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Full text of "Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst"

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ARCHIV 


für  FRANKFURTS  GESCHICHTE  und  KUNST, 


Dritte  Folge.  Bd.  IX. 

M i 


ARCHIV 

FÜR 

FRANKFURTS  GESCHICHTE 

UND 

KUNST, 

Dritte  Folge. 

Herausgegeben 

von  dem 

Vereine  für  Geschichte  und  Altertumskunde 

ZU 

Frankfurt  am  IVtain. 

Neunter  Band. 

Mit  einer  Tafel. 

- - 


FRANKFURT  a.  NI. 

K.  TH.  VÖLCKER’S  VERLAG. 
1907. 


Druckerei  von  August  Osterrieth  in  Frankfurt  a.  M. 


ausgeschieden 


Stadtarchiv 

Frankfurt  a„  M» 


Unseren  Mitgliedern 


zum 

fünfzigjährigen  Jubilaeum  des  Vereins 


am  30.  Oktober  1907 


gewidmet. 


Inhalt. 


Seite 


I.  Prof.  Dr.  A.  Riese,  Rückblick  auf  die  Entstehung  und  Ent¬ 
wickelung  des  Vereins  für  Geschichte  und  Altertumskunde 
in  Frankfurt  a.  M.  1857  — 1907  (abgeschlossen  Ende  1906). 

Mit  einem  Verzeichnis  der  vom  Verein  veröffentlichten 

Schriften.  S.  25 .  1  V 

II.  Dr.  R.  Jung,  Frankfurter  Hochschulpläne  1384 — 1866.  Mit 

Nachtrag  S.  403 . 35 

III.  Dr.  F.  Schrod,  Zur  Geschichte  der  Deutschordens-Komturei 

Sachsenhausen  bis  zur  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts .  .  93 

IV.  Lic.  K.  Euler,  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  der  Stadt 

Frankfurt  a.  M.  Erster  Teil.  I.  Die  Bornheimer  Eingabe 
1523  —  1524;  II.  Zur  Vorgeschichte  des  Zünfteaufstandes 


von  1525 . 157 

V.  Prof.  Dr.  I.  Kracauer,  Frankfurt  und  die  französische  Re¬ 
volution  1789 — j  792 . 21 1 

VI.  Dr.  R.  Jung,  Aktenstücke  über  die  Besitzergreifung  der 

Reichsstadt  Frankfurt  a.  M.  durch  den  Fürsten  Primas 
am  9.  Sept.  1806 . 298 

VII.  Dr.  F.  Bothe,  Das  Testament  des  Frankfurter  Grosskaufmanns 

Jakob  Heller  vom  Jahre  1519.  Mit  einer  Tafel  .  .  .  339 

Geschäftliche  Mitteilungen. 

I.  Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins  im  Jahre  1905  III 

II.  Rechnungsabschluss  für  das  Jahr  1905 .  XI 

III.  Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins  im  Jahre  1906  XV 

IV.  Rechnungsabschluss  für  das  Jahr  1906 . XXIII 

V.  Verzeichnis  der  Mitglieder  des  Vereins . XXVII 

VI.  Verzeichnis  der  ipit  dem  Vereine  in  Schriftenaustausch 

stehenden  Vereine  etc . XXXV 


I. 


Rückblick 


auf  die 

Entstehung  und  Entwiekelung  des  Vereins 
für  Geschichte  und  Altertumskunde 

in 

Frankfurt  am  Main 
1857—1907. 


Von 

Professor  DR-  A.  RIESE. 


I. 


Der  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde,  der  in 
diesem  Jahre  auf  ein  halbes  Jahrhundert  zurückblickt,  hat  während 
dieses  Zeitraums  eine  äussere  und  innere  Entwickelung  durchlebt, 
deren  Darstellung  in  diesem  bedeutsamen  Zeitpunkt  seinen  Freunden 
willkommen  sein  wird.  Schon  seine  Gründung  im  Jahre  1857  stellt 
sich  als  eine  Entwickelung  bereits  vorhandener  Keime  dar.  Hat  es  doch 
in  Frankfurt  auch  früher  nicht  an  solchen  Freunden  der  allgemeinen 
und  der  vaterstädtischen  Geschichte  gefehlt,  die  den  Wert  vereinter 
Kräfte  zu  schätzen  wussten.  Als  J.  C.  von  Fichard  1811 — 1815  das 
»Frankfurtische  Archiv  für  ältere  deutsche  Fiteratur  und  Geschichte« 
herausgab,  wurde  er  von  gelehrten  Freunden  unterstützt,  und  1828 
tat  sich  eine  Gesellschaft  literarischer  Männer  zur  Herausgabe  der 
»Wetteravia«  mit  ihm  bis  zu  seinem  baldigen  Tode  zusammen. 
Während  die  durch  den  Freiherrn  von  Stein  hier  1819  gegründete 
Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  Frankfurt  bald  ver- 
liess,  verdient  um  so  mehr  an  dieser  Stelle  Erwähnung  die  1837  hier 
gestiftete  »Gesellschaft  für  Frankfurts  Geschichte  und 
Kunst«,  die  von  Bürgermeister  Thomas,  Major  von  Radowitz, 
dem  Rafaelforscher  Inspektor  Passavant ,  dem  jungen  Advokaten 
Dr.  Euler  u.  a.  begründet  wurde,  und  deren  tüchtige  Feistungen 
in  den  acht  Heften  ihres  »Archivs  für  Frankfurts  Geschichte  und 
Kunst«  (1839  bis  1858)  vorliegen,  die  die  geschichtliche  Kenntnis 
nicht  unwesentlich  förderten.  Beider  starb  Thomas,  der  das  belebende, 
anregende  Element  dieses  Kreises  war,  unerwartet  früh  1838,  und 
anstatt  zu  einer  Vereinigung  in  gegenseitiger  Aussprache  und  För¬ 
derung  kam  es  nur,  und  auch  dies  nur  selten,  zu  vornehm-steifen 
Sitzungen  mit  Vorträgen,  aber  ohne  Diskussion.  Als  Sekretär  der 
Gesellschaft  fungierte  seit  1847  bis  zu  ihrem  Ende  Dr.  F.  H.  Euler. 

Allmählich  schienen  sich  die  Verhältnisse  für  gemeinsame 
Tätigkeit  im  allgemeinen  günstiger  zu  gestalten.  Im  Jahre  1852 
fand  eine  schon  1846  angebahnte  Vereinigung  der  historischen  Ver¬ 
eine  Deutschlands  in  Versammlungen  zu  Dresden  und  Mainz  ihren 
Ausdruck:  die  Gründung  des  Germanischen  Museums  in  Nürnberg, 

3* 


4 


des  Römisch-germanischen  Zentralmuseums  in  Mainz,  des  Gesamt¬ 
vereins  der  deutschen  Geschichtsvereine  legte  von  dieser  auf 
Zusammenschluss  gerichteten  Tendenz  im  grösseren  Stile  Zeugnis 
ab;  für  unsere  Stadt,  aus  der  die  Mainzer  Versammlung  zahlreichen 
Besuch  hatte,  spiegelt  sie  sich  darin  ab,  dass  die  Gesellschaft  von 
1853  an  rr‘it  den  Nachbarvereinen  in  Darmstadt,  Mainz,  Wiesbaden 
und  Cassel  zu  engerem  Verkehr  und  gemeinsamer  Herausgabe  der 
»Periodischen  Blätter«  sich  verband. 

Gelang  es  dieser  etwas  exklusiven  Gesellschaft  nicht,  zu  all¬ 
gemeinerer  Teilnahme  an  ihrer  nur  in  den  Veröffentlichungen  sich 
zeigenden  Tätigkeit  anzuregen,  so  kam  von  einer  ganz  anderen 
Seite  her  ein  neuer  Antrieb.  Noch  waren  die  Nachklänge  der  Zeit 
der  Romantik  nicht  verklungen;  ihre  schwärmerische  Begeisterung 
für  eine  edle,  grosse  Vergangenheit  des  deutschen  Volks  und  Reiches 
lebte  noch  und  übte  gerade  in  dem  Jahrzehnt  der  nach  der  Erhebung 
von  1848  eingetretenen  Depression  der  Gegenwart  auf  Viele  eine 
besondere  Anziehungskraft  aus.  Dies  ist  der  Geist,  der  auch  die 
Begründung  unseres  Vereines  veranlasste,  und  den  wir  nicht  besser 
darstellen  zu  können  glauben,  als  dadurch,  dass  wir  die  Einleitung 
seiner  ersten  »Mitteilungen«  in  nur  wenig  abgekürzter  Form  hier 
zum  Abdruck  bringen.  Sie  lautet : 

»Wie  abwärts  im  deutschen  Vaterlande,  so  musste  auch  in 
unsrer  Stadt,  deren  Geschichte  durch  die  grossartigen  Akte 
nationaler  Einigung  mit  der  Geschichte  des  deutschen  Reiches  so 
eng  verzweigt  ist,  das  erhöhte  Gefühl  für  des  Vaterlandes  oft  so 
glanzvolle  Vergangenheit  den  Blick  zur  Betrachtung  ihrer  Geschichte 
und  zur  Würdigung  und  Werthschätzung  ihrer  oft  lange  missachteten 
Denkmäler  und  Reste  jeder  Art  zurückwenden  lassen.  Gewiss  aber 
hat  an  dieser  erneuten  Betrachtung  der  Vorzeit  und  ihrer  grossen 
Persönlichkeiten,  an  dieser  Erforschung  und  Ausbeutung  ihrer  Be¬ 
gebnisse  und  Denkmäler,  an  dieser  Sammlung,  Bewahrung  und 
Erneuerung  ihrer  Ueberreste,  das  mehr  oder  weniger  dunkle  Gefühl 
der  eignen  Unzulänglichkeit,  des  Mangels  an  grossartig-politischem 
Leben  und  an  wahrhaft  grossen  Männern  und  Charakteren  ebenso 
viel  Antheil,  als  das  Interesse,  durch  Ergründung  und  Verfolgung 
der  in  die  Vergangenheit  zurückleitenden  Fäden  und  Wurzeln  aller 
Richtungen  unseres  modernen  Lebens  den  wahren  und  inneren 
Zusammenhang  unserer  gesammten  Culturzustände  in  einem  orga¬ 
nischen  Entwicklungsprozesse  zu  überschauen.  Aber  nicht  minder 
hoch  als  diese  Erschliessung  eines  allseitigen  richtigenVerständnisses 
unsrer  ganzen  Bildungsgeschichte  ist  der  geistige  und  moralische 


5 


Gewinn  anzuschlagen,  welchen  Geschichte  und  Alterthumskunde 
selbst  für  das  moderne  Leben  vermitteln.  Die  Betrachtung  einer 
insbesondere  thatkräftigen,  charaktervollen,  kernhaften,  von  scharf 
umrissenen  Persönlichkeiten  belebten  Vorzeit,  ihres  in  stetigeren 
und  ausgeprägteren  Formen  sich  bewegenden  politischen  und 
sozialen  Lebens,  ihrer  Sitten  und  Gebräuche,  ihres  Glaubens  und 
Dichtens,  kann  nicht  verfehlen  einen  erfrischenden  und  erhebenden 
Einfluss  auf  alle  bürgerlichen  Tugenden  auszuüben  und  insbesondere 
die  Liebe  zum  Vaterlande  zu  beleben  und  zu  stärken,  den  Gemein¬ 
sinn  zu  befördern,  der  selbstsüchtigen  Zersplitterung  der  Kräfte  zu 
steuern  und  überhaupt  das  Geistesleben  vor  der  erstickenden  Ueber- 
wucherung  des  Materiellen  mitzuschützen.  Von  dieser  Auffassung 
des  wohlthätigen  Einflusses  der  Alterthumsstudien  auf  das  Leben 
und  von  der  Ueberzeugung  geleitet,  dass  es  vorerst  nur,  nach  Art 
verwandter  Kunstbestrebungen,  darauf  ankäme,  durch  Vereinigung 
und  permanente  Ausstellung  alterthümlicher  Gegenstände,  ins¬ 
besondere  aus  der  vaterstädtischen  Vergangenheit,  den  Sinn  für 
deren  Schicksale  und  hervorragende  Persönlichkeiten  zu  pflegen 
und  zu  verbreiten:  traten  im  Oktober  1856 1  eine  Anzahl  Männer 
dahier  in  fortgesetzten  Berathungen  zur  Gründung  eines  solchen 
Institutes  zusammen,  indem  sie  ihre  Grundsätze  und  Anschauungen 
in  den  »Gedanken  über  eine  Ergänzung  der  hiesigen 
Anstalten  und  Vereine  für  Geschichte  und  Kunst«2 
niederlegten  und  im  März  des  Jahres  1857  Gleichstrebenden  zu 
geneigter  Rücksichtnahme  und  Förderung,  zugleich  mit  der  Ein¬ 
ladung  zu  einer  näheren  Besprechung  auf  den  14.  März  (1857)  vor¬ 
legten,  in  welcher  sich  der  erweiterte  Kreis  der  Theilnehmer  nicht 
nur  zu  einem  förmlichen  Comite  constituirte,  sondern  auch  aus 
sich  einen  Ausschuss  von  10  Männern  bestellte,  dem  zugleich  die 
ferneren  Schritte  zur  Gründung  eines  förmlichen  Vereins,  sowie  zur 
Entwerfung  von  Statuten  übertragen  wurden.  Denn  wiewohl  man 
im  Monate  Mai,  dem  ursprünglichen  Plan  entsprechend,  einen 
öffentlichen  Aufruf  an  die  Besitzer  alterthümlicher  Gegenstände  zur 
Begründung  einer  Ausstellung  und  eines  Museums  von  Alterthümern 


1  Die  erste  protokollierte  Sitzung  fand  am  18.  Oktober  1856  in  dem  Osterrieth- 
schen  Hause  Rossmarkt  Litt.  E  No.  41  =  No.  18  in  Anwesenheit  der  Herren  E.  von  der 
Launitz,  Dr.  Euler,  H.  vonMeyer,  C.  Th.  Reiffenstein,  Dr.  E.  Harnier,  Gerhard  Malss  jun., 
Moritz  Gontard  und  A.  H.  Osterrieth  Vater  statt.  Und  zwar  beginnt  das  Protokoll 
mit  folgenden  Worten:  »Auf  die  Ansprache  von  A.  H.  Osterrieth,  ob  beliebt  würde, 
dass  ein  Verein  zur  Erhaltung  von  Monumenten  deutscher  Cultur- 
geschichte  gegründet  werde,  wurde  einstimmig  beschlossen,  das  Vorhaben  in 
Ausführung  zu  bringen.« 

2  Sie  sind  verfasst  von  Fiskal  Dr.  jur.  A.  Burkard. 


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mittelst  Schenkung  oder  zeitweiliger  Abgabe  derselben  erlassen 
hatte,  so  fühlte  man  doch  zu  wohl,  dass  ohne  die  Gründung  eines 
besonderen,  durch  persönlichen  Meinungsaustausch  der  Alterthums¬ 
freunde  und  durch  wissenschaftliche  literarische  Arbeiten  die  zur 
Anschauung  gebrachten  Antiquitäten  belebenden,  Vereines  dem 
angestrebten  Ziele  die  wahre  Grundlage  fehlen  würde.  Daher  wurde 
in  den  Comitesitzungen  vom  26.  Juni  und  13.  Juli  die  Gründung 
eines  Vereins  zu  entscheidendem  Abschluss  gebracht,  der  vorgelegte 
Statutenentwurf  genehmigt  und  der  endgültigen  Beschlussnahme 
einer  Generalversammlung  Vorbehalten,  die  Ansammlung  von  Unter¬ 
schriften  ins  Werk  gesetzt,  die  Verschmelzung  mit  dem  dahier 
bestehenden  Vereine  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  sowie 
die  Fortsetzung  des  von  Letzterem  seither  mit  so  schönem  Erfolge 
herausgegebenen  »Archivs«  in  Aussicht  genommen,  zugleich  auch 
die  Einrichtung  grösserer  und  kleinerer  Versammlungen  zum  Behufe 
des  Austausches  und  der  Veröffentlichung  historisch-antiquarischer 
Mittheilungen  und  Arbeiten  und  zur  Anregung  und  Belebung  des 
Sinnes  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  in  erster  Linie  als 
Zweck  und  Ziel  des  Vereines  hingestellt,  dem  sich  in  zweiter 
Linie  dann  die  Ausstellung,  beziehungsweise  die  Gründung  eines 
Vereinsmuseums  von  Alterthümern  in  Originalien  oder  deren  Nach¬ 
bildungen  anreihen  würde.  Nachdem  inzwischen  etwa  170  Personen 
ihren  eventuellen  Beitritt  zu  dem  Verein  erklärt  hatten,  wurde  in 
der  Comitesitzung  vom  9.  Oktober  die  Berufung  einer  General¬ 
versammlung  zur  förmlichen  Constituirung  des  Vereins  beschlossen, 
wobei,  unbeschadet  freier  Wahl,  zur  Besetzung  des  definitiven 
Vorstandes  7  Mitglieder  in  doppelter  Anzahl  durch  das  Comite 
vorgeschlagen  werden  sollten. 

Mit  dieser  Uebersicht  der  Thätigkeit  des  provisorischen 
Comites  und  der  verschiedenen  Zwecke  und  Ziele  des  zu  gründenden 
Vereins  eröffnete  Herr  A.  H.  Osterrieth,  einer  der  Mitbegründer 
des  Vereins,  die  auf  Freitag  30.  Oktober  berufene  Generalver¬ 
sammlung.« 

In  dieser  ebenfalls  im  Hause  Rossmarkt  18  abgehaltenen  kon¬ 
stituierenden  Versammlung  wurden  die  den  Burkard’schen  »Gedanken« 
entsprechenden  Satzungen  des  Vereins  festgestellt,  deren  Artikel  1 
seinen  Zweck  so  bestimmt : 

»1.  Förderung  der  historischen  Wissenschaften  im  Allgemeinen 
durch  Sammlung  solcher  Erzeugnisse  der  Vergangenheit,  welche 
eine  unmittelbare  Anschauung  gewähren. 

2.  Förderung  der  Kenntnis  der  Geschichte  der  Vaterstadt  im 
weitesten  Sinne  des  Wortes  durch  Sammlung  des  historischen 


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Materials  sowohl  aus  dem  Gebiete  der  Literatur  als  der  bildenden 
Künste  und  Handwerke,  durch  möglichste  Fürsorge  für  die  Erhaltung 
der  noch  vorhandenen  Denkmäler  der  Vergangenheit,  und  durch 
Anregung  oder  Unterstützung  wissenschaftlicher  Arbeiten  für  die 
Geschichte  Frankfurts. 

3.  Veranstaltung  von  zeitweiligen  Ausstellungen  hier  befind¬ 
licher  oder  später  hierher  gelangender  Altertümer,  welchem  Volke 
oder  Zeitalter  sie  angehören  mögen. 

4.  Weckung  und  Belebung  des  Sinnes  für  Geschichte  und 
Altertum  durch  Mitteilungen,  Abhandlungen  und  Vorträge  in  Ver¬ 
sammlungen  oder  im  Druck«. 

Artikel  6  besagt:  »Der  Verein  wird  mit  verwandten  Vereinen, 
besonders  mit  den  nachbarlichen,  in  Verkehr  treten«. 

In  derselben  Versammlung  begannen  auch  die  Vereinsvorträge 
und  wurde  der  aus  7  Mitgliedern  bestehende  Vorstand  gewählt,  der 
dann  aus  seiner  Mitte  die  Herren  Advokat  Dr.  jur.  Ludwig 
Heinrich  Euler  zum  Vorsitzenden  »Direktor«,  Prof.  Dr.  Jakob 
Becker  zum  Schriftführer,  A.  H.  Osterrieth  zum  Kassier,  Maler  C.  Th. 
Reiffenstein  zum  Konservator  bestimmte.  Wenige  Wochen  später 
wurde  die  schon  länger  geplante  Verschmelzung  mit  dem  älteren 
Vereine  vollzogen  und  im  Juni  1858  bei  Herausgabe  des  letzten 
(achten)  Archivheftes  bekannt  gemacht.  Die  Fortsetzung  der  alten 
Gesellschaft  durch  den  neuen  Verein  mit  erweiterter  Grundlage  wurde 
durch  die  Person  des  Leiters  der  beiden  Vereinigungen,  des  Dr.  Euler, 
und  durch  die  Übernahme  des  Titels  für  die  Hauptveröffentlichung 
»Archiv  für  Frankfurts  G eschichte  und  Kunst«,  innerlich  und 
äusserlich  dargetan. 

Die  Tätigkeit  des  Vereins  gliederte  sich  nun  in  zwei  Teile. 
Osterrieth  wollte,  wie  schon  gesagt,  durch  Anschauung  Interesse 
erwecken  und  betrieb  deshalb  die  Begründung  einer  Sammlung. 
Er  stand  —  und  mit  ihm  andere  —  darin  in  Einklang  mit  Dr.  Burkard’s 
oben  besprochenen  »Gedanken«.  Diese  Sammlung  sollte,  verbunden 
mit  dargeliehenen  Gegenständen,  öffentlich  ausgestellt  werden,  und 
zwar  geschah  dies  zweimal  wöchentlich  in  dem  Hause  des  Herrn 
Osterrieth  am  Rossmarkt  Nr.  18,  seit  Dezember  1858  aber  im 
»Steinernen  Haus«  am  Markt.  Dass  sie  noch  nicht  bedeutend  war, 
ergibt  sich  aus  einer  in  meinem  Besitz  befindlichen  gedruckten 
»Übersicht  der  im  Frühjahr  1859  ausgestellten  Bildwerke  und  Alter¬ 
tümer«,  unter  denen  sich  —  abgesehen  von  Portraits,  die  die  Dr. 
Senckenbergsche  Stiftungsadministration  hergeliefert  hatte  —  auch 


die  »Privatsammlung«  des  Herrn  Osterrieth  befand.  Im  Jahre  1 86 1 
übernahm  dieser  überaus  eifrige  Mann  auch  die  nach  Reiffenstein 
von  Dr.  Heyden  bekleidete  Stelle  eines  Konservators,  die  er  dann, 
zuletzt  durch  Dr.  Ponfick  unterstützt,  bis  1867  inne  hatte.  Schon 
damals  (zuerst  1858)  kamen  Frankfurter  Urkunden,  besonders  Haus- 
kautsurkunden  dem  Verein  in  grosser  und  später  immer  grösserer 
Zahl  als  Geschenke  zu ;  schon  damals  bildete  sich  eine  kleine  Münz¬ 
sammlung;  auch  hatte  Osterrieth  schon  1858  die  Stadt  zu  einer 
Bewilligung  von  jährlich  200  Gulden  gewonnen:  dies  war  dankens¬ 
wert,  aber  nicht  dafür  genügend,  die  von  den  Erben  des  Dr.  Römer- 
Büchner  angebotene  wertvolle  Sammlung  von  römischen,  besonders 
Heddernheimer,  und  mittelalterlichen  Altertümern  zu  erwerben,  so 
wünschenswert  ein  solcher  Anfang  für  Frankfurt  gewesen  wäre; 
die  Sammlung  kam  in  Gräflich  Solms’schen  Besitz  nach  Rödelheim 
und  befindet  sich  jetzt  in  Assenheim.  Doch  hatte  Flerr  Osterrieth 
für  die  nach  seiner  Schätzung  bereits  »nicht  unansehnliche«  Samm¬ 
lung  grössere  Pläne.  Im  November  1861  teilte  er  dem  Vorstande 
mit,  dass  er  »zur  Gründung  einer  städtischen  Altertumssammlung 
ein  Haus  angekauft  habe«  :  es  war  dies  das  altertümliche  Haus  Zur 
Goldenen  Waage  am  Markt,  welches  durch  Mietvertrag  im  Dezember 
1862  Vereins-  und  Sammlungslokal  wurde.  Als  jedoch  die  Stadt  1867 
im  Saalhof  grössere  Räumlichkeiten  für  die  städtische  Gemälde¬ 
sammlung  mietete,  gab  sie  einige  derselben  unserem  Verein  für 
250  Gulden  jährlich  in  Aftermiete.  Hier  war  die  Sammlung  aber 
nur  an  jedem  Samstag  zwei  Stunden  geöffnet  und  wurde  dement¬ 
sprechend  wenig  besucht. 

Um  diese  Zeit  legte  Herr  Osterrieth  »wegen  vorgerückten 
Alters«  seine  Stelle  als  Konservator  nieder,  die  dann  nicht  mehr 
besetzt  wurde;  ein  Mann,  der  wie  nach  seinem  am  17.  August  1868 
erfolgten  Tode  ein  Nachruf  rühmte,  zu  jenen  trefflichen  Frankfurtern 
gehörte,  »denen  Reichtum  und  ein  glückliches  Geschäftsleben  nicht 
die  Wege  zur  Üppigkeit,  sondern  zur  Kunst  und  Wissenschaft,  zur 
Förderung  des  Gemeinwohls,  zur  sinnigen  Naturbetrachtung  und 
Begeisterung  für  alles  Schöne  und  Gute  gewiesen«. 

Während  die  »Archäologische  Sektion«  des  V ereins, 
der  der  Konservator  Vorstand,  sich  nun  mehr  und  mehr  ver¬ 
flüchtigte,  —  der  letzte  Bericht,  der  sie  überhaupt  erwähnt,  berichtet 
im  Januar  1871  nur,  dass  »nichts  von  ihr  zu  berichten  ist«,  —  nahm 
der  Plan  der  Gründung  eines  Städtischen  Museums  eine  immer 
greifbarere  Gestalt  an.  Im  Anfang  des  Jahres  1866  war  er  von  Herrn 


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Fr.  ScharfF  begeistert  empfohlen,  von  den  städtischen  Behörden  »für 
die  mancherlei  im  Besitz  der  Stadt  befindlichen  Kunst-  und  Altertums¬ 
gegenstände«  1869  in  Aussicht  genommen,  dann  1870  von  Herrn 
Otto  Cornill  von  neuem  angeregt.  Endlich  fasste  die  Stadt  den 
Entschluss,  »in  dem  neuerbauten  Archivgebäude  neben  der  städtischen 
Gemäldesammlung  auch  ein  Städtisches  Altertumsmuseum  zu  be¬ 
gründen«.  Ehe  nun  unsere  Sammlungen  auf  Beschluss  der  General¬ 
versammlung  vom  9.  Januar  1877  diesem  Museum  übergeben  wurden, 
liess  sie  der  Vorstand,  da  ihre  Ordnung  durch  die  mehrfachen 
Umzüge  etwas  gelitten  hatte,  neu  inventarisieren  und  katalogisieren; 
dieser  Aufgabe  unterzog  sich  für  die  Münzen  Herr  Lorenz  F.  Finger 
und  für  alles  Übrige  Herr  Dr.  A.  Hammeran,  dessen  lehrreicher 
Bericht  in  den  Mitteilungen  Band  V  S.  421  ff.  abgedruckt  ist.  Im 
Herbst  1877  wurden  die  Sammlungen  übergeführt:  die  Urkunden 
und  die  Bibliothek  kamen  in -das  städtische  Archiv,  alles  Übrige  in 
das  neue,  vom  Konservator  Herrn  O.  Cornill  verwaltete  städtische 
Historische  Museum :  womit,  obwohl  das  Eigentumsrecht  zunächst 
Vorbehalten  wurde,  unser  Bericht  über  die  Sammlungen  sein  Ende 
erreicht  hat.  Die  Satzungen  des  Vereins  wurden  übrigens  in  Folge 
dieser  Veränderungen  revidiert;  in  ihrer  neuen,  nicht  wesentlich 
abweichenden  Fassung  vom  24.  Januar  1878  sind  sie  im  Anhang 
zum  fünften  Bande  der  Mitteilungen  abgedruckt. 

Viel  erfolgreicher  als  die  durch  den  Mangel  an  Vorträgen  von 
Anfang  an  der  Stagnation  ausgesetzte  archäologische  war  die  andere, 
die  »Literarische  Sektion«.  Den  statutengemässen  Arbeitsplan 
dieser  Sektion  teilte  Euler  in  den  Mitteilungen  Band  I  S.  19  f.  mit, 
und  arbeitsfreudige  Gelehrte  und  Freunde,  wie  Euler  selbst,  Becker, 
Classen,  Creizenach,  Heyden,  Kriegk,  Osterrieth,  Steitz,  Stricker, 
Volger  u.  a.  wetteiferten  längere  oder  kürzere  Zeit  in  seiner  Aus¬ 
führung  durch  Rede  und  Druck.  Durch  erstere  ging  man  zwar  über 
die  Art  des  früheren  Vereins  hinaus,  der  fast  nur  literarisch  wirkte, 
aber  an  eine  Öffentlichkeit  der  Sitzungen  im  jetzigen  Sinne  war 
zunächst  noch  nicht  gedacht.  Nur  zu  den  jährlichen  Generalver¬ 
sammlungen  wurden  sämtliche  Mitglieder  eingeladen,'  das  Geschäft¬ 
liche  erledigten  die  Vorstandssitzungen ;  die  »Sektions-«  oder  »Aus¬ 
schusssitzungen«,  d.  h.  die  Sitzungen  »der  an  den  Arbeiten  des  Ver¬ 
eins  sich  näher  beteiligenden  Mitglieder«  pflegten  das  wissenschaft¬ 
liche  Gebiet.  Für  diesen  engeren  »Verein  zu  gegenseitiger  Mit¬ 
teilung«  waren  die  Vorträge  berechnet,  meist  kurz,  oft  mehrere  an 
einem  Abend,  die  Diskussion  war  vertraulich  und  angeregt.  Auch 


IO 


wurde  darin  über  neu  erschienene  Schriften  kurz  berichtet,  worin 
namentlich  Dr.  Euler  einen  erstaunlichen  Eifer  zeigte:  eine  schöne 
Sitte,  die  sich  noch  bis  in  die  1880er  Jahre  erhielt.  Da  aber  auch 
von  den  nicht  »arbeitenden«  Mitgliedern  zuerst  einige,  dann  immer 
mehrere  als  Zuhörer  teilnahmen,  wurde  1863  die  Einrichtung  ge¬ 
troffen,  »alle  vier  Wochen  eine  Ausschusssitzung  wie  hisher  zu 
halten,  alle  14  Tage  aber  eine  engere  Versammlung  der  arbeitenden 
Mitglieder  für  einzelne  oder  gemeinsame  Arbeiten«. 1  —  »Ausschuss¬ 
sitzung«  heisst  also  nun  eine  Vortragssitzung  für  alle  Vereins¬ 
mitglieder;  obwohl  der  Name  nicht  mehr  recht  passte,  erhielt  er 
sich  noch  sehr  lange  und  wurde  erst  1879  durch  die  Bezeichnung 
»Vereinssitzung«  ersetzt.  —  Die  »engeren  Versammlungen«  fanden 
später  sogar  alle  Samstage  in  Form  von  zwanglosen  Besprechungen 
im  Archiv  statt;  so  noch  1884  und  später.  Unter  diesen  arbeitenden 
Mitgliedern  bestand  auch  seit  1861  ein  von  Professor  Kriegk  an¬ 
geregter,  besonders  die  neuen  Zeitschriften  enthaltender  Lesezirkel; 
leider  litt  er,  wie  so  manche  ähnliche  Veranstaltung,  durch  mangelnde 
Pünktlichkeit  Einzelner  und  ging  in  Folge  dessen  ein :  eine  ge¬ 
wünschte  Erneuerung  lehnte  der  Vorstand  1879  ab. 2 

Die  »Ausschusssitzungen«  standen  in  voller  Blüte.  In  dem 
Jahresbericht  vom  30.  Dezember  1867  geht  Euler  ausführlich  auf  sie 
ein.  In  ihnen,  sagt  er,  konzentriert  sich  das  Vereinsleben;  sie  waren 
in  der  Regel  von  50  und  mehr  Mitgliedern  besucht.  Die  Vorträge 
erstreckten  sich  nicht  nur  über  die  Geschichte  Frankfurts,  sondern 
über  das  Gesamtgebiet  der  historischen  Wissenschaften  und  namentlich 
auch  über  neugefundene  Altertumsgegenstände.  Er  hegt  nur  den 
Wunsch,  dass  die  Zahl  der  arbeitenden,  Vortragenden  Mitglieder  sich 
vermehre,  was  auch  eine  reichere  Abwechselung  in  den  Themen  der 
Vorträge  ergeben  würde.  Als  besonders  wichtig  sei  genannt  der 
inhaltreiche  Rückblick  auf  das  Vereinsleben  des  ersten  Vierteljahr¬ 
hunderts,  den  Dr.  Euler  beim  25  jährigen  Vereinsjubiläum  am  11.  Sep¬ 
tember  1881  in  seinem  Festberichte  gab. 

Für  die  Vorträge  bei  den  Generalversammlungen  wurden  schon 
früh  auch  auswärtige  Gelehrte  bisweilen  herangezogen :  so  Rossel 
in  Wiesbaden  1858  und  noch  mehrmals,  Heber  (Darmstadt)  1862, 
Röder  (Hanau)  1863,  Grimm  (Wiesbaden)  1875,  Duncker  (Hanau)  1876, 
Koller  (Darmstadt)  1880  und  noch  öfter.  Von  Hiesigen  sprachen  in 


1  Protokoll  S.  51. 

2  Vgl.  Mitteilungen  Band  V,  S.  494. 


II 


den  Generalversammlungen  fast  alle  oben  Genannten.  Ein  1870  ge¬ 
fasster  Beschluss,'  längere  Vorträge  zu  honorieren,  scheint  nicht  zur 
Ausführung  gekommen  zu  sein:  zum  Glück,  da  er  ein  ganz  fremd¬ 
artiges  Element  in  unsere  nur  von  der  Liebe  zur  Sache  getragene 
Tätigkeit  hineingebracht  hätte.  Vielmehr  haben  die  arbeitenden  Mit¬ 
glieder,  auch  unter  bisweilen  schwierigen  Verhältnissen,  sich  unablässig 
bemüht  und  ihren  Stolz  darein  gesetzt,  keine  Lücke  in  den  Vortrags¬ 
abenden  eintreten  zu  lassen:  hat  es  sich  doch  immer  bewährt,  dass 
diese  das  starke  Band  bildeten,  das  den  Verein  auch  in  weniger 
günstigen  Zeiten  fest  zusammenhielt.  Möge  es  allezeit  so  bleiben! 

Zu  den  Vorträgen  gesellte  sich  aber  in  den  Sommermonaten 
eine  erfreuliche  Ergänzung:  das  waren  die  Ausflüge  in  unsere 
damals  noch  schöne  und  freie  Umgebung.  Im  Sommer  1858  ver¬ 
einigte  man  sich  zu  Spaziergängen  nach  der  Mainlust,  dem  Forsthause, 
Bockenheim,  Rödelheim,  Ginnheim,  Falkenstein  und  Homburg  zum 
»Austausch  wissenschaftlicher  und  antiquarischer  Erfahrungen«  und 
»gemütlich-heiterem  Verkehr«.  Später  wurden  diese  Sommerspazier¬ 
gänge  auf  die  Rosenau  und  die  SimoiVsche  Wirtschaft  (Concordia) 
in  Bockenheim  beschränkt.  —  Die  Wintersitzungen  fanden  anfangs 
im  Osterrieth’schen  Hause,  seit  Ende  1858  in  dem  oben  erwähnten 
»Steinernen  Haus«  statt;  seit  1861  aber  war  das  Gasthaus  zum  Lands¬ 
berg  mehrere  Jahrzehnte  lang  das  regelmässige  Vereinslokal,  jeden¬ 
falls  bis  1881  (Vgl.  Mitteilungen  VII,  17);  dann  wurde  der  Winter¬ 
garten,  das  Cafe  Stoltze  und  seit  Ende  1882  das  Restaurant  Palmen 
in  der  Schäfergasse  das  Heim  des  Vereins  (VII,  42). 1  —  Der  Sommer 
dagegen  brachte  nun  grössere  Ausflüge,  die  sich  sogar  bis  an  die 
Lahn  und  nach  Gelnhausen  erstreckten  und,  wenn  auch  1883  einmal 
geklagt  wird,  dass  die  wissenschaftlichen  Exkursionen  des  Taunusklubs 
die  unsrigen  beeinträchtigen  (VII,  51),  doch  stets  zur  Befriedigung 
der  Teilnehmer  verliefen. 

Um  nun  zu  der  literarischen  Tätigkeit  des  Vereins  über¬ 
zugehen,  so  geben  wir  hier  nur  eine  ganz  kurze  Übersicht  und  verweisen 
auf  das  S.  25—34  abgedruckte  eingehende  Verzeichnis.  Der  Verein 
gab  in  der  hier  zu  besprechenden  Periode  folgende  Schriften  heraus: 

1.  »Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  und  Altertums¬ 
kunde«,  Band  I— VII,  1858 — 1885.  8.  Anfangs  vierteljährlich,  später 


1  Aus  vorübergehenden  Ursachen  fanden  Versammlungen  1870  im  Hotel  du 
Nord,  1872  im  Hotel  Drexel,  1875  im  Cafe  Goethe,  1877  >m  Caf£  Eyssen,  1882  im 
Hotel  Jacobi  statt. 


12 


in  zwangloser  Folge  erscheinend,  enthalten  sie  jeweils  die  Chronik 
des  Vereins,  also  Sitzungsberichte,  Mitgliederverzeichnisse,  Nekrologe, 
Kassenberichte,  Verzeichnisse  des  Zuwachses  der  Sammlung,  der 
Urkunden  und  der  Bibliothek,  ferner  Angabe  der  neuesten  Literatur 
über  Frankfurt  (und  im  letzten  Bande  eine  schon  von  Grotefend 
gemachte  vollständige  Zusammenstellung  der  gesamten  in  Zeitungen 
und  Zeitschriften  zerstreuten  Frankfurtensien-Literatur),  dazu  auch 
eine  grosse  Menge  kleinerer,  zum  Teil  recht  wertvoller  Arbeiten 
und  Miscellen.  Diese  Hette,  mit  ihren  kleinen,  allen  Gebieten  der 
Stadtgeschichte  entnommenen  Mitteilungen,  sollten  dieser  in  weiteren 
Kreisen  Interesse  erwecken  und  das  gelang  ihnen  bestens. 

2.  »Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  Neue  Folge«, 
Bandl — XI,  1860—1884.  gr.  8.  Die  acht  »Hefte«  des  älteren  Archivs  bis 
1858  hatten  meist  Arbeiten  kleineren  Umfangs,  darunter  schon  solche 
von  Euler  zur  Rechts-  und  Verfassungsgeschichte,  sowie  reformations¬ 
geschichtliche  Aufsätze  von  Steitz  gebracht;  alle  Gebiete  der  Geschichte 
Frankfurts  und  seiner  Umgebung  bis  zum  römischen  Grenzwall  und 
auch  das,  was  wir  jetzt  Denkmalpflege  nennen,  finden  wir  darin  ver¬ 
treten.  — .  Im  Anschluss  an  jenes  »Archiv«  der  älteren  Gesellschaft 
war  diese  »Neue  Folge«  für  grössere  wissenschaftliche  Arbeiten 
bestimmt  und  galt  als  die  Hauptveröffentlichung  des  Vereins.  Man 
sieht  hier  ein  Bild  vielseitiger,  erspriesslicher  wissenschaftlicher  Tätig¬ 
keit.  Vom  siebenten  Bande  an  sind  dies  nur  Arbeiten  grössten 
Umfangs,  die  meist  einen  ganzen  Band  füllen  und  der  Wissenschaft 
besonderen  Nutzen  gewähren:  wie  es  vorher  die  Steitz’schen  Arbeiten 
zur  Reformationsgeschichte,  in  ihrem  Zusammenhang  genommen, 
gleichfalls  tun.  Dass  Euler  in  diesen  Bänden  mehr  zurücktritt,  ist 
daraus  zu  erklären,  dass  ihn  damals  die  Bearbeitung  Battonn’s 
(s.  unten)  sehr  in  Anspruch  nahm. 

3.  »Neujahrsblatt,  den  Mitgliedern  des  Vereins  dargebracht«. 
1 859 — 1886,  26  Hefte.  4.  Es  sind  dies  die  einer  schweizer  Sitte 
folgend  zu  Neujahr  einzeln  gegebenen,  1864  in  610  Exemplaren  ge¬ 
druckten,  grösseren  wissenschaftlichen  Abhandlungen. 

4.  Von  besonderen  Veröffentlichungen  sind  zu  er¬ 
wähnen  : 

Battonn’s  Örtliche  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  a.  M., 
in  7  Bänden,  1861  —  1875,  herausgegeben  von  Euler.  Dieser  für 
Frankfurter  Ortskunde  grundlegenden  Arbeit  wurde  eine  städtische 
jährliche  Subvention  zu  teil,  die  anfangs  (seit  1859)  250  Gulden,  seit 


*3 


1862  350  Gulden  und  von  1865  an,  bis  1876,  500  Gulden  jährlich  be¬ 
trug.1  Ausser  dieser  grösseren  Veröffentlichung  und  ausser  den  gleich 
zu  erwähnenden  Festschriften  von  Becker  und  Kriegk  gedenken  wir 
der  von  Euler  1874  besorgten  Herausgabe  von  Niedermayers 
Schrift  über  die  Deutschordenskommende  Frankfurt  sowie  der  1876 
erschienenen  Herausgabe  des  Tagebuchs  des  Ganonicus  Königstein 
vom  Liebfrauenstift  aus  den  Jahren  1520 — 1548  durch  den  unermüd¬ 
lichen  Senior  Steitz. 

Freundschaftliche  Beziehungen  zu  gleichstrebenden  Ver¬ 
einen  und  hier  tagenden  Versammlungen  wurden  schon  frühe  ge¬ 
sucht  und  gefunden.  Nur  einiges  aus  diesem  Gebiete  sei  angeführt. 
Die  1859  unter  Classens  und  Fleckeisens  Vorsitz  hier  tagende  Ver¬ 
sammlung  der  deutschen  Philologen  und  Schulmänner  begrüsste  der 
Verein  durch  Zueignung  von  J.  Beckers  Schrift  »Die  Heddernheimer 
Votivhand«;  der  Senckenbergischen  Stiftung  brachte  er  zu  ihrem 
Jahrhundertfest  1863  Kriegks  Abhandlung  Ȁrzte,  Heilanstalten, 
Geisteskranke  im  mittelalterlichen  Frankfurt«  dar.  1877.  vereinigte 
sich  der  Verein  mit  dem  neugegründeten  Verein  für  das  Historische 
Museum,  um  den  Winckelmannstag  (9.  Dezember)  jährlich  durch 
eine  akademische  Feier  zu  begehen,  zu  der  die  Vereine  der  akademi?th 
gebildeten  Lehrer,  der  Künstler,  und  seit  1886  das  Freie  deutsche 
Hochstift  eingeladen  wurden.  Diese  schöne  Feier  erhielt  sich,  bis  sie 
der  Konkurrenz  der  immer  zahlreicheren  ähnlichen  Veranstaltungen 
eben  dieses  Hochstifts  1891  erlag,  durch  die  das  Bedürfnis  nach  kunst¬ 
geschichtlichen  Vorträgen  ausgiebig  befriedigt  wurde. 

Im  selben  Jahr  1877  entsandte  der  Verein  Herrn  Dr.  Grotefend 
nach  Nürnberg  zum  Jubiläum  des  Germanischen  Museums,  und  1878 
nahm  er  zum  ersten  mal  durch  denselben  Vertreter  an  der  General¬ 
versammlung  des  Gesamtvereins  der  deutschen  Geschichts¬ 
vereine  und  zwar  in  Marburg  teil,  ein  Zeichen  der  Zusammen¬ 
gehörigkeit,  das  sich  seitdem  fast  jährlich  wiederholte.  Im  Jahre 
1881  tagte  diese  Generalversammlung  sogar  vom  12.  bis  15.  Sep¬ 
tember  hier  —  gleichzeitig  mit  dem  25jährigen  Jubiläum  unseres 
Vereins,2  der  seinen  Gästen  ein  Heft  seiner  Mitteilungen  (Band  VI, 
Heft  2)  verehrte  und  ihnen  eine  aus  Grotefends  und  Holthofs 

1  Der  Stadtkreis,  auf  den  die  Zahlung  damals  überging,  entrichtete  sie  zwar 
für  1876  mit  900  Mark,  erhob  dann  aber  Anstände  und  unterliess  sie,  zum  erheb¬ 
lichen  Schaden  der  literarischen  Arbeiten  des  Vereins.  Erst  1886  erfolgte  wieder 
eine  städtische  Bewilligung,  worüber  weiter  unten  berichtet  wird. 

2  Vgl.  Mitteilungen  Band  VII,  S.  5,  16. 


Feder  stammende  Einführung  in  die  Geschichte  und  Kunsttopo¬ 
graphie  Frankfurts  überreichen  liess.1  Seit  1882  war  der  Verein 
sogar  für  einige  Jahre  mit  der  mühevollen  Führung  der  Vor¬ 
standsgeschäfte  des  Gesamtvereins  betraut.  Im  Jahre  1882  tagte 
die  13.  Versammlung  der  Deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft 
dahier,  im  Frühjahr  des  folgenden  Jahres  der  III.  deutsche  Geographen¬ 
tag;  auf  beiden  Versammlungen  war  der  Verein  durch  Delegierte 
vertreten.  Mit  dem  hiesigen  Buchdruckerverein  und  Anderen  ver¬ 
einigte  sich  der  Verein  1885  zu  der  Egenolff-Feier.  Um  aber  die 
eigenen  Feste  des  Vereins  nicht  zu  vergessen,  erwähnen  wir  sein 
Jubiläum  am  n.  September  1881  mit  Eulers  inhaltreicher  Festrede2 
und  Eulers  Jubiläum  nach  25  jähriger  Tätigkeit  als  Vorsitzender  oder 
Direktor,  bei  dem  Viele  durch  begeisterte  Begrüssungen  und  der 
Verein  durch  eine  sinnige  Gabe  der  dankbaren  Verehrung  Ausdruck 
verliehen;  es  wurde  am  27.  Januar  1883  gefeiert. 

Die  Mitglieder  des  Vereins  —  er  zählte  Ende  1857:  186, 
1865:  419,  1872:  389,  1882:  415  Mitglieder  —  zahlten  einen  Beitrag 
von  3  Gulden,  der  1874  auf  6  Mark  abgerundet  wurde,3  und 
gehörten  allen  Teilen  der  gebildeten  Bevölkerung  an.  Der  Verein 
wm  populär  und  es  wird  »steigende  Beteiligung«  gerühmt.  Später 
blieb  sich  die  Zahl  ziemlich  gleich.  Als  sich  dann  die  Zahl  der 
Vorträge  bietenden  Vereine  (Anfangs  war  dies  nur  noch  der  Geo¬ 
graphische  Verein)  vermehrte  und  besonders  als  —  nach  den  1864 
begonnenen  Vorträgen  des  Museums  —  das  Freie  Deutsche  Hoch¬ 
stift  mit  in  die  erste  Reihe  trat,  verminderte  sich  die  Zahl  bisweilen, 
erhöhte  sich  aber  auch  wieder,  weniger  in  Folge  der  gedruckten 
Aufrufe  als  durch  die  werbende  Kraft  der  sommerlichen  Ausflüge; 
die  Teilnahme  Jüngerer  wflrd  mit  Freude  konstatiert,  und  1886  er¬ 
reichte  der  Verein  mit  465  seine  höchste  Mitgliederzahl.  Es  ist  aber 
auch  eine  grosse  Zahl  beitragender  Mitglieder  für  die  vielen  zum 
Teil  kostspieligen  literarischen  Aufgaben  des  Vereins  eine  unbedingte 
Notwendigkeit. 

Der  Vorstand  bestand  anfangs  aus  7  von  der  Generalver¬ 
sammlung  durch  Akklamation,  seit  der  Statutenänderung  von  1878 
aus  10  von  derselben  durch  Stimmzettel  gewählten  Mitgliedern. 


1  Vgl.  Mitteilungen  Band  VII,  S.  23. 

2  Das  erste  Jubiläum  wurde  von  den  ersten  Besprechungen  im  Herbst  1856, 
das  andere  von  der  ersten  Generalversammlung  am  30.  Oktober  1857  an  berechnet. 

3  Auch  einige  wenige  Legate  wurden  dem  Verein  zuteil:  1873  von  Herrn 
B.  H.  Goldschmidt  200  Gulden,  1877  von  Freiherrn  M.  v.  Bethmann  150  Gulden. 


i5 


Meist  fand  Wiederwahl  statt.  Der  Vorstand  verteilte  die  Ämter 
unter  sich.  Vorsitzender  (sein  Titel  war  »Direktor«)  war  in  dieser 
ganzen  Zeit  Justizrat  Dr.  Euler,  ein  Mann,  der  ebenso  Bedeutendes 
leistete  für  die  Rechtsgeschichte,  wie  tür  die  Geschichte  und  Kultur¬ 
geschichte  Frankfurts,  der  aber  auch  für  den  Verein  allezeit  und  un¬ 
ermüdlich  tätig  war  und  Jahre  lang  fast  in  jeder  Sitzung  »einen  kürzeren 
oder  längeren,  aber  jedesmal  anziehenden  und  lehrreichen  Vortrag  ge¬ 
halten  hat.«  Ein  Stellvertreter  trat  auf  seinen  Wunsch  1880  in  dem 
Stadtarchivar  Dr.  H.  Grotefend  hinzu.  Schriftführer  war  1857  der  ge¬ 
lehrte  Altertumsforscher  Professor  Jak.  Becker,  1880  P.  Joseph.  Kassier 
war  1858  A.  H.  Osterrieth,  dann  1868  Lorenz  Finger,  1871  Höchberg, 
1872  Th.  Völcker,  1880  Seb.  A.  Scheidei,  1882  G.  Reutlinger.  Konser¬ 
vator:  1857  C.  Th.  Reiffenstein,  1859  Dr.  Heyden,  1861  A.  H.  Osterrieth; 
nach  dessen  Abgang  blieb  die  Stelle  unbesetzt.  Durch  die  Satzungen 
von  1878  wurden  zur  Erleichterung  der  Arbeit  auch  Kommissionen 
gebildet  für  Redaktion,  Bibliothek,  Lokalbeschaffung  und  Ausflüge. 

Die  Bibliothek,  die  zum  grösseren  Teil  durch  den  Austausch 
mit  anderen  Vereinen  entstanden  war,  wurde  bis  zu  ihrer  Überführung 
in  das  Archiv  1877  (s-  oben)  von  Dr.  Kelchner  verwaltet. 

Über  die  Generalversammlungen  ist  dem  oben  (S.  6  und  10) 
Gesagten  noch  zuzufügen,  dass  sie  zuerst  im  Dezember,  seit  1872  meist 
im  Januar  und  nur  selten  im  Februar  stattfanden  und  dass  sich  an 
sie  ein  ebenso  gemütliches  wie  durch  geistvolle  Trinksprüche  ge¬ 
würztes  Festmahl  (dessen  Preis  1867  1  Gulden  45  Kreuzer  betrug) 
anzuschliessen  pflegte,  an  dem  wohl  sechzig  und  mehr  Herren  teil- 
nahmen.  Auch  der  Bericht  über  die  Vereinskasse  wrnrde  in  ihnen 
vorgetragen  und  Entlastung  erteilt. 

Der  Vorstand  wurde  einzelne  male  auch  zu  Gutachten  aufge¬ 
fordert,  wie  z.  B.  über  das  richtige  Wappen  von  Niederrad  1866, 
über  Zulässigkeit  des  Abbruchs  der  Johanniterkirche  1872;  er  gab 
ein  Protokoll  über  die  richtige  Grabstätte  von  Goethes  Eltern  1882, 
er  beantragte  endlich  den  Schutz  der  Grabdenkmäler  des  Peterskirch¬ 
hofs  1870,  zusammen  mit  der  Künstlergesellschaft  den  der  kleineren 
Kunstdenkmäler  des  Doms  1867,  und  1876  gemeinsam  mit  dem 
Nassauischen  Altertumsverein  einen  Schutz  gegen  die  Verwüstung 
der  Saalburg. 

Ein  Gebiet,  das  der  Verein  damals  leider  noch  wenig  pflegte, 
war  das  der  Altertümer  und  der  Ausgrabungen.  Selten  wmrde 
ein  im  Stadtwald  oder  sonstwo  im  Stadtgebiet  gefundener  Gegenstand 
vorgezeigt;  kaum  beachtet  wurden  die  1867  zufällig  entdeckten,  nicht 


unbedeutenden  römischen  Baureste  zwischen  Bockenheim  und  Rödel¬ 
heim  und  ein  1869  aufgedeckter  römischer  Grabfund  im  Riederwäldchen. 
Ein  Vereinsmitglied  erhielt  1869  die  Erlaubnis,  Grabhügel  im  Stadt¬ 
wald  nach  »germanischen  Altertümern«  aufzugraben:  die  dürftigen 
Resultate  sind  in  den  Mitteilungen  Band  IV,  S.  19  angegeben.  Die 
erste  methodische  und  erfolgreiche  Ausgrabung  solcher  Hügel  süd¬ 
lich  vom  Sandhof  »mittelst  konzentrischer  Parallelen«  unternahm 
A.  Hammeran  1875;  vgl.  auch  dessen  Zusammenstellung  aller  vor¬ 
christlichen  Ansiedlungen  und  Fundplätze1  und  deren  Erweiterung  in 
seiner  1882  in  der  Festschrift  zur  13.  Jahresversammlung  der  Deut¬ 
schen  Anthropologischen  Gesellschaft  veröffentlichten  »Urgeschichte 
von  Frankfurt  a.  M.«.  Erst  1879  begann  endlich,  und  zwar  durch 
den  Taunusklub,  die  Ausgrabung  des  germanischen  Gräberfeldes  bei 
Niederursel  (Mitteilungen  Band  VI,  9)  und  endlich  auch  (durch  den 
Verein  für  das  Historische  Museum)  die  Grabungen  bei  Heddernheim, 
für  deren  Kartographierung  der  Verein  1879  eine  Summe  bewilligte. 

Soviel  über  das  erste  Vierteljahrhundert.  Am  11.  September  1881 
wurde  das  Jubiläum  des  Vereins  im  kleinen  Saale  des  Zoologischen 
Gartens  von  einer  sehr  zahlreichen  Versammlung  festlich  begangen. 
Auf  Eulers  Festrede  folgten  zahlreiche  von  Hiesigen  und  Auswärtigen 
überbrachte  Beglückwünschungen;  das  Festmahl  wurde  durch  humo¬ 
ristische  historische  Festlieder  und  eine  von  Bücher  und  Grotefend 
verfasste  »Nuwe  Zytunge«  gewürzt.  So  hatte  nach  günstigem  Beginn 
und  ruhigem  Fortgang  diese  Periode  auch  ein  erfreuliches  Ende. 


II. 

Das  erste  Vierteljahrhundert  des  Vereins  ist  mit  der  Feitung 
desselben  durch  Euler  beinahe  identisch.  1880  wurde  diesem  auf 
seinen  Wunsch  ein  Stellvertreter  im  Vorsitze  zur  Seite  gestellt  in 
dem  jüngeren  Manne,  dem  Nachfolger  Kriegk’s  in  der  Leitung  des 
Historischen  Archivs,  Dr.  phil.  Hermann  Grotefend.  Es  ist  schon 
erzählt,  dass  dieser  1878  die  Vertretung  des  Vereins  bei  den  Tagungen 
des  Gesamtvereins  einführte,  er  übernahm  1882  die  Führung  von  dessen 
Vorstandsgeschäften,  er  entwarf  1884  eine  Änderung  der  Statuten. 
Nach  Eulers  am  17.  November  1885  ziemlich  unerwartet  erfolgtem 


1  Mitteilungen  Band  V,  432;  VI,  475. 


17 


Tode  übernahm  Grotefend  den  Vorsitz  des  Vereins,  allerdings  nicht 
für  lange  Zeit,  da  er  schon  im  September  1887  einem  Rufe  zur 
Leitung  des  Staatsarchivs  in  Schwerin  Folge  leistete. 

Die  Sitzungen  behielten  —  abgesehen  davon  dass  die  Referate 
über  neue  literarische  Erscheinungen  wegfielen  —  ihren  bewährten 
Charakter  bei.  Dagegen  gab  es  in  den  Veröffentlichungen  des 
Vereins  bedeutende  Veränderungen. 

Die  »iMitteilungen«  des  Vereins  erschienen  1885,  die  »Neujahrs¬ 
blätter«  1886  zum  letzten  Male.  Die  in  ersteren  bisher  gegebenen 
kleineren  Aufsätze  sollten  in  Zukunft  in  die  Archivbände  kommen,  die 
geschäftlichen  und  Kassenberichte  wurden  ihnen  beigelegt,  die  Referate 
über  die  Sitzungsvorträge  aber  kamen  durch  einen  mit  der  in  Trier  bei 
J.  Lintz  erscheinenden  »Westdeutschen  Zeitschrift«  abgeschlossenen 
Vertrag  (der  auch  eine  neue,  in  der  Beilage  für  1885,  S.  6  f.  abge¬ 
druckte  Statutenänderung  nötig  machte)  in  das  dieser  beigegebene 
»Korrespondenzblatt«,  und  zwar  zuerst  1886  in  dessen  fünften  Band. 
Es  geschah  auf  deren  Vorschlag  und  bildete  für  uns  eine  gerade 
damals  sehr  wünschenswerte  finanzielle  Erleichterung;  ob  es  in  jeder 
Beziehung  eine  Verbesserung  war,  sei  dahingestellt,  jedenfalls  gab  es 
unseren  Referaten  weitere  Verbreitung,  während  es  ihrem  wirksamen 
Bekanntwerden  in  Frankfurt  eher  hinderlich  ist. 

Die  wissenschaftlichen  Arbeiten  konzentrierten  sich  nun  in  dem 
Archiv,  das  in  »Dritter  Folge«  in  (bis  zu  dem  vorliegenden  Bande) 
neun  Bänden  von  1888  bis  1907  erschienen  ist  und  ausser  grossen 
auch  wieder  wie  vor  längerer  Zeit  kleinere  Arbeiten  aufnahm,  —  auf¬ 
nehmen  musste,  da  »Mitteilungen«  und  »Neujahrsblätter«  für  diese 
nicht  mehr  in  Frage  kamen.  Das  untenfolgende  Verzeichnis  der  Vereins¬ 
schriften  gibt  die  Übersicht  über  den  Inhalt  der  einzelnen  Bände. 

Werfen  wir  hier  einen  Blick  zurück  auf  die  stattliche  Reihe  der 
Archivbände,  so  finden  wir  eine  Einheit  aller  dieser  grösseren  und 
kleineren  Arbeiten  darin,  dass  sie  die  ganze  Frankfurter  Geschichte 
im  weitesten  Umfang,  jedoch  nicht  über  das  Jahr  1814  hinaus,  be- 
handeln.  Direkte  Veröffentlichung  von  Urkunden  und  anderem 
Quellenmaterial  finden  wir  nur  selten;  um  so  mehr  wird  in  erster 
Linie  eine  lesbare,  geschmackvolle,  aber  auf  archivalischen  und  anderen 
Quellenstudien  beruhende  Darstellung  verlangt.  Die  Hauptsache  ist 
der  wissenschaftliche  Wert;  die  Anforderungen  an  diesen  sind  im 
Laufe  der  Zeit  immer  strengere  geworden,  und  wir  dürfen  uns 
freuen,  dass  keine  einzige  dieser  Arbeiten  ganz  wertlos  ist,  viele  gut 
und  nicht  wenige  von  hervorragender  Bedeutung  sind. 


2 


Eine  andere  Publikation  des  Vereins  ist  die  der  Inventare 
des  Archivs.  Angeregt  durch  eine  Umfrage  Professor  Lamprechts 
1885  griff  Grotefend  diese  Idee  auf,  und  mit  Hilfe  eines  von  1886 
bis  1896  hierfür  bewilligten  städtischen  Beitrags  von  jährlich  1000  Mark 
gelang  es  ihm,  beim  ersten  Band  durch  die  vortrefflichen  Vor¬ 
arbeiten  Kriegks  sehr  unterstützt,  und  besonders  seinem  Amtsnach¬ 
folger  Dr.  R.  Jung,  diese  nützliche  Arbeit  in  vier  registrierenden 
Bänden  und  einem  die  Zusammensetzung  der  gesamten  Archivbestände 
und  die  Geschichte  des  Archivs  erläuternden  Schlussbande  von 
1888  bis  1896  zum  vorläufigen  Abschluss  zu  bringen. 

Das  grossangelegte  Werk  von  C.  Wolff,  R.  Jung  und  J.  Hülsen 
über  die  Baudenkmäler  in  Frankfurt  a.  M.  wird  seit  1895  von 
unserem  Verein  in  Verbindung  mit  dem  Architekten-  und  Ingenieur- 
Verein  herausgegeben  und  erfreut  sich  beträchtlicher  Unterstützungen 
durch  die  Stadt  und  die  Dr.  J.  F.  Böhmer’sche  Nachlass-Administration; 
es  wird  im  Jubiläumsjahr  1907  endlich  zu  seinem  Abschluss  gelangen. 

Einem  sehr  erfreulichen  Anlass  entstammt  die  1903  ausgegebene 
Festschrift  zum  25jährigen  Jubiläum  des  Historischen 
Museums.  Die  verschiedenen  Arbeiten  des  in  Text  und  Tafeln 
würdig  ausgestatteten  Werkes  lassen  die  engen,  ja  freundschaftlichen 
Beziehungen  erkennen,  in  denen  unser  Verein  zur  festlich  begrüssten 
Anstalt  steht;  sie  sollte  den  Dank  für  die  vielen  Anregungen  aus¬ 
sprechen,  die  unser  Wirken  der  städtischen  Sammlung  verdankt,  an 
deren  Entstehung,  Wachsen  und  Gedeihen  auch  wir  in  nicht  geringem 
Grade  beteiligt  sind. 

In  den  Jahren  1904  und  1905  konnten  wir  unseren  Mitgliedern 
zwei  besondere  Veröffentlichungen  in  Buchform  darbieten,  die  sich  ihres 
Umfanges  wegen  nicht  zum  Abdruck  in  der  Vereinsschrift  eigneten  : 
Grotefends  Königsleutnant  Graf  Thoranc  und  C.  Valentins 
Geschichte  der  Musik  in  Frankfurt  bis  zum  Anfang  des  XVIII.  Jahr¬ 
hunderts.  Das  erstgenannte  Werk  liefert  einen  wichtigen  Beitrag 
zur  Geschichte  Frankfurts  während  der  französischen  Besatzung  im 
siebenjährigen  Krieg,  sowie  durch  die  Beziehungen  des  Königsleutnants 
zum  grössten  Sohne  unserer  Stadt  zur  Goetheforschung,  das  andere 
bildet  ein  Gegenstück  zu  der  von  uns  vor  25  Jahren  veröffentlichten 
Geschichte  unseres  städtischen  Theaters  von  E.  Mentzel. 

Mehrfach  hatte  unser  Verein  Gelegenheit,  Schriften  zur  Frank¬ 
furter  Geschichte  durch  finanzielle  Unterstützung  zum  Erscheinen 
zu  verhelfen  :  so  dem  Werke  von  Bing,  Rückblicke  auf  die  Frankfurter 


19 


Theatergeschichte  1792— 1896,  H  orn  e’  s  Frankfurter  Inschriften,  der 
1887  wieder  begonnenen  aber  bald  aufgegebenen  Neuen  Folge  der 
Bibliotheca  historica,  den  Thudichum’schen  Grundkarten, 
welche  die  uns  benachbarte  Gegend  darstellen. 

Öfter  konnten  wir  auch  von  einzelnen  Werken  und  Schriften, 
die  in  anderem  Verlag  erschienen,  für  unsere  Mitglieder  je  ein 
Exemplar  erwerben  und  zur  Verteilung  bringen:  so  von  Büch  er  s 
»Bevölkerung  von  Frankfurt«  1886  —  Dank  einer  hochherzigen  Be¬ 
willigung  der Böhmer’schen Nachlassadministration  — ,  von  Fronings 
»Frankfurter  Passionsspielen«  1891,  von  Wolffs  und  Cumonts 
Arbeit  über  »das  dritte  Heddernbeimer  Mithraeum«  (Sonderabdruck 
aus  der  Westdeutschen  Zeitschrift,  Jahrgang XIII)  1894,  vonQuillings 
»Kleinem  Führer  durch  das  Historische  Museum«  1902  und  endlich 
von  Bothes  »Geschichte  der  direkten  Besteuerung  in  Frankfurt  vor 
1612«  im  Jahre  1906. 

Leider  ist  es  uns  nicht  gelungen,  den  von  Herrn  Oberbürger¬ 
meister  Dr.  Adickes  angeregten  Plan  eines  Historischen  Atlas 
über  Hessen-Nassau,  Waldeck,  Grossherzogtum  Hessen  und  Aschaffen¬ 
burg  in  Gemeinschaft  mit  den  Historischen  Kommissionen  in  Wies¬ 
baden  und  Marburg,  sowie  den  Vereinen  in  Darmstadt  und  Würzburg 
zur  Ausführung  zu  bringen,  da  die  von  staatlichen,  provinzialen  und 
städtischen  Behörden  sowie  von  den  standesherrlichen  Verwaltungen 
gezeichneten  Beiträge  nicht  die  nötige  Flöhe  erreichten. 

Zum  Schlüsse  und  als  Uebergang  zu  einem  anderen  Zweige 
unserer  Tätigkeit  sind  als  jüngste  periodische  Veröffentlichung  die 
»Mitteilungen  über  römische  Funde  in  Heddernheim«  zu 
erwähnen,  die  bis  jetzt  in  drei  grossen  Quartheften  mit  Plänen  und 
Abbildungen  1894,  1898  und  1900  erschienen  sind.  Da  nämlich  das 
früher  geringere  Interesse  für  unsere  vorchristliche  Zeit  (s.  oben) 
allmählich  erstarkt  war,  und  da  die  Stadt  den  für  die  Inventare 
gewährten  Zuschuss  seit  1896  für  die  Vereinszwecke  überhaupt  in  ^ 
dankenswerter  Weise  fortbestehen  liess,  konnten  damit  unter  anderem 
die  Ausgrabungen  lebhafter  gefördert  werden;  auch  die  Kommission 
für  Kunst-  und  Altertumsgegenstände  sowie  der  Verein  für  das 
Historische  Museum  und  der  unsere  beteiligen  sich  nun  an  den  Kosten 
und  haben  seit  1903  dafür  eine  gemeinsame  »Ausgrabungskommission« 
eingesetzt.  Die  Funde  bereichern  natürlich  das  Städtische  Museum. 

Aus  der  Stadt,  in  der  sich  bei  Kanalisierung  des  Weck-  und 
Krautmarkts  1889  zu  allgemeiner  Ueberraschung  die  ersten  römischen 

2* 


20 


Reste,  und  zwar  Legionsstempel  aus  der  Zeit  Kaiser  Domitians 
fanden,  wurden  diese  und  die  auf  dem  Hühnermarkt  gefundenen 
Gegenstände  in  unserem  »Archiv«  veröffentlicht  (s.  S.  30);  dasselbe 
enthält  auch  die  grundlegende  Arbeit  Wolffs  über  die  römische 
Zentralziegelei  bei  Nied;  die  Villa  an  der  Günthersburg  sowie  auch 
die  frühmittelalterliche  Stadtmauer  unter  der  neuen  Braubachstrasse 
(auch  dabei  fanden  sich  römische  und  sogar  vorrömische  Reste)  er¬ 
forschte  Thomas  und  legte  verschiedene  unveränderte  Stellen  der¬ 
selben,  darunter  ein  Tor,  bloss,  die  hoffentlich  nach  Möglichkeit 
erhalten  bleiben  werden;  Hammeran  setzte  seine  Hügelgräber¬ 
forschung  1888  fort  und  berichtete  darüber  im  Archiv.  In  der  Stadt 
wurde  auch  sonst  Einiges  auf  diesem  Gebiete  geleistet,  und  sind 
dafür  Mitteilungen  wie  die  des  Herrn  Junior,  als  er  bei  einem  Ab¬ 
bruch  ein  Stück  der  zweiten  Stadtmauer  entdeckte,  immer  erwünscht. 

An  den  in  Nida  (dem  römischen  Heddernheim)  von  dem  Verein 
für  das  Historische  Museum  geleiteten  Ausgrabungen  (Bäder,  Forum) 
beteiligte  sich  unser  Verein,  wie  gesagt,  seit  1896;  sie  Hessen  1896 
das  Domitianische  Steinkastell,  in  den  letzten  Jahren  unter  anderen 
eine  Erweiterung  des  Steinkastells  und  ein  provisorisches  Lager, 
ferner  ausgedehnte  Töpfereien,  bei  Praunheim  Villen  und  ein  weiteres 
Erdlager,  sowie  ebenda  in  den  von  Quilling  1901  mit  Vereins-  und 
anderen  Mitteln  unternommenen  Grabungen  ein  römisches  Totenfeld 
zur  Erforschung  kommen,  welches  alles  im  vierten  Heft  der  Heddern- 
heimer  »Mitteilungen«  zur  Veröffentlichung  gelangt;  auch  Grabungen 
bei  Niederursel  wurden  unterstützt. 

Dies  alles  wurde  von  unserem  Verein  beeinflusst'  und  wirkte 
wieder  auf  ihn  zurück.  Der  Eifer  musste  auch  um  so  mehr  wachsen, 
als  die  immer  fortschreitende  Bodenkultur  und  Bebauung  dort,  wenn 
nicht  Vieles  unwiederbringlich  verloren  gehen  soll,  zu  schleunigem 
Handeln  drängt. 

Die  Gründung  der  Reichslimeskommission  1892  hatte  für  den 
Verein  kein  direktes  Interesse,  wohl  aber  der  sich  bei  deren  Abschluss 
1900  bildende  »Verband  west-  und  süddeutscher  Vereine  für  römisch¬ 
germanische  Altertumsforschung«,  der  die  staatliche  und  die  Vereins¬ 
tätigkeit  zum  Nutzen  der  Sache  zu  verschmelzen  bemüht  ist.  Den 
Verband  leitete  anfangs  unser  Verein,  seit  1901  der  zu  Darmstadt. 
Zu  der  neuen  Reichskommission  für  römisch-germanische  Forschung, 
die  1902  mit  dem  Sitz  in  Frankfurt,  vertreten  durch  Professor 
Dr.  H.  Dragendorff,  ihre  Tätigkeit  begann,  stehen  wir  in  einem 
hoffentlich  beiderseits  befriedigenden  freundschaftlichen  Verhältnis. 


21 


Auch  wird  dessen  jährlich  erscheinender  inhaltreicher  »Bericht  über 
die  Fortschritte  der  römisch-germanischen  Forschung«  vom  Verein 
nach  Vorausbestellung  an  die  Mitglieder  abgegeben. 

In  die  Bezirkskommission  für  die  Erforschung  und  Erhaltung 
der  Denkmäler  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden  sind  auch  zwei 
Vorstandsmitglieder  des  Vereins,  die  Elerren  Jung  und  Padjera,  1902 
gewählt  worden. 

Die  Bibliothek  des  Vereins,  1877,  wie  erzählt,  dem  Archiv  als 
Depositum  übergeben  und  mit  der  des  Archivs  gemeinsam  aufgestellt, 
war  zum  guten  Teil  durch  Austausch  mit  den  Schriften  anderer 
Vereine  entstanden,  deren  es  1858  schon  35  waren,  1871:  57,  1886:  125, 
1896:  147,  1901:  158,  1905  war  ihre  Zahl  auf  172  gestiegen.  Die 
Schriften  der  entfernteren,  für  Frankfurter  Geschichte  weniger  bedeut¬ 
samen  Vereine  wurden  bei  Vollendung  der  Neuordnung  behufs  Platz¬ 
ersparnis  der  Stadtbibliothek  übergeben.  Dies  geschah  1885,  als  auch 
eine  neue  Bibliotheksordnung  eingeführt  wurde.  Ausser  dem  Namens¬ 
katalog  wurde  1897  ein  Fachkatalog  abgefasst,  der  die  Benutzung 
erleichtert,  von  der  unsere  Mitglieder  reichlichen  Gebrauch  machen 
mögen. 

Die  Sitzungen,  seit  1882  im  Restaurant  Palmen  gehalten, 
kamen  dann  in  das  Lokal  der  Künstlergesellschaft,  als  deren  After¬ 
mieter  der  Verein  1894  den  »Culmbacher  Hof«  auf  der  Zeil,  1897  den 
»Taunus«  an  der  Bockenheimer  Gasse,  und  endlich  1906  das  von 
der  Stadt  angekaufte  und  erneuerte  »Steinerne  Haus«,  die  Stätte 
seiner  frühesten  Kindheit,  bezog.  Möge  er  in  diesem  neu  gewonnenen, 
grossen  und  schönen  Raum  nach  Beendigung  der  Wanderjahre  weilen 
und  wachsen.  —  Die  Vortragsabende  verliefen  wesentlich  in  der  alten 
Weise,  naturgemäss  bald  ruhiger,  bald  in  lebhafterer  Diskussion,  durch¬ 
schnittlich  10  bis  12  jeden  Winter.  Sie  betrafen  die  verschiedensten 
Gebiete  unserer  Forschungen  und  sollen  hier  nicht  einzeln  beschrieben 
werden.  Nur  eines  sei  erwähnt.  Im  Jahre  1894  wurde  das  »elf-  / 
hundertjährige  Jubiläum«  der  ersten  Erwähnung  der  Stadt  (794)  durch 
einen  zusammenfassenden  Zyklus  von  Vorträgen  über  Frankfurter 
Geschichte  gefeiert,  der  zahlreiche  Zuhörer  herbeizog  und  auch  eine 
grössere  Anzahl  von  Anmeldungen  neuer  Mitglieder  veranlasste. 
Solche  zusammenhängende  Zyklen  zu  rechter  Zeit  könnten  also  öfter 
wiederholt  werden.  Die  Beteiligung  war  überhaupt  eine  rege:  wenige 
andere  Vereine  werden  sich  rühmen  können,  dass  wie  bei  uns  ein 
Zehntel  ihrer  Mitglieder,  darunter  auch  Damen,  sich  persönlich  be¬ 
teiligten.  In  den  letzten  Jahren  wurden  die  Vorträge  bisweilen  durch 


Lichtbilder  illustriert.  Dagegen  scheinen  die  Abende  ohne  Vorträge, 
die  zum  Vorzeigen  von  Francofurtensien  bestimmt  wurden,  wie  sie 
z.  ß.  Flerr  H.  Stiebei  aus  seiner  reichen  Sammlung  1888  in  so 
dankenswerter  Weise  darbot,  keine  längere  Lebensdauer  gehabt  zu 
haben. 

Die  Sommerausflüge  waren  in  manchen  Jahren,  wenn  auch 
nicht  in  allen,  ebenso  zahlreich  wie  genussbringend.  Ausser  dem 
mehrfachen  Durchwandern  unserer  Altstadt  (die  Besichtigung  des 
neuen  Rathauses  wurde  allerdings  durch  zahllose  unbefugte  Ein¬ 
dringlinge  fast  vereitelt)  und  Betrachtung  der  Landwehren  sowie  der 
Ausgrabungen  bei  Heddernheim,  fanden  Auflüge  in  die  Ferne  bis 
nach  Worms,  Miltenberg,  Gelnhausen,  Mainz,  Wiesbaden,  zu  den 
Ringwällen  des  Taunus  und  nach  vielen  anderen  Orten  unter  grosser, 
zum  Teil  unter  recht  grosser  Beteiligung  statt.  Ausdrücklich  erwähnt 
sei  die  Wanderung  längs  des  römischen  Limes  auf  der  waldigen 
Flöhenkette  des  östlichen  Odenwaldes  rechts  von  der  Mümling  unter 
Kollers  Führung  1891,  und  ein  Besuch  der  neuen  Saalburg  1904,  wo 
uns  Major  Schramm  aus  Metz  seine  interessanten  Rekonstruktionen 
römischer  Geschütze  vorführte. 

Diese  Ausflüge  festigen  oder  knüpfen  Beziehungen  auch  zu 
auswärtigen  Vereinen;  so  z.  B.  der  schöne  Ausflug  nach  Worms  1889, 
die  nach  Höchst  1902,  nach  Friedberg  1903  und  andere.  Dass  uns 
mit  manchen  der  hiesigen  Vereine  und  Anstalten  gute,  z.  T.  freund¬ 
schaftliche  Verbindung  verknüpft,  sei  nur  kurz  angedeutet.  Dies 
kam  uns  auch  bei  verschiedenen  Eingaben,  zu  denen  wir  uns  gezwungen 
sahen,  zu  Gute.  Einerseits  wird  sich  ja  unsere  Zeit  ihrer  Verpflichtung 
zur  Denkmalpflege  mehr  bewusst.  Schon  aut  der  Versammlung  des 
Gesamtvereins  in  Hildesheim  r 886  grill'  Grotefend,  unser  Vertreter, 
in  Gegenwart  des  General- Konservators  Persius  dieses  Thema  ernstlich 
auf.  Anderseits  ist  so  oft  ein  übereiltes  oder  unbedachtes  Vorgehen 
bei  den  vielen  Abbrüchen  oder  Umbauten  in  unserer,  sich  so  rasch 
erneuernden  Grossstadt  zu  beklagen.  Da  mussten  wir  manchmal 
mit  den  befreundeten  Vereinen  das  Wort  ergreifen.  Was  uns  nicht 
gelang,  bleibe  unerwähnt;  aber  für  die  Erhaltung  der  hochwichtigen 
Sachsenhäuser  Warte,  des  Kuhhirtenturms,  des  Hauses  zur  Goldenen 
Waage,  des  Thurn  und  Taxis’schen  Palais,  und  auch  unseres  Steinernen 
Hauses,  sei  der  Stadt  auch  an  dieser  Stelle  gedankt.  Mit  den  Vereinen 
in  Bonn  und  Wiesbaden  hat  ferner  der  Verein  den  Südwestdeutschen 
Verband  veranlasst,  gegen  einen  Vorschlag,  der  einen  grossen  Teil 
der  Altertümer  und  Funde  unseres  Gebiets  dem  Saalburg-Museum 


23 


zuweisen  würde,1  bei  dem  Minister  1901  vorstellig  zu  werden.  Von 
diesem  ist  keine  abschlägige  Antwort  eingelaufen. 

Nun  noch  einiges  mehr  Äusserliche.  Die  Satzungen  von  1878, 
im  Jahre  1885  einer  kleinen  Änderung  unterzogen,  wurden  infolge 
der  bevorstehenden  Einführung  des  Bürgerlichen  Gesetzbuchs  durch 
neue  Satzungen  1899  ersetzt.  Die  meisten  Änderungen  sind  formeller 
Art;  anzuführen  ist  nur,  dass  die  Zahl  der  Vorstandsmitglieder  von 
io  auf  14  erhöht  wurde,  zu  denen  die  beiden  Leiter  des  Archivs  und 
des  Museums  ständig  gehören.  Am  18.  April  1901  wurde  der  Verein 
in  das  Vereinsregister  eingetragen. 

Die  Mitglieder  zahlten  seit  1874  einen  Jahresbeitrag  von 
6  Mark,  der  1906  auf  8  Mark  erhöht  werden  musste,  da  die  Druck¬ 
kosten,  die  Lokalmiete  und  überhaupt  alle  Ausgaben  sich  im  Laufe 
der  Jahre  erheblich  gesteigert  hatten.  Die  Zahl  der  Mitglieder  nahm  nur 
vereinzelte  Male  zu,  nämlich  nach  dem  Vortragszyklus  von  1894  und 
durch  die  erfolgreichen  Bemühungen  des  Herrn  Dr.  Quilling  bei  seinen 
Viele  interessierenden  und  vielbesuchten  Praunheimer  Ausgrabungen 
1901/02.  Im  ganzen  blieb  die  Zahl  konstant  oder  sie  sank;  jetzt 
beträgt  sie  350.  Die  Ursache  liegt  in  der  allmählich  ins  Übermässige 
angeschwollenen  Anzahl  von  Vereinen.  Dem  steht  als  Ermutigung 
die  rege  Teilnahme,  mit  der  viele  Mitglieder  dem  Vereine  zugetan 
sind,  gegenüber.  Auch  einige  Legate,  die  ihm  zu  Teil  wurden,  be¬ 
kunden  Interesse  an  seiner  Tätigkeit:  insbesondere  hat  ihm  1899 
Herr  Sanitätsrat  Dr.  Herxheimer  250  Mark  und  1900  Herr  Kom¬ 
merzienrat  Alfred  von  Neufville  1000  Mark  vermacht.  In  reichem 
Masse  sind  auch  bestimmten  Unternehmungen,  namentlich  den  Praun¬ 
heimer  Ausgrabungen,  Mittel  zugeflossen.  Allen  gütigen  Spendern 
herzlichen  Dank!  Dennoch  leidet  der  Verein  stets  an  dem  Miss¬ 
verhältnis  zwischen  der  Grösse  seiner  Aufgaben  und  der  Kleinheit 
seiner  Mittel. 

Zu  korrespondierenden  Mitgliedern  ernannte  der  Verein 
von  Anfang  an  tüchtige  auswärtige  Gelehrte,  die  sich  um  ihn  irgend¬ 
wie  verdient  gemacht  hatten;  gegenwärtig  beträgt  ihre  Zahl  6. 

Die  Ehrenmitgliedschaft  konnte  der  Verein  dreimal  an  hoch¬ 
verdiente  Mitglieder  verleihen :  an  Hermann  Grotefend  bei  seiner 
Übersiedlung  nach  Schwerin  1887,  an  Senator  Dr.  Emil  von  Oven  an 
seinem  achtzigsten  Geburtstage  1897,  und  bei  demselben  Lebens¬ 
abschnitt  an  Direktor  Otto  Cornill  1904. 


1  Näheres  vgl.  Archiv,  dritte  Folge,  Band  VIII,  S.  XX*. 


24 


In  dem  Vorstande  führte  den  Vorsitz  bis  1885  Euler,  dann 
Grotefend,  seit  Ende  1887  Riese,  seit  1893  Jung.  Stellvertreter 
waren:  1880  Grotefend,  1885  Quidde,  Ende  1886  Riese,  Ende  1887 
Donner -von  Richter,  1889  Kuthe,  1893  Wolff,  1896  von  Nathusius 
und  von  1897  wieder  Wolff.  Schriftführer  wurde  nach  Joseph 
1886  Mappes,  1905  Lauffer.  Kassier:  nach  Scheidei  1882  Reutlinger, 
1896  Padjera.  — 

Es  ist  die  Aufgabe  unseres  Vereins,  ausser  der  allgemeinen  Be¬ 
lebung  des  historischen  Sinnes  insbesondere  die  Vergangenheit  unserer 
Stadt  und  Umgegend  aufzuhellen  und  das  Interesse  an  diesem  be¬ 
deutenden  Gegenstände  allezeit  lebendig  zu  erhalten.  Die  Urkunden 
des  Archivs  und  die  Schätze  des  Museums,  die  Häuser  und  Strassen 
der  Stadt,  ihre  Kunst,  ihr  Kunstgewerbe,  ihre  Literatur,  ihr  Volksleben, 
ihre  nähere  Umgebung  und  die  dem  Boden  entlockte  Kunde  ihrer 
fernen  und  fernsten  Vergangenheit:  dies  alles  hat  der  Verein  je  zu 
seiner  Zeit  mit  Eifer  und  mit  Erfolg  erforscht.  Aber  Vieles  ist  noch 
zu  tun,  und  jeder  tüchtige  Mitarbeiter  ist  willkommen.  Jeder,  der 
dem  Verein  beitritt  oder  zu  seinen  Zwecken  beiträgt,  darf  das  er¬ 
freuende  Bewusstsein  haben,  dass  er  einer  guten  Sache  dient.  Und 
wenn  die  Wichtigkeit  der  lokalen  Forschung  auch  für  das  Ganze 
immer  weitere  Anerkennung  gefunden  hat,  so  dürfen  wir  die  Hoffnung 
aussprechen,  dass  er  auch  im  nächsten  Halbjahrhundert  eine  erfolg¬ 
reiche  Tätigkeit  entfalte,  zu  Nutz  und  Ehren  der  Vaterstadt  und  dem 
deutschen  Vaterlande. 


VERZEICHNIS 

der  in  den  Jahren  1857—1907 

vom 

Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde 

veröffentlichten  Schriften. 


A.  Periodisch  erschienene  Schriften. 

Ia  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  Neue  Folge. 
1860—1884.  8°.  1 

Band  i  (1860). 

Zur  Urgeschichte  des  Rhein-  und  Mainlandes,  von  Becker; 

Der  Kaiserpalast  Salz  in  Franken,  von  Benkard; 


1  Wir  geben  im  Folgenden  der  Vollständigkeit  halber  auch  eine  kurze  Über¬ 
sicht  über  den  Inhalt  der  acht,  von  der  Gesellschaft  für  Frankfurts  Geschichte  und 
Kunst  in  den  Jahren  1839—1858  veröffentlichten  Hefte  ihres  »Archivs  für 
Frankfurts  Geschichte  und  Kunst«,  der  Vorgängerin  unserer  Vereinszeit¬ 
schrift. 

Heft  I  (1839). 

Physisch-geographische  Beschreibung  der  Umgegend  von  Frankfurt,  von 
Kriegk ; 

Die  Kapelle  im  Saalhof,  von  v.  Radowitz; 

Das  Fahrthor,  von  Hesse m er; 

Elfenbeintafel  aus  dem  IX.  Jahrhundert  in  der  Frankfurter  Stadtbibliothek, 
von  Passavant. 

Heft  II  (1839). 

Frankfurter  Annalen  793—1300,  von  Thomas. 

Heft  III  (1844). 

Die  ältesten  Bauwerke  im  Saalhof,  von  Krieg  v.  Hochfelden; 

Das  Geschichtliche  des  Pfarrthurm- Baues,  von  Passavant; 

Ueber  den  Pfarrthurm  und  die  Baurisse  zu  demselben,  von  H  es  seiner; 

Das  Hospital  zum  Heiligen  Geist,  von  Böhmer; 

Reiffenberg,  von  Usener; 

Die  rothe  Thüre  zu  Frankfurt,  von  Böhmer; 

Das  Holzpförtchen,  von  Hessemer. 

Heft  IV  (1847). 

Frankfurter  Goldmünzen,  von  Euler; 

Adam  Elsheimer,  von  Passavant; 


2  6 


Ueber  die  Zeit  der  Entstehung  Frankfurts,  von  Kriegk; 

Die  Entstehung  der  Salvator-Kirche  zu  Frankfurt,  von  Kriegk; 


Die  römische  Grenzbefestigung  im  Taunus,  von  Römer; 

Der  Prädikant  Hartmann  Beyer  (I)  von  Steitz; 

Geschichte  der  Volkskrankheiten  in  Frankfurt,  von  Stricker; 

Das  Kreuztragen  nach  Oberrad,  von  Euler. 

Heft  V  (1853). 

Geschichte  der  Testamente  in  Frankfurt,  von  Euler; 

Der  Prädikant  Hartmann  Beyer  (II),  von  Steitz; 

Frankfurter  Annalen,  von  Römer-Büchner; 

Ueber  die  Platten  des  Merianschen  Plans,  von  Reiffenstein; 

Ueber  die  Frankfurter  Gerichts-Ordnung  von  1376,  von  Euler; 

Frankfurter  Goldgulden,  von  Euler; 

Die  Siegel  der  Stadt  Frankfurt,  von  Römer- Büchner. 

Heft  VI  0814). 

Die  römischen  Inschriften  im  Gebiete  der  Stadt,  von  Becker; 

Fehde  der  Stadt  mit  den  Ganerben  von  Bickenbach,  von  Usener; 

Die  Herren  von  Sachsenhausen  und  Praunheim,  von  Euler; 

Der  Antoniterhof,  von  Steitz; 

Ablassbulle  des  Erzbischofs  von  Mainz  für  das  Frankfurter  Weissfrauenkloster 
von  1519,  von  Römer-Büchner; 

Die  Schöpfungs-Geschichte,  Wandgemälde  im  Karmeliterkloster,  von  Passa¬ 
va  n  t ; 

Das  Haus  zum  Fischborn,  von  Reiffenstein; 

Die  ältesten  Nachrichten  über  die  Münze  zu  Frankfurt,  von  Euler 
Ausgaben  bei  einer  Beerdigung  1788,  von  Malss; 

Zur  Geschichte  der  Strassenbeleuchtung,  von  Reiffenstein; 

Das  Dorfrecht  von  Niederrad,  von  Euler. 

Heft  VII  (1833). 

Frankfurter  Schaumünzen,  von  Rüppell; 

Verfassungsgeschichte  der  deutschen  Städte,  von  Euler; 

Ein  Brief  Hammans  v.  Holzhausen,  von  Steitz; 

Ueber  den  Stadtarzt  Johann  von  Cube,  von  Stricker; 

Das  Frankfurter  Gesetz-  und  Statutenbuch,  von  Euler; 

Lieder  zu  Ehren  der  Gesellschaft  Limburg,  von  Römer -Büchner. 

Heft  VIII  (i8;8). 

Frankfurter  Münzen  und  Medaillen,  von  Rüppell; 

Abzeichen,  Namen  etc.  von  Dynasten,  Münzmeistern  und  Stempelschneidern 
der  Frankfurter  Münzen,  von  Rüppell; 

Günther  v.  Schwarzburgs  Grabmal,  von  Usener; 

Schloss  Hagen  und  Schloss  Haselach,  von  Benkard; 

Ueber  die  Salvator-Kapelle,  von  Euler; 

Die  Anbetung  der  Könige,  Wandmalerei  im  Karmeliterkloster,  von  Pass  avant 
Die  Fichard’schen  Manuskripte,  von  v.  Boltog; 

Adam  Elsheimer,  von  Passavant; 

Die  vereinigte  Senckenbergische  Bibliothek,  von  Stricker; 

Inventar  der  Frankfurter  Zeughäuser  1764—1763,  von  Reiffenstein; 
Frankfurter  Münzen  des  13.  Jahrhunderts,  von  Rüppell; 

Der  Vogt  in  Frankfurt,  von  Euler. 


27 


Frankfuit  als  Wahlstadt  der  deutschen  Könige  und  die  Bartholomaeus-Kirche, 
von  Usener; 

Ueber  die  Verfassungsgeschichte  der  deutschen  Städte,  von  Euler; 

Der  Vogt  und  Schultheiss  zu  Wetzlar,  von  Euler; 

Niederlage  der  Bürger  von  Frankfurt  vor  Cronberg  1 389,  von  Römer-Büchner; 

Die  Ermordung  des  Herzogs  Friedrich  von  Braunschweig  im  Jahre  1400, 
von  Römer-Büchner; 

M.  Johannes  Cnipius  Andronicus,  Schulmeisterzu  den  ßarfüssern  1550—1562, 
von  S  t e  i  tz ; 

Frankfurt  um  die  Mitte  des  30jährigen  Krieges,  von  Kriegk; 

Die  älteren  Grundrisse  und  Ansichten  der  Stadt  Frankfurt,  von  Gwinner; 

Die  Wahrzeichen  von  Frankfurt,  von  Reiffenstein; 

Das  alte  Judenbad  in  Frankfurt,  von  Euler; 

Ueber  Frankfurter  Turnosen,  von  Finger; 

Ein  Schneidergebot,  von  Oppel; 

Die  von  Uffenbach’schen  Manuskripte  auf  der  Stadtbibliothek,  von  K  eich  ne  r 

Verzeichnis  der  Häusernamen  in  Frankfurt  und  Sachsenhausen,  von  Reiffen¬ 
stein. 

Band  2  (1862). 

Peter  Müllers  Chronik  aus  den  Jahren  1573 — 1633,  von  Becker; 

Bonames,  Burg  und  Flecken,  von  R  ö  m  e  r-  B  ü  c  hner ,  mit  Nachtrag  von  Euler; 

Eine  neuentdeckte  Merian’sche  Ansicht  von  Frankfurt  aus  der  Zeit  von 
1612—1619,  von  Gwinner; 

Die  Niederländische  und  die  Französische  Gemeinde  in  Frankfurt,  von  Scharff; 

Die  hohe  Mark  im  Taunus,  von  Scharff; 

Ueber  die  Verfassungsgeschichte  der  deutschen  Städte  (III.  Beitrag),  von  Euler; 

Die  Familienchronik  Bernhard  Rohrbachs  aus  dem  XV.  Jahrhundert,  von 
Steitz; 

Der  Stadtschultheiss  Johann  Wolfgang  Textor  und  sein  Haus  auf  der  Fried¬ 
berger  Gasse,  von  Steitz. 

Band  _?  (1865). 

Zur  Urgeschichte  des  Rhein-  und  Mainlandes,  von  Becker; 

Der  Kanonikus  Job  Rohrbach  am  Bartholomaeusstifte,  Frankfurter  Chronik 
vom  Jahr  1494  -  1502,  von  Steitz; 

Die  Strassen  der  Frankenfurt,  von  Scharff; 

Das  Recht  der  hohen  Mark  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  angrenzenden 
Seulberg-Erlenbacher  Mark,  von  Scharff; 

Beiträge  zur  Geschichte  des  Gollegiatstiftes  Moxstadt  aus  dem  Frankfurter 
Stadtarchiv,  von  Euler; 

Angelegenheiten  der  reformirten  Gemeinden  nach  den  Protokollen  des  lutherischen 
Predigerministeriums  1747—1750,  von  Bass]e; 

Die  Auflösung  des  Grossherzogtums  Frankfurt  1813,  von  Stricker; 

Lorenz  Heister  1683  —  1758,  von  Heyden; 

Johann  Michael  von  Loen,  Goethes  Grossoheim,  von  Heyden. 

Band  4  (1869). 

Die  religiöse  Bedeutung  des  Brückenbaues  im  Mittelalter  mit  besonderer  Be¬ 
ziehung  auf  die  Frankfurter  Mainbrücke,  von  Becker; 

Beiträge  zur  Geschichte  der  Befestigung  Frankfurts  im  Mittelalter,  von 
v.  Cohausen; 


28 


Reformatorische  Persönlichkeiten,  Einflüsse  und  Vorgänge  in -der  Reichsstadt 
Frankfurt  1519— 1522,  von  Steitz; 

Eine  neuerdings  entdeckte,  bisher  unbekannte  Auflage  des  grossen  Merian’schen 
Stadtplans  von  1628,  von  Gwinner; 

Berichtigung  und  Fortsetzung  der  beiden  Abhandlungen :  Schaumünzen  zum 
Angedenken’  von  Bewohnern  Frankfurts  und  Münzen  und  Medaillen  auf 
geschichtliche  Begebenheiten  Frankfurts,  von  Rüppell; 

Der  Kampf  gegen  die  Bücher  der  Juden  vom  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts 
in  seiner  Beziehung  auf  Frankfurt,  von  Geiger; 

Verzeichnis  der  Frankfurter  Hauptleute,  Stadtadvokaten  und  Oberpriester  bis 
zum  Jahre  1500,  von  Krieg  k  und  Euler; 

Ludwig  von  Hörnigk,  ein  Charakterbild  aus  der  Geschichte  der  Medizin,  von 
Stricker; 

Mitteilungen  über  eheliches  Güterrecht  mit  besonderer  Hinsicht  auf  fränkisches 
und  Frankfurter  Recht,  von  Euler; 

Urkunden  zur  Geschichte  der  Familie  Frosch  und  ihrer  Besitzungen,  von  Euler. 

Band  j  (1872). 

Dr.  Gerhard  Westerburg,  der  Leiter  des  Bürgeraufstandes  zu  Frankfurt,  von  Steitz; 

Des  Rektor  Micyllus  Abzug  von  Frankfurt  1533,  von  Steitz; 

Luthers  Warnungsschrift  an  Rat  und  Gemeinde  zu  Frankfurt  1533  und 
Dionysius  Melanders  Abschied  von  seinem  Amt  1535,  von  Steitz; 

Die  Grafschaft  Bornheimer  Berg,  von  Schar  ff; 

Mittelrheinische  Chronisten  am  Ende  des  Mittelalters,  von  Fa  Ick; 

Meister  Eckhart  in  Frankfurt,  von  Euler. 

Band  6  (1877). 

Der  Streit  über  die  unbefleckte  Empfängnis  der  Maria  zu  Frankfurt  im  Jahre 
1500  und  sein  Nachspiel  in  Bern  1509,  von  Steitz; 

Der  Humanist  Wilhelm  Nesen,  der  Begründer  des  Gymnasiums  und  erste 
Anreger  der  Reformation  in  Frankfurt,  von  Steitz; 

Vaterstädtisches  und  Vaterländisches,  Auszüge  aus  S.  G.  Fingers  Tagebüchern 
1 79 5  — 1 8 1 8,  von  L.  F.  Finger; 

Johann  Nicolaus  Körner,  ein  Frankfurter  Naturforscher  des  vorigen  Jahr¬ 
hunderts,  von  Schmidt; 

Vierter  Aufsatz  über  Frankfurter  Medaillen,  historische  Münzen,  für  Lokal¬ 
gebrauch  gefertigte  Jettons  und  andere  Münzen,  mit  Register  über  die  vier 
Abhandlungen  mit  den  Beschreibungen  der  Medaillen  etc.,  von  Rüppell; 

Frankfurt  in  den  Topographien  und  Reisebeschreibungen  des  XVI.  und 
XVII.  Jahrhunderts,  von  Stricker; 

Conrat  Gobel,  Giesser  zu  Frankfurt  um  die  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts,  von 
Schneider,  mit  einem  Zusatz  von  Euler; 

Nachtrag  zu  dem  Aufsatze  über  mittelrheinische  Chronisten  etc.,  von  Fa  Ick. 

Band  7  (1S81). 

Sigmund  Feyerabend,  sein  Leben  und  seine  geschäftlichen  Verbindungen,  von 
P  a  1 1  m  a  n  n. 

Band  8  (1882). 

Goldmünzen  des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts  (Disibodenberger  Fund),  nebst 
urkundlichen  Beiträgen  zur  rheinländischen  Münzgeschichte,  besonders  Frank¬ 
furts,  von  Joseph; 

Die  beiden  Frankfurter  Chroniken  des  Johannes  Latomus  und  ihre  Quellen, 
von  F  r  o  n  i  n  g. 


29 


Band  9  (1882). 

Geschichte  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  von  ihren  Anfängen  bis  zur 
Eröffnung  des  städtischen  Komödienhauses,  von  Mentzel. 

Band  10  ( 1883). 

Geschichte  der  Post  in  Frankfurt,  von  Faulhaber. 

Band  11  (1884). 

Die  Kriegs-Lazarethe  von  1792—1815  und  der  Kriegstyphus  zu  Frankfurt, 
von  W  i  1  b  r  a  n  d. 


lb  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  Dritte  Folge. 
1888  — 1907. 1  8°. 


Band  1  (1888). 

Ludwig  Heinrich  Euler,  von  v.  Nathusius; 

Pfarrer  Passavant,  der  Jugendfreund  Goethes  1751  —  1827,  von  Dechent; 

Diarium  des  Offizier-Corps  des  löblichen  XI.  Stadt-Quartiers  1797  — 1812, 
von  Grotefend; 

Frankfurt  während  der  Mainzer  Bistumsfehde  1461—1465,  von  Schellhass; 

Frankfurts  Buchbinder-Ordnungen  vom  XVI.  bis  zum  XIX.  Jahrhundert,  von 
Bücher; 

Die  in  Tübingen  immatrikulierten  Frankfurter  1477 — 1888,  von  Thomae; 

Aus  der  Baseler  Universitäts-Matrikel,  von  Thomae; 

Frankfurter  Studenten  in  Bologna,  von  Grotefend. 

Band  2  (1889). 

Das  mittelalterliche  Frankfurt  als  Schauplatz  von  Reichs-  und  Wahltagen, 
von  Beckm  ann; 

Die  Aufhebung  des  Ehezwangs  zu  Frankfurt  1240,  von  v.  Nathusius; 

Die  Familie  Rorbach,  von  Froning; 

Johann  von  Soest,  Stadtarzt  in  Frankfurt  1444—1506,  von  Reuling; 

Zur  Entstehung  der  Frankfurter  Artikel  von  1525,  von  Jung; 

Dr.  Johann  Fichard  1512—1581,  von  Jung; 

Ein  Versuch  Ferdinands  II.,  die  Jesuiten  in  Frankfurt  einzuführen  1628,  von 
Kracauer; 

Frankfurter  Akademiebestrebungen  im  XVIII.  Jahrhundert,  von  Valentin; 

Meister  Johann,  Maler  von  Bamberg,  und  der  älteste  Hochaltar  des  Frankfurter 
Domes,  von  Donner- v.  Richter; 

Neuaufgedeckte  Hügelgräber  des  Frankfurter  Waldes,  von  Hammeran. 

Band  3  (1891). 

Der  Concordien-Orden,  die  Ehren-Medaillen,  sowie  die  Feldzugs-  und  Dienst¬ 
alterszeichen  des  Grossherzogtums,  des  General-Gouvernements  und  der 
Freien  Stadt  Frankfurt,  von  v.  Heyden; 

Die  Ehrenbürger  der  Reichsstadt  und  der  Freien  Stadt  Frankfurt,  von  Jung; 

Frankfurt  und  die  französische  Republik  1795  —  1797,  von  Kracauer; 


1  Die  den  einzelnen  Banden  dieser  dritten  Folge  mit  besonderer  Seiten¬ 
zählung  angefügten  geschäftlichen  Mitteilungen  werden  in  diesem  Verzeichnis  nicht 
besonders  aufgeführt. 


30 


Voltaires  Verhaftung  in  Frankfurt  auf  Befehl  Friedrichs  des  Grossen  1753, 
von  Jung; 

Schillers  Jugenddramen  zum  ersten  Male  auf  der  Frankfurter  Bühne,  I.  Die 
Räuber,  von  Mentzel; 

Das  Römerkastell  zu  Frankfurt,  von  Ham  me  ran. 

Band  4 1  (1S93). 

»Der  Prorector«  und  das  Frankfurter  Gymnasium  am  Ende  des  vorigen  Jahr¬ 
hunderts,  von  Grote fend; 

Schillers  Jugenddramen  zum  ersten  Male  auf  der  Frankfurter  Bühne,  II.  Die 
Verschwörung  des  Fiesko,  Kabale  und  Liebe  und  Don  Carlos,  von  Mentzel; 

Eine  Kaiserreise  im  Jahre  1473,  von  Schellhass; 

Die  römischen  Ziegeleien  von  Nied  bei  Höchst  a.  M.  und  ihre  Stempel,  von 
Wolff; 

Die  in  Höchst,  Nied  und  Umgebung  gefundenen  antiken  Münzen,  von  Q_uilling. 
Band  $  (1896). 

Baldemars  von  Peterweil  Beschreibung  von  Frankfurt,  von  v.  Nathusius; 

Die  Malerfamilie  Fyoll  und  der  Römerbau,  von  Donner- v.  Richter. 

Wanderjahre  des  Johann  Philipp  Münch  1680 — 1694,  von  Schnapper-Arndt; 

Die  drei  ältesten  erhaltenen  Frankfurter  Theaterzettel,  von  Mentzel; 

Frankfurt  und  die  französische  Republik  1797 — 1802,  von  Kracauer; 

Die  Freilegung  der  römischen  Gebäudereste  auf  dem  Hühnermarkt,  von 
Thomas ; 

Römische  Ziegelstempel  aus  Frankfurt,  von  Wolff; 

Fränkische  Funde  in  Frankfurt,  von  Quilling. 

Band  6  (1899). 

Frankfurts  Textilgewerbe  im  Mittelalter,  von  Fromm; 

Die  Frankfurter  Kirchenbuchführung,  von  v.  Nathusius; 

Sebastian  Furck,  Kupferstecher  und  Contrafaiter  von  Frankfurt,  von  Müller; 

Frankfurt  und  die  französische  Republik  1802  —  1803,  von  Kracauer; 

Die  Ausgrabungen  im  Domhof  und  auf  dem  Weckmarkt  1896  —  1897,  von 
T  h  o  m  a  s. 

Band  7  ( 1901 ). 

Philipp  Uffenbach  1566—1636  und  andere  gleichzeitig  in  Frankfurt  lebende 
Maler,  von  Donner- v.  Richter; 

Die  Frankfurter  Porzellan-Fabrik  im  Porzellan-Hofe  1666—1773,  von  Jung; 

Die  letzten  Jahre  der  reichsstädtischen  Zeit  Frankfurts  1803  — 1806,  von 
Kracauer. 

Band  8  (1905). 

Die  Landwehren  der  Reichsstadt  Frankfurt,  von  Pelissier; 

Zur  Erinnerung  an  Senator  Dr.  Emil  von  Oven,  von  Jung. 

Band  9  (190-9). 

Rückblick  auf  die  Entstehung  und  Entwickelung  des  Vereins  für  Geschichte 
und  Altertumskunde  in  Frankfurt  1857  —  1907,  von  Riese; 

Frankfurter  Hochschulpläne  1384— 1866,  von  Jung; 

Zur  Geschichte  der  Deutschordens-Komturei  in  Sachsenhausen  bis  zur  Mitte 
des  XIV.  Jahrhunderts,  von  Schrod; 

1  Die  von  diesem  Band  ab  in  den  Archivbänden  veröffentlichten  »kleineren 
Mitteilungen«  werden  nicht  einzeln  aufgeführt,  sondern  nur  die  Arbeiten  grösseren 
Umfangs. 


Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  1523  —  1525, 
von  Euler; 

Frankfurt  und  die  französische  Revolution  1789 — 1792,  von  Kracauer; 

Aktenstücke  über  die  Besitzergreifung  Frankfurts  durch  den  Fürsten  Primas 
am  9.  Sept.  1806,  von  Jung; 

Das  Testament  des  Frankfurter  Grosskaufmanns  Jakob  Heller  von  1519, 
von  Bot  he. 


II.  Neujahrs-Blätter  1859  — 1886.  40. 

1859 :  Dorf  und  Schloss  Rödelheim,  von  Euler; 

1860:  Der  Frankfurter  Chronist  Achilles  August  von  Lersner,  von  Heyden; 

1861:  Die  Melanchthons-  und  Lutherherbergen  zu  Trankfurt,  von  Steitz; 

1862:  Samuel  Thomas  von  Sömmerring,  von  Stricker; 

1865:  Drei  römische  Votivhände  aus  den  Rheinlanden,  mit  den  übrigen  Bronzen 
verwandter  Art  zusammengestellt,  nebst  einem  Exkurse  über  Thonbilder  des 
Zeus  Sabazios,  von  Becker; 

1864:  Johann  David  Passavant,  erste  Abteilung,  von  A.  Cornill; 

1865:  Johann  David  Passavant,  zweite  Abteilung,  von  A.  Cornill; 

1866:  Die  deutsche  Schrift  im  Mittelalter,  ihre  Entwicklung,  ihr  Verfall,  mit  be¬ 
sonderer  Rücksicht  auf  Frankfurt  und  seine  Umgebung,  von  Scharff; 

1867:  Geschichte  der^Dr.  Senckenbergischen  Stiftshäuser,  von  Scheidei; 

1868:  Grabschrift  eir  römischen  Panzerreiteroffiziers  aus  Rödelheim,  von  Becker; 

1869:  Der  Staatsrat  G>  r  ^  Steitz  und  der  Fürst  Primas  Karl  von  Dalberg,  von  Steitz; 

1870 :  Die  BaugeschicL  der  Paulskirche  (Barfüsserkirche)  zu  Frankfurt  1782—1813, 
von  Stricker; 

1871:  Jakob  Heller  und  Albrecht  Dürer,  vou  O.  Cornill; 

1872:  Das  erste  städtische  Theater  zu  Frankfurt,  ein  Beitrag  zur  äusseren  Geschichte 
des  Frankfurter  Theaters  1751  —  1872,  von  v.  Oven; 

1875:  Urkunden  und  Schreiben,  betreffend  den  Zug  der  Armagnaken  1439—1444, 
von  W  ü  1  ck e r; 

1874:  Zur  Rechtsgeschichte  der  Reichsstadt  Gelnhausen,  von  Euler; 

1875 :  Das  Aufruhrbuch  der  ehemaligen  Reichsstadt  Frankfurt  vom  Jahre  1525, 
von  Steitz; 

1S76:  Frankfurter  Concert-Chronik  1713  —  1780,  von  Israel; 

1877 :  Urkunden  und  Akten,  betreffend  die  Belagerung  der  Stadt  Neuss  am  Rheine 
1474—75,  von  Wülcker; 

1878:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  in  Frankfurt  begütert  gewesenen  Adelsfamilien, 
von  Freiherrn  Schenk  zu  Schweinsberg; 

1879:  Die  Entwicklung  der  Gesellschaft  zur  Beförderung  nützlicher  Künste  und 
deren  Hülfswissenschaften  (Polytechnische  Gesellschaft)  in  Frankfurt,  von 
v.  Oven  und  Oelsner; 

1880 :  Die  Kapelle  der  H.  Katharina  auf  der  Mainbrücke  zu  Frankfurt  mit  gleich¬ 
artigen  Stiftungen  des  christlichen  Mittelalters,  zusammengestellt  von  v.  Oven 
und  Becker; 

1S81 :  Christian  Egenolff,  der  erste  ständige  Buchdrucker  zu  Frankfurt  und  seine 
Vorläufer,  von  Grotefend; 

1882:  Die  Familie  von  Eschborn  und  ihr  Zusammenhang  mit  der  Familie  von 
Cronberg,  von  Ritsert  und  Grotefend; 

188):  Die  Furt  am  unteren  Neckar,  von  Scharff; 


1SS4:  Die  Bestätigungsurkunde  des  Domstiftes  zu  Frankfurt  von  882  und  ihre 
Bedeutung  für  das  Stift,  von  Grotefend; 

1883 — 86:  Heddernheimer  Ausgrabungen,  von  Donner-  v.  Richter  und  Riese. 


III.  Mitteilungen  (an  die  Mitglieder)  des  Vereins  für  Geschichte  und 
Altertumskunde  1860 — 1885.  8°. 

Enthalten:  Chronik  des  Vereins,  Sitzungsberichte,  Mitteilungen  über  Samm¬ 
lungen  und  Bibliothek  des  Vereins,  Zusammenstellungen  der  jeweils  für  die 

Frankfurter  Geschichte  wichtigen  literarischen  Erscheinungen,  Aufsätze  kleineren 

Umfanges  und  Miszellen  aus  allen  Gebieten  der  städtischen  Geschichte. 

Band  1:  1860; 

Band  2:  1864; 

Band  3:  1868; 

Band  4:  1873; 

Band  3:  1879; 

Band  6:  1S81 ;  das  zweite  Heft  dieses  Bandes  war  die  Festgabe  für  die  Mitglieder 
zum  25jährigen  Jubiläum  des  Vereins  und  wurde  zugleich  unter  dem  Titel 
»Beiträge  zur  Frankfurter  Geschichte«  den  Teilnehmern  an  der  Frankfurter 
Generalversammlung  des  Gesamtvereins  der  Deutschen  Geschichts-  und 
Altertumsvereine  1881  überreicht; 

Band  7  1883;  als  Beilage  zu  diesem  letzten  Band  wurde  a  egeben:  Verzeichnis 
von  Abhandlungen  und  Notizen  zur  Geschichte  Fra  urts  aus  Zeitschriften 
und  Sammelwerken,  von  Grotefend. 

1' 

IV.  Mitteilungen  über  römische  Funde  in  Heddernheim 
1894—1907.  40. 

Heft  1  (1894). 

Die  Ausgrabungen  des  Vereins  für  das  Historische  Museum  zu  Frankfurt  auf 
dem  christlichen  Heddernheimer  Friedhofe  1891—1892,  von  Q_uilling; 

Töpferöfen  in  der  Römerstadt  bei  Heddernheim,  von  Thomas; 

Die  Heddernheimer  Helme,  die  etruskischen  und  der  griechische  Helm  des 
Frankfurter  Historischen  Museums  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Geschichte 
antiker  Helmformen,  von  Donner-v.  Richter. 

Heft  2  (1S9S). 

Reliefstatuette  der  Minerva  aus  Heddernheim,  von  Ziehen; 

Urkundliche  Mitteilungen  über  Heddernheim  und  die  dortige  Römerstadt 
von  Riese; 

Römische  Fibeln  aus  Heddernheim,  von  Riese; 

Castell  und  Stadtbefestigung  des  Römischen  Heddernheim,  von  Woltf. 

Heft  3  (1900). 

Die  antiken  Münzen  aus  Heddernheim-Praunheim  und  Umgebung,  von 
Q.u  i  1 1  i  n  g ; 

Römische  Fibeln  aus  Heddernheim,  Nachträge  von  Riese; 

Die  Römische  Strasse  von  Heddernheim  nach  Nied  und  das  Heidenschloss, 
von  W  0 1  f  f. 


33 


Heft  4  (1907). 

Das  römische  Gräberfeld  bei  Praunheim,  Ausgrabungen  im  Winter  1901  — 1902, 
von  Riese; 

Römische  Villa  mit  Bad  in  Praunheim,  von  Wolff; 

Bericht  über  die  Arbeiten  der  Ausgrabungs- Kommission  in  den  Jahren 
1903  —  1906,  von  Wolff; 

Die  Töpfereien  vor  dem  Nordtor  der  römischen  Stadt  bei  Heddernheim, 
von  Wolff; 

Die  Funde  aus  diesen  Töpfereien,  von  Welcher; 

Neue  Terrasigillata-Funde  aus  Heddernheim,  von  Dragendorff. 


B.  Einzelne  Schriften. 

I.  Oertliche  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  von  Johann 
Georg  Battonn.  Aus  dessen  Nachlasse  herausgegeben  durch 
L.  H.  Euler.  Mit  Unterstützung  der  Stadt  Frankfurt  a.  M. 
7  Hefte.  1861 — 1875.  8°. 

II.  Die  Heddernheimer  Votivhand.  Eine  römische  Bronze  aus 
der  Dr.  Römer-Büchner’schen  Sammlung.  Von  J.  Becker.  — 
Festschrift  zur  XX.  Versammlung  deutscher  Philologen, 
Schulmänner  und  Orientalisten.  1861.  40. 

III.  Aerzte,  Heilanstalten,  Geisteskranke  im  mittelalterlichen 
Frankfurt  a.  M.  Von  G.  L.  Kriegk.  —  Festschrift  zum  ioojähr. 
Jubiläum  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung.  1863.  4° 

IV.  Die  Deutsch-Ordens-Gommende  Frankfurt  a.  M.  Ein  Beitrag  zu 
deren  Geschichte,  aus  dem  Nachlasse  des  Inspektors  Andreas 
Niedermayer,  herausgegeben  von  L.  H.  Euler.  1874.  8°. 

V.  Tagebuch  des  Canonicus  Wolfgang  Königstein  am  Lieb¬ 
frauenstifte  über  die  Vorgänge  seines  Capitels  und  die  Ereig¬ 
nisse  der  Reichsstadt  Frankfurt  a.  M.  in  den  Jahren  1520 — 1548. 
H erausgegeben  von  G.  E.  Steitz.  1876.  8°. 

VI.  Inventare  des  Frankfurter  Stadtarchivs.  Mit  Unterstützung 
der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  Band  1  herausgegeben  von  H.  Grote- 
fend,  Band  2—4  von  R.  Jung.  1888 — 1894.  8°. 

VII.  Das  Historische  Archiv  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.,  seine  Be¬ 
stände  und  seine  Geschichte.  Mit  Unterstützung  der  Stadt 
Frankfurt  a.  M.  Von  R.  Jung.  1896.  8°. 

VIII.  Die  Baudenkmäler  in  Frankfurt  a.  M.  Herausgegeben  mit 
Unterstützung  der  Stadt  und  der  Administration  des  Dr.  Joh. 
Friedrich  Böhmer’schen  Nachlasses  von  dem  Architekten- 
und  I ngenieur- Ver e  in  und  dem  Verein  für  Geschichte  und 
Alterthumskunde.  Band  I  und  II  bearbeitet  von  C.  Wolff  und 
R.  Jung,  Band  III  von  R.  Jung  und  J.  Hülsen.  1896 — 1907.  8°. 

3 


34 


IX.  Festschrift  zur  Feier  des  25jährigen  Bestehens  des  Städti¬ 
schen  Historischen  Museums  in  Frankfurt  a.  M.  1903.  40. 

Die  städtischen  Sammlungen  in  reichs-  und  freistädtischer  Zeit  1691  —  1866, 
von  Jung; 

Die  Gründung  des  städtischen  Historischen  Museums  und  des  Vereins 
für  dasselbe  im  Jahre  1877,  von  Donner- v.  Richter; 

Ergebnisse  und  Aufgaben  der  Heddernheimer  Lokalforschung,  von  Wolf  1; 

Römische  Terracotten  aus  unserer  Umgegend  im  Historischen  Museum, 
von  Riese; 

Das  Römische  Villengebäude  bei  der  Günthersburg  und  die  Bornburg, 
von  Thomas; 

Der  Kachelofen  in  Frankfurt,  von  Lauffer; 

Das  Frankfurter  Zinngiessergewerbe  und  seine  Blüthezeit  im  XVIII.  Jahr¬ 
hundert,  von  Dietz; 

Frankfurter  Medailleure  im  XVI.  Jahrhundert,  von  Cahn. 

X.  Der  Königsleutnant  Graf  Thoranc  in  Frankfurt  a.  M.  Akten¬ 
stücke  über  die  Besetzung  der  Stadt  durch  die  Franzosen 
1759 — 1762.  Herausgegeben  von  H.  Grotefend.  1904.  8°. 

XI.  Geschichte  der  Musik  in  Frankfurt  a.  M.  vom  Anfänge  des 
XIV.  bis  zum  Anfänge  des  XVIII.  Jahrhunderts.  Von  C.  Valentin. 
1906.  8°. 


II. 


Frankfurter  Hoehsehul-Pläne 
1384-1866. 


Von 


Archivdirektor  DR-  R.  JUNG. 


<r 


3* 


Von  je  her  hat  Frankfurt  als  eine  Stadt  gegolten,  in  der  der  Geld¬ 
erwerb  die  Hauptrolle  spielt,  in  der  sich  das  Leben  nur  oder  fast  nur  um 
materielle  Interessen  dreht.  Die  Stadt  der  Messen,  des  Buchhandels, 
der  wirtschaftlich  bedeutendsten  Judenschäft,  der  Banken  und  der 
Börse  ist  hauptsächlich  als  Handelsplatz  von  Dichtern  besungen,  von 
Schriftstellern  gewürdigt,  von  der  Allgemeinheit  angesehen  worden, 
als  ein  Ort,  in  dem  man  geistiges  Leben  nicht  oder  nur  wenig 
bewerte,  wenn  in  ihr  auch  zufällig  die  Wiege  des  grössten  deutschen 
Dichters  gestanden  habe.  Nicht  in  Goethe,  sondern  in  Rothschild 
sah  man  allgemein  den  wahren  Geist  Frankfurts  verkörpert. 

Diese  communis  opinio  von  dem  Wesen  der  Stadt  war  schon 
im  XVI.  Jahrhundert  ausgebildet,  teils  im  Lob,  teils  im  Tadel.  Nur 
ein  halbes  Jahrhundert  trennt  die  Urteile  Martin  Luthers  und  Henri 
Estiennes,  des  Mannes  der  Kirche  und  des  Geschäftsmannes,  der 
aber  doch  zugleich  auch  ein  Humanist  war;  der  eine  hat  die  Stadt 
einen  Aussauger  des  nationalen  Wohlstandes  gescholten,  der  andere 
als  die  Vermittlerin  nicht  nur  der  materiellen,  auch  der  geistigen  Güter 
im  Weltverkehr  gefeiert.  In  der  kleinen  Schrift  »Von  Kauffshandel 
und  Wucher«,  die  1524  in  Wittenberg  erschien,  klagt  Luther,  dass 
Deutschland  die  fremden  Länder  durch  Übernahme  ihrer  Waren  be¬ 
reichere:  »Rechen  du,  wie  viel  Gellts  eyne  Messe  zu  Franckfurt  aus 
deutschem  Land  gefurt  wird,  on  Nott  und  Ursach,  so  wirftu  dich 
wundern,  wie  es  zugehe,  das  noch  eyn  Heller  ynn  deutschen  Landen 
sey.  Franckfurt  ist  das  Sylber  und  Gollt  Loch,  da  durch  aus  deutschem 
Land  fleußt,  was  nur  quillet  und  wechft,  gemuntzt  odder  geschlagen 
wird  bey  uns.  Were  das  Loch  zugeftopft't,  so  durfft  man  itzt  der 
Klage  nicht  hören,  wie  allenthalben  eytel  Schuld  und  keyn  Gellt, 
alle  Land  und  Stedte  mit  Zinsen  beschweret  und  ausgewuchert  sind. 
Aber  las  gehen,  es  wil  doch  also  gehen:  wyr  Deutschen  müssen 
Deutschen  bleiben,  wyr  lassen  nicht  ab,  wyr  müssen  denn.«  Von 
einem  anderen,  einem  höheren  Standpunkt  feiert  1574  der  welt¬ 
erfahrene  französische  Buchdrucker  und  Buchhändler  Henri  Estienne 
in  seinem  »Francofordiense  emporium«  die  Frankfurter  Messe  als 
einen  Mittelpunkt  des  Weltverkehrs:  dort  findest  du  alle  Erzeugnisse 
des  Gewerbfleisses,  nicht  nur  die,  welche  du  gesucht  hast,  auch  eine 
Menge  von  solchen,  an  welche  du  nicht  denkst  und  von  welchen  du 


3§ 


nie  gehört  hast,  und  in  solchem  Überfluss,  dass  du  glaubst,  dass  sie 
nicht  aus  mehreren  Orten,  sondern  aus  allen  Teilen  derWelt  kommen; 
die  Messe  Merkurs  wird  aber  noch  übertroffen  von  der  Messe  der 
Musen:  in  humanistischer  Überschwenglichkeit  nennt  er  sie  eine 
Akademie  und  feiert  die  Buchgasse  als  das  Frankfurtische  Athen. 
Wieder  ein  ganz  anderes  Bild  von  dem  Interessenkreis  der  Frankfurter, 
freilich  derer,  die  zwei  Jahrhunderte  nach  der  Reformation  lebten, 
gibt  Goethe:  »Wenn  die  nordischen  freien  Reichsstädte  auf  einen 
ausgebreiteten  Handel  und  die  südlicheren  bei  zurücktretenden  Handels¬ 
verhältnissen  auf  Kunst  und  Technik  gegründet  standen,  so  war  in 
Frankfurt  am  Main  ein  gewisser  Komplex  zu  bemerken,  welcher  aus 
Handel,  Kapitalvermögen,  Haus-  und  Grundbesitz,  aus  Wissen-  und 
und  Sammlerlust  zusammengeflochten  schien.«  Sprechen  Luther  und 
Estienne  von  dem  Frankfurt  der  Messen,  so  denkt  Goethes  Urteil 
mehr  an  das  eigentliche  Frankfurt  und  seine  Tätigkeit  ausserhalb 
des  Messgetriebes.  Und  wenn  auch  in  diesem  Urteil  das  Vorwiegen 
der  materiellen  Interessen  nicht  bestritten  wird,  so  wird  andererseits 
die  Pflege  der  geistigen  nachdrücklich  betont. 

Eine  Darstellung  der  Bestrebungen  für  Kunst  und  Wissenschaft 
in  Frankfurt  wäre  eine  dankbare  Aufgabe.  Die  Geschichte  des 
geistigen  Lebens  in  der  Reichsstadt,  der  späteren  Freien  Stadt  hätte  mit 
manchen  Vorurteilen  aufzuräumen  und  würde  das  allgemeine  Urteil  über 
den  Mammonismus  und  Materialismus  des  alten  Frankfurt  wesentlich 
berichtigen;  sie  würde  zeigen,  dass  Goethes  Urteil  das  richtige  ist. 

Die  folgenden  Ausführungen  sollen  einen  bescheidenen  Beitrag 
zu  der  noch  zu  schreibenden  Geschichte  des  geistigen  Lebens  in 
unserer  Stadt  liefern.  Sie  sollen  die  Bemühungen  oder  auch  nur  die 
Anregungen  vorführen,  die  im  Laufe  der  Jahrhunderte  gemacht 
wurden,  um  der  Stadt  die  höchste  Form  einer  Bildungsanstalt,  die 
Hochschule,  zu  verschaffen,  Bemühungen,  die  in  merkwürdigem 
Wechsel  von  innen  und  von  aussen  kamen;  sie  sollen  die  jeweilige 
Stellungnahme  der  Stadtverwaltung  und  der  Bürgerschaft,  insbesondere 
der  am  meisten  und  innerlich  interessierten  Kreise,  vorführen.  Sie 
werden,  wie  ich  denke,  den  Beweis  liefern,  dass  es  zu  allen  Zeiten 
Bürger  und  Fremde  gegeben  hat,  welche  den  Boden  Frankfurts  zur 
Pflege  höherer  Interessen  als  der  des  Erwerbs  nicht  für  ungeeignet 
gehalten  haben ;  sie  werden  auch  zeigen,  dass  es  einige  Male  gerade 
der  Handelsstand  gewesen  ist,  aus  dessen  Kreisen  der  Wunsch  laut 
wurde,  der  Materialisierung  durch  das  geschäftliche  Leben  ein  Gegen¬ 
gewicht  in  der  Pflege  des  geistigen  entgegenzustellen. 


39 


I. 

Das  Rechenmeister-Buch  enthält  unter  dem  20.  Februar  1384 
folgenden  Eintrag: 

Item  8V2  gülden  eyme  schuler  zu  lauffen  geyn  Ludyche  an 
den  kenczler  von  Parys  umb  daz  Studium  von  Parys  geyn 
Franckfurt  z°u  legen,  alss  he  dry  wochen  da  lag  unde  eyn 
entworte  wartete. 1 

Nur  aus  diesem  Eintrag  wissen  wir,  dass  zu  Beginn  des  Jahres 
1384  der  Rat  der  Stadt  einen  Studenten  als  Boten  mit  einem  Schreiben 
an  den  Kanzler  der  Universität  von  Paris  nach  Lüttich  entsandte, 
dass  der  Student  dort  drei  Wochen  auf  die  Antwort  des  Kanzlers 
wartete  und  Mitte  Februar,  offenbar  ohne  die  gewünschte  Antwort, 
nach  Frankfurt  zurückkehrte,  wo  ihm  sein  kärglicher  Botenlohn  aus¬ 
gezahlt  wurde.  Ratsprotokolle  sind  aus  dieser  Zeit  nicht  vorhanden, 
wahrscheinlich  damals  noch  nicht  in  besonderen  Büchern  geführt 
worden;  auch  pflegte  die  städtische  Kanzlei  die  ausgegangenen 
Briefe  nicht  in  eigenen  Brief-  oder  Missivbüchern  abschriftlich  zu 
sammeln,  so  dass  wir  für  den  Inhalt  der  Botschaft  an  den  Pariser 
Kanzler  lediglich  auf  diesen  Rechnungs-Eintrag  angewiesen  sind. 

Wie  das  Frankfurter  Stadtarchiv,  so  versagt  auch  das  Archiv  der 
Pariser  Universität.  Aus  ihrem  von  Denifle  und  Chatelain  so  vor¬ 
trefflich  herausgegebenen  und  kommentierten  Urkundenbuch2 * *  läßt 
sich  auch  nicht  die  geringste  Spur  über  eine  solche  Verhandlung  in 
Lüttich  entnehmen ;  es  lässt  sich  nicht  einmal  daraus  nachweisen, 
dass  der  damalige  Kanzler  Johannes  Blanchart  im  Anfänge  des  Jahres 
1384  in  Lüttich  sich  aufgehalten  hat. 

Trotz  dieses  Mangels  an  weiteren  Nachrichten  lässt  sich  der 
Versuch  des  Frankfurter  Rates,  der  Stadt  eine  Hochschule  zu  ge¬ 
winnen,  unschwer  in  die  Reihe  der  damaligen  Ereignisse  einordnen.5 


1  Diese  Notiz  ist  zuerst  von  Kriegk,  Deutsches  Bürgerthum  im  Mittelalter, 
Neue  Folge  (Frankfurt  1871),  S.  126  veröffentlicht  worden.  Kriegk  erwähnt  dort 
kurz  die  vier  geplanten  Frankfurter  Universitätsgründungen  von  1384,  1540,  aus 
der  primatischen  Zeit  und  nach  18 66,  ohne  nähere  Begründung  durch  eigene 
archivalische  Forschung. 

2  Denifle  und  Chatelain,  Chartularium  universitatisParisiensis,  Tom.III(Parisiis 

1894);  dieselben,  Auctarium  chartularii universitatis  Parisiensis.Tom.  I  (Parisiis  1894). 

5  Vgl.  zum  Folgenden :  Hartwig,  Henricus  de  Langenstein  dictus  de  Hassia 

(Marburg  1857);  Aschbach,  Geschichte  der  Wiener  Universität  im  ersten  Jahr¬ 
hundert  ihres  Bestehens  (Wien  I865);  Thorbecke,  Die  Anfänge  der  Universität 
Heidelberg  (Heidelberg  1886) ;  Winkelmann,  Urkundenbuch  der  Universität  Heidel¬ 
berg,  Bd.  I  (Heidelberg  1886). 


40 


Die  doppelte  Papstwahl  des  Jahres  1378  brachte  die  Pariser 
Universität  in  eine  schwierige  Lage.  Sie  hatte  sofort  den  am  9.  April 
in  Rom  gewählten  Urban  VI.  anerkannt,  König  Karl  V.  verlangte 
aber  bald  darauf  die  Anerkennung  des  am  21.  September  gewählten 
Gegenpapstes  Clemens  VII.,  der  ein  Franzose  war.  Die  Universität 
schwankte;  die  Mehrzahl  der  Artisten,  insbesondere  die  Natio  Angli- 
cana,  deren  grösseren  Teil  die  Deutschen  bildeten,  hielt  an  Urban  VI. 
fest.  Vergebens  suchte  ihr  bedeutendster  Lehrer,  der  Hesse  Heinrich 
von  Langenstein,  die  Hochschule  für  die  Entscheidung  durch  eine 
Kirchenversammlung  zu  gewinnen.  Im  Jahre  1383  verliess  eine 
grössere  Anzahl  von  Deutschen  die  Universität,  weil  sie  von  Urban  VI. 
nicht  lassen  wollten  und  weil  Clemens  VII.  in  einem  Zwiste  über 
die  Ernennung  von  Examinatoren  gegen  sie  und  für  die  Natio  Gallicana 
entschieden  hatte;  dieser  Exodus  wurde  wesentlich  durch  die  Be¬ 
mühungen  des  Herzogs  von  Österreich,  seiner  Wiener  Universität 
Pariser  Lehrkräfte  zu  gewinnen,  begünstigt.  Zu  diesen  Exulanten 
gehörte  auch  Michael  de  Francfordia,  ohne  Zweifel  ein  Frankfurter 
Kind.1  Nichts  natürlicher,  als  dass  diese  Flüchtlinge  den  Plan  fassten, 
in  Deutschland  eine  Hochschule  zu  gründen.  Während  Langenstein 
schon  bald  einem  Rufe  an  die  Wiener  Hochschule  folgte,  wurde 
Marsilius  von  Inghen  von  dem  Kurfürsten  Ruprecht  von  der  Pfalz 
gewonnen,  um  das  Studium  generale  in  Heidelberg  nach  dem  Muster 
der  Pariser  Hochschule  einzurichten;  gegen  Ende  1384  ging  das 
Gesuch  Ruprechts  um  die  päpstliche  Bestätigung  ab. 

Die  Frage  der  Errichtung  einer  deutschen  Hochschule  wurde 
also  noch  im  Laufe  des  Jahres  1384  zu  Gunsten  Heidelbergs  ent¬ 
schieden:  der  in  den  Anfang  des  Jahres  fallende  Versuch  Frankfurts 
war  ergebnislos  geblieben.  Aschbach  teilt  —  leider  ohne  Quellen¬ 
angabe  —  mit,  die  deutschen  Lehrer  hätten  Paris  verlassen,  »zunächst 
mit  der  Absicht,  in  einer  Stadt  des  deutschen  Reiches  sich  nieder¬ 
zulassen  und  da  den  Grund  zu  einem  neuen  Studium  generale  zu 
legen.  Frankfurt,  die  Reichsstadt,  war  anfangs  für  diesen  Zweck 
ausersehen.«  Diese  Angabe  Aschbachs  findet  durch  den  Eintrag  im 


1  Aus  dem  Chartularium  der  Universität  Paris  und  aus  Aschbachs  Geschichte 
der  Wiener  Universität  ist  zu  entnehmen,  dass  dieser  Michael  de  Francfordia  1378  das 
Baccalaureat  in  Prag  erworben  hatte,  1381  einer  der  Prokuratoren  der  englischen 
Nation  in  Paris  war,  1385  Magister  regens  der  artistischen  Fakultät  in  Wien  und 
am  14.  April  1387  Dekan  dieser  Fakultät  wurde.  Aus  den  Frankfurter  Akten  lässt 
sich  nichts  über  seine  Persönlichkeit  feststellen. 


4i 


Rechenbuche  volle  Bestätigung.1  Die  Vermutung  liegt  nahe,  dass 
jener  Michael  de  Francfordia  die  Blicke  seiner  Genossen  auf  die 
Vaterstadt  am  Maine  lenkte.  Dass  es  der  Kanzler  der  Pariser  Uni¬ 
versität  war,  den  der  Bote  des  Rates  in  Lüttich  aufsuchte,  mag  ein 
Irrtum  des  Schreibers  sein,  denn  gerade  der  französische  Kanzler 
dachte  ganz  gewiss  nicht  daran,  mit  seiner  altberühmten  Hochschule 
nach  Deutschland  auszuwandern;  der  Adressat  der  Ratsbotschaft 
dürfte  sicher  zu  dem  Kreise  der  deutschen  Dissidenten  gehört  haben. 

Es  war  kein  zu  kühnes  Unterfangen,  wenn  Frankfurt  damals 
nach  dem  Ruhme  strebte,  die  erste  Hochschule  im  Innern  Deutsch¬ 
lands  in  seinen  Mauern  zu  gründen,  nachdem  Kaiser  Karl  IV.  1347  in 
Prag  und  die  österreichischen  Herzoge  1365  in  Wien  die  ersten 
Universitäten  an  der  Peripherie  des  Reiches  errichtet  hatten.  Unter 
den  deutschen  Städten,  die  damals  in  mächtigen  Städtebünden  vereint 
den  Fürsten  drohend  gegenüber  standen,  nahm  die  Reichsstadt 
Frankfurt  als  gesetzliche  Wahlstadt  des  Reiches,  als  vielbesuchter 
Mittelpunkt  des  Handels  und  Verkehrs  eine  hervorragende  Stellung 
ein.  Es  war  die  Zeit,  da  die  inneren  Schwierigkeiten  überwunden 
waren,  da  die  Unabhängigkeit  der  Stadt  gesichert  und  ihr  wirtschaft¬ 
liches  Aufblühen  durch  eine  Reihe  kaiserlicher  Privilegien  gewähr¬ 
leistet  wurde.  Es  liegt  nahe,  in  dem  grossdenkenden,  energischen 
Staatsmanne,  der  damals  die  städtische  Politik  in  erster  Linie  leitete, 
in  Sigfrid  zum  Paradies,  den  Urheber  des  Gedankens  zu  suchen,  die 
Blüte  der  Stadt  durch  die  Gründung  einer  hohen  Schule  zu  heben. 
Woran  die  Absicht  des  Rates  scheiterte,  darüber  können  nur  Ver¬ 
mutungen  vorgebracht  werden,  von  denen  nur  die  eine  ausgesprochen 
sein  mag,  dass  den  flüchtigen  Universitätslehrern  ein  fürstlicher 
Schirmherr  willkommener  erschien,  als  der  vielköpfige  Rat  einer 
einzelnen  Stadt. 

Die  1384  für  die  Gründung  einer  Hochschule  in  Frankfurt  so 
günstigen  Zeitumstände  änderten  sich  rasch.  Bald  blühten  in  Heidel¬ 
berg  (1386),  Köln  (1388),  Erfurt  (1392)  Universitäten  auf;  die  Lage 
Frankfurts  nach  innen  und  aussen  wurde  durch  die  Niederlage  der 
Stadt  bei  Cronberg  (1389)  eine  so  schwierige  und  brachte  so  ganz 
andere  Sorgen  und  Arbeiten,  dass  in  dieser  Frühlingszeit  deutscher 


1  Vgl.  Aschbach  S.  37 6.  Sollte  Aschbachs  Quelle  etwa  eben  diese  Rechen¬ 
buchnotiz  sein,  die  er  bei  seinen  mittelalterlichen'  Studien  im  Frankfurter  Stadt¬ 
archiv  gefunden  hatte  oder  die  ihm  vielleicht  Kriegk  vor  der  Veröffentlichung 
mitgeteilt  hat  ? 


42 


Hochschulgründungen  weder  innerhalb  noch  ausserhalb  der  Stadt  der 
Gedanke  wieder  auftauchte,  hier  ein  Studium  generale  zu  errichten, 
wofür  ja  auch  das  Bedürfnis  immer  geringer  wurde,  denn  das  XV. 
Jahrhundert  Hess  in  den  verschiedensten  Teilen  Deutschlands  nicht 
weniger  als  io  weitere  Hochschulen  entstehen.  Und  gerade  das  letzte 
Jahrhundert  des  Mittelalters  ist  für  die  Frankfurter  Politik  die  Zeit, 
deren  Bestreben  immer  mehr  darauf  ausging,  im  wirtschaftlichen 
Wettbewerb  an  die  Spitze  der  deutschen  Reichsstädte  zu  treten,  denen 
Frankfurt  schon  in  der  politischen  Bedeutung  als  Wahlort  der  Herrscher, 
als  beliebter  Versammlungsort  für  die  Tage  des  Reichs  und  der 
Städte  weit  vorausgeeilt  war.  Der  1384  vergeblich  gemachte  Versuch, 
die  Stadt  zum  Mittelpunkte  auch  des  geistigen  Lebens  zu  machen, 
hat  im  Mittelalter  keine  Nachahmung  gefunden. 

Der  Anfang  der  Reformationszeit  bildet  auch  in  der  Ge¬ 
schichte  des  Frankfurter  Bildungswesens  eine  bedeutsame  Epoche.  Nur 
langsam  hat  um  die  Wende  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  die  Wieder¬ 
belebung  des  klassischen  Altertums  auch  in  Frankfurt  segensreichen 
Einfluss  gewonnen.  Es  war  eine  Zeit  der  geistigen  Vertiefung  für 
die  höheren  Kreise  der  Bürgerschaft;  es  wäre  eine  lohnende,  aber 
schwierige  Aufgabe,  im  Einzelnen  nachzuweisen,  wie  hier  in  Frankfurt 
das  geistige  Leben  aufblühte,  wovon  der  Zug  nach  den  italienischen 
Hochschulen  in  den  Patrizierfamilien,  die  Verinnerlichung  des  kirch¬ 
lichen  Lebens  unter  Führung  hervorragender  Geistlichen  wie  Johannes 
Lupi  und  Konrad  Hensel,  die  Anfänge  der  Buchhändlermesse  bedeut¬ 
same  Zeugnisse  bilden. 1  Mit  der  Gründung  des  städtischen  Gymna¬ 
siums  im  Jahre  1520  beginnen  die  humanistischen  Studien  in  Frankfurt 
keineswegs;  sie  war  vielmehr  der  Schlussstein  eines  Jahrzehnte 
dauernden  Bestrebens,  der  neuen  Wissenschaft  hier  eine  dauernde  Stätte 
zu  bereiten,  der  Jugend  schon  die  Kenntnis  des  klassischen  Altertums 
zu  verschaffen,  die  sich  die  Väter  noch  auf  italienischen  Hochschulen 


1  Über  die  Frankfurter  Studenten  auf  italienischen  Universitäten  vgl.  meine 
kurze  Zusammenstellung  im  Leben  Dr.  Johann  Fichards  im  Archiv  für  Frankfurts 
Geschichte  und  Kunst,  Dritte  Folge,  Bd.  II,  225—229.  —  Zur  Geschichte  des 
Humanismus  in  Frankfurt  sind  in  erster  Linie  die  Steitzschen  Arbeiten  zur  Vor¬ 
geschichte  der  Einführung  der  Reformation  im  Archiv  etc.,  Neue  Folge,  Bd.  III — VI 
heranzuziehen.  —  Unter  den  Inventaren  des  Stadtarchivs  sind  verschiedene  Ver¬ 
zeichnisse  von  Lagern  von  Buchhändlern  und  auch  Aufnahmen  von  privaten 
Büchereien  bemerkenswert;  das  sehr  charakteristische  Verzeichnis  der  Privat¬ 
bibliothek  des  1502  verstorbenen  Stadtschultheissen  Ludwig  zum  Paradies  ist  in  der 
Festschrift  der  Stadtbibliothek  in  Frankfurt  a.  M.  1896  S.  136  und  138 — 144  be¬ 
sprochen  und  veröffentlicht. 


43 


erwerben  mussten.  Die  Errichtung  der  lateinischen  Schule  unter 
Wilhelm  Nesen  ist  nicht  nur  deshalb  von  Bedeutung,  weil  jetzt  die 
regierenden  Kreise  das  Bedürfnis  empfanden,  ihre  Söhne  in  den 
humanistischen  Wissenschaften  durch  einen  weltlichen,  der  neuen 
Lehre  anhängenden  Gelehrten  unterrichten  zu  lassen;  weit  wichtiger 
ist  es,  dass  die  Stadt  als  solche  sich  die  Aufgabe  stellte,  für  den 
Unterricht  der  Jugend  zu  sorgen,  der  bisher  in  den  Händen  von 
Geistlichen  und  Privatpersonen  gelegen  hatte,  dass  sie  eine  höhere 
Schule  gründete  und  die  Verpflichtung  ihrer  Unterhaltung  aus  öffent¬ 
lichen  Mitteln  auf  sich  nahm;  es  sollte  drei  Jahrhunderte  dauern, 
bis  sie  den  zweiten  Schritt  auf  diesem  Wege  tat:  die  Uebernahme 
des  mittleren  und  höheren  Schulwesens  in  städtische  Verwaltung. 

Die  Errichtung  der  Lateinschule,  des  städtischen  Gymnasiums, 
brachte  dem  Rate  eine  Reihe  von  finanziellen  Sorgen;  die  wirtschaft¬ 
lichen,  sozialen  und  besonders  die  politischen  Verhältnisse  der  Stadt 
in  den  Jahren  von  1520  bis  1552  waren  nicht  danach  angetan,  zu 
einem  weiteren  Schritt,  zur  Einrichtung  einer  hohen  Schule  zu  er¬ 
mutigen.  Anton  Kirchner  behauptet  zwar,  dass  etwa  in  den  Jahren 
von  1535  bis  1546  öfter  von  der  Stiftung  einer  Universität  die  Rede 
gewesen,  ja,  dass  Wolfgang  Capito  und  Martin  Bucer  den  Plan  dazu 
entworfen  hätten.1  Ohne  Zweifel  liegt  hier  eine  Verwechslung  mit 
den  Vorschlägen  vor,  welche  Capito  dem  Rate  zur  Hebung  des 
Schulwesens  Anfang  1535  unterbreitete  und  in  welchen  er  insbesondere 
an  die  Heranbildung  junger  Leute  zu  Theologen  mahnt,  da  »man 
Arzt  und  Juristen  genug  findet«;  er  verlangt  aber  für  diese  zukünftigen 
Pfarrer  keine  besondere  Hochschule,  sondern  lediglich  eine  »etwas 
dapfere  Underhaltung«,  also  die  Schaffung  von  Stipendien.2  Aus  den 
städtischen  Akten  und  Ratsprotokollen  jener  Zeit  ist  nirgends  der 
Gedanke  an  die  Gründung  einer  Frankfurter  Universität  zu  ersehen. 

Mit  jeder  neuen  Universitätsgründung  wäre  das  Bedürfnis  einer 
Hochschule  in  Frankfurt  geringer  geworden,  wenn  ein  solches  über- 

1  Kirchner,  Geschichte  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  Bd.  II,  451:  »Obgleich  es 
bei  dem  Mangel  an  geistlichen  Gütern  dem  Rathe  schwer  fiel,  nur  die  Schule  zu 
den  Barfüssern  in  gutem  Stande  zu  erhalten,  dennoch  war  vor  dem  Religionskriege 
öfter  von  der  Stiftung  einer  hohen  Schule  die  Rede.  Capito  und  Bucer  hatten 
dazu  den  ersten  Plan  gemacht.  Aber  der  unseelige  Krieg  erstickte  den  Entwurf  in 
der  Geburt.« 

2  Capitos  Denkschrift  befindet  sich  in  den  Akten  das  Religions-  und  Kirchen¬ 
wesen  betr.  Bd.  II,  Blatt  118—126  und  ist  abgedruckt  in  "Ritters  Evangelischem 
Denkmahl  der  Stadt  Frankfurth  am  Mayn  (Frankfurt  1726),  Seite  329  —  345.  Von 
Bucer  sind  keine  auf  die  Hebung  des  Schulwesens  bezüglichen  Vorschläge  bekannt. 


44 


haupt  bestanden  hätte.  Handel  und  Verkehr,  besonders  zu  Messzeiten, 
brachten  ein  immer  regeres  Leben  in  die  Stadt  und  wurden  je  länger, 
je  mehr  bestimmend  für  die  städtische  Politik  nach  aussen  und  nach 
innen.  Reisebeschreibungen  und  Dichtungen  des  XVI.  und  XVII. 
Jahrhunderts  betonen  immer  stärker  den  Charakter  Frankfurts  als 
Handelsstadt;  den  Auswärtigen  wurde  die  Reichsstadt  am  Maine  fast 
gleichbedeutend  mit  der  Stadt  des  Mammon  und  bei  den  Einheimischen 
setzte  sich  die  Anschauung  fest,  die  Jakob  Bender  von  Bienenthal 
gegen  Ende  des  XVII.  Jahrhunderts  in  den  Worten  formulierte,  die 
Stadt  sei  »principaliter  zu  der  Handlung  und  nicht  zu  den  studiis 
gewidmet«,  so  dass  der  Titel  »des  Heiligen  Reiches  Wahl-  und 
Handelsstadt«,  welche  die  Chronisten  Florian,  Waldschmidt  und  Lersner 
ihrer  Stadt  gaben,  fast  zur  offiziellen  Bezeichnung  wurde.  Die  all¬ 
gemeine  Schätzung  Frankfurts  folgte  durchaus  der  Bewertung  durch 
Luther  als  Silber-  und  Goldloch  Deutschlands  und  nicht  der  über¬ 
schwänglichen  Lobpreisung  durch  Henri  Estienne  als  zeitweiliger 
deutscher  Gelehrten-Akademie,  die  ja  durch  den  beständigen  Rück¬ 
gang  der  Buchhändlermesse  immer  mehr  zusammenschrumpfte. 

Wenn  englische  Gelehrte,  die  in  den  Jahren  1554—1559  hier 
in  Frankfurt  vor  der  religösen  Verfolgung  in  ihrer  Heimat  Schutz 
suchten  und  fanden,  sich  zu  einer  Art  Akademie  vereinigten,  an  der 
theologische,  griechische  und  hebräische  Studien  betrieben  wurden, 
so  war  das  doch  nur  eine  Pflege  der  Wissenschaft  und  Gelehrsamkeit, 
die  sich  auf  den  engen  Kreis  der  Flüchtlinge  beschränkte  und  mit 
deren  Rückkehr  in  die  Heimat  wieder  auf  hörte.1  Sie  blieb  ohne  jede 
Wirkung  auf  die  einheimischen,  tden  Studien  geneigten  Kreise.  Die 
späthumanistische  Generation  der  Patrizier  Johann  von  Glauburg  und 
Justinian  von  Holzhausen,  der  Rechtsgelehrten  Johann  Fichard  und 
Konrad  Humbracht,  dieser  Schüler  der  Reformatoren  Luther  und 
Melanchthon,  der  Humanisten  Micyllus  und  Zasius,  entsandte  ihre 
Söhne  wieder  nach  Italien  und  auf  die  neu  aufblühenden  Hochschulen 
Frankreichs  und  Flollands.  In  den  Familien  dieser  Patrizier  und  hohen 
Beamten  herrschte  noch  ein  reges  geistiges  Leben; 2  aber  die  politischen 
und  sozialen  Verhältnisse  um  die  Wende  des  XVI.  und  XVII.  Jahr¬ 
hunderts  wurden  immer  ungünstiger  für  die  Herrschaft  der  Musen; 


1  Vgl.  A  brief  discourse  of  the  troubles  begun  at  Frankfort  etc.,  erste  Aus¬ 
gabe  von  1575,  Neudruck  London  1846,  S.  60. 

2  Z.  B.  in  dem  Kreise,  der  sich  um  den  alten  Fichard  versammelte;  Archiv 
für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Dritte  Folge,  Bd.  II,  254  f. 


45 


wie  weit  an  diesem  Rückgänge  die  religösen  Streitigkeiten,,  die  wirt¬ 
schaftlichen  Schwierigkeiten,  die  durch  die  reformierte  Einwanderung 
hervorgerufene  Übermacht  der  kommerziellen  und  industriellen  In¬ 
teressen,  die  Wirksamkeit  der  kaiserlichen  Bücher-Kommissare,  der 
allmähliche  Zerfall  des  Gymnasiums  beteiligt -.^varen,  harrt  noch  der 
näheren  Untersuchung.1  Die  Zeiten  des  Fettmilch-Aufstandes,  des 
30jährigen  Krieges  waren  natürlich  nicht  geeignet,  das  geistige  Leben 
in  Frankfurt  wieder  auf  die  Höhe  zu  erheben,  die  es  in  der  Jugendzeit 
des  städtischen  Gymnasiums  erreicht  hatte,  die  ja  die  Zeit  der  eben 
erst  gewonnenen  religiösen  und  geistigen  Freiheit  war.  Hat  es  der 
Stadt  auch  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  und  in  der  ersten  des 
XVII.  Jahrhunderts  nicht  an  hervorragenden  Gelehrten  gefehlt,  so 
kann  doch  erst  für  die  Jahrzehnte  nach  dem  grossen  Kriege  von 
einem  bemerkenswerten  Aufschwünge  des  geistigen  Lebens  ge¬ 
sprochen  werden. 

Zu  denen,  die  ihn  herbeisehnten,  die  bestimmte  Vorschläge  zur 
Hebung  des  geistigen  Niveaus  der  Bürgerschaft  machten,  gehört  der 
Frauensteiner  Jakob  Bender  von  Bienenthal  (1644— 1694).  Nach 
beendeten  Universitätsstudien  durchreiste  er  Holland,  Frankreich  und 
Italien;  in  die  Heimat  zurückgekehrt  befasste  er  sich  zunächst  als 
Privatmann  —  erst  1678  trat  er  in  den  Rat  ein  —  mit  den  öffent¬ 
lichen  Angelegenheiten  seiner  Vaterstadt.  Hellen  Blickes  erkannte 
der  Vielgewanderte  die  rückständigen  Verhältnisse  der  Stadt  und 
zeichnete  um  1670  verschiedene  Besserungsvorschläge  auf,  die  er¬ 
kennen  lassen,  dass  er  seine  Wanderjahre  gut  ausgenutzt  hatte;  er 
legte  dar,  wie  man  sich  von  der  reichsstädtischen  Selbstgenügsamkeit 
frei  machen  und  den  Blick  nach  auswärts  richten  müsse.  Zur  Hebung 
des  geistigen  Lebens,  insbesondere  zur  Verbesserung  der  Zustände  im 
Gymnasium  und  in  den  beiden  städtischen  Bibliotheken,  der  des 
Rates  und  der  des  ehemaligen  Barfüsser-Klosters,  zur  Verbesserung 
des  Gottesdienstes  durch  würdige  Musik  machte  er  verständige  Vor¬ 
schläge.  So  besprach  er  kontradiktorisch  unter  ausführlicher  Darlegung 
der  rationes  assertionis  et  dubitandi  die  Idee,  »ob  nicht  zu  mehrerm 
Aufnehmen  dieser  Statt  ein  Hortus  Botanicus,  so  Sommerszeiten 
auch  zur  Lust  und  Zusammenkunft  gemeiner  Bürgerschaft  dienen 
mögte,  anzurichten?«  Er  wies  nachdrücklich  darauf  hin,  welche 


1  Über  das  Gymnasium  um  1600  vgl.  Liermanns  Schrift  über  Petrejus  im 
Programm  des  Goethe-Gymnasiums  1901  und  Reinhardts  Arbeit  über  Hirtzwig  im 
Programm  des  Gymnasiums  1891. 


\G 


Belebung  dieser  botanische  Garten  den  Wissenschaften  der  Medizin 
und  der  Natur  bringen  werde,  und  widerlegt  den  Einwurf  der  Gegner, 
ein  solcher  Garten  gehöre  in  eine  Universitätsstadt,  mit  den  treffenden 
Worten,  »dass  dasjenige,  was  einem  Ort,  so  auch  zugleich  eine 
Universität  ist,  wohl  anstehet,  einem  andern,  so  keine  hohe  Schule 
hat,  noch  viel  rühmlicher  und  anständlicher  sei«.  Benders  Anregung 
ist  ein  Jahrhundert  später  in  Senckenbergs  botanischem  Garten  und 
ein  weiteres  Jahrhundert  später  in  der  Gründung  des  Palmengartens 
zur  Tat  geworden.1 

Niemals  ist  im  XVII.  Jahrhundert,  auch  nicht  gegen  den  Schluss 
desselben,  als  hier  Männer  von  der  geistigen  Bedeutung  Speners  und 
Hiob  Ludolfs  tätig  waren,  der  Gedanke  der  Errichtung  einer  Hoch¬ 
schule  zu  öffentlicher  Besprechung  gekommen.  Er  lag  nahe,  als  1659 
der  Plan  des  Kurfürsten  Karl  Ludwig  von  der  Pfalz  bekannt  wurde, 
seine  Heidelberger  Universität  nach  Worms  zu  verlegen:  mit  Recht 
hat  die  kleine,  damals  arg  zurückgekommene  Reichsstadt  diesem 
Vorhaben  widerstrebt  und  darin  die  Zustimmung  Frankfurts  und 
anderer  Reichsstädte  gefunden,  denn  mit  seiner  Hochschule  wollte 
der  Kurfürst  auch  seine  Residenz  nach  Worms  verlegen;  die  Stadt 
schätzte  aber  ihre  Unabhängigkeit  höher  als  alle  die  Vorteile,  die 
ihr  der  Kurfürst  von  der  Aufnahme  der  Universität  versprach.2  Der 
Gedanke  lag  wieder  nahe,  als  im  Sommer  1693  nach  der  Zerstörung 
Heidelbergs  durch  die  Franzosen  die  Universität  nach  Frankfurt 
flüchtete  und  bis  1698  hier  eine  Zuflucht  fand;  es  waren  freilich  nur 
einige  wenige  Professoren,  welche  hier  die  Universität  vertraten, 
aber  keine  Vorlesungen  abhielten,  weil  keine  Studenten  sich  der 
Übersiedelung  angeschlossen  hatten.3  Der  traurige  Zustand,  in  dem 
sich  damals  die  Kurpfälzische  Hochschule  befand,  die  allgemeinen 
Zeitverhältnisse  Hessen  den  Wunsch,  die  Universität  in  Frankfurt 


1  Merkwürdige  Aufsätze  und  Bemerkungen  die  Stadt  Frankfurt  betreffend 
von  Jacob  Bender  von  Bienenthal  1669  (nebst  Ergänzungsheft)  in  der  v.  Leonhardi- 
schen  Sammlung,  Kasten  27.  —  Diese  Aufzeichnungen  sind  nicht  vollständig; 
z.  B.  auf  der  fehlenden  Seite  388  besprach  nach  den  Stichworten  des  Registers 
(Academie,  Universität)  Bender  offenbar  die  Frage,  ob  für  Frankfurt  die  Gründung 
einer  Hochschule  rätlich  sei.  —  Über  Benders  Vorschläge  zur  Verbesserung  der 
Bibliothek  vgl.  Ebrard,  Die  Stadtbibliothek  in  Frankfurt  a.  M.  S.  9  ff. 

2  Vgl.  R.  Sillib,  Über  Verlegungspläne  der  Universität  Heidelberg  in  den 
Neuen  Heidelberger  Jahrbüchern  Bd.  XIV,  2  ff.,  nach  den  Frankfurter  Akten 
Ugb  E  66  Ee. 

3  Hautz,  Geschichte  der  Universität  Heidelberg  Bd.  II,  288  f. ;  Winkelmann, 
Urkundenbuch  der  Universität  Heidelberg  Bd.  II,  227  ff. 


47 


zurückzuhalten,  wenn  er  überhaupt  ausgesprochen  wurde,  nicht  an 
die  Öffentlichkeit  treten. 

Wenn  für  die  Blüte  wissenschaftlicher  Tätigkeit  in  Frankfurt 
um  die  Wende  des  XVII.  und  XVIII.  Jahrhunderts  an  Spener  und 
Ludolf  erinnert  wurde,  so  sei  auch  der  Wirksamkeit  Lersners  und 
Waldschmidts  mit  einigen  Worten  gedacht.  Lersners  Chronik  stellte 
der  Bürgerschaft  zum  ersten  Male  in  einem  grösseren  Werke  die  ge¬ 
samte  Geschichte  der  alten  Reichsstadt  vor  und  regte  weite  Kreise  des 
Gelehrten-  und  Laienstandes  zum  Studium  der  vaterstädtischen  Ver¬ 
gangenheit  an;  weit  nachhaltiger  aber  für  die  Belebung  geistiger 
Bestrebungen  war  das  Wirken  Waldschmidts,  denn  er  darf  der  Be¬ 
gründer  der  Stadtbibliothek  als  wissenschaftlicher  Anstalt  genannt 
werden,  der  öffentlichen  Bibliothek,  die  1668  durch  die  Vereinigung 
der  Bücherei  des  Rates  und  der  Bibliothek  des  ehemaligen  Barfüsser- 
Klosters  entstand,  1690  durch  den  Ankauf  der  Bibliothek  des  Patriziers 
Johann  Maximilian  zum  Jungen  einen  wissenschaftlich  äusserst  wert¬ 
vollen  Zuwachs  erhielt  und  1691  in  Waldschmidt  ihren  ersten  Vor¬ 
steher  im  Hauptamte  bekam;  diese  städtische  Bibliothek  barg  aber 
nicht  nur  eine  reiche  Büchersammlung  in  sich,  sie  stellte  sich  damals 
auch  die  Aufgabe,  künstlerisch,  geschichtlich  und  naturwissenschaft¬ 
lich  interessante  Gegenstände  zu  sammeln  und  sie  der  Bürger¬ 
schaft  zugänglich  zu  machen.1  Es  sei  weiter  an  die  Sammeltätigkeit 
der  Brüder  Uffenbach  erinnert,  von  denen  der  ältere,  Zacharias  Konrad, 
eine  vielbewunderte  Privatbibliothek  zusammenbrachte,  der  jüngere, 
Johann  Friedrich,  eine  bedeutende  Sammlung  naturgeschichtlicher 
und  technischer  Gegenstände  anlegte,  die  leider  seiner  Vaterstadt 
nicht  erhalten  werden  konnte.2 

Der  polyhistorische  Charakter  des  Zeitalters  vom  Westfälischen 
Frieden  bis  zur  Tronbesteigung  Friedrichs  des  Grossen  tritt  auch  in 
dem  geistigen  Leben  Frankfurts  scharf  hervor.  Wie  Spener  als 


1  Über  Waldschmidts  Bedeutung  für  die  Stadtbibliothek  vgl.  Ebrard  S.  14  ff., 
über  seine  Tätigkeit  als  Sammler  meine  Ausführungen  in  der  Festschrift  zur  Feier 
des  25jährigen  Bestehens  des  Städtischen  Historischen  Museums  in  Frankfurt  a.  M., 
dargebracht  vom  Verein  für  Geschichte  utid  Altertumskunde  (Frankfurt  1903),  S.  2  ff. 

2  Über  die  Brüder  Uffenbach  und  ihre  geistigen  Bestrebungen  vgl.  meine 
kurzen  Angaben  in  der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie  Bd.  39,  S.  132  ff; 
über  J.  F.  v.  Uffenbachs  wissenschaftlich  wertvollen  Nachlass ,  soweit  er  der 
Universitäts-Bibliothek  in  Göttingen  zufiel,  das  Verzeichnis  der  Handschriften  im 
Preussischen  Staate  Bd.  III  (Berlin  1894),  S.  278—299,  eine  Übersicht,  welche 
einen  guten  Begriff  von  den  umfangreichen  Interessen  dieses  universal  gebildeten 
Mannes  giebt,  der  eine  eigene  Monographie  verdiente. 


48 


Theologe  und  Heraldiker,  Waldschmidt  als  Naturforscher  und  Hi¬ 
storiker,  Hiob  Ludolf  als  Orientalist  und  Annalist  der  Zeitgeschichte 
wirkten,  so  vereinte  Johann  Friedrich  von  Uffenbach  humanis¬ 
tische,  naturwissenschaftliche  und  technische  Studien  in  seiner  aus¬ 
gebreiteten  Tätigkeit.  Sie  blieb  nicht  auf  die  Studierstube  beschränkt; 
der  Geist  der  Zeit,  der  nach  Zusammenarbeit  auf  allen  Gebieten  strebte, 
der  die  Koryphäen  der  Wissenschaften  in  Akademien  vereinigte  und  in 
Zeitschriften  zu  gegenseitiger  Aussprache  wie  in  gemeinsamen  wissen¬ 
schaftlichen  Unternehmungen  zusammenführte,  er  spricht  auch  aus 
seinen,  auf  den  engeren  Kreis  der  wissenschaftlich  strebenden  Mit¬ 
bürger  beschränkten  Bemühungen,  diese  zu  gemeinschaftlicher  Arbeit 
um  sich  zu  vereinigen.  Nicht  als  ob  sein  Streben  gewesen  wäre,  die 
einheimischen  Gelehrten  in  einem  wissenschaftlichen  Verein,  in  einer 
Art  Frankfurter  Akademie  zu  sammeln  oder  gar  für  seine  Vaterstadt 
um  eine  Hochschule  zu  werben:  sein  Ziel  war  viel  bescheidener,  es 
war  die  Vereinigung  einiger  Gleichgesinnter  zu  wissenschaftlichem 
Geniessen  in  engem  Freundeskreis.  Die  Gesellschaft,  die  er  im 
November  1725  gründete,  wollte  nicht  mehr  sein  als  ein  »wissen¬ 
schaftliches  Kränzchen«;  ihr  Denkspruch:  quo  simplicius,  eo  perfectius 
—  in  der  Beschränkung  zeigt  sich  erst  der  Meister  —  beweist,  dass 
der  Gründer  seinem  Verein  keine  ausgedehnte  Wirksamkeit  zuweisen 
wollte.  Nicht  für  die  Öffentlichkeit  war  er  bestimmt,  nur  zu  gegen¬ 
seitiger  Belehrung  der  Teilnehmer,  zu  der  jeder  aus  seinem  wissen¬ 
schaftlichen  Arbeitsgebiet  beizusteuern  hatte:  nicht  epochemachende 
Forschungen,  sondern  —  quo  simplicius,  eo  perfectius;  wie  für 
die  Akademien  in  einzelnen  Ländern,  so  gelte  auch  für  einen  solch 
engen  Kreis  die  Wahrheit,  dass  Wissenschaften  und  Künste  nur 
durch  den  Gesamtbetrieb  zum  Heile  der  Menschheit  gefördert  wer¬ 
den  können.  Die  Verhandlungen  der  Gesellschaft,  die  sich  meist  auf 
die  Gebiete  der  Naturwissenschaften  und  der  Technik  beschränkten 
und  bis  1739  andauerten,  sind  ein  schönes  Zeugnis  für  das  rege  geistige 
Leben  unter  ihren  Mitgliedern,  die  durchaus  nicht  alle  den  gelehrten 
Kreisen  angehörten ;  blieben  sie  auch  ohne  Bedeutung  für  die  Öffent¬ 
lichkeit,  so  verdienen  sie  doch  in  einer  Darstellung  des  Strebens  nach 
den  höheren  Formen  wissenschaftlicher  Zusammenarbeit  eine  rühmende 
Erwähnung.1 


1  Die  »Wöchentliche  Sammlung  der  in  nützlichen  Nebenstunden  angestellten 
Untersuchungen  der  Natur  und  Kunst,  welche  zu  einer  vernünftigen  Gemüths- 
Ergötzung  diejenige  Gesellschaft  veranlasst,  deren  Denkspruch  ist:  Quo  simplicius 


49 


Die  Wünsche  Benders  wie  die  Bestrebungen  Uffenbachs  sind  ein 
Beweis  dafür,  dass  es  schon  damals  die  Naturwissenschaften  waren, 
welche  in  erster  Linie  der  gebildeten  Bürgerschaft  der  Beförderung 
wert  erschienen,  also  die  Wissenschaften,  deren  praktische  Bedeutung 
für  das  Leben  auch  der  gemeine  Mann  am  ehesten  begreifen  konnte, 
da  ihre  Förderung  zugleich  eine  Förderung  der  Heilkunde  war.  Wie 
Bender  von  Bienenthals  Vorschlag  der  Errichtung  eines  botanischen 
Gartens  in  erster  Linie  den  Nutzen  desselben  für  medizinische  Zwecke 
im  Auge  hatte,  so  sollte  auch  die  grossartige  und  hochherzige  Stiftung 
des  Arztes  Johann  Christian  Senckenberg  vor  allem  der  Hebung  der 
Heilkunde  in  seiner  Vaterstadt  dienen.  Die  alte  Klage,  dass  in  Frank¬ 
furt  die  Wissenschaft  nicht  geachtet  werde,  hat  auch  Senckenberg 
ausgesprochen;  er  war  aber  einer  der  Wenigen,  die  den  Willen  zum 
Helfen  fanden,  die  aus  Idealismus  und  Menschenliebe  allen  Anfechtungen 
zum  Trotz  der  Wissenschaft  die  ihr  gebührende  Pflege  in  der  Vater¬ 
stadt  verschaffen  wollten.  Ihm  war  und  blieb  der  wissenschaftliche 
Teil  seiner  Stiftung,  wie  im  Stiftungsbriefe  vom  18.  August  1763 
ausgesprochen,  stets  die  Hauptsache:  das  medizinische  Institut  mit 
Bibliothek,  Naturaliensammlungen,  botanischem  Garten,  chemischem 
Laboratorium  und  anatomischem  Theater  —  eine  medizinische  Akademie 
mit  allen  dazu  nötigen  Anstalten  und  Bildungsmitteln  zur  Weiterbildung 
der  Frankfurter  Aerzte,  zur  Heranziehung  eines  wissenschaftlich  ge¬ 
bildeten  Nachwuchses.  Es  wird  stets  ein  bedauerliches  Zeichen  für 
den  Mangel  an  Zusammenhang,  an  gemeinsamem  Streben  im  geistigen 
Leben  des  damaligen  Frankfurt  bleiben,  dass  Senckenbergs  Institut, 
dessen  nach  Goethes  Urteil  »keine  Akademie  sich  hätte  schämen 
dürfen«,  nicht  die  vom  Stifter  erhoffte  Teilnahme  der  Bürgerschaft  fand, 
dass  es  nach  und  nach  verkümmerte  und  erst  1817  durch  die  Gründung 
der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft  mit  frischem 
Leben  erfüllt  wurde.  Mögen  die  engen  Bestimmungen  des  Stifters  einer 
gedeihlichen  Entwicklung  hinderlich  gewesen  sein,  möge  mangelndes 
Verständnis  derer,  denen  das  Institut  in  erster  Linie  zu  Gute  kommen 
sollte,  oder  die  begreifliche  Vorliebe  der  Bürgerschaft  für  das  Kranken¬ 
haus  die  Hoffnungen  Senckenbergs  vorerst  nicht  zur  Erfüllung  ge¬ 
bracht  haben,  so  hat  die  Nachwelt  die  Schuld  der  Zeitgenossen  wieder 
gut  gemacht:  die  kommende  Ausgestaltung  der  medizinischen  und 


eo  perfectius«  befindet  sich  aus  Uffenbachs  Nachlass  unter  dessen  Handschriften 
in  der  Göttinger  Universitäts-Bibliothek  (Nr.  13);  vgl.  die  nähere  Inhaltsangabe 
im  Verzeichnis  der  Handschriften  S.  282  —  284. 


4 


50 


naturwissenschaftlichen  Anstalten  der  Stadt  wird  nur  das  ausführen, 
was  einst  der  Lieblingsgedanke  Senckenbergs  war:  eine  medizinisch- 
naturwissenschaftliche  Hochschule  für  seine  Vaterstadt. 1 

»In  einer  Stadt  wie  Frankfurt,  wo  drei  Religionen  die  Einwohner 
in  drei  ungleiche  Massen  teilen,  wo  nur  wenige  Männer,  selbst  von 
den  herrschenden,  zum  Regiment  gelangen  können,  muss  es  gar 
manchen  Wohlhabenden  und  Unterrichteten  geben,  der  sich  auf  sich 
zurückzieht  und  durch  Studium  und  Liebhabereien  sich  eine  eigene 
und  abgeschlossene  Existenz  bildet.«  Mit  diesen  Worten  hat  Goethe 
die  Zersplitterung  des  geistigen  Lebens  in  Frankfurt  in  seiner  Jugend¬ 
zeit  trefflich  gekennzeichnet  und  erklärt.  In  der  Tat  ist  die  Zahl 
der  wissenschaftlichen  und  künstlerischen  Eigenbrödler  im  Frankfurt 
des  XVIII.  Jahrhunderts  eine  ungemein  grosse;  die  Scheu  vor  der 
öffentlichen  Betätigung,  das  reichsstädtische  Kastenwesen  waren  der 
Vereinigung  der  getrennten  Kräfte  gerade  in  den  gebildeten  und 
wohlhabenden  Kreisen  zum  gemeinsamen  Wirken  nicht  günstig. 
So  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dass  der  Wunsch  zu  geistiger  Zusammen¬ 
arbeit  in  einer  besonderen  Vereinigung  nicht  von  den  wissenschaftlich 
tätigen  Gelehrten,  sondern  von  den  Künstlern  ausging. 

Wie  ein  Notschrei  über  die  offizielle  Misshandlung  der  »freien 
Kunst«  klingt  das  am  2.  April  1767  eingereichte  Gesuch  mehrerer 
hervorragender  einheimischer  Maler  mit  der  Bitte  um  die  Befreiung 
aus  Handwerks-  und  Gewerbebanden  —  die  Maler  wurden  amtlich  zu 
den  Handwerkern  gerechnet  und  waren  in  einer  besonderen  Innung 
vereinigt  —  sowie  um  die  Erlaubnis,  sich  unter  obrigkeitlichem  Schutz 
zu  einer  Maler- Akademie  vereinigen  zu  dürfen;  diese  Akademie 
sollte  nach  dem  Vorbilde  ähnlicher  Anstalten  in  anderen  Städten  haupt¬ 
sächlich  dem  Unterrichte  der  nach  der  Kunst  verlangenden  Jugend 
dienen,  aber  auch  in  einer  Bibliothek,  im  geselligen  Zusammensein  den 
Künstlern  Gelegenheit  zur  Belehrung  und  Aussprache  bieten.  Mit  dieser 
Anstalt  hoffen  sie,  den  alten  Ruhm  Frankfurts  als  Kunststätte  zu  erhalten 
und  zu  mehren  —  ohne  öffentliche  Mittel  in  Anspruch  zu  nehmen, 
denn  die  Künstlerschaft  will  dieses  Institut  aus  eigenen  Kräften  und 
aus  freiwilligen  Zuwendungen  der  Bürgerschaft  erhalten.  Voller 
Sympathie  für  die  Künstler  und  voller  Verständnis  für  ihr  Streben, 


1  Vgl.  Kriegk,  Die  Brüder  Senckenberg  (Frankfurt  1869),  S.  242  ff.  und 
Scheidei,  Geschichte  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftshäuser  =  Neujahrsblatt  des 
Vereins  für  Geschichte  und  Altertumskunde  1867;  ferner  Frankfurt  a.  M.  in  seinen 
hygienischen  Verhältnissen  und  Einrichtungen  (Frankfurt  1881),  S.  328  ff.  u.  425  ff. 


5i 


aus  dem  jede  künstlerische  Betätigung  hemmenden  Zunftzwange  ent¬ 
lassen  zu  werden,  trat  Johann  Friedrich  von  Uffenbach,  den  sich  die 
Künstler  als  Praeses  ihrer  Akademie  erbeten  hatten,  für  deren  Wünsche 
ein;  mit  scharfen  Worten  tadelte  erden  engherzigen  kleinstädtischen 
Gedanken  des  Zunftzwanges,  von  dem  die  ganze  Bürgerschaft  aus 
Angst  vor  der  Übersetzung  der  einzelnen  Gewerbe  und  der  in  ihrem 
Gefolge  drohenden  starken  Inanspruchnahme  der  milden  Stiftungen 
ergriffen  war,  und  wies  die  Lächerlichkeit  eines  Zunftzwanges  für 
Künstler  beredt  nach;  das  Streben  dieser  Maler  nach  Ausbildung  des 
künstlerischen  Nachwuchses  in  der  Kunst  des  Zeichnens,  bekanntlich 
der  Seele  der  ganzen  Bildkunst,  sei  ein  löbliches  Vorhaben  und  werde 
der  ehedem  in  der  Pflege  der  Kunst  berühmten  Stadt  zur  wahren 
Ehre  gereichen.  Stand  auch  der  Rat  dem  Unternehmen,  das  der  Stadt 
eine  ähnliche  Kunstakademie  verschaffen  wollte,  wie  solche  bereits  in 
Mainz,  Augsburg  und  Nürnberg  blühten,  nicht  abgeneigt  gegenüber 
und  genehmigte  er  auch  die  Befreiung  der  Künstler  aus  dem  Zunft¬ 
zwange,  so  wurde  doch  das  für  die  wenig  bedeutende  Künstler¬ 
gesellschaft  der  Stadt  viel  zu  hoch  gesteckte  Ziel  nicht  erreicht;  die 
Maler-Akademie  kam  nicht  zu  Stande,  der  Kunstschule  war  nur  ein 
kurzes  Dasein  beschieden;  der  ganze  Erfolg  dieser  hochgespannten 
Bestrebungen  der  Künstlerschaft  bestand  in  der  1779  erfolgten  Gründung 
des  Zeichnungs-Institutes,  das  stets  ein  privates  Unternehmen  blieb 
und  niemals  den  höheren  Flug  zur  Weiterbildung  als  Kunstschule 
wagte.1 

Dem  stolzen  Anfänge  dieser  »öffentlichen  Zeichen-,  Maler-  und 
Kupferstecher-Akademie«  hat  der  Fortgang  wenig  entsprochen,  sei 
es,  dass  der  Begründer,  der  Maler  und  Kupferstecher  Cöntgen,  das 
Institut  zu  seinen  persönlichen  Zwecken  ausbeutete,  sei  es,  dass  die 
Bürger,  die  er  dafür  zu  interessieren  wusste,  in  spiessbürgerlicher  Eng¬ 
herzigkeit  die  Anstalt  nicht  auf  höhere  Ziele  zu  richten  verstanden.  Den 
Kreisen  der  ersten  »Bearbeiter«,  d.  h.  der  beitragenden  Freunde  und 
Gönner  des  Instituts,  hatten  wohl  solche  höhere  Zwecke  vorgeschwebt; 
sie  wandten  sich  am  25.  Juni  1781  mit  dem  Wunsche  an  den  Rat,  »dass 


1  Über  diese  Künstlerakademie  von  1767  und  den  Plan  zu  einer  grösseren 
Akademie  von  1781  vgl.  die  gründlichen  Ausführungen  Valentins  in  seiner  Arbeit 
über  Frankfurter  Akademiebestrebungen  im  XVIII.  Jahrhundert  im  Archiv  für 
Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Dritte  Folge,  Bd.  II,  290—312.  Ich  hebe  aus 
den  Akten  Ugb  C  31  Nr.  2,  auf  denen  sich  Valentins  Studie  aufbaut,  nur  die 
allgemeinen  Momente  hervor,  die  für  diese  Bestrebungen  von  Interesse  sind,  und 
verweise  für  die  Einzelheiten  auf  Valentins  Ausführungen. 


4 


52 


diese  Akademie  ausser  den  bisher  bearbeiteten  Fächern  noch  auf 
andere  Zweige  nützlicher  Künste  und  Wissenschaften  mögte  erweitert 
werden;«  sie  legten  zugleich  den  »Plan  einer  in  der  Kayserlichen  und 
Freyen  Reichs-Stadt  Franckfurt  zu  errichtenden  Akademie  der 
freyen,  schönen,  bildenden  Künste  und  nützlichen  Wissen¬ 
schaften«  vor  und  baten  um  die  obrigkeitliche  Genehmigung. 

Wer  waren  diese  Männer,  in  deren  Kreisen  sich  der  Wunsch 
nach  einer  so  eigenartigen,  so  umfassenden  Anstalt  erhoben  hatte? 
Das  Begleitschreiben  ist  unterzeichnet:  »sämtliche  Bearbeiter  des 
Instituts,  in  deren  Namen  Joh.  Georg  Heuser.«  Ein  Verzeichnis  der 
»Bearbeiter«  ist  aus  diesen  ersten  Jahren  des  Instituts  nicht  vorhanden; 
erst  aus  den  Jahren  1799  und  1800  liegen  Listen  vor.  Heuser,  der 
aus  Oesinghausen  bei  Gummerbach  stammte  und  in  Köln  die  Handlung 
erlernt  hatte,  war  1773  in  Frankfurt  Bürger  geworden  und  hatte  hier 
die  Tochter  des  Kaufmanns  Johann  Nicolaus  Caspari  geheiratet;  er 
war  Teilhaber  der  Firma  Wittwe  Caspari  und  Heuser,  später  Joh. 
Georg  Heuser  jun.,  auf  dem  Markt  in  Kattun,  Zitz  und  Leinwand, 
die  heute  noch  unter  dem  Namen  Joh.  Georg  Heuser  jun.  sei.  Wittib 
Nachfolger  blüht.  Die  Listen  der  Beitragenden  von  1799  und  1800 
lassen  den  Rückschluss  zu,  dass  auch  die  Freunde  von  1781  in  den 
gleichen  Kreisen  zu  suchen  sind,  in  den  Familien  des  besseren 
Kaufmannsstandes,  welche  zu  den  beiden  reformierten  Gemeinden,  den 
bürgerlichen  Vertretungen  der  51er  und  9  er  und  der  Freimaurerei  ein 
auffallend  zahlreiches  Kontingent  stellten.  Diese  Männer  von  gleicher 
kirchlicher,  politischer  und  allgemein-weltlicher  Anschauung,  aus  den 
gleichen  geschäftlichen  Kreisen,  waren  es,  in  deren  Aufträge  Heuser 
den  Behörden  das  von  freimaurerischen  Gedanken  der  Aufklärung, 
der  Verbreiterung  und  der  Vertiefung  der  Bildung,  der  Erziehung  und 
des  Zusammenschlusses  zu  gemeinnützigem  Wirken  durchwehte  Pro¬ 
gramm  unterbreitete;  die  einleitenden  Worte:  »Unter  allen  Einrich¬ 
tungen,  welche  sich  der  Mensch  in  dieser  Welt  geben  kann,  ist  gewiss 
keine  so  sehr  seiner  Bestimmung  angemessen,  keine  so  edel,  so  wichtig 
als  das  Bestreben,  Weisheit  und  Tugend  unter  seine  Brüder  zu  ver¬ 
breiten,«  sie  lassen  ebenso  wie  andere  Anklänge  in  Gedanken  und 
Worten  des  Schriftstückes  deutlich  den  freimaurerischen  Ursprung 
erkennen.  In  schwungvollen  Worten  weist  es  auf  die  Erhebung 
des  geistigen  Lebens  in  ganz  Deutschland  hin  und  ruft  Frankfurter 
Bürger  auf,  sich  von  den  Reichsstädten  Hamburg,  Augsburg,  Nürn¬ 
berg,  Bremen,  von  den  Fürstenstädten  Mannheim,  Dresden,  Cassel, 
Hanau,  Weimar  nicht  übertreffen  zu  lassen:  »eine  Anstalt,  welche 


53 


höhere  Bildung  in  den  Künsten  und  Wissenschaften  zum  Zwecke 
hätte,  eine  Pflegschule  für  die  künftigen  Bürger,  die  demjenigen 
nützlich  wäre,  der  nach  geendigten  Schuljahren  sich  dem  Commerz, 
den  Gewerben  und  Fabriken  widmen  oder  auch  als  künftiger 
Gelehrter  sich  zur  Academie  noch  reifer,  als  die  Schule  es  leisten 
kann,  vorbereiten  will,  eine  solche  Anstalt  fehlt  uns  noch.«  Ziel 
dieser  hohen  Schule  ist  die  höhere  Ausbildung  für  das  praktische 
Leben,  vor  allem  für  Kaufleute,  Fabrikanten,  Kunsthandwerker.  Im 
Vordergründe  des  Unterrichts  stehen  die  Handelswissenschaften  in 
allen  ihren  theoretischen  und  praktischen  Zweigen,  die  Technologie, 
die  Kameralwissenschaften,  die  Naturwissenschaften,  soweit  sie  zur 
gründlichen  Kenntnis  der  Naturprodukte  führen,  das  Zeichnen;  »auch 
an  Unterricht  in  den  lebenden  Sprachen,  der  französischen,  englischen 
und  italienischen,  wird  es  so  wenig  als  an  Gelegenheit  zur  Übung 
im  Reiten,  Fechten  und  Tanzen  mangeln.«  Fremde  wie  Einheimische, 
Evangelische  wie  Katholiken  —  aber  keine  Juden  —  dürfen  teilnehmen, 
die  Jugend  zur  Vorbereitung  auf  den  Beruf,  der  »begüterte«  Bürger 
»seine  leeren  Stunden  aufzufüllen.«  Diese  hohe  Schule  für  das  prak¬ 
tische  Leben  will  sich  nicht  in  den  Bereich  der  alten  Universitäten 
eindrängen;  sie  betrachtet  sich  für  diejenigen  ihrer  Schüler,  welche  sich 
später  dem  Universitätsstudium  widmen  wollen,  lediglich  als  Vorberei¬ 
tungsanstalt,  in  aller  Bescheidenheit,  aber  auch  in  dem  Bewusstsein, 
dass  man  sich  »in  unseren  Tagen  von  dem  Vorurteile  weit  entfernt 
hat,  als  seien  die  Wissenschaften  ein  Monopol  für  die  Gelehrten  vom 
Handwerke.  Man  verlanget,  dass  der  Kaufmann,  der  Buchhändler, 
der  Fabrikant,  dass  jeder  angesehene  Bürger  und  Privatmann  in  den 
Wissenschaften  kein  Fremdling  sei,  dass  er  seinen  Kopf  durch  sie 
aufgehellet  und  sich  zum  angenehmeren  und  lehrreicheren  Gesellschafter 
gebildet  habe.« 

Dieses  die  Erfordernisse  des  praktischen  Lebens,  insbesondere 
für  den  Kaufmann  und  Gewerbetreibenden  so  scharf  betonende  Pro¬ 
gramm  ist  von  Männern  des  praktischen  Lebens  entworfen ;  Gelehrte 
hätten  anders  gesprochen,  sie  hätten  die  nutzbringende  Wissenschaft 
nicht  so  stark  in  den  Vordergrund  gestellt,  sie  hätten  nicht  so  ge¬ 
ringschätzig  und  überlegen  von  dem  wissenschaftlichen  Betrieb  auf 
den  Hochschulen,  sie  hätten  humanistischer  geredet.  Die  Gesuch¬ 
steller  sind  weit  davon  entfernt,  ihre  Vaterstadt  mit  einer  neuen 
Universität  beglücken  zu  wollen;  im  Gegensätze  zu  diesen  wünschen 
sie  eine  Anstalt,  deren  Zweck  lediglich  der  Betrieb  der  Wissenschaften 
und  Künste  ist,  die  dem  praktischen  Leben  dienen.  Dieser  utili- 


54 


taristische  Zug  tritt  in  keinem  der  früheren  Projekte  einer  höheren 
Bildungsanstalt,  bei  Bender  von  Bienenthal,  bei  Senckenberg,  so  stark 
hervor  wie  in  dem  Akademieplan  der  Kaufmannschaft.  Trotz  seiner 
realistischen  Einseitigkeit,  trotz  der  nicht  zu  verkennenden  Unter¬ 
schätzung  der  nur  zu  ideellen  Zwecken  betriebenen  Wissenschaft  und 
trotz  der  durchaus  dem  Geiste  der  Zeit  entsprechenden  Beschränkung 
auf  Christen  und  »Begüterte«  wird  dieses  Progamm  stets  ein  ehren¬ 
volles  Zeugnis  des  höheren  Strebens  bleiben,  von  dem  damals  die 
besseren  kaufmännischen  Kreise  erfüllt  waren. 

Die  Väter  der  Stadt,  von  denen  lediglich  die  Genehmigung  zur 
Gründung  einer  solchen  Akademie,  nicht  etwa  ein  Beitrag  aus  dem 
Aerar  erbeteff  wurde,  lehnten  das  Gesuch  »aus  erheblichen  Ursachen« 
ab.  Welcher  Art  waren  sie?  Die  übliche  Furcht,  dass  die  Stadt 
doch  schliesslich  in  die  Tasche  greifen  müsse,  wenn  auch  die  Anstalt 
zunächst  nur  auf  freiwillige  Beiträge  gegründet  werden  sollte,  mag 
dabei  die  geringere  Rolle  gespielt  haben;  aus  dem  Wortlaut  des 
Beschlusses,  der  von  dem  »sehr  erweiterten  Plan  einer  errichten 
wollenden  weitläufigen  Academie«  spricht,  ist  eher  zu  entnehmen, 
dass  der  Rat,  dem  das  Siechtum  der  Künstlerakademie  noch  in 
frischem  Gedächtnis  haftete,  in  dem  auch  Grosskaufleute  sassen, 
welche  die  alte  Abneigung  gegen  die  Theorie  nicht  überwinden 
konnten  und  alles  Heil  lediglich  von  der  Praxis  erwarteten,  an  der 
Durchführbarkeit  zweifelte.  Die  »erheblichste  Ursache«  war  aber 
wohl  die  Verständnislosigkeit  oder  gar  die  Abneigung  der  im  Rate 
herrschenden  Patrizier,  Juristen  und  Grosskauf  leute  gegenüber  dem 
Streben  der  besseren  Bürgerschaft  nach  erweiterter  Bildung,  das  leicht 
zum  Streben  nach  erweiterten  politischen  Rechten  führen  konnte; 
der  fortwährende  Kampf  der  beiden  bürgerlichen  Vertretungen, 
deren  Kreisen  die  Urheber  des  Planes  offenbar  nahe  standen,  mit 
den  herrschenden  Ratsfamilien  musste  zur  Vorsicht  mahnen. 

Verbindung  von  Wissenschaft  und  Praxis,  Anwendung  von 
Wissenschaft  in  der  Praxis  war  der  Grundgedanke  des  Akademie¬ 
projektes  von  1781;  erst  120  Jahre  später  ist  er  in  Frankfurt  ins 
Leben  getreten  durch  die  Gründung  der  Akademie  für  Sozial-  und 
Handelswissenschaften,  deren  Ziel  und  Lehrplan  merkwürdig  mit 
dem  übereinstimmt,  was  die  Akademisten  von  1781  erstrebt  hatten. 

Die  Ablehnung  dieses  Akademie-Projektes  durch  den  Rat  der 
Stadt  konnte  den  Wunsch  vieler  Kaufleute  nach  einer  höheren  all¬ 
gemeinen  wie  fachlichen  Bildung  für  die  Jünger  Merkurs  nicht  zum 
Schweigen  bringen.  Schon  1774  hatte  der  Handelsmann  Samuel 


55 


Jakob  Schroeckh,  der  Leiter  des  1771  gegründeten  Handlungs-Avis- 
Comptoirs,  der  Verfasser  und  Herausgeber  zahlreicher  auf  das  Handels¬ 
wesen  bezüglicher  Schriften,  hier  in  Frankfurt  eine  Lehranstalt  für 
junge  Kaufleute  christlichen  Glaubens  errichten  wollen,  worin  sie  »in 
allen  Handlungs -Wissenschaften  und  dazu  gehörigen  Erkenntnissen 
und  Sprachen  von  den  geschicktesten  Lehr-Meistern«  unterrichtet 
werden  sollten.  Der  Rat  begegnete  diesem  Vorhaben  mit  einem 
scharfen  Verbot,  wohl  nicht,  weil  er  ein  solches  Institut  überhaupt 
nicht  wünschte,  sondern  weil  Schroeckh,  ohne  den  Rat  zu  fragen,  sich 
ein  kaiserliches  Privileg  für  seine  Anstalt  verschafft  hatte  und  ihr  den 
hochtönenden  Namen  »Kaiserlich  Josephinische  Handlungs-Academie« 
beilegen  wollte.1  Dieses  private  Vorhaben  eines  einzelnen  Kaufmanns, 
der  es  natürlich  als  Geschäft  betreiben  wollte,  und  die  späteren  Ver¬ 
suche  seiner  Nachfolger,  Lehranstalten  für  junge  Kaufleute  zu  be¬ 
gründen,  zeugen  von  einem  gewissen  Bildungsbedürfnis  des  Handels¬ 
standes;  sie  gehören  in  die  Geschichte  des  kaufmännischen  Bildungs¬ 
wesens  und  sollen  hier  nicht  weiter  verfolgt  werden. 

Bis  zum  Untergange  der  reichsstädtischen  Unabhängigkeit  im 
Jahre  1806  ist  niemals  wieder  der  Wunsch  aus  der  Bürgerschaft  laut 
geworden,  eine  Anstalt  zur  Pflege  der  höheren  Interessen  zu  errichten; 
der  Rat  kam  nicht  mehr  in  die  Lage,  einer  solchen  Gründung  »aus 
erheblichen  Ursachen«  die  Genehmigung  zu  versagen.  Wohl  ist  noch 
einmal  ein  solcher  Gedanke  aufgetaucht,  aber  nicht  in  Frankfurt  selbst, 
sondern  von  Seiten  eines  Fremden;  sein  Projekt  muss  schon  darum 
erwähnt  werden,  weil  er  Friedrich  Schiller  für  seine  Frankfurter 
Anstalt  gewinnen  wollte.  Als  der  Dichter  sein  zweites  Semester  als 
Professor  der  Geschichte  in  Jena  begann,  erhielt  er  am  22.  Oktober  1789 
den  Besuch  eines  auswärtigen  Professors  der  Mathematik,  der  in 
Frankfurt  a.  M.  ein  »Lyceum  oder  Musäum«  nach  Art  einer  Pariser 
Anstalt  mit  gleicher  Benennung  errichten  wollte;  an  diesem  Lyceum 
sollten  Vorlesungen  »über  wissenschaftliche  Dinge  und  schöne  Kunst 
gehalten  werden ;  ein  Professor  sollte  die  Naturwissenschaften,  der 
zweite  Mathematik  und  Physik,  der  dritte  die  philosophischen  und 
schönen  Wissenschaften«  dozieren  —  und  dieser  dritte  sollte  niemand 
anders  als  Schiller  sein.  Der  Unternehmer  rechnete  in  erster  Linie 
auf  die  Damen  als  Hörerinnen  und  hoffte,  dass  diese  den  Besuch 
seines  Lyceums  zur  Modesache  machen  würden.  Schiller  hat  den 
Vorschlag  nicht  ernst  genommen;  er  hatte  kein  Vertrauen  zu  dem 

1  Ugb  A  25  Nr.  56, 


56 


Werber  und  bezeichnenderweise  auch  »keinen  Glauben  an  Franckfurth« 
als  den  geeigneten  Ort  für  eine  solche  wissenschaftliche  Anstalt;1 
die  Mainstadt  war  ihm  von  seinen  früheren  Besuchen  lediglich  als 
eine  Stadt  des  grossen  Handels  und  Verkehrs  in  Erinnerung.  Mag 
nun  Schiller  jenen  Vorschlag  mehr  als  Scherz,  denn  als  Ernst  betrachtet 
haben,  uns  ist  er  ein  weiteres  Glied  in  der  Kette  der  Bestrebungen 
jener  Zeit,  welche  unsere  als  Ort  des  Geldes  und  Gelderwerbes  ver¬ 
rufene  Stadt  als  eine  für  höhere  Bildungsanstalten  nicht  ungeeigneten 
Platz  ansahen.  Schiller  dachte  leider  nicht  so  hoch  von  Frankfurt! 

Die  Kriegszeiten  um  die  Wende  des  XVIII.  und  XIX. Jahrhunderts 
waren  eigentlich  solchen  Bestrebungen  nicht  so  ungünstig,  wie  man 
meinen  sollte;  denn  gerade  in  diesen  Jahren  des  politischen  Nieder¬ 
gangs  zeigt  sich  ein  lebhafter  Aufschwung  des  geistigen  Lebens  inner¬ 
halb  der  Bürgerschaft,  die  jetzt  viel  mehr  denn  früher  in  der  reichs¬ 
städtischen  Abgeschlossenheit  mit  der  grossen  Welt  in  fortwährende 
Wechselbeziehungen  trat.  Die  Zeit  der  Aufklärung,  die  Blüte  der 
nationalen  Litteratur  und  nicht  zuletzt  die  Ideen  der  französischen 
Revolution  kommen  endlich  in  weiteren  Kreisen  zu  Geltung  und 
Wirkung.  Ein  freierer  Geist  zieht  in  Kirche  und  Schule  ein;  unter 
der  Führung  aufgeklärter  Männer  wie  Hufnagel  und  Friedrich  Max 
von  Günderrode  wird  der  Grundstein  einer  städtischen  Schulverwaltung 
gelegt,  die  dem  Drange  derZeit  nach  Verallgemeinerung  der  Bildung, 
nach  Befreiung  von  konfessionellen  Schranken,  nach  der  richtigen 
Vorbildung  für  das  praktische  Leben  verständnisvoll  entgegenkommt. 
Dem  Stadtsäckel  freilich  durften  damals  keine  grossen  Zumutungen 
gestellt  werden;  er  war  durch  die  langen  Kriegsjahre  erschöpft  und 
nur  durch  Zuwendung  freiwilliger  Beiträge  gelang  es  1803,  die  erste 
öffentliche  Schule  für  die  Kinder  des  besseren  Bürgerstandes,  die 
Musterschule,  mit  realem  Lehrplan  zu  gründen. 


II. 

Es  kam  die  Zeit,  da  die  Stadt  ihre  Jahrhunderte  alte,  mit  so 
grossem  Stolz  und  Selbstbewusstsein  gewahrte  Unabhängigkeit  auf¬ 
geben  und  sich  als  Glied  in  das  unnatürliche  Gefüge  eines  Rhein¬ 
bundstaates  einordnen  musste.  Man  mag  über  die  fürstliche  Herrschaft 

1  Der  Brief  Schillers  an  die  Schwestern  von  Lengefeld  vom  23.  Oktober  1789 
ist  die  einzige  Quelle  für  den  Plan;  zur  amtlichen  Behandlung  in  Frankfurt  ist  er 
nicht  gediehen. 


57 


der  Jahre  1806 — 1813  noch  so  abfällig  urteilen:  man  wird  ihr  zu¬ 
gestehen  müssen,  dass  sie  für  die  Pflege  des  geistigen  Lebens  ein 
ganz  anderes  Verständnis  hatte  als  der  reichsstädtische  Rat  oder 
gar  die  Vertretung  der  Bürgerschaft,  dass  sie  in  dieser  Pflege  eine 
staatliche  und  kommunale  Aufgabe  gesehen  hat,  für  die  ebenso  wie 
für  die  anderen  auch  die  öffentlichen  Mittel  in  Anspruch  zu  nehmen 
seien.  In  allen  seinen  früheren  Stellungen  hatte  sich  Karl  von  Dalberg 
als  warmherziger  Förderer  von  Kunst  und  Wissenschaft  gezeigt,  hatte 
er  allen  Bildungsbestrebungen  ein  verständnisvolles  und  freigebiges 
Entgegenkommen  bewiesen.  Die  Erwartungen,  welche  die  Frank¬ 
furter  in  dieser  Beziehung  auf  ihn  setzten,  hat  er  nicht  getäuscht. 
Der  Fürst  hatte  kaum  die  Regierung  der  Stadt  angetreten,  als  ihm 
der  junge  Jurist  Johann  Friedrich  von  Meyer  in  der  folgenden 
kurzen  Denkschrift  einige  Vorschläge  zur  Hebung  des  geistigen 
Lebens  in  seiner  Vaterstadt  unterbreitete:1 

»Unterthänigstes  Pro  memoria. 

Seine  Hoheit  möchte  die  Gnade  haben  mich  zum  Com- 
missarius  zu  ernennen,  um  zu  untersuchen  und  zu  berichten, 
was  sich  in  hiesiger  Stadt  —  ausser  den  bereits  bestehenden 
und  dem  Vernehmen  nach  dem  Consistorio  neuerdings  unter¬ 
gebenen  Schulanstalten  —  für  Künste  und  Wissenschaften  thun 
lässt,  indem  schon  mehrere  dahin  abzweckende  Institute  vor¬ 
handen  sind,  welche  ohne  grosse  Kosten  sich  verbessern  und 
nutzbar  machen  lassen,  andere  gleichfalls  leichtlich  neu  ein¬ 
gerichtet  werden  können,  wovon  ich  demnächst  die  Leitung 
selbst  zu  besorgen  hätte. 

Dahin  gehört  insonderheit: 

1.  Die  öffentliche  Bibliothek,  welche  ein  besseres  Local 
und  bessere  Ordnung  nöthig  hat,  womit  auch  die  Dombibliothek 
vereinigt  werden  könnte,  und  wozu  große  Beyträge  von  hiesigen 
Personen  zu  erwarten  sind. 

2.  Wiederbelebung  des  Buchhandels  der  ehemaligen  Buch¬ 
händlermesse. 

1  Meyers  Promemoria  habe  ich  bereits  in  meiner  Arbeit  über  die  städtischen 
Sammlungen  in  reichs-  und  freistädtischer  Zeit  1691  — 1866  (Festschrift  zur  Feier  etc. 
des  Städtischen  Historischen  Museums  in  Frankfurt  a.  M.,  dargebracht  vom  Verein 
für  Geschichte  und  Altertumskunde  1903)  S.  ti  ff.  abgedruckt  und  zum  Teil  auch 
besprochen.  Des  Zusammenhanges  wegen  kann  ich  nicht  umhin,  hier  einige  der 
dortigen  Ausführungen  z.  T.  wörtlich  zu  wiederholen  oder  näher  zu  erläutern. 


53 


3-  Museum  oder  Naturalien-  und  Kunstcabinet,  wozu  bei¬ 
der  Bibliothek  selbst  ein  kleiner  Anfang  vorhanden  ist,  und 
welches  von  Privatpersonen  bereichert  werden  würde,  wenn 
gehörige  Einrichtung  und  Aufsicht  vorhanden  wäre. 

4.  Die  vorhandene  Zeichnungsacademie. 

5.  Beförderung  des  Flors  der  bildenden  Künste  überhaupt. 

6.  Die  botanische  und  anatomische  Anstalt  in  der  Sencken- 
bergischen  Stiftung. 

7.  Eine  seiner  Zeit  zu  errichtende  Sternwarte  —  etwa  auf 
dem  bequem  gelegenen  Eschenheimer  Thurm. 

8.  Beförderung  und  Aufsicht  öffentlicher  Vorlesungen  in 
verschiedenen  Fächern,  welche  theils  von  durchreisenden  Ge¬ 
lehrten,  theils  von  hier  ansässigen  gehalten  werden  könnten 
und  wirklich  gehalten  werden,  zur  etwanigen  Grundlage  einer 
künftigen  hohen  Schule  oder  Academie. 

9.  Beförderung  nützlicher  und  schöner  Erfindungen  in 
mechanischen  Künsten  —  u.  s.  w. 

J.  F.  von  M  e  y  e  r.« 

Der  sich  hier  mit  so  starkem  Selbstgefühl  als  Wiederbeleber 
des  geistigen  Lebens  anbot,  hatte  kein  Amt,  aber  eine  Meinung. 
Der  35jährige  war  der  Besten  einer  unter  dem  jungen  Frankfurt.1 
Ihm  hatte  das  Studium  der  Juristerei,  dem  er  sich  auf  den  Wunsch 
des  Vaters  gewidmet  hatte,  nicht  genügt,  der  Philologe  Heyne  in 
Göttingen  hatte  ihn  zum  ausgezeichneten  Kenner  des  klassischen 
Altertums  herangebildet,  er  hatte  Archäologie  und  Kunstgeschichte, 
Philosophie  und  Naturwissenschaften  studiert,  bevor  er  sich  dem 
juristischen  Berufe  zuwendete.  1803  hatte  er  die  Leitung  der  Bühne 
seiner  Vaterstadt  übernommen,  voll  hohen  Strebens,  der  dramatischen 
Kunst  eine  würdige  Heimstätte  in  seiner  Vaterstadt  zu  bereiten  ;  er 
hat  bald  erfahren  müssen,  wie  wenig  die  Wirklichkeit  des  Bühnen¬ 
lebens  seinen  hohen  Idealen  entsprach. 

Dieser  Idealismus  spricht  auch  aus  seinen  Vorschlägen;  er  führt 
sich  aber  mit  einem  durchaus  fruchtbaren  Gedanken  ein :  Kunst  und 
Wissenschaft  sind  in  erster  Linie  durch  die  Verbesserung  der  be¬ 
stehenden,  in  zweiter  durch  die  Schaffung  neuer  Institute  zu  fördern; 
der  weitere  Gedanke  der  Konzentrierung  und  Vertiefung  des  geistigen 


1  Vgl.  über  ihn  den  trefflichen  Artikel  von  G.  E.  Steitz  in  Herzogs  Rcal- 
Encyklopädie  für  protestantische  Theologie  und  Kirche,  Band  IX,  S.  507  ff. 


59 


Lebens  durch  die  alten  und  neuen  Anstalten  unter  einheitlicher 
Leitung  klingt  durch.  Es  war  das  erste  Mal,  dass  der  Leitung  der 
Stadt  solche  Vorschläge  gemacht  wurden,  welche  die  Aufwendung 
öffentlicher  Mittel  für  die  Pflege  von  Kunst  und  Wissenschaft 
forderten,  dann  aber  auch  die  Steuerung  privater  Beiträge  in  sichere 
Aussicht  stellten. 

Für  einige  der  Vorschläge  waren  die  vorausgegangenen  politischen 
Umwälzungen  geradezu  die  Voraussetzung  ihrer  Durchführbarkeit, 
so  für  die  Vereinigung  der  vor  wenigen  Jahren  säkularisierten 
Bibliotheken  der  Stifter  und  Klöster  und  für  die  Wiederbelebung 
des  Buchhandels,  dessen  Niedergang  die  vom  Kaiser  eingesetzte 
Bücher-Kommission  verschuldet  hatte;  für  alle  aber  wurde  aus¬ 
drücklich  oder  stillschweigend  der  Bruch  mit  dem  reichsstädtischen 
Grundsätze  gefordert,  dass  alle  diese  schönen  Dinge  aerario  nichts 
kosten  dürfen. 

Meyer  gedenkt  in  erster  Linie  der  städtischen  Bibliothek,  der 
Anstalt,  die  dem  wissenschaftlich  arbeitenden  Bürger  das  Rüstzeug 
liefern  sollte;  sie  befand  sich  gerade  damals  nach  Räumlichkeit, 
Ordnung  und  Benutzungsmöglichkeit  in  recht  trauriger  Verfassung, 
die  um  so  mehr  nach  Besserung  verlangte,  weil  gerade  jetzt  die 
Gelegenheit  gegeben  war,  die  Bestände  der  Anstalt  durch  die  geist¬ 
lichen  Büchereien  beträchtlich  zu  erweitern.1  Die  Wiederbelebung 
des  Buchhandels  und  der  Büchermesse  war  ein  alter  Wunsch  der 
Frankfurter  Patrioten,  die  aus  dem  Mittelpunkt  des  Handels  und 
Verkehrs  auch  ein  litterarisches,  geistig  produzierendes  Centrum 
machen  und  die  Leipziger  Konkurrenz  mit  Ehren  bestehen  wollten. 
Nun  folgt  der  Vorschlag,  aus  den  in  der  Stadtbibliothek  vorhandenen 
kleinen  Gegenständen  der  Kunst  und  Natur  ein  besonderes  »Museum 
oder  Naturalien-  und  Kunst-Cabinet«  zu  bilden;  es  ist  unseres  Wissens 
das  erste  Mal,  dass  hier  Bedürfnis  und  Möglichkeit  der  Errichtung 
eines  städtischen  Museums  erörtert  werden,  dessen  Weiterentwickelung 
wesentlich  von  privaten  Zuwendungen  erhofft  wird.2  Auch  in  der 
Verbesserung  der  Cöntgenschen  Zeichnungs- Akademie,  die  lediglich 
von  privater  Unterstützung  lebte,  sieht  Meyer  ein  Mittel,  für  die 
Pflege  der  Kunst  zu  wirken;  war  sie  doch  die  einzige  Anstalt,  in 


1  Über  den  damaligen  Zustand  der  Stadtbibliothek  vgl.  Ebrard,  Die  Stadt¬ 
bibliothek  in  Frankfurt  a.  M.,  S.  3 1  f. 

2  Vgl.  hierzu  meine  oben  angeführte  Arbeit  über  die  städtischen  Samm¬ 
lungen  S.  12. 


6o 


welcher  die  Heranwachsende  Jugend  in  die  Kunst  und  das  Kunst¬ 
handwerk  eingeführt  wurde.  Aber  die  Kunst  nicht  nur  der  Jugend 
und  nicht  nur  im  Unterricht;  die  bildenden  Künste  überhaupt  sollten 
gefördert  werden:  Meyer  denkt  hierbei  wohl  an  die  Vergebung 
staatlicher  Aufträge.  Weitere  Vorschläge  denken  an  die  Ausbildung 
und  Nutzbarmachung  der  wissenschaftlichen  Anstalten  Senckenbergs, 
des  botanischen  Gartens  und  des  anatomischen  Theaters,  die  bei  dem 
drückenden  Geldmangel  der  Stiftung  zu  verkümmern  drohten.  Diese 
naturwissenschaftlichen  Institute  sollen  um  ein  weiteres  in  der 
Nachbarschaft,  durch  eine  Sternwarte  auf  dem  Eschenheimer  Turm 
vermehrt  werden.  In  dem  nun  folgenden  8.  Vorschläge  der  Ein¬ 
richtung  öffentlicher  Vorlesungen  enthüllt  Meyer  sein  letztes  Ziel: 
die  Frankfurter  Hochschule,  die  er  allerdings  noch  in  recht  weiter 
Ferne  sieht,  aber  in  absehbarer  Zeit  für  erreichbar  hält;  einstweilen 
sollen  Vorlesungen  auswärtiger  und  heimischer  Kräfte  der  Verbreitung 
und  Vertiefung  des  wissenschaftlichen  Interesses  in  der  Bürgerschaft 
dienen  und  diese  über  den  Stand  der  Wissenschaften  auf  dem 
Laufenden  halten.  Auch  in  der  direkten  Forderung  der  Errichtung 
einer  »hohen  Schule  oder  Academie«  ist  Meyer  der  erste,  der  sie 
kurz  und  bündig  aufgestellt  hat.  Er  schliesst  das  kurze,  skizzenhafte 
Programm  mit  der  Forderung,  auch  die  praktischen  Künste,  die 
Technik  nicht  zu  vergessen. 

»Der  Verfasser  scheint  mir  ein  Mann  von  Einsichten  und  guten 
Gesinnungen  zu  sein«,  so  urteilte  Dalberg  in  dem  Inskript,  welches 
Meyers  Promemoria  der  Ober-Curatel  der  Lehranstalten  zum  Gut¬ 
achten  überwies.  Sie  goss  Wasser  in  Meyers  Wein;  die  Mitglieder 
der  »Fürstlich  Primatischen  Ober-Curatel  des  Erziehungs-  und 
Studienwesens«,  der  mit  den  Frankfurter  Verhältnissen  auf  das  ge¬ 
naueste  bekannte  Geheimrat  Friedrich  Max  von  Günderrode  und  der 
ehemalige  Professor  der  Mainzer  Universität  Geheimrat  Nicolaus 
Vogt,  erklärten  sich  gegen  Meyers  Vorschläge.  In  ihrem  schon  am 
6.  Dezember  an  den  Fürsten  erstatteten  Bericht  bestreiten  die  beiden 
Herren  zunächst  die  Notwendigkeit  der  Ernennung  eines  besonderen 
Kommissars:  da  die  Ober-Curatel  nach  ihrer  Dienstanweisung  die 
Verpflichtung  hätte,  »von  allen  Lehranstalten,  öffentlichen  Bibliotheken 
und  Kunstwerken  ohne  Ausnahme  die  Einsicht  zu  nehmen  und  un¬ 
mittelbar  darüber  an  uns  (den  Fürsten)  zu  berichten,  was  ihnen 
nützlich  und  rathsam  scheint«,  so  sei  die  »nebenher  anzustellende 
Kunst- Commission«  überflüssig  und  der  Ober-Curatel  eingreifend. 
Auch  den  sachlichen  Vorschlägen  Meyers  stehen  die  Herren  skeptisch 


—  6 1  — 

gegenüber:  das  städtische  Aerar  kann  weder  direkt  noch  indirekt 
Mittel  abgeben,  der  Bürgerschaft  dürfen  bei  den  geldknappen  Zeiten 
keine  Privatbeiträge  angesonnen  werden,  w7enn  man  auch  für  eine 
bessere  Zukunft  wieder  auf  »die  bekannte  Freigebigkeit  des  hiesigen 
Publicums«  bauen  dürfe;  die  Vorschläge  bedürften  im  einzelnen 
einer  gründlichen  Erwägung  auf  ihre  Durchführbarkeit  in  Bezug  auf 
Zeit,  Räumlichkeiten  und  äussere  Verhältnisse.  Der  Bericht  der 
Curatoren  machte  den  Eindruck,  dass  sie,  denen  offiziell  der  Fürst 
die  Pflege  von  Kunst  und  Wissenschaft  in  seiner  Landeshauptstadt 
anvertraut  hatte,  durch  die  Einmischung  eines  Privatmannes  peinlich 
berührt  wurden  und  hauptsächlich  aus  diesem  Grunde  zur  Ablehnung 
seiner  Vorschläge  rieten.  In  einer  besonderen  Aufzeichnung  be¬ 
zweifelt  Günderrode  die  Möglichkeit,  Kunst  und  Wissenschaft  in 
diesen  harten  Kriegszeiten  zu  fördern,  zumal  hier  in  Frankfurt,  »wo 
bisher  der  Kunstsinn  so  wenig  und  das  nur  vereinzelt  sich  tätig 
erwies,  wo  das,  was  von  Kunstvorrat  zum  öffentlichen  Gebrauch 
zusammengebracht  werden  könnte,  an  Zahl  und  Gehalt  gleich  un¬ 
bedeutend  sein  würde«. 

Immerhin  muss  anerkannt  werden,  dass  beide  Herren  die  Ver¬ 
wendung  öffentlicher  Mittel  für  die  Förderung  geistiger  Bestrebungen 
nicht  grundsätzlich  ablehnten.  Ob  und  welcher  Bescheid  dem  Antrag¬ 
steller  von  Seiten  des  Fürsten  zu  Teil  wurde,  ist  aus  den  Akten  nicht 
zu  entnehmen;  zweifellos  sind  seine  Vorschläge  dem  Fürsten  im 
Gedächtnis  geblieben.  Man  ist  versucht,  sie  mit  der  Gründung  des 
»Museums«  im  Jahre  1808  in  Zusammenhang  zu  bringen;  lag  doch 
der  Schwerpunkt  der  Tätigkeit  dieses  vom  Fürsten  und  Nicolaus  Vogt 
gegründeten  Pivatvereins,  der  alles  zusammenfassen  sollte,  was  geistig 
arbeiten  und  geniessen  wollte,  gerade  in  der  »Beförderung  und  Auf¬ 
sicht  öffentlicher  Vorlesungen  in  verschiedenen  Fächern,«  die  Meyer 
als  »Grundlage  einer  künftigen  hohen  Schule  oder  Academie«  ge¬ 
wünscht  hätte. 1 

Mit  der  Gründung  des  Museums  hat  Dalberg  zweifellos  weitere 
Kreise  der  wohlhabenden  und  gebildeten  Bürgerschaft  für  künstlerische 
und  wissenschaftliche  Bestrebung  und  Betätigung  gewonnen;  er  hat 
diese  Kreise,  die  bisher  ihre  geistigen  Genüsse  getrennt  gesucht 
hatten,  zu  gemeinschaftlichem  Geniessen  zu  vereinigen  gesucht.  Der 


1  Ueber  das  Verhältnis  Dalbergs  zu  dem  geistigen  Leben  in  Frankfurt  vgl. 
den  vortrefflichen,  vielfach  mehr  andeutenden  als  ausführenden  Abschnitt  in 
Darmstaedters  Grossherzogtum  Frankfurt  S.  3  5  5  ff. 


62 


Entwicklung  zu  einer  Hochschule  war  dieser  private  Verein  nach 
seiner  Organisation  und  Zusammensetzung  selbstverständlich  nicht 
fähig;  dieses  Ziel  suchte  der  Fürst  auf  einem  ganz  anderen  Wege  zu  er¬ 
reichen,  und  es  wäre  wohl  auch  erreicht  worden,  wenn  die  politischen 
Ereignisse  seiner  Herrschaft  nicht  ein  baldiges  Ende  bereitet  hätten. 

Nicht  weniger  als  drei  höhere  Lehranstalten  hat  die  rührige 
Regierung  des  bildungsbegeisterten  Landesherrn  in  wenigen  Jahren 
geschahen:  das  Lyceum,  die  Architektonische  Schule,  die  Medizinisch¬ 
chirurgische  Spezialschule. 

Dass  die  Bürgerschaft  solche  höhere  Lehranstalten  gewünscht 
hätte,  ist  nicht  bekannt;  ihr  Verlangen,  soweit  es  an  die  Öffentlichkeit 
trat,  ging  auf  höheren  Unterricht  für  das  praktische  Leben,  nicht  für 
die  Wissenschaften.  Im  Jahre  1808,  das  ja  auch  durch  die  Schaffung 
der  Handelskammer  von  besonderer  Bedeutung  für  die  Frankfurter 
Kaufmannschaft  geworden  ist,  hat  eine  Stimme  aus  deren  Kreisen 
einige  Wünsche  ausgesprochen,  die  charakteristisch  für  die  Bestrebungen 
des  Handelsstandes  nach  besserer  Ausbildung  seiner  Jünger  sind; 
sie  forderte  einen  Lehrstuhl  für  Handlungswissenschaften  am  Gym¬ 
nasium  (!),  eine  »Technologische  Lehranstalt«  für  die  Handwerker, 
nach  dem  Muster  der  Lehranstalt  der  Patriotischen  Gesellschaft  in 
Hamburg,  die  Förderung  der  Zeichenschule  zur  Heranbildung  von 
Zeichnern  und  Kupferstechern  für  Buchschmuck,  um  den  Frankfurter 
Verlag  zu  Leistungen  zu  befähigen,  wie  sie  das  Bertuch’sche  Landes¬ 
industrie-Comptoir  in  Weimar  erreicht  hatte.1 

Von  diesen  Wünschen  hat  Dalbergs  Regierung  eigentlich  nur 
die  »Technologische  Lehranstalt«  in  der  Architektur-Schule  einiger- 
massen  erfüllt.  Was  sie  der  Stadt  in  den  beiden  anderen  höheren 
Bildungsanstalten  gab,  ist  nicht  von  der  Bürgerschaft  verlangt  worden, 
entsprach  vielmehr  der  Initiative  der  Regierung  und  war  mehr  zum 
Besten  des  gesamten  Landes  gedacht  als  zur  Förderung  seiner  Hauptstadt. 

Die  älteste  dieser  höheren  Schulen  war  die  noch  zu  Zeiten  des 
Primatialstaates  errichtete  Architektonische  oder  Architektur- 
Schule;  die  Dienstanweisung  ihres  Leiters,  des  Archikten  Philipp 
Jakob  Floffmann,  ist  vom  7.  September  1808  datiert.  Diese  der  Ober- 
Schulkuratel  (V.  Giinderrode  und  Vogt)  unterstellte  Anstalt  war  »zur 
Bildung  praktischer  Künstler  und  Handwerker«  bestimmt.  Der  Unter- 


1  Vgl.  die  sehr  beachtenswerte  Übersicht  über  Lage  und  Bedürfnisse  des 
Frankfurter  Handels  im  Jahre  1808  von  Cleminius  im  «Allgemeinen,  besonders 
Frankfurter  Handlungsbriefsteller«  etc.,  in  der  Jaegerschen  Buchhandlung  erschienen. 


—  6  3  - 

rieht  in  Arithmethik,  Geometrie,  Mechanik  leitete  das  Studium  ein; 
dann  folgten  praktische  Übungen  im  Zeichnen  von  Bauplänen  und 
Zimmermannsrissen,  in  der  Konstruktion  von  Hang-  und  Spreng- 
werken,  in  Entwürfen  von  Möbeln,  Zimmerverzierungen  und  Garten¬ 
anlagen;  diesen  praktischen  Unterricht  begleiteten  Anweisungen  im 
Steinschnitt  (coup  de  pierre),  in  der  Perspektive,  in  der  Nivellierung 
für  Land-  und  Wasserbau.  In  diesen  Hauptfächern  unterrichtete  der 
Direktor;  als  Nebenfächer  galten  Chemie  und  Naturlehre,  sowie 
Geographie  und  Mythologie  (!),  in  welchen  Disziplinen  Dr.  Molitor 
unterrichtete.  Die  Schule  zählte  in  ihrer  Blütezeit  60  Schüler;  als 
die  Regierung  des  Grossherzogtums  die  Mittel  zum  weiteren  Ausbau 
nicht  gewährte,  und  der  Schule  die  ihr  zugewiesenen  Räume  im 
katholischen  Gymnasium,  dem  ehemaligen  Dominikaner-Kloster,  ent¬ 
zog,  beschränkte  sich  der  Leiter  auf  den  Unterricht  von  nur  12  Schülern 
in  seinem  eigenen  Hause.  Die  Konskription  und  die  Werbung  von 
Freiwilligen  im  Frühjahr  1814  entzogen  dieser  kleinen  Schar  wieder 
einige  Schüler  und  so  ist  die  Anstalt,  ohne  besonders  aufgelöst  zu 
werden,  von  selbst  eingegangen.  Es  ist  im  höchsten  Grade  bedauerlich, 
dass  der  freistädtische  Senat  es  nicht  verstanden  hat,  aus  diesem  Kern 
eine  grössere  Baugewerkschule  zu  entwickeln.1  Dalberg,  dessen  Schul¬ 
gesetz  vom  1.  Februar  1812  jedem  der  Departementshauptorte  eine 
solche  Schule  schenken  wollte,  hat  die  Realien  in  ihrem  Werte  für 
das  praktische  Leben  ganz  anders  zu  schätzen  gewusst  als  die  Frank¬ 
furter  Regierung  vor  und  nach  ihm. 

Die  höchste  Lehranstalt  des  Grossherzogtums  sollte  nach  dem 
Schulgesetz  die  Landesuniversi.tät  bilden.  Wohl  bestand  schon  in 
Aschaffenburg  eine  Hochschule,  die  als  die  Fortsetzung  der  ehemaligen 
Mainzer  Universität  galt,  aber  ein  in  jeder  Beziehung  kümmerliches 
Dasein  führte.  Die  Absicht  des  Landesherrn  ging  dahin,  diese  Hoch¬ 
schule  zur  Landesuniversität  auszubauen,  sie  durch  »mehrere  nach 
Orten  gesonderte  Spezialschulen«  zu  vervollständigen;  der  Grund 
für  diese  lokale  Trennung  der  Fakultäten  war  die  Möglichkeit  die 
Spezialschulen  für  die  Rechtsgelehrsamkeit  und  die  Heilkunde  —  der 
Aschaffenburger  Hochschule  fehlte  die  medizinische  Fakultät  gänzlich  — 


1  Über  diese  Architektonische  Schule  ist  nur  weniges  bekannt ;  den  Lehrplan 
und  die  Lehrer  gibt  kurz  der  Staatskalender  der  Jahre  1810—1813  an.  Ein  kurzer 
Bericht  Hoffmanns  und  seine  Dienstanweisung  in  den  Akten  des  Senats  G  32,  Nr.  2, 
Anlageband  zu  Tom.  I  und  II.  Das  Verhältnis  zum  privaten  Zeichnungs-Institut 
ist  unklar;  Hoffmann  hatte  bis  1809  den  Unterricht  im  architektonischen  Zeichnen 
an  diesem  Unternehmen. 


—  64  — 

mit  schon  bestehenden  Anstalten  und  Gebäuden  in  Wetzlar  und  Frank¬ 
furt  zu  verbinden. 

Bestandteile  dieser  grossherzoglichen  Universität  —  ihre  lokale 
Auseinanderreissung  war  ein  Hohn  auf  diese  Bezeichnung  —  sollten 
aber  auch  die  neugegründeten  »Lyceen«  in  Frankfurt,  Fulda  und 
Aschaffenburg  bilden,  nach  dem  Gesetz  »Uebergangsanstalten  von  den 
Gymnasien  zu  den  einzelnen  Berufswissenschaften,  welche  mit  dem 
Kirchen-  und  Staatsdienste  in  unmittelbarer  Verbindung  stehen;  sie 
sollen  durch  das  Studium  der  Historie,  der  Philologie,  Philosophie, 
Mathematik,  Naturgeschichte,  Naturlehre  und  der  allgemeinen  Ency- 
clopädie  den  Geist  des  Studierenden  zu  einer  höheren  intellectuellen 
Cultur  erheben  und  ihn  zu  einer  wissenschaftlichen  Behandlung  der 
wichtigsten  Gegenstände  des  menschlichen  Denkens  gewöhnen«.1 

Im  November  1812  wurde  die  Frankfurter  Anstalt,  das  Lyceum 
Carolinum,  wie  es  nach  dem  Landesherrn  genannt  wurde,  eröffnet; 
es  fand  in  einem  Flügel  des  Senckenbergischen  Stiftshauses,  also  am 
»Karlstor«,  Unterkunft;  diese  lokale  Trennung  vom  Gymnasium  am 
noch  unvollendeten  Neubau  der  lutherischen  Hauptkirche  sollte  wohl 
auch  den  Charakter  als  selbständige  Anstalt  scharf  betonen,  wie  das 
Siegel  mit  der  Schrift  »Universitas  Carolina,  Lyceum  Lrancofurtanum« 
es  als  Teil  der  Landeshochschule  kennzeichnete.  Diese  unglückliche 
Schulbildung,  eine  Zwischenstufe  zwischen  Schule  und  Hochschule, 
mit  der  Form  des  Unterrichts  der  Universität,  mit  der  Disziplin  der 
Schule,  mit  dem  Lehrplan  halb  der  Hochschule,  halb  der  Gymnasial¬ 
prima  erfreute  sich  unter  der  Leitung  des  mit  Goethe  enge  befreundeten 
Alt-Frankfurter  Juristen  Fritz  Schlosser2  einer  Reihe  ausgezeichneter 
Lehrkräfte,  wie  der  Philologen  Mathiae  und  Grotefend,  des  Natur¬ 
wissenschaftlers  Poppe,  des  Historikers  Friedrich  Christoph  Schlosser;3 


1  So  das  Schulgesetz  vom  1.  Februar  1812  im  Grossherzoglich  Frankfurtischen 
Regierungsblatt  Bd.  I,  S.  6 29  ff.  —  Eine  ausführliche  Beschreibung  der  Anstalt 
gibt  die  »Kurze  Nachricht  von  dem  Grossherzoglichen  Lyceum  Carolinum  in 
Frankfurt,  Oktober  1812«;  vgl.  dazu  Darmstaedter  S.  231.  —  Reichen  Stoff  bieten 
die  Akten  des  Consistoriums  (Gymnasium  X  und  XI)  und  besonders  die  des 
Lyceums  selbst,  die  sich  im  Stadtarchive  befinden;  für  die  Aufhebung  1814  kommen 
Acta  Sen.  L  33  Nr.  1,  Tom.  I  in  Betracht. 

2  Vgl.  über  ihnFrese,Goethe-Briefe  aus  Fritz  Schlossers Nachlass(Stuttgart  1877). 

3  Vgl.  über  diese  Gelehrten  Liermann  in  der  Festschrift  zur  Einweihung  des 
Goethe-Gymnasiums  1897  S.  19  ff.  Da  Direktor  Dr.  Liermann  demnächst  eine  aus¬ 
führlichere  Abhandlung  über  das  Lyceum  veröffentlichen  wird,  so  habe  ich  mich 
auf  obige  kurze  Ausführungen  beschränkt,  zumal  die  Berechtigung  des  Lyceums 
als  »Hochschule«  eine  fragwürdige  ist. 


^5 


von  den  7  Professoren  waren  nur  2  im  Hauptamte  am  Lyceum  be¬ 
schäftigt,  die  anderen  waren  hauptamtlich  Lehrer  am  Gymnasium. 
Zu  seinen  Schülern  —  es  zählte  im  zweiten  Semester,  Februar  1813, 
deren  15  —  gehörten  junge  Frankfurter,  die  in  der  Geschichte  des 
Geisteslebens  der  Stadt  eine  ehrenvolle  Stellung  errungen  haben,  wie 
der  Historiker  Johann  Friedrich  Böhmer  und  der  Mediziner  Johann 
Michael  Mappes. 

Im  Gegensätze  zu  den  Spezialschulen  betrieb  das  Lyceum  die 
Fächer  der  allgemeinen  Bildung,  welche  die  Spezialschulen  als  erledigt 
voraussetzten;  beide  Arten  von  Anstalten  ergänzten  sich,  die  eine 
war  ohne  die  andere  zwecklos.  Als  mit  dem  Grossherzogtum  auch 
die  Spezialschulen  fielen,  war  den  Lyceen  das  Urteil  gesprochen.  In 
Frankfurt  hat  sich  keine  Stimme  gefunden,  die  sich  für  die  Erhaltung 
dieser  Anstalt  ausgesprochen  hätte;  durch  Beschluss  des  Senates  vom 
27.  September  1814,  der  einem  diesbezüglichen  Gutachten  der  Ober- 
Schul-  und  Studien-Inspektion  entsprach,  wurde  das  Lyceum  am 
Schlüsse  des  Sommersemesters  aufgehoben;  die  Schüler  —  der  erste 
Kursus  war  ausnahmsweise  schon  im  Herbst  1813  nach  einem  Jahre 
entlassen  worden,  der  zweite  Kursus  hatte  gerade  das  erste  von  den 
beiden  vorschriftsmässigen  Jahren  vollendet  —  mussten  in  das  Gym¬ 
nasium  übertreten. 

Wir  kommen  zur  höchsten  Lehranstalt  des  Landes,  zur  Universität, 
von  der  uns  aber  nur  der  Frankfurter  Teil  beschäftigen  soll:  die 
»Grossherzogliche  Medizin isch-chirurgische  Schule  in  Frank¬ 
furt«,  wie  ihr  offizieller  Titel  lautet;  auch  ihr  Siegel  bestimmt  deutlich 
das  Verhältnis  zur  Landesuniversität :  »Universitas  magn.  ducat.  Franco- 
furt.  facultas  medico-chirurgica.« 1  Die  grossherzogliche  Verordnung 
über  die  Dotation  und  Organisation  der  Lehranstalten  vom  25.  Januar 
1812.2  erklärte  es  für  zweckmässig,  »das  Grossherzogtum  Frankfurt  in 
Beziehung  auf  wissenschaftliche  Veredlung  als  ein  Ganzes  zu  be¬ 
trachten  und  dasjenige  zu  benutzen  (jedoch  nach  dem  Sinne  ihrer 


1  Beschrieben  von  Roemer-Büchner  im  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte 
und  Kunst,  Heft  5,  S.  190. — .  Auch  die  folgenden  Ausführungen  sollen  keine 
Geschichte  dieser  Teiluniversität  geben,  sondern  nur  mit  einiger  Ausführlichkeit 
die  Stellung  von  Alt-Frankfurt  zu  der  ihm  aufgedrungenen  Bildungsanstalt  betonen. 
Vgl.  Darmstädter  S.  214  f.  und  Stricker,  Geschichte  der  Heilkunde  S.  198.—.  Auch 
diese  kurzlebige  Anstalt  verdiente  eine  eigene  .Geschichte.  Von  den  Akten  des 
Stadtarchivs  kommen  in  Betracht :  Acta  Sen.  L  8  Nr.  6  und  7,  M  14  Nr.  6 
Lit.  V  Fasz.  7;  die  Akten  der  Anstalt  selbst  scheinen  verloren, 

2  Regierungsblatt  Bd.  I,  S.  641  ff. 


5 


66 


ursprünglichen  Stifter),  was  in  jedem  Departement  in  dieser  Hinsicht 
wirklich  besteht  .  .  .  Die  Hauptstadt  Frankfurt,  in  Beziehung  auf 
höhere  Ausbildung  der  Arzneiwissenschaft,  besitzt  grosse  Beförderungs¬ 
mittel  durch  ihre  milden  Stiftungen,  Krankenhäuser,  Waisenhäuser, 
botanischen  Garten  und  anatomische  Einrichtung  der  berühmten 
Senkenbergischen  Stiftung.« 

Gegen  die  Absicht  des  Landesherrn,  seine  medizinische  Schule 
nach  Frankfurt  zu  verlegen  und  die  Senckenbergische  Stiftung  für 
deren  Zwecke  zu  benutzen,  erhob  sich  in  Frankfurt  selbst  ein  scharfer 
Widerspruch.  Am  30.  Mai  1812  hatte  der  Präfekt  von  Günderrode 
in  seinem  Berichte  über  die  Lage  des  Departements  Frankfurt  die 
Errichtung  der  Schule  in  kurzen  Worten  angekündigt,  ohne  selbst 
zu  dieser  Lrage  Stellung  zu  nehmen.  Der  Departementsrat,  dem  bei 
seinem  ersten  Zusammentreten  dieser  Bericht  erstattet  wurde,  liess 
es  sich  nicht  nehmen,  sich  ausführlich  über  diesen  Plan  des  Fürsten 
zu  äussern.  In  seiner  Antwort  warf  er  die  Frage  auf,  ob  denn  eine 
so  grosse  und  kostspielige  Reform  des  Bildungswesens  in  Frankfurt 
nötig  sei.  Er  bezweifelte  die  Notwendigkeit,  das  bisher  private 
Volksschulwesen  zu  verstaatlichen,  neue  Schulgebäude  dafür  zu  er¬ 
richten,  Eltern  und  Kindern  einen  Zwang  für  bestimmte  Schulen 
aufzuerlegen  —  die  Berufung  brauchbarer  Lehrer  zu  den  schon  vor¬ 
handenen  genüge;  man  könne  ihnen  ja  gewisse  Vorschriften  für  die 
Hygiene  in  ihren  Räumen  machen.  Das  Gymnasium  genüge  allen 
Ansprüchen  und  darf  zu  den  besten  Schulanstalten  Deutschlands 
gezählt  werden.  —  Diese  Einwendung  galt  der  nicht  genannten 
Neuerung  des  Lyceums.  Sprach  die  Versammlung  in  Bezug  auf  die 
beabsichtigten  Reformen  im  Schulwesen  nur  Zweifel  aus,  so  erklärte 
sie  sich  scharf  gegen  die  Gründung  einer  Hochschule  in  Frankfurt. 
Das  ausführliche  Gutachten  des  Departementsrates  ist  so  bezeichnend 
für  die  Stimmung  des  höheren  Bürgerstandes  in  der  Universitätsfrage, 
dass  es  die  wörtliche  Wiedergabe  lohnt.1 

„Was  nun  aber  inbesondere  die  Errichtung  einer  medicinischen 
Special-Schule  dahier  in  Frankfurt  betrifft,  deren  Anlegung  sehr  nahe 
bevorsteht,  so  verdient  diese  Idee,  besondere  Special-Schulen  statt  der 
seit  Jahrhunderten  in  Deutschland  und  anderen  Reichen  bis  auf  den 
heutigen  Tag  üblich  gewesenen  und  noch  zum  Teil  mit  grossem  Ruhm 
bestehenden  Universitäten  zu  errichten,  eine  ganz  besondere  Prüfung. 


1  Das  Gutachten  befindet  sich  in  den  Akten  Ugb  B  37  Nr.  28,  abschriftlich 
auch  in  Ugb  B  89  Nr.  13. 


67 


Kein  Land  kann  wahrhaftig  mehrere  Gelehrte  und  besonders 
in  allen  Wissenschaften  erfahrene  Männer  aufzählen  als  Deutschland, 
und  allgemein  hat  man  diese  grosse  Anzahl  seinen  vortrefflichen 
höheren  Lehranstalten  zugeschrieben.  Diesem  folgt  England, 
dessen  Lehranstalten  mit  den  deutschen  am  nächsten  Zusammen¬ 
treffen,  und  diesem  steht  erst  Frankreich  in  der  Zahl  gelehrter 
Leute  weit  hintenan.  Auch  findet  sich,  der  Regel  nach,  dass  ein 
französischer  Gelehrter  ausser  seinem  Hauptstudium  in  anderen 
Fächern  der  Gelehrsamkeit  fremd,  ja  öfters  ganz  unwissend  ist. 
Kein  Mensch  kann  indessen  den  Franzosen  eben  die  Geistesfähig¬ 
keiten  absprechen,  die  den  Deutschen  und  Engländern  angehören. 
Wenn  nun  aber  die  Franzosen  dennoch  in  der  Anzahl  gelehrter 
Männer  gegen  diese  beiden  andern  Nationen  Zurückbleiben,  so  muss 
wohl  der  Grund  davon  in  einer  weniger  guten  Einrichtung  ihrer 
Schulen  und  Gymnasien,  wie  auch  in  der  in  diesem  Reich  üblichen 
Special-Schulen  mit  zu  suchen  seyn.  Schon  dieses  macht  ihre  Ein¬ 
führung  bedenklich !  Wenn  wir  aber  auch  den  Special-Schulen  alle  die 
Vorzüge  der  deutschen  Universitäten  einräumen  wollen  —  warum 
soll  ein  junger  Mensch  dasjenige  an  mehreren  Orten  erlernen, 
was  er  nach  der  dermaligen  Einrichtung  der  deutschen  Universitäten 
an  einem  Ort  ganz  bequem  und  ohne  besonderen  Kostenaufwand 
erlernen  kann? 

In  einem  grossen  Reich,  wie  Frankreich,  bei  einer  Population 
von  so  vielen  Millionen  Menschen,  wo  in  grossen  Städten  mehrere 
Special-Schulen  zugleich  befindlich  sind,  mögen  diese  Studien- 
Einrichtungen  wohl  bestehen.  Allein  in  einem  kleinen  Staat  wie 
der  unserige,  bei  der  so  geringen  Anzahl  Studirender,  die  sich 
kaum  auf  50  bis  60  belaufen  wird,  wo  noch  eine  jede  Special- 
Schule  an  einem  besonderen  Ort  ihren  Sitz  aufschlagen  soll,  muss 
diese  Einrichtung  grossen  Schwierigkeiten  unterliegen.  Wie  sehr 
wird  nicht  dem  jungen  Mann  sein  Studium  für  Nebenwissenschaften, 
welche  er  dermalen  auf  unsern  deutschen  Universitäten  so  bequem 
mit  seinem  Hauptstudium  verbinden  kann,  erschwert,  ja  öfters 
gar  unmöglich  gemacht  werden?  Wie  kann  z.  B.  aus  einer  solchen 
Special-Schule  ein  Planeten-Entdecker  Dr.  Olbers1  hervorgehen, 
der  zu  Göttingen  mit  seinem  Studium  der  Medizin  das  der  Mathe¬ 
matik  und  besonders  der  Astronomie  unausgesetzt  verbinden  konnte? 

Und  wie  sehr  muss  der  Eifer  des  Lehrers  erkalten,  wenn  er 
sich  gezwungen  sieht,  bey  einer  so  kleinen  Anzahl  Studirender 
den  leeren  Stühlen  seines  Auditoriums  zu  dociren?  An  einen 


1  Dr.  med.  Heinrich  Wilhelm  Mathias  Olbers  1758—1840,  der  Entdecker 
der  Planetoiden  Pallas  (1802)  und  Vesta  (1807). 


5 


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Zuwachs  auswärtiger  studirender  junger  Leute  kann  nicht  gedacht 
werden,  denn  zuverlässig  werden  auswärtige  Eltern  das  Studium 
ihrer  Kinder  auf  grossen  Universitäten,  wo  sie  alles  zugleich  er¬ 
lernen  können,  den  einseitigen  Special-Schulen  vorziehen  und 
somit  die  Hoffnung,  auswärtige  junge  Leute  anzuziehen,  aufgegeben 
werden  müssen.  Nach  der  dermaligen  Verteilung  der  Special- 
Schulen  unseres  Landes  ist  dabei  an  die  protestantischen  Geist¬ 
lichen  nicht  einmal  gedacht  worden,  und  diese  müssen  dann  auf 
andern  fremden  Accademien  ihren  Unterricht  zu  erhalten  suchen. 

So  sehr  alles  dieses  beherziget  zu  werden  verdient,  so  ganz 
besonders  verdient  die  Localität  Frankfurts  für  die  medicinische 
Schule  einer  weitern  Erwägung.  Wenn  das  Dr.  Senkenbergische 
Bürger-Hospital  und  die  dabei  befindliche  Anatomie  nebst  Bo¬ 
tanischen  Garten  dem  angehenden  Mediziner  besondere  Vorteile 
gewährt,  so  werden  diese  Institute,  besonders  das  erstere,  dem¬ 
selben  dennoch  erst  dann  ganz  nützlich,  wenn  er  den  Grund 
seiner  Wissenschaft  auf  Universitäten  gelegt  hat  und  nach  Be¬ 
endigung  derselben  alsdann  unter  der  Aufsicht  des  Arztes  die 
Anwendung  desselben  versuchen  will.  Bedenkt  man  dagegen,  wie 
teuer  die  Wohnungen  und  die  Bedürfnisse  aller  Art  in  Frankfurt 
sind,  dass  arme  Eltern  bey  Abgang  anderweitiger  Unterstützungen 
durch  die  Teuerung  des  Orts  schon  abgehalten  werden  müssen, 
ihre  Söhne  medizinische  Wissenschaften  erlernen  zu  lassen,  und 
erwägt  man  weiter,  wie  viele  Zerstreuungen  sich  einem  jungen, 
in  der  Welt  noch  unerfahrnen  Menschen  darbieten,  wodurch  er, 
sich  selbsten  überlassen  und  ohne  alle  Aufsicht,  sehr  leicht  an  den 
Rand  seines  Verderbens,  besonders  bey  der  täglich  hier  mehr 
einreissenden  Unsittlichkeit,  geführt  wird,  so  kann  man  den  Wunsch 
nicht  unterdrücken,  daß  die  neue  Studieneinrichtung  überhaupt, 
insbesondere  aber  die  Etablirung  der  medizinischen  Schule  dahier 
eine  Abänderung  zum  Besten  der  Studirenden  erhalten  möge. 

Da  Seine  Königliche  Hoheit  der  Grossherzog  nun  einmal  die 
Stiftung  dieser  Special-Schulen  beschlossen  und  als  ein  grosser 
Beförderer  der  Wissenschaften  die  dazu  erforderliche  Fonds  aus¬ 
zusetzen  geruht  haben,  so  ist  der  einzige  Wunsch  des  Departements¬ 
raths,  dass  dieselben  nur  so  zweckmässig  wie  möglich  verwendet 
werden  mögten.  Er  glaubt  sich  aber  überzeugt,  dass  die  Vereinigung 
dieser  gestifteten  Special  -  Schulen  in  einem  Ort,  wie  die  Stadt 
Wetzlar,  für  die  Lehrer  sowohl  als  Studirende,  ja  für  die  arme, 
in  den  tiefsten  Nahrungsverfall  geratene  Stadt  selbsten  am  vorteil¬ 
haftesten  sein  würde,  in  welcher  mit  wenigen  Kosten  bei  dem  grossen 
Unwert  der  Häuser  alle  Lehrsäle  und  öffentliche  accademische 
Anstalten  eingerichtet,  besonders  aber  die  Lehrer  und  Studirende 


6  9 


wohlfeil  leben  können ;  dabey  würde  den  Einwohnern  ein  neuer 
Erwerbszweig  aufkeimen,  durch  welchen  ihrer  täglich  mehr  zu¬ 
nehmenden  Armut  Gränzen  gesetzt  und  Mittel  zu  ihrem  Wieder¬ 
aufkommen  verschafft  würden.« 

Wer  waren  die  Männer,  die  in  dieser  an  byzantinischen  Er¬ 
scheinungen  aller  Art  so  reichen  Zeit  der  wohlwollenden  Absicht 
des  Landesherrn  so  scharf  entgegentraten?  Das  Gutachten  ist  unter¬ 
zeichnet  von  dem  Freiherrn  J.  P.  v.  Leonhardi,  Dr.  J.  G.  Grambs, 
P.  Jassoy,  Johann  Noe  du  Fay,  J.  H.  Mülhens,  J.  C.  Schnerr, 
J.  B.  Schweitzer,  J.  F.  Wüstefeld,  G.  F.  Clausius  —  von  Vertretern 
der  Alt-Frankfurter  Grosskaufmannschaft  und  Intelligenz,  die  zweifel¬ 
los  die  Ansichten  der  gebildeten  Bürgerschaft  wiedergeben:  Spezial¬ 
schulen  nach  französischem  Muster  sind  im  Allgemeinen  zu  verwerfen, 
im  Besonderen  aber  ist  Frankfurt  als  Handels-  und  Grossstadt  kein 
geeigneter  Ort  für  eine  Hochschule  irgend  welcher  Art,  seine  Hülfs- 
mittel  in  der  Senckenbergischen  Stiftung  und  den  Krankenanstalten 
eignen  sich  nicht  zum  Unterricht  für  Studierende,  eher  —  und  das 
Auftreten  dieses  Gedankens  hier  zum  ersten  Male  ist  von  besonderem 
Interesse  —  zur  Weiterbildung  von  Studierten.  Es  ist  nicht  bekannt, 
ob  der  Präfekt  höheren  Orts  über  die  einheimische  Abneigung  gegen 
die  zu  gründende  Teiluniversität  berichtet  hat;  da  sich  Günderrode 
zwei  Jahre  später  gegen  die  Fortdauer  der  Spezialschule  ausgesprochen 
hat,  darf  angenommen  werden,  dass  ihm  sein  Departementrat  aus 
dem  Herzen  gesprochen  hat. 

Auf  keinen  Fall  hat  sich  der  Grossherzog  beirren  lassen ;  seine 
Gründung  sollte  ja  weniger  der  Hauptstadt,  als  dem  ganzen  Lande 
zu  Gute  kommen;  die  Verhältnisse  in  Frankfurt  lagen  so  günstig, 
dass  die  Staatskasse  wenig  mehr  als  die  Gehälter  für  die  Lehrkräfte 
aufzubringen  hatte.  Es  bedurfte  nur  der  Erbauung  eines  chemischen 
Laboratoriums  und  einer  Übereinkunft  mit  der  Senckenbergischen 
Administration,  welche  ihre  Institute  der  Anstalt  unentgeltlich  zur 
Benutzung  überliess. 

Am  9.  November  1812  wurde  die  medizinische  Fachschule 
eröflnet.  Mit  dem  Direktor,  dem  Gynäkologen  Wenzel,  erteilten 
9  Professoren  und  1  Dozent,  alles  angesehene  Ärzte  und  Gelehrte, 
den  Unterricht;  er  fand  im  Senckenbergischen  Stiftungsgebäude  statt, 
das  jetzt  für  kurze  Zeit  das  rege  wissenschaftliche  Leben  erfüllte, 
von  welchem  der  Stifter  einst  geträumt  hatte.  So  entgegenkommend 
sich  seine  Stiftung  erwies,  so  wenig  Verständnis  und  Förderung 
fand  die  Schule  von  der  grössten  Krankenanstalt  der  Stadt,  dem 


70 


Heiliggeist-Spital;  die  Verwaltungs-Kommission  weigerte  sich  hart¬ 
näckig,  eine  Klinik  für  die  Professoren  einzurichten,  welche  die  Vor¬ 
gesetzte  Behörde  der  Schule,  die  Generalkuratel  des  öffentlichen 
Unterrichts,  als  die  Grundbedingung  für  das  Gedeihen  der  Anstalt 
erklärte.  Auf  die  Zahl  der  Schüler  brauchte  sie  nicht  gerade  stolz 
zu  sein :  das  erste  Semester  brachte  nur  42  Studierende,  immerhin 
bei  der  geringen  Grösse  des  Landes,  dessen  Mediziner  sie  heran¬ 
bilden  sollte,  ein  nicht  zu  verachtender  Anfang. 

Ihm  folgte  bald  das  Ende.  Das  zweite  Semester  konnte  noch 
unterrichtet  werden ;  als  das  dritte  beginnen  sollte,  stand  die  Stadt 
im  Zeichen  des  Mars,  der  die  Musen  verdrängte.  In  der  Nacht  vom 
1.  auf  den  2.  November  1813  räumten  die  letzten  Franzosen  die 
Stadt  und  rückten  die  ersten  Truppen  der  Verbündeten  ein.  Die 
Professoren  und  wohl  auch  die  Studenten  stellten  sich  zur  Pflege 
der  Verwundeten  zur  Verfügung;  die  praktische  Arbeit  liess  wenig 
an  den  theoretischen  Unterricht  denken.  Trotzdem  versuchten  die 
Lehrer  ihre  angefangenen  Vorlesungen  weiterzuführen.  Zu  ihrem 
schmerzlichen  Erstaunen  erhielten  sie  aber  am  3.  Januar  1814  von 
der  Generalkuratel  des  öffentlichen  Unterrichts  die  Mitteilung,  dass 
das  von  den  Verbündeten  eingesetzte  General-Gouvernement  die 
Anstalt  durch  Verordnung  vom  30.  Dezember  1813  aufgehoben  habe. 
Die  Motive  dieser  Verfügung  waren  rein  finanzieller  Art:  die  Stadt 
war  inzwischen  aus  dem  Grossherzogtum  ausgeschieden,  die  Stempel- 
Einnahmen  waren  nach  Aufhebung  des  verhassten  Enregistrements 
in  Frankfurt  wie  anderwärts  beträchtlich  verringert,  die  zur  Dotation 
der  öffentlichen  Unterrichtsanstalten  auf  den  Stempelertrag  ange¬ 
wiesenen  Mittel  fehlten. 

Nun  rief  der  Direktor  Geheimrat  Wenzel  die  gewichtige  Ver¬ 
wendung  des  Chefs  der  Centralverwaltung  der  von  den  Verbündeten 
eroberten  Länder  an,  des  Ministers  Freiherrn  Karl  vom  Stein. 
Die  Aufhebung  des  Instituts  gerade  in  diesen  Zeiten  der  Not  und  des 
Krieges,  wo  es  so  nützlich  wirke,  sei  unbegreiflich,  die  Fortdauer 
oder  Wiederherstellung  für  die  Stadt  Frankfurt  nur  mit  geringen 
Opfern  verbunden,  mit  etwa  12000  Gulden,  denn  die  nötigen  Lehr¬ 
anstalten  seien  ja  schon  vorhanden.  In  einem  Erlasse  an  das 
General-Gouvernement  vom  15.  Januar  trat  denn  auch  Stein  für  die 
Erhaltung  der  Schule  ein,  die  ja,  wie  er  irrig  bemerkte,  keine  ganz 
neue  Schöpfung  des  Grossherzogtums  sei,  sondern,  wenn  auch  nicht 
in  der  gegenwärtigen  Ausdehnung,  schon  in  Senckenbergs  Stiftung 
bestanden  habe.  Am  26.  März  forderte  das  General-Gouvernement 


7i 


den  Senat  auf,  einige  patriotische  Mitglieder  mit  dem  Direktor 
Wenzel  erwägen  zu  lassen,  in  welcher  Art  die  Anstalt  weitergeführt 
werden  könne,  die  gerade  jetzt,  da  der  Krieg  so  viele  Opfer  an 
Ärzten  und  Wundärzten  gefordert  habe,  zur  Heranbildung  von 
ärztlichem  Ober-  und  Unterpersonal  so  notwendig  sei. 

Mit  Beschluss  vom  31.  März  verwies  der  Senat  diese  Auf¬ 
forderung  an  seine  Deputation  zum  Bericht;  die  Direktive,  die  der 
Beschluss  des  Senates  gab  —  woher  das  Geld  nehmen?  —  liess  zwar 
von  vorn  herein  keine  günstige  Antwort,  aber  doch  nicht  eine  so 
scharfe  Ablehnung  der  Schule  im  Besonderen  und  einer  Universität 
im  Allgemeinen  erwarten,  wie  sie  in  der  Antwort  des  Senates  an 
das  General-Gouvernement  vom  1.  November  1814  vorliegt.1 

»Unter  den  vielen  nachteiligen  Anstalten,  welche  Nachahmungs¬ 
sucht  aller  französischen  Institute  in  dem  ehemaligen  Grossherzogtum 
Frankfurt  einführte,  nimmt  die  medicinische  Special-Schule  nicht  den 
untersten  Platz  ein.  Denn  sowie  eine  in  mehreren  Städten  zer¬ 
streute  Universität  an  sich  schon  den  Wissenschaften  keinen  Vorteil 
bringen  kann,  indem  dadurch  der  im  Wortverstande  einer  Universitas 
ausgesprochene  Hauptzweck  der  deutschen  Universitäten  —  die 
Vereinigung  mannigfaltiger  Wissenschaften  an  einem  und  demselben 
Orte  und  die  dem  Studirenden  dadurch  gegebene  Gelegenheit, 
ausser  seinem  Hauptstudium  auch  in  andern  Wissenschaften  sich 
Kenntnisse  zu  erwerben  —  gänzlich  verloren  geht,  so  muss  besonders 
die  von  dem  vorigen  Herrn  Grossherzoge  gestiftete  sogenannte 
Landes-Universität,  wovon  hiesige  medicinische  Special-Schule  einen 
Theil  ausmachte,  den  nachtheiligsten  Einfluss  auf  gelehrte  Aus¬ 
bildung  haben.  Der  Director  des  Lyceums,  Ober-Schul-  und  Studien- 
Rath  Herr  Dr.  Schlosser  äusserte  sich  in  einem  bei  einer  andern  Ver¬ 
anlassung  an  uns  erstatteten  Berichte  über  diese  Special-Schule  also: 

Da  die  Special  -  Schulen  im  vollständigsten  Gegensatz 
gegen  unsere  deutsche  Universitäten  nur  eine  höchst  einseitige 
Bildung  zu  einseitigen  Zwecken  bezielen  und  daher  in  ihrem 
Begriffe  schon  antiscientivische  Anstalten  waren,  so  musste 
dadurch  alle  wissenschaftliche  Bildung  organisationsmässig 


1  Verfasser  dieses  in  den  Akten  des  Senates  M  14  Nr.  6  Lit.  V  Fasz.  2  im 
Konzept  befindlichen  Berichtes  ist  der  Ratsschreiber  Dr.  F.  M.  Starck;  an  der  end- 
giltigen  Fassung  hat,  wie  die  Korrekturen  beweisen,  Günderrode  mitgewirkt.  Er 
deckt  sich  im  Wesentlichen  mit  einem  von  Günderrode  gezeichneten  und  wohl 
auch  verfassten  Gutachten  der  Ober-Schul-  und  Studien-Inspektion  vom  12.  April 
1814  in  den  genannten  Akten,  ist  aber  in  Bezug  auf  die  medizinische  Spezialschule 
viel  ausführlicher  und  schärfer  als  dieses  Gutachten. 


72 


untergraben  werden . welches  jetzt  aufhört,  nachdem 

die  glückliche  Erneuerung  des  deutschen  Vaterlandes  dem 
französischen  Unwesen  der  Special-Schulen  ein  Ziel  gesetzt 
hat  etc. 

Indem  wir  diesem  Urteil  vollkommen  beipflichten,  müssen 
wir  ebenfalls  die  bereits  geschehene  Aufhebung  dieser  ohnehin  nie 
zu  einigem  Flohr  gekommenen  Anstalt  für  sehr  heilsam  und  wohl- 
thätig  erkennen.  Wenn  also  der  Director  derselben,  Herr  Geh. 
Rath  Wenzel,  dessen  Verdienste  als  Gelehrter  und  praktischer  Arzt 
wir  nicht  misskennen,  in  einer  an  Seine  Excellenz  den  Herrn 
Minister  Frhr.  vom  Stein  gerichteten  Vorstellung  die  Fortdauer 
dieses  ächt  französischen  Instituts  als  nützlich  und  wohlthätig  und 
die  Mittel  zu  dessen  Erhaltung  als  bereits  vorhanden  oder  leicht 
zu  verschaffen  dargestellt  und  Seine  Excellenz  hochsich  dadurch 
bewogen  gefunden  haben,  das  Fortbestehen  dieser  Anstalt  zu  em¬ 
pfehlen,  so  gründet  sich  diese  Empfehlung  offenbar  auf  der  von 
Seiner  Excellenz  ausgedrückten,  aber  unrichtigen  Voraussetzung, 
»dass  die  Schule  notorisch  auf  einer  Senkenbergischen  Stiftung  be¬ 
ruhe«,  indem  diese  Stiftung  einen  ganz  andern  Zweck  hat,  nehmlich 
den  der  Unterhaltung  eines  Hospitals  kranker  vermögenloser  Bürger, 
während  dem  das  damit  verbundene  medicinische  Institut  des  ver¬ 
storbenen  Dr.  Senkenberg  einen  sehr  beschränkten  Fond  hat,  wovon 
die  Zinsen  vorschriftsmässig  an  die  daselbst  die  Vorlesungen  be¬ 
sorgende  hiesige  Ärzte  und  zu  Bestreitung  weiterer  darauf  haftender 
Kosten  nach  wie  vor  entrichtet  und  verwendet  werden  müssen. 
Und  wenn  Herr  Geh.  Rath  Wenzel  in  jener  Vorstellung  anfuhrt, 
dass  in  hiesiger  Stadt  Entbindungs-Anstalten,  ein  anatomisches 
Theater,  Naturalien  -  Cabinette,  botanischer  Garten,  eine  Stadt¬ 
bibliothek,  Krankenhäuser,  ein  Irrenhaus,  kurz  alles,  was  eine  solche 
Gelehrten  -  Bildungsanstalt  als  unentbehrlich  voraussetzt,  bereits 
existirten ,  so  darf  hiergegen  nicht  unbemerkt  bleiben,  dass  alle 
diese  Anstalten,  wenn  solche  auch  wirklich  alle  vorhanden  wären, 
doch  denjenigen  Grad  von  Vollkommenheit  nicht  haben  und  nicht 
haben  können,  wie  man  solche  auf  den  deutschen  Universitäten 
sucht  und  findet. 

Denn  was 

i.  die  En tbindungs- Anstalten  betrifft,  so  genügen  zwar  solche 
dem  Bedürfnisse  der  Wöchnerinnen,  indessen  bestehen  sie  nur  in 
einigen  Accoucheurs  und  Hebammen,  welche  letztere  ein  dafür 
besoldeter  Arzt  theoretisch  und  practisch  anzuweisen  hat,  wie  man 
dergleichen  in  jeder  Stadt  von  einigem  Belang  findet.  Eine  eigene 
Entbindungs- Anstalt  nach  dem  damit  gewöhnlich  verbunden  werden¬ 
den  Begriff  existirt  aber  nicht.  Ebenso  verhält  es  sich  mit 


73 


2.  den  dahier  vorhanden  seyn  sollenden  Naturalien-Cabinetten, 
man  müsste  denn  ein  unbedeutendes  Cabinett  in  der  Dr.  Senken- 
bergischen  Stiftung  und  einige  bei  Privatpersonen,  welche  solche 
zu  ihrem  eigenen  Vergnügen  angelegt  haben,  befindliche  Cabinette 
darunter  verstehen  wollen. 

So  wie  denn  auch 

3.  der  in  der  Dr.  Senkenbergischen  Stiftung  befindliche 
botanische  Garten  und 

4.  das  eben  daselbst  befindliche  anatomische  Theater,  welche 
ihrem  Zweck  und  ursprünglichen  Bestimmung  gemäs  zur  Vorbe¬ 
reitung  auf  den  academischen  Unterricht  dienen  sollen  und  dienen, 
dem  Bedürfnis  der  Studirenden  nicht  genügen  können. 

Ebenso  verhält  es  sich  auch 

5.  mit  der  im  Dr.  Senkenbergischen  Stift  befindlichen  medi- 
cinischen  und  hiesigen  Stadtbibliothek  und 

6.  dem  Irrenhaus. 

Erstere  kann  den  Umfang  nicht  haben,  dass  ein  gelehrter 
Arzt  volle  Befriedigung  daraus  schöpfen  könnte,  und  letzteres, 
nur  eine  Anstalt  für  Unglückliche,  möchte  zu  einem  gründlichen 
Studium  der  Psychologie  wohl  auch  nicht  genügen. 

So  wie  denn  auch 

7.  die  Krankenhäuser  zur  Aufnahme  der  Armen  bestimmt, 
ihrer  Bestimmung  nicht  entzogen  und  die  für  deren  Unterhaltung 
angewiesenen  Fonds  nicht  zu  anderen  Zwecken  verwendet  werden 
dürfen,  wenn  nicht  die  Wohlthaten,  die  ihnen  jährlich  von  privatis 
zufliessen,  gänzlich  entzogen  werden  sollen. 

Alle  diese  Anstalten  entsprachen  ihrem  Zweck  —  nehmlich 
Nothleidende  zu  erquicken  und  dem  die  Universität  besuchen  wollen¬ 
den  Jüngling  Anleitung  zu  seiner  fernem  Ausbildung  zu  geben,  ihn 
mit  den  nothdürftigsten  Anfangsgründen  der  Wissenschaft  bekannt 
zu  machen  und  so  einen  Grund  zu  legen,  auf  welchem  der 
Studirende  auf  der  Universität  durch  Anhörung  wirklich  wissen¬ 
schaftlichen  Unterrichts  fortbauen  kann,  um  sich  so  zum  Gelehrten 
oder  practischen  Arzt  auszubilden  —  vollkommen.  Aber  den 
Unterricht  zu  erschöpfen,  den  Studirenden  zum  brauchbaren  Manne 
auszubilden,  dies  war  nie  Absicht  noch  Zweck  bei  diesen  Anstalten 
und  kann  es  auch  selbst  bei  veränderter  Absicht  nie  werden.  Und 
doch  soll  dieses  der  Zweck  der  Special-Schule  sein. 

Nimmt  man  noch  hinzu,  dass  sämtliche  Lehrer  der  medicinischen 
Special-Schule,  um  sich  und  den  Ihrigen  den  nöthigen  Unterhalt  zu 
verschaffen,  zugleich  practische  Ärzte  sind  und  sein  müssen,  indem 
nicht  zu  vermuten  steht,  dass  eine  solche  Zahl  Studirender  sich 
je  dahier  einfinden  wird,  welche  den  Lehrern  durch  Zahlung  der 


74 


Honorarien  die  ärztliche  Praxis  entbehrlich  machen  wird,  so  bedarf 
es  wohl  keiner  Bemerkung,  dass  die  Lehrer  diejenige  Zeit  auf 
das  Studium  ihrer  Wissenschaft  nicht  verwenden,  mithin  die  Fort¬ 
schritte  in  der  Theorie  nicht  machen  können,  welche  man  bei 
Professoren  und  öffentlichen  Lehrern  mit  Recht  ansprechen  kann. 

So  würde  also,  wenn  sich  auch  ein  Fond  zur  Erhaltung 
dieses  Instituts  ausmitteln  liess,  welche  nach  Herrn  Geh.  Raths 
Wenzel  eigener  Angabe  nur  an  Besoldung  der  Lehrer  jährlich 
12000  fl.  Rheinisch  erfordern  würde,  dasselbe  immer  hinter  allen 
deutschen  Lehranstalten  weit  Zurückbleiben,  alles  gründliche  Studium 
verbannen,  dadurch  der  Wissenschaft  mehr  schaden  als  nützen 
und,  man  darf  es  nicht  bezweifeln,  so  wie  bisher  auch  ferner  dem 
Spotte  nicht  entgehen.  Aber  auch  bei  dem  hiesigen  Publicum 
möchte  die  Beibehaltung  eines  so  kostspieligen,  überdies  allgemein 
als  schädlich  anerkannten,  rein  französischen  und  schon  deswegen 
verhassten  Instituts  einen  sehr  üblen  Eindruck  machen,  und  jede 
auch  die  geringste  Verwendung  öffentlicher  Gelder,  deren  Zurathe- 
haltung  durch  die  letzten  Jahre  leider  immer  dringender  geworden 
ist,  uns  den  gerechten  Vorwürfen  hiesiger  Bürgerschaft  aussetzen. 
Überdies  fällt,  nachdem  von  Einem  Hohen  General-Gouvernement 
der  drückende  und  deswegen  allgemein  mit  Recht  gehasste  Ein- 
registrirungs-Stempel  aufgehoben  worden,  jeder  Fond  weg,  woraus 
diese  Anstalt,  wenn  solche  für  nützlich  gehalten  werden  dürfte,  ihre 
Subsistenz  ziehen  könnte.  Zwar  meint  Herr  Geh.  Rath  Wenzel,  dass 
der  Ertrag  des  städtischen  Stempels,  welcher  noch  dazu  erhöht  wer¬ 
den  müsste,  hierzu  verwendet  werden  könne.  Allein  der  Ertrag  dieses 
Stempels,  der  nicht  die  geringste  der  städtischen  Intraden  ist,  ist 
zu  Bestreitung  anderer  unentbehrlicher  Bedürfnisse  zu  wesentlich 
nöthig,  als  dass  derselbe,  ohne  ein  merkliches  Deficit  zu  verspüren, 
zu  einem  fremdartigen  Zwecke  verwendet  werden  dürfte. 

Nimmt  man  zu  allem  angeführten  noch  die  Lage  hiesiger 
Stadt  als  einer  reinen  Handelsstadt,  deren  Flor  nur  im  Empor¬ 
kommen  des  Handels  sich  gründen  kann  und  wissenschaftliche 
gelehrte  Bildung  anderen  Städten  überlassen  muss,  die  hohen  Preise 
aller  Lebensbedürfnisse,  welche  jeden  Ausländer  vom  Besuchen  der 
Schule  abhalten  muss,  die  viele  Gelegenheit  zu  Zerstreuungen,  welche 
dem  Studium  höchstnachtheilig  sind,  die  Reitze  zur  Verführung,  die 
in  grossen  Städten  immer  grösser  sind,  als  in  kleinen,  so  streitet 
alles  gegen  das  Wiederaufleben  dieser  bereits  aufgehobenen  Anstalt, 
wohingegen  nichts,  auch  nicht  einmal  mit  einigem  Schein,  zum 
Vorteil  der  Schule  angeführt  werden  kann. 

Wenn  wir  daher  aus  allen  angeführten  Gründen  Hohes 
General-Gouvernement  geziemend  bitten  müssen,  es  bei  der  bereits 


75 


im  vorigen  Jahre  geschehenen  Aufhebung  dieser  französischen 
Anstalt  zu  belassen,  so  erfüllen  wir  dadurch  nicht  allein  eine  heilige 
Pflicht  gegen  das  hiesige  gemeine  Wesen,  sondern  auch  die  Er¬ 
wartungen  des  gesamten  Publicums,  und  leben  der  Überzeugung, 
Ein  Hohes  General-Gouvernement  werden  diesen  Gründen  geneigte 
Berücksichtigung  nicht  versagen.« 

Diese  Äusserung  des  Senates  enthält  alle  Gründe,  welche  der 
Departementsrat  zwei  Jahre  vorher  gegen  die  medizinische  Spezial¬ 
schule  vorgebracht  hatte,  aber  ausführlicher  und  schärfer  gefasst;  er 
fügt  aber  noch  einige  kräftige  Einwendungen  hinzu,  wie  die  Mängel 
der  hier  vorhandenen  Institute,  die  Abneigung  der  Bürgerschaft,  die 
Knappheit  der  Mittel  und  besonders  seinen  Trumpf:  die  Pflege  des 
Handels  ist  unsere  erste  Pflicht,  die  Pflege  der  Gelehrtenbildung 
müssen  wir  desshalb  anderen  Städten  überlassen  —  es  ist  der  alte 
reichsstädtische  Standpunkt  Benders  von  Bienenthal;  die  Stadt  ist 
»principaliter  der  Handlung,  nicht  den  studiis«  bestimmt.  Dieser 
Standpunkt  kommt  in  der  Antwort  des  Senates  mit  um  so  grösserem 
Gewicht  zur  Geltung,  da  hier  nicht  Bürger  wie  im  Departementsrat 
eine  Ansicht  äussern,  sondern  die  Regierung  der  Stadt  selbst  es 
ausdrücklich  ablehnt,  die  Wiederbelebung  der  Spezialschule  und  über¬ 
haupt  Universitätspläne  unter  die  kommunalen  Aufgaben  aufzunehmen. 

Sie  hat  das  Kind  mit  dem  Bade  ausgeschüttet.  Zweifellos  war 
der  Gedanke,  auf  die  Stiftung  Senckenbergs  eine  höhere  ärztliche 
Lehranstalt  aufzubauen,  ein  gesunder,  praktisch  durchführbarer.  Dass 
die  grossherzogliche  Spezialschule  nicht  die  richtige  Lösung  der 
Frage  war,  darf  zugegeben  werden;  aber  ein  anderer  Weg  zur 
Ausführung  des  guten  Gedankens  ist  nicht  versucht  worden.  Weniger 
die  Geldfrage,  als  der  teutonische  Hass  jener  Tage  gegen  alles,  was 
französische  Vorbilder  mehr  oder  minder  nachahmte  —  er  spricht 
beredt  genug  aus  der  Antwort  des  Senates!  —  hat  die  medizinische 
Schule  spurlos  untergehen  lassen  und  hat  es  nicht  verstanden,  aus 
diesem  Keim,  was  doch  so  nahe  lag,  etwa  eine  Anstalt  zur  prak¬ 
tischen  Fortbildung  der  jungen,  von  der  Universität  entlassenen  Ärzte 
hervorgehen  zu  lassen. 

Die  Frankfurter  Zeitgenossen  haben  die  Aufhebung  der  Anstalt 
nicht  bedauert,  sondern  mit  Genugtuung  begrüsst;  ich  wüsste 
wenigstens  dem  Hohne  eines  städtischen  Syndicus,  der  da  meinte: 
»So  zwecklos  und  verderbend  war  aber  auch  kein  Institut  unter  dem 
Monde«,  ja  von  der  »in  favorem  von  etlichen  Barbier-Gesellen«  ge¬ 
gründeten  Spezialschule  sprach,  keine  Gegenäusserung  zur  Seite  zu 


76 


stellen.'  Auch  in  Kirchners  Ansichten  von  Frankfurt,  die  1818  er¬ 
schienen  und  mit  liebevoller  Ausführlichkeit  gerade  die  Leistungen 
auf  geistigem  Gebiete  behandeln,  wird  man  vergebens  nach  einem 
Worte  des  Bedauerns  über  das  Aufhören  der  Anstalt  suchen,  ver¬ 
gebens  aber  auch  nach  einem  Wunsche,  dass  der  Stadt  eine  medi¬ 
zinische  oder  sonstige  hohe  Schule  erstehen  möge. 

Es  wird  Niemandem  einfallen,  die  Reform  des  höheren  Unter¬ 
richtswesens  im  Grossherzogtum  Frankfurt  mit  den  gleichzeitigen 
Bestrebungen  in  Preussen,  deren  schönste  Frucht  die  Errichtung  der 
Berliner  Universität  war,  vergleichen  zu  wollen;  dazu  sind  die  Ver¬ 
hältnisse  viel  zu  verschieden:  dort  der  vom  Unglück  niedergebeugte, 
seine  Wiedererhebung  auch  durch  die  Pflege  des  Geisteslebens  plan¬ 
voll  vorbereitende  Nationalstaat,  hier  das  rheinbündnerische,  künstlich 
zusammengeschweisste  Grossherzogtum  von  Napoleons  Gnaden,  das 
in  staatlicher  Grossmannssucht  sein  Heil  in  der  schablonenhaften 
Nachahmung  von  Einrichtungen  des  Protektorstaates  suchte  und  die 
deutsche  Eigenart  gerade  auf  dem  Gebiete  des  Bildungswesens  voll¬ 
ständig  verkannte;  dort  Wilhelm  von  Flumboldt,  hier  Karl  von 
Dalberg!  Immerhin  hat  Dalberg  grosse  Verdienste  um  die  Hebung 
des  Bildungswesens  in  seiner  Hauptstadt  sich  erworben;  die  teu¬ 
tonische  Reaktion  nach  seinem  Sturz  hat  auch  sie  undankbar  ver¬ 
gessen  und  so  manch  guten  Keim  zertreten,  der  eine  nützliche 
Pflanze  zu  werden  versprach. 

Nur  wenige  der  Zeitgenossen  haben  das  erkannt. 

Der  verdiente  Wenzel  und  mit  ihm  der  Freiherr  vom  Stein 
fanden  bald  einen  Gesinnungsgenossen,  der  selbst  ein  Alt-Frankfurter, 
aber  frei  von  jeder  spezifisch  Frankfurtischen  Befangenheit  einer 
Ausgestaltung  des  Senckenbergischen  Instituts  zu  einer  medizinisch¬ 
naturwissenschaftlichen  Bildungsanstalt  das  Wort  redete;  es  war  kein 
anderer  als  Goethe  in  seiner  1 8 1 6  erschienenen  Schrift  »Kunstschätze 
am  Rhein,  Main  und  Neckar«.1 2  Er  wünschte  nicht  nur  die  Ver¬ 
besserung  der  Bibliothek  und  des  botanischen  Gartens,  die  Einrichtung 
von  chemischen,  physikalischen,  anatomischen  Vorlesungen  und 


1  Immerhin  darf  aus  der  in  der  nächsten  Anmerkung  angeführten  Schrift 
entnommen  werden,  dass  die  Freunde  des  Senckenbergischen  Stiftes  mit  der  Auf¬ 
hebung  der  medizinischen  Spezialschule  auch  so  manche  Hoffnung  auf  eine  bessere 
Entwickelung  ihres  wissenschaftlichen  Institutes  aufgaben. 

2  Gegen  Goethes  Darstellung  der  damaligen  Verhältnisse  in  der  Sencken¬ 
bergischen  Stiftung  erhebt  die  1817  bei  Wenner  erschienene  Schrift  »Das  Sencken- 
bergische  Stift«  scharfen  Widerspruch. 


77 


Übungen  —  für  die  Chemie  sei  in  dem  neu  und  zweckmässig  er¬ 
bauten  Laboratorium  der  medizinischen  Schule,  das  jetzt  leer  stehe, 
ein  trefflicher  Raum  gegeben  —  er  eröffnete  einen  weiteren  Ausblick 
auf  die  mögliche  Ausgestaltung  des  wissenschaftlichen  Lebens  in 
seiner  Vaterstadt  mit  den  Worten,  die  seine  Landsleute  mahnen, 
auch  hierin  mit  der  Zeit  fortzuschreiten:  »Die  einer  solchen  Wendung 
entgegenstehenden  Schwierigkeiten  sind  nicht  unbekannt;  es  lässt 
sich  ihnen  aber  mit  einem  Wort  begegnen:  dass  einer  freien  Stadt 
ein  freier  Sinn  gezieme  und  dass  man  bei  einem  erneuten  Dasein, 
um  die  Spuren  ungeheurer  Übel  auszulöschen,  sich  vor  allen  Dingen 
von  veralteten  Vorurtheilen  zu  befreien  habe.  Es  geziemt  Frankfurt, 
von  allen  Seiten  zu  glänzen  und  nach  allen  Seiten  hin  thätig  zu  sein. 
Freilich  gehört  theoretische  Betrachtung,  wissenschaftliche  Bildung 
den  Universitäten  vorzüglich  an,  aber  nicht  ausschliesslich  gehört 
sie  ihnen.  Einsicht  ist  überall  willkommen.  Man  erkundige  sich, 
welchen  Einfluss  die  Universitäten  in  Berlin,  Breslau,  Leipzig  auf 
das  praktische  Leben  der  Bürger  haben,  man  sehe,  wie  in  London 
und  Paris,  den  bewegtesten  und  thätigsten  Orten,  der  Chemiker  und 
Physiker  gerade  sein  wahres  Element  findet,  und  Frankfurt  hat  gar 
wohl  das  Recht,  nach  seinem  Zustand,  seiner  Lage,  seinen  Kräften 
für  so  löbliche  Zwecke  mitzueifern.« 

Es  wäre  unbillig  zu  verkennen,  dass  die  Frankfurter,  wenn  sie 
auch  in  chauvinistischer  Abneigung  die  nach  französischem  Vorbild 
geschaffenen  Anstalten  der  fürstlichen  Regierung  fallen  Hessen,  in 
ihrer  Freude  über  die  wiedererlangte  Selbständigkeit,  über  die  neue, 
die  Mitwirkung  der  Bürgerschaft  in  der  Leitung  des  Gemeinwesens 
gewährleistende  freisinnige  Verfassung  die  Förderung  des  geistigen 
Lebens  nicht  vergessen  haben.  Auf  diesem  Gebiete  kam  der  hervor¬ 
stechendste  Zug  der  ersten  freistädtischen  Jahre,  die  Vereinstätigkeit, 
die  sich  jetzt  erst,  da  so  viele  gesellschaftliche  und  politische  Vor¬ 
urteile  abgestreift  waren,  so  schön  entfalten  konnte,  vielleicht  am 
schönsten  zur  Geltung.  Man  braucht  nur  an  die  Gründung  der  Ge¬ 
sellschaft  zur  Beförderung  der  nützlichen  Künste  und  veredelnden 
Wissenschaften  (Polytechnische  Gesellschaft)  im  Jahre  1816,  an  die 
Errichtung  der  Senckenbergischen  naturforschenden  Gesellschaft  im 
Jahre  1817  zu  erinnern;  man  bedenke,  dass  Staedels  Kunstinstitut 
Ende  1816  ins  Leben  trat  und  dass  der  Plan,  der  einzigen  wissen¬ 
schaftlichen  Anstalt  der  Stadt,  ihrer  Bibliothek,  eine  würdige  ffeim- 
stätte  zu  schaffen,  damals  seiner  Ausführung  entgegenreifte.  In  schönem 
Wetteifer  waren  alle  Kreise,  die  am  geistigen  Leben  arbeitend  oder 


78 


geniessend  beteiligt  waren,  bestrebt,  Kunst  und  Wissenschaft  in  der 
neugewonnenen  Friedens-  und  Freiheitszeit  zu  pflegen.  Mit  Wohl¬ 
gefallen,  ohne  leitend  und  bevormundend  wie  die  rheinbündnerische 
Regierung  eingreifen  zu  wollen,  Hessen  die  städtischen  Behörden  ihre 
Bürger  gewähren  und  mit  Stolz  und  Selbstbewusstsein  gingen  diese 
an  die  schöne  Friedensarbeit,  aber  auch  mit  naiver  Überschätzung 
ihres  Könnens  auf  geistigem  Gebiet.  Niemand  hat  damals  das  Be¬ 
dürfnis  nach  einer  Universität  empfunden  oder  wenigstens  öffentlich 
ausgesprochen. 


III. 

Frankfurt  dem  Handel,  die  Universitätsstädte  der  Wissenschaft 
—  das  war  auch  der  allgemeine  Standpunkt  der  freistädtischen  Zeit. 
Sie  dachte  um  so  weniger  daran,  in  einer  neuen  Hochschule  einen 
neuen  Anziehungspunkt  zu  schaffen,  da  sie  einen  solchen  ganz  anderer 
Art  gewonnen  hatte:  in  ihrer  Eigenschaft  als  Sitz  des  Bundestages 
mit  seinem  Gefolge  von  internationaler  Diplomatie.  Das  Leben  und 
Treiben  dieses  neuen  Gesellschaftskreises,  welcher  auch  die  mass¬ 
gebenden  Frankfurter  Familien  der  höheren  Klassen  in  seinen  Bann 
zog,  machten  den  heimischen  Boden  nicht  geeigneter  für  eine  Uni¬ 
versität,  als  er  bisher  war;  politisch  und  gesellschaftlich  wäre  auf  die 
Dauer  das  Bestehen  einer  selbstbewussten  Hochschule  am  Sitze 
des  Bundestags  nicht  möglich  gewesen.  Wenn  in  dieser  Periode 
»Akademie«-Pläne  auftauchten,  so  handelte  es  sich  entweder  wie  1840 
um  die  Bildung  eines  Privatvereins,  welcher  derif  gebildeten  Publikum 
die  Ergebnisse  der  modernen  Wissenschaft  in  Vortrags-  und  Dis¬ 
kussionsabenden  mitteilen  wollte,  oder  um  Ausbau  und  besseres  Zu¬ 
sammenwirken  bestehender  Anstalten  und  Vereine  für  Kunst  und 
Wissenschaft  oder  wie  1844  und  1849  um  die  Errichtung  einer  »Anstalt 
für  wissenschaftliche  Handelsstudien«,  die  aber  wohl  nur  als  höhere 
Handelsschule  gedacht  war.  Je  häufiger  sich  die  Wünsche  der  Bürger¬ 
schaft  in  den  politischen  und  literarischen  Zeitungen  und  Zeitschriften, 
die  das  bewegte  Leben  der  jung-deutschen  Zeit  gerade  in  den  30er  Jahren 
hier  aufspriessen  liess,  äussern  konnten,  um  so  lebhafter  wurde  auch 
von  Zeit  zu  Zeit  die  Diskussion  über  die  Hebung  des  geistigen  Lebens 
in  der  Stadt.  Nirgends  aber,  so  viel  ich  sehe,  hat  man  damals  das 
Fehlen  einer  Universität  beklagt  und  darin  einen  Grund  gefunden, 
dass  Frankfurt  so  wenig  in  geistiger  Beziehung  bedeutete ;  Kunst  und 


79 


Wissenschaft  sollten  lediglich  von  der  gebildeten  Bürgerschaft  selbst 
mehr  beachtet  und  gepflegt  werden;  weiter  gingen  die  Wünsche  nicht.1 

Als  das  Jahr  1848  die  Blicke  von  ganz  Deutschland  auf  Frank¬ 
furt  und  das  dort  tagende  Parlament  lenkte,  tauchte  wieder  der  Plan 
auf,  in  der  Hauptstadt  des  Bundes  eine  Hochschule  zu  gründen.  Er 
ist  nicht  aus  der  Bürgerschaft  hervorgegangen;  diese  war  damals 
durch  die  politischen  Ereignisse  und  durch  die  lokalen  Verfassungs¬ 
fragen  viel  zu  fieberhaft  erregt,  als  dass  derartige  Gedanken,  für 
deren  Ausführung  ruhige  Zustände,  politische  Befriedigung  die  Vor¬ 
aussetzungen  waren,  hätten  Platz  greifen  und  Teilnahme  erregen 
können.  Da  damals  die  Augen  aller  Kreise  des  deutschen  Volkes 
erwartungsvoll  und  hoffnungsfroh  auf  Frankfurt  gerichtet  waren,  da 
die  verschiedensten  Wünsche  aller  Stände  vertrauungsvoll  dem 
Parlamente  übergeben  wurden,  so  wurde  die  freie  Stadt,  der  Sitz 
der  Nationalversammlung,  auch  der  Ort  der  Tagung  für  eine  Reihe 
von  Versammlungen  der  verschiedensten  Berufskreise.  Schon  1846 
hatte  hier  die  Germanisten-Versammlung,  ein  glänzendes  Parlament 
deutscher  Wissenschaft,  getagt;  in  den  Tagen  vom  27.  bis  zum 
29.  August  1848  trat  ein  anderer  Gelehrten-Kongress  hier  im 
Holländischen  Hof  zusammen,  der  nach  den  teilnehmenden  Persön¬ 
lichkeiten  und  nach  dem  Gegenstand  der  Beratung  in  einem  ge¬ 
wissen  Gegensatz  zur  Versammlung  der  Germanisten  im  Kaisersaale 
von  1846  stand.  War  hier  das  zünftige  Gelehrtentum,  geführt  von 
den  hervorragendsten  Lehrern  deutscher  Hochschulen  an  der  Arbeit, 
um  sich  über  fachwissenschaftliche  Arbeiten  auf  den  Gebieten  der 
deutschen  Litteratur  und  Sprache,  der  Geschichte  und  des  Rechtes  zu 
besprechen,  so  waren  es  jetzt  jüngere  Gelehrte,  zum  Teil  Führer  im 
politischen  Kampf,  welche  den  alten  Hochschulen  eine  neue,  höhere 
gegenüberstellen  wollten,  die  »Allgemeine  deutsche  freie  aka¬ 
demische  Universität«,  als  deren  Sitz  Frankfurt  a.  M.  in  Aussicht 
genommen  war.  Sie  sollte  im  Gegensatz  zu  den  bestehenden  Hoch¬ 
schulen,  welche,  nach  Verfassung  und  Lehre  unfrei,  nur  der  Bildung 
künftiger  Staatsdiener,  nicht  der  Fortbildung  der  Wissenschaft  dienten 
und  zu  Landesuniversitäten  für  einzelne  Gegenden  herabgesunken  seien, 
»durch  Schrift  und  Lehrvortrag  den  philosophischen  Organismus  der 
Wissenschaft  darstellen,  dessen  Prinzip  die  Selbstbestimmung  und 


1  Von  grossem  Insteresse  ist  z.  B.  die  Diskussion  zwischen  dem  Telegraphen 
(Gutzkow?)  und  dem  Konversationsblatt  Anfang  1837  über  das  »Frankfurter 
Museum,  was  es  war,  ist  und  sein  könnte«. 


8o 


Selbsterzeugung  des  Menschengeistes  ist ;  vom  Begriff  aus  oder  aus 
dem  Wesen  der  menschlichen  Natur  sollen  die  einzelnen  Wissen¬ 
schaften  als  die  vernünftigen  Gesetze  und  Grundlagen  der  Lebens¬ 
verhältnisse  dargestellt  und  der  Entwickelungsprozess  der  Idee  soll 
in  der  Geschichte  geschildert  werden«. 

Schon  1840  hatte  Arnold  Rüge  diesen  Plan,  »eine  Akademie 
der  freien  Wissenschaft,  eine  Philosophie  ohne  die  abgeschmackten 
praktischen  Zöpfe,  zu  stiften  .  .  .  um  dem  zunehmenden  Obscuran- 
tismus  unseres  Vaterlandes  eine  wirksamere  Opposition  entgegen¬ 
zusetzen«,  in  Dresden  verwirklichen  wollen’;  erhatte  bei  der  sächsischen 
Regierung  den  gleichen  Misserfolg  wie  bei  der  ganzen  Nation,  an 
die  er  sich  im  Vorworte  seiner  Halleschen  Jahrbücher  von  1841 
gewendet  hatte.1  Jetzt,  da  Deutschland  zu  neuem  Leben  erwache 
und  allenthalben  der  Ruf  zur  Umgestaltung  der  deutschen  National¬ 
erziehung  erschalle,  schien  ihm  und  seinen  freigesinnten  Freunden 
der  Augenblick  gekommen,  das  Institut  mit  Hilfe  des  deutschen 
Parlaments  ins  Leben  zu  rufen.  In  einer  von  ihm,  A.  Adler  in 
Worms,  Moriz  Carriere  in  Giessen,  Ludwig  Feuerbach  in  Bruckberg, 
Karl  Grün  in  Trier,  dem  Abgeordneten  K.  Nauwerk,  Ludwig  Noack 
in  Oppenheim,  August  Peters  in  Dresden  und  Georg  Zimmermann 
in  Worms  Unterzeichneten  Denkschrift,2  wandte  er  sich  an  die 
wissenschaftliche  Welt  und  teilte  ihr  darin  gleich  den  Entwurf  der 
Satzungen  des  neuen  Institutes  mit. 

Ein  am  29.  August  in  der  Didaskalia,  der  litterarischen  Beilage 
des  Frankfurter  Journals,  erschienener  Arkikel  sprach  den  dringenden 
Wunsch  aus,  dass  sich  Frankfurt  diese  Gelegenheit  nicht  entgehen 
lasse,  diese  Universität  zu  gewinnen;  der  alte,  schon  in  der  fürstlichen 
Zeit  ausgesprochene  Gedanke,  dass  die  Stadt  schon  mit  ihren 
Städelschen  und  Senckenbergischen  Stiftungen  der  neuen  Hochschule 
eine  nicht  zu  verachtende  Morgengabe  mitbringe,  wurde  als  vor¬ 
nehmstes  Argument  dafür  ins  Gefecht  geführt. 

1  Arnold  Ruges  Briefwechsel  und  Tagebuchblätter  aus  den  Jahren  1825  — 1860, 
herausgegeben  von  Paul  Herrlich  (Berlin  1886),  Bd.  I,  S.  XXXIII  f.  und  S.  205 
(Brief  an  Rosenkranz  vom  14.  Mai  1840).  —  Rüge  selbst  nahm  übrigens  am 
Frankfurter  Kongress  nicht  Teil ;  er  hielt  sich  während  seiner  Tagung  in  Wien  auf. 

2  Denkschrift  zur  Gründung  einer  freien  akademischen  Universität.  Zugleich 
als  Einladung  zu  einem  am  27.,  28.  u.  29.  August  d.  J.  zu  Frankfurt  a.  M.,  im 
Gasthof  zum  Landsberg  stattfindenden  wissenschaftlichen  Kongress.  Frankfurt  a.  M., 
Verlag  von  Johann  Valentin  Meidinger,  1848.  16  Seiten  in  8°.  —  Vgl.  dazu  und 
über  den  Verlauf  des  Kongresses  die  lokalen  Zeitungen  wie  Journal  mit  Didaskalia 
und  Freistädter. 


—  81  - 

Weniger  günstig  dachte  der  Kongress  selbst  über  Frankfurt  als 
die  Herberge  des  neuen  »Musterinstitutes«  gegenüber  den  »22  alten 
Ruinen«.  Die  Versammlung  tagte  am  27.,  28.  und  29.  August  im 
Holländischen  Hof;  Noack  hielt  die  Eröffnungsrede,  Peters  übernahm 
den  Vorsitz.  Es  waren  meist  jüngere  Gelehrte  anwesend,  besonders 
solche,  welche  aus  den  verschiedensten  Gründen  Veranlassung  hatten, 
sich  über  die  bisherigen  Universitäten  und  ihre  Erhalter,  die 
Regierungen,  zu  beschweren;  ausser  den  Unterzeichnern  der  Denk¬ 
schrift  werden  als  anwesend  genannt :  S.  Deutsch  aus  Wien,  G.  Kinkel 
aus  Bonn,  F.  Kapp  aus  Hamm,  F.  Th.  Vischer  aus  Tübingen;  auch 
studentische  Vertreter  aus  Leipzig  und  Breslau  fehlten  nicht.  In 
etwas  anderen  präziseren  Worten  —  die  Empirie  hatte  über  die 
abstrakte  Idee  gesiegt,  wie  es  im  Bericht  heisst  —  als  in  der  Denk¬ 
schrift  wurde  der  Zweck  der  Anstalt  in  ihrem  Statut  dargelegt: 
über  die  Notwendigkeit  der  neuen  Anstalt  wurde  nicht  gesprochen, 
nur  über  ihre  Einrichtung.  Als  Ort  für  die  neue  »allgemeine, 
deutsche,  freie,  akademische  Universität,  d.  i.  Universität  und  die 
mit  ihr  vereinigte  Akademie«  wusste  man  in  erster  Linie  keinen 
geeigneteren  Ort  als  —  Wien,  den  Sitz  der  Regierung,  von  der 
direkt  oder  indirekt  alle  Massnahmen  ausgegangen  waren,  durch 
welche  den  Teilnehmern  die  Freude  an  den  alten  Universitäten  ver¬ 
gällt  worden  war,  aber  doch  auch  wieder  die  Stadt,  deren  Bürger 
einen  vielbewunderten  Kampf  gegen  die  Reaktion  geführt  hatten. 
Erst  in  zweiter  Linie,  wenn  Wien  die  beiden  Grundbedingungen  für 
die  Errichtung  des  Werkes  —  Unabhängigkeit  und  Geldmittel  — 
nicht  erfülle,  soll  der  gewählte  Ausschuss  mit  Frankfurt  oder  Ham¬ 
burg  oder  Nürnberg  verhandeln.  Auf  die  Beschlüsse  des  Kongresses 
soll  hier  nicht  weiter  eingegangen  werden:  sie  galten  nur  als  vor¬ 
läufige,  doch  wurde  der  gewählte  Ausschuss  angewiesen,  »die  demo¬ 
kratische  Grundlage  unbedingt  festzuhalten«.  Diese  Marschroute 
bezeichnete  kurz  und  treffend  den  Geist,  der  die  Verhandlung 
beherrschte;  dem  Hochgefühle  aber,  das  die  Teilnehmer  beseelte, 
gab  der  Bericht  des  Frankfurter  Journals  in  seinen  Schlussworten 
einen  schwungvollen  Ausdruck :  »Die  Männer  der  freien  Wissenschaft, 
unter  denen  wir  so  manche  bekannten  Namen  gefeierter  Schrift¬ 
steller  und  Dichter,  scharfsinniger  Kritiker  und  freidenkender  Gelehrten 
begegnen,  trennten  sich  in  einmüthiger,  freundschaftlicher  Stimmung 
nach  fröhlich  stattgefundener  gemeinschaftlicher  Abendunterhaltung 
beim  Glase  Wein  und  nahmen  frohe  Aussichten  auf  Verwirklichung 
ihrer  kühnsten  Wünsche  und  Hoffnungen  mit  nach  Hause,  die  er- 

6 


82 


freuliche  Zuversicht,  dass  von  nun  an  die  freie  Selbstbestimmung 
und  ungehinderte  Entwickelung  der  Wissenschaft,  welche  von  so 
vielen  alten  Universitäts-Korporationen  ins  Exil  hinausgetrieben 
worden,  endlich  einmal  in  Deutschland  eine  Freistatt  und  sichern 
Zufluchtsort,  einen  segensreichen  Wirkungskreis  und  erspriessliche 
Thätigkeit  in  der  neuzugründenden  Werkstätte  des  freien  Menschen- 
Geistes  finden  und  uns  das  hohe  Gut  der  vollen  Gedankenfreiheit 
zu  Theil  werde.« 

Diese  hochgespannten  Erwartungen  gingen  nicht  in  Erfüllung. 
Es  ist  mir  nicht  bekannt,  in  welcher  Weise  der  gewählte  Ausschuss 
dem  Aufträge  nachgekommen  ist,  mit  den  zum  Sitze  der  künftigen 
freien  Universität  auserkorenen  deutschen  Städten,  zunächst  mit  Wien, 
Verhandlungen  anzuknüpfen;  für  unsere  Zwecke  genügt  die  Ver¬ 
sicherung,  dass  an  den  Senat  der  Freien  Stadt  Frankfurt  der  Ausschuss, 
in  offizieller  Form  wenigstens,  nicht  herangetreten  ist.  Offenbar  hat 
der  Kongress  sich  in  der  Erwartung,  dass  die  Öffentlichkeit  dem  Plane 
allgemeines  Interesse  entgegenbringen  werde,  gewaltig  getäuscht.  Die 
Frankfurter  Zeitungen  aus  dem  August  und  September  lassen  deutlich 
erkennen,  dass  in  Frankfurt  selbst  diese  Bestrebungen  keinen  Widerhall 
fanden;  kein  Frankfurter  von  Bedeutung  hat  an  der  Versammlung 
Teil  genommen;  die  Zeitungen  berichten  wohl  über  ihren  Verlauf,  die 
Didaskalia  erwärmt  sich  auch  in  einer  Reihe  von  Artikeln  über  den 
Gedanken,  eine  solch  neue  Hochschule  zu  gründen,  und  erweitert 
ihn  ins  Uferlose,  bis  zur  Reformierung  des  gesamten  deutschen  Unter¬ 
richtswesens  mit  einem  Reichs-Unterrichtsministerium  an  der  Spitze 
—  aber  nach  Schluss  der  Versammlung  ist  das  Interesse  für  den  Erfolg 
ihrer  Pläne  erloschen.  In  Frankfurt  selbst  konzentrierte  sich  die 
öffentliche  Aufmerksamkeit  in  den  letzten  August-  und  ersten  Sep¬ 
tembertagen  auf  die  Vorbereitungen  zur  Einberufung  einer  kon¬ 
stituierenden  Versammlung  für  die  Revision  der  städtischen  Verfassung  ; 
was  dann  die  Septembertage  der  Stadt  und  dem  ganzen  Deutschland 
an  Aufregungen  brachten,  ist  bekannt.  Bezeichnender  Weise  ist  das 
Parlament  niemals  in  irgend  einer  Weise  mit  diesem  Traume  gelehrter 
Schwarmgeister  befasst  wTorden ;  er  ist  in  den  Herbststürmen  des 
Jahres  1848  vergessen  worden. 

Die  50er  Jahre  waren  in  Frankfurt  erfüllt  von  dem  Bestreben, 
die  Verfassung  von  1816  zeitgemäss  zu  verbessern,  und  als  dies  ge¬ 
schehen  war,  ging  man  endlich  auch  an  die  Hebung  der  durch  die 
politischen  Wirren  so  lange  vernachlässigten  kommunalen  Einrich¬ 
tungen.  Nicht  dass  das  geistige  Leben  in  diesen  Jahren  zurück- 


§3 


gegangen  wäre;  die  Entstehung  mehrerer  Vereine  für  künstlerische 
und  wissenschaftliche  Zwecke,  die  lebhafte  Tätigkeit  der  älteren  zeigen, 
dass  auf  den  Gebieten  der  Wissenschaften  und  Künste  mindestens 
kein  Stillstand  oder  gar  Rückschritt  zu  verzeichnen  ist;* 1  die  Bewilligung 
von  öffentlichen  Mitteln  für  solche  Zwecke  beweisen,  dass  die  Stadt¬ 
verwaltung  mehr  und  mehr  auch  die  Pflege  dieser  geistigen  Be¬ 
strebungen  in  den  Kreis  der  kommunalen  Aufgaben  zog.  Wiederum 
war  es  der  Wunsch,  diese  vielfachen,  aber  vereinzelten  geistigen 
Arbeiten  in  einem  Brennpunkte  zusammen  zu  fassen,  ihnen  zugleich 
Centrum  und  Krönung  zu  geben,  der  am  Ende  der  50er  Jahre  einen 
Frankfurter  Bürger  veranlasste,  die  Öffentlichkeit  zur  Errichtung 
einer  Hochschule  in  Frankfurt  aufzurufen.2 

Als  sich  ganz  Deutschland  zur  Jahrhundertfeier  der  Geburt 
Friedrich  Schillers  rüstete,  als  gerade  in  der  Bundeshauptstadt,  dem 
Hauptorte  der  deutschen  Einheitsbestrebungen,  die  Wogen  der  Be¬ 
geisterung  hoch  gingen,  nahm  Dr.  Otto  Volger,  damals  Lehrer  der 
Mineralogie  und  Geologie  an  der  Stiftung  Senckenbergs,  den  Plan 
Arnold  Ruges  und  seiner  Genossen  von  1848  wieder  auf:  den  alten 
Universitäten,  die  lediglich  Staatsdiener-Bildungsanstalten  geworden 
sind,  in  deren  Pflege  die  einzelnen  Staaten  wetteifern,  die  also  der 
Ausdruck  staatlicher  Sonderbestrebungen  sind,  die  von  Stammesver¬ 
schiedenheiten  wie  staatlichen  Sonderbeziehungen  unabhängige  freie 
Hochschule  für  ganz  Deutschland  entgegenzustellen,  nicht  mit  Hülfe 
der  Regierungen,  sondern  aus  dem  Volke  heraus  geschaffen.  Nur  diesen 
Grundgedanken  teilt  Volger  mit  seinen  Vorgängern;  Ziel  und  Ein¬ 
richtung  seiner  Hochschule  sollten  ganz  andere  sein:  »Das  Freie 
Deutsche  Hochstift  soll  einen  freien  Gelehrtenhof  und  eine  freie 


1  Das  hat  auch  Otto  von  Bismarck,  der  preussische  Gesandte  am  Bundestag 
lebhaft  anerkannt,  als  er  dem  Minister  von  Manteuffel  die  Pflege  des  wissenschaft¬ 
lichen  Verkehrs  zwischen  Preussen  und  Frankfurt  mit  dessen  weiterer  Umgebung 
als  eines  der  Mittel  anempfahl,  diese  Gegenden  mit  Preussen  in  engere  Beziehungen 
zu  bringen.  Vgl.  Bismarcks  Bericht  vom  27.  Dezember  1852  bei  Poschinger, 
Preussen  im  Bundestag  etc.  Bd.  I,  170. 

1  Das  Freie  Deutsche  Hochstift  für  Wissenschaften,  Künste  und  allgemeine 

Bildung  zu  Frankfurt  a.  M.  Vorläufiger  Entwurf  eines  freien  Anregungs-  und  Lehr¬ 
vereins  zur  Vertretung  der  gesamten  Deutschen  Bildung  als  einheitlicher  Geistes¬ 
macht  und  zur  Belebung  des  Selbstgefühls  im  Deutschen  Volke.  Allen  vaterlands¬ 
liebenden  Bürgern  und  Pflegern  geistigen  Strebens  in  allen  Ständen  als  Aufruf 
zum  Beitritte  vorgelegt  von  G.  H.  Otto  Volger,  Frankfurt,  Sauerländer,  1859.  — 
Vgl.  dazu  die  Berichte  über  die  Verhandlungen  des  Freien  Deutschen  Hochstifts  etc. 
Erster  Jahrgang.  Frankfurt  1861. 


6' 


84 


Hochschule  darstellen,  und  alle  Wissenschaften,  Künste  und  allgemeinen 
Bildungsrichtungen  unseres  Gesamtvolkes  umfassen.  Dasselbe  soll 
bestehen  aus  einer  freien  und  unbeschränkten  Vereinigung  von  Männern, 
welche  den  Zweck  dieses  Stiftes,  die  Geltendmachung  der  deutschen 
Wissenschaft,  Kunst  und  allgemeinen  Bildung  als  einheitlicher  Geistes¬ 
macht  des  deutschen  Gesammtvolkes  nach  Aussen  und  Belebung  des 
Bewusstseins  dieser  Macht  und  unserer  Volkseinheit  nach  Innen  heilig 
zu  halten  geloben.«  Jeder,  der  sich  für  solche  Idee  interessiert,  kann 
Mitglied  des  Instituts  werden;  die  Mitglieder,  die  sich  als  Vertreter 
und  geistige  Förderer  irgend  einer  Wissenschaft  u.  s.  w.  beteiligen, 
bilden  eine  besondere  Klasse  und  haben  Anspruch  auf  den  Namen 
»Deutschmeister«.  Sie  bilden  für  die  einzelnen  Wissenschaften  u.  s.  w. 
besondere  Vereinigungen  unter  dem  Namen  »Deutschvereine«,  und 
diese  Vereine  sind  in  der  Verfassung  des  Hochstiftes  das,  was  bei 
den  alten  Hochschulen  die  Fakultäten  sind.  Die  Tätigkeit  der  Stiftung 
erstreckt  sich  auf  die  Fierausgabe  einer  Zeitschrift  über  alle  Gebiete 
deutscher  Wissenschaft  und  Kunst,  die  Abhaltung  von  Lehrgängen 
und  Einzelvorlesungen  am  Stiftungsort,  die  Veranstaltungen  von 
Aufführungen  und  Schaustellungen  künstlerischer  Art,  die  Pflege  von 
Sammlungen  und  Bibliotheken  usw.  Für  diese  das  ganze  geistig 
arbeitende  und  interessierte  Deutschland  umfassende  Richtung  gibt 
es  keinen  günstigeren  Boden,  kein  durch  reiche  Hilfsmittel  so  vor¬ 
bereitetes  Feld  wie  in  der  Bundesstadt  Frankfurt  a.  M. ;  in  den  hier 
vorhandenen  Vereinen  und  Anstalten  zur  Pflege  der  Wissenschaften 
und  Künste  besteht  dem  Wesen  nach  bereits  eine  freie  Hochschule; 
ihr  fehlt  nur  noch  die  Form. 

Diese  kurze  Inhaltsangabe  von  Volgers  ursprünglichem  Programm 
genügt  vollständig  zur  Würdigung  dieses  phantastischen  Planes  und 
der  hochfliegenden  Ideen  seines  Urhebers;  mit  diesem  Plochschul- 
Projekt  verglichen,  stand  der  Traum  einer  freien  Universität  der 
1848er  der  Ausführbarkeit  bedeutend  näher.  Volgers  überspannte 
Pläne  kehren  nur  in  bedeutend  ernüchterter  Form  in  den  Satzungen 
des  am  Schillerfeste  vom  10.  November  1859  gegründeten  Freien 
Deutschen  Hochstifts  wieder:  die  freie  Flochschule  ist  aufgegeben, 
die  neue  Stiftung  ist  lediglich  ein  Verein  zur  Pflege  deutscher  Wissen¬ 
schaft,  Kunst  und  allgemeiner  Bildung  mit  dem  Wohnsitz  Frank¬ 
furt  a.  M.;  er  »erstrebt  zur  Kräftigung  der  einheitlichen  Geistesmacht 
und  zur  Erweckung  des  Selbstgefühles  des  deutschen  Gesamtvolkes 
die  Schäftung  eines  deutschen  Sammelpunktes  für  alle  freie  Thätigkeit 
in  Wissenschaften,  Künsten  und  allgemeinen  Bildungseinrichtungen«. 


85 


Der  Gründer  dieses  Vereins  hat  freilich  später  immer  wieder  dessen 
Charakter  als  »freie,  von  allen  sonderstaatlichen  Zuschnitten  unbe¬ 
rührte  Hochschule«  betont;  aber  auch  seine  begeistertsten  Anhänger 
haben  sich  darunter  keine  Anstalt  gedacht,  welche  in  den  Wettbewerb 
mit  den  Universitäten  treten  oder  gar  diese  ersetzen  könnte.  Für 
uns  scheidet  natürlich  dieser  Verein  mit  seiner  Entstehung  aus  der 
Betrachtung  aus;  nur  seine  Vorgeschichte  gehört  hierher. 

Der  Gedanke  aber,  eine  wirkliche  Hochschule,  nicht  im  Gegen¬ 
satz  zu  den  alten  Universitäten,  sondern  als  gleichberechtigtes  Glied 
in  ihrer  Kette,  in  Frankfurt  zu  errichten,  tauchte  sieben  Jahre  später 
wieder  auf,  in  einer  traurigen  Zeit,  da  fast  alle  Frankfurter  an  der 
Zukunft  ihrer  Stadt  verzweifelten,  die  ihr  köstlichstes  Gut,  die  staatliche 
Unabhängigkeit,  eben  verloren  hatte.  Die  neue  Frankfurter  Hoch¬ 
schule  von  1866  sollte  eines  von  den  Mitteln  sein,  die  da  Ersatz  für  das 
Verlorene  geben,  die  Blüte  der  Stadt  in  ihren  neuen  Verhältnissen  sichern 
sollten.  Diese  Idee  trat  nicht  in  Frankfurt  selbst,  sondern  in  einer 
neuen,  in  Offenbach  erscheinenden  Zeitung  an  die  Öffentlichkeit, 
einer  Zeitung,  welche  sich  die  Aufgabe  stellte,  an  der  Versöhnung 
auf  der  jetzt  gegebenen  Grundlage  des  unter  Preussens  Führung 
geeinten  Deutschlands  an  der  Überbrückung  der  Mainlinie  mitzu¬ 
wirken;  dass  die  Idee  von  Frankfurt  aus  in  das  neue  Blatt  gekommen 
ist,  darf  als  gewiss  angesehen  werden;  wer  ihr  Urheber  war,  wird 
sich  nicht  mehr  feststellen  lassen. 

Am  26.  September  1866  brachte  die  zweite  Probenummer  von 
Emil  Pirazzis  »Main- Zeitung«  einen  Artikel  über  die  Einverleibung 
Frankfurts  in  die  preussische  Monarchie  und  ihre  Folgen  für  die 
Stadt;  »in  civilisatorischer Beziehung«,  heisst  es  da,  »ist  zu  erwarten, 
dass  die  tüchtigen  wissenschaftlichen  Bestrebungen,  welche  seither 
in  Frankfurt  sich  mühsam  emporkämpften,  mit  den  Hülfsmitteln 
eines  grossen  Gemeinwesens  rasch  zur  erfreulichsten  Blüthe  gedeihen 
und  dass  Frankfurt  die  jüngste,  aber  nicht  die  kleinste  deutsche 
Hochschule  in  seinen  Mauern  sehen  wird.  Statt  fremder  Diplomaten 
werden  dann  die  Berühmtheiten  deutscher  Wissenschaft,  statt  wälscher 
Lakaien  fröhliche  Musensöhne  aus  allen  Gauen  des  grossen  Vater¬ 
landes  die  Stadt  Goethes  und  Börnes  beleben.« 

Ein  Wort  zur  rechten  Zeit  —  so  begrüsste  das  Frankfurter 
Journal,  das  ja  damals  als  einzige  politische  Zeitung  in  Frankfurt 
erschien  und  als  altes  Organ  der  Gothaer  den  Tendenzen  der  neuen 
Main-Zeitung  nicht  ferne  stand,  am  9.  Oktober  diese  Anregung.  Seit 
Jahren  ist  dies,  so  wurde  näher  ausgeführt,  der  Lieblingswunsch  eines 


86 


grossen  und  nicht  des  schlechtesten  Teiles  der  Bürgerschaft;  die 
Hochschule  kann  uns  einen  Ersatz  geben  für  das,  was  wir  verloren 
haben;  keine  Stadt  eignet  sich  besser  für  eine  Universität  wie 
Frankfurt:  nicht  zu  klein  für  städtische  Annehmlichkeiten,  nicht  zu 
gross,  um  die  wissenschaftlichen  Interessen  der  Dozenten  und  Stu¬ 
denten  zu  beeinträchtigen;  gesundes  Klima,  anmutige  Lage  im 
Mittelpunkt  Deutschlands;  lebhaftes  wissenschaftliches  Streben,  Biblio¬ 
thek,  Spitäler,  Sammlungen  in  vorerst  ausreichenderWeise  vorhanden; 
ungezwungener  Verkehr,  angenehme  Art  des  Leben;  die  preussische 
Regierung  wird  nicht  widerstreben:  die  Universität  wird  auf  die 
geistigen  Strömungen  in  Süddeutschland,  für  das  Frankfurt  ein 
Kulturmittelpunkt  ist,  einwirken,  sie  wird  den  Anschluss  des  Südens 
an  den  Norden  in  ihrer  Weise  fördern;  die  alte  Kaiserstadt,  die 
allein  unter  den  Annektierten  ideelle  Güter  verloren  hat  und  keinen 
materiellen  Ersatz  braucht,  wird  vor  dem  Schicksal  bewahrt,  eine 
obskure,  wenn  auch  durch  Handel  und  Verkehr  blühende  Provinzial¬ 
stadt  zu  werden;  der  ruhmreichen  Vergangenheit  wird  eine  nicht 
unwürdige  ruhmreiche  Zukunft  folgen;  mit  allen  Kräften  muss  nach 
diesem  Ziel  gestrebt  werden:  mit  neuer  Tatkraft  wird  auch  neue 
Hoffnung  und  neue  Lebensfreudigkeit  zu  uns  zurückkehren. 

Mit  diesem  Artikel,  der  natürlich  aus  denselben  Kreisen,  vielleicht 
aus  derselben  Feder  geflossen  ist,  wie  die  erste  kurze  Anregung  in 
der  gesinnungsverwandten  Main-Zeitung  machte  sich  das  Frankfurter 
Journal  zum  Träger  der  Agitation  in  der  Öffentlichkeit.  Wenige 
Tage  später  stimmte  eine  Korrespondenz  aus  Marburg  lebhaft  zu: 
in  den  dortigen  Universitätskreisen  freue  man  sich  bereits  auf  die 
bevorstehende,  für  selbstverständlich  gehaltene  Verlegung  der  kleinen, 
kaum  lebensfähigen  Provinzialhochschule  in  die  Grossstadt;  aber 
prompt  bestritt  ein  Eingesandt  aus  Marburg  diese  Freude:  im 
Gegenteil,  die  Universitätsprofessoren  seien  erschrocken  über  die 
Aussicht,  in  das  teure  Frankfurt  übersiedeln  zu  müssen,  unmöglich 
könnten  dort  Dozenten  mit  geringem  Gehalt  und  Studenten  mit 
geringem  Wechsel  bestehen.  Die  Marburger  Bürgerschaft  aber  geriet 
durch  diese  Zeitungsnachrichten  in  lebhafte  Bewegung:  sie  ersuchte 
ihren  Stadtrat,  die  nötigen  Schritte  zu  tun,  damit  die  Einwohnerschaft 
Marburgs  über  das  Schicksal  ihrer  alten  Universität  beruhigt  werde. 
Und  auch  im  benachbarten  Giessen  bekam  man  Angst;  man  be¬ 
fürchtete,  dass  des  Ministers  von  Dalwigk  angebliche  Absicht,  die 
dortige  Hochschule  eingehen  zu  lassen,  nun  erst  recht  zur  Aus¬ 
führung  komme,  dass  Oberhessen,  das  Schmerzenskind  des  Gross- 


«7 


Herzogtums,  jetzt  Enklave  im  preussischen  Gebiet,  durch  den  Verlust 
seiner  Universität  noch  mehr  wie  schon  jetzt  zum  Sumpf  werde, 
umgeben  von  wohlgepflegten  blühenden  Ufern. 

Bald  beteiligte  sich  auch  die  Berliner  Presse  an  der  Erörterung 
der  Angelegenheit.  Während  die  National-Zeitung  in  einer  Korre¬ 
spondenz  aus  Marburger  Professorenkreisen  sich  für  den  Plan  er¬ 
wärmte,  während  die  Kreuz-Zeitung  mit  Gründen  politischer  Klug¬ 
heit  lebhaft  dafür  eintrat  —  die  rasche  Verschmelzung  der  Rhein¬ 
lande  mit  den  alten  Provinzen  sei  durch  nichts  so  sehr  gefördert 
worden  wie  durch  die  Gründung  der  Universität  Bonn  —  bezweifelten 
die  Norddeutsche  Allgemeine  und  auch  die  Kölnische  Zeitung,  die 
ja  in  jener  Zeit  sich  der  Stadt  Frankfurt  nicht  gerade  wohlwollend 
gesinnt  zeigte,  dass  es  in  der  Absicht  der  Regierung  liege,  Frankfurt 
auf  diese  Weise  zu  entschädigen;  sie  werde  eher  auf  dem  Gebiete 
des  Handels  und  des  Verkehrs  ihr  Entgegenkommen  zeigen. 

In  Frankfurt  selbst  stockte  damals  das  kommunale  Leben  voll¬ 
ständig;  die  Vertretungen  der  Bürgerschaft  durften  nicht  tagen  und 
von  den  Verhandlungen  des  Senates  war  die  Öffentlichkeit  ausge- 
geschlossen.  Da  in  den  Protokollen  und  Akten  des  Senates  keine 
Spur  von  dieser  Angelegenheit  zu  finden  ist,  so  muss  angenommen 
werden,  dass  sich  diese  höchste  kommunale  Verwaltungsbehörde 
wenigstens  offiziell  nicht  damit  befasst  hat.  Nur  von  zwei  Frank¬ 
furter  Körperschaften  wissen  wir,  dass  sie  in  die  Agitation  für  eine 
Hochschule  hineingezogen  worden  sind.  Die  Handelskammer  hielt 
eine  solche  höhere  Bildungsanstalt  für  eines  der  Mittel,  die  geeignet 
seien,  für  das  Leben  in  Frankfurt  neue  Centralpunkte  zu  schaffen; 
von  ihrem  Standpunkte  aus  schien  ihr  aber  ein  Polytechnicum  besser  für 
unsere  Stadt  passend  als  eine  Hochschule  nach  dem  Muster  der  bestehen¬ 
den  Universitäten,  ein  Polytechnicum,  »das  freilich  allen  Anforderungen 
der  Gegenwart  an  eine  derartige  höhere  Bildungsanstalt  zu  genügen 
im  Stande  sein  müsste,  und  für  das  sich  auch  in  den  Bestrebungen 
der  zahlreichen  wissenschaftlichen  Vereine  Frankfurts,  in  ihren  reichen 
Sammlungen  und  bewährten  Lehrkräften  bereits  Grundpfeiler  vor¬ 
finden,  die  zu  ihrer  Vereinigung  nur  der  organisatorischen  Hand  und 
der  Mittel  zum  weiteren  Ausbau  entgegenharren,  um  die  Verwirk¬ 
lichung  jenes  Gedankens  in  würdigster  Weise  herbeiführen  zu  helfen.«1 


1  Jahresbericht  der  Handelskammer  für  1866  S.  27.  —  In  den  Akten  und 
Protokollen  der  Handelskammer  findet  sich  nach  freundlicher  Mitteilung  des  Herrn 
Dr.  Altmann  keine  Spur  von  Verhandlungen  über  diese  Frage. 


Die  Kreise  des  Handels  und  der  Industrie  dachten  also  begreiflicher 
Weise  an  eine  Anstalt,  die  den  von  ihnen  vertretenen  Interessen  des 
praktischen  Geschäftslebens  eher  entspräche  als  eine  rein  wissen¬ 
schaftlichen  Zwecken  dienende  Hochschule.  Man  wäre  nun  versucht, 
die  Anschauungen  der  gelehrten,  der  wissenschaftlich  tätigen  Kreise 
in  der  Stellungnahme  des  Freien  Deutschen  Hochstiftes  zu  erkennen ; 
das  aber  würde  zu  falschen  Schlüssen  führen.  Diese  Kreise  waren 
damals  nur  zu  einem  geringen  Teil  an  der  Tätigkeit  der  neuen 
Stiftung  beteiligt;  sie  stand  vollständig  unter  dem  Einfluss  ihres 
Gründers  und  Obmannes,  dessen  eigenartige  Leitung  der  Tätigkeit 
des  Hochstifts  den  meisten  und  besten  Frankfurter  Gelehrten  —  ge¬ 
linde  gesagt  —  nicht  richtig  erschien.  In  der  Verhandlung  der  Ver¬ 
waltungssitzung  vom  16.  Oktober  1866,  welche  sich  mit  der  Hoch¬ 
schulfrage  beschäftigte,  ist  nichts  anderes  zu  erkennen  als  Dr.  Volgers 
Ansicht:  »dass  das  von  der  hiesigen  Presse  ersehnte  Institut,  falls 
dasselbe  eine  Vorbereitungsschule  für  künftige  Staatsdiener  werden 
solle,  mit  der  Tendenz  des  Freien  Deutschen  Hochstiftes  als  eines 
allgemeinen  Sammelpunktes  für  jegliche  freie  Tätigkeit  auf  wissen¬ 
schaftlichem  und  künstlerischem  Gebiete  nichts  gemein  habe,  eher 
derselben  entgegengesetzt  sei;  dass  aber  im  anderen  Falle  diese  Anstalt 
nicht  jetzt  erst  geschaffen  zu  werden  brauche,  sondern  in  dem  Hoch¬ 
stifte  bereits  existiere  und  nur  ihrer  weiteren  Ausbildung  entgegen 
sehe.«  Die  Gesamtsitzung  des  Hochstiftes  am  21.  Oktober  machte 
sich  diese  Ansicht  zu  eigen  und  beschloss,  die  bestehenden  wissen¬ 
schaftlichen  Vereine  zu  grösserer  Teilnahme  an  den  Arbeiten  der 
Stiftung  einzuladen  —  womit  natürlich  eine  Hochschule  als  Arbeits¬ 
stätte  der  Wissenschaft  für  Frankfurt  als  unnötig  erklärt  war.1 

Ob  andere  Kreise,  insbesondere  die  der  akademisch  Gebildeten, 
sich  für  den  Gedanken  erwärmten,  ist  mir  nicht  bekannt;  ich  wüsste 
nur  einen  Brief  Theodor  Billroths  aus  Zürich  an  Dr.  med.  Eiser  in 
Frankfurt  als  Beleg  dafür  anzuführen,  dass  in  ärztlichen  Kreisen  schon 
an  bestimmte  Berufungen  gedacht  wurde:  »Wollen  Sie  mich  einst 
in  Frankfurt  haben  an  die  Zukunftsuniversität,  so  komme  ich  gern; 
doch  muss  es  bald  sein,  sonst  werde  ich  zu  alt.2 


1  Schriftbericht  der  Sitzungen  des  Verwaltungsrates  des  Freien  Deutschen 
Hochstifts  1865—1866  in  der  Registratur  der  Stiftung;  über  die  Gesamtsitzung  der 
Bericht  des  Frankfurter  Journals  vom  26.  Oktober,  da  ein  Protokoll  in  der 
Registratur  nicht  mehr  vorhanden  ist. 

2  Briefe  von  Theodor  Billroth,  6.  Auflage,  1902,  S.  74. 


89 


Es  bleibt  noch  die  Frage,  wie  der  wichtigste  Faktor  in  dieser 
Angelegenheit,  die  Preussische  Staatsregierung,  über  die  Frage  der 
Gründung  einer  Universität  in  dem  neuerworbenen  Frankfurt  gedacht 
hat.  In  den  Akten  über  die  Verhandlungen,  welche  Vertreter  der 
städtischen  Verwaltung  im  Herbst  1866  in  Berlin  über  die  Stellung 
Frankfurts  innerhalb  der  Monarchie  geführt  haben,  wird  in  keiner 
Weise  eines  solchen  Projektes  gedacht,  woraus  zu  entnehmen  ist, 
dass  diese  Frage  in  jenen  langwierigen  Verhandlungen  nicht  erörtert 
wurde.  Ebensowenig  "taucht  sie  in  den  späteren  Verhandlungen  der 
Jahre  1867 — 1869  über  die  Vermögensauseinandersetzung  zwischen 
Staat  und  Stadt  auf;  da  sich  diese  Verhandlungen  um  die  Frage 
drehten,  wie  die  Regierung  die  Stadt  für  den  Verlust  eines  Teiles 
ihres  bisherigen  Eigentums  zu  entschädigen  habe,  so  lag  es  nahe,  in  den 
Akten  nachzuforschen,  ob  nicht  unter  den  Mitteln  der  Entschädigung 
auch  die  Gründung  einer  Hochschule  von  der  einen  oder  anderen  Seite 
in  Anregung  gebracht  wurde.  Verschiedene  Stimmen  der  Berliner 
Presse  lassen  aber  erkennen,  dass  die  Angelegenheit  in  Regierungs¬ 
kreisen  besprochen  wurde,  und  dass  diese  dem  Plane  zwar  nicht  ab¬ 
lehnend,  aber  kühl  gegenüber  standen.  Ein  im  Stadtarchiv  befindlicher 
Brief  des  Staatsministers  Freiherrn  von  Patow,  der  1866  Civilgouverneur 
in  Frankfurt  war  und  der  Stadt  auch  ferner  eine  wohlwollende  Gesin¬ 
nung  bewahrte,  legt  direktes  Zeugnis  für  solche  Erwägungen  inner¬ 
halb  der  Regierung  ab:  das  vom  5.  März  1869  datierte,  an  Dr.  Georg 
Varrentrapp  gerichtete  Schreiben  erklärt,  dass  »die  Errichtung,  wenn 
nicht  einer  Universität,  so  doch  einer  grossartigen  Handels- oder  poly¬ 
technischen  Schule«  für  Frankfurt  in  Erwägung  gezogen  worden  sei. 

Es  ist  mir  nicht  bekannt,  ob  die  Angelegenheit  noch  nach  dem 
Oktober  1866  in  der  Öffentlichkeit  wieder  zur  Sprache  gebracht 
worden  ist;  es  bleibt  auffallend,  dass  die  Erörterung  darüber,  die  im 
Oktober  so  lebhaft  war,  mit  einem  Male  abbricht  und  nicht  wieder 
aufgenommen  wurde.  Wahrscheinlich  hat  man  sich  bald  davon 
überzeugt,  dass  die  Preussische  Staatsregierung  der  Verwirklichung 
dieser  Universitätswünsche  schon  bald  nach  ihrem  ersten  Auftreten 
in  der  Öffentlichkeit  sich  abgeneigt  zeigte.  Ein  Artikel  des  Journals 
vom  25.  Oktober  warnt  vor  sanguinischen  Hofinungen:  die  Sache 
will  überlegt  sein,  man  soll  die  in  Frankfurt  vorhandenen  Grund¬ 
lagen  an  Instituten  und  Vereinen  nicht  überschätzen,  was  kann  und 
will  die  Stadt  bieten?  Und  zu  gleicher  Zeit  war  in  der  Kölnischen 
Zeitung  zu  lesen,  dass  Frankfurt  sich  keine  Hoffnung  auf  eine 
Universität  machen  solle.  Damit  schloss  die  öffentliche  Erörterung. 


90 


Wenn  wohl  auch  in  privaten  Kreisen,  vielleicht  auch  hier  und 
da  in  der  Presse  der  Wunsch  ausgesprochen  wurde,  die  vielen  in 
Frankfurt  vorhandenen  Anstalten,  Sammlungen  und  sonstigen  Mittel 
der  Bildung  zu  gemeinsamer,  konzentrierter  Wirkung  zu  bringen, 
wenn  auch  die  Schaffung  einer  Hochschule  als  das  ideale  Ziel  solcher 
Bestrebungen  hingestellt  wurde,  die  Öiientlichheit  hat  diesen  Ge¬ 
danken  nicht  weiter  erörtert.  Die  drei  ersten  Jahrzehnte  nach  der 
Einverleibung  der  Stadt  in  die  Preussische  Monarchie  waren  auch 
wenig  günstig  für  solche  Ideen.  Die  Neuordnung  der  gesamten 
städtischen  Verwaltung,  die  Durchführung  grosser  kommunaler  Auf¬ 
gaben,  die  teils  durch  die  Ereignisse  des  Jahres  1866  in  Rückstand 
geraten  waren,  teils  von  der  fortschreitenden  Zeit  und  dem  beständigen 
Wachstum  der  Stadt  neu  aufgestellt  wurden,  nahmen  die  öffentliche 
Aufmerksamkeit  und  die  städtischen  Mittel  vollständig  in  Anspruch; 
aber  auch  der  erfreuliche  Aufschwung  von  Handel  und  Industrie  in 
den  70er  und  80er  Jahren  stärkte  die  alte  Vorliebe  der  Frankfurter 
für  das  Erwerbsleben  und  wieder  schien  der  alte  reichs-  und  frei¬ 
städtische  Gedanke  :  Frankfurt  in  erster  Linie  dem  Handel  —  an  Boden 
zu  gewinnen,  das  Bedürfnis  nach  einer  Hochschule  wurde  im  Hin¬ 
blick  auf  die  benachbarten  aufblühenden  Anstalten  dieser  Art  ver¬ 
neint,  die  grosse  Stadt  mit  ihren  teuren  Lebensbedingungen,  mit 
ihren  vorwiegend  auf  den  Erwerb  gerichteten  Interessen  allgemein 
als  ein  ungeeigneter  Boden  für  eine  Universität  angesehen. 

Wenigstens  für  eine  Universität  nach  dem  Muster  der  alten 
Hochschulen,  die  lediglich  der  wissenschaftlichen  Ausbildung  im 
engeren  Sinne  dienen  sollten,  ihren  Schülern  aber  zu  wenige  Kennt¬ 
nisse  und  zu  wenig  Verständnis  für  das  praktische  Leben  mitgäben.  Mit 
dieser  Klage  über  die  ungenügende  Ausbildung  auf  den  alten  Uni¬ 
versitäten  begründete  im  Jahre  1892  Otto  Kanngiesser  am  Schlüsse 
seiner  Betrachtungen  über  Frankfurts  Gegenwart  und  nächste  Zukunft1 
seinen  Vorschlag,  in  der  als  Geldstadt  verrufenen  Geburtsstadt  Goethes, 
in  dem  an  Mitteln  der  Anregung  so  reichen  Frankfurt  eine  Anstalt  zu 
schaffen,  die  einen  neuen  Hochschul -Typus  darstelle,  die,  Universität 
und  Polytechnicum  vereinend,  unter  Benutzung  der  vielen  zersplittert 
arbeitenden,  schon  vorhandenen  Institute  und  Vereine  der  höheren 
Ausbildung  für  das  praktische  Leben  diene.  Kanngiessers  Ruf  nach 
einer  solchen  Hochschule  ist  zunächst  ohne  Echo  verhallt. 


1  Frankfurts  Gegenwart  und  nächste  Zukunft.  Eine  Denkschrift  von  Otto 
Kanngiesser.  Frankfurt  1892. 


9i 


Bald  nach  dem  Erscheinen  der  Denkschrift  Kanngiessers  be¬ 
gannen  in  Deutschland  die  Bestrebungen  nach  Weiterbildung  des 
kaufmännischen  Unterrichtswesens,  als  dessen  letztes  Ziel  die  Handels¬ 
hochschule  aufgestellt  wurde;  Kanngiessers  Vorschläge  hatten,  so 
nahe  das  ihrer  ganzen  Tendenz  lag,  an  eine  solche  Anstalt  nicht 
gedacht.  Wie  aus  dem  Kreise  dieser  Bestrebungen  die  jüngste  und 
stolzeste  Bildungsanstalt  Frankfurts,  die  Akademie  für  Sozial-  und 
Handels-Wissenschaften,  hervorgegangen  ist,  die  in  so  glücklicher 
und  eigenartiger  Weise  der  Wissenschaft  und  der  Praxis,  dem  vor¬ 
wärts  strebenden  Kaufmann  wie  dem  die  Universitätsbildung  er¬ 
gänzenden  wollenden  Beamten  dient,  das  soll  hier  nicht  näher  dar¬ 
gelegt  werden,1  da  diese  Ausführungen  nicht  in  den  Kreis  der  neuesten 
Akademiepläne  hineinführen  sollen.  Wohl  aber  dürfen  sie  zum 
Schlüsse  darauf  hinweisen,  wie  diese  jüngsten  Frankfurter  Hochschul- 
Gedanken  unbewusst  die  Pläne  der  Akademisten  von  1781  wieder 
aufgenommen  haben  und  wie  schliesslich  doch  ihr  Grundgedanke  — 
keine  Universität  für  die  Wissenschaft  allein,  eine  Hochschule  für 
das  praktische  Leben  —  nach  mehr  als  einem  Jahrhundert  siegreich 
durchgedrungen  ist. 


1  Vgl.  die  Denkschrift  des  Magistrates  vom  Mai  1899  in  den  Mitteilungen 
aus  den  Protokollen  der  Stadtverordneten-Versammlung  der  Stadt  Frankfurt  a.  M., 
Band  32,  1899,  S.  277;  ferner  die  Schriften:  A.  Voigt,  Die  Akademie  für  Sozial- 
und  Handelswissenschaften  zu  Frankfurt  a.  M.  (1899),  und:  Die  Akademie  für 
Sozial-  und  Handelswissenschaften  in  Frankfurt  a.  M.,  4.  Auflage  (1902). 


III. 


Zur  Gesehiehte  der  Deutsehordens- 
Komturei  Saehsenhausen  bis  zur  Mitte 
des  XIV.  Jahrhunderts. 

Von 

DR-  F.  SCHROD. 


Gelegentlich  einer  früheren  Arbeit ',  in  der  ich  nachzuweisen 
suchte,  dass  die  Gründung  der  Frankfurter  Deutschordens-Niederlassung 
spätestens  im  Jahre  1212  erfolgte,  hatte  ich  öfters  Veranlassung,  die 
Resultate  Niedermayers1 2  nachzuprüfen,  und  nicht  selten  stiess  ich 
auf  Missverständnisse  und  ungenaue,  ja  direkt  falsche  Angaben.  Deshalb 
erweisen  sich  auch  Regesten,  z.  B.  in  den  Urkundenbüchern  von 
Reimer  und  Lau,  die  nur  nach  Niedermayer  rekonstruiert  sind,  in 
den  meisten  Fällen  als  unrichtig  oder  mindestens  anfechtbar.  Hierher 
gehören  Nachrichten,  die  sich  beziehen  auf  Okarben  und  Lichen, 
Wachenbuchen,  Gross-Gerau,  Preungesheim,  Wetzlar,  Lieblos,  Geln¬ 
hausen,  Eschbach,  Somborn  und  Bieber.3  Vorliegende,  nur  auf  ur¬ 
kundlichem  Material  aufgebaute  Arbeit  darf  daher  in  vielen  Punkten 
als  Ergänzung,  bezw.  Berichtigung  des  Niedermayer-Eulerschen  Buches 
gelten. 


I. 

Die  Besitzungen  der  Komturei. 

A.  Innerhalb  Frankfurt-Sachsenhausen  und  seiner 
Gemarkungen. 

1.  In  Sachsenhausen 

kommt  in  erster  Linie  das  Deutsche  Haus  in  Betracht,  mit  seinem 
weitausgedehnten  Gebäudekomplex,  der  schon  im  12.  Jahrhundert 
der  grösste  von  ganz  Sachsenhausen  war.  Ausser  dem  Spital  und 


1  Mitteilungen  des  Oberhessischen  Geschichtsvereins  1905  p.  3  3  ff. 

2  Die  Deutsch-Ordens-Commende  Frankfurt  a.,  M.  Ein  Beitrag  zu  deren 
Geschichte,  aus  dem  Nachlasse  des  Inspektors  Andreas  Niedermayer,  herausgegeben 
im  Namen  des  Vereins  für  Geschichte  und  Altertumskunde  zu  Frankfurt  a.  M.  von 
Euler,  Frankfurt  1874.  (Im  folgenden  kurz  mit  »Niedermayer«  citiert.) 

3  Codex  diplomaticus  Moenofrancofurtanus.  Urkundenbuch  der  Reichsstadt 
Frankfurt,  herausgegeben  von  J.  F.  Böhmer,  Neubearbeitung  von  F.  Lau,  zwei 
Bände,  Frankfurt  1901  und  1905.  (Im  folgenden  kurz  mit  »Lau«  citiert.)  Vgl.  I.  36. 
53.  158.  326.  472.  478.  327.  343.  957.  394.  479.  558.  948.  958. 


9  6 


der  der  hl.  Maria  geweihten  Kirche  sind  die  Kapellen  der  hl.  hl. 
Elisabeth1 *  und  Anna1  zu  erwähnen. 

1273  schenkt  Marquard  Bluel  alle  seine  Güter  in  Sachsen¬ 
hausen.3 

In  demselben  Jahre  verkauft  Ritter  Hart mudv.  Sachsenhausen 
5  Morgen  Gerstenland  und  einen  Zins  von  4  Malter  Korn,  der  von 
4  Morgen  fällt. 4  Drei  Jahre  später  verkauft  er  mit  Einwilligung 
K.  Rudolfs  eine  am  Main  gelegene  reichslehnbare  Hofstätte  mit  einem 
steinernen  Haus  nebst  Garten  für  50  Mark,  nachdem  er  dafür  andere 
Sachsenhäuser  Güter  dem  Reich  zu  Lehen  aufgetragen  hatte. 5  Höchst¬ 
wahrscheinlich  ist  dieses  Haus  dasselbe,  das  die  Komturei  1297  an 
Walther  v.  Kronberg  verpachtet, 6  da  Ritter  Konrad  Schwabe,  neben 
dem  das  betr.  Haus  liegt,  auch  Bürge  der  Verkaufsurkunde  von  1276 
ist.  1305  verkaufen  zwei  Söhne  Hartmuds  dem  DO.  Zinsen  von 
15  Schillingen,  58  Denaren  und  1  Kapaunen  für  6  Mark.7 

Von  seinem  neben  dem  DH.  gelegenen  Hof  hatte  der  Frank¬ 
furter  Schultheiss  Heinrich  v.  Praunheim  der  Komturei  jährlich 
20  Denare  und  1  Huhn  zu  zahlen.  Diesen  Zins  erlässt  ihm  der 
Orden  1301  gegen  Überweisung  eines  anderen  von  Heinrichs  Bürgeler 
Besitzungen. 8 

Von  dem  Frankfurter  Dekan  Heinrich  Mein  stammen  Zinsen 
von  einem  Badehaus  und  einigen  neben  diesem  liegenden  Häusern. 
Ein  mit  den  Erben  des  Dekans  ausgebrochener  Streit  wurde  1323 
zugunsten  der  Komturei  entschieden.9 

Unter  den  1332  vom  DO.  an  das  Bartholomäusstift  verkauften 
Zinsen  befand  sich  eine  Gült  von  9  Schillingen,  die  von  Lotzen  Haus 
in  der  Lorgasse  fiel. 10 


1  Zuerst  1270  erwähnt,  Lau  296.  Als  Zeit  ihrer  Erbauung  findet  man  ca.  1250, 

1269/70  und  1320  (!)  angegeben. 

1  Zum  erstenmal  genannt  bei  Gelegenheit  der  grossen  Überschwemmung 

von  1342,  Quellen  zur  Frkf.  Gesell.  I.  5.  140.  156.  Nach  Battonn,  Örtliche  Be¬ 
schreibung  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  VII.  38  wurde  sie  1485  erbaut  (!),  nach 
anderen  ca.  1250. 

5  Lau  325. 

*  Lau  315. 

*  Lau  366  (bei  Niedermayer  27  falsch).  369.  372. 

6  Lau  705. 

7  Lau  859. 

8  Lau  791.  Vgl.  608,  609  und  unten  p.  in. 

’  Lau  II.  207. 

10  Lau  II.  446. 


97 


1339  verpachtet  die  Komturei  einen  Hof  mit  allem  Zubehör 
an  den  Frankfurter  Bürger  Dietrich  Prinkstag  für  einen  jährlichen 
Zins  von  4  Mark,'  und  diesen  Hof  gibt  Dietrich  1343  an  einen  gewissen 
Gottfried  für  12  Schillinge  weiter.1 2 

1349  pachtet  der  Bäcker  Wenzel  ein  Backhaus,  das  nahe  bei 
der  Elisabethkapelle  an  der  Mauer  liegt,  vom  DO.  für  eine  jährliche 
Gült  von  4  Pfund  Heller.3 

1351  stiftet  Konrad  zu  Löwenstein  Seelenmessen  für  seine  ver¬ 
storbenen  Familienangehörigen,  indem  er  der  Komturei  einen  Zins 
von  1  Mark,  2  Hühnern  und  1  Kapaunen  schenkt.  Der  Zins  lastet 
auf  drei  an  der  Brückenscheuer  gelegenen  Häusern.4  — 

Vor  Sachsenhausen  lag  der  Sandhof,  jene  schöne  und  alte 
Ordensbesitzung.5 

1285  wird  eine  beim  Riedhof  gelegene  Wiese  der  Komturei 
erwähnt.6 

Zum  späteren  Seehof  und  der  Hohenräder  Mühle  legte  der 
DO.  1288  den  Grund,  indem  er  einen  Fischteich  am  sog.  Fersbrunnen 
kaufte.  Diese  neue  Erwerbung  war  Reichslehen,  daher  gaben  die 
Verkäufer  zum  Ersatz  dem  Reich  andre  in  der  Nähe  liegende  Äcker 
zu  Lehen  auf.7  Mit  dem  aus  diesem  Weiher  abfliessenden  Wasser 
betrieb  die  Komturei  später  ihre  am  Fuss  des  Mühlbergs  gelegene 
Mühle,  die  gewöhnlich  nach  einem  jetzt  ausgegangenen  Dörfchen 
Hohenräder  Mühle  genannt  wird  und  deren  letzte  Überreste 
erst  1901  abgetragen  wurden.  Zweifellos  aber  hat  die  Mühle  nicht, 
wie  Battonn  VII.  35  annimmt,  schon  zu  der  ersten  Münzenbergischen 
Stiftung  gehört,  ich  vermute  vielmehr,  dass  sie  erst  1325  vollendet 
war,  als  der  DO.  seine  3  Schiffmühlen  verkauft.8 

In  dem  an  Sachsenhausen  anstossenden  Reichswald  oder  Königs¬ 
forst  der  Dreieich  hatte  die  Komturei  mancherlei  Rechte.  Schon 


1  Urk.  im  Frkf.  Stadtarchiv. 

2  Das. 

3  Das. 

4  v.  Pettenegg,  Die  Urkunden  d.  DO. -Zentralarchivs  zu  Wien  1244.  Nieder¬ 
mayer  69  kannte  nach  einem  Lagerbuch  aus  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  noch 

5  in  der  Oppenheimer  Vorstadt  liegende  dem  DO.  zinspflichtige  Hofstätten. 

s  Lau  30. 

6  Lau  501.  Lau  vermutet  in  diesem  Hof  »zu  dem  Rode«  Niederrad. 
Jedenfalls  ist  dies  dieselbe  Wiese,  die  auch  1278  (Lau  403)  und  1338  (Böhmer, 
Cod.  Moenofrancofurt.  555)  begegnet. 

7  Lau  543.  546. 

8  Lau  II.  279.  Vergl.  unten  p.  102. 


7 


98 


das  Spital  von  1193  durfte  hier  jederzeit  1  Wagen  Holz  holen.1 
Friedrich  II.  erhöhte  dieses  Beholzungsrecht  auf  täglich  2  Wagen  und 
erteilte  dem  DO.  ausserdem  das  Weiderecht.2  Nur  einen  Wagen 
täglich  gestattet  1293  K.  Adolf.3  Auch  Kaiser  Ludwig  stellt  hierüber 
mehrere  Urkunden  aus,  1320  erlaubt  er  dem  Orden  wöchentlich 
6  Wagen,4  1332  4  Fuder  FIolz.5  1338  schenkt  er  der  Komturei  den 
Langenbruch,  ein  stattliches  Stück  des  Reichswaldes  zwischen  der 
Oppenheimer  Strasse  und  dem  Röderbruch  bei  Niederrad,  wofür  in 
der  DO. -Kirche  für  den  Kaiser  und  seine  Gemahlin  jährlich  eine 
Seelenmesse  gehalten  wurde.6 

Das  Privileg  von  1332  wiederholt  Karl  IV.  1349, 7  und  da  der 
Frankfurter  Rat  den  DO.  in  seinen  Rechten  am  Wald  zu  schmälern 
suchte,  erliess  er  in  demselben  Jahre  von  Nürnberg  aus  an  den  Rat 
ein  Schreiben,  in  dem  er  diesem  seine  Handlungsweise  verwies.8 

Auch  der  eben  erwähnte  Röder  bruch  wTar  im  Besitz  des  Ordens. 
Er  lag  zwischen  Niederrad  und  dem  Frauenweg  (an  ihm  war  der 
Sandhof  gelegen)  und  bildete  ursprünglich  einen  sumpfigen  Teil  des 
Reichswaldes,  1233  hatte  ihn  K.  Heinrich  der  Komturei  geschenkt.9 
Schon  früh  war  der  DO.  wegen  dieses  Besitztums  in  Streitig¬ 
keiten  verwickelt.  Battonn  I.  233  kannte  ein  Zeugenverhör  aus  dem 
Jahre  1251,  das  zum  Nachteil  der  Komturei  ausfiel.  1269  beauftragt 
K.  Richard  den  Frankfurter  Scbultheissen,  den  DO.  in  seinen  Rechten 
zu  schützen,10  und  1273  kam  ein  Vergleich  zwischen  der  Komturei 
und  dem  Bartholomäusstift  zustande,  dessen  Resultat  war,  dass  der 
Orden  in  Zukunft  an  das  Kapitel  nur  den  Neunten,  nicht  aber  den 
Zehnten  zu  zahlen  habe.11 


1  Lau  30. 

2  Lau  55.  $6. 

5  Thomas,  Frkf.  Annalen  im  Archiv  f.  Frkf.  Gesch.  u.  Kunst  II.  190. 

4  Lau  II.  143. 

5  Lau  II.  428.  Regesten  Ludwigs  d.  B.  1421. 

6  Böhmer  555.  Der  Bruch  ist  genau  beschrieben. 

7  Reg.  Karls  1069,  Arch.  Frkf. 

8  Reg.  Karls  1171,  Arch.  Frkf.,  Pettenegg  1231. 

9  Lau  100. 

10  Lau  293. 

11  Lau  318.  Einen  ähnlichen  Prozess  führte  das  Kapitel  auch  mit  dem 
Schultheissen  Heinrich,  Lau  467.  615,  dabei  als  Zeuge  auch  ein  Vertreter  des  DO. 
Über  den  Streit  vgl.  Arch.  f.  Frkf.Gesch.  6,  65  ff.,  Battonn  a.  a.  O.,  Niedermayer  26, 
Neujahrsbl.  d.  Vereins  f.  Gesch.  u.  Altertumskunde  zu  Frkf.  a.  M.  1884,  p.  16. 


99 


2.  Frankfurt. 

Im  Jahre  1222  schenkt  Elisabeth,  die  Witwe  des  Frankfurter 
Schultheissen  Johannes  und  Cunos  II.  von  Münzenberg,  dem  DO. 
einen  Hof.1 

1270  vermacht  Wicker  auf  der  Brücke,  Sohn  des  Harpern  von 
Offenbach,  und  seine  Frau  Gisela  u.  a.  zwei  Höfe  und  Häuser 
neben  der  Brücke.2  Wegen  dieses  Testamentes  kam  es  zwischen 
der  Komturei  und  Wicker,  der  sich  nach  Giselas  Tod  zum  zweiten 
Male  verheiratet  hatte,  zu  einem  Streit,  der  1279  durch  Vermittelung 
einiger  Frankfurter  Schöffen  und  Dominikaner  beigelegt  wurde:  das 
eine  Haus  erhält  der  DO.  sofort  nach  Wickers  Tod,  das  zweite  erst 
nach  seiner  Frau  Ableben,  falls  diese  ohne  Kinder  bleibt.3 

Von  einem  dem  Orden  gehörigen  Hause  auf  dem  Korn  markt 
erhielt  der  Ritter  Hartmud  v.  Sachsenhausen  1  Schilling.  Die  Ab¬ 
lösung  dieses  Zinses  sowie  eines  anderen  von  5  Schillingen  von 
dem  Hause  des  Richters  Dietrich  erfolgt  1273.4 

Das  Haus  zur  weiten  Tür  stammte  von  dem  Schuhmacher 
und  Frankfurter  Bürger  Ruprecht  und  seiner  Frau;  beide  hatten 
unter  gewissen  Bedingungen  ihr  ganzes  Vermögen  geschenkt.5  1280 
verpachtet  die  Komturei  das  Haus  für  einen  Zins  von  10  Mark,6  und 
8  Jahre  später  wird  über  diese  Verpachtung  eine  neue  Urkunde 
ausgestellt.7 

Einen  Zins  von  3  Mark  auf  dem  der  Judenschule  benachbarten 
Hause  des  Juden  Gottschalk  kauft  1288  der  DO.-Priester  Heinrich 
von  Rödelheim.8  Derselbe  Bruder  erwarb  auch  das  Haus  zum 


1  Lau  57.  Kriegk,  Gesch.  v.  Frkf.  47  gibt  das  Regest  falsch  wieder.  Die 
Schenkung  bei  Niedermayer  32  von  1289  ist  ein  Missverständnis  der  Lau  560 
gedr.  Urkunde.  Nach  Niedermayer  20,  Arch.  f.  Frkf.  Gesch.  N.  F.  1,  379  der 
Goldne  Schwan  in  der  Friedbergerstrasse.  Über  Elisabeths  Familien  Verhältnisse 
vgl.  Mitteil.  d.  Oberhess.  Geschichtsver.  1905  p.  55. 

2  Lau  296. 

3  Lau  410  in  2  etwas  von  einander  abweichenden  Fassungen,  die  jede  in 
2  Expl.  vorhanden  sind.  Reimer,  Urkundenbuch  zur  Gesch.  d.  Herren  von  Hanau 
I.  329  hat  1269. 

*  Lau  315.  Nach  Niedermayer  82  besass  der  Orden  1331  2  Häuser  am 
Kornmarkt. 

5  Dies  wurde  noch  1288  bekundet,  .Lau  554.  Wo  dies  Haus  lag,  vermag 
ich  nicht  zu  sagen.  Vgl.  Lau  557  Zus.,  vielleicht  ist  es  eines  der  Arch.  f.  Frkf. 
Gesch.,  N.  F.  1  p.  378  genannten  drei  Schuhhäuser. 

6  Lau  439.  Vgl.  426. 

7  Lau  557. 

8  Lau  556. 

7 * 


IOO 


schwarzen  Hermann.  Hs  lag  in  der  Höllgasse1  und  gehörte 
ursprünglich  den  Rittern  v.  Praunheim-Sachsenhausen.2 *  1292  bekam 
das  Mainzer  Stift  des  heiligen  Gingolf  von  Ritter  Heinrich  einen 
auf  diesem  Hause  lastenden  Zins  von  15  Schillingen  angewiesen 5 
und  verkauft  ihn  1294  an  Bruder  Heinrich4  und  1295  für  18  Mark 
an  den  DO. 5  Letzterer  wird  wohl  auch  in  den  Besitz  des  1288  von 
Heinrich  gekauften  Zinses  gekommen  sein,  zumal  Heinrich  1295  die 
Komturei  zu  seiner  Universalerbin  ernannte.6 

1297  weist  Ritter  Walter  v.  Kronberg  dem  DO.  einen  von  ihm 
erkauften  Zins  von  1  Mark  auf  ein  Frankfurter  Haus  an.7 

1300  geht  das  DH.  einen  Zinstausch  (20  Denare)  mit  Wigel 
Frosch  ein.  Die  betr.  Zinsen  liegen  auf  dem  Hause  Werner  Selzers,  das 
neben  Wigels  Hof  liegt,  und  dem  Hause  Konrads  von  Heldenbergen.8 

1302  vermacht  die  Hebamme  Dina  ihr  in  der  Fahrgasse  ge¬ 
legenes  Haus,  das  einen  Zins  von  8  Schillingen  erbringt.9 

1307  schenkt  Erenbrecht  v.  Praunheim  u.  a.  sein  Haus  am 
Rössb  ühel.10 11 

In  der  Töngesgasse  besass  der  DO.  einen  Hof  und  Gut, 
von  dem  Peter  Bere  1320  einen  jährlichen  Zins  von  6  Schillingen 
und  1  Kapaunen  gibt." 

1320  wird  zum  erstenmal  das  Komposteil  »curia  fratrum 
Teutonicorum«  genannt,12  ebenso  1350.13 

1332  verkauft  der  DO.  für  13  Mark  1  Mark  Zins  von  zwei 
Häusern  in  Frankfurt  und  Sachsenhausen  an  das  Bartholomäusstift. 
Genannt  wird  dabei  Rulen  von  Wetzlar  Haus  in  der  Steingasse.'4 
Dasselbe  geschah  1333  für  13  Pfund  Heller  mit  einem  Zins  von 


1  Arch.  f.  Frkf.  Gesch.  N.  F.  1,  365.  Es  gab  auch  einen  Schwarzehermanns- 
brunnen,  Lau  771.  Nach  Niedermayer  82  zinsten  1331  6  Häuser  in  der  Höllgasse. 

a  Lau  283.  (1268.) 

5  Lau  62t.  Vgl.  608.  609.  791. 

4  Lau  659. 

5  Lau  682. 

6  Lau  683.  Vgl.  685. 

7  Lau  705. 

8  Lau  770. 

9  Lau  812.  Ein  Haus  in  der  Fahrgasse  bewohnte  ca.  1350  ein  Maler  Johannes 
und  bezahlte  dafür  dem  DO.  14  Schillinge  Zins,  Niedermayer  82. 

10  Liebfrauenberg?  Lau  883. 

11  Lau  II.  144. 

12  Battonn  II.  14 1. 

U  Battonn  VII.  29.  82. 

*4  Lau  II.  446. 


IOI 


i  Pfund  Heller,  der  auf  dem  Hause  genannt  Frederunen  des 
Krämers  Peter  lag.1 

1336  hören  wir  bei  dem  Verkauf  eines  Hauses  in  der  Krüc hin¬ 
gas  se,  dass  es  mit  11  Schillingen  für  den  DO.  beschwert  ist.2  — 

1  Hufe  Land  in  der  Frankfurter  Gemarkung  hatte  Kaiser 
Friedrich  II.  bereits  1221  geschenkt.3 

Im  Lindau,  einem  ausgerodeten  Reichswald  dicht  vor  Frankfurt, 
besass  der  DO.  eine  Wiese,  von  der  er  dem  früheren  Schultheissen 
Wolfram  eine  jährliche  Rente  von  3  Malter  und  2  Mött  Korn  be¬ 
zahlte.  Diesen  Zins  löst  die  Komturei  1268  ab.4  Ferner  hatte  der 
Orden  im  Lindau  einen  2V2  Morgen  umfassenden  Garten,  den  er 
1288  gegen  eine  jährliche  Abgabe  von  13  Schillingen  und  2  Ka¬ 
paunen  verpachtete.5 

Vor  dem  ßockenheimer  Tor  besass  der  DO.  einige  Äcker. 
Auf  ihnen  lastete  nach  1284  eine  Rente  von  6  Schillingen,  die  an 
einen  Altar  der  Bartholomäuskirche  fiel.6 

2  Morgen  lagen  bei  dem  Weingarten  an  der  »fliessenden 
Bach.«  Diese  Äcker  verpachtete  die  Komturei  1289  zusammen  mit 
dem  Hof  »uff  der  Eidern«  an  Eckehard,  den  Sohn  Emmerichs 
de  ortis.  Als  Pachtzins  hat  der  Genannte  jährlich  an  St.  Jakob 
4  Schillinge  und  2  Gänse,  und  an  St.  Martin  4  Schillinge  und 
9 Vs  Denare  zu  zahlen.7 8  Jedenfalls  sind  dies  die  Güter,  wegen  derer 
1315  ein  Streit  mit  Konrad  ad  hortos  geschlichtet  wurde.® 

Über  andere  Frankfurter  Besitzungen  der  Komturei  Sachsen¬ 
hausen  fehlen  sichere  Nachrichten.  Jedenfalls  lagen  auch  die  quaedam 
bona,  von  denen  der  DO.  bis  1268  dem  früheren  Schultheissen 
Heinrich  einen  Zins  von  30  Denaren  zahlte,9  in  Frankfurt.  Dasselbe 
gilt  von  omnia  bona  immobilia  sive  possessiones,  die  der  Frankfurter 
Bürger  Wolfram  1277  schenkt,10  von  der  Schenkung  eines  anderen 


1  Lau  II.  451. 

2  Lau  II.  585. 

3  Lau  55. 

♦  Lau  287. 

s  Lau  545. 

6  Lau  495,  späterer  Zusatz.  Nach  Niedermayer  82  besass  der  DO.  1331 
hier  auch  ein  Haus. 

7  Kopie  von  1392  im  Arch.  Frkf. 

8  Lau  H.  42. 

9  Lau  287. 

10  Lau  382. 


102 


Wolfram  aus  dem  Jahre  1289*  und  von  der  Schenkung  der  Begine 
Adelindis  vom  April  1 3  5 1,1  2  sowie  endlich  von  mehreren  nicht 
näher  bestimmten  Zinsschenkungen. 

Im  Main  besass  der  DO.  die  Fischereigerechtigkeit,3  K.  Rudolf 
verpachtet  sie  1285  der  Komturei  zu  dem  bisherigen  gewöhnlichen 
Zins  bis  auf  Widerruf.4 5  Ebenso  1293  K.  Adolfs  und  1341  Kaiser 
Ludwig,  wobei  wir  hören,  dass  der  Zins  an  den  kaiserlichen  Saal 
(Saalhof)  zu  zahlen  ist.6  Mit  dem  Schöffen  Jakob  Knoblauch,  dem 
der  Saalhof  verpfändet  war,7  geriet  die  Komturei  wegen  des  Fron¬ 
wassers  in  einen  Streit,  der  im  September  1342  beigelegt  wurde,8 
und  einen  Monat  später  erlässt  auch  der  Kaiser  eine  Verordnung 
zugunsten  des  Ordens,  in  der  er  gebietet,  diese  Verleihung  weder 
anzufechten,  noch  den  Zins  höher  zu  treiben.9 

Drei  Schiffmühlen,  die  der  DO.  auf  dem  Main  hielt,  verkauft 
er  1325  für  50  Mark  an  den  Bäcker  Starkerat.  Gleichzeitig  pachtet 
letzterer  das  zum  Betrieb  notwendige  Wasser  und  eine  Hofstätte 
mit  dem  dazugehörigen  »Wych«,  wohin  die  Mühlen  während  des 
Winters  gebracht  werden,  für  einen  Zins  von  14  Malter  Korn.  Als 
Unterpfand  setzt  er  eine  ewige  Gült  von  1  Mark  auf  zwei  Stein¬ 
häusern  in  der  Fischergasse.10 


1  Lau  561. 

2  Pettenegg  1254.  Lersner,  Frkf.  Chronik  II.  197. 

5  Diese,  meist  Fronwasser,  auch  Fischentze  genannt,  bildete  Jahrhunderte 
hindurch  den  Gegenstand  lebhafter  Streitigkeiten  zwischen  dem  DO.  und  der  Stadt 
Frankfurt.  Sie  erstrekte  sich,  wie  wir  aus  späteren  Urkunden  wissen,  auf  den  Fluss 
zwischen  Oberrad  und  Niederrad,  genauer  vom  Roden-  oder  Königsbach  bis  zum 
Frauenbach  gegenüber  dem  Gutleuthof,  und  umfasste  auch  Äcker  und  anderes 
Zubehör. 

4  Lau  500.  Nach  Niedermayer  74  betrug  der  Zins  13  Malter  Korn. 

5  Lau  638. 

6  Böhmer  576,  Kopialb.  (Der  Comendthurey  Franckfurth  a.  M.  Documenten 
Buch,  Kgl.  Staatsarchiv  zu  Stuttgart)  fol.  149. 

7  Zahlreiche  Urkunden  hierüber  in  den  Regesten  Ludwigs  d.  B. 

8  Böhmer  579. 

9  Böhmer  580,  Kopialb.  148  b. 

10  Lau  II.  279.  Starkerat  starb  zwischen  1350  (Reimer  III.  77  Zus.)  und  1356. 
Im  Mai  1356  zieht  die  Komturei  bereits  das  Unterpfand  ein  und  vertauscht  im 
folgenden  Jahre  V*  Mark  davon.  Urk.  im  Arch.  Frankfurt. 


io3 


B.  Die  Besitzungen  der  Komturei  ausserhalb  Frankfurt- 

Sachsenhausen. 

i.  Linksrheinische  Besitzungen. 

Weinheim,  Hessen,  südwestlich  Alzey. 

Der  Grund  zu  den  DO. -Besitzungen  in  Weinheim  wurde  nicht 
erst  1282, 1  sondern  schon  9  Jahre  früher  gelegt.  Der  Ritter  Werner 
v.  W.  schenkt  1273  dem  Orden  seine  gesamten  Weinheimer  Liegen¬ 
schaften.  Doch  erhält  sie  die  Komturei  erst  nach  seinem  Tode, 2 3 
zunächst  zahlt  Werner  einen  jährlichen  Zins  von  1  Schilling  Heller 
und  2  Kapaunen.  Auch  werden  verschiedene  Bestimmungen  getroffen 
behufs  Erwerbung  des  dem  Reichskämmerer  Philipp  von  Falkenstein- 
Münzenberg  gehörigen  Gerichtes  durch  den  DO.,  aus  denen  zu  ersehen 
ist,  wie  sehr  der  Komturei  daran  lag,  das  Weinheimer  Gericht  in 
ihre  Hände  zu  bekommen.5  Aber  erst  10  Jahre  später  erhält  sie  es 
von  Philipp,4  und  erst  1287  bestätigte  der  Oberlehnsherr,  der  Pfalz¬ 
graf  Ludwig,  diese  Übertragung. 5  Nach  Werners  Tode  liess  sich  der 
Orden  diese  Schenkung  von  dessen  Bruder  Berlewin,  der  Wormser 
Kanonikus  und  Propst  von  Neuhausen  ist,  bestätigen.6  Ebenso  be¬ 
stätigen  1305  die  Söhne  des  verstorbenen  Pfalzgrafen  Ludwig  die 
Schenkung  ihres  Vaters,7  und  dasselbe  tun  1331  die  Pfalzgrafen 
Rudolf  II.  und  Ruprecht.8 

Berlewin  hatte  schon  vorher  dem  DO.  Güter  geschenkt.  Im 
Jahre  1281  hatte  er  seinem  Bruder  das  freie  Verfügungsrecht  über 
seine  Weinheimer  Güter  gegeben,9  aber  schon  ein  Jahr  später  wider¬ 
ruft  er  diese  Verfügung  und  schenkt  dem  DO.  die  von  seinen  Eltern 
ererbten  Güter  in  und  um  Weinheim.10  Im  selben  Jahre  schenkt  auch 
Werner  dem  Orden  mit  Einwilligung  Philipps  von  Falkenstein  einen 


1  Niedermayer  30. 

2  Starb  vor  1300,  Lau  752. 

3  Lau  316. 

*  Lau  475. 

5  Lau  527. 

6  Lau  752.  Kopialb.  fol.  219. 

7  Lau  860. 

8  Lau  II.  420. 

9  Kopialbuch  fol.  219. 

10  Lau  460. 


ro4 


Turm,1  nachdem  er  auch  dessen  Lehnsherrn,  den  Pfalzgrafen  Heinrich, 
um  seine  Zustimmung  gebeten  hatte. 2 

Gewisse  Güter  hatte  Werner  gleichzeitig  dem  Pfalzgrafen  Ludwig 
•und  dem  DO.  geschenkt;  da  aber  nachgewiesen  wurde,  dass  die 
Schenkung  an  letzteren  die  frühere  war,  verzichtete  1292  der  Pfalz¬ 
graf  zugunsten  des  Ordens  auf  diese  Güter.3  Andre  Liegenschaften, 
die  Werner  1281  für  100  Pfund  Heller  vom  Alzeyer  Cisterzienser- 
kloster  zum  Himmelsgarten  gekauft  hatte,4  übergab  er  für  dieselbe 
Summe  1282  dem  DO.;  letzterer  verpachtet  sie  ihm  wieder  für  einen 
jährlichen  Pachtzins  von  7 6  Malter  Korn.5 

Unter  andren  Zinsen  und  Gütern  vermacht  Werners  Schwester, 
Gertrud  von  Weinheim,  1304  dem  DO.  auch  solche  in  Weinheim; 
sie  behält  sich  nur  deren  Nutzniessung  vor,  solange  sie  lebt.  Es  sind 
dies  ein  Haus  nebst  Garten,  4  Morgen  Weinberge,  V2  Morgen  Acker, 
12  Malter  Korn,  4  Kapaunen  und  5  Pfund  Heller.6 

1306  schenken  vier  genannte  Inklusen  dem  DO.  ihren  ganzen 
Besitz  mit  Ausnahme  eines  Hofes  mit  dazugehörigem  Obstgarten, 
der  an  den  Weinheimer  Pfarrer  Konrad  von  Alzey  verpachtet  ist 
und  erst  nach  dessen  Tod  den  Erben  zufällt.  Von  den  Erträgnissen 
dieser  Pacht  leben  Osa  und  Rensa,  für  den  Lebensunterhalt  der  beiden 
anderen,  Ottilie  und  Gertrud,7 *  hat  der  DO.  zu  sorgen.  Nach  beider 
Tode  fällt  ihr  gesamter  Nachlass  dem  DO.  zu,  stirbt  eine  von  ihnen, 
so  hat  der  Orden,  abzüglich  10  Malter  Korn  und  Va  Fuder  Wein, 
für  die  überlebende  zu  sorgen* 

Alzey,  Hessen. 

1282  schenkte  Werner  v.  Weinheim  eine  Mühle  und  12  Morgen 
Wiesen.9  Ausserdem  besass  der  Orden  noch  zwei  Höfe  nebst  Haus 
und  Zubehör  in  Alzey.  Den  einen  Hof  verpachtete  er  1287  gegen  nötige 


1  L.  469. 

2  L.  468. 

3  L.  607. 

4  Kopialb.  f.  223. 

s  Das.  219b. 

6  L.  844.  Nach  Niedermayer  135  lagen  diese  Güter  in  Preungesheim. 

7  Jedenfalls  die  schon  erwähnte  Schwester  Werners  und  Berlewins,  die 
übrigen  3  werden  ebenfalls  Geschwister  von  ihnen  sein. 

s  L.  878.  —  Diese  Summe  genügt  wohl,  um  eine  Person  zu  unterhalten, 
also  wird  die  überlebende  ebensoviel,  beide  zusammen  das  Doppelte  erhalten  haben. 

9  L.  470. 


io5 


Sicherheit  für  40  kölnische  Schilling  an  einen  Alzeyer  Bürger.1  1348 
wird  ein  Streit  über  diesen  Hof  geschlichtet,  der  Bocksbartshof2 
genannt  wird,  indem  der  Edelknecht  Simon  auf  alle  Ansprüche  an  den 
DO.  verzichtet;  er  erhält  eine  Abfindungssumme  von  5  Pfund  Heller.3 

1328  verpfänden  der  Edelknecht  Omiche  v.  Weinheim  und  Johann 
Setze  dem  DO.  die  Hälfte  ihres  Hofes  vor  der  Spiesspforte  für 
8  Schilling  und  14  Pfund  Heller.  Das  Einlösungsrecht  der  Verpfänder 
wird  ausdrücklich  gewahrt.4 

Partenheim  und  Vendersheim,  Hessen,  nordwestlich  Wörrstadt. 

Wann  und  wie  der  DO.  hier  Güter  erwarb,  ist  nicht  ersichtlich. 
1303  werden  sie  gegen  solche  der  Komturei  Mainz  in  Okarben  aus¬ 
getauscht,  wobei  die  Komturei  Sachsenhausen  noch  19  Mark  hinzufügt.5 

Freimersheim,  Hessen,  südsüdwestlich  Alzey. 

Die  uns  bekannte  Gertrud  von  Weinheim  schenkt  hier  1304  eine 
Erbrente  von  5  Malter  Korn.6 

Mauchenheim,  bayerische  Pfalz,  nordöstlich  Kirchheimbolanden. 

In  derselben  Urkunde  wird  dem  DO.  auch  eine  Erbrente  in  M. 
überwiesen,  die  ihm  jährlich  17V2  Malter  Korn,  4  Kapaunen  und 
io  Schilling  Heller  eintrug.  Der  Geldzins  und  die  Kapaunen  fielen  von 
einem  Haus  und  Garten,  6  Malter  Korn  von  8V2  Morgen  Land,  von 
denen  5  infra  juxta  Wernherum  militem  lagen.  Die  übrigen  11V2  Malter 
waren  von  einem  Hof  und  andren  genau  beschriebenen  Äckern 
zu  zahlen.7 

2.  Rechtsrheinische  Besitzungen  der  Komturei. 
a)  Links  des  Mains. 

Anm.  Nicht  begütert  war  der  DO.  in  Gross-Gerau,  wie  Lau  158 
will.  Diese  Urkunde  ist  für  die  Johanniter  in  Nidda  ausgestellt :  Baur,  Ur¬ 
kunden  zur  hess.  Gesch.  I.  102.  Wagner,  Wüstungen  I.  232  »verbessert«  in 
DO.  zu  Nidda  und  endlich  Niedermayer  167  in  DO.  zu  Frankfurt.  —  Nach 
freundlicher  Mitteilung  des  Darmstädter  Archivdirektors  Dr.  Frhrn.  Schenk 
zu  Schweinsberg. 

'  L.  522,  ergänzt  nach  Kopialb.  f.  2. 

2  Also  hiess  der  Alzeyer  Bürger  von  1 287  Bocksbart,  nicht  Poespart,wie  L.  522  will. 

3  Kopialb.  f.  3  b. 

4  Das.  3. 

s  Lau  835.  Vgl.  unten  p.  127. 

6  Lau  844. 

7  Lau  844. 


—  106  — 

Oberrad,  Hessen-Nassau,  südöstlich  Frankfurt. 

Die  uns  schon  bekannte  Elisabeth  (oben  p.  99)  verkaufte  1225 
der  Komturei  für  20  kölnische  Mark  ihren  Weinberg  in  Oberrad.1 
Doch  geht  er  erst  in  Ordensbesitz  über,  wenn  sie  das  Geld  verlangt 
und  dasselbe  innerhalb  zweier  Monate  bezahlt  ist.2 3 

Erzhausen,  Hessen,  nördlich  Darmstadt. 

Der  Ritter  Hartmud  von  Sachsenhausen  verkauft  1273  ^em  Orden 
alle  seine  Besitzungen  in  und  um5  Erzhausen  mit  Ausnahme  einer 
Wiese.  Es  werden  Bürgen  gestellt,  deren  Verpflichtung  so  lange 
dauert,  bis  seine  Schwester  (Niedermayer  hat  Schwägerin)  für  ihren 
Erbanteil  befriedigt  ist.4 

Trebur,  Hessen,  westnordwestlich  Darmsta.dt. 

1273  vermacht  Marquard  Bluel  dem  DO.  alle  seine  Güter,  wo¬ 
runter  auch  eine  halbe  Hufe  in  Trebur  ist.  Dafür  erhält  er  lebens¬ 
längliche  Pension  und  Wohnung  im  Deutschen  Haus  zu  Sachsenhausen.5 

Hohensachsen,  Baden,  südlich  Weinheim  a.  d.  Bergstrasse. 

1292  schenkt  Pfalzgraf  Ludwig  II.  dem  DO.  die  Kirche  und 
das  Patronat  zu  H.;  doch  soll  der  jetzige  Inhaber  der  Kirche,  solange 
er  lebt,  in  seinen  Rechten  unbehindert  sein.6  Zwei  Monate  später, 
im  Juli  desselben  Jahres,  gibt  Mechtilde  ihre  Zustimmung  zu  dieser 
Schenkung,7  und  1296  wird  sie  von  ihren  Söhnen,  dem  Pfalzgrafen 
Rudolf  I.  und  Ludwig,  bestätigt.8 

Münster,  Hessen,  nordöstlich  Dieburg. 

Der  Dieburger  Bürger  Heinrich  Lule,  der  uns  noch  mehr  be¬ 
gegnen  wird,  verkauft  1294  mit  Zustimmung  seiner  Nachkommen 


1  Arch.  f.  Frkf.  Gesch.  6,  207  hat  Niederrad. 

2  Lau  72.  Niedermayer  101  kennt  noch  mehr  hiesige  Güter. 

3  in  terminis,  nicht  inter  minis.  Niedermayer  27  hat,  wohl  nach  Thomas, 
»in  den  Steinbrüchen«. 

Lau  315.  Voigt,  Geschichte  des  Deutschen  Ritterordens  I.  51,  2  hat  1276. 
Hartmud  schenkte  auch  in  Sachsenhausen,  oben  p.  96.  Auf  p.  27  gibt  Niedermayer 
dieses  Regest  zweimal.  Eine  genaue  Beschreibung  dieser  Besitzungen  findet  sich 
nach  ihm  106  in  einem  Ackerbuch  von  1331. 

s  L.  325.  Er  lebt  noch  1284,  Lau  487.  Schenkte  auch  in  Sachsenhausen,  p.  96. 

6  L.  610. 

7  Lau  613. 

8  Lau  700. 


—  107  — 

dem  DO.  von  einer  Hufe  Einkünfte  von  5  Malter  Getreide,  7  Unzen 
Heller  und  mehreren  Hühnern.1 

Dieburg,  Hessen. 

Der  schönste  Ordensbesitz  in  der  Dieburger  Gemarkung  war 
wohl  die  Kistelberger  Mühle,  die  gewöhnlich  die  Mühle  Kistelberg, 
ab  und  zu  auch  Münstermühle  genannt  wird.  Sie  wird  bald  als  bei 
Dieburg,  bald  als  bei  Münster  gelegen  bezeichnet.  Ihre  Erwerbungs¬ 
geschichte  ist  nach  Niedermeyer  »etwas  verwickelt«,  und  über  ihre 
definitive  Erwerburg  »lassen  uns  die  Akten  im  unklaren«.  Ersteres 
stimmt,  das  zweite  nicht. 

Ursprünglich  gehörte  diese  Mühle  den  Münzenbergern,  schon 
1239  begegnet  sie  als  ihr  Eigentum.2  Ansprüche  und  Rechte  an  ihr 
hatten,  wie  aus  dem  folgenden  hervorgeht,  das  Frankfurter  Bartho¬ 
lomäusstift  und  zwei  Dieburger  Familien.  Die  eine,  ein  altes  Adels¬ 
geschlecht,  wurde  gegen  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  durch  die 
Familien  Groschlag  und  Aumann  repräsentiert.  Rudolf  Groschlag 
war  Münzenbergischer  Vogt.  Die  Oberhäupter  beider  Familien  waren 
gemeinsam  mit  der  Kistelberger  Mühle  belehnt,  doch  resignierte 
Aumann  mit  seinen  drei  Söhnen,  worauf  Ulrich  II.  v.  Münzenberg 
1253  Rudolf  allein  mit  ihr  belehnte.  Das  Frankfurter  Stift,  das  über 
diesen  Vorgang  ebenfalls  eine  Urkunde  ausstellte,3  hatte  seine  Rechte 
für  jährlich  5  Schillinge  leichter  Denare  ebenfalls  an  Rudolf  abgetreten.4 

Rudolf  sollte  jedoch  nicht  lange  im  ungestörten  Besitz  der 
Mühle  bleiben.  Denn  die  andere  Familie,  deren  Recht  bei  dieser 
Übertragung  offenbar  nicht  genügend  berücksichtigt  wurde,  betrat 
den  Klageweg.  Diese  Familie  bestand  aus  den  vier  Brüdern  Eberhard 
(v.  Hüttengesäss),  DO.  Bruder  in  Sachsenhausen,  Johann,  Pfarrer  in 
Rossdorf,  Friedrich  Ocalp5  und  Heinrich  Lule;  die  beiden  letzteren 
waren  Bürger  in  Dieburg.  Friedrich  wandte  sich  an  Ulrichs  Neffen, 
Werner  I.  v.  Falkenstein,  und  dieser  schreibt  1266  an  Heinrich,  seinen 


1  Lau  651.  Nach  Nied.  166  war  die  Komturei  auch  in  dem  oberhess. 
Münster  (südwestl.  Butzbach)  begütert.  Waren  diese  Besitzungen  wirklich  von 
Gela  Welgele  und  ihrem  Gemahl  Heinrich  geschenkt,  so  ist  diese  Schenkung  vor 
1321  erfolgt,  denn  in  diesem  Jahre  ist  Gela  bereits  Witwe.  Lau  II.  168. 

2  Arch.  f.  hess.  Gesch.  und  Altertumskunde  8,  230. 

3  Kopialb.  fol.  68. 

4  Lau  175.  Oder  1254?  Dass  Ulrich  die  Mühle  1254  dem  DO.  verlieh 
(Thomas  im  Arch.  f.  Frkf.  Gesch.  1839  p.  119),  beruht  auf  einem  Missverständnis. 

5  Niedermayer  p.  120  hat  DO.-Bruder  Stalp. 


io8 


Schultheissen  im  Hain,  er  habe  Kenntnis  genommen  von  der  Über¬ 
tragung  der  Mühle  Kistelberg  an  Rudolf;  Heinrich  sollte  sie  jedoch 
namens  Friedrich  Ocalps  dessen  Brüdern  Johann  und  Eberhard  über¬ 
geben  und  dafür  sorgen,  dass  diese  die  Mühle  mit  den  dazugehörigen 
Gütern  ebenso  unbehelligt  besitzen  könnten  wie  ihr  Bruder  Heinrich 
Lule.'  Das  Bartholomäusstift  übertrug  seine  Rechte  nun  auch  an 
Friedrich  und  Johann,1 2  sodass  die  Mühle  jetzt  vollständig  im  Besitz 
jener  vier  Brüder  ist.  Und  zwar  besass  wie  aus  dem  folgenden  her¬ 
vorgeht,  Friedrich  mehr  als  die  Hälfte,  Johann  ein  Viertel. 

Der  DO.,  der  durch  Eberhard  Anspruch  auf  einen  Teil  der 
Mühle  hatte,  suchte  nun  auch  die  übrigen  Teile  an  sich  zu  bringen. 
Zunächst  erkaufte  er  einen  Teil  Friedrichs  vom  Bartholomäusstift 
für  eine  jährliche  Rente  von  5  leichten  Schillingen. 3  Den  anderen, 
grössten,  ihm  zustehenden  Teil,  nämlich  die  Hälfte  der  Mühle,  hatte 
Friedrich  1284  der  Dieburger  Pfarrei  übertragen.4  Die  Pfarrei  war 
im  Besitze  der  Dieburger  Minoriten,5  die  jährlich  1  Malter  Korn  von 
der  Mühle  bezogen,6  und  letztere  verkaufen  daher  1293  ihren  Teil 
der  Mühle  nebst  8  Morgen  Wiesen,  die  in  der  Bach7  liegen,  dem 
DO.  für  40  Pfund  Heller.  Wie  wichtig  dem  Orden  der  Erwerb 
gerade  dieser  Rechte  war,  sieht  man  daraus,  dass  der  Kauf  u.  a.  in 
Anwesenheit  des  Mainzer  Erzbischofs  und  Ulrichs  v.  Hanau  abge¬ 
schlossen  wurde:8  Ulrich  war  einer  der  Münzenbergischen  Erben. 

Johannes,  der  den  4.  Teil  der  Mühle  besass,  trat  seine  Rechte 
1287  an  den  Orden  ab.9  Im  nächsten  Jahre  werden  die  Bedingungen, 
unter  denen  dies  geschah,  fixiert.  Johannes  erhält  eine  lebenslängliche 
Rente  von  2  Talenten  Heller  und  je  5  Malter  Weizen  und  Roggen, 
muss  aber  dafür  für  allen  Schaden,  von  dem  die  Mühle  zu  seinen 
Lebzeiten  betroffen  wird,  aufkommen.  Nach  seinem  Tode  erhält  eine 
nahe  Verwandte  von  ihm,  Jutta  Flougen,  der  er  Rechte  an  seinem 
Teil  übertragen  hatte,  und  eines  ihrer  Kinder  von  dem  DO.  eine 

1  Steiner,  Bachgau  III.  1829  p.  172  Nr.  67;  ergänzt  nach  Kopialb.  fol.  183, 
hier  ohne  Datum.  Scriba,  Reg.  d.  Provinz  Starkenb.  p.  45,  479  gibt  das  Regest 
falsch  wieder. 

2  Zu  erschliessen  aus  dem  Folgenden.,  vgl.  Lau  510.  537. 

3  Lau  510. 

4  Steiner  Nr.  69. 

5  Das.  p.  30. 

6  Lau  644. 

7  Offenbar  ein  Flurname.  Steiner  p.  174  hat  Deibach,  Lau  644  Derbach. 

8  Lau  644. 

8  Lau  537. 


io9 


Rente  von  je  3  Malter  Weizen  und  Roggen  ausbezahlt. 1  Am  6.  Juni 
1295  werden  diese  Bedingungen  von  neuem  aufgezeichnet,  doch  mit 
folgender  Änderung,  bezw.  Erweiterung.  Die  Rente  an  Johannes  wird 
in  2  Raten  ausbezahlt,  nämlich  am  1.  Januar  und  an  Michaelis 
(29.  September);  nach  seinem  Tode  wird  eine  Seelenmesse  für  ihn 
gehalten,  und  ausserdem  fallen  an  diesem  Tage  je  2  Malter  Weizen 
und  Roggen  den  DO. -Brüdern  zur  Pietanz.2  Doch  scheint  dieser 
neue  Vertrag  irgend  eine  Partei  immer  noch  nicht  befriedigt  zu 
haben,  denn  am  13.  September,  also  noch  vor  dem  Termin,  an  dem 
Johannes  die  Hälfte  seiner  Rente  erhalten  sollte,  tritt  eine  letzte 
endgiltige  Abmachung  in  Kraft,  nach  der  Johannes,  Jutta  und  ihre 
Tochter  Ymma  gegen  den  ansehnlichen  Betrag  von  63  Pfund  Heller 
alle  ihre  Rechte  an  dem  4.  Teil  der  Mühle  Kistelberg  definitiv  an 
den  DO.  abtreten.3 

Und  endlich  gestattet  1294  Ulrich  von  Hanau,  dass  auch  Hein¬ 
rich  Lule  seinen  Teil  der  Mühle  dem  DO.  verkauft,4  nachdem  schon 
4  Jahre  vorher  auch  Philipp  und  Werner  von  Falkenstein-Münzenberg 
hierzu  ihre  Einwilligung  gegeben  hatten.5 

Den  Besitzwechsel  dieser  Mühle,  ihren  Übergang  zunächst  in  den 
alleinigen  Besitz  der  vier  Brüder  und  dann  in  die  Hände  des  DO., 
hatten  ihre  früheren  Inhaber  sehr  ungern  über  sich  ergehen  lassen. 
Die  Familie  Groschlag  hatte  sofort  einen  Prozesf  angestrengt,  der 
1269  schon  schwebte,6  aber  jedenfalls  zu  ihren  Ungunsten  ausfiel. 
Doch  vorsichtigerweise  liess  sich  der  DO.  noch  im  Jahre  1288  von 
den  Aumanns  ihre  schon  vor  1253  erfolgte  Resignation  nochmals 
bestätigen.7  Und  somit  war  der  DO.  jetzt  im  Besitz  der  vollständigen 
Mühle  Kistelberg.  Schon  1296  verpachtet  er  sie  mit  seinen  sonstigen 
Dieburger  Gütern  an  den  dortigen  Bürger  Friedrich  Hartrad  und 
seine  Frau  auf  beider  Lebzeiten;  doch  können  sie  die  Pachtgüter 
jederzeit  an  den  Orden  zurückgeben.  Die  Pächter  müssen  dem  DO. 
jährlich  13  Pfund  Heller  Pfennige,  4  Lämmer,  40  Malter  Roggen, 
20  Malter  Weizen  und  V2  Malter  Mehl  nach  Sachsenhausen  liefern, 
und  zwar  je  die  Hälfte  dieses  grossen  Pachtzinses  an  Michaelis  und 


1  Lau  550,  Niedermayer  p.  120  hat  1280.  Steiner  78  hat  Flozzen. 

2  Lau  672. 

5  Lau  681. 

4  Lau  645. 

5  Lau  573. 

6  Steiner  68. 

^  Lau  549.  Steiner  72  hat  1287. 


IIO 


Walpurgis  (i.  Mai).  Für  etwaigen  Schaden  des  Pachtgutes  sind  sie 
verantwortlich.1 

Friedrich  scheint  auf  dem  Grund  und  Boden  der  Mühle  neue 
Gebäude  errichtet  und  auch  sonst  reformatorisch  gewirkt  zu  haben, 
denn  1316  erhält  er  für  die  Abtretung  verschiedener  Güter,  auf 
die  wir  noch  zurückkommen,  und  für  die  Besserung  der  Mühle  und 
ihres  Zubehörs  vom  DO.  35  Pfund  Heller.2  Es  ist  wohl  anzunehmen, 
dass  Friedrich  bald  gestorben  ist,  denn  1326  und  1329  sehen  wir 
seinen  Sohn  Heilmann  u.  a.  auch  im  Besitz  dieser  Mühle;  er  gibt 
dem  DO.  für  alles  zusammen  eine  jährliche  Pacht  von  45  Malter 
Korn  und  5  Pfund  Heller.3  — 

Wie  schon  aus  dem  letzten  hervorgeht,  besass  der  DO.  in 
Dieburg  ausser  der  Mühle  Kistelberg  noch  andere  Güter.  Der  grosse 
Pachtzins,  den  Friedrich  Hartrad  1296  bezahlt,  bezieht  sich  auch  auf 
andere  Liegenschaften.  Im  selben  Jahr  vermacht  derselbe  Friedrich 
und  seine  Frau  dem  DO.  eine  halbe  Hufe  zur  Pietanz,  von  der  er 
7V2  Morgen  schon  beim  Tode  des  einen  Ehegatten  erhält,  die  übrigen 
7V2  beim  Tode  des  anderen.4  Ferner  besass  der  Orden  hier  eine 
zweite  halbe  Flufe  Land,  ein  Haus  und  mehrere  Äcker,  die  1297  an 
den  Vogt  Rudolf  Bekenhube  für  eine  jährliche  Abgabe  von  4  Malter 
Korn  verpachtet  waren.5  1314  kauft  der  Orden  eine  Erbrente  von 
6  Pfund  Hellern,  die  von  den  näher  beschriebenen  Gütern  des  mehr¬ 
erwähnten  Friedrich  fallen.6  Letzterer  verkauft  1316  dem  DO.  u.  a. 
seinen  neben  der  Mühle  Kistelberg  liegenden  Hofplatz  mit  mehreren 
Gebäuden  für  35  Pfund  Heller.7  Es  ist  anzunehmen,  dass  Heilmann, 
der  Sohn  Friedrichs,  diesen  Besitz  wieder  gepachtet  hat,  denn  der 
Zins,  den  er  1326  und  1329  dem  Orden  zahlt,  bezieht  sich  nicht  nur 
auf  die  Mühle,  sondern  auch  auf  andere  Güter;  letztere  betrugen  1329 
31  Morgen  Acker-  und  13  Morgen  Wiesenland  und  lagen  »unter  der 
Schrannen  an  der  Stadt«.8 

1  Lau  703. 

1  Lau  II.  54. 

3  Steiner  84.  85.  Lau  II.  34L  Steiner  85  und  Scriba  p.  84,  913  lassen  Heil¬ 
mann  diesen  Zins  vom  DO.  erhalten! 

♦  Lau  703. 

5  Lau  717. 

6  Lau  968,  Regest.  Nach  Niedermayer  p.  118  wird  13x9  »einiges«  erkauft. 

7  Lau  II.  54.  Niedermayer  121  hat  eine  Scheuer  und  1416. 

8  Steiner  85. 


III 


Bürgel,  Hessen,  nordöstlich  Offenbach. 

Der  Grund  zu  den  Bürgeler  Deutschordensbesitzungen  wurde 
im  Jahre  1301  gelegt:  Die  Komturei  erlässt  dem  Frankfurter  Schul- 
theissen  Heinrich  von  Praunheim  einen  jährlichen  Zins  von  20  Denaren 
und  1  Huhn,  der  von  Heinrichs  neben  dem  Deutschen  Haus  in 
Sachsenhausen  gelegenem  Hof  fiel,  und  erhält  dafür  einen  Zins  von 
dessen  Bürgeler  Gütern  angewiesen  in  Höhe  von  27  Denaren.1 

Klein-Auheim,  Hessen,  südsüdöstlich  Hanau. 

Schon  vor  1316  war  der  Orden  hier  begütert.  Dies  erfahren 
wir  1336  bei  der  Beilegung  eines  Rechtsstreites  über  ein  nach  Krotzen¬ 
burg  dingpflichtiges  Gut.  Friedrich  von  Karben,  zum  Schiedsrichter 
gewählt,  entscheidet  zugunsten  des  Ordens;  er  erklärt,  der  DO.  sei 
schon  mehr  als  20  Jahre  dessen  rechtmässiger  Besitzer  und  solle  es 
auch  fernerhin  bleiben.2  1343  verkauft  Kraft  von  Langsdorf  dem  DO. 
eine  jährliche  Kornrente  von  8  Malter  Seligenstädter  Masses  für 
32  Mark  Pfennige.  Die  Güter,  von  denen  dieser  Zins  fällt,  sind 
genau  beschrieben.3 

Dornheim,  Hessen,  westlich  Darmstadt. 

1323  verkauft  der  Edelknecht  Dietrich  von  Preungesheim  der 
Komturei  Einkünfte  von  Vs  Hufe  und  der  Hälfte  eines  Hofes.  Die 
Einkünfte  betragen  jährlich  je  drei  Malter  Weizen  und  Hafer,  2  Ka¬ 
paunen  und  40  Heller.4 

Der  Deutschordenswald. 

Östlich  und  südlich  von  Offenbach  a.  M.  besass  der  Orden  einen 
grossen  zusammenhängenden  Waldbestand.  Wir  müssen  4  selbständige 
Stücke  unterscheiden,  die  auch  bezüglich  der  Art  und  Zeit  ihrer  Er¬ 
werbung  auseinander  zu  halten  sind.  Fast  alles  scheint  ursprünglich 
im  Besitze  der  Münzenberger  und  ihrer  Verwandten  gewesen  zu  sein. 
Bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  ist  die  Erwerbung 


1  Lau  791.  Battonn  VII.  91.  Aren.  f.  Frkf.  Gesch.  6,  65.  Vgl.  oben  p.  96. 

2  Lau  II.  540. 

3  Baur,  Urkunden  zur  hess.  Gesch.  I.  391.  Scriba,  Reg.  d.  Prov.  Starken¬ 
burg,  2.  Ergänzungsheft  365.  Niedermayer  115.  Überall  zu  1343,  das  Kopialb. 
fol.  1  hatte  ebenfalls  ursprünglich  1343,  »verbessert«  aber  dann  in  1323.  Daher 
diese  Zahl  bei  Lau  II.  205. 

4  Reimer  II.  257.  Lau  II.  231.  Beide  haben  nach  Niedermayer  Dörnigheim. 
Sollte  nicht  Dorheim  (nordöstlich  Friedberg)  oder  Bornheim  gemeint  sein? 


1 12 


des  Waldes  durch  den  DO.  abgeschlossen,  aus  späterer  Zeit  hören 
wir  nichts  mehr  von  Zuwachs  desselben.  Wie  gross  er  war,  zeigt 
der  Homannsche  Atlas  von  173  5 1  sehr  gut,  obwohl  er  ihn  m.  E. 
zu  sehr  nach  Westen  schiebt.  Noch  heute  gibt  es  südlich  von  Offen¬ 
bach  einen  Deutschherrnweiher.2 

1.  Der  ßonserwald  bei  Rembrücken,  Hessen, 
südöstlich  Offenbach. 

Dieses  Stück  Wald,  das  neben  dem  Hengeshorn-Wald  lag, 
verkaufte  Gisela,  die  Witwe  Ulrichs  von  Babenhausen  (Seitenlinie 
der  Hagen-Münzenberger)  mit  ihren  Kindern  Werner,  Ulrich  und 
Jutta  1323  dem  DO.  für  20  Pfund  Heller.3 

2.  Der  Grafenwald  bei  Obertshausen,  Hessen, 
südöstlich  Offenbach. 

Den  Grafenwald  erhielt  der  DO.  1328  vom  Reichskämmerer 
Philipp  von  Falkenstein- Münzenberg  und  seiner  Tochter  Bertha  ge¬ 
schenkt.  Dafür  mussten  in  der  DO.  Kirche  jährlich  4  mal,  zu  jeder 
Quatemberzeit,  Seelenmessen  gelesen  werden  für  Philipp,  seine  Ge¬ 
mahlin  und  Tochter,  für  Thomas  von  Rheineck,  Raugraf  Heinrich 
und  Siegfried  von  Eppstein  nebst  Gemahlinnen,  sowie  für  Weirich 
von  Duna;  ferner  musste  sich  der  Komtur  verpflichten,  jedesmal, 
also  4  mal  im  Jahre,  seinen  Ordensbrüdern  je  1  Mark  zu  Pietanz 
zu  stiften.4 

Aus  Urkunden,  die  noch  zu  erwähnen  sind,  kennen  wir  die 
Vorgeschichte  dieser  Schenkung.  Mit  der  Hälfte  des  Waldes  war 
Raugraf  Heinrich  belehnt,  ihm  kaufte  der  DO.  den  Wald  ab,  worauf 
dieser  ihn  in  die  Hände  Philipps  v.  Falkenstein  resignierte,  der  nun 
den  ganzen  Wald  dem  Orden  schenkte.  Letzterem  scheinen  aber 
von  der  raugräflichen  Seite  Schwierigkeiten  bereitet  worden  zu  sein. 
Denn  Heinrichs  Sohn  Philipp  bestätigte  die  Abtretung  erst  nach 
Empfang  einer  Summe  Geldes.  Dafür  musste  er  aber  auch  nicht 
weniger  als  3  Verzichtsurkunden  ausstellen,  die  eine  1342, 5  die  beiden 
anderen  gemeinsam  mit  seiner  Gemahlin  Agnes  1343.6  Die  Tatsache, 

1  Nr.  107,  Frkf.  Territ. 

2  Vgl.  Offenbacher  Zeitung  vom  1.  Dez.  1904. 

3  Lau  II.  228. 

+  Das.  325. 

s  Kopialb.  fol.  43  b. 

Das.  43.  43  b. 


—  1 13  — 

dass  Philipp  nur  gegen  Bezahlung  verzichtete,  befremdet  um  so  mehr, 
als  er  sich  und  Agnes  in  der  Urkunde  vom  19.  Juli  1343  mit  einem 
gewissen  Stolz  als  Mitbruder  des  DO.  bezeichnet.1 

1337  erwirbt  der  Orden  von  einem  Ritter  Stöcker  zwei  Wiesen¬ 
stücke  im  Grafenwald;  für  das  eine  muss  er  3  Pfund  Heller  bezahlen, 
das  andere  erhält  er  geschenkt.2  1342  entscheidet  der  Dekan  der 
Frankfurter  Bartholomäuskirche  als  päpstlicher  Konservator  der  DO. 
Privilegien  einen  Streit  zwischen  unserer  Komturei  und  den  Steinheimer 
Schöffen.  Um  was  sich  dieser  Prozess  drehte,  geht  aus  dem  Doku¬ 
mente  nicht  hervor.  Eine  von  späterer  Hand  geschriebene  Anmerkung 
besagt,  dass  es  sich  um  den  Viehtrieb  im  Grafenwald,  also  um  das 
Weiderecht  handele.  Wieweit  dieser  Zusatz  das  richtige  trifft, 
lasse  ich  dahingestellt;  der  Urkunde  selbst  können  wir  nur  ent¬ 
nehmen,  dass  sich  der  DO.  durch  irgend  einen  Spruch  des  Stein¬ 
heimer  Schöffengerichts  in  seinen  Rechten  verletzt  fühlte  und  Be¬ 
schwerde  erhob.  Der  genannte  Privilegienbeschützer  des  Ordens 
lud  darauf  die  Schöffen  vor  und  verhörte  sie;  nach  Leistung  eines 
Reinigungseides  wurden  sie  freigesprochen,  mussten  jedoch  die 
Prozesskosten  tragen.3 

3.  Der  Wald  bei  Hausen,  Hessen,  südöstlich  Offenbach. 

Dieser  Wald  nebst  den  dazu  gehörigen  Stücken  Land  gehörte 
dem  Mainzer  Karthäuserkloster,  und  letzteres  verkauft  ihn  1337  dem 
DO.  für  eine  Erbrente  von  16  Malter  Korn.  Der  Wald  wird  als  an 
den  Grafenwald  anstossend  bezeichnet;  er  liegt  auf  beiden  Seiten  der 
Rodenbach,  der  heutigen  Rodau,  und  wurde  »gemessen,  begangen  und 
beweiset  von  der  Kundschaft  des  Dorfes  Hausen«.4  Die  16  Malter 
Korn  wies  der  Orden,  nach  Niedermayer  122,  dem  Kloster  von 
seinen  Gütern  in  Weilbach  zu. 

4.  Der  Hainbachwald  bei  Heusenstamm,  Hessen,  südöstlich 

Offenbach. 

Auch  dieser  Wald  war  Münzenbergisches,  später  Falkensteinsches 
Eigentum;  ungefähr  in  seiner  Mitte  lag  der  heute  noch  bestehende 
Wildhof.  Der  Wald  spielte  schon  bei  der  Gründung  der  Komturei 
eine  Rolle.  Zusammen  mit  anderen  Stücken  ging  er  damals  nicht 

1  Das.  43.  Über  diese  Institution  vgl.  Voigt  I.  337  ff. 

2  Lau  II.  613. 

3  Kopialb.  44  b. 

4  Lau  II.  602. 

8 


-  1 14  - 

in  DO. -Besitz  über.  Jetzt  aber,  nach  mehr  als  130  Jahren,  gelang  es 
dem  Orden,  auch  diesen  schönen  und  grossen  Besitz  zu  erwerben. 

1343  verkaufen  Ulrich  III.  von  Hanau  und  seine  Gemahlin 
Adelheid  ihren  Teil  des  Hainbachwaldes,  nämlich  den  oberen  Hain¬ 
bachwald,  dem  DO.  für  780  Pfund  Heller.1 

Am  6.  Juni  1344  verkauft  auch  Philipp  v.  Falkenstein-Münzen¬ 
berg  d.  Älteste  nebst  Gemahlin  und  Schwester  dem  DO.  seinen  Teil 
des  Hainbachwaldes  für  550  Pfund  Heller.2  Bereits  21  Tage  später,  am 
27.  Juni,  beurkundet  Cuno  von  Falkenstein,  dass  dieser  Verkauf 
mit  seiner  Einwilligung  geschehen  sei,3  und  umgekehrt  erklärt  1345 
wiederum  Philipp,  für  sich  und  seine  Erben  von  neuem  Verzicht 
leistend,  seine  Zustimmung  zu  Cunos  Erklärung.4  Beide  nennen  sich 
Neffen. 

Ausserdem  stellen  1345  noch  Ulrich  und  Cuno  über  diesen 
Verkauf  eine  Urkunde  aus,  und  zwar  in  zwei  Exemplaren,  die  sich 
nur  dadurch  unterscheiden,  dass  in  der  einen  Ulrich,  in  der  anderen 
Cuno  an  erster  Stelle  genannt  wird.  Sie  treten  für  750  Pfund  Heller 
ihre  Rechte  an  den  Orden  ab,  nämlich  Wald,  Feld,  Wiesen,  Wasser 
und  Weide ,  doch  mit  Ausnahme  des  W  i  1  d  b  a  n  n  r  e  c  h  t  e  s. 5 6 
Dass  auch  sonst  die  Falkensteiner  nicht  den  ganzen  Wald  und  nicht 
alle  Rechte  an  ihm  dem  DO.  überliessen,  zeigt  eine  Urkunde  von  1347. 
In  diesem  Jahre  gestattet  Cuno  seinen  Bauern  in  Offenbach  auf  ihre 
»Bitte  und  Notdurft«,  von  dem  Walde  zwischen  Heusenstammer-  und 
Rodauerstrasse  dem  DO.  eine  Hufe  zu  verkaufen/ 

b)  Rechtsmainische  Besitzungen  der  Komturei. 

Anm.  Nicht  begütert  war  die  Komturei  Sachsenhausen  in  Wiesbaden, 

wie  Niedermayer  17  will.  W.  gehörte  zur  Ballei  Koblenz;  Voigt  I.  64. 

Auch  noch  nicht  in  Somborn,  wie  Lau  948  nach  Niedermayer  angibt. 

Letzterer  hatte  eine  Vorurkunde  vor  sich  (Reimer  II.  100),  die  er  offenbar 

missverstand. 

Ober-Mörlen,  Hessen,  nordwestlich  Friedberg. 

Schon  K.  Philipp  hatte  dem  DO.  das  halbe  Patronatsrecht  der 
Pfarrkirche  zu  O-  geschenkt.  Vielleicht  fand  diese  Schenkung  auf 

1  Reimer  II.  p.  626. 

1  Kopialb.  176.  1 76 b ,  zwei  am  selben  Tag  ausgestellte  Urkunden,  die  un¬ 
wesentlich  von  einander  abweichen  und  sich  gegenseitig  ergänzen. 

3  Das.  176  b. 

4  Kopialb.  178. 

5  Das.  176  b.  177  L 

6  Das.  178  b. 


—  1 1 5  - 

dem  grossen  Fürstentag  zu  Würzburg-Nordhausen  im  August  1207 
statt,  wo  die  Grafen  von  Ziegenhain  dem  Orden,  d.  h.  der  Ballei 
Flessen,  die  Reichenbacher  Kirche  schenkten.1  Philipps  Nachfolger 
bestätigte  diese  Schenkung  zweimal,  1213  und  12 18. 2 * 

Die  andere  Hälfte  der  Kirche  erhielt  die  Komturei  1220  von 
Eufemia,  Gräfin  von  Kleeberg,  und  zwar  erfolgte  diese  Schenkung 
durch  ihren  Erben  Herzog  Leopold  von  Österreich  und  Steiermark. 
Unter  den  Zeugen  bemerken  wir  Heinrich  von  Ybach,  den  späteren 
Komtur  von  Sachsenhausen. 1 

Schon  ein  Jahr  vorher  hatte  Erzbischof  Siegfried  II.  von  Mainz 
den  DO.  im  Besitze  dieser  Rechte  bestätigt,  wobei  er  die  ausdrück¬ 
liche  Bedingung  stellte,  dem  Pfarrer  ein  ausreichendes  Einkommen 
zu  gewähren.4  Ebenso  geben  die  Pröpste  des  Mainzer  Mariengreden¬ 
stiftes  ihre  Zustimmung.5 

Auch  die  Herren  von  Isenburg  hatten  Rechte  an  dieser  Kirche, 
und  diese  überträgt  1220  Heinrich  von  I.  nebst  Gemahlin  mit  Ein¬ 
willigung  des  Diözesanbischofs  an  den  DO.6  Die  Bestätigungsurkunde 
ihres  Enkels  Ludwig,  worin  dieser  am  23.  März  1274  auch  auf  den 
Zehnten  verzichtet,  den  die  Komturei  schon  länger  als  40  Jahre  be¬ 
sitze,  wird  acht  Tage  später  wiederum  von  K.  Rudolf  bestätigt.7 
Zwei  Jahre  vorher  hatte  auch  Gerlach  von  Limburg  die  Schenkung 
seiner  Vorfahren  anerkannt.8 

1281  schenkt  Konrad  Weingärtner  aus  Friedberg  dem  Orden 
Äcker  und  Weinberge  in  Obermörlen.9  1308  kauft  unsere  Komturei 
von  der  Mainzer  Liegenschaften  für  13  Mark.10  1340  hören  wir  von 
einer  Ordensbesitzung,  Hofraite  nebst  Zubehör,  die  der  Friedberger 
Bürger  Johannes  gepachtet  hat  für  einen  jährlichen  Zins  von 


1  Böhmer-Ficker,  Reg.  imp.  159.  Ausserdem  urkundet  Philipp  nur  noch 
einmal  für  den  DO.,  daselbst  132. 

1  Lau  39  u.  Zusatz. 

5  Lau  39  Zus.  Ein  Nachkomme  von  ihr  liegt  80  Jahre  später  im  Streit 
mit  der.  Komturei,  Lau  765. 

4  Lau  39  Zus.  Voigt  I.  506. 

>  Die  Urkunde  von  Dietrich  und  Arnold  ohne  Datum  im  Kopialb.  72. 
Lau  39  Zus.  legt  nach  Würdtwein,  Dioec.  Mog.  III.  60  die  eine  ins  Jahr  12:9. 
Werners  Urk.  bei  Lau  195;  es  handelt  sich  natürlich  um  Obermörlen. 

6  Lau  39  Zus. 

7  Lau  330  und  Zus. 

s  Lau  302. 

9  Lau  453. 

10  Lau  91 1. 


8* 


—  1 1 6  — 

7  Schillingen,  i  Mesten  Öl  und  2  Hühnern.1  Auch  der  Frohnhof, 
der  das  Reichsburglehen  des  Friedberger  Burgmannes  Ulrich  von  Hanau 
war,  ging  in  Ordensbesitz  über,  er  ertauschte  ihn  gegen  seine  Güter 
zu  Nieder-  und  Oberdorfelden.  1346  genehmigt  Kaiser  Ludwig  diesen 
Tausch,  er  entbindet  den  Fronhof  von  allen  Leistungen  und  schenkt 
ihn  vollständig  abgabenfrei  dem  DO.2 

Im  Jahre  1296  gewann  die  Komturei  einen  Prozess  gegen  die 
Ritter  Frank  von  Mörlen,  Gerhard  von  Hüftersheim  u.  a.  Letztere 
waren  dem  DO.  den  Rottzehnten  aus  der  Gemarkung  von  Obermörlen 
zu  liefern  verpflichtet,  hatten  ihn  jedoch  offenbar  ohne  Einwilligung 
des  Ordens  gegen  eine  Saline  zu  Wisselsheim  vertauscht.  Die  Komturei 
bestand  natürlich  auf  ihrem  Recht,  und  es  entstand  ein  Streit,  der 
endlich  durch  Vermittlung  Philipps  des  Älteren  von  Falkenstein  und 
des  Friedberger  Burggrafen  Ruprecht  von  Karben  geschlichtet  wurde, 
und  zwar  zugunsten  des  Ordens.3  Einen  anderen  Zwist  hatte  1341 
der  Orden  mit  den  Vorfahren  eines  heute  noch  bestehenden  Adels¬ 
geschlechtes,  mit  den  Löwen  von  Steinfurt,  über  den  Zehnten  von 
zwei  Äckern,  dem  Wasselen-  und  des  heiligen  Kreuzes  Acker.  Der 
Schiedsrichter,  Priester  Eigel  von  Gambach,  zog  von  den  verschie¬ 
densten  Seiten  Erkundigungen  ein  und  fällte  den  Spruch,  dass  der 
Orden  die  Hälfte  der  Zehnten  zu  beanspruchen  habe,  die  andere 
Hälfte  falle  nach  Ostheim.4 * 

Nieder-Wöllstadt,  Hessen,  südlich  Friedberg. 

Der  bereits  1212  verstorbene  Cuno  I.  von  Münzenberg  hatte 
die  Kirche  mit  dem  Patronat,  dem  Zehnten  und  allem  übrigen  Zubehör 
geschenkt.  Seine  Erben  bestätigten  diese  Schenkung,  1253  Philipp  I. 
von  Falkenstein,  1255  Ulrich  II.  von  Münzenberg. s  1253  tat  dies 
auch  Erzbischof  Gerhard  von  Mainz  und  sein  Domkapitel,6  und  diesem 
Beispiel  folgte  am  10.  Juni  1255  Werner,  Propst  des  dortigen  Marien¬ 
gredenstiftes,7  um  14  Tage  später  dem  DO.  auch  die  Besetzung  dieser 
Kirche  mit  Ordensgeistlichen  zu  gestatten.8 

1  Urk.  im  Grossh.  Haus-  u.  Staatsarchiv  zu  Darmstadt.  Kopialb.  77  b  hat  1350. 

2  Diese  Urkunde  ist  sehr  oft  gedruckt  und  verzeichnet,  ich  erwähne  nur 
Reimer  II.  p.  677. 

5  Lau  260. 

4  Darmst.  Arch.,  Kopialb.  74  b. 

s  Lau  176.  1 9  r .  192. 

6  Lau  172. 

7  Lau  194. 

8  Lau  195. 


—  1 17  - 

Gegen  Ende  des  Jahres  1274  trat  der  Orden  wegen  Ankauf  des 
Rottzehnten  mit  Werner  von  Falkenstein-Münzenberg  in  Unterhand¬ 
lung.  Letzterer  war  dazu  bereit,  und  auch  der  Mainzer  Erzbischof 
hatte  bereits  die  Erlaubnis  dazu  erteilt,1  da  traten  plötzlich  von  irgend 
einer  Seite  Schwierigkeiten  ein,  die  Verhandlungen  zerschlugen  sich, 
und  am  1.  Juli  1275  musste  der  DO.  die  Erklärung  abgeben,  der 
Kauf  sei  nicht  perfekt  geworden  und  die  Komturei  habe  keinerlei 
Anspruch  auf  diesen  Zehnten.2 

1268  erfahren  wir,  dass  Niederwöllstädter  Güter  des  Klosters 
Ilbenstadt  dem  DO.  zinspflichtig  sind.3 

Die  Witwe  Adelheid  Weingärtner  zu  Friedberg  hatte  dem  DO. 
1V2  Hufen  Ackerland  in  Niederwöllstadt  verkauft.  Ihr  Schwiegersohn 
erhob  Ansprüche  auf  diese  Güter,  zog  sie  jedoch  1300  auf  Einschreiten 
des  vom  Papst  zum  Beschützer  der  DO.-Privilegien  ernannten  Dekans 
des  Frankfurter  Bartholomäusstiftes  zurück.4  Andere  Rechtshändel 
folgten.  Nachdem  Werner  von  Falkenstein-Münzenberg  der  Komturei 
wiederholt  das  Besthaupt  erlassen,5  erhob  das  Kloster  St.  Alban  zu 
Mainz  Anspruch  auf  diese  Abgabe.  Der  DO.  protestierte  natürlich, 
und  beide  Parteien  beschliessen  1302,  ihre  Sachen  zwei  Schieds¬ 
richtern  vorzulegen;6  über  den  Ausgang  dieses  Streites  sind  wir 
nicht  unterrichtet. 

Obwohl  sich  die  Falkensteiner  auch  hier  als  Wohltäter  und 
Förderer  der  Komturei  bewiesen,  muss  sich  Philipp  der  Ältere  darüber 
beklagen,  dass  seine  Rechte  inbezug  auf  den  ihm  zustehenden  Bede- 
weizen  vom  DO.  verletzt  wurden,  und  dass  es  hierüber  zwischen 
ihnen  zu  einem  Zerwürfnis  kam.  Indes  kam  1305  eine  Einigung 
zustande.  Philipp  und  sein  Sohn  Werner  verzichten  auf  diese  Abgabe, 
dagegen  muss  sich  die  Komturei  verpflichten,  in  Niederwöllstadt 
künftig  keine  Güter  mehr  käuflich  zu  erwerben.  Grundbesitz,  den 
sie  durch  fromme  Schenkungen  erhält,  muss  sie  verpachten,  und  zwar 
an  solche  Leute,  die  Gewähr  dafür  bieten,  dass  Philipps  Rechte 
gewahrt  werden.7  Bereits  im  folgenden  Jahre  konnte  diese  letzte 


1  Lau  345. 

2  Lau  357. 

3  Nach  dem  Repertorium  des  Darmst.  Arch.,  die  Urkunde  selbst  war  1903 
nicht  zu  finden. 

+  Lau  763. 

s  Lau  730  (1298). 

6  Lau  803. 

7  Lau  866. 


—  i  iS  - 

Bestimmung  in  Kraft  treten,  indem  der  Orden  zwei  neben  dem  Kirch¬ 
hof  liegende  Häuser  nebst  Hof  und  Scheune  für  einen  jährlichen  Zins 
von  2  Pfund  Denaren  und  4  Hühnern  an  Konrad  Milde  in  Pacht  gibt, 
ferner  hat  der  Pächter  den  Herren  von  Bellersheim,  die  das  Gericht 
in  Händen  haben,  jährlich  2  Hühner  und  auch  die  sonstigen  rechtlichen 
Abgaben  zu  entrichten.1 

1315  schenkte  Philipp  der  Ältere  der  Komturei  ein  bei  ihrem 
Hof  gelegenes  Stück  Land2,  1317  genehmigt  er  einen  Landaustausch3, 
der  2  Jahre  vorher  zwischen  dem  DO. -Pfarrer  in  Niederwöllstadt 
und  der  dortigen  Dorfgemeinde  abgeschlossen  wurde.4  Einen  ähnlichen 
Tausch  endlich  gestattete  er  1340.5 

Eckenheim,  Hessen-Nassau,  nördlich  Frankfurt. 

Auch  hier  hatte  Cuno  I.  von  Münzenberg  (f  1212)  den  Grund 
zu  den  Ordensbesitzungen  gelegt,  indem  er  der  Komturei  die  ansehn¬ 
liche  Schenkung  eines  jährlichen  Einkommens  von  1 10  Malter  Korn 
zuwandte;  diese  Korngült  fiel  von  11  Hufen  Land,  die  in  Münzen- 
bergischem,  bezw.  Falkensteinschem  Besitz  blieben.6  1287  erhielt  die 
Komturei  von  Elisabeth,  der  Witwe  des  Mainzer  und  später  Frank¬ 
furter  Bürgers  Konrad  Kolbe  aus  Hochheim7,  120  Mark,  deren 
Zinsen  zu  gewissen  angegebenen  Zwecken  verwendet  werden  sollen. 
Mit  diesem  Geld,  d.  h.  mit  117  Mark,  erkauft  nun  der  DO.  von 
Werner  von  Falkenstein  die  11  Münzenbergischen  Hufen,  die  schon 
seit  mindestens  75  Jahren  mit  jener  Abgabe  an  den  Orden  belastet 
waren;  doch  muss  er  versprechen,  diesen  Grundbesitz  nie  zu  ver- 
äussern.8 

1252  schenkte  K.  Wilhelm  dem  Orden  die  Kirche  und  das 
Patronat  zu  Eckenheim,  und  zwar  auf  die  Bitte  seines  dem  DO.  an- 
gehörigen  Armenpflegers  Heinrich.9 


1  Lau  876. 

2  Lau  II.  24. 

3  Das.  43. 

4  Das.  Zus.  Diese  Urkunde  ist  in  der  von  1317  enthalten,  Kopialb.  187. 

5  Kopialb.  187  b.  Der  DO.  erhält  1  Morgen  in  loco  dicto  Anzogenstein, 
wo  liegt  dies  ? 

6  Lau  524—526. 

7  Konrad  und  seine  Frau  erwiesen  sich  noch  mehr  als  Wohltäter  der  Komturei 
Sachsenhausen  (Lau  461,  478,  486),  ferner  der  Komturei  Mainz  (Lau  854)  und 
des  Klosters  Tielencal  (Lau  299,  461).  Er  wohnt  zuletzt  im  Deutschen  Haus,  Lau  554. 

8  Lau  524 — 26.  Thomas  164  hat  1280. 

">  Reimer  I.  p.  205. 


Über  diese  und  Preungesheimer  Güter  kam  es  zu  einem  Konflikt 
zwischen  dem  DO.  und  Philipp  dem  Älteren  von  Falkenstein.  Letzterer 
übergab  die  Führung  seiner  Sache  dem  Frankfurter  Dekan  Philipp, 
und  so  unterzogen  sich  1315  der  Dekan  und  der  DO.-Priester  Wigand 
der  Mühe,  verschiedene  Einwohner  von  Eckenheim  über  die  genau 
beschriebenen  strittigen  Äcker  und  Zehnten  zu  verhören,  worauf  sie 
feststellen  konnten,  dass  der  Zehnte  teils  nach  Preungesheim,  teils 
nach  Eckenheim  zu  zahlen  sei.1  Nach  Niedermayer  137  wurden  die 
Felder  13 30  von  neuem  gemessen,  gesteint  und  ihre  Zehnten  verzeichnet. 

Als  Besitznachbar  wird  der  DO.  in  Eckenheim  1310,  1314,  1337 
und  1340  erwähnt.2 

Holzburg,  Wüstung3  nordöstlich  Usingen. 

In  diesem  jetzt  verschwundenen  Ort  besass  der  DO.  eine  Kapelle 
mit  ihrem  Patronat;  die  Kapelle  war  Filiale  der  Pfarrkirche  zu  Ober¬ 
mörlen.  Sie  wurde  nicht  von  K.  Philipp  geschenkt,  auch  nicht  von 
Friedrich  II.  1213  bestätigt,4  sondern  erst  1218  von  letzterem  geschenkt.5 6 
1220  erwirbt  die  Komturei  auch  die  Rechte  der  Isenburger.  Diese 
Abtretung  und  ihre  öftere  Anerkennung,  auch  durch  die  Mainzer 
Geistlichkeit,  erfolgte  genau  wie  in  Obermörlen  (oben  p.  115). 

Rödelheim,  Hessen-Nassau,  westnordwestlich  Frankfurt. 

Auch  in  den  Besitz  der  hiesigen  Kapelle  nebst  Zubehör  und  dem 
Zehnten  kam  der  DO.  durch  eine  Schenkung  Friedrichs  II.  1219/ 
Er  behielt  sie  56  Jahre  lang;  1275  ging  er  mit  Erlaubnis  K.  Rudolfs 
und  des  Erzbischofs  Werner  von  Mainz  folgenden  Tausch  ein.  Er 
tritt  die  Kapelle  an  Werner  I.  von  Falkenstein  ab  und  erhält  dafür 
von  diesem  die  Pfarrkirche  zu  Preungesheim.7 

1278  kauft  der  DO.  von  Hermann  von  Bierstadt  V*  Hufe  Acker¬ 
land,  2V2  Morgen  Wiesen  und  die  Hälfte  von  drei  Hofstätten.8  1304 
vermacht  der  Edelknecht  Cuno  von  Preungesheim  dem  Orden  eine 


1  Lau  II.  23. 

1  Reimer  II.  Nr.  99.  140.  492.  561. 

3  Wagner,  Wüstungen  I.  9.  32.  309. 

4  Niedermayer  168.  Es  war  eine  Kapelle,  nicht  Kirche,  wie  Niedermayer 
verschiedentlich  will. 

5  Lau  39  Zus.  Die  Hälfte  der  Kapelle. 

6  Lau  48.  Von  2V2  Wiesen  steht  in  dieser  Urkunde  nichts,  wie  Nieder¬ 
mayer  134  angibt,  dagegen  in  einer  von  1278.  Lau  398. 

7  Lau  344.  347.  348.  350.  Vgl.  p.  122. 

s  Lau  398.-  Bei  Niedermayer  134  falsch. 


120 


jährliche  Rente  von  »i  ferto  Denaren«  von  seinem  Hot  und  seinen 
übrigen  Rödelheimer  Gütern.1 

Nach  Niedermayer  134  betrugen  die  Ordensbesitzungen  ca.  1350 
17  Morgen  und  2  Viertel  Ackerland,  6  Morgen  Wiesen.  Sie  ertrugen 
8  Malter  Korn  und  6  Schillinge.  Doch  hatte  der  Orden  von  seinen 
Rödelheimer  Gütern  auch  Abgaben  zu  entrichten,  so  seit  1316  an 
das  Kloster  Padershausen  einen  jährlichen  Zins  von  2  Mark.2 

Hüftersheim,  Wüstung5  bei  Obermörlen,  Hessen, 
nordnordöstlich  Friedberg. 

Wie  in  Obermörlen  und  Holzburg  hatte  Heinrich  von  Isenburg 
mit  Genehmigung  des  Diözesanbischofs  auch  hier  die  als  Filiale  zu 
Obermörlen  gehörige  Kapelle  (nicht  Kirche,  wie  Niedermayer  will) 
mit  dem  Patronatsrecht  geschenkt.  Wie  die  beiden  anderen  Schen¬ 
kungen,  so  bestätigte  dessen  Enkel  Ludwig  auch  diese,  sowie  den 
Zehnten,  den  der  DO.  schon  über  40  Jahre  besitzt,  1274;  und  diese 
Urkunde  wurde  wiederum  von  K.  Rudolf  bestätigt.4 

Bornheim,  Hessen-Nassau,  nordnordöstlich  Frankfurt. 

Neben  anderen  Schenkungen,  die  zu  bestimmten  Zwecken  ver¬ 
wendet  werden  sollen,  schenkt  die  Witwe  Gunos  II.,  Elisabeth,  1222 
auch  7  Hufen  in  Bornheim,  das  Vorwerk  genannt.  Vorderhand 
geniesst  sie  noch  alle  Güter  für  einen  jährlichen  Pachtzins  von 
10  Schillingen.5  Die  Ritter  von  Heusenstamm,  4  Brüder,  machten 
jedoch  dem  DO.  einen  Teil  dieser  Bornheimer  Schenkung  und  auch 
andere  daselbst  vom  Orden  käuflich  erworbene  Güter  streitig,  und 
1280  einigte  man  sich  dahin,  verschiedene  Mainzer  Geistliche  in 
dieser  Sache  zu  Schiedsrichtern  zu  wählen.6  1281  wird  der  Prozess 
in  erster  Instanz  vor  dem  Geistlichen  Gericht  in  Mainz  ausgetragen. 
Die  Güter,  um  die  sich  der  ganze  Streit  dreht,  sind  genau  beschrieben. 
Auf  einen  Teil  von  ihnen,  nämlich  1  Flof  und  23  Morgen,  verzichten 
die  Heusenstammer.  Über  die  übrigen  wurde  noch  keine  Einigung 
erzielt,  sondern  man  beschloss,  einen  neuen  Schiedsmann  zu 


!  Lau  847. 

2  Lau  II.  44.  Baur  I.  260.  Bei  Pettenegg  p.  244  Nr.  932  falsch.  Nieder¬ 
mayer  1 1 2  hat  statt  Rödelheim  Petterweil. 

5  Wagner  I.  39. 

4  Lau  330  und  Zus. 

5  Lau  57. 

6  Lau  433. 


1 2  I 


wählen.1  1282  verzichten  die  Ritter  auch  auf  ihre  letzten  Ansprüche, 
sodass  der  DO.  damit  nicht  nur  die  Schenkung  der  Elisabeth  definitiv 
gewann,  sondern  auch  noch  6  Hufen  Land  mit  den  dazu  gehörigen 
Höfen.1 3 

Einen  weiteren  Zuwachs  erfuhren  die  Ordensbesitzungen  durch 
den  Frankfurter  Bürger  Giselbert  von  Friedberg,  der  1296  dem  DO. 
Güter  in  Heldenbergen  und  Bornheim  vermacht,  im  Gesamtwerte 
von  100  Mark.5 

Bergen,  Hessen-Nassau,  nordöstlich  Frankfurt. 

Elisabeth  schenkte  1222  auch  hier  Güter,  und  zwrar  1  Hof  mit 
7  Hufen  Land.4  Hiervon  verkaufte  der  DO.  1261  dem  Kloster 
Haina  4Hufen;s  unter  den  übrigen  Ländereien,  die  erbehielt,  waren 
zweifellos  auch  Weinberge,  wie  sich  aus  dem  folgenden  ergibt. 
1337  schenkt  Adelheid  von  Bergen,  Schwester  des  DO. -Bruders 
Culmann,  der  Komturei  3  Viertel  Morgen  Weinberge,  die  neben  dem 
DO.-Weinberg  liegen.  Sie  erhält  die  Weinberge  wieder  in  Pacht 
für  einen  jährlichen  Zins  von  1  Schilling  Heller.6  Auch  Culmanns 
Erbteil  brachte  dem  Orden  Güter  in  Bergen  ein,  1343  wird  ein 
diesem  Bruder  gehöriger  Acker  erwähnt.7 

1350  kauft  der  DO.  von  Hannemann  Becker  eine  Rente  von 
2  Malter  Korn  auf  6  Morgen  Acker  für  15V2  Pfund  Heller.8 

Preungesheim,  Hessen-Nassau,  nördlich  Frankfurt. 

Auch  hier  erwarb  der  Orden  seine  ersten  Besitzungen  1222  durch 
Schenkung  der  mehrerwähnten  Elisabeth;  es  waren  ein  Hof,  4  Hufen 
und  5  Morgen  Weinberge.9  Auf  ihren  Wunsch  verzichtet  4  Jahre 
später  ihr  Stiefvater  Konrad  von  Steinach  auf  diese  und  andere  Güter,10 II 
und  noch  125 1  vidimiert  das  Kloster  Anrsburg  diese  Verzichtsurkunde.“ 


1  Lau  451.  Dass  das  Vorwerk  bei  Bornheim  lag,  erfahren  wir  erst  aus 
dieser  Urkunde.  Man  darf  daher  mit  Lau  nicht  Vurwere  lesen,  sondern  Vurwerc. 

I  Lau  458.  Diese  Güter  sind  bei  Lau  451  einzeln  aufgezählt. 

3  Lau  702. 

*  Lau  57. 

s  Lau  235.  Niedermayer  20  hat  1267. 

6  Lau  II.  629. 

7  Reimer  II.  620. 

s  Kopialb.  57  t>.  Nur  z.  T.  richtiges  Regest  bei  Reimer  III.  p.  60  Zus. 

■  Lau  57.  Auf  den  Irrtum  Niedermayers,  dass  er  Gertrud  von  Weinheim 
1 304  hier  schenken  lässt,  wurde  schon  p.  104  aulmerksam  gemacht. 

10  Kopialb.  15.  Lau  74.  Bei  Niedermayer  134  falsch. 

II  Lau  74  Zus. 


122 


Im  Jahre  1274  kauft  die  Komturei  von  Ritter  Winter  von 
Preungesheim  13  Morgen  und  2  Hufen,  das  Vrich  genannt,1  wobei 
Winter  verspricht,  zum  Ersatz  für  diese  reichslehnbaren  Güter  dem 
Reich  seine  Eigengüter  in  Langendiebach  aufzutragen.2  Nachdem 
letzteres  geschehen,  bestätigt  der  Burggraf  von  Friedberg  1276  diesen 
Verkauf,3  auch  K.  Rudolf  selbst  stellt  noch  im  selben  Jahre  hierüber 
eine  Urkunde  aus.4 5  Diesen  Verkauf  erwähnt  Winter  1281  in  einer 
Urkunde,  die  er  für  seinen  Ganerben  Erwin  von  Preungesheim  aus¬ 
stellt,3  und  auch  letzterer  muss  von  seinen  Preungesheimer  Gütern 
dem  DO.  seit  1285  den  Zehnten  entrichten.6 

Im  Jahre  1275'  tritt  der  Orden,  wie  wir  bereits  wissen,  seine 
Rödelheimer  Kapelle  an  Werner  von  Falkenstein  ab  und  erhält  dafür 
von  diesem  die  Pfarrkirche  zu  Preungesheim;  ferner  kauft  er  ihm 
zwei  Drittel  des  dortigen  Zehnten  ab,  für  den  Werner  dem  Reich  6 
Eigenhilfen  auftragen  muss.7  1283  resignierte  Simon,  Rektor  der 
Praunheimer  Kirche,  nachdem  er  Bischof  von  Worms  geworden  war, 
auf  die  Pfarrei  zu  Preungesheim.8 

Am  1.  Juni  1275  übergibt  die  Witwe  Mechtilde  dem  DO.  einen 
Hof  und  34  Morgen.9  Einige  Tage  später  wird  dieser  Verkauf  vom 
Frankfurter  Bartholomäusstifte  bestätigt,  dem  der  Orden  einen  jähr¬ 
lichen  Pachtzins  von  1  Pfund  Denaren  zahlt;  verpachtet  die  Komturei 
diese  Güter  weiter,  so  beansprucht  das  Stift  ferner  als  Besthaupt 
5  Schillinge. 10  Letztere  Abgabe  lastete  auf  den  Ordensgütern  bis 
1295,  wo  sie  die  Komturei  für  3  Mark  ablöste.11 

1279  hat  der  DO.  Zins  an  Wicker  zu  zahlen.12 

Der  Konflikt  der  Komturei  mit  Philipp  von  Falkenstein,  bei 
dem  es  sich  auch  um  Preungesheimer  Güter  handelte,  wurde  schon 
p.  1 19  berührt.  Eine  neue  Feststellung  der  Zehntgehörigkeit,  sowie 

1  Auch  Freicht  u.  ähnlich  (Flurname). 

2  Lau  333.  Niedermayer  134  hat  15  Morgen  und  1273,  dieses  falsche  Regest 
haben  Reimer  I.p.  353  und  Lau  326  übernommen. 

5  Lau  370. 

+  Lau  373. 

5  Reimer  I.  p.  429. 

<5  Lau  505. 

7  Lau  344.  345.  347 — 351- 

*  Lau  477.  Lau  hat  Praunheim. 

“>  Lau  355.  Das  Regest  ist  nur  z.  T.  richtig. 

10  Lau  356. 

11  Lau  677. 

12  Lau  410. 


123 


Messung  und  Steinung  dieser  Güter  fand  nach  Niedermayer  137  im 
Jahre  1330  statt,  und  über  die  Pfarrzinsen  kannte  er  einen  Akten¬ 
faszikel  von  1340. 

Als  Besitznachbar  wird  der  DO.  1314  und  1339  erwähnt.1 

Oppershofen,  Hessen,  ostsüdöstiich  Butzbach. 

Auch  hier  war  die  Komturei,  wenn  auch  nur  kurze  Zeit,  begütert, 
und  zwar  ebenfalls  infolge' eine  Schenkung  Elisabeths.  Der  Verzicht 
ihres  Stiefvaters  von  1226  bezieht  sich  auch  auf  Güter  in  Oppershofen,2 3 
und  noch  1257  vidimiert  der  DO.  für  das  hier  begüterte  Kloster 
Arnsburg  diese  Urkunde.5  Der  Orden  wird  also  inzwischen  die 
betr.  Güter  an  Arnsburg  veräussert  haben. 

Hulshofen,  Wüstung4  bei  Okarben,  Hessen,  südlich  Friedberg. 

Wegen  der  hiesigen  Ordensbesitzungen  kam  es  zu  einem  Streit 
mit  dem  Pfarrer  von  Langendiebach,  Walther  von  Eschborn,  der  1232 
gütlich  beigelegt  wurde.5  Von  demselben  Walther  kauft  der  DO. 
vier  Jahre  später  Güter  für  5  Mark,6  1304  von  dem  Frankfurter 
Krämer  Heinrich  Rufus  1  Hufe  und  7V2  Morgen  Land,7  1317  xh  Hufe 
von  Elisabeth  von  Hulshofen  und  deren  Kindern,8  und  endlich  1334 
1  Hufe  von  Heinrich  von  Kalsmunt  für  54  Mark.9 

Rödgen,  Hessen,  nördlich  Friedberg.10 
H  i  r  z  b  a  c  h,  W üstung 1 1  bei  Obermörlen,  Hessen,  nordwestlich  Friedberg. 

Po  hl- Göns,  Hessen,  nordwestlich  Butzbach. 

In  diesen  drei  Orten  war  der  DO.  schon  mindestens  seit  1234 
begütert;  u.  a.  besass  er  in  den  beiden  ersten  den  vollständigen 


1  Reimer  II.  138.  542. 

2  Kopialb.  15.  Lau  74.  Vgl.  p.  121. 

3  Baur,  Urkundenbuch  des  Klosters  Arnsburg  Nr.  72  gibt  die  vidimierte 
Urkunde  falsch  wieder.  Lau  74  Zus.  hat  1251. 

4  Wagner  I.  334. 

>  Lau  95. 

6  Lau  1 10. 

7  Lau  842. 

s  Lau  II.  86. 

.9  Lau  II.  503. 

10  Lau  sucht  dieses  Rode  anderswo.  So  aber  schon  Wagner  I,  309. 

11  Wagner  I.  308.  Lau  identifiziert  diesen  Ort  mit  den  heutigen  Hirzbacher 
Höfen  bei  Marköbel,  nordwestlich  Hanau. 


Zehnten,  in  Pohlgöns  JA  desselben.  Auch  diese  Einkünfte  bestätigte 
Ludwig  von  Isenburg  1274  in  einer  Urkunde,  die  ihrerseits  wieder 
von  K.  Rudolf  bestätigt  wird.’ 

Lang- Göns,  Hessen,  südlich  Giessen. 

Auch  hier  besass  der  Orden  seit  mindestens  1234  einen  Teil 
des  Zehnten  (V5)>  der  in  der  eben  genannten  Urkunde  gleichfalls 
bestätigt  wurde,  denn  Ludwig  verzichtete  auf  alle  Rechte,  die  er 
dem  DO.  eine  zeitlang  streitig  gemacht  hatte. 

1255  vermacht  der  Wetzlarer  Bürger  Hartrad  Blido  dem  DO. 
u.  a.  alle  seine  Besitzungen  in  Langgöns  und  gibt  ihm  schon  zu 
seinen  Lebzeiten  einen  jährlichen  Zins  von  1  Malter  Getreide.1 2  Auf 
diese  Güter  erhoben  Heinrich  von  Herlisheim  und  seine  Brüder 
Ansprüche,  die  sie  erst  1281  definitiv  zugunsten  des  Ordens  aufgaben.3 

1256  schenkt  Ritter  Ekkehard  von  Göns  dem  DO.  seine  Güter4 * 6 7, 
und  auch  über  diese  hatte  der  Orden  im  Laufe  der  Zeit  eine  Menge 
Anfechtungen  und  Rechtshändel  zu  bestehen,  die  fast  20  Jahre  an¬ 
dauerten.  Ritter  Hermann  Halbeir  von  Kleeberg  verzichtete  schon 
1300  definitif  auf  seine  Ansprüche  an  1  Hufe3,  anders  aber  die  Nach¬ 
kommen  jenes  Ekkehard.  Zunächst  legten  Richard  von  Göns  und 
der  DO.  ihre  Sache  zwei  Wetzlarern  vor.  Diese  entschieden  1300 
zugunsten  des  Ordens,  ein  Urteil,  mit  dem  sich  auch  Richard  zufrieden 
gab.6  Aber  nicht  lange,  denn  seine  sechs  Brüder,  die  inzwischen 
herangewrachsen  waren,  erhoben  jetzt  ihrerseits  Ansprüche,  und 
Richard  schloss  sich  ihnen  wieder  an.  Doch  13  n  verzichten  alle 
zusammen  auf  ihre  Ansprüche7,  was  aber  die  jüngeren  Brüder  nicht 
hinderte,  einige  Jahre  später  ihre  Ansprüche  von  neuem  zu  erheben. 
Aber  auch  diesmal  hatten  sie  kein  Glück,  sie  mussten  1318  abermals 
Verzicht  leisten.* 

Niedermayer  168  kannte  eine  Beschreibung  der  Langgönser 
Ordensgüter  von  1331,  und  über  Besitz-  und  Zehntverhältnisse  von 
1331 — 60  existiert  ein  besonderer  Aktienfaszikel.9 

1  Lau  330  u.  Zus. 

2  Lau  200. 

>  Lau  444. 

4  Lau  204. 

'  Lau  765. 

6  Lau  758. 

7  Lau  942  und  Zus. 

s  Lau  II.  107. 

■  Nach  dem  Repertorium  des  Darmst.  Arcb.,  der  Faszikel  war  1903  nicht  zu  finden. 


125 


Düdelsheim,  Hessen,  nördlich  Büdingen. 

Das  Kloster  Seligenstadt  verpachtet  1253  dem  DO.  hier  1  Hufe 
für  einen  jährlichen  Zinz  von  4  Unzen.  Ausserdem  lastet  ein  Best¬ 
haupt  auf  diesem  Gut.1 

Wetzlar,  Rheinprovinz. 

Auch  in  Wetzlar,  das  später  als  selbständige  Komturei  zur 
Ballei  Hessen  gehörte,  war  die  Komturei  Sachsenhausen  begütert. 
Whe  in  Langgöns  hatte  Hartrad  Blido  1255  auch  hier  alle  seine  Güter 
dem  DO.  vermacht.2 

Eine  Wetzlarer  Dame,  Kunigunde  von  Driedorf,  hatte  in  ihrem 
Testament  neben  den  Frankfurter  Dominikanern3  auch  die  Komturei 
Marburg  und  Sachsenhausen  mit  Legaten  bedacht.  Nach  ihrem  Tode 
erhoben  jedoch  ihre  Erben  Protest;  ihre  Neffen,  die  Herren  von  Holz¬ 
hausen,  konnten  aber  1286  zum  Verzicht  auf  ihre  Ansprüche  bewogen 
werden.4  Darauf  wiesen  die  Testamentvollstrecker  den  beiden  Ordens¬ 
häusern  ihre  Anteile  zu,  d.  h.  sie  stellten  am  27.  April  1288  hierüber 
eine  Urkunde  aus5,  scheinen  aber  dann  versucht  zu  haben,  die  Aus¬ 
zahlung  des  Nachlasses  zu  hintertreiben.  Denn  die  Komturen  von 
Marburg  und  Frankfurt  wandten  sich  mit  einer  Beschwerde  an  den 
Abt  von  St.  Pantaleon,  der  vom  Papst  zum  Beschützer  des  DO.- 
Privilegien  ernannt  war,  und  letzterer  forderte  am  14.  Juli  die  Wider¬ 
spenstigen  unter  Androhung  der  Exkommunikation  auf,  ihre  Pflicht 
zu  erfüllen.6  Diesen  Erlass  schickte  der  Abt  an  den  Magister  Gottfried, 
Kanonikus  an  St.  Johann  in  Mainz  mit  dem  Befehl,  ihn  den  Testaments¬ 
vollstreckern  zuzustellen;  Gottfried  kam  noch  vor  dem  23.  diesem 
Befehl  nach7,  worauf  der  DO.  wohl  in  den  Genuss  seiner  Rechte 
eintrat.  Nach  Niedermayer  169  wurde  für  Kunigunde  eine  Seelen¬ 
messe  gelesen,  und  von  ihrem  Vermächtnis  erhielten  die  DO.-Brüder 
jährlich  V2  Mark  zur  Pietanz. 

Rendel,  Hessen,  südsüdöstlich  Friedberg. 

Ritter  Ekkehard  von  Göns,  dem  der  DO.  beträchtliche  Güter 
in  Langgöns  verdankte,  schenkte  1256  auch  alle  seine  Rendeler  Güter. 

1  Lau  178. 

2  Lau  200. 

3  Lau  341  Zus. 

4  Lau  506. 

s  Lau  541. 

6  Wyss,  Urkundenbuch  der  DO. -Baliei  Hessen  I.  367. 

7  Wyss  I.  370. 


126 


Doch  fällt  die  Hälfte  derselben  nach  seiner  Gemahlin  Tode  an  die 
Erben  ihres  Bruders.1  1323  entscheidet  der  Kantor  der  Frankfurter 
Kirche  einen  Streit  des  DO.  mit  den  Erben  des  Frankfurter  Dekans 
Heinrich  Mein  in  Rendel  dahin ,  dass  der  Ordpn  rechtmässiger 
Empfänger  einer  Gülte  von  1  Malter  Korn  sei.2 

Glaub  erg,  Eiessen,  nordwestlich  Büdingen. 

Schon  vor  dem  Jahre  1257  vermachte  Godebold  von  Düdels¬ 
heim  und  seine  Frau  Hildburg  dem  DO.  ihr  Haus  mit  dem  gesamten 
lebenden  und  toten  Inventar,  sowie  2  Morgen  Weinberge  und  3  Morgen 
Ackerland;  hiervon  zahlen  sie  zu  ihren  Lebzeiten  dem  Orden 
1  Schilling  Zins.  Gleichzeitig  treffen  sie  noch  verschiedene  Be¬ 
stimmungen  für  ihren  evtl.  Eintritt  in  den  DO.3  Die  Ansprüche,  die 
Ludwig  von  Isenburg  zeitweilig  auf  diese  Güter  erhoben,  trat  er 
1258  an  den  Orden  ab.4 * 

Über  andre  Glauburger  Güter,  die  ebenfalls  von  dem  erwähnten 
Ehepaar  stammten,  kam  es  zu  einem  Prozess  zwischen  dem  Kloster 
Arnsburg  und  dem  DO.;  die  Vorgeschichte  dieses  Streites,  wie  sie 
sich  aus  dessen  Beilegung  im  Jahre  1257  ergibt,  ist  folgende.  Godebold 
und  Hildburg  hatten  dem  Kloster  verschiedene  genau  beschriebene 
Güter  vermacht,  jedoch  deren  Nutzniessung  zu  ihrer  Lebenszeit  dem 
DO.  eingeräumt.  Godebold  war  inzwischen  gestorben  und  seine 
Witwe  gestattete  jetzt  1257  dem  DO.,  diese  Güter  für  einen  an 
Arnsburg  zu  zahlenden  jährlichen  Zins  von  2  Pfund  Wachs  auch  nach 
ihrem  Tode  behalten  zu  dürfen.  '  Für  die  bauliche  Erhaltung  der 
Besitzungen  hat  Arnsburg  zu  sorgend 

Gondsroth,  Eiessen-Nassau,  südwestlich  Gelnhausen. 

Von  hiesigen  Ordensgütern  hören  wir  zum  erstenmal  bei  einem 
Rechtsstreit,  der  zwischen  den  Erben  des  Ritters  von  Selbold  und 
dem  DO.  ausgebrochen  war  und  1267  sein  Ende  fand.6  Noch  1359 
wird  der  Orden  hier  als  Besitznachbar  erwähnt.7 


1  Lau  204. 

2  Lau  II.  207.  Baur  I.  347.  Vgl.  p.  96. 

3  Lau  222,  er  datiert  »vor  1258  Okt.  10«,  da  aber  Godebold  schon  1257 
Febr.  22  (Lau  211)  gestorben  war,  so  ist  diese  Urkunde  noch  weiter  zurückzudatieren. 

4  Lau  223. 

s  Lau  21 1. 

6  Lau  271. 

7  Reimer  III.  Nr.  281. 


127 


Okarben,  Hessen,  südlich  Friedberg. 

Hier  und  in  Lichen  kaufte  der  DO.  1269  je  1  Hufe  und  1  Hof 
vom  Mainzer  Mariengredenstift  für  106  Mark.1  Die  früheren  Eigen¬ 
tümer,  die  diese  Güter  an  das  Stift  verkauft  hatten,  erheben  Ansprüche 
auf  dieselben,  verzichten  jedoch  1270  vor  dem  geistlichen  Gericht 
zu  Mainz.2 3 

Die  Güter,  die  die  Mainzer  DO. -Komturei  hier  besass,  erwarb 
die  Frankfurter  Komturei  1303  durch  Tausch.’ 

Lichen,  Wüstung4  bei  Rodheim,  Hessen,  südwestlich  Friedberg. 

Auf  die  erste  Fussfassung  des  DO.  in  Lichen  wurde  soeben 
hingewiesen. 

1280  geht  der  Orden  einen  Tausch  mit  dem  Mariengredenstift 
zu  Mainz  ein,  er  tritt  hiesige  Güter  ab  und  erhält  dafür  1  Hof  in 
Berkersheim  mit  Zubehör.  Da  die  abgetretenen  Ordensbesitzungen 
jedoch  einen  höheren  Wert  repräsentierten  als  die  neuerworbenen 
Güter,  erhielt  die  Komturei  vom  Stift  noch  17  Mark  ausbezahlt.5 
1281  schenkt  Konrad  Weingärtner  aus  Friedberg  eine  Wiese  in  Lichen.6 

Kloppen  heim,  Hessen,  südlich  Friedberg. 

Im  Jahre  1269  tauscht  Guda,  Witwe  des  Ritters  Gerhard  von 
Mörlen,  ihre  Kloppenheimer  Güter  gegen  Ordensbesitzungen  in 
Heldenbergen  aus.7  1281  machen  Ermbrecht  von  Praunheim  und 
seine  Frau  ein  Testament  zugunsten  des  DO.,  1282  treffen  sie  ver¬ 
schiedene  Änderungen:  sie  vermachen  der  Komturei  u.  a.  ihre  Be¬ 
sitzungen  in  Kloppenheim  und  Praunheim,  doch  behalten  sie  sich  für 
den  Notfall  das  Verfügungsrecht  über  einen  Teil  derselben  vor.  Bei  dem 
Tode  des  einen  Ehegatten  erhält  der  DO.  bereits  die  Hälfte  der  Güter.8 

1323  ertauscht  der  Orden  von  Ritter  Johann  von  Vilbel  eine 
Hufe  in  Kl.  gegen  40  Morgen  in  Mittelkarben.9 

1  Kopialb.  5.  Baur  I.  p.  95.  Lau  36  hat  nach  Niedermayer  1209. 

2  Baur  I.  p.  95. 

3  Lau  835.  Vgl.  oben  bei  Partenheim  und  Vendersheim  p.  105. 

4  Wagner  I.  339. 

5  Lau  451.  436. 

6  Lau  433. 

1  Lau  294. 

8  Lau  441.  462. 

9  Lau  II.  213.  Bei  Niedermayer  161  falsch,  er  kennt  noch  eine  Erwerbung 
von  1348.  Mittelkarben- ist  jedenfalls  das  mittlere  der  drei  Karben,  also  das  heutige 
Grosskarben. 


Heldenbergen,  Hessen,  südöstlich  Friedberg. 

1269  tritt  der  DO.  seine  Liegenschaften  zu  Heldenbergen  im 
Tausch  für  Kloppenheimer  Güter  an  die  erwähnte  Witwe  Guda  ab.' 
1296  vermacht  der  Frankfurter  Bürger  Giselbert  von  Friedberg  Güter, 
die  zusammen  mit  anderen  in  Bornheim  gelegenen  einen  Wert  von 
100  Mark  repräsentierten.1 2  Wigand  von  Buches  verkauft  7  Jahre 
später  dem  Orden  1  Hof,  1  Garten  und  3V2  Hufen  weniger  6V2  Morgen 
Land  für  178  Mark.3 

Gelnhausen,  Hessen-Nassau. 

1273  schenkt  der  Gelnhäuser  Bürger  Hertmar  und  seine  Frau 
Irmgard  dem  DO.  ihren  Teil  (W)  der  Wiesenmühle,  wofür  ihnen 
der  Orden  eine  lebenslängliche  Rente  von  1 1  Malter  Korn  und  3  Malter 
Weizen  nach  Gelnhausen  liefert.4  1322  verpachtet  der  Orden  die 
Mühle  an  den  Gelnhäuser  Schöffen  Johann  von  Crainfeld  für  9  Malter 
Korn  und  2  Malter  Weizen.5 

1273  hören  wir  von  1  Morgen  Weinberge,  dessen  Einkünfte 
eine  Witwe  vom  DO.  bezieht.6 

Der  Frankfurter  Bürger  Arnold  von  Glauberg  hatte  an  seinen 
Neffen  Gerhard  Scheie  eine  Forderung  von  300  Pfund  Heller.  Als 
Gerhard  gestorben  war,  ohne  seine  Schuld  zu  tilgen,  erhielt  Arnold 

1302  von  dessen  Tochter  Elisabeth  Güter  zu  Meerholz  und  1  Flaus 
am  Holztor  in  Gelnhausen  überwiesen.7  Diese  Besitzungen  kauft 

1303  der  DO.  von  Arnold  für  den  obigen  Betrag,  der  innerhalb  der 
nächsten  6  Jahre  zu  bezahlen  ist,8  und  13  n  überträgt  Elisabeth,  die 
inzwischen  Begine  geworden  ist,  ihre  Rechte  an  den  Orden.9 * 

1 304  kauft  die  Komturei  vom  Kloster  Meerholz  ein  neben  dem 
ehemals  Arnoldschen  gelegenes  zweites  Haus  für  8V2  Pfund  Denare."' 
Ein  drittes  Haus  nebst  Hof  und  ihren  sonstigen  Gelnhäuser  Besitz 
schenkt  13 n  die  Begine  Kunigunde;  sie  pachtet  alles  wieder  gegen 


1  Lau  294. 

2  Lau  702.  Vgl.  oben  p.  121. 

3  Lau  822. 

+  Lau  317. 

5  Lau  II.  190.  1. 344.  479  nach  Niedermayer  noch  2  Schenkungen  von  1277.  I283* 

6  Lau  324. 

7  Lau  809. 

8  Lau  818.  819.  Thomas  209  und  Böhmer  330  haben  1300. 

9  Lau.  945  Zusatz.  Ich  glaube  nicht,  dass  dies  eine  neue  Erwerbung  ist. 

,0  Lau  838. 


129 


eine  jährliche  Abgabe  von  6  wetterauischen  Denaren.1  Die  Rechte, 
die  die  Stadt  Gelnhausen  an  einem  dieser  Häuser  hat,  kauft  der  DO. 
1334  für  20  Pfund  Heller.2 

Hüttengesä ss,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Gelnhausen. 

Gegen  Zusicherung  einer  lebenslänglichen  Leibrente  hatte  die 
Witwe  Luckard  Zangelin  dem  DO.  eine  Summe  Geldes  geschenkt, 
mit  dem  die  Komturei  1273  2  Hufen,  4  Morgen  Gerstenland,  6  Morgen 
Wiesen  und  1  Hof  in  Hüttengesäss  kauft.  Gleichzeitig  hören  wir 
noch  von  anderen  dortigen  Ordensgütern,  die  früher  Siegfried  von 
Breitenbach  gehörten.3  Dieser  Vertrag  wurde  1294  von  Luckards 
Tochter  und  zwei  Hammelburger  Bürgern  bestätigt.4 

Um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  besass  die  Komturei  hier 
3  Hufen  und  1  Viertel  weniger  5  Morgen  Land,  6  Morgen  Wiesen, 
sowie  20  weitere  Morgen  Land  bei  dem  Weissenberg.  Dies  alles 
war  an  den  Schultheissen  Johannes  von  H.  verpachtet  für  1  Malter 
Weizen,  sowie  1  Malter  Korn,  4  Gänse,  8  Hühner,  1  Fastnachtshuhn 
und  35  Schillinge.  Ais  Johannes  in  Not  geriet,  wurde  der  Pacht¬ 
vertrag  1348  etwas  gemildert.5 

Lützellinden,  Rheinprovinz,  südwestlich  Giessen. 

1274  kauft  der  DO.  hier  Güter  vom  Kloster  Schiffenberg,  die 
einen  jährlichen  Ertrag  von  9  Malter  weniger  1  Mött  Korn  und 
6  Schillinge  weniger  3  Denaren  liefern.6 

Lieblos,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Gelnhausen. 

1274  kauft  der  DO.  hier  1  Hof  von  Konrad  Schlehdorn.7 

Niederkleen,  Rheinprovinz,  südöstlich  Wetzlar. 

Dass  hier  Ordensgüter  lagen,  zeigt  1278  ein  Rechtsstreit,  bei  dem 
die  Gegenpartei  auf  alle  Ansprüche  zu  Gunsten  des  DO.  verzichtet.8 


1  Lau  945. 

2  Lau  II.  496. 

3  Lau  324. 

4  Lau  679. 

5  Reimer  II.  Nr.  745. 

6  Lau  332.  Thomas  153  und  Niedermayer  27  geben  das  Regest  falsch  wieder. 
~i  Lau  342.  Lau  hat  nach  Niedermayer  noch  zwei  Regesten  zu  1274  und 

1312  :  343.  957- 

8  Lau  400.  Bei  Niedermayer  168  falsch. 


9 


130 


Berkersheim,  Hessen-Nassau,  nördlich  Frankfurt. 

Gegen  Abtretung  seiner  Güter  zu  Lichen  erhält  der  DO.  1280 
vom  Mainzer  Mariengredenstift  einen  Hof  in  Berkersheim.1 

Der  Frankfurter  Bürger  Volmar  von  Nied  verkauft  dem  Orden 
hiesige  Güter,  und  als  Berthold  Lugener  Ansprüche  auf  sie  erhebt, 
wird  er  1293  durch  das  Schöffengericht  abgewiesen.2 * 

Praunheim,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Frankfurt. 

1281  vermachen  Ermbrecht  von  P.  und  seine  Frau  dem  DO. 
alle  ihre  beweglichen  und  unbeweglichen  Güter  zu  P.  und  Kloppen- 
heirnP  1282  treffen  sie  verschiedene  Änderungen  in  ihrem  Testament,4 
und  1307  wiederholen  sie  die  Schenkung  ihrer  Praunheimer  Güter 
vor  den  Frankfurter  Schöffen.5 

Rodheim,  Hessen,  südwestlich  Friedberg. 

Seine  hiesigen,  jedenfalls  nicht  sehr  bedeutenden  Besitzungen 
hatte  der  DO.  an  Konrad  Weingärtner  aus  Friedberg  verkauft,  und 
letzterer  schenkte  dieselben  1281  wieder  dem  früheren  Inhaber.6 

Nieder-Mörlen,  Hessen,  nordwestlich  Friedberg. 

Wie  in  Obermörlen  und  Rodheim  schenkte  Konrad  Weingärtner 
1281  auch  seine  hier  gelegenen  Äcker  und  Weinberge.7 

Ritter  Frank  von  Linden  verkauft  dem  Orden  1  Hufe  für 
67  Mark.  Dieser  Verkauf  wird  von  seinen  Verwandten  1315  an¬ 
erkannt,8  und  der  Frankfurter  Ritter  Volrad  muss  mit  seiner  Frau 
Hedwig  hierüber  noch  eine  besondere  Urkunde  ausstellen,  obwohl 
sie  in  der  anderen  miteinbegriffen  waren.9 

Eschbach,  Hessen,  südöstlich  Homburg. 

1281  erwarben  sich  Friedrich  von  Eschbach  und  seine  Frau  im 
Deutschen  Haus  zu  Sachsenhausen  eine  lebenslängliche  Pfründe,  indem 


1  Lau  431.  436.  Vgl.  oben  p.  127. 

2  Lau  631.  Reimer  I,  706  nach  Niedermayer  137:  ca.  1290. 

?  Lau  441. 

4  Lau  462.  Vgl.  oben  p.  127. 

5  Lau  883.  Niedermayer  132  kennt  eine  Verpachtung  dieser  Güter  v.  1333. 
2  Vorurkunden  von  1318  und  1335:  Reimer  II.  195.  446. 

6  Lau  453.  Die  Gesell,  dieses  Ortes  s.  Arcli.  f.  hess.  Gesell.  9,  125  ff.  Betreffs 
Obermörlen  vgl.  p.  115. 

7  Lau  453. 

8  Lau  II.  22. 

f  Arch.  Darmst.  u.  Kopialb.  74  L 


-  1 3 1  —  • 

sie  dem  DO.  alle  ihre  Güter  schenkten.1  Nachdem  die  Ansprüche 
eines  Dritten  auf  4  Morgen  vor  dem  Mainzer  geistlichen  Gericht 
zurückgewiesen  sind,  erneuerte  der  Vogt  Arnold  diese  Schenkung 
vor  dem  Gericht  zu  Eschbach.2 * 

Neuenhain,  Hessen-Nassau,  südöstlich  Königstein. 

Unter  den  von  Friedrich  v.  Eschbach  geschenkten  Besitzungen 
befand  sich  auch  ein  in  Neuenhain  gelegener  Morgen  Weinberg, 
dessen  Besitz  dem  DO.  von  der  dortigen  Gemeinde  angefochten 
wurde,  indem  letztere  ihn  als  eine  1293  gemachte  Schenkung  für 
ihre  Kapelle  in  Anspruch  nahm.  Die  Komturei  wandte  sich  indes 
an  einen  päpstlichen  Judex,  den  Frankfurter  Dekan,  vor  dem  1303 
seitens  der  Deutschen  Herren  die  Rechtmässigkeit  ihres  Besitztitels 
festgestellt  wurde.5 

Ober-Wöllstadt,  Hessen,  südlich  Friedberg. 

Wie  in  so  vielen  Orten  hören  wir  von  hiesigen  Ordensgütern 
zum  erstenmale  bei  einem  Prozess.  1293  erwählen  der  DO.  und  das 
Kloster  St.  Alban  in  Mainz  den  Frankfurter  Dekan  Ditnrar  und  den 
Mainzer  DO.-Komtur  Petrus  zu  Schiedsrichtern  in  ihrem  Streit  über 
den  Rottzehnten.4  Diese  fällen  1294  das  Urteil  zugunsten  der  Kom¬ 
turei  Sachsenhausen,  indem  sie  den  Zehnten  dem  Ordenspfarrer  in 
Niederwöllstadt  zuweisen. s  40  fahre  später,  1335,  tritt  der  Orden 
seinen  Kirchenzehnten  an  das  erwähnte  Mainzer  Kloster  ab  und  erhält 
dafür  eine  jährliche  Rente  von  10  Malter  Korn.6 

1312  kauft  die  Komturei  von  Edelknecht  Ruprecht  von  Karben 
1  Hof  und  4  Hufen  1V2  Morgen  Ackerland  für  227  Mark.  Von  weiteren 
10  Morgen  erhält  der  Verkäufer  jährlich  7  Scheffel  Weizen.7  Die  von 
Ruprecht  gekauften  Güter  verpachtet  der  Orden  bereits  1313  an 
Wenzel  von  Bruchenbrücken.8 


1  Ober-  oder  Niedereschbach ?  Lau  820:  1303  vor  22  Jahren.  Nach  dem 
Zusatz  bei  Lau  wäre  aber  die  Schenkung  noch  früher  erfolgt. 

2  Lau  820  Zus.  Lau  558  hat  nach  Niedermayer  einen  Kauf  in  Niederesch¬ 
bach  von  1288. 

I  Lau  820.  Niedermayer  144  hat  noch  einen  Güterkauf  von  1345  durch 
»Komtur  Eckh«. 

4  Lau  628. 

5  Lau  665. 

Lau  II.  526. 

7  Lau  956.  ? 

8  ßaur  I.  p.  328. 

•  9* 


Wachen  buchen,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Hanau. 

1293  verkauft  Wigand  von  Heldenbergen  dem  DO.  einen  Obst¬ 
garten  und  V*  Hufe  genau  beschriebenen  Geländes.  Diese  Güter,  die 
immer  ungeteilt  beisammen  bleiben  müssen,  verpachtet  der  Orden 
wieder  an  Wigand  für  einen  jährlichen  Pachtzins  von  7  Malter  Korn.1 

Ginheim,  Hessen-Nassau,  nördlich  Bockenheim. 

Vor  1297  trat  der  DO.  1  Morgen  tauschweise  an  Heinrich 
Steinhäuser  ab,2  und  1306  kauft  er  1  Hufe  für  57  Mark.3 

Niederursel,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Frankfurt. 

1300  kauft  die  Komturei  6  Hufen  Land,  6  Morgen  Wiesen, 
1  Hofstätte  und  1  Scheuer  für  20  Gulden.4  1342  schenkt  Adelheid 
von  Bergen  (vgl.  p.  121)  die  jährlichen  Einkünfte  von  4  Malter  Korn, 
die  ihr  seither  der  Frankfurter  Bürger  Heilmann  Schnabel  von  3  Hufen 
weniger  1  Viertel  Land  lieferte.5 

Langenselbold,  Hessen-Nassau,  nordöstlich  Hanau. 

1300  gewann  der  Orden  durch  Tausch  9V2  Morgen  Land.  Das 
Rückkaufsrecht  beider  Parteien  wird  gewahrt.6 

Schwa  Ibach,  Hessen-Nassau,  südöstlich  Königstein. 

Im  selben  Jahre  verkauft  Dietrich  von  Eschbach,  Kanonikus  in 
Ilbenstadt,  der  Komturei  V2  Hufe  Land.7 

Bockenheim,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Frankfurt. 

Um  1300  war  der  DO.  hier  begütert  und  hatte  seine  Besitzungen 
verpachtet.8 

Friedberg,  Hessen. 

Wie  das  Deutsche  Haus  zu  Marburg  und  das  Kloster  Arnsburg9 
erhält  1312  auch  unsere  Komturei  ein  Privileg,  das  ihr  Haus,  das  sie 
in  der  Hankgasse  zu  Friedberg  käuflich  erworben,  von  allen  Steuern, 
Abgaben  und  Leistungen  befreit.10 


1  Lau  634.  Infolge  eines  Fehlers  bei  Niedermajrer  hat  Lau  dasselbe  Regest 
auch  unter  Nr.  53  zu  1219. 

2  Lau  714. 

3  Lau  875. 

4  Baur  I.  299.  Niedermayer  140  gibt  einen  Zeugen  als  Verkäufer  an. 

5  Baur  I.  553. 

6  Lau  761. 

7  Lau  769.  Infolge  eines  Fehlers  bei  Niedermayer  hat  Lau  II.  90  dasselbe 
Regest  zu  1317. 

8  Lau  833.  • 

9  Foltz,  Urkundenbuch  d.  Stadt  Friedberg  I.  187.  190. 

10  Lau  951,  Friedb.  UB.  191.  Letzteres  147  hat  noch  eine  ähnliche  Urk.  zu  1302. 


133 


Meerholz,  Hessen-Nassau,  südwestlich  Gelnhausen. 

Unter  den  1302  von  Elisabeth  Scheie  an  Arnold  von  Glauburg 
verpfändeten  und  1303  vom  DO.  gekauften  Gütern  befanden  sich 
auch  Wiesen  und  5V2  Morgen  Weinberge  zu  Meerholz.1 

Weilbach,  Hessen-Nassau,  nordöstlich  Hochheim  a.  M. 

1313  verpachtet  Erzbischof  Peter  von  Mainz  der  Komturei  seine 
Güter  und  den  Zehnten  in  Weilbach  und  Wiek  er  gegen  eine  jähr¬ 
liche  Abgabe  von  131  Malter  Korn,  2  Malter  Erbsen,  24  Sack  Hafer, 
3  Pfund  Heller  und  3  Fuder  Wein;  an  diesem  Zins  gehen  jedoch 
10  Malter  Korn  ab,  die  der  DO.  dem  Kloster  Bleidenstadt  zu  liefern 
hat.2  Ein  wegen  des  Zehnten  mit  dem  Weilbach  er  Pfarrer  ausge¬ 
brochener  Streit  wird  1315  gütlich  beigelegt.3  1318  wird  die  Urkunde 
von  1313  kopiert.4  Die  damals  dem  Orden  verpachteten  Güter  hatte 
Peter  dem  Mainzer  Karthäuserkloster  vermacht;  1325  übergab  sie  der 
DO.  dem  Kloster  und  ging  gleichzeitig  mit  ihm  noch  einen  Wiesen¬ 
tausch  zu  Weilbach,  bezw.  Wiek  er  ein.5 

1316  tauscht  der  Orden  Wiesen  in  Weilbach  und  Wicker  aus, 
u.  a.  mit  Gottfried  V.  von  Eppstein.6 

Im  Jahre  1321  kauft  die  Komturei  Sachsenhausen  vom  Deutschen 
Haus  zu  Mainz  25  Morgen  Land.7 

1324  verkauft  der  Ritter  Dietrich  Randecker  mit  seinen  Erben 
dem  DO.  ein  Gut.  Er  verspricht,  die  Einwilligung  seines  Eppsteiner 
Lehnsherrn  einzuholen,  und  setzt  den  jetzigen  Pächtern  Termine, 
innerhalb  derer  das  Gut  der  Komturei  auszuliefern  ist.8  Das  Geld,  mit 
dem  der  DO.  diese  Besitzung  erwarb,  hatte  die  Limburger  Bürgerin 
Cunzela  von  Hofheim  geschenkt,  der  Pachtertrag  beläuft  sich  auf 
40  Malter  Korn.9  1339  verpachtet  der  Orden  das  Gut  mit  Geneh- 

1  Lau  £09.  818.  819.  945  Zus.  Vgl.  oben  p.  128. 

1  Lau  966.  Die  Güter  hatte  Peter  1312  gekauft,  vgl.  auch  Weller,  Hohcn- 
lohisches  TJB.  II.  p.  381  f.,  Nr.  27—29,  42. 

3  Lau  II.  26. 

4  Lau  966. 

>  Hohenlohisches  UB.  II.  p.  387  Nr.  52.  Sauer,  Cod.  dipl.  Nassoicus  1 3  p.  133, 
Nr.  1800.  Lau  II,  268. 

6  Lau  II.  63  u.  Anm. 

7  Lau  II.  183. 

8  Lau  II.  257. 

9  Lau  II.  259.  Cunzela  starb  1321  und  wurde  in  Sachsenhausen  in  der 
DO. -Kapelle  der  hl.  Elisabeth  begraben.  Noch  ca.  1700  war  ihr  Grabstein  erhalten. 
Wölfl'  u.  Jung,  Die  Baudenkmäler  in  Frankfurt  a.  M.  I.  190.  Nach  Niedermayer  144 
hat  sie  auch  in  Sossenheim  Güter  geschenkt. 


134 


migung  Gottfrieds  V.  an  dessen  Bauern,1  und  1340  bestätigt  Gottfried 
einen  zwischen  Gozold  von  Erlenbach,  Rudolf  von  Bierstadt  und  dem 
DO.  abgeschlossenen  Vergleich.2  Auf  diesem  Gute  lastete  die  Erb¬ 
rente  von  16  Malter  Korn,  die  der  Orden  seit  1337  für  das  vom 
Karthäuserkloster  gekaufte  Stück  Wald  bei  Hausen  (vgl.  p.  113)  an 
dieses  zu  zahlen  hatte. 

Wiek  er,  Hessen-Nassau,  nordöstlich  Hochheim  a.  M. 

Die  Nachrichten,  die  uns  über  die  hiesigen  Ordensbesitzungen 
aus  den  Jahren  1313,  1316  und  1325  überliefert  sind,  sind  bereits  bei 
Weilbach  eingeflochten. 

Fauerbach,  Hessen,  südöstlich  Friedberg. 

Gerburgeheim,  Wüstung,3  bei  Friedberg. 

Strassheim,  Wüstung,4  südwestlich  Friedberg. 

1314  waren  verschiedene  näher  beschriebene  Äcker,  die  in  den 
drei  genannten  Orten  lagen,  an  den  Friedberger  Bürger  Fridebert 
von  der  Rusen  verpachtet,  der  dem  Orden  als  jährlichen  Pachtzins 

4  Malter  Roggen,  3  Malter  Weizen  und  1  Mark  Denare  nach  Frankfurt 
liefern  musste.5 

Bleichenbach,  Hessen,  nordwestlich  Büdingen. 

1314  pachtet  Ritter  Wigand  v.  Buches  vom  DO.  1  Hufe  Land 
für  eine  jährliche  Pachtabgabe  von  4  Malter  Korn  Gelnhäuser  oder 

5  Malter  Frankfurter  Masses.6 

Gross -Karben,  Hessen,  südlich  Friedberg. 

Wie  in  Rödelheim  hatte  der  DO.  auch  von  seinen  hiesigen 
Gütern  seit  1316  einen  jährlichen  Zins  von  2  Mark  zu  entrichten.7 
1323  tritt  der  Orden  40  Morgen  Land  an  Ritter  Johann  v.  Vilbel  ab 
und  erhält  dafür  von  diesem  1  Hufe  in  Kloppenheim.s 

1  Sauer  1 5,  2179. 

1  Sauer  I3,  2189.  Vgl.  Lau  II.  612.  615. 

3  Wagner  I.  324. 

*  Daselbst  332. 

s  Lau  967,  Friedb.  DB.  196. 

,6  Kopialb.  33  b.  Baur  V.  p.  297  hat  diese  Urkunde  zu  1340,  so  auch  Nieder- 
mayer  171. 

7  Lau  II.  44.  Vgl.  p.  120. 

s  Lau  II.  213.  Vgl.  oben  p.  127. 


i35 


H a  u sen,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Frankfurt. 

1316  schenkt  der  Frankfurter  Bürger  Wigand  Kalnihuser  und 
seine  Frau  für  ihren  in  den  DO.  eingetretenen  Sohn  1  Hof  und 
2  Hufen  Land  in  Hausen,  bezw.  den  einem  Kinde  zustehenden  Teil 
ihres  Nachlasses.1 

Geiss-Nidda,  Hessen,  südwestlich  Nidda. 

1320  vermacht  Ritter  Wolfram  v.  Sachsenhausen  und  seine  Frau 
der  Komturei  eine  Rente  von  3  Malter  Korn  zur  Pietanz,  wofür  ihnen 
ein  ewiges  Anniversar  gehalten  wird.2 

Vilbel,  Hessen,  südlich  Friedberg. 

1320  überweist  der  Orden  dem  Frankfurter  Dominikanerkloster 
eine  jährliche  Rente  von  1V2  Hufen  für  das  Anniversar  der  Drudela, 
der  Frau  des  DO.-Bruders  Giso  v.  Weilbach.3 

1323  verkaufte  Ritter  Johann  v.  Nauheim  und  seine  Frau  Bertha 
dem  DO.  für  30  Mark  7  Malter  als  ewige  Korngült  von  2  Hufen, 
die  zu  dem  sog.  Steinmetzengute  gehören.4  Diese  Hufen  haben».  1333 
zwei  Brüder  in  Pacht.  Ausser  der  genannten  Korngült  lastet  noch 
ein  Besthaupt  auf  dem  Gut.5  Die  andere  Hälfte  dieses  Gutes  kaufte 
die  Komturei  1350  zu  demselben  Preise  von  Bertha  und  ihren  Kindern, 
sodass  der  DO.  das  Steinmetzengut  jetzt  vollständig  in  Händen  hatte.6 

Ober -Hörgern,  Hessen,  nordwestlich  Münzenberg. 

Im  Jahre  1321  pachtet  eine  Witwe  Metza  vom  DO.  einen  Hof 
mit  Zubehör  zu  Landsiedelrecht.7 

Niederdorfelden,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Hanau. 

Der  uns  von  Sachsenhausen  und  Rendel  her  bekannte  Dekan 
Heinrich  Mein  (vgl.  p.  96  u.  126)  hatte  nach  Niedermayer  153  auch 
hier  Äcker  geschenkt;  von  ihren  Erträgnissen  waren  3  Malter  Korn 
zur  Pietanz  bestimmt. 


1  Lau  II.  57. 

2  Lau  II.  155.  Battonn  7,  10. 

5  Lau  II.  158.  Niedermayer  150. 

+  Kopialb.  63  b.  Dieses  4  Hufen  umfassende  Gut  wird  1307  für  14  Malter 
Korn  von  dem  Ritter  Hartmann  von  Kl  een  an  Heinrich  Steinmetz  verpachtet, 
Kopialb.  64.  Daher  wohl  sein  Name.  Auch  die  Brüder  von  1333  heissen  Hermann 
und  Heilmann  Steinmetz. 

5  Kopialb.  63. 

6  Kopialb.  63  *\ 

1  Lau  II.  160. 


i]6 


1324  schenkt  Cunzela  von  Hofheim  iVl  Hufen,  die  eine  Pacht 
von  20  Malter  Korn  einbrachten. 1  1346  vertauschte  die  Komturei 

hiesige  Güter.2 

Rossbach,  Hessen,  südwestlich  Friedberg. 

1323  geht  der  Orden  einen  Tausch  mit  Siegfried  von  Breiden- 
bach  ein.  Der  DO.  tritt  1V2  Hufen  und  5  Viertel  Ackerland  ab  und 
erhält  dafür  27  Morgen  Äcker  und  Weinberge,  die  oberhalb  der  Weide 
von  Wöllstadt  liegen,  und  für  die  fehlenden  19  Morgen  und  1  Viertel 
38  Pfund  Heller.3 

Eschersheim,  Hessen-Nassau,  nördlich  Frankfurt. 

Der  Edelknecht  Dietrich  von  Preungesheim  schenkt  hier  1323 
ein  jährliches  Einkommen  von  8  Gänsen  von  dem  Burgberg.4 

Büdesheim,  Hessen,  südöstlich  Friedberg. 

Der  Frankfurter  Bürger  Albert  bei  dem  Grabborn  schenkt  1324 
zu  seinem  Anniversar  1  Flufe  ie  zur  Hälfte  dem  Cisterzienserkloster 
Haina  und  dem  DO.  unter  folgenden  Bedingungen.  Er  pachtet  die 
Flufe  wieder  für  jährlich  2  Schillinge,  und  nach  seinem  Tode  erhält 
seine  Tochter  Jutta  eine  lebenslängliche  Rente  von  6  Malter  Korn.5 

Nied,  Hessen-Nassau,  westlich  Frankfurt. 

Heddernheim,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Frankfurt. 

Eddersheim  a.  M.,  Hessen-Nassau,  südwestlich  Höchst. 

Wie  in  W eilbach  und  Niederdorfelden  schenkt  Cunzela  v.  Hofheim 
1324  auch  in  diesen  drei  Orten  Güter.  In  Nied  alle  ihre  Besitzungen, 
die  26  Malter  Korn  ertrugen.  Ferner  gab  sie  Geld,  mit  dem  von 
Ritter  Dietrich  Randecker  Ländereien  erkauft  wurden,  in  Heddernheim 
von  4  Malter  und  in  Eddersheim  von  2  Malter  Pachtertrag.6 

Mittel-Gr ündau,  Hessen,  nordwestlich  Gelnhausen. 

1313  verkauft  der  Gelnhäuser  Bürger  und  Schöffe  Wortwicus 
Brosse  der  Begine  Zisa  Rentwig  von  Fulda  eine  Leibrente  von 

1  Lau  II.  259.  Niedermayer  153  hat  Oberdorfelden  gegenüber  dem  urkund¬ 
lichen  Unterdorfeiden. 

2  Reimer  II.  677.  Vgl.  bei  Obermörlen  und  Oberdorfelden,  p.  1 1 6  und  138. 

5  Lau  II.  206. 

4  Lau  231.  Vgl.  oben  p.  in. 

5  Lau  II.  244. 

6  Lau  II.  259. 


i37 


io  Malter  Korn,  6  fallen  von  einer  Mühle,  4  von  seinem  Teil  eines 
Hauses,  das  Hildiger  gepachtet  hat  und  bewohnt.1  Über  den  vierten 
Teil  dieses  Hauses  kommt  es  zum  Prozess  zwischen  Zisa  und  dem 
Gelnhäuser  Bürger  Reimbold  von  Spiegelberg,  der  1323  vor  dem 
Gründauer  Schöffengericht  ausgetragen  wird:  Zisa  wird  abgewiesen 
und  Reimbolds  Eigentumsrecht  anerkannt.2 

1340  beschäftigt  dieses  Haus  abermals  das  Schöffengericht.  Der 
Gelnhäuser  Bürger  Fritz  Stephan  scheint  im  Laufe  der  Zeit  in  den 
vollständigen  Besitz  des  Hauses  gekommen  zu  sein,  worauf  er  eine 
auf  diesem  lastende  Korngült  von  11  Malter  an  Siegfried  von 
Breidenbach  verkaufte.  Als  letzterer  starb,  erwarb  der  DO.  jene  Gült 
von  dessen  Sohn.  Diese  Tatsache  wurde  1340  festgelegt  und  das 
Urteil  gesprochen,  dass  der  Orden  im  rechtmässigen  Besitz  des 
Gutes  sei  und  mit  ihm  als  seinem  Eigentum  nach  Belieben  verfahren 
könne.3 

Beienheim,  Hessen,  nordöstlich  Friedberg. 

Hier  besass  der  DO.  einen  Hof  und  2  Hufen  Land,  die  1343 
Ruprecht  Bader  gepachtet  hat.  Er  gibt  dem  Orden  als  jährlichen 
Pachtzins  zwischen  Maria  Himmelfahrt  und  Geburt  24  Malter  Korn, 
12  Malter  Weizen,  4  Gänse,  4  Hühner  und  an  St.  Martin  4  Schillinge, 
sowie  1  Fastnachtshuhn.  Gleichzeitig  verzichten  zwei  Brüder  von 
ihm  auf  alle  Rechte,  die  sie  auf  diese  Güter  zu  haben  glaubten.4 * 

Marköbel,  Hessen-Nassau,  nordöstlich  Hanau. 

1345  verkauft  Ritter  Wigand  Feude  von  Assenheim  der  Komturei 
12  Malter  jährlicher  Korngült  von  2  Hufen  für  108  Mark.s 

Gronau,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Hanau. 

Wie  gross  die  hiesigen  Ordensgüter  waren,  wissen  wir  nicht, 
auch  nicht,  wann  und  wie  sie  erworben  wurden.  1346  und  1350 
wird  der  DO.  als  Besitznachbar  erwähnt.6 


1  Kopialb.  182. 

2  Das. 

3  Das.  183.  Über  Siegfried  vgl.  p.  129  uud  136. 

+  Das.  57  b. 

>  Reimer  II.  662. 

6  Reimer  II.  676.  III.  p.  83  Nr.  77  Zus. 


Oberdorfelden,  Hessen-Nassau,  nordwestlich  Hanau. 

Hier  besass  die  Komturei  einen  Hof.  Diesen  trat  sie  zusammen 
mit  einem  Gut  zu  Niederdorfelden  1346  an  Ulrich  von  Hanau  ab  und 
erhielt  dafür  mit  kaiserlicher  Erlaubnis  den  Fronhof  zu  Obermörlen.1 

Horbach,  Hessen-Nassau,  südwestlich  Gelnhausen. 

Wie  schon  öfters,  z.  B.  in  Hulshofen,  Langgöns,  Gondsroth, 
Niederkleen,  Oberwöllstadt,  Klein-Auheim,  gibt  auch  in  Horbach  ein 
Rechtsstreit  die  erste  Kunde  von  Ordensbesitzungen.  Im  Jahre  1351 
wird  er  durch  einen  Vergleich  beendet.2 3 


II. 

Erwerbung  und  Verwaltung  des  Vermögens. 
Äussere  Beziehungen  der  Komturei.  Die 
Bewohner  des  Deutschen  Hauses. 

Wie  die  Gütergeschichte  zeigt,  hatte  sich  die  Deutschordens¬ 
komturei  Sachsenhausen  in  kaum  150  Jahren  einen  riesigen  Grund¬ 
besitz  erworben.  Die  Komturei  war,  abgesehen  von  Sachsenhausen 
und  Frankfurt  selbst,  in  mindestens  87  Ortschaften  begütert,  bezw. 
lagen  in  oder  bei  ihnen  Immobilien,  die  dem  DO.  grundpächtig, 
zinspflichtig  waren.  Diese  87  Orte  gehören  heute  dem  Gebiete  vier 
deutscher  Bundesstaaten  an.  Sieben  von  ihnen  bestehen  nicht  mehr: 
Holzburg,  Hüftersheim,  Hulshofen,  Hirzbach,  Lichen,  Gerburgeheim, 
Strassheim.  Von  den  übrigen  80  liegen  43  in  hessischen  (Ober¬ 
hessen  27,  Starkenburg  n,  Rheinhessen  5),  35  in  preussischen  Pro¬ 
vinzen  (Hessen-Nassau  32,  davon  1  linksmainisch,  Rheinprovinz  3), 
je  1  in  der  bayerischen  Pfalz  und  in  Baden.  Die  Ostgrenze  dieser 
Orte  bildet  Gelnhausen,  die  südliche  Hohensachsen  an  der  badischen 
Bergstrasse,  im  Westen  ist  die  ausserste  Grenze  der  pfalzbayerische 
Ort  Mauchenheim,  im  Norden  die  alte  Reichsstadt  Wetzlar.  Die 

1  Reimer  II.  677.  Vgl.  bei  Obennörlen  und  Niederdorfelden,  p.  1 1 6  und 

136.  Auf  Niedermayers  Verwechslung  zwischen  Ober-  und  Niederdorfelden  habe 
ich  p.  136  hingewiesen. 

3  Pettenegg  1261. 


1 39 


meisten  und  bedeutendsten  Besitzungen  der  Komturei  lagen  in  dem 
fruchtbaren  Gebiet  nördlich  des  Mains,  in  der  Wetterau  im  weitesten 
Sinne,  die  begrenzt  ist  von  Taunus  und  Vogelsberg,  von  Lahn-,  Main- 
und  Kinzigtal. 

In  den  meisten  Orten  war  der  DO.  wirklich  begütert,  d.  h.  er 
besass  hier  Grundstücke.  Höfe,  Häuser,  Scheunen,  Mühlen,  Äcker, 
Wiesen,  Wald  etc.  Weinberge  z.  B.  in  Weinheim,  Oberrad,  in 
beiden  Mörlen,  Bergen,  Preungesheim,  Glauberg,  Gelnhausen,  Neuen¬ 
hain,  Langenselbold,  Meerholz,  Rossbach,  Weilbach,  vielleicht  auch 
in  Wicker.  Kirchen  bezw.  Kapellen  besass  die  Komturei  in  Hohen¬ 
sachsen,  Niederwöllstadt,  Eckenheim,  Preungesheim,  in  Obermörlen, 
Elolzburg  und  Hüftersheim,  in  Rödelheim  nur  bis  1275.  Ausser  in 
Sachsenhausen  und  auf  dem  Main  hatte  der  Orden  Mühlen  in  Alzey, 
Dieburg  und  Gelnhausen.  In  Weinheim  besass  er  das  Gericht, 
einen  Fronhof  in  Obermörlen. 

Das  Einkommen  der  Komturei  floss  in  erster  Linie  aus  den 
Erträgnissen  dieser  Besitzungen.  Sodann  sind  Pachtabgaben  und 
kirchliche  Einnahmen  hierher  zu  rechnen,  Ablass-,  Opfer-  und  Mess¬ 
geld,  ferner  eingezogene  Straf-  und  Bussgelder.  Eine  weitere  Einnahme¬ 
quelle  war  die  Hinterlassenschaft  verstorbener  DO. -Brüder1  oder 
deren  Vermögen  bezw.  elterliches  Erbteil.2  Am  meisten  brachten 
aber  Schenkungen,  Vermächtnisse,  fromme  Stiftungen  ein,  und  zwar 
sowohl  an  Gütern  und  Liegenschaften  als  Einkünften  und  Rechten. 
Auch  Geldsummen  erhielten  die  Deutschen  Herren  zugewendet3,  deren 
Verwendung  oft  festgelegt  war.  Meist  werden  Ländereien  gekauft, 
oder  es  wird  ein  neuer  Priester  unterhalten  (vgl.  unten  p.  152)  oder 
ein  Ewiglicht  gestiftet.4  Nicht  zu  vergessen  ist  die  Schenkung  kost¬ 
barer  Geräte  für  gottesdienstliche  Handlungen.5 

Oft  gehen  die  geschenkten  Güter  erst  nach  dem  Tode  des 
Wohltäters  in  die  Hände  des  Ordens  über;  ist  der  Schenker  ein 
Ehe-  oder  Geschwisterpaar,  so  erhält  die  Komturei  beim  Tode  eines 
Teiles  zunächst  erst  die  Hafte.6  Meistens  behalten  sich  die  Schenker 
die  Nutzniessung  vor,  sie  bewirtschaften  die  Ländereien  bis  zu  ihrem 


1  Lau  280.  683.  685.  Pettenegg  1251. 

2  Lau  522.  762.  II.  57.  394. 

3  Lau  296.  324.  453.  526.  541.  II.  259. 

4  Lau  57.  526. 

5  Lau  296. 

6  Lau  441. 


—  140  — 

Tode  selbst  und  geben  dafür  der  Komturei  eine  bestimmte  jährliche 
Abgabe,  gehen  also  eine  Art  Pachtvertrag  mit  dem  Orden  ein.1 

Schenkungen  ohne  Gegenleistungsverbindlichkeit  für  den  Orden 
linden  sich  verhältnismässig  selten;  in  solchem  Falle  fehlt  nie  die 
Versicherung,  dass  man  die  Schenkung  zu  seinem  Seelenheile  gemacht 
habe.2  Gewöhnlich  stiftet  man  sich  eine  Seelenmesse3  und  den  DO. - 
Brüdern  eine  Pietanz,4  oder  das  betr.  Objekt  kommt  dem  Spital  zugute.5 

Meistens  legen  die  Schenkungen  der  Komturei  bestimmte  Ver¬ 
pflichtungen  auf.  Hierher  gehört  das  erwähnte  Lesen  gewisser 
Messen.  Am  häufigsten  gewährt  der  DO.  dem  Wohltäter  oder  einem 
Verwandten  von  ihm  eine  Leibrente,  die  erst  mit  dem  Tode  des 
Betreffenden  erlischt.6  Oder  man  zieht  für  den  Rest  seines  Lebens 
ins  Deutsche  Haus  und  erhält  hier  vollständigen  Lebensunterhalt.7 
Bringt  man  noch  eigene  Bedienung  mit,  so  muss  man  selber  für 
diese  sorgen.8  Manche  wahren  sich  ausdrücklich  die  Möglichkeit 
ihres  Eintrittes  in  die  DO. -Bruder-  und  Schwesterschaft.9  Andre 
behalten  sich  das  Verfügungsrecht  über  ihr  Vermögen  oder  einen 
Teil  desselben  vor,  namentlich  für  den  Fall  der  Not,10 11  oder  machen 
zur  Bedingung,  dass  ein  Teil  der  Schenkung  nach  ihrem  Tode  in 
die  Hände  von  Verwandten  übergehe." 

Besonders  interessant  sind  die  Besitzungen,  Einkünfte  und  Rechte, 
die  die  Komturei  durch  Kauf  erwirbt,  da  sie  ein  Bild  von  den  Geld¬ 
mitteln  geben,  die  ihr  für  solche  Zwecke  zur  Verfügung  standen. 
Die  hauptächlichsten,  nach  Jahren  geordnet,  stelle  ich  hier  zusammen. 
1225.  20  Mark,  Oberrad. 

1269.  106  »  Okarben  und  Lichen. 

1276.  50  »  Sachsenhausen. 

1282.  100  Pfund  Heller,  Weinheim. 

1287.  1 17  Mark,  Eckenheim. 

1  Lau  57.  200.  222.  316.  945.  II.  168.  244.  629. 

2  Lau  30.  48.  470.  702.  812.  883.  Pettnegg  1234. 

3  Lau  57.  472.  526.  610.  672.  705.  844.  847.  II.  155.  168.  231.  325.  555. 
Pettnegg  1244. 

*  Lau  472.  610.  672.  703.  II.  155.  168.  325. 

>  Lau  II.  168. 

8  Lau  317.  324.  382.  550.  672.  II.  244.  259. 

7  Lau  323.  453.  554.  820. 

8  Lau  433. 

9  Lau  222.  554. 

10  Lau  462.  561. 

11  Lau  204. 


1293-  4°  Pfund  Heller,  Dieburg. 

1295.  63  »  »  » 

1300.  20  Gulden,  Niederursel. 

1303.  300  Pfund  Heller,  Gelnhausen. 

1303.  178  Mark,  Heldenbergen. 

1303.  19  »  Karben. 

1304.  8V2  Pfund  Pfennige,  Gelnhausen. 

1305.  18  Mark,  Sachsenhausen. 

1306.  57  Mark,  Ginheim. 

1308.  13  »  Ober-Mörlen. 

1312.  227  »  Ober-Wöllstadt. 

1315.  67  »  Nieder-Mörlen. 

1316.  35  Pfund  Heller,  Dieburg. 

1323.  20  »  »  Bonserwald. 

1323.  30  Mark,  Vilbel. 

1334.  52  »  Hulshofen. 

1334.  20  Pfund  Heller,  Gelnhausen. 

1336.  5  Mark,  Hulshofen. 

1337.  3  Pfund  Heller,  Grafenwald. 

1343—45.  780  +  55°  +  75°  Pfund  Heller,  Hainbachwald. 

1343.  32  Mark,  Klein-Auheim. 

1345.  108  »  Marköbel. 

1348.  5  Pfund  Heller,  Alzey. 

1350.  15V2  »  »  Bergen. 

1350.  30  Mark,  Vilbel. 

Die  betreffenden  Urkunden  zeigen,  dass  der  Orden  diese  oft 
grossen  Summen  immer  sofort  bar  ausbezahlte.  Nur  einmal  ist  die 
Komturei  nicht  in  der  Lage,  300  Pfund  Heller  sofort  flüssig  zu 
machen,  und  sie  verpflichtet  sich,  die  Summe  innerhalb  der  nächsten 
6  Jahre  in  Raten  von  je  50  Pfund  abzuzahlen.1  Geht  das  Objekt 
nicht  sofort  in  Ordensbesitz  über,  so  braucht  die  Komturei  den  Betrag 
auch  nicht  sofort  zu  bezahlen.2 

Meist  kauft  der  DO.  nur  gegen  Stellung  besonderer  Sicherheit. 
Entweder  muss  sich  der  Verkäufer  verpflichten,  fremde  Ansprüche  selber 
abzuwehren,  bezw.  für  den  durch  fremde  Ansprüche  dem  Orden  ent¬ 
stehenden  Schaden  aufzukommen,3  oder  die  Komturei  lässt  sich  Bürgen 


1  Lau  818.  (1303). 

2  Lau  72. 

>  Lau  II.  602.  Reimer  II.  626. 


stellen,  evtl,  mit  der  Verpflichtung  zum  Einlager  in  eine  Frankfurter 
Herberge.1  Für  Beschädigung  des  Gutes  ist  noch  der  Verkäufer 
verantwortlich.2  Bei  den  meisten  käuflichen  Erwerbungen  lässt  sich 
ein  zielbewusstes  Vorgehen  des  DO.  bemerken,  z.  B.  bei  der  Mühle 
Kistelberg  in  Dieburg,  bei  dem  grossen  Ordenswald  (p.  in  ff.),  bei 
dem  Gericht  zu  Weinheim,  auch  bei  dem  Steinmetzengut  in  Vilbel. 
Oft  nimmt  der  seitherige  Inhaber  das  verkaufte  Gut  sofort  wieder 
in  Pacht. 3 

Auch  durch  Nichtwiedereinlösen  ihr  verpfändeter  Liegenschaften 
erwarb  die  Komturei  manches.4  Endlich  sind  Tauschverträge 5  hierher 
zu  rechnen.  Hierbei  war  es  dem  DO.  entweder  darum  zu  tun,  wie 
bei  einem  Kauf  seine  Güter  zu  zentralisieren  und  abzurunden  oder 
kleinere  Besitzungen,  die  wenig  ertrugen  und  dazu  noch  weit  ablagen, 
loszuwerden.  Einigemale  bilden  die  Güter,  die  die  Komturei  in  Tausch 
gibt,  ein  Plus  gegenüber  denjenigen,  die  sie  eintauscht,  so  dass  sie 
noch  Geld  erhält,  mit  diesem  Tausch  also  einen  Verkauf  verbindet.6 
Auch  das  Gegenteil  kommt  vor,  dass  die  Komturei  noch  Geld 
hinzufügt.7 

Eigentlicher  Verkauf  von  Ländereien  durch  den  Orden,  Verkauf 
in  gewöhnlichem  Sinne  ist  überaus  selten,8  ein  Umstand,  der  in  Ver¬ 
bindung  mit  den  vielen  Käufen  und  Pachtungen,9  die  sich  der  DO. 
gestattet,  ein  günstiges  Licht  auf  die  Finanzen  und  die  Verwaltung 
der  Komturei  wirft.  Dazu  kommt  noch  eine  fast  vollständige 
Steuer-  und  Abgabenfreiheit 10  und  zahlreiche  Zollbefreiungen.  Zwar 
waren  diese  meist  dem  Orden  im  allgemeinen  erteilt,  dass  sie  aber 
auch  Sachsenhausen  zugute  kamen,  zeigt  die  Aufnahme  z.  B.  einer 
pfalzgräflichen  Zollbefreiung  zu  Eürstenberg  und  Bacharach  in  das 
jetzt  im  Kgl.  Staatsarchiv  zu  Stuttgart  auf  bewahrte  Kopialbuch  unserer 


1  398.  524.  543.  875.  II.  257.  Kopialb.  176 b.  Ähnlich  auch  bei  Tausch¬ 
verträgen,  Lau  294. 

2  Lau  550. 

5  Lau  634.  Kopialb.  219  L 

4  Kopialb.  3. 

>  Lau  296.  344 ff.  714.  761.  770.  791.  835.  II.  43.  206.  213.  526.  Reimer  11.  677. 
Kopialb.  187  b. 

6  Lau  431.  436.  II.  206. 

7  Lau  835. 

8  Lau  235.  II.  279.  446.  451. 

9  Lau  178.  500.  510.  537.  638.  966.  Böhmer  576. 

10  Lau  602.  951. 


143 


Komturei.1  Gleichzeitig  gestattet  diese  Tatsache  einen  erfreulichen 
Schluss  auf  den  Handel  und  Güterverkehr  der  Komturei. 

Finanzielle  Belastungen,  die  aus  Pachtung,  Kauf,  Schenkungen  etc. 
erwuchsen,  werden  nach  Kräften  vermindert,  indem  man  Zinsen 
und  andere  Abgaben  gegen  eine  entsprechende  Entschädigungssumme 
abzulösen  sucht.2 

Eine  Berechnung  des  gesamten  Güterbesitzes  der  Komturei  ist 
unmöglich,  da  die  Urkunden  nur  verhältnismässig  selten  die  Grösse 
eines  geschenkten,  gekauften,  verpachteten  Gutes  angeben,  sich  viel¬ 
mehr  immer  in  allgemeinen  Ausdrücken  bewegen  wie  bona,  immo¬ 
bile  etc.  Wir  müssen  aber  annehmen,  dass  der  Grundbesitz,  den  sich 
die  Komturei  innerhalb  der  ersten  150  Jahre  erwarb,  ein  ganz  riesiger 
war,  dies  zeigt  schon  ein  flüchtiger  Blick  in  die  Gütergeschichte. 

Sehr  lange  wurden  die  Besitzungen  nur  von  Sachsenhausen  aus 
verwaltet.  Von  der  Entstehung  der  späteren  Ämter  und  Kastereien 
ist  während  des  13.  Jahrhunderts  noch  nichts  zu  bemerken,  mit  Aus¬ 
nahme  von  Gelnhausen,  wo  die  Tatsache,  dass  der  DO.  1273  einen 
Weinberg  selbst  bebaut,3  auf  die  Existenz  einer  dortigen  Filiale  schliessen 
lässt.  Eine  gewisse  natürliche  Grundlage  für  die  Errichtung  von  Ver¬ 
waltungsunterabteilungen  bot  der  Komturei  der  frühe  Besitz  der  ge¬ 
nannten  Kirchen  und  Kapellen;  es  lag  auf  der  Hand,  dass  der  DO. 
zunächst  seinen  Geistlichen  die  Aufsicht  über  die  umliegenden  Güter 
übertrug.  In  der  Tat  finden  wir,  während  der  Zins  von  Dieburger  Gütern 
noch  1314  nach  Sachsenhausen  zu  liefern  ist,4 5  bereits  1305  die  ersten 
Spuren  einer  grösseren  DO. -Niederlassung  in  Niederwöllstadt. s  Bald 
begegnen  wir  auch  offiziellen  Bezeichnungen  wie  Komtur  und  Deutsches 
Haus  zu  Weinheim, 6  Pfarrer  und  Brüder  des  Flofes  zu  Niederwöllstadt,7 * 
Deutsche  Herren  von  Mörlen.s  1314  ist  ein  Zins  entweder  in  das  Haus  zu 
Sachsenhausen  oder  Gelnhausen  abzuliefern,9  1348  nach  Gelnhausen. 10 

1  1251  erteilt,  1258  erneuert;  Koch-Wille,  Regesten  d.  Pfalzgrafen  am  Rhein 
>75.  696.  Die  Erneuerung  wird  von  zwei  Koblenzer  Geistlichen  vidimiert,  und 
diese  Urk.  findet  sich  ohne  Datum  im  Kopialb.  Fol.  136. 

2  Lau  287.  315.  677.  779. 

3  Lau  324. 

4  Lau  968. 

5  Lau  866. 

6  Lau  878,  natürlich  nicht  Weinheim  an  derBergstrasse!  Kopialb.  3  zu  1328. 

7  Kopialb.  187.  1 87b  zu  1 315/17  und  1340. 

s  Kopialb.  74^  zu  1341. 

9  Kopialb.  33  L 

10  Reimer  II.  727. 


i44 


Wie  weit  der  Orden  seine  Güter  selbst  bewirtschaftete  und 
wie  weit  er  sie  verpachtete,  ist  nicht  mehr  festzustellen.  In  Fällen 
letzterer  Art  sind  Erbverpachtungen'  (jure  hereditario),  Verpachtungen 
auf  Lebzeiten  des  Pächters2  (ad  tempora  vitae  suae,  usque  ad  obiturn) 
und  endlich  einfache  Verpachtungen3  zu  unterscheiden,  worunter  ich 
solche  ohne  Zeitangaben  verstehe,  wo  also  der  Pachtvertrag  jederzeit 
gelöst  werden  konnte.  Manchmal  ist  auch  die  Erbverpachtung  be¬ 
schränkt,  z.  B.  auf  höchstens  zwei  Erben.4 

Zu  den  Pachtverträgen  auf  Lebenszeit  sind  in  gewissem  Sinne 
auch  die  bereits  erwähnten  zu  zählen,  wo  man  der  Komturei  Güter 
vermacht,  sie  aber  noch  bis  zu  seinem  Ableben  gegen  eine  bestimmte 
Abgabe  selber  bewirtschaftet.  Ähnliche  Bestimmungen  begegnen 
auch  bei  Kaufverträgen.  Manchmal  wird  ausdrücklich  betont,  dass 
das  Gut  zu  einer  Hand  bebaut  werden  soll,s  gewöhnlich  ist  es  einfach 
jure  colonatus,  jure  colonatorio,6  nach  Landsiedelrecht  verpachtet.7 

Wie  bei  Ankäufen,  so  verfährt  der  DO.  auch  bei  Verpachtungen 
sehr  vorsichtig.  Auch  hier  verlangt  er  oft  Stellung  besonderer 
Sicherheit,  indem  er  sich  für  den  Fall  unpünktlicher  oder  unge¬ 
nügender  Zinszahlung  bestimmte  Einkünfte  des  Pächters  anweisen8 
oder  bestimmte  Güter  zum  Unterpfand  setzen  lässt.9  Nichtzahlung 
der  Zinsen  hebt  den  Vertrag  und  alle  Rechte  des  Pächters  auf,  das 
Pachtobjekt  fällt  an  den  Orden  zurück.10  Doch  wird  auch,  wenn  der 
Pächter  in  Not  gerät,  der  Pachtvertrag  etwas  gemildert."  Für  evtl. 
Schaden  des  Gutes  sind  die  Pächter  verantwortlich.12  Die  Kosten  im 
Interesse  des  DO.  vorgenommener  Ausbesserungen  brauchen  sie  je¬ 
doch  nicht  zu  tragen,  die  Komturei  vergütet,  kauft  die  Besserung,'3 
auch  wird  sie  bei  Vermächtnissen  besonders  in  Anschlag  gebracht.'4 

1  Lau  271.  439.  545.  717.  II.  190. 

2  Lau  703.  705.  II.  160. 

3  Lau  876.  II.  449.  ßaur  I.  328.  Kopialb.  74b  zu  1350. 

4  Lau  522. 

5  Lau  II.  449. 

6  Lau  876.  Baur  I.  328. 

7  Lau  II.  160.  Reimer  II.  745.  Baur  V.  297.  Kopialb.  33  b. 

8  Lau  439.  II.  279.  Urk.  im  Arch.  zu  Frkf.  zu  1349. 

9  Lau  522.  II.  190.  Kopialb.  33  b. 

10  Reimer  IV.  810.  Kopialb.  74 b,  181  b. 

11  Reimer  II.  745. 

12  Lau  703. 

n  Lau  II.  54. 

14  Lau  705. 


145 


Nicht  selten  entstehen  wegen  der  Besserung  Prozesse.1  Bei  Nichtzahlung 
des  Pachtzinses  erhält  der  Pächter  auch  für  die  Besserung  keine  Ent¬ 
schädigung,  sie  fällt  ebenso  wie  das  bebaute  Gut  an  den  Orden  zurück.2 

An  Abgaben  kommen  Geld-  und  Naturalzinsen  vor.  Letztere 
sind  sehr  mannigfaltig,  zunächst  Erträgnisse  der  Halmfrüchte  Korn, 
Weizen,  Hafer,  dann  Mehl,  Erbsen,  Wein,  Wachs,  Öl,  endlich  Llühner, 
Gänse,  Kapaune,  seltener  Lämmer.  Beide  Arten  von  Zinsen  treten 
sowohl  zusammen,  als  für  sich  allein  auf. 

Erhebe-  und  Fälligkeitstermine  sind  circumcisio  domini,  Petri 
Cathedra,  Fastnacht,  Lätare  und  media  quadragesima,  Pascha,  octava 
Paschae,  Walpurgis,  Johannis  bapt.  nativitas,  Jacobus,  Matthaeus, 
Michaelis,  Gallus,  Allerheiligen,  Martini,  die  Zeit  zwischen  Marien 
Himmelfahrt  und  Geburt5  und  zwischen  Marien  Geburt  und  Michaelis.4 
Einmal  steht  es  im  Belieben  des  Pächters,  den  Zins  entweder  zwischen 
Marien  Himmelfahrt  und  Geburt,  den  beiden  Frauentagen,  abzuliefern 
oder  am  Gallustage.s  Grosse  Beträge  werden  manchmal  in  zwei 
Raten  bezahlt,  so  am  i.  Januar  und  Michaelis,6  Pascha  und  Martini,7 
Michaelis  und  Walpurgis,8  zwischen  Marien  Himmelfahrt  und  Geburt 
und  an  Martini.9 

Eine  Menge  Konflikte,  Streitigkeiten  und  Prozesse  war  natürlich 
unausbleiblich.  Zahl  und  Art  derselben  zeigt  die  Gütergeschichte.  — 

Kaiser  und  Könige  haben  fast  ununterbrochen  mit  der  Komturei 
teils  in  rein  geschäftlicher,  teils  mehr  persönlicher  Verbindung  ge¬ 
standen.  So  Heinrich  VI.,10  Philipp,11  Friedrich  II.12  und  sein  Sohn 
Heinrich,13  Wilhelm  von  Holland, 14  Richard, 15  Rudolf,16  Adolf,’7 


1  Lau  II.  42. 

2  Urk.  im  Arcb.  zu  Darmstadt  zu  1340,  Kopialb.  74  b. 

3  Lau  717.  II.  244.  Reimer  I.  346.  II.  662. 

4  Kopialb.  219  b. 

5  Lau  II.  602. 
ß  Lau  672. 

7  Kopialb.  2  =  Lau  522. 

8  Lau  703. 

9  Kopialb.  57b  zu  1343. 

10  Lau  30. 

11  Lau  39. 

12  Lau  39.  48.  55.  56. 
o  Lau  100. 

14  Reimer  I.  280. 

!S  Lau  293. 

16  Lau  330  Zus.  341.  350.  351.  372  f.  300.  546. 

37  Lau  638.  Thomas  190. 


10 


146 


Ludwig  der  Bayer,1  Karl  IV. 2  Abgesehen  von  kleineren  Gegen¬ 
königen  vermissen  wir  nur  Otto  IV.,  Konrad  IV.,  Albrecht  und 
Heinrich  VII. 

Während  letzterer,  im  Frankfurter  Dominikanerkloster  zum 
König  gewählt,  bei  seinem  Aufenthalte  in  Frankfurt  auch  in  diesem 
Kloster  wohnte,  pflegte  Ludwig  der  Bayer  anfangs  bei  den  Johannitern,3 
später  in  Sachsenhausen  bei  den  Deutschherren  Wohnung  zu  nehmen. 
Doch  stieg  er  auch  im  Braunfels  ab,  und  1324  nennt  er  drei  Frank¬ 
furter  seine  lieben  Wirte,4  ebenso  den  bekannten  Jakob  Knoblauch 
1338  bis  1346.5 

Zum  erstenmal  seit  Friedrich  II.  bedient  sich  Kaiser  Ludwig  in 
seiner  Reichspolitik  wieder  in  hervorragender  Weise  Angehöriger 
des  DO.  Die  Deutschmeister  Konrad  von  Gundelfingen  und 
Wolfram  von  Nellenburg,  und  zeitlich  zwischen  beiden  der  Land¬ 
komtur  von  Franken,  Heinrich  von  Zipplingen,  genossen  sein 
volles  Vertrauen,  sie  waren  seine  Geheimen  Räte.6  Dass  die  einfluss¬ 
reiche  Stellung  dieser  Männer  nicht  spurlos  an  der  Frankfurter  Kom¬ 
turei  vorüberging,  ist  mehr  als  selbstverständlich.  Denn  einmal  ist  ausser 
Heinrich  auch  Konrad,  bevor  er  die  Würde  des  Deutschmeisters 
erlangte,  Landkomtur  der  Ballei  gewesen,  zu  der  Sachsenhausen 
gehört.7  Zweitens  sind  für  den  Kaiser,  indem  er  die  Inhaber  der 
beiden  wichtigsten  deutschen  Ämter  des  Ordens  zu  seinen  politischen 
Ratgebern  macht,  bei  seinem  überaus  häufigen  Aufenthalt  in  der 
Kaiserstadt  am  Main  nähere  Beziehungen  zur  dortigen  Komturei  eine 
ganz  normale  und  notwendige  Folge,  und  mehr  als  einmal  war  das 
DH.  zu  Sachsenhausen  der  Ort  wichtiger  politischer  Ereignisse  und 
folgenschwerer  Beschlüsse. 

Von  hier  aus  erliess  Ludwig  1324  die  sog.  Sachsenhäuser 
Appellation,  jene  berühmte  Antwort  auf  den  dritten  Prozess 
Johanns  XXII.,  unter  deren  Zeugen  wir  auch  den  Komtur  von  Sachsen- 
hausen,  Kraft  von  Sulz,  finden.  Ein  antipäpstlicher  Erlass  in  einer 


1  Lau  II.  143.  428.  Böhmer  555.  576.  580.  Reimer  II.  677. 

2  Reg.  Karls  1069.  1171. 

3  Lau  II.  10.  Reg.  Ludwigs  d.  B.  71. 

+  Lau  II.  248.  Reg.  710. 

s  Reg.  1917.  2482. 

6  Pflugk-Harttung,  Der  Johanniter-  und  DO.  im  Kampfe  Ludwigs  d.  B.  mit 
der  Kurie,  p.  72  ff. 

7  Ersterer  wird  sogar  einmal  Landkomtur  211  Frankfurt  genannt,  Hohen- 
lohisches  UB.  II.  339. 


147 


Hauskapelle  des  DO.,  ein  für  die  Politik  des  Ordens  und  seiner 
höchsten  Vertreter  sehr  bezeichender  Vorgang.  Doch  ist  er  nicht 
das  erste  Zeichen  näherer  Beziehungen  Ludwigs  zu  unserer  Komturei, 
wie  v.  Pflugk-Harttung  annimmt,  schon  vier  Jahre  früher  sind  solche 
zu  bemerken.1 

Bei  der  Einung  zwischen  dem  Kaiser  und  Balduin  von 
Trier,  die  im  Dezember  1331  in  Frankfurt  erfolgte,  finden  wir  unter 
den  beiderseitigen  Vermittlern  Deutschherren,  auf  erzbischöflicher 
Seite  den  Komtur  von  Trier  mit  zwei  DO. -Rittern,  auf  kaiserlicher 
den  Deutschmeister  und  den  Landkomtur  von  Franken.  Auf 
der  beiden  letzteren  Bitten  transsumiert  Ludwig  einige  Tage  später  die 
Goldene  Bulle  Friedrichs  II.  von  1221,  und  zu  Beginn  des  Jahres  1332 
erteilt  er  unserer  Komturei  ein  Beholzungsrecht  im  Reichswald.2 3 

Zum  zweiten  Male  lenkt  Sachsenhausen  die  Augen  auf  sich: 
Jenen  Reichstag  vom  August  1338,  der  einen  so  glänzenden 
Markstein  für  den  politischen  Aufschwung  der  deutschen  Fürsten 
darstellt,  hielt  der  Kaiser  im  dortigen  DH.  ab.  Abermals  ist  der 
Landkomtur  anwesend,  und  auch  diesmal  kargt  Ludwig  nicht  mit 
seinem  Dank  für  solch  treue  Gesinnung.5  —  Fast  gleichzeitig  mit 
der  Verkündigung  der  papstfeindlichen  Beschlüsse  dieses  Tages  heften 
päpstliche  Kommissare  die  Bannbulle  gegen  Ludwig  und  seine 
Anhänger  an  die  Frankfurter  Kirche  an.  Ob  aber  tatsächlich,  wie 
v.  Pflugk-Harttung  annimmt,4  die  Deutschen  Herren  den  Gottesdienst 
einstellten  —  Frankfurt  ist  im  Interdikt  —  möchte  ich  bezweifeln. 
Denn  einmal  ist  bei  der  äusserst  nationalen  und  kaisertreuen  Haltung 
des  Ordens  nicht  anzunehmen,  dass  er  sich  in  dieser  kampffrohen 
Zeit  an  den  Erlass  des  Papstes  kehrte,  und  zweitens  war  der  DO. 
durch  päpstliche  Privilegien  ausdrücklich  von  Bann  und  Interdikt 
ausgenommen.5 

Als  im  März  1339  zu  Frankfurt  die  zweite  Aussöhnung  des 
Kaisers  mit  Johann  von  Böhmen  stattfand,  finden  wir  unter 
den  kaiserlichen  Räten,  die  die  Beilegung  des  Zwistes  beschwören, 
wiederum  den  Deutschmeister  und  den  Landkomtur  von  Franken. 

Am  19.  Juli  desselben  Jahres  transsumiert  der  Deutsch - 


1  Lau  II.  143.  Reg.  402. 

2  Lau  II.  428.  Reg.  1421.  Vgl.  oben  p.  98. 

3  Reg.  1945. 

4  a.  a.  O.  p.  112  nach  Latomus. 

5  Voigt  I.  357.  364. 


IO 


148 


meist  er  in  Frankfurt  mit  dem  Erzbischof  von  Mainz  und  dem  Bischof 
von  Speyer  zwei  der  englischen  Politik  entsprungenen  Verträge,  und 
am  22.  fand  in  sacristia  monasterii  fratrum  Theut.  domus  in  Sassen- 
husin  die  notarielle  Beglaubigung  derselben  in  Gegenwart  der  zwei 
genannten  Bischöfe  und  mehrerer  weltlicher  Fürsten  statt.1 

Ausser  dem  von  1339  lässt  Kirchner  auch  1344  einen  Reichstag 
im  DFL  stattfinden.2 

Als  im  November  1346  bei  Gelegenheit  einer  Zusammenkunft 
des  Kaisers  mit  seiner  aus  Plolland  zurückkehrenden  Gemahlin 
wiederum  deutsch-englische  Beratungen  stattfanden,  weilte 
abermals  der  Deutschmeister  als  kaiserlicher  Unterhändler  in  Frankfurt. 

Ich  glaube  auch  die  Fälle,  wo  Kaiser  Ludwig  von  Frankfurt  aus 
preussische  Ordensangelegenheiten  erledigt 3  oder  für  andre  Kom- 
tureien  Vergünstigungen  erlässt  oder  sie  in  ihren  Rechten  schützt,4 
nicht  ausser  acht  lassen  zu  dürfen.  Sicher  sind  auch  diese  Dokumente 
nicht  ohne  Mitwirkung  unsrer  Komturei  ausgefertigt  worden. 

Von  Dynasten  und  Fürsten,  zu  denen  die  Komturei  Sachsen¬ 
hausen  Beziehungen  hatte,  kommen  an  erster  Stelle  die  Pfalzgrafen 
am  Rhein5 6  in  Betracht,  sodann  das  Haus  der  Münzenberg-Falken¬ 
steiner,  deren  Oberlehnsherr  der  Pfalzgraf  war,  und  ihre  Verwandten. 
Das  Verhältnis  der  Münzenberger  zum  DO.  wurde  bei  der 
Gründungsgeschichte15  eingehend  behandelt;  ich  verweise  hier  noch¬ 
mals  auf  Elisabeth,  die  mehrerwähnte  Gemahlin  Cunos  II.,  und  ihren 
Stiefvater.7 8  Einmal  treten  die  Herren  von  Babenhausen,  eine 
Seitenlinie  der  Hagen-Münzenberger,  mit  der  Komturei  in  Berührung, s 
umso  öfter  die  Falkensteiner.9  Weniger  wiederum  die  Herren  von 
Hanau,10  der  zweite  Hauptstamm,  in  dem  sich  die  Münzenberger  in 
weiblicher  Linie  fortpflanzten,  die  den  Falkensteinern  verwandten 


1  Neues  Arch.  d.  Gesellsch.  f.  alt.  dtsch.  Geschichtskunde,  B.  23  p.  350.  352.. 
Mitteil,  aus  dem  Stadtarch.  in  Köln,  Heft  6  (1884)  P-  30  Nr.  1587. 

2  Gesell,  d.  Stadt  Frkf.  I.  168. 

3  Reg.  1916.  1966.  2530.  Add.  I.  2808.  2831.  2832.  III.  3536. 

4  Reg.  688.  1950.  2098.  2176.  2269.  Add.  I.  2809.  2846.  III.  3394. 

s  Lau  527.  607.  610.  613.  700.  860.  II.  420.  Vgl.  auch  Koch-Wille,  Regesten 
d.  Pfalzgrafen. 

6  Mitteil.  d.  Oberhess.  Geschichtsver.  1905. 

7  Lau  57.  72.  74. 

8  Lau  II.  228. 

9  Lau  176.  260.  344  ff.  469.  475.  525.  555.  573.  591.  730.  866.  II.  24.43  Zus. 
325.  Kopialb. 

10  Lau  555.  645.  716.  Reimer  II.  624.  634.  689. 


149 


Raugrafen  zu  Boineburg1  und  die  Dynasten  von  Eppstein.2 
Ferner  finden  wir  gelegentliche  Beziehungen  zu  den  Landgrafen  von 
Messen,3  zu  den  Grafen  von  Isenburg,4  Sleeberg,5 *  Limburg,7  Nassau7 
und  dem  Herzog  von  Österreich  und  Steiermark.8 

Von  Rittern  aus  dem  Gebiete  der  weitausgedehnten  Ordens¬ 
besitzungen  erwähne  ich  die  von  Hohenfels,  Weinheim,  Kronbcrg, 
Holzhausen,  Heusenstamm,  Preungesheim,  Sachsenhausen,  Steinfurt, 
Lössberg,  Nauheim,  Kalsmunt,  Mörlen,  Göns,  Linden,  Selbold,  Buches.9 

Dasselbe  gilt  natürlich  von  zahlreichen  Bürgern  und  Einwohnern 
vor  allem  der  Städte  und  Ortschaften,  in  denen  die  Komturei  begütert 
war.  Aber  nicht  mit  den  Einwohnern  allein,  auch  mit  den  Behörden 
ihrer  Wohnorte  trat  die  Komturei  oft  in  direkte,  meist  geschäftliche 
Verbindungen.  So  mit  den  Stadtbehörden  von  Frankfurt  (auch  mit 
der  dortigen  Judengemeinde),10  Friedberg,  Gelnhausen,  Wetzlar,  Glau¬ 
berg,  Giessen,  Alsfeld,  Herborn,  Dieburg,  Alzey,  mit  den  Gemeinden 
von  Neuenhain,  Niederwöllstadt  etc. 

Bei  Streitigkeiten  kommen  u.  a.  in  Betracht  die  Schöffengerichte 
von  Mauchenheim,  Vilbel,  Gründau,  Steinheim,  Bergen,  ferner  das 
geistliche  Gericht  zu  Worms  und  sehr  häufig  das  zu  Mainz. 

Überhaupt  unterhielt  die  Komturei  Sachsenhausen  rege  Be¬ 
ziehungen  zu  der  Mainzer  Geistlichkeit,  besonders  zu  den  Stiftern 
und  Klöstern  der  Karthause,  zu  St.  Mariengreden,  zu  St.  Gingolf  und 
St.  Alban,11  natürlich  auch  zur  dortigen  DO. -Komturei. 12 

Vom  Frankfurter  Klerus  erwähne  ich  die  Karmeliter,  Domini¬ 
kaner  und  Minoriten,13  besonders  aber  treten  die  Geistlichen  des 
Bartholomäusstiftes  unzähligemal  in  irgend  einer  Beziehnng  zum 
DO.  auf,14  was  sich  z.  T.  dadurch  erklärt,  dass  der  Frankfurter  Dekan 


1  Kopialbuch  43  f.  zu  1342  und  1343. 

2  Lau  II.  63.  Sauer  1 3 ,  2179.  2189. 

5  Lau  332. 

4  Lau  39  Zus.  223.  330. 

5  Lau  39  Zus.  765. 

*  Lau  302. 

~i  Lau  578. 

8  Baur  I.  68. 

9  Ein  Buches  ist  1320  Komtur,  s.  unten  p.  153. 

10  Lau  556. 

11  Lau  95.  431.  —  621.  682.  —  433.  628.  —  II.*  268.  602. 

12  Lau  454.  534.  665.  835.  911.  II.  183. 

13  Kopialb.  57L  —  Lau  201.  376.  410.  —  201.  393.  462. 

14  Lau  244.  318.  510.  615.  II.  26.  144.  446. 


150 


öfters  die  Eigenschaft  eines  päpstlichen  judex  und  Konservators  der 
DO. -Privilegien  bekleidet.1 *  Auf  dieselbe  Ursache  sind  auch  Beziehungen 
zwischen  der  Komturei  und  dem  Abt  von  St.  Pantaleon  in  Köln 
zurückzuführen.1  Von  sonstigen  auswärtigen  Stiftern  und  Klöstern 
seien  genannt  die  zu  Wetzlar,  Friedberg,  Seligenstadt,  Arnsburg, 
Haina,  Ilbenstadt,  Sion,  Schiffenberg,  Konradsdorf,  Dieburg,  Meerholz, 
Selbold,  Padershausen,  Tiefental,  Schmerlenbach. 

Ausserdem  hat  die  Komturei  noch  in  vereinzelten  Fällen  mit 
Pfarrern  der  Umgegend  und  auswärtigen  Kanonikern  zu  tun.  Ich 
erwähne  schliesslich  noch  einige  Inklusen  und  Beginen. 3 

Von  Päpsten  kommen  Gregor  IX.  und  Klemens  IV.  in  Betracht.4 * 
Von  anderen  hohen  Kirchenfürsten  der  Erzbischof  von  Trier  und  der 
Bischof  von  Metz  und  Speyer,3  der  Wormser6  und  der  ehemalige 
Bischof  von  Regensburg.7 

Konflikte  mit  ihrem  Diözesenbischof  blieben  auch  unserer  Kom¬ 
turei  im  Anfänge  nicht  erspart.  Honorius  III.  (1216—27)  musste  schon 
zu  Beginn  seines  Potifikates  die  Ballei  Franken  energisch  in  Schutz 
nehmen,8 9  und  der  1221  dem  Mainzer  Erzbischof  gegenüber  einge¬ 
gangene  Verzicht  des  Ordens  auf  gewisse  Vorrechte  geschah,  um 
dem  Erzbischof  »enger  verbunden  zu  sein.«’  Doch  brachte  dieses 
Entgegenkommen  der  Komturei  keine  allzugrossen  Vorteile,  1234 
verhängt  der  Erzbischof  das  Interdikt  über  die  Deutschen  Herren  zu 
Sachsenhausen,  sodass  die  Hilfe  des  Papstes  angerufen  werden  muss.10 
Erst  20  Jahre  später  findet  eine  Einigung  statt,11  jetzt  herrscht  voll¬ 
ständiger  Friede  zwischen  der  Komturei  und  ihrem  Bischof.12  Noch 
1290  wird  ein  ähnlicher  Vergleich  geschlossen, 13  und  zur  Zeit 

1  La  779.  Baur  I.  552.  Pettenegg  1254.  Kopialb.  44 b. 

3  Wyss  I.  367. 

5  Lau  878.  945.  Pettenegg  1254. 

4  Lau  103.  280. 

$  Lau  56.  Vgl.  Mitteil.  d.  Oberhess.  Geschichtsver.  1905,  48  ff.  Der  Bischof 
von  Speyer  auch  1339,  s.  p.  148. 

6  Lau  477. 

7  Lau  247. 

s  Voigt  I.  352. 

9  Guden,  Cod.  dipl.  IV.  869  zu  122  ...  ,  1221  nach  v.  Nathusius,  Die 
Deutschmeister  vor  1232,  p.  27.  Vgl.  Lau  p.  30  Antn. 

10  Lau  103.  f 

11  Lau  172.  In  diesem  Sinne  ist  Voigt  I.  507  zu  berichtigen. 

13  Lau  344—48.  966. 

U  Kopialb.  92  L 


Ludwigs  d.  B.  weilt  der  Erzbischof  von  Mainz  im  Deutschen  Hause 
zu  Sachsenhausen.1 

Was  das  Verhältnis  der  Komturei  Sachsenhausen  zum  DO.  im 
allgemeinen  betrifft,  so  wurde  auf  ihre  Beziehungen  zum  Deutschen 
Haus  in  Mainz  bereits  hingewiesen.  Mit  der  Marburger  geht  unsere 
Komturei  bei  einem  Prozess  gemeinsam  vor.2  Beamte,  vorher  Kom¬ 
ture  in  Flörsheim  und  Marburg,  treffen  wir  später  in  derselben  Stellung 
in  Sachsenhausen,  umgekehrt  ist  ein  Frankfurter  Komtur  später  Komtur 
in  Marburg.  Ein  Landmeister  in  Preussen  ist  vorher  Hauskomtur  zu 
Sachsenhausen  gewesen.3 

Von  hohen  Ordensbeamten  sind  in  Frankfurt  nachweisbar  1276 
Bischof  Johannes  von  Litthauen,  1290  ein  Bischof  Christian, 4 *  1272 
und  1273  der  Hochmeister  Anno  von  Sangerhausen,  1287  Hochmeister 
Burkard  von  Schwanden  und  1280  jedenfalls  auch  der  Hochmeister 
Hartmann  von  Heldrungen. s  Von  Deutschmeistern  Konrad  von  Nürn¬ 
berg  1261, 6  Gerhard  von  Hirzberg  1279, 7  vielleicht  Konrad  von  Feucht¬ 
wangen  1287  und  1295.8  Ferner  1331,  1339  und  1346  der  kaisertreue 
Wolfram  von  Nellenburg.9  Der  Landkomtur  von  Franken  1331,  1338 
und  1339. 10  Endlich  1331  auch  der  Komtur  von  Trier  nebst  Be¬ 
gleitung.11 

Ordenskapitel  fanden  in  Sachsenhausen  statt  1272,  1273,  1287, 
1292,  1300.12  — 

Der  Sachsenhäuser  Konvent  war  lange  nicht  so  zahlreich  wie 
der  zu  Marburg,  der  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts 
aus  25  bis  30  Ordensherren  bestand,13  auch  sind,  abgesehen  von  dem 
einen  Fall,  zu  dieser  Zeit  aus  dem  DH.  zu  Sachsenhausen  keine  höheren 


1  Vgl.  oben  p.  148. 

2  Wyss  I.  367,  oben  p.  125. 

3  Vgl.  die  Liste  der  Komture  und  Hauskomture,  p.  153. 

4  Lau  366.  Niedermayer  49. 

>  Lau  303.  310.  Natürlich  der  Hochmeister,  nicht  Deutschmeister.  — • 
Lau  530.  —  Lau  431,  Hartmann  urkundet  in  Mörlen. 

6  Lau  235. 

7  Lau  410. 

s  Lau  525.  683. 

9  Vgl.  oben  p.  147  h 

10  Daselbst.  Nach  Voigt  I.  664  ff.  waren  dies  ausser  Heinrich  von  Zipplingen 
Herbrand  von  Smehingen  und  Friedrich  von  Urbach. 

11  Oben  p.  147. 

12  Lau  203.  310  Zus.  530.  Zeitschr.  d.  hist.  Vereins  für  das  württemb.  Franken 
1852  p.  85.  Hohenlohisches  UB.  I.  539. 

13  Heldmann  in  d. Zeitschr.  d. Vereins  f.  hess.  Gesch.  u. Landeskunde,  N.F.  2041.62. 


152 


Ordensbeamten  hervorgegangen,  wie  dies  in  Marburg  fast  Regel  war. 
Die  DO. -Statuten1  schreiben  als  Mindestzahl  12  Brüder  vor,  und  tat¬ 
sächlich  wurde  dieses  Minimum  im  13.  Jahrhundert  in  Sachsenhausen 
kaum  überschritten.  Nach  Bücher2  betrug  die  durchschnittliche  Zahl 
der  Ritterbrüder  nicht  mehr  als  8  bis  10,  Priester  3  bis  4,  dazu  kam 
noch  eine  kleine  Zahl  Halbbrüder  und  Ordensschwestern  und  eine 
grössere  Schar  von  Bediensteten.  1324  sind  ausser  dem  Komtur 
4  Priester  und  9  Brüder  bezeugt,  sowie  »die  andren  Bruder  gemein- 
lich  des  vorgenanten  Hußes  zu  Sachsenhusen«.3 

Die  allmähliche  Zunahme  der  Zahl  der  Priester  ist  genau  zu 
verfolgen.  Anfangs  begnügte  man  sich  mit  einem,  aber  infolge  reicher 
Dotierungen  konnte  bereits  1222  ein  zweiter4 5  und  seit  1287  ein  dritter 
Ordenspriester  unterhalten  werdend  1324  finden  wir  vier,  aber  in 
derselben  Urkunde  wird  bereits  die  finanzielle  Basis  für  den  Unterhalt 
eines  fünften  Priesters  geschaffen.6  Auffällig  ist,  dass  alle  diese 
Stiftungen  von  Frauen  oder  richtiger  von  Witwen  herrübren. 

Das  Amt  eines  Hauskomturs  begegnet  offiziell,  soviel  ich 
sehe,  erst  1324,7 *  doch  ist  das  Bestehen  dieses  Amtes  zweifellos  schon 
für  das  13.  Jahrhundert  in  Anspruch  zu  nehmen.  Andernfalls  ständen  wir 
vor  der  merkwürdigen  Erscheinung,  dass  die  Komturei  mehreremale 
gleichzeitig  zwei  Komture  nebeneinander  hätte.  Nur  einmal  avanziert  ein 
Hauskomtur  zum  Komtur.  Eine  Liste  dieser  Beamten  befindet  sich  unten. 

Von  sonstigen  Hausämtern  finden  wir  den  Schmied,*  Trapier,9 
Zins-,10 11  Küchenmeister,”  Kellner12  und  Müller.13  Von  einem  Ober¬ 
reiter,  den  Kirchner  I.  234  seit  frühester  Zeit  im  DFI.  wohnen  lässt, 
habe  ich  zwar  keine  Spur  gefunden,  doch  darf  man  wohl  die  Existenz 
von  mehr  als  den  erwähnten  Ämtern  annehmen.’4 

1  ed.  Perlbach  1890,  13.  Ordensregel  p.  41. 

2  Die  Bevölkerung  von  Frankfurt  a.  M.  im  14.  und  15.  Jahrhundert  p.  514. 

5  Lau  II.  259. 

4  Lau  57. 

5  Lau  526. 

6  Lau  II.  259.  • 

7  Daselbst. 

*  Lau  325.  382.  550. 

9  Lau  875.  Baur  I.  299.  Lau  II.  207.  228.  244.  259.  503.  Pettenegg  1234. 
Kopialb.  183. 

10  Baur  I.  299. 

11  Voigt  II.  683.  Lau  II.  207.  228.  239.  325. 

11  Lau  II.  259.  503. 

o  Reimer  III.  56. 

Über  diese  Ämter  vgl.  Voigt  I.  255  fl. 


153 


Was  endlich  Halbbrüder  und  Ordensschwestern1  betrifft,  so  ist 
deren  Zahl  sehr  unsicher.  Letztere  müssen  aber  später  ziemlich 
zahlreich  gewesen  sein,  denn  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  baut 
man  ihnen  von  einer  Stiftung  des  reichen  Wickcr  Frosch  einen 
eigenen  Konvent,  das  St.  Katharinenkloster.2 3 


Beilage  I. 

Komture  und  Hauskomture  von  Sachsenhausen. 

Eine  Berichtigung  zu  Lersner  1706  II.  101,  1734  II.  164  und 
Batlonn  VII.  85.  Die  Zitate  beziehen  sich  auf  die  erste  und  letzte 
urkundliche  Erwähnung. 

a)  Ko m ture. 

1.  Heinrich  von  Ybach  1221— 1238.5 

2.  Konrad  1257  Januar.4 

3.  Gerhard  1257  Februard 

4.  Ludwig  von  Schwalbach  1270 — 1280  Juni.6 

5.  Anselm  von  Witzelbach  1280  Dezember —  1297.7 8 

6.  Konrad  Lumpo  von  Flörsheim  i3oo-i3i6.s 

7.  Berthold  von  Buches  1320.9 

8.  Kraft  von  Sulz  1322 — 1328. 10 

9.  Heinrich  von  Löwenstein  1332  — 1333. 11 

10.  Culmann  von  Bergen  1339 — 1340. 12 


1  Das.  330  ff.  Solche  Brüder  und  Schwestern  werden  erwähnt  Lau  222.  325. 
453.  554.  Pettenegg  1254.  Ein  verheirateter  Bruder  Lau  II.  158.  Auch  auswärtige 
Adlige  Hessen  sich  mit  ihren  Frauen  in  die  DO. -Bruderschaft  aufnehmen.  Vgl.  Voigt 
I.  337  ff.,  oben  p.  1 1 3 . 

2  Voigt  I.  343.  Wolff  und  Jung  I.  229. 

3  Lau  p.  30  Anm.,  Lau  1 1 5 .  Schon  1220  erwähnt,  oben  p.  113. 

4  Lau  p.  101  Anm. 

5  Lau  21 1. 

6  Lau  296.  436. 

7  Lau  439.  705. 

8  Lau  769.  II.  44.  Vorher  Komtur  in  Flörsheim,  Heldmann  p.  108. 

9  Lau  II.  158.  1317— 1319  Komtur  in  Marburg,  Wyss  III. 

10  Lau  II.  190.  325. 

11  Lau  II.  446.  451. 

12  Urk.  im  Arch.  Frkf.,  Reimer  II.  537  (Konrad  von  Bergen).  1314  Haus¬ 
komtur.  1337 — 1343  Bruder,  Reimer  II.  489.  629.  Vgl.  oben  p.  121. 


154 


11.  Otto  von  Mühlhofen  1348. 1 

12.  Volz  von  Brensbach  1349  — 1359. 2 

b)  Hauskomture  (vgl.-  p.  152). 
t.  Luther  von  Pirmont  1284 — 1288.3 

2.  Konrad  von  Hallstadt  oder  Bamberg  1292  —  12944 

3.  Winrich  1300 — 13034 

4.  Culmann  von  Bergen  13 14.6 

5.  Conrad  Wise  1324.7 


Beilage  II. 

Alphabetisches  Ortsverzeichnis,  zugleich  Inhaltsverzeichnis 
zur  Gütergeschichte. 


Seite 

Seite 

Alzey  .... 

104 

Fauerbach 

•  •  134 

Beienheim 

....  137 

Frankfurt  . 

•  •  99 

Bergen  .... 

1 2 1 

Freimersheim 

■  •  105 

Berkersheim  . 

.  .  .  .  130 

Friedberg  .  .  . 

■  •  i32 

Bleichenbach  . 

I34 

Bockenheim  . 

•  •  •  I32 

Geis-Nidda  .  . 

•  •  *35 

Bornheim  . 

1 20 

Gelnhausen  .  . 

1  28 

Büdesheim 

.  .  136 

Gerburgeheim 

•  •  134 

Bürgel  .... 

iii 

Ginheim 

■  •  i32 

Glauberg  .  .  . 

126 

Dieburg 

107 

Gondsroth  .  . 

126 

Dornheim  .  . 

in 

Gronau  .  . 

•  •  737 

Düdelsheim 

....  125 

Gross-Karben 

•  •  134 

Eckenheim 

1 18 

Hausen,  Hessen  . 

.  .  113 

Eddersheim 

....  136 

Hausen,  Hessen-Nassau 

•  •  i35 

Erzhausen  . 

106 

Heddernheim 

•  •  136 

Eschbach  .  .  . 

....  130 

Heldenbergen  .  . 

1 28 

Eschersheim  . 

....  136 

Heusenstamm  .  . 

•  •  ”3 

1  Kopialb.  3  t>.  Zu  1345  hat  Niedermayer  einen  Komtur  Eckh.  Vgl.  p.  131. 
1  Urk.  im  Arch.  Frkf.,  Kopialb.  75. 

5  Lau  487.  530.  1278—1282  Bruder,  Lau  410.  Kopialb.  219b. 
r  Lau  6io,  Baur  I.  208.  Hallstadt  liegt  nördlich  Bamberg.  1299  Land¬ 
meister  in  Preussen.  Voigt,  Namenkodex  d.  DO. -Beamten  in  Preussen,  p.  4. 

5  Lau  770.  818.  1292 — 1294  Bruder,  Lau  621.  659. 

6  Kopialb.  33  b.  Später  Komtur. 

7  Lau  II.  259.  Später  Komtur  in  Marburg,  Wyss  III. 


i55 


Seite 


Hirzbach . 123 

Hohensachsen . 106 

Holzburg . 1x9 

Horbach . 13S 

Hüftersheim . 120 

Hüttengesäss . 129 

Hulshofen . 123 

Klein-Auheim . 1 1 1 

Kloppenheim . 127 

Langenselbold . 132 

Lang-Göns . 124 

Lichen . 127 

Lieblos  . 129 

Lützellinden . 129 

Marköbel . 137 

Mauchenheim . 105 

Meerholz . 133 

Mittel-Gründau . 136 

Münster . 106 

Neuenhain . 13 1 

Nied . 136 

Niederdorfelden . 135 

Niederkleen . 129 

Nieder-Mörlen . 130 

Niederursel . 132 

Nieder-Wöllstadt  .  .  .  .  116 

Oberdorfelden . 138 

Ober-Hörgern . 135 


Ober-Mörlen  .... 

Seite 

.  .  114 

Oberrad . 

106 

Obertshausen  .... 

1 1 2 

Ober-Wöllstadt  .  .  . 

.  .  131 

Okarben . 

127 

Oppershofen  .... 

.  .  123 

Partenheim  .... 

•  • 

Pohl-Göns  .... 

.  .  123 

Praunheim  .... 

•  •  13° 

Preungesheim 

1 2 1 

Rembrücken  .... 

1 1 2 

Rendel  ...... 

•  •  125 

Rodheim . 

•  •  13° 

Rödelheim  .... 

.  .  X19 

Rödgen . 

.  .  123 

Rossbach . 

•  •  136 

Sachsenhausen. ,  .  .  . 

•  •  95 

Schwalbach  .... 

■  •  132 

Strassheim . 

■  •  i34 

Trebur . 

106 

Vendersheim  .... 

.  .  105 

Vilbel . 

•  ■  i35 

Wachenbuchen  .  .  . 

•  •  132 

Weilbach . 

•  •  i33 

Weinheim . 

•  ■  103 

Wetzlar . 

•  •  125 

Wicker . 

•  •  134 

IV. 


Beiträge  zur  Reformationsgesehiehte 
der  Stadt  Frankfurt  a.  M. 

ERSTER  TEIL. 


Von 

Lic.  theol.  KARL  EULER. 


Vorbemerkung. 

I.  Die  Bornheitner  Eingabe  1523 — 1524. 

II.  Zur  Vorgeschichte  des  Zünfteaufstandes  von  1525. 


<r 


f 


Vorbemerkung. 


Die  wichtigste  handschriftliche  Quelle  für  die  Entwickelung  der 
Reformation  in  Frankfurt  a.  M.  ist  Tom.  I  und  II  der  Akten  des 
Religions-  und  Kirchenwesens,  die  sich  im  Frankfurter  Stadtarchiv 
befinden.  Hier  sind  die  meisten  wichtigeren  Schreiben,  Eingaben 
der  Bürgerschaft,  Kundgebungen  des  Rates,  Erlasse  einzelner  Fürsten, 
vor  allem  Albrechts  II.  von  Mainz  zusammengestellt.  Aber  diese 
Aktensammlung  weist  doch  noch  bedeutende  Lücken  auf.  Aus 
dem  Schriftenwechsel  wegen  der  Sachsenhäuser  und  Bornheimer 
Angelegenheit  (1523  ff)  fehlen  wichtige  Schriftstücke.  Die  Apologie 
des  Rates  (1526)  ist  weder  als  Original,  noch  als  Kopie,  noch  als 
Entwurf  vorhanden.  Auch  der  auf  die  Apologie  folgende  Schriften¬ 
wechsel  ist  unvollständig.  Die  Angelegenheit  der  Barfüsser,  sowie 
die  der  Karmeliter  (1329)  ist  überhaupt  nicht  erwähnt. 

Diese  Lücken  füllen  die  übrigen  im  Frankfurter  Stadtarchiv 
befindlichen  Quellen  nur  sehr  unvollkommen  aus.  Zwar  bieten  die 
Reichstagsakten,  die  Akten  und  Urkunden  des  Bartholomäusstiftes, 
des  Liebfrauenstiftes,  des  Leonhardstiftes,  sowie  die  Chroniken  und 
annalistischen  Aufzeichnungen  eine  ganze  Reihe  wertvoller  Ergän¬ 
zungen.  Auch  die  kurzen  Notizen  der  Bürgermeisterbücher  und  der 
Ratschlagungsprotokolle  geben  zum  Teil  Andeutungen  über  das 
Fehlende.  Aber  das  alles  kann  doch  niemals  den  Mangel  an  Akten 
selbst  ersetzen. 

Diesem  Mangel  abzuhelfen,  bietet  sich  eine  bisher  unbekannte 
Aktensammlung  dar,  die  das  K.  K.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in 
Wien  aufbewahrt.  Sie  findet  sich  dort  mitten  unter  den  Beständen 
des  ehemaligen  Kurerzkanzlerarchivs,  die  1851 — 52  mit  den  Bundes¬ 
akten  nach  Wien  gekommen  waren.  Sie  wurden  damals  zu  Schiff 
von  Aschaffenburg  nach  Wien  gebracht,  wobei  leider  ein  Teil  der¬ 
selben  durch  Schiffsunfall  verloren  ging.  Unter  den  geretteten  Be¬ 
ständen  findet  sich  nun  auch  jene,  für  die  Reformationsgeschichte 
von  Frankfurt  so  wichtige  Aktensammlung. 


Diese  Sammlung  bildet  einen  ziemlich  starken  Schweinsleder¬ 
band  in  Folio,  676  Seiten  stark.  Der  Rücken  des  Bandes  zeigt  die 
mit  Tinte  von  alter  Kanzlistenhand  geschriebene  Aufschrift: 

»1521  Francfurter 
Lutherisch  sect 
betr.« 

Der  Deckel  des  Schweinslederbandes  trägt  auf  der  Vorderseite  oben 
rechts  den,  wahrscheinlich  von  derselben  Kanzlistenhand  geschriebenen 
Titel: 

»Franckfurdisch  handelung 
»die  lutterische  Sect  vnnd 
»Anders  Belangend« 

»V  20« 

Ausserdem  finden  sich  unter  diesem  Titel  auf  derselben  Seite  noch 
eine  Reihe  von  Aufschriften,  die  aber  alle  von  moderner  Hand  stammen. 

Den  Inhalt  dieses  lose  gehefteten  Bandes  bilden  119  grössere 
und  kleinere  Schriftstücke  und  ein  Druck.  Die  grössere  Hälfte  dieser 
1 1 9  Schriftstücke,  die  alle  nur  von  der  kirchlichen  Bewegung  in 
Frankfurt  a.  M.  handeln,  war  von  den  verschiedensten  Seiten  aus  an 
die  erzbischöfliche  Kanzlei  eingelaufen,  die  kleinere  Hälfte  war  von 
ihr  ausgegangen.  Nach  Jahren  verteilt  sind  an  Schriftstücken  vor¬ 
handen:  für  das  Jahr  1407  1  Schriftstück,  für  1523  2,  für  1524  3, 
für  1525  20  (und  1  Druck),  für  1526  14,  für  1527  1,  für  1529  57, 
für  1530  5,  für  1531  11,  für  1532  5.  Unter  diesen  Schreiben  sind 
nun  alle  diejenigen,  die  im  Namen  des  Kurfürsten  ausgegangen  waren, 
hier  stets  als  Entwürfe  vorhanden,  die  aber  meist  durchkorrigiert  und 
so  für  die  Reinschrift  fertiggestellt  sind. 1  Fast  alle  Akten  tragen  auf 
der  Rückseite  Kanzleibemerkungen,  die  den  Inhalt  kurz  angeben. 
Die  Aufeinanderfolge  der  Akten  ist  nicht  immer  chronologisch. 
Eine  Zählung  der  einzelnen  Blätter  ist  vorhanden,  aber  nur  bis  zum 
250.  Blatte  und  auch  bis  dahin  nicht  ganz  ohne  Fehler.  Zwischen 
dem  147.  und  148.  Blatte  wurde  ein  Blatt  nicht  mitgezählt,  das  auf 
Bl.  162  folgende  Blatt  wurde  wieder  als  Bl.  162  gezählt.  Bl.  21  und 
22,  24—27  sind  herausgenommen  und  nicht  wieder  eingelegt  worden. 
Der  Grund  des  Fehlens  dürfte  sich  aus  Bl.  23  ergeben.  Darnach 
bedurfte  man  der  herausgenommenen  Akten  als  Beleg  zu  einem 
Schreiben  des  Kurfürsten  Albrecht  an  den  Erzbischof  von  Trier. 


1  Einige  der  hier  als  Entwürfe  vorhandenen  Akten  finden  sich  im  Frankfurter 
Stadtarchiv  als  Ausfertigungen  vor.  Sie  haben  die  wörtliche  Abschrift  der  hier 
durchkorrigierten  Entwürfe. 


—  161  — 

Der  Inhalt  der  herausgenommenen  Akten  bezog  sich  nach  dem 
ganzen  Zusammenhang  auf  die  Streitigkeiten  zwischen  Bürgerschaft 
und  Geistlichkeit  in  Frankfurt  kurz  vor  Ausbruch  des  Zünfteaufstandes 
1525.  Aus  einem  ähnlichen  Grunde  dürfte  auch  bei  Bl.  250  plötzlich 
die  Zählung  der  einzelnen  Blätter  abbrechen.  Nach  Bl.  (268),  einem 
Schreiben  der  Mainzer  Räte  an  den  Kurfürsten  (vom  18.  Juli  1530) 
mussten  nämlich  diese  Räte  dem  in  Augsburg  auf  dem  Reichstag 
befindlichen  Kurfürsten  »die  ganze  handlung,  wes  in  der  franckfur- 
dischen  Sachen  der  lutterischen  seckt  halber  gehandelt  und  in  Schriften 
hin  und  widder  ergangen  seindt«  zusenden.  Der  Kurfürst  bedurfte 
dieser  Akten,  um  die  grosse  Anklageschrift  (s.  w.  u.)  herstellen  zu 
lassen.  Ein  Teil  der  Schreiben,  die  nach  dem  18.  Juli  1530  noch  in 
der  Frankfurter  kirchlichen  Angelegenheit  gewechselt  wurden,  wurde 
später  wieder  dieser  ganzen  Sammlung  beigelegt,  jedoch  ohne  dass 
die  unterbrochene  Blattzählung  wieder  aufgenommen  wurde. 

Im  Folgenden  soll  nun  der  Inhalt  dieser  Aktensammlung  in  die 
bisher  bekannte  Reformationsgeschichte  von  Frankfurt  a.  M.  ein¬ 
gegliedert  werden.  Um  dabei  die  Citierung  zu  erleichtern,  wird 
diese  ganze  Wiener  Sammlung  stets  mit  W  bezeichnet,  für  die  nach 
Bl.  250  noch  folgenden  91  Blätter  wird  dabei  am  besten  in  der  be¬ 
gonnenen  Blattzählung  fortgefahren,  nur  werden  jene  91  Blätter  stets 
in  (  )  citiert,  also  Bl.  (251),  Bl.  (252). 1 2 


I.  Die  Bornheimer  Eingabe  1523 — 1524/ 

Die  kirchliche  Bewegung  in  Bornheim  ist  in  den  bisherigen 
Darstellungen  der  Frankfurter  Reformationsgeschichte  nur  kurz  be¬ 
handelt  worden.3  Der  Grund  liegt  wohl  in  der  mangelnden  Kenntnis 

1  Im  Folgenden  werden  die  einzelnen  Blätter  von  W  citiert,  ohne  jedesmal 
»Bl.«  hinzuzufügen,  also  W  i,  W  2,  etc. 

2  Abkürzungen : 

Qu  II  =  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte,  herausgegeben  von  Grotefend,  II.  Band: 

Chroniken  der  Reformationszeit,  bearbeitet  von  Jung,  1888. 

BB  =  Bürgermeisterbücher 

Ratschl.-P.  =  Ratschlagungsprotokolle  im  Frankfurter  Stadt- 

RK.  =  Akten  betr.  das  Religions-  und  Kirchenwesen  |  archiv. 

FRKS  =  Reichskammergerichtsakten 

3  Balth.  Ritter,  Evangel.  Denkmal  d.  Stadt  Frankfurt  a.  M.  1726.  S.  70;  Anton 
Kirchner,  Gesch.  d.  Stadt  Frankf.  II  (1810)  S.  21;  Qu  IIS.  57,  Anm.  1  u.  S.  80,  Anm.  1. 


11 


—  162  — 

der  Akten.  W  liefert  uns  nun  zu  der  Bornheimer  kirchlichen  Be¬ 
wegung  einige  Beiträge,  die  uns  in  einen  Teil  jener  Bewegung  einen 
weiteren  Blick  tun  lassen. 

Bornheim,  seit  1475  zu  Frankfurt  gehörig,1  wurde  von  der 
Frankfurter  Geistlichkeit  versehen.2  Die  Bevölkerung  des  Dorfes 
blieb  von  der  allgemeinen  religiösen  Bewegung,  die  seit  1520  auch 
in  Frankfurt  Fuss  gefasst  hatte,  nicht  unberührt.  Die  Anfänge  dieser 
Bewegung  reichen  in  Bornheim  bis  in  das  Jahr  4522  zurück.  Am 
30.  Juni  1322  hatten  die  3  Taunusritter  Marx  Lösch  von  Möllnheim, 
Georg  von  Stockheim  und  Emmerich  von  Reifenstein  ein  Schreiben3 
an  die  Bornheimer  gerichtet  mit  der  Aufforderung:  »das  ir  der 
tyrannischen  vermeintlichen  geistlichen  der  stat  Franckenfurt,  die 
das  wort  gottes  und  die  heiligen  evangelia  nit  lyden  wollen,  noch 
selbst  tun  predigen,  darumb  wollet  dieselbigen  tyrann  iren  zehenden 
selbst  sarneln  lassen,  so  ir  umb  und  by  euch  habt  nit  entnemen,  be- 
huszen,  warten,  noch  infuren.«  Diese  Aufforderung  war  bei  den 
Bornheimern  auf  fruchtbaren  Boden  gefallen.  Dietrich  Zobel,4 *  General¬ 
vikar  in  Mainz,  hatte  zwar  sofort  ein  scharfes  Mandat  an  die  Born¬ 
heimer  erlassen,  um  die  Aufforderung  der  Ritter  wirkungslos  zu 
machen.  Aber  Zobels  Vorgehen  bewirkte  nur,  dass  jetzt  der  Rat 
von  Frankfurt  sich  der  Sache  annahm.  Letzterer  sah  in  Zobels  Vor¬ 
gehen  einen  Eingriff  in  seine  Rechte  und  beschloss  in  der  Ratsver¬ 
sammlung  vom  4.  Juli  1522  eine  Deputation  nach  Mainz  zu  senden, s 
die  die  Zurücknahme  des  Zobelschen  Mandates  erwirken  sollte.  Al- 
brecht  hob  denn  auch  nach  einigen  Verhandlungen  wirklich  jenes 
Verbot  auf.  Die  Aufforderung  der  3  Taunusritter  aber  hatte  im 
Verein  mit  andern  Briefen  derselben  Ritter  aus  jener  Zeit  gleichwohl 
zur  Folge,  dass  den  Geistlichen  zu  Frankfurt  »ire  zehend  uf  dem 
feld,  auch  in  der  von  Francfurt  dorfen  als  Bornheim  verpoten  sein 
worden,  im  felde  liegen  plieben,  und  zum  teil  vom  vie  veretzet  und 
verwüst  und  zum  teil  verbrant  worden«.6 

1  Schulin,  die  Frankfurter  Landgemeinden,  herausgegeben  von  Jung  (1895), 
S.  47  ff. 

2  Schulin,  a.  a.  O.  S.  289. 

3  Der  ganze  Brief  ist  abgedruckt  bei  Steitz,  Reformat.  Persönlichkeiten,  Ein¬ 
flüsse  und  Vorgänge  in  der  Reichsstadt  Frankfurt  a.  M.  1 5 19  — 1522  (Archiv  für 
Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Neue  Folge,  IV.  Bd„  S.  135);  das  Original  des 
Briefes  RK  I  Bl.  29. 

,4  Gudeni  Cod.  dipl.  II  S.  431. 

s  BB  1522  Bl.  17. 

6  Aus  der  Augsburger  Anklageschrift  W  (279  a  u.  b). 


163 


Während  des  Winters  1522—23  scheint  in  der  Bornheimer  Be¬ 
völkerung  Ruhe  geherrscht  zu  haben,  wenigstens  melden  die  Quellen 
nichts  gegenteiliges.  Aber  im  darauffolgenden  Frühjahre  machte 
sich  bei  ihnen  der  Unwille  über  die  schlechte  kirchliche  Versorgung 
wieder  laut  bemerkbar  und  verdichtete  sich  zuletzt  zu  einer  Klage¬ 
schrift,  die  sie  am  5.  Mai  1523  dem  Rat  in  Frankfurt  übergaben.1 
Diese  Klageschrift  ist  in  W  erhalten,2  zeitlich  das  erste  Schriftstück 
dieser  Quelle,  mit  dem  sie  sich  in  den  Gang  der  Reformations¬ 
bewegung  in  und  um  Frankfurt  eingliedert,  zugleich  das  erste  erhaltene 
Schriftstück  überhaupt,  das  uns  einen  Blick  tun  lässt  in  die  Klagen, 
Wünsche  und  Bedürfnisse  des  Frankfurter  Landgebietes. 

Fasst  man  den  Inhalt  dieser  Eingabe  näher  ins  Auge,  so  berührt 
einen  von  vornherein  angenehm  der  ruhige,  sachliche  Ton,  wodurch 
sie  sich  von  den  späteren  zahlreichen  Eingaben  der  Sachsenhäuser 
abhebt.  Die  Gedanken  dieser  Eingabe  waren  in  Kürze  folgende:  In 
einer  früheren  Schrift3  hätten  sie  schon  einmal  dem  Rate  dargelegt, 
dass  sie  so  viele  Zehnten  zu  bezahlen  hätten,  dass  sie  mit  der  Hälfte 
dieser  Zehnten  schon  einen  eigenen  Priester  unterhalten  könnten 
»damit  ein  gemein  auch  mit  dem  gotsdienst  und  den  sacramenten 
versehen  were«.  Diese  Verhältnisse  hätten  sich  nicht  nur  nicht  ge¬ 
bessert,  sondern  wenn  sie  eines  Priesters  bedürften,  müssten  sie  diesen 
noch  eigens  »verlonen«.  Aber  auch  dann  bekämen  sie  noch  nicht 
einmal  einen  Priester.  So  sei  es  im  letzten  Jahre  vorgekommen, 
dass  10 — 12  Personen  ohne  priesterlichen  Beistand  hätten  sterben 
müssen.  Der  Pfarrer  fordere  aber  gleichwohl  wie  alljährlich  von  der 
Kirche  3  Pfund  Heller,  von  der  Gemeinde  1  Pfund  Heller,  Holz  und 
4/s  Hafer.  Da  sie  nun  aber  selbst  kein  Holz  haben  und  der  Pfarrer 
kein  Pferd  sich  hält,  wollen  sie  weder  Holz  noch  Hafer,  auch  kein 
Geld  mehr  geben  »dweil  er  nun  nichts  darumb  tut  und  heit,  wollen 
wir  ime  auch  nichts  halten  und  geben«.  Der  Schluss  der  Eingabe 
spricht  dann  die  Bitte  aus,  der  Rat  möge  diese  Dinge  bedenken  und 
ihnen  Rat  und  Hilfe  spenden.  —  Das  waren  die  Gedanken  dieser 
Eingabe.  Man  sieht,  es  sind  noch  ähnliche  Gedanken,  wie  sie  einst 
die  Taunusritter  in  ihnen  wach  gerufen  hatten.  Es  sind  keine  stür- 
misch-reformatorischen  Pläne,  die  sie  da  entwickeln,  sondern  es  ist 
der  menschlich  so  natürliche  und  begreifliche  Wunsch  nach  einem 


1  BB  1523  Bl.  1  a. 

2  W  14  a  u.  b. 

3  Nicht  erhalten. 


II 


—  164  — 

tüchtigen  Pfarrer,  dem  sie  das  Seine  geben  wollen,  der  aber  auch 
ihnen  in  Not  und  Tod,  in  guten  und  bösen  Tagen  zur  Seite  stehen  solle.1 

Für  die  nächste  Wirkung  dieser  Eingabe,  sowie  für  den 
weiteren  Gang  der  ganzen  Angelegenheit  sind  wir  vor  allem  auf  die 
kurzen  Bemerkungen  der  Bürgermeisterbücher  angewiesen.  Darnach 
hatte  der  Schritt  der  Bornheimer  doch  nicht  ganz  den  erwünschten 
Erfolg.  Zunächst  beschloss 2  der  Rat  am  Tag  der  Eingabe  diese 
selbst  dem  Kapitel  zu  St.  Bartholomäus,  das  demnach  die  Gemeinde 
kirchlich  zu  versehen  hatte,  vorzuhalten.  8  Tage  später  gab  das 
Kapitel  und  der  Pfarrer  von  St.  Bartholomäus  Antwort,  worauf  der 
Rat  beide,  die  Bornheimer  wie  den  Pfarrer,  auf  wieder  über  8  Tage 
zu  sich  beschied.3  Mittlerweile  aber  war  das  kaiserliche  Edikt  vom 
Reichstage  zu  Nürnberg  gekommen,4  die  Ratssitzungen  waren  mit 
weitergreifenden  Beratungen  ausgefüllt.  Erst  am  2 6.  Mai  gehen  die 
Ratsfreunde5  zu  dem  Pfarrer  von  St.  Bartholomäus  und  den 
Bornheimern  und  am  n.  Juni  melden  die  Bürgermeisterbücher: 6 
»den  von  Bornheim  sagen,  das  sie  einem  pferner  geben,  wes  sie  ime 
schuldig  sien,  desglichen  sol  ein  pferner  auch  tun  was  billich  ist, 
damit  sie  ein  eigen  priester  hetten  und  dem  vom  zehend  belonet 
wurde.«  Der  Rat  unterstützte  also  amtlich  das  Verlangen  der  Born¬ 
heimer  nach  einem  eigenen  Priester,  der  Pfarrer  aber,  Peter  Meyer, 
war  einstweilen  noch  nicht  gesonnen  nachzugeben. 

Dagegen  kam  ein  anderer  wichtiger  Schritt  des  Rates  den 
Wünschen  der  gesamten  Bürgerschaft7  wie  auch  der  Bornheimer  in 
jenen  Tagen  weit  entgegen.  Durch  die  oben  besprochene  Eingabe 
klang,  wenn  auch  leise  und  unausgesprochen,  so  doch  vernehmbar 
die  Klage  über  die  drückenden  Zehnten  und  Erbzinsen,  die  die  Vor¬ 
fahren  »aus  guter  meinung  ime  (dem  Pfarrer)  nit  als  aus  einer 
gerechtigkeit  sonder  gutwilligkeit  gegeben  und  gereicht  haben,«  und 
die  man,  besonders  wenn  die  Gegenleistung  des  Pfarrers  fehlt, 
drückend  empfindet.8  Da  tat  wenige  Wochen  später,  am  23.  Juni  1523, 
der  Rat  von  Frankfurt  den  kühnen  Schritt  und  beschloss:  »alle  gult 


1  Vgl.Kriegk,  Frankfurter  Bürgerzwiste  und  Zustände  im  Mittelalter  S.  142 — 144. 

2  BB  1523  Bl.  1  a. 

3  BB  1523  Bl.  3  a. 

4  Qu  II  S.  70  Anm.  6. 

5  BB  1523  Bl.  7  b. 

6  BB  1523  Bl.  12  a. 

?  Kriegk,  a.  a.  O.  S.  142. 

s  W  14  b. 


165  — 


uf  ein  ablosung  zu  brengen  geistlich  und  weltlich«.1  Zunächst  liess 
er  sein  Vorhaben  mündlich  durch  Ratsfreunde  den  Geistlichen  mit- 
teilen.2  Am  14.  Juli  liessen  daraufhin  die  3  Stifter  durch  ihre  Scho- 
laster  antworten,  man  solle  diese  »Werbung«  schriftlich  geben.3  Der 
Rat  beschloss  noch  am  gleichen  Tage  diesem  Wunsche  zu  willfahren 
und  am  27.  Juli  melden  die  Ratschlagungsprotokolle  (II.  Bl.  81  b): 
»als  die  hern  uf  den  stieften  begeren  inen  die  Werbung  so  die  rats- 
fründ  by  inen  der  ewigen  gulten  getan  haben,  inen  dasselb  schriftlich 
zu  geben,  domit  sie  ire  mitgesellen  so  zu  Rom  in  der  fürsten  hof 
sien  und  anderswo  resideren«  benachrichtigen,  Beschluss:  »inen  das 
verzeichnus  geben  und  darnach  ir  gemute  wyter  vernemen  doch 
darinn  sitzen  inwendig  der  statt«. 

Die  Stifter  erhielten  nur  jenes  Verzeichnis,  davon  dann  offenbar 
Abschriften  denen  zugesandt  wurden,  die  es  anging.  Dabei  scheint 
das  vom  Rat  beschlossene  Verzeichnis  in  die  erzbischöfliche  Kanzlei 
gekommen  zu  sein.  W.  enthält  wenigstens  neben  der  Bornheimer 
Eingabe  vorn  5.  Mai  1323  ein  solches,4 *  von  der  Hand  des  Frankfurter 
Stadtschreibers  Marsteller  hergestelltes  Verzeichnis  der  einzelnen 
Punkte,  die  bei  der  Zinsablösung  in  Betracht  kommen.  Dieses  Ver¬ 
zeichnis  ist  zwar  nicht  datiert,  aber  man  wird  kaum  fehlgehen,  wenn 
man  es  für  das  vom  Rat  versprochene  Verzeichnis  ansieht,  denn  die 
spätere  Zinsablösung  vom  1.  Jan.  ij26s  nimmt  ausdrücklich  die  3 
Stifter  aus,  was  hier  nicht  der  Fall  ist,  und  bestimmt  auch  eine  andere 
Taxe  für  die  Ablösung.  Andere  Zinsablösungsvorschläge  aber  als 
die  von  1523  und  1526  können  für  W  nicht  in  Betracht  kommen, 
da  W  schon  mit  dem  Jahre  1532  abschliesst. 

Die  Vorschläge  nun,  die  der  Rat  nach  diesem  Exemplar  von 
W  macht,  sind  folgende:  1.  Der  Rat  der  Stadt  Frankfurt  hat  1439 
das  Recht  erlangt,  dass  Käufer  und  Verkäufer  liegender  Güter  und 
ewiger  Zinsen  nur  vor  dem  Rat  unterm  Stadtsiegel  »aufgift6  und 
werschaft«7  leisten  sollen.  Alle  ewige  Zinsen  nun,  die  nach  1439 


1  BB  1523  Bl.  15  a,  vgl.  zum  folgenden  Qu  II  S.  71  f. 

2  BB  1523  Bl.  16 b,  17a  u.  b. 

5  BB  1 523  Bl.  24  b,  25  a. 

4  W  10—13. 

s  Qu  II  S.  100  Anm.  1,  Kirchner  II  S.  53. 

6  aufgift  =  resignatio  (J.  G.  Scherzius,  gloss.  germ.  med.  aevi,  herausgegeb. 
von  Oberlin,  pars  prior  1781). 

7  werschaft  =  Sicherstellung,  Gewährleistung  (Lexer,  mittelhochd.  Hand¬ 
wörterbuch  1878). 


1 66 


jenem  Statut  gemäss  aufgerichtet  sind,  sollen  künftighin  aufhören. 
Zinsbriefe  und  Bürgschaften,  die  aber  vor  Aufrichtung  jenes  Statuts 
gemacht  wurden  oder  die  ein  anderes  Siegel  als  das  der  Stadt  tragen, 
unterstehen  hinsichtlich  ihrer  Giltigkeit  der  Entscheidung  des  Rates, 
Schultheissen  oder  der  Schöffen.  2.  Alle  ewigen  Zinsen  sollen  ab¬ 
gelöst  werden  können  und  zwar  mit  der  Summe,  die  der  Zinsbrief 
angiebt.  Fehlt  hier  die  Angabe  einer  Summe,  so  soll  es  hier  wie 
mit  den  Zinsen  gehandhabt  werden,  für  die  kein  Brief  vorhandeu 
ist;  bei  letzteren  soll  je  1  Gulden  mit  15 1  Gulden  Frankfurter 
Währung  abgelöst  werden  können.  Bei  Streitigkeiten  steht  dem 
Zinsreicher  der  Rechtsweg  offen.  3.  Damit  vom  Zinsherr  durch  Vor¬ 
enthaltung  der  Hauptbriefe  kein  Unrecht  versucht  werde,  muss  auf 
Verlangen  des  Zinsreichers  der  Zinsherr  eidlich  bekräftigen,  dass  er 
die  Briefe  nicht  vernichten  oder  wissentlich  hintanhalten  will.  4.  Wenn 
bei  ewigen  Zinsen  je  1  Gulden  mit  mehr  oder  weniger  als  15  Gulden 
erkauft  worden  war,  so  fällt  zwar  ebenfalls  der  Zins  weg,  aber  die 
Hauptsumme  wird  für  eine  Schuld  gerechnet,  von  der  der  Zins¬ 
reicher  jährlich  1  Gulden  abzuzahlen  hat,  bis  die  Hauptsumme  bezahlt 
ist.  Will  der  Zinsreicher  auf  einmal  alles  bezahlen,  soll  es  auch 
erlaubt  sein.  5.  Auch  bei  Gütern  sollen  alle  Erbzinsen  ablösbar  sein. 
Ist  im  Brief  keine  Summe  angegeben,  so  soll  auch  hier  jeder  Gulden 
mit  15  Gulden  abgelöst  werden  können.  6.  Jede  Ablösung  muss 
dem  Zinsherrn  Vi  Jahr  vorher  angezeigt  werden;  geschieht  das  nicht, 
so  darf  die  Ablösung  nicht  erfolgen.  7.  Vor  der  Ablösung  sind  alle 
bis  dahin  laufenden  Zinsen  zu  entrichten.  8.  Diese  Artikel  gelten 
für  alle  Bewohner  des  Frankfurter  Gebietes.  9.  Im  Zweifelsfalle 
entscheidet  der  Rat,  der  Schultheiss  oder  die  Schöffen. 

Das  waren  die  bedeutungsvollen  Vorschläge  des  Rates.  Der 
klare  Blick,  den  der  Rat  hiebei  zeigte,  fehlte  den  Geistlichen.  Sie 
zogen  die  Entscheidung  über  die  ganze  Frage  in  die  Länge  und 
suchten  sich  den  Verpflichtungen  zu  entziehen,  bis  der  stürmische 
Gang  der  Ereignisse  von  1525  doch  einen  Teil  der  Geistlichen  zwang 
in  ähnliche  Bestimmungen  zu  willigen. 

Die  Entscheidung  über  diese  ganze  Angelegenheit  stand  aber  in 
Frankfurt  einstweilen  noch  dahin.  Andere  Ereignisse  drängten  sich  in 
den  Vordergrund.  Im  Dom  vertrat  Peter  Meyer  in  seinerWeise  die 
Sache  der  Altgläubigen,  in  der  Katharinenkirche  predigte  Dietrich  Sar¬ 
torius  die  neue  Lehre.  Im  September  1523  kam  ein  scharfes  Edikt  des 


1  1526:  20  Gulden. 


167-  — 


Kurfürsten,  das  lutherische  Lehre  und  lutherische  Bücher  streng 
verbietet.  Die  Macht  der  Altgläubigen  war  trotzdem  in  ständigem 
Sinken  begriffen.  Ja,  am  24.  Nov.  1523  meldet  das  Bürgermeisterbuch:1 
»als  das  capitel  zu  sanct  bartholomes  pitt,  zu  verfugen,  dasz  sie  sicher 
in  die  mette  geen  mögen.  Das  so  viel  müglich  fürkomen  und  auf 
den  zunften  ansagen.«  Am  5.  Januar  1524  regten  sich  auch  die 
Bornheimer  wieder.  Sie  klagten2  dem  Rat,  sie  hätten  »nit  mehr  dan 
1.  mesz  uf  die  cristnacht  gehapt.«  Wieder  werden  sie  vom  Rat  be- 
schieden,3  ihre  Klagen  schriftlich  zu  stellen.  8  Tage  später  bringen 
sie  diese  Klageschrift4 5  über  die  Herren  vom  Kapitel  zu  St.  Bartholo¬ 
mäus;  der  Rat  übergibt  letzteren  gleich  die  Schrift.  Der  Inhalt 
dieser  neuen  Bornheimer  Eingabe  ist  leider  nicht  bekannt,  ebenso¬ 
wenig  der  der  Antwort  des  Bartholomäuskapitels.  Nur  das  eine 
können  wir  aus  der  Angabe  der  Bürgermeisterbüchers  schliessen,  dass 
die  Antwort  des  Stiftsherrn  irgend  etwas  Bedenkliches  enthalten  haben 
muss.  Denn  als  diese  Antwort  in  der  Sitzung  des  Rates  am  21.  Jan. 
verlesen  wurde,  entschied  man:  der  Rechtskundigen  Rat  einholen.  Der 
Erfolg  dieser  neuen  Eingabe  war  jedenfalls  gering.  Als  nun  aber  auch 
eine  weitere  Klage6  vom  10.  Mai  1524  wieder  nur  den  Erfolg  hatte, 
dass  der  Rat  sie  dem  Kapitel  vorhielt,  da  machten  die  Bornheimer 
ihre  Drohung  wahr  und  verweigerten  den  Zehnten.  Nun  war  das 
Spiel  umgekehrt.  Die  Stifftsherrn  klagten7  jetzt  beim  Rat.  Der  Rat 
»behandet«  den  Bornheimern  die  Schrift,  damit  sie  Antwort  geben 
können.  Mittlerweile  aber  hatten  sich  in  Frankfurt  selbst  die  Ver¬ 
hältnisse  stark  geändert.  Die  Predigten  des  der  neuen  Lehre  an¬ 
hängigen  Dietrich  Sartorius  waren  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Bürger¬ 
schaft  geblieben  und  hatten  die  Stimmung  gegen  die  altgläubigen 
Geistlichen  wesentlich  beeinflusst.8  Die  Sachsenhäuser  hatten  sich 
ebenfalls  gerührt  und  in  ihren  Schriften  gleich  einen  schroffen, 
drohenden  Ton  angeschlagen.9  Auch  der  Rat  selbst  hatte  allerhand 
Zwistigkeiten  mit  den  Geistlichen  wegen  ihrer  Weigerung  des  Fron¬ 
dienstes,  wegen  des  Burglehens,  wegen  des  Holzes.  Als  nun  noch 

1  BB  1523  Bl.  59a. 

2  BB  1523  Bl.  71a. 

3  BB  1523  Bl.  71  a. 

4  BB  1523  Bl.  73  a. 

s  BB  1523  BI.  76a. 

6  BB  1524  Bl.  3  a. 

"  BB  1524  Bl.  30b. 

8  W  (287  b,  279  a)  s.  u. 

5  Vgl.  ihre  erste  Eingabe,  abgedr.  bei  Ritter  S.  67  fr. 


1 68 


am  1 6.  August  1524  ein  Schreiben  von  Mainz  kam,'  das  den  Rat 
wegen  der  Heranziehung  der  Geistlichen  zum  Frondienst  beim  Boll¬ 
werkneubau  zur  Rede  setzte,  beschloss  der  Rat  von  Frankfurt  die 
verschiedenen  Streitpunkte  mündlich  zu  erledigen  und  noch  am  selben 
Tage  einige  seiner  Mitglieder  zum  Kurfürsten  zu  senden. 

Kurz  nach  Abreise  dieser  Gesandschaft  lief  die  Antwort  der 
Bornheimer  auf  die  Anklage  der  Stiftsherrn  ein.  Diese  Antwort 
ist  uns  in  W  erhalten.1  2  Es  ist  interessant,  sie  mit  der  ersten  Eingabe 
zu  vergleichen.  Dort  ist  es  noch  eine  ruhige,  sachliche  Darlegung 
ihrer  Klagen,  allerdings  in  die  Drohung  ausklingend:  Wenn  der 
Pfarrer  seine  Pflicht  nicht  tut,  bezahlen  wir  auch  keinen  Zehnten 
mehr.  Hier  in  dieser  Antwortschritt  klingt  aber  ein  anderer  Ton 
durch,  dem  man  deutlich  die  gesteigerte  Erregung  anmerkt.  Sie 
erinnern  darin  an  ihre  früheren  Schritten,  in  denen  sie  dargelegt 
haben,  wie  sie  oftmals  an  Sonntagen  und  Festtagen  des  Gottesdienstes 
und  der  Sakramente  entbehren  müssen  »in  ansehung  und  betrachtung, 
das  vor  allem  die  gnad  und  das  wort  gots  (dardurch  wir  armen  zum 
gotsdienst  gefordert)  pillich  herfurgezogen  werden  soll.«  Man  lasse 
sie  gehen  »als  die  unvernünftigen  thier«  und  vernachlässige  sie  in 
ihren  grössten  Nöten.  Nichsdestoweniger  verlangen  die  Geistlichen 
von  dem,  was  man  mit  saurem  Schweisse  verdienen  müsse,  alle 
möglichen  Gefälle.  Und  wenn  das  Stift  jüngst  über  sie,  die  Born- 
heimer,  geklagt,  dass  man  sich  sperre  den  Zehnten  zu  geben,  so 
könne  doch  jeglicher  »Christverständiger«  ermessen,  das  »sich  nemant 
belonung  zu  geben  eigent,  er  vertiene  ine  dann.«  Ihre  Vorfahren 
hätten  den  Zehnten  jedenfalls  auch  nur  dazu  gestiftet,  dass  sie  einen 
Pfarrer  bekämen,  der  ihnen  das  heilige  Evangelium  predige.  Denn 
mit  dem  Predigen  und  Singen  der  Geistlichen  in  Frankfurt  in  der 
Bartholomäuskirche  sei  ihnen  nicht  gedient.  Ebensowenig  sei  ihnen 
mit  einem  Mönch  oder  Priester  geholfen,  den  der  Pfarrer  nach  seinem 
Gefallen  auswähle  und  der,  wenn  er  am  nötigsten  sei,  nicht  komme. 
Und  wenn  das  Kapitel  erklärt,  den  Zehnten  zu  geben  verlange  weltlich 
und  geistlich  Recht,  so  hätte  es  dabei  »wes  geistlichen  dargegen  zu 
thun  eigent,  anzuzeigen  in  furgesz  gestellt.«  Deshalb  sei  ihre  dringende 
Bitte,  der  Rat  möge  Einsehens  haben,  dass  sie  einen  ehrbaren,  ge¬ 
schickten,  eigenen  Pfarrer  bekämen.  Diesem  wollten  sie  gerne  geben 
was  ihm  gebühre. 


1  BB  1524  Bl.  33  a  u.  b. 

2  W  15a  —  1 6  b . 


169 


Dies  war  die  Antwort  der  Bornheimer  auf  die  Klage  des  Ka¬ 
pitels.  Die  Frage  nach  dem  Verfasser  dieser  mit  gewandter,  geübter 
Schrift  geschriebenen  Antwort  dürfte  kaum  ganz  beantwortet  werden. 
Unterschrieben  ist  sie  nur:  »ein  gantze  gemeine  des  dorfs  Bornheim«, 
also  wie  bei  der  ersten  Eingabe  der  Sachsenhäuser  mit  ausdrücklicher 
Betonung  der  Einhelligkeit  der  gesamten  Gemeinde.  Mit  letzterer 
Schrift  hat  sie  auch  den  Duktus  der  Handschrift,  sowie  das  Papier 
(gleiches  Wasserzeichen !)  gemeinsam.  Eine  weitere  Andeutung,  wo 
der  Verfasser  bezw.  Schreiber  zu  suchen  sei,  darf  man  vielleicht  noch 
einer  kleinen  Korrektur,  die  in  der  Antwort  vorkommt  entnehmen. 
Es  heisst  nämlich  in  der  Mitte:  »dan  vnns  ist  mit  des  pharhers  prediget 
oder  der  geistlichen  singen  alhie  zw  franckfurt  in  sant  Bartbolomaeus 
Kirchen  ....  nicht  beholfen«.  Das  Wort  alhie  ist  nun  im  Original 
durch-,  bezw.  unterstrichen.  Das  lässt  darauf  schliessen,  dass  der 
Verfasser  oder  wenigstens  der  Schreiber  in  Frankfurt  und  nicht  in 
Bornheim  zu  suchen  ist.  Und  wenn  duch  der  Inhalt  nicht  so  scharf 
gehalten  ist  wie  in  jener  Eingabe  der  Sachsenhäuser,  so  richtet  er 
sich  doch  vor  allem  gegen  den  Pfarrer  an  St.  Bartholomäus,  Peter 
Meyer.  Man  wird  daher  die  Frage  nach  der  Verfasserschaft  dieser 
Eingabe  der  Bornheimer  etwa  dahin  beantworten  dürfen,  dass  der 
Verfasser  den  Kreisen,  aus  denen  die  erste  Sachsenhäuser  Eingabe 
stammt,  sehr  nahe  verwandt  ist. 

Die  Antwort  der  Bornheimer  aber  sandte  der  Rat1  seinen 
Freunden  nach  Aschaffenburg  sofort  nach,  damit  dort  auch  die  Born¬ 
heimer  Angelegenheit  gleich  erledigt  werden  könne.  Nach  dem 
Bericht,  den  die  Freunde  nach  ihrer  Rückkehr  am  23.  August  1324 
in  der  Ratssitzung  gaben,2  wurde  aber  die  Erledigung  noch  weiter 
hinausgeschoben,  bis  der  Kanzler,  der  zur  nächsten  Messe  nach 
Frankfurt  kommen  wollte,  die  ganze  Sache  untersucht  und  die  beiden 
Parteien  verhört  habe.  Wie  diese  Untersuchung  ausfiel,  wissen  wir 
nicht,  die  Quellen  berichten  darüber  nichts.  Dass  aber  keine  end- 
giltige,  beide  Teile  befriedigende  Entscheidung  getroffen  wurde,  geht 
schon  daraus  hervor,  dass  am  4.  Oktober  schon  wieder  eine  Eingabe  der 
Bornheimer  dem  Rate  vorlag,3  die  das  Verlangen  nach  einem  eigenen 
Pfarrer  aufs  neue  wiederholte.  Diesmal  fügt  das  Bürgermeisterbuch4 


1  BB  1524  Bl.  34b. 

2  BB  1524  Bl.  33  b,  36a. 

3  BB  1524  Bl.  48  b.  Die  Eingabe  selbst  fehlt. 

4  BB  1524  Bl.  48  b. 


—  170  — 

der  üblichen  Bemerkung:  dem  Kapitel  die  Schrift  geben,  ernst 
hinzu:  »und  sagen  sich  onclaghaft  zu  halten,  damit  ein  erbar  rat 
nit  das  zu  clagen  geursacht  werd«.  Die  Erregung  im  Volke  war 
demnach  noch  im  Steigen  begriffen.  Die  Stiftsherrn  aber,  die 
der  Ausfall  des  Zehnten  auf  das  empfindlichste  berührte,  wandten 
sich  jetzt  an  ihre  Vorgesetzten  in  Mainz  und  diese  schrieben1  an 
den  Rat  von  Frankfurt  (11.  Okt.  1524):  Das  Vorgehen  der  Born- 
heimer  sei  unziemlich  und  dürfe  vom  Rat  nicht  gestattet  werden, 
die  Bornheimer  müssten  ihre  Gefälle  entrichten.  Hätten  sie  Mangel 
an  Gottesdiensten,  sollten  sie  sich  an  die  Vorgesetzten  des  Kapitels 
wenden,  diese  würden  sich  dann  der  Sache  annehmen.  Vor  allem 
aber  sei  nötig,  dass  der  Rat  im  ganzen  Gebiete  seiner  Herrschaft 
dafür  sorge,  dass  alle  Gefälle  bezahlt  würden. 

Damit  war  die  Bornheimer  Angelegenheit  einstweilen  entschieden. 
Im  nächsten  Monat  (24.  Nov.  1524)  sandte  der  Rat2 3  dem  Schultheiss 
von  Bornheim  einen  Ratsfreund,  damit  dieser  einen  Vergleich  mit 
dem  Kapitel  vermittele.  Bis  zum  Ausbruch  des  Zünfteaufstandes 
treten  die  Bornheimer  Angelegenheiten  zurück. 


IL  Zur  A^orgeschichte  des  Zünfteaufstandes 

von  1525. 

Der  Zünfteaufstand  in  Frankfurt  a.  M.  vom  Jahre  1525  ist  bereits 
Gegenstand  einer  ganzen  Reihe  von  eingehenden  Darstellungen  und 
Untersuchungen  gewesen.5  Die  Zeit  vor  Ausbruch  des  Aufstandes 
dagegen,  die  Jahre  1523  —  1525,  hat,  abgesehen  von  den  Darstellungen 
bei  Ritter4  und  Kirchner,5  keine  eingehende  und  zusammenhängende 
Schilderung  gefunden.  Nun  enthält  W,  abgesehen  von  den  Notizen, 
die  sich  aus  den  verschiedenen  Antworten6  auf  die  Ratsapologie  von 
1526  ergeben,  nicht  weniger  als  12  Aktenstücke,  die  sich  alle  auf 
die  Jahre  1524  und  1525  beziehen.  Diese  Akten  sind  aber  in  ihrem 

1  Zettel  nach  W  17  b. 

2  BB  1524  Bl.  65  a. 

3  Die  Literatur  ist  angegeben:  Qu  II  S.  174  Anm.  1. 

4  Balth.  Ritter,  Evangel.  Denkmal  1726  S.  66—76. 

s  Ant.  Kirchner,  Gesch.  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  II  1810,  S.  20 — 27. 

6  W  79h;  91h;  105  — 122. 


vollen  Werte  erst  zu  würdigen  im  Zusammenhang  mit  der  ganzen 
Vorgeschichte  des  Zünfteaufstandes.  Es  dürfte  daher  hier  der  gegebene 
Ort  sein,  auf  diese  Vorgeschichte  etwas  näher  einzugehen. 

Steitz  hat  in  einigen  Abhandlungen1  die  Verhältnisse  in  Frank¬ 
furt  bis  zum  Weggang  Nesens  am  Anfang  des  Jahres  1523  eingehend 
geschildert.  An  diesem  Zeitpunkt  wird  daher  am  besten  die  Darstel¬ 
lung  beginnen,  um  zunächst  die  Persönlichkeit  des  Dietrich  Sartorius 
näher  zu  beleuchten  und  nachher  die  Entwicklung  in  Frankfurt  zu 
schildern  bis  zum  Ausbruch  des  Aufstandes.  Damit  dürfte  dann  die 
Entwicklungslinie,  an  deren  Ende  jener  stürmische  Ausbruch  jahrelang 
gesteigerter,  im  geheimen  fortwährend  genährter  Erregung  liegt, 
gezeichnet  sein,  soweit  dies  der  gegenwärtige  Stand  unserer  Quellen 
zulässt. 

1. 

Im  Frühjahr  des  Jahres  1523  scheint  in  der  Entwicklung  refor- 
matorischer  Gedanken  und  Ideen  in  der  Reichsstadt  Frankfurt  ein 
völliger  Stillstand  eingetreten  zu  sein.  Von  der  Zeit  vor  diesem 
Stillstand  hat  Steitz  in  seinen  verschiedenen  Aufsätzen  ein  schönes 
Bild  gezeichnet.  Darnach  ist  der  Anfang  des  Entstehens  und  Werdens 
reformatorischer  Strömungen  in  Frankfurt  charakterisiert  durch  den 
Einfluss  humanistischer  Gedanken,  durch  die  Briefe  Huttens,  durch 
das  Wirken  Nesens,  durch  den  Besuch  Luthers,  durch  die  Predigten 
Hartm.  Ibachs,  durch  das  Auftreten  Hartmuths  von  Kronberg  und 
der  3  Taunusritter.  Diese  schönen  Anfänge  fanden  aber  im  Laufe 
der  Jahre  1522 — 1523  jähen  Abschluss.  Nach  Sickingens  Sturz  löste 
sich  das  Verhältnis  Huttens  zu  seinen  Frankfurter  Freunden,  Hart¬ 
muths  Schloss  war  schon  im  Okt.  1522  zerstört  worden,  er  selbst 
musste  Jahrzehnte  in  der  Ferne  bleiben,  die  3  Taunusritter  ver¬ 
stummten,  die  Predigten  Ibachs  hatten  schon  in  der  ersten  Hälfte 
des  März  1522  auf  hören  müssen.  Auch  Nesen  verlässt  Frankfurt, 
wie  es  scheint,  um  Ostern  1523.2  Das  Feld  in  Frankfurt  war  jetzt 
frei  für  die  Gegner  der  neuen  Lehre.  Meyer,3  Cochläus,4  Dieten- 
berger5  schienen  im  Kampfe  gesiegt  zu  haben. 

1  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  Neue  Folge  (1869)  IV.  S.  57  ff. 
(»Reformator.  Persönl.  etc.«);  VI  S.  36 ff.  (»Der  Humanist  Willi.  Nesen«), 

2  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  Neue  Folge  VI  S.  125. 

3  Dr.  Peter  Meyer,  Pfarrer  an  St.  Bartholomäus  (dem  heutigen  Dom), 
s.  Qu  II  Index  sub:  Meyer. 

■t  M.  Spahn,  Joli.  Cochläus  (1898). 

5  H.  Wedewer,  Joh.  Dietenberger  (1888). 


172 


Aber  nicht  lange  sollten  sie  sich  ihres  Sieges  freuen.  Noch  im 
selben  Jahre  erstand  ihnen  in  Dietrich  Sartorius  ein  Gegner,  der 
vielleicht  nicht  so  scharf,  aber  nachhaltiger  als  Ibach  den  Kampf 
wieder  aufnahm.  Dietrich  Sartorius  ist  daher  diejenige  Persönlich¬ 
keit,  deren  Wirken  in  Frankfurt  näher  betrachtet  werden  muss.  Dass 
dies  bisher  nur  in  geringem  Masse  geschah,  lag  wohl  an  der  Spär¬ 
lichkeit  der  Quellen.  Indessen  ergibt  sich  doch  aus  dem  Zusammen¬ 
halt  von  W  mit  den  im  Frankfurter  Stadtarchiv  .vorhandenen,  hier¬ 
hergehörigen  Akten  sowie  aus  den  Notizen,  die  Fichard,1  Severus2 
und  in  neuerer  Zeit  Schnorr  von  Carolsfeld3  sowie  Falk4  gesammelt 
haben,  ein  etwas  reicheres  Bild,  wenigstens  von  der  Frankfurter 
Wirksamkeit  des  Sartorius,  als  es  bisher  gezeichnet  wurde. 

Über  das  frühere  Leben  des  Sartorius  wissen  wir  nur  wenig. 
Severus  nennt  ihn  in  der  Geschichte  der  Pfarrei  St.  Ignatius  in 
Mainz:5  »M.  Theodoricus  de  Nassau«  und  Fichard  redet  in  seinen 
Annalen  von  ihm  als  dem  Theodoricus  Nassave.  Darnach  scheint 
Sartorius  aus  dem  Nassauischen  gebürtig  gewesen  zu  sein.  Über 
seinem  weiteren  Lebensgang  bis  1521  liegt  Dunkel.  1521  hat  er 
nach  Severus  eine  Pfarrstelle  bei  St.  Ignatius  in  Mainz  angetreten, 
in  der  ihm  1523  Joh.  Feierdag  folgte.  Es  ist  dabei  nicht  ganz  klar, 
ob  Sartorius  nur  zeitweiliger  Verweser,  oder  ob  er  wirklich  Pfarrer 
hier  war.  Wahrscheinlich  war  er  nur  Pfarrverweser,  denn  in  der 
Rechtfertigungsschrift,6  die  Hamrnan  von  Holzhausen  später  wegen 
Sartorius  einreichte,  hat  der  Frankfurter  Stadtschreiber  am  Rande 
bemerkt  (zu  dem  Namen  Sartorius):  »der  etwan  ein  verweser  der 
pfar  zu  Mentz  zu  St.  Ignacius  gewest  ist,«  eine  Bemerkung,  die  der 
Schreiber  in  die  ursprünglich  hier  stehende:  »der  etwan  ein  pterner 
zu  M.  etc.«  hineinkorrigiert  hatte.  Sonst  bringt  Severus  unter  der 
Überschrift:  »ad  parochiam  St.  Ignatii,  zu  dem  buwe  und  zu  den  bruder- 
schaften  und  was  dem  buwe  fellig  ist«,  nur  noch  die  eine  Notiz  über 
Sartorius:7  »Anno  1521  in  praesentiaM.  Theodorici  de  NassawPharhern 

1  Qu  II  S.  240. 

2  In  den  «Severus -Gamansischen  Fragmenten«  der  Mainzer  Stadtbibliothek. 

3  Archiv  für  Literaturgeschichte  XII  (1884)  S.  26—39.  Ferner  Schnorr  von 
Carolsfeld,  Erasmus  Alberus  (1893). 

■'  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  3.  Folge.  VI  S.  326  h  Hier 
sind  auch  noch  die  Notizen  zu  nennen,  die  Balth.  Ritter  in  seinem  »Evangel. 
Denkmal«  gibt. 

5  Sev.-Gam.  a.  a.  O.  S.  64.  • 

6  RK  I  Bl.  144. 

r  Sev.-Ganr.  a.  a.  O.  S.  160. 


*73 


et  anderer  ßuwemeister  und  zwölfen  rationes  datae  et  ab  ipso  scriptae, 
subscriptis  illis  duodecim  viris.«  Über  das  weitere  Leben  und  Wirken 
des  Sartorius  in  Mainz  sind  wir  auf  Vermutungen  angewiesen,  die 
aber  erwähnt  werden  müssen.  So  hat  Schnorr  von  Carolsfeld 1 
wahrscheinlich  gemacht,  dass  Philipp  Stumpf  von  Eberbach  mit 
Sartorius  befreundet  war  und  dass  Eberbach  auf  diese  Weise  in  den 
Besitz  jenes  Briefes  gelangte,  den  Erasmus  Alberus  wahrscheinlich 
Ende  1523  an  Sartorius  geschrieben  und  worin  er  sich  über  die 
»spongia»  des  Erasmus  Rotterdamus  ausgelassen  hatte.  Ob  nun 
Eberbach  und  Alberus,  die  beide  auf  der  Universität  in  Mainz  waren, 
noch  gleichzeitig  mit  Sartorius  dort  weilten  oder  nicht,  darüber  lässt 
sich  nichts  gewisses  sagen.  Auf  jeden  Fall  sehen  wir  Sartorius  schon 
in  dieser  Zeit  im  Verkehr  mit  Männern,  die  der  neuen  Lehre  so  nahe 
standen,  dass  beide  —  Eberbach  und  Erasmus  —  1522  in  Wittenberg 
zu  finden  sind.  Dass  dieser  Verkehr  auf  Sartorius  nicht  ohne  Einfluss 
geblieben  war,  zeigt  am  besten  sein  späteres  Wirken  in  Frankfurt.2 

Wann  nun  dieses  Wirken  in  Frankfurt  begann  und  wann  also 
der  Weggang  des  Sartorius  von  Mainz  erfolgte,  darüber  sind  wir 
wieder  auf  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  angewiesen.  Beides  fand 
kaum  vor  Hammans  von  Holzhausen  im  Frühjahr  1523  erfolgter 
Rückkehr  vom  Reichstag  zu  Nürnberg  statt,  auf  dem  Hamman 
Frankfurt  zu  vertreten  hatte.  Denn  Hamman  schreibt  in  der  oben 
schon  erwähnten  Rechtfertigungsschrift:3  »nach  dem  eine  lange  zeit 
her  hie  zu  sant  Katharin  feiertags  nachmittag  zu  predigen  gewohnheit 
gewest  ist,  aber  dasselbig  zu  Zeiten  von  ettlichen  lang  zeit  ungeschick- 
lich  bescheen,  das  meisterin  und  convent  mir  als  patron  solche  ange¬ 
zeigt,  dem  nach  bin  ich  aus  guter  christlicher  meinung  hern  Ditthrichen 
Sartorium  dohin  zu  bewegen  verursacht,  den  ich  gebeten  das  Evan¬ 
gelium  und  wort  gottes  getrewlich  zu  verkündigen.«  Setzt  man  nun 
das  Datum  des  Amtsantrittes  etwa  für  die  2.  Hälfte  des  Jahres  1523 
an,  so  dürfte  dies  auch  zu  der  Bemerkung  stimmen,  die  die  »wieder¬ 
antwort«  (vom  Jahre  1526)  enthält:4  Sartorius  habe  »ungeverlich« 


1  Archiv  für  Literaturgeschichte  a.  a.  O.  S.  26  ff. 

2  Eberbach  wurde  im  April  1525.  bald  nach  dem  Weggang  des  Dietrich 
Sartorius  von  Frankfurt,  vom  Rate  dieser  Stadt  als  evangel.  Prädikant  in  Aus¬ 
sicht  genommen,  aber  der  Plan  kam  nicht  zustande  (Steitz,  Das  Aufruhrbuch  der 
ehern.  Reichsstadt  Frankfurt  1875  S.  31  Anm.  3;  Qu  II  S.  92).  Mit  Alberus  trifft 
Sartorius  in  Ursel  wieder  zusammen. 

3  RK  I  Bl.  144. 

4  W  106  a. 


—  174  ~ 

ein  Jahr  lang  öffentlich  gepredigt.  Da  ihm  Ende  des  Jahres  1524 
das  Predigen  untersagt  wurde,  so  muss  sein  Amtsantritt  mindestens 
in  der  2.  Hälfte  des  Jahres  1523  erfolgt  sein.  Diese  Annahme  eines 
1  bis  iVsjährigen  Wirkens  in  Frankfurt  wird  endlich  noch  bestätigt 
durch  Fichard,  der  von  dem  Predigtamt  des  Sartorius  in  der  Katha¬ 
rinenkirche  sagt:1  »cui  sesquiannum  plus  minus  ille  satis  fideliter 
praefuit.«  Über  die  Gründe  seines  Weggangs  von  Mainz  lässt  sich  nichts 
bestimmtes  aus  den  Quellen  sagen.  Nur  soviel  steht  fest,  dass  sein  Weg¬ 
gang  zeitlich  mit  dem  Umschlag  der  kirchlichen  Politik  des  Kurfürsten 
Albrecht  zusammenfiel.2  Albrecht  hatte  sich  nach  der  Niederlage 
der  Ritterschaft  wieder  enger  an  die  katholischen  Fürsten  angeschlossen. 
Im  Früjahr  1523  verlässt  nun  Capito,  im  gleichen  Jahre  auch  Hedio, 
Mainz.  So  hat  die  Annahme  nichts  unwahrscheinliches,  dass  der  der 
neuen  Lehre  so  nahe  stehende  Sartorius  gerne  dem  Ruf  Hammans 
folgte,  nach  Frankfurt  ging  und  dort  zuerst  Vikar  an  St.  Bartholomäus 
wird  und  dann  zugleich  ein  Predigtamt  an  der  Katharinenkirche  antrat.3 

Über  die  Art  und  Weise  der  Bestallung  des  Sartorius  haben  wir 
zwei  Versionen.  In  der  Apologie  des  Rates  von  1526  heisst  es:4 5 
her  Diether  hat  bei  uns  in  sant  Katharinen  kirchen  etzlich  zeit  den 
Jungfrauen  im  selben  closter,  als  wir  bericht  worden,  mit  wissen 
Ewer  churfürstlichen  gnaden  vicari  gepredigt«.  Die  »wiederantwort« 
bestreitet  dies.’  Dietrich  hätte  allerdings,  als  er  in  Frankfurt  predigte, 
derartiges  »ausgeen  lassen,«  aber  als  diese  Bemerkung  vor  den  General- 
vicar  gekommen  sei,  sei  dieser  »des  gar  nit  gestendig  gewesen, 
sonder  hat  uns  in  Schriften,  die  man  zeigen  kan,  zum  höchsten  ver¬ 
neint«.  Diese  ganze  Frage  ist  für  uns  nicht  mehr  mit  voller  Sicherheit 
zu  entscheiden,  denn  beides,  die  Apologie  wie  die  »wiederantwort« 
sind  Parteischriften.  Nur  so  viel  geht  mit  Sicherheit  hervor,  dass 
über  Dietrich  das  Gerücht  verbreitet  war,  als  ob  er  mit  Wissen  des 
Generalvikars  angestellt  worden  sei. 

Wie  es  nun  aber  auch  mit  Zeitpunkt  und  Art  und  Weise  der 
Bestallung  des  Sartorius  sich  verhalten  haben  mag,  darüber  kann 
nach  den  übereinstimmenden  Angaben  von  W  kein  Zweifel  mehr 
sein,  dass  das  Wirken  des  Sartorius  weit  bedeutender,  weit  ein- 


1  du  II  S.  240. 

2  Vergl.  zum  Folgenden:  H.  Haupt,  Beitr.  zur  Reformationsgeschichte  der 
Reichsstadt  Worms  (1897)  S.  24. 

3  du  II  S.  240. 

*  W  84  a. 

5  W  105  a. 


i75 


greifender  war,  als  es  die  Andeutungen  bei  Ritter  und  Kirchner  ahnen 
lassen,  ja  dass  seine  Predigten  der  Quellpunkt  einer  ganzen  Reihe 
von  Anschauungen  sind,  die  wir  nachher  beim  Volke  wiederfinden. 
Hartmann  Ibach  hatte  einst  den  Kampf  gegen  einzelne  Aussenwerke 
der  alten  Lehre  aufgenommen,  hatte  gegen  Cölibat  und  Erbzinsen 
gepredigt,  hatte  gesagt:1  »wan  man  den  Feuer  die  brend  entzeugt, 
so  verlescht  es  selbst;  also  wan  man  den  pfaffen  kein  zins,  zehend  und 
andere  underhaltung  mer  gibt,  vergehen  sie  selbst«.  Dietrich  Sartorius 
dagegen  griff  die  Zentralpunkte  der  alten  Lehre  an.  Darin  stimmen 
sowohl  die  Angaben  des  Cochläus,2 *  wie  die  der  »wiederantwort,5 
wie  die  der  Augsburger  Anklageschrift4  überein.  Und  zwar  scheint 
er  dies  in  ruhigerer,  vorsichtigerer,  aber  um  so  nachhaltigerer  Weise 
getan  zu  haben  als  einst  Ibach  in  stürmischem  Eifer.  Fichard 
wenigstens,  der  von  1512—1581  lebte,  beschreibt  ihn:5  »vir  minime 
malus  et  valde  modestus«  und  fährt  fort:  »cuius  vestigiis  utinam 
ingressi  fuissent,  qui6  postea  sunt  illum  sequentibus  annis  insecuti, 
minus  fortasse  molestiarum  jam  haberemus«.  Zu  dieser  Charakteristik 
stimmt  dann  auch,  dass  Sartorius  sich  trotz  der  starken  Anfeindungen 
der  übrigen  Geistlichkeit  über  ein  Jahr  halten  konnte,  während  Ibach, 
der  doch  auch  den  Schutz  Hammanns  genoss,  nach  3  Predigten  schon 
weiter  wandern  musste. 

Wie  haben  wir  uns  nun  den  Inhalt  der  Predigten  des  Sartorius 
im  einzelnen  zu  denken?  Über  eine  Reihe  von  Gedanken,  die 
Sartorius  seinen  zahlreichen7  Zuhörern  von  der  Kanzel  der  Katharinen¬ 
kirche  aus  vortrug,  sind  wir  genau  unterrichtet.  Cochläus8  sowohl 
wie  die  »wiederantwort« 9  berichten,  dass  Sartorius  die  Lehre :  die 
Messe  sei  ein  Opfer,  scharf  bekämpft  habe.  Gochläus  schreibt:  »das 
her  Diether  Sartoris  vil  mals  lutherisch  und  wider  K.  M.  Mandat  zu 
s.  Catherina  gepredigt  hat,  des  solt  man  wol  zeugen  genug  finden 
unter  den  priestern,  auch  unter  fronten  leyen.  Es  ist  aber  jetzt  nit 
sicher  wider  lutherische  prediger  daselbst  zu  reden.  So  hat  decanus 

1  Aus  der  Augsburger  Anklageschrift  W  (279  a). 

2  W  91a. 

W  105  a,  b,  106  a. 

4  W  (279  a,  b). 

5  Qu  II  S.  240. 

6  Gemeint  sind  Dion.  Melander  und  seine  Kollegen. 

7  Vgl.  W  106  a :  »so  nun  auch  dieses  predigen  hern  Dietherichs  .  .  .  vor 
groszer  Versammlung  des  volcks  bescheen  ist«,  ähnlich  auh  RK  I  Bl.  141  a. 

8  W  91a. 

9  W  105  b. 


176 


S.  Bartholomei  sein  eigen  haintschrift,  darin  öffentlich  ketzerei  be¬ 
kennt  contra  sacrificium  missae«.  Und  in  der  »wiederantwort«  heisst 
es:  »Item  —  nämlich  hat  Sartorius  gepredigt  —  das  die  mesz  kein 
opfer  sei«.  Daraus  geht  mit  Sicherheit  hervor,  dass  Sartorius  die 
Lehre  vom  Messopfer  bekämpft  habe.  Das  Messopfer  aber  ist  der 
Mittelpunkt  des  römischen  Kultus,  von  prunkendem  Glanze  umgeben. 
Bekämpfte  also  Sartorius  diesen  Punkt  der  römischen  Lehre,  dann 
musste  er  sich  schon  weit  von  der  alten  Lehre  entfernt  haben.  Es 
ist  daher  kein  Wunder,  wenn  Cochläus  dies  als  einziges  und  wichtigstes 
Element  der  Predigten  des  Sartorius  anführt. 

Ausser  diesem  wichtigsten  Punkte  führt  die  »wiederantwort« 
noch  4  andere  Stücke  der  Lehre  des  Sartorius  an:  Er  leugnet  das 
Eegfeuer  und  die  Fürbitten  der  Heiligen,  er  verlangt,  dass  das  Salve 
abgetan  werde,  und  gesteht  der  Gemeinde  Pflicht  und  Recht  zu, 
sich  ihren  Pfarrer  zu  erwählen.  Das  Fegfeuer  verspottete  er  und 
sagte:  »er  forcht  sich  sovil  vor  dem  fegfeuer  als  ein  meidlin,  das 
gern  danzet,  für  der  bankein«.  Von  den  Fürbitten  der  Heiligen 
sagt  er:  »das  die  heiligen  nach  irem  absterben  für  uns  nit  bitten 
sollen,  das  ist  auch  beweiszlich«.  Vom  Salve  endlich  verlangt  er: 
»Das  salve  sei  abz'uthun.«  Das  Salve,1  das  seinen  Namen  von  der 
marianischen  Antyphon  salve  regina  hat  und  als  Vespergebet  für  die 
Trinitatiszeit  vorgeschrieben  war,  war  in  jener  Zeit  zu  einer  Art 
Volksandacht  ausgewachsen.  Sartorius,  dem  die  »wiederantwort« 
noch  vorwirft,  dass  er  Zins  und  Stiftung,  die  zum  Salve  gehörten, 
und  die  er  jährlich  wegen  seines  Vikariates  an  St.  Bartholomäus 
abzuliefern  gehabt  hätte,  nie  abgeliefert  habe,  scheint  gegen  diesen 
Punkt  des  katholischen  Gottesdienstes  besonders  stark  geeifert  zu 
haben.  Denn  gerade  das  Salve  gab  später  Anlass  zu  zahllosen  Streitig¬ 
keiten.  Besonders  stark  rechnet  ihm  zuletzt  die  »wiederantwort« 
seine  Lehre  über  das  Piarrwahlrecht  der  Gemeinde  an.  Er  habe 
»uffrurischer  weisz  geprediget,  ein  gemein  solt  und  mag  ein  pfarher 
erwelen«  und  aus  dieser  Lehre  seien  die  vielen  Auflehnungen  und 
Streitigkeiten  der  Sachsenhäuser  entstanden. 

Das  ists,  was  wir  über  das  Lehren  und  Predigen  des  Dietrich 
Sartorius  wissen.  Es  sind  wesentlich  negative  Momente,  die  hierauf¬ 
gezählt  werden.  Wie  weit  nun  seine  positive  Lehre  ging,  ob  eine  solche 
überhaupt  vorhanden  war,  oder  ob  er  mehr  verwerfend  als  erneuernd, 
mehr  zerstörend  als  aufbauend  vorging,  mit  einem  Wort,  ob  wir 


1  V.  Thalhofer,  Hdbch.  der  kath.  Liturgik  II  (1890)  S.  431  f. 


ihm  mit  Recht  den  Namen  eines  Reformators  der  Reichsstadt  bei¬ 
legen  können,  das  können  wir  einstweilen  mit  Sicherheit  noch  nicht 
entscheiden.  Die  Tatsache,  dass  die  Quellen,  die  von  seinen  Gegnern 
verfasst  sind,  lediglich  negative  Lehrmomente  aufzählen,  drängt  einem 
allerdings  die  Vermutung  auf,  dass  bei  seinen  Predigten  mehr  die 
Kritik  und  Verwerfung  der  alten  Lehre  als  die  Darbietung  neuer, 
reinerer  Lehren  in  den  Vordergrund  trat.  Oder  hätte  ein  Mann  wie 
Cochläus  positive  neue  Lehren  des  Sartorius  mit  Schweigen  über¬ 
gangen  ? 

Aber  mögen  nun  diese  Predigten  mehr  verwerfend  oder  mehr 
aufbauend  gewesen  sein,  das  eine  lässt  sich  nicht  bestreiten  bei  einer 
genaueren  Betrachtung  der  Frankfurter  Geschichte  von  1523 — 1524, 
dass  das  Wirken  jenes  Mannes  tatsächlich  einen  weitgehenden  Einfluss 
auf  das  Volk  ausgeübt  hat. 


TL 

Wie  hat  sich  nun  während  der  Anwesenheit  und  des  Wirkens 
des  Dietrich  Sartorius  der  Lauf  der  Ereignisse  in  Frankfurt  zunächst 
gestaltet  ? 

Im  Hochsommer1  des  Jahres  1523  war  der  erste  bedeutsame 
Versuch  des  Rates,2  die  soziale  Lage  des  Volkes  durch  Ablösung 
der  Erbzinsen  zu  erleichtern,  ins  Stocken  geraten.  Die  Schuld  lag 
bei  der  Geistlichkeit.  Sie  zog  die  entscheidende  Antwort  hinaus. 
Der  Druck  dieser  Lasten  war  also  beim  Volk  noch  vorhanden.  Die 
Stimmung  des  Volkes  gegen  den  Klerus  wird  darum  keine  besonders 
günstige  gewesen  sein.  In  dieser  Zeit  oder  in  den  Monaten  kurz 
vorher  mag  Sartorius  sein  Amt  angetreten  haben. 

Abgesehen  von  den  Verhandlungen  wegen  der  Zinsablösung 
verlief  der  Sommer  sonst  ziemlich  ruhig.  Wir  hören  nichts  von 
Sartorius.  Auch  Carinus,  Nesens  Nachfolger,  scheint  nicht  besonders 
hervorgetreten  zu  sein.  Erst  Ende  August  wird  es  unruhiger. 
Zwischen  Peter  Meyer  und  Hans  Hammerschmidt  von  Siegen,  einem 
der  späteren  Führer  des  Aufstandes,  war  ein  Streit  ausgebrochen.3 
Meyer  hatte  sich  offenbar  in  seiner  Predigt  am  23.  August  nicht 
mässigen  können.  Daraufhin  war  er  von  Hans  von  Siegen  am 


1  S.  zum  folgenden  Qy  II  S.  80—83,  bes.  d.  Anm. 
a  S.  S.  165  f. 

5  BB  1523  Bl.  33b. 

12 


—  178  — 

gleichen  Tage  noch  »uberlaufen«  worden.  Meyer  beklagte  sich  nun 
schriftlich  beim  Rat.  Hans  von  Siegen  gab  Antwort  darauf  und  die 
Folge  war,1  dass  zu  Meyer  Ratsfreunde  abgesandt  wurden,  die  ihn 
ernstlich  verwarnten :  »sich  siner  unschicklichen  predigen  zu  maissen, 
domit  nit  ufrure  im  folk  entstee«.  Die  letzten  Ursachen  dieses 
Streites  melden  uns  die  Quellen  nicht.  Im  mächsten  Monat  hatte 
Meyer  schon  wieder  Streit.2  Diesmal  war  einer  seiner  Kaplane  sein 
Gegner,  der  sogar  mit  Gewalt  gegen  Meyer  vorgehen  wollte.  Meyer 
musste  den  Schutz  des  Rates  anrufen  und  nach  einmaligem  Verhöre 
des  Kaplans  schien  die  Sache  wieder  ausgeglichen  worden  zu  sein. 
Auch  hier  müssen  wir  uns  wieder  bescheiden.  Wir  kennen  weder 
den  Namen  des  Kaplans  noch  den  Grund  des  Streites.  Dagegen 
finden  wir  im  nächsten  Monat  eine  Spur,  die  möglicherweise  auf 
das  Wirken  des  Sartorius  zurückweist.  Die  Abneigung  des  Volkes 
gegen  die  Messe  ist  schon  so  gross  geworden,  dass  das  Kapitel  zu 
St.  Bartholomäus  sich  veranlasst  sieht,  am  24.  November  1523  beim 
Rate  nachzusuchen,3  er  möge  dafür  sorgen,  dass  man  unbedroht  und 
unbelästigt  in  die  Messe  gehen  könne.  Man  wird  kaum  fehlgehen, 
wenn  man  hier  eine  erste ,  halbverdeckte  Spur  des  Wirkens  des 
Satorius  findet,  der  ja  so  sehr  den  Wert  der  Messe  bestritt  und  ihre 
hohe  Bedeutung  leugnete. 

Jene  Bitte  des  Kapitels  ist  übrigens  auch  charakteristisch  für 
die  Stellung  des  Rates  in  dieser  Zeit.  Noch  traut  man  von  Seiten 
der  altgläubigen  Geistlichkeit  ihm  einen  derartigen  Erlass  zu.  Und  ein 
anderes  Ereignis  jener  Zeit  zeigt  auch,  dass  der  Rat  noch  nicht  daran 
dachte,  offen  für  die  Reformation  Partei  zu  nehmen.  Am  7.  Jan.  1524 
wird  nämlich  vom  Rate  beschlossen,4  bei  den  Geistlichen  eine  »bete 
messe  anregen  mit  einer  procession.«  Nach  dem  Tagebuch  des 
Kanonikus  Königstein  war  der  Anlass  dazu  die  damals  herrschende 
schlimme  Witterung.5  Andrerseits  suchte  auch  der  Rat  den  Schimpfe¬ 
reien  auf  der  Kanzel,  wie  sie  von  Meyer  besonders  berichtet  werden, 
vorzubeugen  und  sandte  am  25.  Februar  1524  Ratsmitglieder6  »zu 
allen  predicanten  ....  ine  zu  sagen  nichts  dan  das  Evangelium  zu 
predigen  und  inen  das  mandat  derohalb  anzeigend,  wie  gepredigt 

1  Bß  1523  Bl.  34a. 

2  BB  1S23  Bl.  42a. 

3  BB  1523  Bl.  59a. 

♦  BB  1523  Bl.  71  b. 

5  Qu  II  S.  78. 

«  BB  1523  Bl.  85  s. 


i?9 


werden  sol.«  Noch  charakteristischer  ist  der  Bericht  der  BB 1  vom 
io.  März  1524.  Meyer  hatte  nämlich  auf  der  Kanzel  gegen  die  offenbar 
immer  mehr  um  sich  greifende  Überschreitung  der  Fastengebote 
geeifert  »und  fast  sere  ungeschicklich  sich  uf  der  cantzeln  erzeigt, 
wie  man  fleisch  esse  und  bratwurst.«  Die  Ratsfreunde  werden  deshalb 
wieder  zum  Kapitel  gesandt  und  sollten  »mit  ernst  mit  ine  redden, 
sich  der  wort,  so  zu  uffruhre  dienen,  zu  maissen,  sunder  wo  iemant 
fleisch  es,  solichs  den  burgermeistern  anzeigen  und  nit  die  stat  als 
Ketzer  uf  der  cantzeln  uszrufen.«  Der  Rat  als  Beschützer  der  Fasten¬ 
gebote,  darum  besorgt,  dass  die  Stadt  nicht  als  ketzerisch  bekannt 
werde,  auf  der  Bartholomäuskanzel  Meyer,  starr  gegen  alle  Neuerungen 
sich  verschliessend  und  so  stürmisch  gegen  die  neue  Lehre  eifernd, 
dass  der  Rat  im  aufgeregten  Volke  einen  Aufruhr  befürchtet  —  das 
ist  das  Stimmungsbild  in  der  Reichsstadt  Frankfurt  um  die  Mitte 
des  Jahres  1524.  Nur  scheinbar  fehlt  im  Rahmen  dieses  Bildes  die 
Persönlichkeit  dessen,  der  am  eifrigsten  die  neue  Lehre  verbreitet:  * 
Sartorius.  Denn  dass  dieser  doch  auch  in  dieser  Zeit  schon  mit  dem 
damaligen  Bürgermeister  Hamman  von  Holzhausen  als  der  schlimmste 
Gegner  der  alten  Lehre  angesehen  wurde,  zeigen  die  Mandate  und 
Mahnungen,  die  Anfang  Juni  von  Mainz  kamen.  Der  Kurfürst  hatte  ein 
Mandat2  gegen  die  lutherische  Lehre  in  Frankfurt  anschlagen  lassen. 
Dieses  Mandat  war  verunreinigt  und  ein  Zettel  daruntergeheftet 
worden:  der  Kurfürst  sei  selbst  ein  Ketzer.  Als  nun  der  Rat  der 
Täter  nicht  habhaft  werden  konnte,  schrieb  der  Kurfürst  wieder  und 
warf  dem  Rate  Lässigkeit  vor.  Nun  sandte  der  Rat3  einige  seiner 
Mitglieder  nach  Mainz  hinab,  um  wegen  dieser  und  anderer  Differenz¬ 
punkte  mit  dem  Kurfürsten  zu  unterhandeln.  Diesen  setzte  Albrecht 
hart  zu  wegen  des  lutherischen  Predigers  zu  St.  Katharin.  In  der 
gleich  nach  der  Rückkehr  der  Gesandten  abgehaltenen  Ratschlagung4 
erbot  sich  der  Bürgermeister  Hamann  von  Holzhausen,  er  wolle  selbst 
schriftlich  antworten,  auch  Sartorius  solle  eine  eigene  schriftliche 
Antwort  geben.  Am  nächsten  Tage,  14.  Juni,  ist  die  Antwort  der 
beiden  schon  geschrieben,  wenige  Tage  später  geht  sie  mit  einem 
Begleitschreiben  des  Rates  nach  Mainz.  Alle  3  Schreiben  sind  uns 


1  BB  1523  Bl.  89a. 

1  Dieses  Mandat  haben  wir  nicht  mehr,  wir  kennen  es  nur  aus  der  Antwort 
des  Rates  RK  I  141  f.  und  aus  BB  Bl.  na,  b  (9.  Juni  1524). 

I  BB  1524  Bl.  12a. 

■t  Ratschi.  P  II  Bl.  86a.,  RK  I  141  f. 

£2* 


erhalten.1  Der  Rat  beruft  sich  in  seiner  Antwort  vor  allem  darauf, 
dass  er  alle  Prediger  gemahnt  habe,  sich  des  kaiserlichen  Mandats 
und  der  Ratsmandate  gemäss  zu  halten,  »wo  das  nit  gescheen,  wurden 
sie  lud  der  mandata  gestraft.«  Harnman  schildert  in  seinem  Schreiben 
nur  das  Tatsächliche,  wie  er  als  Patron  der  Katharinenkirche  von  der 
Meisterin  des  Katharinenklosters  um  einen  tüchtigen  Prediger  ersucht 
worden  sei  und  deshalb  Sartorius  berufen  habe.  Das  interessanteste 
unter  jenen  3  Schreiben  ist  zweifellos  das  des  Sartorius.  Er  erwidert 
darin  auf  die  Vorwürfe  des  Kurfürsten,  wegen  »des  lutherischen, 
ungeschickten  Predigers  zu  St.  Katharin,«  er  wisse  nichts  davon, 
dass  er  der  göttlichen  Schrift,  päpstlichen  oder  kaiserlichen  Mandaten 
zuwider  gepredigt  habe.  Zum  Beweise  dafür  beruft  er  sich  auf  den 
ganzen  Konvent  zu  St.  Katharin.  Würde  man  finden,  dass  er  doch 
jenen  Schriften  zuwider  gepredigt  habe,  wolle  er  das  über  sich  ergehen 
lassen,  was  jene  Schriften  gebieten.  Bis  dahin  ist  die  Veranwortung 
des  Sartorius  äusserst  vorsichtig  gehalten.  Nun  aber,  da  er  auf  seine 
Gegner  zu  sprechen  kommt,  spürt  man  deutlich  seine  Erregung  und 
Erbitterung  über  jene  hindurch.  »Aber  das  hab  ich  erfaren,  dasz  mir 
meine  predigt  zu  mermalen  von  ettlichen  villeicht  aus  onverstand, 
hasz  oder  onfleisz  des  Zuhörers  zum  ergsten  auszgelegt;«  er  habe 
deswegen  oft  gebeten,  dass  seine  Gegner  ihm  das,  was  ihnen  in 
seiner  Rede  und  Weise  ungebührlich  erscheine,  um  Gottes  und  der 
christlichen  Liebe  willen  nicht  verhalten  sollten,  er  wolle  es  gerne 
annehmen.  —  Wer  waren  diese  Gegner?  Der  schärfste  unter  ihnen 
war  jedenfalls  Meyer,  dessen  Eifern  auf  der  Kanzel  auch  das  Begleit¬ 
schreiben  des  Rates  bezeugt. 

Mit  diesem  Vorgehen  der  geistlichen  Obrigkeit  gegen  Sartorius 
war  für  ihn  die  erste,  noch  verhältnismässig  ruhigere  Zeit  seines 
Wirkens  in  Frankfurt  vorüber.  Seine  Predigten  gegen  die  Missbräuche 
der  alten  Lehre  begannen  zu  wirken.  Seine  Gegner,  Meyer  voran, 
hatten  ihn  längst  als  Anhänger  der  neuen  Lehre  erkannt  und  standen 
gegen  ihn  auf.  Aber  auch  Sartorius  blieb  nicht  allein  in  diesem 
Kampf.  Das  Volk  nahm  grossenteils  für  ihn  Partei.  Der  Streit  für 
oder  gegen  Sartorius,  für  oder  gegen  die  neue  Lehre  beginnt.  Die 
Kampfspuren  sind  den  nun  rasch  sich  drängenden  Eingaben,  Klagen, 
Wünschen  des  Volkes  wie  den  kurzen  Notiz^e,.  der  Bürgermeister¬ 
bücher  deutlich  aufgeprägt. 


1  Holzhausens  Schreiben  RK  I  Bl.  144,  das  des  Sartorius  RK  1  Bl.  149 
(abgedr.  bei  Ritter,  ev.  Denkm.  S.  63  f.),  das  des  Rates  RK  I  Bl.  141  ft. 


—  1 8  r  - 

III. 

Gleich  in  der  ersten  Julihälfte  des  Jahres  1524  merkt  man 
deutlich,  wie  die  Erregung  gegen  die  Geistlichkeit  wuchs.  Zunächst 
entstand  eine  gewisse  Spannung  zwischen  Rat  und  Geistlichkeit.  Die 
Geistlichkeit  hatte  noch  immer  keine  endgiltige  Antwort  auf  die 
Ablösungsvorschläge  des  Rates  gegeben.  Der  Rat  suchte  aber  mittler¬ 
weile  praktisch  doch  schon  so  manches  durchzusetzen.  So  hatte  der 
Rat  eingeführt,  dass  die  »werschaftsbriefe«  nicht  mehr  unterm  Propstei¬ 
siegel,  sondern  unterm  Stadtsiegel  in  der  Ratskanzlei  ausgestellt1 
würden.  Nun  klagt  das  Bartholomäuskapitel,  jene  Briefe  würden  ihnen 
vorenthalten,  das  Volk  aber  wolle  keine  Zinsen  mehr  bezahlen, 
wenn  es  die  Briefe  nicht  sehe.  Diesmal  verspricht  der  Rat  noch  die 
Briefe  auszuhändigen.2 3  Einige  Tage  später,  am  14.  Juli,  verlangt  der 
Rat,  dass  die  Geistlichen  wie  die  andern  Bürger  beim  Bollwerkneu¬ 
bau  Frondienst  leisten.5  Da  damit  wieder  ein  weiteres  Vorrecht  der 
Geistlichen  hinfällig  geworden  wäre,  so  leisteten  die  Geistlichen 
keinen  Dienst  mit  Berufung  auf  ihre  verbrieften  Rechte.  Als  nun 
am  21.  Juli  1524  eine  Eingabe4  der  Sachsenhäuser  einlief,  der  Rat 
möge  ihnen  beim  Bartholomäuskapitel  zu  einem  tüchtigen  Pfarrer  ver¬ 
helfen,  da  stellte  sich  der  Rat  auf  ihre  Seite  und  unterstützte  ihr  Gesuch. 

Mit  dieser  ersten  Eingabe  der  Sachsenhäuser  ist  nun  der  erste 
Vorstoss  gemacht  in  dem  mit  steigender  Erbitterung  wegen  der 
Besetzung  der  Pfarrstelle  zu  Sachsenhausen  geführten  Kampfe,  der 
sich  bis  dicht  vor  den  Ausbruch  des  grossen  Aufstandes  hinzog. 
Die  Sachsenhäuser,  ein  zäher,  derber  Volksschlag,  der  den  jenseits 
des  Maines  wohnenden  Teil  der  Frankfurter  Bürgerschaft  bildete5  und 
der  den  Ausbruch  des  Aufstandes  zu  einem  guten  Teil  mit  veranlasste,6 
traten  jetzt  auf  einmal  mit  derselben  Forderung  hervor,  wie  sie  bisher 
nur  die  Bornheimer  dem  Rat  vorgetragen  hatten  und  verlangten  an 
Stelle  des  vom  Bartolomäuskapitel  vorgeschlagenen  Pfarrers  einen 
anderen.  Diese  ihre  erste  Eingabe  zeigt  gleich  in  charakteristischer 
Weise,  wie  die  Sachsenhäuser  in  den  Kampf  eingrifFen;  die  Eingabe 

1  W  37-43. 

2  Bß  1324  Bl.  18b.  Ratschi.  P  II  Bl.  86a,  b.  RK  I  Bl.  126-127. 

3  BB  1524  Bl.  21  b. 

♦  BB  1524  Bl.  24a,  die  Eingabe  selbst:  RK  I  Bl.  40  f..  abgedr.  bei  Ritter 
a.  a.  O.  S.  67  f. 

5  Vgl.  Wedewer,  Joh.  Dietenberger  S.  64. 

6  Vgl.  Kriegk,  Bürgerzw.  etc.  S.  152. 


182 


lässt  an  Schärfe  nichts  zu  wünschen  übrig.  Der  Grund  dazu'  war 
folgender.  Der  Pfarrer  an  der  Kirche  zu  den  drei  Königen,  Wilkin 
Stein,  war  gestorben.  Das  Kapitel  wollte  nun  den  der  alten  Lehre 
ergebenen  Jacob  Selzer,  auch  Frank  genannt,  zum  Kaplan  an  jener 
Kirche  bestellen.  Diesen  aber  wollten  die  Sachsenhäuser  nicht,  sie 
wollten  einen,  der  sich  zur  neuen  Lehre  bekannte  und  vor  allem 
»den  rechten  Text  und  Grund  der  evangelischen  Lehre«  predigte. 
Der  Rat  ermahnte1  denn  auch  das  Kapitel  ihnen  einen  »geschickten 
pferner  zu  geben,  zu  vermiten  ufrur  und  widderweil«.  Das  Kapitel 
aber  blieb  bei  der  Ernennung  Selzers.  Als  dieser  jedoch  nach  Sachsen¬ 
hausen  kam  (24.  Juli),  forderte  gleich  ein  Einwohner  von  Sachsenhausen, 
Peter  Lomp,  dem  Pfarrer  den  Schlüssel  ab  und  dieser  wagte  nicht 
ihn  zu  verweigern.  Das  Kapitel  klagte  nun  sofort .  beim  Rat  und 
drohte  sich  nach  Mainz  zu  wenden.  Die  Sachsenhäuser,  deswegen 
vor  den  Rat  geladen,  wussten  jedoch  diesen  zu  überzeugen,  dass 
Selzer  zu  untauglich  sei,  und  der  Rat  ermahnte  wiederum  das  Kapitel 
sich  nach  einem  bessern  umzusehen.  Diesmal  ging  denn  auch  das 
Kapitel2  darauf  ein.  Zudem  musste  am  25.  Juli  Selzer,3  von  seinen 
Anhängern  gewarnt,  mit  einem  Nachen  aus  der  Kirche  über  den 
Main  fliehen;  das  Volk  hatte  sich  zusammengerottet  und  drohte  ihn 
zu  erschlagen.  Als  nun  aber  8  Tage  wieder  verstrichen,  ohne  dass 
das  Kapitel  sich  rührte,  schlugen  die  Sachsenhäuser  selbst  beim  Rat 
(9.  Aug.)  Matthis  Ullmann  oder  Dietrich  Sartorius  vor.  Der  Rat 
unterstützte  das  Gesuch  zu  Gunsten  Ullmanns,  der  sich  ohnedies  um 
die  Pfarrei  beworben  hatte.4  Das  Kapitel  aber  bestimmte  weder  den 
einen  noch  den  andern,  sondern  Konrad  von  Steinheim,  und  als  dieser 
vor  den  Sachsenhäusern  bald  schon  wieder  weichen  musste,  einen 
bisherigen  Kaplan  an  St.  Bartholomäus,  Job.  Rau,5 6  der  streng  alt- 
gläubig  war.  Die  Folge  war  natürlich,  dass  die  Erbitterung  in 
Sachsenhausen  täglich  stieg. 

Aber  auch  in  Frankfurt  ging  die  Bewegung  nicht  zurück.  Hier 
war  es  vor  allem  Meyer,  der  die  Wut  des  Volkes  immer  mehr  gegen 
sich  entfesselte.  Ein  grelles  Licht  auf  diese  Stimmung  des  Volkes  gegen 
ihn  wirft  eine  Klageschrift/  die  er  am  6.  September  1524  an  den 


1  BB  1524  Bl.  24a. 

2  BB  1 524  Bl.  26a. 

3  RK  I  Bl.  I5S- 

*  BB  1524  Bl.  30a. 

s  RK  I  Bl.  157-158. 

6  RK  I  Bl.  42. 


i83 


Rat  einreicht.  Er  schreibt  darin :  Als  er  am  vergangenen  Freitag  mit 
2  anderen  Priestern  zu  der  Bornheimer  Pforte  hereingegangen  sei, 
habe  Wilhelms  Eidam  (d.  i.  Hans  von  Siegen)1  vor  seinem  Haus  ein 
Spottlied  auf  ihn  gesungen:  »Der  Pfarrherr  auf  der  Pfarr,  der  Pfarr- 
herr  auf  der  Pfarr.«  Auch  sonst  habe  ihn  derselbe  oft  verunglimpft. 
»Ist  es  nit  genunk,  das  man  in  fasnachten  und  hochzeiten  das  gespot 
mit  eim  pfarhern  treibt  und  dantzt  noch  dem  lied,  das  widder  sein 
ehr  und  glimpf  gemacht  ist;  darüber  darf  ich  durch  kein  gassen  geen, 
man  schreit  mich  an  als  ein  juden.«  Sogar  Brot  und  Wein  werde 
ihm  jetzt  schon  vorenthalten.  Wenn  der  Rat  seine  Gegner  nicht 
ernstlich  strafe,  müsste  er  sich  nach  Mainz  wenden.  Der  Rat  beschloss 
denn  auch  die  Lästerer  zu  verhören  und  ihnen  »zu  wege  zu  sagen.«2 * 
Aber  man  sieht,  die  Stimmung  des  Volkes  richtet  sich  jetzt  schon 
vor  allem  gegen  Meyer,  in  dem  das  Volk  den  Hauptgegner  aller 
Neuerungen  sieht.  Sowohl  das  im  Sommer  von  Mainz  aus  gegen 
Sartorius  eingeleite  Verfahren,  als  auch  die  in  diesen  Tagen  einge¬ 
troffene  ablehnende  Entscheidung  des  Erzbischofs5  in  der  Frondienst¬ 
frage  mochten  das  Ihrige  dazu  beigetragen  haben,  die  Erbitterung  des 
Volkes  zu  reizen. 

Die  Stellung  des  Rates  war  noch  immer  die  gleiche  wie  von 
Anfang  an.  Nach  beiden  Seiten  suchte  er  den  schlimmsten  Ausbrüchen 
zu  wehren.  Und  einstweilen  tat  er  dies  noch  mit  Erfolg.  Das  zeigte 
sich  z.  B.  in  der  Frage  wegen  des  Feilhaltens  und  Verkaufens  der 
Bücher.  Die  Frankfurter  Messen  waren  für  den  damaligen  Buchhandel 
von  grosser  Bedeutung,  Bücher  aller  Art  fanden  hier  starken  Absatz 
und  von  hier  aus  weitgehende  Verbreitung.  Wie  wichtig  das  für 
die  Ausbreitung  der  neuen  Lehre  war,  sah  man  auch  in  Frankfurt 
wohl  ein.4  Und  so  sandte  man  kurz  vor  Beginn  der  diesmaligen 
Herbstmesse  eigens  mainzische  Räte5  nach  Frankfurt,  um  beim  Rate 


1  H.  Hammerschmidt  von  Siegen  war  der  Schwiegersohn  Wilhelm  Ruddels, 
eines  buchbenders  und  buchfurers,  s.  Qu  II  S.  199  u.:  Grotefend,  »Chr.  Egenolf, 
der  erste  ständige  Buchdrucker  in  Frankfurt  und  seine  Vorläufer«  1881. 

2  BB  1524  Bl.  41a. 

5  BB  1524  Bl.  35  b. 

4  Qu  10.  Februar  1525  teilte  Ferdinand  dem  Statthalter,  Margr.  Phil,  von 
Baden,  ein  Schreiben  Campeggis  mit,  worin  Ferdinand  von  Campeggi  darauf  auf¬ 
merksam  gemacht  wird,  dass  zu  Wittenberg  neue  Bibeln  gedruckt  worden  seien 
und  jetzt  in  Frankfurt  verkauft  werden  sollten;  der  Margraf  solle  dem  Vorbeugen. 
Beide  Schreiben  sind  im  Kreisarchiv  in  Speyer,  Reichsakten  in  gen.,  fase.  3. 

5  BB  1524  Bl.  42  a.  Das  Beglaubigungsschreiben  für  die  Gesandten  ist  zw.  RK  I 
Bl.  42  u.  Bl.  42.  Auf  der  Rückseite  dieses  Schreibens  steht  der  Entwurf  der  Ratsantwort. 


184 


das  Feilhalten  von  »luterischen  und  derglichen  stnehebucher«  zu  unter¬ 
sagen  und  zu  verlangen,  dass  die  Verkäufer  gestraft  werden.  Der 
Rat  aber  ging  keineswegs  darauf  ein,  sondern  unterschied  und  ent¬ 
schied:  Schmähschriften  feilzuhalten  wird  bei  hoher  Strafe  verboten, 
aber  mit  den  »lutterischen  bucheren  haben  sich  viel  vernemen  lassen, 

ob  sie  nit  das  heilig  Evangelium  feil  haben  sollen . so  sei  es 

itzt  in  der  mesz,  dasz  man  mit  fugen  nit  darin  sehen  kond  on  mirglichen 
onrat.«  Sei  es  nun,  dass  der  Rat  wirklich  schon  soweit  für  Luther 
Partei  ergriff,  sei  es,  was  wahrscheinlicher  ist,  dass  der  Rat  bei  der 
gegenwärtigen  Stimmung  des  Volkes  tatsächlich  Unruhen  befürch¬ 
tete,  —  er  blieb  in  dieser  Frage  den  Gesandten  gegenüber  fest.  Der 
Schluss  des  Entwurfes,  der  die  Ratsantwort  an  die  Gesandten  enthält, 
endet  mit  dem,  die  damalige  Stimmung  so  mancher  Kreise  in  Frank¬ 
furt  kennzeichnenden,  melancholischen  Wort:  »quit  dico,  nescio;  ibunt, 
quo  poterant;  quo  non  poterant,  ibi  stabunt,  non  habebit  bonum  exitum.« 

Mittlerweile  aber  war  die  Pfarrbesetzungsfrage  in  Sachsenhausen 
keineswegs  zur  Ruhe  gekommen.  Die  Sachsenhäuser  beruhigten 
sich  so  wenig  mit  der  Ernennung  Raus,  dass  sie  Anfang  September 
mehr  als  50  Mann1  stark  zum  Bartholomäuskapitel  zogen  und  dort 
drohend  einen  anderen  Pfarrer,  wenn  möglich  Dietrich  Sartorius  ver¬ 
langten.  Es  wiederholt  sich  jetzt  wieder  ganz  das  alte  Spiel.  Das 
Kapitel  klagt  beim  Rat.  Der  Rat  verhört  die  Sachsenhäuser  und 
verbietet  ihnen  ein  solches  Vorgehen.  Sie  versuchen  es  noch  einmal 
am  19.  September  mit  einer  schriftlichen  Eingabe2  beim  Kapitel: 
Rau  sei  schon  2  mal  bei  ihnen  als  Kaplan  gewesen,  2  mal  sei  er  an 
St.  Peter  in  der  gleichen  Stellung  gewesen  und  überall  habe  er 
wieder  weichen  müssen  wegen  seines  »trotzigen,  neidischen  gemutes«. 
Als  er  das  letzte  Mal  bei  ihnen  war,  habe  er  gar  einen  ehrbaren, 
betagten  Mann  verwundet  und  geschlagen.  Das  Kapitel,  das  be¬ 
hauptet,3  inzwischen  von  Mainz  aus  Anweisung  bekommen  zu  haben, 
nur  streng  altgläubige  Pfarrer  anzustellen,  sendet  am  21.  September 
diese  neue  Eingabe  mit  der  Antwort  Raus  darauf  und  eigenen4  Be¬ 
merkungen  hiezu  wieder  an  den  Rat  und  verlangt  in  energischem 
Tone,  der  Rat  solle  das  Kapitel  in  seinem  Recht  beschützen,  denn 
es  sei  des  Kapitels  und  nicht  der  Sachsenhäuser  Recht  die  dortige 


1  RK  I  Bl.  162  c;  BB  1524  Bl.  42  a  (10.  Sept.  1524). 

2  Die  vom  Kapitel  an  den  Rat  gesandte  Kopie  findet  sich  RK  I  Bl.  156. 

3  RK  I  Bl.  158  a. 

♦  RK  I  157—158  (vom  21.  Sept.  1524);  ferner:  BB  1524  Bl.  45b. 


iSj 


Pfarrstelle  zu  besetzen.  Der  Rat,  der  beide  Schreiben  den  Sachsen¬ 
häusern  zur  Beantwortung  übergab,  bekam  diesmal  von  dort  eine 
unvermutete  Antwort.  Am  2 6.  September  versammelten  sich  die 
Sachsenhäuser  auf  dem  Pfarrkirchhof  und  Dieter  Kol  kündigte  im 
Namen  der  Gemeinde  Rau  die  Pfarrstelle  auf.1  Damit  hatten  die 
Sachsenhäuser  de  facto  das  Pfarrbesetzungsrecht  des  Kapitels  hinfällig 
zu  machen  versucht.  Aber  das  Kapitel,  keineswegs  gewillt  so  leichten 
Kaufes  jenes  Recht  fahren  zu  lassen,  protestierte2  sofort  am  nächsten 
Tage  beim  Rat,  verlangte  dass  Ham.  von  Holzhausen,  der  ihnen  zu¬ 
wider  sei,  aus  den  Verhandlungen  mit  den  Sachsenhäusern  ausscheide, 
verweigerte  die  von  den  Sachsenhäusern  verlangte  Anstellung  des 
Sartorius,  bestimmte  trotz  allem  Rau  für  die  Kirche  in  Sachsenhausen 
und  drohte  endlich  mit  Mainz.  Die  ganze  Lage  war  somit  auf  einem 
recht  kritischen  Punkte  angelangt.  Die  Rechtsfrage  war  aufgeworfen. 
Das  Kapitel  pochte  auf  sein  verbrieftes  Recht,  die  Sachsenhäuser, 
wie  gleich  ihre  nächste  Hingabe  zeigt,  auf  das  göttliche  Recht.  Was 
sollte  der  Rat  tun?  Zunächst  versuchte  er  es  noch  einmal  mit  Be¬ 
schwichtigungen.  Er  liess  das  Kapitel  bitten,  es  möge  »um  fried- 
liebens  willen«  einen  Kaplan  anstellen,  der  den  Sachsenhäusern 
genehm  sei,3  und  den  Sachsenhäusern  liess  er  sagen,4  sie  sollten  mit 
Rau  noch  einstweilen  Geduld  haben.  Aber  damit  war  gar  nichts 
gebessert.  8  Tage  später  kam  dann  auch  eine  Antwort  von  den 
Sachsenhäusern  an  den  Rat,5  die  nur  den  einen  Erfolg  hatte,  dass 
dem  Kapitel  die  Geduld  jetzt  riss  und  es  die  ganze  Angelegenheit 
nach  Mainz  vor  seine  geistlichen  Oberen  brachte,  zugleich  mit  dem  am 
gleichen  Tage  eingelaufenen,  scharf  gehaltenen  Bornheimer  Schreiben, 
das  ja  auch  in  drohendem  Tone  einen  Pfarrer  verlangte  (s.  o.). 

Jenes  letzte  Schreiben  der  Sachsenhäuser  enthüllt  klarer  als 
ihre  Eingaben  zuvor  die  ganze  Lage  diesseits  und  jenseits  des 
Maines  in  Frankfurt.  Schärfer  als  je  spricht  sich  hier  das  durch 
den  Widerstand  des  Kapitels  nur  um  so  entschlossener  betonte 
Verlangen  aus  nach  einem  Prediger,  »der  den  lutern  und  claren 
text  des  evangelions  prediget  und  an  tag  brecht.«  »Unangesehen«, 
meinen  die  Sachsenhäuser  in  ihrem  Schreiben  weiter,  »das  ein  gemeine, 

1  RK  I  Bl.  160a. 

2  RK  I  Bl.  160-161. 

5  BB  1524  Bl.  46  b. 

4  BB  1524  Bl.  47  a. 

5  RK  I  Bl.  162  a,  b,  c,  d  [das  auf  Bl..  162  folgende  Blatt  wurde  nicht  numeriert] 
vom  3.  Okt.  1524. 


1 86 


wie  dan  sant  Martins  und  ander  mer  heiligen  legend  clerlich  anzeigen, 
ein  pharher  zu  erwelen  haben,  wir  dannoch  uns  derselben  friheit 
begeben  und  umb  ein  frommen  lidlichen  pharherr  gebeten  ...  das 
aber  von  eim  Capittel  angezeigt  wirt,  das  inen  von  der  oberkeit 
keinen  unkentlichen  oder  der  neuen  uffrorischen  lere  anhengig  auf- 
zunemen  verboten  sei,  haben  wir  nit  onpillich  zu  erachten,  und  sy 
lern  von  uns  das  unser  sinne,  gemute  oder  meinung  einichen  neuen 
lerer  oder  gezankmacher  an  stat  eines  pharhers  anzunemen.  .  .  .  das 
sie  aber  her  diederichen  wie  sie  in  irer  letzten  schrift  melden  vor  ver- 
dechtlich  oder  ein  ufrorische  prediger  achten,  mag  mit  der  groszen 
menge  und  horer  synner  predigeten  .  .  .  genugsamlich  .  .  .  bezuget .  .  . 
werden,  das  er  sich  nicht  anders  dan  der  heiligen  geschrift  und  den 
claren  text  des  evangelions  befliszen,  welches  evangelion  uns  doch 
nicht  anders  dan  den  fridden  und  -einigkeit  leren  tut.  Derhalben  die 
gemelten  geistlichen  herin  die  warheit  vilmals  uf  ein  sit  setzen,  dem 
evangelio  irs  geitz  und  geltsacks  halben  zu  wiederleben.  Und  das 
sie  witer  .  .  .  hern  hamann  von  hultzhosen  .  .  .  vor  furdechtlich  achten 
und  schelten,  das  kan  ime  mit  der  warheit  nemant  erbars  zumeszen, 
dan  er  ist  uns  .  .  .  nit  bystendig  .  .  .  gewesen,  sunder  uns  ...  so 
heftig  ime  geziempt  den  fridden  gebotten,  darab  e.  f.  w.  und  ein 
yeder  vorstendiger  erkunden  mögen,  was  onwillen,  ufror,  und  zwei¬ 
tracht  die  geistlichen  zu  machen  geneigt  sint  .  .  .  Aber  uf  unser 
vilfaltig  bitten  und  begeren  ist  uns  vom  dechant  in  montlicher  ant- 
wurt  begegnet,  das  man  uns  kein  pharher,  der  uns  angeneme  oder 
gefellig  sy,  geben  werd,  dan  wo  wir  jetzt  einen  pharher  unsers 
gefallens  bekomen,  wulten  wir  furter  aber  derglichen  haben,  darusz 
e.  f.  w.  und  ein  iglicher  cristverstendiger  woil  zu  ermessen  haben, 
was  fridlebens  die  gedachten  hern  suchen,  dan  der  natuer,  wir  wollen 
der  geschrift  und  pillichkeit  geschwyhen,  ist  zu  wieder,  fruchtparlich 
lere  von  einem  der  nit  liebgehalten  ist,  zu  emphaen;  dan  wer  nit 
geliebt,  dem  wird  nit  geglaubt«.  Bezüglich  des  Besetzungsrechtes 
heisst  es  noch:  »went  fürsten,  hern,  stedte  und  andere  so  amter  usz 
oberkeiten  zuverliehen  haben,  alweg  firbithen  etwa  vor  bekente,  erbar 
und  geschickte  personell,  enstet  derohalben,  den  verlihern  an  iren 
amptern  zu  keinem  nachteil,  darumb  kein  beschonung  zu  abschlag 
unserer  bitt!  .  .  .  Aber  uns  tut  billich  bewundern,  warumb  uns 
armen  in  unserm  erbarn  und  notturftigen  begehren  .  .  .  zuwider¬ 
gelebt  und  in  soliche  Sachen  von  e.  f.  w.  nit  basz  gescheen  wird,  so 
doch  unser  furnemen  gegen  den  groszern  theil  der  gantzen  gemeine 
dieser  stadt  Franckfurdt  und  nit  allein  hie  von  diesen  bürgern  sunder 


i87 


gegen  allen  Normbergern,  Augspurgern,  Straszpurgern  und  andern 
.  .  .  personen  gotlich  und  rechtlich  erkant  wirt«.  Am  Schluss  des 
ganzen  heisst  es,  nachdem  vorher  noch  eine  Anzahl  Untaten  Raus 
aufgezählt  worden  waren:  »So  nu  ein  pharher  von  der  gemeine 
erhalten  werden  musz,  auch  eine  gantze  gemeine  dieser  stadt  Franck- 
furt  und  Sachsenhausen  alweg  in  frondiensten  und  andern  wie  pillich 
gehorsam  (so  doch  die  geistlichen  als  am  tage  ligt  der  Sachen  zu¬ 
wider  sein)  und  wir  nichts  anders  haben  wollen  als  einen  pharher 
unsers  gefallens,«  deswegen  möge  der  Rat  dieses  Schreiben  beherzigen 
und  Einsehens  haben. 

Der  prinzipielle  Teil  dieser  Eingabe  ist  bedeutsam.  Seine  Be¬ 
deutung  tritt  am  meisten  hervor,  wenn  man  den  Eingang  und  die 
beiden  ersten  Artikel  aus  dem  Entwürfe,  den  Jung  mitgeteilt  hat,1 
damit  vergleicht.  Wir  finden  hier,  in  dieser  Sachsenhäusereingabe, 
zum  erstenmale  Anschauungen,  die  wir  später  in  jenem  Entwürfe 
als  bestimmte  Forderungen  wieder  erkennen.  Die  Forderung  des 
i.  Artikels  (Pfarrwahlrecht  der  Gemeinde)  ist  dem  ganzen  Schreiben 
der  Sachsenhäuser  eng  verwandt.2  Die  Forderung  des  2.  Artikels,  dass 
die  Geistlichen  bürgerliche  Lasten  übernehmen  sollen,  wird  zwar  noch 
nicht  ausgesprochen,  aber  sie  klingt  schon  an.  Und  der  Tenor  der 
Einleitung  zu  jenen  n  Artikeln  findet  im  Schreiben  der  Sachsenhäuser 
schon  manche  verwandte  Töne,  man  vergleiche  nur,  was  von  den 
altgläubigen  Geistlichen  und  von  dem  Evangelium  gesagt  wird. 

Die  Stimmung  in  Frankfurt  war  jedenfalls  zur  Zeit  dieser  Ein¬ 
gabe  bis  zu  einem  gefährlichen  Grade  schon  erhitzt.  Die  Bornheimer 
verlangen  drohend  einen  Pfarrer  ihres  Gefallens  und  verweigern  die 
Zinsen.  Der  Rat  war  gespalten;  eines  seiner  bedeutendsten  Mitglieder 
als  der  neuen  Lehre  verdächtig  und  nicht  unparteiisch  genug  vom' 
Bartholomäuskapitel  bei  Verhandlungen  mit  den  Sachsenhäusern  ab¬ 
gelehnt.  Die  Sachsenhäuser  verlangen  ebenfalls  einen  Pfarrer,  der 
das  reine  Evangelium  predigt,  bekommen  ihn  nicht  und  stellen  schon 
dem  Rat  Aufruhr  und  Unruhen  in  Aussicht.3  Nun  war  ja  vom  Dom¬ 
kapitel  Mainz  angerufen  worden.  Und  Mainz  sprach.  Aber  die  Antwort 
fiel  (ii.Okt.)  eigentümlich  aus:  scharf  gegen  die  zinsverweigernden 

1  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst.  3.  Folge,  II  S.  198fr.:  es  ist 
der  früheste  Entwurf  zu  den  46  Art.,  den  wir  haben. 

2  S.  o.  S.  176. 

3  Vgl.  bes.  den  Schluss  ihrer  Eingabe  vom  3.  Okt.  an  den  Rat;  »wo  e.  f.  w. 
nit  einsehens  haben,  das  durch  sollich  der  geistlichen  onpillich  handlung  ...  die 
lenge,  so  etwan  das  geblude  erhitzt,  nochteyl  und  onrad  geben  mocht«. 


1 88 


ßornheimer,1 2  verhältnismässig  milde  gegen  die  Sachsenhäuser.*  Zwar 
gibt  man  diesen  die  Untauglichkeit  Raus  nicht  zu,  stellt  ihn  sogar  als 
»gute  exemplar  person«  hin,  aber  man  fordert  doch  das  Bartholomäus¬ 
kapitel  auf,  bis  zum  21.  Dezember  einen  anderen  Pfarrer  für  Sachsen¬ 
hausen  zu  suchen,  inzwischen  solle  der  Rat  die  Sachsenhäuser  anweisen, 
solange  mit  Rau  Geduld  zu  haben.  Den  Grund  für  diese  merkwürdig 
milde  Entscheidung  gibt  ein  Schreiben3  der  Sachsenhäuser  an  den 
Rat  vom  25.  Oktober  an.  Die  Sachsenhäuser  hatten  darnach  kurz 
zuvor  selbst  auch  Abgesandte  nach  Mainz  geschickt,  um  dort  noch 
einmal  nachdrücklich  einen  Pfarrer  zu  verlangen.  Dabei  hätten  sie 
erfahren,  dass  die  Kapitelsgesandten  gesagt  hätten:  »das  sie  von  uns 
(d.  Sachsenh.)  nichts  zu  clagen  wissen.«  Die  Sachsenhäuser  fügen 
aber  selbst  in  ihrer  Eingabe  an  den  Rat  weiter  hinzu:  »ob  aber  nu 
die  geistlichen  zu  hinterruck  der  unsrigen  geclagt  und  ire  Sachen  ge¬ 
schmückt,  haben  e.  f.  w.  in  zugeschickter  des  Churfürsten,  unsers 
g.  h.  von  mentze,  schrift 4  genugsamlich  verstanden.«  So  wird  es 
denn  Vorsicht  und  Klugheit  gewesen  sein,  die  die  geistliche  Obrig¬ 
keit  nach  Einblick  in  die  ganze  Lage  die  Antwort  so  mild  abfassen 
Hessen.  Die  Sachsenhäuser  aber  hatten  ihre  Eingabe  vom  25.  Oktober 
gleichwohl  mit  der  Drohung  geschlossen:  »Wollen  .  .  .  des  versehen, 
Johan  Rau  werd  sich  nit  widder  unsern  wyllen  by  uns  finden.«  Rau 
kam  aber  trotzdem  und  hielt  Gottesdienst.  Was  geschah?  Raus 
Kanzel  wurde  mit  Steinen  umlegt,  einer  nahm  das  Weihwasser,  ein 
anderer  schoss  während  der  Predigt.  Nun  aber  riss  auch  dem  Rate 
die  Geduld.  Als  Rau  sich  beklagte,  wurde  nach  den  BB  beschlossen:5 
»Johan  Ruwen  sagen,  die  warheit  furzubringen  und  nit  allem  geschwetz 
zu  glauben,  auch  nit  ursach  zu  ufruhr  zu  geben.«  Der  Rat  erkannte 
endlich,  dass,  wenn  es  so  weiter  gehe,  man  nicht  mehr  ferne  vom 
Aufruhr  sei  und  es  ergingen  am  3.  November  scharfe  Verordnungen6 
an  die  Prediger  wie  an  das  Volk.  Den  Predigern  wird  verboten 
Worte  zu  sagen,  aus  denen  Aufruhr  entstehen  könne.  Dem  Volk 
wird  geboten,  die  Fastengebote  zu  beobachten  und  üble  Nachreden 
zu  unterlassen.  5  Tage  später  erfolgte  ein  noch  schärferes  2.  Edikt:7 

1  S.  S.  170. 

2  BB  1524  Bl.  52  a,  die  ganze  Antwort  selbst  findet  sich  W  17a  u.  b. 

3  RK  I  Bl.  164. 

+  Gemeint  ist  W  17. 

s  BB  1524  Bl.  55  b. 

6  BB  1524  Bl.  58b. 

7  BB  1524  Bl.  60a. 


189  — 


»allen  predigern  zusamen  verboten  und  inen  sagen  das  Evangelium 
zu  predigen  und  sich  ander  Stichwort  und  werk  zu  enthalten,  dan  ein 
erbar  rat  werde  sie  nit  für  unserm  gnedigisten  hem  von  mentz  be¬ 
schützen  noch  beschirmen  wo  man  rechts  gegen  inen  begeren  und 
sie  annemen  werde.« 


IV. 

Mit  dem  Edikt  des  Rates  vom  8.  November  war  die  ganze 
Lage  in  eine  neue  Phase  gerückt.  Denn  jenes  Edikt  beweist  nicht 
nur,  wie  wenig  das  erste  Edikt  vom  3.  November  genutzt  hat  und 
wozu  die  Kanzel  benützt  wurde;  es  zeigt  auch  nicht  nur,  für  wie 
gefährlich  der  Rat  jetzt  die  Stimmung  im  Volke  ansah:  denn  wenn 
der  Streit  der  Geistlichen  und  der  Gegensatz  der  alten  und  neuen 
Lehre  keinen  Einfluss  auf  das  Volk  gehabt  hätte,  würde  der  Rat 
doch  kaum  so  rasch  jenes  2.  Edikt  nach  dem  ersten  erlassen 
haben.  Jenes  2.  Edikt  lässt  uns  vielmehr  auch  vermuten,  dass  es  in 
dieser  Zeit  war,  als  dem  Sartorius  vom  Rate  das  Predigen  so  sehr 
erschwert  wurde.  Gegen  wen  sollte  sich  sonst  der  Schlusspassus 
des  Ediktes  richten,  dass  der  Rat  die  Prediger  nicht  mehr  vor  dem 
Kurfürsten  beschützen  werde?  Mit  dieser  Predigterschwerung  für 
Sartorius  und  dessen  wahrscheinlich  bald  darauf  folgenden  Entlassung 
war  aber  eine  ganz  neue  Lage  geschaffen,  deren  Ernst  sich  sofort 
in  dem  nun  folgenden  Schriftenwechsel  ausdrückt. 

Am  15.  November  melden  die  BB:1  »als  die  prediger  hern  an- 
brengen  und  antzeigen  des  buchdruckers  eyden  Loy  Schuhmacher 
der  harnescher  Lux  Kürszner  und  andere  so  sie  zu  reden  etlicher 
artickel  halber  gesetzt  haben  und  etliche  trawe  wort  sich  haben 
lassen  hören;  daruf  sie  begeren  ob  sie  ein  erbar  rat  schützen  oder 
schirmen  wolt,  wo  nit  so  wollen  sie  an  ein  ort  ziehen,  do  sie  sicher 
sien«.  Beschluss:  »der  rat  wol  sie  schützen  und  schirmen  so  viel 
ine  mogelich  sy,  wo  nit  so  wol  man  sie  zytlich  warnen  und  wol 
man  die  personen,  so  die  angetzeigt  werden,  auch  verhören  und  zu 
wege  sagen«.  Auf  was  spielt  das  an?  Die  Predigerherren  sind  die 
Dominikaner,  die  unter  dem  Priorat  Dietenbergers  noch  am  treuesten 
an  der  alten  Lehre  festhielten.2  Nun  findet  sich  in  den  Akten  des 
Religions-  .und  Kirchenwesens  eine  Eingabe,3  auf  deren  Rückseite 


1  BB  1524  Bl.  62  a. 

2  S.  Wedewer  a.  a.  O.  S.  41,  81—83. 

3  RK  I  Bl.  136. 


190 


der  Stadtschreiber  bemerkt  hat:  »wes  die  Evangelischen  dem  lese- 
meyster  zu  den  predigern  geschrieben  haben«.  Diese  Eingabe  selbst, 
ungewandt  und  ungefüge  in  Schrift  und  Stil,  besagt  in  ihrem  Ein¬ 
gang:1  Lyeber  lesmeyster  so  ich  nechst  fergangen  sondach  bye  vch 
frontlychest  berychth  halber  mit  sampt  andern  züeyrn  kristelichen 
brodern  vrsach  halber  vuer  foderung  dye  ir  in  eyner  predigen  gedan 
habet  off  aller  sein  dach,  dorinne  gemelt  etliche  art  der  geschryfft, 
dye  ir  dahyn  gezüongen  habt  zu  beweren  dasz  zuo  hellen  syn,  das 
dach  wydder  die  gotliche  geschryfft«.  Daraus  geht  hervor,  dass  am 
Sonntag  nach  Allerseelentag  3  Männer,  die  sich  zu  Eingang  jener 
Eingabe  »christliche  Brüder«,  nach  der  Unterschrift  derselben  Eingabe: 
»evangeliche  Brüder«  nennen,  dem  Lesemeister  der  Prediger,  d.  i. 
dem  Lektor  der  Dominikaner  Vorhaltungen  gemacht  haben  über  den 
Inhalt  seiner  Predigten  am  Allerseelentag.  In  jener  Predigt  hätte  er 
behauptet,  dass  es  2  Höllen  gäbe,  und  hätte  diese  Behauptung  gestützt 
durch  Schriftstellen,  die  er  »dahin  gezwungen«  habe.  Nun  wollten 
sie  ihm  aber  mit  Stellen  aus  der  hlg.  Schrift  beweisen,  dass  er  unrecht 
habe.  In  5  Artikeln  führen  sie  diesen  Vorsatz  dann  aus.  Mit  jener 
Lehre  von  den  zwei  Höllen  wollte  der  Dominikanerlektor  aber 
offenbar  die  Lehre  vom  Fegfeuer  beweisen,  deren  Unrichtigkeit  dann 
die  3  evangelischen  Brüder  bestritten.2  In  welchem  Jahre  mag  sich 
das  alles  abgespielt  haben?  Der  ganze  noch  freundlich  gehaltene 
Ton  weist  auf  die  Zeit  vor  Ausbruch  des  Aufstandes,  auch  durften 
ja  nach  diesem  die  3  Orden  in  Frankfurt  (Dominikaner,  Carmeliter, 
Barfüsser)  überhaupt  nicht  mehr  predigen.3  Das  weist  uns  in  das 
Jahr  1524.  In  diesem  Jahre  war  der  obengenannte  Sonntag  nach 
Allerseelentag  der  6.  November.  Am  6.  November  hätten  also  dann 
die  3  evangelischen  Brüder  den  Lesemeister  mündlich  wegen  seiner 
Predigt  zur  Rede  gesetzt  und  in  der  darauf  folgenden  Woche 
schriftlich.  Das  stimmt  aber  alles  genau  zu  der  oben  mitgeteilten 
Notiz  aus  den  BB,  nach  der  die  Dominikaner  sich  beklagen  über 
Artikel,  um  deren  willen  man  sie  zur  Rede  gesetzt  habe.  Nach  dem 
allem  dürfen  wir  nun  nicht  nur  der  Datierung  zustimmen,  die  Jung4 
für  jene  Eingabe  der  evangelischen  Brüder  bestimmt  hat,  nämlich 
November  1524,  sondern  können  noch  genauer  sagen,  diese  Eingabe 


1  Buchstäblich  citiert. 

2  Vgl.  die  Stellung  des  Sartorius  zu  dieser  Lehre  S.  176. 

3  W  91b,  113  a  (282  a). 

''  Arch.  III.  F.  Bd.  2  S.  202. 


muss  zwischen  dem  6.  und  15.  November  geschrieben,  in  die  Hände 
der  Dominikaner  und  von  da  in  die  Hände  des  Rates  gelangt  sein. 

Nun  wird  auch  klar,  weshalb  gerade  in  jener  Zeit  so  rasch 
hintereinander  2  scharfe  Edikte  des  Rates  an  alle  Prediger  ergangen 
waren.  Die  Predigten  der  Altgläubigen  am  Allerseelentage,  die  auf 
das  Fegfeuer  Bezug  nahmen,  hatten  bei  dem  der  neuen  Lehre  zu¬ 
gewandten  Volke  sehr  viel  Unruhe  hervorgerufen.  Daraufhin  hatte 
der  Rat  das  1.  Edikt  gleich  am  nächsten  Tage,  am  3.  November 
erlassen.  Am  nächsten  Sonntag,  6.  November,  hatte  sich  die  Unruhe 
nicht  nur  nicht  gelegt,  sondern  war,  wahrscheinlich  wieder  durch 
Predigten  und  Gegenpredigten,  verstärkt  worden.  Nun  erging  am 
Dienstag  darnach  am  8.  November,  das  2.  schärfere  Edikt  des  Rates 
wiederum  an  alle  Prediger.  In  diesen  Tagen  hatten  dann  jene 
evangelischen  oder  christlichen  Brüder  ihre  Eingabe  dem  Lesemeister 
zugesandt.  Wer  sind  diese  evangelischen  Brüder?  Die  oben  mit¬ 
geteilte  Notiz  des  Bürgermeisterbuches  nennt  sie:  es  sind  des  buch- 
druckers  eyden  Loy  Schuhmacher  der  harnescher  Lux  kürszner.  Der 
erste  und  letzte  dieser  Namen  ist  mit  Sicherheit  zu  erkennen;  des 
buchdruckers  eyden  ist  Hans  von  Siegen,  der  nachherige  Führer  im 
Aufstand  (s.  S.  183,  Anm.  1.)  Mit  ihm  wird  häufig  zusammengenannt: 
Lux  kürszner,  der  letzte  der  hier  mitgeteilten  Namen;  es  ist  Laux 
oder  Lucas  Kürschner,1  den  Königstein  in  seinem  Tagebuch  mit 
Hans  von  Siegen  u.  a.  zusammen  als  »die  Obersten  von  der  Gemein« 
bezeichnet,  die  alle  eine  bedeutende  Rolle  im  Aufstand  spielen.  Wer 
mit  »Loy  Schuhmacher  der  harnescher«  gemeint  ist,  bleibt  dunkel. 
Ob  damit  ein  Mann,  ein  Schuhmacher  Loy  (die  rheinische  Aus¬ 
sprache  für  Louis  =  Ludwig),  der  vielleicht  der  harnescher  genannt 
wurde,  oder  ob  damit  2  Leute  gemeint  sind,  ein  Schuhmacher 
Ludwig  und  einer,  der  seines  Zeichens  Harnischfeger  war,  muss 
dahingestellt  bleiben.2  Es  genügt  zu  wissen,  dass  2  der  späteren 
Haupträdelsführer  im  Aufstand  hier  sich  selbst  zusammen  als  evange¬ 
lische  oder  christliche  Brüder  bezeichnen.3 


1  Qu  II  S.  88,  199. 

1  Der  ebenfalls  mit  Hans  von  Siegen,  Lux  Kürschner  öfter  zusammengenannte 
Schneider  Nikolaus  Will,  den  man  meist  Krieger  nannte  [s.  Kriegk,  a.  a.  O.  S.  507 
Anm.  109]  dürfte  es  kaum  sein.  —  Eine  andere  Möglichkeit  wäre:  es  ist  ein 
Bewohner  der  Harneschergasse  (=  kleiner  Kornmarkt),  s.  Battonn,  Örtl.  Beschreibung 
der  Stadt  Frankfurt,  Heft  5  S.  101. 

*  Ein  weiteres  Beispiel  für  die  damalige  Stimmung  einzelner  Kreise  ist  die  Auf¬ 
lösung  der  Brüderschaft  der  Schneiderknechte,  die  Königstein  allein  mitteilt  Qu  II S.  81. 


192 


Fassen  wir  das  Resultat  der  bisherigen  Untersuchung  kurz 
zusammen.  Zwischen  dem  6.  und  15.  November  1524  tauchen  in 
Frankfurt  zum  ersten  Male  evangelische  oder  christliche  Brüder  auf. 
Diesen  Namen  legen  sie  sich  selbst  bei.  Zwei  dieser  evangelischen 
Brüder  können  wir  ■  mit  Sicherheit  als  die  Führer  des  Aufstandes 
erkennen:  Hans  von  Siegen  und  Lux  Kürschner.  Bei  ihrem  ersten 
Auftreten  geben  sie  sich  zugleich  als  Bekämpfer  der  Lehre  vom 
Fegfeuer.,  also  eines  Teiles  der  alten  Lehre  zu  erkennen.  Sie 
bekämpfen  sie  mit  Stellen  aus  der  heiligen  Schrift.  Als  ersten  Art. 
stellen  sie  dabei  in  ihrer  Eingabe  auf:  »paulos  lernt  uns  bouwen  uf 
das  foliement  der  profeten  und  zwelf  paten  wie  Joh  14  und  Gal  7, 
was  geschryben  ist  uns  zur  1er  und  wan  ein  engel  fom  himel  uch 
anders  lernt  glaub  nit«. 

Aus  dem  eben  Gesagten  ergeben  sich  zwei  Fragen.  Einmal:  weist 
dieses  erste  Vorkommen  der  evangelischen  Brüder  auf  einen  engeren 
Bund?  oder  ist  es  nur  eine  zufällig  hier  gebrauchte  Bezeichnung,  die 
ja  in  jener  Zeit  vor  dem  Bauernkrieg  häufig  war?  Und  dann:  woher 
kommen  diesen  Leuten  die  Gedanken,  die  sie  gegen  die  Lehre  vom 
Fegfeuer  ins  Feld  führen?  vor  allem  der  eines  Kampfes  gegen  diese 
Lehre  selbst? 

Die  Antwort  auf  die  erste  Frage  lassen  wir  einstweilen  dahin¬ 
gestellt,  die  Besprechung  der  nächsten  Eingabe  führt  ohnedies  darauf 
zurück.  Die  zweite  Frage  aber  können  wir  jetzt  schon  mit  ziemlicher 
Bestimmtheit  beantworten.  Die  Gegenschrift  auf  die  Apologie  weist 
auch  hier  den  rechten  Weg.  Dort1  heisst  es  ausdrücklich,  dass 
Sartorius  derjenige  war,  der  die  Lehre  vom  Fegfeuer  damals  in 
Frankfurt  bekämpft  habe.  So  lässt  sich  denn  auch  hier  der  Gedanke 
nicht  von  der  Hand  weisen,  dass  wir  in  der  Eingabe  der  evangelischen 
Brüder  vor  allem  eine  Wirkung  der  Predigten  des  Sartorius  zu 
sehen  haben. 

Die  enge  Beziehung  des  Sartorius  zum  Volk  lässt  sich  noch 
viel  stärker  nachweisen.  Am  24.  November,  also  etwas  mehr  als 
14  Tage  nach  dem  2.  Ratsedikt  an  die  Prediger,  melden  die  BB:2 
»als  die  liebhaber  des  wort  gottes  und  christlicher  warheit  schreiben 
des  predigers  halb  hern  diethers  zu  St.  Katherinen«.  Und  am 
nächsten  Tage  melden  die  Ratschlagungsprotokolle:3  »als  die  schrift 


1  W  ]c>5  b. 

2  BB  1524  Bl.  65  a. 

3  Ratschi.  P  II  Bl.  91a. 


*93 


der  cristenlichen  liebhaber  verleszen  und  im  besten  bedacht  worden, 
was  für  antwort  zu  geben  sy,  dweil  darin  ein  gemeine  underschreibung 
ist  und  nit  verstanden  werden  mage,  wer  die  schrift  gedieht  habe; 
und  ist  beschlossen  zu  erkunden,  wer  die  dichter  und  clager  syen 
und  ine  sagen  sich  zu  subscribiren  und  darnach  einer  antwort  ent- 
schliessen.  Darnach  war  also  an  den  Rat  wieder  eine  Schrift  ge¬ 
kommen,  die  die  Unterschrift  hatte:  liebhaber  des  wort  gottes  und 
cristlicher  warheit,  deren  Verfasser  unbekannt  war,  deren  Inhalt 
wieder  von  Sartorius  handelte.  Die  Quellen  melden  uns  nicht  das 
Resultat  der  beschlossenen  Untersuchung,  gleichwohl  können  wir 
die  Verfasser  mit  ziemlicher  Bestimmtheit  benennen.  Wir  haben 
eine  Schrift,1  auf  die  alle  obigen  Angaben  auch  betreffs  der  Unter¬ 
schrift  passen  und  die  sich  auch  sonst  nach  ihrem  Inhalt  genau  in 
die  damalige  Zeit  einfügt.  Diese  Schrift  besagt  in  ihrem  Eingang, 
dass  sie,  die  Unterzeichner,  durch  Gottes  Gnade  2  Prediger  an  der 
Katharinenkirche  gehabt  hätten,  die  beide  das  hlg.  Evangelium  »on- 
vermengt«  mit  menschlichen  Satzungen  gepredigt  hätten.  Nun  hätten 
aber  etliche  diese  verklagt,  als  predigten  sie  wider  päpstliche  und 
kaiserliche  Mandate.  Der  Rat  habe  ihnen  dann  Schutz  und  Schirm 
aufgesagt.  —  Mit  jenen  zwei  Predigern  ist  jedenfalls  Hartm.  Ibach,  dem 
ja  auch  der  Rat  nach  der  dritten  Predigt  Schutz  und  Schirm  aufgesagt 
hatte,  und  Sartorius  gemeint.  Von  letzterem  heisst  es  nun  weiter: 
«als  wir  nun  zwo  predigen  gemangelt  und  wes  die  ursach  erfragt, 
ist  uns  zu  antwort  gefallen,  er  werde  dargeben  sein  predigen  sol  zu 
ufrure  dienen  und  ketzerisch  sein,  derhalben  er  bis  uf  weiteren  e.  f.  w. 
bescheit  nit  predigen  wil«.  Der  Rat  kenne  ja  den  Neid  des  heim¬ 
lichen  Feindes  und  wisse,  dass  er  heimlich  und  öffentlich  alles  dahin 
lenke,  dass  es  zu  Aufruhr  komme.  Sie  lästern  nicht  nur  Gott  und 
sein  heiliges  Wort,  sondern  auch  alle,  die  dahin  gehen  und  es  hören; 
das  sei  eine  Beschimpfung  für  fromme  Männer.  Weil  nun  aber 
Gottes  Wort  sagt,  dass  die  Verfolger  nicht  mit  Waffen,  sondern  mit 
dem  Wort,  das  da  gehet  aus  dem  Munde  Gottes,  geschlagen  werden 
sollten,  so  wollten  sie,  obwohl  mancher  »usz  menschlicher  hitzigkeit 
nit  wenig  zur  tat  bewegt  werde«,  doch  ihres  Untertaneneides  nicht 
vergessen.  Sie  hofften  bisher,  Gott  werde  jene  erleuchten,  darum 
hätten  sie  auch  »fruntlich  und  usz  brüderlicher  liebe  mit  inen  reden 
wollen«,  aber  ihr  Herz  blieb  verstockt;  »haben  alle  unsere  gut  tat 
und  fruntlich  erzeigung  lugenthaftig  nach  irer  art,  als  ob  wir  gewelt- 


'  RK  I  Bl.  117  f. 


194 


liehen  mit  inen  zu  handeln  understehen  und  uns  verbonden  haben 
sollen  an  bracht«.  Jeder  Christ  wisse  nur,  dass  man  ohne  das 
Wort  Gottes  nicht  leben  könne,  daher  sei  ihre  demütige  Bitte  »ge- 
melten  prediger  bis  zu  entlichem  beschlusz  laut  kais.  M.  angeschlagen 
Mandat  das  luter  wort  gottes  onverdunkelt  nach  göttlicher  uszlegung 
zu  predigen  schützen  und  schirmen«. 

Auch  diese  Eingabe  gibt  mit  nicht  zu  verkennender  Deutlichkeit 
die  Spuren  der  letzten  Kämpfe  und  Bewegungen  wieder.  Zwei  Sonn¬ 
tage  haben  die  Verfasser  dieser  Eingabe  der  evangelischen  Predigt 
»gemangelt.«  Am  8.  November  war  nun  das  zweite  Ratsedikt  ergangen, 
das  dem  Sartorius  das  Predigen  so  sehr  erschwerte,  wenn  nicht  un¬ 
möglich  machte,  am  24.  November  lief  nach  den  BB  diese  Eingabe 
ein,  dazwischen  liegen  die  zwei  benannten  Sonntage.  Dass  Sartorius 
ketzerisch  und  aufrührerisch  predige,  war  ja  die  alte  Anklage  seiner 
Feinde,  die  Sartorius  schon  in  seiner  Verteidigungsschrift  am  14.  Juni 
widerlegen  musste.  Andererseits  können  wir  auch  hier  einen  Blick 
tun  in  die  Stimmung  der  Anhänger  des  Sartorius :  wie  bei  den 
Sachsenhäusern  das  »geblude  erhitzt«  ist,  so  sind  auch  hier  in  Frank¬ 
furt  selbst  einige  der  Anhänger  des  Sartorius  »usz  menschlicher 
hitzigkeit«  schon  jetzt  bereit  zum  Losschlagen.  Dass  sie  aber  auch 
noch  freundlich  mit  den  Gegnern  haben  reden  wollen,  bezieht  sich 
wohl  auf  jene  Eingabe  an  den  Lesemeister  mit  ihrem  »frontlychest 
berycht«,  und  das  »lugenthaftig  etc.  —  anbracht«  wohl  auf  die  Klage 
und  Anzeige  der  Dominikaner  beim  Rat  am  15.  November.  Was  nun 
jene  vorgebracht  haben  über  die.Unterzeichner  der  Eingabe,  ist  sehr 
bedeutsam.  Zunächst  seien  die  Unterzeichner  angeklagt  worden,  als 
ob  sie  mit  den  Dominikanern  gewalttätig  handeln  wollten.  Das 
stimmt  zu  der  Bemerkung  der  BB  (1524,  Bl.  62  a),  dass  die  Über¬ 
bringer  der  Eingabe  an  den  Lesemeister  etliche  Drohworte  haben 
hören  lassen.  Weiter  haben  die  Dominikaner  dem  Rat  angezeigt, 
als  hätten  »wir  uns  verbonden«.  Dieses  »wir«  aber  bezieht  sich  wie 
das  vorhergehende  sowohl  auf  die  Verfasser  der  Eingabe  an  den 
Lesemeister  wie  auf  die  letzte  Eingabe  vom  24.  November.  Damit 
geben  die  Verfasser  dieser  letzten  Eingabe  zu,  dass  sie  identisch 
seien  oder  sich  für  identisch  halten  mit  den  Verfassern  der  Eingabe 
an  den  Lesemeister.  Von  beiden  aber  wird  hier  die  gegen,  sie  er¬ 
hobene  Anklage  der  Dominikaner  wiedergegeben:  sie  hätten  sich 
verbündet.  Mehr  erfahren  wir  nicht.  Es  wird  weder  gesagt,  wie  der 
Bund  entstand,  noch  worin  er  bestand.  Auffällig  schnell  gehen  die 
Verfasser  über  diesen  Punkt  hinweg,  sie  tun  ihn  nur  mit  dem  Worte 


i95 


»lugenthaftig«  ab,  das  ja  aber  auch  schon  für  die  Anklage  des  gewalt¬ 
tätigen  Vorgehens  galt,  und  betonen  nachher  nur  noch  besonders 
stark,  dass  sie  ihres  Eides  gegen  den  Rat  nicht  vergessen  wollen. 

Der  ganze  Tatbestand  ist  demnach  folgender:  Die  Verfasser 
der  Eingabe  an  den  Lesemeister,  die  sich  evangelische  oder  christliche 
Brüder  nennen  und  die  wir  als  die  nachherigen  Führer  im  Aufstande 
erkannten,  als :  Hans  von  Siegen  und  Lux  Kürschner,  dieselben  sind 
identisch  mit  den  Verfassern  der  zweiten  Eingabe  vom  24.  November, 
nur  nennen  sie  sich  hier  Liebhaber  des  Wortes  Gottes  und  der 
christlichen  Wahrheit.  Diese  Männer,  Hans  von  Siegen  und  sein 
Kreis,  geben  hier  zu,  dass  man  gegen  sie  die  Anklage  einer  ge¬ 
heimen  Verbindung  erhoben  habe  und  dass  einige  unter  ihnen  schon 
zu  Tätlichkeiten  geneigt  seien.  Das  ist  der  erste  Hinweis  auf  eine 
engere  Verbindung  und  Zusammengehörigkeit  der  Liebhaber  des 
Wortes  Gottes  und  der  christlichen  Wahrheit  am  24.  November  1524. 
Wie  weit  nun  diese  Verbindung  ging,  wer  sie  gestiftet  hat,  welche 
Ziele  und  Zwecke  sie  hatte,  wissen  wir  nicht.  Einstweilen  verlangt 
sie  nur  die  Predigt  des  reinen  Wortes  Gottes  durch  Sartorius  und 
bekämpft  in  bitterem  Hass  die  Gegner  der  neuen  Lehre. 

Das  war  also  die  Lage  Ende  November  1524  in  Frankfurt.  Die 
zukünftigen  Führer  des  Aufstandes  haben  sich  zum  Teil  schon  zu¬ 
sammengeschlossen.  Es  geht  nicht  mehr  bloss  das  Gerücht,1  sondern 
es  wird  die  bestimmte  Anklage  gegen  sie  erhoben  wegen  Geheim¬ 
bündelei.  Der,  dessen  religiöse  Lehren  wir  bei  ihnen  wiederfinden, 
Dietrich  Sartorius,  war  in  der  Zeit,  als  die  Anfänge  jenes  Bundes  sich 
zeigten,  vom  Rat  auf  Drängen  seiner  Gegner  zum  Schweigen  verurteilt 
und  konnte  nicht  mehr  predigen.  Die  Liebhaber  des  Wortes  Gottes 
und  christlicher  Wahrheit  treten  für  ihn  ein  und  bitten  den  Rat,  er 
möge  ihm  wieder  gestatten  zu  predigen,  und  gestehen  dabei  zu, 
dass  ihre  Erregung  schon  so  gestiegen  sei,  dass  einige  bereits  zu 
Tätlichkeiten  übergehen  wollen.  Die  ganze  Lage  war  also  in  Frank¬ 
furt  ähnlich,  wie  schon  im  Monat  zuvor  in  Sachsenhausen.  Hier 
wie  dort  ein  gewisser  Zusammenschluss,  hier  wie  dort  ein  Teil  der 
Leute  schon  zu  Tätlichkeiten  geneigt,  hier  wie  dort  halten  die 
Führer  diese  Elemente  offenbar  noch  zurück.  Um  diese  Zeit  war 
es,  dass  Westerburg  nach  Frankfurt  gekommen  war.  Damit  aber 
war  die  Entwickelung  in  ein  neues,  letztes  Stadium  eingetreten. 


1  Kriegk,  Bürgerzw.  a.  a.  O.  S.  T  54. 


13* 


196 


V. 

Gleich  zu  Beginn  des  Jahres  1525  brachen  die  Kämpfe  mit 
unverminderter  Kraft  wieder  los.  Sachsenhausen  war  zunächst  wieder 
der  Kampfplatz,  die  Besetzung  der  dortigen  Pfarrstelle  der  Kampf¬ 
preis.  Am  6.  Dezember  1524  hatte  Bischof  Wilhelm  von  Strassburg, 
Verweser1  des  Erzstiftes  Mainz,  dem  Rat  von  Frankfurt  geschrieben,2 
das  Bartholomäusstift  habe  »Johann  Sartoris  genannt  von  Honburg« 
präsentiert.  Dieser  »arm  auch  eins  redlichen  erbarn  wesens  und  gelert« 
habe  bis  »an  das  sechzehend  jar  in  viel  ansehenlichen  Stetten  die  pfar 
regirt«,  sei  jetzt  noch  einmal  in  Mainz  examiniert  und  als  tauglich 
für  die  Pfarrstelle  von  Sachsenhausen  befunden  worden.  Der  Rat 
möge  ihn  wie  d^is  Bartholomäuskapitel  schützen  »von  meniglich 
unbeleidigt,  unturbirt  und  unbelestigt«  halten.  Der  ganze  Apparat, 
der  diesmal,  jedenfalls  mit  Absicht,  in  Szene  gesetzt  worden  war2 
half  aber  nicht  lange.  Am  3.  Januar  lag  schon  dem  Rat  eine  Eingabe 
der  Sachsenhäuser 3  vor.  Sie  wollten  Herrn  »diether,  vicarius  zu 
st.  Bartholome.«  Der  Rat  beschloss:  »in  der  ratschlagung  furnemen, 
auch  inen  der  gemein  sagen  zu  Sassenhusen,  eine  gemein  zu  Frank¬ 
furt  musz  sich  doch  mit  einem  pferner  lyden,  der  ine  auch  nit  wol 
zu  dulden  sy.«  Diese  Notiz  ist  eine  wichtige  Ergänzung  zu  den 
Vorgängen  vom  November  1524  und  bestätigt  die  obigen  Vermutungen. 
Dietrich  Sartorius  ist  darnach  nicht  mehr  Prediger  zu  St.  Kathärin, 
sondern  nur  noch  Inhaber  eines  Vikariates  zu  St.  Bartholomäus.4  In 
seiner  ersteren  Stellung  konnte  ihn  der  Rat  nicht  mehr  dulden,  eben 
wegen  des  Inhaltes  seiner  Predigten.  Zugleich  ersehen  wir  aus  dieser 
Notiz  noch  etwas  anderes.  Sie  zeigt,  wie  weit  die  Anhänglichkeit  des 
Volkes  an  den  beliebten  Prediger  reichte.  Erst  treten  die  evangelischen 
Brüder  für  ihn  ein,  aber  ohne  Erfolg.  Gerade  diese  Kreise  wollen 
ihn  aber  offenbar  unter  keiner  Bedingung  verlieren,  darum  machen 
ihn  die  ähnlich  gesinnten  Sachsenhäuser  zu  ihrem  Kandidaten,  trotzdem 
sie  früher  schon  einmal  vergeblich  um  ihn  gebeten  hatten,  und  suchten 
diesmal  mit  allem  Nachdruck  ihn  zum  Pfarrer  zu  gewinnen.  Ja,  ein 
Teil  der  Sachsenhäuser  zog  am  gleichen  Tage  noch  selbst  zum  Bartho¬ 
lomäuskapitel  und  bat  auch  dort  um  Dietrich  Sartorius.  Das  Kapitel 

1  Seit  Oktober  1524,  vgl.  ADB  43.  Bd.  S.  205 — 207. 

1  W  18. 

3  BB  1524  Bl.  74a. 

+  S.  o. 


197 


meldet  dies  dem  Rat1  und  dieser  beschloss:  die  Sachsenhäuser  sollten 
sich  mit  dem  eben  erst  ernannten  Johann  Sartoris  zufrieden  geben. 
Zwei  Tage  später  am  5.  Januar  1525  übergibt  das  Kapitel  dem  Rat 
einen  Brief  der  Sachsenhäuser  an  Dietrich  Sartorius.2  Leider  ist  uns 
dieser  Brief,  der  vielleicht  wertvolle  Aufschlüsse  hätte  geben  können, 
nicht  erhalten.  Die  BB  geben  nur  noch  dazu  die  dunkle  Notiz : 
»nach  dem  zettel  fragen,  ob  sie  den  haben,  und  in  Ratschlagung 
furnemen,  und  das  Capitel  selbst  auch  nit  insehens  haben,  das  solcher 
unrat  furkomen  werde.«  Dass  es  mit  diesem  »unrat«  sich  aber  um 
äusserst  ernste  Dinge  handelte,  lässt  gleich  der  Eintrag  vom  nächsten 
Tage  (6.  Januar)  in  den  BB3  erkennen:  »als  dechan  und  capitel  st. 
Barteimes  Stifts  der  Sachsenheuser  halben  schryben,  anzaigend  die 
handlung  so  die  Sachsenheuser  donnerstags  nach  Innocentum  umb 
die  salve  zeit  geübt  mit  irem  pfarherr.  Beschluss:  nach  den  Sachsen¬ 
heusern,  so  die  sach  und  bese  handlung  furen  und  sonderlich  denen, 
so  for  dem  capitel  erschienen  sein,  schicken  und  mit  inen  irer  aidt, 
treu  und  pflicht  halben  vleissig  reden,  sie  deren  darzu  hievorigen  der 
freund  Werbung,  befelchs  und  mainung  eins  erb.  raths  herindern, 
auch  von  inen  befragen,  was  sie  zu  Vertreibung  des  examinirten 
pharhers  vor  ursach  und  ob  sie  die  spraech  gesucht  und  betraifung 
der  bucher  herfurziehen  wurden;  inen  sagen,  davon  abzusten,  dann 
solichs  Ursachen  nit  so  grosz,  dasz  sie  eigens  gewalts  einsemlichs 
furzunemen  haben  und  etliche  freund  ordnen  den  pharher  in  seiner 
predig  zu  hören;  die  freund  auf  morgen  mit  den  Sachsenheusern 
zu  reden  ....  den  geschickten  der  capitels  sagen  den  hern  pharher 
zu  Sachsenhausen  auf  sein  pharr  zu  gehen  heissen.«  Aus  dem  allem 
ergibt  sich,  dass  jetzt  schon  wieder  bedenkliche  Stürme  in  Sachsen¬ 
hausen  tobten.  Die  Menge  hatte  dort,  offenbar  aus  Wut  über  die 
absagende  Antwort,  die  sie  am  3.  Januar  auf  ihre  Bemühungen  er¬ 
halten  hatte,  sich  am  5.  Januar  abends  an  Joh.  Sartoris  tätlich  ver¬ 
griffen  und  wollte  ihn  vertreiben,  als  er  von  der  Abendandacht  kam 
oder  dahin  ging.  Dieser  war  dann  ins  Bartholomäusstift  geflohen, 
die  Sachsenhäuser  in  erbitterter  Stimmung  zurücklassend.  Der  Rat 
suchte  wieder  zu  beschwichtigen,  so  gut  es  ging,  wollte  eine  Predigt 
des  Pfarrers  anhören  lassen,  um  Recht  oder  Unrecht  der  Sachsen¬ 
häuser  Klagen  zu  erkennen,  und  gebot  dem  Pfarrer  auf  seine  Stelle 


1  BB  1524  Bl.  74b. 

1  BB  1524  Bl.  75  a. 

5  EB  1524  Bl.  75a,  b,  76a. 


198 


zurückzukehren.  Vielleicht  deuten  aber  so  manche  Ausdrücke  des 
obigen  Berichts  wie  »spraech  gesucht«,  »betraifung  der  buchet«, 
»irer  aidt,  treu  und  pflicht  halben  vleissig  reden«  darauf  hin,  dass 
jetzt  schon  Andeutungen  gefallen  seien,  die  einen  Aufstand  deutlicher 
als  bisher  in  Aussicht  stellten.  Die  ganze  Angelegenheit  kam  dann 
in  der  Ratschlagung1  am  9.  Januar  noch  einmal  vor  und  hier  be¬ 
richtete  der  Stadtadvokat  Dr.  Äd.  Knoblauch  über  die  inzwischen 
angehörte  Predigt  des  Johann  Sartoris:  sie  sei  »gelert,  erlich  und 
löblich«  gewesen.  Der  Beschluss  hierauf  fiel  aus  wie  stets  bisher: 
die  Sachsenhäuser  sollten  von  ihrem  Vorhaben  abstehen  bei  der  er¬ 
wiesenen  Tüchtigkeit  ihres  Pfarrers,  neu  war  nur  die  Begründung: 
»es  habe  auch  ein  erbar  rath  ine  kein  pfarherr  zu  geben  oder  zu 
entsetzen.«  Damit  nimmt  der  Rat  zum  ersten  Male  zu  der  ja  früher 
vom  Kapitel  schon  aufgeworfenen  Rechtsfrage  Stellung.  Das  Kapitel 
hatte  auf  seinem  verbrieften  Rechte,  die  Pfarrei  zu  besetzen,  bestanden. 
Die  Sachsenhäuser  selbst  behaupteten,  es  sei  Recht  der  Gemeinde. 
Der  Rat  sagt  einstweilen,  ihm  stehe  überhaupt  dabei  kein  recht¬ 
licher  Einspruch  zu.  Auch  auf  diesen  Bescheid  hin  blieben  die 
Sachsenhäuser  die  Antwort  nicht  schuldig,  sie  nahmen  am  12.  Januar 
Kerzen  und  Geld  vom  Altar  und  verteilten  es  auf  der  Fischerstube.2 

So  begann  in  Sachsenhausen  das  verhängnisvolle  Jahr  1525  in  Sturm 
und  Unruhe,  sein  Beginn  eine  dunkle  Weissagung  der  nächsten  Zukunft. 

Unter  noch  schlimmeren  Zeichen  ging  man  in  Frankfurt  selbst 
aus  dem  Jahre  1524  in  das  nächste  hinüber.  In  Sachsenhausen  handelte 
es  sich  doch  bei  allem  Streit  noch  um  eine  prinzipielle,  wichtige 
Frage.  Der  Frankfurter  Bartholomäusplatz  dagegen  sah  in  der  auf 
den  Neujahrstag  folgenden  Nacht  die  wüstesten  Szenen  zwischen 
Klerikern  und  Laien,  die  anscheinend  lediglich  aus  Streitlust  vom 
Zaun  gebrochen  waren.  Gerade  dieser  Streit,  einer  von  vielen  nur, 
zeigt  besonders  deutlich,  wie  weit  bei  Priestern  und  Laien  die  gegen¬ 
seitige  Erbitterung  schon  gestiegen  war,  und  wessen  die  Priester 
alles  fähig  waren.  In  jener  Nacht  waren  auf  dem  heutigen  Dompl'atz 
Bürger  und  Priester  hart  aneinander  geraten.  Der  Grund  lag  nach 
der  Angabe  des  Cochläus3  bei  den  Bürgern  in  ihrem  »vorgeenden 
hochmut,  rumor  und  klopfen  und  puchen  an  der  geistlichen  heuser.« 
Einige  Priester  Hessen  sich  das  nicht  gefallen,  wurden  mit  den  Bürgern 

1  Ratschi.  P  II  Bl.  93  a.  BB  1524  Bl.  78  a.  Die  Haupttäter  waren  die  später 
öfter  hervortretenden  »Peter  Lomp  und  der  Schulmeister«. 

2  BB  1524  Bl.  79a. 

5  W  91  b.  87  b. 


199 


handgemein,  und  es  wurden  »etlich  burger  by  nechtlicher  weil  nieder¬ 
geschlagen,  durch  die  backen  geschnitten.«  Letzteres  geschah  nur 
deshalb,  wie  Cochläus  begründend  hinzufügt,  »auf  das  man  sie  zu 
morgen  erkenne.«  Dahin  war  es  also  in  Frankfurt  schon  Anfang 
Januar  1525  gekommen!  Als  nun  Dechant  und  Kapitel  sich  über  das 
Vorgehen  der  Bürger  beklagten,1  den  Schutz  des  Rates  verlangten  und 
»verdroestung  begern,  wes  sie  sich  versehen  sollen,  so  der  listig  häuf 
über  hant  neme,«  liess  der  Rat  ernst  zurücksagen:  »die  teter  .  .  .  an¬ 
zuzeigen  und  ine  zu  entdecken,  ein  erb.  rath  habe  gar  kein  gefallens 
und  ine  (den  Kapitelsherren)  auch  das  backen  schnyden  furhalten,  dasz 
sie  für  solche  handlung  syen,  damit  hinfur  kein  onrat  erwachs  und 
wenn  sie  derhalben  klagen  (nämlich  in  Mainz),  dasz  sie  ein  erb.  rath 
lassen  zuhoren.«  Mit  dieser  Antwort  war  aber  das  Kapitel  nicht  zu¬ 
frieden,  weshalb  es  am  19.  Januar  eine  freundlichere  und  bessere  Antwort 
begehrte.2  Die  Täter  könnten  sie  aus  leicht  begreiflichen  Gründen 
nicht  nennen,  der  Rat  aber  könne  sie  jedoch  durch  seine  Scharwächter 
mit  Leichtigkeit  in  Erfahrung  bringen.  Bei  den  Geistlichen  war  jetzt 
offenbar  die  Angst  aufs  höchste  gestiegen,  so  sehr,  dass  sie  sich 
fürchteten  die  Namen  der  Täter  anzuzeigen.  Sie  mochten  ahnen, 
dass  die  Tage  ihres  bisherigen  Schaltens  und^Valtens  gezählt  seien. 

Als  nun  am  15.  Januar  noch  eine  neue  Untat  in  Sachsenhausen 
hinzugekommen,  auch  der  Pfarrer  angegriffen  und  verwundet  worden 
war  von  drei  Leuten,  da  wusste  das  Bartholomäuskapitel  sich  nicht  mehr 
zu  helfen.  Es  griff  wieder  zum  letzten  Mittel  und  wandte  sich  nach 
Mainz.  Von  dort  sandte  man  den  Kanzler  Konr.  von  Westhausen 
und  den  Amtmann  von  Höchst,  Joh.  von  Hattstein.  In  den  Ver¬ 
handlungen3  mit  ihnen  am  24.  Januar  versprach  der  Rat  zum  Schutz 
der  Geistlichen  allen  möglichen  Fleiss  anzuwenden.  Dies  veranlasste 
zunächst  weitere  Auseinandersetzungen4  des  Rates  mit  den  Sachsen¬ 
häusern  und  hiebei  merkte  der  Rat  mit  Schrecken,  wie  gefährlich 
die  Sachen  in  Sachsenhausen  standen,  ja,  dass  man  am  Vorabend 
eines  Aufruhrs  stehe,  wenn  es  so  weiter  gehe.  Er  machte  deshalb 
am  31.  Januar  dem  Kapitel  folgenden  Vorschlag:5  die  Sachsenhäuser 
wollten  Johann  Lullus,  der  gegenwärtig  an  Stelle  des  verwundeten 
Sartoris  die  Pfarrstelle  bei  ihnen  versehe;  diesen  Lullus  möge  man 


1  Ratschi.  P  II  Bl.  92a,  b,  vgl.  auch  W  35  —  36. 

2  BB  1524  Bl.  81  b,  die  Schrift  selbst  W  33  —  34. 

3  BB  1524’Bl.  83  a,  b. 

4  BB  1524  Bl.  85  a,  RK  I  zw.  Bl.  39  u.  40  nicht  foliiert. 

s  BB  1524  Bl.  85,  87  a,  b. 


200 


bei  ihnen  lassen.  Um  aber  Sartoris  unterzubringen,  wolle  der  Rat 
die  erste  Stelle,  die  er  zu  verleihen  habe,  jenem  Sartoris  geben.  Werde 
eine  Stelle,  deren  Präsentationsrecht  dem  Kapitel  zustehe,  eher  frei, 
solle  das  Kapitel  diese  Sartoris  geben;  der  Rat  sei  aber  auch  bereit, 
Gesandte  mit  dem  Kapitel  zu  Bischof  Wilhelm  zu  senden  und  dort 
die  ganze  Angelegenheit  zu  erledigen.  Das  Kapitel,  das  wohl  einsah, 
wie  nötig  eine  Besserung  der  Verhältnisse  in  Sachsenhausen  sei,  aber 
zugleich  befürchtete,  durch  ein  Eingehen  auf  die  Vorschläge  des  Rates 
sich  eines  Rechtes  zu  begeben,  schrieb1  drei  Tage  darnach  ausführlich 
über  diese  Verhandlungen  an  den  Bischof  Wilhelm  nach  Mainz,  bat 
um  Rat  und  meinte,  man  könne  das  alles  vielleicht,  wie  auch  der  Rat 
vorschlug,  am  besten  auf  einem  »gütlichen  tag«  mit  Frankfurter  Rats¬ 
gesandten  zusammen  in  Mainz  erledigen,  wobei  man  auch  andere 
Streitpunkte  zum  Austrag  bringen  könnte.  Dieses  Schreiben  des 
Kapitels,  in  W  erhalten,  zeigt  mit  seinen  ausführlichen  Darlegungen 
deutlich  die  Angst  und  den  Eifer  des  Rates,  der  durch  seinen  Einblick 
in  die  gefährlichen  Sachsenhäuser  Verhältnisse  auf  einmal  selbst  un¬ 
ruhig  zu  werden  begann.  Der  Bischof  antwortete2  gleich  am  nächsten 
Tage,  am  4.  Februar  und  bestellt  Rat  und  Kapitel  auf  den  nächsten 
Montag  Abend  (6.  Februar)  nach  Aschaffenburg  zu  sich.  Dieser  Tag 
kam  aber  nicht  zu  stände.  Der  Rat,  mittlerweile  zu  einem  anderen 
Entschluss  gekommen,  schlug  dem  Kapitel  vor,  die  Sache  in  Frank¬ 
furt  selbst  zu  erledigen,  und  für  diesen  Fall  ihm,  dem  Rat,  die 
Kollation  der  Sachsenhäuser  Pfarrstelle  selbst  abzutreten,  denn  die 
Sachsenhäuser  seien  auch  des  Johann  Lullus  schon  überdrüssig  ge¬ 
worden  und  wollten  einen  anderen  Pfarrer.  Am  6.  Februar  berichten3 
dies  die  Herren  vom  Kapitel  dem  Bischof  Wilhelm  und  fragen  an, 
wie  sie  sich  dieser  neuen  Verschiebung  der  Verhältnisse  gegenüber 
verhalten  sollen.  Der  Bischof  antwortet4  am  9.  Februar,  sie  sollten 
dem  Rate  sagen,  eine  solche  Entscheidung  könne  nur  von  ihm,  dem 
Bischof,  gefällt  werden,  sie  (die  Kapitelsherren)  müssten  sich  daher 
erst  noch  an  diesen  wenden  (!).  Bischof  Wilhelm,  durch  den  Briet 
des  Kapitels  vom  6.  Februar  ja  schon  darüber  unterrichtet  und  einer 
Benachrichtigung  nicht  mehr  bedürftig,  wollte  mit  dieser  der  Wahr¬ 
heit  nicht  ganz  entsprechenden  Auskunft  offenbar  Zeit  gewinnen,  um 


1  W  28  u.  30. 

3  W  29. 

3  W  20. 

4  W  19. 


201 


Kurfürst  Albrecht  selbst  zu  fragen.  Aus  einer  Bemerkung  der  »wieder¬ 
antwort«  1  geht  auch  hervor,  dass  Bischof  Wilhelm  den  Kurfürsten 
wirklich  gefragt  hatte  und  dass  dieser  »dapfere,  wichtige  und  genüg¬ 
same  Ursachen  angezeigt,  warumb  es  nit  gut,  füglich  und  nützlich 
were,«  dem  Rate  gerade  jetzt  die  Kollation  zu  überlassen.  Der  Kur¬ 
fürst  befürchtete,  der  Rat  könne  Prediger  der  neuen  Lehre  anstellen. 

Während  durch  dieses  Befragen  des  Kurfürsten  die  entschei¬ 
dende  Antwort  Wilhelms  in  der  wichtigen  Kollationsfrage  noch  eine 
Weile  auf  sich  warten  liess  und  viel  kostbare  Zeit  verloren  ging, 
wurden  die  Sachsenhäuser  ungeduldig,  besonders  da  dort  noch  ein  neuer 
Streitfall  hinzugekommen  war.  Vier  Bewohner  von  Sachsenhausen 
»Heller  Henn,  Peter  Lomp,  der  junge  Fischer  und  der  kindermeister« 
waren  vom  Dechant  zu  St.  Bartholomäus  beleidigt  worden.  Dem 
Dechant  wurde  aufgegeben,  Sonntags  nach  der  Predigt  von  der 
Kanzel  aus  die  Beleidigung  zurückzunehmen.  Da  dieses  der  Dechant 
nicht  tat,  reichten  die  Vier  am  6.  Februar  eine  Schrift  beim  Rat  ein, 
worin  sie  sich  heftig  über  den  Dechant  beklagten  und  verlangten, 
dass  er  die  versäumte,  öffentliche  Zurücknahme  nachhole.2 * *  Der 
Erfolg  dieser  Eingabe  geht  nicht  ganz  klar  aus  den  Quellen  hervor. 
Wichtiger  aber  noch  als  diese  ist  eine  neue  Eingabe,5  die  die  ganze 
Gemeinde  zu  Sachsenhausen  am  21.  Februar  an  den  Rat  gelangen 
liess  und  die,  wie  alle  Schreiben  aus  jener  Zeit  kurz  vor  Beginn  des 
Aufstandes,  von  hohem  Interesse  ist.  Die  Sachsenhäuser  schreiben 
nämlich :  »wie  wol  nach  abgang  unsers  pferers  e.  f.  w.  wir  nit  allein 
sondern  auch  das  capitel  umb  einen  getruen  lerer  des  wort  gottes, 
das  dan  ein  sterkung  unserer  seelen  ist,  zu  vil  malen  und  mere, 
dan  wir  nach  gotlicher  Ordnung  schuldig  demutiglich  angesucht 
und  gebeten  haben,  doch  e.  f.  w.  alwegen  dermaszen,  das  ein  erb. 
rath  solichs  nit  sonder  das  capitel  zu  tun  haben  uns  abgewiesen, 
aber  onangesehen  solchs  abschlagens  auch  angezeigten  Ursachen, 
sint  wir  doch  von  e.  f.  w.  ratsfreunde  nechst  vergangen  sontag  nach 
karoli  vermanet,  das  wir  den  Satorem,  der  ....  vil  bass  mit  einer 
geigen  oder  pfiffen  uf  der  gassen  hofieren  dan  das  wort  gottes  prediciren 
kan,  vor  unsern  sele  sorger  zu  halten  geboten.«  Obwohl  sie  sich  nun 
in  »dinst,  bede,  wachen,  hüten  und  rysen  [s.  Art.  2  des  Entwurfes, 

1  W  112b. 

2  RK  I  Bl.  168.  Am  Schluss  dieses  Schreibens  kommt  zum  ersten  Mal  das 

am  Schluss  des  Artikelentwurfes  (Arch.  3.  F.  2.  Bd.  S.  201)  stehende  »unver- 

lengert  antwort«  vor. 

J  RK  I  Bl.  182,  BB  1524  Bl.  92  b. 


202 


Areh.  3.  F.,  2.  Bd.,  S.  199  f.]  dem  Rat  gegenüber  stets  gehorsam  ge¬ 
zeigt  und  in  allen  Supplikationen  nur  um  das  göttliche  Wort  gebeten 
hätten,  sodass  sie  sich  vor  den  »liebhabern  gütlicher  warheit  der  stette 
Nürnberg,  Augsburg,  Ulm,  Straßburg,  Speier,  Worms«  keineswegs 
zu  schämen  brauchten,  so  seien  sie  doch  von  den  Dienern  des  Rates 
»treulosz  und  meineidig  leut  ohnverschult«  gescholten  worden.  Sie 
hätten  aber  doch  dem  Bischof  keinen  Eid  geleistet  und  seien  ihm 
deshalb  auch  nicht  pflichtig.  »So  stet  unserer  sele  Seligkeit  nit  in 
oberkeit  sondern  in  dem  wort,  welches  kinder  gottes  in  warem 
glauben  dasselbigen  und  kein  ufrur  durch  sein  gnade  geberen  ist, 
welche  gnad  niemant  dan  got  allein  geben  kan  und  in  dem  fall  wir 
got  mer  dan  den  menschen  gehorsam  zu  sein  schuldig.«  Jener 
Sartoris  hätte  dann  noch  »lügenhaftig«  gesagt,  einige  von  ihnen 
hätten  das  Opfer  vom  Altar  genommen,  »damit  er  gern  ein  ufrur 
under  uns,  als  wir  glauben  darumb  geschickt  sei,  erwecken  wollte.« 
Auf  ihre,  der  Sachsenhäuser,  Kosten  wollen  sie  einen  ordentlichen 
Prediger,  sie  hoffen,  es  sei  auch  »ein  funklin  gotlichs  worts«  im  Rat 
und  seinen  Dienern  erschienen  und  werde  deshalb  auch  den  Sachsen¬ 
häusern  nicht  entzogen. 

Diese  Eingabe  der  Sachsenhäuser  vom  21.  Februar  erinnert 
inhaltlich  wie  stilistisch  auffallend  an  ihre  grosse  Eingabe  vom  3.  Okto¬ 
ber  vorigen  Jahres.  In  beiden  Schreiben  wird  betont,  wie  sie  bisher 
willig  ihre  Untertanenpflichten  erfüllt  haben,  in  beiden  wird  Bezug 
genommen  auf  die  Liebhaber  des  göttlichen  Wortes  in  anderen 
Städten,  in  beiden  wird  ein  vom  Kapitel  bestellter,  ihnen  aber  nicht 
genehmer  Pfarrer  bekämpft.  Dietrich  Sartorius  wird  hier  nicht  mehr 
erwähnt,  es  findet  es  sich  auch  keine  Anspielung  auf  ihn;  es  scheint 
also,  dass  er  im  Laufe  des  Januar  oder  Februar  bereits  nach  Ursel 
gegangen  ist,  wo  wir  ihm  im  März  wieder  begegnen  werden.  Aber 
noch  ein  anderer,  wichtigerer  Unterschied  tritt  zwischen  der  Eingabe 
vom  Oktober  1524  und  dieser  vom  Februar  1525  hervor.  Dort  war 
die  Front-  und  Kampfstellung  lediglich  gegen  das  Bartholomäuskapitel 
gerichtet,  hier  dagegen  ist  die  Kampfstellung  nach  zwei  Seiten  hin  zu 
erkennen,  noch  immer  gegen  das  Kapitel,  zu  gleicher  Zeit  aber  auch 
halb  und  halb  gegen  den  Rat,  wie  so  manche  Ausdrücke  dieser  letzten 
Eingabe  erkennen  lassen.  Das  Gefechtsbild  beginnt  sich  also  wesent¬ 
lich  zu  verändern.  Es  ist  inzwischen  eine  Entwicklung  eingetreten, 
die  ihre  Spitze  zum  erstenmale  gegen  den  Rat  richtet.  Die  Liebhaber 
des  Wortes  Gottes,  die  in  der  Zeit  des  Predigtverbotes,  das  an 
Sartorius  ergangen  war,  sich  zusammengeschlossen  haben  mögen,  treten 


203 


für  Sartorius  ein,  aber  sie  wenden  sich  noch  nicht  gegen  den  Rat. 
Zu  dieser  Stellung  kommt  es  erst  hier  in  Sachsenhausen.  Die  Ursachen 
hiervon  können  wir  aus  dem  Schreiben  herauslesen.  Der  Rat  hatte 
auf  Veranlassung  des  Kanzlers  den  Streit  zwischen  dem  Kapitel  und 
den  Sachsenhäusern  schlichten  wollen.  Gerade  an  jenem  Sonntag, 
den  das  Schreiben  der  Sachsenhäuser  nennt,  hatte  der  Rat  den  Joh. 
Sartoris  bei  seiner  Predigt  durch  Ratsfreunde  abhören  lassen.  Schon 
dabei  war  es  zu  sehr  ernsten  Szenen  gekommen, 1  »das  ein  erb.  rath 
zu  besorgen  hett,  wo  ire  Weisheit  vellicht  ernstlicher  mit  inen  zu 
handeln  oder  ine  anzutasten  understunde,  das  inen  und  uns  grosser 
merklicher  onradt  und  geferlichkeit  darusz  entsteen  mochten.«  Als 
nun  im  Anschluss  an  jene  Anwesenheit  der  Ratsfreunde  bei  der  Predigt 
des  Sartoris  der  Rat  die  Besetzungsfrage  in  seine  Hand  nahm,  da 
war  er  prinzipiell  schon  Gegner  der  Sachsenhäuser  geworden,  die  ja 
das  Pfarrwahlrecht  der  Gemeinde  beanspruchten.  Etwas  von  diesem 
Vorhaben  des  Rates  mochte  durchgesickert  sein  und  den  ersten  Aus¬ 
druck  dieser  allerdings  noch  nicht  zugespitzten  Gegnerschaft  haben 
wir  nun  in  der  Eingabe  vom  21.  Februar  vor  uns.  Von  hier  aus 
dürften  sich  Ausdrücke  wie:  »das  wir  got  mer  dan  den  menschen 
gehorsam  zu  sein  schuldig«  [s.  Artikelentwurf,  Arch.  3.  F.,  2.  Bd., 
S.  199,  Einl.],  »das  licht  der  Wahrheit  in  inen  noch  nit  ufgegangen« 
in  dieser  Eingabe  erklären.  Der  Rat  gab  auch  auf  diese  Eingabe  die 
alte  Antwort,2  die  Sachsenhäuser  mögen  Geduld  haben  und  Antwort 
beim  Kapitel  verlangen. 

Die  Stimmung  des  Volkes,  einmal  gegen  den  Rat  gewandt, 
verschlimmerte  sich  unter  dem  Einfluss  anderer  Vorgänge  jetzt  von 
Tag  zu  Tag.  Zunächst  dürfen  wir  nicht  vergessen,  dass  in  dieser 
Zeit  Westerburg  schon  in  Frankfurt  weilte  und  seine  Minen  zu  legen 
begann.  Dazu  kam  ein  Brief  H.  Kremers  über  Rau  und  eine  Predigt 
Meyers  vom  12.  März.  Der  letzte  Stoss  der  den  Stein  ins  Rollen 
brachte,  war  der  Ausgang  der  Ratsverhandlungen  mit  dem  Kapitel 
vor  Bischof  Wilhelm. 

Schon  Jung 3  hat  auf  die  Bedeutung  hingewiesen,  die  dem  Briefe 
Eleinr.  Kremers  gerade  in  dieser  Zeit  zukommt.  Die  Bemerkungen 
Jungs  lassen  sich  noch  ergänzen.  Am  13.  März  schrieb4  nämlich 


1  Aus  dem  Bericht  des  Kapitels  an  den  Bischof,  W  28  a,  b. 

2  BB  1524  Bl.  92  b. 

3  Arch.  3.  F.  2.  Bd.  S.  202  f. 

4  RK  I  Bl.  184. 


»Henrich  Kremer  jungk  samt  etliche  seine  evangelische  brüdern  zu 
Ursel«  an  »Hans  von  Sigen  samt  seine  christlich  brüdern  zu  Frank¬ 
furt«.  In  diesem  Schreiben  berichtet  Kremer,  wie  der  »gottlos,  blind, 
elendig,  verstockt  mensch  Johan  Rau«  sie  verklagt  habe.  Rau  ver¬ 
lästere  ausserdem  auch  den  Dietr.  Sartorius.  Letzteren  zu  verteidigen 
gebühre  auch  den  Sachseirhäusern.  Mit  Rau  aber  müssten  Hans  von 
Siegen  und  die  Seinen  Abrechnung  halten,  wenn  sie  das  nicht  täten, 
sei  zu  besorgen,  dass  ihnen  Nachteil  daraus  entstände.  Um  die  Ver¬ 
lästerungen  Raus  besser  zu  kennzeichnen,  habe  Kremer  dessen  Schrift 
beigelegt.  Dieses  Schreiben  Raus  ist  aber  nichts  anderes  als  eine 
Klageschrift 1  an  den  Kurfürsten  von  Mainz.  Darin  beklagt  sich  Rau, 
dass  man  in  Oberursel  auf  seine  Pfarrei  einen  lutherischen  Prädi¬ 
kanten,  D.  Sartorius  aufgenommen  habe,  den  man  von  Frankfurt 
geholt  habe.  Sartorius,  der  zu  Frankfurt  schon  an  St.  Katharin 
lutherische  Irrtümer  gepredigt  habe  und  sie  jetzt  wieder  in  Ober¬ 
ursel  predige,  hange  nun  alles  an,  auch  die  Obrigkeit  von  Oberursel, 
denn  diese  lasse  ihn,  den  rechtmässigen  Pfarrer,  nicht  auf  seine 
Pfarrei. 

Diese  beiden  Schreiben  sind  ein  wertvoller  Beitrag  zur  un¬ 
mittelbaren  Vorgeschichte  des  Zünfteaufstandes.  Sie  schliessen  zu¬ 
gleich  eine  ganze  Reihe  von  Einzeltatsachen,  die  sich  Ende  1524 
und  Anfang  1525  ereigneten,  zur  Kette  zusammen.  Sie  zeigen,  dass 
Dietr.  Sartorius  von  Frankfurt  nach  Oberursel  geholt  wurde,  dass 
er  mit  seinen  Predigten  dort  rasch  ebensolches  Ansehen  gewann 
wie  in  Frankfurt  und  dass  auch  dort  seine  Anhänger  vor  allem  sind  — : 
die  evangelischen  Brüder.  Sie  zeigen  aber  auch,  dass  die  Vereinigung 
evangelischer  oder  christlicher  Brüder,  der  wir  in  Frankfurt  im  No¬ 
vember  begegneten  und  die  seit  dieser  Zeit  nicht  mehr  offen  her¬ 
vorgetreten  war,  jetzt  noch  in  Frankfurt  bestand,  ja  dass  die  evange¬ 
lischen  Brüder  in  Frankfurt  mit  denen  zu  Ursel  eine  enge  Verbindung 
darstellten,  die  die  alte  Lehre  bekämpfte  und  für  die  angefeindeten 
Prediger  der  neuen  Lehre  eintrat. 

Die  Angelegenheit  mit  Rau  nimmt  nun  aber  eine  merkwürdige 
Wendung.2  Drei  Tage  nach  Absendung  des  Schreibens  Heinr.  Kremers, 
am  16.  März,  lässt  der  Bürgermeister  Hammann  von  Holzhausen 
den  Kaplan  Joh.  Rau  in  den  Römer  entbieten.  Rau  ging  in  den 

1  RK  I  Bl.  185. 

2  Der  ganze  Bericht  findet  sich  in  einem  Schreiben  des  Kapitels  an  den 
Bischof  Wilhelm,  das  über  die  Ereignisse  bis  inkl.  16.  März  berichtet:  W  35h 


205 


Römer  und  fand  dort  einige  Urseler  und  zahlreiche  Frankfurter 
Bürger,  die  alle  verlangten,  Rau  solle  sofort  anzeigen,  was  Herr 
Dietrich  in  Frankfurt  für  Irrtümer  gepredigt  habe,  durch  die  die 
Gemeinde  aufrührerisch  geworden  sei,  wie  dies  Rau  in  seiner  Bitt¬ 
schrift  an  den  Kurfürsen  behauptet  habe.  Rau  beschwerte  sich,  »so 
ilents  unverwants  fusz  die  Irtumb  anzuzeigen«,  er  sei  guter  Zuver¬ 
sicht  auf  Forderung  des  Bürgermeisters  in  den  Römer  gekommen 
und  hätte  derartiges  nicht  erwartet.  Auf  diese  ausweichende  Antwort 
hin  begehrten  die  Urseler  und  die  Frankfurter  Bürger,  man  solle 
Rau  gefangen  legen,  damit  er  nicht  aus  Frankfurt  entfliehe.  Auch 
der  Bürgermeister  liess  ihn  jetzt  hart  an  und  sagte:  »Er  (Rau)  und 
der  pharher  Petrus  Meyer  machen  allen  ufrur  in  Frankfurt,  und 
entlieh  gesagt :  woll  er  nit  Zusagen  zu  Frankfurt  einwendig  acht  tag 
antwort  zugeben,  solt  er  lugen  wie  er  aus  dem  Römer  kom.  Also 
hat  der  Johann  Ruwe  usz  forchten  Versprechung  getan«.  Rau  ging 
nun  wieder  zum  Kapitel,  meldete  dort,  was  ihm  geschehen  sei,  gab 
aber  entgegen  seinem  Versprechen  keine  Antwort.  Dagegen  be¬ 
klagte1  er  sich  am  21.  März  beim  Rat  und  der  Rat  beschloss,  jenen 
Bürgern,  die  ihn  auf  dem  Römer  »ungepurlich  mit  Worten  gehalten« 
solche  Dinge  zu  verbieten. 

Die  Verbindung  der  evangelischen  Brüder  hatte  also  rasch  und 
sicher  gewirkt.  Die  Frankfurter  evangelischen  Brüder,  Hans  von  Siegen 
und  sein  Kreis,  hatten  es  offenbar  Hammann  von  Holzhausen  gesagt 
und  dieser  hatte  das  weitere  veranlasst.  Als  nun  aber  die  8  Tage 
verstrichen  waren,  ohne  dass  die  Antwort  Raus  einlief,  rührten 
sich  sofort  die  Ankläger  und  schrieben  an  den  Rat.  Leider  ist  auch 
dieses  Schreiben  nicht  auffindbar.  Wir  haben  darüber  nur  die  Notiz 
in  den  BB : 2  »als  die  liebhaber  gotlicher  warheit  in  irer  Unterschrift 
über  hem  Joh.  Rauhen  schryben«.  Beschluss:  »inen  sagen  sich  sol- 
licher  Schriften  an  eim  erb.  rathe  zuenthalten,  wo  sie  aber  an  herrn 
Johan  Rauhen  etwas  zu  sprechen  oder  zu  herfordern  hetten,  solichs 
an  enden  und  orten  sich  gepurt  zu  tun  und  furzuwenden«.  Was 
also  die  Schrift  enthält,  wird  nicht  gesagt,  jedenfalls  blieben  die 
Forderungen  der  evangelischen  Brüder  durch  diese  Ratsentscheidung 
unbefriedigt,  ihr  Zorn  über  Rau  blieb  ungekühlt,  die  Stimmung  gegen 
den  Rat  musste  wachsen.  Die  ganze  Angelegenheit  wurde  nur  neuer 
Zündstoff  für  die  bald  auflodernde  Flamme. 

1  BB  1524  Bl.  100  b. 

3  BB  1524  Bl.  104a,  b. 


—  20 6  — 

Gleichzeitig  mit  diesem  Durcheinander,  den  Raus  Anklage  gegen 
Sartorius  zur  Folge  hatte,  spielten  sich  die  Vorgänge  ab,  die  durch 
Meyers  Predigt  hervorgerufen  worden  waren.1  Meyer  hatte  am 
12.  März  die  Kanzel  wieder  zu  wüsten  Schimpfereinen  benutzt  und 
musste,  bedroht  von  der  Wut  des  Volkes,  schon  am  15.  März  fliehen. 
Zwei  Zuhörer  seiner  Predigt  vom  Sonntag  hatten  ihm  den  Tod  ge¬ 
schworen.2  Als  er  später  noch  einmal  um  Ratsgeleit  bat,  wurde  es 
ihm  in  der  Sitzung  vom  4.  April  abgeschlagen.3 

Die  Wirren,  die  Rau  und  Meyer  in  Frankfurt  entfesselt  hatten, 
wirkten  auf  die  ohnehin  schon  sehr  erregte  Stimmung  der  Bürger 
zweifellos  in  hohem  Grade  verschärfend  ein.  Mehr  aber  als  diese 
beiden  Vorgänge,  ja  mehr  als  alles,  was  in  der  letzten  Zeit  vor¬ 
gefallen  war,  wirkte  der  Ausfall  der  Verhandlungen,  die  zwischen 
Rat  und  Geistlichkeit  vor  dem  Bischof  in  Mainz  geführt  wurden, 
auf  die  Bürgerschaft  ein. 

Bischof  Wilhelm  hatte  schon  am  25.  Februar  dem  Rate  ge¬ 
schrieben4  und  Ratsfreunde  für  die  Woche  nach  Oculi  mit  den  Ver¬ 
tretern  der  Geistlichkeit  zu  persönlichen  Ausgleichsverhandlungen 
vor  sich  geladen.  Dort  sollten  neben  anderen  Streitpunkten  auch 
die  Sachsenhäuser  Angelegenheit  endgiltig  geregelt  werden.  In 
Sachsenhausen  hatte  sich  inzwischen  der  Streit  um  die  Pfarrbe- 
setzung  insofern  weiter  entwickelt,  als  die  Sachsenhäuser  jetzt  wieder 
einen  neuen  Kandidaten  hatten:  Friedr.  Dillenburger.  Dieser  bat5  in 
einem  Schreiben  an  den  Rat  vom  17.  März,  der  Rat  möge  ihn  bei 
seiner  Bewerbung  unterstützen.  Und  am  19.  März  schrieben  die 
Sachsenhäuser6  selbst  um  ihn:  der  Stadtschreiber  hätte  ihnen  zwar 
zwei  Tage  zuvor  einen  anderen  vorgeschlagen,  aber  der  sei,  wie  sie 
inzwischen  erfahren  hätten,  »bitzigk«,  auch  »unterweise  er  die  armen, 
unverständigen  Weiber,  die  Heiligen  wie  Gott  anzubeten.«  Sie  wollten 
daher  nicht  diesen,  sondern  Dillenburger,  damit  sie  »solchs  nachlaufens 


1  Diese  Vorgänge  sind  ausführlich  nach  den  Quellen  dargestellt:  Qu  II  S.  83 
Anm.  1  ,  s.  auch  Arch.  f.  F.  G.  u.  K.,  N.  F.  Bd.  4,  S.  170. 

2  Diese  Notiz  befindet  sich  in  W  54  b. 

5  BB  1524  Bl.  108  a.  —  Nach  dem  Eintrag  in  die  Protokolle  des  Stifts  zu 
St.  Peter  und  Alexander  in  Aschaffenburg  [diese  Protokolle  finden  sich  jetzt  noch 
dort  im  Stiftsarchiv,  sie  reichen  von  1525  —  1802]  vom  4.  Oktober  1525  liess  Meyer 
einen  Teil  seiner  Habe  bei  diesem  Stift  hinterlegen. 

<  W  jif  (Entwurf),  RK  I  Bl.  183  (Ausfertigung). 

5  RK  I  Bl.  186. 

«  RK  I  Bl.  187. 


207 


enthoben  und  am  wort  gottes  unverhindert  bleiben.«  Diese  Eingabe 
der  Sachsenhäuser  zeigt  wieder  die  Unterschrift:  »bittend  e.  f  w.  umb 
ohnverlengert  antwort.«  (s.  S.  201,  Anm.  2).  Die  Sachsenhäuser  sind 
des  Wartens  müde,  ihre  Geduld  ist  erschöpft. 

Am  16.  März  war  nun  schon  in  der  Ratssitzung1  beschlossen 
worden,  Ratsfreunde  nach  Mainz  zu  senden.  Am  21.  März  wurde 
dann  noch  besprochen,2  was  in  Mainz  alles  behandelt  werden  sollte 
und  man  kam  zu  dem  Entschluss,  auch  die  Frage  der  ewigen  Zinsen 
wieder  aufzugreifen  und  womöglich  eine  Lösung  herbeizuführen  suchen. 

Auch  das  Kapitel  hatte  sich  sorgfältig  für  die  Verhandlungen 
in  Mainz  gerüstet.  Es  hatte,  bald  nachdem  Rau  auf  dem  Römer  so 
hart  angelassen  worden  war,  etwa  am  17.  oder  18.  März  an  den  Bischof 
geschrieben  und  die  verschiedenen  Vorfälle  der  letzten  Zeit  von  dem 
nächtlichen  Kampf  am  1.  Januar  an  bis  zur  Aufsagung  von  Schutz  und 
Schirm  an  Meyer  am  16.  März  ausführlich  dargestellt3  und  seine  eigene 
Antwort  auf  die  ihnen  nicht  genügende  des  Rates  vom  19.  Januar 
beigelegt.4  In  einem  anderen  Schreiben5  hatte  das  Kapitel  noch  in 
8  Punkten  die  Streitpunkte  aufgezählt,  die  sich  allmählich  von  1523 
an  bis  jetzt  in  der  Frage  der  Ablösung  der  Erbzinsen,  des  Neubaues 
der  dem  Stift  gehörigen  Häuser,  der  Währschaftsbriefe,  der  Eintrei¬ 
bung  der  Zinsen  für  die  Geistlichen,  der  Zinsverweigerung  und  des 
Frondienstes  angesammelt  hatten. 

Über  die  Verhandlungen  selbst  haben  wir  keine  genauere  Nach¬ 
richt,  wir  wissen  nur,  dass  am  24.  März,  Nachmittags,  auf  einmal  ein 
Schreiben  der  Ratsgesandten  von  Mainz  einlief,  worauf  sofort  Sitzung6 
und  Ratschlagung  abgehalten  wurde,  über  deren  Verlauf  und  Ergebnis 
wir  aber  ebenfalls  nicht  unterrichtet  sind.  Nur  ein  einziges  in  W 
vorhandenes  Blatt7  zeigt  in  sehr  flüchtig  geschriebenen,  kaum  lesbaren 
Notizen  kurze  Aufzeichnungen  aus  den  Verhandlungen  selbst,  die  aber 
nur  die  bisher  bekannten  Vorgänge  wiederholen.  Aber  über  den  Erfolg 
der  Verhandlungen  sind  wir  um  so  genauer  unterrichtet.  Der  Bischof 
fasste  nämlich  die  Erträgnisse  dieser  Verhandlungen  in  eine  lediglich 


1  BB  1524  Bl.  100a. 

2  BB  1524  Bl.  101  a. 

3  W  35  —  36. 

4  W  32—34. 

5  w  37 — 43- 

6  BB  1524  Bl.  104a. 

7  W  54. 


2o8 


für  das  Kapitel  günstige  »nottel«  zusammen,1 2  die  die  Ratsgesandten 
nach  ihrer  Rückkehr  am  30.  März  in  der  Ratssitzung  vortrugen.3 
Darnach  wäre  der  einzige  greifbare  Erfolg  gewesen,  dass  die  Sachsen¬ 
häuser  Dillenburger  versuchsweise  als  Pfarrer  bekamen,  in  fast  allen 
anderen  Punkten  hätte  der  Rat  nachgeben  müssen,  besonders  die 
Zinsablösungsfrage,  die  Frondienstangelegenheit  etc.  wären  nur  zu 
gunsten  der  Geistlichen  ausgefallen  und  zu  Ungunsten  des  Rates  und 
der  Bürgerschaft.  Man  hätte  auf  die  Zinsablösung  verzichten  müssen, 
die  Geistlichen  hätten  »werschaft  und  Vererbung«  (s.  S.  165)  zwar  auf 
der  Ratskanzlei,  aber,  unter  ihrem  eigenen  Siegel  geben  dürfen,  die 
Geistlichen  bräuchten  wie  bisher  keinen  Frondienst  zu  leisten,  wenn 
alle  anderen  Bürger  es  müssen.  Bei  diesem  Ausfall  der  Verhandlungen 
war  man  deshalb  auch  in  der  Ratssitzung  vom  30.  März  sofort  geneigt: 
»die  nottel  so  der  Statthalter  begriffen  hat,  abzuslagen,  doch  umb 
guter  dinge  willen  in  der  Ratschlagung  fürnemen.«  In  dieser  am 
31.  März  gehaltenen  Ratschlagung  wurde  beschlossen:3  »als  die  Ver¬ 
handlungen  zwuschen  Dechant  und  Gapitel  zu  st.  Bartholomeus  am 
einen  und  dem  rath  anderntheils  für  den  hochwirdigen  fürsten  und 
h.  h.  Wilhelm  bischof  zu  Straszburg  etc.  Statthalter  des  Stiefts  Mentz 
u.  g.  h.  und  alle  gebrechen  in  ein  abscheidt  oder  nottel  verfaszt, 
dieselb  verfaszte  nottel  nit  annemen,  aber  den  abscheid,  so  die 
verordente  wie  der  begriffen  ist,  annehmen  umb  fridlebens  willen, 
domit  der  Statthalter  sehe,  das  ein  erb.  rath  ye  zu  dem  fridden  ge¬ 
neigt  sy.«  Es  ist  uns  noch  das  Konzept4  der  Antwort  des  Rates  an  den 
Bischof  erhalten,  aus  dem  hervorgeht,  dass  der  Rat  in  der  Sachsen¬ 
häuser  Angelegenheit  und  zwei  anderen  weniger  wichtigen  Punkten 
die  Verhandlungen  nach  Ostern  fortsetzen  wolle  »aber  in  den  andern 
artikeln,  sonderlich  unsere  freiheit  betreffen,  wissen  wir  (der  Rat) 
diszmals  one  rechtlich  erkentnus  nit  abzusten.« 

Das  war  also  der  Erfolg  jahrelanger  Bemühungen,  endloser 

Verhandlungen,  zahlloser  Scbriftenwechsel.  Die  Geislichkeit  gab 

nicht  nach  und  der  Rat,  wenn  er  auch  protestierte,  hatte  nichts 

erreicht.  Es  war  somit  so  gut  wie  nichts  gewonnen.  Am  schlimmsten 

war  das  Volk  daran,  das  mit  diesem  vorläufigen  Abschluss  der 
% 

1  Der  Entwurf  zu  dieser  »nottel«  findet  sich  W  50 — 53,  am  meisten  korrigiert 
ist  darin  der  Abschn.  über  die  Zinsablösung.  Abschriften  dieses  Entwurfes  finden 
sich  RK  I  Bl.  213  —  18  u.  Barthol- Stiftsakten  u.  Urk.  No.  4032. 

2  BB  1524  Bl.  106 b. 

3  Ratschi.  P.  II  Bl.  94  a. 

4  RK  I  B.  174. 


209 


Verhandlungen  jahrelang  gehegte  Hoffnungen  mit  einem  Male  in 
ein  Nichts  zerflattern  sah. 

Das  war  das  Bild  der  ganzen  Lage  in  Frankfurt  am  Anfang  des 
Aufruhrmonats  April  1525.  War  es  nun  wahrscheinlich,  dass  bei  der 
furchtbaren  Gereiztheit  und  Erbitterung,  die  sich  allmählich  im  Volke 
gegen  die  Geistlichkeit  angesammelt  hatten,  bei  dem  allmählichen 
Auflodern  des  Aufruhrs  an  anderen  Orten,  bei  dem  Drängen  und 
Schüren  einzelner  Männer  wie  Westerburg  innerhalb  Frankfurts  selbst, 
dass  da  das  Volk  schweigend  seine  drückenden  Lasten  weitertragen 
und  trotz  der  starren,  gegen  alle  Verbesserungsvorschläge  ablehnenden 
Haltung  der  Geistlichkeit  und  der  schwächlichen  Haltung  des  Rates 
auf  dem  Boden  des  Rechtes  bleiben  und  in  Gehorsam  gegen  Obrigkeit 
und  Gesetz  verharren  würde?  Gleich  die  nächsten  Wochen  zeigten, 
dass  es  nicht  so  kam.  Dass  aber  der  Ausfall  der  letzten  Verhand¬ 
lungen  und  die  schwächliche  Haltung  des  Rates  hiebei  die  letzte 
Veranlassung  waren,  die  lang  verhaltene,  oft  mühsam  nur  unterdrückte 
Erbitterung  des  Volkes  nicht  nur  gegen  die  Geistlichkeit,  sondern 
auch  gegen  den  Rat  selbst  zur  Entladung  zu  bringen,  zeigt  am  besten 
der  Inhalt  des  von  Jung  als  einer  der  Entwürfe  zu  den  46  Artikeln  nach¬ 
gewiesenen  1  i-Artikelbriefes,  sowie  der  Gang  der  nächsten  Ereignisse. 

Auf  die  Verwandtschaft  einzelner  Teile  des  n-Artikelbriefes  mit 
den  Eingaben  der  Sachsenhäuser  und  den  Eingaben  der  Liebhaber  des 
Wortes  Gottes  ist  schon  hingewiesen  worden.  Von  diesen  11  Artikeln 
selbst  richten  sich  5  Artikel  der  Hauptsache  nach  gegen  die  Geistlichkeit 
(1.,  2.,  3.,  6.,  10.),  5  ebenso  gegen  den  Rat  und  seine  Massnahmen 
(4.,  5.,  7.,  8.,  9.),  1  Artikel  endlich  gegen  die  Juden.  Die  3  ersten 
Artikel  stellen  die  ältesten  Forderungen  dar:  Pfarrwahlrecht  der 
Gemeinde,  Heranziehung  der  Geistlichen  zu  den  bürgerlichen  Lasten, 
Ungiltigkeit  der  Erbzinsen,  für  die  Brief  und  Siegel  nicht  nachgewiesen 
werden  kann.  Diese  3  Forderungen  waren  in  den  letzten  Verhand¬ 
lungen  in  Mainz  völlig  zurückgewiesen  worden.  Die  beiden  nächsten 
Artikel  betr.  des  Schutzes  der  Armen  gegen  das  Aufkäufen  von  Korn 
und  Wein,  sowie  betr.  der  Abgaben  beim  Herrichten  von  Treppe 
und  Kellerloch  richten  sich  gegen  die  bisher  vom  Rat  beobachteten 
Massnahmen.  Der  6.  Artikel  betr.  Beseitigung  unsittlicher  Zustände 
richtet  sich  in  erster  Linie  gegen  die  Geistlichkeit,  dann  auch  gegen 
Laien.  Der  7.,  8.  und  9.  Artikel  richtet  sich  wieder  gegen  den  Rat 
mit  der  Forderung  der  Verminderung  des  »Ungeldes«  an  Korn  und 
Wein,  und  der  Besetzung  des  Gerichts  und  der  Bürgermeisterämter 
je  zur  Hälfte  aus  der  Handwerkerzunft.  Der  10.  Artikel  richtet 

M 


210 


seine  Hauptspitze  wieder  gegen  die  Geistlichkeit;  Ablösung  der  Erb¬ 
zinsen,  wenn  Brief  und  Siegel  vorhanden.  —  Es  war  klar,  dass  das 
Volk  mit  den  gegen  den  Rat  gerichteten  Forderungen  erst  zuletzt 
hervortreten  durfte,  erst  dann,  wenn  die  Erbitterung  aufs  höchste 
gestiegen  und  alles  sonach  reif  für  einen  Aufstand  war.  Wann  war 
dieser  Zeitpunkt  gekommen?  Eben  jetzt  nach  dem  Bekanntwerden 
der  Verhandlungen  mit  Mainz.  Wenige  Tage  darnach  werden  die 
Artikel  eingereicht. 

Damit  ist  die  Vorgeschichte  des  Aufstandes  beendet.  Der  Kampf 
beginnt.  Die  Wut  des  Volkes  beherrscht  einstweilen  das  Feld. 


V. 


Frankfurt  und  die  französische  Revolution 

1789-1792. 


Von 


Professor  DR-  I.  KRACAUER. 


e* 


14* 


Kriegk  hat  zwar  in  seinem  Aufsatz  »Custine  und  die  Erstürmung 
Frankfurts  am  Main  durch  die  Franzosen  im  Jahre  1792« 1  diesen 
so  bedeutsamen  Abschnitt  der  Frankfurter  Geschichte  schon  be¬ 
handelt,  trotzdem  schien  mir  eine  nochmalige  Bearbeitung  aus 
mehreren  Gründen  geboten.  Kriegk  war  eine  Reihe  wichtiger  Akten¬ 
stücke,  Denkschriften  und  Zeitungsabschnitte  entgangen ;  sodann  hat 
er  die  Erlebnisse  der  Frankfurter  Abgesandten  in  Paris  nur  so  oben¬ 
hin  berührt.  Auch  leidet  seine  Darstellung  darunter,  dass  er  die 
Geschehnisse  aus  dem  Rahmen  der  Zeitgeschichte  loslöst.  Die  Stellung 
der  Stadt  Frankfurt  zur  französischen  Revolution,  ihr  Verhältnis  zu 
Kaiser  und  Reich,  die  Politik  des  Rates  in  jener  verhängnisvollen 
Zeit  ist  nicht  gebührend  gewürdigt.  Meine  Absicht  war,  diese  Lücken 
auszufüllen. 

Zugleich  soll  diese  Arbeit  die  Einleitung,  und  den  ersten  Teil 
zu  meinen  früheren,  den  Zeitraum  von  1796  bis  1806  behandelnden 
Veröffentlichungen  bilden.2 


Der  Ausbruch  der  französischen  Revolution  wurde  auch  in 
Deutschland  mit  Jubel  begrüsst.  Der  weltbürgerliche  und  zugleich 
humane  Charakter,  mit  dem  sich  ihre  Anfänge  schmückten,  hatte 
ihr  in  der  Literatur  ein  mächtiges  Terrain  erobert,  und  das  Evan¬ 
gelium  des  Genfer  Reformators  hatte  in  Frankreich  kaum  eifrigere 
Jünger  gefunden  als  unter  den  Dichtern  und  Philosophen  Deutschlands. 
Selbst  die  ersten  blutigen  Taten  der  siegreichen  Revolution  ver¬ 
mochten  nicht,  die  Begeisterung  für  sie  zu  trüben. 

Es  wäre  wunderbar  genug  gewesen,  wenn  nicht  auch  in  Frank¬ 
furt  weite  Kreise  der  Bevölkerung  diese  allgemein  in  Deutschland 
herrschende  Stimmung  geteilt  hätten.  Das  Misstrauen  gegen  gekrönte 


1  G.  L.  Kriegk,  Deutsche  Kulturbilder  aus  dem  achtzehnten  Jahrhundert 
(Leipzig  1874)  S.  192 — 262. 

2  Erschienen  in  Band  III,  V,  VI  und  VII  der  dritten  Folge  dieser  Zeitschrift. 


214 


Häupter,  die  Abneigung,  in  ihre  Dienste  zu  treten,  zeichneten, 
wie  wir  von  Goethes  Vater  wissen,  gerade  den  Frankfurter  aus. 
Das  reichsstädtische  Bürgertum  hatte  sich  stets  gegen  die  über¬ 
triebenen  Vorrechte  des  Adels,  gegen  dessen  Bevorzugung  im  Staats¬ 
und  Heeresdienst,  gegen  den  unglaublichen  Hochmut,  mit  dem  er 
auf  die  anderen  Stände  herabsah,  mit  aller  Entschiedenheit  aufgelehnt. 
Hier  in  Frankfurt  hatte  das  Bürgertum  im  Beginn  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  in  lang  anhaltendem  Kampf  seine  politische  Gleich¬ 
berechtigung  erlangt;  jetzt  sah  es,  wie  auf  einer  weit  grösseren 
Bühne  in  weit  grösserem  Umfang  der  Kampf  um  dieselben  hohen 
Güter  entbrannt  war.  Wo  es  sich  darum  handelte,  den  Feudalstaat 
in  Stücke  zu  schlagen,  das  Übergewicht  des  Adels  zu  brechen,  da 
dürfen  wir  keinen  Augenblick  zweifeln,  auf  wessen  Seite  die  Sym¬ 
pathien  der  Frankfurter  Bürger  standen. 

Leider  sind  wir  hierüber  bei  dem  Mangel  an  Nachrichten  höchst 
dürftig  unterrichtet;  den  Organen  der  öffentlichen  Meinung,  den 
Zeitungen,1  war  die  Möglichkeit,  sich  über  die  Pariser  Vorgänge 
unbefangen  zu  äussern,  durch  eine  scharfe  Zensur  benommen.  Immer¬ 
hin  entschlüpft  ihnen  doch  bei  mancher  Gelegenheit  ein  Ausdruck 
der  Zufriedenheit  über  die  Wendung  der  Dinge  in  Frankreich.  Wenn 
das  Frankfurter  Journal2  von  den  französischen  Edelleuten  spricht, 
die  ihres  Vermögens  beraubt  umherirren,  so  äussert  es  kein  Mit¬ 
leid  mit  ihnen:  »Diese  kleinen  Herren«,  schreibt  es,  »haben  die  ver¬ 
abscheuungswürdige  Rolle  grosser  Despoten  gespielt,  ihre  Untertanen 
mit  Lasttieren  in  eine  Klasse  gesetzt  und  dadurch  die  lang  schlafende 
Rache  gereizt;  aber  auch  des  Unschuldigen  schont  die  Volkswut 
nicht.«  Auch  die  weitere  Entwickelung  der  Ereignisse  begleitet  das 
Journal  mit  Wohlwollen;  es  feiert  den  zuerst  von  ihm  verkannten 
Mirabeau  als  den  grossen  Mann  und  widmet  ihm  nach  seinem  Tod 
Worte  hoher  Anerkennung.  Erst  das  Überhandnehmen  der  extremen 
Richtung  lässt  es  befürchten,  dass  »die  Zügellosigkeit  die  Säule  der 
Freiheit  stürzen  wird,  die  sie  befestigen  will«,  lässt  es  wünschen, 
»dass  keine  Schwindelköpfe  die  Nation  leiten  möchten,  damit  sie 
nicht  zu  weit  gehe  und  dadurch  das  Gute  verderbe,  das  sie  jetzt 


1  In  Frankfurt  erschienen  damals  3  politische  Zeitungen:  das  Frankfurter 
Journal,  das  Frankfurter  Staatsristretto  und  die  Oberpostamtszeitung,  die  aber 
nicht  der  städtischen  Zensur  unterstand,  da  sie  das  offiziöse  Blatt  des  Hauses 
Thurn  und  Taxis  war.  Zu  diesen  Blättern  kommt  1793  das  französische  Journal 
de  Francfort. 

*  Vom  x.  September  1789. 


215 


dadurch  stiften  könne,  wenn  alles  ins  gehörige  Gleichgewicht  ge¬ 
setzt  werde.«  1 

Unbeirrt  von  den  Stimmungen  der  Bürgerschaft  ging  die 
städtische  Regierung  in  der  auswärtigen  Politik  ihre  eigenen  Wege. 
Man  wäre  im  Irrtum,  wollte  man  glauben,  dass  sie  die  Staatsum¬ 
wälzung  in  Frankreich  sehr  beunruhigt  hätte.  Weder  in  den  Rats¬ 
protokollen  von  1789  bis  1792,  noch  sonstwo  wird  der  Revolution 
gedacht  oder  gar  die  Befürchtung  geäussert,  dass  dem  städtischen 
Gemeinwesen  von  ihr  Gefahr  drohe,  und  wo  der  Rat  sich  doch  mit 
Vorkehrungen  gegen  das  Übergreifen  der  Revolution  in  die  Rhein¬ 
gegenden  befasste,  wurde  er  nur  durch  Anstoss  von  aussen  dazu  ver¬ 
anlasst.  So  überraschten  ihn  die  Ereignisse  des  Oktober  1792  völlig. 

Es  wäre  unrecht,  wenn  man  dem  Rat  daraus  den  Vorwurf  einer 
unbegreiflichen  und  unverantwortlichen  Kurzsichtigkeit  machen  wollte. 
Er  teilte  durchaus  die  Ansicht  über  die  Weltlage,  die  damals  wohl 
in  Deutschland  allgemein  verbreitet  war. 

Ein  Land  wie  Frankreich,  in  dem  alle  Grundlagen  der  öffent¬ 
lichen  Ordnung  wankend  geworden  waren,  das  sich  in  selbst¬ 
mörderischem  Kampf  zerfleischte,  dessen  reguläres  Heer  in  Auflösung 
begriffen  war,  schien  zu  allem  eher  als  zu  einem  Angriffskrieg  ge¬ 
eignet.  Unternahm  es  aber  in  wahnsinniger  Verblendung  wirklich 
einen  solchen,  was  wollten  seine  wilden,  ungeordneten,  zuchtlosen 
Haufen  gegen  die  Truppen  des  Kaisers,  des  Königs  von  Preussen 
und  der  Fürsten  des  deutschen  Reiches  bedeuten?  Die  Tage  von 
Rossbach  und  von  Minden  würden  sich  nur  wiederholen. 

Ausserdem  durfte  doch  Frankfurt  beim  Ausbruch  eines  Reichs¬ 
krieges  auf  den  Schutz  des  Kaisers  sicher  rechnen.  Es  war  ja  die 
Wahl-  und  Krönungsstadt  der  deutschen  Kaiser,  und  das  Bild  der 
kaiserlichen  Macht  war  durch  die  beiden  kurz  aufeinander  folgenden 
Krönungen  Leopolds  II.  (am  9.  Oktober  1790)  und  Franz  II.  (am 
7.  Juli  1792)  besonders  lebhaft  vor  Augen  getreten.  . 

Der  Rat  glaubte  ausserdem  die  Stadt  durch  das  benachbarte 
Mainz,  das  stärkste  Bollwerk  des  Reiches  am  Rhein,  gedeckt;  auch 
gewährte  es  eine  gewisse  Sicherheit,  dass  ihr  Gebiet  mit  seinen  acht 

l 

1  Dns  Frankfurter  Ristretto  ist  in  seinen  Urteilen  viel  zurückhaltender  als 
das  Journal;  wo  dieses  offen  Partei  für  Ludwig  XVI.  nimmt,  sich  über  seine  Flucht 
freut,  seine  Gefangennahme  beklagt  u.  s.  w.,  begnügt  es  sich  damit,  die  Tatsachen 
einfach,  ohne  jede  Bemerkung  zu  berichten;  erst  von  Mitte  1792  ab  tritt  es  mit 
seiner  Entrüstung  über  die  Greuel  der  Revolution  offen  hervor. 


216 


Dörfern'  an  das  der  mächtigsten  Fürsten  des  westlichen  Deutschland, 
nämlich  des  Landgrafen  von  Hessen-Darmstadt  und  des  Landgrafen 
von  Hessen-Kassel,  stiess,  deren  Heere  unzweifelhaft  zu  den  besten 
des  Reiches  zählten  und  wohl  auch  bereit  waren,  die  Stadt  zu  schützen, 
wie  sie  auch  Ende  September  1790  ihre  Truppen  zur  Sicherung  der 
Wahl  und  Krönung  Leopolds  II.  im  benachbarten  Bergen  zusammen¬ 
gezogen  hatten. 

So  von  allen  Seiten  gedeckt,  sah  der  Rat  ruhig  der  Zukunft 
entgegen.  Er  vermehrte  nicht  die  Garnison  der  Stadt,  obgleich  sie 
kaum  ausreichte,  die  umfangreichen  Wälle  zu  besetzen,  und  liess  die 
Festungsgräben  und  die  Befestigungswerke  in  dem  alten,  vernach¬ 
lässigten  Zustand. 

So  unbesorgt  der  Rat  im  Grunde  auch  war,  er  hütete  sich 
doch,  die  Machthaber  in  Paris  durch  irgend  eine  Massregel  zu  reizen, 
bemühte  sich  vielmehr  während  dieses  Zeitraumes,  die  strikteste 
Neutralität  zu  bewahren.  Schon  das  Handelsinteresse  der  Stadt  ver¬ 
langte  dies.  Denn  die  Frankfurter  Messen  wurden  von  französischen 
Kaufleuten  stark  besucht;  die  Stadt  galt,  wie  es  in  einer  Denkschrift 
aus  dieser  Zeit  heisst,  als  der  vorzüglichste  Kanal,  durch  den  die 
Erzeugnisse  des  südlichen  Frankreichs  —  Porzellan,  Seide-  und  Mode¬ 
artikel  —  nach  dem  Innern  Deutschlands  gelangten,  und  ansehnliche 
Frankfurter  Kapitalien  waren  in  Frankreich  investiert.  Diese  Vorsicht 
entsprach  auch  durchaus  der  traditionellen  Politik  des  Rates,  deren 
vorwaltender  Zug  von  jeher  kluges  Zurückhalten  und  sorgfältiges 
Abwägen  aller  Umstände  war. 


Von  den  Beschlüssen  der  französischen  Nationalversammlung 
im  August  und  November  1789  waren  die  geistlichen  Stände  des 
ober-  und  kurrheinischen  Kreises,  die  auf  französischem  Gebiet  Be¬ 
sitzungen  hatten,  am  schwersten  betroffen  worden.  Nichts  Geringeres 
als  der  völlige  Umsturz  der  Jahrhunderte  alten  hierarchischen  Ordnung 
und  die  Herstellung  einer  Kirchenverfassung  drohte  ihnen,  in  der  von 

1  Linksmainisch :  Oberrad  und  ursprünglich  s/ 4  von  Niederrad.  Nach  dem 
Vergleich  vom  29.  August  1668  hatte  die  Stadt  3  Jahre,  der  Deutsche  Orden  0 
1  Jahr  abwechselnd  die  Regierung  über  das  Dorf;  rechtsmainisch  Bornheim,  Hausen 
und  Bonames,  Dortelweil  und  Niedererlenbach  in  der  Wetterau  und  die  Hälfte 
von  Niederursel.  Gewisse  Rechte  standen  der  Stadt  Frankfurt  gemeinsam  mit 
Kurmainz  in  den  Dörfern  Sulzbach  und  Soden  zu.  S.  Moritz,  Versuch  einer  Ein¬ 
leitung  in  die  Staatsverfassung  der  oberrheinischen  Reichsstädte,  Teil  I,  S.  261  ff. 


217 


ihren  Herrschaftsrechten,  ihren  Einkünften  usw.  nicht  mehr  die  Rede 
war.  Aber  auch  in  ihren  eigenen  Gebieten  fühlten  sich  die  geistlichen 
Herren  nicht  mehr  sicher.  Überall  waren  da  Zündstoffe  genug,  die 
einer  revolutionären  Propaganda  Erfolg  verhiessen.  Dem  geknechteten 
Landvolk,  das  unter  Abgaben  aller  Art  litt,  winkte  jetzt  das  ver¬ 
führerische  Bild  der  neuen  Freiheit,  die  alle  gutsherrschaftlichen 
Lasten  beseitigt  hatte;  auch  das  Bürgertum,  tief  unzufrieden  mit  dem 
den  Aufgaben  der  Zeit  nicht  gewachsenen  geistlichen  Regiment, 
machte  aus  seiner  Sympathie  für  die  Revolution  kein  Hehl.1 

So  erschienen  auch  die  geistlichen  Stände  zuerst  auf  dem  Plan 
zur  Abwehr  der  sie  bedrohenden  Gefahr  und  suchten  hierbei  auch 
die  Mitwirkung  Frankfurts  nach.  Solange  es  sich  nur  um  allgemeine 
Sicherheitsmassregeln  handelte,  widerstrebte  auch  der  Rat  nicht. 
Demnach  beabsichtigte  er,  durch  das  kurfürstlich  mainzische  Edikt 
vom  7.  September  1789  bestimmt,2  gegen  »die  Überläufer,  Vagabunden 
und  das  liederliche  Gesindel,  das  diese  öffentliche  Gärung  zu  eignem 
Vorteil  zu  benutzen  weiss«,  scharf  einzuschreiten,  die  Fremdenpolizei 
in  Stadt  und  Land  zu  verschärfen,  Tag-  und  Nachtwachen  mit  Schiess¬ 
waffen  zu  versehen  usw.  Auch  der  gerade  11m  diese  Zeit  in  Frankfurt 
zusammengetretene  Oberrheinische  Kreistag  beschäftigte  sich  an¬ 
gelegentlichst  mit  der  Reinhaltung  seines  Gebietes  von  verdächtigen 
Elementen.  Auf  Antrag  der  geistlichen  Stände  beschloss  er  sogar 
»Spezialstreifungen  durch  Wälder  und  Durchsuchung  aller  abgelegenen 
Mühlen«,3  wozu  Frankfurt  als  Mitglied  des  Kreises  seine  Mit¬ 
wirkung  Zusagen  musste.  Der  •  Kreistag  verpflichtete  ferner  seine 
Stände  zur  schärfsten  Beaufsichtigung  der  politischen  Tageszeitungen, 
damit  sie  nicht  das  gefährliche  Gift  der  neuen  Ideen  ihren  Lesern 
einimpften.  Auch  diesem  Beschluss  musste  sich  der  Rat  fügen 
und  seine  wahrlich  zahme  Presse  noch  mehr  knebeln.  Und  so 
schärfte  er  dem  Frankfurter  Journal  und  dem  Frankfurter  Ristretto 
ein,  »keine  Anzüglichkeiten  gegen  hohe  Häupter,  ....  unglimpfliche, 
zweideutige,  oft  scherzhafte  Anzeigen  von  vorgeblichen  Aufwieglungen 
oder  Widersetzlichkeiten  benachbarter  Untertanen  gegen  ihre  Obrig¬ 
keiten  einzurücken,  in  Fällen  aber,  wo  von  solchen  Unruhen  zu 

1  Über  die  Zustände  und  die  Stimmung  in  Mainz  s.  Häusser,  Deutsche 
Geschichte  seit  dem  Tode  Friedrichs  des  Grossen,  I  S.  426. 

2  S.  Politische  und  militärische  Verhandlungen  1789—1806  Nr.  1  im  Frank¬ 
furter  Stadtarchiv.  Diese  Aktenbestände  werden  weiterhin  lediglich  mit  der  Nummer 
der  einzelnen  Faszikel  angeführt. 

3  1.  c.  Nr.  2. 


2lS 


berichten  wäre,  auch  stets  der  Nachteile,  die  daraus  für  die  Bürger 
erwüchsen,  zu  gedenken«.1  Und  da  auch  die  dritte  in  Frankfurt 
erscheinende  Zeitung,  die  Oberpostamtszeitung,2  vom  Thum  und 
Taxisschen  Oberpostamtsdirektor  Freiherrn  von  Vrintz  -  Berberich 
gleiche  Verwarnung  erhielt,  so  befand  sich  die  Frankfurter  Presse 
wahrlich  in  keiner  beneidenswerten  Lage.  Am  sichersten  für  sie 
war  es  auf  alle  Fälle,  entweder  die  politischen  Ereignisse  mit  völligem 
Stillschweigen  zu  übergehen  oder,  wo  dies  nicht  tunlich,  sie  ohne 
Bemerkung  zu  berichten,  es  dem  Leser  selbst  überlassend,  welche 
Stellung  er  dazu  nehmen  wollte.  Vergebens  wäre  das  Bemühen, 
aus  den  Frankfurter  Blättern  jener  Tage  ein  zutreffendes  Bild  von 
den  politischen  Vorgängen  am  Rhein  und  im  westlichen  Grenzlande 
zu  gewinnen. 

Zu  einer  Zeit,  wo  man  gerade  in  Frankfurt  diesen  mit  fieber¬ 
hafter  Spannung  folgte,  beobachten  die  Zeitungen  der  Stadt  entweder 
ein  völliges  Stillschweigen  hierüber  oder  speisen  die  Leser  mit 
dürftigen,  zusammenhangslosen  Notizen  ab.  Zur  Entschädigung  dafür 
enthalten  sie  die  ausführlichsten  Berichte  über  die  Zustände  in  Warschau 
und  Stockholm,  über  die  Ereignisse  auf  dem  österreichisch-türkischen 
Kriegsschauplatz.  Konstantinopel  und  die  junge  nordamerikanische 
Republik  erfreuen  sich  besonderer  Berücksichtigung.  Wenn  trotzdem 
immer  noch  beim  Rat  von  verschiedenen  Seiten  Klagen  gegen  die 
Frankfurter  Presse  einliefen,3  so  trug  nicht  diese  die  Schuld  daran, 
sondern  die  allzugrosse  Empfindlichkeit  der  Machthaber  diesseits 
und  jenseits  des  Rheines.  Beschwerte  sich  doch  die  Würzburgische 
Regierung  darüber,  dass  das  Frankfurter  Journal  einen  ihrer  Erlasse 
nur  auszugsweise  mitgeteilt  habe!  In  dieser  Verkürzung  erblickte 
sie  eine  Flerabwürdigung  der  Obrigkeit!  Und  der  preussische 
Stadtkommandant  von  Loukadou  wollte  den  Zeitungen  die  Aufnahme 
von  Nachrichten  vom  Kriegsschauplätze  überhaupt  verbieten,  weil 
sie  vom  Laienpublikum  gar  zu  leicht  falsch  aufgefasst  würden.4 
Fürwahr,  der  Notschrei  der  Frankfurter  Redakteure  aus  dieser  Zeit 
war  nur  zu  sehr  berechtigt. 

1  Ratsbeschluss  vom  13.  Oktober  1789.  S.  auch  Ugb  E  100  Nr.  30. 

2  Eigentlich  »die  Frankfurter  Kaiserliche  Reichs-Ober-Post-Amts- Zeitung«. 

5  Näheres  hierüber  in  den  Zensurakten  Ugb  A  24  Nr.  108,  m,  122,  12811.  s.w. 
Unter  den  Beschwerdeführern  befinden  sich  der  Bischof  von  Speyer,  der  Kgl. 
sardinische  Baron  O’Cahill,  der  Fürst  von  Lichtenstein,  die  Stadt  Köln,  die  Stadt 
Strassburg  und  andere. 

4  1.  c. 


219 


Je  mehr  sich  die  Gegensätze  zwischen  dem  monarchischen 
Europa  und  dem  revolutionären  Frankreich  zuspitzten,  um  so 
schwieriger  wurde  die  Lage  des  Frankfurter  Rates.  Die  geistlichen 
Fürsten  verlangten  jetzt  ein  gemeinsames,  entschiedenes  Auftreten 
gegen  die  Revolution.  Mitte  Juni  1791  trat  der  Bischof  von  Worms, 
der  besondere  Beschützer  der  Emigranten,  an  den  oberrheinischen 
Kreis  mit  dem  Verlangen  heran,  einen  starken  Kordon  kreisständischer 
Truppen  an  der  Grenze  zusammenzuziehen,  um  die  französischen 
Emissäre  und  Jakobiner  fernzuhalten.  Dem  widersprach  aber  der 
städtische  Vertreter  auf  dem  Kreistage,  Flerr  von  Günderrode,  nach¬ 
drücklich  und  auch  erfolgreich. 

Gerade  jetzt,  um  die  Mitte  des  Jahres  1791,  hatte  der  Rat  auch 
alle  Ursache,  sich  des  Wohlwollens  der  Nationalversammlung  zu 
versichern,  da  er  von  ihr  die  Wiedererstattung  der  im  Siebenjährigen 
Krieg  für  die  französischen  Truppen  verauslagten  Summen  erhoffte.1 

Wenn  schon  diese  entschiedene  Opposition  gegen  den  Bischof 
von  Worms  in  Paris  ein  günstiges  Vorurteil  für  die  Stadt  erwecken 
musste,  so  noch  viel  mehr  ihre  Flaltung  gegen  die  Emigranten.  Anders¬ 
wo,  besonders  von  den  geistlichen  Fürsten  am  Rhein,  waren  sie  mit 
offenen  Armen  aufgenommen  und  auf  jedwede  Weise  begünstigt 
und  verwöhnt  worden.  In  Frankfurt  aber  kam  der  Rat  der  Bitte  des 
französischen  Ministers  des  Auswärtigen  Montmorin,  die  Intrigen  der 
Emigranten  zu  hintertreiben,  bereitwilligst  nach.  Wo  diese  nur  an¬ 
klopften,  überall  fanden  sie  verschlossene  Türen.  Dies  erfuhr  zuerst 
das  Haupt  der  Emigranten  selbst,  der  Graf  von  Artois,  der  Bruder 
Ludwigs  XVI.  Sein  Gesuch,  ihm  gegen  ein  Unterpfand  von  Juwelen 
200000  Gulden  aus  dem  städtischen  Pfandhaus  zu  leihen,  ward 
kurzer  Hand  abgeschlagen,2  desgleichen  das  Anerbieten  eines  Koblenzer 


1  Frankfurt  hatte  im  Siebenjährigen  Krieg,  als  die  Stadt  von  den  Franzosen 
besetzt  war,  ihnen  974178  Rationen,  jede  zu  12  resp.  zu  16  sous  geliefert,  aber 
bis  dahin  keine  Bezahlung  erlangt.  Jetzt  erboten  sich  Pariser  Bankhäuser  und 
sogar  ein  kurpfälzischer  Hofrat  um  die  Wette,  der  Stadt  gegen  entsprechende 
Provision  die  fragliche  Summe  zu  verschaffen.  Der  Rat  zog  es  aber  vor,  durch 
einen  der  angesehensten  Bürger,  Schweizer,  den  er  nach  Paris  sandte,  mit  ein¬ 
flussreichen  Mitgliedern  der  Nationalversammlung  direkt  darüber  zu  verhandeln. 
Schweizers  zweimonatlicher  Aufenthalt  daselbst  war  ohne  den  gewünschten  Erfolg. 
Weder  der  französische  Staatsrat  noch  die  Nationalversammlung  wollten  die  Schuld 
anerkennen,  da  die  Stadt  zur  unentgeltlichen  Verpflegung  der  zu  ihrem  Schutze 
dienenden  Truppen  verpflichtet  gewesen  sei.  Näheres  hierüber  in  Nr.  2a  (30  Akten¬ 
stücke). 

a  Ratsbeschluss  vom  12.  Mai  1791. 


220 


Handelshauses,  vom  städtischen  Zeughaus  Kanonen  zum  Einschmelzen 
zu  kaufen,1  weil  der  Rat  darin  nur  einen  Versuch  der  Emigranten  sah, 
sich  auf  diesem  Umweg  Kriegsmaterial  zu  verschaffen.  Und  als 
diese  gar  Miene  machten,  in  der  Stadt  einen  Werbeplatz  zu  einer 
Invasion  nach  Frankreich  zu  errichten,  da  ging  er  scharf  gegen  sie 
vor.  Dem  Oberstleutnant  Chartick  und  anderen  Werbeoffizieren 
des  Grafen  von  Artois  verbot  er  den  Aufenthalt  in  der  Stadt;  über 
den  Marquis  de  Mesle  verhängte  er  eine  dreitägige  Haft,  weil  er 
einen  Bürgerssohn  angeworben  hatte,  und  verwies  ihn  dann  aus  seinem 
Gebiet.  Als  ferner  eine  Abteilung  Rekruten,  die  zu  dem  Korps  der 
königlichen  Prinzen  stossen  sollte,  durch  Frankfurt  geführt  wurde, 
Hess  er  sie  nebst  ihren  Führern  festnehmen  und  nicht  weiter  ziehen. 
Ja  der  Rat  verbot  den  Kaufleuten  geradezu,  Gelder  oder  Effekten 
der  Emigranten  in  Verwahrung  zu  nehmen  oder  überhaupt  mit  ihnen 
in  geschäftliche  Verbindung  zu  treten.2  Freilich  hatten  diese  eine  solche 
Behandlung  durch  ihr  Auftreten  in  der  Stadt  zum  Teil  selbst  verschuldet. 
Ihr  zügelloses  Treiben  und  der  anmassende  Ton  gegen  die  Bürger 
hatten  den  Rat  im  April  1792  zu  einem  besonderen  Erlass  genötigt, 
in  dem  er  die  ungeladenen  Gäste  in  die  Schranken  des  Anstandes 
zurückwies. 3 

Diese  wenig  entgegenkommende  Haltung  des  Rates  gegen  die 
Emigranten  wurde  in  den  leitenden  Kreisen  Frankreichs  wohl  an¬ 
erkannt.  Der  interimistische  Minister  des  Auswärtigen,  Delassart, 
dankte  Mitte  November  1791  dem  Rat  »für  seine  weise  Haltung«  und 
hoffte,  dass  er  auch  in  Zukunft  den  Emigranten  weder  Waffen  noch 
Munition  liefern  würde.4 

Im  Gegensatz  zum  offiziellen  Frankreich  aber  waren  die  revo¬ 
lutionären  Kreise  jenseits  des  Rheins,  besonders  im  Eisass,  trotz 
alledem  von  einem  unausrottbaren  Misstrauen  gegen  die  Stadt  erfüllt. 
Wessen  beschuldigte  man  sie  da  nicht!  Sie  dulde  Emigranten  und 
Werbeoffiziere  in  ihren  Mauern,  gestatte  das  Tragen  der  weissen 
Kokarde,  die  als  Demonstration  gegen  die  neue  Ordnung  in  Frank¬ 
reich  galt;  sie  habe  auf  Wunsch  des  Kurfürsten  von  Mainz  Strass¬ 
burger  Schiffern  die  Flagge  mit  der  Aufschrift  »Liberte  nationale  ou 

1  Nr.  3. 

2  Näheres  hierüber  im  Memoire  presente  ä  la  Convention  Nationale  avec 
les  picees  justificatives  par  les  Deputes  de  la  ville  libre  d’Empire  de  Francfort-sur- 
le-Mein  S.  10—12.  S.  auch  Ratsbeschluss  vom  29.  Dezember  1791. 

3  Memoire  S,  14. 

+  1.  c. 


221 


mourir!«  abnehmen  lassen.1  Am  meisten  tat  sich  in  Gehässigkeiten, 
die  auch  vor  Verleumdungen  nicht  zurückschreckten,  die  revolutionäre 
Partei  Strassburgs  hervor,  die  ihre  Vereinigung  in  der  Konstitutions¬ 
gesellschaft  hatte.  Ihr  Organ,  der  Strassburger  Courier,  warf  dem 
Rat  geradezu  Bruch  des  Völkerrechtes  vor,  wofür  er  vom  Ministerium 
eine  scharfe  Rüge  verdiene ;  der  französische  Resident  Barozzi  aber, 
der  dies  alles  dulde,  sei  durch  einen  Patrioten  zu  ersetzen.  Ja  sie 
forderte,  dass  Marschall  Luckner,  wenn  er  nach  Eröffnung  des  Feld¬ 
zuges  in  Frankfurt  einzöge,  eine  starke  Kontribution  dort  erhebe. 
Und  die  »Strassburger  Zeitung«  blieb  hinter  dem  Courier  nicht 
weit  zurück,  auch  sie  schrieb  Hetzartikel  gegen  die  Stadt,  deren 
Blätter  »rasend  aristokratisch«  seien  und  die  Franzosen  als  eine  Bande 
von  Dieben,  Verrätern  und  Mordbrennern  hinstellten.2 

Was  half  es,  dass  sich  der  Rat  über  diese  die  Wahrheit  völlig 
entstellenden  Hetzartikel  bei  der  Munizipalität  Strassburgs  beschwerte! 
Sie  erklärte  sich  bei  der  bestehenden  Pressfreiheit  ausserstande,  »die 
Zeitungsschreiber  in  Schranken  zu  halten«,  und  überliess  es  dem  Rat, 
den  Verleger  des  Blattes  gerichtlich  zu  belangen.3 

Die  Erbitterung  der  Konstitutionsgesellschaft  gegen  Frankfurt 
war  begreiflich.  Sie,  »die  Hauptschmiede  der  rebellischen  Schriften«4, 
hatte  sich  gerade  Frankfurt  zum  Ort  ihrer  Propaganda  ausersehen 
und  in  zahlreichen  dorthin  gesandten  Schriften  die  Bürger  aufgefordert, 
nach  dem  Beispiel  der  Franken  ihre  Sklavenketten  zu  zerreissen  und 
eine  Volksherrschaft  zu  errichtend  Aber  ihre  revolutionäre  Saat  fiel 

1  Nr.  5. 

2  So  in  der  Nummer  vom  10.  Oktober  1792. 

3  S.  Briefwechsel  mit  Sjrassburg  und  dem  französischen  Residenten  in  Frank¬ 
furt  über  verschiedene  falsche  oder  verleumderische  Artikel  der  Strassburger  Zeitung 
gegen  Frankfurt  in  Nr.  8  und  13.  Die  Zeitung  war  übrigens  wegen  ihrer  »bitteren 
Anzüglichkeiten  gegen  hohe  Häupter«  in  Frankfurt  in  allen  Buchhandlungen  und 
in  der  Esslingerschen  Lesegesellschaft  verboten  (Schöfifenprot.  vom  17.  Aug.  1791 
und  Ugb  A  24  Nr.  127). 

4  Als  solche  bezeichnet  sie  der  kursächsische  Polizeidirektor  in  einem  Schreiben 
an  den  Älteren  Bürgermeister  (vom  22.  März  1792),  in  dem  er  vorschlägt,  alle 
deutschen  Polizeidirektionen  sollten  mit  einander  in  Korrespondenz  treten,  um  der 
revolutionären  Seuche  Einhalt  zu  tun;  Nr.  n. 

3  Eine  Reihe  solcher  Schriften :  »Das  allerneuste  katholische  Katechismus¬ 
büchlein.  Rom,  auf  Kosten  der  Propaganda  1791«;  ferner:  »Merkwürdige  Reise  des 
Papstes  in  den  Himmel,  in  die  paradiesischen  Gerichtshöfe  und  in  die  Hölle; 
Galerie  der  pfälzischen  Dienerschaft ;  Letzter  Ruf  der  freigewordenen  Franken  an 
die  unterdrückten  Völker;  Allgemeiner  Aufstand  oder  vertrauliches  Rundschreiben 
an  die  benachbarten  Völker,  um  sie  zu  einer  heiligen  heilsamen  Empörung  aufzu¬ 
muntern«  (Nr.  5  und  11)  erwähnt  der  Rat  in  einem  Schreiben  an  die  Dresdner  Polizei. 


222 


in  Frankfurt  auf  steinigen  Boden;  die  Empfänger  der  aufreizenden 
Schriften  lieferten  sie  an  den  Rat  aus  und  dieser  regte  sich  nicht 
weiter  darüber  auf,  tat  auch  keinen  Schritt,  um  den  Strassburgern 
das  Handwerk  zu  legen.  Er  kannte  zu  gut  die  in  der  Bürgerschaft 
herrschende  Stimmung.1  »Wir  haben  es  für  zuträglicher  gehalten«, 
schrieb  er  später2 3 *  der  kursächsischen  Polizei,  »mit  Verboten  nur  spar¬ 
sam  hervorzutreten,  damit  nicht  ein  zu  merkbares  Entgegenarbeiten 
nur  noch  grössere  Aufmerksamkeit  errege«. 

Diesen  Standpunkt  vertrat  der  Rat  auch  nachdrücklichst  im 
März  1792  bei  den  Beratungen  des  oberrheinischen  Kreistages  über 
die  vom  Kaiser  zur  völligen  Unterdrückung  der  Pressfreiheit  vor¬ 
gelegten  Anträge.  Darnach  sollten  nicht  nur  die  Bücher,  sondern 
auch  Schauspiele,  Gemälde  und  Kupferstiche  auf  ihren  staats-  und 
religionsfeindlichen  Charakter  hin  geprüft  worden.  Das  Ungeheuer¬ 
lichste  aber  war  der  Vorschlag,  alle  Druckereien,  die  sich  in  Reichs-, 
Universitäts-  und  grösseren  Hauptstädten  befänden,  der  besseren 
Beaufsichtigung  wegen  überhaupt  aufzuheben.  Mit  aller  Entschieden¬ 
heit  sprach  sich  der  Vertreter  Frankfurts  gegen  derartige  Anträge 
aus,  »die  der  Geistesentwicklung  und  dem  Fortschreiten  der  Wissen¬ 
schaft  zum  empfindlichsten  Druck  und  Hemmung  gereichen  würden, 
ohne  dass  man  die  dadurch  bezweckte  Absicht  erreiche«;  und  so 
fielen  diese  kulturfeindlichen  Bestrebungen,  zumal  da  noch  andere 
Stände  Frankfurt  unterstützten. 


Mit  dem  Anfang  des  Jahres  1792  wurde  der  Rat  bald  vom 
kaiserlichen  Gesandten,  dem  Grafen  Schlick,  bald  vom  mainzischen 
General  Gmelin,  bald  vom  Grafen  Morsan,  preussischem  Kammer¬ 
herrn  und  zugleich  Bevollmächtigtem  des  Adels  Frankreichs5,  benach¬ 
richtigt,  dass  die  Jakobiner  durch  ihre  Sendlinge  die  Stadt  zum 

1  Im  selben  Schreiben  nach  Dresden  heisst  es  ...  .  »Die  hiesige  Bürgerschaft 
ist  weit  entfernt,  das  Vorzügliche  ihrer  Verfassung  zu  misskennen  und  an  solchen 
Neuerungen  Geschmack  zu  finden  ....  Immerhin  mögen  solche  Broschüren  auch-// 
in  Frankfurt  Liebhaber  und  Neugierde  finden,  ohne  dass  die  Polizei  davon  Kenntnis 
erhält,  aber  dies  ist  nicht  zu  verhindern,  da  bei  einer  Stadt,  die  dem  Handel  ihren 
Wohlstand  verdankt,  die  Erhaltung  der  Freiheit  des  Handels  eine  der  vorzüg¬ 
lichsten  Rücksichten  sein  muss«. 

2  Am  22.  März  1792. 

3  Er  nennt  sich  »Commissaire  de  la  Noblesse  fran^aise«  (Bei  Chuquet 

heisst  er  Marsan).  Auch  die  hessische  Regierung  in  Hanau  warnte  den  Rat  von 

Frankfurt  vor  den  republikanischen  Emissären  (Nr.  14). 


223 


Mittelpunkte  des  »auszustreuenden  Samenaufruhrs«  erkoren  hätten, 
um  in  erster  Reihe  die  elsässischen,  lothringischen  und  hessischen 
Truppen  fahnenflüchtig  zu  machen.  Der  mainzische  Minister  Albini 
wusste  sogar  von  zwei  sich  dort  aufhaltenden  weiblichen  Emissären 
des  Jakobinerklubs,  die  unheilvolle  Pläne  gegen  Frankfurt  und  Mainz 
schmiedeten,  und  verlangte  die  Beschlagnahme  ihrer  Papiere.'  Aber 
die  angebliche  Gräfin  Monzeville  aus  der  Champagne  entpuppte  sich 
als  eine  Modistin  aus  Metz,  die  während  der  Frankfurter  Messe  ihre 
Waren  feilhielt,  und  die  andere  Emissärin  als  ihre  Dienstmagd.  Obgleich 
ihre  Papiere  nichts  Verdächtiges  ergaben,  so  erhielten  beide  doch 
die  Weisung,  die  Stadt  binnen  drei  Tagen  zu  verlassen,  ein  Gesuch 
um  Gestattung  einer  achttägigen  Frist  ward  abgeschlagen.  So  reiste 
Frau  Monzeville  voller  Ingrimm  nach  Paris;  die  Gelegenheit,  sich  an 
dem  Rat  für  die  ihr  zugefügte  Beleidigung  zu  rächen,  sollte  sich  ihr 
bald  bieten.1 2 

Diese  fortwährenden  Denunziationen  mussten  den  Rat  um  so 
mehr  aufregen,  als  Frankfurt  wegen  der  bevorstehenden  Kaiserwahl 
wieder  einmal  in  den  Mittelpunkt  der  deutschen  Ereignisse  gestellt 
war.  Die  grosse  Verantwortung,  die  der  Rat  in  dieser  Zeit  auf  sich 
zu  nehmen  hatte,  spornte  ihn  zu  besonderer  Wachsamkeit  an.  Eine 
Art  von  Geheimpolizei  ward  wieder  eingerichtet  zur  schärferen  Kontrolle 
der  Fremden,  besonders  der  Franzosen,3  die  Torposten  wurden  mit 
besonders  zuverlässiger  Mannschaft  besetzt  und  die  Stadttore  früher 
als  sonst  geschlossen.  So  gesichert  konnte  die  Wahl  des  neuen 
Reichsoberhauptes  erfolgen.  Mitte  Juni  1792  erschienen  die  Bevoll¬ 
mächtigten  der  Kurfürsten  in  der  Stadt;  am  5.  Juli  war  der  Wahltag, 
und  Franz,  König  von  Ungarn  und  Böhmen,  ward  einstimmig  als 
Franz  II.  zum  Nachfolger  Leopolds  auf  dem  deutschen  Thron  erwählt. 

Glänzende  Tage  erlebte  jetzt  Frankfurt.  Feste  wechselten  mit 
wichtigen  Konferenzen  ab,  die  seit  Mitte  Juli  zwischen  der  öster¬ 
reichischen  und  preussischen  Diplomatie  unter  Zutritt  Mallets,  des 
Abgesandten  Ludwigs  XVI.,  in  Frankfurt  abgehalten  wurden.4  Bereits 
am  20.  April  hatte  der  französische  Herrscher  Österreich  und  Preussen 
den  Krieg  erklären  müssen,  doch  währte  es  geraume  Zeit,  bis  beide 
Staaten  Frankreichs  Herausforderung  gebührend  beantworteten.  Nur 

1  Nr.  10  und  12. 

1  Nr.  15. 

3  Die  1790  vom  Schatzungsamt  eingesetzte  Geheimpolizei  scheint  nur  kurze 

Zeit  bestanden  zu  haben. 

4  Häusser  I,  363. 


224 


langsam  setzten  sich  die  Heere  der  Verbündeten  in  Bewegung;  erst 
am  19.  August  ward  die  Grenze  Frankreichs  überschritten  und  damit 
der  eigentliche  Feldzug  eröffnet.  Ob  jetzt  noch  angesichts  der  Be¬ 
mühungen  der  beiden  deutschen  Grossstaaten,  auch  das  Reich  in  den 
Krieg  mithineinzuziehen,  der  Frankfurter  Rat  das  ängstlich  befolgte 
System  der  Neutralität  weiter  behaupten  könnte,  erschien  mehr  als 
zweifelhaft.  Wie  dem  auch  war,  jedenfalls  wollte  er  verhüten,  dass 
Handel  und  Verkehr,  die  Quelle  des  Wohlstandes  der  Stadt,  durch 
den  Krieg  litten.  Keine  Mühe  liess  er  sich  verdriessen,  um  dieses 
Ziel  zu  erreichen.  Ende  August  bestürmte  er  durch  Deputationen 
die  preussischen  und  österreichischen  Heerführer,  die  Schiffahrt  auf 
dem  Rhein  vor  Belästigung  oder  Störung  zu  schützen;  sein  Vertreter 
auf  dem  Reichstag  zu  Regensburg,  Herr  von  Selpert,  hatte  diesem 
eine  Denkschrift  »Bemerkungen  über  das  V erbot  des  Kommerzes  im 
deutschen  Reichskrieg«  zu  übergeben;  die  wichtigsten  Reichsstädte 
wie  Bremen  und  Hamburg,  Nürnberg,  Regensburg,  Köln,  Aachen 
und  noch  andere  lud  er  zu  gemeinsamem  Vorgehen  ein.1  Und  die 
Bemühungen  der  Stadt  sind  auch  nicht  ohne  Erfolg  geblieben.2 

Inzwischen  machte  die  Kanonade  bei  Valmy  dem  Vordringen 
der  Preussen  unter  dem  Herzog  von  Braunschweig  ein  Ende;  um 
die  Mitte  September  trat  er  den  Rückzug  an  den  Rhein  an  und  gab 
damit  das  ganze  linke  Rheinufer  schutzlos  den  Franzosen  preis. 
Diese  ergriffen  nun  keck  und  zuversichtlich  die  Offensive.  Von 
Landau  aus  setzte  sich  General  Custine  mit  18000  Mann  in  Bewegung 
und  erschien  am  30.  September  vor  Speyer.  Mit  leichter  Mühe  warf 
er  den  unfähigen  mainzischen  Obersten  Winkelmann  mit  seiner 
geringen  Schar  zurück  und  nahm  die  Stadt  mit  ihren  reichen 
Magazinen  und  bald  darauf  Worms  ein.  Von  beiden  Städten  wurden 
unter  Drohungen  hohe  Summen  erpresst,  und  als  Worms  diese  zur 
bestimmten  Frist  nicht  ganz  zahlen  konnte,  nahm  Custine  angesehene 
Bürger  als  Geiseln  mit  sich. 

Die  Nachricht  von  dem  Vordringen  Custines  an  den  Rhein, 
der  Überfall  der  beiden  Reichsstädte  erregte  überall  Angst  und 

1  Reichstagsakten  1792.  Am  22.  Oktober  erhält  Selpert  abermals  die  Anweisung, 
für  die  »Offenlassung  des  innocenten  Kommerzes  und  der  freien  Handel-  und 
Wechselgeschäfte«  zu  wirken.« 

2  Artikel  7  des  Reichstagsbeschlusses  vom  22.  März  1793,  durch  den  der 
Reichskrieg  beschlossen  ward,  bestimmte  die  Freilassung  des  Handels  mit  der 
französischen  Republik  —  abgesehen  von  den  für  Konterbande  erklärten  Waren  — , 
falls  diese  auch  dazu  bereit  wäre. 


225 


Schrecken.  Allgemein  war  die  Ratlosigkeit;  kein  Gedanke  an  Wider¬ 
stand  regte  sich,  nur  schleunigste  Flucht  vor  dem  früher  so  verächtlich 
behandelten  Feinde  war  die  allgemeine  Losung.  Der  Landgraf  von 
Hessen-Darmstadt,  die  Kurfürsten  von  Mainz  und  von  Köln  verliessen 
eiligst  ihre  Länder,  und  der  Kurfürst  von  der  Pfalz  unterhandelte 
sogar  mit  dem  Feinde  um  Neutralität.1 

Auch  den  Frankfurter  Rat  hatten  die  Ereignisse  völlig  über¬ 
rascht.  Auf  die  Kunde  von  der  Einnahme  der  beiden  befreundeten 
Reichsstädte  und  dem  Heranrücken  der  Franzosen2  beschloss  er  in 
ausserordentlichen  Sitzungen  am  3.  und  5.  Oktober,  zu  denen  auch  die 
Syndici  zugezogen  wurden,  nach  Oppenheim,  Darmstadt,  Mannheim 
unverzüglich  vertraute  Leute  zu  schicken.  Sie  erhielten  die  Anweisung, 
an  diesen  Orten  Nachrichten  über  die  Stärke  des  französischen  Heeres, 
seine  Bewegungen  u.  s.  w.  einzuziehen  und  sie  nötigenfalls  per  Stafette 
einzuschicken;  gleichzeitig  suchte  der  Rat  bei  der  darmstädtischen 
und  der  mainzischen  Regierung  zu  erfahren,  wie  sie  einem  etwaigen 
feindlichen  Angriff  zu  begegnen  gedächten.3  Aber  die  Beantwortung 
dieser  Frage  hatte  für  den  Rat  nur  theoretischen  Wert.  Er  hatte  zwar 
bereits  die  waffenfähige  Mannschaft  aus  den  Dörfern  einberufen  und 
das  grobe  Geschütz  zum  Teil  auf  die  Wälle  bringen  lassen,  beschloss 
aber  in  der  Sitzung  vom  5.  Oktober,  alle  Verteidigungsmassregeln 
einzustellen.  Die  Bürgerkapitäne  (Vorsteher  der  14  Stadtquartiere) 
hatten  jetzt  den  Bürgern  von  Haus  zu  Haus  einzuschärfen,  beim 
Fieranmarsch  der  Franzosen  sich  still  und  ruhig  zu  Hause  zu  halten, 
»damit  keinem  einzelnen  und  dem  gemeinen  Wesen  im  ganzen  da¬ 
durch  Unannehmlichkeiten  .  .  zugezogen  würden.«4  Die  Bürger¬ 
schaft  war  womöglich  noch  friedlicher  als  der  Rat  gestimmt.  Auf 
ihr  dringendes  Verlangen  ward  das  Geschütz  von  den  Wällen  wieder 
in  das  Zeughaus  zurückgebracht.  Fast  war  es  ihr  zu  viel,  dass  jetzt 
nachts  Patrouillen  die  Stadt  durchzogen  und  dass  das  Kriegszeugamt 
verlangte,  die  Bürger  sollten  selbst  ihre  pflichtmässigen  Wachen  über- 
* 

1  Häusser  I,  S.  408  ff.  »La  terreur  etait  dans  FEmpire  et  les  Allemands 
precipitaient  au  devant  des  Francais  pour  faire  leur  soumission«.  Chuquet,  l’expe- 
dition  de  Custine  S.  109. 

2  Die  Reichsstadt  Worms,  die  Ende  Dezember  1791  ihre  Gelder  und  Akten 
in  Frankfurt  der  grösseren  Sicherheit  wegen  deponiert  hatte,  liess  sich  jetzt  erstere 
zur  Bezahlung  der  ihr  auferlegten  Kontribution  wieder  zurücksenden. 

3  Ratsprotokoll  vom  1.,  3.,  5.  Oktober. 

4  1.  c.  vom  5.  Oktober.  Die  Beamten  des  Ackergerichtes  erhielten  gleiche 
Anweisung. 

15 


nehmen  und  keine  Stellvertreter  schicken.1  Man  begriff  einfach 
den  Ernst  der  Lage  nicht,  lebte  noch  immer  in  dem  Wahne, 
dass  die  Beziehungen  der  Stadt  zu  Frankreich  in  bester  Ordnung 
seien.2  Hatte  man  doch  eben  erst  wieder  unzweideutige  Beweise 
von  neutraler  Gesinnung  gegeben;  man  hatte  hessischen  das 
städtische  Gebiet  durchziehenden  Bataillonen  das  Uebernachten  in 
der  Stadt  abgeschlagen  und  den  Mainzern  die  Ueberlassung  von 
Geschützen  und  Artilleristen  verweigert.  Aergerlich  genug  war  es 
freilich,  dass  in  dieser  kritischen  Zeit  die  Strassburger  Blätter  von 
neuem  ihren  Feldzug  gegen  die  Stadt  eröffneten.3  In  diesen  Hetze¬ 
reien  lag  doch  ein  gewisses  System,  und  überschritt  ein  französisches 
Heer  unter  Führung  eines  jakobinisch  gesinnten  Generals  den  Rhein, 
so  mochte  Frankfurt  sich  hüten. 

Den  Rat  überkam  jetzt  die  Ahnung,  dass  die  Dinge  vielleicht 
doch  nicht  so  glatt  für  die  Stadt  verlaufen  würden.  Nur  so  erklärt 
sich  der  Befehl,  den  er  in  diesen  Tagen  den  Torwachen  erteilte, 
keinen  Bürger  ohne  besonderen  Erlaubnisschein  herauszulassen.  Bei 
Verlust  des  Bürgerrechtes  ward  gerade  den  Reichsten  geboten,  in 
der  Stadt  zu  bleiben,  da  man  vielleicht  ihre  Unterstützung  nötig 
haben  würde.  Wirklich  naiv  mutet  uns  ein  weiterer  Beschluss  des 
Rates  an,  wenn  sich  ein  französisches  Heer  den  Mauern  nähere,  ihm 
Deputierte  entgegenzuschicken,  »um  sich  nach  der  Ursache  dieses 
Heranrückens  und  allenfallsiger  Intention  zu  erkundigen.« 4 


1  Ratsprotokoll  vom  3.  Oktober. 

2  So  schreibt  das  Frankfurter  Ristretto  in  der  Nummer  vom  8.  Oktober, 
nachdem  es  von  der  Einnahme  von  Worms  und  von  Speyer  in  kühlem  Tone 
berichtet  hat:  .  .  .  »Das  Vorrücken  der  französischen  Truppen  ....  hat  zwar  in 
den  angrenzenden  Orten  natürlicherweise  grosse  Sensation  machen  müssen,  es 
werden  darüber  so  viel  falsche  und  widersprechende  Nachrichten  ausgestreut,  dass 
man  sich  in  den  entfernteren  Gegenden  die  verkehrtesten  Vorstellungen  machen 
muss«  etc  Also  auch  jetzt  noch  nicht  die  leiseste  Andeutung,  dass  Frankfurt  viel¬ 
leicht  das  Schicksal  der  beiden  befreundeten  Reichsstädte  teilen*  könne. 

3  In  der  Tat  mochten  wohl  einige  Artikel  des  Ristretto,  die  sich  gegen  die 
Ausschreitungen  der  Revolution  wandten,  in  den  Kreisen  der  Jakobiner  Anstoss 
erregt  haben.  Sein  Pariser  Korrespondent  hatte  den  10.  August  einen  Tag  der 
Greuel  genannt,  die  Nacht  vom  2.  zum  3.  September  »eine  würdige  Enkelin  der 
Bartholomäusnacht,  ein  Scheusal  für  die  Nachwelt«;  vom  29.  Septemker  schrieb 

es:  »Robespierre  hat  alle  Räuber  und  Mörder  in  seinem  Anhang . jeder 

zittert  für  sein  Vermögen,  Jammer  aller  Art  bedeckt  nun  Paris«  u.  s.  w. 

4  Ratsprotokolle  vom  5.  Oktober  1792  und  »Kurze  und  authentische  Nachricht 
von  der  Besitznehmung  der  Reichsstadt  Frankfurt  a.  M.  durch  die  Fränkischen 
Truppen«. 


22y 


Die  Franzosen  unter  Custine  liessen  nicht  mehr  lange  auf  sich 
warten.  In  der  Frühe  des  19.  Oktober  vernahm  man  Kanonen¬ 
donner  vor  den  Wällen  der  Festung  Mainz;  zwei  Tage  später  war 
dieses  Bollwerk  des  Reiches  durch  die  Kopflosigkeit  und  militärische 
Unfähigkeit  des  Kommandanten  und  die  fast  an  Verrat  streifende 
Feigheit  der  Untergebenen  im  Besitz  Custines.1  Der  ganze  Südwesten 
Deutschlands  war  jetzt  wehrlos  in  der  Gewalt  der  französischen 
Heerführer.  Entsprachen  deren  Handlungen  jetzt  dem  in  Paris  ge¬ 
predigten  Evangelium  von  Freiheit,  Gleichheit  und  Brüderlichkeit, 
dann  war  für  die  Revolution  auch  in  den  rechtsrheinischen  Landen 
ein  weites  Feld  gewonnen.2 *  Die  Zukunft  Europas  hing  davon  ab, 
welchen  Händen  die  erhabenen  und  lauteren  Ideen  der  Revolution 
anvertraut  waren.  Die  nächsten  Tage  mussten  hierüber  Gewissheit 
bringen. 

Noch  während  der  Verhandlungen  wegen  der  Übergabe  von  Mainz 
hatte  Custine  zwei  Truppenabteilungen  gegen  Frankfurt  geschickt.5 
Die  kleinere  unter  dem  Obersten  Houchard  traf  am  22.  Oktober  um 
7  Uhr  früh  von  Höchst  aus  vor  dem  Bockenheimer  Tor  ein.  Die  ihm 
entgegengeschickte  Ratsdeputation  beruhigte  er  mit  der  Erklärung, 
dass  er  durchaus  friedliche  Absichten  hege,4  denn,  sagte  er,  »nous  ne 
faisons  pas  la  guerre  au  peuple,  nous  ne  la  faisons  qu’aux  tyrans  et 
despotes«,  er  erwarte  noch  andere  Truppen  und  wünsche  vor  der  Hand 
nur  Lebensmittel  und  Holz  gegen  bare  Bezahlung.  Nachdem  die 
Deputierten  mit  Houchard  auf  das  Wohl  der  Freiheit  und  Gleichheit 
hatten  trinken  müssen,  begehrte  er  mit  einigen  Offizieren  durch  die 
Stadt  bis  zum  Affentor  zu  reiten,  wo  er  die  andere,  von  Süden 
herannahende  Trappenabteilung  zu  treffen  hoffe.5  Die  Deputierten 
hatten  nichts  dagegen  einzuwenden,  waren  aber  sehr  unangenehm 
davon  berührt,  dass  sein  Gefolge  auf  dem  Wege  zum  Affentor 


1  Noch  am  7.  ©ktober  hatte  das  Ristretto  geschrieben :  »In  Mainz  ist  alles 
entschlossen,  sich  bis  auf  den  letzten  Blutstropfen  zu  verteidigen.« 

2  »II  fallait,  pour  Ander  la  liberte  francaise,  faire  la  revolution  dans  I’Empire ; 
il  fallait  dicter  des  lois  aux  despotes,  leur  arracher  leur  sceptre  et  courber  leur  tete 
orgueilleuse ;  il  fallait  apporter  aux  nations  leur  propre  Gouvernement  par  un  voeu 
libre  et  spontane«  etc.  Chuquet  1.  c.  S.  uoff. 

3.  Für  das  Folgende  vergl.  Chuquet,  l’expedition  de  Custifie,  S.  109  ff.  undKriegk. 

4  Und  doch  hatte  er  seine  Geschütze  gegen  das  Tor  richten  lassen. 

5  Siehe  den  Bericht  des  Ratsdeputierten  von  Loen  in  Nr.  18  und  in  Memoires 
posthumes  du  general  Francais  comte  de  Custine  rediges  par  un  de  ses  aides  de 
camp.  S.  154  ff. 

U* 


228 


einen  ehemaligen  französischen  Offizier,  einen  Emigranten,  festnahm 
und  ihn  den  französischen  Wachen  übergab.1  Houchards  Truppen 
verhielten  sich  inzwischen  den  ganzen  Vormittag  und  einen  Teil  des 
Nachmittags  ruhig  vor  dem  Bockenheimer  Tor.  Während  die 
Offiziere  sich  das  Essen  gegen  Bezahlung  aus  den  Gasthöfen  der 
Stadt  kommen  Hessen,  hatten  die  Gemeinen  Feldküchen  aufgeschlagen 
und  kochten  dort  angesichts  einer  zahlreichen  auf  den  Wällen  und 
vor  dem  Tore  neugierig  zusammengeströmten  Menge  ihre  Mahlzeiten 
ab.  Fleisch,  FIolz,  Ftafer  und  Stroh  sowie  die  Kessel  hatte  man 
ihnen  ebenfalls  gegen  Bezahlung  geliefert.  Bald  entwickelte  sich 
zwischen  ihnen  und  den  Einwohnern  ein  freundlicher,  zwangloser 
Verkehr,  ihr  Erscheinen  beunruhigte  nicht  weiter,  man  vermutete, 
dass  sie  auf  einem  Zuge  gegen  den  Landgrafen  von  Hessen  oder 
den  Kurfürsten  von  Mainz  begriffen  seien.2 

Dieser  »angenehme  Irrtum«3  sollte  nicht  von  allzulanger  Dauer 
sein.  Um  3  nachmittags  zeigte  sich  am  Affentor  der  Vortrab  der 
angekündigten  zweiten  Abteilung  unter  General  Neuwinger,  der  nach 
Überschreitung  des  Rheines  bei  Oppenheim  seinen  Marsch  durch  das 
darmstädtische  Gebiet  genommen  hatte.  Auch  ihm  gingen  Rats¬ 
deputierte  entgegen.  Allen  ihren  Fragen  ausweichend  bemerkte  er 
nur,  er  habe  ein  Schreiben  des  kommandierenden  Generals  Custine 
dem  Rat  im  Römer  abzugeben,  und  forderte4  für  sich  und  seine 
Truppen  Einlass  in  die  Stadt.  Auf  den  Einspruch  der  Deputierten 
liess  er  die  Truppen  bis  vor  das  Tor  rücken.  Die  Zugbrücke  ward 
zwar  jetzt  aufgezogen,  aber  als  Neuwinger  Geschütze  gegen  sie  auf- 
fahren  liess,  wollten  die  Deputierten  es  nicht  zum  Äussersten  kommen 
lassen,  und  die  Zugbrücke  ward  wieder  herabgelassen.  Nunmehr 
rückten  die  Franzosen  in  Stärke  von  3000  Mann  durch  das 
Affen-  und  durch  das  Bockenheimer  Tor  in  Schlachtaufstellung5  mit 


1  Nach  Kriegk  S.  194  (s.  auch  Memoires  S.  154/5)  hätte  der  Rat  ihnen 
gestattet,  die  städtischen  Gasthäuser  nach  Emigranten  oder  französischen  Aristo¬ 
kraten  zu  durchsuchen  und  die  Offiziere  wären  auch,  von  Ratsherren  begleitet,  in 
einige  Gasthäuser  gegangen,  hätten  dort  drei  Männer  verhaftet  und  mit  sich 
geführt.  Ähnlich  Chuquet  S.  115,  der  sie  aber  nur  von  einem  Offizier  verhaften 
lässt.  Worauf  sich  übrigens  Chuquets  Behauptung  stützt  1.  c.,  eile  (la  ville)  avait 
fait  saisir  ä  la  foire  les  brochures  hostiles  ä  la  Revolution,  ist  mir  unbekannt. 

2  Memoires  S.  156. 

3  1.  c. 

4  Über  die  Vorgänge  am  22.  Oktober  s.  auch  Memoires  S.  159  ff.  und 
Memoire  S.  5  ff. 

5  Memoires  S.  157,  »ils  furent  formes  en  bataille«. 


229 


klingendem  Spiel  und  Singen  revolutionärer  Lieder  ein  und  machten 
auf  dem  Rossmarkt  Halt,  bis  ihnen  bei  den  Bürgern  Quartiere  ange¬ 
wiesen  wurden.  Der  Einmarsch  selbst  vollzog  sich  in  musterhafter 
Ordnung.1  Unmittelbar  darauf  erschien  Neuwinger  im  Römer  und 
übergab  dem  Bürgermeister  das  »an  die  Räte  des  Volkes  in  Frank¬ 
furt«  gerichtete  Schreiben  Gustin  es.  Sein  lakonisch  abgefasster  Inhalt 
wirkte  geradezu  verblüffend.  Er  warf  ihnen  darin  vor,  dass  sie  den 
Plänen  der  Emigranten  Vorschub  geleistet  hätten,  wodurch  er  sich 
veranlasst  sehe,  eine  von  General  Neuwinger  näher  zu  bestimmende 
Brandschatzung  von  ihnen  zu  fordern.  Dieser  habe  ausserdem  die  dem 
Kaiser  von  Österreich  und  dem  König  von  Preussen  gehörenden  Gelder, 
die  in  der  Stadt  verwahrt  würden,  an  sich  zu  nehmen.2  Das  Schreiben 
schloss  mit  den  Worten:  »Meine  Forderungen  sind  nur  massig  im 
Verhältnis  zu  den  ungeheuren  Kriegskosten,  die  uns  durch  den  unseren 
grausamsten  Feinden  verliehenen  Schutz  verursacht  worden  sind.« 3 

Die  Höhe  der  Kontribution  setzte  Neuwinger  auf  2  Millionen 
Gulden  (4  Millionen  Livres)  fest,  die  spätestens  bis  zum  Mittag  des 
nächsten  Tages  bezahlt  sein  mussten. 

Es  wäre  nicht  zu  verwundern  gewesen,  wenn  der  Rat  über  das 
Custinesche  Ansinnen  die  Fassung  verloren  hätte.  Dem  war  aber 
nicht  so.  Er  hoffte,  dass  der  General,  wenn  man  ihm  durch  unum- 
stössliche  Tatsachen  die  Nichtigkeit  der  Beschuldigungen  bewies, 
seinen  Irrtum  erkennen  und  die  harten  Massregeln  zurücknehmen 
werde.  Deshalb  ging  noch  am  Abend  des  22.  Oktober  eine  Depu¬ 
tation  nach  Mainz,  um  Custine  einen  vollständigen  Auszug  aller  uns 
bereits  bekannten  Verfügungen  gegen  die  Emigranten  zu  überbringen 


1  Üb.er  den  Einmarsch  der  Franzosen  berichtet  der  Moniteur  vom  5.  November 
(Nr.  310):  Les  Francais  n’ont  pas  trouve  d’ennemis  sur  les  remparts  de  Francfort 
Lear  entree  dans  cette  ville  ressemblait  moins  ä  une  conquete  qu’ä  une  reception- 
fraternelle.  Les  portes  leur  ont  ete  ouvertes  et  le  detachement  est  entre  au  son  du 
Ca  ira  cheri  et  au  milieu  des  acclamations  (wovon  unsere  Quellen  schweigen)  des 

bons  habitants  de  Francfort .  On  11’a  jamais  traite  des  vaincus  avec  tant 

d’egard  et  jamais  vainqueurs  n’ont  ete  si  cordialement  recus.« 

2  Diese  Gelder,  von  Sorel  in  L’Eurqpe  et  la  Revolution  fran$aise  auf 
14000000  francs  veranschlagt,  waren  aber  schon  vorher  in  Sicherheit  gebracht 
worden. 

3  Nach  der  Übersetzung  aus  dem  französischen  Original  in  »XXXIII  Akten¬ 
stücke,  die  von  dem  Französischen  General  Custine  an  die  Reichsstadt  Frankfurt 
am  22.  Oktober  1792  geforderte  und  zum  Teil  bezahlte  Brandschatzung  von  zwei 
Millionen  Gulden  betreffend«.  Frankfurt  am  Main,  gedruckt  bei  Varrentrapp  und 
Wenner.  Nr.  I. 


und  die  Aufhebung  der  Kontribution  zu  verlangen.1  Aber  auch  mit 
der  Möglichkeit  rechnete  der  Kat,  dass  die  Dinge  nicht  so  einlach 
lagen  und  dass  Custine  auf  seinem  Ansinnen  bestehen  würde.  Deshalb 
forderte  er,  um  rasch  in  den  Besitz  von  Geldmitteln  zu  gelangen, 
noch  am  Abend  des  22.  Oktober  durch  öffentlichen  Aufruf  die  reichen 
Bürger  auf,  der  Stadtkasse  ihre  verfügbaren  Gelder  gegen  Empfang 
von  4%  Obligationen  schleunigst  zur  Verfügung  zu  stellen.2  Der 
Aufruf  an  die  Bürgerschaft  hatte  überraschenden  Erfolg.  Von 
frühester  Morgenstunde  an  drängte  sich  alles,  Reiche  und  auch  Minder¬ 
bemittelte,  zum  Rechneiamt.  »Die  Hände  reichten  dort  kaum  aus,« 
so  berichtet  uns  ein  Augenzeuge,  »um  die  Gelder  in  Empfang  zu 
nehmen«.  Gegen  Mittag  waren  bereits  600000  Livres  zusammen. 

Die  Truppen  waren  inzwischen  bei  den  Bürgern  untergebracht, 
die  durch  öffentlichen  Anschlag  ermahnt  wurden,  sich  gegen  sie 
nicht  zu  Tätlichkeiten  hinreissen  zu  lassen.3  Die  Frankfurter  hatten 
jetzt  Müsse,  ihre  ungebetenen  Gäste  näher  zu  betrachten.  Welcher 
Unterschied  zwischen  ihnen  und  den  Soldaten  der  deutschen  Heere! 
Das,  was  diese  auszeichnete,  das  sorgsam  gepflegte  Äussere,  die 
peinliche  Genauigkeit  und  Gleichmässigkeit  der  Montierungsstücke, 
der  gepuderte  Kopf,  der  gewichste  Zopf  und  Bart,  all  dies 
suchte  man  vergebens  bei  den  französischen  Nationalgardisten.  Sie 
trugen  blaue  Röcke  mit  roten  Aufschlägen  und  Troddeln  und  weiss- 
und  rot-gestreifte  Beinkleider.  Ein  grosser  Teil  verschmähte  aber 
die  Uniform  und  ging  in  bunt  zusammengestellter,  defekter  und  nicht 
gerade  sauberer  Kleidung  einher;  die  Pistolen,  die  viele  im  Gurte 
stecken  hatten,  verliehen  ihnen  ein  romantisches  Aussehen. 

Den  alten  Zopf  der  Disziplin,  wie  er  noch  in  den  Heeren  der 
verrotteten  Monarchien  herrschte,  hatten  sie  längst  von  sich  geworfen. 
Mit  der  Pfeife  im  Munde  ward  exerziert,  ebenso  zur  Wache  ge¬ 
gangen,  wobei  das  Brot  auch  wohl  am  Bajonett  aufgesteckt  und  das 
Fleisch  am  Gewehrriemen  befestigt  war.  In  den  freien  Stunden 
ward  fleissig  in  den  Stadtgräben  geangelt.  Die  Unzufriedenheit  mit 


1  S.  XXXIII  Akt.  Nr.  II :  Antwortschreiben  des  Magistrats  zu  Frankfurt  an 
den  Herrn  General  Custine  zu  Protokollen  der  Jahre  1791  und  1792. 

2  Nr.  4. 

3  In  der  Bekanntmachung,  die  in  später  Abendstunde  (»nachts  um  9  Uhr«) 
erfolgte,  heisst  es,  »der  Rat  schmeichle  sich  annoch  sehr,  dass  die  Sache  durch 
den  Weg  der  fleissigsten  und  mühsamsten,  unablässigen  Unterhandlung  in  solchen 
Weg  eingeleitet  werde,  dass  man  sich  eines  gewünschten  Erfolges  erfreuen  und 
das  zum  Grunde  liegende  Missverständnis  glücklich  gehoben  werde«. 


25  1 


zu  gestrengen  Vorgesetzten  machte  sich  nicht  nur  in  Worten  sondern 
auch  in  Tätlichkeiten  Luft. 

Die  reguläre  Infanterie  machte  hingegen  einen  besseren  Hin¬ 
druck  und  die  Kavallerie  und  Artillerie  konnten  sogar  vor  einem 
kritischen  Beurteiler  bestehen.  Den  Kitt  zwischen  diesen  bunt 
zusammengewürfelten,  ungleichen  Truppenteilen  bildete  eine  wirkliche 
Begeisterung  für  die  revolutionären  Ideen,  die  ihrem  Handeln  einen 
gewissen  Schwung  verlieh.  Mit  dem  Eifer  von  Aposteln  suchten 
sie  in  lebhaften  Debatten  in  den  Wirtshäusern  diesseits  und  jenseits 
des  Maines  ihre  Zuhörer  zu  ihren  freiheitlichen  Lehren  zu  bekehren. 
Mit  Stolz  rühmten  sie  in  ihrer  harten  elsässischen  Mundart  —  denn 
ein  grosser  Teil  von  ihnen  waren  Elsässer  — ,  dass  sie  keine  Sklaven¬ 
ketten  trügen,  vielmehr  als  Republikaner  für  die  Sache  der  Freiheit 
und  Gerechtigkeit  das  Schwert  führten.  Darum  tadelten  sie  alle 
—  Offiziere  wie  Gemeine  —  laut  und  öffentlich  die  den  republi¬ 
kanischen  Grundsätzen  zuwiderlaufende  Behandlung  Frankfurts.1 

Während  man  noch  die  Rückkehr  der  Deputation  aus  Mainz 
erwartete,  überraschte  Neuwinger  den  Rat  durch  ein  Manifest,  in 
dem  er  die  alten  Beschuldigungen  wiederholte  und  der  beliebten 
Phrase  »Krieg  den  Palästen,  Friede  den  Hütten«  eine  neue  Auslegung 
gab.  Die  Kontribution  sollte  nicht  »von  unseren  lieben  Freunden, 
den  Bürgern,  Beisassen  und  Einwohnern  der  freien  Stadt  und  Republik 
Frankfurt  am  Main,  noch  weniger  von  den  bürgerlichen  Stadtkollegien 
und  bürgerlichen  Magistratspersonen«,  sondern  nur  von  den  hiesigen 
Patrizierfamilien  und  den  begüterten  Stiftern,  Klöstern,  fürstlichen 
und  adeligen  Häusern  getragen  werden.2  Auf  diese  Weise  hoffte 
Neuwinger  die  Bürgerschaft,  wie  es  bereits  in  Mainz  geglückt  war, 
der  Revolution  rückhaltlos  in  die  Arme  zu  führen.  Eisiges  Still¬ 
schweigen  war  die  Antwort  der  Bürgerschaft;  keine  Deputation 
aus  ihrer  Mitte  erschien  bei  Neuwinger,  um  ihm  für  die  Befreiung 
aus  hartem  Joch  zu  danken.  Diese  Art  von  Volksbeglückung,  die 
sich  mit  Brandschatzungen  und  brutalen  Gewalttaten  einführte,  hatte 
zu  wenig  Verlockendes. 

Den  Groll  darüber,  dass  sein  Liebeswerben  an  dem  gesunden 
Sinne  der  Bürger  gescheitert  war,  liess  jetzt  Neuwinger  an  deren 


1  S.  Memoires  S.  150:  on  lui  (Custine)  objectait  .  .  .  que  ce  procede  etait 
contraire  aux  principes  affiches  par  les  nouveaux  Francais  qui  promettaient  amitie 
et  fraternite  ä  tous  les  peuples  etc. 


2  Nr.  V  der  XXXIII  Aktenstücke. 


—  2}2 


Vertretern  aus.  Die  Abgesandten  des  Rates1  hatte  er  am  Mittwoch 
(24.  Oktober),  wenn  auch  sehr  ungnädig,  empfangen  und  unter 
Drohung  entlassen2,  die  der  Bürgerschaft  aber  nicht  einmal  an¬ 
genommen.  So  blieb  nichts  anderes  übrig  als  ihm,  da  er  durchaus 
noch  am  selben  Tage  »etwas  Geld  in  Händen  haben  wollte«,  ihm 
um  6  Uhr  abends  300000  livres  zu  geben. 

Kurz  vorher  war  die  städtische  Deputation  von  Mainz  zurück - 
gekehrt  und  überbrachte  Custines  schriftliche  Antwort  auf  das  Gesuch 
der  Stadt.  Den  ihm  vorgelegten  Aktenstücken  über  das  neutrale 
Verhalten  der  Stadt  hatte  er  keinen  Wert  beigelegt,3  im  Gegenteil,  1 
darin  nur  einen  Beweis  ihrer  Schuld  erblickt,  denn,  folgerte  er  mit 
ganz  eigentümlicher  Logik,  die  vielfältigen  Verfügungen  gegen  die 
Werbungen  der  Emigranten  bewiesen  nur,  dass  gerade  in  der  Stadt 
zahlreiche  Werbungen  stattgefunden  hätten,  und  dass  es  dem  Rat 
ernstlich  am  Willen  gefehlt  habe,  sie  zu  unterdrücken.  Ebensowenig 
habe  die  unter  seiner  Aufsicht  stehende  Presse  irgend  einen  Beweis 
von  Anhänglichkeit  an  die  französische  Nation  gegeben,  vielmehr 
durch  ihre  Artikel  falsche  Vorstellungen  von  deren  Grundsätzen 
verbreitet.  Trotzdem  solle  sich  der  Rat  nicht  vergebens  an  ihn 
gewandt  haben.  Die  französische  Nation  mindere  die  Kontribution 
auf  1  500  000  Gulden  herab,  er  rate  aber,  mit  deren  Zahlung  nicht 
mehr  zu  zögern. 

In  diesen  wie  auch  in  späteren  Schreiben  zeigte  Custine,  wie 
gut  er  sich  den  Phrasenschatz  der  jakobinischen  Presse  angeeignet 
hatte  und  mit  deren  Schlagwörtern  umzugehen  verstand.  Es  finden 
sich  darin  die  Phrasen  von  den  Segnungen  der  Revolution,  die  nur 
ungerecht  angemasste  Gewalt  zerstört  habe,  ganze  Völker  in  ihre 
Rechte  wiedereinsetze,  nur  Verräter  ihre  Rache  empfinden  lasse  und 
einen  Teil  der  Kosten  zu  dem  lästigen  Krieg  nur  auf  solche  werfe, 
welche  entweder  dazu  aufgefordert  oder  ihn  nicht  zu  verhindern  ge¬ 
sucht  hätten  oder  geschehen  liessen,  dass  die  Volksbegriffe  ge¬ 
täuscht  würden  u.  s.  w.,  u.  s.  w.  Nunmehr  entpuppte  sich  »der  Franken 
Bürger  und  General  der  republikanischen  Armee«,  wie  sich  Custine 
mit  Vorliebe  nannte,  als  Demagoge.  Alle  Künste  liess  er  spielen, 

1  Im  Aufträge  des  Rates  war  Seeger  zweimal  bei  ihm  erschienen,  zuerst 
allein,  dann  in  Begleitung  des  Herrn  von  Barkhausen. 

1  »Wie  ein  wildes  Tier«,  heisst  es  in  Seegers  Bericht,  »lief  er  im  heftigsten 
Zorn  die  Stube  auf  und  ab.«  Das  erstemal  hatte  Seeger  aus  Furcht  vor  Neu- 
wingers  Wutausbrüchen  vor  ihm  die  Flucht  ergriffen. 

3  1.  c.  und  Memoires  S.  164. 


um  die  Gunst  der  niederen  Stände  in  Frankfurt  zu  gewinnen  und  sie 
womöglich  zur  offenen  Auflehnung  gegen  die  Obrigkeit  aufzureizen,1 
eine  willkommene  Gelegenheit,  das  Staatswesen  Frankfurts  völlig 
umzugestalten.  Sich  am  eigenen  Phrasenschwall  berauschend,  schmei¬ 
chelte  er  der  Menge  und  stellte  sich  als  ihr  natürlicher  Beschützer 
gegen  die  Reichen2  und  gegen  die  unerträgliche  Gewalt  hin,  unter 
der  sie  schmachte. 

Diese  schweren  Anklagen  gegen  sein  Regiment,  hinter  denen 
offenbar  die  Strassburger  Jakobiner  und  die  Frankfurt  feindlich  gesinnten 
Mainzer  Kiubisten3 * 5  steckten,  konnte  und  durfte  der  Rat  nicht  still¬ 
schweigend  hinnehmen,  wollte  er  sie  nicht  als  wahrheitsgemäss  er¬ 
scheinen  lassen.  Vor  allem  musste  das  Phantom  zerstört  werden,  als  ob 
sich  in  Frankfurt  eine  unüberbrückbare  Kluft  zwischen  arm  und  reich, 
einer  herrschenden  Klasse  und  einer  unterdrückten,  rechtlosen  Menge 
auftäte.  Deshalb  übergab  eine  Deputation  des  Rates,  der  sich  der 
französische  Resident  Barozzi  angeschlossen  hatte,  Custine  eine  Denk¬ 
schrift,  aus  der  er  das  wahre  Wesen  der  städtischen  Verfassung  ent¬ 
nehmen  konnte,  dass  sie  keinen  Unterschied  der  Stände  kenne,  der  Adel 
keine  besonderen  Vorrechte  geniesse,  zu  allen  öffentlichen  Lasten  bei¬ 
tragen  müsse,  wie  jeder  andere  Bürger,  daher  die  Kontribution  nicht 
auf  ihn  abgewälzt  werden  dürfe  u.  s.  w.,  u.  s.  w.  Die  Denkschrift 
erinnerte  Custine  auch  an  seine  beim  Einfall  in  Deutschland  gegebene 
Versicherung,  dass  er  gegen  die  neutral  gebliebenen  Stände  nichts 
Feindliches  vorhabe;  seine  eigenen  Truppen  könnten  ihre  Verwunde¬ 
rung  darüber  nicht  verbergen,  einen  Freistaat  gebrandschatzt  zu 
sehen,  der  zu  allen  Zeiten  mit  der  französischen  Nation  in  freund¬ 
lichstem  Vernehmen  gestanden  habe. 

Aber  Custine  konnte  nicht  mehr  zurück.  Er  hatte  am  23.  Oktober 
von  Mainz  aus  dem  Präsidenten  der  Nationalversammlung  trium¬ 
phierend  berichtet,  dass  das  republikanische  Fieer  in  Frankfurt  ein- 


1  S.  Memoires  S.  1 66. 

2  Nach  der  Proklamation  vom  24.  sollten  jetzt  diese  die  Kontribution  tragen. 

S.  auch  den  Aufruf  vom  25.  »an  die  Räte  des  Volkes«  (Nr.  XII  der  XXXIII  Akten¬ 

stücke). 

5  Über  diese  s.  Klein,  Gesell,  von  Mainz  während  der  ersten  französischen 
Okkupation  1792—1793,  S.  157 — 199.  Die  hervorragendsten  unter  ihnen  waren 
der  berühmte  Reisende  Förster,  Professor  Boehmer  von  Worms,  Sekretär  Custines 
und  Redakteur  der  Mainzer  Zeitung,  Stamm  aus  Strassburg,  Custines  Adjutant, 
Professor  Metternich  aus  Trier,  Vizepräsident  der  »Gesellschaft  der  Freunde  für 
Freiheit  und  Gleichheit«  (kurzweg  Klub  genannt),  Dorsch,  früher  Professor  der 
Theologie  in  Strassburg,  und  andere. 


gezogen  sei  und  er  der  Stadt  eine  Kontribution  von  2  Millionen 
Gulden  als  Strafe  für  die  Begünstigung  der  Emigranten  auferlegt 
habe.1  Diese  Kontribution  wieder  zu  erlassen,  das  verbot  seine  masslose 
Eitelkeit;  das  verbot  seine  Verflechtung  mit  den  Frankfurt  feindlich 
gesinnten  Jakobinern  und  den  Mainzer  Klubisten,  das  verbot  vor 
allem  die  Leere  seiner  Kriegskasse.  Deshalb  erwies  er  sich  allen 
Vorstellungen  gegenüber  unzugänglich.  Die  Abgeordneten,  die  er 
am  Nachmittag  des  25.  empfing,  fuhr  er  hart  an;  die  ihm  von 
Barozzi  eingereichte  Denkschrift  wollte  er  nicht  annehmen,  da  ihm 
die  städtische  Verfassung  sehr  gut  bekannt  sei;  er  brauche  bloss  an 
den  plutokratischen  Charakter  der  Schatzung  (Vermögenssteuer)  zu 
erinnern.2  Immerhin  hatten  die  Denkschrift  und  die  Versicherung 
der  Deputierten  ihn  soweit  überzeugt,  dass  er  die  den  bürgerlichen 
Mitgliedern  des  Rates  zugestandene  Befreiung  von  der  Kontribution 
jetzt  auch  auf  dessen  adlige  Mitglieder  ausdehnte.  Dafür  wollte  er 
den  in  der  Stadt  begüterten  adligen  sowie  fürstlichen  Häusern  eine 
ihren  Gesinnungen  gegen  Frankreich  entsprechende  Brandschatzung 
auferlegen.  Auch  rückte  er  jetzt  mit  neuen  Anklagen  hervor.  Er  be¬ 
schuldigte  die  Frankfurter  Bankiers,  durch  ihre  Finanzoperationen  das 
Bargeld  aus  Frankreich  gezogen  und  in  die  Kassen  der  französischen 
Prinzen  geliefert,3  ferner  falsche  Assignaten  in  Umlauf  gesetzt  zu  haben.4 

Alle  Entgegnungen  schnitt  er  mit  der  Bemerkung  ab:  »Ich 
werde  weder  sengen  noch  plündern,  ich  kenne  meine  Leute,  ich 
werde  meine  Geiseln  nehmen  und  werde  sie  nicht  lange  behalten.« 
Nur  gegen  Auslieferung  des  städtischen  Geschützes  samt  Munition5 
wollte  er  die  Kontribution  auf  eine  Million  Gulden  ermässigen.  So 
kehrte  die  Deputation  abermals  unverrichteter  Sache  nach  Frankfurt 
zurück. 


1  Memoires  S.  172. 

2  Nach  Seegers  Bericht  in  Nr.  21.  Die  Schatzung  betrug  V 3°/o  des  Ver¬ 
mögens.  Eine  schreiende  Ungerechtigkeit  war,  dass  die  Vermögen  von  15  000  Gulden 
und  darüber  hinaus  nur  eine  Pauschalsumme  von  50  Gulden  zu  entrichten  brauchten. 

3  Nr.  XVI  1.  c. 

4  Diese  Anschuldigung  ist  vielleicht  darauf  zurückzuführen,  dass  der  An¬ 
gestellte  eines  Frankfurter  Handelshauses  deswegen  in  Strassburg  verhaftet,  aber 
bald  darauf,  da  sich  seine  Unschuld  herausstellte,  freigesprochen  worden  war. 
S.  Nr.  XIII  der  Akt. 

5  Mit  Recht  verwundert  sich  der  Verfasser  der  Memoires,  dass  Custine,  der 
doch  sonst  vor  Gewalt  nicht  zurückschreckte,  sich  nicht  des  städtischen  Ge¬ 
schützes  bemächtigt  und  auch  später  dies  verabsäumt  habe.  Bei  seiner  Über¬ 
macht  hätte  er  ja  etwaigen  Widerstand  der  Bürger  leicht  unterdrücken  können. 


Der  Rat  gab  noch  immer  seine  Sache  nicht  verloren,  aber¬ 
mals  versuchte  er  Custine  in  einem  Schreiben 1  davon  zu  überzeugen, 
dass  die  Kontribution  durchaus  ungerechtfertigt  sei,  und  gebärdete 
sich  Neuwinger  gegenüber,  als  ob  er  einen  Erfolg  von  dem  Schreiben 
erwarte;  aber  dieser  nahm  darauf  nicht  Rücksicht  und  erzwang  am 
2 6.  Oktober  unter  Drohungen  die  Zahlung  einer  zweiten  Rate  von 
150000  livres  —  mehr  konnte  er  vom  Rat  nicht  herauspressen, 
da  dieser  jetzt  mit  Custine  selbst  über  das  Schicksal  der  Stadt  ver¬ 
handeln  wollte. 

Am  Mittag  des  27.  Oktober  hallten  die  Strassen  Frankfurts 
von  starkem  Trommelschlag  wider.  Die  Bürger  waren  daran  zu 
sehr  gewöhnt,  um  dem  anfangs  irgend  welche  Beachtung  zu 
schenken,  da  die  Franzosen  bei  allen  möglichen  Anlässen,  wie 
beim  Austeilen  der  Brot-  und  Fleischrationen,  die  Trommel  zu 
rühren  pflegten.  Diesmal  aber  wollten  sie  gar  nicht  damit  aufhören, 
und  so  verbreitete  sich  das  Gerücht  in  der  Stadt,  die  Hessen  ständen 
vor  Sachsenhausen.  Mit  dem  Rufe :  »Sacre  Dieu,  les  foutus  Aristocrates 
sont  arrives!«  eilte  jetzt  die  Garnison  zum  Alarmplatz  auf  dem  Ross¬ 
markt.  Die  einzelnen  Soldaten  boten  dabei  einen  fast  komischen 
Anblick  dar.  Der  eine  hatte  noch  die  Schüssel  mit  der  warmen 
Mittagssuppe,  von  der  er  aufgeschreckt  war,  in  der  Hand;  der 
andere  trug  seinen  Brotvorrat  an  einen  Strick  gereiht  auf  dem 
Rücken,  der  dritte  führte  ein  Säckchen  Reis  mit  sich ;  die  meisten 
hatten  Brot  und  Fleisch  auf  dem  Bajonett  aufgepflanzt.  Aber  anstatt 
der  Hessen  rückte  Custine  an  der  Spitze  einer  grösseren  Truppen - 
macht2  und  in  Begleitung  seines  »Interpreten«  Boehmer  in  die 
Stadt  ein. 

Eilig  strömte  die  Menge  zum  Römer,  wohin  Custine  seine 
Schritte  lenkte,  neugierig,  den  neuen  Josua  zu  sehen,  »vor  dem  die 
Mauern  der  deutschen  Festungen  einstürzten«.3  Sein  auffallendes 
Äussere,  der  gewaltige  Schnurrbart,  die  listigen,  stets  unruhigen  und 
überall  umherspähenden  Augen,  sowie  seine  Prophezeiungen  von  dem 
Ende  des  deutschen  Kaisertums  haben  sich  tief  dem  Gedächtnis  der 
Zeitgenossen  eingeprägt.4  Mit  berechnender  Herablassung  behandelte 


1  Ausführlich  wiedergegeben  bei  Kriegk  S.  201. 

2  Ihre  Stärke  wird  verschieden  angegeben ,  bei  Kriegk  auf  1  >00  Mann, 
Chuquet  spricht  von  un  millier  de  soldats;  dazu  kam  noch  ein  starker  Artilleriepark. 

3  Chuquet  S.  119. 

4  Kriegk  S.  203,  Memoires  110— in.  Chuquet  S.  120. 


er  die  Menge,  durch  eine  Proklamation,  die  er  jetzt  anschlagen  liess, 
hollte  er  sie  völlig  zu  gewinnen.1 

Aber  nicht  wegen  Prophezeiungen  und  Proklamationen  war  er 
nach  Frankfurt  gekommen,  er  führte  jetzt  seine  frühere  Drohung 
aus  und  liess  sieben  der  reichsten  Kaufleute  als  Geiseln  in  sein 
Quartier  bringen.2  Darauf  hielt  er  auf  dem  Rossmarkt  Abrechnung 
mit  der  Garnison  wegen  ihrer  Parteinahme,  für  die  Bürger.  Bei 
Todesstrafe  verbot  er  ihr,  sich  in  die  Politik  zu  mischen.  Zur  Busse 
verlegte  er  sic  in  die  Umgegend  der  Stadt;  ihre  bisherigen  Quartiere 
bezog  ein  Teil  der  mitgebrachten  Truppen. 

Auf  die  Kunde  von  dem  Einmarsch  Custines  in  Frankfurt 
kehrten  die  Abgesandten  des  Rates,  die  dieser  bereits  am  Morgen 
nach  Mainz  geschickt  hatte,  auf  halbem  Wege  um  und  suchten  noch 
am  selben  Tag,  allerdings  vergebens,  beim  General  vorzukommen. 

Erst  am  folgenden  Tag  war  er  für  sie  zu  sprechen,  blieb  aber 
unerbittlich,  selbst  auf  die  Verwendung  Neuwingers  hin,  der  gegen 
die  Aussicht  auf  eine  »Erkenntlichkeit« 3  den  Abschluss  eines  Über¬ 
einkommens  zwischen  der  Stadt  und  Custine  zu  befürworten  versprach, 
wonach  dieser  gegen  Zahlung  von  ioooooo  livres  die  Stadt  räumen 
und  ihr  für  die  Zukunft  Schutzbriefe  ausstellen  sollte.4 

Custine  war  weit  davon  entfernt,  auf  ein  solches  Übereinkommen 
einzugehen,  ja  er  steigerte  noch  seine  Forderungen. 

Jetzt  verlangte  er  zu  den  zwei  Millionen  Gulden  noch  die 
Herausgabe  des  24  pfundigen  Geschützes,  dazu  noch  Schuhe  und 
Tuch;  diese  Leistung  allerdings  versprach  er  zu  bezahlen.  Nur  eine 
Frist  von  4  Stunden  wollte  er  zur  Befriedigung  seiner  Forderungen 
gewähren,  sonst  drohte  er  mit  der  alsbaldigen  Abführung  der  Geiseln. 

1  Ihr  Wortlaut  beiKriegk  S.  202.  Auch  hier  spielte  er  sich  wieder  als  Beschützer 
der  Unterdrückten  auf  und  befreite  jeden,  der  weniger  als  30  000  Gulden  im  Ver¬ 
mögen  besässe,  von  der  Kontribution. 

2  Es  waren  dies  die  drei  Bankiers  Jakob  Willenter,  Bethmann-Hollweg  und 
Heinrich  Gontard,  die  Handelsleute  Jakob  Schweizer,  Elias  Ehrmann,  Anton 
Brentano  und  der  kaiserliche  Hoffaktor  und  Schutzjude  Michael  Speyer.  Willemer, 
dessen  Frau  hochschwanger  war,  wurde  am  nächsten  Tage  von  Custine  entlassen. 
(Nach  Kriegk  S.  205  deshalb,  weil  er  preussischer  Agent  war  und  die  Republik 
damals  noch  besondere  Rücksicht  auf  Preussen  nahm,  s.  auch  Chuquet  S.  120 
Anmerk.  2).  Dafür  ward  der  Handelsmann  Heinrich  Catoir  als  Geisel  genommen. 

5  Nr.  21. 

4  Die  ursprüngliche  Absicht,  durch  ein  Geschenk  von  100000  Talern  Custine 
zum  Abschluss  des  Vertrages  zu  bestimmen  —  diesen  Auftrag  hatten  die  nach 
Mainz  geschickten  Deputierten  —  liess  man  fallen.  Später  hat  der  Rat  jeden 
Bestechungsversuch  entschieden  in  Abrede  gestellt.  (Nr.  XVIII  in  XXXIII  Aktenst.) 


—  237 

So  in  die  Enge  getrieben,  versuchte  der  Rat  Custine  mit  der  schrift¬ 
lichen  Erklärung  zu  beschwichtigen,  dass  er  bereit  sei,  eine  Million 
Gulden  zu  zahlen,  aber  mit  den  Worten:  »Ich  will  keine  Noten, 
ich  will  Geld  haben«  wies  er  das  Schriftstück  zurück.  Die  festgesetzte 
Frist  von  4  Stunden  war  längst  verstrichen,  der  Abend  rückte  heran, 
ohne  dass  Custine  befriedigt  worden  wäre,  aber  die  Geiseln  wurden 
nicht  fortgeführt.  Die  Zwischenzeit  hatte  er  zur  Abfassung  eines 
militärisch-politischen  Expose  benützt,  das  wiederum  in  dem  uns 
bereits  bekannten  bramarbasierenden  Ton  abgefasst  war.1  Bemerkens¬ 
wert  war  darin  nur  der  Schlusssatz,  der  den  Rat  einlud,  mit  der 
Republik  ein  Bündnis  zu  schliessen,  »das  nichts  auf  der  Erde  trennen 
soll«.  Gegen  7  Uhr  abends  beschied  er  die  Abgesandten  zu  sich 
und  liess  ihnen  sein  Expose  als  Antwort  an  den  Rat  vorlesen.  Er 
selbst  bemerkte  hierbei,  man  werde  schon  jetzt  genügend  erprobt  haben, 
dass  man  durch  Zögern  nichts  Gutes  bewirke,  sondern  die  Sache 
nur  noch  verschlimmere;  seien  bis  8  Uhr  früh  des  nächsten  Tages 
die  2  Millionen  Gulden  nicht  völlig  bezahlt,  so  werde  er  die  Summe 
weiter  erhöhen. 

Die  Entscheidung  lag  jetzt  in  den  Händen  der  gemischten 
Kriegskommission  (auch  gemischte  Deputation  genannt),  eines 
engeren  Ausschusses,  den  der  Rat  bereits  am  25.  mit  weitumfassenden 
Vollmachten  eingesetzt  hatte,  um  die  Verhandlungen  mit  Custine 
zum  Abschluss  zu  bringen.2 * * 

Da  die  Lage  verzweifelt  schien,  und  die  kurpfälzische  Regierung, 
die  man  um  Beistand  angegangen,  den  Rat  einstweilen  keiner  Antwort 
gewürdigt  hatte,5  befürchtete  die  Deputation,  dass  längeres  Sträuben  die 
Sache  noch  verschlimmern  würde.  Sie  wies  daher  das  städtische  Rechnei- 

1  Ausführlich  wiedergegeben  bei  Kriegk  S.  206,  zum  Teil  bei  Chuquet  S.  120. 
Am  Schluss  leistet  sich  Custine  noch  die  Phrase,  dass  die  Republik  dem  stolzen 
Despoten,  der  das  deutsche  Reich  beherrsche,  die  Überzeugung  beibringen  werde, 
dass  es  sein  eigenes  Interesse  erfordere,  seine  Staaten  mit  Weisheit  zu  regieren 
und  die  so  lang  verkannten  Grundsätze  der  Vernunft  und  Philosophie  einmal  an¬ 
zunehmen.  Dies  ist  der  Kriegsplan,  den  die  französische  Republik  sich  vorgezeichnet 
hat.  25  Millionen  Menschen  müssen  umkommen  und  ihre  Städte  und  Felder  müssen 
in  Staub  und  Asche  verwandelt  werden,  ehe  dieser  Vorsatz  von  ihr  aufgegeben 
wird.« 

2  Zu  ihm  gehörten  sowohl  Mitglieder  des  Rates  als  auch  der  beiden  bürger¬ 

lichen  Kollegien,  dazu  noch  der  allgemein  geschätzte  Syndikus  Seeger. 

5  Sein  Minister  von  Oberndorf  antwortete  erst  am  9.  November  .  .  .  »Der 
Bittschrift  würde  entsprochen  worden  sein,  wenn  nicht  absonders  dazu  bewegende 

Umstände  in  gegenwärtigem  Fall  und  Zeitpunkt  ein  gegründetes  Bedenken  erregt 
hätten«. 


—  238  — 

amt  an,  die  zu  einer  Million  livres  fehlende  Summe  um  11  Uhr  abends 
an  Custine  zu  zahlen  mit  dem  Versprechen,  die  zweite  Million  so  rasch 
wie  möglich  folgen  zu  lassen,  so  dass  er  baldigst  eine  Million  Gulden  in 
Händen  hätte.1  Custine  war  damit  einverstanden  und  zog  jetzt  mildere 
Saiten  auf.  Er  bewilligte  für  die  Zahlung  der  zweiten  Million  Gulden 
einen  Ausstand  bis  zu  zehn  Monaten  unter  Abzug  der  bereits  geleisteten 
Lieferungen,  verhiess  sogar  seine  Fürsprache  beim  Konvent  um  deren 
völligen  Erlass  und  bestand  auch  nicht  mehr  auf  dem  Anschluss  der 
Stadt  an  die  Republik.  Er  hatte  endlich  eingesehen,  dass  die  sozialen 
und  politischen  Zustände  des  kleinen  Gemeinwesens  einer  revo¬ 
lutionären  Propaganda  nicht  günstig  waren.  Alle  sonstigen  Gegen¬ 
sätze  in  der  Bevölkerung  waren  jetzt  verschwunden ;  als  einheitlich 
geschlossene  Masse  fühlte  sie  sich  dem  Fremdling  gegenüber,  dessen 
pomphafte  Proklamationen  im  schreiendsten  Gegensatz  zu  seinen 
Handlungen  standen.  Sogar  die  Armen  verschmähten  die  Gelder, 
die  ihnen  Custine  hatte  zuwenden  wollen,  da  sie  Eigentum  der 
Stadt  wären,  worüber  nur  der  Rat  verfügen  dürfe.  Und  erst  gar 
die  Sachsenhäuser !  Man  hatte  ihn  wohl  versichert,  dass  ihn  die  un¬ 
verdorbene,  urwüchsige  Bevölkerung  jenseits  des  Maines  mit  offenen 
Armen  empfangen  würde.2  Aber  gerade  bei  ihnen  —  er  hatte  1 5 
Sachsenhäuser  zu  sich  beschieden  —  holte  er  sich  eine  unverhohlene, 
derbe  Absage;  die  Freiheitskokarden,  die  er  unter  sie  hatte  verteilen 
wollen,  wiesen  sie  zurück.3 

Auch  einem  unbefangenen  Beobachter  der  Ereignisse,  dem  Grafen 
Gorani,4  der  sich  in  jenen  Tagen  in  der  Stadt  auf  hielt  und,  weil  er 
ein  glühender  Anhänger  der  neuen  Ideen  war,  sich  über  deren  Ent¬ 
weihung  durch  Custine  entrüstete,  fiel  es  auf,  dass  gerade  die  ärmsten 
Klassen  Frankfurts  über  den  Einfall  der  Franzosen  am  erbittertsten 


1  Nr.  XXII  in  XXXIII  Aktenst. 

2  Der  Verfasser  der  Memoires  S.  216  spricht  von  dem  »faubourg  de  Saxeti- 
hauscn  qui  est  habite  par  une  classe  fort  grossere.« 

5  »Le  bon  sens  grossier  de  ces  gens  simples  ne  lui  plut  que  mediocrement« 
1.  c.  S.  207.  Die  Märe  von  40  Metzgern  mit  ihren  Hunden,  die  überall  Custine 
folgten,  um  ihn  zu  töten,  wenn  er  etwa  den  Befehl  zur  Plünderung  geben  sollte 
(Kriegk  S.  203  und  nach  ihm  Chuquet  S.  189),  braucht  nicht  erst  widerlegt  zu 
werden. 

-t  Geb.  1744  in  Mailand  aus  altem  italienischen  Adel,  Freund  Beccarias, 
machte  er  sich  frühzeitig  durch  seine  Schritten  gegen  den  Despotismus  bekannt,  wofür 
ihm  die  Nationalversammlung  auf  Baillys  Vorschlag  das  Bürgerrecht  erteilte.  Wegen 
seiner  republikanischen  Gesinnung  ward  er  aus  seinem  Vaterland  verbannt,  ausser¬ 
dem  mit  Einziehung  seiner  Güter  bestraft. 


239 


seien;  nirgends  erblicke  man  trotz  der  gegenteiligen  Versicherung  des 
Moniteur1  die  dreifarbige  Kokarde,  und  dem  Pflanzen  von  Freiheits¬ 
baumen  habe  sich  das  Volk  mit  allen  Kräften  widersetzt.2 

Dank  den  wiederholten  Mahnungen  des  Rates  zur  Ruhe3  und 
der  vortrefflichen  Mannszucht,  die  sich  Neuwinger  besonders  angelegen 
sein  liess,4  hören  wir  kaum  von  irgend  welchen  Ausschreitungen  auf 
beiden  Seiten ;  zwischen  den  Bürgern  und  der  Besatzung  entwickelte 
sich  nach  und  nach  ein  ganz  leidliches  Verhältnis,  das  noch  dadurch 
begünstigt  ward,  dass  ein  Teil  der  Truppen  als  Elsässer  des  Deutschen 
kundig  war.  Auch  das  städtische  Militär  vertrug  sich  gut  mit  den 
Franzosen.  Gemischte  Patrouillen,  aus  beiden  Nationen  zusammen¬ 
gesetzt,  durchzogen  nachts  die  Stadt  zur  Aufrechterhaltung  der 
Ordnung.  So  konnten  auch  Flandel  und  Wandel  trotz  der  fremden 
Besatzung  ungestört  ihren  Gang  fortgehen;5  allerdings  nahm  sich 
Neuwinger  heraus,  die  Geschäftsbücher  verschiedener  Bankhäuser  zu 
revidieren,  ob  sie  etwa  preussische  oder  österreichische  Gelder  in 
Verwahrung  genommen  hätten.  Nur  für  die  Frankfurter  Presse,  die 
ja  ohnedies  nicht  auf  Rosen  gebettet  war,  waren  jetzt  trübe  Tage 
angebrochen.  Um  allen  Schwierigkeiten  zu  entgehen,  hatten  die 
drei  Blätter  es  vorgezogen,  einstweilen  ihre  Tätigkeit  einzustellen. 
Erst  am  27.  erschienen  sie  wieder,  offenbar  auf  Custines  Befehl,  da 
ihr  Ausbleiben  unliebsames  Aufsehen  erregen  musste;  und  jetzt 
erfuhren  ihre  Leser  auch  in  einer  Notiz  von  -wenig  Zeilen,  dass 
Frankfurt  von  den  Franzosen  besetzt  sei!  Mit  der  Feststellung  dieser 
Tatsache  war  der  Fall  auch  erledigt.  Keine  Erörterung  ward  weiter 
daran  geknüpft!  Gleich  am  ersten  Tage  ihres  Wiedererscheinens 
sollten  die  Frankfurter  Zeitungen  empfinden,  dass  die  Revolutions- 


1  In  Nr.  320,  die  von  der  Zuneigung  der  guten  Einwohner  Frankfurts  für  die 
Sache  der  Revolution  spricht,  und  dass  man  in  der  Stadt  überall  die  Trikolore 
flattern  sehe. 

2  Moniteur  Nr.  328. 

5  Nr.  XI  und  XV  in  XXXIII  Akt.,  Nr.  17. 

4  S.  Kriegk  S.  195. 

5  Es  liegt  etwas  Wahres  in  der  Behauptung  des  Korrespondenten  des 
Moniteur  (Nr.  320):  Les  braves  qui  composent  le  detachement  de  Francfort 
joignent  ä  la  fierte  republicaine  toute  Famabilite  de  leur  nation.«  Über  die  be¬ 
sonders  rühmliche  Aufführung  der  französischen  Offiziere  vergl.  Briet  von  Goethes 
Mutter  an  ihren  Sohn  vom  1.  Januar  1793.  Auch  die  Frankfurter  Blatter  rühmen 
die  Mannszucht  der  Franzosen;  sie  betonen  besonders,  dass  »kein  Einwohner  in 
seinem  Privateigentum  gekränkt  worden  ist«.  Wie  sehr  sie  übrigens  für  die  Stadt 
gegen  Custine  Partei  nahmen,  zeigt  die  von  Chuquet  S.  120  mitgeteilte  Anekdote, 


240 


Helden  die  Presse  nicht  minder  oder  vielleicht  noch  ärger  zo  knebeln 
verstanden,  als  die  »verrotteten  Monarchien«.  Boehmer,  Custines 
Handlanger,  verbot  im  Aultrage  seines  Herrn  dem  Journal  und  dem 
Ristretto,  später  auch  der  Oberpostamtszeitung,  irgend  einen  politischen 
Artikel  aufzunehmen,  der  nicht  von  ihm  oder  Custine  abgefasst  sei;1 
zu  Mustern  hätten  sie  sich  die  Mainzer  Zeitungen  zu  nehmen  und 
bei  jeder  Gelegenheit  das  nunmehrige  Glück  und  Wohl  der  franzö¬ 
sischen  Nation  zu  rühmen. 

Custine  war  nicht  sparsam  mit  seinen  Einsendungen.  Schon  am 
29.  Oktober  prangte  an  der  Spitze  des  Journals  und  des  Ristretto  sein 
»Aufruf  an  die  gedrückte  Menschheit  in  Deutschland  u.  s.  w.«,  in 
dem  er  ihr  im  Namen  seiner  Nation  Verbrüderung  und  Freiheit 
anbot;  diesem  folgte  ein  wutschnaubender  Artikel  gegen  den 
Landgrafen  von  Hessen-Kassel,  den  Tyrannen  und  Tiger,  den  Fluch 
der  deutschen  Nation  u.  s.  w.,  dann  der  Aulruf  an  die  österreichischen 
und  preussischen  Truppen,  der  sie  unter  den  verlockendsten  An¬ 
erbietungen  zur  Fahnenflucht  aullorderte,  u.  s  w.  u.  s  w. 

Um  nicht  etwa  den  Verdacht  auf  kommen  zu  lassen,  dass  diese 
aufreizenden  Artikel  ein  Echo  seiner  Gesinnungen  seien,  liess  der 
Rat  durch  seine  Vertreter  in  Wien,  Regensburg  und  Wetzlar  an  zu¬ 
ständiger  Stelle  erklären,  dass  er  nicht  mehr  Herr  seiner  Presse  sei.2 


Die  gemischte  Deputation  war  inzwischen  Tag  und  Nacht 
beschäftigt,  die  zweite  Million  livres  aufzubringen.3  Den  Gedanken, 
den  Geiseln  eine  erhöhte  Beisteuer  aufzuerlegen,4  musste  sie  aufgeben, 
da  Bethmann  in  deren  Namen  erklärte,  eher  wollten  sie  sich  weg¬ 
führen  lassen,  als  diese  leisten.  Auch  verbot  Custine  ihre  höhere 
Besteuerung.5  So  musste  man  sich  an  die  »Reichen«  halten,  d.  h. 
nach  der  Interpretation  Custines  an  diejenigen,  die  mehr  als 
30000  Gulden  im  Vermögen  hatten.  Auf  diese  Weise  und  auch 

1  Nr.  17. 

2  1.  c. 

3  Das  »Verzeichnis  der  Zeichner  von  Interimsobligationen  zu  dem  Anleihen« 
u.  s.  w.  befindet  sich  Nr.  19  und  20. 

4  1.  c.  Nr.  21. 

s  Nr.  XXa  und  XXII  in  XXXIII  Akt.  Die  Darstellung  des  Rates  in  Nr.  XIX, 
wonach  die  Geiseln  erklärt  hatten,  dass  sie  sich  gerne  einen  längeren  Arrest,  auch 
selbst  die  Abführung  gefallen  lassen  wollten,  wenn  solche  der  Stadt  zum  Besten 
gereichen  könne,  entspricht  doch  nicht  ganz  der  Wahrheit. 


241 


durch  Vorschüsse,  die  die  Deputation  zum  Teil  selbst  hergab,  gelang 
es  ihr,  der  französischen  Kriegskasse  die  zweite  Million  livres  am 
31.  Oktober  abzuliefern.  Unmittelbar  darauf  wurden  die  Geiseln  in 
Freiheit  gesetzt.1 

Vergebens  hatte  die  Kommission  auf  Erlass  der  zweiten  Million 
Gulden  gehofft.  Trotzdem  Neuwinger,  Böhmer,  Barozzi,  teils  durch 
in  Aussicht  gestellte,  teils  durch  bar  ausgezahlte  Summen  gewonnen,2 
sich  eifrigst  für  die  Stadt  verwendeten  und  trotzdem  der  Rat  an  die 
»unbeschränkte  Grossmut«  Custines  appellierte,  blieb  dieser  unerbittlich. 
So  musste  sich  die  Kommission  schriftlich  verpflichten,  die  zweite 
Million  Gulden  in  6,  beziehungsweise  10  Monaten  unter  Abzug  der 
Lieferungen  zu  zahlen.  Dagegen  gewährte  er  dem  Rat  eine  andere 
Bitte.  Er  nahm  in  ’  einem  besonderen  Erlass  die  Bewohner,  das 
Eigentum  und  den  Handel  der  Stadt  in  seinen  Schutz  und  machte 
Offiziere  und  Gemeine  für  etwaige  Gewalttätigkeiten  verantwortlich.3 
Am  30.  Oktober  reiste  Custine,  zufrieden  mit  den  Ergebnissen  seines 
Beutezuges,  von  Frankfurt  ab,  zuvor  aber  hatte  er  noch  der  Juden¬ 
schaft  und  der  Thurn  und  Taxisschen  Postverwaltung  die  Zahlung 
hoher  Geldsummen  auferlegt.  Der  Rat  war  aber  nicht  gesonnen, 
diese  Vergewaltigung  ruhig'  über  sich  ergehen  zu  lassen.  Gerade  die 
militärischen  Kreise  der  Republik  verurteilten  sie  auch  scharf.  Eine 
Reihe  höherer  Offiziere  erbot  sich  aus  freien  Stücken,  für  den  Rat 
beim  Konvent  einzutreten ;  General  Wimpfen,  der  Führer  der  fran¬ 
zösischen  Truppen  am  Niederrhein,  hatte  bereits  seine  Stimme  für 
die  Stadt  beim  Konvent  erhoben  und  dabei  noch  an  die  vortreffliche 
Pflege  der  französischen  Verwundeten  in  Frankfurt  während  des  sieben¬ 
jährigen  Krieges  erinnert.  Jetzt  arbeitete  der  Graf  Gorani,  ebenfalls 
aus  eigenem  Antrieb,  eine  Denkschrift  gegen  Custine  aus.  Aber  die 
gemischte  Deputation  hielt  es  der  Würde  der  Stadt  für  angemessener, 
die  Führung  ihrer  Sache  nicht  anderen  zu  überlassen,  sondern  sie 
selbst  in  die  Hand  zu  nehmen  und  beim  Nationalkonvent  als  oberster 
Instanz  über  Custine  Beschwerde  zu  führen.  Wie  oft  hatten  nicht 
die  französischen  Volksvertreter  emphatisch  auf  der  Rednerbühne 


1  Im  Moniteur  Nr.  320  findet  sich  die  ganz  falsche  Angabe,  dass  12  Frank¬ 
furter  Geiseln  nach  Mainz  weggeführt  worden  seien,  weil  ihre  Bücher  ergeben 
hätten,  dass  sie  den  Feinden  Gelder  vorgestreckt  hätten.  Barozzi,  der  zum  Juden 
gestempelt  wird,  wird  ebenfalls  unter  den  Geiseln  aufgeführt. 

2  Barozzi  hatte  1500  Louisdors  erhalten;  Neuwinger  wurden  1000  versprochen, 
Böhmer  gab  man  für  die  Dedikation  einer  Schrift  100  Louisdors. 

3  Nr.  XXXIII  1.  c.  Der  Schutzbrief  ist  am  2.  November  ausgestellt. 

16 


2/|2 


versichert,  dass  der  Krieg,  den  das  verjüngte  Frankreich  gegen  die 
alten,  verrotteten  Monarchien  rüste,  in  einem  neuen  Geiste  geführt 
werden  müsse,  dass  die  Republik  nimmer  zu  Brandschatzungen 
greifen  würde,  dass  die  Geissei  des  Krieges  nur  die  »Tyrannen  und 
Volksunterdrücker«  treffen  sollte.  Musste  nicht  der  Nationalkonvent, 
sobald  er  einen  wahrheitsgetreuen  Bericht  über  die  Vorgänge  erhielt, 
der  Stadt  ungesäumt  Genugtuung  verschaffen,  wenn  er  nicht  seine 
eigenen  Grundsätze  verleugnen  wollte? 

So  beschloss  die  Kommission,  zunächst  zwei  Abgesandte,  den 
Syndikus  Seeger  und  den  Handelsmann  Engelbach,  nach  der  fran¬ 
zösischen  Hauptstadt  zu  senden.1  Jener  eignete  sich  zum  Unter¬ 
händler  wegen  seiner  genauen  Kenntnis  der  städtischen  Verhältnisse 
und  wegen  seines  juristischen  Scharfsinnes,  dieser  wegen  seiner 
Verbindungen  mit  zahlreichen  Pariser  Geschäftshäusern.  Von  dem 
Konvent  sollten  sie  nicht  nur  die  Rückgabe  der  bereits  gezahlten 
Million  Gulden  und  Annullierung  des  für  die  zweite  Million  aus¬ 
gestellten  Schuldscheines  verlangen,  sondern  auch  die  Zusicherung, 
dass  die  Stadt  von  Lieferungen,  Kontributionen  u.  s.  w.  in  Zukunft 
verschont  bliebe.  Eine  Denkschrift2  ward  ihnen  zur  Verteilung  an 
den  Konvent  mitgegeben,  die  unter  Beifügung  von  beglaubigten 
Aktenstücken  den  unzweideutigen  Beweis  von  der  stets  neutralen 
Haltung  der  Stadt  während  der  Zeit  von  1789  bis  1792  ergab.  Am 
4.  November  gegen  7  Uhr  Abends  verliessen  Seeger  und  Engelbach 
Frankfurt. 

Ungewiss  ihres  Erfolges  traf  die  Kommission  Anstalten,  die 
zweite  Million  Gulden  zusammenzubringen.  Dazu  mussten  jetzt 
auch  der  gesamte  Klerus  und  diejenigen  Reichsstände,  die  Be¬ 
sitzungen  in  der  Stadt  hatten,  beisteuern.3  Die  fast  an  Drohung 


1  Dass  er  Custine  um  Erlaubnis  dazu  ersucht  habe,  wie  Sorel,  L’Europe  et 
la  Revolution  frangaise  III,  109 — 110  schreibt,  lässt  sich  nicht  nachweisen.  Ungenau 
schreibt  dieser  auch,  dass  sie  nach  Paris  geschickt  worden  seien,  »afin  de  solliciter 
de  la  Convention  la  remise  du  second  million.« 

2  Sie  wurde  zuerst  in  Paris  gedruckt,  später  in  Frankfurt  von  Varrentrapp  & 
Wenner.  Ihr  Titel  lautet:  Memoire  presente  ä  la  Convention  nationale  avec  les 
pieces  justificatives  par  les  deputds  de  la  ville  libre  d’Empire  de  Francfort-sur-le- 
Mein  concernant  la  contribution  militaire  de  deux  millions  de  florins,  imposüe  ä 
la  dite  ville  au  nom  de  la  rdpublique  Frangaise.  (A  Paris  de  l’imprimerie  de  la 

Veuve  Herissaut . Nov.  1792 . ).  Beigefügt  war  der  Briefwechsel  des 

Rates  mit  Neuwinger  und  Custine  zur  Aufklärung  des  französischen  Publikums 
über  die  der  Stadt  widerfahrene  Behandlung. 

3  Nr.  22. 


243 


streifende  Andeutung,  dass  man,  falls  sie  Schwierigkeiten  machten, 
dies  Custine  berichten  und  ihn  um  Ermässigung  der  Kontribution 
angehen  müsste,  verfehlte  ihre  Wirkung  nicht.  Die  Juden  sollten 
mit  150000  Reichstalern  herangezogen  werden,  die  sie  auch  zahlen 
wollten,  in  der  Hoffnung,  dass  darin  die  ihnen  bereits  von  Custine 
auferlegte  Summe  mitenthalten  sei.1 

Der  Monat  November  verlief  im  Vergleich  mit  der  voraus¬ 
gegangenen  aufgeregten  Zeit  verhältnismässig  ruhig;  Handel  und 
Verkehr  litten  nicht  viel  unter  dem  Krieg,  da  Custine  allen  Fuhr¬ 
leuten  und  Schiffern,  die  Güter  aus  den  angrenzenden  Ländern  nach 
Frankfurt  bringen  wollten,  Schutz  für  ihre  Person  und  ihre  Waren 
feierlich  zugesagt  hatte. 2  Die  Anwesenheit  der  starken  Garnison 
brachte  den  Handelsleuten  und  den  Handwerkern  manchen  Verdienst. 
Nur  einmal,  am  5.  November,  wäre  es  fast  zu  einem  Zusammenstoss 
zwischen  Bürgerschaft  und  Besatzung  gekommen,  als  Neuwinger  auf 
Custines  Befehl  »von  seinen  Freunden«  das  schwere  Geschütz  samt 
Munition  verlangte.  Der  Rat  schlug  das  Gesuch  ab,  liess  aber  vor¬ 
sichtigerweise  durch  die  Bürgerkapitäne 3  den  Bürgern  von  Haus  zu 
Pfaus  ansagen,  sich  ruhig  zu  verhalten,  wenn  die  Franzosen  es  eigen¬ 
mächtig  wegnehmen  sollten!  Aber  die  Menge  kehrte  sich  nicht  an 
das  Gebot,  sie  strömte,  zum  Widerstand  entschlossen,  zum  Zeughaus 
zusammen.  Neuwinger  wagte  nicht,  Gewalt  anzuwenden,  er  be¬ 
ruhigte  die  Bürger,  indem  er  alles  für  ein  Missverständnis  erklärte, 
und  Custine  —  liess  die  Sache  auf  sich  beruhen. 

Die  Brandschatzung  Frankfurts  war  nur  die  Vorläuferin  anderer. 
Mangel  an  Geld  trieb  den  französischen  Feldherrn,  die  nähere  und 
fernere  Umgebung  der  Stadt,  die  nassauischen  und  hessischen  Gebiete 
heimzusucheri  und  auch  den  wetterauischen  Klöstern  Rockenburg, 
Arnsburg,  Ilbenstadt  und  Engelthal  Besuch  abzustatten.  Überall  war 
der  Weg  seiner  Truppen  durch  Brandschatzungen  und  Mitnahme 
von  Geiseln  bezeichnet,  ein  wenig  geeignetes  Mittel,  die  rechts¬ 
rheinische  Bevölkerung  für  die  Ideen  der  französischen  Revolution 
zu  entflammen.  Nirgends  stiessen  die  Franzosen  auf  Widerstand, 
da  die  preussischen  Truppen  noch  in  Koblenz  standen  und  die 
Hessen  ihre  Streitkräfte  noch  nicht  gesammelt  hatten.  Nur  die  Saline 


1  1.  c. 

2  Die  betreffenden  Bekanntmachungen  Custines  stehen  in  Seämtlichen  Frank¬ 
furter  Zeitungen  vom  26.  November. 

3  Nr.  17. 

1 6* 


—  244  - 

Nauheim,  deren  Salzvorräte  sich  die  Franzosen  aneignen  wollten, 
wurde  von  einer  kleinen  hessischen  Abteilung  gegen  eine  i4fache 
feindliche  Übermacht  verteidigt.  Die  Ffessen  ergaben  sich  dem 
Obersten  Flouchard  erst,  als  die  letzte  Patrone  verschossen  war. 
Prahlerisch  Hess  Custine  die  Gefangenen  durch  die  Strassen  Frankfurts 
führen,  um  den  Bürgern  zu  zeigen,  dass  die  so  gefürchteten  Blessen 
den  Franzosen  erlegen  wären.  Aber  er  verfehlte  damit  völlig  seinen 
Zweck.  Der  Zug  der  Flessen  gestaltete  sich  zu  einem  wahren 
Triumphzuge;  jedermann  bot  ihnen  Geld  und  Erfrischungen  an  und 
prophezeite  den  Franzosen  Schlimmes,  wenn  sie  erst  der  gesamten 
hessischen  Macht  gegenüberstehen  würden.1 

Trotz  all  dieser  üblen  Erfahrungen  hielt  Custine  mit  grosser 
Zähigkeit  noch  immer  daran  fest,  den  Frankfurtern  einen  neuen 
Geist  einzugiessen,  und  ersuchte  den  General  Beauharnais  um  Sendung 
»politischer  Apostel,  guter  Republikaner,  die  mit  Kraft  reden  und 

schreiben« . »Unser  Klub  zu  Mainz«,  heisst  es  im  Schreiben 

an  ihn,  »ist  schon  recht  glänzend,  aber  wir  brauchen  Männer  für 
Frankfurt,  ....  um  dort  die  französische  Revolution  zu  predigen«.2 3 * 
Und  damit  nicht  genug,  auch  durch  Broschüren,  Aufrufe  u.  s.  w. 
suchten  Custine  und  die  Mainzer  Klubisten  besonders  auf  die  Hand¬ 
werker  einzuwirken.  Und  was  war  der  Erfolg  all  dieser  Bemühungen? 
Ein  Sendschreiben5  der  Zünfte  der  Stadt  an  Custine,  von  sämtlichen 
Zunftmitgliedern  unterzeichnet,  in  dem  sie  ihm  auch  den  letzten 
Rest  von  Hoffnung  auf  ihre  Bekehrung  raubten.  Sie  äusserten  in 
ihm  hohe  Befriedigung  mit  ihrer  Obrigkeit,  »die  alle  Lasten  gemeinsam 
mit  ihnen  trägt«,  mit  den  Reichen  in  der  Stadt,  »die  mit  allen 
Kräften  bemüht  sind,  das  Elend  der  Armen  zu  lindern«;  sogar  mit 
den  Abgaben,  die  äusserst  gering  seien,  erklärten  sie  sich  einverstanden. 
Sie  beteuerten  Custine,  dass  sie  alle  glücklich,  alle  zufrieden  seien. 


1  »Wart  nor«,  rief  man  den  Franzosen  zu,  »wenn  die  fezze  Kerle,  die 
Hesse,  erseht  emol  beisamme  sinn,  dann  kriecht  euch  schinösiges  Lumpengesinnei 
aach  noch  alle  die  Krenk.  Die  wern  euch  noch  io  Klaftern  tief  in  den  Erdbode 
neinschmeisse ;  das  sinn  keine  Pfaffesoldate  wie  die  Meenzer.«  S.  die  Erstürmung 
von  Frankfurt  durch  die  Flessen  am  2.  Dezember  1792  S.  4.  Anm.  Kriegk  S.  214L 
Chuquet  S.  126  ff. 

1  Der  Brief  findet  sich  im  Frankfurter  Journal  vom  10.  Dezember  1792. 

3  Es  hat  die  Aufschrift:  »Die  Bürger  von  Frankfurt  an  den  fränkischen 

Bürger  und  General  Herrn  Custine.  Beigefügt  waren  die  einen  ganzen  Band 

füllenden  Unterschriften  der  einzelnen  Zunftmitglieder.  Auch  einige  französische 
Blätter,  wie  das  Supplement  ä  la  Chronique  de  Paris  vom  30.  November,  ver¬ 
öffentlichten  das  Schreiben. 


-  245  — 

und  schlossen  mit  dem  Wunsch,  »dass  die  fränkische  Nation  mit 
ihrer  neuen  Verfassung  so  glücklich  sein  möge,  als  wir  mit  der 
unsrigen  waren.  Also  erwarten  wir  von  Ihnen,  dass  sie  uns  bei 
dem  für  uns  schätzbarsten  Gut  unserer  bisherigen  Verfassung  und 
unserem  davon  abhangenden  Wohlstand  unverkürzt  lassen«.  Ebenso 
nachdrücklich  protestierte  ein  Frankfurter  Schlossermeister,  Philipp 
Auerbach,  in  einem  Sendschreiben  an  den  Vorsitzenden  des  Mainzer 
Freiheitsklubs  gegen  Custines  völkerbeglückende  Ideen.1 

Diese  offene  Absage  erbitterte  Custine  und  die  Klubisten  nicht 
wenig.  Von  jetzt  ab  war  Frankfurt  in  Acht  und  Bann  getan  und  in 
einer  Menge  von  Pamphleten  schütteten  sie  ihren  Hass  gegen  »das 
Aristokratennest«  aus,  worauf  man  in  Frankfurt  die  Antwort  nicht 
schuldig  blieb.  Aber  nicht  nur  Leute  vom  Schlage  des  eitlen  und 
prahlerischen  Stamm  und  des  unklaren  Böhmer  beteiligten  sich  an 
diesem  Pressfeldzug  gegen  Frankfurt,  sondern  auch  der  berühmte 
Förster,  der  sich  doch  sonst  von  der  Durchschnittsmasse  der  Klubisten 
vornehm  abhob.  In  seiner  »Antwort  eines  freien  Mainzers  an  den 
Frankfurter,  der  mit  dem  Franken  Custine  gesprochen  hat,«  stellt  er 
als  unumstössliche  Tatsache  hin,  dass  der  Frankfurter  Rat  falsche 
Assignaten  in  Umlauf  gesetzt  habe,  um  den  Kredit  der  Republik  zu 
untergraben  und  durch  einen  Staatsbankerott  den  Bürgerkrieg  in 
Frankreich  zu  beschleunigen.  Und  er,  der  noch  kurz  vorher  die 


1  Einen  Auszug  davon  giebt  Kriegk  S.  212.  Ein  anderes  Sendschreiben  hat 
den  Titel  :  Zuruf  eines  deutschen  Bürgers  an  den  Führer  der  Franzosen.  In  einem 
gleichzeitigen,  gereimten  »Aufruf  zur  Ruhe  an  den  General  Custine  von  einem 
jungen  Frankfurter  Bürger»  heisst  es: 

Strophe  6:  »Auf,  lasst  uns  der  Vorsicht  danken, 

Dass  der  General  der  Franken 
Uns  bisher  noch  nicht  befreit ! 

Denn  ein  solcher  Volksbefreier 
Ist  wahrhaftig  viel  zu  teuer, 

Denn  er  bringt  uns  schlechte  Zeit.« 

Strophe  10  enthält  die  Mahnung: 

»Wollt  ihr  hier  als  Freunde  wohnen, 

Müsst  ihr  nur  das  Zeughaus  schonen, 

Dann  sind  euch  die  Bürger  hold. 

Wollt  ihr  Freunde  sein  und  Brüder, 

Gebt  uns  unser  Geld  nur  wieder, 

Und  dann  gehet,  wann  ihr  wollt!« 

Dieser  »Zuruf  eines  deutschen  Bürgers  an  den  Führer  der  Franzosen«,  der 
Custine  bittere  Wahrheiten  sagte,  wurde  in  vielen  Blättern  abgedruckt. 


246 


Brandschatzung  der  Stadt  als  ungerecht  verurteilt  hatte,  er  recht¬ 
fertigte  sie  jetzt  durchaus,  denn  damit  fordere  Custine  nur  einen 
Teil  des  so  sündlich  aus  Frankreich  genommenen  Reichtums  zurück. 

Längeres  Schweigen  gegen  diese  Anklage  wäre  einem  Ein¬ 
geständnis  der  Schuld  gleichgekommen. 

Daher  gingen  die  Geschäftsleute  der  Stadt,  schon  aus  Besorgnis 
für  ihre  Handelsbeziehungen  mit  Frankreich,  den  Rat  an,  den  Ver¬ 
leumdungen  von  amtlicher  Seite  entgegenzutreten.1  Dieser  verhiess 
jetzt  durch  öffentlichen  Anschlag  vom  24.  November  eine  Belohnung 
von  200 — 1000  Reichstalern  demjenigen,  der  den  Nachweis  führen 
könne,  dass  Einwohner  Frankfurts  falsche  Assignaten  angefertigt 
oder  in  Umlauf  gebracht  hätten;  der  gleiche  Betrag  wurde  auch  von 
einer  Reihe  Frankfurter  Handelshäuser  ausgesetzt.2  Wie  zu  erwarten 
war,  meldete  sich  niemand  mit  einer  Anzeige  und  dies  machte  die 
Verleumder  etwas  kleinlaut. 


In  Frankfurt  hatte  man  sich  mit  dem  Gedanken  vertraut  ge¬ 
macht,  dass  die  Franzosen  den  ganzen  Winter  hindurch  bleiben 
würden,  denn  die  rauhe  Jahreszeit  war  bereits  angebrochen,  ohne 
dass  man  viel  von  kriegerischen  Unternehmungen  der  Preussen  und 
der  mit  ihnen  verbündeten  Hessen  vernommen  hätte. 

Seit  dem  Weggang  Neuwingers,  den  Custine  zu  den  Opera¬ 
tionen  im  Felde  verwenden  wollte,  war  in  der  zweiten  Woche  des 
November  van  Helden  Stadtkommandant  geworden.  Von  Geburt 
Holländer,  hatte  er- sich  im  Dienst  seines  Vaterlandes  den  Ruf  eines 
kenntnisreichen  Ingenieuroffiziers  erworben,  doch  scheint  er  in  den 
holländischen  Wirren  1787  den  in  ihn  gesetzten  Erwartungen  nicht 
entsprochen  zu  haben.  Er  flüchtete  nach  Frankreich  und  trat  dort 
in  das  Heer  ein.  Rasch  stieg  er  hier  von  Stufe  zu  Stufe.  1787 
noch  Kapitän,  wurde  er  im  August  1792  Oberst  und  Generaladjutant 
im  Generalstab  der  Rheinarmee,  einen  Monat  später  Generalmajor. 
Ihn  hielt  Custine  für  den  geeignetsten  Offizier  zur  Verteidigung 
Frankfurts. 3 


1  Nr.  17. 

2  Von  verschiedenen  Seiten  wurde  Förster  besonders  eingeladen,  sich  um 
die  ausgesetzte  Belohnung  zu  bewerben. 

3  Custine  .  .  .  le  trouvait  trfes  valeureux,  avec  une  grande  intelligence  pour 
la  ddfense  des  places.«  Chuquet  S.  188  Anm.  1. 


247 


Allerdings  gab  es  auch  Leute,  die  wenig  von  ihm  hielten;  sie 
schrieben  seine  rasche  Beförderung  in  erster  Reihe  seinem  ge¬ 
schmeidigen  und  skrupellosen  Charakter  zu.1  Jedenfalls  haben  sie 
ihn  hierin  mit  Unrecht  verdächtigt,  wie  sein  ganzes  Auftreten  in 
Frankfurt  zeigte.  Seine  humane,  wohlwollende  Gesinnung,  seine 
strenge  Gerechtigkeitsliebe,  vor  allem  aber  seine  Unbestechlichkeit 
—  eine  damals  seltene  Eigenschaft  —  machten  ihn  hier  bei  hoch 
und  niedrig  beliebt  und  geschätzt,  so  dass  der  Rat  auf  das  Gerücht 
hin,  dass  er  für  einen  anderen  Posten  ausersehen  sei,  Custine  dringend 
bat,  ihn  ja  in  Frankfurt  zu  lassen.2  Dass  es  ihm  freilich,  wie 
seine  Gegner  behaupteten,  an  Entschlossenheit  gebrach  und  er  in 
kritischen  Augenblicken  leicht  den  Kopf  verlor,  wird  sich  später 
zeigen. 

Endlich  in  der  letzten  Woche  des  November  1792  hatten  sich 
die  Verbündeten  über  den  Winterfeldzug  verständigt.  Als  Ziel 
schwebte  ihnen  die  Wiedereroberung  Frankfurts  und  die  Vertreibung 
der  Franzosen  bis  über  den  Rhein  vor.  Während  die  Landgrafen 
von  Hessen-Darmstadt  und  Hessen-Kassel,  die  ihre  Mitwirkung  zu¬ 
gesagt  hatten,  ihre  Streitkräfte  um  Giessen  und  Marburg  sammelten, 
waren  die  Preussen  unter  dem  Herzog  von  Braunschweig  von  Koblenz 
aufgebrochen,  dem  rechten  Lahnufer  entlang  marschiert  und  hatten 
Fühlung  mit  den  darmstädtischen  und  hessischen  Truppen  erlangt. 
Auch  Custine  hatte  Mitte  November  Verstärkungen,  ungefähr  10000 
Mann  unter  Kellermann,  an  sich  gezogen;  trotzdem  war  er  mit  seinem 
24000  Mann  starken  Heer  dem  der  Verbündeten,  das  30—34000 
Mann  zählte,  bei  weitem  nicht  gewachsen.  Als  er  am  25.  genauere 
Nachrichten  über  die  Annäherung  des  Feindes  erhielt,  zog  er  seine 
gesamte  Streitmacht  bis  auf  die  Garnisonen  von  Frankfurt  und 
Homburg  zwischen  Oberursel  und  Höchst  zusammen;3  an  letzterem 
Ort  nahm  er  sein  Hauptquartier.  Seine  Stellung  bot  ihm  manche 


1  Ausserordentlich  ungünstig  urteilt  über  ihn  sein  Zeitgenosse,  der  Verfasser 
der  Mdmoires  II.  S.  129.  Er  nennt  ihn  :  un  grand  raisonneur  plat,  intrigant, 
spricht  von  seinem  caractere  souple  et  bas  u.  s.  w.  Über  seine  militärischen 
Leistungen  urteilt  Chuquet  wenig  günstig. 

2  Im  Schreiben  an  Custine  vom  27.  November  spricht  der  Rat  von  der 
harmonie  des  rapports  qui  s’est  dtablie  entre  lui  et  nous,  von  der  bonne  conduite 
des  troupes  etc.  Nr.  17.  Die  treffliche  Mannszucht  der  Truppen  muss  sogar  der 
Verfasser  des  franzosenfeindlichen  Gedichts:  »Begebenheiten  der  Deutschen  und 
Franzosen  im  Jahre  1792«  anerkennen. 

3  S.  Berliner  Kalender  1844  S.  71,  Mümoires  S.  125,  Chuquet  S.  185. 


248 


Vorteile:  der  rechte  Flügel  lehnte  sich  an  Höchst  und  den  Main, 
der  linke  an  den  Taunus  und  Oberursel,  in  dessen  Nähe  sich  Oberst 
Houchard  mit  4000  Mann  verschanzt  hatte,  die  Ortschaften  Soden 
und  Sulzbach  mit  ihren  Verhauen  und  Schanzen  schützten  die  Front. 
Freilich  deckte  diese  Stellung  nicht  mehr  Frankfurt,  das  jetzt  auf 
sich  selbst  angewiesen  war,  ein  Fehler,  den  die  Verbündeten  wohl 
ausnutzten. 

Van  Helden  hatte  den  Befehl  erhalten,  das  nordöstlich  von 
Frankfurt  gelegene  Bergen  mit  einem  Beobachtungsposten  zu  besetzen, 
der  sich  aber  vor  der  feindlichen  Übermacht  nach  Frankfurt  zurück¬ 
ziehen  sollte.  Zugleich  verhiess  ihm  Custine  baldige  Verstärkung  an 
Mannschaft  und  Geschützen;  auch  empfahl  er  ihm,  sich  der  städti¬ 
schen  Kanonen  mit  Gewalt  bemächtigen  und  das  städtische  Militär 
zu  entwaffnen.1  Im  Fall  seiner  Niederlage  sollte  zwar  van  Helden 
scheinbar  Anstalten  treffen,  die  Stadt  zu  behaupten,  auch  gegen  den 
Widerspruch  der  Bevölkerung,2  in  der  Nacht  aber  den  Rückzug  nach 
Oppenheim  antreten.  Von  französischer  Seite  hat  man  später  diese 
von  Custine  getroffenen  Massregeln  aufs  schärfste  getadelt.  Gerade 
in  diesem  kritischen  Zeitpunkt,  wo  sein  Feldherrntalent  auf  eine 
ernste  Probe  gestellt  wurde,  habe  er  völlig  den  Kopf  verloren  und 
seine  militärische  Unfähigkeit  durch  prahlerische  Drohungen  und 
durch  zweideutiges  Spiel  zu  bemänteln  gesucht.3  Es  konnte  ihm 
unmöglich  verborgen  geblieben  sein,  dass  Frankfurt  das  erste  Angriffs¬ 
objekt  der  Verbündeten  war.  Wollte  er  es  ernstlich  halten,  dann 
bot  ihm  die  die  Stadt  beherrschende  Bergener  Höhe  eine  vorzügliche 
Verteidigungsstellung.  Oder  wollte  er  einer  Feldschlacht  ausweichen 
und  sich  nach  Mainz  zurückziehen,  ohne  jedoch  Frankfurt  preiszugeben, 
dann  musste  er  van  Helden  ausreichende  Truppen  und  genügendes 
Geschütz  zu  einer  erfolgreichen  Verteidigung  der  Stadt  zur  Verfügung 
stellen.  Doch  Custine  tat  weder  das  eine  noch  das  andere;  untätig 


1  Das  Schreiben  Custines  aus  Mainz  den  27.  November  ist  abgedruckt  in 
M£moires  S.  130— 13 1. 

2  Er  sollte  diesen  durch  Drohungen  oder  Versprechungen  niederschlagen, 
en  disant  aux  habitants  que  si  les  Prussiens  vous  attaquent,  la  nation  frangaise 
payera  les  dommages;  mais  que  si  la  ville  bouge  vous  mettrez  tout  ä  feu  et  ä 
sang;  1.  c.  S.  133. 

3  Der  Verf.  der  Memoires  bemerkt  hierbei  (S.  127)  .  .  on  peut  assurer  que 
le  genAral  en  chef  des  arm£es  de  la  rüpublique  frangaise  avait  entibremenf  perdu 
la  tete,  dans  un  moment  cependant  oü  eile  lui  £tait  trfes  necessaire.  Damit  vergl. 
Chuquet  S.  186,  Anm.  3,  der  der  Ansicht  ist,  Custine  hätte  unbedingt  die  Stadt 
Frankfurt  aufgeben  müssen. 


249 


verharrte  er  in  der  einmal  gewählten  Stellung,  den  Angriff  der  Feinde 
erwartend  und  seine  Untergebenen  durch  einander  völlig  wider¬ 
sprechende  Befehle  verwirrend. 

Der  Führer  der  verbündeten  Truppen,  der  Herzog  von  Braun¬ 
schweig,  wagte  nicht  sofort  mit  seiner  gesamten  Streitmacht  Custines 
Hauptstellung  bei  Höchst  anzugreifen,  wodurch  er  mit  einem  Schlag 
den  französischen  Heerführer  mattgesetzt  und  Frankfurt  befreit  hätte. 
Im  Geist  der  alten,  bedächtigen  Taktik  scheute  er  sich,  den  festen 
Platz  Frankfurt  hinter  seinem  Rücken  im  Besitz  der  Feinde  zu  lassen. 
Deshalb  teilte  er  sein  Heer,  um  zu  gleicher  Zeit  Frankfurt  zu  berennen 
und  Custine  über  den  Rhein  zurückzuwerfen.  Die  erste  Heeres¬ 
abteilung,  ausschliesslich  Preussen,  bei  denen  sich  auch  der  König 
befand,  war  von  Limburg  aus  über  Oberselters  gegen  Homburg  vor¬ 
gerückt,  dort  traf  sie  am  29.  ein,  fand  aber  den  Platz  von  den 
Franzosen  bereits  geräumt.1 

Die  zweite  Abteilung,  aus  den  hessischen  Truppen  und  dem 
preussischen  Korps  des  Generals  Kalkreuth  bestehend,  war  am 
26.  November  von  Gießen  aufgebrochen  und  erreichte  über  Butzbach 
und  Friedberg  am  28.  Bergen.  Der  Ort  ward  sofort  angegriffen  und 
nach  kurzem  Widerstand,  wobei  der  preussische  Leutnant  Starkloff 
fiel,  genommen  und  besetzt.  Ein  Teil  der  Franzosen,  die  sich  im  Rat¬ 
haus  postiert  hatten,  fiel  in  Gefangenschaft,  der  Rest  floh  nach  Frank¬ 
furt.  Auch  eine  französische  Reiterpatrouille  an  der  FriedbergerWarte 
wurde  teils  niedergesäbelt,  teils  bis  zu  den  Wällen  Frankfurts  verfolgt.2 

Noch  am  Nachmittag  des  28.  November  schickte  Kalkreuth  den 
Oberstleutnant  Pellet  mit  einem  Trompeter  in  die  Stadt,  um 
van  Helden  zur  Übergabe  aufzufordern,  wofür  ihm  und  der  Garnison 
der  Besitz  ihrer  Effekten  zugesichert  ward.  Wie  zu  erwarten,  wies 
der  Kommandant  diese  Zumutung  zurück  unter  Hinweis  darauf,  dass 
Custine  in  seiner  Nähe  sei.3 


1  Über  den  Marsch  der  Verbündeten  s.  Oberpostamtsztg.  vom  17.  Dezember 
und  Journal  vom  18.  Dezember. 

2  Memoires  S.  1 39.  Ausführlicheres  über  die  Erstürmung  Bergens  im  »Krieg 
mit  Frankreich«,  Hauptjournal  vom  Hess.  Corps  d’armdes  1792,  1793,  Tom  I,  fol.  257 
vom  25.  November,  im  Marburger  Archiv,  und  Journal  vom  ersten  Feldzug  des 
hochlöbl.  leichten  Infanterie-Bataillons  1792  (ebenfalls  im  Marburger  Archiv), 
S.  14 — 15.  Hier  wird  die  Zahl  der  Gefangenen  auf  2  Offiziere  und  62  Mann  an¬ 
gegeben,  dort  auf  70. 

3  Das  Folgende  unter  Benützung  der  offiziellen  Darstellung:  Authentische 
Nachricht  vom  Übergang  der  Reichsstadt  Frankfurt  aus  französischen  Händen  an 
die  deutschen  .  .  .  Kriegsvölker. 


250 


Die  unerwartete  Ankunft  der  Verbündeten,  deren  einzelne 
Truppengattungen  von  den  Wällen  aus  deutlich  zu  unterscheiden 
waren,  versetzte  Frankfurt  in  hohe  Aufregung.  Mochte  die  Aufführung 
der  Besatzung  und  ihres  Kommandanten  noch  so  musterhaft  sein, 
sie  waren  doch  Fremde  und  Feinde,  und  draussen  standen  die,  mit 
denen  man  durch  die  Bande  gemeinsamer  Sprache  und  Abkunft, 
gemeinsamen  Fühlens  und  Denkens  verbunden  war.  Besonders  die 
niedrigen  Stände  und  die  Schuljugend1  und  auffallenderweise  auch 
die  Juden2 3  gaben  sich  ihren  Empfindungen  rückhaltlos  hin,  jubelnd 
umringten  sie  den  preussischen  Stabsoffizier  und  geleiteten  ihn,  indem 
sie  fortwährend  riefen:  »Es  lebe  der  König  von  Preussen!  Nieder 
die  Franzosen!«  bis  zur  Behausung  des  Stadtkommandanten. 

Die  doch  nur  dem  Kriegsgebrauch  entsprechende  Aufforderung 
des  preussischen  Generals  zur  Übergabe  bezeichnete  Custine  als  eine 
»Unverschämtheit,  auf  die  man  nur  mit  Ironie  antworten  könne«.5 
Nie  dürfe,  schrieb  er  van  Heiden,  ein  Republikaner  mit  Sklaven,  mit 
Handlangern  der  Despoten  kapitulieren,  er  habe  nur  zwischen  Sieg 
oder  Tod  zu  wählen.  Wenn  Frankfurt  sich  rühre,  solle  er  die  Stadt 
in  Brand  stecken  und  das  städtische  Militär  entwaffnen.4  Dem  General 
Kalkreuth  aber  schrieb  er  gleichfalls  von  Höchst  in  hochtrabendem 
Tone,  er  würde  ihm  in  Person  die  Antwort  des  französischen  Stadt¬ 
kommandanten  überbringen. 

Die  Verbündeten  mussten  somit  annehmen,  dass  Custine  zum 
Angriff  übergehen  würde,5  aber  den  prahlerischen  Worten  folgten 
keine  Taten;  ruhig  Hess  er  die  Vereinigung  der  beiden  preussischen 
Heeresabteilungen  geschehen :  die  preussischen  Truppen,  die  bisher 
bei  den  Hessen  gestanden  hatten,  stiessen  am  29.  zum  Hauptkorps 
unweit  Homburgs.  Die  Hessen  selbst  blieben  bei  Bergen  und  Bornheim. 


1  Das  Konsistorium  wies  daher  die  Schulmeister  an,  die  Schuljugend  vor 
dergleichen  »gefährlichem  und  unanständigem«  Schreien  zu  bewahren. 

2  »Auch  jüdische  Knaben  und  Knechte  hatten  sich  beim  Einreiten  des 
preussischen  Trompeters  an  den  Toren  befunden  und  durch  ihr  unsittliches  Be¬ 
tragen  (!)  manchem  guten  Bürger  Anlass  zu  Ärgernis  gegeben«,  schreibt  Steitz. 
Übertreibend  schreibt  van  Helden  (M£m.  1.  c.):  »les  Juifs  .  .  .  ont  fait  £clater  tant 
de  joie  que  si  leur  Messie  etait  arrivd  ä  Francfort,  ces  Israelites  n’auraient  pu  en 
montrer  davantage.«  S.  auch  Chuquet  S.  190. 

3  Memoires  S.  137  in  seinem  Schreiben  an  van  Helden. 

4  »Ils  rampent  devant  la  force,  eh  bien,  il  faut  en  montrer  pour  faire  ramper 
les  capitalistes  ä  Francfort«  1.  c. 

5  Journal  vom  ersten  Feldzug  1.  c. 


251 


Ihr  Vortrab  war  jetzt  bis  an  die  Wälle  der  Festung  herangekommen.1 
Custine  hatte  nichts  unternommen,  sie  daran  zu  hindern,  sein  heraus¬ 
fordernder  Hochmut  hatte  auf  einmal  grosser  Verzagtheit  Platz 
gemacht;  er  erwog  bereits  den  Gedanken  einer  Niederlage  oder 
wenigstens  der  Preisgabe  Frankfurts  und  des  Rückzuges  nach  Mainz.2 
Wie  aber  beides  gegenüber  dem  Nationalkonvent  beschönigen,  in 
dessen  Augen  jede  Niederlage  ein  Verbrechen  war,  das  seine  Sühne 
auf  dem  Schafott  finden  musste?  Custine  zeigte  sich  jetzt  in  seiner 
ganzen  Skrupellosigkeit  und  Verlogenheit.  Wie  aus  eigenem  An¬ 
trieb,  nur  um  einen  Beweis  seiner  persönlichen  Freundschaft  zu 
geben,  aber  offenbar  mit  Wissen  und  auf  Veranlassung  des  Vaters, 
erschien  am  28.  November  Custines  Sohn  bei  van  Helden  und 
schilderte  ihm  stark  übertreibend  die  Gefahren,  von  denen  er  bedroht 
sei;  als  einzige  Rettung  empfahl  er  ihm  die  Räumung  Frankfurts. 
Als  jedoch  der  junge  Custine  auf  Befragen  erklärte,  dies  sei  nur 
seine  persönliche  Ansicht,  aber  weder  ein  Befehl  noch  ein  Rat  seines 
Vaters,  wagte  van  Helden  nicht,  im  Widerspruch  mit  dessen 
früherer  Weisung  Frankfurt  aufzugeben.  So  entging  er  der  ihm 
arglistig  gestellten  Falle;  Custine  hatte  offenbar  ihn  als  Sündenbock 
für  die  Räumung  Frankfurts  und  den  dadurch  bedingten  Rückzug 
nach  Mainz  benutzen  wollen.3 

Van  Helden  war  also,  auf  die  verheissene  Unterstützung  Custines 
bauend,  entschlossen,  Frankfurt  zu  halten.  Aber  es  fehlte  ihm  an 
Artillerie,  und  der  Rat  verweigerte  ihm  sowohl  seine  Geschütze  als 
auch  die  Schlüssel  zum  Zeughaus,-  aus  dem  er  die  Munition  entnehmen 
wollte,  und  blieb  dabei,  auch  als  van  Helden  in  Begleitung  mehrerer 
Offiziere  im  Römer  erschien,  um  seiner  Forderung  mehr  Nachdruck  zu 
geben.4  Mit  Schrecken  nahm  der  Rat  wahr,  dass  van  Helden  es  auf  eine 
Beschiessung  der  Stadt  wolle  ankommen  lassen.  Den  Vorstellungen 

1  Journal  1.  c. 

2  S.  sein  Schreiben  vom  29.  November  an  den  Kriegsminister  in  Memoire 
des  deput£s  de  Francfort  etc.  ä  la  Convention  nationale  au  sujet  de  la  reprise  de 
la  ville  S.  5  und  Mdmoires  S.  146. 

3  S.  Mdmoires  S.  140  ff.  Einen  anderen  Zweck  konnte  der  Besuch  des  jungen 
Custine  nicht  haben;  denn  treffend  bemerkt  der  Verfasser  der  Mem.  S.  141 :  »II 
est  peu  ordinaire  qu’on  aille  faire  des  visites  d’amitie  encore  moins  de  politesse  ä 
travers  les  coups  de  fusil.«  Man  berücksichtige  auch  Custines  Verhalten  gegen 
die  Stadt  in  dieser  Zeit,  das  ebenfalls  kein  günstiges  Licht  auf  die  »principes  de 
moralit£  du  g£n£ral  Custine«  wirft. 

4  S.  Authentische  Nachricht  S.  2  und  Metzlers  Bericht  über  die  Vorgänge 
in  Frankfurt  am  28.  November,  Nr.  29  =  Anlagen  zum  Protokoll  der  Geh.  Kriegs¬ 
deputation  1792—1796  Nr.  120a,  120b,  120c. 


2J2 


gegenüber,  dass  die  Stadt  in  keinem  verteidigungsfähigen  Zustande 
sei  und  bei  einer  Beschiessung  das  Schlimmste  zu  erwarten  habe,  wies 
er  auf  den  gemessenen  Befehl  Custines  hin.  Die  Versicherung,  dass 
die  französische  Nation  allen  daraus  entstehenden  Schaden  ersetzen 
würde,  klang  zu  unwahrscheinlich,  um  ernst  genommen  zu  werden. 

Da  beschloss  der  Rat,  auf  eigene  Faust  zu  handeln.  Er  schickte 
zwei  Deputierte  zu  Kalkreuth,  um  ihm  das  Schicksal  der  Stadt  ans 
Herz  zu  legen.  Nachts  um  n  Uhr  wurden  sie  von  diesem  in  Bergen 
empfangen;  er  versicherte,  dass  er  vor  der  Hand  nichts  gegen  die 
französische  Besatzung  unternehmen,  ihr  sogar,  was  er  am  Nach¬ 
mittag  nicht  zugestanden  hatte,  gern  freien  Abzug  mit  gesamter 
Habe  bewilligen  wolle,  um  die  Stadt  nicht  den  Schrecken  einer 
Erstürmung  auszusetzen.  Doch  müsse  van  Helden  den  folgenden 
Mittag  —  also  den  29.  November  —  die  Stadt  räumen,  da  bis  dahin 
die  Hauptarmee  unter  dem  König  selbst  eintreffen  werde  und  das 
Weitere  nicht  mehr  von  ihm  abhänge.1  Kalkreuth  hatte  sogar  in 
der  Erwartung,  dass  van  Helden  auf  sein  Anerbieten  eingehen  würde, 
die  bis  nach  Frankfurt  vorgeschobenen  Vorposten  wieder  eingezogen, 
um  den  Abzug  der  französischen  Garnison  zu  erleichtern.  Morgens 
2  Uhr  überbrachten  die  Deputierten  diesen  Bescheid  dem  Stadtkom¬ 
mandanten,  der  merkwürdigerweise  sich  über  den  eigenmächtigen 
Schritt  des  Rates  nicht  ungehalten  zeigte,  im  übrigen  aber  von  seinen 
Entschliessungen  nichts  verlauten  liess. 

Dies  Schweigen  deutete  der  Rat  in  günstigem  Sinne;  er  rechnete 
schon  so  sicher  auf  den  friedlichen  Abzug  der  Franzosen,  dass  er 
jetzt  Deputierte  ernannte,  die  den  preussisch  -  hessischen  Truppen 
entgegengehen  und  ihren  Führer  ersuchen  sollten,  die  Stadt  mit 
aller  Einquartierung  zu  verschonen. 

In  der  Bevölkerung  hatte  inzwischen  die  Erregung  immer  mehr 
zugenommen  und  stürmische  Auftritte  waren  zu  befürchten.  In  der 
Stadt  befanden  sich  viele  fremde  Handwerksgesellen,  ihrer  Herkunft 
nach  überwiegend  Preussen,  Hessen,  Braunschweiger,  die  vor  den 
Toren  ihre  Landsleute  wussten  und  voller  Ungeduld  deren  Einmarsch 
entgegensahen.2 


1  Auth.  Nachr.  S.  3. 

3  Ein  hessischer  Offizier  schreibt  von  Bergen  am  30.  November:  »Die  Bürger 
wünschen  sämtlich  nichts  mehr,  als  dass  wir  vor  den  Toren  erscheinen,  um  uns 
zum  Einmarsch  behilflich  zu  sein,  und  ich  hoffe,  dass  wir  durch  die  seit  einigen 
Stunden  mit  den  Bürgern  angefangene  Unterredung  vielleicht  morgen  in  den  Besitz 
der  Stadt  kommen«.  Krieg  mit  Frankreich,  Teil  II,  S.  1445  —  1457. 


253 


Bereits  kam  es  in  den  Wirtshäusern  zwischen  der  Bevölkerung 
und  der  Garnison  zu  heftigem  Wortwechsel,  ja  vereinzelt  sogar  zu 
Tätlichkeiten.  Wie  leicht  konnten  daraus  die  schlimmsten  Folgen 
für  die  Stadt  entstehen!  Auch  van  Helden  war  die  Erregung  der 
niederen  Klassen  nicht  entgangen;  er  ersuchte  den  Rat,  dafür  zu 
sorgen,  dass  die  Bürgerschaft  sich  ruhiger  verhalte,  da  er  bereits  am 
28.  November  von  »dem  gemeinen  Volk  (populace)  die  grössten  und 
unleidlichsten  Zudringlichkeiten  und  Begegnungen  habe  erfahren 
müssen«. 1 

Daraufhin  gingen  verschiedene  Ratsmitglieder  mit  den  Bürger¬ 
kapitänen  in  die  einzelnen  Quartiere  und  in  die  Wirtshäuser,  warnten 
vor  »ebenso  unzeitigen  als  gefährlichen  Freudensbezeugungen«  und 
empfahlen  den  Bürgern  »jenen  Anstand  und  jene  Stille,  die  sie  zu 
ihrer  Ehre  stets  bisher  bei  allen  Anlässen  bewahrt  hätten«.2 * 

Mit  den  Juden  machte  man  kurzen  Prozess.  Weil  sie  bei  dem 
Erscheinen  des  preussischen  Parlamentärs  mit  in  das  allgemeine 
Vivatschreien  eingestimmt  hatten,  sperrte  man  sie  in  der  Judengasse 
ein  und  besetzte  die  Tore  durch  Mannschaften  der  städtischen 
Garnison.  Erst  als  die  jüdischen  jungen  Burschen  sich  über  diese 
Einsperrung  »zu  ungebärdig  zeigten«,  nahm  man  die  Wache  wieder 
zurück.’ 

Die  Nacht  des  28.  verlief  ruhig.  Gemischte  Patrouillen,  aus 
französischem  und  städtischem  Militär  bestehend,  durchzogen  die 
Stadt,  um  jeder  Unordnung  zu  steuern,  während  die  französische 
Garnison  auf  den  Wällen  kampierte.  Im  Ernstfall  war  sie  auf  sich 
allein  angewiesen.  Denn  die  Truppen  der  Stadt  in  Stärke  von  10 
Infanteriekompanien4  und  1  Artilleriekompanie,  zusammen  800  Mann 
und  46  Offiziere,  hatten  die  strenge  Weisung,  neutral  zu  bleiben 
und  sich  beim  Anrücken  der  Verbündeten  von  den  Wällen  und  Toren 
sofort  zurückzuziehen. 

Der  29.  November  brachte  zwar  nicht  die  Entscheidung,  dafür 
aber  Aufregung  und  kriegerischen  Tumult  innerhalb  der  Mauern. 


1  Am  30.  November  schreibt  er  an  Custine  (Memoires  S.  51):  »II  n’est  pas 
bien  difficile  d’apercevoir  qu’ils  (sc.  les  bourgeois)  sont  tres  agit£s  d’inquietudes«  etc. 

1  Ratssitzung  vom  28.  und  29.  November. 

5  Ratssitzung  vom  30.  November.  Doch  sollten  sie  sich  beim  Ein-  und 
Ausmarsch  fremder  Truppen  nicht  versammeln,  sich  alles  Schreiens  und  öffentlicher 
Äusserungen  und  aller  ungebührlichen  Neugier  enthalten. 

4  Nämlich  3  Stabs-  und  7  Feldkompanien;  nur  diese  letzteren  waren  mili¬ 
tärisch  einigermassen  brauchbar. 


254 


Van  Helden  unternahm  den  Versuch,  sich  mit  Gewalt  des  städtischen 
Geschützes  zu  bemächtigen,  und  beauftragte  damit  eine  Truppen¬ 
abteilung  unter  Führung  zweier  Offiziere.  Bereits  hatten  diese  die 
verschlossenen  Tore  des  im  Rahmhof  befindlichen  Zeughauses  auf¬ 
gesprengt,  da  warf  sich  die  von  allen  Seiten  zusammenströmende 
Volksmenge,  darunter  viele  Metzger  mit  Äxten  und  Sachsenhäuser 
mit  Schusswaffen,  auf  sie,  so  dass  die  völlig  eingeschüchterten 
Franzosen  von  ihrem  Vorhaben  abstanden.  Ein  von  der  Hauptwache 
eiligst  geschicktes  Kommando  des  städtischen  Militärs  kam  den  Be¬ 
drohten  zur  rechten  Zeit  zu  Flilfe,  und  der  allgemein  beliebte  Ratsherr 
Olenschlager  suchte  die  Aufgeregten  zu  beruhigen.  Da  goss  die 
Ankunft  des  Generaladjutanten  van  Heldens  frisches  Öl  in  das  schon 
erlöschende  Feuer.  Seine  Versicherung,1  man  wolle  nur  das  im 
Rahmhof  aufbewahrte  Fleisch  abholen,  begegnete  allgemeinem  Hohn, 
von  allen  Seiten  erhoben  sich  Stöcke  und  Fäuste.  Nur  mit  Mühe 
entzog  ihn  Olenschlager  der  Menge  und  brachte  ihn  auf  der  Haupt¬ 
wache  in  Sicherheit.  Jetzt  stürzten  sich  erregte  Haufen  auf  die  Zeil 
zur  Wohnung  des  Stadtkommandanten,  wohin  sich  inzwischen  Ab¬ 
gesandte  des  Rates  verfügt  hatten.  Auf  die  drohenden  Volksmassen 
vom  Fenster  aus  zeigend  erklärten  sie,  dass  sie  bei  einer  gewaltsamen 
Wegnahme  des  Geschützes  ausser  stände  seien,  die  Ruhe  in  der  Stadt 
aufrecht  zu  erhalten.  Van  Helden  liess  sich  einschüchtern  und  die 
Truppenabteilung  zog  vom  Zeughaus  zurück.  Mit  diesem  Erfolg 
zufrieden,  zerstreute  sich  allmählich  die  Menge;  sie  hatte  das  Gefühl 
ihrer  Macht  erlangt  und  wusste,  dass  sie  jetzt  die  Lage  beherrschte. 

Da  erscholl  der  Ruf:  »Custine  in  Frankfurt!«  Und  in  der  Tat, 
um  4  Uhr  Nachmittags  betrat  er  in  Begleitung  vieler  Offiziere  den 
Römer,  sich  nur  mit  Mühe  den  Weg  durch  die  ihm  folgenden  Scharen 
bahnend,2 3  die  ihm  voller  Aufregung  das  Geleite  gaben.  Offenbar 
war  er  auf  die  Kunde  von  den  Vorfällen  des  Vormittags  nach  Frank¬ 
furt  geeilt,  um  die  Menge  zu  züchtigen  und  das  städtische  Geschütz 
an  sich  zu  reissen.  Wer  beschreibt  aber  die  Überraschung  der  beiden 
Bürgermeister,  als  Custine  mit  keinem  Worte  des  Auflaufes  gedachte, 
von  dem  ihm  doch  van  Helden  genauen  Bericht  erstattet  hatte,5 


1  Für  das  Folgende  s.  Memoires  S.  142  und  den  Bericht  Olenschlagers  und 
Moors  in  Nr.  21. 

2  Authentische  Nachricht  S.  4.  Memoires  S.  144  und  Nr.  29  =  Anlage 
zum  Protokoll  der  Geh.  Kriegsdeput.  1792—1796,  Nr.  117a. 

3  Memoires  S.  152. 


255 


sondern  als  einzigen  Zweck  seines  Kommens  angab,  dem  Rat  anzu¬ 
zeigen,  dass  er  zur  Behauptung  seiner  Stellung  eine  Schlacht  mit  den 
Verbündeten  wagen  müsse!  Dem  fügte  er  die  feierliche  Versicherung 
bei,  dass  Frankfurt,  wie  immer  auch  das  Schlachtenglück  ausfallen 
werde,  vor  aller  Gefahr  gesichert  bleibe,  denn  »kein  Schuss  wird  auf 
die  Stadt  geschehen«,  die  Garnison  solle  im  Fall  seiner  Niederlage  in 
aller  Stille  abziehen.  Im  übrigen  hatte  er  für  den  Rat  und  den  Bürger¬ 
meister  nur  Worte  vollster  Anerkennung  wegen  der  zur  Aufrecht¬ 
erhaltung  der  Ordnung  getroffenen  Massregeln;  er  versprach,  ihrer 
besonders  rühmend  beim  Nationalkonvent  zu  gedenken,  den  er  bereits 
um  Nachlass  der  Kontribution  angegangen  habe. 

Als  er  von  Frankfurt  schied  und  noch  die  Munitionswagen  mit 
sich  nahm,  da  war  auf  einmal  die  Stimmung  zu  Gunsten  Custines 
umgeschlagen.  Besonders  die  Volksmassen  fühlten  sich  nicht  wenig 
geschmeichelt,  dass  er  stets  respektvoll,  entblössten  Hauptes  durch 
ihre  Mitte  schritt. 

Der  Rat  hatte  nichts  Eiligeres  zu  tun,  als  die  feierliche  Zusage 
Custines  durch  den  Druck  allgemein  bekannt  zu  machen.  Für  ihn 
war  kein  Zweifel  mehr,  dass  die  französischen  Truppen  die  Stadt 
ohne  Kampf  räumen  würden.  Er  besorgte  nur,  dass  die  niederen 
Klassen  sich  zu  Gewalttätigkeiten  gegen  die  Abziehenden  hinreissen 
lassen  könnten.  Sicher  würde  dann  der  Konvent  Repressalien  an  den 
Frankfurter  Abgesandten  in  Paris  üben  oder  sie  wenigstens  zur  Siche¬ 
rung  der  noch  zu  zahlenden  Kontribution  als  Geiseln  festhalten. 1  Wie 
hätte  er  ahnen  können,  dass  Custine  doppelzüngig  genug  war,  den 
ängstlich  um  Verhaltungsmassregeln  bittenden  van  Helden  auf  seinen 
früheren  Befehl  zu  verweisen!  Was  dieser  als  gerade  denkender 
Soldat  nur  als  eine  Aufforderung,  die  Stadt  zu  halten,  auffassen 
konnte.  Darin  liess  er  sich  jetzt  nicht  weiter  beirren,  auch  als  ihm 
Custines  Generaladjutant  aus  Mainz  —  wohlverstanden  nur  privatim  — 
riet,  aus  Frankfurt  abzuziehen,  wobei  Custine  seinen  Rückzug  decken 
würde. 

Sobald  dieser  erkannt  hatte,  dass  van  Helden  allen  seinen 
Fallstricken  entging,  gebärdete  er  sich  nunmehr,  als  habe  ihn  nie 
der  geringste  Zweifel,  ob  er  die  Stadt  halten  solle,  beschlichen,  und 
schickte  am  30.  November  zwei  Munitionskasten  nach  Frankfurt  mit 


1  Deshalb  wurde  in  Sachsenhausen  ein  Reisewagen  Tag  und  Nacht  bereit 
gehalten,  damit  ein  Kurier  im  gegebenen  Fall  schleunigst  nach  Paris  gesandt 
werden  könnte,  um  den  Vertretern  anheimzustellen,  ihre  Rückreise  sogleich  anzutreten. 


256 


dem  Bemerken,  dass  van  Helden  sonst  nichts  mehr  brauche.  Fast 
wie  Hohn  klang  die  Warnung  in  dem  sehr  lakonisch  abgefassten 
Schreiben,  einen  Geschützkampf  nicht  herauszufordern. 

Für  alle  Gegenvorstellungen,  wie  berechtigt  sie  auch  waren, 
war  er  taub  oder  begegnete  ihnen  mit  Ironie  und  Beleidigungen. 
Weist  van  Helden  in  dem  sehr  erregten  Schriftwechsel  an  Gustine 
auf  die  gärenden  Volksmassen  hin,  so  empfiehlt  er  ihm,  mit  Feuer 
und  Schwert  gegen  die  Stadt  vorzugehen;  bemerkt  darauf  van  Helden, 
dass  er  unmöglich  bei  seiner  geringen  Truppenzahl  zugleich  mit  den 
Bürgern  und  den  äusseren  Feinden  kämpfen  könne,  so  wirft  ihm 
Custine  geradezu  Feigheit  vor.  Meldet  er  ihm  am  i.  Dezember  die 
Ankunft  starker  feindlicher  Kavallerie,  so  wird  ihm  der  höhnische 
Bescheid,  Kavallerie  könne  weder  Gräben  noch  Mauern  übersteigen, 
als  ob  nicht,  wie  van  Helden  richtig  bemerkte,  der  Feind  manchmal 
Kavallerie  vorschickte,  um  seine  Absichten  zu  maskieren.  »Mit  Ruhe 
und  Kaltblütigkeit«,  meinte  Custine,  würde  van  Helden  aller  Schwierig¬ 
keiten  Meister  werden.  Aber  ausser  diesem  wohlfeilen  Rat  sandte  er 
ihm  doch  eine  Verstärkung,  nämlich  50  reitende  Jäger,  dazu  das  Ver¬ 
sprechen,  dass  seine  bei  Rödelheim  postierten  4  Bataillone  den  Preussen 
und  Hessen,  falls  sie  Frankfurt  angriffen,  in  den  Rücken  fallen  würden. 

Mit  trüben  Ahnungen  sah  van  Helden  den  nächsten  Tagen 
entgegen.  Er  hatte  seine  Lage  keinesfalls  zu  schwarz  geschildert.  — 
In  erster  Reihe  war  der  Zustand  der  Befestigungswerke  ganz  veraltet. 
Frankfurt  liegt  ja  in  der  Ebene  und  wird  im  Norden,  Nordosten  und 
Süden  von  Höhen  beherrscht,  die  die  Stadt  bei  dem  gänzlichen 
Mangel  an  Aussenwerken  dem  Feuer  der  feindlichen  Artillerie  schutzlos 
Preisgaben.  Der  Hauptwall  mit  seinen  15  Bastionen  stammte  noch 
aus  dem  siebzehnten  Jahrhundert  und  war  nicht  nach  den  An¬ 
forderungen  der  fortgeschrittenen  Befestigungskunst  umgestaltet 
worden;  er  war  noch  durch  einen  Niederwall  (fausse-braie)  gedeckt. 
Die  Brustwehr  erreichte  nur  die  Höhe  von  2V2 — 3  Fuss  oder  fehlte 
ganz.  Ein  schlechtes  Mauerwerk  zu  beiden  Seiten  (escarpe  und 
contreescarpe)  stützte  den  Wall,  den  man  bei  der  geringen  Höhe 
von  4—5  Fuss  ganz  bequem,  ohne  Zuhilfenahme  von  Leitern,  ersteigen 
konnte.  Alle  Werke  trugen  sichtlich  den  Stempel  des  Verfalls  an 
sich,  da  man  sie  seit  geraumer  Zeit  nicht  hatte  ausbessern  lassen.  Ein 
Teil  davon  war  den  verflossenen  Sommer  sogar  abgetragen  worden.1 


1  Berliner  Kalender  S.  94  Anmerk.,  nach  van  Heldens  Prise  de  Francfort 
S.  53,  Chuquet  S.  188. 


257 


Der  breite  Hauptgraben  vor  dem  Wall  hatte  durchschnittlich  eine 
geringe  Tiefe  und  war  leicht  zu  durchwaten;  stellenweise  war 
er  sogar  ganz  trocken,  denn  vom  Main  aus  erhielt  er  kein  Wasser, 
da  seine  Sohle  höher  lag  als  der  Strom,  er  bekam  nur  Zuflüsse  von 
dem  Gelände  im  Norden  her,  die  aber  im  Sommer  sehr  spärlich 
flössen.  Die  vor  ihm  liegende  Feldbrustwehr  (Rondenweg)  bot 
keine  Stütze  für  die  Verteidigung;  ebenso  wenig  schützten  die  spitz 
zulaufenden  Werke  (ouvrages  en  forme  de  fleche)  die  Tore  vor 
der  Wirkung  der  Artillerie,  da  sie  nicht  hoch  genug  angelegt  waren. 
Sah  man  von  der  Flussseite  ab,  auf  der  die  Stadt  ganz  ungedeckt 
war,  so  zählte  sie  nicht  weniger  als  sieben  Haupttore,  die  mit  ihren 
unzulänglichen  Ausfallspforten  (poternes)  die  Verteidigung  eher  er¬ 
schwerten,  während  die  davor  befindlichen  kleinen  Brücken  .  dem 
Feinde  das  Überschreiten  des  Grabens  und  das  Ersteigen  der 
Böschungen  erleichterten.  Unmittelbar  an  die  Festungswerke,  ja  bis 
zur  Feldbrustwehr  stiessen  Weingelände,  Hecken,  Land-  und  Garten¬ 
häuser.  Hier  konnte  sich  der  Feind,  ohne  bemerkt  zu  werden,  fest¬ 
setzen  und  mit  seinem  Feuer  den  ganzen  Wall  bestreichen. 

Was  sonst  an  Verteidigungsmitteln  zur  Verfügung  stand,  musste 
van  Heldens  Hoffnungen  noch  mehr  herabstimmen.  Im  ganzen  zwei 
Geschütze  mit  je  dreissig  Patronen  —  damit  liess  sich  nicht  lange 
kämpfen.  Die  Garnison  zählte  annähernd  1800  Mann  Infanterie,  teils 
Linientruppen,1  teils  Nationalgarde,2  zwar  voll  guten  Willens,  aber 
erst  vor  kurzem  ausgehoben  und  ohne  alle  Kriegserfahrung,  die  auch 
den  meisten  ihrer  Offiziere  abging.  An  Reiterei  standen  van  Helden 
nur  die  50  Custineschen  Jäger  zur  Verfügung.  Er  hatte,  wie  bereits 
erwähnt,  in  unbegreiflicher  Fahrlässigkeit  auf  Bitten  des  Rates  die  beim 
Nahen  der  Flessen  eingeführte  Torsperre  wieder  aufgehoben.3  Da  der 

1  Nämlich  1  Bataillon,  das  82.  (ci-devant  Saintonge)  mit  den  beiden  Geschützen. 

2  3  Bataillone,  das  7.  (des  Vosges),  das  5.  (du  bas  Rhin),  das  10.  (de  la 
haute  Saöne). 

3  Was  ihm  von  französischer  Seite  mit  Recht  vorgeworfen  wird  (M6m.  165). 
Andere  Vorwürfe,  z.  B.  dass  er  nicht  die  angesehensten  Ratsmitglieder  als  Geiseln 
für  die  Sicherheit  der  Garnison  habe  festnehmen  lassen,  richten  sich  von  selbst. 
Schon  der  Versuch  gegen  das  Zeughaus  hatte  klar  gezeigt,  dass  die  Menge  jeder 
Gewaltmassregel  mit  Gewalt  begegnen  würde.  Die  Strassenauftritte  in  Brüssel 
im  Dezember  1789  und  in  Nancy  1790,  in  denen  die  erregten  Massen  in  blutigem 
Kampf  den  Sieg  über  die  regulären  Truppen  erfochten  hatten  —  van  Helden  war 
selbst  Zeuge  dieser  Kämpfe  gewesen  —  hatten  einen  tiefen  und  nachhaltigen  Eindruck 
in  ihm  zurückgelassen  (Memoires  S.  153,  Chuquet  S.  190).  Zugleich  draussen 
vom  Feinde  und  innen  von  der  Menge  bedroht,  glaubte  er  nur  durch  Nachgiebig¬ 
keit  gegen  sie  sich  halten  zu  können. 


17 


258 


30.  November  ein  Feiertag  (Frankfurter  Buss-  und  Bettag)  war, 
strömten  die  feiernden  Handwerksburschen  haufenweise  zu  den  feind¬ 
lichen  Truppen,  ihren  Landsleuten,  hinaus,  nach  der  Friedberger 
Warte,  nach  Bornheim  und  Bergen.  Hier  wurden  sie  wohl  aufge¬ 
stachelt,  nicht  nur  müssige  Zuschauer  zu  bleiben,  wenn  es  zum  Angriff 
kommen  sollte;  schon  vernahm  man  von  ihnen  Äusserungen,  dass, 
wenn  die  Franken  Widerstand  leisteten,  sie  selbst  dem  Feinde  die 
Tore  öffnen  würden,  um  die  Stadt  vor  der  Beschiessung  zu  bewahren. 


Die  Zeit  bis  zum  2.  Dezember  verstrich  ohne  erheblichen  Zwi¬ 
schenfall.  Zwar  hatten  am  1.  Dezember  Custines  Truppen  vor  Tages¬ 
anbruch  die  Nidda  überschritten  und  sich  bei  Bonames  in  zwei  Treffen 
aufgestellt,  waren  dann  aber  über  Preungesheim  nach  Höchst  zurück¬ 
marschiert.* 1  Die  Verbündeten  erwarteten  jetzt,  dass  die  Franzosen 
sich  noch  weiter  zurückziehen  würden,  und  wollten  ihnen  dazu  ge¬ 
nügend  Zeit  lassen,  um  die  Stadt  keiner  Gefahr  auszusetzen.2  Als 
aber  Custine  dazu  keine  Anstalten  traf  und  auch  in  seiner  Stellung 
bei  Höchst  verharrte,  beschlossen  sie  ihrerseits  zum  Angriff  überzu¬ 
gehen.  Der  Anstoss  dazu  ging  vom  preussischen  Oberstleutnant  Rüchel 
aus,  der  sich  in  diesem  Feldzug  als  einen  der  unternehmungslustigsten 
Offiziere  des  preussischen  Heeres  zeigte.  Er  arbeitete  auch  den  Plan 
zum  Angriff  auf  Frankfurt  aus,  der  nach  manchen  Einwendungen  des 
Herzogs  von  Braunschweig  angenommen  wurde. }  Danach  sollte  die 
ganze  preussische  Heeresmacht,  verstärkt  durch  die  hessische  Brigade 
Cochenhausen,  die  Gegend  von  Rödelheim  und  Höchst,  woher  Custine 
hervorbrechen  konnte,  beobachten  und  zugleich  den  Angriff  auf  Frank¬ 
furt  unterstützen,  während  Hohenlohe  die  Aufgabe  zufiel,  Houchard 
bei  Oberursel  anzugreifen  und  ihn  von  Custine  abzuschneiden.  Die 
Darmstädter  standen  zur  Reserve  bei  Vilbel. 


1  S.  Krieg  mit  Frankreich,  Hauptjournal  etc. 

1  Memoires  S.  162. 

5  Berliner  Kalender  S.  97/98.  Auch  Luchesini  schreibt  am  2.  Dezember  an 
Schulenburg  und  Alvensleben  von  Frankfurt  aus:  »Ruchei  qui  a  mene  toute 
Fexpedition  sur  Francfort  contre  l’avis  et  le  gre  du  duc  de  Brunsvik  etc.  in  Akta 
des  Kgl.  Geh.  Staatsarchivs  betreff,  die  Einnahme  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  Rep.  N. 
Frankreich  (Luchesini).  Chuquet  (S.  192)  rühmt  ebenfalls  an  Rüchel  den  Geist  der 
Initiative  und  schreibt  von  ihm  sogar:  »Jeune  encore,  atnbitieux,  plein  d’une 
flamme  qu’il  communiquait  ä  son  entourage  il  aurait  peut-etre  change  le  sort  de 
la  guerre  s’il  avait  eu  le  commandement.« 


259 


Der  Sturm  auf  die  Stadt  wurde  auf  die  Frühe  des  2.  Dezember 
festgesetzt  und  sollte  in  4  Kolonnen  zu  Wasser  und  zu  Lande  er¬ 
folgen.  Die  erste  Kolonne  (2  Bataillone  Kospoth  und  Hanau  und 
das  darmstädtische  Chevauxlegersregiment  Döring)  sollte  bei  Offen¬ 
bach  den  Main  überschreiten,  die  Infanterie  auf  Fähren,  die  Kavallerie 
unter  Benutzung  der  Furt,1  und  sich  um  7  Uhr  früh  in  Sachsen¬ 
hausen  festsetzen;  man  hatte  erfahren,  dass  die  Wasserpforten  offen 
und  unbesetzt  waren. 

Auch  die  zweite  Kolonne  (ebenfalls  ein  Bataillon  Kospoth) 
sollte  von  der  Wasserseite  angreifen.  Sie  hatte  auf  verdeckten 
Schiffen  mainabwärts  zu  fahren,  am  Metzgertor  zu  landen  und  von 
da  sich  gegen  das  Allerheiligentor  zu  wenden,  um  dem  Feind  in  den 
Rücken  zu  fallen.2 

Die  Hauptaufgabe  fiel  den  beiden  anderen  Kolonnen  zu.  Die 
dritte  unter  dem  Generalmajor  Hanstein  (erstes  und  zweites  Bataillon 
Leibregiment,  zweites  Bataillon  Leibgarde,  Grenadierbataillon  Esch- 
wege,  leichtes  Infanteriebataillon  Lenz)  sollte  um  6  Uhr  früh  zwischen 
Bornheim  und  Seckbach  zum  Abmarsch  bereit  stehen  und  gegen  das 
Allerheiligentor  rücken.  Zur  selben  Zeit  sollte  auch  die  vierte  Kolonne 
(erstes  und  zweites  Bataillon  Gardegrenadiere,  erstes  Bataillon  Leib¬ 
garde,  Grenadierbataillon  Prinz  von  Hessen-Philippsthal,  eine  Abteilung 
Jäger  und  Gardes  du  Corps  unter  den  Generälen  Biesenrot  und  Wurmb) 
an  der  Friedberger  Warte  sich  in  Bewegung  setzen,  um  das  Friedberger 
(Neue)  Tor  anzugreifen.  Beiden  Kolonnen  ward  Kavallerie  unter 
dem  General  Dalwigk  und  dem  Obristen  Schreiber  sowie  auch 
Artillerie  beigegeben.  Im  ganzen  mochten  die  hessischen  Sturm¬ 
abteilungen,  die  durch  darmstädtische  und  preussische  Reiterei  verstärkt 
waren,  6000  Mann  betragen.  Den  Oberbefehl  führte  Oberstleutnant 
Rüchel.  Sein  Angriffsplan  war  folgender:  5 »Zunächst  sind  die  etwa 
in  den  Vorgärten  aufgestellten  feindlichen  Posten  zu  werfen;  flüchten 
sie  auf  den  Zugbrücken  in  die  Stadt,  so  versuchen  die  Verfolger, 
mit  ihnen  zugleich  einzudringen.  Bleiben  aber  die  Tore  verschlossen, 
so  wird  die  Artillerie  vorgezogen,  um  sie  einzuschiessen.  Die  Jäger 
und  die  leichte  Infanterie  postieren  sich  hinter  die  Gärten  in  die 
Nachbarschaft  beider  Tore,  um  die  Franzosen  durch  lebhaftes  Feuern 
in  genügender  Entfernung  zu  halten.  Inzwischen  legen  die  Zimmer- 


1  »Wobei  sie  sich  in  acht  nimmt,  dass  sie  nicht  ersäuft.« 

2  Krieg  mit  Frankreich,  Hauptjournal  S.  263,  und  Ditfurth.  Die  Erstürmung 
Frankfurts  u.  s.  w.  S.  11. 

17* 


26o 


leute  Bohlen  über  die  Streckbalken  der  Zugbrücke,  um  der  Infanterie 
das  Überschreiten  des  Grabens  zu  ermöglichen.  Die  Kavallerie  hat 
die  aus  der  Stadt  Fliehenden  zu  verfolgen  und  ihnen  den  Rückzug 
abzuschneiden.  Niemand  soll  ohne  Befehl  aus  Reih  und  Glied  treten  ; 
jeder  Exzess  wird  bei  Todesstrafe  verboten.« 

Noch  vor  Tagesanbruch  hatten  die  dritte  und  vierte  Kolonne  J 
die  ihnen  angewiesenen  Stellungen  eingenommen  und  harrten  der 
Ankunft  der  preussischen  Hauptarmee.  Endlich  um  7  Uhr,  eine  Stunde 
nach  der  festgesetzten  Zeit,  erschien  diese  bei  der  Friedberger  Warte. 
Trotz  dieser  Verzögerung  waren  die  Aussichten  auf  eine  Überrumpe¬ 
lung  des  Feindes  noch  immer  günstig.  Ein  dichter  Nebel  hatte 
seinen  verhüllenden  Schleier  zwischen  Festung  und  Angreifern  aus¬ 
gebreitet;  unter  seinem  Schutze  hätte  man  völlig  unbemerkt  in  die 
Stadt  eindringen  können,  da  der  Feind  in  sträflicher  Nachlässigkeit 
weder  Posten  ausserhalb  der  Wälle  aufgestellt,  noch  die  Zugbrücken 
aufgezogen  hatte.  Aber  man  Hess  die  kostbare  Zeit  unbenützt  ver¬ 
streichen,  um  die  Ankunft  des  Königs  abzuwarten,  der  erst  um  8  Uhr 
eintraf,  und  auch  da  führten  die  Bedenken  des  Herzogs  von  Braun¬ 
schweig  einen  weiteren  Aufschub  herbei.  Noch  im  letzten  Augen¬ 
blick  schreckte  er  vor  dem  Angriff  zurück  und  Hess  die  bereits  in 
Marsch  befindlichen  Truppen  wieder  halt  machen.  Erst  die 
entschiedenen  Gegenvorstellungen  Rüchels  bestimmten  Friedrich 
Wilhelm  II.,  den  Weitermarsch  zu  befehlen.1  Aber  inzwischen  war 
es  fast  neun  Uhr  geworden;  die  höher  gestiegene  Sonne  hatte  den 
Nebelvorhang  zerrissen  und  zeigte  den  Franzosen  auf  den  Wällen 
den  heranrückenden  Feind.  Der  Vortrab  war  kaum  eine  viertel  Stunde 
von  den  Wällen  entfernt,  da  verbreitete  sich  der  Ruf:  Die  Tore  sind 
offen!  »Die  ganze  Kolonne  fing  also  zu  laufen  an«,  schreibt  der  Ver¬ 
fasser  des  Hauptjournals,  »und  ungeachtet  hierbei  einige  blessiert 
und  getötet  in  der  Strasse  fielen,  so  geschah  es  doch  in  der  grössten 
Ordnung.«  Fast  wäre  es  der  Spitze  —  2  Offizieren  und  25  Garde¬ 
reitern  —  geglückt,  über  die  herabgelassene  Zugbrücke  und  das 
geöffnete  Tor,  aus  dem  soeben  ein  Wagen  gefahren  war,  in  die 
Festung  einzudringen,  da  —  es  war  kein  Augenblick  mehr  zu  ver¬ 
lieren  —  wurden  die  Franzosen  auf  die  Gefahr  aufmerksam,  zogen 
die  Zugbrücke  auf,  schlossen  das  Tor  und  feuerten  auf  die  Reiter 
und  die  im  Laufschritt  ihnen  folgenden  Jäger.  Da  die  Hessen  weder 

1  Berliner  Kalender  S.  106,  Ditfurth  S.  12.  Chuquet  S.  193,  der  die  Scene 
zwischen  Rüchel  und  dem  Herzog  sehr  dramatisch  schildert. 


26 1 


Leitern  noch  Faschinen  bei  sich  hatten,  verbargen  sie  sich  hinter 
Gartenhäusern  und  Hecken,  von  dort  aus  das  Feuer  lebhaft  erwidernd.1 
Der  Weg  war  somit  für  die  nachrückenden  Abteilungen  frei,  die 
man  noch  immer  im  Wahn  gelassen  hatte,  dass  das  Friedberger  Tor 
offen  sei. 

Das  Grenadierbataillon  von  Hessen-Philippsthal  kam  zuerst  dort 
an  und  erkannte  zu  spät  den  Irrtum.  Unbegreiflicherweise  blieb  der 
Prinz  von  Hessen-Philippsthal  mit  seinem  Bataillon,  anstatt  in  dem 
vorzüglich  dazu  geeigneten  Gelände  Deckung  zu  suchen,  auf  der 
Chaussee  vor  dem  äusseren  Graben  stehen  und  zwang  dadurch  auch 
das  ihm  unmittelbar  folgende  i.  Bataillon  Gardegrenadiere,  auf  der 
Chaussee  Halt  zu  machen.  So  standen  nun  die  braven  Truppen  eng 
gedrängt,  von  den  Mauern  und  Gebäuden  auf  beiden  Seiten  des 
Weges  eingeschlossen,  fast  wehrlos  dem  Feind  gegenüber,  der  hinter 
der  Brustwehr,  den  Kugeln  fast  unerreichbar,  seine  Geschosse  in  die 
dichten  Massen  herabsandte.2  Erst  als  nach  halbstündigem  Feuern  der 
Prinz  verwundet,  eine  Reihe  Offiziere  und  Soldaten  gefallen  und  die 
Munition  verschossen  war,  brach  das  Grenadierbataillon  durch  die 
Einfriedigungen  der  Landstrasse  durch,  um  sich  dem  feindlichen 
Feuer  zu  entziehen,  während  die  Gardegrenadiere  zurückgezogen 
wurden,3  um  dem  jetzt  herbeigeholten  Geschütz  Platz  zu  machen. 
Als  das  Bataillon  des  Generalleutnants  von  Benning  hierbei  in  Un¬ 
ordnung  geriet,  schrie  dieser  ihm  zu,  dass  er  dem  ersten,  der  nur 
einen  Schritt  wiche,  den  Degen  durch  den  Leib  rennen  würde.  Diese 
Drohung  wirkte.  Inzwischen  begann  zum  Glück  für  die  Hessen  den 
Franzosen  die  Munition  auszugehen,  und  so  kam  das  Gefecht  auf 
kurze  Zeit  zum  Stehen. 

Endlich  eröffnete  die  preussische  und  hessische  Artillerie  das 
Feuer  gegen  das  Friedberger  Tor  und  die  Zugbrücke,  aber  die  Ge- 


1  Journal  vom  ersten  Feldzug  des  hochlöbl.  leichten  Infant.-Bataill.  1792  und 
des  hochlöbl.  Feld-Jägerkorps  von  1792  S.  17. 

Das  Folgende  hauptsächlich  nach  »Krieg  mit  Frankreich,  Hauptjournal  2.  De¬ 
zember  und  Authentischen  Nachricht  etc.  S.  5  ff.,  Ditfurth  S.  13  ff. 

2  Memoires  S.  164:  Les  Fran^ais  qui  daient  postes  sur  les  remparts  tirerent 
sur  dies  comme  ä  la  sible  (cible)  et  sans  nuls  dangers  etant  couverts  eux-memes 
du  feu  qu’on  pouvait  leur  opposer  par  les  parapets  ....  und  Journal  des  Feld- 
jäg.  1.  c. :  »Der  Feind  Hess  beim  Schiessen  nichts  als  die  Hüte  sehen  und  selbst  im 
Augenblick  des  Abdrückens  kam  zuletzt  nicht  mehr  der  Kopf,  sondern  das  Gewehr 
zum  Vorschein,  welches  aber  dennoch,  da  es  in  der  Richtung  der  Kolonnen  ab¬ 
gedrückt  wurde,  grossen  Schaden  tat.« 

3  Kriegk  S.  223. 


—  262  — 

schütze  waren  so  ungeschickt  aufgestellt,  dass  die  Bedienungsmann¬ 
schaft  den  feindlichen  Kugeln  ein  leicht  erreichbares  Ziel  war  und 
immer  wieder  ersetzt  werden  musste.  Nur  die  in  die  Stadt  fallenden 
Geschosse  richteten  an  einigen  Stellen,  im  Fronhof,  im  Dominikaner¬ 
kloster  und  in  der  Judengasse,  etlichen  Schaden  an. 

Auch  die  dritte  Kolonne  hatte  bis  jetzt  keinen  Erfolg  aufzuweisen. 
Als  sie  das  Allerheiligentor  verschlossen  und  die  Wälle  besetzt  fand, 
suchte  sie  alsbald,  ungleich  der  vierten  Kolonne,  Schutz  hinter  einer 
Gartenmauer,  und  so  gesichert  wartete  sie  unter  geringem  Verlust  die 
Ankunft  einer  hessischen  Batterie  ab. 

Die  beiden  ersten  Kolonnen,  die  den  Angriff  zu  Wasser  machen 
sollten,  waren  auch  noch  nicht  zur  Stelle,  da  die  Kähne  bei  dem 
niedrigen  Wasserstande  mehrmals  auffuhren,1  sie  trafen  erst  gegen 
11  Uhr  Vormittags  ein.  So  nahm  der  Angriff  wider  Erwarten  nicht 
den  erhofften  Fortgang.  Die  Stürmenden  hatten  kein  Fussbreit  Boden 
gewonnen,  und  jetzt  gab  van  Helden  den  Befehl,  je  eins  seiner  beiden 
Geschütze  an  das  Friedberger  und  an  das  Allerheiligen  Tor  zu  bringen. 

In  diesem  kritischen  Augenblick  ward  den  Belagerern  von  der 
Stadt  aus  Hilfe  geboten,  die  das  Schicksal  des  Tages  in  erster  Linie 
entscheiden  half.  Wenden  wir  uns  nun  zu  den  Vorgängen,  die  sich 
seit  Beginn  des  Angriffs  innerhalb  der  Mauern  abgespielt  hatten. 

Kaum  hatte  der  Rat  von  der  Annäherung  der  Hessen  gehört, 
als  er  zur  Sitzung  zusammentrat.  Da  ihm  die  Erregung  der  unteren 
Volksklassen  wohl  bekannt  war,  liess  er  die  Einwohner  durch  die 
Bürgerkapitäne,  durch  die  Achtundzwanziger  und  durch  Ratsmit¬ 
glieder  dringend  zur  Ruhe  ermahnen  und  warnte  sie  auch  davor,  die 
Häuser  zu  verlassen,2  eine  Warnung,  die  für  viele  zu  spät  kam;  denn 
ein  grosser  Teil  der  Bevölkerung  war  bereits  in  den  Kirchen  —  es 
war  der  erste  Adventssonntag  —  zum  Gottesdienst  versammelt. 

Das  plötzliche,  nicht  enden  wollende  Salvenfeuer  und  der  Donner 
der  Geschütze  machte  der  Andacht  ein  Ende;  ängstlich  stürzte  alles 
aus  den  Kirchen  und  eilte  inmitten  des  Flagels  der  auf  die  Dächer 
niederprasselnden  Geschosse  in  die  Behausungen,  dort  Türen  und 
Läden  schliessend  und  Feuereimer  und  alles  zum  Löschen  Erforderliche 
in  Bereitschaft  haltend.  Alsbald  sah  man  auf  den  Strassen  keinen 


1  Andere  geben  als  Grund  für  die  Verspätung  an,  dass  das  Regiment  Kospoth 
den  als  Signal  verabredeten  Schuss  nicht  gehört  hatte. 

2  S.  Bericht  des  Ratsmitgliedes  Rothhan  in  Nr.  21  und  Bericht  der  Acht¬ 
undzwanziger  1.  c. 


—  2(33  — 

einheimischen  Bürger  mehr,  dafür  waren  sie  jetzt  von  zahlreichen 
Handwerksburschen  belebt,  die  sonst  am  Sonntag  müssig  in  den 
Herbergen  zu  liegen  pflegten  und  nun  in  grösseren  und  kleineren 
Trupps  besonders  über  die  Zeil  zogen.  Dort  befand  sich  im  Roten 
Haus  Heldens  Hauptquartier,  dort  standen  als  Reserve  ein  Bataillon 
Freiwillige  und  2  Kompanien  Linientruppen  mit  den  beiden  Vier¬ 
pfündern,  während  200  Mann  Sachsenhausen,  80  Mann  die  Brücke  mit 
dem  Brückenturm,  der  Rest  der  Mannschaft  die  Wälle  besetzt  hatte. 

Einstweilen  verhielten  sich  die  Handwerker  noch  ruhig,  bald 
aber  wurden  sie  dreister  und  dreister  und  mischten  sich  in  den  Kampf 
ein.  Sie  entrissen  den  vom  Wall  in  die  Stadt  zurücklaufenden 
Franzosen,  die  keinen  Widerstand  leisteten,  die  Gewehre,  um  zu 
verhindern,  wie  sie  sagten,  dass  sie  der  Stadt  Schaden  zufügten; 
anderseits  verwehrten  sie  ihnen  den  Zutritt  zu  den  Wällen,  so  dass 
die  dort  befindliche  Mannschaft,  die  sich  bereits  verschossen  hatte, 
ohne  Patronen  blieb.  Hingegen  stiegen  sie  selbst  auf  die  Wälle, 
schlugen  einzelne  Soldaten  zu  Boden  oder  entwaffneten  sie.1  Den 
Oberstleutnant  Du  Rossel  hielten  sie  gewaltsam  dort  zurück,  damit 
er  "nicht  Verstärkungen  hole.  Je  heftiger  die  Kanonade  der  Ver¬ 
bündeten  wurde,  um  so  mehr  stieg  die  Erbitterung  über  den  Wort¬ 
bruch  der  Franzosen,  die  ungeachtet  aller  feierlichen  Versicherungen 
das  Verderben  der  Stadt  herbeiführen  wollten.  Flutartig  schwoll 
die  Menge  um  den  Römischen  Kaiser  an,  wo  sich  van  Helden  befand; 
laute  Verwünschungen  drangen  zu  seinem  Ohr.  Und  als  nun  gar 
ein  Kommando  Franzosen  in  ungefährer  Stärke  von  hundert  Mann 
die  Kanonen  von  der  Zeil  an  die  Tore  bringen  wollte,  erschollen 
Rufe:  »Wir  wollen  nicht  die  Stadt,  in  der  wir  arbeiten  und  unser 
Brot  haben,  zu  Grunde  schiessen  lassen!«  Und  die  Handwerksburschen 
warfen  sich  auf  die  Pferde  vor  den  Geschützen,  durchschnitten  die 
Zugstränge,  schlugen  die  Räder  von  den  Lafetten  ab  und  schleiften 
die  Kanonenrohre  von  der  Elefantengasse  bis  zur  Peterskirche,  wo 
sie  liegen  blieben.  Eine  in  unmittelbarer  Nähe  befindliche  starke 
französische  Truppenabteilung  wagte  nicht,  der  Menge  zu  wehren.2 
Van  Helden  wollte  zwar  der  von  den  Volkshaufen  eingeschlossenen 
Geschützmannschaft  Nationalgardisten  und  Linientruppen  zur  Hilfe 
schicken,  aber  diese  kamen  gar  nicht  einmal  an  Ort  und  Stelle.  Die 
auf  der  Zeil  niederfallenden  Geschosse  jagten  ihnen  einen  derartigen 


1  Nach  van  Heldens  Bericht  vom  2.  Dezember  in  Nr.  21. 

2  Bericht  der  Achtundzwanziger  in  Nr.  21. 


264 


Schrecken  ein,  dass  sie  schleunigst  wieder  Kehrt  machten  und  durch 
das  Bockenheimer  Tor  einem  so  gefährlichen  Ort  entflohen.  Die 
hier  und  auf  dem  angrenzenden  Wall  aufgestellten  Posten  sowie 
zahlreiche  Nationalgardisten  folgten  ihrem  Beispiel.  Vergebens  ver¬ 
suchte  van  Helden  den  tumultuarischen  Auftritten  am  Friedberger  Tor 
durch  persönliches  Eingreifen  ein  Ende  zu  machen ;  zweimal  wollte 
er  sich  zum  Friedberger  Tor  begeben,  zweimal  führte  man  ihn  ge¬ 
waltsam  zurück,  wobei  ihn  schon  einzelne  Kugeln  streiften.1  Um 
seine  Truppen  zu  entmutigen,  sprengte  man  überall  aus:  »Van  Helden 
ist  gefallen,  der  Feind  ist  in  der  Stadt!«2 

Im  Roten  Haus  erwarteten  ihn  bereits  der  Ältere  Bürgermeister 
und  Dr.  Schweizer  und  machten  ihm  dringende  Vorstellungen  über 
sein  Verhalten,  das  im  direktesten  Widerspruch  mit  Custines  Ver¬ 
sicherungen  stände,  und  forderten  die  Einstellung  der  Verteidigung. 
So  im  Innern  bedrängt,  den  Feind  vor  den  Toren,  ohne  Aussicht  auf 
Entsatz,  denn  der  auf  den  Katharinenturm  geschickte  Fourier  hatte  nur 
feindliche  Truppen  bei  Höchst  gesehen,  gab  van  Helden  den  Gedanken 
an  weiteren  Widerstand  auf  und  entschloss  sich  zu  kapitulieren.  Unter 
dem  Vorwand,  ihn  vor  jeder  Gewalttätigkeit  zu  schützen,  in  Wirklich¬ 
keit  aber,  um  alle  seine  Schritte  zu  überwachen,  wichen  von  jetzt  ab 
die  Abgesandten  der  Stadt  nicht  mehr  von  der  Seite  van  Heldens. 

Die  beiden  Trompeter,  ein  französischer  und  ein  städtischer, 
die  van  Helden  an  die  Tore  schickte,  um  dem  Feind  seine  Absicht 
kund  zu  tun,  kamen  nicht  dazu,  ihren  Auftrag  auszuführen.  Der 
wachhabende  Offizier  am  Allerheiligentor  liess  den  städtischen  Trom¬ 
peter  Rauch,  der  weder  Uniform  trug,  noch  eine  Ordonnanz  bei  sich 
hatte,  auch  keinen  schriftlichen  Befehl  vorzeigen  konnte,  nicht  hinaus 
und  bedrohte  ihn  sogar  mit  der  Pistole,  als  er  unter  dem  Tor¬ 
gewölbe  zu  blasen  begann.  Da  mischten  sich  die  durch  den  heftigen 
Wortwechsel  herbeigelockten  Handwerksgesellen  in  den  Streit;  sie 
entrissen  dem  Offizier  die  Pistole,  entwaffneten  die  sehr  schwache 
Wache,  wobei  einige  Bürger,  die  sich  ihrer  annehmen  wollten,  miss¬ 
handelt  wurden,  erbrachen  den  Eingang  zu  den  Torgewölben,  und 
ein  Zimmergeselle  schlug  den  Kloben,  um  den  die  Kette  der  Brücke 
geschlungen  war,  heraus,  so  dass  diese  niederfiel.3  Zwar  begab  sich 

1  Nach  van  Heldens  Bericht  1.  c. 

2  Chuquet  S.  197. 

3  Über  die  Ereignisse  am  Allerheiligentor  s.  den  schriftlichen  Bericht  des 
Stadttrompeters  Rauch,  den  wir  unserer  Darstellung  zu  Grunde  gelegt  haben, 
Repert.  1.  c  und  Authent.  Nachricht.  S.  7,  M£moires  S.  168—169.  Die  Darstellung 


265 


jetzt  der  Trompeter  auf  die  Zugbrücke,  aber  weder  die  Franzosen 
noch  die  Hessen  beachteten  sein  Blasen.  Diese  ergossen  sich  viel¬ 
mehr  über  die  Zugbrücke  in  die  Stadt  und  rissen  den  Trompeter 
mit  sich. 

Ähnliche  Auftritte  spielten  sich  am  Friedberger  Tore  ab.  Noch 
bevor  der  französische  Trompeter,  dem  van  Helden  einen  Offizier 
beigegeben  hatte,  dort  ankam,  hatte  die  aus  20  Mann  bestehende 
Torwache  ihren  Posten  verlassen  und  war  auf  der  Flucht  von  Hand¬ 
werksburschen  entwaffnet  und  zerstreut  worden,  worauf  diese  die 
Tore  öffneten  und  mit  schweren  Schmiedehämmern  die  Ketten  der 
grossen  Zugbrücke  entzweischlugen,  die  nun  donnernd  niederfiel. 
Hierauf  riefen  sie  den  im  Bethmannschen  Gartenhaus  postierten 
hessischen  Grenadieren  unter  Schwenken  der  Hüte  und  Kappen  zu, 
in  die  Stadt  zu  kommen. 

Während  dieser  tumultuarischen  Vorgänge  war  der  französische 
Trompeter  auf  den  Wall  unweit  des  Tores  gelangt  und  fing  zu  blasen 
an.  Aber  nur  die  in  seiner  Nähe  befindlichen  französischen  Soldaten 
stellten  das  Feuern  ein,1  die  andern,  die  das  Signal  wegen  des  Geschütz¬ 
donners  nicht  vernehmen  konnten,  fuhren  damit  fort,  bis  der  Ruf 
unter  den  Hessen  erscholl:  «Das  Tor  ist  auf,  vorwärts!«  »So  war 
auch  die  ganze  Kolonne  pele  mele  in  vollem  Lauf  nach  demselben«, 
der  Generalleutnant  Benning  an  der  Spitze.«  Die  am  Wege  liegenden 
Toten  und  Verwundeten  steigerten  die  Wut  der  Hessen  dermassen, 
dass  sie  schworen,  keinen  Pardon  zu  geben.  Mit  dem  Rufe:  »Tod 
dem  Kustinus!«  drangen  sie  in  die  Stadt.  Sie  hatten  noch  nicht 
50  Schritte  zurückgelegt,  als  ein  französischer  Offizier  ohne  Hut  und 
Degen  in  Begleitung  eines  Trompeters  der  Kolonne  entgegenstürzte 
und  im  Aufträge  van  Heldens  die  Kapitulation  anbot.2  Der  General¬ 
leutnant  wies  sie  jetzt  zurück,  doch  gab  er  dem  Parlamentär  eja^n 
Offizier  mit,  um  die  Anerbietungen  des  Stadtkommandanten  zu  hören. 


dort  weicht  am  Schluss  von  der  Rauchs  ab.  Nach  jener  hätte  er  die  Signale  nicht 
auf  der  Zugbrücke,  sondern  unterm  (Tor-)  Gewölbe  abgegeben. 

1  S.  Verhör  des  Bäckermeisters  Johann  Martin  Dörr  in  Nr.  21,  womit  der 
Bericht  in  Authent.  Nachr.  S.  6,  nach  dem  der  Trompeter  nicht  hinausgelangt 
wäre,  nicht  übereinstimmt.  Ditfurth  S.  17  bemerkt,  dass  bereits  kurz  nach  halb 
zehn  Uhr  die  kleine  für  Fussgänger  bestimmte  Brücke  am  Friedberger  Tor  herab¬ 
geschossen  war.  Die  Bedenken  dagegen  s.  im  Berliner  Kalender  S.  118  Anm. 

2  Nach  van  Heldens  Bericht  wäre  dieser  Offizier  seiner  Uhr  und  Börse 
beraubt  und  misshandelt  worden,  bis  sich  endlich  ein  hessischer  Offizier  seiner 
annahm.  Die  deutschen  Berichte  schweigen  hierüber. 


266 


Bald  füllte  sich  die  Stadt  mit  den  eingedrungenen  Preussen 
und  Hessen,  die  die  ihnen  schon  vorher  angewiesenen  Strassen  und 
Plätze  besetzten.  Nur  die  französischen  Liniensoldaten  leisteten 
noch  Widerstand;  einige  schossen  sogar  aus  den  Zimmern  ihres 
Quartieres  herab,  während  die  Nationalgardisten  Waffen  und  Tornister 
wegwarfen  und  durch  das  Mainzer  und  Bockenheimer  Tor  oder 
auch  über  die  Brücke  nach  Sachsenhausen  entflohen;  die  Wut,  mit 
der  die  Hessen  anfangs  alles,  was  ihnen  in  den  Weg  kam,  ohne 
Erbarmen  niederhieben, 1  trieb  zur  Eile  an;  waren  doch  sogar 
einige  Stadtsoldaten,  unter  ihnen  der  Artillerieleutnant  Steller,  von 
den  Hessen,  die  sie  für  Franzosen  hielten,  durch  Bajonettstiche  ver¬ 
wundet  worden.  Aber  lange  dauerte  das  blinde  Wüten  nicht,  bald 
machten  die  hessischen  Offiziere  und  die  Bürger  dem  Gemetzel 
ein  Ende.  Als  sie  ihre  Bedränger  in  Lebensgefahr  sahen,  siegte 
das  Mitleid  über  jeden  Rachegedanken;  das  soeben  erlittene  Un¬ 
gemach  war  vergessen  und  nicht  ohne  eigene  Lebensgefahr  warfen 
sie  sich  im  Verein  mit  einigen  Ratsmitgliedern2  zwischen  Verfolger 
und  Verfolgte  und  baten  für  deren  Leben.  Sie  verbargen  viele 
Fliehende  den  ganzen  Tag  über  in  ihren  Wohnungen,  bis  die  Gefahr 
vorüber  war;  anderen,  die  im  Strassengewinkel  der  Altstadt  nicht 
aus  noch  ein  wussten,  zeigten  sie  den  nächsten  Weg,  um  aus  den 
Toren  zu  entkommen.3  So  war  der  Verlust  der  Franzosen  bei  alledem 
nicht  bedeutend.  Auf  den  Wällen  und  in  den  Strassen  der  Stadt 
zählte  man  nur  41  Tote  und  129  Verwundete.4 

Die  Reiterei  der  Sieger  hatte  sich  trefflich  bewährt  und  die 
Fliehenden  weit  über  die  Tore  hinaus  verfolgt.  Die  wenigen  fran¬ 
zösischen  Reiter  hatten  sich  gleich  bei  Beginn  des  Kampfes  auf  das 
andere  Ufer  des  Maines  gerettet. 

■f  Die  siegreichen  Truppen  wurden  von  den  Bürgern  mit  lautem 
Freudengeschrei  empfangen ;  aus  den  Fenstern  flatterten  ihnen  weisse 
Tücher  zum  Empfang  entgegen;  man  umarmte  und  küsste  sie 


1  So  auch  in  der  Bendergasse  vier  Franzosen,  die  sich  unter  Fässern  ver¬ 
borgen  hatten. 

2  Der  Ratsherr  Rothhan  hatte,  von  hessischen  Offizieren  unterstützt,  nicht 
weniger  als  12  Franzosen  das  Leben  gerettet ;  Nr.  21,  damit  vgl.  auch  MSmoires  S.  170. 

3  Ursprünglich  fälschlich  auf  154  in  Authent.  Nachrichten  S.  8  angegeben. 
S.  auch  Verzeichnis  der  am  2.  Dezember  von  Bürgern  beschützten  französischen 
Soldaten  und  Offiziere  in  Nr.  27.  Kriegk  gibt  die  Zahl  der  Verwundeten  auf 
139  an,  ebenso  Chuquet. 

4  Näheres  bei  Kriegk  S.  227. 


267 


sogar.1  Und  als  der  preussische  König  und  der  Herzog  von  Braun¬ 
schweig  mit  ihrem  Gefolge  die  Stadt  betraten,  kannte  der  Jubel 
keine  Grenzen  mehr.2 

Doch  man  hatte  noch  keine  Zeit,  die  Huldigungen  der  Be¬ 
völkerung  entgegenzunehmen.  Nachdem  die  Wälle  vom  Feinde 
gesäubert  waren,  führte  der  Herzog  die  Truppen  sofort  den  Scharen 
Custines  entgegen,  die,  durch  den  Geschützdonner  auf  die  der  Frank¬ 
furter  Garnison  drohende  Gefahr  aufmerksam  gemacht,  in  Stärke 
von  8000  Mann  unter  Neuwinger  über  die  Nidda  gesetzt  hatten  und 
nun  im  Eilmarsch  gegen  Frankfurt  rückten. 

In  Bockenheim  angelangt,  belehrten  den  General  die  ihm  in 
zügelloser  Flucht  entgegenstürzenden  Nationalgardisten,  denen  die 
preussische  Reiterei  dicht  auf  den  Fersen  war,  dass  er  zu  spät  ge¬ 
kommen  sei.  Dennoch  hatte  er  die  Kühnheit,  seinen  Marsch  fort¬ 
zusetzen,  Frankfurt  sogar  durch  einen  Parlamentär  zur  Uebergabe 
aufzufordern,  und  sein  Vortrab  wäre  beinahe  durch  das  offen  stehende 
Bockenheimer  und  durch  das  Galgen  Tor  in  die  Stadt  eingedrungen, 
da  wurden  noch  im  letzten  Augenblick  die  Zugbrücken  aufgezogen 
und  von  den  Wällen  aus  auf  ihn  gefeuert.  So  zog  sich  Neuwinger 
nach  kurzem  Kampf  vor  dem  Tor  wieder  zu  Custine  nach  Höchst 
zurück.3  Dieser  nahm  jetzt  zwischen  Bockenheim  und  Rödelheim 
Stellung.  Aber  er  hatte  seine  Fanfaronaden  völlig  vergessen4  und 
ging  nicht  zum  Angriff  über.  Den  Verbündeten  ihrerseits  fehlte 
auch  dazu  der  Mut,  und  so  beschränkten  sich  beide  Teile  auf 
einen  Artilleriekampf,  der  sich  bis  3  Uhr  Nachmittags  hinzog,  ohne 
nennenswerte  Verluste  auf  beiden  Seiten.  Dann  ging  Custine  all¬ 
mählich  über  die  Nidda  nach  Rödelheim  zurück,  von  da  aus  erreichte 
er  unter  dem  Schutz  der  inzwischen  hereingebrochenen  Dunkel¬ 
heit  Höchst,  nachdem  er  sämtliche  über  die  Nidda  führenden  Brücken 
hatte  zerstören  lassen.  Noch  im  Lauf  der  Nacht  brach  er  nach  Kastei 


1  S.  auch  Ditfurth  S.  9.  Der  Premierleutnant  Müller  vom  hessischen 
Garderegiment,  der  das  Hauptjournal  vom  8.  Oktober  bis  2.  Dezember  führte, 
berichtet  hierüber:  »Sobald  wir  in  das  Tor  traten,  kamen  uns  viele  Leute  entgegen; 
alle  Häuser  waren  voll  Leute,  die  der  Kolonne  Beifall  klatschten  und  unaufhörlich 
riefen :  »Vivat,  es  leben  die  tapferen  Hessen !« 

2  Luchesini  schreibt  darüber  an  Schulenburg:  »II  (sc.  Friedrich  Wilhelm  II) 
a  6t£  accueilli  avec  des  acclamations  qui  surpassent  toute  imagination.«  S.  auch 
Mümoires  S.  170. 

3  1.  c.  S.  170;  Oberpostamtszeitung  vom  3.  Dezember. 

4  Er  hatte  sofort  auf  die  Kunde  von  der  Einnahme  Frankfurts  ein  sehr 
herausforderndes  Schreiben  an  Friedrich  Wilhelm  II.  gerichtet.  (Luchesini  1.  c.). 


268 


und  Mainz  auf,  um  den  Hauptstützpunkt  seiner  Macht,  für  dessen 
Besitz  er  jetzt  fürchtete,  rasch  zu  erreichen. 

Gleichzeitig  mit  den  Kämpfen  um  Frankfurt  fand  der  Angriff 
Hohenlohes  auf  Houchards  Stellungen  statt.  Die  von  diesem  an¬ 
gelegten  Verschanzungen1  wurden  beschossen,  zugleich  rückte  eine 
hessische  Abteilung  von  Bommersheim  und  Eschbach  gegen  Ober¬ 
ursel  vor.  Da  brach  Houchard  aus  Furcht  vor  einer  Umzingelung 
das  Gefecht  ab,2  zog  seine  Truppen  aus  den  Verschanzungen  und 
aus  Oberursel  heraus  und  erreichte  in  Eilmärschen  über  Soden, 
Oberhöchstadt,  Sulzbach  den  Main  und  schliesslich  das  Hauptkorps 
Custines.3 

Am  Nachmittag4  kehrten  der  König  von  Preussen  und  der 
Herzog  von  Braunschweig  vom  Kampfplatz  nach  der  Stadt  zurück. 
Jetzt  erst  konnte  man  übersehen,  welche  Verluste  man  beim  Sturm 
auf  die  Stadt  erlitten  hatte.  Von  den  Hessen  waren  7  Offiziere  und 
75  Unteroffiziere  und  Gemeine  gefallen,  an  Verwundeten  zählte  man 
93  Mann  und  9  (nach  anderer  Angabe  11)  Offiziere,  darunter  den 
Prinzen  von  Hessen-Philippsthal,  der  bald  darauf  den  Verletzungen 
erlag.5  Der  Verlust  des  Feindes  an  Toten  war  also,  wie  bereits  er¬ 
wähnt,  viel  geringer,  dagegen  war  der  grösste  Teil  der  Besatzung, 
1158  Mann  und  44  Offiziere,  darunter  van  Helden,  gefangen  ge¬ 
nommen;  fast  wäre  dieser  gar  in  Folge  einer  Verwechslung  mit 
Custine  der  Wut  der  Hessen  zum  Opfer  gefallen.  Ausserdem  ge¬ 
rieten  noch  die  beiden  Geschütze  und  zwei  Fahnen  in  die  Hände  der 
Sieger. 

Der  Heldenmut  der  Flessen,  den  sie  sowohl  beim  Ausharren 
in  ihrer  gefährdeten  Stellung  als  auch  beim  Sturme  selbst  bewiesen 
hatten,  fand  bei  Friedrich  Wilhelm  II.  und  dem  Landgrafen  Wilhelm  IX., 
der  am  6.  Dezember  in  Frankfurt  eintraf,  gebührende  Anerkennung. 
Die  Unteroffiziere  und  Gemeinen  der  beim  Sturm  beteiligten  Regimenter 


1  Ungefähr  ein  Kilometer  südlich  von  der  Hohen  Mark,  auf  der  Raven- 
steinschen  Karte  vom  östlichen  Taunus  als  Custines  Schanzen  angegeben. 

2  Näheres  hierüber  in  der  Oberpostamtsztg.  vom  7.  Dezember. 

3  Memoires  S.  174.  Die  Oberpostamtsztg.  gibt,  wohl  übertrieben,  die  Zahl  der 
gefallenen  Hessen  auf  140,  die  der  Verwundeten  auf  200  an.  Houchards  Verlust 
an  Verwundeten  beziffert  sich  auf  400.  Die  beim  Kampf  um  Oberursel  erbeutete 
Nationalfahne  ward  nach  Berlin  gebracht. 

4  Die  Zeit  wird  verschieden  angegeben.  Nach  Memoires  S.  188  um  4  Uhr, 
nach  anderen  um  5  Uhr. 

5  Darnach  sind  die  Zahlenangaben  in  Häussers  Deutsch.  Gesch.  I  433  zu 
berichtigen;  auch  die  Zahl  der  Gefangenen  ist  bei  ihm  zu  hoch  angegeben. 


269 


erhielten  Geldgeschenke.1  Die  Offiziere  wurden  mit  Beförderungen 
und  Orden  belohnt,  so  ward  Rüchel  zum  Obersten  und  Regiments¬ 
inhaber  ernannt,  ausserdem  erhielt  er  den  Roten  Adlerorden  und 
eine  Amtshauptmannschaft.  Auch  für  die  Witwen  und  Waisen  der 
Gefallenen  ward  Fürsorge  getroffen.  Ferner  hatte  der  König  100 
Dukaten  zur  Verteilung  unter  die  Handwerksburschen  bestimmt,  die 
das  Tor  geöffnet  hatten.2 

Am  nächsten  Tag  brach  die  vereinigte  Armee  der  Verbündeten 
zur  Verfolgung  Custines  auf,  aber  sie  erreichte  ihn  nicht  mehr,  und 
bald  hatte  er  die  schützenden  Wälle  von  Mainz  zwischen  sich  und 
den  Verbündeten.  Diese  besetzten  jetzt  den  ganzen  Rheingau  und 
das  untere  Maingebiet;  von  Biebrich  und  Mosbach  bis  über  Frank¬ 
furt  hinaus  dehnten  sich  die  preussischen  Linien,  zu  ihrem  Schutze 
wurden  zwischen  Wicker  und  Flörsheim  verschiedene  starke  Ver¬ 
schanzungen  angelegt,  während  das  linke  Mainufer  bis  zur  Mündung 
in  den  Rhein  von  den  darmstädtischen  Truppen  gedeckt  wurde. 
So  blieb  den  Franzosen  auf  dem  rechten  Rheinufer,  abgesehen  von 
der  Festung  Königstein,  nur  noch  Kastei,  und  bald  ward  auch  dieses 
eingeschlossen,  der  erste  Schritt  zur  Wiedereroberung  von  Mainz. 

All  diese  Erfolge  knüpften  sich  an  die  Einnahme  Frankfurts  und 
machten  sie  zu  einem  militärisch  hochbedeutsamen  Ereignis.  Noch 
grösser  war  der  moralische  Gewinn  des  Sieges.  Das  durch  die  vielen 
Unfälle  des  bisherigen  Feldzuges  herabgedrückte  kriegerische  Selbst¬ 
gefühl  der  Verbündeten  erwachte  von  neuem  und  stärkte  sich  an 
dieser  einzigen  kräftigen  Waffentat  im  ganzen  Feldzug.  Die  Tapfer¬ 
keit  der  Hessen  und  Preussen  hatte  sich  ihres  alten  Ruhmes  würdig 
gezeigt,  während  Custines  Feldherrnruhm  und  das  militärische  Prestige 
seines  Heeres  bedeutende  Einbusse  erlitten  hatte.3 

1  Jeder  Unteroffizier  erhielt  1  Konventionsgulden,  jeder  Gemeine  30  Kreuzer 
(Frkft.  Ristretto  vom  8.  Dezember). 

2  Der  Zimmermann,  ein  Heilbronner,  der  das  Friedberger  Tor  geöffnet  hatte, 
erhielt  nicht  nur  15  Dukaten,  sondern  auch  die  Erlaubnis,  sich  in  den  preussi¬ 
schen  Landen  unentgeltlich  niederzulassen. 

3  Häusser  I,  433/4.  Sehr  bezeichnend  schreibt  aus  Frankfurt  am  3.  Dezember 
Major  Tauentzien  an  Schulenburg :  »Grace  au  ciel  qu’enfin  nous  allons  reparaitre 
dans  le  monde  avec  l’eclat  qui  accompagnait  le  nom  prussien«,  und  Luchesini  an 
diesen :  »Cette  victoire  a  rdtabli  ia  gloire  des  armes«  (Akten  des  Geh.  Staatsarchivs 
in  Berlin  1.  c.).  Albert  Sorel  äussert  sich  inL’Europeet  laRevolution  francaise  III.  179 
über  dieses  Ereignis:  L’effet  de  cette  retraite  fut  d£sastreux  .  .  .  Les  Francais 
cessörent  de  paraitre  invincibles  et  le  prestige  de  Custine  s’evanouit«. 


270 


Während  man  im  Lager  der  Verbündeten  jubelte  und  voll  froher 
Aussichten  in  die  Zukunft  blickte,  schwankte  die  Stimmung  im 
Frankfurter  Rat  zwischen  Freude  und  Besorgnis.  Zwar  standen  jetzt 
wieder  deutsche  Kanonen  auf  den  Wällen  Frankfurts,  aber  das 
Kriegsglück  ist  launisch  und  konnte  die  Stadt  abermals  in  die  Gewalt 
der  Franzosen  bringen.  Und  dann  wären  die  Umstände,  unter  denen 
die  Befreiung  der  Stadt  erfolgt  war,  nur  zu  leicht  gegen  sie  aus¬ 
zubeuten  gewesen.  Es  Hess  sich  nicht  leugnen,  dass  van  Flelden 
durch  das  Eingreifen  der  Bevölkerung  zur  Übergabe  gezwungen 
worden  war;  stand  nicht  zu  besorgen,  dass  er  dem  Kriegsminister 
und  dem  Nationalkonvent  zu  seiner  Entlastung  die  Ausschreitungen 
im  grellsten  Lichte  darstellen  würde?  Welche  Wirkung  würde  dieser 
tendenziös  gefärbte  Bericht1  auf  die  so  leicht  erregbare  französische 
Nation  ausüben?  Zunächst  waren  die  ihrer  Rache  am  leichtsten 
Erreichbaren,  die  noch  in  Paris  weilenden  Abgesandten  der  Stadt, 
wohl  am  meisten  gefährdet.  Die  gemischte  Deputation  hatte  zwar 
gleich  beim  Einrücken  der  Verbündeten  einen  Kurier  schleunigst 
nach  Paris  geschickt,  um  den  Abgesandten  die  jüngsten  Ereignisse 
mitzuteilen  und  ihnen  die  sofortige  Abreise  anheim  zu  stellen;2  ob 
ihnen  aber  diese  möglich  war,  blieb  ungewiss. 

Bei  dieser  Sachlage  war  es  ein  Gebot  nicht  nur  der  Humanität, 
sondern  auch  der  Klugheit,  sich  der  gefangenen  und  verwundeten 
Franzosen  bestens  anzunehmen.  Sobald  der  Rat  wahrnahm,  dass  die 
Sieger  sich  um  diese  wenig  kümmerten,  wandte  er  ihnen  die  grösste 
Sorgfalt  zu.  Er  Hess  die  Verwundeten  auf  Tragbahren  in  die  Lazarette 


*  In  Nr.  26  sucht  sich  van  Helden  vor  allem  von  dem  Vorwurf  zu  rechtfertigen, 
dass  er  nicht,  wie  es  seine  Pflicht  gewesen  wäre,  sich  inmitten  seiner  Truppen 
bewegt  und  diese  angefeuert  hätte,  sondern  sich  in  seinem  Zimmer  von  den 
Magistratspersonen  festhalten  und  »einschläfern«  liess.  Der  General  Wimpfen 
urteilte  über  sein  Verhalten  am  2.  Dezember:  »il  se  conduisit  en  franc  £colier« 
(Chuquet  S.  202  und  203).  Ein  schwacher  Trost  für  ihn  war,  dass  dagegen  die 
Sieger,  der  Herzog  von  Braunschweig,  der  Landgraf  von  Hessen,  der  Prinz  Louis 
Ferdinand  u.  s.  w.  ihm  viel  Schmeichelhaftes  über  seine  Verteidigung  gesagt  hätten. 
Er  behauptet  ferner,  dass  er  dem  Offizier  in  Begleitung  eines  Trompeters  den  Auf¬ 
trag  gegeben  hätte,  nur  mit  dem  feindlichen  General  zu  sprechen,  sans  lui  donner 
d’ailleurs  d’autre  mission  quelconque.«  Den  Verlust  der  gegnerischen  Seite  gibt  er 
auf  200  an,  sein  eigener  Verlust,  bemerkt  er,  würde  nur  gering  gewesen  sein,  wenn 
die  Menge  »n’avait  pas  fusille  et  assommü  notre  bonne  garnison.« 

2  Wenn  der  Rat  in  der  offiziellen  Authentischen  Nachricht  sich  darauf  steifte, 
dass  er  die  Deputierten  unbesorgt  in  Paris  gelassen  habe,  so  entspricht  dies  nicht 
ganz  der  Wahrheit. 


271 


bringen,  stellte  ihnen  die  städtischen  Chirurgen  zur  Verfügung  und 
versorgte  sie  mit  guter  Kost,  ja  sogar  mit  Geld.1  Der  bewährte 
Wohltätigkeitssinn  der  Frankfurter  Bürger  verleugnete  sich  auch 
jetzt  nicht.  Von  allen  Seiten  erhielten  die  Verwundeten  und  Ge¬ 
fangenen  Wäsche,  wollene  Decken  und  Kleider,  Rotwein  und  Er¬ 
quickungen  aller  Art,  den  Offizieren  bot  man  sogar,  als  sie  von 
Frankfurt  abgeführt  wurden,  Geldunterstützungen  an.2 

Am  Tage  nach  dem  Siege  begab  sich  eine  städtische  Deputation 
in  feierlichem  Staatsaufzug  nach  dem  Roten  Haus,  dem  Absteige¬ 
quartier  Friedrich  Wilhelms  II.,  um  ihn,  den  mächtigsten  Beschützer 
und  Erhalter  der  deutschen  Reichsverfassung  und  der  deutschen 
Freiheit,  zur  Ankunft  in  Frankfurt  zu  beglückwünschen  und  ihm 
dabei  das  übliche  Ehrengeschenk  an  Wein  und  Hafer  anzubieten. 
Der  König  nahm  die  Deputation  sehr  gnädig  auf  und  bezeugte  seine 
Zufriedenheit  mit  dem  bisherigen  »patriotischen  Benehmen  des  Rates 
und  der  Stadt«,  die  er,  wie  er  hinzufügte,  von  unangenehmen  Gästen 
befreit  habe.3  Als  sie  aber  an  den  König  das  Ansinnen  stellte,  dass 
die  kriegführenden  Mächte  die  Neutralität  der  Stadt  gewährleisten 
sollten,  da  wurde  er  merklich  kühler  und  verwies  sie  auf  den 
schriftlichen  Weg.  Noch  am  selben  Tag  erhielt  er  vom  Rat  eine 
Denkschrift,  die  auf  die  kritische  Lage  der  Frankfurter  Abgesandten 
in  Paris  hinwies  und  mit  den  Worten  schloss:  »Wir  glauben  nicht 
eine  unsern  Reichspflichten  entgegenlaufende  Bitte  zu  wagen,  wenn 
wir  Ew.  Majestät  ersuchen,  durch  eine  mit  den  französischen  Generälen 
zu  vereinbarende  Abkunft  die  Stadt  vor  ähnlichen  Auftritten  zu 
bewahren.«4 5 

Auch  der  Herzog  von  Braunschweig,  der  ebenfalls  ein  Ehren¬ 
geschenk  erhielt,  ward  um  Bewilligung  der  Neutralität  angegangen. 

Noch  ehe  dem  Rat  ein  Bescheid  darauf  zu  teil  wurde,  richtete 
er  sein  Handeln  so  ein,  als  ob  er  bereits  im  Besitz  der  so  heiss 


1  Bericht  Rothhans  in  Nr.  21. 

1  Goethes  Mutter  schreibt  am  14.  Dezember  ihrem  Sohn:  »Die  Blesierten 

und  Gefangenen  muss  man  fragen,  was  die  Franckfurther  an  ihnen  gethan  haben, 

das  all  zu  erzählen,  reichte  kein  Riess  Papier  aus.«  (Briefe  von  Goethes  Mutter 
u.  s.  w.  S.  9.)  Die  Mehrzahl  der  gefangenen  Offiziere  dankte  bei  ihrem  Weggang 
aus  Frankfurt  dem  Rat,  dass  er  ihnen  erwiesen  habe  »les  marques  les  plus 
genereuses  de  la  plus  grande  humanite  en  nous  forcant  d’accepter  ce  qui  pouvait 
nous  efre  n6cessaire«  und  wünschte  nur,  ihm  all  dies  wieder  vergelten  zu  können 
(Nr.  21). 

5  1.  c.  17. 

<  Nr.  21 . 


ersehnten  Neutralität  sei.  Er  lehnte  das  Gesuch  beider  Herrscher 
um  Überlassung  von  Pulvervorrat  und  einiger  Kugelformen  gegen 
bare  Bezahlung  »aufs  standhafteste«  ab;1  das  Verlangen,  ihnen  vier 
Vierundzwanzigpfünder  zu  leihen,  beantwortete  er  mit  der  Bitte,  die 
Stadt  mit  dergleichen  Anträgen  gänzlich  verschonen  zu  wollen.2 
Nicht  einmal  die  Besichtigung  des  Geschützes  und  des  Zeughauses 
ward  gestattet.  Und  als  die  preussischen  Ingenieure  —  gegen  bare 
Bezahlung  —  200  Arbeiter  und  Zimmerleute  begehrten,  um  den  unlängst 
abgetragenen  Wall  am  Galgentor  herzustellen  und  die  Sachsenhäuser 
Warte  in  verteidigungsfähigen  Zustand  zu  setzen,  erhob  der  Rat  auch 
dagegen  Einspruch,  da  solche  Veranstaltungen  von  den  Franzosen 
leicht  als  Feindseligkeiten  angesehen  werden  könnten.3  Ja,  nicht 
einmal  Platzpatronen  zur  feierlichen  Bestattung  der  beim  Sturm  ge¬ 
bliebenen  hessischen  Offiziere  wollte  er  hergeben,  und  als  sie  der 
Zeugwart  doch  verabfolgt  hatte,  ward  ihm  bedeutet,  »sich  dergleichen 
eigenmächtige  Handlungen  bei  zu  erwartender  Strafe  nicht  mehr  zu 
erlauben.«4 

Aber  den  Gipfel  des  »Neutralitätssystems«  erreichte  der  Rat 
durch  seine  ablehnende  Haltung  in  der  Frage  des  Hessendenkmals. 
Friedrich  Wilhelm  II.  wollte  nämlich  zur  dauernden  Erinnerung  an 
die  Befreiung  der  Stadt  vor  dem  Friedberger  Tor,  wo  der  Kampf  am 
blutigsten  gewesen  war,  den  gefallenen  Hessen  ein  Denkmal  errichten 
und  Hess  den  Entwurf  und  mehrere  auf  dem  Denkmal  anzubringende 
Inschriften  dem  Rat  zur  Auswahl  vorlegen.  Gegen  die  Errichtung 
des  Denkmals  konnte  dieser  füglich  nichts  einwenden,  doch  bat  er 
den  König,  es  womöglich  ausserhalb  des  Frankfurter  Gebietes  auf¬ 
zustellen  und  von  den  eingesandten  Inschriften  eine  die  Stadt  am 
wenigsten  blossstellende  »besttunlichst  auszuwählen«.  Doch  der 
König  berücksichtigte  nur  den  letzten  Wunsch,  und  so  steht  das 
Denkmal  doch  an  der  ihm  zukommenden  Stelle,  aber  die  Inschrift 
gedenkt  mit  keiner  Silbe  der  Beteiligung  der  Frankfurter  Bevölkerung 
an  der  Ruhmestat,  ja  sogar  der  Name  der  Stadt  ist  umschrieben.5 


1  Ratsprotokoll  vom  4.  Dezember. 

2  Desgl.  vom  9.  Dezember. 

3  1.  c.  vom  6.  Dezember  .  .  »Und  so  hat  man  sie  (die  Arbeiter)  aus  dem 
Hessischen  genommen.« 

+  1.  c.  I 

5  Eine  genaue  Beschreibung  des  Denkmals  bei  Kriegk  231,  Baudenkmäler 
von  Frankfurt  II,  395,  wo  auch  die  Inschrift  und  die  Namen  der  Gefallenen 
stehen.  Statt  Francofurtum  ist  Trajectum  ad  Moenum  gesagt. 


-  273 


Dass  jetzt  gerade  die  Edikte  gegen  die  Emigranten  mit  dra¬ 
konischer  Härte  verschärft  wurden,  steht  mit  all  diesem  im  Zusammen¬ 
hang.  Der  Aufenthalt  in  der  Stadt  ward  ihnen,  wenn  sie  Vormittags 
eintrafen,  nur  bis  nach  dem  Mittagessen,  wenn  sie  Nachmittags 
kamen,  nur  bis  zum  nächsten  Morgen  gestattet.1 

Wie  zu  erwarten,  antwortete  der  König  auf  das  Neutralitäts¬ 
gesuch  des  Rates  ablehnend.2 3  Er  erinnerte  ihn  an  die  letzten  Beschlüsse 
des  Reichstages,  »an  die  deutsche  Verfassung,  deren  wesentlichster 
Grundsatz  die  vollkommenste  Unterwürfigkeit  der  durch  sie  beglückten 
Stände  unter  die  Entscheidung  des  Reichstages  sei«,  und  sprach  die 
Hoffnung  aus,  dass  der  Rat  sich  den  Obliegenheiten  eines  treuen 
und  patriotischen  Reichsstandes  stets  unterziehen  werde  u.  s.  w. 

Aber  auch  die  Klubisten  in  Mainz  sorgten  nach  Kräften  dafür, 
dass  Frankfurt  nicht  in  den  Besitz  der  Neutralität  kommen  sollte. 
Die  Wiedereroberung  der  Stadt,  der  Rückzug  Custines  vor  den 
Heeren  der  Verbündeten  hatten  in  ihren  Kreisen  arge  Enttäuschung 
hervorgerufen.  Der  Glaube  an  die  Unüberwindlichkeit  der  Freiheits¬ 
kämpfer,  mit  der  sie  immer  geprahlt  hatten,  war  zerstört,  wenn  man 
die  Niederlage  als  die  natürliche  Folge  von'  Custines  Hinterlist  und 
Unfähigkeit  und  nicht  vielmehr  als  das  Werk  des  abscheulichsten 
Verrates  hinstellte,  dessen  Opfer  die  arglosen  Franzosen  geworden 
waren.  Deshalb  Hess  die  Mainzer  Presse  gleich  nach  dem  Fall  der 
Stadt  in  Zeitungen  und  Flugschriften  wutschnaubende  Artikel  gegen 
die  feige  Mörderbande  in  Frankfurt  los.5  Der  Führer  der  Pressmeute 
war  Custines  Sekretär  Böhmer.  Schon  in  der  Mainzer  National- 
zeitung  vom  3.  Dezember  lieferte  er  einen  Bericht  über  die  Erstürmung 
Frankfurts,  in  dem  es  wörtlich  heisst:  ....  »Plötzlich  wurden  die 
Franzosen  von  einem  mit  Mordgewehren  aller  Art  versehenen 
Haufen  von  Frankfurter  Banditen  überfallen  mit  einer  Wut,  deren 
nur  ein  Frankfurter  Reichsstädter  fähig  sein  kann,  gemisshandelt  und 
in  solcher  Anzahl  getötet,  dass  von  zwei  Bataillonen  der  grösste 
Teil  ein  Opfer  dieser  Henkersknechte  wurde.  Die  fränkischen  Krieger 
setzten  sich  mutig  entgegen,  waren  aber  zu  schwach,  um  8000  bis 
10000  bewaffneten  Bösewichtern  Widerstand  zu  leisten.  Diese 
letzteren  machten  die  Artillerie  der  Franken  dadurch  unschädlich, 


1  Ratsbeschluss  vom  10.  Dezember.  Diese  Verordnung  wurde  auch  auf  die 
Dörfer  ausgedehnt.  Eine  Ratskommission  ward  mit  der  Visitation  der  Gast¬ 
häuser  betraut. 

2  Datiert  vom  7.  Dezember. 

3  S.  hierüber  auch  die  Bemerkungen  in  M£moires  S.  182  ff. 

18 


274 


dass  sie  die  Pferde  vor  den  Kanonen  teils  abschnitten,  teils  töteten.« 
Auf  Antrag  der  Klubisten1  ward  sogar  in  Mainz  am  4.  Dezember 
eine  feierliche  Messe  »für  unsere  in  der  Reichsstadt  Frankfurt 
meuchelmörderisch  umgebrachten  fränkischen  Bürger«  abgehalten. 

Bald  erfuhr  die  entsetzte  Welt  nähere  Einzelheiten  über  die 
angeblichen  Mordszenen  des  2.  Dezember.  Was  nur  die  überhitzte 
Phantasie  an  Greueln  aussinnen  konnte,  ward  den  »infernalischen 
Frankfurter  Bösewichtern«  zugeschrieben.  In  Bingen  erzählte  man 
sich  schaudernd,  wie  Frankfurter  und  Sachsenhäuser  die  Franzosen 
in  den  Betten  erwürgt,  die  Metzger  ihnen  den  Leib  aufgeschnitten, 
die  Weiber  siedendes  Wasser  auf  sie  geschüttet,  während  ihre  Männer 
auf  sie  geschossen,  die  Pferde  vor  den  Kanonen  in  Stücke  zerhauen 
hätten  u.  s.  w.2  Aber  den  Preis  in  dem  allgemeinen  Sturmlauf  gegen 
Frankfurt  trug  doch  Custines  Adjutant  Stamm  davon,  der  die  Wieder¬ 
eroberung  Frankfurts  ein  Gegenstück  zur  Bartholomäusnacht  und  der 
sizilianischen  Vesper  nannte.  Selbst  Custine  war  dieser  Artikel 3  zu 
stark,  so  dass  er  ihn  öffentlich  verleugnete  und  Stamm  erklären 
musste,  er  habe  ihn  in  seiner  Eigenschaft  als  »Bürger«,  nicht  als 
Custines  Adjutant  verfasst. 

Begierig  griffen  die  Strassburger  Zeitungen  diese  Verleumdungen 
auf.  Von  hier  aus  fanden  sie  rasche  Verbreitung4  in  den  Pariser 
Blättern  und  erregten  einen  Sturm  der  Entrüstung  und  Erbitterung, 


1  Memoires  S.  183. 

2  S.  Nr.  29  Beilage  15  aus  einem  Brief  eines  Bingers  an  einen  Frankfurter. 
Weitere  Ausfälle  gegen  Frankfurt  finden  sich  in  »Geschichte  der  französischen  Er¬ 
oberungen  und  Revolution  am  Rheinstrom,  vorzüglich  in  Hinsicht  auf  die  Stadt 
Mainz«  S.  299  ff.,  ferner  »Die  alten  Franzosen  in  Deutschland«  S.  224  ff.  Im 
»Bürgerfreund«  15.  Stück  versteigt  sich  der  unter  den  Klubisten  sehr  einflussreiche 
Metternich  zu  folgender  Leistung:  »Deutsche,  flucht  euren  Frankfurter  Landsleuten 
und  streicht  sie  aus  der  Reihe  eurer  Mitbewohner  aus;  sie  dürfen  nicht  länger 
unter  euch  genannt  werden,  so  wie  General  Custine  sorgen  wird,  dass  die  Stelle, 
wo  jetzt  Frankfurt  steht,  ein  schauerlicher  Schutthaufen  und  ein  Denkmal  der 
Grausamkeit  und  Verräterei  für  die  lange  Nachkommenschaft  sein  werde.« 

3  Er  erschien  in  der  Mainzer  Nationalzeitung  am  6.  Dezember.  Sein  Schluss 
lautete  höchst  pathetisch:  »Frankfurter,  diesen  Tag  werdet  ihr  nicht  aus  den  Jahr¬ 
büchern  eurer  Geschichte  auslöschen!  Buben  auf  der  Strasse  werden  euch  anspeien, 
der  Name  Frankfurt  wird  der  Nachwelt  ein  Abscheu  sein;  der  Franke  ist  verab¬ 
scheuungswürdig,  der  euch  ansehen  kann,  ohne  euch  zu  erwürgen ;  euch  und  euren 
Namen  zu  vertilgen,  sei  der  Schwur,  den  jeder  freie  Mann  auf  dem  Vaterlandsaltar 
ablegen  wird,  ich  tue  es  freiwillig  und  werde  ihn  halten.« 

4  Auch  die  Schwäbische  Chronik  vom  11.  Dezember  schrieb:  »Die  Aus¬ 
würflinge  der  Frankfurter  Bürgerschaft  haben  die  Hände  mit  Frankenblut  besudelt  und 
mit  Tigerwollust  die  Tapferen  morden  helfen.« 


275 


zugleich  aber  ein  leidenschaftliches  Rachegefühl  gegen  »das  perfide 
Frankfurt.«1 

Custine  selbst  hatte  sich  nicht  sehr  beeilt,  seinen  Bericht  über 
die  Ereignisse  am  2.  Dezember  nach  Paris  abzusenden.  Der  sonst  so 
Schreibselige  liofSs  3  beziehungsweise  5  Tage  verstreichen,  bis  er  zur 
Feder  griff.  Anscheinend  wollte  er  Zeit  gewinnen,  um  sich  die  Rolle 
zurecht  zu  legen,  die  er  in  der  ihn  so  nahe  berührenden  Angelegen¬ 
heit  vor  der  Öffentlichkeit  spielen  wollte.2  Die  dem  Kriegsminister 
eingesandte  Darstellung  war  eine  Verteidigung  seiner  eigenen  vor¬ 
trefflichen  Anordnungen,  deren  Misslingen  dem  unfähigen,  »vielleicht 
verräterischen«  van  Helden  in  die  Schuhe  geschoben  wird. 

Von  den  Frankfurtern  erwähnt  er  nur  nebenbei,  dass  sie  auf  die 
Truppen  gefeuert  hätten,3  obgleich  ihm  van  Helden  kurz  vorher  aus¬ 
drücklich  das  Gegenteil  versichert  hatte.4  Dagegen  beschäftigt  sich 
sein  Brief  an  den  Vorsitzenden  des  Nationalkonvents  fast  ausschliess¬ 
lich  mit  dem  bemerkenswerten  (insigne)  Verrat  der  Frankfurter.5 
»Dreihundert  unserer  Waffenbrüder«,  heisst  es  in  dem  Schreiben, 
»sind,  glorreich  für  die  Sache  der  Freiheit  kämpfend,  unter  den 
Messern  der  Mörder  gefallen.6  Ich  schicke  dem  Nationalkonvent 
eines  jener  Messer,  das  ein  Soldat  überbracht  hat,  dem  es  geglückt 
war,  den  Schrecken  des  Gemetzels  in  Frankfurt  zu  entgehen.  Die 
Messer  waren  sämtlich  von  derselben  Form;  beinahe  10000  Menschen 
waren  damit  bewaffnet«  u.s.w.  Aber  Custine  weiss  auch  zu  melden, 


1  Das  Journal  de  la  correspondance  des  amis  de  la  rdpublique  (Nr.  140) 
veröffentlichte  einen  Brief  aus  Strassburg  vom  4.  Dezember,  in  dem  es  heisst: 
. . .  »On  peut  evaluer  la  perte  de  cette  journüe  (2.  Dezember)  ä  1200  hommes  au  moins 
qui  n’ont  pas  £te  vaincus,  pas  du  tout  battus,  mais  assassin£s  et  egorges  barbare- 
ment  par  un  nombre  dix  fois  plus  fort  de  traitres  et  de  vrais  cannibales.« 

2  Der  Verfasser  der  allerdings  Custine  feindlichen  Memoires  argwöhnt  mit 
Recht,  dass  er  absichtlich  mit  seinem  Berichte  gezögert  habe,  um  die  gegen  Frankfurt 
ausgesprengten  Gerüchte  sich  mehr  verbreiten  zu  lassen.  (Mim.  S.  194.) 

?  Memoires  S.  194. 

4  Im  Schreiben  an  Custine  spricht  van  Helden  ausdrücklich  von  les  bons 
citoyens,  les  braves  et  honnetes  citoyens  de  Francfort  und  beschuldigt  nur  die 
Juden  und  die  Fremden  der  Ausschreitungen. 

5  Mdmoires  S.  199  ff.,  abgedruckt  im  Moniteur  Nr.  346  und  349,  zugleich 
mit  dem  lügenhaften  Bericht  Custines  über  die  Kämpfe  bei  Bockenheim  und  Ober¬ 
ursel.  S.  auch  Tagebuch  S.  200. 

6  Das  alberne  Märchen  von  den  Mordmessern  rührt  vielleicht  davon  her, 
dass  die  Hessen  an  ihren  Gewehren  messerartige  Bajonette  trugen,  von  denen 
wohl  eins  in  die  Hände  der  Franzosen  gefallen  sein  mochte.  Eine  andere,  weniger 
wahrscheinliche  Vermutung  findet  sich  bei  Chuquet  S.  203  Anmerk.  2. 

iS* 


27  6 


dass  der  abscheuliche  Verrat  sogar  von  deutscher  Seite  verdammt 
würde  und  den  preussischen  König  aufs  tiefste  entrüstet  hätte;  er 
habe  die  Bürger  entwaffnen  lassen  und  verboten,  dass  drei  von  ihnen 
zusammen  in  den  Strassen«  sich  blicken  Hessen.  In  heuchlerischem 
Tone  empfahl  er  noch  die  Frankfurter  Abgesandten  der  Menschlich¬ 
keit  des  Konventes,  »ihre  Freiheit,  ihre  Sicherheit  wird  mir  die 
süsseste  Belohnung  sein.«  Um  den  Schmerz  über  den  Fall  Frankfurts 
zu  mildern,  erhöhte  er  den  Verlust  der  Feinde  in  den  Kämpfen  am 
2.  Dezember  ins  Ungeheure,  auf  _|200  Mann,  während  er  den  eigenen 
—  abgesehen  von  den  in  Frankfurt  Gefangenen  —  nur  mit  300  Mann 
bezifferte. 

Die  Mainzer  und  die  von  ihnen  bedienten  Blätter  wurden  unter¬ 
dessen  nicht  müde,  ihren  Lesern  weitere  Grausen  erregende  Einzel¬ 
heiten  von  dem  Massacre  des  2.  Dezember  aufzutischen.  Vergebens 
ersuchte  der  Rat  Custine,  den  Verleumdungen  der  Mainzer  Blätter 
ein  Ende  zu  machen.  Hochfahrend  antwortete  er,  er  habe  Wichtigeres 
zu  tun,  als  sich  mit  Zeitungsfehden  zu  befassen.  Er,  derselbe  Mann, 
der  erst  kurz  vorher  in  Frankfurt  die  Zeitungen  unter  strengste 
Zensur  gestellt  und  in  Mainz  jede  ihm  missliebige  Pressäusserung 
bei  Strafe  des  Stranges  verboten  hatte,  bekannte  sich  auf  einmal  als 
Anhänger  unbedingter  Pressfreiheit.1  Weitere  Mahnungen  des  Rates, 
doch  der  Wahrheit  die  Ehre  zu  geben,  beantwortete  er  damit,  dass 
er  sich  jeden  ferneren  Schriftwechsel  verbat.2 

So  musste  der  Rat  selbst  handeln,  da  sich  in  manchen  links¬ 
rheinischen  Orten  schon  die  Wirkung  der  Verleumdungen  zeigte.3 
Zunächst  suchte  er  durch  die  Presse  die  irregeleitete  öffentliche 
Meinung  zu  belehren.  Die  Munizipalitäten  von  Strassburg,  Weissen- 
burg,  Hagenau,  Colmar  und  Landau,  das  Direktorium  des  Departements 
Unterrhein  erhielten  von  ihm  einen  ausführlichen  Bericht  in  fran¬ 
zösischer  und  deutscher  Sprache  über  die  Erstürmung  Frankfurts 
mit  der  Bitte,  ihn  überall  auf  Kosten  der  Stadt  bekannt  zu  machen. 
Auch  sah  er  sich  nach  gewandten  Federn  um,  die  die  Angriffe  der 


1  Memoires  S.  193. 

2  Im  Antwortschreiben  vom  23.  Dezember  auf  das  Gesuch  des  Rates  vom 
20.  heisst  es,  entweder  habe  der  Rat  von  dem  Attentate  gegen  die  Garnison  nichts 
gewusst,  dann  sei  er  seines  Amtes  unwürdig,  oder  es  wissentlich  nicht  verhindert 
dann  verdiene  er  den  ganzen  Zorn  der  französischen  Nation,  »wenn  anders  man 
dasjenige  hassen  könnte,  was  nur  verachtungswürdig  ist.« 

3  So  wurden  in  Bingen  die  Keller  der  Weinhändler  untersucht,  um  allen 
für  Frankfurt  bestimmten  Wein  zu  konfiszieren,  vgl.  Nr.  21. 


277 


feindlichen  Presse  erfolgreich  bekämpfen  sollten.1  Zugleich  ver¬ 
anstaltete  er  eine  eingehende  Untersuchung  über  die  Vorgänge  am 
2.  Dezember  und  verhiess  1000  Louisdors  (24  ooo  livres)  demjenigen, 
der  glaubhafte  Beweise  von  einem  Komplott  gegen  die  Franzosen 
und  von  der  Anfertigung  von  Mordwaffen  beibringen  könnte.  Die 
Bürgerkapitäne,  die  Achtundzwanziger,2  die  Gastwirte  der  besonders 
von  den  Handwerkern  besuchten  Herbergen,  die  Anwohner  des 
Friedberger  und  des  Allerheiligentores  u.  s.  w.,  sie  alle  wurden  ver¬ 
hört,  um  die  Personen  zu  ermitteln,  die  etwa  gewalttätig  gegen 
die  französische  Besatzung  vorgegangen  wären.  Die  Untersuchung, 
die  sich  bis  zum  Anfang  des  Jahres  1793  hinzog,  bestätigte  nur,  dass 
»die  Bürger  sich  stumm,  still,  leidend  an  dem  verhängnisvollen  Tag 
verhalten  hatten«;  nur  ein  Schreiber  am  Ackergericht  und  ein 
Stadtsoldat  erschienen  kompromittiert;3  sämtliche  Ausschreitungen 
waren  von  den  fremden  Handwerksburschen  ausgegangen.  Aber  in 
erster  Reihe  ausschlaggebend  musste  das  Zeugnis  derjenigen  sein, 
die  an  den  Ereignissen  des  zweiten  Dezember  handelnd  und  leidend 
Anteil  genommen  hatten,  der  gefangenen  und  verwundeten  Franzosen 
selber.  Ihre  protokollarisch  aufgenommenen  Aussagen  entlasteten 
die  Bürgerschaft  völlig,  wie  auch  die  eidlichen  Versicherungen  der 
städtischen  Ärzte  und  Chirurgen,  die  Verletzungen  nur  durch  Säbel¬ 
hiebe  und  Bajonettstiche,  nicht  aber  durch  Messer  feststellten. 

Noch  grösseren  Eindruck  musste  aber  machen,  dass  sich  jetzt 
die  gefangenen  Franzosen  eifrig  für  die  Stadt  rührten.  Offiziere  und 
Gemeine,  Linientruppen  und  Nationalgardisten  ohne  Unterschied 
beeilten  sich,  in  einer  Reihe  mit  zahlreichen  Unterschriften  versehenen 
Erklärungen  das  gegen  die  Stadt  gesponnene  Lügengewebe  zu  zer- 
reissen.4  In  einem  am  12.  Dezember  von  Marburg  aus  datierten 


1  Ratssitzung  vom  24.  Dezember:  Der  Buchhändler  Wenner  sei  zu  sondieren, 
ob  er  nicht  jemanden  ausfindig  zu  machen  wüsste,  der  allenfalls  unter  einem 
fingierten  Namen  die  letzten  Ausfälle  des  Stamm  nach  Verdienst  abzufertigen  Lust  hätte. 

2  Eine  Finanzkontrollbehörde,  s.  Moritz,  Staatsverfassung  der  Reichsstadt 
Frankfurt,  I  315. 

5  Nr.  17.  Letzterer  sollte  die  Menge  gegen  die  Franzosen  aufgereizt  haben. 

4  Die  Oberpostamtszeitung  vom  n.  Dezember  und  das  Frankfurter  Journal 
vom  14.  enthalten  nicht  weniger  als  7  solcher  Erklärungen.  In  der  ersten  Erklärung, 
unterzeichnet  von  einigen  Offizieren  des  82.  Regiments,  heisst  es  unter  anderem : 
»Wer  klagen  sollte  (über  die  Frankfurter),  verdient  nicht,  den  Namen  Mensch  zu 
tragen.«  Die  fünfte  Erklärung  ist  unterzeichnet  von  den  Freiwilligen  und  den 
Linientruppen  der  drei  Bataillone  Vogesen,  Saintonge  und  Obere  Saöne.  Siehe 
auch  Memoire,  Anhang  Nr.  6—12. 


27S 


Schreiben  an  Custine  stellten  sie  es  als  ihre  Ehrenpflicht  hin,  den 
Verleumdungen  entgegenzutreten,  »die  nicht  auf  hören  wollen,  unsere 
Freunde  und  Brüder  der  Menschlichkeit,  die  braven  Frankfurter,  zu 
verfolgen«.  Ein  Schreiben  gleichen  Inhalts  schickten  französische 
Offiziere,  ebenfalls  von  Marburg,  an  den  Vorsitzenden  des  National¬ 
konventes,  und  van  Helden  beteuerte  dem  Kriegsminister  die  Unschuld 
der  Bürger  an  den  Ausschreitungen,  die  lediglich  auf  die  Handwerker 
und  Juden  zurückzuführen  seien.1  Nur  die  in  Hanau  gefangen 
gehaltenen  Offiziere  weigerten  sich  aus  uns  unbekannten  Gründen, 
der  Stadt  die  gewünschte  Ehrenerklärung  zu  geben. 

Aber  all  diese  Zeugnisse  genügten  dem  Rat  noch  nicht;  er 
verfiel  auf  ein  ganz  eigenartiges  Mittel,  um  den  Konvent  von  seiner 
Schuldlosigkeit  zu  überzeugen.  Er  bat  den  Landgrafen  von  Hessen- 
Kassel,  der  gerade  in  diesen  Tagen  in  Frankfurt  anlangte,  12  Mann 
der  gefangenen  Garnison  nach  Paris  zu  senden,  damit  sie  dort  die 
gehässigen  Anklagen  gegen  die  Stadt  widerlegten.  Zwar  meinte  der 
Landgraf,  über  Verleumdungen  müsse  man  sich  hinwegsetzen  — 
welche  Flut  von  Schmähungen  hatte  er  selbst  nicht  über  sich  ergehen 
lassen  müssen !  —  doch  überliess  er  die  Entscheidung  Friedrich 
Wilhelm  II.2  Aber  dessen  Antwort  lautete  ablehnend.3  Auch  von 
einer  Auswechslung  der  beiden  seit  dem  7.  Dezember  in  Paris  ge¬ 
fangen  gehaltenen  Frankfurter  Abgesandten  gegen  den  in  der  Festung 
Ziegenhain  internierten  van  Helden  wollte  er  nichts  wissen,  da  ein 
solches  Verfahren  gegen  alle  Kriegsgesetze  verstiesse.  Doch  beruhigte 
er  den  Rat  über  das  Schicksal  seiner  Deputierten;  er  habe  Custine 
wiederholt  geschrieben,  dass  die  in  Deutschland  gefangenen  fran¬ 
zösischen  Offiziere  dasselbe  Los  wie  jene  in  Paris  zu  gewärtigen 


1  Wie  wir  wissen,  hatte  van  Helden  bereits  am  2.  Dezember  die  Juden  grosser 
Ausschreitungen  bezichtigt,  und  dieser  Vorwurf  ward  von  seinen  Offizieren  wieder¬ 
holt.  Auch  bei  Chuquet  (S.  195,  196  und  197)  kehrt  dieser  Vorwurf  unbegreif¬ 
licherweise  wieder,  obgleich  schon  Custine  nicht  daran  hatte  glauben  wollen.  Die 
Juden  baten  in  einer  Eingabe  (»Dringende,  eilfertige,  unterthänige  Bitte  und  Vor¬ 
stellung  unser,  der  hiesigen  jüdischen  Bau-  und  Kastenmeister  und  gesammter  Juden¬ 
schaft  Imploranten«)  den  Rat  um  Schutz  vor  diesen  Verleumdungen,  der  ihnen 
auch  gewährt  wurde.  Ein  von  ihm  in  die  Blätter  eingerückter  Aufsatz  nahm  sich 
der  Juden  an.  Der  Rat  machte  van  Helden  noch  besondere  Vorstellungen  hierüber. 
Näheres  hierüber  siehe  in  meinem  Aufsatz  in  Geigers  Zeitschrift  für  die  Geschichte 
der  Juden  in  Deutschland,  Band  III,  S.  284  ff. :  Ein  angebliches  Attentat  der  Frank¬ 
furter  Juden  gegen  die  Truppen  des  Generals  Custine  im  Jahre  1792. 

2  Siehe  Gehorsamster  Bericht  über  die  Bekomplimentirung  des  Herrn  Land¬ 
grafen  zu  Hessen-Kassel  in  Nr.  17  und  21. 

5  1.  c.  datiert  vom  12.  und  15.  Dezember. 


279 


hätten.  Es  stehe  doch  zu  erwarten,  dass  Custine  den  Kriegsminister 
davon  verständigt  haben  würde. 

Dass  sich  der  Rat  in  seiner  schwierigen  Lage  an  den  König 
von  Preussen,  nicht  aber  an  seinen  natürlichen  Beschützer,  das  Reichs¬ 
oberhaupt,  wandte,  hatte  seine  guten  Gründe.  Er  hatte  dem  Kaiser 
gegenüber  kein  reines  Gewissen.  Über  seinen  Kopf  hinweg  hatte 
er  ja  Abgesandte  nach  Paris  geschickt,  um  mit  dessen  Feinden  zu 
verhandeln.  Zum  Glück  hatte  man  in  Wien  keine  Ahnung  davon, 
sonst  hätte  wohl  der  Vertreter  der  Stadt  am  Kaiserlichen  Hof,  der 
Herr  von  Pilgram,  am  12.  Dezember  nicht  nach  Frankfurt  berichtet, 
dass  man  an  allerhöchster  Stelle  mit  dem  Betragen  des  Rates  und 
der  Bürgerschaft,  »die  sich  mit  Klugheit  und  Anhänglichkeit  an  die 
Reichsverfassung  benommen«  und  dem  Feinde  die  Geschütze  ver¬ 
weigert  habe,  durchaus  zufrieden  sei.1  Aber  das  allzurege  Interesse 
des  Kaiserlichen  Ministeriums  für  die  Stadt  war  dem  Rat  nicht  sehr 
willkommen.  Er  hütete  sich  wohl,  den  verlangten  »ausführlichen 
pflichtgemässen  Bericht  an  Kais.  Majestät  von  den  Vorfällen  in  der 
Stadt  seit  Oktober  unter  Beifügung  aller  von  Custine  erlassenen 
Verordnungen«  zu  schicken,  begnügte  sich  vielmehr  damit,  nur 
einige  Exemplare  der  offiziellen  »Authentischen  Nachricht«  ein¬ 
zusenden,  »da  man  bei  den  gegenwärtigen  unruhigen  Zeitumständen 
und  daher  entstehenden,  häufigen  Geschäften  nicht  in  der  Lage 
sei,  den  ohnehin  sehr  weitläufig  ausfallenden  Bericht  schon  jetzt 
einzureichen.«2 

Überhaupt  wurde  nach  der  Ansicht  des  Rates  von  dem  an¬ 
geblich  patriotischen  Benehmen  der  Frankfurter  am  2.  Dezember  zu 
viel  Aufhebens  gemacht;  es  fing  an,  ihm  recht  peinlich  zu  werden, 
da  es  den  Gegnern  neuen  Stoff  zur  Erhärtung  ihrer  Beschuldigungen 
bot.  Deshalb  war  er  nicht  wenig  aufgebracht,  als  in  Regensburg, 
dem  Sitz  des  Reichstags,  um  die  Mitte  Dezember  ein  Aufruf  an  die 

1  Selpert  hatte  erst  am  9.  Dezember  durch  den  brandenburgischen  Gesandten 
die  Einnahme  Frankfurts  erfahren.  Er  schreibt  am  selben  Tage  dem  Rat:  »Der 
ganze  Reichstag  nimmt  an  allen  frohen  Begebenheiten  von  Frankfurt  den  erfreu¬ 
lichsten  Anteil  und  sieht  mit  mir  den  weiteren  glücklichen  Folgen  mit  grösstem 
Vergnügen  entgegen.«  Am  n.  berichtet  er,  dass  sowohl  der  österreichische  als 
auch  der  preussische  Gesandte  ihn  das  besondere  Wohlgefallen  ihrer  Höfe  an  dem 
klugen,  vorsichtigen,  patriotischen  Benehmen  des  Rates  und  der  Bürger  haben 
erkennen  lassen.  Beide  Höfe  versicherten  zugleich  Rat  und  Bürgerschaft  jederzeit 
ihrer  Huld  und  Gnade  (Reichstagsakten  1792). 

2  Schöffenprotokoll  vom  22.  Dezember.  Der  Bericht  an  den  Kaiser  wurde 
erst  im  Februar  1793  abgesandt. 


28o 


deutschen  Biedermänner  erschien,  der  zu  einer  Erkenntlichkeit  für 
die  herzhaften  Bürger  aufforderte,  die  in  Frankfurt  der  kombinierten 
Armee  das  Tor  eröffnet  hätten.  Auch  deren  Witwen  und  Waisen 
sollten  bedacht  werden.  Der  Rat  hielt  den  Fall  für  so  wichtig,  dass 
er  eine  besondere  Stafette  nach  Regensburg  schickte  und  Selpert, 
den  reichsstädtischen  Vertreter,  scharf  rügte,  dass  er  einen  solchen 
bedenklichen  Vorgang  nicht  sofort  nach  Frankfurt  berichtet,  ihn 
überhaupt  geduldet  habe;  er  solle  sofort  die  Sistierung  der  Sammlung 
bei  den  Behörden  veranlassen  und  den  in  Regensburg  erscheinenden 
Zeitungen  die  Gegenerklärung  zusenden,  die  bereits  am  17.  Dezember 
die  Frankfurter  Zeitungen  gebracht  hatten.  Und  so  las  man  im 
Hauptblatt  Regensburgs1  unter  der  Rubrik  »Aus  Teutschland«,  dass 
Frankfurter  Bürger  nicht  bei  der  Erbrechung  der  Tore  mitgewirkt 
hätten,  sondern  die  fremden  Handwerksburschen;  jene  verdienten 
also  keine  Belohnung,  noch  viel  weniger  hätten  sie  eine  solche  er¬ 
wartet,  diese  aber  seien  schon  vom  Sieger  belohnt  worden.  Diese 
Erklärung  musste  die  Lobredner  der  patriotischen  Frankfurter  etwas 
verlegen  machen. 


Die  Bürgerschaft  Frankfurts  hatte  sich  im  Laufe  des  Winters 
1792  zu  1793  von  den  Schrecken  der  Belagerung  sehr  rasch  erholt; 
der  Puls  des  öffentlichen  Lebens  schlug  lebhafter  als  je;  der  eine 
Zeitlang  zurückgehaltene  Drang  nach  Lebensgenuss  brach  wieder 
stark  hervor  und  suchte  Befriedigung;  ein  ausserordentlich  lebhaftes 
Treiben  entwickelte  sich  in  den  Hauptstrassen  und  auf  den  öffent¬ 
lichen  Plätzen.  Allerhöchste,  höchste  und  hohe  Herrschaften  hatten 
sich  in  der  Stadt  eingefunden  :  der  König  von  Preussen  mit  dem 
Thronfolger  Friedrich  Wilhelm ,  der  Prinz  Louis  Ferdinand,  der 
Herzog  von  Sachsen-Weimar  und  Gemahlin,  der  Herzog  von  Braun¬ 
schweig,  für  einige  Zeit  auch  der  Landgraf  von  Hessen-Kassel  u.  s.  w., 
dazu  die  Menge  von  militärischen  und  diplomatischen  Würdenträgern 
und  von  Fremden,  die  durch  die  Fülle  dessen,  was  Frankfurt  jetzt 
bot,  dorthin  gezogen  wurden.  Militärische  Schauspiele,2  Konzerte, 


1  Die  Regensburger  »Historische  Nachrichten  der  Neueren  Europäischen 
Begebenheiten«  LIII.  Stück.  S.  auch  Reichstagsakten  1792. 

2  Besonderes  Aufsehen  und  viel  Bewunderung  erregten  die  vier  Bataillone 
preussischer  Garde,  wegen  ihrer  glänzenden,  von  Silber  strotzenden  Uniform 
»Silbermänner«  genannt.  »Prächtig  gemustert,  in  Silber  galonniert,  mit  und  ohne 
Manschetten  ....  mit  dem  scharf  gekniffenen  preussischen  Adlerblick  und 


Lustbarkeiten  aller  Art  drängten  sich ;  oft  ging  es  geräuschvoller 
zu  als  selbst  zur  Krönungszeit;  besondere  Anziehungskraft  übte  das 
Theater  aus,  dessen  Räume  sich  jetzt  als  zu  klein  erwiesen.* 1  Und  wenn 
auch  der  Handel  unter  der  Einwirkung  des  Krieges  allmählich  zu  leiden 
begann,  so  zogen  doch  andererseits  viele  Kreise  der  Bevökerung, 
in  erster  Reihe  die  gewerblichen,  mancherlei  Nutzen  aus  den  un¬ 
ruhigen  Zeiten.  Das  Zusammenströmen  so  vieler  Fremden  brachte 
manchen  Verdienst,  die  zahlreichen  Bedürfnisse  der  Truppen  der 
verbündeten  Heere  verschafften  den  Handwerkern  vielerlei  Beschäfti¬ 
gung  und  Nahrung;  die  Branntweinhändler  machten  glänzende  Ge¬ 
schäfte.2 

Bei  alledem  sehnte  man  sich  aus  diesen  unruhevollen  Zeiten 
heraus,  und  der  Wunsch  nach  Frieden  war  in  der  Bürgerschaft  all¬ 
gemein.3  Noch  fühlte  man  sich  vor  den  Franzosen  nicht  sicher, 
solange  sie  Mainz  in  Händen  hatten.4  Noch  waren  die  Verhand¬ 
lungen  der  nach  Paris  geschickten  Deputierten  mit  dem  National¬ 
konvent  nicht  zum  befriedigenden  Abschluss  gelangt.  Und  so  lebte 
man  in  beständiger  Unruhe  und  Unsicherheit. 

Um  die  damalige  Lage  der  Stadt  ganz  zu  verstehen,  bedarf  es 
eines  Rückblicks  auf  die  Schicksale  der  beiden  Frankfurter  Abgesandten 
in  Paris. 


gespitztem  Schnurrbart«,  so  schildert  sie  uns  der  Konditor  Joh.  Anton  Engelhard  in 
seinen  Aufzeichnungen  über  die  Ereignisse  der  Jahre  1792--1801  (Chroniken  68 
des  Stadtarchivs). 

1  Das  Frankfurter  Nationaltheater  war  am  22.  Oktober,  also  am  Tage  des 
Einzuges  der  Franzosen,  eröffnet  und  sofort  wieder  geschlossen  worden.  Die 
Wiedereröffnung  erfolgte,  nachdem  Custine  die  Stadt  verlassen  hatte,  Ende  Oktober. 
Jetzt  wurde  das  Theaterpersonal  durch  die  aufgelöste  Mainzer  Truppe  verstärkt. 
Über  den  Theaterbesuch  schreibt  die  Frau  Rat  ihrem  Sohne  nach  Weimar  Neujahr 
1793:  .  .  .  »Das  Hauß  ist  ziemlich  groß,  aber  vorjetzt  meistentheils  zu  klein.  So 
einen  Specktakel  wie  am  2ten  Christtag  habe  ich  noch  nicht  (selbst  die  Krönung 
nicht)  drinnen  erlebt  —  über  2000  Menschen  mußten  zurück,  man  konnte  keinen 
Apfel  zur  Erde  werfen.«  (Briefe  von  Goethes  Mutter  u.  s.  w.  S.  12  und  Engelhard  S.  3.) 

2  Reges  Leben  herrschte  stets  vor  den  Branntweinläden,  »wo  die  Sponton- 
spieße  reihenweise  wie  unsere  Feuerhaken  und  Leitern  angelehnt  standen,  bis  der 
wachthabende  Unteroffizier  da  drinnen  zuvor  seinen  martialischen  Schluck  getan 
hatte.«  Engelhard  1.  c. 

3  »Er  (Gott)  schenke  uns  den  edlen  Frieden,  diß  ist  mein  und  der  Wunsch 
von  Vielen  Tausenden«,  schreibt  die  Frau  Rat  am  selben  Tage  ihrem  Sohne  (1.  c.) 

4  Dieselbe  schrieb  am  19.  Dezember  nach  Weimar:  »So  lange  aber  Maintz 
nicht  in  deutschen  Händen  ist,  dürfen  wir  noch  nicht  Viktoria  rufen  und  die 
Wolfshaut  noch  nicht  feil  bieten«  (1.  c.  S.  10). 


282 


In  der  späten  Abendstunde  des  4.  November  hatten,  wie  bereits 
erwähnt,  Seeger  und  Engelbach  Frankfurt  verlassen  und  kamen  bei 
den  schlechten  Wegen  erst  in  der  Frühe  des  10.  in  Paris  an.1  Ihre 
Ankunft  fiel  in  eine  Zeit  der  grössten  politischen  Aufregung.  Noch 
zitterte  das  Entsetzen  über  die  Septembermorde  allgemein  in  den 
Gemütern  nach;  die  Absetzung  des  Königs,  die  Umwandlung  der 
Monarchie  in  eine  Republik,  die  Parteikämpfe  in  der  neu  zusammen¬ 
getretenen  Volksversammlung,  dem  Nationalkonvent,  hielten  die 
Bevölkerung  in  höchster  Erregung.  Diese  steigerte  sich  noch,  als 
die  Republikaner  gegen  Ludwig  XVI.  die  Anklage  auf  Verrat  und 
Verschwörung  erhoben  und  ihm  den  Prozess  machten. 

Die  Abgesandten  erkannten  alsbald  die  Schwierigkeit  ihrer  Auf¬ 
gabe  und  mussten  billig  zweifeln,  ob  sie  mit  ihren  Wünschen  bei 
einer  Versammlung  Gehör  finden  würden,  in  der  der  Hass  und  die 
Erbitterung  der  Parteien  die  Sache  der  Gerechtigkeit  kaum  zu  Wort 
kommen  lassen  würde.  Dabei  war  noch  zu  berücksichtigen,  dass 
Frankfurt  bei  der  Pariser  Presse  schlecht  angeschrieben  war.  Es 
galt  als  ein  despotisch  verwaltetes,  von  den  »Aristokraten«  ausge¬ 
sogenes  Gemeinwesen,  dazu  voll  üblen  Willens  gegen  die  freiheit¬ 
lichen  Bestrebungen  und  ihre  Vorkämpfer,  die  republikanischen  Heere, 
und  auch  in  der  Bevölkerung  fanden  Seeger  und  Engelbach  starke 
Vorurteile  gegen  Frankfurt.  Aber  all  die  Schwierigkeiten  spornten 
sie  nur  zu  verdoppelter  Tätigkeit  an.  Mit  Recht  durften  sie  von  sich 
sagen:  »Wir  haben  uns  keine  Ruhe  gegönnt  und  keinen  Augenblick 
unbenützt  gelassen,  wenn  es  galt,  der  Sache  der  Stadt  zu  dienen.« 
Die  ersten  Tage  nach  ihrer  Ankunft  brachten  sie  teils  mit  dem 
Abgeben  der  Empfehlungsschreiben  an  die  bedeutendsten  Bank-  und 
Geschäftshäuser  der  Hauptstadt  sowie  an  einzelne  Mitglieder  des 
Nationalkonventes,  teils  mit  der  Drucklegung  des  bereits  in  Frank¬ 
furt  abgefassten  Memoire  zu,  das  sie  aber  nach  dem  Rat  »eines  mit 
den  hiesigen  Verhältnissen  kundigen  Mannes«  entsprechend  abänderten. 
Sie  hofften  damit,  wie  sie  Lebrun,  dem  Minister  des  Auswärtigen, 
schrieben,  den  Nationalkonvent  von  der  Grundlosigkeit  aller  gegen 
den  Rat  erhobenen  Beschuldigungen  zu  überzeugen  und  ihn  zu  be¬ 
stimmen,  der  Stadt  die  ihr  von  Rechts  wegen  gebührende  Neutralität 

1  Das  Folgende  zum  grössten  Teil  nach  ihren  Berichten  in  Nr.  24  (3  Bände) : 
»Acta  als  Beilage  zu  den  von  den  nach  Paris  gesandten  Deputierten  .  .  .  erstatteten 
Relationen  gehörig.«  Die  Berichte  wurden  übrigens  der  grösseren  Sicherheit  wegen 
unter  Deckadresse  abgeschickt.  —  Das  Hotel,  in  dem  Seeger  und  Engelbach  ab- 
stiegen,  hiess  zufällig  Hotel  de  Francfort. 


—  283  — 

zu  gewähren.  Zugleich  ersuchten  sie  den  Präsidenten  des  National¬ 
konvents  um  die  Erlaubnis,  in  einer  Sitzung  die  Sache  der  Stadt 
Vorbringen  zu  dürfen.  Er  beantwortete  ihr  Gesuch  sofort  in  höf¬ 
lichster  Form  und  setzte  ihr  Erscheinen  vor  dem  Konvent  auf  den 
14.  November  fest. 

In  welcher  Gemütsverfassung  die  Abgesandten  um  2  Uhr  Nach¬ 
mittags  den  Sitzungssaal  betraten,  welchen  Eindruck  die  Versamm¬ 
lung  auf  sie  machte,  die  den  Brennpunkt  des  allgemeinen  politischen 
Interesses  bildete  und  von  der  nicht  nur  das  Geschick  Frankfurts, 
sondern  das  von  ganz  Europa  abhing,  darüber  berichten  Seeger  und 
Engelbach  leider  nichts. 

Der  Empfang,  der  ihnen  im  Konvent  zu  teil  wurde,  war  über 
Erwarten  wohlwollend.  Die  , angeborene  französische  Höflichkeit 
und  Ritterlichkeit  verleugnete  sich  auch  hier  nicht.  Man  Hess  sie 
nicht  vor  der  Schranke  (ä  la  barre)  des  Saales  stehen ,  sondern 
führte  sie  unter  Beifallklatschen  in  den  Saal  selbst.  Mit  gespannter 
Aufmerksamkeit  und  unter  tiefem  Stillschweigen  folgten  die  Volks¬ 
vertreter  der  sorgfältig  vorbereiteten  Rede  Seegers,1  deren  Schwung 
und  Pathos  auf  französische  Hörer  berechnet  war.  Die  Töne,  die 
er  anschlug,  mussten  in  einer  solchen  Versammlung  ein  Echo  finden.2 
Er  stellte  die  Vaterstadt  als  ein  Gemeinwesen  hin,  in  dem  die  Frei¬ 
heit  ihren  Sitz  aufgeschlagen  habe.  »Die  Pressfreiheit,  um  die  ihr 
so  lange  gekämpft  habt«,  rief  er  ihnen  zu,  »besitzen  wir  schon 
längst.  Dank  ihr  konnte  in  Frankfurt  eine  Reihe  philosophischer 
Schriften  erscheinen,  die  die  neuen  politischen  Ideale  zum  ersten  Male 
geoffenbart  haben«.  Sodann  verteidigte  er  den  Rat  gegen  den  Vorwurf, 
die  Emigranten  begünstigt  und  eine  aristokratisch  gesinnte  Zeitung 
geduldet  zu  haben.  »Unsere  Zeitungen«,  bemerkte  er  hierzu,  »sind 
um  nichts  aristokratischer  als  die  Hälfte  der  in  Paris  erscheinenden«. 
In  kluger  Weise  behandelte  er  sehr  schonend  Custine,  der  nur  den 


1  Wir  haben  nicht  weniger  als  drei  Entwürfe  dafür,  von  denen  die  beiden 
ersten  wegen  ihrer  Ausfälle  gegen  Custine  zurückgelegt  wurden. 

2  Wir  geben  den  Anfang  der  Rede:  »Citoyens  representants  de  la  Nation 
francaise !  La  Republique  de  Francfort  se  präsente  la  premiere  entre  tous  les  Etats 
de  l’Europe  devant  la  Republique  francaise  et  vient  reclamer  sa  justice.  Vous 
entendrez  ses  Organes  avec  bienveillante  attention.  Ce  n’est  pas  sur  l’etendue  du 
territoire  que  vous  mesurez  votre  interet  pour  les  nations  et  pour  les  cites  etrangeres, 
c’est  sur  la  valeur  des  hommes  qui  les  habitent,  c’est  sur  le  degre  de  ,1a  liberte 
qui  ennoblit  leur  existence.  Or,  citoyens,  Francfort  est  un  etat  libre  dont  l’in- 
dependance  n’est  limitee  que  par  les  liens  de  la  Confederation  Germanique  qui 
nous  unit  ä  des  princes,  ä  des  rois,  mais  sans  nous  subordiner  ä  aucun  d’eux«  etc.  etc. 


284 


Verleumdungen  der  Feinde  der  Stadt  zu  leicht  nachgegeben  habe. 
Wie  sehr  aber  diese  mit  der  Republik  sympathisiere,  zeige  deutlich 
der  Empfang  ihrer  Truppen  am  22.  Oktober.  »Wie  Brüder  sind  sie 
aufgenommen,  wie  Kinder  behandelt  worden«.  Mit  grossem  Nach¬ 
druck  verwies  er  hierbei  auf  das  Memoire1  —  er  legte  es  auf  den 
Tisch  des  Sitzungssaales  — ,  aus  dem  das  wohlwollende  Verhalten 
Frankfurts  gegen  die  französische  Nation  unzweideutig  hervorgehe. 
Er  schloss  seine  Rede  mit  der  Bitte  um  Ersatz  der  ersten  Million  Gulden, 
um  Vernichtung  der  Schuldscheine  für  die  zweite  Million  und  um 
Zusicherung  des  Schutzes  während  der  Dauer  des  Krieges.  »Dann 
werdet  ihr  beweisen,  dass  alle  friedfertigen  Nationen  sich  voll¬ 
kommener  Ruhe  inmitten  eurer  kriegerischen  Veranstaltungen2  er¬ 
freuen  können.«  I 

Reichen  Beifall  erntete  Seeger  bei  verschiedenen  Stellen  seiner 
Rede.  Er  und  sein  Begleiter  wurden  sogar  eingeladen,  unter  den 
Volksvertretern  Platz  zu  nehmen,  und  erhielten  die  Erlaubnis,  von 
jetzt  ab  den  Sitzungen  des  Konvents  beizuwohnen.3 * 5  Alsdann  erfolgte 
die  Erwiderung  des  Präsidenten.  Er  erklärte,  die  Versammlung  könne 
nicht  ohne  die  zwingendsten  Gründe  die  Massnahmen  eines  so  ver¬ 
dienten  Pleerführers  wie  Custine  verurteilen,  der  bereits  so  viele 
Beweise  von  Menschlichkeit  und  Gerechtigkeit  in  Deutschland  ge¬ 
geben  habe.  An  und  für  sich  entspreche  die  Auferlegung  einer  Kon¬ 
tribution  durchaus  den  Kriegsgesetzen,  nur  dass  sie  nicht,  wogegen 
Custine  mit  Recht  eingeschritten  sei,  auf  den  ärmeren  Teil  der 
Bevölkerung  abzuwälzen  sei.  Aber  da  die  Republik  nur  auf  den 
ewigen  Grundsätzen  der  Gerechtigkeit  ihre  Macht  errichten  könne, 
so  werde  sie  Europa  ein  Beispiel  ihrer  Unparteilichkeit  geben  und 
die  Beschwerden  der  neuen  Brüder,  die  das  französische  Volk  soeben 
in  Frankfurt  erworben  habe,  sorgfältigst  berücksichtigen. 

In  Gegenwart  der  Gesandten  eröffnete  nun  der  Präsident  die 
Debatte.  Der  Antrag  eines  Volksvertreters,  die  Petition  sogleich 
zurückzuweisen,  ging  nicht  durch,  wohl  aber  der,  sie  dem  gesetz¬ 
geberischen  und  dem  diplomatischen  Ausschuss  zur  Berichterstattung 
zu  übergeben.  Damit  mussten  sich  die  Abgeordneten  einstweilen 
zufrieden  geben  und  sie  waren  es  auch.  »Wir  sehen  mit  Vergnügen«, 


1  S.  Seite  242. 

2  Das  Konzept  der  Rede  befindet  sich  in  Nr.  24  unter  Discours  ä  prononcer 

ä  la  Convention  Nationale  de  la  Republique  francaise,  abgedruckt  ist  sie  im 

Moniteur  1792,  Nr.  321,  ungenau  in  der  Oberpostamtszeitung  vom  23.  November. 

5  Es  wurde  ihnen  »honneur  de  seance«  zu  teil. 


285 


schrieben  sie  am  15.  November  nach  Frankfurt,1  »dass  eine  sehr 
ansehnliche  Zahl  für  unsere  gute  Sache  eingenommen  ist,  der  Minister 
des  Auswärtigen,  der  des  Inneren  (Roland)  und  der  Justizminister.« 

Eine  Reihe  von  Federn  regte  sich  schon  für  die  Stadt.  Das 
Konventsmitglied  Roederer,2  an  den  die  Abgeordneten  besonders 
empfohlen  waren,  sandte  dem  Journal  de  Paris  geschickt  abgefasste 
Artikel,  um  Stimmung  für  die  Stadt  zu  machen  und  besonders  die 
Beschuldigung  wegen  Anfertigung  falscher  Assignaten  zu  widerlegen, 
und  gerade  jetzt  übergab  Graf  Gorani  dem  Konvent  seine  Schutz¬ 
schrift  für  Frankfurt,3  »das  mit  bewunderungswürdiger  Weisheit 
regiert  wird  und  sich  gegen  uns  stets  so  benommen  hat,  dass  es 
auf  unsere  Dankbarkeit  Anspruch  hat.«  In  den  Pariser  Blättern  er¬ 
schien  der  flammende  Protest  des  Ministers  Roland  gegen  die  unge¬ 
rechte  Kontribution,  die  die  erhabenen  Grundsätze  der  Revolution 
verletze  und  in  der  »unsere  Feinde  und  die  Priester  einen  anschau¬ 
lichen  Beweis  dafür  sehen,  dass  wir  Briganten  sind,  die  Freunde  und 
Feinde  auf  gleiche  Weise  plündern.« 

Aber  auch  die  Gegner  der  Stadt  rührten  sich,  zunächst  die 
Häupter  der  jakobinischen  Partei  im  Bunde  mit  dem  Kriegsminister 
und  dem  Marineminister,  die  Custine  nicht  fallen  lassen  wollten. 
Das  einflussreichste  Blatt  der  Partei,  der  Moniteur,  stellte  sich  der 
Stadt  und  ihren  Vertretern,  »die  hier  so  unermüdlich  ihre  Ränke 
schmieden«,4  von  vorherein  feindlich  gegenüber.  Mit  aller  Schärfe 
trat  es  für  die  Berechtigung  der  Kontribution  ein,  sofern  sie  nur 
nicht  von  den  Ärmeren  getragen  würde,  denn  Custine  und  seine 
Begleiter,  bemerkt  es,  sind  doch  nicht  als  Reisende  sondern  als 
Krieger  nach  Deutschland  gekommen,  »der  Krieg  der  Republik  aber 


1  Die  Briefe  liefen  durchschnittlich  6  Tage. 

2  Der  bekannte  Staatsmann  und  Schriftsteller,  Advokat  bei  dem  Parlament 
von  Metz,  das  ihn  1789  in  die  Nationalversammlung  entsandte.  Dort  machte  er 
sich  durch  seine  Reden  für  die  Pressfreiheit,  die  Reform  des  Richterstandes  u.  s.  w. 
besonders  bemerkbar;  zpäter  ward  er  Syndikus  des  Seinedepartements.  Beim  Sturm 
auf  die  Tuilerien  am  xo.  August  1792  schützte  er  den  König.  —  Er  hatte  eine 
Frankfurterin,  Regina  Luise  von  Guaita,  zur  Frau. 

3  Petition  ä  la  Convention  Nationale  de  France  pour  les  habitants  de  la 
ville  de  Francfort  par  Joseph  Gorani,  citoyen  francais.  De  Francfort  6  Novembre 
1792,  abgedruckt  im  Moniteur  Nr.  328  und  Nr.  329  vom  23.  und  24.  November. 
In  Nr.  329  befindet  sich  auch  Reponse  du  ministre  de  Pinterieur  (Roland)  au 
ministre  des  affaires  etrangeres  aux  reclamations  de  la  ville  de  Francfort-sur-le 
Mein  du  18  Novembre  1792  .  .  . 

4  1.  c.  Nr.  339  vom  4.  Dezember. 


286 


muss  schrecklicher  als  jeder  andere  sein,  um  so  kürzer  wird  er  als¬ 
dann  sein.  Wehe  der  unzeitgemässen  Humanität,  die  etwa  verlangt, 
seine  Schläge  zu  mindern !  ...  Auf  Kosten  der  Nation  darf  man  nicht 
den  Grossmütigen  spielen  .  .  .  Frankfurt  ist  ein  Glied  des  deutschen 
Reiches,  hat  aber  auf  dem  Reichstag  nie  seine  Stimme  für  die 
Republik  erhoben.  Es  gibt  vor,  eine  freie  Stadt  zu  sein  .  .  .  aber 
Frankfurts  Freiheit  gleicht  der  einer  Republik  von  Bibern  inmitten 
habsüchtiger  Jäger;  sie  besteht  darin,  Reichtümer  sammeln  zu  dürfen, 
die  früher  oder  später  die  Beute  der  gekrönten  Jäger,  der  Österreicher 
oder  der  Preussen,  sein  werden,  wie  es  der  Siebenjährige  Krieg 
beweist.« 

Zum  Unglück  für  die  Sache  Frankfurts  tauchte  gerade  jetzt  in 
Paris  die  Frau  Monzeville  mit  ihrem  Gatten  auf.  Wir  wissen,  dass 
der  Rat  sie  auf  das  Drängen  des  Kurfürsten  von  Mainz  ausgewiesen 
hatte,  ohne  ihr  Zeit  zu  lassen,  ihre  Angelegenheiten  zu  ordnen; 
später  hatte  er  auf  ihre  Effekten,  die  sie  bei  dem  Gastwirt  Lippert 
zurücklassen  musste,  wegen  ihrer  Wechselschulden  Arrest  gelegt. 
Als  sie  Ende  1792  im  Vertrauen  auf  den  Schutz  des  ihr  gewogenen 
Erbmarschalls  Grafen  von  Pappenheim  nach  Frankfurt  zurückkehrte, 
ward  sie  zum  zweiten  Male  ausgewiesen;1  der  französische  Resident 
Barozzi  hatte  es  abermals  verschmäht,  sich  ihrer  anzunehmen.  Wie 
übel  sie  gegen  diesen  und  den  Rat  gesinnt  war,  können  wir  uns 
leicht  vorstellen.  Jetzt  schien  ihr  der  Augenblick  günstig,  Rache  an 
beiden  zu  nehmen.  Die  jakobinische  Presse  machte  ihre  Privat¬ 
angelegenheit  zur  öffentlichen.  Zunächst  erlag  ihren  Angriffen 
Barozzi;  er  wurde  wegen  seiner  Schlaffheit  des  Postens  in  Frankfurt 
enthoben.  Dann  richtete  sie  ihre  Angriffe  gegen  den  Rat  selbst. 
Sie  verlangte  vom  Minister  des  Auswärtigen  Genugtuung  für  die  ihr 
zugefügte  Schmach;  in  ihrer  Person  sei  die  Ehre  der  Nation  beschimpft 
und  zugleich  das  Völkerrecht  verletzt  worden.  Sie  stellte  sich  als 
die  wegen  ihrer  freiheitlichen  und  patriotischen  Gesinnung  von  den 
Emigranten  Verfolgte  hin,  den  Rat  aber  als  Handlanger  »der  Mainzer 
Pfäfflein  und  des  königlichen  Souveräns  von  Koblenz«.  Nichts  Ge¬ 
ringeres  forderte  sie,  als  dass  der  Minister  bei  den  Tyrannen  von 
Frankfurt  ein  Schadloshaltung  von  150000  livres  für  sie  beanspruche. 


1  Schöffenbeschluss  vom  29.  Juni:  » . sollte  sie  aber  wirklich  im 

Schutz  des  Pappenheim  sein,  dieses  dem  hohen  Kurfürstenkollegium  anzeigen  und 
sich  zugleich  gegen  alle  aus  dergleichen  Vorfällen  entspringen  könnenden  Nachteile 
bestens  abstrahieren«. 


287 


Die  von  den  Blättern  vielfach  besprochene  Beschwerdeschrift 
der  Frau  Monzeville  erregte  in  Paris  ein  für  die  städtischen  Abgesandten 
peinliches  Aufsehen.  Villars,  der  Vertreter  Frankreichs  in  Mainz, 
hatte  ihr  ausdrücklich  bescheinigt,  dass  sie  lediglich  wegen  ihrer 
politischen  Gesinnung  aus  Frankfurt  ausgewiesen  worden  sei.  Der 
diplomatische  Ausschuss  befasste  sich  jetzt  mit  ihrer  Angelegenheit 
und  machte  den  Abgesandten  ernste  Vorstellungen  darüber.  Diese 
verteidigten  den  Rat  nicht  gerade  glücklich.  Da  weder  Barozzi  noch 
der  frühere  französische  Minister  am  Mainzer  Hof,  deren  Schutz  sie 
angerufen  hatte,  sich  für  sie  geregt  hätten,  so  sei  der  Frankfurter 
Rat  zu  ihrer  Ausweisung  berechtigt  gewesen,  zumal  da  ihr  nach 
Ablauf  der  Messe  ein  Anspruch  auf  Verlängerung  des  Aufenthaltes 
in  der  Stadt  nicht  zustand.  Ausserdem  beriefen  sie  sich  darauf,  dass 
Frau  Monzeville,  weit  entfernt  die  angebliche  Patriotin  zu  sein,  als 
politisch  verdächtig  Landau  habe  verlassen  müssen. 

Im  Grunde  regte  der  Monzevillesche  Fall  Seeger  und  Engel¬ 
bach  nicht  sonderlich  auf.  Durch  eine  reichlich  bemessene  Geld¬ 
entschädigung,  die  sie  dem  diplomatischen  Ausschuss  in  Aussicht 
stellten,  wenn  der  Frau  wirklich  Unrecht  geschehen  sei,  konnte  man 
über  ihn  hinwegkommen.  Dagegen  stiessen  sie  jetzt  bei  diesem  Aus¬ 
schuss  und  im  Konvent  auf  andere  Schwierigkeiten,  die  ihnen  schier 
unüberwindlich  schienen.  In  beiden  Körperschaften  zählte  die  Auf¬ 
fassung  viele  Anhänger,  dass  Frankfurt  als  ein  vom  Kaiser  abhängiger 
Stand,  mithin  als  ein  Feind  der  Republik  zu  betrachten  sei,  jeder 
Krieg  gegen  den  Kaiser  sei  zugleich  ein  Reichskrieg,  in  dem  kein 
einzelner  Reichsstand  als  neutral  zu  behandeln  sei;  auch  die  Kurpfalz, 
Württemberg,  Hessen-Darmstadt  und  noch  andere  Stände,  die  in 
dem  Kriege  neutral  bleiben  wollten,  müssten  mit  ihren  Gesuchen 
abgewiesen  werden.  Als  einzigen  Ausweg  aus  allen  Bedrängnissen, 
der  zugleich  auch  in  der  Kontributionsfrage  zum  gewünschten  Ziel 
führen  würde,  empfahl  man  Seeger  und  Engelbach,  die  Verbindung 
mit  Kaiser  und  Reich  ein  für  allemal  zu  lösen  und  —  wie  das 
benachbarte  Mainz  —  sich  der  französischen  Republik  anzuschliessen. 

Vergebens  führten  die  Abgesandten  gegen  »diesen  fürchterlichen 
Grundsatz«1  alle  möglichen  staatsrechtlichen  Gründe  an,  vergebens 

1  So  nennen  sie  ihn  im  Schreiben  vom  22.  November.  Auch  der  Moniteur 
vertrat  diesen,  wenn  er  in  Nr.  339  unter  »Melanges  sur  la  contribution  de  Francfort« 
schreibt :  »Vous  m’objectez  toujours  la  constitution  de  l’Empire?  Eh  bien,  affranchissez- 
vous.  Vous  ne  l’osez  pas  ?  Eh  bien,  payez,  nous  vous  affranchirons.  Car  il  est  reconnu 
que  la  constitution  germanique  et  la  Republique  frangaise  ne  peu  vent  subsister  ensentble.« 


288 


beriefen  sie  sich  auf  die  Bestimmungen  des  westfälischen  Friedens, 
der  doch  von  Frankreich  selbst  gewährleistet  worden  sei.  Sie  fanden 
wenig  Gehör.  Und  so  begreifen  wir,  dass,  wie  die  Zeit  verstrich, 
ohne  dass  Seeger  und  Engelbach  merklich  vorwärts  kamen,  es  der 
Rat  für  nötig  hielt,  ihnen  drei  weitere  Deputierte  nachzuschicken, 
den  Schöffen  Günderrode,  den  Handelsmann  Müller,  Mitglied  des 
Einundfünfzigerkollegs,  und  den  Handelsmann  Jordis.1  25000  Gulden 
wurden  ihnen  »zur  nötig  findenden  Verwendung«  zur  Verfügung 
gestellt.  Am  22.  November  trafen  sie  in  Paris  ein. 

Die  Tätigkeit  oder  vielmehr  die  Kabalen,  wie  es  die  Gegner 
nannten,  der  so  verstärkten  Deputation  machten  sich  auch  bald  be¬ 
merkbar.  Einzelne  hauptstädtische  Blätter  traten  jetzt  wärmer  für 
Frankfurt  ein;  sie  betonten  besonders,  dass  es  sich  von  allen  Ver¬ 
bindungen  gegen  die  Republik  ferngehalten  habe,  ferner,  dass  es  im 
wohlverstandenen  eigenen  Interesse  Frankreichs  liege,  durch  Gross¬ 
mut  und  Achtung  vor  fremdem  Eigentum  die  Völker  Deutschlands  für 
sich  zu  gewinnen.2  Und  dass  gerade  in  diesen  Tagen  ein  Schreiben 
des  Generalleutnants  Wimpfen  von  der  Niederrheinarmee  im  Kon¬ 
vent  verlesen  wurde,  in  dem  er  die  der  Stadt  Frankfurt  widerfahrene 
Behandlung  scharf  verurteilte,3  mochte  immerhin  einen  gewissen 
Eindruck  erzielen;  freilich  war  er  als  Gegner  Custines  bekannt. 
Dieser  verfocht  immer  noch  in  seinen  Berichten  an  den  Kriegs¬ 
minister4  die  Berechtigung  der  Kontribution  unter  allerlei  Ausfällen 
gegen  Frankfurt,  dabei  kräftig  unterstützt  von  der  jakobinischen 
Presse.  Vergebens  schickten  die  Deputierten  einen  Artikel  nach  dem 
andern  den  Blättern  zur  Berichtigung.  Tatsache  war  doch,  dass  man 
in  Frankfurt  weder  die  dreifarbige  Kokarde  angenommen,  noch 
Freiheitsbäume  gepflanzt,  noch  auch  die  Forderung  des  Moniteur 
erfüllt  hatte,  die  Bevölkerung  in  Urwählerversammlungen  zu  berufen 
und  ihr  dort  alle  Rechte,  besonders  aber  die  Wahl  der  Obrigkeiten, 
zu  übertragen.  Und  so  weigerten  sich  der  Moniteur  und  andere 
Zeitungen,  die  Entgegnungen  der  Deputierten  aufzunehmen.5  Sieges- 

1  Ursprünglich  auch  noch  den  Handelsmann  Alesina  von  Schweitzer. 

2  So  in  der  Zeitung  Liberte,  Egalite,  Gazette  Nationale  de  France  Nr.  243. 

3  S.  auch  Chuquet  S.  122;  daselbst  findet  sich  auch  das  in  gleichem  Sinne 
abgefasste  Schreiben  Desportes’  an  den  Kriegsminister. 

4  So  besonders  im  Schreiben  vom  19.  November,  worin  Custine  von  sich 
rühmt,  dass  der  Geist  der  Gerechtigkeit  ihn  beseele  .  .  .  »la  droiture  de  mon  äme 
m’ont  garanti  des  pieges  qu’on  pouvait  chercher  ä  me  tendre«. 

5  Nur  das  Supplement  de  la  Ghronique  de  Paris  war  dazu  bereit  (Nr.  341). 
Es  nahm  auch  die  Erklärung  der  Frankfurter  Zünfte  vom  5.  November  auf. 


289 


gewiss  verkündeten  sie:  »Die  Freunde  echter  Volksfreiheit  und  der 
Ehre  der  französischen  Republik  denken  gar  nicht  daran,  dass  der 
Konvent  Custine  dementieren  werde,  indem  er  die  Kontribution  der 
Stadt  Frankfurt,  d.  h.  den  Bankiers  und  Aristokraten,  herausgibt.«1  Und 
im  Diplomatischen  Ausschuss  erklärte  ein  Mitglied,  Rühl,  in  drohen¬ 
der  Sprache  den  Deputierten  geradezu,  dass  sich  dreissig  Abgeordnete 
der  Departements  des  Rheines,  der  Mosel  und  der  Maas  mit  ihm 
vereint  hätten,  um  ihre  Mission  zum  Scheitern  zu  bringen.  Vielleicht 
wusste  auch  Rühl  davon,  dass  gerade  in  diesen  Tagen  der  Finanz¬ 
minister  Custine  mitteilte,  die  Frankfurter  Deputierten  würden,  ohne 
ihre  Millionen  zu  bekommen,  abreisen  müssen.2  So  schreiben  denn 
diese  am  29.  nach  Frankfurt:  »Vom  Fortgang  unserer  Geschäfte 
können  wir  nichts  Tröstliches  berichten.« 


Die  Einnahme  Frankfurts  durch  die  Flessen  und  Preussen  am 
2.  Dezember  änderte  auch  für  die  Abgesandten  die  Lage  der  Dinge 
völlig.  Schon  am  5.  Dezember  gegen  n  Uhr  nachts  erhielten  sie 
durch  Eilboten  die  Nachricht  von  diesem  wichtigen  Ereignis.  Noch 
kannten  sie  nicht  die  näheren  Umstände,  unter  denen  die  Erstürmung 
der  Stadt  erfolgt  war,  aber  der  Schlusssatz  ihres  Briefes  vom 
6.  Dezember:  »Hoffentlich  enthält  der  Bericht  Custines  nichts  über 
diesen  Vorfall,  worüber  man  unserer  armen  Stadt  Vorwürfe  machen 
kann«  zeigt  uns,  dass  sie  nicht  ohne  richtige  Vorahnung  der  Zukunft 
entgegensahen. 

Als  sie  am  nächsten  Tag  dem  Minister  des  Auswärtigen  die 
ihnen  gewordene  Kunde  mitteilten,  zeigte  sich  dieser  nicht  sonderlich 
überrascht  und  erregt,  da  Custine  schon  einige  Tage  vorher  dem 
Kriegsminister  als  unmöglich  hingestellt  hatte,  die  Stadt  bei  einem 
etwaigen  Angriff  zu  halten. 

Am  Abend  des  8.  Dezember  traf  im  Kriegsministerium  in  Paris 
der  Bericht  Custines  ein,  der  die  Vorgänge  vom  2.  Dezember  in  der 
uns  bekannten  verleumderischen  Färbung  schilderte.  Seine  Wirkung 
zeigte  sich  sofort.  Noch  in  derselben  Nacht  wurden  die  fünf  Depu¬ 
tierten  aus  dem  Schlaf  geweckt.  Vor  ihrem  Bett  sahen  sie  den 


1  Nr.  339,  woselbst  es  atfch  heisst,  dass  in  Frankfurt  nur  die  Patrizier 
herrschen,  ...  et  autres  pieces  aristocratiques,  les  riches  et  les  seuls  riches  y  sont 
en  possession  des  premieres  magistratures«. 

*  Chuquet  S.  123. 


19 


290 


General  der  Pariser  Nationalgarde,  Santerre,  in  Begleitung  von  Offi¬ 
zieren.  Unter  Hinweis  auf  eine  Ordre  des  Vollziehungsausschusses 
(comite  executif)  kündigte  er  den  Erstaunten  Hausarrest  an  und  liess 
drei  Offiziere  zur  Bewachung  zurück.  Vergebens  forschten  sie  nach 
dem  Grunde  ihrer  Verhaftung,  jede.  Auskunft  ward  ihnen  verweigert. 
Der  Minister  des  Auswärtigen,  bei  dem  sie  sich  über  den  Bruch  des 
Völkerrechtes  beschwerten,  wich  einer  Antwort  aus,  indem  er  nur 
bemerkte,  dass  ihre  Sache  vor  dem  Konvent  alsbald  verhandelt  werden 
würde  unter  strengster  Beobachtung  der  Loyalität  und  Gerechtigkeit. 

Dass  ihre  Verhaftung  mit  der  Einnahme  der  Stadt  in  Zusammen¬ 
hang  stände,  daran  zweifelten  die  Deputierten  nicht.  Doppelt  froh 
waren  sie  jetzt,  dass  sie  nicht  am  5.  Dezember  von  Paris  heimlich 
abgereist  waren,  wie  ihnen  der  Rat  anheimgestellt  hatte,  weil  sie 
damit  den  Gegnern  freies  Spiel  gelassen  hätten.  In  der  Haft  wurden 
sie  übrigens  mit  grösster  Rücksicht  und  Zuvorkommenheit  behandelt.1 
»Unser  Arrest«,  schrieben  sie  am  14.  Dezember,  »ist  der  leidlichste 
und  wir  können  die  Höflichkeit  und  Bescheidenheit  der  uns  zu¬ 
gegebenen  Offiziere,  die  unser  Zimmer  selbst  fast  nie  betreten, 
sondern  sich  nur  im  ihrigen  halten  und  mit  uns  speisen ,  nicht 
genug  rühmen.«  Weder  wurden  ihre  Papiere  versiegelt  noch  ihre 
Korrespondenz  überwacht;  sie  erhielten  die  gewünschten  Zeitungen 
und  konnten  ungehindert  Besuche  empfangen.  So  erhielten  sie  auch 
durch  einen  vertrauten  Freund  Kunde  von  allen  Ereignissen  der 
Aussenwelt.  Sie  erfuhren,  dass  in  der  Sitzung  des  Konventes  vom 
9.  Dezember  der  Präsident  den  Volksvertretern  ein  Schreiben  des 
Ministers  des  Auswärtigen  verlesen  habe,  worin  die  Frankfurter  ver¬ 
dächtigt  wurden,  VerrA  an  den  französischen  Truppen  geübt  und 
Custine  verhindert  zu  haben,  einen  eben  so  sicheren  wie  glänzenden 
Erfolg  über  die  Feinde  zu  erringen;  der  Vollziehungsausschuss  habe 
deshalb  die  Frankfurter  Deputierten  einstweilen  in  ihrem  Hotel  fest¬ 
nehmen  und  bewachen  lassen,  damit  sie,  falls  die  Anklagen  gegen 
die  Stadt  gerechtfertigt  seien,  dem  Konvent  so  lange  als  Geiseln 
dienten,  bis  er  völlige  Genugtuung  erlangt  hätte.  Schweigend  ver¬ 
nahmen  die  Volksvertreter  den  Bericht,  nur  bei  der  Verlesung  der 


1  Der  Minister  des  Auswärtigen  hatte  den  Kommandanten  der  Nationalgarde 
ausdrücklich  angewiesen,  sie  zu  behandeln  »avec  tonte  la  decence  et  les  egards  düs 
au  caractfere  des  dütenus  et  qu’une  nation  grande  et  gü  nereuse  ne  refuse  pas  müme 
ä  ses  ennemis«;  und  am  24.  schreiben  sie  Santerre:  Unsere  Behandlung  ist  gut; 
»les  personnes  distingu£es  et  honnetes  que  vous  avez  daignü  mettre  chez  nous  de 
sauvegarde  nous  rendent  notre  Situation  plus  supportable«. 


291 


Stellen,  in  denen  Custine  die  Frankfurter  mehr  als  verblendet1  denn 
als  verbrecherisch  hinstellte  und  ihre  Abgeordneten  der  Flumanität 
des  Konventes  empfahl,  durchlief  lautes  Murren  die  Versammlung.2 

Bald  erfuhren  die  Pariser  weitere  Einzelheiten  über  die  angebliche 
Hinschlachtung  der  Truppen  am  2.  Dezember.  Das  von  Custine 
eingesandte  Messer  verfehlte  dabei  seine  Wirkung  nicht.  In  den 
Zeitungen  und  auf  den  Strassen  hörte  man  nur  noch  von  dem  »Massacre 
in  Frankfurt«  sprechen.  Das  Ungeheuerlichste  ward  den  Lesern  und 
Hörern  aufgetischt  und  auch  geglaubt.  Besondere  Teilnahme  erregte 
das  Schicksal  des  Bataillons  Saintonge.  Angeblich  hatte  es  sich  mit 
dem  Mut  der  Verzweiflung  gewehrt,  bis  die  letzte  Patrone  verschossen 
war  und  sich  dann  —  ganz  von  Blut  bedeckt,  einen  Wall  von  Leichen 
um  sich  —  den  Feinden  ergeben,  die  es  aber  im  Bunde  mit  der  Be¬ 
völkerung  erbarmungslos  niedermachten.  Ja  die  Verräter  und  Kanni¬ 
balen  hätten  nicht  einmal  die  Frauen  der  Soldaten  verschont,  sondern 
sie  in  Stücke  gehackt  (elles  ont  6te  hachees  en  pieces),  einem  Ge¬ 
fangenen  beide  Hände  abgehauen3  u.  s.  w.  Es  schien  erwiesen,  dass 
die  Verschwörung  gegen  die  französischen  Truppen  von  langer  Hand 
vorbereitet  war,  und  die  Pariser  Zeitungen  verlangten  entrüstet 
strengste  Ahndung. 

Es  muss  rühmend  anerkannt  werden,  dass  weder  die  französische 
Regierung  noch  die  Volksvertretung  sich  von  der  hochgehenden  Er¬ 
regung  der  Massen  fortreissen  liess,  sondern  die  Angelegenheit  mit 
Besonnenheit  behandelte.  So  fand  auch  in  der  Sitzung  vom  12.  De¬ 
zember,  in  der  Custines  Kriegsführüng  besprochen  wurde,  der  Antrag 
des  Volksvertreters  Drouet,  das  schuldige  Fankfurt  in  einen  Aschen¬ 
haufen  zu  verwandeln,  keine  Unterstützung.  Man  wollte  die  An¬ 
geklagten  nicht  ungehört  verdammen,  ihnen  nicht  die  Möglichkeit, 
sich  zu  rechtfertigen,  rauben. 

Die  Deputierten  fanden  sich  rasch  in  die  gänzlich  veränderten 
Umstände.  An  die  Ausführung  ihrer  eigentlichen  Mission  dachten 
sie  nicht  mehr;  für  die  Stadt  stand  jetzt  Höheres  auf  dem  Spiel  als 


1  »aveuglis«,  so  druckt  der  Moniteur  ab.  Im  Originalschreiber)  Custines 
heisst  es  »£gares«. 

2  Diese  Stellen  haben  »sichtbaren  Unwillen«  erregt,  schreiben  die  Deputierten 
am  11.  Dezember. 

5  Die  Deputierten  sandten  die  die  Ereignisse  des  2.  Dezember  besprechenden 
Zeitungsartikel  aus  den  Annales  patriotiques,  dem  Courrier  des  84  departements, 
dem  Moniteur,  Journal  du  soir,  Journal  de  Paris  etc.,  nach  Hause,  damit  sich  der 
Rat  ein  Bild  von  der  Stimmung  der  Pariser  Presse  machen  könne. 


19' 


292 


die  zwei  Millionen  Gulden ;  es  handelte  sich  nunmehr  darum,  ihre 
Ehre  zu  retten  und  sie  von  dem  beschimpfenden  und  zugleich 
so  gefährlichen  Verdacht  zu  reinigen.  An  ihre  eigene  Sicherheit 
dachten  sie  dabei  erst  in  letzter  Linie.  Sie  wollten  daher  von  der 
Verwendung  des  Königs  von  Preussen1  oder  des  Herzogs  von 
Braunschweig  für  ihre  Freilassung  nichts  wissen,  hielten  jedes  diplo¬ 
matische  Eingreifen  von  dieser  Seite  sogar  für  recht  bedenklich,  weil 
dadurch  der  Verdacht  neue  Nahrung  erhielte,  dass  der  Rat  im  Ein¬ 
verständnis  mit  den  Feinden  der  Republik  stände.  Es  galt  vielmehr, 
aus  eigener  Kraft  sich  aus  den  Bedrängnissen  herauszuwinden. 

Zunächst  wandten  sich  die  Deputierten  an  Custine  selbst;  sie 
konnten  ja  unmöglich  wissen,  dass  er  der  alleinige  Anstifter  dieser 
Verwicklungen  war.  Sie  baten  um  seine  Fürsprache,  denn,  bemerkten 
sie  am  Schluss  ihres  Schreibens,  »es  muss  ja  den  Gesinnungen  eines 
so  grossen  Führers  (capitaine)  widersprechen,  das  Unglück  einer 
Stadt  zu  sehen,  das  nur  durch  wenige  herbeigeführt  worden  ist«. 
Zugleich  übersandten  sie  dem  Minister  des  Auswärtigen  den  offiziellen 
Bericht  des  Rates  über  die  Einnahme  der  Stadt,  den  sie  soeben  erhalten 
hatten,  nebst  den  an  sie  gerichteten  Privatbriefen  aus  Frankfurt,  in 
denen  vielfach  von  der  Rettung  der  fliehenden  Franzosen  vor  ihren 
Verfolgern,  von  der  Pflege  der  Verwundeten  in  den  städtischen 
Plospitälern  die  Rede  war.  Diese  Briefe  wurden  auf  Bitten  der 
Deputierten  auch  dem  Nationalkonvent  und  dem  Vollziehungs¬ 
ausschuss  vorgelegt.  Aber  der  erwartete  Erfolg  blieb  einstweilen 
aus.  Der  Minister  des  Auswärtigen  schrieb  ihnen  am  17.,  dass  nichts 
den  Eindruck  zerstören  könne,  den  verschiedene  wohl  beglaubigte 
Ausschreitungen  (mauvais  procedes)  eines  grossen  Teiles  der  Frank¬ 
furter  Bevölkerung  gegen  die  Truppen  der  Republik  erzeugt  hätten. 
So  beschränkten  sich  die  Deputierten  einstweilen  darauf,  alle  Volks¬ 
vertreter,  an  die  sie  Empfehlungen  hatten  —  es  waren  nicht  weniger 
als  84  —  sowie  den  Vorsitzenden  des  Konvents  und  Lebrun  durch 
ein  Zirkularschreiben  zu  bitten,  das  Urteil  über  Frankfurt  bis  zur 
Verlesung  ihrer  ausführlichen  Rechtfertigungsschrift  zu  verschieben. 
Sie  ersuchten  aber  die  Geheime  Deputation  in  Frankfurt,  ihnen 


1  Der  Rat  hatte  zuerst  Friedrich  Wilhelm  II.  ersucht,  dem  Konvent  die 
Freilassung  van  Heldens  gegen  die  der  Deputierten  anzubieten,  was  aber  der 
König  zurückwies.  Dieser  hatte,  wie  wir  wissen,  sich  damit  begnügt,  Custine  davon 
zu  verständigen,  dass  die  gefangenen  französischen  Offiziere  dasselbe  Los  wie  die 
Deputierten  haben  würden. 


293 


möglichst  bald  amtlich  beglaubigte  Dokumente  über  die  Ereignisse 
vom  Eintreffen  der  preussisch-hessischen  Truppen  bis  zur  Erstürmung 
der  Stadt  zu  senden.  Bis  all  diese  beschafft  werden  konnten,  mochte 
wohl  Zeit  vergehen,  viel  zu  viel  für  die  ungeduldig  harrenden  Ab¬ 
gesandten.  Man  beschloss  daher,  zwei  geeignete  Persönlichkeiten, 
den  Buchhändler  Wenner  und  den  Handelsmann  Meyer,1  nach  Paris 
zu  schicken,  um  den  Deputierten  das  schon  zur  Verfügung  stehende 
Rechtfertigungsmaterial  zu  überbringen  und  ihnen  überhaupt  »auf 
alle  dienstliche  Wege  zu  Händen  zu  gehen«.  Der  Rat  dachte  in  erster 
Reihe  daran,  dass  sie  an  Stelle  der  Deputierten,  die  ja  infolge 
des  Arrestes  keine  Bewegungsfreiheit  hatten,  die  Besuche  bei  den 
einzelnen  Mitgliedern  des  Konventes,  den  Zeitungsredaktionen  u.  s.w. 
fortsetzen  und,  wenn  es  die  Umstände  erheischten,  auch  Reisen 
unternehmen  sollten. 

Nicht  ohne  Besorgnis  sah  man  Wenner  und  Meyer  abreisen; 
die  Geheime  Deputation  hatte  ihnen  ausdrücklich  erklärt,  dass  ihre 
Mission  keinen  offiziellen,  sondern  nur  privaten  Charakter  habe, 
weshalb  man  sie,  wenn  ihnen  in  Paris  etwas  zustiesse,  ihrem  Schicksal 
überlassen  müsste.  Am  25.  Dezember  trafen  sie  in  Paris  ein.  Allmäh¬ 
lich  langten  die  von  den  Deputierten  sehnlichst  erwünschten  Zeug¬ 
nisse  über  die  Haltung  des  Rates  und  der  Bürger  in  der  verhängnis¬ 
vollen  Zeit  an.  Darunter  befand  sich  die  Adresse  der  in  Marburg 
gefangenen  Offiziere  an  den  Nationalkonvent,  die  Schreiben  ver¬ 
schiedener  französischer  Soldaten  sowie  van  Heldens  an  den  Rat, 
ferner  van  Heldens  Zuschrift  an  Custine,  worin  er  diesen  beschwor, 
alles  aufzubieten,  »um  den  guten  und  braven  Bürgern  Frankfurts 
Gerechtigkeit  zu  erweisen«.  Von  entscheidender  Bedeutung  waren 
aber  die  Atteste  der  Chirurgen  über  die  Art  der  Verwundungen  der 
in  den  Spitälern  behandelten  Franzosen  und  die  Beerdigungsliste, 
aus  der  sich  die  Zahl  der  am  2.  Dezember  auf  den  Wällen  und  in 
den  Strassen  der  Stadt  Gefallenen  ergab.  Wie  schrumpften  da  mit 
einem  Male  die  ungeheuerlichen  Beschuldigungen  zusammen!  Anstatt 
1200  von  den  Bürgern  grausam  Hingeschlachteter  nur  41  vor  dem 

1  Johann  Friedrich  Wenner  war  der  Sohn  des  Buchhändlers  Johann  Konrad 
Wenner,  des  Mitgliedes  des  Neuner-Kollegs  und  der  Gemischten  Kriegsdeputation, 
welche  die  Verhandlungen  mit  den  städtischen  Abgeordneten  in  Paris  zu  leiten 
hatte ;  Heinrich  Anton  Meyer  war  der  Sohn  des  Handelsmanns  und  Mitgliedes  des 
Einundfünfziger  Kollegs  Johann  Anton  Meyer.  Wenner  hatte  verwandtschaftliche, 
Meyer  geschäftliche  Beziehungen  in  Paris.  Näheres  über  Wenner  bei  Gwinner, 
Kunst  und  Künstler  in  Frankfurt  a.  M.,  S.  540. 


Feinde  Gefallene,  dazu  etwa  129  (139)  Verwundete!  Und  wie  hatte 
sich  die  Bürgerschaft  sowohl  dieser  als  der  fliehenden  Franzosen 
angenommen !  Das  so  aufregende  Märlein  von  den  angeblich  zur 
Niedermetzelung  der  Truppen  eigens  angefertigten  12000  Messern 
fand  jetzt  seine  natürliche  Erklärung.  Das  waren  ja  nur  eine  Art 
von  Bajonetten,  die  die  hessischen  Jäger  auf  ihre  Gewehre  zu  schrauben 
pflegten.  Auch  die  ausgesetzte  Belohnung  für  den  Nachweis  eines 
Komplottes  hatte  noch  niemand  verlangt!  All  diese  Aktenstücke 
(an  Zahl  22)  wurden  dem  Memoire  beigefügt,  dessen  Stilisierung 
Roederer  übernommen  hatte.  Mit  der  Drucklegung  begannen  die 
Deputierten  am  Schluss  des  Jahres;  doch  hatten  sie  schon  früher 
eine  Anzahl  besonders  wichtiger  Stücke  den  bedeutendsten  haupt¬ 
städtischen  Blättern,1  den  Ministern  und  den  Mitgliedern  des  National¬ 
konventes  eingesandt.  So  viele  Zeugnisse  verfehlten  auch  ihre 
Wirkung  nicht  und  bereiteten  allmählich  den  Wechsel  in  der  Stim¬ 
mung  gegen  die  Stadt  vor.  Zwar  wies  noch  immer  eine  Reihe  von 
Redakteuren  die  Aufnahme  der  Rechtfertigungszeugnisse  zurück,2 
aber  die  Wahrheit  war  bereits  im  Anmarsch;  einzelne  Zeitungen 
erhoben  schon,  allerdings  noch  schüchtern,  ihre  Stimme  für  die 
Stadt  Frankfurt  oder  warnten  wenigstens  vor  übereilten  Beschlüssen, 
da  die  Berichte  offenbar  übertrieben  seien,  bis  dann  zuletzt  selbst 
der  Moniteur  sich  zu  dem  Bekenntnis  bequemte,  dass  die  Akten¬ 
stücke  den  Beweis  für  die  humane  Flaltung  der  Frankfurter  gegen 
die  französischen  Truppen  gebracht  hätten. 

Eine  Wirkung  der  Aktenstücke  zeigte  sich  übrigens  gleich,  die 
Lage  der  Deputierten  wurde  jetzt  erleichtert,  Lebrun  gestattete  ihnen 
am  Schluss  des  Jahres  auf  ihre  Bitte,  in  Begleitung  eines  Wachoffiziers 
ihre  Flaft  zu  verlassen,  um  frische  Luft  zu  schöpfen.  Bald  durften 
sie  auch  ohne  Aufsicht  mit  der  Aussenwelt  verkehren.  Deshalb  kehrten 
auch  Wenner  und  Meyer  Ende  Dezember  nach  Frankfurt  zurück. 

So  traten  die  Deputierten  mit  etwas  mehr  Floffnung  in  das 
neue  Jahr  ein.  Am  6.  Januar  war  der  Druck  des  Memoire  mit 


1  Sie  führen  auf :  Moniteur,  Chronique  de  Paris,  Patriote  fran^ais,  Annales 
Patriotiques,  Journal  du  soir,  Courrier  des  Departements,  Gazette  nationale, 
Journal  de  Paris,  Journal  des  D£bats  de  la  Socidte  des  Jacobins,  Mercure  universel, 
Journal  de  Perlet. 

2  Im  Courrier  de  Strasbourg  wärmte  der  »unversöhnliche  Feind«  Daniel 
Stamm  immer  wieder  das  Märchen  von  den  22  Zoll  langen  Messern  auf  und 
stellte  die  Frankfurter  als  »von  dem  wilden  hessischen  Landgrafen  gedungene 
Banditen«  hin. 


295 


seinem  Anhang,  den  22  Entlastungsdokumenten  (pieces  justificatives), 
vollendet,  nach  der  Ansicht  Seegers  »ein  Meisterstück  von  Klarheit 
und  Ordnung  und  Eloquenz«.  Seine  Sprache  war  männlich,  denn 
»die  Stärke  des  Tones,  welche  darin  herrscht,  haben  wir  nicht  nur 
der  Würde  und  Ehre  einer  freien  Reichsstadt,  sondern  auch  der  der 
beleidigten  Unschuld  gebührenden  Genugtuung  angemessen  geglaubt«, 
schreibt  Seeger  am  8.  Januar  an  die  Geheime  Deputation.  Das 
geschriebene  Original  sandten  sie  an  den  Minister  des  Auswärtigen. 
Nicht  weniger  als  6000  Exemplare  Hessen  sie  drucken ;  eine  grosse 
Anzahl  davon  hatten  sie  für  die  Minister,  für  die  vornehmen  Gönner 
der  Stadt,  für  die  Munizipalität  und  die  Sektionen  der  Hauptstadt, 
sowie  für  die  wichtigsten  politischen  Blätter  bestimmt.1 

Das  Anerbieten  des  französischen  Publizisten  Beaulieu,  einen 
für  die  Zeitungen  besonders  geeigneten  kurzen  Auszug  zu  machen, 
nahmen  sie  gerne  an,  »da  kein  Deutscher  Französisch  zu  schreiben 
imstande  ist,  so  wie  es  die  jetzige  französische  Welt  allein  haben  will.« 

Mit  dem  Eindruck  des  Memoire  glaubten  die  Deputierten 
zufrieden  sein  zu  dürfen,  »die  Fassung  und  der  Ton  erhält  allgemeinen 
Beifall«  schrieben  sie  am  12.  Januar  nach  Hause.  Doch  mussten  sie 
sich  noch  eine  Zeitlang  gedulden.  Der  Prozess  des  Königs  Hess  ihre 
Angelegenheit  in  den  Hintergrund  treten  und  verschob  einstweilen 
die  Entscheidung.  Diese  Frist  benutzten  die  Feinde  der  Stadt,  um 
noch  in  letzter  Stunde  den  Deputierten  den  Erfolg  streitig  zu 
machen. 

Am  19.  Januar  erschien  in  dem  Korrespondenzblatt  der  Jakobiner 
wieder  ein  äusserst  gehässiger  Artikel,  von  nicht  weniger  als  102 
Soldaten  des  5.  Bataillons  Niederrhein  unterzeichnet,  gegen  die 


1  Nähere  Angaben  hierüber  finden  sich  in  unseren  Akten  unter:  Distribution 
du  memoire  du  8 — 12  Janvier  1795.  Danach  waren  bestimmt  780  ä  la  Convention 
nationale,  60  au  d^partement  de  Paris,  48  aux  48  sections,  12  au  commandant 
gönöral,  48  aux  48  bataillons,  15  (?)  ä  la  Municipalitö,  15  au  comitö  diplomatique. 
Folgenden  Zeitungen  wurden  Exemplare  geschickt:  Annales  Politiques,  Auditeur 
national,  Assemblöe  nationale,  Chronique  de  Paris,  Cröole  patriote,  Courrier  des 
Departements,  Gazette  nationale,  Journal  des  Jacobins,  Journal  de  Paris,  Journal 
de  Perlet,  Journal  de  Prudhomme,  Journal  frangais,  Journal  des  lois,  Journal  de 
Passemblee  electoriale  aux  Jacobins,  Journal  du  soir,  Mercure  universel,  Moniteur, 
Patriote  frangais,  Republicain  franfais ;  ferner  aux  banquiers,  dann  50  Exemplare  dem 
Jakobinerklub  und  25  dem  Cordelierklub,  sodann  wurden  Exemplare  nach  Strass¬ 
burg  und  den  grösseren  Orten  des  Elsasses  sowie  nach  Genf,  Neufchatel,  Rouen, 
Bordeaux,  Lyon,  Clermont,  Chälons  s.  Marne,  Cambray,  Dunkerque,  La  Rochelle, 
Amsterdam  und  London  gesandt. 


296 


»Frankfurter  Mörder«,  die  sich  voller  Wut  mit  Feuerwaffen  und 
Äxten  auf  sie  gestürzt,  die  Fahnen  zerrissen,  die  Tore  dem  Feinde 
geöffnet  hätten  u.  s.  w.  Der  Artikel  schloss  mit  den  Worten:  »Dies 
ist  die  völlige  Wahrheit.«  War  da  nicht  zu  befürchten,  dass  ein 
durch  so  zahlreiche  Unterschriften  erhärtetes  Zeugnis  den  guten  Ein¬ 
druck  des  Memoire  verwischen  würde  ? 

Am  21.  Januar,  am  selben  Tage,  wo  Ludwigs  XVI.  Haupt  auf 
dem  Schafott  fiel,  fand  man  im  Diplomatischen  Ausschuss  Zeit  und 
Ruhe,  über  das  Schicksal  der  Frankfurter  Abgesandten  endgültig  zu 
entscheiden.  Diese  selbst  verbrachten  den  geschichtlich  denkwürdigen 
Tag  in  grösster  Aufregung.  Denn  das  Gerücht  war  zu  ihnen  ge¬ 
drungen,  dass  am  Hinrichtungstage  Ludwigs  XVI.  sich  die  Greuel 
der  Septembermordtage  wiederholen  würden  und  auch  sie  als  Opfer 
ausersehen  wären.  Santerre,  der  diese  Gerüchte  nicht  für  grundlos 
hielt,  hatte  daher  den  sie  bewachenden  Offizieren  befohlen,  bei  der 
Annäherung  von  Volkshaufen  gegen  ihr  Hotel  bis  300  National¬ 
garden  zu  ihrem  Schutz  heranzuziehen.1  Zum  Glück  waren  alle 
Besorgnisse  ungerechtfertigt  und  auch  die  Sitzung  des  Diplomatischen 
Ausschusses  nahm  einen  für  sie  günstigen  Ausgang. 

Einstimmig  ward  beschlossen,  dem  Konvent  ihre  sofortige  Frei¬ 
lassung  zu  empfehlen.  Im  Auftrag  des  Diplomatischen  Ausschusses 
hatte  Guitton-Morvan2  das  Referat  für  die  am  nächsten  Tag  statt¬ 
findende  Sitzung  des  Konventes  übernommen.  Er  bewies  darin,  dass 
der  Stadt  Frankfurt  ein  Bruch  des  Völkerrechts  unmöglich  vor¬ 
geworfen  werden  könne,  und  stellte  dann  an  die  Versammlung  die 
Frage,  ob  die  Haft  der  Deputierten  noch  länger  aufrecht  zu  halten 
sei;  schon  vorher  hatte  er  es  durchgesetzt,  dass  eine  zweite  Frage, 
die  sich  daran  anschliessen  sollte,  ob  sie  als  Geiseln  für  die  Bezah¬ 
lung  der  zweiten  Million  noch  festzuhalten  seien,  nicht  erörtert 
wurde.  Noch  einmal  platzten  jetzt  in  erregter  Debatte  die  Gegensätze 
aufeinander;  die  alten  Anklagen  und  Verleumdungen  gegen  Frank¬ 
furt  wurden  von  den  Jakobinern  eifrig  wieder  hervorgeholt  und  ver¬ 
fochten.  Bourdon3  stellte  sogar  den  Antrag,  die  Fleere  der  Republik 


1  Die  Deputierten  heben  wiederholt  hervor,  wie  höflich  und  verbindlich 
sich  Santerre  stets  gegen  sie  gezeigt  habe,  ebenso  die  ihnen  beigegebenen  Offiziere. 
Sie  beschenkten  diese  beim  Abschied  mit  goldenen  Uhrketten  und  Tabatieren. 

2  Generaladvokat  des  Parlaments  von  Dijon,  1792  Präsident  der  National¬ 
versammlung,  Anhänger  der  Bergpartei. 

3  Zuerst  Advokat,  dann  Schullehrer.  Er  hatte  als  Volksvertreter  am  Sturm 
auf  die  Tuilerien  am  10.  August  teilgenommen. 


297 


sollten  gegen  Frankfurt  ziehen  und  die  Stadt  zur  Rache  für  die  be¬ 
gangenen  Frevel  dem  Erdboden  gleichmachen.  Dies  erschien  selbst 
den  Gegnern  Frankfurts  als  zu  weitgehend.  Es  erhob  sich  heftiges 
Murren;  der  Abgeordnete  Mailhe  erwiderte  entrüstet,  dass  ein  freies 
Volk  Akte  der  Barbarei  nur  mit  Akten  der  Humanität  beantworten 
dürfe.  Und  als  noch  Guitton  das  Unsinnige  und  zugleich  Gefährliche 
des  ßourdonschen  Vorschlages  darstellte  und  beantragte,  die  Ver¬ 
sammlung  solle  ihn  als  eine  Beleidigung  der  Menschlichkeit  und  der 
Gerechtigkeit  zurückweisen,  erfolgte  von  vielen  Seiten  Zustimmung. 
Der  Konvent  beschloss  darauf,  die  Deputierten  sofort  in  Freiheit  zu 
setzen,  da  sie  sich  nichts  hätten  zu  schulden  kommen  lassen,  was 
als  eine  Verletzung  des  Völkerrechtes  anzusehen  wäre.1 2 

Aber  erst  am  24.  fühlte  sich  der  Kriegsminister  bewogen,  den 
Arrest  aufzuheben.  Noch  ein  Tag,  den  sie  mit  Abschiedsbesuchen 
bei  den  verschiedenen  Ministern  und  dem  Präsidenten  der  National¬ 
versammlung  verbrachten,  verging,  ehe  sie  die  Reisepässe  erhielten. 
Wenige  Augenblicke  später  verliessen  sie  Paris. 


Die  Deputierten  gestanden  sich  selbst,  dass  der  eigentliche  Zweck 
ihrer  Sendung  gescheitert  war.  In  der  Kontributionssache  hatten  sie 
nicht  das  Geringste  erreicht,  und  die  Denkschriften  und  die  zahl¬ 
reichen  Entlastungszeugnisse  für  die  Stadt  hatten  doch  nicht  den 
gewünschten  Erfolg  gehabt.  Die  Schuld  oder  die  Unschuld  der  Stadt 
an  den  Ereignissen  des  2.  Dezember  war  noch  immer  eine  offene 
Frage  geblieben;  dies  hatten  die  Deputierten  beim  Abschied  deutlich 
genug  von  den  massgebenden  Stellen  zu  hören  bekommen,  besonders 
von  dem  ihnen  stets  feindlich  gesinnten  Marineminister  und  vom 
Minister  des  Auswärtigen.3  Und  die  Deputierten  wussten  auch,  dass 


1  Der  Beschluss  lautet:  La  cönvention  Nationale  aprds  avoir  entendu  le 
rapport  de  son  comite  diplomatique  qu’elle  avait  Charge  de  lui  rendre  compte  de 
la  reclamation  des  ddputds  de  la  ville  de  Francfort  au  sujet  de  l’arrdtd  du  conseil 
exdcutif  qui  les  tient  en  etat  d’arrestation,  considdrant  que  les  informations  prises 
ne  laissent  aucun  soupcon  d’infraction  au  droit  des  gens  de  la  part  de  ces  ddputds 
et  consequemment  aucun  motif  de  continuer  les  mesures  de  precautions  que  les 
circonstances  avaient  pu  autoriser,  ddcrete  que  l’arrestation  des  dits  ddputds  est 
levde,  Charge  le  conseil  exdcutif  de  les  faire  mettre  sans  ddlai  en  libertd. 

2  Danach  ist  Kriegks  Darstellung  (S.  209),  dass  es  den  Deputierten  gelungen 
sei,  die  Stadt  in  den  Augen  des  Konventes  zu  rechtfertigen,  und  dass  dieser  die 

Unschuld  der  Stadt  an  den  Vorgängen  des  2.  Dezember  in  dem  Dekret  vom 
22.  Januar  1793  ausdrücklich  hervorgehoben  habe,  zu  berichtigen. 


298 


sie  ihre  Befreiung  nicht  sowohl  der  Gerechtigkeit  ihrer  Sache,  als 
der  unermüdlichen  Tätigkeit  ihrer  Freunde,  vor  allem  dem  einfluss¬ 
reichen  Roederer,1  Pradel,  Mellinet,2 3  Gorani  zu  verdanken  hatten. 
Aber  vor  der  Hand  liess  sich  nichts  machen;  die  Nachricht  von  der 
abermaligen  Einmischung  des  Königs  von  Preussen,  der  ihretwegen 
van  Helden  und  zwölf  seiner  Offiziere  in  die  strengere  Haft  von 
Ziegenhain  hatte  abführen  lassen,  hatte  wieder  böses  Blut  gemacht, 
so  dass  die  Bürger  von  Lyon,  die  eine  Bittschrift  an  den  Konvent 
für  Frankfurt  bereits  aufgesetzt  hatten,  diese  jetzt  zurückzogen. 

Aber  wenn  sie  auch  für  den  Augenblick  selbst  nichts  mehr  für 
die  Stadt  tun  konnten,  so  blieben  ihnen  doch  gute  Freunde  in  Paris 
zurück,  die  versprochen  hatten,  für  sie  zu  wirken.  So  hatte  sich 
Pradel  erboten,  eine  Anzahl  Artikel  »nach  Zeit  und  Gelegenheit«  zu 
verbreiten  und  darin  die  gegen  den  Rat  erhobenen  Beschuldigungen 
zu  widerlegen,  und  Roederer  wollte  »aus  Eifer  für  Gerechtigkeit  und 
Moral  und  aus  Anhänglichkeit  für  die  Vaterstadt  seiner  Frau«  Pradels 
Wirksamkeit  mit  allen  Kräften  unterstützen.  Vielleicht  konnte  man 
wenigstens  die  Neutralitätserklärung  der  Stadt  von  Seiten  der  Repu¬ 
blik  durchsetzen,  wie  dies  der  Graf  Gorani,  der  wieder  in  Paris 
war,  in  einer  abermaligen  Schutzschrift5  für  die  Stadt  vom  Konvente 
verlangte.  Ob  aber  auch  Kaiser  und  Reich  ihre  Einwilligung  dazu 
geben  würden,  darüber  mussten  erst  spätere  Unterhandlungen  Auf¬ 
schluss  bringen. 

_  '  t 

1  Da  Roederer  jede  Art  von  Belohnung  zurückgewiesen  hatte,  schlugen  die 
Deputierten  vor,  ihm  das  Bürgerrecht  anzubieten. 

2  Advokat  aus  Nantes  und  Mitglied  des  Konvents. 

3  Sie  ward  am  24.  Januar  im  Konvent  verlesen. 


VI. 


Aktenstücke 

Uber 

die  Besitzergreifung  der  Reichsstadt 
Frankfurt  a.  M. 
durch  den  Fürsten  Primas 

am  9.  September  1806. 

Herausgegeben 

von 

Archivdirektor  DR-  R.  JUNG. 


Am  Schlüsse  seiner  Arbeit  über  die  letzten  Jahre  der  reichs¬ 
städtischen  Zeit  Frankfurts  1803 — 1806,  welche  diese  Zeitschrift  vor 
sechs  Jahren  brachte,1  konnte  Herr  Professor  Dr.  Kracauer  nur  kurz 
auf  die  denkwürdige  Feierlichkeit  eingehen,  in  welcher  am  9.  Sep¬ 
tember  1806  die  Reichsstadt  von  einem  Vertreter  des  französischen 
Kaisers  den  Vertretern  des  Fürsten  Primas  Karl  von  Dalberg  über¬ 
geben  wurde.  Zur  Ergänzung  jener  Darstellung  sollen  die  folgenden 
Blätter  eine  Reihe  urkundlicher  Zeugnisse  aus  den  Akten  des  Stadt¬ 
archivs  bringen,  welche  sich  auf  den  Akt  der  Übergabe  und  auf  die 
ersten  Beziehungen  der  neuen  Untertanen  zu  ihrem  neuen  Landes¬ 
herrn  und  seiner  Regierung  erstrecken.  Nicht  nur  die  Wichtigkeit  des 
Ereignisses,  welches  einen  Markstein  in  der  Geschichte  der  Stadt 
bildet,  lohnt  die  wörtliche  Wiedergabe  dieser  Aktenstücke;  gerade 
aus  dem  Wortlaut  dieser  letzten  Äusserungen  des  Rates  der  Reichsstadt 
und  der  ersten  des  Magistrates  einer  fürstlichen  Stadt  spricht  beredt 
die  Stimmung  der  Frankfurter  von  damals,  die  sich  nach  schweren  vier¬ 
zehnjährigen  Leiden  resigniert  einem  unabwendbaren  Geschicke  fügten, 
das  höhere  Gewalt  über  sie  verhängt  hatte,  und  die  von  der  sympathi¬ 
schen  Persönlichkeit  des  neuen  Fürsten  bessere  Zeiten  erhoffen  durften, 
des  wohlbekannten  Fürsten,  der  auch  den  patriotischsten  Reichsstädtern 
nicht  als  Usurpator,  sondern  höchstens  als  das  kleinere  Übel  erschien, 
dem  die  Geschicke  der  Stadt  anheimfallen  konnten.  Es  w7äre  töricht,  an 
die  ersten  offiziellen  Begrüssungen  zwischen  dem  Fürsten  und  dem 
Rate  der  Stadt  den  Masstab  deutsch-nationalen  Empfindens  anzulegen; 
dieses  darf  man  damals  in  der  Zeit  zwischen  Austerlitz  und  Jena  in  Süd- 
und  Westdeutschland  nur  bei  den  wenigen  Besten  und  nur  als  glimmen¬ 
des  Feuer  unter  der  Asche  suchen.  Mag  auch  so  mancher  der  ehren¬ 
festen  Alt-Frankfurter  Patrizier  und  Beamten,  denen  die  Leitung  der 
Stadt  anvertraut  war,  die  Faust  in  der  Tasche  geballt  und  in  den 
Ruf:  Es  lebe  der  Kaiser  Napoleon,  es  lebe  der  Fürst  Primas!  welcher 
die  Übergabe  am  Vormittage  des  9.  September  1806  im  Kaisersaal 


1  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Dritte  Folge,  Band  VII, 
S.  242 — 300. 


302 


beschloss,  nicht  eingestimmt  haben  —  die  offiziellen  Kundgebungen 
hatten  mit  der  vollendeten  Tatsache  zu  rechnen  und  auch  nach  Form 
und  Inhalt  nur  die  damals  bei  solchen  Anlässen  üblichen  Gefühle 
des  Glücks  und  der  Freude  zu  atmen.  Dass  die  Begrüssung  des  neuen 
Herrn  durch  seine  getreuen  Frankfurter  diese  Gefühle  doch  zu  über¬ 
schwänglich  aussprach,  soll  freilich  nicht  bestritten  werden;  die  Sym¬ 
pathie  des  Lesers  wird  nicht  auf  ihrer  Seite,  sondern  auf  der  des 
bürgerfreundlichen  Fürsten  sein.  Die  gleichzeitigen  Ergüsse  des  Nürn¬ 
berger  Rates,  dessen  Stadt  am  15.  September  1806  ebenfalls  durch 
einen  französischen  Bevollmächtigten  dem  König  von  Bayern  über¬ 
geben  wurde,  stehen  auf  derselben  Höhe  wie  die  des  Frankfurter 
Rates  und  der  Bürgerlichen  Kollegien.' 

Die  hier  mitgeteilten  Aktenstücke  beschränken  sich  auf  die 
Vorbereitung  und  Veranstaltung  des  feierlichen  Aktes  der  Übergabe; 
sie  beginnen  mit  der  Ankunft  des  französischen  Kommissars  Lambert 
am  18.  August  und  enden  mit  den  Berichten  der  Vertreter  des  Rates 
und  der  Bürgerlichen  Kollegien  über  die  Begrüssung  des  neuen 
Landesherrn  nach  der  Übergabe  der  Stadt.  Sie  beziehen  sich  nicht 
auf  die  Neuordnung  der  Verfassung  und  Verwaltung  der  Stadt,  für 
welche  kurz  vor  und  nach  der  Besitzergreifung  Rat  und  Kollegien 
dem  Fürsten  oder  seinen  Beamten  ausführlich  ihre  Wünsche  kund 
gaben  und  fürstliche  Beamte  Gutachten  einzelner  Frankfurter  und 
auch  Nicht-Frankfurter  Persönlichkeiten  einholten;  aus  diesen  bisher 
wenig  beachteten  Vorverhandlungen  ist  das  Organisations-Patent  vom 
10.  Oktober  1806  hervorgegangen.  Diese  Bemühungen  der  fürstlichen 
Beamten,  die  städtische  Verfassung  und  Verwaltung  den  Forderungen 
des  Rates  anzupassen  und  den  einheimischen  Behörden  ihre  Selbst¬ 
verwaltung  so  weit  möglich  der  Staatsverwaltung  gegenüber  unver¬ 
sehrt  zu  bewahren,  verdienten  um  so  eher  eine  besondere  Darstellung, 
als  dieses  Übergangsjahr  1806  in  P.  Darmstaedters  trefflichem  Buche 
über  das  Grossherzogtum  Frankfurt  nach  der  Anlage  dieses  Werkes 
nur  ganz  flüchtig  behandelt  werden  konnte. 

Die  einzelnen  Stücke  sind  dem  Protokoll  des  Rates  und  des 
Schöffenrates,  den  unter  Ugb  B  87  verzeichneten  Akten  des  Rates 
und  den  Akten  des  51er  Kollegs  F  110  und  1 1 3  entnommen,  die  sich 
sämtlich  im  Frankfurter  Stadtarchiv  befinden. 


1  Vgl.  Schrötter,  Die  letzten  Jahre  der  Reichsstadt  Nürnberg  und  ihr  Übergang 
an  Bayern,  in  den  Mitteilungen  des  Vereins  lür  Geschichte  der  Stadt  Nürnberg, 
Heft  17  (1906),  S.  1  — 177. 


303 


Bei  den  Verhandlungen  über  die  Besitzergreifung  der  Stadt  wie 
in  den  ersten  Beziehungen  Frankfurts  zu  seinem  neuen  Fürsten  tritt 
die  Persönlichkeit  des  Syndicu  s  Primarius  D  r.  jur.  Karl 
Friedrich  Seeger  scharf  hervor:  er  führte  die  Verhandlungen 
mit  dem  französischen  Kommissar  Lambert;  er  hatte  als  Vertreter 
der  Reichsstadt  das  Wort  bei  dem  Akt  der  Übergabe  zu  ergreifen; 
er  ist  der  Verfasser  der  ersten  Begrüssung,  welche  der  Rat  an  den 
Landesherrn  richtete;  er  war  es,  von  dem  hauptsächlich  der  Fürst 
Primas  in  Aschaffenburg  sich  über  die  reichsstädtischen  Verhältnisse 
unterrichten  Hess  und  der  dann  in  einer  ausführlichen  Darstellung  vom 
16.  September  1806  die  Wünsche  des  Rates  in  Bezug  auf  die  Ordnung 
der  staatsrechtlichen  Verhältnisse  und  der  neuen  Gemeindeverfassung 
dem  Landesherrn  vortragen  durfte.  Man  würde  dem  um  Frankfurt, 
um  seine  zweite  Heimat  hochverdienten  Manne  bitteres  Unrecht  tun, 
wenn  man  ihn  lediglich  nach  den  hier  veröffentlichten  Aktenstücken, 
die  von  seiner  Hand  stammen,  zumal  nach  ihrer  knechtischen  Form 
und  ihrer  lakaienhaften  Gesinnung  beurteilen  wollte ;  er  war  eben  ein 
Kind  seiner  Zeit,  die  an  solchem  Byzantinismus  nichts  zu  tadeln 
fand.  Dem  Andenken  des  trefflichen  Mannes,  der  von  1792,  von 
dem  Beginne  der  Revolutions-  und  Kriegsjahre  an  immer  mehr  als  der 
leitende  Staatsmann  der  Reichsstadt  erscheint,  glaube  ich  es  schuldig 
zu  sein,  an  dieser  Stelle  einen  kurzen  Abriss  seines  Lebens  und 
Wirkens  im  Dienste  Frankfurts  vorauszuschicken. 

Karl  Friedrich  Seeger  wurde  am  9.  März  1757  in  Oettingen  als 
der  Sohn  des  Fürstlich  Oettingenschen  Hof-,  Regierungs-  und  Kon- 
sistorialrats  Johann  Daniel  Seeger  geboren.  Weder  die  Akten  des 
Frankfurter  Stadtarchivs  noch  die  des  Stuttgarter  Staatsarchivs  geben 
Auskunft  über  seine  Jugendbildung  und  Studienzeit.  1775  ist  Seeger 
Lic.  juris  und  Advokat  in  Tübingen.  1779  bewarb  er  sich  um  die 
vierte  juristische  Professur  an  der  Herzoglichen  Militär-Akademie, 
der  Karlsschule,  in  Stuttgart;  er  reichte  zu  diesem  Zwecke  dem 
Herzog  eine  Probeschrift  über  das  Thema  »Sind  scharfe  Gesetze 
einem  Staate  verträglich?«  ein,  ohne  aber  zunächst  damit  Erfolg  zu 
haben.  1781  erhielt  er  einen  Ruf  als  Professor  der  Jurisprudenz  nach 
Erlangen,  und  kurz  darauf  kam  die  Berufung  als  Professor  an  die  Karls¬ 
schule;  erzog  die  letztere  vor  und  lehrte  bis  1783  an  dieser  Anstalt.  In 
diesem  Jahre  wurde  er  als  Syndikus  von  der  Reichsstadt  Frankfurt 
berufen  und  trat  als  jüngstes  Mitglied  in  das  Collegium  der  Syndiker 
ein.  In  diesem  ruhte  das  eigentliche  Schwergewicht  der  Verwaltung. 
Die  Syndiker,  zu  welchen  man  meist  auswärtige  Juristen  und  Ver- 


304 


waltungsbeamte  wählte,  hatten  den  Rat  nicht  nur  in  juristischen, 
sondern  auch  in  den  administrativen  Angelegenheiten  zu  beraten 
und  diese  zur  Beschlussfassung  in  der  vielköpfigen  Ratsversammlung 
vorzubereiten;  je  schwieriger  und  verwickelter  die  Geschäfte  der 
höchsten  Regierungsbehörde  wurden,  um  so  einflussreicher  wurden 
die  Syndiken  Seeger  wusste  sich  bald  eine  angesehene  Stellung 
unter  seinen  Kollegen  zu  verschaffen ;  in  den  schwierigen  Jahren  der 
Revolutionskriege  1792—1806,  während  deren  er  1798  zum  Syndicus 
Primarius  vorrückte,  besonders  in  den  Verhandlungen  mit  Frankreich 
und  bei  der  Säkularisierung  der  geistlichen  Güter  tritt  er  am  meisten 
unter  seinen  Kollegen  hervor.  Durch  die  im  Jahre  1792  erfolgte 
Heirat  mit  der  Tochter  eines  der  angesehensten  Bankiers,  Johann 
Friedrich  Schmid,  trat  er  in  die  engsten  Beziehungen  zu  den  mass¬ 
gebenden  Kreisen  seiner  neuen  Heimat.  Die  Geschichte  Frankfurts 
in  den  wechselvollen  Zeiten  von  1792  bis  1796  ist  eigentlich  die  Ge¬ 
schichte  von  Seegers  Tätigkeit.  1792—1793  hatte  er  die  gefährliche 
Aufgabe,  seine  Stadt  in  Paris  gegen  die  Anschuldigungen  zu  verteidigen, 
welche  die  Jakobiner  wegen  der  angeblichen  Ermordung  französischer 
Soldaten  bei  der  Einnahme  der  Stadt  am  2.  Dezember  1792  erhoben, 
und  um  die  Ermässigung  der  ihr  auferlegten  harten  Brandschatzung 
zu  bitten.  1797  war  er  wieder  zur  Vertretung  der  Frankfurter  Inter¬ 
essen  in  der  französischen  Hauptstadt.  1802  —  1803  hatte  er  die 
Übernahme  der  Besitzungen  der  Stifter  und  Klöster  und  die  Neu¬ 
ordnung  der  kirchlichen  Verhältnisse  der  Katholiken  zu  bearbeiten 
und  1806  bei  dem  Übergang  der  Stadt  an  den  Fürsten  Primas  <|je 
Verhandlungen  mit  dessen  Behörden  über  die  durch  die  Einverleibung 
in  den  Primatialstaat  nötigen  Abänderungen  der  Verfassung,  der 
Verwaltung  und  des  Gerichtswesens  der  Stadt  zu  führen.  Ihn,  als 
den  besten  Kenner  der  städtischen  Verhältnisse,  als  den  bisherigen 
Kopf  ihrer  Leitung,  berief  Dalberg  Ende  1806  als  Geheimen  Rat 
und  Referendär  in  die  ausfdrei  Mitgliedern  bestehende  General- 
Kommission,  welche  die  Oberaufsicht  über  die  Selbstverwaltung  der 
Stadt  führen  sollte,  ihren  Wirkungskreis  aber  so  ausdehnte,  dass 
diese  Selbstverwaltung  immer  mehr  zum  Schatten  herabsank  und 
der  Kommission  auch  die  unbedeutendsten  Angelegenheiten  zur  Ent¬ 
scheidung  überlassen  musste.  Seeger  vertrat  in  dieser  Behörde  das 
alte  städtische  Element,  während  der  Freiherr  von  Eberstein  das  rück¬ 
sichtslos  durchgreifende  rheinbündnerische  Beamtentum  verkörperte; 
der  Vorsitzende  der  Kommission,  der  Konferenzminister  Graf  Leopold 
von  Beust,  kam  weniger  in  Betracht.  Seeger,  der  keineswegs  ein 


-  305  — 

Verteidiger  der  alten  rückständigen  Kommunalpolitik  war,  sondern 
den  Fortschritt  und  die  Besserung  der  kommunalen  Zustände,  aller¬ 
dings  in  gemässigtem  Tempo,  erstrebte,  hatte  den  fürstlichen,  vor¬ 
wärts  drängenden  Beamten  gegenüber  einen  nicht  leichten  Stand. 
Als  Ende  1810  mit  dem  Inkrafttreten  der  Verwaltungsordnung  für 
das  neugegründete  Grossherzogtum  •  Frankfurt  die  General-Kom¬ 
mission  sich  auflöste,  wurde  Seeger  Mitglied  des  Grossherzoglichen 
Staatsrats  und  hatte  in  diesem  meist  das  Referat  über  juristische 
Angelegenheiten;  er  ist  der  Urheber  der  am  i.  Januar  1813  in  Kraft 
getretenen  Gerichtsverfassung  für  das  Grossherzogtum.  Seine  Tätig¬ 
keit  in  dieser  Behörde  bot  ihm  nicht  mehr  viel  Gelegenheit,  für  die 
Frankfurter  Stadtverwaltung  tätig  zu  sein,  für  die  er  27  Jahre  lang  mit 
der  grössten  Kenntnis  und  Auszeichnung  gewirkt  hatte.  Der  Gross¬ 
herzog  Karl  von  Dalberg  ehrte  den  verdienten  Beamten  durch  die 
Verleihung  des  Adels  und  des  Kommandeurkreuzes  seines  Kon- 
kordien-Ordens.  —  Bald  nach  dem  Zusammenbruch  des  Grossherzog¬ 
tums  starb  Seeger  am  6.  Dezember  1813  im  Schmidschen,  später 
Mummschen  Hause ;  er  endete  angeblich  in  geistiger  Umnachtung 
durch  Selbstmord. 


1.  Anmeldung  des  mit  der  Übergabe  beauftragten  französischen 
Kommissars  Lambert  bei  dem  Rate. 

1806  Aug.  18. 

Francfort  le  18  aout  1806. 

L’inspecteur  aux  revues  des  trouppes,  commissaire  gdneral  de 
S.  M.  l’Empereur  des  Francois  Roi  d’Italie  ä  Messieurs  Les  Membres 
du  Senat  de  Francfort. 

Messieurs, 

J’ai  l’honneur  de  vous  informer  qu’en  vertu  des  pouvoirs  qui 
m’attribuent  le  caractere  de  Commissaire  general  de  S.  M.  PEmp.  des 
Francois  Roi  d’Italie,  je  suis  Charge  d’effectuer  la  remise  des  dtats, 
villes  et  territoires  qui  d’aprds  le  traite  de  la  confeddration  du  12  juillet 
dernier  sont  ddvolus  ä  S.  A.  E.  Le  Prince  Primat. 

*  La  ville  et  le  territoire  de  Francfort  s’y  trouvant  compris  j’ai 
besoin,  Messieurs,  que  vous  me  fassies  connoitre  de  la  maniere  la  plus 
exacte  quelles  sont  ses  dependances,  que  vous  me  donnids  la  de- 
nomination  de  chacune  avec  leurs  limites  et  que  vous  y  joignids  tous 
les  documens  et  explicacions  que  vous  jugerds  propres  ä  m’aider  dans 

20 


30  6 


le  travail  pr^paratoir  de  l’operation  importante  qui  m’est  confi^e. 
II  entre,  Messieurs,  dans  mes  obligations  d’empecher  qu’on  ne  porte 
atteinte  ä  Pautorite  des  magistrats  actuellement  existants,  en  anticipant 
sur  des  droits  dont  l’exerc.ice  ne  pourra  etre  acquis  que  par  l’acte  de 
prise  de  possession. 

Agreds,  Messieurs,  l’hommage  de  ma  trfes  haute  consid^ration. 

Lambert,1 


2.  Antwort  des  Rates  auf  Lamberts  Anmeldung. 


1806  Aug.  18. 


A  Monsieur  Lambert 

Inspecteur  aux  revues  des  trouppes  et  commissaire  general  de 
S.  M.  l’Empereur  des  Francois  Roi  d’Italie 

ä  l’hotel  d’Angleterre. 


Monsieur, 

Nous  venons  de  recevoir  la  lettre  que  vous  nous  avez  fait 
l’honneur  de  nous  ecrire  pour  nous  annoncer  les  pouvoirs  dont  vous 
etes  chargds  par  S.  M.  l’Empereur  des  Francois  Roi  d’Italie  pour  la 
remise  de  notre  ville  et  de  son  territoire  ä  S.  A.  E.  le  Prince  Primat. 
Ouelque  douloureux  qu’il  soit  pour  nous  de  devoir  renoncer  ä  une 
Constitution  qui  jusqu’ici  a  fait  le  bonheur  de  nos  administres  et  le 
notre,  nous  sentons  vivement  l’obligation  qui  nous  est  impose  d’obdir 
ä  la  volonte  supreme  du  Grand  Monarque  dont  vous  etes  l’organe. 

C’est  dans  ces  sentimens,  Monsieur,  que  nous  avons  l’honneur  de 
joindre  ci-pres  une  note  prdcisde  sur  les  dependances  de  notre  ville 
qui  —  nous  esperons  —  remplira  l’objet  de  votre  demande  prealable. 

Veuillez  agrder,  Monsieur,  les  assurances  de  notre  parfaite  con- 
siddration. 

Les  bourgmaitres  et  magistrats 
de  la  ville  libre  d’Empire  de  Francfort. 


le  18  aoüt  1806. 


1  Dieser  Beamte  der  französischen  Militärverwaltung  war  von  Marschall 
Berthier  am  8.  August  als  General-Kommissar  zur  Übergabe  der  dem  Fürsten 
Primas  durch  die  Rheinbunds-Akte  überwiesenen  Territorien  bestimmt  worden. 
Er  hatte  schon  am  17.  August  gleich  nach  seiner  Ankunft  versucht,  sich  mit  dem 
älteren  Bürgermeister  von  Holzhausen  in  Beziehung  zu  setzen,  ihn  aber  nicht  in 
seiner  Wohnung  angetroffen.  Am  18.  August  beschloss  der  Rat,  von  Holzhausar 
und  Metzler  zu  Lambert  zu  senden,  um  sich  nach  seinen  Aufträgen  zu  erkundigen ; 
inzwischen  lief  das  Schreiben  ein,  worauf  von  Holzhausen  und  Seeger  sich  zu 
Lambert  begaben.  Nach  ihrer  Rückkehr  wurde  Lamberts  Anzeige  mit  dem 
folgenden  Schreiben  beantwortet,  das  weder  im  Schöffen-  noch  im  Ratsprotokoll 
<  erwähnt  wird. 


307 


3.  Schöffenratsbeschluss  über  den  Bericht  der  zur  Begrüssung 
des  Fürsten  ausgeschickten  Ratsdeputation.1 

1806  Aug.  22. 

Herr  Schöff  Dr.  Schweizer  und  Herr  Synd.  Primarius  Seeger  referirten 
mündlich  und  umständlich :  daß  von  Ihro  des  Herrn  Fürsten  Primatis 
Hoheit  sie  auf  das  herablassenste  empfangen,  zur  Mittags-Tafel  gezogen 
und  voraus  von  den  Gnädigsten  Gesinnungen  gedacht  Ihrer  Hoheit  gegen 
hiesige  Stadt  versichert  und  überzeugt  worden  seyen : 

Ad  Senatum  und  wird  beyden  Herrn  Deputatis  wegen  über¬ 
nommener  Mission  verbindlicher  Dank  erstattet. 


4.  Bericht  der  bürgerlichen  Deputierten  über  ihren  Besuch  beim 
Fürsten  Primas  am  24.  August.2 

1806  Aug.  29. 

Hochlöblicher  B ii r g e r a u s s c h u s s ! 

In  Gemäsheit  des  uns  am  22.  dieses  zugegangenen  verehrlichen 
Auftrags  begaben  wir  Unterzogene  uns  Sonnabends  den  23.  nach 


1  In  dem  Wettlauf  um  die  Begrüssung  des  neuen  Landesherrn  war  der  Rat 
nicht  der  erste.  Am  eiligsten  von  allen  Körperschaften  hatte  es  die  Ganerbschaft 
Alt-Limpurg;  ihr  Vertreter,  der  frühere  Schöffe  Johann  Karl  von  Fichard,  war 
schon  beim  Fürsten  gewesen,  als  dieser  noch  in  Regensburg  weilte.  Am  13.  August 
kam  Dalberg  nach  Aschaffenburg  und  empfing  dort  den  Besuch  des  Schöffen 
von  Riese  als  des  Vertreters  der  Gesellschaft  Frauenstein.  Das  Vorgehen  beider 
Gesellschaften,  deren  politische  Sonderrechte  bei  der  Einverleibung  der  Stadt  in 
den  Primatialstaat  stark  gefährdet  waren,  hat  nicht  wenig  verschnupft:  es  geht 
dies  aus  den  Aufzeichnungen  »eines  ehemaligen  Ratsgliedes«  (offenbar  des  damaligen 
Syndikus,  späteren  Senators  Büchner)  hervor,  welche  Römer-Büchner  im  Archiv 
für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  Heft  5  (1853),  S.  in  — 124  veröffentlicht  hat. 
Am  15.  August  beauftragte  der  Schöffenrat  auf  Antrag  Schweitzers  diesen  Herrn, 
sich  bei  dem  Primatischen  Geheimrat  von  Roth  zu  erkundigen,  ob  dem  Fürsten 
die  Absendung  einer  »solennen«  Ratsdeputation  genehm  sei ;  auf  die  Auskunft,  daß 
der  Fürst  keine  solche  feierliche  Abordnung  wünsche,  aber  einige  Ratsherrn  gern 
annehmen  werde,  wurden  am  18.  August  Schweitzer  und  Seeger  dazu  bestimmt. 
Beide  Plerren  wurden  am  20.  August  vom  Fürsten  Primas  in  Aschaffenburg 
empfangen;  ein  schriftlicher  Bericht  über  diese  erste  Begegnung  zwischen  den 
Vertretern  der  alten  Regierung  und  dem  neuen  Souverän  liegt  nicht  vor,  sondern 
nur  der  oben  mitgeteilte  Eintrag  im  Protokoll  des  Schöffenrats.  —  Zu  derselben 
Zeit  wie  die  Ratsdeputation  war  auch  eine  Abordnung  der  Frankfurter  Judenschaft 
am  fürstlichen  Hoflager  erschienen.  Als  letzte  kamen  dann  am  24.  August  die 
Vertreter  der  beiden  Bürgerlichen  Kollegien  nach  Aschaffenburg. 

1  In  der  gemeinschaftlichen  Sitzung  der  beiden  Bürgerlichen  Kollegien  der 
Einundfünfziger  und  Neuner  am  22.  August  wurden  die  verschiedenen  Gutachten 
der  gemischten  geheimen  Deputation  zur  eventuell  nötigen  Abänderung  der  städtischen 

20* 


308 


Aschaffenburg,  um  des  Herrn  Fürsten  Primas  Hoheit  Namens  beider 
löbl.  Bürgerlichen  Collegien  die  Ihnen  als  künftigem  Landesherrn  ge¬ 
bührende  Devotion  zu  bezeigen. 

Wir  hatten  auch  sogleich  Tags  darauf  die  Gnade,  zu  einer  Privat¬ 
audienz  bei  Sr.  Hoheit  zu  gelangen  und  mit  überaus  vieler  Güte  em¬ 
pfangen  zu  werden.  Und  nachdem  wir  Höchstdemselben  den  Zweck 
unserer  Absendung  eröffnet  hatten,  erkundigten  Sie  sich  näher  um  den 
Wirkungskreis  der,  wie  uns  schien,  Ihnen  dem  Namen  nach  wohlbe¬ 
kannten  bürgerl.  Collegien.  Wir  erwiederten  darauf,  dieser  Wirkungs¬ 
kreis  bestehe  hauptsächlich  darin,  dass  diese  Collegien  über  die  Fest¬ 
haltung  der  Verfassungsgrundgesetze  der  Stadt  so  wie  über  deren  Finanzen 
zu  wachen  und  alle  deren  Einnahme  und  Ausgabe  zu  controlliren  hätten. 
Diese  Einrichtung  schien  Sr.  Hoheit  ganzen  Beifall  zu  haben,  indem 
Sie  erklärten,  wie  Sie  die  Finanzen  für  einen  Gegenstand  ansähen, 
welcher  jeden  Einzelnen  interessire  und  also  die  unmittelbare  Mit¬ 
wirkung  der  Bürgerschaft  erfordere.  Überhaupt  machten  Se.  Hoheit 
über  diese  Art  von  Volksvertretung  solche  Aeuserungen,  welche  die 
Zuversicht  gewähren  können,  dass  bei  diesem  Theil  unserer  Verfassung 
keine  wesentliche  Veränderung  getroffen  werden  wird. 

Hierauf  giengen  wir  zu  der  mit  obigen  zunächst  in  Verbindung 
stehenden  Aeuserung  über,  wie  nemlich  zu  wünschen  sey,  dass  Se.  Ho¬ 
heit  in  hiesiger  Stadt  wenigstens  einen  Theil  des  Jahrs  über  residiren 
möchten,  indem  aus  dieser  unmittelbaren  landesherrlichen  Aufsicht  für 
das  hiesige  gemeine  Wesen  sehr  grose  Vortheile  gewonnen  werden 
würden.  Allein  unser  Erstaunen  war  nicht  gering,  als  Se.  Hoheit  hierauf 
erwiederten,  dass  Sie  dahier  zu  residiren  nicht  gedächten,  indem  Sie 
durch  Ihre  Gegenwart  den  Handel  stören  würden,  welches  doch  gleich¬ 
wohl  Ihrer  Absicht  zu  wider  sei.  Wir  antworteten  hierauf,  dass  die 
Gegenwart  eines  Fürsten,  wie  Se.  Hoheit,  weder  den  Handel  —  noch 


Verfassung  und  Verwaltung  vorgelegt  und  beschlossen,  in  dieser  Angelegenheit 
in  vollem  und  offenstem  Vertrauen  mit  dem  Rate  Hand  in  Hand  zu  gehen;  doch 
beanstandeten  sie  sofort,  dass  unter  den  Vorschlägen  des  letzten  Gutachtens  betr. 
Organisation  der  Zivil-  und  Justizbehörden  die  Schaffung  eines  längst  gewünschten 
und  in  anderen  Handelsstaaten  längst  bestehenden  Handlungsgerichtes  fehle.  Die 
engere  Deputation  der  beiden  Kollegien  wurde  beauftragt,  nach  ihrem  Gutbefinden 
eine  Abordnung  an  den  Fürsten  Primas  zu  senden;  ihr  Bericht  ist  schriftlich  abge¬ 
stattet  worden,  kam  aber  erst  am  15.  September  im  Plenum  zum  Vortrag.  Es 
braucht  nicht  besonders  darauf  hingewiesen  zu  werden,  dass  der  Fürst  vom  Be¬ 
stehen  einer  Bürgervertretung  mit  Verständnis  und  Sympathie  Kenntnis  nahm  und 
keine  Spur  absolutistischer  Tendenzen  blicken  liess;  mit  Erstaunen  dürfte  Dalberg 
von  den  Vertretern  der  reichsstädtischen  Bürgerschaft  vernommen  haben,  dass  es 
deren  sehnlichster  Wunsch  wäre,  den  Landesherrn  in  ihren  Mauern  residieren  zu 
sehen  wegen  der  »unmittelbaren  landesherrlichen  Aufsicht  über  das  hiesige  gemeine 
Wesen«.  Einen  so  warmen  Willkomm  hatte  der  Fürst  wohl  kaum  erwartet. 


—  309  - 

irgend  einen  andern  Stand  stören,  wohl  aber  in  allen  Zweigen  des 
gemeinen  Wesens  Segen  verbreiten  könnten ;  dass  dergleichen  Aeuserungen 
von  Gegentheil,  falls  sie,  wie  wir  zu  glauben  Ursache  hatten,  von  hier 
aus  sollten  gemacht  worden  seyn,  nur  aus  trüben  Quellen  fliesen  könnten 
und  dass  wir  es  uns  im  Gegentheil  zur  Gnade  ausbitten  wollten,  unseren 
Committenten  und  der  ganzen  Bürgerschaft  die  frohe  Nachricht  mit¬ 
bringen  zu  dürfen,  dass  Se.  Hoheit  unsere  Stadt  mit  Ihrer  Gegenwart 
beglücken  würden.  Diese  Aeuserung  schienen  Se.  Hoheit  sehr  gnädig 
aufzunehmen  und  erwiederten  darauf,  dass,  wenn  dies  wirklich  die  Ge¬ 
sinnung  der  Bürgerschaft  sei,  Sie  dahier  wenigstens  zum  Theil  zu  residiren 
nicht  abgeneigt  seien;  worauf  wir  dann  unsere  Versicherung  wieder¬ 
holten  und  noch  verschiedentlich  Gelegenheit  nahmen,  uns  desfalls  ein 
bestimmtes  Versprechen  zu  erwirken,  welches  wir  auch  zu  erhalten  das 
Glück  hatten. 

Ob  wir  nun  gleich  gewünscht  hätten,  über  mehrere  Gegenstände 
so  weit,  als  es  die  erste  Audienz  zugelassen  haben  würde,  mit  Sr.  Hoheit 
ins  Detail  einzugehen,  so  erlaubte  uns  dies  die  Kürze  der  Zeit  nicht 
und  wir  können  also  als  das  Resultat  unseres  ferneren  Gesprächs  mit 
Sr.  Hoheit  nichts  weiter  berichten  als  die  Zusicherung,  dass  Se.  Hoheit 
alles,  was  bürgerl.  Collegien  nach  ihren  Pflichten  fernerhin  thun  würden, 
genehmigen,  überhaupt  provisorisch  alles  in  hiesiger  Stadt  auf  dem 
bisherigen  Fusse  belassen  und  in  keinem  Zweige  der  Staatsverwaltung 
irgend  eine  Aenderung  treffen  würden,  bis  Sie  sich  genau  von  allem 
unterrichtet  und  das  Ganze  überschaut  haben  würden,  indem  keine 
Veränderung  theilweise  stattfinden  solle. 

Übrigens  sind  wir  von  Sr.  Hoheit  beauftragt  worden ,  unsere 
Committenten  Ihrer  Gnade  und  Wohlwollens  zu  versichern. 

Frankfurt  am  Main  den  29.  Aug.  1806. 

S.  M.  Bethm  ann. 

Dr.  Johann  Martin  Stark. 


5.  Bericht  des  Syndicus  Primarius  Seeger  über  seine  Verhandlung 
mit  Lambert  über  den  Akt  der  Besitzergreifung.1 

1806  Sept.  5. 

Referirte  Herr  Synd.  Seeger:  Er  habe  sich  gestern  auf  Ver¬ 
langen  des  Kays.  Herrn  Commissaire  Lambert  und  nach’  Auftrag  des 
ältern  Herrn  Bürg,  zu  ersterem  begeben,  um  über  einige  die  bevor¬ 
stehende  Besitzergreifung  der  hiesigen  Stadt  betr.  Gegenstände  Eröf- 


1  Dieser  Bericht  wurde  am  5.  September  im  Schöffenrat  verlesen  und  ad 
Senatum  verwiesen. 


—  310  — 

nungen  zu  vernehmen.  Das  Resultat  dieser  Besprechung  seye  gewesen, 
dass  Herr  Commissaire  Lambert  sich  am  Ende  geäussert  habe,  bey 
diesem  Besitzergreifungs-Akt  sich  darauf  zu  beschränken,  den  Hochedlen, 
Rath,  in  corpore,  „comme  representant  la  generalite  de  touts  les  habi- 
tants  du  pays  de  Francfort“,  wie  Er  sich  in  dem  Entwurf  des  abzu¬ 
haltenden  procfes  verbal  auszudrticken  vornehme,  hiernach  anzuweisen 
dergestalt,  dass  Er  diese  Handlung  mit  einer  Anrede  anfangen,  Seine 
Vollmacht  verlesen,  den  proces  verbal  ebenfalls  ablesen  und  solchen 
Selbst  von  den  Ftirstl.  Primas’schen  Herrn  Commissarien  und  den  beyden 
regierenden  Bürgermeistern  unterzeichnen  lassen,  dass  einer  der  Fürstl. 
Primas’schen  Herrn  Commissarien  ebenfalls  eine  kurze  Rede  an  Einen 
Hochedlen  Rath  halten  und  solche  demnächst  nomine  Senatus  beant¬ 
wortet  werden  möge.  Senatui  bliebe  alsdann  überlassen,  die  Art  und 
Weise,  wie  dieser  Akt  zur  allgemeinen  Kenntniss  und  Nachachtung  zu 
publiciren  und  was  gegen  den  nunmehrigen  neuen  Landesherrn  zu 
beobachten  sey,  sofort  zu  beschliessen  und  auszuführen. 

Unmittelbar  nach  der  Besitznahme  der  hiesigen  Stadt  werde 
ebendieselbige  auch  in  Ansehung  der  dem  Herrn  Fürsten  Primas  Hoheit 
zugefallenen  Wertheimischen  und  Rieneckischen  Lande  in  eben  dem¬ 
selben  Local  durch  Abgeordnete  dieser  beyder  Länder,  deren  Zahl  Er 
aber  nicht  höher  als  auf  3 — 4  bestimmte,  vor  sich  gehen. 

Des  Herrn  Mardchal  Augereau  Excell.1  würden  mit  Ihrem  Etat- 
Major,  so  wie  Herr  Minister  Bacher2  mit  Ihrem  Legat.  Secretaire  gegen¬ 
wärtig  seyn. 

Zum  Local  wünsche  Er  ein  hinlänglich  geräumiges,  wenn  man  anders, 
wie  Er  gewünscht  hätte,  keine  Kirche  dazu  bestimmen  wollte,  in  welcher 
das  ganze  Publikum  Zutritt  gefunden  haben  würde.  Wenn  der  Tag 
bestimmt  seyn  werde,  wolle  Er  das  im  Römer  ausersehene  Zimmer 
besehen  und,  wie  die  Placirung  zu  machen  sey,  näher  verabreden. 
Übrigens  werde  die  Handlung  bey  offenen  Thüren  Vorgehen  und  in 
dem  Römer  selbst  und  in  der  Nähe  desselben,  so  viel  der  Raum  zu¬ 
lasse  und  die  Ordnung,  Jedermann  zugelassen  werden  müssen. 

Referent  stelle  nun  anheim,  was  hierauf  weiter  beschlossen  werden 

wolle. 

1  Marschall  Augereau,  Herzog  von  Castiglione,  Kommandant  des  VII.  franzö¬ 
sischen  Armeecorps,  hatte  mit  seinem  Stabe  vom  8.  Februar  bis  zum  3.  Oktober 
sein  Hauptquartier  in  Frankfurt. 

2  Der  französische  Resident  Hirsinger  hatte  Frankfurt  Anfang  August  ver¬ 
lassen,  um  seine  neue  Stellung  als  bevollmächtigter  Minister  am  Würzburgischen 
Hofe  anzutreten.  Sein  Vorgänger  Bacher,  der  1801  französischer  Geschäftsträger 
am  Regensburger  Reichstage  geworden  war,  hatte  diese  Stellung  mit  der  Auf¬ 
lösung  des  Reichstages  verlassen,  war  nach  Frankfurt  übergesiedelt  und  hatte  hier 
Ende  August  die  Zensur  der  Zeitungen  im  Aufträge  des  französischen  Ober-Kom¬ 
mandos  übernommen. 


6.  Anzeige  Lamberts  von  dem  bevorstehenden  Akte, 
Wünsche  wegen  der  einzuladenden  Behörden  und  des  Ortes. 

1806  Sept.  5. 

Praes.  den  5ten  Septbr  1806.  Abends  9  Uhr.  v.  Holzhausen  Cons.  Sen. 


Messieurs, 


Francfort  le  5  Septembre  1806 


J’ai  l’honneur  de  vous  informer  qu’en  consequence  des  ordres  de 
S.  M.  l’Empereur  qui  viennent  de  m’etre  transmis  par  S.  A.  S.  le  Prince 
Alexandre  Ministre  Plenipotentiaire  pour  l’echange  des  ratifications  du 
traite  de  confederation  conclu  ä  Paris  le  12  Juillet  der,  j’effectuerai  tres 
incessamment  la  remise  des  Pays  £chus  ä  S.  A.  Eme  le  Prince  Primat. 
Cette  solemnit^  doit  avoir  lieu  en  prdsence  du  Senat,  et  teile  est  sa 
nature,  que  s’agissant  d’un  acte  etranger  aux  attributions  ordinaires  du 
Senat  et  ä  celles  des  deux  Colleges,  vous  jugerez  sans  doute  convenable 
que  les  membres  de  ces  deux  Colleges  qui  representent  la  Bourgeoisie, 
y  soient  appelles. 

Je  vous  ferai  connoitre  le  nombre  des  autres  assistans;  et  comme 
cette  reunion  se  composera  d’environ  150  Personnes  appellees  de  droit, 
independamment  de  celles  qu’il  est  ä  desirer  que  le  Local  puisse  permettre 
de  recevoir,  j’ai  l’honneur  de  vous  inviter  ä  designer  et  ä  faire  disposer 
de  suite  un  Emplacement  assez  vaste  tel  que  l’Eglise  de  Ste  Catherine, 
dans  le  cas  oü  la  salle  du  Senat  ne  suffiroit  pas :  Je  n'ai  pas  encore 
fixe  le  jour  de  la  remise,  mais  eile  ne  sera  differ^e  au  delä  de  mardi 
ou  mercredi  prochain. 

J’ai  l’honneur,  Messieurs,  de  vous  saluer  avec  la  plus  haute 
consid^ration. 


Le  Commissaire  general  de  l’Empereur 


Lambert. 


M.  M.  les  Bourguemaitres  et  Magistrats  de  Francfort. 


7.  Beschlüsse  des  Rates  über  die  Veranstaltung  des  Aktes. 

1806  Sept.  6. 

Samstag  den  6.  September  1806. 

Als  bey  diesem  extraordainairem  Rathsitz,  so  mit  Zuziehung  der 
Herren  Syndicorum  gepflogen  worden,  die  Relation  des  Herrn  Syndici 
Seeger  de  hesterno,  die  mit  Herrn  Commissaire  Lambert  vorgewesene 
Besprechung  wegen  der  nächster  Tagen  bevorstehenden  Besitznehmung 
hiesiger  Stadt  verlesen  worden  und  Derselbe  weiter  mündlich  über 
dasjenige,  so  Er  dieserhalben  mit  Herrn  Geheimen  Legationsrath 


von  Roth1  und  Herrn  Directorial-Rath  Idstein2  als  verordneten  Fürstlich 
Primasischen  Herren  Commissarien  gesprochen  habe,  mündliche  Eröfnung 
gethan,  hingegen  auch  ein  von  dem  Herrn  Commissaire  general  Lambert 
später,  nemlich  erst  gestern  Abend  9  Uhr  an  den  älteren  Herrn 
Bürgermeister  erlassenes  Schreiben  vorgekommen,  durch  welches  die 
Adhibirung  Bürgerlicher  Collegiorum  bey  der  vorhabenden  Besitz- 
Ergreifung  bezielet  würde: 

Es  ist  bey  dem  Herrn  Commissaire  general  sowohl  als  bey 
des  Herrn  Marechal  Augereau  Excellenz  durch  Herrn  Synd.  Prim. 
Seeger  und  Herrn  Senatoren!  Müller  geeignete  Vorstellung  zu  thun 
und  bey  solchen  der  Versuch  zu  machen,  von  dergleichen  bey 
öffentlichen  Verhandlungen  niemal  gewöhnlich  gewesenen  Zu¬ 
ziehungen  zu  abstrahiren. 3 

Desgleichen  wäre  Herr  Synd.  Prim.  Seeger  zu  ersuchen,  bey  des 
Herrn  Ministri  von  Albini  Excellenz4  und  bey  dem  Herrn  Geheimen 
Rath  von  Roth  Sich  um  deren  möglichste  Unterstützung  zu  verwenden. 


1  Johann  Richard  von  Roth,  der  frühere  kurfürstlich  Mainzische  Gesandte 
beim  Oberrheinischen  Kreis ;  er  wurde  nach  dem  Beginn  der  primatischen  Herr¬ 
schaft  Direktor  des  Schöffen-Appellationsgerichtes  in  Frankfurt,  bekleidete  diese 
Stellung  auch  unter  der  grossherzoglichen  Herrschaft  und  starb  am  31.  Dezember  1812 
als  Grossherzoglich  Frankfurtischer  Wirklicher  Geheimer  Rat.  Über  seine  juristische, 
politische  und  publizistische  Tätigkeit  vgl.  den  Artikel  v.  Schuhes  in  der  Allgemeinen 
Deutschen  Biographie  Bd.  XXIX,  S.  315.  —  Die  beiden  fürstlichen  Kommissare 
waren  am  23.  August  in  Frankfurt  eingetroffen  und  wurden  vom  Rate  in  der 
üblichen  Weise  komplimentiert,  d.lh.  vonfeiner  Abordnung  willkommen  geheissen. 

2  Anton  Franz  von  Itzstein  (nicht  Idstein),  einer  kurmainzischen  Beamten¬ 
familie  entstammend,  war  damals  Landesdirektorial-Rat  in  Aschaffenburg  und  wurde 
nach  der  Besitzergreifung  Frankfurts  Ober-Polizeidirektor  in  dieser  Stadt  und  1808 
Spezial-Kommissar  für  die  dortige  Judenschaft.  1813  wurde  er  als  Nachfolger 
von  Roths  Präsident  (Direktor)  des  Frankfurter  Appellations-Gerichtes.  Als  1815 
F.  M.  von  Günderrode  Stadtschultheiss  wurde,  musste  Itzstein  seine  Stellung  auf¬ 
geben  und  als  Pensionär  der  Stadt  in  den  Ruhestand  treten.  Er  starb  am  7.  Juni 
18x6  in  Schwetzingen,  wohin  er  zum  Besuche  seines  jüngeren  Bruders,  des  bekannten 
Politikers  Johann  Adam  von  Itzstein,  gekommen  war. 

3  Es  ist  bezeichnend,  dass  der  Rat  selbst  bei  diesem  Akte,  der  ihm  für  immer 
seine  Souveränetät  nehmen  sollte,  so  ängstlich  darauf  bedacht  war,  allein  als  die 
regierende  Behörde  der  Stadt  zu  erscheinen.  —  Das  Einholen  der  Wünsche  des 
Marschalls  Augereau  auch  in  nichtmilitärischen  Angelegenheiten  und  die  stete 
Rücksichtnahme  auf  seine  Person  ist  nicht  nur  aus  der  hohen  militärischen  Stellung 
Augereaus  zu  erklären,  sondern  ebenso  gut  aus  dem  Bestreben  des  Rates,  den 
über  den  Erlass  der  bekannten  Proklamation  vom  19.  August  gegen  den  Rat 
erbitterten  Marschall  wieder  zu  versöhnen. 

4  Franz  Josef  Freiherr  von  Albini,  der  frühere  kurmainzische  und  spätere 
Grossherzoglich  Frankfurtische  Staatsminister,  der  am  8.  Januar  1816  als  schon 
ernannter  Präsident  des  noch  nicht  eröftneten  Bundestages  starb;  vgl.  über  ihn 
den  Artikel  Majers  in  der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie  Bd.  I,  S.  220. 


Im  Fail  nun  Herr  Commissaire  Lambert  von  seinem  Vorhaben 
nicht  abzubringen  wäre,  so  ist  sodann  fordersamst  der  Kayser-Saal 
statt  des  bereits  aptirten  Wahl-Zimmers  einzurichten  und  zur  be¬ 
vorstehenden  Besitz-Ergreifung  in  Bereitschaft  zu  halten. 

Als  dann  genannte  beyde  Herrn  referirten,  wie  nach  vielem  Hin- 
und  Wiederreden  Herr  Commissarius  Lambert  endlich  den  Vorstellungen 
des  Raths  Gehör  gegeben,  des  Herrn  Feld-Mareschalls  Augereau 
Excellenz  aber,  zu  welchem  sich  Herr  Senator  Müller  allein  begeben 
und  wohin  der  Herr  Commissaire  Lambert  alsbald  nachgefolgt,  geäussert 
habe,  die  Bürgerlichen  Collegia  als  Zeugen  der  erfolgenden  Besitznahme 
zu  adhibiren,  so  wurde  beschlossen: 

Durch  die  beyde  Herren  Bürgermeister  Collegia  civica  be¬ 
nachrichtigen  zu  lassen :  dass  sie  an  dem  zur  Besitznahme  annoch 
zu  bestimmenden  Tag  sich  in  corpore  einzufinden  hätten,  um  zu 
hören  und  zu  sehen,  wie  hiesige  Stadt  durch  den  Kays,  französischen 
Commissaire  general  an  die  Fürstlich  Primasische  Herren  Bevoll¬ 
mächtigte  übergeben  und  wie  selbige  hiernächst  von  diesen  in 
Besitz  genommen  werden  würde. 

In  gleicher  Absicht  wären  auch  durch  die  Herren  Bürger¬ 
meister  die  14  Bürger-Capitains  nebst  den  28er11  bestellen  zu  lassen, 
um  der  Possessions-Ergreifung  hiesiger  Stadt  mit  anzuwohnen. 

Nachdem  nun  solchergestalt  noch  ein  und  andere  Verfügungen, 
welche  vor,  bey  und  nach  der  Besitz-Ergreifung  zu  reguliren  und  des 
näheren  zu  bestimmen  sind,  in  Vorschlag  gekommen,  so  wurde  resolviret: 

x.  Des  Herrn  Feld-Marechal  Augereau  Excellenz  durch  Herrn 
Senator  Müller  in  schicklichen  Ausdrücken  bezeugen  zu  lassen, 
dass,  obgleich  Senatus  bey  dieser  Handlung  keine  Disposition  habe, 
Wohlderselbe  sich  jedoch  sehr  geehrt  finden  werde,  wenn  Se  Ex¬ 
cellenz  mit  dero  gesammten  Etat  Major  nach  der  von  dem  Herrn 
Commissaire  Lambert  dazu  gegebenen  Hofnung  der  gedachten 
Handlung  beizuwohnen  geruhen  wollten;  desgleichen  dem  Herrn 
Minister  Bacher  und  dessen  Legations-Secretaire  durch  den  Rath¬ 
schreiber  eben  dieses  in  ähnlichen  Ausdrücken  eröfnen  zu  lassen. 

2.  Löblichem  Bau-Amt  zu  committiren  :  für  Einrichtung  des 
Kayser-Saals'  zum  Behuf  des  vorzunehmenden  Actus  ehebaldigst 
besorgt  zu  seyn,  und  wenn  solcher  behörig  aptiret,  dem  Herrn 
Commissaire  general  Lambert  wie  auch  den  Fürstl.  Primasischen 
Herren  Commissariis  vorzeigen  zu  lassen. 

3.  Wäre  durch  Herrn  Senator  Müller  bey  dem  Herrn  Com- 
mandanten  zu  vernehmen:  ob  am  Tage  der  Besitznahme  allein 
Kayserl.  Französisches  Militaire  oder  aber  auch  hiesige  Soldatesca 
zu  nöthiger  Bewachung  der  Zugänge  an  und  in  dem  Römer  und 


3M 


zu  Verhütung  der  vorfallen  könnenden  Unordnungen  zu  adhibiren? 
sofort  das  Zweckdienliche  desfalls  zu  concertiren. 

4.  Wären  zum  Empfang  und  Rückbegleitung  der  hohen 
Französischen  Generalität  sowohl  als  der  Kays.  Französischen  und 
Fürstl.  Primasischen  Herren  Commissariorum  die  vier  jüngste 
Herren  Senatores  zu  deputiren  und  ersagte  Herren  successive,  so 
wie  sie  ankommen  werden,  durch  zwey  Herren  Senatoren  bey 
Eingang  des  Römers  gegen  den  Kasten-Hof  über  zu  empfangen 
und  in  das  Wahlzimmer,  woselbst  mit  einigen  schicklichen  Er¬ 
frischungen,  jedoch  ohne  Zubereitung  oder  Besezzung  einer  Tafel, 
oder  sonst  einigen  Trunck  aufzuwarten,  Löbl.  Recheney-Amt  hiermit 
der  Auftrag  ertheilt  wird,  zu  begleiten,  auch  daselbst  so  lange 
Zeit  zu  unterhalten,  biss  die  Handlung  ihren  Anfang  nimmt,  wor¬ 
auf  die  sämmtliche  vier  Herren  Raths  -  Deputirten  dem  Zug  der 
Herren  Commissarien  und  der  Generalität  vorzutretten  und  solche 
in  den  Kayser-Saal  einzuführen,  auch  jeden  einzuladen  haben,  auf 
denen  angewiesenen  Pläzzen  sich  niederzulassen.  Desgleichen  ist 
Herr  Minister  Bacher  durch  eine  Canzley-Person  zu  empfangen 
und  in  das  Wahl-Zimmer  zu  begleiten. 

5.  Am  Tage  der  Besitznahme  hätte  sich  ein  Hochedler  Rath 
nebst  denen  Herren  Syndicis,  auch  Canzley-Director  und  Rath¬ 
schreiber  in  Mantel  und  Umschlag  in  der  Rath-Stube  zu  ver- 
sammlen,  .  fort  nach  Ankunft  derer  Herren  Commissariorum  in 
den  Kayser-Saal  auf  die  bereitete  Pläzze  zu  begeben  und  daselbst 
den  Anfang  der  Handlung  abzuwarten,  bey  welcher 

6.  dem  Herrn  Synd.  Primär.  Seeger  die  von  denen  respective 
Kays,  und  Fürstl.  Primasischen  Herren  Commissarien  abgehaltene 
Reden  mit  einer  schicklichen  Gegen-Rede  zu  erwiedern  hiermit 
der  Auftrag  ertheilet  wird. 

7.  Ist  die  Rückbegleitung  des  Herrn  Marechal  Augereau 
nebst  Etat  major,  derer  Herren  Commissaires,  wie  auch  des  Herrn 
Minister  Bacher  durch  dieselbe  Herren  Raths-Deputirte  und  respect: 
Canzley-Person  zu  beobachten. 

8.  Haben  die  Einspänniger  und  Trompeter  im  Römer  auf¬ 
zuwarten.  Endlich  ist 

9.  alsbald  nach  erfolgter  Besitznahme  eine  solenne  Depu¬ 
tation,  in  den  Personen  der  beyden  regierenden  Herren  Bürger¬ 
meister  und  Plerrn  Sindici  Primarii  Seeger  bestehend,  mit  einem 
unterthänigsten  Schreiben  an  des  Herrn  Fürsten  Primas  Hoheit, 
dessen  Aufsatz  Herr  Synd.  Seeger  ebenfalls  zu  übernehmen  ersuchet 
werden,  abzuordnen  und  es  dahin  einzurichten:  dass  Solche  wo 
möglich,  noch  am  nemlichen  Tag  zur  Audienz  und  Überreichung 
ersagten  Schreibens  angemeldet  werden  mögte;  Übrigens  aber 


3*5 


io.  von  einer  abseiten  des  Herrn  Commissarii  Lambert  in 
Antrag  gebrachten  öffentlichen  Bekanntmachung  des  Raths  in  Ge- 
mäsheit  der  von  Herrn  Syndico  Seeger  referirten  Besprechung, 
so  Er  mit  den  Fürstl.  Primasischen  Herren  Commissarien  über 
diesen  Gegenstand  gepflogen,  zu  abstrahiren. 


8.  Festsetzung  des  Aktes  auf  Dienstag  den  9.  September  durch 
Lambert,  Truppenaufgebot  zur  Aufrechthaltung  der  Ordnung. 

1806  Sept.  6. 

Praes.  den  7ten  Septr.  1806.  '  v.  Holzhausen  Cons.  Sen. 


Messieurs 


Francfort  le  6  7bre  1806 


J’ai  l’honneur  de  vous  informer  que  mardi  prochain  9  du  cou¬ 
rant  a  dix  heures  du  matin  je  ferai  en  presence  du  Senat  et  des  auto- 
rites  convoquees  Jpar  ses  soins  la  remise  ä  S.  A.  E.  le  Pce  Primat  de 
la  ville,  du  territoire  et  des  dependances  de  Francfort.  Mr.  le  Comman- 
dant  de  la  Place  doit  avoir  recu  les  ordres  de  S.  E.  le  Mjl  Augereau 
et  vous  pouvrez,  Messieurs,  lui  faire  demander  le  nombre  d’hommes 
que  vous  croirez  necessaire  pour  la  Police  du  Local  qui  devra  etre 
partagee  avec  les  troupes  nationales. 

J’ai  l’honneur,  Messieurs,  de  vous  saluer  avec  la  plus  haute  con- 
sideration 

Le  Cre  Gal  de  l’Empereur 
Lambert. 

M.  M.  Les  bourguemaitres  et  Magistrats  de  Francfort. 


9.  Aufforderung  des  Rates  an  die  Bürgerlichen  Kollegien  zur 
Teilnahme  an  dem  Akt. 

1809  Sept.  8. 

Actum  Frankfurt  am  Main 
Montag  Vormittags  den  8ten  September  1806. 

Praesentibus :  Duobus  Dominis  Consulibus: 

Domino  Scabino  ab  Holzhausen,  S.  C.  M.  C.  act.  et 
Domino  Senatore  Doctore  Hofmann. 

Von  Seiten  loebl.  bürgerlicher  Collegien: 

Herrn  Dris  und  5i§ers  Joh.  Martin  Starck, 

„  9er  Handelsmannes  Streng. 

In  Gemässheit  verehrl.  Raths-Conclusi  vom  6n  dieses  seyen  beide 
Herrn  Bürgermeister  beauftragt  worden,  Collegia  civica  zu  benach- 


316  - 


richtigen:  dass  sie  morgenden  Dienstag,  Vormittags  io  Uhr,  sich  in 
Corpore  einzufinden  hätten,  um  zu  hören  und  zu  sehen,  wie  hiesige 
Stadt  durch  den  Kaiserlich  französischen  Commissaire  gfineral  an  die 
Fürstlich  Primasische  Herren  Bevollmächtigte  übergeben  und  wie  selbige 
hiernächst  von  diesen  in  Besitz  genommen  werden  würde. 

Bürgerliche  Herrn  Deputirte  bathen  um  Abschrift  gegenwärtigen 
Protokolles,  welche  verwillget  worden. 

In  fidem 

J.  J.  Böser,  Stadt-Canzl.  Accessist. 


10. 


Weitere  Beschlüsse  des  Rates  über  die  Veranstaltung 
des  Aktes. 


1806  Sept.  8. 


Montag  den  8.  Septemb.  1806. 

Als  der  ältere  Herr  Bürgermeister  bey  diesem  mit  Zuziehung  derer 
Herren  Syndicorum  abgehaltenen  Rathsitz 

1)  das  Benachrichtigungs-Schreiben  des  Herrn  Commissaire  General 
Lambert  vom  gestrigen  dato,  die  auf  morgenden  Dienstag  vorzunehmende 
Besitz-Name  hiesiger  Stadt  betr.,  vorbrachten;  zugleich 

2)  wegen  der  allenfalls  morgenden  Vormittag  geschlossen  zu 
haltenden  Boutiquen  in  dem  Römer  Vortrag  thaten; 

3)  eröfneten:  dass  Bürgerliche  Collegia  Abschrift  sowohl  des  vor¬ 
gestrigen  Raths-Conclusi  als  dem  Lambertischen  Schreibens  und  anheute 
gefassten  Conclusi  verlangten: 

Beruhet 

ad  x)  auf  sich,  und  hätte  ein  Hochedler  Rath  Sich  morgen 
früh  9  Uhr  in  der  Rothe  Stube  zu  versammeln. 

ad  2)  Wäre  Löbl.  Recheney-Amt  zu  committiren:  die  Bou¬ 
tiquen  -  Innhaber  von  dem  morgenden  Act  zu  avisiren  und  den¬ 
selben  lediglich  anheim  zu  geben :  ob  sie  ihre  Boutiquen  schliesen 
oder  aber  offen  halten  wollten? 

ad  3)  Wäre  zwar  civicis  Extract  des  vorgestrigen  Conclusi 
zuzustellen,  von  Communication  des  Lambertischen  Schreibens 
und  heutigen  Raths-Beschlusses  aber,  welch  letzterer  bloss  Polizey  : 
und  keine  oeconomische  Gegenstände,  es  müsste  denn  das  denen 
Herren  Commissariis  zu  offerirende  Frühstück  und  die  zum  Auf¬ 
warten  erforderliche  wenige  Bedienten,  ingleichen  die  Behängung 
des  Kayser-Saals,  dahin  gerechnet  werden,  betreffe,  zu  abstrahiren ; 
als*welches  Collegiis  civicis  zu  eröfnen  Dominis  Consulibus  hiermit 
der  Auftrag  ertheilet  wird. 


Herr  Senator  Müller  referiret:  die  Invitation  des  Herrn  Marechal 
Augereau  Excell.,  welchen  er  Unpässlichkeit  halber  nicht  sprechen 


-  317  - 

hönnen,  durch  den  Herrn  General-Adjutanten  Garnier  mündlich  be¬ 
sorgt  zu  haben: 

Beruhet  auf  sich. 

Als  ebenderselbe  weiter  referiret:  mit  dem  Herren  Cammandanten 
wegen  der  auf  morgenden  Tag  zu  bestellenden  Wache  dahin  die  Über¬ 
einkunft  getroffen  zu  haben,  dass  ein  französisches  Commando  in  einem 
Ober-Officier  und  50  Mann  bestehend  und  von  der  hiesigen  Mannschaft 
ein  gleiches  Commando  dazu  adhibiret  würden : 

Es  ist  Löbl.  Kriegs-Zeug- Amt  hiervon  Nachricht  zu  geben, 
um  dieses  Commando  zu  reguliren  und  selbigem  einzuschärfen, 
genaue  Aufsicht  zu  halten,  dass  in  das  Zimmer,  woselbst  der 
Actus  vorgehet,  niemand  eingelassen  werden  möge,  biss  alle  zu 
demselben  gehörende  und  respective  erforderte  Behörden  ihre 
Pläzze  ohngestört  eingenommen  haben  werden,  alsdann  aber  über¬ 
haupt  keine  Weibs-Person  oder  Handwerks-Bursche,  sondern  nur 
Personen,  die  von  Stand  zu  seyn  scheinen,  passiren  zu  lassen. 

Als  auch  vorkäme:  Ob  der  Herr  Commissaire  General  Lambert 
durch  einen  Stadt-Wagen  abzuholen,  und  Herr  Synd.  Primarius  Seeger 
die  Intention  der  Fürstl.  Primasischen  Herren  Commissariorum  eröfnete : 
wie  dieselbe  sich  geäusert,  den  Kayserl.  Französischen  Herrn  Commissaire 
abholen  zu  wollen: 

Beruhet  zwar,  der  gegebenen  Erläuterung  halber,  auf  sich ; 
jedoch  wäre  durch  Herrn  Schöffen  von  Riese  die  nähere  Ge¬ 
sinnung  des  Herrn  Commissaire  desfalls  vernehmen  zu  lassen ; 

Zu  Empfang  und  Rück-Begleitung  des  Herrn  Minister  Bacher  und 
seiner  Legations-Secretaire 

wurde  der  Stadt-Canzley-Substitutus  Franck  bestimmt. 

In  Ansehung  des  Plazzes,  wo  die  leeren  Kutschen  sich  biss  zum 
Rückzug  aufzuhalten  hätten 

wurde  der  freye  Plaz  um  die  Barfüsser-Kirche  ausersehen. 

Als  auch  noch  vorgebracht  worden,  wie  dem  Verlaut  nach  als¬ 
bald  nach  beschehener  Besiznahme  der  Fürstl.  Primasische  Herr  Minister 
Freyh.  von  Albini  Excell.  Sich  im  Römer  einfänden  und  Senatui  einen 
Vortrag  thun  würden: 

Es  wäre  Ihro  Excell.  bey  Ihrer  Ankunft  durch  zwey  der 
zum  Empfang  der  übrigen  Herren  Commissariorum  ernannten  vier 
Herren  Senatorum  zu  empfangen  und  durch  das  Wahl-Zimmer  in 
den  Kayser-Saal  zu  begleiten  und  nach  Endigung  des  Vortrags, 
welchen  Herr  Syndicus  Primarius  Seeger  durch  eine  schickliche, 
kurze  Gegenrede  nomine  Senatus  zu  beantworten  hätte,  es  eben 
so  bey  deren  Weggehen  zu  halten. 

Desgleichen  wären  gedacht  Ihro  Excell.  durch  eine  besondere 
Raths-Deputation,  wozu  Herr  Schöff  von  Oienschlager  und  Herr 


Senator  von  Glauburg  hiermit  ernannt  werden,  zu  beglückwünschen 
und,  falls  dieselbe  Sich  als  Gouverneur  hiesiger  Stadt  geriren 
würden,  durch  dieselbe  die  hiesige  Stadt-Schlüssel,  ingleichen  eine 
Wache  .der  hiesigen  Soldatesca  zu  offeriren,  auch  sich  zum  Em¬ 
pfang  der  Parole  zu  erbieten;  in  welcher  Absicht  sich  die  Herren 
Staabs-  und  sämmtliche  Ober-Officiers  der  hiesigen  Garnison  bey 
mehrgedacht  Sr  Excellenz  zu  praesentiren  hätten.1 


11.  Protokoll  über  den  Akt  der  Besitzergreifung.2 

1806  Sept.  9. 

Actum  Frankfurt  am  Main  auf  dem  Römer, 
.raane,  den  9.  September  1806. 

Praesentibus 
von  Sr.  Hoheit  des  Fürst  Primas 
Herrn  Geheimen  Legationsrath  v.  Roth, 

Herrn  Direktorialrath  Itzstein 
und 

Justitz-Senats  und  Kommissions-Sekretair  Fertig. 

Nachdem  auf  vorgängige  mehrere  mündliche  Besprechungen  mit 
dem  k.  k.  französischen  Generalkommissair,  Herrn  Lambert,  und  nach 
wechselseits  geschehener  Auswechselung  der  Vollmachten  benannter 
Herr  Kommissair  den  Tag  zur  Besitznahme  der  Stadt  Frankfurt  nebst 
Gebiet  vermög  eines  an  nebenbenannte  Herrn  Kommissarien  erlassenen 
Schreibens  vom  5ten  dieses  auf  Dienstag  den  9.  September  1.  J.  be¬ 
stimmt  hat,  so  begaben  sich  dieselben  diesen  Morgen  zu  gedachtem 
Herrn  Kommissair  nach  dessen  geäusserten  Wunsche  in  sein  Logis,  in 


1  Diese  Beschlüsse  vom  8.  September  bilden  die  vorletzte  Regierungshand¬ 
lung  des  souveränen  Rates;  ihr  folgt  als  letzte  die  Aufnahme  der  Tochter  des 
emeritierten  Rektors  Purmann  als  Konventualin  des  Weissfrauen-Kloster.  Als  sich 
der  Senat  Dienstag  den  9.  September  wieder  versammelte,  war  die  Besitzergreifung 
der  Stadt  für  den  neuen  Landesherrn  bereits  erfolgt. 

2  Dieses  Protokoll  befindet  sich  nicht  in  den  Akten  des  Stadtarchivs,  weil  es 
dem  Rate  nicht  mitgeteilt  worden  ist.  Ich  gebe  den  Abdruck  wieder,  welchen 
der  Hofkammerrat  P.  A.  Winkopp  in  dem  1806  bei  J.  C.  B.  Mohr  in  Frankfurt 
erschienenen  ersten  Bande  (S.  217 — 226)  seiner  Zeitschrift  »Der  Rheinische  Bund« 
mit  fürstlicher  Genehmigung  veröffentlicht  hat. 

Nach  einer  Aufzeichnung  des  Ratsschreibers  blieben  dem  Akte  der  Schultheiss 
Dr.  Moors,  die  Schöffen  Fleischbein  von  Kleeberg  und  Dr.  Kingenheimer,  Senator 
Dr.  Metzler,  Binding  des  Rats  und  Kanzleidirektor  Dr.  Böhmer  wegen  Krankheit 
fern.  Von  den  städtischen  höheren  Beamten  waren  die  fünf  Syndiker  und  Rats¬ 
schreiber  Dr.  Maus  anwesend. 


319 


dem  Gasthofe  zum  Englischen  Hof  genannt,  und  fuhren  nach  io  Uhr 
in  zwei  Chaisen,  der  k.  k.  Herr  Kommissair  mit  seinem  Sekretair  be¬ 
sonders  und  nebenbenannte  nach  ihm  an  den  Römer. 

Hier  wurden  dieselben  von  dem  allda  postirten  französischen  und 
frankfurter  Militair  salutirt,  die  Trommeln  gerührt  und  von  einer 
Magistratsdeputation  beim  Aussteigen  empfangen  und  in  dem  angeord¬ 
neten  Saale  auf  dem  Römer  eingeführt. 

In  diesem  Saale  waren  in  ihrem  Amtskostüme  sämmtliche  Magistrats¬ 
personen  und  die  Mitglieder  des  bürgerlichen  Collegii  der  sogenannten 
5ieer  nebst  dem  Chef  des  frankfurter  Militairs  versammelt;  auch  fand 
sich  der  ganze  Generalstab  des  kaiserl.  königl.  französischen  Herrn 
Marschalls  Augereau,  welcher  selbst  aber  wegen  Unpässlichkeit  nicht 
beiwohnen  konnte,  nebst  mehreren  k.  k.  französischen  Offiziers  und 
sonstige  viele  Personen  allda  ein. 

Herr  Kommissair  Lambert  und  die  diesseitigen  Herrn  Kommissarien 
nahmen  ihren  Sitz  an  einem  oben  in  dem  Saal  besonders  empor  ge¬ 
stellten  Tische,  wo  Herr  Kommissair  Lambert  den  mittleren  Sitz,  die 
diesseitigen  Herrn  Kommissarien  zur  Rechten  und  der  k.  k.  französische 
Herr  Gesandte  Bacher  zur  linken  Seite  desselben  Platz  nahmen. 

Herr  Kommissair  Lambert,  nachdem  er  vorerst  erklärt  hatte,  dass 
alle  Vorträge  und  die  Verhandlungen  in  französischer  und  deutscher 
Sprache  abgelesen  werden  würden,  eröffnete  den  Besitznehmungsakt 
mit  einer  wohlverfassten  Rede,  worinn  im  Allgemeinen  die  Grossthaten 
des  Stifters  der  rheinischen  Konföderation  und  die  Vortheile  geschildert 
wurden,  welche  hieraus  für  diesen  Staat  noch  zu  erwarten  seyen  und 
die  insbesondere  Frankfurt  unter  der  Regierung  seines  neuen  Fürsten 
sich  zu  versprechen  habe.  Hierauf  wurden  durch  den  französischen 
Sekretair  beiderseitige  Vollmachten,  so  wie  auch  der  Proces  verbal 
verlesen. 

Und  nachdem  nun  auch  all  dieses  in  deutscher  Sprache  vorgetragen 
war,  wurde  der  Proces  verbal  zuerst  von  dem  k.  k.  Herrn  Kommissair 
Lambert,  dann  von  den  Fürst  -  Primatischen  Kommissarien  in  sechs 
Ausfertigungen  unterzeichnet  und  gesiegelt;  hierauf  erstatteten  letztere, 
Namens  Ihres  höchsten  Souverains,  dem  Beschützer  der  rheinischen 
Konföderation,  Kaiser  und  König  Napoleon,  den  öffentlichen  Dank ;  ein 
gleiches  beobachteten  dieselben  gegen  den  Fürsten  von  Neuchatel  und 
Valengin  als  bevollmächtigten  Minister  zur  Auswechslung  der  Rati¬ 
ficationen  des  Vertrags  vom  12.  July  1.  J.  und  vereinigten  damit  den 
Ausdruck  der  besonderen  Erkenntlichkeit  gegen  den  k.  k.  französischen 
Besitz-Einweisungs-Kommissair  Herrn  Lambert. 

Es  schien  zugleich  zwekmässig,  die  Rede  des  k.  k.  Herrn  Kom- 
missairs  Lambert  zu  erwiedern  und  die  glücklichen  Aussichten  zu 
entwickeln,  welche  aus  der  neuen  Ordnung  der  Dinge  im  Allgemeinen 


und  insbesondere  für  die  Stadt  Frankfurt  hinsichtlich  der  vortrefflichen 
Gesinnungen  Ihres  neuen  Regenten  zu  erwarten  sind. 

All  dieses  bezwekte  die  von  den  diesseitigen  Herrn  Kommissarien 
in  französischer  Sprache  abgehaltene  Rede,  welche  vorberührtermassen 
hierauf  auch  in  Deutsch  verlesen  wurde.*) 

Diesemnach  legte  man  den  Bürgermeistern  und  Rath  die  Voll¬ 
machten  zur  Uebernahme  des  Besitzes  und  der  damit  in  Verbindung 
stehenden  Verfügungen  vor  und  liess  solche  durch  den  Kommissions¬ 
sekretair  verlesen.  Ein  gleiches  geschah  auch  mit  den  Patenten ;  die 
Affigirung  derselben  an  allen  herkömmlichen  Orten  wurde  den  Bürger¬ 
meistern  aufgetragen,  zugleich  aber  auch  verfügt,  dass  solche  alsbald 
an  der  Thür  des  Rathhauses  (Römer)  durch  den  Secretarium  Commissionis 
angeheftet  werden  sollten,  welches  derselbe  in  Beiseyn  eines  frankfurter 
Offiziers  sogleich  bewirkte. 

Auf  Aufforderung  der  Fürst  -  Primatischen  Herrn  Kommissarien 
wurde  von  den  Bürgermeistern  Anton  Ulrich  Carl  v.  Holzhausen  und 
J.  Isaac  Hofmann,  und  dem  Senior  der  bürgerlichen  Kollegien  Joh.  Peter 
Frhr.  v.  Leonhardi,  so  wie  auch  von  dem  Vorsteher  des  Rechnungs¬ 
wesens,  1  Jakob  Friderich  Goullet,  Handtreue  an  Eidesstatt  geleistet. 

Hierauf  erklärten  der  Syndikus  Seeger  Namens  des  Magistrats  und 
der  gesammten  Bürgerschaft  die  unbegränzte  Unterwerfung  unter  den 
Willen  Sr.  Majestät  des  Kaisers  Napoleon  in  der  anliegenden  Rede**) 
und  drukte  die  Empfindung  der  allgemeinen  Freude  und  Zufriedenheit 
darüber  aus,  dass  die  Stadt  Frankfurt  der  Regierung  Sr.  Hoheit  des 
Fürst-Primas  übergeben  worden  zu  seyn  das  Gltik  habe. 

Nachdem  nun  auf  diese  Art  der  Besitz-Uebergabs-Akt  vollkommen 
geschlossen  war,  ersuchte  mehr  erwähnter  Herr  Kommissair  Lambert 
die  diesseitigen  Herrn  Kommissarien,  Sr.  Excellenz  dem  Herrn  Staats¬ 
und  Konferenz-Minister  Freiherrn  v.  Albini  hievon ‘alsbaldige  Kenntniss 
zu  geben,  worauf  dann  der  Herr  Direktorialrath  Itzstein  Hochdenselben 
hievon  zu  benachrichtigen  übernahm. 

Herr  Direktorialrath  Itzstein  begab  sich  sogleich  zu  dem  in  dem 
Ivompostell  wohnenden  Herrn  Staats-  und  Konferenz-Minister  Freiherrn 
v.  Albini  Excellenz  und  kam  ohnverweilt  mit  Hochdenselben  an  den 
Römer  zurück,  wo  Dieselbe  unter  dem  Trommeischlag  des  paradirenden 
französischen  und  frankfurter  Militairs,  so  wie  von  vier  Deputirten  des 
Magistrats  beim  Aussteigen  empfangen  und  in  den  versammelten  Saal 
eingeführt  wurden. 

Hochdieselbe  nahmen  den  von  dem  französischen  Kommissair 


*)  Man  findet  sie  in  deutscher  Sprache  unter  Ziffer  i. 

**)  Sie  ist  unter  Ziffer  2  abgedrukt. 

1  d.  h.  des  Neuner-Kollegs. 


321 


Herrn  Lambert  inzwischen  verlassenen  Sitz  an  dem  Emportische  ein 
und  erklärten  Ihre  Sendung  nach  vordersamst  von  dem  Kommissions¬ 
sekretair  verlesener  Ihrer  höchsten  Vollmacht  den  sämmtlich  ver¬ 
sammelten  städtischen  Autoritäten,  worauf  lautes  Vivat:  es  lebe 
Kaiser  Napoleon,  es  lebe  der  Fürst  Primas,  erschallte. 

Der  Herr  Syndikus  Seeger  als  Organ  der  städtischen  Autorität 
hielt  hierauf  eine  Danksagungs-Rede,  womit  sich  dieser  Akt  um  12  Uhr 
Mittags  geschlossen  hat,  und  Se.  Excellenz  des  Herrn  Staats-  und 
Konferenz-Minister  von  den  Mitgliedern  des  Magistrats  bis  an  den 
Wagen  begleitet  wurden  und  unter  gleich  obbemeldter  militairischen 
Ehren-Bezeugung  das  Rathhaus  (Römer)  verlassen  haben. 

In  fidem 

Hugo  Philipp  Fertig, 
Justitz-Senats  und  Kommissions-Sekretarius. 


Beilage  1. 

Beauftragt  von  Seiner  Hoheit  dem  Fürsten  Primas,  Unserem 
gnädigsten  Herrn,  die  aus  allerhöchstem  Befehle  Sr.  Majestät  des  Kaisers 
Napoleon  und  kraft  der  Bevollmächtigung  Sr.  Durchlaucht  des  Herrn 
Fürsten  Alexander,  Fierzogen  von  Neuchatel  und  Valengin,  durch  den 
hierzu  ernannten  Commissaire  General  Herrn  Lambert  so  eben  bewirkte 
Uebergabe  der  Stadt  Frankfurt  zu  übernehmen,  empfinden  wir  die  hohe 
Pflicht,  gegen  Seine  Majestät  den  Kaiser  und  König  Napoleon,  den 
Beschützer  der  rheinischen  Konföderation,  Namens  Unseres  gnädigsten 
Herrn  des  Fürst  Primas  die  Gefühle  des  lebhaftesten  und  innigsten 
Dankes  in  tiefester  Ehrfurcht  und  Rührung  auszudrUcken. 

Eine  gleich  angenehme  Obliegenheit  ist  es  für  uns,  dem  Fürst 
Alexander,  Herzoge  von  Neuchatel  und  Valengin,  die  schuldigste  Dank¬ 
sagung  abzustatten  und  damit  unsere  lebhafte  Erkenntlichkeit  gegen 
den  Herrn  Commissaire  General  Lambert  zugleich  zu  verbinden. 

Wir  erkennen  es  für  ein  vorzügliches  Glük  und  Ehre,  das  Organ 
Unseres  Fürsten  bei  einer  so  denkwürdigen  Handlung  zu  seyn,  die  eine 
neue  Epoche  für  diesen  Theil  der  Staaten  ausmacht,  welche  Glieder 
der  geschlossenen  Konföderation  sind,  und  von  welchem  Zeitpunkte 
an  auch  das  Glük  und  Wohl  Frankfurts,  dieser  in  vielfältiger  Erwägung 
höchst  interessanten  Stadt,  fester  und  dauerhafter  begründet  werden  wird. 

Gross  sind  die  Begebenheiten,  die  das  Zeitalter  ausfüllen,  in  welchem 
zu  leben  wir  bestimmt  sind.  Die  Entwiklung  so  mancher  in  vorderen 
Jahrhunderten  liegenden  Keime  des  Uebels  und  der  ZerstÖhrung  musste 
in  unsere  Tage  fallen  und  lehrte  uns  in  den  traurigsten  Erfahrungen, 
dass  das  Staatssystem,  unter  welchem  wir  lebten,  dem  veränderten 


21 


322 


Zustande  der  übrigen  europäischen-  Staaten  nicht  mehr  gemäss  war. 
Die  unermesslichen  Thaten  Napoleons,  dessen  Beispiel  die  bewunderten 
Nationen  der  Vorzeit  und  ihre  glorreichen  Anführer  nicht  aufzuweisen 
haben,  der  in  einem  Blicke  Jahrhunderte  zu  übersehen  scheint,  haben 
jenen  Umschwung  der  Völker  bewirkt,  an  dessen  Einfluss  auch  wir 
Theil  zu  nehmen  berufen  sind. 

Deutschland  hatte  schon  lang  die  Kraft  und  Stärke  nicht,  welche 
einer  Nation  zukommen. 

Durch  seine  geographische  Lage  berufen  zu  den  glüklichsten  Er¬ 
wartungen,  allein  gelähmt  in  seiner  Thätigkeit  durch  die  Gegenwirkungen 
in  seinem  Innern ,  preissgegeben  —  wie  es  das  Schiksal  aller  Staaten 
ist,  denen  Einheit  des  Willens  und  Kraft  der  Ausführung  fehlt,  dem 
Einfluss  und  der  Politik  mächtiger  Mitstände  oder  fremder  Mächte,  je 
nachdem  sie  für  gut  fanden,  das  Kriegstheater  in  Deutschland  aufzu- 
schlaeen,  konnte  dieses  Volk  nur  immer  mehr  und  mehr  an  Selbst- 
ständigkeit,  am  politischen  Gewichte  verlieren  und  war  allen  den 
zerstöhrenden  Folgen  unterworfen,  die  davon  unzertrennlich  sind. 

In  der  That !  werfen  wir  einen  Blik  auf  die  lezten  Jahrhunderte, 
und  wir  sehen  dieses  Reich  gegen  seinen  Willen  in  alle  Kriege  ver¬ 
wickelt  —  stets  zum  Schauplatz  der  blutigsten  Schlachten  bestimmt 
und  immer  Provinzen  opfernd,  um  nur  auf  wenige  Jahre  Ruhe  zu 
erkaufen. 

Deutschlands  Verfassung  war  in  ihrem  Ursprung  ein  Werk  der 
Weisheit  unserer  Väter,  sie  war  das  Resultat  reifer  und  oft  theuer 
erworbener  Erfahrung  :  allein  diese  Verfassung  war  nur  auf  innere  Ruhe, 
auf  Frieden,  jenen  Schutzengel  des  Handels  und  des  Glüks  der  Völker, 
berechnet ;  gegen  äussere  Bedrohung  und  Gewalt  vermogte  sie  nach  so 
vielen  Erschütterungen  nichts,  und  um  ein  erobernder  Staat  zu  seyn, 
mangelten  ihr  jene  Staatseinrichtungen  und  jene  Centralkraft,  die  einzig 
grosse  Thaten  hervorbringen  und  in  der  kriegerischen  Laufbahne  allein 
Lorbeeren  zu  ernden  vermögend  sind. 

Unter  Napoleons  des  Grossen  mächtigem  Einfluss  ist  nun  jene 
Umwandlung  zu  Stand  gekommen,  welcher  der  rheinische  Bund  sein 
Daseyn  verdankt,  der  uns  ein  glükliches  Loos  verkündet.  Welches 
Nationalglük  dürfen  wir  von  dessen  hohem  Genie  und  dessen  erhabensten 
Eigenschaften  uns  versprechen! 

Die  Gebiete  der  Konföderation  werden  nun,  in  engerer  Verbindung 
lebend,  nicht  mehr  so  wie  vorhin  jedem  Einbruch  offen  stehen  und 
der  Kriegslust  preisgegeben  seyn.  Sein  mächtiger  Schutz  wird  die 
Segnungen  des  Friedens  über  uns  bringen,  alle  Quellen  des  Wohlstandes 
und  der  Volksglükseligkeit  neu  beleben  und  die  Handlung,  dieses  edelste 
Kleinod  der  Völker,  dieses  moralische  Band,  durch  welches  die  ent¬ 
ferntesten  Nationen  sich  einander  angehören  und  einen  wechselseitigen 


_  TO'I  _ 

beglückenden  Austausch  der  Nationalprodukte  bezwecken,  auf  jene  Stufe 
der  Höhe  setzen,  worauf  solche  mit  Recht  zu  stehen  verdient. 

Se.  Hoheit  der  Fürst  Primas  werden  Ihrer  Seits  mit  rastlossem 
Bestreben  diese  beglückenden  Aussichten  befördern;  das  Wohl  seiner 
Staaten  ist  das  einzige  Ziel  seiner  heissesten  Wünsche,  und  der  Tag, 
wo  er  seinem  Volke  eine  Wohlthat  erweisen,  die  Industrie  befördern 
und  die  Quellen  der  Volksglükseligkeit  vervielfältigen  kann,  ist  für  das 
edle  Herz  dieses  mit  Recht  geliebten  Fürsten  der  schönste  Tag  und 
süsseste  Genuss.  — 

Durchdrungen  von  der  grossen  Wahrheit,  dass  der  Flor  des  Handels 
mit  dem  Glük  der  Stadt  Frankfurt  in  engster  Verbindung  steht,  wird 
er  diesem  Zweige  seine  stets  unermüdete  Sorge  widmen. 

Bei  allen  diesen  grossen  Gesinnungen  und  wichtigen  Unter¬ 
nehmungen  dürfen  wir  der  glüklichsten  Resultate  um  so  mehr  uns 
schmeicheln,  indem  der  beste  Fürst  in  der  Güte  des  Herzens  und  den 
tiefen  Einsichten  unseres  erhabenen  Koadjutors  eine  mächtige  Stütze 
stets  finden  wird. 

Gewiss,  meine  Herren  Bürgermeister  und  Rath  und  Mitglieder  der 
Bürgerkollegien !  wenn  Sie  wie  wir  Zeuge  so  vielfältiger  wohlthätiger 
Handlungen  gewesen  wären,  womit  die  Regierung  dieses  Fürsten  be¬ 
zeichnet  ist  —  wenn  Sie  wie  wir  aus  eigener  Erfahrung  den  unermiideten 
Fleiss  in  Aufsuchung  der  Mittel,  sein  Volk  glüklich  zu  machen,  bewundern 
könnten  —  wenn  Sie  wie  wir  die  Humanität,  die  edle  Herablassung 
und  die  hinreissende  Fürstengüte  näher  kenneten :  Sie  würden  mit  uns 
schon  einen  Fürsten  als  ihren  Vater  lieben,  den  sie  jezt  nur  als  ihren 
Herrn  verehren,  und  mit  uns  würden  Sie  die  höchste  Vorsehung  um 
dessen  längste  Lebensdauer  mit  dem  innigsten  Gefühle  anrufen. 

Die  Zeit  ist  aber  nicht  fern,  wo  Er  unter  Ihnen  erscheinen  wird, 
und  Sie  werden  sich  überzeugen,  dass  wir  nur  in  schwachen  Zügen  das 
Bild  dieses  Vaters  des  Volks  und  verehrten  Fürsten  auszuführen 
vermögten.  Bis  dahin  finden  Sie,  meine  Herren!  in  dem  verehrten 
Staatsminister  dieses  erhabenen  Fürsten,  dem  Freiherrn  v.  Albini,  den 
Depositair  der  höchsten  Gesinnungen  und  des  höchsten  Zutrauens,  und 
sicher  dürfen  wir  Ihnen  nicht  erst  die  grossen  Verdienste  ins  Gedächtniss 
rufen,  welche  die  Zeitgenossen  in  diesem  verehrten  Staatsmanne  all¬ 
gemein  schon  anerkannt  haben,  aber  das  wollen  wir  doch  bemerken, 
dass  die  Gefühle  seines  Herzens,  dass  seine  warme  Liebe  für  Gerechtig¬ 
keit  eben  so  gross,  als  ausgezeichnet  seine  Talente  sind. 

Mit  allem  Grunde  haben  Sie  diesemnach  sich  eine  glükiiche  Zukunft 
zu  versprechen,  und  uns  wird  es  stets  eine  beglückende  Erinnerung  seyn, 
die  Vorsager  dieser  frohen  Zukunft  gewesen  zu  seyn. 


21 


-  324  - 

Beilage  2. 

Mit  Unterwerfung  verehren  wir  die  Staatsveränderung,  welche  in 
diesem  Augenblik  über  das  gemeine  Wesen  vollzogen  ist,  das  unserer 
Verwaltung  bisher  anvertraut  war.  Der  mächtige  Wille  des  grossen 
Monarchen,  dessen  Organ  Sie,  Herr  General-Kommissair  sind,  ist  für  uns, 
unsere  sämmtlichen  Mitbürger  und  Angehörigen  unabweichliches  Gesetz. 

Indem  wir  uns  von  den  Verhältnissen  trennen,  in  denen  uns  bis 
jetzo  vergönnt  war,  für  ihr  Wohl  zu  wirken,  belebt  uns  die  tröstende 
Hoffnung  neu  aufblühenden  Glüks,  das  ihnen  von  der  Weisheit  und 
Milde  des  erhabenen  Souverains  beschieden  ist,  für  den  Sie,  hoch¬ 
ansehnliche  Herrn  Kommissarien  des  Durchlauchtigsten  Fürsten  Primas, 
den  Besitz  unserer  Stadt  und  Gebiets  annehmen. 

Mit  diesen  Hoffnungen  und  Gefühlen  legen  wir  die  Erklärung 
unserer  Submission,  Treue  und  Anhänglichkeit,  in  unserm  eigenen 
und  aller  unserer  Mitbürger  und  Angehörigen  Namen,  in  ihre  Hände 
ehrfurchtsvoll  nieder. 

Möchten  Sie  bei  dem  verehrten  Fürsten,  in  welchem  auch  wir 
jetzt  unsern  und  der  Unsrigen  höchsten  Regenten  und  gnädigsten 
Landesvater  unterthänigst  verehren  dürfen,  der  Unbegränztheit  dieses 
Vertrauens  durch  Ihr  Zeugniss  Gerechtigkeit  wiederfahren  lassen,  von 
welchem  wir  durchdrungen  und  wobei  wir  die  Ausleger  von  Gefühlen 
sind,  welche  Aller  Herzen  erfüllen. 

Empfangen  Sie  endlich,  im  Namen  des  durchlauchtigsten  Fürsteu 
Primas,  den  Ausdruk  unsers  tiefsten  Danks  für  den  Beweis  landesväter¬ 
licher  Huld,  womit  Ihro  Hoheit  uns  gnädigst  anzuweisen  geruhen,  unsere 
Amtsfunktionen,  bis  auf  weitere  höchste  Anordnung,  fortzusetzen. 
Feierlich  geloben  wir,  diese  theure  Pflicht  zu  erfüllen.  Von  diesem 
Augenblicke  an  uns  der  Gnade  würdig  zu  machen,  welche  der  beste 
Fürst  uns  durch  Sie  zusichern  zu  lassen  geruhet,  soll  und  wird  uns 
heilige  Pflicht  seyn. 


12.  Besitzergreifungs-Patent  des  Fürsten  Primas 
Karl  von  Dalberg. 

1806  Sept.  9. 

Wir  Carl  von  Gottes  Gnaden  Fürst  Primas  der  Rheinischen  Con- 
föderation,  souveräner  Fürst  von  Regensburg  und  Aschaffenburg 
etc.  etc. 

Nachdem  im  Gefolge  der  errichteten  rheinischen  Conföderation 
Uns  die  Stadt  Frankfurt  nebst  dem  dazu  gehörigen  Gebiete  mit  voller 
Souveränität  zu  Theil  geworden,  Uns  auch  die  Souveränität  Uber  das 
auf  der  rechten  Mainseite  gelegene  fürst-  und  gräflich  Löwenstein- 


—  325  — 

Wertheimische  Gebiet  und  die  Grafschaft  Rienek,  sammt  den  in  Unsern 
bisherigen  und  den  ebengenannten  neuerlich  zugefallenen  Landen  ein¬ 
geschlossenen  reichs-ritterschaftlichen,  Teutsch-  und  Malthäser-Ordens- 
Besitzungen,  auch  dahin  angränzenden  ritterschaftlichen  Gütern  über¬ 
wiesen  und  von  Kaiserlich-Königlich-Französischer  Seite  in  wirklichen 
Besitz  übergeben  worden  ist:  so  finden  Wir  Uns  gegenwärtig  bewogen, 
die  volle  Souveränität  über  die  Stadt  Frankfurt,  derselben  Umfang  und 
Gebiet  sowohl,  als  auch  die  Souveränitäts -Rechte  über  die  übrigen 
vorgedachten  Länder,  Herrschaften  und  Besitzungen  in  wirkliche  Aus¬ 
übung  zu  bringen,  befehlen  demnach  und  wollen,  dass  von  nun  an  die 
Souveränität  darin  in  Unserm  Namen  ausgeübt  und  verwaltet  werde. 

Wir  bestätigen  zugleich  provisorisch  alle  öffentliche  Authoritäten 
und  Beamten  in  ihren  Amtsverrichtungen,  von  welchen  insgesammt 
Wir  Uns  eine  fortgesetzte  treue  Pflichterfüllung  versprechen.  Unser 
eifrigstes  und  unermüdetes  Bestreben  wird  seyn,  mit  landesväterlicher 
Sorgfalt  für  das  Wohl  dieser  Unserer  neuen  Unterthanen,  welche  in 
vorbesagter  Maass  Unserer  Souveränität  unterworfen  sind,  zu  wachen, 
mit  gewissenhafter  Genauigkeit  eine  gleiche  Gerechtigkeitspflege  zu 
handhaben  und  allen  Klassen  der  Bürger  Unsern  landesherrlichen  Schutz 
angedeihen  zu  lassen,  von  welchen  Wir  Uns  versehen,  dass  dieselben 
Uns  mit  jener  Treue,  Anhänglichkeit  und  Gehorsam  werden  zugethan 
seyn,  die  Wir  mit  Recht  zu  erwarten  haben  und  welche  vereint  mit 
Unsern  Bemühungen  die  sicherste  Bürgschaft  des  allgemeinen  und 
individuellen  Glückes  gewähren. 

In  Urkunde  Unsrer  Höchsteigenhändigen  Unterschrift  und  bei¬ 
gedrücktem  Hofkanzley-Insiegels. 

Aschaffenburg  den  20.  August  1806. 

(L.  S.)  Carl 

vt.  Freiherr  v.  Albini. 

Publicatum  Frankfurt  den  9ten  September  1806. 


13.  Begrüssungsschreiben  des  Rates  an  den  Fürsten  Primas.1 

1806  Sept.  9. 
An 

des  Durchlauchtigsten  Fürsten  Primas 

Hoheit.  Aschaffenburg. 

Durchlauchtigster  Fürst  Primas, 

Gnädigster  Herr,  Herr ! 


Die  Vorsehung  hat  das  Glük  Frankfurts  in  Eurer  Hoheit  Hände 
gelegt.  Heute  haben  die  Höchstverordneten  Commissarien  Eurer  Hoheit 


1  Entwurf  von  der  Hand  Seegers. 


—  326  - 

von  dieser  Stadt  und  ihrem  Gebiet  den  Ihnen  von  dem  Kays.  Franzö¬ 
sischen  Herrn  General-Commissaire  Lambert  übertragenen  Besitz  in 
Höchstdero  Nahmen  übernommen. 

Erlauben  Sie,  Gnädigster  Herr,  Herr  !  dass  wir  durch  unsere  beyden 
Bürgermeister  von  Holzhausen  und  D.  Hoffmann  und  unseren  Syndicum 
primarium  D.  Seeger  vor  Höchstdenenselben  den  Ausdruk  der  tiefsten 
Submission,  Treue  und  Verehrung  wiederholen  dürfen,  welchen  wir  bey 
jener  feyerlichen  Handlung  bereits  gegen  Höchstdero  Commissarien  in 
unserm  und  im  Nahmen  aller  unserer  Mitbürger  und  Angehörigen  ge¬ 
lobt  haben. 

Von  Höchstdero  Weissheit,  Güte  und  Grossmuth  erbitten  und  hoffen 
wir  das  Glük  des  unserer  Fürsorge  bissher  anvertrauten  gemeinen  Wesens 
mit  einer  Zuversicht,  welehe  jede  Empfindung  über  den  Verlust  einer 
Verfassung  vertilgt,  deren  Handhab-  und  Verwaltung  biss  jezt  unsere 
Pflicht  war;  sie  belebt  uns  mit  dem  frohen  Vorgefühl  jener  landesherr¬ 
lichen  Milde,  welcher  sich  die  übrigen  unter  Höchstdero  weisem  Scepter 
vereinigten  Staaten  erfreuen. 

Möchten  wir  bald  so  glüklich  seyn,  Eurer  Hoheit  höchste  Person 
in  unsern  Mauren  unterthänigst  zu  verehren  und  die  Gesinnungen,  welche 
von  nun  an  alle  Bürger  dieser  Stadt  mit  Euer  Hoheit  als  ihrem  ver¬ 
ehrtesten  Fürsten  und  Souverain  in  heiligen  Banden  vereinigen,  durch 
unverkennbare  Beweise  der  Unbegrenztheit  jener  tiefsten  Devotion  mit 
der  That  selbst  bewähren  zu  können,  mit  welcher  wir  uns  zu  unter¬ 
ziehen  die  Gnade  haben 

Eurer  Hoheit 

unterthänigste  und  treugehorsame 
Bürgermeister  und  Rath  der  Stadt  Frankfurt. 

Frankfurt  den  9,  Sept.  1806. 
exp.  eodem  Bingel. 


14.  Ratsbeschluss  betr.  Anschlag  des  Fürstlichen  Besitz¬ 
ergreifungs-Patentes. 

1806  Sept.  9. 

Dienstag  den  9.  Septembr.  1809. 

Nachdem  anheute  durch  die  Herren  Commissarien  Sr  Hoheit  des 
Fürsten  Primas  die  hiesige  Stadt  in  wirklichen  Besiz  genommen  worden 
und  Sich  nach  deren  Endigung  gesammte  Raths-Glieder  wieder  in  die 
Raths-Stube  verfüget,  so  referirten  der  ältere  Herr  Bürgermeister:  dass 
die  von  ernannten  Herren  Commissarien  mitgetheilte  Höchst  Fürst). 
Patente  an  den  gewöhnlichen  Pläzzen  der  Stadt  wie  auch  den  Stadt- 
Thoren  affigiret  worden  seyen.  Ein  gleiches  attestirt  Herr  Schöff  Dr. 


Schweizer  qua  Deputatus  Senior  Löbl.  Land-Amts  und  Acker-Gerichts 
auf  den  hiesigen  Dorfschafften  und  sonst  gewöhnlichen  Pläzzen  inner¬ 
halb  der  Landwehren  geschehen  zu  seyn : 

Es  ist  den  Ftirstl.  Primasischen  Herren  Commissariis  mittelst 
Berichts  hiervon  Nachricht  zu  geben. 


Vy.  Verfügung  des  Staatsministers  Frh.  von  Älbini  betr.  Auf¬ 
richtung  von  Hoheitszeichen  an  den  Grenzen  des  Stadtgebietes.1 

1806  Sept.  9. 

Prs.  d.  10.  Sept.  1806  Frh.  von  Wiesenhütten  ex  Consul.  Sen. 

Bürgermeister  und  Rath  dahier  werden  die  Behörde  unverzüg¬ 
lich  anweisen,  damit  mit  Zuziehung  des  Stadt-Geometers  Bunzer2  die 
Hoheits-Plöcke  mit  dem  bereits  gefertigten  Wapen  Sr.  Hoheit  des  Fürst- 
Primas  alsogleich  an  die  gehörigen  Plätze  der  Stadt  Frankfurter  Grenzen 
aufgestelt  werden.  Wie  solches  geschehen,  darüber  wird  Anzeige  ge- 
wärtigt. 

Frankfurt,  den  9.  September  1806. 

Frhr.  v.  Albini. 

16.  Verfügung  des  Staatsministers  Frh.  von  Albini  betr.  Anschlag 
des  Fürstlichen  Besitzergreifungs-Patentes. 

1806  Sept.  10. 

Prs.  d.  10.  Sept.  1806.  Frh.  von  Wiesenhütten  ex  Cons.  Sen. 

Bürgermeister  und  Rath  dahier  werden  dafür  sorgen,  damit  durch 
die  Behörde  in  denen  zu  dem  souveränen  Gebiet  von  Frankfurt  gehörigen 
Ortschaften,  als  nämlich  :  Niedererlenbach,  Dortelweil,  Hausen,  Bonames, 
Niederursel,  Ober-  und  Niederrad,  dann  Bornheim  die  Besitznams-Patente 
an  dem  Rathhauss  und  an  den  sonsten  herkömlichen  Stellen  angeheftet 
werden;  darüber  wird  Bürgermeister  und  Rath  Anzeige  erstatten. 
Frankfurt,  den  10.  Septbr.  1806. 

Frhr.  v.  Albini. 


1  An  den  Pflöcken  war  als  Wappen  das  alte  knrmainzische  Rad  angebracht ; 
darunter  stand  »Souveränes  Gebiet  des  Fürst  Primas«  und  auf  der  Rückseite  der 
Pflöcke  »Rheinische  Konföderation«. 


2  rectius:  Bunsen. 


328 


17.  Verfügung  des  Staatsministers  Frh.  von  Albini  betr.  Weg¬ 
lassung  der  Beziehungen  auf  kaiserliche  Privilegien  in  den 
Titeln  der  öffentlichen  Blätter  und  Gesuche  um  Erneuerung 

dieser  Privilegien  an  den  Fürsten  Primas. 

1806  Sept.  10. 

Prs.  d.  10.  Sept.  1806  Frh.  von  Wiesenhütten  ex  Cons.  Sen. 

Bürgermeister  und  Rath  dahier  hat  zu  verfügen,  dass  künftig  in 
allen  erscheinenden  öffentlichen  Blättern  die  Beziehungen  auf  Römisch 
Kaisserl.  Privilegien  und  Authorisationen  weggelassen  werden.  Es  ist 
hiernächst  die  Sache  der  privilegirten  und  authorisirten  unter  Producirung 
ihrer  Privilegien  deren  Erneuerung  von  Eminentissimo  unterthänigst 
nachzusuchen. 

Frankfurt,  den  10.  September  1806. 

Fhr.  v.  Albini. 

18.  Bericht  des  Rates  an  den  Staatsminister  Frh.  von  Albini 

betr.  Vollzug  seiner  Verfügungen. 

1806  Sept.  10. 

An  des  Herrn  Minister  Freiherrn  von  Albini  Excell. 
nomine  domini  Consulis  Senioris. 

Gehorsamster  Bericht. 

In  schuldigster  Befolgung  der  anheute  überkommenen  hohen 
Ministerial- W  eisungen 

1)  die  Anschlagung  der  Höchsten  Besitz-Ergreifungs-Patente 
in  hiesiger  Stadt  und  auf  den  Dorfschaften  betr. 

2)  die  Sezzung  der  Hoheits  -  Plöcken  an  den  hiesigen 
Grenzen  und 

3)  die  Verständigung  der  Zeiturigs-Redacteurs  wegen  nicht- 
mehrigem  Bezug  auf  Kays.  Privilegia  bey  Attribuirung  der  Zeitungen 
und  Renovation  der  Privilegien 

soll  ich  gehorsamst  zu  berichten  ohnverfehlen:  dass 

ad  1)  bereits  gestern  das  erforderliche  besorget  und  davon 
sogleich  Nachmittags  die  zu  Besitznahme  hiesiger  Stadt  verordnete 
Herren  Commissarien  laut  Anlagen  benachrichtiget  worden. 

ad  2)  dass  man  mit  Sezzung  der  Hoheits-Plöcken  würklich 
beschäftigt  seye  und  alsbald  nach  deren  Beendigung  umständlich 
zu  berichten  ohnverfehlen  werde  und  dass 

ad  3)  sämmtlichen  Redacteurs  der  hiesigen  Zeitung  der  Inn- 
halt  der  Hohen  Weisung  bekannt  gemacht  und  sie  zu  deren  genauen 
Befolgung  angewiesen  worden. 

Frankfurt  d.  10.  Sept.  1806. 


19.  Bericht  der  an  den  Staatsminister  Frh.  von  Albini  abge- 
ordneten  Deputation  des  Rates. 

1806  Sept.  10. 

Gehorsamster  Bericht. 

Die  nach  der  Übergabe  der  Stadt  an  Ihro 
des  Fürsten  Primas  Hoheit  angeordnete 
Bekomplimentirung  Sr  Excellenz  des  Herrn 
Staats-Ministers  Freiherrn  von  Albini  betr. 

Euer  Hoch  wohl-  und  Wohlgebohrnen  haben  wir  die  Ehre,  den  Erfolg 
des  in  Betref  der  Bekomplimentirung  Ihro  des  Herrn  Staats-Ministers 
Freyherrn  von  Albini  Excellenz  vorgestern  grosgünstig  ertheilten  Auf¬ 
trags  ganz  gehorsamst  dahin  schriftlich  zu  berichten. 

Nachdem  wir  nähmlich  gleich  nach  der  gestrigen  feierlichen  Über¬ 
gebung  unserer  Stadt  an  Ihro  des  Herrn  Fürsten  Primas  Hoheit  bey 
ernanntem  Herr  Minister  uns  anmelden  lassen  und  uns  zu  dieser  Audienz 
die  Stunde  auf  den  Nachmittag  V24  Uhr  angewiesen  worden,  glaubten 
wir  bey  dieser  Gelegenheit  Hochdemselben  die  Gesinnungen  Euer  Hochadl. 
Gestr.  und  Herrl.  im  wesentlichen  dahin  näher  bekannt  machen  zu 
müssen,  dass 

»nachdem  unser  nunmehriger  gnädigster  Landesherr  uns  einen 
ersten  Beweiss  Ihrer  väterlichen  Huld  dadurch  gegeben,  dass  Höchst- 
dieselbe  an  Ihrer  statt  das  Wohl  des  hiesig  gemeinen  Wesens  in 
der  Regierungkunst  so  geübten  und  wohlthätigen  Händen  wie 
weltkundigermassen  diejenigen  Ihrer  Excellenz  anvertraut,  wir 
Ihnen  vorn  Rath  unterthänigst  zu  bezeugen  beauftragt  seien,  wie 
sehr  derselbe  sich  und  der  ganzen  Bürgerschaft  dieserwegen  Glück 
zu  wünschen  Ursache  fände.  Demnächst  aber  sollten  wir  in  dessen 
Nahmen  die  pünctlichste  und  schuldigste  Befolgung  aller  derjenigen 
Befehle  zusichern,  welche  Hochdenselben  künftig  anhero  zu  er- 
theilen  gefällig  seyn  würde.  Wir  sollten  ferner  die  Ehre  haben, 
Ihnen  die  Schlüssel  der  Stadt-Thore  anzubieten  und  uns  (wobey 
ich,  der  ältere  Deputirte  des  Zeug-Amts  zugleich  auf  diese  Eigen¬ 
schaft  mich  berufen)  für  heute  die  Parole  selbst  zu  erbitten,  die 
sie  übrigens  künftig  dem  Major  oder  dem  Adjutanten  der  Garnison 
zuzutheilen  belieben  würden.  Auch  seien  zu  gebührender  Aus¬ 
zeichnung  der  Wohnung  Ihro  Excellenz  2  Schildwachen  davor 
beordert  worden  und  müsse  ich,  schon  gedachter  älterer  Zeug- 
Amts-Deputirter  für  die  Staabs-  sowie  für  das  ganze  Corps  der 
Officiers  besagter  Garnison  die  Erlaubniss  und  Bestimmung  einer 
gelegenen  Zeit  erbitten,  Ihro  Excellenz  unterthänigst  aufwarten  zu 
dürfen  —  und  endlich  wollen  wir  das  ganze  hiesige  Stadtwesen 
zu  Ihrem  mächtigen  Schutze  und  Fürsprache  bey  des  Fürsten 


Primas  Hoheit,  Unsere  Herrn  Kommittenden  aber  so  wie  uns  selbst 
zu  ferneren  und  höchstschäzbarsten  Wohlwollen  auf  das  angelegent¬ 
lichste  empfohlen  haben.« 

Die  gütige  Aufnahme  dieses  Vortrages  vermögen  wir  nicht  genug 
zu  rühmen,  wie  solches  demjenigen,  was  sogleich  hierauf  und  sonst  noch 
von  Ihro  Excellenz  uns  zu  Theil  geworden  und  wir  hier  folgen  lassen, 
mit  mehrerem  zu  entnehmen  sein  wird. 

Erstlich  bezeugten  Hochdieselben  Sich  ungemein  sensible  für  die 
durch  unsere  Mission  von  Seiten  des  Raths  Ihnen  »bewiesene  Attention 
und  gedachten  ausserdem  sogleich,  dass,  was  die  Schlüssel  beträfe,  sie 
solche  in  guten  Händen  glaubten  und  darinnen  belassen  wollten.  In 
Ansehung  der  Schildwachen  bemerkten  Sie,  dass  Sie  zwar  für  ihre  Person 
gerne  von  aller  Auszeichnung  abstrahirten,  dass  Sie*  jedoch  hierbey  auf 
Ihren  Karakter  der  Vorstellung  des  Landesfürsten  Rücksicht  nehmen 
müssten  und  sich  also  diese  Auszeichnung  abzuweisen  nicht  erlauben 
könnten.  Im  Vorbeigehen  führen  wir  hier  an,  dass  man  diese  Schild¬ 
wachen  schon  einige  Stunden  zuvor  hatte  auftretten.  lassen,  und  dieser 
Umstand  allerdings  nicht  übel  aufgenommen  worden  zu  seyn  geschienen. 
Das  sämtliche  Corps  der  Officiers  wollten  Sie  mit  so  gröserem  Ver¬ 
gnügen  bey  sich  empfangen,  als  Sie,  wie  Sie  sich  ausdrückten,  Selbsten 
zum  Militair  gehörten  und  Truppen  gegen  den  Feind  angeführt  hätten,1 
doch  wollten  Sie  die  älteren  Glieder  des  gedachten  Officiers-Corps,  wenn 
ihnen  dieser  Besuch  zu  beschwerlich  werden  sollte,  davon  gerne  loszählen 
und  bestimmten  übrigens  hierzu  die  Stunde  diesen  Vormittag  zwischen 
n  und  12  Uhr.  Zur  Parole  gaben  Sie  uns  für  gestern  Carl  und  Frank¬ 
furt  und  führten  anbey  an,  dass  Ihro  Hoheit  selbige  auf  ganze  Monathe 
auszugeben  pflegten  und  so  nach  Verlauf  einer  solchen  Zeit  jedesmal 
bey  Ihnen  zu  erfragen  seyn  würde. 

Demnächst  liesen  aber  Ihro  Excellenz  ausser  vorerwähnter  Be¬ 
antwortung  unserer  Anträge  sich  noch  folgendermassen  heraus. 

Sie  hätten  nehmlich  am  gestrigen  Morgen  bey  der  allgemeinen 
Versammlung  und  in  Gegenwart  der  Fremden  nicht  über  jeden  Punct 
so  deutlich  sich  zu  erklären  für  gut  finden  können  und  wollten  daher 
Euer  Hochadl.  Gestr.  und  Herrl.  noch  ausdrücklich  zu  hinterbringen 
uns  aufgeben,  dass,  wenn  sie  gleich  die  bisherigen  Verrichtungen  des 
Magistrats  hiesiger  Stadt  Nahniens  Ihrer  Primasisclien  Hoheit  noch  für 
die  Zukunft  verlängert  und  Ihn  dazu  authorisirt  hätten  und  nahmentl. 
auch  hierunter  die  Vergebungen  der  Stadt-Stellen  und  Diensten  jedoch 
mit  dem  Vorbehalte  begriffen  seyn  sollte,  dass  die  erwählten  Subjecte 


1  Im  Herbst  1799  als  kurmainzischer  Generalfeldzeugmeister  und  Führer  des 
von  ihm  organisierten  Landsturms. 


O  O  T 
)  )  1 


nochmals  Ihnen  präsentirt  würden,  Sie  dennoch  solche  Authorisation 
eigentlich  dahin  noch  näher  verstanden  und  modificirt  wissen  wollten, 
dass,  wenn  sowohl  von  ganz  wichtigen  inneren  Ereignissen  als  etwa  von 
ferneren  der  Stadt  angemuthet  werden  wollenden  Gelderlegungen  und 
dergl.  die  Rede  entstünde,  wie  auch  wenn  irgend  eine  in  das  Verhältniss 
derselben  zu  auswärtigen  Mächten  und  Staaten  einschlagende  Angelegen¬ 
heit  von  grösserem  Belange  sich  ereignete,  Sie  allerdings  davon  unter¬ 
richtet  und  darum  befragt  zu  werden  gewärtigten. 

Sie  kamen  hierauf,  was  letzteren  Punct  betrift,  gleichsam  beispiels¬ 
weise  auf  die  ohnlängst  vom  Rath  einstweilen  bewilligte  Clevische  Post 
zu  sprechen  und  erzählten  uns,  dass  sie  den  Comrnissarius  oder  Vor¬ 
steher  derselben  bereits  von  Ihrer  Meinung  unterrichtet  und  unter  andern 
dieser  Anmassung  des  Herzogs  von  Cleve  entgegengestellt  hätten,  wie 
mit  gleichem  Rechte  auch  von  Ihro  des  Herrn  Fürsten  Primas  Hoheit 
die  Anstellung  einer  von  Ihnen  abhangenden  Post  in  jenen,  nehmlich 
den  Clevischen  Landen  anverlangt  werden  könnte.1  Dann  erwaehnten 
Sie  bey  dieser  Gelegenheit  auch,  wie  Sie  der  bisherig  Kays.  Post  die 
Entfernung  des  vorhin.  Kays.  Wappenschildes  und  dagegen  das  Fürstl. 
Primatische  nebst  dem  Taxischen  Wappen  aufzuhängen  bereits  insinuiren 
lassen. 

Endlich  so  erforschten  Ihro  Excellenz  noch  von  uns  diejenigen 
Verhältnisse,  worinnen  hiesige  Stadt  insonderheit  nach  dem  letzteren 
Deputations-Rezesse  mit  dem  Deutschen  und  Maltheser  Orden  so  wie 
auch  mit  Darmstadt  und  Thurn  und  Taxis  in  Absicht  auf  sämtliche 
deren  hiesige  Besitzungen  stehe,  worauf  wir  Ihnen  dann  zur  Auskunft 
ertheilten,  dass  hiesige  Stadt  anfänglich  zwar  allerdings  in  Gemäsheit 
beregten  Rezesses  und  dessen  Ausdrücke  zu  mehrerem  Rechte  über 
selbige  gelanget  zu  sein  erachtet  habe,  auch  nahmentlich  von  Regens¬ 
burg  desfalls  Insinuationen  anher  geschehen  seien,  dass  aber  und  nach¬ 
dem  jene  Stellen  wieder  anders  gedeutet  und  man  desfalls  seines  Irrthums 
überwiesen  worden,  auch  alles  dieserwegen,  soviel  uns  bekannt,  wieder 
in  die  älteren  Schranken  zurückgetretten  seie  und  man  bey  vorkommen¬ 
den  Fällen  sich  lediglich  an  die  mit  jedem  der  obbenannten  Besitzer 
in  specie  und  zwar  schon  seit  längeren  Jahren  bestehende  Verträge 
gehalten  habe.  Doch  müssen  wir  gestehen,  dass  wir  durch  diese  Aus- 
kunfts-Ertheilung,  wie  es  wenigstens  deutlich  geschienen,  eben  keines- 


1  Der  Rat  hatte  noch  im  Juli,  als  das  Ende  der  reichsstädtischen  Unabhängigkeit 
bereits  feststand,  dem  Herzog  von  Cleve  und  Berg  (Murat)  ein  eigenes  Postbureau 
in  Frankfurt  zugestanden,  weil  er  trotz  des  entgegenstehenden  §  15  des  Reichs¬ 
deputationshauptschlusses  von  1803  das  Gesuch  des  Herzogs  als  auf  Napoleons 
Willen  beruhend  nicht  abzulehnen  wagte. 


332 


weges  ein  Vergnügen  bey  dem  Herrn  Staats-Minister  erregt  zu  haben 
uns  schmeicheln  können.1 

Wir  haben  die  Ehre  mit  der  unbegränzten  Hochachtung  zu  beharren 
Euer  Hochadel.  Gestr.  u.  Herrlichkeiten 

treu  gehorsamste 
v.  Olenschlager.  von  Glauburg. 


20.  Bericht  der  an  den  Fürsten  Primas  abgeordneten  Rats- 

Deputation.2 


1806  Sept.  11. 


Gehorsamster  Bericht. 


In  Gefolg  des  erhaltenen  verehrlichen  Auftrags  reissten  die  Unter¬ 
zogenen  den  9.  um  1 V2  Uhr  nach  Aschaffenburg  ab  und  zeigten  ihre 
gegen  8  Uhr  erfolgte  Ankunft  des  Herrn  Schlosshauptmanns  von  Pfirdt 
Excellenz  mittelst  Schreibens  und  abgegebener  Visitencharten  nebst  der 
Bitte  an,  ihnen  bei  Ihro  Hoheit  gnädigste  Audienz  zu  verschaffen.  Bald 
hierauf  erhielten  wir  die  Antwort,  dass  Höchstdieselben  uns  den  andern 
Morgen  früh  10  Uhr  zur  Audienz  und  hernach  bey  der  Tafel  erwarten 
würden.  Den  folgenden  Morgen  wurde  diese  gnädigste  Einladung  durch 
einen  Hoffourier  wiederholt  und  zugleich  bekannt  gemacht,  dass  eine 
Hofequipage  uns  sowol  zur  Audienz  als  zur  Mittagstafel  abholen  werde. 
Dieses  geschähe  zur  bestimmten  Stunde  mit  Zugebung  von  zwey  Hof¬ 
bedienten  und  nach  unserm  Eintritt  in  das  von  dem  Fürsten  Primas 
bewohnte  Flügelgebäude  wurden  wir  von  einem  Hoffourier  auf  der 
halben  Treppe  empfangen,  durch  die  Corridore,  welche  mit  Hofdiener¬ 
schaft  angefüllt  waren,  in  die  Vorzimmer  geführt,  in  deren  leztem  wir 
mehrere  Cavaliers  versammelt  antrafen.  Nach  einem  kurzen  Aufenthalt 
wurden  wir  von  dem  dienstthuenden  Kammerherrn  in  das  Audienz- 
Zimmer  eingewiesen,  wo  wir  Ihro  Hoheit  in  schwarzer  Kleidung  mit 
Mantel  und  Umschlag,  den  Hut  unterm  Arm,  stehend  fanden  und  die 
Gnade  hatten,  das  Schreiben  eines  Hochedlen  Raths  mit  einer  kurzen 
Anrede,  welche  Ihro  Hoheit  sogleich  nach  den  ersten  Perioden  auf  die 
gracieuseste  Weise  unterbrachen,  erwiederten  und  gleichsam  in  einen 
Discours  einleiteten,  unterthänigst  zu  überreichen.  Nach  geendigter 


1  Sehr  begreiflich,  denn  hier  handelte  es  sich  um  wertvolle  Vermögen, 
welche  der  Stadt  und  somit  auch  der  neuen  Landesherrschaft  entgangen  waren. 
Allein  der  Grundbesitz  des  Deutschordens  in  der  Stadt  und  ihrem  Gebiet  wurde 
nach  einer  für  die  fürstlichen  Behörden  damals  angefertigten  Aufstellung  auf  ca.  909» 
der  des  Johanniter-Ordens  auf  ca.  196  Morgen  geschätzt. 

2  Von  Seeger  eigenhändig  geschrieben. 


333 


Audienz  verweilten  wir  noch  einige  Augenblicke  in  dem  Vorsaal  bey 
den  versammelten  Herrn  Cavaliers  und  wurden  nun  auf  dieselbige  Weise 
durch  einen  Hoffourier  zurückbegleitet.  Die  fürstliche  Tafel,  welche,  wie 
uns  versichert  wurde,  an  diesem  Tag  gewönlich  nicht  gehalten  zu 
werden  pflegt,  sondern  aus  Veranlassung  dieser  Deputation  Eines  Hoch¬ 
edlen  Raths  einzig  angesagt  worden  seyn  soll,  und  wobey  Ihro  Hoheit 
uns  durch  des  Herrn  Schlosshauptmanns  Excellenz  ausdrücklich  sagen 
zu  lassen  geruht  hatten,  dass  wir  uns  an  derselben  in  die  Nähe  Ihres 
vis  ä  vis  placiren  sollten,  fanden  wir  mit  34—36  Couverts  für  Herrn 
und  Damen,  unter  welchen  wir  des  franz.  Gesandten  Hedouville  Excell., 
die  in  Aschaffenburg  garnisonirenden  franz.  Generale  und  Officiere,  die 
Herren  Präsidenten  von  Dienheim,  Graf  v.  Elz  Excell.  bemerken,  besezt 
und  fürstlich  servirt.  Nach  aufgehobener  Tafel  verfügten  Sich  Ihro  Hoheit 
in  das  Audienz-Zimmer  zurück  und  Hessen  uns  in  dasselbe  bald  hernach 
einführen,  wo  Sie  die  Gnade  hatten,  uns  das  anliegende  gnädigste  Hand¬ 
schreiben  1  als  Recreditiv  sub  volante  Höchstselbsten  gdst.  einzuhändigen 
und  mündlich  hinzuzufügen,  dem  Rath  Ihren  herzlichen  Gruss  zu  über¬ 
bringen. 

Wir  würden  uns  vergeblich  bemühen  Worte  zu  finden,  um  die 
äusserst  gnädige  Weise,  womit  Ihro  Hoheit  allen  diesen  uns  in  Beziehung 
auf  Einen  Hochedlen  Rath  und  unsere  Stadt  erwiesenen  höchst  ehren¬ 
vollen  Auszeichnungen  noch  einen  höheren  Werth  aufzudrücken  geruht 
haben,  sowie  die  Edelmuth  der  Grundsäze  und  Gesinnungen  zu  schildern, 
welche  Sie  für  Frankfurt  und  in  Ansehung  der  künftigen  Ausübung  Ihrer 
Regenten  -  Gewalt  über  die  Stadt  geäussert,  und  welche  uns  mit  der 
innigsten  Verehrung  und  Dankbarkeit  erfüllt  haben.  Sie  geruhten  hiebey 
insbesondere  soviel  gegen  uns  insgesamt  als  auch  gegen  unterzogenen 
Synd.  Seeger,  mit  welchem  Sie  vor  der  Tafel  in  dem  Vorsaal  Uber  ver¬ 
schiedene  wichtige  Anliegen  hiesiger  Stadt  unter  Auf-  und  Abgehen 
Sich  zu  unterhalten  geruht  haben,  mehrmals  zu  äussern,  dass  Sie  hierüber 
die  Bitten  und  Wünsche  des  Raths  erwarteten,  ohne  Noth  nichts,  sondern 
nur  dasjenige  abzuändern  gedächten,  was  man  hier  selbsten  wünschen 
werde,  dass  Sie  unserer  Stadt  eine  freye  Verfassung  erhalten  und  so 
wie  Sie  ihre  Acquisition  zu  machen  nicht  gesucht,  Sich  darüber  nur 
in  so  ferne  freuen  könnten,  als  Sie  dadurch  etwas  zu  ihrem  Wohl  bei¬ 
tragen  und  wirken  können  würden. 

In  Beziehung  auf  den  künftig  an  das  Ober-Appellations-Gericht 
zu  Aschaffenburg  gehenden  Rechtszug  äusserten  Sie  gegen  unterzogenen 
Synd.  Seeger,  dass  des  Herrn  Min.  Albini  Excell.  das  Projekt  eines 
Patents,  welches  diesen  Gegenstand  regulire  und  wobey  Sie  des  bissherigen 


1  Diese  erste  schriftliche  Begrüssung  des  Rates  durch  den  Fürsten  ist  leider 
nicht  mehr  vorhanden. 


-1^,  ¥  /Vc-v  c-{.  3  2,^}. 


334 


juris  de  non  appellando  der  Stadt  ausdrücklich  gedachten,  folglich  zu 
erkennen  gaben,  dass  Sie  dasselbige  in  eben  dieser  Ausdehnung,  wie 
bissher  gegen  die  Reichsgerichte,  also  auch  gegen  Ihr  Ober-Appellations- 
Gericht  bestehen  lassen  würden,  vorgelegt  werden  möge. 

Den  Tag  Ihrer  Ankunft  äusserten  Sie  mehrmals  noch  nicht  be¬ 
stimmen  zu  können,  aber  mit  der  sichtbaren  Absicht,  dadurch  allen 
Feyerlichkeiten  des  Empfangs  ausweichen  zu  "wollen,  und  des  Herrn 
Staats-Raths  von  Wallmenich  Hochwolgeb.  bemerkten  uns  insbesondere 
in  den  stärksten  Ausdrücken,  dass  alle  Veranstaltungen,  welche  jener 
Absicht  zuwieder  seyn  könnten,  Ihrer  Hoheit  wahrhaft  unangenehm  seyn 
würden  und  daher  ja  unterlassen  werden  möchten. 

Die  übrige  Zeit  unserer  Anwesenheit  benuzten  wir  übrigens,  um 
den  vornehmsten  Personen  des  Hofs  und  Chefs  der  departements  unsere 
Aufwartung  zu  machen,  und  hatten  das  Glück  von  allen  denjenigen, 
welche  wir  entweder  zu  Plause  antrafen  oder  bey  der  fürstl.  Tafel  fanden, 
mit  eben  der  Auszeichnung  und  Zuvorkommenheit  aufgenommen  zu 
werden,  welche  die  gnädige  und  humane  Gesinnung  Ihrer  Ploheit  jedem 
Ihrer  Diener,  wenn  sie  auch  nicht  ohnehin  schon  deren  Denkensart 
gemäss  wäre,  schon  durch  Ihr  Beispiel  zur  Pflicht  macht. 

Schliesslich  bemerken  wir  noch,  dass  gestern  Nachmittag  Plerr 
Sen.  von  Leonhardi,  Neuner  Goullet  und  Hofr.  ITuth  als  Abgeordnete 
der  bürgerlichen  Collegien  in  Aschaffenburg  angekommen  sind  und  dass 
der  hiesige  Bürger  und  Kön.  Preuss.  Geheimer  Rath  Willemer  die  Ehre 
gehabt  hat,  ebenfalls  zur  fürstl.  Tafel  gezogen  zu  werden. 

Gestern  Abends  nach  6  Uhr  sind  wir  von  Aschaffenburg  zurück- 
gereisst  und  nach  Mitternacht  glüklich  zurückeingetroffen. 

Frankfurt  den  n.  Sept.  1806. 

Holzhausen.  Seeger.  Hofmann. 


21.  Bericht  der  an  den  Fürsten  Primas  abgeordneten  Deputation 
der  Bürgerlichen  Kollegien. 

1806  Sept.  12. 

Gehorsamste  Berichts-Erstattung. 

Beeden  löbl.  Bürgerlichen  Collegien  ist  es  gefällig  gewesen,  uns 
die  Unterzeichnete  Deputirte  zufolge  Collegial-Schlusses  vom  9ten  dieses 
an  Se.  Hoheit  den  Herrn  Fürsten  Primas  nach  Aschaffenburg  abzuordnen. 

Die  Absicht  davon  war  dreyfach  und  zwar : 

a)  Sr.  Hoheit  das  gesammte  hiesige  Stadtwesen,  dessen  Verfassung 
und  mit  dieser  auch  insbesondere  Löbl.  Bürgerl.  Collegia  zu  höchsten 
Gnaden  und  landesherrlichem  Schutz  zu  empfehlen ; 


335 


t 


b)  Höchst  Ihnen  den  submissesten  Dank  für  die  provisorische 
gnädigste  Bestätigung  hiesiger  Verfassung  und  Geschäfts- Verwaltung 
abzustatten ; 

c)  den  sehnlichen  und  allgemeinen  Wunsch  gesammter  Bürgerschaft 
und  vornehmlich  Bürgerl.  Collegien  zu  erkennen  zu  geben,  dass  Se.  Hoheit 
geruhen  rnögten,  die  hiesige  Stadt  baldigst  mit  Höchst  Ihro  persönlichen 
Anwesenheit  zu  beglüken. 

Zu  schuldiger  Ausrichtung  dieser  Aufträge  reiseten  wir  sogleich 
Tags  darauf  den  roten  dieses  Morgens  xi  Uhr  nach  Aschaffenburg  ab, 
liesen  uns  bald  nach  unserer  Ankunft  bey  des  Herrn  Obrist  Hofmeisters 
Freyherrn  von  Pferdt  Excellenz  melden  und  um  eine  privat  Audienz 
bey  Sr.  Hoheit  unterthänigst  bitten.  Hierzu  wurde  der  xite  dieses 
Mittags  i  Uhr  bestimmt.  Wir  wurden  um  diese  Zeit  mit  Hof-Equipage 
zu  dem  Herrn  Obrist  Plofmeister  abgeholt,  von  demselben  um  halb 
zwey  Uhr  in  das  Vorzimmer  Sr.  Hoheit  begleitet  und  sonach  von  einem 
der  in  Diensten  stehenden  Cammerherrn  in  den  Audienz-Saal  geführt. 
Daselbst  fanden  wir  Se.  Hoheit  ganz  allein,  wurden  überaus  gnädig 
und  menschenfreundlich  aufgenommen. 

Ich,  der  mitunterzeichnete  Senior  und  Director  Löblichen  Bürger- 
Ausschusses,  that  den  der  dreyfachen  Absicht  gemäsen  Vortrag  bey 
Sr.  Hoheit,  worauf  Höchst  Sie  erwiederten : 

Sie  hätten  sich  keinesweges  um  die  Reichs -Stadt  Frankfurt 
beworben,  vielmehr  alle  Versuche  angewendet,  um  dieselbe,  so  wie 
auch  Nürnberg  bey  ihrer  Unmittelbarkeit  zu  erhalten.  Allein  die 
zum  Theil  bekannte  Umstände  und  eine  höhere  Macht  hätten  diese 
Bemühungen  vereitelt  und  den  gewünschten  Erfolg  unmöglich 
gemacht.  Indessen  würden  Höchst  Sie  in  der  hiesigen  Verfassung 
keine  wesentliche  Veränderungen,  in  so  weit  es  nur  irgend  möglich 
sey,  vornehmen,  auch  nicht  eher  einen  Beschluss  fassen,  bis  die 
concurirrende  Stellen  über  jeden  in  Vortrag  kommenden  Gegenstand 
mit  ihren  Vorschlägen  und  Erinnerungen  genüglich  vernommen 
und  die  Sache  reiflich  erwogen  woi'den. 

Wir  nahmen  von  dieser  Aeuserung  zur  untertänigsten  Anfrage 
Anlass,  ob  die  in  Löbl.  Bürger -Ausschuss  erledigt  eine  und  die 
etwa  noch  ferner  erledigt  werdende  Stellen  auf  die  bisherige  Art 
durch  die  Wahl  nicht  einstweilen  wieder  ersetzet  werden  dürften,  da 
Se.  Hoheit  die  hiesige  Verfassung  provisorie  gnädigst  bestätigt  hätten. 
Wir  wurden  jedoch  darauf  bedeutet :  dass  dieses  noch  zur  Zeit 
ausgesezet  bleiben  könne ,  indem  Höchst  Sie  vor  der  Hand  keine 
Resolutionen  ertheilen,  sondern  solche,  um  sich  der  Verhältnisse  genau 
zu  erkundigen,  bis  zu  Ihro  nächsten  Anwesenheit  in  Frankfurt  in 
Anstand  lassen  würden.  Doch  glauben  wir  bemerkt  zu  haben,  dass 
Se.  Hoheit  nächstens,  wiewohl  ohne  vorherige  Bekanntmachung,  hier 


eintreffen  werden,  und  vermuthen,  dass  durch  diese  stille  Ankunft 
etwaigen  Feyerlichkeiten  ausgewichen  werden  wolle. 

Bald  nach  den  ersten  Unterredungen  und  mit  unter  denselben 
gaben  'uns  Se.  Hoheit  die  trostvolle  Versicherung,  dass  auf  Hochdero 
Verwendung  die  noch  rtlkständige  Contribution  der  1500  m  Francs 
erlassen  worden  sey.  Wir  ermangelten  also  nicht  für  diese  gnädigst- 
landesherrliche  Verwendung  namens  der  gesammten  Bürgerschaft  den 
unterthänigsten  Dank  zu  erstatten. 

Ein  ganz  vorzügliches  Anliegen  scheinet  Sr.  Hoheit  die  allmählige 
Tilgung  der  hiesigen,  über  alles  Maas  hinausgehenden  Contributions- 
und  Kriegs-Schulden  und  zwar  auf  eine  den  Contribuenten  möglichst 
zu  erleichternde  Art  zu  sein.  Höchstdieselben  äuserte  bey  dieser 
Gelegenheit 

Die  Schuldenlast  der  Stadt  Regenspurg  belaufe  sich  auf  eine 
Million  Thaler  und  der  Rentenbetrag  auf  180  m  fl.  Höchst  Sie 
hätten  Sich  in  Betracht  der  dortigen  Verhältnisse  bewogen  gefunden, 
vorläufig  zu  verordnen,  dass  die  Hälfte  dieser  Renten  jährlich  zur 
Schuldentilgung  verwendet  werden  sollte. 

Ob  nun  durch  eine  gleiche  Einrichtung  oder  auf  welche 
schicklichere  Weise  der  hiesigen  Stadt  unter  die  Arme  gegriffen 
werden  könne,  werde  sich  allererst  zu  seiner  Zeit  nach  reifer 
Prüfung  unter  Concurrenz  der  mitwirkenden  Stellen  beurtheilen 
lassen. 

Da  wir  wahrzunehmen  glaubten,  dass  Se  Hoheit  von  dem  Zwecke, 
den  theils  gemeinschaftlichen,  theils  individuellen  Obliegenheiten  und 
übrigen  Verhältnissen  Löbl.  Bürgerlichen  Collegien  sowohl  in  Bezug 
auf  das  gesammte  Stadt-Administrationswesen,  als  auch  insbesondere  in 
Absicht  Eines  Hoch  Edlen  Rathes  nicht  zureichend  informirt  seyen,  so 
bemüheten  wir  uns,  alle  diese  Gegenstände,  so  viel  es  die  Kürze  der 
Zeit  litte,  indem  die  Audienz  nicht  über  eine  halbe  Stunde  dauerte, 
mit  möglichster  Deutlichkeit  auseinander  zu  sezen. 

Bald  nach  2  Uhr  wurde  an  die  Tafel  gegangen,  zu  welcher  wir 
gezogen  zu  werden,  ich  der  Senior  und  Director  Löbl.  Bürger -Aus¬ 
schusses  unmittelbar  zur  Rechten  Se  Hoheit,  ich  der  Amt-Aelteste  Löbl. 
Bürgerlichen  Neuner-Collegii  zur  Linken  und  ich  der  Bürgerliche  Con- 
sulent  gegenüber  zu  sitzen  die  Gnade  hatten. 

Noch  müssen  wir  bemerken :  dass  Se  Hoheit  während  der  Tafel 
die  Frage  an  mich  den  Neuner  Goullet  thaten: 

Ob  hiesige  Stadt  noch  mit  keiner  Brand- Assecurations-Casse  ver¬ 
sehen  sey? 

Meine  Antwort  war:  dass  diese  Anstalten  schon  mehrmalen  in 
Proposition  gestanden  hätten,  bis  jezo  aber  noch  nicht  zu  Stande  ge¬ 
kommen  seyen. 


337 


Es  lasset  sich  also  vermuthen,  dass  auch  dieser  Gegenstand  hier¬ 
nächst  in  Deliberation  werde  gestehet  werden. 

Etwa  um  halb  4  Uhr  wurde  von  der  Tafel  aufgestanden  und  nur 
noch  weniges  gesprochen.  Wir  fanden  es  also  schicklich,  Se  Hoheit 
nicht  länger  aufzuhalten,  sondern  hiesige  Stadt  und  Bürgerliche  Collegia 
nochmals  zu  Höchsten  Landesherrlichen  Gnaden  zu  empfehlen  und  uns 
unterthänigst  zu  beurlauben. 

Gegen  halb  5  Uhr  traten  wir  unsere  Rückreise  an  und  befanden 
uns  noch  den  nehmlichen  Abend  vor  10  Uhr  hier. 

Von  der  uns  wiederfahrenen  huldvollen  Aufnahme  und  der  Aus¬ 
richtung  des  uns  geschehenen  verehrlichen  Auftrages  ermangeln  wir  nicht, 
Löbl.  Bürgerlichen  Collegien  diesen  unsern  schuldigen  Bericht  zu  er¬ 
statten  mit  der  Bitte,  solchen  ad  Acta  zu  nehmen.1 

Frankfurt  den  12.  September  1806. 

J.,  P.  Fhr.  v.  Leonhard  i. 

J.  F.  Goullet. 

G.  A.  Huth. 


1  Aus  den  unter  Nr.  4  und  21  abgedruckten  Berichten  der  Vertreter  der 
Bürgerlichen  Kollegien  geht  hervor,  dass  der  Fürst  mit  diesen  Herren  eigentlich 
viel  eingehender  über  die  städtischen  Verhältnisse  und  insbesondere  über  die  Finanzen 
gesprochen  hat,  als  mit  den  Vertretern  der  städtischen  Regierung.  In  den  beiden 
Berichten  tritt  seine  Bürgerfreundlichkeit,  sein  konstitutionelles  Empfinden,  welches 
eine  Vertretung  der  Bürgerschaft  als  durchaus  notwendiges  Glied  in  der  Staats¬ 
verfassung  ansieht,  stark  hervor.  Er  hat  diese  Ansicht  ja  auch  im  Anfänge  seiner 
Regierung,  als  er  im  Mai  1807  die  Bürgerschaft  zur  Wahl  von  28  Vertretern  berief, 
praktisch  bewährt;  freilich  nur  auf  kurze  Zeit,  denn  in  der  grossherzoglichen  Präfekten¬ 
verwaltung,  die  für  Frankfurt  am  1.  Januar  1811  in  Kraft  trat,  war  für  freigewählte 
Vertretungen  der  Bürgerschaft  kein  Platz  mehr. 


22 


VII. 


Das  Testament  des  Frankfurter 
Grosskaufmanns  Jakob  Heller 
vom  Jahre  1519. 


Ein  Beitrag 

zur  Charakteristik  der  bürgerlichen  Vermögen  und  der 
bürgerlichen  Kultur  am  Ausgange  des  Mittelalters. 


Von 

Oberlehrer  DR-  FRIEDRICH  BOTHE. 


6" 


7) 


Das  15.  Jahrhundert  ist  nach  der  Ansicht  Flamms1  eine  Zeit  des 
Niedergangs  gewesen  für  die  deutschen  Städte.  Und  in  der  Tat 
scheinen  die  Zeugnisse  aus  manchen  Städten  eine  solche  Annahme 
zu  stützen.  So  heisst  es  über  Basel2  im  Jahre  1429:  Hand  ouch 
betrachtet,  das  unser  koufhus  oede  gewesen  und  bynahe  zu  einer 
schüren  worden  sie  und  soelichs  durch  die  unsern  zugangen  ist, 
damitte  daz  sy  gut  zyt  froemde  merckte  geuffnet  und  uebig  ge¬ 
macht  habent  und  daz  gewerbe  in  unserm  koufhus  und  in  unser 
statt  vast  nidergeleit.  Doch  spricht  diese  Klage  nicht  von  einem 
allgemeinen  Zurückgehen  von  Handel  und  Wandel,  sondern  nur  von 
einer  Überflügelung  des  heimischen  Marktes  durch  andere  Handels¬ 
städte.  Und  wenn  von  dem  Baseler  Rate  auf  den  finanziellen  Zu¬ 
sammenbruch  hingewiesen  wird,  den  manche  rheinische  Stadt  damals 
erlebt  hatte,  so  darf  man  auch  diese  Äusserung  nicht  als  Beleg  für 
eine  Rückbildung  aller  dortigen  deutschen  Städte  ansehen.  Lässt 
doch  die  Stelle3  eine  Deutung  zu,  nach  der  ihr  überhaupt  keine 
Beweiskraft  für  einen  Rückgang  der  Städte  innewohnt.  Man  wird 
sie  so  auffassen  müssen:  Die  Stadt  Basel  habe  durch  die  Kriege 
grosse  Kosten  gehabt;  daher  müsse  man  sich  beizeiten  nach  Deckungs¬ 
mitteln  umsehen,  damit  nicht  dem  Stadtsäckel  alles  zugemutet  werde; 
sonst  könnte  geschehen,  was  vielfach  bei  »ehrbaren«  Städten  am 
Rhein  wegen  nicht  rechtzeitiger  Steuererhebung  eingetreten  sei, 
nämlich  dass  die  Stadtkasse  den  Verpflichtungen  nicht  nachkommen 


1  Der  wirtschaftliche  Niedergang  Freiburgs  i.  Br.  und  die  Lage  des  städti¬ 
schen  Grundeigentums  im  14.  u.  15.  Jahrhundert.  Volkswirtschaftliche  Abhand¬ 
lungen  der  badischen  Hochschulen  VIII.  Ergänzungsband  III.  1905.  S.  36. 

2  Schönberg,  Finanzverhältnisse  der  Stadt  Basel.  1879.  S.  147. 

3  Schönberg  a.  a.  O.  S.  146.  Als  uch  .  .  .  geoffenbaret  ist  solicher  kost, 
der  denn  gemeiner  statt  Basel  von  etlicher  kriegen  wegen  ist  zugefallen  und  das 
ouch  notdürftig  ist  by  zite  zu  gedenckende,  wie  soeliche  mit  dem  minsten  uffsatz 
versehen  werde,  umb  das  nit  schade  uf  schade  wachsen  und  die  statt  so  swerlich 
bekumbert  werden  moechte,  das  ir  ze  leste  nit  beschehe,  als  wir  hoerent  sagen, 
daz  leider  gar  erbern  stetten  uf  dem  Rin  beschehen  sie,  die  yecz  weder  gehalten 
noch  geben  moegent,  das  sy  denn  verbriefet  und  gelopt  hand  ze  gebende. 


342 


konnte.  Bekanntlich  waren  im  Ärar  der  Städte  in  früheren  Jahr¬ 
hunderten  nur  selten  Überschüsse  vorhanden. 

Man  kann  im  Gegenteil  behaupten,  dass  die  Handelstätigkeit 
in  manchen  westdeutschen  Städten  gerade  im  15.  Jahrhundert  grosse 
Fortschritte  gemacht  hat.  Und  demzufolge  wuchs  der  Wohlstand 
bei  einem  ziemlich  bedeutenden  Teile  der  Einwohnerschaft.  Aus 
der  Abnahme  der  Bevölkerungsziffer  darf  nicht  immer  gleich  auf 
einen  Rückgang  der  wirtschaftlichen  Lage  geschlossen  werden.  Viel¬ 
mehr  können  dabei  noch  andere  Umstände  mitgesprochen  haben. 
So  kann  die  strengere  Durchführung  der  Zunftabschliessung  schuld 
daran  sein,  so  das  im  15.  Jahrhundert  üblich  gewordene  Verbot  der 
Niederlassung  von  Nichtbürgern  in  der  Stadt,  um  Konflikte  mit  den 
erstarkten  Fürstengewalten  zu  verhüten.  Auch  die  Zusammenlegung 
von  mehreren  Häusern  braucht  nicht  als  Zeichen  des  Rückschritts 
gedeutet  zu  werden.1  Vielmehr  spricht  jener  Vorgang  dafür,  dass 
manche  reiche  Bürger  sich  an  den  bisherigen  Wohnungen  nicht 
genügen  Hessen,  sondern  mehrere  Häuschen  niederrissen,  um  sich 
an  deren  Statt  ein  herrliches  Wohnhaus  zu  errichten.  Ähnlich  war 
dies  auch  in  Frankfurt  a.  M.  der  Fall  am  Ausgange  des  15.  Jahr¬ 
hunderts,  z.  B.  bei  dem  Bau  von  Gross-Stalburg.  Die  Bezeichnung 
von  vielen  Häusern  als  öde2 3 *  ist  m.  E.  nicht  so  aufzufassen,  dass 
alle  diese  Wohnstätten  wüst  gewesen  wären.  Es  waren  z.  T.  Höfe, 
die  nur  zur  Zeit  der  Bestellung  der  Äcker  bewohnt  waren  und  zur 
Erntezeit.  Gar  viele  Häuser  in  Messstädten  waren  auch  eigens  für 
die  Messen  da;  sie  gehörten  reicheren  Bürgern,  die  über  mehrere 
Häuser  verfügten,  und  wurden  lediglich  an  Messfremde  vermietet 
zum  Unterbringen  ihrer  Waren  und  zum  Wohnen.  Sonst  standen 
sie  leer. 

Wenn  aber  doch  eine  Abnahme  der  Bevölkerung  als  Beweis 
für  den  wirtschaftlichen  Rückgang  aufgefasst  werden  soll,  so  ist  z.  B. 
für  Konstanz  von  Nuglisch5  nachgewiesen,  dass  eine  Verringerung 
der  Einwohnerzahl  für  die  ersten  6  Jahrzehnte  des  15.  Jahrhunderts  dort 
nicht  vorhanden  gewesen  ist.  Erst  später  setzte  dieselbe  ein,  während 
wiederum  andere  Städte,  wie  Augsburg,  gerade  damals  erst,  zu  Ende 
des  Mittelalters,  einen  grossen  Aufschwung  nahmen.  Man  müsste 


1  Flamm  a.  a.  O.  S.  142. 

2  Flamm  a.  a.  O.  S.  140/1. 

3  Die  Entwicklung  des  Reichtums  in  Konstanz  von  1388  —  1550.  Jahrbücher 

für  Nationalökonomie  und  Statistik.  III.  F.  32.  Bd.  1906.  S.  371. 


343 


sich  übrigens  sehr  wundern,  wenn  in  einer  Zeit  der  Verarmung  und 
Verödung  der  Städte  ein  Aeneas  Sylvius  seine  begeisterten  Preis¬ 
lieder  auf  die  Pracht  und  den  Reichtum  geschrieben  haben  sollte,  die 
er  in  den  deutschen  Städten  gesehen  zu  haben  behauptet.1  Er,  der 
sonst  so  gerne  über  die  Rauheit  und  Roheit  des  deutschen  Volks 
spottet,2  würde  gewiss  nicht  von  Nürnberg  sprechen  als  von  einer 
urbs  nobilis  magnificis  operibus  publicis  ac  privatis  ornata,  die  erfüllt 
sei  von  arbeitsamen  Bewohnern :  omnes  enim  aut  opifices  sunt  aut 
negociatores :  hinc  multae  illis  divitiae  et  magnum  in  Germania 
nomen.3  Und  wie  rühmt  er  gerade  Basel!  Er  sagt:  civium  aedes 
partibus  suis  mirifice  distinctae,  politae  adeo  ac  delicatae,  ut  ne 
Florentinae  quidem  magis.  Candore  omnes  enitent,  pictae  plerumque 
hortos  et  fontes  et  areas  singulae  domus  habent.4 

Dass  jenes  Jahrhundert  aber  für  Frankfurt  a.  M.  keine  Zeit  des 
Niedergangs  auf  allen  Gebieten  des  wirtschaftlichen  Lebens  gewesen 
ist,  bedarf  kaum  noch  des  Beweises.  Freilich  hatte  dort  die  Be¬ 
völkerungsziffer  abgenommen;  das  Wollenweberhandwerk  hatte  seine 
höchste  Blüte  hinter  sich,5  und  die  Landwirtschaft  litt  schwer,  weil 
die  Landesprodukte  sehr  niedrig  im  Preise  standen  und  die  Arbeit 
nicht  lohnten.  Kostete  doch  z.  B.  1463  das  Achtel  Korn  nur  8  ß, 
um  die  Wende  des  Mittelalters  zur  Neuzeit  auch  nur  12  ß  oder 
V2  fl.  Die  Folge  war  gewesen,  dass  ein  Teil  der  Bürgerschaft  immer 
tiefer  in  Schulden  geriet.  Besonders  hat  die  Geistlichkeit  damals 
eine  grosse  Menge  von  Bürgern  zu  Schuldnern  gehabt.  Der  ewige 
Zins  lastete  schwer,  und  mancher  Arme  hat,  wenn  sein  Häuschen 
baufällig  wurde,  lieber  sein  Besitztum  im  Stich  gelassen  und  ist  auf 
und  davon  gegangen,  als  dass  er  noch  Geld  in  ein  Gebäude  steckte, 
das  ja  doch  zumeist  dem  Klerus  gehörte.6  Das  ist  der  andere  der 

t 

1  Schm  oller,  Zur  Geschichte  der  nationalökonomischen  Ansichten  in 
Deutschland  während  der  Reformationsperiode.  Zeitschrift  für  die  gesamte  Staats¬ 
wissenschaft.  1860.  Bd.  XVI.  S.  464/5. 

*  Voigt,  Enea  Silvio  de  Piccolomini  als  Papst  Pius  II.  und  sein  Zeitalter. 
1856.  I,  157. 

3  Aeneae  Sylvii  Piccolominei  Senensis  .  .  .  opera.  Basileae.  (1551.)  S.  436. 

♦  Scriptores  rerum  Basiliensium  minores.  Vol.  I.  1752.  Aeneae  Sylvii  Basileae 
descriptio.  S.  367. 

5  Fromm,  Frankfurts  Textilindustrie  im  Mittelalter.  Archiv  für  Frankfurts 
Geschichte  und  Kunst.  N.  F.  Bd.  26.  1899.  S.  63. 

6  Bothe,  Die  Entwickelung  der  direkten  Besteuerung  in  der  Reichsstadt 
Frankfurt  bis  zur  Revolution  1612— 14.  Staats-  u.  sozialwissenschaftliche  Forschungen 
XXVI,  2.  Duncker  und  Humblot,  Leipzig  1906.  S.  121,  122  Anm.  6,  150  Anm.  1. 


344 


Gründe  dafür,  dass  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  über  300  Häuser 
und  Höfe  in  Frankfurt  unbewohnt  und  »wüst«  gewesen  sind.' 

Aber  dennoch  kann  man  von  einem  Rückgang  des  gesamten 
Wirtschaftslebens  nicht  sprechen.  Im  Gegenteil  haben  damals  manche 
Bevölkerungskreise  offenbar  eine  gesunde  Fortentwickelung  durch¬ 
gemacht.  Der  Rat  hat  denn  auch  sehr  oft  mit  den  regelmässigen 
Einnahmen  den  Stadthaushalt  bestreiten  können,  ohne  zu  einer 
direkten  Besteuerung  der  Bürger  greifen  zu  müssen.  Vor  1462  sind 
30  Jahre  lang  keine  direkten  Steuern  erhoben  worden.  Und  doch 
hatte  die  Cronberger  Niederlage  ungeheuere  Kosten  verursacht,1 2  und 
die  vielen  Fehden  des  15.  Jahrhunderts  verschlangen  grosse  Geld¬ 
summen.  Vor  allem  hat  sich  die  Handelstätigkeit  in  jener  Zeit  sehr 
gehoben,3  sowohl  der  Messhandel  Fremder  wie  der  Eigenhandel 
Frankfurter  Grosskaufleute.4 *  Die  Zahl  letzterer  ist  wohl  nicht  sehr 
gross  gewesen.  Aber  es  sind  doch  schon  bisher  eine  Reihe  von 
Angehörigen  der  Gesellschaften  Laderam,  Frauenstein  und  Limpurg 
bekannt,  die  einen  regen  Handel  nach  Venedig  betrieben  haben. 
Der  deutschvenetianische  Handel  hatte  trotz  aller  Hindernisse  immer 
grösseren  Umfang  erlangt.3  Es  waren  grosse  Kapitalien,  die  in  das 
Geschäft  gesteckt  wurden,  und  imposante  Vermögen  hat  das  damalige 
Frankfurt  in  seinen  Mauern  geschützt.6  Denn  nicht  etwa  hatten  die 
Grosshändler  ihr  ganzes  Hab  und  Gut  auf  das  risikoreiche  Unter¬ 
nehmen  verwandt,  vielmehr  war  ein  grosser  Teil  des  Besitzes  in 
Frankfurt  untergebracht.  Dafür  liegen  genug  Beweise  vor  in  den 


1  Bot  he  a.  a.  O.  S.  118  u.  *  150.  Flamm  a.  a.  O.  S.  140.  Ugb  A  82 
Nr.  5;  Ugb  A  93  Ee,  Vorsatzblatt  und  fol.  2b;  Ugb  A.  93  Nr.  5. 

2  Kriegk,  Frankfurter  Bürgerzwiste  und  Zustände  im  Mittelalter.  I,  457. 

3  Nuglisch,  Die  wirtschaftliche  Leistungsfähigkeit  deutscher  Städte  im 
Mittelalter.  Zeitschrift  für  Sozialwissenschaft.  IX.  >1906.  S.  490  ff. 

♦  Freilich  ist  bemerkenswert,  dass  der  Handel  mit  Elsässer  Weinen  zurück¬ 
gegangen  ist.  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte  I,  164:  Rorbach. 

s  Simonsfeld,  Der  Fondaco  dei  Tedeschi  in  Venedig  und  die  deutsch- 
venetianischen  Handelsbeziehungen.  1887.  II,  37;  45.  1418  müssen  besonders  Basel, 
Strassburg,  Worms,  Speyer,  Cöln,  Mainz,  Frankfurt,  Windsheim  am  venetianischen 
Handel  interessiert  gewesen  sein.  Reichstagsakten  VIII.  S.  370  Nr.  249.  —  Ugb  A  66 
Nr.  47  :  i486  wird  nach  Venedig  an  die  deutschen  Kaufleute  geschrieben,  dass  in 
der  Frankfurter  Messe  nach  Ausläuten  derselben  aller  Handel  aufhören  solle. 
Peter  Ugelheimer  verkündet  dies  »in  eyn  offenen  Tutschen  husz,  auch  anderszwo, 
damit  sich  eyn  yeder  kaufman  vnd  mithendeler,  die  dan  die  messen  vnd  merckt 
zu  besuchen  vnd  gebruchen  inne  meynung  sin«,  danach  richten  könne. 

6  Bothe  a.  a.  O.  S.  157  Anm.  2.  Bücher,  Die  Bevölkerung  von  Frank¬ 
furt  a.  M.  im  14.  u.  15.  Jahrhundert.  1886.  S.  245  ff.  u.  X. 


345 


Inventaren  und  Testamenten.  Ich  werde  davon  in  nächster  Zeit 
mehrere  veröffentlichen.  Hier  soll  nur  das  Testament1  eines  jener 
Grosshändler  besprochen  werden,  das  Jakob  Hellers,  der  1522  das 
Zeitliche  gesegnet  hat. 

Schon  1495  war  er  wie  sein  Vater  Bechtolt -unter  den  Höchst¬ 
besteuerten,  wobei  freilich  die  damalige  Maximalgrenze  des  steuer¬ 
pflichtigen  Vermögens,  10  000  fl.,  nicht  erkennen  lässt,  wie  hoch  sich 
der  Wert  von  seinem  Hab  und  Gut  eigentlich  belaufen  hat.  Aber 
Heller  war  nicht  etwa  ein  ganz  ausserge wohnlich  begüterter  Bürger. 
Es  hat  viel  reichere  gegeben,  und  zwar  in  den  Reihen  der  »Ge¬ 
schlechter«.2  Wie  stark  übrigens  das  Patriziat  unter  den  Reichsten 
vertreten  gewesen  ist,  geht  aus  einem  Vergleiche  der  mit  der  Höchst¬ 
steuer  Belegten  vom  Jahre  1495  3  mit  den  Mitgliedern  der  »Gesell¬ 
schaften«  vom  Jahre  1504  hervor.4  Es  zeigt  diese  Aufstellung  auch 
unzweifelhaft,  dass  die  »Geschlechter«  ein  starkes  Kontingent  zum 
Grosshandel  gestellt  haben.  Unter  ihnen  war  damals  der  Erwerbs¬ 
trieb  besonders  entwickelungsfähig,  da  sie  durch  ihre  Reisen  häufig 
in  Berührung  mit  Italien  kamen  und  dort  die  Einträglichkeit  des 
Handelsgeschäfts  kennen  lernten.5 

Wie  hoch  müssen  diese  Reichsten  über  der  Menge  der  Bürger 
gestanden  haben !  Wie  gross  war  der  Abstand  zwischen  diesen  vor¬ 
nehmen,  prachtliebenden  Herren  und  den  armseligen  Proletariern, 
von  denen  Frankfurt  stets  eine  ziemliche  Anzahl  besessen  hat!6 
Die  Stadt  war  damals  nicht  volkreich:  nur  9 — 10000  Seelen  betrug 
die  gesamte  Einwohnerschaft.  Davon  mussten  uns  die  Steuerlisten 
überzeugen,  dafür  sprechen  auch  andere  Aufzeichnungen  aus  jenen 
Jahren.7  Der  Umstand,  dass  viele  Ehen  sich  finden,  denen  weit  über 
10  Kinder  entsprungen  waren,  besagt  nichts  dagegen:  von  den  vielen 


1  S.  u.  Beil.  Nr.  2. 

2  Bothe  a.  a.  O.  S.  157,  Anm.  2.  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte  I,  164: 
Johann  Rorbach  hatte  allein  für  7310  fl.  Leibgedinggülten  (Leibrenten)  gekauft. 

1  Bothe  a.  a.  O.  S.  157,  Anm.  1. 

4  S.  u.  Beil.  Nr.  1.  Ich  habe  die,  welche  nachweislich  Handel  trieben, 
mit  *,  die,  welche  1495  die  Höchststeuer  zahlten,  mit  f  bezeichnet.  Freilich  waren 
inzwischen  manche  der  damaligen  Steuerzahler  verstorben,  sodass  letztere  Ver¬ 
merke  nicht  vollständig  sind. 

5  Häpke,  Zur  Entstehung  der  grossen  bürgerlichen  Vermögen  im  Mittel- 
alter.  Jahrbuch  für  Gesetzgebung,  Verwaltung  und  Volkswirtschaft  im  deutschen 
Reich.  N.  F.  29.  1905.  S.  269. 

6  Bothe  a.  a.  O.  S.  150fr.,  S.  106/7,  Beil.  Nr.  7. 

7  Bücher  a.  a.  O.  S.  177fr.,  Wahlhandlungen  V,  fol.  84a.  1505. 


346 


Kindern  überlebten  meist  kaum  1—2  die  Eltern.1  Und  die  vielen 
Knechte  und  Mägde,  die  man  in  manchen  Patrizierhäusern  nachweisen 
kann,  darf  man  nicht  zur  Norm  machen.  Auch  waren  sie  meistens 
unter  den  Bedezahlern  mitverzeichnet,  da  sie  mehr  als  10  fl.  besassen. 
Wegen  dieser  geringen  Kopfzahl  der  Bürgerschaft  werden  sich  die 
reichen  patrizischen  Kaufleute  um  so  mehr  aus  der  übrigen,  in  Ein¬ 
fachheit  und  Dunkel  dahinlebenden  Bevölkerung  herausgehoben  haben. 

Das  Eigentum  Jakob  Hellers  in  seinem  wahren  Werte  zu 
erfassen,  bietet  sich  uns  eine  gute  Handhabe  dar.  Von  Jakobs  Vater 
Bechtolt  besitzen  wir  für  einige  Jahre  seine  gesamte  bedepflichtige 
Habe  verzeichnet,2 3 *  sodass  sich  uns  ein  genauer  Einblick  in  sein  Ver¬ 
mögen  eröffnet.  Seine  liegende  wie  seine  fahrende  Habe  ist  in  ein¬ 
zelnen  Posten  aufgeführt.  Man  muss  staunen  über  den  gewaltigen 
Besitz  an  Liegenschaften.  Waren  doch  1482  nicht  weniger  als  420 
Morgen  Ackerland  sein  eigen;  daneben  45  Morgen  Wiesen  und  13 
Morgen  Weingarten,  ferner  mehrere  Gärten.  Sodann  besass  er  viele 
Häuser  und  Höfe.  A11  Vieh  wies  sein  Haushalt  nicht  weniger  als 
560  Schafe,  35  Schweine  und  Ferkel,  9  Kühe  und  Kälber,  6  Pferde, 
2  Gänse  und  einen  Kapaun  auf.  Für  300  fl.  Wein,  für  200  fl.  Bau- 
und  Brennholz  und  für  50  fl.  Heu  und  Stroh  hat  Bechtolt  versteuert. 
Es  war  somit  einesteils  sein  Besitz  an  landwirtschaftlichem  Gute 
sehr  bedeutend,  andernteils  war  überhaupt  viel  Geld  in  Gebrauchs¬ 
gegenständen  angelegt,  die  über  kurz  oder  lang  zur  Verwertung 
kommen  sollten.  Es  ist  hier  am  Platze  darauf  hinzuweisen,  dass  das 
von  Bechtolt  versteuerte  Vermögen  nur  den  direkt  nutzbringenden, 
ertraggebenden  Besitz  umfasste,  dass  demnach  der  Wert  der  Liegen¬ 
schaften  nicht  völlig  zur  Berechnung  gekommen  zu  sein  braucht. 
Vielmehr  wurde  der  Kapitalwert  aus  dem  Reinerträge  berechnet. 
Für  die  von  mir  aufgestellte  Behauptung  über  die  Geltung  dieses 
Steuerprinzips5  kann  ich  jetzt  einen  sicheren  Beweis  erbringen.  Im 


1  Bücher  a.  a.  O.  S.  46. 

2  Bothe  a.  a.  O.  S.  *70/71.  Bücher,  Zwei  mittelalterliche  Steuerordnungen. 
Kleinere  Beiträge  zur  Geschichte.  Festschrift  zum  deutschen  Historikertage  in 
Leipzig.  Ostern  1894.  S.  159. 

3  Bothe  a.  a.  O.  S.  63.  Vgl.  Luther  Werke,  Erlanger  Ausg.  56,  S.  12 
über  seine  Türkenschatzung  von  1542:  von  seinem  Hause  Bruno,  das  er  für  400  fl. 
erkauft  hatte,  brauchte  er  nach  seiner  Meinung  keine  Schatzung  zu  geben,  »weil  ichs 
nichts  geniesse  und  eitel  Schuld  ist.«  Den  Garten  will  er  für  500  fl.,  die  Hule 

für  90  fl.,  ein  kleines  Gärtchen  für  20  fl.  verschätzen.  Vgl.  ibid.  56,  S.  2:  das 

Gütlein  Zeilsdorf,  das  Haus  Bruno.  Ibid.  65,  S.  233:  die  Hüten. 


347 


Bedebuch  der  Niederstadt  von  1509  ist  hinten  ein  Zettel  eingeklebt, 
auf  dem  Eberharts  von  Heussenstamm  Frankfurter  Besitz  verzeichnet 
ist.  Die  Übersicht  lautet: 

Disz  sint  die  zinsz  vnd  gult  myn  Eberhardt  von  Huszestam, 
die  ich  vf  disen  tagk  zw  Franckfurt  hab,  martini  anno  nono. 

Item  myn  husz,  hof,  garten  myt  siner  zugehor  vf  dem  ros- 
margk,  do  geb  ich  alle  iare  III  fl.  zinsz  vsz;  dut  mir  nichts. 

Item  ein  hof  in  der  bockenheimer  gassen,  darin  dry  schüren; 
duit  myr  nichts,  musz  ich  in  bu  halten. 

Item  in  der  selben  bockenheymer  gassen  fünf  gülden  ledigs 
zinsz  von  einer  schuer,  zweyen  zinszhuszlin  vnd  von  einem  deinen 
steigin. 

Item  in  derselben  bockenheymer  gassen  III  gülden  zinsz,  Henritz 
Becker. 

Item  IIV2  fl.  zinsz  in  der  eschemer  gassen,  Jorg  MargkdorfF. 

Item  III  gülden  zinsz  vf  dem  frithof  vf  dem  schuchhusz. 

Item  ein  gülden  zinsz  in  der  fargassen. 

Item  IIIV2  fl.  zinsz  in  der  fargassen  by  dem  grapboren. 

Item  XV  ß  zynsz  von  eym  acker  vor  der  fridburger  (!)  porten. 

Item  ein  simern  olengult. 

Item  ein  hundert  cappans. 

Item  vmb  die  dryszig  gülden  ein  iar  vsz  dem  husz  fridburgk 
mit  sinem  zugehor. 

Item  der  wingart  zu  Sassenhusen,  kost  mich  huwer 1  acht  gülden 
vnd  VII  ß ;  hat  mir  ein  fuder  winsz  geben. 

Item  VIII  fl.  vf  stalle,  Anna  von  Offenbach,  sint  verpfant  Clas 
Stalburgern  mit  ander  me  gulten. 

Item  die  gult  vf  dem  salhof,  ist  verpfant  Johann  Brennern  vor 

IIIIc  fl. 

Item  die  myn  wyse,  hat  myn  bruder,  vnd  gibt  iars  zwen  gülden 
vnd  sex  heller  gult  vnd  schutzlon  dovon,  thut  mir  nichts. 

Disz  obgeschreben  allesampt  ist  lipgeding,  vszgenomen  der 
salhof. 

Item  an  der  gult  im  salhof  han  ich  zehen  gülden  vbergs,  ist 
erblich. 

Summa  alles  miteinander  VID  fl.,  bedt  ein  gülden  vnd  XVIII  ß. 

Die  vielen  Liegenschaften  wurden  demnach  nur  niedrig  be¬ 
wertet,  weil  sie  nach  der  Behauptung  des  Besitzers  wenig  einbrachten. 


1  heuer. 


34§ 


Diejenigen,  die  ihm  »nichts  tun«,  die  er  »im  Bau  erhalten«  musste,  d.  h. 
deren  Unterhaltungskosten  den  Einnahmen  gleichkamen,  brauchten 
nicht  versteuert  zu  werden.  Aus  einem  geringen  Reinerträge  wurde 
also  der  Nettowert  der  Grundstücke  zu  niedrig  berechnet.  Wenn 
daher  Bechtolt  Heller  den  »Hof  bei  Allerheiligen«  nur  mit  14  h  Steuer 
in  Anschlag  bringt,  muss  der  angenommene  Wert  des  Grundstücks 
nur  28  Gulden  betragen  haben,  d.  h.  der  Hof  hatte  nur  33  ß  6  h  Ertrag 
gebracht.  Somit  ist  zu  vermuten,  dass  der  liegende  Besitz  öfters 
nicht  in  seinem  vollen  Verkaufswerte  zur  Steuerleistung  herangezogen 
worden  ist.  Viele  Häuser  der  Patrizier  standen,  soweit  sie  nicht  zu 
Messzwecken  dienten,  oft  lange  Zeit  leer,1  besonders  die  vielen  kleinen 
»Zinshäuslein«,  die  häufig  hinter  dem  Hauptbau  errichtet  worden 
waren.  Darum  wird  man  froh  gewesen  sein,  wenn  man  überhaupt 
Mieter  bekam,  und  wird  den  Zins  sehr  niedrig  gelegt  haben.2 

Deshalb  wird  man  auch  Bechtolt  Hellers  Besitz  für  grösser 
ansehen  müssen,  als  die  Steuersumme,  67  fl.  zu  halber  Bede  im 
Jahre  1482,  auf  den  ersten  Blick  vermuten  läßt.  Wenn  man  einmal 
annimmt,  dass  das  ganze  Vermögen  Fahrhabe  gewesen  wäre,  würde 
er  9584  fl.  besessen  haben;  wenn  dagegen  die  ganze  Habe  aus  Gülten 
(Wiederkaufs-  und  ewigen  Gülten)  bestanden  hätte,  würde  er  28753  A- 
sein  eigen  genannt  haben.  Nun  ist  beides  natürlich  nicht  der  Fall 
gewesen.  Von  Gültenkapital  hat  er  nur  7 Vs  fl.  gesteuert:  leider  ist 
nicht  festzustellen,  wie  hoch  es  sich  belaufen  hat,  da  die  ewigen,  die 
Wiederkaufs-  und  Leibgedinggülten  von  ihm  in  einem  Posten  zu¬ 
sammengegriffen  worden  sind,  während  doch  die  letzteren  nur  halb 
soviel  Steuern  zahlten  als  die  ersteren  beiden.  Man  kann  nur  sagen, 
dass  er  zwischen  1620  und  3240  fl.  Gültenkapital  verkauft  hatte. 
Andererseits  hat  sich  das  Bargeld  und  die  diesem  gleich  besteuerte, 
berechenbare  Fahrhabe  höchstens  auf  5— 6000  fl.  belaufen.  Aber  von 
beweglichem  Besitz  wurden  die  Schafe  und  Kühe,  Gänse  und  Kapaunen 
nach  festen  Sätzen  veranschlagt,  die  schon  im  14.  Jahrhundert  bestanden 
hatten.  Nur  die  Schweine  und  Pferde  wurden  besteuert,  »nachdem 
sie  wert  sin.«3  Somit  ist  wie  bei  dem  Häuserbesitz,  so  auch  bei  den 
Haustieren  zu  wenig  in  Ansatz  gebracht  worden,  wenn  man  den  wahren 
Wert  der  Besitzstücke  ins  Auge  fasst.  Und  noch  mehr  ist  dies  der 


1  Bothe  a.  a.  O.  S.  *  105,  Beil.  II,  Nr.  6b. 

2  Bot  he  a.  a.  O.  S.  301.  Anm.  2. 

3  Freilich  ist  die  Taxe  niedrig  genug  gewesen:  6  Pferde  sind  mit  50  fl., 
17  Schweine  und  18  Ferkel  mit  44  fl.  angesetzt.  Vgl.  Bothe  a.  a.  O.  S.  *180/1. 


349 


Fall  gewesen  bei  dem  Ackerlande  und  seinen  Erzeugnissen.  Von 
14  Hufen  Land  hat  Bechtolt  nur  i3A  fl.  gesteuert.  Wenn  man  den 
Steuersatz  für  liegende  Habe  darauf  in  Anwendung  bringt,  findet  man, 
dass  die  420  Morgen  Ackerland  nur  756  fl.  gleichgesetzt  worden  sind, 
sodass  jeder  Morgen  noch  nicht  einmal  auf  2  fl.  veranschlagt  worden 
ist.  Und  doch  war  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  der  Preis  eines 
Morgens  Acker  mindestens  5  fl.1,  meist  aber  wesentlich  höher.2 
Manchmal  wird  ein  Morgen  damals  auf  12 — 16  Gulden  bewertet. 
Man  sieht,  das  der  Bodenbesitz  einen  weit  höheren  Wert  repräsen¬ 
tiert  hat,  als  die  Steuerabgabe  vermuten  lässt.  Da  jeder  Morgen  gleich¬ 
hoch  besteuert  wurde,  die  Bonität  aber  ganz  und  gar  nicht  berück¬ 
sichtigt  wurde,3  musste  eine  verhältnismässig  niedrige  Steuer  erhoben 
werden,  um  die  Besitzer  geringerer,  ertragarmer  Bodenarten  nicht 
zu  schwer  zu  belasten.  Auch  für  Wiesen  und  Weingärten  bestanden 
feste  Sätze,  die,  wenn  sie  auch  wesentlich  höher  waren  als  die  vom 
korntragenden  Boden,  doch  noch  unter  der  Steuer  der  sonstigen 
liegenden  Habe  blieben,  zum  mindesten  bei  den  Weingärten.  Denn 
diese  galten  damals  32—36  fl.  pro  Morgen,  die  Wiesen  16  fl.  Und 
doch  steuerten  sie  nur  15  alte  Heller  bei  ganzer  Bede,  20  Gulden 
Gültenkapital  dagegen  20  alte  Heller.  Man  sieht,  dass  der  Landbesitz 
wesentlich  bei  der  Besteuerung  erleichtert  war.  Als  Grund  sind  poli¬ 
tische  Rücksichten  anzunehmen;  man  wollte  die  Bodenbestellung 
begünstigen,  da  man  der  Bodenprodukte  bedurfte,  um  die  Stadt  mit 
Vorräten  zu  füllen  für  etwaige  Zeiten  der  Not.  Darum  Hess  man  die 
alten  Sätze  ruhig  fortbestehen,  trotzdem  der  Bodenwert  gestiegen  war. 
Man  rüttelte  überhaupt  nicht  gern  an  den  einmal  aufgesteliten  Normen. 

Somit  ist  der  Besitz  Bechtolt  Hellers  weit  grösser  gewesen,  als 
man  nach  den  Steuerabgaben  vermuten  konnte.  Das  Ackerland  allein 
hat  mindestens  2—3000  fl.  gekostet,  die  45  Morgen  Wiesen  etwa 
700,  die  13  Morgen  Weingarten  etwa  400  fl.  Ohne  dass  man  die 
zahlreichen  Häuser,  die  vielen  Schafe,  Kühe,  Kälber  u.  a.  besonders 
behandelte  Objekte  in  Betracht  zieht,  hat  Bechtolt  Heller  an  Bargeld 
und  Fahrhabe,  an  Land  und  Gültenbesitz  schon  sicherlich  über  10000  fl. 
besessen. 


1  1498  verkaufen  Jakob  und  Jorge  Nuhusz  viele  Morgen  für  je  5 */«  Gulden. 
Majorwährschaftsbücher  29,  fol.  146  b,  147  a. 

2  Bothe  a.  a.  O.  S.  *188  ff. 

5  In  Haigerloch  wurden  die  Äcker  nach  dem  verschiedenen  Ertrage  ein- 
geschätzt,  in  Nürnberg  die  Wiesen.  Bothe  a.  a.  O.  S.  33,  Anm.  5.  Heiden¬ 
hain,  Städtische  Vermögenssteuern  im  Mittelalter,  Diss.  Leipzig.  1906.  S.  14. 


350 


Mit  einem  Teile  seines  Vermögens  war  er  damals  auch  am  Gross¬ 
handel  beteiligt.  Das  besagen  ja  z.  B.  die  Worte:  Item  M  gl.  han  ich 
lygen  heynder  myn  swager  melger  bluomen.  Er  war  damals  stiller 
Teilhaber  bei  der  »Blumengesellschaft«,  die  einen  lebhaften  Handel 
nach  Italien,  und  zwar  nach  Venedig,  betrieb.1  Vor  allem  war  es 
der  Tuchhandel,  mit  dem  sich  Heller  befasste.  Schon  sein  Vater 
Jakob  hatte  diesem  obgelegen;  und  der  Grossvater,  Bechtolt,2 3  hatte 
sich  auch  schon  dem  Handel  zugewandt,  obgleich  er  zunächst  Schuh¬ 
macher  gewesen  war.  Denn  man  muss  mit  Fichard5  annehmen,  dass 
der  Schuhmacher  Bechtolt  Heller  von  1384  und  der  Krämer  gleichen 
Namens  von  1416  identisch  sind.  Übrigens  war  schon  der  »Schuch¬ 
wirt«  Bechtolt  ziemlich  wohlhabend.  Das  Bedebuch  der  Niederstadt 
von  1389  fol.  4  besagt:  Item  bechtolt  schuchwirt  VIII  V*  Hb.  1  h, 
für  die  wissen  frauwen  XXXIII  h,  für  die  zu  sant  leonhart  XV  h. 
pag.  iur.  Item  gele,  sin  geswie,  mit  yn  inne,  nichilhz.  Er  müsste 
demnach  mindestens  510  Gulden  besessen  haben,  wenn  nämlich  sein 
ganzes  Vermögen  mobiles  Kapital  gewesen  wäre.  Da  dies  nur  zu 
einem  geringen  Teil  der  Fall  gewesen  sein  kann,  wird  man  sein  Gut 
gewiss  mit  gutem  Grunde  auf  etwa  1000 — 1200  Gulden  schätzen 
dürfen.  Das  war  aber  für  jene  Zeit  ein  schöner  Besitz.  Wenn  auch 
gar  viele  weit  reicher  waren,  für  einen  Handwerker  war  es  ein  Ver¬ 
mögen,  das  ihn  als  einen  Wohlhabenden  kennzeichnet.  1392  war 
Bechtolt  auch  schon  Ratsherr,  eine  Würde,  zu  der  natürlich  die 
Zunftgenossen  am  ehesten  erhoben  wurden,  die  in  der  Zunft  ver¬ 
möge  ihrer  Lebensstellung  eine  Rolle  spielten.  Und  dazu  gehörte 
auch  vor  allem  die  wirtschaftliche  Überlegenheit  den  Genossen 
gegenüber. 

So  konnte  Jakob,  der  Sohn  jenes  Bechtolt,  dessen  Vermögen 
wir  auf  Grund  seiner  Bedeangabe  von  1482  durchforschen  können, 
auf  3  Generationen  seiner  Vorfahren  zurückblicken,  die  dem  Handel 
zugetane,  wohlhabende  Bürger  gewesen  waren.  Im  Laufe  der  Zeit 
war  der  Besitz  ansehnlich  gewachsen,  sodass  Jakob  über  ein  impo¬ 
santes  Vermögen  verfügt  haben  muss,  besonders  da  er  der  Erbe  seiner 
Geschwister  gewesen  ist.  Denn  von  den  19  Kindern4  Bechtolts,  seines 


1  Vgl.  Bothe  a.  a.  O.  S.  157  Anm.  2.  Simonsfeld  a.  a.  O.  II,  38,  68. 

3  Bürgerbuch  1382:  Berthold  Heller  von  Felingin  (Villingen  in  der  Wetterau) 
fit  civis. 

3  Geschlechterregister,  Fasz.  Heller:  aus  den  Bedelisten  entnommen. 

*  Fichard,  Fasz.  Heller  :  ein  Sohn  war  Canonicus,  eine  Tochter  Nonne. 


35i 


Vaters,  sind  io  schon  jung  gestorben.  Die  übrigen  Söhne  sind  alle 
kinderlos  geblieben,  sodass  mit  Jakob,  dessen  Gemahlin  Katharine 
von  Melem  1518  ohne  Leibeserben  starb,  das  Geschlecht  der  Heller 
erlosch.  Es  ist  wieder  ein  Beweis  dafür,  wie  man  aus  der  erstaun¬ 
lichen  Fruchtbarkeit  der  Ehen  im  Mittelalter  nicht  den  Schluss  ziehen 
darf,  dass  eine  sehr  hohe  Haushaltungsziffer  der  Durchschnittsfamilie 
angenommen  werden  müsse.  Die  Macht  des  Todes  war  eben  noch 
grösser  als  die  Zeugungskraft.1 

Jakob  hat  selbst  den  Handel  fortgesetzt;  so  hat  er  1487  mit 
seinem  Schwager  Clas  von  Rückingen  und  mit  Hans  Heinrich  von 
Oppenheim  eine  Kaufhandelsgesellschaft  auf  6  Jahre  geschlossen; 
und  zwar  hat  er  3000  fl.  eingelegt.2 3  1490  stand  er  mit  Hans  Steffan 
und  Clas  von  Rückingen  in  Geschäftsverbindung:  sie  hatten  eine 
Gesellschaft  gebildet,  die  Tuchhandel  und  Gewandschnitt  betrieb. 
Jakob  selbst  ist  in  Italien  gewesen,  wie  es  ja  üblich  war,  dass  sich 
die  Kaufherren  um  ihre'Kontore  in  Venedig  und  Genua  persönlich 
kümmerten.5  Die  Familie  Heller  stand  überhaupt  zu  Italien  in  engen 
Beziehungen.  Wolf,  Jakobs  Bruder,  war  1495  in  Rom  gewesen;  er 
war  magister  artium  und  Canonicus.  Auf  der  Rückreise  wurde  er 
zu  Siena  erschlagen.4  Sein  anderer  Bruder,  Caspar,  wurde  1502  zu 
Venedig  in  der  Kirche  S.  Giovanni  e  Paolo  bestattet.5  Ausserdem 
wird  ein  Johann  Heller  aus  Frankfurt  im  Jahre  1500  als  Consul  der 
deutschen  Kaufmannschaft  im  Fondaco  zu  Venedig  genannt,6  im  selben 
Jahre,  wo  Jakob  in  Italien  weilte.  Es  kann  dies  nur  Jakobs  Oheim 
gewesen  sein,  der  1470  in  Frankfurt  Spitalmeister  zum  heiligen  Geist 
gewesen  ist.7  Auch  noch  damals  und  noch  weit  ins  16.  Jahrhundert 
hinein  hat  ja  der  deutschvenetianische  Handel  in  Blüte  gestanden,  trotz 
der  Auffindung  des  Seeweges  nach  Ostindien.  Italien  blieb  auch  für 
Frankfurt  noch  längere  Zeit  das  Land  der  Mode  und  des  Geschmacks,8 


1  Bücher,  Bevölkerung,  a.  a.  Ü.  S.  46.  Die  Pest  war  1502,  1507,  1519, 
1520  in  Frankfurt. 

2  Kriegk,  Deutsches  Bürgertum  im  Mittelalter.  N.  F.  S.  446.  Die  3000  li. 
würden  heute  etwa  100 — 120000  Mk.  entsprechen. 

3  Vgl.  die  Horbachs:  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte  I,  2$o.  Blume: 
Simo  n  sfel  d  a.  a.  O.  II,  68.  Stalburg:  ibid.11,68;  Bronim :  Kriegk  a.a.O.  N.  F.  451. 

4  Simonsfeld  a.  a.  O.  II.  68. 

s  Simonsfeld  a.  a.  O.  II,  68;  234. 

6  Simonsfeld  a.  a.  O.  II,  207. 

3  Fichard,  Fasz.  Heller. 

8  Falke,  Oberdeutschlands  Handelsbeziehungen  zu  Südeuropa  im  Anfang 
des  16.  Jahrhunderts.  Zeitschrift  für  Kulturgeschichte.  1859.  4.  Jahrg.  S.  610  ff, 


352 


und  die  durch  die  Kriegszüge  eingetretene  zeitweise  Unterbrechung1 
der  Handelsverbindungen  hat  den  Beziehungen  keinen  nachhaltigen 
Abbruch  getan.  So  ist  auch  zu  vermuten,  dass  Jakob  Heller  in  den 
letzten  Jahrzehnten  seines  Lebens  nicht  ganz  dem  Handel  entsagt  hat. 
Wozu  sollten  denn  auch  sonst  die  1000  ik  gedient  haben,  die  er  bar 
in  einem  grossen  und  einem  kleinen  Säckel  zur  Verfügung  hatte?2 

Hs  muss  unter  den  genannten  Umständen  von  Interesse  sein, 
einen  Hinblick  in  das  Vermögen  Jakob  Hellers  zu  tun.  Sein  Testa¬ 
ment  ist  uns  erhalten.3  Freilich  ist  nicht  der  ganze  Besitzstand 
einzeln  namhaft  gemacht,  aber  das,  was  uns  darüber  mitgeteilt  wird, 
ist  hinreichend,  dass  wir  uns  eine  Vorstellung  von  der  reichen  Habe 
und  von  ihrer  Zusammensetzung  machen  können. 

Von  Häusern  ist  vor  allem  der  Nürnberger  Hof  erwähnenswert, 
den  Jakob  selbst  erkauft  hatte.4  Er  hat  dafür  im  Jahre  1496  4250  Gul¬ 
den  guter  Frankfurter  Währung  gegeben,  die  er  aber  nicht  sofort 
bar  bezahlt  hat.  Denn  in  seinem  Testamente  sagt  Jakob  Heller, 
dass  er  1502  2750  fl.  bar  entrichtet  habe.  Auf  dem  Hofe  ruhten 
zur  Zeit  des  Kaufs  92  fl.  18  ß  Gülten  =  1800  fl.  Kapital.  Sodann 
hat  Jakob  noch  940  fl.  in  dem  Hause  verbaut.  Demnach  muss  man 
den  Preis  des  Nürnberger  Hofs  bei  Abfassung  des  Testaments  auf 
4250  -j-  1800  +  940  fl.  veranschlagen,  abgesehen  von  dem  Wert¬ 
zuwachs  in  den  Jahren  1496  bis  1519.  Wie  sich  diese  Baulichkeit 
in  den  letzten  100  Jahren  entwickelt  hatte  und  wie  der  Wert 
der  Häuser  infolge  des  Aufschwungs  der  Messen  gestiegen  war, 
kann  man  aus  folgender  Notiz  abnehmen.  Das  Gebäude  hiess  früher 
der  Glauburger  Hof.5  Über  die  Bewertung  dieses  Besitztums  zu 
Ende  des  14.  Jahrhunderts  meldet  das  Bedebuch  der  Oberstadt  vom 
Jahre  1389,  fol.  64: 


1  Simonsfeld  a.  a.  O.  II,  119;  122. 

2  S.  u.  Beil.  Nr.  3. 

3  Cornill,  Jakob  Heller  und  Albrecht  Dürer.  Ein  Beitrag  zur  Sitten-  und 
Kunstgeschichte  des  alten  Frankfurt  a.  M.  um  1500.  Neujahrsblätter  des  Frank¬ 
furter  Altertumsvereins  1871.  Es  sind  in  dieser  verdienstvollen  Schrift  des  erst  in 
diesem  Jahre  verstorbenen  Verfassers  auch  einige  Abschnitte  des  Hellerschen 
Testaments  veröffentlicht  und  der  religiöse  Gehalt  gewertet.  Jedoch  erschien  es 
angebracht,  das  ganze  Testament  herauszugeben  und  namentlich  die  wirtschaft¬ 
lichen  Aufklärungen,  die  es  uns  geben  kann,  zu  betonen. 

4  S.  u.  S.  396.  In  der  Nähe  des  »Steinernen  Hauses«  der  Melem. 

5  Battonu,  Örtliche  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  1861  ff.  III,  126. 
Dort  Girbracht  von  Glauburg  als  Mitbesitzer  genannt. 


353  ~ 


Item  Girbracht  im  glauburger  hofe  XIIV2  lb  II  sol.  für  sich 
vnd  für  sine  wasen  zu  den  wizsen  frawen  V  sol  V  aide  h  für  V 
guldin  geldis  lipgedingis,  pagauit,  jurauit. 

Item  Grede,  Arnoldis  dochtir. 

Item  von  des  hofis  wegen  Glauburg  ingemeynschaft,  vzgnomen 
waz  iedermanne  vor  sich  vnd  sine  gulde  vnd  habe  geborit  zudune, 
XXVIII  sol  III  hll,  vnd  für  paffingulde  davone  XXX  sol  VIII  aide  h, 
pagauit  Girbracht. 

Demnach  wurde  der  Hof  auf  252  Gulden  geschätzt.  Ausserdem 
ruhten  auf  ihm  278  Gulden  Gültenkapital,  sodass  damals  das  Besitztum 
im  ganzen  530  Gulden  wert  war.  Man  sieht,  es  ist  ein  grosser 
Unterschied  in  der  Preislage:  in  den  130  Jahren  von  1389  bis  1519 
(resp.  1496)  hatte  sich  der  Gebäudewert  sehr  gehoben.  Freilich  muss 
man  bedenken  bei  der  Beurteilung  der  Summen,  dass  der  Hof  in¬ 
zwischen  sehr  vergrössert  worden  sein  wird  und  dass  die  Kaufkraft 
des  Geldes  geringer  geworden  war. 

Sonst  sind  noch  der  Hof  Firnberg1  (!)  und  der  Hof  bei  St.  Peter2 
im  Testament  namhaft  gemacht.  Nicht  alle  Häuser  Bechtolts  finden 
wir  aber  in  Jakobs  Besitz  wieder.  Die  Viole3  hatte  er  1510  für  300  fl. 
an  den  Rat  verkauft,  »hinden  an  Swarczenfels  uff"  dem  orte  neben 
Frauwenrade,  da  itzunt  die  under  ratstobe  steet,  gegen  dem  gesess 
zu  der  Alten  Wagen  über  und  dem  Frosche«.4  1514  und  1527  löste 
der  Rat  die  noch  auf  dem  Hause  ruhenden  Lasten  für  etwa  400  Gulden 
ab.  Anstelle  des  alten  Baus  liess  der  Rat  einen  neuen  errichten  für 
eine  »Liberei  oder  Bibliothec.«  Als  Heller  hörte,  dass  das  Haus  »zu 
gemeyner  Stadt  notze«  dienen  sollte,  hat  er  »usz  milter  bewegunge« 
50  fl.  an  dem  Kaufgelde  nachgelassen. 

Dass  die  liegenden  Besitztümer  nicht  viel  anders  gewesen  sein 
werden  als  zu  Bechtolts  Zeit,  dafür  spricht  die  relative  Schwerfällig¬ 
keit  des  Besitzwechsels  in  jenen  Tagen.  Besonders  werden  die 
Wiederkaufgülten  noch  zum  grössten  Teil  in  der  alten  Form  fort- 


1  Battonn  a.  a.  O.  I,  261:  Hellerhof.  1453  war  der  Hof  Firnburg  mit 

13  Huben  Land  fiir  1475  fl.  gekauft  worden. 

3  Botbe  a.  a.  O.  S.  *  70. 

3  Vgl.  Bothe  a.  a.  O.  S.  *70.  1482  hatte  Bechtolt  von  diesem  Hause 

13  ß  3  h  gesteuert.  Demnach  hatte  er  die  Einkünfte  aus  dem  Hause  gleich  12  Gul¬ 
den,  den  Kapitalwert  des  Hauses,  soweit  es  nicht  mit  Gülten  belastet  war,  gleich 
240  Gulden  geschätzt. 

4  Die  Baudenkmäler  in  Frankfurt  a.  M.,  herausg.  von  Wolff  und  Jung 
Bd.  II.  1898.  S.  254. 


23 


354 


bestanden  haben.  Denn  nicht  der  Gläubiger,  sondern  nur  der  Schuldner 
hatte  das  Recht  sie  aufzukündigen.  Übrigens  sagt  Jakob  selbst  in 
seinem  Testamente,  dass  er  von  seinem  Vater  nur  500  fl.  in  bar 
und  500  fl.  auf  Erfurt  (Wiederkaufsgülten)  erhalten  habe,  alles  andere 
in  Erbgülten.  Dazu  kam  natürlich  noch  der  Grund-  und  Häuser¬ 
besitz.  Dass  auch  Jakob  noch  grosse  Komplexe  korntragenden 
Ackers  besessen  haben  muss,  den  er  wohl  meist  verpachtet  hatte, 
»um  halb«,  wie  es  damals  üblich  war,  oder  auf  den  er  einen  Land¬ 
siedel  gesetzt  hatte,  soweit  er  ihn  nicht  selbst  bewirtschaftete,  lässt 
sich  aus  dem  Vorhandensein  von  1500  Achtel  Korn1  auf  seinen 
Scheuern  vermuten,  die  er  1000  Gulden  an  Wert  gleichsetzt,  sodass 
1  Achtel  damals  16  ß  gegolten  haben  muss.  Wenn  man  bedenkt, 
dass  in  jener  Zeit  von  einer  Hufe  Acker  nur  7,  8 — 16  Achtel  Korn 
als  Pachtzins  erlegt  wurden,2 *  so  wird  man  auf  ein  grosses  Areal 
schliessen  müssen,  selbst  wenn  man  annimmt,  dass  unter  den  Korn¬ 
beständen  vorjährige  Ernteerträge  mitenthalten  waren.  Ein  Teil  des 
Korns  war  ja  im  Interesse  der  Gemeinschaft  aufgeschüttet. 5  Denn 
jeder,  der  500  Gulden  über  Schulden  »vermochte«,  musste  ausser 
dem  Getreide,  das  er  für  seinen  Jahresunterhalt  gebrauchte,  5  Achtel 
»dem  Rate«  aufschütten,  ebenso  für  jede  folgenden  500  Gulden  je 
5  Achtel,  bis  zum  Höchstvermögen  von  10000  G.  Je  100  Achtel 
sind  also  für  den  Unterhalt  der  Stadt  in  Zeiten  der  Not  aufgespeichert 
gewesen  von  den  Reichsten.4  Immerhin  bleibt  noch  viel  übrig,  wenn 
man  dieses  Quantum  von  Jakob  Hellers  Vorräte  abzieht.  Und  für 
seinen  Haushalt  wird  er  auch  nicht  alles  gebraucht  haben,  was  er 
auf  den  Speichern  hatte.  Im  Inventar  der  Margarethe  von  Neuhaus, 
geh.  Silberborner,  vom  Jahre  1509  heisst  es:  Summa  des  Einkommens 
137  fl.  21  ß  8V2  h  -f-  17V2  Achtel  Korngülte;  Summa  des  Zinses  und 
der  Gülte,  die  sie  gibt:  108  fl.  2  ß;  also  Mehreinkommen  29  fl.  19  ß 
8V2  h  -f-  17V2  Achtel  Korngülte.  »Darzu  die  nutzberkeyt  der  vier 
hub  lansz  vnd  der  wingart  zu  seckbach  vnd  hy,  die  sie  selbst  buet; 
achten  wir  vngeferlich  vber  allen  costen  so  vil  winsz  sy  in  irem 
husz  notderftig  sy,  desziglichen  auch  so  vil  frucht  vnd  mer«.  Wenn 
man  von  1  Hufe  7 — 16  Achtel  Pachtzins  zahlte,  muss  sie  etwa 


1  Laut  Testament  von  1519.  Bei  seinem  Tode,  1522,  waren  1397  Achtel 
vorhanden. 

2  Bot  he  a.  a.  O.  S.  XLI,  Anm.  r;.  Inventar  Dr.  Johanns  von  Glauburg,  15 11. 

?  Bothe  a.  a.  O.  S.  56. 

+  Bothe  a.  a.  O.  S.  XXXVIII  u.  XLII. 


355 


14—31 2  Achtel  Korn  Reinertrag  gebracht  haben,  da  die  Pacht  meist 
»um  halb«  ging  oder  der  Pachtzins  diesem  Verhältnis  etwa  entsprach. 
Demnach  haben  die  4  Hufen  höchstens  128  Achtel  als  Ernte  ergeben. 
Wenn  damit  Margarethe  Neuhaus,  die  doch  zur  Bestellung  der  Äcker 
und  Weingärten  ziemlich  viel  Knechte  und  Mägde  gehabt  haben 
muss,  nach  dem  Urteil  der  abgeordneten  Inventuraufnehmer  auskam, 
so  wird  Jakob  Heller  nicht  1400  (1500 — 100)  Achtel  Getreide  be¬ 
nötigt  haben.  Schon  Bechtold  hatte  1484  1400  Achtel  auf  den  Korn¬ 
böden  gehabt.'  Man  muss  vermuten,  dass  die  Heller  ebenso  wie  die 
Holzhausen2  u.  a.  mit  den  Erträgen  ihrer  Acker  auch  Geschäfte 
gemacht  haben. 

An  barem  Gelde  scheint  Bechtolt  wie  Jakob  Heller  stets  eine 
ziemliche  Summe  in  Bereitschaft  gehabt  zu  haben.  Wenigstens  weisen 
die  Vermögensübersichten  stets  1000  und  mehr  Gulden  auf.3 

Von  besonderem  Interesse  muss  für  uns  der  reiche  Schatz  an 
Kleinodien  und  Geräten  aus  Edelmetall  sein.  Silber,  ihm  zuständig, 
war  für  800  Gulden4  vorhanden,  Kleinodien  für  400  fl.; 5  letztere 
umfassten  auch  die  Schmucksachen  seiner  verstorbenen  Frau.  Ausser¬ 
dem  hat  diese  noch  viel  Perlen  besessen,  die  alle  zu  einem  Evangelien¬ 
rocke  verwandt  wurden  für  die  Predigerherren ;  sie  wurden  auf  40  fl.6 
geschätzt.  Glücklicherweise  ist  uns  das  Inventar  Jakob  Hellers  auch 
erhalten,  soweit  es  die  zu  Legaten  ausgesetzten  Silbergeräte,  Kleinodien 
und  das  Bargeld  betrifft.7  Da  erfährt  man  denn,  wie  gross  der  Silber¬ 
schatz  eines  Patriziers  der  damaligen  Zeit  gewesen  ist.  Der  Erwerb 
von  silbernem  Geschirr,  besonders  von  silbernen  Bechern  wurde  ja 
seitens  des  Rats  gerne  gesehen  und  gefördert.  Denn  jedem  Mann 
und  jeder  Frau  wurde  ein  silberner  Becher  steuerfrei  gelassen.  Die 
übrigen  Silbergeräte  wurden  nur  mit  5V2  Gulden  für  die  feine  Mark 
Silber  in  Ansatz  gebracht,  wenn  sie  im  Hause  benutzt  wurden, 


1  Bücher,  Steuerordnungen  a.  a.  O.  S.  161. 

2  Bothe  a.  a.  O.  S.  XXXVIII. 

3  Bothe  a.  a.  O.  S.  *70.  —  Testament  1519:  1000  fl.;  Inventar  1522: 
1000  fl.  in  einem  Beutel;  ausserdem  noch  viel  anderes  Geld,  so  365  fl.  in  Gold, 
ferner  Kronen,  Nobel  u.  s.  w. 

4  —  5600  Goldmark  =  ca.  28oooMk.  heutiger  Kaufkraft.  Bechtold  hat  1482 
schon  510  Gulden  an  Silbergeschirr  versteuert. 

s  =  2800  Goldmark  =  ca.  14000  Mk.  heutiger  Kaufkraft. 

6  —  280  Goldmark  =  ca.  1400  Mk.  heutiger  Kaufkraft. 

7  S.  u.  Beil.  No.  3. 


23 


356 


während  sie  verbedet  werden  sollten,  »alsz  sye  wert  sint«,  wenn  sie 
zu  Verkauf  standen.1  Der  Grund  für  die  Steuerbefreiung  und  Steuer¬ 
erleichterung  war  politischer  Natur.  In  ernsten  Zeiten  war  es  von 
grossem  Vorteil,  wenn  die  Stadtkasse  eine  Anleihe  bei  den  Bürgern 
machen  konnte,  um  die  durch  Kriegsrüstungen,  z.  B.  durch  Errichtung 
von  Schutzbauten  und  das  Anwerben  von  Reisigen  entstehenden 
Kosten  zu  bestreiten.  Das  Silbergeschirr  wanderte  dann  zu  einem 
guten  Teil  in  die  Münze.  Grosse  Barbestände  hatte  ja  die  Stadt  nie 
im  Ärar.  Aber  durch  diese  privaten  Silberschätze,  die  in  den  Tagen 
der  Not  der  Gesamtheit  dienstbar  gemacht  wurden,  hatte  der  Rat 
eine  Art  Kriegsschatz,  einen  mittelalterlichen  Juliusturm.  Die  Last, 
die  durch  das  Brachliegen  der  grossen  Kapitalien  erwuchs,  ruhte  dabei 
nicht  auf  den  Schultern  der  ganzen  Bürgerschaft,  sondern  war  ent¬ 
sprechend  der  Grösse  der  Vermögen  verteilt  auf  die  Wohlhabenden. 
Um  zum  Erwerb  solcher  unfruchtbaren  Besitzstücke  in  weiteren  Kreisen 
anzuregen,  liess  der  Rat  für  jeden  Mann  und  jede  Frau  jenen  Silber¬ 
becher  steuerfrei,  wenn  sie  ihn  in  ihrem  Besitz  hatten.2 

Die  Beschreibung,  welche  uns  im  Inventar  von  manchen  der 
Silbergeräte  gegeben  wird,  lässt  herrliche  Stücke  als  Jakobs  Eigentum 
erscheinen.  Ebenso  waren  prächtige,  kostbare  Ringe  in  grosser  Zahl 
in  seinem  Nachlass,  die  mit  herrlichen  Edelsteinen  geschmückt  waren; 
namentlich  Rubinen  und  Diamanten  waren  reichlich  vorhanden.  Jene 
Zeit  liebte  es  ja  die  Finger  mit  Schmuck  zu  überladen.  Man  braucht 
deshalb  nicht  anzunehmen,  dass  die  vielen  Ringe  und  sonstigen  Kost¬ 
barkeiten  auch  Handelsgegenstände  gewesen  seien.  Es  war  eine  Lieb¬ 
haberei,  der  reichen  Kaufherren  insbesondere,  über  einen  reichen 
Tresor  an  solchen  Schmuckstücken  zu  verfügen.  Sie  verwandte  man 
insbesondere  gern  zu  Vermächtnissen  an  liebe  Verwandte  und  gute 
Freunde.3  Unterstützt  wurde  auch  diese  Vorliebe  für  Kleinodien  durch 
den  Rat,  dessen  Mehrheit  und  dessen  Wortführer  ja  gerade  den 
Kreisen  angehörten,  die  am  meisten  Interesse  an  dem  Schmucke 


1  Bothe  a.  a.  O.  S.  *  29. 

2  Bothe  a.  a.  O.  S.  37  und  passim  in  den  Bedeordnungen,  Beil.  I. 

3  Daniel  Bromms  Testament,  1501:  Seiner  »Tochter«  (Stiefschwiegertochter) 
Margarethe  Stalburg  »minen  besten  rowyn«,  Hans  Bromms,  seines  Bruders,  Haus¬ 
frau  »den  andern  besten  rowyn  darnach«,  seiner  Schwägerin  Agnes,  Jacob  Kühorns 
Hausfrau,  »die  grosz  perle,  die  im  ring  stehet«,  Jacob  Kühorn,  Kanzler,  »minen 
besten  dorkesz«,  Siegfried  Knobloch  »den  besten  dorkesz  darnach«,  Siegfrieds  Haus¬ 
frau  »den  ander  besten  rowyn  darnach  und  das  perlecrutz  mit  etlich  rowyn  und 
dymant«,  Claus  Stalburg,  seinem  Stiefsohne,  »den  besten  Sophier«. 


357 


hatten.  So  wurden  alle  Kleinode,  die  man  »für  seinen  Leib«  besass, 
im  Mittelalter  steuerfrei  gelassen.1  Bei  den  im  Verzeichnis  aufge¬ 
zeichneten  Kleinodien  und  Silbergeräten  hatte  es  aber  noch  nicht 
sein  Bewenden.  Vielmehr  hat  Jakob  noch  manches  besonders  edle 
Stück  seinen  Verwandten  und  Freunden  vermacht.  So  fiel  z.  B.  das 
»vergült  Trasenyfasz2 3  mit  aicht  Schilden«  und  »eyn  vergulten  düppel 
kop«,5  den  er  sein  Lebtage  gebraucht  hatte,  auf  Wunsch  von  Jakobs 
Mutter  an  seine  Schwester  und  deren  Erben  mit  der  Bestimmung, 
dass  sie  niemals  verkauft,  veräussert  oder  gebrochen  werden  dürften, 
sondern  »von  eynem  vf  den  andern  sterben,  werden  vnnd  gefallen« 
sollten.  Ferner  ist  sein  goldner  Ring,  den  er  »täglich  getragen  hat«, 
»darin  gestogen  ist  f  Rex  f  Jasper  f  melheor  f  baltasar  f«,  nach 
Köln  gebracht  worden  und  dort  »den  helgen  3  Köngen«,  Jacobs 
»besondern  patron«,  geopfert  worden.4  Diese  drei  Heiligen  wurden  von 
den  Grosskaufleuten  gerne  als  Schutzpatrone  gewählt.  Waren  sie 
doch  die  weitgereisten  Könige  des  Orients,  die  die  köstlichen  Erzeug¬ 
nisse  der  fernen  Länder  brachten.  So  hat  denn  auch  ein  Claus  Stal¬ 
burg  die  Anbetung  der  drei  Magier  im  Karmeliterkloster  malen  lassen/ 
wo  auf  der  linken  Seite  des  Bildes  die  Karawrane  zu  sehen  ist,  wie 
solche  sonst  die  herrlichen  Produkte  des  Orients  für  die  Grosshändler 
heranführte. 

Wenn  man  auch  nicht  ziffernmässig  das  Vermögen  Jakob  Hellers 
berechnen  kann,  wird  man  doch  aus  den  Angaben  des  Testaments 
mit  Sicherheit  den  Schluss  ziehen  können,  dass  wir  es  mit  einem 
grossen  Besitze  zu  tun  haben.  Schon  die  Steuerdeklaration  Bechtolt 
Hellers  musste  uns  das  Urteil  abnötigen,  dass  jener  ein  recht  reicher 
Mann  gewesen  sei,  wenn  auch  freilich  nicht  der  reichste  Frankfurter 
seiner  Zeit.6  Man  wird  nicht  zu  hoch  greifen,  wenn  man  sein  Hab 


1  Bothe  a.  a.  O.  S.  *  26. 

2  S.  u.  S.  400. 

3  =  Becher. 

♦  Auch  in  der  Kirche  zu  den  heiligen  3  Königen  zu  Sachsenhausen  befand 
sich  der  Heller  und  Blume  Wappen  mit  der  Jahreszahl  1499.  Es  ist  also  sicher 
von  Bechtolt  und  seiner  Frau.  Ebenso  zu  S.  Bartholomaeus. 

s  Donner  v.  Richter,  Jerg  Ratgeb,  Maler  von  Schwäbisch  Gmünd,  seine 
Wandmalereien  im  Karmeliterkloster  zu  Frankfurt  a.  M.  und  sein  Altarwerk  in  der 
Stiftskirche  zu  Herrenberg.  1892.  Passavant,  Die  Anbetung  der  Könige,  Wand¬ 
malerei  in  dem  Kreuzgang  des  ehemaligen  Carmeliterklosters  zu  Frankfurt  a.  M. 
Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  u.  Kunst.  Bd.  8,  1858. 

6  A.  Schulte:  Wer  war  um  1430  der  reichste  Bürger  in  Schwaben  und  in 
der  Schweiz?  Deutsche  Geschichtsblätter  I.  1900.  S.  208. 


358 


und  Gut  auf  15000  fl.  anschlägt,  ln  der  Zwischenzeit  hatte  aber 
Jakob  viel  hinzuerworben.  Besonders  der  Handel  wird  ihm  grossen 
Gewinn  eingetragen  haben.  Auch  hat  ihm  seine  Frau  nicht  weniger 
als  7570  fl.  in  die  Ehe  gebracht,  die  durch  Handel  erworben  waren. 
Denn  die  Melem  hatten  ebenfalls  eine  Handelsgesellschaft.1  Johann 
von  Melem,  der  Schwiegervater  Jakob  Hellers,  hatte  1464  das 
»Steinerne  Haus«  erbaut,2  eine  Zierde  der  Stadt,  wie  denn  überhaupt 
im  14.  u.  15.  Jahrhundert  in  Frankfurt  schöne,  stattliche  Bauten  entstanden 
sind,  die  zumeist  von  Grosskaufleuten  aufgeführt  wurden.3  Sie  mögen 
zur  Anlage  solcher  burgähnlichen  Gebäude  durch  italienische  Vorbilder 
veranlasst  worden  sein.4  Von  dem  Heiratsgute  waren  Jakob  3000  fl. 
im  Testamente  seiner  Frau  vermacht  worden. 

Zunächst  steht  demnach  fest,  dass  Jakob  Heller  zu  Lebzeiten 
seiner  Frau  über  mehr  als  20000  fl.  verfügt  haben  muss,  die  140000 
Goldmark  entsprechen  und  sicherlich  heute  mindestens  700  000  M. 
gleichkommen  würden.  Und  doch  hat  er  nur  10000  fl.  zu  versteuern 
brauchen,  wenigstens  seit  1495.  Es  ist  also  richtig,  wenn  ich  an  der 
Festsetzung  jenes  steuerpflichtigen  Maximalvermögens  Anstoss  ge¬ 
nommen  habe.5 

Jakobs  Einnahmen  müssen  sich  sehr  hoch  belaufen  haben.  Aus 
drei  Quellen  schöpften  Heller  und  Seinesgleichen.  Zunächst  wurzelte 
er  noch  tief  in  der  Landwirtschaft.  Von  seinem  reichen,  auf  viele 
Hunderte  von  Morgen  sich  belaufenden  Grundbesitz  wird  er  eine 
ziemlich  bedeutende  Einnahme  gehabt  haben,  wenn  auch  keine  Rede 
davon  sein  kann,  dass  in  damaliger  Zeit  der  Acker  sich  mindestens 
mit  5—6%  verzinst  habe.6  Heiden hain  meint,  da  damals  bei 
Gültenverkäufen  ein  Rentenfuss  von  5%  üblich  gewesen  sei,  müsse 
das  Land  mehr  Reinertrag  geliefert  haben.  War  denn  aber  das 
Gültenkapital  dem  ganzen  Werte  der  Besitzung  gleich?  Blieb  nicht 


1  S.  u.  S.  395.  Bothe  a.  a.  O.  S.  66. 

2  Die  Baudenkmäler  in  Frankfurt  a.  M.  5.  Lieferung,  her.  von  Jung  und 
Hülsen,  S.  41. 

?  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte  I,  164:  ...  also  man  sagt,  so  sint  die 
meisten  grosten  und  köstlichsten  huse,  also  Brunenfelsch,  das  Paradisz  und  ander 
mirglich  husunge,  von  dem  obgenanten  handel  und  gewerbe  der  Eisesser  gebuhet 
worden. 

4  Auch  der  »Römer«  und  »Laderam«  sind  möglicherweise  für  italienische 
Händler  erbaut,  was  ihnen  die  Namen  eintrug,  nach  Rom  und  dem  Lateran. 
Die  Baudenkmäler  in  Frankfurt  a.  M.  1898.  Bd.  II,  S.  138. 

5  Bothe  a.  a.  O.  S.  70. 

6  Heidenhain  a.  a.  O.  S.  32. 


359 


ein  Teil  der  Liegenschaft  als  freies  Eigen  übrig?  Konnte  nicht  die 
Rente  von  diesem  miterarbeitet  werden?  Der  Rentenfuss  war  ja 
gleich  hoch,  mochte  das  Objekt,  auf  das  die  Gülte  verkauft  war,  ein 
Haus,  ein  Acker,  eine  Wiese,  ein  Weinberg  sein.  Man  müsste  mit 
Heidenhain  schliessen,  dass  auch  die  Häuser  stets  mindestens  5 — 6% 
Reingewinn  gebracht  hätten.  Und  doch  standen  häufig  viele  Häuser 
leer,  weil  es  an  Mietern  mangelte.  Beim  Boden  kann  man  aber  aus 
der  Höhe  des  Pachtzinses  die  durchschnittliche  Rentabilität  feststellen.1 
Im  Jahre  1516  galten  32  Achtel  Korn  für  2  Hufen  Land  als  eine  zu 
hohe  Pacht.  Es  sollte  »durch  fruntschaft«  etwas  »nachgelassen« 
werden.  Und  das  muss  sogar  recht  guter  Boden  gewesen  sein;  denn 
selbst  24  Achtel  wurden  für  3  Hufen  noch  für  eine  zu  strenge  Pacht¬ 
forderung  gehalten,  darum  wurde  vom  Pächter  der  Vertrag  auf¬ 
gekündigt.  Die  Hufe  wurde  dann  für  7  Achtel  verpachtet.  Demnach 
waren  die  Pachtzinse,  die  hier  in  Frage  kommen,  7,  8  und  16  Achtel 
Korn  für  die  ganze  Hufe.  Im  Inventar  Dr.  Johanns  von  Glauburg 
( 1 5 1 1)  kommen  einigemal  Hufen  mit  8  Achteln,  aber  auch  einmal 
4  Huben  minus  1  Morgen  mit  nur  20  Achteln  Pacht  vor.  Noch  im 
Jahre  1587  wurde  1  Hufe  Acker  für  8  Achtel  verpachtet.2  Freilich  lag 
damals  der  Kornpreis  schon  höher.  Um  1500  aber  galt  das  Achtel 
etwa  72  fl.3  Da  aber  gewöhnlich,  wenn  kein  bestimmter  Zins  fest¬ 
gestellt  wurde,  die  Äcker  zum  Halbteil  verpachtet  wurden,4  demnach 
der  sonstige  Pachtsatz  nicht  viel  vom  durchschnittlichen  halben  Rein¬ 
erträge  verschieden  gewesen  sein  wird,  so  wäre  der  ganze  etwa  auf 
6,  7,  8  und  16  Gulden  anzusetzen,  wenn  man  obige  Pachtabgaben 
unter  diesem  Gesichtspunkte  betrachtet.  Wenn  man  dieselben  nun  als 
5%  des  Bodenwerts  ansieht,  muss  man  die  Hufe  mit  120,  140,  160 
und  320  Gulden  anschlagen.  Entsprechen  die  damals  üblichen  Boden¬ 
preise  dieser  Annahme?  In  der  Tat  kommen  niedrige  Preise  von 
4—6  Gulden  für  den  Morgen  vor.  1502  verkaufte  Jorge  von  Martorff 
anClas  von  Rückingen  7i3/4Morgen  SRuten  arhaftigen  Ackers  imKnob- 


1  Bothe  a.  a.  O.  S.  XLI.  Anm.  13. 

2  Akten  Claus  Bromms:  2V2  Hufen  für  20  Achtel.  Dabei  wurden  dem 

Pächter  4 — 5  Achtel  zum  Säen  vorgestreckt  und  20  Gulden  bar,  die  jener  im 

Herbst  mit  Fahren  und  sonst  abverdienen  sollte.  Auch  2  Fuder  Stroh  wurden  ihm 
geliehen,  die  er  im  Herbst  mit  Stroh  wiederbezahlen  sollte.  Der  Pächter  verpflichtete 
sich  jährlich  —  2  Morgen  zu  düngen. 

3  Bothe  a.  a.  O.  S.  *175. 

4  Bothe  a.  a.  O.  S.  XLI,  Anm.  13  u.  S.  *28.  Auch  Claus  Stalburgs  »gut 

zu  Breungesheim«  ist  »umbs  halbtheil  verlainet«  gewesen:  Inventar  1524. 


360 


lauchs-,  Rieder-  und  Galgenfelde  für  312  fl.  2  ß  guter  Frankfurter 
Währung,  den  Morgen  für  4  fl.  3  ß  3  h.1  Und  1498  veräusserten 
Jacob  und  Jorge  Nuhusz  viele  Morgen  Acker  für  5V4  Gulden,2  ebenso 
Wolf  Blume  an  Clas  von  Rückingen.  Andererseits  kommen  aber 
Verkäufe  vor,  wo  der  Morgen  Acker  io2/s,5  12V2  oder  16  Gulden 
gekostet  hat,  z.  B.  1476.4  1525  galt  er  sogar  24  Gulden,  obgleich 

noch  2  ß  Zins  darauf  lagen.4  Demnach  würde  sich  der  Preis  einer 
Hufe  Acker  auf  130V2,  144,  157V2,  320,  375,  480,  721 1/2  Gulden  ge¬ 
stellt  haben.  Das  sind  aber  Summen,  die  von  den  oben  verrechneten 
wesentlich  abweichen,  wenn  man  bedenkt,  dass  dort  die  höchsten 
Preise  nach  Pachtabgaben  angesetzt  sind,  die  als  zu  hoch  bezeichnet 
wurden,  während  in  den  zuletzt  gegebenen  Preisen  die  niedrigsten 
von  dem  Verkaufspreise  des  Morgens  in  grossen  Arealen  entnommen 
sind,  die  wegen  der  Grösse  schwerverkäuflich  waren  und  die  nun 
in  die  Hände  befreundeter  Standesgenossen  der  bisherigen  Besitzer 
übergingen.  Man  muss  demnach  annehmen,  dass  der  Reinertrag 
nicht  einmal  mit  5%  angesetzt  werden  darf;  der  Pachtzins  hat  also 
weniger  als  2V2°/o  betragen.  Wesentlich  höher  muss  sich  der  Nutzen 
aus  Wiesen  und  Weingärten  belaufen  haben,  i486  kostete  ein  Morgen 
Wiese  16— 17V2  Gulden.5  Im  Inventar  Gelbrechts  von  Holzhausen 
vom  Jahre  1516  heisst  es  nun:  »Item  III  morgen  im  raugen,  die  hat 
Axt  Dottenfelt  eim  verkauft,  das  grasz,  hat  III Va  fl.  darusz  bezalt 
vnd  1  albus  vor  wenkauf.«  Wenn  man  einmal  den  Wiesenpreis  zu 
Dorfeiden,  wo  dieser  Besitz  lag,  dem  oben  genannten  gleichsetzt, 
würde  der  Bruttoertrag  6,7— 7,3%  gewesen  sein.  Wahrscheinlich 
war  aber  der  Preis  niedriger  und  demnach  der  Gewinn  höher.  Wenn 
übrigens  derselbe  Gelbrecht  von  Holzhausen  von  4  Morgen  Wiesen, 
»ligen  vor  dem  dennenwald  in  zweyen  placken,  hat  Hengin  vf  dem 
schafhof  jars  vor  1III  lb.«,  eine  absolut  wie  relativ  wesentlich 
höhere  Pacht  erhält  als  aus  Ackerland,  so  gibt  das  der  im  Mittelalter 
üblichen  höheren  Besteuerung  des  Wiesenlandes  recht.6  Noch  ein¬ 
träglicher  war  der  Weinbau.  Darum  wandten  sich  immer  mehr  vom 


1  Majorwährschaftsbücher  Bd.  29,  fol.  120. 

2  Ebenda  Fol.  146b,  147a. 

3  Ebenda  Fol.  173  b:  Melchior  Schwarzenberg  verkauft  1  */z  Morgen  bei  der 
kleinen  Öde  an  Claus  Stalburg  für  16  fl. 

4  Bothe  a.  a.  O.  S.  *188 f. 

3  B  othe  a.  a.  O.  S.  *188. 

6  Bothe  a.  a.  O.  S.  36/7. 


361 


Körnerbau  ab  und  verwandelten  ihre  Äcker  in  Weinberge,  sodass  der 
Rat  dagegen  einschreiten  musste.1 

Jakob  Heller  muss  aus  seinen  vielen  Äckern,  Wiesen  und  Wein¬ 
gärten  ein  reiches  Einkommen  gehabt  haben.  Die  Weingärten  zu 
Frankfurt  und  zu  Soden  baute  er  selbst;  er  hatte  dazu  2  Weingärtner 
in  Dienst.  Auch  die  Wiesen  und  einen  Teil  der  Äcker  wird  er  selbst 
bestellt  haben.  Von  den  Wiesen  steht  diese  ßewirtschaftungsform 
für  seinen  Vater  fest.2  Und  der  grosse  Vorrat  an  Korn3  lässt  die 
Selbstbestellung  auch  bei  grossen  Ackerflächen  vermuten.  Immerhin 
waren  diese  Einnahmen  nicht  die  wesentlichsten. 

Höhere  Erträge  brachten  die  Häuser.  Ich  meine  damit  die  Ein¬ 
künfte  aus  dem  Vermieten  der  günstig  belegenen  Gebäude  an  Mess¬ 
fremde.4  Wenn  Jakob  allein  aus  dem  Nürnberger  Hofe  jährlich  600  fl. 
und  mehr  einnahm,  wie  er  in  seinem  Testamente  erklärt,  so  gibt 
uns  das  einen  Begriff  von  der  Einträglichkeit  des  Häuserbesitzes, 
soweit  er  im  Messviertel  lag,  wo  das  geschäftliche  Leben  auf-  und 
abflutete.  Man  kann  sich  denken,  dass  Heller  zu  Messzeiten  gern  daheim 
war,  um  die  wichtige  Gelegenheit  zum  Verdienst  wahrzunehmen.5 

Und  zuguterletzt  fielen  dem  Grosskaufmanne  die  reichen  Ge¬ 
winne  in  den  Schoss,  die  der  venetianische  Handel  brachte.  Es  ist 
ein  fruchtloses  Bemühen,  den  Unterschied  zwischen  dem  Ertrage  des 
Bodens  und  des  Handels  als  verschwindend  klein  nachweisen  zu 
wollen.6  Wer  würde  wohl  so  töricht  gewesen  sein,  grosse  Ver¬ 
mögen  in  gefährliche  Unternehmungen  zu  stecken,  wenn  ihm  nur 
ein  Mehrgewinn  von  1—2%  gewinkt  hätte  gegenüber  der  Vermögens¬ 
nutzung,  welche  ihm  im  Bezug  von  Renten  oder  in  den  Bodenzinsen 
sicher  und  risikofrei  zufloss?  Und  wer  würde  von  den  Frankfurtern 
sich  auf  solche  Abenteuer  eingelassen  haben,  wenn  sie  weniger  ab¬ 
warfen  als  die  Häuser  in  der  Innenstadt?  Die  600  fl.,  die  der  Nürn¬ 
berger  Hof  allein  in  Messzeiten  an  Mieten  brachte,  stellten  schon 
eine  Verzinsung  zu  8V2%  dar.7  Ausserdem  hatte  Heller  den  »Sess« 
im  Hause;  und  während  des  übrigen  Jahrs  werden  aus  dem  Ver¬ 
mieten  der  Schlafräume,  der  Ställe  usw.  noch  manche  Einnahmen 

1  Bothe  a.  a.  O.  S.  37,  Anm.  1.  Kriegk  a.  a.  O.  I,  281. 

2  Bücher,  Steuerordnungen  a.  a.  O.  S.  136,  160.  Bothe  a.  a.  O.  62. 

3  S.  o.  S.  355. 

t  Bothe  a.  a.  O.  S.  XLII.  Vgl.  ebenda  S.  XXXIII. 

s  Cornill  a.  a.  O.  S.  5. 

6  Heidenhain  a.  a.  O.  S.  31  ff. 

7  S.  o.  S.  352. 


362 


zu  verzeichnen  gewesen  sein.  Die  Räumlichkeiten  waren  gross  und 
zahlreich,  sodass  i486  und  1517  die  Kaiser  Friedrich  und  Maximilian 
ihren  Aufenthalt  bei  Heller  nehmen  konnten.1  Man  wird  darum  nicht 
zu  hoch  greifen,  wenn  man  dem  Gebäude  eine  Bruttoverzinsung  von 
10%  zuspricht.  Und  da  sollte  der  kluge  kaufmännische  Sinn  die 
Patrizier  nicht  besser  beraten  haben,  sodass  sie  ihr  gutes  Geld  an  den 
nutzungsarmen  Handel  mit  fernen  Ländern  gewagt  hätten,  obwohl 
sie  durch  Ankauf  von  gutgelegenen  Häusern  einen  reicheren  und 
sichereren  Gewinn  sorgenlos  hätten  einstecken  können?  Vielmehr 
ist  es  ganz  unzweifelhaft,  dass  der  Grosshandel  weit  grössere  Erträge 
gezeitigt  hat  als  die  beiden  anderen  Einnahmequellen,  der  Bodenzins 
und  die  Bodenbestellung  einer-  und  die  Häusermiete  andererseits. 
15%  wird  man  mit  gutem  Grunde  als  durchschnittlichen  normalen 
Handelsgewinn  annehmen  können.  Wenn  1558  ein  Craft  Stalburg 
und  Jacob  von  Botzheim  zu  Hagenau  von  ihrem  Schwager  Hans 
Botzheim,  den  sie  »zu  ihres  gemeinen  Handels  und  Gewerbs  Diener« 
bestellt  hatten,  11000  fl.  aufnahmen  und  sie  mit  6°/o  verzinsten,2  so 
ist  das  doch  sicherlich  ein  Beweis  für  die  wesentlich  höhere  Ertrag¬ 
fähigkeit  des  Handels  mit  Italien.  Natürlich  muss  man  von  grossen 
Fehlschlägen  absehen,  durch  die  das  ganze  Handelskapital  verloren 
gehen  konnte.  Solche  waren  z.  B.  das  Niederwerfen  der  Flandels- 
züge  durch  Räuber3  und  das  »Vergehen  der  Kaufmannschaft  auf  dem 
Wasser«.4  Auch  der  Sturz  der  Konjunktur  konnte  alles  zunichte 
machen,  und  Bankerotte  waren  deshalb  keine  Seltenheit.  So  hat 
Hellers  Verwandter  Wolf  Blum  1483  mit  23  000  Dukaten  Defizit 
falliert.5  An  der  Handelsgesellschaft  war  wohl  auch  Bechtolt  Heller, 
Jakobs  Vater,  beteiligt  gewesen.6  Denn  Melchior  Blume  hatte  von 
ihm  1000  fl.  gehabt,  die  er  natürlich  in  den  Handel  der  »Blumen¬ 
gesellschaft«7  getan  hatte. 

Aber  nicht  nur  über  diese  gute  Vermögenslage  Hellers  orien¬ 
tiert  uns  sein  Testament,  sondern  wir  bekommen  durch  sein  Studium 
einen  Einblick  in  die  eigenartig  beschaffene  Geisteswelt  dieses  Mannes 
und  werden  zugleich  über  manches  unterrichtet,  was  zur  Beurteilung 


1  Battonn  a.  a.  O.  III,  127. 

2  Kriegk  a.  a.  O.  N.  F.  S.  452. 

3  Simonsfeld  a.  a.  O.  II,  43  u.  122. 

1  Bothe  a.  a.  O.  S.  *27. 

5  Simonsfeld  a.  a.  O.  I,  38  u.  68;  II,  Nr.  562. 

6  Bothe  a.  a.  O.  S.*  70,  Beil.  I,  Nr.  35a. 

7  Bothe  a.  a.  O.  S.  157,  Anm.  2. 


3^3 


der  kirchlichen  und  religiösen  Fragen  jener  Zeit  nicht  unwichtig  ist. 
Jakob  Heller  war  eine  strengkirchliche,  ernste  Natur.  Er  wurzelte 
fest  im  alten  Glauben:  die  neue  Lehre  hat  an  ihm  keinen  Anhänger 
gefunden,  vielmehr  hat  er  sich  starr  konservativ  verhalten.  Von  seiner 
tiefreligiösen  Geistesverfassung  geben  uns  namentlich  die  ausführ¬ 
lichen  Vorschriften  für  die  beiden  Pilgerfahrten  Kunde,  die  für  ihn 
nach  seinem  Tode  nach  Rom,  Venedig,  Loretto,  Einsiedeln  und 
andererseits  nach  Hirzenheim,1  Worms,  Aachen,  Köln  und  Düren 
unternommen  werden  sollten.  Aber  die  von  ihm  gegebenen  An¬ 
ordnungen  lassen  ihn  uns  zugleich  als  einen  noch  tief  in  dem  äusser- 
lichen  Zeremonienwesen  befangenen  Mann  kennen  lernen.  Er  war 
selbst,  wahrscheinlich  in  Handelsgeschäften,  im  Jahre  1500  in  Rom 
gewesen  und  hatte  dabei  alle  die  Hauptkirchen  und  die  für  einen 
gläubigen  Sohn  der  Kirche  heiligen  Altäre  besucht.  Damals  wird  er 
auch  dreimal  auf  seinen  Knien  »de  wisz  marmelnstensteyg«  hinauf¬ 
gerutscht  sein,  »de  onser  her  Christosz  auf  ganhein  ist,  alsz  er  for 
pilatosz  gefort  wart«  und  wird  »of  icliger  dropein  eyn  paternoster, 
aue  maria«  gesprochen  haben,  »ond  of  der  lystein  eyn  glauben  ond 
of  der  drapen  metten,  da  dasz  isengeremsz  auf  stet«  wird  er  »zo 
allinmal  3  paternoster,  3  aue  maria,  eyn  gluben«  gebetet  haben, 
»dan  auf  derselben  drapen  ist  Jesus  gefaln,  alsz  man  noch  de  blutz- 
dropen  seycht«.  Er  zweifelt  nicht  an  der  Wahrheit  alles  dessen,  was 
er  gehört  hat  von  Wundern,  die  hier  oder  dort  ein  Marienbild  getan 
hat;  so  spricht  er  von  St.  Hieronymus’  Altäre,  neben  dem  ein  »mergen- 
bild«  stehe,  »dasz  met  Sant  Gregoriosz  geritt  (geredet)  hat«.  So 
glaubt  er  auch  treuherzig  und  gehorsam  die  fromme  Märe,  dass  unter 
dem  Altar  zu  St.  Praxedis  »de  sul  onder  stat,  da  gott,  onser  her, 
an  gegeiselt  ist  wordein.«  Ebenso  wie  die  Marmortreppe  aus  Pilatus, 
Richthause  mit  den  Blutstropfen  Christi  war  nach  seinem  Glauben 
die  Tafel  in  Rom  erhalten,  auf  der  der  Herr  mit  seinen  Jüngern  das 
Abendmal  gegessen  hatte;  ferner  das  heilige  Kreuz  von  Jerusalem 
und  der  Altar,  an  dem  die  Apostel,  also  Petrus  und  Paulus,  Messe 
gelesen  hatten.  Der  fromme  Betrug,  den  die  Papstkirche  mit  diesen 
Dingen  trieb  und  der  Uhr  die  für  den  Klerus  so  gewinnbringenden 
Pilgerfahrten  und  der  »heiligen«  Stadt  die  Verehrung  der  stumpfund 
blind  Glaubenden  eintrug,  hatte  auch  in  Heller  ein  Opfer  gefunden. 
Und  bis  ins  kleinste  schreibt  er  die  Zahl  der  Gebete,  den  Preis  der 
zu  opfernden  Kerzen,  die  Menge  der  Mitbeter  vor:  man  blickt  in  die 


1  Hirschheim,  berühmter  Wallfahrtsort  im  jetzigen  Kreise  Nidda. 


364 


trostlosen  Zustände  der  Papstkirche  hinein,  in  der  alle  Beziehungen 
des  Menschen  zu  Gott  zu  toten  Formeln  erstarrt  waren.  Mochte 
Heller  noch  so  sehr  von  dem  Pilgrim  und  den  Priestern  verlangen, 
dass  sie  »fliszlich  mit  andacht«  für  sein,  seiner  Frau  und  ihrer 

I 

beider  Eltern  sowie  ihrer  »Guttäter«  Seelenheil  beten  sollten,  man 
wird  nicht  umhin  können,  an  der  Innigkeit  dieser  in  grosser  Zahl 
aufgegebenen  Gebete  zu  zweifeln,  namentlich  wenn  ganz  fremde 
Menschen  als  Mitbeter  für  Geld  angeworben  wurden.  Die  Marmor¬ 
treppe,  auf  der  Christus  zu  Pilatus  emporgestiegen  sein  soll,  mussten 
z.  B.  der  Priester,  der  Pilger  und  noch  3  arme  Menschen  dreimal 
hinaufrutschen,  denen  man  für  jedes  Mal  je  2  Kreuzer  reichen  sollte. 
Wie  weihelos  und  oberflächlich  die  Priester  ihr  einträgliches  Hand- 
werk  zu  Rom  betrieben,  das  hätte  doch  Heller  bei  seiner  Anwesenheit 
in  der  ewigen  Stadt  ebenso  auffallen  müssen  wie  Luther,  wenn  er 
nicht  blind  und  befangen  gewesen  wäre. 

Eine  Bestimmung  seines  Testamentes  wirft  übrigens  ein  eigen¬ 
tümliches  Licht  auf  die  damaligen  kirchlichen  Zustände  und  trägt 
zur  Charakterisierung  des  pflichtvergessenen  und  geldgierigen  Klerus 
bei.  Heller  verordnet  nämlich,  dass  den  Kaplänen  auf  der  Pfarre 
ein  halbes  Fuder  Wein  gegeben  werden  solle  oder  10  fl.,  »dem  armen 
foulk  fruntlig  zu  sein,  so  se  de  berichten1  ond  beycht  horn«.  Also 
Jakob  Heller,  der  mit  seinem  ganzen  Wesen  noch  auf  dem  Boden 
der  alten  Kirche  stand,  hielt  es  für  nötig,  die  Kapläne  durch  eine 
reiche  Zuwendung  zu  bewegen,  gegen  die  Armen,  die  zur  Beichte 
kamen,  freundlich  zu  sein.  So  sehr  dieser  Passus  für  das  mitleidige 
Herz  Hellers  spricht,  so  sehr  ist  er  doch  auch  eine  Verurteilung  des 
Klerus,  der  auf  materiellen  Vorteil  sah  und  dem  armen  Sünder 
nicht  so  bereitwillig  die  Himmelstür  öffnete  wie  dem  reichen.  Mit 
Geld  war  eben  in  der  Papstkirche  viel  zu  machen.  Wer  viel  in  den 
Kasten  tun  konnte,  dessen  Seele  war  der  Förderung  durch  den  Priester 
sicher.  Gute  Werke,  d.  h.  hier  reiche  Schenkungen,  öffneten  den 
Zugang  zur  Gnade.  Auch  Heller  ist  in  diesem  Glauben  befangen 
gewesen,  seine  religiöse  Anschauung  wurzelt  in  der  Werkheiligkeit. 

Dieser  Auffassung  sind  offenbar  alle  seine  Stiftungen  ent¬ 
sprungen.  Der  Tod  seiner  Hausfrau  und  die  Kinderlosigkeit  seiner 
Ehe  werden  ihn  erst  recht  in  dem  Vorhaben  bestärkt  haben,  von 
seinem  reichen  Gut  der  Kirche  namhalte  Zuwendungen  zu  machen. 
Besonders  das  Ausbleiben  des  Kindersegens  musste  ja  in  jenem  Zeit- 

1  =  das  Abendmahl  reichen. 


* 


3<$5 


alter  der  fruchtbaren  Ehen  leicht  als  eine  Strafe  des  Himmels  ange¬ 
sehen  werden.  Jakob  hat  es  denn  auch  nicht  daran  fehlen  lassen, 
sich  Freunde  mit  dem  ungerechten  Mammon  zu  machen,  und  zwar 
namentlich  bei  Orden  und  Klerikern,  deren  Fürbitte  ihm  und  seinen 
Angehörigen  zu  statten  kommen  sollte.  Er  war  mit  seiner  Gattin 
zu  mehreren  Orden  in  enge  Beziehungen  getreten,  sodass  sie  als 
Bruder  und  Schwester  von  den  Herren  auf  St.  Jacobsberg  und  auf  St. 
Johannsberg  bezeichnet  und  gehalten  wurden.  Im  selben  Verhältnis 
standen  sie  zu  »Unser  lieben  Frauen  zu  Herzenhain«  (Hirschheim) 
und  zu  den  Predigerherren  zu  Frankfurt,  in  deren  Seelenbuch  sie 
geschrieben  und  in  deren  »gemen  bruderschaft«  sie  aufgenommen 
waren.  Schon  1502  hat  er  als  Gegengeschenk  für  die  ihm  erwiesene 
Gunst,  die  ihm  und  seiner  Gattin  den  Himmel  in  sicherere  Aussicht 
stellte,  den  Herren  zu  Hirschheim  ein  schwarzes  Pferd  geschenkt. 
Und  auch  sonst  hat  er  schon  vor  der  Abfassung  seines  Testaments 
Stiftungen  für  geistliche  Zwecke  gemacht.  Von  Albrecht  Dürer'  hat 
er  1507  das  berühmte  Altarwerk,  die  Himmelfahrt  und  Krönung 
Marias,  für  den  Thomasaltar  im  Predigerkloster  malen  lassen,1 2  ferner 
hat  er  die  Kreuzigungsgruppe,  den  Calvarienberg,  am  Dome  geschenkt.3 
Und  auf  dem  Ölberge  zu  unserer  lieben  Frau  wird  er  schon  früher 
irgend  eine  Stiftung  gemacht  haben,  vielleicht  eine  Darstellung  von 
Christus  mit  seinen  Jüngern  in  Gethsemane;  wenigstens  lässt  sich 
dies  aus  der  Bestimmung  vermuten,  dass  10  fl.  gegeben  werden 
sollen,  die  man  »by  dem  olenberg  doselbst,  wes  die  notturft  do  er¬ 
fordert,  verbawen«  solle.4  1504  hatte  er  auch  schon  zum  Kirchhofe 


1  Über  andere  Bilder  von  Dürer  vgl.  Koch,  Das  Dominikanerkloster  zu 
Frankfurt  a.  M.,  13.  bis  16.  Jahrhundert.  1892.  S.  54.  Vielleicht  sind  auch  die  er¬ 
haltenen  Bilder  Jakobs  und  seiner  Gattin,  die  am  Altar  angebracht  waren,  von 
Dürers  Hand  gebessert.  Historisches  Museum  B  Nr.  267  und  269.  Cornill  a.  a.  O. 

1  Cornill  a.  a.  O.  S.  18  ff.  Vollendet  1509.  Heller  hat  dafür  200  fl.  be¬ 
zahlt,  130  Gulden  waren  vereinbart;  Dürer  schätzte  sein  Werk  aber  gar  auf  300 
bis  400  fl.  ein.  Heller  hat  Dürers  Frau  auf  deren  Bitte  um  ein  »Trinkgeld«  ein 
Kleinod  verehrt.  Man  muss  zur  richtigen  Beurteilung  von  Hellers  Handlungsweise 
bedenken,  dass  er  statt  ca.  910  Goldmark  deren  1400  gezahlt  hat,  statt  etwa  5460  Mk. 
heutiger  Kaufkraft  etwa  8400. 

3  Cornill  a.  a.  O.  S.  42. 

4  S.  u.  S.  380.  Cornill  a.  a.  O.  S.  6.  So  lautet  die  Bestimmung  im 
eigentlichen  Testament ;  darin  heisst  es  auch,  dass  »das  Creutz  uf  dem  pfarkirchof 
vnd  der  Olenbergk  zu  vnser  lieben  Frauen,  wesz  mangels  daran  were,  versehen« 
werden  solle.  An  einer  andern  Stelle,  im  Codicill,  sagt  er,  er  bestimme  für  ewige 
Ampeln  120  fl.,  »ein  for  dasz  Krutz  of  dem  parkerghof,  de  ander  for  dem  olyberg 
zu  onser  libein  frauen,  dasz  ich  machen  hab  lassen.« 


-  366  — 

von  St.  Peter  ein  Stück  Land  geschenkt.  Auch  hat  Jakob  sich  mit 
an  der  Ausmalung  des  Kreuzgangs  im  Karmeliterkloster  beteiligt,  zu 
der  Claus  Stalburg  und  seine  Hausfrau  Margarete  vom  Rhein  die 
Anregung  gegeben  hatten.' 

Dass  Jakob  einen  für  Kunst  sehr  empfänglichen  Sinn  besessen 
hat,  muss  man  nach  diesen  an  Meister  der  Malerei  und  der  Plastik 
erteilten  Aufträgen  annehmen.  In  ihm  war  dieselbe  Kunstliebe 
lebendig,  die  man  in  jenen  Tagen  an  den  Inhabern  des  Fondaco  be¬ 
obachten  kann,  dessen  Inneres  und  Äusseres  von  der  Hand  hervor¬ 
ragender  Künstler  ausgeschmückt  worden  ist.2  Auch  Dürer  war  ja 
im  Aufträge  der  Deutschen  Kaufmannschaft  in  Venedig  1505  mit 
einer  Arbeit  betraut  worden:  er  schuf  für  die  nahe  dem  Fondaco 
gelegene  Kirche  San  Bartolomeo  ein  Gemälde,  das  die  Verherrlichung 
der  Maria  im  Rosenkranzfeste  darstellte.  Ob  Heller  dadurch  veran¬ 
lasst  worden  ist,  ihm  kurz  darauf  obigen  Auftrag  zu  erteilen,  lässt 
sich  nicht  erweisen.  Immerhin  liegt  die  Möglichkeit  nahe.  Auch  in 
seinem  Heim  wird  Heller  Kunstwerke  beherbergt  haben,  die  für  ihn 
einen  hohen  Wert  gehabt  haben  müssen.  Denn  seiner  Schwester  Lukel, 
die  im  Orden  der  weissen  Frauen  zu  Mainz  war,  vermachte  er  »dasz 
flag  mergenbeld  mit  dem  rodein  mantel,  mit  dem  graein  fouder  gemalt, 
ond  roden  paternoster«.  Auch  die  Beschreibung  des  Messgewands 
und  des  Evangelienrocks,  den  er  den  Predigerherren  fertigen  lassen 
wollte,  lässt  auf  ein  hochentwickeltes  Schönheitsgefühl  schliessen.  Sie 
sollten  »fan  eyn  roden  samet,  fan  dein  bestein  ond  schonstein,  of 
dasz  allerkostlig  ond  richtlisz  gemacht  werden«.  Der  Evangelienrock 
sollte  St.  Jakob  und  Katherine,  das  Messgewand  ein  schönes  Kreuz 
und  Maria,  Johannes  und  Maria  Magdalena  als  Schmuck  erhalten. 
Und  zwar  sollten  alle  Perlen  seiner  Frau  für  die  Stickereien  verwandt 
werden.  Man  kann  sich  die  Kostbarkeit  des  Gewandes  vorstellen, 
wenn  man  erfährt,  dass  für  ein  Messgewand,  Evangelienrock  und 
Chorkappe  120  fl.  angelegt  worden  sind.  Das  waren  demnach 
840  Goldmark  und  nach  heutiger  Kaufkraft  sicherlich  4200  Mk.  Man 
wird  sich  nach  diesem  Beispiele  einen  Begriff  machen  können  von 
der  reichen  Tracht,  die  damals  in  den  vornehmen  Bürgerkreisen 
üblich  war.  Die  Inventare  über  das  Vermögen  von  Patriziern  jener 
Zeit,  die  uns  erhalten  sind,  weisen  denn  auch  edle,  prächtige  Gewände 


1  Donner-von  Richter  a.  a.  O.  S.  72. 

1  Simonsfeld  a.  a.  O.  II,  109,  131.  Die  Fassade  des  neuen  Fondaco  wurde 
von  Tizian  und  Giorgione  bemalt. 


367 


auf.1  Und  auch  aus  Hellers  Testament  kann  man  auf  verschwenderische, 
wenn  auch  gediegene  Kleidung  schliessen.  Denn  er  vermacht  der 
Hausfrau  Balthasars  vom  Rhein  eine  Schaube  seiner  verstorbenen 
Gattin.  Dieselbe  muss  demnach  äusserst  kostbar  gewesen  sein.  Und 
aus  seinem  leberfarbenen  schamlotenen  Oberrock  soll  ein  Messgewand 
gefertigt  werden,  während  das  Marderfutter  verkauft  und  für  den 
Erlös  ein  schönes  Kruzifix  gemacht  werden  soll.  Natürlich  ist  doch 
an  ein  silbernes  zu  denken.  Und  dennoch  ist  wahrscheinlich  noch 
Geld  übrig  geblieben.2  Von  der  »Köstlichkeit«  der  Gewänder  be¬ 
kommt  man  eine  Vorstellung,  wenn  man  hört,  dass  6  Ellen  schwarzer 
Mailänder  Samt  zu  Männerwämsern  14  fl.  kosteten;3  das  wären  also 
98  Goldmark  und  etwa  500  Mk.  heutiger  Kaufkraft  gewesen.  Man 
fühlt  sich  wie  in  eine  Märchenwelt  entrückt,  wenn  man  von  den 
kostbaren  Seidengeweben,  den  mit  Gold  und  Silber  durchwirkten 
und  gestickten  zarten  Stoffen  und  den  feinen,  edlen  Glasschalen  mit 
Malereien  vernimmt,  die,  aus  Italien  eingeführt,  in  den  Häusern  der 
vornehmen  deutschen  Welt,  so  auch  in  den  Frankfurter  Patrizier¬ 
häusern,  anzutreffen  waren.4  Neben  den  ebenfalls  meistens  aus  Italien 
stammenden  herrlichen,  getriebenen  Gold-  und  Silberarbeiten  und  den 
farbenreichen,  mit  eingewebten  Bildern  und  Wappen  dekorativ  wirken¬ 
den  Wandteppichen  und  Banktüchern4  verliehen  diese  prächtigen  Gegen¬ 
stände  dem  Interieur  der  vornehmen  Bürgerhäuser  trotz  des  sonst 
zumeist  noch  einfachen  Hausrats  einen  prunkhaften  und  doch  edlen, 
gediegenen  Charakter.  Man  kann  wirklich  für  diese  Gesellschafts¬ 
kreise  des  ausgehenden  Mittelalters  die  Lobeshymnen  des  Aeneas 
Sylvius5  über  die  Prachtentfaltung  seiner  deutschen  Zeitgenossen  in 
ihrer  äusseren  Erscheinung  und  im  Innern  der  Häuser  als  berechtigt 
anerkennen.  Italien  hatte  trefflich  Schule  gemacht. 

Auch  für  eine  Münzsammlung  hat  Heller  Sinn  gehabt.  Daraut 
weisen  die  verschiedenen  Geldsorten  hin,  deren  im  Inventar  Erwähnung 
geschieht.  Dass  eine  solche  Liebhaberei  keine  Seltenheit  war,  darüber 
belehrt  uns  ein  Passus  der  Bedeordnung  von  1462,  in  dem  es  heisst:6 


1  Z.  B.  das  Inventar  Claus  Stalburgs  des  Reichen,  1524.  Heyne,  Fünf 
Bücher  deutscher  Hausaltertümer.  III,  229,  281. 

2  S.  u.  S.  388.  —  Vgl.  das  Porträt  Jakobs  u.  Katharines:  Cornill 
a.  a.  O. 

?  Job  Rorbachs  Tagebuch:  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte  I,  282. 

4  Inventar  Claus  Stalburgs  1524.  Bothe  a.  a.  O.  S.  161.  Falke  a.  a.  O. 

5  Schmoller  a.  a.  O.  S.  465. 

6  Bothe  a.  a.  O.  S.  *29. 


368 


Item  hette  eyner  bobestgulden  oder  ander  gülden  montze 
odei  silbern,  sülte  er  verbeden,  nach  dem  sye  wert  weren,  und  nit 
uszgetzogen  werden  vor  eyn  cleinheyt  oder  drinckfasse. 

Dass  Jakob  Heller  auch  schöne  Bücher  zu  schätzen  wusste,  geht 
aus  der  Stelle  seines  Testaments  hervor,  derzufolge  sein  guter  Freund, 
der  Ratsschreiber  Oswald  Hug,  sich  2 — 3  Bücher  aus  seiner  Bibliothek 
aussuchen  dürfe.  Diese  Liebhaberei  für  schöne,  »köstliche«  Literatur¬ 
werke  wird  er  von  seinem  Vater  geerbt  haben.  Denn  in  dessen 
Vermögensübersicht  vom  Jahre  1482  heisst  es:  »Item  buchet  an¬ 
geschlagen  an  C  fl.  saczet  XVI  ß  VI  h.«  Dass  es  damals  eine  weit¬ 
verbreitete,  edle  Liebhaberei  gewesen  ist,  sich  eine  Bibliothek  schöner, 
kostbarer  Bücher  anzulegen,1  geht  daraus  hervor,  dass  die  Steuerrollen 
jener  Tage  in  einem  besonderen  Passus  von  den  Büchersammlungen 
handelten.  So  heisst  es  1495  :  Item  bucher,  die  köstlich  sind,  soll 
man  auch  verbeden.2  Wie  sympathisch  Jakob  Heller  der  Anschaffung 
einer  Stadtbibliothek  gegenüberstand,  geht  aus  seinem  Verhalten  bei 
Verkauf  der  »Viole«  hervor.3  Übrigens  hat  er  auch  eigenhändig 
Bücher  abgeschrieben,  deren  Schönheit  und  Nettigkeit  gerühmt  wurde.4 

Auch  den  Schmuck  seines  Grabes  hat  er  sich  selbst  entwerfen 
lassen.  Es  sollte  ein  »messen  pethavium«  gegossen  werden.5  Die 
Vorlage  dafür  war  im  Predigerkloster  aufgehoben.  So  kann  man 
doch  wohl  die  Worte  deuten:  »vnd  ist  soligsz  petafium  zu  den 
bredigern  in  der  obern  stoben  obern  sigenhusz,  alsz  her  Baltasar  wol 
weisz.«6  Vielleicht  aber  war  die  Platte  schon  zu  Lebzeiten  Jakobs 
hergestellt.  Dem  würde  die  Bestimmung  entsprechen,  dass  ein 


1  Hampe,  Gedichte  vom  Hausrat  aus  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert. 
Drucke  und  Holzschnitte  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  in  getreuer  Nachbildung 
II.  1899.  Strassburger  Hausrat: 

.  .  .  vil  Bücher  das  ist  der  edelst  hört 
Den  da  nyemans  hoch  genug  mag  schetzen. 

2  Bothe  a.  a.  O.  S.  *35. 

3  S.  o.  S.  353.  Ludwig  zum  Paradies  schenkte  seine  Bibliothek  dem  Rate. 
Jung,  »Ludwig  von  Marburg  zum  Paradies«  in  »Die  Stadtbibliothek  in  Frankfurt a.M.« 
S.  135.  Um  1600  verschlang  das  Einbinden  der  Bücher  schon  eine  ziemliche  Summe 
Geld.  Bürgermeisterbuch  17.  Januar  1605.  Nach  Bgmb.  8.  Sept.  1603  mussten 
Pflichtexemplare  von  den  Buchhändlern  geliefert  werden.  In  Patrizierkreisen  war 
man  aber  damals  dem  Studium  ziemlich  abgeneigt.  Bothe  a.  a.  O.  S.  241. 

4  Gornill  a.  a.  O.  S.  12.  Hüsgen,  Artistisches  Magazin.  1790.  S.  559. 
Koch  a.  a.  O.  S.  5 1. 

s  Hüsgen,  Artistisches  Magazin.  1790.  S.  559.  Darauf  ein  meisterhaftes 
Bild  des  Todes. 

6  S.  u.  S.  381. 


369 


Goldschmied  oder  ein  Büchsenmeister  das  Datum  daraufstechen  solle. 
Freilich  klingt  dann  der  Auftrag  seltsam,  man  solle  ein  messen 
petafium  machen  lassen.  Die  Tafel  ist  später  zerschlagen  und  an 
Juden  verkauft  worden.1 

Und  zur  Verschönung  des  Gottesdienstes  hat  Heller  ebenfalls 
beitragen  wollen :  auch  hier  sollte  die  Kunst  mitwirken.  Denn  alle 
Sonntage  zwischen  Pfingsten  und  Ostern  und  alle  »heilgen«  Tage 
sollte  auf  seinen  Wunsch  nach  dem  Salve  vor  der  gewöhnlichen 
Antiphona  das  regina  coeli  mit  der  gewöhnlichen  Kollekte  von  einem 
Priester  und  den  Schülern  gesungen  werden.  Heller  bestimmte,  dass 
dem  mitwirkenden  Priester  dafür  6  ß,  dem  Rektor  der  Schüler  1  fl. 
ausgezahlt  werde. 

Überall  haben  wir  den  Kunstfreund  kennengelernt,  der  mit 
verständnisvollem  Sinne  seine  grossen  Mittel  in  den  Dienst  der  edlen 
Künste  und  der  Bildung  stellte,  wie  denn  überhaupt  das  ausgehende 
Mittelalter  eine  Zeit  der  geistigen  und  künstlerischen  Vertiefung  für 
die  höheren  Kreise  der  Bürgerschaft  gewesen  .ist.2 

Dass  Jakob  dem  Predigerkloster  soviel  Zuwendungen  gemacht 
und  ihm  das  herrliche  Altarbild  geschenkt  hat,  war  vor  allem  dadurch 
begründet,  dass  er  wie  seine  Vorfahren  dort  die  letzte  Ruhestätte 
finden  wollte.  Auch  wird  er  sich  durch  die  Sittenstrenge  der 
Dominikaner  angezogen  gefühlt  haben.3  In  dem  Prozesse  des  Pfarrers 
Conrad  Hensel  gegen  den  Lektor  der  Predigerherren  Wigand  Wirt 
hat  er  energisch  die  Partei  des  letzteren  ergriffen,  obgleich  das  Auf¬ 
treten  desselben  nichts  weniger  als  einwandsfrei  gewesen  ist.4  Das 
wüste  Geschrei  des  Dominikaners  musste  abstossen,  wie  denn  auch 
das  Volk  und  ein  Sebastian  Brant  auf  Seiten  des  würdigen  Plebanus 
gestanden  haben.5  Heller  sah  den  Streit  von  einem  parteiischen 
Standpunkte  aus  an.  Ihn  hatte  der  fromme,  den  Vorschriften  nach¬ 
kommende  Wandel  der  Dominikaner  so  eingenommen,  dass  er  erklärte, 
trotzdem  er  in  der  Welt  weit  herumgekommen  sei,  habe  er  doch 


1  Cornill  a.  a.  O.  S.  32. 

2  S.  o.  Jung,  Frankfurter  Hochschulpläne  1384— 1866.  S.  42.  Vgl.  das 
Inventar  Claus  Stalburgs  1524.  Donner-von  Richter  a.  a.  O.  Jung,  Stadt¬ 
bibliothek  a.  a.  O.  S.  135 :  1502. 

3  Koch  a.  a.  O.  S.  70/1. 

4  Steitz  Der  Streit  über  die  unbefleckte  Empfängnis  der  Maria  zu  Frank¬ 

furt  a,  M.  im  Jahre  1500  und  sein  Nachspiel  in  Bern  1509.  Archiv  für  Frankfurts 
Geschichte  u.  Kunst.  N.  F.  Bd.  6.  1877.  S.  21. 

5  Steitz  Empfängnis  a.  a.  O.  S.  19. 


24 


370 


kaum  irgendwo  eine  strengere  Beobachtung  der  Regel  und  eine  an¬ 
dächtigere  Gottesverehrung  gesehen.  Auch  mag  er  als  Ratsherr 
gegen  Hensel  ein  Vorurteil  gehabt  haben,  der  öfters  gegen  Missstände 
im  Rat  gepredigt  hatte,  wodurch  das  gemeine  Volk  leicht  zur  Unruhe 
hätte  verleitet  werden  können.  In  seinem  Verwandten  Johann 
vom  Rhein  mag  sich  Heller  mitangegriffen  gefühlt  haben.1  Zu  er¬ 
wähnen  ist  hier  noch  ein  Grund  zur  Gegnerschaft  der  Predigerherren 
gegen  Hensel.  Jener  warnte  seine  Zuhörer  nicht  nur  vor  den  Predigten 
jener,  sondern  er  mahnte  sie  auch,  sie  sollten  ihnen  keine  Almosen 
und  keine  Geschenke  geben.  »Sie  haben  mehr  Weins,  Korns  und 
Holzes  denn  alle  Geistlichen  in  Frankfurt«.  Wenn  man  die  vielen 
reichen  Schenkungen  betrachtet,  die  sie  von  Patriziern  erhielten,  wie 
die  besprochene  von  Jakob  Heller,  die  von  Siegfried  zum  Paradies2 
u.  a.,  wenn  man  bedenkt,  dass  diejenigen,  welche  in  den  Orden 
»gebruodert«  waren,3  wie  die  Rorbachs,  auch  grosse  Gaben  dargebracht 
haben  müssen,4 5  wird  man  jene  Behauptung  nicht  so  ungerechtfertigt 
finden.  Jedenfalls  ist  aus  denBedebüchern  erweisbar,  dass  sie  viele  Gülten 
auf  Bürgerbesitz  ruhen  hatten,s  und  dass  in  den  Bürgermeisterbüchern 
geklagt  wird,  wie  gerade  die  Predigerherren  viel  Gülten  erwürben. 

Als  Freund  der  Dominikaner,  der  Ordensbrüder  eines  Tetzel, 
war  natürlich  Heller  ein  abgesagter  Feind  der  neuen  Lehre.  Um  so 
mehr  muss  es  überraschen,  dass  er  mit  Pirkheimer  und  mit  Cochlaeus 
befreundet  war,  als  letzterer  sich  noch  zu  Luthers  Lehre  bekannte.6 
Cochlaeus  war  von  Pirkheimer  an  Heller  empfohlen  worden.7  Dieser 
hatte  sich  zu  jeder  Gefälligkeit  bereit  erklärt;  er  wies  ihn  an  den 
Scholaster  Fisch,8  den  zweiten  Prälaten  (nach  Cochlaeus)  an  der 
Liebfrauenkirche,  denselben,  der  später  den  Dekan  von  St.  Leonhard 
»Lutherisch  halben«  höhnte.  Jener,  Johannes  ab  Indagine,  war  in 
der  Tat  empört  über  das  Irdischgesinntsein  der  Geistlichkeit.  Er 


1  Steitz,  Empfängnis  a.  a.  O.  S.  23/4. 

2  Koch  a.  a.  O.  S.  56.  Daniel  Bromms  Testament,  1501:  Fichard. 

3  Koch  a.  a.  O.  S.  61. 

4  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte  I,  157/8. 

5  Bothe  a.  a.  O.  S.  121. 

6  Steitz,  Reformatorische  Persönlichkeiten,  Einflüsse  und  Vorgänge  in  der 
Reichsstadt  Frankfurt  a.  M.,  von  1519  bis  1522.  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte 
und  Kunst.  N.  F.  Bd.  4.  1869.  S.  79,  104,  108.  Spahn,  Johannes  Cochlaeus. 
1898.  S.  69. 

7  Steitz,  Reformatorische  Persönlichkeiten.  101:  Brief  des  Cochlaeus  an 
Pirkheimer,  26.  Januar  1520. 

8  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte  II,  27. 


37i 


sagte:  »Nicht  ganz  ohne  Grund  wütet  gegen  uns  das  Volk.  Unsere 
Schuld  ist  es,  wenn  wir  so  leben,  dass  unsere  Schandtaten  die  der 
Schlemmer  und  Wüstlinge  hinter  sich  lassen«.  Aber  auch  Cochlaeus 
wurde  bald  aus  einem  Anhänger  ein  scharfer  Gegner  Luthers.  Dazu 
beigetragen  haben  mag  sein  Umgang  mit  Fisch  und  mit  den  Domini¬ 
kanern,  vielleicht  aber  auch  sein  vertrauter  Verkehr  mit  Jakob  Heller. 
Auch  Pirkheimer  wurde  ja  später  immer  gehässiger  gegen  Luther. 
Eins  mag  aber  Cochlaeus  noch  mit  ins  feindliche  Lager  getrieben 
haben:  Die  Erfolglosigkeit  seiner  Bewerbung  um  die  Stellung  als 
Leiter  des  neuzugründenden  Gymnasiums.1  Seine  Gönner,  zu  denen 
doch  sicherlich  auch  Heller  gehört  hat,  trotzdem  er  1517  aus  dem 
Rate  ausgetreten  war,2  hatten  ihn  Nesen  gegenüber  nicht  durchsetzen 
können,  der  besonders  von  Claus  Stalburg  dem  Reichen  begünstigt 
wurde.  Nesen  war  dessen  Privatlehrer  und  Reisebegleiter  für  seine 
Söhne  gewesen.  Mit  ihnen  hatte  er  besonders  die  Universität  Paris 
besucht.  Von  Erasmus  empfohlen,3  ist  er  der  erste  Rektor  des 
Frankfurter  Gymnasiums  geworden.  Und  als  Freund  Luthers  ist  er 
es  sicherlich  gewesen,  der  die  patrizischen  Kreise  immer  mehr  der 
Reformation  zugetan  machte.  Heller  aber  war  nicht  zu  gewinnen. 
Er  wurzelte  zu  fest  in  den  Ansichten  der  alten  Kirche.  Er  wird  mit 
Behagen  den  anscheinend  erfolgreichen4  energischen  Vorstoss  des 
Cochlaeus  gegen  die  neue  Lehre  beobachtet  haben.  Man  kann  hier 
hineinsehen  in  den  Spalt,  der  sich  auch  innerhalb  der  patrizischen 
Kaste  auftat.  Trotzdem  sonst  Jakob  Heller  und  Claus  Stalburg  einander 
nahe  gestanden  haben,  besonders  durch  die  Vermittlung  der  Margarethe 
vom  Rhein,5  wich  er  in  der  Beurteilung  der  kirchlich  religiösen  Zu¬ 
stände  weit  von  ihm  ab. 

Jm  Rate  hat  Jakob  sicherlich  sonst  eine  geachtete  Stellung  ein¬ 
genommen.  Mehreremal  hat  er  den  Bürgermeisterposten  bekleidet.6 


1  Spahn  a.a.  O.  S.  59.  Jung,  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst. 
III.  Folge.  Bd.  6.  1899.  S.  336. 

2  Fichard  nach  Lersner,  Chronik  II,  1;  S.  146. 

3  Helfenstein,  Die  Entwickelung  des  Schulwesens  der  freien  Stadt  Frank¬ 
furt  in  seiner  kulturhistorischen  Bedeutung.  1858.  S.  49. 

4  S.o.E  u  1  e  r ,  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  S.  1 7 1 . 
s  Fichard:  Bechtolt  Heller  ist  1499  Zeuge  bei  der  Eheberedung  von  Clas 

Stalburger  mit  Margarethe  vom  Rhein  gewesen,  deren  Grossvater  er  war.  Jakob 
vermachte  Margarethe  einen  silbernen  Becher  im  Werte  von  47  fl.  =  329  Gold¬ 
mark  ca.  1645  Mk.  heutiger  Kaufkraft. 

6  1490  war  er  jüngerer,  1501  und  1513  älterer  Bürgermeister.  1491  war  er  Schöffe. 

24* 


—  372  — 

Hr  gehörte  freilich  seit  1502  nicht  mehr  zur  Gesellschaft  Frauenstein; 
dennoch  wurde  er  noch  zu  wichtigen  Missionen  verwandt,  bei  denen 
diplomatisches  Geschick  und  Sprachkenntnisse  erforderlich  waren.1 
Auch  als  Geschichtskenner  scheint  er  bekannt  gewesen  zu  sein.' 
Dass  aber  auch  Kaiser  in  seiner  Behausung  Quartier  nahmen,2  lässt 
nicht  nur  auf  die  Grösse  der  Baulichkeit  im  Nürnberger  Hofe  und 
auf  den  Reichtum  seines  Besitzers,  sondern  auch  auf  seine  angesehene 
Stellung  innerhalb  der  Bürgerschaft  einen  Schluss  zu. 

Auch  wird  Jakob  beim  »gemeinen  Manne«  in  Ehren  gestanden 
haben.  Man  wird  ihn  als  Wohltäter  der  Armen  gepriesen  haben. 
Denn  sein  Testament  atmet  einen  sozialen  Geist:  viele  Stiftungen 
gelten  den  Elenden  und  Bedürftigen.  Da  ist  anzunehmen,  dass  Heller 
auch  bei  Lebzeiten  für  die  mit  Glücksgütern  nicht  Gesegneten  gesorgt 
haben  wird,  wie  er  nur  irgend  vermochte.  Die  Worte,  die  er  bei  der 
Aufnahme  seiner  Personalien  im  obenerwähnten  Prozesse  getan  hat, 
sind  kein  Beweis  dagegen.3  Denn  er  hat  nur  die  Wahrheit  gesagt, 
wenn  er  erklärte,  er  hoffe  sich  in  guten  Verhältnissen  zu  befinden, 
und  er  lebe  von  den  Einkünften  seines  Vermögens,  das  ihm  der  all¬ 
mächtige  Schöpfer  beschert  habe.  Man  darf  darin  nicht  ein  Zeichen 
seines  Hochmuts  und  des  stolzen,  unnahbaren  Kastengeistes  sehen. 
Wie  er  das  Vermögen  aus  Gottes  Hand  empfangen  zu  haben  glaubte, 
hat  er  es  auch  im  Dienste  Gottes  gebraucht,  hat  seinen  darbenden 
Mitmenschen  davon  abgegeben.  Sein  milder,  wohltätiger  Sinn  trieb  ihn 
dazu.  Man  sieht,  es  gab  auch  unter  den  Angehörigen  der  alten  Kirche 
Leute,  die  nicht  nur  für  Kirche  und  Geistlichkeit  Geld  hergaben.4 

Es  ist  zunächst  der  dem  Mitleid  entsprungenen  Spende  für  die 
»Franzosenleute«  zu  gedenken,  die  von  der  entsetzlichen  Lustseuche 
Befallenen,  welche  seit  dem  Ausgange  des  Mittelalters  sich  in  Deutsch¬ 
land  überall  ausbreitete.5  Es  sollte  ihnen  für  6  Gulden  »Fleysch  vnd 
essenspeysz«  gekauft  werden.  Danach  muss  die  Zahl  der  Unglücklichen 
ziemlich  gross  gewesen  sein.  Und  die  Krankheit  muss  so  heftig  auf¬ 
getreten  sein,  dass  sie  ihre  Opfer  am  Erwerb  hinderte,  sodass  der 
Hunger  unter  ihnen  zu  Gaste  war.  Sodann  gab  Jakob  10  fl.  den 

1  Cornill  a.  a.  O.  S.  5.  Janssen,  Frankfurts  Reichskorrespondenz.  1866. 
II,  785  fr.,  836  ff'.,  851  ff.  Kriegk  a.  a.  O.  N.  F.  S.  67. 

2  Cornill  a.  a.  O.  S.  4.  Battonn  a.  a.  O.  III,  127:  i486  u.  1517. 

3  Steitz,  Empfängnis  a.  a.  O.  S.  22. 

4  Vgl.  Luthers  Klage:  Schmoller  a.  a.  O.  S.  526. 

3  Kriegk  a.  a.  O.  I,  527,  Anm.  38.  Wahrscheinlich  hatte  Heller  die  furcht¬ 
bare  Krankheit  schon  in  Italien  kennen  gelernt.  Ib.  S.  33. 


373 


»hausarmen,  notdürftigen  Leuten«,  keinem  mehr  als  i  Ort,  sodass 
mindestens  40  bedacht  werden  konnten.  »Bevorab«  sollten  die  in 
Frage  kommen,  denen  Jakob  und  seine  Hausfrau  täglich  gegeben 
hätten.  Dem  Almosenkasten  zu  St.  Niclas  vermachte  Jakob  20  Achtel 
Korn,  den  »Guten  Leuten«  12  Achtel,  dem  Spital  zum  heiligen  Geist 
und  St.  Martha  20  Achtel.  Ferner  bestimmte  er,  dass  man  »in  dem 
drissigisten«  6  Achtel  Mehl  backen  lassen  und  es  armen  Leuten  vor 
der  Tür  vom  Nürnberger  Hofe  »omb  gottz  wein«  austeilen  solle.  Auch 
sollte  die  Hälfte  des  Reingewinns  aus  dem  Nürnberger  Hofe  all¬ 
jährlich  »winterzit  in  der  fastein  huszarmen  notorftigen  luten,  de  eyn 
zit  lank  borger  he  gewest«,  ausgeteilt  werden,  »in  ir  hanten  eyn 
orteszgulden«.  Es  muss  das  eine  grosse  Summe,  ein  Vermögen  ge¬ 
wesen  sein,  da  der  Bruttogewinn  aus  dem  Hause  allein  schon  in  den 
beiden  Messen  600  fl.  und  öfters  mehr  betrug.  Besonders  die  Kälte 
sollte  offenbar  durch  diese  Guttat  bekämpft  werden,  dieser  böse  Feind 
der  Armut.  Darum  "wird  auch  als  Ersatz  für  den  Viertelgulden  von 
einem  Wäglein  Holz,  einem  Paar  Schuhe  oder  grauem  Tuch  zur 
Kleidung  gesprochen.  Hierher  gehört  auch  die  Einrichtung  einer 
Wärmehalle1  für  arme  Arbeits-  oder  Obdachlose.  Es  sollte  »eyn 
gelygen  behusom  by  sant  bartolinszkergein  ond  drom  her«  gekauft 
werden,  darin  sollte  eine  Stube  mit  einem  eisernen  Ofen  eingerichtet 
werden.  Geöffnet  sollte  diese  dem  »armen  foulk«  vom  1.  November 
bis  22.  Februar  sein  oder  8—14  Tage  danach,  »nochdem  de  zit  kolt 
ist«.  Oben  darüber  sollte  ein  Ehepaar  wohnen,  das  die  Aufsicht 
führen  und  die  Stube  heizen  musste.  Die  beiden  sollten  für  ihre 
Mühewaltung  gut  gelohnt  werden.  Zunächst  hatten  sie  die  Wohnung 
und  die  Heizung  frei,  ferner  sollte  jedes  6 — 8  Ellen  graues  Tuch  und 
ein  Paar  Schuhe  erhalten,  dazu  jeden  Tag  zusammen  ein  Ort  = 
V*  Gulden  während  des  Winters,  also  28V2  resp.  30V2 — 32  Gulden, 
wenn  die  Zeit  um  8 — 14  Tage  hinausgeschoben  wurde.  Das  waren 
aber  199V2,  213V2,  224  Goldmark  oder  ca.  997V2,  1067V2,  1120  Mark 
mit  heutiger  Kaufkraft.  Mit  peinlicher  Genauigkeit  schrieb  Jakob 
die  Hausordnung  vor,  wie  denn  überhaupt  strenge  Ordnungsliebe 
und  eine  gewisse  Pedanterie  ihm  eigen  gewesen  sein  müssen.  Dafür 
sprechen  die  eingehenden  Vorschriften  für  den  Pilger. 

Zu  erwähnen  ist  namentlich  noch  die  freundliche  Gesinnung, 
die  Jakob  seinen  Knechten  und  Mägden  erzeigte.  Man  kann  hier  so 


1  Cornill  a.  a.  O.  S.  7  ff.:  Herrgottsstube.  Bat  tonn  a.  a.  O.  II,  173/4. 
Kriegk  a.  a.  O.  I,  100. 


374 


recht  das  patriarchalische  Verhältnis  zwischen  Herren  und  Dienern 
in  der  guten,  alten  Zeit  erkennen.  Die  alte  Kochmagd  sollte  12  fl. 
erhalten  zu  ihrem  verdienten  Lohne,  den  sie  jahrelang  bei  ihrem 
Herren  hatte  stehen  lassen.  Er  sammelte  für  sie,  vielleicht  schlug  er 
sogar  den  Zins  dazu.  39  fl.  betrug  die  Summe  schon  im  Jahre  1519, 
sodass  die  Magd  mindestens  51  fl.  ausbezahlt  erhielt.  Das  war  aber 
damals  ein  nettes  Sümmchen,  nämlich  357  Goldmark  und  mindestens 
1785  Mk.  in  heutiger  Kaufkraft.  33  Jahre  war  die  Köchin  in  Jakob 
und  seiner  Eltern  Dienst  gestanden  und  hatte  ihnen  »selg  lang  zit 
getrulig  ond  wol  gedint«.  Darum  setzte  Jakob  ihr  noch  ein  Ruhe¬ 
gehalt  aus,  nämlich  allwöchentlich  6  Schillinge,  also  jährlich  13  fl., 
»damitt  se  in  irm  alter  desz  basz  zu  leben  hab«.  Ferner  sollte  sie 
ein  Bett,  für  5—6  fl.  Hausrat  und  für  2—3  fl.  von  den  Kleidern  ihrer 
Herrin  erhalten.  Ein  anderes  Mädchen,  das  12  Jahr  »getrulig  ge¬ 
dint«  hatte,  sollte  20  fl.  bekommen  und  ebenfalls  für  2—3  fl.  Kleider, 
ein  Bett  und  für  5 — 6  fl.  Hausrat.  Dazu  waren  ihr  der  verdiente 
Lohn  und  4  fl.  6  ß  5  h  auszuzahlen,  »so  se  der  frauen  zo  haltein  hat 
gebein«.  Einen  Schuldschein  wird  sich  die  Magd  gewiss  darüber 
nicht  haben  ausstellen  lassen.  Zwischen  Herrin  und  Dienerin  war 
damals  ein  Verhältnis  felsenfesten  Vertrauens  an  der  Tagesordnung. 
Von  dem  andern  Gesinde,  Knechten  wie  Mägden,  musste  auf  Jakobs 
Anordnung  jedem  ausser  seinem  Lohne  1  fl.  für  jedes  Dienstjahr 
gereicht  werden,  den  beiden  Weingärtnern,  zu  Frankfurt  wie  zu 
Soden,  je  1  fl.,  ausserdem  ein  altes  Wams  und  ein  paar  Hosen. 

Es  ist,  wie  man  sieht,  eine  ganze  Anzahl  von  dienenden  Leuten  bei 
Heller  beschäftigt  gewesen,  mit  den  beiden  Weingärtnern  8.  Der  Grund 
dafür  ist  vor  allem,  dass  die  Landwirtschaft  doch  auch  bei  einem  Gross¬ 
kaufmanne  damaliger  Zeit  noch  eine  bedeutende  Rolle  spielte.  Man  darf 
nun  aber  nicht  meinen,  dass  man  deshalb  die  Durchschnittsziffer  eines 
damaligen  bürgerlichen  Haushalts  viel  höher  als  mit  5 — 6  annehmen 
müsse.  Es  sind  die  reichen  Bürger,  also  die  mit  den  grossen  Haushalten, 
doch  nur  in  beschränkter  Zahl  gewesen,  wie  die  Bedebücher  ausweisen.1 

Dass  nicht  Heller  allein  so  freigebig  und  dankbar  gegen  seine 
Diener  gewesen  ist,  bedarf  nicht  erst  des  Beweises.2  Auch  vor  der 
Reformation  kannte  man  schon  das  warme  Mitgefühl  mit  der  Armut 


1  Botlie  a.  a.  O.  S.  *107.  S.  o.  S.  5. 

2  Vgl.  z.  B.  Claus  Stalburgs  des  Reichen  erstes  Testament  von  1501: 
Fichard,  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte  I,  167:  Gude  Rorbach.  Daniel 
Bromms  Testament  1501:  Fichard. 


375 


und  den  gerechten,  freundlichen  Sinn,  wie  er  sich  in  dem  patriarchalischen 
Verhältnis  zwischen  Herr  und  Knecht  in  Hellers  Testamente  offen¬ 
bart.  Und  dass  es  Sitte  gewesen  ist,  dass  die  Dienenden  ihr  Geld 
zum  guten  Teil  aufsparten,  muss  man  annehmen.  Jedenfalls  wird 
es  in  damaliger  Zeit  oft  vorgekommen  sein,  dass  Angehörige  dieses 
Kreises  kleine  Kapitalien  erwarben.  Sonst  würden  nicht  die  Bede- 
rollen  des  15.  Jahrhunderts  stets  so  nachdrücklich  darauf  hinweisen, 
dass  jene  auch  zu  steuern  hätten.* 1 

Wenn  man  zurückblickt  auf  das  Bespfochene,  so  erkennt  man, 
dass  Jakob  Hellers  Testament  uns  manche  Aufschlüsse  über  die 
bürgerliche  Kultur  zu  Frankfurt  a.  M.  bei  Beginn  des  Reformations¬ 
zeitalters  gegeben  hat.  Reichtum  war  offenbar  die  Signatur  in  den 
Kreisen  der  Grosskauf leute;  und  diesem  grossen  Besitze  wurde  in 
hohem  Masse  Rechnung  getragen;  eine  glänzende  Prachtentfaltung 
im  Hause  wie  nach  aussen  hin  war  die  Folge.  Man  bedenke,  dass 
z.  B.  die  Kosten  des  Leichenbegängnisses  von  Hellers  Frau  114  fl. 
betrugen,  während  ein  Eobanus  Hessus  in  Erfurt  mit  30,  in  Nürnberg 
mit  150  fl.  ein  Jahr  lang  haushalten  musste.2  Und  noch  1541  spricht 
Luther  davon,  dass  die  Geistlichen  90—100  Gulden  erhielten,  früher  30. 

An  Hellers  Beispiele  kann  man  auch  erkennen,  dass  die  reichen 
Kaufherren  mit  der  Armut  ein  inniges  Mitgefühl  gehabt  haben.  Sie 
haben  sozial  empfunden  und  ein  warmes  Herz  für  die  Notleidenden 
gehabt,  das  sich  in  edlem  Tun  äusserte.  Auch  haben  sie  für  die 
väterlich  gesorgt,  deren  Dienste  sie  nutzten.  Umgekehrt  waren  die 
Arbeiter  durch  Anhänglichkeit,  Treue  und  Vertrauen  mit  ihnen  ver¬ 
bunden.  Die  Denkweise  beider  war  gesund  und  zeitigte  ein  schönes, 
gemütliches  Verhältnis  als  Frucht. 

Und  neben  ihrem  emsigen  Schaffen  und  Erraffen  hatten  die 
umsichtigen,  klugen  Männer  noch  Zeit  und  Lust  zu  politischer  Tätig¬ 
keit:  sie  dienten  ihrer  Stadt  im  Rate  und  im  Schöffengerichte  oder  gar 
als  Bürgermeister,  sie  Hessen  sich  aber  auch  als  Gesandte  mit  wichtigen 
Missionen  betrauen.  Und  für  Kunst  und  Wissenschaft  waren  sie 
nicht  nur  begeistert,  sie  förderten  sie  mit  ihren  reichen  Geldmitteln, 
sie  spielten  den  Kunstmäcen.  Und  sie  selbst  haben  sich  hier  und 
da  an  kunstreichen  Arbeiten,  wie  dem  Abschreiben  von  Büchern,  be¬ 
teiligt.  Sodann  mischten  sich  die  Männer  in  das  wechselreiche  Leben, 
das  damals  auf  der  Weltbühne  sich  abspielte.  Ein  Jakob  Heller  hat 


1  Bot  he  a.  a.  O.  S.  *18,  Beil.  Nr.  14  und  passim.  S.  o.  S.  346. 

1  Schmoller  a.  a.  O.  S.  530,  Anm.  2;  S.  506, 


37  6 


ebenso  wie  ein  Claus  Stalburg  oder  ein  Blasius  und  Hamann  von 
Holzhausen  eingegriffen  in  den  Gang  der  Reformbewegung,  freilich 
nicht  fördernd,  wie  jene,  sondern  hemmend. 

Und  für  die  damals  in  weiten  Kreisen  herrschende  religiöse 
Denkweise  erbringt  das  Testament  ein  typisches  Beispiel.  Wie  hängt 
der  fromme,  um  sein  Seelenheil  besorgte  Mann  an  kleinlichen  Äusser- 
lichkeiten  !  Wie  genau  schreibt  er  die  Zahl  und  die  Formeln  der 
Gebete  und  die  Kosten  der  geweihten  Kerzen  vor!  Wie  sorgsam 
hat  er  die  Altäre  und  die  Heiligen  bestimmt,  zu  denen  er  Zutrauen 
hatte!  Und  kindlich  beschränkt  glaubt  er  auch  an  all  die  frommen 
Sagen.  Keinen  Hauch  von  dem  neuen  Geist  spürt  man.  Auch  die 
Bücher  eines  Geiler  von  Kaisersberg,  die  auf  einen  Claus  Stalburg 
offenbar  grossen  Einfluss  ausgeübt  haben,  sind  Heller  entweder  un¬ 
bekannt  geblieben  oder  haben  keinen  Eindruck  hinterlassen.  Für  ihn 
gibt  es  kein  Beten  »im  geist  on  bild«.1  Aberglauben  und  Abgötterei, 
Werkgerechtigkeit  und  sinnloses  Formelwesen,  das  ist  es,  was  uns 
aus  der  Aufzeichnung  Hellers  entgegenblickt.  So  aber  sah  es  bei 
vielen  aus;  Jakob  war  ja  noch  einer  der  Intelligenten.  Deshalb  kann 
uns  das  Studium  von  Hellers  Testament  auch  von  der  Notwendig¬ 
keit  der  Reformation  überzeugen. 

Eins  vermisst  man,  wenn  man  das  Testament  Hellers  durch¬ 
forscht  :  ein  Bild  des  genussfrohen,  in  vollen  Zügen  den  Freuden¬ 
becher  des  Lebens  schlürfenden  Geschlechts.  Höchstens  können 
uns  die  vielen,  schönen  silbernen  Trinkgeschirre  des  Inventars  eine 
Andeutung  dafür  geben.  Heller  selbst  hat  ja  den  grossen  vergoldeten 
Humpen  »täglich«  gebraucht.  Auch  die  vielen  kostbaren  Ringe  und 
die  prächtigen  Gewänder  sind  ein  Beweis  für  einen  fröhlichen  Lebens¬ 
genuss.  Aber  der  wahre  Charakter  jener  Vollmenschen  der  Renaissance 
tritt  doch  nicht  zu  tage.  Ganz  anders  ist  dies  der  Fall  z.  B.  bei  einem 
Claus  Stalburg  dem  Reichen,  der  in  seinem  zweiten  Testamente  die 
verschiedensten  Kreise  seiner  Mitbürger  mit  Geldgeschenken  bedenkt 
»zum  Vertrinken«.  Der  Grund  mag  bei  Jakob  Heller  in  seiner 
ernsten  Gemütsart  gelegen  haben.  Und  diese  wiederum  war  wohl 
mitverursacht  durch  die  Kinderlosigkeit  seiner  Ehe. 


1  Geiler  von  Kaisersberg,  Der  Eschen  Grüdel.  Von  den  anfallenden 
mönschen  in  dem  gotsdienst.  (Strassburg  1510)  fol.  t  5  3 b :  Man  solle  Gott  ge¬ 
denken  »on  ein  leiblich  ding  oder  bild,  also  das  er  nit  gedenck  ein  grosz  ding  oder 
kleins,  längs  oder  kurtzs,  weisses  oder  schwartzes,  hie  oder  da,  in  diszer  oder 
andern  statt«. 


377 


Für  die  Stadt  müssen  Leute  von  Hellers  Schlage  ein  grosser 
Gewinn  gewesen  sein.  Nicht  nur,  dass  er  aus  seinem  Vermögen 
für  gemeinnützige  Zwecke  grössere  Summen  hergab,  wie  sich  das 
aus  der  testamentarischen  Bestimmung  kundgibt,  dass  ioo  fl.  für  das 
Geschütz  verwandt  werden  sollten,1  sondern  auch  die  Einnahmen 
der  Handwerker  wurden  durch  die  mit  dem  wachsenden  Reichtume 
gesteigerten  Ansprüche  dieser  reichen  Kaufherren  in  der  Lebenshaltung 
vergrössert,  und  viele  Arme  fanden  somit  ihr  Brot. 

Auf  Heller  darf  man  auch  gewiss  nicht  beziehen,  was  Sebastian 
Frank  über  die  Kaufleute  seiner  Zeit  urteilt,  denen  er  Geiz  und  lauter 
Eigennutz  nachsagt.2 * *  »Was  für  redlich  Händel  jetzt  unter  den  Christen 
und  christlichen  Kaufleuten,  Gesellschaften,  Wucherern,  Zinskäufern, 
Geldwechslern  fürgehen,  empfinden  wir  freilich  allzumal  wohl,  auch 
das  Kind  in  der  Wiegen:  das  ist  eitel  Zinskauf,  Fürkauf  und  das 
ganze  Land  mit  unnützen  Händeln,  Gewaren  und  Hantierungen  zu 
jedermanns  Nachteil  erfüllet. ff  Heller  wird  wie  die  andern  Frankfurter 
Kaufleute,  namentlich  auch  ein  Claus  Stalburg,  Melanchthons  Freund, 
nur  gerade  Wege  gewandelt  sein,  und  schnöde  Gewinnsucht,  unred¬ 
liche  Übervorteilung  seiner  Mitmenschen  wird  ihm  fremd  gewesen  sein. 

Auch  ist  er  kein  Verächter  der  Landwirtschaft  gewesen.5  Viel¬ 
mehr  war  er  selbst  noch  Besteller  des  Bodens,  wie  dies  ja  die 


1  Vgl.  Jung,  Stadtbibliothek  a.  a.  O.  S.  135:  100  fl.  zur  Verbesserung  des 

Weges  nach  Praunheim,  Gold-  und  Silbergeschirr  zu  Bauten.  Claus  Stalburgs 

Testament  von  1501:  400  fl.  zum  Bessern  der  bösen  Wege  zwischen  Stadt  und 
Landwehr. 

1  Schmoller  a.  a.  O.  S.  467;  472. 

5  Zwingli:  Mit  Arbeit  will  sich  niemand  mehr  nähren;  man  lässt  die 
Güter  mit  Gesträuch  überwachsen  an  viel  Orten  und  wüste  liegen,  dass  man  nit 
Arbeiter  hat,  wiewohl  man  Volks  genug  hätte,  darzu  ein  gut  Erdreich,  das  euch 
reichlich  erziehen  mag.  Trägt  es  nicht  Zimmet,  Imber,  Malvasi,  Nägelein,  Pome¬ 
ranzen,  Seiden  und  solche  Weibergeschleck,  so  trägt  es  Anken,  Astrenzen,  Milch, 
Pferd,  Schaf,  Vieh,  Landtuch,  Wein  und  Korn  überflüssig,  dass  ihr  dabei  schöne, 
starke  Leute  erziehen  möget.  Schmoller  a.  a.  O.  S.  482.  Bot  he  a.  a.  O.  S.  261: 
von  Luther  gesagt,  der  ja  freilich  sich  ähnlich  äussert.  Schmoller  a.  a.  O.  S.  634. 
Luther:  Von  Kaufshandlung  und  Wucher.  1524.  (Zimmer:)  Martin  Luther  als 
deutscher  Classiker.  1883.  III,  22:  »Der  ausländische  Kaufhandel,  der  aus  Kalikut 
und  Indien  und  dergleichen  Ware  herbringt,  als  solch  köstliches  Seiden-  und 
Goldwerk  und  Würze,  die  nur  zur  Pracht  und  keinem  Nutzen  dienen  und  Land 
und  Leuten  das  Geld  aussaugen,  sollte  nicht  zugelassen  werden,  wo  wir  ein 
Regiment  und  Fürsten  hätten«.  Kaufen  und  Verkaufen  sei  nötig,  aber  man  solle 
wie  die  Patriarchen  nur  Vieh,  Wolle,  Getreide,  Butter,  Milch  und  andere  Dinge, 
»die  zur  Not  und  Ehre  dienen«,  verkaufen.  Dass  sich  übrigens  Luther  selbst 
nicht  von  Seide,  Samt  und  Würze  freimachen  konnte,  lehrt  Erlanger  Ausg.  45,  S.234. 


378  - 


Frankfurter  Patrizier  nach  dem  Urteile  eines  Zeitgenossen  aus  der 
Mitce  des  1 6.  Jahrhunderts  ursprünglich  alle  —  und  zwar  ausschliess¬ 
lich  —  gewesen  sein  sollen.  In  dem  »Gedichte  vom  Neuen  Adel 
zu  Frankfurt«1  aus  dem  Jahre  1546  heisst  es: 

»Ir  Stam  erspringt  vom  Adel  her, 

Als  nemlich  Mist  und  feistes  Schmer.« 

Der  Pamphletist  gedenkt  des  »Ursprungs  aus  dem  Dreck«  und 
will  der  »frommen  Bürgerschaft«  von  seinen  »vermainten  Junkern  all« 
den  Glauben  beibringen, 

»Das  sij  nit  pesser  sein  im  Fall, 

Den  ander  Bauern  mher.« 

Auch  Heller  wird  man  ja  zu  den  Patriziern  rechnen  müssen, 
wenn  er  auch  nur  den  »Frauensteinern«  zugehört  hat  und  sogar 
dann  aus  dieser  Gesellschaft  wieder  ausgetreten  war.  Obgleich  es 
nun  nicht  richtig  ist,  dass  alle  Patrizierfamilien  ursprünglich  ganz 
der  Landwirtschaft  ergeben  waren,  so  ist  dies  doch  bei  einigen  der 
Fall  gewesen.  Und  die  übrigen,  die  aus  dem  Handwerke  und  dem 
Handel  hervorgegangen  sind,  haben  doch  auch  den  Landbau  im 
weitesten  Sinne  des  Wortes  und  die  Viehzucht  gepflegt.  Bei  Heller, 
der  ja  nicht  zu  den  unternehmungslustigsten  Frankfurter  Kaufleuten 
gehörte,  hat  die  landwirtschaftliche  Tätigkeit  sogar  einen  grossen 
Raum  eingenommen.  Bei  ihm  wie  bei  allen  Frankfurter  Gross¬ 
händlern  waren  neben  dem  Kaufgeschäfte  der  Boden-  und  fernerhin 
der  Häuserbesitz  zwei  wichtige  Quellen  des  Einkommens. 


1  Kriegk,  Geschichte  von  Frankfurt  a.  M.  1871.  S.  210. 


379 


Beilagen. 


Nr.  i.  Die  Mitglieder  der  3  „Gesellschaften“,  1504.' 

Wahlhandlungen  V,  fol.  47  b.  Disz  sint  die  personen,  so  in  der 
geselleschaft  uf  alten  Limpurg  sin  uf  montag  nach  Trinitatis  anno  XV  c 
quarto.  Johann  More,  Schultheisz ;  Martin  von  Husenstamme ;  Hamann, 
Gilbrecht  f,  Ludwigz  Holtzhusen;  Hert,  Bernhart,  Philips,  Henrich, 
Conrat  Wissze;  Johann  von  Glauburg,  Doctor  f;  Johann  f,  George  f, 
Johann,  Wicker  Frosche;  Henne,  Jacob  Stralenberg, ;  Jacob  Brune; 
Wicker,  Sifrit,  Johann  Knobeloch;  Michel  Swartzenberger;  Henrich, 
Hans  f,  Henrich  vom  Ryne;  Clas  Humbrecht  *;  Orte  f,  Johann,  Conrat, 
Orte  zum  Jungen;  Christian  Folckerf;  Friderich  von  Altzey ;  Jacob  f, 
Ulrich,  Jorge f  Nuhusz  * ;  Johann,  Arnolt,  Karle  Reyse ;  Karle,  Johann 
Henszbergk ;  Philips  Sigwin,  Doctor ;  Jacob  Geuch  *  f ;  Bernhart  Rorbach* ; 
Ludwig*,  Jorge  Martorff;  Clas  Stalberg*f;  Henne  Sasszef;  Henrich 
Isenach;  Clas  von  Ruckingen  *f;  Peter,  Philips  Fürstenberg;  Bastian 
Smit;  Hans  Bromme*f;  Wolff*f,  Melchior*  Blume;  Henne  von  Det¬ 
tingen;  Johann  Holtzheymdr;  Adam  Schonwetter,  Doctor ;  Conrat  Schit; 
Caspar  von  Rumpenheym;  Friderich  Faut*;  Thomas  Sossenheymer; 
Walter  Isenberg;  Eberhart  von  Husenstamme;  Philips  Keiner,  genant 
Kaltofen;  Symon  Ofstender ;  Hermann  Wetter.  Explicit  66.  Die  Personen 
der  geselleschaft  uf  Frauwenstein :  Thomas  vonVenrade;  Johann  Rensz- 
dorf;  Johann  von  Melnheym*f;  Claus  Schit*f;  Philips  Schreck;  Clasz 
Merszfelt;  Johann  Kropf;  Philips  Dirmesteyn;  Lucas  Schot;  Friderich 
Assenheymer ;  Casper  Schott ;  Hans  Loit ;  Bartholomeus  Beucker ;  Henrich 
Beyer;  Wolfgang  Schott;  Conrad  Husz;  Johann  Kesseler ;  Johann  Comes ; 
Clas  Stauff ;  Johann  J ekel;  Conrad  Keller ;  Henrich  Dirmestein.  Explicit 
XXII.  Disz  nachgeschrieben  personen  sint  in  der  Kremergeselleschaft 
uf  montag  nach  Trinitatis  anno  XVc  quarto.  Henne  Klopheym;  Henne 
Adenstat;  Johann  Hugelin;  Hartman  Griff  der  junge ;  Hans  Swalbecher ; 
Johannes,  Apotheker;  Johannes  Rutlingen;  Henrich  Rode;  Otte  von 
Belle;  Jacob  am  Stege;  Johann  Boel;  Conrad  Langsdorf;  Hans  Michel¬ 
bach;  Johannes  Hamer;  Henrich  Wisebaume;  Paulus  Herbsteyn;  Peter 
Walstat;  Philips  Wachbach;  Lorenz  Daspach;  Walther  Hartmann; 
Bernhart  Weydenlich;  Ulrich  Dorniken;  Philips  Weybel,  Otten  eydem; 
Hans  Gromet;  Hartmann  Griff  der  eitere;  Johannes  Mag,  Visierer, 
exempt.  Explicit  XXVI.  Vgl.  Quellen  zur  Frankfurter  Geschichte  I,  276. 
Jakob  Heller  steht  nicht  unter  den  Frauensteinern ;  er  war  1502  ausgetreten. 


1  Bücher,  Bevölkerung  a.  a.  O.  132 f. 


380 


Nr.  2.  a)  Jakob  Hellers  Testament  vom  27.  März  1519.' 

Er  setzt  die  Kinder  seiner  Schwester  Agnes,  Bechtold,  Margarethe, 
Balthasar  und  Johann  vom  Rhein,  zu  Erben  ein.  Johann  vom  Rhein, 
sein  Vetter,  soll  den  Hof  und  den  Garten  bei  St.  Peter  nebst  Haus, 
Scheuer,  4  Zinshäusern  und  der  sogenannten  »Kopfferscheuer«  erhalten 
mit  aller  Nutzung,  Hausrat  und  was  sonst  darin  ist,  doch  ohne  das  Korn. 
Das  alles  soll  ihm  nicht  höher,  als  im  Losbuch  stehe,  angeschlagen 
werden,  nämlich  zu  600  fl.  Ferner  soll  er  den  Bau,  Stube  und  Kammer, 
auf  dem  Hof  Firnberg,  den  Jakob  unter  dem  Dach  habe  machen  lassen, 
bekommen  samt  allem,  was  beim  Tode  Jakobs  darin  sei.  Auch  dies 
soll  mit  600  fl.  berechnet  werden.  Die  Liegenschaften  soll  er  aber 
mit  allen  andern  Erben  gleichmässig  teilen.  Weiter  soll  Johann  alle 
fahrende  Habe  erhalten,  die  Jakob  »onhinwegkgesetzt  verlaszen«  werde, 
aber  ohne  Silbergeschirr,  Korn,  Bargeld  sowie  die  Kleinodien.  Balthasar 
vom  Rhein  seien  in  seinem  Brautlaufbriefe  1000  fl.  nach  Jakobs  Tode 
zugesichert.  Diese  sollen  nun  in  die  Erbschaft  einberechnet  werden 
»vnd  ime  der  gemelten  tausent  gülden  halb  von  meiner  verlaszen 
narunge  nit  wyther  gegeben  soll  werden«.1 2  Jakobs  Mutter  hatte  in 
ihrem  letzten  Willen  »besc.heyden«,  dass  das  »vergibt  trasenyfasz  mit 
aicht  Schilden,  wieget  sex  marck  sieben  loit,  vnd  eyn  vergulten  dtlppel 
kop,  wieget  sex  margk,  den  ich  myn  leptage  gebrauchen«,  auf  seiner 
Schwester  Kinder  und  ihre  Erben  fallen  sollten ;  jene  sollten  dies  »nit 
verkauften,  vereuszern  oder  brechen,  sunder  von  eynem  vff  den  andern 
sterben,  werden  vnnd  gefallen  sali«.  Dann  »setzte«  er  »In  den  gemeynen 
notzen  dieser  stat  Franckenfurth  zu  iren  thtlrn,  mawern,  geschütz  vnd 
ander  irer  notturft  hundert  gülden  eynmal  zugeben«  ;  »dem  bawe  vnser 
lieben  Frawen«  vermachte  er  ebenfalls  10  Gulden,  »sal  man  by  dem 
olenberg  doselbst,  wes  die  notturft  do  erfordert,  verbawen«;  in  den  Bau 
zum  Turm  von  St.  Bartholomaei  gab  er  auch  10  fl.,  zum  Bau  der 
St.  Leonhartskirche  6  fl.  »Sie  sollen  auch  alle  ermanet  werden,  got 
für  mich,  mein  hauszfrawe  vnnd  vnser  eitern  vund  guttheter  zu  bitten«. 
»Setz,  ordnen  vnd  bescheyden  ich  den  hern  vnd  closter  zu  den 
predigern  hie  zu  Franckenfurth  vierhundert  gülden,  die  sie  mit  rath, 
willen  vnd  wiszen  meiner  erben  vnnd  testamentarien  an  gult  sollen 
legen,  nemblich  siebenzehen  gülden  gelts  kaufen«.  Dafür  sollen  sie 
täglich  eine  Lesemesse,  fünfmal  im  Jahr  eine  »singende  messe«  und 
einmal  ein  Memorien  oder  Begängnis  auf  dem  St.  Thomasaltar  halten, 
»darzu  die  ampel  für  demselben  altar  brennenden  tag  vnd  nacht«. 
Was  er  im  Codizill  unter  f  Jesus  J  Maria  f  Anna  für  die  Prediger  ver¬ 
ordne,  solle  gelten.  10  fl.  sollen  einmal  den  hausarmen,  notdürftigen 


1  Vgl.  Fichard  Fasz.  Heller.  Mit  dem  Codicill  hinterlegt  im  Predigerkloster. 

2  Fichard  hat  sich  hier  verlesen. 


38i 


Leuten  gegeben  werden,  keinem  mehr  als  i  Ort  (=  6  ß)  auf  einmal; 
»bevorab«  sollen  die  bedacht  werden,  denen  er  und  seine  Hausfrau 
täglich  gegeben  habe.  »Item  setz,  ordnen  vnd  will  ich,  das  mein  erben, 
testamentarien  vnnd  truwenhendere  eyn  gelegen  behausunge,  soferre  ich 
die  in  zeit  meins  lebens  nit  verordent  het,  mit  rath  eyns  erbarn  rats 
alhie  zu  Franckfort,  die  das  verwilliget  haben,  käufen,  nach  nottürft 
bawen  vnnd  versehen  sollen,  darin  eyn  Stuben  oder  gewelb  mit  zweyen 
collischen  kamyn  oder  mitten  eyn  kolefewer  oder  holtzhert  nach 
nottürft  zugericht  werden,  darin  sich  von  wynther  zeit  von  omnium 
sanctorum  bis  vff  Cathedra  Petri  im  tage  das  arm  folck  wormen 
mögen«.  Ein  Ehepaar  soll  darin  wohnen,  »die  das  die  obgemeldt  zeit 
versehen  sollen  vmb  zimliche  belonunge  redlich  nach  nottürft  versehen, 
verlocht  vnnd  vergült  werden«  sollen.  Alljährlich  soll  dem  Rate 
Rechnung  gelegt  werden.  Alles  Silbergeschirr,  Korn  und  Bargeld  und 
dann  seine  und  seiner  Frau  goldene  und  silberne  Kleinodien,  goldene 
Ketten,  Ringe,  Edelsteine,  Perlen  sollen  verkauft  und  »hausarmen, 
notttirftigen  leuthen  für  duch,  eyn  weglin  holtz,  schuwe,  für  eyn  ort 
brot  oder  eyn  ort  bar  in  die  handt«  gegeben  werden.  Vorher  solle 
aber  »die  stub  genugsamlich  nach  nottürft  mit  bawen  vnd  gulten  ver¬ 
sehen«  werden  »vnd  das  Creutz  vff  dem  pfarkirchof  vnnd  der  olenbergk 
zu  vnser  lieben  frawen,  weszs  mangels  daran  were«.  Testaments¬ 
vollstrecker  sollen  Bechtold  und  Johann  vom  Rhein,  seine  Vettern,  sein. 
Damit  sie  desto  mehr  Fleiss  anwenden,  bestimmt  Jakob  Bechtold  die 
Wiese  zu  Bockenheim,  die  Steinheimer  Wiese  genannt,  4  Morgen  5  Ruten 
gross,  und  Johann  2  Zinshäuser  zu  Sachsenhausen  zwischen  Ulrichstein 
und  Dreikönigskirche.  Wenn  einer  seiner  Erben  nicht  zufrieden  sei, 
solle  sein  Erbe  unter  die  andern  geteilt  werden,  jedoch  solle  JA  davon 
den  3  Stiften,  den  3  Orden  und  2  Jungfrauenklöstern  gegeben  werden 
in  ihren  Bau. 

b)  Codicill,  31.  März  1519. 

Auf  allen  Kanzeln  in  den  3  Stiften,  den  3  Orden  oder  Klöstern, 
durch  die  Prediger,  im  deutschen  Haus,  zum  heiligen  Geist,  zu  St. 
Katharinen  soll  sein  Tod  verkündet  und  fleissig  für  ihn  gebetet  werden, 
»dafor  in  geborlich  belonung  sol  gegeben  werden«.  Ein  »messen 
pethavium«  soll  man  auf  sein  Grab  giessen  lassen,  darauf  ein  Gold¬ 
schmied  oder  Büchsengiesser  das  Datum  stechen  soll;  sein  Schild  und 
Helm  sollen  unter  das  jüngste  Gericht  über  dem  (Thomas-)Altar,1  »da 
die  hei  gemolt  ist  vnd  eyn  hak  dazo  in  gegossen«  ist,  aufgehängt 
werden.  Ein  Maler  solle  das  Datum  darauf  schreiben;  »und  ist  soligsz 
petafium  zu  den  bredigern  in  der  obern  stoben  obern  sigenhusz,  alsz  her 


1  »ober  meyn  altar«.  Es  scheint  demnach  an  der  Wand  über  Dürers  Bilde 
das  jüngste  Gericht  gemalt  gewesen  zu  sein. 


382 


Baltasar  vvol  wisz«.  Seine  Erben  sollten  »ein  erbar  manszperschoin, 
der  eins  erbern  wesensz  vnd  stantz  sey«,  der  das  vermöge  und  das 
richtige  Alter  habe,  nach  Rom  schicken  für  Jakob,  seine  Hausfrau  und 
beider  Eltern  zu  beten.  Jede  Woche  solle  derselbe  1  fl.  erhalten  oder 
»wasz  nach  gelegenheyt  der  zit  mer  erfordert«.  Wenn  er  zu  Rom, 
Loretto,  Einsiedeln  usw.  still  liege,  solle  man  ihm  ausserdem  1  Ivarlin 
täglich  zur  Zehrung  geben.  In  14—  1 5  Wochen  würde  die  Wallfahrt  beendet 
werden  können.  Darum  solle  man  länger  zu  zahlen  nicht  verpflichtet 
sein.  Wenn  er  aber  von  dem  untengenannten  Priester,  der  zu  Rom 
mit  ihm  gehen  solle,  die  Bescheinigung  bringe,  »dasz  er  andechtiglich 
vnd  flisekligen  disz  hernachgeschriben  foluirt  hat  ond  andechtiklig  for 
onsz  gebeten  ond  de  helge  steyt  flisiklig  ersoucht  hat«,  solle  man  ihm 
eine  Verehrung  geben  »nach  Gelegenheit«.  Man  solle  ihm  einen  Teil 
des  Geldes  mitgeben,  soviel  er  bis  Rom  bedürfe,  an  die  8  fl.;  sodann 
solle  man  ihm  einen  Brief  mitgeben  gen  Rom,  Venedig,  dass  er  zu  Rom 
um  12  fl.,  zu  Venedig  um  5 — 6  fl.  finde.  Man  solle  nach  Rom  und 
Venedig  schreiben,  »dasz  er  Im  wexel  dorg  wexelbriff  zu  onpahen  wiss, 
omb  mangerly  ofstonsz  of  der  strasz,  damit  er  kein  mangel  hett  ond 
an  der  walfart  nit  ferhendert  werd«. 1  Wenn  er  krank  würde  oder 
stürbe,  solle  ein  anderer  geschickt  werden.  Der  Verlauf  der  Wallfahrt 
solle  ihm  schriftlich  mitgegeben  werden,  damit  er  und  der  Priester  in 
Rom  ihn  öfters  läsen  und  den  Willen  des  Testators  ausführten.  Man 
solle  dem  Pilgrim  »eyn  gout  nuhe  par  scho  mit  dopelsz  ^olin  mitgebein, 
vnd  von  mynen  altten  klidern  eyn  wambsz,  eyn  altt  par  hosen,  eyn 
mantel  vnd  rock  oder  im  fon  graem  duch  machen  lassen.«  Täglich 
solle  er  auf  dem  Wege  30  Paternoster,  30  Ave  Maria,  3  Glauben  mit 
Andacht  für  Jakobs  und  seiner  Angehörigen  Seelenheil  beten.  Alle 
Sonn-  und  Feiertage  und  sooft  er  sonst  könne,  solle  er  auf  dem  Wege 
messe  hören,  für  ihr  Seelenheil  beten  und  während  der  Messe  30  Pater¬ 
noster,  30  Ave  Maria  und  3  Glauben  andächtig  beten.  Die  Kosten  der 
Messen,  die  er  für  Heller  habe  lesen  lassen,  und  für  brennende  Kerzen, 
die  er  brennen  lasse,  sollten  ihm  die  Erben  wiedererstatten,  ebenso 
was  er  dem  Priester  in  Rom  gebe  und  opfere. 

Weiter  heisst  es: 

»Zorn  Ersten. 

Item  wan  er  als  pelgerin  gein  Rom  ko(m)pt,  sal  er  dan  den  andern 
dak  gan  beychten  ond  erfornsong  (!)2 3  haben  nach  eym  fromen  dutzen ? 


1  In  einer  ebenfalls  eigenhändigen  Abschrift  (B)  heisst  es :  omb  mangerly 
ofstusz  of  der  strasz,  ob  im  brit  oder  gelt  genomen  werden,  dasz  er  kein  mangel 
an  gelt  hett. 

1  Erforschung. 

3  deutschen. 


3^3 


prister,  dem  (!)  im  gelegenheyt  der  helgen  stett  zu  zigen  wisz,  dem 
er  büchten  sol,  den  er  allen  dak,  we  hernoch  steit,  mit  im  nemen  sal, 
der  in  aller  masz  for  mich,  mein  husfrau  selgen,  onser  beyder  altern 
beten  sol  alsz  der  pelgrin,  dasz  er  in  ernstlig  befeln  sol,  ond  sal  der 
prister  in  zweyhein  all  dak  desse  ferzeygenisz  ferlyssen,  weysz  sey  beyde 
den  selben  dak  doin  soln  noch  inhalt,  damit  esz  noch  onser  sein  hayl 
folnbrücht  werde,  ond  sal  der  selbege  prister  de  irst  oder  ander  misz 
selber  lyssen,  do  fan  im  der  pelgrin  eyn  karlin  geben  sal,  darzu  allin  dak 
for  seyn  moy  ond  ganck  auch  eyn  karlin  geben,  ond  wan  se  de  walfart 
zu  sant  Johan  Latran  om  (!)  S.  Maria  schala  zely  doin,  of  dan  dasz  der 
prister  desz  ondechtiger  for  onser  sayl  beyt,  sal  man  im  de  zueyn  dag 
iclgen  3  karlin  geben  for  de  misz  ond  ganck,  ond  sol  der  prister  zu 
icliger  misz,  so  er  hört,  eyn  septem  palmos  mit  der  lytemey  ond  colicht 
andechteklyg  for  onsz  beten,  ond  ist  sach,  dasz  der  prister  mit  flisz  ond 
andacht  disz  meyn  walfart  dut,  ond  andechtklych  for  mich  beyt,  sol 
der  pelgerin  im  eyn  fl.  zu  Ion  schenken.1 

Item  den  anderen  dak  solin  sey  beyde,  der  prister  ond  pelgerim, 
samethaft  zu  Sant  Peter  monster  gan,  de  2.  haptkerg,  ond  mit  eynegen 
herzen  for  meyn  seyl  beten,  dasz  sich  gott  ober  se  erbarmen  wol,  auch 
for  de  andern  obgemelt,  darfor  ichsz  auch  begern  bin  etc.2  dan  auf 
Sant  Petersz  altar  eyn  misz  fan  Sant  Peter  lysen  lassen,  ond  of  dem 
seilen  altar3  3  mesz  requiem  lassen  lysen,  der  diszer  prister  eyn  sal 
lassen  (!)  lysen,  ond  eyn  of  der  Froncken4  altar,  darzu  iclig  misz,  for  ond 
nachgeschriben,  3  wexen  kerzlin  ongeferlig  for  eyn  kruzer  sol  darby 
gebrant  werden,  ond  icligen  prister  fon  eyner  misz  eyn  karlin  gegeben 
werden,  ond  so  dorg  den  pelgerin  ermant  soln  werden,  for  meyn  seyl 
ondechticlig  zo  beden,  auch  mayn  husfrau  selgen,  onser  beyder  altern, 
dasz  onsz  gott  genedig  wil  sein,  ond  onser  arme  seyl5  durg  sein  helgesz 
better  dut  ond  lyden,  er  am  stam  desz  helgen  Krut  geliten  hat,  ond 
sein  helgesz  blut  fergossen  hat,  ond  durg  sein  grondluse  barmherzikheyt 
onsz  all  onser  son  ferzihen  ond  fergeben  wol,  meyn  seyl  zu  sein  gottligen 
genad  nemen,  amen. 

Ond  der  prister  ond  pelgerin  solin  by  for  ond  nachgeschribenen 
mesz  selber  sein  ond  de  mit  andacht  of  irn  knehen  horn,  der  prester6 
de  7  palmos  met  der  lyteney  colicht7  ond  der  pelgrin  XXX  paternoster, 
aue  maria,  3  globen  drunder  andechtlig  beten,  ond  solin  sey  beyd,  der 


1  B :  so  esz  folendt  ist. 

2  B:  ond  meyn  sond  ferzihen  ond  meyn  seil  zo  sein  gotligen  genaden  nemen. 

5  Seelenaltar. 

*  Veronica. 

5  B:  durg  sein  helge  mentzwerdong. 

6  B:  Doch  so  der  prister  de  misz  lyst,  darf  er  de  seben  salmen  nit  beten. 

7  Kollekte. 


384 


prister  ond  pelgern,  for  den  7  hauptaltar  in  Sant  Petersz  kergen  gan 
ond  for  ilchen1  5  pater  noster,  5  aue  maria,  eyn  gluben  beten,  deszgligen 
for  der  golden  portein  auch,  we  he  for  stat,  beten,  ond  forter  den  selben 
dak  ausz  (!)  de  helge  stett  drom  erschein,  so  fil  se  der  errichen  können, 
mit  andach  for  onser  seil  beten. 

Item  den  andern  dak  soln  se  gan  zu  Sant  Paulsz,  de  3.  hauptkerg, 
da  lassen  lysein  eyn  misz  of  dem  hohein  altar  fon  Sant  Paulisz  ond 
eyn  misz  requiem,  ond  all  kergen  drom  her  den  selben  dak  oder  auf 
dem  selbegen  weg  mit  andach  besochen  ond  for  onsz  beten. 

Item  den  andern  dak  soln  se  gan  zu  Sant  Maria  Maior,2  de  4.  haupt¬ 
kerg,  da  of  dem  hohen  altar  eyn  misz  fon  onser  liben  frauen  lassen 
lysen,  ond  of  sant  Jeronimsz  altar  zu  der  richten  hand  eyn  misz  fon 
sant  Jeroemus  ond  eyn  mesz  requiem  lassen  lysen,  dan  for  dasz  mergen- 
bild  knehen,  dasz  oben  neben  dem  hohen  altar  steit,  dasz  met  sant 
Gregoriosz  geritt  hat,2  da  der  prister  eyn  salue  reygina  ond  rygina  zely  mit 
der  geuenlich  colicht5  beten  sal,  ond  der  pelgerin  3  pater  noster,  aufe 
maria,  eyn  gluben  met  andacht  beten  soln,  ond  of  den  selben  dak  solin 
se  ad  sactum  brexsedan4  of  den  altar,  da  de  sul  onder  stat,  da  gott, 
onser  her,  an  gegeiselt  ist  wordein,  ond  da  5  meysz  lassein  lysein  fon 
dem  lyden  kriste,  der  eyn  requiem  sol  sein,  ond  forter  den  dak  de 
helge  stett  drom  her  lassein  besoichen,  so  fil  se  der  erlangen  konen, 
ond  beforab  zo  Sant  Mateo,  Sant  Veltz5  met  andach  besochen  ond  betein. 

Item  dein  irstein  fritak,  so  er  dar  kompt,  off  den  abent  spad, 
solend  sey  beyd  by  Sant  Johan  Latran  zo  herberg  lygein  ond  of  dem 
sanstak  morgesz  froe  in  de  selbe  kerg  S.  Johansz  gan  ond  den  dak  da 
blibein,  de  erste  hauptkerg,  der  7  kergen  eyn,  mit  gruser  andacht  de 
selb  besochen,  dan  ich  eyn  besonder  genade  ond  andacht  darzu  hab, 
da  ich  selbest  in  iar  1500  nast  perschonlich  zo  Rom  wasz,  soln  sey 
beyd,  der  prister  ond  pelgerin,  fliszlich  mit  andacht  for  onsz  beten, 
ond  of  dem  altar,  da  Sant  Peter  ond  Paulusz  hupt  oben  stan  onder 
dronhimmel,  eyn  mesz  fan  S.  Johann  lassen  lisen,  darnoch  eyn  meysz 
in  der  kapeln  darneben,  lyst  man  gemklych6  for  de  seyln,  sol  man  mir 
eyn  misz  requehem  lassen  lysein,  ond  in  der  kapel,  da  Moesz  rotem7 
ond  de  dafei,  da  der  her  dasz  obetz  Imsz8  mit  sein  Jongern  auf  gessen 


1  =  jeglichen. 

2  geredet  hat.  Gsell  Fels  Rom  und  die  Campagna.  Meyers  Reisebücher. 
1906.  Sp.  753. 

3  fehlt  in  B. 

4  B:  prixsedem.  Gsell  Fels  a.  a.  O.  Sp.  764. 

5  B:  vitisz. 

6  =  gemeiniglich. 

7  B:  da  moesz  Rout. 

&  =  Abendmahl. 


385 


hat,  da  in  auch  eyn  miszrequiem  lesen,  de  deser  prister  lysein  sol;  da 
noch  solint  sey  beyde  for  der  goldenen  portein  knehein  ond  icliger 
5  paternoster,  aue  maria,  eyn  gluben  beten  for  onser  seyl ;  da  noch 
solint  sey  heinauf  dorg  de  3  goldein  porten  gan,  zo  7  maln  gan,  zo 
icligem  mal  eyn  pater  noster,  aue  maria,  eyn  gluben  spregen  zom  lyes- 
tein  mal,1  ond  forter  in  de  kapel  sanchta  sanchutorum 2  gan,  darin  eyn 
mesz  requiem  lassen  lysen,  ond  na  darby  ist  eyn  wisz  marmel  altarstein, 
darauf  de  aposten  mesz  gelisen  haben,  solint  se  mir  auch  eyn  mesz 
requiem  lassen  lysein,  allsz  mit  brenhen  wexen  kerzen,  we  obgemelt; 
da  nach  solint  se  beide  de  wisz  marmeln  stensteyg  auf  irhein  knehen 
aufgain,  de  onser  her  Christosz  auf  ganhein  ist,  alsz  er  for  Pilatosz 

gefort  wart,  zo  3  mol  aufgan  of  irhen  knehein,  icliger  for  mich,  mein 

husfr(au),  onser  eitern  seyl  beten,  ond  of  icliger  dropein  eyn  pater  noster, 
aue  maria  spregen  ond  of  der  lystein  eyn  glauben,  ond  of  der  drapen 
metten,  da  dasz  isern  geremsz  auf  stet,  solin  se  zo  allin  mal  3  pater  noster, 
3  aue  maria,  eyn  gluben  spregen,  dan  auf  der  selben  drapen  ist  Jesus  gefaln, 
alsz  man  noch  de  blutzdropen  seycht,  ond  solint  se  noch  3  ärmentzen 3 
met  in  nemen,  de  dergligen  auch  gan  ond  beten  soln,  den  der  pilgerin 

icligem  zo  iderm  mal  2  krutzer  zo  Ion  gebein  sal,  seint  18  krutzer. 

Dein  andern  dak  darnach  solint  sey  tzwen  hauptkerchen  besochein, 
zum  irsten  de  5.  hauptkerg  zo  Sant  Lorentzen  ond  de  6.  hauptkerg 
zom  helgen  krutz ;  zo  Sant  Lorenzein  of  Sant  Lorenzen  altar  eyn  misz 
fan  Sant  Lorenzein  ond  eyn  misz  requiem  lesen  lyssein,  ond  solint  dasz 
grap  Sant  Lorenzen,  Sant  Steffein  ond  de  gruft  darnebein  mit  anducht 
besochein,  icliger  mit  5  paternoster,  aue  maria,  eyn  glubin  betein. 

Item  danoch  zom  helgen  krutz  zo  Jerosaleim  gan,  da  of  dem 
hohen  altar  eyn  meyss  vom  helgen  krutz  lassein  lysein,  ond  sofern  esz 
sein  mag,  in  der  capeln  zo  Jerosalim  mir  eyn  seylmeysz  requiem  lassein 
lysein  oder  sonst  of  eyn  andern  altar  in  der  selbegen  kergen,  ond  in 
der  selbegen  capel,  Jerosalim  genant,  sol  der  prister  eyn  septem  solmosz4 
mit  der  lyteney,  colycht,  der  pelgerin  XXX  paternoster,  aue  maria, 
ein  gluben  beten  ond  forter  dein  selbegen  dak  de  helle5  stett  omb  desen 
zuo6  kergen  andechtiklig  besochen,  ond  for  onser  seil  betein. 

Item  danach  dein  andern  dak  solint  sey  beyd  de  sobende  hup- 
kerg  besochen,  zo  Sant  Sebesteon,  ond  off  demselbein  altar  onden, 
alsz  man  in  de  gruft  geyt,  soln  se  mir  3  meysz  lasen  lysen,  der  deser 
prister  eyn  sol  lysin  requem,  ond  wan  eyn  der  misz  ausz  ist,  so  sol 


1  B :  ond  zoen  lesten  mal  eyn  gluben  mit  andacht  for  onser  beyder  sei  beten. 

2  sanctorum.  Gsell  Fels  a.  a.  O.  Sp.  417. 

3  B:  arm  menzen  =  arme  Menschen. 

4  psalmos. 

3  helge. 

6  Zwei. 


25 


386 


der  prister,  der  de  misz  gelesen  hat,  ond  der  pelgerin  sanpt  sein  prester 
solint  mit  brein1  kerzen  ideszmal  for  eyn  oder  2  krutzer  drug2  de 
gruft  gan,  dasz  ist  dreiemol,  der  prester  ediszmal  de  soben  posolmen,3 
lyteiney  ond  kolycht  betein  sanpt  andern  goutem  gebet,  der  pelgerin 
so  fil  paternoster,  aue  maria,  alsz  er  kan,  deweil  se  dar  dorg  gain,  for 
mich,  mein  husfrau,  onser  altern  beten,  dasz  onsz  gott  onser  sond  firzig.4 

Item  deinselben  dak  soln  se  gan  zu  onser  libein  frauwen  zo  der 
botzschaft,  lyt  nit  wit  darfan,  ond  ineklig5  7  pater  noster,  aue  maria 
betein,  eyn  glubein,  ond  der  prister  eyn  salue  reygena  ond  dasz  rey- 
geyna  cely  beten  ond  eyn  misz  fan  onser  libein  frauen  lysein  lassen, 
de  conzepzione,  fan  englisem  gruisz. 

Item  de  7  hauptkergen  sol  de  prister  ond  pelgrin  alin  noch  2  mal 
besochein  alemal  mit  gebet,  we  he  for  stat,  ond  der  prister  icligen  dak 
alin  sey  meysz  sol  lysein  ond  de  andern  nit,  ond  sol  lysein  de  irst  zo 
Sant  Petersz  monster  of  der  sein  altar,  zo  Sant  Maria  Major,  of  Sant 
Jeronimosz  altar,  de  ander  zo  Sant  Johann  in  der  kapel  sanchta  san- 
torin,  de  ferd  zo  Sant  Sebastian  onden  by  der  gruft,  ond  sol  se  all 
Requem  lysein,  und  se  zuen  de  Steg  zo  Sankt  Johan  alin  aufgain,  alsz 
obgeschriben,6  ond  wan  sey  de  lyst  walfart  doin,  soln  se  zuen  zo  Sant 
Gregorio,  Gregorio  ist  eyn  abtey  in  Sant  Endreysz  ire  gebut,  da  ich 
itz  im  nesten  jubeljor  zo  rom  wasz,  lysz  ich  mich  in  ihr  broderschaft 
schriben,  da  sal  man  mir  auch  eyn  mesz  requiem  lysen,  de  er,  der 
prister,  lysein,  ond  der  pilgern  horn,  jnclich  for  onser  seyl  betein. 

Item  of  dem  gotzacker7  sol  deser  prister  auch  eyn  mesz  requiem 
lysen,  we  oblut. 

Item  darnoch  of  dein  samstak,  so  se  zo  Sant  Johan  Latran  geuest 
sein,  soln  sey  sich  schekein,  dasz  sey  beid  dein  sondak  darnach  morgesz 
froe  zo  onser  libein  frauen  schala  zely,  hinder  Sant  Paulus  ligend,  oder 
3  bronnen,8  gain,  darzo  ich  eyn  besonder  andacht  hab,  ond  of  hohem 
koraltar  eyn  mesz  fon  onser  libein  frauen,  2  mesz  requem  lassen  lysen, 
for  3  krutzer  wexen  kerzen  brenhein,  ond  den  prister  ernstlig  befeln, 
for  onser  seyl  zu  betein,  der  der  mesz  eyn  lysein  sal,  ond  dorg  de  gruf 
selbest  gain,  darnoch  zo  dein  3  bronhein  gan  ond  foln  (!)  denselben  dak 
de  helge  stett  dromher  besochein  ond  mit  andacht  for  onser  sein  beten. 


1  brennenden. 

2  durch. 

3  psalmen. 

4  B:  das  uns  Gott  gnedig  und  barmhertzig  wol  sein.  Amen. 

5  inniglich. 

6  B:  ond  de  Steg  zo  sant  Johan  Latram  nor  eyn  maln  sey  zuein  alsz  ob¬ 
geschriben  aufgan  solin. 

7  B :  by  Sant  Peters  kergein  gelygen. 

8  B:  lyget  by  den  drien  bronnen. 


387 


Item  so  der  pelgerin  also  mit  andacht  dese  walfart  mit  andacht  (!) 
folnbrucht  hat,  sal  er  dan  wider  hamzehen  of  Ancona  zu,  ond  of  onser 
liben  trauen  zu  Loreto  zo,  ond  da  eyn  dak  steyl  lygen  ond  onsz  da  in 
onser  leben  trauen  capel,  de  metten  in  der  kergen  stat,  3  mesz  lasen 
lysein,  eyn  von  onser  libein  trauen,  alsz  ir  de  botzschaft  brucht,  annun- 
ziacionisz,  ond  zo  end  der  meysz  dem  prister  befeln,  dasz  reygena  cely 
zo  lysein  ond  darnoch  2  mesz  requem,  de  der  pelgrin  alle  selbest  horn 
ond  betein  sal,  30  pater  noster,  aue  maria,  3  gluben  mit  andacht  for 
onser  seyl,1  ond  for  ein  karlin  brenhen  wexen  kertzen  da  by  brenhen,2 
dein  prestern  all  drien  befeln  andechteklig  for  onser  seyl  zo  beten,  ond 
icligen  ein  karlin  geben. 

Item  darnoch  sol  er  auf  Fenedig  zu  zehein,  aber  da  eyn  dak  stil 
lygen,  ond  zu  Sant  Helena  farn  ond  in  ir  kopel  ober  irn  grap  ader 

altar  eyn  meysz  fon  Sant  Helena  ond  eyn  misz  requem  lysein  lassen, 

den  prister  2  marzel  ond  for  eyn  martel  brennen  kertzen  fon  wax  darby 
brenhen.  Item  darnoch  sal  er  obern  arlinberk  zehein  zo  den  Eynsedeln 
ond  eyn  dak  do  stil  lygen,  eyn  misz  fon  onser  lyben  frauen  in  irher 

kapel,  so  metten  in  der  cergen  stet,  ond  eyn  mesz  requem  for  onsz 

lassen  lysen,  mit  gebet,  kerzen  for  3  alb.,  icligem  prister  alsz  gott  alsz 
2  alb.  zo  geben  ond  se  erman,  andechtiglig  for  onsz  zo  beten,  ond  sal 
der  pelgrin  allen  dak  of  der  win3  (!)  im  hein-  ond  hergan  XXX  (30) 
pater  noster,  aue  maria,  3  gluben  beten  met  anducht  for  onser  seyl, 
dasz  ir  gott  gnedig  sey. 

Item  darnoch  in  den  selbegen  drisexsten  oder  ongeferlig  in  14  dagen 
darnoch  sal  aber  eyn  fromer  manszperschoin  auch  obgeschriebener  masz 
gefertiget  werden  tzo  onser  libein  frauen  gein  Herzeinhan,  zo  onser 
liben  frauen  gein  Wormsz,  zu  onser  liben  frauen  gen  Achein,  sol  an 
icligem  ort  lossein  lysein  eyn  misz  fon  onser  liben  frauen  ond  eyn 
meszrequem ,  dein  pristern  befeln ,  ondechtiglich  for  mich ,  meyn 
husfrau,  onser  altern  zo  beten,  deim  man  2  alb.  fon  icliger  mesz 
geben  sal  ond  an  icligem  ort  V2  lb.  kerzen  for  onser  liben  frauen  in 
zit  der  meysz  brenhen  sal,  ond  zu  icliger  mesz  3  ^  opern  ond  sal  der 
pelgerin  of  der  weg,  so  er  dan  ond  dar  get,  allin  dak  auch  zo  icliger 
mesz  30  paternoster,  aue  maria,  3  gluben,  eyn  roseinkrantz  ineklig  for 
onser  sil  beyten,  dasz  ir  gott  genedig  wil  sein,  amen,  ond  sal  foruetter4 
gein  Durhen  zo  Sant  Ana  ond  gen  Coln  zo  den  helgen  3  kongen, 
men  besondern  patron,  da  ich  alueg  eyn  besonder  grusz  andach  zu 
gehapt  hab,  da  er  auch  mit  flisz  for  mich  beten  sal,  ond  de  prister,  de 
ir  mesz  lisen,  ouch  erman,  mit  andach  for  mich  ond  min  husfrau  zo 


1  B:  dem  prester  for  iclich  mesz  eyn  karlin  geben. 

2  bei  brennenden  Kerzen. 

3  In  B :  weg. 

4  forter. 


25 


388 


beten,  ond  zo  Durhen  eyn  mesz  fon  Sant  Ana,  eyn  misz  requem  lasen 
lysen,  ond  zo  Köln  eyn  misz  fon  den  helgen  3  kongen  of  dem  altar, 
der  hinter  in  steyt,  ond  eyn  mesz  requem  lysen  lassen,  fon  iclicher  dem 
prister  2  alb.  gegeben  saln  werdein,  zu  icliger  3  geopert  ond  1/2  lb. 
kerz  zu  icliger  misz  gebrent  ond  for  den  helgen  3  kongen  onder  den 
2  messen  3  wexen  kerzen  fon  11/2  alb.  ond  in  ir  kasz  3  alb.,  allsz  dorg 
den  pelgrin  geopert  sol  werden1  ond  sol  man  im  desz  eyn  abschrift 
mitgeben,  of  dasz  er  of  den  weyg,  miner  beger  noch,  sich  wisz  zu 
halten,  ond  im  so  hl  zergeltz  mitgeben,  so  fil  im  not  ist,  ongeferlig  5 
oder  6  fl.,  ond  im  seinsz  gangsz  ond  walfart  nach  notorf  beloin  ond 
nechtz  abrechen,  of  dasz  er  desz  flisiger  sey,  for  onsz  zo  beten,  ond 
beforab  in  zalen,  wesz  er  for  mesz,  kerzen,  oper  auszgeben,  ond  sol 
man  im  mitgeben  meyn  ronden  golden  rink,  dein  ich  deglichsz  gedragen 
hab,  darin  gestogen  ist  f  Rex  f  Jasper  f  melheor  f  baltesar  f,  den  sol 
er  in  ir  cassa  opern,  desz  er  eyn  contschaf  fan  den  prister,  der  darfor 
setz,2  brengen  sol,  dasz  solig  misz,  oper,  kertzen,  rink  in  in  ir  casz 
geopert  sei,  brengen  sol  (!),  ond  ob  man  nit  eyn  geschikte  rnansz 
perschon  habein  mecht,  so  sol  man  tzuo  erber  gistlich  bekin  dahin 
schekein,  disz  obgeschriben  zu  folnendein,  dein  man  gnoksam  belonung 
drom  doin  sol,  ond  se  erman,  andechtiklig  for  onsz  zo  betein  ond  in 
eyn  abschrift  mitgeben,  ond  sol  man  in  disz  zuen  oder  3mol  hefor  lysen, 
se  erman,  truligt  ond  andechtegligen  for  osser  (!)  seyl  zu  beten,  de  de 
obgemelt  contschaft  auch  brengen  soinln  (!). 

Item  so  wil  ich,  dasz  zo  onser  libein  frauen  zo  Herzeinhain  ge- 
gebein  werd  in  iarszfreist  meyn  liberfarb  schameluten  hoseyk3  mit  dem 
mardern  fouder,  darausz  eyn  meszgeuant  gemach,  dasz  fouder  ferkauft 
ond  eyn  schoin  crutzefix  ond  onser  b(ei)der  wapen  drauf  machein,  ond 
weisz  darzu  gehört ,  darfan  gekauft  ond  gemacht  werden  ond  wesz 
oberik  erlust,  dein  hern  zugestelt  ond  gegeben  werden  dorg  meyn  erbein 
ond  truhenhelder,  ond  in  fon  stonden  noch  minern  dut  ferconten  meyn 
abschiden,  of  dasz  se  mich  alsz  irn  ingeschriben  bruder  begoin  soln,  alsz 
ich  mich  in  iar  1502  of  Sant  Seymon  ond  Judae  dak  obent  by  in  lisz 
inschriben,  alsz  ich  in  dasz  schwartz  pert  schankt,  nemlich  solint  sey 
mich  began  eyn  sobenden  ond  drissigsten  ond  eyn  iarzit 4  doin  ond 
forter  mit  mir  halten,  alsz  mit  eyn  andern  irm  bruder,  ond  meyn  ond 
meiner  husfrau  selgen  seiln  lassen  befoln  sein  in  iren  inegen  gebet, 
dafor  ond  darzu  sal  man  in  geben  XX  achtel  kornsz  ond  V  fl.  alsz  bar. 

Item  den  hern  of  Sant  Jacopsz  berk  for  Mentz  beschid  ich  fon 


1  B:  ond  sol  der  pelgrin  gott  fon  hemel,  de  rnotter  gottz,  de  helg  fraue 
Sant  Anna,  de  libein  helgen  drey  kong,  meyn  eruelten  patron,  . . .  bitein  ond  beten. 

2  B :  der  da  bey  sey. 

3  Oberrock. 

■t  Kriegk,  Bürgertum  a.  a.  O.  N.  F.  S.  176. 


389 


minem  oder  einer  husfrau  selgen  klider  fon  den  besten  schamelut,  dar 
fon  meyn  erben  in  eyn  miszgeuant  mit  eym  schoin  krutz  for  fl.  3,  mit 
2  onsern  schildein,  mit  sametnelein  ombher  eyn  dumen  brit  ferlyst,  of 
dasz  irligst  gemacht,  ond  darzu  VI  fl.  alsz  bar  geben  werden,  de  mich, 
meyn  husfrau  selg  irlig  andechtig  began  ond  gott  for  onsz  beten  solin, 
nochdem  wir  in  desz  helgen  ordensz  bruderschaft  seint. 

Item  meiner  schuester  Lukeln  zu  den  wisein  frauen  in  Mentz  seytz 
ich,  so  sey  mein  dut'  erlypt,  in  ir  haint  zu  gebein,  damit  se  doin  ond 
lassein  sol  noch  irm  gefaln,  V  fl.,  ond  dasz  flag  mergenbeld  mit  dem 
rodein  mantel,  mit  dem  graein  fouder  gemalt,  ond  roden  paternoster. 

Item  meiner  schuester  Angnessein  duchtter  in  selbem  kluster  icliger 
II  fl.  auch  obgeschribener  masz  in  ir  hantin  zu  gebein. 

Item  in  dein  gemeyn  confent  zu  wissein  frauein  beschid  ich 
XX  achtel  kornsz,  de  selbegen  joffern  solin  mich  ond  men  husfrau 
begain,  we  by  in  brug  ond  geuonheyt  ist. 

Item  den  hern  zu  dein  bredegern  he  zu  Frankfurt  setz,  ordein 
ond  beschid  ich  noch  men  dut  in  dem  drissesten  zo  gebein  eyn  fouder 
winsz  an  eyn  stouk  ongeferlig,  oder  XX  fl.  darfour,  dasz  ich  zo  men 
erben  stel,  ond  XXX  achtel  kornsz,  desz  solin  sey  mich  begen  eyn 
sobenden  ond  drissistein  ond  eyn  iarzit  don  ond  das  iar  ousz  alle  in 
alle  prister  in  cluster  meyn  ond  mener  husfrau  icliger  in  ir  misz  ge- 
denckein  ond  of  ir  ostein  boxen1  schribein,  ond  der  lyszmenster2 3  zo 
seyner  breget  eyn  iar  lanck  onsz  beyd  ferconden  ond  beten  lassein 
ond  onsz  in  ir  seylnbuch  schribein  ond  in  ir  gernen  bruderschaft  alsz 
irn  mitbruder5  noch  lud  der  brif,  ond  halten  alsz  mit  anderm  irm 
bruder  ouder  (!)  schuester,  ond  den  general-  ond  profentzeolcapettel4 
onser  dut,  we  geuonheyt  ist,  anzigein. 

Item  nochdem  ich  in  myn  testament  ond  lystein  wiln  eyn  ebege 
meysz  sampt  5  seingenden  messen  ferordent  hab  sampt  andern,  ond 
darober  ferschribong  fon  prior  ond  confent  he  zu  bredegern  aufgericht, 
wil  ich,  dasz  XVII  fl.  geltz,  wol  ferlicht,  omb  fl.  400  erkauft  werdein, 
ond  fon  eym  profenzeal  drom  veruolgong  erlankt  zu  ebegen  zeten  zo 
halten,  ond  for  mich  ond  men  husfrau  ond  onser  beyder  altern  ond 
gouteter,  ond  for  de  mesz  begerin  sein 5  mit  andacht  zo  beten.  Da 
auf  men  erbein  ond  truhenhelder  eyn  trulisz  ofseinsz  solin  habein. 

Item  so  wil  ich  dasz  meyn  erbein  ond  truhenhelder  noch  minem  dut, 
so  fer  ich  dasz  in  zit  mensz  lybensz  nit  het  lassein  machein,  fan  eyn 
roden  samet,  fon  dein  bestein  ond  schonstein,  of  dasz  allerkostlig  ond 


1  B:  ostien  box. 

2  Lesemeister. 

3  B:  ond  schuester. 

4  Provinzialkapitel. 

>  B:  ond  for  de  mesz  begern  ond  schuldik  sein  zo  beyten  ond  betein. 


390 


richtlisz  (!)  gemacht  werde  eyn  miszgeuant,  mit  eym  schoin  crutz,  Maria 
ond  Johannesz,  ongefelig  (!)  omb  XII  fl.,  onden  Maria  Madealena,  ond 
zu  eyn  ebangelienrouk,  darof  Sant  Jacop,  Sant  Katerin  gestikt,  allsz  mit 
onser  beyden  wapen  iclig  gemacht,  dazu  eyn  korkop,'  noch  notorf 
gesteykt,  ond  solin  dazu  genommen  werden  miner  husfrau  selgen  perlin 
alle,  ond  solint  prior  ond  confent  he  zon  bredigern  sich  ferschriben  gegen 
mein  erbein,  solig  ornat  sampt  dem  krutz,  euangelienrokein,  Jokop, 
Sant  Katarin  ond  wesz  mit  den®  obgemelten  perlin  gesteikt,  nit  fer- 
usern,  sonder  bey  desem  duster  zoue  ebygen  ziten  zu  behalten,  ond 
ferornden  ich  dazo  an  korngeld  fl.  80  ond  ab  esz  noch  bisz  in  XX  fl. 
dazu  erfordert,  soln  men  erben  ond  truhenhelder  auch  dazu  geben,  damit 
dasz  got  zu  lub  ond  in  iclig  kostlig  gemach  werde.2 

Item  zo  dein  barfoussen  ond  zo  dein  frauenbrodern  icligen  cluster 
XII  achtel  korns,  dafor  sey  mich  in  den  drissexstein  eyn  mal  began 
soln,  ond  dasz  meyn  erben  ferconden,  ond  icligen  lysmenster  ein  fl. 
geben,  dasz  sey  mich  ond  meyn  husfrau  eyn  iar  lank  in  irher  pregatt 3 
ferconden  ond  gott  for  onsz  bitten  lassen. 

Item  so  will  ich,  dasz  zu  onser  libein  frauen  her  gestift  werde, 
zussein  pengisten  ond  ostern  all  sondak  ond  helge  dag  nach  dem  salue 
durg  de  Schiller  gesongen  werd,  for  dein  geuonligen  anteffein,4  dasz 
reygeyna  cely  mit  der  geuonlichen  colicht,  darzo  man  dem  rechtor 
stiftein  sol  eyn  fl.  geltz  ond  dem  prister,  der  de  colicht  singet,  sex  ß, 
de  man  wol  ferligein  sal,  esz  sey  of  dem  Stift  oder  anderszua,  dazo 
ich  ferorden  30  fl.  (XXX  golden),  mit  notorfiger  ferschribung  fersein, 
ond  andechtigligen  gehaltein  uerden. 

Item  setz,  orden  ich  in  de  almosen  Sant  Niklas  XX  achtel  kornsz. 

Item  dein  godein  luden  beschid  ich  XII  achtel  kornsz. 

Item  dem  spital  zom  helgen  gist  ond  Sant  Marta  beschid  ich 
XX  achtel  körn. 

Item  in  de  Roseinberger  eynong  beschid  ich  X  achtel  körn. 

Item  in  de  grusz  eynong  X  achtel  kornsz. 

Item  in  de  klin  eynong  VI  achtel  kornsz. 

Item  dein  bekartein  IIII  achtel  kornsz. 

'  Chorkappe. 

2  B :  ond  solin  zo  dem  krutz  ond  der  korkapen  dasz  halp  til  mener  husfrau 
ferlassen  perlin  gebrucht  ond  genomen  werden,  of  dasz  schonst  gezert,  wo  aber 
net  gnonk  dazo  weren,  solin  de  perlin  gar  darzo  gebrucht  ond  genomen  werden, 
dasz  zo  erkentesz  der  hern  zon  bregern  ond  den  seydenstecker  stain  sol.  —  Später 
heisst  es,  nachdem  er  gefordert  hat,  dass  das  Gewand  nie  veräussert  werden  solle : 
ond  of  dasz  beschyg,  wil  ich,  dasz  in  meyner  husfro  ferlassein  perlin  gar  darzo 
genomen  ond  geben  solin  werdein. 

3  B  :  bregatt. 

+  =  Antiphona. 


39i 


Item  in  dem  drissixsten  sal  man  6  achtel  melsz  bakein  lassein 
ond  armen  luten  for  meyn  duor  gebein  omb  gottz  wein  ond  ermanen, 
trulig  for  onsz  zo  betein. 

Item  dein  kapelain  of  der  par  sal  man  eyn  halb  foder  winsz  oder 
X  fl.  dafor  geben,  wil  isz1  mein  erben  an  foukiligstein2  ist,  ond  se 
ermanen,  dem  armen  foulk  fruntlig  zo  sein,  so  se  de  berichten  ond3 
beycht  horn,  ond  gott  for  onsz  beten. 

Item  dem  parher  sol  man  so  bald  noch  minem  dout  2  fl,  gebein, 
dasz  sal  er  eyn  iar  lank  meyn  ond  miner  husfrau  in  seyner  bredgt 
gedenken,  dasz  gemein  gebet  for  onsz  betein  lassein,  ond  er  ond  sein 
kapelan  obgemelt  eyn  gantz  iar  in  irn  messein ,  in  irm  memora  (!) 
andechtiglig  beten,  dasz  onsz  gott  genedik  wil  sein,  amen. 

Item  Gredein  fan  Han,4 *  miner  alten  kougmat,s  sofer  de  meyn 
dut  erlypt,  setz,  ferorden  ich,  ir  zu  gebein  alsz  bar  XII  fl.  zo  irm  fer- 
denten  Ion,  dasz  of  dato  ist  39  fl.,  zo  dem  se  derwil  noch  ferdin  wert; 
ond  nochdem  sey  meyn  fatter  ond  motter  selg  lange  zit  getrulig  ond 
wol  gedint  hat,  by  33  iar,  wil  ich,  dasz  ir  meyn  erbein  er  liptag  lank 
fan  den,  so  ich  at  legata6  ferordent  hab,  aluochen  sex  schiln,7  de  man 
ir  al  wochen  in  ir  hant  richein  ond  gebein  sol,  damit  se  in  irm  alter 
desz  basz  zu  leben  hab;  darzu  eyn  gemeyn  beyt,  we  esz  stan  sol  ond 
meynsz  huszratz  for  5  oder  6  fl.  meynsz  huszratz  (!),  ond  for  2  oder  3  fl. 
miner  husfrau  selgen  klydern  geben  ond  fort  sich  goutlig  fan  ir  ab- 
schidein  ond  zaln.8 

Item  Eigen,  meym  meytgein,  nachdem  sey  meiner  husfrau  ond 
mir  lang  zit  getrulig  gedint  hat,  XII  iar,  darum  sol  man  ir  zu  erher 
feranderomg  geben  XX  fl.  ond  miner  husfrau  klyder  far  for(!)  2  oder  3  fl. 
ond  eyn  gemeyn  bett,  berit,  alsz  esz  stet,  ond  huszrat  for  5  oder  6  fl. 
ond  ir  eren  ferdinten  Ion  sampt  fl.  4  ß  6  5  (h?),  so  se  der  frauen  zo 
haltein  hat  gebein,  ir  zo  handen  stein  ond  goutlig  fan  in  zueyen  ab- 
schiden  ond  zaln. 

Item  ander  meyn  gesend,  knechtein  ond  madein,  so  by  mir  im 
husz  sein,  so  ich  abganhen9  bin,  icligem  for  so  mang  iar,  alsz  mir 
gedint  hat,  eyn  fl.  zo  seim  ferdeintein  loin  geben  sal,  hettz  alber10  minder 


1  B:  wilsz.  =  wie  es. 

2  füglichsten. 

3  B:  oder. 

4  von  Hain  (Dreieichenhain). 

>  B :  cog  matt  =  Köchin. 

6  B:  Zo  den  legata. 

7  Schillinge. 

8  B:  ond  forter  goutlich  fan  ir  abschidein  ond  ir  irn  ferdenten  Ion  gotlig 
reychein  ond  geben. 

9  =  abgangen. 

10  =  aber. 


392 


dan  eyn  iar  gedint,  sal  man  im  duch  eyn  fl.  geben  ond  eyn  mal  geben 
fon  meyn  alten  klidern  for  eyn  fl.  ongeferlig. 

Item  meyn  wingarter  he  ond  zu  Sondein1  icligem  geben  eyn  fl. 
alsz  bar,  ond  icligem  gebein  eyn  alt  wambesz  ond  par  hosen  von  men 
klydern  oder  in  machein  lassen. 

Item  nochden  ich  rniner  basein  Lysein,  desz  alten  Wolff  Blomen 
duchter,  X  fl.  zo  irher  hozit  zo  stuher  gebein,  wil  ich,  dasz  men  erbein 
ond  truhenhelder  Meljern2  ond  Angenessein  oder  irn  erbein,  menen 
fettem  ond  basen,  icligem  auch  X  fl.,  ist  XX  fl.,  auch  gegebein  soln 
werden. 

Item  Hansz  Bischoffein,  rechter,  ond  sein  erbein  setz  ich  noch 
minen  dut  zu  werden  XII  achtel  kornsz  ond  fl.  3  in  gold. 

Item  setz,  ordein  ond  wil  ich,  dasz  men  erbein  ond  truhenhelder 
ferordein  ond  machen  soln  lassen  zuo 3 *  ebig  ampeln,  de  dag  ond  nacht 
mit  oly  brenhen  soln,  sofer  ich  de  in  zit  mynsz  lybesz  nit  aufgericht 
hett,  eyn  for  dasz  krutz  of  dem  parkerghof,  de  ander  for  dem  olyberg 
zo  onser  libein  frauen,  dasz  ich  machen  hab  lassen,  derzo  ich  ferorden 
fl.  120  ft  genuesser  goultt,5  of  beyden  stiftein  drom  zo  kauffein,  oder 
andersua,  for  dasz  oly;  ond  dem  glickener,  der  sey  all  morgen  ond 
obent  anprengt,  den  6  oder  8  ß  zu  loin  gegeben  sol  werdein,  fliszlich 
zo  wartein,  ond  alsz  mer  dan  fl.  120  de  notorf  darzo  erfordert,  sol 
man  von  meyn  gotern,  so  ich  zu  den  lygata  ferordent  hab,  mer  darzu 
nemen,  damit  esz  noch  notorft  fersein  ond  belucht  werde. 

Item  weysz  ich  for  walfart  ferheyssein  hab  ond  nit  auszgericht, 
noch  lud  eynsz  zedelsz,  in  men  degligen  deysch  lygein  sol,  fon  ferderlig 
auszrichten. 

Item  nachdem  ich  mich  ond  ‘meyn  husfrau  zo  dem  wirdigen  hern  apt 
ond  confent  Sant  Johansz  berk,  in  Ringaue  geligen,  gebrudert  hab, 
ond  sey  onsz  auch  ausz  besondern  anduch  ausz  s  eygener  beueknesz 6 
zo  bruder  ond  schuester  aufgenomen,  darober  wir  eyn  brif  haben  mit 
irn  insegel,  of  mittuoch  nach  corporisz  Christi  ao  1515  zu  meyn  selbesz 
handen  obergeben  etc.,  auch  eyn  brif  fan  irm  generalcapetel,  dasz  sey 
nach  onser  beyder  dut  alsz  mit  andern  irn  brudern  ond  schuestern 
noch  osern7  dut  halten  suln  ond  beten  woln,  damit  dan  de  wirdigen 
hern,  onser  bruder,  dasz  mer  orsach  haben  for  onsz  zu  betein  ond  for 
de  onsern,  setz,  orden  ond  beschid  ich  in  honaert  achtel  kornsz  zo 


1  Soden. 

2  Melchior. 

5  —  zwei. 

+  B :  goltt. 

5  ß:  ond. 

6  beuegensz. 

7  unserm. 


393 


gebein,  esz  wer  dan,  dasz  sey  ond  men  erben  und  truhenhelder  mit 
irher  beyder  wiln  ond  wissen  sich  omb  so  fil  geltz,  so  esz  he  of  der 
boin  geylt,  ferdrugen,  darfor  zo  gebein,  dasz  zo  wiln  deszselben  aptz 
ond  confent  steit;  derselbe  apt  ond  confent  solint  for  soligsz  zo  dem, 
dasz  sey  for  onsz  beyde  alsz  ir  mitbruder  ond  schuester  zo  doin  schuldek 
sein,  im  irstein  iar  onsersz  absterbeinsz  de  4  nesten  fronfasten  noch¬ 
folgend  mit  figelgen1  eyner  sengen2  sei  ond  etlig  lyseinmiszrequem, 
derzo  of  dem  iarszdak  ossersz  beyden  absterbesz  began  lassein,  ond 
gott  for  onsz  alsz  ir  schuester  ond  bruder  mit  flysz  ond  andacht  for 
onsz  beten  ond  for  onser  altern  ond  gotteter,  darfor  unsz  begern  sein, 
dasz  ich  dasz  fertruhen  zu  in  stel. 

Item  so  setz,  orden  ich,  dasz  man  von  meiner  husfrau  selgen  besten 
klidern,  esz  sey  schamelutt  oder  andersz,  nemen  sol,  ond  daausz  machein 
lassen  drue  meszgeuant  mit  fin  krutzein,  ond  an  orten3  ferlyst  mit  sampt, 
eyn  dumen  brit,  we  dasz  liberfarb  he  zu  bredegern  gemacht  ist,  mit 
onser  beyder  wapen  druf  gemacht,  dasz  eyn  gein  Selgenstat  sampt  VI  fl. 
alsz  bar  gegebein,  de  ermant  soln  werdein,  gott  truligen  alsz  irsz  anders4 
mitbruders  zo  betein,  ond  alsz  irn  mitbruder  begain,  ond  de  andern 
2  of  Sant  Johansz  berk  gegeben  solin  werdein,  darfor  se  doin  ond  for 
onsz  beten  solin  alsz  obgeschriben;  ond  sol  man  de  3  meszgeuant  he 
zuo  bredegern  lassein  machen  sampt  den,  so  ich  of  Sant  Jacopsz  berk 
ferordent  hab,  ond  in  drom  zemlig  belonong  geben. 

Item  so  seytz  ich  Kringein  Foudein  ond  irn  lipszerben,  Baltesarsz 
von  Reinsz  husfrau,  eyn  fan  den  besten  miner  husfrau  schubein5  nach 
dein  obgemelten,  so  nach  minem  dut  fehandein  sein,  esz  sey  schamelot 
oder  andersz,  darzu  zuo6  de  besten  holn,7  so  fan  mener  husfrau  selgen 
noch  ferhanden  sint,  ond  8  nederlentz  selbem  becher,  so  ich  deglisz 
gebrucht  hab,  wegent  4  marc  11  lut,  ist  der  ausserst  mit  dem  dekel 
fergoult,  mit  dem  all  se  doin  ond  lassein  sol  an  indracht  Balzersz, 
irsz  mansz,  ader  allermeklist.8 

Item  setz  onde  beschid  ich,  dasz  man  menster  Oszualt  Hug, 
Ratschriber,  nach  meim  dut  2  oder  3  ausz  menen  buchern,  welg  im 
gefelig  sein,  geben  oder  folgen  sal  lassein. 

Item  so  setz  ich  ond  beschid  ich  Margrid  fom  Rin,  Clusz  Stalbersz 


1  mitt  eyner  figelgen  =  Vigilie. 

2  B:  sengenden. 

3  Ecken. 

B :  orden. 

s  Oberrock. 

6  —  zwei. 

/  =  hoiken  ?  Grimm,  Deutsches  Wörterbuch  IV,  2;  Sp.  1721:  mantel¬ 
artiger  Überwurf.  Oder  =  hol,  hül  Kopftuch?  Lex  er. 

8  allermänniglich. 


394 


husfrau,  ond  ir  erbein  eyn  langen  gladen  fergolten  becher  mit  eym  fousz 
ond  dekel,  weget  3  marc  15  lut. 

Item  sez  ich  Henrich  von  Derdorff  zuo  Andernach  ond  Bilgen, 
siner  husfrau,  fon  men  silber  zuo  gebein  de  klin  silbern  kain,  weget 
3  marc  4 1/2  lut,  sofer  se  meyn  dut  erliben. 

Item  wesz  ich  at  piasz  causasz  istzo1  melten  Sachen  in  meynem 
testament  ond  lysten  wiln,  auch  in  desem  meyn  codizil,  ferordent  hab, 
ist  men  wil  ond  meynong,  dasz  man  eyn  icligem  denselbein  artekel 
abschrift  geben  sol,  sich  darnach  haben  zuo  halten  ond  for  onsz  beyd 
ond  onser  altern  zo  beyten  ond  befor  dein  zuen  pelgerin  ir  walfart 
klerlig  abschriben  ond  in  mitgebein  sol. 

Item  nachdem  ich  in  men  testament  ond  lysten  wiln  fan  eyner 
behusong,  stoub  oder  geuelb,  darin  sich  winterzit  dasz  arm  foulk  in 
wermen  sol,  ist  men  ernstlig  meynong  ond  befelg,  dasz  meyn  erben 
ond  truhenheller  solisz  nach  mey2  dut  zuo  soln  richtein,  wo  ich  andersz 
in  zit  meynsz  lybensz  net  zuo  gerich  hett;  ond  ob  ichsz  zom  deyl  an¬ 
gefangen  ond  nit  folnent  hett,  soln  se  dasz  folnbrengen,  nemlig  eyn 
gelygen  behusom3  by  Sant  Bartolinsz4  kergein  ond  drom  her  ond 
welben  lassen  ond  eyn  stoub  mit  eym  isern  ofen,  darin  2  kolsz  kameyn 
oder  mitten  eyn  langer  hert,  dar  in  sterbenzit5 6  eyn  holtz  oder  koul- 
fiherfi  gemach  werden  ond  sonst  ander  ziten  de  stoub  gehist  werden, 
fon  aller  helgen  dak7  an  bisz  auf  Katedra  Petrey8  oder  8  oder  14 
dag  darnoch,  nochdem  de  zit  kolt  ist;  oben  eyn  wonong  mit  stoben 
camer,  darin  2  erber  geschikt  elut,  de  darzuo  geschikt,  in  gesatz,  dein 
man  nach  notorf  holtz  oder  koln  zo  der  gemelten  stoben  caufen,  solisz 
mit  zo  hizen,  ond  dazu  notorf  golden9  an  seger 10  ortein  zo  kaufen, 
eebeklig  zuo  onterhalten,  de  2  elut  zinszfrey  darin  zo  sezen,  ond  sich 
dasz  holtz  ond  koln,  so  fil  in  not  ist  zu  gebrugein,  icligem  6  oder  8 
ein  graue  duch  zo  eym  winterklyd  ond  all  wochen  fon  allrhelgendak 
an  bisz  auf  Sant  Pedersz  dak  inhen  beyden  ein  orteszgoldein 11  for  irn 
Ion  geben,  ond  icligem  eyn  par  schoe  gebein;  de  beyd  elut  soln  auch 
gelobein  ond  irlicht  drober  doin,  dasz  sey  trulig  mit  holtz  ond  koln 

1  =  Itzo  zo. 

I  B:  men. 

3  Behausung. 

4  Bartholomaeus. 

>  in  sterbenden  Ziten  =  Seuchezeiten. 

6  Kohlenfeuer. 

7  1.  Nov. 

8  22.  Februar. 

9  Gülten. 

10  sichern. 

II  =  */4  Gulden,  =  6  ß. 


395 


omb  soln  gan,  nit  witer,  dan  we  obsteyt,  brugen,  ond  morgesz  de  stoub 
nit  aufdoin,  esz  sey  eyn  halb  stond  dag  geuest,  ond  zuo  mitag  zuo 
elf  ourein  dasz  folk  heinauszdreybein,  ond  zuo  eyner  orein  weder  auf¬ 
doin;  ond  so  bald  man  salue  lut,  dasz  foulk  wider  hinauszdreybein, 
wider  zudon,  de  stob  allmal  kern,  ond  solint  sey  beyd  oder  zom 
menstein  eynsz  by  den  lutein  im  dag  in  der  stobein  sein,  ongefouk 
zuo  staurein,  auch  zusein,  kein  onzugt  din1  beschig,  oder  onrat 
feuhersz  halber  geleycht  werd ;  ond  sol  in  de  stoub  eyn  holzen  cruzefix 
ond  Johansz  ond  Maria  mit  4  schildein,  alsz  de  schild  of  dem  kerghof 
am  krutz,  daby  mit  groben  bostabein  geschriben  »beyt  gott  for  Jacop 
Heller,  Katerin  fan  Mehem  (!),  Stifter,  irher  beyder  altern  ond  gotteter, 
ond  darfor  seyssz  begern  sein«,  ond  sol  eyn  gluklin  gehenckt  werden 
in  dasz  fenster, 2  dasz  luftluch, 3  wan  man  of  wil  doin,  sol  man  for  eyn 
klinsz  ludein,  ond  wan  man  tzo  wil  doin,  we  obstet,  sol  man  aue 
maria  lutein,  ond  der  inwoner  sprigen,4 *  »betein3  eyn  paternoster  ond 
aue  maria  for  desem  krutz  for  Jacop  Heller,  Katerin  fan  Melhein, 
Stifter,  ond  ir  altern«,  ond  nach  den  gebet  dasz  foulk  goutlig  auszwisen, 
ond  sol  man  dasz  dorffoulk,  ond  wer  esz  begert,  drin  lassen  gan 
wermen,  alsz  obgeschriben,  ond  keinwek  nemansz  by  nach6  oder  ausz- 
nemik  der  obgemelt  zit  din7  lassen  lügen  oder  schlaffein,  dan  alin  de 
inuoner«.8 

Er  habe  von  dem  Gelde,  das  seine  Hausfrau  »fan  Irher  fatter  ond 
motter  ond  altern  ousz  Irher  gehepten  geselfftt« 9  bekommen  habe,  den 
Nürnberger  Hof  erkauft.  Es  seien  7570  fl.  gewesen;  davon  gehörten 
ihm  laut  Testament  3000  fl.;  300  fl.  habe  seine  Hausfrau  »In  de  ir 
gottz  ferordent«;  an  Erbgütern  habe  er  1270  fl.  »angezikt  nach  men 
dut  zu  werden«  (ihren  Verwandten),  »desz  gebort  S.  Johain  fl.  1000  of 
dem  bornflykein.«  Er  habe  also  noch  3000  fl.  »zo  beueysein.«  Da  er 
von  seinen  Eltern  nicht  mehr  als  500  fl.  bar  und  300  fl.  »of  erfortt« 
bekommen  habe,  das  andere  in  Erbgülten,  so  habe  er  den  Nürnberger 
Hof  für  das  Geld  seiner  Hausfrau  gekauft  und  zum  Teil  erbaut.  Daher 
sollten  die  3000  fl.  auf  dem  Nürnberger  Hofe  »beuisen  werden.«  Wenn 
die  Erben  seiner  Hausfrau  das  Silbergeschirr,  das  laut  Testament  262  fl. 
23  ß  5  h  wert  sei,  haben  wollten,  solle  mans  ihnen  zustellen  und  an 


1  drin. 

2  B:  oben. 

3  »dasz  luftluch«:  fehlt  in  B. 

4  =  sprechen. 

3  =  Imperativ:  betet. 

6  B:  oder  ondirn  mittag. 

7  drin. 

8  B:  drin  lassen  alin  de  inwoner. 

9  B:  geselschaft. 


396 


den  3000  fl.  abziehen.  Das  auf  dem  Nürnberger  Hof  »bewiesene«  Kapital 
solle  mit  5%  verzinst  werden.  »Doch  meyn  erben  forbehalten  de  besseroin1 
desz  gemelten  nürnberger  houf,  de  ich  acht  mit  dem  seysz 2  besser  dan 
fl.  3000,  ist  iV2c  fl.  geltz  nocong,  alsz  mirbuszher  alle  mesz  fl.  300,  zo  ziden 
etuesz  mer,  ouch  eyn  klinsz  minder,  nach  lut  miner  bucher  worden  ond 
gefaln  ist.«  »Item  setz,  orden,  wil  ich,  dasz  meyn  erbein  noch  minem 
dut  alle  iar  oder  mesz  ober  den  nürnberger  huf  ond  seinsz  infalinsz 
ond  dargegen  auszgebensz,  den  zinsz  oder  ander  unkost  eyn  klarlig 
rechenong  don  solin,  dorg  dengein,3  der  noch  minein  dout  dein  huf 
inholt  oder  beseytz,  we  man  sich  zo  iederzit  dasz  fergligen  wert  der 
gelynheit4  nach,  wer  eyn  alszdan  besezein  wert,  ond  miner  husfrauen 
selgen  erbein  for  ir  obgemelt  til  oder  antil,  ober  allen  kousten,  zinsz 
ond  goult  abgezogen,  ond  inhen  ir  antil  noch  attuenant  zosteln;  sofer  se 
andersz  dasz  obgemolt  nit  wolten  annemen,  dasz  ich  allesz  zo  in  stel; 
ond  wasz  darober  blibet,  sal  der  halptil  minen  erbein  werden  ond  gefaln, 
ond  dasz  ander  halpteil  solint  meyn  erbein  ond  ir  nachkomen  in  de  ir 
goutz5  alle  iar  winterzit  in  der  fastein  huszarmein  notorftigen  luten,  de 
eyn  zit  lank  borger  he  gewest,  in  ir  hanten  eyn  orteszgolden,  oder  eyn 
weglin  mit  holtz  zuo  husz  forn  lassein,  oder  scho,6  gra  duch  zo  klidong 
gebein;  wo  aber  miner  husfrau  selgen  erben  keinsz  wolten  annemen, 
sol  esz  duch  mit  dem  halben  dyl  in  de  ir  gottz  zo  geben,  we  oblut, 
gegeben  werdein  soln.« 

Der  Nürnberger  Hof  sei  ganz  von  seiner  Hausfrau  Geld  erkauft7 
und  erbaut;  darum  sollten  die  3000  fl.  nur  auf  ihm  liegen.  2750  11. 


1  Besserung. 

2  sess  =  Wohnung. 

5  denjenigen. 

4  Gelegenheit. 

5  =  in  die  Ehre  Gottes. 

6  Schuhe. 

7  Majorwährschaftsbücher  Bd.  29,  fol.  2  b.  Hans  Felber  von  Nordelingen 
hait  uerkauft  Jacob  Hellern,  vnserm  mitscheffen  vnd  Ratgesellen,  Kathrinen,  siner 
elichen  huszfrauwen,  vnd  iren  erben  die  besserung,  recht  vnnd  gerechtikeiten  den 
Nürenberger  hof  mit  sinen  inne  vnnd  uszgengen  hinden  vnd  vorn  mit  allen  be- 
husungen  vnd  zugehorungen,  so  etwan  von  Smithantwergk  vnnd  andern  dartzu 
erkauft  und  dartzubracht  worden  sin,  als  er  die  mit  desz  Fichs  gericht  alhie  by  vns 
von  Arnolt  von  Holtzhusen  vnd  Guden  uxori  für  sin  wissentlich  erkentlich  schult 
lute  eins  versigelten  gerichtsbriefs  mit  des  strengen  vnd  hochgelerten  hern  Ludwigen 
zum  Paradisz,  doctors,  des  richs  gerichts  vnd  vnsers  schultheiszen,  anhangendem 
ingesigel  versigelt,  der  vor  vns  verlesen  wart,  ergangen  vnd  erwonnen  habe,  pro 
censu  XCII  gülden  XVIII  ß  illis  habentibus.  vnd  sy  der  verkauf  gescheen  für 
IIIIM II  C  vnd  L  gülden  guter  etc.  pagata  pecunia.  Nom-  uertzig  prolocutum.  Jurauit 
emptor.  Doch  etc.  Testes  Hans  vom  Ryne,  Orte  zum  Jungen,  Schelfen,  Conrat 
Schit.  Actum  sabatho  post  dominicam  Estomihi  anno  XC  sexto.  —  1500  Jakob  und 
Katharine  verkaufen  66  fl.  Gülte  für  1800  fl.  an  Hans  Folcker  auf  der  Besserung 


397 


habe  er  Hans  Filwel  bar  gegeben  (1502),  940  fl.  seien  noch  damals  ver¬ 
baut,  »ond  beforab  in  der  Korsener  husz  im  schnind(!)hoff‘  by  fl.  500«. 

Von  den  300  fl.,  die  seine  Hausfrau  zur  Ehre  Gottes  bestimmt 
hatte,  sollten  100  fl.  den  Erben  seiner  Frau  gegeben  werden,  »de  solint 
sey  irn  notorfetin  oder  armen  frundein  he  ond  zuo  Köln  zuosteln  in  ir 
hant  zo  feranderong  irher  Kinder«;  100  fl.  sollten  Hausarmen,  not¬ 
dürftigen  Leuten  gegeben  werden,  a  1  Ort  bar  in  die  Hand,  oder  man 
solle  ein  Wäglein  mit  Holz  hinschicken  oder  grau  Tuch  zur  Kleidung 
oder  Schuhe  darum  kaufen ;  das  dritte  hundert  fl.  solle  zu  der  oben¬ 
genannten  gemeinen  Stube  gegeben  werden. 

Datum  den  31.  dak  marzie  a°  1519. 

L.  S.  Jacop  Heller  In  nornberger  hoff  m.  p. 

Item  sal  man  nemen  fan  desem  nachgeschriben  zuo  minen  lygata 
beforab  at  piasz  causasz,  ond  ist  aditamento  disz  codizilsz  mit  20  blyttern 
ferhandein  an  barem  geld  1  M  fl.  an  selber,  mir  tzostendik,  per  fl.  800, 
an  klinoter,  mir  ond  miner  husfrau  tzostendik,  fl.  400,  an  körn  XV  c 
achtel,  acht  ich  1  M  fl.,  dasz  man  allesz  zuo  gelde  sal  machen,  ond 
de  lygata  dafon  auszrichten;  som  fl.  3200  11.  (III  M  IIc  11.),  dasz  hab 
ich  at  lygata  ferordent,  we  hefor  ond  somarie  hernoch  stet.  fl.  2621  fl. 
an  barm  geld,  ond  an  körn  294  achtel,  zuo  16  ß  gerichent,  faz(it) 
fl.  196,  somarom  fl.  2817,  rest  noch  fl.  383,  desz  hat  men  husfrau  in 
de  ere  gott  ferordent  fl.  300;  rest  fl.  83;  ond  wersz,  dasz  körn2  (nach¬ 
träglich  »klyneter«  hinzugefügt)  auch  mer  dan  16  ß  gelten  wert,  dasz 
alsz  sol  nach  lut  einsz  artikesz  hefor  armen  luten  gegeben  werden. 

Item  ond  sein  disz  nachgeschriben  mein  lygata. 
zom  irstein  at  piasz  causasz  ferordent: 
zom  meyn  begenkenesz  in  aller  masz,  alsz  ich  men 


husfrau  selg  begreben,  begain  hab  lassen,  koust  .  fl.  114  ß  — 

Item  dem  Rad  gesetz  zo  irm  geschutz . fl.  100  ß  — 

Item  zo  onser  liben  frauen  zom  olberg  ferordent  .  fl.  10  ß  — 

Item  den  franzosein  armen  luten . fl.  6  ß  — 

Item  zo  dem  torn  zo  Sant  Bartolmisz . fl.  10  ß  — 


des  Nürnberger  Hofs.  1503  und  1504  Hans  Felber  vermacht  dem  Rate  eine  Gülte 
vom  Hauptgute  zu  1500  fl.  auf  dem  Nürnberger  Hofe,  dafür  einen  Gottesacker  zu 
kaufen  und  eine  Kapelle  zu  bauen.  Battonn  III,  128.  Vgl.  Bothe,  Beiträge 
zur  Wirtschafts-  u.  Sozialgeschichte  der  Reichsstadt  Frankfurt.  Duncker  u.  Humblot. 
1906.  S.  20,  Anm.  4.  Es  muss  dort  die  Zahlung  Hellers  nicht  als  Miete,  sondern 
als  Gülte  aufgefasst  werden. 

1  Muss  heissen  »Schmiedhof«.  Vgl.  Battonn  a.  a.  O.  III,  47  f,  126;  128: 
1500.  Mitteilungen  des  Vereins  für  Frankfurter  Geschichte  und  Altertumskunde. 

II,  365. 

1  B :  euch  wersz,  dasz  obgeschriben  körn  oder  klinoter  mer  gelten  werden. 


-  398  - 

Item  zo  dem  bue  Sant  Lenhart . fl.  6  ft  — 

Item  dein  hern  zu  den  bredegern . fl.  400  ß  — 

Item  huszarmen  notorftigen  luten . fl.  10  ft  — 

Item  zuo  der  gemein  stobein  ferordent:  for  de  bu 
fl.  400,  for  holtz  oder  koln  fl.  20,  belonong 
fl.  6  den  inuonern,  den  almeszhern  for  ir  erbeyt 
fl.  4,  som  fl.  alle  iar  fl.  30,  somarom  fl.  (!)  acht  ich  fl.  1200  ft  — 
Item  so  mansz  testament  ferrechen  wert  fl.  8  fl.  (!) 
ond  for  de  alttornesz,  so  sey  man  dein  teste 

mentare  gebein  wert,  gericht  fl.  12 . fl.  20  ft  — 

Item  den  radtzszfrunden,  so  testementare  sein  werten  fl.  100  ß  — 

Item  menstere  Oszwalt  Hug  testementare  ...  fl.  50  ß  — 

Item  de  walfart  gain  Rom . fl.  33  ft  — 

Item  gen  Herzeinham . fl.  5  ft  — 

Item  den  hern  of  Sant  Jacop  berk . fl.  10  ß  — 

Item  zuo  dein  wisen  frauen  zo  Mentz . fl.  10  ft  — 

Item  dem  klusser  zon  bredegern  for  win,  meszgeuant, 

euangelienrok,  korkap  fl.  80,  perlen  fl.  40  .  .  fl.  120  ß  — 

Item  zom  barfessein,  frauenbrudern ,  den  2  lysz- 

menstern . fl.  2  ft  — 

Item  dasz  reygeyna  cely  zo  onser  liben  frauen  .fl.  30  ft  — 

Item  dem  parhern . fl.  2  ß  — 

Item'  den  kapelan . fl.  10  ß  — 

Item  Griden,  miner  altten  cougmatt1 . fl.  51  ft  — 

Item  Elgein,  miner  onder  mat . fl.  20  ß  — 

Item  meyn  gesin  in  husz,2  den  2  wingerter  ...  fl.  6  ft  — 

Item  Meljeor  ond  Angnesz  blomen . fl.  20  ß  — 

Item  Hansz  Beyhuff,  Richter . fl.  3  ft  — 

Item  for  de  zuo  ebig  ampeln . fl.  120  ß  — 

Item  3  meszgeuant,  eynsz  off  Sant  Jacopsz  berk,  de 

andern  2  auff  Sant  Johannsz  berk . fl.  14  ß  — 

Item  Fouden  Kringen3  an  selber  p . fl.  45  ß  — 

Item  Margriden  Stalbergern  an  selber . fl.  48  ß  — 

Item  Henrich  fon  Andernach  seyner  husfrau  an  selber  fl.  26  ft  — 

Item  hab  ich  an  körn  heinwek  besatz,  we  heyfor  stat,  294  achtel, 
zo  ß.  16  gerichent,  fl.  196  ß. 

Som  fl.  2817  fl.  (!)  at  lygata  ferordeint. 

Item  mer  de  fl.  300,  so  mein  husfrau  in  de  ir  gotz  ferordent  hat. 


1  B:  beschiden  fl.  12  ond  irn  ferdeinten  Ion  fl.  39. 

2  B :  ond. 

3  S.  o.  S.  393. 


399 


Nr.  3.  Jacob  Hellers  Inventar.  1522,  3.  Februar. 

Johannes  Fickart,  Gerichtschreiber,  hat  im  Beisein  von  Johann 
Frosch,  Schöffen  und  Ratsfreund,  u.  Conrad  Wissen,  Ratsfreund,  Bechtold 
u.  Johan  vom  Ryn,  Philipp  Ugelnheimer  u.  Meister  Johann  Marsteller 
als  Erben  u.  Testamentarien,  der  Margarethe  Stalburg  sowie  Balthasars 
vom  Ryn  als  Miterben  die  »in  die  legata  gehörigen«  Güter  verzeichnet. 

»Item  ein  gross  silbern  montz  mit  dem  conterfei  hertzog  Fridrich 
von  Saxen  vff  einer  vnd  eym  adler  vff  der  andern  siten;  Item  III  schwetz,1 
vor  gülden  geacht,  vnd  eyn  guldner  schwatz;  Item  6  silbern  schwetz; 
Item  16  fl.  Schreckenberger,  7  vor  den  fl.;  Item  III  fl.  an  albus  vnd  IIV2 
albus;  Item  IX  ß  7  hl  V2  hl;  Item  VI 1/2  fl.  an  albus;  Item  IIII  fl.  an 
leben  engelisch;2  Item  IIII  fl.  an  dickpfenning;  Item  365  fl  an  gold;  Item 
34  fl.  an  altthornus:2  Item  32  fl  an  ^  vnd  hlr,  27  vor  der  fl.3 

In  eym  roten  butel: 

Item  15  alt  gülden;  Item  1  nobel;  Item  1  firtel  von  einer  nobel; 
Item  1V2  endris  gülden;  Item  5  krönen;  Item  II  postelet  gülden;  Item 
1  lotrings  gülden;  Item  V2  krön;  Item  6  vergult  silbern  ^ ;  Item  26 
silbern  cleyn  vnd  grosz;  Item  III  torn.  altf(rankfurter);  Item 
3  dutten  schleg;4  Sa  39  fl  al  zusamen  (in  dem  Beutel). 

Ein  gel  seckel,  darin  cleyn  butel: 

Item  x  cleyn  seckel  100  fl;  Item  900  fl  in  dem  grossen  seckel. 

Silbergeschirr  vbergolt: 

Item  II  vbergult  schüren,5  vszgeschlagen  doppel;  Item  II  kilch, 
vbergult,  mit  deckeln;  Item  II  schüren,  mit  deckeln,  vszgeschlagen, 
hant  die  deckel  grifen  druf;  Item  II  grosz  vbergult  becher,  schlicht,  mit 
deckeln  mit  epfeln;  Item  II  cleyner,  auch  mit  deckeln,  vergult,  han  auch 
epfel,  sind  (?)  vszgestochen ;  wiegen  alle  zusammen  25  margk. 

Silb ergeschir  onvbergult: 

Item  1  silbern  kan;  Item  1  silbern  kop  doppel;  Item  II  silber 
humpicht  kanen;  Item  II  mischkan  mit  schlossern;  Item  1  silber  kan 
mit  eyn  helfant;  Item  X  schalen;  Item  4  vszgetrieben  silbern  salz- 
kannen;  Item  II  schalen  mit  fussen;  1  silber  deckel  vber  1  glas;  Item 


1  Schwazer  Taler,  von  Schwaz  in  Tirol. 

2  Bothe,  Steuer  a.  a.  O.  S.  11. 

3  Gemeint  ist:  27  albus  für  den  fl.  =  216  h. 

4  schlecht  ($)  ?  Oder  »ducaten  schleg(t)«? 

s  =  Becher.  Lexer,  Mhd.  Handwörterbuch. 


400 


i  dreszenyschusel; 1  i  martins  geheim;  II  silbern  leffel;  Item  x  silber 
brilhusz;  Item  i  silber  korbessgen  mit  i  zutten;  Item  XII  leffel  in 
eym  futer,  mit  vergultem  jungfraukop;  Item  XII  schlecht  hogbecher, 
ingesetzt;  Item  ein  kintbethkopgen  vff  fussen;  Item  VIII  bechelgen, 
ist  das  vnderst  vergolt  vnd  vff  epfelgen,  hat  i  deckel  vergolt;  Item  noch 
VIII  beckeigen,  ist  der  vnderst  vnd  der  deckel  vergibt  wie  die  nesten; 
wiegen  al  zusamen  55  marck  xo  lot. 

Item  2  holtzen  becher,  tamariskenholtz,  vnden  mit  1  silbern  fus 
vnd  oben  vmblegt,  vergolt  mit  8  reifen  silber  iglicher;  Item  1  holgen,2 
mit  silber  vnden  vnd  oben  beschlagen;  Item  1  schib,3  mit  1  k  (?)4 
vnd  einer  krönen  perlin;  Item  1  schwartz  baret  mit  1  k  (?)4  vnd  krönen, 
mit  perlin  gestickt;  Item  1  korellen  paternoster  mit  30  korner  vnd 
IIII  silberkorner  vnd  1  silbern  vbergult  Jacob;  Item  1  gülden  rinck 
mit  eym  diamantgen ;  Item  1  grosz  gülden  rinck  mit  eym  safir ;  Item 
noch  1  cleyn  gülden  rinck  mit  1  saphirgen ;  Item  1  gülden  rinck  mit 
einer  diamanttafel ;  Item  1  spengen  mit  1  groszen  perlin  vnd  2  granaten 
und  cleyn  perlen  vnden  dran  ;  Item  1  gülden  kelbegen 5  mit  8  steynen, 
diamanten  vnd  robin  vnd  perlen  doby. 

t 

[(Auf  einem  Zettel): 

Item  9  corallenpaternoster ,  klein  vnd  gross,  wigen  (!)  mit  eim 
vergalten  bissemapffell,6  wigen  3  mark  12  lot;  Item  noch  ein  corallen¬ 
paternoster  me  mit  silbern  vergalten  knöpfen  vnd  ein  grosz  angus  (!)  dey, 
wigt  zusamen  11  lot;  Item  zwo  verguldt  angus  dey,  hat  einsz  etlich 
perlin;  noch  1  silbern  angus  dey  vnd  ein  silber  bisemapfel,  wigt  7  lot; 
Item  ein  karfunkelstein,  ist  in  silber  gefast,  vnd  ein  rondt  silbern 
druhen  (?)  an  einer  schwartz  schnür;  Item  ein  geschmeltz  paternoster 
vnd  ein  calzedonpaternoster,  noch  ein  klein  perlenmuter  paternoster  mit 
silbern  knoplin;  Item  9  gülden  gurtel  mit  senc'kelin  vnd  6  saidenborten 
on  senckel;  Item  zwo  gurtel  mit  vergult  sencklin  vnd  Spangen  vnd  ain 
schadt7  mit  3  benlin8  mit  silber,  vergult,  wiget  1  mark  7  lot;  Item 


1  Triset,  Trisenet :  eine  Schale,  mit  Wein  und  Brot  überschüttet,  mit  Zucker 
und  allerlei  Specerei  untereinander.  Lexer.  Schultz,  Deutsches  Leben  im  14.  und 
15.  Jahrhundert.  1892.  S.  500. 

2  hoike?  Grimm  IV,  2;  Sp.  1721:  mantelartiger  Überwurf.  Oder  hol  = 
hül  Kopftuch.  Lexer,  S.  0.  S.  393. 

3  Schaube. 

4  Kante? 

3  Kälbchen? 

6  Eine  runde  Kapsel  aus  Goldfiligran;  darin  Bisam.  Harnpe  a.  a.  O.: 

Och  so  mustu  eyn  Pater  noster  han 
Eyn  vergülten  Byszemapfel  grosz  daran. 

7  Scheide? 

8  Bändlein? 


401 


3  alt  borten  zu  gürtlen ;  Ein  rot  bort  mit  vergult  spangen,  hat  kein 
senckel.] 

Item  r  gülden  rinck,  rundt,  oder  schumwer  (?);  Item  i  diamant- 
punctenrinck ;  Item  i  dein  rinck  mit  i  diamantpunct;  Item  ein  rinck 
mit  i  diamanttafel,  dreyeckicht;  Item  noch  i  ringlein  mit  eyn  diamant¬ 
tafel;  Item  noch  i  rinck  mit  i  diamantpuncten;  Item  noch  i  rinck 
mit  2  dymantpunctlin ;  Item  noch  i  rinck  mit  eyrn  dimantpunctlein ; 
Item  i  geschmidt  ringlin  mit  einer  robinroszen ;  Item  x  ringlin  mit  eym 
robin  vnd  diamanttafel,  drieckicht ;  Item  noch  i  ringlin  mit  i  robintafeln ; 
Item  noch  i  ringlin  mit  i  robintafel;  Item  noch  i  rinck  mit  eyn  robin 
wocken  (!);  Item  noch  rinck  mit  eyn  robin  wocken ;  Item  noch  i  rinck 
mit  i  robin  taflin;  Item  noch  i  ringlin  mit  i  robin  tefflin;  Item  i  ringlin 
mit  einer  lilgen,  ist  eyn  robin,  sufer  vnd  diamant;  Item  i  rinck  mit 
einer  orientsperlen;  Item  i  ringlin  mit  r  perlen;  Item  noch  i  ringlin 
mit  i  diamanttafelgen ;  Item  noch  V  runtringlin  ader  drad ;  i  silbern 
tretlin ;  Item  i  ringlin  mit  2  safergen ;  wiegen  alle  zusammen  acht1  vnd 
III  quint. 

Item  1  ligend  gülden  ketten  mit  1  spengen  mit  einer  runden 
perlin,  1  robin  vnd  diamanttafel ;  Item  noch  ein  liegend  gülden  ketten; 
Item  1  cleyn  ligend  gülden  ketten;  Item  noch  1  cleyn  gülden  ketten, 
zerbrochen;  wiegen  zusamen  1  marck  minus  eyn  quinten. 

Item  eyn  perlinschnur  mit  139  perlin  vnd  eyn  cleyn  crutzgen,  hat 
V  perlin,  2  diamantteflin  vnd  mitten  eyn  robingen;  Item  X  silbern 
leffel,  hinden  mit  eichein,  ist  einer  zerbrochen ;  Item  1  silbern  scheid 
mit  1  jungfrau  vnd  sin  vnd  siner  frauen  wapen;  Item  1  silbern  deckei¬ 
gen;  Item  sin  Siegel,  1  zansticker,  1  angnus  dei,  darzu  etlich  brechsilber, 
wiegen  III  marck  6  lot;  Item  1  kytten,  gemacht  vff  futtersey(de)  (?); 
Item  1  koppen,  fusz  vbergult;  Item  II  korallen  paternoster ,  han 
1  besemappel;  Item  1  holtzen  paternoster  mit  1  besernappel,  vbergult, 
vnd  vbergulten  korner;  wiegen  zusamen  1  marck  VV2  lot. 

Item  2  brun  schnor  mit  silbern  senckel  ader  premen ;  Item  1  grosz 
besemappel  mit  1  pomandro  (?)  besun ;  Item  silber  vbergult,  allerley 
frauen  schlosz  in  schnor  gezogen,  wigen  XIII V*  lot  Vz  quint ;  Item 
1  gülden  dinnen  rinck ;  Item  1  gülden  rinck  mit  1  durckis ;  Item 
1  runden  gülden  rinck ;  Item  1  hertzgen,  vbergult,  mit  1  robingen  vnd 
granaten ;  Item  XVIII  fl.  an  gold;  Item  bly 2  vor  III  fl.  minus  II  bly ; 
Item  1  fl.  an  hlr  vnd  1  alttornus;  Item  1397  achtel  korns. 


1  fehlt  mark  ? 

2  =  Bieter,  Bolleten.  Vgl.  Bothe,  Steuer  a.  a.  O.  S.*  207. 


26 


Nachtrag  zu  Seite  85- — 89. 

Die  auf  Seite  35—91  dieses  Bandes  veröffentlichte  Studie  über 
Frankfurter  Hochschul-Pläne  lag  bereits  gedruckt  vor,  als  das  Freie 
Deutsche  Hochstift  aus  Dr.  Otto  Volgers  Nachlass  in  den  Besitz 
eines  Briefes  vor»  Carl  Christian  Jügel  kam,  in  welchem  dieser  allezeit 
für  die  Förderung  des  geistigen  Lebens  begeistert  eintretende  Mann 
sich  entschieden  für  die  Errichtung  einer  Hochschule  in  Franfurt  im 
Spätjahr  1866  aussprach.  Es  war  eine  schöne  Fügung,  dass  Herr 
Oberbürgermeister  Dr.  Adickes  in  seiner  Festrede  zur  Einweihung 
des  Jügelhauses  am  21.  Oktober  1906  dieses  wertvolle  Zeugnis  der 
idealen  Gesinnung  Jügels  der  Festversammlung  zuerst  bekannt  geben 
konnte,  ein  Zeugnis,  das  wie  kein  anderes  beweisen  konnte,  dass 
die  Verwaltung  der  Carl  Christian  Jügel-Stiftung  im  Sinne  des  Stifters 
gehandelt  hat,  wenn  sie  aus  den  von  ihm  hinterlassenen  Mitteln  der 
neuen  Frankfurter  Hochschule,  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handels¬ 
wissenschaften,  eine  würdige  Heimstätte  schuf.1 

Der  an  Dr.  Otto  Volger,  den  damaligen  Obmann  des  Freien 
Deutschen  Hochstifts,  gerichtete  Brief  lautet  wörtlich: 

Herrn  Professor  Dr.  Volger  dahier. 

Frankfurt  a.  M.  22.  Obr.  1866. 

Euer  Wohlgebohren  wollen  mir  gestatten,  ein  paar  Worte  in 
Betreff  einer  Angelegenheit  an  Sie  zu  richten ,  die  gestern  im 
Hochstift  zur  Sprache  gekommen  ist. 

Es  wurde  nämlich  über  das  für  unsere  Stadt  in  ihren  gegen¬ 
wärtigen  Verhältnissen  so  äusserst  wichtige  Projekt  discutiert,  hier 
eine  Hochschule  zu  errichten  oder  vielmehr  eine  schon  bestehende 
zu  uns  herüber  zu  ziehen.  Dabei  wurde  geltend  gemacht,  dass  das 


1  Vgl.  das  Jügelhaus,  das  neue  Auditoriengebäude  der  Akademie  für  Sozial- 
und  Handelswissenschaften  zu  Frankfurt  a.  M.  und  die  bei  seiner  Einweihung  am 
21.  Oktober  1906  gehaltenen  Reden.  Jena  1907.  —  S.  18—21  eine  treffliche 
Charakteristik  Jügels,  S.  21  eine  kurze  Inhaltsangabe  des  Briefes. 


26 


—  4°4  — 

Hochstift  bereits  eine  Solche  hier  vertrete,  wenn  dasselbe  in  der 
Weise  weiter  ausgebildet  werden  würde,  so  wie  dies  von  Anfang 
an  im  Plane  gelegen.  Es  kam  nun  auch  die  materielle  Seite  zur 
Sprache,  die  eine  förmliche  Universitaet  unserer  Stadt  darbieten 
würde,  und  wurde  von  Ihnen  dabei  bemerkt,  dass  man  doch  eine 
solche  Hochschule  nicht  als  eine  melkende  Kuh  betrachten  dürfe. 

Ich  bin  jedoch  der  Meinung,  dass  nun  eine  solche  melkende 
Kuh  in  doppelter  Hinsicht  sehr  erwünscht  sein  müsste.  Denn 
nicht  allein  würde  sie  uns  pecuniären  Nutzen  bringen  und  für 
den  Kleinbürger  ein  Mittel  werden,  sich  durch  in  Wohnung-  und 
Kostnahme  von  Studirenden  ihr  Einkommen  zu  verbessern,  sondern 
sie  würde  auch  in  geistiger  Beziehung  eine  melkende  Kuh  für  uns 
werden  und  dem  leidigen  Geldsack  durch  da»  Zusammenwirken 
so  vieler  geistigen  Elemente  mit  grossem  Erfolg  die  Spitze  bieten. 
Endlich  aber  würde  dies  auch  das  stramme  Preussenthum,  was 
uns  durch  Militair  und  Büreaucratie  in  Aussicht  steht,  um  vieles 
mildern  und  dazu  dienen,  den  echten  und  bewährten  Bürgersinn 
nicht  untergehen  zu  lassen.  Man  spricht  jetzt  viel  von  den  grossen 
industriellen  Unternehmungen,  mit  denen  man  Frankfurts  Wohl¬ 
stand  zu  heben  bemüht  sein  wird.  Wir  wollen  aber  nicht  blos 
stets  schachern,  sondern  wir  wollen  auch  in  anderen  Beziehungen 
den  alten  Glanz  unserer  Stadt  zu  erhalten  suchen  und  das  würde 
durch  eine  Universität  sicher  in  einer  Weise  geschehen,  die  selbst 
mit  Berlin,  Wien  und  München  überwiegend  zu  concuriren  im 
Stande  sein  würde.  —  Was  das  Hochstift  betrifft,  so  würde  dieses 
als  vermittelndes  Institut,  zwischen  dem  streng  wissenschaftlichen 
und  dem  mehr  belehrenden,  seine  bisherige  Stellung  nicht  allein 
behaupten,  sondern  vielmehr  noch  heben  und  grössere  Theilnahme 
erwecken. 

Ich  bin  zu  alt,  um  noch  selbstthätig  in  dieser  für  unsere 
Stadt  so  hochwichtigen  Sache  mitwirken  zu  können ;  aber  ich 
habe  es  mir  nicht  versagen  können,  Ihnen  meine  Ansichten  dar¬ 
über  hier  mitzutheilen,  um,  wenn,  wie  es  die  Absicht  ist,  die 
Vorsteher  der  verschiedenen  hiesigen  Institute  darüber  zu  ver¬ 
nehmen,  hiermit  meinen  Beitrag  zu  liefern,  um  die  Lichtseiten  des 
zu  discutirenden  Projekts  hervorzuheben.  —  Vor  allem  aber  scheint 
es  mir  nöthig  zu  sein,  sich  über  die  Stimmung  der  Marburger 
Professoren  wegen  der  Verlegung  der  dortigen  Hochschule  hieher 
zu  versichern.  Die  Übersiedelung  derselben  hieher  würde  die  Aus¬ 
führung  des  Projekts  wesentlich  erleichtern  und  da  Marburg  nicht 
mehr  eine  hessische,  sondern  eine  preussische  Universität  ist,  so 
fällt  ihre  seitherige  Bestimmung  als  Landes-Universität  weg,  wo¬ 
gegen  es  in  Preussens  Interesse  liegt,  den  südlichen  Hochschulen 


405  — 


gegenüber  grade  hier  eine  solche  zu  bilden,  die  jenen  die  Waage 
halten  kann. 

Im  übrigen,  werter  Herr  Professor,  gilt  das  hier  gesagte  nur 
als  etwas,  was  ich  direkt  an  Sie  richte,  um  Sie  für  meine 
Ansicht  zu  gewinnen;  keineswegs  aber  ist  es  die  meinige,  damit 
in  irgend  einer  Weise  damit  vor  die  Öffentlichkeit  zu  treten. 

Mit  grösster  Hochachtung  beharrend 
Ihr  ergebener 

C.  J  ü  g  e  1  Vater. 

Diese  charakteristische  Äusserung  des  83jährigen  Carl  Jügel, 
der  selbst  den  besten  Kreisen  des  Handelsstandes  angehörte  und  mit 
offenem  Blick  und  warmem  Herzen  Anteil  an  dem  Aufblühen  der 
Stadt  nahm,  die  ihm  eine  zweite  Heimat  geworden  war,  lässt  sich 
unschwer  in  die  damalige  Bewegung  zu  Gunsten  einer  Frankfurter 
Hochschule  einreihen,  die  auf  Seite  85—89  nach  den  dürftigen, 
darüber  vorhandenen  Nachrichten  geschildert  ist. 

Als  Jügel  diesen  Brief  schrieb,  hatte  der,  an  welchen  er  ge¬ 
richtet  wurde,  bereits  in  entgegengesetztem  Sinne  Stellung  genommen ; 
Dr.  Voiger  war  der  Ansicht,  dass  eine  Hochschule  als  »Vorbereitungs¬ 
schule  für  künftige  Staatsdiener«  der  Tendenz  des  Hochstiftes  in 
keiner  Weise  entspreche,  als  »Sammelpunkt  für  jegliche  freie  Tätig¬ 
keit  auf  wissenschaftlichem  und  künstlerischem  Gebiete«  aber  über¬ 
flüssig  sei,  weil  eine  solche  Anstalt  wenigstens  in  ihren  Anfängen 
bereits  im  Hochstift  vorhanden  wäre.  Dieser  Ansicht  trat  die  Gesamt¬ 
sitzung  des  Hochstiftes,  auf  welche  der  Eingang  des  Briefes  Bezug 
nimmt,  bei;  nach  Jügels  Zeugnis  war  es  gerade  Dr.  Voiger,  welcher 
der  Spekulation  auf  die  materiellen  Vorteile  einer  Hochschule  für 
die  Stadt  mit  der  idealen  Ansicht  entgegentrat,  eine  solche  Anstalt 
dürfe  nicht  als  »melkende  Kuh«  betrachtet  werden.  Dieser  Idealismus 
entsprang  natürlich  der  sehr  realen  Erwägung,  seinem  Hochstifte 
den  geistigen  Wettbewerb  einer  Hochschule  fern  zu  halten,  welcher 
der  Entwickelung  der  von  ihm  gegründeten  Anstalt  ganz  andere, 
bescheidenere  Bahnen  gewiesen  hätte,  als  die,  von  denen  er  träumte. 
So  schrieb  er  auf  den  Brief,  den  er  noch  am  22.  Oktober  empfing, 
nachdem  also  das  Hochstift  sich  Tags  vorher  in  seinem  Sinne  ent¬ 
schieden  hatte,  vergnügten  Sinnes  sein  »Erledigt  0«. 

Diesen  engherzigen  Standpunkt  bekämpft  nun  Jügels  Brief  in 
interessanter,  weitschauender  Gedankenführung,  die  ebenso  sehr  die 
hohe  Aufgabe  geistigen  Wirkens  für  die  gesamte  Stadt,  die  grossen 


406 


Vorteile  für  Staat  und  Stadt  wie  die  kleinen  Vorteile  für  den  Bürger 
ins  Auge  fasst  und  auch  nicht  vergisst,  dem  Hochstift  die  vermittelnde 
Stellung  zwischen  Hochschule  und  Bürgerschaft  anzuweisen. 

Ein  schöner,  wahrer  Idealismus  spricht  aus  dem  Briefe  des  Alt- 
Frankfurters  —  das  war  Jügel,  wenn  auch  seine  Wiege  nicht  in 
Frankfurt  gestanden  hat.  Es  ist  die  Stimme  eines  hochgesinnten 
Mannes,  der  unter  dem  dumpfen  Druck  der  Gegenwart  die  Hoffnung 
auf  eine  schöne  Zukunft  für  Frankfurt  nicht  aufgab,  der  seine  von 
ihm  geliebte  Stadt  auf  ein  bisher  vernachlässigtes  Gebiet  dankbarer, 
fruchtbringender  Arbeit  hinwies,  sie  an  die  Pflege  des  geistigen 
Lebens  erinnerte,  um  dadurch  der  Herrschaft  des  »leidigen  Geld¬ 
sackes«  entgegen  zu  wirken. 

R.  J  u  n  g. 


Verein 


für 

Geschichte  und  Altertumskunde 


Frankfurt  am  Main. 


Geschäftliche  Mitteilungen. 


I.  Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins  im  Jahre  1905. 

Erstattet  in  der  Hauptversammlung  am  i.  Februar  1906. 


Der  Verein  begann  das  Jahr  1905  mit  einem  Bestände  von 
348  Mitgliedern.  Davon  haben  wir  durch  Tod  und  Austritt  18  Mit¬ 
glieder  verloren,  während  10  neue  hinzukamen,  sodass  der  Verein  am 
31.  Dezember  1905  im  ganzen  340  Mitglieder  zählte.  In  Dankbarkeit 
gedenken  wir  Derer,  die  uns  durch  den  Tod  entrissen  sind.  Vor  allem 
wird  uns  unvergesslich  bleiben  der  Schriftführer  unseres  Vereins  Herr 
Wilhelm  Mappes,  der  am  25.  September  in  Wiesbaden  nach  schwerem 
Leiden  verschieden  ist.  Beinahe  zwanzig  Jahre  hat  er  in  unserm  Verein 
das  Amt  des  Schriftführers  mit  gewissenhafter  Treue  verwaltet,  alle  Be¬ 
strebungen  des  Vereins  hat  er,  ein  echter  Sohn  seiner  Vaterstadt,  mit 
dem  grössten  Interesse  begleitet  und  in  früheren  Jahren  öfter  durch 
Vorträge,  durch  Vorlage  von  Frankofurtensien  aus  seiner  Sammlung 
unsere  Mitglieder  erfreut.  Seinen  Verdiensten  um  unseren  Verein  hat 
Herr  Padjera  in  Abwesenheit  des  Vorsitzenden  am  Grabe  ehrenvolle 
Worte  gewidmet.  Das  Andenken  dieses  treuen  Mitgliedes  soll  in  unserm 
Verein  unvergessen  bleiben. 

Der  Vorstand  setzte  sich  im  abgelaufenen  Vereinsjahr  wie  folgt 
zusammen: 

Otto  Cornill,  Direktor  des  Historischen  Museums, 

Dr.  jur.  Alexander  Dietz,  Rechtsanwalt, 

Professor  Otto  Donner-von  Richter,  Maler, 

Dr.  phil.  Rudolf  Jung,  Direktor  des  Stadtarchivs, 

Professor  Dr.  phil.  Isidor  Kracauer,  Oberlehrer, 

Dr.  phil.  Otto  Lauffer,  Directorial-Assistent  am  Städtischen 
Historischen  Museum, 

Wilhelm  Mappes,  Kaufmann, 

Dr.  phil.  Heinrich  von  Nathusius-Neinstedt ,  Bibliothekar, 
Emil  Padjera,  Rentner 

Professor  Dr.  phil.  Eduard  Pelissier,  Oberlehrer, 

Professor  Dr.  phil.  Alexander  Riese,  Oberlehrer  a.  D., 
Christian  Ludwig  Thomas,  Architekt, 

Rudolf  Welcher,  Direktorial- Assistent  am  Städtischen  Histo¬ 
rischen  Museum, 

Professor  Dr.  phil.  Georg  Woljf,  Oberlehrer. 


IV 


Die  Ämter  waren  in  nachstehender  Weise  verteilt:  Vorsitzender 
Herr  Archivdirektor  Dr.  Jung,  Stellvertreter  des  Vorsitzenden  Herr 
Professor  Dr.  Wolff,  Schriftführer  Herr  Mappes  und  nach  dessen  Tode 
Plerr  Dr.  Lauffcr,  Kassenführer  Herr  Padjera.  Der  Schriftleitungs- 
Ausschuss  bestand  aus  den  Herren  Donner-von  Richter,  Jung  und  Riese, 
zu  denen  die  Herren  Wolff  und  Lau  ff  er  zugezogen  wurden;  der  Orts¬ 
ausschuss  aus  den  Herren  Padjera,  Traut  und  Welcher;  der  Ausflugs¬ 
ausschuss  aus  den  Herren  Kober,  Padjera,  Pelissier,  Thomas  und  Welcker; 
der  Bibliotheksausschuss  aus  den  Herren  Jung,  Lauffer  und  Traut;  der 
Vortragsausschuss  aus  den  Herren  Donner-von  Richter,  Lauffer,  Pelissier 
und  Wolff. 

Von  seinen  Mitgliedern  hat  der  Vorstand,  wie  erwähnt,  Herrn 
Mappes  durch  Tod  verloren.  Ferner  hat  im  Laufe  des  Jahres  Herr 
C.  L.  Thomas  seine  Vorstandsmitgliedschaft  niedergelegt.  Da  nun 
ausserdem  auch  mit  Ende  des  Jahres  1905  die  Herren  Donner-von 
Richter,  v.  Nathusius  und  Riese  infolge  Ablaufens  ihrer  Amtsdauer 
ausgeschieden  sind,  so  liegt  es  dem  Vereine  nunmehr  ob,  fünf  neue 
Vorstandsmitglieder  zu  wählen.  Ohne  den  Entschliessungen  des  Vereins 
in  dieser  Hinsicht  vorgreifen  zu  wollen,  erlaubt  sich  der  Vorstand,  die 
Herren  Donner-von  Richter,  v.  Nathusius  und  Riese  zur  Wiederwahl 
und  die  Herren  Privatdozent  Dr.  Hülsen  und  Stadtverordneten  Flauaus 
zur  Neuwahl  in  den  Vorstand  zu  empfehlen. 

Die  Vereinskasse  befand  sich  nach  wie  vor  in  der  bewährten 
Obhut  des  Herrn  Padjera,  der  auch  einen  eigenen  Bericht  darüber 
vorlegen  wird.  Die  Prüfung  der  Rechnungsführung  und  der  Bestände 
ist  durch  die  Herren  Schuchard  und  Kober ,  in  Vertretung  des  gesund¬ 
heitlich  verhinderten  Herrn  Pauly,  vorgenommen  und  hat  zu  keinen 
Aussetzungen  Anlass  gegeben.  Indem  wir  den  genannten  Herren  für 
ihre  freundliche  und  erspriessliche  Mühewaltung  den  verbindlichsten 
Dank  aussprechen,  schlagen  wir  dem  Verein  vor,  die  Herren  Schuchhard 
und  Kober  zu  ersuchen,  die  Rechnungsprüfung  zu  übernehmen,  sowie 
die  Herren  Mentzel  und  G.  Ochs  zu  bitten,  bei  jener  Prüfung  nötigen 
Falles  als  Ersatzmänner  eintreten  zu  wollen. 

Das  Rechnungswesen  bedarf  hier  aber,  wie  unsere  Mitglieder  aus 
der  ihnen  zugegangenen  Mitteilung  ersehen  haben,  noch  einer  weiteren 
Erörterung.  Die  Belastung,  welche  der  Vereinskasse  besonders  durch 
die  wachsenden  Ausgaben  für  die  Vortragsabende  seit  Jahren  mehr 
und  mehr  entstanden  ist,  hat  sich  schon  länger  schwer  bemerkbar  ge¬ 
macht.  Besonders  sind  es  die  Vorführungen  von  Lichtbildern,  auf  die 
wir,  den  heutigen  Ansprüchen  gemäss,  nicht  verzichten  wollten,  die 
bedeutende  Geldopfer  erfordern.  Dazu  kommt  nun  infolge  unseres 
Umzuges  in  das  Steinerne  Haus,  zu  dem  wir  uns  aus  mannigfachen 
Gründen  entschlossen  haben,  eine  Vermehrung  der  Lokalmiete.  Auch 


V 


ist  darauf  hinzuweisen,  dass  sich  im  Laufe  der  Zeit  die  Druckkosten 
für  unsere  Publikationen  ganz  wesentlich  verteuert  haben,  wie  überhaupt 
alle  Ausgaben  mehr  und  mehr  anwachsen. 

Die  Vereinskasse  würde  diesen  vermehrten  Anforderungen  nur 
entsprechen  können,  wenn  die  für  die  wissenschaftlichen  Publikationen 
aufgewandten  Gelder  eine  Einschränkung  erführen.  Diesen  Ausweg  aber 
glauben  wir  mit  Recht  von  der  Hand  zu  weisen.  So  bleibt  uns  nichts 
übrig,  als  hiermit  den  Antrag  zu  stellen,  der  Verein  wolle  beschliessen, 
dass  §  6  der  Satzungen  in  folgender  Weise  abgeändert  wird: 

»Die  Mitgliedschaft  des  Vereins  wird  durch  Anmeldung  bei  dem 

»Vorstande  und  durch  Verpflichtung  zur  Zahlung  eines  Beitrags 

»von  jährlich  mindestens  acht  Mark  erworben.« 

In  Anbetracht,  dass  die  Erhöhung  um  2  Mark  nur  eine  geringe  und 
dass  der  Jahresbeitrag  selbst  mit  8  Mark  im  Vergleich  zu  andern  gleich¬ 
artigen  Vereinen  noch  ein  sehr  mässiger  ist,  hoffen  wir,  dass  die  Haupt¬ 
versammlung  unserem  Anträge  zustimmen  wird. 

Der  Verein  hielt  während  des  Jahres  1905  zehn  wissenschaft¬ 
liche  Sitzungen  ab.  Die  Vorträge,  die  auch  in  diesem  Jahre  sich 
möglichst  innerhalb  der  Grenzen  rein  lokaler  Geschichtsforschung  hielten, 
verteilten  sich  in  folgender  Weise: 

Am  12.  Januar  Herr  Museumsassistent  R.  Welcher-.  »Die  ortsgeschicht¬ 
lichen  Ergebnisse  des  Braubach-Durchbruchs.« 

Am  26.  Januar  Herr  Professor  Dr.  K.  Schumacher  aus  Mainz:  »Das 
erste  Auftreten  der  Germanen  in  Südwestdeutschland.« 

Am  16.  Februar  Herr  Stadtarchivar  Dr.  R.  Jung:  »Schiller  und 
Frankfurt.« 

Am  9.  März  Herr  Museumsassistent  Dr.  O.  Lauffer:  »Der  volks¬ 
tümliche  Wohnbau  in  Frankfurt  (I.  Teil).« 

Am  22.  März  Herr  Architekt  Privatdozent  Dr.  J.  Hülsen:  »Humor 
in  den  figürlichen  Darstellungen  an  Frankfurter  Baudenkmälern.« 

Am  19.  Oktober  Herr  Architekt  Privatdozent  Dr.  J.  Hülsen:  »Der 
alte  jüdische  Friedhof  am  Börne-Platz,  ein  altfrankfurter  Kunst¬ 
denkmal.« 

Am  2.  November  Herr  Stadtarchivar  Dr.  R.  Jung:  »Die  englische 
Flüchtlingsgemeinde  in  Frankfurt  1554 — 1559-« 

Am  16.  November  Herr  Professor  Dr.  /.  Kracauer :  »Spaziergänge 
und  Ausflüge  der  Frankfurter  im  XVIII.  Jahrhundert.« 

Am  30.  November  Herr  Oberlehrer  Dr.  Bothe:  »Landwirtschaft, 
Handel  und  Industrie  im  Frankfurt  des  XVI.  Jahrhundert.« 

Am  14.  Dezember  Herr  Museumsassistent  R.  Welcher:  »Heddern- 
heimer  Tongeschirre  für  Küche  und  Haus.« 

Die  meisten  dieser  Vorträge  waren  durch  Vorführung  von  Abbil¬ 
dungen  oder  archäologischen  Fundstücken,  mehrere  auch  durch  Licht- 


VI 


bilder  illustriert.  Die  Sitzung  vom  22.  März  konnten  wir  gemeinsam 
mit  dem  Mitteldeutschen  Kunstgewerbe-Verein  abhalten,  und  wir  freuten 
uns,  auf  diese  Weise  die  Gemeinsamkeit  der  Interessen  auch  äusserlich 
zu  dokumentieren,  die  uns  mit  jenem  Vereine  überall  da  verbindet, 
wo  es  sich  um  die  Erforschung  und  Würdigung  unseres  vorzeitlichen 
heimischen  Kunstgewerbes  handelt. 

Allen  den  geehrten  Rednern,  die  ihre  Kräfte  freundlichst  in  den 
Dienst  des  Vereins  gestellt  haben,  versäumen  wir  nicht,  auch  an  dieser 
Stelle  den  wärmsten  Dank  auszusprechen.  Schliesslich  bleibt  für  die 
Geschichte  unserer  Vereinssitzungen  insofern  eine  nicht  unwesentliche 
Neuerung  zu  erwähnen,  als  in  diesem  Jahre  die  Damen,  die  ja  auch 
früher  sich  hin  und  wieder  schon  beteiligt  hatten,  in  grösserer  Zahl 
und  regelmässig  unsere  Vortragsabende  besucht  haben. 

Die  Sitzungen  des  Vereins  fanden  wie  bislang  im  Lokale  der 
Künstlergesellschaft  im  Hotel  Taunus,  Grosse  Bockenheimerstr.  4 — 10 
statt.  Der  Vorstand  hat  nun  beschlossen,  die  Gemeinschaft  des  Lokales 
mit  der  Künstlergesellschaft  auch  in  deren  neuem  Raume  im  Steinernen 
Hause  fortzusetzen.  Es  wird  alle  unsere  Mitglieder  mit  Genugtuung 
erfüllen,  dass  wir  unsere  Sitzungen  in  Zukunft  in  einem  historisch 
bedeutungsvollen  Hause  abhalten  werden,  in  einem  Hause,  das  vor 
beinahe  50  Jahren,  als  unser  Verein  noch  in  seinen  Anfängen  stand, 
seinen  Vorträgen,  wie  seinen  Sammlungen  eine  so  überaus  würdige 
Heimstätte  geboten  hatte. 

Die  altbewährte  Übung  der  Familienausflüge,  durch  die  der 
Verein  das  Interesse  für  die  Geschichte  unserer  heimischen  Landschaft  zu 
beleben  und  zu  vertiefen,  sowie  auch  den  Vereinsmitgliedern  Gelegen¬ 
heit  zu  persönlichem  Zusammenschluss  zu  geben  sucht,  ist  auch  im 
abgelaufenen  Jahre  beibehalten.  Ein  Tagesausflug  führte  den  Verein 
am  25.  Juni  nach  Speyer  und  Schwetzingen,  während  einige  Nachmittags- 
ausflüge  am  10.  Mai  der  Besichtigung  des  Offenbacher  Schlosses  und  der 
Gerbermühle,  am  27.  Mai  dem  Besuch  von  Dreieichenhain  und  am 
6.  September  dem  von  Ginnheim  und  dem  angrenzenden  Teil  der 
Frankfurter  Landwehr  gewidmet  waren.  Die  Ausflugskommission,  welche 
die  Ausflüge  vorbereitete,  und  besonders  die  Herren  Prof.  Dr.  Pelissier 
und  Welcker ,  die  dabei  freundlichst  die  Führung  übernommen  haben, 
verdienen  den  lebhaften  Dank  des  Vereins.  Ein  nach  Wetzlar  geplanter 
Ausflug  zur  Besichtigung  des  Domes  musste  leider  einmal  verschoben 
und  schliesslich  ganz  abgesagt  werden. 

Die  wissenschaftlichen  Publikationen  des  Vereins  konnten 
im  abgelaufenen  Jahre  in  erfreulicher  Weise  fortgeführt  werden.  Von 
dem  »Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst«  erschien  der  dritten 
Folge  achter  Band  mit  einer  umfassenden  Arbeit  von  Herrn  Prof.  Dr. 
E.  Pelissier  über  »Die  Landwehren  der  Reichsstadt  Frankfurt  a.  M.« 


VII 


Schon  aus  mehreren  in  unseren  Sitzungen  gehaltenen  Vorträgen  war  es 
unseren  Mitgliedern  bekannt,  in  welch  gründlicher  Weise  Herr  Prof.  Pelissier 
sich  mit  der  Geschichte  und  der  Topographie  der  Landwehren  befasste, 
und  der  Vorstand  hat  umso  lieber  diese  Arbeiten  unterstützt  und  das  daraus 
entstandene  umfangreiche  Werk  in  seine  Publikationen  übernommen, 
als  es  in  der  Tat  zu  einer  derartigen  Bearbeitung  die  höchste  Zeit  war. 
Unsere  Stadt  ist  in  einem  Zustande  rascher  und  ständiger  Ausdehnung, 
und  jemehr  das  heutige  Stadtgebiet  nach  allen  Seiten  wächst,  umsomehr 
ändern  sich  die  topographischen  Verhältnisse,  verschwinden  auch  im 
Boden  die  letzten  äusseren  Spuren  der  Vergangenheit.  Es  ist  daher 
durch  die  Arbeit  des  Herrn  Pelissier  der  lokalen  Forschung  ein  sehr 
wesentlicher  Dienst  geleistet,  und  wir  sind  überzeugt,  dass  unsere  Mit¬ 
glieder  mit  uns  in  der  Anerkennung  für  dieselbe  übereinstimmen.  —  Als 
nächster  Band  des  Archivs  soll  im  Laufe  des  Jahres  1906  eine  auf  aus¬ 
gedehnten  archivalischen  Studien  beruhende,  von  Frau  Professor  Valentin 
verfasste  »Geschichte  der  Musik  in  Frankfurt  bis  ins  18.  Jahrhundert« 
erscheinen.  Nachdem  wir  vor  Jahren  eine  Geschichte  des  Frankfurter 
Theaters  von  Frau  Elisabeth  Mentzel  veröffentlicht  haben,  ist  es  uns 
angenehm,  jetzt  unseren  Mitgliedern  eine  Geschichte  des  musikalischen 
Lebens  in  Frankfurt  bieten  zu  können,  die  von  der  Verfasserin  bis  etwa 
zur  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  geführt  worden  ist,  und  die  zum  ersten 
Male  die  bis  jetzt  noch  wenig  bekannten  musikalischen  Bestrebungen 
unserer  Vorfahren  im  Zusammenhänge  darstellt.  —  Für  den  letzten  Band 
der  »Baudenkmäler«  haben  sich  leider  besondere  Schwierigkeiten  ergeben, 
weil  vor  allem  für  die  Illustrationen  keine  brauchbaren  Unterlagen  vor¬ 
handen  waren,  und  solche  erst  durch  Zeichnungen  und  architektonische 
Aufnahmen  beschafft  werden  mussten.  Es  ist  aber  jetzt  das  Erscheinen 
des  sechsten  Bandes  im  Laufe  des  Jahres  1906  mit  Bestimmtheit  anzu¬ 
nehmen,  womit  dann  ein  Werk  seinen  Abschluss  erreicht  haben  wird, 
welches  unserer  Vaterstadt,  unserem  Verein  und  nicht  zuletzt  den 
kenntnisreichen  Verfassern  zur  höchsten  Ehre  gereicht. 

Weiterhin  sind  wir  in  der  angenehmen  Lage,  dem  Verein  ein 
Werk  zuzuführen,  zu  dessen  Entstehung  wir  zwar  selbst  nicht  die  An¬ 
regung  gegeben  haben,  dessen  Thema  aber  ein  rein  Frankfurtisches  ist, 
und  dessen  Autor  zu  unseren  eifrigsten  Vereinsmitgliedern  zählt.  Herr 
Oberlehrer  Dr.  Bothe  wird  demnächst  in  den  von  Schmoller  und  Sehring 
herausgegebenen  »Staats-  und  sozial  wissenschaftlichen  Forschungen«  eine 
aus  langjährigen  Studien  entsprossene  Arbeit  »Die  direkte  Besteuerung 
im  reichsstädtischen  Frankfurt  bis  1612«  erscheinen  lassen,  ein  Werk,  von 
dem  wir  erwarten  dürfen,  dass  es  sich  in  den  Kranz  der  Frankfurter 
lokalen  Historiographie  als  neues  lebensfrisches  Blatt  einfügen  wird. 
Wir  freuen  uns  daher,  dass  das  dankenswerte  Entgegenkommen  der 
Verlagsbuchhandlung  es  uns  ermöglichen  wird,  das  Werk  als  Vereins¬ 
gabe  an  unsere  Mitglieder  zu  verteilen. 


VIII 


Leider  sind  unsere  im  Verein  mit  den  Historischen  Kommissionen 
in  Wiesbaden  und  Marburg  sowie  dem  Unterfränkischen  Geschichtsverein 
in  Würzburg  unternommenen  Bemühungen,  ein  Kartenwerk  über  Hessen- 
Nassau,  Waldeck,  Grossherzogtum  Hessen  und  Aschaffenburg  zu  Stande  zu 
bringen,  bis  jetzt  ergebnislos  geblieben,  da  einer  der  Hauptinteressenten, 
nämlich  das  Grossherzogtum  Hessen,  nicht  zur  Mitarbeit  zu  gewinnen 
war,  wenigstens  haben  sich  die  zuständigen  Stellen  trotz  mehrfacher  Ein¬ 
gaben  nicht  geneigt  gezeigt,  sich  an  dem  Werk  zu  beteiligen.  Herr 
Dr.  Jung  wird  sich  daher  demnächst  genötigt  sehen,  die  Geschäftsführung 
für  das  Kartenwerk  niederzulegen,  womit  denn  das  ganze  Unternehmen 
leider  seinen  negativen  Abschluss  gefunden  haben  wird. 

An  der  lokalen  prähistorischen  und  frühgeschichtlichen 
Forschung  hat  sich  unser  Verein  wie  seither  beteiligt.  Der  zu  diesem 
Zweck  zwischen  der  städtischen  Kommission  für  Kunst-  und  Altertums¬ 
gegenstände,  dem  Verein  für  das  historische  Museum  und  unserem  Verein 
geschlossene  Dreibund  ist  bestehen  geblieben.  Von  Seiten  unseres  Vereins 
sind  die  Herren  Archivdirektor  Dr.  Jung  und  Professor  Dr.  Wolff  in  die 
Ausgrabungs-Kommission  entsandt.  Die  Geschäftsführung  derselben  lag 
in  den  Händen  des  Herrn  Prof.  Wolff,  welcher  über  die  Grabungsarbeiten 
während  des  Jahres  1905  folgendes  berichtet: 

I.  Bereits  im  Winter  1904/5  boten  private  Grabungen  von  Heddernheimer 
Ortsbürgern  auf  einem  in  der  Mitte  der  römischen  Stadt  gelegenen  Grundstücke 
uns  Gelegenheit,  erhebliche  Teile  des  Grundrisses  eines  grossen  Bades  aufzunehmen, 
wodurch  2  früher  aufgefundene  gemauerte  Kanäle  und  Gebäudereste,  die  in  der 
ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  ungenau  in  den  Stadtplan  eingezeichnet 
waren,  erst  Zusammenhang  gewinnen  und  ihre  Erklärung  finden.  Da  auf  den¬ 
selben  Grundstücken  in  früheren  Jahren  Inschriften  gefunden  sind,  auf  welchen  eine 
platea  praetor(ia)  und  eine  platea  novi  vici  erwähnt  wurden,  so  verspricht  eine  plan- 
mässige  Aufnahme  der  Nachgrabungen  wichtige  Aufklärungen  über  die  Topographie 
des  alten  Heddernheim. 

II.  Im  Frühjahr  (April  bis  Juni)  1905  wurden  die  Untersuchungen  auf  dem 
Grundstücke  des  Gastwirts  Westerfeld  wieder  aufgenommen  und  grösstenteils 
vollendet.  Es  fanden  sich  nahe  der  Südgrenze  noch  zwei  Töpferöfen,  deren  Lage 
beweist,  dass  auch  nach  dieser  Seite  die  Töpferkolonie  sich  noch  weiter  auf  die 
angrenzenden  Grundstücke  erstreckt.  Eben  dort  wurden  Bestandteile  einer  Giganten¬ 
säule  mit  Inschrift  ausgegraben,  deren  fehlende  Bruchstücke  wir  bei  der  Wieder¬ 
aufnahme  der  Grabungen  noch  zu  finden  hoffen.  Zwischen  der  neugefundenen 
Gruppe  von  Öfen  und  den  im  vorigen  Jahre  aufgedeckten  fanden  sich  Arbeits¬ 
räume  der  Töpfer,  Brunnen  und  Trockenmauern  leicht  gebauter  Häuser,  aber 
weniger  Abfallgruben  als  auf  dem  nördlichen  Teile  des  Ackers.  Dementsprechend 
war  die  Ausbeute  von  Fundstücken  geringer  als  im  Jahre  1904,  wenn  auch  keines¬ 
wegs  belanglos. 

III.  Im  Herbste  (Ende  August  bis  Mitte  November)  wurde  eine  300  m  lange 
und  80  m  breite  Erweiterung  des  domitianischen  Steinkastells  nach  Osten  in  Gestalt 
eines  zu  diesen  vollkommen  symmetrisch  angelegten  Erdkastells  aus  dem  Ende 
des  1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  gefunden  und  in  ihren  Umrissen  festgestellt.  Veranlassung 


IX 


zu  diesen  Grabungen  hatte  eine  an  der  Westwand  der  Falkenhanschen  Ziegelei  (an 
der  Nordseite  des  Praunheimer  Weges)  beobachtete  alte  Ausschachtung  des  Bodens 
gegeben. 

IV.  Bei  dieser  Gelegenheit  wurde  auch  die  früher  nur  unter  Voraussetzung 
vollkommener  Symmetrie  ergänzte  Nordostecke  des  Steinkastells  mit  ihrem  Eckturm 
und  ihren  Gräben  exakt  festgestellt.  Sie  fand  sich  völlig  übereinstimmend  mit 
dem  Plane  von  1898.  In  den  Fundamentgruben  des  Eckturms  aber  konnten  die 
6  Pfostenlöcher  eines  Holzgerüstes  erkannt  werden,  welche  zeigten,  dass  auch  beim 
Heddernheimer  Kastell  die  für  die  älteren  domitianischen  Anlagen  charakteristische 
Kombination  von  Holz-  und  Steinbau  angewendet  worden  ist. 

V.  Das  grosse  (passagere)  Erdlager  hatte  im  Jahre  1904  wegen  der  Bestellung 
der  in  Frage  kommenden  Felder  in  seinem  nördlichen  Teile  nicht  vollständig  er¬ 
mittelt  werden  können.  Die  Hindernisse  dauerten  auch  in  diesem  Jahre  fort;  doch 
konnte  festgestellt  werden,  dass  die  ursprüngliche  Anlage  sich  über  die  gefundene 
Nordwestecke  nach  Norden  hinaus  erstreckt  hat,  und  dass  die  auffallende  Richtung 
der  bisher  gefundenen  Nordseite  auf  eine  spätere,  aber  von  der  ersten  Anlage 
zeitlich  nicht  weit  entfernte  Verkleinerung  des  Lagers  zurückzuführen  ist. 

VI.  Der  Graben  eines  dritten  Erdlagers  wurde  im  Sommer  1905  in  den 
Gruben  einer  Dampfziegelei  gefunden,  welche  fast  1  km  westlich  von  Praunheim 
an  der  Nordseite  der  Elisabethenstrasse  liegen.  Im  Herbst  und  Winter  konnten  in 
den  östlich  anstossenden  älteren  Ausschachtungen  durch  Herrn  Direktorialassistenten 
Welcker  Spitzgrabenprofile  ganz  gleicher  Art  konstatiert  werden.  Aus  der  Kom¬ 
bination  dieser  Beobachtungen  mit  den  zuerst  erwähnten  ergibt  sich  schon  jetzt, 
bevor  noch  planmässige  Grabungen  unternommen  sind,  das  Vorhandensein  eines 
rechteckigen  Lagers  von  fast  300  m  südnördlicher  Breite,  dessen  Achsen  parallel 
und  senkrecht  zu  der  römischen  Strasse  gerichtet  sind. 

Der  von  dem  Direktor  der  römisch-germanischen  Kommission  des 
Kaiserlichen  Archäologischen  Institutes  Herrn  Prof.  Dr.  H.  Dragendorj} 
herausgegebene  »Bericht  über  die  Fortschritte  der  römisch-germanischen 
Forschung  im  Jahre  1904«  wurde  vom  Verein  in  50  Exemplaren  über¬ 
nommen  und  nach  Vorausbestellung  an  die  Mitglieder  abgegeben. 

In  Fragen  der  Denkmalpflege  hat  sich  dem  Verein  während 
des  abgelaufenen  Jahres  nur  wenig  Gelegenheit  zu  selbständiger  Be¬ 
tätigung  geboten.  Auf  eine  Eingabe  des  Vereins  betreffend  Freilegung 
des  unteren  Teils  des  Rententurms  hat  der  Magistrat  geantwortet,  dass 
er  dem  Anträge  noch  nicht  näher  treten  könne,  da  eine  Höhen¬ 
regulierung  des  Mainufers  wie  auch  eine  Veränderung  der  westlichen 
Saalhoffront  zur  Frage  stehen.  Weiterhin  hat  sich  der  Verein  um  die 
Erhaltung  der  im  Rebstock  durch  Herrn  Chr.  L.  Thomas  freigelegten 
Reste  der  frühmittelalterlichen  Stadtmauer  bemüht,  die  sich  bei  den 
von  der  Kommission  für  Kunst-  und  Altertumsgegenstände  durch 
genannten  Herrn  ausgeführten  Grabungen  gefunden  haben.  Der  Vor¬ 
stand  hat  in  diesem  Sinne  eine  Eingabe  an  den  Magistrat  gerichtet. 
Eine  Antwort  auf  dieselbe  ist  bislang  noch  nicht  erfolgt,  jedoch  sind 
die  Mauerreste  selbst,  um  sie  vor  Beschädigung  zu  bewahren,  einst¬ 
weilen  wieder  zugeschüttet. 


X 


Bei  den  Sitzungen  des  Gesamtvereins  in  Bamberg  ist  unser 
Verein  durch  Herrn  Prof.  Dr.  Wolff  vertreten  worden. 

Was  den  Schriftentausch  mit  auswärtigen  Vereinen  angeht, 
so  ist  mitzuteilen,  dass  das  bereits  früher  einmal  bestehende  Tausch¬ 
verhältnis  mit  dem  Verein  für  Altertumskunde  im  Fürstentum  Birkenfeld 
erneuert  worden  ist. 

Schliesslich  ist  in  diesem  Jahresbericht  noch  auf  ein  Ereignis 
hinzuweisen,  welches  für  die  Entwickelung  der  historischen  Bestrebungen 
in  unserer  Stadt,  wie  wir  hoffen,  von  weittragendster  Bedeutung  sein 
wird.  Es  ist  unseren  Mitgliedern  aus  den  Verhandlungen  der  Stadt- 
verordneten-Versammlung  bekannt,  dass  diese  den  Magistrat  ersucht 
hat,  Mittel  zu  einer  systematischen  Erforschung  der  Frankfurter  Ver¬ 
gangenheit  und  zu  einer  Darstellung  der  städtischen  Geschichte  bereit 
zu  stellen  ;  ohne  Zweifel  wird  der  Magistrat  diesem  Ersuchen  entsprechen, 
so  dass  auch  unsere  Stadt  in  die  Reihe  der  Landschaften  und  Städte 
eintreten  wird,  welche  öffentliche  Mittel  zu  einer  gründlichen  Bearbeitung 
der  eigenen  Geschichtsquellen  verwenden.  Es  steht  noch  nicht  fest, 
in  welcher  Form  diese  Absicht  ausgeführt  wird.  Voraussichtlich  wird 
zu  diesem  Zwecke  eine  besondere  historische  Kommission  ge¬ 
gründet  werden,  wie  solche  schon  seit  einigen  Jahren  in  den  uns 
benachbarten  Gebieten  bestehen.  Unser  Verein  hat  alle  Ursache,  den 
Arbeiten  dieser  Kommission  den  besten  Erfolg  zu  wünschen,  sind  es 
doch  Arbeiten  von  einem  Umfange  und  einer  Zeitdauer,  welchen  die 
Mittel  und  Kräfte  unseres  Vereins  nicht  gewachsen  sind.  Von  den 
Veröffentlichungen  dieser  Kommission,  deren  Aufgabe  zunächst  wohl  in 
der  Bekanntmachung  der  im  Archiv  ruhenden  Quellen  nach  bestimmten 
wissenschaftlichen  Gesichtspunkten  bestehen  wird,  dürfen  wir  eine 
bedeutsame  Förderung  wie  der  Erkenntnis  unserer  Stadtgeschichte  so 
auch  der  Tätigkeit  unseres  Vereins  erwarten. 


II.  Rechnungs-Abschluss  für  das  Jahr  1905. 


27 


XII 


Einnahme. 


M. 

Pf. 

M. 

Pf. 

1905 

An  Kassa-Konto 

1.  Jan. 

Barbestand . 

139 

88 

An  Mitgliederbeitrag-Konto 

31.  Dez. 

Jahresbeiträge  der  Mitglieder  .... 

An  Unkosten-Konto 

2343 

— 

31.  Dez. 

Vergütung  für  Porti . 

An  Bibliothek- Konto 

12 

60 

31.  Dez. 

7  Zahlungen  für  das  Korrespondenzblatt . 

An  Effekten-Konto 

21 

— 

31.  Dez. 

Zinsen  des  österr.  Loses . 

6 

75 

An  Verlag-Konto 

31.  Dez. 

Verkauf  von  Vereinsschriften . 

339 

— 

An  Frankfurter  Gewerbekasse  Konto- 

Korrent  A.  Konto 

31.  Dez. 

Zahlungen . 

An  Konto  :  Historisches  Kartenwerk  für 

3700 

Hessen-Nassau,  Hessen  etc. 

31.  Dez. 

Zahlungen . 

An  Konto  :  Kommission  für  Herausgabe 

300 

des  Werkes  über  die  Baudenkmäler 
in  Frankfurt  a.  M. 

31.  Dez. 

Zahlung . 

An  Subventions-Konto 

1500 

31.  Dez. 

Unterstützung  der  städtischen  Behörden 

für  1905 . 

1000 

— 

An  Sparkasse-Konto 

31.  Dez. 

Zahlung . 

100 

9462 

23 

XIII 


Ausgabe. 


M. 

Pf. 

M. 

Pf. 

1905 

Per  Bibliothek-Konto 

31.  Dez. 

Ankauf  von  Büchern  und  Zeitschriften 

127 

35 

Per  Verlag-Konto 

31.  Dez. 

Herstellung  des  Archivs,  III.  Folge,  Band  8 

und  Pläne  dazu  . 

3888 

65 

Per  Ausgrabungs-Konto 

31.  Dez. 

Zahlung  an  die  Ausgrabungs  -  Kommission 

600 

— 

Per  Frankfurter  Gewerbekasse  Konto- 

Korrent  A.  Konto 

31.  Dez. 

Zahlungen . 

3500 

— 

Per  Unkosten-Konto 

31.  Dez. 

Inserate  .  1 

89 

10 

400  Exemplare  des  Korrespondenzblattes 

der  Westdeutschen  Zeitschrift  .  .  . 

167 

40 

Beitrag  zum  Verband  süd-  und  west- 

deutscher  Vereine . 

10 

— 

Beitrag  zur  Anthropologischen  Gesellschaft 

5 

— 

Lokalmiete . 

250 

— 

Elektrische  Beleuchtung . 

35 

64 

Einträgen  des  Vereins . 

7 

35 

Einkassieren  der  Mitgliederbeiträge  und 

Austragen  der  Vereinsschrift  .... 

68 

44 

Beitrag  zum  Gesamtverein  und  15  Proto- 

1 

kolle  der  Generalversammlung  in  Danzig 

16 

50 

Für  Vereinsnachrichten  im  Korrespondenz- 

1 

blatt . 

50 

75 

Druckarbeiten . 

47 

— 

Schriftliche  Arbeiten . 

78 

40 

Kleine  Ausgaben . 

462 

10 

1287 

'68 

Per  Kassa-Konto 

Barbestand . 

¥ 

58 

55 

9462 

23 

den  31 

.  Dezember  1903. 

1 

Emil  Padjera, 

d.  Zt.  Kassen füh rer. 

III.  Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins  im  Jahre  1906. 

Erstattet  in  der  Hauptversammlung  am  7.  Februar  1907. 


Die  Mitgliederzahl  ist  im  Jahre  1906  leider  abermals  zurück- 
gegangen.  Von  den  340  Mitgliedern,  mit  denen  das  Vereinsjahr  begann, 
sind  13  gestorben  und  19  sonst  ausgetreten.  Dem  gegenüber  sind  nur 
18  Mitglieder  neu  eingetreten,  sodass  die  Gesamtsumme  326  am  Ende 
des  Jahres  mit  einem  Verluste  von  14  Mitgliedern  abschliesst.  Ange¬ 
sichts  dieser  Tatsache  kann  es  der  Vorstand  nicht  unterlassen,  alle 
Vereinsangehörige  dringend  um  die  Werbung  neuer  Mitglieder  zu  bitten, 
damit  der  Verein  sich  auf  der  alten  Höhe  seines  Mitgliederbestandes  und 
damit  auch  seiner  Leistungsfähigkeit  halten  kann. 

Unter  denen,  die  uns  durch  den  Tod  entrissen  sind,  gedenken  wir 
besonders  unseres  langjährigen  Mitgliedes,  des  Bibliothekars  an  der  Stadt¬ 
bibliothek  Herrn  Dr.  Heinrich  v.  Nathusius.  In  der  ersten  Sitzung,  mit 
welcher  wir  am  18.  Oktober  unsere  Wintervorträge  begannen,  widmete 
ihm  der  Vorsitzende  Herr  Archivdirektor  Dr.  Jung  folgende  Worte  der 
Erinnerung : 

»Lassen  Sie  mich  an  diesem  Abend,  welcher  unsere  Wintersitzungen  eröffnet, 
zuerst  eines  hervorragend  tätigen  Mitgliedes,  eines  lieben  Freundes  gedenken, 
welcher  uns  im  Laufe  dieses  Sommers  für  immer  verlassen  hat.  Dr.  Heinrich  von 
Nathusius-Neinstedt  hat  es  reichlich  verdient,  dass  wir  nochmals  im  Kreise  unserer 
Mitglieder  seiner  Persönlichkeit  und  seiner  Verdienste  um  unseren  Verein  uns 
erinnern  ! 

Am  22.  Juni  1851  wurde  er  in  dem  Harzstädtchen  Neinstedt  als  der  Sohn 
eines  ausgezeichneten  Elternpaares  geboren.  Philipp  Engelhard  Nathusius,  der  Vater, 
der  als  Kaufmann  und  Leiter  grösserer  geschäftlicher  Unternehmungen  begonnen, 
dann  aber  durch  Studium  und  Reisen  seine  Ausbildung  vollendet  hatte,  lebte  dort 
seinen  humanitären  Bestrebungen  —  er  hatte  ein  »Knabenrettungs-  und  Bruderhaus« 
nach  dem  Muster  des  Rauhen  Hauses  in  Hamburg  gegründet  —  und  seiner  schrift¬ 
stellerischen  Tätigkeit,  die  er  in  den  Dienst  der  streng  konservativen  und  kirch¬ 
lichen  Partei  Preussens  gestellt  hatte;  als  lyrischer  Dichter,  als  feinsinniger  Nach¬ 
bildner  B£rangers  war  er  schon  in  jüngeren  Jahren  an  die  Öffentlichkeit  getreten. 
Seine  Gattin  war  die  besonders  in  Norddeutschland  bekannte  und  heute  noch  viel 
gelesene  Schriftstellerin  Marie  Nathusius,  deren  Erzählungen  für  die  Jugend  und 
die  Frauenwelt  denselben  Geist  atmen  wie  die  Arbeiten  ihres  Gatten. 

Heinrich  von  Nathusius  besuchte  das  Gymnasium  in  Quedlinburg;  die  Ge¬ 
schichte  war  schon  damals  das  Fach,  das  ihn  am  meisten  anzog;  die  reich  aus¬ 
gestattete  väterliche  Bibliothek  in  Neinstedt  lieferte  ihm  reichliches  Material  zur 


XVI 


Befriedigung  seiner  Wissbegierde.  Als  1870  der  Krieg  ausbrach,  trat  er  als  Kriegs¬ 
freiwilliger  in  das  2.  Leibhusarenregiment  in  Posen  ein  und  machte  mit  diesem 
den  Winterfeldzug  um  Orleans  mit.  Mit  stolzer  Befriedigung  hat  er  immer  auf 
seine  Teilnahme  an  dem  grossen  Kriege  geblickt  und  gern  das  eiserne  Kreuz 
angelegt,  das  er  sich  auf  einem  heissen  Patrouillenritt  erworben  hatte.  Nach  der 
Heimkehr  entschloss  er  sich,  Offizier  zu  werden,  und  verbrachte  mehrere  Jahre 
in  Posen  als  flotter  Husarenleutnant.  1874  nahm  er  seinen  Abschied  und  siedelte, 
nachdem  er  mehrere  Jahre  als  Privatmann  gelebt  hatte,  nach  Marburg  über,  um 
hier  Geschichte  zu  studieren,  aber  auch  um  das  ihm  noch  fehlende  Maturitäts- 
Zeugnis  zu  erwerben.  In  Marburg  war  der  verheiratete  Student  eine  allbekannte 
und  beliebte  Persönlichkeit,  ein  fleissiger  Hörer  in  den  Vorlesungen  und  ein  un¬ 
verdrossener  Arbeiter  in  den  Seminaren  der  Universität,  in  den  Freuden  des 
Studentenlebens  aber  ein  Kommilitone,  der  sich  uns  jüngeren  niemals  versagte, 
der  uns  im  Verein  mit  seiner  liebenswürdigen  Gattin  häufig  sein  gastliches  Haus 
öffnete.  Im  Jahre  1883  verlegte  er  seinen  Wohnsitz  nach  Frankfurt  a.  M.,  weil  er 
hoffte,  hier  einen  Wirkungskreis  für  historisch-wissenschaftliche  Betätigung  zu  finden. 

1884  trat  er  zuerst  als  Volontär  in  den  Dienst  der  Stadtbibliothek;  seit  1893 
bekleidete  er  die  Stelle  eines  zweiten  Bibliothekars.  In  den  letzten  Jahren  trat  ein 
altes  Lungenleiden  immer  häufiger  bei  ihm  auf;  mehrmals  musste  er  auf  längere 
Zeit  die  Heilanstalt  Naurod  bei  Wiesbaden  aufsuchen.  Im  Spätherbst  1905  ging 
er  zum  dritten  male  hin;  er  hat  Frankfurt,  das  ihm  eine  liebe  zweite  Heimat 
geworden  war,  nicht  wiedergesehen.  Nach  langem  Siechtum  ist  er  in  der  Morgen¬ 
frühe  des  14.  Juli  in  Naurod  sanft  entschlafen. 

Wer  den  Gang  seines  Lebens  näher  kennt,  der  weiss,  dass  es  nicht  frei  war 
von  Enttäuschungen,  dass  er  einen  tapferen  Kampf  gekämpft  hat,  dass  er  sich 
aber  durch  die  schwersten  Schicksalsschläge  nicht  niederbeugen  liess.  Seine 
elastische  Frohnatur  hat  sich  doch  immer  durchgerungen  und  ihn  der  alten  lieben 
Arbeit  für  die  Wissenschaft  wie  für  seine  Vereine  wieder  zugeführt.  Ein  grosser 
Teil  dieser  Arbeit  aber  galt  uns  und  den  Bestrebungen,  denen  wir  dienen! 

Seine  politischen  und  gesellschaftlichen  Anschauungen  hatten  sich  in  der 
streng  konservativen,  orthodoxen  Luft,  die  ihn  im  Elternhause  umweht  hatte,  und 
dann  in  dem  Offiziercorps  eines  der  ersten  Kavallerieregimenter  ausgebildet;  es 
waren  natürlich  die  Anschauungen  des  konservativen  preussischen  Adels.  Schon 
in  Marburg  hatten  sie  durch  den  Verkehr  mit  Professoren  und  Studenten  jeden 
Standes  und  jeder  Partei  viel  an  Starrheit  verloren  und  auch  hier  in  Frankfurt 
lernte  er  immer  mehr,  duldsam  zu  werden  gegen  die  Ansichten  anderer.  Schwieriger 
wurde  ihm  die  Überwindung  seiner  Anschauungen  in  der  wissenschaftlichen  Arbeit. 
Es  wurde  ihm  oft  schwer,  in  der  Geschichte  unserer  Stadt  das  Werk,  das  Verdienst 
des  einfachen  Bürgertums  zu  erkennen.  Für  ihn  war  sie  wesentlich  die  Geschichte 
ihrer  edlen  Geschlechter.  In  dieser  Einseitigkeit  wurde  er  anfangs  bestärkt  durch 
das  Studium  der  Werke  des  von  ihm  hochverehrten  Meisters  Johann  Karl  von 
Fichard,  dessen  patrizischer  Standpunkt  ihm  natürlich  sehr  zusagte ;  in  späteren  Jahren 
hat  er  sich  redlich  bestrebt,  über  diesen  einseitigen  Standpunkt  hinaus  zu  kommen. 

Herr  von  Nathusius  beteiligte  sich  sofort  nach  seiner  Übersiedelung  nach 
Frankfurt  an  der  Neubearbeitung  des  Böhmerschen  Urkundenbuchs  unter  der 
Leitung  des  damaligen  Stadtarchivars  Dr.  Grotefend,  dem  er  für  die  vortreffliche 
Einführung  in  das  Urkundenstudium  Zeit  seines  Lebens  herzlich  dankbar  blieb ;  es 
war  ihm  nicht  vergönnt,  diese  Neubearbeitung,  die  er  nach  dem  Abgang  Grotefends 
selbständig  übernahm,  durchzuführen,  da  er  allzuhäufig  zu  anderen  Arbeiten 
abberufen  wurde.  Die  Ordnung  des  reichen  Archivs  der  Freiherren  von  Holzhausen, 


XVII 


welches  auch  einen  Teil  des  Glauburgschen  Familienarchivs  enthält,  gab  ihm  Ver¬ 
anlassung  zu  eingehenden  Studien  über  die  Anfänge  des  städtischen  Patriziates  und 
zur  Geschichte  zahlreicher  Geschlechter  des  städtischen  Adels.  Bald  erstreckte  er 
seine  in  diesen  Forschungen  erworbenen  genealogischen  Kenntnisse  und  Fertig¬ 
keiten  auf  die  Bearbeitungen  von  Geschichten  hervorragender  bürgerlicher  Familien, 
wie  der  de  Neufville  und  de  Bary  und  vieler  anderer,  die  aber  nicht  immer  für 
die  Öffentlichkeit  geschrieben  wurden.  Eine  Reihe  von  Studien  über  die  topographische 
Entwickelung  der  Stadt,  über  die  Kirchenbuchführung,  über  geschichtlich  denk¬ 
würdige  Druckwerke  der  Stadtbibliothek  hat  er  in  besonderen  Abhandlungen  oder 
auch  nur  in  Vorträgen  bekannt  gegeben. 

Wenn  ich  unseres  hingeschiedenen  Freundes  vielleicht  etwas  ausführlicher 
gedenke,  als  es  die  Bedeutung  seiner  wissenschaftlichen  Arbeit  erfordert,  so  geschieht 
es,  weil  wir  in  ihm  ein  hervorragend  eifriges  und  treues  Mitglied  betrauern;  auf 
das  innigste  ist  sein  Name  mit  der  Tätigkeit  unseres  Vereins  in  mehr  als  20 
Jahren  verbunden.  1884  wurde  er  Mitglied,  seit  1896  gehörte  er  dem  Vorstande 
an,  1896  war  er  stellvertretender  Vorsitzender.  Einen  Grundzug  seines  Wesens, 
die  Hilfsbereitschaft,  hat  er  uns  in  glänzender  Weise  bewährt:  er  hat  sich  jeder 
Arbeit,  die  ihm  zugemutet  wurde,  auch  der  geringsten,  unverdrossen  und  ge¬ 
wissenhaft  unterzogen;  man  hat  ihn  nie  vergebens  gebeten;  er  war  stets  bereit 
einzuspringen,  wenn  seine  Beteiligung  gewünscht  wurde.  Zu  unseren  Veröffent¬ 
lichungen  hat  er  eine  Reihe  kleinerer,  aber  gediegener  Arbeiten  beigesteuert, 
häufig  und  gut  hat  er  an  unseren  Vortragsabenden  gesprochen,  mehrere  Jahre 
lang  hat  er  unsere  Sommerausflüge  vorbereitet  und  geleitet,  immer  aber  hat  er 
sich  mit  ganzem  Herzen  und  voller  Arbeitskraft  an  unseren  Veranstaltungen  be¬ 
teiligt  :  eine  der  beliebtesten  Persönlichkeiten  im  Vorstande  wie  bei  den  Mitgliedern, 
eine  heitere,  gesellige  Natur,  ein  lieber  Freund!  Seine  Tätigkeit  bei  uns  war 
ihm  ebenso  Herzenssache  wie  sein  Wirken  in  wohltätigen  und  kirchlichen  Ver¬ 
einigungen.  Er  war  keine  stille,  in  sich  gekehrte,  auf  sich  zurückgezogene  Natur: 
er  musste  mit  anderen  und  für  andere  wirken. 

Lassen  Sie  uns  das  Andenken  des  treuen  Mitgliedes,  des  tüchtigen  Arbeiters, 
des  lieben  Menschen  Heinrich  von  Nathusius  in  dauernden  Ehren  halten.« 

Der  Vorstand  setzte  sich  im  abgelaufenen  Vereinsjahre  wie  folgt 
zusammen: 

Otto  Cornill,  Direktor  des  Historischen  Museums, 

Dr.  jur.  Alexander  Dietz,  Rechtsanwalt, 

Professor  Otto  Donner-von  Richter,  Maler, 

Robert  Flauaus,  Rentner, 

Dr.  Julius  Hülsen,  Architekt  und  Privatdozent, 

Dr.  Rudolf  Jung,  Direktor  des  Stadtarchivs, 

Professor  Isidor  Kracauer,  Oberlehrer, 

Dr.  Otto  Lauffer ,  Direktorial-AssistentamHistorischen Museum, 
Dr.  Heinrich  v.  Nathusius-Neinstedt,  Bibliothekar, 

Emil  Padjera,  Rentner, 

Professor  Dr.  Eduard  Eelissier,  Oberlehrer, 

Professor  Dr.  Alexander  Riese,  Oberlehrer  a.  D., 

Rudolf  Welcher,  Direktorial-Assistent  am  Historischen  Museum, 
Professor  Dr.  Georg  Wolff,  Oberlehrer. 


XVIII 


Die  Ämterverteilung  war  in  der  Weise  erfolgt,  dass  die  Herren 
Dr.  Jung  zum  Vorsitzenden, 

Prof.  Dr.  Wolf  zum  Stellvertreter  des  Vorsitzenden, 

Padjera  zum  Kassenführer, 

Dr.  Lauffer  zum  Schriftführer 
ernannt  wurden. 

Für  den  Schriftleitungsausschuss  wurden  gewählt :  die  Herren 
Dr.  Jung,  Prof.  Donner-von  Richter  und  Prof.  Riese,  hinzuzuziehen  Prof. 
Wolff  und  Dr.  Lauffer ; 

für  den  Ortsausschuss :  die  Herren  Padjera,  Dr.  Traut  und  Welcker  ; 

für  den  Ausflugsausschuss  :  die  Herren  Welcker ,  Pelissier  und 
Flauaus  ; 

für  den  Bibliotheksausschuss:  die  Herren  Dr.  Jung,  Dr.  Lauffer 
und  Dr.  Traut ; 

für  den  Vortragsausschuss:  die  Herren  Prof.  Donner-voit  Richter, 
Dr.  L^auffer,  Prof.  Dr.  Pelissier  und  Prof.  Dr.  Wolff. 

Mit  dem  Ende  des  Jahres  1906  sind  aus  dem  Vorstande  satzungs- 
gemäss  ausgeschieden  die  im  Jahre  1904  gewählten  Herren  Prof.  Dr. 
Kracauer,  Padjera  und  Prof.  Dr.  Wolff,  ferner  auch  Herr  Dr.  Hülsen, 
der  in  der  Zwischenzeit  als  Ersatzmann  für  den  ausgeschiedenen  Herrn 
Thomas  eingetreten  ist,  dessen  Wahlperiode  jetzt  abgelaufen  wäre.  Der 
Vorstand  erlaubt  sich,  die  Wiederwahl  der  genannten  Herren  zu  empfehlen, 
indem  er  zugleich  vorschlägt,  an  Stelle  des  verstorbenen  Dr.  v.  Nathusius 
Herrn  Stadtrat  Dr.  Ziehen  zu  wählen.  Wir  versäumen  jedoch  nicht, 
darauf  hinzuweisen,  dass  die  Neuwahlen  durchaus  dem  Belieben  der 
Plauptversammlung  anheimgegeben  sind. 

Mit  dem  gleichen  Vorbehalt  regt  der  Vorstand  an,  der  Verein 
möge  die  Herren  Schuchardt  und  Kober  ersuchen,  auch  im  kommenden 
Jahre  die  Rechnungsprüfung  freundlichst  auszuüben,  sowie  die  Herren 
Rechnungsrat  Mentzel  und  Ochs  zu  bitten,  erforderlichen  Falles  dabei 
die  Vertretung  zu  übernehmen. 

Die  Kassenverwaltung  hat  sich  auch  im  Berichtsjahre  der 
stets  aufopfernden  Pflege  des  Herrn  Padjera  erfreut,  der  der  Versamm¬ 
lung  einen  gesonderten  Rechenschaftsbericht  vorlegt. 

Wie  in  den  Vorjahren  so  sind  auch  in  dem  verflossenen  im  ganzen 
zehn  wissenschaftliche  Sitzungen  abgehalten  worden,  in  denen 
uns  aus  dem  Kreise  unserer  Mitglieder  folgende  Vorträge  dargeboten 
wurden : 

Am  18.  Januar:  Prof.  Dr.  Dragendorff,  Römische  Funde  an  der 
Lippe. 

Am  1.  Februar  (Hauptversammlung):  Dr.  Grossmatm,  Die  Erzeug¬ 
nisse  der  Frankfurter  Fayencefabrik. 


XIX  - 


Am  15.  Februar:  Prof.  Dr.  Riese,  Zur  Geschichte  und  Kultur  der 
Rheinlande  in  der  Römerzeit,  besonders  nach  den  Inschriften. 

Am  8.  März:  Archivdirektor  Dr.  Jung,  Lersners  Frankfurter  Chronik. 

Am  22.  März:  Museums-Assistent  Dr.  Lauffer,  Volkstümlicher 
Wohnbau  in  Frankfurt.  (II.  Teil.) 

Am  18.  Oktober:  Archivdirektor  Dr.  Jung,  Karl  v.  Dalberg  und 
Frankfurt  1806 — 1813. 

Am  1.  November:  Oberzollrevisor  Moldenhauer,  Aus  dem  Zoll¬ 
wesen  der  Reichsstadt  Frankfurt  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts. 

Am  15.  November:  Prof.  Dr.  Kracauer ,  Das  Frankfurter  Militär 
im  Feldzug  1757.  (Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Reichsarmee.) 

Am  6.  Dezember :  Pfarrer  Battenberg,  Joh.  Lupi,  der  erste  Pfarrer 
an  der  Peterskirche  (f  1468)  und  sein  Beichtbüchlein. 

Am  20.  Dezember :  Hofrat  Ah//<?r-Darmstadt,  Erklärung  von  Denk¬ 
mälern  der  westdeutschen  Steinzeit  durch  ausserdeutsche  Ver¬ 
gleichstücke. 

Neben  dem  Lohne,  den  jede  wissenschaftliche  Arbeit  in  sich  selber 
trägt,  dürfen  alle  die  genannten  Redner  des  wärmsten  Dankes  unseres 
Vereins  sicher  sein,  den  wir  hiermit  wiederholt  zum  Ausdruck  bringen. 
—  Die  mehrfach  durch  Vorzeigung  von  Originalstücken  bezw.  von  Licht¬ 
bildern  illustrierten  Vorträge  fanden  —  von  einer  vorübergehenden  Unter¬ 
brechung  abgesehen  —  im  neu  eingerichteten  »Steinernen  Hause«  statt. 

Die  üblichen  Sommerausflüge  führten  uns  einmal  in  einer 
Tagestour  nach  Wetzlar  und  ferner  in  drei  Nachmittags-Spaziergängen 
zum  Kinzigheimer  Hof,  nach  Hochstadt  -  Wilhelmsbad  und  nach 
Heusenstamm.  Ein  geplanter  und  bereits  bis  in  die  Einzelheiten  vor¬ 
bereiteter  Ausflug  nach  Worms  musste  in  letzter  Stunde  abgesagt  werden, 
da  sich  eine  zu  beschränkte  Anzahl  unserer  Mitglieder  zur  Teilnahme 
gemeldet  hatte.  Noch  ist  zu  erwähnen,  dass  einmal  während  des 
Sommers  Herr  Dr.  Hülsen  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Rabbiner 
Dr.  Horowitz  die  Freundlichkeit  hatte,  die  Führung  eines  Teiles  der 
Vereinsmitglieder  durch  den  alten  jüdischen  Friedhof  zu  übernehmen. 
Endlich  wurde  einmal  auf  der  Dachlaube  des  »Steinernen  Hauses«  ein 
zwar  nicht  sehr  stark  besuchter  aber  sehr  gut  verlaufener  geselliger 
Abend  mit  Damen  veranstaltet. 

Über  die  Veröffentlichungen  des  Vereins  ist  zu  berichten, 
dass  den  im  vorhergehenden  Jahresbericht  ausgesprochenen  Absichten 
gemäss  das  Werk  von  Frau  C.  Valentin ,  »Geschichte  der  Musik  in 
Frankfurt  a.  M.,  vom  Anfang  des  XIV.  bis  zum  Anfänge  des  XVIII.  Jahr¬ 
hunderts«  im  Laufe  des  Jahres  ausgegeben  und  ausserdem  das  Werk 
von  Herrn  Oberlehrer  Dr.  Bothe,  »Die  Entwickelung  der  direkten  Be¬ 
steuerung  in  der  Reichsstadt  Frankfurt  bis  1612«  (Schmoller  und  Sering, 


XX 


Staats-  und  sozialwissenschaftliche  Forschungen,  Band  XXVI,  Heft  2) 
als  besondere  Vereinsgabe  an  unsere  Mitglieder  verteilt  worden  ist.  — 
Die  noch  ausstehende  sechste  Lieferung  des  Baudenkmäler- Werkes 
konnte  leider  noch  nicht,  wie  wir  fest  gehofft  hatten,  im  abgelaufenen 
Jahre  fertiggestellt  werden.  Da  die  Güte  der  Arbeit  nicht  durch  eine 
unangebrachte  Überstürzung  geschädigt  werden  durfte,  so  musste  die 
Herausgabe  auch  jetzt  noch  aufgeschoben  werden.  Indessen  ist  mit 
dem  Druck  bereits  begonnen  worden,  und  kann  das  Erscheinen  dieser 
Schlusslieferung  für  das  kommende  Jahr  endgültig  in  Aussicht  gestellt 
werden.  Ausserdem  sind  für  das  kommende  fünfzigjährige  Jubiläums¬ 
jahr  des  Vereins  vorgesehen  und  bereits  in  den  Druckvorbereitungen 
begriffen  ein  neuer  Band  des  »Archivs  für  Frankfurts  Geschichte  und 
Kunst«  mit  einer  von  Herrn  Prof.  Dr.  Riese  verfassten  Vereinsgeschichte 
und  mit  einer  Reihe  lokalgeschichtlicher  Einzelbeiträge,  ausserdem  aber 
das  IV.  Heft  der  »Heddernheimer  Mitteilungen«  mit  Arbeiten  von  Prof. 
Dr.  Dragendorff,  Prof.  Dr.  Riese,  Welcher  und  Prof.  Dr.  Wolff.  Mit 
besonderer  Freude  und  aufrichtigem  Dank  können  wir  berichten,  dass 
für  die  sachgemässe  Ausstattung  dieses  Heftes  mit  Karten  und  Ab¬ 
bildungen  die  Kommission  für  städtische  Kunst-  und  Altertumsgegen¬ 
stände  auf  unsere  Bitte  den  namhaften  Beitrag  von  2000  Mark  zu¬ 
gesagt  hat. 

In  diesem  Zusammenhänge  machen  wir  ferner  die  erfreuliche  Mit¬ 
teilung,  dass  die  neugegründete  »Städtische  Historische  Kommission« 
dem  Vorstande  ihre  Absicht  mitgeteilt  hat,  das  im  Jahre  1896  mit 
Ermächtigung  und  finanzieller  Unterstützung  der  Stadt  vom  Verein 
herausgegebene  Werk  von  Jung,  »Das  historische  Archiv,  seine  Ge¬ 
schichte  und  seine  Bestände«  in  neuer  durch  die  Vermehrung  der 
Archivbestände  durchaus  nötigen  Bearbeitung  herauszugeben,  unter  der 
Voraussetzung,  dass  der  Verein  von  sich  aus  eine  Neubearbeitung  in 
absehbarer  Zeit  nicht  vornehmen  werde.  Der  Vorstand  hat  daraufhin 
aus  mehrfachen  offensichtlichen  Gründen  einstimmig  beschlossen,  auf 
die  Herausgabe  einer  neuen  Bearbeitung  des  genannten  Werkes  zu 
Gunsten  der  Historischen  Kommission  zu  verzichten. 

Über  die  wiederholten  vergeblichen  Versuche  unseres  Vorsitzenden, 
das  Grossherzogtum  Hessen  zur  Beteiligung  an  dem  geplanten 
Historischen  Kartenwerk  zu  veranlassen,  ist  bereits  im  vorigem  Bericht 
gesprochen.  Es  ist  daher  zufolge  einer  entsprechenden  vorhergehenden 
Mitteilung  an  die  beteiligten  Vereine  und  Korporationen  das  nunmehr 
aussichtslose  Unternehmen  aufgelöst  werden. 

Die  Förderung,  die  der  Verein  der  lokalen  frühgeschichtlichen 
und  römisch-  germanischen  Forschung  angedeihen  liess,  ist  auch 
im  abgelaufenen  Jahre  so  geschehen,  dass  der  Verein  in  der  seit  Jahren 
geregelten  Weise  an  den  Arbeiten  der  Ausgrabungs-Kommission 


XXI 


sich  beteiligt  hat.  Über  die  Ergebnisse  dieser  Arbeiten  liegt  von  dem 
Geschäftsführer  der  Kommission  Herrn  Prof.  Dr.  Wolff  ein  Bericht  vor, 
welcher  im  Dreissigsten  Jahresberichte  des  Vereins  für  das  Historische 
Museum  1907  Seite  19 — 22  veröffentlicht  ist. 

In  den  Fragen  der  lokalen  Denkmalpflege  hat  der  Verein 
im  abgelaufenen  Jahre  nur  zweimal  Gelegenheit  gehabt  sich  zu  betätigen. 
Infolge  von  Strassenverlegungen  im  Osten  unserer  Stadt  war  das 
romanische  Herrenhaus  des  Rieder  Hofes  in  Gefahr,  vom  Erdboden 
zu  verschwinden.  Der  Bezirkskonservator  des  Regierungs -Bezirkes 
Wiesbaden  Herr  Prof.  Luthmer  hat  sich  daher  auf  Anregung  des  Herrn 
Padjera  mit  einer  Eingabe  zwecks  Erhaltung  dieses  ehrwürdigen  Bau¬ 
werkes  an  den  Magistrat  gewandt,  und  unser  Vorstand  hat  sich  in  Ge¬ 
meinschaft  mit  den  Vorständen  des  Vereins  für  das  Historische  Museum 
und  des  Architekten-  und  Ingenieur- Vereins  dieser  Eingabe  angeschlossen, 
die  dann  auch  erfreulicher  Weise  von  dem  gewünschten  Erfolge  ge¬ 
krönt  worden  ist. 

Ausserdem  hat  der  Vorstand,  gleichzeitig  mit  einer  gleichlautenden 
Eingabe  des  Stadtverordneten  Herrn  Chr.  Weib,  sich  zusammen  mit  dem 
Vorstand  des  Vereins  für  das  Historische  Museum  an  den  Magistrat 
gewandt  mit  der  Bitte,  der  Magistrat  möge  dafür  Sorge  tragen,  dass 
die  an  den  Neubau  des  Bürgerspitals  versetzte  Christusfigur  nebst  zu¬ 
gehöriger  Weihe-Inschrift  des  alten  Dr.  Senckenbergischen  Spitalgebäudes 
wieder  an  ihre  alte  Stelle  zurückgebracht  werde,  nachdem  die  Erhaltung 
des  Senckenbergischen  Spitalgebäudes  in  dankenswerter  Weise  gesichert 
ist.  Auch  für  diese  Angelegenheit  steht  eine  Erledigung  in  dem  an¬ 
geregten  Sinne  in  sicherer  Aussicht. 

Auf  der  diesjährigen  Versammlung  des  Gesamtvereins,  die  in 
Wien  abgehalten  wurde,  ist  unser  Verein  durch  den  Vorsitzenden  Herrn 
Archivdirektor  Dr.  Jung,  der  zugleich  vom  Magistrat  deputiert  war, 
vertreten  gewesen.  An  dem  gleichzeitig  in  Braunschweig  tagenden 
Denkmalpflegetage  hat  dagegen  leider  keines  unserer  Vereinsmitglieder 
teilnehmen  können. 

Endlich  ist  über  das  Verhältnis  des  Schriftentausches  mit 
anderen  gleichstrebenden  Vereinen  zu  berichten,  dass  dasselbe  in  alter 
Weise  fortbestanden  hat.  Der  Bibliothek  des  jungen  Altertumsvereines 
in  Wetzlar  haben  wir  auf  Wunsch  gern  eine  Reihe  unserer  Vereins¬ 
schriften  überwiesen. 

Mit  neuen  Hoffnungen  darf  der  Verein  nunmehr  die  zweite  Jahr¬ 
hunderthälfte  seines  Bestehens  beginnen.  An  lohnender  Arbeit  wird  es 
ihm  für  seine  Bestrebungen  nicht  fehlen,  denn  die  reiche  geschichtliche 
Vergangenheit  unserer  Stadt  ist  so  vielseitig  und  wird  durch  eine  solche 
Fülle  von  Geschichtsquellen,  schriftlichen  Nachrichten  und  äusseren 
Denkmälern  bezeugt,  dass  für  alle  Arten  geschichtlicher  Forschung  sich 


XXII 


hier  noch  für  lange  Zeit  ein  reiches  Feld  der  Arbeit  eröffnet.  Wir 
dürfen  mit  umso  froherem  Mute  uns  fernerhin  dieser  Forschungen  an¬ 
nehmen,  als  wir  wissen,  dass  uns  dabei  von  nun  an  die  Städtische 
Historische  Kommission  als  treuer  Gefährte  zur  Seite  stehen  wird,  nicht 
minder  aber  auch,  weil  wir  der  sicheren  Überzeugung  sind,  dass  der 
Stolz  auf  unsere  gute  Stadt  Frankfurt  und  die  Liebe  zur  Heimat  und 
ihrer  geschichtlichen  Vergangenheit  unserem  Vereine  auch  ferner  aus 
dem  Kreise  unserer  Mitbürger  immer  neue  Freunde  zuführen  wird. 


IV.  Rechnungs-Abschluss  für  das  Jahr  1906. 


XXIV 


Einnahme. 


M. 

Pf. 

M. 

Pf. 

1906 

An  Kassa-Konto 

1.  Jan.  ! 

Barbestand . . 

58 

55 

An  Mitgliederbeitrag-Konto 

31.  Dez. 

Jahresbeitrag  der  Mitglieder . 

2829 

— 

An  Unkosten-Konto 

31.  Dez. 

Vergütung  für  Porti . 

36 

50 

An  Effekten-Konto 

31.  Dez. 

Zinsen  des  österr.  Loses . 

6 

80 

An  Sparkasse-Konto 

31.  Dez. 

Zahlungen . 

800 

— 

An  Subventions-Konto 

31.  Dez. 

Unterstützung  der  städt.  Behörden  für  1906 

1000 

— 

An  Verlag-Konto 

31.  Dez. 

Verkauf  von  Vereinsschriften  etc.  .  .  . 

75 

85 

An  Frankfurter  Gewerbekasse  Konto- 

Korrent  A.  Konto 

31.  Dez. 

Zahlungen . 

1700 

— 

An  Konto :  Historisches  Kartenwerk  für 

• 

Hessen-Nassau,  Hessen  etc. 

31.  Dez. 

Zahlung . 

200 

— 

An  Konto  :  Kommission  für  Herausgabe 

des  Werkes  über  die  Baudenkmäler 

in  Frankfurt  a.  M. 

31.  Dez. 

| 

Zahl.Ti.cn  ,  .  .  , . t 

1800 

8506 

70 

F  r 

inkf 

urt  a. 

M„ 

XXV 


Ausgabe. 


M. 

Pf. 

M. 

Pf. 

1906 

Per  Bibliothek-Konto 

81.  Dez. 

Ankauf  von  Büchern  und  Zeitschriften  etc. 

73 

20 

Per  Verlag-Konto 

31.  Dez 

30  Berichte:  röm.-germ.  Forschung  .  . 

Honorar  und  Herstellung  der  Schrift  von 

9 

85 

1 

Caroline  Valentin ,  Geschichte  der 
Musik  etc . 

2382 

15 

350  Exemplare  von  Dr.  Bothes  Werk  Uber 

die  direkte  Besteuerung  in  Frankfurt  a.M. 

1223 

90 

3615 

90 

Per  Inventar-Konto 

31.  Dez. 

2  Stempel . 

6 

Per  Ausgrabungs-Konto 

31.  Dez. 

Zahlung  an  die  Ausgrabungs-Kommission 

Per  Konto :  Historisches  Kartenwerk  für 

r 

600 

— 

Hessen-Nassau,  Hessen  etc. 

31.  Dez. 

Rückzahlung  der  eingeschickten  Beiträge 

Per  Frankfurter  Gewerbekasse  Konto- 

1700 

— 

Korrent  A.  Konto 

31.  Dez. 

Zahlungen . 

Per  Unkosten-Konto 

1200 

— 

31.  Dez. 

Inserate  . 

400  Exemplare  des  Korrespondenzblattes 

87 

30 

der  Westdeutschen  Zeitschrift  .  .  . 

160 

_ 

Beitrag  zum  Verband  süd-  und  west- 

deutscher  Vereine . 

10 

, - 

Beitrag  zum  Gesamtverein  und  15  Proto- 

kolle  der  Versammlung  in  Bamberg  . 

16 

50 

Lokalmiete . 

320 

- - 

Elektrische  Beleuchtung . 

23 

82 

Einträgen  des  Vereins  etc . 

Einkassieren  der  Mitgliederbeiträge  und 

14 

70 

Austragen  der  beiden  Vereinsschriften 
Für  Vereinsnachrichten  im  Korrespondenz- 

00 

0 

r-H 

18 

blatt  der  W.  Z . 

49 

03 

Druckarbeiten . 

22 

25 

Schriftliche  Arbeiten . 

105 

57 

Kleine  Ausgaben . 

247 

10 

1164 

45 

Per  Kassa-Konto 

31.  Dez. 

Barbestand . 

147 

15 

8506 

70 

den  i. 

Dezember  1906. 

Emil  Padjera, 

d.  Z  t.  Kassenführer. 


V.  Verzeichnis  der  Mitglieder  des  Vereins. 

Abgeschlossen  am  15.  Juli  1907. 


Der  Wohnsitz  der  Mitglieder  ist,  wenn  nicht  besonders  bemerkt,  die  Stadt 
Frankfurt  a.  M. 

Berichtigungen  zu  diesem  Verzeichnis  sowie  Anzeigen  von  Wohnungsver¬ 
änderungen  bittet  man  an  den  Vorstand  zu  richten. 


Ehrenmitglied : 

Grotefend,  Hermann,  Dr.  phih.  Geh.  Archivrat,  Vorsteher  des  Grossh.  Geheimen 
und  Haupt-Archivs  Schwerin  i.  M.  (Ernannt  5.  Nov.  1887.) 

Korrespondierende  Mitglieder : 

Falk,  Franz,  Dr.  phih,  Professor,  Pfarrer  und  bischöflicher  Archivar,  Klein- 
Winternheim.  (3.  Juli  1873.) 

Jacobi,  Louis,  Kgl.  Geh.  Baurat,  Professor,  Direktor  des  Saalburg- Museums, 
Homburg  v.  d.  H.  (6.  Febr.  1878.) 

Kofler,  Friedrich,  Hofrat,  Darmstadt,  (12.  März  1902.) 

Quidde,  Ludwig,  Dr.  phih,  Professor,  München.  (5.  Nov.  1887.) 

Freiherr  Schenk  zu  Schweinsberg,  Gustav,  Dr.  jur.,  Grossh.  Kammerherr,  Direktor 
des  Grossh.  Haus-  und  Staatsarchivs,  Major  ä  la  suite,  Darmstadt. 
(9.  Aug.  1879.) 

Schneider,  Friedrich,  Dr.  theoh,  Apostolischer  Protonotar,  Domkapitular,  Mainz. 
(6.  Febr.  1878.) 

Mitglieder: 

Abendroth,  Moritz,  Buchhändler. 

Äbt,  Ferdinand  August,  Architekt. 

Abt,  Jean,  Rentner. 

Äbt,  Karl,  Rentner. 

Adelmann,  Georg,  Buchdruckereibesitzer. 

Ädickes,  Franz,  Dr.  med.  h.  c.,  Oberbürgermeister. 

Adler,  Salo,  Dr.  phih,  Direktor  des  Philanthropin. 

Älefeld,  Fritz,  Chemiker. 

Ändreae,  Albert,  Banquier. 

Andreas,  Ferdinand,  Lehrer,  Eschersheim. 

Äskenasy,  Alexander,  Ingenieur. 

Äuffarth,  Franz  Benjamin,  Buchhandlung. 


28 


XXVIII 


Baer,  Moritz  Hermann,  Dr.  jur.,  Justizrat,  Rechtsanwalt. 

Baer,  Simon  Leopold,  Buchhändler. 

Bangel,  Ludwig,  Kaufmann. 

Bardorff,  Karl,  Dr.  med.,  Arzt. 

Bardorff,  Wilhelm,  Rektor. 

Bartmann,  Johannes,  Referendar, 
de  Bary-Jeanrenaud,  Heinrich,  Banquier. 
de  Bary,  Jakob,  Dr.  med.,  Sanitätsrat. 
de  Bary,  Karl,  Rentner. 

Battenberg,  Friedrich,  Plärrer. 

Baumbach,  Rupert,  Buchdruckereibesitzer. 

Beck,  Gottfried,  Stadtrat  a.  D. 

Bek,  Franz,  Schornsteinfegermeister. 

Benkard,  Emil,  Dr.  jur.,  Justizrat,  Rechtsanwalt. 

Benkard,  Frau  Emilie. 

Berghöffer,  Christian,  Dr.  phil.,  Erster  Bibliothekar  der  Frh.  Carl  v.  Rothschildschen 
Bibliothek. 

Freifrau  v.  Bethmann,  Helene. 

Freiherr  v.  Bethmann,  Hugo,  Banquier,  Paris. 

Bieber,  Emil,  städtischer  Baumeister. 

Bieber,  Ernst,  Dr.  phil.,  Oberlehrer. 

Binding,  Konrad,  Rentner. 

Blass,  Georg,  Kaufmann. 

Bleicher,  Heinrich,  Dr.  phil.,  Professor,  Stadtrat. 

Bölte,  Felix,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer. 

Bolongaro,  Karl,  Kaufmann. 

Bonn,  Wilhelm,  Banquier. 

Borgnis,  Franz,  Rentner. 

Bothe,  Friedrich,  Dr.  phil.,  Oberlehrer. 

Braun,  Wunibald,  Fabrikant. 

Braunfels,  Otto,  Geheimer  Kommerzienrat,  Banquier. 

Briese,  Georg,  Kaufmann. 

Bruhn,  Ewald,  Dr.  phil.,  Gymnasial-Direktor. 

Brunner,  Josef,  Bankbeamter. 

Burgheim,  Gustav,  Dr.  jur.,  Justizrat,  Rechtsanwalt. 

Burkhardt,  Franz,  Architekt. 


Cahn,  Adolf,  Kaufmann. 

Cahn,  Julius,  Dr.  phil. 

Caspary,  Friedrich,  kgl.  Baurat  a.  D. 

Clauer,  Georg,  Kaufmann. 

Clemm,  Karl,  Rentner. 

Collischonn,  Paul,  Dr.  phil.,  Oberlehrer. 
Creizenach,  Ignaz,  Rentner. 

Cronberger,  Bernhard,  Lehrer. 

Cuers,  Hugo,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer  a.  D. 
Cullmann,  R.,  Landgerichtsrat  a.  D. 

Cuno,  Karl,  Geh.  Postrat,  Postbaurat  a.  D. 

Cuntze,  Dietrich,  Dr.  phil.,  Fabrikbesitzer. 


XXIX 


Dechent,  Hermann,  Dr.  phil.,  Pfarrer,  Konsistorialrat. 

Demuth,  Christian,  Bankbeamter. 

Detloff,  Adolf,  Buchhändler. 

Dietz,  Alexander,  Dr.  jur.,  Rechtsanwalt. 

Dietz,  Heinrich,  Rentner. 

Donner,  Gustav,  Dr.  jur.,  Rentner. 

Donner-von  Richter,  Otto,  Professor,  Maler. 

Dotzert,  Heinrich,  Kaufmann,  Oberursel. 

Dragendorff,  Hans,  Dr.  phil.,  Professor,  Direktor  der  römisch -germanischen 
Kommission  des  Kaiserlichen  Archäologischen  Instituts. 


Eckhard,  Friedrich,  Kaufmann. 
Ellissen,  August,  Rentner. 

Emden,  Heinrich,  Redakteur. 

Encke,  Fritz,  Pfarrer  a.  D. 

Encke,  Heinrich,  Kaufmann. 

Epstein,  Jakob  Hermann,  Kaufmann. 
Eyssen,  Remy,  Kaufmann. 


Fay,  Karl  Friedrich,  Fabrikant. 

Fehl,  Otto,  Dr.  jur.,  Rechtsanwalt. 

Fester,  Adolf,  Dr.  jur.,  Justizrat,  Rechtsanwalt. 
Fitz,  Eugen,  Pfarrer  a.  D. 

Flauaus,  Robert,  Rentner. 

Fleck,  Otto,  Oberförster. 

Fiersheim,  Albert,  Kaufmann. 

Fiersheim,  Ernst,  Kaufmann. 

Fiersheim,  Martin,  Kaufmann. 

Flörsheim,  Leonhard  Moritz,  Wechselsensal. 
Fösser,  Richard,  Dr.  jur.,  Justizrat,  Rechtsanwalt, 
von  Forckenbeck,  Franz,  Landgerichts-Direktor. 
Franck,  Ernst,  Fabrikdirektor  a.  D. 

Frank,  Otto,  Kaufmann. 

Freimann,  Aron,  Dr.  phil.,  Bibliothekar. 
Friedleben,  Fritz,  Dr.  jur.,  Justizrat,  Rechtsanwalt. 
Froelich,  Franz,  Oberlandesgerichts-Sekretär. 
Froning,  Richard,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer. 
Frühwirth,  Alfred,  Stadtbauinspektor. 


Geist-Jacobi,  George  Pierce,  Dr.  med.  dent. 

Girgensohn,  Josef,  Dr.  phil.,  K.  Russ.  Staatsrat. 
Goldschmid,  Eduard,  Kaufmann. 

Goldschmidt,  J.  &  S.,  Antiquitäten-Handlung. 

Goll,  Emil,  Gastwirt. 

Gotthold,  Christian,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer  a.  D. 


28 


XXX 


Gregorovius,  Gottlieb,  städtischer  Baumeister, 
von  Grunelius,  Andreas  Adolf,  Banquier. 
Günther,  Ferdinand,  Kunsthändler. 


Haeberlin,  Justus,  Dr.  jur.,  Justizrat,  Rechtsanwalt. 

Haeffner,  Adolf,  Fabrikdirektor. 

Hagen,  Bernhard,  Dr.  med.,  Hofrat,  Direktor  des  städtischen  Völkermuseums. 
Hahn,  August,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer. 

Hallgarten,  Robert,  Dr.  jur.,  Rentner,  München. 

Hammeran,  Adam,  Dr.  phil.,  Privatgelehrter, 
von  Harnier,  Adolf,  Dr.  jur.,  Geh.  Justizrat,  Rechtsanwalt, 
von  Harnier,  Eduard,  Dr.  jur.,  Geh.  Justizrat,  Rechtsanwalt, 
von  Hasenkamp,  Xaver,  Dr.  phil.,  Redakteur. 

Hauck,  Frau  Anna. 

Hausmann,  Franz,  Dr.  med.,  Arzt. 

Heimpel-Manskopf,  August,  Kaufmann. 

Helff,  Albert,  Dr.  jur.,  Rechtsanwalt. 

Hemmerich,  Heinrich  Ernst,  Major  a.  D. 

Hering,  Robert,  Dr.  phil.,  Archivar  des  Freien  Deutschen  Hochstifts. 

Hertzog,  Georg,  Rentner. 

Heuer,  Otto,  Dr.  phil.,  Professor,  Direktor  der  Goethesammlung  des  Freien 
Deutschen  Hochstifts. 

Heussenstamm,  Karl,  Dr.  jur.,  Bürgermeister  a.  D. 
von  Heyden,  Lucas,  Dr.  phil.,  Professor,  Major  a.  D. 
von  Heyder,  Georg,  Rentner. 

Heyne,  Julius,  Kaufmann. 

Hoeber,  Fritz,  Dr.  phil. 

Höchberg,  Otto,  Kaufmann. 

Höring,  Felix,  Kaufmann. 

Hofmann,  Julius,  Kaufmann. 

Hofmann-Wissenbach,  Wilhelm,  Rentner. 

Hohenemser,  Paul,  Dr.  phil.,  Bibliothekar. 

Holthof,  Ludwig,  Dr.  phil.,  Redakteur,  Stuttgart. 

Holz,  Richard,  Kaufmann. 

Holz,  Wilhelm,  Kaufmann. 

Freiherr  von  Holzhausen,  Georg,  Kgl.  Kammerherr. 

Horne,  Anton,  Lehrer  a.  D. 

Horovitz,  Markus,  Dr.  phil.,  Rabbiner. 

Hülsen,  Julius,  Dr.  phil.,  Architekt. 

Humser,  Gustav,  Dr.  jur.,  Geheimer  Justizrat,  Rechtsanwalt. 

Iffland,  Karl,  Buchbinder. 


Jaeger-Manskopf,  Fritz,  Kaufmann. 

Jassoy,  August,  Dr.  phil.,  Apothekenbesitzer. 

Jung,  Julius,  Dr.  jur.,  Rechtsanwalt. 

Jung,  Rudolf,  Dr.  phil.,  Direktor  des  Stadtarchivs. 
Jung-Marchand,  August,  Dr.  med.,  Sanitätsrat,  Arzt, 
dungmann,  Eduard,  Kaufmann. 


XXXI 


Kahn  jr.,  Bernhard,  Kaufmann. 

Kahn,  Ernst,  Dr.  med.,  Arzt. 

Kallmorgen,  Wilhelm,  Dri  med.  Arzt. 

Kayser,  Adolf,  Dr.  phil.,  Fabrikant,  Saalfeld  i.  Th. 

Keller,  Remigius  August,  Buchhändler. 

Kern,  Otto,  Kaufmann. 

Kirchner,  Alexander,  Kaufmann. 

Kirschbaum,  Josef,  Dr.  phil.,  Oberlehrer  a.  D. 

Kissner,  Heinrich,  Verwalter  des  Versorgungshauses. 

Klimsch,  Karl  Ferdinand,  Kaufmann. 

Kloos,  Jakob,  Kaufmann. 

Knauer,  Jean,  Buchdruckereibesitzer. 

Knitterscheid,  Intendantur-  und  Baurat. 

Kober,  Friedrich,  Kaufmann. 

Koch,  Heinrich,  Dr.  theol.,  Militär-Oberpfarrer  a.  D. 

Koch,  Rudolf,  Kunstmaler. 

Koehler,  Ernst,  Buchhändler. 

Korber,  Johann  Georg,  Rentner. 

Kothe,  Jakob,  Schreinermeister. 

Kotzenberg,  Gustav,  Kaufmann. 

Kracauer,  Isidor,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer. 

Krebs,  Albert,  Dr.  jur.,  Rechtsanwalt. 

Krug,  Georg,  Lehrer. 

Küchler,  Eduard,  Kaufmann. 

Küntzel,  Georg,  Dr.  phil.,  Professor  an  der  Akademie  für  Sozial-  und  Handels¬ 
wissenschaften. 

Kugler,  Adolf,  Kaufmann. 

Lafrenz,  Hans,  Bibliothekar. 

Lau,  Friedrich,  Dr.  phil.,  Archivar,  Düsseldorf. 

Lauffer,  Otto,  Dr..phil.,  Direktorialassistent  am  städtischen  Historischen  Museum. 
Lautenschlager,  Ernst,  Stadtrat. 

Lemme,  Emil,  Architekt. 

Lennhoff,  Ernst,  Dr.  phil. 

Freiherr  von  Leonhardi,  Moritz,  Rentner,  Darmstadt. 

Freiherr  von  Lersner,  Alexander,  Architekt. 

Freiherr  von  Lersner,  Anton,  Amtsanwalt. 

Leser,  Wilhelm,  Dr.  jur.,  Amtsgerichtsrat. 

Liermann,  Otto,  Dr.  phil.,  Realgymnasial-Direktor. 

Linel,  Albert,  Dr.  jur.,  Rentner. 

Loeffler,  Rudolf,  Kaufmann. 

Lönholdt,  Franz,  Architekt. 

Loewenberg,  Hermann,  Redakteur. 

Lohr,  Ernst  Emil,  Dr.  phil.,  Redakteur. 

Ludwig,  Heinrich,  Lehrer. 

Luthmer,  Ferdinand,  Professor,  Direktor  der  Kunstgewerbeschule. 

Maass,  Ludolf,  Dr.  phil.,  wissenschaftlicher  Assistent  am  Statistischen  Amt. 

Mack,  Robert,  Kaufmann. 

Majer,  Alexander,  Banquier. 


XXXII 


Marcard,  Willy,  Intendanturrat. 

Matti,  Alexander,  Dr.  jur.,  Stadtrat  a.  D. 

May,  Martin,  Gerbermeister. 

Mayer,  Karl,  Kaufmann,  Offenbach. 

von  Meister,  Wilhelm,  Dr.  jur.,  Regierungspräsident,  Wiesbaden. 
Mentzel,  Hermann,  Kanzleirat. 

Merton,  William,  Dr.  phil.  h.  c.,  Kaufmann. 

Merz,  Julius,  Professor,  Oberlehrer. 

von  Mettenheimer,  Heinrich,  Dr.  med.,  Arzt. 

Meyer-Petsch,  Eduard,  Kaufmann. 

Minjon,  Hermann,  Zeitungsverleger. 

Moessinger,  Viktor,  Rentner. 

Moldenhauer,  Franz,  Ingenieur. 

Moldenhauer,  Hermann,  Steuerinspektor. 

Mommsen,  Agnes,  Lehrerin. 

Mouson,  Johann  Daniel,  Stadtrat,  Fabrikant. 


IVehel,  August,  Dr.  med.,  Arzt. 

Neher,  Ludwig,  Kgl.  Baurat,  Architekt. 

Neubauer,  Friedrich,  Dr.  phil.,  Gymnasial-Direktor. 
de  Neufville,  Adolf,  Banquier. 

de  Neufville,  Rudolf,  Dr.  phil.,  Direktor  der  Metallurgischen  Gesellschaft. 
Neumann,  Paul,  Dr.  jur.,  Justizrat,  Rechtsanwalt. 


Ochs,  Gustav,  Kaufmann. 

Oehler,  Emil,  Buchhändler. 

Oehler,  Gustav,  Musikalienhändler. 
Oppenheimer,  Michael,  Kaufmann. 


Padjera,  Emil,  Rentner. 

Pallmann,  Heinrich,  Dr.  phil.,  Direktor  der  kgl.  Graphischen  Sammlung,  München. 
Parrisius,  A.,  Dr.,  Bankdirektor. 

Passavant,  Ernst,  Dr.  jur.,  Stadtrat  a.  D. 

Patrick,  Josef,  Ingenieur. 

Pauly,  Philipp,  Kaufmann. 

Pelissier,  Eduard,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer. 

Pelissier,  Franz,  Kaufmann. 

Porte,  Wilhelm,  Dr.  phil.,  Schriftsteller,  Oberursel. 


Quarck,  Max,  Dr.  jur,,  Redakteur. 


Redner,  Philipp,  Saalbau-Verwalter. 

Reinicke,  Rudolf,  Stadtbauinspektor. 

Resch,  Alfred  Lehrer. 

Reutlinger,  Gustav,  Vorsteher  der  städtischen  Steuerkasse  a.  D. 
Richel,  Arthur,  Dr.  phil.,  Bibliothekar. 

Richter,  Johannes,  Landwirt. 

Riese,  Alexander,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer  a.  D. 


XXXIII 


Rittei,  Karl,  Technischer  Betriebssekretär, 

Ritter,  Hermann,  Direktor,  Architekt. 

Rittweger,  Franz,  Redakteur. 

Roediger,  Ernst,  Dr.  med.,  Sanitätsrat,  Arzt. 

Roediger,  Paul,  Dr.  jur.,  Direktor  der  Metallgesellschaft. 

Rothgeb,  Georg,  Maler. 

Freifrau  v.  Rothschild,  Wilhelm. 

Rücker,  Franz,  Rentner. 

Rügemer,  Gustav,  Stadtbauinspektor  a.  D. 

Rumpf,  Kar],  Bildhauer. 

Ruthe,  Karl,  Direktor  a.  D.  der  Frankfurter  Lebensversicherungs-Gesellschaft. 


Sandhagen,  Wilhelm,  Rentner. 

Sarnow,  Emil,  Dr.  phil.,  Bibliothekar. 

Sarowy,  Walter,  Dr.  phil.,  Oberlehrer. 

Schädel,  Franz,  Architekt. 

Schaefer,  Ernst,  Architekt. 

Schaumann,  Gustav,  Stadtbaurat. 

Scheele,  Richard,  Dr.  jur.,  Rechtsanwalt. 

Schenck,  Franz,  Kgl.  Regierungs-Baumeister,  Architekt. 

Schilf,  Otto,  Dr.  phil.,  Bibliothekar. 

Schlesinger,  Theodor  Heinrich,  Banquier. 

Schleussner,  Karl,  Dr.  phil.,  Fabrikdirektor. 

Schmidberger,  Heinrich,  Direktor  der  Handelsschule  für  Mädchen. 
Schmidt-Diehler,  Wilhelm,  Architekt. 

Schmidt-Knatz,  Fritz,  Dr.  jur.,  Bankdirektor. 

Schmidt-Lauer,  Hermann,  Maler. 

Schmidt-Polex,  Frau  Anna. 

Schmidt- Polex,  Friedrich,  Dr.  jur.,  Rentner. 

Schmidt-Polex,  Karl,  Dr.  jur.,  Justizrat,  Rechtsanwalt. 
Schmidt-Scharff,  Wolfgang,  Dr.  jur.,  Rechtsanwalt. 

Schmöle,  Friedrich,  Kaufmann. 

Schnell,  Heinrich,  Rentner. 

Schönemann,  Julius,  Dr.  phil.,  Oberlehrer. 

Schott,  Simon,  Börsensensal  und  Münzhändler. 

Schrod,  Friedrich,  Dr.  phil.,  Lehramtsassessor,  Offenbach. 
Schuchhard,  Karl,  Buchhändler. 

Schürmann,  Adolf,  Rentner. 

Schulz,  Ernst,  Kaufmann. 

Schwekowsky,  Theodor,  Kaufmann. 

Schwemer,  Richard,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer. 

Seckel,  Gustav,  Kaufmann. 

Seckel,  Heinrich,  Kaufmann. 

Seeger,  Georg,  Architekt. 

Seitz,  Hermann,  Kaufmann. 

Sessler,  Jakob,  Kaufmann. 

Sioli,  Emil,  Dr.  med.,  Direktor  der  Irrenanstalt. 

Sonnemann,  Leopold,  Rentner. 

St.  Goar,  Isaak,  Buchhändler. 

Stern,  Rudolf,  Rentner. 


-  XXXIV  - 


Stern,  Frau  Theodor. 

Stiebei,  Heinrich,  Rentner. 

Stiebei,  Heinrich  Eduard,  Rentner. 

Textor,  Eduard,  Kaufmann. 

Textor,  Julius,  Rentner. 

Thomas,  Christian  Ludwig,  Architekt. 

Traut,  Hermann,  Dr.  phil.,  Bibliothekar. 

von  Trenkwald,  Hermann,  Dr.  phil.,  Direktor  des  Kunstgewerbemuseums. 

Uhl,  Ferdinand,  Rentner. 

Vaconius,  Franz,  Dr.  phil.,  Pfarrer. 

Valentin,  Frau  Karoline. 

Velke,  Wilhelm,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberbibliothekar,  Mainz. 

Völcker,  Georg,  Buchhändler. 

Vogtherr,  Karl,  Kaufmann. 

Waag,  Hans,  Regierungs-Bauführer. 

Wagner,  Gottfried,  Kaufmann. 

Waldeck,  Siegfried,  Kaufmann. 

Weber,  Karl,  Verwalter  der  Irrenanstalt. 

Wehner,  Heinrich,  Ingenieur. 

Weismüller,  Franz,  Fabrikant. 

Weib,  Christoph,  Architekt. 

Welcker,  Rudolf,  Direktorialassistent  am  städtischen  Historischen  Museum. 
Wendling,  Karl,  Dr.  jur.,  Amtsgerichtsrat  a.  D. 

Werner,  Moritz,  Dr.  phil.,  Oberlehrer. 

Wertheimber,  Julius,  Banquier. 

Winterfeld,  Oskar,  Architekt,  Miltenberg. 

Wolf,  Karl,  Pfarrer. 

Wolff,  Georg,  Dr.  phil.,  Professor,  Oberlehrer. 

Worms,  Daniel,  Sekretär  der  israelitischen  Gemeinde. 

Wülker-Schott,  Friedrich,  Kaufmann. 

Wurmbach,  Julius,  Fabrikant. 

Zeiss-Bender,  Louis,  Kaufmann. 

Ziehen,  Julius,  Dr.  phil.,  Stadtrat. 

Zunz,  David  Adolf,  Banquier. 


Städtische  Kommission  für  Kunst-  und  Altertums-Gegenstände. 
Elisabethen-Schule. 

Bürgerverein,  Bibliothek. 

Frankfurter  Anthropologische  Gesellschaft. 

Städelsches  Kunst-Institut. 

Grossh.  Haus-  und  Staatsarchiv,  Darm  Stadt. 

Ständische  Landesbibliothek,  Kassel. 

Nassauische  Landesbibliothek,  Wiesbaden. 

Stadtbibliothek,  Wien. 


VI.  Verzeichnis  der  mit  dem  Vereine  in  Schriften- 
Austausch  stehenden  Vereine  etc. 

Abgeschlossen  am  15.  Juli  1907. 

Diejenigen  Vereine  etc.,  deren  Schriften  von  uns  an  die  Stadtbibliothek  abgeführt 
werden,  sind  mit  *  bezeichnet. 


Deutsches  Reich. 

Aachen:  Aachener  Geschichtsverein. 

—  Verein  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Ältenburg:  *Geschichts-  und  altertumsforschende  Gesellschaft  des  Osterlandes, 
Ansbach:  ‘Historischer  Verein  für  Mittelfranken. 

Aschaffenburg:  Aschaffenburger  Geschichtsverein. 

Augsburg:  ‘Historischer  Verein  für  Schwaben  und  Neuburg. 

Bamberg:  ‘Historischer  Verein. 

Bayreuth:  ‘Historischer  Verein  für  Oberfranken. 

Berlin:  Gesamt-Verein  der  Deutschen  Geschichts-  und  Altertumsvereine. 

—  ‘Verein  für  die  Geschichte  Berlins. 

—  ‘Verein  für  Geschichte  der  Mark  Brandenburg. 

—  Verein  Herold. 

Bielefeld:  ‘Historischer  Verein  für  die  Grafschaft  Ravensberg. 

Birkenfeld:  ‘Verein  für  Altertumskunde  im  Fürstentum  Birkenfeld. 

Bonn:  Verein  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlahde. 

Brandenburg  a.  H.:  ‘Historischer  Verein. 

Bremen:  ‘Historische  Gesellschaft  des  Künstlervereins. 

Breslau:  ‘Verein  für  Geschichte  und  Altertum  Schlesiens. 

—  ‘Schlesische  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur. 

Bückeburg:  ‘Verein  für  Geschichte,  Altertümer  und  Landeskunde  des  Fürstentums 
Schaumburg-Lippe. 

Cassel:  Verein  für  Hessische  Geschichte  und  Landeskunde. 

Chemnitz:  ‘Verein  für  Chemnitzer  Geschichte. 

Cöln:  ‘Historischer  Verein  für  den  Niederrhein. 

—  Stadtarchiv. 

Danzig:  ‘Westpreussischer  Geschichtsverein. 

Darmstadt:  ‘Historischer  Verein  für  das  Grossherzogtum  Hessen. 

Detmold:  ‘Geschichtliche  Abteilung  des  Naturwissenschaftlichen  Vereins. 
Dillingen  a.  D. :  ‘Historischer  Verein  für  Dillingen  und  Umgebung. 


XXXVI 


Donaueschingen :  ‘Verein  für  Geschichte  und  Naturgeschichte  der  Baar. 
Donauwörth:  ‘Historischer  Verein  für  Donauwörth  und  Umgegend. 

Dortmund:  ‘Historischer  Verein  für  Dortmund. 

Dresden:  *Kgl.  Sächsischer  Altertumsverein. 

Düsseldorf:  ‘Düsseldorfer  Geschichtsverein. 

Eisenberg:  "Geschichts-  und  altertumsforschender  Verein. 

Eisleben:  ‘"Verein  für  Geschichte  und  Altertümer  der  Grafschaft  Mansfeld. 
Elberfeld:  *Bergischer  Geschichtsverein. 

Emden:  “"Gesellschaft  für  bildende  Kunst  und  vaterländische  Altertümer. 

Erfurt:  ‘"Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Essen:  "Historischer  Verein  für  Stadt  und  Stift  Essen. 

Frankenthal:  Altertumsverein. 

Frankfurt  a.  M. :  Freies  Deutsches  Hochstift. 

—  Taunusklub. 

—  Physikalischer  Verein. 

—  Verein  für  Geographie  und  Statistik. 

—  Mitteldeutscher  Kunstgewerbe-Verein. 

—  Römisch-Germanische  Kommission  des  Kaiserlichen  Archäologischen  Instituts. 
Frankfurt  a.  0.:  ‘Historischer  Verein  für  Heimatkunde. 

Freiberg  i.  S.:  ‘Freiberger  Altertumsverein. 

Freiburg  i.  Br.:  ‘Breisgau-Verein  Schauinsland. 

—  ‘Gesellschaft  für  Beförderung  der  Geschichts-,  Altertums-  und  Volkskunde 
von  Freiburg,  dem  Breisgau  und  den  angrenzenden  Landschaften. 

Friedberg:  Geschichts-  und  Altertumsverein. 

Friedrichshafen:  ‘Verein  für  die  Geschichte  des  Bodensees  und  seiner  Umgebung. 
Fulda:  Fuldaer  Geschichtsverein. 

Giessen :  Oberhessischer  Geschichtsverein. 

Görlitz:  ‘Oberlausitzische  Gesellschaft  der  Wissenschaften. 

—  ‘Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Urgeschichte  der  Oberlausitz. 
Göttingen:  ‘Kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften,  philologisch-historische  Klasse. 
Gotha:  ‘Vereinigung  für  Gothaische  Geschichte  und  Altertumsforschung. 
Greifswald:  “Rügisch-Pommerscher  Geschichtsverein. 

Greiz:  ‘Verein  für  Greizer  Geschichte. 

Hall  a.  K.:  ‘Historischer  Verein  für  das  Württembergische  Franken. 

Halle  a.  S.:  ‘Thüringisch-Sächsischer  Verein  für  Erforschung  des  vaterländischen 
Altertums  und  Erhaltung  seiner  Denkmale. 

Hamburg:  ‘Verein  für  Hamburgische  Geschichte. 

Hanau:  Hanauer  Bezirks-Verein  für  Hessische  Geschichte  und  Landeskunde. 
Hannover:  ‘"Historischer  Verein  für  Niedersachsen. 

—  ‘Verein  für  Geschichte  der  Stadt  Hannover. 

Heidelberg:  Historisch-philosophischer  Verein. 

Heilbronn:  Historischer  Verein. 

Hildburghausen:  ‘Verein  für  Meining’sche  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Hohenleuben:  ‘Voigtländischer  altertumsforschender  Verein. 

Homburg  v.  d.  H. :  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Insterburg :  "Altertums-Gesellschaft. 

Jena:  ‘Verein  für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Kahla:  ‘Verein  für  Geschichts-  und  Altertumskunde. 

Karlsruhe:  Badische  historische  Kommission. 

Kempten:  ‘Allgäuer  Altertumsverein. 


XXXVII 


Kiel:  "Gesellschaft  für  Kieler  Stadtgeschichte. 

—  "“Gesellschaft  für  Schleswig-Holsteinische  Geschichte. 

Königsberg  i.  Pr.:  "Altertums-Gesellschaft  Prussia. 

Kreuznach:  "“Antiquarisch-Historischer  Verein. 

Landsberg  a.  W. :  "“Verein  für  Geschichte  der  Neumark. 

Landshut:  "“Historischer  Verein  von  Niederbayern. 

Leipzig:  * Verein  für  die  Geschichte  Leipzigs. 

—  "“Deutsche  Gesellschaft  zur  Erforschung  vaterländischer  Sprache  und  Alter¬ 
tümer. 

Leisnig:  "“Geschichts-  und  Altertumsverein. 

Lübeck:  "“Verein  für  Lübeckische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Lüneburg:  *Museumverein  für  das  Fürstentum  Lüneburg. 

Magdeburg:  "“Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  des  Herzogtums  und 
Erzstifts  Magdeburg. 

Mainz:  Verein  zur  Erforschung  der  Rheinischen  Geschichte  und  Altertümer. 
Mannheim:  Mannheimer  Altertumsverein. 

Marien werder:  "“Historischer  Verein  für  den  Regierungsbezirk  Marienwerder. 
Meiningen:  "“Hennebergischer  altertumforschender  Verein. 

Meissen:  "“Verein  für  Geschichte  der  Stadt  Meissen. 

Metz;  Gesellschaft  für  Lothringische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Mühlhausen  i.  Th.:  "“Mühlhäuser  Altertumsverein. 

München:  "“Münchener  Altertumsverein. 

—  "“Historischer  Verein  von  Oberbayern. 

—  "Kgl.  Bayerische  Akademie  der  Wissenschaften. 

Münster  i.  W. :  "“Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  Westfalens. 

Neuburg  a.  D.:  "“Historischer  Verein. 

Nürnberg:  "“Verein  für  Geschichte  der  Stadt  Nürnberg. 

Osnabrück:  "“Verein  für  Geschichte  und  Landeskunde  (Historischer  Verein). 
Paderborn:  "“Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  Westfalens. 

Plauen  i.  V.:  "“Altertumsverein. 

Posen:  "“Historische  Gesellschaft  für  die  Provinz  Posen. 

Ravensburg:  "“Redaktion  des  Diöcesanarchivs  von  Schwaben. 

Regensburg:  "Historischer  Verein  von  Oberpfalz  und  Regensburg. 

Rostock:  "Verein  für  Rostocks  Altertümer. 

Saarbrücken:  "Historischer  Verein  für  die  Saargegend. 

Schmalkalden:  "Verein  für  Hennebergische  Geschichte  und  Landeskunde. 
Schwerin  i.  M. :  "Verein  für  Mecklenburgische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Sigmaringen:  "Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  in  Hohenzollern. 

Speier:  Historischer  Verein  der  Pfalz. 

Stade:  "Verein  für  Geschichte  und  Altertümer  der  Herzogtümer  Bremen  und 
Verden  und  des  Landes  Hadeln. 

Stettin:  "Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Strassburg  i.  E.:  "Gesellschaft  für  Erhaltung  der  geschichtlichen  Denkmäler  des  Eisass. 

—  Historisch-literarischer  Zweigverein  des  Vogesen-Clubs. 

Stuttgart:  Württembergischer  Altertums-Verein. 

—  Württembergische  Kommission  für  Landesgeschichte. 

Thorn:  "Kopernikus-Verein  für  Wissenschaft  und  Kunst. 

Trier:  "Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen. 

—  "Stadtbibliothek. 

Tübingen:  Schwäbischer  Albverein. 


XXXVIII 


Ulm:  *  Verein  für  Kunst  und  Altertum  in  Ulm  und  Oberschwaben. 

Werden:  'Historischer  Verein  für  das  Gebiet  des  ehemaligen  Stiftes  Werden. 
Wernigerode:  'Harzverein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Wetzlar:  Wetzlarer  Geschichts verein. 

Wiesbaden:  Verein  für  Nassauische  Altertumskunde  und  Geschichtsforschung. 
Wolfenbüttel:  'Geschichtsverein  für  das  Herzogtum  Braunschweig. 

Worms:  Altertumsverein. 

Würzburg:  'Historischer  Verein  von  Unterfranken  und  Aschaffenburg. 

Zerbst:  'Verein  für  Anhaitische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Zwickau :  'Altertumsverein  für  Zwickau  und  Umgegend. 

Belgien. 

Antwerpen :  'Stadtarchiv. 

Brüssel:  'Societe  d’archeologie  de  Bruxelles. 

—  'Societü  des  Bollandistes. 

Loewen:  'Revue  d’histoire  ecclesiastique. 

England. 

London :  'The  library  committee  of  the  Corporation  of  London. 

—  'The  Huguenot  Society  of  London. 

Luxemburg. 

Luxemburg:  'Section  historique  de  l’Institut  grand-ducal  de  Luxembourg. 

—  'Verein  für  Luxemburger  Geschichte,  Literatur  und  Kunst. 

Niederlande. 

Leiden:  'Maatschappij  der  Nederlandsche  letterkunde. 

Utrecht:  'Historisch  Genootschap. 

Norwegen. 

Christiania:  'Kgl.  Norwegische  Universität. 

Oesterreich-Ungarn. 

Brünn:  'Deutscher  Verein  für  die  Geschichte  Mährens  und  Schlesiens. 

Graz:  'Historischer  Verein  für  Steiermark. 

Hermannstadt:  'Verein  lür  Siebenbürgische  Landeskunde. 

Innsbruck:  'Ferdinandeum. 

Klagenfurt :  'Geschichtsverein  für  Kärnten. 

Laibach:  'Museal- Verein  für  Krain. 

Linz:  'Museum  Francisco-Carolinum. 

Prag:  'Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen. 

Troppau:  'Kaiser  Franz  Josef-Museum  für  Kunst  und  Gewerbe. 

Wien:  'Altertumsverein. 

—  'Verein  für  Landeskunde  von  Nieder-Oesterreich. 

—  'K.  K.  Heraldische  Gesellschaft  »Adler«. 


XXXIX 


Russland. 

Jurjew  (Dorpat):  *Gelehrte  Esthnische  Gesellschaft. 

Mitau :  “Kurländische  Gesellschaft  für  Literatur  und  Kunst,  Sektion  für  Genealogie, 
Heraldik  und  Sphragistik. 

Riga:  “Gesellschaft  für  Geschichte  und  Altertumskunde  der  Ostseeprovinzen 
Russlands. 

St.  Petersburg:  “Commission  imperiale  archeologique. 

Schweden. 

Stockholm:  “Nordiska  Museet. 

—  TKongl.  vitterhets  historie  och  antiquitets  academien. 

Upsala  :*HumanistiskaVetenskaps-Samfundet.(Historisch-philoiogisch-philosophische 
Gesellschaft.) 

Schweiz. 

Aarau:  “Historische  Gesellschaft  des  Kantons  Aargau. 

Basel:  *Historische  und  antiquarische  Gesellschaft. 

Bern:  “Historischer  Verein  des  Kantons  Bern. 

Frauenfeld:  “Historischer  Verein  des  Kantons  Thurgau. 

Freiburg  i.  Ue. :  “Deutscher  geschichtsforschender  Verein  des  Kantons  Freiburg. 
Genf:  *Soci6te  d’histoire  et  d’archeologie. 

Luzern:  “Historischer  Verein  der  fünf  Orte  Luzern,  Uri,  Schwyz,  Unterwalden 
und  Zug. 

St.  Gallen:  “Historischer  Verein. 

Schaffhausen :  “Historisch-antiquarischer  Verein. 

Winterthur:  “Stadtbibliothek. 

Zürich:  “Allgemeine  geschichtsforschende  Gesellschaft  der  Schweiz. 

—  “Antiquarische  Gesellschaft.  (Kantonale  Gesellschaft  für  Geschichte  und 
Altertumskunde.) 

—  “Schweizerisches  Landesmuseum. 

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