledict jour et la nuyt suyyant, de mani^re que le
jeady aussi au point du jour je descouyris la coste de barbarie et joinete-
ment se descouvrirent les naves qu'estoyent parties dudict Maicrcque et
toutes mes gall^res d'Espaigne et combien que le yent lors se trouTa con-
traire touteffois coutinuay je ma navigation et arrivay environ le midy en
la playe dudict Ai*gel et pour ce que le soir le vent se renforfa et la mer
se haulsa je m'en allis avec partio de mes gall^res emprte d'ime poincte
de montaigne du coustel de levant et les aultres passarent da constel de
ponent. Et les navires vindrent aacrer ayec grant traveil partie en ladiet
playe et les autres demour^rent temporisans en mer le mieulx qn'eUes
peurent, et feis aussi demourer losdictes gall^res d^Espaigne dudict ooustel
de ponent pour actondre iesdictes naves qui pour ayoir yent oontraire ne
peurent aborder on ladiet playe; et continna ledict yent ainsi oontraire les
vendrody et sambedy ot la mer tousjours si haulte que Iesdictes nayires et
gall^res qu'estoyont dudict coustel de ponent ne se peurent joindre ayec
les aultres, n'y fut possiblc de pouvoir dessembarquer jusques an dimenche
XXIII* du matin que la mer dovint bonasse.
Et s'assorablaront en ladiet playe touttes ledictes naves et gall^m
tant Cellos qu'estoyont ompr^s de moy que les aultres, et se d^sembarqua
toute rinfantorie 8e2)t ou huit mille pr^s dudict Ai'gel. Et pour ce que aprte
midy la mor se commen^a de rechief ä haulser, ne fut possible pour ce
jour dosembaiquer iioz clievaulx uy victuailles et, pour nun perdre temps,
fois marchcr toutc huiictc infanterio avcc quolquo peu de victuailles, qu*ilz
debvoiont porter avcc eulx, eiimr(yii deux müle emprds d'une fontaine, oü
que je campis pour colle nuict.
Et tant au desembarquer que en marchant se monstr^rent par les
montaigncs gi'aut quantite de mores et alarbes ä cheval espanchez en di-
vers coustelz uiais ilz n'approcharent jamais ot ne feirent dommaige quel-
concque synou environ la minuyt, que d^z uno montaigne ä Tendroit du
Heu, oü j'estoye löge, vint cei-taiu nombre desdicts mores, lesquelz crians
et meuant grant bruyt tirarent plusieurs coups d'arquebuses, mais ilz
ne feirent dommaige quelconcque par ce qu*ilz en furent incontinent chassez.
Et le jour suy vant, tant pour tousjours plus aproucher dudict Argel
que aussi pour estre lä le lieu plus ä couvert et commode pour d^embar-
quer Tai-tillerie ot victuailles, m'avan^ay encoires d^autres trois miUe et
assiz mon camp k deux mille peuplus ou moins dudict Argel, et gaignarent
lesdicts Espaignolz le dessus de la montaigne, oü ilz logearent edle nuyt
paar äviter et eiupescker le dommoi^e que däü la les mores eussent pea
bire il mos camp. Kt mm s apprucharent mesdictes gallbree jueqneB om-
ladicte vUIe, et comtiien que dois icelle se tirarent plusieiire cops
fBrtillerie tarn allencmtro desdioies gallSres que en nwndict carap ai ne
iront ilz ool dammaige. Et pendant ee temps arrivarent en ladict playe
la pluspart des navieroH de mun aimöe d'EspaigTie et descouvrit Ton eii
haulte mer Celles que pour le temps contrali'e n'eBtoyent peu appriKher,
lesquelles avec grande difficult« arrivareat le mesrae jirar.
Et snr la nDjt ae commenfa le temps k troubler et piuvüii' et se
le vent au nourt. qu'est la traverse de ladict playe, et creut la luer
nnyt et ledict vent lellemeat ([iie mon cainp en fut fort travaillö et
la [ilufipart des tentes et paviÜons tumbireot. Et lesdictes galläres et
ann^e de mer en fnrent en trfes gi-and dangier et avec grosse difficiilte
preeervavent ladicte nuyt de non donnor en tflrre, n'ayans lieu quel-
icqae pour elles retirer n'y mectre h couvert.
Et Bur le {loint du jnur Toyans les ennemjs ce qne madicte arm4e
'roit tant en wer que en terre, et le grand dangier oü qu'elle estoit, et
Tsiullans aider du tnnips et se tenans tant plus a.sseurex pour co qu'ih
lyent que pour la conttuaelle pluye tant grando l'ai'quebnserie ne lee
ivoit nuyre, se juiudirent tous ensemhlo taut les Alarbes que Turcqs
Mores qu'estuient audict Argel et vindrent aasaillir mon arm^e tant du
d de la montaigne, laquotle tcmiient les Bspaignolz, que du coustel de
. oü esleienl leR Ytaliens. Mals les Alnrbes, qu'ostoient venu'i du
de ladict inontaigne, fnrent incontineut rebouttox et mis on fuyto
iBur grante [lerte et doruinaige, et du cuustel des Ytaliens, cumliien que
'eneoramenceinent par l'iiupdtuositd et forue des enneniys conti du quet
int contrains eulx retirer juitqiies empr^s lenr esqnadron, toutofTois ilz
A one rencliarge avec l'assiBtence de ceilain nouibie d'Allemans quo
tvoyay et ucuh de uia maisun, tellonient qn'ila; chasBärent lesdicte
temys jusquo» deilaus les portos dudlet Argol ot en tuarant grant noinbre.
Et entiiitaut cnatinuant ut augineutant tuuMJours des vent et tem-
ia mer avnc tres grande impctuoBit^, lesdictes gall^ros ne peurent
illien re8iBt«r que quarturze d'olleu ue donnarent k la tiaverse ot los
soiibstindrout aver. extreme ti'avail, joctuos ou mer leur artillene
.litrBB choHes puur osti'e deschajgiies ot plus legieres; et des navierea
^nnai-ent en tcri'o tuns Ire potitz vaisseuuli at certaines grosses et
tvullreseoDppareutet abatirontlesmastzai'bres.gaureR et tout le dessus
cbuteaulx et rnmiirit le tout en mer puur |touvoir mieuli pri^serrer
ie Tictnailies et antres munitions, dont elles eatoient cbarg^. Rt
il lesdieteti nnvcs ut K^lläres on tel estat et »an« enpuir de p»avuir
102
r^ister n*y soubstenir, si la tempeste enst plus gu^res continu^, il pleut
ä Notre Seigneor que snr le soir le vent s'abaissa nng petit et combien
que la mer estoit tousjours merveilleusement haalte si se soubstindrent
ellcs toute la nuyt et le jour suyyant, que lors la mer et aussi le vent s'adoul-
cirent, de mani^re que le meci*edy (sie) matin les gall^res penrent retoor-
ner empr^s dudict Ai*gel au lieu, oü elles avojent est^ quant la tormente
commen^a. Mais ainsi que le soleil se levoit, le vent se re]ifor9oit et se
sentant encores lesdictes gall^res du travail pass^, et ayant la cappitaine
du prince Doria, en laquelle je vois, i'eceu ce matin ung cop de canon de
ceulx dudict Argel, elles furent contrainctes se partir et aller empr^ la-
dicte poincte, oü qu 'elles estoient avant mondict d^sembarquement. Mais
les naves domeurarent tousjours au mesme dangier.
Quoy considerant et que en mon camp n'y avoit yictuailles quel-
concques et que Celles que Ton avoit peu d^sembarquer estoient desia
mcngecs les deux jours prec^dens, et qu*il n*y avoit moyen qnelconcque
d'en pouvoir desembarquer, et pour non laisser perdre tout mondict camp
pai' famine, ä laquelle Ton ne pouvoit r^sister, fus contraint le lever pour
approcher la mer et lesdictes gall^res et cheminay ledict jour cinq on six
mille jusqu^emprös d'une rivi^re, oü je logeay la nuyt et le lendemain. — Et
ce pendant se feirent toutes extremes dilligences pour essayer si Ton
pourroit d^sembarquer quelques victuailles desdictes navieres, mais il fnt
impossible pour la haulteur de la mer et se soubstint tout mondict camp
ces deux jours avec palmites, que se cueilloyent pai* le champs, et de la
cbair dos chevauh, que je feis tuer et repartir. Et partant de lä cbeminay
encoroH autros deux jours avec la mesme necessit^ et jusques que avec
tr^s gnindo difficulto je arrivis k Tendroit de ladict poincte, oü estoient
lesdictes gallores, taut pour faulte desdicts victuailles que pour deux
gi'andos rivi^res qu'il convint passer. Et lors s'en d^sembarqua quelque
quantite d^s galleres et aussi d^s naves plus prochaines, lesquelles lesdictes
gall^res tii*arent le plus pr^s de terre qu'elles peurent, et avec ce et la-
dicte chair de chevaulx furent mes gens ung peu secouruz, lesquelz certes
estoient en tr^s grande n^cessit^ et pendant ce temps suyvoyent conti-
nuollement mondict camp grant nombre d*Alarbes ä cbeval et aultres qui
soi-tireut dudict Argel. Mais ilz sont tousjours est4 facillement reboutez
et mis en fuyte sans faire grant dommaige.
Les gent qu'estoient es gall^res, qu'ont donn6 en terre, sont la plus-
part saulvez et de ceulx qui sont mors n*y a personne de respect. Et ainsi
estant icy arriv^ et considerant ce qu'ost succed^ et ce que s^est perdu de
mon armeo, de victuailles, artillerio et munitions et de la difficulto du temps
et de ceste playe, et pour non aventurer le surplus de ce qu*ü a pleu ä
103
Dieu encores me laisser, me suis r^solu laisser poar maintenant ceste
emprhise jusques en autre meilleore saison, qne avec sa divine [6i*äce] eile
se poorra mieulx achever, et rembarquer les gens ^s naves que sont de-
monrees et m'en aller en Espaigne tant poar entendi*e et pourveoir aux
affaires d'illec qae poar estre miealx ä propos de mes aatres royaolmes
et pays et de tout ce qae concerne le bien publicque de la christient^.
Quant aux Espaignolz qu'avoye fait venir de Naples et Secille, con-
siderant Testat auquel je laissay les affaires dltalie, France, et aultres
publicques, m*a semble le meillear d*en envoyer deux mille en Lombardie,
afin que avec ceulx, qui desia sont ä Milan et en Piedmont, ilz se paissent
employer en ce que le besoing et n^cessit^ s'offrii'ont. Et le surplas des-
dictes Espaignolz poar soulaiger mesdicts royaulmes de Naples et Secille
des foulles qa*ilz en ont eu, je les envoye en Sai*danie, afin qu'ilz se entre-
tiennent, poui* dois lä aassi les envoyer selon que la n^ssitö s'addonnera.
Les Ytaliens et AUemans je les envoye d^sembai'qaer a Ligome,
Lesp^ et Gennes et remectz aux prince Doria et marquis del Gasto que,
s*ilz voyent qu'il soit besoing d'en retenir quelque nombre, qu'ilz le facent
et les employent selon le besoing.
Les hommes d'armes de Naples s'en y retourneront, aussi fönt ceulx
d*Espaigne, en leur quartier.
Le prince Doria s'en retournera avec moy jusque ä mayorcque, Evisse
DU la Fromentera. Et dois lä m'en iray avec les gall^res d'Espaigne d6s-
embarquer en Cartagena, et ledict prince s'en retournera ä Gennes avec
les unze galleres que luy sont demeurees, et celles de Naples, Monigo,
Anthoine Boria'et conte de TAnguilar. Et ä tant etc.
Escript au camp ä dix huit mille d'Ai-gel le second jour de No-
vembre 1541.
De la main de Sa Ma^ .
Monseignear, mon bon fräre, vous verrez par ce que dessus le etc.
GioYazmi Bandini an Herzog Cosimo.^
Matifon, 2. November 1541.
Di Maiorca furno Toltime mie de' xv et xvij del passato, per le
quali V. Ex* haiä inteso quello che insino alFhora era successo. Di poi
S. M^ face vela alli xviij per la volta di Caprara, et di 11 sempre con buon
1 Vgl. oben S. 72. Die hier abgedruckten Briefo verdanke ich der Güte des
Herrn Cesare Guasti, Superintendenten der toscanischen Archive, welcher
mir dieselben copiren liess und nach Wien sandte.
104
tempo si condnsse Giovedl mattina alli xx al Cavo d*Algieri con tutta Far-
mata salva; donde, considerato il sito della cittä, quella sera, per ndurre
le galere al sicuro, si andö al Cavo di Marsadeben, ^ vicino alla terra xxy
miglia, dove si statte il giorno sequente. Et Taltro giomo si condnssero
le galere al Cavo de le Casine per pigliare acqua, et di li la mattina, che
fu Domenica alli xxiij, S. M^ sbarcö lontano ad Algieri iiij miglia ^ con gran
parte della fanteria et con parte deirartiglieria; et il seqnente giorno ha-
vendo sbarcato il resto de' fanti et quasi tutti e cavalli, fece marciare
avanti el campo, pai-te per la costa del monte, et parte per la sommitä;
et cos) si accampö appresso alla terra un trar di mano, senza esser impe-
dito da'nemici, de'quali grandissimo numero si era sparso per la montagna;
et inoltre haveva fatto accostare le galere sotto la ripa della cittä appresso
il campo, et cosl la cosa cominciava andar bene. Ma Martedl mattina alli
xxY si levö siffatta bniTasca et cos) mal tempo, che si perse dimolte galere:
di quelle del Principe^ xi, una d'Anton Doria» di Napoli un* altra, et nn*
altra di Spagna, et di navilj, tra grossi et minuti, se n'^ guasto gran
numero. Per la quäl cosa, S. M^ vedendosi il tempo contrario et mancare
la vettovaglia si risolv^ ritirarse; talch^ Mercordi mattina alli xxvj fece
marciar il campo indietro a poco a poco insiho a questo Cavo yiij miglia
d* Algieri, et Domenica air ultimo fece imbarcare la fanteria italiana, et hoggi
li Alemanni et li Spagnoli, et se non fusse stato dipoi mal tempo si sarebbe
imbarcato anco il resto. Et perö h restato in terra Don Ferrante con la
gente di Sicilia et di Roma, la quäle s'imbarcherä o questa notte o domat-
tina. S. M^ ha resoluto andarsene con tutte le galere del Principe et di
Spagna a quella volta, et mandare la fanteria spagnola in Sardigna, li
Todeschi alla Spetie et li Italiani a Livorno, et farli licentiare, che vadia
ciascuno al suo paese. Donde, subito ch'io intesi le fanterie italiane doversi
sbarcare a Livorno, andai a trovar S. M*^ et dimandaili se per tal conto la
commandava alcuna cosa; la quäle rispose che, mandandocon essa duiCom-
missarij, cio^ Joan de Laraondo et Joan de Argazayn, V uno veditore et V altro
pagatore, che la paghi di quello se li deve et li dia licentia, non voleva altro
se non che TEx*^ V. avertisse di far risolvere questa gente senza che si facesse
tumulto 0 danno alcuno ; et perö ho giudicato esser bene dare questa mia
a'sopraditti Commissarii che la mandino subito che arrivano a M. Chiaris-
simo, accio che l'Ex* V. ne sia avertita et si possa in ciö governare in
quel modo che gli parra migliore, et per tal conto ancora non ho voluto
' Vielleicht identisch mit Bordj Mersa et Dubleane, das jedoch nur 4 Km.
westlich von Algier liegt
» Wohl: VUI; vgl. oben 8. 47.
' Andrea Doria.
105
lassar di mandare la copia della presente per la via di Genova, acciö che
se le navi che vanno a quella volta arriveranno prima, prima li sia man-
data. Et con questo farö fine, non lassando perö di dirli come per la Dio
gratia ritrovandomi sopra la galera del Signor Giannettino, che similmente
si h persa, mi salvai insieme con tutti li miei servitori, ma tutta la roba
andö male. Talchö (come si pu5 pensare) mi trovo male in arnese. Tut-
tavia, havendo conservata la vita, non si h fatto poco, et ne ringratio Dio.
Et non hayendo altro, con tntto il core mi raccomando alla bnona gratia
di V. E*, che Dio li dia lunga et felice vita etc.
Giovanni Bandini an Herzog Cosimo.
Bugia, 4. November 1541.
La sconfitta h stata grande, pcrchö si h perduto con le galere, oltre
airartiglieria minuta, xviij bravissimi cannoni, e quali (bench^ sieno ca-
scati in mare, perch^ le galere detteno tutte in terra quasi in dua miglia
di luogo) con xv dl di buon tempo questi mori li caveranno fuora, et fa-
ranno, secondo me, molto a proposito per loco ; perch^ a quelle ch' io ho
possuto considerare al trarre che hanno fatto questi dl, ne havevano falta.
Hanno morto assai piü delli nostri ehr noi delli loro« et ogniuno ha fatto
male, et Tltaliani peggio di tutti. Don FeiTante non si h dimostro troppo
gi'an capitano. Vanno 2/m Spagnoliin Lombardia, 11 altri tutti inSardegna;
questo verno, li Todeschi, s'el Marchese ne harä bisogno, li teiTä, et se no,
se n'andranno. II Principe andrä con S. M** sino a Yeviza,^ et S. M^ a
Cartagena con le galere di Spagna, et il Principe a Barzelona, credo a ra-
settare questo resto delle galere, le quali per la tormenta grande son re-
State tutte intenebrate. Et hoggi che semo aiTivati a Bugia, ne motte due
in carena, et parecchi deiraltre fanno acqua; et il principe et tutti li
marinari pratichi dicano che, sl come la tormenta durö cinque höre, havesse
durato dieci, non restava vasello di quanti ce n'crano che non se ne facesse
polvere. Ci semo ritft'ati in tre dl lungo la marina, dove habbiamo havuto
a passar dua fiumi, che sopra 11 primo si fece il ponte, et fu retroguardia
il S*' Camillo^; Taltro si passö senza ponte a eigne di cavallo, et con in-
finito mal tempo et disordine, et tanto di poco ordine, come di non haver
da mangiare et non poter haverne, per essere il marc grossissimo, et
le galere non potere sovenirci, talch^, se non fussero stato le galere
rotte, et non so quante navi che trovammo lungo la marina alsl rotte, ha-
1 Ibiza.
' Colonna.
106
riamo fatto malissimo e fatti nostri. Et con tntie queste cose il Signor
Zannettino dice che questa ^ stata la piü ordinata guerra che Ini habhia
yisto dove sia stata S. M^. AiTivammo VenenÜ alli 28 al Cavo di Met-
fus, che sono xij miglia per terra, che le facemmo in tre di. S. M^ subito
andö in galera a vedere il Principe, et, per quanto riiraggo, si condolse
assai della perdita delle galere, et lo confortö et promesse ricompensa, et
pianse la sua disgratia che Die non 1! havesse Yolnto prestar gratia di
potere sbarcare et Tartiglieria et vettovaglie, perch^ certissimo si puö
teuere che so vi cra tempo o modo di far labatteria, vi si entrava; perch^
nou si 0 visto tra'nemici altro che cavalli arabi, qnali sono in camicia, con
diie zagagliette et qualche 100 scoppietti, fra a cavallo et a pi^, et qaesti
mai di notte, salvo una volta forse 20 di loro, cl^e h qnella cosa che ci ha
aiutato, ch^ altrimenti eravamo fatti tutti, et senza alcnn rimedio. H Prin-
cipe sta aspettare quello partoriranno le buone parole di S. M^, et non
pui» credere lo effetto habbia a essere di sorte che ricompensi il danno,
ancorch^ per V armata si dice che li darä 50/m scndi, x corpi di galere et 4/m
d'entrata per Zannettino. Et con tatto qaesto sta di malavoglia, et vole
in ogni mo<lo tornare a armare qaesto anno 6 o 8 galere, perch^ vole esser
l>atrono delli altri che hanno galere. Et Zannettino mi ha detto cosl mo-
strando per via di discorrere: ^Quanti forzati credi tu che mi mandera il
Duoa quando arriviamo?** HoUi risposto che tutti quelli che vi sarano
sempro, ma che lo stato di V. Ex* ne fa pochi etc. II Duca d^Alva quattro
d\ sono cominoi^ a exercitar Tofficio di Maiordomo maggiore; et cosl ce
n'andremo in Spagna. se a Dio piacerä. Dove per condurci et per ricon-
dürre li altri. essendosi perduti vaselli piü di 50, hanno fatto amazzare
tutti li cavalli. idest quelli che la tormenta non haveva morti n^ la sete.
Et. bencho si dioa assai piü. ascendano a mUle i morti, et la maggior parte
in mare. che non si sou possuti sbarcare. et quasi la maggior parte de
gimtilhomini spagnoli. et fra essi il Conte di Feria, del qnale non ci h
nuova. Hieri ci partimmo da Metfus. et in ricambio d'andare a Jeviza, ci
siamo condotti qui questa mattina avanti di con nn mare al cielo, et
si perde in sul partire una nave con 500 homini, non so se spagnoli
0 italiani. et ce ne restorn«^ forse altre xx. che per il tempo non pos-
settero uscire. et le galere n<>n le possetten^ rimorchiare senza gran peri-
colo. beuche vi restasse 4 o 6 galere di Spagna con esse. Peru, se da
Algieri usoissen> vaselli. s<mo in mal termine. et, per quello si ritrahe,
vo no s<>U'» 2,'^* et fra osso »lua sralere: Dio non vorrä tanto male.
1 IVr Kai5«.'r spricht boi dii^^em Anbu%<« nur ron ,aaciineB naTyret', die
vou deu ttLut tu ihrvui $chuuo £urückpüas«eiien Galeeren
107
S. M^ h scesa in terra, et qui starä tanto ch'el tempo sia baono, che
non si sa qaanto; ha dato commissione a tutte le navi che venghino
qua; ma il temporale non lo concederä a una gran pai*te. Et cosl
potria essere ch'el pagatore et commissario arrivassero senza lo spaccio
di S. M^, con il quäle io manderö questa. Et porch^ di qui partiranno
le galere de Sicilia con il Vicer^, al quäle S. M^^ ha donato 7/m scudi per
aiuto di costä, ho pensato per quella via mandare il duplicato, acciö che
y. Ex* per una via o per Taltra resti di tutto avisata. Et per non man-
care anche a me stesso, non havendo altro ordine a rimettermi in ordine
per poter vivere, havendo perduto tutto quello havevo, ricorro alla Ex* V.,
et la prego mi aiuti con quello parrä a lei, acciö che io mi possa provedere
per poter sequitare S. M*^, perch^ con quello mi h restato male lo potrö
fare, essende restato in camicia: la prego mi perdoni et mi faccia gratia
d'nn verso di risposta. Et con questo bacio la mano di V. Ex*, che Bio
li dia lunga et felice vita.
Postscript vom 4. November.
Non si essende per ancora fatto lo spaccio, mi resta avisarli di piü
come hieri alli iij del presente S. M^ si part\ di Metfus, essendosi la notte
passata imbarcato Don FeiTante con quel resto de'soldati che era restato
in ten*a, et con cattivo tempo arrivamo questa mattina in questo poi*to
con tutte le galere salve, excetto 4 o 6 di Spagna che restorono in quel
cavo con quelle navi che per il mal tempo non si poterno rimorchiare et
stanno a gran pericolo. E nel partii* nostro si perse una nave con 500
homini, non havendo potuto sopportare piü la burrasca per esser per Taltro
mal tempo indebolita, come anche tutte Taltre. II resto si trova qui salvo,
dove S. M** stai-a espettando il buon tempo per potersi condurre in Spagna;
che a Dio piaccia concederci prospera navigatione. Et non tenendo alti'o,
mi raccomando alla buona gi*atia di V. Ex* etc.
Postscript vom 14. November.
Siamo alli xiiij del presente, et per ancora non si h espedito lo
spaccio: perö V. Ex* intenderä come S. M^, non cessando il mal tempo,
non ha possuto peranco partir di qui. S'intende che una nave Bugugea
si h persa con piü di 800 persone,' che pai'te erano homini d'arme, et
•
ihrem Schicksale überlassen wurden. (Der Kaiser an Maria, Bugia, 4. No-
vember 1541, 113 SV.)
1 Der Kaiser (an K. Maria, Bugia, 14. November 1541, p. 115) gibt 700
Personen an.
108
parte fanti spagnoli, et co8\ si dnbita haranno fatto deiraltire, essende
State (secondo dicano) a questi dl il tempo piü triste ch'il passato. Piacerä
a Die che cesserä, et che S. M^ si cendurrä salva in Spagna con tntto
questo reste deirarmata; il che da tntti h desiderato per nscire di qni,
dove certo si sta con gran disagio et di vettovaglia et d'ogn' altra cosa.
Et non havendo altro, in buona gratia di V. Ex^ mi raccomando, che Dio
li dia Innga et felice vita etc.
Giovanni Bandini an Henog Goaimo.
Mallorca, 26. NoYember 1541.
Di Bugia furono Tultime mie de' 4 et 14 del presente, le quali man-
dai per la via di Sicilia, et alli 16 per la via di Genova inviai 11 duplicato
di esse, per le qaali V. Ex'^ intenderä tutto quelle era sucesso insino a quel-
lt hora. Dipoi, alli 23 havendoci Dio finalmente concesso bnon tempo, S. M^
paiiü da quel porto, et cosl in tre dl siamo arrivati qui salvi per la gratia di
Dio. Donde questa notte, essendosi proviste tutte le galere di vettovaglia
(di che, come si scrisse per le precedenti, ce n'era grandissimo bisogno),
si partirä il Principe con tutte le sue galere, et se n'andrä alla volta d'Ita-
lia. Et domane S. M^ similimente si partirä per la volta di Jeviza et Car-
tagena con solo le galere di Spagna. A Dio piaccia condurci a salvamento.
Qui habbiamo trovato lettere di Spagna come lä credevano che S. M.^ fusse
perduta con tutta Tarmata: et cosl il Principe et tutto il mondo stava di
mala voglia. Qua habbiamo trovato delle navi partite da Algieri con delli
Todeschi, delli Italiani et Spagnoli che dovevano venir in Italia, delle quali
alcune ne son corse a Cartagena et Alicante, et poi tornate qua. Et cosl
a poco a poco se ne ritrova, et anco s'intende di qualcuna perduta. Dio
sia quelle che ponga fine a tanto mal tempo.
Di novo non so che dirle, salvo che S. M*^ ha dato al Principe
3/m ducati d'entrata sopra vassalli nel regno,^ et che doppo lui venghino nel
Signor Zannettino, et Tuffitio del Prothonotario maggiore per sua vita
quitali forsi xx/m. ducati, che li era debitore di vettovaglie, et cosl se ne
viene contento, et con intentione di armare questo verno galere etc.
Ältro non ho che dire. Di core alla buona gi'atia di V. Ex* mi raccomando,
che Dio li dia lunga et felice vita etc.
^ Gemeint ist Neapel.
BRIEFE
DER
KAISERIN MARIA THERESIA UND JOSEFS II.
UND
BERICHTE
DES
OBEKSTHOFMEISTERS GRAFEN ANTON SALM
17. MÄRZ 1760 BIS 16. JÄNNER 1765.
AUS DEM FÜRSTLICH SALM'SCHEN ARCfflVE ZU RAITZ.
MITGETHEILT
VON
DR. PHIL. FBANZ ZWEYBRÜCK.
Vorbemerkungen.
JJie vorliegenden Briefe, Handbillete, Zettel von der Hand
der Kaiserin Maria Theresia und des nachmaligen Kaisers Josef TL,,
sowie die Berichte des Grafen Anton Salm befinden sich im
ftirstl. Salm - Reifferscheidt'schen Archive zu Raitz in Mähren
und sind mir von Seiner Durchlaucht dem Fürsten Hugo Salm-
Reifferscheidt in zuvorkommendster Weise behufs Abschrift zur
Verfügung gestellt worden.
Dem Archive einverleibt wurden sie durch Grafen Anton
Salm (aus der Hainspachcr Linie), geboren 6. Februar 1720,
vermählt am 1. September 1743 mit Raphaela von Roggendorf,
Kammerherr bei dem Erzherzog Josef, 20. August 1760 Oberst-
hofmeister der Erzherzogin Isabella (Infantin von Parma), 1 . Jänner
1764 Obersthofmeister des Erzherzogs Josef, seit dem 15. Sep-
tember 1765 Oberstkämmerer, gestorben 5. April 1769 zu Brüssel.
Im Jahre 1759 war die Vermählung des Erzherzogs Josef
Gegenstand zahlreicher diplomatischer Verhandlungen, vor Allem
zwischen Frankreich und dem Wiener Kaiserhofe gewesen; der
achtzehnjährige Prinz, dem ursprtingUch die Prinzessin Josefa,
die älteste Tochter des Königs Karl von Neapel, als Gemahlin
bestimmt war, sollte, so lautete der Wunsch Ludwigs XV., mit
dessen Enkelin, der Infantin Isabella von Parma, vermählt wer-
den. Es wurde dies dem Wiener Cabinet in derselben Zeit
nahegelegt, da das letztere in eifrig betriebene Unterhandlungen
mit dem französischen Minister Choiseul wegen eines neuen
Allianzvertrages eingetreten war.
Der Kaiserin mag das Abgehen von dem ersten Vermäh-
lungsplane schwer gefallen sein, mau acceptirte aber schliesslich
das französisclie Project; dem neapoUtanischen Hofe, der sich
natürlich gekränkt fUhlte, und dem dortigen Minister wurden
neue, Ersatz bietende Propositionen gemacht und als schwer-
112
wiegendstes Motiv, welches die kaiserlichen Eltern zu solcher
Sinnesänderung bestimmt haben sollte, die ausserordentliche
Herzensneigung des Erzherzogs Josef angefUhrt, welche Be-
gründung die Kaiserin ebenfalls nur nach geäussertem Wider-
willen genehmigte. (Siehe Anieth, Maria Theresia V, 456 und
Anmerkung 658.)
Dieser Thatsache einer leidenschaftlichen Initiative des
jungen Fürsten wurde und wird auch noch heute Erwähnung
gethan, obwohl Alfred v. Ameth in seinem monumentalen Werke
über die grosse Kaiserin bereits eine stark herabstimmende
AeuBserung des Grafen Kaunitz citirt (ebenfalls V, Anmerkung
658). Die vorliegenden Briefe I— V, welche der Prinz an den
Grafen Anton Salm richtet, sind nun deswegen von Wichtig-
keit, weil wir von dem Erzherzog selbst mit herzlicher Ein-
fachheit und E^larheit zu hören bekommen, in welcher Stimmung
er in die Ehe eintritt.
Einen bezeichnenden und rührenden Nachruf auf jene
Tage dieser seiner ersten Vermählung sendet Josef an seinen
nunmehrigen Obersthofmeister Salm am 16. Jänner 1765.
Berichte des Grafen Salm an die Kaiserin, versehen mit
ausftlhrUchen Randbemerkungen derselben, ebenso. Handbillete
und Zettel Maria Theresiens führen uns an das letzte Kranken-
lager und an die Bahre der leider so früh dahingeschiedenen
ersten GemahUn des Erzherzogs.
Die zärtliche Fürsorge, der tief leidenschaftliche Schmerz
Josefs, das mitfühlende, hochsinnige Walten seiner edlen Mutter
finden in diesen Schriftstücken intimen Charakters ihren herz-
bewegenden Ausdruck.
Zwei Aeusserungen der Kaiserin erscheinen aber dem Her-
ausgeber des Hervorhebens werth, weil sie vielleicht die Er-
klärung ftir eine Reihe sentimentaler Anekdoten zu bieten ver-
mögen, welche sich an die Persönlichkeit der Erzherzogin
Isabella knüpfen.
Der Erzherzog soll sich nach dem Tode seiner Gemahlin
dem verzweiflungsvollsten Gram derartig hingegeben haben,
dass seine Schwester Marie Christine es ftir gerathen erachtet
hätte, ihren Bruder durch die ernüchternde Beweisführung zu
heilen, dass er von der Verstorbenen nie geliebt worden sei;
die Vorlage einer Reihe von Briefen hätte nun zwar die er-
wünschte überzeugende Wirkung ausgeübt, aber auch den ent-
113
täuschten Witwer fortan herb und abwehrend gegen jede weib-
Uche Einwirkung werden lassen.
Ameth stellt in feinsinniger Weise die Richtigkeit dieser
üeberUeferungen, welche unter Anderem auch die bekannte
Tochter des Hofrathes v. Greiner, Caroline Pichler, in ihren
Denkwürdigkeiten erwähnt, in Frage und constatirt vor Allem,
dass kein Beleg für dieselben angefahrt werden könne. (Ameth,
Maria Theresia VII, 57.)
Der Herausgeber weist nun auf jene zwei Billete der
Kaiserin XTTT und XVII hin, von denen das erste sicherlich,
wahrscheinlich aber auch das zweite, seinem Inhalt nach inner-
halb des kleinen erzherzoglichen Hofstaates bekannt wurde. Der
energische Befehl, alle Schriften ,bis auf die kleinen Zettel'
zuiückzuhalten, und die angefahrte Aeusserung der Infantin,
dass nicht Alles für den Gatten sichtbar sei, konnten wohl in
den Kreisen der Hofbediensteten einen novellistischen Kern ab-
geben, umsomehr als dieselben den so schwergebeugten jungen
Witwer bereits im nächsten Sommer wiederum anscheinend
ruhig -in neuerlichen Vermählungsunterhandlungen befindlich
wussten.
Dass jene Schriften der Verstorbenen, wie wir wohl
heute annehmen können, nichts enthalten haben als fromme
Aus^hrungen, die in ihrer religiösen Askese etwa auch die
Ehe in Kerbem Tone besprachen, dass Josef, von seiner kaiser-
lichen Mutter zur Wiederverheirathung gedrängt und durch
die Erinnerung an Isabellen leidenschaftlich bewegt, sich ver-
gebens bemüht hat, ihre jüngere Schwester als Gattin heim-
zuAihren, haben jene nur oberflächlich unterrichteten Kreise
wahrscheinUch nie erfahren.
Ueber die wirkUche Stimmung des Prinzen erhalten wir
authentischen Aufschluss in den zwei hier mitgetheilten Briefen
der Kaiserin an den mit Josef in Frankfurt weilenden Salm
und in dem bereits erwähnten Begleitschreiben Josefs, welches
nach Lambach gerichtet ist.
Freilich, das starke Gefühl, welches der Erzherzog und
seine kaiserliche Mutter laut Zeugenschaft der vorliegenden
Docmnente für diese erste Gattin, resp. Schwiegertochter gehegt
und welches sie sich auch tief im Innern bewahrt haben, als
die Pflicht sie an eine neue Verbindung zu denken zwang,
hat nichts mit süsslicher Ueberschwenglichkeit zu schaffen, wie
Ankhr. Bd. LXXYI. I. HUfte. B
114
sie jenem lästigen Tross so gut gefHlIt, der die schwatzhafte
Gefolgschaft welthistorischer Persönlichkeiten bildet^ aber innig
empfindende, aufopferungsvolle Naturen sehen wir da vor uns,
und den Oesterreicher, welcher der Betrachtung geschichtlicher
Entwicklungen nachgeht, erfUllt es mit freudigem Stolz, solches
von diesen beiden erlauchten Gestalten künden zu können,
deren Andenken mit der Begrtlndung des neuen Oesterreichs
unzertrennlich verknüpft; ist.
I.
Mon eher Salm
J'ai reca avec bien du plaisir hier votre lettre et je vons snis bien
Obligo de tous les bons souhaits, qae vons me faite a roccasion de mon
jour de naissance; je suis bien charm^e, qu apres toutes les inquietndes,
qae vous nous avez faite, vous vous portez mieux, vous me conaises assez,
ponr savoir, combien votre maladie m'a inquiet^ et de la perte ireparable
surtout dans ces circonstances^ qne j'aurai faite, si je vous avois perdu;
car Tespece d'homme comme vous ete est bien rare et outre cela nous
sommes deja accoutumes ensemble depnis 13 ans, que vous laboures a me
faire poi*ter des fruits; conservez vous donc, je vous pris et menagez one
sante, qui me devra etre encore d'un grande service, surtout 4e nouvell
etat, dans iequell je vois entrer, qui est difücile pour un chacun, mais
surtout delicat pour moi par les raisons que vous savez, je finis en vous
recomendant de rester plus iongtemps a Brian, afin de vous i*etablir
entierement, adieu je serai toujours de mon eher Salm
le tres fidelle
ce 17 Mars 1760. Joseph.
P. S. faites je vous prie mes complimens a Madame et dite loi,
qu'elle servira d'exemple a ma future Princesse, afin que quand je serai
malade, qu'elle me soigne aussi si bien.
n.
Mon eher Salm, j'ai reeu avee bien du plaisir la Lettre, que vous
avez bien voulu m'eerii'e. je vous vois devans mes yeux en m'eerivant
eette lettre, votre gorge aura et^ un peu ferr^e, vons n*aurez pas pa parier
dans ee moment la, et les jeux auront et^ rouges; la deseription, que vous
me faites de la Prineesse est trop avantagense, pour ne me pas flater de
116
Vesperance d'^tre heureux, je vous conois depnis 15 ans, et vous me co-
naissez anssi, c'est pourqnoi je vons en crois plus qu'a tont autre, et je
suis persuad^, que vons ne ilatez pas. si, comme je Tespere, je serai
henreox, je crois avoir merit^ cette grande grace de Dieu par la parfaite
indiference, dans la quelle j'ai toujours et^ dans le choix, que leues
Majest^s ont faites d'une Epouse pour moi. en cela je me suis comme vons
sayez entierement abandonn6 ä la bont^ divine, et k la tendresse des mes
Parens, a la fin contre yeut et mar^e, jai et^ destin^ k PInfante, que
j'epouse, pour ce, qui me regarde, je ferai certainement mon possible pour
meriter son estime, et sa confiance; pour Tamour, vous sayez, que je ne
fais pas Pagreable et Pamant, et que c'est meme contre ma nature. aussi
je vous prie, si vous en avez Toccasion de Ten prevenir, afin qu'elle ne
cherche point de trouver en moi un jeune homme tir6 a quatre epingles,
et qui lui dira cent joli rien, mais un homme resolu a avoir tous les egards
et attentions des le premier moment, qu'elle pourra desirer. voil^ ce que
je crois, qui est de mon devoir, et que j*excuterai certainement, arrive ce
quil peut. mais un moyen, et Tunique peutetre de captiver mon coeur,
c'est si eile avoit la bonte de mettre sa confiance en moi, et de me de-
mander en des occasions mon conseil, que je lui donerai toujours le plus
sincerement et le meilleur, que je saurai sans plaisanterie ; car pour un
objet, qni vous regarde de si pres, il n'y a certainement point de plaisanterie,
qui tienne. Diii. voila mon eher Salm, comme je peuse, je viens de faire des
exercices spirituelles et une confession generale; ainsi tous les pech^s de
jeunesse sont effac^s; dieu j'espere me gardera a Tavenir des autres. faites
je vous prie, bien mes compliments au Prince Liechtenstein * et dite lui;
que je lui suis bien obliger pour sa lettre et pour le minuet, qu'il a dans6.
et recomandes lui de menager sa personne tr^s necessaire pour le bien
de Tetat. je suis fach^ de n'avoir pas pu lui repondre. mais la diction et
le titre, que je dois lui doner, on le cherche seulement dans la Chancelerie,
* Feldmarschall Fürst Wenzel Liechtenstein, welcher als ausserordentlicher
Botschafter bei der Vermählungsfeier in Parma fnngirte, berichtet der
Kaiserin unter Anderem: ^llo (die Lifantin Isabella) a surpass6 en tout
mon attente et je puls assurer, votre Majest6 Imperial qu^aucun de ses
Portraits lui ressemblo et que son peintre trouvera bien de la difficulti
k la rencontrer. Cette Phisionomie fine, cette douceur et modestie, mel6e
avec beaucoup de Dignit^ en feront un obstacle. Son Altesse Royale
r&rchiduc sera le plus heureux prince de la terre, vue le Caractere et
0on coeur. Je dois ajouter k votre Majest^, qu'elle a caus^e Tadmiration
k tous les Cavaliers de ma suite.
Paima, 4. September 1760.*
(K. n. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien.)
Ö*
116
faites aas8i mes complimens a Madame d'Erdedi,^ et vous ponyez lui
montrer cette lettre, afin qu'elle, sache comme je pense au sujet de la
Princesse. Les afaires de guerre ne vont pas, comme je les souhaite et
jer ai toujonrs predit, que tant qu'on ne m* j laissera point aller, la guerre
se finira point. Yoila, vous direz, un fort sot discours d'nn amant, qui
doit se marier dans trois semaines. mais ma gloire, le Service de Tlmpera-
trice et le bien etre des peuples me ferait partire mdme de l'autel en cam-
pagne, si on me le permettoit. pourtant avant que de partire etant deja
a Tautel, je prendrais la princesse par la t^te et je Tembrasserais ^ con
gusto conforto je m'en irai a rsmn^e. vous penserez en lisant ceci, qü*on
voit bien, que je ne suis pas marine encore un mois, et qu'alors je ne
penserais plus tant en Alexandre, cela se peut, car je n'ai point senti
encore les charmes de Pamour, qui me feront peut etre tourn^ la tete,
comme ils Tont fait a tant des gens bien plus sages que moi. adieu portei
vous bieji et marchez patetiquement en general Comandant d'nne Legion
de femelies, je serai toujonrs mon eher Salm.
Votre tres fidelle
ce 10 7bre 1760. Joseph.
m.
Mon eher Salm, j'ai recu avec bien du plaisir votre seconde lettre,
je me flatte, que vous aurez aussi recu celle, que je vous ai 6crit et qui
6toit si longue. je ne doute pas, qu'elle vous aura fait rire; de toutes les
•
relations, et contes, qu'on m'a fait de Tlnfante, ancun ne m'a fait plaisir,
que le votre, ou vous me marquez, qu'elle aime tant la sincerit^, et qu'elle
veut avoir un mari, qui soit en mdme temps son ami. me voila trait pour
trait, si cela est, je me sens le plus heureux des hommes ; car je ne me
soucie n*y du visago, n'y de la gaietö, n'y des autres agrements. pourvu,
que j'ai une Epouse, qui agisse rondement avec moi, et qui soit en meme
temps mon amie. si cela arrive, je commence a sentir, que l'Alexandre
s'evanouira, et que mon cocur jusqu'asteur insensible et de roc pour les
atraits de L'Amour, se laissera prendre dans ses filets; je vous avone,
que depuis deux jours, que je me sais marie, que je ne fais plus tant le
fier, je ne scais pas pourquoi, mais je me sens un peu deja remn^ le coenr,
quoique je ne Tavoue pas, neamoins je regarde souvent le Calendrier,
pour voir, combion de temps il me faudra ötre encore mari^ in Partibus
Infidelium; a la fin aujourdhui 14 jours nous nous verrons a Laxemboorg»
que je ferai une sötte figure a moitiö embarass^, hors de mon naturell
1 Qr&fin Antonie Erdödy, geb. Grilfin Batthyany, Obenthofmeistenn der
Erzherzogin Isabella.
117
Youlant faire Taimable, peutetre apr^s qaelqne temps deja amoureux. enfin
pour YonSy qui me conaissez, il j aura de quoi rire ; adieu jusqu'a ce, que
j'ai le plaisir de vous dire de bouche que je suis votre
tres fidelle
ce 17 7bre 1760. Joseph.
P. S. Je vous prie remerciez bien de ma pari Tlnfante pour Topera,
qu'elle vous a charg^ de m'envoyer et dites lui quelque chose de beau, et
de galants, car je suis trop uni dans mes facons de penser pour trouver
de pareilles choses.
IV.
Mon eher Salm j'espere^ que vous ayez recu les deux lettres, que
je vous ai ecrites mais comme le Courier part, je n'ai pas pu m'empecher
de vous marquer encore par celle ci, que je suis fort curieui de voir tout
ce, que vous m'avez ecrit de beau de PArchiduchesse. je vous recomande
de ne pas vous charger en passant par les Provinces des toutes sortes de
recomendations et d'empecher, que mon Epouse ne s'en Charge, parce que
vous savez vous meme, que cela serait fort incomode a PImperatrice ; je
vous donne part, que l'Infant m'a second6 a merveille, sans le savoir pour
faire partir de ches mon Epouse les deux Merciers mere et fille; ce sont
des personnes intriguantes et dangereuses; j'en quis quitte gi*aces aDieu
et elles ne resteront point ches mon Epouse; ainsi je vous recomande
meme en voyage d'avoir Poeil sur eux et si vous pouvez meme de les
ecarter, pour qu'ils ne puissent pas doner encore le dernier coup; vous
vojez, que je vous fais Comissionaire des interets de mon menage mais a
un homme, qui m'est tant attachö, que vous Petes, je peut hardiment
confi^ tout ce, que je pense la dessus ; plus que le moment aproche, plus
je vous avouerai, que je me sens emu non d'empressement mais de crainte
de ne pas etre heureux dans ce etat; je me sens fort jeune et a peine capable
de me gouverner moi meme, coment dirigeraye une femme; je n'ai jamais
encore senti les atraits de PAmour, Dieu sait, coment j'en serai trait^,
enfin toutes ces Id^es me fönt trembler et me fönt faire des reflexions un
peu melancoliques mais jai mis ma confiance en Dieu et avec sa grace
tout est possible; dans une couple des jours vous verrez encore un Courier
d'Amour mais qui ne ressemble pas tout a fait a Cupidon, cest Hamilton *
je vous recomande de le presenter a Parchiduchesse, comme un des mes
serviteurs. adieu portes vous bien mes complimens a toutes les femelies
je snis votx-e ties fidelle
ce 20 7bre 1760. Joseph.
1 Anton Graf Hamilton, Kainmerlierr.
118
V.
Mon eher Salm les deux lettres, que vous venez de m'ecrire, m'ont
fait un plaisir bien sensible, quoiqne vous me rassiiriez sur des pointes
bien essentiels et quoiqne je vous croie, neanmoins je suis fort inquiet et
j'ai une certaine peurc de me marier plus que je n'aurai d'aller dans une
bataille ; plus que le temps aproche et outre cela ayant recu toutes les in-
structions de Sa M. L'Empereur, qui me fönt horreur et qui m'ont eitre-
mement surpris, je suis extremement en peine de mon bonheur fntur, je
n'entre certaincment dans cet etat par aucune curiosit^ ou avidit^ de bete;
le pens6 seule de me devoir porter a cela, me coute infinement et me de-
goute. j'ai mis et metrai toujours mon unique confiance en Dieu; c*esta
son unique gloire, que je dostine mon mariage et c'est de lui, que j'attends
toutes les consolations : vous vous moquerez de moi en vojant mon in-
quietude, mais je puis vous assurer que jamais de la vie je ne me suis
souti si abattu et nettement afflig6 encore sans raison mais seulement
de peure, de ne pas bien rencontrer. si j*etois un particulier, je renverse-
rais tout et je ne me pourai jamais resoudre a me marier, mais comme
victime de l'etat je me sacrifie esperant, que Dieu voudra accepter cette
soumission en bonne part et m'en recompens6r si pas dans ce monde, aa
moins dans Tautre. voila mos inquietudes et que leurs Majestes cherchent
a dctruire mais augmentent de momeut en moment plus que Tinstant de-
cisjve aproche. adieu portes vous bien je serai toujours
Mon eher Salm
votre tres fidell
ce 28 7bre 1760. Joseph.
P. S. je vous suis bien oblige de ce, que vous avez fait cause de
la mercier.
VI. (Zettel.)
Wan er nur die Liste deren Camerherren schicken moegte und
selbst wan es sein kan zu mir komen gottlob wir haben eine glückliche
Entbindung. M. Th.
Vn. (Zettel.)
nous attendons de vous autres T ordre, si on doit faire la . . . toc-
tion, et si eile est en etat ou non. tout sera toujours preparö, je m*adresse
ä vous, sachant le reste du monde trop occupö. dit moi un mot comm®
eile Test a prescnt domandcz les nouvelles k la Erdody.
(IC. Th.)
119
Vm. (Zettel.)
j'ai chargöe mayer ^ de vous parier pour Penterrement de notre petit
ange qui'doit etre comme ma fille dans un cas pai-eil Tat etoit.
je vous prie de me marquer tont les jours qnelque chos comme yous
trouvez Joseph, si vous le vojez sil at dermis et combien sil mange ausi
et comme vous le trouvez vous pouvez juger, combien cela
m'interesse. je me fie en vous, que vous me dii'ois la verit4.
IX.
Sacr^e Majest^
J'ai differ^ liiere au soire et envoyer mon tres humble raport, jusqu'a
ce que j'ai vus Monseigneur se mettre au lit, pour pouvoir mander la clo-
ture de la journee. 11 etoit 10 heure et demi lorsque, je Tay expedi^. mais
on me \k raport^ cachett^, parceque si bien Votre Majost^, que Sa Majest^
TEmpereur etolent deja retir^. Je me permettois, que Monseigneur passeroit
une nuite plus tranquil. il a ^te avant de se coucher beaucoup plus rassure
et me dit en se c^uchant, pour aujourdhuit j*espore de dormir, car apr^s
les allarmes de ce matin nous ue pouvions pas nous üatter d'avoir une si
bonne soii*6e. cependant son premier someil n'a dur^ que deux heures de-
puis 10 et Y2 jusqu*a 11 et V2» il s^^s* l^vö pour passer ä la chambre de
Madame mais ne s'y est arett^, qu'un quard heure. puis il s'est recouche
jusqu'a apres trois heure. mais n*a pas dormi beaucoup, et la peu de
someil, dont il a jouit, etoit inquiet. apr^s s'etre un peu arrett^ dans la
chambre de la Malade, il a voulu reposer, mais cela de n*a pas dur^ long-
tems avant 6 heure il est encore repass^ chez Madame et n'en est revenu
qu'apr^s 7 heure; il me dit en rentrant, je ne suis pas si contens que
hiere, et me fit le detail de la nuite, dont Yotre* Majest^ aura deja ^t^ in-
formö par van Suite. ^ il a bon visage et vient de prendre son dejeuner;
il con vient avec moy, qu41 faut dans cette cruelle maladie commencer a
s'aprivoiser avec les allarmes, je ne luy fais poin de long raisonnement
la dessus, car il seroient innutil de luy trop precher, il me suffit, quil m'a
donn^ parole, que si les chose devoient empirer, quMl me permettra de
penser au lieu de luy. il est a plaindre, cela est certain, mais il le seroit
encore davantage, si on le genoit. Dieu nous preserve qu'il arrive quelque
chose de funest, mais en tout cas, jai deja forme mon plan et Yotre Majest4
peut 6tre tranquil, pour ce qui concerne Monseigneur. il m*est d'une
< Johann Adam Mayr, wirklicher Hofkammerrath.
3 Gerhardus van Swieten, Protomedicus.
120
grande consolation de voir, qne je ne le gdne pas et qu'il me considere,
comme une personne, qui aura soin de luj dans roccasion. il m'a assur^e,
quil 68 laiHsera diriger. j'aurois envoi^ ce raport plas tot, mais depois Mon-
seignour est habill6, j'etois pr^s toujours avec lui et pais je passe d'une
chambre a Tautre pour finir mon billet. car s*il me trouve a ecrire, il veut
lir ce que je mande.
le 24 9bre 9 heure.
Bandglosse der Kaiserin.
Je vous prie d'envoier en droiture vos billiets a quel heure que ce
soit a la Guttemberg, ^ fussent meme la nuit. je vous suis bien sensible-
inent oblig^e des soings actuelles et suis bien tranquille de sayoir mon
Als ontre vois mäins; il n'y a que votre sant^, qui me fait trembler; pensez
y donc. L*Emp. vous at donnie ceux pour la maison, Dieu veuille nous
en preseiTer. si vous voyez, que cela va plus mal ne laissez plus sortir le
coufessour de la cour le pei*e Höller ^ et reischach,^ auquell le fils parois
avoir le plus de confiance et qui je trouve de meme le plus convenable;
vous resterioz meme tous 3 avec lui loger dans la maison. les premiers
jours si ce malheur nous devroit arriver, dont je ne saurois encore me
fain^ le moindro idöe, en ce cas vous chargerois hamilton de tout le detail
ot ordonances qui sont a faire pour les triste ceremonie et qu'il s'entens
on Unis avec Uhlfold^ et Kovonhuller,* etant destin^ seuil pour vous ne
quittor la personne du fils« qui aura besoing de toutes votre secours. vous
avoi bien niison, que la gouo seroit asteur le plus cruel pour lui et ne
fonnt« quo rirritor: ainsi on lui laissera plein libert^ d'entrer et sortir
toujours ot do uo lo ims soparer, quo do son propre gre. s'il etoit meme
pnvsont au oruol momout, quo Hiou vouille nous en preserver, vous avez
doja bt^uuvup gH^uöo. d\iYoir obtouu do lui, qu*il se remet a vos soings.
jo no saurais vous oiprimor, oombion jo suis sensible a tont vos pmdentes
dis)HV(itious ot soin){v,
quo fWis lo )>auYr\^ maroobalV * dit lui quolque chose de ma pari, que
jo *ui>» tr\»p «iYAblio do lui lunivoir oiTin*
M. Th.
You» dov^vi oaohor au tlls notn* wm'^siHmdonc«*,
* I^i^aUu» \»\Um\u\» Uc^lUn» S vi SS Vh^s^l. Or . IWichtrat^r Josefs.
121
X.
Monseigneur a tres peu din^, mais cela est ass^s naturel et 11 vant
presque mieux dans Tagitatioii, ou il se trouve. son unique soulagement
est de se trouver a porte de la Malade; s*il y entre, il ne s'approche pas
tout du lit, que ces jonrs passes, s'est tout ce que moy et les Medecins
ont pu obtenir de luy. Dieu, a qu*il offre a tout moment ses angoisses, la
fortifie et le preservera de tout mal. il nous tient parole et ne touche, n'y
embrasse Madame son Epouse. il m'a dit ce matin, mon eher Salm, je yous
prie tant, que ma femme vit, laisses moy la consolation de la voire. si Dieu
dispose d'Elle, faites de moy ce, que vous voul^s et je me Taissoray diriger.
je scais, que je dois cette obeissance a mes Parens et au Public, je luy
ay mis du vinaigre dans son mouchoir, car Todeur dans la chambre est tr^s
forte, que Votre Majeste se tranquilise sur son chapitre, ilfait ce qu*il
peut. ce servit trop Taccabler, que de lo trop contraindre a moin, que les
medecins ne le jugent indispensablement necessaire.
25 a 3 heui-e V| apr^s midi.
Bandglosse der Kaiserin.
Vous auroit vue par mon billiet de hier, que j'ai pensö de meme et
qu'il faut lui laisser ces juste empressemens. si le bon Dieu veut l'unir ä
sa chere femme, toutes nos prevoiances ne Tempecheront pas. il est, ou
son coeur et son devoir Tappelle, je n'en suis nuUement inquete, je Taime
d'autant plus de le voir si decidie et tendre. M. Th.
XL (Zettel.)
Comme nos allarmes augmentent, je vous prie de me marquer deux
fois par jours l'etat de Joseph vous jugez bien, qui est un point, que me
tiens le plus a coeur et s'il at dormis cette nuit informez vous en exacte-
inent aux valets de chambre pour m*en donner des nouvelles
n'abbandonez pas le fils et restes le plus, que vous pouvez chez lui
poui- le faire parier pleurer sans le gener. M. Th.
Xn. (Zettel.)
je m^adresse a vous dans mes plus gi'andes detresses : on dit Tarchi-
dnchesse a Tagonie un mot de reponse, je vous conjure, donn^ ce crucifix
au chanoine, pour qu*il s'en serve a la mort de cette grande et sainte
princesse. je vous conjure ay^z soing de ce tresor, que dans le douleur il
ne soit egar^e.
>>^
f >M
XTTT iZettsL^
Li«»i>fe^c« '»rtio«iT in ieaen uu^fidEseligvii angenblick, wo wir sind,
:>ut aiir iTupirr y\m i^neajvniTOi aKheiL die Ton allen was liebes ?er-
\»Un*u 'it'i'a '>«K«<tzt* xh, 7ine Dich veiaema« nicbt mir Haar zn procoriren,
<u* i«»r iiittti>ml>«nc :u scmcicen. üe sie wird aiislflffton lassen und aaff
iil iw ^'iir'ffteu j:«*b« w«'iii jcac. iatf kein kleines Zettnl yerlohren gehe;
iuu von rut'mi^r ;{:uicze taauile !$eiber habe and nein eintxiger Trost sind,
.iuch <imtTtitr ^»(»«pa 3ua ind 'freist sein kooinen, wan er sie yerlangi,
wril <i«« hmo ^Hr:s^ »TH^e luAeben and koennen einmal der unschuldigen
TK-hcor iieu«»u. :un* ä^*ninw -ind <r>iwe nmtter Terehren und imitiren.
tuitiim vüirttte«« x\x tuica iuf Dich, iai» in dieses wobl besorgen werdest;
luwh .itl ilbn^u Vi!>niien2»»n l2?c un einer «fer groessten, denen Du mir
'.ttid ior tuoiiIU* :iiuu ianäc. M. Th.
Ljk i\>ur>at^> i^ Jier« :»>«t passe« fort tranquillement. Monseigneur
s'ost \\*u(.KH« .'jkptvs iiaer ^ lir. il a tu an de ses nouTeaux chevaux An-
<!;i:s. ^uo s.>tt Ks^uior ^ 3i%>ucv :MQ&f M fenetres. durant le temps des vi-
^•!o6. i .& pr;o ivtfc uous ec le rvcs» .{« lasoiie s'est pass6 en conversation.
S^'tt VlrcsM!» KoyjLt* ^ porte Dien mercj fort bien, Tappetit et la someil
rv^'ouuou:. :I par*> Jk tuuc moment de la perte qo*il Tient de faire arec
plus io ;r;ui^u::i:«*. i ^>unii:w et cnint en nitae tems Theure, qa*il doit
\oir Y.^trv ÄAJ**«^«' ;1 <\»! cvache apre* 10 henre et vient de s^ereiller
ji 7 heurv. Mjki;im^ i Kri*^av m*a ecrite hiere« que Yotre Majest^ Ini avoit
orviiHtu^« ie p«irv.u:r^ jk^jvurihaLt et demain aux obseques et que peat dtre
Kilo 4uru läk ^mfto? A^ec lei«^ iamet» de se mettre a ses pieds; je ne S9ai8, si
j^t'jio es^H!>ivr U m^m< ^T;ice. ec dittans la dessus les gracieux ordres de
Votiv Mj^tK^ce.
Antwori der Kaiserin am Bande:
Vous pouvei Tenir aussi et meme tout tos domestiques & ^
rot irrt »io avnnt 10 houw.
XV.
1/iippotit do mon seigneur etoit mediocre, pourtant mieux qua biere.
il fiiMit pluN de sonsibilite aujourdhuit, il s'occupe beaucoup a ecrire. se
plnin (lo toiiiH ou tems onvors nous de son triste sort, mais^ses plaiBtes
Moni mnlli'^oH d Nietes dos resignations, maintenant il lit des papiers, Q^^
H. M. Ktnporuur luy a euToje, il a un peu seign^ ce matin, mais celan*
123
pas dur6 longtems cela ne me snrprend pas car 8on sang doit extremement
6tre agit^. II m'a dit, qu*il souhaiteroit, que je rende los derniers devoira
a Ma Maitresse, en conduisant renteiTeinent. S. M. rEmpereur etant
sarvenus, je luy en ay demande la peiToission, il me Ta gracieasement
accorde. je supplie V. M. de vouloir bien aussi me permettre, que je m'ab-
sente pour ce tems de mon Maitre et que je me rende a ce triste devoir.
le Marechal et chambelant rosteront aupres de luy.
A Sa Majeste Tlmperatrice.
Bandglosse der Kaiserin.
Vous ferois tres bien le fils etant pourvue, mais je voudrois que le
confesseur reste dans la maison pendant le tems. vous me dirois sincere-
ment pour ma direction, TEmp. voudroit y etre pendant ce tems; si cela
n*etoit peut etre mienx Ten detourner. ne yous at il rien dit de ma lettre
est il content de moi.
XVn. (Billet der Kaiserin.)
Le bon Dieu nous a fait une grande grace, qu'apres le grand mal-
heur il soutiens encore mon fils. je ne me flate pas que cela restera comea.
j'ai tout remis au bon Dieu et n'atens plus de consolation, que dans Tautre
monde. le marechal batyani s'est charg^ de faire le raport de sa sante
deux fois par jour, j'exige de vous, que vous me mandez Totat de son coeur,
ce qu'il dit ce qu'il fait; ne menagez pas ma sensibilit^, tout cela m'est
consolation, faite moi donc tout ces jours un raport pareil. j'exige aussi
de vous, que vous me faite le recit de cette derniere et fatale nuit, quand
eile est entree en agonie, si eile at encore parlee, si eile at souferte, si
eile etoit presente, si le fils y etoit toujours, depuis quelle heure et a quelle
place, ce qu*il a dit et fait dabord apres; tout cela m*est chere et pretieux,
je ne saurois asses vous marquer ma reconnaissance pour tout les tendro
soing, que vous en avez pris. M. Th.
XVn. (Zettel.)
si Joseph s*est tranquilisee. pour le portrait il Taura
recue. pour les papiers je suis tres embarass^e car eile m'a dit souvent,
qu'elle me les recomandoit, que tout n* etoit pas visible pour lui. pouriez
vous me suggerer quelques moyens de les pouvoir voir la premiere. Sous
le pretexte de les avoir, fais chercher tout suite comme chez tout le reste
de mes enfants, ou croyez vous une autre expedient meilleur.
je vous suis oblig^e pour la triste relation
M. Th.
124
XYm. (Billet der Kaiserin.)
lieber Graff Salm ich kan ihm nicht genngsam meiner Erkenntlich-
keit exprimiren über seine mir gelejsteten Dienste, seit 18 Jahren bej
meinem Sohn Joseph, als jener bev meiner so innigst geliebten Frauen
Schwiegertochter, besonders aber in diesen so nnglücklich als betrübten
Zeiten vor die Torsorge. die er Tor meinen geliebten und unglücklichen
söhn gehabt, fahre er aber fort ihme in allen mit rath und thatt an die
Hand zu gehen : besonders jetzund, wo er sein obristhoffmeister benent
ist. sein und mein Vertrauen billig besitzt und er kan versichert sein das
alezeit ihme und denen seinigen besonders zngethan sein werde.
Maria Theresia.
dieser ring und eine tabattiere, von welcher das portrait noch nicht
verfertigt ist, solle ihm zum bestaendigen gedaechtnis seiner unvei^leich-
lichen Frauen dienen und als ein pfand meiner Erkenntlichkeit.
anno 1764 1. Januari.
XIX.
ce 29 (Maerz 1764).
Je suis bien contente. que vous est arriv^ et que votre sante s*est
si bien contenue. je crains un peu la journee, quoique belle d^aujourd'hui
pour vous et celle de couronement. qui assomeroient un homme robuste,
encore plus un reconvalescent. je suis tres contente de votre relation. je
crains seulement Tembaras et gene a Francfort et Taudience, ou visite
de Telecteur de mayence n*at pas ete, comme on auroit dut Tattendre. il ne
at rien dit des obligations, qu*il lui a que Telection s*est fait si prompte-
ment effectivement nous lui avons toute Tobligation. les complimens nous
content (rien). sur tont vis a vis de nos egaux. je le vois devant mes
yeui. il faut esperer. quil reparera tont cela avec polit«sse. je vous prie
de remettre celui a mayer et Tautre a reisach, meme il contiens des co-
missions de ma part. je dois vous avertir, que le fils m'at demande tout
d*un Coup leslie pour son chambelland. je vous prie de me dire^ si vous le
trouvez convenable ou non; j'ai gagne en attendant du tems jusqu'au re-
tour. Vous dirois a Leslie ^ de ma part de faire bien mes comissions a
parme et de n'en parier a qui que ce soit pas meme a Joseph et fils me
paroit de nouveau extremement contre le mariage et indigne contre la ba-
varoise. Hamilton et tout ce monde lui en parlent; vous savez ce, que
j*en pense. mais je crois, qu*il faii*a de meme pour tous les quelles il
* Anton Graf y. Leslie, Kammerherr.
125
croira, qu'on Toudrois lui destiner. c'est le meme langage, qu'il tiens astcur
qa'il a tenne pour Tlnfante. je crains quo cela me coutera encore bien
des chagrins et soings. menagez vous et conservez moi an bon et fidel
serviteur. Maria Theresia.
je Yous fais mes complimens snr le rois des romains.
XX.
(Aus einem andern Briefe der Kaiserin, nach Frankfurt gerichtet.)
. . . mes lettres etoient un pen caustiqae mais j'ai un peu preche;
11 parois, qu'on s'en corrige. et remplis de douleur et de degout poor se
remai'ier pas meme celle de parme, qu'il faat de tems pour feimer ia plaje
je n'ois m'en repondre la dessus, que de convenir que sa
douleur etoit juste sa perte etant si grande mais qu'il ne sera jamais bien
guerit que par un autre attachement sans entrer en detail
XXI. (Zettel.)
12. November 1764 ,da die bay. Princessin Josepha als brauth m.
„allergn. Herrn Josephe 11 roem. K. ist decidiret worden.*
Yenez chez moi a 10 heure, le fils s'est conduit tout ou mieux dieu
Teuille donner la continuation.
xxn.
Je vous envois ici mon eher Salm Le lettre pour mon Epouse vous
la lui donnerez d^abord en arrivent. je souhaite, que vous en soyes con-
tente, quoique vous trouveres une grande diference entre Lampach et
Casal Magior; mais le vin est tire, il faut le boire et cela de meilleure
grace que possible, quoique cela me coute. j'espere, que vous seres heu-
reusement arrive et que votre sante n^aura pas soufert de L'humidit^.
mes compliments a Madame de Lynden ' et tout la cour de meme qu'a
Madame Creuth, si vous la voyöz. adieu a revoir Dimanche je serai toujours
ce 16 Janvier 1765. Joseph.
* Maria Johanna Barbara Gräfin d'Aspremont-Lynden, geb. Gräfin v. Nostitz,
Obersthofmeisterin der Römischen Königin Maria Josefa.
JOSEF FREIHERR VON SIMBSCHEN
UND DIE
ELLUNG ÖSTERREICHS ZUR SERBISCHEN FRAGE
(1807—1810).
VON
D» FRANZ RITTER VON KRONES,
PROFESSOR AK DRR UNIVERSITIT IN GRAZ,
CORRESPOKDIREKDES MITOLIID DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHArTEN IN WIEN.
Vorbemerkung.
Zu den bedeutsamsten politischen Fragen, die den Ge-
sichtskreis der österreichischen Politik im Zeitalter der Fran-
zosenkriege beherrschten, zählt die serbische, der Aufstand im
Süden der Donau unter der Führung Kara Georgs Petrovi6,
und eine entscheidende Phase in dem Verhältnisse des Wiener
Cabinetes zu dieser weltgeschichtlichen Volkserhebung knüpft
sich an die Jahre 1807 — 1810, innerhalb deren auch eine ver-
hängnissvolle Kjrise des heimischen Staatswesens, die schwerste
Erschütterung seines Machtbestandes, verläuft.
Die Hauptrolle in dieser Phase der serbischen Politik
Oesterreichs spielt als Vertrauensmann der Wiener Regierung
Feldmarschalllieutenant, dann Feldzeugmeister, Josef Freiherr
V. Simbschen (geb. 1746, 6. Oct., gest. 1820, 14. Januar), dessen
handschriftlicher Nachlass,^ von seinem Enkel, Julius Freiherm
V. Simbschen, k. k. Oberstlieutenant i. R., dem Verfasser dieser
Abhandlung in zuvorkommendster Weise zur Benützimg über-
lassen, den wesentlichsten Behelf zur Darlegung des geschicht-
lichen Sachverhaltes abgibt.
Dieser Behelf ermöglicht es, das, was A. Beer in seinem
verdienstlichen Werke ,Die orientalische Politik Oesterreichs
seit 1774* (1883) auf Grundlage des Actenbestandes im Wiener
Haus-, Hof- und Staatsarchiv und Kriegsarchiv über die Mission
Simbschen's in der serbischen Frage episodarisch einflicht, nach
allen Richtungen zu ergänzen und, verbunden mit dem Vor-
leben Simbschen's, als etwas Ganzes monographisch darzustellen.
1 "Es sind dies vornehmlich seine 412 Folioseiten umfassende Vertheidigungs-
schrift oder Apologie aus dem Jahre 1816, die bezüglichen Actenstücke
und die sein BerufiBleben bis 1807 betreffenden Decrete und C'orrespon-
denzen.
▲reldT. Bd. LXXYl. I. H&lfte. 9
JOSEF FREIHERR VON SIMBSCHEN
UND DIE
:ELLUNG ÖSTERREICHS ZUR SERBISCHEN FRAGE
(1807—1810).
VON
D" FRANZ RITTER VON KRONES,
PROFESSOR AN DRR UNIVERSITIT IN QRAZ.
C0RRE8P0NDIRENDE8 MITOUID DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN WIEN.
Simbachen, der um diese Zeit (1. August 1788) Major des
I. Banalgrenz regimentes geworden war, die Gelegenheit zu
rascher Beförderung. 1789 (17. Febmar) dem Generalquartier-
meiaterstabe zugethcilt, rückte Simbsuhen am 3. Mai des gleichen
Jahres zum Oberstlieutenant vor und wurde 1790 (14. Februar)
Oberst, vertraut mit den Verhältnissen der Militärgrenze und
der serbo-croatischen Sprache miTchtig. 1791, 21. September,
ging or zu seinem Regimente ab.
Als die Kämpfe mit der französischen Republik auf dem
Boden Italiens begannen (1793), finden wir Simbschen im Mai-
ländischen als Vertrauensmann des damaÜgen Statthalters, Erz-
herzog Ferdinand von Modena-Este, zunächst mit der Aufgabe
betraut, Ankunft, Zweck imd Ueiscplan dos vom Nationalcon-
vcnte entbotenen und wohl ausgerüsteten Diplomaten Sdmouville,
damals Vertreters Frankreichs in Genua, auszukundschaften.
Wie uns Simbschen in seiner Denkschrift erzKhlt, sandte ihn der
Erzherzog unter der Maske eines Triestiner Kaufmannes und
mit einem zu diesem Zwecke ausgefertigten Passe nach Genua.
S^monville war mit stattlichem Gefolge, 24 Personen, und ver-
sehen mit Schmuck und Kostbarkeiten aller Art, im angebiichen
Werthe von 20 Millionen Francs (!), eingetroffen und erhielt
während der Anwesenheil Simbschen's von seinem Ministerium
den Auftrag, sich durch die Schweiz und das venctianische
Gebiet in die Lagunenstadt zu begeben, hier einzusclüfFen und
den Weg nach Constantinopel zu nehmen. Er sollte die Pforte
durch Worte and Geschenke zu kriege ria eben Bewegiuigeu an
der Südgrenze Oesterreichs veranlassen, um so den kaiserlichen
Heeren am Rheine und in den Niederlanden das plangcrechte
Weiterführen de« Krieges thunlichst zu verleiden.
Man hatte unserem Simbschen den damaligen Oberliente-
nant (spSter Feldmarschalllieutenant) Richter von Binneiilhal
in der Verkleidung eines HandkmgS'lieners beigegeben. Sic
bereisten nun die Schweiz, das Walüser Land, die Ufer des
Lago maggiore und Lago di Com«, um möglichst verlässliche
Nachrichten über die Mission des genannten Franzosen ein-
zuholen. Ee sei ihnen auch gelungen, alle Einleitungen zu
treffen, dass Si'monville und sein Gefolge am 20. Juli 17J»3
am I-ago di Como angehalten imd mit ihrer gaintm Habe,
Papieren, Geld und Kostbnrkrtiten festgenommen werdan
konnten.
133
Was wir über diese Begebenheit aus gleichzeitigen Archi-
yalien^ und zwar aus den Correspondenzen der Wiener Hof- und
Staatskanzlei erfahren,^ betrifft nur die bezügliche Kundschafter-
^ lieber die Gefangennehmung des französischen Gesandten Charles Louis
Hugo S^monville und Hugo Bemard Maret's (bevollmächtigten Mini-
sters der firanzösischen Republik beim KOnige beider Sicilien) der Madame
S^monville und der zehn Bediensteten S^monyille's und Maret's vergleiche
die interessanten Actenstücke in den ^Quellen zur Geschichte der
Politik Oesterreichs während der französischen Revolutions-
kriege* (1793—1797) von H. v. Zejssberg I. (Wien 1882), zunächst die
Depeschen des Osterreichischen Geschäftsträgers in Graubtindten (Chur),
Cronthal, an Grafen Wilczek, k. k. bevollmächtigten Minister und Re-
gierungspräsidenten in Mailand, und an Minister Thugut, vom 7. Juli
1793 ff. Cronthal hatte (a. a. O. S. 141) am 2. Juli in Erfahrung gebracht,
dass in wenigen Tagen S^monville, vormals in Genua, dann in Turin,
über das Veltlin nach Venedig abgehen wolle, und zwar in Gesellschaft des
nach Neapel bestimmten Maret u. A. Sie kamen über Genf, Lausanne
nach Zürich ,mit vielem Gtolde*. Am gleichen Tage (schreibt er an
Thugut) habe er die Meldung an Grafen Wilczek abgehen lassen. 12. Juli
schreibt Cronthal an Grafen Wilczek aus Coira (a. a. O. S. 148), die fran-
zösischen Sendlinge seien den 8. in Coira eingetroffen, und zwar 22 Personen
im Ganzen, von St. Gallen herüber; den 11. reisten sie nach Lancio
weiter, um dann den Weg nach Bergüns;^über den Albulapass nach dem
Engadin und über die Bernina und Poschiavo nach Yaltelin, sodann über
Tirano und Monte Apiica ins Venetianische fortzusetzen. Den 13. Juli
meldet Cronthal aus Chur weiter an Thugut (a. a. O. S. 149), die Reise-
gesellschaft sei am 8. Juli Abends in Chur eingetroffen und den 12. Früh
weiter gereist. ,DieBe Leute,* schreibt Cronthal, ,müssen entweder eine
unglaubliche Menge Goldes bei sich haben, oder sie sind desperate Leute,
denn sie scheinen die Louisdor nicht mehr als Kreuzer zu schätzen. Sie
wollten Alles durch Gk>ld bezwingen. Man suchte sie von der Unmög-
lichkeit zu überzeugen, dass sie ihre ungeheuren Wagen, auch zerlegt,
nicht über die Gebirge bringen würden. Sie hörten aber keinen Rath
und thaten gerade so, wie sie es haben wollten . . / Durch einen ihnen
nachgeschickten Vertrauensmann erfuhr Cronthal, dass sie endlich, von
den fast unüberwindlichen Schwierigkeiten ihres ursprünglichen Vorhabens
überzeugt, den Weg über die Albula und Bemina aufgaben und die
bessere Bergstrasse über den Septimer nach Kleffen (Chiavenna) einzu-
schlagen beschlossen, ,wo sie also dennoch nothgezwungen den Mailän-
dischen Grenzen so nahe vorbei müssen, welchen sie bis jetzt mit so vielen
Kosten und durch alle nur möglichen Mittel auszuweichen gesuchet haben*.
Cronthal habe die Abänderung ihres Reiseplanes sogleich nach Mailand
gemeldet Ueber die Gefangennehmung selbst ist massgebend der Bericht
des Dr. Pozzi aus Gravedona (am Comersee) vom 26. Juli an Erzherzog
Ferdinand t. Este, Statthalter in Mailand (a. a. O. S. 150 f.). Demzufolge
wurde der Genannte von einem verlässlichen Kundschafter zu Traona
134
thätigkeit eines gewissen Dr. Pozzi und die entscheidenden
Vorkehrungen des Podestk von Traona. Hievon verständigen
uns die Depeschen des österreichischen Geschäftsträgers in
Qraubündten, Cronthal, an Grafen Wilczek, Präsidenten der
mailändischen Regierung, und an den Minister Freiherm von
Thugut. Immerhin lässt sich ein Zusammenwirken verschiedener
Persönlichkeiten zum gleichen Zwecke annehmen.
Auch weiterhin stand Simbschen bei dem Erzherzog Fer-
dinand in Gunst. ^ Das Eriegsjahr 1795 zeigt uns Simbschen an
den Kämpfen bei Savona (23. Juni), Loano (23. November) und
Dego (28. November) betheihgt. So kam es denn auch bald
(9. December) zu seiner Beförderung; er verUess als General-
wachtmeister oder Generalmajor^ den Boden Italiens.
Bald fand Simbschen die Gelegenheit, sich bei der grossen
Armee Oesterreichs in Deutschland hervorzuthun. Er begegnet
uns unter dem Oberbefehle Erzherzog Karls im Sommer 1796
auf dem deutschen Kriegsschauplatze, bei Wetzlar, Kirchheim,
Friedberg, Limburg und Neuwied, vertheidigte neun Wochen
die Festung Mainz bis zu deren Entsätze vom 4. September,
bestand mit Erfolg das Gefecht bei Wiesbaden (9. September)
und nahm Theil an der Wiedereroberung von Dietz und Bingen.
Ebenso verdienstlich wirkte er im Reservecorps der kaiserlich
niederländischen Armee in den Kämpfen vor Limburg, Wies-
( Valtelin) über die Ankunft der fransOsischen BeiBegesellBchüft des N&heren
unterrichtet und bewirkte durch den entschlossenen Podestii von Traont
den 25. Juli die Gefangensetzung derselben in Norate, am Lago dl
Mazsola, bei Chiavenna, in der N&he der Osterreichischen Grenxe. Sie
waren, wie Cronthal am 27. Juli an Thugut berichtet (a. a. O. 8. 1&3), in
Vieo-Soprano (in Bergeil, 5 Stunden von Chiayenna) benachrichtigt wor-
den, dass die mail&ndische Regierung an der Qrense Anstalten getroffen
habe, sie aufzufangen. Sie blieben daher einige Tage in Vico-Soprano,
um sich für die Weiterreise nach Chiavenna und weiterhin bündtnischeo
Geleites zu versichern. — Man schaffte die Ge&ngenen aunlchst nach
('Omo, um sie dann in der Citadelle von Mantua unterzubringen.
1 170r>, 7. Juli schreibt Erzherzog Ferdinand aus Monza an Simbschen,
dankt ihm für die gemachten Meldungen über die Erfolge der kaiser-
lichen Truppen, fordert ihn zu weiteren Mittheilungen über die Disloca-
tionou der letztereu, die verwundeten Officiere u. s. w. auf und empfiehlt
ihm die Herstellung der versprochenen Karte. (Orig. N. S. ss Nachlass
Simbschens.)
3 Zu dieser Bof^trderung beglückwünschte ihn Erzherzog Ferdinand ans
Mailand 23. December 1796 (Orig. N. S.).
185
baden ^ Königstein und bei der Deckung der Reichsstadt
Frankfurt.
Wie sehr er damals schon das Vertrauen des Generalissi-
mus; Erzherzog Karl^ besass^ geht aus dem Schreiben des Letz-
teren an Simbschen vom 21. Juli 1798 (Prag)^ hervor, worin
der kaiserliche Prinz ihm flir seine Zuschrift und den bei-
geschlossenen Entwurf einer ,Verbesserung des Kriegswesens'
dankt Sobald der Erzherzog das Schriftstück gelesen, werde
er es an den Kaiser gelangen lassen. Einige Wochen später
(16. November 1798) dankt er ihm aus Friedberg iftir die Ueber-
sendung von drei Karten, welche er bald zurückstellen wolle,
und verspricht ihm in der Folge etwas flir Simbschen's ältesten
Sohn (Josef) zu thun, was augenblicklich bei der bestehenden
Avancementssperre nicht möglich sei.'^
Auch Feldmarschalllieutenant Sztäray stand mit Simbschen
in näheren Beziehungen. 1799, 24. Februar, schickt Sztäray
die ihm anvertrauten Schriftstücke mit dem Bemerken zurück,
dass deren Bearbeitung dem Verfasser zum Ruhme, dem Kriegs-
wesen zum Nutzen gereiche.^ Die Erkrankung des genannten
Feldmarschalllieutenants bot unserem Simbschen auch Gelegen-
heit, sich unter der Fahne des Erzherzogs Karl in der ent-
scheidenden Schlacht bei Liptingen- Stockach (25. und 26. März
1799) — in Stellvertretung Sztäray's — als Befehlshaber eines
selbstständigen Corps auszuzeichnen.
Er rückte dann mit der Avantgarde des flir den Krieg
in der Schweiz bestimmten kaiserlichen Heeres über die eid-
genössische Grenze, machte die blutige Schlacht bei Zürich (4. Juni
1799) mit und stand auch den Russen unter Suwarow in den ver-
lustreichen Kämpfen an der St. Gotthardstrasse, in Uri, im Canton
Glarus imd in Graubündten (September — October 1799) zur Seite.
Wie sehr Erzherzog Karl Simbschen schätzte, beweisen
seine Briefe vom 23. October^ und 6. November 1799. Der
1 Orig. N. 8.
2 Orig. N. 8.
* Datirt von Amberg. Orig. N. 8.
* 1799, 23. October, Donaneschingen. Der Erzherzog beantwortet Simbschen^s
Schreiben vom 22. December. Von einem General-Avancement sei ihm
nichts bekannt. ,8ollte jedoch,* heisst es weiter, ,wider Vermuthen dieser
Fall eintreten, so seien 8ie überzeugt, dass ich Ihnen nicht nur volle
Gerechtigkeit widerfahren lassen, sondern auch thätigst für Sie mich ver-
wenden werde.*
i
136
Greneralissimus ist sichtlich bemüht, Simbschen die Meinung
man verkeime, unterschätze seine Leistungen, zu benehmen '
Vom 14. Februar 1800 datirt der Armeebefehl Erzherzog
Karls, worin Simbschen zum Oeneralinspector und Director
sftmmtlicher ergänzenden Vertheidigungsanstalten im Reiche er-
nannt wird, um ,in die verschiedenen theils bereits bestehenden
theils noch zu errichtenden Landesbewaffnungen das erforder-
liche System, sowie die nöthige Einheit und Verbindung mit
den k. k. Truppen zu bringen'.^ Ein Schreiben Fassbender's
der rechten Hand des Generalissimus in allen Administrativmass-
regehi, vom 10. Juli 1800 (Regensburg) lobt die Thätigkeit Simb-
schen's in den fränkischen und oberrheinischen Reichskreisen '
Im verhängnissvollen Kriegsjahre 1800 befehligte Simb-
schen ein Corps im Spessart; das nächste (1801) bescheerte ihm
(6. März) die Ernennung zum Feldmarschalllieutenant. An ihn
als solchen schreibt (15. November 1801) Erzherzog Karl er
möge sein Gutachten über die im Zuge befindlichen Verbesse-
rungspläne ftlr das Heerwesen abgeben.^
' Der zweite Brief (vom 6. November 1799) laatet: J^ieber Herr General!
Die Gesinnungen der Achtung und Zuneigung, welche ich Ihnen mit Ver-
gnügen jederzeit beweise, werden Ihnen den wannen Antheil, den ich an
Ihrer Lage nehme, nicht nur verbürgen, sondern Sie zugleich mit der Ver-
sicherung beruhigen, dass ich Ihre gerechten Ansprüche auf eine Belohnung
bereits mit allem Nachdruck geltend zu machen bemüht war. Ich sehe nun
dem günstigen Erfolge meiner Verwendung ebenso sehnsachtsroll entgegen,
als es mir angenehm ist, Ihnen zu wiederholen, dass ich mit aller Werth-
schStzung verharre, lieber Herr General, Ihr aufrichtigst ergebener Erz-
herzog Karl m. p.* (Orig. N. S.)
s Orig. N. S.
' Orig. N. S. Fassbender nennt Simbschen in seinem Briefe ^seinen alten
verehrungswürdigen Freund*.
* ISOl, 15. November, Wien. Erzherzog Karl an FML. Simbschen.
,Se. llajesat befehlen mir in allen Zweigen der Militärverwaltung die
mifglichsto Vereinfachung und jene Aenderungen zu treffen, welche die
Armee auf den höchsten Grad von Vollkommenheit bringen kOnnen. Da
nun jeder, der mit Aufmerksamkeit den Lauf des Krieges beobachtete
die Ueb^rzengung aufgenommen hat, dass ohngeachtet der Güte unseres
Exercitiums, dem man die Beweglichkeit der Truppen verdanket, selbes
doch durch die geinderte Art den Krieg zu führen mit Nutzen einigen
Aenderungen. ohne das System zu umwälzen oder den Mann weniger zu
beschlftigen, unterzogen werden kann« so fordere ich den Herrn Feld-
marschallUeutenant, von Dero Einsicht und Kenntnis« überseogt, auf, mir
bis Ende Jinner 1^>:2 Ihre Bemerkungen über das Infimterie-Exercier-
137
Später müssen wir ihn als Divisionär in Mähren voraus-
setzen, da ein Schreiben des damaligen Statthalters Josef Grafen
von Wallis (1805, 27. Mai) vorliegt, worin er seinen Dank für
Simbschen's Thätigkeit und Eifer in der Bewältigung der da-
maligen Ueberschwemmungsgefahren ausspricht.*
Die bedeutendste militärische Leistung Simbschen's knüpft
sich an den italienischen Krieg Oesterreichs vom Jahre 1805,
an den WaflFengang Erzherzog Karls gegen die Franzosen. Als
die Entscheidung bei Caldiero geschlagen wurde (29. bis
31. Oetober), befehligte Simbschen acht Infanterieregimenter und
acht Husarenschwadronen und hielt nicht nur unter dem
Corpsbefehle Bellegarde's seine heftig ängegriiBFene Stellung ge-
gen General Molitor fest, sondern vollführte auch aus eigenem
Antriebe die entscheidenden Bewegungen, wie dies auch der
Bericht des Generalissimus vom 17. November 1806 anerkannte.
Auf dem durch die vcrhängnissvollen Ereignisse vor Ulm
und das Vordringen Napoleons I. nach Oesterreich und Mähren
erzwungenen Rück^^ge aus Italien ertheilte Erzherzog Karl
3. December 1805 (Gross -Sonntag in Steiermark) ^ unserem
Simbschen eine Reihe wicfitiger Aufträge, die mit seiner Be-
stallung zum Leiter der Vertheidigungsanstalten Innerosterreichs
und der Militärgrenzc zusammenhiengen.
An ihn wurden laut eines gleichzeitigen Befehles die
Generale Knezevich, Rakichevich, Stojanich, Oberst Boxich ge-
wiesen und ihm einige Officiere des Generalquartiermeister-
stabes zugetheilt. ^ Auch Feldmarschalllieutenant Jellachich hatte
sich den Weisungen Simbschen's in Hinsicht der Insurrections-
mannschaft und ihrer künftigen Verwendung zu fügen. Zwei
Regulament an dio Hand za geben, und stelle nachfolgende drei Grund-
lagen zu Bearbeitung desselben auf, als: 1. Hintanlassung alles Ent-
behrlichen, 2. die grösste Vereinfachung des Ueberbleibenden, damit
besonders alle Bewegungen auf die einfachst leichteste Art in der ge-
schwindesten Zeit vollbracht werden kOnnen, und 3. Unterricht für die
Officiers, "wie sie sich zu benehmen haben, a) um ihre unterhabende
Mannschaft zu bilden, b) sie so zu führen und mitzuwirken, damit alle Be-
wegungen mit Schnelligkeit und grösstor Genauigkeit ausgeführt werden.
Erzh. Karl.* (Orig. N. 8.)
1 Josef Graf Wallis war damals Gouverneur Mährens, bald darauf Oberst-
burggraf von Böhmen.
» Orig. N. ö.
» Orig. N. 8.
I
138
Tage später (7. December, Gross-Körmend) schreibt der Ad-
latus des Erzherzogs^ Graf Grünne; Referent des obersten Chefs
der Militärverwaltung, an Simbschen, seine Verdienste in der
Schlacht bei Caldiero und in der jetzigen Dienstleistung habe
man dem Kaiser besonders angerühmt und ftlr ihn die Ver-
leihung des ersten frei werdenden Infanterieregimentes erbeten.^
Simbschen wurde auch im November 1806 Inhaber des 43.
Infanterieregimentes. Den Maria Theresienorden hatte ihm be-
reits der April des gleichen Jahres bescheert.^
Damals (1806) befand sich Simbschen in Marburg. Hier
traf ihn ein Schreiben Grünne's vom 11. April, bemerkenswerth
in mehr als einer Richtung, so dass es vollinhaltlich wieder-
gegeben zu werden verdient.' Es beweist neuerdings das Ver-
trauen Erzherzog Karls als Generalissimus und Kriegsministers,
der in Simbschen den rechten Mann für die wichtige Stellung
eines Divisionärs in Croatien mit dem Sitze in Agram er-
kannte.
In dieser Stellung blieb denn auch «Simbschen bis zum
Juni 1807, welcher Monat seine neue bedeutsame, aber auch
für ihn verhängnissvolle Emennuofg zum Commandirenden in
Slavonien mit dem Amtssitze in Peterwardein vollzogen sah.^
Diesen Posten hatte bis dahin der — nach Simbschen's
Angabe — damals schon 96jährige Feldzeugmeister Freiherr
von Geneyne seit 16 Jahren innegehabt. £^ war hoch an der
Zeit, einen Personenwechsel eintreten zu lassen, denn ein solches
Amt bedurfte der vollen Kraft eines rüstigen Mannes.
n.
Slmbschen^s AmtsvorgSnger Im slavonlschen Oeneralate
und die Zustande in der MilitSrgrenze bis zum Abgange
Slmbschen's nach Peterwardein (1783—1807).
Freiherr von Geneyne hatte seinerzeit nicht un ver-
dienstlich gewirkt. Als Oberst des deutsch-banater Grenz-
1 Orig. N. S.
2 Vgl. Hirten feld. Der militärische Maria Theresienorden und seine Mit-
gUeder, S. 784.
3 S. Anhang Nr. I.
* 1807, 14. Juni, Ofen. Der Commandirende Freiherr ▼. Alvinsi beglück-
wünscht Simbschen zn seiner Emennong. Qrig. N. 8.
regimentes ward ihm — zwei Jahre nach tier Thronbesteigwng
Kaiser Josefs 11. — der Auftrag gegeben, mit einer BereiBung
der MUitärgrenze die umfassendsten Erhebungen zu verbinden
und darüber eingehend au berichten. '
Genejne vollzog 1783—1785 diesen Auftrag, und seine
Eingabe deckte eine Fülle von Ucbelständen auf, deren dring-
liehe Abstellung begründet wurde. Um ein GnmdUbel, die
Ueberbllrdung der StabsofG eiere mit poütisch- administrativen
Geschäften, zu beseitigen, achlug er die Trennung des Militär-
dienstes von der eigentliehen Administration vor, welche letztere
eine selbstständige militärische Oantonsverwaltung,
Regimentsc omm an den zur Seite, einzurichten wäre.
Kaiser Josef 11. genehmigte diese Vorschlage, beförderte
'^eneyne zum Generalmajor und Hess verauehawcise die Tren-
nung oder Zweitheilung der militärischen und administrativen
Amtssphäre zunächst im deutsch-banater Grenzcommando durch-
4blireii, womit die Conscription, Mappirung und Individualver-
leUung der Grundstücke, ausschliesslich des Waldes und der
[otweiden, Hand in Hand ging. Im Jahre 1784 wurde auch
Tschajkistenbatailloii in gleicher Weise eüigerichtet und
meyne (13. Febi-uar 1785) beauftragt, einen Plan filr die
;«nisirung aller Grenzdistricte nach dem (Jan tonal Systeme
aoszuarbe i ten .
Bevor es jedoch zu der bezüglichen , Verfassung' der
slavonischen Militärgrenzc kam, bewirkte ihr Commandant,
Feldmarschall Graf Wenzel Colloredo, durch die von ihm
geltend gemachten , Vorstellungen' eine neue com mission eile
Berathung der Grenzreform, und mit um so leichterem Erfolge,
da auch das Banal- oder croatische Grenzcommando mancherlei
Bedenken geltend machte. So kam es denn zufolge der im
[ofkriegsrathe gepHogeneu Berathuugen vom 25. bis 30, Mai
[85 zur Bearbeitung detailHrter Cantonsverfassungen
< Vgl. fibBT die benaglicbe MiUtSrgrenKveriiassnng und iliru geschiclitUcben
Wandlungen: C. L. B. ". Hiolaiiuger, StatiaÜk der Militärgrenze des
Ortamichutlieii Kaiserthume, 3 Thie., Wien lälT; UtjoieDovi,;, Die
HanwonimaiuoDOii der Südslaven, Wien 1809; Vanifok, SpeciiilgeBchichte
der OMeITeichiac^1lOD MiUtai^renKe, Wien lä74 ff. ^4 Thle.); Bchwicker,
Qeachichte der Bcterreiclüsclien MiliEIr^Tcnie, Wien und Teachen 1883;
djun die hnndachriflliche Apologie Simbsehen'a ans dem Jahre 1816.
140
dxtrcli die ein2>*In«»n GeneraJeommjmdos mit der Frist bis No-
rember 1TS6.
Die betreffende Lebtnzur des FeldnuurschalDieutenaiits de
Vins erhielt den Beifall des Monarchen« und sie wurde des-
halb der neuen jSy^enuJverordnung* Tom 14. Februar 1787
zu Grunde gelegt, mit welcher die Einrichtung der neuen
Caniönsvertassungen für die croatische oder Banal-, die sla-
Tonische und Avt Banater oder ungarische Militftrgrenze vorge-
zeiehnei erscheint.
Diese Reform befriedigte jedoch keineswegs in Allem und
Jedem, daher fehlte es denn auch nicht an nachträglichen Gut-
achten, Verhandlungen, hofkriegsräthlichen Rescripten, und das
General-Grenzinspectorat des Feldzeugmeisters Freiherm
de Vins «1791 — 179??» konnte die mannigfaltigen Uebelstände
nicht beheben, ilie man Torwiegend ak Schlagschatten der
CantonsverfisL^suniT ansah.
Als daher Colloredo Anfangs 1799 zum Nachfolger
de Vins* im MUitärgrenzinspectorate ernannt wurde, kam es
am 17. September ISOO zur Beseitigung des dualistischen
Cantonssysiems der Militärgrenze und zur Wiederherstellung
einer einheitlichen Verwaltung, deren Credit allerdings auch
bald wieder ins Sinken kam.
Der Vertreter und Trüger einer Neugestaltung des Heeres-
wesens Oesterreichs seit iSOl.ErzherzogKarl, erkannte alsbald,
dass auch die Grenze einer griindlichen, allgemeinen und organi-
schen Reform bedürfe, zu deren Ermügliehung die umfassend-
sten Vorerhebungen angeordnet wurden. 1803 wurde eine com-
missionelle Berathung unter dem Vorsitze Erzherzog Lud-
wigs angeordnet und das Ergebniss derselben (Ende Juli 1803)
einer besonderen Hofcommission mit dem Generalmajor und
Hofkriegsrathe Klein an der Spitze zur Prllfung der einzelnen
Punkte auf dem Wege einer Bereisung der Militärgrenze nach
einer Instruction vom 15. August 1803 überwiesen.
Nach Beendigimg dieser Untersuchungsreise, welche 8^ 'j
Monate in Anspruch nahm, legte die bezeichnete Hofcommission
ihre Erhebungen einer 1804 unter dem Vorsitze Erzherzog
Ludwigs neugebildeten Organisirungs-Hofcommission vor, aus
deren Berathungen die wichtige Arbeit des Hofkriegsrathes
K. V, Pidoll und des Hofkriegsraths-ConcipisteU; dann Secretärs
141
F. J. Kleyle hervorging/ 1806 neuen Begutachtungen unter-
zogen wurde und 7. August 1807 unter dem Titel ,Grund-
gesetze für die Karlstädter, Warasdiner, Banal-Slavo-
nische und Banater Militärgrenze^ die Sanction des
Kaisers erhielt, um dann vom 1. November 1807 an in Wirk-
samkeit zu treten. Erzherzog Ludwig wurde als ,GeneraI-
Grenzdirector^ mit der Durchführung des neuen Systems
betraut.
Es ist nicht die Aufgabe dieses Aufsatzes, die Einzel-
bestimmungen dieses umfangreichen Grenzstatuts zu erörtern.
Nur eine Hauptbestimmung soll hier zur Sprache kommen, da
dieselbe den stärksten Gegensatz zu dem älteren Grenzsystem
bildet und gerade in der Zeit der Amtsführung Simbschen's
Störungen der öflFentHchen Ordnung herbeiflihrte.
Bisher waren die Grundstücke der Grenzbevölkerung
reine Militärlehen, deren Niessbrauch (usus fructus) dem
Grenzer zustand, -r gerade so, wie dies bei dem benachbarten
ungarischen, slavonischen und croatischen Bauer der Fall war.
Allerdings hub der I. Abschnitt des neuen Grundgesetzes mit
der Erklärung an, ,dass alle hegenden Güter in der Grenze
Mihtärlehen sind, auf welche Sr. Majestät das Obereigen-
thum (dominium directum) zusteht^, aber diese Gründe galten
nunmehr als solche, deren immerwährendes erbliches
Nutzeigenthum (dominium utile) den Grenzern gesichert
bUeb.
Auf diese Weise wurde der Grenzer einer eigentUchen
Grundunterthänigkeit überhoben und seine Stellung ungleich
> Klejle, Franz Joachim R. v., geb. 1775, 14. October, zu Hasslach im
Grossherzogthnme Baden, 1797 ff. in (österreichischen Staatsdiensten, 1803
Concipist des Hofkriegsrathes, und zwar im Militärgrenz-Departement nnd
als sehr brauchbare Kraft bereits 1804 bei der mit der Bereisung der
Militärgrenze betrauten Hofcommission verwendet; Protokollführer der-
selben, 1806 auch in der Präsidialkanzlei des Armeeministers Erzherzog
Karl angestellt und seit 1807 Hofkriogsrathssocretär. 1808 Begleiter des
Militärgrenzdirectors Erzherzog Ludwig; 1809 bei Erzherzog Karl, in
dessen Privatdiensten wir ihn dann linden, gest. 31. October 1864. Kleyle
wurde durch seine Heirat mit der Tochter des Hofkriegsrathes v. Okell,
Beferenten in den politisch-ökonomischen Geschäften des Militärgrenz-
Departements, um so enger mit dessen CoUegen, dem Justizreferenten
V. Hietzinger, und seinem ursprünglichen Gönner Karl v. Pidoll
(geb. 1770, gpest. 1840) befreundet, den er bei der Ausarbeitung des Mili-
täigrenzfltatutes Ton 1807 wesentlich unterstützte.
142
günstiger als die des Bauers ausserhalb des Gbenzverbandes,
denn sein Grundherr war der LandesfÜrst.
Grundbesitz zu erwerben^ galt nunmehr ausschliesslich als
Recht des Grenzers, während weder der Beamte noch der
Grenzofficier Ghrundbesitz innehaben durfte. Das Stammgut des
Grenzers war als ein zum Bestände des Wirthschaftshauses fär
unentbehrlich geltender Theil des Besitzes unveräusserlich; in
Hinsicht des ,Ueberlandes^ konnte der Grenzer frei ver-
fUgen.
Durch das immerwährende erbliche Nutzeigenthum am
Stanmigute und das VerfUgungsrecht in Ansehung der üebe^
landgründe wurde der ursprüngliche Charakter des Militärlehens
nicht unwesentlich abgeändert. Anderseits zeigte sich die Ent-
richtimg der Grundsteuer in der Grenze ungleich weniger
diückend als die bezügliche Giebigkeit des Bauers der Nach-
barschaft.
Was somit unstreitig eine Wohlthat ftlr den Grenzer
wurde, gestaltete sich zur Quelle der Unzufriedenheit des Land-
mannes ausserhalb der Confinien, indem er sein Loos mit dem
des Cantonisten scheelen Auges zu vergleichen anfing.
Wir müssen nun aber noch ein Moment ins Auge fiassen,
welches für die weitere Darstellung nicht ohne Belang ist, näm-
lich die Verfassung der Bürgergemeinden in den Grenz-
communitäten: I. Classe: Earlowitz, Semlin und Pete^
wardein, welche am 1. Mai 1787 durch ein besonderes Re-
lativ festgestellt wurde.
Demzufolge bestand hier der Magistrat aus einem Bürge^
meister, vier Käthen mit Sitz und Stinmie und einem Eanz-
listen. Zwei von diesen Käthen, den Stadtsjndicus und den
Stadtschreiber, ernannte das Generalcommando, dem die Ueber-
wachung der Commune und die periodische Beeidigung der
Bürgerschaft zustand, während die beiden anderen Rathsstellen
von der Bürgerschaft durch Wahl besetzt wurden. Das General-
commando ernannte aber auch den Bürgermeister, der immer ein
Officier sein musste, ja es konnten selbst — im Falle kein ftü*
die zwei durch Wahl zu besetzenden Rathsstellen geeigneter
Bürger vorhanden — letztere mit Officieren besetzt werden.
Es unterlag somit auch das sogenannte Wahlrecht der Bürger-
schaft dem massgebenden Einflüsse, der Controle von Seiten des
Generalcommandos.
Ucberdiea gsb es ja auch einen Ton der MiliUlrgewaJt
mgesetzten, den Stadtmagistrat tiberwachenden BUrgerausschuss.
— Die Besetzung der Pfarrstellen war dem Hofkriegsratbe,
die der Lehrerstellen der Schulcommission des Regimentes vor-
behalten.
Die Bürgerschaft hatte beim Ausmarsche der dritten
Bataillons und während der Lagerübungen die Gebietsfestungen
gegen Sold zu besetaen, Vorspann und MilitftrbequartiruDg zu
leisten.
Unter solchen Verhältnissen blieb das Gemeindewesen
dieser Commanen I. und noch mehr das der des n. und lH.
Ranges (Brod, Mitrowitz, Weisskirchen, Vinkovce,
Neu- und Alt-Gradisca) mit seinen VoUbürgem und Aus-
bürgern (Contribuenten) militärisch bevormundet, und dies —
verbunden mit dem Umstände, dass die Bürgermeister der drei
StSdtekategoricn blos 300, 150, 100 fl., die Syndici 600, 400,
300, die Stadtachreiber 300 und 200 fi. Jahresbosoldung be-
zogen, — wurde eine Quelle intriguenspinnenden Uebelwollens
der Commuuen und unlauteren, der Bestechlichkeit zugäng-
ihen, Gebahrens ihrer Amtsti^ger.
ni.
Me Schwierigkeiten der fimtlioheii Stellung Slmbsehen^s
|Itt coiuuiaiullrender (ieiieral der tilaToiiiselien Grenze.
Als Simbscheu sein neues Amt aus den Händen des hoch-
l^hrten Geneyne überkam — zunächst 1011 mierledigt ge-
iebeoe Äctenstücke, ' wie dies bei dem Greisenalter seines
nrgängers, anderseits bei der allzugrossen Sparsamkeit der
giening tn der Bestellung von Arbeitskräften ftlr die Prä-
Eilkauzlei und das Appellatiansgericbt in Petemardein nicht
Fander nehmen kann, — entging ihm keineswegs die Ueber-
dung und bedenkliche Verantwortlichkeit seines Postens.
Zunächst stellte er das Ansuchen, ihn ausschliesshch mit
I militärisch-politischen Commando zu betrauen und
des Präsidiums beim Militärappellationsgerichte zu
^ Öberheben, ,weil er von der Rechtsgel ehrtheit nicht die min-
desten Begriffe hätte'. Er musste sich jedoch dem Systeme
iUgen und die doppelte Thätigkeit auf seine Schultern nehmen.
L
144
Ende Juli erhielt er die Würde eines kaiserlichen Geheim-
rathes, und als solcher hatte er der kaiserlichen Weisung zu-
folge den Eid in die Hände des ^nächsten' Geheimrathes, des
griechisch-nichtunirten Metropoliten Stratimirovi6 als Stell-
vertreters des Monarehen, abzulegen.^
Simbsehen übernahm mit dem Peterwardeiner General-
conmiando auch den Kreis der militärischen Würdenträger
und Ressortbeamten, welche seinem Vorgänger zugetheilt
waren, Persönlichkeiten von verschiedenem Schlage und un-
gleicher Leistungsfähigkeit, die er erst kennen lernen musste
und an deren Auskünfte und Einschläge, gleichwie an ihren
guten Willen er als Neuling in neuen Verhältnissen gewiesen
war, Persönlichkeiten, die in der Bewältigung der massenhaften
Rückstände angesichts der neu zuwachsenden Geschäfte schwer-
lich Wunder wirkten.
Simbschen's Verantwortlichkeit für Alles und Jedes in
militärischen, politischen und administrativen Angelegenheiten
wurde durch die Unsicherheit und Verworrenheit der öffent-
lichen Zustände als Erbschaft des unglücklichen Ejdegsjahres
1805 erschwert, in einem Gebiete, wo es jeden Augenblick
Kriegsrüstungen, Unruhen, Räubereien, Gerichtshändel ohne
Ende, Handels- und Contumazschwierigkeiten und dergleichen
gab. Vor Allem aber musste ihm sein ämtliches Verhältniss
nach oben hin — zum Hofkriegsrathe — bedenkliche Klippen
bereiten.
Wie immer, gab es auch damals zwischen den Militftr-
commanden und der bureaukratischen Verwaltungs-
partei des Grenzdepartements im Schoosse der obersten
Armeebehörde einen Gegensatz in den beiderseitigen An-
schauimgcn und eine damit zusammenhängende Rivalität, die
dadurch genährt wurde, dass der unmittelbare schriftliche oder
persönliche Verkehr der Grenzcommandanten mit den hoch-
gestellten Vorständen der Armeeverwaltung und Grenzaufsicht,
den Erzherzogen Karl und Ludwig, nicht selten auch die
unmittelbaren Weisungen des Monarchen und seine Aufforde-
rungen zu Immediatsberichten in einer und der andern An-
1 1807, 29. Juli, Wien. Mittheilung des Oeneralissimus und Erzherzogs Karl.
Orig. N. S., 23. August, Wien. Verständigung durch den Obersten General-
Adjutanten Grafen WinipfTen bezüglich der Eidesleistaiig. Oiig. K. 8.
145
gelegenheit eine gewisse Eifersucht bei den Referenten im
Hofkriegsrathe wachriefen, die ihrerseits wieder einen stän-
digen Späherdienst zur Ueberwachung der Militärcommandanten
unterhielten.
So zeigte sich's denn später, wie Simbschen behauptet,
dass er an den Hofräthen und Referenten in Sachen der Militär-
grenze: Karl R. v. Pi doli -Quintenbach (für das Oekonomisch-
Administrative), Josef v. Hietzinger (flir.das Justizfach) und
Okell (Personalien) keine Freunde hatte, während sie, ein-
schliesslich den Hofkriegsrathssecretär Kleyle, unter einander
eng befreundet, eine starke Partei bildeten, mächtiger als die
Stütze, welche Simbschen durch geraume Zeit an dem Ver-
trauen der Erzherzoge Karl und Ludwig besass.
Die gefährlichste Klippe, war und blieb jedoch die poli-
tische Vertrauensmission, welche Simbschen dem serbi-
schen Aufstande gegenüber auf sich nehmen musste. Der
Soldat und Verwaltungschef sollte auch den geriebenen Diplo-
maten abgeben, den Serben entgegenkommen, ohne den kaiser-
lichen Hof in den wachsamen Augen der Pforte und Russlands
im Geringsten zu compromittiren, den wechselnden politischen
Verhältnissen sein Benehmen anpassen, nach bestimmten Wei-
sungen handeln und doch auch nach eigenem Ermessen vor-
gehen, zwischen den Zeilen lesen, bei jedem Schritt nach Vor-
wärts sich den Weg nach Rückwärts offen halten, ein verläss-
liches Kundschafterwesen mögHchst wohlfeil und unauffällig
einrichten, den Puls der Volksstimmung in der Nachbarschaft
fühlen, dem weitverbreiteten und durch den Serbenaufstand
genährten Räuberunwesen steuern und das verwickelte Grenz-
sperr- und Contumazwesen überwachen, — ebenso viele Auf-
gaben als schlüpfrige und holprige Wege, auf denen man
leicht ausgleiten und stolpern konnte.
IV.
Oesterreich und der Serbenanfstand vor der Uebernahme
des Grenzcommandos durch Simbschen (1804 — 1807).
Wir haben da unseren Rückblick zunächst an das Jahr
1804 zu knüpfen. 1
' Für das Weitere wurden vorzugsweise benützt: A. Beer, Die orientalische
Politik Oeeterreichs seit 1774 (Prag-Leipzig, 1883), beziehungsweise von
▲rekiT. Bd. LXXYI. I. HUfte. 10
146
In ihnjr wachsenden Bedrängniss wandten sich die auf-
ständischen Serben an die Commandantcn der österreichischen
Militärgrenze, zunäclist an den Amtsvorgänger Simbschen's,
Feldzeugmeister Geneyne, um Unterstützung. Dies versuchte
Mathias Nenadovi6, der Kampfgenosse und Vertrauensmann des
Kara Gyorgye (Georg) Petrovi6 (Ömi Juri, ,schwarzer Georg')'
mit einem Bittgesuche, dem sich ein gleiches Schreiben an
den Karlowitzer Metropoliten, Stratimirovi6, anschloss.
Geneyne und Stratimirovi6 wiesen in ihrer Antwort auf
die politisclie Freundschaft Oesterreichs und der Pforte hin,
die es der erstgenannten Macht verbiete, das aufständische
Serbien zu imtorstützen. Docli versprach der Feldzeugmeister,
eine Aussöhnung zwischen den Janitscharen-Dahi's, ^ den dama-
ligen Gewalthabern in Belgrad, und den serbischen Insurgenten
versuchen zu wollen, was, wenn er es auch thatsächlich beab-
sichtigte, von vornherein aussichtslos war.
Den 2. Mai 1804 berief nun Kara Georg nach dem
zwei Wegstunden von Belgrad entfernten Dorfe Ostru2nica an
der Sava (5ine Skupschtina, in welcher neun Punkte der For-
derungen der Serben vereinbart wurden, und begab sich als-
dann mit sechzehn (Genossen nach Scmlin, wo sich bereits die
Abgesandten der Belgrader Janitscharen-Dahi's eingefunden
hatten. Die Verhandlungen hatten selbstverständlich keinen
Erfolg, und der Krieg nahm seinen weiteren Verlauf.
Die Seniliner und Neusatzer Ungarn-Serben unterstützten
auch werkthiltig ihre Stamm- und Glaubensgenossen jenseits der
Donau und Save mit Gelddarlehen, Schiessbedarf und Lebens-
mitteln, wobei die österreichischen Grenzbehörden durch die
Finger sahen. Auch begaben sich k. k. Officiere zu den Auf-
ständischen, um in ihren Reihen zu kämpfen; einer von ihnen
deiiisoHken : Zehn Jahre «isterreichischer Politik (1801 — IdlO), Leipng
1877 (^das erstjiiigeführte Werk deckt sich Welfach mit dem von ans
benutzten Material und auch inhaltlich in den allgemeinen politischen
Gesichtspunkten); ferner L. v. Kanke, Serbien und die Türkei im neun-
zehnten Jahrhundert, Leipzig 1Ö79. Beiy. v. Kallay, ,Ge0chichte der
8erl>en\ deutsch von Sihwicker, I. (1878); J)ie Orientpolitik Ross-
land$\ deutsi'h von Öchwicker ^1878) und den Nachlass Simb8chen*s.
* Wir wenlen gemeinhin die Namensform ,Kara Geoig* anwendeo.
' Per Name ist den ,I>eyV der Barbaresken nacbgebildeL VgL Ranke
a. a. O. S. 63.
147
war jener Stefan Jefti6, der bei Kara Georg die Dienste
eines Geheimschreibers übernahm.
Oesterreichs Diplomatie sorgte aber auch dafür, dass die
Punctationen der Serben an die Pforte gelangten, und der
Vezir von Bosnien, Bekir Pascha, erschien als Vollmachtträger
der Pforte in Semlin, woselbst unter den Augen des Feldzeug-
meisters Geneyne der Ausgleich versucht wurde. Man konnte
nicht zu Ende kommen, da die Serben auf der Beseitigung
der Dahi's und auf der Bürgschaft Oesterreichs bestanden.
Dennoch schien es, als sollte es zu einer gedeihlichen
Auseinandersetzung zwischen den Serben und der Pforte kom-
men, welcher selbst ja das Unwesen der Janitscharen-Dahi's
von Belgrad im Serbenlande nicht behagen konnte. Als nun
diese in ihrer Bedrängniss aus Belgrad nach der Inselfestung
Ada-Kaleh, bei Orsova, flohen, gab Bekir Pascha bei der
Zusammenkunft mit Kara Georg zu BeU-Potok, unweit von
Belgrad, die Dahi's der Rache des aufständischen Serbenvolkes
preis, indem er die bezügliche Weisung an den Befehlshaber
von Orsova, Redscheb Pascha, ergehen Hess. So konnte der
Waffengenosse des schwarzen Georg, Milenko, die Dahi's in
Ada-Kaleh überfallen, niederschiessen und ihre abgeschnittenen
Köpfe mit sich in das freigewordene Belgrad nehmen.
Das blutige Ende der Janitscharen-Dahi's brachte aber
keinen Frieden zwischen der Pforte und den Serben zu Stande.
Im Gegentheile, der Kampf entbrannte bald von Neuem, denn
dieser Erfolg machte die Serben kühner, und die Pforte bestand
hinwieder auf ihren Herrschaftsbefugnissen. Bekir Pascha, der
nun Gewalt brauchen wollte, entging mit genauer Noth dem
Verderben.
Schon vor der Semliner Verhandlung — Anfangs Mai 1804
— hatte Kara Georg durch den österreichischen Grenzerhaupt-
mann Schaitinski die Erklärung an den Wiener Hof gelangen
lassen, dass, wenn ihm die Eroberung von Belgrad gelänge, er
sowohl diese Festung als auch die beiden anderen, Schabacz
und Semendria (Smederovo) und überhaupt ganz Serbien —
nach Wunsch seines Volkes — dem österreichischen Kaiser
übergeben und sich einen kaiserlichen Prinzen als Statthalter
erbitten werde. ^ Sollte Oesterreich aber nicht geneigt sein, den
1 K&lUj, (beschichte Serbiens I, 420 f. A. Beer, Orientpolitik 184 f.
10*
148
naturgemässen Besitz des Nachbarlandes anzutreten, so wäre
Kara Georg, obzwar ungern, gezwungen, sich im Namen des
ganzen Volkes an eine andere Macht zu wenden, um endlich
diese christliche Nation aus der Sclaverei der ungläubigen
Türken zu befreien.
Der damalige österreichische Minister der auswärtigen
Angelegenheiten unterbreitete in einer Denkschrift vom 25. Mai
1804 den Antrag Kara Georgs dem Kaiser Franz. Man
empfahl zum Schlüsse, sich daiüber mit der russischen Regie-
rung zu verständigen und anderseits an die Pforte mit gut ge-
meinten Vorstelhmgen heranzutreten. Das geschah denn auch.
Dass sich das Cabinet Cobenzl mit dieser PoUtik, Allerwelt-
Freund sein zu wollen, nach keiner Seite hin Dank verdienen
konnte, ist leicht begreiflich.
Metropolit Stratimirovi6 erhielt vom Wiener Hofe den
Wink, einen beschwichtigenden Hirtenbrief an den serbischen
Clerus und das serbische Christenvolk zu richten, was er auch
(30. Mai 1804) that.
Die Serben wandten sich 25. Juni 1804 an Stratimirovi6,
um bei seinem ,Gönner', Erzherzog Karl, eine Unterstützung der
Serbensache anzuregen.
Stratimirovi6 hatte allerdings ganz andere, dem Interesse
Oesterreichs nichts weniger als zusagende Ideen im Kopfe,
denen er ziemlich gleichzeitig, und zwar im Juni 1804 in jener
Denkschrift Ausdruck gab, welcher er — klüglich — seine
Unterschrift entzog, um sie dann durch den Erzpriester Prota
Samborski, vormals Beichtvater der (1801 verstorbenen) russi-
schen Grossflirstin Alexandra Pawlowna, Gattin des Erzherzog-
Palatins Josef, dem Petersburger Cabinet und seiner damaligen
Seele, Czartoryiski, zukommen zu lassen.^
Der Metropolit von Karlowitz tritt in dieser Schrift ftbr
einen nach Art der Repubhk Ragusa oder der jonischen Inseln
— unter dem Protectorate Russlands — eingerichteten, der
Pforte tributären ,Volks8taat^ Serbien ein, dessen Grenzen, auf
Kosten Oesterreichs, durch den Bezirk von Cattaro, das
1 KÄllay a. a. O. 429 f. Dass man von Seite des Wiener Hofes Strmtimi-
rovid stets mit einigem Misstrauen betrachtete, beweist der Auftrag des
Grenzdirectors Erzherzog Ladwig vom 4. November 1807 an Simb-
Hchen, auf den Karlowitzer Metropoliten und die ungarischen Serben
ein aufmerksames Auge zu behalten. Actenstücke der Apologie Nr. 73.
149
kroatische Litorale und Syrmien zu vergrössem wären, wofür
Oesterreich als Entschädigung einen Theil von Ttirkisch-Croatien
an der Unna und die (kleine) Walachei bis zui* Aluta erhalten
könnte. An die Spitze dieses serbischen Volksstaates sollte ein
russischer Grossfürst treten, der, mit genügender Heeresmacht
ausgerüstet ins Land kommen oder von einem Statthalter mit
3000 — 4000 Mann russischer Truppen in der Regierung vertreten
würde, da für einen förmlichen Freistaat das Serbenvolk noch
nicht reif sei. Die Schöpfung eines serbo-slavischen Staates sei
für Russland ebenso nützlich als ruhmvoll für sämmtliche Slaven,
jedenfalls ungleich vortheilhafter als der Plan Russlands, ein west-
Hches Kaiserthum wieder aufzurichten, da unter den orientalischen
Christen auch die Russen imgebildet und ihres Volksthums ver-
lustig würden. Auf die Treue der Griechen könne nicht ge-
rechnet werden, da sie ebenso vorurtheilsvoU an ihrer Nationa-
lität festhielten, wie die Polen an dem katholischen Glauben.
Die Verwirklichung jenes, Serbien betreffenden, Planes sei
gegenwärtig möglich.
Abgesehen von der nicht nebelfreien Planmacherei des
ungam-serbischen Kirchenfürsten dürfte dem damaligen Pre-
mier Russlands, Czartoryiski, die Schlussbemerkung über die
Polen nicht sonderlich behagt haben; so kam es, dass er die
Denkschrift dem Czaren gar nicht vorlegte imd die ganze
Angelegenheit — wie man sagt — im Pulte liegen blieb.
Immerhin gab es unter den Serbenführem Persönlich-
keiten, die bei der Aengstlichkeit, mit welcher Oesterreich
seine NeutraUtät der Pforte gegenüber zu wahren sich beflissen
zeigte, die Hilfeleistung und das Protectorat des stamm- und
glaubensverwandten Russland ins Auge fassten.
Anfangs März 1805 hatten sich die Serbenflihrer an Erz-
herzog Karl mit der Bitte gewendet, dem Sultan anzuzeigen,
dass bei der Einforderung des Tributes gewissenlos vorgegangen
werde. Einige Wochen später (29. März) erklären sie, man
müsse sich der Räubereien erwehren, das Vorgehen der Türken
sei vertragswidrig. Im Juni d. J. bitten sie um Unterstützung,
um Erlaubniss der Lieferung von Schiessbedarf durch die
ungaro-serbischen Handelsleute: Milosch Nerkovi6, Dimitri Mar-
kovi6 und Dragutin Miliutinovi6, insbesondere um einen Ka-
nonier und um Ueberlassung einer alten Kanone gegen Baar-
zahlongy was Alles jedoch die Hofkammer ablehnte.
150
•
Unter solchen Verhältnissen begreifen wir das Hervoi^
treten einer russophilen Strömung 1804 — 1805, und einer
ihrer Wortfllhrer wurde der ehemalige österreichische Qrenzer-
hauptmann Peter Tschardaklija Novakovic, der im Juli 1804
unter die Serben ging und sich im September desselben Jahres
mit Mathias Nenadovi6 imd Ivan Proti6 über Bukarest nach
Kussland begab. Die Botschaft kam jedoch im Jänner 1805
mit leeren Händen zurück, denn auch Russland wollte aus
seiner Reserve nicht heraustreten.*
Seit dem Sommer des Jahres 1805 veränderte sich wesent-
lich das Gepräge und das Ziel der serbischen Erhebung. Die
Petition der Skupschtina an den Sultan, welche im Juni an den
Grossherm abging, und der Heerzug Hafiz Paschas gegen die
Serben beweisen dies. Der ,loyale' Aufstand, der ursprünglich
gegen das Wüthcn der unbotmässigen Janitscharen-Dahi's los
gebrochen, tritt nun in das Stadium der eigentlichen ,revolutio-
nären Erhebung^; es gilt die Abschüttelung der osmanischen
Provinzialherrschaft. Bei Iwanowce kreuzen die Serben (18.
August 1805) ihre WaflFen mit einem Heere der Pforte, nicht
wie vormals mit Janitscharen und Krdschalen;^ schon der oben
erwähnte Ausgang der Unternehmung des bosnischen Veziers,
Bekii- Pascha, deutet dies an.
Aber auch die Einrichtung des serbischen Aufstands-
regimes bildete sich damals weiter. Bisher lag Alles in der
Hand des gewaltigen Naturmenschen, des schwarzen Georg,
und seiner Mithäuptlinge, die im Bedarfsfalle eine Volksver-
sammlung (Synod), Skupschtina, einberiefen. Jetzt kam es
zur Gestaltung des ,Sowet^, eines Verwaltungsrathes, Senates,
mit welchem die Kriegshäupter, voran Kara Georg, der ,Ober-
anflilirer der serbischen Nation^, gewissermassen die Macht
theilten. Den Vorschlag hiezu machte der Ungaroserbe Theodor
Philippoviö aus Ruma in Syrmien, der seine russische Pro-
fessur in Charkow aufgab und im April 1805 nach Serbien
abging, nachdem er auf den Rath des MetropoHten Stratimirovii
seinen Namen in ,Boscha Grujovi6^ geändert hatte.?
» KÄllay a. a. O. 436 f.
2 Knlsclialen, Krd.schalijc, entlassene türkische Soldaten, welche auf eigene
Faust gegen Sold das Kriegshandwerk oder die Weg«lagerei trieben.
GiiscliancziAlj war ein solcher Krdschalenhäuptling. Ranke a. a. O. 64, 105*
3 Källay a. a. O. 485 ff.
151
In der zweiten Hälfte des Jänner 1806 trat die serbische
Skupschtina in Ostru2nica zusammen und beschloss die Absen-
dung von drei Gesuchen an den Kaiser von Oesterreich, an •
den Sultan und an den Czaren. Mathias Nenadovi6, Uroäevi6
und Grujovid (Philippovi6) gingen mit der Petition nach Wien
ab, während die jbeiden anderen Gesuche auf diplomatischem
Wege nach Constantinopel und Petersburg befördert wurden.
Es war vorauszusehen, dass all dies in der Sachlage nichts
ändern würde. Der Stein blieb nun einmal im Rollen; die Ser-
ben wollten nicht länger EÄJahs sein, und die Pforte, welche
ihre bisherigen Herrschaftsrechte festzuhalten entschlossen war,
durfte nun auf die Freundschaft Napoleons I. pochen, wel-
cher damals die ,Integrität der Türkei^ gegen das slavische
Völkei-protectorat Russlands ausspielte, worauf Czar Alexander I.
— bei aller äusseren Zurückhaltung in der Serbenfrage —
nicht^ verzichten wollte.
Oesterreichs Politik befand sich in einer unangenehmen
Klemme. Stadion, der neue Minister des Aeussern, war für die
stricteste NeutraUtät. Die kaiserliche EntschUessung th eilte im
Wesentiichen diese Ansicht, gab den Befehl, dem österreichi-
schen Internuntius in Constantinopel (Freiherrn von Stürmer)
die nöthigen Weisungen zu ertheilen, wie eine gedeihliche Ver-
mittlung zwischen den Serben und der Pforte in Angrifif zu
nehmen sei und verfugte nicht blos die Uebersendung der
serbischen Petition an den Czaren, sondern auch eine Bekannt-
gabe der von Oesterreich getroffenen Massregeln. Ausserdem
Uess jedoch der Kaiser die Serbendeputation (28. Februar 1806)
zu einer Besprechung mit seinem Ilofsecretär Wallenburg be-
scheiden, welcjie damit schloss, dass ihnen der Letztgenannte
ein muthigcs Ausharren anempfahl, ,bis man zu ihren Gunsten
in Constantinopel geeignete Bedingungen erwirkt habe', und die
Möglichkeit, sich mit der Pforte auszugleichen, nahelegte, wäh-
rend die Abgeordneten der Serben ilir Vertrauen in die kaiser-
hche Vermittlung kundgaben, aber zugleich um irgend eine
Unterstützung, mindestens um die Zusage der Aufnahme ihrer
Familien, im Nothfalle, in das kaiserliche Gebiet baten. *
Der Wiener Hof wollte aber bei aller Zurückhaltung, die
sein schwieriges Verhältniss zu den streitenden Grossmächten
1 Beer, Orientpoliük 189 ff.
152
gebot, die Serben ebenso wenig preisgeben als in ihrem Ver-
trauen zu Oesterreich für immer erschüttern, wie dies aus den
• weiteren Thatsachen erhellt.
Sultan Selira III. war fest entschlossen, den Serbenaufstand
mit bewaffneter Hand niederzuwerfen. Der frühere Pascha von
Skutari, Ibrahim, traf als Wali Rumäniens^ von Sofia aus die
umfassendsten Rüstungen gegen die Serben. Aber auch diese
Hessen es an Gegenanstalten nicht fehlen, so dass die wohl-
gemeinten Aufforderungen Oesterreichs, man möge beiderseits
die Feindseligkeiten einstellen, ebenso wenig etwas finchten
konnten als die Vermittlung des Freiherm v. Stürmer, welche
der Diwan — allerdings in bester Form — ablehnte.
Der Krieg entbrannte mit aller Heftigkeit. Kara Greorg
und seine Waffengenossen hatten es zunächst . auf die Festung
Schabaez abgesehen. Dadurch kam es zu misslichen Behelli-
gungen des österreichischen Grenzgebietes. Die Pforte- ver-
langte von dem österreichischen Befehlshaber der dem be-
lagerten Schabaez gegenüberliegenden Feste Klenak die Zu-
rückweisung der aus der verödeten Matschwa massenhaft
herüberflüchtenden Serben. Dieser meldete es dem Comman-
dircnden in Semlin, welcher die Aufnahme untersagte und
sämmtlichen Grenzbehörden die gewaltsame ZurücktreiboDg
aller auf österreichischem Gebiete sich ansammelnden Insur-
genten gebot.
Man glaubte dies zur Wahrung der Neutralität thun äu
müssen, weil die Serben nach den für sie glückUchen Scha^
mützeln bei Schabaez die fliehenden Türken bis auf das öster
reichischc Ufer verfolgten und auch nicht wenige von ihnen
tödteten, welches tadclswürdige Vorgehen auch- der Metropolit
Stratimirovic durch seinen Vertrauten, den gewesenen öster
reichischen Grenzhauptmann Jovanovi6, den Serben ernstlich
vorhalten Hess. '
Ohnehin wollte die Wiener Regieraiig, so weit es sich
mit den Grundsätzen der Neutralität vertrug, der Nothlage der
Serben entgegenkommen. Der Kaiser genehmigte (9. April 1806)
den Vortnig Erzherzog Karls als Armeeministers, wonach grös-
seren Haufen von Serben, wenn sie imbewaffnet nach Oester
reich kämen oder die Waffen an der Grenze freiwillig nieder-
1 KÄUay a. a. O. 5,37 f.
153
legen würden, die Aufiiahme insofeme zu gestatten sei, als
keine begründete Besorgniss entstünde, dass sie dem Staate aus
Mangel an Nahrung oder Unterkunft zur Last fallen würden. '
Die Mittelstellung Oesterreichs erzeugte mancherlei ver-
wickelte Sachlagen. Denn die Pforte begehrte, man solle die
in Schabacz eingeschlossenen Türken ebenso mit Mundvorrath
versehen, wie man solchen den Serben hatte zukommen lassen,
was denn auch imter gewissen Bedingungen eingeleitet wurde.
Der Versuch Oesterreichs, zwischen den Serben und den
Schabaczer Türken einen Ausgleich zu treffen, scheiterte daran,
dass die Serben die türkischen Forderungen unannehmbar fan-
den. Beiderseits ging man in den Kämpfen mit Erbitterung und
Grausamkeit vor. Stratimirovi<!; schrieb auch — oc^wiss nicht
ohne einen Wink vom Hofe erhalten zu haben — im Mai 1806
an die serbischen Häuptlinge, man möge noch nicht vergessen,
dass der Sultan der Oberherr sei und es bis auf Weiteres
auch bleiben werde. Die Serben sollten der Türken schonen,
mit den österreichischen Grenzerofficieren das beste Einver-
nehmen unterhalten, einträchtig bleiben und dem Oberanflihrer
Kara Georg treu ergeben sein.
Die Matschwa und Posawina, der türkischen Uebermacht
preisgegeben, unterwarfen sich freiwillig wieder, unter den An-
führern der Serben drohten Spaltungen auszubrechen. Dennoch
blieb der Aufstand imter Waffen und zum Aeussersten ent-
schlossen. Schabacz und Belgrad müssten serbisch werden!
Der schlimmste Feind, der Hunger, begann immer erbar-
mungsloser zu wüthen. Sammlungen unter den auswärtigen
Serben trugen nicht viel ein. So erbrachte eine solche unter der
serbischen Kaufmannschaft in Triest nur 12.750 Gulden. Wie
im April, so wiederholte auch im Spätjahre (November 1806)
Kara Georg seine Bitte in Wien um Zufuhr von Lebens-
mitteln, aber die Rücksichten der Neutralität, noch mehr viel-
leicht die serbischen Grenzverletzungen erschwerten ein solches
Entgegenkommen. Jeremia Gari^ wurde nach Wien als Bitt-
steller entboten, den Einkauf von Mehl und Getreide zu er-
wirken, sonst müssten die Serben zu Grunde gehen. '-^
Anderseits schickte man Peter Itschko als Unterhändler
eines Friedens nach Constantinopel. Hier aber wog nicht bloss
» Beer a. a. O. 193 f.
2 KÄllay a.a.O. 683 f.
154
der Entschluss, den Serbenaiifstand zu brechen^ Bondem auch
der Einfluss Frankreichs vor. Napoleon liess den Sultan zum
Kriege mit Russland drängen^ da diese Macht als Verbündete
der Montenegriner im Bereiche der Bocche di Cattaro der
französischen Herrschaft in Dalmatien sehr unbequem wurde.
Bevor noch die förmhche KriegserklHrung zwischen der Pforte
und Kussland ausgewechselt wurde und Itschko aus Stambol
mit leeren Händen zurückkam (December 1806), nahmen die
Serben die Stadt Belgrad mit Sturm und im Jänner des folgen-
den Jahres (1807) schloss der Krdschalen-Häuptling Guschanczi-
Ali mit den Serben eine Capitulation ab, welche ihnen die von
ihm besetzt gehaltene ^untere Festung' einräumte, ein Ereigniss,
das der französische Botschafter bei der Pforte, Sebastiani, in
seinem Schreiben vom 28.* Jänner 1807^ an den Landescom-
mandantcn Dalmatiens, Marmont, nicht ohne einen misstrauischen
Seitenbhck auf Ocsterreich, mitzutheilen sich befliss. Es blieb
nur noch die obere Festung Belgrads in den Händen der
Türken, da Soliman Pascha ihre Uebergabe entschieden ve^
weigerte.
Als jedoch den 7. Februar 1807 die Serben auch in Scha-
bacz einrückten — der österreichische Oberst Obuöina hatte am
3. Februar die Capitulation unterhandelt — , und die türkische
Besatzung nach Bosnien abzog, erkannte auch Soliman Pascha
die Nothwendigkeit, sich in das Unvermeidliche zu fügen, und
erbot sich den 7. März die obere Festung Belgrads zu räumen.
Leider kam es am 8. März beim Abzüge der Türken zu einem
von dem blinden Hasse der Serben veranlassten Wortbruche,
zu einer Metzelei, deren Nachwirkungen das Verhältniss der
Pforte zu dem Aufstande verschlimmem mussten. '^
So hatten die Serben trotz ihrer bisher verzweifelten Lage
zwei wesentliche Erfolge zu verzeichnen, und die Ereignisse
trieben weiter. Die Pforte war in den Krieg mit Russland ver-
wickelt, der ihr über den Kopf wuchs, und das Einschreiten
der Franzosen von Dalmatien aus zu ihren Gunsten wurde
1 Marmo 11 t's Memoiren, deutsch von Goldbeck, II. (1807 — 1812), Potsdam
1857, S. 56—59. ,. . . Sie haben ohne Zweifel die Nachricht von der Ein-
nahme Belgrads durch die Serbier erhalten. Diese Festung hat sich aus
Mangel an Lebensmitteln ergeben. Es scheint mir, dass Oesterreich diesem
Ereigiiiss niclit ganz fremd ist . . .*
2 Kallay a. a. O. 594— 595.
155
durch die im Mai 1807 stattgefundene Janitscharen- und Palast-
revolution lahmgelegt.^
Als nun an die Stelle Selims HI. der den Franzosen ab-
geneigte Sultan Mustafa IV. trat und auf eine Wafifenruhe
mit Russland lossteuerte, kam denn auch Ende August 1807
bei Slobosia-Gyurgyewo ftir acht Monate eine solclje zu Stande.
Einige Wochen vorher war jedoch schon ein russisches Hilfs-
corps von 1500 Mann unter dem General IssajefF den Serben
zugezogen und vereinigte sich (30. Juni) mit ihnen bei Negotin.
Das war der erste bedeutungsvolle Schritt zu einer Co-
operation der Russen und Serben wider den geraeinsamen Feind,
und die Czarenpolitik fand in solcher Weise die Wege offen zu
einer Einmischung in die serbischen Angelegenheiten, welcher
das neutrale Oesterreich, um es nach keiner Seite hin zu ver-
derben, fem bleiben musste.
Dennoch hatte man sich im Spätjahre 1806 auch in Wien
mit dem Gedanken eines Einschreitens beschäftigt, Erzherzog
Karl in einem Vortrage an den Kaiser die Besetzung Belgrads
empfohlen, allerdings mit der Begründung, die Festungsstadt sei
nach Herstellung des Friedenszustandes im Süden der Donau
der Pforte wieder zurückzustellen, damit Belgrad keinen den
Interessen Oesterreichs abträgKchen Halt für die Pläne Serbiens
oder Russlands abgebe.
Minister Stadion hinwieder fand dies Project angesichts
der poUtischen Sachlage mehr als bedenkhch. General Vincent
erhielt den Auftrag Ende December 1806, den Gewalthaber
Frankreichs darüber auszuholen, und berichtete Jänner 1807,
Napoleon habe in Bezug Belgrads und Orsovas die Bedingung
gestellt, Oesterreich müsste vorher die Pforte davon verstän-
digen und die österreichischen Soldaten in der Verkleidung von
Türken oder Serben einrücken lassen. Kaiser Franz war schliess-
lich froh, dass sein Bruder selbst den Plan ganz fallen Hess.
Die erwähnten Ereignisse des Jahres 1807 mussten jedoch
Erzherzog Karl und Stadion mehr denn je nachdenklich machen,
denn der militärische und politische Standpunkt Oesterreichs
fand sich durch den Fall Belgrads und Schabacz', noch mehr
» Ranke a. a. O. 124 ff., KAllay 596 f., Beer 198 f. Ueber die Revolution
in Constantinopel und den Rückschlag derselben auf die von Dalmatien
aus gegen Serbien vorbereiteten Rüstungen Marmont's Memoiren a. a. 0.,
XI. Buch, 69 ff.
156
•
jedoch durch die Helferrolle Russlands in Serbien sehr unan-
genehm berührt.
So hing denn Alles in unerquicklicher Schwebe, und die
den neuen Gefahren, der begreiflichen Unversöhnlichkeit und
kriegerischen Entschlossenheit der Pforte entgegenblickenden
Serben erscheinen um diese Zeit in drei Parteien gespalten.
Kara Georg und dessen massgebender Anhang be-
hielten Oesterreich als wohlwollenden Nachbar im Auge und
mochten sich vorderhand auf die Wahrung des bisher schwer
Errungenen beschränken, während eine zweite Partei, mit Luka
Lazarevi6, Miloje Petrovi6 und Mladen Mitrofanovi6
an der Spitze, ein ,grossserbisches Reich' vom Schlage des der
sagenberühmten Nemanjaden schajQTen zu können vermeinte,
auch auf die Ungaroserben durch Sendlinge einwirken liess
und thatsächlich da und dort, auch in österreichischen Grenz-
regimentem, Gesinnxmgsverwandtschaft anregte. Eine dritte
Partei, geführt von Milenko Stoi6, Novakovi6, Sivkovi6
und Bischof Pro tic von Belgrad, verfocht als eigentliche Russo-
philenpartei den Anschluss an das sprach- und glaubensver-
wandte Czarenreich.^
Russland schickte damals als ,Generalconsul' in das ser-
bisch gewordene Belgrad den Staatsrath Constantin Radofini-
kin, den ,schlauen Griechen', dessen Verhaltungsbefehle be-
greiflicher Weise dahin gingen, die Sympathieen der Serben
für den Kaiser aller Reussen thunlichst warm zu halten, ihr
politischer Gewissensrath und Freund zu werden und über alle
Vorkommnisse fleissig zu berichten.^
Die bisherige Sprödigkeit Oesterreichs begünstigte das
Spiel der Russophilen, die sich in der Zeit vor und nach dem
Tilsiter Frieden zwischen Frankreich und Russland an den
Czaren wandten, fUrs Erste, um ihr Zusammenwirken mit
einem Russenheere gegen die Franzosen in Dalmatien anzu-
bieten, bei welcher Gelegenheit Czar Alexander zum ,Kaiser
von Serbien' ausgerufen und dies verjüngte Serbenreich durch
Bosnien, die Herzegowina und das Gebiet von Cattaro ver-
grössert werden sollte, Gedanken, die eine gevrisse Verwandt-
schaft mit den Träumen jener grossserbischen Partei verrathen,
fürs Zweite sodann mit dem Zwecke, eine günstige Regelung
» Beer 200.
3 Ueber Kadofinikiu s. Ranke 119, Beer 201.
157
der Zukunft Serbiens, anlässlich des Tilsiter Friedens, durch
Russland herbeizuführen. Man wolle nimmer das türkische Joch
tragen und jedwedem Versuche einer anderen Macht in dieser
Richtung entschieden begegnen. Napoleon habe sich nämlich
bereit erklärt, Kara Georg als ,König der Serben^, unter
französischer Hoheit, anzuerkennen, ein Anwurf, der selbst-
verständUch nur Feindseligkeit gegen den Oberanflihrer athmet.
Ueber alles dieses verbreitet sich der Bericht des österreichi-
schen Diplomaten Grafen Merveldt und versetzte die leitenden
Ejreise in eine begreifliche Unruhe und Spannung. '
Es galt nun wieder, je deutlicher die Anzeichen einer
Verständigung zwischen Russland und Frankreich wurden,
Fühlung und Einfluss bei den Serben zu gewinnen. In diese
neue Phase der serbischen Politik Oesterreichs ftQlt die Ueber-
nahme des slavonischen Grenzcommandos durch Freiherm von
Simbschen und seine Rolle als Vertrauensmann der Regierung.
Zunächst war es Erzherzog Karl als Kriegsminister, dann der
Kaiser selbst und das Ministerium der auswärtigen Angelegen-
heiten, welche Simbschen mit wichtigen, aber nicht immer dank-
baren, Aufgaben bedachten.
V.
Simbschen als Diplomat in der serbischen Frage bis
zum Ausbruche des neuen Krieges Oesterreichs mit Na-
poleon 1807—1809.
Wir haben bereits oben der schwierigen Erbschaft ge-
dacht, welche Simbschen als Militär- und Verwaltungschef, aber
auch als Diplomat aus den Händen seines greisen Vorgängers
übernahm. Die letztere Aufgabe, die des Unterhändlers zwischen
der Wiener Regierung und den serbischen Volksflihrern, sollte
ihn am meisten beschäftigen, den Schlussabschnitt seines bisher
vortheilhaft beurtheilten und . von massgebender Seite ausge-
zeichneten Berufslebens bilden und ihm in ihren verhängniss-
vollen Rückwirkungen harte Prüfungen bescheren.
Von jetzt an ist seine Apologie oder Rechtfertigungsschrift
vom Jahre 1816 mit ihren actenmässigen Aufschlüssen die we-
sentliche Grundlage unserer Darstellung, welche anderseits in
den von Beer aus gleichen und verwandten Quellen geschöpften
« Beer 201—202.
158
Ausführungen über die Mission Simbschen's eine wiehtige
Vorarbeit anerkennen muss. Allerdings beruht der wesentliche
Unterschied zwischen dem, was Beer diesbezüglich bietet,* und
dem, was hier zur Erörterung gelangt, darin, dass der genannte
Historiker in seinem die ganze ,orientalische Politik Oester-
reichs seit 1774' bis zur jüngsten .Phase umfassenden Werke
den , Aufstand in Serbien' bis 1813 aus dem Gesichtspunkte
der gi'ossen Machtfragen episodarisch behandelt und selbstver-
ständlich dje ämthche Thätigkeit Simbschen's nur streifen
kann, während letztere in der vorliegenden Abhandlung den
Mittelpunkt abgibt, mit Persönlichkeiten und Vorfällen. zu-
sammenhängt, welche den Zwecken der Darstellung Beer's fem-
Hegen, gerade aber einen tieferen Einblick in das Getriebe
der serbischen Frage und in die Zustände der öster-
reichischen Militärgrenze erschliessen.
Es war die Zeit, in welcher die beiden leitenden Persön-
lichkeiten, Erzherzog Karl, der Kriegsminister, und Stadion,
der Staatskanzler, wenngleich in ihren Grundanschauungen nicht
Eines Sinnes, in der Ueberzeugung von der Noth wendigkeit
der Kriegsbereitschaft Oestcrreichs zusammenti*afen.^ Galt die-
selbe zunächst einer wahrscheinlichen ,Aggression von Seiten
Frankreichs', so musste sie doch auch die Stellung der Mon-
archie im Süden der Donau in ihr Bereich ziehen^ denn hier
sollte den beunruhigenden Entwürfen der Staatskunst Russlands,
seiner Ausbeutung des Serbenaufstandes, ein Riegel vorgeschoben
werden, umsomehr, als die Czarenpolitik einen Weg cinschlng,
welcher bald zu den Erfurter Uebereinkünften vom Herbste
des Jahres 1808 mit Frankreich führte, wodurch eine gründliche
Verschiebung der grossen Machtfragen, vor allen der orientali-
schen, zu Tage trat.
Bevor wir jedoch den Faden der bezüglichen Actenstücke,
die Weisungen an Simbschen und dessen Berichte in der ser-
bischen Angelegenheit, aufnehmen, mögen einige Vorbemerkungen
ihren Platz finden.
1 Beer behandelt in seiner Orientpolitik diese Epoche von 8. 202 fL nn
und ebenso bieten seine ,Analekten* eine Keihe wichtiger, sich mit dem
Nachlasse Siinbschen*s deckender Actenstücke.
3 Beer, Zehn Jahre (österreichischer Politik, 11. Buch ^ie OatarreichiBche
Politik unter Stadion', insbes. 262 ff. Vgl. Krones, Zur Geschichte Oester-
reichs 1792—1816 (Gotha 1886) 65 ff.
159
Die Aufzeichnungen Simbschcn's und die bezüglichen Acten
nennen uns eine Reihe von Persönlichkeiten, deren er sich als
Vertrauensmänner oder Unterhändler in seinem Verkehre mit
Kara Gteorgye und dessen Vollmachtträgem, anderseits als Kund-
schafter behufs Ergrllndung der Vorgänge in Serbien bediente.^
Zunächst war es sein ältester Sohn Josef, damals Major,
später Oberst des Gradiscaner Grenzregimentes.^ Eine wichtige
Rolle spielt der Semliner Militärcommandant, Oberst von Perss.
Viel beschäftigt erscheint der Semliner Handelsmann Milosch
UroSevi6, neben ihm sein Berufsgenosse Demeter Bratogli6
und der Brauer und Handelsmann Constantin Hagya. Folgen
wir weiter Simbschen's Mittheilungen, so begegnen wir neben
dem Grafen Josef Peja6cvi6, dem General- Auditoriats-Lieute-
nant Steffanoviö, dem pensionirten Rittmeister Christof Haöi6,
Bürgermeister von Semlin, an dessen Stelle dann ein Antagonist
Simbschen's, Göhlis, trat, dem Stuhlrichter Szalay aus Ruma,
dem Fiscal Greguri6 von Tcmesvdr und dem Arendator oder
Pächter des Fischfangs, der Eichelmast und des Weinschankes
Jurko Petrovi6 aus Passowa, auch dem Arzte Garzony, dem
Arader Weinhändler Pop o vi 6, dem Wagner Nagy, einem
Barbier aus Neusatz, dem Semliner Feldwebel und Handels-
sensale Peter Brankovi6, dem Schweinehändler Katona, dem
Karlowitzer Wein- und Fruchthändler Stefan Haöi6, dem Neu-
satzer Handeismanne Peter Blau, den Peter wardeiner Handels-
leuten Herschel und Diwan, dem dortigen Apotheker Schams
und dem Fleischbankarcndator Kolarevi6, — einer, wie es
nicht anders sein konnte, bunt gemischten Gesellschaft, der
auch alle jene Lieferanten beizuzählen sind, die im Jahre 1809
die Versorgung der Festungen Peterwardein, Essegg, Gradisca,
Brod imd Raöa unter der Bedingung übernahmen, dass man
sie mit Ausfuhrpässen nach Serbien und Bosnien versehe, um
dort flir Salz und Getreide Schlachtvieh und andere Verpfle-
gungsgegenstände einzuhandeln. Selbst der Belgrader Stadt-
armen bediente sich Simbschen mitimter als Aufpasser und
Auskunftgeber.
Aber auch die Vertrauensmänner oder ,Correspondenten'
Russlands; und zwar Radofinikin's und seines serbischen An-
hanges verzeichnet Simbschen; es seien dies zugleich jene
' Dm Folgende nach der Angabe der Apologie Simbschen's.
> Geb. 12. Februar 1788, gest. 7. März 1824.
160
unter einander eng verbündeten Leute gewesen, die dann auch
die Rolle von hofkriegsräthlichen ,Aufpa8sem' und Anklägern
ihm gegenüber spielten. Der Eine von ihnen, Gottschlig, Pro-
tokollist des Peterwardeiner Commandos, verstand es wohl lange
genug, sein Treiben den Augen seines Vorgesetzten zu ver-
schleiern. Dann nennt Simbschen den ziemlich vorlauten Bürger-
meister von Semlin, Göhlis, Nachfolger des Christof Ha6i£ im
Amte, Bruder eines vielbeschäftigten Wiener Arztes, dem ein-
flussreiche Verbindungen zu Gebote standen, und die am gleichen
Orte befindlichen Beamten: Stadtsyndicus KoUitsch, Postver-
walter Kratay und Polizeicommissär Vetter. Ihnen traten
Semliner Kaufleute, insbesonders Demeter Ratkovi6, eigentlich
Marko vi 6, ein gewinnsüchtiger Erbschleicher, der sich von
dem Semliner Platzmajor Mitesser und dem bereits genannten
l^ostvcrwaltcr Kratay als russischer, dann als türkischer Spion
habe verwenden lassen, und Markoviö' würdiger Genosse, Ana-
stas Diamandi, eine Zeitlang Geschäftsfreund des Bratogli6
und Hagya, dann mit ihnen zerfallen, später (1812) zu ach^
jähriger Schanzarbeit verurtheilt — an die Seite.
Es ist nicht leicht, in einer solchen Rechtfertiguugsschrifl,
wie sie uns Simbschen bietet, das rein Sachliche herauszufinden
und von dem pei-sönlichen Momente, den subjeetiven An-
schauungen des Verfassers, loszuschälen, — immerhin erscheint
es ganz begreiflich, dass seineu Bestrebungen von mancher
Seite im Geheimen entgegengewirkt wurde, und dass besonders
der eigennützige Geschäftsgeist in allen jenen zum Widersacher
erwuchs, die sich durch Begünstigungen der von ihm gebrauch-
ten Kundschafter in ihrem Piigennutz gekränkt fanden.
Aber auch nach anderer Richtung hin gab es Schwierig-
keiten. Neben der Wiener Cabinetspolitik machte sich auch
wie immer eine spccifisch ungarische in der serbischen Frage
bemerkbar, die den ,Rebellen^ nicht hold war und vor weiter
gehenden Sympathiecn der Ungaroserben fUr die Sache der
Stamm- und Glaubensbrüder Besorgnisse empfand, die aller-
dings auch den Wiener Kreisen nicht fremd waren und selbst
Simbschen mitunter anwandelten.
Wer die ,geheime Instruction'* Erzherzog Karls an
Simbschen vom 18. Februar 1808 aufmerksam durchliest, findet
* Actcnstücke der Apologie Nr. 1. Abgedruckt auch bei Beer» Orient-
161
sogleich das ungemein Heikle der diplomatischen Aufgabe her-
aus, die *dem Peterwardeiner Militärcommandanten und Verwal-
tungschef zugedacht bHeb. Er hätte bereits früher ,umständliche
Instructionen des General-Grenzdirectors' (Erzherzog Ludwig)
erhalten sollen/ die nun ,so weit modificirt wurden, als es die
gegenwärtigen Verhältnisse nothwendig machend
Was bereits im Jahre 1806 Erzherzog Karl angestrebt
hatte, die österreichische Besetzung von Belgrad, erscheint in
der Instruction des kaiserlichen Prinzen nunmehr als ,von nicht
zu berechnendem Vortheile fUr die Ruhe und Sicherheit der
diesseitigen Provinzen' betont. Die Occupation von Belgrad habe
Simbschen als seine persönUche Meinung, als seine Idee, und
zwar mit Darlegung der Vortheile, welche dadurch den Serben
erwüchsen, durch seine Vertrauenspersonen drüben andeuten
zu lassen, um die Gesinnungen der Serben auszuholen und ihr
Entgegenkommen zu veranlassen. Nur im Nothfalle sei ein per-
sönlicher Meinungsaustausch zwischen ihm und den Führern
der Serben angezeigt. Der österreichische Hof dürfe hiebei in
keiner Weise compromittirt und das Geheimniss seines Auf-
trages verletzt werden. Bei einiger Geneigtheit der Serben in
der angedeuteten Richtung könnte Simbschen eine Rücksprache
mit dem Metropoliten von Karlowitz, Stratimirovi6, nehmen,
aber erst dann, wenn er der guten Gesinnung dieses ,feinen
und verschlagenen Mannes* sicher sei. Mit den Geldmitteln zur
Entlohnung der Vertrauensmänner solle weder gegeizt noch
verschwenderisch umgegangen werden. Der Schwerpunkt der
Aufgabe Simbschen's ruhe in der Beachtung des schicklichsten
Zeitpunktes ,die Verhandlungen rasch fortzuführen oder abzu-
brechend
Diesem mit allerhand Vorbehalten ausgestatteten Auftrage,
der so ziemHch Alles dem politischen Takte und diplomatischen
Spürsinne Simbschen's — unter keiner geringen Verantwortlich-
keit — überliess, suchte derselbe nach Thunlichkcit zu ent-
sprechen. Schon drei Tage nach Empfang der Weisung des
Erzherzogs erstattete er einen vorläufigen Bericht, wie er diese
talische Politik Oesterreichs (welches Werk fortan fast ausschliesslich
citirt wird). Analekten VII, 790—793; im Texte 8. 202 f.
1 Dass er, auffällig genug, diese Weisungen des Grenzdirectors nicht er-
hielt, findet sich in Simbschen^s Berichte an Erzherzog Karl vom 24. März
1808 auadrücklich bemerkt.
Archir. Bd. LXXTI. I. Hilfte. 11
162
Unterhandlungen einzuleiten vorhabe, nicht ohne der verschie-
denen Anstünde zu gedenken, und schilderte die politifiche und
militärische Sachlage.^
Den 7. März meldet Simbschen die Entsendung seines
Veiiimueysmannes Milosch UroSevi6 nach Belgrad, um hinter
die Anschläge des russischen Consuls Radofinikin zu kommen,
drei Tage später die ihm hinterbrachte Ankunft Kara Geoi^
in der genannten Stadt, woselbst dieser einen ,Synod' oder eine
Nationalversammlung (Skupsehtina) abhalten wolle. Zugleich
legt er ein Verzeiclmiss der uns schon bekannten Persönlich-
keiten in Semlin bei, die durch Correspondenzen und Denun-
tiationen Simbschen's Unterhandlungen entgegenwirkten. ^
Vom gleichen Tage, an welchem Simbschen den letzt-
angeft'ihrten Bericht abgehen liess, datirt eine zweite wichtige
und umfangi*eiche Weisung Erzherzog Karls, die sich mit der
Depesche des Peter wardeiner Commandanten kreuzte und die
Antwort auf dessen Bericht vom 24. Februar entliielt' Der
kaiserliche Prinz erwähnt zunächst, über die serbischen Ver-
hältnisse durch den General-Grenzdirector (Erzherzog Ludwig)
im Laufenden erhalten zu sein, und bezeugt sein ^Wohlgefallen
an dem Eifer und der Klugheit' Simbschen's bei der Behandlung
der ganzen Angelegenheit. Da Simbschen damals die Nothwen-
digkeit einer namhaften Geldsendung für seine Zwecke betonte,
so verweist ihn der P^rzherzog auf ihr baldiges Eintreffen. Die
Hauptsache, die eventuelle Besetzung Belgrads, für deren Mög-
lichkeit und Dringlichkeit Simbschen eintrat, behandelt der
Arnieemiuister und Generalissimus in vorsichtigster Weise. Käme
es zu einer diesbezüglichen Vereinbarung mit den Serben, 80
solle SU weit als möglich eine ,furmliche Capitulation vermieden
werden'. Simbschen wolle den Serbon thunlichst begreiflich ma-
cheu, ,dass eine unbedingte Ueberlieferung der Festung allein
als ein vollgiltigcr Beweis ihres aufrichtigen Vertrauens anzu-
sehen ist^ Für den Fall jedoch, dass sie auf der Abschliessuug
einer Capitulation beständen, möge dies unter den vorgezeich-
neten Bedingungen vollzogen werden. Eine Besetzung Belgrads
dui'ch Simbschen ,auch ohne Rückfrage' dürfe nur im ,äusser-
1 Simb.scheii au Erzherzrig; Karl, 24. Februar, Peterwardein. ActenstQcke
der Apologie Nr. 2.
2 Acteiistüc'ke zur Apologie Nr. 3 und 4.
3 Actenstücke zur Apologie Nr. 5. Beer, Analekten VU, Nr. 2, 7d4~7%.
163
sten Falle vor sich gehen*. Sonst habe sich derselbe an die
Weisungen vom 18. Febmar zu halten und jede verdächtige
Eilfertigkeit zu vermeiden. Er müsse ihm daher , wiederholt die
genaueste Vorsicht und Behutsamkeit* empfehlen.
Von besonderem Interesse ist auch der Schlusssatz. Simb-
schen hatte den Widerwillen der Serben gegen eine Einverleibung
mit Ungarn betont, dessen Statthalterei in einer lateinischen
Verordnung sie als ,Rebellen' erklärte; Erzherzog Karl er-
mächtigt ihn, die Serben hierüber zu beruhigen und durch
seine Vertrauenspersonen jedes gegentheilige Gerücht als un-
statthaft* zu erklären.
Bevor noch diese Weisung von Wien eintraf, hatte Simb-
schen an Erzherzog Karl (14. März 1808) die Anzeige erstattet,
dass ein gewisser Mlinari6, k. k. Rittmeister, seinen Bestrebungen
entgegenwirke und über einen nicht unbedeutenden Anhang
verftige. Er wird als ein Ränkeschmied beargwöhnt, der, mit
dem Postverwalter Kratay und mit dem Geschäftsmanne Mediero
in Verbindung, einerseits Simbschen's Thätigkeit den Russen
verrathe, andererseits ihn in Wien verschwärze. Simbschen
kommt darauf noch in zwei folgenden Depeschen zurück.^
Einer der wichtigsten Stimmungsberichte über die aufstän-
dischen Serben wurde vom Major Simbschen au seinen Vater,
den Commandanten in Peterwardein (21. März), erstattet.
Der Erstgenannte kam mit den vertrauten Genossen Kara
Georgs, Mladen und Mi 1 oje Petrovi6, zusammen, die sich
oifen über ihre schlimme Lage, den Mangel an Schiessbedarf
und die Hungersnoth im Serbenlande ausliessen, über die Ränke
Radofinikin's, den Russophilen Miladorovi6 und den englischen
Agenten Michelson loszogen.
Der Einfluss Russlands sei von der Zeit an, als Nenadovi6
und Grujevi6 (Philippovic) mit leeren Händen von Wien (1806,
Frühjahr) zurückkamen, gewachsen; man habe eine halbe Mil-
lion Gulden durch Radoiinikin erhalten. Kara Georg möchte
sich gern des russischen Consuls, der, wie sie bemerkten, ein
Betrüger sei, entledigen, und, wie er, wolle auch das Volk den
Anschluss an Oesterreich, denn es sei des aufreibenden Krieges
müde. Man zweifle aber an der Bereitwilligkeit des Kaisers,
die Serben zu schützen, da man schon vor zwei Monaten um
* Acteii8tücke zur Apologie Nr. 6, 7, 8 vom 14., 17. und 2ü. März. Im
letzteD Acteiutttcke wird die Abreise des Ml in arid gemeldet
11*
164
Pulver gebeten, aber keine Zusage erhalten habe. Der Hass
gegen Ungarn und Alles, was mit seiner Verfassung zusammen-
hänge, sei allgemein; dagegen würde man sich eine Einrichtung
wie die der Militärgi'enze gefallen lassend
Die Berichte des Obersten Perss an Simbschen (vom 23.
und 28. März 1808) bestätigten den Wunsch der Serben, unter
österreichische Herrschaft zu kommen, gaben aber auch ihrer Be-
sorgniss Ausdruck, durch eine öflFentHche Kundgebung den Fran-
zosenkaiser herauszufordern und ihn dahin zu bringen, die Serben
entweder durch Russen oder Türken züchtigen zu lassen.
Am 27. März hatte Oberst Perss eine Besprechung mit
Mladcn, Miloje, Milenko und Popovi6, welche die Dringlichkeit
rascher Unterstützung vertraten. -^
Auf Grundlage aller dieser Kundschaftsberichte erstattete
Simbschen seinen Bericht vom 31. März an Erzherzog Karl
und meldete die Ankunft Kara Georgs in Belgrad; die dies-
fillhge frühere Nachricht war oiSenbar verfrüht.'
Seine Darlegungen hatten die Folge, dass der Generalis
simus den 4. April 1808 an Simbschen die Weisung ergehen
Hess, sich gegebenen Falles zur Besetzung Belgrads des Regi-
mentes Eszterhäzy zu bedienen.^
Vor dem Eintreffen dieser Depesche hatte Simbschen mit
Kara Georg in der verfallenen ,Tschardake' '"^ Mertvastracha
an der Save eine Besprechung gehabt, über die er aus Semlin
(5. April) eingehend berichtet.^ Dieses Actenstück ist eines
der gewichtigsten Zeugnisse für die Bereitwilligkeit des obersten
Anführers der Serben, mit Oesterreich abzuschli essen.
Kara Georg hob in dieser Besprechung mit der Erklftning
an, dass die Serben dem Hause Oesterreich und insbesondere
dem Erzherzog Karl ftir seine werkthätige Gesinnung dankbar
8c;ien. Um so schmerzlicher und betrübender wäre daher
* A c t e n M t ii c k o der A])ologie Nr. 7, 1 . Beilage ; bei Beer venseichnet und
fri-fTiari 8. 204.
^ Artr.iiKtücko der Apologie Nr. 6, Beilage 2, 3, und Nr. 7 bei Beer,
H. 1204. Penw machte auch Simbschen auf die bedenkliche Haltung des
K<?mlimer Olierstlieut. Mitesser und dessen Vertraulichkeiten mit Rado-
finikiii und dem Russophilen Novakovic aufmerksam.
* Act<^nHtücke der Apologie Nr. 9.
* Actc.nMtncko der Apologie Nr. 12.
'" Kl» b«;z«?iihnet sio Simbschen in »einer Apologie.
' A«l<jnntncke der Apologie Nr. II. Beer 204 f.
165
für sie die Erfahrung des Jahres 1807 gewesen, als Kaiser
Franz auf Anrathen des ungarischen Landtages ' die all-
zeit getreue und anhängliche Serbennation verlassen, der Grau-
samkeit des Türken preisgegeben und jede Zufuhr aus seinem
Grenzgebiete untersagt habe. Da alle Bitten imd Gegenvor-
stellungen vergebUche bheben, wandte man sich daher an Russland
und erhielt von dieser Macht Geld, Schiessbedarf und Kriegshilfe.
Ueberdies sei der russische Staatsrath Radofinikin nach Belgrad
gekommen. Russland vermöge aber auch mit dem besten Willen
nicht, die Serben vor dem Hungertode zu bewahren. Zu An-
fang des verflossenen Winters (1807) seien zwei französische
Officiere nach Serbien gekommen und hätten zwei Millionen
Piaster angeboten, wenn sich die Serben unter den Schutz
Frankreichs stellten. Kara Georg habe aber sowohl gegen
Radofinikin als gegen die französischen Emissäre sich geäussert,
auch mehrere Millionen an Geld würden da nicht helfen, so
lange die Grenzsperre von Oesterreich herüber bestünde und
es unmöglich sei, Lebensmittel, Waffen und Schiessbedarf ein-
zuAihren. Beide Theile versprachen ihm nun ihre wirksame
Vermittlung, doch sei bis jetzt nichts geschehen. Er, der Synod
und die Häupter des Volkes lebten der Ueberzeugung, dass
angesichts der gegenwärtigen Spannung zwischen Russland imd
Frankreich kein anderer Ausweg bleibe, als sich unter den
Schutz des Kaisers von Oesterreich zu begeben.
Simbschen sei, wie er vernommen, der illyrischen Sprache
mächtig und von Jugend auf ein Freund der Serbennation.
Deshalb habe er den Weg zu ihm gemacht, um ihn zu bitten,
die Wünsche der Serben zu verwirklichen, die aber nicht da-
hin zielten, blos Schützlinge Oesterreichs zu werden, sondern
die Einverleibung ihres Landes mit Oesterreich beträfen. Sei
ja doch die Hälfte der Nation bereits dort und in der Militär-
grenze angesiedelt. Dies könnte man aber nur unter nach-
stehenden Bedingungen vor sich gehen lassen:
Serbien dürfe niemals zu Ungarn geschlagen
werden, sondern bleibe als Militärgrenze oder nach deutschen
Gesetzen verwaltet, auch unabhängig vom ungarischen Mauth-
wesen, keiner geistlichen Bevormundung seines eigenen Kir-
chentbums ausgesetzt, blos vom Kaiser behen*scht und von
^ Denelbe wurde den 6. November 1807 geschlossen.
166
militärischen Vorstehern verwaltet. Kara Georg wolle der Elrste
sein, der sich Mühe geben werde, das österreichische Militär-
cxcrcitium zu erlernen; der Kaiser von Oesterreich möge ferner
den Serben einen Frieden so lange nicht aufnöthigen, bis Nissa
(Ni§) und der übrige Theil Serbiens erobert sei, was Kara
Georg bald zu bewerkstelligen gedenke, wenn ihm Oesterreich
etwas an Gcscht'itzen und Schiessbedarf zukommen liedse, femer
einige Artilh^risten, die man als Serben verkleiden könne. Er
und sein Volk bäten zunächst um ausgiebige Unterstützung mit
Getreide und ilehl, damit man es der ärmsten Bevölkening
vorschussweise zukommen lassen könne. Für die Bezahlung
nach Herstellung des Friedens verbürge sich die Gesammtheit
So erscheint denn das Ergebniss der Zusammenkunft
Simbschen^s mit Kara Georg ftlr den ersten Blick als ein die
kühnsten Erwaitongen überfliegender Gewinn des Augenblicks;
nicht Belgrad allein, ganz Serbien soll österreichisch werden,
allerdings unter Bedingungen, die sich aber durchaus nicht als
unannehmbar zeigten. ,Bis Constantinopel wolle man dann mit
Simbschcn ziehen*. — Immerhin begriff auch Simbschen, dass
diese Frucht noch lange nicht reif genug sei, um gepflückt zu wer-
den, und dass sich's Oesterreich wohl überlegen werde, in Voraus-
sicht eines neuen Krieges mit Napoleon und vor den Augen der
Türkei und Russlands sogleich beide Hände darnach auszustrecken.
Es konnte ihm nicht entgehen, dass, wenn es auch Kara Georg
redlich meinen mochte, hinter seiner Meinung durchaus nicht ganz
Serbien stand, und er durfte auch nicht die nächste bedenkliche
Veranlassung des überraschenden Angebotes: die Nothlage Ser-
biens, das Bcdürfniss, von Oesterreich Nahnmgs- und Kriegs-
mittel möglichst bald zu erhalten, unterschätzen. Ueberdies war
er sich nicht bjos seiner grossen Verantwortlichkeit bewusst;
wiederholt zur äusserstcn Vorsicht gemahnt, ermass er auch
die Gefahr, seine Unterhandlimgen von anderer Seite durch-
kreuzt oder nach oben hin in falsches Licht gestellt, denuncirt
zu sehen.
Wir erwähnten bereits, dass eine solche Persönlichkeit
der Rittmeister illinari6 war.
Auf ihn und Postverwalter Kratay, kommen die Depe-
schen Simbschen's vom 17. — 28. März wiederholt zu sprechen.
Er fUrchte, dass sie seine Unterhandlungen zu hintertreiben und
durch ihren Anhang in Wien zu verdächtigen bestrebt seien.
167
Oberst Perss meldete an Simbschen, das Vorgehen des Oberst-
lieutenant Mitesser sei den Unterhandlungen mit dem Serben
abträglich; er verkehre allzu vertraulich mit den russischen
Consul Radofinikin und mit dem russophilen Serben Novakovid.
Die Anzeigen Simbschen's, Mlinari^ betreffend^ hatten auch zur
Folge, dass Erzherzog Karl (25. März) den Commandirenden
mit der ,Confinirung', das ist Ausweisung des Genannten be-
auftragte. '
Auch vor den ihm von seinem Vorgänger, Freiheri'n von
Geneyne, bezeichneten und bei der Polizeihofeteile notorisch
gewordenen ,Spionen' Russlands und der Pforte musste Simb-
schen auf der Hut bleiben.
Die wichtigsten, vorzugsweise von Kadoiinikin gebrauchten
Aufpasser, den SemUner Kreis, leimten wir oben kennen. Simb-
schen's Aufzeichnungen bieten ausserdem eine Liste anderer
solcher Persönlichkeiten aus dem Handels- und Gewerbestande.
Es waren dies der türkische Tabak- und Pfeifenhändler Haym
Schalter aus Ofen, der macedonische Jude Amoslin, die
Temesvärer Handelsleute: Mangyarlia, Kauth, Hansovid,
Knaus und Horeczky, Kaffeesieder Petri6 aus Pancsova
und die Peterwardeiner Insassen: Bürgermeister Stainer,
Nikoli6 (Fasselwirth), Rausch (Bäcker), Rübsam (vormals
Diener bei Geneyne) und Civi6. Es hiess somit, die Augen
nach allen Seiten offen halten.^
In einer Reihe von Depeschen an Erzherzog Karl,^ deren
erste (11. April) noch vor dem Empfange der gleichdatirten
Weisung des Letztgenannten nach Wien abging, beschäftigt
sich Simbschen mit dem Verhalten des Veröczer Obergespans,
Josef Grafen von Majläth,-^ mit dessen Vorhaben, nach
Belgrad zu reisen, vor Allem aber mit den Kundschafts-
berichten über das Erscheinen des genannten ^lagnaten in
Belgrad und seine Zusammenkunft mit Radotinikin. Simbschen
bemerkt, dass, wenn auch diese Reise zufällig und ohne höheren
Auftrag unternommen worden wäre, es den dermaligen politi-
schen Verhältnissen nicht angemessen sei, die gefährliche Auf-
merksamkeit des russischen Staatsrathes Radotinikin, eines
* ActenstÜcke der Apologie Nr. 8.
* Actenitücke der Apologie Nr. 13 (U. April), 14 (18. April) mit bezüg-
lichen Berichten des Obersten Perss aus Semlin.
kk 17<$0, gett 1S20, nachmals Präsident der ungarischen Hofkammer.
168
^schlauen Griechen^; zu erregen. Ueberdies habe Majläth sich
zum Begleiter eine Persönlichkeit ausersehen^ die von dem
Wiener Polizeiministerium als Russenireund der genauen Ueber-
wachung empfohlen sei, nämlich den Edelmann VidAk, Grund-
herrn von Maczedonia. ' Ausserdem reiste mit ihm der Comitats-
assessor Stratimirovi6 von Kulpin, ein Neflfe des Karle witzer
Metropoliten, der noch kurz zuvor auf Befehl des General-
Militär-Grenzdeparteraents vom 14. November 1807 unter Auf-
sicht und Beobachtung seitens eines Rittmeisters, eines Oberlieute-
nants und einer halben Escadron Husaren gestellt worden sei.
Das Erscheinen des ungarischen Magnaten in Belgrad
müsse bei den Serben böses Blut machen. Sie vergässen es
nicht, dass die königi. ungarische Statthalterei den 29. December
1807 eine lateinische Proclamation erlassen habe, worin sie als
,Rebellen' gagfixi ihren legitimen Herrscher, den Sultan, gebrand-
markt wären. Ihre Abneigung gegen das ungarische Staats-
wesen würde nur noch mehr erregt. Habe sie doch Simbschen,
anlässKch der Bekanntgabe der Wiener Capitulationspunkte in
Hinsicht auf die Uebergabe Belgrads vom 10. März, im Namen
des Kaisers ausdrücklich und bestimmt versichern müssen, dass
die serbische Provinz Ungarn nie einverleibt und nach dessen
Landesverfassung behandelt werden solle.
Die Weisung Erzherzog Karls an Simbschen vom 11. April,
welche sechs Tage später in dessen Hände gelangte, billigte im
Allgemeinen das Vorgehen Simbschen's, trug ihm jedoch auf,
die Serben vorsichtig zu behandeln. Da nämlich vorzugsweise
die Nothlage ihre Häupter in Belgrad derartig entgegenkom-
mend zu machen scheine, so müsse man mit der Befriedigung
ihrer ,Forderungen um Lebensmittel, WaflFen und Munition* so
lange zuwarten, ,bis sich die Serbier zur nöthigen Gewähr-
leistung für die Aufrichtigkeit und Festigkeit ihrer Gesinnungen
herbeilassend Simbschen solle über die nöthigen und entschei-
denden Schritte, sofern es ohne wesentlichen Nachtheil geschehen
könne, immer erst die Entschlicssung des Erzherzogs einholen,
übrigens aber nichts versäumen, um die Serbier auf die bisherige
stille, kein Aufsehen erregende Weise in ihrer BereitwilKgkeit
und guten Stimmung zu bestärken.'^
^ Maczedonia, Herrschaft im Banate. Die Familie wurde mit Vincens
Joannovlc-Vidak 1763 geadelt.
2 ActeiiHtücke der Apologie Nr. 10. Beer, Analekteu VII, Nr. 3, 796.
169
Bald nach dieser Zuschrift traf am 20. April die vom
14. d. M. datirte Weisung von Wien ein, welche als eine Er-
gänzung der früheren Instruction gelten kann, zugleich aber
einem rascheren Entgegenkommen in Hinsicht der Versorgung
der Serben den Weg ebnen sollte. In dieser Beziehung wird
Simbschen ermächtigt, falls ,die Noth so gross sei, dass die
Serbier die weitere Entschliessung nicht abwarten könnten, und
auf eine augenblickliche Aushilfe dringen wüi*den, die Ver-
proviantirung mit Getreidefrüchten -und Mehl in kleiner Quan-
tität durch Private gegen Baarzahlung oder Sicherstellung ge-
schehen zu lassen, und zwar in aller Stille, ,ohne dass die dies-
seitigen Behörden davon öflFentlich Kenntniss nehmend Unter
allen Umständen mllsse man nur insoweit nachgiebig sein, als
es sein dürfe, um die Serben bei guter Stimmung zu erhalten,
und jede weitere Unterstützung von Seite Oestcrreichs bis zur
Ueberlieferung des Unterpfandes (Belgrad) ablehnen, in diesem
Falle aber auch die Zusage bestimmt wiederholen, dass Serbien
nie mit Ungarn vereinigt oder nach ungarischen Gesetzen re-
giert würde. Sollten es unvorhergesehene Umstände dahin brin-
gen, dass man Belgrad besetzen oder befürchten müsse, es von
einer andern Macht besetzt zu sehen, ehe Simbschen neue
Verhaltungsbefehle zukommen könnten, so habe er sofort auf
das Verlangen oder Anerbieten der Serben davon Besitz zu
nehmen. Eine solche rasche Massregcl solle ohne vorläufige
Anfrage nur im äussersten Falle getroflfen werden und Simb-
schen davon sogleich durch einen Courier die Anzeige zu
erstatten, inzwischen aber Alles vorzukehren, um einen ,Aflfront'
zu vermeiden. '
Die Dinge nahmen jedoch eine andere Wendung, ebenso
unangenehm für den Auftraggeber als für dessen Vollmacht-
träger, und eine unbefangene Würdigung der Thatsachen dürfte
den Beweis führen, dass Simbschen, wenn auch zum diploma-
tischen und politischen Hellscher nicht geboren, doch nach
bester Ueberzeugung und sicherlich nicht mit Absicht gegen
die Instructionen handelte, und dass er keineswegs für die
unberechenbaren Hindernisse und Lähmungen seines guten
Willens verantwortlich gemacht werden könne.
* Actenstücke der Apologie Nr. 15. Beer, Analekten Vll, Nr. 4, 797.
170
Schon vor dem Eintreffen der Wiener Depesche vom
14. April hatte Simbschen (18. Apiil) in derselben Eingabe,
welche sich über die Reise Majiäth's und seiner Begleiter nach
Belgrad erging, an Erzherzog Karl berichtet, Simbschen's Unter-
händler, Milosch Urofievi^,, besorge Verrath und allerhand ihm
daraus erwachsende Schäden. Oberst Perss meldete (17. April)*
Simbschen, UroSevic sei an Radofinikin verrathen, und be-
merkte bei Uebersendung eines Schreibens Kara Georgs an
Simbschen, das Briefsiegel zeige sich verletzt; man habe somit
den Brief eröfftiet.
Wir werden gleich sehen, wie die russische Diplomatie
solche Aufschltisse in Wien auszunutzen verstand, ausgiebiger
als dies Simbschen ahnen mochte.
Andererseits ergab sich ein und def andere Zwischenfall,
der die begreifliche Absicht Simbschen's, nochmals persönlich
mit Kara Georg zu unterhandeln, vereitelte. Der Peterwardeiner
Commandant hatte acht Tage nach dem Empfange der Wei-
simg Erzherzog Karls (vom 14. April) an den Letzteren die
Meldung eretattet, er habe die bewilligte Ausfuhr von Mehl
und Getreide unter den vorgeschriebenen Modalitäten eingeleitet
und davon den Obcranflihrer der Serben durch UroSevi6 ver-
ständigen lassen. Einer seiner Vertrauensmänner, Haöi6, hätte
eine Unterredung mit den Serbenhäuptem MIaden und Miloje
gehabt und einfahren, dass Radofinikin nach einem achttägigen
Aufenthalte in Topolia wieder nach Belgrad zurückgekehrt sei.
Uebcrdies sei ihm durch Haöi6 die Meldung zugekommen, dass
ein neuer Aufstand der Bevölkerung des syrmischen Landes
und des Banates drohe und militärische Vorkehrungen ge-
troffen werden mussten.^
Dazu kam noch, wie er am 5. Mai nach Wien berichtet,
seine Abordnung als königlicher Commissär zur Wahl eines
neuen Bischofs der ungarischen Serben und der Auftrag, den
Grenzdircctor oder Oberinspector, Erzherzog Ludwig, auf
dessen Bereisung der Conlinien zu begleiten. Diesem Berichte
schloss Simbschen das Schreiben Kara Georgs vom 17. 29. April
(Topolia) an Milosch Uro5evi6 bei, in Begleitung der Meldung
' Die Meldung dos Obersten Peres als Beilage.
' Simbschen an Erzherzog Karl, 28. April ISO*^. Actenstücke der Apo-
logie Nr. 16.
171
des Obersten Peres, dasselbe sei unterwegs eröffnet und gelesen
worden. '
Als sieben Tage später Simbschen an Erzherzog Karl
eine zweite Depesche abgehen Hess (12. Mai), hatte er bereits
in Erfahrung gebracht, dass Kara Georg eret in zehn Tagen
von der Drina, wo er einen Einfall der Türken abwehren müsse,
nach Belgrad zurückkommen könne. Dies sei ihm insofern er-
wünscht, als er selbst nach Essegg zum Empfange Erzherzog
Ludwigs abgehen müsse. Er habe auch diesfalls (11. Mai) an
Kara Georg geschrieben.
Zugleich aber hielt es Simbschen flir angezeigt, durch die
Aussicht auf ansehnliche Geldbelohnungen die wichtigsten Häupter
der Serben: Kara Georg, Mladen imd Miloje in guter Stim-
mung fttr Oesterreich zu erhalten, und zwar brachte er für den
Eretgenannten 100.000, flir jeden der beiden Anderen 50.000 fl.
in Antrag.^ Erzherzog Karl erklärte sich damit (24. Mai) ein-
veretanden unter der Voraussetzung, dass sie sich mit diesen
Suramen ,gänzlich abfinden* Hessen. Diese Weisung erhielt Simb-
schen erst später zugestellt, da er bereits zu der oben ange-
deuteten Grenzbereisung abgegangen war.^
Bevor wir den Faden der weiteren Unterhandlungen Simb-
schen's mit Kara Georg und seinen GenossenVieder aufnehmen,
müssen wir nun auf einen andern Gegenstand etwas näher ein-
gehen, der in einer der behandelten Depeschen Simbschcn's an
Erzherzog Karl gestreift erechoint, mit der Grenzbereisimg Erz-
herzog Ludwigs im Zusammenhange steht und den Anlass zu
einem geheimen Auftrage des Kaisers an Simbschen vom
24. März 1808 abgab.
In diesem Handbillet betraut der Monarch den Genannten
mit der Aufgabe, ihm ,unmittelbare, freimüthige Berichte' über
die Volksstimmung, über Klagen gegen die Regierung, über
dienstschädliche oder unerlaubte ,Vorgänge' von Beamten, Oftt-
cieren und sonst Angestellten, über Alles, was flir den Staat
nachtheilig sei, gleichwie über alles Wichtige und Merkwürdige,
was er in Erfahrung brächte, einzusenden, und zwar in un-
mittelbarer Correspondenz. Er solle sich offenherzig äussern,
1 Actenstücke der Apologie Nr. 17. Die Meldung des Obersten Perss
vom 3. Mai mit dem Schreiben Kara Georgia.
' Actenstücke der Apologie Nr. 19.
3 Ebenda Nr. 20.
172
wie er diese Berichterstattungen, ohne Aufsehen zu erregen,
einzuleiten gedenke, da der Kaiser nicht unbemerkt lassen
könne, dass äimbschen's letzthin eingeschickter Bericht in
fremde Hände gerieth und dem Monarchen erst aus diesen
zukam. Und als Simbschen am 10. April dem Auftrage des
Monarchen entsprach, erliess der Kaiser ein zweites ELandbillet,
worin er den Commandirenden der slavonischen Grenze an-
wies, alle besonders wichtigen Berichte an den Cabinetsdirector
Anton Neuberg zu leiten.^ Es erhellt daraus, dass man an
höchster Stelle von bedenkliehen Ruhestörungen und Aufstands-
symptomen im Bereiche der Militärgrenze und ihrer Nachbar-
schaft Kenntniss hatte, dass in dieser Richtung Simbschen auch
mit dem Grenzdirector, Erzherzog Ludwig, eine Correspondenz
pflog, und dass ihn seit der Uebemahme des Peterwardeiner
Grenzcommandos diese Angelegenheiten in Athem hielten.
Seine Rechtfertigungsschrifb lässt uns im Zusammenhange
die verschiedenartigen Unruhen vom Schlüsse des Jahres 1807
bis 1809 überblicken.2
Während der sechzehn Jahre der Amtsführung s^es
Vorgängers Geneyne hatten Räuberbanden das Grenz-
gebiet unaufhörlich heimgesucht. Sie kamen besonders aus
Serbien, wo sich lausende aus Noth und Verzweiflung diesem
Handwerke ergaben und in grossen Schwärmen auch das Grenz-
gebiet Oesterreichs heimsuchten. Hier mischten sich damit Aus-
reisser, Landstreicher und anderes Gelichter und so wurde das
Gebiet um Neusatz, der Theisser Krondistrict, die angrenzen-
den Gespanschaften, ja selbst die Gegend um Peterwardein von
dieser Plage arg heimgesucht, der kaiserliche Geheimrath und
königliche Commissär Lovas, Bischof Habakumovi6 auf
oflFener Strasse ausgeraubt, Freiherr Geneyne selbst wieder-
holt angefallen, die Tschajkistenmannschaft entwaffnet und
misshandelt. Mit frechem Muthc vereitelten die Räuber die von
Geneyne angeordnete Marschbereitschaft einer Grenadierab-
theilung. Von serbischer Seite organisirten dieses Treiben, wie
Simbschen nachmals in Erfahnmg brachte, insbesondere: Miloje
Petrovi6, Milenko Stoi6, Luka Lazarevi6, der Hajduk
Veliko u. A. Ihre Genossen unter den Ungaroserben waren
* Siehe Anhang Nr. 11 und 111.
2 Apologie vom Jahre 1816.
173
zwei Kalugier Mönche, einige Popen, der Schulmeister von
Vogain, die pensionirten Hauptleute Radi6 Petrovi6, Nova-
kovi6, im Vereine mit Semliner und Pancsovaer Insassen, und
diese Unruhen erwuchsen zu einer weit um sich greifenden
Bewegung, welche die österreichischen Serben von der ungari-
schen Herrschaft frei machen sollte und uns begreiflich er-
scheinen lässt, weshalb die Ofener Statthalterei den serbischen
Aufstand gegen die Türken als ,BebeUion^ brandmarkte und
die eigenen Serben als verdächtige Freunde derselben scharf
im Auge behielt.
Das war die Sachlage, als Simbschcn das Militärcommando
von Geneyne übernahm.
Er hatte mit dem Räuberunwesen noch genug zu thun. So
fanden Gewaltthaten zu Rdcz-Becse an dem Edelmanne Czu-
hi6, zu Palanka an dem Adeligen Popovid statt; im Bezirke
des Tschajkisten-Bataillons wurde der Grenzer Soki6, in
Karlowitz der Handelsmann Stoiöi6, bei Slankamen das
Fahrzeug türkenflüchtiger Juden ausgeraubt; die von den Jahr-
märkten in Futak, Rama und Mitrovitz heimkehrenden
Kaufleute hatten wiederholt das gleiche Schicksal, so auch Edel-
höfe im Banate, in Syrmien, die Salaschen bei Semlin. Die
Räuber wollten sogar die Communalcasse in Palanka und den
ganzen Jahrmarkt zu Futak ausplündern und versuchten schliess-
lich die 40 Millionen grossbritannischer Subsidiengelder
(in Silberbarren), welche zu Peterwardein verwahrt lagen,
durch einen kecken Uebcrfall zu erbeuten.
Solche Anschläge suchte Simbschcn während seiner Amts-
fllbrung durch die sogenannten ,Mustuluk8in^, d. i. besoldete
geheime Ausspäher ' in Erfahrung zu bringen und zu vereiteln.
Diese Massregel war entschieden wirksamer als die Bestellung
von Untersuchungscommissionen, wie eine solche, ohne allen
Erfolg, der ungarische Stattlialtereirath KomÄromy in Synnien
abhielt.
Bedenklicher und geftlhrlicher als diese in entschiedener
Abnahme begriffenen Räubereien gestalteten sich jedoch die
Anzeichen der wachsenden Unzufriedenheit unter den Bauern
in der Nachbarschaft des Grenzgebietes und unter den Grenzern
selbst, Vorzeichen örtlicher Aufstände, die auch zur That wur-
' Der Uriqfining diener Bezeichnung iM mir nicht bekannt.
174
den und mit der principiell gutgemeinten Organisirung der
Militärgrenze vom Jahre 1807 zusammenhingen.
Der grundunterthänige Bauer beneidete den Grenzer um
seinen freierwerblichen Grundbesitz, dessen ,Ueberland' sogar
verkäuflich blieb, während die Grenzer, als deren Con-
scription für die Landwehrbataillons vorgeschrieben wurde,
die Meinung fassten, sie hörten nun auf, freie Militärlehen-
besitzer zu sein und würden zu Bauern und Contribuenten.
So kam es während seiner Amtsführung zu Aufstän-
den der Bauernschaft in Syrniien, im Bariate, auf der slavoni-
schen Herrscliaft Vuoin und nach seiner Abberufung auf den
Pakraczcr, Ku^'iner und Moslaviker Landgütern, anderseits
zu massenhaften Desertionen von Grenzern nach Bosnien und
Serbien.
Simbschen that sein Möglichstes, um, im Vereine mit dem
General-Feldmarschalllieutenant Freiherrn von Lattermann und
den Generalmajoren und Brigadiers Lutz und Pfanzeltem, auf
die Grenzer beschwichtigend einzuwirken. Auch setzte er sich
mit dem bosnischen Statthalter der Pforte, Hallibeg oder Ibra-
him Pascha, ins Einvernehmen und bewirkte so die Auslieferung
von Ausreissern der Regimenter Alvinczy und Jella('i6.
Simbschen, dem bekanntlich der Kaiser selbst die frei-
müthige Darlegung seiner Ansichten über die Lage abgefordert
hatte, hatte sich gegen die neue Grenzgesetzgebung vom
Jahre 1807 als eine die angrenzenden Comitatsbauern aufregende
Neuerung ausgesprochen. Auch war er der Ansicht, dass diese
Einrichtung, wenngleich von der Grenzbevölkerung ,mit Freude
und .Jubel begrüsst^, ihre nicht zu unterschätzenden Nachtheile
habe, vor Allem fUr das Aerar und das liecht der Krone.
Denn die mit ihr verbundtuie ökonomische Verwaltung sei höchst
kostspielig und die Umwandlung der Militärlehen in Freisassen-
besitzungen, mit verkäuflichen Ueberlandsgründen, eine Ein-
busse der Krone.
Diesen Staudpunkt habe ja auch Marschall Marmont als
Commandirender der illyrischen Provinzen Frankreichs getheilt,
da er (1810) das Gesuch des Gradiscaner Regimentes, den
Jesenovaczer Grenzern ihre über der Save in der französi-
schen Banalgrenze gelegenen Gründe verkaufen zu dürfen,
mit der Erklärung zurückwies, da diese Gründe kein Privat-
eigenthum, sondern Militärlehen seien, und der österreichische
175
Kaiser keine Befugniss habe, sein vererbtes lehensherrliclies
Recht zum Naehtheile seines £rben oder Nachfolgers in der
Regierung aufzugeben, so könne Kaiser Napoleon als sein der-
maliger Nachfolger nach Ejriegsrecht den Verkauf dieser Lehens-
gründe, auf welche die Friedensartikel von 1809 nicht anwend-
bar seien, unmöglich gestatten.^
Kehren wir nun wieder — nach dieser Abschweifung —
zu dem weiteren Gange der Unterhandlungen Simbschen's mit
den Serben zurück. Sie waren von keinem günstigen Sterne
begleitet Die Zwischenfälle erwiesen sieh als nachtheilig, der
schiiftliche Verkehr hinkte, und als Simbschen sich genöthigt
glaubte, aus der ihm eingeschärften Zurückhaltung etwas her-
austreten zu müssen, um Kara Georg mid dessen Vertraute
nicht allzusehr abzukühlen, fuhr die gut bediente russische Di-
plomatie dazwischen.
Am 5. Mai 1808 hatte der serbische OberanfWu-er an
Simbschen einen Brief gesendet.'-^ Die Nothwendigkeit, der
Kriegsgefahr an der Drina zu begegnen, mache es ihm un-
möglich, sich zu einer zweiten vertraulichen Besprechung mit
Simbschen einzufinden. Statt seiner würden seine Schriftführer
und Vertrauensmänner, Jefti6 und M laden, eintreffen. Der
Commandirende, wie bekannt, von der Grenzbereisung des Erz-
herzogs Ludwig in Anspruch genommen, empfing das Schreiben
erst am 19. Mai und beantwortete es den nächsten Tag."^
Auch er sei jetzt verhindert, eine persönliche Besprechung
einzugehen, habe jedoch als seine Vollmachtträger den Semliner
Obersten Perss, den Oberstlieutenant Stanossavlevici, den
Bürgenneister von Semlin Haci6 und den Handelsmaim
Milosch Uroäevi6 abgeordnet, um mit den Vertretern Kara
Georgs eine Abmachung zu treffen.
Die Instruction der Vertreter Simbschen's besagte Folgen-
des: Sollte die Uebergabe Belgrads an die Kaiserlichen statt-
' Darauf bezieht sicli die Apologie Simbschen'«. Bemerken-swerth er-
scheint der Bericht Marmont^s an den franz^Ssischou Obergenchts-Präsi-
denten ans Karlstadt vom 3. September 1810 (Memoiren II, 286 f.), worin
er die überkommene Verfassung Militär-Croatiens ein jMeisterwerk* nennt,
^ch kann,* heisst es hier, ,von der Kraft und Vorzüglichkeit der Insti-
tationen nicht g^enag Lobes machen. Es wäre traurig, eine der Kchfiiuten
Einrichtungen neuerer Zeit aus Unkenntnis» zerstJtrt zu sehen.*
> ActenstUcke der Apologie Nr. 21. Beer, 207—208.
* ActenstUcke der Apologie Nr. 21, 5. Stück.
176
finden, so bliebe die Communication mit den österreichischen
Staaten ungestört und die Serben würden Alles erhalten^ was
zu ihrem Unterhalte und zur Vertheidigung nothwendig sei.
Auch im schlimmsten Falle stünden Belgrad und die kaiser-
lichen Grenzlande den Serben als Zufluchtsstätten filr Weib,
Kind und Habe offen. Bei der Besetzung Belgrads wolle
Oesterreich die Verpflichtung der Inschutznahme der Serben
gegen jedweden Feind übernehmen, sie mit Waffen und Schiess-
bedarf versehen und die Festungswerke in guten Stand setzen.
Serbien könne seine bestehenden Einrichtungen bis zur end-
giltigen Entscheidung seiner Geschicke behalten, die Gewalt
seiner Anfllhrer und des Synods werde keinerlei Einbusse erleiden.
Die Privatbesitzungen bleiben im ungestörten Besitze ihrer der-
maligen Eigenthümer. Belgrads Festung solle nie zum Nach-
theile der Serben an deren Feinde ausgeliefert, auch die
ungarische Landesverfassung nach Abschluss des Friedens
nimmer eingeführt werden, sondern nur das System der Militftr-
grenze zur Geltung gelangen.^
Vergleichen wir diese Vollmacht mit den Capitnlations-
punkten in der Weisung Erzherzog Karls an Simbschen vom
10. März 1808, so ergibt sich allerdings ein wesentlicher Untei^
schied in den Zusicherungen allseitiger Unterstützung an die
Serben, neben manchem Uebereinstimmenden. Man darf jedoch
nicht vergessen, dass gerade jetzt dem Commandirenden von
Peterwardein ein Festhalten der serbischen Sympathien noth-
wendig, ein Entgegenkommen unabweislich erscheinen musste,
dass er überzeugt war, den von russischer Seite beobachteten
und bearbeiteten Serben könne mit einer platonischen Zunei-
gung Oesterreichs keineswegs gedient sein. Ausserdem erfahren
wir, dass schon vorher die AnfUhrer der Serben, infolge der
Unterhandlungen Simbschen's, dem Grenzdirector Erzherzog
Ludwig das Anerbieten in Semlin machen Hessen, Oesterreich
möge ganz Serbien als Provinz übernehmen; dieser vertagte
die Entscheidung und ertheilte Simbschen den Auftrag, vor-
läufig eine Capitulation in Ansehung Belgrads abzuschliessen.
Simbschen handelte somit nicht auf eigene Faust.
' Die lustnictiuii SinibBchen's vom 20. MäI. ActenHtflcke der Apologie
Nr. 22. Beer, 208.
177
Als Simbschen auf der Grenzbereisung von Peterwardein
abwesend war, erhielt er eine Hiobspost um die andere nach-
gesandt. Zunächst meldete (26. Mai) sein Adlatus Feldmarschall-
lieutenant Freiherr v. Lattermann, der vormalige Consul Peter
Itsko, ein wichtiger Vertrauensmann imd Unterhändler, sei
(17. Mai) in Belgrad vergiftet worden,^ und Perss theile einen
Kundschaftsbericht mit, wonach Belgrad in Vertheidigungs-
zustand gesetzt würde. Letztgenannter schrieb dann über die
Ränke des russischen Staatsrathes Radofinikin und sein
Hetzen unter den Serben gegen Oesterreich, über den Anschlag
der Russophilen in Belgrad, den österreichischen Kundschafter
Urodeyi6 zusammenzuhauen. Man habe tausend Ducaten auf
den Kopf eines zweiten Vertrauensmannes Simbschen's, des oft
genannten Christoph Haöi^, gesetzt, weil ausgesprengt wurde,
Oesterreich wolle Serbien in Besitz nehmen und es den Türken
ausUefern. Radofinikin sei in Semlin eingetroffen und verkehre
mit seinen dortigen Vertrauten, worüber auch Hacic Meldungen
erstattete. Die Serben würden von irgend einer Seite aufge-
muntert, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen und so
ihre Selbstständigkeit durchzusetzen. ^ Auch der Bericht der
vier Bevollmächtigten Simbschen's aus Semlin (24. Mai 1808)
über ihre Besprechimg mit Mladen Milanovi6 und Jefti6 lautete
nicht ganz erwünscht. ^ Am bedeutungsvollsten war jedoch das
am 3. Juni vom Obersten Perss einbegleitete ,Absage8chreiben'
Kara Georgs (18./30. Mai) und des serbischen Senates
(23. Mai/1. Juni), das von Radofinikin verfasst worden war
^ Actenstücke der Apologie Nr. 22. (Beer 208.) lieber Peter Itsko'a
Vergan^nheit als Dolmetsch eines türkischen Gesandten in Berlin nnd
Geschäftsführers (Consnls) europäischer Kaufleute in Serbion und seine
Vermittlerrolle siehe KAllay I, 578 f. und Ranke 103—104.
2 Berichte des Obersten Perss aus Semlin vom 27. bis 30. Mai. Simbschen
erhielt sie am 1. oder 2. Juni 1808 zu Vinkovce.
' Actenstücke der Apologie Nr. 21, vom 31. Mai und 1. Juni (Ha6ii5 an
Simbschen) und Nr. 23, Simbschen an Erzherzog Ludwig (12. Juni, Peter-
wardein), mit dem Berichte seiner vier Abgeordneten an die Serben aus
Semlin vom 24. Mai. Am gleichen Tage schrieb Oberst Perss, die Serben
schienen durch irgend Jemand aufgcmuntort worden zu sein, die Ver-
handlungen in die Länge zu ziehen und ihre Selbstständigkeit
durchzusetzen. Derselbe hatte auch am 27. Mai die Meldung erstattet,
der SerbemmfQhrer Milan Milovanovid sei aus üabsucht abtrünnig,
d. i. ein BuMenfreund g^eworden.
ArdÜT. Bd. LXXVI. I. Hilfte. 12
178
und bewies, dass auch der oberste serbische Anflihrer dem
russischen Einflüsse und dem Drucke der aufgeregten öffent-
lichen Meinung nachzugeben sich gezwungen sah und vorder-
hand von Oesterreich zurückzog. *
Radofinikin hatte seine Stellung in Belgrad bestens aus-
genützt. Durch seine Aufpasser in Belgrad und drüben in Sem-
lin, Auffangen und Weiterbefordem der Kundschaftsberichte an
Simbschen, Einsichtnahme in die Depeschen des Letztgenannten,
welche ihm abschriftlich in die Hände gespielt wurden, kam er
bald in die Kenntniss von Allem, was er wissen wollte. Sein
achttägiger Ausflug nach Topolia (Mitte April), wohin auch
Kara Georg abgegangen, hatte wohl nur den Zweck, den Ober-
anftlhrer der Serben stets vor den Augen zu haben.* Die
Zurückhaltung Oesterrcichs den Serben gegenüber konnte bestens
verwcrthct werden, um durch die Kussophilen das Misstrauen
gegen Oesterreich als kaltsinnigen und doch begehrlichen Nachbar
und Freund unter den Serben zu verbreiten und zu nähren.
Die wichtigsten Unterhändler Simbschen's räumte man aus
dem Wege, wie Itsko, oder bedrohte sie als gemeinschädliche
Spione. Russisches Geld half nach; so erkaufte man die Ge-
sinnung des Häuptlings Milan Milovanovi6, wie Jefti6 selbst
bezeugte. Vollends gestaltete sich die Unterhandlung über Bel-
grads Besetzung durch die Oesterreicher zu der bequemsten
Handhabe, um auszusprengen, man wolle das jetzige Bollwerk
occupiren und Serbien tückisch in die eigenen Hände locken,
um das Land den alten Zwingherren, den Türken, auszuliefern.
Kara Georg mag dies Alles nicht geglaubt haben, er
traute sicherlich auch jetzt dem russischen Stimmungsmacher
Radofinikin nicht über den Weg, aber er war doch auch zu
viel Serbe, um nicht der Diplomatie Oesterrcichs, ihrem ver-
deckten Spiele zu misstrauen, und, trotz der Natur eines Ge-
waltmenschen, klug genug, um nicht gegen den Strom zu
schwimmen. So setzte er denn auch seinen Namen unter jenen
von Radofinikin entworfenen Absagebrief, welcher das von der
^ ActenstUcke der Apologie Nr. 21. Ha(i6 an Simbschen, 2. Juni 1808.
Das jAbsJigesclirciben' Kani Georgs und des serbischen Senates Tom
80. Mai (18. alten Stils) 1808, oinbegleitet vom Obersten Perss. Simbschen
befand sich damals auf der Inspectionsreiso in Morovid.
' üebor den Aufenthalt Radofinikin's in Topolia schrieb Hadi^ an Simb-
Mchen den 2^». April IHOU. Siehe ArtonstUrke der Apologie Nr. 16.
179
Hand wies, was gleichzeitig den Gegenstand der Geheimver-
handlungen der Vollmachtträger Sirabschen's und Kara Georgs
gebildet hatte.
Wir müssen noch nachtragen, dass Uro8evi6 (13. Mai) au
Kara Georg schrieb, Oesterreich bürge für einen ausgiebigen
Schutz, man wolle Kara Georg als serbisches Oberhaupt aner-
kennen und erwarte von ihm ein Unterpfand seines guten
Willens. • Simbschen lasse ihm eine neue persönliche Bespre-
chung vorschlagen, die zu Warasdin oder an einem andern
Orte, je nachdem man dies vereinbare, stattfinden solle. Dieser
Brief habe den Oberanführer der Serben stutzig gemacht, er
wurde misstrauisch und zu einer Mittheilung an Radofinikin
veranlasst, der ihm rieth, im freundschaftlichen Tone zu ant-
worten, aber auch seiner Verwunderung Ausdruck zu geben,
weshalb nicht Simbschen selbst darüber geschrieben. Letzterer
.habe nun an Kara Georg einen Brief abgehen lassen, der Alles,
was sein Unterhändler berichtet hatte, bestätigte.
Beide Schreiben wurden nun von dem russischen Bot-
schafter am Wiener Hofe, Fürsten Kurakin, in französischer
Uebersetzung, dem Minister Stadion vorgelesen, der, davon
aufs Unangenehmste berührt, die Erklärung abgab, er wisse
von dem AUen nichts und bezweifle die Richtigkeit der
Angaben ebenso wie die Echtheit der Briefe. Jedenfalls er-
scheine das, was Radofinikin über seine Rolle in dem Handel
vorbrachte, durchaus nicht über jeden Verdacht erhaben. Der
Minister Hess sich dabei auch über die bekannte Schlauheit der
Serben und UroSevi6 als Intriguanten aus, um die unbequeme
Interpellation des russischen Diplomaten abzulehnen.
In einer Note an Erzherzog Karl bedauerte er, dass
die bisherigen klugen Vorkehrungen in der serbischen Ange-
legenheit ihren. Zweck verfehlten, dass man andere Massnahmen
ausdenken müsse, um sich den Einfluss auf die Serben zu
sichern und der Einwirkung Russlands zu begegnen. Und an
den Gesandten Oesterreichs in Petersburg, Freiherm v. Binder,
schrieb er: Der Antrag der Serben, sich in den Schutz Oester-
reichs zu begeben und in irgend einer Form dem Wiener Hofe
< Ueber das Weitere Beer 209—212. Das Ganze ging durch die Hände
Badofinikin*8 und der rassischen Gesandtschaft und muss daher mit etwas
Misstranen aufgenommen werden.
12*
180
unterthan zu werden, widerstreite zu sehr dem Systeme, das
die österreichische Regierung der Pforte gegenüber stets an den
Tag gelegt habe.
Wir begreifen, dass Erzherzog Karl über diese Eröffnungen
sehr ungehalten war, und dies umsomehr, als er von den militä-
rischen Vorkehrungen am Grenzcordon erfuhr, welche Simb-
schen, oflFenbar unter dem Eindrucke jener schlimmen Wendung
der Dinge in Belgrad, zufolge jener Absagebriefe und der Nach-
richten über die Befestigung Belgrads, zu treffen Anlass fand.
Er hatte sich noch vor der Rückkehr nach Peterwardein von
Mitrowitz in Symiien aus (4. Juni 1808) beeilt, das Scheitern
seiner Unterhandlungen, als dem Verrathe und den Ränken
Radofinikin's entsprungen, dem Erzherzoge zu melden. ^
Zwei Tage nach Empfang der Note Stadion's, den 8. Juni,
schrieb Erzherzog Karl an Simbschen, wie sehr es ihn befremde,
dass Uro§evi6 den Serben die weitgehendsten Zusicherungen«
gemacht habe und Simbschen selbst in einer Zuschrift dafür
eingetreten sei, was Alles, sowie die Depesche des Uroäevi6 zur
Kenntniss des russischen Botschafters in Wien gelangt und von
ihm dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten mitgetheilt
worden wäre.
Diese unzeitigen Versicherungen hätten Simbschen com-
promittirt, und er habe sich dadurch von den erhaltenen Auf-
trägen entfernt. Er könne ihn deswegen und anlässlich seiner
weiteren Massregeln, die er in der Zuschrift vom 4. Juni an-
zeigte, ,nicht von jedem Vorwurfe' freisprechen. Am ,allerübel-
sten* sei es jedoch, dass er ,feindselige Massregeln' längs des
ganzen Cordons ergriffen habe, da man dies als einen Racheact
zufolge des Misslingens der Unterhandlungen deuten und auf-
fassen werde. Simbschen möge daher allsogleich die Conmiuni-
cation im Cordon in dem Maasse eröf&ien, wie solche vor dem
Beginne der Unterhandlungen bestand, und nur in Bezug der
Ausfuhr von Waffen und Schiessbedarf die Vorschriften streng
wie bisher in Vollzug bringen, um jedem Verdachte einer Feind-
seligkeit zu begegnen, nicht allen Einfluss auf die Serben ein-
zubüssen und sich für die Folge die Möglichkeit einer An-
näherung vorzubehalten. 2
* Actenstücke der Apologie Nr. 21.
2 Actenstücke der Apolo^e Nr. 24. Beer 212 f. und Anhang: Analekten
VII, 5, 798—799.
181
Bevor noch die Antwort und Rechtfertigung Siinbschen's
eintraf^ erliess Erzherzog Karl (10. Juni) eine zweite Weisung
an denselben, die gewissermassen als Ergänzung der zwei Tage
zuvor erlassenen Depesche zu gelten hatte. Zunächst verschärft
der Generalissimus den Befehl: ,bei schwerer Verantwortung
keine der gewaltsamen Massregeln, welcher in dem Berichte
vom 4. Jimi vorgeschlagen, gegen die Serbier eintreten zu las-
sen, und in Ansehung des wechselseitigen Verkehrs vielmehr
alles auf den Fuss zu setzen, wie es am Schlüsse des vorigen
Monates stände Er müsse anfänglich noch ein Mehreres thun,
um den übeln Eindruck und das Aufsehen zu vermindern,
welches er durch sein ,ganz vorschriftswidriges Benehmen er-
regt habe*. Die ,unbe8onnenen Kundschafter und Unterhändler'
Haöi6 und Milosch Uroäevi6 sollen augenblicklich auf eine
,eclatante' Art aller Aufträge enthoben und von der Person
Simbschen's femgehalten werden, damit so ein Theil der
Schuld auf sie gewälzt und durch MissbiUigung ihres Be-
nehmens den ärgerlichen Vorgängen das Auffallende einiger-
massen benommen werde. Simbschen habe sich jedes Schrittes
zu enthalten, der auch im Entferntesten den Anschein hätte,
als wäre das Vorgefallene höheren Ortes missbilligt worden,
und vorderhand selbst solche Massnahmen zu vermeiden, wo-
durch er sich sonst ohne Aufsehen Einfluss in Belgrad zu ver-
schaffen wüsste.
Sollten sich die Serben noch in irgend einer Sache an ihn
wenden, so müsse er sich ohne den geringsten SeitenbUck oder
Vorwurf über das Vergangene mit jener Mässigung gegen sie
benehmen, die jetzt allein an ihrem Platze sei.*
Diese Rüge und Weisung, welche Simbschen für die ge-
naueste Vollziehung dieser Befehle auf das Strengste verant-
wortlich machte, empfing derselbe den 16. Juni. Schon drei
Tage zuvor war seine Aufklärung und Rechtfertigung nach
Wien abgegangen. Er trage nicht die Schuld an der üblen
Wendung der Dinge, an dem Scheitern der Pläne, die er im
Geiste seiner Aufträge gefördert hätte. Schlechtgesinnte Leute auf
österreichischer Grenzseite hätten Gerüchte verbreitet, durch
welche Radofinikin aufmerksam gemacht worden und in Kennt-
> Actenstücke der Apologie Nr. 26. Beer a. a. O. uiici Analekten VlI,
6, 799—800.
182
niss von den Unterhandlungen gekommen wäre. Seine Massregeln
amCordon seien durch die Ereignisse von drüben veranlasst. Unter
den Beilagen befand sich ein Bericht des Obersten Perss über
die Erklärung Radoiinikin's, dass flir die Serben die Zeit ge-
kommen, ihre Selbstständigkeit durchzusetzen, und ein zweiter,
kurz zuvor (11. Juni) eingelangter, worin der Semliner Com-
mandant den grossen Mangel der Serben an Nahrungsnütteh
darlegte und zur Hintanhaltung von Ausschreitungen und Ge-
bietsverletzungen ihrerseits um eine Verstärkung der Cordons-
truppen ansuchte.^
Damit hing denn auch der Schluss des Kechtferdgungs-
schreibens Simbschen's zusammen, der sich bestimmte Wei-
sungen über die Getreide- und Salzausfuhr nach Serbien
erbat.
Diese Bitte verstärkte Simbschen in der Depesche vom
17. Juni an Erzherzog Karl, worin er die Tags zuvor empfan-
gene Weisung (vom 10. Juni) beantwortete.^ Indem er dersel-
ben gewissenhaft nachkonmien zu wollen erklärt, begründet
er sein Ansuchen um diesföllige bestimmtere und deutlichere
Instructionen, erörtert die bisherigen Handelsbeziehungen mit
Serbien und legt dar, dass der Kaiser kurzweg verboten habe,
Getreide und Salz nach Serbien auszuführen, während anderer-
seits die Serben blos die Ausfuhr von Borstenvieh gestattet
hätten.
Das Ansuchen Simbschen's erledigte Erzherzog Karl mit
der Weisung vom 8. Juli 1808. Der Kaiser habe eine Erweite-
rung oder Einschränkung der Getreide- und Salzausfuhr nach
Serbien der Verfligung Sirabschen's ganz und gar überlassen.
Die Gewährung oder Verweigerung habe sich nach dem Ver-
halten der Serben zu richten und bleibe daher ohne weitere
Anfrage der Beurtheilung und Massnahme Simbschen's anheim-
gestellt. ^
Es ist die letzte vorliegende Zuschrift des Generalissimus
an den Peterwardeiner Commandirenden. Dem Erzherzoge war
die diplomatische Action Serbien gegenüber gründlich verleidet
* ActeuHtüeke der Apologie Nr. 25; mit Berichten das Oberston Perss
au8 Semliii als Beilagen.
3 Ebenda.
3 Ebenda Nr. 28.
183
worden, und das dem Staatskanzler Stadion vom Kaiser ab-
verlangte Gutachten über die serbische Frage sprach vorläufi-
gem Zuwarten das Wort.
Der Monarch hatte die Frage aufgeworfen, ob, bei der-
maligem Verzichte auf eine Cooperation Kara Georgs und seiner
Volksgenossen, Oesterreich in der Besetzung Belgrads selbst-
ständig vorgehen und dies ohne nachtheilige Folgen bewerk-
stelligen könne. 1
Stadion erklärte sich in seinem Vortrage voiq 10. Juni
1808 dagegen, mit Rücksicht auf die vorhandene Ungunst der
pohtischen Sachlage und auf die massgebenden Mächte: Russ-
land und Frankreich. ,Nur wenn Russland es versuchen wollte',
sich durch Ueberrumpelung in den Besitz von Belgrad oder
Orsowa zu setzen, sei zu erwägen, ob die österreichischen
Befehlshaber an der Grenze dem nicht zuvorkommen sollten,
um die Besetzung jener festen Plätze durch russische Truppen
zu Gunsten der sonst gefährdeten österreichischen Grenze zu
vereiteln, da, wenn einmal die Russen von Belgrad und Orsowa
Besitz ergriffen hätten, es eine schwierige Aufgabe würde, sie
daraus zu entfernen. Die Entscheidung, ob die Besetzung von
Belgrad räthUch oder nicnt räthlich, th unlieb oder unthunlich
sei, welche Einleitungen hicflir zu treffen wären und welche
Sprache man gegen Russland und Frankreich diesbezüglich zu
führen habe, müsse den verschiedenen Zeitumständen angepasst
werden.
Die Zeitimistände wurden allerdings nicht günstiger. ^
Napoleon hatte bereits in dem Tilsiter Frieden mit Russland
(7. Juli 1807) die Sache der Türkei so gut wie preisgegeben.
Auf dem Congresse zu Erfurt (September bis October 1808)
that er den entscheidenden Schritt zur Verständigung mit Czar
Alexander I. über die orientalische Frage, indem er gegen die
Anerkennung seines Bruders Josef als König von Spanien und
der Napoleoniden überhaupt in ihrer Rang- und Machtstellung
von Seiten Russlands dessen Vergrösserung auf Kosten
Schwedens und der Türkei nicht hindern wolle. Es handelte
sich da einerseits um Finnland, anderseits um die Moldau
und Walachei. Sollte die Pforte eine Abtretung der beiden
1 Darüber siehe Beer 210^212.
' Kanke 134 f. Beer, Zehn Jahre (istorreichischer Politik 278—327.
184
Provinzen verw'cigcm und der Krieg deshalb wieder ausbrechen^
so wllrde er an einem solchen so lange nicht theilnehmen^ als
ihn die Pforte allein filhrte; würde sich aber eine andere Macht
hineinmischen, dann sei er bereit, mit Russland vereint vor-
zugehen.
Der von beiden Kaisem von Erfurt aus an England ge-
richtete Friedensantrag, dem bald der Abbruch ihres diplomati-
schen Verkehres mit dem britischen Cabinete folgte, als dieses
Gegenbedingungen aufwarf, anderseits Napoleons Forderung
an Oesterrcich, seine Rüstungen einzustellen, liessen den nahen
Ausbruch des europUisclien Kriegsgewitters voraussehen, welcher
im Frühjahre 1809 erfolgte.
VI.
Simbschcn nnd die Serben vom Ansbmche des Krieges
Oesterreielis mit Xapoleon bis zur YcrmShlang des Fran-
zosenliaisers mit Maria Louise von Oesterreieh. 1809 bis
März 1810.
Der Misserfolg der diplomatischen Action mit den Serben
vom Jahre 1808, die Absetzung der Belgrader Frage von der
Tagesordnung hatte den Verkehr Simbschen's mit Kara Georg
und seinen Genossen durchaus nicht für inmier aufgehoben.
Lag es ja doch auch im Interesse der Politik Oesterreichs —
und dies besonders seit der vom Erfurter Congresse ge-
schaffenen Neugestaltung der Dinge — mit den Serben in Füh-
lung zu bleiben.
Zur Zeit, als die heftigsten Kämpfe zwischen ihnen und
der Pforte wieder ausbrachen, anderseits die schwungvolle
Kriegserklärung Oesterreichs gegen den französischen- Gewalt-
haber die Presse verliess, und der Volkskrieg in Tirol wider
die Fremdherrschaft losbrach, — sehen wir den diplomatischen
Verkphr Simbschen's mit Kara Georg deutHch wieder auf-
genommen und Milosch Uro§cvi6 neuerdings als Unterhändler
in Verwendung.
Letzterer überbrachte dem Oberanflihrer der Serben ein
Gezelt als Ehrengabe des Commandanten von Peterwardein und
185
veranlasste Kara Georg zu einem ausführlichen Schreiben an
Simbschen vom 2./14. April 1809.»
Zunächst bemerkt der Oberanführer der Serben, dass der
Krieg mit den Türken auf allen Seiten entbrenne, und knüpft
an diese Meldung die Bitte um die Fortdauer des Wohlwollens
Simbschen's, des ,ersten' Freundes der Serben. Sodann wird
die jVäterliche Liebe^ des österreichfschen Kaiserhofes gepriesen
und die ewige Dankbarkeit des Serbcnvolkes bezeugt.^ Er be-
theuert, nie den Gedanken gehegt zu haben, jenen Unruhen,
welche unter den Bewohnern des östen'cichischen Grenzlandes
ausgebrochen seien und deren grösstes Unglück werden müss-
ten, irgend einen Vorschub zu leisten. Vielmehr lasse er Simb-
schen wissen, dass drei von diesen Unruhestiftern, die sich nach
Serbien geflüchtet, auf seinen Befehl an die serbischen Grenz-
hüter dort, wo man ihrer habhaft wurde, den Tod durch den
Strang fanden. So werde er es auch mit den Anderen halten
und nicht anders mit seinen eigenen Leuten, die sich solchen
Bösewichtem anschlössen. Er bitte auch, solche auf österreichi-
scher Seite zustandegebrachten Serben ihm auszuliefern, damit
er sie mit dem Tode bestrafen könne, und sei bereit, die öster-
reichischen Flüchtlinge aufzufangen und über die Grenze nach
Oesterreich zu schaffen, oder, wenn man sie nicht einfangen
könne, zu tödten und hievon die Anzeige zu erstatten.
Kara Georg habe von der Erneuerung des Krieges der
Oestcrreicher gegen Frankreich vernommen und beeile sich
daher, Simbschen der freundnachbarlichen Gesinnung der Ser-
ben zu versichern. Sollte auch das österreichische Grenzgebiet
von Truppen ganz entblösst werden, so bliebe es dennoch vor
den Serben so sicher, als wenn es hüben und drüben nur Einen
Herrscher gäbe. Simbschen wolle davon den Obersten in Semlin
verständigen.
Der Brief Kara Georgs kommt auf Vorgänge im öster-
reichischen Grenzgebiete zu sprechen, die im April 1809 zu
einer -Correspondenz zwischen Simbschen und dem Kaiser
führten.
' Vgl. Beer, Orientpolitik Oe. 213. Simbschen scliloss das Sclireiben Karä
Georgs dem Berichte an Kaiser Franz bei (Actenstücke der Apologie
Nr. 30, Beilage 1).
186
Aus dem wandernden Hoflager (damals zu Schärding)
erliess Kaiser Franz I. am 19. April ein Handbillet an den
Peterwardeiner Commandanten, * welches den Besorgnissen des
ilonarchen vor der bedenklich werdenden Auflehnung der
Unterthanen gegen ihre Grundherren Ausdruck gibt und auf
das Entweichen zahlreicher Provinzialisten hinweist, die sich der
Recrutirung entziehen wollen. Simbschen möge insgeheim alles
Nothwendjge vorkehren. Schon vorher war dem Commandiren-
den eine kaiserliche Weisung (vom 5. April) und auch eine
solche von Erzherzog Rainer in Hinsicht der Ausreisser unter
den Grenzern zugekommen, und Simbschen's diesbezügliche
Anfrage beim Grenzdirectorium von dem letzteren dahin er-
ledigt worden, es seien solche Deserteurs gleich den Anderen
zu behandeln.^
Vor dem Einlangen des kaiserlichen Handbilletes vom
19. April erhielt (13. April) Simbschen die Meldung des Ober-
sten Perss aus Semlin, es seien vier Räuberbanden ins Banat
und in die Bäcser Gespanschaft eingefallen, deren eine in Becs-
kerek und an anderen Orten 70.000 Gulden zusammengerafft
habe ; ihr Hauptmann M i 1 o j e P e t r o v i 6, der bekannte Serben-
häuptling, habe die Hälfte davon für sich in Anspruch ge-
nommen.**
Wir erklären uns daraus die Betheuerungen Kara Georgs,
dass er solchen Uebelthätern fem stünde, und ebenso sein Ver-
sprechen, solchen Gewaltthaten von Seite der Serben mit aller
Strenge zu begegnen und den österreichischen Behörden in der
Bewältigung solcher Gefahren hilfreiche Hand zu bieten.
Den 7. Mai 1809 erledigte Simbschen den eine Woche
vorher empfangenen Auftrag des Kaisers.* Er sehe sich ver-
pflichtet, dem Monarchen offen und freimüthig darzulegen, wie
I Af.tenstücko der Apiilogio Nr. 21). Simbschen erhielt das Schreiben den
30. x\i.ril 1809, siehe Anhang Nr. IV.
' Actenstücko der Apologie Nr. 30.
3 Apologie. Auszug au.s dem Potorwardeiner Präsidial protokoll, "Nr. 124.
Actenstücke zur Apohjgie Nr. 30, mit mehreren Beilagen, so: Ausweis
über di(} Doserteurs; Schreiben des Keliaja (Secretärs) des bosnischen
Statthalters ITallil Ibrahim Pascha in Hinsicht der Ausreisser; Schreiben
des VerJiczcr ComitAtes in Hinsicht der Wiederherstellung der Ruhe in
Vucsin u. s. w.
* Actenstücke der Apologie Nr. 30.
187
es sich mit den Zuständen im ganzen Grenzgebiete verhalte.
Es sei ihm gelungen, die seit 1807 entstandenen Unruhen in
Syrmien, im Banate und im Provinziale Slavoniens durch ent-
sprechende Vorkehrungen nicht nur zu stillen, sondern, dank
seinen freundschaftlichen Beziehungen zu Kara Georg und zu
dem Pascha von Bosnien, alle späteren heimlichen Verbindungen
und Aufwiegelxmgen zu entdecken und zu vereiteln. Wiewohl
die drei Reserve- imd fünf Landwehrbataillons kaum hinreich-
ten, die fUnf Festungen: Peterwardein, Essegg, Brod, Gra-
diska und Raöa zu besetzen, habe er dennoch von den 29.000
waffenfähigen Grenzern 13.000 mit den für Serbien bestimmten,
später confiscirten Feuergewehren ^ bewaffnet und mit andern
brauchbaren Karabinern aus den Zeughäusern der Grenz-
festungen versehen, um sie zum Dienste an der bosnischen
Grenze zu verwenden.
Simbschen müsse jedoch seinem Monarchen die freimtithige
Anzeige erstatten, dass die Volksstimmung in den bürger-
lichen Communitäten, besonders in Semlin und Neusatz, nicht
die beste sei, und die Desertion nach Serbien, auch im Peter-
wardeiner Grenzbezirke zunehme.^ Das verschulde die verfehlte
Wahl der Magistratspersonen, die Besiedelung von Neusatz und
der anderen Militärcommunen mit schlechtem, hergelaufenen Ge-
sindel,— vor Allem jedoch der mangelhafte Rechtszustand
in diesen Grenzstädten. Seitdem das Communitäten-Regulativ
des Feldmarschalls Grafen Colloredo aufgehoben, gebe es
eigentlich gar keine Verfassung oder Constitution der Militär-
communen. Auf die Grenzbevölkerung wirke erbitternd,
dass man nach dem neuen Statut die Fahnenflucht des Gren-
zers nicht mit dem Verluste des Militärlehens, sondern mit der
Strafe bedrohe, welche auf die Desertion des Liniensoldaten
gesetzt . sei. Schliesslich verwies Simbschen auf die Folgeübel
solcher Amtshandlungen der Wiener Referenten des Militärgrenz-
> Bezüglich diener ConÜHcatioii hntto Hich der serbische Senat am 8. Mai
1808 an deu Grenzdirector Erzherzog Ludwig gemeldet (vgl. Heer,
Orientpolitik Oe. 208).
' 1808, 22. Mai hatte Erzherzog Karl an Siuibschen die Weisung erlassen,
über die Stimmung der Orenzer angesichts der neuen Grundgesetze für
die Militärgrenze Bericht zu erstatten. Actonstücke der Apologie Nr. 106
and Simbi»chen diesen Bericht (im Sinne der Mittheilungen an den Kaiser
vom Jahre 1809) den D. Juli 1808 abgegeben. Ebenda, Nr. 107.
188
Justizdepartements im Hofkriegsrathe, die den örtlichen Ver-
}iältnisscn der Grenze nicht angemessen seien.
Simbscheu bietet in seiner Apologie vom Jahre 1816 einige
nicht behinglosc Aufsclihlsse über die üble Wirthschaft des
Semliner Magistrates in der damaligen Aiifgebotssachc.
Als nämlich der Hof kriegsrath die Stellung von Landwehr-
bataillons durch die Communen von Peterwardein, Karloi^itz
und Semlin anordnete, und zwar in der Weise, dass sich diese
bürgerlichen Landwehnnänncr die Montur und Rüstung aus
den Zeughäusern auf eigene Kosten verschaffen sollten, hätten
sich der Bürgermeister von Semlin, Göhlis (Haöi6' Nachfolger)
und seine Gesinnungsgenossen: Syndicus Kollitsch, Stadt-
schrcibcr Spiess, Polizeicommissär Vetter, die Magistratsräthe
Liborio und Waberen durch Bestechung verleiten lassen, in
die Listen gerade die ärmsten Bürger eintragen zu lassen und
die reichsten zu verleugnen. Es entstand unter den Semliner
,Macedoniern', Bulgaren, Zinzaren und portugiesischen Juden
eine beträchtliche Desertion, um sich dem Waflfendicnste zu
entziehen. Simbschen beschuldigt — nebenbei gesagt — den
als Landfriedensstörer und Räubergenossen berüchtigten Serben-
häupthng Miloje Petrovi6, derselbe habe im Einverständnisse
mit dem russischen Consul Radofinikin durch einige unter diesen
Flüchtlingen in Semlin an zwei Orten Feuer legen lassen und die
wegen Raubmord hier gefangen gehaltenen Sträflinge aus ihren
Kerkern, den sogenannten ,Temnicen' befreit, um die Unsicher-
heit und die schlechte Stimmung der SemHner zu nähren.
Mitte Juni 1809 erhielt Simbschen vom Obersten Perss
aus Semlin die Meldung, dem Serbenhäuptlinge Miloje Petrovic
werde die Schuld der Schlappe der Serben vor Nisch beige-
messen und Kara Georg wolle ihn mit dem Tode bestrafen.*
Wir werden auf die weiteren Gesclücke dieser Persönlich-
keit, welche auch in dem Processe Simbschen eine wichtige
Rolle spielt, später zurückkommen. Für jetzt genügt es, diese
wichtige liegebcnheit im serbisch-türkischen Kriege hervorzu-
heben, weil sie dem Entgegenkommen Kara Georgs einen neuen
und kräftigen Anstoss gab.
Den glänzenden Frühjahrserfolgen der Serben an der
Drina, am Lim, um Sjenica und gegen Novi-Bazar setzte An-
1 Apologie. Auszug aus dem Peterwardeiner Präsidialprotokoll, Nr. 201.
189
fangs Juni 1809 die Niederlage einer Heeresabtheilung vor der
Türkenfestang Nisch einen unvorhergesehenen Riegel. Kara
Geoi^ hatte, die Führung des wichtigen Unternehmens auf den
Rath Mladon's dem herrschsüchtigen und prahlerischen Miloje
Petrovi6 übertragen und dadurch den bisherigen Vertheidiger
der Stellungen bei Alexinac, Peter Dobrinjac, schwer gekränkt.
Nun aber rechtfertigte Miloje gar schlecht das in ihn gesetzte
Vertrauen, und die Türken nutzten den Erfolg von Nisch derart
aus, dass sie bald auch das linke Morawaufer bedrohten.'
Daher wandte sich nun wieder Anfangs Juli Kara Georg
an seinen ,Freund und Gönner^ Simbschen mit Werbungen um
die Gunst und den Schutz Oesterreichs, allerdings zu einer
Zeit, da sich das Verhängniss der Monarchie auf dem Schlacht-
felde bei Wagram vollzog. Der Bericht Simbschen's an das
damalige Haupt des Hof kriegsrathes, Feldmarschall Wenzel Grafen
von Colloredo, vom 12. Juli 1809, beweist jedoch, dass der
Commandirende Peterwardeins jeder irgend nur bestimmten
Zusage in seiner Antwort an den Oberanftihrer der Serben
auswich.*' Das Jahr 1808, die damals empfangenen Rügen
hatten Simbschen gewitzigt. Zudem war die Lage Oesterreichs
nicht derart, um nur irgend etwas Greifbares versprechen zu
können.
Die Antwort CoUoredo's, vom 29. Juli aus Pest datirt,
wohin der Hofkriegsrath einstweilen — da Wien in Feindes-
hand — seinen Sitz verlegt hatte, pflichtet zunächst der rich-
tigen Behandlung der Anträge Kara Georgs durch Simbschen
bei. Es sei die gewöhnliche Taktik der Serben, sich in jeglicher
Bedrängniss mit Vermittlungs- oder Unterwerfungsapträgen bei
dem österreichischen Hofe einzufinden, ohne jedoch damit Ernst
zu machen, ja vielmehr um dies zur Trübung seines Verhält-
nisses mit Russland und der Pforte zu missbrauchen. Simbschen
habe somit ganz recht gethan, nicht früher auf die serbischen
Anträge eingehen zu wollen, bis sich nicht Kara Georg darüber des
Näheren, und zwar mündUch, geäussert liätte. Man müsse also
diesfalls zuwarten. Dennoch möge sich Simbschen vor Augen
halten, dass es dem Hause Oesterreich nicht gleichgiltig sei,
ob Serbien unter türkischer oder russischer Oberherr-
1 Ranke 186 f.
' Actenstficke der Apologie Nr. 31. Vgl. Beer 214.
190
Schaft stünde, und dass die Ausbreitung der letzteren Macht
längs der Grenze Oesterreichs und die Verviel<igung der
Berührungspunkte in jeder Hinsicht als ein für das diesseitige
Staatsinteresse höchst nachtheiliges Ereigniss angesehen werden
müsse.
Simbschen solle also die Beziehungen mit den Serben
weiter pflegen^ selbe nieht suchen, ihnen aber auch nicht aus-
weichen und gegebenen Falles auf irgend einer ^Formalität^,
einer schriftlichen, bindenden, Zusage bestehen, ,daniit Kara
Georg es unmöglich würde, seine Schritte in der Folge wieder
abzuleugnen oder auf eine für Oesterreich nachtheilige Art zu
entstellend Seit dem Einrücken russischer Truppen in Galizien
müsse man allerdings jeden Anlass, das Petersbui^er Cabinet
herauszufordern, vermeiden, nichtsdestoweniger aber den Staats-
vortheil im Auge behalten.
Schliesslich erledigt der Hofkriegsrathspräses eine Anfrage
Simbschen's vom 15. April (!) dahin, ,dass die bisher conni-
vendo zugelassene Ausfuhr von Mehl, Salz und Brodfirüchten
nach Serbien auch fernerhin, jedoch nur insoweit zu gestatten
sei', als sie mit der Bedeckung des eigenen Bedarfes vereinbar
bleibe, die Staatsverwaltung nicht compromittire und diese ganz
,unaufftlllige' Gefklligkeitsbezeugung von Seite der Serben durch
eine , vollkommene Reciprocität' erwidert werde. ^
Simbschen hatte auch in den ernsten Kriegsläufen die
Hände voll zu thun.^ Er wurde angewiesen, sich nach Vukovar
zu begeben, um einer Generalcongregation in Gesellschaft des
Diakovarer Bischofs Mandi6 beizuwohnen und hier gemein-
schaftlich mit den Ober- und Vicegespänen der Syrmier, Verö-
czer und Pozseganer Comitate alle Anstände bei der Ausrüstung
der drei Provinzial-Insurrectionsregimenter zu beheben
und letztere zur Verstärkung des Banus Gyulai in Marsch zu
setzen. Dies sei ihm auch trotz der Widerspenstigkeit der
Grundunterthanen von Valpov, die sich sogar an ihrem Herrn,
dem Freiherm von Prandau, vergriflFen, binnen drei Tagen
gelungen, und er habe dann das Veröczer Insurrectionsregiment
durch einige Grenzerdivisionen mit etwas Geschütz von Essegg
bis an die croatische Grenze escortiren lassen.
* Actenstücke der Apologie Nr. 31, Anhang Nr. Y. Beer 214 f.
- Uobor alles Folgende die Apologie.
191
Nach Peterwardein, unter Simbschen's Obhut, wurden da-
mals das kaiserliche Familienarchiv, der Schatz, das Vennögen
der Erzherzoge, mehrere Tausend Centner Silberbarren britischer
Subsidien und auch die Quecksilbervorräthe geflüchtet.
Von Xomorn aus, wohin der Kaiser bald nach der
Schlacht bei Wagram den Weg durch Mähren und Oberungam
eingeschlagen hatte, erhielt Simbschen — um diese Zeit bereits
Feldzeugnaeister — am 10. August neue Weisungen.^
Der Monarch beauftragt ihn, den Gewaltthaten ein Ende
zu machen, welche seit geraumer Zeit die Karlstädter Militär-
grenze an verschiedenen Punkten jenes Districts, das vormals
türkisch war, durch den Sistover Frieden jedoch an Oesterreich
kam, beunruhigten. Man habe befestigte Orte eingenommen,
Häuser niedergebrannt, die Grenzer ausgeplündert, ihr Vieh
weggetrieben. Ebensowenig als das nachdrücklichste Einschreiten
bei der türkischen Behörde im bosnischen Travnik hätten bis-
her die militärischen Vorkehrungen des Karlstädter und Waras-
diner Generalcommandos Abhilfe verschafft, und immer wieder
würden von den durch die Franzosen aufgehetzten und sich
dem Ausmarsche gegen die Serben entziehenden Bosniern
neue Feindseligkeiten begonnen. Trotzdem der kaiserliche Inter-
nuntius (Freiherr von Stürmer) bei der Pforte sehr nachdrück-
liche Formans an den Statthalter in Travnik erlangte, sei es
nicht besser geworden, da dem Letzteren entweder die Macht,
die schuldtragenden Häuptlinge zu paaren zu treiben, oder der
gute Wille fehle, dies zu thun. Es bedürfe also wirksamerer
und augenblicklicher Massregeln. •
Simbschen solle daher von den unter seinem Befehle ste-
henden Waffenfähigen 8000—10.000 Mann Fussvolk und bei-
läufig 1000 Reiter nach ihrer besonderen Eignung zusammen-
bringen, mit diesen nach Crontien aufbrechen, hier alle vei'ftig-
baren Truppen an sich ziehen und sein so gebildetes Corps
mit dem nöthigen Geschütz und Schiessbedarf versehen. Sobald
Simbschen in die Gegend von Karlstadt eingerückt, habe er
sofort den österreichischen Consul in Travnik von seiner An-
kunft zu benachrichtigen, damit dieser, gleichzeitig von der
geheimen Hof- und Staatskanzlei hiezu verhalten, dem Pascha
von Bosnien die bestimmte Erklärung abgebe, dieser möge die
' Siehe Anhang Nr. VI. Actenstiicke der Apologie Nr. 32.
192
bezüglichen Aufträge der Pforte ohne Zeitverlust in Vollzug
setzen, widrigenfalls man bemtissigt wäre, sieh selbst Genug-
thuung zu verschaffen. Das sollte denn auch, falls der türkische
Statthalter die schuldige Abhilfe nicht leisten würde, geschehen,
natürhch mit. der Vorsicht, dass man nach Kriegsrecht nur
wider jene verfahre, die sich gegen die österreichische Grenze
Feindsehgkeiten zu Schulden kommen Hessen. Würde aber der
türkische Pascha die Aufträge der Pforte pünktlich erfüllen,
oder die Ruhe in der Grenze schon vor dem Elintreffen Simb-
schen's hergestellt sein, so habe dieser mit seinem Corps in der
Nähe von Karlsstadt zu bleiben und die weiteren Befehle des
Kaisers abzuwarten.
Dieser kaiserliche Befehl vom 10. August, wurde zwei
Wochen später (25. August)^ aus dem Hoflager zu Totis durch
eine neue Weisung, was die Truppenstärke und. Ausrüstung
betraf, wesentlich eingeschränkt, da sich die Umstände, welche
den Kaiser veranlasst, die Formirung dieses Corps anzuordnen,
geändert hätten. Das Commando der Husarendivision wurde
dem ältesten Sohne Simbschen's, Josef, Major des Gradiskaner
Regimentes, übertragen. Bis auf weiteren Befehl habe Simb-
schen das Generalcommaudo in Peterwardein fortzuführen, und
dasselbe nach seinem Abmärsche Feldmarschalllieutenant Finke
(Peterwardeiner Festungscommandant) zu übernehmen.
Um diese Zeit befand sich aber auch schon auf dem
Wege zu Simbschen der Brief Kara Georgs vom 16./28. August
aus Belgrad, an den sich eine neue Phase der serbisch-öster-
reichischen Unterhandlungen knüpfte.
Gerade zur Zeit, als das Eindringen eines Russenheeres
über die Donau und dessen Erfolge den Krieg der Pforte gegen
die Serben wirksam lähmten und die Serben wieder aufathmen
konnten, fand sich der Oberanführer des Aufstandes bewogen,
mehr denn zuvor den Anschluss an Oesterreich zu suchen.
Es wäre widersinnig, anzunehmen, dass den gewaltigen
Kämpen die reine Vorliebe für Oesterreich beherrschte. Kara
Georg war durch und durch Serbe, ebenso stürmisch tapfer
als mit der Schlauheit des Naturmenschen ausgestattet. Vor
seinen Augen stand als Ziel die Freiheit Serbiens und seine
Herrschaft über das Serben volk, dessen Fesseln er vornehmlich
* Siehe Anhang Nr. VII. Actenstücke der Apologie Nr. 36.
193
gebrochen. Ueberdies hatte die österreichische PoUtik vor lauter
Rücksichten und Besorgnissen noch nie einen herzhaften Anlauf
genommen^ Serbiens Zukunft zu entscheiden, die alten Pläne
zur Vorschiebung der Reichsmacht im Süden der Donau zu
verwirkUchen, Serbien zu schirmen und festzuhalten; Russland
war ihm da zuvorgekommen.
Aber Oesterreich war und blieb doch ein wohlwollender
und wenn auch manchmal zögernder, karger, so doch nütz-
licher, Lebens- und Kriegsbedarf den Serben vermittelnder
Nachbar^ mit dem man es nie verderben durfte. Für Kara
Georgs FtQirerrolle und ernsthche Herrschaflspläne bot Oester-
reich einen Rückhalt, während die Russophilen unter den Ser-
ben ihm abgeneigt waren, scheelen Auges sein Ansehen be-
fehdeten, es zu untergraben sich bemühten.
Seit dem bösen Tage vor Nisch hatte sich ja die innere
Spaltung gemehrt, und der Vertrauensmann Russlands, Rado-
finikin, begünstigte sie, um seinen Anhang zu stärken, Kara
Georg an die Wand zu drücken, gefügiger zu machen.
Der Oberanführer der Serben traute den, Russen nicht,
bei aller Erwünschtheit ihrer Bundesgenossenschaft in schwie-
rigen Lagen, während der Anschluss an Oesterreich der Ac-
tionsfreiheit und der Zukunft Kara Georgs nur forderUch er-
schien.
So erklären wir uns den Inhalt der Zuschrift Kara Georgs
an Simbschen,* dem vor Kurzem, wie oben schon angedeutet,
die Beförderung zum Feldzeugmeister zu Theil geworden war.
Der Oberanflihrer der Serben bezieht sich in seinem
Schreiben zunächst auf eine Besprechung, zu der er den Sem-
liner Militärcommandanten Perss und den ,Bruder^ Milosch
(UroSevid) nach Belgrad zu kommen ersucht habe. Er meldet
sodann, General Radofinikin sei in der Nacht aus Belgrad ent-
wichen und habe die Serben ,treulos verlassen und veiyathen',
und begründete nach einigen Lobsprüchen auf die ,Gunst und
Gnade' des Wiener Hofes und dem Hinweise auf seine Be-
sprechung mit Simbschen vom Jahre 1808, wie es kam, dass
er sein damals gegebenes Wort nicht einlösen konnte. Rado-
finikin habe den Serben abgeredet und sie mit der Einflüsterung
' Siehe Anhang Nr. VIII. Actenstttcke der Apologie Nr. 34. Vergleiche
Beer 214.
ArehlT. Bd. LXXYI. I. H&lfte. 13
194
zurückgeschreckt; dass ihr Anschluss an den österreichischen
Hof so viel wie ihre Auslieferung an die Türken bedeute.
Ueberdies habe der russische General gesagt, zwischen
den Russen und Franzosen sei die Auftheilung der
österreichischen Länder bereits ausgemacht, so dass
Serbien bei den ^Deutschen' keine Hilfe finden könne.
Der kaiserliche Hof und Simbschen mögen den Serben
ihr Schwanken verzeihen, sie wieder in den Schutz Oesterreichs
aufnehmen und zunächst mit den unumgänglichen Erfordernissen
versehen. Leider könne er augenblicklich zu einer Besprechung
mit Simbschen nicht erscheinen, da er Kriegsvorbereitungen an
der Morawa treffen müsse; sobald er aber abkommen könne,
werde er sich einfinden und sich auch dem Kaiser vorstellen.
Vorläufig schicke er mit diesem Schreiben und mündlichen
Aufträgen seinen Bevollmächtigten Stephan Jeftid ab. Wahr-
scheinlich werde Simbschen vom Semliner Commandanten Perss
über seine Besprechung mit Kara Georg die Meldung erhalten
haben. Den Milosch Uroäeviö wolle Simbschen in Semlin be-
lassen, da er als Unterhändler sehr nothwendig sei.
Der Bitte um baldige Antwort entsprach Simbschen am
Tage des Eintreffens der Botschaft Kara Georgs (30. August)
mit wenigen Zeilen, worin er die Uebergabe der Zuschrift Kara
Georgs durch Jefti6 und das Eintreffen der Meldung des Ober-
sten Perss über die Besprechung mit dem OberanfUhrer der
Serben bestätigt und mittheilt, dass er das Schreiben Kara
Georgs und den Bericht über die mündlichen Aussagen seines
Secretärs Jofti«; dui'ch einen Courier an den Kaiser befördert
habe. Kara Georg wisse ohnehin, dass Simbschen auf eigene
Faust nichts unternehmen dürfe, bis er nicht von seinem Hofe
dazu beauftragt sei.'
Am gleichen Tage (30. August 1809) erstattete Simbschen
an seinen Vorgesetzten, Feldmarschall Grafen Wenzel Colloredo,
nach Pest einen umständlichen Bericht als Einbegleitung des
Schreibens Kara Georgs. ^
Gestern (29. August) sei ihm durch den Semliner Militär-
commandanten, Obersten Peres, die Meldung von dem Ver-
schwinden des russischen GeneraJconsuls Radofinikin aus Bel-
^ Anhang Nr. IX. Actenstücke der Apologie Nr. 86.
^ Anhang Nr. X. Actenstücke der Apologie Nr. 33.
195
grad und der Erklärung Kara Öeorgs, er bitte um den Schutz
Oesterreichs, zugekommen. Heute sei der Secretär des serbi-
schen Oberanflihrers, Stefan Jefti6, in Begleitung des Land-
wehrhauptmannes Milosch UroSevid eingetroffen und habe ihm
das Schreiben Kara Georgs in serbischer Urschrift sammt dessen
deutscher Uebersetzung eingehändigt, nebst der mündlichen
Erklärung, Kara Georg sei ganz bereit, die Festungen Bel-
grad, Semendria und Schabacz als Unterpfand der echten
und aufrichtigen Gesinnungen der Serben zur Besetzung mit
österreichischen Truppen auszuliefern. Sollten aber die bestehen-
den Verhältnisse der Uebemahme und Besetzung der erwähnten
Festungen hinderlich sein, so wolle der österreichische Kaiser
durch einen Courier an den Befehlshaber der Türken und sei-
nen Internuntius in Constantinopel bei der Pforte einen Waffen-
stillstand zum Heile der Serben auswirken.
Simbschen habe seinen Weisimgen entsprechend an Kara
Georg geantwortet. Da ihm die politischen Verhältnisse der
Cabinette unbekannt seien, so unterbreite er den Gegenstand
der Allerhöchsten Entschliessung und bemerke nur, dass er
nach Abschlag aller sonst in Verwendung stehenden Truppen
gegebenen Falles an 30.000 wehrftlhige Grenzer — unter dem
Befehle des FeldmarschalUieutcnants Fincke, der Brigadiers Frei-
herrn von Ricsan, Marquis Vasquez und des Obersten Obuöiua
— aufbieten könne, von denen allerdings 13.000 nicht bewaffnet
seien und für deren Ausrüstimg erst gesorgt werden müsste.
Es währte ziemlich lange, bevor die kaiserliche Weisung
an Simbschen eintraf; war es doch die Zeit der Kämpfe zwischen
der Friedens- imd Bjriegspartei am Hoflager zu Komorn und
Totis, welche das Nachspiel der Wagramer Schlacht und des
Znaimer Waffenstillstandes (14. JuU) bilden, des neuen Rüstens,
Hin- xmd Herschiebens der verfUgbaren Truppen, des Zaudems
und Schwankens.
So war z. B. Simbschen, da die früher nothwendig er-
schienene Demonstration gegen Bosnien unterblieb, ausersehen
gewesen, den Landsturm Lmerösterreichs werkthätig zu unter-
stützen, die Befreiung Innerösterreichs und der Seeküste zu
erleichtem und zu beschleunigen. Am 16. September 1809
schrieb Kaiser Franz aus Totis an seinen Bruder Erzherzog
Johann, dem die Aufgabe der Weiterftlhrung des Krieges
gegen Napoleon zugedacht war, auf die Ankunft des Feldzeug-
13*
196
meisters Simbschen mit Truppen aus Slavonien könne wegen
neu eingetretener Umstände nicht gerechnet werden, wie es
dem Erzherzog bereits bekannt sei. Statt Simbschen's werde
Feldmarschalllieutenant Knesevich mit 10.000 — ll.OOÖ Mann
im Bjriegsfalle eingreifen.^
Erst vier Tage nach dem Abschlüsse des Wien-Schön-
brunner Friedens vom 14. October 1809, dem kostspieligsten
und drückendsten, welchen Oesterreich je geschlossen, erging
das kaiserliche Handschreiben an Simbschen^ als Erledigung
seiner Eingabe vom 30. August. Der Letztgenannte war inzwi-
schen bemüht gewesen, die Serben in ihrer guten Stimmung
für Oesterreich warm zu halten, die Erfolge Napoleons zu ver-
schleiern und die Friedensverhandlungen als eine Folge des
Ansuchens Frankreichs bei dem widerstandskräftigen und
kampfbereiten kaiserlichen Hofe darzustellen.
Wenn die Nachricht von der fertigen Thatsache des
Friedens und den grossen Einbussen Oesterreichs hiebei die
Serben eines Anderen belehren musste, so konnte auch der
Inhalt der kaiserlichen Entschhessung vom 18. October, ein
Ausfluss des Vortrages, den der künftige Staatslenker Oester-
reichs, Graf Metternich, damals bereits mit einer Hand am
Ruder, den 10. d. M. über den Antrag Kara Georgs erstattet
hatte, den Oberftlhrcr der Serben überzeugen, dass der kaiser-
liche Hof vorderhand nur die Wiederaufnahme seiner ,diplo-
matischen Action bei der Pforte zu Gunsten einer An-
näherung zwischen beiden Theilen auf einer billigen Grandlage'
zusagen wolle.
1 Kaiser Franz an Erzherzog Johann. Totis, 16. September 1809 (Nach-
lass Erzherzog Johanns): ,Lieber Herr Bruder Erzherzog Johann!
Um den Landsturm in InnerOsterreich werkthätig zu unteratiitzen und
die Befreiung Inneroesterreichs und der Seeküsten zu erleichtem und
zu beschleunigen, habe ich bei dem Umstände, wo auf die Ankunft des
FZM. Simbschen mit Truppen aus Slavonien wegen neu eingetretener
Umstände vor der Hand nicht gerechnet werden kann, wie es E. L. be-
reits bekannt ist, ungefähr 10.000 — 11.000 M. unter Commando des FML.
Knesevich bestimmt, welche im Falle der Fortsetzung des Krieges theils
gegen Steiermark, theils gegen Krain und die Seeküste zu wirken haben
werden . . .*
^ Actonstücke der Apologie Nr. 37, siehe Anhang Nr. XL Auch von
Beer S. 216 citirt. Vgl. auch den hier Analekten, S. 800—802 abgedruck-
ten Vortrag des Ministers Metternich vom 10. October (Totis) über
die serbische Frage.
197
Simbschen wird in diesem Erlasse beauftragt^ sich alle
Mühe zu geben, ,die wirklichen Gesinnungen des serbischen
Anflihrers zu erforschen und jede Compromission des Letzteren
gegen Uns auf officiellem Wege zu befördern; da sie in jeder
Hinsicht sowohl zu näherer Kenntniss der Lage der Dinge als
zu einer nützUchen Ausdehnung unseres Einflusses in die ser-
bischen Angelegenheiten wünschenswerth ist^
Der Peterwardeiner Commandant und Vertrauensmann
der österreichischen Regierung in der bewussten Sache liess es
an BemtLhungen in diesem Sinne nicht fehlen, wie dies sein
Bericht vom 11. December 1809 bezeugte Auch gelang es
ihm, die Auslieferung österreichischer Deserteurs von Seite der
Serben zu erwirken, und andererseits behielt er ein wachsames
Auge für jene seit 1808 bemerkbaren Agitationen, einge-
schmuggelten Flugschriften und dergleichen, welche unter
den Serben Ungarns das Erstehen eines neuen grossser-
bischen Reiches und den Anschluss an dasselbe verkündigten.
Simbschen, der es als seine Aufgabe und auch als Ehren-
sache ansah; das Verhältniss Oesterreichs zu Serbien auf das
Geleise einer endgiltigen Abmachung zu lenken, den Stein ins
Rollen zu bringen, entschloss sich zu einer persönlichen Ver-
ständigung mit Kara Georg und dem Senate der Serben; die
Besprechung fand in der That den 28. December 1809 statt,
und ihr Ergebniss wurde die am nächsten Tage ausgefertigte
Zuschrift Kara Georgs und des Senates; sie fUhrt als Datum
den 17./29. December. ^
In den Eingangsworten geschieht der ,mündlichen Unter-
redung' mit Simbschen vom 28. December Erwähnung; ausser-
dem wird der ,Briefe' gedacht, aus denen man neuerdings Be-
weise ,von der angeborenen Milde und väterlichen Gnade' des
Kaisers gewonnen habe. Hiemit erscheint offenbar die kaiser-
liche Weisung vom 18. October an Simbschen und der Auf-
trag an den Internuntius zu Unterhandlungen mit der Pforte
gemeint.
Das weitere Schreiben überfliesst von Dankgeftihl und
Vertrauen für das werkthätige Wohlwollen des Kaisers und
* Actenstücke der Apologie Nr. 38. Vgl. über den Gang der österreichi-
schen Politik Beer S. 214-220.
3 Ebenda, Nr. 40. Siehe Anhang Nr. XU. Vgl. Beer 217—218.
198
iinterlässt es auch nicht, die eigene Haltung gegen die Pforte,
den allgemeinen Aufstand ,der Serben gegen ihren gesetzlichen
Kaiser' (den Sultan) durch die ,vielen Ungerechtigkeiten und
Unbilden', welche man erlitten habe, zu rechtfertigen.
Als Grundlage eines Ausgleiches mit der Pforte werden
der österreichischen Regierung nachstehende Punkte als Er-
gebniss des gepflogenen Uebereinkommens unterbreitet:
i. Der Kaiser von Oesterreich wird der Schatzherr
Serbiens.
2. Allgemeine Amnestie von Seite der Pforte für AUes,
was während des ganzen Krieges auf Seite der Serben began-
gen wurde.
3. Die Serben sollen als ,Contribuenten und beziehungs-
weise Vasallen der ottomanischen Pforte zu keinem andern
Dienste' verpflichtet sein als zur Entrichtung der auszumachen-
den Abgaben im Baaren.
4. Zwischen den tributären Serben und den Türken soUen
als Grenze die natürhchen, durch Berge und Flüsse bestimmten
Marken und die von ihnen gegenwärtig innegehabten und be-
wachten Stellungen anerkannt werden. (Nun folgt die förmliche
Grenzbeschreibung.)
5. Diese Grenze soll von keinem Theile anders als einzig
und allein in Handelsangelegenheiten überschritten werden.
6. In Belgrad habe ein kaiserlich österreichischer
Consul seinen ständigen Sitz, welcher noch vor Anfang des
künftigen Congresses eintrefi^en soll.
7. Der Beschluss über jeden wichtigen Erlass, der von
der kaiserlichen Regierung an die serbische Nation erlassen
wird, soll dem österreichischen Monarchen durch einen der
serbischen Abgeordneten eingehändigt werden.
8. Deshalb hat ein Vertreter der serbischen Nation
in Wien zu bestehen als Empfänger der Briefschaften seiner
Landsleute und Uebernehnier der kaiserlichen Antworten und
EntSchliessungen.
9. Der Tribut an die Pforte soll auf dem gleichen Wege
durch den österreichischen Gesandten dem Sultan eingeantwortet
werden.
10. Jeder rechtgläubige Christ, der unter den Serben an-
getrofi*en wird, könne auch hier ferner verbleiben, ohne dahin
zurückkehren zu müssen, wohin er zuständig ist.
199
11. Die in serbischer Gefangenschaft befindlichen Türken
sollen gegen gefangene Serben ausgewechselt werden.
12. Für den Friodenscongress sei ein Ort in den öster-
reichischen Staaten auszuersehen und demselben nicht blos die
Vertretung der Serben und der Pforte, sondern auch anderer
Potentaten beizuziehen. Damit jedoch die nothwendigen Vor-
arbeiten ihren ungestörten Verlauf nehmen könnten, wolle der
Kaiser einen Waffenstillstand vermitteln, der ohne sein
Vorwissen weder gebrochen noch verlängert werden dürfe.
Bevor diese bedeutsame Kundgebung aus Belgrad, von
Kara Georg und dem Senate unterschrieben, durch die Hände
Simbschen's den Weg nach Wien einschlug, hatte der Vortrag
Metternich's vom 23. December 1809 den Inhalt des kaiser-
lichen Handschreibens^ vom 30. December vorgezeichnet, das
als Ergänzung des Bescheides vom 18. October zu gelten hat
und sich mit der Depesche Simbschen's vom 4. Jänner 1810^
als Einbegleitung der Belgrader Punctationen kreuzte.
Die Absicht des Kaisers ginge dahin, heisst es in der
Weisung des Monarchen, vorderhand nichts unversucht zu
lassen, um eine aufrichtige Aussöhnung zwischen den streiten-
den Theilen gegen billige, den künftigen Ruhestand der
Serben wider jede Willkür sichernde Bedingnisse zu Stande
zu bringen.
Der kaiserliche Internuntius zu Constantinopel sei hierüber
mit bestimmten Weisimgen verschen worden, über welche
noch gegenwärtig das strengste Stillschweigen beobachtet werden
müsse, um kein unzeitiges Aufsehen zu erregen. Inzwischen
habe Simbschen die Serben mit gehöriger Vorsicht und, ohne
der Action des Internuntius bei der Pforte im geringsten zu
erwähnen, auf die Möglichkeit eines Ausgleiches mit der
Pforte nach und nach vorzubereiten und auf diesem Wege auch
die bezügüchen Wünsche derselben, die ihnen am wichtigsten
erscheinenden Bedingungen zu erfahren, die man als Grundlage
einer künftigen Unterhandlung annehmen könnte.
Simbschen möge in dieser Richtung durch geschickte
Emissäre besonders auf den Handelsstand und die unteren
Volksclassen der Serben als ruheliebende Elemente einwirken
' Actenstücke der Apolo^e Nr. 41 uud Anhang Nr. XIII. VpK Hoer
217.
' Actenstücke der Apoloj^o Nr. 39.
200
und die Bereitwilligkeit des- Kaisers andeuten, demnächst einen
Agenten oder Consul nach Belgrad zu senden^ damit er dort
als Rathgeber und Vermittler wirke. Selbstverständlich sei
auch Georg Pctrovi6 davon zu verständigen und das Vertrauen
der Serben durch ein gefklliges Benehmen und eine und die
andere Erleichterung in Hinsicht der bestehenden AusAihrsperre
zu gewinnen.
Gegen den russischen Agenten Radofinikin und die
französischen Offi eiere in Belgrad habe sich Simbschen
freundschaftlich zu benehmen, jedoch einen wie den andern
so viel als möglich im Auge behalten zu lassen und das dies-
falls Erhobene so wie alle sonstigen Vorfälle und bemerkens-
werthen Symptome der allgemeinen Stimmung drüben dem
Kaiser ,schleunig und ausführlich einzuberichten^
Als nun jene Kundgebung Kara Georgs und des serbischen
Senates von Simbschen den 4. Jänner 1810 nach Wien beför-
dert wurde und man die Belgrader Bedingungen mit den ziem-
lich gleichzeitigen Anerbietungen der Pforte vergUch, zeigte
sich der 9chrofFcn Gegensätze weit mehr als der ^discutirbaren
Punctationen^ ' Denn der Divan war nur erbötig, den Serben
eine allgemeine Amnestie zu gewähren, den verhassten Befehls-
haber Kuschan Ali abzurufen, die Einhebung des Tributes nicht
mehr den türkischen Finanzbeamten, sondern dem Gouverneur
in Belgrad zuzuweisen und alle Steuerrückstände nachzusehen.
Dagegen müssten aber Kara Georg und die übrigen Serben-
häuptlinge für immer beseitigt werden, wofür die Pforte ihnen
eine sorgenfreie Existenz verbürge. Als Grundbedingung eines
Ausgleiches machte die Türkei den Ausschluss jeder fremden
Bürgschaft oder wie immer gearteter Einmischung und ,die
Verzichtleistung auf die Idee von Independenz von Seite der
Serben' geltend, sie hielt somit den Standpunkt des Herrschers
gegenüber aufständischen Unterthanen fest.
Mettcrnich's Vorschläge gingen nun allerdings dahin, der
Pforte nahezulegen, dass eine Beseitigung der Führer des
Serbcnvolkes vor der Anbahnung eines Ausgleiches denselben
von vornherein unmöglich machen würde, imd dass sich der
Sultan mit der Hauptsache, mit der Zahlung des Jahrestributes
von Seite der Serben begnüge, denen die eigene Regelung
1 Vgl. Beer 218 f. Ranke 141.
201
ihrer inneren Verhältnisse zu überlassen wäre. Die Bereit-
willigkeit Kara Gkorgs und des Senates zu einem Waffenstill-
stände könne die Pforte zu einer Entzweiung der Serben mit
den Russen benützen. Dagegen solle man dem ObcranfUhrer
der Serben begreiflich machen^ dass die Beibehaltung des
Senates und der Ausschluss aller türkischen Behörden jedem Aus-
gleiche unübersteigliche Hindemisse bereite. Uebrigens hoffe man
bei der Pforte eine Amnestie im ausgedehntesten Sinne des
Wortes, die Ableistung des Tributes in Belgrad und die Ent-
fernung der türkischen Beamten aus Serbien zu erwirken.
Der E^ser, in dessen Augen die Serben unter allen Um-
ständen ^Rebellen gegen die gesetzliche Herrschaft^ blieben,
wollte jedoch nichts davon wissen, dass man den Anführern
der Serben bestimmte Hoffnungen auf eine Amnestie eröffne,
und gab den Auftrag, in den Weisungen an Simbschen möge
überhaupt Alles vermieden werden, was nicht in den Aeusserun-
gen der Pforte vollkommen begründet sei.
Diese unfruchtbare Politik der Neutralität und des Aller-
weltfreundseinwollens, begehrlicher Zurückhaltung und halber
EntSchliessungen wurzelte allerdings in dem eonservativen
Princip und Rechtsgefühle des Kaisers, in der begreiflichen
Scheu vor neuen Verwicklungen und Gefahren und entsprach
auch den schwer geschädigten Machtverhältnissen des Staates,
der Aengsthchkeit der Kronräthe, — aber sie konnte bei den
Serben, denen man die eine Hand winkend, die andere ab-
wehrend entgegenhielt, keinen günstigen Eindruck machen,
und sie trug ihre schlechten Früchte, denn sie leitete das Wasser
auf Russlands Mühle.
Es darf uns nicht Wunder nehmen, wenn Simbschen, der
Militär, den vorgeschriebenen diplomatischen Eiertanz schliess-
lich nicht zur Zufriedenheit ausführte, wenn er den ,Intentioncn^
der Cabinetspolitik vorzugreifen schien.
Bis zum März des Jahres 1810, in welchem sich ein Er-
eigniss ersten Ranges, die Vermählung Napoleons mit der
österreichischen Kaisertochter, vollzog, schweigen die
Acten über Simbschen's Unterhandlungen mit den Serben.
Dann sprechen sie wieder.
202
VII.
Oesterreich und die serbische Angelegenheit Tom MSrz
des Jahres 1810 bis zum Abschlüsse der AmtsthStigkelt
Slmbschen^s (Noyember 1810).
Das Neujahr 1810 bescheerte den Serben manchen
schweren inneren Zank und Hader. Kara Georgs Vorherrschaft
hatte ihre Gegner, die Oligarchie der Gospodaren erhob sich
wider Petroviö, und sein Liebäugeln mit Oesterreich verdross
die namhaft verstärkten Russophilen. Zunächst kehrte sich der
Sturm gegen seine Vertrauten, Mladen und Miloje, die er nun
preisgeben musste; Jakob Nenadovic, der Führer der Opposi-
tion, trat an die Spitze des ,Sowet^, des Senates, und räumte
hier auf.*
So gewannen die Russen immer mehr Boden, und nicht
vergebhch erhess Kamensky, der neue Feldherr der CBaren-
armee, die den Tllrkenkrieg 1810 mit verstärkten Kräft;en und
noch grösseren Erfolgen wieder aufiaahm, jenen Aufruf an die
Serben, worin er sie als Brudergenossen eines Stammes und
Glaubens begrüsste; auch ihres Hauptes, Kara Georg, wurde
kltlglicher Weise ehrend gedacht.
Kara Georg blieb an der Spitze, ihn wagte man nicht zu
stürzen, die Gegnerschaft begnügte sich mit dem obigen &-
folge und mit dem Siege der Sympathieen für Russland.
Der Oberanführer hatte sich Mladen's und Miloje's entschla-
gcn. Letzterem konnte er ohnehin die Schlappe vor Nisch nicht
vergeben; man hörte im Juni 1809, er habe ihm den Tod zu-
gcschworen. Das muss sich dann wieder äusserHch etwas be-
glichen haben, aber Miloje misstraute ihm seither, und als man
ihn ächtete, Kara Georg nach ihm fahnden liess, flüchtete er im
Februar 1810 auf österreichischen Grenzboden.
Den 28. d. M. meldete Oberst Perss aus Semlin,* der
serbische Anführer Miloje Petrovi6 sei herübergekommen und
habe erklärt, hier zu bleiben und österreichischer Unterthan
zu werden. Diese Flucht musste in den Augen Kara Georgs
als Vcrrath an der Serbensache gelten. Miloje war Deserteiu*,
» Ranke 142, 146 f.
2 Apologie. Auszug^ aus dem Peterwardeiner PräsidialprotokoUf politisches
Departement.
203
und gestützt auf jene Abmachung mit Simbschen, derzufolge er
seinerseits die Wegelagerer und österreichischen Ueberläufer in
ziemlicher Zahl einfangen und über die Donau schaffen Hess *
und das Gleiche vom Commandanten Peterwardeins erwarten
durfte^ begehrte Elara Georg alsbald die Auslieferung Miloje's,^
der nach seiner ,Auscontumacirung^ zu Semlin auch handfest
gemacht wurde.
Aber gleich darauf berichtet auch (7. März 1810) das
Semliner CommandO; der arretirte Miloje Petrovi6 wolle Seiner
Majestät selbst oder dem commandirenden General wichtige
Entdeckungen machen.^ Miloje wurde nun den 13. März 1810
von Semlin nach Peterwardein escortirt, Verhören und Confron-
tationen mit Genossen seiner früheren Räubereien unterzogen
und am 13. April der serbischen Regierung ausgeliefert. Die
Weisung des Hofkriegsrathes vom 7. d. M., Miloje, falls er
noch nicht ausgeliefert sei, nach Temesvär schaffen zu lassen
und dem serbischen Oberanflihrer eine ,dilatorische^ Antwort
zu geben, ging erst am 11. April von Wien ab und traf, wie
' YerzeichniM der am 6. December 1809 von Kara Georg dem serbischen
Senate ausgelieferten ,Räaber*: Kuzman Ugodics von Feldvar, Adam
Markovics vom Job. Jellaöid'schen Infanterie-Regiment, Pantelia Pantolics,
Jakob Theodorovics, Szavakovics, Jovan Petrovics vom Peterwardeiner
Grenzregiment, Jovan Mitrovics alias Nikolics, Nedelka Jovanovics, Sem-
liner Insassen, Maxim Millovanovics vom Deutsch- Banater Grenzregi-
ment. Verzeichniss der am 30. December 1809 aus Belgrad nach Semlin
in die Contumaz ausgelieferten Räuber, nämlich': Jovan Maletics von
Kupinovo, Jovan Stettics von Ogar, Jakob Dobrilovics von Pervo, Theo-
dor Petrovics von Ogar, Aiidrio Szeinsevics von Kleuak, Rudivoj Klaics
von Klenak; gesammte vom Peterwardeiner Grenzregiment.
1810, 28. März. Nachstehende Personen wurden von dem Peter-
wardeiner Generalcommando zur Auslieferung seitens der Serben verlangt:
1. Achim Gavrilovics, 2. Michailo Stivkovic, 3. Dimitar Odorovaczky,
4. Ivan Kopansky, 5. Prokopia Keresztics, 6. Zaria Jeremies, 7. Jevren
H., 8. Glisa N., beide von Vukovar, 9. Avram Babics, 10. Nikola Kuz-
manovics, 11. Ignaz Oztoics, 12. Pavo Jurisics, 13. Axentia N. Polievcze,
14. Dimitri Nogics, 15. Marko N., 16. Maxim N., Deserteur vom Regi-
ment Jelladid, 17. Jakob Czerni, 18. Vaczo N., 19. Gliso Milinkovics,
20. Jovan N., 21. Czerni Kusman, 22. Andrie Bershlics, Harambassa.
Apologie, Actenstücke; Auszüge aus dem Peterwardeiner Präsidialprotokoll.
• 2. Mi^. Meldung des Obersten Perss aus Semlin. Ebenda.
• 7. März. Meldung des Obersten Perss aus Semlin. Ebenda. Siehe An-
hang Nr. XXVI imd die Darlegung des Sachverhaltes im Texte der
Apologie von 1816.
SiiiibBchcn darlegt, zu apRt ein. Eftra Geoi^ verftigte Miloji
lltnriclitung, wolchc am 15. April zu Schabacz stattfand.
äiiiibscheii hielt aicli streng an die vorgcaciclinotc Nen-
tralitJlt. Er widerrietli in einer Vorstellung (13. JSnner 1810)
die von den Serben in Wien augesnchto Ausliilfc mit Munition,'
Anders glaubte er aus Rilcksichten der Reciprocität in
Fall Milojo PotroTi6 handeln zu müssen, und ebenso war
bereit, die Verhandlungen zwischen Eara Qeorg und
Wiener Hofo zu fördern. Er versprach wiederholt die
tuello Auslieferung Milojc's und liess durch den ciuen der So»
lÄrc des serbisehcn Oberanlllhrers, dessen Verwandten, Jainüii
Dimitriovic, seinen Rath und seine guten Dienste nach Bel-
grad entbieten, wie dies auch aus dem Schreiben Kara Geoi^
vom 4. 16. Milrz 1810 hervorgeht.*
Der OberanfÜbrer der Serben orklllrt sich entsi
dem Winke Simbschen's durch die Sendung des Senat
Ivan SKavid-Jugovi6 nach Wien mit einem Glücksi
zur Heirat der Kaiserstochter nachzukommen, und bittot
Corauian dir enden, seinem Versprechen gemÄse, dem gei
Soudbotcn seinen Sohn, den Orcnxennajor Josef v. Siml
als Boglcitcr mitzugob<.^n.
Dieses Glückwunschschreiben, von Kara Georg nnd
Bdgmder ,NBtionalseDate' unterseichnet, preist die Vorsehanff,
die den ,heroischen Geist' Napoleons zur ehelichen Vor-
kiiulung mit der Tochter de« Kaisers von tlesterreich bei
Der grösste Theil von Europa segne diese .innigste Verbtnidi
An «wci mächtigsten Höfe' als ßUrgscIuil\ kommender ,£oU<
Zeilen'. Das S«rbenvolk hofft von dem Monarchen
fireiung, vorweist auf seine Bitton vom December des
ÖIO)
ion,' ^_
inüi^^^
■ Sn iiUBMI iich ätDabKtw« in wiaer ApulD^f*.
Am Sarbwi oin* t)M«illi Blaä, t*«hrvr wri FMMntalsa nbmMM ca
r laiu iB ••(»•■ Tnraac« u 4*« K«iMr ak Wt— auh. mät
m Chttainiiht «inntBter «ad Mm iliiilihiMi
■illrkn *tt A|mfc^ Kr Vt Si*4« Anhanx^ SXZT «•AXX.V.
■""Vfl Butt ai t »»J AMlAtrL: <— 'T ■
205
fenen Jahres^ wünscht — wie immer — ,xinter dem glorreichsten
Scepter Oesterreichs seine Glückseligkeit zu finden^ und über-
liefert das mit seinem Blute theuer erkaufte Loos Serbiens
den Händen des Kaisers von Oesterreich und Napoleons des
,Ghro8sen^
Bevor diese neue serbische Botschaft in Wien eintraf,
erliess» damals, als Vertreter seines nach Paris abgegangenen
Sohnes, Fürst Georg Metternich, im Namen des Kaisers
eine Weisung an Simbschen, um damit seine Eingabe vom
4. Jänner 1810' zu erledigen und ihn mit den Grundsätzen
vertraut zu machen, nach welchen der Kaiser die serbischen
Angelegenheiten von österreichischer Seite behandelt wissen
wolle. Vergleichen wir diese Note mit dem Gutachten des
Grafen Metternich, das wenige Wochen vorher (3. Fe-
bruar 1810) erstattet wurde, so begegnen wir darin neben
mancher üebereinstimmung einem wesentUchen Unterschiede.
Hier wie dort ist von dem wohlverstandenen Interesse Oester-
reichs an der Wiederherstellung der Ruhe Serbiens die Rede,
von der Rückkehr desselben unter osmanische Herrschaft und
von der Unmöglichkeit für die Wiener Regierung, unter den
,gegenwärtigen Conjuncturen^ . öffentHch als Vermittler aufzu-
treten. Während sich jedoch der Vortrag des Ministers
Metternich (vom 3. Februar 1810) in ausflihrUcher Weise über
die dem kaiserlichen Intemimtius bei der Pforte zu ertheilenden
Weisungen, andererseits über beschwichtigende und herabstim-
mende Winke flir den Oberanführer und den Senat der Serben
verbreitet, entschlägt sich in der Note vom 21. März 1810 an
Simbschen das Wiener Cabinet einer jeden directen Theil-
nahme am serbisch-türkischen Friedenswerke und be-
auftragt den Commandirenden von Peterwardein, dem serbischen
Senate bekannt zu geben, dass sich dieser von nun an ohne-
weiters an den Vollmachtträger der Pforte, Redscheb-Aga,
Befehlshaber in der Festung Orsova, wende. ^
Das war allerdings nicht sehr aufmunternd, weder ftlr die
Serben, noch für Simbschen. Dennoch fand sich in dieser Note
ein geheimes Hinterpförtchen erschlossen. Es bleibe nämlich
1 Actenstücke der Apologie Nr. 39.
> Ebenda Nr. 42. Siehe Anhang Nr. XVI. Vgl. Beer 22t; Analekteu 803
Uf 806. Der Vortrag vom 3. Februar 1810.
206
dem Ermessen und der Bekanntschaft Simbschen's mit der der-
maligen Stimmung der Gemtither drüben anheimgestellt, Mittel
und Wege zu linden, die von der Pforte einstweilen gemachten
Zugeständnisse in gaAz imverftlnglicher Weise zur Kenntniss
der gemeinen Volksclassen (Serbiens) zu bringen, da die letz-
teren nunmehr Alles erhalten, was sie verlangen, und die Führer
wahrscheinlich durch die allgemeine Stimme gezwangen wer-
den könnten, sich in der Unterhandlung geschmeidiger zu be-
zeigen/
Diese Weisung erhielt Simbschen den 30. März, zwei
Wochen später als die Belgrader Botschaft vom 4./17. März.
Jugovi6 und Simbschen's ältester Sohn machten sich den
19. März auf den Weg nach Wien und mussten hier mehrere
Wochen verweilen, bevor ihnen ein Bescheid zu Theil wurde.
Zu dieser Angelegenheit bietet Simbschen's Apologie vom
Jahre 1816 nachstehenden Commentar.
Schon Anfangs März 1810 Uess ihm Elara Georg die ver-
trauliche Mittheilung zukommen, er hätte aus Wien von seinen
dort befindhchen Glaubensgenossen imd Vertrauensmännern die
Nachricht erhalten, der Kaiser von Oesterreich habe aus Anlass
der fälschUchen und erdichteten Anzeige, der russische Staats-
rath Radofinikin sei mit russischen Truppen nach Serbien ge-
kommen, um von diesem Königreiche Besitz zu nehmen, — be-
schlossen, die serbische Nation ihrem eigenen Schick-
sale zu tiberlassen, jede österreichische Vermittlung bei der
Pforte abzulehnen und die Serben mit ihren Anträgen an den
Kuschanczy Hallil-Aga imd an den Redscheb-Aga zn
verweisen. Die serbische Regierung habe daher an die Beiden
Abgeordnete entsendet, um doch einstweilen, bis die kaiserliche
Antwort in Betreff der zugesagten Vermittlung eingetroffen wäre,
einen Waffenstillstand herbeizuftihren. Kuschanczy Hallil-Aga
habe jedoch die Abgeordneten als ,Rebellen' einkerkern, Red-
scheb-Aga ausserhalb der Festung Orsowa warten und beschei-
den lassen, ,er wolle mit den servischen Schw , die sich
mit russischen Schw beloffen^, nichts zu thun und zu
sprechen haben, Aeusserungen, die so gut wie das Benehmen
des erstgenannten Amtsträgers der Pforte nichts weniger als
unglaublich erscheinen.
Kara Georg bäte daher den Feldzeugmeister um seinen
Rath, was zu thun sei, um des kaiserlichen Schutaes theilhaftig
207
zu werden, da jetzt durch die Vermählung der Erzherzogin
Marie Louise mit dem Kaiser Napoleon ein Freundschafts- und
Verwandtschaftsband geknüpft sei, und die friedlichen Verhält-
nisse aller europäischen Staaten von dem mächtigen Schutze
dieser beiden Monarchen abhingen.
Simbschen beantwortete diese vertraulichen Anfragen und
Mittheilungen dahin, es sei das Beste, vorderhand den kaiser-
lichen Bescheid auf seine Eingabe vom 4. Jänner 1810 abzu-
warten, da bei der noch rauhen Jahreszeit die Türken den
Feldzug gegen Serbien nicht unternehmen dürften. Die Nach-
richt der Wiener Vertrauensmänner Kara Georgs rücksichtlich
der Ablehnung des Friedenswerkes von Seite des Kaisers käme
ihm ganz unwahrscheinlich vor. Immerhin wäre es möglich,
dass der Einfluss Russlands und das zweideutige Benehmen
der serbischen Nation, die immer nur Schutz imd Vermittlung
bei Oesterreich nachsuche und andererseits von Selbstständig-
keit träume, den Anlass zu dieser Ablehnung darbieten
konnten.
Die Serben durch die neuen Rüstungen der Pforte beun-
ruhigt und lange vergeblich eines Bescheides aus^ Wien gewärtig,
schickten nun den Secretär Stefan Jefti6 und den Synodal-
beisitzer Jainitie Dimitrievi6 mit einer Deputation nach Peter-
wardein, um hier die Capitulation Belgrads abzuschliessen und die
Abmachung der Synode oder dem Senate der Serben vorzulegen.
Simbschen erklärte ihnen, er werde ihren Antrag, Belgrad dem
Kaiser auszuliefern, dem Wiener Hofe melden, nur müssten sie
unbedingte Unterwerfung unter den Scepter Oesterreichs geloben
und den Unterthanseid mittelst einer Homagialurkunde durch
eine Botschaft an den Kaiser gelangen lassen.
Um aber alle Compromittirung des Hofes zu vermeiden,
Hess Simbschen dem serbischen ,Nationalrath-Kanzler^ Szavi6
Jugovi6 einen Pass unter dem Titel eines Handelsmannes aus-
fertigen und gab ihm seinen Sohn, Major v. Simbschen, zum
Begleiter.
Was nun diese Peterwardeiner Vereinbarung betrifft,
so kam thatsächlich die Ausfertigung und Uebergabe der
Homagialurkunde zu Stande, und Simbschen nahm keinen An-
stand, auf ausdrückliches Verlangen der serbischen National-
synode, in Gegenwart des Erzbischofs Metropoliten Stratimirovi6
V. Kolpin, des Adlatus, Öeneral-Feldmarschalllieutcnant Frei-
208
heim von Finke und des Semliner Militärcommandanten, Ober-
sten Peres zu Karlowitz, einen Tag vor der Abreise des
Kanzlers Jugovi6 und des Majors von Simbschen nach Wien,
den Nationalhäuptem der Serben zu veraprechen und zu ge-
loben, dass Simbschen, von dem Augenblicke der kaiserlichen
Entgegennahme jener Homagialurkunde an, die serbische Nation
den kaiserUchen Absichten gemäss in Allem unteretützen
wolle, wie dies die vom Oberaten Perss und vom Senator
Stanisavlevid — als beidereeitigen Vollmachtsträgem — ver-
einbarten Capitulationspimkte besagten.
Simbschen hatte geflissentlich als Ort dieser Abmachungen
nicht Peterwardein, sondern Karlowitz erkoren und ausser den
betheiligten Personen Niemanden zugelassen. Er hoffte so das
Geheimniss besser zu wahren, und in dieser Hoffnung bestärkte
ihn das Gerücht, die serbische Nation habe eine Botschaft nach
Wien gesendet, um sich ihn als obersten Anführer zu er-
bitten. Diese ,falsche Sage^ bestärkte ihn nur in der Annahme,
dass die beiderseitigen Unterhändler über den eigentlichen
Sachverhalt reinen Mund gehalten hätten. Szavi6 Jugovi6 und
der Sohn Simbschen's sollten in Wien über die Sachlage be-
richten, und sie reisten bekannthch ab, bevor noch die Note
des Fürsten Mettemich vom 21. März 1810 in Peterwardein
eintraf.
Kurz nach der Abreise Beider, noch vor Ende März 1810
sandte Kara Georg seinen Vertrauten, Stefan Jefti6, mit der
Anzeige nach Peterwardein, dass, nachdem die Türken und
bosnischen Osmanli die'Drina übersetzt und die Feindseligkeit
mit dem Abbrennen einiger Dörfer eröffnet hätten, der Ober-
anführer der Serben an jenen Strom geeilt sei, um dem Vor-
dringen des Feindes Einhalt zu thun. Die Greise, Weiber und
Kinder der eingeäscherten Ortschaften hätten sich in die Maöwa
und in den Landstrich um Schabacz gezogen; zu Gunsten dieser
Unglücklichen möge man von österreichischer Seite Zuftihr von
Lebensmitteln gestatten und die Handelsleute diesbezüglich an
den serbischen Befehlshaber in Schabacz weisen. Dies Ansuchen
habe der Kaiser auch genehmigt imd dem Peterwardeiner Com-
mando die bezügliche Weisung ertheilt.
Szavid Jugovi6 und Major Simbschen brachten in Wien
sieben Wochen zu, ohne einen greifbaren Erfolg. Der eigent-
Uche Leiter der auswärtigen Angelegenheiten^ Graf Mettemich,
209
weilte noch in Paris, um Napoleon, den Allgewaltigen, über
seine Pläne und Gesinnungen filr Oesterreich auszuholeii; sein
altersschwacher und geistig nie sonderlich hervorragender Vater
Fürst Georg^ versah inzwischen die Geschäfte mit dem Staats-
rathe Hudelist,^ Mettemich's Vertrauensmanne, zur Seite.
Jefti6 erhielt noch während seiner Anwesenheit bei Simb-
schen durch einen von Wien heimkehrenden ,Raizen^ (Serben)
aus Neusatz die Botschaft des Synodalkanzlers Szavi6. Er
sei nach einer Reise von fünf Tagen in Wien eingetroffen,
vom Major Simbschen zum Director des kaiserlichen Cabinets
geführt und durch diesen einer geheimen Audienz bei
dem Monarchen theilhafdg geworden. Kaiser Franz habe
nicht allein die Unterwerfungsanträge der Serben sehr gnädig
aufgenommen, sonderp ihrem Abgeordneten auch die Versiche-
rung ertheilt, wegen der Besitzergreifung von Belgrad und
Serbien das Nöthige verfügen zu wollen. Dann Uess er ihn
zum Fürsten Georg Mettemich und zum Hofrath Hudelist
fuhren. Letzterer nahm den Deputirten Serbiens sehr gut auf
und theilte ihm mit, dass behufs endgiltigen Bescheides zuvor
noch das Eintreffen eines Couriers aus Paris abgewartet werden
müsse. Szavi6 möge sich bis dahin gedulden und in Wien
verborgen halten, um dann auf den ersten Wink die Rückreise
mit Major Simbschen antreten zu können. Inzwischen werde
man alle nöthigen militärischen Massregeln vorkehren. Die
gleiche Meldung erhielt Simbschen von seinem Sohne aus Wien.
Die Truppen seien bereits ausgewählt, worüber der Feldmar-
schalllieutenant und General-Quartiermeister Radetzky das
Nähere schreiben und Simbschen die allerhöchste Zufrieden-
heit aussprechen werde.
Simbschen hatte ein Schreiben an Radetzky, eingeschlossen
in dem Briefe an Major Simbschen, gerichtet, worin er verschie-
* Franz Georg Fürst von Mettemich, geb. als Keichsgraf 9. März 1746 in
Coblenz, gest. in Wien 1818, 11. August, trat 1774 aus den Diensten
Kartriers in Österreichische. 1791 war er österreichischer Minister in
Brüssel, 1797 Bevollmächtigter am Rastatter Congresse; 1803 in den
Fürstenstand erhoben. 1810 vertrat er seinen Sohn in der Leitung der
auswärtigen Angelegenheiten. Aus seiner Ehe mit Beatrix Aloisia Gräfin
von Kageneg^ war Clemens Wenzel Lothar der erstgeborene Sohn.
' Josef von Hudelist, geb. 1759 zu St. Veit in Kärnten, seit 1803 Hofrath
der k. k. Hof- and Staatskanzlei.
ArdüT. Bd.IiXXYI. I.HUft«. 14
210
dene Anzeigen erstattete und insbesondere der Erledigung
einiger^ Anfragen gewärtig war. Auf dieses Sehreiben Simb-
schen's antwortet Radetzky ' (25. April 1809) in verbindlichster
Weise.
Dem Commandirenden von Peterwardein war es vorzüg-
lich darum zu tliun, über den Geschäftsgang beim Hofkriegs-
rathe seit dem Eintritte des neuen Präsidenten, Grafen Belle-
garde, und zwar aus einem für ihn ungemein wichtigen Ge-
sichtspmikte, aufgeklärt zu werden. Durch leidige Erfahrungen
gewitzigt, wünschte er sich bezügHch der Geheimhaltung seiner
ftlr Wien bestimmten vertrauÜchen Mittheilungen beruhigt zu
sehen. Der General-Quartiermeister erklärt diesfalls, Simbschen
könne olme alle Besorgniss dem in Peterwardein ,stationirten
Ofticiere* des Generalstabes solche Mittheilungen machen. Die
Gesammtleitung des ,Kundscha{ts- und Nachrichtssystems' sei
überdies ihm (Radetzky) als Chef des Generalstabes übertragen,
und das eigene Bureau, welches hiefUr vorhanden sei, bestünde
ganz aus Militärs, so dass keine der von Simbschen und von
vielen anderen Seiten einlaufenden Nachrichten in die Hände
eines ,hofkriegsrät]ilichen Civihsten' gelange. Dass sich das
allerdings nicht so ganz verhielt, sollte der Process Simbschen's
lehren.
,Wir sehen mit Verlangen,^ hiess es zum Schlüsse des
Briefes Radetzky 's, ,dem raschen Fortgange des grossen Werkes,
welches Euer Excellenz da imten begonnen haben, entgegen,
indem der Nutzen iilr den Staat nur gross und aussehend sein
kann.'
Radetzky allerdings, der MilitärpoUtiker von weitem Blick,
dessen Denkschriften beweisen, wie er damals und auch später
der Orientpolitik Oesterreichs den Anstoss zu einer gewinn-
bringenden Machtentwicklung im ganzen Umkreise der südlichen
Donau gegeben zu sehen wünschte, war gleicher Meinung
wie Simbschen, aber es lag nicht bei ihm, das ,grosse Werk'
vorwärts zu bringen.
Simbschen durfte aus den Depeschen des Jugovi6 und
seines eigenen Solmes und aus ihrem langen Verweilen in Wien
die Hoffnung auf wichtige Massnahmen des österreichischen
Hofes im Sinne der Occupation Serbiens schöpfen. Ueberdies
1 Siehe Auhang XVUl.
211
hielt er sich durch die damaligen Ereignisse in Serbien und
die Kundgebungen dorthin ftir verpflichtet, die Stelhmg Oester-
reichs und dessen Vortheil zu wahren.
Der oberste Anfiilirer der Serben schickte näniHch seinen
leiblichen Sohn, Alexander Karagyorgjevi6, und den blutsver-
wandten Secretär Jainitie Dimitrieviö unter dem Verwände,
die Auslieferung der beideraeitigen Uebelthäter und Strassen-
räuber zu verhandeln, nach Peterwardein. Hier gaben sie
vor Simbschen, den Feldmarschalllieutenants von Fincke und
Wetzel und dem Hofsecretär von Kissics die Erklärung ab,
Simbschen möge die dem Kaiser von Oesterreich in aller
Form bereits abgetretene Festung Belgrad durch k. k.
Truppen besetzen lassen, damit die serbische Nation, in Ge-
mässheit der seit mehr denn zwei Jahren wiederholten Ver-
sprechungen, ihre Weiber, Kinder und bewegliche Habe dahin
in Sicherheit bringen könne. Ohnedies betrachteten sich die
Serben laut der bereits vor einem Monate ausgefertigten Ho-
magialurkunde als wirkliche k. k. Unterthanen. Die beiden
Blutsverwandten Kara Georgs hätten den Auftrag, zum Beweise
der aufirichtigen Gesinnung und AnhitngUchkeit der Serben an
Oesterreich als Geiseln bis zur Rückkunft des Synodalkanzlei'S
Jugovid und bis zur allgemeinen Huldigung in Peterwardein
zu verbleiben.
Als Anlass dieses bedeutsamen Vorganges bezeichneten
die Botschafter Kara Georgs die ji'mgsten Ereignisse im Kriegs-
staate der Serben. Die Feldhauptleute Milenko Stoi6 und
Hajduk Veliko und mehrere andere Volksftlhrer seien abtrün-
nig geworden und hätten gegen den OberanfUhrer und den
Senat derselben Aufruhr angezettelt, was die Türken alsbald
benützten und über die Morawa und Drina verheerend ein-
brachen. Es sei nun zu besorgen, dass die Türken, noch
bevor der mit der Unterwerfungsurkunde nach Wien abge-
sandte Bevollmächtigte zurückkäme, bis nach Belgrad vordrin-
gen und diese von allen Vertheidigungsmitteln entblösste Festung
besetzen könnten.
Simbschen erkläi-te auf das Angebot der Serben, ein
solches Vorgehen hinge nicht von ihm ab, man müsse die
Rückkunft des Jugovic aus Wien abwarten, was die Abgesand-
ten Kara Georgs in Peterwardein mit der Verwahrung, der
mögliche Verlust Belgrads an die Türken dürfe dami den
14*
214
wurden, übrigens die Serben der aufrichtigen Theilnahme des
Monarchen an ihrem Geschicke zu versichern.
Die Zuschrift des Fllrsten Mettemich spart mit den Worten
nicht, um über die ^häkhcho^ Ahgelegenheit, so gut es geht,
hinwegzukommen. Der Gedankengang ist folgender:
Den Glückwunsch der serbischen Nation zur Vermählung
seiner Tochter habe der Monarch mit Wohlgefallen entgegen-
genommen und dies auch dem Abgesandten Szavi6 Jugovi6 zu
erkennen gegeben. Da ein solches -Glückwunschschreiben auch
an den Kaiser Napoleon abgegangen, so möge Simbschen in
Erfahrung bringen, welche mündliche oder schriftliche Gegen-
äusserung darüber erfolgt sei. Was die serbischen Anträge auf
Unterwerfung und Uebcrgabc Belgrads betreffe, so erinnere
sich wohl Simbschen, dass eine solche Verhandlung bereits ein-
mal ,zu einer äusserst unangenehmen Compromittirung gegen
Russland und die Pforte^ geführt habe, es daher ,unverzeihlich^
wäre, sich abermals solchen Missverständnissen auszusetzen.
Anderseits wolle aber Simbschen die Oberhäupter Serbiens
in ihren bisherigen guten Gesinnungen zu erhalten bestrebt sein.
Was femer die Friedensaction Oesterreichs bei der Pforte anbe-
lange, möge Simbschen dem Jugovi6 solche Mittheilungen machen,
welche der Sachlage entsprächen, die doch er am besten beurthei-
Icn könne. Jüngst habe der Kaiser erfahren, dass Radofinikin mit
einem Russencorps im Anmarsch nach Serbien begriffen sei, um
von dessen Festungen, namentlich von Belgrad Besitz zu nehmen.
Das könne Oesterreich, auch wenn selbst die gegenwärtigen poli-
tischen Conjuncturen es ihm zu thun verwehren, keineswegs ge-
schehen lassen. Simbschen möge trachten, das Nähere darüber
zu erfahren.
Simbschen schickte mit diesem , dilatorischen Schreiben*
den Kanzler .Ingo vi 6 und seinen Sohn, Major von Simbschen,
nach Belgrad. Bei dessen Ankunft und Ueberbringung der
etwas kühlen Botschaft brach Kara Georg in die bezeichnenden
Worte aus: , Warum bringst Du die Truppen nicht mit Dir,
um Belgrad, alle Festungen imd ganz Serbien in Besitz zu
nehmen? Wenn Euer Kaiser uns nicht haben will oder nicht
nehmen dart\ so müssen wir uns an die erste beste christliche
Macht, sei es Russ oder Franzos, die da kommt, ei^eben, denn
wir sind nicht mehr im Stande, uns allein gegen die Türken zu
vertheidigen oder zu behaupten.*
215
Nach der Rückkehr des Sohnes aus Belgrad (13. Mai)
berichtete Simbschen an den Kaiser und an den Hofkriegsraths-
präses Bellegarde ^ über die Sachlage das, was er von Belgrad
aus und durch seine Kundschafter in Erfahrung gebracht.
Kara Georg sandte nun seinen Secretär Jeftic an Simb-
schen mit dem mündlichen Auftrage, dem Commandanten von
Peterwardein zu eröffiien: Russland habe die Serben aufgefordert,
sich mit ihnen gegen die Türken zu vereinigen, und zu diesem
Zwecke eine Heeresabtheilung nach Bore6 abzuschicken, wo-
gegen man den Serben Pulver, grobes Geschütz und Waffen
zukommen lassen werde. Der Oberanftlhrer der Serben erwarte
nun von Simbschen einen wohlmeinenden Rath, was zu thun sei.
Dieser vertröstete ihn auf das Eintreffen neuer ministerieller
Weisungen, sagte die Unterstützimg mit Schiessbedarf, in un-
au£ßUliger Weise, zu und rieth dem Kara Georg, den Antrag
der Russen unter dem Verwände, die Friedensverhandlimg mit
der Pforte sei bereits unter Oesterreichs Vermittlung eingeleitet,
abzulehnen.
Aber solch diplomatisches Fhckwcrk hielt nicht Stand der
Wucht der Ereignisse, der Logik der Thatsachen.
Vor dem 18. Mai erhielt Simbschen eine vortrauliche Mit-
theilung des Szavi6 Jugovi6 aus Belgi'ad.^ Der lange Aufent-
halt in Wien sei ein hartes Versäumniss geworden, denn als er
heimkam, hätte die ganze Sache bereits eine entgegengesetzte
Richtung genommen, der neue Russenfeldherr, Feldmarschall
Kamensky, einen kräftigen Aufruf an die Serben, mit vielen
Versprechungen und Zusagen erlassen. Es gälte zunächst den Zuzug
nach Ostrowo, der Donau-Insel bei Widdin, und an 4000 Mann
Serben würden »uch dahin abziehen, miter dem Verwände, als
wolle man den Hajduk Veliko, der sich dahin geflüchtet, ver-
folgen. Radofinikin und Besak, Beide den Serben verhasst,
seien des Dienstes enthoben und nach St. Petersburg abberufen
worden. Damit sei in der öflfentlichen Meinung viel gewonnen.
Graf Zukatow, Militärcommandant zu Kralowa, habe die
» Actenstücke der Apologie Nr. 84 und 85. An Bellegarde schrieb Simb-
schen, dass, nachdem Se. Majestät der Kaiser dem Vernehmen nach ab-
wesend sei, dem Hofkriegsrathspräsidenten die nothwtindigen Anzeigen in
Hinsicht Serbiens und der Küssen ersUittet würden.
2 Dechiffrirtes Schreiben des Szavid Jugovid an Simbschen. Actenstücke
der Apologie Nr. 48.
216
politischen Geschäfte in Serbien ttbemommen. ^Daher schwebe
die Bekannte (Belgrad) in grösster Gefahr/ Ausserdem brachte
Simbschen in Erfahrung, dass eine Serbenversammlung in Se-
mcndria stattfand, und dass die Waffengemeinschaft der Russen
und Serben insofern durchgesetzt wurde, als jene 4000 Mann
unter dem Knez Peter Dobrinac in der That nach Oßtrowo auf-
brachen.^ Gleich darauf meldete der Commandirende von Peter-
wardein nach Wien, die Serben hätten den Rado Vuöetid als poli-
tischen Kundschafter nach Paris entsendet.^ Eis herrsche unter
ihnen eine starke russische Strömung. Ueberdies sei der aus
Montenegro gebürtige, mit manchem russischen Orden ge-
schmückte Archimandrit Spiridion Philippoviö bestimmt, den
russischen Staatsrath Radofinikin in Belgrad zu ersetzen.
Philippovi6 traf den 19. Mai 1810 im Amtssitze Simb-
schen's ein, welcher bereits durch die Polizeihofistelle auf den
,geftlhrlichen Menschen' aufmerksam gemacht worden war^ und
ausserdem am Tage der Ankunft des verdächtigen Gastes eine
darauf bezügliche Note des Feldmarschalllieutenants Radivojevi6
aus Temesvär erhielt,'* von wo eben Philippovi^ gekommen.
Da derselbe mit keinem vorschriftsmässigen Passe versehen
war, so bot dies dem Commundanten von Peterwardein einen
erwünschten Vorwand, den Archimandriten nach Temesvär
zurückzuweisen. Simbschen verband dies mit einer Note an das
Banater Generalcommando, man wolle künftighin derlei Emissären
nicht das ganze Land und dessen feste Plätze bereisen lassen,
sondern gleich an der Grenze zurückweisen.**
Dennoch gelang es später dem genannten Sendlinge Russ-
lands, Philippovi6, mit mehreren ( )flicieren der russischen Armee
in Belgrad einzutreffen. Hier that er Alles, tun im serbischen
Senate fiu* den Anschluss an Kussland zu wirken, Kara Georg
zu beeinflussen, den innem Frieden im Geiste seiner Sendung
zu fordern und als Mann der Kirche durch Ansprachen und in
» Vgl. Kauke 247 — 24».
2 Acteiistüeke der Apologie Nr. 41). 2U. Mai 1810.
3 28. Mai 1810. Acteiistüeke der Apologie Nr. 87. Am 27. Mai schrieb
Bellegarde an Simbschen in Hinsicht eines zuwartenden Verhaltens su den
Serben. Acten stücke der Apologie Nr. 86.
* Apologie.
^ Acten stücke der Apologie Nr. 50.
^' Actenstücke der Apologie Nr. 61. 20. Mai 1810.
217
Predigten gegen das unselige Vertrauen auf Oesterreich zu eifern.
Seit den Zeiten des ,Wojewoden' Johann Corvin hätten die
Herrscher Ungarns und die Kaiser vom Hause Oesterreich nicht
weniger ab achtmal das Königreich Serbien und die rechtgläubige
Nation den Türken preisgegeben und ausgeliefert.^
Im Juli 1810 tauchte ein zweiter Vertrauensmann der
Russen^ der Archimandrit Stefan Vukoti6 mit vier Begleitern
aufy reiste ungehindert und unaufgehalten durch ganz Croatien
und traf Ende des genannten Monates mitten im slavonischen
Grenzgebiete, zu Vinkovce, ein. Trotz aller Gegenanstalten
Simbschen's gelang es ihm auch, durch Französisch-Illyrien nach
Bosnien zu gehen und in der Gegend von Banjaluka einen
Aufstand gegen die Türken unter den christlichen Rajahs zu
veranlassen. ^
• ^^^
Dem Allen zum Trotz hingen die Entschliessimgen des
kaiserlichen Hofes den Serben gegenüber wie bisher in dem
Netz der ewigen Bedenken und Rücksichten, und die Winke
von Paris aus vermehrten sie nur. Die Besorgnisse vor Russland
wuchsen aber nebenher, das Misstrauen gegen Frankreich, das ein
unbequemer Nachbar Oesterreichs, und zwar auf dessen Kosten,
tief ins Grenzgebiet hinein, geworden war, blieb auch seit der
Heirat Maria Louisens im Kaiser rege, und dennoch gewahrten
Fürst Mettemich und Bellegarde immer noch in einer konser-
vativen Anstandspolitik das beste Auskunftsmittel. ^
,Da die gegenwärtigen Conjuncturen,' schrieb der Hofkriegs-
rathspräsident (27. Mai 1810) an Simbschen, ,keincswegs ge-
statten, durch Besitznahme der festen Plätze Serbiens neue,
weitaussehende Verwicklungen herbeizuführen', so habe sich der
Feldzeugmeister vor der Hand blos auf die aufmerksame
Beobachtung der Vorgänge in Serbien zu beschränken,
Alles zu vermeiden, was mit den freundschaftlichen Verhältnissen
Oesterreichs zur Pforte unvereinbarlich wäre, desgleichen aber
auch alle Truppenbewegungen an der Grenze zu unterlassen
die den Serben und Russen auffallen oder zu Missdeutungen
1 Ranke 147.
> Actenstücke der Apologie Nr. 53. 26. Aagust 1810. Peterwardeiner
PrSflidialerlasB in Hinsicht des als russischer Emissär eingetroffenen Archi-
mandriten Vukotiö.
> Beer 229 f. Aber die Haltung Napoleons und Oesterreichs in der Serben-
firage.
218
Anlass geben könnten. ' Simbschen's Bericht an Bellegarde
über seine Unterhandlungen mit den Serben (7. Juni 1810)
konnte unter solchen Verhältnissen keine Wirkung erzielen.
Man sass im Monat August^ je unangenehmer die Berichte
über die Kriegserfolge der Russen wurden, hinsichtlich der Be-
setzungvonBelgrad am grünen Tisch zu Rathe. Feldzeugmeister
Peter von Duka, ein Vertrauensmann des Kaisers in militärischen
Dingen, Bellegardc und Fürst Georg Metternich kamen
zu der Ansicht, dass man abwarten und die Zusammenziehung
eines Observationscorps von 10.000 — 12.000 Mann vertagen könne.'
Dem bezüglichen Vortrage an den Kaiser vom 23. August 1810
folgte eine Woche später die vom Fürsten Georg Metternich
an Simbschen erlassene Weisung.^
Zunächst bemerkt der Minister, dass bei der Möglichkeit
kriegerischer Vorgänge an der Grenze Anordnungen ,mit der
nöthigen Geheimhaltung' zu treffen seien. Deshalb habe der
Kaiser ihm und dem Hofkriegsrathsprttsidenten die Absendung
eines eigenen Officiers mit den betreffenden Instructionen auf-
getragen.
Der Cordon solle seinem Endzwecke entsprechen, um die
österreichischen Grenzbewohner zu schützen, anderseits nöthigen
Falles Gewalt mit Gewalt zu vertreiben.
Da die Wendung des Krieges an der unteren Donau zn
Gunsten der Türken ein Vorrücken der Russen zur Besitznahme
von Belgrad voraussehen lasse, so habe Simbschen über die Be-
wegungen der streitenden Parteien möglichst genaue und ver-
lässliche Kundschaftsberichte einzuziehen, da die gewöhnlichen
nur selten <lor Absicht zu entsprechen schienen.
Nun kommt die ministerielle Weisung auf die serbisch-
türkische Friedensangelegenheit vom Frühjahre 1810 zu
sprechen. Durch < >esterreichs Bemühimgen wäre sie so weit
gediehen, dass eine Art stillschweigenden Waffenstillstandes
z^nsclien Türken und Serben eingetreten sei, und die Pforte
ihren Commandanten von Orsowa bereits bevoUmächtigt hätte,
> .Vctoustüi'ko dor AiHiIo^e Nr. ^7 uiul 88. Auhaug Nr. XX.
• H«>or 236. FeHzeugrnieister Peter Freiherr von DuXa (geb. 1756 za Essegg)
war häutig Kntligeber des Kaiser» iu niilitärisch-politiscben Dingen.
' Ao ton stücke der AjMilogie Xr. 57. Auhnug Nr. XXI. SO. Aogost 1810.
W'ber den ministeriellen Vortrag «u den Kaiser Tom S3. August riebe
Heer *2:M.
219
die Grundlage einer Annäherung zu vereinbaren. Bei der Er-
öfhiung des diesjährigen Feldzuges der Küssen sei es jedoch
ihrer Partei unter den Serben gelungen, diese Friedensbestre-
bungen zu hintertreiben und im serbischen Senate derart die
Oberhand zu gewinnen, dass cHe Unterhandlungen abgebrochen
wurden. Da die hiedurch herbeigeführte Aenderung der Sach-
lage das Serbenvolk abermals geneigt machte, auf den Frieden
zu denken, so sei es die Willensmeinung des Kaisers und sein
Befehl, den gegenwärtigen Augenblick auszunützen. Simbschen
wolle daher ohne Zeitverlust mit Czerni Georgia (Kara Georg)
oder mit einigen anderen, dem österreichischen Interesse gün-
stigen, Oberhäuptern derselben eine vertrauliche Besprechung
veranstalten und dabei mit der nöthigen Umsicht zu erkennen
geben, dass der österreichische Hof wie immer bisher so auch
jetzt zur Erwirkung des erwünschten Friedens mit der Pforte
bereit sei, ja selbst die Bürgschaft solcher Abmachungen über-
nehmen wolle. Nur müssten die Serben einsehen, dass als erste
Bedingung Einstellung der Feindseligkeiten und Trennung ihrer
Truppen von dem russischen Heere unabweislich wäre.
Bei diesem Anlasse habe Simbschen den Serben das Täu-
schende der russischen Verheissungen, die sich bis jetzt so wenig
bewährt hätten, in Erinnerung zu bringen und bcgreitiich zu
machen, dass ihr wohlverstandenes Interesse erheische, sich
ausschliesslich an den Schutz des Wiener Hofes zu halten und
keinerlei Einflüsterungen, welcher Art immer, Gehör zu geben.
Ueber die Gegenäusserungen und Alles, was einiges Licht
auf die ganze Sachlage werfen könne, wolle dann Simbschen
so umständlich und so schleunig als möglich berichten.
Der Ausgleich zwischen Serbien und der Pforte
sei der angelegentlichste Wunsch des Kaisers, da man die längere
Fortdauer eines solchen unruhevollen Zustandes der Dinge in
Serbien nicht zugeben könne.
Simbschen sei vormals schon beauftragt worden, den Serben
die Absendung eines österreichischen Consuls nach
Belgrad anzukündigen; er werde nun ermächtigt, ihnen die
nächstbevorstehende Ankunft eines solchen Vertreters der Wiener
Regierung förmlich bekannt zu geben, da man nur noch be-
schäftigt sei, ihn mit den nöthigen Weisungen zu versehen.
Dieser Consul wurde bei seiner Abreise an Simbschen gewiesen,
um von diesem die nöthigen Winke zu erhalten.
220
Diese wichtige ministerielle Depesche erhielt Simbschen
den 4. September 1810 zugleich mit einer Weisung Bellegarde's
vom 31. August, deren Inhalt ihn, den fleissigen Beschaffer aUer
militärischen und politischen Nachrichten, die in seinem Gesichts-
kreise lagen, kränken musste und gewissermassen die trüben
Tage anmeldet, welche ihm bald beschieden waren. '
Es fand sich nämUch darin die Stelle, dass seine eigenen
Berichte als auch die von ihm eingeschickten Kundschaftsnach-
richten den thatsächlichen Ereignissen nicht entsprächen,
er möge daher eigene Officiere zur Einholung verlässlicher An-
zeigen in Semlin und ebenso an der serbischen, bosnischen und
illyrischen Grenze anstellen.
Wir wissen mm, wie sehr das Eriegsglück im russisch-
türkischen Kriege des Jahres 1810 wechselte. Im Juni (11., 12)
gelang den Türken der Entsatz von Rustschuk, dagegen nöthigten
die Russen unter Langeron's Führung Silistria (oder Drstr, Raz-
grad) zur Uebergabe. In der Schlacht bei Schumla siegten
23. Juni die Türken, am 24. erfochten die Russen Vortheile.
Dass die Pforte Frieden schliessen werde und müsse, sah Napo-
leon voraus, was aus seinem Gespräche mit Mettemich über den
Krieg an der unteren Donau hervorging.* Die Wiener Diplo-
maten hofften viel zu viel auf die Widerstandskraft und die Ei^
folge der Türkei, deren Truppen sich allerdings tapfer schlugen.
Rustschuk wurde mit Erfolg vertheidigt, aber der Sieg der Russen
an der Jantra (7. September) zog dann die Uebergabe nach sich.
Simbschen weist in seiner Apologie den Tadel unzureichender
Nachrichten imd unverlässlicher Kundschafterei zurück.
Er habe sogleich die Meldung von den Schlachten bei
Schumla und Galacz erstattet und zugleich angezeigt, was ihm
zwei Vertraute aus Belgrad hinterbrachten. Eine auf Veran-
lassung der dort eingetroffenen russischen Deputation abgehaltene
Serbenversammlung habe den Anschluss an Russland begehrt
und den Kara Georg überstimmt, mithin auch zum Anschlüsse
genöthigt. Er müsse sich daher anfragen, was es mit der Unter-
stützimg der Serben weiterhin filr ein Bewandtniss haben solle.
J Actenstücke der Apologie Nr. 89. Die Weisung beeagte übrigens die
Besetzung der Grenze und die Aufrecbthaltung des Ck>rdon8 «ur Ver-
hinderung von Gebietsverletiungen seitons der kriegsführenden Mächte.
8. Anhang Nr. XXn.
3 Beer 232.
diese Berichte vom l(i. und 18. Mai hübe or den (ullerrtings
lieh unbeatinimten und zur Passivität mahnenden) Bescheid
27. Mai (s. o.) erhalten.
Siffihachen liabe die Erstürmang von Baszarcsik durch
ie Russen, die Capitulatiün von Silistria, das Vorrücken der
len nach Hirsovo-Turtukai und Vama, ihren durch zwei
?ago wiederholten und uiiBalungtnen Angriff auf Rustschuk,
spatere und von den Russen gewonnene Schlacht bei Rust-
ihuk, die Elunahme von Rustschuk, Sislowo und Giurgiewo
wie die Ankunft: des Emissäre Sjiiridion PhiJip-
oviö, des Nikola Theodorovit und des Kosakenobersten
Siki^ und anderer russischer Officierc ' gemeldet, so auch die
iwegungen der Russen unter den Generalen: Zukatow, O'Rurk
'^d Sasa, ihi'e Vereinigung mit den Serben, die Operationen am
lok, an der Morawa und Drina, gleichwie die Besetzung von
Octrowa, Berza-PaEanka, Bania, Negotina, Jogodina, Kladowa,
iowa, Bregowa, Deligrad, Kruschewacz, Alexincze, Gov
isovacz und der Ma6wa und die Vorfklle bei Sokol, an der
mischen Grenze zur Anzeige gebracht.
Judenfalls hätte Simbschen vorth eilhafter fiir die eigene
inft gehandelt, wenn er — mit verschränkten Annen —
;ewartet hätte, wie dies in den massgebenden Kreisen Wiens
der Fall war. Aber gerade die ministeriellen Eröflnungen vom
30. August bestimmten ilm -/.u Vorkehrungen, die man ihm dann
weder in Wien noch in Belgrad dankte.
Zunächst berichtete er an die Regierung, dass nicht die
m, sondern die Türken der geschlagene Theil seien. Trotz-
im sich so die Sachlage immer ungünstiger gestalte, und Russ-
tand in Belgrad vorhcn-sehe, werde er dennoch den kaiserlichen
Anfh-Agcn zu entsprechen bestrebt sein, Nur müsse er sich noch
Weisung erbitten, wie er sich zu benehmen habe für den
Kara Georg oder die anderen Häupter bei der ver-
' ActeoKtUcbe der A(]<il(igie Kr. 65 und 66 (10. Sejitombt-r). betielinngs-
Ue rieht dea t^ucntiner Cotumanilanteii Perss mit Belgrnder
Nociiiiclilen über die lleitiebiiag«ii äea Spiridion PhiMj>]>i>vi(' niid
NUioln Thnudoroviif, Weisuugen i^iinibBcheD's fui den OberMen Pirna
in Hi&Bivht ilvr boiduu geiumnteii russiBi'heii Eiiiiiullre und de» Obersten
Niki<! und ^{teivliiuitige Meldung an den HuCkrie^raÜuiprliaidenten Qrafan
von Bellc^Arde. Nikoln Theodomvit', nin Petarwnn leiner QreniofBcier.
^Im lieh für eiueu nisKischaii UauptiuBnii nus.
222
trauliclien Besprechung die gleiche Unterstützung von Seite
OesterreichB beanspruchen würden, die ihnen dermalen von den
Russen zu Theil geworden sei, oder ob man die Einstellung
aller Feindseligkeiten bei den im Anmärsche befindlichen türki-
schen Truppen zu Gunsten eines Waffenstillstandes zu erwirken
sich geneigt finden lasse?*
Ohne einen dicsfiüligen Be3cheid erhalten zu haben^ ging
dennoch Simbschen daran, sich mit Kara Georg in der ihm
angedeuteten Richtung zu verständigen; es geschah dies Mitte
September 1810,^ wie dies aus der wichtigen Instruction des
serbischen Oberanftlhrers flir seinen Geheimschreiber Stefan
Jefli6 (9,/ 21. September Varvarin) hervorgeht. Zunächst 6./ 18. Sep
tember hatte Kara Georg von Knipowitza aus die Bestellung
eines k. k. Consuls fiir Belgrad abgelehnt.^ Hierauf liess er
das ausführliche Schriftstück zu Varvarin verfassen. Noch vor
dessen Eintreffen war ein Bericht Simbschen's vom 22. September
an Mettemich und Bellegarde über eine frühere Zuschrift Kara
Georgs (6.^18. September) abgegangen und stellte die Vorherr-
schaft der Russenfreunde unter den Serben ins volle Licht. ^
Die Weisung für Jefli6 oder ,Gevatter Steve* (Stephan)
zeigt am besten, wie kühl und zurückhaltend Kara Georg über
das jüngste Entgegenkommen des Wiener Hofes dachte.'*^
Drei Schreiben habe er von Simbschen erhalten, deren
kehies er bisher beantwortet habe. Das ei'ste betreffe einige
türkische Familien aus Semendria, die man auf österreichischen
Boden herüber lassen solle. Dazu sei jetzt nicht Zeit, man
müsse zuvor den Frieden abschliessen. In diesem Sinne habe
er schon diesfalls an Simbschen geschrie])en.
^ Vgl. Acteustücke dor Apologie Nr. 58 in dem Berichte vom B.Sep-
tember 1810 als Antwort auf die ministerielle Weisung vom BO. August
1810.
2 11. September 1810. Aktenstücke der Apologie Nr. 69. Simbschen an
Kara Georg und den serbischen Senat mit der Meldung, dass der Kaiwr
einen (.-onsul nach Heigrad absenden werde, nebst Einladung an den
Oberantilhrer der Serben zu einer Zusammenkunft. Doch gedenkt die Var-
variner Volhnacbt ilir Jeftid (siehe weiter unten Anmerkung 5) dreier
Zuschriften Sinibschen's, die beiden anderen folgten also einander unmittel-
bar. Das oben citirte Schriftstück vom 11. September war das sweite.
3 Actenstücke der Apologie Nr. 60.
< Ebenda Nr. 61, 62.
'■* Ebenda Nr. 66. Anliang Nr. XXIII. Beer 238—289, in konem Ausscug.
223
Dessen zweiter Brief an ihn und den Senat der serbischen
Kation betreflfe die Ankunft eines österreichischen Consuls in
Belgrad; das könnte, wenn es die Russen erführen, den Serben
das grösste Unglück zuziehen.
Im dritten Schreiben lade ihn Simbschen zu einer ge-
heimen Unterredung in Semlin ein; dazu habe er jetzt,
wo aller Augen auf ihn und seine KriegsfUhrung gerichtet seien,
keine Zeit, könne sich auch nicht vorstellen, was er ihm nur
mündlich mittheilon dürfe; er selbst habe keine Geheimnisse
vor seinen Secretären. Könne Kara Georg nicht selbst erscheinen,
erkläre Simbschen, so woUe der Oberanfuhrer der Serben ein
paar Vertrauensmänner absenden. Da Kara Qeorg in dieser
Beziehung keinen Andern als seinen Gevatter Steve (Stephan
Jefti6) zur Verfügung habe, so möge dieser nach Semlim ab-
gehen und dem Commandirenden Nachstehendes eröffnen:
I. Die Absendung eines österreichischen Consids nach
Belgrad helfe in einer so verwirrten und kritischen Zeit nichts;
nur ein gegen den Feind gestelltes Heer sei die wahre Hilfe.
Die Bestellung eines österreichischen Consuls in Belgrad wäre
den Franzosen und Russen zuwider, oder es müssten die Con-
suln aller drei Kaiser: Russlands, Frankreichs und Oester-
reichs, dort ihren Sitz nehmen.
n. Das Beste wäre es, wenn sich die drei Höfe verständigten,
was sie bezwecken oder fUr Recht erkennen; dazu wären dann
auch die Serben bereit. Sie wünschten ihre Gesetze und Pri-
vilegien zu erhalten und werden ihrem Beschützer dankbar sein.
Die übrige europäische Türkei sollen die drei Kaiser
unter einander so theilen, wie sie es als das Beste er-
kennen.
m. Jefti6 soUe den Commandirenden zu Peterwardein be-
fragen, ob Oesterreieh den Serben helfen wolle, damit diese es bei
Zeiten erführen. Für diesen Fall werde man dankbar und erkennt-
lich sein. Doch müsse man über die Art und Weise einer solchen
Hilfe ins Klare kommen. Vermöge es Oesterreieh, die Türkei inner-
halb acht oder ssehn Tagen von allen Grenzen Serbiens zurück-
zuwerfen, so soU dies bald geschehen, damit die Serben diesen
Verheissungen trauen und flir die Zukunft das Ihrige weiter
thun könnten.
rV. Zweckdienlicher und ungefährlicher mit Rücksicht
auf Buafiland wäre ein Angriff Oesterreichs auf Bosnien, den
224
die Serben nnterstützen würden, und den auch Frankreich nicht
hindern \\ürdc. Es könnte dies auch unter dem naheliegenden
Vonvande stattfinden, dass mit dem gleichen Rechte wie die
Russen in Bulgarien ,die Oesterreicher in Bosnien vorgehen dürften.
Auch sei hei der gegenwärtigen Entblössung der Festungen
Bosniens dessen Eroberung nicht schwer und hiemit den Serben
Hilfe, Oesterreich hinwieder ein grosser Nutzen beschieden.
V. Eine Besetzung Serbiens, dieses mit so viel Blut
rückeroberten Landes, wäre keinem der betheiligten Höfe lieb,
zumal es in der europäischen Türkei Länder genug gebe, welche
sich die drei Kaiserniächte leicht unterwerfen könnten. Dennoch
wolle sich Serbien von seinem ,ersten Freunde und nächsten
Nachbar^ nicht abwenden, womit genug gesagt sei.
VI. Kussland lasse die Serben scharf beobachten und
behalte auch Oesten*eich im Auge, damit letzteres nicht zum
Herrn Serbiens angenommen werde, oder etwa eine andere
Macht. Es wünsche nichts Anderes, als dass die Serben türkische
Unterthanen bleiben, aber für sich allein bestehen imd dem Sultan
einen Pauschaltribut entrichten, wie dies bei der Moldau und
Wallachei schon früher der Fall war. Wer jedoch den Serben
zuerst den Frieden erwirke, solle auch ihr Scbutzherr werden.
Russland kenne den Wunsch Serbiens, selbstständig zu sein,
aber auch die Gesinnung des Volkes zu Gunsten Oesterreichs,
deshalb sei es besorgt und zurückhaltend. Kara Georg
und die Seinen müssten daher im Geheimen und Verborgenen
handeln.
VII. Simbschen möge ihm nur die echte Wahrheit auf-
richtig als Antwort sagen lassen, Kara Georg werde ihm dann
seinen endgiltigen Beschluss bekannt geben. In der langen
Zeit von sieben Jahren habe Russland den Serben in keiner
Hinsicht irgend eine Hilfe geleistet, ausser, so weit es sein eigenes
Interesse betraf, während Oesterreich Hilfe bot und die Serben
selbst die Herrschaft dieses Staates angesucht hätten. Die Ver-
hältnisse Oesterreichs und dessen Staatsinteresse liessen dies
aber nicht zu, und so wären denn auch die Serben damit von
einem Tage zum andern hingehalten worden.
Mit einem Hinweise auf die Sachlage, die es verbiete,
,von einem armen bedi'ängten Volke, das sich mit seinen Thränen
und seinem Blute selbst befreit hat, zur Unzeit und ohne alle
Mühe Nutzen zu ziehen^ und der Gerechtigkeit Gottes zuwider-
225
zuhandeln^ und auf die berechtigten Erwartungen und Forde-
rungen der Serben schliesst das ausführliche Actenstück.
Wir begreifen, dass unter solchen, von der Politik des
Wiener Cabinets himmelweit verschiedenen Voraussetzungen
die Besprechung Simbschen's mit Jefti6 kein gedeihliches
Ergebniss haben konnte, und dass, als der Commandirende von
Peterwardein darüber seinen Bericht am 4. October 1810 nach
Wien,' und zwar an den Auftraggeber Fürsten Metternich, in
Begleitung der Instruction Kara Georgs für seinen Vertrauens-
mann, gelangen liess, im Schoosse des Wiener Ministeriums
der Aerger über das Ansinnen Kara Georgs und die nur zu
deutliche Stimmung der Serben sich nun gegen Simbschen's
,Eigenmächtigkeiten' kehrte. ^
Wissen wir doch, dass im August 1810, als der noch in
Frankreich weilende Minister der auswärtigen Angelegenheiten,
Graf Metternich, im Gespräche mit Napoleon den Eindruck
gewann, der Imperator würde eine Besetzung Belgrads und
die Uebemahme der Schutzherrschaft Serbiens durch Oester-
reieh ruhig geschehen lassen, dagegen aber nicht einen einzigen
festen Platz am südlicheif Donauufer den Russen gönnen,
und nach Wien in diesem Sinne schrieb, man solle Belgrad
ins ,Dep6t' nehmen und Serbien als künftigen Besitz Oester-
reichs betrachten, der eigene Vater, Fürst Georg Metter-
nich, dieser politischen Anschauung auf das Entschiedenste ent-
gegentrat und die Vermeidung jeder ,Complication^ mit Kussland
und der Pforte predigte, allerdings mit dem Sclüusssatze, be-
züglich Belgrads müsse man gegebenen Falles den Russen
zuvorkommen. Und als Russland, seit dem Frühjahre 1810
bestrebt, sich durch die Mission Schuwalow's mit Oesterreich
über dieses Capitel zu einigen, am 10. October den Courier
des Czaren in Wien eintreffen liess, welcher die Geneigtheit
des Kaisers Alexander I. überbrachte, ,Alles zu bewilligen, was
man nur vernünftiger Weise verlangen könnte', um Oesterreich
von Napoleon I. abzuziehen, sprach sich in seinem Vortrage
vom 17. October 1810 Fürst Georg Metternich fiir eine Ver-
ständigung mit Russland aus. -^
1 Actenstück e der A|>ologie Nr. 63.
> Beer 259 f.
> Beer i40 f.
AreUT. Bd. LXXYI. I. H&lfte. 15
22(5
Kaiser Franz verschob Alles bis zur Heimkunft seines
Ministers aus Paris^ und dieser kehrte mit der Oewissheit des
Krieges Napoleons gegen das Czarenreich zurück, den der
französische Imperator nicht suche, der aber ausbrechen müsse,
weil Kaiser Alexander I. ,einer kriegerischen Partei überliefert
wäre^ Bald wurde ihm allerdings klar, wer durchaus den Kri^
wolle, und dass Oesterreich in diesem neuen Weltconflictc
Stellung nehmen müsse.
In der serbischen Frage blieb das ,Temporisiren^ die
Losung des Wiener Cabinets; auch der Leiter der auswärtigen
Angelegenheiten ( )csterreichs wurde zum Anwalt des Zuwartens
und Beobachtens, und dies um so mehr, als er die Interessen-
politik der Serben wandelbar fand und Russlands Thatkraft und
Bestrebungen Serbien gegenüber unterschätzte.
Simbschen's Stellung war erschüttert; der Prozess Simb-
schen's wirft manches Streiflicht darauf. Kurze Zeit nach der
Rückkunft Mettemich's aus Paris vollzog sich sein Verhängniss.
Er hatte dazumal durch eine Estafette des Banus die Nachricht
erhalten, der Kaiser wolle die Grenzen bereisen, und bereitete
Alles zum Empfange des MonarcTiien vor; bald aber traf die
Nachricht ein, der Kaiser werde von Croatien nach Ghraz reisen,
der Besuch der Confinien unterbleiben.^
Ein aus der Hauptstadt der Steiermark vom 24. October
1810 datirtes Handschreiben des Kaisers verständigte Simbschen,
der Monarch finde es den Umständen und seinen Diensten an-
gemessen, das Peterwardeiner Generalcommando dem
Feldzeugmeister Hiller zu übertragen.* Simbschen habe
seinem Nachfolger nicht nur alle Geschäfte seiner bisherigen
Amtsthiltigkeit, sondern auch alle in Hinsicht der serbischen
und türkischen Angelegenheiten erhaltenen Instructionen und
Weisungen zu übergeben, ihn von Allem genau in Kenntniss
zu setzen und sich für seine Person nach Wien zu verftlgen,
wo ihm der Kaiser seine weitere Willensmeinung bekannt geben
werde.
^ Apologie.
2 Actonstücke der Apologie. Anhang Nr. XXIV. Erzherzog Johann
verzeichnet in sein Tagebuch vom 25. October 1810 die Notiz: ^infiion
des H illor Htatt Sinib8chen*R, um die Türkei za beobachten
und die Gelegenheit zu benutzen: Belgrad^ Servien.*
227
Diese Weisung empfing Simbschen den 30. Oetober als
Vorboten schlimmerer Erlebnisse, die er allerdings nicht ahnen
mochte. Mitte November 1810 traf Feldzeugmeister Freiherr
von Hill er ein. ' Simbschen übergab ihm,^ im Beisein seines
Adlatus Feldmarschalllieutenant von Wetzel, des Festungscom-
mandanten Feldmarschalllieutenant von Fi ncke, des Brigadiers
Oeneralfeldwachtmeisters von Weiss, des Genie- imd Forti-
ficationsdirectors Generalmajor von Danus, des Artillerie-
districtsdirectors Oberstlieutenant von Kaisergruber, der sieben
als Appellationsrichter angestellten Generalauditoriatslieutenants
und des Stabsauditors, alle die Peterwardeiner Verwaltung des
slovenischen Grenzdistricts betrefi'enden Acten der ökonomischen
Geschäftsgebahrung, des Sanitätscordons, des Wald- und Forst-
schulwesens, der Grenzbauflihrung, der Gefklle u. s. w., ander-
seits der Präsidialverhandlungen des allgemeinen MiUtärappel-
lationsgerichtes, des ,Judicium militare', die Conduitenlisten aller
angestellten Militär- und Civilbeamten und die Rückstände.
Sodann erklärte Simbschen im Beisein WetzeFs und Fincke's
ab ausschliesslich damit Vertrauten, in Hinsicht der serbi-
schen Unterhandlungen, dass er alle dai*auf bezügUchen
geordneten imd rotulirten Acten stückweise verlesen wolle.
Hiller erwiderte darauf, der Kaiser habe ihn mit allerhand ge-
heimen und dringhchen Aufträgen zu betrauen geruht, die ihn
nach S emiin abzugehen nöthigten. Er wolle auch Simbschen
mit einer Verlesung der umfangreichen Actenstücke nicht plagen,
da er von dem Wesentlichen in Wien bereits verständigt worden
sei. Hofsecretär Kissics solle ihn Abends besuchen, ihm die
wichtigsten Acten vorlesen und diese selbst so lange in Ver-
wahrung behalten, bisHiller's Adjutant mit seiner Bagage einträfe.
Hiller ging dann auch nach Semlin ab, um mit dem Ober-
anführer der serbischen Nation zu unterhandeln. Bis zu seiner
Rückkunft soUte auf Hiller's Ansuchen Simbschen noch in Peter-
wardein bleiben.
Als 18. November 1810 der neue Commandirende der
slavonischen Grenze von Semlin wieder eintraf, kam er mit leeren
' Hiller, Franz Freiherr von, 1801 Commandirüiidor in Tirol, 1806 im Kriege
um Tirol und Vorarlberg als Befehlshaber daselbst; 1806 Commandirender
Obertteterreichs; 1809, bis zur Schlacht bei Aspem, Corpscommandant.
' Für dies und das Weitere die Apologie.
15*
228
Händen. Kara Georg, auf den Hiller drei Tage wartete, war
nicht gekommen, sondern liess sich entschuldigen, dass ihn ein
Ausschlag am Körper verhindere, Topolia zu verlassen. Aber
selbst im Falle seiner Gesundheit würde er sich zu Semlin in
keine weiteren Unterhandlungen einlassen können, weil sich
die serbische Nation bereits in den Schutz Rasslands
begeben habe.*
In dieser Eröffnung und in der Besetzung Belgrads
durch die Russen (Februar 1811)2 lag der beste Beweis,
dass die Zuwartungspolitik Oesterreichs nicht im Rechte war,
jedenfalls weniger als der gute Wille Simbschen's, seinem Staate
den Weg nach Serbien offen zu halten.
1 Apologie. — Hiller war ISOl, für kurze Zeit, in Agram stationirt, 1807
Commandirender in der Karlstadt- Warasdiner Militärgrenze, somit kein
Neuling in den dortigen Verhältnissen, überdies äusserst ehrgeizig.
3 Auch Schabacz und Semendria (Smederowo) erhielten russische Besatzung.
Erzherzog Johann schreibt in sein Tagebuch zum 16. Februar
1811: yBesetzung Belgrads durch die Russen, wir haben es
rersSumt!*
ANHANG.
Belege aus dem Nachlasse Simbschen^s.
I.
1806, 11. April 1860. ^ FML. Graf Grüxme an FML. Freiherm
V. Simbsohen in Marburg.
Hochwohlgeborner Freiherr,
Hochgebietender Herr Feldmarschalllieutenant!
Euer Hochwohlgeboren sind zu gerecht gegen sich selbst, um die
Terschiedenen zum Theil unangenehmen Auftrage, die Sie erhalten, einer
andern Ursache als dem öffentlichen Zutrauen in Ihie Kenntnisse, in
Ihren Eifer *und in Ihre Thätigkeit zuzuschreiben. Freilich können andere
Divisionscommandanten ruhig ihr vidi schreiben, aber Männer von Ihrem
Gehalt sind von rechtswegen von dieser nihigen Unthätigkeit ausge-
schlossen und müssen der gemeinen Sache und Ihrer Reputation dies Opfer
bringen.
Von dieser Seite kann ich also Euer Hochwohlgebohren mit allem
gewiss ungeheuchelten Antheil, den ich an Ihrer Zufriedenheit nehme,
unmöglich bedauern, sondern wünschte vielmehr von mehreren Seiten
ähnliche Klagen zu hören. Von dem Wunsch des FML. Elsnitz, einen
Tausch zu finden, ist mir gai* nichts bekannt ; indessen hab ich doch Sr.
königlichen Hoheit gelegentlich davon gesprochen; seine Antwort war:
»Kroatien ist jetzt für uns eine der wichtigsten Gränzprovinzen, und ich
kenne Niemand, der sich bestens dahin schickt als FML. Simbschen.'
Diese Anekdote gehöi*t zu dem ersten Theil von den unangenehmen Kom-
missionen, und doch müssen Euer Hochwohlgeboren gestehen, dass der
Herr nicht Unrecht hat. Verzeihen Sie meine Fi-eymüthigkeit; ich sündige
^ Alle ActenstQcke, welche A. Beer in seinem Werke, Analekten Nr. VII
bis XIV, 8. 790—818 mittheilt, sind hier Helbstverständlich weggelassen.
230
auf Ihre Geduld, aber ich schmeichle mir, dass Euer Hochwohlgeboren
vuu meiner aufrichtigen Verehrung überzeugt seyn werden. Wenn die
Geschäfte so fort gehen wie bis jetzt, so werde ich blind und kontrakt;
wir haben ein solches Chaos gefunden, dass man sich zu Tod arbeiten
kann; ich komme keine Nacht vor halb zwölf Uhr aus meiner Kanzlei
und bin oft stumpf vor Arbeit. FML. Gyulay ist Banus geworden; er ge-
hört nicht zu der Zahl der Unglficklichen. Erhalten Sie mir Ihre fernere
Gewogenheit; ich verharre mit der ausgezeichnetsten Hochachtung
Euer Hochwohlgeboren gehorsamster Diener
Wien, den 11. April 1806. Gr. Grünne, GFML.
(Original.)
n.
1808, 24. Man. — Kaiser Frans an FML. Freiherm ▼. Simbaolien.
Lieber FML. Baron von Simbschen!
Das Vertrauen, welches ich in Ihre Person setze, bewegt Mich,
Ihnen den eben so wichtigen als geheimen Auftrag zu machen, mir un-
mittelbare freimüthige Bericlite über die Volksstimmnng, über Klagen
gegen die Begiei-ung, über dienstschiUiliche oder unerlaubte Vorgänge von
Beamten, Offiziers oder sonst angestellte und Oberhaupt über Alles, so
Sie für den Staat nachtheiliges fanden und erfahi*en, so wie über alles
Wichtige und Merkwürdige, so zu Ihrer Kenntniss gelangen sollte, oder
Sie zu erheben nothwendig erachten, zu erstatten. Meine Gesinnung ist
hiei-über eine förmliche Korrespondenz mit Ihnen unmittelbar zu unter-
halten, und erwarte ich ehestens Ihre offenherzige Aeusserung, wie Sie
diese Berichterstattungen ohne Aufsehen zu eiTegen, einzuleiten gedenken;
da ich Ihnen nicht unbemerkt lassen kann, dass Ihre letzthin an Mich
eingeschickte Vorstellung in fremde Hände gelangt und Mir- erst von
diesen zukam.
Wien, den 24. März 1808. Franz m. p.
(Abschrift.)
m.
1808, 10. Mai, Wien. — Kaiser Franz an FML. v. Simbaohen.
. Lieber FML. Baron Simbschen!
Zur Beantwortung Ihres Berichtschreibens vom 10. des verflosse-
nen Monates April, dessen Inhalt ich einstweilen zur Nachricht nehme,
231
erhalten Sie die Weisung, alle jene Anzeigen u. Berichte, welche Ihnen
unmittelbar ?on mir abgefordert oder welche Sie selbst wegen besonders
wichtigen Ursachen in einzelnen Fällen Mii* zu erstatten finden werden,
unter der hier beiliegenden Adresse* einzuschicken.
Wien, am 10. Mai 1808. Franz m. p.
* An des k. k. ^h. Kabinetsdirektor Uorrn Atitou Neuborg Wohlgebureu
zu Wien.
(Abschrift.)
IV.
1809, 2./14. April, Belgrad. — Kara G. Petrovioh an Simbsohen.
Ich habe die Ehre Euer E. gehorsamst zu berichten, dass wir neuer-
dings mit den Türken Krieg haben und in Gottes Namen mit unserer
Armee auf allen Seiten gegen den Feind abnicken. Wir halten es dem-
nach für unsere Pflicht, Ihnen als unserem ersten Freunde davon die
gehorsamste Meldung zu erstatten und uns Ihrem Wohlwollen ao wie bis-
her geschehen auch für die Zukunft zu empfehlen. Denn wer war unser
grösster Freund, der uns in unserer Noth so gnädig unterstützte und
seine väterliche Liebe uns bezeugte, als der durchlauchtigste österreichische
Kaiserhof, welches nicht nur mir, sondern unserer ganzen Nation wohl
bekannt ist und ewig unvergesslich bleiben, so wie sich unsere Dankbar-
keit für die uns väterlich erwiesenen vielen Wohlthaten von einem Ge-
schlechte zum andern bis in Ewigkeit fortpflanzen wii'd. Ich habe woiters
vernommen, dass Ihre Leute einigemal eine Revolte (wiewohl diese sie
selbst in das grösste Unglück stürzen müsste) angezettelt und sich ge-
äusseil; haben, dass ich mit ihnen diesfalls einverstanden sei. Das behüte
Gott! Ich habe nie solch einen Gedanken gehabt, und so wie ich denke, so
denken auch alle Vorsteher, denn unser Herrgott selbst müsste uns strafen,
wenn wir nur den mindesten Gedanken haben konnten, Ihrem Hofe, einem
solchen Freunde, der uns in unserer Noth so grossmüthig unterstützte,
auch das geringste Uebel zufügen wi wollen. So viele Wohlthaten können
nicht leicht vergessen werden, und es wird noch eine Zeit kommen, wo
man es in Werken bezeugen wird, welche Wohlthaten uns der öster-
reichische Hof erwiesen hat. Ferner haben wir E. E. zu melden, dass von
den nämlichen Leuten, die auf Ihrer Seite Unruhen erregen und uns mit
den Ihrigen zu entzweien gesucht haben, welches aber der Allmächtige
nicht zugelassen hat, drei derselben sicli auf unsere Seite geflüchtet, auch
hier Unruhen zu erregen getrachtet haben, auf meinen Befehl von meinen
232
an der Grenze befindlichen Vorstehern gefangen und an der nämlichen
Stelle ihrer Gefangennehmung aufgehängt worden sind. Auf gleiche Art
vernehme ich, dass es noch einige solcher Bösewichter gebe, aber ich hoffe,
dass ich sie auch zu Händen bekommen und schon wissen werde, was
mit ihnen zu machen sei. Sollten sie von Euerer Seite sein, so werde ich
sie Ihnen übei*geben; sollten sich aber einige der Unsrigen finden, welche
sich an solche B^sewichter schliessen, werde ich solche an das Ufer der
Save bringen und selbe dortselbst im Angesichte der Eurigen und Uns-
rigen zum abschreckenden Beispiele aufhängen lassen. Wir bitten E. E.
auch, wenn allenfalla einige unserer schlechten Leute sich zu den Eurigen
gesellen und hinüber kommen, selbe aufzufangen und in unsere Hände
zu liefern, wir werden sie sodann vor den Augen der Eurigen mit dem
Tode bestrafen, was hingegen von Euern derlei Leuten auf unserer Seite
angetroffen wird, wie schon mehrere hier bemerkt worden sind, werden
wir sie aufzufangen trachten und sie Euch übei*geben; sollten wir selbe
aber nicht lebendig fangen können, so werden sie getödtet und Ihnen die
Anzeige hievon erstattet werden. Auf diese Weise kann Buhe und Ord-
nung auf der Grenze erhalten werden. Endlich haben wir vernommen,
dass auch Ihr den Krieg mit Frankreich erneuem werdet, daher wir Omen,
hiemit die Versicherung unserer freundnachbarlichen G^innungen geben,
damit Bir nicht die geringsten Zweifel uns beti-effend haben möget und
ziehen könnt, gegen wen Ihr nur wollt; sollte Euere Grenze auch ganx
leer bleiben, so wird selbe von uns aus eben so sicher sein als wenn wir
beide unter Einem Sccpter stünden. Ich bitte demnach E. £. auch den
H. Obersten in Semlin von diesen unseren Gesinnungen unterrichten la
wollen, wie wir uns hier mit ihnen in Allem einzuvernehmen haben.
Ich bitte um eine gnädige Antwort auf diese meine Zuschrift und
empfehle mich zu E. E. fernerem Wohlwollen
untei*thänigst43r Diener
Kara Georgia Petrovics,
Oberster 8orv. AnfttHrer.
Belgrad, am 2./14. April 1809..
Der Milosch Urossevich hat mich mit einem sehr guten Zelte beehrt
und mir gesagt, dass er es von E. E. erhalten habe, wofür ich E. E. ver-
bindlichst danke; ich bitte nur noch um die Gnade, wenn allenfalls noch
einige derlei Zelte vorhanden sein sollten, mir noch 6 etwas kleinere durch
den Milosch zukommen zu maclien ; ich werde selbe gern mit Bank be-
zahlen.
(Abschrift.)
233
V.
1809, 29. Juli, Fest. — GFM. Graf Wenzel Ck>Uoredo an Simbschen.
So oft die Servier und ihr Anführer Kara Georgia sich bisher auf
irgend eine Art in Gedi'äng und Verlegenheit befanden, war es ihre ge-
wöhnliche Taktik, sich mit Vermittlungs- oder Unterwerfungs-Anti'ägen
an den hiesigen Hof zu wenden, die aber nicht nur keine Folgen hatten,
sondern noch überdies missbraucht wurden, um einmal die Auf sichtigkeit
des russisch kaiserlichen Hofes, ein andermal jene der Pforte zu erregen,
und so die diesseitigen Verhältnisse mit beiden zu trüben. Der Herr FML.
(S.) haben. daher, wie es die Beilage Ihres Berichtes vom 12. d. zu er-
kennen geben, den neuerlichen Antrag des Petrövich (Kai*a G.) ganz
richtig gewürdigt, indem sie demselben bedeuten Hessen, dass Sie daiauf
keine Bücksicht nehmen könnten, bis jener sich mündlich näher darüber
geänsseiii haben würde.
Vor Allem ist nun der Erfolg dieser Gesinnungen abzuwarten und
seiner Zeit hieher anzuzeigen, ehe der Hen- FML. sich in irgend etwas
näher einlassen.
Zu Berichtigung Ihrer politischen Ansicht kann ich jedoch für künf-
tige Fälle nicht unerinnert lassen, dass es dem Hause Oesterreieh keines-
wegs gleichgiltig seye, ob Servien unter ottomanischer oder russischer
Oberherrschaft stehe, und dass die Ausdehnung dieser letzteren Macht
längs unserer Grenze und die Vervielföltigung der Berührungspunkte als
ein in jeder Hinsicht für das diesseitige Staatsinteresse höchst nachthei-
liges Ereignis angesehen werden müssto.
Der Herr FML. werden demnach wohl thun, einer Annähemng mit
Kara Georg nicht auszuweichen, sie aber auch nicht zu suchen und, so
oft von bestimmten Anträgen die Rede ist, unter der vollkommen gegrün-
deten Vorstellung, dass sonst von dem allerhöchsten Hofe keine Rücksicht
darauf genommen werden könnte, auf irgend einer Foimalität zu bestehen,
wodurch gedachter Anführer in die Unmöglichkeit versetzet werde, den
gethanen Schritt in der Folge wieder abzuläugnen, oder auf eine uns nach-
theilige Art zu entstellen.
Uebrigens sind seit dem wirklich erfolgten Einrücken der russisch
k. Truppen in Galizien die Verhältnisse zwischen beiden Höfen von der
Art, dass zwar alles vermieden werden muss, was die Vennuthnng be-
gründen könnte, als ob unsere Absicht dahin ginge, das Petersburger
Cabinet zu reitzen, dass aber dasjenige danim keineswegs ausser Acht
gelassen werden darf, was der Vortheil und Nutzen das Staates erheischt.
Endlich bemerke ich ii>icli in Bezug auf Uie frühere Anfraß d
H. FML. TOm lö. April d. J., dniSs die bislior ctinaiTCndo zugvIa«
Ausfuhr von Mehl, Salz und BrodfrOchteu nooh Sei-vien vor der Haud auj
fernei-bin jeiloch nur iusoweit zu gestatten seye, als sie mit der fiodecVui
des ei^neo Bedaifs voreiobar ist, die Staats verwaltang dabej anf kei^
Weise comprumittirt orsoheint, uikd diese gi^nz unaufBichtliche tiefallil
heitsboxcugung Berviitvherijeits durch eine vollkumuieue Uet^iiinuität t
widert wird. — — — — — — —
(AbKbrifl.)
1809, 10. August, Komorn. - Kaiser Frauz an FZU. Froibora
V. Simbsohen.
Lieber FZM. Itarun Simbschou!
Schon seit gerauniei' Zeit wird die Karlstadter Orenze an ver
denen Punkten jenes Distrikts, welcher vurmala tOrhiucli wai*,
Sistuwer Frieden aber mir zngcfallen ist, beunruhiget. Feste Plätze «
den mit Gewalt genommen, Uäuger niedoi^ebrannt, die Greaxen >
geplündert und ihr Vieh weggetrieben Die nachdrück lichslen KinBchrei-
taugen zu Ti-avuik haben ebensowenig als ilie von dem Kai-Islä>lt«r-
Worosdiner Gonei-alkommando getiulTencu m 11 italischen VorkehruDgl^ J
bisher eine Abhülfe verschätzt, und nach'kurzen Untorbrcchungea werd
v'in Seiten der durch die Franzosen aufgewiegelten und sicJi dadurch d
Ausmarscb gegen die Sei*vier entziehenden BoHuier Feindseligkeit«!! ü
wiediy aiigefititgen.
Ich will diesem Unwesen, was bereits sehr schädliche Folgen gt
bat und in der Folge noch ornstücliere haben dürfte, erufetlich und sc
ein Ende gemacht wissen.
Auf ilio Vorstellung Meines Internuntius hat zwar diu Pfurt« se^
nncbdi'flcktiche Fei'mans an 'len Gouverneur von Travriik e.rlussun. Ali<
bisher fehlen entwxder diesem die Mittel, j«ne Kapitäne, welche na dt«
GowultU]ntigkoit4<n Si-huld tragen. *.» P.'uireii %u trcibeu, o^Ier er Mtinivi
gegen dieselben. Kraftvollere Ma^i^regelu siud daher uuumgäuglicli ii
weuilig, und Ich befehle Ihnen sonudi, vuu der untei' Ihroiu CooitD
stehenden waffenßhigeu Mannschaft acht- bi.s znlmtansonil Mona 1
terie und beiläuHg Tausenil Iterilteiie, woxu die zu iictiTou Dieimteu |
meiatan geeigueten und zu Iluuse entbetirlicben Leute xu wählen sjq
la Tersammoln und mit diesen nach Ki-oaiien nufzubreirhon, w:
235
von dispoibler Mannschaft YOi'finden, an sich zu ziehen nnd Ihr Corps mit
dem nöthigen Geschütz und Munition zu versehen.
Sobald Sie in die Gegend von Eailstadt gekommen sind, haben Sie
meinen Consul zu Travnik von Ihrem Eintreffen zu benachi-ichtigen, da-
mit dieser, wie er auch durch die geheime Hof- und Staatskanzlei dazu
angewiesen wird, dem Gouverneur von Bosnien bestimmt erkläre, dass er
die Befehle der Pforte gegen jene seiner Untei^gebenen, welche die Un-
rahen auf der Grenze erregen, und unterhalten, ohne Zeitverlust in Voll-
zug setze, den Stand der Dinge, so wie er sich vor dem Ausbruch der
Feindseligkeiten befand, wieder herstelle, Genugthuung verschaffe und
die wirksamsten Massregeln zur Erhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicher-
heit an der Grenze unverzüglich ergreife, indem man sonst wider Wunsch
und Willen bemüssigt wäre, sich selbst Genugthuung zu verschaffen, was
auch auf den Fall, wenn der Gouverneur die schuldige Abhülfe nicht lei-
sten sollte, ohne Weiteren, jedoch mit der Vorsicht und Mässigung zu
geschehen hat, dass die Waffen nur gegen diejenigen gebi*aucht werden,
welche feindselig gegen Mein Gebiet verfahren sind, oder noch ver-
fahren.
Wenn aber der Gouverneur die Aufträge seines Hofes pünktlich
vollziehet, oder die Ruhe an der Gränze schon vor Ihrem Eintreffen her-
gestellt wäre, so haben Sie doch bis auf Meinen weiteren Befehl mit dem
Truppencorps in der Nähe von Karlstadt zu verbleiben und doi-t Meine
weitere Bestimmung abzuwaiiien.
Sowohl die Vei-sammlung der Mannschaft als auch der Aufbruch
nach Kroazien ist möglichst zu beschleunigen. Das Corps hat von dem
Zeitpunkte seiner Versammlung in den Genuss der Kriegsgebühr zu
treten und ist für dessen vollständige Ausrüstung und Vei*pflegung so
wie für die Versorgung der Ki-anken bestens zu sorgen.
Das Karlstadter-Warasdiner Generalkommando wird angewiesen,
Ihnen hiebei werkthätigst an die Hand zu gehen.
Ich erwarte Ihre unverzügliche Anzeige, bis wann der wirkliche
Aufbruch geschehen kann, und bis wann das Corps bei Karlstadt wird
eintreffen k((nnen, so wie Sie überhaupt über Alles, was auf Meine vor-
liegende EntSchliessung Bezug nimmt, die Berichte und Relazionen un-
miUelbar an mich einzusenden haben.
Eomom, den 10. August 1809.
Franz m. p.
' (Abschrift.)
236
vn.
1800, 26. Augast, Totis. — Kaiser Fraiui an FZK. Freiherr
V. Simbaohen.
Lieber FZM. Baron Simbscben!
Ich habe aus Ihrem Berichte mit Wohlgefallen entnommen, dass
Sie den Inhalt meines Befehles vom 10. August dergestalt vollzogen haben,
dass Sie gesammte diese Truppen versammeln und im Marsche nach Carl-
stadt setzen können. Ich linde aber nun, da die Umstände, welche mich
veranlasst haben, die Foiinirung dieses Corps anzuordnen, geändert sind,
Meinen Befehl vom 10. dieses nachstehend zu modifizii*en.
Itens haben Sie nur mit dem 3. Beserve-Bataillon zn marschiren.
2tens die 3 Land- Bataillons bleiben zui* Besetzung der Festungen
und zum Cordons-Dienst im Lande. Nur insoweit diese nicht hinreichen,
hat die Landwehr Aushilfe zu leisten, wobei ich Ihnen aber ansdrücklidi
anempfehle, die Einleitung so zu treffen, dass die Landwehr nicht ferne
vom Haus zum Dienst verwendet werde; durch kluge Vertheilung kann
dieses erzielt werden.
3tens statt eines Hussai*enregiments von 1000 Pferden haben Sie
nur 1 Division nach der vorgeschlagenen Starke zu stellen, welche den
Namen Slavonisch-syrmische Hussaiendivision zu führen hat und zum
Ausmarsche mit den 3 Beserve-Bataillons bestimmt ist,
4tens die Csaikisten- und Land-Division als Pionier-Division ist
entbehrlich.
In Folge dieser Anordnung verändert sich auch das Maass der Be-
dürfnisse und Aushilfen, die Sie für das Corps fordern, und indem ich
dem Hofkriegsrathe diesfalls meinen Willen zu erkennen gebe, trage ich
demselben auf, für die vollständige Ausrüstung des Corps zu sollen, und
Sie haben sich um alles, was Sie zur Büstung und Mobilmachung dieses
Corps bedüifen, an den Hofkriegsrath zu wenden. Das Commando der
Division Hussaren übertrage ich dem Major Baron Simbscben des Gradis-
kaner Begimentes, dem ich den Befehl ertheile, sogleich nach Peterwar-
dein zu gehen.
Die vorgeschlagene Montirung der Hussaren mit braunen Pelzen,
lichtblauen Leibein mit Ermein, lichtblauen Hosen und schwarzem Czako
bewillige ich — in so fern der Vorrath an braunen und lichtblauen
Tüchern bei der in Neusatz etablirten Marburger Oeconomie-Commission
noch so bedeutend ist, widrigenfalls wird mein Hofkriegsrath die Farbe
der Tücher bestimmen, welche er zur Bekleidung dieser HossanndiTision
237
am leichtesten herbeischaffen kann. Ich werde diesem Tmppen-Detache-
ment einen Bri^dier und die allenfalls nöthigen Offiziers des Gen. M. St.
seiner Zeit zusenden. Der Hof kriegsrath erhält den Auftrag, die Anstel-
lung der nöthigen Offiziere zu besorgen und die Truppen mit der n((thigen
Artillerie auszurüsten. Da der ausmarschierende Stand der Truppen so
sehr Yermindert worden, so wird auch die Ernennung eines Coi*ps-Adju-
tanten überflfissig und Sie können die Geschäfte durch Verwendung Dires
Adjutanten leicht besorgen.
Nur die 3 Beserve-Bataillons , dann die Division Hussaren kann
auf dem Kriegsfuss verbleiben. Alle übrigen Truppen sind vodl Tage des
Empfanges dieses Befehls auf Friedensfuss, wie sie es sonst waren, zu
versetzen.
Sie werden bis auf weiteren Befehl nicht nur fQr Dire Person das
Oen. Commando in Peterwardein fortfflhren, das nach Ihrem Abmarsch
der FML. Finke zu übernehmen hat, sondern Sie haben auch die Beserve-
Bataillons, die bei Empfang dieses Befehles schon in Marsch sein könnten,
halten zu machen, in enge Goncentrirung zu verlegen, mit Thätigkeit an
ihrer vollständigen Ausrüstung und Mobilisirung zu arbeiten und so bereit
zu halten, dass dieselben gleich nach Empfang eines zweiten Befehles auf-
brechen können. Wenn diese 3 Bataillons mit allem nöthigen versehen
sind, erwarte ich auch die Anzeige darüber.
Die übrigen Tnippen, die in Folge dieses Befehles zum Ausmarsche
nicht mehr bestimmt sind, sind nach erhaltener Weisung zweckmässig
zu verwenden.
Dotis, den 25. August 1809. Franz m. p.
(Abschrift.)
vm.
1809, 16./28« August, Belgrad. — Kara G. Petrovioh an
Simbsohen.
Gnädigster Herr General Feldzeugmeister von Simbschen und Lan-
descommando-General ! Ich habe die Ehre E. E. zu berichten, dass ich
dem Herrn Obersten und Szemliner Militar-Commandanten von Perss ge-
schrieben und denselben gebeten habe, mit dem Bruder Milosch zu mir
sm einer wichtigen Unterredung herüberzukommen. Ich habe mich danach
mündlich mit selbem besprochen und ihnen unsere damaligen Umstände
erM!net. Ich melde also auch E. E. in Kurzem, dass der Herr General
T. Ba^toAnikin heute Nachts von hier aus Belgrad entwichen seye und uns
238
treulos vorlassen und verrathen habe, ohne dass wir uns die Ursache hie-
vnn erklären wissen. Gott mOge ihn richten !
Wir bekennen E. E., dass wir seit Anfang unseres Krieges keinen
getreuem und gnädigeren als Euer durchlauchtigsten österreichischen Hof
gehabt, denn wer hat uns sonst geholfen und bis zum heutigen Tag glück-
lich gemacht? Wir bitten also Ihren kaiserlichen Hof abermalen, uns in
Ihren gnädigen Schutz aufzunehmen, uns zu helfen und uns mit dem Er-
forderlichen an die Hand gehen zu wollen. Wir erkennen nächst Gott
Niemanden als Euer gnädigsten Hof und rufen und nehmen nur selben
zu unserin Helfer und Better auf, welches unser Wunsch von jeher ge-
wesen und sich schon längst realisirt hätte, so wie ich bereits vorigen
Jahres mit E. E. auf Ihrer Seite bei Mertva Strassa * mich besprocheu
und mit Beistimmung der ganzen Nation mein Wort g^eben habe, und
es sicher auch gehalten hätte, wenn nicht eben dieser HeiT General Kado-
finikin uns abgeredet und damit abgeschreckt hätte, dass, wenn wir uns
an den österreichischen Hof anschliessen, derselbe uns sicher wieder an
die Türken ausliefern würde.
Ueberdies sagte er uns noch: Es seye bereits zwischen den Bussen
und Franzosen zuverlässig beschlossen und ausgemacht, dass die Fran-
zosen alle östei'reichische Länder bis nach Mähren und von Mähren an
die Bussen unter sich theilon wei'den, daher wir bei den Deutschen keinen
Schutz ßnden könnten. Auf diese Weise ist es nun diesem General ge-
lungen, uns zu betrügen und von unserem Vorhaben abzubringen. Wir
bitten nun Ihren durchlauchtigsten Kaiserhof und E. E. unteithänigst,
das bisher Geschehene uns gnädigst zu vergeben und uns wieder in Ihren
Schutz und Gnade aufzunehmen, uns zu helfen und mit den unumgäng-
lichen Erfordernissen versehen zu wollen. Wir bitten ernstlich Gott, dann
Euern Kaiserhof, uns zu helfen und in dieser Noth nicht zu verlassen.
Wir wollen entweder mit Euch alle sterben oder durch Euch glücklich
werden und bleiben. Ich habe gerade selbst zu E. E. kommen wollen und
Ihnen alles dieses auch noch Mehreres mündlich vortragen wollen, allein
ich muss den Augenblick gegen die Morawa abgehen, um daselbst mein
Heer aufzustellen, «Positionen zu fassen und gute Hinterhalte zu legen,
die Posten längs der Morava zu visitiren und den Truppen die sirengsten
Befehle und Massregeln zu ertheilen. Sobald ich aber meine Truppen
ordentlich aufgestellt und feste Positionen genommen haben werde, will
ich dann zu E. E. kommen und mich dem Kaiser selbst vorstellen. Für
... ist eino Chardaiiuo unter dor Uedentuiig ,yerlomer Ponton* (netit
Simbscheu in Klammern bei).
239
itzt schicke ich aber meinen getienen Secretaire, Herrn Stefan Jeftich,
welchem ich alle meine Aufträge und die nnnmschränkte Vollmacht er-
theilt habe, in meinem Namen alles zu vollfühi'en. Er soll dieses Schreiben
E. E. übergeben und Ihnen auch mündlich über Alles Bed' und Antwort
geben. Wahrscheinlich wird Ihnen auch der Hen- Oberst Perss bereits
gemeldet haben, wie ich mit ihm mündlich geredet und was ich mit ihm
in Geheim verhandelt habe.
Schliesslich bitte ich E. E., den Herrn Milosch Urosgevics a^u Semlin
zu belassen und nicht wo andershin zu kommandiren, denn er ist zur Be-
sorgung und Ueberlieferung unserer Briefschaften und aller unserer Ver-
handlungen sowohl au den durchlauchtigsten Eaiserhof als an E. E. Exzel-
lenz daselbst erforderlich. Uebrigens empfehle ich mich dem allerhöchsten
Kaiserhofe so wie E. E. zu höchsten Gnaden und geharre einer möglichst
baldigen Antwort entgegen sehend, mit unbegränzter Hochachtung und bin
E. E. unterthänigster und dankbarster Diener
Kara Georgia Petrovich
Ob. serv. Anführer.
(Abschrift.)
IX.
1809, 80. Aug^ust. — Simbsohen an Kara G. Petrovioh.
Ihr Schreibon vom 16./28. d. M. habe ich heute durch ihren Secre-
tair Stefan Jeftich erhalten, so wie mir auch gestern vom Herrn Obersten
von Perss dasjenige zugekommen ist, was er mir über ihre mündliche Be-
sprechung zu melden hatte. Sie können sich versichert halten, dass ich den
wärmsten Antheil an ihrer dermal igen Angelegenheit nehme und daher einen
eigenen Courier mit Ihrem Schreiben an S. Majestät, meinen gnädigsten'
Kaiser und König absende, wobei ich jenes mitberichte, was mir Jeftich
mündlich anvertraut hat. Da Sie ohnehin wissen, dass ich für mich nichts
unternehmen darf, bis ich nicht von meinem allerdurchlanchtigsten Hofe
dazu beauftragt werde, so wünsche ich den besten Eifolg zu Befriedigung
Ihrer Wünsche. (Abschrift.)
X.
1800» 80. August. — Simbsohen's Bericht an FM. Graf Wenzel
Colloredo nach Fest.
Ueber den Voifall, dass der russische General -Consul Staatsrath
Badofinikin Belgrad verlassen und der serbische oberste Anführer Kara
240
Georgia Petrovics um den Schutz des Hauses Oesterreich gebeten habe,
ist mir gestern von dem Szemliner Militarcommandanten, Obersten Perss,
die nebengehend urschriftliche Anzeige zugekommen:
Heute traf unter B^Ieitung des Szemliner Landwehrhauptmannes
Milosch Urossevics der Secretär Stefan Jeftich allhier ein, der mir von
gedachtem K. G. Petrovics das ebenfalls in Urschrift nebst der deutschen
Uebersetznng beigeschlossene Schreibon überbrachte und im Namen des
benanntjBn serbischen Anführei*s mündlich erklärte, dass derselbe ganz
bereit seye, die Festungen Belgrad, Szemendria und Sabacz zur Be-
setzung mit k. österreichischen Tiiippen abzutreten und die anverlangen-
den Geiseln als Untei-pfand der verbürgend ächten und aufrichtigen Ge-
sinnungen zu überliefern, wenn die Nation sich des Schutzes und der
Unterstützung an Munition und Nahrungsmitteln unseres durchlanchtig-
sten Hauses eifrenen darf. Weiters aber erklärte Jeftich die Bitte seines
Befehlshabers (im Falle die itzigen Verhältnisse an der Uebernahme und
Besetzung der erwähnten Festungen und einer decisiven Zusage des höch-
sten Schutzes hinderlich sejn sollten), dass S. Majestät geruhen möchten,
durch einen Courier an den Gommandanten der türkischen Tmppen so
wie an den k. österreichischen Internuntius und königlich englischen Ge-
sandten in Constantinopel bei der ottomanischen Pforte einen Waffen-
stillstand huldreichst auszuwirken, weil alsdann an der Zeit gewonnen
würde, und die asiatischen Truppen ohnehin nach Verlauf des September-
Monates zurückzukehren pflegen, folglich die Möglichkeit der servischen
Behauptung unter der geheimen österreichischen Beschützung nicht zu
bezweifeln wäre. So wie ich nun nach £. E. hohen Weisungen v. 29. Mai
und 29. Juli d. J. theils mich selbst benommen theils die nöthigen Instruc-
. tionen erlassen habe, Vorbescheide ich unter einem dem K. G. Petrovic«,
dass (da ich zu eigenmächtigen Unterhandlungen nicht bevollmächtigt bin)
seine Anträge im vorgeschriebenen Wege zur Allerhöchsten Kenntniss
S. Majestät des Kaisers und Königs bringe und mir die höchsten Befehle
erbitte.
Unbekannt mit denen politischen Verhältnissen der Eabinete,
unterlege ich daher diesen Gegenstand der hohen und höchsten Ent-
schliessung und bemerke nur dabei, dass einerseits zwar Slavonien von
allen Linien und reguliii;en Grenztruppen entblöst seye, doch aber nach
Abschlag der geleisteten Ergänzungen zu dem Feldstande und der bereits
nach Croatien abmarschierten 9364 Mann Infantene und 1112 Mann
Hussaren, denen in denen Festungen befindlichen Landwehr-Bataillons
und Bürgermilice, annoch erforderlichen Falles bei 30.000 wehrfähige
Grenzer der hierländigen 3 Regimenter und des Czaikisten-Besirkes nebst
241
dem Gen. FML. Finke, dann denen Brigadiers = (Generalen Baron Bicsan,
Marqnis Yasqnez und Oberst Obuchina zu Gebothe stehen, welche Grenz-
mannschaft aber nicht montirt und 13.000 derselben nicht bewaffnet
sind; ich hingen anderseits, sobald die allerhöchste Besolution w^en
den Erfordernissen f&r das nach Ci'oatien bereits abgerückte Truppen-
Corps einlangte, mich in Folge des allerhöchsten Auftrages dahin ?erffigen
werde, daher E. Excellenz die AusfQhi*ung der gegenwärtigen Staatsan-
gelegenheit nach hohem Ermessen an meinen mir derzeit noch unbewussten
Nachfolger im General-Commando einzuleiten geruhen wollen.
(Abschrift.)
XI.
1809, 18. Ootober, Totis. — Kaiser Franz an FZM.
Freiherm v. Simbschen.
Auf die Mir durch den Eriegsminister einbegleiteten Anfragen den
Antrag des servischen Oberbefehlshabers Kara G. Pctrovics betreffend
finde Ich Ihnen zum Nachverhalte mitzugeben, dass Sie gedachtem Ober-
befehlshaber erklären müssen, dass, obschon die zwischen Mir und der
Pforte bestehenden freundschaftlichen Verhältnisse Mir nicht erlauben,
zu Gunsten der servischen Nation gegen die Pforte thätig aufzutreten.
Ich jedoch mit Vergnügen diese Verhältnisse benützen wollte, um eine
Annäherung zwischen beiden Theilen auf einer billigen Grundlage her-
beizuführen, und dass Mein Internuntius zu Constantinopel bereits in
diesem Sinne instruirt ist.
Sie werden bei dieser Gelegenheit die Uneigennützigkeit und Auf-
richtigkeit geltend zu machen suchen, wovon Ich durch diesen Schritt der
servischen Nation so bestimmte und von dem russischen Benehmen so
verschiedene Beweise geben. Zugleich müssen Sie sich alle Mühe geben,
die wirklichen Gesinnungen des servischen Anführers zu erforschen und
jede Compromission des Letzteren gegen Uns auf offiziellen Wogen zu
befördern, da sie in jeder Hinsicht sowohl zu näherer Eenntniss der
Lage der Dinge als zu einer nützlichen Ausdehnung unseres Einflusses
in die servischen Angelegenheiton wünschenswerth ist. Ueber den Gang
dieses Geschäfts werden Sic von Zeit zu Zeit die ungesäumten Berichte
erstatten.
(Abschrift.)
AzflkiT. Bd. LXXVI. I. Hilft«. 16
242
xn.
1809, 17. 29. Deoember, Belgrad. — Ziisohrift Kara Georgs und
des serbisohen Senates an Simbschen.
(Uoborsetznng aus dem Sorbischen.)
Euer Exzellenz, gnädigster Hen'! Gestern hatten wir die hohe Ehre
uns diii'ch mündliche Unterredung mit E. E. und Vorzeigung der Briefe
von der angobornen Milde und väterlichen allerhr)ch8ten Gnade Sr. k. k.
Majestät neuerdings zu überzeugen.
Wir beeilen uns daher hiemit feierlichst zu erklären, dass unsere
Liebe und Ergebenheit gegen den durchlauchtigsten österreichischen Kai-
sorhof, welche durch widrige Zeitumstände nur einstweilen verwoiTen und
gefährdet wurde, stets aufrichtig fest und unerschütterlich war und sein
wird, indem wir immer gewünscht haben und noch wünschen, unser Glück
und Wohlstand so wie die übrigen Nationen unter dem wohlthätigen öster-
reichischen Szepter zu finden, in dem vollen Vertrauen, dass auch wir,
die wir schon so vieler mehr als väterlicher Wohlthateu genossen, unserer
Gerechtsamen uns erfreuen werden. Wenn jedoch die Umstände und poli-
tischen Verhältnisse diesen unsren Wünschen durchaus entgegen sein
sollten, so wollen wir bis auf bessere und günstigere Zeiten uns auch da-
mit begnügen, der Ottomanischen Pforte den Tribut zu entrichten.
Obschon mau aber von der Gorechtigkeitsliebe und dem Wohlwollen
der Regierung zu derselben untergebenen Völkern übeiT^eugt ist. so hat
man doch vollgiltigo Beweise, dass es in den Türkischen Staaten viele
Excedonten gebe, welche gegen die Regierung selbst ungehorsam und
eigenmächtig handeln und viele Ungerechtigkeiten und Unbilden an an-
dern gewaltsam ausüben, so wie es offenbar ist, dass solche Gewaltthäter
auch unsern allgemeinen Aufstand, die wir gegen unseren gesetzlichen
Kaiser so nie eine böse Absicht gehabt, herbeigeführt haben.
Wii' sind daher zu unserer Sicherheit und Dauerhaftigkeit des Frie-
dens veranlasst, in kindlichem Vertrauen untei-thänigst zu bitten, damit
Se. kais. kön. Majestät unser Veimittler und Fürsprecher bei der Otto-
manischen Ffoi-te zu sein die allerhöchste Gnade haben wollen, zu welchem
Ende wir nachstehende Punkte unserm gepflogenen Uebereinkommen ge-
mäss beizusetzen die Gnade haben (sie).
1. Diiss S. kais. Majestät der Kaiser unser Schutzherr sei.
2. Allgemeine Amnestie für Alles, was während des ganzen Krieges
begangen ist.
3. Sollen wir Contribuenten und beziehungsweise Vasallen der
ottomanischen Pforte auf die Ai*t werden, dass wii* zu keinem andern
243
Dienste verpflichtet seien, als blos zur Entrichtung der ausgemacht wer-
denden Abgaben im Baaren.
4. Sollen die Grenzen der nun contribuirenden Serbier mit den
Türken nach der natürlichen Lage durch Berge und Flüsse, dann die Po-
sitionen, welche wir noch heute dato innehaben und von unsern Wachten
und Vorposten besetzt halten, bestimmt und anerkannt werden, nämlich
von der Save längs der Drina bis zu dem Zusammenflusse dei^selben mit
der Lima, von der Lima auf den Berg Schargan und Javor, hernach längs
dem Berg Golia bis an den Fluss Studeniza, dann längs der Studenica bis
Eopavnik, so dass Kupavnik und Samskowi hieher zufallen, sodann von
da an den Fluss Toplica und längs dieses Flusses über Bulgar-Morawa
gerade an den Ui*sprung des Flusses Toponica und den grossen Timok
und endlich längs dem Lauf des Timok bis in die Donau.
5. Dass über diese hier bezeichnete Grenze in keiner Angelegenheit,
weder die Türken herüber noch die Serbier hinüber treten dürfen ausser
einzig und allein in Handelsangelegenheiten.
6. Dass ein kais. kou. Consul immer in Belgrad residire und noch
vor Anfang des künftigen Congrosses hieher komme.
7. Jeder wichtige Gegenstand, so von der erlauchten Regierung an
die Nation abgesendet wird, solle Sr. k. k. Majestät durch einen unserer
Abgeordneten eingehändigt werden. Es soll daher
8. Ein Repräsentant der Nation in Wien bestehen, an welchen die
Briefschaften gesendet werden, und welcher die Antworten und Reso-
lutionen wieder zu empfangen hat.
9. Soll jenes, was wir unserm Kaiser überhaupt zu zahlen haben,
auf diesem nämlichen Wege durch den k. k. Gesandten der h(»hen Pforte
eingeantwortet werden. Uebrigens
10. Dass ein jeder rechtgläubige Christ, welcher hier angetroffen
wird, hier auch ferner verbleiben kr)nne, ohne dahin zurückkehren zu
müssen, wo er hergekommen ist.
11. Sollen die in unserer Gefangenschaft befindlichen Türken gegen
unsere Eingeborne ausgewechselt werden.
In Betreff dieser Friedcnsunterhandlung und deren Befestigung
bitten wir untei-thänigst, dass Se. k. k. Majestät einen Ort in allerhöchst
Ihren Staaten allergnädigst zu bestimmen gejuhe, wo dieser Congress ge-
halten und Alles abgeschlossen werden kann. Zu diesem Congresse
wünschten wir, dass ausser unseren und den Türkischen Depntirten auch
Einige anderer Potentaten erscheinen mögen. Damit aber inzwischen bis
zur gänzlichen Beendigung dieses Friedenstraktates an demselben mit
Sicherheit gearbeitet werden könne, bitten wir alleruntei-thänigst einen
16*
244
WaffeDstillstand zwischen uns und der hohen Pforte abzuschliessen, wel-
cher ohne Vorwissen Sr. k. k. Majestät weder gebrochen noch Terlängert
werden soll, indem von beiden Seiten genug Blut mit Erbitterung schon
vei-gossen worden ist.
Dies ist, gnädigster Herr, unsere wahrhafte und feste Gesinnung,
aufrichtig geschildei-t, welches wir Euer Exzellenz, von Deren edlem Her-
zen, grossmüthiger und edler Denkungsart gegen uns wir überzeugt sind,
mit innigster Rührung zu Füssen legen und dabei annoch unterthänigst
bitten, die Sache dieser ganzen Nation, welche £. E. so huldreich auf sich
zu nehmen die Gnade hatten, S. kais. kOn. Majestät vorzutragen, nach
Ihren besten Kräften zu unterstützen und uns den erfreulichen Bescheid
baldmöglichst zu erbitten.
Indem wii' uns zu ferneren Gnaden empfehlen, haben wir die Ehre,
mit vollkommenster Hochachtung und Ergebenheit zu verharren Euer Ex-
zellenz, Gnädigster Herr, unterthänigste Diener
Belgrad, am 17./29. Dez. 1809.
(1.8.) Kara Georgia Petrowich m. p.
Oberster serbischer Anführer.
(1. s.) Dirigirender Senat der serbischen Nation.
(Abschrift.)
xm.
1809, 30. December, Wien. — Kaiser Franz an FZM. Simbsohen.
Meine Ansicht geht dahin, vor Allem nichts unversucht zu lassen,
um eine aufrichtige Aussöhnung zwischen der Pforte auf billige, den
künftigen Buhestand der Servier gegen jede Willkür sichernde Beding-
nisse zu Stande zu bringen. Mein Internuntius zu Constantinopel ist hier-
über mit bestimmten Weisungen versehen worden, über deren Inhalt je-
doch, um nicht ein unzeitiges Aufsehen zu erregen, für dermal das strengste
Stillschweigen beobachtet werden muss. Das Resultat wird seinerzeit den
servischen Oberhäuptern mitgetheilt werden. Indessen haben Sie aber zd
trachten, sie auf Idee und Möglichkeit einer Ausgleichung mit der gehöri-
gen Umsicht, und ohne der in Constantinopel getroffenen Einleitungen
im geringsten zu erwähnen, nach und nach vorzubereiten und bei den ge-
meinschaftlichen Besprechungen ohngeföhr die Bedingungen und Wünsche
zu erfahren , welche die Servier für die angelegentlichsten halten und die
bei einer künftigen Unterhandlung als Grundlage angenommen werden
könnten.
94S
Sehr -vortheilhaft wird e» dabei Hein und angomein zur Krieichtei-ung
H OeschilfteB beitragen, wenn Sie Kich ilui-ch geacliickte EmlHsflii-s ejneu
|fnflass aaf den Handelsstaad und die unteren Volksklassen, die sich
nüglich nach Ruhe sehnen, zu vei-schaffen im Stande sind, um eie von
Htinen wohlwollenden Gesinnungen und von Meinem Wunsche, in Soi-vien
bald m<3glichst Frieden, ßuhe und Ordnung wieder hergestellt zu sehen,
iu allgemeinen Äosdrückea eu verstündigen, zn deren noch mehrerer Bc-
Uiguug Ich auch bereit bin, dem ausdrücklich ei'kläi-tea Wunsche der
ierbSapt«L' gemäss demnächst einen Agenten oder Oonsul nach Bel^'itid
iisendon, an den man eich alldoi't wird wenden ki^nnen, um die Wünsche
r Nation an mich gelangen zu lassen, und dessen hauptsächliches Oe-
^äft sein wird, der Nation mit Rath und That au die Hand zu gehen,
I nach so vielen nberatandonen Drangsalen endlich den Zustand von
B horbeizufflhj'en, dessen Servien so sehr hedaiT.
Es versteht sich von selbst, dass ton dieser Absendung eines Ägen-
1 auch (ieorg Petruvics vurlÄufig zu verständigen ist und das Vertrauen
r Servier durch ein geßlliges Benehmen, hauptsächlich aber durch eine
■'Ader die andere Erleichterung der Absicht auf die bisher gespenle Aus-
'ftihr vi>n Lebensmitteln (wozu vorzüglich solche Ai'tikel, die man im
Iisniie leichter entbehren kann, zu wählen sind) in Anspruch genommen
worden mnss.
1 den russischen jVgenton lladofinikin , sowie gegen die zu
Lflelgrad etwa nnwesendeu fmnzilsischen Offiziere haben Sic sich freund-
Bhaltlich zu benehmen, jedoch den Einen und die Anderen so viel m'>g-
I im Änge halten zu lassen, und das hierüber Erhobene, sowie auch
I (toimtigen Vuifallenheiton und die bemorkenswci'theu Entwicklungen
r öffentlichen Stimmung Mir schleunig und ausführlich ei nz übe rieh ton.
(Abschrift.)
XIV.
p.0, i.jie. Uärz. — Kara Qeorg PetFovich an FZH. FreihQrm
V, Simbschon.
Otis Schreiben Euer Ezcellenz. in woldiem dJesolbon mir ^um zwei-
■ Mal Tsi-sprechon, den hiesigen Hauptmissothäter Hiloje PetR'Tics iu
t Hindu zu liefern, habe ich erhalten, auch die mflndlichen Aufti-ägo
fini mir mßin Sokretair Jainitio Dimitriovich umstündlich erklärt, sowie
E. K. dl« Gnade hatten, ihm zu befehlen. Ich habe E. K. fQr alles den
wäiitiitt^ri Dank hihzuatatten und folge fero Rathe. Ich schicke meinen
\ ^MreuKH Ivan S/avics Jugoyjcs, Secretaire des Nütionalraths, als llepu-
246
tirten mit Vollmacht sammt einer Devotionszuschrift an Se. k. k. Majestät
ab. Ich beharre fest bei meinem Worte, wie ich es E. E. gelobet habe
und bitte, belieben Dieselben nach Ihrem Versprechen den Herrn Major,
Dero Sohn, mit' ihm nach Wien zu schicken und ihn, unseren besagten
Deputirten, auf das kräftigste S. k. k. Majestät anzuempfehlen, damit die
Sache desto geschwinder und besser geendigt werden könne.
Der Frühling ist schon da, und unser Herrgott beschütze, was noch
voifallen kann. Unser ganzes Glück hängt von Sr. k. k. Majestät ab, seien
E. E., unser Fürsprecher bei S. k. k. Majestät, versichert, dass jeder Ser-
vier mit dankbarem Hei-zen sich E. E. als seines grössten Wohlthäters
erinnern werde.
Ich verbleibe mit Hochachtung und Ei-gebenheit
E. E. gehorsamster Diener
K. G. Petrovics,
oberster Anführer der servischen Nation.
Belgrad, den 4./16. März 1810.
(Abschrift.)
XV.
Da« von Ssavics Jugovics an den Wiener Hof übermittelte
Schreiben der serbischen Nationalsynode vom 4./16. Mars 1810.
Die Voi-sehung des Höchsten, um Euer k. k. Majestät fOr das Wohl-
ergehen Hochdero getreuen ünterthanen väterlich besorgtes Herz durdi
einen besondern Vorfall zu trösten und das Glück vielzähliger Völker zu
begiUnden, wollte den heroischen Geist Sr. k. k. Majestät Napoleons des
Grossen zur ehelichen Verbindung mit Ihrer k. k. Hoheit der Grossfürstin
Maria Ludovica, Euer k. k. Majestät vielgeliebten Tochter, bewegen, und
der grösste Theil von Eiu-opa, dem diese innigste Verbindung der zwei
mächtigsten Höfe goldene Zeiten andeutet, segnet der gesalbten Personen
heilige Ehe, das Unterpfand der allgemeinen Glückseligkeit. Bei diesem
allgemeinen Jubel, um unsern wäimsten Antheil zu bezeugen, wagen wir
servische Nation unsere hei-zliche Freude am Fusse Dero k. k. Majestät
Thrones fromm zu eröfnen, indem wir den wohlthätigen Schöpfer anbethen,
den Nouverehlichteu seinen neuen Segen in vollstem Maasse zum Ti'ost
und beständigen Glücke der beiden höchsten Höfe und vieler vieler Völker,
unter welche auch wir uns zälileu, verleihen wolle. Denn wir erkennen
es, dass das Glück unserer Nation immer von den höchsten Monarchen
Oesterreichs abgehangen hat, von Höchstdero angeborner Milde wir auch
247
heut zu Ta^ unsere Befreiung z.u erlangen hoffen, so wie wir es in
unserer vorigen Zuschrift vom 1 7. 19. Dozomher veiHossenen 1809 Jahres,
welche wir durch den Herrn (Kommandanten 6FZM. Bai-on Simbschen E.
k. k. Majestät zu unterbreiten gehorsamst angesucht haben, feierlich er-
kläi't haben, dass wir immer gewünscht haben und wünschen, unter dem
glorreichsten Szepter Oesteireichs unsere Glückseligkeit zu finden, ebenso
itzt vertrauen wir und übei*geben unser und unseres mit der theuei*sten
Aufopferung unseres Blutes erkauftes Vaterlandsloos den geheiligten Hän-
den E. k. k. und S. k. k. Napoleons des Grossen Majestäten.
Monai'ch I Mittelst dieses unseren Deputiiton Ivan Szavics Jugovir^
Nationalraths-Sekretairen fallen wir zu Höchstdero Füssen. Verwerfen
E. k. k. Majestät eine Nation nicht, von deren ewiger Liebe, Treue und
Devotion gegen Höchstdero Thron E. k. k. Majestät übei'zeugt werden,
sondern geruhen uns mit Höchstdero Antwort zu trösten. Indem wir uns
der höchsten Gnade empfehlen, ersterben wir in der tiefsten Ehrfurcht
und Ergebenheit
Euer k. k. Majestät höchstergebener getreuestor Diener
Kara G. Petrovics,
Ober- Anführer der servischen Nation.
Nationalsenat zu Belgrad, den 4./16. März 1810.
(Abschrift.)
XVI.
1810« 21. März, Wien. — Aus der Weisung des Fürsten Georg
Mettemich an Simbschen.
8. Majestät habe in Folge seines am 4. Jänner 1810 erstatteten
Berichtes anzubefehlen geruhet, Simbschen mit den Grundsätzen bekannt
zu machen, nach welchen S. Majestät die serbischen Augelegouheiten un-
sererseits behandelt wissen wolle. Diese Grundsätze seien:
a) dass Oesterreichs wohlverstandenes Interesse in politischer, mili-
tärischer und Commercialhinsicht gleich dringlich fordere, die Wiederher-
stellung der Ruhe in Servien zu befördern.
b) dass die Bückkehi* der Sei*vier unter die ottomanische Herrschaft
unter gewissen, den künftigen Buhestand dieser Provinz sichernden Be-
dingungen hiezu das dienlichste Mittel sei und
c) dass, wenngleich die gegenwärtige Conjunctur Oesterreichs nicht
wohl gestattet, öffentlich in der Sache als Vermittler aufzutreten, doch
kein anderer Weg, welcher ohne sich zu rx)mpromittireu eingeschlagen
248
werden kann, unversucht gelassen werjlen müsse, um einen so wftnschens-
werthen Zweck zu erreichen.
d) dass Simbschen nicht öffentlich sondern nur in Geheim wirken
solle, um die senrische Nation zum Frieden geneigt zu stimmen, und dass selbe
mit ihren gemässigteren Friedensbedingnissen an den bekannten Comman-
danten der Festung Orsova, Redscheb Aga, der mit den nöthigen Voll-
machten versehen, zur Friedensunterhandlung zu weisen, übrigens aber
Simbschens eigenem Ermessen und näherer Bekanntschaft mit der der-
maligen Stimmung der Gemüther zu beurtheiien anheimgestellt und nur
annoch bemerket werde, dass die strengste Geheimhaltung der Sache fortan
von der grössten Wichtigkeit sei.
(Abschrift.)
xvn.
1810, 21. Mars. — Aus dem Schreiben des Fürsten G^eorg
Mettenüch an Simbsohen.
Uebrigens hat nach den neuesten Nachrichten die Pforte bereits
den bekannten Commandanten der Festung Oi'sova, Redscheb Aga, mit
den nöthigen Vollmachten und Weisungen versehen, nur die Antrage der
Servier anzuhören, und ihnen die Entschlüsse des türkischen Hofes mit-
zutheilen. Euer Excellenz wollen daher solches dem servischen Senate zu
erkennen geben, damit er sich von nun an ohne weiters geradezu an ge-
dachten Bevollmächtigten wende und mit selbem unmittelbar die Ange-
legenheiten der Nation ins Beine bringe, indem es dem allerhöchsten Hof
auf keine Weise anstehet, weder die Bolle eines Vermittlers hiebei auf
sich zu laden, noch sonst durch eine directe Theilnahme an der ganzen
Verhandlung irgend einer unangenehmen Verwicklungsich auszusetzen
(Abschrift.)
xvm.
1810, 26. April, Wien. — FML. und General -Quartiermeister
Graf J. Badetzky an Simbschen.
Indem ich mii* die Ehre gebe, Euer Excellenz füi' Dero gütige Mit-
theilung unter dem 9. dieses meinen Dank abzustatten, beeile ich mich
umsomehr, Hochdenenselben sowohl die richtige Abgabe des an Dero Herrn
Sohn eingeschlossenen Briefes zu bestätigen, als auch E. E. über den Ge-
schäftsgang in Konntniss zu setzen, welcher seit der Ankunft Sr. Excellenz
des H. FM. Grafen v. Bellegarde bei dem hofkriegsr&thlichen Präsidio
Rttflndot, damit E. E. aus aller Besorgtheit w^n Dorc) güti^fen Mit-
leilung: der geheimen Nachrichten an Jen in Poterwardein kumniiindirten
Of&iier das Generulstabs sein mngea. Es ist der hohen Einsicht Euor
Eicellenz niuht eut^rangen, welchen Antheil iler (ieneralquartiBi-tnetstcr
aD der Kenatniss der Vorgänge in und ausser unserer Meniircliie haben
, wenn er richtige und zum Zwecke fahrende Dis^iositionen ont-
I sntl; es ist daher die ganze Leitung diese» Geschäftes, des Kund-
lafts- und Nachrichtesystems aber insbesondere, mü- übertragen, und
) eigene Bureau, welches ich hiezu habe, besteht ganz aus Milituirs,
Ihiu keine der vn Euer Eseellenz und sehr vielfach einlaufende Nach-
ea irgend in die Hände eines hofkriegsräthlichen Civiliston kfimmt.
Wir sehn mit Verlangen Jen rasuheu Fortschritten des grossen
HTerkee, welches E. E. da unten brennen haben, entgegen, indem der
jVntzen für den Staat nui' gross und aussehend sein kann.
Genehmigen E, E. die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hoch-
ditung und Ehrfurcht, mit der ich bin E. E. gehoi-sanister Diener
Graf Radetzky.
{Abdchrift.}
XIX.
jblO, 29. April, Wien. — Pürat Georg Hetternlch an Slmbschen.
Auf ausilrfick liehe 11 Befehl H. Majestät soll ich bei Gelegenheit des
t dem servisclien Beputii-lan SzaTics Jug«vics von hier nach Peter-
1 zurfickk ehrenden UeiTn Major von Simbschon E. E. in Erledi-
ng Dero Berichtes v. 19. Martio von der gegen diesen Deputivten hier
rteo Spi-acJie und der Ansicht des Gegenstandes Oberhaupt zu dorn
ide onten'ichten, ilamit dieselben hierdurch in den Stand gosetzet wer-
den, bei sich ergehender Gelegenheit Dero Aeussernngen und Benehmen
darnach zu bemessen.
Da« eingesendete Ulückswuuschschreiben des Kara Georgia zu der
Vermählung der durchlauchtigsten Frau Erzherzogin Louise mit dem
Kaiser Napoleon konnte als ein neuer Beweis der nie bezweifelten Ge-
, (üauungea von Anhänglichkeit und Vci'trauen der servischen Nation von
^'Hajest&t nicht anders als mit Wohlgefallen aufgenommen werden, und
i dieaea dem Jugovics in den allergnädigsten Ausdrücken zu erkennen
{eben woi'den.
Da aber nach mehreren ziemlich verlässlich und aburoinstimmen-
I Anzeigen aiu ähnliches Glücbswunschschreiben von Seite des Bel-
r Senates auch au den Kaiser Napoleon ei'gangen ist, so wird es
260
erforderlich sein, dass E. E. sich bestreben, hierüber besonders aber fiber
die darauf etwa erfolgende mündliche oder schriftliche Gegen-
äusserung etwas näheres zu erfahren.
In dem Schreiben an unseren allergnädigsten Monarchen wird Ser-
viens Schicksal in dessen und in des Kaisers Napoleon Hände gelegt. Es
würde \ilso in jeder Hinsicht voreilig sein, sich schon deimal über die
Anträge von Unterwerfung und Besetzung Belgrads durch österreichische
Truppen, welche Jugovics kraft einer ihm von dem Oberbefehlshaber und
dem Senat in allgemeinen Ausdrücken abgefassten Vollmacht hier münd-
lich gemacht hat, zu erklären, besonders, da die ähnliche E. £. wohl er-
innerliche, über den nähmlichen Gegenstand gepflogenen Verhandlung in
ihren Resultaten zu einer äusserst unangenehmen Compromittirnng gegen
Kussland und die Pfoi-te geführt hat, und es also ganz unverzeihlich sein
würde, sich der Möglichkeit eines abeimaligen dui*ch die Zeitumstände
noch ungleich bedenklicheren Missverständnisses auszusetzen.
Euer E. wollen daher von diesen Bemerkungen den angemessenen
Gebrauch machen, wenn etwa das duixh die Zeitumstände mehr als je
nothwondig gewordene umsichtige Benehmen des hiesigen Hofes andere
Beweggründe als den eben angefühi-ten beigemessen werden wollte. Man
sollte zwai* nach den vielen und redenden Beweisen, welche unser aller-
gnädigster Monarch von seiner Sorgfalt und Theilnahme an Allem, was
das Wohl Servions betrifft, und von seinem Wunsche, dieses Wohl mit-
telst Herstellung der Ruhe für die Zukunft und dauerhaften Grundlagen
zu sichern, jede Missdeutung dieser Art für ohnmöglich halten, da in-
dessen ein solcher Fall sich schon öfters ereignet hat, so dürfte eine
solche Erinnerung nicht überflüssig sein nnd E. E. die Gelegenheit
benutzen, nicht nur die österreichisch ergebenen Oberhäupter
in ihren bisherigen guten Gesinnungen zu erhalten, sondern
selbe auch zur thätigen Mitwirkung zu einem so äusserst er-
wünschten Zwecke mit dem Beisatz aufzufordern, dass von
Seite des hiesigen Hofes nichts unversucht gelassen werden
wird, denselben zu befördern.
Der üeputii-te Jugovics hat hier vor seiner Abreise ab aerario einen
Reisebetrag von tausend Gulden in B. Z. erhalten. Man hat ihn auch in
allgemeinen Ausdrücken in die Kenntniss der von der Pforte vor einiger
Zeit zu einer Aussöhnung mit Servien gemachten E. E. mitgetfaeilten
Vorgloichsvorschlägen gesetzt, in Betreff derer Details aber an E. E. ver-
wiesen, weil Hochdieselben nach der augenblicklichen Lage
der Dinge am besten zu beurtheilen im Stande sind, was ihm
davon mitgetheilt werden kann.
261
Ich mas8 noch eines wichtigen ümstandeB erwähnen, der, wenn er
sich bestätigte, die graste Aufmerksamkeit verdienen würde. Es ist
nähmiich Sr. Majestät ganz neuerlich im vertrauten Wege die Anzeige zu-
gekommen, dass H. V. Radofinikin mit einem Corps russischer Truppen
im Anmarsch sein könnte, um von den servischen Plätzen, namentlich
aber von Belgrad Besitz zu nehmen. Es würde übeiüüssig sein, E. E.
auf die äusserst gefahrlichen Folgen, welche für Oesterreich aus einer
solchen Nachbarschaft entstehen müssten, aufmerksam zu machen und
dass, wenn bis zur nähereu Entwicklung der gegenwärtigen
politischen Conjunctureu die Zeitumstände dermal Oester-
reich noch nicht gestatten, die festen Plätze Serviens selbst
zü besetzen, wir doch ebenso wenig deren Besetzung durch
Russland zugeben könnten. Ich muss daher E. E. angelegentlichst
empfehlen, Dero eiiistliche und angestrengteste Aufmerksamkeit darauf
zu verwenden, hierüber etwas Bestimmteres zu erfahren und das Er-
hobene an S. Migestät einzuberichten, indem ich übrigens nicht zweifle,
dass Hochderselben unter einem von Seite des Hof kriegsrathes die den
Umständen angemessenen Weisungen zugefertiget werden.
Mit dem bescheidenen Benehmen des Jugovics hatte man hier alle
Ursache zufrieden zu sein, und können E. E. ihm dieses rühmliche Zeug-
niss, auf welches er einen Werth zu legen scheint, bei Kara Georg und
den übrigen Oberhäuptern unbedenklich ei-theilen.
Ich verharre mit vollkommenster Hochachtung
gehorsamster Diener
in Abweseuheit des Herrn Staatsministers der auswärtigen Geschäfte
P. G. Fürst von Metternich-Winneburg.
(Abschrift.)
XX.
1810, 27. Mai, Wien. -— Hofkriegsrathspräsident Graf BeUe-
garde an Simbschen.
Da die gegenwäiiiigen politischen Conjunctureu keineswegs ge-
statten, durch Besitznahme der festen Plätze Serviens neue, weit aus-
sehende Verwicklungen herbeizuführen, so haben sich E. E. vor der Hand
blos darauf zu beschränken, dass die Aufmerksamkeit auf die doi*tigon
Voi^nge verdoppelt und selbe so schnell als möglich und verlässlich ein-
berichtet werden, ohne sich weiter in etwas einzulassen, was mit denen
Zeitamständon eben so wenig als mit denen freundschaftlichen Verhält-
nissen unseres Hofes gegen die Pforte vereinbarlich wäre, weswegen auch
252
mit denen an der Grenze befindlichen Tmppen solche Bewegungen,
welche denen Russen oder Serviern auffallen oder zu Deutungen Anlass
geben könnten, durchaus vermieden werden müssen . . .
(Abschrift.)
XXI.
1810, 30. August, Wien. — Schreiben des Ministers Fürsten
Gtoorg Mettemich an Simbschen.
(31. Aagust von Bellegarde zageschickt und 4. September empfangen.)
Da unter den gegenwärtigen Umstanden die Kriegsoperationen
längs der senrischen Grenze leicht sehr lebhaft werden könnten und es
daher dringlich wird, mehrere darauf Bezug habende Anordnungen ohne
Zeitverlust, jedoch mit der nöthigen Geheimhaltung zu ti*effen, haben
Sr. Majestät mir und dem Gen. Feldmarschall, Hof kriegsrathspräsidenten
Grafen von Bellegardo aufzutragen geruhet, E. E. mittelst Abscgidang
eines eigenen Offiziers mit den eigenen Weisungen zu versehen.
So wie ich mich nun in Ansehung desjenigen, was in den militäri-
schen Wirkungskreis gehöret, auf das hierüber' von Seite des gedachten
Herrn Hofkriegsrathspräsidenten unter einem an E. E. gelangende be-
ziehe, beschränkt sich das in politischer Hinsicht einzuhaltende Benehmen
auf folgende Gesichtspunkte:
1. Sicherstellung unseres eigenen Grenzcordons.
2. VoiTückung der Russen gegen Beigrad.
3. Vordringen der Türken in Servien.
4. Die denen Serviern zu machenden vertraulichen Mittheilungen,
ad 1. In Ansehung des Gordons kommt nichts anderes zu erinnern,
als dass er, um seinem Endzwecke zu entsprechen, hinreichend sein muss,
das diesseitige Territorium gegen jeden Unfug der gegen selbes vordrin-
genden Parteien zu schützen und, wenn es nöthig wird, Gewalt durch
Gewalt abzutreiben.
ad 2. Die Wendung, welche der Krieg an der untern Donau zu
Gunsten der Pforte genommen hat, und einige andere Daten lassen eine
Vurrückung der Russen, um sich Belgrads zu bemeistem, vorhersehen, und
hätten daher Euer E. für dermalen Dero ganze Aufmerksamkeit zu be-
schi'änkcn, von den Bewegungen der streitenden Parteien die möglichst
genauesten und verlässlichen Kundschaften einzuziehen, da die gewöhn-
lichen nur selten der Absicht zu entsprechen scheinen.
ad 3. Es ist E. Excellenz bekannt, dass die Nation und ihre Ober-
häupter dieses Frühjahr einige Bereitwilligkeit bezeiget haben, sich unter
Knrissen, sie viir kfinftigea Bodi-fickiiiigen sichernden Bedingnnc^n unter
iJiA Garantie OeBteneichs mit der Pfoi-to auf eine friedliche Art auszu-
gleichen, niiil dass liie Sache durch diesBeitige ßeraßhiingen bereits dithin
gMiehen var. düss eine Art stillschweigenden WaffeustiUstuniles xwisohcn
deaTarkenund Semern längs der Grenze bestand, auch der türkische Com-
mandant von Orsova bevnllmiichtigt war. mit letztem die Grundlage einer
Annäherung zu verabreden. So wie es aber bald darauf der ruHsischen Pai'tei
|M Rrfiffnung des diesjähriifen Feldzuges durch allerlei Mittel gelang:, diese
)dIicbenlleiitrebnn^enzuhititei'treiben,undimserviecheuSeQatdei'gestalt
IftOberhand zu gewinneu, daas die Daterhaudlungen abgebrochen wurden,
binuastodieNothlage der Servier g^renwlirtig wieder eine gänzlich verän-
» Lage der Dinge herbeiführen, welche die Servier geneigt machte, aber-
b auf die unlängst bezeugten friedlichen Gesinnungen xurOclcznkouiinen.
ad 4, In dieser Hinsicht nun ist es S. Majestät Willensmeinung und
rfehl, dass der g^euwärtige Augenblick benutzt werde, um in einer
rauliohen Unterredung, welche E. E. ohne Zeitverlust mit Czerni
BOl^iaoder einigen anderen der dem diesseitigen Interesse günstigen aer-
:hen Oberhäuptern, auf eine un auf sichtliche Art veranstalten wullen,
Qselben mit der n^ithigea Umsicht zu erkennen zu geben, dass der
hiesige Hof sich bekunntermassen bei der Pfi)rte immer verwendet habe,
um den «o sehr erwünschten fiuhestand in Servien auf beiderseits an-
nehmliche Bedingungen wieder herzustellen, und nicht nur bereit sei, dies
ancb fernerhin zu thun, sunJern selbst die Garantie des zu Verabredenden
in übernehmen, tiamit auf solche Art der Nation jede mit den Umständen
verträgliche Sicherheit verschafft werde; nur würden sie wohl einsehen,
Ihss die erste Bedingung davon sein müsste, dass die Feindseligkeiten
^ngeetellt werden und die mit den Russen vereinigten servischen Trupiieii
^Bdi von selben trennen. Es wäi'e ihnen bei dieser Gelegenheit das Tau-
^Bbende der russischen Verbcissungen, die sich bisher so wenig bewährt
^■Aeo. und allem Anscheine nach in Zukunft noch weit weniger bewähren
Hlrften, in Erinnerung zu bringen, und begreiflich zu machen, wie sehr
^k wohlverstandenes Interesse es gegenwärtig mehr als je erheische, sich
^■eschUesslich an den Schutz des hiesigen Hofes zu halten, und keinen
^■idaren Kinflüsterungen was immer für einer Art Gehör zu geben. Ihre
^hgenäusseiiing, sowie übei'liimpt, was Qbei* ihre dermalige Ansicht des
^HgQDstondes und Geneigtheit von den vormals geforderten Bedingungen
^^tter Ausgleichung ein oder der andere Punkt, an welchem sich selbe vor-
^■glich gostuBseu hatten, aufzugeben, einiges Licht verbreiten kann, wäie
^■diuin vnn E. E. so umständlich und so schleunig als möglich hieher
^Bbxulierichtcn . Da eine solche Ausgleichung der an gelegentlichste Wunsch
254
unseres allei-gnädigsten Monarchen ist, und eine längere Fortdauer des
gegenwärtigen so unrnhevollen Znstandes der Dinge in Servien anf keine
Weise zugegeben werden kann.
E. Excellenz sind bereits vormals beauftiaget gewesen, den Serviem
die Absendung eines österreichischen Consuls nach Belgrad anzukündigen,
an welchen sie sich wenden könnten, um das Weitere in der Sache zu
verabreden: Hochdieselben werden nun ermächtiget, ihnen die Ankunft
dieses Consuls als nächst bevorstehend förmlich anzuzeigen, da man nur
noch beschäftiget ist, ihn hierorts mit den nöthigen Weisungen zu ver-
sehen. Er wird bei seiner Abreise an Euer Excell. gewiesen werden, um
die durch die neueston Zcitläufe nothwendig gewordenen Anleitungen zu
empfangen. S. Majestät i*echnen bei der Ausführung des vorliegenden
wichtigen Auftrages mit vollkommener Zuvei-sicht auf Euer Exe. erprobte
Einsicht, Kcnntniss der Localität und Personen, indessen ich mit Ver-
gnügen die Gelegenheit benutze, Hochdenselben die Versicherung jeuer
ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern, mit welcher die Ehre habe
zu sein . . .
(Abschrift.)
xxn.
1810, 31. August, Wien. — HofkriegsrathspraBident Bellegarde
an Simbsohen.
Darin fand sich die Bemänglung: dass sowohl S.' Berichte als auch
eingeschickte Kundschaftsnachrichtcn nicht entsprechend und den wirk-
lichen P^reignissen adäquat befunden. S. möge sich daher sowohl bei dem
Semlincr Militär-Commandanten Obersten Perss als auch bei den übrigen
«liesfalls bosser versehen und au der servischen, bosnischen und frauzö-
sisch-illyrischen Grenze eigene Offiziere zur Beobachtung und Einholung
verlässlicher Kundschaftsnachiichten anstellen.
(Abschrift.)
xxm.
1810, e./21. September, Varvarin. — Kara Georgia Petrovioh
an seinen Qeheimschreiber Stefan Jeftios.
(Au« dem SerbiRchen übersetzt)
Gevatter Steve!
Hiemit mache ich Ihnen bekannt, dass mir von dem kommandireu-
den Herrn Generalen in Slavonien drei Schreiben zugekommen sind, welche
ichllmen übersende, und uub wclcheo Sie ersdiBn werden, wiisoi- si^hruibt:
, icb babo nuch keines beantwortet.
Im ersten schreibt er wegen gewisser türkischer Kaniiüen aus Se-
udria, w^en welcher ich scliuii verflossen on Winters dem Vala den
ti'og ertbeilt, selbe nnter iler Haud herüber tu lussen. wie es bei-eits
loh geooheheu ist. Nnn schreibt er mir wieder, das» von diesen Familien
1 dm 2urück|i;ebliebeu seien, welche ich auch uuf die deutBclio Seite
lHberlusäeu solle. Jetzt i^t es weder Zeit dazu, nuch erlauben es meine
ll&^nde, UQsern Feind jetzt aus dem Liindit zu lassen, welchen unser
Uid ganz bekannt ist. lub habe ihm schon gi'si'Jirieben imd ftosu^t,
s sobald es einmul Frieden gibt, ich nicht nur eine itder zwei soudcrii
Alle entlassen und ihm übei^ben werde.
Im Andern eichi-eibt er nowohl mir als dem Senut, liikss er uns ciueii
gewissen Consul für Serbien zusenden wird, jetzt in der grrisKteu Vcr-
wii'mng. durch welche Cuntiuls- Ankunft suwulil sie als wir iks grrisste
Duf^lflck uns zuziehen könnten, wenn es die Kursen ei-fahi-eu.
Im dritten Schreiben ludet er mich zu einer geheimen Unterredung
li Semlin ein, wuzu jetzt keine Zeit ist, dass ich meine Grenzen ver-
1)6, denn jetzt sieht Alles auf mich, und wenn icb jetit meine Geechäfte
srlJesBe, sn kannte Alles hiednrch verdarben werden. Ich weiss auch
at, was dies für eine (geheime Unterredung' sei, welche er nicht schrift-
h mittheilen kOnne, da ich keine Gebeimuisaehabe. von welchen meine
■e keine Kenntniss hätten. Weitere schreibt er mii', dass. wenn
t selbst kommen kr'nnte, icb ein iiaar vertraute Leute statt meiner
uken seüte, welchen er vei-lruucn kilunte.
Ich weiss gegenwärtig: keinen andern als Sie, den ich statt meiner
D schicken kOnute, um »ich über Alles zu besprechen, und diiniit er
e Geheimnisse, so er mii- sayeu wollte, Ihnen entdecken, und icb
I darnach beuehmen kinine. Sie können in meinem Namen unbe-
Blir&nkt über Nuubsteheudcs reden. Erstens: Ihn zu befragen, was er
Ibeimes mit uns zu reden habe. Dies soll er Ihnen eröffnen Wird Ihnen
, dass sie uns zum Besten der Nation einen Consul schicken «ollen,
I ItOooen Sie ihnen antworten, dass uns in dieser verwnilAn und kiiti-
1 Zeit du- Consul allein nichts helfen könne, sondern dass nur ein
[en den Feind gestelltes IK' er die wahre llUfesei. Sie sehen jet^t selbst,
B Baseland seine Kriegsmacht gegen die Türken aufgestellt und uus-
ibreitet habe, auch seine Armeen sich bis an unsere Gi-nnzen uiibdehiieti
1 somit ans helfen, die Türken eher zum Frieden zu zwingen und iiu-
t Unabhättirigkeit m erwirken: nach dem Frieden »bei wollen nii gai
t nisHischen Truiipeii Mit iinserei' Seite haben. Wie killte denn ^u<\
256
jetzt der Consul Sr. kais. Majestät allein sich zu Belgrad aufhalten? Dies
wäre ja sowohl Frankreich als Bussland zuwider, oder es mfissten die
Consuln aller drei kaiserlichen Höfe zu Belgrad residiren, aber das wäre
auch unthunlichi und ebenso, wenn ohne Einvernehmen'aller drei Kaiser-
thümer, nämlich Russlands, Frankreichs und Oesterreichs, eines seine
Armee auf dem linken Donau- oder Save-Ufer halten wollte; daher es am
besten wäre, wenn sich die Höfe yerständigen würden, was sie bezwecken
und für Recht erkennen; dazu sind wir auch bereitwillig. Wir wünschen
unsere Gesetze und Privilegien zu erhalten. Wer sich dann aber als onser
Beschützer darstellt, dem werden wir auch dfuikbar sein. Die übrige
europäische Türkei hingegen sollen die drei Kaiser unter einander ?er-
theilen, wie sie es am besten wissen.
Sobald Sie den commandirenden Herrn Generalen befragen, was er
jetzt zu reden beschlossen habe, soll er Ihnen bestimmt erklären, ob sie
uns helfen oder nicht helfen wollen, damit wir es bei Zeiten wissen. Wenn
sie sich hierauf erklären, dass sie uns helfen können, so soll ihre Mühe
nicht ohne Dank und Erkenntlichkeit bleiben, doch müssen wir beider-
seits wissen, von welcher Art diese Hilfe sein soll; denn, wenn sie die
Türken in 8 oder 10 Tagen von allen unsren Grenzen zurückschlagen
oder entfernen können, so sollen sie es bald thun, damit wir ihren Ver-
heissungen trauen und für die Zukunft ai'beiten können; ist aber auch
dies nicht thunlich, so sollen sie nur in Bosnien einfallen; wir wollen
ihnen Bosnien erobern helfen. Wir wissen auch, dass ihnen Frankreich
darin nicht zuwider sein wird; dadurch wäre uns auch geholfen. Wenn
aber in diesen verwiri-ten Zeiten ein Kriegsheer offen hieher nach Serbien
käme, so würde dies den Russen sicher zuwider sein, so dass diese dann
sammt den Türken sowohl über uns als auch über Oesterreich herfallen
und uns beide somit in das gif>sste Unglück stürzen würden. Wenn sie
aber über das nun leere Bosnien herfielen, so könnte Alles leicht bewirkt
und ihr Wunsch und Wille befriedigt werden, unter dem guten Verwand,
dass nachdem die Russen mit ihrer Kiiegsmacht in Bulgaiien wirken, die
Oesterreicher es mit gleichem Rechte in Bosnien thun könnten. Bosnien
wäre jetzt leicht zu erobern, weil sie jetzt viele Tinippen gegen uns ge-
wendet und auch einen Theil gegen die Russen abgeschickt, sohin die
bosnischen Festungen leer gelassen haben. Hiedurch könnten sie uns
eine Hilfe und sich zugleich einen grossen Nutzen verschaffen. Uebrigens
wird, so weit ich es begi*eife, es keinem Hofe lieb sein, dass ein anderer
dies fertige, mit so viel eigenem Blute eroberte Land unter seine Herrschaft
bringe, da es um Serbien herum in der europäischen Türkei Lftnder genug
gibt, welche die Kaiseimächte sich leicht unterwürfig maohen konnten.
257
Es wäro zwar leicht, ein fertiges Land in Besitz zu nehmen, aber
die anderen Höfe werden es nicht zulassen. Doch soll ein vernönftiger
Mensch seinen ersten Freund und nächsten Nachbar am meisten achten
und sich von ihm nie abwenden; hiemit ist Ihnen genug bekannt und be-
stimmt worden.
Jetzt gibt es viele russische Leute in unsenn Lager, welche dai-auf
sehen und spähen, ob Serbien ein anderer Hof annehmen oder ob es, wie
eB heisst, für sich bleiben werde. Eussland hat ein grosses Augenmerk
sowohl auf uns als auf Oesterreich, damit wir letzteres nicht (zum Herrn)
annehmen oder vielleicht jemand andern; es wünscht, dass wii* nichts
anders als türkische ünterthanen seien, jedoch für uns allein bestehen
und dem Kaiser (der Türkei) einen Pauschal-Tribut entrichten, wie es
vorhin die Moldau und Wallachei gethan hat. Doch, wer uns zuerst den
Frieden erwirkt, der soll auch unser Schutzherr worden. Bussland weiss
CS, dass wir Niemands Ünterthanen, sondern für uns selbstständig zu sein
wünschen, aber wir wissen auch, dass uns Oesterreich am nächsten steht,
und dass dasselbe uns bisher jede Hilfeleistung geboten hat, deswegen ist
auch Eussland besorgt und zögert so sehr, deshalb müssen wir auch ins-
geheim und vor ihm verborgen handeln.
Ich verlange nur, dass Sie (der commandirende Herr General) mir
durch diese meine Leute, welchen Sie so wie mir selbst vertrauen können,
die echte Wahrheit aufrichtig als Antwort sagen und werde Ihnen her-
nach meinen letzten Entschluss bekannt geben. Denn in der langen Zeit
von sieben Jahren hat uns Kussland nicht die geringste Hilfe in irgend
einem Stücke geleistet, ausser so weit es sein eigenes Interesse eif ordert
hat, aber von Ihnen haben wir Hilfe und sogar Ihre Ünterthanen zu sein
erbeten, jedoch haben Ihre Uuistände und Ihr Staatsinteresse es nicht zu-
lassen können, sondern haben uns dies von einem Tag zum andern und
bis auf heute vorenthalten.
Ich kann keinem Hofe etwas befehlen, sondern nur in meinen Nöthen
um Gnade bitten. Also, die drei Kaiser, der russische, österreichische und
frainzösische sollen sich mit einander ins Kinvei'uehmen setzen, denn, so
wie es ihnen gefällig sein und ihr Interesse mit sich bringen wird, sollen
sie unter einander ausmachen; ich werde allem beitreten.
Jenes Reich aber, welches von einem aimen, bedrängten Volke,
welches sich mit seinen Thränen und seinem Blute selbst befreit hat, ohne
alle Mflhe zur Unzeit Nutzen ziehen will, wird selbst dem lieben Heiland
zuwider sein, denn gi'oss ist die Gerechtigkeit Gottes, und Niemand kann
wissen, was er noch erleben wird.
Arehir. lld. LXXVI. I. H&lfte. 17
258
Wir wollen keinem Kaiserreiche entgegen sein, ausser einem ofifen-
baren Feinde, den Türken» von welchem wir nie Ruhe und Frieden hatten,
was wir nimmer ertragen können und uns bis zum letzten Blutstropfen
wehren wollen, bis zuletzt der Wille des Hen'n geschieht. Allen Höfen
ist OS bekannt, was für ein Joch der Sklaverei wir von dem Türken er-
dulden mussten, was nicht mehr zu erti-agen war. Wir sind auch gegen
kein Beich aufgestanden, um es zu stürzen, sondern nur, um uns von dem
schweren Joche und der schweren Barbarei zu befi^eien oder zu Grunde
zu gehn. Wer uns jedoch im Einverständniss mit den übrigen Höfen auch
ein formliches Kriegsheer zur Hilfe sendet, von dem wollen wir ein solches
auch bereitwillig entgegennehmen, nur damit wir uns die Türken vom
Halse schaffen; sollten wir ihnen oder auch dem, welcher uns zuerst mit
den Türken Frieden schafft und für uns Bürge ist, einigen Pauschaltribnt
geben müssen; nur wollen wir keinen Türken unter uns leiden. Den ein-
stimmigen Abmachungen und Beschlüssen der Kaiser wollen wir beitreten;
was die Zeit zuletzt mit sich bringt und die Weisheit des uns nächsten
Hofes als unseres ei-sten Freundes, das soll auch schliesslich geschehn.
Varvarin, am 9. 21. Sept. 1810.
Kara Georgia Petrovics,
(Abschrift.) Oberster serbischer Anführer.
xxrv.
1810, 24. October, Graz. — Kaiser Franz I. an Simbschen.
Lieber Fcldzongmeister, Baron Simbschen!
Ich finde es den Umständen und Meinem Dienste angemessen, das
von Ihnen bisher geführte Goncral-Commando an den Feldzeugmeister
Ililler zu übertragen. Sie werden daher gedachtem Feldzeugmeister, so-
bald er bei Ihnen eintrifft, nicht nur alle Generalcommando-Geschäfte,
sondern auch alle erhaltenen Instructionen und Weisungen in Betreff der
servischen und türkischen Angelegenheiten ordnungsmässig übergeben
und ihn von allen bisherigen Verhandlungen und Gang dieser Geschäfte
genau in die Kenntniss setzen, sodann sich aber für Ihre Person nacb
Wien verfügen, wo Ihnen Meine weitere Willensmeinung bekannt gelben
werden wird. (Abschrift.)
XXV.
1810, 9. Deoember. — Hofkriegsrathspräsidiiun an Simbsoheii.
S. Majestät hätten in der Zeit, wo noch das General-Commando in
Slavonien von S. geführt, in mehreren ihm übei'ti'agenen politischen Ver-
259
handlangen sein unzwockmä8siges Benehmen zu missbilligen und aus-
«Inicklich zu befehlen befanden, dass ihm die vorhergegangeneu Verhand-
lungen zu dem Ende bekannt gemacht werden sollen, um dem hofkriegs-
rfithlichen Präsidio darüber ehestens seine umständliche Bochtfei-tigung
zukommen zu machen, welche selbes sodann Sr. Majestät vorzulegen be-
auftragt sei. (Abschrift.)
XXVI.
1810, 28. Februar.
1) (Auszug ans dem General-Conimando Elenchus des polit. Dcpartem.)
Bericht des Semliner Militär -Commando, dass der gewesene ser-
vische Anführer Milojc Potrovics aus SeiTien entwichen und, da er sich
erklärt, kaiserlicher Unterthan worden und herüben bleiben zu wollen, in
die Semliner Contumace aufgenommen wurde.
1810, 2. März.
2) Semliner Militär-Commando. Ansuchen des servischen obersten
Anführers Kam Georgia Petrovics um Auslieferung des herüber geflüch-
teten Miloje Petrovics.
1810, 6. März.
3) Miloje Petrovics habe nunmehr auscontumazirt und sei verhaftet
worden. (Oberst Perss an Simbschen.)
4) 1810, 7. März.
Semliner Militär-Commando meldet, dass der airetirte Miloje Petro-
vics S. Majestät selbst oilor dem c^mmaudirenden Generale wichtige Ent-
deckungen machen wolle.
f)) 1810, 13. März, Semlin. — Oberst Ferss an Simbsohen.
Zufolge der hohen Verordnung v. 1 1. u. präs. 12. curr folget
der hier inhaftirt gewesene Servianer Miloje Petrovics unter der Beglei-
tung eines Herrn Offiziers und zweier verlässlichen Gemeinen mit dem
commissionaliter versiegelten Felleisen zu weiterer hoher Verfügung in
dieser Sache, wozu man noch beifüget, dass der begleitende Herr Offizier
den Auftrag erhielt, den gesagten Miloje Petrovics an das dortige Festungs-
kommando. das Felleisen aber an die hohe Landesstelle abzugeben und
seinen Marsch, den selber heute antrat, schnell fortzusetzen.
17*
260
1810, 14. Mars, Feterwardein. — Gtoneral-Auditor Lieutenant
von PU^am an das FeBtungsoonunando.
6) Da der Miloje Petrowics gostern mittelst Escorte eingetroffen,
gegen welchen mehrere Aussagen wegen des aii geraubten Sachen genom-
menen Antheils von den Thätorn eingebracht wurden, so wird das Festungs-
commando angewiesen, den Miloje Petrovics durch das Stabsanditoriat
darüber vernehmen, sein mitgebrachtes Felleisen commissionaliter in
Gegenwart des Petrovics untersuchen und beschreiben, wobei das vor-
gefundene Geld bei dem Judicio delegato Militari depositiren und davon
die anerlaufenen Escortinmgsunkosten zufolge anliegender Berechnung
gegen Quittung tilgen zu lassen, über den Befolg sodann den Bericht zu
erstatten.
Expediatur, Simbschen. Pilgram m. p.
1810, 2. August, exped. — Sünbsohen an Herrn Auditor-Lieute-
nant Pilgram beim Appellationsgeriohte.
7) Die am 6. u. 30. December 1809 ausgelieferten Eauber sollen
nach Aeusserung des H. Gen. Auditor-Lieutenant«, wie bereits bekannt,
ausgesagt, dem Miloje Petrovics von dem Eaube 106.000 Gulden abgeführt
zu haben. Da der Kara Georgia Petrovics die zu Sabacz vorgefundenen, ge-
raubten Präziosen zur Zurückstellung an die Eigenthümer dem Appel-
lationsgerichte zugeschicket, so kommt aus den Acten ein Auszug zu
machen, worin obige Summa specifisch auszuweisen, um selbe an den
obersten servischen Anführer schicken und die Hereinbriuguug von dem
Miloje Peti*ovics\schen Nachlasse, wie er versprochen hat, fordern zu
können. Ebenso wird mit den am 22. Juli d. J. ausgelieferten Banater
Raubern: Theodor Thodorovics, Xivan Csarapics und Simo Kossanovics
füi-zugehen sein, wenn ihr Verhör vollendet und erhoben werden sollte,
dass sie die im Banate unter dem Uaram Bassa Knsman Buli geraubten
siebenzig tausend Gulden mit Miloje Petrovics getheilet haben, um so,
wie bereits Sr. Majestät dem Kaiser und dem Kriegsministerio die vor-
läufige Anzeige gemacht, auch von Seite des Appellationsgerichts dem Hof-
kiiegsrathe hierüber Bericht erstatten zu können.
Simbschen.
(Abschrift.)
Ausfi^egeben am 1. Juli 1890.
Archiv
Brreichische Oeschichte.
Herausgegeben
Pfl^ raterländischer Geschichte aufgestellten CodudIssIoii
in
kaiserlichen Ucademie der WlBsenschafteo.
SechsundsiebzigBter Band.
Zweite Hälft«.
Wien, 1890.
In CommiBBioD bei F. Tempiky
\
\
Archiv
für
österreichische Geschichte.
Herausgegeben
von der
zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Cummission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Sechsundsiebzigster Band.
Wien, 1890.
In Gommission bei F. Tempsky
Bachhindler dar fads Alud«nii« d«r Wfw ntchifteii
Druck TOD Adolf Holiliftason in Wi«n.
\-
\ .
Inhalt des sechsandsicbzigsten Bandes.
Seite
Die Augsburger Allianz von 1686. Von Dr. H. v. Zwiediueck-
Südenhorst 1
Ueber den Zug Kaiser Karls V. gegen Algier. Eine Untersuchung
von Dr. Gustav Turba 25
Briefe der Kaiserin Maria Theresia und Josefs II. und Berichte des
Obersthofmeisters Grafen Anton Salm (17. März 1760 bis 16. Jänner
1765). Aus dem Fürstlich Salm^schen Archive zu liaitz. Mit-
getheilt von Dr. phil. Franz Zweybrück 109
Josef Freiherr von Simbschen und die Stellung Oesterreichs zur ser-
bischen Frage (1807 — 1810). Von Dr. Franz Kitter von
Krones 127
Studien über das Stiftungsbuch des Klosters Zwettl. Von Dr. phil.
Michael Tangl 261
£>ie Einführung des Johanuiter-Ritterordens in Kärnten und dessen
Commende und Pfarre Pulst daselbst. Von August von Jaksch 349
1814. Ausgang der französischen Herrschaft in Ober-Italien und Brescia-
Mailänder Militär -Verschwörung. Mit einem urkundlichen An*
hange. Von Freiherr von Helfert 405
Zur deutschen König^wahl Maximilians I. Von Dr. Adolf Bachmann 557
V
STUDIEN
ÜBER DAS
STIFTUNGSBUCH
DES
KLOSTERS ZWETTL
VON
j)B pjj.L MICHAEL TANGL.
Ai^T. Bd. LXIYL n. Hälfte. \A
Die Durchforschung des der nachfolgenden Arbeit zu
Grunde liegenden handschriftlichen Materials erfolgte auf einer
Studienreise, welche ich als Mitglied des k. k. Institutes fUr
österreichische Geschichtsforschung mit Unterstützung des hohen
k. k. Ministeriums flir Cultus und Unterricht um Ostern 1887
nach Zwettl unternahm. Indem ich die hiebei gewonnenen Er-
gebnisse veröffentliche, ist es mir eine angenehme Pflicht,
dem hochwürdigsten Herrn Abt des Cistercienserstiftes Zwettl,
P. Stefan Rössler, der mir nicht nur die Benützung des Stifls-
archives mit weitgehendster Liberalität gewährte, sondern auch
durch Uebersendung eines Urbars und einzelner Urkunden nach
Wien das Zustandekommen meiner Arbeit wesentlich förderte,
meinen tiefempfundenen Dank auszusprechen.
I. Die Handschrift. Abfassungszeit.
Verbindung von erzählender historischer Darstellung mit
vollinhaltlicher Wiedergabe von Urkunden gehört im Mittelalter
zu den literarischen Seltenheiten. Für die ältere Zeit hat Sickel
in den ,Acta Karolinorum' 1, 12 — 13 die wenigen Fälle zusammen-
gestellt, und aus dem 12. und 13. Jahrhundert wüsste ich nur
noch das ,Chronicon Laureshamense' (SS. 21) hinzuzufügen.
In Betracht föUt hiebei die wesentlich verschiedene Bedeutung,
welche der Urkimde im Mittelalter und gegenwärtig zukommt.
Für uns hat die Urkunde einen rein historischen Werth, gleich-
wie das Annalenwerk, die Vita, die Chronik; und Aufgabe der
modernen Geschichtschreibung ist es, durch Würdigung der
£igenart und des Werthes jedes dieser historischen Zeugnisse
zur richtigen Erkenntniss der Vergangenheit zu gelangen.
18*
264
Anders im Mittelalter: für dasselbe hat die Urkunde fast aus-
schliesslich rechtliche Bedeutung, indem sie entweder rechts-
kräftig an sich ist oder durch die ,notitia testium* die Herstellung
des Zeugenbeweises ermöglicht. Da darf es uns nicht wundem,
dass besonders die Reichsgeschichtschreibung auf die Aufnahme
von Urkunden im engeren Sinne verzichtet; wo dennoch urkund-
liches Material geboten wird, sind es meist Briefe, Mandate,
Staatsverträge, kurz Stücke politischen, nicht privatrechtlichen
Inhalts.
Dieser Art gehören die Fälle an, die uns bei Otto von
Freising, bei Rahewin oder beim sogenannten Ansbert begegnen.
Auffallender ist es, dass uns bei der rein localen Bisthums- oder
Klostergeschichte nicht häufiger Fälle einer solchen Verbindui^g
entgegentreten; denn neben der Würdigung der politischen
Thätigkeit des jeweiligen Bischofs oder Abtes kommt es dabei
doch wesentlich auf die Geschichte der Besitzungen des Bis-
thums oder Klosters an, und für diese sind die Urkunden die
sicheren Beweismittel und festen Marksteine. An Versuchen
einer urkundlich belegten Bisthums- oder Klostergeschichte hat
es zwar nicht gefehlt; aber die ,6esta episcoporum Cameracen-
sium^ oder das ,Chronicon Halberstadense' und ,Laureshamensc'
bleiben doch gegenüber den vielen Klosterannalen von rein
localer Färbung, neben denen ganz unabhängig Copialbücher
gefuhrt wurden, in grosser Minderzahl. Der Grund hiefiir liegt,
wenn ich nicht iri'e, in der Schwierigkeit, in eine erzählende Dar-
stellung die vorhandenen Urkunden einzureihen, oder zu dem
geordneten Urkundenvorrathe einen verbindenden Text zu finden.
Die ,Ge8ta episcoporum Cameracensium^ und das ,Chronicon Lau-
reshamense' behelfen sich mit rein chronologischer Anordnung, imd
das ist ja ftlr die ältere Zeit, wo der Urkundenvorrath spärlicher
ist, und da überhaupt die zeitliche Aufeinanderfolge vielfach
dem sachlichen und causalen Zusammenhange entspricht, ganz
gut durchführbar. Seit dem 13. Jahrhundert, wo die Entwicklung
der Privaturkunde so umfassend um sich greift, wird dies jedoch
ganz unmöglich. Deshalb hört, wie bereits Sickel hervorhob,
etwa um 1200 eine solche Verbindung geschichtlicher Erzählung
mit urkundlichem Material fast gänzlich auf
Ein ganz vereinzeltes Beispiel dieser Art aus späterer Zeit
ist der ,Liber fundationum' des Cistercienserstiftes Zwettl. Nach
Schrift und Ausstattung eine Prachthandschrift, sollte er inhalt-
265
lieh Alles bieten, was Archiv und Bibliothek des Klosters an
wichtigen Urkunden verwahrten, was sich über Geschichte und
Schicksale des Klosters, seiner Gründer und Wohlthäter, seiner
Bedränger und Feinde in schriftlichen Aufzeichnungen vorfand
oder als mündliche Ueberlieferung von Geschlecht zu Geschlecht
fortcrerbt hatte. Daher finden wir die verschiedenartigsten
Elemente früherer und späterer Zeit in diesem so mannigfaltigen
historischen Denkmale vereinigt: neben einem lateinischen Ge-
dichtin leoninischen Versen eine deutsche Reimchronik, Urkunden
im Wortlaut, die wichtigsten zum allgemeinen Verständniss
übersetzt in die deutsche Muttersprache, die sich mehr und
mehr zu selbstständiger Uterarischer Bedeutung emporringt,
daneben aber auch noch einfache Traditionsnotizen, wie sie einem
früheren Entwicklungsstadium der Privaturkunde entsprechen.
Wenn auch der Verfasser bei dem Versuche, das reiche Urkunden-
material wenigstens zum grössten Theil in den Rahmen einer
systematischen Darstellung zu pressen, schliesslich gescheitert
ist und scheitern musste, so ist doch dieser Versuch an sich
bemerkenswerth genug.
Dem gegenüber hat das Zwettler Stiftungsbuch bisher
nicht jene Beachtung gefunden, die es seines reichen Inhaltes
und der interessanten Form wegen gleichmässig verdiente. Der
älteste Bearbeiter, Abt Bernhard Link, hat sich begnügt, den
reichen Inhalt in seinem Annalenwcrke Jahr ftir Jahr gewissen-
haft zu verwerthen, ohne sich in nähere Erörterungen über
Abfassungszeit, Tendenz, Art der Urkunden- und Quellen-
benützung und dergleichen einzulassen; kritisch hat er dabei
lediglich die älteste Zeit und die Vorgeschichte der Kuenringer
behandelt. Der Berufenste, uns über all diese Fragen Auskunft
zu geben, wäre der Herausgeber des ,Liber fundationum', der
Zwettler Capitular Johann von Fräst, gewesen •, aber dieser starb
noch während der Edition, und so unterbUeb das in der Ein-
leitung (Fontes rerum Austr. 11, 3, p. XVI) angekündigte Werk,
in welchem er unter Eingehen auf die Original-Urkunden einen
sachUchen und geschichthchen Commentar zu den Angaben des
Stifliungsbuches liefern wollte. Was er aber in den 16 Seiten
der Einleitung bietet, ist ungenügend und unzureichend wie die
Ausgabe selbst; wirklich gut ist nur die p. IX — XII reichende
Inhaltsangabe. Nicht einmal darüber, ob die ersten ftlnf Bücher
das ,Rentenbuch' und die ,neuere Urkundensammlung' von
266
gleicher oder verschiedener Hand geschrieben sind, wo und wie
oft ein solcher Wechsel eintritt, erhalten wir bestimmte Auskunft.
Es heisst hierüber p. VII niu* ganz kurz: ,Später bemerkt
man wohl einige Aendenmg in der Haltimg der Schrift, die
sich bei einigen Urkunden verliert, aber später wieder erscheint;
es wird hierüber in der Folge mehr gesagt werden/ Dieses Ver-
sprechen ist aber leider nicht eingelöst. Hatte der Editor über
so wichtige Punkte im Unklaren gelassen, so war es von späteren
Benutzern, die den Codex nicht vor sich und Einblick ins Ar-
chiv nicht hatten, kaum zu erwarten, dass sie zu abschliessenden
Ergebnissen diesbezüglich gelangen würden. Dies geschah um so
weniger, als sich seit Fräst noch Niemand mit dem Zwettler
Stiftungsbuche an sich beschäftigte, sondern Forscher wie Friess^
und Bussen*^ nur bestrebt waren, sich den Werth unserer Quelle
flir ihre Untersuchungen als Mittel zum Zweck klar zu machen.
So kommt es, dass man über die Frage nach Verfasser und
Abfassungszeit noch immer zu keinem befriedigenden Ergebniss
gelangt ist. Ueber diese Frage werden bei Copialbüchern meist
nicht viel Worte verloren. Man stellt aus den verschiedenen Aus-
stellergruppen die jüngsten Urkunden zusammen, und stimmt
mit den daraus gewonnenen Ergebnissen der Schriftcharakter,
so gelangt man mit einiger Sicherheit zu dem Schlüsse, die An-
lage des Chartidars habe unter diesem und jenem Bischof oder
Abt stattgeftmden. Schwieriger wird die Sache in unserem Falle,
wenn uns in dem erzählenden Theile Angaben über Zeit luid
Verfasser gemacht werden, die untereinander und mit den
Datirungen der Urkunden, aus denen wir darauf schliessen, in
Widerspruch stehen. Fräst vertritt in der Vorrede folgende An-
sicht: p. 22 ftlhrt sich der Abt Ebro (1273—1304) in erster
Person als Verfasser des Werkes ein, an dem sich schon mehrere
seiner Vorgänger versucht hätten. Aber auch Ebro kommt mit
seiner Arbeit nicht zum Abschlüsse, sondern wird daran durch
den Tod gehindert. Wie weit Ebros ursprüngliche Arbeit reichte,
will der Herausgeber unentschieden lassen, ebenso, ob Ebros
Nachfolger (Jtto 1. (1304 — 1323), der auf Anrathen des Bischofs
Wernhard von Passau das Werk fortsetzte, seine Arbeit ein-
* ,Die Horren von Kuenring*. Wieu 1874.
2 ,Der Krieg vou 1278 uml dio Schlacht bei Dürnkrut*. Excurs Nr 3.
Archiv für österr. Geschichte 62, 78 ff.
R^fa an die seinos Vorgängers anschloss oder die letalere zuvor
K^er Ueberai-beitung imtcrzog; Otto hat dann die fünf BUchtr
nis f. 135 im Jahre 1311 zu Ende gefUhrt. Ob der spittcre
Bvachtrag noch tod ihm oder erst von seinem Nachfolger, Abt
Bßregor I., herrührt, illsst der Herausgeber wieder dahingestellt.
^B Auch Friess hält p. 3 und dann wiederholt in seinem Werke
^Ben Abt Ebro für den Verfasser. Auf seine Zeitbestiinranng
H|er drei Relationen über die Geschichte der Kucnrin^r werde
BbIi an späterer Stelle einzugehen babon.
H Bussen rUckto der Frage in seinem kurzen Excuree zuerst
HpAhor an den Leib. Er hält die fUnI' BUcher fUr ein einheitliches,
KilDtcr Abt Otto, nicht von ihm selbst, sondern in seinem Aufh-a^e
BWrfasetca Werk, welchem ältere, von Abt Ebro herrührende
BAn&eiehnungcn zugrunde lagen.
H 1304 oder, wie Bussen annimmt, 1305 wird erst durch
RffitBchof Wernhard von Passau der Impuls zur Anlegung eines
Chai-tulars gegeben; da aber von König Albrecht I, als ,quondam
Komanorum rex' gesprochen wird, schliesst Busson, dass die
Abfassung erst nach dem 1. Mai 1308 begonnen haben könne,
wälirend sie mit dem Jahre 1311 schloas; dies entnimmt Bussen
den SchluBswortcn der fünf Bücher: ,Wer das Work fortsetzen
wolle, möge mit dem Jahre 131! beginnen.'
Dies der bisherige Stand der Frage, an den ich uun an-
nüpfen will, indem ich zunllchst eine genauere Beschreibung
Ibb Codex, als sie der Herausgeber gehefert hatte, zu geben
rsaehe.
Der jLiber fundadonum monasterii Zwetlensis' ist ein Per-
mentcodex in Folio (49 Cm. hoch, 33 Cm. breit ) von UI7 Blättern;
erste und letzte Blatt kleben an dem vorderen und rllck-
rftrtigen Deckel und sind an den beiden Innenseiten erst von
fepäterer Hand beschrieben, und zwischen f. 153 und 154 lUiif't
ein Blatt ohne Folioniunmer, so dass zu den 194 Blättern der
Folienzählung noch drei Blätter hinzukommen. - Der Codex ist
^h^ einen starken, mit einer Bärenhaut überzogenen und durch
^■Bssingknöpfe geschützten Holzdeckel gebunden. Das Pergament
^B ziemlich glcichmässig, weiss und gut geglättet. Der Codex
^Bvteht AUS 30 Lagen, die sich folgend ermassen vertheilcn: Die
^Butsche Keimchronik bÜdct einen Tomio, dessen erstes Blatt,
^He «rwahnt, am Vorderdcckel klebt und von erster Hand un-
^KBchrioben ist: nacli Fräst f. 1—5. Nnn folgen zehn vollständige
268
Quinternionen f. 6 — 105 incl.; f. 106—116 bilden einen Sexternio,
dessen erstes Blatt bereits ursprünglich herausgeschnitten und
wovon nur noch der Falzstreifen sichtbar ist; f. 117 — 126
(13. Lage) ist ein vollständiger Quinternio, f. 127 — 135 (14. Lage)
ein Quintemio mit fehlendem ersten Blatt, breiter Falzstreifen
sichtbar; hiemit enden die flinf Bücher. Die nächsten drei Lagen
umfassen das Rentenbuch, und zwar ist Lage 15 (f. 136 — 145)
ein vollständiger Quinternio, Lage 16 (f. 146 — 156, 153 a ein-
gon»chnet) ein vollständiger Sextemio und Lage 17 (f. 157 — 165)
oin Quinternio mit ursprünglich herausgeschnittenem ersten Blatt
l>io letxten drei Lagen umfassen dann die Fortsetzung der Ur
kundousammlung, und zwar ist Lage 18 (f. 166 — 177) ein voD-
Htäiuligor Sextemio, Lage 19 (f. 178—185) ein Quatemio und
l*«^^ 30 (f. 186 - 195) ein Quintemio, dessen letztes Blatt,
wio erwälmt, an den rückwärtigen Deckel angeklebt ist.
l>io8er Anordnung entspricht nun eine bereits von ursprüng-
liohor Hand erfolgte Lagenbezeichnimg, die Fräst p. XIV ganz
u\i^vt>r$tHnden und als Dekadenzählung gedeutet hat, bei der
hIIoiHoi Uuregt^lmässigkeiten vorgekommen seien. Die deutsche
Koimohronik ist in diese Zählung nicht aufgenommen;
oi'Ht mit der »weiten Lage beginnt die Zählung in der Weise,
\Ihss auf der Yersoseite des letzten Blattes jeder Lage unten
iu der Mitte die Oninungsrahl in römischen Ziffern mit tiro-
uineheui u* steht, die aber, da die erste Lage nicht mitgezählt
isHt, uu\ ein* hinter der wirkliehen Anzahl der Lagen zurück-
Moiht, nie 14., IS. und U^. Lage sind ausnahmsweise bereits
Huf dem ersten Blatte signirt.
Die Blätter der ersten Haltte jeder Lage weisen überdies
liHiitig Zählung mit arabischen Ziffern auf.
Auf eine ebenfalls ursprüngliche sachliche Signirung komme
ich später umständlich zu sprechen.
Endlich hat der Codex noch eine Foliirung, die auch die
(hiutsehe Reimchronik einbezieht, aber erst dem 16. Jahrhimdert
anzugehören scheint. Ich schHesse dies daraus, dass nur noch
die Ziffer 4 ihre alte Form aufweist, während alle übrigen, be-
sonders auch 5, bereits ihre modernen Formen angenommen
haben. Sie beginnt mit Uebergehung des ersten Blattes (wohl
ein Zeichen, dass der Einband älter ist) auf f. 2, lässt zwischen
f. 153 und 154 ein Blatt unbezeichnet und endet auf dem vor-
letzten Blatte, so dass wir 194 Foliennummern erhalten^ denen
269
die Bezeichnung in der Frast'schen Ausgabe entspricht und
nach der auch ich, um Verwirrung zu vermeiden, citire.
Das Linienschema ist im ganzen Codex im Wesentlichen
dasselbe; es wurde in zwei Columnen geschrieben, die ca. 2 Cm.
von einander abstehen und auf beiden Seiten durch verticale
Tintenlinien begrenzt werden. Die Zahl der horizontalen Linien
ist bis f. 165: 46 — 45, von f. 166: 44 — 43; das hängt damit zu-
sammen, dass anfangs weiter an den oberen und unteren Rand
geschrieben wurde. Der Abstand der Linien ist 9 — 10 Mm.
Zu bemerken wäre noch, dass im ersten Theil bis f. 165 dickere,
weichere Linien, im zweiten feine, scharfe TintenUnien vorherr-
schen. Jede Schriftzeile steht zwischen je zwei Linien; das
deutsche Gedicht ist in der Linining nicht consequent behandelt.
Ich gehe nun ilber zur Schrift. Dieselbe ist, der Bestimmung
des Codex gemäss, dessen wichtigem Inhalte auch eine präch-
tige Ausstattung entsprechen sollte, äusserst sorgfältig.^
Der Schriftcharakter steht sehr nahe dem von Sickel in den
Mon. Graph. IV, 13 gebotenen Stücke der ,Continuatio Novi-
montensis*, nur ist die Schrift des ,Liber fundationum* noch etwas
grösser. Die ersten fünf Bücher sind wesentlich von einer Hand in
schöner, gewandter gothischer Minuskel geschrieben. Die Schrift
ist äusserst gleichmässig, Schäfte und Balken sehr stark, Bre-
chung vollständig durchgeführt; a hat doppelte Höhlung, inner-
halb der Worte findet sich stets langes, am Schlüsse rundes «;
der Schaft des f ragt etwas über und läuft oben spitz zu; Ober-
' Die Schreibthäti|rkeit in Zwettl war damalH überhaupt eine sehr rogo,
worauf ))ereit8 Fräst in seiner Geschichte von Zwettl in der ^Kirclilichen
Topog-raphie von Niedor^ist^rreich* II, 3 (XVI) bei Abt Ebro hinwies.
Insbesondere scheint eine Keihe von mit Miniaturen gezierten Hand-
schriften damals entstanden zu sein. Eine willkommene Erklärung hiefür
bietet eine Stelle im ,Rentenbuche' p. 534, aus der wir erfahren, dass Zwettl
zu denjenigen Cistercienserklöstern gehörte, in denen der Cantor eine
eigene Dotation für Bibliothek und Schreibstube erhielt, während für die
zum kirchlichen und täglichen Gebrauch bestimmten Bücher der Pförtner
zu sorgen hatte; p. 534: ,Item redditus cantoris vidolicet II taleuta Georii,
unum de antiquo molendino in Pezleins et unum. Notandum, quod
in multis domibus ordinis cantores redditus habent et vineas, tU ex eis
hibliothecam irvttatirentf fjlosatas hihlias covnparent, ftcriptorilms necessaria
aniferani et procurenl . . . NoUindum, quod in multis domibus ordinis
{>ortarii bonos redditus habent, ex qnibus libros matutinales et diur-
nalia comparant.* Vgl. Winter, Die Cistorcienser des nordöstlichen
Deatschlands, 1, 13.
270
und Unterschäfte sind wenig entwickelt; i- Striche finden sich
immer, auch über einfachem i. Gekürzt ist reichlich, aber nicht
übermässig; als allgemeines Abkürzungszeichen dient ein ge-
rader, kurzer, kräftiger, scharf abgegrenzter Strich; flir er, ur
und U8 begegnen die gewöhnlichen Kürzungszeichen ; überhaupt
ist das herrschende Kürzungssystem vollkommen regelrecht an-
gewandt. Die Initialien, sowie die Titel der einzelnen Abschnitte
und Urkunden rühren nicht von derselben Hand her, sondern
von einem eigenen Rubricator. Die Initialen sind zum Theil
ganz prächtig, einzelne enthalten sogar schöne Miniaturen; auf
diese, sowie auf die künstlerische Ausstattung des Codex muss
ich mir versagen, näher einzugehen, und ich verweise dies-
bezüglich auf das von Fräst Bemerkte.
Eine Aenderung in der Contextschrift bemerke ich zuerst
f. lOß'ji ,item littera confirmationis' (Fräst 387). Der Grund-
charakter der Schrift ist vollkommen derselbe, aber der Zug
ist etwas ungleicher, weniger gewandt, die Schäfte sind etwas
länger und dünner, daher mehr zusammengedrängt; als Kürzungs-
zeichen dient ein kleiner, von links nach rechts verdickter Bogen;
beim a reicht die Trennungslinie der beiden Höhlungen nicht
ganz bis zum Hauptschaft; in der deutschen Urkunde f. 107
wird u neben v stark angewendet, während Hand a das v mit ganz
entschiedener VorUebe gebraucht; auch die Tinte ist etwas lichter.
Diese Hand b schreibt aber zunächst nur die eine Urkunde Fräst
388 bis f. 107'; der weitaus grössere Theil dieser Seite ist dann
freigelassen, und f 108 setzt wieder die ursprüngliche Hand ein
und schreibt nun ohne Unterbrechung das fUnfte Buch zu Ende.
Von gleicher Hand und gleicher Tinte folgt dann noch
der Abtkatalog (Fräst 488) bis incl. ,Otto XH. sub quo liber
iste sine dubio instauratus. Gregorius XHI.^ Das Folgende ist
von wechselnden Händen nachgetragen; was darüber Fräst im
Anhange p. 706 sagt, kann ich nur bestätigen. Von Hand a
folgt nun auch f. 136—165 das ,Rentenbuch'; f. 166 (Fräst 585):
,Qui hunc librum in dcscriptionibus privilegiorum vel predionim
Zwetlensis monastcrii augere desiderat etc.* schreibt, Hand J;
aber schon f. 166' (Fräst 588) ,Ich Otto gehaizzen der Otten-
stainer von Perigawe* setzt wieder die erste Hand a ein. Erst
f. 175'.^ (Fräst 617) ,Ich Örtlich von Winchel' tritt wieder
Hand b auf und schreibt bis f. 177. Mit Fräst 622 ,Notandum
quod anno domini MCCCXI quidam cardinalis' fährt wieder
271
Hand a fort und beginnt f. 178', noch die Bulle Johanns XXII.
(Fräst 629), bricht aber f. 179, (Fräst 630) mitten im Satze ab;
,in hac parte supplicacionibus inclinati^ schreibt bereits Hand b.
Erst f. 184 setzt Hand a wieder ein (Fräst 648) ,Ich Johans
von Starchenberch etc/ schreibt aber nur bis f. 184'; mit ,pri-
vilegium domine Gerdrudis Straningerine^ (Fräst 649) ßllirt
wieder Hand b fort. Mit f. 186 (Fräst 655) ,privilegium Fride-
rici regis Romanorum^ setzt noch einmal Hand a ein; die letzte
von derselben eingetragene Urkunde ist dann f. ISO'j (Fräst 668)
,Ich Hovg der Tvrse von Lichten vels^ f. 190 ,privilegium do-
mini Alberonis de Chirchperch' schreibt dann wieder Hand b
bis f. 1932 (Fräst 680) ,super aUqua bona in Rukkers' ; von hier
an trägt eine dritte Hand mit lichterer Tinte und kleinerer
Schrift aber sonst demselben Schriftcharakter noch zwei Ur-
kunden aus dem Jahre 1331 nach.
Endlich begegnen im Codex eine Reihe von Correcturen
und Nachträgen. Der Corrector hat in feinerer, steiler Schrift
die Schreibweise einzelner Wörter verbessert und ausgelassene
Worte nachgetragen, ausserdem aber auch sachUche Erläute-
rungen gegeben; so rlihren von ihm folgende bei Fräst im An-
hange verzeichnete Nachtragungen her: Bl. 16, 2. S., 2. CoL,
Bl. 21, 1. S., 2. CoL; Bl. 25, 2. S., 1. Col.; Bl. 70, 2. S., 2. Col.;
Bl. 85, 2. S., 1. Col. Ende und Bl. 101, 1. S., 2. Col., eine Er-
zählung aus dem Leben des Zwettler Conversen Hugos des
Tursen von Lichtenfels. Ausserdem begegnen noch Nachträge
von verschiedenen meist noch dem 14. Jahrhundert angehörigen
Händen; eine Reihe dieser Nachträge, darunter die bei Fräst
689 — 693 abgedruckten Bullen Innocenz VII. und Bonifaz IX.
rilhren von einer sehr charakteristischen Cursivc des beginnenden
15. Jahrhunderts her, die auch in zahlreichen Codices der
Zwettler Bibliothek begegnet; in einem dieser Nachträge (Fräst
704 erste Zeile) linden wir die Jahreszahl 1407.
Ich komme noch auf die deutsche Reimchronik zu sprechen:
wie in der Lagenzähluug und dem Linienschema nimmt sie
auch graphisch eine Sonderstellung ein, indem sie bei weitem
weniger sorgfältig geschrieben ist als der übrige Codex ; Correc-
turen und Nachträge von der Hand des Correctors nehmen
hier ganz bedenklich überhand. Auch hier ist aber ein Wechsel
der Hände zu constatircn, indem f 4, Z. 12 (Fräst 17) ,Cliu-
nigen chaisem wer des ze vil' Hand b einsetzt.
272
Ehe ich hiemit ganz abschliesse, will ich zur Erörterung
dessen übergehen, was Fräst p. 488 — 497 und 682 — 686 abge-
druckt hat und was nach seiner Ausgabe ziemlich unverständ-
lich ist. Es sind dies nämlich Indices, und die jedem Worte
beigegebenen römischen Ziffern mit einem folgenden Buchstaben
des Alphabets beziehen sich auf eine noch von der ersten Hand
vorgenommene sachliche Signirung, über die sich eine etwas
knappe Erklärung in der Einleitung bei Fräst p. XIV und XV
findet.
Der ganze Codex zerfilUt in Abtheilungen, die auf jedem
Blatte oben in der Mitte durch römische Zahlen bezeichnet
sind; innerhalb jeder Nummer folgt Bezeichnung der einzelnen
Urkunden oder Abschnitte nach dem Alphabete; doch sind
öfters auch mehrere stofflich zusammengehörige Urkunden unter
einem Buchstaben vereinigt. Sowohl das deutsche wie das
lateinische Gedicht sind von dieser Eintheilung ausgeschlossen,
was sehr erkläriich ist, da der Zweck derselben ja hauptsächlich
war, fUr das rasche Nachschlagen bei praktischen Besitzfragen
eine Handhabe zu bieten.
Erst f 7i (Fräst 27) bei der prosaischen Paraphrase be-
ginnt die Zählung mit /a, die Zeichnung f. 8, die den Stamm-
baum der Kuenringer darstellt, hat dann 6, f. 8', ,nimc ad
primum fundatorem etc.' c, ,notandum quod primus fundator
noster Hadmarus' d; dagegen hat das erste Diplom König Con-
rad III. keinen eigenen Buchstaben, sondern e tritt erst zu ,in-
cipit expositio huius privilegii^ Dass gleich beim ersten Alpha-
bet der Buchstabe z fehlt, hat bereits Fräst hervorgehoben. Im
Ucbrigen geht diese Signirung nun regelmässig fort. Ist ein Al-
phabet zu Ende, so wird die Ordnungszahl um eins erhöht,
und das Alphabet läuft nun von Neuem. Hervorzuheben wilre
noch, dass diese Signirung durch den Abschluss der einzelnen
Thcile des Codex keine Stönmg erleidet, sondern dass ganz
unabhängig von den fünf Büchern zum ,Rentenbuche^ das 11. und
von du zur Fortsetzung der Urkundensammlung das 17. Alphabet
hinüberreicht.
Gegen Ende des Codex geräth diese Signirung jedoch in
Unordnung. Unter Nr. 18 läuft das Alphabet nur bis 0 (f 176V)j
dann beginnt mit f. 177 rechts oben XIX und a zu Alexander,
B zu Bonifatius, c zu Clemens (Fräst 622—624). Ich erkläre
mir hier das Anfangen eines neuen Alphabets dadurch, dass
273
Bullen von Päpsten nacheinander aufgenommen wurden, deren
Namen mit den drei ersten Buchstaben beginnen; diese scheinen
anfangs nur ftir den Rubricator an den Rand geschrieben worden
zu sein, dann aber eben durch die Reihenfolge Anlass gegeben
zu haben, dass nun bei der Signirung mit d, e etc. fortgefahren
wurde. Das geht dann regelmässig fort bis f. ISS'j u; nun aber
folgt auf f. 184, k und rechts oben ursprünglich XIX, später
aber wurde das I daraus radirt; f. 188'i hat unten z, f. 189
X'X'\ je ein / zwischen den beiden und nach dem zweiten
Zehner ist radirt, ebenso ein a bei f. 189i. Erst f 189'i steht a
f. 189'2 h und f. 190 rechts oben XXI, wobei I von späterer
Hand hinzugefügt ist. Das Alphabet geht f 190 bis incl. d,
f. 191 hat links oben e, daneben aber XXII, f. 192 g und XXIII,
f. 193 XXIIIl
Bei dem 19. Turnus des Alphabets hat jedenfalls eine
Irrung stattgefunden, indem der ursprüngliche Schreiber, statt
auf V X folgen zu lassen, wieder zu h zuiückkehrte. Der Grund
hieftir ist nicht klar, ein Fehlen von Blättern ist aber durchaus
nicht anzunehmen, da diese Signirung mit der Anordnung der
Lagen in keinerlei Zusammenhang steht. Nach der ursprüng-
lichen Zählung laufen daher unter XIX zwei unvollständige
Alphabete, eines von a bis y und ein zweites von k bis z, so
dass von XIX k bis XIX v alle Signirungen doppelt vorkommen.
Das hat eben eine spätere Correctur hervorgerufen, indem man
f. 184, in dem XIX das / radirte und so die Ordnungszahl
umsetzte; ebenso wurde bei XX vom Corrector ein / hinzu-
gefügt; zu bemerken ist aber, dass in den Indices die Citate,
soweit sie von erster Hand eingetragen sind, für die Zahlen vor
der Correctur gelten. Der dann f. 191, 192 und 193 mit XXII,
XXIII und XXIIIl signirte, hat das ganze System überhaupt
nicht mehr verstanden, sondern damit fortlaufende Foliirujig
bezeichnen zu müssen geglaubt; die Buchstaben laufen von
f. 189', an unbekümmert um diese Umsetzungen der römischen
Zahlen fort.
Auf diese Eintheihmg also beziehen sich die Zahlen und
Buchstaben, die den Worten der beiden oben erwähnten Indices
beigefügt sind. Beide Indices sind von erster Hand angelegt,
weisen aber zahlreiche Nachträge auf. Fräst hat dies allerdings
ganz unterschiedslos edirt, wie denn überhaupt gerade in diesem
Punkte das Vorgehen des Herausgebers nicht zu billigem va»\..
274
Man wird von einer Edition kaum verlangen, dass sie alte
Quatemionen- und Folienbezeichnungen aufnehme, aber gerade
in unserem Falle durfte, wenn die Indices veröffentlicht wurden,
auch die ihnen zugmnde liegende Signirung nicht übergangen
werden, da ja sonst die ersteren allein f)ir den Benutzer ganz
werthlos sind. Dazu kommt noch, dass Bernhard Link in seinen
Annalen nach dieser Signirung citirt, und dass daher durch
Aufnahme derselben auch die Brauchbarkeit dieses noch immer
unentbehrHchcn Werkes entschieden erhöht worden wäre.
Der Charakter der beiden Indices ist unschwer zu erkennen.
Der bei Fräst 488 ff. abgedruckte entspricht dem, was wir ,In-
dex locorum^ nennen würden, während p. 682 ff. ein ,Index perso-
narum et rerum' folgt. Die Anlegung des ersten Index war
bereits im Laufe der Arbeit beabsichtigt, da man hiefÜr zu
Beginn des ,Rentenbuches' zwei Blätter der betreffenden (15.)
Lage freiliess, erfolgte jedoch erst später, da sich auch bereits
von erster Hand Citate aus dem dritten Theile finden.
Ich gehe nun über zur Verwerthung dessen, was wir aus
der Anlage der Indices in Verbindung mit dem SchriftbestaDde
des Codex für die Abfassungszeit des ,Liber fundationum' in
seiner heutigen Gestalt gewinnen können.
Aus der Fortsetzung der Urkimdensammlung sind 13 Stücke
in den ersten Index von Hand a eingetragen und bis auf eine Ur-
kunde Fräst 586 auch alle von derselben Hand geschrieben; die
jüngsten dieser Stücke sind: Fräst 661 (1319 Juni 9) und Fräst
656 (1319 Juni 18.)
In dem zweiten Index linden wir aus dem späteren Theile
von Hand a ebenfalls 13 Stücke verzeichnet und auch zumeist
geschrieben; ausgenommen ist Fräst 644 ,privilegium Friderici
dicti GnemhcrteP (1324 October 21), welches Hand b schrieb,
und die Bulle Papst Johann XXIL (1326 März 1), in deren Ein-
tragung, wüe bereits crw^ähnt, Hand a und h sich theilten.
Ich komme hier noch einmal auf den oftmaligen Wechsel
der Hände in dem dritten Theile des Codex zurück. Schon
dass Hand a in den Index Urkunden einträgt, die von h ge-
schrieben sind, beweist, dass die beiden Hände jedenfalls gleich-
zeitig sein müssen, obwohl Urkunden aus den Zwanzigerjaliren
des 14. Jahrhunderts nur von h eingetragen sind, während von
a nur die Bulle Johann XXII. begonnen, dann aber h zur
Fertigstellung überlassen wurde.
275
Eine genaue Vergleichung hat mich zu dem Ergebniss
geführt, dass Hand b mit dem Rubricator identisch ist,
der also fUr diesen letzten, wahrscheinlich mit einiger Eile
fertiggestellten Theil aushilfsweise auch als Contextschreiber
eintrat, und zwar hauptsächlich die späteren, den Zwanziger-
jahren angehörigen Urkunden zum Sammeln und Eintragen
erhielt. Näherhegend wäre allerdings, anzunehmen, dass sich
die beiden Schreiber nach Lagen oder Blättern in ihre Thätig-
keit gethcilt hätten; das bewährt sich aber keineswegs, indem
sich der Wechsel der Hände ganz unabhängig davon vollzieht.
Das Ergebniss, zu dem die Untersuchung des Schriftbestandes
und der Indices gelangt, ist folgendes:
1. Der ganze Codex in allen drei Theilen ist ein-
heitlich angelegt und wesentlich von einer einzigen
Hand geschrieben; nur im dritten Theile ist eine zweite,
gleichzeitige Hand, der Rubricator, als Contextschreiber thätig.
2. Der Abschluss der Arbeit kann nicht vor dem
Jahre 1327 erfolgt sein; denn vom 1. März 1326 ist die
jüngste noch von erster Hand in den Index eingetragene und
theilweise noch geschriebene Urkunde, die BuDe Johann XXH.,
datirt. Bedenkt man die Zeit, die zwischen Datirung, Expe-
dirung, Zustellung und endlicher Eintragung in den Codex
nothwendig verlaufen musste, so gelangen wir zum Jahre 1327
als dem frühest möglichen der Vollendung des Werkes.
Wie lässt sich nun mit diesem gewonnenen Ergebnisse
der Anfang des Werkes ,Nos fi'ater Ebro dictus abbas de Zwetel
etc.' in Einklang bringen?
Gewiss wird jeclermann zugeben, dass ein Codex von
solchem Umfange und so sorgfältiger Ausführung nicht in wenigen
Tagen, wohl kaum in einem Jahre entstanden sein kann. Aber
ebenso unhaltbar wäre die Annahme, dass ein und derselbe
Schreiber durch mindestens 25 Jahre an der Fertigstellung des
Werkes gearbeitet habe, eine Annahme, die nothwendig ein-
treten müsste, wenn man nach dem Wortlaut der Vorrede auch
nur den Beginn des Werkes in die Zeit Ebros setzen würde. ^
1 Besonders wenn man mit Sacken ,Die Cistercienserabtei Zwettl in Nieder-
OflterreichS in Heider und Eitelberger, ,Kan8tdenkmale* 2, 42, annimmt,
dass Ebro gleich zu Beginn seines Regimentes an die Anlegung des
Stiftungsbuches g^egangen sei.
276
Schon das allein ftihrt uns dazu, der Ansicht Busson's
beizupflichten, dass wohl eine ältere Arbeit des Abtes Ebro be-
nutzt, nicht aber der ,Liber fundationum' auch nur in seinen
ersten Theilen eine solche sei.
Aus dem Inhalte des Stiftungsbuches allein feststellen zu
wollen, welcher Art diese Arbeit Ebros gewesen sei, bis wohin
sie gereicht, welchen Umfang sie gehabt habe, wäre eine ganz
müssige Streitfrage, zu deren Lösung, wie schon Fräst in der
Einleitung (p. VI) richtig hervorhob, das Werk selbst gar
keinen Anhaltspunkt bietet. Und doch hat Fräst, wie aus einer
Bemerkung in seiner ,Geschichte Zwettls' in der ,Kirchlichen
Topographie von Niederösterreich' II, 3 (XVI) hervorgeht,
jene Vorarbeit des Abtes Ebro gekannt, ohne merkwürdiger
Weise auf das nahe Verhältniss derselben zum ,Liber fundationum'
aufmerksam geworden zu sein. ^
Bei Durcharbeitung des Zwettler Archivkataloges gelang
es mir, auf diese Vorarbeit zu stossen. Dieselbe ist als ,LibeUus
reddituum a domino Ebrone abbate conscriptus' verzeichnet und
hat folgende Einleitung, die ich, weil die Art ihrer Aufnahme
in den ,Liber fundationum' für mittelalterliche Quellenbenützung
überhaupt sehr charakteristisch ist, hier wörtlich mittheile:
,Nos frater Ebro dictus abbas de Zwetel omnibus presens
scriptum intuentibus huius vite cursum ita peragere, ut in ce-
lesti patria mercantur coronari gloria et honore. Quoniam^ non-
nulli conati sunt^ monasterii possessiones earum redditus in unum
conscribere, ut ad miütorum noticiam devenirent, ut^ per hoc
difficilius posscnt minui aut alienari a monasterio a quocunque:
ignoramus quid in causa fuerit, quod nidlus ante nos hune uti-
litatis affectum perduxerit ad effectum. Verum considerantes
fructum laboris nobis reservatum secundum illud sapientis:
,bonorum laborum gloriosus est fructus* huic negotio dedimus
1 1. c. p. 40. Die Flüchtigkeit der BenUtzuug ersieht man am besten dAraos,
dass aus der Jahreszahl 1280 und ,uostri regiminis anno octavo* bei Fräst
1288 wurde, was dann auch wieder in die oben citirte Arbeit Sacken'?
überging.
2 L. fund. : quoniam quidem.
3 L. fund.: scribere et depingere genealogyam fundatorum Zwetlensis nio-
uasterii nee nou possessiones et redditus ipsius, ut ad multorum noticiam
etc.
* L. fund.: et.
irain diligoiitem ' nranesque retlditus poBsessionum iiostri mona-
videlieet vülanira per ordinem ac beneficiorum et quicquid
ser^icio annua snbiacet vel sab seirntii nomine conprehenditur,
diligeutissimo in hoc volumine conaeribentes. Noveril itaque
lector omnia que claiistrum liabuit nostrejirovisionia tempore in
redditibas dumtaxat hie posita et uniuscmnsfjue scrvicii debitam
quantitatem, liect plurima sint notata, que nostris temporibus ob
ioopiam colonoriini et terre inquietudinem nil aolvcrunt. Actum
io domini M° CC" LXXX", nostri regiminis anno VUl".'
Wir Beben, der erste Theil der Vorrede ist fast wörtlich
den ,Liber tundstionum' übergegangen, nm: dass als Zweck
Arbeit nicht nur die Aufzeichnung der Besitzungen und
:tlnfte, sondern die Darsteliung der Geschichte der Kuen-
[ger in Wort und Bild beaeichnet wird. Mitten im Satze hört
die Benutzung auf, weil sich der weitere spedelle Theil
Vorrede aum ,Libor fimdationum' nicht mehr eignet. In der
Arbeit Ebroa folgt nun auf die Von-ode unmittelbar eine Auf-
zählung der Einkünfte, welche das Kloster Zwettl von seinen
einzelnen Besitzungen zu beziehen hatte; es ist die Arbeit, die
im Wesentlichen dem bei Fräst 498 — 585 abgedruckten Renten-
buche als Quelle zugrunde liegt, und ich werde bei Besprechung
dieses Theiles näher aui' die Handschrift Ebros einzugelien haben.
yon dem ersten Thfile des Stiftungsbuches jedoch, den fiinf
Lebern, die sich durch diese sonderbare Art von Quellenhenlltzung
idrilckhch als Werk Ebros einführen, gehört diesem Abte kein
'ort an.
Wir haben uns also für die Inangriffnahme des Werkes
einen anderen, späteren ,terminus a quo' umzusehen, und
ein solcher wird uns ja p. 2fJ5 — 266 mit wünsch enswerther
Ausführlichkeit gegeben. Zwei Urkunden, die Bischof Wemhard
Ton Passau dem Stifte Zwettl über die Ineorporirung der
larinenca pelle in Wien und die Bewilligung zum Verkaufe
äaes bisher dazu gehßrigen Hauses ausgestellt hatte, waren in
Verlust geratlieu,^ und man trat an den Bischof mit der Bitte
um eine Neuausfertigung heran; dieser willfahrte dem Ansuchen,
gab aber gleichzeitig den Rath, man möge die vorhandenen
Ton
U«th.
Htines
»VerlL
* Hier bricht die Vorrede des ,Liber fundationiim' ab.
' Der Antor spricht anidrltcklich tud den litterae snper i.'A|i|ip1Ih
iH) t?t iloiuii (FrHflt äflft), ilie verloreu wjir«n.
1. HXVI. li. Uriirie w
278
Originale in einem Copialbuche sammeln, damit^ wenn schon
ein oder das andere Original verloren ginge, wenigstens eine
Abschrift davon erhalten bliebe. Folgt nun die Neoansfertigang
Bischof Wemhards: Wien 1304 Februar 3. Die Unmöglichkeit
dieser Datirung ist schon Link aufgefallen. ^ Wohl lässt sich
nachweisen, dass Bischof Wemhard damals in Wien war. Am
1. Februar dieses Jahres stellt er nämlich für das Schottenkloster
ein Transsumpt der Stiftungsurkunde Heinrichs IL aus. Allerdings
ist der Ausstellungsort in der Datirung nicht genannt;^ aber die
Stelle in der Corroborationsformel, dass die Transsumirong aus
dem Grunde erfolge, weil es für den Abt schwierig sei, die
Urkunde selbst stets mit sich zu ftkhren,' hat doch nur dann
einen Sinn, wenn der Abt des Schottenklosters die Anwesenheit
des Bischofs in Wien dazu benützte, um sich an Ort und Stdle
ein rechtskräftiges Transsujnpt ausfertigen zu lassen. Ueberdies
urkundet der Bischof auch kurz zuvor am 27. Jänner in Wien.^
Andererseits war auch der Abt von Zwettl damals in Wien;
es war dies aber nicht der in der Urkunde genannte Otto, sonden
noch Ebro, welchem damals Adelheid die Greifensteinerin ein
Haus auf dem Stefansiriedhof, ,den Greifensteiner', verkaufte.^
Ebro starb am 29. Februar 1304; damit ist aber die Datirung
der nicht an ihn, sondern bereits an seinen Nachfolger gerich-
teten Urkunde ganz unvereinbar.
Noch eine weitere Schwierigkeit gesellt sich hinzu. Nacb
dem Ausspruch des Verfassers ist die eben besprochene Ur
künde die Neuausfertigung der p. 264 und 265 abgedruckten
Briefe über denselben Gegenstand, die, beide an Abt Otto ge-
richtet, vom 23. December 1304 datirt sind,* also später fielen
als die ^ittera renovationis^ Letztere ist noch im Original vor
banden, das genau dieselbe Datirung trägt Ein Fehler des
Copisten ist daher ausgeschlossen. Wir werden daher zunächst
1 Annales Anstrio-OlarayalleiiBes 566.
) Fontes rerom Austr. 11, 18, 113, Nr. 95.
3 1. c: cum gTAYe äbi esset, piivilegiom ad viun tarn longin^puun ^
portare.
* Urknndenbuch des Landes ob der Enns 6, 606.
* Fräst 429.
* Das Original der ersten Incorporirangsoj^nde, Fräst 264 — 865, itt '^
Archive des Stiftes Zwettl erhalten und trigt gleich der iweiten Urkwid^
das Datom X. (nicht Y.) Kai. JanuaiiL
prilfen, ob sich die ,Littora renovationis' inhaltlich als Neuaus-
fertigang der beiden zeitweilig verlorenen erkennen litsat Dazu
ist es nfithig, kurz auf den sachlichen Zusammenhang einzu-
gehen.
Das bisher ziu- E athari neu ea pelle gehörige und im Besitze
Zwettls befindliche Capellanshaus sollte infolge der beabsichtigten
Erweiterung des Chores der Stefanskirche demolirt werden. '
Zum E>satze daflir erwarb Abt Ebro zunächst ein anderes
Haus, am Stefansfriedhofe, den .Greife nstein er'. Die wahi-Schein-
lieh durch Ebros bald darauf erfolgten Tod unterbrochenen und
verzögerten Verhandlungen nahm dann Abt Otto wieder aut,
indem er sich von dem Diöeesanbischof die nöthige Einwilligimg
ztira Verkaufe des bisherigen Hauses an die Wiener Bllrger.
erbat. Bischof Womhard willfahrte dem in der einen der vom
23. Decomber 1304 datirten Urkunden, während er durch die
andere die bisher einem Weltgeistlichcn zugetlieilte Kiitharinen-
capelle dem Kloster Zwettl incorporii-te. Von diesen beiden
Urkunden hatte die letztere einen bleibenden Wcrth, während
die Bedeutung der ersteren mit dem wirklichen Vollzüge des
Verkaufes erloschen war. Bei einer infolge zeitweiligen Verlustes
der beiden Urkunden nothwendigcn Neuausfertigung konnte es
sieh daher imr um die IncoriMirirungsurkunde handeln, während
es mit Beziehung auf die andere Urkimde genügte, unter den
OrUndcn nur Incorporirung des mittlerweile erfolgten Verkaufes
S Capelianhauses zu gedenken. Und dieser Sachlage entspricht
I die ,Littera rcnovationis' in der That; denn riaeh der er-
Incorporirung heisst es: ,Ad hanc autem gratiam
tcedendam pretcr preallcgatas causas specialiter nos permovit,
i domus sc« dos dicte cappelle, quam cappellarius inhabitave
Isaevit et debuit, est ab eadem eapella in-ecuperabiliter alie-
propter quod per cappellarium carentem certo hospicio
di'cta cappella non bene poterat provide gubemari.'
Die ,Littera renovationis' muse also ausgefertigt sein jeden-
falls nach dem 23. December 1304 und vor dem 27. Jänner 1307,
an welchem Tage Erzbischof Conrad von Salzburg bereits ein
TraosBumpt derselben ausstellte.' Halten wir an dem Tages-
. Februar — fest, so ergeben sich überhaupt nur zwei
280
Einreihungen, 1305 und 130G. Zur Entscheidung der Frage
ist es nöthig, das Itinerar des Bischofs Wemhard von Passau^
soweit dies überhaupt möglich ist, zu verfolgen, wofllr ich fol-
gende Daten aufbringen konnte: 1304 December 21 Passau;*
1305 Jilnner 23 Passau,^ April 17 Wien,-^ April 25 St Polten,*
December 21 Wien;-^ 1306 März 26 St. Polten, « April 19 Wien."
Wir finden den Bischof demnach damals in den ersten Monaten
des Jahres regelmässig in Wien, dem er als einstiger Pfarrer
der Stadt lebhafteres Interesse entgegenbringen mochte. War
Wemhard am 21. Jänner 1305 noch in Passau, so konnte er
doch 11 Tage später bereits in Wien Urkunden; nachdem ihn
die folgenden Wochen über wohl die Diücesanvisitation an der
Ostgrenze seines Sprengeis beschäftigt hatte, feierte er in Wien
noch das Osterfest (18. April), während wir ihn in der Oetav
nach Ostern (25. April) bereits auf dem Rückzuge aus Oester
reich in St. Polten finden. Auch zu Weihnachten desselben
Jahres war Wemhard wieder in Wien; dass er diesen Aufent-
halt bis zum 3. Februar ausgedehnt hätte, ist zwar nicht aus-
geschlossen, aber auch nicht wahrscheinlich; denn die beiden
letzten der angeftihrten Urkunden lassen ftir Ende März oder
Anfangs April schon auf eine weitere Donau abwärts unter
nommene Reise schUessen. So nehme ich denn keinen Anstand,
mich der bereits von Link* vorgenommenen, wenn auch von
ihm nicht näher begründeten Einreihung der Urkunde zum
3. Februar 1305 anzuschhessen, an welchem Datum die An-
wesenheit des Bischofs Wemhard in Wien ganz gut möglieh
und ein beim Mundiren der Urkunde erfolgtes Verschreiben
von ,quinto in quarto' leicht erklärlich ist"
1 Monumenta Boica 12, 434; zugleich eine Stütze für die Richtigkeit der
Datirung in den beiden Zwettler Urkunden vom 23. December 1304.
^ Ich verdanke dieses Datum einer gütigen Mittheilnng meines Freundes
Dr. Erben aus einer bisher unedirten Urkunde für Mattsee.
3 Urknndenbuch des Landes ob der Enns 4, 485.
* Ebendaselbst 486.
B Urknndenbuch des Klosters Altenburg, Fontes remm Austr. 11, 21, lH*
^ Urknndenbuch des Landes ob der Enns 4, 502.
' Urknndenbuch des Klosters Altenburg, Fontes remm Austr. 11, 21, 113.
8 1. c. 566, Sp. 2.
^ Chronologisch Hesse sich die falsche Datirung nicht, wie Busson will
1. c. 80, durch Annahme von Weihnachtsepoche, sondern hOchsteivi
durch ,calculu8 Florontinus' erklären, der in unseren Gegenden mxu
^^V Nach dieser längeren Auseinandersetzung, die durch die
^Hbdentimg der beeproclieneu Urkunde fttr die Entstehungs-
^^MBchicbteMes ,Liber fundationum' einigeiinassen geret-Ktfertigt
^^Bin dürfte, fahre ich in der Erörterung der Frage nach der
^Hbfassungazeit des Stiftiingsbuches fort.
^f Sei OS, dasB die Vorarbeiten so lange Zeit in Anspruch
^HtobmeD, sei es, dass man mit der InangrifKiahme des Werkes
^nberhaupt noch zSgerte, gf^wiss ist, dass dem Rathc des Bischofs
HpEe Ausfilhrnng nicht auf dem Fusse folgte. Busson setzt die-
^ublbe in die Zeit von 1308 — 1311; denn dass p. \m von dem
^Btbemaligen römischen König Albrecht gesprochen wird, setzt
^BpHeen am 1. Mai 1308 erfolgte Ermordung als bereits ei-folgt
J^fteaus, wahrend sich der ,terniinu8 ad quem' klar aus dem
ScWussaatze p. 488 ergibt: ,Qui autem hoc volumen in trans-
seriptione privilegiorum adhuc monasterio nostro dandnrum for-
sitan augere dcsiderat, ab anno MCCCXI incipint et deinceps
^ttW ordinem sie procedat. Quid enim post nos futurum sit,
HwBteritaB hoc videbit.'
r^ 'Ta ein nocli viel bestimmteres Zeugniss und eine noch ge-
nauere Begrenzung fllr den Absehluss des ,Liber fundationum'
scheint folgende Stelle in einer am 8. Jimi 1311 zu Zwettl ans-
gesteUten Urkunde des Abtes Johann von Heiligenkreuz zu
bieten (Fräst 586): ,Si quis autem raonacbonim vel convcrsorum
aut aliorum officiaHum, qui forsitan privilogiomm vel bbri pre
dioriim noticiara non habucrit, haue nostram paternam et deli
beratam coustitucionem transgressus fuerit aut quippiam ex hiis
ijue in lihrv preiitorum aut privilegiorum Ztcetlensis monastsni
^^uiit carciiie exarata . . . vendiderit aut in alios rodditus commu
HjtfKreaSt, eandem vcndicionem aut commutacionem vel ahena-
^^pttoem ömnimodis annullamus cassamus et tutaliter reti-actamus.
^V', Daraus allein wird jedermann schücsscn, dass damids der
HSdber fundationum' bereits vollendet war, und dass man den
^^^ päpstlichen Privile^leu vielleJcht bekannt, aber iu Urkuodeu «icber lüitbt
^^^E in Anwendung war. Bei der fUr den 3. Februar 1301 Ueatimuit uacb-
^^^V wei«baren Anwesenheit des Bischufa von PaaMn und des Abtes von /uettl
^^^f in "Wien schiene es verlockend, die Erklärung nacli Ficker'scher Theurio
^^B in der Awuüime einec Neuausfertigung' oder spAtervn Aiufertiguiig unter
^^^B Beiheiialtung de« uraprUng'liohen Actunu ta (ucben. Doch dadurch wUr-
^^^K den die (Ihrigen ifi'hwierigkeiten nicht liehobeu, sondern noch vergrUesert,
^^H weil dimn div beiden Urkunden vuni £3. Ueceuiber 1304 und das unhe
^^^k VerhIltui.H* der .Littera renuvatianis' zu ihnen sich mcVA \te^ri.Sa\i.
282
gerade zur Klostervisitation in ZwetÜ anwesenden Abt des Matter-
klosters vermochte, das Werk durch seine Autorität als officielles,
fUr Alte verbindliches zu kennzeichnen. Dem entsprach er denn
auch in einer Weise, die sich mit der den ,Liber fiindationum^
durchziehenden Tendenz vollkommen deckt und das vom Kloster
ihm vorgelegte Concept deutlich verräth.
Allein vom 15. Juni 1311 datirt eine bereits f. 107 ein-
getragene Urkunde Alberos von Kirchberg (Fräst 388).
Da ist allerdings gleich eines zu beachten: die Urkunde
ist in dem ganzen ersten Theile die einzige von Hand B ge-
schriebene, und es bliebe also die Annahme übrig, dass der
Rest von f. 106' und f. 107 ursprünglich aus unbekannten Grün-
den leer gelassen worden und die Eintragung erst gleichzeitig
mit dem Abschluss des letzten Theiles erfolgt sei. Doch bild«a
f. 106 und 107 die ersten Blätter einer neuen Lage, und es ist
demnach eine ursprüngliche Lücke viel weniger zu erklttren,
als wenn die Blätter dem Schlüsse einer solchen angehörten.^
Noch weniger begreift man aber, warum dann gerade die eine
Urkunde hier nachgetragen und nicht gemeinsam mit den übrigen
in der Fortsetzung der Urkundensammlung gebracht Mrurde.
Der Wechsel der Hände scheint hier vielmehr auf eine zeit-
weilig eingetretene Stockung des Werkes hinzuweisen; dasselbe
konnte dann am St. Veitstage 1311 höchstens bis f. 106 gediehen
sein, der Rest des fünften Buches und das ,Rentenbuch' waren
noch ausständig.
Dass 1311 nicht so streng als Schlussjahr anzusetzen ist,
zeigt femer die Stelle über Leuthold von Kuenring (Fräst 241):
,Sed iam de eius miseriis scribere cessamus, qui cum iam in
prosperis constitutum gaudere estimamus,' die wohl erst nach
dem am 18. Juni 1312 erfolgten Tode Leutholds geschrieben
sein kann; und dem entspricht auch der ganze Charakter der
p. 239 — 240 über seine Schicksale gebotenen Erzählung, in welcher
auch nicht ein Wort darauf hindeutet, dass von einem noch
Lebenden die Rede sei.
Endlich scheint folgende Stelle ftlr eine andere, viel spätere
Abfassungszeit mit Bestimmtheit zu sprechen:
^ Das erste Blatt der Lage (Fräst 106 — 116) war schon arsprfliiglich her-
ausgeschnitten worden (vgl. oben S. 268); ein Gleiches hätte ja mit va»
Versehen leer gelassenen Blättern auch geschehen können.
Die beidoii Cifitercienserklöater ZvetÜ und Aldersbach io
lierii wareu in eine Reilie von ßesitzstreitigkeiten gerathen,
die mit grosser Erbitterung und, wenn wir dem Autor des
Stiftungsbuches glauben dürfen, von Seite Aldersbachs mit nicht
Btots redlichen Mitteln gefehlt wurden. Eine derselben drehte
sieh um den Besitz der Kirehe in Thaya; es kam zu einem
Schiedssprucli des Abtes Hermann von Ebrach, der die Kirche
dem Kloster Zwettl ab- und Aldersbach zusprach. Dartiber ent-
brennt der Verfasser des Stütungsbuches, der auch sonst Proben
eines recht freimUthigeu Urtheils ablegt, in hellem Zorn (Fräst
340); ,Fuit autom eccleaia in Teya »bbati de Alderspacb a visi-
tatore et fautore suo, videlicet domino abbate Ebracense anno
MCCLXXXXH adiudicata et abbati Zwetleusi non solum modo
mirabili sed et miserabih ablata; sed utinam atite quadriennium
per impeticionem prescrijitio interrumperetur.' ,Möge doch vor
Ablauf von ner Jahren die Verjährung durch Einspruchs-
erhebung unterbrochen werden!' Die Urkunde des Abtes Her-
mann von Ebrach ist im Zwettler Archive noch im Originalo
vorhanden und tiägt das Datum: 1292 Juni 12. Da bei kirch-
liclicm Besitz, sei es Zehentbezug oder Kirchengut selbst, vierzig-
jilhrigo Präacriptionsfrist erforderlich war,' lief sie in unserem
Falle am 12. Juni 1332 ab; und da nach Angabe dea Verfassers
Qoch vier Jahre übrig sind, um Rechtsachritte gegen den unge-
r«chten Schiedsspruch zu ergreifen, gelangen wir für die Ab-
fjusnngszeit dieser Stelle zum Jahre 1327 — 1328. Freihch ist
dieser Stelle von anderer Unnd am Itande nachgetragen:
est XL aunos', waa Fräst im Anhange 6^'J in folgender
a gibt: Bl. !!'4, 1. S., 1. Col. bemerkt eine andere gleichzeitige
r nicht viel spätere Hand, das ,quadri6nnium' erklärend:
t est XL annos.'
Syntaktisch kann sich der Commentar auch nur darauf
beziehen; aber durch diese von anderer Hand heigelUgte Er-
kllLrung ist noch immer nicht bewiesen, daas auch der Autor
selbst unter den Jahren hier eigentlich Jahrzehnte verstanden
habe, da er doch anderweitig (p. 156) dafUr den Ausdruck
,pracscriptio quadragesimalis' sehr wohl kennt. Hielte mau aber
an der Beweiskraft; der Stelle fest, so gelangte man für die
Abfassung auch dieses früheren Theiles genau zu dem Zeit-
i
Decret. Gregorii IX. 1. U, t
284
punkte; den wir oben (S. 275) als den frühest möglichen ftür die
Vollendung des dritten Theiles^ des Urkundennachtrages; kennen
gelernt haben. Man müsste dann annehmen^ das Werk sei in
der uns vorliegenden Gestalt damals einheitlich entstanden —
eine Annahme, der ja auch der Schriftbefund nicht widersprÄche
— wobei ähnliche 1311 vollendete Vorarbeiten benützt wurden.
Zu einem bestimmten Ergebniss gelangen wir daher trotz
der anscheinend so klaren Zeitangabe nicht, und es wird sich
darum handeln, ob sich nicht aus der näheren Betrachtung des
von Fräst als Rentenbuch bezeichneten zweiten Theiles eine
Entscheidung zu Gunsten des einen oder anderen Ansatzes
ergibt.
Verzeichnisse über Zehenten und die Abgaben, welche
den Cistercienserklöstem von ihren Ackerhöfen und Besitzungen
zuflössen, mögen in jedem dieser Klöster zu rein geschäfUichem
Gebrauch schon frühzeitig angelegt worden sein. Dies war um
80 nothwendiger, als ja durch die Veränderungen und Ver
besserungen in der wirthschaftlichen Bearbeitung des Bodens,
sowie durch die sich stets mehrenden frommen Schenkungen, durch
Kauf- und Tauschverträge diese Dinge in stetem Wandel und
Wechsel begriffen waren. Der Verfasser des Stifbingsbuches
verlangt ausdrücklich von den Vorstehern der Grangien und den
einzelnen Officialen des Klosters, dass ein jeder einen Rotolus,
eine Zehentliste (,littera censuaUs') bei sich führe und in Evi-
denz halte, in welcher die Namen der Besitzungen und der
Zehentpflichtigen, die Höhe der Abgabe und die Zeit der Lei-
stung genau eingetragen sei. ^ So rühmt er besonders einem
Abte von Ebrach nach, dass er bei seinen Visitationsreisen den
Achten und Officialen der Tochterklöster besonders genau auf
die Finger gesehen und Leute, bei denen er in den Eintragungen
irgendwelche Vernachlässigung wahrnahm, unnachsichtlich ihres
Amtes entsetzt habe. Neben solchen einzelnen Rotuli wird es
1 Fräst 664 : Omnes enim grang^arii vel ceteri officiales quocunqne nomine
censeantur, rotulum vel litteram censnalem debent habere, in quo pre-
diomm vel villamm nostrarum una cum censu et nominibns colonorom
et quo tempore servire debeant, diligencius et omni seguicie preposita
conscribantur. Vidimus enim quendan abbatem venerabilem EbracenseiB,
qui rotulum scriptum secum in visitationibus deferre solebat, in qoo
omnium monasteriorum ad so immediate spectantinm possessionee vel tnnue
pensiones tam abbatum quam officialium conscripte erant etc.
^Hfttm, wie das Beispiel jenes Abtes tuq Ebrnch beweist, gewiss
^^ictt nur vereinzelt Gesammtverzeielmissß über die Leistungen
jiller StiftsgUter in den einzelnen Klöetem gegeben haben. In
Zwett! ISsst sich die erste Spur hieven unter Abt Ebro nach-
weisen, obwohl es nach dem ausdiilcklichen Zeugniss der Vor-
rede bereits unter seinen Vorgängern an vereinzelten Versuebcn
nicht gefehlt hatte. Ebro war vor seiner Wahl zum Abte KeJler
mei&ter (cellerarius) des Stiftes gewesen.' Dieses Amt beschränkte
sieb damals nicht etwa blos auf die Obsorge über den Stifts-
kellcr, sondern der Bruder Kellermeister war — ich kann dies-
bezüglich nur auf die trefflichen Ausführungen Winter's verweisen^
— zugleich der Oekonomieverwalter des Klosters; er hatte
gegenttber seinen Mitbrlldem, welche die strenge Ordensregel
^^■Ige an das Kloster fesselte, vor Allem den ft^ien, ungehinderten
^^nrkchr mit der Aussen weit voraus. Unter seiner Aofeiclit
^B^den alle Ackerhöfe, ihm wurden alle Einkünfte abgeliefert,
hei allen geschäftlichen Verhandlungen des Klosters, bei Kauf-
und Tausch vertragen wurde er zugezogen; wie der Prior in
geistlichen, so war der Kellermeister in weltlichen Angelegen-
~t&iten nächst dem Abte der bedeutendste Mann im Kloster.
Die ökonomische Leitung des Stiftes Zwettl scheint bc-
bdere unter Abt Conrad (1269—1267) keine glückliche ge-
azusein. Wenigstens berichtet uns ein im ,Liber fiindationum'
|83| geraachter, dem 14. Jahrhundert entstammender Nachtrag
, dasa Abt Conrad wegen der vielen, wahrscheinlich
unvortbeilhaften TauschvertrSge schliesslich zur Niederlegmig
seiner Würde verhalten worden sei. Das mag den Convent
nach der kurzen Prälatur Piterolfs (1267 — 1272) bewogen haben,
die Leitung des Klostera den Händen des praktisch erprobten,
aach- und weltkundigen Kellermeisters anzuvertrauen;^ und der
Erfolg lehrte, dass man damit keinen Missgriff begangen hatte.
Kbro war damals ein noch verh<nissmässig junger Mann, nach
deu Angaheu des Htiftungsbuehcs erst elf Jahre Priester, Jeden-
f es seine persönhche Tüchtigkeit, vermöge deren ihm
eines der vrichtigsten Klosterärater und endlich die Abt-
r Urknode seiDes Vo längere, des Atiles PiteroU (Wiea Villi er-
L tcfaeint er als .Ebro cellernrio« uostar" uuter den Zeugen. Fräst {{31—332.
f WinMr, Die CiMercienser dos uurdniiEliuUeii DeutsciLliirida bi» zum Auf-
r treten der Bettelorden. Gotb.i ISää. 1, II.
9 Wahl Ebro» erfolgte «m 5. Februar IS73 (t>ast im].
286
würde übertragen wurde. Die Zeit^ in der Ebro die Leitung
des Stiftes übernahm^ war nicht die günstigste. Noch waren
die Wunden^ welche die Kämpfe des österreichischen Inter-
regnums dem Lande geschlagen hatten, unter der eben&Us nicht
kampfesarmen Regierung Ottokars kaum yemarbt, da wurde
es seit der Wahl Rudolfs von Habsburg immer klarer, dass
dieser, der kein blosser Schattenkönig nach dem Beispiele Richards
und Alfons' sein wollte, entschlossen war, ;^die Rechts- und Beats-
frage in den ehemalig babenbergischen Landen nöthigenfüb
mit Waffengewalt zum Austrag zu bringen. Dazu kam, daas
Zwettl seine ehemalige festeste Stütze in dem Geschlechte seiner
Gründer, der Herren von Kuenring, verloren hatte. Die einzel-
nen Vertreter dieses mächtigen Hauses gingen in ihrer Haltung
damab so weit auseinander, dass Albero in der Schlacht am
Weidenbache in König Rudolfs Heer den Heldentod starb,
während Heinrich das Interesse Ottokars so sehr zu dem seinen
gemacht hatte, dass er seine Tage in der Verbannung beschliess^
musste. So waren das Kloster Zwettl und sein Abt vollständig
auf die eigene Kraft und Klugheit angewiesen, ümsomehr
muss man dem Abte Ebro volle Anerkennung zollen, dass er
mit richtigem politischen Takt die ihm anvertraute Kloster
gemeinde durch den Sturm der grossen Umwälzungen gelenkt
hat So war es möglich, dass das Stift, dem sich Ottokar in
einer Reihe noch vorhandenen Urkunden bis an sein Ende ab
grossmüthiger Gönner erwiesen hatte, auch die Gunst des neuen
Landesherrn sofort genoss. Von der reichen Thätigkeit aber, die
Ebro auf dem Gebiete des wirthschaftlichen Gedeihens seines
Klosters entfaltete, gibt Fräst 258 eine Zusammenstellung, die
in der grossen Zahl der nun ungleich häufiger werdenden in
den Jiber fundationum' keineswegs vollständig aufgenommenen
Urkunden einen sprechenden Beleg findet Grewiss war es aach^
nicht ohne sein Verdienst und Zuthun, dass Zwettl nun mit den
Brüdern Heinrich und Leuthold von Kuenring wiedw in jenes
innige Verhältniss kam, ¥rie es einst zu Hadmars H. Zeiten
bestanden hatte.
Dieser so umsichtige und geschäftskundige Mann ging im
Jahre 1280, als die Stürme des Kampfes ausgetobt hatten und
eine ruhige Zeit gedeihlicher Entwicklung den österreichischen
Landen in Aussicht stand, daran, das erste uns erhaltene Ab-
pibeuverzeichniss seines Stiftes anml^^n.
H Die ursprüDglicIie Arbeit beschränkt sich auf zwei Qua-
■fcrnionen (25Cin. hoch, U5 5Cm. breit), denen dann noch eine
■Xdige von zwei Doppelblättera hinzugefügt ist, die aber nur
EHachtrüge enthult. Als Einband ist ein starkes Pergaraentblatt
^torweudet, tieeaen zweiter Theil 3 Cm. Über den Seitenraad
Kerausragt und Übergeschlagen werden konnte, Das Linienschema
Kt in zwei Columnen getheilt und besteht aus 26 horizontalen
^md 4 verticalen feinen Tintenlinien ; die Schrift ist eine schöne,
sorgfältige und gleichmääsigo Minuskel; die luitialien der Eigen-
namen und die HatzanlUnge sind diu'cb Ruhriciriing hervorgehoben.
Xach der schon früher wörthch wietlergegebenen Einleitung
folgt das Abgabe nverzeichniss von 75 aufgezählten Besitzungen
und hipTauf von f. 9' au: ,redditus omnium officialium primo
merarii, redditus custodia Michaelis persolvendi, redditus sub*
tllarii, redditus intirmarii monachonim, redditus infirmarii eon-
persorum, redditus curie in Retachen, redditus curie in Duren-
iffvo, hie continetur ius civile, quod servitur curie in Hedrelisdorf.'
ieche verschiedene Hände, die theilweise auch im ,Liber iunda-
* tümum' begegnen, haben dann diese Zehentlisten mit Nachti'ägon
VOTsehen und auf den h-tzten vier Blilttern auch Urkunden ein-
getragen, und zwar: Böhmer Ficker Nr. ITül, Pottliast Nr. 8496,
Meiller 154^ Nr. 24 und eine Urkunde Rapotos von Falkenherg,
1245 Mai 2'X
Diese Arbeit ist nun die Quelle für den zweiten Haupt-
theil unseres Werkes (Fräst 498—585), der mit seiner Vorlage
auch in der Anlage Übereinstimmt.
Man wird fragen, warum ich das hier bei der Zeitbestimmung
iereinbeziehe und nicht bei der Besprechung der Quellen dos
rsbucbcs, umsomehr als sich aus der einen Thatsache,
Ifis eine Arbeit Ebros aus dum Jahre 1280 in den ,Liber fun-
ktionum' aufgenommen ist, doch keine neuen Anhaltspunkte
: die Abfassiuigszeit ergeben und anderersfita das lientenbucli
llbBt, deesea jUngste erwäitnte Urkunde (Fräst 574) dem Jahre
BIO angehört, weder nach der einen noch nach der anderen
kfatung hin sich verwerthen zu lassen scheint.
Das Archiv des Klosters Zwettl bewahrt aber noch ein
idcres Güterverzcichniss, das im Kalalog als ,Liber reddituum'
seichnet ist mit dem Zusätze: ,videtur scriptus esse circa
hem XIII. vel initium XIV. seculi'. Das ist ungenau; denn aus
mer Stelle f 2' geht hervor, dass das Veizeichniss nach ISäd
I
288
angelegt sein muss: Jn civitate habemus onam domum^ quam
licet diu habuerimus^ tarnen modo anno domini MCCCXX est
nobis a domino de Liechtenstain coUata et privilegio suo sigillo
appendente et civium sigillo perpetuo confinnata/ Der Codex
(14 Cm. hochy 10 Cm. breit) ist in einen alten Holzdeckel mit
gepresstem Lederrücken gebunden und bestand ursprünglich
aus 55 Blättern^ welche oben in der Mitte mit arabischen Ziffern
bezeichnet sind; f. 60 und öl fehlen jetzt Die ersten vier Lagen
sind ,Quintemionen^^ denen als fünfte Lage ein Quatemio folgt;
f. 52 — 55 bilden dann noch eine Lage von zwei Doppelblättem.
Die ursprüngliche Lagenbezeichnung links unten am Rande
ist theils noch' vorhanden^ theils wurde sie beim Einbinden weg-
geschnitten. Das Linienschema besteht aus 23 horizontalen und
2 verticalen feinen Tintenlinien; geschrieben wurde in einer
Colunme. Auch dieser Codex, welcher auf dem Deckel ab
^Libellus fundorum* bezeichnet ist, während er f. 1 in rubro
mit den Worten: ,redditus monasterii domus Zwetlensis' beginnt,
enthält Nachträge, theilweise von gleichen Händen wie der
,Libellus Ebronis' und das Stiftungsbuch. Das Verhältniss dieser
drei Verzeichnisse, von denen ich der Kürze wegen das des
Abtes Ebro mit jE, den ,Libellus ftmdorum' mit jPund das Renten-
buch des ,Liber fundationum* mit R bezeichnen wiU, ist nun
näher zu verfolgen. In der Anlage im Grossen und Ganzen
stehen sich JE und R näher; denn beide zählen zuerst die Ein-
künfte der einzelnen Gehöfte und Güter auf und lassen dann
die der einzelnen Officien des Stiftes folgen, während jF, ohne
die letzteren auszuscheiden, nur die Zehentbezüge von den ein-
zelnen Besitzimgen ajiftlhrt. Die Reihenfolge der Ortsnamen ist
in allen drei Listen verschieden: -B beginnt mitWietzen, Fund
R mit Rudmans, weichen dann aber sofort von einander ab.
Der Inhalt von E ist sowohl in "F als auch in R fast wörtlich
aufgenommen; die beiden letzteren bieten aber ein bedeutendes,
bei den entwickelteren Verhältnissen einer späteren Abfassungs-
zeit leicht erklärliches Plus. Dass femer diese Zusätze sich in
den meisten Fällen vollständig oder bis auf ganz geringftlgige
Differenzen decken, dass z. B. im Gegensatz zu E die nämlichen
Personen als zehentpflichtig genannt werden, beweist uns, dass
F und R sich zeitlich sehr nahe stehen müssen. Aber gerade
die wenigen Abweichungen gestatten eine vollständige Lösung
der Frage nach der zeitlichen Aufeinanderfolge beider, woftr
lagen
^K mit Uebergehimg von minder Wiclitigem nur die entsclieiden-
Hn> Stellen biete: R (Fräst 510 zur Besitzung Manshalms): ,No-
tandum etiam, quod post mortem Chunegundis relictc domini
Ortolfi predifte de Cliirchpercli in eadem villa Auslmlms red-
tus Xn solidorum ad Zwetleuse monasteriuiu devolventur.'
F. ,e.t «b uxoi'e 8«a, que pottea viortua eit, domina Cliune-
V beneficia et aream/
Die Priorität von ß gegenüber F ist damit allein schon
Aergestellt, und dazu stimmt auch, wenn F zur Besitzung
fednitz (Fräst 499) einen abweichenden Ansatz mit den Worten
Wtet: ,aliug liher habet minus XL den.', was wieder beweist,
dass F als dem spätesten zwei solche Lieten, E und Ä, vor-
lagen.
Genauere Einschränkungen ergeben sich aus Folgendem:
F f. 17' erwälmt Einkünfte in Siebenlinden; davon tindet
i in Ä noch nichts, wob! aber begegnet im Urkundenanhange
(Prast 656) eine Urkunde Friedrichs III. 1319 Juni 18, in
welcher die Erwerbung jeuer Einktinfte von den Herren von
^^pchberg bestätigt wird.
^^F ^ f. 40: ,In Reiutal iuxta Vclspereh habemua VHI bene-
^^Bft a domino de Waise Eberharde'. Reintal fehlt noch in E,
^^pegen bringt der dritte Theil (Fräst 659— 661 ) die Schenkungs-
^^^KUnde Eberhards von Walsee 1318 Decentber 31.
^f Zur Besitzung Waltenstayn (Fräst 508) bietet F den Zu-
Satz: jltem ibidem ex novo emimus a domiuis de Pucchporch
V beneficia et trea areas.' Die entsprechende Urkunde der Puch-
berger (Fraet 639) datirt vom 24. Juni 1315.
Daraus ei^ibt sich mit voller Sicherlieit: die Stelle Fräst
^ über die Verjährungsfrage wegen der Kirche in Thaya ist,
rehr sie auch anfangs verblüfft, flir die Frage der Abfassungs-
Keit des ,Liber fundationum' voUsüindig werthlos. Und wenn man
1311 wegen der anderen daran sieb knüpfenden Bedenken nicht
^femng als Abschlussjahr betrachten will, so wird man doch an-
^Hu&Bti müssen, dass man damals bereits tüchtig an der Arbeit
^^k. Die Sammlung des Materials war mit diesem Jahre beeu-
^H^ die Ausftihrung bednrfte noch einiger Zeit; und die Ur-
^■tade des am 8. Juni 1311 gerade zur Klostervisitation an-
^Blenden Abtes von HeÜigenkreuz konnte man sich zu dem
^Kt\etigem Werden begriffenen Werke so gut erbitten wie zu
^berge
^^whi
290
dem bereits völlig vollendeten. Spätestens 1315 war auch der
zweite Theil, das ,Rentenbuch', abgeschlossen.^
Sehr einfach stehen die Verhältnisse bezüglich der Ab-
fassungszeit des dritten Theiles. Der graphische Bestand ist
schon erörtert worden, und die Gleichheit des Verfassers ergibt
sich aus der Stelle (Fräst 613): ,Licet prius in aliqua parte
secundi libri huius opcris descripsimtis/ Die jüngste in diesem
Nachtrag gebotene Urkunde ist, wie schon erwähnt, eine Bulle
Johanns XXII. vom 1. März 1326; dagegen ist eine Bulle des-
selben Papstes vom 28. Juni 1328, welche einen Streit, der
wegen des Salzbezuges zwischen Zwettl und dem Erzbischof
von Salzburg entstanden war, zu Qunsten Zwettls entschied,
also gewiss zu den ,privilegia utiliora* gehörte, nicht mehr auf-
genommen.
So glaube ich auch nach der anderen Seite hin eine ziem-
lich enge Qrenze gefunden zu haben und das Jahr 1327 — 1328
als Endpunkt der ganzen Arbeit mit ziemlicher Wahrschem-
lichkeit bestimmen zu können.
Anderthalb Jahrzehnte etwa nach Abschluss der ursprüng-
lichen Arbeit ging man daran, eine Reihe von indessen er
haltenen besitzrechtlich wichtigen Urkunden nachzutragen. Die
Mundirung besorgte zum Theil noch der nämliche Schreiber,
der sich bereits im erste Theile als treflflicher Kalligraph bewährt
hatte. Daneben war im gleichen Masse der Rubricator (Hand B)
thätig, vielleicht ein Schüler des ersteren, wofür die aufiallende
Aehnlichkeit des Schriflcharakters sprechen würde.
Wir haben schliesslich noch der Frage, wer wohl der Ve^
fasser des Stiftungsbuches sei, kurze Aufmerksamkeit zu widmen.
Von Abt Ebro kann nach Allem keine Rede mehr sein,
und dass auch Abt Otto keinen Anspruch hat, dafür zu gelten,
hat Bussen bereits nachgewiesen.
^ Die Anlage von F wonige Jahre nach R läast sich aua den geringen
sachlichen Differenzen, die man ebenso gut als NachtrXge am breiten
Rande des L. fund. bringen konnte, nicht erklilren. WahiBcheinlich waren
es praktische Gründe, vermöge deren man die Zehentliaten auch io hu^
lieberem Format, als es der in Folio geschriebene Prachtcodex bot, be-
sitzen wollte. Aus gleichen Gründen bewährte sich wohl auch das in ^
(p. 498) aufgestellte historisch-chronologische Fortschreiten in der Anf-
zfthlung der Besitzungen nicht, weshalb man in F eine ünmtflUnng toi^
nahm.
Ändereraeils stimme ich ebenso darin mit Bubsod Uberein,
ein Werk wie das vorliegende keine rein private Arbeit
sein könne, sondern im Auflrag und unter Einßusenahme des
Abtes erfolgt sein müsse. Schon die nothwendige Eiiisicbtnalimo
in alle Urkunden und Handschriften des Klosters setzt dies
voraus, abgeseiicu von der prächtigen, gi'oss angelegten Aus-
stattung; und dci- beste Beweis hiefUr ist wohl die schliessliche
Sanctionirung durch den Abt des Mutterklosters.
Eine andere Frage ist, ob nicht Abt Gregor (Abt seit
12. Februar 132ft) der Verfasser sein könne, so zwar, dass er
die Arbeit, die er einst unter Abt <)tto als Klosterbnider be-
gonnen, später als Abt fortgesetzt und zu Ende gefUlirt IiÄtte. '
Manches liesSe sich dafUr geltend machen. So wissen wir aus
der Cont. Zwetl. lU. (SS. 9. 668), dass er aus der Stadt Zwettl
geboren gewesen sei, also die genaue Localkenntntss, die dem
Verfasser des Stiftungsbuches unleugbar eigen war, gewiss be-
sessen haben musstc. Es würde sich auch erklären, dass er im
Nachtrage p. 613 noch einmal auf das Ereigniss zurUckkommt,
wie einst die Stadt Zwettl von den Sühnen Hadmars von Kuen-
dem Stifte entfremdet worden sei.
Als gewiss glaube ich aber annehmen zu dürfen, dass der
saer eine bedeutende angesehene Stellung im Kloster ein-
len haben musa, denn von einem Manne In untergeord-
neter Stellung, etwa einem blossen Conversen, besäen sich gar
manche mit grossem Freimuth ausgesprochene Aeusserungen
nicht erklären. Ich werde darauf bei Besprechung der Tendenz
und Aidage des Werkes, zu der ich nun übergehe, noch näher
_ itorUckzukommcn haben.
^^L Bei einem Werke, das wie das unserige geschichtliches
^Bptd rechtliches Material in sich vereinigt, wird es sich darum
liandeln, festzustellen, was davon das Vorwaltende, Ausschlag-
gebende war: ob die Urkunden nur zur Füllung und Ergänzujig
der hietorischen Erzählung, oder ob umgekehrt der darstellende
wie e
^■erfa
II. Tcudenz and Anlage.
' AM Ore^r begegnet ['□□(«« reram Austr. n, 6, S66 in eloeir Dritunde
I Ton 183(1 Oct. 31 «In Scbaffer des von Znaltt abbKngigea Ciatercien-
, MtianeiiklüsMm äl. Ueruhnnl-Maytau,
292
Theil nur zur Verbindung und Erklärung der mitgetheilten Ur-
kunden dienen sollte; endlich^ wie der Einfiluss beider Richtungen
bei der Anordnung des ganzen Stoffes zum Ausdruck gelangt ist
Die Vorrede des Werkes ist bei ihrer bekannten Prove-
nienz fUr unsere Frage nicht massgebend. Hat der Verfasser
doch nur durch die Hinzufügung, dass er die Genealogie der
Kuenringer in Wort und Bild darzustellen beabsichtigte, der ftr
einen ganz beschränkten Zweck berechneten Vorrede des Abtes
Ebro eine allgemeinere Bedeutung zu geben versucht
Viel näher klärt uns über den Charakter des Werkes be-
reits die p. 265 mitgetheilte Veranlassung auf. Man hatte den
Rath erhalten, ein Chartular anzulegen, und diesem Rathe wollte
man nachkommen, indem man ,wenn nicht alle, so doch die nüts-
licheren Urkunden* sammelte. Praktisch-rechtliche Gründe sind
es also, die zum Entstehen des Stiftungsbuches die nächste
Veraidassung boten, und das Vorwalten derselben ist deutlich
genug durch das ganze Werk zu erkennen. Besonders sind es
zwei Hauptrichtungen, die wie ein rother Faden das Werk in
allen seinen Theilen durchziehen:
1. die Sorge um die Integrität des historisch entwickelten
Besitzstandes und
2. die Zehentfrage.
Mit Schmerz muss der Verfasser sich gestehen, dass gar
manche von den ursprüngUchen Besitzungen des Stiftes dem-
selben nunmehr entrissen sind (p. 13ö), und es ist seine Absicht,
durch die Anlegimg des Stiftnngsbuches allen jenen, welche
einstiges Klostergut im Besitz haben, ihr Unrecht vor Aug^
zu stellen und durch Anführung der Rechtstitel seines Klosters
sie zur Gutmachung des Geschehenen zu bewegen.
Ist diese Tendenz p. 100 ganz allgemein ausgesprochen,
so kommt er nun in einer Reihe von Stellen auf ganz specieDe
Fälle. So wenn er p. 53 wegen Entfremdung des Ghites Kranum
hinzufügt, möge doch Gott den Herzogen und Edlen, welche
es in Besitz haben, in den Sinn geben, dass es zum ursprttng'
Uchen Bestände des Klosters gehöre. Besonders aber wendet
er sich an die Adresse der Stifter seines Hauses, an die Herren
von Kuenring und deren Sippe. Ungern schreibe er darüber
(p. 125), weil er wohl wisse, dass es Vielen unangenehm sei;
aber wenn einer der Stifter aus der Leetüre des Baches xor
Einsicht seines Unrechtes gelange und dasselbe gut mache,
werde seine MüLe keine vergebliche sein. Und ähnlich
'li^Bst es p. 437: Widerwillig und gegen die in der Einleitung
uusgesjiruchcnc Absicht des Bucfaee schreibe er von den Bg-
(IrÄngeru seines Klosters; aber er wolle ihnen, die dem Hause
in den nnruhigeu Kriegszeiton gar manchen Besitz entrisson
hätten, durch sein Werk wenigstens ins Gewissen reden, p. löf*
richtet er an die Kuenringer die Aufforderung, sich wohl zu
■ präfen, ob sie das dein Kloster entrissene Gut denn auch recht-
Bfa&sftig inne hätten, und das geschehene Unrecht noch in diesem
Vtkebeo gut zu machen, damit sie nicht dem Strafgerichte Gottes
anheimfallen. Noch allgemeiner spricht er diesen Gedanken
p. 139 aus: es sei nachgerade zu verwundern, dass gewisse
Laien tmd Geistliche, welche KJostergut unrechtmässig besitzen,
tjwicht Kircbenstrafe und ewige Verdammniss fürchten; und nun
t eine aeUr weit hergeholte Wundergeschichte, wie ein König
traft worden sei, der sich durch schlechte Rathgeber zu
altthfttigeii Schritten gegen ein Kloster hatte verleiten
Diesen Bedrängern des Stiftes werden als leuchtende Bei-
l^le entgegengehalten Heinrich und Leuthold von Kuenring
f. 222, 238—239, 608, 612), die ,wie Lilien aus Domen und
B Rosen aus Feldblumen' enteprossen seien. Es sind die beiden
rüder, die in ihrer Gesinnung gegen Zwettl wieder ganz in
( Bahnen des alten Hadmar U. einlenkten. Besonders wird
I Leuthold erzählt, welchen Schmerz er über die Entfremdung
Htcher Klostergüter durch Angehörige seines Hausos erapfun-
i habe; und es wird ihm sogar die Aeusserung in den Mund
er würde seine Kinder, die er zärtlich liebe, eher mit
r Hand tödten, als sie zu Feinden der Fatoilienstiftung
A wachsen sehen.
Den vollen Grimm des Verfassers bekommt der Abt
rieh von Alderspaeh zu fllhlen (p. .335), der nach der
eeugung desselben dem Kloster Zwettl schweres Unrecht
f*ftlgt hatte. Gerade dass es von geistlicher Seite und noch
dazu von einem Orden sgenosscn geschehen ist, erfüllt den Zwett-
ler MOnch mit imi so grösserer Erbitterung. Er beschuldigt den
IderepacherAbt un ter Anderem selbst der UrkundenerEcldcichung
'. Mätuier, die wie Abt Hermann von Ebracb filr ihn Partei
haben, der BestecUichkeit (p. 341); insgesammt
! uwt Gottes .Strafgericht bedroht.
. Bd LUVi Jl. ll.Ofu.. ^u
294
Allein der Verfasser begnügt sich nicht; die Sache vom
rein ethischen Gesichtspunkte aus zu erörtern und mit Himmel
und Hölle zu drohen^ sondern er geht auch auf die juristische
Seite dieser Besitzstreitigkeiten ein^ besonders auf die Verjäh-
rungsfrage. So heisst es p. 93, er behandle die Sache ^propter
prescriptionis utUitatem^, und p. 127: gewaltsam entrissenes
Kirchengut könne weder durch vierzig-, noch durch hundert-
jährige Frist, noch durch ,Immemorialpräscription' verjährt werden.
Und noch näher geht der Verfasser auf diese Frage p. 156—158
ein. Hier begegnet uns eine vollständige, streng juristisch ge-
haltene Abhandlung über die Erfordernisse einer rechtsgiltigen
Verjährung. Vier Dinge seien dazu nöthig: ,continuatio posses-
sionis, bona fides, iustus titulus^ und ,res non vitiosa^ Die beiden
letzten Punkte seien bei der gewaltthätigen Art, wie Heinrich and
Hadmar von Kuenring sich seinerzeit der Klostergüter bemäch-
tigten, ganz ausgeschlossen, ebenso die ,bona fides'; und die
Entschuldigung mit Unkenntniss will der Verfasser eben durch
seine Darstellung unmöglich machen. Ebensowenig sei ein un-
unterbrochener Besitz vorhanden; denn wiederholt habe seither
das Kloster seine Besitzrechte von Päpsten und Landesfürsten
bestätigt erhalten. Da könne nach dem Ausspruch des Papstes
Alexander von rechtsgiltiger Veijährung gar keine Rede sein.
Die betreflfende Stelle (p. 156) ist wörtlich aus der Decretalen-
Sammlung Gregors K. (1. H, t. 26, c. 5) citirt. Auch in dem
letzten Theile des Werkes wird diese Frage p. 614 noch ein-
mal gestreift.
Ueberall tritt der Verfasser für wenigstens formelle Wah-
rung des gesetzmässig zustehenden Rechtes ein; denn wenn
auch eine wirkUche Restitution noch nicht erfolgte, so soll doch
durch Rechtsschritte die ,continuatio possessionis^ verhindert
werden. Den gleichen Rath ertheilt er (p. 243) auch den Nonnen
von Maylan-St. Bernhard, einem von ZwetÜ abhängigen Kloster:'
er räth ihnen, eine durch die Herren von Dachsberg entfremdete
Pfarre zurückzufordern, weil ihn das dadurch zugefügte Un-
recht mit Unwillen erfiille.
Noch in einer anderen Frage bewährt sich der Ver&sser
als sattelfester Canonist: Es lag im Interesse jedes Klosters, die
1 Für den EinfloBs Zwettb ist besondere die Thatsache beseidmendf da»
in 8t. Bernhard ganz nach dorn Muster des 4^iber ftindationnin' ein Stif-
tungsbuch angelegt wurde. (Ed. Zeibig, Fontes reram Anstr. 11, 6, 187 ff.)
295
ihm nahestehenden Adelsgeschlechter zu hewegen, sich dasselbe
zur Begräbnissstätte zu erwählen, womit ja allerlei fromme
Stiftungen und Schenkungen zu Gunsten des Klosters verbunden
waren. Dies scheint den seit dem 13. Jahrhundert immer mehr
sich häufenden Klöstern der verschiedenen Orden Anlass zu
einem nicht immer mit ganz lauteren Mitteln geführten Wett-
streit gegeben zu haben, so dass sich Papst Bonifaz Vlll. be-
müssigt sah, in seinen Nachtrag zur päpstUchen Decrctalen-
sammlung, den sogenannten ,Liber Scxtus^, eine eigene dies-
bezügUche Bestimmung aufzunehmen (III, 12, 1), welche dem
durch Androhung kirchlicher Censuren steuern sollte. So hatte
Zwettl seinerzeit die Bestattung der Herren von Mistelbach
verloren, und der Verfasser beschuldigt deshalb seine Kloster-
vorfahren bei aller ihnen sonst schuldigen Achtung der Nach-
lässigkeit, den concurrirenden Orden aber ruft er die erwähnte
Verfügung Bonifaz VÜI. ins Gedächtniss, die er ausdrtlcldich
als im ,Liber Sextus^ enthalten citirt.
Die zweite durch den ganzen ,Liber fundationum' immer
wiederkehrende Frage ist die betreflfs der Zehenten. Zehent-
befreiungen spielen in den Klosterprivilegien seit jeher eine
grosse Rolle und waren auch in die seit dem 12. Jahrhundert
immer häufiger werdenden grossen päpstlichen Privilegien über-
gegangen, ohne dass die einzelnen Päpste untereinander und
gegenüber den verschiedenen Klöstern und Orden ganz gleich-
massig vorgegangen wären; ich habe darauf bei den ältesten
päpstlichen Privilegien ft'ir Zwettl noch zurückzukommen. Erst
Alexander III. hat dafür eine ebenfalls ins canonische Recht
übergegangene ^ feste Norm eingeführt, die er aber mit Unrecht
schon auf seinen Vorgänger Hadrian FV. zurückleitet, indem
er nämUch den Klöstern im Allgemeinen Zehentfreiheit nur von
den durch eigener Hände Arbeit urbar gemachten Neubrüchen
gewährte, daneben aber eine aus Cisterciensern, Templern und
Johannitern bestehende Gruppe von Meistbegünstigten aus-
schied, denen er volle Zehentfreiheit von allen ihren Arbeiten
zusicherte.
Nun halten wir uns gegenwärtig, dass gerade das Ende
des 12. und der Anfang des 13. Jahrhunderts die Blüthezeit des
Cißtercienserordens sind, in der die neuen Stiftungen sich un-
1 Decret. Gregrorii III, 80, 10.
296
gemein mehrten, ' die schon bestehenden aber mit immer neuen
Schenkungen bedacht wurden, so dass z. B. Zwettl, dessen erste
Mönche unter Noth und Entbehrungen mühsam an dem Urwald
rodeten, der Oesterreichs und Böhmens Grenzmarken schied,
zu Beginn des 13. Jahrhunderts durch die Freigebigkeit und
Grossmuth Hadmars 11. von Kuenring sich bereits eines behag-
lichen Wohlstandes erfreute.
Dazu kam, dass diese Schenkungen, der höheren Cultiur-
stufe des Landes entsprechend, meist nicht mehr unwirthliches,
erst urbar zu machendes Land betrafen, sondern bereits be-
bauten Boden, von dem nach uraltem kirchlichen Herkommen
bisher dem Bischof, beziehungsweise Pfarrer der Zehentbezng
zugestanden hatte. Nun kamen immer grössere Theile solchen
Landes an die Klöster, denen immer neue päpstliche Privilegien
— auch deren Blüthezeit ftült ja in unsere Periode — voDe
Exemtion von allen Abgaben zusicherten.
Kein Wunder, dass dies unter dem Secularclerus, der so
Einkünfte verlustig ging, auf deren Bezug er ein gutes Recht
zu haben glaubte, steigende Missstimmung erzeugte, deren Wort-
führer die Bischöfe wurden. So bildete diese Angelegenheit
eine der Fragen, die auf dem bevorstehenden vierten Lateran-
Concil dringend einer Lösung bedurften.
Innocenz IQ. befand sich dem gegenüber in keiner leichten
Lage. Einerseits konnte er das billige Verlangen der Bischöfe
nicht gut verwehren, umsoweniger als er ihrer tbatkrüftigen
Unterstützung bei seinen politischen Bestrebungen bedurfte;
andererseits war es misslich, dem Orden, der sich treu wie keiner
bisher in die Dienste der Curie gestellt hatte, lang genossene
Freiheiten auf dem Concil abzusprechen. Der Papst wfthlte
einen Mittelweg; er bewog die zum Generalcapitel versammelten
Cistercienseräbte, freiwillig auf das Recht der vollen Zehentfreiheit
von Gütern, die ihnen fürderhin übertragen würden, zu verzichten.
Um einen Ausweg zwischen den doch zu Recht bestehenden
Privilegien und der angestrebten Einschränkung zu finden, be-
schloss man, bereits zehentpflichtiges Land überhaupt nicht mehr
zu kaufen oder, wenn es durch fremde Schenkimgen übertragen
würde, Pächtern zu überlassen, die dann fltr den Ejrchenzehent
^ Nach Janauschek, ,OrigiueH CinterciensesS zXhlte ich von 1160 bis 1S15
an 210 Neugrüudungen.
■k£Eukommen hstton. Wurden sie über bereits urbares und
Pbllier zehentpflichtigGs Land selbst bebauen, dann sei auch von
BtreD Klfistern der Zelient wie von Laien zu entrichten.
L Diese BesehlUsficwurdnn in die Acten des 1215 abgehaltenca
UiAteraQ-Concils' aufgenommen.'
L Hefele in seinor Conciliengeachichte' gibt dieses Statut
Bliebt ganz riehtig wieder, wenn er den Inlialt mit den Worten
j^drilckt: ,die Cistereienser und andere Mfinche mllsstcn von
SPremden Gütern, die sie bereit» erworben haben oder noch er-
i^rerben, den Kireben den Zohont entrichten'.
p Von den bereits erworbenen Gütern ist dabei gar nicht
tue Rede, sondern der Beschluss bezieht sieb nur auf die , terrae
|£enae et ammodo acquirendae', nicht auf die ,nc(]uisitae', da
tAuu Beschluss rückwirkende Kraft ja nicht zukam.
k Der Verfasser des Zwettler Stiftungsbuches hat den be-
trefieaden Canon des Concils jedenfalls richtiger aufgefasst, wenn
cc ihn als ütlarkstein in besitzrechtlichen Fragen betrachtet und
bei Gttterbesitz vor und nach 1215 strenge scheidet, eine Ten-
denz, die sich durch das ganze Werk verfolgen lässt. Die erste
jhende Auseinandersetzung darüber finden wir p. 88 — 91.
ird nun zuerst genau deijenige Gnindcompiex aufgezftblt,
h 1215 bereits im Besitze des Klosters befand; die Liste
ist dann p. 485 — 487 bedeutend vervolUtilndigt und wohl darnach
von wenig späterer Hand auch an der betreffenden ersten Stelle
nachgetragen. Daran werden nun die Folgerungen geknüpft:
Von dem bereits vor 1215 innegehabten Besitz ist, wenn er
cigenhiUidig bearbeitet wird, kein Zehent zu entrichten. Aber
der Autor geht entschieden zu weit, wenn er für sein Kloster
davon nicht nur <lie Zehentfreiheit, sondern auch die Zehenthen*-
Ücbkeit in Anspruch nimmt, so dass im Falle der Verpachtung
-oder Veräussenmg nicht dem Bischof oder Pfarrer, sondern dem
der Zehent zu entrichten sei. Hauptstütze fiir den Autor
hiefür die Bulle Honorius' ID. (Potth. Nr. 7320, Fräst Ö2);
allein in dieser mrd dem Urden nur das Recht zugesichert,
dass ftlr »Uc vor 1215 erworbenen, aber im Laufe der Zeit
verpachteten, verpfändeten oder verälusscrten Besitzungen, sobald
wieder in eigene Bewirthschaftung durch die KliJster zurüek-
■CtUte
il aa. IÜ12-104.1 C. LV. = Decnt. OrBgorii
298
kehren, sofort auch alle Privilegien und Freiheiten wieder in
Kraft treten.
Ist die Frage über das Alter des Besitzes nicht klar, dann
empfiehlt der Verfasser genaue Untersuchung und im FaUe des
Besitzes vor dem Lateran - Concil Geltendmachung der voDen
Zehentbelreiung (487, 529). Auch zu Schluss des Rentenbuches
kommt er noch einmal deutUch und eindringlich auf diese Frage
zurück (568) : immer und immer müsse er dies auch den geistig
minder Gewandten (simplicioribus) einprägen, denn von allem
vor 1215 Besessenen seien keinerlei Abgaben zu leisten.
Daran knüpfen sich nun allerlei Folgerungen und Rath-
schläge für die Leitung des Stiftes sowohl wie auch ftbr die
ausübenden Organe. Das Stiftungsbuch sollte nach der Ab-
sicht des Verfassers eben auch Wegweiser in allen praktischen
Fragen der Verwaltung sein.
Weil auf Kenntniss und Wahrung des Rechtsstandpunktes
solches Gewicht gelegt wird, werden diejenigen getadelt, welche
Leuten von ungenügender geistiger BefUhigung und ohne Eifer
die Leitung von Ackerhöfen anvertrauen.'
Weil femer der älteste Besitzstand solche Zehentvorrechte
gegenüber dem später erworbenen geniesse, sei es unsinnig,
etwas davon zu verpachten oder gar zu veräussem (p. 563).
Der Autor macht überhaupt aus seiner Abneigung gegen jed-
wede Kauf- und Tauschgeschäfte kein Hehl. p. 37 erklärt er
es mit als Zweck seines Werkes, von der leichtsinnigen Vor
nähme solcher Besitzveränderungen abzumahnen; p. 463 be-
zeichnet er derlei als thöricht und weist aus dem alten Testa-
mente auf das warnende Beispiel des Nabob hin. Selbst den
Abt Ebro kann er hieboi von Vorwurf nicht ganz freisprechen.
Andere Stellen sind direct an die Adresse der Officialen
gerichtet. So wird ihnen p. 485 grössere Rücksichtnahme auf
den Convent eingeschärft, p. 472 Nachlässigkeit vorgeworfen.
Ganz bezeichnend ist die Bemerkung, die sich p. 215 an eine
Urkunde König Albrechts I. knüpft: zur Erlangung dieser ü^
künde habe man seinerzeit (1298) die Reise nach Nürnberg
nicht gescheut; das schreibe er der trägen Ofiicialen wegen,
denen es schon zu mühsam sei, sich deshalb zu geistlichen und
^ p. 81 : Male ergo faciuiit, qui ydiotaä vol 8iiie indiistria personiu« lociot
in graagÜs, qui hec attendere vel inqnirere minus curant
Fbie
BHlc^
weltlichen Fllrsten nach Pussaii oder benachliarton Orten an
beguhtin.
Öeradc die Bostimmung des Werkes, auch uiinder ge-
lildeteu KIoat(>rbrUdem, Convcrson und Laien Belehrung zu
tneten, war wohl die Ui-sache, dasa di-eien der wichtigsten Ur-
kunden, dem ersten Diplom König Konrads III. (p. 35), dem
ersten päpatUchßn Privileg Innocenz' II. (p, 39) und dem in
Urkunde Herzog Albrechts I. inserirten Privileg Kaiser
ledricbs H. für die österreichischen Cistercienserklüster (p. 207)
ich deutsche Uebersotzungen beigegeben wurden; anlilsslich
des zuletzt erwähnten Falles wh'd ausdrücklich hervoi^ehoben,
CS gcBehehe, um langsamen und ungeübten Erklärem an die
Hand zu gehen.'
So sehr aber Veranlassung und Tendenz des Werkes
[tisch ■ rechtlichen Gesichtspunkten entsprangen, so wenig
■en diese für die Art der Anlage massgebend. Diese iat
viehnebr, wenigstens in den ersten Theilen des Werkes, ledig-
lich an der Hand der historischen ErzUhhmg versucht worden.
Entscheidend hiefiir war wohl der Umstand, dass sich an
das au die Spitze des ersten Buches gestellte viel ältere latei-
nische Gedicht über das Geschlecht der Kuenringer bis Had-
mar n. und die Begr^dung des Klosters Zwettl eine prosaische,
urkundlich belegte Paraphrasirung bequem anschliessen konnte ;
und als dies kann man, glaube ich, das erste Buch am besten
bezeichnen.^
■ In der That macht das erste Buch als logisches Ganzes
[fioen recht günstigen Eindruck, Der erzählende Theil bc-
l^eliränkt sich nicht blos auf eine kurze Verbindung der ein-
tgereihten Urkunden, sondern besitzt, abgesehen von der quanti-
[.^tiven Ausdehnung, durch die Mittheilung vieler, aus mündlicher
nsd achriftliclier Ueberlielerung geschupften Nacbricliten, durch
MBrililii Im und topographische Erläuterung der Stifitungsurkuude
iMbststAndigen Werth. Dazu kommt, dass die Darstellung dos
MBten Buches mit dem Tode Hadmars U. von Kuenring den
Deckbar passendsten Abscliluss findet. Deun erst Uadmar II. hatte
nirch eine Reihe grossmUthiger Schenkungen den Hchlossstein zur
^^ p.207: Item ex|jositio eiuadem privilepü in TeuUiuico i>rupter tardoB el
^V Inexiiert'x eipositorea Unic opustnlo est aiiueia.
^■f Nlberua flUvr iliui VerliiUtniss der drei KoUtioneii nbvr ilie Oercfaivlit«
^B det Kuenniiicor aieho unten.
300
Stiftung seiner Ahnen gelegt; der dem Euenringer so ge-
wogene Herzog Leopold VI. hatte diesen Schenkungen seine
Bestätigung hinzugefügt und so das Verhältniss des Stiftes zum
Landesflirsten in feste Formen gebracht; zwei Jahre aber vor
dem Hinscheiden Hadmars H. hatte das vierte Lateran-Concil
neue Satzimgen fllr die Besitz- und Zehentverhältnisse aufgestellt
Andererseits wurden mit dem bald darauf verstorbenen Herzog
Leopold dem Glorreichen fllr die österreichischen Lande auch
Ruhe und Frieden auf lange Zeit zu Grabe getragen und ganz
besonders die Geschicke Zwettls durch die so plötzlich ver-
änderte Haltung der Kuenringer in neue Bahnen gelenkt Die
ftir diese Zeit ja noch spärlichen Urkunden (sammt den Tra-
ditionsnotizen 27) fügen sich zwanglos in den Rahmen der Dar-
stellung ein. Das chronologische Fortschreiten ist hieftir, dem
Gange der Darstellung gemäss, wenn auch nicht starr und aus-
nahmslos, festgehalten. Nur zwei Urkunden, die Bulle Papst
Honorius' HI. von 1224 (p. 92) und die Urkunde Herzog Leo-
polds VI. von 1229 (p. 83), vielleicht auch die p. 96 abgedruckte
Traditionsnotiz, ragen zeitlich über die durch die EIrzählung
gebotene Grenze hinaus, ohne dass dies störend wirkte, da sie
ja logisch dem Inhalte des ersten Buches viel näher stehen ais
dem späteren.
Freilich muss andererseits hervorgehoben werden, dass
der Autor keineswegs das ganze urkundliche Material auftiahm,
das ihm ftir diese Zeit zur Verftigung stand. Von den noch
später zu erwähnenden Inedita abgesehen, gehörten von den
in den ,Liber fimdationum' an späteren Stellen aufgenommenen
Stücken die p. 108 abgedruckte Urkunde der Adelheid von
Turnau (1204), sowie die p. 436 folgenden Traditionsnotizen
zeitlich sicher ins erste Buch. Es muss dahingestellt bleiben,
ob der Verfasser auf dieses Material tlberhaupt erst bei einer
späteren Nachlese aufmerksam wurde oder es als in den Gang
der Erzählung nicht einreihbar absichtlich ausschied und so die
ftir die spätere Zeit sich ohnedies häufenden Schwierigkeiten
nur noch vergrösserte.
Die Schwierigkeiten, das Werk auch ftirderhin im Rahmen
einer Geschichte der Kuenringer fortzusetzen, traten gleich im
zweiten Buche oflFen zu Tage. Erstens theilt sich das Ge-
schlecht in verschiedene Linien, so dass ein stetiges chrono-
logisches Fortschreiten schon sehr erschwert ist; dann aber
■oheD sie ihrer Familionstütung ktlhl, jh feindlich gegenüber,
fe (iass in eine Erzählung ihrer Thaten eich die vielen zu Gun-
sten Zwcttls gegebenen Urkunden logisch kaum einreihen lassen.
Dem Herzog Friedrich gegenüber befinden sie sich in offener Em-
^riuig, der Katostroplie König Ottokara gegenüber nehmen die
;elnen Glieder des Hauses eine ganz entgegengoaetzte Hai-
ein. Der Autor selbst scheint sich dieser Schwierigkeiten
ttewoBst gewesen zu sein. Daher begann er das zweite Buch
wohl uüt dem Aufstande Hadmars und Heinrichs von Kuenrinp,
RÜirte die Genealogie des Hauses aber nicht durch die folgenden
Jahrzehnte fort; dieselbe wird vielmehr erst im dritten Buche
I) nachgeholt. Den Schwerpunkt des übrigens schon stark
Icktretendcn Textes des zweiten Buches bilden die bereits
'ahnten Ausführungen über Besitz-, VerjahrungB- und Zehent-
Daneben finden sich kurze, annalistischen Aufzeieh-
igea ontoommene Bemerkuugen über die Landesflirsten, und
le derselben Über den Untergang Künig Ottokai-s II, muss
deus ex machina' zu einem ziemlich unvermittelten Act-
luss dienen.
Viel günstiger waren die Grundlagen zur Disposition des
itten Buches. Die Brüder Heinrich und Leuthold von Kuen-
zftKlten wieder zu den hervorragendsten Wohlthiltern des
tes; eine Darstellung der Besitzungen und des Wachsthums
«Iben konnte sich daher wieder leichter an die Schilderung
Lebens und Wirkens dieser Männer anreihen. Die Neu-
Inung der Verbltltnisae des Landes knüpft an den Herzog
späteren König Albrecht I. an, die Verwaltung und Lei-
lg des Klosters rulit glciehzcitig in den Händen des so her-
vorragenden Abtes Ebro.
Deshalb sagt der Autor in der Einloitong des dritten
-fioches (300), er wolle handeln von drei hervorragenden Mfin-
: von Kflnig Albrecht, von Leutliold von Kuenring und
Abt Ebro.
In Wirklichkeit finden wir in dem erzählenden Theil dieses
es daj! Versprechen mangelhaft genug erfUllt. Was über
■echt I- gesagt wird, sind wenige und knappe Auszüge aus
.Continuiitio Zwetlensis III.' Das über Leuthold von Kuen-
Bemerkte ist, wie der Nachtrag hiczu im Urkundenauhang
bei Weitem nicht voUstilndig, gehört aber immerhin mit
22ä imd 2-iU ff. gebotenen NaehtrSgou zur Geschichte der
302
Kuenringer zum WerthvoUston dieses Buches, üeber Abt Ebro
erhalten wir * ausser einer Reihe seine Thätigkeit berührender
Urkunden nur eine Zusammenstellung der von ihm im Interesse
des Klosters abgeschlossenen Rechtsgeschäfte. Das Buch
schliesst, wie es den Landesherm an erster Stelle erwähnt
hatte, p. 262 mit dem Berichte über seine am 1. Mai 1308 er-
folgte Ermordung.
So war die Erzählung, wenn auch in grossen Zügen und
höchst lückenhaft, bis ca. 1310 gelangt; von bis dahin ausge-
stellten Urkunden war jedoch, trotzdem besonders im dritten
Buche der verbindende Text schon fast ganz in den Hinter-
grund getreten war, ein ganzer Stoss zurückgeblieben^ der eine
Ergänzung des Werkes dringend erheischte. Diese zu bieten
war der Zweck des vierten und fünften Buches; und zwar
wurde dabei von der früheren Art der Anlage, die sich ftür
Urkundenedition nicht bewährt hatte, nunmehr abgewichen.
Die beiden letzten Bücher tragen den Charakter eines eigent-
lichen Chartulars. Nicht mehr von diesen und jenen Männern
wollen sie handeln, sondern nur Urkunden wollen sie mehr
bringen, nach bestimmten Gesichtspunkten geordnet (p. 263, 317).
Bezeichnend hiefür ist, dass gerade zu Beginn des vierten
Buches der Rath des Bischofs Wemhard von Passau ^erwähnt
wird, die vorhandenen Urkunden in einem Copialbuche zu
vereinigen.
Der geringe verbindende Text, den man noch beibehielt,
beschränkt sich auf eine kurze Aneinanderreihung der ver-
schiedenen Urkunden oder Urkundengruppen und ist historisch
ziemlich werthlos.
Das vierte Buch sollte Urkunden aus der Zeit der Aebte
Bohuslaus, Conrad, Ebro und Otto nachtragen. Wir würden
demnach eine chronologische Anordnung erwarten, imd eine
solche hätte sich gewiss am meisten empfohlen. Allein schon
die Abtreihe ist keine ununterbrochene; und indem der Verfasser
überdies mit dem jüngsten Abte, Otto, begann, hat er das System
vollends auf den Kopf gestellt. Schliesslich scheint er selbst ein-
gesehen zu haben, dass er auf diesem Wege nicht mehr vorwärts
komme. Ganz plötzlich schloss er p. 317 das vierte Buch, wie
er versichert, ,weil er zu Weiterem eile* (wohl die Sache an-
ders anfassen wolle?) und ,um beim Lesen nicht Ueberdross
zu erzeugen*.
303
Für das flLnfte Buch wird dann die in mittelalterlichen
Chartularen sehr beliebte Art der Einreihung nach Aussteller-
gruppen zum Grundsatz gemacht, so zwar, dass auf diQ Ur-
kunden geistlicher Würdenträger die der Ministerialen, der
edlen Frauen, des minderen Adels und der Bürger folgen sollten. •
Aber auch dieses System wird bereits p. 322 durchbrochen,
indem lediglich aus localen Gesichtspunkten Urkunden hier ein-
gereiht worden ,propter consonantiam materie, quia de vinea
Nozzel tractare videntur^ Nimmt man dazu die Stelle am Schlüsse
des fünften Buches (p. 488), in welcher ein etwaiger Fortsetzer
aufgefordert wird, mit dem Jahre 1311 zu beginnen und so
,per ordinem' (also wohl chronologisch?) fortzuschreiten, so ge-
langt man zu dem ganz interessanten Ergebniss, dass im Zwettler
Stiftungsbuche schier alle im Mittelalter überhaupt üblichen
Arten der Urkundenanordnung durchgeftlhrt oder wenigstens
versucht sind: pragmatische Einreihung in historische Erzählung,
Anordnung nach Ausstellergruppen, nach chronologischen imd
topographischen Gesichtspunkten.
III. Der erzBhleiide Theil des ,Liber fandationiim^ und
seine Quellen.
Ich gehe nun über zur Erörterung der in den ,Liber fun-
dationum^ aufgenommenen historischen Nachrichten, ihrer Quellen
und deren Benützung.
In erster Linie haben uns hier die an die Spitze des
Werkes gestellten drei verschiedenen Relationen über die Ge-
schichte der Kuenringer zu beschäftigen. Friess, der Einzige,
der sich mit dieser Frage bisher eingehender bcfasst hatte, ge-
langt (p. 3) zu folgendem Ergebniss: Die erste Relation, das
lateinische Gedicht, entstand in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts, und zwar nicht vor dem Ende des dritten Decenniums
desselben, weil der Inhalt die Verleihung der Sehenkenwürdc
1 Wenn ich den betreffenden Passuä (p. 317) richtig verstehe, so gelit daraus
hervor, dass damals die Urkunden im Zwettler Arcliive nach diesen Aus-
stellergnippen geordnet waren. In der kurzen Zeit meines Aufenthalten
war es mir leider nicht müglich, festzustellen, ob sich die alten Dorsual-
signatoren auf eine derartige Eintheilung beziehen. Jetzt sind die Ur-
kunden topographisch nach den im Texte erwähnten Besitzungen ge-
ordnet.
304
an die Kuenringer voraussetzt. Gleichzeitig wurde davon für
diejenigen^ denen der ungemein schwülstige Stil der leoninischen
Verse minder verständlich wäre, eine ^prosaische Uebersetzung'
veranstaltet. Erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts trat als letztes
Glied die deutsche Reimchronik hinzu.
Bezüglich der Reihenfolge stimme ich Friess vollkommen
bei, wenn ich auch im Einzelnen zu wesentlich abweichenden
Ergebnissen gelange.
Das lateinische Gedicht findet sich ausser im ,Liber fon-
dationum^ auch noch auf dem ersten Blatte des Cod. 8 der
Zwettler Stiflsbibliothek, und zwar mit einer im ,Liber fundationam'
weggelassenen, von Fräst anderweitig veröffentlichten £Iinleitung.*
Aus dieser geht hervor, dass ein Mönch des Stiftes Zwettl, der
sich wahrscheinlich schon bei anderen Gelegenheiten als Haus-
poet bethätigt hatte, in höherem Auftrage es unternehmen musste^
die Geschichte der Kuenringer zu besingen.
Das Gedicht ist in kleiner, zierlicher Minuskel in drei Co-
lumnen auf die Rectoseite des ersten Blattes geschrieben; der
Schriftcharakter ist entschieden älter als der des Stiftiungsbuches;
die Schaftbrechung ist noch unvollständig durchgeflihrt, t-Striche
finden sich nur über Doppel-t, nicht auch über einfachem, am
Schlüsse der Wörter begegnet neben rundem auch noch langes i.
Der untrüglichste Beweis aber fllr die Priorität dieser Aufzeichnung
besteht darin, dass einzelne Worte, die im ,Liber ftindationuin^
auf Rasur stehen, in Cod. 8 abweichen, also anfänglich genau
nach diesem abgeschrieben, später aber corrigirt wurden; so
p. 23, Z. 13 des Gedichtes ,Bawarorum', Cod. 8 ,AuaroruniV
p. 23, Z. 4 V. u. ,8uccre8cere'. Cod. 8 ,accrescere^; p. 23 letzte Zeile
1 Arcliiv für Kunde österr. Gescliichtsquelleu 2, 266, »Urkunden und ge-
schichtliche Notizen, die sich in den Handschriften des Stiftes Zwettl
finden*.
^ Gerade diese Abweichung scheint mir einiger Beachtung werth. ^
Verfasser dieser ältesten Relation nennt die hergebrachten Hauptfeinde
der Ostmark Böhmen und Ungarn, während es Kämpfe mit den Baiern,
wenn auch der Bischof von Kegensburg gerade zur Mailberger Schlicht
den Böhmen eine Hilfsschaar gesandt hatte, bis zu den Tagen Friedrichs
dos Streitbaren in grösserem Umfange überhaupt nicht gab. Avari f^
Ungarn ist überdies sehr selten; in österreichischen Annalen begepiet
es zu 1174 in den Ann. Meli. (SS. 9, 504) und in der Cent Zwetl ü
(SS. 9, 641).
■nrali'. Cod. 8 ,fatali'; doi- Vers p. 27 ,Chvnriiigeii gaiidet dum fau-
^pB nomen adaugct' ist in Cod. 8 ain Rande nachgetragen.'
W Öehcn wir auf den Inhalt ntthor ein: Unter Kaiser liein-
fr)jch dem , Bösen' (dem Viei-ten; eine Verwechslung oder Vor-
Bchmelzung mit Heinrich V. anzunehmou, bietet diese Relation
noch kernen Gnind) fallen Bölimen und Ungarn verheerend in
das Land des Markgrafen Leopold (des Zweiten) ein. In dieser
Bedrängniss sehiekt ihju sein ,B''id*^'*' Erzbischof Poppo von
Trier einen kriegserfahrenen .Verwandten' zu Hilfe. Der Mark-
graf nimmt ihn mit Freuden auf und verti'ant das Heer seiner
Fllhning «n. Azzo erringt einen hen-lichen Sieg, und zum Lohne
dofttr gibt ihm der LandesfUrst eine Gemahlin aus edlem Hause
und verleiht ihm, der als Heerfilbrer und Bannertrilger die
Würde eines Marschalls bereits thatsäehlich ausgeübt hatte,
flberdies das Schenk enamt, wie dies die heutige Nachfolge
seines Geschlechtes darin bezeuge. Von der eigentlichen formellen
Verleihung des Marsch ailamtes ist in dem lateinischen Gedichte
nicht die Rede. Das Folgende ist kurz gefasst: Azzo hat drei
Söhne: Anshahn, Nizo und Albero, Nizos Söhne sind Pilgrim
and Hadmar I., der mit seiner Gemahlin Gertrud in jungfräu-
licher Ehe lebt und sein reiches Erbe zur Gründung eines
Cistercienserklosters zu verwenden beschliesst: dies der Ursprung
Zwetds. Noch wilhrend des Baues stirbt der Stifter und lüast
sieb, da der Fortbestand der Neugrilndung noch keineswegs
äcber gestellt ist, in Glittweih begraben. Alberos Sohn, eben-
|^£Üls Albero, ist dann der Vater Hadmars U., dessen Grossmuth
nd Frömmigkeit in lebhaften Farben geschildert werden. Das
idicbt schliesst mit einer frommen Bitte fUr Hadmars Seeten-
1 und das Wohl seinur Nachkommen.
Gerade der Schlusstheil könnte wohl die Meinung erwecken,
er noch zu Lebzeiten Hadmars H. abgefasst sei. Die
eien Praesentia scheinen dat\lr zu sprechen, obwohl sie bei
nhafter Schilderung auch früher bereits begegnen, besonders
■ der drittletzte Vei-s: ,quod petit hoc audi, guod oivit, sit
pt laudi'. .\llein Subjcct zu diesem ,vivit' kann ebenso gut
) bb DSbni« liier ßleich die Qeleganhoit. einige LeBefehler Pr&at'e, die den
ohnedies oft douUen Sinn des Oodicbtes nuch mehr entstellen, zo \<e-
riotttigen! p. 33, Z. S lies que «t. quam, p. S4, Z. 11 BbdiM it. ^bdiila.
oa M. mos, p. 25, 6. Z. v, n. eot st et, |i. 26, Z. III quoniM»
L Z. 22 rite Mi H.i.:iiitiir, p. 27, Z. IT vreriisqne «t, vnriiqne, ^^M
306
das unmittelbar yorangegangene ^concio' sein; denn es soll ja
vor Gott eben zu den Verdiensten Hadmars zählen, dass er
den Bestand Zwettls erst recht sicherte. Andererseits scheint
der vorletzte Vers: ,penis sublatum fac eum sine fine beatum^
sich wohl nur auf einen bereits Verstorbenen beziehen zu können.
Bezeichnend ist auch, dass der spätere Autor des Stiftungsbuches
p. 610 die nänüichen Verse auf den damals längst verstorbenen
Heinrich IV. (VI.) von Kuenring wiederholt.
So kann uns dieser'Schluss nicht hindern, zur Festsetzung
der Abfassungszeit jenen Weg einzuschlagen, den bereits Friess
erfolgreich betreten hat. Was uns über Azzos Auftreten e^
zählt wird, ist Sage, unvermögend, vor ernster historischer
Kritik zu bestehen. Aber eben das Wesen der Sage ist es,
dass sie die Dinge nicht aus der Luft greift, sondern an wirk-
lich geschehene Ereignisse anknüpft;, diese aus dem chrono-
logischen Zusanmienhange reisst und zum Mittelpunkte freier
dichterischer Verarbeitung macht. * Besonders liebte man es im
Mittelalter, Einrichtungen und Errungenschaften der jüngsten
Vergangenheit durch Hinaufrücken in graue Vorzeit den Nim-
bus hohen Alters zu verleihen.
In unserem Fall ist der geschichtliche Kern wohl der,
dass ein Kuenringer als Heerftlhrer^ nicht ausdrückhch als
Marschall, einen Sieg über die Böhmen errang, wofiir ihm der
Landesherr das erbliche Schenkenamt übertrug. Der concrete
Fall ist nicht schwer zu linden: es ist der Sieg, den Heinrich I.
(HI.) von Kuenring 1226 als ,rector totius Austriae^ über die
Böhmen erfocht, die, erbittert über die Vermählung des Kaiser
sohnes Heinrich mit Margaretha von Oesterreich, in die an-
grenzenden Theile des Landes eingefallen waren. Noch unter
Herzog Leopold VI. war den Kuenringern hieftir die Marschalls-
würde, vielleicht auch schon das Schenkenamt übertragen worden;
urkundUch erscheinen sie 1233 zum ersten Male im Besitze beider
^ In dieser Hinsicht ist es vielleicht nicht recht, über die Nachricht tod
der Einwanderung der Kuenringer ans den Rheinlanden einfach hinweg
zugehen. Dass Azzo gerade von Erzbischof Poppo in die Ostmark g^
sandt worden sei, ist wohl ebenso unbegründet wie die Nachricht, ^
Poppo der Bruder Leopolds II. war. Aber eine gewiase Familientradition.
dass einer der Vorfahren einst, vielleicht gelegentlich der grossen Ungiun*
kriege Kaiser Heinrichs UI., in die Ostmark gelangt sei, scheint mir dem
Ganzen doch zu Grunde zu liegen.
Hoßlmter. ' Die Abfassung des Gedichtes setzt also jedenfftlls
(lie Verleihung der Sc henken würde voraus; auffallen niuss, duss
des wohl noch früher tlbertragenen Mai-schallsamtes nicht aus-
drücklich gedacht wurde. Der Grund scheint zu sein, dass
damals die Thatsache, dass der Sieger wohl Heerführer, abei'
nickt eigentlicher Marschall war, noch frisch in der Erinnerung
haftete. Die Belohnung war dann, daas er in der WUrde, die
■ als jsignifer' ja factisch ausgeübt, auch ferner belassen und
1 noch überdies das Schcnkenamt übertragen wurde.
Andererseits seheint (p. 26) die ,suecessio postcritatis' an-
ndeuten, dasa die Würde sich in der Familie bereits vererbt
tte, wie denn 1233 bereite die Söhne Heinrichs von Kuenring
1 Besitze beider Aemter erscheinen. Alles dies zusammcn-
mommen, halte ich daf\lr, dass die Abfassung des lateinischen
ledichtes bald nach 1230 erfolgt sei.
Ich gehe nun über zur prosaischen Erzählung, die Fricss
r eine gleichzeitige Uebersetzung hJtlt. Auch von ihr sagt der
iotnpiJator des Stiftungsbuches, dass er sie anderswo bereits
orgefiinden habe; aber aus Verweisungen auf das Spätere
,BicHt infrtt patebit, sicut in coosequentibus apparcbit).
I der Ankündigung uud Einreibung einer Zeichnung (p. 31)
Qld endhch aus der Einfügung von Urkunden gebt hervor,
: der Text, wenigstens in der uns vorliegenden Fassung,
iSEchliesshch fUr das Stiftungsbuch berechnet ist, also von dessen
rfasser herrührt, wenn auch annalistische Quellen nebenbei
taUtzt sind. So sind die p. 28 mit ausdrücklicher Berufung
if Chroniken gebrachten Nachrichten über die Gefangennahme
Papstes Paschalis IT. und die Schlacht bei Mailberg der
wcttler Relation den Melker Annalen entnommen.^ Das lateinl-
ilie Gedicht ist der prosaischen Ueherarbeitung gewiss zugrunde
degt worden, was wir am besten an einzelnen Versen ersehen.
) Vgl. nl>er Aaa CiniizD (>!•« 1. c. ]>. 3. 67— bu, 6:1— ß», 76 und KegeaU-ii
Nf. 214, 223.
|l 88. 3, &00 Cod. Zwetl. lOS ad «. 10»'> Bxwnrii et Bohemii cum I.ii("i1du
mBTchiooe ilünicnvariint et viconint Moureberge, wKlirend ilie Melker
nmg den Tag nogibt, die Art der Feinde ;iber nicht nennt. Ad n. tili):
. tleiiiricna ~rei iiin^DHm »ipaditiuuem in llaliftm moTit et Pasualem pnpnm
I Böhm cepit; m fehlt nber der in Relation I foli^nde Z»biiU: sed iHiglen
oln» grstiiiin o( bontidicti'mein imiicrinli-iii nwwnln» esl.
308
die einfach wörtlich in den Context au%enommen wurden.^
Den Charakter einer blossen Uebersetzung trägt sie aber keines-
wegs, vielmehr erscheint die Sage in wesentlich entwickelterer,
auf spätere Entstehungszeit hinweisender Gestalt. Kaiser Hein-
rich IV. und V. sind hier bereits zu einer Person verschmolzen,
wie die Erwähnimg des Römerzuges von 1111 beweist; ebenso
Markgraf Leopold 11. und m.; denn der bei Mailberg von
Böhmen und Baiem Bedrängte wird gleichzeitig als Stifter von
Klostemeuburg und Heiligenkreuz genannt. Erzbischof Poppo
von Trier wird, indem man ihn mit dem unter Otto I. thäti-
gen Dänenmissionär identificirte, als Apostel der Dänen be-
zeichnet. ^
Die Sage von Azzo ist wesentlich in derselben Gestalt
wiedergegeben, nur ist jetzt Azzo ausdrücklich als Marschall
bezeichnet (p. 29 ,more marchalci^ und noch deutlicher p. 51
,de Atzonis progenie, qui fuit marchalcus et pincema Austrie').
Bedeutend erweitert erscheint die Sage dann bei Hadmar I.
durch die Erzählung von dem grünenden Baume, durch den
die heilige Maria dem Stifter die Stelle der späteren Kloster
kirche anwies (p. 31), und bei Albero HE. durch die Nachricht
von dem Ursprung des Namens Kuenring (p. 52). Endlich be-
weist uns die Stelle p. 29: ,unde et multis annis in Austria de
eins progenie multi sunt marschalci et pincerne Austrie ordinatiV
dass sie erst geschrieben sein kann, als die Verbindung der
beiden Hoftlmter aufgehört hatte, sich also mindestens eines
dei'selben nicht mehr in den Händen derKuenringer befand; und
zwar war es das Marschallsamt, welches 1278 durch die Partei-
nahme seines Inhabers Heinrich V. von Kuenring für Ottokar
1 p. 29: Qui dum miraretur . . . vox sonat e celis, vir strenue, senre fidelis
etc.; in grösserem Masse p. 65 — 67 bei Hadmar II.
2 Vgl. Dümmler, Otto der Grosse, 390—391. Poppo von Trier gehört w
jenen Männern, die frühzeitig Mittelpunkt eines g^zen Sagenkreises
wunlen. So wird von ihm in den ,6esta Treverorum* SS. 8, 177, 179
eine mit allerlei Fährliehkeiten und Abenteuern erftiUte Wallfahrt in
den Orient, die ihn bis Babylon fUhrte und drei Jahre in Anspruch Dshm,
erzählt. Bresslau (Jalirbücher der deutschen Geschichte, Konrad U->
2, 314 ff., Excurs IX) hat die Ungereimtheit dieser ganzen Ersäblang
nachgewiesen.
3 Vgl. in der Deutschen Keimchronik p. 10; da von sein afterchampft g^'
woHen ist Scheinch und marschalch manige frist.
309
von Böhmen dem Hanse verloren ging, während das Schenken-
amt bis zum 1365 erfolgten Tode Leutholds DI. im Besitze
der Euenringer verblieb.*
Diese zweite Relation über die Geschichte der Kuenringcr
ist demnach keine blosse Uebersetzung des lateinischen Gedichtes,
sondern eine von dem Verfasser des ,Liber fundationum^ zu
Beginn seines Werkes vorgenommene Ueberarbeitung desselben,
welche neben den leoninischen Versen auch annalistische Quellen
und Urkunden benützte und die ganze Sage in wesentlich ent-
wickelterer Gestalt wiedergab.
Wenden wir uns schliesslich noch znr deutschen Reim-
chronik: die Sage tritt hier ganz in derselben Form auf wie
in der prosaischen Erzählung;^ schon dies spricht dafilr, dass
diese beiden Relationen untereinander zeitlich näher stehen als
zum lateinischen Gedicht.
Nebst manchen Anklängen ^ findet sich eine Stelle in beiden
wörtlich gleichlautend (p. 13 und 52): ,hie habent die chünen
ditz landes an einem ring, da von sol daz hous halzzen Chün-
ring^ Das könnte auf den ersten Blick wohl zu der Annahme
führen, dass die Stelle ursprüngKch in der Reimchronik ge-
standen habe und aus dieser zeitlich demnach früheren Relation
in die lateinische Erzählung übergegangen sei. Allein diese An-
sicht wird erstens schon durch die Erwägung abgeschwächt,
dass die Verse sich rhythmisch in (lie Reimchronik gar nicht
einfügen, und dass das Wortspiel überhaupt nicht anders als
deutsch gegeben werden konnte; dann aber beweist eine Reihe
von Stellen, dass die Reimchronik erst nach Vollendung des
ganzen Werkes verfasst sein kann. So wenn es von dem Ritt
Hadmars I. um die dem neuen Kloster anzuweisenden Be-
sitzungen heisst: ,mit welherh andacht er ez umreit über lanch
und über breit, und wiö gar er sih vleiz, daz er ez ouz zeiget
unde reiz, des ih gesweig alsant da; an disem büh vint man
ez anderswa' (p. 11, vgl. p. 43); oder p. 16: ,8wer daz vast
> FriesB, Eßgest. Nr. 332, 1278, April 16, orscheint Hoinrich nocli aIh Mar-
Bch&ll, während Regest. Nr. 335, 1278 AugiiHt 12, von ihm schon aU
,quondam maschalci AuÄtrie* gesprochen wird; vgl. ferner 1. c. p. 162, 176.
* Anch hier erscheinen Kaiser Heinrich IV. nnd V. nnd Markgraf Leo-
pold n. nnd m. identificirt, p. 1 und 10.
' Sicnt legitor in chronicis — als man ez an den ehkronken list; more
marchalci — sam ein marschalh tot.
Artkir. Bd. LXXYJ. II. Hilfte. 1\
310
unt gentzlih sfth, der vint cz an discm bfih*; p. 17: ,aii dem
pueh gcschriben stet^; p. 18: ,von Hainreihen wench ih sagen
wil, an dem pueh ist von im vil^
Diese Stellen beweisen^ glaube ich, zur Genüge, dass die
deutsche Reimchronik erst nach der Vollendung des Stiftungs-
buches entstand; und das wird auch durch den bereits hervor-
gehobenen Schriftbefund bestätigt, indem die Reimchronik in
die Lagenzählung nicht aufgenommen und in Linirtmg und
Schrift viel weniger sorgflUtig behandelt ist; andererseits bttrgt
uns die Thatsache, dass doch die ursprünglichen Schreiber
daran betheiligt waren, dafür, dass der Zeitunterschied kein
allzugrosser sein kann. Die Genealogie der Kuenringer wird
in der Reimchronik unter zahlreichen Sprüngen in der Zeitfolge,
wie sie bei der Verzweigtheit des Geschlechtes kaum zu vcr
meiden waren, bis auf Leuthold I. gefllhrt; soweit war sie ja
auch im Stiftungsbuche behandelt worden. In näherer Ausfüh-
rung der Stelle p. 235: , Johannes autem et Elyzabet Agnes et
Leutholdus iunior eorum genealogiam sine dubio occupaveront',
heisst es in der Reimchronik: ,Johan, Leutold das erzcaigent,
wand si sich in tugende naigent; Elspet Agnes daz ouh offent,
di zu got auh vil wol hoffent, daz er si vor laid behuete nnd
geb in ein guet gemuete.' Diese Stelle kann wohl nur bei Leb-
zeiten dieser vier Kinder Leutholds I. geschrieben sein.
Nach Friess starben Johann und Leuthold 11. 1348, Ebbet
nach 1340 imd Agnes nach 1359; die Stelle ist also jeden&lb
vor 1348 geschrieben. Eine weitere kleine Einschränkung er-
gibt sich aus Folgendem: Die Verse der Reimchronik waren
vom Rubricator mit einer Reihe von Randnotizen versehen
worden, die Fräst als inhaltlich werthlos nicht in die An»-
gabe aufnahm, und fast bei sämmüichen mit vollem Rechte.
Eine dieser Bemerkungen zu p. 19, Vers 3 und 4 bietet aber
wenigstens ein chronologisches Interesse: ,Nota de domino AI-
berone iuniore de Chunring, qui in Seveld resideU Es ist dies
nach Friess Albero VU. von Kuenring-Weitra- Seefeld, welcher
1299 in den factischen, 1319 in den rechtlichen Besitz Seefelds
gelangte und 1342 starb. ^ Die Randnotiz und umsomehr das
Gedicht selbst müssen daher vor 1342 geschrieben sein. Damit
gelangen wir aber flir die Abfassungszeit der Reimchronik auf
1 Friess 1. c. 184 ff.
I
eiDcn ziemlich eng begronzlon Zeitraum, mul ich glaube nicht
za in-en, wenn ich sie mit der Zasanimenstellung des dritten
Theilüs, der Fortsetzung der Urkundensammlung, in Verbindung
bringe, also ca. 1327 ansety.e. Das Stiftuugsbuch war in seinen
ersten Theilen bereits vollendet, Anordnung und Zählung der
Lagen festgestellt und durchgelührt, da wurdo dem Streben
nach populilrer Darstellung, das sioh in der Uebersetzung der
wichtigsten Urkunden bereite geltend gemacht hatte, auch da-
durch Ausdruck verliehen, dass man die Erzählung ^on der
Vorgeschichte und Genealogie der Knenringer in deutsche Reime
brachte. Der, wie es scheint, mit ziemlicher Eile geschriebene
Teraio, der diese Verse enthielt, wurde dann dem ganzen
Werke vorgebunden, ohne dasa deshalb die bereits bestehonde
Lsgenzählung geändert worden wäre.'
Aach t\ir den weiteren geschichtlichen Theil des Stiftungs-
Imches sind schrifdiclie Quellen benützt; der Verfasser beruft
«dt ja an verechiedenen Stellen darauf, er habe seine Nach-
dchten aus Chroniken geschöpft.
Das Nächstliegende ist dabei wohl, einen Blick auf die in
Zwettl selbst rntsLandenen annalisti sehen Aufzeielinimgen zu
werfen. Früher als im Mutterkloster Heil igen kreuz war Ja hier
im Nordwalde der historische Sinn rege geworden. Wie anders-
wo benutzte man auch hier für die ältere Zeit die Melker
Aonaleu, jedoch in etwas freierer, selbstständigerer Weise. Dass
Jlachrichten daraus im .Stiftungsbnchc Aufnahme und Verwerthung
iden, WTirde schon erwähnt. Mit dem Jahre 1159 beginnen
j|ann selbständige historisehe Aufzeichnungen,' und für die
Achtsigerjahre des 12. Jahrhunderts bildet die ,ContiDuatio
Siwetlensis altera' eine ganz vorzügliche Quelle, die aber mit
äem Jahre 1189 plützlicb abbricht. Obwohl der Autor des
Stiftungsbuches diese Aufzeichnungen gewiss gekannt hat, ist
doch eine Benützung derselben nicht ausdrlicklicli nachweisbar;
zum Mindesten hätte bei sorgsamer Benützung der ,Continuatio
Zwetlcnsis I.' der Abtkatalog (p. 4aH] vollständiger und genauer
* Di« BAiinclimnik findet nicli mit gleicliotn Incigiit iiml Eipliui
^neni Pester Cwtex s. X.VI. Vgl. Pertz, Archiv C, HS.
) BedUoli, Die UHterr. AniutÜAtik. Mitth. d. Inst. 3, 497 ff., nührend Wst^
hacL Khüii Teil II 411 Mii diu ,Cont. Zwell I.' nntigPBi'liiuilen hntte.^
312
ausfallen müssen; so aber wurden die beiden Aebte Rüdiger
und ebenso Poto und Kapoto zu je einer Person vereinigt*
Dagegen sind mehrfaclie Beziehungen des ,Liber funda-
tinuni' zur ,Continuatio Zwetlensis tertia^ nachweisbar, einer
Quelle, die dem Abte Bernhard Link noch vorgelegen haben
niuss, heute aber verloren ist; auch die Gebrüder Petz haben
sie nicht mehr gekannt. Wattenbach hat sie aus den Gitaten
bei Link, einem Neuberger Codex und einem Codex der Wiener
Hofbibltothek reconstruirt. In dieser Gestalt reicht sie von
1241 — 1330; wenn sich vielleicht auch Nachrichten aus früheren
Jahren gefunden hatten, so dürften sie wohl kaum von Interesse
und Wichtigkeit gewesen sein, weil sie in diesem Falle ein so ge-
wissenhafter Benutzer wie Abt Link kaum unberücksichtigt ge-
lassen liiltte. So klafft denn in den geschichtlichen Aufzeichnnn-
gen Zwettls ftlr die letzten Jahre Leopolds V. und die ganze
llegiorungszeit Leopolds VI. eine bedauerliche Lücke, und erst
die unruhigen Zeiten Herzog Friedrichs 11. scheinen diese
Thiltigkcit wieder in Fluss gebracht zu haben.
Gleich bei Erwähnung der Leithaschlacht lässt sich eine
Bent\tzung der genannten Quelle nachweisen:
L. fund. 146. Cont Zwetl. m. 88. 9, 655.
Lcgitur enim in cronicis, quod Anno domini 1247 Prideri-
llngaris tcrram Austriae intrare cus dux Austrie Ungaris terram
volontibus ipse Fridorieus ar- Austrie vastare volentibos oc-
matus iuxta Humen, qui vocatur curit armatus et iuxta flomen
Loyta eis occurrit cum multi- quod vocatur Leitha paiiter
tudino Australium dominorum. congressi alterutrum se crebris
Qui congressi pariter se crebris ictibus mactaverunt.
ictibus mactaverunt. In quo In quo tamen congressn dux
tamrn congrossu dux Austrie Austrie vir strenuus et fortis
Fridorieus vir strenuus et fortis occubuit.
ocoulmit vidolicet anno domini
MOrXLVII in die sancti Viti
martiris.
I nio von orstor llaiid oinf^tragonen Nachrichten sind durch eine Reihe
von Jahnen zn doni nMchst höheren Jahre gestellt, so daas die wa 1U7
or/Hhlton Ercipiisst' in Wirklichkeit zn 1146 gehOren. Da aber alle
Notixon übor TikI und Wahl von Aebten von sp&terer Hand nachgetragen
sind, hat dioso Vorsc)üt>l>uag auf sie ^*oh1 keinen Besng. Der Naehtng
313
Die yContinuatio^ wird vom Verfasser des Stiftungsbuelics
selbst als das ^prius^^ als die Quelle bezeichnet.
Ebenso begegnet uns eine theilweise wörtliche Benützung
dieser Annalcn bei der Erzählung vom Tode König Ottokars, obwohl
sieh hier der Verfasser nicht ausdrücklich auf Chroniken beruft :
Cont. Zwetl. UI. 1. c. 657.
A. d. 1278 supradictus rex
Bohcmie opposuit se regi Ro-
manorum et collectis exerciti-
bus copiosis congrcssi sunt ad
pugnam reges utrique iuxta
flumen Marchiam VII. Kl. Sep-
tembris et cecidit in die illa
illustrissimus rex Bohemie et
multi de exercitu eins intcr-
fecti sunt multi etiam captivati
et submcrsi. Ex parte autem
regis Ilomanonim cecidit domi-
nus Albero fratcr Lcutoldi de
Khunring.
L. fnnd. 199.
Cum idem illustris rex Ota-
karus Bohemie cum rege Ro-
manorum Rudolfe congressurus
exercitum suum iuxta fluvium
Marchiam conduxisset et e con-
trario Romanorum rex Rudolfus
suum exercitum congrcgasset,
in ipsa congressione prelii ce-
cidit illustris rex Bohemie Ota-
karus et cum ipso multi de eins
exercitu sunt occisi. Prelium
autem factum est inter hos
utrosque reges anno domini
MCCLXXVin. videhcet VII.
Kl. Septembris, que Kalendc
tunc temporis in sexta feria
habebantur. Ex parte autem
regis Romanorum Rudolfi ce-
cidit dominus Albero fratcr
domini Lcutoldi de Chvnring
nostri fidelissimi fundatoris. Sed
ex parte regis Bohemie Ota-
kari non solum multi sunt occisi
verum etiam multi captivati,
multi etiam in acqua Marchia
sunt submersi.
Das Stiftungsbuch als die abgeleitete Quelle ist ausführlicher
und enthält mancherlei Zusätze, doch ist der Einfluss der Vor-
lage unverkennbar. ,Liber fundationum^ 262 (Rudolfus) ,uxorem
duxit dominem . . . reginam Galisie^
Cont. Zwetl. in, 1. c. 662 ,ducta in uxorem regina Galisie'.
kann nach der Stelle zu 1159: ,dedicatur monasterium in Zwetl a Cluin-
rado Pataviensi pastea archiepiscopo facto erst nach 1164 erfolgt sein.
314
Wieder scheint der Autor die Quelle benutzt, aber die
Absicht gehabt zu haben^ noch den Namen hinzuzufügen; wahr-
scheinlich konnte er ihn augenblicklich im Kloster nicht erfahren,
und der Nachtrag unterblieb.
Eine bestimmte Berufung auf schrifdiche Vorlage begegnet
dann wieder p. 262 anlässlich der Schilderung des Todes König
Albrechts I.: ^qui talem tamen lamentabilem mortem a lohanne
iilio fratris sui Rudolfi legitur incurisse et forsitan aliquo occulto
dei iudicio meruisse^ Den Schlüssel zu diesem an und fUr sich
etwas unverständlichen Nachsatz gibt uns wieder die Cent
Zwetl. III. Der Autor der Eintragungen jener Jahre ist ein
grosser Judenhasser (vgl. 1. c. 658 ad a. 1293, 94). Nun waren
nach seiner Darstellung 1306 die Juden in St. Polten bei Be-
ligionsschändung ertappt worden, worauf das Volk in gerechter
Erbitterung über sie herfiel und einige von ihnen tOdtete. Der
Pöbel, der diese Gelegenheit nicht vorübergehen liess, ohne
sich an dem Eigenthum der Juden gründlich zu vergreifen,
bot dem Herzog und König Albrecht willkommenen Anlass,
gegen die Stadt mit äusserster Strenge vorzugehen. Es bestand
die Absicht, sie völlig dem Erdboden gleichzumachen und die
Einwohner in Potenbrunn anzusiedeln. Erst auf Bitten de»
Bischofs Wernhard von Passau und des gesammten Clerus ge-
lang es, den Zorn des Königs und Landesflirst^n durch schwere
Bussgelder zu besänftigen: ,Hoc autem factum in rege ex
conscquentibus domino displicuisse probatur, dum abinde nego-
tiorum eins prosperitas omnis in deterius relabi videtur.'
Anklänge finden sich auch bei Erwähnung des Todes
Leutholds von Kuenring:
L. fund. 61 1. Cont. Zwetl. III. 1. c. 669, ad a. ISll
Anno domini MCCCXII vi- Eodera anno tcrtio die post
delicet tercio die post festum Viti, que dies in sabbato habe-
beati Viti martiris, id est XV. batur, obiit fidelis atque pi»s
Kalend. lulii, que dies timc dominus Leutholdus Chunrin-
temporis in sabbato habebatur, garius de Tyemstain studiosus
obiit dominus Levtoldiis de fundator et amator huius Zwet-
Chvnnring fidelissimus fundator lensis cenobii pronepos Hadmari
Zwetlensis monasterii. secundi fundatoris et in pres-
biterio est sepultus.
Die häufige Benützung dieser Quelle fUr den ganzen in
Betracht kommenden Zeitraum macht es höchst wahrscheinlich.
^■|6S such dann auf eie vorwiesen war, wü wir es bei der ja
^BAngBlbaftcii Ueberliefei-ung lieute nieht mehr nacbzuweisE^o
^■ffiuligen; so wenn p. 147 gesagt wird, dass Hemianii von
^bdeti ,socuiidum cronicae' das llerzogthum Oesterreich nur
^Brei Jahr« iimegehabt liube, oder wenn es p. 430 lieisst, die
^■tTwirrung der Üiiige in OeKterreleli habe ,secundum cronicaa'
^K Jahre 124t* begonnen.
^L Diese ao nahe Bezieliiuig, zu der sich noch der Umstand
^»ellt, dass sowohl das Ötiftungsbucb wie auch die ,Continuatio
^nrctl. III.' fast mil demselbou Jahre enden, macht es doppelt
^BdauoHich, dass es nicht mtiglieh ist, aus dein Schriftbestande
^bd dem jedenfalls erfolgten Wechsel der Hände des Original-
^K^ex vielleicht noch weitere Schlüsse zu ziehen. Fast will es
^Hch dünken, dass für die leUte Zeit, für die das Stiftungsbuch
Hbhl Urkunden, aber keinen historischen Text eutliält, beide
Hbellen parallel neben einander angelegt wurden. Der sicheren
^Bundlagc outbehrend, kann dies natürlich nur vage Vormuthiing
^■biben.
^[ Zeigten uns die bisher angeführten Stellen, die allerdings,
wir können sagen, die wichtigsten Momente der Landesgeschiehte
betrafen, eine recht genaue Benutzung der Vorlage, so sprechen
^Midere wieder daHlr, dass der Autor des Stiftungsbuches, dem
kjL^er historische Theil nieht Hauptsache wai', auch recht summa-
ich vorgehen konnte. So wird p. 200 zum Jahre 1281 die Er-
imng Albreehtu zum Herzog von Oesterreich erwUhnt, wklirend
i so gut bekannte und viel benutzte Vorlage genau die Er-
lantuig zum Landesverweser und die Belehnung schied.
Noch stftrker ist es, wenn auf derselben Seite mit aus-
icher Berufung auf das Zeugniss der Chroniken erzählt
dass Albreeht 121^8 unmittelbar seinem Vater Rudolf in
• deutschen Königswtirde folgte. Das Königtlmm Adolfs von
tau, das dem Autor schon aus seiner Quelle unbedingt bekannt
1 musste, wird als Rir Üesten-oieh unbedeutend und flir Zwettl
k-ads belangtos einfach todtgoschwiegen. Wir werden gut
8 dies auch für andere historisch uiirichtige Nachrichten
■ Augen zu halten und dieselben nicht dui-chwegs der
UDkenntniss des Vei-fassera zuschreiben.
Schon Friese ist es aufgefallen, dass Herzog Friedrich II.
der Streitbare p. 101 und spilter noch wiederholt als der erste
^BsTzog dieses Namens bezeichnet wird. Da könnte man den
316
Verfiisser wohl damit entschuldigen, dass Friedrichs I. Regierung
ereignisslos und von kurzer Dauer war, so dass der über ein
Jahrhundert später sclireibende Autor dieser wenig hervor-
tretenden PersönHchkeit, die auch in den uns erhaltenen Zwettler
annalistischen Aufzeichnungen nicht erwähnt wird, nicht gedachte.
Geradezu wunderiich aber sind die Nachrichten, die uns p.42
aus der Reichsgeschiclite geboten werden. Vor Allem wird mit
Bei-utung auf Chroniken mit grossem Nachdrucke betont, dass
König Konrad III. später ziun Kaiser gekrönt worden sei. In
keiner der österreichischen Annalen wird davon berichtet, nur
in der ,Continuatio Claustroneoburgensis 11.^ (SS. 9, 615) wird
er bei Erwähnung seines Todes ,imperator* genannt und ab
solchen nennt er sich selbst in der bei dem allgemein verbreiteten
Otto von Freising (Qesta I, 25) mitgetheilten Correspondenz mit
dem gi'iechischen Kaiser. Möglich auch, dass eine Verwechslung
mit Konrad II. vorliegt; ungleich wahrscheinlicher aber ist ein
Stückchen Tendenz dabei mit im Spiele. Dieselbe liegt in der
gleich darauf folgenden Stelle: ,quod idcirco expressimus, ut si
verbi gratia quis dicere vellet, quod possessiones monasterii
nostri non essent conlirmate ab aliquo imperatore.' In der That
hat Zwettl bis ins 1 o. Jahrhundert nie ein kaiserliches Privileg
erhalten. Kaiser Friedrich IL hat allerdings 1227 ein grosses
Privileg für die gesammten österreichischen Cistercienserklöster
ertheilt, auf welches man in Zwettl ganz besonderes Gewicht
legte; daftir zeugt eine ganze Reihe von Transsumpten, Vidimus
und Copien, in denen sich diese Urkimde findet. Aber Zwetd
hat daran doch nur participirt, und das Original wurde im Mutter
kloster lleiligenkreuz verwahrt. Und während Lilienfeld durch
die Bemühung seines Stifters bereits 1217 ein eigenes kaiser-
liches Diplom erhielt und HeiUgenkrcuz zu jener gewaltigen
Schaar von Bittstellern gehörte, die sich anlässlich der Anwesen-
heit Kaiser Friedrichs II. in Oesterreich an ihn herandrängten
und dafür mit Gunstbriefen bedacht wurden, scheint Zwettl sich
damals schon im Gegensatze zu den dem Erlöster und dem
Landesfürstcn gleich feindlichen Kuenringem enger an Herzog
P^Mcdrich angeschlossen und auf alle Fälle es vermieden zu
haben, um die kaiserliche Gunst zu buhlen;^ so kam es, dass
1 Die ganz vorscliiedcno llaltungf beider Kl(5ster kommt auch in den anna-
listi8chon Quollen zum Ausdruck; gegenüber der dem Henog ftaaierBt
) auch daiuiüs leer ausging. Ein tjnwand, wie ihn der Ver-
äscr au widerlogen sucbt, war natürlich rechtlich ganz belang-
[.loe; denn dns königliche Diplom sUnd ja dem kaiserlichen zu-
iÜT deutechca Gebiet an Gilügkeit iind Unanfechtbarkeit
am kein Haar nach. Aber der Nimbus, der den kaiserlichen
Namen selbst in jenen Zeiten des Niederganges der Macht noch
immer umgab, Hess den Mangel doch llihlhar erscheinen. Und
so redete sich der Autor selbst gerne ein, daaa der einstige
Mitbegründer und Gönner des Klosters schliesslich ja auch
Kaiser geworden sei.
Der Todestag Konrads Ol. ist analog den meisten öster-
reichischen Nekrologien auf den 14, Februar llÖä angegeben.'
DasB darüber auch in Zwettl schriftliche Aufzeichnungen be-
standen haben, ist gar nicht zu bezweifeln.
Konrad 111. sei nach dem Zeugniss der Chroniken auf
Heinrich den Bösen gefolgt, und auf diesen selbst folgte Fried-
fSeb IL, der. das Privileg fiir die österreichischen Cistercienser-
Jster verliehen habe. Diese mit diliTen Worten p, 42 mit-
ftlieilte Ansicht über die Reihenfolge der deutschen Könige
jdingt bedenklich genug. Dass die Oesterreich wenig berührende
Eegierung König Lothars 111. unberücksichtigt blieb, könnte
noch angehen; aber dass Friedrich L und IL ganz wie in der
deutschen Kaiaersage zu einer Person verschmolzen und die
dazwischen fallenden Regierungen Heinrichs VL, Philipps von
k Schwaben und Ottos IV. dem Autor einfach unbekannt geblieben
1 sollten, lässt sieh bei aller Trübung und Verwirrung der
ÜBtonschen Kenntnisse und Anschauungen, wie sie dank der
istloson OompUationen eines Martin von Troppau oder der
lenkerechen Machwerke seit dem 14. Jahrhundert mehr und
^lir einriss, doch kaum amiehmeu.' Der Verfasser scheint
elmebr hier so wie bei der Iguorirung Adolfs von Nassau und
elloicht auch Herzog Friedrichs I. in starrer Anwendung eines
, mtitigDiiatigtsn jCouL Sniicniceusui IL' (pbt die ,Coiit. Zwetl. III.' von seiner
I Be^eruDg eiu duruhitiu noblwnllendes Bild; wenn sie Huub i^wiiu E>ret
tibI BpKUir verfMst int, glniiliu icli nie doch ttlr die nllguuienie Ansulmiiiing,
iiu KIciKler Hicli firt^recbl lintt«, verwerthen zu kHuuoti,
■ Vg\. BeruharUi, JnhrbUi^ber Konrads lU. Uä5-0Ü6.
j emcbeint z. B. Otto IV. in einet dem Aulot doch Hohlhakaiinlen Ur-
I knnde Hodoinrs U. io der Datiruiig: Ottoiie qu»rto lenente imperiuiii
Itp.ab.
318
von ihm p. 194 aufgestellten Prineips vorgegangen zu sein;
,eos tantum nostro opusculo inserimus^ quonun privilegia in
nostro monasterio reservamus/
Das gibt dem erzählenden Theil eine eigenthümliche Be-
leuchtung. Nicht Geschichte an sich soll er bieten^ sondern nur
die geschichtliche Stellung jener Personen erläutern^ die zum
Kloster in irgend welchen Beziehungen gestanden hatten. Dem
Autor sind zum Mindesten die heimischen Geschichtsquellen
bekannt^ und er benützt sie^ wo es sein Interesse erheischt^
genau; wo dies nicht der Fall ist, bringt er wider sein besseres
Wissen lückenhafte und darum unrichtige Nachrichten.
Er erübrigt noch zu sehen, welche Quellen für die zahl-
reichen in dem weiteren Werk zerstreuten Bemerkungen zur
Geschichte der Kuenringer benützt wurden. Des lateinischen
Gedichtes wurde als solcher schon gedacht; sonst beruht ge-
rade hier ein grosser Theil der Nachrichten auf mündlicher
Ueberlieferung, wie sie sich, Geschichte und Sage vermischt,
von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzte. Der Compilator be-
ruft sich zu wiederholten Malen darauf; so ausser vielen ,fortar,
aiunt^ und ähnlichen^ p. 438: ,est enim traditio seniorum inhae
domo pcne decrepitorum';^ unter diesen ,seniores' wird p. 615
ausdrücklich der Abt Ebro erwähnt. Besonders nachdrücklich
wird der mündlichen Tradition gedacht bei Schilderung des
Aufstandes Heinrichs und Hadmars von Kuenring gegen Herzog
Friedrich H., p. 100: ,8icut nobis seniores monasterii nostri
etiam cum lacrimis assertionc veridica retulerunt'; und noch ge-
nauer p. 613: ,sicut a senioribus vel laicis centennariis vel octo-
genariis ccrta relationc compcrimus, quos et ipsi vidimus et au-
divimus, sicut ipsi in memoria habuerant^
Daneben wurden in Zwettl über die Genealogie, Geburts-
und Todestage der Stifter und wohl auch über die rechtlieheii
Beziehungen zum Kloster gewiss Aufzeichnimgen gefUlirt. Wenn
der Autor von Hadmar H. sagt (p. 65): ,de isto Hadmaro se-
cundo . . . multa laude digna scribuntur et referuntur', so könnte
man dabei wold zunächst an das lateinische Gedicht denken;
allein dieses bietet an Thatsächlichem nahezu nichts. Ganz un-
» p. er», 67, 107, 126, 127, 134.
2 Aehnlich auch p. 485: ,iiixta traditionem seniorum huius domus*.
«9
Breifdiinfte Vei'weise auf scliriftliohp Quellen begegnen dann
p, 135: ,quod isli duo fratros cognoraento caneg de Chvnnving
vix vig^nti Septem annis vel amplius lecundum chroiiicas post
mortem patris floruemut", oder p. tiOl': ,fertiii' etiain, qnod do-
LeutolduB frater eius senior douiino Hainrico predietu
tt o<;to aiiois, croiitci« aulem atlestantibuB poet mortem eius
VI et amplius Bupervixit'.
Erhalten hat sich von solchen Aufzeiilinuugeu nichts ausser
in das Stiftungsbuch p. 45 f. aufgenommenen über die Be-
iträehtigung des Klosters durch den Bruder Uadmurs L, den
Pfarrer ]'ilgrim von Zwettl. Nach einer Mittheilung Frast's im
8, Bande des Perta" sehen Archivs sollte der Codex 13 der Zwettler
Bibhothek auf dem letzten Blatte in Schrift des 13. Jahrhunderts
le Erzählung enthalten, wie sich die Sühne Hadmars II. der
It Zwettl bemUchtigteu. Allein dies ist eine biosae Alischrift;
■Äst betreffenden Stelle des Stiftungsbuches, geschrieben von
der sehr charakteriGtisehen Cursive des beginnenden 15. Jahr-
hundertü, die in den ,Liber fundationum' imd in zahlreiche
^ere Zwettlcr Codices Eintragungen machte.
Einzelne der Über die Kuenringer mitgetheilten Daten
letn zur Discussion heraus. So finden sich über den Tod
nrichs JV. (VI.) zwei verschiedene, einander widei-sprechende
itttee; p. ItiS: ,obüt aiitem iste sti'enuus et nobilis Ilainricus
Chvnnring a. domini MCCLXXXVII in vigilia puriticatiouis
Marie semper virginis'; der 2. Februar fiel damals auf
Sonntag, daher die Vigiha auf den 1. Februar. Dagegen
608 ,obiit autom in Velspcrch predictus dominus Uainrieus
Chvnnring sine herodibus Tun dato r Zwetlonsis monasterii
ilissimus a. domini MCCLXXXVI. II. Kl. Febr. circa puri*
itionem hoate Marie semper virginis gloriose'. Friess hat
ten Düppelansatz nicht beachtet und nimmt p. 148 den
.. jKnner 1286 als Todost&g an; das stellt sich aber aus den
'on Friess seinem Werke im Anhange beigeftlgten Regesten
Nr. 39ü und 391, Urkunden ausgestellt zu Göttweih l'2Sö, In-
diction 14. Juli 21, in denen Heinrich von Kuenring noch unter
den Zeugen erscheint, als unrichtig heraus. Der Fehler Iftsst
sich durch bloBscB Verlesen von M.CG.LXXX.V.U. | Kl. Febr.
y.u MCCLXXXV U. Kl. Febr., wobei die Einheiten zum Tages-
dAtum gezogen und der Jahresangabe noch ein I. beigefügt
leicht erklären.
^^■urt
J
320
Dagegen hat Friess p. 23 an das Datum des Todes Had-
niars I. mit kritischen Erörterungen glücklich angeknüpft. Denn
der Angabe des Stiftungsbuches^ p. 53: ,obiit a. d. MC quadra-
gesimo octavo videlicet VI. Kl. Julii id est tercio die post festam
beati Urbani pape et martiris^ stehen gegenüber die Göttweiher
Annalen (SS. 9, 602) ad a. 1138: jH^dmarus de Chunringen
piae mcmoriae obiit/ Friess hat sich unter gleichzeitiger Richtig-
stellung des Tagesdatums — 27. Mai, nicht 26. Juni — ftlr letzteren
Ansatz (1138) entschieden.
Indem ich mich den von Friess beigebrachten Ghründen
vollständig anschliesse, möchte ich nur noch hinzufügen, dass
auch die Wahl Göttweihs zur Begräbnissstätte, ,weil das Schick-
sal der eigenen Stiftung noch nicht genügend gesichert schien',
eher für den früheren Zeitpunkt als ftlr 1148 spricht, wo der
Bestand Zwettls durch königUche und päpstliche Privilegien
rechtlich bereits vollständig gesichert, die Fährlichkeiten der
ersten Ansiedlung bereits glücklich überwimden waren und der
Klosterbau schon rüstig vorgeschritten gewesen sein muss. Auch
dass Hadmar auf dem Todtenbette seiner Stiftung noch 300
Mark Silber vermachte, die sich dann noch Herzog Leopold IV.
(f 18. October 1141) gegen Ueberlassung des Gutes Kmmaa
zur Verwendung erbat (Fräst 50), müsste, wenn anders die
ganze Erzählung auf Wahrheit beruht, unbedingt gegen die
Angabe des Stiftungsbuch e§ sprechen. Die erst um die Mitte
des 14. Jahrhunderts entstandenen ,Annales Zwetlenses' berich-
ten, dass ein Hadmar von Kuenring auf dem Kreuzzug von
1147 gestorben sei.^ Das ist eine blosse Verwechslung mit
Hadmar H. und dem Kreuzzug von 1217, während Bemhardi
1. c. 596 Hadmar von Kuenring, ,wohl einen Neflfen des gleich-
namigen Gründers von ZweÜ', als Theilnehmer am zweiten
Kreuzzuge anführt.
Den von Friess beigebrachten Argumenten hat sich auch
der gegenwärtige Abt von Zwettl, P. Stefan Rössler, in einem
trefflichen Abriss der Geschichte Zwettls in Brunner's ,Ein
Cistercienserbuch^ p. 542 ff. nicht verschlossen; allein er ist
dabei auf eine Schwierigkeit aufmerksam geworden, die sich
bei Billigung des Göttweiher Ansatzes erhebt. Wie verträgt
^ SS. 9, 679: ^profectio peregrinorum ad lerusalem; in qua profectione
mortuus est fandator noster Hadmarus*.
sich damit die aUgcmein als um die Jiiliresweiide von 1138 auf
1133 erfolgt angenomiiiene Gründung von Zwettl, wenn der
Stifter bereitB uni die Mitte des»olben Jahres gestorben sein
soUf" Küssler schlilgt zur Lösung der Schwierigkeit vor, den
Tod Ilikdmars ins Jahr 1139 au setzen, jedenfalls vor 1140,
weil er sonst sicherlich in der ,Continuatio Zwetlensis I.' bereits
erwäliut worden wJlre. Dagegen möclite ich einwenden, dasa
mir daß 8 in der Jahreszahl gerade durch die Uebereinstimmung
der beiden von einandL>r ganz iinabliangigen und sonst wider
sprechenden djuellon verbürgt scheint. Es wird sich umgekehrt
vielleicht besser empfehlen, dem iJaturn der Gründung Zwettla
das Augenmerk zuzuwenden. Der ,Liber fundalionum' befindet
hieb dai'übei- mit sich selbst in Widerspruch, indem er p. 22
,11 Id. Januar.', dagegen p. 31 ,11 Kl. Januar. 1138' ab den Tag
der Gründung angibt Janaiischek erklärt das erstere als blossen
Schreibfehler, indem er hervorhebt, dass alle übrigen Aufzeich-
nungen über den Tag der Gründung mit der zweiton Angabe
akereinslimmen. Die Schwierigkeit läset sich in unserem Falle
ieicht dadm'ch beseitigen, dass man Umsetzung der Jabreszalil
■MUt der fUr unser Gebiet damals noch allgemein üblichen Weih-
^Bamditaepoche annimmt,' wonach ,11 Kl. Januar, 1138' unserem
^Iprlvestertag 1137 entspricht.
i:
Als lieiRjiieln für Unuctiungr «loa Jahres mit dem WeihnÄL-liWlJige knim
ieh mf&hren: Urkiuideiibiiob des l^tidus ob der Ediib i, ä4l, Nr. 161,
Uritunde Budiof Oeginhatl» von Paiisaii (Orif^.) mit dpr Datimng: 1148
Dacember 2G Anno aiihiiii ordinntinnia episoai)>i VTIII ICc^nbi-rt atarl)
«bor bereits um 10. Nnvfmher lUä, folglich euti^i riebt dna Dnliini nueorem
:i«. UaMmber 1U7.
rrkondenbuch tu» OOnweih, Fontei remm lustr. O. 8, S70, Nr. 14,
Urknnile des ErabiicheE! iCberhNrd 1. von SnUbarg, Decomber I1Ö3, nlier
mgnuite Cliiinrndo; König Konrad lU. wKr iwhon um lä, Febniw llfiä
gMlnrbDn. wälirsnil der in der Urkiuide erwÄliriW Duinproj.st Iliigo vuii
SaUbni^ erat imoh dem 7. Sejilembpr 1161 zu dieser Würde gelangte;
<■ kann siub duher wieder nar um die Tn|i:e vom 25, bis 31. Dcccinber
IISI handeln. (Vgl. Huiller, Salaborger KegMten p. iSb, Anm. !ii— 37,)
Zahn, Steirisches Urkundeubucb 1. IGO, Nr, 674, lUkunde eines
rrop*tns Vau ^oi-Mnu IISQ ,feria ijuarta in ruslu luinctumm liinniientiiiiii'
(sliininl dir don 38, December lläS).
So borSi^hlcn auch ille Molker uiirl Kreinttiuniislurer Aiinnleii (SS 9.
HM, 548) don ani 81. Dccamler I11D4 erfnl^ten Tnd Herzog Lmpolds V
■tahrc 1196, nbetuu) Qrsi>rlingticli anch der sogenanuto Ankert, wii
(Jodal. 1195 iu !lfl4 .■.irriKirW(v^l Foiilm rerimi Aiislr. l, f>, ftt%.
322
Als Todestag des gewaltigen Hadmar 11. wird im ^Liber
fundationum' p. 99 der 21. Juli 1217 angegeben, und Röhricht
in seinen Beiträgen zur Geschichte der Kreuzzüge 2, 370, Friess
und Rössler sind dieser Annahme gefolgt Wie Friess p. 50
meint, hat Hadmar das heilige Land gar nicht mehr erreicht,
sondern ist auf der Ueberfahrt nach Spalato gestorben. Fassen
wir kurz zusammen, was uns im Stiftungsbuch über die letzte
Lebenszeit des grössten Kuenringers erzählt wird (p. 99):
Als die Ueberfahrt begonnen werden sollte, war das Meer
stürmisch; da bat Hadmar die Schiffer, wenigstens bis Mitte^
nacht zu warten, um welche Stunde, wie er überzeugt sei, die
Klosterbrüder zu Zwettl für ihn beten. Es wurde ihm will-
fahrt, ,und nachdem Meeresstille eingetreten war, fuhr er gegen
Jerusalem.' ,In ti*ansmarinis partibus' — aus dem ganzen
Zusammenhange wird man wohl schliessen dürfen: im heiligen
Lande * — fiel er in eine Krankheit und starb am Vorabend
von Maria Magdalena. Wäre uns darüber nichts weiter übe^
Uefert, so glaube ich nicht, dass jemand den Tod Hadmars E
anders als zum Jahre 1218 einreihen würde. Denn Anfangs
Juli befand sich Herzog Leopold und mit ihm wohl auch der
österreichische und stcirische Heerbann noch in Glemona.'
Nimmt man die Zeit, die bis zur erfolgten Einschiffung in
Spalato verging, so konnte der Herzog und mit ihm Hadmar
trotz der nach der ,Continuatio Claustroneoburgensis JL' bei-
spiellos raschen Ueberfahrt von sechzehn Tagen nicht mehr vor
August an die syrische Küste gelangen. Man müsste dann an-
Anm. 3). Als gegentheiliges Beispiel wüsste ich nnr eine Urkande Her-
zog Ottokars von Steiermark anznfQhren (Urknndenbuch des Landes ob der
Enns, 2, 401, Nr. 278 = Zahn, 1, 625, Nr. 649), wo Incamaäon^thre
und Königs- nnd Kaiseijahre Friedrichs I. zu 11S6 stimmen, also Ken-
jahrsepoche vorliegt, während Zahn die Urkande ftlschlich zum 87. De-
cember 1185 einreiht.
> Der Autor verwendet übrigens denselben Ausdruck beim Tode Henog
Leopolds VI. p. 101: ,obiit in transmarinis partibus'; er ist zweifelhaft,
ob hier Italien als ,transmarinae partes' bezeichnet sein sollte, oder ob
nicht viel eher eine Verwechslung mit dem Kreuzzug vorliegt; dass man,
um nach Italien zu gelangen, wohl die Alpen, aber kein Meer zu fiber-
setzen brauche, war gerade den Deutschen im Mittelalter doch zu ge-
läufig, als dass man geographische Anschauungen von der Hohe der
Shakespeare'schen Küste von Böhmen annehmen mfisate.
3 Meiller, Regesten 122, Nr. 152.
ihmeti, dasa Hinlmiir den FeMzug in iSyricn und auch den
Aufbruch nach Damiette noch mitgemacht habe, liier aber der
BUrde der Jahre und den Angriffeti des ungewohnten Klimas
e riefen sei.
In diesem Schlüsse glanbe ich mich nun trotz der über-
eferten Jahreszahl 1217, bei der ein .Lapsns calami' leicht
jDterlauTen konnte, nicht irremachen lassen zu sollen.
TV. Auswahl lind Wl^-dcrgaln' der rrkmulen.
Nach all dem Vorhergehenden gelange ich nun zur Be-
fcchimg der in den ,Liber fandationuni' eingereihten Urkun-
iind hiemit wieder zur Verwcrthung des archivalischen
[atcrisls. Hat uns dasselbe schon bei der Frage der Abfassunga-
t dea Stiftungöbaches Ocsichtspunktp an die Hand gegeben,
' die aus dem blossen Inhalt des Werkes gar nicht zi\ gewinnen
waren, ao ist dies in noch höherem Grade bei Erlttuterung der
Frage der Fall, nach welcher Richtung und in welchem Aus-
inasae die Auswahl der Urkunden fUr das Stiftungsbuch erfolgt
Bei, und ob die in dem Werke ganz bestimmt ausgepra^e Ten-
denz vielleicht Einflnas auf die Treue der Wiedergabe des ur-
f kandliohen Materials ausgeübt habe.
Der Compilatar dea Stiftungsbuches hat, offen und red-
pKg wie auch in anderen Fragen, so auch ich möchte flagen
i Reductionaplan ftlr die Aufnahme von Urkunden in sein
MTerk una nicht vorenthalten (^Frast 26C): ,Igitur ad consilium
lomini Wernliardi venerabilis antistitis eccleaio Pataviensis pene
mia vel saltem uliUora prwtlegia domus nostre conscribi vel
iscribi fecimus' und am Schlüsse des fUnften Buches (Fräst
i8): y^iitandHm insuper, qaod in koc. opuaculo omnia priin-
domun noftre nullatenug »unl tranic.ripta: unde si qua
wssitus domtii noatre ingrucre ceperit, ad conservatorium
pivilegionim nostrorum protinua rocurratur, ut quid in se con-
t'idcatur. UtiHora lainen priviUgut domus noatre m
9 »unt volutnine exarata.'
Wir ersehen daraus, daas der Autor nicht nach dem Vor-
I Bonetigcr Chartulare das vorhandene Urkundenmaterial ins-
mt eintragen wollte, sondern dabei eine gewisse Auswahl
i£. In welcher Weise dies geschah, kann nur eine Zusammen-
lellung dfis im Zwetller Archiv noch vorhandenem Hft*\Ä"[\&ua
324
an Originalen zeigen. Bis 1300, bis zu welchem Jahre ich
dies in der beschränkten Zeit memes Aufenthaltes in Zwettl
durchführen konnte, sind von 247 in den ,Liber fundationnm'
aufgenommenen Urkunden 185 noch im Original Yorhanden.
Das Verhältniss stellt sich noch günstiger, wenn man bedenkt,
dass von einigen päpstlichen Bullen wie Potth. Nr. 7320, 30618,
20623 sich die Originale überhaupt nie in Zwettl befandcD.
Manch andere Urkunden mögen bei Veräusserung oder Tausch
von Besitzungen im Laufe der Zeit an die neuen Besitzer aus-
geliefert worden sein. EndUch dürften sich bei genauer Durch-
sicht aller Fascikel noch manche Urkunden finden, die in dem,
wie ich annehmen zu können glaube, unvollständigen Archiv-
katalog nicht verzeichnet sind. Im Ganzen und Grossen ist
das UeberUeferungsverhältniss immerhin ein günstiges zu nennen,
umsomehr, als sich besonders für die ältere Zeit und die ftr
uns wichtigsten Ausstellergruppen (deutsche Könige, Päpste,
Landesfürsten) fast gar keine Lücken finden. Einen auffallend
grossen Bruchtheil von den, wenigstens dem Katalog nach, in
Zwettl nicht mehr nachweisbaren Originalen liefern die Urkun-
den des Bischofs Wernhard von Passau und des Abtes Ebro
von Zwettl.
Andererseits aber finden sich bis 1300 105 Originale, die
in den ,Liber fundationum^ nicht aufgenommen und daher bis
auf den heutigen Tag ,inedita^ geblieben sind. Der Schlnss,
den wir zunächst daraus ziehen, ist wohl, dass der Compilator
sie fUr ,privilegia minus utilia^ gehalten und daher seinem Werke
nicht eingereiht habe.
Eine nähere Prüfung soll uns zeigen, nach welchen Ge-
sichtspunkten er dabei vorging. Gleich von vornherein aossa-
scheiden sind drei Urkunden, die Zwettl gar nicht berühren
und sich zur Zeit der Abfassung des Stiftungsbuches wohl
überhaupt nicht im Besitze des Klosters befanden. Es ist dies
erstens eine Bulle Urbans IV. (Orvieto 1264, Mai 9, Potth. — ),
durch welche der Bischof von Gurk zur Absolution einiger
seiner Diöcesangewalt unterstehenden Brandleger ermächtigt
wird; wie das Stück nach Zwettl kam, ist nicht recht erkUir-
hch. Eine andere Urkunde rührt wohl von einer um Zwettl
hochverdienten Persönlichkeit, dem Kuenringer Hadmar IL;
her; aber es ist eiixe ca. 1208 erfolgte Schenkung an das
böhmische Kloster Pomuk; endhch ein drittes Stück: Otto von
325
Meissau stiftet ein ewiges Licht in der Dominikanerkirche zu
Krems (1244).
Unter den Zwettcl selbst betreffenden Urkunden möclite
ich an die Spitze stellen zwei päpstliche Bullen von Gregor X.
(Orvieto 1272, Octobcr 12, Potth. — ) und Martin IV. (OrAueto
1284, Juni 1, Potth. — ); es sind dies kleine Privilegien in
Form und Ausstattung der Litterae cum filo serico. Diese
ganz allgemein gehaltenen, nach der Formel : ,cum a nobis pe-
titur — eapropter — nidli ergo — si quis autem' abgefassten
Bullen mussten gegenüber den ausftihrlichen grossen Privilegien
des 12. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts allerdings
als minder wichtig erscheinen; und es ist bezeichnend flir den
rein praktischen Sinn des Compilators, dass er sich auch durch die
hohe Würde der Aussteller nicht zur Aufnahme veranlasst ftlhlte.
Aus dem nämlichen Grunde blieben auch sieben Urkun-
den über rein geistliche Dinge (Ablässe, Altarweihen) und sechs
über Einlage und Rückzahlung von Depositengeldern unberück-
sichtigt. Dass der ftlr Zwettl s<f ungünstige Schiedsspruch des
Abtes Hermann von Ebrach, dessen p. 340 mit wahrem Grimme
gedacht wird, zu den ,Privilegia minus utilia' geworfen und
daher von der Ehre der Veröffentlichung ausgeschlossen wurde,
darf uns nicht Wunder nehmen.
Zwettl hatte 1186 von Herzog Fricidrich von Biihmen Be-
sitzungen bei Wittingau imd Sagar erhalten, und Ottokar I.
hatte 1221 diese Schenkung ))estätigt. S|)äter alx^.r war das
Kloster in einer misslichen Lage, in die es durch langwierige
ßesitzstreitigkeiten mit Euphemia von Potendorf gerathen war,
genothigt, diese Besitzungen zu verkaufen (Fräst 144). Da
in Folge dessen die betreffenden Urkunden einen praktischen
Werth flir das Stift nicht mehr hatten, wurden «ie (ebenfalls
übergangen, sowie auch eine Bulle, die Innocenz III. am 13. Fe-
bruar 1207 (Potth. — ) zu Gunsten Zwettls erlassen hatte, als
es in seinen diesbeztlglichen Besitzrechten Ijcdroht wurde.
Dagegen sind p. 272 ff. Urkunden aufg(»nommen, die einst
flir Lilienfeld ausgestellt worden, später aber beim Verkauf der
betreffenden Besitzung, Haibach, in den Besitz Zwettls ge-
kommen waren.
Zu den ,inedita' zählt auch eine Gruppe von Urkunden
über freie Salzzufuhr; zwei davon sind von Ottokar H. von
Böhmen, je eine von Herzog Albrecht I., Otto Pfali»grÄ.fe\3L \i^\
ArebiT. Bd LXXVI. Ji. Hilftc ^^
326
Rhein und Herzog Heinrich von Baiern ansgestellt. Auch ihre
Uebergeluing lässt sich allenfalls dadurch rechtfertigen, dass ja
eine ganze Reihe auf den nämlichen Gegenstand bezliglicher Ur-
kunden ohnedies Aufnahme gefimden hatten und die Bezugsrechte
Zwettls daher bereits vollauf gesichert schienen. Schwieriger
wird die Erklänmg schon bei ein paar anderen Gruppen. So
sind vier Urkunden übergangen, die sich auf die Entstehung
und die früheren Schicksale der Katharinenkapelle in Wien
und des daranstossenden Hauses auf dem Stefansfriedhofe, das
sich einst im Besitze Zwettls befand, beziehen, während doch
andere darauf bezügliche Urkunden Aufnahme gefrinden hatten.
Uebergangcn sind femer drei Urkunden König Ottokars II.,
in welchen er die Unterthanen des Klosters von Abgaben,
Vogtei und fremder Gerichtsbarkeit befreit, und eine von 1259,
mittelst welcher er einen Besitzstreit zwischen Zwettl und seinem
Ofticialen Reinbert schlichtet; dann eine Urkunde Herzog Al-
brechts I. vom 16. April 1291, in welcher er Schenkungen
Leutholds von Kuenring an das Kloster Zwettl bestätigt, oder
eine Urkunde des päpstlichen Legaten Giiido, Cardinalpriesters
von S. Lorenzo in Lucina, in welcher er bezeugt, dass die
Cistercienser den päpstlichen Legaten keinerlei Abgaben zu
entrichten hätten.
Die grosse, nach Ausscheidung alles diesen übrig bleibende
Mehrzahl von Stücken aber umfasst 66 rein besitzrechtliehe,
das Kloster Zwettl dircct berührende Urkunden, theils Schen-
kungen, theils Kauf- und Tauschverträge, oder Schlichtung Ton
Besitzstreitigkeiton. Hier ist das Vorgehen und die Auswahl
des Compilators einfach nicht mehr zu rechtfertigen; denn es
lässt sich durchaus nicht einschen, was so mancher inhaltlich
oft minder wichtigen, aber in das Stiftungsbuch aufgenonunenen
Urkunde den Vorrang verschafft haben sollte. Es sei noch
bemerkt, dass diese incdita keineswegs etwa von fUr das
Kloster minder bedeutenden Ausstellergruppen herrühren, son-
dern es befinden sich darunter unter anderen acht Urkunden
von Kuenringem, ebenso viele von Abt Ebro. Da scheint es
doch, dass dem Compilator bei der wenig systematischen Art,
in der er die Urkunden in sein Werk einreihte, indem er über
ein beständiges Experimentiren eigentlich nie hinauskam, manches
,Privilegium utile', das seinen Platz im Stiftungsbache immerhin
verdient hätte, entgangen ist.
327
Indem ich mir vorbehalte, die weiteren Folgerungen dar-
aus am Schlüsse dieser Erörterungen zu ziehen, gehe ich nun
zur Behandlung der Frage über, ob und inwieweit die in
dem Werke zu Tage tretende Tendenz, besonders im Punkte
der Zehentfrage, von Einfluss auf die Treue der Eintragung
gewesen ist.
Berücksichtigt sollen dabei hauptsächUch werden die bei-
den Diplome König Konrads IH. und die päpstlichen Bullen;
denn sie sind die inhaltlich wichtigsten Urkunden, die päpst-
lichen Privilegien für die Zehentfrage geradezu ausschlaggebend,
und überdies die einzigen, deren Beurtheilung auf Grund der
bisherigen diplomatischen Arbeiten mit einiger Sicherheit mög-
lich ist.
Ich gehe gleich über zur Gründungsurkunde von Zwcttl,
ausgestellt von König Konrad III. zu Selz 1139, Stumpf Nr.
3403. Dieselbe ist von Fräst zweimal, und zwar in der ,Kirch-
lichen Topographie von Niederösterreich' II, 3 (16. B.), p. 8
aus dem Original und in der Ausgabe des Stiftungsbuches
p. 32 aus dem Chartular abgedruckt; der Incorrectheit des
ersten Druckes wegen gebe ich einen genauen Abdruck des
Originales im Anhang. Eine Vcrgleichung der Texte ergibt:
die Eintragung in den ,Liber fundationum' ist in der Wieder-
gabe des Rechtsinhaltes genau; sonst aber finden sich manche
Differenzen; so ist im Titel der Name des Königs hinzugefl'igt,
während in der Zeugenreihe die Worte: ,Engelhardus; aderant
etiam capellani curi§ Chunradus frater noster* fehlen; das Mono-
gramm ist genau nachgezeichnet; die Schreibweise der Eigen-
namen ist selbstverständlich grundverschieden.
Die Urkunde ist auf beiderseitig gleichartigem Pergament
(60 Cm. hoch, 40 Cm. breit) von einer Hand mit dunkelbrauner
Tinte in kräftiger diplomatischer Minuskel geschrieben; von
Linirung findet sich keine Spur. Die Datirung scheint erst
nach der Siegelung geschrieben; so erklärt es sich, dass der
Schreiber, durch den Wulst des Siegels behindert, die Datuni-
zeile nur bis zur halben Breite der Urkunde ftlhrte und dann
in einer zweiten und dritten Zeile darunter fortfuhr. Die Zahlen
der Indiction und des Regierungsjahres stehen auf Rasur; die
von Stumpf aus dem Original gegebene Correctur: Indict. II.
ist unrichtig. Das durchgedrückte Wachssiegel war in der
Mitte unter der Recognitionszeile angebracht, wurde aber %^&\föt
328
lieraus^esclmitten ; dafür zeugt ein kreisrundes Loch von 4 Cm.
Durchmesser mit scharfen Schnitträndem; das Siegel hatte nach
dem erkennbaren Abdruck des llandcs 10 Cm. DurchmesserJ
Sollte ich nun auf Grund der äusseren Merkmale ein Ur-
theil über die Echtheit des Diploms abgeben^ so gerathe ich
dabei in recht üble Lage. Nicht nur, dass wir eine Arbeit
über die Kanzlei König Konrads HI. noch nicht besitzen, es
fehlt überdies an dem nöthigen Vergleichsmaterial. In den
Kaiserurkunden in Abbildungen klafft gerade für diese Uebe^
gangsperiode noch eine bedauerliche Lücke; von Original-
diplomen Konrads HL befindet sich in Wien kein einziges, in
Niederösterreich ailsscr den beiden Zwettler Stücken nur noch
eine in den Mon. graph. V, 13 reproducirte Klosterneuburger
Urkunde, Stumpf 3534. Sonst war mir nur noch zugänglich
ein Facsimile von Stumpf 3425, Kopp, Schriftt. Nr. 41, femer
von Stumpf 3544 bei Pessl, ,Chronicon Gottwicense^ 345 und
von Stumpf 3567 bei Walther, ,Lexicon diplom. T. IX.' Das
Vcrgleichsmatcrial ist demnach dürftig genug. ^
^ Dor an einem A1)^um fremesflene ])urc*hniesRGr des SiegBlbildes betrügt
8 Cm., was sich, 1 Cm. auf boidon Seiten filr den Wnlst ^rechnet, da-
mit pfanz pnt vereinen lUjwt.
2 Mittlerweile war es mir nWtglicli, wenigstens die ProbeblKtter von den
in die zehnte Liefernnp der Kaiserurknnden in Abbildungen nnfzuneh-
menden Urkunden Konrads JIl. einsehen zu kennen. Es sind dies ausser
der jüngst von Kehr im Neuen Archiv 16, 363 ff. besproclienen Pnrpnr-
urkunde für Corvey die Dijjlome Stumpf Nr. 3369, 3372, 3424, 3441, nnd
icli k")nnte nicht sagen, dass die Auswalil der Stücke eine glückliche sei.
Kommt es in dieser an Schwankungen so reichen Zeit hauptsKchlirh
darauf an, zunächst womfJglich das RegelmKssige kennen zu lernen, nm
so zur IJeurtlieilung der zahlreichen Abweichungen gesicherten Boden ro
gewinnen, so wird dieser Zweck durch die Reproduction der genannten
Diplome nur wonig gef?>rdert; denn mit Ausnahme von Stumpf 3369,
bei welchem die einzige Unregelmässigkeit in der Verschiebung von
Signum- und Recognitionszeile besteht, sind die Stücke selbst durchans
Unica. Der Schrift nach steht das in Titel und Fassung recht abnorme
Stumpf 3424 (vgl. Hernhardi 207, Anm. 5) nebst dem unten l>esprochenen
Stumpf 3425 unserem Zwettler Diplom am nächsten. In der gans ab-
sonderlichen Rocognition von Stumpf 3372: ,B2go Amoldns cancellariitf
vice summi cancollarii Magontini scripsi et subscripsi', die nur noch in
dem unmittelbar darauf folgenden und ebenfalls noch im Original erhal-
tenen Diplom Stumpf 3373 für das Kloster S. Remigins in Rheims wieder-
kehrt, sah ich nur den weiter unten vertretenen Sats bestätigt, dass nn-
gewöhnliche Wendungen oder Titulaturen, die wahrscheinlich aiuseiiialb
329
Das Chrismon ist in allen Stücken wesentlich gleich, ein
durch WellenUnien ausgeftültes C. Die verlängerte Schrift des
Protokolls beschränkt sich bei allen auf Invocation und Titel;
bei Mon. graph. V, 13 fllllt sie die ganze Zeile aus, bei Kopp 41
und dem Zwettler Diplom wird der noch in die erste Zeile fallende
Beginn des Contextes in gewöhnlicher diplomatischer Minuskel
geschrieben. Mit Stumpf 3544 hat das Zwettler Diplom die starke
Hervorhebimg des ersten Buchstaben des Contextes gemein.
Die auch zeithch nächstliegenden Stumpf 3403 (f. Zwettl) und
3425 (Kopp 41) stehen sich, soweit dies an den wenigen zur
Vergleichung vorhandenen Worten festgestellt werden konnte,
auch in der Contextschrift durch die geraden uuverziertcn Ober-
schäfte von Z, d, h und die verzierten 8 und /, sowie durcli
die weit unter die Zeile reichenden v nahe; gemeinsam ist auch
das Kürzungszeichen und der starke Ilaken fiU* us. Älon. graph.
V, 13 weist denselben festen Schriftcharakter auf, ähnlich sind
auch die langen, unter die Zeile reichenden r und die leicht
nach links gebogenen Unterschäfte; sonst sind die Schäfte in
Mon. graph. V, 13 mehr verziert. Das Eschatokoll ist bei den
fünf Stücken verschieden behandelt: Stumpf 3425, 3544 und 3567
haben für Signum- und Kecognitionszeile verlängte Sclirift, Mon.
graph. V, 13 für keine von beiden und für die llecognition nicht
einmal eine eigene Zeile. St. 3403 (f. Zwettl) steht in der Mitte;
die Signumzeile hat verlängerte Schrift, die Recognition steht in ei-
gener Zeile und weist zahlreiche Uncialbuchstaben auf ohne eigent-
lich verlängerte Schrift; gemeinsam mit Stumpf 3425 sind die
i-Striche über ,archicancellarii'. Das Monogramm steht neben der
Kecognitionszeile auf und hat in allen Stücken wesentlich denselben
Typus; das des Zwettler Diploms ist etwas grösser mit stärkeren
Schäften. Das ineinander verschlungene i und o steht bei Stumpf
3403 und 3544 in der Fläche des Monogramms selbst, während
es bei den übrigen unter den Fusspunkt hinabgerückt ist. Die
Datumzeile beginnt in Stumpf 3403 und 3425 mit langgestrecktem
a ohne Mittelbalken; ,amen' ist in Majuskel geschrieben.
So wenig diese dürftige Zusammenstellung zur Herstellung
eines exacten Schriftbeweises genügt, scheint sie mir doch das
Eine zu verbürgen, dass uns in der Zwettler Gründungsurkunde
der Kanzlei entstandcu, von KanzloischrDiborn Au%egriäon und in zeit-
lich naliestehendeu Diplomen verHUchswei8e angewendet wurden.
330
eiu in Schrift und Form kanzleigemäss ausgestattetes Diplom
vorliegt, das besonders mit dem zeitlieh nächststehenden Stumpf
3425 manche Berührungspunkte aufweist.
Gehen wir auf den Inhalt der Urkunde, und zwar zunächst
auf den formellen Theil ein: hierin hat Bemhardi in den Jahr-
büchern Kourads III. Manches vorgearbeitet, indem er die grosse
Mehrzahl der bei Stumpf verzeichneten Urkunden in einer Reihe
von Anmerkungen besprach und sich dabei auch bemtlhte, die
Fickcr'schen Untersuchungen zu verwerthen; aber der mit
groöS(im Fleisse durchgeführten Arbeit mangelt vor Allem die
Uebersichtlichkeit, indem die zahlreich verstreuten Einzelbemer
kungen nirgends zusammengefasst sind, und dann das eigene
Urtheil. Ohne zum Zwecke einer blossen Hilfsarbeit tiefer in
das Urkundeuwcsen Konrads III. eindringen zu können, habe
ich Avcnigsteiis aus den mir zugänglichen Urkundendrucken die
Formeln zusammengestellt, um mir gerade bei dieser an Schwan-
kungen so reichen Zeit einen Ueberblick über das kanzlei-
massig Zulässige zu verschaflfen.^ Damach ergibt sich filr den
Titel als das Regelmässige: ,Conradu8 divina favente dementia
Romanorum rex secundus^; für die Signumzeile: ,Signum domni
Conradi Romauorum regis secundi', vereinzelt das Attribut ,in-
victissimi'; ftir die Recognition: ,Ego Amoldus cancellariiis
vice . . . (Moguntini archiepiscopi et) archicancellarii recognovi*.
In der späteren Zeit ist der volle Titel des Mainzers Regel, in
den ersten Regierungsjahren schwankt der Gebrauch. Für die
Datirung bildet sich nach und nach eine Zweitheilung heraas,
zu einer Zeit, wo sie aus den päpstlichen Privilegien bereits
verschwunden ist. Das GewöhnUche ist: ,Anno dominice in-
carnationis . . . indictione . . . rcgnante Conrado Romanorum rege
secundo, anno vero regni eins . . . Dat^' (seltener ,actum') Ort,
eventuell Tag; ,in Christo feliciter amen^ Statt ,anno' und
,data^ findet sich auch das den älteren Diplomen entnonmiene
,data' und ,actum*; für die unserem Diplom zunächstliegende
Zeit ist die erstangeftihrte Form weitaus vorherrschend (Stumpf
8381, 3387, 3389, 3402—3407, 3409, 3421, 3422, 3424, 3425);
in Stumpf 3523 Or. sind die beiden Theile durch die Reco-
gnition getrennt.'-^
1 Vjrl. darüber jetzt aucli Bresslau U. L. 1, 360, Anin. 2; 360 f.
^ Von Interesse ist es, die Gründe kennen zu lernen^ ans welchen der
HoraiiH^ebcr der , Fontes rcritm Bemensinm* 1, 412 die Originalität Ton
331
Halten wir dazu unser Stumpf 3403, so finden wir 8ignum-
zeile und Datirung vollkommen regelrecht, während in der
Recognition das ,domni' vor dem Namen des Erzkanzlers und
in Formel 11 der ganz abnorme Titel auffHUt. Eine Fälschung
ist in solchem Falle überhaupt nicht wahrscheinlich; denn diese
scheiden sich meist streng in zwei Gruppen: in Fälschungen
im engeren Sinne, die ohne echte Vorlage oder mit Benützung
von Diplomen früherer oder späterer Herrscher angefertigt wur-
den und sich meist durch die graphische Ausstattung und durch
ungereimtes oder mindestens unzeitgemässes Protokoll verrathcn,
und in Interpolationen, bei denen ein echtes Diplom zur Vor-
lage genommen und unter strenger Beibchaltimg des Formel-
rahmens und mögUchst getreuer Nachahmung der Schrift sach-
lich erweitert oder umgeändert wird. Nur der letztere Fall
könnte bei der kanzlcigemässen Ausstattung und den vollkommen
regelmässigen übrigen Formeln bei Stumpf 3403 statthaben;
aber gerade dann würde es sich erst recht nicht erklären, dass
der Fälscher durch Einfügung eines ungebräuchlichen Titels
die Glaubwürdigkeit seines Machwerkes von vornherein arg
beeinträchtigt hätte. Selbst für diesen Fall, zu dessen Annahme
übrigens kein triftiger Grund vorliegt, müssten wir mit Ficker
die Unregelmässigkeit bereits auf die echte Vorlage zurück-
führen.
Zu Formel H unseres Diploms bemerkt Bernhardi 122,
Anm. 45: ,Der Titel Chuonradus secuudus Romauorum rex au-
gustus kommt in dieser Fassung nur noch in Stumpf 3404 und
3535 vor; letzteres ist gleichfalls für ZwetÜ und Stumpf 3-403
nachgebildet.' Auf diesem Wege wird man wohl schwer zu
einem Urtheil darüber kommen; ich glaube vielmehr drei Dinge
scheiden zu müssen: 1. den Titel ,augustus', 2. Fehlen der
Devotionsclauscl, und 3., was Bernhardi ja gar nicht wissen
konnte, Fehlen des Königsnamens im Original.
Stumpf 3400 anzweifelt: 1. beim Erzbischof von Mainz steht nur
»archicancellarii*, nicht »archiepiscopi* (vgl. dagegen oben S. 330); 2. in
einer vom König selbst erlassenen Urkunde erklärt sich nicht der
Beisatz: ,regnante Conrado Romanorum rege secundo*; — allein diese
Stilisirung ist geradezu die regelmässige; 3. Sigillum pondens statt im-
pressum; soweit ich nach Angabe der Dnicke feststellen konnte, findet
sich Sigillum pendens noch bei Stumpf 3407, 3480, 3579. Vgl. Bresslau
U. L. 1, 966.
332
Der Zusatz augustus, in späterer Zeit auch vom deutschen
König angewendet, ist in unserer Zeit noch Prärogative des
Kaisertitels, kommt daher Konnid III. rechtmässig nicht zu.
Dennoch linden wir in den Diplomen dieses Königs, der ja auf
Ansehen und Titel um so eifriger bedacht war, je weniger die
wirkhche Machtvollkommenheit dem entsprach, wiederholte Ver-
suche, den sehnhch gewünschton und nie erlaugten Kaisertitel
wenigstens theilweisc einzubürgern. Wenn in der bei Otto von
Freising (Gesta I, 25) überlieferten Correspondenz mit dem
byzantinischen Hofe der volle Kaisertitel geführt wird, so ist
dies wohl aus dem Rangstreit zwischen dem abend- und morgen-
ländischen Kaiserreich zu erklären. Ziemlich häutig tindet sich
der Titel ,Romanorum rex et semper augustus' in der Wibal-
dinischen Briefsammlung,' in Schreiben des Königs an Papst
Eugen III., *^ an die Kömer,^ an die Pisaner^ imd an Abt Wi-
bald;^ offenbar ist auch hier das Bestreben vorhanden, den
vorwiegend italischen Empfängern gegenüber wenigstens einen
Theil der kaiserlichen Autorität zum Ausdruck zu bringen.
Auch in den Diplomen begegnen einzelne unter sich nicht
ganz gleichartige Fälle; so tritt in Stumpf 3376 Or., 3399 K.,
3404 K., 3481 (Jr. ganz analog dem Zwettler Diplom der Zu-
satz augustus wohl in Formel II auf, kehrt aber in der Signum-
zcilc und der Datirung nicht wieder; zu bemerken wäre auch,
dass sich die angeftihrtcn Diplome zeitlich ziemlich nahestehen
und sämmtlich in die ersten Regierungsjahre fallen. Bei Stumpf
3571 K. und 3580 K., welche das augustus in Titel, Signum-
zeile und Datiiomg gleich massig aufweisen, Hesse sich streiten,
ob dies nicht blosser Zusatz des späteren Copisten ist; allein
es wäre dann schwer zu erklären, dass man an zwei verschie-
denen Orten (Bisthum Hildesheim und Kloster Liesbom) zwei
Urkunden ganz in <lemselben Sinne überarbeitet hätte; wieder
scheint vielmehr auch der kurze zeitliche Zwischenraum auf"
einen vereinzelten Versuch eines bestimmten Schreibers oder
Dictators hinzuweisen.
* Jaff^, Mon. (.'orbeiuiisia, Bibliotlieca 1.
2 1. c. opistola Nr. 83, 84, 217, 281, 2.80, 289, 242, 24«, 840, 846.
3 1. c. Nr. 845.
* 1. 0. Nr. 844.
•■' 1. c. Nr. 144, 17U.
333
Ganz absonderliche Titulaturen erscheinen in Stumpf 3558
und 3559 im ganzen Formeh-ahmen: ,Conradus d. f. cl. sue regaHs
prosapie Romanorum rex secundus augustus'; in Stumpf 3559,
das nur in Copio vorhanden ist, ist das ,secundus^ in F. II zu
,semper^ corrumpirt, die Signumzeile fehlt. Bei Stumpf 3558,
einem noch erhaltenen Diplom für das Kloster St. Lambrecht,
liesse sich, natürlich nur nach den inneren Merkmalen; wohl
die Vermuthung aufstellen, dass es nicht in der königlichen
Kanzlei entstanden, sondern von dem EmpfHnger bereits fertig
eingereicht worden sei; dafür würde auch der Umstand sprechen,
dass die Arenga starke Anklänge an das älteste päpstliche Pri-
vileg für das genannte Kloster aufweist.^ Allein dann ist noch
immer nicht aufgeklärt, wie dieselbe Fassung in ein Diplom
für das mit St. Lambrecht in gar keinem Zusammenhang stehende
Kloster Raitenhaslach (Stumpf 3559) kommt. Möglich, dass ein
Schreiber an der pompösen Fassung Gefallen fand und sie für
das eine Diplom versuchsweise beibehielt.
Der Zusatz augustus dürfte demnach in Diplomen Kon-
radö in. als selten, aber nicht unstatthaft erscheinen.
Aufßllliger ist das Fehlen der Dcvotionsclausel; es be-
gegnet ausser in der wohl gleichzeitig mit dem Zwettler Diplom
ausgefertigten Klosterneuburger Urkunde Stumpf 3404 nur noch
in Stumpf 3499, einer nach Bernhardi 433, Anm. 10 sehr man-
gelhaft überUeferten Copie. Noch bedenklicher ist das Fehlen
des Königsnamens; dass der König im Titel genannt sein musste,
war für jeden Fälscher ebenso selbstversUlndlich wie für das
Kanzleipersonal. Da lässt sich das Fehleu desselben nur der
Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit zuschreiben, mid diese
glaube ich bei dem mechanisch arbeitenden Kanzleisehreiber
viel eher voraussetzen zu können als bei eineiÄ doch mit be-
stimmter Absicht und Sorgfalt vorgehenden Fälscher. Dank
der durch die ,Mon. Germ. Diplomata' angebahnten gewissen-
haften Urkundenedition unserer Tage haben wir ja von dem
Walten der königlichen Kanzlei ebenso richtigere als filr dieselbe
* IL. Nr. 6230. Zahn, Urkundeiibuch 1, 115: ,Religiosi8 desiderÜH digiiuin
est facileni probere coiiHensuin, nt .tidolin devotio colerom sortiatur
effectam.*
Stampf 3558. Zahu 1, 2D2: ^JuKti» ot religiosis desideriis digimni
est facilem prebere coiiHenHiim, ut fidolin et rntionabilis devotio celereni
ttortiatur effectuni.*
334
minder günstige Begriffe erhalten. "^Auch für die Zeit Kon-
rads III. wäre unser Fall nicht der einzige; so lautet Formel II
von Stumpf 3517 Or.: ,Cunradudus divina favente dementia rex
seeuudus'; der Name des Königs ist verballhornt, das ^Roma-
norum' wohl nur aus Flüchtigkeit weggelassen, ebenso in Stumpf
3425 Or. ; aus dem gleichen Grunde dürfte in Stumpf 3503 K.
und 3599 Or. das ,favente' in der Devotionsclausel fehlen; in
Stumpf 3397 K. lässt sich nicht entscheiden, ob in der Datirung
,A. d. ine. 1139, indict. II. anno vero regni eins 11.* das ,regnante
domno Conrado Romanorum rege secundo* erst vom Copisten
oder bereits vom Kanzleischreiber weggelassen wurde.
Bei unserem Stumpf 3403 will es mir fast scheinen, dass aus
Versehen der ganze erste Theil von Formel 11: ,Conradus divina
favente dementia' weggeblieben sei und erst mit ,S6Cundus etc.*
begonnen wurde. Ganz vereinzelt, wenn auch für die Kritik
von minderem Belang, ist in der Recognition der Zusatz ,domni';
derselbe findet sich sonst nur noch in Stumpf 3426 a, K.
Im Ganzen bietet die Abnormität der unter Konrad III.
überhaupt vielfach schwankenden Titelform keinen genügenden
Grund, an der Echtheit der Zwettler Gründungsurkunde zu
zweifeln, zumal da auch der Rechtsinhalt zu keinerlei Bedenken
Anlass gibt. Die angeführten Besitzungen befanden sich stets
im unangefochtenen Besitze Zwettls und kehren überdies in der
nur wenig jüngeren und, wie ich unten nachzuweisen glaube,
unzweifelhaft echten Bulle Innocenz' II. wieder. Auch die
fehlerhafte Schreibweise ,Lerate8^ statt ,Geratcs* (das heutige
Dorf Gerotten nördlich von Zwettl) erklärt sich eher bei einem
Schreiber der Kanzlei als bei einem ortskundigen Fälscher im
Kloster.*
* Die stilistische Fa8.siing der Gronzbesehrcibung iu Stumpf 3403 ist ein
wahres Muster von Uiibeholfenhoit und Unverständlichkoit. Der Autor
des Stiftungsbuches hat erst in dem hinzugefügten Commentar und be-
sonders in der Sage von dem Ritt, den Hadmar von Kuenring und Abt
Hermann um die Grenzen des Klostergebietes unternommen haben sollen
(Fräst 43), einen Schlüssel zum Verständniss geboten. Die heutigen topo-
grapliischen Bestimmungen hat der hierin wohl berufeuBto^ Localhistoriker
Fräst in der ,Kirchlichcn Topographie* 1. c. 7, w^ie ich glaube, vollkommen
befriedigend gegeben. Besonders scheint mir durch Frasfa Eiklärang
der ,Polen8teig' als westüstlicho und der 3^k™6i>steig* als südnOrdltche
Strasse sichergestellt.
iesalich seien noch iIlt Eiiireiliiinff iler Urkunde
leo gfswidmct. Slmiipl' tul sk'h entgegen dem alteu
Böhmer' sehen ADsatze iür den Spätherbst 1139 entschieden.
ludiction III würde an und tUr sicli für eine Septemberindiction
> and daher fUr die Htumpfauhe Kini-eihimg spreehen; aUein die
^hl steht auf Kaüur, ohne dass sieh entscheiden liease, ob die
Jorreetnr ureprünglich oder erst nuehtriiglichvorgeuomuieu wurde;
I Stumpf Nr. 3402, 3419, 3432, 344», 3480, 348Ö ateUt sich
llierdies Neujahrsindietioii als die vorherrschende heraus. Das
r ist nicht cutscheidend, da sich Küuig Konrad im Laute
) Jahres 1139 nwcimal im Ebass aufhielt. Auch dass ^lark-
f Leopold IV, bereits den Herzogstitel von Baiern fUhrt, ist
tcht massgebend, denn die Belehnung dürfte naeh Bcrnhardi
bereits vor dein ersten Aufenthalte im Elsaes erfolgt sein.
Von den Zeugen erscheinen Bischof Embrico von Wüizburg,
\ Herzog Friedrieh von Schwaben und Markgraf Hermann von
Baden fast in allen Stücken früher und später in des Königs
Mähe. Das Entscheidende dürfte die Erwilhnung Bischof
Qebhards von Strassburg in der Zeugenreihe sein. Gebhard
wV*^ ^ keiner der Urkunden vom Frühjahr 113"J, von denen
Köülige in Strassburg selbst ausgestellt sind, als Zeuge angef\ihrt,
1 ich mir nur daraus erkläre, dass er damals nicht in Strass-
gewvilt, sondern an dein gleichzeitig tagenden zweiten
araa-Coneil theilgenonimen haben inuss. Gerade seiu Auf-
wten in Stumpf 3403 und 3404 bestimmt mich dazu, miuh
i Stompfschea Ansätze anzuscbliesscn.
Wesentlich schwieriger gestaltet sieh die Frage über das
weite Diplom Konrads lU. für Zwettl, Stumpf 3535 (Fräst 41).
nras bei Stumpf und auch im Zwettler Archivkatalog als Original
eichnet wird, ist ein auf beiden Seiten gleich schlecht gc-
Iftttutes Pergamentstück (^liuks 24, rechts 23 Cm. hoch, oben
B'2, anten 132 Cm. breit), mit dunkler Tinte von einer Hand
Hchrieben auf elf blinden Linien in roeto; links und rechts
t ganz an den Rand geschrieben-, die verlängerte Schrift der
Ktcn Zeile ist ungleich hoch; zwischen Z. 1 und 2 und Z. 9
10 finden sich Spuren frUlierer Schrift; über ,rex- (Z. 2)
Hit gauz verblasst ,qui', unter ,HartmaDnus cpiscopus' (Z. II})
I ebenfalls Schriftspuren und ebenso (iber ,Bawarie Engil-
' (Z. 10) vier lange Schärte wie von verlängerter Schrift;
angeführten Worte seibat stehen auf Rasur; Z, IJ ist nach
336
/(ui dicitiir' ein ,Ch' radirt und erst Z. 7 mit ^Champ^ begonnen.
Von 8iegclunjL|^ findet sich keine Spur.
Eines zeigt das vorliegende Stumpf 3535 auf den ersten
Blick, dass es die äusseren Merkmale, die wir von einem feier-
lichen Diplom verlangen, nicht an sich trägt. In der schlichten
Fassung und Ausstattung erinnert es einigermassen an die Ur^
künde Lothars IQ. in den ^Kaiserurkimden in Abbildungen^,
Lief. 6, T. 6, nur dass es noch das Fehlen des ganzen Eschato-
kolls voraus hat. Bereits Ficker hat in seinen Beiträgen zur
Urkundenlehre 2, 8 darauf hingewiesen, dass unter Konrad HI.
die Scheidung zwischen feierlichen und einfachen Privilegien
ihren Anfang nimmt; letztere entbehren im Eschatokoll meist
Signum und Recognition, eraetzen aber diese mangelnden Be-
glaubigungsformen durch AntUhnmg von Zeugen. Es wird sich
vielleicht empfehlen, die für Konrad III. vorliegenden Diplome
mit unvollständigem Eschatokoll ins Auge zu fassen, und zwar
die Originale, da mau ja bei Copien nie sicher sein kann, ob
nicht erst der Copist Signum und Recognition als ihm unwesent-
lich weggelassen hat. Nur bei einer Copie Stumpf 3557 haben
wir eine bestimmte Nachricht (vgl. Ficker 2, 137): Kaiser
Friedrich hat dieses Diplom, dem das ganze Eschatokoll fehlt,
wörtlich bestätigt mit der Begründung: ,Quoniam quidem ante-
fatus predecessor noster huiusce negotii Privilegium loco illi morte
prevcntus facta nimirum prefati verbi dilatione non reliquerat'
Die Erklärung sucht Ficker darin, dass auch dem Origi-
nale das Eschatokoll fehlte, dass es unausgefertigt als Coneept
oder Reinschrift liegen blieb.
Von erhaltenen Originalen gehören hierher Stumpf 3388,^
3418, 34()1, 34<)3, 3514, 3518, 3530, 3563, 3603. Es nimmt
mich einigermassen Wunder, dass Ficker und nach ihm Bem-
hardi fast von allen diesen Urkunden annehmen, dass sie von
der Kanzlei entweder als besiegelte Blanquette ausgegeben oder
von den Empfängern Ijcreits fertig nur zur Siegelung eingereicht
worden seien.
Silmmtliche Stücke enthalten doch eine Reihe gemeinsamer
Slerkmale: Signum und Recognition fehlen (nur Stumpf 3430
weist Signumzeile auf), doch sind die Urkunden besiegelt und
mit Zeugen versehen; die Datirung ist kürzer, nur in Stumpf
3463 zweitheilig, und eingeleitet mit ,Acta sunt hec* etc.; 3518
» Echtheit zweifelhaft; v^l. ötumpf, ZusÄtze Nr. 3388.
337
hat dafür die Variante: ,Facta sunt hec^; im Titel begegnet
mehrfach das ,ego^ Es fiillt doch auf, das die verschieden-
sten Parteien sich nach ein und derselben Schablone Königs-
urkunden ausgefertigt haben sollten; freilich lässt sich dagegen
einwenden, es sei eben die Schablone der Privaturkunden; aber
diese kann ja ebenso gut die Kauzlei selbst für minder feier-
liche Ausfertigungen angenommen haben. Die Frage zu lösen
wird wohl der Untersuchung des graphischen Bestandes dieser
Diplome vorbehalten, bleiben, besonders ob Zeugen und Da-
tirung von gleicher Hand wie der Context geschrieben oder
von anderer Hand, wohl in der Kanzlei gleichzeitig mit der
Siegelung, nachgetragen sind. Zeugen und Datirung, mögen
sie sich auf Handlung oder Beurkundung beziehen, kann ich
mir in der von der Partei selbst ausgefertigten Königsurkunde
nur erklären im Blanquette und in der nach erfolgter Bewilli-
gung des Königs geschriebenen und nur zur Siegelung einge-
reichten Urkunde,' auf keinen Fall aber in dem von dem Em-
pßlnger erst zur Bestätigung eingereichten Urkundenentwurf.
Das zeigt am besten Stumpf 3603, eine Originalsupplik des
Grafen Quido von Biandrate, fUr deren italienische Provenienz
das von Bemhardi 204, Anm. 3 gänzlich missverstandene Chris-
mon in Labarumform und die Lotharische Livocation: In nomine
dci eterni* sprechen; der Entwurf selbst entbehrt des ganzen
Eschatokolls, enthält aber mehrere Nachträge und Zusätze von
untereinander theilweise wieder verschiedenen Händen; einer
derselben (Zusatz 2) enthält eine ZeugenreÜH». (vgl. Bernhardi 1. c).
Der Entwurf war nach Ficker 2, 504 dazu ])ostimmt, als Vor-
lage filr eine kanzleigemässe Ausfertigung zu dienen, erhielt
aber, da sich diese verzögerte und schliesslich unterbliel), eine
vorläufige Beglaubigung durch Sigillum impressum.
Kehren wir nach diesem Excurs zu unserem Z wettler
Diplome zurllck, so Hesse sich dasselbe seinem Inlialte nach zu
den einfachen Privilegien ganz gut einreihen. Die Datirung
tritt zwar in noch primitiverer Gestalt auf, enthält aber dieselben
Elemente, auf die auch die Datirung von Stumpf 3518 beschränkt
* Einen interesflanten Nachtrag in «lor Zeuponreiho hiotot das für die
zehnte Lieferung der Kcaiflcrurkutidon in Ahbildiinf^en lieHtiinnito Probe-
blait von Stumpf 3372, wo mit ,Embrico Werceburgonsi» opiscopns* eine
neue Hand einsetzt und die folf^enden Zeugen big hart zur Signumzeilo
hin. einachiebt.
338
ist. Auch der in der Mitte zwischen diplomatischer Minuskel
und reiner Bücherschrift stehende, jedenfalls zeitgemässe Schrift-
charakter liesse sich daftlr geltend machen. Auffallender ist
schon das Fehlen der Siegelung. Aber unserer Urkunde fehlt
eines, was SickeP mit Recht als den wichtigsten Unterschied
in der äusseren Gestaltung zwischen Concept und Reinschrift
geltend macht, die ,carta legitima*. Mochte die AusfertigODg
ih der Kanzlei oder von Seite des Empfängers erfolgen, auf
jeden Fall musste reines Pergament von entsprechender Güte
und Grösse dazu genommen werden, nicht aber ein kleiner, schief-
winkeliger schlechter Zettel, der bereits Spuren früherer Benützung
an sich trug. Dies allein benimmt schon unserer Urkunde den
Anspruch auf Originalität. Ebensowenig aber kann von einer
Fälschung die Rede sein; denn von einem Fälscher wäre es
noch viel unerklärlicher, dass er durch Wahl eines elenden
Schreibstoffes seinem Werke im voraus alle Glaubwürdigkeit
benommen hätte. Femer lag ja, wie Titel und Arenga bezeu-
gen. Stumpf 3403 als Vorurkunde vor; an ihr konnte sich der
Fälscher über die Erfordernisse eines regelrechten Diploms doch
leicht informiren. Wir werden uns mit Ficker vielmehr hüten,
Mangel einzelner Beglaubigungsformeln als Verdachtsgrund der
Fälschung anzimehmen. Auch der Beweggrund zu einer solchen
ist nicht einzusehen. Inhalt der Urkunde ist die Bezeugung,
dass der König auf Vermittlung Herzog Heinrichs von Baiern
dem Kloster ZwetÜ einen Wald geschenkt habe, der zwischen
dem Kampflusse und ,einem allen Bewohnern jener Gegend
sehr bekannten Wege' li^ge; dieser Weg ist der ,Polensteig^,
und die Schenkung betrifft den KJosterwald, der unmittelbar
dem Stifte gegenüber am rechten Ufer des Kamp ansteigt und
nach den angegebenen Grenzen bereits zu dem in der Grün-
dungsurkunde verliehenen Besitze gehörte, dort aber, als zwi-
schen den Dörfern Rudmans und Pötzles liegend, nur implicitc
mitbegriffen war. Damit wird die Annahme irgend welcher
mala fides haltlos.
Bleibt also nur die Möglichkeit zwischen Concept und
Copie, und diese Frage wage ich nicht mit Bestimmtheit «u
entscheiden. Der Inhalt wäre flir den Zweck eines Conceptes
vollkommen gerechtfertigt: Titel und Arenga aus der Vorurkunde
1 Beiträge zur Diplomatik VI. Wiener Sitzungsberichte 86, 4120—481.
3S9
hui- Inlialt-, Zeugen und die Elemente der Datinin^;
iei bliebe os unentachieden, ob die Reinschrift die schlifhkTc
des einfaoben Privilegs beibebalten oder durch Ausflllliino;
Eschnlokolls nach den dem Ingrossator geläufigen Fonneln
xata feierlichen Privileg werden sollte; die Anwendung von
Terlängerter Schrift und langen Oberschäften Hesse sich dabei
^er hlichstens durch die Annahme erklären, dass eine Art von
!om«tischer Majuskel als der dir den Kanzleischreiber ge-
ttigen Schrift auch zum Concept in Gebrauch gewesen sei.
Die Einreibung der Urkunde zum Regensburger Reicha-
I, Frilhjahr 1147, bei Stumpf und Bemliardi 543 ergibt sich
der Zeugenreihe. Wohl erscheinen alte Zeugen bei Rühricht.
»ti^ge Jtnr Geschichte der Kreuzzüge 2, 311 ff. als Theil-
imer am zweiten Kreuzzuge; aber Röhricht beruft sich dabei
Dadik (Oeseliichte Mährens 3, 237) und dieser auf das
^etiler Diplom, das er erst im Lager, etwa hei Ardakker,
ausgestellt sein iMsst. In Wirklichlfeit haben die Bischöfe Hein-
rich von Ol mutz und Anselm von Havelberg nielit an der
königlichen Kreuüfabrt, sondern am gleichzeitigen Slavenzuge
th eilgenommen; Anselm von Havelberg erscheint noch auf dem
Nürnberger Reichstage, 23. April, in der Umgebung des Kfinigs,
dagegen nicht mehr die Bischöfe Hartmann von Brixen und
Itmann von Trient.
Gleich den beiden Diplomen König Konvads HI. soll nun
auch die Reihe der an Zwettl verliehenen päpstlichen Privi-
legien in den Kreis der Untersuchung gezogen werden; es sind
dies: Priv. Innoccnz' II. IL. 807Ö, Hadrians IV. IL. 10252,
lenanders HI. IL. 13349, Innocenz' HI. Potth. 3896; dazu
imcn noch zwei zur Interpretation der Zehentfrage erlassene
liben Urbans HI. TL. 15909 nnd Gregoi-s IX. Potth. 8496.
Das Privileg Innoccnz' II. sieht nach der bis jetzt einzig
(kannten Uelierlieferung aus dem Stiftungsbuche (Fräst 37)
sht sehr Vertrauen erweckend aus. Erstens wird darauf gegen
sonstige Gepfiogenheit in den späteren Privilegien nie Rüek-
it genommen; dann begegnet im Context ein mit der Da-
\g unvereinbarer Passus. Während nJtmlich die Datumzeile
N Annahme von Stilus Florentinus zum 27. Februar 1140 in
Angaben stimmt/ wird im Context der am 18- October
» Sriinitjnli
^ -Kl. VvX
340
1141 verstorbene Baiernherzog Leopold bereits als ^nobilis me-
moriae' ])ezcichnet; die Bulle könnte daher frühestens in den
Februar 1142 gehörend Dem widersprechen aber nicht nur alle
Zeitangaben, sondern auch der Kanzlernarae Aimerich. Grund
und Entst(jhung einer Fälschung scheinen leicht erklärlich. Der
Autor legt bei seiner oben erörterten Tendenz in der Zehentfrage
grossen Werth auf die volle Zehentfreiheit alles vor dem vierten
Lateran - Concil innegehabten Besitzes. Nun hatte aber das
Privileg Hadrians IV. IL. 10252 dem Kloster Zwettl nur von
den Neubrüchen Zehentfreiheit zugestanden, während Heiligcn-
ki'cuz allerdings am 27. Februar 1 140 von Innocenz IL die
volle Abgabenfreiheit von allen Arbeiten zugesichert erhalten
hatte. '^ Da war es wohl möglich, dass der Compilator des
Stiftungsbuches die ihm gewiss zugängliche älteste Bulle des
Mutterklosters zu eigenen Zwecken copirte, dabei aber durch
die Hinzufligung des ,nobiIis memoriae' zum Namen des mit-
begründenden Herzogs selbst seinen Betrug verrieth.
Der Verdacht betreffs der Zehentfrage wird bei näherer Be-
trachtung sofort hinfällig. Die Päpste des 12. Jahrhunderts waren
in der Gewährung von Zehentbefreiungen nicht consequeht. Inno-
cenz II. gehörte; darin zu den freigebigeren; so wurde von ihm
einer Reihe von Klöstern volle Zehentfreiheit zugestanden, so
IL. 804G für das Kloster Prüfingen, 7504 f\ir St. Vanne de
Verdun, 7544, 8073 und 8078 fUr die Cistercienserklöster «air-
vaux, Salem und A]ten])erg, letzteres Privileg von demselben
Tag wie das Heiligenkreuzer; ebenso vom 23. November 1140
für St. Paul (Fontes rerum Austr. II, 39, 79) und vom 9. April
1143 fiir Neustift in Tirol (Fontes rerum Austr. 11,34, 7). Eine
feste, auch ins canonische Kecht übergangene Norm hat zuerst
Alexander III. eingeführt,^ indem er nur den Cistorciensern,
Johannitern und Templern volle Zehentfroiheit gewährte, bei
allen anderen Orden aber dieses Recht auf die Neubrüche ein-
schränkte. So erhielt Zwettl durch die oben angef\lhrtc Bulle
dieses Papstes Zehentfreiheit von allen ,labores', während den
Klöstern St. Paul und Neustift (IL. 12799, 12845) das eben
' Hernliardi .setzt sie zu 1141, weil er irrtbüinllcb bereits 1140 als das
Tofbisjabr Herzog Loripobis jinbinnnt; vergleiche dagegen Meiller, Re-
gestoii j). 29.
2 Urkundenbiicb des Klosters Ileiligeukreuz, Fönte« rerum Austr. II, 11, 4.
3 Vgl. oben S. 295.
341
erwähnte Privileg Innocenz' IL auf die ,novalia' beschränkt
wurde. Aber mit Unrecht führte Alexander III. diese Ver-
folgung bereits auf seinen Vorgänger Hadrian IV. zurück.
Dieser war vielmehr noch strenger vorgegangen, indem er volle
Zehentfreiheit keinem Orden, auch den Cisterciensern nicht,
zugestand. In zahlreichen Privilegien dieses Papstes, die ich
zu dem Zwecke durchsah, ist mir auch nicht ein Ausnahmsfall
begegnet. Von Cistercienserklöstem führe ich flir deutsches
Gebiet Hardenhausen (IL. 10076) und ausserdem eines der vier
Stammklöster, Pontigny, an; beide erhielten nur zugestanden:
,Sane novalium vestrorum . . . nullus a vobis decimas exigere
presumat' Weder das Schwanken in dieser Richtung, noch
das Verdrängen eines bereits bestehenden ,privilegium maius'
durch ein ,minus', wie wir es bei St. Paul und Neustift nach-
weisen konnten, darf uns demnach befremden; es entfkUt daher
auch jeder Grund, das Zwettler Privileg vom sachlichen Stand-
punkt aus anzuzweifeln; dagegen bleibt die chronologische
Schwierigkeit bestehen.
Läge uns das Privileg nur in Copie vor, so wäre die ein-
fachste Lösung wohl die, in dem Zusatz ,nobilis memoriae* eine
für die chronologische Einreihung belanglose Pietätsäusserung
des Copisten zu erblicken. Nun fand ich aber in Zwettl die
inhaltlich vollkommen gleichlautende,* mit allen Kriterien der
Echtheit versehene Originalbulle vor, zu deren Prüfung mir in
den Pflugk-Harttung'schcn ,Specimina' und besonders in den
jetzt im Besitz des k. k. Instituts ftlr österr. Geschichtsforschung
befindlichen, viel sorgftlltigeren und instructiveren Diekamp-
schen Pacsimiles ein reiches Material zu Gebote stand; von
Originalen wurden das vom gleichen Tage ausgestellte Privileg
für Heiligenkreuz (IL. 8080), ein im k. und k. geheimen Haus-,
Hof- und Staatsarchiv in Wien befindliches Privileg für das Salz-
burger Capitel (IL. 7937) und zwei Privilegien aus dem Archive
des Stiftes St. Paul in Kärnten, das eine für Lorch (IL. 7771),
das andere ftlr St. Paul (IL. 8106), in die Untersuchung ein-
bezogen.
Das Privileg Innocenz H. fiir Zwettl (52*5 Cm. hoch,
43*7 Cm. breit) ist von einer Hand mit dunkelbrauner Tinte
* Das störende ^unt* statt »siimiis* (Fräst 87), femer ,(lilecto' statt ,dilecte*
und Z. 7 von nnten ,hoc' statt ,her* stellten sich als blosse Lesefehler
des Editors herans.
AnUT. Bd. LXIYJ. JJ. Hiltte. "^
342
auf gut calcinirtem Pergament geschrieben; die Unterschriften
sind, wie unten näher auszuflihren, individuell; an rothgelber
Seidenschnur hängt die gleich dem ganzen Privileg vorzüghch
erhaltene Bleibulle (Namenstempel = Diekamp, Mittheilungen
des Instituts ftlr österr. Qeschichtsforschung 3, 61ö Innocenz IL
Nr. 2 = Abb. Nr. 11, Apostelstempel = Diekamp 1. c, Abb.
Nr. 2). Diekamp vermochte diese Bulle erst seit 1143 nachzu-
weisen, während sein letztes Beispiel von der Bulle Innocenz 11.
Nr. 1 dem Jahre 1139 angehört; da, wie ich gleich bemerken
will, auch das Heiligenkreuzer Privileg bereits die dem Zwettler
analoge Bleibulle ti*ägt, ist das Vorkommen derselben seit 1140
gesichert; an der St. Pauler Urkunde ist die Bulle leider ab-
gefallen.
Auch in Schrift und Ausstattung gleichen sich das Zwettler
und Heiligenkreuzer Privileg auf ein Haar; so in der ganz
charakteristischen Verzierung der verlängerten Schrift; die Con-
textschrift stimmt bis in alle Einzelheiten (gespaltene Ober-
schäfte, kurz gezogene et- und «f- Verbindungen, die sonst sehr
seltene Verschränkung von ae). Vollkommen in Grösse and
Gestalt gleichen sich auch ,Rota^ und ,Benevalete*; die ,Sub-
scriptio papae^ ist identisch, die Cardinalsunterschrift;en begegnen
in gleicher Ordnung, Stellung imd demselben Abstand,' nur
bei den Cardinaldiakoncn stehen im Heiligenkreuzer Privileg:
,Ego Gregorius' und ,Ego Octavianus' noch genau unter den
beiden vorhergehenden, und erst ,Ego Presbiter' tritt weiter
nach rechts. ,Ego Gregorius diaconus cardinalis sancti An-
geli SS.' ist überhaupt die einzige nicht ganz identische Cardi-
nalsunterschrift, indem der Name des Cardinais ausgeschrieben
ist gegenüber GG im Zwettler Privileg; ,sancti Angeli und Sub-
scriptionszeichen decken sich wieder vollkommen.
Die verlängerte Schrift der ersten Zeile, besonders die
Ausschmückung des / als Initiale des Papstnamens und des in
ppm findet sich ebenso in den Diekamp'schen Facsimilen von
n.. 7893, 7972, 8046 und Pflugk-Harttung, Specimina T. 68,
Nr. 2 rechts IL. 8036. Zur Vergleichung der Contextschrift
1 Es mag hier bemerkt werden, dass im Original des Heiligenkreaser Pri-
vilegs entgegen der Ausgabe in den »Fontes rerum Austr. II, 11, Nr. 4 der
Cardinalpriester Lucas seinen Titel nicht von den ,socüS aondem von den
ysancti* Johannes und Paulus führt, und daas der xweite der Diakonen
sich nicht ,Lepotto% sondern ,Ego Otto* nennt.
343
ist das Harttung'sche Facsiinile zu dürftig; wohl aber begegnet
derselbe Schreiber im St. Pauler Privileg.
Die Rundschrift der ,Rota' ^ hat in allen Stücken denselben
Charakter: schief gestelltes a mit etwas überragendem Schaft,
d mit kurzer, stark nach links geneigter Überlänge, inindes,
etwas unter die Zeile auslaufendes «, in ,noster^ Ligatur von
8t und Majuskel r.
Bezüglich der Subscriptio papae habe ich das von Die-
kamp 1. c. 576 aufgestellte Ergebniss nur bestätigt gefunden.
Sie ist in allen von mir verglichenen Stücken identisch; etwas
grösser als die Oontextschrift mit langen, geraden oder nur
wenig nach links ausgebuchteten Oberschäften, die Unterlänge
des g in ,Ego^ ist stets mit Schlinge versehen, im Namen be-
gegnet immer langes *, in ,catholicc ecclesi^^ immer e caudata,
das h von catholic^ ist immer auslaufend, nie nach rechts um-
gebogen, in eps rundes, nach abwärts auslaufendes «; das Sub-
scriptionszeichen besteht aus zwei parallelen, stark gekrümmten
Strichen, die von zwei ebenfalls parallelen gekreuzt sind. In
der St. Pauler und Lorcher Bulle ist die Gleichheit der Tinte
in Devise und Subscriptio papae und ihre Verschiedenheit von
der Tinte der Oontextschrift sehr deutlich erkennbar.
Das Benevalete tritt in mehreren Formen auf; es schwankt
in der Grösse und dann vorzüglich in der Behandlung des A
und des vom zweiten Schaft nach links ausgehenden Balkens.
In der früheren Zeit wird das A geradlinig gebildet, der BjU-
ken verläuft sehr charakteristisch nach links oben (Diekamp,
FacsimUe von IL. 7456, 7937, 771)4, PHugk-Harttung T. 65, 67).
Daneben ist seltener das im Zwettler und Heiligenkreuzer Pri-
vileg begegnende ,Benevalete^ mit geschweiftem A und horizontal
nach links verlaufendem Balken (Diekamp, FacsimUe von IL.
7974, Pflugk-Harttung^ T. 68, Nr. 2, rechts, St. Pauler Privileg).
Die Cardinalsunterschriften zeigen, soweit eine Vergleichuug
möglich war, theils einen einzigen feststehenden, thcils ein paar
von einander verschiedene Typen; das erklärt sich bei Annahme
von stellvertretender Subscription ganz gut dadurch, dass in
dem einen Falle die Stellvertretung dieselbe blieb, während sie
in einem andern wechselte.
Ich komme schliesslich zur Datumzeile: Vor Allem handelt
es sich, die Antheilnahme des Kanzlers an derselben festzu-
* Adiuva nos deus salutarU noster.
344
i?u-Uen. Wenii Kaltenbrannt-r Mhth. 1. 3f©» bervi>rhebt dass
Aimeric-u* an der Schreibung: der Datumzeile im Grossen und
Ganzen keinen Antheii hau S4j kann ich dem nur zustimmen:
alK:r während für die trühere Zeit und auch später fiir Gerard
und Koland die Art der Antheilnahme im Einzelnen bestimmt
ist, sind ^erad^- tur Ainit-rii-h weder Kaltenbrunner noch Die-
kamp zu jM^sitivm Er;rebnisi?en gehmgt, während Pflugk>Hart-
tung* fcich elienso vorsieht! ^r als un>>estimmt dahin Äusserte,
dass ydurcli Aimerich die Nanlensinitiale öfters nachgetragen
wurde". leh <rlaube Ainierieli ^nz bestimmt die Neuerung zu-
weisen zu können, die später unter Anastasius IV. der Kanzler
Koland wieder aufgenommen hat, die regelmässige Naehtragaiu:
der Initiale iles Eigennamens. In allen von mir eingesehenen
Originalen ist das A mit dunklerer Tinte und in etwas kräfti-
gerem Zuge nachgetragen, steht auch von den Qbrigen Buch-
staben des Namens etwas entfernt. l>ie Individualität des A
glaube ich auch aus den Diekamp'schen Facsimilen von IL.
7450, 7495, 7030, 7792, 7794, 781», 7972, 7974, 7975, 8W6
und aus Pflugk-Haittung T. *>8 (IL. 8063) und 69 (IL.' 8056)
schliessen zu können.
,I)at' ist fast immer gekürzt; hat man ,data^ oder ,datam'
aufzulösen? Kaltenbrunner (1. c. 392) entscheidet sich flir ,datum^
da er als einziges Original mit ,data* IL. 7724 kennt; allein
jdata^ begegnet auch ausgeschrieben in Pflugk-Harttung T. 65
(IL. 7779) und dem Diekamp'schcn Facsimile von IL. 77üi
Gerade dies bestärkt mich, im Zusauunenhang mit dem von
Kaltenbrunner hervorgehobenen Fall, zum Mindesten fllr die Zeit
Innocenz' IL ,d{ita' aufzulösen. Das Pontiticatsjahr wird noch
in der Kegcjl in Ziffern ausgedrückt; der später fast ausnahms-
los geltende Brauch, dasselbe in Buchstaben zu schreiben, findet
sich ausser den drei Privilegien fiir Zwettl, Heiligenkreuz und
St. Paul nur noch in den Dickamp'schcn Facsimilen von IL. 7493
und 8100.
Lässt sieh also fiir die älteste Papstbulle Zwettls der Schrift-
beweis viel bestimmter erbringen, als dies beim Diplom König
1 Die Urkuiidüii dur päpstlichen Kanzlei vom 10. bis 13. Jahrliuudert,
Archiv, Zs. 6, '12. Vgl. auch die Erklärung zu Pflugk-Uarttungf »Acta
l)(>ntirtcuiu* 1, 138, Nr. 158, und Löwenfeld in der Recenaiou von ,Acta
])(>ntiticuni* 1 im llistoriMchen Jahrbuch 2, \1\^.
345
Konrads III. der Fall war, so gilt es noch, den chronologische^
Widersprach aufzuklären. Wie wir sahen, erhielt am gleichen
Tage auch das wenig früher gegründete Muttcrkloster Zwcttls,
Heiligenkreuz, die päpstliche Bestätigung, und zwar weisen die
beiden Bullen gleiche Schrift und gleiches Dictat * auf. Da war
es sein* leicht möglich, dass der Dictator den noch lebenden
Baiernherzog Leopold IV. mit dem Gründer von Heiligenkreuz,
Markgrafen Leopold HI., der damals allerdings schon ,nobiUs
memoriae^ war, verwechselte. So erkläre ich mir, dass dieser
chronologisch unmögliche Zusatz statt ins Heiligenkreuzer, ins
Zwettler Privileg kam. Die Datirung vom 27. Februar 1140
wird daher unangefochten bestehen können.
Auch die folgenden Privilegien Hadrians IV. (IL. 10252)
vom 14. Februar 11572 und Alexanders III (IL. 13349) vom
29. März 1179 sind in schön erhaltenen Originalen vorhanden.
Die Eintragung in das Stiftungsbuch ist sorgfältig und genau,
ebenso auch bei der Littera Urbans HI. (IL. 15959) vom
2(k März 1187; nur bei der Littera Gregors IX. (Potth. Nr.
849G) vom 15. März 1230 konnte ich eine Interpolation nach-
weisen: während der Text des Originales lautet: ,vel decimas
laborum de terris habitis ante concilium generale, quas propriis
manibus aut sumptibus excolunt seu nutrimentis animalium^,
sclialtct der ,Liber fundationum^ nach excolunt die Worte ein:
^t de nuvalibus sive ante concilium sive post ricquisitis'. Wenn
auch diese Interpolation nach den Beschlüssen des vierten
1 Da (las ,re1igio8am vitam eligeiitibus^ uocb niclit die Alleinherrschaft der
späteren Zeit erlangt hat, sondern einige Mannigfaltigkeit im Dictat noch
vorwaltet, ist anch auf diesen Umstand einiges Gewicht zu legen; das
Incipit unserer beiden Privilegion: ,In apostolicao sedis specula* gehört
zu den selteneren.
- Pontiiicatsjahr und Indiction beweisen, dass das Incarnationsjahr lloG
nach stilus Florentinus angesetzt ist; das unnWiglichc XVII. Kl. Mart.
kann ich doch nur als Schreib- oder Rechenfehler auffassen und kehre
daher zum alten Jaff6*schen Ansatz (14. Febniar) gegenüber dem Löwou-
feld^schen in der Neubearbeitung (IJi. Februar) zurück. Der Schrift-
cbarakter ist derselbe wie in Mon. graph. V, 14, mit dem auch das In-
cipit gemeinsam ist; besonders eigenthümlich sind die langgezogenen s
und die weitgesperrten »^ Verbindungen. Gut erhaltene Bleibulle an
rothgelber Seidenschnur; Namonstempel = Diekamp, 1. c, Hadrian IV.,
Nr. 2, Abb. Nr. 17; Apostelstempel = Diekamp, Hadrian IV., Nr. 2, Abb.
Nr. 3. Das Privileg Alexanders III. bat denselben Apostelstempel, aber
Namenstempel = Diekamp, Alexander III., Nr. 8, Abb. Nr. 20.
346
iiateran-Conoils vollkommen richtig ist (vgl. oben 8. 296), so
bleibt der Zusatz doch eine wenn auch nicht mala iide unter-
nommene Eigenmächtigkeit, zu der sich der Autor durch sein
beständiges Hervorheben der Wichtigkeit des Lateran-Concils
für die Zehentfrage hinreissen Hess.
Von allen in den ,Liber fimdationum' aufgenommenen päpst-
lichen Bullen fehlt nur zu dem grossen Privileg Innocenz' III.
(Fräst 84 ff., Potth. Nr. 3896) das Original. Dem immerhin
aufßilligen Umstände, dass gerade dieses Privileg in Verfaßt
gcrathen sein sollte, sowie der Erwägung, dass man bei der
Grösse dieses Papstes im Mittelalter einen besonderen Werth
darauf legte, sich auf von ihm ausgestellte Bullen berufen zu
können (wie denn bereits zu seinen Lebzeiten auf seinen Namen
notorisch viel gefälscht wurde), steht andererseits die sonstige
bona lides des Autors entgegen, ferner, dass sowohl Heiligen-
kreuz wie auch Baumgartenberg von denselben Tagen Privi-
legien Innocenz' III. besitzen (Potth. 3899, 3900) und das eben
gegründete Lilienfeld damals die päpstliche Bestätigung erhielt
(Potth. 3V)10'); gerade anlässHch des letzterwähnten Ereignisses
scheinen die österreichischen Cistercienserklöster coUectiv, wohl
dui'ch einen gemeinsamen Procurator, um Bestätigung ihrer Rechte
und Freiheiten bei der Curie eingeschritten zu sein. Es wäre also
im Gcgcntheil auftflllig, wenn gerade Zwettl hicbei sich aus-
geschlossen hätte. Eine Verglcichung mit dem Wortlaute der
anderen Privilegien zeigt uns dieselben inhaltlich identisch; nur
an einer Stelle weist das Z wettler Privileg allen anderen gegen-
über ein kleines Plus auf. Fräst 85: ,Sane laborum ve^stronun
quos propriis manibus aut sumptibus Colitis, tarn terris cultis
quam incultis [novalihus duntaxat) sive de ortis etc. . . . nuUus
a vobis dccimas exigere vel extorquere presumat/ Halten wir
dazu die Bulle Gregors IX., wo wir eine ähnliche Interpolation
aus dem Vergleich mit dem Original bestimmt nachweisen
konnten, so glaube ich in der Annahme nicht zu irren, dass
wir es auch hier mit einer solchen zu thun haben, dass aber
sonst der Text getreu dem jetzt verlorenen Original entnom-
men ist.
Die gute Meinung, die wir nach Allem von dem Vorgehen
des Compilators gewonnen haben, hat auch eine CoUationirong
der Babenb erger und ältesten Kuenringer Urkunden nur be-
stätigt. Insbesondere zeigten zahlreiche Stichproben, dass die
347
Datirungen mit einer ,oft bis in kleine Details gehenden Ge-
nauigkeit wiedergegeben sind; nur p. 358 ist bei MLXIII CC
und p. 443 bei MCCXXXIX ein L ausgeblieben.
Das in der Ausstattung wohl prächtigste österreichische
Chartular bewährt sich demnach auch inhaltlich sorgsam und
genau.
Der Verwerthung des in Zwettl vorhandenen urkundlichen
Materials ist aber durch die überdies unzureichende Edition des
Stiftungsbuchea noch keineswegs Genüge geschehen. Kann uns
besonders bei wichtigen Urkunden selbst die beste Copic das
Original nicht ersetzen, so würden umsomehr die vielen in das
Chartular nicht aufgenommenen Urkunden Berücksichtigung er-
fordern, und für die Zeit nach 1327 sind wir vollends auf die
knappen Auszüge bei Link angewiesen.
Aufgabe eines künftigen Urkundenbuchcs des Klosters
Zwettl wird es daher sein, eine noch recht fühlbare Lücke in
der Kenntniss der Geschichtsquellen Oesterreiehs auszufilllen
ANHANG.
König Konrad IIL bestätigt auf Bitten Herzog Leopolde von
Baiem die Gründung und Dotiimng des Cistercienserklosters
Zwettl durch Hadmar von Kuenring.
8elz, 11.39 (Spätherbst).
Stnmpf 3403. Meiller p. 26, Nr. 9.
Original im Archiv des Stiftes Zwettl {A). Liber fniKlationnm f. 8', 2 (^)-
Frant, Kirchliche Topographie, 1I./3 (XVI), 8 ans A. Ludewig, Kel. Mss. 4, 25.
Link, Annales 134. Fraat, Fontes ronim Austr. II., 3, 32 ans li.
l In nomine sancto et individn^ trinitatis. Secundus* Bomanonim rox
augustiis. *
Ad honorem conditons nostri ciiiiis disposiciono subsistimiis et gn-
bernamur qnieti fideliiim debita sollicitndine providentcs, ob statiim regni
nostri ad senricium sanct^ et pei-petn^ virginis Mari^ conscntiento an-
nuente rogante et iina mecnm mann sua tribnente Lupoldo Bawai'ico duc^
• «o A.
348
tradidimus predium Zwctel dictum in Nordica silva 8itam cum hin Tillis:
Gezesnicca, Racensrnta, Zembecolines, Lerates, Gradenze, Biitmares, Sce-
lebaos; cum his aiitem tractibuB et finibtiß notatnr: 8cilicet a lapide qui
est ultra terminum Mowderates Howmade a latere uno tenditar in direc-
tum usque ad viam que antiquitus dicitur Bolenstic, que via est cei-tiis
tcrminus usque ad aliam viam que etiam antiquitus vocatur Beheimestic;
b^c vero via ex altero latere est cei*tissimus terminus, dividens se a pre-
dicta via in loco cuius vocabulum est Gutentannen et veniens usque ad
fluvium qui Zwetel dicitur inde pmcedit usque ad alinm fluvium qui roaior
Cbamp nnncupatur. Quidquid preterea his duabus viis infra predictum
tenninum concluditur: in pascuis in aquis sive aquai'um decursibus in
silvis pratis i^^ris novalibus cultis vel excolendis vel quidquid einsdem
possessor predii Hademarus in predicta" Nordica silva possedit, quatenos
fratres illic ad servicium salvatoris nostri eiusque genitricis congregati
sive congregandi secundnm regulam sancti Benedicti per hanc nostr^ con-
stitucionis paginam contutati sine omni presumptionis infestatione nnllum
unquam habentes advocatum libere degant et pro nobis ac regni nostri
statum attencius conditorem omnlum exorent. Ut autem h^ constitncio
nostra firma et incovulsa omni permaneat evo, hanc cartam inde scribi et
sigilli nostri inpressione signari iussimus.
Testes quoquo qui presentes aderant subnotari fecimus, quomm
nomina h^c sunt: Embrico Wiziburgensis episcopus, Gebohardus Argenti-
nensis episcopus, Fridericus «lux Alsaci^, Herimannus marchio de Bada,
V
Otto abbas Salsonsis, Odalricus comos de Lonzeburc, Manegoldus de Werda,
Marquardus de Grunbach, Waltherus de Lubenhusen et f rater eius Engel-
hardus; aderant etiam capellani curi§ Chunradus frater noster, Adelber-
tus, Swichorus, Heinricus, Warinherus et alii quam plurimi.
* Signum domni Conradi liomanorum regis secundi, ♦
Ego Arnoldus cancellarius vice domni Alberti Mogvntini archiepi-
scopi et archicancellarii recognovi. (M.)
Anno dominicc incarnationis MCXXXVIin, indictione HI,** regnante
Clivnrado Romanonim rege socundo, anno vero regni eius U.**; data apn<l
Salsam; in Christo feliciter amen. (S I. D).
* di vmi gleicher Hand nachffetragen.
*' auf liasnr.
DIE EINFÜHRUNG
DES
lANNITER-RITTERORDENS
IN KÄRNTEN
UND DESSEN
COMMENDE UND PFARRE PULST
DASELBST.
VON
AUGUST VON JAKSCH.
r. Ba. LIXVI. 11. HÄlfl«. *Ii^
Einleitung.
Ankershofcn beklagte kurz vor seinem Tode in einem
Aufsätze,* worin er auf die vielfachen Lücken in der Geschichte
Kärntens hinweist, unter manchem Andern auch den Umstand,
dass man nicht einmal das Jahr wisse, wann der Johanniter-
und der deutsche Ritterorden in ELämten Eingang fanden.
Einen dieser dunklen Punkte aufzuhellen, die Geschichte
des Johanniterordens in Kärnten, seine Einfiihrung und Fort-
entwicklung, soweit dies das vorhandene Quellenmaterial ge-
stattet, darzustellen, ist Zweck des Folgenden. Wenn auch nicht
im Besitze allzu zahlreicher Daten, glaube ich dennoch mit der
VeröffentUchung des Resultates nicht länger zögern zu sollen,
da die Hoffiiung eine sehr geringe ist, dass einem Andern mehr
archivalische Nachrichten über die Johanniter in Kärnten zu
Gebote stehen sollten als mir.
Wenn auch die folgende Darstellung meist über eine An-
einanderreihung von mageren Regesten nicht hinauskommt, so
wird doch gewissermassen damit der Anfang in einem merk-
würdiger Weise bisher ganz vernachlässigten Gebiete öster-
reichischer Localgeschichte gemacht. Geschichten der einzelnen
Commenden in den verschiedenen österreichischen Ländern gibt
es überhaupt noch nicht. Das Meiste hierüber findet sich in
dem freiUch mit Vorsicht zu benützenden Buche von Dr. M. M.
Fcjrfar: ,Aus dem Pantheon des hohen souveränen Johannitcr-
Ritterordcns^ Nikolsburg 1882. Dortselbst ist S. 76 die Grün-
dung der Commende Pulst durch Herzog Ulrich von Kärnten
mit Bcrufdng auf die in Prag liegende Originalurkunde erwähnt,
1 Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie 6, 20.
352
dabei ist es um so unbegreiflicher, dass Feyfar S. 68 der Er-
zählung des Hieronymus Megiser in dessen ^Annales Carinthiae'
S. 1729 folgt, dass nämHch Ruprecht, der letzte des Geschlechtes
von Pulst, die Kreuzherren daselbst gestiftet.
Auch Heinrich Hermann gedenkt in seinem Handbuche
der Geschichte Kärntens vorübergehend, namenthch in den
culturgcschichtlichen Abtheilungen seines Werkes, mit Berufung
auf das Pulster Archiv dieser Commende. Doch sind leider
die meisten Nachrichten falsch.
Für die folgende Dai'stellung habe ich nachstehende Archive
benützt. Das Malteserordensarchiv in Prag, woselbst ich bis
auf einiges Weniges alle die Commende Pulst betreffenden
Archivalien einsehen konnte, bot selbstverständlich das Wich-
tigste. Das Archiv der Commende Pulst bildet dortselbBt gleich
den anderen Commendenarchiven eine eigene Abtheiliing. Der
im 18. Jahrhunderte ohronologisch angelegte Katalog ist betitelt:
,Collectaneum seu prothooollo — compendium variorum privile-
giorum, iurium, gratiarum, donationum, instrumentorumaliarumqae
rerum ad commendam Pulst spectantium ab anno 1300 usque ad a
1700.' Vervollständigt wurde dei-selbe durch den jetzigen Ordens-
archivar Herrn P. Ferdinand Warter, so dasa dieser Katalog
heute 35 Nummern umfasst. l£s wurde mir auch die Copie
einer ,Serie8 preceptorum et couunendatorum' von Pulst vor-
gelegt, welche nach Aussage des genannten Herrn Archivars
von einem Comthur zu Wien Namens Franz de Paula Edlen
von Smitmer im 18. Jahrhunderte verfertigt wurde. Mau sieht
aus demselben, dass dem Verfasser auch die 32 heute noch im
Pfarrhofo zu Pulst liegenden Urkunden nicht fremd waren.
Das Archiv des kärntnerischen Gesohichtsvereina in Kla-
genfurt besitzt im Ganzen 21 Urkunden, welche sich mehr oder
minder auf die Commende und Pfarre Pulst beziehen und von
welchen — den Signaturen nach zu scbliessen — die Mehrzahl
aus Pulst selbst stammen dürfte.
Was die Schicksale des Pulster Archives betrifft, so
erfahren wir aus einem Berichte des Pfarrvicars Harnisch zu
Pulst an das Gurker Consistorium im Jahre 1807, dass der
Pulster Comthur Graf Strassoldo o. 1771 seinem Pfarrvicär
Clammer aufgetragen,^ die wichtigsten Originaldocumente gegen
1 ConsistoriaUrchiv au Klagenfurt: Pulst Y, Nr. 9.
353
Empfangscfaein seinem Amtmanne Ignaz Podem unverzüglich
zu übergeben und durch denselben an das Priorat des Ordens
in Prag üborschicken zu lassen. Offenbar waren da auch die
ältesten Urkunden dabei, welche heute noch im Prager Archive
liegen. Harnisch erzählt ferner, dass der Commenda Verwalter
Martin Mayr mehrere Körbe von Schriften aus den Commenda-
kästen wegtragen und in seiner Behausung durch die Flammen
verzehren Uess. Das Gurker Consistorialarchiv in Klagenfurt
verwahrt zehn Fascikel von Acten, welche sich auf Pulst
beziehen.
DafUr, dass mir alle diese Urkunden und Acten zur Be-
nützung überwiesen wurden, bin ich vor Allem dem leider nun-
mehr verewigten Herrn Josef Slansky, Prior des Malteser-
convcntes zu Prag und Comthur von Pulst, sowie dem
genannten Herrn Ordensarchivar P. F. Wärter, femer dem
Pfarrer Herrn Wenzel Stmad in Pulst und endlich dem Herrn
Canonicus und fürstbischöflichen Kanzler Lambert Einspieler
in Klagenfurt zu grösstem Danke verpflichtet.
Der Orden des heiligen Johannes von Jerusalem, der
älteste geistliche Ritterorden, welcher bekanntlich seine Ent-
stehung um die Mitte des 11. Jahrhunderts frommen Kaufleuten
aus der Stadt Amalfi verdankt, jedoch erst nach der Eroberung
Jerusalems diirch die Christen 1099 seine eigentliche und fiir
die Folge massgebende Gestalt gewann, welcher nach dem Ver-
luste Jerusalems an die Ungläubigen 1191 Ptolemais und hun-
dert Jahre später Cypern als Sitz erkor, sodann 1309 auf die
neu eroberte Insel Rhodus übersiedelte, bis zum Jahre 1522,
wo Rhodus in die Hände des Sidtans Soliman fiel, dortselbst
verblieb, hierauf 1533 von Kaiser Karl V. die Insel Jlalta ge-
schenkt erhielt, bis endlich die Franzosen 1798 sich Maltas
bemächtigten imd dadurch der souveränen Herrlichkeit des
Ordens ein Ende machte, — dieser einst grosse und mächtige
Orden erwarb in der Mitte des 12. Jahrhunderts zuerst Be-
sitzungen innerhalb der Qrenzen des heutigen Kaiserthums
Oesterreich.
354
In Niederosterrcich schon vor 1156 im Besitze vor Mour-
berch/ der späteren Commende Mailborg, dotirt und stiftet
König Wladislaw I. von Böhmen in einer Urkunde, welche
Erben ungefUhr in das Jahr 1159 setzt,^ das Johannitercapitel
in Prag. In Steiermark legte Erzbischof Adalbert von Salz-
burg 1197 durch Schenkung der Kirche zu Uebersbach an
den Orden den Grund zur späteren Commende Fürstenfeld.^
Es ist nun merkwürdig, dass die Johanniter in Kärnten
zuerst in und um Friesach, also in jener Gegend Güter ge-
winnen, wo nachmals einzig und allein der deutsche Ritterorden
als Grundbesitzer erscheint.
Im Februar des Jahres 1214 schenkt nämlich Wichard
von Karlsberg auf einer Pilgerfahrt im heiligen Lande zu Aceou
in Syrien, nachdem er selbst wahrgenommen, welche Wohl-
thatcn das St. Johannesspital täglich den kranken Armen er-
weist und vom Ordensmeister Guarinus de Monte Acuto zum
Mitbruder aufgenommen worden war, in Uebereinstimmung mit
seiner Gattin und seinen Söhnen dem genannten Spital sein
Gut zu Engelsdorf (Ainglebolstorf) bei Friesach, welches jähr-
lich 4 Mark Silber Einkünfte abwii'ft.*
Bald darauf muss der Besitz der Johanniter auch nach
Fricsach selbst hinübergegriffen haben. Im April 1218 gibt
Friedrich von Pettau (Bctho) dem Johanniterspital und dessen
Meister Guarinus sein Haus in Friesach (Frisahe), welches er
früher vom Orden gekauft, zu seinem imd seiner Eltern Seelen-
heil wiederum zu Geschenk.^ Wann und auf welche Weise die
1 Meiller, Kcgeston zur Geschiebte der Markgrafen aus dem Hause Baben-
berg:, S. 37.
2 Reg^esta Bobemiae et Moraviae 1, 132.
3 Zabii, Urkunden bucb des Herzogthums Steiermark 2, 56.
* Original, Prag Nr. 1. Der Wortlaut der Urkunde im Anhang 1. Wichard
ist seit V2i\ in kärutnorischen Urkunden nicht mehr nachweisbar. Seine
Gattin ist unbekannt, seine Söhne sind: Ulrich, Propst von Völkermarkt,
Ifoinricb, auch von Silberberg genannt, und Wichard II.
* Diese Urkunde wurde 1858 von W. Wattenbach, damals noch Archivar
in Breslau, dem Director des känitnerischen Geschichtsvereines, Br. An-
kershofen, aus eiuer im 18. Jahrhundert verfassteu handschriftlichen
Geschichte der Maltesorcommende Gröbnig bei Leobschütz in Preussisch-
Schlesien abschriftlich nütgetheilt; darnach ist dieselbe bei Zahn, Ur-
kundonbucb 2, 225 gedruckt, im Regest jedoch irrthümlich auf den
deutsehen Orden bezogen.
Jimter um ihren Friosachnr liesitz kamen und- die doutsf hen
'densrittor an ihre Stelle traten, darüber sind wir vuUstilndig
■ Dunkeln gelassen. Wiesen wir auch, dass der deutsche Ritter-
1 seit 1240 in Friesach nachweisbar ist,' so fehlen uns für
) Jahre 1318 bis 1362 alle Nachricbten über die Johanniter
i Kärnten.
Dauernden Eingang in diesem Lande fand der Johannitei*-
idcn erst durch Hei-zog Ulrich II. Dieser LandestUrst schenkte
den 18. Jänner zu St. Veit^ dem St. Johannesspital zu
lilberg (Mewerperge) in Niede rösterreich zum Seeleiiheile
seines Vaters Uemhard und seiner übrigen Voreltern die in der
Diitceae Gurk gelegene Kirche in Pulst,' über die dem Herzog
Et Archiv fQr vaterlSndUthe 0(>Huhichte nnd T(i)KigTHj)tiie 6. S'2.
k< Ori|;iiiftl, Pr«g Nr. 2, sieho Anhnn^ 2.
t lieber die VorgWBuliiehte de« Östlich von der Stadt 8t. Veit icelogeneii
k Ort«a PulM sei Folgendes milgetheilt. Pulst wird daa erate Mal 'MW,
Febromr 13, in einer Urkunde Kniser Olto^i I, nla ,villa ßiilesisc' emSlint
' (Mon. Gorm. Dipl. 1, 304). Schon 1131, Juli lö, liöreti wir von der Marien-
' kircfae «n Pulst, einer Filiale der I'farre xu GUnbclmeh (Archiv für
Knnde Osterr. Geschiclitennellen R, £04, Nr. SSI, Orig. Ver.). Als erster
h Plarrar von PuiM tritt nns iirknudlich H'iinriuh läri4, Miti 31, entgegen,
)^ Er «ischeiot bia 13G3 in den LTrkuDden der Horsn^ Bernh.trd und l'l-
■ lieh U., in arsleren rIs Capinn des 8ohuea Ulrich luid, Daclidein dieser
f 1269 Bur Kegrieriiug gfelangte, aU heraoglifhur Caplaii (Ver.). Die Spon-
heimer Herzoge maditen mit ihren in und nni Pulnt gelegenen QQtern
k-Anrh Suhenknniren an fremde Qotteshüuaer. So vergabt Herzog Bernhard
i liS4, Decembnr 19, dem Spital am Semmering zwei Mansen von seinem
k Gute Pulst mit der liedingnng, dieselben jadcnott ivieder um 30 Mark
k BWihiklniieTi mi hltnneii (Zahn, Urkiindenlint^h 3, Slb). Herzog Ulrich Tl.
^-Whenkt läBG, MSni IT, dem Spital am Pybm drrä Mansen hei Pulst
k (Urkunden buch dw Landes o1) der Eniu, 3S2). Pulst war aiit.'h derKiln
b CtDM Sponlintiu'acheu Hiniaterialengeschlechti^s. Znontt erschL'int ein
LltilMhrant von Palat 1116 aIü Zeuge in einer Schenkung de« Grafen
LBenikwfl T.)ii Hponheim au das KloHl«r Sl. Paul (Fonts« reniiu Auüi-r.
!-(, 99, 13), sodann in Gurker Urkeuden lIä4^U37 (Orig. Ver.), darunter
I aitmi*! aoNunmen mit Kgipci von Pulst. In einer Donation daa Grafen nn
la KlMtiv Victriug ca. 1143 werden unter den Zeugen neben Uiltebrnnt
wh Oemng, Hugo und Uerenibert von Polst genannt (Archiv flir Kunde
torr. GeschichtBiiuellen h, iä», Nr. -26» mit Lesefehlem). In einer nu-
im Urkunde ans ilerselh^n Zeit dir Victring heisst Hillebrant gerailetu
Ir Hinlaleriale ile» Grafen Bernhard (Archiv ftlr Kunde Osterr. Üesehiclita.
I quAllen fi, 2dä, Vr.ilt)). Von Pulst tiennen sicli noch llUä Uerliut".
II»4 PriodriHi. 11M4— I1!)H Higl>olo in Urkunden Heraog Ulrichs 1. frir
L 81. Paul (Fontes niruni Anstr 11, 31". S. IPr,, •»% Uli). Iäl3. April I Siegfried
356
das Patronatsrecht zusteht, mit allem Zubehör nach dem Tode
oder freiwilligen Rücktritt des jetzigen Pfarrers Heinrich, her-
zoglichen Caplanes.
Dieser Schenkung stimmte auch Ulrichs Bruder Philipp,
der Erwählte von Salzburg, zu und hing sein Siegel an die
Urkunde. Es muss auffallen, dass in diesem Gründungsprivi-
legium ^ der nachmaligen Commende Pulst eine Einwilligimg des
Bischofs von Gurk gar nicht erwähnt ist, da ja der Herzog
doch nur sein weltliches Vogteirecht über die Kirche von Pulst
verschenkte, der geistliche Obere aber nach wie vor der Bischof
blieb. Pfarrer Heinrich resignirte nach der Schenkung PuIstB
an Mailberg nicht; noch 1263, Mai 21, wird er urkundlich
Pfarrer genannt. Sein Nachfolger ist Pfarrer Ortolf von Pulst
1265 — 1273,2 im ersteren Jahre auch herzoglicher Caplan. Ob
derselbe bereits von den Johannitern dem Bischöfe von Gurk
präsentirt worden war oder nicht, ist unbekannt. Herzog Ulrichs
Bruder Philipp stellte noch bei Lebzeiten des Ersteren zu Wien
am 15. October 1267 einen Bestätigungs- und Confirmationsbrief
über Kirche und Haus zu Pulst aus, dessen Wortlaut leider
in einer Urkunde Herzog BemhardB fUr Victring (Archiv fttr Kvnde
Osterr. Qoschichtsqnellen 20, 201, Nr. 713). Der Leiste aus dem Ge-
flchlechte von Pnlst, welcher urkundlich yorkommt, ist Helwic in einer
Schenkung Heinrichs von Himmelberg an das Kloster Gk>e0s 1256, Oc-
tober 16 (Copie Ver.).
1 In Prag (Nr. lOa, vgl. S. 32) liegt ein Promemoria des Comthars Scheiber
vom Jahre 1609, darin er unter Anderm sagt: ,Vor alten Zeiten, ehe
die Commende Pulst aufgerichtet worden, haben dieses Ordens Brüder
zu St. Veit gewohnt und haben das Kirchlein St. Johann im Erlach allda
genannt, inne gehabt.' Basselbe erzählt ein offenbar auf dem Vorher
gehenden beruhender Aufsatz über Pulst aus unserem Jahrhunderte
(Prag Nr. 86). Diese irrige Ansicht mag durch die nun rerlofene Ur-
kunde Herzog Bernhards (Anhang 4, Nr. 4) hervorgerufen worden sein:
,ein lateinischer Lehensbrief . . . über die Grundstücke vor der Stadt-
mauer zu St. Veit bei St. Johanneekirche gelegen ddo. St Veit 1228.*
Doch ist es nicht nothwendig anzunehmen, dass der Empfänger der Ur-
kunde der Johanniterorden war. Als dieser sodann von Pnlst ans Gmnd-
l)e«itz in St. Veit erwarb, darunter auch solchen, welcher als landesfünit-
liebes Lehen vom Herzog Bernhard einem gewesenen Besitxer verbrieft
worden war, kann die Urkunde vom Jahre 1228 leicht nach Pnlst ge-
kommen sein. Denn Herzog Ulrich U. bfttle die Kirche in Pnlst gewiss
den Johannitern in St. Veit, wenn solche vorhanden gewesen wiren, ge-
Hchenkt und nicht der Commende Mailborg.
' Orig. Ver.
357
nicht erhalten ist/ ebenso wie eine Urkunde Ulrichs über das
Niedermoos und einen Acker zu St. Veit an der Glan, aus-
gestellt im Jahre seines Todes 1269.2
Indessen muss auch der Bischof von Gurk, und zwar durch
mehrere Urkunden seine Einwilligung zur Schenkung der Pul-
ster Kirche an die Johanniter zu Mailberg zum Ausdruck ge-
bracht haben. Diese Einwilligimg wird ausdrücklich in dem
Privilegium König Rudolfs vom 18. December 1276, Wien,
hervorgehoben, 3 worin Rudolf, nachdem ja König Ottokar im
Wiener Frieden auch auf Kärnten verzichtet, dem Mailberger
Spitale den Besitz von Pulst genau nach dem Wortlaute der
Schenkungsurkunde von 1263 bestätigt.
Sehr zu bedauern ist der Verlust einer Bulle ^ des Papstes
Nicolaus in. (1277 — 1280), gerichtet an den Bischof von Gurk,
entweder Dietrich 11., gest. 1278, oder Johann I., gest. 1281,
wahrscheinlich ein Mandat. Vielleicht hatten schon damals die
geistlichen Jurisdictionsstreitigkeiten zwischen den Johannitern
und dem Bischof von Gurk begonnen, von denen wir später
öfters hören werden.
Doch schreibt Bischof Johann I. von Gurk 1281, Jänner 23,
einem ungenannten Pfarrer von Pulst zugleich mit anderen sei-
ner Diöcese 2 Mark Provision für die päpstUchen Abgesand-
ten vor."^
Erst nachdem die Brüder des Johanniterordens in Besitz
der Pulster Kirche gekommen waren, erwarben sie auch Grund-
besitz in St. Veit. Vermuthlich dürfte die Johanneskirche ,im
Erlach' bei der Stadt, welche gegen Ende des vorigen Jahr-
hunderts abgetragen wurde,**» eine Stiftung des Ordens sein.
Dass in Pulst ein Comthur residirte, welcher auch in der ^- Comthur:
Stadt St. Veit ein Haus besass, erfahren wir zuerst im Jahre unbekannt
1292. Derselbe gehörte zu den Käthen des Sohnes Herzog *^*'
Mainhards von Kärnten, Lud>vig, welcher damals die Regent-
1 Anhang 4, Nr. 6.
3 Anhang 4, Nr. 7.
> Anhang 3.
^ Anhang 4, Nr. 1.
^ Tangl, Handbuch der Geschichte Kärntens 366, Orig. Ver.
* KSmtneriBche Zeitschrift 6, 149. Die Kirche stand am jetzigen alten
Friedhof, rechts von der Strasse von der Eisenbahn in die Stadt Ver-
gleiche unten S.
ArehiT. Bd. LXXTL U. Hüfte. 24
358
Schaft ftir seinen Vater führte und zu St. Veit residirtie. Der
Comthur^ dessen Name uns nicht überliefert ist^ Hess sich mit
Erzbischof Konrad von Salzburg, beziehungsweise mit dessen
Vicedom zu Friesach, Rudolf von Fohnsdorf, und mit Graf Ul-
rich von Heunburg in eine Verschwörung ein, welche dahin
abzielte, Ludwig zu überfallen und gefangen zu nehmen. Abt
Johann von Victring erzählt, dass durch das Haus des Comthors
der Minengang gelegt wurde, durch welchen die Angreifer in
die Stadt gelangten. Die Gefangennahme Ludwigs glückte;
allein furchtbar war die Strafe, welche der von seinem Vater
nach Kärnten geschickte älteste Sohn Herzog Meinhards, Otto,
über die Schuldigen verhängte. Während die Steierische Reim-
chronik berichtet, dass die Verschwörer, welche sich nicht ge-
flüchtet hatten, die Todesstrafe dadurch erlitten, dass sie, an
Pferde gebunden, durch die Stadt St. Veit geschleif); wurden,
erzählt Abt Johann, dass nur der Comthur von Pulst auf diese
grausame Weise den begangenen Verrath sühnen musste.^
Es dauert nun geraume Zeit, ehe wir wieder von einem
Pulster Comthur hören.
Bruder Konrad, genannt von Hakenberg, Gewaltiger an
des Meisters statt über die Häuser des heiligen Spitales von
Jerusalem, zu Oesterreich, Steiermark, Kärnten und Krain, ve^
leiht 1298, den 7. November,^ mit Erlaubniss des Meisters der
deutschen Lande dem Mathey und seinen drei Söhnen: Ortolf,
Mathey und Niclas, auf Lebenszeit und nicht weiter Aecker,
welche 1 Pfund Friesacher Münze gelten, zunächst bei dem
Wege gegen die Wimitz (Bach bei St. Veit) also, dass sie den
Brüdern von Pulst jährlich zu Weihnachten 3 ß Pfennige die-
nen sollten.
Ortolf, Herrn Niclas Sohn von St. Veit, hatte von seinem
Bruder Niclas ein Gut übernommen, davon dieser dem Hause
zu Pulst 4 Mark Gülten gelobt hatte. Ortolf stellt nun dem
genannten Hause den 3. Mai 130P die 4 Mark in der Weise
sicher, dass er demselben 1 Mark auf die Behausung weist,
1 Steirische Reimcbronik bei Pez: Scriptores rerum Austr. 3, 624^ 5S9;
Johann von Victring bei Böhmer, Fontes 1, 333; vgl. Tangl, Handbuch
der Geschichte Kärntens 579 ff.
' Orig. Pulst; Hermann, Handbuch der Geschichte KAmtens 1, 412, nennt
Konrad mit Berufung auf diese Urkunde fÜlBchlich €k>iiithiir von Polit
» Orig. Ver.
359
welche zu zwei Dritteln seinem Bruder gehört, 2 Mark weniger
40 Pfennige auf den Chienperg und 1 Mark 10 Pfennige auf
eine Besitzung zu Strassburg im Gurkthale.
Perchtold der Rebtz von Pupitsch bei Pulst (Puetpetschach)
gibt dem Gotteshause zu Pulst aus Liebe zu Gott und Maria
und um seiner Seele willen 2V2 Hüben zu Pupitsch, seines
Erbes und Eigens am 21. Jänner 1315^ also, dass man ihm
jährlich auf L.ebenszeit vom genannten Gotteshause 4 Mark
Friesacher Pfennige in drei Raten reiche. Diese Schenkung
geschah, wie es in der Datirung heisst: ,dieweil Bruder Fried-
rich von Oppenheim Comthur zu Pulst ist gewesen^ Doch ^^^ !*"*!*"'
fertigt am selben Tage nicht Comthur Friedrich dem Perchtold v.oppenheim
den Revers über dessen Schenkung aus, sondern Heinrich von isi'»— ^321.
Chastel, Comthur, und die Kreuzbriider des Conventes zu Mail-
berg (Morperge) Namens ihres Hauses zu Pulst. '^
In dieselbe Zeit fällt auch eine andere Urkunde. Herman
von Aichov, Schaffer zu Hollenburg, verkündet den 27. März
1315' zu Victring die letztwillige Anordnung seines verstorbenen
Schwagers Haertel von Hollenburg, der kurz vor seinem Tode
mit Willen seiner Frau Kunigunde dem Pulster Gotteshause
3V2 Hüben: 1 zu Görtschach und 2^2 zu Angern vermacht
hatte. Die erstere Hube soll den Herren zu Pulst zur Besserung
auf den Tisch dienen, die anderen Hüben dagegen die Witwe
auf Lebenszeit innehaben. Nach ihrem Tode sollen dann die
Hüben zu Angern ebenfalls dem Gotteshause Pulst zufallen
und den Herren zur Besserung auf den Tisch dienen. Für den
Fall aber, dass eine gemeinsame Fahrt über Meer wird, so
sollen der Comthur und die Herren von Pulst die 3'/2 Hüben
verkaufen und den Erlös durch ihre höchste Meisterschaft
in den deutschen Landen über das Meer hinüber dem hei-
ligen Grabe zu Hilfe und Förderung senden. Der Comthur
Friedrich und die Herren von Pulst geloben auch dem Hermann
von Aichov und der Witwe Kunigunde, ihnen hierüber eine
Handfeste von der höchsten Meisterschaft des Ordens in deut-
schen Landen zu verschaffen, damit der Inhalt der Urkunde
unverbrüchlich gehalten werde.
« Orig. Ver.
2 Orig. Ver.
» Orig. Ver.
360
Cointhur Friedrich von Pulst kauft noch 1321, 6. Februar,
in einer zu Klagenfurt ausgestellten Urkunde * von den Brddern
Hermann und Niclas von Portendorf deren Freimann Niclas zu
Kottendorf. Seither versiegen die Quellen über Pulst, um erst
wieder zu Hiessen, als nach dem Tode Herzog Heinrichs von
Kärnten 1335 dieses Herzogthum an die Habsburger gedieh.
Damals beeilten sich Geistlichkeit, Adel und Bürger, von dem
neuen LandesfUrsten Herzog Otto von Oesterreich Bestätiguu^n
ihrer Privilegien und Freiheiten zu erlangen. Auch Pulst stellte
sich ein und erhielt von Herzog Otto am 30. Juli 1336 einen
Confirmations- und Bestätbrief,"^ der leider verloren ging.
Der dritte Comthur von Pulst, der urkundlich nachge-
3 Comthur: wicscu wcrdcu kauu, ist Ulrich. 3 1338, 14. Juni, verkaufen
Jäckel der Ruschel, Bürger zu St. Veit, und Elisabeth, die
Witwe des Ulrich Schnepf, seines Mitbürgers, dem Jäklein von
Minzenbach (dicht bei Pulst), gleichfalls St. Veiter Bürger, ihre
Ijehensrechte, welche sie gehabt haben von dem ehrbaren
Manne Bruder Ulrich, Comthur von Pulst^ an der Hofstatt, ,in
dem Winchel pey dem Vrechen^ Es ist dies die einzige LV
künde, in welcher uns Ulrich genannt wird.
Indess muss die finanzielle Lage der .Commende Polst
nicht die günstigste gewesen sein. Der Comthur und die Brü-
der waren zu VerpfUndung und Verkauf von Gütern gezwungen.
Niclas von Pichlem und seine Frau Katharina hatten von dem
ehrbaren Manne Johann, dem Vreyn, Comthur, und den Convent-
brüdern zu Pulst mit Erlaubniss deren obrister Meisterschaft
eine Hube sammt Zehent zu Pichlem um 12 Mark Agleyer
erkauft, um welche Summe das Pulster Haus andere Kuben
ledigte und löste; das Ehepaar schenkte nun den 4. Februar
1355* Gott und Marien zu Lob imd Dienst auf Todesfall die
genannte Hube sammt dem Zehent wieder nach Pulst und ver-
pflichtet sich ftlr Lebenszeit, jährlich dahin 2 Vierling resches
Getreide zu reichen.
4. Comthur:
Johann der
Vrejr 1865.
* Orig. Ver. Die eingran^ erwähnte, von Smitmer verfasste Reihe der
Citmthure vdu Pulst ftllirt irrthünilich zum Jahre 1321 einen Comthar
Ulrich au.
' Anhang 4, Nr. 8.
' Snütnior*8 Reihe hat talschlich zum Jahre 1338 den Comthur Niela«.
* Orig. Ver.
361
Indem die Johanniter von Herzog Ulrich die Pfarrkirche
Pulst zu Geschenk erhalten hatten, mussten dieselben auch ftir
den regelmässigen Gottesdienst dortselbst Sorge tragen. War der
Comthur ein Geistlicher, so besorgte er selbst die Agenden des
Pfarrers, war er ein Ordensritter, so musste ein Geistlicher ihm flir
den Gottesdienst zur Seite stehen. Einen solchen Caplan lernen
wir aus einer Urkunde ddo. 1360, Jänner 5,* kennen, worin der
bereits genannte Niclas von Pichlem und seine Gattin eine
Hube daselbst, welche früher dem Hause zu Pulst gehörte, dem
ehrbaren Manne Seyfried, derzeit Caplan zu Pulst, um 8 Mark
guter Agleyer Pfennige mit der Bedingung verkaufen, dass,
falls die Verkäufer dem Caplan die 8 Mark vom 6. Jänner an
binnen Jahresfrist rückerstatten, die Hube wieder denselben
anhcimf&Ut. Entschlagen sich die Käufer ihres Rückkaufr(!chtes,
so muss Seyfried sie noch mit 2 Mark Agleyer entschädigen,
worauf die Hube sein Eigen wird.
Aus dem Jahre 1385 ^ kennen wir zwei Urkunden Ottos
von Ehrenfels ftlr Pulst. In der einen vom 29. April ^ bekennt
er, dass von einer Wiese, die er von dem seligen Enderlein
dem Schulmeister, Bürger zu St. Veit, gekauft und die Pulster
Lehen ist, jährlich dem Comthur 9 ß und 10 Wiener Pfennige
zu Zinsen ist. Die andere, ausgestellt vom 1. Mai zu St. Veit:
,ein Stift- und Lehenbrief über eine Wiese bei St. Johann zu
St. Veit vor der Stadt^ ist verloren.**
Den Namen eines Comthurs von Pulst erfahren wir erst
wieder im Jahre 1387 gelegentlich eines Streites mit der Pfarr-
ffcmeinde über die Vertheilunff der CoUecte. Comthur Michael ^ comtbur:
^ _ , _- xr . 1 TT T -1 1 1 ci Michael 1887.
von Pulst schliesst unter Vermittlung Hans des ^Schenk, ötatt-
halters des Johanniterordensmeisters in Oesterreich und Steier-
mark, Comthurs zu Melling, und des Hang von Liemberg am
6. Juli 1387 einen Vergleich mit den Kirchenkämmerem Namens
1 Orig. Ver.
2 Zum Jahre 1375 fUhrt Hermann 1. c. 1, 412 mit Berufung auf das Pulster
Archiv einen Comthur Ulrich von Schenk an. Bei der Unzuverlässlich-
keit Hermann's halte ich es für rathsam, diesen Comthur hier wegzu-
lassen, der auch in Smitmer's Liste fehlt, umsomehr, da in einer Pulster
Urkunde (s. u.) vom Jahre 1387 ein Hans der Schenk, aber freilich
nicht als Comthur vorkommt; dies scheint Hermann zu seiner Notiz ver-
anlasst zu haben.
a Orig. Vor.
« Anhang 4, Nr. 12.
362
der Kirche und Gemeinde, demnach der Comthor und seine
Nachfolger jedesmal zwei Theile und die Kirche einen Theil
der CoUecte (Samnung) empfangen sollen^ wofür der Comthur
verpflichtet ist, das ewige Licht vor dem Allerheiligsten zu er-
halten und die Altäre zu beleuchten, lieber diesen Vergleich
stellen sowohl der Comthur, als auch die Kirchenkämmerer je
eine nahezu gleichlautende Urkunde ausJ Nachdem Comthur
Michael einen Antheil an der Collecte hatte, ist als sicher an-
zunehmen, dass er nicht ein Ordensritter, sondern ein sogenann-
ter Priestercomthur war, welcher als Geistücher zugleich die
Seelsorge in Pulst versah.
Chuncz von Zempnig verpftlndete 1397, Juni 3, der Kirche'
zu Pulst flir dargeliehene 5 Pfiind Wiener Pfennige sein Gut
zu Zempnig (bei Pulst), davon man unter Anderem auch dem
Comthur zinst.
6. comthuT : Comthur Hans Gugel von Pulst wird uns das erste Mal in
Hans Gugei einer Urkunde vom 2. April 1406 genannt, "^ in welcher Nike!
1406-1411. von Minzenpach ihm und dem Orden zu Pulst einen Acker in
der ,Studinicz' bei dem Bach um 2'/a Pfund Wiener Pfennige
verkauft. Derselbe Nikel und Anna, seine Schwester, Ruprechts
von Minzenpach Witwe, verpfänden den 12. August 1408^ der
Pulster Kirche ihr Gut zu Buch um dargeUehene 16 Pfund
Wiener Pfennige. Noch einmal tritt uns Comthur Hans Gugel,
und zwar mit dem Prädicate ,von Pirbawm^ den 25. März 141P
urkundlich entgegen, indem ihm und seinen Conventbrüdeni
Reimprecht der Gradenegger ein Gut zu Pupitsch für ein an-
deres an der ,Bodiczen' bei dem ,Samikh* vertauscht
7. Comthur: GugcFs Nachfolgcr dürfte Bruder Georg von Michelstetten
(joorg von gewcscn seiü, welchem Wolf Satler zu St. Veit 1418, März 12,*
Michelstetten . , i a
1418. eine Hube zu Radelsdorf bei Pulst um 49 Gulden verkaufte.
Es ist dies die einzige urkundliche Erwähnung des Comthurs
Georg.
Gandolf von Kulm und Chuna, seine Gattin, geben 1420,
den 1. November, der Marienkirche zu Pulst zwei Aecker und
* Orig. Ver.
2 Orig. Ver.
3 Orig. Ver.
* Orig. Pulst.
* Orig. Ver. Der Ausstellungsort ist Liemberg.
6 Orig. Pulst.
363
eine Wiese an dem niedem Kulm^ sowie eine Hofstatt daselbst
käuflich um 3 Pfund Wiener Pfennige hintan. Doch soll Gan-
dolfy so lange er lebt^ Alles um einen jährlichen Zins von
28 Wiener Pfennigen innehaben und nach seinem Tode jeder In-
haber des Gutes der Barche jährlich 60 Wiener Pfennige dienen.
Eine Aufbesserung der Einkünfte des Comthurs von Pulst
bedeutete es, als Emreich, Herzog von Czeelsch, Herr von
Lymbach, und seine Gattin, die Erbtochter Anna von Liemberg,
ftlr sich und jeden nachfolgenden Inhaber der Feste Liebenfels
(dicht bei Pulst) den 9. November 1427 ^ aus besonderen Gnaden
dem Gotteshause Pulst, dem St. Johannesorden von Jerusalem
und jedem Comthur daselbst das Recht verleihen, in dem Pfarr-
hof für ewige Zeiten ein Wirthshaus, Tafem, zu haben und
Wein, sowie jedes andere Getränk in und ausser dem Hause
um Geld zu verkaufen.
1453, den 25. Mai,^ versetzte Georg Pichler der Pidster
Kirche eine Wiese zu Pichlem um 32 Pftind Pfennige mit Vor-
behalt des Löserechtes für zehn Jahre. Blasius unterm Kam-
berg und seine Frau Helena verkauften 1462, Mai,^ der Kirche
ihr Gut unter dem Kamberg, genannt am Stein, um 25 Pfund
Pfennige. Der bereits erwähnte Georg Pichler und Margarethe,
seine Gattin, stiften der Marienkirche ihre Wiese unter Feistritz
und einen Acker bei Albern zu einem ewigen Jahrtag, be-
stehend aus einer gesungenen Vigihe, einem gesungenen Seel-
amt, zwei gesprochenen Messen und einem gesungenen Marien-
amte am Sonntag nach Martini mit vier Priestern. Die Kirchen-
kämmerer haben dem Comthur jährlich V2 Pftmd Pfennige zu
geben, womit dieser die functionirenden Priester zu entlohnen
und zu verköstigen hat. Alle Sonntage soll des Pichler und
seiner Frau von der Kanzel aus gedacht werden. Die Urkunde,
welche vom 11. November 1466 datirt ist, besiegeln Heinrich
Frauensteiner und der .ehrsame und geistliche' Herr Ulrich, ® ^<^™*'
^ , T^ , ^ Ulrich 1
Comthur von Pulst.*
« Orig. Pulst. Vgl. Anhang 4, Nr. 9.
2 Orig. Pulst.
3 Orig. Pulst.
< Orig. Ver. Das Siegel Ulrichs ist verletzt; doch sieht man oineu Engel,
der ein Schild mit dem Aialteserkreuz hält. Von der Legende noch
lesbar: ,S. fratris . . ndatoris in Pulst.'
364
9. Comthor:
Michael
Bauer tod
Sweybart
1471 - 1480.
Als Kaiser Friedrich Tu. im Frühjahr 1469 nach Kärnten
kam und sich zu St. Veit aufhielt^ suchte auch die Commende
Pulst um Confirmation ihrer Rechte an und erhielt sie. Der
Kaiser stellt« zwei Urkunden aus/ welche beide verloren sind;
die eine mit anhangendem grossen Wachssiegel dürfte die eigent-
liche Bestätigungsurkunde der Rechte und Freiheiten der Com-
mende gewesen sein, die andere vom 20. April mit kleinem
Hängesiegel die Confirmation der 1427 von den Inhabern des
Schlosses Liebenfels an Pulst verliehenen Tafemgerechtigkeit
enthalten haben.''
Die Brüder Wilhelm, Georg uijd Wol%ang, oberste Erb-
schenken in Kärnten und Herren zu Osterwitz, verkaufen 1471,
Februar 6,^ dem ehrwürdigen Herren Michel Pawer, Comthur
zu Pulst, Johanniterordensbruder, ihr fireies, eigenes Gut am
Zupot (Zwepat) um 10 Pfund Landeswährung, behalten sich
aber ewiges Rückkaufsrecht der Art vor, dass der Verkauf
von Seiten der Osterwitzer vierzehn Tage vor Michaeli und von
Seite Pulsts zwei Monate vor diesem Tage kündbar ist. Die-
selben Gebrüder verpfenden 147ö, Mai 15,* der Marienkirche
zu Pulst in ähnlicher Weise ihr Gut daselbst, welches Hans
Zerer inne hat.
Bei der genannten Kirche bestand auch eine fronune
Marienbruderschaft. Zwischen dieser und dem Comthur Michael
Pawer waren Streitigkeiten ausgebrochen, indem derselbe für
das Seelbitten eine Entlohnung beanspruchte. Die Brüder und
Schwestern, sowie die ganze Pfarrgemeinde begaben sich in
den Pfarrhof, wo laut Urkunde vom 2. März 1477 * folgende
Vereinigung getroffen wurde. Jeder Comthur soll alle Sonntage
auf der Kanzel gemäss eines Registers fiir sämmtliche leben-
digen und todten Mitglieder der Bruderschaft beten. Dafür
erhält derselbe aus der Bruderschaftsbüchse 60 Pfennige, der
Caplan 32 Pfennige und jeder Chorschüler 24 Pfennige jährlich
zu Georgi ausbezahlt. Der Comthur soll dagegen an dem, was
ein Bruderscliaftsmitglied oder ein Auswärtiger der Bruderschaft
schenkt oder vermacht, keinen Antheil haben. Falls die Bruder-
» Anhang 4, Nr. 10-11.
2 Vgl. S. 863 und S. 374 Prag 10 a.
3 Orig. Pulst.
* Orig. Pulst.
5 Orig. Pulst
365
Schaft sich an MitgHedem künftighin mehren wttrde und gleich
anderen Bruderschaften im Lande eine besondere Stiftung zu
Frommen und Nutzen der Lebendigen imd Todten machen
wollte, 80 sollte dies mit Wissen und Rath des Comthurs ge-
schehen. Zu diesem von den Blichsenmeistern der Bruder-
schaften ausgestellten Vertragsbriefe fertigt Comthur Pawer,
offenbar zugleich Pfarrer, also Johanniterordenspriester, erst 1480,
März 27, die völlig gleichlautende Gegenurkunde aus.'
Derselbe Comthur, diesmal mit dem Prädic^te ,von Swey-
bart', gibt dem Albrecht Baumgartner, Bürger zu Feldkirchen,
1478, März 27,2 eine Hube zu Krahberg (Chrabrigk) bei Feld-
kirchen zu Kaiürecht. Indessen hatten im Sommer desselben
Jahres, wie uns Unrest erzählt,'^ ein Schwärm der nach Kärnten
eingefallenen Türken, welche vom Gurkthale über das Gebirge
ge2sogen waren. Pulst heimgesucht. Ob Kirche und Commende
hiebei Schaden litten oder nicht, ist nicht überliefert.
Der Nachfolger des Comthurs Michael Bauer dürfte wahr-
scheinlich Georg Florstett gewesen sein^ ausdrücklich Ordens- lo. comthur:
ritter genannt; wir vernehmen von ihm aus späteren Urkunden Fiorstctt
von 1494 und 1503,^ dass er dem Thomas Kurzleben die Hube J^8i(7)-i*9«
am Krahberg verpfändete.
In seine Zeit gehört vielleicht die Urkunde von 1488,
April 23, laut welcher Ruprecht von ,New'^ der Marienkirche
Pulst sein Gut im ,New^ sammt einer Mühle zu einem am
Martinitage abzuhaltenden und aus Vigilie, gesungenem Amte
und Seelamte, sowie gesprochener Messe bestehenden Jahrtage
stiftet. Der Comthur soll hieflir 80 Pfennige erhalten und das
erübrigende Geld ftlr Beleuchtimg und Baubessening der Kirche
verwendet werden.
Doch sollten schlimme Zeiten für Pulst kommen. Die seit
dem Jahre 1480 in Kärnten hausenden Ungarn ^ hatten am
23. April 1488 ^ die gleich oberhalb Pulst gelegene Feste Lie-
benfels besetzt. Unter dem Befehle eines gewissen Sigmund
* Orig. Pulst; doch siegelt der C'orathur nicht.
^ Ong. Pulst; es siegelt der Markt Feldkircheu.
3 Hahn, Collectio monumentorum 1, 639.
* Vgl. 8. 367.
* Orig. Ver. Hermann 1. c. 1, 412 gilt Ruprecht von New als Comthur
« Vgl. Hermann 1. c. 1, 206 ff.
1 Unrest 1. c. 789-740.
366
Schwuski befestigten sie mit Hilfe des zur Robot gezwungenen
Volkes das Schloss, und wer seines Gut und Lebens sicher sein
wollte, musste beitragen, die Ungarn mit allem Nöthigen zu
versorgen. Viele Leute hatten ihre Lebensmittel, ihr Hab und
Gut in der Pulster Kirche geborgen. Die Ungarn beraubten
das Gotteshaus, besetzten dieses, sowie das Haus des ComthurB.
Nach dem Tode König Mathias Corvinus' 1490 begannen die
Ungarn Kärnten zu räumen. Sie zogen, und zwar zuerst von
Liebenfels, am 25. September ab.^ Jeden£Etlls hatte Pulst die
zwei Jahre hindurch viel zu leiden,
comtbur: Obzwar Comthur Ulrich Sircher von Pulst erst 1493,
Ulrich j^uij 15^ urkundlich auftritt, so dürfte er doch bereits 1491
191-1504. Comthur gewesen sein, da auf seinen Siegeln diese Jahreszahl
vorkommt. Er war vermuthUch ein Kärntner, da er in Feld-
kirchen einen Vetter hatte. ^ Jedenfalls gehörte er dem geistlichen
und nicht dem ritterlichen Stande an und dürfte, wie wir es
später noch öfters sehen werden, ein kärntnerischer Priester
gewesen sein, welcher erst mit der Pfarre Pulst das Johannit6^
kreuz erhielt.
In der genannten Urkunde ^ vom 15. Juni geben die
Kirchenkämmerer mit Wissen und Willen des ,ehrwürdigen
und geistlichen Herrn^ Comthur Ulrich ,Sürcher' und der Pfarr-
gemeinde daselbst dem Michael Sagmeister, dessen Frau und
Erben die Säge in der ,Öber' ob der Feistritz zu Kaufrecht
Es siegelt Sircher.^
Am gleichen Tage besiegelt dieser noch eine solche Kauf-
rechtsurkunde für Pertl, des Philipp Sohn, über eine Wiese in
Saburba ob St. Leonhard sammt einem Acker ,im Ess avf der
Leiten' und einem Garten unter Philipps Haus.^
Comthur Ulrich Namens der Kirche erwirbt 1494, Jänner
27,<^ vom Kloster St. Paul im Lavantthale eine Hube im ,Gawn'
1 Unrest 1. c. 746.
2 Siehe S. 367.
3 Orig. Pulst.
* Das runde Siegel, welches sich noch zweimal erhalten hat, aeigt in ^^
Mitte einen Kopf mit Heiligenschein, darunter eine Tartsche mit dem
Johanniterkreuz. Die Legende lautet: ,Si(gillum) Virich 8irch(er) o^
(dinis) sa(nc)ti Ioh(anni)s 1491.*
^ Orig. Pulst.
0 Orig. Pulst.
367
zwischen den Gütern der Polster Kirche, darauf ,Rupert in
Newn*^ gesessen ist.
Am 26. April ^ 1496 löst Peter Zehner zu Polantschgerhof
bei Feldkirchen (Polaintschzig) die Hube zu Krahberg, welche
einst Comthur Ritter Georg Vlorstet für 20 Pfund Pfennige
Landfitwährung dem Thomas Kurzleben versetzt, um diese
Pfandsumme. Allein Comthur Ulrich Sircher war bemüht, diese
Hube nicht in fremden Händen zu lassen, sondern dieselbe
wenigstens einem seiner Verwandten zu vergaben. So verpfän-
det er dieselbe 1503, April 26,-* seinem Vetter Ulrich ,Surcher^,
Bürger zu Feldkirchen, um 20 Pfund Pfennige.
Mit Comthur Ulrich Sircher's Wissen schliessen Christof
Kulmer 1503, December 21,^ und der Commendenunterthan
Lorenz zu Pupitsch (Pupitschach) einen Tauschvertrag. Der-
selbe Comthur intervenirt noch in einer Urkunde von 1504,
April 24,^ worin sich Heinrich Kulmer mit der Marienkirche zu
Pulst um eine ihr einst von Bemhart Toringer geschenkte Hube,
von welcher Kulmer den dritten Theil rechtUch anzusprechen
hatte, dahin vergleicht, dass Kulmer die Hube von dem Gottes-
hause heimnimmt und davon derselben jährlich 1 Pfund Pfennige
insolange dienen soll, bis Kulmer der Pulster Kirche eine andere
gleichwerthige Hube einantwortet.
Den Comthur Ulrich Albl lernen wir aus einer einzigen »2Con»tJ»«r:
Urkunde von 1519, October 20,^ kennen, laut welcher er dem 1519.
Feldkirchner Bürger Peter Mägerl und dessen Leibeserben eine
Hube zu Krahberg in Kaufrechtsweise gibt, welches Kaufrecht
Mägerl von seinem Mitbürger Albrecht Baumgartner, dem die
Hube einst vom Comthur Michael Bauer verliehen worden war,'
um 6 ungarische Gulden ablöst.
Zum Jahre 1533 nennt uns das von Smitmer^ verfasste is c-orathur
Christi&n
Verzeichniss der Pulster Comthure Christian Glatz als solchen, oiau 1533
> Vgl. S. 365.
' Orig. Pulst; der Comthur heisst hier Voretet.
3 Orig. Pulst; Ulrichs Vorgänger heisst hier Florstet, Comthur Sircher be-
siegelt die Urkunde wie oben.
* Orig. Pulst
» Orig. Pulst.
• Orig. Pulst.
^ 1478, siehe S. 365.
« Vgl. 8. 352.
368
ohne dass wir heute mehr im Stande sind, denselben urkund-
Hch nachzuweisen.
corathur: Aus dem Siegel des Comthurs Virgil Windisch von Pulst,
J'?^ welches die Jahreszahl 1533 trägt, darf man vielleicht schliessen,
33-1544. dass derselbe bereits in diesem Jahre zur Würde eines Com-
thurs gedieh. Erst 1544 tritt er uns urkundlich entgegen. König
Ferdinand hatte vornehmlich zur Bekämpfung der Türken ein
Zwangsdarlehen ausgeschrieben. Comthur Virgil Windisch und
die Kirchenkämmerer Namens des Gotteshauses Pulst strecken
zu diesem Zwecke 110 Pfund Pfennige vor und verpfänden
darum 1544, Jänner 9,^ dem edlen Leonhard Locbner von
Liebenfels Hüben zu Pulst, Kamberg, Buchberg und Steinpichl.
Comthur Windisch erscheint noch in einer Urkunde von
1545, October 13,*-' in welcher die Kämmerer mit seinem und
der ganzen Pfarrgemeinde Wissen dem Oswald Weber und
dessen leiblichen Erben zwei Aecker unter der Wolfsgrube bei
Zweikirchen zu Kaufrecht verleihen.
Durch einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren fehlt
uns jede Quelle über die Geschichte von Pulst. Erst 1567 tritt
Comthur: uns Georg Schobcr als Comthur und Pfarrer urkundUch ent-
Schober g^g®^- ^* dieser aber in einem Actenstücke vom Jahre 1592
58— i5i>7. von sich sagt, er sei nunmehr 63 Jahre alt und bereits 35 Jahre
Comthur von Pulst, ^ so muss er die Commende im Jahre 1558
in einem Alter von 29 Jahren angetreten haben.
Der kaiserliche ßath und obrister Zeugmeister Franz von
Popendorf trug sich mit der Absicht, in seinem Vaterlande
Kärnten, wie es "1567 hcisst, * einen Edelmannssitz zu erbauen,
wozu er sich ein dem edlen Lochner zu Liebenfels gehöriges
Grundstück ausersehen hatte, welches aber dieser ihm nur dann
überlassen wollte, wenn Popendorf dafiir für Lochner den in
* Orig. Pulst. Auch der (.'omthur hängt sein ,Petschaft* an die Urkunde;
dasselbe zeigt ein Herz, darüber ein Kreuz.
2 Orig. Pulst. Das anhängende Siegel des Comthurs zeigt ein halbrundes
Schild mit dem Johanniterkreuz. Hinter dem Schilde steht Maria, in
dem linken Arm das Christkind und in der rechten Hand eine Kirchen-
fahne haltend. Zu beiden Seiten des Kopfes Marias steht die Jahreszahl
15 — 33. Eine sonstige Legende ist nicht vorhanden. Dasselbe Wapp«D
mit der Jahreszahl 1537 ist auch auf der Nordseite des Kirchthurmes w
Pulst sichtbar.
3 Siehe S 371.
* Prag 4.
369
der Nähe von Liebenfels ansässigen Pulster Unterthan Hans
von Zempnig in Tauschweise erwerben könnte, und wandte sich
zu diesem Zwecke an den Comthur Schober und den Statt-
halter des Johanniterordens Römer, sowie an den böhmischen
Grossprior Wenzel Has von Hasenburg und den Comthur von
Gröbnig, Georg von Prosskau, welchem vom Grossprior endlich
die Entscheidung der Sache tibertragen wurde. Allein ein
Schreiben der Pfari'gemeinde Pulst an den Grossprior Has vom
8. Februar 1668, worin sie sich energisch gegen den Auswechsel
verwahrt, ,da es die Pfarrgemeinde nicht will zugeben und es
ihr besonders zuwider scheint', machte allen Bestrebungen
Popendorf's, obzwar dieser am Schlüsse des Jahres 1567 bereits
2000 fl. für den Bau ausgegeben, ein Ende. Aus diesen an
und für sich belanglosen Thatsachen können wir entnehmen,
dass die Commende Pulst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts
dem böhmischen Grosspriorate imterstand, während früher eigene
Statthalter fUr die in Oesterreich, Steiermark und Kärnten ge-
legenen Ordenshäuser bestanden.^ Comthur Schober scheint
ein eifriger Bekämpfer des Protestantismus gewesen zu sein.
Er benachrichtigt 1568 den Bischof Urban von Gurk vom
Treiben des St. Veiter Prädicanten Stefan Hassler.^
Als infolge der Abmachungen des Brucker Landtages
vom Jahre 1578 ein Heer von Klageniurt unter dem General-
obersten Freiherm Georg von Khevenhüller zur Sicherung der
croatischen Grenze auszog, befand sich auch der Pulster Com-
thur Georg Schober mit zwei Pferden bei demselben.' Wie es
ihm auf diesem erfolglosen Feldzuge erging, wissen wir nicht.
Jedenfalls aber kehrte er gesund wieder heim.
Papst Sixtus V. befiehlt 1586, Mai 14, dem Bischöfe Chri-
stof Andreas von Gurk, gegen einige Priester in Pulst, von
denen ihm zu Ohren gekommen war, dass sie ein der priester-
lichen Wurde entgegengesetztes Leben führen und dadurch
Aergemiss unter den Leuten erregen, gemäss den kirchlichen
Gesetzen vorzugehen und, obzwar sie unter dem Verwände,
sie unterstünden dem exempten Johanniterorden, die bischöf-
liche Visitation zurückweisen, die Priester zu strafen, sowie
» Vgl. S. 368, 361.
2 Hermann 1. c. 2, 2, 186.
3 Valvasor, Beschreibung des Erzherzogtliuins Kärnten 1688, S. 178. Her^
mann 1. c. 2, 82.
370
Pulst entweder selbst zu visitiren oder durch einen Andern
visitiren zu lassen.^
Wir stehen hiemit am Anfang der das 16., 17. und
18. Jahrhundert füllenden Streitigkeiten zwischen der Com-
mende Pulst und dem Bischöfe von Gurk rücksichtlich des geist-
lichen Jurisdictionsrechtes des letzteren über die Pfarrkirche.
Es müssen schon seit längerer Zeit auch an anderen Orten
zwischen den Ordinariaten und Ordenshäusern derartige Zwistig-
keiten bestanden haben. Die Streitsache, deren Wesen das vor-
erwähnte Mandat Sixtus V. vollständig zum Ausdrucke bringt,
war bereits 1571 vor den päpstlichen Stuhl gekommen. Pius V.
entschied in diesem Jahre durch die Bulle vom 12. September,^
nachdem er beiden Theilen vorher ewiges Stillschweigen auf-
erlegt und alle bei welchen Instanzen immer anhängigen Pro-
cesse cassirt, dass jeder Ordinarius in der Eigenschaft eines
päpstlichen Delegirten die Johanniterordenskirchen seiner Diö-
cese, welche Seelsorgezwecken dienen, und deren Priester, je-
doch nur in Hinsicht auf die Seelsorge und die Sacramente
visitiren solle. Dem Ordinarius steht das Recht zu, Priester
ohne Titel, also ,ad nutum' entfembare, sofort zu amoviren,
diejenigen aber, welche einen Titel haben, zu suspendiren, die
Ordensoberen zu ermahnen, innerhalb eines vorgeschriebenen
Zeitraumes an Stelle der Amovirten andere taugliche Geistliche
aufzustellen und den Suspendirten Coadjutoren an die Seite zu
setzen, nachdem diese der Ordinarius früher approbirt Wird
die Besetzung von Seiten des Ordensoberen nicht innerhalb der
vorgeschriebenen Zeit vorgenommen, so soll inzwischen* der
Ordinarius, bis der Orden das Versäumte nachholt, dies thun.
Die Diöcesane haben alle Visitationen, Approbationen und Con-
firmationen unentgeltlich zu leisten. Diejenigen aber, welche
nicht seit Alters die Ausübung des Jurisdictionsrechtes über
die Ordenskirche zu erweisen im Stande sind, wird ein solches
in der Bulle vollständig abgesprochen. Dieser Passus hatte zur
Folge, dass gerade dadurch der Streit zwischen dem Johanniter
Orden und den Ordinariaten recht angefacht wurde.
Auch in Pulst sollte er bald losbrechen. Indessen hielt
man es beim Orden für angemessen, Comthur Schober von
^ Klagenfart ConBiBt. L Orig.
' Klageofart ConsiBt. I. Copie.
Ist durcli eine andere Person zu creetzen, Dereelbe erliillt
1592 ' von Philipp Ridtesfl v. Lamberg;, GrosBge waltigen in
Deutschland imd Gesandten am Wiener Hofe, den Auftrag, am
24. April die Commende Pulst dem (JomtLur Michael Egelaeer
▼on Ebenfiu't einzuräumen und daftlr die letztere, in Nieder-
lerreich gelegene, zu llbemehraen. Am 2. April bittet Schober
len Grossgewaltigen, diesen Tausch auf sieh beruhen zu lassen.
Als Jüngling habe er selbst eiiinml nach Ebenfiirt verlangt;
min sei er 63 Jahre alt, gebrechlich und seit 35 Jahren Com-
tliur von Pulst. Aach Egolscer trage kein Verlangen, za tau-
. Dieser Wechsel kam auch nicht zu Stande.
Dagegen erhielt Schober I59Ö* von seinem Ordensherm
Aon Auftrag, fUr eine Zeit lang die Administra^on der Com-
mende St. Peter in Krain zu übernehmen. Unterm 19. Mltrz
meldete er dies dem Weihbischof und Dompropst Karl von
Oiirk und theUt zugleich mit, dasa er flir die Zeit seiner Ab-
oheit den Christof Mitte rdorf er als seinen Vertreter in
licht auf die Üumniende und auch als Caplan für die 8eel-
anf ein Jahr aufgenommen. Der Bischof von Gurk citirte
;tea:dorfer auf sein Schloss Strassburg, da er ihn im Ver-
it hatte, er sei kein ordentlicher katliolischer Piiester. Durch
Prüfung erwies sich zwar das Gegeutheil; allein der Bischof
ipbot dennoch dem Administrator Mitterdorfor die Ausübung
äedsorge, da er nicht mit seiner Erlaubniss angestellt wor-
war. Der Bischof besehwerte eich auch beim böhmischen
iprior Matheus Leopold Popel, Herrn von Lobkowitz.* Die
iter Pfarrgemeinde und Schober wendeten sich am 21. Juni
init Vorstellungen an Bischof Christof Andre von Gurk.* Der
Comthur habe namens seines Herren, des bühmischen Gross-
priors, als Administrator der Pfarre Mi Iter dorfer zu seinem
iCBplan aufgenommen. Infolge seiner Absetzung mUsse nun die
imeinde ohne Seelsorger sein und die Täuflinge zu dem Prä-
iBten nach Liembcrg oder Sl, Veit tragen. Sie bitten drin-
gend, Uitterdorfcr die Seelsorge ausüben zu lassen, damit nicht
etwa die Prädicanten Einfluss gewinnen und ein ,Villacherischer
Httndel' entstehe, womit auf den Empfang des Patriarchen von
p €apl
1.
' Prag 6.
I Frag 6.
* Zwei verloreue Aulwonschrelben werden Cuiuist. 1. e
372
Aquileja hingewiesen wird, welchen demselben die protestanti-
schen Bürger Villachs am 1. November 1594 bereiteten, indem
sie sein Wohnhaus umzingelten und nur mit Mühe vor weiteren
Insulten abgehalten werden konnten.* Auf diese energische
Eingabe der Gemeinde liess der Bischof durch seinen General-
vicär Propst Matheus von Strassburg einen abschlägigen Be-
scheid ergehen.
Comthur Schober war indess nach Krain abgegangen,
lieber Aufforderung des Grosspriors Lobkowitz erstattete er
am 30. Juni über den Pulster Streitfall von St. Peter aus Be-
richt. Dem Gurker Bischof handle es sich nur darum, auf
Pulst ein Recht zu erhalten. Seit 120 Jahren sei aber erweis-
lich, dass die Bischöfe keine geistUche Jurisdiction über Polst
ausgeübt, ausser man hätte sich gegen die katholische Religion
vergangen, was seines Wissens nie geschehen. Die Pfiirr-
gemeinde habe öffentlich erklärt, wenn man sie noch länger
ohne Gottesdienst lasse, werde sie sich wenig um den Bischof
kümmern, sondern sich an sectische Priester wenden. Der
Grossprior möge daher der Vermessenheit des Bischöfe ent-
schieden entgegentreten und sich beim apostolischen Nuntius
um Dispens oder ein Dimissoriale für Mitterdorfer bewerben,
damit sich dieser ungehindert der Seelsorge in Pulst unter
ziehen könnte. Auch die Pfarrgemeinde machte ein Gesuch an
den Grossprior, worin der Wunsch ausgesprochen wurde, die
Rechte des Ordens durch den Bischof nicht schmälern zu
lassen. Es möge Mitterdorfer und womöglich auch Comthur
Schober ihnen gelassen werden. Wenn letzteres nicht möglich
sei, solle Schober seinen Nachfolger selbst vorschlagen. Wie
dieser Streit in seinen Einzelheiten weiter verlaufen, ist unbe-
kannt. Aber durch Vermittlung des Johanniterordensgesandten
am päpstlichen Hofe wurde ein scharfes Decret^ des aposto-
lischen Protonotars und Generalauditors Marcellus Lantes e^
wirkt, in welchem den 5. November 1597 mit Bezug auf
die Bulle Pius V.^ dem Bischöfe von Gurk jedes Jurisdictions-
recht über Pulst abgesprochen ward. Jedenfalls erkannte auf
das hin der Bischof Mitterdorfer als rechtmässigen Caplan in
Pulst an, welcher auch seinerseits zu Concessionen geneigt
^ Hermann 1. c. 2, 1, S. 210.
2 Prag 7.
» Siehe 8. 870.
373
schien, da er 1598, im Jänner, beim Generalvicär anfragte,^
wie er sich gelegentlich der Beerdigung einer Häretikerin, deren
Familie seit 200 Jahren das Begräbnissrecht in der Polster
Kirche zustehe, zu verhalten habe. Im Jahre 1597 zog endlich
Schober für immer von Pulst ab und übernahm definitiv die
Commende St. Peter in Krain. Das Urbar von Pulst, welches
er bei dieser Gelegenheit seinem Nachfolger Comthur Veit
Scheiber von Maderbach übergab, ist noch erhalten.^
Scheiber war seit 1592 Pfarrer von S. Gandolf (südwest- iccomthur:
lieh, nahe bei Pulst), welche Kirche in geistlicher Hinsicht dem ^ M»deri!ach
Erzbischofe von Salzburg unterstand. Auf vieler weltlicher und i5»7— leie.
geistlicher Herren Bitten hatte Grossprior Lobkowitz dem
Scheiber die Commende Pulst verliehen. Der Grossprior rich-
tete 1599 an den Erzbischof das Ansuchen,^ dem Scheiber
neben der Commende, wenn schon nicht auf Lebenszeit, so
doch fUr einige Jahre noch die Pfarre S. Gandolf zu lassen.
Die Commende sei durch Scheiber's Vorgänger arg vernach-
lässigt, an Gebäuden sehr abgekommen und der Besserung be-
dürftig. Der Erzbischof willfahrte dem Wunsche des Gross-
priors. Comthur Scheiber vermied möglichst jedweden Streit
mit dem Bisthume Gurk. Er erhielt auf seine Bitten 1600 das
Recht, von der Häresie zu absolviren.*
Der Grossprior erneuerte 1601 die an den Erzbischof von
Salzburg gestellte Bitte.* Im folgenden Jahre petitionirte auch
die Pfarrgemeinde S. Gandolf in diesem Sinne, indem sie be-
sonders den frommen Wandel Scheiber's hervorhob, durch
welchen die Pfarrkinder schon, ehe noch Erzherzog Ferdinand
die Religionsreformation in Kärnten eingeführt, zur Kenntniss
und Uebung der alleinseligmachenden katholischen Religion
gelangten.® Infolge dessen blieb Scheiber bis an sein Lebens-
ende auch Pfarrer von S. Gandolf und Hess sich daselbst durch
einen Vicar vertreten. Dass Schreiber auch von dorther Ein-
kommen bezog, kam ihm sehr zu statten, denn die Lage der
Gemeinde Pulst war eine recht üble geworden. Comthur
* ConHiRt. I.
2 Prag 8.
' Prag 9 b CB).
^ Oonsbt. I.
ö Prag 9 b (C).
• Prag 9 b.
ArehiT. Bd. LXXYI. II. U&lfte. 25
374
Scheiber wendete sich 1606 daher mit einer Eingabe an das auf
den 9. Februar angesetzte Provinzialordenscapitel in Prag. In
erster Linie beklagte er sich über das Anwachsen der Steuern,
besonders die Verdreifachung des Rüstgeldes. Das Commenden-
gebäude sei vollständig verfallen, doch reiche das Einkommen
zu einem Neubau nicht aus. Da die Kirche nicht einmal einen
Messner besolden könne, so zahle ihn der Comthur aus seinem
eigenen Säckel. Derselbe könne sich keinen Caplan halten und
müsse Alles selbst verrichten. Die Commendenunterthanen im
Dorfe Pulst seien am 25. März 1605 durch eine Feuersbrunst
verunglückt, so dass von ihnen keine Geldhilfe zu erwarten. Die
Kulmer, Herren der umliegenden Schlösser Hohenstein und
Rosenbichl, welche seit Alters zu Qiebigkeiten an die Kirche
verpflichtet waren, hätten solche schon unter dem Comthur
Schober nicht geleistet. Ueberhaupt sei der protestantische
Adel ein Feind der Geistlichkeit. Von den 40 zinspflichtigen
Gärten, welche die Commende einst in St. Veit besass, er-
übrigen nur noch 15.
Die Folge dieses Gesuches war es, dass der Orden 1609
einen Visitationscommissär in der Person des Heinrich Frei-
herm von Logau, Comthurs von Fürstenfeld und Troppau, nach
Pulst abordnete. Aus den Beschwerden,' welche der Comthur
namens der Commende und die Kirchenkämmerer fUr die
Kirche dem Commissär vorlegten, erfahren wir Näheres über
die Pulster Verhältnisse. Der Comthur gibt an, dass seine im
Gerichte Liebenfels gelegene Commende besonders von dem
Herm dieses Schlosses, Georg von Wildenstein, femer Christof
Kulmer auf ßosenbichl und dessen Bruder Balthasar auf Hohen-
stein viel zu leiden habe, so dass er sich zum Schutze seiner
Rechte einen Advocaten in Klagenfurt halten müsse, welcher
jährlich bei 20 fl. kostet.
Als grössten Feind bezeichnet Scheiber den Balthasar
Kulmer, welcher ihm das von Kaiser Friedrich HI. bestätigte
Tafernrecht^ der Commende, nachdem er dasselbe mit Eück-
sicht darauf, dass das Schankgeschäft mit seiner priesterlichen
Würde nicht vereinbar ist, einem Unterthan verpachtete, streitig
machen will, worüber der Process schon seit drei Jahren bei
» Prag 9 a, 10 a.
» Vgl. a 363, 364.
376
der Landschrannc anhängig ist. Scheiber wiederholt die Klage^
dass von den umliegenden Schlössern die gebührenden Zinsun-
gen nicht geleistet werden. Sehr schlimm stehe es in St. Veit,
wo vor der Stiftung der Commende. — wie Scheiber meint ' —
die Ordensritter einst gewohnt und die Johanneskirche in Er-
lach daselbst innegehabt haben. Auf welche Weise von den vierzig
einst zinspflichtigen Gärten in der Stadt der Commende so viele
entfremdet werden konnten, dass nur mehr fUnfzehn übrig sind,
sei unbekannt, aber begreiflich, da die Gärten ohne Vorwissen
des Comthurs verhandelt werden und die Stadt St. Veit die
betreffenden Urkunden ausfertigt. Scheiber empfiehlt, sich dies-
bezüglich um Abhilfe an den Herrn der Stadt, den Landes-
ftirsten zu wenden. Die Johanneskirche habe ein eigenes Be-
gräbnissrecht, welches die St. Veiter Bürgerschaft benützt
Dieselbe hat nicht nur durch ihre Prädicanten der Kirche allen
Ornat wegnehmen, sondern auch das Dach zu Grunde gehen
lassen. Comthur Scheiber bittet femer um Aufklärung, wie er
sich gegenüber dem Bisthumo Gurk zu verhalten habe. Einmal
sei der Consistorialassessor Dr. Colling in sein Haus gekommen
und habe ihn zu examiniren sich erlaubt,'- worauf er erklärte:
in dem Ordenhause nehme er keine Visitation und kein Exa-
men an, in der Kirche dagegen wolle er Rede und Antwort
stehen..
Das Jahreseinkommen der Commende beträgt nach Scheiber
49 fl. 5 ^ baares Geld, 22 V^ Vierling Weizen, 37 V2 Vierling Roggen,
11 Vierling Gerste, 60 Vierling Hafer, 3 Vierling Hopfen, 8 Haar-
zechling (ELanf), 9 Faschinghennen, 1 Kitz und 1 Lamm. Da-
von hat der Comthur nach Prag jährlich als Respons 10 Du-
caten (k 105 kr. = 17 fl. 4 /?), sowie die Annaten im Betrage
von 5 Ducaten (= 8 fl. 6 ß) und fiir die Jahre 1607—1608
noch die doppelte Respons wegen etlicher zerschmetterter Ga-
leeren, also: 20 Ducaten (= 35 fl.) zu entrichten. Das ganze
Einkommen ist nun im LandgUltbuche beansagt und muss dem-
gemäss versteuert werden. Obzwar der Comthur bei seinem
Antritte noch mit 77 fl. Steuer abgekommen, habe sich dieselbe
jetzt auf 124 fl. b ß 10 Pfennige erhöht. Die Maierhofgründe
tragen zwar Getreide, doch gehe Alles für das Gesinde auf
> Vgl. 8. 366, Anm. 1.
3 Den 10. Atigust 1608 nach Consist I.
26*
376
Futtermangel hindere den Betrieb der Viehzucht. Wenn nun
ein Grundherr ausserdem kein Zinsgetreide hat und von einem
Gulden Einkommen ö ß Landsteuer zahle, mOsse er nothwen-
digerweise zu Grunde gehen. Ausserdem hatte der Comthur
schon zweimal ein dem GültenanschLig entsprechendes Quantum '
Proviantgetreide fUr die croatische Grenze zu liefern. Was die
sonstigen Ausgaben anbelangt, berichtet Scheiber, dass er j&hr
lieh zum Landtage nach Klagenfhrt müsse. Da nun die S^sion
mindestens zwölf Tage dauerte so gehen zur Zehmng wenig
stons 15 fl. auf. Am Kirch weihtage müsse man in Pulst ein
Mahl geben, das 10 fl. kostet. Als er die Commende über
nahm, habe er kein Inventar, ja nicht eines Kreuzers Werth
in Vieh, Getreide oder Hausrath von seinem Vorgänger Schober
empfangen, dagegen einen Steuerausstand von 130 fl. über-
nommen, wofilr ihm Schober die Wintersaat eingehändigt, welche
aber nicht 30 fl. werth war. Auch war sein Vorgänger noch
50 fl. Respons nach Prag schuldig, die Scheiber bezahlen musste.
Viel Geld hätten ihn auch zwei Reisen nach Prag, sowie eine
auf Befehl des Priors vorgenommene Msitirung der Commende
St. Peter in Krain gekostet. Er habe auch viel ftr Reparaturen
und Baubesserungen am Commendengebände ausgegeben, ferner
Obstbäume gepflanzt, was Alles sich auf mehr als 500 fl. be-
laufe. Comthur Scheiber kommt zum Schlüsse, dass mancher
Bauersmann oder gewöhnliche Landpriester viel besser leben
könne als ein Comthur von Pulst, und dass er sich ohne die
Pfarre zu St. Gandolf überhaupt nicht halten könnte, wie denn
auch alle seine Vorgänger von Pulst wegzukommen strebten
und keiner daselbst verstorben ist. Er bittet endlich um die
Erlaubniss, sieh nach St. Gandolf zurückziehen und von dort
aus die IVimmende administriren zu dfürfen. Scheiber unterliess
es bei dieser Gelegenheit auch nicht, das Archiv der Commende
zu revidiren und dem Visita tionscommissär ein Verzeichniss der
Arohivalien vorzulegen. Er versprach auch, die alten und
schwor losorliohen Urkunden fleissig in ein Libell^ abzuschrei-
ben, und bittot zugloich, zu veranlassen, dass die kaiseriichen
und filrstliohen Freiheiten und Privilegien aufs Neue ausgerichtet
» In oiiuMu l^^rrhot*- Inventar v»>m Jahre 1877 (Coosisl. V, 25) ist sab Nr. 12
oin Ko)H^rtortnm vom Jahiv 1^>09 erwihnt. Meine Bemfllioiigeiiy dieses
Buch«>c$ habhat't lu werden, waren leider m^^ebUch.
377
und bestätigt werden, was besonders bei diesen gef&hrlichen
Zeiten rathsam sei.^
Auch die Kirehenkämmerer hatten genug Beschwerden
am Herzen,^ welche sie dem Visitationscommissär vorbrachten.
Vor Allem gegen die schon erwähnten drei Schlossbesitzer,
welche Kirchengüter eingezogen hatten und die Pflichtigen Ab-
gaben verweigerten. Besonders Georg von Wildenstein auf
Liebenfels spiele gern den Gerichtsherm auch in der Kirche
und Commende imd schaffe mit Messner und Kirchendiener,
was doch nur dem Comthur zustehe. Auch befände sich im
Schlosse Liebenfels eine St. Nicolauscapelle, wo vor Zeiten der
Comthur am Christtage die Messe zu lesen pflegte, wie dies
noch Schober zu Lebzeiten des Mathes Lochner von Lieben-
fels, des Letzten seines Mannsstammes, gethan. Dessen einzige
Tochter Ursula heiratete den Ludwig Atthems, erst Deutsch-
ordensprofess, später Protestant. Unter ihm kam die Capelle
ganz ab. Jetzt ist dieselbe eine Speisekammer.
Ln Februar 1609 habe die grosse Glocke zu Pulst einen
Sprung bekommen. Sie wurde zu Völkermarkt im Gewichte
von 16 Centner 10 Pfund neu gegossen, am 9. April vom Gurker
Weihbischof geweiht und am 13. April glücklich am Thurm
aufgezogen. Der Giesserlohn sammt 2 Centner neuer Glocken-
speise belief sich auf 228 fl. 48 kr., die Gesammtkosten auf
ungefähr 300 fl. Obzwar die Landschaft dazu einen Beitrag
leistete, viele edle Herren, darunter auch Grossprior von Lob-
kowitz, beisteuerten,^ so wären sie dem Glockengiesser noch
immer 100 fl. schuldig. Zu Zeiten Schober's sei ein Klagen-
farter lutheiischer Bürger in das Tabernakel eingebrochen und
habe die Kirche geschädigt. Dieselbe habe weder Zins- noch
Zehentgetreide und erhalte sich meist von Almosen. Comthur
Scheiber sei fUr die Kirche eifrig thätig gewesen. Ihm ver-
danke sie einen neuen Altar zu Ehren der Heiligen Valentin
und Florian, eine neue Kirchenfahne, ein neues Salzburger und
römisches Missale, einen neuen Kelch u. A. m. Die Kirche sei
so arm, dass nicht einmal das ewige Licht vor dem Allerheilig-
sten erhalten werden könne.
1 Prag 10 b. Vgl. Anhang 4.
2 Prag 9 a.
3 Sein Beitrag betrug 5 fl. 24 kr. Prag U.
378
Ob infolge dieser Klagen des Comthurs und der Kirche
von Seite des Ordens helfend eingegriffen wurde, ist aus den
Acten nicht zu ersehen.
Bei allem Eifer, welchen Scheiber seinen Obliegenheiten
angcdeihen Hess, scheint sein sittliches Verhalten nicht frei von
Tadel gewesen zu sein. 1612, Jänner 18, macht Dompropst
Mathias von Gurk den Bischof Johann Jakob aufmerksam,^ dass
der Comthur von Pulst und der Pfarrer von Friedlach ,propter
turpissimum concubinatum, in quo versantur^ eine scharfe Za-
rechtweisung verdienen. Inwiefern diese Anschuldigung berech-
tigt war oder nicht, lässt sich nicht entscheiden.
Kurz vor seinem Tode, den 4. April 1615, kaufte Scheiber
von Marie Salome, des Leonhard von Ernau Witwe, ein Gut
im Saustall, aus welchem Kaufe der Commende später unan-
genehme Verwicklungen erwachsen soUten. Ende 1615 oder
Anfang 1616 starb Scheiber.
Am 25. April 1616 wendet sich Elrzherzog Ferdinand von
(^esterreich von Graz aus in einer eigenhändig gefertigten Zu-
schritlt^ an den Grossprior und das Capitel von Böhmen mit
der Bitte, die erledigte Commende Pulst dem ihm vom Bischof
i7.roBith«r: Johann Jakob von Gurk empfohlenen Matheus Plirger, bisher
Warror von Sirnitz, zu verleihen. Offenbar handelte es sich
dem Bischof danun, dass nach Pulst ein gefügiger Mann komme,
iin^ssprior von Lobkowitz entsprach dem Verlangen des Era-
herzogs und vorlieh unterm 4. Juni 1616^ dem Ptlrger die
(kommende mit der Bedingung, dass er jährlich um den 1. Mai
ivgolmiissig die herkömmliche Pension oder Responsion nach
Prag ontrichto. Gleich bei seinem Antritte ergaben sich An-
stände, deriMiwegen er sich am 15. Juli * an den Ordenskamder
Hr. Melchior (luiss nach Prag wandte. Püi^r hätte das £U
luH*li angosohlagene Inventarium von seinem Vorgänger über-
nohnion sollen, während der Hausrath nach seiner Ansicht über-
sehtltzt und das Gt>treide seither im Preise gesunken wäre.
Si*hlimiuer stand die Sache wegen des von Scheiber erkauften
IfUtes im Saustall IX^r Landesvicedom Namens der landes-
t\lrstliehen Patrv>natspfarre St. Gandolf, welche Scheiber in Bezog
IHt« hin 0«.
879
auf Baureparaturen völlig vernachlässigt, da ihr Erträgniss zur
Deckung des Pulster Deficits verwendet worden war, machte
Ansprüche auf das Gut mit der Begründung, dass Scheiber
dasselbe in seiner Eigenschaft als Pfarrer von St. Gandolf ge-
kauft, und wollte sich nur dann zufrieden geben, wenn ihm
die Hälfte des Werthcs ausbezahlt würde. Der Vermögensstand
der Commende ergab 1616 ein Minus von 185 fl. 22 kr. 2 Pfen-
nigen. Was auf diese Eingabe Scheiber's hin von Prag aus ge-
schah, ist unbekannt. Allein die fortwährenden Klagen über
die schlimme Lage der Conmiende Pulst — vermuthlich liefen
auch von anderen Commenden ähnliche ein — mögen es wahr-
scheinlich mit verursacht haben, dass der Ordensritter Niclas
Karl von Gaschin und Rosenberg ohne Vorwissen des böhmi-
schen Grosspriors Heinrich Freiherm von Logau sich eine
Bulle des Grossmeisters zu Malta ddo. 1624, Juni 22, zu ver-
schaffen wusste, worin die Absetzung der Priestercomthure und
Einziehung ihrer Commenden mit der Begründung verfügt wurde,
dass sie nicht aus dem Prager Convonte hervorgegangen, son-
dern vom böhmischen Grossprior ernannt wurden, sohin säcular
erscheinenJ Diese Verftlgung traf auch den Comthur Pürger,
welcher ja bis zu seiner Ernennung zum Comthur von Pulst
durch den Grossprior ein weltlicher Priester der Diöcese Gurk
gewesen war. Er machte seine GegenvorsteUungen, welche
auch das Resultat hatten, dass er bis an seinen Tod Comthur
von Pulst blieb; er erscheint ausser 1622 noch 1635 als Sieglcr
von Urkunden.2 Doch hatte die Bulle des Grossmeisters vom
Jahre 1624 zur Folge, dass fürderhin kein Priester überhaupt
und kein solcher aus Kärnten die Würde eines Comthurs be-
kleidete, sondern ein Ordensritter aus vornehmem Stande, welcher
in seinem Einkommen nicht allein auf die magere Commende
Pulst angewiesen war. Derselbe, meist von Pulst abwesend,
wurde dort durch einen Administrator in Hinsicht auf den welt-
lichen Besitz vertreten, während ein Geistlicher unter dem Titel
Vicär der Seelsorge oblag. Oft war der Vicär auch zugleich
Administrator.
* Prag 16. Dieser wichtige Act konnte mir leider, weil unauflindbar, zur
Bentltzung nicht vorgelegt werden und ich war sohin auf die kargen
Worte des Archivkatalogs gewiesen.
5 Orig. Ver.
380
Wann Pürger gestorben ist, wissen wir nicht. Da es in
einem späteren Actenstücke ^ heisst, er sei über 25 Jahre Com-
thur von Polst gewesen, so kann er irühestens 1642 vom Tode
ereilt worden sein.
8.comthur: Pürger's Nachfolger ist Graf Johann Josef von Herber
ohann jowf ^^^^^^ Derselbe wurde ca. 1630 als Sohn des Johann Max,
uru TOD ^
Herb«ntetn seit 1648 Landeshauptmannes in Steiermark, und der Eleonore
i6M-ie9i. Katharina, geb. Freün von Brenner, geboren und trat frOh in
den Johanniterorden ein. Nehmen wir an, dass er frühestens
im Alter von 24 Jahren die Conmiende Pulst angetreten haben
kann, so kommen wir auf das Jahr 1654; doch scheint Herber-
stein gemftss den Gurker Consistorialacten schon 1652 Comthur
von Pulst gewesen zu sein.^ Er diente seinem Orden haupt-
sächlich als tapferer Krieger, kämpfte gegen die Ungarn and
Türken. Gegen letztere ward er 1686 Befehlshaber der Mal-
teserflotte. Auch hatte er sich 1664 in der Schlacht bei St
Gotthard ausgezeichnet. 1676 erhielt er die Würde Grossbailli
deutscher Zunge in )[alta, 1682 die eines Grosspriors in Un-
garn. Er ist auch der Stifter der Commende St. Josef bei
Karlstadt (^1689). Zuletzt bis an sein Lebensende war er com-
maudironder General in Croatien, Slavonien und den österreichi-
schen Seeküsten. Bei seiner kriegerischen Thätigkeit ist es
iH^groiflich, dass Herberstein nicht viel Gelegenheit hatte, sich
in Pulst aufzuhalten.
Nach dem Tode Pürger's bestellte der Gurker General-
vicUr Sebastian Vinoschitz proWsorisch den Bartholomäus Po-
litzer, später Pfarrer in Micheldorf bei Friesach, flir die Seel-
sorgo in Pulst, ohne dass Jemand eine Einsprache dagegen
erhoben hätte. Allein Bartholomäus brachte es nicht zu einer
derinitivon Anstellung. Als eigentlicher Vicär von Pulst 4ritt
uns Simon Peter Schadamar* entgegen, welcher aber schon
1(563 die Pfarre Friedlach erhielt, wodurch das Vicariat Pulst
(luroli Resignation erledigt wurde. Wie die Anstellung Schada-
nmr'H zu Stande kam, ist unbekannt. 1654, am 24. September,
I CouniHi. I.
^ WiirÄimch, Biograph. Lexikon 8, 338.
* CoiiMiHt. I, II. Alle Nachrichten, fiir welche im Folgenden keine Quelle
iin^ogf^ben iHt, ntammen aus dem Gurker Consistorialarchiv in Klagenfnrt
* Hfriitiiior*H Verzeichniss führt Schadamar als Comthnr von Pulst an, w«
dun thntHUchlichen Verhältnissen nicht entspricht.
irandot eich der Giirker Generalvicttr Orefici an den Comthur
Sterborstcin. Er betont, dasa, nachdem nun mehr nls ein Jahr
init Erledigung des Vicariates Pulst verflossen sei, eigentlich es
OBre devoluto' dem Bischöfe von Gurk, Erzherzog Sigmund
BiranK, zustehe, einen Priester dorthin zu ernennen, bittet aber
mn Conithur, zur Erhaltung guter Nachbarschaft nochmals ehc-
•tens einen geeigneten Geistlichen zu prSsentiren. Ein Vorschlag
erfolgte aber nicht und verblieb Schadamar noch bis April 1655
in Pulst, bis er endlich an Orifici meldet, dasB er im Begriffe
stehe, seine Station zu verlassen, mit dem Ansuchen, einen Nach-
;er zu bestimmen, damit dieser das Inventar übernehme.
licbzeittg verstandigte der Herberstein' sc he Advocat in Kla-
iirt, Dr. Waitz, den General vi ctlr, er habe vom steirischcn
Ijandesbauptmanne, dem Vater des Comthurs, die Nachrieht
erhalten, dass der Johanniterorden dem Bischöfe von Gnrk
durchaus keine Jurisdiction zugestehen wolle. Und so stellte
der Bevollmächtigte des Comthurs Herberstein, Michael von
CastoUz, k. Ratli und (Jberaufachlager zu St. Veit, einen Priester
ittis Krain Namens Adam Promik zu Pulst an, ohne denselben
iMrerst dem Gurkei- (.)rdinariate zu Examen und Approbation
:iistcllen. Premik, nach Gurk citirt, erscheint nicht und
Vird infolge dessen ,a divinis' suspendirt und an seine Stello
«in anderer Geistlicher vom Ordinariate nach Pulst abgeordnet
und in einer Fihalkirche gelegentlich des Kirchweihfestes der
Pfarrgemeinde als Curat vorgestellt. Auch Casteliz ist anwesend
ittnd pr»t«stirt vor dem Altare gegen diese Ernennung. Einige
;c später vertreibt Casteliz den Curaton, dessen Name nnbo-
tnnt ist, vollständig, so dass derselbe genöthigt ist, bei einem
in Feistritz Unterkunft zu suchen. Am nÄchsten
itage eilt Generalvicäi- Orefici nach Pulst. Er findet die
ihenthUrcn geschlossen. Es wird ihm bedeutet, der snspon-
VicÄT Premik sei nicht zu Hause. Der Generalvicllr iHsst die
iken Unten, es erscheint viel Volk, doch die Kirebcnthüren
len sich nicht. Endlich zeigt eich Casteliz, den Grctici um
Kirchenschlllssel bittet. Casteüx weist ein Decret des Com-
Herherstein vor, denmacb der von Gurk eingesetzte Curat
Pulst nicht geduldet werden dilrfe, und entfernt sich sodann,
ohne die KirchenseblHsscl auszufolgen. BestUrzt bleibt der
OeneralvicÄr stehen. Es erübrigt ihm nichts, als trotz des äonn-
til^ flas Volk ohne Gottesdienst zu lassen und dasselbe zu
II foigei
KUeic
^eufi!
aas I
^Vorei
Fvird
I
382
ermahnen, die Messe in einer der benachbarten PfiEtrrkirchen
zu hören. Tags darauf aber begibt sich Orefici zum kämt-
nerischen Landeshauptmann Grafen Kroneck, damit Casteliz
durch das ,brachium saeculare' gezwungen werde, die Kirchen-
schlUssel herauszugeben und dem Curaten den nothwendi-
gen Unterhalt zu reichen. Der Landeshauptmann sendet ein
Mandat an Casteliz; doch bewirkte es nichts. Im G^;en-
theil überschickt dieser dem Generalvicär einen Befehl der
Grazer Regierung des Inhaltes, dass Orefici von den Angriffen
und Censuren gegen Pulst abstehen möge. Der Generalvicär
bleibt die Antwort nicht schuldig; leider ist sie nicht erhalten.
Seither ist Alles äusserlich still. Ein desto lebhafterer Briefwechsel
zwischen dem Landeshauptmann Graf Kroneck von Kärnten und
dem von Steiermark, dem Vater des Comthurs, entwickelte sich.
Endlich tritt Landeshauptmann Graf Kroneck als Vermittler
auf. Es wird ein Vergleich vorgeschlagen, demnach Premik
dem Gurker Ordinariate zur Prüfung und Approbation vo^
geschlagen werden sollte. Der Generalvicär geht darauf nicht
ein, er verlangt die Entfernung des Premik, welcher trotz seiner
Suspension in Pulst Gottesdienst gehalten. Es solle der Com-
thur einen andern qualificirten Priester ohne Präjudiz der beider-
seitigen Rechte präsentiren. Die Sache verzögerte sich, da der
Vertrag vorerst dem böhmischen Grossprior und dem Bischöfe
von Gurk, damals Erzherzog Sigismund Franz, zur Genehmi-
gung und Mitfertigung hätte vorgelegt werden müssen.
Indess lässt der Generalvicär den von der Mutt^rkirche
vertriebenen Pulster Curaten in der Filiale Lebmach functioniren.
Orefici wendet sich sodann hauptsächUch wegen des Vertrages
um Rath und Einfiussnahme an das Salzburger Consistorium.
Eine Einmischung wird abgelehnt, doch in einer Zuschrift vom
14. Jänner 1656 gerathen, den Curaten von Pulst nicht abza-
borufen, da hiedurch ein Präjudiz geschafften würde, Casteliz^
welcher sich immer noch die Kirchenschlüssel herauszugeben
weigert, erst durch die weltliche Gewalt belangen zu lassen,
und ist dies erfolglos, dann erst zu excommuniciren. Die Rechte
Gurks in Bezug auf Pulst wurden von Seiten Salzburgs als
unanfechtbar angesehen.
Der geplante Vertrag reducirte sich endlich auf ein ein-
faches Uebereinkoumien zwischen dem Gurker Qischof und
Comthur Herberstein, das im December 1656 abgeschlossen
388
wurde. Der gewöhnlichen Präsentationsformel des Comthurs:
^pro animarum cura et approbatione^ sollen die Worte ,citra
praeiadicium ac salvis tarn nostrae . . . religionis (des Ritter-
ordens) qnam ordinarii Gurcensis iuribus, quousque causa iuris-
dictionis ordinariao in paroehia Pulst . . . inter utramque partem
controversa in curia Romana decidatur^ hinzugefügt werden.
Der Comthur wollte anfangs im Vorbehalte der Rechte des
Bisthums nicht gedenken, gab aber schliesslich nach. Der ganze
Streitfall war also vor die päpstliche Curie gebracht worden.
Auf Grund dieser Vereinigung präsentirte Comthur Herberstein
(ddo. 1657, März 27, Graz) den Priester Georg Habat als Vicär
ftir Pulst zur Prüfung und Approbation, nach dessen Abgang
1660, 14. Mai, durch seinen Bevollmächtigten Dr. Calvucci den
Rupert Clamer. Am selben Tage schliesst der Comthur einen
Vertrag mit Clamer, demnach er diesem auch die Commende
zur Administration auf drei Jahre überlässt,^ wofür der Ad-
ministrator sich verpflichtet, die Landsteuem zu zahlen, jähr-
lich 100 kaiserliche Gulden oder 150 rheinische Gulden in
zwei Raten zu entrichten, sowie jedes Jahr mindestens 12 rhei-
nische Gulden für Bauherstellungen zu verwenden.
Eine Feuersbrunst verzehrte 1662 die Commende voll-
ständig^ jedoch baute Comthur Herberstein Alles wieder auf.
Der Nachfolger Clamer's war Mathias Warschnik seit 1665.
Er erlangte das Vicariat gerade in der Zeit der Sedisvacanz
nach dem Tode des Bischofes Sigismund Franz, auf welche
Weise ist unbekannt. Doch zog er bald wieder ab.
Im Jahre 1666 wurde zu Pulst ein Meliorationsprocess
abgehalten. Zu einem solchen war gemäss den Ordensstatuten
ein jeder Comthur mindestens alle 25 Jahre einmal verpflichtet.
Das Protokoll über einen solchen Meliorationsprocess hiess Ca-
breum.'^ Es ist dies ein Inventar der liegenden Güter einer
Commende mit Grundbeschreibung und einem Berichte über
den früheren und jetzigen Zustand derselben, sowie mit einem
authentischen Zeugnisse über die Meliorationen. Das Pulster
Cabreum vom 2. November 1666^ ist vom öffentlichen Notar
Johann Adam Niclas und den kaiserlichen Oberamtsgeschworenen
> Prag 16.
« Vgl. Du Gange, Glossarium (1842) 2, 10.
» Prag 20.
384
zu St. Veit Wolf Wässner imd Peter Schreinmacher als Zeugen
gefertigt. Der Zustand der Kirchen- und Commendengebäude
stellt sieh gemäss des Cabreums folgendermassen dar. Die ge-
mauerte^ mit Stein gedeckte Kirche liegt in einem ummauerten,
mit drei Thüren versehenen Friedhof. Die Kirche hat vier
Altäre, davon der Hauptaltar wie das ganze Gotteshaus Maria
Schutzmantel; der zweite Johann dem Täufer^ der dritte den
Heiligen Florian und Valentin, der vierte endlich dem heiligen
ELreuz geweiht ist. Kirche und Sacristei sind gewölbt; gegen
Westen steht der viereckige, gewölbte Thurm mit vier Glocken
und einer grossen Schlaguhr. Auf dem Friedhofe liegt eine
zwar noch bedachte und bauständige, inwendig aber ganz öde
Capelle. Die Kirche, seit Alters Pfarrkirche, hat zwei Filialen,
eine bei St. Veit ausser der Stadt bei dem Fleischbänkenthor
St. Johann Baptist,^ woselbst viermal des Jahres Gottesdienst
gehalten wird, die andere zu Pupitsch, dem heiligen ürban
geweiht,^ worin aber seit elf Jahren kein Gottesdienst mehr hat
statthaben können, da sie durch Vieh und auf andere schmäh-
liche Art entweiht wurde. Eine Neueinweihung konnte infolge
Abwesenheit der Gurker Bischöfe von ihrer Residenz noch nicht
vorgenonmien werden. Ausserdem obhegt der Pfarre Pulst die
Providirung der dem Nonnenkloster zu Goess in Steiermark
gehörigen Bartholomäikirche zu Lebmach.
Dem Cabreum nach ist endlich das vor zwei Jahren ab-
gebrannte, aber wieder hergestellte Oommendcnhaus ein schlech-
tes altes Gebäude, weil es alle Zeit nur eine Caplan-Commende
gewesen.
Erst 1668 hören wir wieder von einem Pulster Vicär. Am
19. Juli schreibt das Gurker Consistorium an Gregor de Lucä,
Bestandinhaber oder Temporalienadministrator der Commende
Pulst und den vom Comtliur Herberstein dahin abgeordneten
Commissär Franz Steinberger, dass man die Präsentation des
Priesters Clemens Tanzenberger fiir Pulst zwar erlialten; allein,
dieselbe halte sich nicht an das 1656 vereinbarte Formular,
welches Versäumniss man nachholen möge. Bis dahin soll die
Admission des Tanzenberger zur Scelsorge in suspenso bleiben.
Doch hat das Ordinariat demselben nach entsprechendem Examen
J Vgl. 8. 367.
2 Ileute ein Baiiornhaiis ,beiin Wendel*.
1 Approbation die ÄagUljung der Soelsorge einstweilen erlaubt,
mit die Pulater Gemeinde keinen Schaden leide. Dieses Zu-
tetilndniss und der Umstand, dass infolge des zweimal rascli
iciieinander eintretenden BiBcliofweehaols in Gurk (1673 und
■75) auf die noch ausstälndige ordeutliehe Prfleentation Tanzen-
Srger'a vergessen wurde, sollten Hlr das Ordinariat von übler
Ende April 1682 entsagte Tanzenberger mit Erlaubniss
I Bischofea von Gurk der weiteren Ausübung der Seolsorge
It Pulst und es stcJlte sich dem Consistorium der aus Klagenfurt
gebllrtige Paul Fiseher mit der Bitte vor, ihn provisorisch in
l^ulst anznstellen, da er die aiehere Hoffnung liege, vom Com-
thur llerberstein, sobald dieser ins Land käme, die PrUsentotiou
^Kp erlangen. Obzwar Fischer bereits seit zwölf Jahren in der
^Hnöcese Gurk als Ptiester thätig war, wurde er dennoch noch-
^H(a!a geprüft und für tauglich befinden. Fischer stirbt schon
^^B August, ohne die angehoffte Priteentation erhalten zu haben.
^^pDch am Tage des Leichenbegängnisses erhielt der Curat ven
^^Blantschach und -Sorg, Josef FUsal, ein Deeret vom Gurker
Consistorium, einstweilen die Seeiaorge in Piüst zu ilbemelimen,
und sich darüber vor dem Herberste in 'sehen Pfleger der Com-
mende, Frana Pogathey (zugleich Pfleger von Liemberg), aus-
pvreisen. Ftlssl konnte ungehindert functioniren, doch erhielt
r keinen Lohn hiefür, worüber er sich beim Consistorium be-
da er ja in Olantschach einen Vertreter auf eigene
wten bestellen musste.
Indessen wartete man vergeblich in Ourk auf eine Prä'
mtation von Seiten des Comthurs. Im October sehreibt daher
•hot Johann VIH. an den zu Karletadt weilenden Herber-
en und fordert denselben auf, bis zum 25. November einen
teignetcn Priester zu präsentiren. widrigenfalls das Ordinariat
ILst in Pulst einen Vicär einsetzen werde. Auch bittet der
ichof um entspreehende Kutlohnung des Provisors Füssl und
I ErUssung eines Befehles an die Bediensteten des Comthurs,
ide Verletzung der Rechte Gurks künttighin zu vermeiden.
1 19. October antwortet Oomthur Herberstein: die Comthure
ten stets ihre Vicitre ernannt, welche sich einfach beim Or-
IbariAte anmeldeten, wie dies zuletzt auch bei Fischer der Fall
Wesen und seit '2^ Jahren, seit er die Oommencle inne habe,
Bier geschehen. Alle früheren Bischöfe von Gurk seien mit
386
ihm zufrieden gewesen, und so hoffe er, es werde auch iß Zu-
kunft so sein. In der Antwort vom 7. November gibt der Bi-
schof seiner Verwunderung Ausdruck, dass Herberstein auf die
vielen Präsentationen, welche bereits seit dessen Antritt der
Commende erfolgt sind, und sogar auf das freundschaftliche
Uebereinkommen vom Jahre 1656 vergessen zu haben scheine.
Zu Pulst tritt inzwischen Johann Josef GiUi als Secretär des
Comthurs Herberstein mit dem Sitze in Liembei^ auf. Derselbe
wollte es mit dem Qurker Ordinariate nicht ganz verderben.
Unter der Hand schickt er einen Bericht über ähnliche Juris-
dictionsstreitigkeiten zwischen dem Erzbischofe von Prag und
dem Orden ein, infolge dessen sich das Gurker Ordinariat
um nähere Auskünfte nach Prag wendet.
Am 1. Jänner 1683' gibt Johann Josef Graf von Herbe^
stein, Qrossprior von Ungarn und Comthur von Pulst, seine
Commende dem Geistlichen Peter Winter als Administrator auf
drei Jahre um jährlich 200 fl. in Bestand. Winter hat die
Steuern zu zahlen, die Baureparaturen zu besorgen und 200 fl.
Caution zu erlegen. Nachdem aber die Commende im letzten
Sommer vollständig abgebrannt war, verpflichtete sich Herber
stein, dieselbe sobald als möglich mit Ausnahme der einge-
äscherton Commendenmühle aus eigenen Mitteln wieder voll-
ständig aufzubauen. Am 12. Jänner entschuldigt sich Gilli beim
Ordinariate wegen der verspäteten Präsentation, und schon am
nächsten Tage stellt sich in Strassburg der Weltpriester der
GuVker Diöcese, Peter Winter, mit einem der Vereinigung vom
Jahre 1656 entsprechenden Präsentationsbriefe des Comthurs
vor, dessen Unterechrift aber fehlte. Man bedeutete dies dem
Candidaten und Gilli. Am 21. Jänner kommt Comthur Herber
stein persönlich nach Pulst und trägt die fehlende Unterschrift
nach. Nur spricht er den Wunsch aus, Winter, der ja schon
einmal flir die Seelsorge geprüft worden sei, nicht mehr zn
examiniren, weil es nie üblich war, mit für Pulst präsentirten
Geisthchen in dieser Weise vorzugehen. Ende Jänner erscheint
Winter mit dem gehörig ausgefertigten Präsentationsinstrumente
vor dem Gurker Consistorium, wird trotzdem geprüft und, ob-
zwar er hinter dem Mittelmasse zurückblieb, für die Pfarre
Pulst mit der Begründung approbirt, dass elbe schwach bc-
J Prag 17.
tmd
Ikert lind in iIlt Nähe von St. Veit und Klageufurt gelegen
allwo sicL der Viciir in schwierigen Fällen ßaths erliolRn
köane. Winter leistete auch den vors chrit^mtlss igen Eid in die
Hände des bischöflichen Comraisaära Johann Stieff von Kriinzcn,
ipst za Kreig.
Nicht einmal einen Monat tibte Winter die Seelsorge äus,
Clemens Tanzenherger, nunmehr PfaiTei- von Gradenegg,
den biBchöfliehen Coromissären am 25. Februar eidlich fol-
ide Aas§age macht: Sonntag, den 7. Februar, kam Tanzen-
irger, von Winter au Tische geladen, noch vor Schluse der
Meese nach l*ulst. Auch SecretSr Gilii war in der Kirche.
Mach dem Gottesdienste, als Tanienbergor mit Winter aus der
Sacristci trat, wttrtcte schon Gilli zwei Schritte vor der Thtlr.
Das Kirchenvolk hatte sieb meist verlaufen, es standen nnr
noch Hanns Ernst Freiherr von Seenusa, die Kirch enkftmmerer
einige Männer nn<i Weiber da. Winter blieb vor dem
icretttr stehen, welcher nun ungefähr folgend crmassen zu reden
lub: Nachdem Fischer gestorben, habe Winter über Präaen-
ion des Oorathurs vom Bischöfe von Gurk die Pfarre Pulst
erhalten, und es lilge ihm (Gilli) Namens des Grafen die Pflicht
ob. Winter der Pfarrgemeinde als ihi-en rechtmässigen Seel-
soi^er, dem sie Gehorsam imd Ehrfurcht schuldet, vorzustellen.
Den Viciir ermahnte OiUi, wachsam und fleissig zu sein, damit
keine Klagen in Hinsicht des Gottesdienstes einlaufen. Nach-
dem Gilli zu reden aufgehört, verneigte sich der Vicär Winter,
ih aber kein Wort. Hierauf dankte Seenuss Namens der
imeinde dem Secrctär Gilli daiUr, dass die Gemeinde endlich
[er oimnal mit eiuem ordentlichen Seelsorger versehen sei.
Diesen Vorgang l»-sUltigt auch der am 16. März nach
ibtirg berufene Winter und filgt hinzu, dass ihm Gilli Alles
schon zwei Tage vorher angekündigt. Obzwar sich Winter
Uokenntniss der Verhältnisse entschuldigte, wird er zur
ife in Strassburg durch zwei Tage in einem Busszimmer
■gesperrt, sodann auf seine Bitten hin entlassen. An Gilli
lg ein Ermahnungssch reiben, binnen zwölf Tagen vor der
lor Kirche zu «-idevrufen und die Unreohtmässigkeit seiner
itroductionshandlung Ötfentlieh zu verkünden, widrigenfalls über
die Excoramunication verhängt werden würde. Uer Secretär
ortet am 24. März lUS'd, er begreife nicht, wie er die diö-
le Jurisdiction verletzt haben künne, da selbe strittig sei;
388
diese Introductionen seien auch bei anderen Commenden, z. B.
Heilenstein und St. Peter in Krain üblich.
Uebrigens habe er im Auftrage des Comthurs gehandelt.
Auf letzteres hin schreitet der Bischof nicht mit der Excom-
munication ein, sondern verschiebt dieselbe, wie er Gilli meldet,
bis er mit dem Comthur ins Reine gekommen. Letzteren bittet
Bischof Johann VIII. am 9. April, ihm Genugthuung von Gilli
zu verschaffen, gegen welchen er nur zur Erhaltung nachbar-
licher Freundschaft nicht gleich mit Kirchenstrafen vorge-
gangen.
Winter wird auf den Gründonnerstag in die Gurker Kathe-
drale citirt, um bei der Oelweihe ab Diakon zu assistiren, ent-
schuldigt sich jedoch unter Vorweis eines Decretes des Com-
thurs, worin dieser ihm bei Strafe der Entsetzung von seiner
Pfründe und Einziehung all seines Hab und Gutes verbietet,
ohne ausdrückliche Erlaubniss auch nur einer Citirung von
Seiten des Bischofs Folge zu leisten oder bei einer Synode zu
erscheinen.
Indessen traf am 21. Mai vom Kanzler des Prager Erz-
bisthums die gewünschte Aufklärung über die in der Diöcese
Prag gelegenen Johanniterpfarren ein. Es werden zwei Gat-
tungen von Pfarren unterschieden, erstens solche, welche von
Ordenspriestern providirt werden, in spiritueller imd temporeller
Hinsicht dem böhmischen Grosspriorate unterstehen und von
diesem ohneweiters verliehen werden. Zur zweiten Gattung
gehören jene Pfarren, welche mit weltlichen Priestern besetzt
werden, die vom Grossprior dem Erzbischofe zu präsentiren
sind. Beide Arten von Pfarren unterHegen aber in Hinsicht
auf die Seelsorge der Correction und Visitation des Erzbischofes.
Erst am 24. Mai 1683 beantwortete Comthur Herberstein
aus Graz den Brief des Gurker Bischofes vom 9. April. In
demselben bedauert er, dass die bischöflichen Beamten die
ohnehin innerhalb weniger Jahre durch zweimalige Feuersbrunst
geschädigte Commende nicht in Ruhe lassen, sondern mit Ge-
walt der Gurker Jurisdiction unterwerfen wollen. Gilli habe
nichts Anderes gethan, als was des Ordens Gerechtsame mit
sich bringt. Denn es gehe aus den päpstUchen Privilegien
sonnenklar hervor, dass der Orden in seinen Commenden der
rechte Ordinarius ist, der Diöcesan aber nur unter gewissen
Bedingungen als päpstlicher Delegat ein Visitationsrecht ausUben
389
dürfe. Der Bischof möge nur die noch ausstehende päpstliche
Entscheidung abwarten.
Es trat eine Ruhepause ein.
Auch im Jahre 1684 leistete der Vicär Winter der Citirung
auf den Gründonnerstag zur Oelweihe nach Gurk mit Berufung
auf das Decret des Comthurs keine Folge, erst 1685, als ihm
von Seite Gurks mit der Suspendirung gedroht worden war.
Im Mai kam Comthur Graf Herberstein nach Pulst. Von seinem
in der Nähe gelegenen Schlosse Liemberg aus richtete er ein
Schreiben an den Bischof des Inhaltes, dass Winter aus blosser
Einfalt der Citirung nachgekommen sei. Er bittet, in Zukunft
alle Vorladungen zu unterlassen, da er Winter sonst durch eine
taugKchere Person ersetzen müsste. Er nennt den Bischof Jo-
hann VIII. seinen gnädigen Herrn, erklärt den Gurker General-
vicär als Urheber der Belästigungen Pulsts und droht, falls
diese nicht aufhören sollten, mit der Sperrung der Kirche. Der
Bischof blieb die Antwort nicht schuldig. Er selbst und nicht
der Generalvicär Stieff habe Winter citiren lassen, dessen Nach-
folger nicht anders behandelt werden würde. Der Bischof habe
Winter für die Seelsorge approbirt und könne denselben ent-
weder selbst oder durch Commissäre visitiren lassen. Er habe
Informationen aus Rom und Prag, dass sein Vorgehen ganz
richtig sei. Herberstein protestirt den 25. Juni von Karlstadt aus
gegen die Visitation durch Commissäre. Er sei bald 30 Jahre
Comthur und erinnere sich, dass die Bisehöfe stets nur persön-
lich Visitationen vorgenommen.
Letzteres wollte denn auch in der Folge Bischof Johann
VIU. thun. Am 4. Octobcr 1685 Abends kam er im Schlosse
Rosenbichl dicht bei Pulst an und schickte sofort seinen Kammer-
diener in die Commende, um die Visitation fiir morgen Früh
anzukündigen. Der Kammerdiener jedoch fand das Thor der
Commende verschlossen. Dasselbe wurde ihm auch nach lan-
gem Pochen nicht geöffnet. Als in der Frühe alle Zugänge in
die Commende und sogar die in die Kirche gesperrt gefunden
wurden, blieb dem Bischöfe nichts Anderes übrig, als unver-
richteter Dinge abzuziehen. Winter verabsäumte nicht, sich
sofort schriftlich damit zu entschuldigen, dass der Comthur durch
seinen Castellan im Schlosse Liemberg ihm und allen Com-
mendadienern bei Strafe der sofortigen Entlassung verboten, bei
einer vorfallenden Visitation die Kirchen- und Sacristeischlüssel
An^iT. Bd. LXXYI. U. Hälfte. 26
390
Jemandem auszufolgen. Daraufhin lud der Bisehof den Vicär
bei Strafe der Suspendirung zur Verantwortung vor. Als der-
selbe nicht gehorchte, wurde er wirklich suspendirt und an
seine Stelle der Priester Veit Springer nach der Filiale Leb-
mach abgeordnet, um von dort aus bis auf Widerruf die Pul-
ster Seelsorge zu besorgen. Für den Augenblick fügte sich
Winter in sein Schicksal. Allein über Anstiften des Comthurs
erlaubte er sich seit dem Osterfeste 1686 wieder öffentlich Messe
zu lesen. Graf Herberstein hatte indess eine Beschwerde bei
der Grazer Regierung eingereicht, worin er sich über die Ex-
communication und Suspendirung seines Vicärs beklagt Da
der Streitfall, beim päpstlichen Stuhle anhängig, noch nicht ent-
schieden sei, so möge der Bischof von Gurk unter Androhung
der Temporaliensperre zur Reintegrirung des Vicärs verhalten
werden. Ohne die Sache weiter zu untersuchen, erfloss am
9. April 1686 von Seiten der Regierung an den Gurker Bischof
ein ganz im Sinne des Comthurs gehaltener Erlass. Johann VIII.
entgegnete zunächst der Regierung am 3. Mai, dass eine Ex-
communication von seiner Seite nie verhängt worden, von einer
eigentUchen Litispendenz bei der Curie könne nicht die Rede
sein, da man sich 1656 provisorisch auf eine Präsentations-
formel bezüglich des jeweiligen Pulster Vicärs vereinigt und
der Comthur in seinem Schreiben vom 25. Juni 1685* dem
Bischöfe das Visitationsrecht ausdrücklich zugestanden habe.
Er bittet schliesslich um das ,brachium saeculare' g^gß^ ^^^
Vicär Winter. Nicht genug an dem, wendete sich der Bischof
am 10. Mai mit einer Immediateingabe an den Kaiser Leopold^
worin er sich über den Erlass der Grazer Regierung, welcher
in einer rein geistlichen Sache erflossen und daher gewiss den
Intentionen des Kaisers nicht entsprechend sei, beklagte, wes-
halb er um Remedur bittet. Schon am 16. Mai richtete der
Kaiser ein scharfes Rescript an die innerösterreichische geheime
Rathsstelle, worin er streng verbietet, der verhängten Suspension
Winter's etwas in den Weg zu legen oder etwa gar dem Bi-
schöfe von Gurk die Temporalien zu sperren, und befiehlt, der
Regierung in Graz zu bedeuten, künftighin mit dergleichen
Drohungen gegen vornehme Geistliche nicht sogleich ohne des
Kaisers Wissen zu verfahren, sondern behutsam umzugehen,
1 Vgl. S. 889.
. er mit dem päpstlichen Stuhle bosonders bei ge.gon-
hRrtigeo Umständen niclit unnötliij; in Zwietracht gerathe. äollte
noehmals das ,Ijrachiiim' verlangt werden, so möge die Regie-
rung nach Geblilir verfügen.
t Winter hatte unterdessen fortwährend in Pulst Gottesdienst
iahen. Auf Ansuchen des Bischofs um das .brachium' im
ni schickte zunächst die Regierung eine Vurwarnimg an den
mthur Herberatein. Allein da der Vieär Winter in seiner
Unbotmässlgkcit fortfuhr, ersuchte der Bischof nochmals um
die Ertheilung des ,brachium'. Miin zögerte damit, weil Her-
tein gerade in militärischem Dienste von Graz abwesend
Dann hatte derselbe auch einen einflusareichen Vennittler
E der Person des Grafen Leopold Kollonitz, Bischofs von Raab,
inden, welcher selbst einmal das Malteserkreuz getragen.
Wgebens suchte dieser den Gurker Bischof brieflich zur Nach-
pbigkeit zu bewegen.
Uer Comtliur Graf Herberstein proteatirtc bei der Regie-
ing gegen das ,brachium'. Am 35. September erliesa Bischof
Aiann ein Decret an die PuUter Pfarrgemeinde, dessen Inhalt
itht bekannt ist, worin aber walirseheinlich die Excommuni-
i über den Vicär Winter ausgesprochen worden sein dlirfte.
5, November endlich befahl die Grazer Regierung dem
Landeshauptmann in Kärnten, gegen Winter einzuschreiten.
Infolge dessen wurde dieser am 20. November auf das bischöf-
^Jüsbe Schloss Strassburg gebracht, dortselbat intemirt und am
^^Ki yor dem Consistorium einem eingehenden Verhöre unter-
^Hq^en. Doch auch der Malteser-Grossprior in Prag hatte von
^^fflen diesen Vorgängen erfahren. Derselbe, Ferdinand Ludwig
Liebsteinsky, Reiehsgraf von Kollowrat, erliess den 13, Novem-
ber ' ein Patent an die Pulster Pfarrgemein de, worin er gegen
^^hfl Verfahren gegen den Vicäi' Winter Protest einlegt und
^^■lidi'inglich befiehlt, nur in Winter den von dem Ritterorden
^HSiiii gesetzten, von niemand Anderem als von dem Grossprior
nnmittetbar abhängenden ordentlichen Seelsorger zu erkennen,
demselben ungeachtet der kralYlosen Proclanmtionon des Bischofes
von Gurk allen schuldigen Gehorsam in geistlichen Dingen zn
und falls etwas an dem Lebenswandel und den Sitten
I Vicärs zu tadeln wäre, sich tleshalb nur beim Grossprior
392
als kraft päpstlicher Privilepen wahrem und rechtmässigem
Ordinarius zu beschweren. Aehnlichen Inhaltes dllrfte auch
ein verlorener, an den Bischof Johann gerichteter Brief des
Grosspriors gewesen sein, welchen ersterer am 29. December
1686 beantwortete.
Während Vicär Winter noch im Schlosse Strassburg fest-
gehalten wurde, tauchte anfangs des Jahres 1687 in Pulst ein
Priester Namens Johann Josef Woschitz auf, welcher ohne Wei-
teres doi-tselbst Gottesdienst zu halten begann. Kaum hatte
man in (jurk davon erfahren, so wurde der Piilster Curat in
Lebmach, Veit Springer, beauftragt, Woschitz als unrechtmässi-
gen PfaiTcr imd Eindringling öffentlich zu verkündigen. Zu-
gleich erliess der Landeshauptmann liber Ansuchen des Gurker
Ordinariates hinter einander zwei scharfe Befehle gegen Wo-
schitz. Ein Briefwechsel zwischen dem Prager Grossprior und
dem Bischöfe von Gurk, welcher sich auf alle diese Vorgänge
bezogen haben dürfte, ist verloren gegangen. Comthur Herber-
stein war nachgiebiger geworden. Sein Bevollmächtigter de
Johanni präsentirte gemäss des Formulars vom Jahre 1656 am
26. Februar 1687 den Woschitz. Das Ordinariat wies aber die
neue Präsentation an Stelle des suspendirten Winter, der nun
in Freiheit gesetzt wurde, ab. Alle Bitten des Comthurs waren
erfolglos.
Mittlerweile hatte Bischof Johann VIII. 1686 die Würde eines
Cardinalpriesters (»Hangt. ^ Infolge dessen offenbar kam die seit
Langem beim päpstlichen Stuhle anhängige Streitfrage zwischen
Gurk und Pulst in Fluss. Es dauerte lange, bis sieh beide
Parteien über die dem Cardinalscollcgium vorzulegenden Frage-
punkte einigen konnten.*^ Erst im Jahre 1688 wurden dieselben,
und zwar sechzehn an der Zahl, dem Collegium vorgelegt. In
zwei Sitzungen, am 7. und 28. August, wurde darüber ent-
schieden. Gemäss der Entscheidung des CoUegiums stellte sich
die Sache von nun an so. Jeder Pulster Vicär muss vom
Gurker Bischöfe für die Seelsorge examiniii; und approbirt wer
den, auch wenn er schon für eine andere Kirche seine Befähigung
erhärtet hat. Derselbe kann sowohl vom Bischöfe als auch vom
Comthur aus eigcnier Machtvollkommenheit von Pulst ammovirt
^ Schroll, Series episcoporum 36.
2 Prag, Pulst IH.
393
werden. Eine Installation des Pulster Vicärs steht nur dem
Bischöfe zu; doch ist dieselbe nicht noth wendig. Weltlichen
Beamten des Comthurs ist eine solche vorzunehmen nicht ge-
stattet. Eine Visitation der Kirche in Hinsicht auf die Seelsorge
darf der Bischof oder dessen Generalvicär nur kraft übertragener
päpstlicher Gewalt, welche in jedem Falle zu betonen ist, vor-
nehmen. Dagegen steht es dem Bischöfe in seiner Eigenschaft
als Ordinarius zu, den Pulster Vicär in Hinsicht auf die Seol-
sorgc, den Lebenswandel und die Sitten zu visitiren und zu
corrigiren. Der Vicär ist verpflichtet, die Diöcesansynoden zu
besuchen, die Diöcesanfeste seinen Pfarrkindcm zu verkünden,
der Oelweihc beizuwohnen, sowie das Oel und Chrisma vom
Bischöfe in Empfang zu nehmen und überhaupt allen Befehlen
des Letzteren in Bezug auf die Seelsorge, als auch in allen
Citirungen deshalb zu gehorchen. Der Bischof hat dagegen
bei dem Todfalle eines Pulster Vicärs mit dem Begräbniss und
der Inventur gemäss der Ordensregel nichts zu schaffen. Doch
soll der Bischof bei Erledigung des Vicariates den Comthur
zur Präsentation eines Geistlichen innerhalb der canonischen
Zeit ermahnen.
Im Wesentlichsten war also die Entscheidung zu Gunsten
Gurks ausgefallen. Nur wurde in Rom noch verfügt, dass
die Seelsorge von Lebmach nach Pulst wieder zu übertragen
sei und Winter wieder als Vicär angestellt werde, was auch
geschah.
Comthm' Graf Johann Josef Herberstein soll 1692 gestor-
ben sein. Ob er die Commende bis an sein Lebensende inne-
hatte, ist zweifelhaft. Denn als 1691 der Pfleger der Herrschaft
Rosenbichl sich gewaltthätiger Weise im Commendenhofe einen
Kecruten auszuheben erlaubte, so wird er vom Landeshaupt-
mann über Beschwerde des Johann Ferdinand Grafen von
Herberstein, Malteserorden sritter und Receptor des böhmischen
Grosspriorates, gezwungen. Letzterem Genugthuung zu leisten.
Johann Ferdinand II. war ein Neffe des Comthurs Johann
Josef, ein Sohn von dessen Bruder Johann Ferdinand I. Er
war 1672 in den Malteserorden eingetreten und starb 1721. ^
Wenn also auch Johann Ferdinand IL Graf von Herberstein
nicht formlich Comthur von Pulst war, so scheint ihm diese
» Wurzbach 1. c. », 336.
394
doch auf irgend eine Weise untergeordnet gewesen zu sein, bis
dieselbe definitiv 1695 wieder besetzt wurde.
comthur: Es erlangte die Würde eines Comthurs von Pulst Karl
raf Ton «Josef Graf von Dietrichstein aus der Weichselstätter-Rabenstein-
trichstein schcu HauptHuie dicscs Geschlechtes, ein Sohn des Grafen
'^-''^^ Johann Christof (f 1704) und der Maria Elisabeth Galler von
Schwambcrg. Graf Karl Josef wurde 1721 auch Comthur von
Altbrlinn und Oberkralowitz, 1737 Titular-Grossprior von Ungarn
und starb den 5. August 1738 zu Wien.^
Comthur Dietrichstein ernannte laut eines 1695, August 13,
zu Valette auf der Insel Malta gefertigten Notariatsactes den
Johann Karl Gaier in Graz zu seinem Bevollmächtigten in Hin-
sicht auf Pulst. Im selben Jahre am 7. November wurde im
Auftrage des Johanniterritters Johann Christian Frei- und Bannen
herrn von imd zu Gloyach ein neues Cabreum verfasst,^ welches
sich in nichts Wesentlichem von dem uns schon bekannten aus
dem Jahre 1666 unterscheidet. ^ Verfertiger waren: der Land-
schranncnadvocat Ad. Seyfned Prunner, Nikel Secher, Bürger,
und Andreas Rossmann, kaiserlicher Oberbergamtseisenspeditor
zu St. Veit.
Am 10. Juli 1718 starb, 85 Jahre alt, der Vicär Peter
Winter zu Pulst. Er hatte längst einen Curaten Namens Johann
Struggl zur Seite, welcher vom früher genannten Bevollmäch-
tigten des Comthurs als Nachfolger Winter's dem Bischöfe von
Gurk präsentu't und von diesem auch approbirt wurde. Im
September deissclben Jahres ward von Seiten des Bischofes
Jakob eine Visitation^ der Pulster Pfarrkirche und ihrer Filialen:
Lebmach, St. Johann in St. Veit imd St. Urban vorgekehrt
Erwähnenswerth ist nur der Befund zu St. Urban. Diese Ca-
pelle solle so bald als mögHch reparirt und der Capellensehatz
nicht wie bisher bei einem Bauer, sondern im Gotteshause selbst
verwahrt werden.
Vicär Struggl schaffte flir die Kirche zu Pulst und flir
jene zu Lebmach je einen neuen Altar an. Der erstere sollte
aus einem mannshohen Crucifixe und einem Bildnisse darunter
^ Erach und Griiber, Encyklopädie, »Dietricbstein* S. 148. Noch immer die
beste Genealogie des Geschlechtes.
2 Prag, Pulst 21.
3 Vgl. 8. 383.
* Prag, Pulst 22.
395
mit Maria^ Johannes und Magdalena bestehen, der zu Lebmach
der heiligen ApoUonia geweiht sein. Da Stniggl aber vor der
Aufrichtung der Altäre den Bischof von Gurk nicht um Er-
laubniss gefragt, so kam es 1732, als dieselben geweiht werden
sollten, zu einer Diflferenz mit dem Ordinariate, welche aber
bald ausgeglichen wurde ; nicht so eine andere, welche entstand,
als 1734 von Seite Gurks eine Visitation der Filiale Lebmach
angeordnet wurde. Comthur Dietrichstein hatte dem Struggl
strenge verboten, eine Visitation zuzulassen. Ehe noch der Streit
grössere Dimensionen annehmen konnte, starb 1735 Struggl,
welchem bereits seit Langem krankheitshalber ein Coadjutor
Namens Josef Seepacher zur Seite stand. Struggl hatte testa-
mentarisch abzüglich einiger kleinen Legate die Pulster Kirche
als Universalerbin eingesetzt. Seepacher, welcher zum Nach-
folger Struggl's ausersehen war, hatte sich dadurch beim Gurker
Ordinariate missliebig und unmöglich gemacht, dass er den
Todesfall StruggFs zu spät angezeigt. Infolge dessen dirigirte
das Consistorium nacheinander zwei Priester aus Strassburg zur
provisorischen Besorgung des Gottesdienstes in Pulst, bis endlich
Comthur Graf Dietrichstein 1735, 15. August, den ihm vom
Landeshauptmanne Johann Anton Grafen Goess empfohlenen
Johann Kleindienst, bisher Pfarrer von Herzendorf, dem Bischöfe
von Gurk für das Vicariat Pulst präsentirte. Trotz des Protestes
der Pulster Pfarrgemeinde gegen die Confirmirung des Klein-
dienst, welchem ein übler Ruf vorherging, der aber gemäss der
stattgehabten Untersuchung durchaus unbegründet war, wurde
dieser am 29. September für die Seelsorge in Pulst confirmirt.
Schon früher hatte der Comthur dem Kleindienst die Admini-
stration der Commende gegen die üblichen Verpflichtungen
verliehen.
Als Nachfolger des im Jahre 1738 verstorbenen Comthurs
von Pulst, Grafen Karl Josef von Dietrichstein, nennt uns Smit- ^' ^^"^
mer's Verzeichniss den Grafen Josef Karl von Lamberg-Sprinzen- Karl «r»f
stein. Derselbe wurde 1716 geboren und starb 1761.^ Lambcr
Am 11. October 1741 ward eine Visitation der Commende ns«— n
durch den Malteser Grafen Althann vorgenommen. Im Jahre
1744 scheint der Administrator und Vicär Johann Kleindienst
von Pulst abgezogen zu sein, nachdem wiederholte Klagen der
> Wurzbach 1. c, 14. Band, Stammtafol.
396
Pfarrkinder gegen ihn eingelaufen waren. An seine Stelle kam
Josef Wolfgang Clammer. Laut einer am 17. Februar 1752
zu Malta ausgestellten Bulle des Ordensgrossmeisters Emanuel
Pinto betraute dieser den Reichsgrafen Michael Ferdinand von
Altliann, Grosskreuz-Rice vitore, sowie die Malteserordensrittter
Anton Grafen von Hamilton und Philipp Grafen von Sinzendorf
mit der Durchführung eines Meliorationsprocesses zu Pulst,'
nachdem Conithur Graf Lamberg auf seiner Commende nütz-
liche Verbesserungen vorgenommen, von welchen er authentische
Kunde zu geben wünschte. Alle drei Commissäre waren durch
anderweitige Geschäfte persönlich zu erscheinen verhindert,
ebenso Graf Lamberg, welcher sich damals in Malta aufhielt.
Derselbe Hess sich durch den Hofagenten Franz Ferdinand
Bachmann vertreten. Bei dem Meliorationsacte am 21. Juni
1752 waren daher dieser, dann statt der genannten drei Com-
missäre Johann Andre von Glaunach zu Katzenstein, Syndicus
der Stadt St. Veit, und Franz Adam Madrian, Pfarrer zu Glant-
schach und Sorg, sowie der Vicär Clammer gegenwärtig. Nach-
dem die stellvertretenden Commissäre den Eid abgelegt, begaben
sie sich zunächst in die Kirche zu Pulst. Sie fanden dies^be
wohlgebaut, durchaus gewölbt und mit Schiefer gedeckt, herum
ein grosser Friedhof, innerhalb desselben eine alte Capcllc.
Die Kirche hatte früher vier Altäre, jetzt sechs. Der Hochaltar
zeigt alte, doch saubere Bildhauerarbeit. Das Bild Marions
mit dem Jesuskinde ist etwas hinter dem Altare eingesetzt.
Der Altar wie die Kirche ist Maria Schutzmantel geweiht. Der
Altar des heiligen Johann Baptist verräth ebenfalls tüchtige Bild-
hauerarbeit; ferner befinden sich in der Kirche noch folgende
Altäre: der Altar der Heiligen Florian, Valentin und Sebastian,
der neue Krcuzaltar,^ dann rechter Hand ein grösserer Altar
der schmerzhaften Mutter Gottes und gleich daneben ein klei-
nerer, dem gekrönten Haupte Christi geweiht, welch letzterer
vom Administrator Clammer auf eigene Kosten errichtet wurde.
Das Holzwerk des Thurmes, in welchem vier Glocken hängen,
darunter die grösstc, bei 23 Centner schwer, ist schlecht und
bedarf einer Erneuerung. Zur Pulster Kirche gehören zwei
Fihalen: die St. Johanneskirche in St. Veit und St. Urban in
1 Prag, Pulst 25
2 Vgl. S. 394.
397
Pirpitsch. Die erstere ist 7 Klafter lang und 4 Klafter breit.
Das Kirchengebäude war ruinös, der Thumi zum Einstürzen.
Clamracr Hess Alles theils auf eigene Kosten, theils mit Pidster
Kirehengeldem restauriren und den Thurm neu aufbauen. Ausser
dem dem heiligen Johannes geweihten Hauptaltar befindet sich
in der St. Veiter Filiale noch ein Josefialtar. Die nöthigen
Paramente sind vorhanden und werden, da eine Sacristei fehlt,
in einem Repositorium hinter dem Altare verwahrt. Der rothe
Kuppelthurm steht mitten in der Kirche, worin drei Glocken,
die grösste fast 600 Jahre (!) alt, hängen. Um die Kirche er-
streckt sich der Friedhof, dessen Mauer fast gänzlich eingefallen.
Die Filiale St. Urban in Pupitsch ist sehr klein, hat einen Thurm
mit zwei Glocken, einen einzigen Altar und befindet sich gegen-
wärtig in gutem Zustande, nachdem Clammer dieselbe vor
Kurzem restauriren Hess. Beide Filialen haben kein Vermögen
und sind ganz auf das Opfergeld gewiesen. Das Erträgniss der
Pulster Kirche beüef sich 1751 auf 283 fl. 32 kr. 2 Pfennige,
wovon Alles bestritten werden muss. An Capitalien ist nur das
Winter'sche im Betrage von 308 fl. 25 kr. 2^/3 Pfennige vor-
handen. Die Unterthanenausstände belaufen sich auf 335 fl.
59 kr. ^1^ Pfennige. Die zwei letzteren Posten machen zusammen
644 fl. 24 kr. und 3 Pfennige, daher, wenn noch die Struggl-
sche Verlassenschaft im Betrage von 420 fl. 37 kr. 1 Pfennig,
welche der gewesene Administrator Klcindienst der Kirche vor-
enthält, darum der Process anhängig ist, hinzukäme, das Ver-
mögen der Kirche 1065 fl. 2 kr. ausmachen würde. Das Com-
mendengebäude ist schadhaft und sehr reparaturbedürftig. Die
linke Seite beginnt sich zu senken, die rechte, woselbst sich
die Wohnung des Administrators befindet, ist noch im ziem-
lichen Zustande. Für Baubesserimgen des Commendengcbäudes
wurden 1747 — 1751 721 fl. 32 kr. verausgabt. Es wurden
auch zwei Bestandscontracte über die Commende aus den Jaliren
1749 und 1752 vorgelegt, denen zufolge der Administrator dem
Comthur 300 fl. Bestandgcld zu entrichten hat. Das Erträgniss
der Commende beläuft sich ohne Abzug der landesftlrstlichen
Steuern (aber einschliesslich der Vicedomamtssteuer mit 5 fl.
18 ß) auf 384 fl. 3 ß und 20 Pfennige Baargeld und 213 fl.
l ß n Pfennige Urbariale von 39 Unterthanen. gi.comthnr:
An Stelle des 1761 verstorbenen Comthurs Grafen Lamberg Leopold Graf
trat Comthur Leopold Graf von Strassoldo. 1767 wurde ein nei-u^a.
398
Meliorationsprocess zu Piikt vorgenommen, aus den Jahren W72
und 1780 sind Cabrccn der Commende Pulst vorhanden.^ Der
verdiente und eifrige Vieilr und Administrator Clammer zu Pulst
rcsignirt<3 im Jahre 1773. Graf Strassoldo, Comthur von Mail-
berg und Pulst, präsentirte dem Gurker Bischöfe als Nachfolger
Clammer's den Ludwig de Giovanelli. Erwähnenswerth ist, dass
laut Inschrift 1780 auf des Letzteren Bestellung der berühmte
Tiroler Maler Martin Knoller das Bild^ am Pulster Hauptaltar
gemalt haben soll. Wann Strassoldo gestorben, ist unbekannt,
üoch erscheint er noch 1780 in einem freiherrlich Egger'schen
Lehensbrief genannt.*"^
Comthur: Sciu Nachfolgcr war Johann Anton Ricci, Domherr von
nton*Klcci Laibach, zuerst 1787 als Comthur auftretend. Durch ihn wurde
87?-i8i8. die alte Johanneskirche zu St. Veit, eine gesperrte Capelle,
wie es im Actenstücke heisst,** 1791 um 400 fl. an den St. Veiter
Bürger Johann Mayrhofer verkauft. Im Jahre 1808 hören wir
von einem Meliorationsprocesse zu Pulst. Im selben Jahre ward
Ricci Dompropst von Laibach, zugleich Pfarrer von Radmanns-
dorf in Krain.^ Der letztere Umstand veranlasste das Gurker
Consistorium, bei der Regierung anzufragen, ob denn der Besitz
der Laibacher Dompropstei und der Pfarre Radmannsdorf mit
dem der Commende Pulst vereinbar sei. Die Regierung ent-
schied im bejahenden Sinne. Nach dem Tode Ricci's, welcher
auch die Würde eines ,Episcopus Drusensis in partibus infide-
huui^ bekleidete, wurde 1818 der Titel eines Comthurs von
Pulst auf den jeweiligen Prior des Prager Malteserconventes
übertragen,
.corathui: Der Erste in dieser Reihe ist Prior Franz Wilhelm (1818
wn'hohn ^^® 1822). Auch unter diesem bUeb es noch gebräuchhch, dass
318-1822. der Comthur von Pulst dem Bischöfe von Gurk bei Erledigung
des Vicariatcs einen Geistlichen der Gurker Diöcese für die
Scclsorge präsentirte.
.Comthur: Audcrs wurdc CS unter Wilhelms Nachfolger Franz Stock-
„^";'!* low. Bereits wiederholt hatten sich die Vicäre über die Höhe
Stocklow ^ ^ ^
S22— 1859. der Pachtsumme, um die ihnen die Commendengüter hintau-
J Praf?, Pulst 26, 27, 30.
2 Vgl. Känitnoriscbe Kunsttopographie 287.
3 Orig. Pulst.
* Prag, Pulst 31.
5 Catalogus cleri diocesis Laibauensis 1885, S. 4.
399
gegeben waren, beklagt. Vicär Harnisch kündigte 1823 dem
Comthur Stocklöw den Pachtvertrag. Es wurde ein neuer mit
Harnisch abgeschlossen, demnach dieser jähriich 200 fl. C.-M.
Pacht imd 30 fl. flir Gebäudereparaturen zahlen sollte. Harnisch
gab sich damit nicht zufrieden. Da ihm ein angesuchter Be-
standgeldnachlass von 100 fl. nicht bewilligt wurde, so kündete
Harnisch im Herbste 1825 den Vertrag, so dass er im Früh-
jahre 1826 abziehen konnte. Derselbe erhob auch den Anspruch
auf eme förmliche Congrua, welche ihm aber von Seiten des
Ordens mit der Begründung nicht zugestanden wurde, dass der
Seelsorger in Pulst nicht als Pfarrer, sondern als einfacher Bene-
ticiat anzusehen sei. Als das Gurker Consistorium dem Comthur
bedeutete, dass unter diesen Umständen in der Gurker Diöcese
kein Priester flu* Pulst zu finden sein werde, erwiderte Stock-
löw, dass er einen solchen aus dem böhmischen Malteserconvente
nach Kärnten abordnen werde, als Congrua des Vicärs von
Pulst aber der Ueberschuss des Ertrages der Commendengüter
nach Abzug des Pachtschillings anzusehen sei. Das Consistorium
ging auf den Vorschlag des Comthurs ein. Nur stellte dasselbe
die Bedingung, dass der für Pulst zu präsentirende Malteser-
priester sich nicht nur einer Prüfung in Hinsicht auf die Seel-
sorge beim Gurker Ordinariate zu unterziehen habe, sondern
auch der deutschen Sprache in Wort imd Schrift mächtig sein
müsse. Seit 1824 fungiren denn als Seelsorger in Pulst Priester
des böhmischen Malteserconventes, welche aber nicht mehr vom
Comthur, sondern vom Grossprior präsentirt werden. Sie führen m. comthur
als solche den Titel: Commendenadministratoren und Pfarrer jarg^ch
Johann
Jaretich
von Pulst. Nach dem Tode Stocklöw's bekleideten die Priore isse-isse.
des Prager Malteserconventes Johann Jaresch 1859 — 1886 und «e-^'omthur:
Josef Slansky 1886 — 1889 die Würde eines Comthurs von Pulst, imi-i^a.
ANHANG.
1.
Wichard von Karlsberg schenkt dem St, Johannes 'Hospital zu
Jerusalem ein Gut zu Engelsdorf hei Friesaxih.
Accon 1214, Februnr.
Originalurkunde (Pergament) im Maltoserarchive ssu Prag, Nr. 1.
t In dei nomine. Ego Wicardus de Karlesperc in partibus Sirie
peregrinus existcns et considerans beneiicium sancte domus hospitalis *
Jerusalem quod erogatiir misericorditer et devote cotidie infirmis paapcri-
bus, ut ipsorum possem fieri particeps orationum et beneficiorum dicte
domus, a fratre Gvarino de Monte Acuto venerabili magistro einsdem re-
ceptus in confratrem cum uxore mea et filiis dedi libere pure et simpliciter
donationis instrumento inter vivos dictis pauperibus prcsentibus et faturis
in clemosinam ad habendum tenendum et possidendum iure hereditario et
faciendum quicquid sibi libuerit vel ordinaverint faciendum, pro redem-
ptionc anime mco uxoris mee et filiorum meorum et pai'entum meorum pre-
dium meupi quod est in Carinthia iuxta Frisacum Ainglebolstorf, qood
mihi reddit annuatim IUP' marchas argenti sine labore, cum omnibus sois
pertinentiis : cultis et incultis pratis et nemoribus et quicquid iuris vel
dominii ibi habeo vel habere debeo sine aliqua penitus retensione.
Actum Accon in prescntia testium subscriptorum: domini Frederici de
sancto Jacobo mei capellani, domini Sigardi militis, domini Harnidi plebani
de Goniz, domini Robertj sacerdotis, domini Alberj, domini Edimaris de
Pernestaj, domini Henrici de Goniz, domini Hartemanni militis de Man-
dorf, domini Rogeii Sueuj, domini Leonardi et Hermannj et Henricj de
Siluerpcrc, domini Gazelini de Gvorque. Anno dominice incai'nationis
M°CC"XIIIP, mense tebruarii.
Sig. pond. an fjfrüner Seidonschnur. Logende: f Wichardi de Charb-
perch; im Bilde ein Löwe.
401
2.
Herzog Ulrich von Känifen schenkt dem Johanniterord^nshause
Mailberg die Kirche Pulst,
St. Veit 1263, Jänner 18.
Originalurkunde (Pergament) im Malte^jerarchive zu Prag, Nr. 2.
In nomine domini amen. Ne gesta rerum temporalium a memoria
liominum repente transeant velud umbra, necessario scripture officium
quod in se recordacionem retinet, est inventum. Hinc est, quod nos VI-
ricus dei gracia dux Karinthie, dominus Carniole noticiis singulorum pre-
sens scriptum perspiciencium inculcamus, quod nos attendentes et consi-
derantes, quantum fructum salvacionis post transitum huius vite elemosina
subministrat, pro remedio anime domini et patris nostri Bernhardi quon-
dam ducis Karinthie felicis recordacionis ceterornmque progenitorum no-
strorum venia delictorum et precipue, ut hie et in futuro apud dominum
n(»bis salutis meritum augeatur, ecclesiam seu capellam nostram in Pulst,
in qua tamquam patronus ius habuimus presentandi, sub Gvrcensi dyocesi
constitutam cum prediis decimis et suis pertinenciis ac iuribus universis
quocumqne nomine censentur, quibus plebani eiusdem ecclesie freti sunt
actenus in eadem, post obitum vel voluntariam cessionem domini Heinrici
nostri capellani quem in ipsa ecclesia instituimus pro plebjino, domui ho-
spitalis sancti Johannis Jerosolimitane in Mewerperge donavimus libere
et absolute, nulla condicione interveniente que preiudicare possct dicte
domns fratribus in futurum, imperpetunm possidendam. Et ne sollempnis
nosti'a donacio per nos vel fratrem nostrum Philippum venerabilem elec-
tnm Salzburgensem, nostros heredes vel quoslibet successores imposterum
ad irritum deducatur, presentem paginam scribi providimus et sigillorum
nostri et karissimi fratris nostri qui in ipsa largicione suam voluntatom
nobis prestitit et consensum, munimine duximus roborandam in evidens
testimonium et cautelam. Testes huius rei sunt: Otto venerabilis electus
ecclesie Lauendinensis Salzburgensis prepositus, Albricus propositus sancti
Virgilii in Frisaco, Fridericus comes de Ortenburch, Vlricus de Volchen-
marcht prepositus, Vluingus de Stubenberch, Vluingus de Leibenz, Ditri-
cus de Altheim, Arnoldus et Gotfridus fratres de Nidekke, Heinricus de
Ceiselberch, Swarzmannus de Volchenmarcht, Sifridus de Mernberch, Dit-
marus de Engelschalsvelde, Fridericus de Stadeke, Tleinricus de Prunne
et alii quam plures. Act. aput Sanctum Vitum anno domini jVI*CC°LXlII°,
XV** kalend.* feb.
kalend ohne Ahkilrzimgsz^ieheii.
402
2 Sig. pend. Das erste Herzog Ulrichs an grilnen SeidenfKden ist ver-
loren. Da.s zweite des Erwählton Philipp an roth-gelben Seidenfäden ist ab-
gerissen, liegt aber bei. Es zeigt die Legende: ,. . . hilippi dei gfk heredis
Karinthie et Car.* Das Siegel stimmt vollständig mit dem bei Tangl, Hand-
buch der Geschichte Kärntens 127 beschriebenen. Es wird dadurch die That-
sacho festgestellt, dsLss sich Philipp schon bei Lebzeiten seines Bruders 1263
dieses Siegels, in dessen Legende er seine erbrechtlicben AnsprQcbe anf
Kärnten und Krain zum AiLsdnick bringt, und nicht erst 1274 bediente.
3.
König Rudolf bestätigt den Johannitern zu Mailberg die
Schenkung der Kirche zu Pulst,
Wien 1276, December 18.
Originalurkunde (Pergament) im Malteserarchive zn Prag, Nr. 3.
Rudolf US dei gratia Komanorum rex semper augustus. Universis
prosentes littoras inspecturis gratiam suam et omne bonum. Ex tenore pri-
vilegii religiosorum virorum fratrum hospitalis sancti Johannis Jherosoli-
mitani ia Mcwerberge regali nuper culmini prosentati pleno et plane co-
^novinius, quod quondam Vlricns felicis memorie düx Karinthie et domiDns
Carniole de voluutate fratris sui Philipp! eisdem fi-atribus ecclesiam sive
capellam de Puls cuius patronus exstitit, cum iure patronatus eiusdem
ecclesie ac onmibus attinentiis: prediis videlicot et decimis a<J iuribus nni-
versis pro remedio animo patris sui Bernhardi quondam ducis Karinthie
ac alioruni progcnitorum suorum memoria sempiterna concessit libere per-
petuo possidendam venerabilis . . Gurceusis episcopi loci eiusdem ordinarii
in donatione premissa benivolo annuente consensu,' sicut ipsius episeopi
instrumenta super hoc tradita innnunt evidenter. Nos igitor predictorum
frati-um devotis supplicationibus favorabiliter inclinati predictam conces-
sionem ipsis factam a prcfato duce in ecclesia prenotata de predictoram
consensu episcopi vidolicet et fratris ipsius ducis, prout predicta concessio
Kuperius est expressa, ratam habemus et gratam et presentis decreti möni-
mine cx)nfirmamus. In cuius rei testimonium presens scriptum exinde
conscribi et magcstatis nostre sigillo fecimus communiri. Datum Wienne
XV. kal. ianuarii, indictione V^, anno domini millesimo ducentesimo sep-
tuagesimo sexto, regni vero nostri anno llll*^.
Sig. pend. an violett weissen Seidenfäden zerbröckelt, rund 9*5 Cm. iiQ
Durchnie8.ser.
• s in sen \)€rbessert aus c.
403
4.
Pulst 1609, Mai 1.
Titel aussen: Notula der brieflichen Urkunden, freiheiten und stiftbriefe
bei der Commende Pulst.
Titel vorn: Eelation u. verzeichniss der gefertigten scbriftlichen Urkun-
den, freiheiten, stift- u. Wechselbriefe, so bei der Commenda Pulst vor-
handen sein.
Privilegia und freiheiten.
1 . Erstlich ein bulla von der päpstl. heiligkeit Nicoiao in. an den bischof
zu Gurk lautend wegen der commenda Pulst mit einem bleiern an-
hangendem insigel; hat kein jarzal. Diser papst aber hat regirt,
da man nach Christi geburt gezält hat 1276 jar.
2. Eine abschrift, so papst Nicolaus V. u. Gregorius VIII. dem ordens-
haus zu Wien u. allen dises löbl. ordens rittern und Ordensbrüdern
gegeben hat.
3. Eine abschrift bullae Clementis papae.
4. Ein lateinischer lehenbrief von Bernhard herzog in Kärnten über
die grundstücke yor der Stadtmauer zu S. Veit bei S. Johannskirchen
gelegen, des datum ist: S. Veit in 1228 jjir.
5. Donatio domini Udalrici ducis Carinthiae super ecclesiam in Pulst.
Datum apud S. Vitum a. d. 1263. 15 kal. febr.
6. Item ein bestät- u. confirmationsbrief über die Kirche u. haus Pulst
vom herzog Philippen in Kärnten, des datum ist: Wien den 18. kal.
Novemb. im 1267 jar.
7. Mer ein brief von weiland herzog Ulrich in Kärnten hochlöblichster
gedächtniss über das Nidermoss u. einen acker zu S. Veit an der
Glan gel., des datum ist: S. Veit im 1269 jar.
8. Item mer ein confirmations- u. bestätbrief v. herzog Otto in Kar. a.
1336. 3. kal. aug.
9. Item herzog Ehrenreich von Gelsch (!) u. herr zu Lymbach giebt von
der festung Liebenfelß aus dem haus Pulst die freihoit, dass ein jed-
weder comthur daselbst auf ewig in u. ausser «ler commenda möge
tafern halten u. trank ausschenken, bekräftigt mit 2 kleinen anhan-
genden insigeln des datum ist am sontag vor S. Mei-tentag im 1427 jar.
10. Mer ein konfirmation u. bestätbrief von kais. Friedrich hochseeligster
gedächtniss über das haus Pulst mit einem kleinen anhangenden
insigel, des datum ist S. Veit in Kär. am pfinztag vor s. Jö^jgentag
im 1469 jar.
11. Die andere konfirmation u. bestätbrief so höchst gedachter kais.
Friedrich dem hause Pulst geben hat mit einem grossen von weissen
404
wachs anhangenden kais. insigel, des datum ist S. Veit in Kär. im
14()9.jar.
12. Item ein stift- und lehenbrief vom herrn Otto v. Ehrenfelß über eine
wieso bei S. .T(>hans zu S. Veit vor der Stadt gelegen, welche die Tra-
pischen erben jeder zeit innen gehabt, des datum ist: S. Veit auf
S. Philip u. Jaoobstag im 1385 jar.
Gemeine stiftbriefe.
18. Unterschiedliche stiftbriefe über besetzte hüben, grund u. bo.len,
die zwar sehr alt, kaum leserlich (die ich fleißig in ein libel will ab-
schreiben), aber noch unversehrt auf kleine pergamene zetteln ge-
schrieben mit anhangenden kleinen insigeln vorhanden sind derer
1\) stück.»
Wechslbriefe.
1 4. Cicfei-tigte Wechselbriefe, die meine vorsidl seelig mit etlichen herrn n.
hindleuten, wie auch mit frau äbtissin z. S. Jörgen am Lengsee mit
gründen, flecken, rain, äckerlein, wislen getauscht u. darum ordentlich
wochselbrief aufgerichtet haben u. solicher, wie ich befind, der com-
menda zu besserung u. nutzen gereichen, sein der 9 stück vorhanden
Weil dann, wol geborner gnädiger u. gebietender heiT, nicht allein
derselben, sondern auch menigklichen offenbar u. bewust ist, dass zu jetzi-
jjfcn letzten gefarlichen zeiten die geistlichen guter, einkommen, alte frei-
heiten u. Privilegien von den friedhassigen und wiederwärtigen grossen
anstoss u. gefahr (wie ich es dann aus erfahi'ung wol schreiben kann)
leiden müssen, derwegcn ist demnach an E. 6. u. herrlicbkeiten mein ge-
horsam bitten und supplicieren, die wolten dero hochtragenden verstand^
u. dieses armen gotteshauses Pulst verhofl'entlich treuester patron n. herr
i^nadigbehülflich sein u. fürsehung thun, damit die obbezcichueten kaiser-
lichen u. fürstlichen freiheiten u. Privilegien renoviert u. Jiuf ein neues
aufgericht u. bestiit werden mochten, wie nun solches an ihm selbst höchst
notwendig ii. dieser armen commenda zu gutem schütz u. aufnehmen ge-
raten wiinie.
Pulst d. 1. Mai lß09.
E. 0. u. der ganzen Assemblea gehorsamster kaplan
Veit Scheiber
S. Joh. Onlnsprioster u. comthiir da-selbst.
Or'ig. Malteserarchiv Pulst lO.b.
* \"uf\e von diesen rrkunden, wenn nicht alle, dürften in da.s Vereins-
archiv in Kla^renfurt jifekonnnen sein, wo sie jetzt nocli zu finden siui
#
1814
A.XJ8aANG
DER
•f
FRANZOSISCHEN HERRSCHAFT
IN OBER-ITALIEN
UND
BRESCIA-MAILÄNDER
MILITÄR-VERSCHWÖRUNG.
MIT EINEM URKUNDLICHEN ANHANGE.
VON
FREfflERR VON HELFERT.
ArehiT. Bd. LXXYI. tl. H&lfte. ^'^
JDer Uebergang der italienischen Oberherrschaft von
Frankreich auf Oesterreich im Jahre 1814 wird neuerer Zeit
von den.Geschichtschreibem jenseits der Alpen mit Vorliebe
behandelt, namentlich von jenen der Stadt Mailand, die ja den
Hauptschauplatz jener Ereignisse abgab. Es steht ihnen jfiir
diesen Zweck ein sehr mannigfaches und ziemHch reichhaltiges
Materiale zu Gebote, nicht blos an gedruckten Monographien,
sondern auch an sehr beachtenswerthen, zum Theil jetzt erst
ans Licht gezogenen Handschriften, theils Hinterlagen der Am-
brosiana, theils im Besitze einzelner Familien.
Die Benützung dieser verschiedenartigen Quellen ist aber
in einer gewissen Richtung nichts weniger als imbefangen. Zwar
hat der wilde Ton, haben die geradezu gemeinen Schimpfereien
gegen Oesterreich, die seit ihrer Erhebung im Jahre 1848 bei un-
seren heissblütigen Nachbarn gang imd gäbe waren, seit der poli-
tischen Einigung der apenninischen Halbinsel, seit der Erreichung
dieses durch ein halbes Jahrhundert von ihnen angestrebten
Zieles, merklich nachgelassen. In den jüngeren Erscheinungen
des lombardischen Büchermarktes, den letzten Bänden Cusani's,
den späteren Werken Cesare Cantü's, den geschichtlichen Essays
eines Bonfadini, eines Giov. de Castro stösst man sogar auf
Stellen, die einer richtigeren Beurtheilung, ja einer Anerkennung
der österreichischen Gesetzgebung und Verwaltung ziemlich
nahe kommen. Allein trotz dieses unverkennbaren Strebens,
dem langjährigen Walten der ,Tedeschi' in ihrem schönen Lande
einigcrmassen gerecht zu werden, durchzieht doch selbst bei
Schriftstellern solchen Charakters der durch die Macht der Ge-
wohnheit eingewurzelte und zu einer gewissen patriotischen
Pflicht gewordene Widerwille gegen die nordische Grossmacht
ihre ganze Darstellung und bricht nicht selten in Aeusserungen
duich, die sich vielleicht in der minder unanständigen Form,
"IT
408
aber gewiss nicht im Wesen von den Vorwürfen, Anschuldi-
gungen und — nennen wir nur das Kind beim rechten Namen!
— hilssHehen Verleumdungen früherer Jahrzehnte unterscheiden.
Dazu haben es alle diese Schriftsteller, die früheren wie
die späteren,, verabsäumt, die Wiener Archive zu Rathe zu
ziehen, woher es kommt, dass sie in manchen der wichtigsten
Fragen in dem ebenso weiten als unsicheren Gebiete der Muth-
massungen, nur zu häufig in jenem der Fabel, herumtappen und
hier unter mehreren Möglichkeiten gewiss jene wählen, die ilmen
den günstigsten Anlass bietet, dem von ihnen verwünschten
Oesterreich eins anzuhängen.
Letzteres trifft ganz besonders bei einem Zwischenspiele
zu, das bisher, eben wegen Vernachlässigung verlässlicher Zeug-
nisse, in den italienischen Geschichts werken nur sehr ver-
schwommen und vielfach vergriffen behandelt, in den deutscheu
mit wenig Andeutungen abgefertigt zu werden pflegt, das aber
in seiner nun enthüllten wahren Gestalt einen ungemein inter-
essanten Stoff bietet, so wie dasselbe unleugbar den eigentlichen
Schlusspunkt der melir als zwanzigjährigen französischen Herr-
schaft im oberen Italien bildet.
Wien, am sechsundsiebenzigsten Jahrestage
der Maihlnder ,baüulle des parapluies^
Chronologische Uebersieht des Inhalts.
814 Jauimr 11.
14.
Februar
4.
5.
6.
8.
11.
März
3.
0.
14.
April
5.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
26.
Bundesvertrag zwischen Oesterreich und Neapel. Seite 416.
Capitalsteuer von 1 "/^ in Mailand. 8. 423.
Einmarsch der Kaiserlichen in Verona. S. 416.
Aufruf des Feldmarschalls Grafen Bellegardo an
die Italiener. S. 416.
Zusammenkunft Bellegarde's mit K($nig Joachim. S. 416.
Schlacht am Mincio. S. 416.
Capitnlation der Veste von Verona an die Oesterreicher. S. 417.
Allerhöchste Entschliessung in Sachen der illyrisch-italieni-
schen Freimaurer-Beamten. S. 420 2, 537.
Lord Bentinck landet in Livomo. S. 417.
Aufruf Bentinck's an die Italiener. S. 417.
Nachricht in Mailand und Mantua von dem Einzug der Ver-
bündeten in Paris S. 430.
und von der Abdankung Napoleon's. S. 430.
Waffenstillstand zwischen Bellegarde und Prinz
Eugen zu Schiarino Rizzino. S. 430 f.
Ausserordentliche Senatssitzung in Mailand — Beschluss einer
Deputation und Adresse an die verbündeten Mächte —
Guicciardi und Castiglioni nach Mantua zum Vicekönig.
S. 433—435.
Aufregung in Mailand — Umtriebe der Austriacanti und
Italici puri. S. 435—437.
Verwahrung gegen die Beschlüsse des Senats — Petition an
die Verbündeten. S. 435.
Stadt und Hafen Genua von Bentinck's Truppen besetzt. S. 457.
Aufstand in Mailand — Auseinandersprengung dos
Senats — Grässliches Ende des Finanzministers
Prina — »König Pino* . . . Aufstände in Bergamo
und Brescia. S. 437— 450.
Herstellung der Ordnung in Mailand. S. 451 — 454.
Zusammentritt der Wahlcollegien im Brolotto — Provisorische
Kegentschaft — Pino mit dem militärischen Oberbefehl
betraut. S. 454—456.
Admiral Duperrö räumt das Arsenal und den Hafen von
Venedig. S. 457.
Militär-Convention von Mantua. S. 459.
Die Generale Teodoro Lecchi, Palombini und Paolucci bei
Pino in Mailand. S. 459 f.
Pizzighettone von den Oesterreichem besetzt — FML. Mar-
chese von Sommariva erscheint als Commissär der Alliirten
in Mailand. S. 460.
410
1811 April 26. Lord Beiitinck iu Genua erklärt die alte Verfassuiig wieder
hergestellt. S. 458.
27. Prinss Eugen verlässt mit seiner Familie Mantua.
8. 461.
28. Einmarsch der Kaiserlichen in Mantua, in Brescia — Ein-
marsch der Vortruppen Bellegarde^s unter FML. Grafen
Neipperg in Mailand. S. 461 f.
f, Lattuada bei Bentinck in Genua. S. 458.
30. Frederico Confalonieri in Paris. 8. 472.
Mai 2. Rodueirung der Guardia civica von Mailand. S. 470.
4./ 12. Neuntl^ige Andacht in Venedig für die Befreiung von
den Franzosen. 8. 465.
7. Empfang der Mailänder Deputation bei Kaiser Franz I. in
Paris. 8.473.
8. Einmarsch Bellegarde*8 in Mailand. 8. 477.
„ FML. Graf Bubna besetzt Turin. 8. 488.
13. Msgr.' Agostino Kivaroli erscheint als Bevollmächtigter Pius
VU. in Rom. 8. 488.
17./20. Graf Julius 8tras8oldo nimmt von Parma und Piaceuui
Besitz für die Kaiserin Maria Louise. 8. 489.
18. Bericht Confalonieri's aus Paris an Grafen Verri in MaiUud.
8. 476.»
20. Feierlicher Einzug Vittore Emanuele*s in Turin. 8. 489.
24. ebenso Pius VII. in Rom. 8. 489.
25. Erste Kundmachung mit dem kaiserlichen Doppel-
adler in Mailand — Feldmarschall Graf Belle-
garde bevollmächtigter Commissär.für die lom-
bardischen Provinzen. 8. 482.
26. Bellegarde löst die WahlcoUegien auf und über-
nimmt den Vorsitz der provisorischen Regent-
schaft. 8. 482.
27. Abschiedsaudienz der Mailänder Deputation bei Kaiser Franz
in Paris. 8. 475 f.
30. Tagesbefehl Bellegarde^s über die Reorganisation
der italienischen Armee. 8. 486.
31. Vortrag Bellegardo's an den Kaiser. 8. 482.
Juni 10. Herabsetzung verschiedener 8teuern in der Lombardei. S. 49:!.
12. Verkündigung des Pariser Friedens in Mailand. 8. 489.
„ Die Mailänder Deputation g^ht in Paris auseinander. S. 477.
14. 8candal im Theatro alla Cauobbiama in Mailand. 8. 4*.N).
16. Graf Htarhemberg in Florenz verkündet allgemeine Amnestie.
8. 493 f.
26., 27. Excesso italienischer Officiere in Brescia. 8. 502.
29. Militärische Expedition gegen das Räuborwesen* 8. 502.
Juli 12. Kaiserliches Handschreiben, betreffend die ex-
königlich italienischen Truppen. 8. 499.*
„ Auflösung einer Freimaurer-Log« in Mailand. 8. 510.
15. 8r. Esquiron de 8aint-Agnan bei Graf Bombelles iu Paris.
8. 608 f.
16. Bombelles an Metternich. 8. 509, 538—541.
„ Herzog Franz IV. von Oesterreich-Este triflft iu Modena ein.
8. 495.
30. Die illyrische Deputation vor Kaiser Franz I. in Wien. 8. 493.*
411
1S14 Juli 31. Graf La2ansky Präsident der Central -Orpauisiriiiijifs-Hof-
Coniinission in Wien. S. 499.
Au^iust 1. Die exköniglich italioni«chen Ministerien in Mailand auf-
gelöst. S. 498 f.
5. Angeblich beabsichtigter Losbruch in Mailand. S. 508, 511 f.,
539 f.
9. Cabinetj:»schreiben des Kaisers Franz an Baron Hager iUier
die Freimaurer. S. 541.
Septenibor 1. Bombelles an Mettemich. S. 541 f.
15. Hager an Bellegarde wogen Ausfindigmachung und Fest-
nahme des Comelli. S. 513.
ca. '20. Moretti und Olini im Theater zu Brescia — Ur-
sprung der Militär-Verscliwörung. S. 516.
Octohor 10. Die loni bardische Deputation vor Kaiser Franz I. in Wien.
S. 493.»
21. Hager an den Kaiser über die geheimen Machinationen in
Italien und Absendung eines Vertrauten dahin. S. 512 f.
"20. Kaiserliche Entschliessung über den alten und neuen lom-
bardischen Adel. S. 501.*
November 2. Bericht Bombelles^ aus Paris nach Wien. S. 524, 544 f.
„ ISaint-Agnan reist von Paris ab. 8. 524.
3. Zusammenkunft der Mailänder Militär-Verschworenen bei
Brunetti. S. 520 f.
„ ebenso bei Bellotti. S. 521.
5. Lattuada bei Piuo, welcher die angebotene Führerschaft
ausschlägt. S. 521.
6. Bellotti bei Fontanelli mit dem gleichen Ergebnisse. S. 521.
8. Hager an Bollogarde über die Mission Saint- Agnairs. Ö. 525.'
14. Kaisorlicho Entschliessung über Hager's Vortrag vom
21. October.
19. 20. Beabsichtigter Angriff auf Mantua und Los-
bruch in Mailand — Militärische Vorkehrungen
in Mailand. S. 525 f., 529 f.
20. Bellotti und de Meestre bei Teodoro Lecchi. 8. 523.
22. Bellegardo an Hjiger über das Eintreffen Saint-Agnan's
in Mailand. S. 545.
„ Mart^chal führt Saint- Agnan bei liasori ein. 8. 531.
23. Zweites Erscheinen Saint-Agnan*s bei K^asori. 8. 532.
24. Aufbruch der k. k. italienischen Truppenkr»rpor
in die niirdlichen Garnisonen. 8. 532.
26. Dritte und entscheidende Zusammenkunft 8aint-Agnan\s mit
den Militär- Verschworenen. 8. 532 f.
Df^cembor 3./4. liasori, Maröchal, Gas[)arinetti und Lattuada verhaftet.
8. 533.
5. P. A. Carror aus Mailand an Baron Hager in Wien. 8. 545 f.
10. Derselbe an denselben. 8. 546.
10. — 18. Weitere Verhaftungen in Mailand. 8. 53 t f.
Ausgang der lombardischen Militär- Vorschwr»rung.
ö. o3i).
1.
U eher eine Million Streiter aus zwei Dritttheilen der euro-
päischen Lande gebot unmittelbar oder mittelbar der Imperator,
als er gegen die einzige von ihm noch nicht gebeugte festlän-
dische Macht das Schwert zog; aber mehr als hundert Millionen
Menschen, aus deren Mitte er jene bewaffneten Kämpfer hatte
holen lassen, wünschten nicht seinen Adlern, sondern wünschten
dem Gegner, wider den ihre Söhne und Brüder gezwungen im
Felde standen, Sieg und Triumph. Hatte er doch selbst nach
dem grossen Unglück von Moskau, statt gewarnt in sich zu
gehen, jenen masslosen Uebermuth beibehalten, der die Men-
schen überhaupt nur als Werkzeuge seines Ehrgeizes ansah
und dem nach seinen Franzosen die anderen Nationen vollends
niindcrwerthig galten. ,Was sind mir 200.000 Leute !^ sagte
er in der berühmten Dresdener Unterredung zu Mettemich,
imd als dieser entrüstet ausrief: ,Oeffnen wir Thüren und Fen-
ster, auf dass Europa diese Worte höre!' setzte er, gleichsam
sich verbessernd, hinzu: ,Nun ja, es mögen 100.000 Franzosen
gewesen sein, aber die andern waren Deutsche, Polen, Ita-
liener . . /
Napoleon hatte die Völker missachtet und beleidigt, er
hatte sie verletzt und geärgert — j'ai choquö les peuples^, er-
kannte er selbst zu spät, als er entthront den Boden Frankreichs
verlassen musste — , und die Völker vergalten es ihm mit
Flüchen und Verwünschungen, mit dem bittersten Hass und
Ingrimm. Diese Stimmung war diesseits der Alpen nicht stärker
und aUgemeiner als jenseits derselben auf der apenninischen
Halbinsel, die unter dem herrischen Walten seiner Unterkönig-
linge nicht minder zu dulden imd zu tragen hatte als Oester-
reich und Preussen, als die Deutschen und Spanier, und deren
Söhne im Norden wie im Süden Europas für fremde Interessen
verbluteten. Man berechnete es auf 22.000 Mann, welche Ita-
lien der spanische Krieg kostete; die italienische Nobelgarde
war bis auf 5 Mann zu Grunde gegangen. Mit 27.000 Mann
413
war 1812 der Vicekönig Prinz Eugen Beauhaniais in den russi-
schen Feldzug gezogen, ein Theil unter seiner persönlichen
Führung, der andere, bei 14.000 Mann, unter dem Befehle des
Generals Domenico Pino, eines Mailänders von Herkimft. Ge-
boren 1. October 1767, hatte Pino noch unter der Cisalpinischen
Republik Dienste genommen. Er war dann, erbittert über die
französischen Willküracte und Räubereien, 1796 — 1798 aus-
getreten imd hatte sich einem Vereine angeschlossen, der das
Losungswort erkoren: ,Italia fark da sfe^ Doch unter dem
Königreich finden wir ihn in hoher Stellung, 1804 wird er mit
dem Portefeuille für den Krieg betraut, 1806 zum Ersten Ca-
pitän der Garde ernannt. Er leitet 1808 — 1809 die Belagerung
von Stralsund, glücklicher als der Friedländer, und wird dann
in Spanien verwendet, aus welcher Zeit von ihm einige Züge
von uneigennütziger Grossmuth erzählt werden,* die zu seiner
sonstigen unersättlichen Habsucht einen lichtvollen Gegensatz
bilden. Er war eitel und ehrgeizig und hörte sich gern, ein
Seitenstück zu Latour d'Auvergne, den ,ersten Grenadier der
Cisalpina^ nennen. Er war dabei patriotischer Italiener und
gerieth mit dem Vicekönig, welchem er verletzende Bevorzugung
der Franzosen zum Vorwurf machte, in ein heftiges Zerwürf-
niss; Prinz Eugen verstand es zwar nachderhand, den General
wieder an sich zu ziehen, allein der Stachel blieb. Die Italiener
fochten in Russland tapfer und erfolgreich, aber an der Moskwa
verlor Pino bei 4000 Mann, nahezu ein Dritttheil seines Corps.
Es erfolgte der aufreibende Rückzug in einem der strengsten
Winter des Jahrhunderts. Prinz Eugen erreichte Marienwerder
mit 233 Mann, einzelne Abtheilungen stiessen noch dazu, im
Ganzen vielleicht e i n Tausend von don dem Imperator im Früh-
jahre zugeftlhrten siebenundzwanzig. Doch kein Wort des Be-
dauerns, weder von ihm noch vom Kaiser, über den so jammer-
vollen Verlust kam nach Mailand, nur der Befehl, die entstan-
denen Lücken durch neue Werbungen zu ergänzen.
Noch während zwischen der ,grossen Armce^ und den
Heeren der Verbündeten diesseits und jenseits des böhmischen
Erzgebirges die Würfel im Fallen waren, überschritt ein öster-
reichisches Corps unter FZM. Baron Johann Hiller die Drau,
> Cantüf Della Indipendenza Italiaua Croiii8t(>ria (Toriiio, Napoli, Roma
1872—1873) 1,871.
414
19. September 1813, drllcktc die Truppen des Vicekönigs hinter
den Isonzo zurück und besetzte am letzten des Monats Laibach,
die Hauptstadt der illyrischen Provinzen, deren Veste der franzö-
sische Obrist Leger nach einer kurzen Beschiessung am 5. Oc-
tober räumte. Am 23. befand sich Eugen in Udine, am 24.
überschritt die österreichische Vorhut den Isonzo. Am 26. rich-
tete Hiller aus Trient einen Aufruf an die ,Völker Italiens^
Mit einem Heere von 60.000 Mann habe er die Alpen über-
schritten und stehe in Begriff, den Boden Italiens zu betreten:
,die Tyrannei, unter deren Joch ihr geseufzt, die euren Gc-
werbsfleiss und Handel zu Boden getreten, eure Jugend im
fernen Norden und in Spanien für eine ungerechte Sache ver-
derben Hess, die mit allen Segnungen des Himmels begnadeten
Gefilde Italiens in einen Schauplatz des Jammers verwandelt,
sie hat ihre Grenze erreicht. Ihr kennet die Mittel der Gegen-
wehr, die der Feind wider euch führen kann, os sind seine
letzten. Erhebet euch also, Völker Italiens, erinnert eure Kin-
der, dass das alte Vaterland des Ruhmes sie geboren hat, und
dass der schönste Ruhm sei, unter den Fahnen des gerechtesten
der Monarchen für den Frieden der Welt und die Unabhängig-
keit der Völker zu kämpfen.'
Die Völkerschlacht bei Leipzig war geschlagen, Napoleon
ging über den Rhein zurück und crliess an seinen Stiefsohn
den Befehl, mit allen seinen Truppen, französischen wie italieni-
schen, ihm zu Hilfe zu kommen. Diesmal versagte Engen,
sonst der folgsame Diener seines kaiserlichen Herrn, den Ge-
horsam, allerdings nur in der Form entschuldigender Vorstellung,
indem er in einem am 3. November an den Kaiser gerichteten
Schreiben vorzüglich den Umsüind geltend machte, dass unter
den Umständen, wie sie waren, zahlreiche Fahnenflucht die
Reihen seiner Regimenter lichten müsste. Er hatte an jenem
Tage sein Hauptquartier in Vicenza, das er aber schon am
4. nach Verona verlegte, zur selben Zeit, als der k. k. FML.
Ignaz Peter Chevalier Marschall in Mestrc einrückte, um Ve-
nedig von der Landseitc einzuschliessen. Am 14, schlug Hiller
sein Hauptquartier in Vicenza auf, südlich vom Po manöverirte
GFWM. Laval Graf Nugent, der am 18. in Ferrara einzog.
P> musste es zwar vier Tage später, durch französische Ab-
theilungen in der Flanke und im Rücken bedroht, wieder räu-
men; allein es war das ein Zwischenfall, der im grossen Gange
415
der Begebenheiten nichts Undcrn konnte, nämHch tiarin, dass
die französisch-itahenische Armee trotz mancher mehr oder min-
der glücklichen Vorstösse immer enger in die Vcrtheidigung
gedrängt wurde, weil das Gebiet ihrer kriegerischen Macht-
kreise eine Einschränkung nach der andern erfuhr. Am 9. De-
cember besetzte GFWM. Gundaker Graf Starhcmberg Rovigo,
so dass mit Ausnahme der Hauptstadt und einiger festen Plätze
der grösste Theil der vcnetianischen Terraforma im thatsilch-
lichen Besitze der österreichischen Truppen war, über welche
am 15. Baron Hiller den Oberbefehl an den kaiserlichen Feld-
marschall Grafen Bellegarde abgab.
König Joachim von Neapel stand im Begriffe, mit den
Verbündeten seinen Frieden zu machen. Bald nach der Leip-
ziger Schlacht hatte er durch den Grafen Micr mit Ocsterreich
zu unterhandeln begonnen und war darauf in seine Haupt-
stadt zurückgekehrt, von wo aus er durch den Marchese
Gallo mit Lord Bcntinck in Palermo anzuknüpfen suchte, um
sich von der sicihschen Seite sicherzustellen; denn er trug
sich mit weiten Plänen, mit denen er vorderhand noch ge-
heim that, auf welche aber aus allerhand Wahrzeichen zu
schliessen war.
So schien denn von den südlichen Abfaulen der Alpen bis
zu den Caps von Spartivento und S. Maria di Leiica alles aus
den Fugen gehen, auf der apenninischen Halbinsel eine neue
r)rduung der Dinge anheben, oder vielleicht richtiger die alte
vor 1796 wieder in ihre Rechte eintreten zu wollen.
2.
In dem in der Mailänder Ambrosiana hinterlegten Tage-
buche eines gewissen Mantovani, eines Dieners und Anhängers
Oesterreichs von altem Schlage, heisst es zum 1. Jänner 1814:
,Das neue Jahr beginnt mit einem sehr lobenswerthen Ansätze,
d. h. nicht mehr mit der Hoffnung, von unserer Regierung be-
freit zu werden, sondern mit der Gewissheit^ binnen einigen
Tagen ein stattliches Corps von Oesterreichern in Mailand zu
haben.' Darum, heisst es weiter, tragen die Leute auch mit
Geduld die alltäglichen schier unerschwinglichen Lasten und
Abgaben, ,8ie halten die Klagen zurück in Erwartung der nahen
416
Abhilfe^' So rasch nun, wie der vertrauensselige Mantovani
CS sich dachte, wickelten sich allerdings die Dinge nicht ab;
allein darin sah er richtig, dass alles einer nicht mehr aufisu-
haltenden Katastrophe zueile. Am 11. Januar kam der Bündniss-
vertrag zwischen Oesterreich und Neapel zustande; für letzteres
ging Marchese Gallo mit Lord Bentinck im Namen Siciliens
einen Waffenstillstand ein. König Joachim zog gegen Norden,
am 28. befand sich sein Hauptquartier in Bologna, und Belle-
garde durfte nun erwarten, für seine Unternehmungen gegen
den Vicekönig verstUndige und kräftige Unterstützung zu finden.
Am 4. Februar wurde Verona besetzt, von wo er am 5. einen
Aufruf an die Italiener crliess: die Stunde der Befreiung habe
geschlagen, die Völker Italiens werden die Wohlthat nationaler
UnabhUngi»;keit geniessen; ,ihr Piemontesen', ihr ,edlen Toscaner^,
jenes alte Haus von Este^ werden in ihre früheren glücklichen
Verhältnisse zurückkehren ; ,dic Hauptstadt der chi*istliehen Welt*
werde aufliören, ,dic zweite eines fremden Reiches zu sein'.
So war es allerdings nicht von dem Abenteurer auf dem Throne
von Neapel gemeint, dessen Schleppträger aus der Schule
schwatzten. General Carascosa, der Modena und Reggio
besetzte, und der Procurator Pocrio in Ancona erliessen Aufrufe
ganz anderen Charakters als der des kaiserlichen Feldmarschalls:
sie verhiesscn ,Italien^ Einheit und Unabhängigkeit unter ihrem
Könige, was sie freilich gleich darauf in ,Süditalien' verbessern
mussten.
Am 6. Februar hatte Bellegardc eine Unterredung mit
Joachim, wobei ein gemeinsames Vorgehen gegen die Stellung
des Prinzen Eugen verabredet wurde. Zwei Tage darauf kam
es am Mincio zu einer Schlacht zwischen den Kaiserlichen und
der französisch-italienischen Armee; es wurde von beiden Seiten
tapfer und ausdauernd gekämpft und beide Theile schrieben
sich den Sieg zu; was aber nur in verneinendem Sinne der
Fall war, indem jeder den andern gehindert hatte^ sein Ziel
zu erreichen: Bellegarde, der am rechten Ufer des Mincio
Fuss fassen, Eugen, der seinen Gegner hinter die Etsch hatte
zurückdrängen wollen. Der einzige Gewinn, den die Kaiser-
lichen davon hatten, war der, dass sich die Veste von Verona
1 Bei Giov. Do Castro, La restauraziono austriaca in Milano; Arch. stur.
Lombardo 1888, p. 597.
417
nicht länger halten konnte, die am 11. capitulirte. König Joa-
chim hatte gar nichts gethan, das Unternehmen Bellegarde's von
Süden her zu unterstützen, imd so war der heimtückische Mann,
der seine abseitigen Zwecke verfolgte, den Kaiserlichen von
keinem besonderen Nutzen, so dass Metternich vom französi-
schen Kriegsschauplatze an den Grafen Micr in Neapel sciirieb:
,Wenn der König damit alles gethan zu haben glaubt, dass er
nicht über uns herfällt, so wäre es fast besser, ihn zum offenen
Feinde zu habend'
*
Noch eine dritte Macht trat jetzt gegen die Streitkräfte
des Königreiches Italien in den Kampf; aber auch auf dieser
Seite herrschten, mindestens was den Vertreter derselben betraf,
besondere Neigungen und Pläne. Seit dem Umschwünge in
der allgemeinen Weltlage hatte Lord William Bentinck kein
Hehl daraus gemacht, dass er flir einen italienischen Freistaat
mit einer Verfassung nach britischem Muster sei.^ Allerdings
musste er um der Verbündeten seines Vaterlandes willen seinen
Phantasien Grenzen setzen. Nachdem er nach einem mit Oester-
reich und Neapel verabredeten Plane am 9. März bei Livorno
seine Truppen, Briten, Sicilianer und Deutsche, bei 8000 Mann,
ausgeschifft hatte, beschränkte er sich in seinem Aufrufe vom
14. der Hauptsache nach darauf, er sei gekommen, den Italie-
nern die Hand zu reichen, ,um sie von dem eisernen Joche
des Bonaparte zu befreiend
Mittel- und Oberitalien waren jetzt ein grosses Schlacht-
feld, auf welchem österreichische, britische und neapolitanische
Abtheilungen vielfach Schulter an Schulter gegen die Truppen
des Königreiches Italien, welches nur mehr dem Namen nach
bestand, manövrirten. In Ancona und den Marken setzten sich
die Neapohtaner fest; in den Legatiojnen operirten österreichische,
neapoUtanische und britische Truppen; um die Lagunen, um
den Gardasee, an der Etsch imd am Mincio gab es fortwährende
Kämpfe zwischen Oesterreichern und Franco-Italienern, und
wenn auch letztere mitunter vorübergehende Vortheile er-
rangen, im grossen Durchschnitt waren die Kaiserlichen im
1 Helfert, Joachim Mural (Wien, Manz, 1S78), S. 9.
> Bericht des Grafen Adam Neipperg nach Wien vom 30. Juli 1814
K. u. k. Hans-, Hof- u. Staatsarchiv in Wien.
418
Fortschritt, die Truppen Eugens in der KUckwärtsbewegong
begrifFcn.
Das Schicksal der apenninischen Halbinsel ging seiner
Entscheidung entgegen. Zwischen dem Hauptquartier König
Joachims und dem zur Stimde auf französischem Boden hiD
und her wandernden Cabinete des Kaisers Franz fand ein leb-
hafter Depeschen- und Courirwechsel statt, eigenhändige Briefe
der beiden Souveräne fielen dazwischen. Den Ton gaben Oester-
reich und dessen Verbündete an. Bereits wurde, König Joachim
imd Lord Bentinck zum Trotz, ernstlich fllr die Rückkehr der
alten Dynastien gehandelt. Oesterreichische Truppen zogen in
Rom ein und besetzten die Engelsburg, in Florenz fasste Graf
Starhemberg festen Stand, jene um den heiUgen Vater, dieser
um den Grossherzog Ferdinand HI. in ihre Staaten zurück-
kehren zu lassen. In den Departements des Panaro und Cro-
stolo, die das herzustellende Herzogthum Modena bilden sollten^
richtete Graf Nugent als Commandant dor südwärts vom Po
operirenden verbündeten Truppen eine einstweilige Militärver-
waltung für Erzherzog Franz von Oesterreich-Este ein. Lord
Bentinck brach von Livomo in nordwestlicher Richtung gegen
Genua auf, die Rückkehr des seit 1800 auf die Insel Sardinien
gebannten Königs Victor Emanuel in sein festländisches Besitz-
thum war nur eine Frage der Zeit, und dann musste auch über
das Schicksal des alten Freistaates an der Riviera entschieden
werden.
*
Dass Graf Bcllcgarde nicht für fremde Zwecke und Inter-
essen südwärts der Alpen manövrirte, konnte sich jeder über-
legende Politiker sagen; auch machte die österreichische Re-
gierung durchaus kein Hehl daraus, dass es ihr in erster Linie
um Zurückgewinnung der ihr in den napoleonischen Kriegen im
Südwesten der Monarchie entrissenen Gebietstheile zu thun sei.
Von dem Augenblicke, als auf deutscher Erde der Wende-
punkt im Glücke Napoleons eingetreten und der letzte Kampf
auf den Boden Frankreichs verlegt war, dessen schliessHcher
Ausgang nur über den Zeitpunkt seines Eintrittes Zweifel auf-
kommen Hess, hatte Kaiser Franz die fortschreitende Besetzung
der illyrischen, dalmatinischen und norditalischen Provinzen
als Rücknahme ihm in den Jahren seiner Demüthignng gewalt-
entrissener Reichstlicile aufgefaast und im (befolge seiner
I ^ege auf dem Sehlaclitfelde an die Wiedcreinncfatnng derselben
auf üstcrreicliischen t'usB schreiten lassen. Der Anfang war in
Illyrien gomaclit und vor Allem die Reinigung der Behörden
^tt fremdländischen Elementen in Angriff genommen worden.
Unter tranztisischer Herrschaft und auf unmittelbaren Be-
1 Napoleons hatte der Geheimbund der Freimaurer in allen
lieren Creseilscliaftskr eisen, und ganz besonders im Heere
in den Aemtem, ausgedehnte Verbreitung gefunden. In
^terreicb waren alle geheimen GeBellschaften verboten, mit
^em öffentliclien Dienstvcrliäituisse unvereinbar erkJUrt. Unter
I FreimaurciTi, auf welche jetzt die kaiaerücben Reorgani-
ioncQ auf allen Stufen der Justiz, in allen Zweigen der Ver-
ütung stiessen, waren höchst begabte und verdiente Miluner,
1 bi der napoleonischcn Zeit mehr aus Dionstbeätssenhcit oder
tieil es eine Art Modo war an den Alfanzereien des mystisehen
IrUdorÜiums theilgenommen hatten und die es daher keine
Eeberwindung kostete, sieh davon unter einer dem Geheim
\ abholden Regierung loszusagen. Hingegen gab es andere,
die sich zu tief In da» gestürzte System eingelassen hatten, zu
innig mit demselben verwachsen waren, als dass man die Er-
wartung hegen konnte, sie würden in der geiinderten Lage
treue und aufrichtige Dienste leisten. Manche von ihnen waren
sehr unsaubere Hubjccte, sittenlos, tyrannisch und habgierig, die
niesten Blutsauger zählten zm- Secte der Freimaurer, die darum
im Allgemeinen bei der Masse der Bevölkerung verhasst war
und vielfach mit den verabscheuten Jakobinern verwechselt
ii-den. Einzelne verliesaen bei der neuen Wendung der
inge freiwillig ihren Dienst, andere wurden, trotz aller Gegen-
rauche, die sie und ihre Beschützer machten, bcfehlswcisc
1 ihren Posten entfernt.'
Was Irisher in Erain und im GSrzisehen geschehen war,
Ute nnn in gleicher Weise in dem von den kaiserlichen Truppen
tckärobcrten obcritalischen Landstrichen stattfinden. Hchon
I tt[e Affion der ebPnialiEiiii ObersWn Piiliüni- nnil renunr-lliifttdlo (jplat
t Im Arcbiv dw MlnJiiUi-inmH iIoh Dinem', iHi wonle citin'ri A. J.) 1814
' Conviiliit ,VRn>ii.'liHnniii)raii' Hind voll der tntarm«i>ii labten EiiiiAlnliEtitoii
i< in dItHAr ltic'lit4iiii;, nuf w4u itk ile» kfltilligeii (lAHchicIitMidiniibnr der
^•JtiMK£npatinii iiiul liitroHukrntLtchen Koorgniiiiuttioii ron Illyiien ISIS und
]8U hlTioit n.r.i-hi.- aiifiiKirkMim <r('i>inclit li.iLinii.
420
war fiir das bestandene italienische Königreich der k. k. FZM.
Fürst Heinrich XV. von Reuss-Plauen als General-Gouverneur
im Namen der verbündeten Mächte bestellt, der k. k. Regierungs-
rath Anton von Raab ihm als Polizei-Oberdirector an die Seite
gegeben, mit dem Sitze vorläufig in Verona, von wo. so lange
die Lagunenstadt nicht bezwungen war, die einstweilige Ver-
waltung der venetianischen Terraforma ihren Anfang nahm.
Wie in den anderen wiederbesetzten Provinzen wimmelte es
auch hier von ,schlechten Beamten^, d. h. solchen, die freimau-
rerisch angesteckt waren und von denen sich eine ernstgemeinte
Lösung von diesen Banden nicht erhoffen Hess. Schon im Febmar
1814 bestand Raab beim General-Gouverneur auf der Absetzung
des Postdirectors Barbiera als eines Freimaurers, Werkzeuges
der italienischen Polizei und VertriEiutcn des ehemaligen Dcpar-
tementspräfecten Barons Ant Smancini, und Ersetzung desselben
durch den altösterreichischen Postbeamten Joh. Theod. Hanappel.^
Gegen Ende März kam dem Fürsten der kaiserliche Befehl zu,
,dass jene Beamten in den occupirtcn Provinzen, welche die provi-
sorische österreichische Regierung auf ihren Dienstposten belässt,
verludtcn werden sollen, eidlich anzugeloben, dass dieselben, fiük
sie mit einer Freimaurerloge oder einer anderen geheimen Ge-
sellschaft in Verbindung stünden, sich sogleich davon lossagen
und in keine solche Gesellschaft mehr treten wollend* Zu den
ersten, deren Schicksal sich in dieser Richtung entschied, ge-
hörten der Präsident Prebatta und der Rath Pradclla vom Ge-
richtshofe zu Viccnza; sie venveigerten den Eid und wurden
allsogleich ilu*es Dienstes entlassen.
3.
Das ex-venetianische Gebiet westlich vom Mincio (Ber
gamo, Brescia), das Mantuanische, Mailand und die Lombardei
waren thatsächlich noch in franco-italienischer Gewalt, aber die
Stützen dieses Besitzes schwankten und krachten in allen Theilen,
* Laut Schematiismiiä vou 1812 Oberpostamts-Controlor in GrSts.
2 Allerhöchste Entschliessnn^ vom 3., Schreiben des Obersten Polixeipräsi-
denton Franz Freihemi von Ha^r zu Allentsteig vom 30. Mars 1814, A J.
, Verschwürungen'. (}e<lnickte Eidesformel und Revers, gleich von FZH.
Baron Ililler bei seinem Einrücken auf venetianisches Gebiet festgestellt
und kundgemacht, ebenda Z. 1549 ad 83.
^Bd Luftzug kuuTitt^ eie zum .Sturz bringen, ein Fuuken in vcr-
^Bhreode Flaiunieu setzen,
^K Prinz Eugen Beauharnais, StiefBohn Napoleons, Vicekönig
W^a Italien, war für seine Person und im gesellschaftlichen Um-
^«Dg nicht eben unbeliebt, uuil in noch liöiierem Grade Hess
sich das von seiner üemahlin Augusta Amoüa, einer bayrischen
Prinzessin, sagun. Unter den einflussreichen M (Innern seines
Hofes waren nicht wenige von entschieden günstiger Wirksam-
keit, und es war unter seinem Walten ohne Frage Manches
fiir das Land geschehen. Obenan an Verdiensten und Erfolgen
'Und darum auch in der allgemeinen Achtung stand Conte Fran-
ico Meizi d' Eril, der treue und kluge Berather des Prinzen
I allen grossen Fragen. Einer vornehmen lombardischen Fa-
[dlie entsprossen, geb. zu Mailand am )3. März 1753, in jungen
Kammerherr der Kaiserin Maria Theresia, wai" Melzi
JtBch Ausbruch der Revolution zu einem Haupthebel bei der
Gründung der ciealpinischen Repubhk, sowie später bei der
Schüpfung des Königreiches Italien geworden und in der Mei-
nung vieler seiner lombardischen Laudsleate zum Vicekonig
letzteren ausersehen. Das war nun allerdings nicht ein-
treten; (loch als Grosskauzler des Königreiches, mit dem
wzogstitel von Lodi ausgezeichnet, war er in der Verwaltung
lad im Staatsrath nach dem Prinzen Eugen der erste Mann
i Königreich. In der Zeit, in der wir uns bewegen, war er
tht gerade horhbetagt, er hatte eben erst die äechzig hinter
ich; allein seine Gesundheit war erschüttert, er litt an der da-
tligen Modekrankheit der Vornehmen, an der Gicht, die ihn
ntweise wochenlang an Bett und Zimmer fesselte.'
Es fehlte aber auch nicht an Persönhchkeiten in der nächsten
Umgebung des Vicekönigs, deren Sitten und Gebahren nicht
' dazu beitragen konnten, das franzüsische Regiment volksthümlich
zu machen, was namentlich von den Conti Paradisi aus Moden«
and Minister Vaccari galt, die sich, wie man ihnen nachsagte,
1 JfuBher als ihre Übrigen Landsleute dfinkten, weil sie von der
18t der französischen Sonne bestrahlt waren. Das war der
■ Unter den neueren MailBiifler euhriftstellern hat niemand Mel» ho Itot^li
I gartellt, mid wr-lil mit vielem Oruud, «1« B. Boofadini, FninaeMo Melii
t • il parioda Italinna ^Mt^siu (iecolu di fAtriotiamo, Milano, Trovo«, ISStl.
[1. 1—60).
422
Punkt, der das Selbstgefühl der Lombarden am empfindlichsten
verletzte und der sie selbst das mancherlei Gate, das sie der
Regierung Eugens zu danken hatten, übersehen und vergessen
Hess. War er es doch selbst, der kaiserliche Stiefsohn, der sein
Königreich nicht anders verwaltete denn als eine Provinz des
weiten französischen Kaiserthums, und nach dessen Sinn die
Italiener die menschenverschlingende Heeresfolge als eine Ehre
aufzufassen hätten, welche die grosse Nation ihnen zutheil werden
lasse. Ganz in diesem Geiste sprach und handelte der Cabinets-
secretär des Prinzen Graf Mejean, Franzose von Herkunf);, dessen
Gesinnung eine blinde Bewunderung und Ergebenheit f)ir seinen
unmittelbaren Herrn und für den grossen Kaiser in Paris kenn-
zeichnete. Unter dem Druck des Missbehagens, des Widerwillens,
der bei dem Lombarden durch den französischen Uebermuth,
durch das hochfahrende Wesen «des imperialistischen Anhangs
genährt wurde, litten auch solche Männer, denen sonst gleich
Melzi nur Rühmliches nachzusagen war, die aber in der öffent-
lichen Meinung gleich so vielen anderen als einfache Werkzeuge
des fremden Unterdrückers galten.
Die Fülle des Hasses traf eine Persönlichkeit von hervor-
ragender Begabung und vielfach anerkennungswürdigem (%a-
rakter, aber von einer Gefügigkeit und Dienstfertigkeit nach
oben, einer unbeugsamen Strenge, ja Härte nach unten, die alles
Mass überschritten. Es war der Finanzminister des Königreichs
Conte Giuseppe Prina, Piemontese von Geburt und schon daram
den Mailändern, diq ihren Nachbarn jenseits des Ticino von
Haus aus nicht besonders hold waren, ein Dom im Auge. Ein
Mann von entschiedenem Talent, ein pflichtgetreuer Beamter,
der vom Morgen bis in die sinkende Nacht bei seiner Arbeit
war, hatte sich Prina um die Ordnung des staatlichen Haushaltes
unleugbare Verdienste erworben, er war ehrlich und hatte reine
Hände.* Aber schon 1802 hatte Melzi in einem Berichte an
den ersten Consul über Prina geklagt, er sei verhasst in der
Lombardei, wie er es früher im Piemontesischen gewesen, sein
' ,Qaant k son patrimoine, il est ayM quUl n*en avait point, et sa £unUle
ne recueillit k sa mort aucun h^ritage* ; i^tnde sur Thistoire de la Lombardie
etc. MS. d'un Italien pnbli^ par H. L^zat de Pons (Paris, Laisn^, 1846) p. 73.
Es gibt auch eine italienische Ausgrabe ,Stadi intomo alla atoiia* eoe^ die
ich aber nicht ans eigener Anschauung kenne. Als Verfitaeer oder richtiger
Verfasserin gilt allgemein die Fürstin Cristlna Belgioioao-TrinUi-
ktiffahrendos Wesen, ,sc'me. ironische Hftrte gegen die Steiicr-
■fitclitigen' erzeugten allgemeine Erbittening. Unter ilem Kaiaer-
■Rtm wurde dicB nicht besser sondern schlimmer. Stolz nnd
■ftrr, Verächter der Volksgunst. kannte Prina rUeksichtaloe
■llehM als den Willen seiner französischen Gebieter: wenn auß
nris das Wort kam. es werde Geld gebraucht, rauaste Geld
iftrbeig(*ftehnfft werden um jeden Preis,' Die Steuern waren
Tiel und gross, die Auflagen auf die noth wendigsten Lebens-
bedürfnisse stiegen immer höher, mi den alten Abgaben kamen
fiisl mit jedem Jahr neue, noch am 24. Jänner 1814 eine
(.'api tatst euer von 1 Percent. Was aber am meisten di-ückte und
in itllen Geschäftskreisen einen stets wiederkehrenden Unwillen
nlthrte, war eine Protok ollsten er. il i-egistro. eine vergleichs-
weise hohe Abgabe die, bei Gefahr der Ungiltigkeit des ganzen
indels, flir die Eintragung aller KSafe und Verkäufe, aller
■leben, aller Erbschaften etc. in die öffentlichen Bücher zu
entrichten war. Dazu waltete bei Eintreibnng dieser verschiedenen
Schuldigkeiten eine unerbittliche Strenge, die von Mitgefühl und
Barmherzigkeit nichts wusste. Gereizt, wie die Öffentliche Meinung
Igen den Piemonteser war, liess sie dabei ausgiebige Abfälle
~ Nebengewinn Sic in den eigenen Säckel des Finanzministers
Ijessen; er galt für fabelhaft reich und die ,Casa Prina' filr
angefiillttnit unglaublichen Sehätzen. Allein der ehemalige Palast
Sannazari, den er bewohnte, war keineswegs sein Eigenthnm;
^iaa Gebäude war vor längerer Zeit in den Besitz des grossen
ipitsk Qb ergegangen, von welchem es Napoleon fllr den Staats-
hatte ankaufen und zur Amtswohnung des jeweiligen
lanzministers heniehtcn lassen, dessen Bureaux in dem gegen-
iriiegenden Palazzo Marino iintergebracht waren. Als die
itigsten seiner Beamten, denen er volles Vertrauen schenkte,
Pavesi nnd Pioltini; sie waren deshalb nicht minder
t als der Minister selbst, und das Wort machte die Runde
[AÜand: es werde nicht besser werden, so lange ,die drei P
it ans der Welt geschafft seien.
Bei 80 bewandten Umständen war es nicht zn wnndern,
die französische Partei nicht blos in- Mailand, sondern
^■«eis
entri
Schi
Ban
Ms
l» fjesi
i ,PriiM'. hiesB es im Oeat. Beob. 1814, Nr.
Piemonteaer, welnhen Biioimpart« ne^n i
Kchaffen beniindcii i'hr.'«'.
Mai 8, TOI. .eil
■ Oeld >i
424
weithin im Lande mit jedem Jahre^ welches dieses Reimen!
währte, sichtlicher zusammenschmolz. Ausser den wenigen per-
sönlichen Verehrern und uneigennützigen Anhängern des vice-
königlichen Paares bildeten dessen durchschnittlichen Anhang
solche, die bei einem Wechsel des Regimentes einem unsicheren
Loose entgegensahen, im äussersten Falle ihren Posten und die
damit verbundenen Einkünfte und Bezüge zu verlieren hatten,
also in der ersten Reihe die Minister und höheren Kegierungs-
beamten. In diese Classe zählten aus dem gleichen Grunde der
ehemalige von Kapoleon gegrafte . Minister des Staatsschatzes
und jetzige Senatspräsident Antonio Yen er i aus Reggio and
mit ihm die Mehrzahl der höheren Gesellschaft im Modenesischen.
Denn eben aus Modena und Reggio waren Leute von Geist
und Thatkraft, geschickt und verwendbar, unter französischem
Regiment zu den höchsten Ehrenstellen gelangt und standen
anderen auf einer unter den günstigsten Vorzeichen betretenen
Laufbahn die glänzendsten Aussichten offen; hiemit musste es
besonders dann ein Ende haben, wenn ihr Gebiet staatlich von
jenem am linken Ufer des Po abgetrennt würde. Zu den An-
hängern Eugens, oder vielmehr der an seinen Namen sieb
knüpfenden Ordnung der Dinge, gehörte die Mehrzahl der Ge-
nerale und höheren Ofliciere, bei denen häufig ein edleres Motiv
als das des blossen Eigennutzes mit ins Spiel kam. Sie hatten
unter seiner Führung in einer Reihe von Feldzügen die Mühen
des Lagerlebens, die Gefahren auf dem Schlachtfelde, sie hatten
Siege und Ehren mit ihm getheilt, und das Band solcher Kamerad-
schaft ist oft inniger, gilt als heiliger als das blos persönlicher
Freundschaft.
Gleichwohl gab es selbst in diesen Kreisen Manche, die
wankten oder geradezu zum Abfall neigten, sei es aus persön-
lichen Anlässen, sei es weil sie grundsätzlich das französische
Joch satt hatten. Qeneral Luigi Conte Mazzucchelli, ein
Brescianer, hatte sich in Mailand eben in Machenschaften gegen
das bestehende Regiment eingelassen, als er vom Vicekönig
nach Mantua berufen wurde, um daselbst als Chef des Qeneral-
stabes zu fungiren. Mazzucchellis Genossen witterten eine Ent-
deckung ihres hochverrätherischen Treibens und mehrere, wie
Marchese Fagnani, der Advocat Reina flüchteten über die
Grenze.
■ 179
In demselben Masse, in welchem sieli dk' Roibon diT IJnau-
haruisten lichtete, ja in viel hßherem Grade verstärkte sieb eine
andere Partei, welche die neueren Mailänder Geschicbtschrcibcr
als .Austriaeanti' bezeichnen, die aber damals von ihren Gegnern
aU Mate Hai ioni verhUhnt wurden, als ob sie selbst, die be-
ihnenden Anhänger dee Imperialismus, von eigennützigen Ab-
;hlen frei wären!
An Flass gegen die franBösische Ordniing der Dinge und
Iben dämm an sebnsUelitiger Erinnerung an die öalen-eichiBchc
lit hatte es während der ganzen eisalpinischen und vieckönig-
liehen Periode nicht gefehlt. Noch war es unvergessen beim
stolzen lombardischcn Adel, dass mit dem Eintritt der sanscu-
lotte'schen Gewaltherrschaft — in dem beriichtigten jtrienmo'
1796 bis 1798 — seine Titel und Wappen abgeschafft, seine
ideicommissc aufgelöst worden waren, dasa dem , Bürger' An-
Litta, weil er es gewagt, auf dem Partezettel flir seinen
verstorbenen Vater dessen Marehesat zur Geltung zu bringen,
wegen dieser ,entehrenden' Berllhmung eine Strafe von hundert
Dncaton auferlegt, jn wegen des enormen Grades der Beleidigung
ises Bussgeld auf das Doppelte erhöht worden war. Noch
iten viele, wie Marchese Francesco Pictro Ghisilieri-Caldorini,
alte Graf Confalonieri, die am kaiserlichen Hofe zu Wien
Kammcrhcrrcnschlüsscl getragen, von Joseph U., Leopold II,,
ine II. persönlichen Umgangs gewürdigt worden waren. War es
iter solchen Umständen zu wimdcrn, wenn Oesterreich unter dem
[bardischen Adel seine zähen Anhänger hatteV Der Marchese
■ivabenc erwähnt aus seiner Jugendzeit eine Persiinlichkeit,
als noch der galhsehe Hahn den zweiköpfigen Adier unter
len Krallen gehabt, nicht müde geworden sei, den baldigen
larscb der Oesterrcicher in Mantua zu prophezeien. Zu
grimmigsten Haasern Frankreichs und dessen Kaisers ge-
hörte Conte Filippo Carlo Ghislieri aus Bologna, den Napoleon
hatte einsperren, eines Tbeiles seiner Gilter berauben lassen;
Btidz Eugen hatte ihm zwar die Befreiung erwirkt, aber er
iste Mailand meiden, weil oi- als .österreichischer Spion' galt.
latsächlich war er als Land es verwiesener wiederholt in Wien
esen, um sich dort, wie es bei der Mailänder Polizei hieas,
cisnngcn' zu holen. Er war dabei in nähere Beziehungen
Conte Alfonso Oastiglioni getreten, der sich in ähnhcher
imung am kaiserlichen Hnfp einfand, aber zuletzt nach Mailand
426
zurückging; um die ihm angedrohte Beschlagnahme seiner
Güter abzuwenden; ein Amt oder eine Ehrenstelle hat er
von den Napoleoniden nie angenommen. Von Filippo GhisUeri
wurde erzählt, dass er Verkleidungen nicht scheue, sich bald
als Bettelmönch, bald als Bauer im Lande herumtreibe, um för
seine Pläne Stimmung zu machen. In den letzten Monaten 1813
zeigte er sich wieder Freunden in Mailand, namentlich im
Hause des Marchese Rosales, in jenem des Barons^ Giuseppe
Gambanara aus Pavia, eines der entschiedensten Parteigänger
Oesterreiehs, dessen Frau sie am viceköniglichen Hofe spOttebd
,Madame des öcrevisses^ hiessen. Bei Gambanara und Rosales
fanden von 1813 zu 1814 jene geheimen Zusammenkünfte statt,
aus deren Schoosse mit dem kaiserlichen Armeecommissftr
Grafen Peter Goess, ja mit dem Oberbefehlshaber Grafen Belle-
garde verdeckte Beziehungen angeknüpft wurden. Unter den
Austriacanti oder Materialioni galten ausser den bereits Genannten
als die eifrigsten und thätigsten die Conti Fagnani, Giuho Otto-
lini — ,duquel il n'y a pas de plus grand Autrichien, rhonime
le plus sage et le plus loyal', wie es in einem amtUchen Berichte
von ihm hiess — Antonio Greppi, Giacomo Mellerio, Giberto
Borromeo, Diego Guicciardi, Rath Freganeschi, der Venediger
Marchese Maruzzi. Guicciardi gehörte dem italienischen Senate
an, und es waltete bei ihm noch ein besonderer Beweggrund,
sich die österreichische Herrschaft zu verlangen. Gebomer
Veltliner wünschte er, dieses Thal mit Worms und Cleven
(ValtelUna, Bormio, Chiavenna), die vordem zu Graubündteo
gehört hatten, bei der Lombardei zu erhalten, und da er sich
denken konnte, dass bei dem Zusammenbruche des Napoleonischen
Weltreiches die Schweiz grosse Anstrengungen machen würde,
die ihr entrissenen Thäler zurückzubekommen, so schien ihm
* Bei den neueren Mailänder Geschichtschreibem wird Gambanara durch-
wegs als Conte angeführt. In dem von Bellegarde im Juli 1814 zusammen-
gestellten Verzeichnisse des neuen lombardischen Adels kommt er aber
ausdrücklich in der Abtheilung der 3&roni* und mit der Bezeichnang
jAwocato* vor. Es kann also nur angenommen werden, dass die Gambanan
von altem Mailänder Grafenadel waren und unser ,Advocat* diesen seit
1796 verbotenen und verlorenen Titel nach der G^tattung des Kaisers
Franz I. neuerdings zur Geltung brachte. Eine Khnliche Bewandtnis!
mag es mit dem ,ßaron^ Giuseppe Casati, königl. ital. Staatarath,
gehabt haben.
üin Staat vou der Mnuht und dem Ansolieu Uc&turreiclis
der Lage zu sein, Bolche» Widerstand zu brechen,'
Die üsterreichische Partei recrutirte sich indeesen keines-
s blos aus dea vornehmeren Sehichtcn der GeaeUscIiaft.
dem fortwährenden Wechsel, hei der Unruhe der lclzt«n
Jahrsehnte, bei der unausgesetzten Kriegsbereitschaft und den
damit Terbundenen steten Anforderungen an Geld und Kanonen-
futter trat bei gar vielen, selbst Leuten der minderen Volks-
classen, die Erinnerung an die guten alten Zeiten, an die Ruhe
und Sicherheit unter den üsterreichisehen Herrschera immer
lebendiger, immer kraftiger hervor, und besonders das Andenken
Ilaria Theresiens wirkte in Mailand und der Lombardei, wie
das ja in ähnlicher Weise in den belgisehen Gebieten der Fall
woldthuend und veraöhnend nach. ^ Selbst der bessere
ilstand, der sich unter den ü-anzüsisehen Gesetzen und Ein-
ihtungen unverkennbar gehoben und bürgerliche Existenzen
geschaffen hatte, die an Iteichthum und Wohlbehagen mit dem
feinsten Adel wetteifern konnten, gab gleichwohl der ruhigen
gleichmilssigen Verwaltung des Hauses Ocsterrcich den Vorzug
und erblickte, gegenüber dem ropublicanisehou Ucbermuthe
und der imperialistiHchen Ausbeutung von Frankreichs Seite, in
dem milden Regimentc einer Theresia, eines Leopold das Ideal
litiei- Regierung.
Neben der Österreiehischen Partei war eine andere, die
dienisebe, die der , reinen Italiener — Italici puri', antibeau-
inistiseh gleich joner, in ihren positiven Zielen aber ziemlich
äieilt. Die hervorragendste PersönJichkeit in dieser Gruppe
r der jüngere Confalonieri, Graf Federico, in seinen jüngeren
iren als Dandy bekannt, wovon ihm auch späterhin noch
^ncbes verbheben war, dabei von aristokratischen Manieren und
D einem oft verletzenden Hoehmuth selbst gegen Personen seines
inga, bei denen er darum der , freisinnige Sultan — Sultano
' BinK«Hend beBchSftipt sich mit Diüpn Quitcisrdi BoofAdini i. c B4— ;
1 nalengbflre Biiinei^iiig xii Österreich er a\a ,un errore, tnn n
iviamento' hinzTisteUeii sacht
t ,1 LombuTili . . . ricordavnno con nllecto U Umpu <ti Maria TereM •;
I cnofiuo npnlimento ilelle avile istililBioni'; Cantfi. CrouiEloria II, I
428
liberale' hiess.^ Graf Federico grollte dem Vicekönig, der ihm
eine Stelle in seinem Hofstaat angeboten hatte^ was dem stolzen
Cavalier, der seine Herkunft von einem der ersten und ältesten
Geschlechter Mailands ableitete^ eher als Beleidigung denn als
Ehre erschienen war. Man sprach auch in der Stadt, daas
Eifersucht mit im Spiele sei, weil der Vicekönig der schönen
und geistvollen Gräfin Teresa, einer gebomen Casati, etwas
auffallend den Hof mache, wobei indess das Benehmen der ehr-
baren Frau über jeden Verdacht erhaben blieb. Der ahe
Confalonieri hielt an seinen österreichischen Traditionen, und
auch sein Sohn und dessen Gesinnungsgenossen Marchese Carlo
Castiglioni, die Conti Antonio Durini, Podestk von Mailand, Gia-
como Ciani, Benigno Bossi, Gian Giacomo Trivulzi, Luigi
Porro-Lambertenghi, neigten insoweit zu der österreichischen
Partei, als sie ihr Ziel unter österreichischer Aegide oder durch
Benützung und gewandte Ausbeutung des österreichischen Ein-
flusses zu erreichen hofften. Sie hatten dadurch mit den Austri*-
canti nahe Berührungspunkte, so dass sie in ihren minder ent-
schiedenen Abzweigungen mit den lauer gestimmten Oestst-
reichern fast zusammenflössen. Der erhebUche Unterschied war
nur der, dass die österreichische Partei ein klares Ziel vor
Augen hatte, fest und einig war, sich kühn und entschlossen
und dabei doch wieder klug und vorsichtig hielt, während den
,reinen Italienern' ein etwas verschwommenes Bild von Selb-
ständigkeit und Unabhängigkeit vorschwebte, welchem die einen
auf diese, die anderen auf jene Weise leibhafte Gestalt zu leihen
vermeinten: unter einem österreichischen Prinzen, unter König
Joachim von Neapel, unter dem Herzog von Clarence, dritten
Sohn König Georg III. von England; auch gab es Solche, die
nur unter einem eingebomen Oberhaupte das Heil zu finden
hofiten. Für Muratisten galten der General-Polizeidirector von
Mailand Conte Giacomo Luini und General Teodoro Lecchi,
dessen Bruder Giuseppe unter neapolitanischen Fahnen diente.
Eine eigenthümliche Stelle nahm General Pino ein. Dass
er Anti-Beauharnist war, und zwar grimmiger, darüber waltete
kein Zweifel; der Vicekönig hatte nach dem russischen Feldzug
durch Zuweisung eines minderwcrthigen Commandos die Eitel-
^ Semplice Verilii opposta alle mensogne di Enrico Mislen (Pari^ 18M)
130; als Verfasser gilt Paride Zajotti.
E«t PinoB emptiudlich verletzt und ilU^rdü-s dussen Habsiii^Iit,
ler bei piiieui riesigen Kinkoniiaon von 145.000 Fr. stets ei--
mte Geldforderungen machte, nicht z« befnedigcn vermocht.
KOb «r jfidoch zu den i-cincn Itahcncm zählte^ ob er zu den
I Ifuratiston gehörte oder nur Selbstetreber war — denn auch
von oinom ,Rc Pino' schwebt« etwas in der Luft — mag dahin-
gestellt bleiben; er war vielleicht, je nach den UmsWiidon von
—1 «Uem etwas. Die Muratisten hofften auf eine Bewegung König
foaehima zu ihren Gunsten, und auch Pino, falls er etwas für
i^eh BölbBt anstrebte, sah wohl ein, dass er dies ohne Beihilfe
es Kßnigs von Neapel nicht zu erreichen vermochte. Er wie
ie anderen tibersahen dabei, dass die ncapolitaniselien Truppen
<m den österreichischen umstellt waren und dass König Joachim
(cbt einen Schritt unternehmen konnte, wenn die kaiserlichen
generale damit nicht einverstanden waren.
Von den Persönlichkeiten, die in diesen kritischen Zeit-
liuften viel genannt wurden, darf der Mailander Ad vocat Tra-
nicht unerwähnt bleiben. E^ stammte aus 8. Lazam in
^iar Lomellina, in deren Gebiet er ausgedehnte und erträgniss-
irriebe Liegenschaften besass. Auch bei ilim waren es zunächst
pftnilnlielie Gründe, die ihn den Feinden des Vieekoniga in die
me führten ; es hiess, er habe Senator des Königreiche werden
RroUen und sei aus Verdruss, dass er dies nicht habe erreichen
nneD, unter die , reinen Italiener' gegangen. In dem Salnn seiner
, sowie in jenem einer unverheirateten Dame, Bianca Milcsi,
ren die hervorragendsten Parteigänger dieser Gruppe, Fede-
( Confalonieri, Porro-Laraberlenghi, Bossi, Ciani, häufig zu
ben; auch von den Oesterr ei ehern erschienen manche in diesen
•eisen, namentlich Oambanara im Hause der Milcsi.
Das Hauptquartier des Vieekönigs befand sieh in Mantua.
Dahin entbot er aus Mailand seine ihrer Niederkunft entgegen-
iarrende Gemahlin. Der wohlmeinende und kluge Herzog von
Lodi n'eth von diesem Schritte ab. Augusta Amalia war beliebt,
und sollte es ein Prinz sein, den sie ihrem Herrn schenkte, so
B-Ww durch dessen Eigenschaft als geborener Mailänder auch
den Vater ein bedeutsamer Vorsprung gewonnen. Doch
tgcn ging darauf nicht ein, er wollte die Prinzessin in ihrer
n Stunde bei sich haben.
430
Am 30. März 1814 war der Einmarsch der verbündeten
Heere in Paris erfolgt; nach Mailand und Mantua kam die
Nachriclit um den 5. April. In der Hauptstadt erregte sie Jubel
und zugleich Schadenfreude über den Sturz des gehassten
Tyrannen :
E tn che superbivi enfiata polve,
re dei regi, ove sei? Di Dio V oscura
procella ti circonda e ti dissolve . . .
Unter den vielen Spottgedichten auf Napoleon fand sich
das folgende
Epitaphe
Passaut ne pleiire pas moii sort —
Si je vivais tii soraies mort,*
Anders war die Stimmung in Mantua, doch mit dem
gleichen Gefühl^ dass man sich am Anfang des Endes betindc.
Im Hause des Vicekönigs herrschte Bestürzung. Am 13. wurde
Augusta Amalia entbunden, aber nicht von einem Prinzen,
sondern von einer Prinzessin, die auf den Namen Theodolinde
getauft wurde. Das störte zwar die Pläne Melzi's, aber es zer
störte sie nicht. Die Stimmimg in der Hauptstadt und weithin
im Lande wurde mit jedem Tage ungünstiger für die französische
Sache, ein entscheidender Schritt musste geschehen. Der Grosa-
kanzler rieth die drei Wahlkörperschaften — CoUegi Elettondi
— einzuberufen; es war das der Wunsch und Plan der italie-
nischen Partei, ohne dass die Oesterreicher, die vorsichtig an
sich hielten, etwas einzuwenden fanden; namentlich im Hause
Freganeschi, wo Persönlichkeiten von beiden Schattirungen
einander trafen, wurde diese Auskunft besprochen. Nur Prinz
Eugen wollte sich auch mit diesem Vorschlag nicht befreunden;
die Massregel mochte ihm revolutionär erscheinen. Melzi be-
antragte jetzt eine ausserordentUche Sitzung des Senates, und
hiezu gab Eugen seine Einwilligung.
Um den 15. April wurde in Mantua der Vertrag von
Fontainebleau vom 11., die Abdankung Napoleons bekannt,
und nun beeilte man sich, vorerst die militärischen Angelegen-
heiten in Ordnung zu bringen. Am 16. April kam auf dem in
der Nähe von Mantua gelegenen Schlosse Schiarino Rizzino
1 Mantovani bei De Castro 599.
zwisch<;u (ipin FeUliuiU'sclmUlieutenaiit Gruft- ii Neipperg im
Namen Bellegarde's and dem Divisio liege iieral Zucchi Im Namen
lies Vicekönigs eine Militär Convention «ustande, der zufolge jeder
Ttieil in der Stellung bleiben sollte, die seine Truppen im Augen-
blieke innebatteu. Dai-nach wurde die Etach als Grenze bestimmt,
die am iinkcn Ufer des Flusses gelegenen festen Plätze Venedig,
Osopo, Palmanuova, Legnago, sollten von den Viceköniglicben
geräumt und den Kaiserlichen Übergeben werden. Die franzö-
siacben Tmppen in der Armee des Vicekönigs wurden naeb
Frankreich zurtickbeordert. Noeli wurde abgemaebt — und dies
ging über die Grenzen einer rein militürischen Uebereinkunft
hinaus — dass über das künftige Schicksal des KUnigreicbs
Italien der Entschluss der verblindeten Mächte abzuwarten sei;
dem Prinzen Engen wurde zugestanden, zu diesem Bebul'c eine
Gesandtschaft nach Paris abgeben zu lassen.
Die Absicht der beauharnit^tiscben Prn'tei war, von den
Alliirten die Erhaltung dfs KSnigreichs Italien und die Er-
hebung des Prinzen Eugen zum König zu erbitten, zumal es
verlautete — oder etwa mit Absieht verbreitet wurde — dass
Kaiser Alexander von Russland ftir diesen Plan gewonnen und
dem Prinzen Beaubarnais, der ja aueb an seinem Schwieger-
vater, dem KUnig Maximilian Joseph von Bayern, eine Stütze
hatte, gewogen sei. Es war darauf zu reebnen, dass die trans-
padanischen Gebiete, Modena, Bologna, Itavenna, Ancona, für
die Aulrecbtlialtung des Königreiches eich einsetzen würden.
Es kam jetzt, so meinte der Herzog von Lodi und sein Anhang,
nur auf den Ausspruch dos Senates an, und eben fUr diesen
Zweck war der ausserordentliche Zusammentritt dieser hüchsten
Körperschaft anberaumt worden. l>ie Abordnung nach Paris
sollte aus zwei Generalen, etwa Achillc Fontanelli, derzeitigem
^^Sjaegsuinifiter, und Bertolotti, und zwei Mitgliedern der Kegierung,
^Hwleicht den Ministern Prina und Testi, bestehen; letztere hätten
^^■A, unmittelbar nachdem sie gewählt, nach Mantua zu ver-
^^Igen und vom Vicekönig die näheren Weisungen sowie Em-
pfehlungsschreiben au den Kaiser Franz ontgcgcozunchmen.
Aus Mantua gingen Conte Vaccari und Eugens Cabinetssecretär
Mi-^eun nach Mailand ab, um die bevorstehenden Bcrathungen
dca Senates zu Gunsten ihres Prinzen zu stimmen. Seinerseits
wollte der Kßnig von Neapel die durch den Vertrag von Scbia-
^■^o Kizziuo gescbaffcne Lage für seine Ziele nützen und fasste
432
von Piacenza aus eine Vorwärtsbewegung gegen Mailand ins
Auge, was jedoch Bellegarde zu vereiteln wusste.
Ucberhaupt kam es bei der grossen Entscheidung, die be-
vorstand, weder auf König Joachim, noch auf Prinz EugeD,
weder auf den Mailänder Senat, noch auf die Mantuaner Minister
und Generale an^ sondern in erster Linie auf die Stinminng
der tonangebenden Classen und der von diesen abhängigen
Masse der Bevölkerung. Als am 16. die Abdankung Napoleons
in Mailand bekannt wurde, war das Gelindeste, was man darüber
hören konnte: ,L'ha voluto — Er hat es nicht anders gewollt*
Unter dem Adel herrschte Schadenfreude über die Demüthigong
Frankreichs, über die Rache, welche die alten Dynastien an
dem corsischen Emporkömmling genommen, vor, bei Vielen
verbunden mit dem Wunsche von Wiederherstellung der früheren
Zustände. Die französischen Bestandtheile der Armee des Vice-
königs rüsteten zum Abmarsch. Generallieutenant Graf Grcnier
sollte sie nach Hause führen; der ,Corriere Milanese' brachte
einen warmen Nachruf, rühmte die Eintracht, die zwischen den
französischen und italienischen Waffenbrüdern bestanden.^ Das
war aber mit nichten die Meinung der Leute. Das Volk hasstc
ebenso die französischen Generale, als den französischen Soldaten
überhaupt. In den Städten, wo noch französische Garnisonen
lagen, sehnte man sich nach ihrem Abmarsch und fürchtete
sich zugleich davor; denn es ging das Gerede, dass die bundes-
befreundeten Helden, bevor sie abzögen, einsacken wollten, so
viel sie vermöchten, und das sah diesen Räubern ähnlich. Wie
vortheilhaft stachen gegen sie die österreichischen Truppen ab,
von denen nun schon der grösste Theil von Ober- und Mittel-
itaUen besetzt war, deren Generale sich menschlich zeigten
und auf strengste Mannszucht hielten.* In allen Gegenden, in
allen Plätzen, wo kaiserliche Abtheilungen längere Zeit l^n,
wussten sie sich nicht blos das Lob der Regierenden — das
1 In deutschem Auszüge Oest. Beob. Nr. 129 vom 9. Mai S. 700 f.
^ Das sage nicht ich, das sagt ein Schriftsteller, der, gleich allen neueren
Mailänder Clironisten und Geschichtschreibem, dem Osterreichischen Re-
giment nichts weniger als hold, vielmehr spinnefeind und gram ist, De
Castro La Caduta del Regno Italico (Milano, Treves, 1882) 154, da, wo
er von der Besetzung Veronas durch die Oesterreicher und die Unter-
ordnung der Stadt unter die Befehle des Prinzen ReuM spricht: ,che
parve un miracolo di govcmatore dopo le Superlative insolence e depre-
dazioni dei FrancesiS
pllte bei den fllliiiiizmässigen Rilckslcliteii, die man eiiizu)ialti;ii
b bemilsaigt glaubte, vielleicht nicht so viel sageu — hI» such
B SyiDpathicu der Bevölkerung, die AnerkenDung der städtischen
[etueindeii zu gewinnen.
Die aiisserordentlitlic Sitzung des Senates wurde vom
itulienischen Grosskanzk>r am späten Abend des ItJ. für den
morgigen Tag, der ein Feiertag, IVoilieli nach den franmisi sehen
Gesetzen ein abgeschaffter war, anberaumt, und sogleich durch-
flog die Sladt das öerüclit, es handle sieh darum, den Prinzen
Eitgeu zum Künig von Italien zu machen. I>er Eindruck, den
diese Kunde hervorrief, war der übelste; ein Wort ging durch
Ue Kreise, die der Beauharnisten ausgenommen: ,He no, chi
sere Italia spogUo u disprezzö.' Bei einem grossen Theile der
aiaturen herrsehte auch denhalb Misastimmung, weil sie von
Eelzi auf eine so ungewöhnhehe Art zusammengerufen worden,
(ich dabei, sagten sie, eine Stellung herausgenommen habe,
I ob er Staatsoberhaupt sei.
So begann denn die Sitzung des 17., weiche Veneri als PrR-
Uent leitete, unter sehr ungünstigen Vorzeichen. Dazu kam, dass
■ Herzog von Lodi in der Nacht einen heftigen Gichtanfall
^abt hatte und am Tage der Sitzung sein Zimmer nicht ver-
1 konnte. Die Stelle seines persönlichen Vortrages vertrat
t von ihm mit gewohntem Geschicke ubgefasste Botsehafl an
I Senat, deren Inhalt in dem Vorschlage gipfelte, diiss der
mat zwei Mitgheder für eine Sendung nach Paris bestimmen
blUge, welche von den Alhirteu, namentheh vom Kaiser Franz,
Einstellung der Feindseligkeiten und Aufreehthaltung des König-
reichs Ilahen in dessen bisherigem Umfange und mit dem
ttinzen Fugen Beauharnais als König zu erbitten hiltten. Nach-
I das Schriftstück verlesen, erhob sich Diego Guicciardi,
■ in der Form wie in der Sache dou Ausführungen Melzi's
^nkt für Punkt entgegentrat und besonders dessen Berech-
ing anfocht, im Namen der Kegieruug zu sprechen. Als Carlo
ein allgemein geachteter Mann, der eine Mittelstellung
Haschen den Parteien einnahm, den Satz ausführte, das Volk
I Hailand werde sich nie einen König Fugen gefallen lassen,
lutragte Conte Dandolu die Zusammensetzung einer Siebcner-
nmission, die fürs Erste vom Grosskanzler nähere Aufschlilsisc
434
erholen und noch am selben Tage ihre Anträge erstatten sollte.
Der Vorschlag wurde gutgeheissen * und es begaben sich drei
Mitglieder der Commission, Guicciardi, Verri, Dandolo^ zu dem
Herzog von Lodi, der sie vergeblieh von der Noth wendigkeit
zu überzeugen suchte, Eugen zum König auszurufen. Auch
sandte er einen Eilboten nach Mantua mit der dringenden Auf-
forderung, der Prinz möge nicht säumen, sich in Mailand zu
zeigen. Diesem aber widerstrebte es, sich der Bevölkerung
aufzudringen; auch war billig zu zweifeln, ob ein solcher Schritt
an der Lage etwas ändern konnte.
Um 8 Uhr abends trat der Senat wieder zusammen. Dan-
dolo verlas den Antrag der Commission, der gleichfalls eine
Abordnung nach Paris, und zwar von drei Personen, und den
Fortbestand des Königreichs Italien bezweckte, aber sich von
jenem Melzi's in dem Hauptpunkte unterschied, dass Prinz
Eugen von den Verbündeten nicht zum Herrscher erbeten,
sondern sich darauf beschränkt wurde, dessen Person und Ver-
dienste in anerkennender Weise, doch nur in allgemeinen, ziem-
lich bedeutungslosen Ausdrücken zu gedenken. Es erhob sich
ein heftiger Meinungsstreit, wobei die Minister Vaccari und Prina
die eine, die Conti Massari und Verri die andere Seite vertraten.
Zuletzt siegten, in weit vorgerückter Stunde und mehr durch
die Ermüdung ihrer Gegner als durch das Gewicht ihrer Ghiinde,
die Anti-Beauhaniisten, worauf sich die Senatoren ziemlich auf-
geregt von ihren Sitzen erhoben. In die Abordnung waren ge-
wählt: Diego Guicciardi, Luigi Castiglioni und Minister Testi.
Als die beiden crsteren erfuhren, dass sie sich zimächst dem
Vicekönig vorzustellen hätten, wollten sie den erhaltenen Auftrag
zurücksagen, mussten sich aber fttgen, da die Zeit drängte.
Testi war unwohl oder schützte Unwohlsein vor, da es ihn als
Minister zweifelsohne drückte, sich seinem bisherigen Herrn in
einer Mission vorzustellen, die im Grunde eine Ablehnung von
dessen Ansprüchen und Wünschen bedeutete. Guicciardi und
Castiglioni fuhren noch in derselben Nacht nach Mantua ab.
Während der Senats Verhandlungen am 17. hatte Genend
Pino eine lauge Unterredung mit dem General- Polizei director
Luini, über deren Verlauf nichts Näheres verlautete, die aber
gewiss nicht den Vortheil Eugens zum Ziele hatte. Die weit-
1 Namen bei T)e Castro, Caduta 68.
Sfbreitcle AluieigiinfT ge^en dies*-)] tral in einem Sohriftsliloke
a Tage, in welcliem sicli Anhänger Oeslerreiclis, reiue lulieuer
iiDd Miiratisten, PeraoDeii vom Adel, vou der Oivica, aus dem
Handelsstande vereiDigten, um gegen die Besclilüsse des SenateB,
»Is welchem der Beruf mungle, als Vertreter der Nation zu
sprechen und ku handeln, entschiedene Verwahrung einzulegen.
Die Bewegnng wälirte den ganzen 18. und 19. fort, in dun
^^BRosem Cicogna, Coufalonieri, Castigiioni, 8ilva kamen Pei-Boncn
^^Blr italienischen und der üeterreichischen Partei zusammen; bei-
^^^fa war es darum zu tliun, so eilig als möglich den Prinzen ab-
^^Hliiun: jenen, weil nie dadurch die Unabhängigkeit zu erreichen
^^Kmeinten, diesen, weil sie siclier waren, die Dazwischenkunft
^^fir Kaiserlichen zu beschleunigen. Der jüngere Confalonieri
giJt als einer von jenen, die sich am eifrigsten Umtrieben.
Unterschriften zusammenzubringen und insbesondere in Freunde
i dringen, dass sie ihre Namen unter das Schriftstück setzten.
ko, Alfonso Castigiioni, MeJIerio waren die ersten, die untor-
klineten; auch der Name Alessandro Manzoni's, des schon
uals gefeierten Dichters, fehlte unter den Unterschriften nicht;'
Vbi-H, obwohl Antieugenist, war nicht zu bewegen, ein
Biches zu thun.
Zur selben Zeit wurde die an die verbündeten Mächt« zu
»reichende Petition aufgesetzt, welche für Italien die gleiche
Ibstftndigkeit und Unabhängigkeit verlangte, die bereits Deutsch-
und Spanien zutheil geworden sei; unterzeichnet waren:
pderico Confalonieri, Porro, Ciaui, Verri, Bossi, hier auch
}kIo Verri, im Ganzen mehr als 160 Naraen.'^
Am 19, April brachte ,Uiornale Italiano' die Kutidmadmug
16. abgeschlossenen Waffenstillstandes, zugleich mit
1 Armeebefehl des Vicekönigs. womit er seine französischen
Fenbrüder verabschiedütc. Dieae Nachrichten trugen dazu
f die allgemeine Aufregung zu steigern. Der PodesUi Conte
Weitere Unterzeichner bei Fm. Cuxani. Storin di Mikr
114. 2.
Aach hier emc hei tit der Name MsnBnni's. der dn von etiva i
tehütb: Jo »teBSo avea «ottoscritts, uon «Itri Milanesi, um
10 VII (1873).
ein Jnlir spater
i petizioiiB slle
*V<Ma*e ron cui « chiedevn k creazion« Ji rii. Regi.o Ittlie,.-;
1«. deCastr«,
436
•
Durini wurde genöthigt^ in einem Saale des Broletto, des Muni-
cipalpalastes von Mailand^ die Bürger sich einzeichnen zu lassen,
die gegen die Voten der wenigen ,erkauften' Senatoren Ein-
sprache erheben wollten. Ihm fiel auch die Aufgabe zu, die
Verwahrung gegen die am 17. vom Senate gefassten Beschlüsse
in die Hände des Präsidenten Veneri gelangen zu lassen.
Allein bei Protesten und Petitionen war es in der Zeit
vom 17. zum 19. nicht gebUeben. Gewaltsameres war im Finstern
geplant worden, das am nächsten Tage zur Entscheidung kommen
sollte; es bedüi*fe, hatte es geheissen und hiess es noch fort^
einer entschiedenen Volksbewegung, in welcher die allgemeine
Meinung zum Durchbruch gelange. . . Dass Derartiges vorbereitet
und angelegt worden, darüber sind alle Zeugenschaften einig;
sie lauten aber so unbestimmt, so verschwommen, dass man sie
unbefangen nur als Gerüchte bezeichnen kann. Als Anstifter
wurden genannt General Pino, Advocat Traversi, Gius. Gam-
banara, also einer von den Halbmuratisten, einer von den ,Iüi-
Uci puri^, einer von der österreichischen Partei; aber auch der
jüngere Confalonieri, Cicogna, Bossi, CastigUoni werden als
Theilnehmer an den Besprechungen genannt, die in Casa Tra-
versi stattgefunden. Hier soll verabredet worden sein, ent-
schlossene Leute aus den Bergen nördhch von Mailand und
von jenseits des Ticino kommen zu lassen, ihnen sechs Lire
für jeden Tag, den sie von ihrem Herde fern wären, anzuweisen,
denen, die sich besonders hervorthun würden, eine grössere Be-
lohnung zukommen zu lassen; Gambanara wurde von den
Späteren als jener genannt, oder unverkennbar angedeutet, der
den Zahlmeister abgegeben,^
Zwei Thatsachen waren sehr auffallend und schienen jene
Muthmassungen zu bestätigen. Gegen Abend des 19. kamen in
Mailand truppweise handfeste Kerle von verdächtiger Miene
und Haltung an, besonders aus der Gegend von Novara, wo
Traversi seine einträgUchen Besitzungen hatte. Und zur selben
Zeit, wo in den Vorstädten Mailands so unheimliche Gestalten
auftauchten, wurden auf Veranstaltung Luini's, wie Andere
^ Vg^l. £tude 57 — 59 mit Carte segrete della Polizia austriaca (Capolago
tip. elv. 1851) I, 262—264, 267, 441 f., wo Casa Traversi als jene be-
zeichuet wird, in deren Kreise ,veune org^anizzata la riToluzione dal celebre
20 aprile 1814*.
I wollten, )iuf ausdrllcklicheii Befehl Puio'b von der oline-
) Bchwaelien Garnison Mailands zwei Coloiiiien nacb Varese
iad Seste Calendo abmarscbiren gemacht, zur Vertheidigung,
! es hiess, von Puiikteti, die, wie mit besserem Grund von
r andern Seite behauptet wurde, von keinem Feinde bedroht
Für wessen Person, wenn es zu einem Autstande kommen
Rillte, man ernstliche Besorgnisse hegen musste, das war der
Fiuaiizminister Prina. Der unglückselige Mann hatte, ausser dem
allgemeinen Widerwillen, der ihn wegen der Härte und Unerbitt
I Mohkeit seines Systema traf, aueh in den verschiedenen Classen
s besonderen Feinde. So in eben jenem Traversi. der es Prina
tschob, dass er seine Ernennung »um Senator hintertrieben
Iahe; so in jenen Battelieri vom Ticino, die ihm todtfeiud waren,
r«il er ihnen den einträglichen Schmuggel verdarb. Auch
fchlte es weder an allerhand Wahrzeichen von böswilliger,
»ch an ausdrUckhchen Warnungen von wohlmeinender Seite.
lem Wohnhaus hatten sich iu den letzten Tagen Auf-
■elinften gefunden, wie ,L'asa d'atüttare, rica)jito al dottor
Scapa', Oller an der Strasaenecke: ,Prina, Prina, il giorno si
uvvicina.' Ein Billet soll ihm zugestellt worden sein, das ihn
dringend autforderte, Mailand flir einige Tage zu verlassen.
Heine persünlichen Freunde erschöpften sich in Bitten und Vor-
stellungen, er möge beizeiten der Gefulir aus dem Wege gehen.
Uer Abbate Giuseppe Prina, Professor des Natui--, Völker- und
Kirche arechtes in Pavia, kam jiach Mailand gefahren und hielt
den Wagen, den er gemietbet, vor der Porta Ticinese in Be-
. leitBchaft, um seinen Knider aus der Stadt zu entftihren. Es
■■nr alles omsonst. Der Mann mit dem eisernen Willen schlug
Hte Zureden seiner Freunde ebenso in den Wind als die kaum
^Behr täuschenden Anzeichen des Volkahasses. ,1 saria nen Pi
moateis — Ich mllsste kein Pieraontese sein!' sagte er und
zeigte sich, als ob es gar nichts gäbe, in gewohnter Weise zu
I :Pferde in den Strassen, was seinen Feinden als ein Uebermass
I heraus forderndem Hohn und Trotz galt.
Der 20. April 1814 war als Mittwoch der Tag, wo sich
i Senat des Königreichs Italien regelmässig versammelte, die
tEaag pflegte um Mittagszeit zu beginnen. Der Thiorgen licss
438
sich unfreundlich und regnerisch an; trüb und düster lag 66
auch über den Gemüthern. In Regierungskreisen ahnte man
nichts Gutes. Im Kriegsministerium fand morgens eine Zusanmien-
kunft bei dem Abtheilungschef Obrist Arese statt, wo man nur
bedauernd constatiren konnte, dass einige der yerlässlichsten
Bestandtheile der Garnison aus der Stadt entfernt worden. Der
Kriegsminister Fontanelli befand sich in Mantua zu Diensten
des Vicekönigs, in seiner Abwesenheit führte Gteneral Bianchi
d'Adda die Geschäfte. Zu diesem verfUgte sich der einstweilige
Leiter des Ministeriums des Innern de Capitani und verlangte
Bereitschaft der Truppen i\ir einen Fall des Bedarfes; als er die
erst am Vorabend erfolgte Abordnung an den Ticino und gegen
den Lago Maggiore vernahm, drang er in den General, die
Truppen ohne Aufschub zurückzurufen. Bianchi schützte den
Mangel von Instructionen vor, de Capitani möge sich an einen
General von höherem Range, etwa Conte Pino wenden, was
jedoch der andere mit der ganz richtigen Bemerkung ablehnte^
dass Pino zur Zeit keine autoritative Stellung in Mailand be-
kleide. Diesem Mangel abzuhelfen, beschickte der Leiter des
Kriegsministeriums den General Pino und Uess ihn ersuchen,
den militärischen Oberbefehl über die Stadt zu übernehmen,
was Pino dadurch einleitete, dass er die wenigen Truppen der
Linie, die zur Zeit in Mailand waren, in ihre Kasernen con-
signirte.
Trotz der bedenklichen Wahrzeichen an den Tagen zuvor
und der unheimUchen Stimmung am heutigen hatte man doch
nicht gemeint, den Zusammentritt des Senates absagen zu sollen;
auch die gewöhnliche Palastwache war nicht verstärkt, sie be-
stand am 20. aus acht bis zehn Dragonern unter Capitain Marino
vom Platzcommando. Als die Senatoren gegen Mittag heran-
fuhren, fanden sie das Gebäude von einer Menge umkgeit,
die mehr Neugierde herbeigeführt zu haben schien, überwiegend
den besseren Ständen angehörig, was sich aus der grossen An-
zahl aufgespannter Regenschirme feinerer Sorte abnehmen liess.^
Auf einer Bank nächst dem Hauptthore gewahi-te man eine
herkulische Gestalt, in welcher einige den Bediensteten eines
herrschaftlichen Hauses erkennen wollten, und wie eine der
^ ,PioYeva, e quelle ombrelle spiegate attennaTano, per cosl dire, la minaodi
che poteva forse legg^ersi sul volto di parecchi'; De Castro Cadnta 88.
Eqaipagen vorfiihr, gab jener das Zeichen, ob der Senator
ler von den Anhängern der gegenwRrtigeu Regierung sei oder
iht, worauf dann regelmässig Püffe oder ermimtemder Zimif
Aber es wareii aufli feinere Herren, die ähnliche Zeichen
iben. Carlo Verri wurde beim Aussteigen aus seinem Wagen
Beifall und Hunde klatschen begrttsst; während er aber die
ippe hinanstieg, WTirden vom Porwl her Pfiffe und Rufe des
uthes laul, die offenbar einem seiner Genossen von der
;en'Bchon Partei gulten; in seinen späteren Aufzeichnungen
ausdrücklich, er habe in einem der Zeichengeber den
ifen F. C. (Federico Confalonieri) erkannt.
Die Sitsung sollte wie gewöhnlich mit der Anzeige der
:e8ordnung, dem Vortrag der eingelaufenen OeschäftäBtUcke
etc. beginnen. Die Senatoren hatten bereits ihre Sitze einge-
nommen, als sich Conte Benigno BoH«i, Oapitain der Civica,
anmeldete und, vorgelassen, die Bitte vorbrachte, es möchte
ib der l^enat am heutigen Tag, statt von regulärer Truppe,
seinen bewaft'neteu Mitbürgeni bewachen und beschützen
n. Obwohl das Begehren gar sehr eine unlautere Neben-
absicht wittern hesB — Boss! war entschiedener Anti-Beauhamist
— willfahrten die, wie es schien, von allem Anfang etwas klein-
laut gewordenen Senatoren dem Verlangen,' dessen Frt"üllung
;ens zar selben Zeit ohne senatorisches Zuthun in anderer
py-eise vor sich ging.
Denn unten auf der Strasse hatte sich in der Zwischen-
1 unter die anständigeren Leute, die sich dort eingefimden,
tehr und mehr händelsuchendes Volk gemischt, Leute aus den
Jateren Schichten der üeseUsclmft, darunter solche, die offenbar
peht der einheimischen Bevölkerung angehörten und sieh unter
i Vorwand, Schutz vor dem Regen zu suchen, in die Kin-
des Palastes hineinschoben. Die Dragoner widersetzten
ih, rerhafteten einen der Dränger. Aber jetjst wirft sich die
inge auf die Wache, befreit den Gefassten, entwindet den
^daten die Waffen und setzt sie, das ,N' von ihren Monturen
l Helmen reissend, auf die Strasse. Veni im Senate erbietet
ih, die Menge zu beglltigen. Er ist beim Hinaustreten vor die
Mite sehr erstaunt, ganz andere Gestallen vor sich zu sehen.
K
0»'
t f ra fl prima procecUnieuto metodio<
della nvoluzioDe' ; Bonfadii:
440
als er bei seiner Ankunft gewahrt hatte. Er verlaugt, dass
jemand vortrete und zu wissen gebe^ was man eigentlich
wolle. Keine Antwort, die Masse bleibt unbeweglich, der Senator
zieht sich zurück. Doch immer ärger nimmt das Gedränge zu,
immer tobender wird das Gebahren des Schwalles, wie dumpfes
Grollen dringt es in den Sitzungssaal, wo eine ordentliche Be-
rathung zur UnmögUchkeit wird. Abermal unternimmt es Verri,
diesmal von den Senatoren Massari und Felici begleitet^ vor
die Leute zu treten, die, unbekümmert um alle Mahnungen,
von der Bürgerwehr kaum sehr entschieden aufgehalten, nun
immer tiefer in den Thorweg des Palastes bis gegen den Stiegen-
aufgang und den Hof dringen. Conte Verri spricht begütigend
zu der Menge, die einen Augenblick stille hält und sich anstän-
diger beträgt. Als die drei Senatoren sich anschickten, in den Saal
zurückzukehren, wird- dem Verri von unbekannter Hand ein
Zettel zugesteckt und die Bitte beigefügt, er möge den Inhalt
im Senate vorlesen; es standen darauf in unverkennbar entstellten
Zügen die Worte: ,Spanien und Deutschland haben das fran-
zösische Joch abgeschüttelt, ItaUen thue dasselbe!^ Kaum hatte
Verri mit seinen Begleitern den Rücken gekehrt, als die Unruhe,
das Gedränge, der tobende Ungestüm von neuem losbrachen;
schon war ein Theil der grossen Treppe von der Menge ge-
wonnen, als zum drittenmal Verri, der sich überhaupt sehr
muthig und entschlossen zeigte, heraustrat und, umgeben von
einigen Officieren der Civica, in der Mitte der Stiege innehielt,
wo sich ihm Federico Confalonieri zur Seite stellte. ,Wir wollen
wissen,^ rief es aus dem SchwaU von Köpfen herauf, ,was der
Senat am 17. beschlossen hat?^ ,Zwei sehr gute Sachen: Ein-
steUung der FeindseUgkeiten und Unabhängigkeit der Nation.^
Die kluge Auskimft that ihre Wirkung, ein Murmeln des Bei-
falls Uess sich vernehmen, das aber allsogleich — auf einen
Wink Confalonieri's? — in die wildeste Aufregung umschlug:
,Wir wollen den Vicekönig nicht, wir woUen den Senat, seinen
Schmeichler, nicht, wir wollen unverzügliche Einberufung der
Wahlcollegienl^ Jetzt schienen alle Bande gelöst, Verri trat in
den Senat zurück, wo in dem Schrecken und Wirrsal Verri
nicht daran dachte, das ihm zugekommene Papier hervorzuziehen,
dessen Verlesung übrigens an der augenblicklichen Lage nichts
ändern konnte; denn die Hauptstiege herauf, näher und näher
an den Eingang des Saales, schob und drückte sich die Menge,
441
aus dem Lärm und Geschrei tönte es immer wieder: ^Nieder
mit dem Vicekönig! Nieder mit dem Senat! Die Sitzung auf-
heben!^ Einer der Senatoren — man erinnerte sieh nachderhand
nicht, wer es gewesen ' — ergriff Feder und Papier und schrieb
die Worte nieder: ,Der Senat ruft die Deputation zurück und
ladet die Wahlcollegien ein, die Sitzung ist aufgehoben.' Unter
das Datum: ,Milano 20 aprile alle ore due a mezzo pom/ setzt
Präsident Veneri seinen Namen, mehrere Senatoren finden sich
herbei, den Beschluss auf andere Streifen zu vervielfilltigen, um
diese imter die Menge zu werfen. Verri versucht es noch ein-
mal, den wüsten Andrang aufzuhalten, doch sogleich ist er wieder
zurück. ,Wir haben keine zwei Minuten zu verlieren!' Hinter
ihm mehrere Officiere der CSvica, Bataillonschef Pietro Ballabio,
Benigne Bossi, blass, mit verstörten Mienen, und ihnen nach
die Menge in den Senat, dessen Berathungssaal im Nu von
ihnen, gleich den wilden Kriegern des Brennus, überfluthet ist.
Umsonst versuchen einige der beliebteren Staatsmänner die
Leute zur Besinnimg zu bringen. ,Das ist recht schön, was Sie
da sagen,' ruft ein gemeiner Kerl, ,aber jetzt wollen wir den
Prina.' Man versichert ihm, der Finanzminister sei in der heutigen
Sitzung nicht erschienen, und zuletzt mussten es die Leute
glauben, die jetzt, während die Senatoren, an den Wänden sich
fortdruckend, oder von einigen beherzteren Männern ihrer Be-
kanntschaft in die Mitte genommen, unter tausend Mühen und
Aengsten, manche nicht ohne wirkliche Lebensgefahr, das Freie
gewannen, ein vandalisches Zerstörungswerk an den Einrichtungs-
stücken, an den Acten und Papieren, an den Verzienmgen der
Wände begannen. Abermals wird Federico Confalonieri genannt,
der mit der Spitze seines Regenschirmes das von Appiani ge-
malte Bildniss Napoleons durchstochen, worauf es von der Mauer
herabgerissen und durch das Fenster auf die Strasse hinab-
geschleudert wurde.^
Noch während sich diese Auftritte im Senatsgebäude ab-
spielten, wahrscheinlich unmittelbar nachdem die Wachmann-
schaft aus demselben auf so gewaltsame Weise entfernt worden
1 ,Non saprei indicare chi lo dett6'; Bericht Verri*8 bei Cusani Storia di
MUano VO, 121.
' ,Certo, 11 Confalonieri agi in tntta quella giomata con impeti gioTanili';
Bonfadini (NB. ein Bewunderer und Lobredner des Conte Federico^ 14T^
442
war, hatte sich der Polizeipräfect von Mailand Villa in das
Kriegsministerium begeben und daselbst erwirkt, dass der
Bataillonschef der Veliten Luigi Vercellon und der Major Giu-
seppe de FeHci den Befehl erhielten, alle vorhandenen Streit-
kräfte zur Verftlgung der Polizei zu stellen. Da der Greneral-
director der PoHzei fUr den AugenbUck nicht zu finden war
— er hielt sich, wie man später in Erfahrung brachte, in dem
Hause des Grafen Qiberto Borromeo verborgen — so nahm es
Villa auf sich, den Bataillonschef mit einigen 40 Grenadieren
der Veliten und 28 Dragonern unter Capitain Bosisio auf den
Schauplatz der Ausschreitungen zu beordern. Dies zeigte sich
von solcher Wirkung, dass die Menge in den Strassen, auf den
blossen Anblick der bewaffneten Reiter, auseinanderzulaufen
begann. Da erschien Luigi Cima, Adjutant Pino's, und über
brachte Vercellon den gemessenen Befehl, seine Mannschaft in
das Castell zurückzuführen — eine verhängnissvolle Massregel,
welche die rauflustige, raubsüchtige und rachelechzende Menge
nun vollends sicher machte. Auch der Finanzintendant Frigerio,
der 200 seiner Leute in St. Giovanni alla Casa rotta, also im
Mittelpunkte der Stadt beisammen hatte, erbat sich von Pino
die Erlaubniss, ausrücken zu düifen; er erhielt keine Antwort
und wagte auf eigene Faust nichts zu unternehmen. Von aussen
war kein Anmarsch zu erwarten, da von unbekannten Thätern
die Telegraphenapparate auf den Thürmen von S. Celso, S. Vin-
cenzo und Paradiso zerstört waren, so dass nach Mantua keine
Nachricht gelangen konnte, wie es in der Hauptstadt stand
und was da vorging.
Nachdem die Zerstörung im Innern des Senatspalastes
vollzogen, aller Hausrath theils zertrümmert, theils davongeschleppt
und der Schwärm der Verwüster wieder auf der Strasse wät,
gab es einen Augenblick der Unentschlossenheit, was nun weiter
zu beginnen sei. Zuletzt schien sich die Rotte gegen Porta nuov»
bewegen zu wollen, wo der Herzog von Lodi seine Wohnung
hatte, als eine Stimme im gebietenden Tone die Worte ,vcrBO
S. Fedele' ertönen Hess. ,Gott allein weiss es zu dieser Stunde,'
heisst es bei dem neuesten Schilderer dieser Ereignisse (Bon-
fadini 104), ,ob es die Stimme des Grafen Federico Confalonieri
war!' Das verhängnissvolle Wort brauchte nur ausgesprochen
werden, so rief es die Erinnerung alles dessen wach, was ja
schon am Morgen, ja in den Tagen zuvor^ als Parole finsr
443
gegeben war, und mit lautem Geschrei wälzte sich jetzt die
Masse, unter welcher noch immer viele seidene Regenschirme
zu sehen waren, gegen den Platz S. Fedele in die Contrada
Marino vor ,Casa Prina^, welche die Hausleute eben Zeit noch
gewannen rasch zu schliessen. Es war zwischen 3 und 4 Uhr
nachmittags.
Minister Prina war an diesem Tage in der That nicht im
Senate gewesen, so weit schienen denn doch die Vorstellungen
seiner Freunde auf ihn gewirkt zu haben. Mehr aber gelang ihnen
nicht. Der Pfarrverweser von S. Fedele — der Propst und
eigentliche Pfarrer, seit Jahren vom Schlage gerührt, be-
fand sich auswärts — beschickte den Minister mit dem Aner-
bieten, ihn zu sich zu nehmen, wo er in den Räumen der Unter-
kirche alles ruhig abwarten könne. Professor Prina befand
sich noch bei ihm, imd dieser bewog ihn, wo nun schon die
änsserste Gefahr im Anzüge war, im letzten Augenblicke sich
in ein abgelegenes Gelass des obersten Stockwerkes zu retten,
wo er ihm einen Abate- Anzug, den er vorsorglich herbeigeschafft
hatte, zurückliess. Mittlerweile war das Hausthor gewaltsam
erbrochen worden, durch das sich die Menge in das Innere
ergoss, so dass Professor Prina von Glück sagen konnte, als
es ihm gelang, imerkannt und unbehelligt die Strasse zu ge-
winnen; er fuhr ohne Aufschub nach Pavia zurück. Ein Um-
stand soll niclit unerwähnt bleiben, weil er einen Beweis mehr
liefert, wie leicht es gewesen wäre, der Bewegung Herr zu
werden, freilich nicht durch blosse Worte und begütigende Vor-
stellungen, an denen es Pino und Porro-Lambertenghi, die sich
in dieser ganzen Zeit in der Nähe der gewaltsamen Auftritte
bewegten, nicht fehlen liessen, sondern durch ernste Massregeln,
was sich ja schon beim Aufrücken der Dragoner Bosisio's ge-
zeigt hatte. Diesmal war es etwas Anderes. Oben am Palaste
Marino, dem der Casa Prina gegenüberliegenden Gebäude hatte
sich eine Dachrinne gelockert und starrte mit ihrem Ende auf
die Strasse hinab, was von unten gesehen, zumal bei dem die
Aussicht trübenden Regen, für den Lauf eines oben postirten
Geschützes gehalten werden mochte. ,Kanonen, Kanonen!' rief
einer^ der dies bemerkte, und brachte damit so viel Schrecken
444
unter die Menge^ dass sich schon Viele zum Davonlaufen an-
schickten ; nur wurde der Irrthum begreiflicherweise im zweiten
Augenblicke aufgeklärt und die Menge blieb J
Den meisten Leuten^ die sich nun schon in den Rtomen
des ersten Stockwerkes herumtrieben, war es mehr um hab-
haften Gewinn zu thun, so dass sie völlig zu vergessen schienen,
dass es ja eigentlich die Person des verhassten Ministers war, auf
die sie Jagd zu machen hatten. Waren es doch fabelhafte Schätze,
die in der Wohnung des Steuer- und abgabensüchtigen Finanz-
ministers aufgehäuft liegen mussten! Doch nur einer von allen
machte, so schien es, einen werthvollen Fang. Es war ein
Mann, nach seinem Ansehen und Anzug den besseren Ständen
angehörig, der sich, kaum dass der Eintritt in das Innere des
Gebäudes erzwungen war, geraden Weges, als ob er hier zn
Hause wäre, in das Arbeitszimmer Prina's verfligte, die Schub-
lade des Schreibtisches erbrach, einen Pack von Papieren zu-
sammenraffte und mit diesem unter dem Arm, um alles Andere
sich nicht kümmernd, durch die Menge fortging. Es haben
dies Viele gesehen, allein niemand wusste zu sageü, wer der
Mann gewesen, und nur schliessen konnte man, dass es Werth-
papiere, Schuldscheine, Verschreibungen gewesen, die auf diese
Weise abhanden gekommen, wie sich denn nichts dergleichen
in der Verlassenschaft gefunden.^ Es wurden selbst Namen
genannt: so hätten Pino und Traversi hohe Summen dem Prina
geschuldet und wäre in diesem Umstände mit ein Erklärungs-
grund der Haltung zu suchen, welche die beiden Männer jenen
Auftritten gegenüber beobachtet.** Es hatten überhaupt bei den
unsauberen Händeln mehr Personen ihre Hände im Spiel, als
sich dabei blicken Hessen. So war Conte Fagnani nirgends
sichtbar, er war durch Unwohlsein zuhause gehalten oder steUte
sich so; aber er hatte seine Stellvertreter auf der Strasse, seinen
Kammerdiener und einen vertrauten Landgeistlichen, die bald
hier, bald da, wo es am ärgsten zuging, im Haufen zu sehen
waren. So wurde nachderhand in Mailand erzählt. Auch darüber
scheint kein Zweifel statthaft, dass die Meuterer zu einem
grossen Theile erkauft waren. In einer in der Ambrosiana auf
» :fetude 73.
2 CuBani Vn, 129—132.
9 Cantü Cronistoria I, 891.
'ahrten Denkachrift (ifs Conto Giuvio versichert derselbe,
olt an dem verhängniaB vollen Tage auf Leute aus dem
Volke gostosBcn zu sein, die den ,verhei8senen Lohn* verlangten,
^eeer um zu niiBshandeln und zu tödten, jener um das Haus des
^^Knisters dem Boden gleich zu machen'.'
^^^ Das Gesindel in Prina's Wohnung könnt« sich in der
^^Bnptsache nur an mindere Werth- und OebrauchsgegonstJlnde
halten, die sich auf Tischen, in Schränken, an den Wänden
fanden; selbst Bettzeug, Einrichtungsstücke, allerhand GerSth-
Schäften wurden nicht verschmäht, welche Männer uud Frauen
(Inneren Schlages pro cession »weise aiis dem Hause fortschleppten.
Der nachmalige Geschichtschreiber ßeiner Vaterstadt konnte als
Knabe vom Balcon seines väterlichen Hauses dies anwidernde
Schauspiel beobachten ; unter Anderem ist ihm ein starker Kerl
in der Erinnerung geblieben, der ein schweres Eisengitter mit sicht-
Uchor Anstrengung fortbrachte.' Kc gründliche Durehwtthlimg
aller Innenränmc der Casa Prina war endlich im obersten Stock-
werke angelangt, und hier soll es oin Theatertisehler der Scala,
Colombo mit Namen, gewesen sein, der in das Gemach gelangte,
iu welchem Prina seine Unikleidung noch nicht zustande ge-
bracht hatte und darum augenblicklich erkannt wurde. ^ ,E qui',
rief Colombo triumphirend, und nun waren Itaub und Diebstahl
vergessen, alles warf sich auf den halb angekleideten Mann,
der unter zahllosen Streichen, ölOssen, Schlägen, mit den Fiiusten,
mit Stücken und Knitteln, mit eisernen Werkzeugen, unter fort-
währenden höhnenden Zurufen ,Questo per la carta boUala'
tQuesto pel registro' aus dem Zimmer h er auege rissen, die Stiege
Kinabgezerrt wurde. Er war halb nackt und mehr todt denn
lebendig, als man im ErdgesehoBse angelangt war, wo sie ihn
durch ein Fenster denen draussen auf der Strasse zuschoben
oder zuwarfen, um ihn hier neue Misshandlungen erdulden zu
lassen. Da war es ein Häuflein menschlich fühlender Leute,
denen es, indem sie sich ergrimmter und erbitterter als die
anderen stellten, zuletzt gelang, den Märtyrer in ihre Mitte zu
nehmen und in den Thor weg eines anstossenden Hauses zu
' Bm Da Castro C«duUi 1
> Cnsmni VTI, 133").
I AfatreiFheriiie Angalien U
Cadutk na f
446
retten. Die wahren Wüthcriche merkten indess bald die Finte,
entrissen das unglückliche Opfer den schützenden Armen seiner
Befreier und brachten es von neuem auf die Strasse, um ihr
Werk grausamer Misshandlung fortzusetzen.
General Pino und Conte Porro Hessen es die ganze Zeit
an Abmahnungen nicht fehlen, die aber, wie einige wollten,
mehr wie versteckte Aufmunterungen klangen. Der Podestk
veröflfentUchte einen Aufruf, worin er seine Mitbürger, ,die guten
Mailänder^, aufforderte, in ihre Behausungen zurückzukehren
und sich da ruhig zu verhalten. Aber zu werkthätiger Hilfe
fUr den bejammernswerthen Mann entschloss sich keiner, nicht
Pino, nicht Porro, auch niemand von den anderen, obwohl, wie
die Prinzessin Cristina Belgioioso ausdrücklich bemerkt, ,die
Strassen, durch welche Prina geschleppt wurde, angeftült waren
von besser gekleideten Leuten, die sich gegen den unablässig
strömenden Regen unter seidenen Regenschirmen schützten^^
Man sieht, die ,ombrelli di seta^ spielten an diesem Unglückstage
keine unbedeutende Rolle, daher die Beauhamisten nachderhand
sarkastisch von einer ,bataille des parapluies^ sprachen. Dens
auch das kam vor, dass die Spitze mehr als eines dieser Werk-
zeuge des Friedens dazu verwendet wurde, die Qualen des
armen Prina durch unbarmherzige Stiche zu vermehren; darunter
ein Edelmann, den der Geschichtschreiber Mailands nicht bei
Namen nennt, aber als einen der ,Itahci puri* bezeichnet.'
Bittend hob Prina, sobald er sie einen Augenblick frei hatte,
die gefalteten Hände empor und flehte, sein Schicksal voraus-
sehend, mit dem Ausruf ,Confessione^ um einen Priester. Es
war ein solcher zur Hand, Don Franc. Antonio OrioU, früher
Klostergeistlicher, jetzt Erzieher im Hause des Marchese Litta
Modignani,^ der sich durch die Menge Bahn brach, um dem
Geopferten die letzten Tröstungen der Rehgion zu spenden.
Allein er wurde fortgestossen. ,Nein, er soll mit allen seinen
Sünden zur Hölle fahren!^ rief einer der Lyncher. Es kamen
besser denkende Leute nach S. Fedele gelaufen, bittend, es
möge ein Geistlicher mit Vorhaltung des hochwürdigsten Gutes
unter die Menge treten, um durch Ehrfurcht und heilige Scheu
» Etüde 70 f.
2 CuBani VII, 134.
' Nachmals Bischof von Orvieto und Cardinalpriester.
! Wutli des Haufens /.u bamien; allein dem Pfarrverwesc-r
ihlte es an Mutli und der Versuch unterblieb.'
Auf dem Platze S. Fedele, an einer der Ecken des
lotteehattBee, bracb Prina zusammen, und diesen Augenblick
iDtltzten einige beherzte MUnner um ihn rasch in ein an-
wende» Haus zu schieben, dessen Eingang sie hinter ihm
kTBchlossen. Es gehörte dem Weinlülndler PereIH, ein Tischler
mfanti liatte darin seine Werkstatt, im Hofe befand sich ein Stoas
^Bcbichteter Bretter, hinter denen Prina im ttuasersten Falle
Irersteck finden konnte. Er war vollends zu retten, wenn eine
kleine Thiir geöffnet wxirde, die mit dem Nebenhause in Ver-
bindung stand; allein der Kaffeesieder Borrani, der dort sein
Geschäft hatte, befilrchtete VcrwUstung und Ausplünderung
seiner Räume und verweigerte den Schlüssel. Auch eine Ab-
lenkung der Gefahr Prina's wollte sich bieten, die allerdings
dafür einen anderen traf. Der Di visionär Baron Peyri, von
seinem Adjutanten begleitet, wollte sich durch das GedrÄnge
den Weg frei machen, wie Einige liinzuftigen, um Prina zu
ilfe zu kommen; doch da er htass und hager eine entfernte
ihnlichkeit mit dem Minister hatte, so wurde er für diesen
ist gehalten, und schon stürzten sich wUthende Leute auf ihn,
ITten ihm die Kleider vom Leibe und machten ihm, trotz
iner and seines Begleiters fortwährenden Betheuefung, dass
15 der Gesuchte nicht sei, wohl den Garaus, wenn nicht General
bo hinzukam, ihn unter den Arm nahm und der Menge entr
Dunkelheit war schon hereingebrochen, bei Lampen und
ickelschein arbeiteten Maurer an der NiedeiTcissiing der Casa
wahrend der wilde Haufen vor dem Hause des Wein-
lodlerB stand und stürmisch Einlass verlangte. Gewiegte Per-
i'.elli iii seinan AntDerkungen zu Pellico'B .Pri^oDi' (Milano, Li-
' br«ri« di Dsnte, 1BG7) briu^ S. 477— 4T0 in dem Abscliuitt ^ccidio äi
' Prina' ein Gewebe von Umicbtigkeiteii, üher vielehsa die ucueren Hni-
Itnder Oaiirhicbtwhreiber meist mit StilUchwei^n hinweggehen. Dhb
g auf Recimnng angenauer InCormBtionen geauhrieben werden ; hiugegen
hkbeii wir keinen Grund, iltn Cur einen unw&hrh&fton Mann zu halten
und daruin nach dun helseilu sii setzun, was er penOnlicb erfahren zu
bitben angibt. So eriHhlt er, der kranke Propst von 8. Fedele habe vier
I Jahre nwh dlei>en Ereignissen in ihm gesagt: ,Se io fowl RUtn nel niio
^o parrcici-'hiiilB, rerto non mi anrei fatlo anpeltare.'
448
sonen, unter anderen Ugo Foseolo, redeten aus Fenstern und
von Balconen das Volk an, alles vergeblich. Schon schleppten
Leute Reisbündel herbei, die sie vor dem Thore aufthilrmten^
um es in Brand zu stecken; schon kamen andere mit schweren
Eisenwerkzeugen, um es einzuhauen; schon tönten die Rufe
,fiioco^ ,morte' wild durcheinander, als Prina, um nicht Andere
mit in sein Unglück hineinzuziehen, freiwillig sein Versteck
aufgab, das Hausthor öffnen Hess und mit den Worten: ,Da
bin ich, misshandelt mich nicht !^ sich selbst seinen Peinigem
überlieferte. Die Worte waren kaum gesprochen, als ein roher,
mit einem Hammer bewaffneter Strolch einen so wuchtigen
Hieb gegen Prina's Haupt führte, dass dieser bewusstlos zu-
sammenstürzte. Aber es war noch Leben in ihm und noch
hingen ihm einige Fetzen am Leibe, als er an ein Brett ge-
bunden und durch den Strassenkoth, unter fortwährend strö-
mendem Regen, bis auf den Cortusio gezogen wurde, wo die
Wtitheriche am Demanio, dem Gebäude des Stempelamtes, Halt
machten. An die Mauer dieses Hauses lehnten sie das Brett
mit dem jetzt vielleicht schon entseelten Körper an — es konnte
nicht angegeben werden, in welchem Zeitpunkte Prina gestorben
— und thaten ihm allen möglichen Schimpf an, schleuderten
einen Stempelbogen ihm ins Antlitz oder stopften ihm höhnend
damit den Mimd: ,Eccoti Prina la tua carta bollata!' Allein es
sollte mehr geschehen: sein Körper sammt dem Gebäude, aus
welchem so viel Unheil für die steuerpflichtige Bevölkerung
ausgegangen, sollten in Flammen aufgehen, ein grossartiges
Autodafe soUte den Schluss des Vergeltungsactes bilden, welchem
das Volk seinen Peiniger überlieferte.
Mittlerweile hatte Graf Durini, da sein erster Aufruf keine
Wirkung geäussert, einen zweiten erlassen, worin er die Bürger,
die es gut mit der Ordnung meinten, auf die Sammelplätze der
Civica berief und sie aufforderte, bewaffnet zur Herstellung
der Ruhe einzuschreiten. Das wirkte. Es fand sich bald eine
und die andere Abtheilung zusammen, die von verschiedenen
Seiten gegen den Schauplatz der Greuel eilten, in dessen unmittel-
barer Nähe ein Haufe eben daran war, eine Specereihandlong
zu stürmen, um sich brennbare Flüssigkeiten (acqua ragia) zu
verschaffen und damit das Holzwerk um und im Demanio zu
sättigen. Das Anrücken der Nationalgarde gegen den Cortusio
von zwei verschiedenen Seiten genügte, um das Gesindel zur
HAU di
Bninoniig zu bringeu, das allsogleich aiisoinanderstob und mit
grossem Geschrei sich uach verschiodoneu Uichtimgen zerstreute.
CKnch der MiliUlrcommaiidant unternahm jetzt etwas Ernsteres.
HTon einem Adjutanten begleitet, begab sich Piuo uuter die
Sfttdenhalle der äcala, hess Fackeln Lerbeibriiigen und dietirte
eineu Aufsatz, der dann aus dem Fenster eines gegenüber-
hegenden Hauses vorlesen wurde: er entliieh die Autforderung
die i[itbUrger, sicli zurückzuziehen, und das Versprechen.
IS gleich am moi^gen Tage die Wähle ollegien einberufen
lllon. I>ie Menge zersb'eute sich ziemlich aufgeregt
und mit allerhand Kufen, darunter eim'gen ,Viva il re Pino!'
Die entseolto Hülle Priua's wurde in den Hof des Brofetlo ge-
schafft. Sie sah mehr einem von der Hchlacbtbunk gebrachten
Fleiscbktumpon, als einem menschlichen Kürper äbnheh; schau-
dernd bemiihtcn sieh Anwesende, die Prinu im Leben gekannt,
seine Züge herauszufinden. Aber merkwürdig, ärztliche Fach-
männer gaben ihr Outachten dahin ab, dass von den zahllosen
Wunden, die sie untersuchten, keine einzige tödtlich gewesen.
Prina hatte entkräftet durch Schrecken imd Seelenangst seinen
Ocist aufgegeben; das Martyrium, das in seiner Wohnung
begonnen imd auf dem Cortusioplatze geendet, hatte über vier
Stunden gedauert.' Im Dunkel dv Nacht wurde die Leiche
auf den Friedhof von I'orta Comasina gebracht und die Stelle
der Grablegung unbezeichnet gelassen, sei es von Freunden,
um Unglimpf an dem Todten hintanzuiialten, sei es von Feinden,
um nachträgliche ehrende Slihne zu vereiteln. Die Verwüstungen
in seinem Hause dauerten bis in die späte Nacht hinein, Vasen
.wurden zerschlagen, Fensterstöcke ausgebrochen, selbsl Marmor-
:ln ausgehoben und zertrümmert, dos statthche Gebäude zu
■T wU&ten Stätte gemacht.
• Niwli getlianoni Werke bcL don Thülarn dor Blutlohn nuHgeialill nordeu.
behauptet die Belgioiosu (Ktude 5il)t .Mais celni <iui m-hevH d'itrnu.'liisr
' la vie KU luinistre Prinii, re<;at une fürte Bomme d'argüiit de In part, si
D*MI des mains du uumte Gambanars'. Ja Ut Prina Überhaupt, Buweil
n Wanden ilie Kede seia kann, getüitet wonlenV Und dieses ange-
' es einer, der sich dieser Tliat rübnien kennte? Sollte sieb
) nklit vielmehr diese gauee Belutuptuug auf ein Uetrülscbe in den Kreisen
I der .rolnun Italieiicr, denen der Nauieu Gaiubaium Uberdieuinmeu schluvlit
II den Ulirtii klang, inrllukzuführen seiuV
450
Noch darf nicht unerwähnt bleiben^ dass an demselben
Tage, der Mailand so viel Schrecken und Greuel brachte^ Äehn-
liches, ja noch Aergeres an anderen Punkten des Landes statt-
fan(l. In Bergamo wurde in einem Volksauflauf der Präfect
getödtet. In Brescia, wo sich das Gerücht verbreitet hatte, der
Commandant der abmarschirenden französischen Colonne wolle
zuvor die Stadt plündern lassen, riefen 4000 Mann einheimischer
Truppen Bürger und Volk zu Hilfe, das sich ihnen zahlreich
anschloss, so dass die Franzosen in fluchtähnlicher Eile abziehen
mussten. Dann ging es vor die Wohnung des Präfecten Soman-
zari, der sich durch Flucht über die Dächer rettete; allein eine
Anzahl anderer beauhamistischer Beamten sollen der Volks-
wuth zum Opfer gefallen sein. ' Wenn in Verona nichts Aehnliches
gegen den ungemein verhassten Präfecten Smancini^ geschah^
so war es die österreichische Besatzung, die es zu keiner Un-
ordnung kommen Hess.
6.
Am späten Abend des 20. erschienen die Conti Loigi
Porro und Giov. Serbelloni in der Kaserne Sta. Marta und riefen:
die Dinge seien besser ab§elaufen, als man zu beftirchten ge-
habt. Sie entfernten sich sodann und sandten eilige Botschaft
in das Hauptquartier des Grafen Bellegarde, den sie baten, nicht
länger zu säumen, um in Mailand Ordnung zu machen. Einige
behaupten, sie hätten sich persönlich zu dem Feldmarschali
verfügt, was aber von anderen Zeitgenossen geleugnet wird und
in der That gewichtige Gründe der WahrscheinUchkeit g^n
sich hat.^ Seinerseits brachte der Herzog von Lodi einen kurzen
Bericht über die Ereignisse des Tages und die Stimmung der
Einwohnerschaft, die er als ,tiefen und allgemeinen Hass gegen
die Franzosen^ charakterisirte, zu Papier und sandte damit in
> Nach Oest. Beob. Nr. 129 vom 9. Mai S. 701 ,swOlf bis vienehnS was
wohl schwer zu glauben isti
3 Siehe das Gedicht Stenerello's bei De Castro Caduta S. 165, wo der
Dichter den Prinzen Reuss mit der Seele Prina^s ssusammenfÜhrt
3 Geradezu lächerlich ist die Behauptung Maroncelli'Ba.a.0. 479, Belle-
garde habe den Grafen Porro ,non rispettando il diritto delle genti* fest-
nehmen lassen — warum und wofür denn? — dieser aber sei entflohen
,e tom6 alla reggenza recando le triate nuove . . . (?!)'
■gerückter Stunde einen Eilboten an den Vicekönig ab. Auf
■ranlasBung des Barons Zanuli reiste Obrist Antonio Cavazzu
gleichfalls nach Mantua, wo er morgens den 21. eintraf.
In der Nacht vom 20. zum 21. berief der Podestä den
meinderatli der Stadt (Gonsiglio comnnale), der sich unter
i Vorsitz des Conte Gtan Lnua deUa Somaglia alsbald iui
lipletto versammelte. Hier wurde «Üe unverzügliche Einberufung
' drei WahlcoUegien, gteiebzeitig aber, da das Ministerium
Lviel wie gefipreugt war, die Einsetzung einer provisorischen
pentschafl beschlossen, bestehend aus den Conti Giberto
Alberto Litta, Giurgio Oiulini. Giaeomo Mellerio.
|rlo Verri vom alten Mailänder Adel, Domenico Pino und
lovanni ßazzetta, Mitglied des Caäsationshofes, vom neuen. Mit
genahme Verri's, dem sie den Vorsitz übertrugen, und General
welchem der Oberbefehl über die verfügbaren Streitkräfte
Vertraut wurde, gehörten alle der österreii.' bischen Partei an;
I auch der gewesene kSnighch italienische tStaatsrath Baron
ISeppe Pallavieiiü, der als GeneralsccreCär fangirle. Die pro-
rischfi Regentschaft, die im Palaste des Vicckünigs ihren
Sitz aufsehlug, begann damit, alle ordnungli eben den Bürger,
besonders aus der besitzenden Classc, zu mannhaftem Schutze
aa£cufordem, was einen guten Eindruck machte und rasche Folge-
leistung fand. Es wurde beschlossen, die drückendsten Anlasse
zu Unzufriedenheit, besonders der ärmeren Volksciasse, beiseite
zu schaffen, den Preis von Salz und Tabak, gewisse Postge-
bühren auf die Hälfte herabzusetzen, die städtische Verzehrungs-
Bteuer (taritfa sul dazio-consumo) zu massigen, die verhasste
igistertaxe aufzuheben, die einzigen Sohne und Stützen ihrer
vom Militärdienst zu befreien, den Pranger iUr Frauens-
^oncn und bei leichteren Vergehen abzuschaffen, durchaus
meinnUtzige Massregeln, die theils sogleich, theils in den
ninffolgenden Tagen zur AusflUirung gelangten.
General Pino verbrachte, wie von einer ziemlich unter-
Ichteten Seite behauptet wird,' den Ubngen Theil der Nacht
in eigenthümlichen Vorbereitungen, Als eine Person bei ihm
eintrat und ihrer Verwunderung Au&druck gab, Uin in so früher
[genstunde bei der Toilette zu finden, und frug: was denn
r geschehen werde? erwiderte der General; ,Was weiter
452
gescliehen wird? Wer kann das voraussagen? Am Ende heisst
es in einem alten Spruch: der erste König war ein gl&cklicher
Soldat/ Kaum dass der Morgen graute^ setzte er sich im yollen
Staate zu Pferde und ritt, von seinem Adjutanten begleitet,
durch die Strassen der Stadt. Wieder ertönten, wie am gestrigen
Abend, vereinzelte Rufe: ,Viva il re Pino!', die aber durch
andere ,Libertk!^ ,Uguaglianza!' übertönt wurden. Einige der
QleichheitS' und Freiheitsmänner riefen ihm zu, er solle seine
Orden entfernen; der General knöpfte seinen Ueberrock zu, um
ihnen den ärgerlichen Anblick zu entziehen.
Die Stadt stand von den gestrigen Ausschreitungen her
noch immer unter dem Gebote des schlechtesten Theiles ihrer
Bevölkerung. Gedungene Arbeiter nahmen die Zerstörung der
Casa Prina mit frühestem Morgen wieder auf, es schien daranf
abgesehen, das Gebäude dem Boden gleich zu machen. Die
Strassen wogten von gemeinen Leuten, die erhobenen Hauptes
und drohenden Blickes auf neue Gegenstände ihrer Mord- und
Kaubsucht zu fahnden schienen; bei mehr als einem fanden
sich Stricke eingeseift und zum Verknüpfen hergerichtet Zu
diesen stiess nun vielerlei Gesindel von auswärts. Auf die Nach-
richt von den gestrigen Ereignissen und von der Aussicht auf
neue Beute gelockt, strömten zu den Stadtthoren Leute vom
Lande herein, mit Messern, scharf zugeschliffeneu Sensen und
anderen rohen Waflfen und Werkzeugen versehen, und in so
herausfordernder Haltung, dass die Thorwache es aufgab, ihres
Amtes zu walten und sich ruhig hinter ihren Fenstern hielt. Im
Mittelpunkte der Stadt zog sich die kleine Besatzung des vice-
königlichen Palastes in das Innere und nahm vorsichtig ihre
Kanonen mit sich: nach Anderen wäre letzteres auf Befehl Pino's
geschehen, der auch in diesem Punkte einer Forderung des
Volkswillens nachgegeben habe. Auch alle anderen öffentlichen
Gebäude waren, wenn nicht überall von aussen bewacht, doch
im Innern besetzt, theils von Truppen der Linie, theUs von Ab-
theilungen der Bürgergarde, und als der Pöbel gewahrte, dass
der Oberbefehlshaber diese Posten einen nach dem andern
abritt, da war es nichts mehr mit dem ,König Pino', da waren
es jetzt Pfiffe und Ausrufe aller Art, die ihm in die Ohren
gellten. Auch an Freiwilligen fehlte es nicht; so thaten sich
mehrere entschlossene Männer aus dem Handelsstande zusammen
und besetzten bewaffnet das Innere des grossen Waarenhaoses
45S
So kam es^ dass der zerstörungslustige Pack^ wo er immer sein
Müthehen kühlen wollte^ am Kriegsministerium^ am Hauptmauth-
gebäude^ an dem Schatzministerium^ überaU wohl bewehrte Ab-
theilungen trafy die sich ihm entgegenstellten und ihn zum Abzug
nöthigten. Der gichtbrüchige Melzi befand sich eben in der
Capelle seines Palastes nächst Porta Nuova^ als ihm sein Neffe
und Adoptivsohn Francesco^ Capitain der Civica, die Botschaft
hinterbrachte: ein wilder Haufe, darunter viele Köhler und
Weibsbilder vom gemeinsten Schlage, voran eine schwarz-
goldene Fahne, sei gegen ihn im Anzug. ,Lasse mich die Messe
zu Ende hören', sagte der Grosskanzler, ,dann wollen wir
sprechen'. Der jüngere Melzi eilte fort, brachte einen Trupp
Nationalgarde und Finanzwächter, auch Arbeiter vom nahen
Münzamte zusammen, griff im rechten Augenblicke den Haufen
an und vertrieb ihn.
Ungeachtet all dieser vereinzelten Niederlagen des Strassen-
pöbels zeigten die im IVIittelpunkte der Stadt durcheinander
wogenden Massen noch immer eine bedrohliche Haltung, die
durch mancherlei Aufreizimgen von unbekannten Urhebern
fortwährend gesteigert wurde. Der Aufruf Pino*s vom gestrigen
Abend war herabgerissen, an seiner statt klebte ein Maueranschlag
voll der wüthendsten Ausfeile gegen die französische Gewalt-
herrschaft, gegen ,buona-Parte', gegen den Viceköiiig, aber auch
gegen die Oesterreicher — ,morte ai T . . .' (Tedeschi?) — als
die Wünsche ,des grössten Theiles der italienischen Truppen^*
Auch an Zerrbildern fehlte es nicht; eines zeigte den Prina, wie
er zum Fenster hinausgeworfen wird, darunter die Spottverse:
Ricchezze fatte coir altrui rovine
van da lieto principio a triste fine.
Der Tag konnte noch immer schUmm ausfallen, als sich
mit einemmal das Gerücht verbreitete — General Polfranceschi
wird von einigen Seiten als derjenige bezeichnet, der es ab-
sichtlich ersonnen habe — und der Ruf erscholl: eine Abtheilung
Oesterreicher zeige sich vor Porta Komana. Dahin drängte jetzt
alles, was sich an einem lang entbehrten Schauspiel weiden
wollte, und da bei Volksauf laufen jeder Art die -Neugierigen
> Wortlaut mit allen grammatikalischen und orthographischen Fehlem, nach
einer aufbehaltenen gleichzeitigen Abschrift bei Cusani VII, 156 f.:
0. auch De Castro, Caduta 135 f.
▲rehir. Bd. LXXYL II. Hilfta. ^V)
454
einen starken Beetundtheil zu bilden ptle^en, so wurde durch
dieue Ablenkung die Menge auf dem Domplatiie und in den
dahin mündenden Gassen und (jässchen in sülchem Ürade ge-
lichtet, dass Streifwachen der Civica sie oline grosse Behinde-
rung durchstreifen konnten. Dieselben hatten, gleich jenen der
regulären Truppe, gemessenen Befehl, alles zu vermeiden, was
dnen thilttichen Zusammenstoss herbeiführen könnte, desiiaib
auch das Bajonuet nicht aufzupäanzen, was denn auch beobachtet
wurde. Nur in einem einzigen Fahnlein vermochte einer der
Wchrmilnner, welchem ein halb verrostetcB Gewehr zugefallen
war, beim besten Willen das Bajonnet nicht vom Laufe zu
lösen. Als nun diese Abtlieilung, die der Capitain Beruardo
Ottolini befehligte, aus der Strasse del Rebecchino auf den
Domplatz einbog, ertönte sogleich der Ruf: ,Herunt€r mit dem
Bajonnet!' und schon flogen Steine aiif den Zug, als Ottolini
die Gewehre zu senken befahl und seine Mannschaft mit vor-
gehaltenem Lauf, darunter auch der mit dem widei-spenstigen
Bajonnet, vorrilcken Hess. Dieses Manöver Überraschte in solchem
Grade, dass der bis dahin trotzig übermUthige (laufe wie Spreu
auaeinanderstob, unter dem lebhallen Beifallsklatschen der an
den Fenstern befindlichen Personen, die mit besorgter Spaimuiig
diesen rasch sich abspielenden Auftritt verfolgt hatten.' Die
Entschlossenheit Ottohni's hatte aber die weitere Folge, dass
nun auch die anderen Abtlieilungcu der Civica Mutli bekamen
Ernst zu machen, was der Stadt binnen kurzem das gewohnte
Aussehen wiedergab. Einige der HauptstJinker und Uebeltliilter
wurden festgenommen und auf des Pohzeipräfecten Villa kräf-
tiges Einschreiten im Oastetl hinter Schloss und Riegel vorlAutig
unschudlich gemacht; auf Villa's Andringen sammelte der Oe-
richtsactuai' Lomazzi die Beweismittel, um gegen die Hilftlinge
gerichtliche Untersuchung einzuleiten.
Am 22. April traten die WahlcoUegien im Saale der
zusammen. Bei der KUrze der Zeit und wohl auch aus andoren
naheliegenden Rücksichten hatte man sich bei der Einberotoiu.
auf jene Bezirke beschränkt, die nicht von Truppen dia- """' "
bUndeten besetzt wai'en und daher tm GrundtJ uuti,;r ntiUl
465
Commando standen. Es war daher eine äusserst unvollständige
Versammlung, in welcher der Staatsrath Luigi Giovio den Vor-
sitz zu fiihren berufen wurde. Kr zeigte sieh als Anti-Beauhamist.
^Möchten die Alpen, die einen auf die andern gcthürmt', so
hiess es in seiner ersten Ansprache, ,uns für immer von jener
Nation scheiden, die zu allen Zeiten in unser Vaterland Unglück
und Verderb gebracht hat^; als Wunsch der Nation bezeichnete
er , verfassungsmässige Einrichtungen mit einem unabhängigen
Haupte^ Die WahlcoUegien schritten ftü's erste zur Anerkennung
der provisorischen Regentschaft und des dem General Pino
übertragenen Oberbefehls. Sie erklärten Senat wie Staatsrath
fllr abgeschaflft, entbanden alle Functionäre im Militär und Civil
von deren Verpflichtungen gegen den Vicekönig und verlangten
dafür Vereidigung im Dienste der neuen Gewalten. Sie ver-
kündeten Amnestie und Freiheit für alle politischen Gefangenen,
sowie für solche, die wegen Fahnenflucht, GeftlUsübertretungen
u. dgl. in Haft sassen. Sie beschlossen Aufhebung aller Mass-
regeln der Continentalsperre, Abschaflfung der tassa d'arti e
mestieri, Beschränkung der Jagdfreiheit. Sie fanden es schUess-
lieh in der Ordnung, ihren Zusammentritt, sowie die Uebernahme
der ihnen anvertrauten Gewalt den auswärtigen Gesandtschaften
und den commandirenden Generalen bekanntzugeben, die ver-
bündeten Mächte aber, mit Widerruf der vom bestandenen
Senate getroffenen Wahl, durch eine eigene Abordnung nach
Paris zu beschicken, um jene einzuladen, theilzunehmen an dem
Werke, die Wohlfahrt Italiens zu begründen.* Mit Beziehung
auf diesen Schritt erliess das Municipium einen Auiruf an die
Bewohner von Mailand, eine dreitägige Andacht in der Kirche
zu den heiligen Schutzengeln zu begehen: ,Le alte Potenze
ascolteranno con benignitii i voti di un popolo che ripone in Dio
la 8ua fiducia.^^
In AusfÜhnmg des Amnestiebeschlusses — obwohl es kaum
fraglich war, dass die dort aufgeführten Kategorien auf den
vorliegenden Fall nicht passten — ertheilte der Oberbefehls-
haber der bewaflfneten Macht dem General Paini den Auftrag,
1 Vgl. Oe«t. Beob. Nr. 130 vom 10. Mai, ö. 709: ,Die veroiiiigten WahlcoUegien
an das italienische Volk*; unterzeichnet L. Giovio, Präsident, Roncalli
und Bellani, Secretäre.
> Nach Mantovani a. a. O. 598 wäre dieses Triduum angeordnet worden
,per implorare il divino patrocinio sulla tranquilliti dei cittadini*.
456
die wegen der Vorlalle am 20. und 21. in Haft genommene
MisseUiäter in Freiheit zu setzen. Die gegen sie eil
Untersuchung i^iirde niedergeschlagen und der energische
präfect Villa von seinem Posten entfernt. Hingegen sollte ts
mit allen weiteren Verhetzungen und aufrührerischen Mjukt
anschlagen, mit allen Zerrbildern und Spottgedichten aus Anks
der letzten Ereignisse ein Ende haben.
Eine Kundgebung nicht aufreizenden Charakters entdeckte
man an einem dieser Tage auf dem Friedhofe, der Prina's Reste
aufgenommen luitte. Die Stelle^ wo dieselben eingesenkt worden,
kannte man nicht oder wollte und durfte sie nicht kennen;
es wurde daher am Eingang des Gottesackers die Inschrift an-
gebracht :
Per r occnlta pieta d' uomini onesti
g^acciono qui del piü fedel Ministro
i massacrati miserandi resti.
^Heute', schrieb Silvio Pellico am 23.^ ^befindet sich Hai-
land in vollem Frieden^ froh über seinen Sieg gegen die Philo-
napoleoni und gegen die Käuber und Plünderer, zwei grftssliche
Zwillingpestilenzen (duc orride pesti gemeUe), vor denen Gott
für alle Zeiten jedes christliche Land bewahren möge!' Der
auf so hohen Grad gestiegene Franzpsenhass liess das Aeusseiste
befürchten, wenn sich in der kaum zu einiger Ruhe gebrachten
Stadt französische Truppen zeigten. Es war eine Division vom
Corps Grenier, die auf dem Rückmarsch nach Frankreich dnrcb
Mailand ziehen wollte; Pino vermochte den General Royer, der
die Colonne befehligte, in Binasco zu halten, von wo sodann
am nUchsten Tage die Richtung gegen Magenta eingeschlagen
wurde.
Die Walilcollegien schritten an diesem Tage unter Giovio'*
Vorsitz zur Abfassung ihrer Adresse an die verbündeten Mächte:
Unabhilugigkeit und ein möglichst grosses Gebiet fUr ihrea
neuen Staat, damit derselbe eine achtunggebietende Stelle im
europäischen Gleichgewichtssystem ausfUlle; fireie Veifassung*
deren Formen die Wahleollcgien zu bestimmen haben würden:
monarchische Regienuig erblich nach dem Rechte der Erstge-
burt, luiter einem Fürsten, dessen Eigenschaften daf&r bürgen,
duss or sie die Wimdeu und Leiden des gestürzten Regimentes
457
^r^pssen machen werde. In die Abordniitift. die diese Wünsche
ich Paris bringen sollte, wurden gewählt, und zwar vom Adel:
iderico Confalonieri, Alberto Litta, Marchese Gian Oiacomo
nnilzio (Triulzi) und Somag;lia aus Mailand, die Conti Marc'
ntonio Ffe aus Brescia und Serafino Sommi aus Cremona; aus
Bidetn höheren Handelsstande Giaoomo Ciani und Pietro Ballabio,
^aäs Schriftfülivei- soUte sie Marchese Giaeomo Beccaria, Sohn
äea berühmten Rechtsgelehrten und Schriftstellers, begleiten.
Einige der Gewählten traten gleieh am 24, ihre Reise an.
7.
Zur selben Zeit, da sich die geschilderten Ereignisse in
lombardischcn Hauptstadt abspielten, hatten die Verbündeten
dem italienischen Kriegsschauplätze neue Erfolge zu ver-
Am 20. hatten die Kaiserlichen die Lagunenstadt zu
setzen angefangen, ara 22. der franKöeische Admiral Duperrö
Arsenal sowie das ganze Material der Marine den Oester-
hern übergeheu.
Ira Westen der Halbinsel war Lord Bentinok gegen Genua
ingertlckt, hatte am 17, die Forts Stn. Tecla und Richelieu
■mt; in der Nacht vom 18. zum 13. waren in der Capitidation
S, Francesco d' Albaro, welche der General M'Farlano im
ICD Bentinck's unterzeichnete, Stadt und Hafen von Genua
die Verbündeten übergegangen, worauf am 2L der Abmai-sch
franzilsischen Besatzung in der Richtung von Pignerol er-
Der rasche Lord machte kein Hehl aus seiner Mei-
nang, die Stadt Doria's in ihre alten Rechte wieder eingesetzt zu
sehen; ,wa9 die Genuesen vor Allem wünschen', schrieb er am
2S. an Lord Castlereagh, ,ist, das« ihre Stadt nicht zu Piemont
gesehlagen werde'. Die Kunde von dieser Haltung Bentinck's
verbreitete sich rasch durch Oberitalien bis nach Venedig, wo sich
jüsbald Stimmen vernehmen Hessen: ,Wenn Genua wieder Re-
.pnblik wird, kann Venedig Provinz bleiben?' Auch die italienische
~ ;ei in Mailand, die einen grossen Anbang in der Bürger-
gftrd« hatte, konnte nicht ruhig bleiben. Nicolo Ugone, auch
kurzweg Ugo Foscolo, in jüngeren Jahren Officicr der Cis-
alpina, kurze Zeit Professor in Pavia, dann wegen seiner exal-
m Ansichten abgesetzt und aus Italien verwiesen, Gelehrter
Schriftsteller von Ruf, war jetz-t in Mailand wieder auf-
jusbfl
Lpnbli
■Krt.
kurz
alpii
468
getaucht und wurde von einigen Missvergnügten erkoren, nach
Genua zu reisen. Allein gleich darauf besannen sich seine Ab-
sender wieder und schickten ihm einen Eilboten nach, er möge
zurückkehren, ,damit man nicht vorzeitig Verdacht erwecke';
auch hatten sie erfahren, dass M'Farlane im Auftrage seines
Oberbefehlshabers in Mailand erscheinen solle, dem sie sodann
die durch Foscolo zu überbringende Denkschrift unmittelbar
einhändigen könnten.
Noch von einem zweiten Boten aus Mailand wird berichtet
Giovanni Saveri Lattuada aus Ponte Curone in der Lomellinaf
ein jüngerer Mann, der sich der Advocatie widmete und unter
dem gefeierten Giandomenico Romagnosi politischen Stadien
oblag, nebstbei Officier in der Civica, bereiste in dieser Zeit,
es ist unklar ob aus eigenem Antrieb oder von seiner Partei
ausgeschickt, verschiedene mittelitalienische Städte und kam
zuletzt nach Genua, wo er am 28. ' mit Bentinck in persönliche
Berührung trat. Der edle Lord hatte zwei Tage früher, am
26. April, einen Aufruf erlassen, laut dessen die genuesische
Verfassung von 1797 wiederhergestellt und eine provisorische
Regierung aus dreizehn Mitgliedern eingesetzt wurde, die bis
zum 1. Jänner 1815 zu fungii*en haben werde. In solcher
Stimmung konnte sich Bentinck den Ansichten Lattuada's, die
auf die Erhaltung eines unabhängigen Königreichs Italien hinaus-
liefen, nicht abgeneigt zeigen; er bemerkte nur, dass er för
den Augenblick gebundene Hände habe, er wolle indess die
Wünsche der Italiener seiner Regierung vortragen.
Von zwei verschiedenen Seiten, wie firüher bemerkt worden,
war nach Mantua am Vormittag des 21., einem Donnerstag,
die Nachricht von den Mailänder Vorfällen am 20. gelangt
Guicciardi und Castiglioni empfahlen sich beim Vicekönig und
eilten in die Hauptstadt zurück, wo sie gleich Verräthem an
der guten Sache, da sie sich in Verhandlungen mit dem napo-
leonischen Prinzen eingelassen, mit scheelen Blicken empfangen
wurden. Die Generale des italienischen Heeres drangen in
* Das Datum habe ich, wenn mich meine Erinnerung nicht tSuscht, äea
im Archiv des Obersten Gerichtshofes (ich werde citiren A. G.) eriiegüiidea
Processacten über die sogenannte Militärrerschwdning entnomniein.
Eugen, PT mögt- Maiiliui bosi'iKt litilten, mit einem Thoilc seiner
ITrupiien — Let^chi schlug die Division Zucchi vor — auf Mai-
Ituid niarschiren und dort die oberste Gewalt wieder in seine
BBnde ncbmen. Dooh der Prinz lehnte ab. Der Aufstand in
Hailand, sagte er, habe die Abmachungen vom 16. »errissen; er
■rolle siüli einem Lande nieht aufdrängen, das sich so entschieden
|egen ihn ausgesprochen; es solle um seinetwillen kein Blirger-
feri^g heraufbeschworen sein. In einem in solchem Sinne moti-
irirten Schreiben an den Herzog von Lodi legte er seine Ge-
inlt nieder; in einem warmen Tagesbefehl nahm er Abschied
Ion seinem Heere; an General Pino richtete er die Bitte, er
Ige das Volk zui" Kühe bringen, auf dass es nicht durch
Aoascb reitungen die hohen JlHchte beirre. Am 23. kam in
leinem Namen und Auftrage /.u Mantua zwischen dem Divisions-
igenoral Carlo Zucchi und dem k. k. GenBralmajor Adam Grafen
a Ficquelmonl, Gcncraladjutanten des Grafen Bdlftgarde, eine
leoe Uehereinkunfl zustande, laut welcher nun auch die In der
HilitärconveDtion von Schiarino Hizzino vorbehaltenen Gebiets-
teile sammt der lonibardischen Herrschaft zur Besetzung ,im
Ismen der hoben verbündeten Mächte' überlassen wurden.
Nicht so leicht nahmen Eugen's Generale die Sache, ,Die
jlesterreicher,' hiess es da, ,die so oft vor uns davongelaufen,
tbÜea jetzt die Herren spielenl'!' Noch in der Nacht des 23.
jttteo Lecchi, Gins. Frederico Palümbini imd Marcliese Amil-
eare Paolncci mit Igmizio Prina als Öeheimschreiber nach Mai-
land, wo sie am Nachmittag des 24. eintrafen und sich un-
mittelbar in die Wohnung Pino's begaben. Er hatte eine grOseere
^^fteselischaft bei sich, in deren Mitte er sie empfing; er wolle,
^HpUBerte er, mit ihnen kein Geheimniss haben. Mit dem , König
^Hbho' war es nun fi-eilich vorbei; aber wenn ei- schon einen
uideren als Gebieter anerkennen müsse, mochte er sich sagen,
so solle es nur einer von den gross mächtigen sein. Die Generale
boten ihm den Oberbefehl an: ,die Festung Mantua sei nut
lAbensmitteln und Schiessbedarf ausreichend versehen; die
mzösischen Generale Grenier und Serras befänden sich noch
Bseits der Alpen und könnten in wenig Tagemärschen wieder
■ Ort und Stelle sein; alles verblu-ge einen guten Erfolg'. Doch
ino wollte von nichts dergleichen hüren, es bleibe nichts Ubrig,
1 sich den Umständen zu fUgen. Als man auf die Ereignisse
1 20. Jiu sprechen kam, äusserte er sich mit sträflicher Leicht-
460
ferligkeit: ,Nun was soll's damit? Die Geschichte ist gut genug
ausgefallen. Wenn o^ schon eines Opfers bedurfte^ so blieb es
bei einem einzigen und die Wahl war keine schlechte/' Noch
versuchten die Vertreter der italienischen Armee ihn in ihrem
Sinne zu überreden, Pino blieb bei dem, was er gesagt. Ak
sie zuletzt sahen, es fruchte alles nichts, sag^ der eine zu ihm
resignirt: ,Ich bin Marchese Paolucci, aber ich besitze keinen
Knopf, ich werde daher Oesterreich dienen müssen, und ich
werde es mit Ehren thim/ Sie zogen sich unverrichteter Dinge
zurück und der Major Bertolossi von der königlichen Grarde
sandte noch denselben Abend in ihrem Auftrage Botschaft an
Zucchi, es sei kein Grund mehr, mit der Uebergabe von Mantoa
zu zügem.
Auch befand sich die österreichische Armee bereits im
vollen Anmärsche auf Mailand. Die Vorhut befehligte der
k. k. Feldmarschalllieutenant Albert Adam Graf Neipperg, der
am 26. die Festung Pizzighettone besetzte. An demselben Tage
wurde die Militärconvention vom 23. in Mailand amtlich kund-
gemacht und erschien der k. k. Feldmarschalllieutenant Annibale
Marchese Sommariva als Commissar der verbündeten Mächte,
von der Bevölkerung auf das freudigste empfangen, alles trug
weisse und rothe Cocarden. Er stieg im Gebäude des Kriegs-
ministeriums ab, mit dessen einstweiliger Leitung er Bianchi
d*Adda betraute, imd orliess einen Aufruf an die Mailänder, die er
mahnte, mit Ruhe und Vertrauen abzuwarten die Beschlüsse der
hohen verbündeten Mächte, die dem Welttheil den lang ersehnten
Frieden bringen würden. Der Expräsident Veneri und der Ei-
kanzler Guicciardi begaben sich aus dem Castell, wohin sich am
20. viele Mitglieder des Senates geflüchtet hatten und zum Theil
noch dort befanden,^ zu dem kaiserlichen Commissar, einerseits
um das Verhalten ihrer Körperschaft im Sturme der letzten Er
eignisse zu rechtfertigen, anderseits um gegen die Auflösung der-
selben Verwahrung einzulegen. Letzteres mussten sie wohl ehren-
halber thun, Ernst war es ihnen damit kaum. Auch erfolgte von
Seite des kaiserlichen Commissars keine Antwort noch Bescheid.
Die drei WahlcoUegien hatten mit der Sendung ihrer Erkorenen
1 ,La faccenda fu assai ben condotta; giacch^ si voleTa ana rittima, bifti
una sola, n^ fu Bcelta male'.
» Oe«t. Beob. Nr. 129 vom 9. Mai 8. 701.
B»»ch Paris ihren Benif vorläufig erfüllt; ob nuch feiner m,ii gif
^■pfie Reihe komiuen werde, hing vom Erfolge dieser ihrer Heu-
^BttDg ab. Hingegen bestätigte der Marchesc bis auf weiteres
^KäB proviBorische Regentschaft, die ihrerseits am 27. ihrun Mit-
* börgera den baldigst zu erwartenden Einmarsch der Kaiserliehen
ankündigte: , Empfanget als eure wahren Befreier jene Krieger,
die ihr Leben für eure Sicherheit ausgesetzt habe^nl Empfanget
Kne mit der ihnen gebührenden Gastfreimdsehaft, indem ihr sie
^B Am 97. April voriicss dor Vicekönig mit seiner Familie in
^rdBvc Stille die Stadt Mantua, begleitet von den aufriehtigon Sym-
pathien seiner persönlichen Anhänger, von dem Bedauern vieler
der Generale und höheren Officiere der italienischen Armee.
In den unteren Kreisen des Heeres waltete eine amlere Stim-
mung vor, es fehlte nicht an Murren und halblauten Missfalls-
bezeigTingen, viele Soldaten zeigten nicht geringe Lust, sich auf
_ die Wagen mit den Geldtruhen zu werfen, die er, wie sie meinten,
zusammengescharrtes Gut aus Italien entführe. Von einem
ilein k. k. Husaren begleitet, kam man nach Verona, wo
erste Nacht zugebracht wiu-de.
Am 28. marschirte FeldmarschalUieutenjint Anton Mayer
Heldenfeld in das von den italienischen Truppen bereits
lumte Mantua ein und besetzte FeJdraarsclialllieutenant
mz Penner von Fenueberg Brescia, in dessen Welehbüd
Division des italienischen Generals Bonfanti einquartirt war.
jQanz Brescia,' hiess es in einer Correspondenz des ,Bnte von.
Sildtirol' vom 29., ,ging den Langerwarteten durch die Porta
Torre Lunga entgegen'; abends war Stadtbeleuchtung und Fest-
TOretellung im Theater, wo der commandirende General mit
;eistertem Beifall empfangen wurde. Doch dies war wenig
m den Empfang in Mailand, wo schon am Vormittag des
der Anmarsch Neipperg's bekannt geworden war. Gedichte
Mailänder Mundart verkündeten jubelnd die baldige Ankunft
Kaiserlich eil. VermÖglichere Einwohner fuhren in Kutschen
tis Melegnano, um die ersten zu sein, die anrückende Colonne
zu begrüssen. Die Umgebung der Porta Romana, sowie den
wi£ deni Mittelpunkte der Stadt dahin führenden Corso erfüllte
■ke dicht gedrängte Menge; an geeigneten Punkten waren
462
Bretterbühnen iiir da» schaulustifre Publicam ernchtety Fenster
und Balcone, wo sieh Kopf an Kopf drängten, zeigen ach mit
Teppichen^ mit Blumen und grünen Zweigen geschmückt Und
bei all dem keine Unordnung, kein lärmender Zwischenfall,
nach den blutig geliässigen Auftritten acht Tage firüher nicht
die geringste Feindseligkeit, nichts als Freade. heiteres Behagen,
höchstens übersprudelnde Lustigkeit. ,Ich erinnere mich nicht,'
schrieb ein Augenzeuge in sein Tagebuch,* ,ein ähnliches Schaa-
spiel gesehen zu haben; so sehr ist es wahr, dass Kondgebongen,
die aus dem Herzen kommen und nicht befohlen sind, einen
Stempel wahrer Grösse und Aufrichtigkeit haben/ Viele der
Leute standen seit 8 Llir vormittags auf ihrem Phitse und
erst in den Nachmittagsstunden trafen nähere Meldungen ein.
Ein Conte C . . . jagte sein Pferd durch die Porta Romana uf
die Heerstrasse, kam dann wieder zurückgesprengt: ^ie sind
in Melegnano!' ,Sie sind bei San Donato!^ ,Sie sind schon bei den
Mauthschranken!^ und jede solche Post rief frenetischen Bei-
fall aus den Fenstern, von Balconen und Dächern^ von der
Strasse hervor. Endlich kamen sie an, es war um 5 Uhr nach-
mittags, Graf Neipperg an der Spitze. Zwischen einer Doppel-
reihe der in voller Parade ausgerückten Bürgerwehr und von
drei Regimentern berittener Jäger, die man aus Lodi hatte
kommen lassen, marschirten sie mit klingender Musik unter
fortwährenden stürmischen Ausbrüchen der Freude von Porta
Romana bis auf den Domplatz, von wo sie in ihre Quartiere
entlassen wurden. Abends allgemeine Stadtbeleuchtung von ans*
gesuchter Sinnigkeit und Pracht — ,8tudiata e ricca', wie sich
.unser zeitgenössischer Gewährsmann ausdrückt.^
I Mantorani bei De Castro, Kestaurazione 605.
3 Die modernen Mailänder Geschichtschreiber nergeln und zerren an diesen
Zeu^issen, was sie können. Cusani VII, 194 f. kann allerdings als
Zeitgenosse ,1a baldanzosa gioia dei partigiani anstriaci* nicht leugnen,
allein diese ,evviva* seien doch nur ^scarsi^ gewesen, die Cirica und ,li
popolazione* seien stumm geblieben; und wie erst hätten sich die
schmutzigen und bestaubten Gestalten der kaiserlichen Soldaten ,di tinte
razzo' ausgenommen ,al confronto dei brillanti uniformi e del marmle
aspetto dei nostri^ (die städtische Garde und die berittenen Jäger waren
in Parade ausgerückt und die Kaiserlichen den ganzen Tag auf der
Landstrasse marschirt!). De Castro, von gleicher Gesinnung wie die
andern, aber ein wahrheitsliebender Mann, spricht es 8. 603 offen aus, wie
widerwärtig ihm der nicht zu leugnende freudige Empfong der Oeiter*
Am seihen Tage war der Vicoköiilg von Verona aiifgobroL'hen
reiate von da, immer im strengsten Incognito, mit Vermeidung
m Aufsehens, weiter durch das Land Tirol, nicht ohne Besorg-
vor Ausbrüchen des seit 18t)9 keineswegs erloschenen Hasses.
:h es geschaii nichts, und in München wurde ihm der herr-
!te Empfang." Prina Kugen Beauharnais hatte sich in der letz-
kridschen Zeit, wie es von seiner vornehmen Gesinnung nicht
era zu erwarten gewesen, mit selbstverlengnendem Edelmuth
:ommen, und dies wurde ihm selbst von Seite der alliirten
ibte anerkannt und gedankt. Obwohl Stiefsohn ihres gefllrch-
;en und gehassten Gegners, genoss er für seine Person ihre
vollste Achtung, selbst jene, was am meisten sagen will, des Nach-
folgers Napoleon's auf dem französischen Thron. Als er einige Zeit
spHter in Paris erschien, um dem jetzigen Gebieter Frankreichs
seinen Besuch abzustatten, kündigte ihn der dienstthuende
Kümmerer mit den Worten an: ,Der Herr Marquis von Bcaii-
harnaisl' ,Nicht so', wies ihn Ludwig XVHL zurecht, indem
er auf den Angemeldeten zuschritt, .sagen Sie: Seine Hoheit
der Prinz Engen! und setzen Sic hinzu: Gross-Connetable von
Enkreicb, so es ihm gefiele, dies anzunehmen.'
s.
,Die Itahener sind jetzt von einer Art, dass tausend Ly-
ge und zehntausend Timole on und hunderttausend Wa-
shington und eine Million spartanischer Krieger es nicht zustande
brächten, sie als Nation zu constituiren.' So schrieb im Frühjahre
reicher seh .Triate cnaa a dtre, ma vera, e ulile dn sRpere ad ogni modo^
^li ÄuMriuri ebbero lieta nccoglienüa.' Beieichnenil isl ea mich, daas von den
erwUmten Herren, ao aorgsmn sie toaei sind, handelnde Personen mit
Tkuf- and Familiennunen za bezeichnen, der Craifliche ,Conte' kaum mit
dem AnfangsbnchstAben beieivhtiet wird, gleichsam nm dessen heutig«
Nachkommen nicht errCthen nu lassen, denen Bälbslveratindlivh die stflr-
' mischen österreichischen Sympathien von damalii ein Grenel sind.
t 6«i De Castro. Caduta 144. f. Anm. Bndet sich ein Werkeben erwKhnt: J.e
i Boi Pino k la balaille des paraplnies*, gwlmcktin Deulachland Mai MiH;
b ak Verfiuier habe Graf Mäjean gegolten, Cabinetasecretair des Prinzen
, Bugen, iu dessen GeJeile er nach MUnchen gegangen war. Ich habe mich
aber Tergehlich in den Wiener Bibliotheken bemüht, vergeblich in jenen
j VOB München und Berlin Kchriftliche Kacfafrage gehalten, nirgends wnaite
von eiai-r »ulchen Schrift,
464
1814 Ugo Foscolo, einer von den Jtalici puri*,^ und wir dürfen
ihm um 8o eher glauben, als sein Wehruf ein Echo in dem
schlecht verhohlenen Ingrimme fand, welchem andere seiner
Gesinnungsgenossen in allerhand höhnischen Ausfällen Luft
machten, wie:
Sono d* Italia le contimde amone
or dal gallo preda, or dal tedesco —
£ il goffo popolaccio animalesco
inaledico chi va, plaude chi viene.
Es soll hier nicht auf vergangene Zustände zuriickgegriffen,
es soll nicht untersucht werden, ob in der That in den neunziger
Jahren die Oesterreicher, da sie gingen, verflucht, die Franzosen,
da sie kamen, mit Beifall begrüsst worden waren: das aber lei-
det keinen Zweifel, dass jetzt das Verhältniss dasjenige war, wie
es sich im letzten Satze des italienischen Vierzeilers ausgesprochen
fand. Auch war das nicht zu verwundem. Nach dem aufregenden
Wechsel der Weltereignisse in den letzten zwei Jahren, nach
dem schrecklichen Eindrucke, den das blutige Ende der fran-
zösischen Herrschaft in Mailand zurückgelassen, war es nur ein
GefUhl, das alles beherrschte, gab es nur einen Gedanken, der alle
erfüllte. Alle Classen, alle Schichten der Bevölkerung hatten ein
unsagbares RuhebedUrfniss, einen Drang, eine Sehnsucht, endlich
einmal herauszukommen aus dieser seit einem Vicrteljahrhundert
wechselnden Spannung und Aufregimg, aus diesem endlosen
Kriegszustande, aus diesen schon nicht mehr zu ertragenden
Lasten und Bedrängnissen an Blut und Geld, endlich einmal
Frieden zu haben, sicheren Bestand vor sich zu sehen. Denn,
dass die Oesterreicher sich zuiücknehmen wtirden, was sie früher
besessen, dass sie von ihren Mitverbündeten zuerkannt erhalten
würden, was sie vorläufig im Namen derselben in Besitz ge-
nommen, das stand nunmehr in so sicherer Aussicht, dass kein
ernster Politiker daran zweifeln konnte.
In einer weitläufigen Denkschrift, die der wirkliche ge-
heime Rath Anton von Baldacci um das Jahr 1816 über den
Zustand der verschiedenen Bestandtheile der Monarchie abfasste,
hiess es von den zurückerworbenen Gebieten, dieselben hätten
> Bei De Castro, Caduta 221, mit dem Nachsatz: yL" onivenalitA ^ co-
rottissima e la corruzione non pu6 essere g^arita che 4alla diatnudone.*
jdorch mehr als zwanzig] älirige Krafttiberspanniing in
lelir leidenden ZustandB and in einer gänzUehon Zer-
tg ihres Geldwesens, die so viele andere Zerrüttungen
iidÜch nach sich zieht", beftmden.' Dieser Satz galt nicht
letzter Linie von dem venetianischen Gebiete und nament-
von der altberilhmten Lagunenstadt selbst, deren Handel
dem eisernen Gebote der CoiitineutalBperre den empfind-
isten RUckgang erfahren hatte. Die alte Republik war au
eigenen Ohnmacht nnd WUrdelosigkeit zugrunde gegangen,
id so kurz der Zeitraum war, den ihr Gebiet darauf unter
irreichischem Scepter verbrachte, so fehlte es nicht an Sym-
fen aus jenen Tagen, die sich zu den Hoffnungen auf einen
ickbringenden Umschwung in allen Verhältnissen gesellten.
ihon am 4. Mai wurde eine nenntftgige Andacht, jeden Tag in
lem anderen Kirchspiele, für die Befreiung der Stadt von
französischen Joche angeordnet und am 12. mit einem
■liehen Bittgang von San Marco beschlossen; sämmtliche
.hmen daran ThcU, alle im Hafen liegenden Schiffe,
;hr als siobcnzig an der Zahl, hiasten die ösierreichische Flagge
in das Gelüute aller Glocken donnerten Kanononsalven hin-
und stiegen Raketen sausend in die Luft; bis zum Schlüsse
Procesaion blieben die Gewülbe in ganz Venedig geschlossen. -
zweite Landwehrbataillon der aufgeweckten ,Deutschmeiater
[dete die Gai-nison der Stadt und verkehrte in munterer
eise, trotz der gegenseitigen Un Verständlichkeit der Sprache,
it der Bevölkerung.
Der Sitz des venetianischen General-Gonvemements war
in Padua, wo Fürst Reuss sein Hauptquartier aufschlug.
Pur die Civilgeschäfte, namentlich die Polizei, stand ihm Anton
von Raab zui- Seite, dessen vorläufiges Personale als Gber-
immissare und Commissare theils Einheimische wie Giavarina
^deten, theils solche, die man aus den altüsterreie bis eben Pro-
oder von der Obersten Polizeibehörde zu Wien entsendet
ktte, wie Adam Stocka, Eanzellist bei der Hofstelle, Karl
PflUb von Ehrenheim. Der Wirkungskreis des General-Gouver-
nements erstreckte sich über das rechte Po-Ufer hinaus; Leopold
^ftlentia Ferstl fungirte als exponirtcr Obercomniissar in Ferrara.
^Catte
-oties,Freiben-AntonT.liHli]acciiuiAri'liivrj1rüBterT. (iesubioliluLXXIV.
1. Beüb. Nr. U7 vom 27. Mai, S, M02,
4*56
Unter dt-ii von tler früheren Regierung Übernommenen Beamten
nahm Baron Antonio Mulazzani eine hervorragende SteOiuig
ein. Er war unter der italienischen Regierung Freimaurer ge-
wesen, hatte sich aber auf das kaiserliehe Grabet ohne Wider
rede von denselben losgesagt und diente jetzt Oesterreieh ab
i.ieueral-Polizeioommissar, wie er sich betiteln Hess, mit Eifer und
Verstand. Die Zustünde der Terrafemia gingen einer rasclieD
Besserung entgegen und hätten für den Augenbliek kaum etwas
zu wünschen übrig gelassen, ohne eine Landplage^ an welcher
die neuen Behörden nicht schuld waren. In den letzten Tagen
des gestürzten Kegimentes waren Verbrecher, die man auf die
Insel Elba verwiesen hatte. Gefangene aus den Strafhfiusen
von Venedig, Mantua und anderen Orten, theils entlassen worden,
theils ausgebrochen; die Fregatten ,Principessa di Bologna'
und yPiave' hatten im Hafen von Venedig ihre Mannschaft dienst-
los ans Land gesetzt, Ausreisser aus den Reihen der italienischen
Armee kamen tiiglich dazu; durchaus Elemente, die ohne Brot,
für kein Handwerk abgerichtet, jeder anhaltenden Arbeit ent-
wöhnt, theils Schlupfwinkel in den Städten anfsachten, theik
in die Berge und Wälder liefen, hier wie dort auf den Erwerb
aus dem Stegreif angewiesen. Gleich in den ersten Wochen
seines Amtssitzes in Padua hatte der Qeneral-Gtouvemeur zu
klagen^ dass tiiglich Diebstähle und Räubereien vorkämen,
dass keine Nacht ohne einen gewaltsamen Einbruch vergehe,
dass selbst in den Gassen von Venedig, wo die Polizei noch
nicht auf den gehörigen Stand gesetzt, Personen angefallen und
geplündert würden.
Ende April oder Anfang Mai erschien vor Bellegarde
eine Abordnung der Mailänder Wahlcollegien, deren Präsident
Graf Giovio den Sprecher abgab. ,Sie, so nahe dem Monarchen,
der mit so viel Ruhm auf dem Throne Karls des Grossen und
der Ottone sitzt, werden unser Fürsprecher bei den verbündeten
Mächten sein und unserem Lande Unabhängigkeit verschaffen,
geschlitzt von weisen Gesetzen und von einem Fürsten, welchen
wir alle segnen.' Die Wünsche waren, wie man sieht, in so
allgemeinen Ausdrücken abgefasst, dass man das Verschiedenste
darunter verstehen konnte, und so war auch die Antwort des
Feldmarschalls. Am meisten sprang das Wort ,Unabhängigkeif
467
heraus, das aber, wie wir wissen, der Graf in anderem Sinne
verstand als die ,Italici puri^ und die Wortführer der Collegi
Elettorali. Die vorherrschende Stimmung des Landes, ja der
Hauptstadt stand bei letzteren gewiss nicht. ,So wenig die bluti-
gen Ereignisse des 20. April dem eigentlichen Volk von Italien zu-
zuschreiben sind,' so Hess sich der ,Bote von SüdtiroP aus Mai-
land schreiben, ,ebenso wenig haben die Beschlüsse der Wahl-
coUegien mit dem Willen der Nation zu schaffen.' '
Sommariva, entweder nach eigenem Ermessen oder nach
empfangener Weisung, enthielt sich jeder Einmischung in die
inneren Angelegenheiten des Landes und der Hauptstadt, wo
es in Folge dessen ziemUch bunt durcheinander ging. Einerseits
bUeben die Beamten jeder Art nach wie vor auf ihren Posten,
darunter die verhasstesten, solche, denen man die Schuld aller
beklagten Missstände und Bedrückungen zuschob. Dazu regte
sich in Mailand jetzt mitchtiger als zuvor der eigenstädtische
Geist, der den Piemontesen von jenseits der Agogna ebenso als
, Ausländer' neidete wie den Modenesen von jenseits des Po,
den ,Abhub aller Departements, von denen wir überfluthet
worden und die wir füttern, wir, die wir den vierten Theil des
Königreichs ausmachten und die wir uns gefallen lassen inussten !' '^
Im Militärwesen geschah sogar ein Uebriges. Obwohl jeder Ver-
nünftige sich sagen musste, dass die bisherige italienische Armee
vielleicht eine Verminderung, aber gewiss keine Vermehrung
erfahren werde, machte General Pino von der Gewalt, deren
Fortdauer eine sehr unbestimmte war, ausgedehntesten Gebrauch,
beförderte Brigadegenerale zu Divisionären, Obriste zu Generalen,
Capitains zu BataiUonschefs nach Lust und Gunst. An der Spitze
der PoUzeiverwaltung stand noch immer jener Luini, auf den
seit dem Unglückstage des 20. April alle elirlichen Leute mit
Fingern zeigten und dem sie nachsagten, dass er auch jetzt, an-
statt die Gereiztheit der Gemüther und verdeckten Machenschafi;en
« Oest. Beob. Nr. 163 vom 2. Juni, 8. 828 f.
^ C. L. Rasini an Confalonieri, Mailand, Mai: ,Gli impiegati di qualunque
Borta si confermano nel loro posto, e quindi ecco di niiovo in trionfo
quella sentinadi g^nte che rovina il nostro paese*. Vgl. Alberico Felber
an denselben: ,qaella immensa torba di canaglia che ci circonda an-
coraS Federico Confalonieri Memoire e Lettere pubblicate per cura
di Gabrio Casati, Milano, Hoepli, 1889, II, 296—298.
4ß8
aller Art zur Ruhe zu bringen^ diese Stimmung begünstige und
ihr neue Nahrungsstoffe zuführe. Als die provisorische Re-
gentschaft endlich der gereizten Volksstimmung nachgab,
wurde er nicht einfach von seinem Posten entfernt ^ sondern
auf einem der Richterstühle beim Cassationshofe in Sicherheit
gebracht.
Inmitten der aUgemeinen Strömung^ die den eingetretenen
Umschwung mit Freuden begrüsste, weil sie in dessen Gefolge
die Behebung jener Uebelstände erbhckte, über die sie sich
zur Stunde noch zu beschweren hatten, und im geraden Gegen-
satze zu jenen Mailänder Kindern, die den Ki*ei8 ihrer Lands-
mannschaft nicht eng genug gezogen haben konnten, gab es
verschiedene Gruppen von Unzufriedenen, die nichts so sehr
besorgten als eine Verkleinerung oder Theilung des Gebietes,
welches das bisherige Königreich ItaHen gebildet hatte, und
in dessen weitem Umfange Platz für Posten und Anstellungen
war, die sie im entgegengesetzten Falle möghcherweise verloren,
welche folglich, weit davon, den Mann von der Agogna als einen
,Fremden' abzuweisen, das gemeinsame Vaterland so gross als
möglich haben wollten.^
Ernste Bedenken konnte die Stimmung in den Kreisen
der italienischen Armee erwecken. Ihre Regimenter befanden
sich zur Zeit noch in allen wichtigen Gamisonsorten, zumal um
Mantua und um Brescia, und bildeten — nach der Truppen-
zahl, wie solche in den HeeresUsten geführt wurden — eine
achtunggebietende Macht. In Wirklichkeit waren freilich ihre
Reihen gar sehr gelichtet, da Ausreisserei mit dem Zeitpunkte
begonnen hatte, wo es mit dem Königreich Italien abwärts zu
gehen angefangen; es bildeten sich daraus, nebenbei bemerkt,
ähnhche Zustände heraus wie jene, über die Ftb:^ Reuss im
Venetianischen zu klagen hatte. Und wenn der gemeine Mann
in die Berge und Wälder lief und zum Banditen wurde, so
gingen die Oflicicre, besonders die höheren, unter die Ve^
schwörer. Sie konnten die glorreichen Zeiten des Schlachten-
kaisers und ihrer eigenen aUgebietenden Herrlichkeit nicht ver-
gessen —
1 Lodovico De Breme an Confalonieri 16. Mai a. a. O. 11, 302: ,Qaale
smania prende ora ai Milanesi di attaccarci ad essi, mentre non si cessaTt
mal tin qui di chiamarci forestieri e di ricordarci all" uopo che siam
Piemontesi, perchö appunto deir Agogna?*
469
oin Reich von Soldaten wollt* er gründen,
die Welt anstecken und entzünden,
sich alles vermessen und unterwinden . . .
Stolz und Uebermuth bäumten sich bei vielen von ihnen
dagegen auf, fortan mit jenen Ocsterreichern Kameradschaft
eingehen zu sollen, auf die sie seit zwei Jahrzehnten vornehm
herabzusehen sich gewöhnt hatten. Herren dieser Sorte redeten
sich allen Ernstes ein, sie seien es gewesen, vor denen die
Oesterreicher in hundert Schlachten , davongelaufen': sie sprachen
mit mitleidigem Achselzucken von der ,Unftlhigkeit der öster-
reichischen Generale*; sie spöttelten über die ,armseligen Kroaten
und Slavonier, Panduren und Böhmen^
Auch die Bürgerwehr in Mailand, in der letzten Zeit bei
9000 Mann stark, barg schlimme Elemente, in denen vielfach
der alte republikanische Geist der Cisalpina wieder erwachte.
Aus ihren Kreisen vorzügUch gingen Maueraufschriften ,Indi-
pendenza o morte' aus, wurden Aufrufe vorbereitet, um sie im
geeigneten Augenblicke unter die Menge zu werfen ;^ in ihren
Reihen wurden jene riesenhaften Pläne ^ ausgeheckt, zu deren
Ausfuhrung ihnen nichts als der Muth und die Mittel fehlten.
Man muss wohl sagen, es war nur ein Bruchtheil der ge-
bildeten Classen Mailands, die sich in den Netzen derartiger
Utopien verfingen und die, wälurend die letzte Entscheidung doch
nur von Paris ausgehen konnte, ihre Blicke immer wieder nach
jener Seite richteten, von der ihnen Männer wie Bentinck und
M'Farlane beistimmend zu winken schienen. Lord Bentinck galt
den Missvergnügten in Mailand als der eigentliche Freiheits-
bringer für ItaHen, und an diesen wandte sich Baron Sigismondo
Trecchi, ohne dass wir erfahren, ob aus eigener Eingebung
oder ob und von wem er abgeordnet worden. Er war ein
jüngerer Mann und in seiner Vaterstadt für einen von der Anglo-
manie angesteckten Elegant bekannt. Bei der Zusammenkunft,
die er mit dem britischen Lord in Genua hatte, soll eine Fahne
in den italienischen Farben eine Rolle gespielt haben; es wird
aber beigefügt, es lasse sich nicht sagen, ob Trecchi die Fahne
1 ^dee gigantesche*, Felber an Confalonieri a. a. O.
Archiv. Bd. LXXVI. H. Hilfto. 31
470
dem Lord überbracht oder umgekehrt letzterer sie dem Mai-
länder Baron ,als Zeichen der Aufmunterung' gewidmet habe.*
Um die Monatswende von April und Mai erschien General
M'Farlane im Auftrage Bentinck's in Mailand^ wie es hiess^
um, etwa infolge von Trecchi's Besuch, die Stimmung des
Landes zu erforschen.' Wenn er sich dabei an die goldene
Jugend hielt, die im Opemhause den Ton angab, so konnte er
sich die öffentliche Meinung nicht günstiger für die Engländer
wünschen: so oft sich M'Farlane in der Scala zeigte, empfing
ihn rauschender Beifall, während dieselben Leute, die ihm den-
selben spendeten, beim Erscheinen des Commissars der ve^
bündeten Mächte in eisigem Schweigen verharrten. Auch ügo
Foscolo machte sich jetzt wieder zu schaffen. Er wühlte unter
den Offi eieren, seinen ehemaligen Geftlhrten: ,man müsse es
von Oesterreich in Erfahrung bringen, was es aus uns zu machen
gedenke, aus den Witwen und Waisen unserer auf dem Felde
der Ehre gefallenen Kameraden, aus dem ruhmvollen Namen
unserer Waffengenossenschaft'. Auch bei den Oßicieren der
Civica fand er Unterstützung. Gerade in diesen Tagen, 2. Mai,
war an die Bürgerwehr der Befehl ergangen, die Waffen nieder-
zulegen und ihren Präsenzstand herabzusetzen, ein Gebot, das
nicht geeignet war, die in diesen Kreisen herrschende üble
Laune zu bannen. Ohne Zweifel unter Foscolo's Mitthun wurde
eine Beschwerdeschrift abgefasst, die er dem General M'Farlane
überreichte; von den näheren Umständen dieser Zusammenkunft
ist nichts Verlässliches aufbehalten.
Das aber leidet keinen Zweifel, dass dieser Schritt selbst bei
der Mailänder Unabhängigkeitspartei keineswegs allseitige Billi-
gung fand, da die besonneneren Köpfe sich gegenwärtig hielten,
dass eine endgiltige Entscheidung doch nur von Paris ausgehen
könne. Ihnen war Foscolo ein unbequemer Stänker und Störe-
fried, sie suchten den aufdringlichen Patron in dieser kritischen
Zeit auf Reisen zu schicken und vermochten den Genei'al Pino,
ihm eine Sendschaft ins Toscanische zu geben, um die von der
Insel Elba rückkelirenden Truppen nach Mantua und Cremona
zu fiihren.3 Foscolo soll bei dieser Gelegenheit nach Genua
^ jfcttide 38. 2 ,Per esploraro lo circostanzo dol paese*; Pelber an Con-,
faloiiieri a. a. O. IT, 296.
3 Nach Rasini, der von Ausreissem von der Insel Elba spricht, liatt^
Foscolo sifi zu iiberroden, ,per non trovarsi coli col nnovo abitatore di
471
gekommen sein und sich Bentinck vorgestellt, haben, ,iim die
verrathene Ehre der italienischen Armee unter britischen Schutz
zu stellen'; der Lord, heisst es weiter, habe sich ziemlich un-
freundlich über Oesterreich ausgesprochen, zuletzt aber erklärt,
dass er in der Angelegenheit nichts thun könne, Foscolo und
seine Beauftrager hätten das unter sich selbst abzumachen.
Diese oder eine ähnliche ausweichende Antwort hat die
innere Wahrscheinlichkeit für sich, da der edle Lord nun schon
nicht mehr im Unklaren sein konnte, dass sein voreiliges Auf-
treten in Genua keineswegs die Billigung der Mächte ftlr sich
habe. An demselben Tage, wo Bentinck in seinem Aufrufe die
Wiederherstellung der genuesischen Verfassung verkündet hatte,
war von Lord Castlereagh an ihn die Nachricht ergangen: es
sei König Victor Emanuel eingeladen worden, von seinem fest-
ländischen Erblande ohne Aufschub Besitz zu nehmen. Die
Einverleibung der alten Doriastadt war damit allerdings nicht
ausgesprochen; aber es folgte aus Baris 6. Mai die Mahnung
nach: ,Seine Herrlichkeit möge einstweilige Vorkehrungen in
keinem andern Sinne tröffen, als dass solche der künftigen po-
litischen Gestaltung in diesem Theile von Europa nicht vor-
greifen und bei der Einwohnerschaft nicht Erwartungen erregen,
die dann nicht erfüllt werden könnten;' auch den österreichischen
Generalen gegenüber sei Vorsicht geboten: ,Eure Lordschaft
sind so entfernt vom Sitze der Berathungen der verbündeten
Mächte, dass ich wünschen muss, dass von Ihrer Seite kein
Schritt geschehe, die Gährung zu nähren, welche in diesem
Augenblicke in Italien über Regierungsfragen zu herrschen
scheint.^ *
qnei pacsi, a portarsi ai loro corj)! . . .* Was im AI Ipj^eni einen die da-
malige SteHnng Foscolo's betriflFt, so ist es von Interesse, die Urtheile
der modernen Mailänder Geschir.htsehroibnnK' mit jenen von Ufjo's Zeit-
genoMen zu vergleichen. Jene verliorrliclieu ihn als edlen Märtyrer fiir
den italienischen Gedanken; wo gleichwohl etwas vorkommt, was dazu
nicht stimmen will, wie seine nachmalige Annäherung an die österreichi-
schen Gewalthaber, bleibt kein Mittel der Beschönigung solcher Schritte
nnversncht; denn er kann ihnen nicht hehr und rein genug dastehen.
Wie die Zeitgenossen dachten, haben wir oben im Texte gesehen. ,Si
riconobbe infine la necessitA, di allontanarlo^ schreibt Rasini an Con-
falonieri II, 299, also ein Italico puro an den andern, und bezeichnet
ihn als ,capo promotore del partito che inquietava il paeseS
» Castlereagh, Despatches HI, (X), 508, IITj (XI), 14 f.
472
9.
Von den Abgeordneten der Mailänder Wahlcollegien war
Graf Federico Confalonieri der erste an seinem Platze; er traf
am 30. April morgens ,mit seinem Begleiter* — ohne Zweifel
dem Secretär der Deputation Marchese Beccaria — in Paris
cin^ hatte also die Reise in der fllr die damaUgen Verkehrs-
verhältnisse ziemlich kurzen Frist von sechs Tagen aüsgefährt
Die militärischen Abgesandten des Prinzen Eugen^ die Generale
FontaneUi und Bertoletti, befanden sich noch in Paris. Der
erste hatte anfangs den Mund ziemlich voll genommen: ,35.000
italienische Bajonnete würden unter allen Umständen das Land
dem Vicckönig erhalten haben'; seine Grosssprecherei hatte
indess nicht lang gedauert und war nach und nach zu der
Versicherung zusammengeschrumpft: ,er habe dem Prinzen trea
gedient; jetzt beuge er sich dem Willen der Nation.' Bertoletti
spielte den Erkrankten. Confalonieri konnte sich wohl den
Grund sagen: ihre Mission war gescheitert, wie die seine
scheitern sollte, denn dies erkannte er gleich in den ersten
Tagen.
Mit welchem Auftrage, mit welchen eigenen Ideen und
Plänen war Confalonieri an den Sitz der jetzt weltgebietenden und
welttheil enden Verbündeten gekommen! Der Zweck der Sendung
war: von denselben ein selbständiges Königreich ItaUen mit
eigener, von den Wahlcollegien zu berathender Verfassung zu
erbitten. Die Frage der Persönlichkeit des Monarchen war bis
zur Stunde eine offene. Da das Uebergewicht, ja das Allein-
gcwicht Ocsterreichs in den Angelegenheiten des Po-Landes
weder zu verkennen noch zu leugnen war, so dachten die meisten
an einen österreichischen Erzherzog, etwa den Erzherzog Franz
von Modeua-Este ,di sangue misto austro-italico^ Confalonieri filr
seine Person scheint von allem Anfang nach einer andern Seite
geblickt und sich als letztes Ziel etwas Neues vorgesetzt zu haben.
Er dachte an die Vereinigung von ganz ItaUen in einen Staat;
verhere dadurch Mailand seinen hauptstädtischen Glanz, so sei
es besser, dass Italien eine Grossstadt habe, als jedes seiner
Länder seine kleinere oder grössere Hauptstadt; als möglicher
Mittel- und Einigungspunkt galt ihm die savoyische Dynastie
,gik la piü forte deir ItaHa norica^
Doch die
SthritK-, die er iiotl seine bald
^^tommcnen Genossen — Trivulzio und Sonimi am 3. Mai,
Lit(R und 8oma^Iia am 4.; Graf F^. Hess bis zum 13. auf ^IlIi
iviirten ^ in der franzfisischen [{»uptstadt machten, und die
.Schuppen fielen ihm von den Augen! Am dritten Tage nach
seiner Ankunft schrieb er seiner Gemahlin: ,Das Venotianische
und die Lombnrdie sind unwiederbringlich Oesterrcich über-
liefert; möge diese Krone auf das Haupt eines imabhängi^en
Fürsten gesetzt werden, und unsere WUnsehe sind erMIt; uia
rnrizonte su di cio mi fa tremare'. Und am 4. Mai: ,Oesterreich
ist der Gebieter, der nnum schränkte Herr unserer Geschicke. Es
handelt sich nicht mehr danun, von den hohen Mächten eine
freisinnige Verfassung, Unabhängigkeit, Königreicli ftlr sich etc.
zu verlangen; es handelt sich gehorsamst zu erbitten, was ein
Herr uns wird gewähren wollen." Gleichwohl mussten sie ihre
Schritte thun, denn dazu waren sie hergesandt. Am 7. hatten
sie Audienz heim Kaiser Franz. Er trat ihnen freundlich ent-
gegen, aber nicht um sie zu hören, sondern sie hüren zu lassen.
Jhr gehört mir,' das waren seine ersten Worte, ,nBch dem
Keclite der Abtretung und nach dem Reciite der Eroberung.
Ich liebe euch als meino guten Unterthanen, und als solche
wird mir nichts näher am Herzen liegen als euer Heil und Wohl.'
Man konnte nicht einschmeichelndpr, verheissungsvoller, väter-
licher sprechen, als es der Kaiser in der halben Stunde that,
welche die ,frcuildsc haftliche Unterredung' dauerte; ,doch er
Sprach als Herr! Von Bedingungen und Zugeständnissen', wie
Confalonieri nach Mailand schrieb, , konnte keine Rede sein'.
Als er oder ein anderer von den Abgeordneten eine An-
spielung iinf die übrigen Gebiete des Königreichs Italien machte,
8^e er freundlich, aber entschieden: .Königreich Italien, nein,
weil ich meine Augen nicht auf das richte, was einem Andern
gehören muss.'
Prinz Eugen Heauhamais war zur selben Zeit in Paris,
von Ludwig XVHI-, wie früher erzählt, in auszeichnender Weise
empfangen und behandelt. Die Mitglieder der Mailänder Ab-
ordnung wichen ihm aus, was ihn verletzte, was aber bei der
Natur ihrer Sendung, die ja auf seine Fernhaltung gegründet war,
kaum anders sein konnte. Eines Tages trafen sich Eugen und
Confalonieri im Voraaalc Castle reagh's und standen einander Aug'
^b^ug' gegenüber, für den Prinzen kein behagliches Zusammen-
ircffou.' Ee v-ar dies an^detu Tage «xler Vorb^^ wo üo ^«tllDdcr
Herren bei dem britischen Stinisler des fSjiswärtiffen voreprcchoi
sotitcu. Sic htitten bereits vertrauliche Unierrcdungen mit den
Ministem Nessohwdc und W'ilhelni v. Humboldt, mit Porw> di
Boi^ gehabt, ohne von einem derselben etwas Tröstlicheres er-
fahren zu kOnneu; Hunibuldl Damcntlieh liess nielit undeutlich mer-
ken, daasPreussen. das starke GritTe ins deutsche Gebiet zu machen
vorhatte^ Oeslcrreich neidlos seine italienischen Erwerbungen
^nne. Bei der Zusammenkunft mit t'asllereagh soDie ConGi-
lonieri den Sprecher machen, der überhaupt, obwohl er dem
Alter nach zu den jüngeren SlitgUedem der Ueputalion gebarte,
so ziemlich die erste Rolle unter ihnen spielte. Bei dem britbchen
Lord war es C'onfalonieri hauptsnchlieh darum zu tfattn, dw
Verfassungsfrage in den Vordergrund zu aellcn und hiefaci anf
das leuchtende Beispiel der engUschcn Zustande hituraweiscii.
In höchst bezeichnender Weise für einen Briten, dem ja doch
9cine Einrichtangon über Alles gehen. lehnte Castler«agh diese
Uerufiuig ab. England, metnio er, sei mit derlei Nachbüdin^eii
und L'cbertragungeu nicht immer sehr glücklich gewesen: wa»
Kogbuid seit altenhor Ntrtzen bringe, mftsae djmtm, oea einge-
fiiltrt in Landern mit ganz anderen äitten und Anschammgco,
nicht von Reichem Vortheil sein. ,Wir haben damit erst jQi
eine soldte Erfidirung in 8kitien gemacht: miaen Vm
konnte in jenem Lande nicht Wurzel taasen, ae <
andern niössen.' Was übrigens ücaterreich betreffe, fahr er i
»1 sei dios eine Begitning, gcgeo wddie sich beaandvn m
»chriDEcn dio Unbsttluuwn mAt vHUiig bitten. .1» i^' ticschicfale
dieses Hauses Ins aof den heutigen Tag finden wir k«i
Spur von LVbrrbebang in der flacht oder Gewalt; '
fvhlt eher dtovfa den Mangel i^leher l^ngc ab dncli I
Ucbcmiass dvr«clbi>u. Ich s|<rvTiie offen an Ihnen und i
Ihnen meine Vnterstfltznng nicht enlxM-hcD. wenn ich Sie
cinMn cismH'ti Jucbe nberliefert sAhe.. Mrie das franxTisisehe war,
das Sic w «bot abgeschottelt haben, i^- wer
KaiMr emcn gUon Hem habou.' Die l'iiti-rrr
AbndecB war kUmrr.
er äfiract
gMeben ^inne.
Alt IVmUhigung erfuhrrn sti- v^m Seite drä Kaiser? 1
Mit 4« Piiaaoa g^Witim: Sm^mai *pM* la 4ic>>tl <Q ml* t
Bfrc ilmcu gleich angckilndi^rt wurilo, duss sio der Czar tiii^lil
aU DepuIatioQ empfunge, sondern als hervurragL'ude Italiener
(Italiuui iUiislri). Bei der Audienz selbst richteten siu gar nichts
au6, sie kamen nicht einmal recht zum Wort. Zuerst Confalonieri
und ein zweitesmal Litta versuchten dem Geaprituhe eine po-
litiEchi; Wendung zu geben; beidemal fiisl ihnen Alexander in
die Hede und brachte diese auf gleichgiltige Gegenstände. Zu-
leUit entlieea er sie, damit sie ja nicht vergässen, wofUr er sie
lOmnien, mit dem Ausdrucke seiner Befriedigung ,de m'ötre
icurö par cette occasion le plaisir de faire votre connaissanee
individnelle,'
Bevor er Paris verliess, um in seine Erbstaaten zurück-
zukehren, wollte Kaiser Franz seine Mailänder noch einmal
sprecben, um ihi-e Anliegen und Wünsche zu vernehmen. Der
Xlmpfang war auf den 27. um 5 Uhr nachmittags festgesetzt.
Audienz trug das Gepräge einer wo möglich noch freieren
rugczwungenhcit als das erstemal. Die Mailänder konnten das
[erschiedenstc vorbringen; die Antworten, die ihnen zutlieil
■den, werfen neue Streiflichter auf den Charakter jenes mcrk-
■digen Monarchen. ,Ieh rechne auf Sie,' sagte er als Begi-üssung,
Sie^ in Ihr Land zurückgekehrt, dasselbe von meinem
■ichtigen Wille u unterrichten weriien, das Wohl meiner
Unterthancn unwandelbar zum Ziele zn haben.' Ala die Ab-
geordneten etwas Näheres, was sie ihren Mitbürgern zusagen
kltnntcn, ,Bperanzu positive', zu wissen wlluEchten, erwiderte der
tcr: flu\i werde thun, was ich kann; ich liebe es uicht, viel
iprechen, aber zu hidteu.' Ob Seine Majestät nicht für
linden wolle, die iltiUenischeu Truppen gesondert und bei-
zu halten? ,Sie werden in eigenen Kegimenl«rn bci-
bleiben und ihre alten Dienste sollen nicht vergessen
aber sie müssen sich fügen leraun und von einem gc-
len aufrührerischen Geiste lassen, von dem sie sich, wie man
Mailand schreibt, oriWlt zeigen, sonst werde ich zu
iereu Mitteln greifen müssen.' Einen heiklen Punkt bildeten
sogenannten NationnlgUter, das in der Zeit der Revolution
Privateigenthura Übergegangene öffentliche Gut, und os ist
bekannt, dass mehr als eine der wiederhergestellten Regierungen
diesen Besitzwechsel nicht anerkennen wollte. Nicht so der
Kwser von Oesterreich; ,Io ho riconosciuto Napoleone per Icgit-
.tipio sovrano, devo rieonoscere ijuindi legittimi gli atti di lui.'
476
Diesen Standpunkt nahm er auch bezüglich der weggeftlhrten
Kunstschätzc ein, welche die Italiener zurückgestellt wünschten.
Er begreife dieses Begehren, meinte der Kaiser, und er selbst
wünsche, dass dies geschehe; ,ma fe un affare delicato*, besonders
rücksichtlich jener Oegenstilndc, die den Sammlungen des Louvtc
einverleibt seien. Aber, warfen die Mailänder ein, es befinde
sich Privateigenthum darunter, namentlich der Familie Borromco.
,Das ist etwas Anderes: was Privatgut ist, das schliesst jeden
Zweifel aus, es muss unter allen Umständen herausgegeben
werden/ Die künftige Einrichtung des Landes wurde erwähnt,
die Eigenthümlichkeiten der Sitten und Anschauungen; ein Bei-
rath von Landesangehörigen, meinten die Abgeordneten, würde
die beste Auskunft geben. , Seien Sie überzeugt, dass ich nichts
Wichtiges unternehmen werde, ohne die Ihrigen zu hören, sie
zu Käthe zu ziehen.* Die Schifffahrt auf dem Po, die freie Aus-
fuhr des Getreides und hundert andere Angelegenheiten wurden
berührt und in der leutseligsten Weise von einem Monarchen be-
schiedcn, der dabei nicht eine Linie über die von ihm unver-
rückbar eingehaltenen Grenzen des Selbstherrschers hinaus-
schritt.
Die Audienz hatte wohl über eine Stunde gedauert, und
wenn die ,reinen Italiener', aus denen ja allein die Abordnung
zusammengesetzt war, in dem, wozu sie hergeschickt worden,
von Anfang bis zu Ende nur eine grosse Täuschung erfahren
hatten, so mussten sie sich halb wider Willen gestehen, dass
sie es mit einem Gebieter zu thun hatten, der die besten Ab-
sichten hegte und dessen Herablassung die freieste Meinungs-
äusserung gestattete.^ Sie hatten jetzt in Paris nichts mehr zu
* ,A tutto cio era dak) luogo dair estrema affabilitÄ di quel Sorrano' —
aus dem Munde eines Italiano purissimo ein doppelt werthvolles Zeug-
niss. Ich habe kaum nöthig, beizufügen, dass die ganze obige Darstel-
lung den sehr ausführlichen Berichten des Grafen Federico Confalonieri
(Lottere II, 3 — 44) entnommen ist, Briefen an seine Gemahlin, die ge-
feierte Teresa Casati, vom 30. April, 3., 4., 8., 13., 14., 18., 22., 23., 28.,
30. Mai, 3. bis 11. Juni aus Paris, 16. .bis 30. Juni aus London, dann
dazwischen seinem Berichte vom 18. Mai ,al conte Carlo Verri, presideute
dolla Keggensgi provvisoria di Ooverno*. Die erste Audienz bei Kaiser
Franz 9 — 11, jene bei Ca.««tlereagh 16 — 22, die zweite Audienz beim
Kaiser 26—29. Manclie kleinere interessante Züge laufen nebenher,
z. B. wo ihm gleich am ersten Tage die vielerlei fremdländischen Truppen
auffallen: ,Tedcschi, Prussiani, Bavari, Sassoni, Russi'; seine Auslassungen
^Kan und sehnten Ah' Abberufung st^iti^ns ilirpr Vollmachtgebci-
Hd Mnilsnd horboi, um auscinsmlcr gelten zu künncn. Krst am
B»< Juni fftnd dies etntt, die Deputation erklitrte sich fllr nuf-
■|däst, Graf Ffc war bereits abgegangon, Trivulzio und Sommi
Bistcn eine Reise nach Holland und in die Schweiz an, Ballabio,
^hotanolli und Confalontcri unternahmen einen Ausflug nach
^Binidoti, wo einige Tage später aueh Litta und Smuaglia eintrafen.
^k Nur Ciani und Becearia kehrten unmittelbar naeh Mailand
^■ri\ck, wohin auch wir uns begeben mlissen, um nach diesem
^Br Zeit voraneilenden Zwischenspiele nachzusehen, was sieh
BaBlerweilc in der lorabanlischen Hauptstadt zugetragen halte.
i 10.
■% Am K Mai IÖ14 war der kaiserliche Fcldmarschall firaf
HpeDegardcandor Spitze von 12,000 Mann in Mailand cinmarschirt,
Hbnitruppen, besonders die guten Pferde fielen auf; drei Tage
Bj^tt-'r kamen 5000 nach; die festen Plfttze und wichtigeren
BBlttdte hatten kleine Oarnisonen.
^h. Die Bellegarde, ein wallonisches Geschlecht, später in
^BToyen ansässig, haben hilufig auswärtigen äouveraincn iu Krieg
^hd Frieden gedient und den Namen ihres Hausos vielseitig
Iprdient gemacht. Graf Johann Franz war Obersthnfmcister der
Prinzen Xaver und Kari zu Dresden, als ihm 29. August 175fi
ein Sohn geboren wurde, den wir, Heinrich mit Namen, schon
1771 in der auBgozeichneten Reiterschaar der Gardcs du Corps
finden; er hat bis in sein höchstes Alter den Ruf eines ebenso
■gewandten als eleganten Reiters genossen. Im Jahre 1772 ver-
tauscht der kaum sechzehnjährige Graf den kursilchsi scheu Dienst
mit dem kaiserüelien und wird Lieutenant beim Dragonerregiment
Zweibriicken. Meister in allen ritterlichen Uebungen, von einer
..einnehmenden Persünlichkeit, eifrig im Dienst, maasvoll in seinem
Aber Fontniielli (5 .a^isce |>axiuiniente') oiler über ilon Z»r. Erat nauli
P&ris gakoimiion, spricht er von den liberalen Nuiguiigon dk'Bes Mun-
t »Tthon: ,il «iel fnccin oho i me»«i che porrii a qiiesla ^Htido o]iern iion
b'tndiBMno le aae intenKiuiii' (4); niioh der Auilienz (Sit) bat er nur Ai»-
k drfleke des Spottes Über ihn: ,1' IniporaCnrf AlesMuidro Kpm|ire comU'a
Lr'nelle auo idee Mvftlleresi-nineDta cssltale'; wie Alexnnder den ärnffii
7 ron Artois nnd den von den Bnnrbons verachteten Cnnlaincourt xu einer
I Tafel Iftdet (31); wie ,tiitUi lo sCono de'snai diplomntici' on^ncenilet
I werden mniiit«, um ihn abxnhalt«n, als Loidtragender beini Btjgrahniaa
der Kuiaorin Jueofine xn erscheinen (33) x. d^^l. in.
J
d
478
Benehmen und Gebahren, weiss er seine Mussestunden fem von
ausschweifenden Zerstreuungen der Jugend zur Vermehrung seiner
Kenntnisse, zur Bildung seines Geistes zu verwenden. Seine
Laufbahn ist eine rasche: 1778 und 1779 Rittmeister in den
Feldzügen gegen Preussen, 1781 Major, 1784 Obristlieutenant^
1785 Obrist. Der 9. September 1788 verzeichnet seine erste
Waffenthat: an der Spitze von vier Schwadronen des inner-öster-
reichischen Dragonerregimentes Berlichingen (Nr. 1) wirft er in
dem Treffen bei Beschanie die Türken und führt dadurch die
Entscheidung des Tages herbei. 1792 zum Generalfeldwacht-
meister befördert, legt er im Jahre darauf am 17. August im
Marmoler Walde, am 12. September mit Obrist Fürst Johann
Liechtenstein bei Avcsnes le See, am 15. imd 16. October in
der Schlacht bei Wattignies, wo er den rechten Flügel comman-
dirt, dann im Feldzuge von 1794 bei Cateau (17. und 20. April)
an der Marque und bei Templeneuve (17., 18. und 22. Mai)
wiederholte Proben umsichtiger und erfolgreicher Tapferkeit ab
und erwirbt sieh die belohnende Auszeichnung des Theresien-
kreuzes. Im Jahre 1797, bereits Feldmarschalllieutenant^ wird
er mit General Graf Merveldt nach Leoben zur Verhandlung
des Waffenstillstandes mit dem jungen Buonaparte beordert
Bald darauf finden wir ihn wieder im Felde, 1799 als Ober-
befeldshaber in Tirol, wo er durch seinen Sieg bei Taufers
am 4. April gegen Lecourbc die Verbindung mit Deutschland
herstellt,^ dann in Itahcn unter Suwarow, wo er gegen des
letztem Weisung am 20. Juni, den geeigneten Ort und Zeit-
punkt erfassend, das Treflfen bei Casinagrossa wagt und gewinnt,
wofür er den nachträglichen Beifall seines Oberfeldherm-Sonder-
lings erntet. Die Rückkehr Buonaparte's aus Aegypten und der
Tag von Marengo bringen Oesterreich um alle Früchte zweier
siegreichen Feldzüge; seine Heere können nicht mehr auf Er-
folge zählen, ihrem jetzigen Commandanten G. d. C. Grafen
Bcllegarde fällt nur die Aufgabe zu, soviel als möglich davon
zu retten und in Sicherheit zu bringen. Bellegarde's Verwen-
dung ist von da an bald im Felde, bald in der Verwaltung,
1805 in Oberitalien, wo er sich in den heissen Tagen von
Caldicro (29. bis 31. October) das Commandeurkrcuz des The-
resienordcns erkämpft, 1806 als Commandirender in Inneröster-
J Rittersberg, Milit. Kalender (Prag 1825) S. 131—134.
^cti, dann iu tJalizicn, 1809 in den Schlachten bei Asperii,
Vsgram and Znaim^ 1810, mit dem Feldmarscballstabe-Kus-
gezeichnet, wieder in Gatizien, sodann als Präsident des Ilof-
kriegsrathea in Wien. Im Jatire 1813 ist er Mitglied der engern
Conferenz, welche die KriegsrQstungen zu betreiben hat, und
arbeitet mit solchem Erfolge, dasa sieh Kaiser Franz gegen
einen seiner Vertrauten äussert: ,l>er Bellegarde hat das Un-
mögliche mtiglich gemacht,'
So zeigt sich uns Graf Heinrich Bellegardc als ein Mann
nach dem Ausspruche des Römers -toga aagoque clarus'; er
hatte achtzehn FeldzUge mitgemacht, darunter vier ab ftbcr-
bcfchlshaber; er hatte wiederholt den Hofkricgsrath geleitet,
zu verschiedenen Malen an der Spitze wichtiger Provinzen ge-
standen und sich in allen diesen Stellungen bewälirt. Denn er
war ein Mann, der in seiner Pflicht aufging, der nichts über
das Gebot und den Dienst seines Monarchen kannte, eine Eigcu-
schnft, die wir bei hohen Mihtärs jener Zeit oft genug antreffen.
,Er war,' sagt sein pietätvoller Biograph, ,ciner der wenigen
Edelsten, welche die Unterordnung des eigenen Kuhmes zum
Vortheile des höchsten Zweckes als eine wohl herbe, aber heilige
Verpflichtung des Feldherrn erkennen.' Das hatte er besonders
in der letzten Zeit, in seinen Beziehungen zu dem zweideutig-
sten der Verbündeten, zu König Joachim von Neapel, gezeigt.
iGltickliehcrwciso,' schrieb er damals nach Paris, , haben uns
seine Schliche und Ränke keinen Schaden bereitet — il n'a
fait de mal qu'ä moi, en me privant peut-fitre d'un peu de
gloire; mais l'armöe, les pays ont ^t^ consorvt^cs, et en bon
toyen c'est un grand motif de coiisolation.'
Graf Bellegarde war von mittlerer Grösse und schlanker
ntalt, seine Haltung soldatisch gerade, aber nichts woniger
I ateif. Er verwendete Sorgfalt auf seinen Anzug, so dass
1 Aeiissercs den Ausdruck stattlicher Ritterlichkeit mit einer
math vereinigte, die als Widerschein seines Innern bei der
ten Annäherung gewann. Ein Militär und Cavalicr von
»enschaftlicher Bildung, gebot er über drei Sprachen, die er
, gleicher Ungezwungenheit, mit gleicher Gewandtheit im
indlichen und schriftlichen Ausdruck zu handhaben verstand.'
> der verdienteBten iiitarrcicliisi^tißia PersOii]ii.-hkeit(Tii dor nnpolcoiii
[ »ehen Periode isl, was wxne Hcrkimft und erslo Ijiiifbalui hfitriffi, v«i
480
Bei seinem Auftreten in Mailand fand Graf Bellegarde
neben der provisorischen Regentschaft sieben Ministerien des
bestandenen Königreichs Italien vor: für die auswärtigen An-
gelegenheiten mit einer Abtheilung in Paris (Minister Conte
Marescalchi) und einer andern in Mailand (Carlo Boi^hi);
für die inneren (Generalsecretär Paolo de Capitani); fllr die
Justiz (Conte Giuseppe Luosi); filr die Finanzen (Graf Barbö);
für Krieg und Marine (Minister-Stellvertreter General Bianchi
der in- und aufliändischen Biographie arg behandelt worden. In Biogr. des
hommes vivants I, sept. 1816, p. 338 f. ist er ,n6 a Chambery vers 1760*.
Ebenso in der Oesterr. National-Encyklopädie I, 1835, also noch za Belle-
garde^s Lebzeiten. Bei Lombroso ,\{te dei primarj Generali eec. dal
1796 al 1815' (Milano, Borroni e Scotti 1843, also noch vor seinem Tode]
II, 428 findet sich die erste Tagesangabe: geboren zu Chambery 18. De-
cember 1760. Der Nekrolog in FrankTs Sonntagsblättem 1845, S. 705 f.,
bringt nur die Jahreszahl 1760, wobei wir übrigens erfahren, Bellegarde
habe 1815 den KOnig Joachim bei Ferrara und Occhiobello geschlagen
und am 2./3. Mal dessen Heer bei Tolentino vernichtet — eine in einem
vaterländischen Dnickwerke unverzeihliche Verwechslung mit Bianchi!
Zwei Jahre nach Bellegarde's Tode erschien dessen ausführliche Bio-
graphie aus der Feder des k. k. Majors im Generalquartiermeisterstabe
Karl Freiherm v. Smola (Wien 1845, Heubner), an dessen Angaben ich
mich in der obigen kurzen Skizze einmal schon deswegen gehalten habe,
weil doch mit Grund vorauszusetzen ist, dass der Verfasser sich ein-
gehender mit seinem Stoffe zu beschäftigen und verlässlichere Nachrichten,
namentlich über die von allen bisherigen Angaben abweichende Zeit der
Geburt, einzuziehen in der Lage war als die bisherigen Notizler. Gleich-
wohl finden wir noch 1851 bei Hirtenfeld und Meynert, Mil. Con-
versations-Lexikon I, S. 352, das unrichtige ,Chambery 1760% aber darauf
das richtige : er sei ,zuerst in sächsische, dann iu Osterreichische Dienste'
getreten, und 1853 in der Nouv. Biogr. generale: ,n6 k Chambery en 1755*.
Nun erscheint Wurzbach 1856, der unsem Helden wieder am 18. De-
cember 1760 zu Chambery geboren sein und ,Jius ])iemontesischen Dien-
sten in Osterreich ische' übertreten lässt; denn die abweichenden Angaben
beruhen ,auf einer Verwechslung mit Bellegarde's Bruder Friedrich, der
1753 geboren war'. Worauf Wunebach diese Entdeckung gründet, wird
leider nicht nachgewiesen, was um so nöthiger wäre, da keiner der vor-
ausgegangenen Biographen 1753, sondern 1756 oder 1755 als Geburts-
jahr angegeben hatte und nach der Todesanzeige der »Wiener Zeitung*
1845, Nr. 204 vom 26. Julius, S. 1593 der Verstorbene ,88 Jahre alt* war,
was zu 1756, aber weder zu 1755 noch zu 1760 passt Hirtenfeld,
Thcrosienorden 1857, IH, S. 756 und die neuesten Conversationslexika
von Brockhaus und Meyer halten sich danim mit vollem Rechte an
Smola. — - Ueber Belleganlo's Erscheinung und Charakter zwei aller-
dings nicht sehr freundliche Urtheile preussischer Diplomaten s. Wert-
heim er, Oesterreich-Ungam H, 390','.
w
p^Ailila); fiii' die geiHtüclien Angel egenhuitcn (Abt Gaetano
Oiudici); ilir den öffentlicheu Schutz (miniatero del tesoro
pnbblico, Minister Graf Veneri). BuUogai-de litsss diese Mi-
iiistcnen bis »iif Weiteres fortbestehcu, nar dasa sit'h sclbst-
vcrsUliidlicli ihr Wirkungskreis auf die in kaiaerttchein Be-
sitz befiudlicLcu Bestaudtbcile des ehemaligen Künigreiehs
Italien bescliränkte. Die Oberleitung der Polizei musste dvr
Fdduiiu'Sfhall in die dgeiio Hand nehmen; er bat aber den
Kaiser, ilim einen verlUsglicheo Mann zur Seite zu gebun, da
ibni Beibat weder im Lande noch auswärts eine geeignete Per-
sonlieldioit bekannt sei.' Ab Gesetze blieben vorderhand die
franzöaiaehen; nur bexüglich der Ehe glaubte Bellegarde den
Bestimmungen des Code Napoleon, ,nach welchen zur üilligkeit
der Khe die priesterliche Einsegnung nicht nothwendig und der
Ehescheidung in mehreren Fällen stattgegeben war, provisorisch
eine den Vorschriften unserer heiligen Keligion angemessene
ichttiDg' geben zu sollen."'
Obwolil in der geschilderten Weise, mit geringen Aus-
imen, in den ersten Tagen so ziemlich Alles auf dem
alten Platze bheb, hielt man sich dessenungeachtet im Publicum
überzeugt, dass eine neue Ordnung der Dinge nicht werde auf
sich warten lassen, besonders als verlautete, Bellegarde habe
nch gegen die tollen Beförderungen durch den General Pino
;eeprochen, dessen Stern damit im Erblassen war.^ Als sich
'ioneri, Guicciai-di und Paradisi im Namen des Senates vor-
len wollten, erklili'te er, sie nur als Einzelpersonen cmpfan-
zu können; sie hatten den kühnen Plan — in mehreren
itliehen Berathungeu in Onsa Alelzi soll dei-selbe ausgebrütet
len sein — sich von dem kaiserlichen Feld mai-sc hall einen
für den 10. zur Abhaltung ihrer , regelmässigen' Sitzungen
erbitten; er schlag es ihnen rund ab.
In Paris war, wie erzäldt, über die künftige (jestalt der apen-
iachen Halbinsel bereits entschieden, am 22. traf ein gewisser
■ A. J. Itelltigfinle an den Kaiser 21. Mai ltji4.
: ,\VeU ei mir den AllerhilclisUn GüHinninigeii vullkomme» an-
in ersiihimi, du» von daui frstea Tag Ihrer Itt^ioruiig diu auf-
hören Rotl, tviu in der Gesetigebtm^ der vorij^eu Bt^gieruiig mit dan
OrundslLUeii Jer katboliauhon Beligiuii iu offeueui und iliroiiteni Wider-
epmuhe steht, habe ivh den EhegeaeUeii' eto,
ai au Coufatuiiieri II. Mai: ,Oii<la t\ieiiaaui che le iwsa pomino an-
il«r iiieglio' .1, (1. O. 301»,
482
Fiocclri als Eilbote Confalonicri^s an die. provisorische Regentschaft
mit dieser Nachricht in Mailand ein.* Am 25. erschien die erste
Kundmachung mit dem kaiserUchen Doppeladler an der Spitze:
sie betraf die Ernennung des kaiserlichen Feldmarschalls als ,Be-
voUmächtigter Commissar flir die zu der ehemaligen österreichi-
schen Lombardei gehörigen Provinzen^, inbegriffen das Alan-
tuanische und jene Departements am linken Ufer des Po, die
nicht vom k. k. General-Gouvernement von Venedig abhängig.'
Bellcgarde erklärte am Tage darauf die WahlcoUegien für auf-
gelöst, Senat und Staatsrath fUr abgeschafft; die annoch be-
stehenden Behörden erhielten die Weisung, nach den in Kraft
bestehenden Gesetzen ihre Geschäfte fortzuführen, in zweifel-
haften Fällen sich an ihn zu wenden. Den Vorsitz in der
provisorischen Regentschaft, die einstweilen belassen wurde,
nahm Bellegarde für sich selbst in Anspruch; Graf Carlo Verri
war somit abgedankt.^ ,Die Regenz', berichtete Bellegarde
am 31. Mai an den Kaiser, ,hat bis jetzt die souveraine Gewalt
ausgeübt; jetzt ist sie die oberste Behörde, welche mit mir und
unter meinem Vorsitz die mir allergnädigst anvertrauten Pro-
vinzen im Allerhöchsten Namen Eurer Majestät verwaltet. Die
Verordnungen gelangen von mir und der Regenz zum Vollzug
an die Ministerien und von diesen an die Präfecten, Intendanzen
und sonstigen Unterbehörden^
. Eine neue Ordnung der Dinge war somit in Scene gesetzt,
die österreichische Partei war in vollem Siege, die Feinde der
gestürzten Grössen brüteten Vergeltung und Rache. GefUng-
niss, Galeere, Galgen, zum mindesten Verbannung waren di6
Strafen, welche die neue Regierung, so meinten sie, allen müsse
zutheil werden lassen, deren feindselige Gesinnung bekannt sei.
Das war jetzt die Zeit, wo das Späher- und Angebcrthum seine
Blüthen trieb; kein Tag, wo nicht von Ungenannten oder auch
von Genannten, die sich wohldienerisch an die jetzigen Herren
^ Offenbar jener Bericht vom 18., dessen in der Anmerknng 1 zn S. 476
gedacht worden.
* Die Allerhöcliste Entschliossnng datirte vom 14. Mai; Oest. Beob. Nr. 157
vom G. Jnni, S. 846.
3 Marchese de Rremo an Confalonieri 26. Mai (JI, 305): ,Ogfgi il »ig^or
Conrpiistatoro a preso lo redini in mano, togliendole da quelle di Verri
e della Reggenza, sebbeno di codesta faccia le viste ancora di non et»er
lui ehe il prinio. Figuratevi qnanti visi d'arrabbiati r* incontrano.*
des Tages herandrängten, giftgeschwoUene Anzeigen und Auf-
forderungen 8U behürdlichem Einschreiten überreicht wurden,
die BeUegarde meist ohne sie zu lesen ins Feuer warf. Dazu
wurden allerhand Presscrzeugniase aus der abgelaufenen Zeit,
J>ruckwerke von ,Jan8enisten' und ,Athei3ten', von ,Jacobinorn'
id jRepnblikanem' als Beweise des gefährlichen Geistes, den sie
bannen habe, der Polizei angesteckt. Den dankbarsten Stoff
Terten in dieser Richtung noch immer die Freimaurer wegen
ir grossen Verbreitung in allen Zweigen der Verwaltung und
Heeresdienstes, und überhaupt wegen der Bevorzugung,
deren sie sich unter dem früheren Regiment zu erfreuen hatten.
Auf vertraute von Raab nach Wien geleitete Denkschriften und
Anzeigen und in deren Folge aus Wien herablangende Befehle
de der Stand der Freimaurer sowohl in der Lombardei als
Venetianischen personenweise erhoben, nnd da zeigte es
HCb in der That, dass es keine Schichte in den besseren Ore-
sellschaf^classen gab, Civil und Militilr, Laien, aber auch Geist-
liche, in denen dieser Geheimbund nicht seine mitunter sehr
zahlreichen ZugehUrigen besnss.' In Mailand hatten vier Logen
bestanden: Imperiale Carolina, Reale Gioseftina — nach der
Kaiserin Joseline — , Reale Eugenio und Reale Amalia Augusta,
der Vicekünig war Grossraeiater über alle gewesen, über ihm
hatte der Kaiser in Person gestanden.* Doch hatte sieh
K
<i A. J. 1SI4. Bell, zu 2103 ad 83 Soiei Hii^h ititlieninch nnd in rl^uticher
Uebarae<Uiing ein anonj-raea und nndatirtsH iiefüge« Hämoire gi>gen dio
Freimiiiinir, mit sehr vielen persDiiUvheii Nütiien und Cliartikteristiken;
e.i iit nn den ,Onoriiliiuiiniii Signor Ci>innii«HAriD dt Polixin' gerirlil^t, also
entwtvl^r an Valrnsgini in VeMn.i «der iliirch dipBPn «n Raab in Padii.i.
TfirfiiMer war der Adrocnt Dr. Zanetti in Voronn, ein .ibgennj^r Feind
iim fnuiiniiischen Regiments.
A. X. O. Ü32G xd 83, wo Herr v. Raab einen .Blenco' der Uailitnder Ft«U
manrer an den Pnlixeiiir&tidenten llnrnn Ilnger sendet. Dan »ehr nnnien-
raiolie Vene'ii^hnisa nntentisheidet .Prntelli di prima Classe' nnd nolclie
,di secuiiiln'. An der Spille jener «tohen gesell riehen: .Nspoleone Bona-
luule. Eugenio. Mel*i d'Eril Dum, di Lodi Giuu'da R'ig.; dann fol^n
n. a. Conte Feneroli Oius. Gr. ltlBg;^iordaina. Müreacalchi Ferdinando,
Taociuri, Hinistr« dell'Intamn. Fontnnelli Aebille. Pina Domenifo, Gr-
nerals Kv. Hnnti Vincen:tn, Meaibro dell' tsüt,. Bar. Locchi Atigelo,
C- Verri Carlo Scn« . Lnini Giacon.o Dir. gen. di PoUnia, C» Polfrati-
OMobi Pietro Genomlo. Bar. Sinandiii Ant, Pret. dell'Adige. Bar, Fnrd,
Forro Pref. de) Brenla. Prinn Lnigi Sog. delia Dirux. ilolle Kei-clie, die
id Vii'i'-t'rpfptli der Add.i, Chioegi«, Airogna etr, dlt, |!|itPr
484
schou in der letzten Zeit keine derselben in aufrechtem Stande
befunden^ da sie der Vicekönig im September 1813 schliessen
licss und alle ferneren Zusammenkünfte verboten hatte; es hatten
sich viele Unordnungen in dieselben eingeschUchen^ es waren
Personen von zweifelhaftem Charakter^ selbst anrüchige Sub-
jecte aufgenommen worden, deren Versammlungen keinen an-
dern Zweck als Gelage mit reich besetztem Tische und ge-
füllten Bechern z,\i haben schienen; Prinz Eugen, so hiess es,
habe mit ihnen eine Reform vornehmen, die Logen in eine
gelehrte Gesellschaft umgestalten wollen, wozu es allerdings im
Sturme der unmittelbar darauf drängenden Ereignisse nicht ge-
kommen war. Aehnlich stand es in Venedig. Hier hatte nur
eine Loge, Eugenio Adriatico, bestanden, aber mit mehreren
Vei-sammlungsorten, in Casa Reche bei S. Maria al Ponte delle
Erbe, in Casa Franzetti bei S. Lucia am Canale grande, bei
S. Margarita, in Canal Rcggio und noch an einem fünften Orte,
so dass man im PubUcum ebenso viele Logen zu zählen pflegte.^
Als Stifter der Loge und erster Meister vom Stuhl wurde ein
Conte Ragoni genannt, der sich jetzt auf einen Anhänger
Oesterreichs hinausspielte, gewiss dem Kaiserstaate gegenüber
keine feindseligen Gesinnungen hegte, obwohl er der Polizei
als einer von jenen galt, die ftlr einen unabhängigen constita-
tionellen König von Itahen seh wannten. Auch hatte Ragoni
die Loge seit mehreren Jahren nicht besucht und sich zur
Nobil Donna Maria Benzon gezogen, zu Zeiten der Republik
eines der schönsten und galantesten Weiber von Venedig, das
auch jetzt noch seine feurigen Anbeter, darunter eben unsem
Grafen, zählte. Eine Zeit unterhielt sie den besuchtesten, oder
vielmehr den einzigen Salon in der Lagunenstadt, wo nicht g^
spielt, sondern blos geplaudert wurde und sich aller Stadttratsch
zusammenfand, so dass von dort auch alle Gerüchte ausgingen.
Mit PoUtik hatte sich die Benzon ihr Lebelang nicht beschäf-
tigt, sondern einzig mit Liebeshändeln, und so war auch ihr
den ,Fratolli di seconda Classe* folgen dann die dii minorum gentium,
bei denen merkwürdigorwcise die Advocaten keine besonders auffollende,
dagegen Profossoron und Lehrer aller Anstalten eine sehr g^rosse Rolle
spielen.
» A. J. Convolut »Verschwörungen* 1814, Z. 2047 ad 83; in der ,8pecifica*
daselbst iiguriren Beamte aller möglichen Art, vier Richter, drei Adro-
caten, vier als ,Ebreo* bezeichnete Individuen etc.
mßoü, obwohl er polizeilich Überwacht wurde, in politinchcr
Rn^cht völlig harraloa' und ebenso wenig trug der eliemaligc
Meister vom Stuhle etwas von seiner freimaurerischen Vergan-
genheit in den Salon der gefeierten Weltdame hinüber. Anc-li
in allen llauptorten der üepai-teraenta hatte es Logen gegeben:
Ainalia Ängusta in Breacia, La Rena in Verona; in Mantua
hatte der Vicekünig auf Befehl Napoleon's eine Loge im alten
heraoglifhen Palast herrichten lassen. Aber keine dieser Logen
scheint melir in Thiltigkcit gewesen zu sein. Von der Loge
Capaee in Pjidua erfahi-en wir bestimmt, dass sie vor dem Ein-
marsch der Kniscrliclien durch den Präfecteu Baron Porro ge-
schlossen worden,* wie sich auch die Loge Eugenio Adriatieo
zu Venedig noch vor Ende des Bloens von selbst aufgelöst
iMttc; als im Juni bei dem Advocaten Pietro Coraarolo und
Buchhiindler GiuB. Picotti Haussuchung gehalten wurde,
■hten diese nicht die geringste Schwierigkeit, alles, was sie
noch in Händen hatten, Freimaurerschilrzen, In siege), Deco-
rationen und Medaillen, Werkzeuge und BUclier an die Behörde
auszuliefern, von welcher diese tiegenstände mit Vermeidung
alles Aufsehens vertilgt wurden. Von einer Gefälirlichkeil der
Freimaurer als Ivörperaehaft konnte bei so bewandten Umstttn-
den kaum viel die Kede sein, höchstens in der Person einzelner
ir Mitglieder. Wenn Prinz Eugen die Mailander Logen
;en Fraas und Völlerei hatte scliliesaen müssen, so waren
ohne Frage in politischer Linie von keiner Bedeutung. Auch
» das Freimaurerthnni, wie schon früher erwähnt, ausser-
seiner Kreise weder Ansehen noch Achtung. ,Man er-
,' berichtete der venetianische GeneralPolizeidirector nach
I,' ,den hiesigen Frcymaurern zu viel Ehre, zu glauben,
sie EinüusB auf das Publicum haben können; sie werden zu
von dem Volke verachtet, Freymaurer oder ein schlechter
:U sind hing bey dem gemeinen Mann synonima.'
mhntu
fem
Bedenklicher waren fiir den Grafen ßellegarde manche
gänge in den Kreisen der gewesenen italienischen Armee,
äbwohl er auch hier an der Ucberzcugnng festhielt und selbe
■ ItMb |tn Ha^r. Pudun U. Juli IH14.
■ Saab 15. Juli A. J.
ti au Hager, Pxlun 15, Aiigiist,
486
in Wien zur Geltung zu bringen suchte: so lang nach aussen
Friede gehalten werde, sei von all diesen Machenschaften, ge-
heimen Abreden und Plänen nichts zu besorgen. Dass es derlei
verdecktes Spiel gab, litt keinen Zweifel,^ obwohl man in Re-
gierungskreisen bis zur Stunde nichts Qenaueres wusste. Auch
machte ja die Ungewissheit, die über das Schicksal und die
künftige Bestimmung der einzelnen Officiere noch immer
herrschte, eine grössere Erregung derselben begreiflich. Dazu
der Hochmuth der gewesenen Glieder der ,grossen Armee', der
Theilnehmer an deren (seither freilich erblasstem) Ruhm und
Triumphen. In Brescia imd anderen Städten, wo noch viel
italienisches Militär lag, aber nur geringe österreichische Be-
satzungen waren, gab es zwischen diesen und jenen fortwäh-
rende Händel und Reibungen, Schlägereien und selbst Tödtun-
gen; unter den Officieren beider Theile kam es häufig zu
Duellen. Nur die grosse Mässigung, ja Selbstverleugnung Belle-
garde's verhinderte ähnliche Ausschreitungen in der Hauptstadt,
wo sich, wie Mantovani in seinem Tagebuch zu verstehen gibt,
die italienischen Officiere begnügten, den kaiserlichen ins Ge-
sicht zu lachen, Schimpfworte in den Bart zu murmeln und
die Faust im Sack zu machen. Eine baldige Reorganisation
der italienischen Heerestheile und Eingliederung derselben in
die k. k. Armee that dringend noth; ein erster Schritt dazu
wurde damit gemacht, dass man alle französischen und corsi-
schen Officiere, aber auch alle, die anderen Staaten Italiens zu-
gehörten, einfach nach Hause schickte. Bezüglich der ein-
heimischen sah sich der kaiserliche Feldmarschall am 20. Mai
veranlasst, eine Commission mit den Generalen Villata und
Mazzucchelli niederzusetzen, welche deren seitherige Haltung zu
untersuchen und über jene, die sich eine Verletzung der Dis-
ciplin schuldig gemacht, abzuurtlieilen hätte. Am 30. geschah
ein Schritt weiter: ein Tagesbefehl Bellegarde's betraf die Um-
sehaflfung der ehemaligen italienischen Truppenkörper in k. k.
österreichische, zugleich mit der Bekanntgabe, dass Sc. Majestät
beschlossen habe, jene Officiere der ersteren, welche die Bahn
der Pflicht und Ehre nicht verlassen haben, in die Reihen
1 Mailand, 16. Mai: ,Si spera che il tempo migliori; sera passata coi ca-
merata Bongi, Stampa e fratelli Montanari; abboccamontö ayato col signor
colonello Bidasio.' De Castro, Caduta 220 nach einem von ihm ein-
gesehenen Mann«cript der Familie Bignami.
Lllerhüclist Ilirer Ariiieo aufzunehmen,' die beatandenun Garde-
' regirnenter als in den Rahmen der üstcrreichisehen Hceresein-
riehtung nicht passend wurden aufgelöst, 1. Juni, und uus zn-oi
üBtert*eiciiisc!ien und zwei vordem italienischen Generalen —
BuffeodQro LecHii fUr die Infanterie, Villatn flir die Cavallerie —
: Commission gebildet, um die anbefohlene Ke Organisation
irchzutUhren.
Im grossen Publicum waren es nur wenige Plnnmacher
I der Partei der , reinen Italiener', die trotz der für jeden
lonnenen Politiker nicht mehr zu raissdontcnden Nachrichten
I Paris von der Idee eines im abhängigen Künigreiehs Italien
nbt litfiscu wollton. Von einem Kränzchen sonderbarer SchwUr-
i" wurde sot^ar eine Adresse an Kaiser Alexander berathen,
,Novara' datirt, auf das ,ruhmvoiie Haus von Savoyen'
inwius, (las jitalieuisch' und , dessen Ahnen der Ruhm und die
Eierdo Italiens' seien. Als Verfasser galt Ugo Foscolo, und
I sah ihm allerdings Ubnlich; indessen Hess sich nichts cr-
eisen und man musste sich, einem Befehle aus Wien zufolge,
I begnügen, ihn zw Überwachen. Mehrere hielten, weil ja Oeater-
reich aobon nicht mehr zu umgehen sei, an dem Erzherzog
Franz von Ocsterreich-Este fest; in einer zu Mailand gedruckten
— -SchriA ,Sui futuri destini d'Italia' wurde er eingeladen, die Ge-
HHdiifke dei' Halbinsel in die Hand zu nehmen. Graf Porro-
HfeiBnibertcnghi, der porsUnliche Freund Confalonieri's, aber klüger
* ttnd vorsichtiger als dieser, steifte sich nicht auf den Ilei-zog
von Modena, er verlangte sich nur überhaupt einen iisterreielii-
sclien Prinzen und maclite aus seinen Wünschen in wilder-
ten Unterredungen mit dem kaiserlichen Fcldmarscliall, mit
1 Grafen Nugent u. A. kein Hehl : mit Modena vereinigt, etwa
i dazugesc Wagen, würde es ein schönes Königreich geben,
t 30.000 bis 40.000 Bajonneten eine achtunggebietende Vor-
,uer gegen Frankreich, eine Hauptstadt wie Ungarn eine
mibe, LandstJlnde aus dem Adel, der wetteifern würde, den
iz des Thrones zu erhöhen,'
Aus dem Vcnetianischen, dessen Bewohner von einer sanf-
fon und fiigsamcrcn GemUthsart sind, verlautete von derlei
L Botib. Nr. Ifll vom l.'i .In
an Cnnfnlouipri VA. Mni
; Trcves. I87S) 1-6.
■i C.inti'i ,11 Comilinlore
488
Entwlirfen und Vorschlägen nichts; hier gab es höchstens Ge-
rüchte, und in der Lagunenstadt selbst nächtliche Aufschriften
an den Mauern öffentlicher Qebäude, Anschläge an den Strassen-
ecken u. dgl. Einer dieser Aufrufe begann: ^Concittadini!
Popoli di Venczia! Pubblici funzionari!' und schloss mit den
Worten : , Viva la nostra Indipendenza Nazionale, Viva la nostra
prossima Redenzione!' Ein anderer, gleich dem früheren ano-
nym, enthielt die Aufforderung, sich bei den verbündeten Mäch-
ten für die Unabhängigkeit der apenninischen Halbinsel, für
die Wiederherstellung des italienischen Königreiches oder jene
der Republik von San Marco zu verwenden. Thatsächlich ge-
schah nichts, wenn es auch nicht an vereinzelten Gläubigen
felilte, die solchen Kundgebungen ganz unbekannter Urheber
Schaft und verdächtigen Charakters nachliefen und es z. B.
allen Ernstes hinnahmen, Kaiser Franz werde aus eigenem An-
triebe den Grossmüthigcn spielen und seine oberitalischen Er-
oberungen zu Gunsten eines selbständigen Königreiches Italien
wieder herausgeben, allenfalls an den Grossherzog von Toscana
mit dem Titel eines Königs von Italien abtreten. Als der Mar
diese Ghislieri im Juni 1814 durch Verona reiste, konnte er
derartige Redereien mit eigenen Ohren hören. ^
11.
Mittlerweile war die Herstellung der alten Ordnung in
allen Gebieten von Ober- und Mittel-Italien in vollem Zuge. In
Tui'in gebot seit 8. Mai der k. k. Feldmarschalllieutenant Ferdi-
nand Graf Bubna als Militärgouverneur an der Spitze österreichi-
scher Truppen von allen Waffengattungen; unter ihrem Schutze
waltete Marchese Asinari di San Marzano als Civilgouvemeur
und Präsident des obersten Regierungsrathes. In Rom hatte am
13. Mai gleichfalls unter dem Schutze kaiserlicher Besatzung
Msgr. Agostino Rivaroli als Bevollmächtigter Seiner Heiligkeit
von dem ehemals päpstlichen Gebiete vorläufigen Besitz ergriffen.
Die Monarchen dieser Länder wurden mit jedem Tag erwartet.
Lord Bentinck, der um die Mitte Mai dem Grafen Bellegarde
in Mailand einen Besuch abgestattet hatte, eilte nach Genua
zurück, um am 17. morgens den von seiner Insel zurückkehrenden
König begrüssen zu können; am Tage darauf setzte Vittore
1 Carte seg. I, 22; vgl. ebenda 28- 30, 242 f.
£manuele I. seine Reise fort und hielt am 20. feierlichen Eiiiziip
in die Stallt, die mehr als fünfzehn Jahre früher sein königlicher
Bruder kummervoll verlassen hatte. VJit Ta^e später sah die
ewige Stndl ein Ähnliches Schauspiel. Von dem k. k. Ilofratli und
bevuUm&clitigten Minister Lndwig Ritter von Lebzeitern, der
als Vertreter der verbündeten Machte in einem vierspllnnigcn
l&lawagen entgegengefatircn, einige Miglien vor Rom ehrfurehts-
lU begrlisst, von einer Abtheilung k. k. Husaren zu beiden
iten der Porta del Popelo als Ehren bedeck ung empfanpen,
PiuB VIT. nach Rom zurück, das er seit der Nacht des
fii Juli lÖtKI mit keinem Fuase betreten hatte. Um dieselbe Zeit,
}7. und 30. Mai, nahm Graf Julius Strussoldo als kaiserlicher
imissär im Namen Maria Louisens Besitz von Parma, Pia-
iza und Guastalla, anfangs Juni wurde eine Regentschaft mit
its Cesare Ventura als Diroctor an der Spitze bestellt, die
ihrem Namen die einstweilige Leitung der Geschäfte über-
nahm. In solcher Weise war auf der apenninisehen Halbinsel
die Hauptsache tliatsKchlich bereits in Vollzug gesetzt, als der
Pariser Friede vom 30. Mai die Unabhängigkeit Italiens als Gnmd-
Htz aufstellte; es war damit gemeint, dass Italien, das hinHlro
Belbstttndigen Staaten bestehen werde, seine bisherige Ab*
von Frankreich ebenso verliere, die französisehc
Oherherrsehafl hier ebenso ein Ende haben sollte wie in Deutsch-
land, in der Schweiz, auf der pyronilisehen Halbinsel.
Am 12. Juni durchzogen in Mailand öfiTentiiche Ausrufer
unter Trompclensehall die Stadt. Ein Aufruf Bcllegarde's, der
an allen wichtigeren Punkten hcrabgelesen wurde, maehte der
Bevölkerung kund und zu wissen, dass die lombardisehen Pro-
len, inbegriffen Stadt und Gebiet von Mantua, dauernd dem
lerreiehischcn KaSsersttiate einverleibt seien — ,le voatre pro-
e sono dcfinilivamente incorporate all' Impero d' Austria'.
den folgenden Tag wurde die feierliehe Begehung des Te
n laudamus in allen Haupt- und Pfarrkh-ehen der Stadt
sagt. Ein Deeret der provisorischen Regentschaft vom 13.
erklärte die Formel ,Während des Bestandes der provisorischen
Regierung' und ebenso die Wappen und Farben des letzt
bestandenen Königreichs, ,gli emblemi del cessalo govemo' für
abgeschafft: das österreichische Wappen und die Bczeichnuug
des Hegierungsjahres des Kaisers und Königs Franz I. haben
AH deren Stelle zu treten.
ranser r ri
B Htz aufstc
Kms selbsU
PWigigkeit
490
Die italienische Partei war damit abgedankt, und sie be-
nutzte den ersten gegebenen Anlass, ihrem Unmuth über den
nun endgiltig eingetretenen Regierungswechsel Luft zu machen.
Am 14. wurde im Theater dclla Canobbiana ein Stück auf-
geführt, betitelt ,Die Schlacht bei Leipzig' und eigens zu Preis
und Ehre der hohen Verbündeten angelegt. Es erfolgten aus
der Masse der Zuschauer Pfiffe und Zischlaute, was einen solchen
Scandal zur Folge hatte, dass das Haus geräumt werden musste.
Es war das Werk einzelner politischer Störefriede; denn von
sympathischen Rückerinnerungen an den Geschlagenen von
Leipzig war in der Masse der Bevölkerung ebenso wenig die
Rede als in den höheren Schichten der Gesellschaft, in deren
Kreisen Spottversc und Witzreden auf Napoleon und dessen An-
hang, Schmähschriften einheimischen und fremden Fabrikates
die Runde machten. In einem französischen Gedicht ,Le songe
d' Enghien' erhebt sich der Prinz aus seiner Gruft und erscheint
seinem Mörder: ,11 y a un Dieu vengeur.' Ein Testament Napo-
leon's in Versen begann: ,Je l^gue aux Enfers mon g^nie' und
schloss: ,Et r höpital k mes parens'. Auf einem der Zerrbilder,
von denen es in der Stadt wimmelte, war der ,Buonapart' zu
schauen, wie er im Hemd aus Paris davonlauft. Schon Hessen
sich Stimmen hören, dass mit allem aufgeräumt werde, was an
den gestllrzten Tyrannen erinnern könnte; nichts mehr von
einem ,Foro Bonaparte', nichts von einer ,Porta Marengo'; der
Stolzes Triumphbogen am Marsfelde, nicht mehr ein Gedenkzeielicn
filr Schlachten und Siege sollte er sein, sondern ein Denkmal
der Wiederkehr des lang ersehnten Friedens!
In den Reihen der österreichischen Partei, und das war
jetzt die weit überwiegende Mehrheit in allen Classen, herrsch-
ten Freude und Jubel. In den Familien des alten lombardischen
Adels, die noch die Zeiten Thcresicns und Josephs erlebt hatten,
kümmerte man sich wenig um die Stichelrcdcn der Missvergnügten
über die ,k. k. Kämmerer', die nun ihre goldgestickten Fracks
mit dem goldenen Schlüssel zur Seite wieder hervorzögen,'
1 Von k. k. Kämmerern aus der früheren österreichischen Zeit werden im
Hof- und Staats-Schomatismus von 1816 angeführt, lebten also noch al^
alte, zum Theilo uralte Herren, und zwar von der Ernennung 1765
Marchese Carlo Arconati, 1769 Graf Pietro Visconti Borromeo und Duca
Antonio Litta Visconti, 1773 Marchese Alfonso Litta (zugleich wirklicher
Geheimrath), 1775 die Grafen Francesco Visconti und Ottayiano Borromeo,
jjder über die Bibliotlieknic <lcr Arabrosiaiia, die ilire güldenen
^tten und Medaillen wieder zeificii Itönnten. In der Tliat gin^^
rcb die oberen Sebiobteii dur Gcsellscliaft eine starke Strö-
LUng nach rückwärts, so dass in der Stadt vielfacl» davon ge-
Mchen wurde, die provisorische Regentschaft habe es sich
I Ziele gesetzt, alles auf den Stand vor 1796, dem Beginn
s Trienniums verabscheuten Angedenkens, zurückzubringen.
Personen, die sich mit solchen Ideen trugen, waren im Grunde auch
Unzufriedene, nur dass ihr Missinuth gerade den entgegengesetzten
Charakter von jenem der Idealisten nationaler Unabhängigkeit
hatte; denn ihnen war die rricksehrittliche Bewegung viel zu
langsam, der kaiserliche UevoUnaächtigte an alt und zu schläfrig,
jBellftardi' sollte er heissen, nicht Bellegarde.
Der aber liess -sieh nicht irre machen. Er kannte nun
t Mailänder schon sehr wohl und wnsste, kaum dass er
I paar Wochen da gewaltet hatte, recht gut, wen er zu seiner
beeilten zu stellen habe und wer unter die Böcklein auf der
ken Seite gehöre. Adel, CIcrns und Landvolk, so berichtete
H nach Wien, zeigten die entschiedenste Abneigung gegen das
MtUrzte Regiment und hätten die Anhänglichkeit an das Kaiser-
I ungeschwächt erhalten; Militär, Beamte und der Mittel-
ind seien Gegner der neuen Ordnung der üinge. ,Es ist
lOglich, dass sie ihre Wünsche auf die Nähe, in welcher sich
r Kaiser Napoleon betindet, auf das in den Augen des Publi-
ms nicht klare Betragen des Königs von Neapel, auf die
gTttzu&iedenheit der Armee in Frankreich, zum Theil auch auf
Inangen, welche ihnen früher von den englischen Generalen
tht worden sind, gründen'. ' Aber er war sich darüber klar,
6 mit der Beseitigung der französischen Hen-schaft die Haupt-
Ae gewonnen war und dass seine Regierung damit den Gross-
l der Bevölkerung auf ihrer Seite habe, vorausgesetzt, dass
1 davon ausgehe, das Gute, was an neuen Einrichtungen die
JT79 und 1777 Giberto Bormraoo, Alfoiuu CHBtiglioni und Carlo fruiiw.
Itnriiu; ilaiiii mit Unterbrechung in der Josefinlwheii Zeit von Iieopuld II.
niid FnuiK U. 179*; I>on Giulio OtlvIiDi, AlborUi Litbi, Vitaliami Cun-
fAlvtiiori, Aiigtisto Ca:<ati, 1791 Gnif yratic. Gina. Gniuniardi, Marrhem
Fnuiu. I'letro Gliieüieri, 1793 Mnrehosu Amiibale Somiuanvs, Graf Giu-
' aepiM GnmbiU'iiuK, Uarrbese OiaoibntLisla Litta-Moda^nini, Gruf Carlo
OuiwUrdi
ft> A, J. Ildtegarde au de» Kaiser 31. Mai ISU.
492
Zwischenzeit gebracht, zu erhalten oder doch zu schonen, den
eingerissenen Uebelstilnden sobald als möglich Abhilfe zu schaiFen.
Manches in letzterer Hinsicht war, wie wir gesehen, gleich in
den ersten Tagen nach dem Sturze des französischen Systems
geschehen, anderes geschah jetzt. So wurde mit Erlass vom
10. Juni die verhasste einpercentige Capitalsteuer endgiltig auf-
gehoben und um dieselbe Zeit die von Napoleon eingeführte
Abgabe von 50 Percent fllr alle aus dem Ausland eingeführten
italienischen und lateinischen Bücher, und von 1 Percent fUr
den Bogen jedes in Italien gedruckten Buches abgeschafft
Kücksichtlich der Salzpreise, des Tabaks, des Dazio consumo
liess sich zwar die von der Gemeindevertretung gleich in der
Nacht vom 20. zum 21. April verfügte Herabsetzung auf die
Hälfte nicht aufrecht halten; sie wurden auf den Stand von
179G gesetzt, was immer gegen den Tarif in der letzten
Eugenischen Zeit eine ganz erhebUche Ermässigung war. Die
jährUchen Einnahmen gingen infolge dieser Massregeln allerdings
bedeutend herab — man wollte den Ausfall auf jährlich 7,268.095
Lire berechnet haben — ; allein Bellegarde erklärte in Wien, das
gehe nun eben nicht anders, da ,das Abgabensystem der vorigen
Regierung offenbar so überspannt war, dass es ein sonst sanftes
und ruliiges Volk bis zum Ausbruch seiner Verzweiflung ge-
bracht hat^^
In ähnhcher Weise ging Fürst Keuss im Venetianischen
vor, ausserordentliche Abgaben w^urden abgeschafft, drückende
herabgesetzt. Das Hauptaugenmerk bildete hier mit Recht Ve-
nedig selbst und da wieder ganz besonders der Handel, der
unter französischem Regiment nahezu auf den Nullpunkt ge-
bracht war. Die Aufhebung der Continentalsperre und die
Freundschaft der britischen Flagge, die noch kurz vorher der
Schifffahrt aller mit Frankreich verbündeten oder von diesem
abhiingigen Seegebietc so gefiihrlich gewesen, brachten in kür-
zester Frist neues Leben in den Hafen der Lagimenstadt, welchen
Schiffe mit Colonialwaaren aus der Levante, von den jonischen
Inseln, aus Rotterdam und Marseille zu besuchen begannen, ^on
einer Woche zur andern zählte man mehr Handelsfahrer. Wie
ftlr den venetianischen Seeverkehr überhaupt, so hatte die
französische Regierung auch für die Sicherung des venetianischen
* A. J. Belleganle an den Kaiser 31. Mai 1814.
»fens nur Btiefmütteriiiih gesorgt. Die Miirazzi, dio beriihmlen
BJDwälle am Eingange deeaclben bei Malainocco, wnrcn zwar
whl Acm Verfallo preisgegeben, aber deren Erhaltung nur
teig betrieben worden, so daas jetzt ein rasches und umfassendes
Bugreifen Noth ihat. i>er General- Gouverneur nahm in Person
i Augenschein vor und ordnete unverweiltc Inangriffnahme
r arforderlichcn Arbeiten an. Dass von der Bevölkerung eine
! wohlwollende und naeh allen Riehtungen aufraerksarao
tfttigkeit bald erfasst und dankend anerkannt wurde, braucht
icLl gesagt werden, und dass die neue Regierung und deren
;ane dadurch volksthUmlicIi im besten Sinne dos Wortes
rden, war eine begreifliche Folge davon. Es bedurfte darum
icht erst eines Winkes von oben, um Kundgebungen in solchem
Sinne an die Stufen des Allerhöchsten Thrones gelangen zu
lassen. 8tädtc und Gemeinden baten um Wiederherstellung der
friiliereo Österreichischen Verfassung, der Freiheiten und Be-
günstigungen, die sie seinerzeit genossen. Wie in dem illyrischen
Departement Isonzo, so wurden in den venetiani sehen Provinzen
Mitte Juli Anstalten getroffen, Deputationen nach Wien zu senden,
um dem Monarchen fiir den eiTungenen Frieden und für die
sie beglüekcnde Wiedervereinigung mit dem Kaiserstaate zu
dtmküii. ' im Mailüodischen war man zwar noch nicht so weit,
an Anregungen und Vorbereitungen fllr einen solchen
iritt fehlte es auch hier nicht.
Slldlitih vom Po waren in der Zwischenzeit, immer unter
a Auspicieii des kaiserhehen Doppeladlers und in Aiisälhrung
Pariser Friedens, einige Veränderungen eingetreten. In
»■enz hatte es Gene.ratmajor Graf Starhemberg als Mtütär-
mmandant von Toscana und Generalgouvemeur von Lucca
Piombiuo unternommen, dem von der Bevölkerung mit
ibiisucht erwarteten Grossherzog die Wege zu bereiten; am
0. Jnni war allgemeines Vergeben und Vergessen verkllndet
L-f Di* niyrUche De|intatinu erxclilen aiu .in. Juli, 10 Utir *>.rniItM^n, vor
I Kai*er, lllr ilie reiietiiuilsdin fiixle iuli ilen Tag Licht augog:ebeui
^ ADrcileu der beiilen Deputatiouun nnd Antworten des Kkisers Umt Beob.
' ITr. «40 f. vom iH. uut 29. Aiigust. 8. 1389 f„ 1294 f. Der fei<^rliclle
Empfang ilor lombardisc^hen Depiitatiuii nni in. Outuber, Ansprüche und
Antwort obnuln Nr. 3Hf' min fZ. S. IBM f.
494
worden; keiner Angeberei, aber auch keiner Privatrache sollte
hinfllro stattgegeben werden; am 24. hatte ein in den schmeichel-
haftesten Ausdrücken abgefasstes.Decret die Nationalgarde von
ihrem bisherigen Dienste enthoben. Die ehemals päpstlichen
Legationen waren von den Truppen König Joachim's geräumt
worden, die sich dafür in den Marken festsetzten und sich da-
selbst häudUch einzurichten begannen. In seinem Namen erklärte
General Ambrosio den Metauro als Grenzfluss zwischen dem
königlichen und dem päpstlichen Gebiete. Um die Mitte Mai
wui'de in Ancona ein besonderer Gerichtshof für alle in den
Departements Metauro, Musone und Tronto begangenen Ver-
brechen gegen die öffentliche Ruhe und Sicherheit niedergesetzt.
Im Juli gab der König aus besonderer Huld und Gnade Ancona
alle Vorrechte eines Freihafens, wie es dieselben vor dem Jahre
1797 besessen, zurück, und was dergleichen Begünstigungen
mehr waren, durch die sich der Abenteurer auf dem Throne
von Neapel, gegen alle Einsprüche der römischen Curie, die
Zuneigung und den guten Willen seiner neuen Unterthanen zu
gewinnen suchte. Denn dass er um dieses schöne Stück Land
sein bisheriges Königreich vergrössem wolle, war bald aller
Welt klar; man muthete ihm aber noch mehr zu. ^er König
von Neapel macht sich viel zu schaffen,' schrieb Baron Bausset
im August an Herrn v. Meneval; ,er besitzt eine schöne Armee
und einen gefüllten Schatz, fast die ganze ehemalige Armee
des Königreichs Italien hat bei ihm Dienste genommen; man
raunt sich in die Ohren, er mache Ansprüche auf Bologna mid
sei in diesem Augenblicke damit beschäftigt, seine Truppen an
der Grenze der Legationen Revue passiren zu lassen'.^
Doch mit Bologna war es für ihn nichts; denn hier stan-
den die Kaiserlichen unter GM. Baron Ludwig Eckhardt Die
ehemals königlich itaHenischen Departements des Reno, des
unteren Po und des Rubicon waren gemeinschaftlich unter eine
Regierungscommission mit dem k. k. Gubemial- und Intendanz-
rath Grafen Strassoldo gestellt, von welcher die administrative
und militärische Reorganisation dieser Landstriche in Angriff
genommen wurde; in letzterer Hinsicht wurden ein Cavallerie-
und zwei Infanterie-Regimenter errichtet, jenes mit dem Sammel-
platz in Forli, die beiden anderen in Bologna und Ferrara. Bo-
' M6neval, Napoleon et Marie Louise II, 174 f.
;na war zugleich der Sitz sowohl des Truppeneommandoa als
r RegicrungscommlBBton ; iii Rechts seichen ging der lastaiizim-
t naeh Mailand. Von einer Herausgabe der Legationen an
1 Papel war vorläufig keine Jti'de. Den Besitz dieses reichen
febietes hatte OesteiTeieh withreud der ganzen napeleoui sehen
Bit für sich selbst ins Auge genommen; das stand für den
igenbliek allerdings sehr in Frage, da uinn desselben bei dem
en Res tan ratioTiB werke, das der kommende Wiener Con-
zum Abschlüsse zu bringen hatte, vielleicht für ander-
Bi6ge EntsühädigungsansprÜche, wie etwa der Exkönigin von
itnirien, benöthigen könnte. An dem Besitz seiner italicni-
ihen Nebenlinien war Kaiser Franz gesonnen nicht rütteln zu
Isen. ächon befand sich Erzherzog Franz von Oesterreich-
^e anf dem Woge in das alte Besitzthum meines Hauses. Als
r dabei durch Padua kam, stellte er an den Regierungsrath
Iftltaab die Frage, ob er etwas von den ncapolitHnischen Car-
sse. Raab vermochte keine Auskunft zu geben, da
I der Tliat bisher diesseits und jenseits des Mincio
:• mit den Freimaurern zu thun halte. Der Herzog schien
issen; er meinte, der Bund der Carbonari sei gegen
xtat gerichtet, weil sie auf dessen Befehl verfolgt würden.'
I 16. Juli erschien Herzog Franz IV. mit seiner Gemahlin
I Beatrice, einer savoyisclien Prinzessin, in der Hauptstadt
nunmehrigen ,Staatcn' Modena, Reggio und Mirandola.
Für die mancherlei Geschäfte, die jetzt au den Grafen
lUegarde herantraten, wurde ihm der wirkliche Geheime Rath
iliard Freiherr Rosctli von Roaenegg, zuletzt Vicepräsi-
Bit des galizischen Landesguberniums, an die Seite gegeben.
1 den alten Parteigängern Oesterreichs aus dem oberitalischen
tdel dftrfto ihm Marcheso Ghislieri mit seiner Orts- und Per-
nenkenntniss vielfach zu Diensten gestAndon haben. Im Uobri-
i waren grossonthcils die früheren Beamten an ihrem Platze.
dlcgarde, eine edle Natur, war zu harten Massregoln in dieser
ihtong schwer zu bewegen. Als ihm Baron Rosetti eines
1 davon sprach, die Hälfte der Beamten bei allen Behör-
I wäre als überflüssig zu entlassen, erwiderte ihm der Graf:
ExcellenK mögen im Rechte sein, dass wir der einen
ftlFto nicht bedtlrfen; allein ich bin überzeugt, dass sie ebenso
. mg"
496
des Kaisers bed&rfen wie Se. Majestät der andern Hälfte/ ' In
allen Stöcken konnte Bellegarde gleichwohl solche Naehsicbt
kaum walten lassen. Einmal war nicht zu leugnen^ dass in
der That ein Ueberfloss von Beamten vorhanden war, da es
der gefallenen R^erung darum zu thun gewesen, in gut ge-
zahlten, zum Theil glänzend gestellten Organen einen kräfti-
gen Anhang und willige VcJlstrecker ihrer nur zu häufig will-
kürlichen und gewaltsamen Massregeln zu haben. Dabei war
nicht zu übersehen, dass ein grosser Theil dieses Beamten-
körpers für den Umfang des bestandenen Königreichs berech-
net und darum in dem engem Rahmen der jetzigen Lombardei
nicht zu verwenden war, ,weil die Kosten derselben', wie Belle-
garde selbst sich gestehen musste, ,welche dem Gesammtkörper
des vorigon Königreichs f^bar waren, nun auf dem dritten
Theil desselben lasten und daher diesen ausser allem Verhält-
niss bebürden*. In dieser Erwägung stellte die provisorische
Regentschaft die Besetzung aller erledigten Plätze ein und kün-
digte allen Beamten, die nach ihrer Herkunft dem gegenwär-
tigen Territorium nicht angehörten, vom 1. Juni an den Dienst
Aber auch in anderem Sinne that eine ,Purification' des Be-
amtenstandes noth, eine Ausscheidung solcher, die unzweideutig
ihre Abneigung gegen die neue Ordnung der Dinge ange-
sprochen, sich eines Verbrechens schuldig gemacKt oder durch
unsittlichen Lebenswandel die Achtung des I^iblicums verioren
hatten und daher das Zutrauen der Regierung entschieden nicht
verdienten : ,hiezu gehören vor allem gewiss mit vollstem Rechte
Priester und Mönche, die ihre Gelübde gebrochen haben und
zum öffentlichen Aergemisse in Aemtem mit Weib und Kin-
dern leben^^ Ein solches Aergemiss Hess sich am allerwenig-
sten in einer Zeit dulden, wo die katholische Kirche nach jähr-
zehentlangem Drucke wieder zu Freiheit und Ansehen zu
gelangen schien; wo der heilige Väter auf den Stuhl des hei-
ligen Petrus zurückgelangt war und die wieder eingesetzten
italienischen Regierungen sich bestrebt zeigten, den geistlichen
Stand zu heben, klösterliche Gemeinschaften in die aufgehobe-
nen Klöster zurückzuführen, eingegangene Bisthümer wieder
einzurichten; wo Marchese Tapparelli d'Azeglio im Namen
> Cusani, Storia VII, 248 f.
' Bellegarde an den Kaiser 31. Mai.
jEttoro Emaimi^le's dem Papste erklärte, es sei (ieiu Künigc-
lun, sein Volk zur alten Früiumigkeit zurückzu-
führen und darum auch die abgeacrhafTten Feiertage wieder
einzuführen. So wiirden dünn in Mailand angCBtcllte Priester,
I seit Jahren mit Beiechlüferinncn im eigenen Haushalt leb-
t und in Sitte und Wandel alles abgeati-eift hatten, was an
ren heiUgen 8t&nd ei-imterte, aus dem Staatsdienste entfernt,
der aufjütllcndsten äeiapiele bot der als Gelehrter und
Ißhriftsteller vielverdiente Archiv dire clor Don Luigi Ilossi, der
t 3000 Lire in den Ruhestand versetzt wurde.'
Bei der Polizei, in wieder erworbenen Land estli eilen einem
r. wichtigen Oeechilftszweige, waren ausser Luiiii und Villa,
iJche die Regentschaft schon vor Bellegarde's Ankunft ent-
fernt halte, alle Plätze in den früheren Händen; an ihrer Spitze
stand einstweilen Pagani, gleichfalls von der früheren Regierung
Hbcrnomraen. Am Ende war man von den cingebomen Poli-
zisten, wenn man sie in Kcspect zu halten wusste, noch besser
bedient als von Personen, die, aus Wien hergeschickt oder
_einer andern Provinz entnommen, den ihnen völlig neuen Buden
ÜBt kennen lernen sollten und die deshalb, min<lestens in der
iMten Zeit, mitunter eine etwas liLeherliehe Rolle spielten. Das
namentlich mit einem Paulin Feuerle iler Fall, der, aus
Wien entsendet, dem Obriatheutenant Gideon von Maretich für
Polizeidienate beigegeben wurde. Es war ein leichtgläubiger
Schwarzseher, wie es nur einen geben konnte, dessen Berichte
nie Uta als Warnungen und Wehklagen enthielten, darunter
häulig MHrchen, die er sich hatte aufbinden lassen. Bin reden
^^B, hüren, sah es in Mailand geradi^zu trostlos aus. ,Mit ueueu
HR^anntschaf^en,' huisst es in einem Schreiben vom 2Ö. Juni,
^HtarfW CS mir schon etwas schwer seyn, da wir Teutache bey-
^Tlahe allgemein gehassl worden. Ich versichere Sie, die Unzu-
friedenheit llbersteigt alle Grenzen, und mit eben jenem Ver-
gnügen wilrde man uns wieder verjagen, mit welchem man uns
vor sieben Wochen aufgeuoninien hat.'' Unter solchen Umstünden
einer
(pstei:
■«rar :
9HDi. VU, ä4G-24tJ.
* AoBSUgBWuiHe A. J. Iäl4 ad VMi; e» acliBiut oin l'rivatsvhri
iigewi
1 aiiStorBn vom 31. Juli liien« es: JÜnn ve'va, ilium beim
I EiuTflcliBn ilnserer Truppen in MHylitnd die Qetrerbsteule duruli ai'hl
L> TtgB mU Sutileifvu der Dolche sich bescIiHftigten.' Wer sind diese .man'?
niifmerkunLiie Maiitovani nagi dnvuD nirlita.
498
konnte Ghislieri, der sich mit der Polizei viele Mühe gab, wenig
Befriedigung dabei haben; ,e8 wird', berichtete Regierungsrath
Raab nach Wien, ,noch einige Zeit der Prüfung bedürfen, um
den dermaligen Polizeibeamten Glauben zu schenkend Raab
selbst arbeitete im Venetianischen als Polizei-Oberdireetor viel-
fach mit frischen Kräften, auch hat er sich als geschulter
und erfahrener Staatsdiener mit den übernommenen Beamten
ohne Zweifel besser zurechtgefunden aJs Ghislieri in Mailand,
der selbst erst seine Schule durchzumachen hatte. Als provi-
sorische Obercommissare fungii-ten die uns zum Theil schon
bekannten Giavarina in Padua, Ambcrg in Verona, Hanappel
in Venedig; auch der in Ferrara exponirte Polizei-Obercom-
missär Ferstl war an Raab gewiesen. Ferstl und Hanappel,
zuletzt in Binlnn und in Graz, waren neue Erwerbungen, Am-
berg, nach seinem Namen zu schliessen, ohne Zweifel auch.
Nach der erklärten Einverleibung der lombardisch-vene-
tianisehen Pro^^nzen konnten Massregeln nicht auf sich warten
.lassen, welche die Anpassung der seitherigen Einrichtungen auf
die nunmehr österreichischen Verhältnisse zum Ziele hatte. Am
27. .luli erschien eine Kundmachung der provisorischen Regent-
schaft, laut welcher vom 1. August aufzuhören hatten: die Mini-
sterien des Innern und des Cultus, deren Geschäfte vorläufi«^
von der Regentschaft selbst besorgt werden sollten; das Mini-
sterium der Finanzen und der Oberste Rechnungshof, an deren
Stelle eine Generalintendanz zu treten hatte; das Ministerium
der Justiz, dessen Functionen auf die höheren JustizcoUegien
und eine Commission in Gesetzgebungssachen übergin^-en. Hier
konnten nun massenhafte Dienstentlassungen nicht vermieden
werden, und dass die auf die Strasse gesetzten Beamten und
Diener nicht zu den Vergnügten im Lande gehörten, war be-
greiflich genug. Die oberste Leitung der Armee- und Marine-
angelegenheiten nahm Graf Bellegarde persönHch in die Hlind;
der italienische Generalstab w\u*de fiir aufgelöst erklärt und
vom 1. August die Functionen aller Territorial-, Divisions- und
Festungscommanden eingestellt; sämmtliche Officiere, mit Aus-
schluss der GeneraUtät, wurden an die Depots von Vimercate
und Casalmaggiore gewiesen, um daselbst ihre fernere Bestim-
mung zu erwarten. FUr die Beendigung des Reorganisirongs-
Hrkes wurde eine AUBserordentliche Kriega commissi on nieder-
letxt, die ilire Arbeiten bis Ende Oi;tober beendet haben
sollte. Den Vorsitz in derselben ftüirte Marchese Somniariva,
ihm zur Seite der gewesene Genera löecrelür des KHegsmini-
^^teriuma Gencml Marehese Paolneci; zugewieaen als Arbeiter
^^^^ der Feldkrie^scommissür von Einkhemer.
^^^ Von Allerhöchster Stelle eräossen jetzt einschneidende
^^Feifllingen. Beztiglich der Armee ging die kaiserliche Willens-
meinung dabin: ,da8S die in Meine Itieuste übernommenen ita-
lienischen Truppen, sobald und nach Muss als sie formirt sind,
in Meinen deutschen Staaten, und zwar zur Erlernung des Dien-
stes in Casernen verlegt werden, worüber ich dem llot'krieg«-
rathe bereits Meine JJet'ehie ertheilet Imbo'; Graf Bellegarde
werde sich daher mit dem Hofkriegsratlis-PrJlsidenten Fürsten
Hehwarzenbei^ diesfalls ins Kinvernohmeti setzen.' Für die
anderen Angelegenheiten und Fragen setzte Kaiser Franz mit
Ca binetssch reiben vom 31. Juli ,z«r Einrichtung der der üster-
reichischen Monarchie seit dem letzten Kriege bereita ange-
wachsenen und noch in der Folge zufaUeiiden Lllnder' eine
eigene (Jentrai-OrganisirungS'Huffoiuraiasion unter Voraita des
Hofkanzlers frokop Grafen La^ansky nieder; zum VieeprKsi-
deuten derselben wurde Philipp Freiherr von Wessenberg, zu
KfUheii für das politische Fucli Hofrath Karl von Kubeek und
Oraf von Guieciardi, für die geistlichen Angelegenheiten Au-
gustiu von Gruber, lUr die Studien Regierungsrath von Debrois
ernannt. Hinsichtlich der zurückgewonnenen italienischen Ge-
biete überwog bald die Meinung, dieselben in zwei Gouverne-
ments zu theilcn, jedes Gouvernement in Kreise oder Provinzen
untcrzutheilen und so viel als möglich die Österreichische Ge-
setzgebung cinzufUliren. Für jene Abtheilung inusste es in
Frage kommen, ob man sieh dabei an die alten Grenzen des
venetiauischen Gebietes zu halten babe, oder nicht die jenseits
des Mincio gelegenen exvenetianischen Landstriche von Brescia,
" ergsmo und Cremona lieber dem Mailänder Gubomium unter-
Inen sollte. Die OrganisirungscoiDmission and die Polizeihof-
Qle hatten darüber die Wünsche der Bevölkerung abzuhorchen.'
FAIIerbnohBtea ItamWhrmb^n nii lloll^giinle vom 12. .In
r Vortrage vom 21. uri.l :il. MnL.
url, Knifl«r Fr.iiiz I, (Wii>ii, noWiT, 1S72) 11)4 f.
500
An alle Länderchefs erging überdies der Auftrag, Verzeichnisse
und Charakteristiken der in den verschiedenen Dikasterien be-
findlichen Beamten, die der italienischen Sprache mächtig wären,
einzusenden.*
Einen Gegenstand von Wichtigkeit für einen monarchischen
Staat wie Oesterreich bildete der Adel. In der cisalpinischen
Repubhk war er einfach abgeschafft worden^ niemand durfte,
wie wir an dem Falle Litta gesehen, bei was immer fUr einem
Anlasse von seinem gleichheitswidrigen Prädicate Gebranch
machen. Das Empire hatte die Institution des Adels wieder
hervorgezogen und eipen neuen geschaffen: Herzoge^ Grafen,
Barone und Ritter. Herzoge waren in der Lombardei nur
drei, darunter der von Lodi, der Titel war in männlicher Linie
nach dem Rechte der Erstgeburt erbhch. Der Conte- und Baron-
titel war nur persönlich, dafern nicht die Erlaubniss zur Er-
richtung eines Majorates mit einem der betreffenden Adels-
stufe nach dem Gesetze entsprechenden jährlichen Einkommen
erwirkt wurde. Die Cavalieri der eisernen Kröne ftihrten
gleichfalls ihren Adel persönlich; doch war es ihnen ebenso
gestattet, denselben nach Art. Xu des VU. Statute costituzio-
nale durch Stiftung eines FamiUen-Fideicommisses erbUch zu
machen^ es waren aber von den lombardischen Rittern nur
zwei, die von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht hatten.
Im Ganzen war der neue Adel nicht sehr zahlreich, 43 Conti,
41 Baroni, und Bellegarde beantragte daher beim Kaiser, sel-
ben umsomehr gelten zu lassen, da er ja überwiegend an die
Person des NobiHtirten geknüpft sei und mit diesem zu Grabe
gehe. Der Wiedereintritt des alten ,grösstentheils im Dienste
des durchlauchtigsten Erzhauses' erworbenen Adels in die frü-
heren Rechte galt dem bevollmächtigten Commissär als selbst-
1 A. J. Hofkanzloi-Decrot vom 11. Aiigust, Nr. 9669/1634. Die Wirksam-
keit der Organisirnng^commission erstreckte sich auch über die illyri-
schen Provinzen mit Ausnahme des Villacher Kreises, auf Tirol nnd
Vorarlberg. Unter den Mitgliedern derselben finden wir im April 1815
ausser den oben genannten die Hofräthe von Eiberg und Rinna, den
Kreishauptmann Freihorrn von Metzburg, den Regierungsrath Freiherrn
von Türkheim. — Irgendwo fand ich einen Conte Lazzarelli als Präsi-
denten einer zur Organisirung der italienischen Provinzen in Wien fin-
gesetzten Hofcomnüssion; ich habe aber weder in den Schematismen,
noch in den Acten diesen Namen gefunden.
Lndlich. Vom Monarchen wurden 'liese Grundsätze im
^meinen genehmigt.'
Im Laude aelbat war das Dringendste, mit der Reorgani-
sation der italienischen Tnippenkürper ins Reine zu kommen.
Unter der Mannschaft hatte die Ausreisserci in solchem Grade
zugenommen, daes man den Zeitpunkt herankommen sah, wo
es mehr {^)fliciere als Soldaten geben würde." Sehr viele flohen
in die Marken zu König Joachim, der es an geheimen Auf-
reizungen diese ganze Zeit hindurch nicht hatte fehlen lassen;
sie wollten, hiess es bei diesen Verftllulen, weder öaterreichisehe
Dienste amiehmen, noch kaiserliche Unterthanen werden. Die
Mehrxahl blieb wohl im Lande, aber nicht immer, um zum
heimatliehen Herd zurllckzukehren ; nicht wenige verlegten sich
r das Handwerk, das einen hänfenen Boden hat, oder ge-
pten sich jenen Banden zu, (bc sich aus anderen Classen,
rabschiedeten Amtsdienom, niederen Öewerbslcuten ohne Ver-
t recnitirten und alle Wege und Strassen, alte vereinzelt
Menden Gehüfle, aber aelbat geacblossene Ortschaften unsicher
ichten. Jeden Tag bekam man von Diebstählen und Kaub-
lüen, von Einbillchen, selbst TodtsclilOgon zn hören, nicht
iffcoeu Lande, sondern auch in verschiedenen Quar-
* Adel»-Ärch. (Mm. <\. I.), 13. Jnli Hollcganle an ,ltii Kaisor, 19, Sej.teraber
* LaUiHkj an rien Kaiser, 26, 0<.^k>ber, Ofen, kaiierlicbe BiiKuliliessung',
Jenen vom allen Adi>1, die von der italieDinslieii Stsataverwalliiiig mit
aeaem Ailelatitel lietlieJt tvarden, wodiirch sie auf ihre alleren Titel var-
Bichtet £u hitben Bcheiiieu, seien Jone einfscli su biMtgtigen, en wBre
denn, dosa aie bei 8r. MnjORÜil um Rüi^kveTHetsung- in dun n.ltcn Adel
einücbritteii. Liftr neue Adot bleibe, wie er Qbemummen wurden, ent-
' weder persJ^nlich mler EdeiroinmiBRariBcli, daforu derselbe nicht .im Fnlle
. Iimonderer VerdieuBtlicIikeit um Se. Mi^estKt' fiir mannlirlie und weili-
. lieb« Kauhkemmen erblirb geinaclil werde. Eioe aus JuhUh- und puli-
tiscben Iteamteu in Mailand ziisauimeugeiietzte üommissinn bntte die in
der einen oder andern Iticbtimg erforderlicben Beweiimittel xu prafc-n,
II «weifelhaften Fällen Vortrag an den Kaiser tu erstatten.
■ JL J. lSt4 Cunrulut ,VerHFhwiiningen': ,1 reggimenti aano aswii diminuiti
i Ibnut per le continiiate dosorzioiii, o »e ai proseguisue cokI Bnrk mag-
t giore it uumeru degli urfii-iali di quelU dei Holda^.' Aas einem St-hrei-
1 24. Juni, der Absender ist oii^bt genannt, Adressat aliec war
Bmoh Giacomo Oaspari, gewesonor Präfect dea Deportemenls Metuuro,
r Napoleon Freimaurer erster C'lnase. jet»t den OsIerreichiHyhon Be-
' iiOrden, wohl um anderer UmsUnde willen, in hohem Grade yerdichüg
nnd darum sotgaunst ilberwatlit.
1 AnkiT. Vi- Lxivi. U. Hiin>. aS
502
tieren von Mailand, so dass zuletzt Massregeln in grösserem
Style ergriflFen werden mussten. Am 29. Juni wurde aus Mai-
land ein Streifcommando von 800 Reitern ausgesandt und von
da an täglich so viel liederliches Gesindel eingebracht, dass
bald alle für die Bewahrung desselben verfügbaren Räumlich-
keiten zu eng wurden. Von den Militärbehörden wurde Befehl
auf Befehl erlassen, Frist für Frist angesetzt, bis zu welcher
die Ausreisser gegen Zusicherung der Straflosigkeit sich unter
ihren Fahnen wieder einzufinden hätten. Durch einen späteren
Armeebefehl' sicherte Bellegarde allen einzigen Söhnen, sowie
Ehemännern, die Kinder besässen, auf ihr Ansuchen Verab-
schiedung zu, aber gleichfalls nur unter der Bedingung, dass
sie nicht fahnenflüchtig geworden oder den ihnen zur straffi^ien
Rückkehr gewährten Zeitpunkt nicht unbenutzt gelassen.
Unter den Officieren währte die üngewissheit über ihr
künftiges Los und daher Missmuth und Widerspruchslust nun
schon in das dritte Monat hinein. Allerhand Gerüchte trugen das
ihrige bei, diesen störrischen Geist zu nähren. Als in der zwei-
ten Hälfte des Juni die Generale Sommariva und Villata in
Brescia erwartet wurden, um die in der Stadt und Umgegend
gamisonirendcn fünf italienischen Regimenter zu organisiren,
lief ihnen das Gerücht voran: nach dem Plane des Inspectors
Cortesi sollten drei Viertheile der Ofticiere verabschiedet und
nur jene, die mindestens vier Feldzüge mitgemacht und eine
Verwundung davongetragen, auf halben Sold, 400 Lire jährlich,
gesetzt, alle anderen einfach entlassen werden. ^ Die Aufregung,
die dadurch in den betroflFenen Kreisen entstand, überschritt
alles Mass. In einer Nacht, um den 26. oder 27., gaben ita-
lienische Officiere, von Wein und Punsch erhitzt, unter Ge-
schimpfe auf Oesterreich und dessen Regierung einander feier-
lich das Wort, eher das Leben daran zu setzen, als tmter den
kaiserlichen Fahnen zu dienen; sie brachen dann, immer lär-
mend und fluchend, auf, durchzogen mit wüstem Treiben die
nächtlich stillen Strassen und misshandelten jeden österreichi-
schen Officier oder Soldaten, der ihnen in den Wurf kam.^
Gegen Ende Juli war man mit dem Reorganisationsplan
fertig. Aus den lombardisch-venetianischen Bestandtheilen der
' Vom 9.. September.
' Nncli dem oben angeführten Privatschreiben vom 24. Jnni.
3 Raab an Hafifor, Pacbia 2. Juli. A. .1.
gew<'seneD italienischen Anneo sollten vier Linien-Infanterie-
Kegimeuter — eines in Como, zwei in Brestia, das vierte in
Montei'hiari — , »■ier leichte Infanterie-Bataillons, den k. k, Jä-
gern vergleicLbar — zwei in Bergamo, einos in Varcse, das
vierte in C'asalinaggiore — , endlich ein Chovcaiixlegcra-Regi-
inent gebildet werden. Die Infanterie- Regimenter wnrden neben
jenen, die schon zur Zeit der früheren österreichisehen Horrsehaft
in OberitAJien bestanden Iiattcu, an die Werbbezirke gewiesen:
Nr. 13 Padua, Nr. 23 Lodi, Nr. 38 Bi-escia, Nr. 43 Como und
Sondrio; zu Inhabern derselben wurden ernannt die k. k. Feld-
marscballlieutenants Maximilian Froihen- v. Wimpffen, Franz
Freiherr v, Mauroy de Merville, Johann v. Prohaska und General-
Feldwaclitmeister Johann Karl Fürst Paar, also durchaus verdiente
Generale aus dem illteron österreichischen Persontdstande. Daas
man keinen der italienischen Generale mit einem solchen Ehren-
nnd Vertrauensposten aufizeichnete, war filr den Anfang wohl
jreiÜich; in den kaiserlichen Dienst übemoramcn aber wur-
aehr viele, darunter selbst solche, deren napoleonisch-
IgeniscliG Anschauungen und Absiebten, deren Widerwille
p;n die eingetretene Wandlung gerade in der letzten Zeit
fcr stark hervorgetreten waren, wie bei Fontanelli, dem let«-
i Kriegsminister des Prinzen, bei den Generalen Palombini
pd Zucchi; sie wurden alle drei mit Feldmarschalllieutenants-
mg in die k. k. jVrmee eingetheilt und zwar, gleich Ludwig
eafen Mazzucolielli und Giac. FU. Huyoel Baron de Meestre,
9 ^angestellte', Palomdini und Zucchi insbesondere als Diri-
^näre; de Moestre wurde in seiner letzten Stellung als Director
militärisclieu Waisenhauses von San Luca belassen. Als
tneral majore oder, wie damals der Titel häutiger lautete,
meral- Feld Wachtmeister wurden übernommen Bertoletti, Vil-
Paohicci, Paini u. A. Von den , angestellten' Obriaten
laden wir allerdings nur zwei in selbständiger Verwendung:
iseppc Fiuetti als Festnngscommandanten von Pizzighetone
und Pietro von Businelli als Obristen des neu errichteten Linicn-
Jnfanterie-Regiments Nr. 43; bei den anderen drei Nr. 13, 33
und 38 wurden Giarab. Cometti, Carlo Olini und Ferdinand Graf
iccopieri als zweite Obriste eingetheilt, ebenso Giov. Cav, Nar-
bei Savoyen-Dragonem Nr. 5, Antonio Conte Serbeiloni
gä Frimont- Husaren. Bei den nen errichteten leichten Batail-
wurden Pietro Varesi und Silvio Moretli als Obriste, Pietro
504
Cav. Pavoni als Obristlieutenant an die Spitze gestellt; das that-
säclilicbe Commando erhielten aber nicht sie, sondern unter
ihnen Obristlieutenant Franz Freiherr von Griess und die Majore
ßlasius Graf Begna und Gius. Bozzo di Borgo, altgeschulte
österreichische Officiere, während jene, in die k. k. Armee neu
aufgenommen, selbst erst den Dienst kennen und üben zu lernen
hatten. Es lag also dieser Veranstaltung kein Missü^auen zu
Grunde und sie war nicht als Zurücksetzung anzusehen, sod-
deni ergab sieh einfach aus der vorläufigen Lage der Dinge.
Vom Major abwärts* wurden in den neu errichteten Regimen-
tern alle Stellen, vereinzelte Fälle etwa ausgenommen, mit Eün-
heimischen besetzt, was allerdings für die grosse Anzahl von
Offieieren aller Waffengattungen, welche der itaUenischen Armee
angehört hatten, nicht auslangte. Eine grosse Anzahl konnte
vorläufig nicht untergebracht werden, wurde auf halben Sold
gesetzt und an die Depots zu Casahnaggiore, Gallaratc und
Paviu gewiesen, wohin auch die aus der spanischen oder russi-
Hchen, britischen oder deutschen £a*iegsgefangenschaft zurück-
kehrenden Officiere einrücken gemacht wurden. Man nannte
sie jisolati'; einige davon verlangten und erhielten ihre Ent-
lassung, nicht wenige nahmen in der Armee König Joachim's
Dienste.
12. .
Karl Franz Comelli von Stuckenfeld, angeblich in
Aquileja geboren, Sohn eines kaiserlichen Officiers, lässt sich
mit zwei Worten als das vollendete Abbild eines Flausenmachers
und Abenteurers charakterisiren. Am 1. Juli 1795 Lieutenant
im k. k. Infanterie- Regiment Nr. 43, im selben Jahre wegen
einer bei San Giacomo mit grosser Bravour erfolgreich durch
geführten Attaque über Vorschlag des Feldzeugmeisters Joseph
Baron de Vins mit der goldenen Medaille ausgezeichnet, war
im Jahre darauf nach der AflFaire bei Peschiera als ,verniisst*
angeführt und ein ÄFonat später, 7. September, im Gefecht bei
Primolano gefangen worden. Wann und wie er sich das eine
> In der italieuiscbeu Armee hatten zum Theil andere Kategt>rieii bestanden:
,coI()iieIlo^ galt jetzt als Obrist, ,maggiore' als Obristlieutenant, ,capo*
battagliouo/ als Major. Es hatte drei Kategorien von ,capitani' gegeben,
davon wurden jene der ersten Hauptleute, der zweiten und dritten Capitin-
Lieutenants; ebenso ,tenente' erster Clause = Oberlientenant, zweiter
OHso TT- L'rutonant. ,sotto-tpnento* = FKhndrich.
^|Bd (Ua anderenial wieilei- luaziimiti'hen gewusst, ist tik-lit j^v-
»' tegt; sicher ist, dasa er iu allem fjross war, wobei es atif Schlau-
heit, suf List und Finten, auf sich Verbergen und unerkanntes
Diirchmtachon ankam. So leistet er noch ira selben Monate,
wo CT in feindliche HAnde gei-athen war, seinem eigenen Heere
einen wichtigen Dienst, indem er als Bauer verkleidet an Feld-
marschalilieutennnt Davidovich in Verona mündliche Befehle
überbringt. Vom 19. zum 32. November recognoseirt er unter
Misdiandlungen durch ft-anBösische Soldaten und physische Stra-
pazen a.llcr Art, wobei ihm seine gohlone Medaille verloren geht,
die fcindhche Stellung vor Verona, aehleieht nach Villanuova
und ziiriiek, nach Vcronii, nach Ala. Am ö. Pecember zum
Obcrlioutenant beim Freicorps Gynlai befilrdert, erbietet er sich,
wenn ihm zu seiner Sicherheit ein tingirter Abscliied gegeben
würde, im Kücken der französischen Armee eine Art Revolution
in Scene zu setzen. Vierzehn Tage spiltcr hat er mündliche
Nachricht wegen bevorstehenden Entsatzes nach Manlua zu
bringen, httlt sich drei Tage und Nfichte im Schilfe verborgen,
bis man die von ihm zur Nachtzeit gegebenen Zeichen in der
feetung bemerkt and ihn abholt. Am 1. Mai lTfl7 Capitain-
ntenant, am 4. November XIW wirklicher llnuptmann in dem
l^lfetierrichteten Regiraente Nr. 4'^. sendet er an Kaiser Franz II.
ein jgehorsamstes Project' die Festung Mantua mit geringen
Mitteln wiederzugewinnen und erbittet sicli datllr statt der ver-
lorenen Medaille einen Orden und die Reftirderung zum Obrist-
Hjkntenant; ira Falle des Misslingens ,ißt Unterzeichneter immer
^P^lreit, fllr seine Frechheit mit seinem Kopfe Euer Majestät
M lÜtlsfaction zu leisten'. Das ,Projccf' musa nicht angenommen
worden sein und gegen Ende des Jahres finden wir ihn ,wegen
unbescheidener Reden' in Haft und in gerichtliche Untersuchung
—.gelogen. Auf hofkriegsräthlichen Befehl vom SO. Januar 1799
■M^d er zwar aus dem Arreste befreit, da der Fall, fUr eine
HaHbho strafweise Behandlung nicht geeignet, höchstens es rceht-
lertigen könne, ,auf das Benehmen dieses Hauptmannes ein
obaehtsames Auge zu haben'; er wird zum Kegimente de Vins
Nr. 37 übersetzt und nach Vorarlberg ,instradirt'. Dodi ist
^' damit ein Wendepunkt in Comelli's Lebensbahn eingetreten,
^Kpd xwar zum .Sehlimuiercn. Im 3ilärz 1799 geräth er abermals
^■^Kriegsgefangenschaft, wird im Juh ranzionirt imd macht am
^Hk August den Vorachlag, zwei venetianischc leichte Bataillons
Dis n
Beete
l^ibtiei
506
ZU errichten, wovon er dem einen als Major vorgesetzt werden
soll. Gleich darauf linden wir ihn ,al8 einen gefährlichen und
bösen Grundsätzen anhängenden Mann' neuerdings in Unter-
suchung gezogen. Am 11. Octobcr ist der Bruch mit seiner
doch zu einem grossen Theile ehrenhaften Vergangenheit voll-
zogen: er geht bei FenestrcUe über das Gebirge zum Feinde,
welchem er die Stellung der Kaiserlichen verräth. DaRir wird
er als Deserteur fiir ehrlos erkannt, am 11. Mai 1800 zu Bar-
dighera sein Name an den Galgen geschlagen. Er nimmt fran-
zösische Dienste und will es hier zum Obrist gebracht haben,
er schreibt sich jetzt ,Charles Franyois Comte Comelli de Stucken-
feld' oder fiir Vertraute C. F. C. C. d. S. Im Juni 1805 wünscht
er in die kaiserliche Armee zurückzukehren, Graf Cobenzl ver-
wendet sich von Paris aus für ihn beim Erzherzog Karl, der
jedoch darauf nicht eingehen will: ,man glaubt, dass ein solcher
Ueberläufer auf keine Art eine Rücksicht verdient'. Gleichwohl
finden wir ihn drei Jahre später in Beziehungen zu dem kaiser-
lichen Prinzen, welchem er aus dem Schlosse H^mösv^z 3. August
1808 sein Unglück schildert' und von welchem er bald darauf
* Der Brief bog-iiint mit den Worten, die ihm sein Vater auf dem Todten-
bette gesagt habe: ,Lor8que mos malheurs cesseront les tiens ne feront pent-
etre que commeiicer.* In was für einer Schmiere Comelli-Sohn sich da-
mals befanden habe, wird aus seinem Schreiben nicht klar. Aber er ist
grösser als sein Unstern: ,c*est la fermet^ dans Tadversit^ et non Ttn-
solence dans la prosp^rit^ qui distinguo les hommes de caract^re d'arec
Ics amcs triviales/ In einem Postscriptum dankt er für die erlang
,salva guardia^ Ein zweites Postscriptum, vom 15. August datirt, schil-
dert die letzte Gefahr, die er gelaufen: er hat ein Versteck iu dem
Schlosse einer Vicomtesse gefunden, deren Gemahl auf dem Schaffet ge-
blutet; das Schloss ist eben jenes oben im Text genannte, die Vicomtesse
ist seine Flamme — ,(iui, je Tavoue, mon Prince, est la seule foibleese
de mon cwur* — ; eines Tages wird er durch Lärm und Durcheinander-
laufen im ganzen Schlosse erschreckt; schon will er sein yersteck ver-
lassen, als die Schlossherrin in sein Cabinot stürzt, um vor Allem, da
Gendarmen das Schloss umstellt haben, seine Papiere in Sicherheit zn
bringen, darunter auch diesen Brief; genug, er wird gerettet, ab«r d«
Ganze ist in eine solche Phrasenschwulst gehüllt, dass ein gewöhnlicher
Sterblicher daraus nicht klug wird — wenn nicht das Ganze von Anfang
bis zu Ende erfunden ist! . . . Die actenmässige Zusammenstellung der
den Comelli bis 1808 betreffenden Daten aus den Archivalien des
Reichskriegsministeriums hat mir der Herr Director Oberst Leander von
Wetzer gütigst verschafft, welchem ich mich dafür zu ganz besonderem
Bfii Sich erhettsst'h ein fUr allp (,'ivil- und Militärhchörilcii der
lUBerliclii^n Landu erhält. Damit scheint es zusanimen zu hängen,
: von anderer, allenlingB nieht amtlidier Ssitc eri'ahren:
Jamelli habe 180il in Italien dem Erzherzog Johann Spähcrdicnste
' ^JeJeislot und Versuirho zur Kcvointionirung; des Landes gegen
die KrRuzosen gemacht, Naeh dem fVir Ocsterreich so unglück-
liehen Ausgange des Feld/uges bleibt ComcUi wieder nichts
tbrig ilIs Frankreich, wo er jedoch festgenommen und eingesperrt
und jede feste Lel^rensstelluiig verfiert. Er seheint von
I IUI auf den .Stegreif angewiesen zu sein, wobei er in Schulden
UoaDnehmlichkeiten aller Art ^erieth; ,er hat', schrieb
tchmiUa Mettcrnich von ihm, ,wfthrend meines Pariser Aui-
thaltea alle Gefängnisse durchgewandert'. Er versucht ee dann
Ipt der höheren Politik, A. h. mit Verschwörungen und Umsturz-
tUncu in grossem Styl. Er schliesst steh an die in Paris leben-
n miflBvergnügten Italicner an, die hei dem röinischen Sehrift-
[* Angeloni und einem Arzte Comara zusammenzukommen
«n, und trägt dabei einen wlitlienden Oestcrreiclierhass
r Hchau. Er geht dann nach London und gilt als Haupt der
t lebenden Independisten, Augelo Boneili, Abatc Macpherson,
I und Gidon Uous etc. in ihrem Kreise ist er der ,General
mte Uomelli', nach aussen deckt er sich mit dem Pseudonym
Kur Bertoldi aus Delmenhorst, wohin der Umsehlag über die
r ihn bestimmten Briefe adressirt werden mtlase.
Hiebt so genau sind wir Über eine zweite Persönlichkeit
■richtet, von deren Vorleben wir nicht mehr wissen, als
asic uns selbst davon erzählt. Sieur Esqujron de St. Agnan'
; sich als ,homme de letti-es', will 1808 durch den Grafen
Bttärnich dem Kaiser Franz ein Werk liben'cieht und dafür die
Ueno Medaille erhalten haben. Im Frühjahr 1814 benützt er
) Anwesenheit dieses Monarchen in Paris, um demselben die
' Uefurung seines ,Dieu, la nature et Ics iois' zu Füssen
[^ legen, wofür er vom Kaiser, so zum mindesten berichtet
t. Dnnko vorpfliclitet filkle. Von IHOS hI> versiegt leider diese verlRiiAlicIie
lOoelle,
liDiM i»t wnhl die richtige Suhreibung; niulit ,S»int Aifpian', wia e» in ileu
i Wiener Dud MfLÜäuderDetiPsulieii tieUnt, wozu wutil lUe NninutisSliiilicIikoit
I mit jetiem frauzllniicbeii Di|iliiuifit«u hu den iiäi.'LHi)^('lien Hnfen Baruu lEtuuK-
j Man de Salat- Aigniui, HchvfH^r CAiiUim'unrt'x, der nitcli der tjohtiii^ht
I Wt Leipzig die l>el(»]inte ß'ille »jiielle, Äiilntw jrogebeu li.iben »ing.
508
St. Agnan selbst, auf das ireundlichste empfangen wird.^ Um
die Mitte Juni ist er in London und triflFt hier mit Comelli zu-
sammen, welchem er vor Jahren aus irgend einer der vielen
Verlegenheiten jenes Abenteurers herausgeholfen hat. Dieser
war jetzt wieder in voller Thätigkeit. Als ,Le Comte Charles
Fran9oi8 Comelli de Stuckenfeld' richtete der Windbeutel,
während Kaiser Alexander nach London kam, durch den Ge-
sandten Grafen Liewen an den Zar imd an den König von
Preussen Denkschriften, in denen er gegen Oesterreich hetzte
und insbesondere den Grafen Liewen bat, vom Kaiser den Be-
fehl zu erwirken, ,afin qu'aucun des Italiens qui se trouvent prison-
niers de guerre dans son empire, ne soit rendu en Autriche ou
en Italic jusqu' k nouvel ordre^^ Dem St. Agnan machte er
wichtige Enthüllungen: in den ersten Octobertagen werde in
ganz Italien eine Revolution ausbrechen, ein römisches Reich
mit einem ,Cäsar' und drei Consuln an der Spitze solle aus-
gerufen, Kaiser Franz umgebracht werden, zwei Generale aus
der Umgebung des Kaisers seien im Geheimniss, um das übrigens
bis zur Stunde weder Napoleon auf Elba noch Prinz Eugen
etwas wissen; Russland sei dem Unternehmen günstig, um da-
durch Oesterreichs Pläne auf die apenninische Halbinsel zu
kreuzen. Wer der künftige Cäsar sei, wollte Comelli nicht sagen;
jedenfalls werde derselbe einer der regierenden Familien Europas
entnommen sein. Einverstanden mit dem Entwürfe seien viele
höhere Officiere der Armee des Königreichs Italien, und es
sei mit diesen eine Zusammenkunft für den 5. August in Mai-
land angesetzt, wo man das Nähere besprechen werde. Comelli
wollte, so theilte er St. Agnan mit, am 1. Jidi London verlassen
und über Holland, Delmenhorst und Tirol nach ItaUen reisen,
um am bestimmten Tage in Mailand einzutreffen.
St. Agnan kehrte nach Paris zurück, meldete sich am
15. Juli bei dem kaiserlichen Commissar am französischen Hofe
Grafen Ludwig Bombelles und eröffnete diesem, bei welchem
* Diese Dinge kann St. Agnan nicht erfunden und erlogen haben, da er
sich sagen musste, dass Graf Bombelles darüber nach Wien berichten
werde, wo man seine Angaben controliren konnte. Ich bemerke aber,
dass ich weder in Qu6rard, La France litt^raire, seinen Namen unter
den Schriftstellern, noch in der kaiserlichen Fideicommiss-Bibliothek so
Wien die dem Kaiser Franz überreichten Werke gpefonden habe.
2 A. J. 1814 ad 83, Fascikel , Verschwörungen*.
Ich dessi'n Bruder Heinrich, k, k. Hauptmann und Botschnfte-
kvatier, befand, die geheimen Anschläge Comelli'a und auf
reichem Wege und durch welche Beziehungen er zu dem Ver-
men des letzteren gekommen sei. Kr Übergab, gleichsam als
Irgen fiir die Wahrheit seiner Aussagen, eine Anzahl von
^riftsttlcken, vorbereitete Aufrufe, Instructionen u. dgl., die
Coraelli erlialten haben wollte. Er orbot sich selbst
ich Mailand zu reisen, dafern ihm nur die nöthigen Geldmittel
geschossen würden, und dort seinen Verkehr mit Comelli und
Basen Genossen, von denen er erwartet werde, zu unterhalten,
I stets in Kenntniss ihrer iiilehsten FlKne zu sein. Er stellte
[dieBem seinen Sehritt als ein grosses Wagniss vor, fUr das er
ic\i sicheres Geleite und strengste üeberwachung seitens der
tolizei erbitten müsse, wenn er nicht den Dolchen der Ver-
forenen verfallen solle.
Auf die beiden Bombelies machte der französische Edel-
mann den günstigsten Eindruck, Graf Ludwig bedauerte nur,
sich nicht vom Fleck weg entscheiden zu können, da er in
einer so wichtigen Angelegenheit vorerst in Wien anfragen müsse.
Oahin ging am IH, Graf Heinrich ab, um dem Staatskauzier
durch mündlichen Bericht ku ergflnxen, was sein Bruder in der
amüichen üepeschc zu Papier gebracht hatte.'
Gegen Ende Juni war aus Padua nach Wien berichtet
yräcTt, dass in Mailiind ,zicmlich offen' zweierlei Subsoriptions-
len umliefen, für solche, die sich erböten, Waffen zu tragen,
I und flir jene, die Geld hergeben wollten. Noch bedenklicher
lauteten die Meldungen Feuerle's: die aufgelöste italienische
Armee imd die Miss vergnügten in Bologna, Bresciii, Verona,
Udine führten eifrige Correspondenzen und trilgen ,wohl ge-
schliffene Stiletc in .Stücken und Stiefeln' bei sich, daher das
von der (ruberen Regierung erlassene scharfe Verbot verborgene
Waffen zu tragen orncuort werden sollte.' Wo die Polizei von
iheimen Zusammenkünften erfuhr, schritt sie unverzüglich ein,
1^ A. J. Beils^ XU Nr. 6778 ad V2lrl\ in AWi-Urift Iwigen'hlnaseu: t. Be-
■ sclir«ibniie Aar fmschieclonea GelieimBeieheni t. Reglemona pruviaoirea
favT 1e Ooiivenieinent; B. Apper^ii iles moyens il'exJciitLoii; 4. Projot
d'nns proutnnuitiiin hui Peiiple« Ao TEmpire RomAin.
« K««b »n ir«frfr l'n.l.if. SS.. Kni„Tli> M:iilnnd 2!». .Iiini.
510
wie am 12. Juli gegen eine Versammlung der Fi-eimaurer bei
St. Olona, deren Papiere und Gelder man mit Beschlag belegte.
Vier Tage später fanden sich beim Kaufmann Sovcsi Kisten mit
Flinten und, wie man sich in der Stadt erzählte^ einige Fäss-
chen mit Pulver, woraus allerdings nicht mit Nothwendigkeit
folgte, dass dem Besitz und Vertrieb dieser Artikel regierungs-
feindliche Absichten zugrunde lägen; sie wurden indessen be-
hördlich in Empfang genommen.
In den leitenden Regierungskreisen war man nicht so
furchtsam. Die doppelten Subscriptionslisten für Waffen und für
()eld, erklärte Bellegarde in einem Berichte vom 19. JuH an
Baron Hager, seien eine Fabel; er sei bis zur Stunde keiner
antiösterreichischen Verschwörung auf die Spur gekommen; die
etwa in einigen Dipartimenti noch umlaufenden Unterschnft-
bogon Hlhrten aus der Zeit vor dem Einmarsch der Kaiserlichen
her und seien Nachklänge der damaUgen mailändischen Petition,
welche die Unabhängigkeit des Königreichs Italien zum Ziele
hatten. Auch von den Freimaurern besorgte er nichts. Gegen
Ende Juli kam der venetianische Polizei-Oberdirector nach Mai-
land, von wo er Verzeichnisse und Charakteristiken der Einge-
weihten an Baron Hager nach Wien sandte. Die Freimaurer
galten ihm, und dies war ohne Zweifel auch Bellegarde's Mei-
nung, als unschädlich: ,Mag seyn, dass sich einzelne in der
Wohnimg dieses oder jenes Bruders zusanmieniinden; das ist
aber, obwohl die poiizeiUchen Organe angewiesen, die Privat-
zusammenkilnfte bekannter Freymaurer zu überwachen, schwer
zu verhindern; der Regierung muss es genug sein, zu wissen,
dass selbe in keiner Loge ordentlich zusammenkommen.'
Allein die unteren PoUzeiorgane gaben sieh keine Ruhe
und auch von anderer Seite wurde unablässig gegen die Secte
geschürt. Unseren Feuerle finden wir hier in seinem Element,
er richtet seinen Blick weit über die Grenzen des Mailändischen :
Jn Turin sollte eine Freimaurergesellschaft aufgehoben werden;
als aber imser Militär erschien« fand sich unser General Bubna
in selber, welcher die Wache unter Drohungen zurückwies.^ ^
* Kaah »u Ha^r, Paidu» 15. Ausist.
- A. J. «Vor?chwr»nui^n% MaiUnd 10. August. Ist dieser Angabe m trmoen?
Kiitvr^ler war der OberbefehlsKaber der k. k. Trappen in Turin Frei-
niaurer« djuin konnte militürisckersetfe» gegen die Logen nicht eingeschritten
werdoii. Oder es iKUide gegen die Tnriner Logen militniischerKits ein-
611
Der Buchdrucker Nie. Bettoni in Padua wollte eine heftige
Schlaft Napoleons Erhebung und Fall ein Werk der Freimaurer'
auflegen; der Aufsatz wurde mit Bemerkimgen des Polizei-
commissars Giavarina und des regierungsfreundlichen Advocaten
ValcntincUi nach Wien geschickt;^ in Druck durfte er aber
nicht gelegt werden, man wollte Aufsehen vermeiden; denn, wie
der Bischof von Padua klagte, ,dic freimaurerische Bündelei
herrscht mehr wie je'. Es kamen auch von anderen Seiten
Warnungen. So berichtete Graf Ncipporg, im Juli und August
an der Seite der Kaiserin Maria Louise in den Bädern von Aix,
an den Fürsten Mettemich und macht<3 gleichzeitig den Grafen
Bellegarde aufmerksam, dass eine geheime Thätigkeit auf Bil-
dung eines itaUenischen Bundes ,ganz nach den Grundsätzen
des Tugendbundes' ausgehe und die Herstellung einer italienischen
Republik zum Ziele habe; britische Staatsmänner seien wohl
diesen Bestrebungen nicht abgeneigt: ,Es sollen sehr viele
Staatsbeamte in den italienisch-österreichischen Provinzen bereits
zu dieser Gesellschaft gehören und sie soll hauptsächhch auf
das italienische Militär zu wirken trachten'.^ Von Wien aus liess
man die Freimaurer nicht aus dem Auge, immer wieder wurden
Verzeichnisse derselben abverlangt und eingeliefert. So erfolgte
denn seitens der provisorischen Regentschaft in Mailand am
26. August eine scharfe Kundmachung gegen die Freimaurer
,ed altri consimili Societk'; GefUngniss zwischen zwei Monaten und
einem Jahr, bei einem Rückfall noch schärfere Strafen, bei Be-
amten Entlassung aus dem Dienste, waren auf die Uebertretung
gesetzt. Am 9. September veröflfentlichte Fürst Reuss-Plaucn in
Padua einen ähnlichen Erlass.^
* ♦
Der 5. August war in Mailand ohne irgend eine ausscr-
gewöhnliche Erscheinung vorübergegangen. St. Agnan der edle
Ritter war nicht gekommen, weil ihm Graf Bombelles nicht das
gescbritten, dann konnte der Oberbefehlshaber der k. k. Truppen nicht
Freimaurer sein!
' A. J. ,Ver8chw^5rungen* 3377 ad 83, der Aufsatz selbst liegt dem Acte
nicht bei.
3 8t. A. 1814, 30. Juli, 8. August.
3 A. J. »Verschwörungen*, Z. 2636/83 mit Exemplaren der beiden Kund-
machungen. Die Mailänder ist unterzeichnet: II Commissario plenipoten-
512
gewünschte Geld vorgeschossen; aber auch Comelli scheint
nicht eingetroffen zu sein, da er sonst den argwöhnischen Blicken
der Mailänder Polizei kaum würde entgangen sein. Das ganzo
Stelldichein mit vorgeblichen italienischen Verschwörern war
etwa eine Erfindung der beiden Schwindler oder des französischen
Ca valiers allein. Ihre Enthüllungen, die in der zweiten Hälflc
Juli den Fürsten Mettemich und den Freiherm Hager-Altensteig
eine Zeit lang beschäftigt hatten, waren bereits in den Hinter-
grund getreten, als aus Tirol vom k. k. Oberlandescommissar
Anton Leopold von Roschmann-Hörburg Nachrichten einliefen,
die neuerdings die Blicke auf die lombardische Hauptstadt
lenkten. Es waren keine bestimmten Angaben, die Roschmann
liefern konnte, weder in der Sache noch bezüglich der Persön-
lichkeiten, es waren blosse Anzeichen, dass imter der Oberfläche
etwas gähre, dass auf ein Ziel, das er nicht näher zu beschreiben
vermochte, hingearbeitet werde.
Graf Bombelies erhielt jetzt von Wien aus die Weisimg,
den Herrn von St. Agnan kommen zu lassen und mit demselben
über die Mailänder Reise, zu der er sich das erstemal erboten
hatte, zu verhandeln. Die Besprechimg fand in den letzten Tagen
August statt. St. Agnan zeigte sich aber jetzt etwas schwieriger.
Er gebrauchte allerhand Ausflüchte; er erklärte, er könne nicht
abreisen, er habe Schulden, ohne einen Vorschuss von 8000 fl.
könne er nicht flott werden; übrigens sei sein Erscheinen in
Mailand für den Augenblick nicht dringend, nachdem das
Stelldichein vom 5. August verpasst worden, sei an einen Los-
bruch vor dem October nicht zu denken. Graf Bombelies gab
dem Schwätzer einen Vorschuss von 500 fl. und berichtete nach
Wien. Bei der ersten Unterredung mit dem französischen Sieur
hatte dieser auf den kaiserlichen Commissar den vortheilhaftesten
Eindruck gemacht: das sei ,un homme de bien et de bons prin-
cipes et dont la foi ne saurait etre suspectöe^ Jetzt urtheilte man in
Paris, und noch mdhr in Wien, über ihn anders, obwohl man seine
Dienste vorderhand nicht zu entrathcn vermeinte. Ueber Comelli
th eilte Bombclles mit, dass er in Italien zu sein scheine, und Graf
Bellegarde sollte doch wohl Anstalten ti'eflfen ,pour bien observer
ziario BcUeganle Presidoiite. Per la Reg^enza II segr. generale A. Stri-
gelli. (Strigclli war zuletzt Secretar des kOnigl. italienischen Staatsratbcs
ge.wesen.)
icölt^rat',' In der Tbat beschiuktfi Hager den kaiserlichen
eldautrscIiAll mit dem dienstlichen Ersuchen, den berüchtigten
melli-8tuckenfeld ausfindig zu machun und Überwachen zu
aeüj lö. >Septeniber. Seinerseits blleli Ruschtuann in Innsbruck
nicht uuthätig. Um sich Klarheit darüber zu verschaffen, was
Jenseite der Alpen gesponnen werde und welches die Theii-
nelimcr an den vcreteckten Vorgängen seien, beschlnss er einen
gewandton und vertrauenswürdigen Mann als ,taux frfere' nach
Mailand zu senden. Seine Wahl traf erst den Ti-ienter Advo-
caten Prati, dann entschied er sich aber fUr den gewesenen
Podcatii von Trieut Dr. Cbeluzzi, den er mit einem ,Reisegeld-
verlag* von 2000 fl. CM. ausstattete.'
Der voraohmon Gesinnung, dem ritterlichen Charakter
des Grafen Bellcgardc widerstrebte das eine nicht minder als
das andere. Er gab auf die Sendung des Trienter ,falscben
Bniders' ebenso wenig als auf die Enthllllnngen des französischen
Edelmannes, welch letztere Mett«rnich, so gegründete Zweifel
er selbst in deren Glaubwürdigkeit setzen mochte, dem kaiser-
lichen Feldmarsehall kurz zuvor niitgetheilt hatte." ,Welchon
Zweck diese Leute bey derlei falschen Angaben sich vorzeichnen,'
schrieb ßelJegarde am 23. September an den Chef der Polizci-
hofstelle, ,kann ich wohl nicht ergründen, vielleicht blos um
uns irrezufuhren und zu unzeitigen Massregeln zu verleiten.'
Bellcgarde glaubte überhaupt an keine Verschwörung. Unzn-
^■ledcne, meinte er. gehe es überall, ,aher diese billigen nicht
r bestimmten I'artoy'; wenn der Congrcss Frieden bringe,
!> A~ J, tS14 Heilag'? za Nr. 3699 aä 1202.
i E« ist ilbrigena xa Itemerkon, ditus dor Name Clielnxzi's in ileii Depcsi'lieii
Dallegarde'« nicht vorkommt, wühl alier der siucH Etturi, Qlier den sitli Bullo-
gurde iD »ehr ^ringuchätKi^r Weine iiu»pricht: er hüro ilin nn, er l»me siuli
von ilim eriftlilen, aber er gebe ihm keine AaftrSge noch Beglanlii^inga-
^■direiben; seine H>Itiiiig im Tosrnnischen, Ton wo er den Exkaiser am-
i Kp'unü'mi wollte, liaho ihn sehr verdichti^ ^macht ,da Tonloir bion plua
iT Mxl l^ie« de Klpul^on iju'i celtes de notre umr* (December). Die
I MOgUebktiit icheint mir nicht aiugeiichlaiaea, (Um CheluxKi nnil Bttori
B nnd dieselbe Person sind, d. li. iluis sich dar VertrHueimmniin Rosi^b'
mann'«, der hIb ehemaliger PodestH einer su wichtigeu St»dt wie Trient
nicht Idifht iinbeuierkt bleiben konnte, ReiHednctimente Aat jenes Pseu-
donym annbediingen hahe.
* A. J. Metl.<n<iil> nn UHlug'nrd«. WJpn »1. Ausist.
liabe man niolit i\ns geringste zu beftii-uhtun'. In iler That hl
Oraf Bellegarde sowohl seine eigene als die vcnetianisi
Polizei zu oft auf falsclieii Fährten ertapjit, um so leicht neuen
Angebereien sein Ohr zu leihen. Obwohl die Freimaorerlogen
unterdrückt waren, wollten die untereu (li^ane immer wieder
von allerliand Treiben dieser Secte wissen, von Versendungen
von Kisten mit Büchern freimaurorischen Inlialts, wovon unter
anderen der Postwagendireclor Gioacchino Storasi in Verona
zu erzllhlen wisse u. dgl. Wenn sie mit solchen Meldungen
in Mailand nnil Venedig kcinra Glauben zu finden ineinten,
so wandtoll sie sich unmittelbar nach Wien. So lief daselbat
im September eine Anzeige aus Venedig ein, dass sich in einem
vom Mittelpunkte entlegenen Sladtthcüe. in einem Privatliausc
der Pfarre ai Carmini Freimaurer der Loge la LeÜKia ver
sammeln; Raab, den der Oberste Polizciprstsidcnt hierüber
befragte, stellte die Sache entschieden in Abrede, Ana Laibach
berichtete man von Anliilngern der Napoleoniden unter
Freimaurern: sie trügen auf der Bnist unter dem Kleide
Medaille mit der Biene und einem schlafenden Adler und sttchl
uiit ftlien Mitteln MissvopgnÜgen gegen die bestehenden Rcgie-
rungeu zu verbreiten. Dann kamen wieder Anzeichen von
einer ,Betta detta dei Raggi' in Mailand, die unter dem Deck-
mantel von Werken der WoIdlhJitigkeit politische Knnke spii
Gelder sammle, Hilfskräfte suche; hochgestellte Personen,
unter ein Mitglied der provisorischen Kegentsehaft, seien
der Spitze. Auch die Engländer Hessen keine Ruhe und gewannen
immer mehr Anhang in der Lombardei, selbst Über den Minciu
hinüber; der IHvisionsgcnerai Palombini habe Subscriptl uns listen
in dieser Hiehtuiig eröffnet, im Cafe ai Servi werde die äavhi-
ganz unumwunden betrieben. Der uubUndige Beifall, mit welchem
der in Mailand weilende Lord Bentinck begrilsst worden,
oft er sich in der Theaterloge gezeigt habe, sei ein nidit
missdeutendes Wahrzeichen. Feuerte wollte wissen, dasato Qi
von den Engländern eine Revolution vorbereitet werde; eine
eigene Seete der ,Neri' — schwarzer Anzug, Schnurr- und
Bnckenbai-t, unter der Lefze ein SpitzbJlrtchen — unterböte
lebhiiftcn Verkehr mit gleich gesinnten Lombarden: Zu-
AbgAiig von ÜenuGseu und Piemontesen, geheime 2\u
künfte derselben mit Einheimischen, seien in MiüUiiiI
Alltägll flies. Aber aneh von Frankreich, wo die altge
kibacb
'M
Rcgie-
1 von
Dect.^
'4
nn m^^
innen
[incio
listen
iavhi-
eheu
I, M^B
riedenlieit uinur neuen Jievoluliun in die Hilmli; arbeite,
ike den Freimaurern frolie Aussicht: man köune cb ihren ver-
1 Gesii'hlern ablesen, daas sie g'uten Mutlies seien, ,weil
I durch selbe in ihren vonnaHgen Wirkungskreis und Glanz
■ eingesetzt zu werden hoffen'.'
Solch allgcmeinf-n Redereien konnte man glauben und
glauben. Bellegarde glaubte ihnen nicht, weil selbst in
(cheu Fällen, wie in jenem von Venedig oi Carmini, wo he-
mmte Anhaltsii unkte gcgebeu waren, bei nilherer Nachforschung
) Örumllosigkeit derselben an den Tag trat. So hatte Luigi
[dini, ein tlbel beleumundeter Mensch, von geheimen Umtrieben
' Freimaurer in Bologna und Umgebung berichtet: in der
BisiUera, einem an der Strasse nach Modena gelegenen Land-
1 des Marchese Caprara, hielten sie ihre Zusammenkiiufte,
t hätten sie ihre Cassc (bei 3,0OO.OU0 Fr.), ihr Archiv, ihre
iffen, ihre scliwarz-rothen Cocarden. Der kaiserliche Generai-
ffnUmächtigte befahl scharfe Untersucbtmg: es fand sich aber
!|3er in der Ghisiliera noch in einem andern Landhauae der
i dae Geringste, so dass Bell^arde die ganze Sache für
uiden und erlogen erklärte.
Bedeutsamer aU di(^ ganze Gewirre von Meldungen und
(Zeigen war ein Moment, worin die Angaben St. Agnan's, so
oig Glauben man ihnen im übrigen schenken mochte, mit
Mittheiliingen des Grafen Neipperg zusammenstimmten:
Kde sprachen von ,mchreren Genoralen der gewesenen Armee
Königreichs ItaUen*. Ueber diese wunde Stelle konnte
»t Bellegarde, so lang das italienische Militär noch im Lande
wlte, nicht achtlos hinausgehen. Denn es Hess sich nicht ver-
inen, dass es in Ofticierskreisen ein verdächtiges Zusammen-
kon der Köpfe gab, dass ein gewisser Geist der Unruhe und
des Widerspruchs in ihren Reihen noch fortwährend sein unheim-
liches Wesen trieb, wenn es auch bisher niclit gelungen war,
«twus Greifbarem auf die Spui- zu koi
■ A. J. Venedig 3». Septeiiil.L>r, UaHU nti lligi:i; I^tibai'L 1. UrtulHT. Kri^n-
ninger an Itnab; Veij»ili|; G., vnii eiuem ünWknniilcii; s. ttanb an lln-
1 p&Riiiin. lu ileni Heridite roni 8. wenlnii die Zaiclien d«r Aiiglo-
I bsRchriebeii; ihr KrkanouuKfigeaprJtt^h laute: A, Socim)»». B. Ai
L InTvlioL A.Ouon. A AU'Italia.
616
13.
Es dürfte kaum vor der zweiten Hälfte September ge-
wesen sein, dass sich die Obriste Moretti und Olini im Theater
von Brcscia trafen. Silvestro Moretti aus Zavallo, um 1777
geboren, erst Geistlicher, hatte unter der Republik den Vornamen
Silvio angenommen und das kirchliche Gewand mit dem Sol-
datenrock vertauscht, in welchem er von Stufe zu Stufe stieg.'
Er sowohl wie Paolo Olini — aus Pinzano in Friaul, ein Vier-
ziger, verheiratet — hatten beide ihren Rang in der k. k. Ar-
mee nicht eingebüsst, aber das Regimentscommando, dessen sie
sich in der italienischen Armee erfreut hatten, war ihnen bis
auf weiteres vorenthalten, was ihnen als empfindliche Kränkung
galt. Auch Obristlieutenant Pa von i, aus Orzinovi in der Lom-
bardei, noch nicht dreissig Jahre alt und jetzt in ähnlicher
Lage wie die beiden Andern, soll an der Unterredung theil-
genommen haben, die sich zuletzt mit der Möglichkeit beschäf-
tigte, dem Königreich Italien die frUhere Selbständigkeit und
Unabhängigkeit zm'ückzugewinncn. Moretti und Olini, nach
anderer Angabe Moretti und Pavoni, reisten in kurzer Zeit
darauf nach Monza, wo sie den Musterungsinspector Innocente
Ugo Brunetti, aus Lodi gebürtig, Ffcund Ugo Foscolo's, auf-
suchten und von da in das nahegelegene Belvedere, wo zur
Zeit Fontanelli weilte. Graf Achille Fontanelli, Modencser,
hatte zu den zähesten Anhängern des Prinzen Eugen gehört,
aber, wie wir gesehen, schon in den Pariser Tagen seinen Ton
bedeutend hcrabgestimmt; jetzt war er angestellter k. k. Feld-
marschalllieutenant und weniger als je in der Laune, seine
ehemaligen Anschauungen in den Vordergrund zu stellen. Es
würde sich, meinte er, viel für die italienische Unabhängigkeit
thun lassen, wenn sich die Armee noch im Besitze von Mantua
bcfilndc, ohne diesen Besitz sei man auf Hilfe von aussen an-
gewiesen; allein weder von Frankreich, noch von Bentinck und
den Engländern sei etwas zu hoffen, auf den König von Neapel
nicht zu zählen; die Sache habe keine Aussicht auf Erfolg, er
wolle davon nichts wissen, man möge nicht weiter darüber reden.^
* Semplice verita etc. 137 f.
2 Kr. A. »Vortrag beim Kriegsrechte über die der Theilnahme Am Hoch-
verrath und beziehungsweise der Mitwissenschaft angeklagten ehemaligen
Generalinspoctor der Musterungen wie auch Gk>uyemeur des Mail£nder
K In dieser Zeit scheint es geweseu zu sein, dasa sich in
fttntaa, wo die Eugen'tichen Erinnerungen Uüt^h stark nach-
wirkten, eine Gesellschiift unter dem Namen ,Centri' bildete,
die ilire StHrke in unverbrüthliehem Gelieimthim suchte; ihren
Jüjtgliedem war es auf die Seele gebunden, nichts von ihren
.tuten, von ihren Genossen, von ihren Zusammenkilnften etc.
Papier zu bringen, nichts darüber zu reden als unter vier
Attgen.^ Die Gen tri gaJtcn als eine Abzweigung der Carbonari;
dieser letztere Name selbst tauchte nordwärts vom Po jetzt zum
ersteniDBl auf, und zwar sctieinen es Mantua und Mailand ge-
weeen zu sein, wo die Secte ihre sehr vereinzelten Anhänger
Einer der eifrigsten war der junge Advocat Lattuada,
wir von seiner Reise nach Genua her kennen, wo er sich
Lord Bentinck filr den Bestand, ftlr die ,Ehre' der italieni-
en Ai-mee eingesetzt hatte. Er sollte auch jetzt, wenn nicht
erste, jedenfalls die thätigste Rolle spielen, so dass er nicht
Grund als die Seele des Complots bezeichnet wurde, denn
;Ughch durch ilm wurden immer mehr Personen in das Ge-
lbe hineingezogen. Jakob Philipp Baron de Meestre Huyoel,
HotlUnder von Herkunft, aber Mailänder von Geburt, ein hoher
Vierziger, Hagestolz, war unter der italienischen Regierung zu-
letzt 6eneraIins]iector der Musterungen (alle Rnssegne) und
eremeur des Militärwaisenhauses von San Luca in Mailand
2Ben. In der letzteren Stellung hatte ilin die üsterreichische
eruug belassen, und er hatte also keinen Grund, sich zu
beklagen oder auf einen Umsturz der bestehenden Ordnung
der Dinge hinzuarbeiten; gleichwohl war er einer der ersten
nnt&r den Generalen, der sich für ein solches Unternehmen
Mpwinnen liess. Auf seine Anregung oder doch mit seinem
^^ HUltKrwiÜBeiiliausea Philipp Jakob da Meentra Hnyoel, dann die Obrinteii
K PauI Oliai, SilviuB Muretti und l'eter Vareso, sowie Obriullieiiteiiniit
V Peter PftToni. Uüntiut, nm 18. Nuvembor 1815. BUhrent. HAiiptiiiaiiii
V und Auditor (34 Bogen fol. halbbrflcliigl. Fflr da», wn» MnilSiider Vor-
B ßUle und PersHulirlikeileii betrifft, iHl die Prinzesnin Belgioiiiao-Tri-
^L »iiUi in solchen Änfüliruiipjn, die sie nns eieener Erfahruog oder «ii»
^^ UiUliüInngen an mittelbarer Theilnelimer HcbSpfeii konnte, umnomebr kii
^& hSren, als sirh ihre Aiigntieii ia der Ilaiiptsaclie mit den Grgebiiiisen der
H Rtra^eriubtlit'lien Untersiiclinii^ decken. Wo nie aber diene Linie über*
^P oclirAiteiid da« Gebiet der &1nthmassungeti betritt, nicli auf clna Hüren-
^P Mfisn verlKKHt, sinil ibr «ehr srgo Miiuigritre nach xii neigen.
Ml Da Cnetre, Hondo xet^retu VIIl, 10^— 1IJ4.
H *nli]<. BJ. LIIVI. tl ütlirir ?>\
518
Einverständniss begab sich in den ersten Oetobertagen Lattuada
nach Brescia, um den durch die Absage Fontanelli's abgerisse-
nen Faden der Verhandlungen wieder anzuknüpfen. Lattuada
trug ein Schreiben eines Obristen Bonfan ti bei sich, mit welchem
er sich bei Olini in dessen Qarnisonsort Pompiano einführte.
Er machte diesen aufmerksam, dass man nicht allein stehe,
dass eine geheime Gesellschaft, die ,Centri' das gleiche Ziel
verfolge, dass man der Unterstützung der Carbonari, zu denen
jetzt schon Männer wie Ant. Maria Caprotti, Bartolomeo Cave-
doni, Santino Gerosa gehörten, versichert sein könne. Ein
Plan, die Gardafestung Peschiera durch Ueberfall zu gewinnen,
wurde besprochen. Hier mochte auch abgemacht worden sein,
gegen die neueren Theilnehmer so zu sprechen, als ob sich
FontaneUi, auf dessen Namen und Stellung alle Officiere viel
gaben, der Sache nicht abgeneigt gezeigt hätte. Als solche
Theilnehmer erschienen jetzt nach und nach: die Generale Teo-
doro Lecchi aus Brescia und Gaspare Bellotti aus Turin, der
oben genannte Ca ve doni, Modeneser, ehemaliger Adjutant Ge-
neral Severoli's, der Bataillonschef D elf ini, der Kriegscommissar
Mancini. Zweier Persönlichkeiten muss besonders gedacht wer-
den. Die eine war der Obrist Antonio Gasparinetti zu Ponte
di Pieve im Trevisanischen um 1770 geboren, verheiratet; fana-
tischer Napoleonist, begabt und entschlossen, hatte er alle Feldzüge
mitgemacht und war zuletzt in Böhmen in Gefangenschaft ge-
rathen; jetzt befand er sich auf der Liste jener von Oesterreich
übernommenen Officiere, die ,wegen schlechter conduite' mit
einer Abfertigung entlassen werden sollten. Der andere war
Giovanni Rasori aus Parma, ein Mann von Geist und Kennt-
nissen, aber überspannt und dabei über die Massen von sich
eingenommen; er war früher Militärarzt gewesen imd hatte dann
eine schöne Stellung am grossen Hospital, von der ihn die
gegenwärtige Regierung enthoben hatte; daher sein Hass.
Welche Haltung General Zucchi beobachtete, ist nicht
ganz klar geworden. Er befand sich in der zweiten Hälfte
October in Reggio, seiner Heimat, und soll hier vom Obristen
Pavoni, auch einem der übernommenen Officiere, aufgesncht
.worden sein. Zucchi habe dann, als der Abmarsch der italie-
nischen Regimenter über die Alpen vorbereitet wurde, in Brescia
zu Moretti, Olini und Cavedoni geäussert: sie möchten ihre
Ideen nicht aufgeben, er für seine Person werde seine Abreise
verzügern, werde sich in Verona nufhalton, um für den Fall,
ala ihr PJan Aussicht auf Ei-foHg habe, bereit zu sein. Es haben
aber spater nicht bloB Zucchi und Pavoni ihre Zusamraenkunft
in Rcggio rundweg geleugnet, es sind auch andere Umstände
trvorgekommen, welche die Sache sehr in Zweifel ziehen
»en.
Mitwisser und Gesinnungsgenosse der ßeheimbUndler war
ch der Eseadronschef Üesare Ragani ans Modena, der in
neapolitanische Dienste trat, um von dieser Seite den Anschlag
fördern zu helfen. Er nahm vom Grafen Teodoro Lecchi an
dessen Bruder, den neapoUtaniachon General Grafen Giuseppe,
dann vou de Meestre und Lattnada an den Professor Salli in
Keapcl Erapfehhingssfhreiben mit, lun durch diese Mittflsper-
soncD den Künig Joaetiim wissen zu lassen, dass, falls ihm der
Wiener Congress Schwierigkeiten bereiten sollte, er in (^ber-
Italien eine Partei linden werde, auf deren thatkräftigc Unter-
I^tzung er zählen könne, sobald es gelte, die Unabhängigkeit
In Ittilien heraus teilen.
Die Wochen rückten vor, immer bestimmter lauteten die
Bchnchten von dem bevorstehenden Auszug der einheimischen
Trupp enkürper, wo dann allein , Deutsche' im Lande sein wür-
den. Schon begannen sich die im Piemontesischen dislocü'tcn
Kaiserhchen von Westen gegen Osten zu bewegen, sie nahmen
die Sympathien des Monarchen wie der Einbeimiaehen mit sich.
Die Stadt Nizza widmete dem ci-sten Bataillon vom Linien-
Infanterie-Regiment Gyulai in dankender Anerkennung der von
demselben eingehaltenen Mannszucht eine reichverzierte Fahnen-
binde, worauf das Stadtwappen mit der Inschrift: ,Nicaea in-
olytae primae eohortt Gyulai giata.' Der Commandant des sie-
benten Jägcrbataillons Übrist Karl Freiherr Vayder von Malberg
erhielt vom König den piemontesischen Ilausorden ,zum Dank
für das treffliche Benehmen der k. k. Truppen'. Jede Kunde
solcher Art vergällte den Militär- Verschworenen ihre Freude
and vergällte ihr Herz. Sie entfalteten jetzt eine fieberhafte
Thätigkeit. Es fanden immer häufigere Besuche, Zusaromen-
klinfte, Unterredungen statt, von Cavedoni mit de Moostro, mit
Delfini, mit Lattuada, von Moretti mit Lecchi, von Lattnada
■LDiit de Meestre. Bellutti. Lecchi, Delfini etc. Allein thatsilchlich
520
ging nichts vorwärts. Die in Brescia und Pompiano wurden
ungeduldig, sie verlangten von denen in Mailand und Monza
entschiedene Schritte: ^lieber das Glück der Waffen mittelst
eines Aufstandes versuchen, als abmarschiren, bevor das Schick-
sal des Vaterlandes entschieden/ Auf neapoUtanischen Beistand
war keine Aussicht. König Joachim, versteckt und zweideutig,
wie er war, wünschte wohl dem Unternehmen Erfolg, aUein
geschehen konnte für dasselbe seinerseits nichts, da er für den
Augenblick mit Oesterreich in guten Beziehungen stand. In
diesem Sinne schrieb auch der jetzige neapolitanische Escadrons-
chef Ragani an Lattuada: Salfi habe es fllr unmöglich erklärt,
das bestehende gute Einvernehmen zwischen den Höfen von
Wien und Neapel zu stören.
Zu Anfang November erhielten die Brescianer die Ein-
ladung, sich in Mailand einzufinden. Am 3. abends kamen
Olini, Moretti, Cavedoni, Lecchi, Lattuada — de Meestre wurde
erwartet, erschien aber nicht — bei Brunetti zusammen, wo
über folgenden Plan berathcn wurde: Cremona, Beiname,
Brescia sollten sich unter dem Schutze der einheimischen Regi-
menter erheben, die geringe Besatzung der befestigten Plätze
Peschiera und Rocca d'Anfo wäre zu überrumpeln, italienische
Cavallerie hätte 'auf Verona zu reiten imd sich des dortigen
Artillcrieparkes sowie jenes von Comusco zu bemächtigen;
ein höherer Militär, der Mantua genau kenne, hätte durch Ein-
verständniss mit dortigen Gesinnungsgenossen, namentlich mit
den ,Centri^, das Innere der Festung zu gewinnen; Modena
wäre im Sturm zu besetzen, der Herzog gefangen, die öffent-
lichen Gassen in Empfang zu nehmen, um es dem Unternehmen
an den nöthigen Geldern nicht fehlen zu lassen. Gleichzeitig
wäre auf die Hauptstadt loszuziehen, in Mailand wäre durch
fortwährendes Sturmläuten, durch Rufe in den Strassen ,Costi-
tuzione! Libertk!* eine Erhebung der Massen einzuleiten, das
wiedererstandene Königreich ItaHen und eine provisorische Re-
gierung auszurufen; dabei hätte man sich der österreichischen
Gewalthaber vom Militär und Civil todt oder lebendig zu be-
mächtigen, die ihrer Führer beraubten kaiserlichen Truppen
zum Abmarsch zu nöthigen; im Falle des Misslingens war
Rückzug ins Toscanische vorgezeichnet. In Mailand, hiess es,
befänden sich 50 ausser Dienst gesetzte Officiere, bei 400 ver-
abschiedete Soldaten, über welche der ehemalige commandirende
UJUtant Cavedoiii den Bfl'chl ilberm.'hiaLii wliiiie. Lattuiida,
xyutantmnjor der BUrgergarde, hatte diese zu gtnviniien und
Generiil de Mecstrc's Oommando zu steilcit. Lecchi und
inottj sollten sich es aDgelt-gcn sotn Jassen, geschickte OfGciere
L gewinnen.
Nach geschlossener Berathung verlicsa man, um keinen
^wdacbt zu erregen, einzeln, wie man gekommen war, das
Qaus. Am 4. traf man sich bei Genoral Bellotti: Leechi, Olini,
Lattuadii, diesmal auch de Mcostrc, dann Oasparinetti. Es hiess,
man müsse ein Haupt mit volksthUinlichera Namen liabcn. Genannt
wurden Pino und Fontauclli; auch Leechi war da, der aber be-
scheiden ablebnte: sein Name habe keinen so populären Klang,
um ein Unternehmen von so grosser Wichtigkeit und Aus-
dehnung daran zu knüpfen; in seinem Innern schrak er wohl
vor einem gefilliriichen und wahrscheinlich sehr blutigen Wag-
nisB zurück. Lattuada sollte bei Pino, Bellotti bei Fontanelli
vorsprechen. Es geschah in den unmittelbar darauffolgenden
Tagen, 5, und 6, November. Die Mission Lattuada's scheiterte
voUet&ndig; ,Bie wollten mich zu ihrem Kaubgesellen machen',
äusserte Pino in späteren Tagen in wegwerfendem Tone. Auch
Bellotti ging einer Enttäuschung entgegen. ,Üieser Gegenstand
ist mir unangenehm,' sagte Fontanelli, ,redeu wir von etwas
Anderem.' Als er seinem Gaste eine Prise anbot, war von der
zitternden Hand, mit welcher er ihm die geöffnete Doso hinhielt,
die grosse Auiregung seines Innern abzunehmen.' Ais Bellotti
auf seinen Antrag zurückkam, lehnte Fontanelli unbedingt ab.
Ea befand sich zur Zeit der General Giflenga, ein Piemon-
tese, in Mailand, der mit Bellotti, Leechi, Lattuada und einem
zweideutigen Subject, einem ,Speculanten' Bonafour um die
Mitte November bei de Rfeestre zusammentraf. Da es mit der
Bundeshilfe von Neapel nichts war, wollte man sich von Pie-
raont her verstärken, und für diesen Zweck war ohne Zweifel
Giflenga herbeigebeten. Allein von seiner Seite erfolgte die Er-
klärung, dass auf sein Vaterland wohl nur zu rechnen wäre,
wenn man seinem König die italienische Krone anbieten wollte;
CT uiUese tndess, fügte er gleich bei, stark zweifeln, dass sich
^ittore Emanuele dazu hergeben würde.
t hier Brnnetti sWtl Beüutti geiiai
522
So war man denn nach so vielfältigen und langwierigen
Verhandlungen kaum weiter als am ersten Tage: man hatte
keinen Führer, man hatte nur eine Fülle von Projecten, von
denen keines einen sicheren Grund besass. Und doch stand der
Abmarsch der italienischen Truppenkörper bevor, man wollte be-
reits den Tag wissen: am 21. November. Was geschehen sollte,
musste rasch geschehen. Auf Theilnehmer wurde nach allen
Seiten gefahndet; Deltini und Mancini zeigten sich ift diesem Punkte
besonders betriebsam. Auch an neueren Plänen fehlte es nicht
Mancini war ein vertrauter Freund des Obristen Varese,
auf den er bei seinem Anschlage auf Mantua und Mailand
rechnen zu dürfen meinte; die Ausflihrung war, wie Gerosa,
Thürhüter beim Militär -Appellationsgericht, aus Mancini's Munde
vernommen haben wollte, ,cosa facilissima^: Am Abend des 19.
schleichen sich 200 als Landleute verkleidete Officiere mit ver-
borgenen Waflfen in die Casematten von Mantua ein, über-
wältigen in der Nacht zum 20. die Wachen an den Stadtthoren
und öffnen letztere, um 1500 Mann unter Obrist Varese einzu-
lassen; diesen werde es dann ein Leichtes sein, sich der Stadt
und Festung zu bemächtigen. In derselben Nacht wird der Los-
bruch in Mailand erfolgen, wo 8000 in Kisten verpackte Waffen,
Munition und Brandraketen in Bereitschaft zu halten sind, letztere
um fUr den Fall, dass seitens der ,Deutschen' Widerstand ver-
sucht würde, das Castell anzuzünden und dadurch alles in Auf-
ruhr und Verwirrung zu bringen. Die Waffen werden unmittel-
bar vor dem Losbruch an Gendarmen und Pompiers, an einen
Theil der Artilleristen von Pavia, an 3000 Taglöhner, dann
eine Anzahl Beamte und Civilpersonen ausgetheilt; um 3 Uhr
nach Mitternacht werden die Glocken von allen Thiirmen der
Stadt das Alarmzeichen geben, sofort alle Strassen besetzt, alle
österreichischen Officiere, daforn es nicht den Frauen gelänge,
sie in ihren Wohnungen festzuhalten, auf dem Wege in ihre
Casernen abgefangen. Nachdem das glücklich abgelaufen, wird
man an Bellegarde herantreten, ihm die Unmöglichkeit eines
Widerstandes begreiflich machen und ihm einen schriftlichen Be-
fehl an die Garnison von Alessandria (8000 Mann, deren Bezwin-
gung selbst einem so hitzköpfigen Plänemacher wie Mancini ein zu
starkes Stück war) wegen Uebergabe der Festung abnöthigen.
Zur Ausflihrung dieses Anschlages fehlte vorderhand nicht
weniger als alles: für Mailand die 8000 wohlverpackten Waffen
K- es gab ZwciHer, die da nnjuiU;n, es stünden litit^hsteits eben-
Ibviel hundert zur Verfligunp! — , für Mantna die 200 zu ver-
kk-idcnden Officiere, die 1500 aus der Umgebung lierbei-
zuflihrendeu Soldaten, und vor allem der Anführer! Pictro
arese (Varesi?) aus Montecalvo in Picmont, 3D Jahre alt,
■heiratet, Vater von vier Kinder, jetzt k. k. Obrist im I. (istcr-
ihiBcb-italienJBcben leiehtcn Bataillon, das in Casttglinne
le Stiviere, nicht weit von Mantua lag, wurde fUr den 17. in
liland erwartet, wo er jedoch erst am 19. morgens eintraf, ao
Manctni's Vorschlag, ftlr dessen AusfUhrung noch denselben
ibend sowohl in Mailand als in Mantua Vorbereitungen zu
iffen waren, vorläufig aufgegeben werden niusstc. Maneini
Ltte überhaupt die KechniiDg ohne den Wirth gemacht, da
Varese, nach allen Anzeichen zu schh essen, in keinem
le fUr ein so hirnverbranntes Project gewinnen hess.
Die anderen glaubten noch immer daran. Am 20. erschienen
liBllotti und de Meestro bei Lecchi, welchem sie mittheilton, Varese
habe eine neue Art gefunden, Mantua zu überrumpeln. [nWahr-
iicit befand sich der Obrist zur selben Stunde in einer ganz anderen
Verfassung. Lattuada hatte für den 20, sieh vorgesetzt, einen letzten
Versuch bei Fontanclli, der jetzt zu Garo am Comerseo weilte,
wegen der Führerschaft KU wagen und den Obristen Varese zur
Theilnahmc eingeladen, was dieser mit der Boweggründung an-
nahm, er habe ohnedies vorgehabt, vor seinem Ahmarsch dem (!e-
neral und ehemaligen KriegsminJstcr einen Abschiedsbesuch abzu-
Diesen Zweck erreichte Varese, sein Begleiter den
en nicht: Fontanelli lehnte, wie das erste und zweite Mal, in
eichender Form ab; er lobe BO von aller Welt abgcsebieden,
da£S er niehts erfahre, als was ihm dann und wann von Be-
suchern zugeti-agen werde,
Unter diesen UnistffinJen vei-fielen die Mailänder Ge-
heimbündler auf den Obristen Ohni, dem sie nach Brescia
Bchricben, es werde ihm demnächst der Zeitpunkt der Aus-
i^hrung mitgetheilt werden. Die Gesinnungsgenossen in Como,
Ibir^^'^r Montechiaro, Crcmona erhielten die Weisung, nicht«
^■unternehmen, bevor sie nicht das Beispiel von Brescia gesehen.'
^b Dia UaJlHuiIer GescIiivliIitcltreiliiTr behaupten, die MilitÜT'Vonclivitlriliig
H BOi niob il«ii wiederholt fehlgcsclila^neii Vereuüheo, eineu F&hrcr nn
^M diu Spitse xit »telieii, uiid iiiiuli dem Aiifbnti^h iler italietiisolien Truppeti-
^B kOrpcr iiBcti dem N»rdeu viii di^ii Tlieilnehuieni bereits aufgv^liun
neral
^Kstte
524
14.
Gegen Ende Octobcr war man in Wien entschlossen^ es
mit Herrn v. St. Agnan zu versuchen. Unser Vertreter in Paris
war jetzt in seinem Misstraucn gegen den zweideutigen Gesellen
— dieser habe, wie Bombelles dem Grafen Bellegarde mittheilte,
,sonst auch der französischen Polizei' gedient — bereits so weit,
dass er es nicht gcrathen fand, diesen sich selbst zu überlassen,
sondern ihn zu beaufsichtigen beschloss. Er fand den geeig-
neten Mann hiezu in der Person des Abate Principe Alticri,
eines Oesterreich und der alten Ordnung der Dinge durchaus
ergebenen Mannes, der durch seinen Namen und seine Familie
Zutritt in den ersten Kreisen Italiens hatte. Würden sich, schrieb
Bombelles nach Wien, die Angaben St Agnan's als nichts denn
elende Ausgeburten seiner Phantasie (de miserables avortons de
son imagination) erweisen, so könne Altieri ohne Aufschub nach
Paris zurückkehren, im anderen Falle werde er durch seine
ausgebreitete Personenkenntniss dem Grafen Bellegarde dankens-
werthe Dienste zu leisten vermögen.*
Der 2. November war für die Abreise St. Agnan's fest-
gesetzt; vierundzwanzig Stunden früher ging Altieri von Paris
ab, mit einem vertraulichen Schreiben an den kaiserlichen Feld-
marschall in Mailand versehen. Bei diesem trafen nun Anzeichen
von so verschiedenen Seiten imd in solcher Menge zusammen,
dass seine lang festgehaltene Ueberzeugung, es gebe keine Ver-
schwörung, weder in der Hauptstadt noch in den Provinzen,
einigermassen erschüttert werden musste. Den Esquiron de St.
Agnan, wurde ihm von Baron Hager bemerkt, habe man zwar
für nichts als einen ränkevollen Abenteurer zu halten; gleich-
wohl scheine derselbe mit den geheimen Machenschaften in
Mailand nicht unvertraut zu sein, da er einen gewissen Rasori
und Lattuada genannt, die ja von ihm, Bellegarde, selbst ab
,sehr verdächtig* bezeichnet worden seien. Ein dritter Name
gewesen, als der falsche französische Marquis als agent provocateur
in ihrer Mitte erschienen sei und die Wiederaufnahme dahinzielender
Schritte bewirkt habe. Aus den im Texte erwähnten Vorgängen gegen-
über Olini und den auswärtigen Garnisonen, Vorgängen, die mit dem lur
selben Zeit bei Rasori noch nicht eingeführten Saint- Agnan nichts zu
thun haben, geht die Grundlosigkeit jener Behauptung hervor.
1 Instructions donnees k Mr. TAbb^ F^ Altieri; A. J. 181-1, 4496 ad 1202.
^pu'de von Hager gonaiml: der des Generals Zucchi, der unter
Bio vorzüglichsten Anhänger det« Prinzen Eugen gehört habe
Hnd daher sorgßliti^st zu libcrwaehtm sei.'
K Seine ablehnende Uultiing gegen jede Verschwörungs-
Becherci hatte Graf Bellegardn ft-Uher damit niotivirt, das»,
KJUs der Wiener Congres» allaciHgcn Frieden bringe, (ür Italien
Bjclits zu besorgen sei. Allein anch in diesem Punkte hatte sieh
^He Sachlage geändert, denn gerade Italien war es, von wo
Bein ersehnten Frieden die erste Störung drohte. Der König
Bpu Neapel, so wurde laut im Publicum gesprochen, habe un-
verkennbar die Absieht, nicht blos zu behalten, was thatgltchlieh
^bter seinem Gebote stehe, sondern seine Grenzen noch weiter
HjHrziirUcken. Die Bevollmftehtigten der europäischen Ftlrsten-
H^ser und Staaten waren uoch lang nicht in Wien eingetroffen,
^Bb man in der Umgebung Känig Juaehini's wissen wollte, dass
^B wegen der von Ru&sland gefurderten Herausgabe Galiziens
^B einem Kriege mit Oesterreieh kommen und dies sodann der
^■Bitpunkt sein werde, die italienischen Pläne zu verwirklichen,
HBie Sectirer und Clubisten schrieen Künig Joachim als Bc-
«■eicr Italiens aus, als denjenigen, welcher der apenninischen
Halbinsel Freiheit und Unabhängigkeit verschaffen werde, eine
Hoffnung die aus Neapel selbst in allen Wegen bestärkt und ge-
Bllirt wurde.* Schon stieg in Wiener Kreisen, so freundschaft-
^Bh die diplomatischen Beziehungen zwischen dou beiden Höfen
^■r Stunde waren, der Argwohn auf, dass König Joachim gc-
^kmen Verkehr mit der Insel Elba unterhalte und wohl Fcind-
^^Uges gegen Oesterreieh im Schilde führe, dafem es nicht ge-
^■Dge, seine Anerkennung als König von Neapel bei den Con-
^pessmächten durchzusetzen.
^K ThatsHclilich verstärkte König Joachim seine Kriegsstellung
^■mer mnhr, hielt seine Armee im schlagfertigen Sbiud, Hess
^L > A. J, Hager au BeUegnrde, 8. Nofember. Die Aeunserung: (ibf^r Rtuuri
^K null I^ttuadn int zwnr eineni späleron Schruibou Hager'» entuuiunian,
^m ätii sber, da man nm (t. Dm^emlier in Wien niutiC niesuD krjimtu, was
^B Tiifti Ü. zum 4. in Mailand riir^titlieti, gleichfalls ilen Stempel der Vor-
^k dcblen nnd Vorbereitali gen trägt.
K<* A.J. Femtl, Ferrnrn 14. Augiut; Memuiro Dr. Zanetti'a. Voronn Sep-
^B tember et pniisim. Iro (Jctober erschien eine Kliipwhrift, die für König
^B Joachim alx Hau))t von Italien AnliJlnger warb. Die Ssterreichisuho
^H Poliiei hatte eirien Grafen Rani^ni (Ra^nni?), von denen IViuiuesco iii
^H Boloftnil, Otiuep|ie in Veneilttr — der Kitter der UeiiKun. k. nben Ü. 4N4 —
526
•
die Festungswerke von Ancona ausbessern und durch neue An-
lagen vermehren. Im Spätherbst begann er in den Marken
drei neue Regimenter zu errichten, jedes mit 5 Bataillons zu
900 Mann, und bezeichnete sie als italienisch-neapolitanische (italo-
napolitani). Auch griff er zu dem alten Mittel der romanischen
Regierungen, fremdländische Söldner anzuwerben; seine Agenten
bereisten die Schweiz, um Militärconventionen für zwei Regimenter
abzuschliessen. Dabei liess er die Einwohner der Marken gegen
die päpstliche Herrschaft verhetzen; alle FehlgriflFe, die man
von Rom aus leider häufig genug beging, wurden von seinen
Organen ausgenutzt, um das Volk gegen den Papst, die Car-
dinäle und die ganze geistliche Wirthschaft aufzureizen, hin-
gegen den italienischen Einheits- und Unabhängigkeitsgedanken
durch prahlerische Redensarten und Verheissungen grosszuziehen.
Während er der römischen Cui'ie drohte, wenn diese, auf die
Heiligkeit des Asylrechtes sich berufend, neapolitanische Fahnen-
flüchtige an seine Behörden nicht ausliefern wollte, gewährte
er selbst Ausreisscrn aus allen Theilen Italiens, Verfolgten oder
Missvergnügten aus dem Piemontesischen, verabschiedeten fran-
zösischen OflScieren, ja selbst entsprungenen Verbrechern Auf-
nahme in die Reihen seines Heeres.
Der Zusammentritt des Wiener Congresses änderte nichts
an seiner bisherigen Haltung. Er machte keine Miene, seine
Armee, da doch der Weltfrieden verkündet war, in sein König-
reich zurückzuführen; seine Vortruppen standen am östlichen
Ufer der Adria über Sinigaglia hinaus bis gegen Fano, land-
einwärts bis an die Abfälle des Apennin. Er schaltete und
waltete in den von ihm besetzten Gebieten wie in seinem Eigen,
schrieb Steuern und Abgaben, hob Recruten aus und suchte
auf der andern Seite durch Begünstigungen, die ihn nichts
kosteten, cinigermassen auszugleichen, was ihm durch drückende
Forderungen und Zumuthungcn die Gemüther entfremden
konnte. So hob in seinem Namen General Carascosa, der im
Spätherbst 1814 in den Marken den Oberbefehl ftlhrte, die
domicilirte, im Verdacht, weil sie beide als heftige Napoleouisten galten; es
kam jedoch später hervor, dass die Schrift in Neapel vorfasst und von dort aus
verbreitet worden sei. GiiiseppeRangoni, berichtete am 1. December Raab an
den Chef der Polizei-Hofstelle, sei eine sehr anständige Persönlichkeit, ^ein
Freund, aber auch kein Feind Oesterreichs*. Der Titel der gedachten
Flugschrift wird in den von mir eingesehenen Acten nidit angegeben.
iuiiisteuer auf und gab den Getreidohandcl frei. Die Nat-h-
fichten, die aus Paris, aus Turin und bosonders aus Wien ein-
trafen, konnten den König in seiner kriegerischen Haltuug nur
bostjlrkeu, wenn er es nicht vorzog, durch Rückkelir in seine
Grenzen und strongstes Ansichhalten den ihm feindlichen Mächten
jeden Vorwand zu einem Angriffe zu nehmen. Denn nicht blos
untornaluncn die Gesandten König Ferdinand'a von Sicilion,
Commandour Alvaro RufFo und Fürst Castel Cicala alles Mög-
lieie, es zu einem Bniehe der Verbündeten mit ,Genoral Mural'
kommen zn lassen ; nicht blos wies Ludwig X VÜI, seinen
Congreesgesandtcn an, seine Nachgiebigkeit in die WUnsebc der
Mächte von dem Auftreten derselben gegen Mural ivbbäjigig xu
machen; nicht bios suchte Victor Eraanuei durcli den Marquis
de SaintMarsan in gleichem Sinne England und Oesterrcich als
die scithcngen Vertheidiger Kfiiiig Joachim's umzustimmen:
schon hatte Frankreich Vorbereitungen getroffen, seine Absichten
mit Waffengewalt durchzusetzen, und hatte sich nur durch die
Weigerung des sardinischen Künigs, der franztisisuhen Armee
Dmchaug durch seine Staaten zu gestatten, und durch die noeli
entschiedenere Erklärung Mettcrnicli'a: ,Der erste französisebc
Soldat, der den Boden Italiens betritt, bo deutet den Krieg
_zwiseben OesteiTcich und Frankreich' bewegen lassen, von
iem Vorhaben vorläufig abzustehen.' Allein ob es Oesterreieh
lingen werde, ja ob es auch nur den ernsten Willen liabc,
König Joachim unter allen Umständen auf dem Throne
1 Neapel zu erhalten, durfte um so mehr bezweifelt werden,
I die eigene Haltung desselben dem Argwuhn der ihm von
wrnherein feindseligen Mächte stets neue Nahrung autllhrte.
,Ich gäbe die Welt dafür,' sagte Mettemich zu Saint-Marsan,
,den König Ferdinand auf dem Throne von Neapel zu sehen,
<^ber wir können dafUr keinen Krieg filhren.' Und Kaiser Franz,
BÜtm der Marquis die ernsten Gefahren schilderte, wenn Murat
l Neapel bliebe: ,Sic haben Recht; doch ich hoffe, er werde
Iph selbst seinen Untergang bereiten.'^ Keine Frage, dass
* Donieaiiui Biauco, Storia il.iuunieiitAta d. dipl. mirop. in Italin (Tnrino,
1866) L 6. ^6 f . 87, 90 f., 383, 3»8. König Victor Emoimel »n Sftinl-
HsTNiii. 8, Nnvunilier,
* Ebenilft I, 4; v^L -l')3 Talleyruid lu Saiiil-Manan: ,V<tug verroK iiue.
loreqii« l'lUlie «um urgsnia^e, cette nffnire rienilra il'elle-iDediU el ma-
viendra k loul le nioiide.'
528
König Joachim um diese Stimmungen wusste, wofUr auch der fiir
ihn peinliche Umstand sprach, dass seine beiden Wiener Ge-
sandten Fürst Cariati und Herzog von Campochiaro noch immer
ohne Erfolg um Zulassung zu den Berathungen des Congresses
warben.
Aber auch Bellegarde kannte die Stimmungen in Wien,
sowie er die Entwürfe des Königs von Neapel durchschaute,
und wenn er unter solchen Umständen die Möglichkeit eine«
Krieges auf der apenninischen Halbinsel erwog, dann konnte
es ihm nicht mehr gleichgiltig sein, ob es in den ihm anver-
trauten Provinzen Elemente gab, die nur auf eine Verwicklung
nach aussen warteten, um sodann alles für einen gewaltsamen
Losbruch im Innern in Bewegung zu setzen. Auch griffen die
neapolitanischen Umtriebe jetzt schon ganz merklich in die Ver-
hältnisse der lombardisch-venetianischen Gebiete ein. Vom ehe-
mals italienischen Escadronschef Ragani wurde bereits erzählt,
dass er den ihm bevorstehenden österreichischen Kriegsdienst mil
dem neapolitanischen vertauscht hatte, und er war nicht der
einzige Officier, der so handelte.* Noch zahlreicher waren es
einzelne von der Mannschaft der ehemaligen italienischen Armee,
die unter die Fahnen des Königs von Neapel liefen, wo sie mit
offenen Armen aufgenommen wurden. Gewiss fehlte es nicht an
geheimen Hetzern, welche sie dazu aufforderten, während eigene
Sendlingc das Land zu beiden Seiten des Mincio durchstreiften,
um die Waffen solcher Ausreisser zu sammeln oder den Bauern
Feuergewehre abzukaufen, die bei guter Gelegenheit über die
Grenze geschmuggelt werden sollten. Im Venetianischen galten
der neapolitanische Consul Pecheneda als der Leiter, die Büchsen-
macher Ludovico und Gactano Piccoli, Vater und Sohn, der
eine in Verona, der andere in Padua, als Hauptunterhändler in
dieser Sache; der Consul sagte ihnen 11 Francs ftir das Stück
zu, so viel sie ihm an Flinten zu liefern vermöchten. Bis zum
October hatte Pecheneda durch solche Mittel bereits 2000 Ge-
wehre zusammengebracht. Ein beträchtliches Quantum Queck-
silber hatte er, den kaiserlichen Zollaufsehern zum Trotz, ausser
* A. J. Pierre Antoine Carrer an Hager Nr. 10, wo er auf erhaltene Wei-
sung verspricht, allen Eifer aufzubieten, ,pour vous präsenter bientot la
note des noms de tous les Individus qui se sont dijk rendus k Ancone
ou qui ont encore l^intention de s'y rendre*.
529
Land zu schaffen gewusst. Schon verlautete von drei gestohlenen
Kanonen^ die er in seinem Hause verborgen halte^ und kam
man seinen Versuchen auf die Spur, Leute von der Dogana
zu bestechen, um seinen ganzen Waffenvorrath zu Schiffe zu
bringen.
Die Ausreisserei in die Marken wurde zum Theil durch
ein Landesunglück gefördert, das auch nach anderen Seiten
hin seine üblen Folgen äusserte. Die Enite des Sommers 1814
war ungünstig ausgefallen, nicht blos im lombardisch-venetianischen
Gebiet, sondern auch nordwärts der Alpen, wie in Krain, wo
der Ertrag der Kebc im Frühjahre durch Reif, im Sommer
durch schlechte Witterung vereitelt, der Buchweizen, in vielen
Gegenden die Hauptnahrung, durch frlüizeitigc Kälte vernichtet
worden, so dass eine Hungersnoth, wenn nicht früher ,doch ge-
wiss im künftigen Frühjahre' vorauszusehen war.* Li Mailand
dachte man an ein Getreideausfuhrverbot, in Padua an ein
Auswanderungsverbot, da bei der drohenden Nothlage die
Vorspiegelungen listiger Werber offene Ohren fanden. Aus
den spanischen Feldzügen heimkehrende Soldaten verbreiteten
die Kunde: der König von Spanien gebe jedem Einwanderer
unentgeltlich Grund und Boden im Wertho von 300 Lire, Steuer-
freiheit für die ersten drei Jahre, dazu 3 Lire für den Tag.*^
So wirkten die äussere Lage und die Zustände im Innern
zusammen, um den Grafen Bellegarde abzuhalten, jene Mah-
nungen, die ihm aus Wien, aus Paris, aus Linsbruck zukamen,
einfach, wie er es bisher gethan hatte, in den Wind zu schlagen.
Allein aus Mailand selbst und aus den Provinzen liefen Nach-
richten ein, die er nicht gänzlich unbeachtet lassen konnte.
•
15.
Es ist aus den von mir eingesehenen Behelfen nicht zu
deuten, auf welchem Wege die Behörden von dem Anschlage
auf Mailand und von den Lostagen des 19. und 20. November
Kenntniss erhielten; Thatsache waren gewisse Massregeln und
Vorsichten, die sich nur aus einer vorausgegangenen, wahr-
> A. J. Krenning^er, Laibach 1. October, an Hager: ,Der Untertban wird,
wenn er seine Ernte auch ganz vcräussert, bei weitem nicht so viel
darans lösen, um die Gaben berichtigen zu kHnnen/
» Carte segr. I, 216^219, 222—224.
Bcheinlich blos allgemein gehaltenSD Warnung erklären
Auffallen musste es im Publicum jedenfalls, dase unerwartet
alle Glöckner und Thurmwäcliter der behördliche Befebl kam,
nur xa den rcgelraäsGiigen Tageszeiten und kirchlichen Uand-
luugen zu läuten, aleo alles Festgeläute sowie das Anschlagen
bei Feuersbr linsten zu unterlassen. Am 18. November erhielten
die Commandanten der italienischen Tnippenkiirpcr Befehl sich
fiir den 24. zum Ausmarscli bereit zu machen; von Böswilligen
wui*de ausgesprengt, man werde sie nicht mit ihren Waffen
abrücken lassen, weil man ihnen nicht traue. Zur selben Zeit
wurden in der Hauptstadt die Haupt- und Thorwaohen ver-
stjlrkt, die übrigen Truppen in ihre Oasernen consignirt; in der
Nacht vom 19. zum 20. durchstreiften starke Patrouillen, von
je einem PoIiKeicommissar begleitet, die Strassen, ebenso in
Jener vom 20. zum 21.'
Kurz zuvor, am 18. oder 19., war St. Agnan in Mailand
eingetroffen. Auf seiner Keise von Turin hatte er einen Reise-
gefährten gefunden, dessen Leichtgläubigkeit und sorglose Mitlheil-
samkcit er ftir die Zwecke seiner Sendung trefflieb zu benütsen
verstand. Es war Jean B. Marclial oder M&ri'chal, ausCIeiiric
in Lothringen, früher Mililür.irzt, jetzt in Mailand als Handels
mann ansässig, verheiratet, 44 Jahre alt, mit welchem sieb,
unser Chevalier als französischer Landsmann und Itoyalist
kannt machte. Er bereise, liess er jenen im Vertrauen wii
in höherem Auftrage Italien, um die Stimmung zu erforschen^
der Kflnig, der Herzog von Berry vermöchten nicht ohne Schmerz
das scliüne Land zu sehen, das so lang mit Frankreich vereint
gewesen. St. Agnan durchsctiaute seinen Mann, von dem er
flberxeugt war, dass er das Geheinnis nicht bei sich behalten
wcnlc'
Am zweiten oder dritten Tag nach seiner Anknnfl in Mai-
land stellte sich Sieur Esquiron de Saint -Agnan dem kaieer
liehen Oencral -Bevol Imfich tiglen vor. Der Kindraek, den er «if
diesen machte, war der denkbar ungünstigste. BoUegardc
sicb.^^
isMggjH
;henfH
* Carrpr, 91. NoTnmbvr, nn Tlae^'i'. rrwUiDl .lo bmlt iTnu* c
tjiii dsTBil ri'latcr k Milnn ilaiu Im niiil iln 19 mi daiu <
amronl': «r tuiW sich Tv-rgvlillrli bniullht, <]«iuiiiAr«ia *n prfiilin-n; aiao
lunnklp Tiin finm .runafiiratiun ijui ilavi>il Hn gtMüa fat ilw >it&clvn
ItkliMi» nJii|;riUi^' ; linlü»«!. livUnI h ■um t<<'bluni. .1
' hoAn 1 10 f.
531
sich, mit was für einer Art Schelm er es zu thun habe: sei es
ein bourbonischer Anskunder? diene er der französischen Re-
volutionspartei? oder sei er Spitzbube auf eigene Rechnung?
Ueber eines war Bellegarde vom ersten Augenblick im Klaren:
dass es der Franzose in letzter Linie darauf abgesehen habe,
Geld zu bekommen, und möglichst viel Geld. Unter anderen
Umständen würde ihn Bellegarde einfach abgewiesen haben.
Aber die Lage war ebenso kritisch als dunkel, und darum die
Verantwortung nicht zu tibernehmen, sich eine Gelegenheit
möglicher Aufhellung entgehen zu lassen; dazu die Weisungen
aus Wien! So ermächtigte er den ihm verdächtigen Patron nicht,
er hiess ihn nicht thun; aber er durfte ihn auch nicht hindern,
er liess ihn gewähren.*
Am 22. abends fUhrte Marchai seinen Turiner Reisegefährten
bei Dr. Rasori ein. St. Agnan stellte sich als Sohn eines Pairs
von Frankreich vor; er sei bei König Ludwig XVIIL, der für
Italien grosse Sympathien hege, gern gesehen und wünsche die
ihm vom Hofe ertheilten Aufträge einem grösseren Kreise mitzu-
theilen. Es wurde eine Zusammenkunft filr den nächsten Abend
^ In den Processacten über die ,congiura militare* ist von ,einem wirklichen
oder angeblichen Franzosen, der sich Chevalier de St. Aignan nannte*,
die Rede. Es muss also zu jener Zeit in Mailand nnter den Theilneh-
mern an der Militär- Verschwörung ein Zweifel über die Persönlichkeit
des französischen Zwischenmannes bestanden haben. Die Prinzessin
Belgioioso aber lässt jene Alternative fallen, hält sich allein an den ,an-
geblichon* und liefert £tude 110 eine Erzählung, die ihr seither von
allen neueren Mailänder Geschichtschrei bem nachgeplaudert wurde: Graf
Bellegarde, aus Savoyen gebürtig, habe daselbst arme Verwandte von
dunklem Dasein besessen; einen dieser Vettern, einen verschlagenen
Menschen, habe er vermocht, unter dem Namen eines Chevalier oder
Marquis von St. Aignan nach Mailand zu kommen, hier einen Agenten
der Bourbons zu spielen etc. etc. Nun wissen wir aber, 1. dass es kein
angeblicher St. Aignan, sondern ein wirklicher Sieur Esquiron de St. Agnan
war; 2. dass derselbe kein Vetter des kaiserlichen General-Bevollmäch-
tigten, ja nicht einmal ein Bekannter desselben war; 3. dass es nicht
Bellegarde gewesen, der den französischen Chevalier nach Mailand hat
kommen lassen; 4. dass diese Einmischung eines fremden Factors durch-
aus nicht nach dem Sinne des Feldmarschalls war, der sich vielmehr
denselben von allem Anfang am liebsten vom Halse geschafft haben
würde.
verabredet, wo aucli Lattuii<la und Gasparlnetti erscfaiv
St. Agnan rückte nun mit näheren Angaben heraus: »eia Kl
sei bereit, Geld ntiil Truppen herzugeben, Macdonald oder
8uult würden die letzteren bef'eliligen; an die Spitze des wieder-
liergestellleu Italiens solle der Herzog von Berry oder der Graf
von Artois als König ausgerufen werden; aber zunäehst mrtsse
man in Paris wissen, was vom Lande selbst aus ge&ehebeo
wolle, und es sei daher nothwendig, ein festes Programm
zuarbeiten, das er, Sl Aguaii, ain toassgebenden Orte vori«
könne. Die anwesenden Italiener erboten sich, bis näcl
Samstag zweckdienliche Sehriflstlicke zn liefern.
Zwei Tage vor Ablauf dieser Frist, der 24. November IÖI4.
war der Zeitpunkt, an welchem der Aufbruch der italtenischeo
Tnippeokurper in ihre neuen Garnisonen jcuseits der Alpen
erfolgen sollte. General- Feld Wachtmeister Fnui* Freiherr von
Süden eiliess an seine Brigade einen Tagesbefehl, worin er den
Truppen Mannszueht empfahl und vor Ausreisserei warnte.
In der That erfolgte der Ausmarech allenthalben c^e Anstand
und Störung, selbst jene Ofliciere nicht aiisgcnommeD, <li« an
den früheren gclieimcn Abivden und ^tachensdiaften iheilge-
nonimeu; der einzige Olini bat. ,wegeD Benclitigung seiner
Familien an geJegonhoiten', um Urlaub. Dagegen marschirtf,
Obristlieutenant Pavoni mit Feldniarschalllieutouant Zi
welchem er einstweilen beigegeben war. Am ä5. war bereits
in ilarscli, allerdings noch aaf italicniscbem Boden; allein
nachdem sie diesen verlasseji hUten, spiegehe St. Agnan den
Versah woreni-n vor, werde es ein Leichtes sein, sie zum Abfall
und inr RQckkehr in die Tleimal tu bewegen.
Die dritiA Zosammenkunfi in der Wohnung ttasori's fand
wie verabredet am % statt. Die Geheimbündler waren ihrer
Zusage g«re<'ht geworden und legten ihre Auf&size auf d«n IWh
()rs Hauses nieder: Rasori einen Aufruf, den der OberlMiritUa-
habvr dos fnuncOsBcfaca lUlfecorps bei seinem t^nmarscli in
Italien erlassen »olho, eine Attfibrdentag an dir Itabearr, ach
den Tmppen äava Befreiers uumscUicesm, cänea achwunghnf\
gchahracn Anfraf ihnGelmi Inhahns: 6asparin<^ rir'-^n Plan
der R«rvnhittonirung ItaUrns: Lattnada einen \'
nnd dir llanpipunkti' für tUnt^-tmog einer \
giemng. Ihr rrMa>~isi«chor Freund erschien '
AnlltU war TBrrt."irt; denn er braehu- dt« Hiol«-vi"«<iT dir p.
ächirt*,^—
533
scheine auf ihrer Spui* zu sein, da ihn auf der Strasse ver-
dächtige Gestalten nicht aus den Augen gelassen hätten; er
wiQs eine Pistole vor, mit der er sich im schlimmsten Falle
Luft machen werde. Der Hausherr wurde von seiner Wirth-
schafterin abgerufen; er kam mit der Nachricht in das Zimmer
zurück, dass das Haus von Auflauerern umstellt sei. St. Agnan
ergab sich ins Fluchen und Schimpfen, fasste die zur Verlesung
vorbereiteten Schriftstücke, wie um sie in Sicherheit zu bringen,
mit einem festen Griflf zusammen und verliess, ohne auf Lattuada
zu hören, der ihm die Papiere abforderte, in Eile das Zimmer
und das Haus.^
Keiner von ihnen hat ihn in Mailand mit einem Auge
wiedergesehen, da Bellegarde sich des dienstbeflissenen Mohren,
nachdem dieser seine Schuldigkeit gethan, alsbald zu entledigen
wusste. Er gab ihm Reisegeld und einen gewandten Menschen
als Begleiter, dem gegenüber St. Agnan sich entschlüpfen Hess,
dass ihn eigentlich die französische Polizei ausgesandt habe,
,de venir sonder Tesprit public en Italic^ Der Simplen war
mit dichtem Schnee bedeckt und so musste der Umweg über
Turin gemacht werden, wo der Abenteurer dem Grafen Bubna
einen weiteren Reisebeitrag (,quelque petite somme d'argent')
herausschwindelte, um seine Reise nach Paris fortzusetzen.
In der Nacht vom 3. zum 4. December wurden Rasori,
Lattuada, Gasparinetti und Marchai in ihren Wohnungen aus-
gehoben, unter Bedeckung von 40 Dragonern in einem der
Thürme des Castells in Sicherheit gebracht und gleich darauf
polizeilich verhört. Sie verlegten sich nicht aufs Leugnen und
ihre Aussagen führten auf weitere Spuren. Am 5. leitete Pagani,
der bis auf weiteres die Geschäfte der General-Polizeidirection
führte, den Verbalprocess über die Festnahme Rasori's, die mit
Lattuada, Gasparinetti und Marchai aufgenommenen Protokolle
und die von St. Agnan eingelieferten Schriftstücke an den kaiser-
^ Die obigen Einzelnheiten) fast durchaus nach der Erzählung der Prin-
zessin Belgioioso (6tude 110 — 115), die in allen wesentlichen Punkten
mit den Ergebnissen der strafgerichtlichen Untersuchung übereinstimmt,
ein Beweis mehr für die 8. 517 Anm. behauptete Glaubwürdigkeit der
Verfasserin in allem, was sie von unmittelbaren Theilnohmem an jenen
Vorgängen erfahren haben konnte.
Archiv. Bd. LXXVl. H. Hälfte. 35
534
liehen General-BevoUinäehtigen, der ftir die weiteren Schritte
eine Speeialcommission unter dem Vorsitz des k. k. General-
Feldwachtmeisters Raban Baron Spiegel niedersetzte; Beiräthe
waren Hofrath Filippo Marchese Ghislieri, Major Franz Weiss
V. Rettenberg im Generalquartiermeisterstabe, Appellationsrath
Franc, della Porta; Schriftführer (cancelHere) Carini.
Die Untersuchung gewann nun einen weiteren Umfang
und Furcht befiel alle, die sich irgend einer Schuld bewusst
waren oder in den Verdacht einer solchen zu fallen besorgten.
Namentlich waren es mehrere Beamte der Post, von denen es hiess,
dass sie Corrcspondenzen mit den Napoleoniden und versteckten
Anhängern derselben beförderten; ein Casatti ging mit seinen
Freunden zu Rath, ob sie sich nicht, solang es noch Zeit sei,
aus dem Staub machen sollten. Der Schritt unterblieb, ohne
Zweifel weil sie dahinter kamen, dass es sich bei den Verhören
im Castell um ganz andere Dinge handle. Gegründeter waren
die Mahnungen, die General Lecchi von wohlmeinender Seite
empfing; allein, wie man sich erzählte, durch Grafen Alfonso
Litta und dessen Sohn sicher gemacht, schlug er die Warnung
in den Wind und blieb, bis es zu spät war. In der Nacht vom
10. zum 11. wurden er, de Meestre und Bellotti eingezogen,
in jener vom 12. zum 13. der Thürhüter Gerosa, der die vor-
lauten Aeusserungen Mancini's wegen des Anschlages auf Mantua
verschiedenen Personen mitgetheilt hatte. Vom 14. zum 15. traf
das gleiche Loos den Obristen Olini in Brescia, in der Nacht
vom 17. zum 18. den gewesenen Ajutante commandante Cave-
doni ebenda, vom 5. zum. 6. Januar 1815 den Obristen Varese,
in der darauffolgenden Nacht Caprotti. Obrist Moretti befand
sich als ttberzähHger Obrist im II. leichten Infanteriebataillon
bereits in Graz als ihn auf eingelangten Befehl der Conmiandant
des 38. Linien-Infanterieregimentes Prochaska, Franz Schreiber,
am 7. Januar verhaften, dessen Papiere versiegeln und diese
sammt dem Besitzer derselben durch den Hauptmann Johann
V. Vorbeck von Casteler-Infantcrie Nr. 27 nach Mantua bringen
Hess. Mit Innocente Brunetti, dessen Verhaftung in der Nacht
vom 9. zum 10. Januar erfolgte, und mit dem in die nördlichen
Provinzen abmarschirten Obristlieutenant Pavoni, welchem der
Haftbefehl auf den Fersen folgte, hatte die Regierung alle Mit-
schuldigen an der grossen Militär -Verschwörung in sicherem Ge-
wahrsam, zwei allein ausgenommen, die, vorsichtiger als die
535
übrigen, noch zu rechter Zeit das Weite gesucht hatten: der ge-
wesene Ki'iegscommissar Muncini und der ehemalige Bataillonschef
Delfini. Denn auch der nunmehr neapoHtanische Escadronschef
Ragani, der das BindegHed zwischen jenen und dem Haupt-
quartier König Joachim's hatte abgeben sollen, fiel beim Be-
treten seiner modenesisehen Heimat den Häschern in die Hände
und wurde an die kaiserlichen Behörden abgeUefert.
Die lombardische Militär- Verschwörung war im Keime er-
stickt und damit der letzte ernste Versuch einer Wiederherstellung
des Königreichs Italien unter französischem Schutz und Schirm
gescheitert. Es gab ohne Frage noch Männer, deren Wünsche
an dem gestürzten Regimente hingen: allein sie standen für
sich, sie hatten keinen Zusammenhang, keinen Rückhalt und
vermochten vereinzelt nichts. Wann immer das politische Un-
wetter losbrach, das aus dem neapolitanischen Lager von An-
eona drohte — mit den Mantuaner Centri, auf deren vorbereitende
Thätigkeit König Joachim im Stillen gerechnet hatte, war es
nun aus und vorbei.
Die strafgerichtHche Untersuchung der im December 1814
und Januar 1815 verhafteten Personen zog sich mit der letzten
Entscheidung bis in das Jahr 1816 hinein. Das Verbrechen,
auf welches die Anklage lautete, war Hochverrath, auf welchen,
selbst wenn es beim Versuche geblieben, der Tod gesetzt war.
Mildernde Umstände verschiedener Art, in erster Reihe das
reumüthige Bekenntniss der Gefangenen, dann aber der Umstand
dass aus der vor seiner Verwirklichung vereitelten Unternehmung
keinerlei Schaden nach aussen entstanden war, bestimmten den
Kaiser Franz zur Umwandlung der Lebensstrafe in schweren
Kerker von einigen Jahren, in welche überdies die in der
Untersuchungshaft zugebrachte Zeit eingerechnet werden sollte.
Den zu achtjährigem Festungsarrest verurtheilt gewesenen ac-
tiven Militärs de Meestre, Moretti und OUni wurde, nachdem
sie die Hälfte ihrer Strafzeit in musterhafter Ergebung abge-
sessen hatten^ der Rest der ihnen anberaumten Frist vollends
nachgesehen.
Mehrere Jahre später soll Jean Baptist Mar^chal in Paris
unter den Säulenhallen des Palais Royal auf den Sieur de
Saint -Aignan, seinen gesprächigen Reisebegleiter von Turin
nach Mailand, gestossen sein, ihn bei der Gurgel gefasst und
mit einem spanischen Rohre aus Leibeskräften durchgewalkt
86»
536
haben. • Was sonst aus ihm geworden, hat sich, so scheint es, bis-
her der Oeffentlichkeit entzogen, und ebenso ist von dem General
und Grafen Comelli von Stuckenfeld, den die kaiserlichen Be-
hörden gegen Ende 1814 in Italien vermutheten, nichts Ver-
lässliches bekannt geworden. Es wäre immerhin interessant,
Näheres über die ferneren Schicksale und den Ausgang dieser
beiden politischen Hochstapler zu vernehmen.
1 l^tude 116.
ANHANG.
1.
In Sachen der Freimaurer,
Schreiben an den Herrn FZM. Freiherrn von Latter mann, illjrischen
Gouverneur in Laibach; an Herrn FZM. Fürsten von Reuss, italienischen
General -Gouverneui- in Padua; an Herrn GM. von Tomassichs, dalma-
tinischen Gouverneur in Zara.
S. M. geruhten veimittelst a. h. Entschliessung vom 3. d. M. zu be-
fehlen, dass jene Beamten in den occupii-ten Provinzen, welche die provi-
sorische österreichische Regg. auf ihren Dienstposten belässt, verhalten
werden sollen, eidlich anzugeloben, dass dieselben, falls sie mit einer
Frey maur er- Loge, oder einer andern geheimen Gesellschaft in Verbindung
standen, sich sogleich davon lossagen und in keine solche Gesellschaft
mehr treten wollen.
Ich bitte E. E. diese a. h. Anordnung bei den Ital. Beamten Ihres
Gouvernements, soweit sie solche betreffen kann, in Anordnung bringen
und die eidlichen Reverse derselben mir einsenden, überhaupt aber nun
mit desto strengerer Aufsicht das Fieymaurer Wesen unter den öffentl.
Beamten controliren lassen zu wollen.
Wien, am 20. März 1814. Hager.
2.
Angelobuiigs- Formel der Mitglieder der provisorischen
Regentschaft.
(Beilage zum Vortrage Bellegarde's an 8e. Maj. vom 21. Mai 1814. J. A. ad
164 ex Sept. 1814.)
Essende volonta Sovi-ana, che Voi o Signori abbiate da continuare
provvisoriamente nell' esercizio delle funzioni di Reggenti del Governo:
Prometterete e giurerete Fedeltä a Sua Maosta 1' Imperatore e Re
Francesco I, Vostro Clementissimo Sovrano e Signore, übbidienza alle
Leggi, Ordini e Decreti, che veiTanno dalla Maesta Sua emanati, Subordi-
538
nazione a Sua Eccellenza il Signor Conte Feld Maresciaüo Commissario
Ploniputoiiziario, o cbi furo potrobbe lo suc vcci.
Prometterote e giurerete cbe nel disimpegno della Carica provviso-
riamente affidatavi adempireto con zolo, Lealta ed osatezza i doveri della
mcdcsima.
Promettorete e giurereto finalmonte di non appartenere ne diretta-
mente, no indirettamente a veruna Societa segreta, qiialunque ne sia la
denominazione, ed in caso che vi apparteneste promettercte e giurerete di
rinunziarvi immodiatamente.
Promotto et giuio d'osservaro fedelniente tutto quanto ora mi e
State letto e che ho pienamente inteso. Cosi Dio mi ajuti.
3.
Copie d'un rapport du Comte de Bombelles ä S, A. le Prince de
Metternich, en date Paris le 16 Juillet 1814.
Une döposition dont Tobjet me parolt d'iine majeure impoi*tance, la
revelation d'une trame odieuse, qui, si Ton doit en croire les apparences,
auroit pour but le plus noir des attentats, m*ont sembl6 exiger Texpedition
Sans delai du präsent Courrier. Je ne puis encore juger si dans le rapport
que je vais avoir Thonneur de faire ä V. A. tout est confonne a la plus
exacte verite, ou si Tinexperience du d^lateur lui a fait supposer plus d'im-
portance qu'il n'y en a, aux faits qu'il a enoncös; mais dans tous les cas,
j'ai cru qu'il etoit indispensable de mettre le plustöt possible V. A. au
courant d'une affaire dont les suites, si on n'y mettoit la plus sevöre at-
tention, pourroient avoir le plus grand danger.
Mr. d'Esquiron de St. Agnan qui est venu me trouver hier, est un
liommc de Icttres, qui a eu Thonneur d'offrir en 1808 par le canal de V. A.
un ouvrago ä S. M. TEmpcreur.
II en obtiut une mcdaille d'or quMl porto encore. Au dernier sejour
de S. M. il Paris il a mis sous Ses yeux la proraiöre partie d'un sec<aid
ouvrage iutitule: Dieu, la naturc, et les loix. Mr. de St. Agnan preteml
avoir ct^ accueilli avec la plus grande bonte de notro Souvcraiu, qui lui
a promis de ne point l'oublier dans Toccasion. Apres le dopart de TEm-
pereur Mr. de St. Agnan so reudit a Londres, oii des affaires d'interet
reclamoient sa proseuce. C'est la qu'il retrouva vers la mi-Juin un cer-
tain Comte Coinolli ne a Aquiloja en Frioul, homme audacieux et entre-
prenant, jadis au service d' Antriebe, mais ayant depuis plusieurs annee«
voue la baine la plus deoidee a notre Gouvernement St. Agnan ayant conuu
Comelli il y a trois ans a Paris, et lui ayant rendu quelques Services lors
639
d'nne incarcei-ation qu'il avoit subie pour cause de dettes, il en fut ac-
cueilli avoc amitie. C'est apr^s l'avoir questionn^ sur ses projets et sur
sa maniere d'envisager les ^venemens qu'il erat pouvoir lui ouvrir son
cceui*. C'est alors qu'il lui fit part des trames vastes et perfides dont il
tient los fils en main, et qu'il se flatte de pouvoir mettre k ex^cution dans
les Premiers jours d'Octobre. C*est ä cette öpoque que Tltalie entiöre doit
se rovolutioimer, et qu'un Empire romain sous les auspices de trois Con-
suls et d'un Empereur qui prendra le nom de C^sar doit 6tre ^tabli. Les
conjurös ont formö l'ex^crable plan d'assassiner en mtoe tems TEmpereur
notre auguste Maltre, et ils se flattent (je repete ceci comme on Ta de-
pose; mais sans y ajouter foi) que la Bussie saisira ce-m^me instant pour
effectuer ses projects en Pologne. Comelli doit avoir dit ä Mr. de St. Agnan,
que deux militaires, qui ont l'honneur d'approcher l'Empereur, sont du com-
plot, mais il n'a jamais voulu s'expliquer sur leurs noms, j'aimeäcroireque
ceci est une calomnie de ce miserable, mais dans tous les cas il sera facile ä
la police de savoir qui se trouve en coiTespondance avec Comelli. On lui
ecrit simplement ,pour le G6n6ral C* en ajoutant une seconde enveloppe k
Tadresse du Sr. Bertoldi ä Delmenhorst. C'est le 5. aoüt qu'il compte 6tre ä
Milan. II est parti le 1. Juillet de Londres, et doit passer pai* la Hollande,
Delmenhorst, et le Tyrol. II est n^anmoins probable qu'il voyagera sous
un nom supposö. Le Chevalier de Floret, ayant vu plusieurs fois ce Comelli
pendant son söjour ä Paris, pouiTa donner son Signalement. Quand il
ecrit ä ses complices, il se sert au Heu de signature du paraphe suivant
Le Chiffre convenu est une croix k une, deux, ou trois branches; la
premiöre »J< veut dire, continuez ä travailler dans le sens ; la seconde rib.
le moment decisif approcho et tout va bien. La troisii^me ^^ le coup va
etro frappe. Dans un des derniors billots quo Comelli ocrivit ä St. Agnan il
lui enjoignoit de luy onvoyer saus delai des nouvolles du Duc de Kiario
et d'un certain Confino. Co Confino est Türe d'origino, un dos plus mau-
vais Sujets qui existent, et je crois qu'il est oncoro ä Paris. Je m'iufor-
merai de ce fait le plus proniptement possiblo. Ce qui est sur, c'est que
St. Agnan l'a rencontr^ dans le courant de muis de mai dans la cour de
S. M. l'Empereur a Paris, et qu'il pretendoit etro omploye au service de
S. M. C'est, au roste, un coquin du plus bas otago, ot dont Comelli ne
compte propablement se sorvir quo comme d'un assassiu ä ses ordres.
Comelli a assuro quo ui Napoleon, ui le Priuce Eugene no connois-
sent ses projets. II n'a jamais voulu dire les noms de trois pretendaus
au tröne Imperial, mais a cortifie qu'ils etoient mombres de maisons
540
souveraines. II compte beaucoup sur Tassistance de la plus grande partie
des officiers supörieurs de Taiinee Napolitaine, de quelques familles de
Milan et de Rome, de plusieurs g^n^raux de la ci-devant aim^e d'Italie et
de quelques chefs de parti du Tyrol Italien. Dans Tassemblee ä laquelle
St. Agnan assista ä Londres ä la fin de Juin il trouva une trentaine de
personnes tous Italiens k Texception de quatre Anglais. Les trois pieces
ci-jointes ^ donneront quelque clart^ ä V. A. sur cette odieuse et atroc«
afTaire. La proclamation qui doit paroltre au mois d'Octobre en fi-an^ais
et en Italien a ete redigee par Comelli lui-m^me. La puissance que les
conjur^s redoutent avec raison le plus c'est rAutriche. C'est la haine la
plus profonde contre notre Cabinet qui les dirige. Si Tltalie a seconde
long tems les vues de Napoleon, disoit Comelli, c'ötoit dans Tespoii- de
contribuer ä riiumiliation de TAutriche. Depuis le mariage Tltalie n'eut
plus de confiance en lui.
Je ne r6p4te tous les mauvais propos de ces plus mauvaises tetes en-
core que pour mettre V. A. ä mdme de juger Tesprit qui anime ces scel^rats.
Si j'exp4die mon fröre en Courrier ä Vienne, c'est quMl a assiste
comme moi aux d^positions de Mr. de St. Agnan, et quMl sera ä m^me de
Vous donner, mon Prince, mille petits details qui öchappent ä la plume.
Si V. A. ne juge pas ä propos de Texpedier en Coumer ä Mr. le Marechai
de Bellegarde pour lui communiquer les m^mes renseignemens, j'osc la
supplier de me le renvoyer sur le champ pour que je puisse sans delai
savoir vos intentions au sujet de Mr. de St. Agnan. Ce dernier s'engage,
si V. A. le juge ä propos, ä se rendre ä Milan, continuer ses relations
avec les conjurös, et donner au Gouvernement tous les moyens de saisii*
tous los fils de la trame. Si V. A. me röexpediait sans d^lai mon frerc, il
pourroit etro de retour ici au prcmier aotit. St. Agnan pourroit alors partir
pour Milan, et s'y trouvcr lo 5. joui* du rendez-vous des conjures. II de-
siroroit etro mis sous la surveillance la plus exacte de la policc pour sa
sQiote personelle, craignant beaucoup d'etre assassine. V. A. me rcud
asscz justice pour ne pas douter quo je me mettrai en quatre pour obtenir
encoro plus de details sur tout coci. Mon attachement a la vie et ii la
nioi-t a l'Auguste personne du plus adorö des Souverains, et mon devoue-
meut sans bornes pour V. A. sont les garants de mon zöle. Je n'ai cepen-
dant pas voulu retardor d'uno miuuto le depart de mon fr^re envisageant
Taffaire comme d'un interet trop pressant. J'aurai Tcjeil aussi sur \(^
demarches d'un certain Angeloni, homme de lettre«, romain de naissance.
1 Siülio oben S. 500; der geneigto Leser wird es mir violleicht danken,
wenn ich ihn von der Durchsicht dieser hirugespinnstischon Schriftstücke
frei Iialte.
541
et sur Celles d'un medicin nomine Cornara. Ce deux individus sont le
point de ralliement ä Paris do tous les lalieus mecontents. Ils sont de
plus en correspondance avec des Busses et beaucoup de Polonais.
4.
In Sachen der Freimaurer,
Lieber Freyherr von Hager! Von allen Verzeichnissen über
Freymaurer, sowie von Personsbeschreibungen, welche Ihnen bis nun aus
den Italienischen und Illyrischen Provinzen zugekommen sind, oder noch
zukommen werden, haben Sie Meinem Hofkanzler Grafen Lazansky, als
Pi-äsidenten der neu aufgestellten Zentralorganisirungs-Kommission, Ab-
schriften zum gehöligen Gebrauch mitzuthcilen.
Gutenbrunn den 9. August 1814. Franzm. p.
5.
(A. J. 1814, Beilage zu 3529 ad 1202.)
Paris 1. 7bre 1814.
Mon prince!
Depuis les ordres que j'ai re^us de V. A. j'ai fait venir M. de St.
Agnan et Tai engage ä partir pour Milan. II m'a repondu qu'etant implique
dans un proces tr^s considerable pour lui il ne pourroit quitter Paris sur
le champ, que d'ailleurs il y avoit des dettes et quMl ne lui seroit possiblo
de s'absenter que moyennant une avance de 8000 francs. Si j'etois bien
convaincu de Tindispensabilite do la presence de Mr. de St. Agnan a Milan,
j'aurai bien pris sur moi de lui fournir les fonds qu'il demande. Mais
comme il ne me parait pas d'aprös les assertions mcme de Mr. St. Agnan
que les conjui'es puissent avancer l'epoque qu'ils ont choisio pour Texe-
cution de leur plan (opoque fixee au mois d'octobro) j'ai prefero attcndro
a ce sujet les ordres ulterieures do V. A. D'ailleurs Mr. de St. Agnan
ayant manque son premier rondez-vous qui ötoit fixe au 5. aoüt, il ne sera
plus attondu par les conjures qu*en 8bre, et d'ici-lä V. A. peut me faire
savoir ses intentions.
Au reste Mr. do St. Agnan, a qui j'ai fait une avance de 500 fr.,
me tiondra au fait de tont ce qui lui parviendra subsequemment. II paroit
certain que Comelli est maintenant on Italie, je crois qn'il serait interes-
sant d'engager Mr. de Bellegarde ä prondre toutes les mesures necessaires
pour bien obsorver ce scolerat. Gar en Tarretiint sur Ic champ on don-
neroit Teveil ä ses complices, qui d'aprös tous mes renseignemonts doivent
ötre nombreux.
542
L'Italie n'est point au reste le seul pajs livr^ ä des fermentations
politiquos. Quoiqu'ou disent les feuilles fi'an9aises, la France est loin
d'etre tranquille. L'armeo tout en se r^organisant, conserve un mauvais
esprit. A Ncvers il y a eu des troubles assez serieux, et c*est toujours la
force arm^o qui donne le mauvais exemple, car le peuple en general est
assez paisiblo. Lors de tant de troubles et de malheurs il ne se r^voltera
contre aucun Gouvernement et ne sera fonci^rement attache ä aucun. II
falloit aux Romains du tems de Suetone du pain et des spectacles. Cette
devise est devenue entiM'ement celle de la France.
Les chambres donnent bien plus d'entraves ä un Monarqne, eclaire
il est vrai; mais irr^solu dans le parti qu'il a ä prendre, qu'on ne le pen-
seit dans le principe. Le Budget ä la Chambre des D^put^s et la liberte
de la presse h celle de Pairs occupent les esprits, et le Gouvernement ne
s*est pas encore foiin4 une majorit^ bi0n d^cidee. Tout n*a tant bien qne
mal si la paix subsiste ; mais une guerre quelconque perdroit la France.
II n'est pas inutilo que V. A. seit bien convaincue de cette verite; eile
doit dirainuer de beaucoup Tinfluence que Mr. de Talleyrand cherchera ä
se donuer au congrös; il compte pai-tir le 10 pour Vienne.
Bombelles.^
6.
Präsidial 'Vortrag über die geheimen Machinationen in Italien
und Absendung eines Vertrauten dahin,
(Concept)
E. M.
Unter den Notizen, welche ich über das geheime meuterische Trei-
ben in Italien erhielt und worüber ich E. M. am 18. d. M. einen a. u. Vor-
trag erstattete, waren auch zwey Schreiben des Hofrathes von lloschmann
aus Innsbruck vom 31. August und 2. September, welche ich E. M, in
beylicgcnden Copien a. u. zu Füssen lege.
Ich habe darüber mit dem Minister des Aeussern Fürsten Metter-
nich Rücksprache gepflogen und überdies dasjenige an FM. Gr. Bellegarde,
an FZM. Fürsten Rouss sowie an den Hofrath Roschmann selbst erlassen,
was die angebogenen Expeditions-Copien ausweisen.
Aus dem Erlasse an Roschmann geruhen E. M. huldvoll zu ent-
nehmen, dass ich zwar seinen Antrag den Prati von Trient als faux frerc
1 Am 1*2. September theilt Metternich diesen Bericht ,iii der Hochdenselben
ohnehin bekannten Angelegenheit des Herrn von St. Aguan' dem Obersten
'"ölizei-Präöideuteu mit.
543
nach Mailand zn senden, um doii; den Gang der Machinationen zu beob-
achten und die Theilnehmer davon zu erforschen, nicht verwerflich fand,
jedoch mich darüber mit dem Fürsten Metternich einzuvernehmen und
das Besultat davon dem Eoschmann nachzutragen vorbehielt, ehe Prati
nach Italien abgehen sollte.
Fürst Metternich hat mir zwar über diesen Gegenstand noch nicht
geantwortet, aber Eoschmann schritt inzwischen zur Execution.
In dem Anschlüsse berichtet er mir, dass er bey näherer Nach-
forschung über Prati's Individualität denselben zu der bezielten Mission
nicht verwenden zu können glaubte, dagegen aber den ehemaligen Podesta
von Triont Dr. Cheluzzi dazu als vollkommen geeignet ausersah und mit
einem Eeisegeldverlage von 2000 fl. W. W. in C.-M. versah.
Dermahl lässt sich weder über die Qualität des Cheluzzi zu dieser
Mission, noch über die Veranlassung der Mission selbst etwas erinnern,
nachdem Eoschmann zum Werke geschritten ist, ehe er die weitere An-
weisung angesucht oder erhalten hat. Ich kann lediglich in seiner Wahl
nach der Darstellung, welche er über Cheluzzi's politischen und morali-
schen Character macht, compromittii'en, allein Eoschmann will nun meine
Authorisation haben, um den Cheluzzi für den Fall der Nothwendigkeit
seiner längeren Anwesenheit in Italien und der dort zu machenden Aus-
lagen, ausser obigem Verlage einen grössern Geld-Credit zu eröffnen.
Hiezu nehme ich mir nun die ehrfurchtsvolle Freiheit E. M. a. h.
Genehmigung gehorsamst zu erbitten.
Wien am 21. October 1814. Hager.
Der Kaiser resolvirte am 14. November: ,Die von Eoschmann ver-
anlasste Absendung des Dr. Cheluzzi nach Mailand war voreilig, weil er
vor allem Ihre Weisung hierüber hätte abwarten sollen. Als eine gc-
scliehene Sache nehme Ich diese Absendung in der Voraussetzung, dass
Cheluzzi die zu einer so heiklichen Sendung eif orderlichen Eigenschaften
in vollem Masse besitzt, wofür Mir Eoschmann verantwortlich bleibt, zur
Nachricht und ermächtige Sie, den Cheluzzi für den Fall der Nothwendig-
keit seiner längeren Anwesenheit in Italien mit dem noch erforderlichen
weitern Geldverlage gehörig versehen zu lassen; jedoch werden Sie dafür
sorgen, dass Cheluzzi nicht länger, als es wirklich nothwcndig ist, in Italien
verweile, und dass Mir seine einlangenden Berichte vorgelegt und über
das ihm eifolgto Geld und dessen Verwendung gehörig Eechnung gelegt
und das hiervon allenfalls Erübrigte zurückgestellt werde.*
544
7.
Extrait d'un Rapport de Mr, le Comte de Bombelies en date de
Paris, le 2. Novembre 1814.
Depuis la dorni^re depöche que Yotre Altesse m'a fait rhonneur de
m'adrosser au Sujet du Sr. Esquiron de St. Agnan je me suis fait un de-
voir de suivre ponctuellement les ordres que Vous avez bien voulu, mon
Priüce, me donner ä cet 4gard. Mes dorniges sur Tindividu en question
s'accordent toutes ä me prouver que c'est un tr^s mauvais sujet, un homme
peu fiablo, mais il est d'un autro cOte presque certain qu'il entretient des
intelligences avec les sc^lerats qui cherchent ä culbuter et devaster Tltalie,
et qu'une fois sür d'une recompense, il peut rendre des Services eminens
ou dövoilant les coupables et leurs trames. Ce n'est toutefois qu'avec une
extreme prudence qu'on peut emplojer un pareil homme, cai' ses relations
intimes avec la Police de Paris ne me permettent plus de douter, qu'il
n'en soit un agent secret; et si jamais (ce que je suis loin de croii'e) il
pourrait entrer dans la politique de la France de soutenir sous main les
factieux de ritalio, Mi\ de St. Agnan sans aucun doute se porterait vo-
lontiers ä rendre dans ce sens toute sorte de Services. Comme toutefois
je pronds la libertö de le r^peter, avec une extröme circonspection on peut
tirer parti de Mr. de St. Agnan, je n\ai pas cru devoir lui refuser Targcnt
necessaire ä son voyage, du moment qu*il est venu me dire que l'etat de
SOS affaires lui permettait de partir et que Tinstant de devoiler la pliis
odieuse des trames et de faire avorter le projet des conspii*ateui*s etait
iirrivö. Quoique je sois bion eloigne de croire tous les romans du Sr. Si.
Agnan, je me serais soumis k une trop grande responsabilite cn nV
joutaut aucun foi a sos depositions. II part donc aujourd'hui rauni de
lottres pour le Comtc de Bubna et le Marechal de Bellegarde. Pour evitcr
au roste ä Mr. le Marechal tout espöce d'cmbarras et le bien mottre au
fait de Tetat dos choses, ainsi quo des Services que Mr. de St. Agnan peut
rendre et dos inconveniens quo son caractere prosente, j'ai cni necessaire
d'oxpodior dös hier a Milan Mr. l'abbe Altieri, portoui- d'une lettre wn-
fidentiello pour Mr. lo Comte de Bellegarde. Je joins ä ce trös-humble
rapport copie des instructions dont j'ai pourvu Tabbö. Ce dernier peut
d'aillours ötro de la plus grande utilite en Italie. Son zöle egale son in-
tolligcnce. II connait les principales familles de ce pays la et inspire en
qualito de patriote plus de confiance qu'un etranger. Je crois donc, mon
Priuce, n'avoir rien noglige pour que notrc Auguste Souveiiiin soit seni
dans cettc occasion comme II le merite. J'ai compose un petit chiflfre dont
j'ai donne le double ä l'abbo Altieri, afin de le mettre ä memo de m'in-
545
struire de la tournure que vont prendre les choses en Italie. Je serai en
attendant h Taffüt des menees du Gouvernement fran^ais, et je crois pou-
voir me flatter qu'elles ne m'öchapperont pas.
8.
Nr. 784.
MonBieur le Baron!
Je ne dois pas dififerer h mander ä V. E. que le Sr. de St. Aignan
qui denon^a h Mr. de Bombelles ä Paris une pretendue conspiration en
Italie dirig^e par le nomm^ Comelli, est aiTive ici depuis quelques jours,
mais il s'en faut bien qu*il soit de l'utilite qu'on comprit. D'abord il ne
donne aucune indication pröcise sur les pr^tendus conjures, et d'ailleurs
dans son verbiage on S9ait pas assez d^mäler s'il est un espion des Bour-
bons, s'il sert ä un parti revolutionnaire en France, ou bien s'il a d'autres
vues indirectes, et ce qu'il y a de plus sür, c'est qu'il ne cherche qu'ä
avoir de Targent et ä se rendio interessant pour en avoir d'avantage. Je
ne peux donc pour le moment den annoncer de positif sur le compte du
Sr. de St. Aignan k V. E. et je me reserve ä lui en rendre un compte
plus exacte quand par des autres entrevues avec lui j'aurai mieux connu
son vöritable caract^re.
Agr^ez etc. Bellegarde F. M.
Milan ce 22. Nov* 1814.
A. Mr. le Baron de Hager ä Vienne.
9.
P. A. Carrer an Baron Hager in Wien,
Nr. 9.
Excellence
Par mes n" pröcedents et par le dernier aussi en date 30 novembre
j*ai eu rhonneur d'assurer V. E. que la Police de Milan surveillait atten-
tivement, aujourd'hui j'ai l'bonneur de vous annoncor, Mr. le Baron, que
hier k 5 heures du matin la Police a fait arrester quattre Individus,
c*e8t ä dire
Basori, Medecin et Chirurgien, homme d'^sprit et de connaissance qui
avait sous Tex Vice ßoi beaucoup d'influence.
Gasparinetti Colonel de Cavallerie Italienne, homme ä talent, ferme,
qui a fait toutes les campagnes et qui a ^t^ fait prisonnier en
Bohöme.
546
Latuada ci-devant officier de la Garde Nationale de Milan, homme de
pou de rossources, on mo le dit.
Marechal que je crois Fran9ais, qui ötait au Service Militaire-Italien du
quel je me rescrve de presenter a V. E. des dctails plus sürs dans
mon n" suivant, et en menie tems je s^aurai vous annoncer ropinion
qu'on porte sur Tarrestation des susdits.
Agroez etc. Carrer.
Milan le 5 Xmbre 1814.
10.
(Beilage zu 1202, Fascikel 460. 1814.)
On ne peut rien pen^trer sur la qualit^ de leurs crimes, quelqnun
pretend qu'ils conspiroient contre la tranquillite publique et qne Mare-
chal seit le Premier, qui se seit adress^ ä Rasori, comme homme ä tete
chaude et qu^ils aient tires k leurs pai*tis les deux antres; si le suppose
est vrai les coraplot pourroit avoir des partisans en France puisque on
m'assure quo Marechal est Fi*an9ais. Je continuerai u voillcr sur cette
affaire pour me procurer Thonneur d'exposer ä V. E. les eclaii-cissenients
que je reussirai ä me procurer, en attendant ayez la bonte d'agi'^er le re-
nouvellement du haut respect, avec lequel j'ai Thonneur d'etre
De V. E.
Milan le 10 Xmbre 1814.
Votro tres hiimble et obeissant Serviteur
Pierre Antoinc Carrer.
Namen-Register.
Aberdeen, Lord, in Paris 474.
Alexander L, Kaiser von Russland,
in Paris 431, 474 f., 477 Anm.,
487, 508.
Altieri, Principe, Abate 524, 544 f.
A m b e r g, Polizeicommissar in Verona,
498.
Ambrosio, neapolitanischer General,
494.
Angeloni, Schriftsteller, 507, 540.
Appiani, Maler, 441.
Arconati, Carlo Marchese, 1765 k. k.
Kämmerer, 490 ^
Arese, Francesco Barone, Obrist, Ab-
theilungs - Chef im italienischen
Kriegsministerium, 438.
Arrivabene 425.
Artois, Graf, 477 Anm., 532.
Asinari, s. San Marzano.
Angusta Amalia von Baiem, Ge-
mahlin des Prinzen Eugen, 421,
429 f., 485.
Austriacanti 425 — 427.
Azeglio, Cesare Tapparelli d',
Marchese, sardinischer Gesandter
in Rom, 496 f.
Baldacci, Anton v., 464 f.
Ba Ilabio, Pietro, Banquier, Batail-
lons-Chef der Civica, 441, 457, 477.
Barbiera, Postdirector in Verona, 420.
Barb6, Giovanni Conte, gewesener
Staatsrath, Leiter des italienischen
Finanzministeriums, 480.
Bausset 494.
Bazzetta, Giac. Barone, gewesener
Staatsrath, Mitglied der provisori-
schen Regentschaft, 451.
Beauharnais, s. Augusta, Eugen.
Beauharnisten 421—425, 431.
Beccaria, Giacomo Marchese, 457,
472, 477.
Begna, Blasius Graf, k. k. Obrist-
lieutenant, 504.
Belgioioso-Trivulzi, Prinzessin
Cristina, 422', 436S 446, 517 Anm.,
531\ 533S s. weiter iltude.
Bellani, Secretär der WahlcoUegien,
455».
Bellegarde, Graf Heinrich, k.k.Feld-
marschall, Abstammung und Vor-
leben, 477—479; gegen Prinz Eu-
gen 409-411, 415—418, 426, 431,
450, 459, 466 f.; bevollmächtigter
Commissar für die lombardischen
Provinzen 480—492, 495 f., 498 bis
501, 537 f.; ,Belletardi* 491; glaubt
an keine Verschwörungen 510, 512
bis 515; muss zuletzt doch daran
glauben 515, 525, 528 f., 534; Hal-
tunggegenüber St.Agnan 530 f., 533,
545.
Bellott i, Gaspare, italienischer Bri-
gadegeneral, in der congiura mili-
tare, 518 f., 521, 532; verhaftet
534.
Bentinck, Lord William, in Gtonua
410, 415—418, 457 f., 469—471;
in Mailand 488, 514.
Benzon, Maria, Nobil Donna 484 f.
Berry, Herzog, 530, 532.
Bertoldi k Delmenhorst 507, 539.
Bertoletti, Antonio, General, 431;
in Paris 472; k. k. General-Feld-
wachtmeister 508.
548
IJ(irt<)l<)8si, Major der königlichen
(}ar(lo in Mailand, 460.
Hottoni, Nie, Huehdrueker in Padua,
511.
lUanchi d'Adda, italienischer Gene-
ral, Stoll Vertreter des Kriegsmini-
Hters, 438, 460, 480.
Hianco, Domen., Storia docum. della
diplomatica Europea in Italia (To-
rino 1865), 527», 2.
lUdaHio, Uuggiero, Obrist, 486^
IH g n a ni i, Santo, Artillerie-Officier,
486».
iiom belle», Heinrich Graf, k. k.
Hauptmann und Uotschafts-Cava-
lier 509, 540.
— , Ludwig, Bruder des Vorigen, kai-
Horlioher Commissar am französi-
schen Hofe, 411, 508 f., 511—513,
524, 528, 633, 538—542, 644 f.
Honafour 521.
Honolli, Angelo, 507.
H o n f a d i n i, Romualdo, Mezzo Secolo
di Patriotismo (Milano, Treves
1886), 4211, 4391 et passim.
Honfanti, Antonio Baron, General,
461.
— , italienischer Obrist, 618.
— , Mailänder Tischler, 447.
Bongi 4861.
Borghi, Carlo, im Ministerium des
Aeossem, 480.
Borrani, Kaffeesieder, 447.
Borromeo, Giberto, Conte, 1776 k. k.
Kämmerer, 490 * ; Austriacante 426,
442; Mitglied der provisorLwhen
Regentschaft, 461.
—, Ottaviano Conte, 1776 k. k. Käm-
merer, 490*.
— , Familie, 476; s, auch Visconti.
Bosisio, Capitän der italienischen
Dragoner, 442 f.
Bossi, Benigno Conte, capitano della
Civica, 428 f., 435 f , 439, 441.
— , Luigi, Monsignore, gewes. Staats-
rnth, Archivdirector, 497.
Bozzo di Borgo, Gius.. k. k Major,
604.
Breme s. de.
B r u n e 1 1 i, InnocenteUgo, Musteruugs-
inspector, in der Militär- Verschwö-
rung 411, 516, 620 f.; verhaftet
634.
Bubna, Graf Ferdinand, k. k. Feld-
marschalllieutenant in Turin, 411,
488, 533, 644; Freimaurer? 510.
Bührent, k. k. Hauptmann- Auditor,
517 Anm.
Busin eil i, Pietro de, k. k. Christ,
503.
C . . ., Conte, 462, 463 Anm.
Campochiaro, Herzog, 628.
Cantü, Cesare, Della ludipendenza
Italiana Cronistoria (Torino, Na-
poli, Roma 1872/1873), 413», 427-
et passim.
— , n Conciliatore e i Carbonari (Mi-
lano, Treves 1878), 487».
Capitani, s. de.
Caprara, Marchese, in Bologna, 515.
Caprotti, Ant. Maria, Kriegsbncb-
haltungs-Beamter, Carbonaro, 618;
verhaftet 634.
Carascosa, neapolitanischer General,
416, 626 f.
Carbonari in Neapel 496 ; Auftauchen
in der Lombardei 617 f.; s. auch
Centri.
Cariati, Fürst, 628.
Cariui, Cancelliere, 634.
Carrer, Pierre Antoine, vertrauHchf
Briefe an Baron Hager 628«, 530',
546 f.
Carte segrete della polizia austriaca
(Capolago tip. elv. 1861) 436',
629'.
Casati, Augusto, 1790 k. k. KSm-
merer, 491 Anm.
— , Gabrio (jun.), Memorie e lettere
di F. Confalonieri (Milano, HoepU
1889), 467», 474» et passim.
— , Giuseppe Baron, gewes. Sta^ti»-
raUi, 426».
— , Teresa, s. ConfalonierL
Casatti, bei der Mailänder Postbe-
hOrde, 634.
549
Castel Cicala, Füret, 527.
Castiglioni, Alfonso (Luigi?) Conte,
1777 k. k. Kämmerer, 491 Anm.;
Senator 409, 426, 434—436, 458.
— , Carlo Marchese, Italico puro, 428.
Castlereagh inParis467, 471, 473 f.;
Despatches 476 '.
Castro, 8. de.
Canlaincourt 477 Anm.
Cayazzo, Antonio, ObriBt, 451.
Cavedoni, Bartolomeo, aus Modena,
Ajntante Commandante, in der
Militär -Verechwörung 518 — 521;
verhaftet 534.
Ceccopieri, Ferdinand Graf, k. k.
. Obriflt, 508.
Centri in Mantua 517 f., 520, 535.
Cheluzzi, Dr., ehemaliger Podestj\
von Trient, von Roschmann als
,fanx fröre' nach Mailand g^chickt,
513, 543.
Chiaro, Carlo (Gend.-Officier), Rela-
zione manoscritta della Seduta del
Senato il 17 aprile 1814, s. Cu-
sani, Storia VII, 89».
C i a n i (Giani ?),6iacomo 428 f., 435,457.
— , Filippo, Banqoier, 477.
Cicogna, Carlo, Kämmerer am vice-
königlichen Hofe, 435 f.
Cima, Lufgi, Adjutant Pino's, 442.
Clarence, William Duke of, dritter
Sohn Georg m., 428.
Codini, Luigi, 515.
C o 1 o m b o, Theatertischler der Scala,
445.
Comarolo, Pietro, Advocat in Vene-
dig, 485.
Comelli von Stuckenfeld, Karl
Franz, Herkunft und Vorleben,
420, 504—509; Enthüllungen an
St. Agnan 512 f., 588—545; in Ita-
lien? 536, 541.
Cometti, Giov., k. k. Obrist, 503.
Confalonieri, Federico, 427—429,
435 f.; am 20. April 439—442, 457;
in ParU 411, 472-477, 482.
— , Memorie e lettöre s. Casati.
— , Teresa, geb. Casati, 428, 473, 476^
ArohiT. Bd. LXXYI. n. Uiirte.
Confalonieri, Vitaliano, 1790 k. k.
Kämmerer, 425, 428, 491 Anm.
Confino 539.
Cornara, Arzt, 507, 540.
Cortesi, Inspector, 502.
Cusani, Fra. Storia di Milano (Fra-
telli Borroni 1873, VII), 435»,
441 > et passim.
Dandolo, Conte, Senator, 433 f.
De Breme, Lodovico, Marchese,
468«, 482 3.
Debrois, v., k. k. Regierungsrath,
499.
de Capitani, Paolo, Leiter des ita-
lienischen Ministeriums des Innern,
438, 480.
de Castro, Giovanni, Ti mondosegreto
(Milano, Daelli et C. 1864), 517 ^
— — , La Caduta del Regno Italico
(Milano, Treves, 1882), 432 », 438 »
et passim.
— — , La restaurazione austriaca in
Milano (Arch. stör. lomb. 1888),
416», 435 2.
D e 1 f i n i, italienischer Bataillons-Chef,
in der congiura militare 518 f.,
522; rettet sich durch Flucht 535.
della Porta, k. k. Hofrath, 534.
de Meestre Huyoel, Fil. Jac. Baron,
gewesener General - Inspector der
Musterungen (alle Rassegne), Gou-
verneur des militärischen Waisen-
hauses S. Luca, k. k. Feldmarschall-
lieutenant, 503; in der Militär-
Verechwörung 411, 517 f., 520 bis
523 ; verhaftet und verurtheilt 534 f.
Duperrö, Admiral, 409, 457.
Durini, Conte Antonio, PodestÄ. von
Mailand, 428, 436; am 20. April
446, 448, 451.
— , Carlofranco, 1777 k. k. Kämme-
rer, 491 Anm.
E c k h a r t, Baron Ludwig, k. k. General-
major, in Bologna, 494.
Ehrenheim, s. Pfülb.
Eiberg, v., Hofrath, 500«.
E i n k h e m e r, V., Feldkriegscommissar,
499.
86
550
Enghien, Herzog, 490.
Esquiron, s. Saint-Agiian.
Ettori, ,faux fr^re* in Italien, 5132.
ifctude sur Thistoire de la Lombardie
dans les trente deruieres ann^es.
M. S. d'uu Italien (Belgioioso)
publie par H. L^zat de Pons
(Paris, Laisnö 1846), 422 1, 43fii,
441 1 et paBsim.
Eugen Beauhamais, Vicekönig von
Italien, im russischen Feldzuge
413; gegen Bellegarde 409f.,413 f.,
416, 418, 421 f., 424, 428-435;
Verliältniss zu den Freimaurern
419, 4832, 484 f.; Abdankung und
Abreise 458—463; in Paris 463,
472—474.
Fagnani, Marchese (Conte?) 424,
426, 444.
F6, Marcantonio Conte, aus Brescia,
457, 473, 477.
Felber, Alberico, Freund Confalo-
nieri's, 467 2, 469», 470 2.
Felici, Senator in Mailand, 440.
— , Giuseppe de. Major, 442.
Feneroli, Giuseppe Conte, Gran
Maggiordomo, 4832.
Fenner von Fennenberg, Franz,
k. k. Feldmarschalllieutenant, 461.
Ferdinand III., Grossherzog von
Tcscana, 418, 488, 493.
— IV., König von Neapel und Sici-
lien, 627.
Ferstl, Leopold Valentin, Polizei-
Obercommissär in Ferrara, 465,
498, 525 2.
Fouerle, Paulin, in Mailand 497,
509 f., 514.
Ficquelmont, Graf Adam, k. k. Ge-
neral - Feld Wachtmeister, General-
Adjutant Bellegarde's, 459.
Finetti, Gins., k. k. Obrist, Festungs-
commandant in Pizzighettone, 503.
Fiocch i, Courier Confalonieri's, 481 f.
Fl Orot, Engelbert Joseph, k. k. Hof-
und Botschat'tsrath 539.
F o n t a n e 1 1 i, Achille Conte, aus Mo-
dena, italienischer Kriegsminister,
431, 438, 483*; in Paris 472,477
Anm.; Versuche, ihn für die Mi-
litär-Verschwörung zu gewinnen
411, 503, 516, 518, 521, 523.
Foscolo, Ugone (ügo), 448, 464;
bei Bentinck und M' Farlane 457 f.,
470 f. ; der kaiserlichen Regierung
verdächtig 487.
Franz I. in Paris 410 f., 431, 473,
475 f., 489, 507 f., 588; über König
Joachim 418, 527, 535; mildes
Urtheil über die Militär- Ver»chwo-
renen 535; s. auch 541.
— IV. von Oesterreich-Este, Herzog
von Modena, 410, 418, 495; König
von Italien? 472, 487.
Freganeschi, Conte, Rath, 426,
430.
Freimaurer unter napoleonischer
Regierung 419; namentlich in Mai-
land und in Venedig 483—485;
von Gestenreich verboten und ver-
folgt 419 f., 510 f., 514 f., 537, 541.
Frigerio, Finanz-Intendant in Mai-
land, 442.
Gallo, Marchese, 415 f.
Gambanara, Baron (Graf) Giuseppe,
aus Pavia, 1 791 k. k. Kämmerer, 491
Anm.; für Oesterreich thätig 426,
429, 436, 449 >.
Gas pari, Giacomo Cav., Präfect de»
Metauro, 5012.
Gasparinetti, Antonio, in der Mili-
tär-Verschwörung, 411, 518, 521,
532; verhaftet 533, 545.
Georg III. von England 428.
Gerosa, Santino, üsciere beim Mili-
tär - Appellations - Gericht, Carbo-
naro, 518, 522; verhaftet 534.
Ghisilieri (Ghislieri), Filippo
Carlo, aus Bologna, Marchese,
1800 k. k. Kämmerer, 491 Anm.;
Antinapoleonist 425 f. ; Vertrauens-
mann der österreichischen Regie-
rung 488, 495, 498, 534.
— -Calderini, Franc. Pietro Mar-
chese, 1791 k? k. Kämmerer, 425.
Giani, Giacomo, s. Ciani.
551
Qiavarina, Giovanni, Polizei-Ober-
commissar in Padoa, 498, 511.
Giflengfa(Gifflenga?), piemontesi-
scher General, 521.
Giovio, Lodovico Conte, königlich
italienischer Staatsrath, Präsident
der WahlcoUegien, 445, 455 f., 466;
Mannscript in der Ambrosiana 445 ^
Giudici, GaStano, Abt, 481.
Giulini, Giorgio Conte, 451.
6 0^88, Graf Peter, General-Intendant
der k. k. Armee in Italien, 426.
Grenier, französischer General, 432,
456, 459.
Greppi, Antonio Conte, 426.
Griess, Franz Freiherr von, k. k.
Obristlieutenant, 504.
Grub er, Augustin, 499.
Guicciardi, Conte Carlo, 1798 k. k.
Kämmerer, 491 Anm.
— , Diego, 426, 433 f.; am 17. April
1814 409, 458, 460; darnach 481;
k. k. Hofrath 499.
— , Francesco, 1491 k. k. Kämmerer,
491 Anm.
Hager (Haager) zu Altensteig, Franz
Freiherr von, Präsident der k. k.
Obersten Polizei- und Censur-Hof-
stelle 410 f., 420, 537 et passim.
Hannapel (Hanappel), Johann
Theodor, Postamtsverwalter in
Verona, 420, 498.
Hill er, Johann Freiherr von, k. k.
Feldzeugmeister, 413-415, 420. .
Hous 507.
Humboldt, Wilhelm von, in Paris
474.
Italia farä da so 413.
Italici puri 427—429 et passim.
Joachim, s. Murat.
Johann, Erzherzog, 507.
Josef ine, Kaiserin, 477 Anm., 483.
Karl, Erzherzog, 506 f.
Krenninger in Laibach 515 *, 529 ^
Kübeck, Karl von, k. k. Hofrath, 499.
Lattermann, Christoph Freiherr von,
k. k. Feldzeugmeister, Gouverneur
in niyrien, 637.
Lattuada, Giov. Saverio (Sovera?),
in Genua bei Bentinck, 458; Haupt-
triebfeder der Militär -Verschwö-
rung 410 f., 517—524, 632; ver-
haftet 533, 546.
Laiansky, Graf Prokop, Präsident
der Organisirungs-Hofcommission,
411, 499, 501», 541.
Lazzaretti, Conte, 1814 Präsident
der Hofcommission in Wien? 500 ^
Lebzeltern, Ludwig Ritter von, k. k.
Hofrath und bevollmächtigter Mi-
nister in Rom, 489.
Lecchi, Angelo Baron, aus Brescia,
483».
— , Giuseppe Conte, neapolitanischer
General, 428, 519.
— , Teodoro Conte, königlich italieni-
scher General, 409, 411, 428, 459 f. ;
Mitglied der kaiserlichen Militär-
Organisirungs-Commission 487; in
die Militär- Verschwörung verfloch-
ten 518—523; verhaftet 534.
Leger, französischer Obrist, 414.
L^zat de Pons, s. !^tude.
Lieven, Graf, 508.
Litta, Alberto Conte, 1790 k. k. Käm-
merer, 451, 491 Anm.; Mitglied der
provisorischen Regentschaft in Mai-
land 457; in Paris 473, 475, 477.
— , Alfonso Marchese, 1773 k. k. Käm-
merer, 490', 534.
— Modignani (Modagnini?), Giamb.
Marchese, 1791 k. k. Kämmerer,
446, 491 Anm.
— Visconti, Antonio Duca, 1769 k. k.
Kämmerer, 425, 490 1.
Lomazzi, Gerichts- Actuar, 454.
Ludwig XVm. 463, 527, 531 f.
.Luini, Conte Giacomo, General-Poli-
zeidirector in Mailand, 428, 434,
436, 483 2; am 20. April 442; von
seinem Posten entfernt 467, 497.
Luosi, Conte Giuseppe, Gran Giudice
und Staatsrath, 480.
Macdonald 532.
Macfarlane, britischer General 457 f. ;
in Mailand, 470.
36*
552
Macpherson 507.
Malberg, s. V«ajder.
Mancini, KriegRCommissar, in der
Militär -Verschwörung 518, 522 f.;
entflieht 535.
Mantovani, Diario, Manuscript in
der Ambrosiana, 415 f., 455' et
passim.
Manzoni, Alessandro, 435.
Marchai (Marechal), Jean Bapt,
411, 530—532; verhaftet und ver-
urtheilt 533, 535 f., 546.
Marescalühi, Ferdinand, 483'.
— , Conte, Minister, 480.
Mar et ich, Gideon von, k. k. Obrist-
lieutenant im General - Quartier-
meisterstabe, 497.
Maria Beatrice aus Modena 495.
— Louise von Parma 410, 489 f.,
511.
— von Hetrurien 495.
— Theresia, gesegnetes Andenken
in der Lombardei 427.
Marino, Capitän vom Platzcommando,
438.
Maroncelli, Pietro, Addizioni alle
,Mie Prigioni* di S. Pellico (Pel-
lico, Opere compl. Milano 1857),
4471, 4503.
Marschall, Ignaz Peter, k. k. Feld-
marschalllieutenant, 414.
Maruzzi, Marchese, aus Venedig 426.
Massori, Senator in Mailand, 434, 440.
Materialioni 426.
Mauroy, s. Merville.
Maximilian Joseph von Bayern 431.
Mayer von Heldenfeld, Anton,
k. k. Feldmarschalllieutenant, 461.
Mazzucc belli, Conte Lnig^, könig-
lich italienischer General, 424, 486 ; .
k. k. Feldmarschall lieutenant 503.
Meestre, s. de.
Mejan (M^jean), Graf, Cabinets-
SecretKr Eugens, 422, 431; La
bataille des parapluies 463 1.
Mellerio, Conte Giacomo, 426, 435;
Mitglied der provisorischen Regent-
Schaft 451.
Melzid'Eril, Conte Francesco, Duca
di Lodi, Grosskanzler und Siegel-
bewahrer des Königreichs Italien,
421 f., 429—435; Angriff auf seine
Wohnung 442, 450, 463, 459; dar-
nach 481; 8. auch 483', 500.
— , Francesco, des Vorigen Neffe und
Adoptivsohn, 453.
M^neval, Napol^n, et Marie Loaloe
494.
Merville, Franz, Freiherr von Man-
roy, k. k. Feldmarscballlientenant,
508.
Mette mich 410—412, 417 et pas-
sim; Haltung gegenüber König
Joachim 527.
Metzburg, Johann Freiherr von,
Kreishauptmann in Zolkiew, 500 >.
Meynert, Kaiser Franz L, 499'.
Mier, Graf, 415, 417.
Milesi, Bianca, 429.
Montanari, Fratelli, 486».
Monti, Vincenzo, 483'.
M o r e 1 1 i, Sil vestro (Silvio), Herkunft,
516 ; k. k. Obrist 603 ; in der Militär-
Verschwörung 411, 616, 518—520;
verhaftet und verurtheilt 534 f.
Mulazzani, Antonio Baron, General-
Commissar der venetianischen Po-
lizei, 466.
Murat Gioacchino, König von
Neapel, im Bunde mit Oesterreich
409, 415—418; Rüstungen und
Werbungen 519 f., 626-529; Ver-
hältniss zur Militär- Verschwörung
519 f.
Muratisten428f.,431f.,494, 501,504.
Napoleon 412, 414; an der Spitze
der norditalienischen Freimaurer
483', 585; Verwünschung seines
Andenkens in Mailand 430, 432.
490.
Narboni, Giovanni Cav., k. k. Christ,
503.
Neipperg, Graf Albert Adam, k. k,
Feldmarschalllieutenant, 410, 417,
431, 460—462; in Aix-les-Bains
611, 519.
ÖÖ3
Nesselrode 474.
Nugent, Graf Layal, k. k. General-
Feldwachtmeister, 414, 418, 487.
Olini, Paolo, k. k. Obrist, 603; in der
MlUtär- Verschwörung 411, 616,
618, 620—523, 632; verhaftet und
verurtheilt 634 f.
Orioli, Franc. Antonio Don, 446.
Ottolini, Bemardo, Capitän der Ci-
vica, 426, 464.
— , Giulio Conte, 1790 k. k. Kämme-
rer, 491 Anm.
Paar, Johann Karl Fürst, k. k. Feld-
marschalllieutenant, 603.
Pagani, Polizeichef in Mailand, 497,
633.
Paini, Giulio, königlich italienischer
(General, 466 ; k. k. Generalmajor 603.
Pallavicini, Baron Giuseppe, Ge-
neral-Secretär der provisorischen
Regentschaft, 461.
Palombini, Gius. Frederico, könig-
lich italienischer General, 409,
469 f.; k. k. Feldmarschalllieute-
nant, 603, 614.
Paolucci (Paulucci), Amilcare Mar-
chese, königlich italienischer Ge-
neral, 409, 469 f. ; k. k. General-
Feldwachtmeister 499, 603.
Paradisi aus Modena, königlich ita-
lienischer Senator, 421, 481.
Pavesi, Finanzbeamter unter Prina,
423.
Pavoni, Pietro Cav., k. k. Obrist im
3. leichten italienischen Bataillon,
604 ; mit Zucchi in hochverrätheri-
schem Einverständniss? 616, 618 f.,
632; verhaftet 634.
Pecheneda, neapolitanischer Cousul
in Venedig, Waffeneinkauf und
Waffenschmuggel, 528 f.
P ein CO, Silvio, 466.
Perelli, Weinhändler, 447.
Peyri, Baron Lodovico, königlich
italienischer General, 447.
Pfülb Edler von Ehrenheim, Karl,
Polizei -Obercommlssar in Padua,
465.
Piccoli, Lodovico und Gaetano,
Büchsenmacher in Verona und
Padua, 628.
Picotti (Pinotti?), Giuseppe, Buch-
händler in Venedig, 486.
Pino, Domenico Conte, königlich ita-
lienischer Divisions-Gtoneral, Zer-
würftiiss mit dem Vicekönig 409,
413, 428 f., 434—436; ,re Pino*
428, 449, 462, 469 ; am 20. AprU
437 — 449; militärischer Oberbe-
fehlshaber in Mailand 461 — 466,
459, 466 f.; Mitglied der provi-
sorischen Regentschaft 451, 470,
481; Versuch, ihn in die congiura
militare hineinzuziehen 411, 621;
s. auch 4832.
Pioltini, Finanzbeamter, 423.
Pius Vn. Rückkehr nach Rom 410,
489.
Poörio, Procurator in Ancona, 416.
Polfranceschi, Pietro Conte, könig-
lich italienischer General, 453,
4832.
Porro, Giovanni (Ferdinand?) Baron,
Präfect des Departements derBrenta,
4832, 485.
Lambertenghi, Lodovico Conte,
428 f., 436, 487; am 20. April 443,
446, 450; Versuche bei den öster-
reichischen Gereralen 487.
Pozzo di Borgo 474.
Pradella, Richter in Vicenza, 420.
Prati, Advocat in Trient, 513, 642 f.
Prebatta, Gerichtspräsident in Vi-
cenza, 420.
Prina, Giuseppe Conte, Vorleben und
Charakter 422, 431, 434; ,Ca8a
Prina* 462 ; Märtyrerthum und Ende
409, 437, 441—449, 453, 456.
— , Giuseppe, Professor des Natur-,
Völker- und Kirchenrechts in Pavia,
437, 443.
— , Ignazio, 459.
— , Luigi, segr. della Direzione delle
Zecche, 4832.
Prohaska, Johann von, k. k. Feld-
marschalllieutenant, 503.
554
Raab, Anton Edler von, k. k. Reg^e-
rungfsratli, Polizei-Oberdirector in
Verona, 420; in Padua 496, 498
et passim.
Ragani, Cesare, königlich italieni-
scher, dann neapolitanischer Es-
cadrons-Chef, in der Militär- Ver-
schwörung 519 f., 528; verhaftet 535.
Ragoni (Rangoni?), Francesco und
Giuseppe Conti, in Bologna und
Venedig 484, 5262.
Rasini, C. L., Freund Confalonieri's,
467», 470», 4813.
Rasori, Giov., Med. Dr. in der Mili-
tär-Verschwörung, 411, 518, 524;
Zusammenkünfte in seiner Woh-
nung 531 f.; verhaftet 533, 545 f.
Reina, Advocat in Mailand, 424.
Reuss-Plauen, Fürst Heinrich
XV., k. k. Feldzeugmeister, 420;
General - Gouverneur in Verona
4322, 4502; in Padua 465 f., 492 f.,
537 et passim.
Riario, Herzog, 539.
Rinna, k. k. Hofrath, 500».
Rivaroli, Agostino, Mons., 410, 488.
Romagnosi, Gian Domenico, 458.
Roncalli, Secretär der Wahlcollegien,
4551.
Rosales, Marchese, 426.
Roschmann-Hörburg, Anton Leo-
pold von, Ober-Laudoscommissär
in Tirol, 512 f., 542 f.
Rosetti von Rosenegg, Bernhard
Freiherr von, k. k. Kämmerer und
wirklicher Geheimer Rath in Mai-
land, 495 f.
Rousseau, s. Saint-Aignan.
Roy er, französischer General, 456.
Ruffo, Alvaro, Commandeur, 527.
Saint-Agnan, Sr. d*Esquiron de,
Vorleben, 507; eröffnet sich dem
Grafen Bombelles in Paris 410 f.,
508— 512,538— 541 ;reist nach Mai-
land 524, 544 ; angebliches Verhält-
niss zu Bellegarde 531 » ; spielt seine
Rolle als ,faux fr^re' 530 — 533;
Rückkehr nach Paris 533, 505 f.
Saint-Aignan, Sr. Rousseau de,
5071.
Marsan, s. San Marzano.
Salfi, P/t>fe88or in Neapel, 519 f.
San Marzano, Asinari di (Saint-
Marsan), Marchese, Civilgouver-
neur in Turin, 488; beim Wiener
Congress gegen Marat 627.
Schreibers Franz, k. k. Obrist bei
Prohaska-Infanterie Nr. 38, 534.
Schwarzenberg, Fürst, k. k. Feld-
marschall, 499.
Serbelloni, Conte Antonio, k. k.
Obrist, 603.
— , Giovanni, 460.
Serras, französischer General, 459.
Severoli, Filippo Conte, k. k. unan-
gestellter Feldmarschalllientenant,
618.
Silva 436.
Smancini, Antonio Baron, königlich
italienischer Staatsrath, prefetto del
Dipart. delF Adige 420, 460, 4833.
Somaglia, Gian Luca della, Conte,
451, 457, 473, 477.
Somanzari, Präf ect in Breecia, 450.
Sommariva, Annibale Marchese,
1791 k. k. Kämmerer, 490 Anm.;
k. k. FeldmarschalUieutenant in
Mailand 409, 460 f., 467, 499, 502.
Sommi, Serafino Conte, ausCremona,
457, 473, 477.
Soult, Marschall, 532.
Sovesi, Kaufmann in Mailand, 510.
Spiegel, Raban Freiherr von, k. k.
Generalmajor, 634.
Stampa, Massimiliano, von Soncino,
Ceremonienmeister, 486*.
Starhemberg, Graf Guudacker, k. k.
Generalmajor, Militär-Commandant
in Toscana 410, 415, 418, 493.
Stenerello, Dichter, 4502.
Stocka, Adam, k. k. Polizei-Ober-
commissär, 465.
Storasi, Gioacchino, Postwagendirec-
tor in Verona, 514.
Strassoldo, Graf Julius, k. k. Re-
gierungs- und Intendanzrath, kai-
55Ö
serlicher Commisaar in Parma, 410;
in Bologna 489, 404.
8trigelli, Antonio Conte, General-
Secretär der provisorischen Regent-
schaft, 512 Anm.
Süden, Franz Freiherr von, k. k.
General-Feldwachtmeister, 532.
Talleyrand 527^, 542.
Tapparelli, s. Azeglio.
T esti, königlich italienischer Minister,
431, 434.
Tomassich, k. k. General-Feld Wacht-
meister, Gouverneur von Dalmatien,
537.
Traversi aus S. Nazaro (Lomellina),
Advocat, 429, 436, 437, 444.
Trecchi, Sigismondo Baron, 469 f.
Triulzi (Trivulzio), Gian Giacomo
Conte, 428, 457, 473, 477.
TUrkheim, Freiherr von, k, k. Re-
gierungsrath 500 ^
Vaccari, Conte, königlich italieni-
scher Minister, 421, 431, 434, 483^
Yalentinelli, Advocat in Padua,
511,
Varese (Varesi), Pietro, k. k. Obrist
503; in der Militär-Verschwörung
522 f.; verhaftet 534.
Vayder von Malberg, Karl Frei-
herr von, k. k. Obrist und Comman-
dant des 7. Jägerbataillons, 519.
Veneri, Antonio Conte, aus Reggio,
ministro del tesoro pubblico, 481;
Senatspräsident 424, 433, 436, 441,
460.
Ventura, Cesare Conte, Director der
Regentschaft in Parma, 489.
Vercellon, Luigi, Bataillons -Chef
der Civica, 442.
Veriti, Semplice, opposta alle men-
zogne di Enrico Misley (Parigi
1834), 428», 516».
Verri, Carlo Conte, 410, 433—435;
am 20. April 439—441 ; Präsident
der provisorischen Regentschaft451 ,
476», 482; s. auch 483'.
Villata, Giov. Baron, königlich ita-
lienischer Brigadegeneral 486 f.;
k.k.General-Feldwachtmeister,502.
Villa Giacomo (Giovanni?), Polizei-
präfect in Mailand, 442, 454 ; von
seinem Posten entfernt 456, 497.
Visconti, Francesco Graf, 1875 k. k.
Kämmerer, 490».
— -Litta, Pietro Conte, 1775 k. k.
Kämmerer, 490».
Vittore Emanuele I., Rückkehr
nach Turin 410, 418, 471, 488 f ,
497; gegen König Joachim 521,
527.
Vorbeck, Johann von, k. k. Haupt-
mann bei Chasteler-Infanterie Nr. 2,
534.
Weiss von Rettenberg, Franz,
k. k. Major im General-Quartier-
meisterstabe, 534.
Wessen berg. Philipp Freiherr von,
499.
W i m p f f e n, Maximilian Freiherr von,
k. k. Feldmarschalllieutenant, 503.
Zajotti, Paride, s. Veritä.
Zanetti, Agostino, Advocat in Verona,
Denkschrift gegen die Freimaurer,
483 \ 5252.
Zanoli, Baron in Mailand, 451.
Zucchi, Carlo Baron, königlich ita-
lienischer Divisionsgeneral, 431,
459, 460; k. k. Feldmarschall-
lieutenant 503; in der Militär-
Verschwörung? 518 f., 525, 532.
ZUR
DEUTSCHEN KÖNIGSWAHL
MAXIMILIANS I.
VON
D" ADOLF BACHMANK
0. 0. PROnSSOR AN DEB PRAGER DBUTSCHEIT UmVEBSITlT.
I. Das Wahlproject und Kaiser Friedrich.
Schon J. G. Droysen, der zuerst der inneren Entwicklung
der deutschen Geschichte im ausgehenden XV. Jahrhunderte
näher getreten ist, hat bemerkt, dass die Königswahl Maximilians
wohl einmal eine eingehendere Untersuchung verdiene, und
gleich auch eine und die andere der Fragen genannt; die zu
beantworten er nicht in der Lage sei.^
Grund dafür war die Unzulänglichkeit des Materiales, das
leider auch seitdem nicht allzu sehr vermehrt wurde. In der
That muss sich hier wie in so vielen Fällen, soll die Arbeit
gelingen^ genaue Sachkenntniss mit sorgsamer Kritik und Ana-
lyse der Quellen, Combinationsgabe mit strenger Objectivität
und Thatsächlichkeit verbinden.
Wenn im Nachfolgenden der Versuch gemacht wird, die
Vorgänge bei der Erhebung Maximilians I. auf den deutschen
Thron festzustellen, so erscheint schon dadurch die Ueberzeugung
des Verfassers zum Ausdrucke gebracht, dass der Aufsatz
H. Ulmann's über die Wahl Maximilians I. in den ,Forschungen
zur deutschen Geschichte^ ^ obigen Forderungen in einer oder
der andern Hinsicht nicht genügt.
Nicht, als ob die Ulmann'sche Untersuchung jeglichen
Verdienstes entbehrte: eine Anzahl wichtiger Thatsachen wird
hier zuerst beigebracht, und wenn Ulmann darauf aufmerksam
macht, dass die Haltung Kaiser Friedrichs der Wahlsache
seines Sohnes gegenüber anders war, als gewöhnlich erzählt
wird, so dürfte dies in einem gewissen Grade nicht zu bestreiten
sein. Nur geht Ulmann, indem er Belege dafür findet, dass
> Geschichte der preuasischen Politik II, 1 (2. Auflage, Leipzig 1868), 380.
3 XXn (GOttingen 1882), 133—158.
660
Erzherzog Maximilian lange Zeit seine Wahl eifrig betrieb,
während der Kaiser unter gewissen Umständen sich zurückhaltend
ja ablehnend erwies, mit der Erklärung, der Kaiser habe überhaupt
die Erhebung seines Sohnes nicht blos nicht angestrebt, sondern
ihr geradezu bis zum letzten Augenblick widerstrebt, weit über
den Thatbestand hinaus. Man wird gestehen: klarer, nator-
gemässer erscheinen durch derlei Aufstellungen die Vorgänge,
welche zur Wahl Maximilians 1486 flihrten, gewiss nicht, wohl aber
vielleicht interessanter und pikanter; und wer in des alten Kaisers
Bilde, das ohnehin des tiefen Schattens genug aufweist, einen
recht absonderlichen Zug suchen will, der hat ihn hier: Fried-
rich wird der starre eigenwillige Alte, der auch zu ganz un-
richtiger Zeit am leeren Schein der Macht festhält selbst dem
Vortheile des einzigen Sohnes imd seines Hauses gegenüber!
Im Einzelnen behauptet Ulmann: 1. Es ist sicher, dass
Kaiser Friedrich früher (vor Ende 1485) jeden Antrieb zur
Erhebung seines Sohnes abgewiesen habe. ' 2. Dass der Kaiser
erst ,ganz seit Ende 1485', und zwar dann zur Wahl seine Zu-
stimmung gab, als kein anderes Mittel blieb, um die Hilfe
des Reiches gegen Ungarn zu erlangen. ^ 3. Dass Maximilian es
war, der den Kurfürsten den Preis für ihre Stimmen zahlte,^
sowie denn 4. auch diesmal der ganze Vorgang ,einen Aufwand
an kleinen Mitteln der Bestechung aufweist, der hinter keiner
Wahl zurücksteht^ ^
Die imtenfolgenden Darlegungen werden selbst zeigen,
wie wenig von all dem richtig ist. Das Verhältniss des Kaisers
zum Königsprojecte ist aber an sich zu wichtig für die ganze
Frage, als dass es nicht sofort im Allgemeinen erörtert werden
sollte.
Politische Erwägungen und pcrsönUche Gründe sollen (nach
Ulmann) den Kaiser zum Widerstände gegen die Wahl des
Sohnes vermocht haben: trübe Erfahrungen, die er mit den
Kurfürsten gemacht, mahnten, mit der Zustimmimg zur Erhebung
eines römischen Königs voi*sichtig zu sein, da ja die Möglich-
keit nicht ausgeschlossen war, dass nicht Maximilian von Oester-
reich, sondern ein Anderer gewählt werde; dazu sei der Kaiser
1 Forschungen 1. c, S. 133, 143.
2 Ebendort S. 143.
3 Ebendort S. 146.
« Ebendort S. 140.
561
nie geneigt gewesen, von seinen Ansprüchen und Rechten auch
unr das Mindeste zu vergeben, und das Alter habe ihn darin
nicht williger gemacht, sondern nur ,starrer, eigenwilliger, un-
fähiger zu den unerlässlichsten Zugeständnissen^
Zeugnisse von Zeitgenossen und, was die Hauptsache ist,
Aeusserungen des Kaisers selbst werden zur ferneren Unter-
stützung angeführt. Wir prüfen das Eine wie das Andere.
Es ist Thatsache, dass Kaiser Friedrich von den Tagen
seiner Kaiserkrönung, 1452, bis 1480, dem Jahre, von dem wir
ausgehen wollen, Ungehorsam und Widerstand, ja Aufruhr und
Empörung in den eigenen Landen wie im Reiche draussen in
überreichem Masse erfahren hat. Lnmer und immer wieder
seit 1453 hatten ehrgeizige Fürsten sogar den Versuch gewagt,
neben oder gegen ihn das Reich selbst an sich zu bringen;
,dann begann, dadurch angestiftet und gefordert, die Territo-
rialität in trotzigem Selbstbewusstsein das Reichsoberhaupt zu
missachten; von Böhmen, Baiem, Ungarn, js^ von Oberösterreich
aus, durch des Kaisers eigenen Bruder, schien die Niederwerfung
des Trägers der Reichskrone bevorstehend, schien der Kaiser,
in Deutschland verachtet und verschollen, zu Zeiten formUch in
seine von inneren Kämpfen zerrissenen Erblande gewiesen^^
Aber trotzdem und ,bei allen Missgriffen und UnfUllen
hatte Friedrich m. Project auf Project zum Falle gebracht^ und
sich nicht blos über Wasser gehalten und seinen Eigenbesitz
bedeutend vermehrt, sondern 1477 im Nordwesten des Reiches
seinem Hause neue weite Aussichten eröffnet, im Reiche aber
wenigstens an Einfluss allseitig gewonnen. Längst schon ,machte
sich hier und überall unwiderleglich die Meinung geltend, den
Kaiser beiseite zu schieben sei unmöglich, alles Anstürmen
gegen ihn eitel, er in Allem und Jedem doch zuletzt massgebende*-^
Jetzt kam auch ein persönliches Moment hinzu. Zufolge
der verwandtschafdichen und auch politischen Beziehungen, in
denen um 1480 die Kurfürsten Ernst von Sachsen, Jakob von
Trier und Hermann von Köln zum Kaiserhofe standen, dann
nach der poUtischen Vergangenheit des Kurfürsten Albrecht von
Brandenburg, den Erfahrungen Diethers von Mainz, bei der
Jugend und dem Charakter des Pfalzgrafen und Königs Wladis-
> A. Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte unter Friedrich ni. nnd Max I.
(Leipzig 1884), 606—607, zum Jahre 1467.
3 Ebendort S. 607.
562
law von Böhmen hatte der Kaiser jetzt fUr seine Würde ab-
sohit nichts zu fiirchten.
Bis zu einem sehr hohen Grade galt doch ein Gleiches
von der Wahl eines römischen Königs neben ihm, und zwar
gegen seinen Willen!^
Vollends undenkbar endlich war der Fall, dass der Kaiser die
Zustimmung zur Wahl seines Sohnes, natürUch zufolge von Ver-
handlungen mit den Kurfürsten, in der sicheren Erwartung und
auf deren Zusage hin, dass Maximilian gewählt werde, gab,
und dass dann die Fürsten einen Andern wählten. So traurige
Beispiele von Auflehnung und Treulosigkeit dem Kaiser gegen-
über deutsche Kurfürsten auch gegeben haben, eine solche
Falschheit war und blieb doch unerhört. Dagegen kennt, was
Ulmann übersehen zu haben scheint, die ältere Reichsverfassung
und kannte man zur Zeit Friedrichs IQ. sehr wohl eine Desig-
nation des Nachfolgers seitens des Reichsoberhauptes als ein
ihm aus alter Zeit zustehendes Recht, das erst die spätere Ent-
wicklung beseitigte, imd gab es bis ins 13. Jahrhundert und,
wenn wir auf Wenzel von Böhmen Rücksicht nehmen, auch
noch nach der Goldenen Bulle eine Wahl und Ej*önung wehrfähiger
Söhne der eben regierenden Kaiser zu römischen Königen. Es
kam, wenn auch nicht ein Rechtsgrund, so doch eine Rechts-
erinnerung dem Sohne des Reichsoberhauptes, aber nur diesem
allein, bei einer Bewerbung um die Wahl zugute.
Die Königswahl nun von 1486 und das Verhalten des
Kaisers vor und bei ihr anbelangend, darf zunächst allgemein
die Behauptung aufgestellt werden, dass der Kaiser die Er-
haltung des deutschen Thrones bei seinem Hause nicht blos
wünschte, sondern als nothwendig ansah für die habsburgischen
Erblande, wie für das Reich selbst. Denn die Wahl eines
Andern, sagt er selbst in seiner Proposition an die Kurfürsten,
der etwa zu Habsburgs ,erblichen Landen nicht Neigung trage',
könnte bewirken, dass die österreichischen Herzogthümer da-
durch ,in der Feinde und fremder Nation Hände wüchsen',
indem ,des Reiches Hilfe für sie dadurch zerrissen würde', und
dass anderseits ,durch die Feinde ein solcher Einbruch in Deutsch-
land beschehen möchte', der ,hernachmals schwer wieder einzu-
* Die bezüglichen Argumentationen Illmann's Seite 133 und 146 enthalten
einen unlöslichen Widerspruch.
fligea sei." Wenn je einer schützte zudem Friedrich TIT. die
pkllnfte und das Ansehen, die das KaiaertLum noch zu bringen
mochte, so wenig streng er es mit den Pflichten nahm.
Aber es gab da filr Kaiser Friedrich doch auch Mancherlei
1 bedenken. War auch bei seinen Lebzeiten die Wahl eines
Andern nicht zu besorgen, so blieb es doch wieder fraghch, ob
die Kurfürsten, auch auf seinen Wunsch, geneigt sein wurden,
^^■Inen Sohn neben ihn zum römischen Konige zu erheben.
^^Bte ganze Reihe von Momenten, die Persönlichkeiten der
^^Bthler und des Bewerbers, dessen politische Lage und Mnclit-
^^^^ung, vor Allem aber auch die Beziehungen des Kaisers zu
^^Bn Koi'fUrsten, seine Verhältnisse, die Eindrucke tod seiner
^^pgierung im Reiche, wozu ja jene des Sohnes die Fortsetzung
xn werden versprach, kamen dabei in Betracht. Galt es da fHr
Friedrich Tll. nicht, einen Moment abzuwarten und zu ergreifen,
in dem all das möglichst günstig lag, wo die Kurfilrsten freund-
^^bi gesinnt und Maxiuiilian als König begeh reu sw er th erschien,
^^K vor Allem das Regiment des Vaters in Ansehen und Macht
^^plstand? TTnd konnte ein Misserfolg — eine Ablehnung des
Erzherzogs bei Lebzeiten des Kaisers nicht leicht ungünstige
Stimmungen erzeugen und selbst auf die Bewerbung Maximilians
Uch dem Tode des Vaters auf das Nachtheiligste einwirken?
Man rechne dazu, Jass den Kaiser, mochten auch 148Ü
^e Angelegenheiten sonst leidlich in Ordnung sein, zweierlei
: unablässig drückte, die Ungarn- und TUrkennoth und
t Erschöpfung seiner Finanzen, man ei-wäge die schrecküche
iogsamkeit der kaiserlichen EntSchliessungen gegenüber der
tchsenden Menge unangenehmer, ja gefUhrlicher, aber oft wich-
tor Aufgaben und GesthUfte, den TTang zur Vorsicht und zum
liigen Zuwarten, der in des Kaisere Wesen la^;, gegi'ündot
die Ueberzeugung, dass auch ohue gewaittames Zuthun
die Rückkehr der Ordntmg der Dinge auf naturgemilsseui Wege
erfolgen müsse, und geü'agen von der unerschütterlichen Zu-
versicht auf ilio künftige Grösse seines Hauses, endlich seine
gründliche Abneigung, 0,»fer zu bringen, wfthrend doch ohne
Bolche an eine Wahl MaidmiLans nicht zu denken war: und
Kn wird begreifen, weshalb der Kaiser eben dieser Frage mit
^pelter Bedächtigkeit nahe trat. Wie leicht aber konnte
1 Dol J. J. Milllei. Itfli.OiBUlgKlIieHtnim ii
r Mb\ I.. I. I
564
solches Bedenken, das ja so sehr der natürlichen Erwartung, der
Vater werde kräftigst flir die Sache des Sohnes eintreten, wider-
sprach, für femer Stehende den Schein erwecken, dass Kaiser
Friedrich überhaupt der Erhebung Maximilians nicht hold sei?
Und durchaus ähnliche Ergebnisse gewinnt man bei dem
Versuche, dem persönlichen Empfinden des Kaisers in solcher
Sache nahe zu konmien. Gewiss ist, dass Friedrich IH. nach
seiner Eigenart ebenso wie etwa in der Ueberlassung eines
österreichischen Erblandes bei Lebzeiten an den Sohn, obwohl
sie diesem ja doch einst alle zufallen mussten, so auch in der Be-
förderung MaximiHans an seiner Seite zur Würde eines römi-
schen Königs einen Act der Selbstbeschränkung seinerseits * und
eine Gnade und Wohlthat für jenen sah. Aber dass jene
Mischung von Selbstsucht und fUrstlichem Hochgefühl bei ihm
jemals in grossen poHtischen Erwägimgen entscheidend gewesen
wäre, widerlegen die Thatsachen. Was von Friedrichs III. Starr-
heit im Festhalten seiner- Rechtstitel gesagt wird, gilt zudem im
Grunde doch nur fremdem Interesse gegenüber.^
Der Mann nun, der so sichern Muthes dem Sterne seines
Hauses vertraute, sah sich seit 1467, dem Tode seiner Gemahlin,
der Thatsache gegenüber, dass die Hofihung Oesterreichs lediglich
— der Vetter Sigmund von Tirol alterte ohne gesetzliche Erben
— auf seinen einzigen Sohn, Maximilian, gegründet war: dar-
um denn auch die doppelte Sorgfalt, mit welcher der Erzherzog
erzogen wurde, daher die durch keine Selbstsucht, selbst wo es
sich um das gewaltige burgundische Erbe handelte, überwimdene
Zähigkeit, mit welcher der Kaiser eine vorzeitige Verehelichung
Maximilians verweigerte. ^ Dazu kam, dass es der Kaiser, wie
schon bemerkt, sehr gut verstand, die theoretische Machtfülle
des deutschen Königthums in Anschlag zu bringen und sie bei
aller Noth der Zeit und Umstände auch immer noch praktisch
1 , Wiewohl Ihre Majeatät solches der kayserlichen Würde halben, die Gott
der Allmächtige auf Ihre Majestät gewendet habe und Sie in Jhr Grab
zu bringen gedenken, schwer sei,* sagt der Kaiser selbst über die Wahl
Maximilians in der Proposition an die Kurfürsten 1. c.
3 Man denke an die Concordate mit Rom, die Mailänder Belehnnngs- mid
Pfälzer Arrogationsfrage einerseits, des Kaisers Haltung in der Tiroli-
schen (1490), Niederösterreichischen (1491) und eben der deutschen
Knnif»^angelegenheit (1486) anderseits.
3 Beweise dafür im demnächst erscheinenden II. Bande meiner Reichs-
geschichte.
565
zu nützen; dass ihm der Besitz des heiligen Reiches nicht blos
als die unversiegbare Quelle von Ehre, Recht und Nutzen,
sondern geradezu als das Mittel erschien, die österi'eichischen
Erblande dem Reiche und seinem Hause den herrlichen Besitz zu
erhalten, auf dem es geflirstet und zu solchem Ansehen empor-
gewachsen war. Naturgemäss aber mussten solche Ueberzeugungen
sein Denken und sein Streben darauf hinlenken, in der Rich-
tung zu thun, was im Bereiche der Möglichkeit lag: das war
aber die Beförderung Maximilians zum römischen Könige. Genügte
für solchen Entschluss nicht die väteriiche Neigung, — wir
wissen aber durchaus nichts davon, dass das Verhältniss zwischen
dem Kaiser und seinem Sohne nicht etwa das richtige war —
so gebot ihn die dynastische Verpflichtung. Es gab keine stärkere
fUr Friedrich m.!
Dieses Empfinden, vordem zurückgedrängt durch jene
Erwägungen, die zum vorsichtigen Zuwarten bis zum günstigen
Augenblicke mahnten, und in jüngeren Jahren an sich, wie
natürlich, ohne gi'össere Berechtigung, musste aber lauter und
dringender mahnen, je weiter der Kaiser im Lebensalter voran-
schritt und je mehr er sich der gewöhnlichen Grenze menschlichen
Daseins näherte. Und das war 1480, noch mehr 1485 der Fall!
Der Kaiser stand da im 67., beziehungsweise im 72. Lebensjahre,
und wie der König von Böhmen dort, wo er am 8. August 1480
dem Kurfiirsten von Brandenburg gegenüber seine Stellung bei
einer römischen Königswahl nach Friedrich III. zur Sprache
bringt, meint, ,der Kaiser sei ein alter, abgelebter Mann', so
fllhrte sich Friedrich wohl nicht erst anlässHch des Frankfurter
Kurtages 1486 den Gedanken plötzlichen Hinganges vor die Seele
und was mit Oesterreich und seinem Hause werden könnte, wenn
er ,in mittlerer Zeit mit Tod abginge,' und die Kurfiirsten dann
nicht den Erzherzog Maximilian, sondern ,einen andern Herrn
und römischen König in der Stadt Frankfurt fllrnehmen und er-
wählen sollten'.*
Ja, aber der Kaiser sagt doch selbst, er habe die Wahl
seines Sohnes nicht gewollt. Und Zeitgenossen bestätigen dies!
Wir wollen sehen.
Ulmann führt als das gewichtigste Zeugniss daf^ einen
Brief an, in welchem Kaiser Friedrich kurz vor seinem Ableben
1 Ans der kaiBerlichen Proposition bei Maximilians Wahl 1. c.
AtcWt. Bd. LXXVI. H. Hälfte. 37
566
den Hofmarschall Sigmund Prüschenk an Maximilian als an seinen
Erben und Nachfolger empfiehlt.' Von Jugend auf, sagt der
Kaiser, habe er Prüschenk um sich gehabt, keinem Zweiten, nur
ihm allein habe dieser ,zu grosser Ehre und in trefFenlichen Ge-
schäften mit seinem höchsten Fleiss vor allen (Andern) und
nützlich gedient^ Trotzdem habe er, der Kaiser, gerade während
seiner eben überstandenen schweren Krankheit merken können,
dass man gegen Prüschenk ,muthwillig zu handeln gedenke', wo-
mit ihm doch ganz unbillig geschehen würde und woran nur seine
treuen Dienste und das grosse Vertrauen des Kaisers auf ihn schuld
wären. Prüschenk habe sich auch um Maximilian Verdienste er-
worben, wofür er, ,wo uns der Allmächtige das Leben länger gönnte,
von uns, und nach unserm Tod von Euer Liebe, nachdem er Euch
in allen Euren Sachen, wo die an ihm gelangt sind, besonders dass
wir Euch zu der Wald und Krönung Eurer königlichen Würde,
auch zu dem Land an der Etsch und zu Eurer Erledigung
kommen haben lassen, bei uns vor allen Andern gar treulich
gedient und angehalten hat, billig mehr belohnt werden sollte.'
Wer da herauslesen wollte, dass der Kaiser gegen die
Wahl und Krönung Maximilians gewesen sei, müsstc der nicht
ebenso gut annehmen, Friedrich III. habe die Abtretung Tirok
an seinen Sohn (statt zu seinen eigenen Händen) nicht gewollt
und ebenso der Errettung desselben aus der Genter Gefangen-
schaft widerstrebt]? Nun wissen wir aber, dass der Zug des
Kaisers 1488 nach den Niederlanden zur Befreiung Maximilians
dessen eigenstes Werk war, welches er mit einer bei ihm ganz
ungewöhnlichen Thatkraft begann und vollendete. Ebenso un-
leugbar darf von einem Widerstände des Kaisers gegen die Ueber-
gabe Tirols an den Erzherzog um so weniger gesprochen werden,
als Friedrich nach seinen früheren Beziehungen zu den Tiroler
Ständen gar nicht daran denken konnte, selbst der Nachfolger
seines Vetters zu werden ; es war denn auch von einer Ueber-
nahme des Landes dmxh den Kaiser nirgends öffentlich die Rede,
vor Allem nicht an massgebender Stelle, in Innsbruck,^ gewiss
^ Kaiser Friedrich an Maximilian, 29. April 1493, bei V. v. Krans, Maxi-
milians I. vertranlicher Briefwechsel mit Sigmund Prüschenk, Freiherr
von Stettenberg, Innsbruck 1875, 86 — 86.
' Vgl. A. Jäger, Der Uebergang Tirols und der österreichischen Vorlande
von dem Erzherzoge Sigmund an den römischen König Maximilian
(1478—1490). Archiv für österr. Geschichte, LL Bd., U. Hälfte, 297 ff^
567
aber wohl in des Kaisers Rathe, wo der Prüsehenk die Nach-
folge Maximilians, wie die Befreiungsfahrt (1488), empfohlen
haben wird.
Aber was für Gründe sollte der Kaiser haben, seinem
Rathe ein Verdienst zuzuschreiben, das ihm nicht zukam?
Sehr gewichtige. Die beiden Prilschenk, Sigmund, der Hofmar-
schall, und Heinrich, einer der kaiserlichen Feldhauptleute, hatten
für eifrige und wichtige Dienste, die sie in langen Jahren ge-
leistet, mit des Kaisers unbegrenztem Vertrauen Ehren, Würden
und reiche Einkünfte erlangt, sich aber auch der Neider und
Gegner die Menge zugezogen.^ Kein Wunder, dass sie, um das
Erworbene ängstlich besorgt und weil der Kaiser hochbetagt war,
sich früh genug auf das eifrigste bemühten, auch bei dem Erben,
Maximilian, in Gnaden zu sein. Besonders der Hofmarschall war
dem Kaisersohne mit Meldungen vom kaiserlichen Hofe, mit Ver-
mittlungen und Besorgungen mancherlei Art gefällig;^ dagegen
überwachte er eifersüchtig jede Aeusserung über sich und den
Bruder an MaximiHan und trat er Allem, was ihm irgendwie
nachtheihg werden konnte, mit Entschiedenheit und Erfolg nicht
blos selbst, "^ sondern auch durch den Mund des Kaisers ent-
gegen ;< war Sigmund ja doch schliesslich dessen erklärter Lieb-
ling.* Nun hatten während der letzten schweren Erkrankung des
Kaisers nicht nur die Vertrauten, die Maximilian am Hofe seines
Vaters hielt, Michael von Polheim und Conrad Baldauf von Wai-
denstein, über die Gesinnung der Prüsehenk' s gegen den Erben
398 ff. Dass der Kaiser in der Ueberlassung des Landes Tirol direct an
den Sohn ein Zugeständniss seinerseits sah, ist, wie bereits berührt
wurde, sicher. Aber noch unzweifelhafter ist, dass er bei den obwaltenden
Umständen sich dazu herbeigelassen hätte, auch wenn Prüsehenk und
alle Käthe dagegen gewesen wären.
* Die Belege dafür bei Chmel, Regesten II. Lichnowsky, Geschichte des
Hauses Habsburgs VIII, Regesten, v. 1. Vgl. V. v. Kraus 1. c, Einleitung,
15 ff., femer ebendort 45—47, 54 — 56, 82—83.
' Man vergleiche die Schreiben vom 14. September 1478, 23. December
1481, 24. Februar 1486 u. s. w. bei Kraus 1. c.
3 Schreiben vom 23. Juni 1478, v. 1479 (Kraus 39—40), v. 24. Februar
1485 und G. Jänner 1487.
* Schreiben des Kaisers vom 10. December 148G mit der Bemerkung: ,als
ich euch vormahlen etwa offt auch geschrieben, darauff äugen habend
Kraus 57—58.
^ Der Kaiser selbst sagt, dass er Prüsehenk ,mit sondern gnaden geneigt
sein weit und geholt*.
37»
8ehr verdächtig geschrieben^' soDtlem nach der ahe Yel
Innsbrack, Erzherzog Sigmund, diesen vor den Biiidem gewi
Anderseits erhielt der Hofmatscball, wir wissen nicht wie.
Schritten, die gegen ihn bei Maximilian geschehen träten, Koni
Um Bo mehr bcsUirmte er nun den Kaiser, obwoh] dieser jeb^
Mitte April 1493, noch keineswegs genesen war, um Schutz und
Fitrhitte, and der alte Herrscher, dem Liebhng zu willfahren,
wiederholte nicht blos die alten ^Mahnungen aaf das Dringendste,
sondern iiigte noch jene besonderen ]icweg^;ründe neu hinzu,
von denen er sich eines besonderen Eindruckes bei Maximilian
versehen mochte.' Eine BeweiskraA in unserer Sache bosü
aher darnach die Worte des Kaisers Qber das Verdieiut
mund Prilschenk'« um Maximilians Wahl ziemlich ebenso wi
als etwa mutatis mutandis die gelegentlichen fircnndlicben Wi
des Kaisersohnes an den Tiroler Vetter, dieser sei der
heber seiner Befrei ui^ aus der Genter Gcfangenschmft
wescn,'^ das Verdienst des Kaisers darum beseitigen koi
und sollen.
Ulmann fuhrt femer für seine Behauptung eine AeoMI^
; des Eaieei? Über die !Nachfolgersache im Kelch aa den
illrsten Albreeht von Braudenbni^ an (Schreiben vom 19. Fe-
r 1485). Damals war, wie sieb weiter unten ergeben wird,
ein Anlauf, rlie Walil des Erzherzogs durchzusetzen, vergeblich
gewesen; ein Versuch, wovon dem allen Albreeht Achilles,
hinter dessen Kücken er unternommen worden war, doch etwas
zu Ohren kam. Obwohl dem Kaiser innerbch längst entfremdet,
zeigte sieb der Kurfürst doch über die Sache ungemein eni-
pKndhch, und in bitteren Worten eriiob er Beschwerde." Die
wurt des Kaisers war: Er habe Albrecht von einer soloben
nichts gemeldet, da ihm kein Wissen gewesen und er sicli
linxu,
1
;eAl^^_
1
■ Knna 83—85.
» Kr«ii» SS— »B.
* N>cb dem Briefe dos Rumra vom ilt. ApHI IltlS 1.
* EIaI itocb ilpr Kaianr nach all ilcn Sitten im TVitn iltw ScbrntMm* Bwk
MD ßi-liliua« n|(viitdlii<li|- >li« Wort« Ikiti(ii|:«fBft: 4J*''>*^ ^n- l^^ Eiwk
il«n Slaracfaalch cai|ifo1h«n sAin. a. f.*
> B«i Llcbuonak}-. Rac«(™ mu V1IL Seite CCL'XXXIX -CCCXL. «itluvi-
hen Tom 3». Uiti HS».
* Sriimbea vom lt. f>bni«T 14:^ t>n J. ■. Miauloli. llw kainrEirbo Barti
dM Haritcrafe» Aibroclit Achillwk. karfBnÜicb« IWic^a 1410;
Berlin 1850, 79— »I ^
5G7
aber wohl in des Kaisers Ratlie, wo der Prlischenk die Nach-
folge Maximilians, wie die Befreiungsfahrt (1488), empfohlen
haben wird.
Aber was für Gründe sollte der Kaiser haben, seinem
Rathe ein Verdienst zuzuschreiben, das ihm nicht zukam?
Sehr gewichtige. Die beiden Prüschenk, Sigmund, der Hofmar-
schall, und Heinrich, einer der kaiserlichen Feldhauptleute, hatten
für eifrige und wichtige Dienste, die sie in langen Jahren ge-
leistet, mit des Kaisers unbegrenztem Vertrauen Ehren, Würden
und reiche Einkünfte erlangt, sich aber auch der Neider und
Gegner die Menge zugezogen.^ Kein Wunder, dass sie, um das
Erworbene ängstlich besorgt und weil der Kaiser hochbetagt war,
sich früh genug auf das eifrigste bemühten, auch bei dem Erben,
Maximilian, in Gnaden zu sein. Besonders der Hofmarschall war
dem Kaisersohne mit Meldungen vom kaiserlichen Hofe, mit Ver-
mittlungen und Besorgungen mancherlei Art gefilUig;'^ dagegen
überwachte er eifersüchtig jede Aeusserung über sich und den
Bruder an Maximilian und trat er Allem, was ihm irgendwie
nachtheiUg werden konnte, mit Entschiedenheit und Erfolg nicht
blos selbst,^ sondern auch durch den Mund des Kaisers ent-
gegen;^ war Sigmund ja doch schliesslich dessen erklärter Lieb-
ling.'' Nun hatten während der letzten schweren Erkrankung des
Kaisers nicht nur die Vertrauten, die Maximilian am Hofe seines
Vaters hielt, Michael von Polheim und Conrad Baldauf von Wai-
denstein, über die Gesinnung der Prüschenk^s gegen den Erben
398 ff. Dass der Kaiser in der Ueberlassunj^ des Landes Tirol direct an
den Sohn ein Zugeständniss seinerseits sah, ist, wie bereits berührt
wurde, sicher. Aber noch unzweifelhafter ist, dass er bei den obwaltenden
Umständen sich dazu herbeigelassen hätte, auch wenn Prüschenk und
alle Räthe dagegen gewesen wären.
* Die Belege dafür bei Chmel, Kegesten II. Lichnowaky, Geschichte des
Hauses Habsburgs VIII, Regesten, v. 1. Vgl. V. v. Kraus 1. c, Einleitung,
16 ff., femer ebendort 45—47, 54-50, 82—83.
* Man vergleiche die Schreiben vom 14. September 1478, 23. December
1481, 24. Februar 1485 u. s. w. bei Kraus 1. c.
a Schreiben vom 23. Juni 1478, v. 1479 (Kraus 39—40), v. 24. Februar
1485 und G. Jänner 1487.
* Schreiben des Kaisers vom 10. December 148G mit der Bemerkung: »als
ich euch vormahlen etwa offt auch geschrieben, darauff äugen haben*.
Kraus 57—58.
^ Der Kiuser selbst sagt, dass er Prüschenk ,mit sondern gnaden geneigt
sein weit und scholt*.
37*
570
ebensolches haben die Wähler im Wahldeerete als ihre Absieht
verkündet. '
Die Gründe aber, die den Kaiser bestimmten, dem Kur-
fürsten auszuweichen und ihn doch womöglich zu besänftigen,
werden unten klar werden und liegen zum Theile auf der Hand.
Oder sollte der Kaiser eine unangenehme Sache, an der er
wirklich persönlich nur indirect Antheil genommen hatte und
die überdies zu dem Markgrafen nur gerüchtweise gedrungen
war, noch officiell bestätigen? Es wäre das offene Geständniss
einer Niederlage gewesen, noch dazu einem Fürsten gegenüber,
der in der Sache selbst entschieden gegnerisch gesinnt w^ar.
Uebrigens war der Äfarkgraf klug genug — die Umstände,
unter welchen Anfrage und Auskunft erfolgten, sollen ja, wie be-
merkt, auseinandergesetzt werden, — die Antwort als das. zu
nehmen, was sie war: gelegentlich hat er hinterher dem Kaiser
neuerdings geschrieben, man habe über Dinge verhandelt, von
denen er nichts wisse oder vielleicht wissen solle. ^
Wenig schwer wiegt, was Ulmann endlich für seine Mei-
nung von Aeusserungen von Zeitgenossen anzuführen vermag,
so hoch er selbst den- Bericht bei Albert Krantz anschlägt.
Dieser erzählt: ,Als der Herzog von Oesterreich Maximilian
längst im Westen des Eeiches als Sieger dastand, als er die
Franzosen, rcbeUische Unterthanen, ganz Flandern bezwungen
hatte, wurde er von seinem kaiserlichen Vater nach Köln be-
schiedcn; mit ihm zog er nach Frankfurt zu der Versammlung,
welche der Kaiser den Kurfürsten angesagt hatte, um einen
neuen König zu erheben : eben dafür war ja der Herzog selbst
ausersehen. Friedrich hatte nämlich seine Gesinnung geändert.
In früheren Jahren soll er, von den Fürsten über die Erhebung
Maximilians befragt, geantwortet haben: Wir kennen unsem
Sohn besser imd wissen, dass er zur Regierung nicht tauglich
sei. Er wollte, wie erzählt wird, von jeder andern Sache heber
hören als davon. ^-^ Es soll hier nicht des Breiten ausgeführt
werden, dass Krantz erst im späteren Lebensalter (nach 1500,
wahrscheinlich nach 1512) zum Schreiben kam,^ und dass er
' Das Wahldccrct der Kurfürsten ebendort 10—13 a. a. O.
5 Minutoli, Kaiserliches Bucli 102. Brief vom 28. April 1485.
3 Saxonia, lib. XIU, cap. I, pa^r- 385 (Frankfurt 1580).
* Seine Werke sind bekanntlich posthum erschienen.
571
hier über Dinge aus einer Zeit berichtet, zu der er noch, fern
von pohtischer Thätigkeit, sein Lehramt in Rostock versah.^
Aber beachtenswerth ist, dass Krantz selbst jene Aeusserung des
Kaisers als ein Gerücht bezeichnet; Thatsache ist, dass Fried-
rich lU. in den Jahren vor der Wahl seines Sohnes — und vor
1479 konnte ja überhaupt davon keine Rede sein — mit den
deutschen Fürsten nicht persönlich verkehrte, ausser mit Herzog
Albrecht von Sachsen, und der war für Maximilian;^ ganz un-
verträgUch endlich ist es mit des Kaisers Art und Gesinnung,
über seinen einzigen Sohn zu den Fürsten in einer Weise zu
sprechen, die ebenso dessen Interessen wie doch auch den That-
sachen widersprach. Wir haben es hier eben mit nichts weiter
zu thun als mit einer Schulmeisteranekdote; geradeso wie die
Wendung, welche der venezianische Gesandte Hermolao Bar-
baro, übrigens, wie es scheint, der cigentKche Gewährsmann
Krantz', in seiner Glückwunschrede an den Kaiser anlässlich
der Wahl Maximilians gebraucht: ,der Erzherzog sei von den
Fürsten gewählt worden, obwohl der Kaiser sich die Ehre ver-
bat, ja sogar widerstrebte^, bei allen denen von vornlierein nicht
schwer wiegen kann, welche die Uebertreibungen und Steigerun-
gen, das Spielen mit Satz und Gegensatz, die gewagten Behaup-
tungen und phrasenhaften weitausholenden Beweisführungen hu-
manistischer Schmeichelreden jener Tage kennen.^
Doch genug! Bereits oben wurde aus der kaiserlichen
Proposition an die Kurftirsten eine Reihe von Angaben mitge-
theilt, aus denen sich unzweifelhaft ergibt, wie der Kaiser über
die Wahl seines Sohnes dachte. Oder soUen diese Gründe und
Erwägungen von ihm erst im letzten Augenbhcke ersonnen
sein, um das auch selbst gutzuheissen, wozu ihn die Fürsten
genöthigt? Das ist so wenig möglich nach des Kaisers Charakter-
anlage wie nach der Natur der Umstände, denen sie, wie ge-
zeigt wurde, völlig entsprachen, und wird weiter widerlegt durch
das, was von des Kaisers Handlungen zu berichten sein wird.
> i486 ist er dort Decan dor philosophischoii Facultät.
2 Der kurze Aufenthalt Georgs von Baiem-Landshut beim Kaiser zum
Zwecke der Lehennahme hat schwerlich intime Erörterungen zwischen
den dem Lebensalter nach so verschiedenen Fürsten herbeigeführt.
5 Die entscheidenden Stollen bei Müller, Reichstagstheatrum I, 48 — 49.
Was es mit der Förderung Erzherzog Sigmunds von Tirol für ein Bewandni»
hat (Ulmann 135 und Anmerkung 2), wird unten gezeigt werden.
572
Diese Meinung wird unterstützt dui'ch eine ganze Reihe von
Zeugnissen wohlunterrichteter Geschichtsschreiber jener Tage.
So meldet der ernste Cuspinian, der vertraute und vielgeplagte
Diplomat des Kaisers Maximilian, kurz: Kaiser Friedrich hat es
durchgesetzt, dass Maximilian zum römischen Könige gewählt
wurde;' ihm gesellen sich bei J. Grünpeck, gleichfalls lange
Jahre in Maximilians Kanzlei oder doch f\ir seine Politik thätig
und mit den österreichischen Verhältnissen wohl vertraut,^ der
wackere Kärntner Pfarrer J. Unrest, der des Kaisers Unter-
stützung der Wahl bis zur eigenen Abdankung steigert,'' ebenso
andere gewichtige Stimmen * aus dem Reiche wie aus dem Lager
der Gegner^ Oesterreichs.
II. Das KSnigsproJect in den Jahren 1480/1 nnd 1484 5.
1. Von der Absicht Maximilians von Oesterreich, römischer
König zu werden, finden sich die ersten Spuren in den Jahren
1480 und 1481. Sie sind wenig deutlich, aber mancherlei Um-
stände erklären, weshalb sie eben jetzt hervortreten. Infolge
des glänzenden Sieges bei Guinegate (7. August 1479) waren
endlich bessere Tage für den jungen Habsburger in den Nieder-
landen gekommen. Nun wurden diese selbst und Luxemburg
von den Franzosen gesäubert, ein Bündniss mit Eduard von
England, von Margaretha (von York), der Herzogin-Mutter von
Burgund, vermittelt, kam zu Stande, und auch in der Bevölke-
rung regte sich endlich grössere Theilnahme ftlr den Fürsten,
der zugleich auch bereits eines Erbprinzen sich erfreute. Grund
genug, dass der furchtsame Franzosenkönig ernstlich den Ge-
danken friedlicher Verständigung mit dem Hause Burgund-
(Jesterreich erwog und den Plan hervorkehrte, unter dem Titel
einer Mitgift, sei es für Maximilians Schwester Kunigunde,® sei
J De Caesaribus 487, Frankfurt 1601.
2 Chmel, Oesterreichiscber Geschichtsforscher I, 86. Vgl. A. Czemy, Der
Humanist und Uistoriograph Kaiser Maximilians I., Jos. Grünpeck. Archiv
für «sterr. Geschichte LXXUI, 316 ff.
3 Chron. Austr. bei Halm, Collect. 753. Die Annales Melliceuscs berichten
leider blos die Thatsachen.
* Trithem. Annal. Hirsaug. U, 523.
* A. Bonfini, Rerum Hungar. dec^d. quatuor cum dim. Kann. 1606, 706.
« Vgl. J. Chmel, Monumenta Habsburgica I, 3 (Wien 1858), 160.
573
es fiir Margaretha, das Töchterlein des niederländischen Herzog-
paares^ die er mit seinem Erben Karl zu vermählen gedachte,
wenigstens einen Thcil seines burgundischen Raubes zu retten.
Auch zu den Fürsten des deutschen Reiches, Baiern nicht aus-
genommen, ja selbst zu den Eidgenossen^ und Ungarn'^ waren
Maximilians Beziehungen freundlich, besonders aber zu dem
Tiroler Vetter, mit dem übrigens jetzt auch der alte Kaiser so
gut stand wie sonst selten.^ Ueberhaupt lagen des Kaisers Ver-
hältnisse so, dass sie wenigstens nicht von vornherein gegen
den Plan einer Erhebung des Erzherzogs sprachen. Die Gegen-
sätze, die es einst zwischen ihm und grossen Fürstengruppen
des Reiches gegeben, waren abgethan oder hatten ihre Schärfe
verloren; man wnsste umsomehr sich zu ertragen, als die alten
Gegner, der Böhmenkönig, der Pfalzgraf, der reiche Herzog,
des Kaisers Bruder Albrecht, alle weggestorben waren. Fried-
rich stand im Frieden mit Böhmen, und auf beiden Seiten trat
das aufrichtige Bestreben hervor, ihn dauernd zu gestalten,^
er stand in leidlichem Benehmen mit seinen Landständen.
Anderseits mochten ihn das wachsende Alter, mochte
ihn der frische Siegeslorbeer, den der im blühenden Mannes-
alter stehende Sohn soeben gepflückt, mahnen, der Zukunft und
des Augenblicks zu gedenken.
Aber hatte man nicht Ungarn gegenüber Beschwerden,
die, mit wachsender Schärfe vorgebracht, demnächst zum Kriege
fiihren konnten, wurde König Mathias, durch die Siege über die
Türken und den Frieden mit Böhmen nach anderen Seiten ent-
lastet, nicht täglich herausfordernder und gewaltthätiger,'' wäh-
rend die Türkennoth dem Kaiser verbHeb ? Friedrich III. stand
aufs Neue vor der Aussicht, die Hilfe des Reiches für seine
> Vgl. J. Chmel, Monumenta HabsburgicÄ I, 3 (Wien 1858), 202—205,
197—198, 198.
» Ebendort 197, 198.
3 Vgl. die Urkunden bei Chmel, Monunienta Habsburgica 1. c. 180 — 181,
184—186, 194—197, 214—215 a. a. O. Chmel, Regesten de« römischen
Kaisers Friedrich UI., Abth. U (Wien 1859), 701, Nr. 7430; 703, Nr. 7460;
707, Nr. 7543.
* Chmel, Monumenta Habsburgica I, 3, 285—288, 289—290. Regesten II,
702, Nr. 7436, 7445, 7446; 703, Nr. 7466. Bezüglich des Verständnisses
mit Venedig siehe ebendort Nr. 7456, 7462, 7465.
^ Schon im Juli 1480 steht der Zeleuy als Diener des Königs Mathias mit
1000 Reitern im Marchfelde. Chmel, Regesten II, 699, Nr. 7394.
574
Erblande ansuchen zu müssen, sie in weitsehiehtigen Verhand-
lungen den Fürsten und Städten abzuringen. War das die
richtige Lage, zugleich den Kui-ftirsten ein Weiteres zuzumuthen,
den Erzherzog als ihren künftigen Herrn feierlich anzuerkennen?
Wir wissen nur, dass nach mehrfachen Verhandlungen
im Jahre 1479^ auf den 10. Juli 1480 ein Reichstag nach Nürn-
berg ausgeschrieben wurde und Graf Haug von Werdenberg den
Auftrag erhielt, dort um ausgiebige Reichshilfe gegen die Türken
— gemeint war ebenso und noch mehi' der Ungarkönig ^ —
anzusuchen.
Hatte der Graf noch Vollmachten anderer Art?
So viel ist nach dem Gange der Reichsgeschichte seit
Jahrzehnten, nach dem stets gleichen Schicksale der bisherigen
Hilfegesuche des Kaisers auf zahlreichen Reichstagen sicher,
dass sich Kaiser Friedrich und seine Räthe von einem in alter
Form gestellten Hilfeverlangen kaum Grosses versprachen. Die
geringe Opfcrwilligkeit Von Fürsten und Städten und die Selbst-
sucht Aller, die tiefgehenden Gegensätze zwischen den Reichs-
ständen untereinander, die es selbst den Gutgesinnten und
Willigen verboten, ihre geringen Streitkräfte dem Kaiser zur
Verfügimg zu stellen, während die Gegner die ihren zur freien
Verwendung zu Hause behielten, die durchaus unbeschränkte
Art der Verwendung der bewiUigten Mittel, welche der Kaiser
wenigstens principiell in Anspruch nahm, waren die Gründe
gewesen, die bisher Alles verhindert hatten. Sie waren auch
jetzt noch insgesammt und unvermindert in Kraft. Aber wie sie
beseitigen?
Die auf dem Reichstage versammelten Fürsten handelten,
gefuhrt von dem Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg,
unter dem Eindrucke solcher Erwägungen, wenn sie die Be-
seitigung jener Missstände durch eine engere Verbindung der
mächtigsten und zunächst in Betracht kommenden Reichsstände
eben für die Zwecke der Türkenhilfe, und einen weitgehenden
1 Man vorgleiche jetzt darüber F. Wiedemann, Die Reichspolitik des Grafen
Haug von Werdenborg in den Jahren 1466 — 1486, Stettin 1883, 53 ff.
Wenn auch W. seiner schwierigen Aufgabe im Qanzen nicht gewachsen
ist, so bleibt seine Arbeit doch verdienstlich.
2 Wiedemann, Haug von Werdonherg 63. Schober, Die Eroberung Nieder-
österreichs durch Mathias Corvinus in den Jahren 1482 — 1490. Blätter
des Vereines für Landesgeschichte NiederOstorreichs XIII, 26.
575
Einfluss auf die Verwendung des Bewilligten verlangten. Sie
begegneten, namentlich in letzterer Jlinsicht, dem entschiedenen
Widerstände des kaiserlichen Vollmachtsträgers. Aber wie ge-
dachte Graf Haug sich zu helfen, als er, nachdem die erwartete
Initiative der Stände ausgebheben war, sich endlich genöthigt
sah, seinerseits Vorschläge zu thun?
Einige Jahre später hat der Graf in Uebereinstimmung
mit den gewichtigsten unter den kaiserHchcn Käthen nur einen
Weg fiir geeignet erachtet, dem Kaiser zu helfen, ohne dass
das Reich zu sehr in Anspruch genommen werde, und doch
nach MögUchkeit auch vom Reiche fiir die österreichischen An-
gelegenheiten Nutzen zu ziehen: der Weg war, dem Kaiser seinen
Sohn, den Herzog von Burgund, als römischen König an die
Seite zu geben und diesen mit der Verthcidigung Oesterreichs
und überhaupt der Reichsgrenzen im Osten zu betrauen; Maxi-
milian sollte als Erbe von Oesterreich und als künftiger Kaiser
zunächst mit den eigenen reichen Mitteln dafür aufkommen;
ihm würde aber auch das Reich Bewilligungen thun und deren
Verwendung in die Hand legen.
Es war freilich durchaus nichts Neues, was 1485 in Vorschlag
gebracht ward: seit 1454, seit Herzog Philipp, Maximilians
zweiter Vorgänger in der Herrschaft über die biurgundischen
Lande, zu ähnlicher Aufgabe mit der Würde eines römischen
Königs geschmückt werden sollte, war im Reiche derselbe Ge-
danke in den mannigfachsten Wandlungen immer wieder zum
Vorschein gekommen und immer wieder aufgegeben. Nun zeigte
er sich in der einfachsten, natürlichsten Form : der Sohn, schon
durch die Bande der Natur darauf gewiesen, den Willen des
Vaters gelten zu lassen, des Kaisers einziger Erbe, ein mächtiger
Fürst reicher Lande an Deutschlands Grenzen, sollte an Friedrichs
Seite treten. Aber wir bescheiden uns mit den Thatsachen.
Es ist während des Nürnberger Reichstages der Versuch
gemacht worden, den Pfalzgrafen Philipp durch Zugeständnisse,
die ihm der Kaiser bisher verweigert hatte, fiir Oesterreich zu
gewinnen. Die Gewährungen, um die es sich hier handelte, sind
dieselben, welche 1485 bei Maximilians Wahl den Preis ftlr die
pfUlzische Stimme gebildet haben, und sie kamen, nachdem die
Verhandlung jetzt sich zerschlagen, genau solange nicht zur
Sprache, als die Maximilianischc Wahlsache ruhte. Dass der
Kaiser sich zu solchen Verhandlungen nicht dos liobon Friedens
576
wegen herbeiliess, ist sicher, da er ja seit Jahrzehnten die pfiü-
zischc Gegnerschaft gleichmüthig ertrug. Ebenso wenig war der
Tllrkenkrieg die Ursache davon, da Friedrich III. sich auch
nicht durch das Scheitern des jetzigen Hilfegesuches zu Zu-
geständnissen bewegen Hess; blieb er doch selbst 1484, in den
Tagen seiner gesteigerten Noth, in seiner Ablehnung fest, als eine
neue Hilfewerbung eben infolge der Haltung des Pfalzgrafen
zu missKngen drohte.^
Die Sache weist so auf das römische Königsproject. In
der That ging bald darauf die Rede, dass die Wahl statt oder
neben der Türkensache das eigentliche Ziel der Bemühungen
Werdenberg's in Nürnberg sei.^ Und wenigstens am burgundi-
schen Hofe hat man sich damals damit beschäftigt. Am 6. No-
vember 1481 macht Erzherzog Maximilian seinem Freunde Kur-
fürst Hermann von Köln Zusagen fUr die Hilfe, die er ihm auf Be-
fehl des Kaisers gethan, ,falls es sich durch Schickung des allmäch-
tigen Gottes oder besondere Gnade seines lieben Herrn Vaters fügte,
dass er (Maximilian) zur römischen königlichen Würde konmie'.'
Man gewinnt aus manchem gleich den Eindruck, dass der
Werbung auch das Einverständniss des Kaisers nicht gefehlt habe:
einmal würde Friedrich ein eigenmächtiges Vorgehen seiner Räthe
und auch seines Sohnes in so wichtiger Sache äusserst imgnädig
aufgenommen haben, — es scheint aber weder irgendwie sein
Verhältniss zu Maximilian in jener Zeit gestört, noch Graf Haug
zur Rechenschaft gezogen — , und dann handelte es sich bei
dem Ausgleiche mit dem Pfälzer um Zugeständnisse seitens des
Reiches, was ja Wissen und Wollen des Kaisers voraussetzt.
Aber auch wenn man weiter in Rechnung stellt, dass
Graf Haug, nachdem er zuerst hatte merken lassen, er sei in
der Lage, besondere Vorschläge zu thun, es handle sich nicht um
Geld u. s. w., dann hinterher, weil inzwischen die Verhandlung
mit dem Pfalzgrafen sich zerschlagen und ftir diesmal das Königs-
project aussichtslos geworden war, doch nichts Anderes vorzu-
schlagen wusste, als worüber man stets berathen hatte: einen
^ Wiedemann, Haug von Werdenberg 81—82.
2 Minutoli, Kaiserliches Buch 14. Anfrage Albrechts von Brandenboi^ an
den Bischof Wilhelm von Eichstädt, einen ergebenen Anhänger der
kaiserlichen Politik.
3 Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrbeins IV,
520—521.
577
Heereszug mit Macht oder die Einrichtung einer Grenzvertheidi-
gungy und schliesslich doch wieder Geld:* Man gewinnt aus
all dem doch kaum mehr als eine subjective Ueberzeugung. Der
Schaden ist freilich nicht allzugross: die Dinge nahmen ja auf
dem Reichstage einen ganz anderen Verlauf, als es in den
Wünschen des Kaisersohnes und seiner ergebenen Freunde ge-
legen sein mochte.
Der Nürnberger Reichstag war nicht sehr zahlreich be-
sucht. Dafiir finden wir aber die Kurfürsten von Köln, Pfalz,
Brandenburg und Sachsen, letzteren mit seinem Bruder Herzog
Albrecht, dann die Witteisbacher Georg von Landshut und Otto
von Mosbach, endlich Graf Eberhard von Württemberg in Person
anwesend. Die Fürsten konnten sich, angesichts der beweglichen
Schilderungen des Grafen von Werdenberg, der Ei'kenntniss
nicht verschhessen, dass in der Mahnung des Kaisers, man ver-
theidige mit den österreichischen Landen zugleich das Bollwerk
des Reiches gegen die Türken — mit den Absichten gegen
Ungarn trat Graf Hang erst später hervor — ein gross Stück
Wahrheit gelegen, dass die Hilfe zu bewilligen sei; die Städte
gingen den alten Weg des Hintersichbringens: soweit konnte
der kaiserliche Botschafter immer noch zufrieden sein. Aber
im Verlaufe der weiteren Verhandlungen über das ,Wie' stellte
sich der alte Markgraf von Brandenburg in den Vordergrund,
und gestützt auf die wenig rosige Stimmung, welche angesichts
der geforderten Leistungen auch bei den Fürsten vorhanden
war, gefördert durch das Misslingen der Pfälzer Verhandlung,
und indem Albrecht endlich geschickt das gemeinsame Interesse,
die fbderativ-repubUkanischen Tendenzen des Fürstenthums den
monarchischen Principien des Kaisers wie der Selbständigkeit der
minderen Reichsstände gegenüber, zur Geltung brachte, gelang
es ihm in Nürnberg, die Mehrheit der anwesenden Fürsten,
auch die Witteisbacher, mit sich fortzuführen. Nicht als Unter-
thanen, sondern als Bündner des Kaisei*s, das war der Grund-
gedanke der Nürnberger Beschlüsse, solle man in die Sache
eintreten. Sollte das Reich ein Heer stellen für den Krieg, so
wollten die Fürsten auch das Recht haben, in all das hineinzu-
redeU; woraus er entstehen konnte und worüber er entscheiden
1 Man yergleiche die freilich nicht durchaus geordnete Darstellung Wiede-
mann's 61 ff.
578
sollte, also zu diplomatischer Vermittlung, wie zu weiterer Ein-
flussnahme auf den Gang des Krieges. Es war eine Bewilligung,
die nicht so sehr dem Kaiser als dem Herzoge von Oesterreich
gemacht wurde und das Kaiserthum förmlich zurückstellte. Sie
erfolgte nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus politischen und mili-
tärischen Gründen, da ja nach der Ueberwältigung Oesterreichs
im Norden Brandenburg und Sachsen, im Süden Baiem un-
mittelbar in das ungarische Actionsgebiet fielen. Sie kam end-
lich wieder nur unter der Bedingung zu Stande, dass erst die
nöthigen Geldmittel beschafft, der Friede im Reiche gesichert
werden müsse. Aus letzterem erwuchs — es war dies einmal im
deutschen Reiche in jenen Tagen nie anders — der Beschluss,
erst noch darüber auf einem neuen Reichstage zu verhandeln
und zu beschliessen.
Zu gleicher Zeit sollte sich den Fürsten Gelegenheit bieten,
— sie nahmen die Einhebung der Türkensteuer in ihrem Sprengel
in die Hand — ebenso nach unten hin neue Befugnisse sich bei-
zulegen, wie sie nach oben hin das Kaiserthum förmlich in die
Luft hoben.
Der Brandenburger selbst hatte hinterher das Geflihl, dass
er sich zu des Kaisers Wünschen und Ueberzeugungen in einen
scharfen Gegensatz gestellt. Er sandte daher am 21. September
1481 von Neuenhofen aus den von ihm gefertigten , Anschlag' auf
Bewilligung von Geld und Truppen nach Wien: ,Solchs ich
Euer Gnaden', schreibt er, ,zuschicke . . . zur Unterrichtung
der Sache, wie ich auf die beiden vergangenen Tagen zu Nürn-
berg gehandelt, auf dass Euer Gnad des ein wahrlich Wissen
von mir hab^ damit Ihr mich eigentlich erfindet und erkennt
als den alten getreuen Albrechten, im unzweifenlichen Vertrauen
meinem Verdienen nach, ihr werdet nichts anderes von mir glau-
ben' etc.^ In Nürnberg selbst aber stand Albrecht 1480 zu dem
kaiserlichen Bevollmächtigten und jenen, die zu ihm hielten, in
der schroffsten Opposition; er ,wuchs' an jeden, der etwas An-
deres befürwortete, als was in seinen Plänen lag. Sie sind denn
auch schliesslich vom Reichstage gutgeheissen worden. '-^
2. Die Entwürfe des Brandenburgers scheiterten in kläg-
licher Weise. Den Kaiser zwar nöthigte der Drang der Umstände,
' Mimitoli, Kaiserliches Buch 14 — 15, Nr. 8.
2 Vgl. darüber Wiedemanii, Haug von Werdenberg 69 ff.
579
seinen Unmuth zurückzudrängen. Er und Graf Haug von Werden-
berg versuchten sich zunächst 1481 — 1482 an dem schwierigen
Werke, aus den Nürnberger Beschlüssen flir die Angelegenheiten
des Ostens Vortheil zu ziehen und dabei doch zu verhindern,
dass die Verfassungszustände des Reiches unvermerkt in neue
Bahnen einlenkten.^ Natürlich waren die Fürsten, voran Mark-
graf Albrecht, sehr wenig davon erbaut.^ Der Ungarkönig wies
jede Vermittlung ab:^ sein Krieg gelte dem Kaiser und Oester-
reich, nicht dem Reiche. Und hatte man sich in Nürnberg nicht
eigentlich selbst auf diesen Standpunkt gestellt? Gewann aber
daraus nicht der König das Recht, eine Unterstützung des Kaisers
durch die Fürsten mit dem Angriff auch auf ihre Lande zu ver-
gelten? Auch nach unten hin schuf die Eigenmächtigkeit, mit
der man die in Nürnberg gefassten Beschlüsse nun durchflihren
wollte, ärgerliche Händel.^
Markgraf Albrecht erlitt so die schwerste politische Nieder-
lage seines Lebens, und nun löste sich auch das alte, wenn auch
oft gestöile, so doch immer aufs Neue gefestigte Vertrauensver-
hältniss zum Kaiser, um nie wieder zu entstehen.^
Zunächst versagte, als es zur That kommen sollte, Georg
von Baiem-Landshut und mit ihm das ganze Wittelsbachische
Haus die Unterstützung.*'' Sachsen schreckte aus Furcht vor des
Ungarn Macht zurück und sah sich auch bald durch den Streit
um das Erbe Wilhelms von Thüringen gespalten und ohnmächtig.'
Zuletzt schloss, eben unter sächsischer Vermittlung, selbst Mark-
graf Hans, Albrechts ältester Sohn und Verweser der Marken,
einen einseitigen Frieden mit Ungarn, und der Vater, so sehr
^ Droyaen, Geschichte der preussischen Politik I, 2, 322 ff. Wiedemann,
Haug von Werdenberg 72 ff.
2 Ebendort 74.
' Als einzige Frucht der deutschen Vermittlung erscheint ein Waffenstill-
stand zwischen König Mathias und dem Kaiser vom 10. Mai bis 11. Juni
1481. Chmel, Regesten H, 702, Nr. 7449.
* Vgl. Droysen, 1. c. W. Böhm, Die Pfaffensteuer von 1480—1481, Berlin
1882, 4 ff. Wiedemann, Haug von Werdenberg 73 ff.
^ Aus eigener Schuld befindet sich der allzu kluge Albrecht in seinen letz-
ten Jahren fast gänzlich isolirt.
* Droysen, Geschichte der preussischen Politik I, 2, 329 ff. Wiedemann,
Haug von Werdenberg 78. Es ist hier nicht der Platz, die specielleii
Beziehungen zwischen König Mathias und dem Hause Baiern zu erörtern.
"^ F. A. V. Langenn, Herzog Albrecht der Beherzte, Leipzig 1838, 129. Vgl.
Droysen, 1. c. 330.
582
grafe nicht vertragen werden möchten^ dass dennoch nichts
desto minder von seinen kais. Maj. denselben beiden Herrn
ihre Regalien geliehen würden; damit hätte seine kais. Maj. seiner
Gcrechtigkeitt nicht vergeben. Darauf hat die kais. Maj. dem ge-
melten meinem Bnider geschrieben, wie es seiner Gnad, in das Reich
persönlich von seiner Maj. Erblanden zu ziehen, gelegen sei etc.*
Der Bischof stellt hier die Sache allerdings so dar, als ob
es sich auch bei dem ,Innsbrucker Rathschlag^ lediglich um
die Erlangung der Reichshilfe gehandelt habe, fUr die der
Kaiser in Person arbeiten und durch Beseitigung seiner Irrun-
gen mit verschiedenen Fürsten die Grundlagen zu schaffen
habe. Aber bedurfte es dazu eines besondem ,Rath8chlags'^
der nochmaligen Sendung des Erzbischofs von Gran nach Oester-
reich, während doch bei dem Drange der Sachlage vor Allem
Eile noth wendig schien? Und versprach des Kaisers persönliches
Eingreifen — man denke nur an den Regensburger Tag 1471 u. a.
— Erfolg, sein Verhandeln mit den Fürsten den Frieden? Auch
der Markgraf merkte sofort, dass es auf einen Reichstag und
eine persönUche Bitte des Kaisers allein nicht abgesehen seL
,Ihr meldet,' schreibt er dem Bischof von Augsburg zurück,
,dass ein Rathschlag, (den Kaiser) mit den Fürsten zu vertragen,
zu Innsbruck auf der Bahn gewesen ist; ist mehr auf der
Bahn gewesen'.^
Es hegen Gründe vor, dass der Inhalt des Innsbrucker
,Rathschlag8' darin bestand, der Kaiser möge persönlich ins Reich
kommen, um in directer Verhandlung mit dem Kurfürsten, auch
mit Pfalz und Mainz, die Wahl seines Sohnes zum römischen
Könige herbeizuführen; dies sei das einzige Mittel, die Kräfte
Burgunds für die Vertheidigung der östlichen Erblande zu ge-
winnen und auch die Hilfe des Reiches dazu heranzuziehen.
Eine ganze Reihe von Momenten spricht dafUr.
1. Allen und gerade den Fürsten imd Räthen, die hier in
Innsbruck tagten, lässt sich ein gewisser Antheil an der Königs-
wahl Erzherzog Maximilians nachweisen. Dem Vetter von Tirol
dankte später Maximihan selbst für die ,Förderung und das
Schreiben, an seine Gnade (den Kaiser) um seinetwegen gethan^*
* Schreiben vom 28. August bei Minutoli 24 — 26.
2 Forschungen XXII, 135, Anm. 2. Ueber des Kaisers damals sehr freund-
liche Beziehungen zu Sigmund siehe J. Chmel, Regesten zur Geschichte
Kaiser Friodrichs IV., II, 713, Nr. 7647; 716, Nr. 7702.
583
Herzog Albreclit von Sachsen, den der Kaiser mit der Ant-
wartschaft auf Jülich und Cleve^ schon 1483 von dem Ungar-
könige ab und auf seine Seite gezogen hatte — Albreeht war
des Kaisers Schwestersohn — , bekam schon jetzt die Rolle zu-
getheilty für den erwählten König im Nothfalle die Hauptmann-
schaft des Ostens zu übernehmen (siehe unten). Johann von
Gran^ und Haug von Werdenberg sind in der Wahlsache des
Kaisers erste Rathgeber. Der Bischof von Augsburg stand eben
durch seinen Bruder mit dem Kaiserhofe in steter Beziehung
und jederzeit der österreichischen Politik zur Verfligung. Ihm
war jetzt die Rolle zugetheilt, durch Scheinvorhandlimgen mit
dem alten Markgrafen von Brandenburg zu verhindern, dass
dieser zu früh merke, was man an den anderen Kurhöfen betreibe.
2. Die Sache blieb trotzdem, wie ja begreiflich, nicht ver-
borgen. Der Ruf ging durch das Reich, dass der Herzog von
Burgund zum römischen Könige gewählt werden solle. In
Oesterreich erzählte man, Max sei bereits König. Das Gerücht,
wenn auch nur als ,Bauemgeschrei' auftretend, erschien so
wahrscheinlich, dass der Brandenburger Kurfiirst darnach seine
genauen Entschlüsse fasste imd hinterher deswegen die kaiser-
lichen Räthe, ja den Kaiser selbst zur Rede stellte.'*
3. Auf die Königswahl Maximilians spielte Graf Haug
direct an, als er während der Frankfurter Verhandlungen, zu
Beginn 1485, die Worte gebrauchte: ,Wenn die Kurfürsten
wollten, so wäre wohl ein Weg zu finden, damit der
kaiserl. Majestät und dem Reiche geholfen würde ohne
grosses Darlegen der Fürsten.'^
4. Dieser Zeit endlich gehört ein Brief an, der die Aus-
sichten des Erzherzogs auf die Erlangung der deutschen Krone
eingehend — besonders durch den Hinweis auf seine Verwandt-
schafl mit den dafUr massgebenden Persönlichkeiten und den
wichtigsten Fürstenhäusern des Reiches — entwickelt und weitere
> Langenn, Herzog Albrecht d. B. 136.
' Bezüglich seiner siehe auch Müller, Roichstagstheatrum I, 4.
3 Vgl. Wiedemanu, Haug von Werdenberg 82—83. Minutoli 22—26.
* Vgl. Minutoli, Kaiserliches Bucli 62-65, 66—68, 80—81. Auch die Frank-
furter wissen, dass es sich nocli um Anderes liandelte. Vgl. J. Janssen,
Frankfurts Reichscorrespondenz II, 411 und TichtePs Tagebuch in Fontes
rerum Anstr. I. Abth. I, 30.
B Minutoli, Kaiserliches Buch 75—76.
38*
684
Mittel und Wege anräth, ans Ziel zu kommen.^ Das ganze
Schreiben, von Droysen missverstanden, von Ulmann ganz über
sehen, ist hochinteressant. Da ist, heisst es, der Kaiser des von
Burgund Vater, mit den Herren von Sachsen und Baden ist
Max Geschwisterkind; der Erzbischof von Trier ist einer von
Baden, der Erzbischof von Köln (Hermann von Hessen) ist Ge-
schwisterkind mit Sachsen; Sigmund von Oesterreich hat des
von Sachsen, der des KurfUrsten Bruder ist, Tochter. Gäbe
man dem von Mainz die Stadt Mainz und was er vom Reiche
innehat ,bleibHch und beständig' oder doch derart als Pfand-
schaft, dass keine Lösung erfolgen mag, so ist er ,gesättigt';
desgleichen Trier und Köln, der Ehrung fiir sie und die Ihren
und des Bündnisses nicht zu vergessen. So habe man die drei
Erzbischöfe. Die Sachsen könne Maximilian gewinnen, indem
er Herzog Albrecht zum Hauptmann mache im Reiche an seiner
Statt und ihn mit den nöthigen Verschreibungen versehe, mit
Begnadung, Freiheit und Höhung; die Tiroler Verwandtschaft
helfe dazu: so finden sie es ,an Rathe^ Markgraf Albrecht von
Brandenburg sei mit dem Hause Oesterreich vielfach verwandt
,und ist sonst geneigt, zu thim, was der kais. Majestät und der
Freundschaft lieb ist. An dem hat es nicht Noth, so die Wahi^
heit vorhanden ist, er lässt sich sättigen mit Gnadenbriefen^
Nur sei es gut, ihm die Sache erst ganz spät mitzutheilen, denn
,wenn er es bei Zeit wlisst' und gefieF ihm nicht, er mocht es
unterkommend ,Nun fehlt Niemand, denn der König von Böh-
men; dem gebe der Kaiser seine Tochter, so ist es auch ge-
macht.' Die Sache stehe darum nur an dem Kaiser: ,fkllt er
zu, so ist das Garn gestrickt'. Wer sollte aber meinen, dass
er es nicht thäte, da er Kaiser bleibt nach wie vor, sein Sohn
zur könighchen Würde erhöht wird, sein Schwestersohn ihm
als Hauptmann an die Seite tritt und mit der Macht des künftigen
Königs und des ganzen Reiches ihm hilft und seine Bürde ab-
nimmt? ,Den Ehren nach und dem grossen Nutzen, darzu
er geneigt ist,' sei daher seine Zustimmung sicher. Der Brief
schliesst mit den Worten: ,Nach dem Allen habt Euch zu
richten als ein Weiser imd gedenkt, dass Ihr wisset (= in
> Bei Minutoli, Kaiserliches Buch 66 — 68 unter den ^eigenhändigen Notixen
des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg, für die Prankftirter Berathnn^
bestimmte
585
Erfahrung bringet) des Kaisers Meinung, wonach Ihr Euch dann
richtet/
Dass das Schreiben diesen letzten Worten zufolge an
einen vertrauten Rath des Kaisers, vielleicht geradezu an Sig-
mund Prüschenk, gerichtet ist, bedarf keines weitern Beweises.
Ebenso sicher stammt es von MaximiUan befreundeter Seite,
nach Allem aus seiner Umgebung, vielleicht sogar indirect von
ihm selbst. Der Brief ist nicht vor der Vermählung Sigmunds
von Tirol mit Katharina von Sachsen (Februar 1484) geschrie-
ben, da er sie bereits als Thatsache anftlhrt,^ und nicht nach
dem Beginn 1485, denn um jene Zeit ist er bereits in des
Brandenburgers Händen; da er ferner diesem verborgen bleiben
sollte imd ihm wohl erst spät und nur auf mancherlei Umwegen
zukam, so spricht die Wahrscheinlichkeit daftir, dass er ziem-
lich lange vor Anfang 1485 thatsächlich vcrfasst ist. Auch sonst
weist der Inhalt des Briefes darauf hin : wenn in ihm des Pfalz-
grafen gar nicht gedacht ist, so geschieht dies doch gewiss nicht
aus Vergesslichkeit, sondern weil mit Pfalz damals ein Ueber-
einkommen noch nicht in Aussicht stand, der burgundische Hof
deswegen in Verlegenheit war. Bekanntlich ist erst (unter der
Vermittlung Albrechts von Baiern-MUnchcn?) im Juni 1485
zwischen Maximilian und Kurfürst Philipp ein Uebereinkommen,
und zwar mit geheimen Artikeln, also wohl nach langer und
schwieriger Verhandlung, zuwege gekommen.
Lässt sich so der eigentliche ,Rathschlag', der von Inns-
bruck aus dem Kaiser zukam, in der Hauptsache mit ziemlicher
Sicherheit erkennen, so verrathen anderseits die Worte Graf
Haugs in Frankfurt, die Angaben seines Bruders in dem er-
wähnten Schreiben an Albrecht von Brandenburg, wie sich die
Versammlung in Innsbruck den Verlauf der Sache weiter vor-
stellte: Mussten Kvu'fiirsten und Fürsten des Reiches zugeben,
dass sie dem Reichsoberhaupte Hilfe schuldig seien, und ver-
mochten sie anderseits dazu nicht Mittel und Wege zu finden,
80 bot die Wahl eines so mächtigen Fürsten wie Maximilians
von Burgimd Gelegenheit, diese Last ihm aufzubürden; die
Königswürde gab Maximilian anderseits wieder Recht und An-
lass, von Burgund und dem Reiche die Mittel zum Schutze
der Ostgrenzen zu fordern. Das Gelingen der Wahl versprach
> ,Item Österreich hat des von Sachsen dochter, der des curfursten bruder ist/
586
man sich aber nur, wenn der Kaiser persönlich ins Reich
komme und die Sache in die Hand nehme, wenn er die Gegner-
schaften zu Oesterreich beliebe und die Kurfürsten gewinne,
vor Allem Mainz und Pfalz; wenigstens dürfe man nicht zö-
gern, diesen die Regalien zu ertheilen; nur so >v1irden sie ja
befähigt, als Kurfürsten des Reiches an einer Königswahl voll-
giltigen Antheil zu nehmen.
Und schickte sich nicht eben in jener Zeit Markgraf Al-
brecht von Brandenburg, der, wie sich zeigen wird, bei der
Frage der Königswahl keineswegs die ihm zugedachte Rolle
zu spielen geneigt war, an, mit der Aufnahme Hermanns von
Köln und der neuen Kurfürsten von Mainz und Pfalz die alte
Kureinung wieder herzustellen, um dann durch sie gedeckt um
so entschiedener der Wahl Maximilians entgegenzutreten und
durch seinen Widerstand auch die Anderen an der Zustinmiung
zu hindern? ^
Der Kaiser wies den Erzbischof von Gran nicht ab. Er
sagte zu, von den Erblanden ins Reich hinaufzuziehen, wies
aber doch den Erzbischof und die übrigen, auch den Bischof
von Augsburg an, unverweilt die Hilfegesuche an den ihnen
bezeichneten Orten anzubringen.^
Aber rasch änderte er wieder seinen Entschliiss.' Die
Innerösterreicher, an die sich Friedrich auf die Nachricht von
der Bedrohung Korneuburgs gleichfalls gewendet hatte, wurden
bei Klosterneuburg zurückgeworfen. Der ungarische Heerführer
Davidhazi begann nun aufs Ernstlichste, Korneuburg zu be-
schi essen. Fiel diese Stadt, so war Wien auch im Nordwesten
* Miimtoli, Kaiserliches Buch 47, 49, 59, bes. 163, wo Albrecht schreibt:
,Ist der Churfilrsten Sach ein halbes Ding ausserhalb der Eynung.*
'-' Ebendort 23: ,Uff solches hat die K. M. dem g^melten meynen bruder
geschryben, wie es sein gnad in das Reych personlich von seiner M.
orblanden zu ziehen gelegen sei, und widerumb jm und andern yglichen
[geboten], in sein beschiden ond zureytten, auch mir zu [ew.] gnaden, und
hilff zu bogoren/ Diiss man sich um jene Zeit mühte, die Irrung zwischen
Oesterreich-Tirol und Württemberg auszugleichen, zeigt ausser Anderem
auch Minutoli, Kaiserlidios Buch 21. Was den Zeitpunkt betrifft, so ist nach
Minutoli 21, Nr. 14, der Erzbischot' von Gran in der zweiten Hälfte Juli
1484 wieder ins Reich zurückgekehrt. Darnach auch die Zeit, zu der
der ,Ratslag' an den Kaiser kam.
' ,In dem ist die geschieht vor Kloster Neuburg ergangen; uff das hat sein
Kaiserl. Mst. jr maynung geendert.* Minutoli, Kaiserliches Buch 33.
587
cemirt, der Fall der Hauptstadt gleichfalls wahrscheinlich. Kein
Wunder, dass der Kaiser, alles Andere beiseitesetzend, sich jetzt
mühte, erst Korneuburg zu retten! Besondere Boten mahnten
die nahe gesessenen Fürsten und Städte zu einer ,eiligen^ Hilfe-
sendung auf zwei Monate. Der Kaiser selbst half mit flehen-
den Briefen nach.' In Niederösterreich und sonst raflfte man
auch wirklich an Hilfsmitteln zusammen, was zu erreichen war.
Alles umsonst! Die Erblande waren zu erschöpft; von Kurfilrsten,
Fürsten und Städten kam der gleichmässige Bescheid, ohne
einen Reichstag könne eine Unterstützung des Kaisers ,furder-
lich nit furgang habend Mit kaiserlicher Vollmacht berief
Graf Hang von Werdenberg einen solchen auf den 20. Jänner
1485 nach Frankfurt. Aber was war von einem Reichstage
nach den früheren Proben zu erwarten? Für Komeuburgs Er-
haltung kam er jedenfalls viel zu spät: schon am 1. December
1484 hielten hier die Ungarn ihren Einzug. Und noch im selben
December begann König Mathias auch die Belagerung von
Wien, der österreichischen Hauptstadt, mit deren Errettung und
Verlust der Kaiser die Er blande erhalten und verloren sah!^
In solcher Noth gewann die Meinung jener, welche allein
auf die Erhebung Maximilians ihre Hoffnung bauten, neues Ge-
wicht. Aber mahnte nicht gerade wieder solch' grenzenlose Ver-
legenheit den Kaiser zur äussersten Vorsicht, damit er nicht
etwa auch das letzte Mittel, die Wahl des Sohnes, umsonst
versuche und damit zugleich die Zukunft des Hauses gefährde?
Es war so nicht allein die grosse Noth Wiens, dem der
E^aiser auf dem Wasserwege von Krems und Stein aus Unter-
stützung zu bringen sich rüstete, imd die rauhe Winterszeit,
was Friedrich trotz seiner Geneigtheit, ins Reich zu ziehen,
jetzt in OesteiTcich zurückhielt, sondern auch vorsichtige Zu-
rückhaltung in der Wahlsache. Sein Sohn musste die Sache
unternehmen, seine Räthe, seine Freunde sie fordern, er selbst
gedachte erst hervorzutreten, wenn Alles gesichert sei: in kei-
nem directen Willensacte, auch nicht einmal in dem Ersuch-
> Vgl. Minutoli, Kaiserliches Buch 26—27, 28—29. Bei Brandenburg waren
Ende Juli Boten des Erzbischofs von Gran. Vgl. ebendort 23 und 24.
Der Kaiser verlangte die Hilfe nur auf sechs Wochen. Vgl. ebendort 27.
2 Ebendort 23, 24-25, 27—28, 29—30 a. a. O.
5 Vgl. seine Worte an den Erzbischof Johann von Gran bei Chmel, Monum.
Habsburg. I, 3, 280-282.
588
schreiben an den Erzbischof von Gran,* liegt ein Beweis für
seine Antheilnahme an der beabsichtigten Wahl vor. Friedrich
hat sich damit begnügt, seinen Sohn als seinen Stellvertreter
zum Reichstage zu senden und neben ihm den Erzbischof von
Gran, den Grafen Hang und Bischof Willielm von Eichstädt
zu beglaubigen.'-^ Gab aber nicht der Ort, nach dem der Reichs-
tag berufen ward, Frankfurt, die alte Stätte der Königswahl, gaben
nicht die eifrigen Bemühungen des Erzherzogs, der kaiserlichen
Räthe und jener Kurfürsten, die wir von vornherein als Maxi-
milian günstig gesinnt kennen, Hermanns von Köln, Jakobs von
Trier, Emsts von Sachsen, sämmtliche Mitglieder des Col-
legiums zum Besuche des Tages zu vermögen,^ Zeug-
niss davon, um was es sich handelte, wusste man dies nicht
ohnehin allerorts zu sagen?
Der Kurfürst von Brandenburg hatte mit steigendem Miss-
behagen und Missmuth das Vorgehen der kaiserlichen Räthe
und Parteigänger gesehen. Der Bischof von Augsburg war,
trotzdem er sein Kommen angekündigt, nicht erschienen; dessen
Bruder Graf Hang hatte in Nürnberg und Koburg verhandelt,
an Ansbach war er vorbeigeritten;^ auch bei dem kaiserlichen
Protonotar Waldner, wie von Herzog Albrecht von Sachsen, der
sich auf der Heimreise von Innsbruck bei dem Markgrafen auf-
gehalten, erfuhr er nichts. Nim kamen jene Gerüchte, jener Brief.
Albrechts Entsclduss war der: die Wahl abzuschlagen — die
Gründe, welche er sich zurechtlegte, klingen nicht übel: Man
habe den Frankfurter Tag nicht für solchen Zweck berufen; der
Kaiser sei nicht da und es fehle auch eine directe Aeussenmg
von ihm über die Wald; ohne den Kaiser aber in eine solche
einzutreten, verbiete der geleistete Eid.^ Uebrigens sei es jetzt
* Das Schreibeu (1. c.) gehört in den Deceniber 1484. Der Adressat ist
aus dem Schreiben bei Minutoli, Kaiserliches Buch 53, Nr. 46, leicht
sicherzustellen. Das Schreibon ist freilich ostensibel.
2 Vgl. Minutoli, Kaiserliches Buch 53, Nr. 46.
3 Die bezüglichen Schreiben bei Minutoli, Kaiserliches Buch 35 ff. Die
Antheilnahme des Markgrafen an diesen Bemühungen hatte, wie wir
aus seinen Briefen leicht erkennen, einen andern Zweck: die Wieder-
aufrichtung der alten Kurein ung.
* Albrecht selbst an Ernst von Sachsen am 26. November 1484 bei Minutoli,
Kaiserliches Buch 38, Nr. 27.
5 Albrechts eigenhändige Aufzeichnungen. Minutoli, Kaiserliches Buch 64
bis 65, Nr. 57.
589
nicht an der Zeit, ,ad futurum zu reden^, sondern dem Kaiser
in seiner Noth zu helfen. — Der KuHiiirst stellte sich freilich
auch den Fall vor, dass die Wahlsache, gefördert von den an-
dern Kurcollegen, dennoch vorwärts gehe. Für diesen Fall
wollte er erklären: Wenn der Kaiser in Person erscheine und
seinen Willen kund thue oder doch ,eine Specification^ seiner
Wünsche hören lasse, dann komme es den Kurfürsten zu, die
Wahl in Verhandlung zu nehmen, und würde auch er nach Be-
redung mit ihnen thun, was sich ziemt. Auch dann seinen Willen,
eine Ablehnung Maximilians, durchzusetzen, war nun Albrechts
Streben. Als Mittel sah er die Aufnahme von Köln, Mainz und
Pfalz in den Kurverein an: dann war jeder der Kurfürsten
an die Zustimmung der andern gebunden und so der Einzelne
leichter im Stande, Beschlüsse der Gesammtheit zu stören. Al-
brecht wünschte den Eintritt jener in die Einung eben jetzt in
Frankfurt zu erreichen: daher auch sein Interesse für ihr per-
sönliches Erscheinen.
Aber eben darin ergab sich die erste Störung der Wahl-
sache. Philipp von der Pfalz hatte 1482/83 umsonst auf die Erfül-
lung der ihm einst in Nürnberg eröffneten Aussichten gewartet.
Als jetzt, Dienstag nach Martini 1484,' Graf Hang von Wer-
denberg bei ihm erschien, kam er darauf zurück, und da der
kaiserliche Gesandte offenbar keine bezügliche Vollmacht be-
sass, Hess auch der Kurfürst sein Kommen unbestimmt* Auch
später nicht vom Kaiser befriedigt, verkündigte Philipp den
KurfUrsten von Sachsen, Brandenburg und Mainz offen, dass
er, weil ihm ,nit vollstreckt^ sei, was man ihm einst in Nüi'n-
berg ,zugesagt', nun auch nicht nach Frankfurt reite; und alles
Bemühen, ihn doch hinzubringen, war vergebens.^
Noch schwerere Hemmung fand aber die Wahlsache auf
anderer Seite. Konnte bei der Lage des Kaisers an eine macht-
volle Förderung derselben durch ihn nicht gedacht werden, so
1 Am 16. November.
- Scliroibeu au Enist von Sachsen vom 30. November bei Minutoli, Kaiser-
liches Buch 39 — 40: ,clem haben wir nach unserer gelegenheit ant-
wort gegeben*. Vgl. ebendort 60—61.
3 Diesen Zusammenhang der Sache zeigt die Correspondenz Philipps mit
Ernst von Sachsen und Albrecht von Brandenburg bei Minutoli, Kaiser-
liches Buch 39—40, 51, 58—59, 59-60, 60—61, 61—62, Nr. 28, 44, 52,
53, 54, 55.
age AI-
h nocl^^
L Du
nUcbcr
ncfae scIbi^^^H
■ Bflscbeifl^^l
Kcben )Aq^^|
Iretur von Hessen, Uenwf; Sigmunils von Urol, der Herzoge AI-
brecht und G«>rg von Bsicrn. Eberhards von W&rtlembcrg t
Wilhelms von EichsiAdt in Frankftirt «ngegcn/ als er, nachdi
des EnthrrzogB bisheriges Femhicibon geno^isam entschn)
und sein und seiner Rälho persünliches Erscheinon doch
in Aussiebt gestellt war, die kaiserliche Werbung thaL Das
Ergchniss der Verhandlungen kann sich so der Kenner deoUcbcr
Reichstage des 15. JahrhondnrU leicht aus dam Besncfae t
coDstruiren. Asa 16. Feh mar erhielt Graf Hang des t
,Die Kurfürsten und Fürsten ^nd willig, di^ kaiaerficben ]
UiUc und Kath zu thun nach Gebühr, gestalt der Sacben i
Jedes Vermögen, Aber als sii-h die Sach hin liällt und findL-t,
dass der kaiserUchcn Majestill durch die, so Ue entgegen waren,
nit so siiittlich nnd nüulieh Hilfe geschehen mfichtc, i
NoÜidnrl\ erfordert, nachdem der Mehrerthetl des Kcicbee 1
entboten noch gegenwärtig wäre, nnd da, sollte durch die C
wftrtigen etwas mit Anschlag votfienommen werden, dks i
Andern verachten nnd s^eo nSchtcnt hatten sie vitj i
schlagen, so mOchtm äe es tnur selbst ausrichten, dem :
wären zum Itpicbtita^ nicht verboten und bättt^n in atchts (
willigt, womit sie sich leicht verantworten kennten:
also die, die zogegen waren, der kats. ^(ajestlt auch Dicht I
nfitzlidi sein, als es die Notbdnrfi verlangt und vom Reicbe f
sdieben kCtiDte.'
Dabei blieb es, und Graf Haog's Uebcrrrdnngsgabc ^
Bockle so wenig wie sein zorniger Tadel soleber Zostünde' i
Sache zo iikdem. Das Rekh that nichts. Des Kurfäisleti i
Brandenburg gvschsftige Plänemacher^i. womit er auch j
wieder, wihrend seine lUthc in Frankfiin in der Able
wirklicher HiWb m fest waren wie dii- (ibrigvn Boäocbeir <
Tages, «in Bibcres Terialütniss zum Kais^rr ra erbahea sui
Uieb nat&rii^ eargdHÜaslos.'
in. Die Wahl Skxünlliiins. Februar Uf»,
Der Vcrianl"
widcrfcglich |
593
vom Reiche Hilfe nicht erlangen werde. Auch der hartnäckigste
Zweifler musste dies zugeben.* Und doch that die Hilfe nir-
gends und niemals mehr noth als jetzt vor Wien! Infolge
der lange dauernden Absperrung der Verbindungen und da
sieh auch aus der Umgebung viele Leute in die Stadt geflüchtet
hatten, war die Bevölkerung schon im Februar 1485 mehr noch
vom Hunger als vom Feinde bedrängt und aufs Aeusserste
gebracht. ,Wir haben solchen Hunger gelitten/ schrieben Bür-
germeister imd Rath später an den Kurfürsten von Brandenburg,^
,dass wir gerne Kleie und Rinde gegessen hätten und die nicht
hatten, dass wir Katzen- und Hundefleisch genossen, uns noch
einige Zeit zu halten, und durch und von dem grossen Hunger
. . . über sechshundert Menschen, Männer, Frauen und Kinder,
während der Belagerung Hungers gestorben sind und noch jetzt
(Juli) solcher Köstigung wegen Viele täglich sterben.' Kein Wun-
der, dass es zu Gewaltthaten kam aus bitterer Noth, dass die böh-
mischen Dienstleute meuterten und in namhafter Zahl zum
Feinde übergingen, dass bereits im Februar 1485 auch eine Partei
unter der Bürgerschaft von Uebergabe zu reden begann. Der
Kaiser that wohl Einiges: Er verhandelte mit König Wladislaw
von Böhmen, um durch seine Vermittlung einen Waffenstillstand
zu erreichen, er stellte Werbungen an, und suchte von Krems
und Stein aus den Wienern Mundvorräthe zu senden. Aber all
dies reichte nicht zu, die Stadt zu retten. Am 1. Juni 1485
hielt König Mathias in Wien seinen prunkenden Einzug. Die
Huldigung des Landes folgte nach; noch weiter als bisher, an
einzelnen Punkten bis westwärts über die Enns, wurden die
ungarischen Besatzungen vorgeschoben.
Die Bestürzung des Kaisers war unbeschreiblich. Hatte
er Wien als die Stadt bezeichnet, ,die ein Behaltung aller
unser Lande istV^ ihren Verlust gleichbedeutend mit seiner
Vertreibung,^ so schien nun letzteres vor der Thür.
> Aach der Kaiser schreibt am 14. (nicht 12. April) an Markgraf Albrecht,
ein jZasammenkommen* bringe ,ganz keinen Nutz, dann die Zeit uns
zu ganzem Verderben damit zu verlieren*. Minutoli, Kaiserliches Buch
98—99. Vgl. auch Albrecht selbst ebendort 103.
' Bei Minutoli, Kaiserliches Buch 111—113; Brief vom 8. Juli 1486.
3 Chmel, Monum. Habsburg, m, 1, 281.
^ Minutoli, Kaiserliches Buch 89. Der Kaiser spricht schon am 14. April
von seiner ,Schwermüthigkeit, darin wir durch täglich mehr Anfechtung
gefallen sind'.
:'r.4
*ju\ *'t ij.»»n. *-a i-iia*tr**t Jtmv.. zur linxmii: jür cici »
t i*-i-! «.'. t.^ij- r«rLi*:ir. wiÄuvilc Alur^rin voi. Üncndenbiin:. ii
ii.'f'*H49ü^<£a^ öu»^ Öasmi»^. !^^dL v:l t^^fiit und äct: zu^srfiiidHiff
<^A.'i ;&u «»tttju^oj ^ßVJjJis^L ^^w*fjjiWL Und nctii
JM;kw 3 4^/>- jjj[*«rrurü fck-L dli* \VfiuuQdliiiir«ii dt*
'i#rü; i^lJäiz4^nI^Si i^LiJipf/ «iii d*rn Prwb der
Au'rk für dirii liL^jt^r '/L^h <rb kenifr WiLii^
fij.*rLr. Auj 21^. Mai «rifübr ^r. dawss Wien sitsL
HtA fi<A'k ii:« 4<rr djüm'if (*A^*:uA^ji N&cbi — dtti> ^war m. tb*
li<r:k^r yOeit füT fe^iu^r I^fraLiiiUUjf^rD oDd Veiiiaiidriixi£faL — ^tam
*ir Ui'ii w'.'L icje \Wm*c. iMno^ e^rL^jn am 3(*. MjlI. iuiiznfu Tai
fvrh aiü Kuff'irfct Albnr^.'bt v<^ij Brand «^übujT- J-»**.iQtir iiQi«er'hK9a
drillt;!, di^rh u.'jd aud^^r^ uiiMrnr uüd d<?§ beü. Ltbiöif ^ irtii«*— ^
Füri^Urrj und Freund«? um Ililff^r und KatL zu ^ersoiuiifiL. Cn^
bind d«;hli2ilb in l'^rbun^, bald pfrr&öDlicL t*«: bsnifr Liek
zu Mfin, und d'rr ^/bl/^rrürum und ander Sati*-x aulbt^n nA
dir alri unj>4rruj jr<:hon>anic'n g«?treuen CTmrfärssHr Tnii Beb«
Fnrund K^rd*; zu lotlurn/^
die {faifz virrc-hütt Ut*. MiuuVßli, KaLMriiKbe» Bocä hJH.
» lim-f VOM* *•. Jiili ll*?:» t:lf*rtAon Vr'J — Wt.
> Eli«riid'/rt l';'; -107 K» »^/M U«zimtru .MonUe ik&cü. «iHfii «inntai^ Triiii*
tativ. Il<rr v«/fh«?f(f*Tl»<ri<*l^ Hri»^ 'Nr. '*0, wt T/j.ai 31,. !Lä£tic vrini 17. Ssl
iVr KurfUrKt fiAtU; «ff<; fHih<rn; A^MU-ht de« lOüi^Ti^ p^naaÜrii Ln» Bwcs
zu k<»fiiiri<rii ^Mifint//Ii IfJ-, «'fiMtlifh l^luiinpft Minst^ DK: J>>r Kaii>v
imJI«' nicht Auf «Im? Hilf«: ^«1«:» K^ir|i«rii; harren.* UHMfinebr whuC is^
Kai<M)'r« j*'t7Ä^*'r Kutti^rUlitm auf fiti^rii li<'Vfii«lfTen
695
Am 6. Juni aber wurde die Urkunde unterzeichnet, mit
der sich der Pfalzgraf verpflichtete, bei der römischen Königs-
wahl, falls der Kaiser bei seinen Lebzeiten eine solche zu Gun-
sten seines Sohnes gestatten würde, dem Erzherzoge seine
Stimme zu geben und sonst nach seinem Vermögen dabei mit-
zuhelfen J Gegcnverschreibungen Maximilians setzen die Zu-
stimmung des Kaisers nothwendig voraus; gleichgiltig, ob die-
selbe bereits früher erfolgt war oder, wozu der Moment passend
wäre, erst jetzt erfolgte, oder gar, ob sie blos in Aussicht stand.
Mit gleicher Energie schien der Kaiser ferner handeln zu
wollen. Schon am 5. Juni war er in Salzburg.^ Von liier aus
betrieb er die Uebersiedlung seiner Tochter Kunigunde und
die Ueberführung seiner Kleinodien nach Innsbruck und traf
er Anstalten zum Schutze der erbländischen Gebiete, soweit
er sie noch besass: je geringer seine Mittel, je aussichtsloser
seine Sache war, um so schwieriger, mülievoller war es, auch
nur das Nötliigste vorzukehren. Wie begreiflich, sehen wir
ebenso in Innsbruck, wo der Kaiser seit 3. Juh weilte, wie
während der nachfolgenden Züge durch das Reich Friedrichs
Sorge und Thätigkeit unablässig den Erblanden zugewendet.^
Kaum mindere Schwierigkeiten bereiteten aber die Spal-
tungen zwischen den Fürstenhäusern des Reiches, die nun nach
einer Richtung zu leiten der Kaiser mit der Wahlsache unter-
nahm. Am schlimmsten stand es wieder im vielgetheilten Fran-
ken! Der alte Gegensatz zwischen Brandenburg- Ansbach und
Baiem-Landshut war in voller Stärke erwacht. Auch jetzt
wieder hielten sich Otto von Mosbach und das mächtige Nürn-
berg auf der Seite Georgs des Reichen von Landshut, während
Markgraf Albrecht den von Bamberg zum Bündner hatte. * Die
* Im kOnigl. bairischen Staatsarchiv in München. Vgl. Ulmann 141.
2 Man vergleiche des Kaisers Itinerar nach Chmel, Regesten II, 718—719
und den Correspondenzen bei Minntoli. Der Kaiser ist am 1. Jnni in
Linz, — 3. Juni in Vöcklabnick, — 5. Juni in Salzburg, — 3. Juli in
Innsbnick, — 17. Juli in Kempten, — 27. Juli in Ulm, — 6. August
in Ravensburg, — 15. August in Constanz, — 20. August bis 3. Septem-
ber in Ueberlingen, — 10. September in Baden, — 19. bis 27. September
in Hagenau.
' Darüber geben, entgegen den gewöhnlichen Declamationen über Fried-
richs Unthätigkeit, schon die bis jetzt vorliegenden Actenstücke genügend
Zeugniss.
♦ Vgl. Minutoli, Kaiserliches Buch 98—99, 99—101, 105 ff.
596
Erledigung einer Reihe kleinerer Fragen in seinem Sinne, die
Auflösung des Bundes Baiems mit Nürnberg, die Störung weiterer
Landshuter Einungsgelüste mit andern fränkischen und schwäbi-
schen Städten, welche lieber mit Ansbach zu einer ,Einung und
Verstentnus' sich ,zusammenthun' sollten : * das waren die An-
liegen, mit denen der alte Markgraf mit Ungestüm den Kaiser
bedrängte. Mit dem Hinweise auf Herzog Georgs Verbindung
mit Ungam,^ auf dessen Absichten gegen Nördlingcn suchte er
seine Forderungen zu unterstützen.
War aber Friedrich eben jetzt in der Lage, in diesen
Händeln Partei zu nehmen, ,Herzog Georg vor den Kopf zu
schlagen'?* Und musste nicht anderseits sein schwaches Be-
mühen, die Baiem zurückzuhalten und den Reichsstädtern ihre
unmittelbare Stellung in Erinnerung zu bringen, den heftigen
Markgrafen, der sich ganz andere Förderung versprach, mit
wachsender Erbitterung erfüllen?
Es waren freilich nicht diese Händel allein, welche den
Kaiser bestimmten, von Ulm aus, wo er am 27. Juli weilte,
sich nicht nach Franken, sondern weiter westwärts durch Schwa-
ben ziehend, nach dem Oberrhein zu wenden. ,Die Rede ist
hieumb,' wusste Markgraf Albrecht schon am 9. August zu
berichten, ,der Kaiser wolle nach Strassburg, seinen Sohn, un-
sern lieben Oheim, zu ihm entbieten und zwischen ihm (Maxi-
milian) und Frankreich verhandeln ; der Allmächtige wolle, dass
Alles gut, dass er (Maximilian) frei werde und seiner Majestät
wol helfen mag.'^ In der Tliat ward bereits damals über die
Zusammenkunft von Vater und Sohn verhandelt und Köln da-
für bestimmt.^ Auch war ja noch Mainz'» für die Wahl zu ge-
winnen, vielleicht auch mit Pfalz und Trier manches zu ordnen.
Zu gleicher Zeit warb Hang beim sächsischen Hofe.
Sei es nun, dass die niederländischen Dinge eine Störung
brachten, ,denn meine Sachen,' schreibt der Erzherzog selbst
* Minutoli, Kaiserliches Buch 128.
.2 Ebendort 117.
> Ebendort 146.
* Schreiben an den Protonotar Waldner. Minntoli, K^serliches Buch 117.
5 Maximilians Briefwechsel mit S. Prüschenk bei KraiLS 48 — 49. Brief
vom 8. September.
^ Dass dies jetzt bereits geschah, Lst mir nach dem, was wir über den
spätem (November-) Aufenthalt des Kaisers bei dem Mainzer wissen
(s. unten), durchaus wahrscheinlich.
597
am 8. September, ,noch nicht am besten darzu (zur Zusammen-
kunft mit seinem Vater u. s. w.) gericht sind, angesehen, dass
ich noch steck' in Krieg mit den Lüttich ern; ich lösche aber
überall — , das beste, das ich kann, — aber die -Eil' thut mir
schaden,' — sei es, dass die Meldungen Graf Haugs über die
Zustände im Osten nicht nach Wunsch lauteten: nachdem der
Kaiser fast den ganzen September in Baden und Ilagenau ge-
weilt, gab er den Zug nach Köln plötzlich auf und befand sich
der Hof am 1. October in Esslingen, nahe der Schwelle Fran-
kens. Von Schwilbisch-Hall aus bat er dann am 6. October
den Brandenburger Kurfürsten um eine persönliche Zusammen-
kunft in Dinkelsbühl (für den 10. October), ,umb allerlei merk-
licher Sachen halben, die wir du* nit wol schreiben noch
verbotschaften mögen', mit ihm ,zu reden und zu handeln'. •
Es war — um die Reichshilfe hatte man genug geschrieben
und gehandelt — der Königswahl wegen.
Der Markgraf hat abgelehnt. ^ Er that es unter den ge-
wöhnlichen lebhaften Betheuerungen seiner Hilfebereitheit und
Ergebenheit; er machte dafür weitgehende Vorschläge, wie das
Reich auch sonst zur Hilfe gebracht werden könnte ; er schützte
die üblen Zustände des Reiches vor; er drang auf die Erfül-
lung seiner eigenen Wünsche:^ kein Wunder, dass es der Kaiser
damit jetzt und fernerhin nicht eilig hatte. Auf jene Vorschläge
gab er nicht einmal eine Antwort.^ Der Brandenburger zog
sich am selben Tage zurück, voll Verlegenheit und Erbitterung.''
^ Minutoli, Kaiserliches Buch 123.
' Ebeiidort 187. ,Auch mag die antwort, unserm herni kayser gegeben,
kein Anderes erleiden, nachdem wir uns abgeslahen haben, unsern willen
zu geben.* Albrecht am 13. Jänner 148G. A. a. O. 187. Dies kann,
wenn man dem Gang der Dinge folgt, aus vielen Gründen nur in Dinkels-
bühl geschehen sein.
3 Dazu die so willkommenen eingehenden Correspondenzen und Aufzeich-
nungen bei Miuutoli, Kaiserliches Buch 124 ff., die uns den Abgang ähn-
lichen Materials fllr die Verliandlungen mit den anderen Kurfürsten «u
sehr empfindlich machen, es freilich auch theilweise ersetzen.
* Ebeudort 125.
* Man vergleiche die Correspondenzen, besonders seinen Brief an seinen
Sohn Friedrich auf die (falsche) Meldung hin, er habe sich in des Kaisers
Dienst begeben, bei Minutoli, Kaiserliches Buch 135 — 137; ferner IGU
bis 161, 167—169.
Archiv. B4. TAXVT. Tl. Hfllftc. 30
598
Gewiss war auch dem Kaiser der Misserfolg empfindlich.
Aber er erhöhte nur seine Energie und Thätigkeit.* Nach
mehrfacher Verzögerung traf er die sächsischen Herzoge und
den Bischof von Bamberg am 20. October in des Bischofs Residenz.
Noch war man nicht nach allen Seiten orientirtj wie es mit den
Wahlaussichten stehe: es wurde daher zunächst ein Tag der
RmfÜrsten nach Würzburg für den 8. December in Aussicht
genommen. Darauf rief der Markgraf^ der bisher durch seinen
Sohn Friedrich am kaiserlichen Hoflager seine Angelegenheiten
betrieben und so wenigstens äusserlich gute Beziehungen zu
dem Kaiser gewahrt hatte, seinen Sohn zornig ab.^ Er suchte,
auch in der Wahlsache, Beziehungen mit Sachsen, Bamberg
und Mainz, freihch ohne Erfolg. ^ So hinfkUig er war, so dass
er sich ,ätzen, ti*agen und aufheben lassen' musste, wie ,ein
kleines Kind', er hielt fest in seiner Gegnerschaft. Aufs Schärfste
wies er den Kaiser zurück, der, eben mit dem Hinweise auf
Albrechts körperliches Befinden, ihm nahelegte, von Würzburg
fernzubleiben und einfach den dortigen Beschlüssen beizutreten.
Da haben wir, schreibt Friedrich, ,mit unsern Kurfürsten, die per-
sönlich zu uns kommen werden, allerlei allein, dabei wir und sie,
als Du selbst weist. Niemand ander gedulden mögen, zu handeln'.^
Niemand habe das Recht, erklärte hingegen Albrecht, ,ihn sei-
ner Stimme zu berauben' und ihm zuzumuthen, ,zu verwilli-
gen, dass andere für ihn antworteten'.^ Indem er des Kaisers
Absicht, ihn vom Würzburger Tage fernzuhalten, wohl merkte,
entschloss er sich, nun doppelt hinzuschicken, als Kurfürst —
dafür verschrieb er sich noch besonders Märkische Räthe ^ —
und als Füi'st zu Ansbach imd Nürnberger Burggraf.
> Vgl. die Beweise für Friedrichs angestrengteste Thätigkeit in den fränki-
schen und erbländischen Sachen, natürlich vor Allem in der Wahlange-
legenheit, in Verhandlungen und Correspondenzen, in den Berichten des
Markgrafen Friedrich an seinen Vater bei Minntoli, Elaiserliches Buch
155 ff., besonders 188.
2 Sein derber Brief, den Markgraf Friedrich dem Kaiser vorzulesen hatte,
bei Minutoli, Kaiserliches Buch 162 (vom 3. Nov.). Vgl. ebendort 148.
3 Minutoli, Kaiserliches Buch 163—164. Zu des Kaisers Besuch in Bam-
berg vergleiche man noch Lünig, Reichsarchiv XVII, 264 und beson-
ders Janssen, Frankfurter Heichscorrespondenz n, 411.
* Minutoli, Kaiserliches Buch 166.
* Ebendort 167.
ö Ebendort 161—162.
699
Aber der Markgraf strebte umsonst gegen den Strom. In
persönlicher Verhandlung mit dem sächsischen KurfUrsten, der
nun zu ihm nach Nürnberg gekommen war/ brachte der Kaiser
um Martini die Sache ins Reine. Dann erhob er sich (12. No-
vember) ^ zum Zuge nach Westen, zur Zusammenkunft mit
seinem Sohne. Noch sprach er, am 16. November, von Augs-
burg aus nur von dem Würzburger Tage, den er ,mit den
Churflirsten und ethchen Fürsten^ am achten Tage nach Maria Em-
pftlngniss — dahin wurde der Tag erstreckt — halten wolle,
aber voll gehobenen Selbstgefühles: er werde dort ,endHchen er-
lernen und verstehen, wer seine Sachen zu fördern oder
zu hindern geneigt sei^^ Unablässig mit den österreichischen
Dingen beschäftigt,* zog der Kaiser von Augsburg über NördHn-
gen und Kulsheim nach Aschaffenburg, wo er, am 27. November
anlangend, Kurfürst Berthold von Mainz begegnete und, nachdem
er nur einen Tag bei ihm auf dem Schlosse zu Steinheim ver-
weilt, eilig weiter über Frankfurt und Wiesbaden nach Köln.^
Der Erzherzog war in Aachen, dem Orte der Begegnung,
noch nicht eingetroffen, auch, seiner niederländischen Angelegen-
heiten wegen, sein Nahen nicht in den nächsten Tagen zu er-
warten. Aber das brachte keine Störung mehr. Des Einver-
ständnisses mit fünf Kurfürsten versichert, hatte der Kaiser
schon zu Beginn December'' die Verlegung des Kurfürstentages
* Minutoli, Kaiserliches Buch 172. Spalatin's Meldung von dem Verdienste
Herzog Emsts um die Wahl Maximilians (bei Mencke II, 1095) scheint
mir völlig berechtigt.
2 Ebendort 168. Vgl. Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz II, 412.
3 Ebendort 169-170.
* Man vergleiche Chmel, Regesten H, 721, Nr. 7782—7785, 7788.
* Hier ist der Kaiser am 12. December (Janssen, Frankfurts Reichscorre-
spondenz II, 412) und urkundet er am 15. December (Chmel, Regeston
II, 722, Nr. 7791). Dass der Kaiser die nicht unwichtigen Forderungen
des Mainzers fdr seine »Stimme nicht erst jetzt während des eintägigen
Aufenthaltes verhandelte und guthiess, sondern dass dies früher, und zwar
wohl unter Mitwirkung Maximilians geschehen war, liegt auf der Hand
und wurde oben angedeutet, lieber des Kaisers Zug und die Daten ver-
gleiche ausser Chmel, Regesten U, 722 noch Janssen, Frankfurts Reichs-
corraspondenz H, 412 — 413.
•"» Sein Schreiben vom 2. December an Markgraf Albrecht bei Minutoli,
Kaiserliches Buch 171—172. Kurfürst Berthold von Mainz hatte am
30. November nach Ansbach blos gemeldet, dass für den Würzburger Tag
die Zeit zu kurz werden dürfte.
39*
600
nach Fraukiiirt verkündet, sich die Benennung des Termines
zanaehst noch vorbehaltend. & begründete die Veri^rung mit
der Absicht, seinen Sohn Erzherzog Maximilian mit sich nach
Frankfurt zu brinfren.^ Schon um die Mitte December Hessen
dann aber der Pfalzgraf und Erzherzc^ Maximilian in Frank-
furt um Herbei^ ansuchen und daran ihre Wappen anschlagen.*
Berthold von Mainz folgte am 17. December nach, etwas später
Brandenburg, dann Trier und Sachsen.
Was noch zu melden bleibt, bildet die naturgemässe Durch-
führung all des, was die habsburgische Politik auf mühsamem
Wege von da und dort zusammenwirkend begonnen hatte. Audi
wir vermögen nun, auf reichlicheres oder doch weniger sprödes
Quellenmateriale gestützt, die Einsicht in die Dinge leichtor
zu gewinnen.
Auf die Kunde vom Nahen des Sohnes erhob sich der
Kaiser mit Hermann von Köln und anderen Fürsten unverweilt
zur Fahrt nach Aachen, wo er am 21. December eintraf. Am an-
dem Morgen war auch der Elrzherzog zur Stelle, Tom Vater,
der ihn seit den Tagen seiner Brautfahrt 1^1477) nicht wieder-
gesehen hatte, und den Fürsten eingeholt und be willkommt ^
r>hne viel Verhandlungen'' — es war ja zwischen Vater und
Sohn in der Wahlangelegenheit offenbar längst die Hauptsache
geordnet und im Uebrigen Maximilian gewiss bereit, die Wünsche
des Kaisers zu berücksichtigen — verflossen die ersten Tage
des Beisammenseins, der Erzherzog und die Fürsten in freund-
schafüichem Verkehre sich gegenseitig bewirthend, der alte Kaiser
* Auch ibv* weiss der Mainzer schon am 30. November, sowie er offenbar
mit «lern Kaiser in volHnrom Einverständnisse ist. L'm so zurückhaltender
ist er Albrecht von Brandenburg: penenuber. Vjrl. Minutoli, Kaiserliches
Huch 173, 176— 177.
- So hätte Ulmann bei Minutoli, Kaiserliches Buch 177 tiudeu k«5uiien,
wenn er diese wichtigste Actensammlunjr fiir diese Dingt? nur halbwegs
genau durchgesehen hätte. Er kennt nur die zweite Ansa^ Maximilians
mit dem vergrösserten Gefolge von 7<H) Pferden bei Janssen, Frankfurts
Keichscorrespondenz II, 413.
3 Ludwig von Paradies, der am IH. December an die Frankfurter schreibt,
sagt aus<lrücklich, wann der Kaiser nach Aachen gehe, sei noch nicht
offenbar.
* Bericht Evolt« von Lichtenstein vom 27. December bei Minutoli, Kaiser-
liche« Buch !»()— 181.
^ Evolt sagt dies ausdriicklich.
601
auf sich zurückgezogen, mit dem Besuche der Heilthümer der
Krönungsstadt, wie er gelobt hatte, beschäftigt. Auch so wahrte
man durchaus die Form:* am Christtage, in feierlichem Em-
pfange Hess der Kaiser dem Erzherzoge die Absicht seines
Kommens mittheilen und lud wiederum Maximilian nach ge-
ziemendem Danke den Vater, der in langen Jahren zum ersten
Male an die Schwelle seiner burgundischen Lande gelangt war,
ein, die Provinzen zu besuchen, den Enkel zu sehen. Es hiess
höfischer Sitte Rechnung tragen, solche Einladung nicht sofort ab-
zulehnen. Erst am andern Tage geschah dies, mit der Zusage
an den Erzherzog, der Kaiser sei ,wol gewillt', ein andermal
,seinen Sohn und sein Land zu besichtigen'; jetzt mahne des
Reiches und des Hauses Oesterreich Nothdurft zum Zuge ins
Reich. Noch am selben Nachmittage vereinbarten der Erz-
herzog und Hermann von Köln das Einzelne mit dem Kaiser,
die gemeinsame Fahrt nach Frankfurt, den Termin des Kur-
fllrstentages (20. Jänner) und die Weise der Ladungen an die
Fürsten. Bereits Dienstag den 27. ^vurden die Botschaften an
die Ftirstenhöfe ausgefertigt.^
Beide Habsburger weilten dann die ganze erste Hälfte
des Jänner miteinander in Köln,^ nicht freiwillig, sondern
verhindert von dem vollströmenden Rhein, der die beabsichtigte
Wasserfahrt nach Frankfurt von Tag zu Tag verhinderte.^
Man nützte die Zeit, um die Kurfürsten durch die Verbriefung
der mit ihnen getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der Wahl
des Erzherzogs definitiv zu binden. Am selben Tage (9. Jänner
1486) unterzeichnete Maximilian den Brief für den Kurcrzkanzler
Erzbischof Berthold, der ihm des Reiches Recht auf ,das gol-
dene Mainz^ übertrug, falls der Erzherzog römischer König werde
oder sonst zur Regierung des Reiches komme, und ihm eine
alte Schuldsumme an den Kaiser aus den Tagen Erzbischof
J Die Deductionen Ulmann's daraus (S. 144) will ich hier nur im Allge-
meinen als unstichhältig bezeichnen.
2 Minutoli 182—184; die Fahrt selbst (vgl. S. 600) war längst beschlossen.
3 Der Aufbruch von Aachen war auf den 29. Decembor festgestellt (Minu-
toli 182), scheint aber um einige Tage verschoben worden zu sein, da der
Kaiser am 13. Jänner schreibt, er weile nun zehn Tage in Kr>ln, und da
ein Aufenthalt unterwegs unwahrscheinlich ist. Janssen, Frankfurts Reichs-
correspondenz II, 414, Nr. 602.
* Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz II, 414.
602
Adolfs erliess^ auch seine Kanzlerrechte im vollen Umfange aner-
kannte u. 8. w./ und erlangte Hermann von Köln seinen wich-
tigen Gnadenbrief fiir ,dic hohe Freundschaft und die nützlichen
Dienste', die dem Erzherzoge jetzt zu ,höhern und mehrem
Stand dienend Maximilian verpflichtet sich darin einmal, als
Herzog von Burgund, dem Erzbischofe in jeder Fehde mit sei-
nen Nachbarn von Berg und Cleve dann der Stadt Köln mit
Land und Leuten auf eigene Kosten zu helfen und niemals die
einst von Erzbischof Ruprecht an Herzog Karl den KUhnen
und seine Nachkommen rechtswidrig übertragene Erbvogtei über
die Kölner Kirche mit den dazu gehörigen Verschreibungen in
Anspruch zu nehmen, anderseits Hermann im Falle seiner Wahl
zum römischen Könige alle Privilegien seiner Kirche u. s/w.
zu bestätigen. 2 Natürlich fehlte es entsprechend der Sitte der
Zeit 3 auch nicht an reichen Ehrungen^ für die einflussreichsten
Räthe der beiden Kirchenftirsten.
Längst war Max auch wie wir wissen mit dem Pfalz-
grafen übereingekommen. Nach den Verhandlungen, die es
darüber gab, den Forderungen, welche der PfUlzer hinterher
erhob, müssen wir schliessen, dass es sich um die Elsässer Land-
vogtei oder doch deren Einkünfte handelte und dass der Kaiser,
seinerseits wenigstens zu dem Abkommen den Willen auch jetzt
versagend, es Maximilian überliess, eine Ausgleichung mit Kur-
fürst Philipp zu finden.'^ Völlig imbekannt ist dagegen, was
Sachsen und Trier bewilligt erhielten. Ihre enge Verwandt-
schaft mit dem Habsburger Hause hat aber offenbar die Ver-
ständigung unschwer finden lassen.^
* Ulmann 145 und Anm. 4.
2 Lacomblet, Urkundenbuch IV, 535.
^ So liatte es auch jonor Brief als selbstverständlich bezeichnet.
* So erhielt der Kölner Landhofmeister Hans von Dörnberg 333372 r^®*"
nische Gulden, wohl nur sein Antheil an 10.000 Gulden burgundischou
Geldes, in die er sich mit zwei anderen kölnischen Käthen theiltc. Ver-
gleiche Ulmann 141.
^ Ich weiss sonst darüber nur zu sagen, was Ulmann 141, Text und Anm.
2, 3, 4 bringt.
^ Dass CS irrig ist, was Ulmann 145 behauptet, Sachsen habe sich ,in der
letzten Zeit beflissen*, »sich auf einer Linie mit dem Brandenburger zu
halten*, ergibt sich schon aus der vorhergehenden Darstellung. Ausser
der Verschreibung auf Jülich-Berg raöchfo ich noch die Zusage einer
Stollvertretung des gewählten römischen Königs im Reiche durch Herzog
Albrecht in Erinnening bringen.
603
Und Brandenburg und Böhmen?
Dem alten Markgrafen war, trotzdem er bekanntlich in
die geheimen Wege der burgundisehen Wahlpolitik frühzeitig
Einsicht erlangt hatte, die Erfahrung nicht erspart geblieben,
dass er sie zu kreuzen ausser Stande sei. Gefragt zwar
hatte man ihn, als er sich aber versagt, liess man ihn bei
Seite. Erst als Alles richtig war, wurde auch er zur Theil-
nahme eingeladen, ihm aber zugleich ein lockender Preis fUr
seine Unterstützung der Wahl in Aussicht gestellt, so für den
Sinneswandel die goldene Brücke gebaut. Was sollte Albrecht
thun? Er hatte umsonst an der Erneuerung der kurfiirstlichen
Einung gearbeitet und besonders für den Würzburger Tag ver-
gebens Fühlung mit Sachsen und Mainz gesucht; ^ er hatte
ebenso umsonst bei Mainz wegen einer persönlichtin Beredung
zugleich mit Bamberg geworben, als der Frankfurter Tag an-
gekündigt war.2 Nun fligte auch er sich: am 12. Jänner 1486
geschah in Ansbach die notarielle Bestätigung einer Erklärung,
in der Markgräfin Ursula, Albrechts Tochter, dem Vater ganze
Vollmacht ertheilte, ihre Vermählung mit Maximilian von Oester-
reich zu bereden und festzusetzen. ^ Mit dem Eifer des Neu-
bekehrten hat dann der greise Kui'fÜrst die Königswahl und
Reichshilfe in Frankfurt zu fördern gesti'cbt.
Mit Böhmen aber wurde ein Ein verstau dniss überhaupt
nicht gewonnen, da man es zur Wahl nicht lud, und es auch
an derselben, obwohl böhmisch-polnische Käthe * mit dem Bran-
denburger Kurfürsten aus Ansbach nach Frankfurt herüber-
gekommen waren, keinen Antheil gewann. Die Kurfürsten
haben sich später damit entschuldigt, dass nach Frankfurt erst
nur ein Fürstentag, nicht ein Wahltag angesagt war, dass man
sich plötzUch, während der Berathungen, der Noth dürft des
Reiches wegen für die Erhebung Maximilians von Oesterreich
entschieden habe und es dann nicht weiter möglich war, Böh-
men zu laden. ^
1 Die bezüglichen Acten bei Miuutoli, Kaiserliches Buch 163 — 166.
2 Ebendort 174—177, 179—180.
3 Ulmann 145.
* Vgl. Minutoli, Kaiserliches Buch 176 im Zusammenhalte mit Janssen,
Frankfurts Reichscorrespondenz n, 428. Damit entfällt aber auch jene
Beschuldigung Ulmann's gegen Fugger (Forschungen XXII, 135, Anm. 5).
<^ Vgl. Minutoli, Kaiserliches Buch 248 und 267.
604
Wie wenig dies richtig ist, erweist die vorhergehende
Darstellung. Der Grund liegt eben ganz wo anders. Seit 1471
gab es nicht blos zwei Könige von Böhmen, sondern beide
waren — das ist freilich Ulmann ganz unbekannt* — vom
Kaiser belehnte Könige.^ Wen sollte man da zur Ausübung
des böhmischen Wahlrechtes laden? BeideV dann war auch
der Ungar, des Kaisers Todfeind, in die Sache gezogen! Das
war den Habsburgern, die ja die Wahlangelegenheit beherrschten,
unerträgHch. Einen, etwa den König Wladislaw von Böhmen?
Dann gewannen die Kurftirsten an dem Ungarkönig, den man
damit tödtlich beleidigte, einen mächtigen rücksichtslosen
Feind: Brandenburg und Sachsen, die an Mathias angrenzten,
mögen dies mit allen Mitteln bekämpft haben. So blieb nur
der dritte Weg übrig: keinen von beiden zu laden, und sich
hinterher mit dem Drange der Umstände zu entschuldigen.
Da es sich nicht um eine Wahl bei Erledigung des Reiches,
sondern um die Erhebung eines römischen Königs mit Zustim-
mung und auf Veranlassung des Reichsoberhauptes handelte,
so war ja ,die goldene Bulle^ diesmal ,nicht in Uebung^^ Von
den aufstossenden Mängeln vermochte der Kaiser zu dispen-
siren, wie es auch wirklich geschah. So ward die Wahl Maxi-
milians eine zweifellos giltige. ^
Sie ist auf die Präsentation und in Gegenwart des Kaisers
am 16. Februar 1486 in Frankfurt an üblicher Stätte vollzogen
worden, — unter jenen Voraussetzungen und directen Zusagen
seitens des Kaisers, der Wähler und des Gewählten, die sich
uns als Grund und Zweck der Wahl ergaben.
* Er sagt S. 149: »Kurftirst des Reiches konute doch nur der vom Kaiser
belehnte, im Besitze des Kurhindes befindliclie König Wladislaw von
Böhmen, der Jagiellone, sein/
^ lieber die Belehnung des Königs Mathias spricht sich der Korneuburger
Vertrag vom 1. December 1477 aus. Vgl. Climol, Monum. Habsburg.
I, 2, 119 — 122. Ebendort 124—126 der Huldigungsrevers des Königs
Mathias von Ungarn als König von Böhmen.
3 Mit den bezüglichen Ausführungen Ulmann's (S. 150 — 152) befinde ich
mich in völliger Uebereinstimmung.
* lieber die Beschwerden Böhmens und Ungarns und eine französische
Intriguo s. Ulmann 153 ff. Weiteres über die Wahl in meiner Reichs-
geschichte, Bd. II.
'- Vgl. Ulmann S. 144.
605
Es hat aber demnach — um noch einmal zusammenzu-
fassen • — der Kaiser von Haus aus der Wahl seines Sohnes
nicht Mriderstrebt, sondern sie herbeizuführen gewünscht, frei-
lich zur rechten Zeit und unter günstigen Umständen, — er
hat sie nicht erst ,ganz seit Ende 1485^, sondern lange zuvor
gebilligt und seit dem Sommer 1485 geradezu persönlich be-
trieben, — es hat nicht Maximilian allein den Kurfürsten den
Preis gezahlt, sondern mehr noch Kaiser und Reich, — und
ist endlich, was den , Aufwand an« kleinen Mitteln der Be-
stechung^ betriflft, denn doch die Wahl Maximilians I. hinter
sehr vielen anderen zurückgeblieben.
Ausgegeben am 14. October 1890.
.1
J
1
«
1
3 blD5 aai 323 ^K
STANFORD UNIVERSmr UBB
Stanford, California