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Full text of "Archiv Für Hygiene 47.1903 California"

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Archiv für Hygiene und 
Bakteriologie 














































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ARCHIV 


FÜR 



HYGIENE. 


(BEGRÜNDET VON MAX ▼. PETTENKOFER.) 


UNTER MITWIRKUNG 

VON 

Prof. Dr. 0. BOLUNGER, München; Prof. Dr. BONHOFF, Marburg a. L.; Prof. Dr. R. EMMERICH, München; 
Prof. Dr. F. ERISMANN, Zürich; Prof. Dr. HEIM, Erlangen; Prof. Dr. A. HILGER, München; Prof. Dr. 
F. HUEPPE, Prag; Prof. Dr. KABRHEL, Prag; Prof. Dr. F. KRATSCHMER, Wien; Prof. Dr. K. LEHMANN, 
Würzbarg; Prof. Dr. LODE, Innsbruck; Prof. Dr. L. PFEIFFER, Rostock; Generalarzt Dr. J. PORT, 
Wflrzburg; Prof. Dr. W. PRAUSNITZ, Graz; Prof. Dr. F. RENK, Dresden; Prof. Dr. SCHOTTEUUS, 
Freiburg i. B.; Generaloberarzt Dr. A. SCHUSTER, München; Prof. Dr. WERNICKE, Posen. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

J. FÖRSTER, M. GRÜBER, FR. HOFMAM, M. RUBNER, 

O. ö. PROFESSORIN DIR HYGIENE UND DWECTORIN DER HYGIENISCHEN 1N8TITUTK AN DEM UNIYIRSITITEN 10 

8TBASSBUBG MÜNCHEN LEIPZIG BERLIN. 


SIEBENUNDVIERZIGSTER BAN D. 


MÜNCHEN UND BERLIN. 

DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG. 

1908 . 


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Inhalt. 


Seite 


Über die Beziehungen zwischen menschlicher Atmung und künstlicher 
Beleuchtung. Von Privatdozent Dr. Heinrich Wo Iper t. (Aus dem 

hygienischen Institut der Universität Berlin). 1 

Wird die Kohlensäureabgabe des Menschen durch Beimengung von 
Ausatmungsluft zur Einatemluft heeinflufst? Von Privatdozent 
Dr. Heinrich Wolpert. (Aus dem hygienischen Institut der Uni 

versit&t Berlin). 26 

Über eine seuchenhafte Erkrankung bei Singvögeln. Von Stabsarzt 
Dr. v. Wasielewski, Priv.-Doz. und Stabsarzt Dr. W. Hoff- 
mann; Assistenten des Instituts. (Aus dem hygienischen Institut 

der Universität Berlin). 44 

Über den Nachweis der Tuberkelbacillen im Sputum. Von Dr. med. 

A. Nebel, Assistent am Institute. (Aus dem hygienischen Institute 
der Universität Leipzig. Dir.: Geh. Med.*Rat Prof. Dr. Fr. Hof- 
m a n n). 57 


Über Eismilch. Von Dr. Bischoff, Oberarzt, im 5. Königl. Sächsischen 
Infanterie-Regiment »Kronprinz« Nr. 104, kommandiert zum Hy¬ 
gienischen Institut der Universität Leipzig. (Aus dem hygienischen 
Institut der Universität Leipzig. Direktor: Herr Geheimrat Prof. 


Dr. Fr. Hof mann) . 68 

Quantitative Staubbestimmungen der Luft der Kohlenbunker S. M. 
Panzerschiff »Wörth« während des Köhlens in den Jahren 1895 
bis 1897. Von Dr. Eduard Dirksen, Marineoberstabsarzt und 
ehemaligem Schiffsarzt. 93 


Über das Vorhandensein einiger schwerer Metalle in irdenen Geschirren 
und metallenen Gefäfsen entstammenden Nahrungsölen. Von 
Dr. E. Bertarelli, Privatdozent. Ins Deutsche übertragen vom 
Dozenten A. Wihlfahrt, Turin. (Hygienisches Institut der 
Kgl. Universität Turin. Unter Leitung des Herrn Professors 
Dr. L. Pagliani).115 


754918 


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IV 


Inhalt. 


Seit« 

Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien, sowie den 
Ablauf fermentativer Prozesse bei niederer Temperatur unter 
spezieller Berücksichtigung des Fleisches als Nahrungsmittel. Von 
Dr. Max Müller, approb. Tierarzt aus Strafsburg i. E. (Aus dem 
Institut für Hygiene und Bakteriologie der Universität Strafsburg) 127 
Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwässer. Von Prof. 

Dr. Gustav Kabrhel. . . ..195 

Über die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. Von 
Dr. Otto Heller, Chef. d. Pasteur-Abteilung i. Inst. z. E. d. In¬ 
fektionskrankheiten Bern: Prof. Tavel, ehern. Assistent am hygien. 

Inst. d. Universität Frei bürg i. Br.: Hofrat Prof. Schottelius . 213 

Zur Biologie der Ruhrbacillen. Von Dr. Dombrowsky, Oberstabsarzt 
aus Rufslanl. (Aus dem hygienischen Institut der Universität 
Berlin. Direktor: Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Rubner) . . . . 243 

Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. Ex¬ 
perimentelle Studien. Von Dr. med. P. Schmidt. (Aus dem Institut 
für Schiffs-und Tropenkrankheiten in Hamburg. Direktor: Hafen¬ 
arzt Physikus Dr. Nocht) .262 

Über desinfizierende Wandanstriche. Von Dr. phil. R. Rapp. (Aus 

dem Laboratorium der städt. Krankenhausapotheke München r. d I.) 291 

Über Malaria im europäischen Rufsland (ohne Finnland). Eine Skizze. 

Von P. Argutinsky. (Mit einer Karte.).317 

Untersuchungen über die gebräuchlichsten, in der Schweiz fabrikmäfsig 
hergestellten Milchpräparate — pasteurisierte, sog. sterilisierte und 
kondensierte Milch — mit besonderer Berücksichtigung der chemi¬ 
schen Zusammensetzung, des Keimgehaltes, der Gerinnungsfähig¬ 
keit und der Verdaulichkeit >in vitro«. Von Franz Sidler, Luzern. 

(Aus dem Hygiene-Institut der Universität Zürich).327 


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Über die Beziehungen zwischen menschlicher Atmung 
und künstlicher Beleuchtung. 

Von 

Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 

(Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin.) 

In der vorliegenden Arbeit suchte ich einen experimentellen 
Beitrag zur Lösung der Frage zu bieten, ob in beengten Woh¬ 
nungen die Produkte der menschlichen Atmung einen Einflufs 
auf die Leuchtkraft der Lampen und vielleicht auch die Produkte 
der künstlichen Beleuchtung wiederum einen Einflufs auf die 
menschliche Atmung auszuüben vermögen. 

Beachtenswerte Versuche über den »Einflufs der Luft¬ 
veränderung auf die Leuchtkraft der Flammen« sind bereits vor 
längerer Zeit von Bunte 1 ) angestellt worden, der mit Argand- 
brennern, Schnittbrennern und der Hefnerlampe arbeitete. Er 
zog aus seinen Versuchen den Schlufs, dafs die Zuführung von 
Kohlensäure schädlicher als die Entziehung von Sauerstoff, am 
schädlichsten aber die gleichzeitige Zuführung von Kohlensäure 
und Entziehung von Sauerstoff auf die Leuchtkraft der Gas¬ 
flammen wirke. 

Die Versuchsanordnung Buntes war im wesentlichen 
folgende: 

Eine Vergleichsflamme brannte in freier, reiner Zimmerluft, 
die Versuchsflamme daneben in einem Glaszylinder von 120 cm 

1) Journal f. Gasbeleuchtung, 1891, S. 310. Gesundheitsingenieur, 
1890, S. 531. 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 1 


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2 . Bechlingen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 

Höbe und 38, cm Durchmesser. Unten und oben war der Glas¬ 
zylinder ' dulch Blechdeckel geschlossen, welche Öffnungen für 
den Eintritt der Luft und den Austritt der Verbrennungs¬ 
produkte besafsen. Um die Versuchsflamme mit Luft von ver¬ 
schiedener Beschaffenheit speisen zu können, war am Boden des 
Zylinders ein seitlich heraustretendes weites Rohr angebracht; 
in dieses wurde Kohlensäure u. s. w. eingeleitet und gelangte 
mit der gleichfalls hier eintretenden Luft in das Innere des 
Zylinders. 

Die dem Zustrom in beträchtlichen Mengen (10—50 Promille *) 
beigemengte Kohlensäure war in Buntes Versuchen chemisch 
rein, beziehungsweise durch eine (dritte kleinere) Gasflamme ent¬ 
wickelt. Atmungsprodukte wurden in diesen Versuchen der 
Luft überhaupt nicht beigemengt. Ebensowenig ist dieses 
in ähnlichen Versuchen von v. Hefner-Alteneck 2 ), Methven 3 ), 
Georg Mayer 4 ) und anderen geschehen. 

Was anderseits den Einflufs künstlischer Beleuchtungs¬ 
produkte auf die menschliche Atmung, insbesondere die Kohlen¬ 
säureausscheidung angeht, so liegen hierüber wohl überhaupt 
noch keine, strengeren Anforderungen standhaltenden Versuche 
vor. Die Versuche, welche an Tieren, unter anderen von Cramer 6 ) 
angestellt sind, lassen sich nicht ohne weiteres auf den Menschen 
übertragen, und arbeiten auch, um allenfallsige akute und schwere 
Schädigungen zu erweisen, durchweg mit einer sehr hochgradigen, 
im täglichen Leben gar nicht vorkommenden Luftverschlechte¬ 
rung (Cramer 20 — 40 °/oo C0 2 und mehr). Wenn z. B. ein 
Meerschwein durch einen mehrstündigen Aufenthalt in unreiner 
Luft, welche etwa 20°/oo C0 2 aus Beleuchtung enthalten mag, 
noch keine akute Schädigung erfährt, vielmehr aufser einer ge¬ 
steigerten Atmung keine besonderen Symptome bietet, so ist hiermit 

1) 10 —50°/oo aus reiner CO* verminderten die Leuchtkraft der Gas¬ 
flamme um 7 — 37 °/ 0 . 

2) Journal f. Gasbeleuchtung, 1887, 8. 489. 

3) Ebenda, 1890, S. 59. 

4) Dieses Archiv, Bd. 37, 1900, S. 239. 

5) Journal f. Gasbeleuchtung, 1891, Nr. 1 — 4. Dieses Archiv, 1890, 
Heft 3, S. 283. 


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Von Privatdoient Dr. Heinrich Wolpert. 


3 


aber durchaus noch nicht ausgeschlossen, dals eine weit geringere 
Luftverschlechterung möglicherweise doch allmählich zu einer 
chronischen Schädigung des Tieres führt; und es ist durchaus 
nicht sicher, dafs beispielsweise 2°/oo C0 2 den zehnten Teil der 
Wirkung von 20 0 /oo auf den Tierkörper äufsern, ja nicht einmal 
dafs die Wirkung beide Male im gleichen Sinne gehen müsse. 
Denn es ist denkbar, dafs bei geringgradiger Luftverschlechterung 
die Atmung nicht gesteigert, sondern im Gegenteil erheblich ab¬ 
geflacht werde, was auf die Dauer zweifellos ungünstig wirken 
würde. Von einem Mehrgehalt einiger Promille reiner Kohlen¬ 
säure, und einem ähnlich geringfügigen Mindergehalt der Luft an 
Sauerstoff freilich, lässt sich keine Beeinflussung erwarten. 

Bei meinen Versuchen leitete mich die Absicht, tunlichst 
die in kleinen Wohnungen sich bietenden hygienischen Bedin¬ 
gungen ohne Übertreibung nachzuahmen. 

Zu diesem Zweck wurde der Pettenkofer sehe Respirations¬ 
apparat des Instituts benutzt. Eine Person, die durch zahlreiche 
frühere Versuche an den Aufenthalt im Apparat gewöhnt war 
(Behr.), blieb während dieser Versuche jedesmal vier Stunden in 
dem 7V 2 cbm grofsen Kasten, dessen Ventilation so ge¬ 
wählt wurde, dafs auf die Stunde ein Luftvorrat von rund 
10 cbm traf 1 ), und der hierbei das eine Mal künstlich be¬ 
leuchtet wurde und das andere Mal nicht. In wieder anderen 
Versuchen befand sich ceteris paribus die brennende Lampe 
allein auf die Dauer von vier Stunden im Apparat. Die Luft 
strömte, wie in allen unseren bisherigen Respirationsversuchen, 
unten in den Kasten ein und oben ab. Mit Bedacht wurde keine 
mittlere oder grolse Petroleumlampe, sondern ein recht kleiner 
Rundbrenner gewählt, der nach Vorbeobachtungen höchstens 
etwa 25 g Petroleum stündlich konsumierte und eine maximale 
Leuchtkraft von weniger als 10 Kerzen aufwies. Da das Bassin 
etwa 225 g Petroleum fafste, so konnte eine Füllung auf mehr 

1) Berechnungsbeispiel. Im 4 ständigen Versuch Nr. 7 wurden 32,2 cbm 
Luft durch den Kasten gesaugt. Der gesamte Luftvorrat betrug also, unter 
Berücksichtigung des Kastenvolums, (32,2 -f- 7,5): 4 = 9,9 oder rund 10 cbm 
stündlich. 

1 • 


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4 Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 


als 8 Stunden ausreichen; übrigens wurde die Lampe vor jedem 
einzelnen Versuch frisch gefüllt, wozu stets der gleiche Vorrat 
diente, und der Docht selbstverständlich vor jedem Versuch ge¬ 
putzt. Die überstehende Dochthöhe wurde ebenfalls, jedoch 
erst vom zweiten Versuch ab, tunlichst gleichmäfsig eingestellt, 
wobei darauf Bedacht genommen wurde, um ein Qualmen der 
Flamme nach Heifswerden des Zylinders zu verhüten, den Docht 
keinesfalls zu hoch zu schrauben. Im Verlauf des ersten Versuchs 
hatte sich nämlich zeitweise ein Qualmen, welches zu einer auf¬ 
fallend niedrigen Kohlensäureentwicklung Anlafs gab, bemerkbar 
gemacht und konnte nicht behoben werden, da die Lampe sich 
allein im Apparat befand und ein nachträgliches Betreten des 
Kastens nicht angängig war. 

Die Lampe wurde vor und nach den Versuchen gewogen: 
Die Gewichtsdifferenz bedeutete den Petroleumkonsum. Aufserdem 
war im Verlauf der Versuche möglich, den fortschreitenden 
Verbrauch an Petroleum mit angenäherter Genauigkeit zu ver¬ 
folgen, da die Lampe im Kasten auf einer guten Federwage, 
deren Skala von 5 zu 5 g geteilt war, ihren Platz fand. Durch 
ein Kastenfenster wurde die Flamme auch von aufsen her photo- 
metriert. Die erste Lichtmessung erfolgte etwa 10 Minuten nach 
Beginn des Versuchs, welche Zeit hinreichte, um den Kasten 
luftdicht zu verschliefsen, den Versuch in Gang zu setzen und 
das Photometer zu richten. Es wurde ein Webersches Photo¬ 
meter neuester Konstruktion, mit Lummer-Brodhunschem 
Prisma, welches gewisse Vorteile vor dem gewöhnlichen Prisma 
voraus hat, dafür jedoch eine zuweilen, besonders bei Tageslicht¬ 
messungen schwererwiegende Unbequemlichkeit (Schwierigkeit des 
Visierens!) mit in Kauf nimmt, benutzt. Die ferneren Licht¬ 
messungen wurden im Verlauf des Versuchs meistens etwa alle 
halbe bis volle Stunde vorgenommen und häufig wurde auch 
noch eine letzte Lichtmessung einige Minuten nach dem Ab¬ 
schluss des eigentlichen Versuchs angereiht. Es stand zu ver¬ 
muten, dafs, insofern die Leuchtkraft durch die Luftverschlechte¬ 
rung überhaupt eine wesentliche Einbufse erfuhr, alsbald nach 
Öffnen der Kastentür die Leuchtkraft der Flamme wieder auf 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 


5 


den anfänglichen Wert, ja darüber hinaus steigen würde. Denn 
bei der ersten Lichtmessung stand einerseits die Flamme bereits 
unter dem vermutlich ungünstig wirkenden Einflufs der beginnenden 
Luftverschlechterung, und andererseits hatte der Lampenzylinder 
noch nicht die schliefsliche hohe Temperatur, welche für die 
Höhe der Flammenbildung von wesentlichem Einflufs ist, erreicht. 
Am Schlufs des Versuchs waren aber jedenfalls der Zylinder und 
die ganze Lampe in günstiger Weise maximal warm. 

Die Resultate dieser Versuchsreihe sind in der unten 
folgenden Generaltabelle, Gruppe I (Abteilung I—V) 
enthalten und sollen sogleich, nach einem kurzen Überblick 
über die Anordnung der anderen Versuchsgruppen erörtert 
werden. 

Eine nächste Reihe von Versuchen (Gruppe II, Ab¬ 
teilung I—III) wurde ebenfalls am Pettenkofer sehen 
Apparate, jedoch mit Tiefstand der Lampe auf dem Boden des 
Kastens ausgeführt, da Zweifel auftauchten, ob die Luftmischung 
bei Hochstand der Lampe auf dem Tisch genügend für die Ge¬ 
winnung richtiger analytischer Resultate (C 0 2 und H 2 0) sei. 
Auf das Photometrieren der Flamme mufste bei dem Tiefstand 
der Lampe verzichtet werden, nach dem Ausfall der Versuche 
der ersten Gruppe war dasselbe auch entbehrlich geworden. 

Die folgenden Gruppen betreffen sämtlich Versuche am 
Zuntzschen Respirationsapparat. Hierbei wurde durchweg die 
Wirkung reiner mit unreiner Luft auf den Menschen verglichen. 
Die Versuchsperson bezog ihre Einatemluft stets, im einen wie 
im anderen Falle durch einen sehr weiten Gummischlauch aus 
dem Pettenkofer sehen Kasten, welcher im einen Fall un¬ 
veränderte reine Luft und im anderen verunreinigte Luft enthielt; 
in den letzteren Versuchen erfolgte die Verschlechterung der 
Kastenluft wie in den früheren durch Einstellen von einer oder 
mehreren Petroleumlampen u. s. w. in den Kasten, welcher wie 
zuvor in der Regel zu etwa 10 cbm pro Stunde gelüftet wurde, 
damit ein Beharrungszustand erreicht werde. 

Gruppe III bilden Vorversuche, aus denen ich entnehmen 
wollte, ob es wahrscheinlich ist, dafs geringe Beimengungen von 


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6 Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 


Petroleum-Verbrennungsprodukten zur Einatemluft die Atmungs- 
grölse entschieden beeinflussen. Der Ausfall der Vorversuche 
ermutigte zu weiterer Fortsetzung der Versuche auch nach einer 
anderen Richtung hin. 

In Gruppe IV—VI sind Versuche wiedergegeben, welche 
den Einflufs der Beleuchtungsprodukte auf Atmungsgröfse und 
Kohlensäurebildung näher erkennen lassen, und zwar behandeln 
Gruppe IV die Petroleura-Verbrennungsprodukte, Gruppe V die 
Verbrennungsprodukte des Leuchtgases (Abteilung I Schnitt¬ 
brenner und II Gasglühlicht) und Gruppe VI endlich die Ver¬ 
brennungsprodukte von Kerzen. 

I. 

In den Versuchen der Gruppe I zeigte sich, dafs bei einem 
Luftvorrat von 10 cbm pro Stunde sich mancherlei Mifsstände 
ergeben; dafs es sicherlich keine übertriebene Forderung wäre, 
einen Mindestluftraura von 10 cbm pro Person in Räumen, 
welche einem dauernden Aufenthalt von Personen dienen sollen, 
zu verlangen, indem man die weitgehende Annahme macht, für 
gewöhnlich möge durch die natürliche Lüftung stündlich ein 
etwa einmaliger Luftwechsel erreicht werden, eine Annahme, 
die selbst im Winter häufig genug nicht voll zutrifft, wenn 
auch auf Grund meiner früheren Versuche zuzugeben ist, dafs 
kleine Wohnräume weit besser als grofse lüften.*) 

Aus der Generaltabelle ist zunächst folgendes ersichtlich: 

Abteilung I der Tabelle. 

1. Die Versuchsperson Behr. allein lieferte stündlich: 

26.5 g Kohlensäure und 21,5 g Wasser. 

2. Die Lampe allein lieferte: 

72.6 g Kohlensäure und 25,9 g Wasser, 
bei einem Konsum von 23,0 g Petroleum. 

3. Behr. + Lampe lieferten nicht etwa die Summen, nämlich: 

26.5 + 72,6 = 99,1 g Kohlensäure und 

21.5 + 25,9 = 47,4 g Wasser, vielmehr nur: 

82,0 g Kohlensäure und 31,7 g Wasser, 

bei einem Konsum der Lampe von nur 18,2 g Petroleum. 

1) Dieses Archiv, Bd. 36, 8. 220. 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 


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4. Zwei Lampen ergaben im Versuch stündlich nur: 

118,3 = 2 X 59,2, nicht 2 X 72,6 g Kohlensäure 

und 35,9 = 2 X 18,0, nicht 2 X 25,9 g Wasser, 
bei einem Konsum von 19,5 g Petroleum pro Lampe. 

Abteilung II der Tabelle. Im ersten Fall (Behr. 
allein) stieg dementsprechend der Kohlensäuregehalt der den 
Kasten durchströmenden Luft auf 1,99 oder um + 1,39 °/oo und 
ihr Wassergehalt auf 9,12 oder um + 2,77 mg im Liter; im 
zweiten Fall (Lampe allein), der Kohlensäuregehalt auf 4,37 oder 
um + 3,68 ^ und der Wassergehalt auf 10,0 oder um + 3,10 mg 
im Liter; im dritten Fall (Behr. + Lampe) der Kohlensäure¬ 
gehalt auf 4,84 oder um + 4,13 °/oo und der Wassergehalt auf 
9,62 oder um +3,19 mg im Liter; im vierten Fall endlich 
(zwei Lampen) der Kohlensäuregehalt auf 6,78 oderum + 5,84 °/oo 
und der Wassergehalt auf 12,22 oder um + 3,55 mg im Liter. 

Abteilung III der Tabelle gibt den Temperatur- und 
Feuchtigkeitsgrad der Kastenluft am Anfang und Schlufs der 
Versuche. Übrigens wurden Temperatur und Feuchtigkeit öfter, 
in der Regel stündlich notiert. Zieht man die Temperatur¬ 
änderung, welche bereits die zuströmende Luft während der vier 
Versuchsstunden erfuhr, in Berücksichtigung, so ergibt sich, dafs 
etwa die nachstehenden Erhöhungen von Temperatur und Feuchtig¬ 
keit auf Rechnung des Versuchsobjekts treffen: 

1. + 1,0° und + 15% rel. Feucht, für Behr. allein 

2. + 2,0° » + 10°/ 0 i » > Lampe allein 

3. + 2,5° » + 20°/ 0 » » » Behr. + Lampe 

4. + 4,0° » + 15°/ 0 > » > zwei Lampen. 

Abteilung IV der Tabelle behandelt die Leuchtkraft 
der Petroleumlampe unter den geschilderten Versuchsbedin¬ 
gungen. Zahlenwerte hierfür sind von Stunde zu Stunde ange¬ 
geben, daneben auch Mittelwerte berechnet. Hauptsächlich kommen 
der Mittelwert und Mindestwert in Betracht, sowie diejenige 
Kerzenzahl, auf welche etwa nach Abschlufs des Versuchs die 
Leuchtkraft der Flamme sogleich wieder anstieg, selbstverständlich 
ohne dafs an der Lampe selber und besonders am Docht irgend 


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8 Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich Beleuchtung. 


etwas geändert wurde. Letztere Zahl kommt dem maximalen 
Kerzenwert der Lampe in reiner Luft während des Beharrungs¬ 
zustandes für die jeweilige anfängliche Dochthöhe sicherlich 
näher als das etwa 10 Minuten nach Beginn des Versuchs er¬ 
haltene erste und, während der Dauer des Versuchs selbst, höchste 
Messungsergebnis, bedeutet jedoch kein absolutes Maximum, da 
am Schlufs des vierstündigen Versuchs der überstehende Docht 
nicht mehr von tadelloser Beschaffenheit sein konnte. 

Je nachdem die Lampe allein oder mit einer Person oder mit 
einer zweiten Lampe zusammen sich im Kasten befand, betrug 
ihre Leuchtkraft: 

Im Mittel — Mindestwert — nach Schlufs des Versuchs: 

1. 4,6 — 3,9 — 6,6 Kerzen für Lampe allein 

2. 2,7 — 2.1 — 4,8 > > Lampe neben Versuchsperson 

3. 2,3 — 2,0 — 5,1 » » Lampe neben zweiter Lampe. 

Wurde die zweite Lampe im Zustrom statt im Kasten unter¬ 
gebracht (Versuch Nr. 10), wobei der Kohlensäuregehalt der zu¬ 
strömenden Luft etwa 6°/oo betrug, so war das Ergebnis: 

4. 2,8 — 2,2 — 4,3 Kerzen. 

Wurde die Zustromluft jedoch mittels reiner Kohlensäure 
auf ebenfalls 6°)^ angereichert, so blieb die Wirkung aus, oder 
vielmehr angenähert die gleiche, wie wenn reine Luft zugeführt 
wurde (wie unter 1 oben): 

5. 5,3 — 3,7 — 7,0 Kerzen. 

Die Leuchtkraft der Petroleumlampe wurde also, bei einem 
stündlichen Luftvorrat von 10 cbm, durch das Brennen der Lampe 
allein von 6,6 auf 3,9 Kerzen herabgesetzt und, trat die Atemtätig¬ 
keit eines Menschen hinzu, von 4,8 auf 2,1 oder im Verhältnis 
6,6 : 2,9 Kerzen; im ersteren Fall wies der Abstrom des Kastens 
4,4 und im zweiten 4,8°/oo Kohlensäure auf. Kam statt des 
Menschen eine zweite Lampe hinzu, so stieg der Kohlensäure¬ 
gehalt der Abstromluft auf 6,5°/oo und die Leuchtkraft der Lampe I 
sank von 4,3 auf 2,2 oder im Verhältnis 6,6 : 3,4 Kerzen. 
Wurde der Zustrom mittels reiner Kohlensäure auf 6°j w 


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Von Privatdozeat Dr. Heinrich Wolpert. 


9 


gebracht, so dafs etwa 10 ^ im Abstrom waren, und befand sich 
Lampe I allein im Kasten, so sank die Leuchtkraft von 7,0 auf 
3,7 oder im Verhältnis 6,6 : 3,5 Kerzen. 

Daraus geht hervor, dafs die Petroleumlampe nach 
Mafsgabe der durch Verbrennung und Atmung eingetretenen 
Luftverschlechterung, deren Gröfse in der Höhe der Kohlen¬ 
säureansammlung ihren Ausdruck fand, bis um 50 und mehr 
Prozent schlechter brannte; ferner, dafs nicht die Kohlensäure¬ 


ansammlung als solche in erster 
Linie das Schlechterbrennen 
verursachte, dafs hieran viel¬ 
mehr hauptsächlich die gleich¬ 
zeitig auftretende Sauerstoff- 
verminderung der Kastenluft 
oder vielleicht die Ansamm¬ 
lung von Oxydationsproduk¬ 
ten neben C0 2 schuld hatte. 
Temperatur und Feuchtigkeit 
der Kastenluft hielten sich 
nach Ausweis der Tabelle in 



solchen Grenzen, dafs sie für 


Fi*. 1. 


eine Änderung der Leuchtkraft 
der Flamme nicht verantwort¬ 
lich gemacht werden können. 


Versuch Nr. 6; Behr. ] Lampe. 

- m Kerzen Leuchtkraft 

=: Promille Kohlensäure. 


Aus Fig. 1 sind die Änderungen der Leuchtkraft der 
Lampe im Verlauf des Versuchs Nr. 6, während dessen sich die 
Versuchsperson neben der Lampe im Kasten befand, zu ersehen. 
Die Kohlensäuregehalte der Kastenluft sind hierbei als Mittel 
aus Zu- und Abstrom berechnet. 


Abteilung V der Tabelle. Die Lampe verbrauchte 
stündlich, je nachdem sie allein, mit Behr. zusammen, oder nebst 
der zw r eiten Lampe im Apparat war, im Mittel: 

1. 23,0 g Petroleum, wenn allein im Kasten, 

2. 18,2 g » » neben Versuchsperson, 

3. 18,0 g » » neben zweiter Lampe. 


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10 Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 


Auf eine Kerze gerechnet, stellte sich daher der stündliche 
Verbrauch an Petroleum: 

1. 5,1 g Petroleum, wenn Lampe allein im Kasten, 

2. 6,7 g > i Lampe neben Versuchsperson, 

4. 7,8 g » > Lampe neben zweiter Lampe; 

diese Werte sind sämtlich auffallend hoch. 

Ferner lieferte 1 g Petroleum Kerzen pro Stunde: 

1. 0,200 Kerzen, wenn Lampe allein im Kasten, 

2. 0,150 > » Lampe neben Versuchsperson, 

3. 0,130 » i Lampe neben zweiter Lampe. 

Des weiteren wurden durch 1 g Petroleum Gramme Kohlen¬ 
säure und Wasser geliefert: 

1. 3,20 C0 2 und 1,13H 2 0, wenn Lampe allein im Kasten, 

2. 2,96 i * 0,90 » i Lampe neben zweiter Lampe; 

die Kohlensäurewerte gehen gut überein milden Gramer sehen.*) 

Auf eine Kerze trafen somit stündlich Gramme Kohlen¬ 
säure und Wasser: 

1. 16,5 C0 2 und 5,8 H 2 O, wenn Lampe allein im Kasten, 

2. 23,1 > > 7,0 > » Lampe neben zweiter Lampe. 

II. 

In den Versuchen der Gruppe II wurden die Lampen auf 
den Fufsboden gestellt, um zu ersehen, ob vielleicht dann infolge 
einer besseren Luftmischung ein anderes analytisches Resultat 
hinsichtlich der C0 2 - und H 2 O - Entwicklung sich ergeben 
würde. Letzteres war jedoch, wie die Generaltabelle erkennen 
läfst, kaum der Fall. 

Zwar lieferte die tiefstehende Lampe, da die Luft unten im 
Kasten reiner ist als oben, mehr Kohlensäure und auch mehr 
Wasser als die hochstehende, nämlich pro Stunde und Lampe 
an Kohlensäure im Mittel: 

Gruppe II gegen Gruppe I, 

1. 76,5 gegen 72,6 g C0 2 , wenn Lampe allein im Kasten 

2. 72,1 > 59,2 gi i Lampe neben zweiter Lampe, 

3. 61,5 > — g » i Lampe neben zwei Lampen, 

und ähnlich an Wasser im Mittel: 

1) Dieses Archiv, 1890, a. a. O. 


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11 


Gruppe II gegen Gruppe I: 

1. 30,8 gegen 25,9 g H 2 O, wenn Lampe allein im Kasten, 

2. 28,0 » 18,0» » » Lampe neben zweiter Lampe, 

3. 25,4 » — » » » Lampe neben zwei Lampen. 

Aber berücksichtigt man den höheren Petroleumkonsum der 
tiefstehenden Lampe, nämlich: 

Gruppe II gegen Gruppe I: 

1. 24,5 gegen 23,0 g Petroleum, wenn Lampe allein im Kasten 

2. 23,8 » 19,5 » » » Lampe neben zweiter Lampe 

3. 20,0 » — » » » Lampe neben zwei Lampen, 

so unterscheiden sich die von 1 g Petroleum gelieferten Kohlen¬ 

säure- und Wassermengen doch nicht sehr erheblich, denn es 
betrug dann stündlich die Kohlensäurebildung der tiefstehenden 
gegen die hochstehende Lampe: 

Gruppe II gegen Gruppe I: 

1. 3,12 gegen 3,20 g C0 2 , wenn Lampe allein im Kasten, 

2. 3,03 » 2,96 t> » » Lampe neben zweiter Lampe, 

3. 3,08 » — » » » Lampe neben zwei Lampen 

und die Wasserbildung der tiefstehenden Lampe: 

Gruppe II gegen Gruppe I: 

1. 1,26 gegen 1,13 g H 2 0, wenn Lampe allein im Kasten, 

2. 1,18 » 0,90» » » Lampe neben zweiter Lampe, 

3. 1,26 » — » » » Lampe neben zwei Lampen. 

Darüber, ob die Atmung der Versuchsperson durch die 

Petroleum-Verbrennungsprodukte beeinflufst wurde, gestatten die 
vorstehenden Versuchsreihen keinen einwandfreien Schlufs. Es 
liefse sich allerdings unter gewissen Annahmen herausrechnen, 
dafs die Kohlensäurebildung der Person bei höchstgradiger Luft¬ 
verunreinigung (3 Lampen, über 11 °/oo Kohlensäure im Abstrom) 
allem Anschein nach gesteigert sein mochte, dagegen bei ge¬ 
ringerer Luftverschlechterung (1—2 Lampen, 4 , 8 - 7 , 70/00 Kohlen¬ 
säure im Abstrom) eher herabgesetzt als gesteigert, aber wie ge¬ 
sagt, diese Rechnung wäre unsicher. Die Frage ist aber an der 
Hand der folgenden Versuchsreihen, die sämtlich am Zuntz- 
schen Respirationsapparat vorgenommen wurden, mit Sicherheit 


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12 Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 


zu entscheiden. Der Zuntzsche Apparat war hierbei, in der 
oben (S. 5) angegebenen Weise, mit dem Pettenkofersehen 
Respirationsraum in Verbindung gesetzt. 

III. 

Durch die Versuche von Gruppe III suchte ich festzu¬ 
stellen, ob die Atmungsgröfse verändert wird, wenn man 
eine durch Beleuchtungsprodukte von Petroleumlampen verun¬ 
reinigte Luft einatmet. Ich ging dabei von dem Gedanken aus, 
dafs sich die weitere Fortsetzung der Versuche mittels des Zuntz- 
schen Apparats voraussichtlich nur dann lohnen würde, wenn 
dies der Fall sei. 

Die Versuche, zum Beispiel der erste Nr. 21, I—VI, währten 
je eine halbe Stunde. Im Versuch Nr. 21 wurde zunächst (I und II) 
zweimal je eine halbe Stunde reine Luft eingeatmet, sodann 
(III und IV) zweimal je eine halbe Stunde Luft, die durch 
Brennen von Petroleumlampen verunreinigt war, und schliefslich 
wieder (V und VI) zweimal je eine halbe Stunde reine Luft. 
Vergleichshalber sind sämtliche Atmungsgröfsen auf Stunden¬ 
werte gerechnet. 

Der Ausfall dieser Versuche ist durchweg eindeutig: 

Durch das Einatmen der von Petroleum-Verbrennungs¬ 
produkten verunreinigten Luft, welche 7,5—10,0°/^ Kohlensäure 
enthielt, trat eine wesentliche Verminderung der Atmungsgröfse 
ein. Die Atmungsgröfse verminderte sich dagegen nicht, ergab 
sich eher gröfser als kleiner, wenn die Kohlensäure-Anreicherung 
der Inspirationsluft mittels chemisch reiner Kohlensäure ohne 
Beimengungen erfolgte. 

Im Mittel der Versuche wurden als stündliche Athmungs- 
gröfsen bei Einatmen der reinen, beziehungsweise durch Lampen¬ 
licht verunreinigten Luft erhalten: 

1. 689 1 bei reiner Luft, 

2. 546 1 bei durch Lampen verunreinigter Luft, 
während durch Zumischung von reiner C0 2 im Versuch Nr. 24, 
I—III die Atmungsgröfse von 570 auf etwa 580 stieg, also keine 
beachtenswerte Änderung erfuhr. 


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Von Privatdozent l)r. Heinrich Wolpert. 


13 


Die in der Tabelle angegebenen Temperatur- und Feuchtig¬ 
keitsgrade sind für die Kastenluft gemessen, deren allenfalls 
in den Versuchen mit unreiner Luft gegebene höhere Temperatur 
jedoch auf dem Wege durch die mehrere Meter lange Röhren¬ 
leitung zu den Ventilen und von den Ventilen zum Munde der Ver¬ 
suchsperson größtenteils wieder abgeglichen worden sein dürfte. 

IV. 

In den Versuchen der Gruppe IV gesellte sich zu der 
Messung der Atmungsgröfse die Bestimmung der von der Ver¬ 
suchsperson gebildeten Kohlensäure. 

Im Gesamtmittel gingen die Atmungsgrölsen in reiner und 
durch Petroleumlicht verunreinigter Luft weniger weit auseinander 
als in den vorhergegangenen Versuchen. Der Unterschied war 
hier nur 628 : 576. Immerhin war somit auch hier ein beträcht¬ 
licher Unterschied gegeben. Die Kohlensäurebildung sank im 
Gesamtmittel gleichfalls ganz beträchtlich, nämlich von 12,05 auf 
11,13 Stundenliter. 

Übrigens zeigte sich hierbei, dafs verschiedene Luftver¬ 
schlechterungsgrade die Atmung nicht gleichmäfsig beeinflussen, 
so dafs in den. obigen Gesamtmitteln die bestehenden Unterschiede 
teilweise wieder abgeglichen werden. 

Eine mäßige Luftverunreinigung ist im stände, die Atmung 
stärker herabzusetzen, als dies eine weitergehende Luft Verschlech¬ 
terung vermag: 

Bei 7,5 — 11 , 50/00 Kohlensäure in der Inspirationsluft durch 
Anreicherung aus Petroleum - Verbrennungsprodukten sanken 
Atmungsgröfse und Kohlensäurebildung: 

1. Atmungsgröfse von 621 auf 608 1 pro Stunde, 

2. C0 2 -Bildung von 11,79 » 11,22 1 > » ; 

beide Größen fielen jedoch weit stärker ab, wenn sich nur 3,5 
bis 5,5°/oo Kohlensäure in der Einatemluft befanden: 

1. Atmungsgröfse von 637 auf 538 1 pro Stunde 

2. C0 2 -Bildung » 12,38 * 11,03 » » » 

Wurde die gleiche Kohlensäureanreicherung der Inspirations¬ 
luft durch reine : C0 2 bewirkt (Versuch Nr. 30, IV und 37, I u. II), 


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14 Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 


so hielt sich die Atmungsgröfse unverändert und die Kohlen¬ 
säurebildung zeigte sich zweifellos nicht herabgesetzt, eher um 
ein Geringes gesteigert. 


V. 

Gruppe V bringt Versuche über die Luft Verschlechterung 
durch die Verbrennungsprodukte des Leuchtgases, sowohl bei 
Anwendung von Schnittbrennem (Abteilung I) wie von Gasglüh¬ 
licht (Abteilung II). 

Die Atmungsgröfse der Versuchsperson war hier in reiner 
und unreiner Luft kaum verschieden, die Kohlensäurebildung 
jedoch in unreiner Luft durchweg erheblich herabgesetzt. 

Die stündliche Atmungsgröfse in unreiner Luft gegen reine 
betrug im Mittel, bei Luftverunreinigung durch den Schnitt¬ 
brenner, vielleicht sogar mehr, nämlich: 

1. 678 gegen 618 bei etwa 9—10 0 / w C0 2 der Einatemluft 

2. 588 » 578 » » 3—5 » » » » 

3. 620 » 589 » » 3—10 » » » > 

und für Gasglühlicht vielleicht im Gegenteil etwas weniger, 
nämlich: 

455 gegen 481 bei etwa 3—4°/ 00 C0 2 der Einatemluft, 
so dafs ein Unterschied hinsichtlich der Atmungsgröfse sich über¬ 
haupt nicht geltend macht, wenn man aus beiden Leuchtgas- 
Versuchsreihen das Mittel zieht, nämlich: 

533 gegen 535, in unreiner Luft gegen reine Luft. 

Aber die Kohlensäurebildung war, wie gesagt, beträchtlich 
vermindert. Sie betrug im Mittel entsprechend für die Schnitt¬ 
brennerversuche : 

1. 9,82 gegen 13,87 bei etwa 8—10 0 / w C0 2 der Einatemluft 

2. 11,62 » 12,82 * > 3—5 > > » 

3. 11,10 * 13,05 » * 3—10 » » » » 

und ähnlich für die Versuche mit Gasglühlicht im Mittel: 

11,99 gegen 12,95 bei etwa 3—C0 2 der Einatemluft, 
im Gesamtmittel beider Leuchtgasreihen aber: 

11,55 gegen 13,00, in unreiner Luft gegen reine Luft. 


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Von Privatdoient Dr. Heinrich Wolpert. 


15 


Bei etwa 4°/ 00 Kohlensäure in der Einatemluft war die 
Kohlensäureabgabe der Versuchsperson somit, einerlei ob das 
Leuchtgas auf Schnittbrenner oder Bunsenbrenner (Glühstrumpf) 
brannte, für je l°/oo sich anhäufender Kohlensäure um etwa 
3% der normalen Abgabe herabgesetzt. 1 ) 

VI. 

Auch in den Versuchen der Gruppe VI endlich, welche mit 
Verbrennungsprodukten aus Stearinkerzen vorgenommen wurden, 
zeigte sich wieder die Kohlensäurebildung beträchtlich herabge¬ 
setzt. Auch für die Atmungsgröfse ergab sich eine deutliche 
Verminderung. Die Kohlensäurebildung sank im Mittel von 
13,2 auf 12,1 durch die Einatmung der verunreinigten Luft mit 
4,0—4,5 0 /oo Kohlensäure, und die Atmungsgröfse sank von 460 
auf 415 1 stündlich. 

Diese Unterschiede treten ganz deutlich beim Übergang von 
reiner zu unreiner Luft und dann wieder bei Rückkehr in reine 
Luft auf, wie zum Beispiel Versuch Nr. 46, I—IV dartut, jedoch 
scheint bei dem Übergang in reine Luft die vorausgegangene 
Einatmung der unreinen Luft noch nachzuwirken. 

Die Atmungsgröfse betrug in Versuch Nr. 46 zunächst: 

I. 533 in reiner Luft von 0,5^ Kohlensäure, alsdann: 

II. 416 » unreiner » » 4,5 » » hierauf: 

III. 401 >> » » > 4,0 » > schliefslich: 

IV. 424 » reiner > » 0,5 * » 

und gleichzeitig die Kohlensäurebildung zunächst: 

I. 13,60 in reiner Luft von 0,5 °/oo Kohlensäure, alsdann: 


II. 12,06 » 

unreiner » 

> 4,5 » 

» 

hierauf: 

III. 12,02 » 

» » 

» 4,0 » 

* 

schliefslich 

IV. 12,93 » 

reiner » 

» 0,5 > 


. 


In einer Anzahl der aufgeführten Versuche wurden neben den 
Kohlensäurebestimmungen auch Sauerstoffmessungen der in- und 


1) Wenn man die entsprechenden Versuche mit Petroleum (Gruppe IV) 
und Kerzen (Gruppe VI) auf Prozente rechnet, so ergibt sich angenfthert 
das gleiche Resultat wie beim T^euchtgas (Herabsetzung der Abgabe um etwa 
3Vo für je l’/oo CO,). 


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16 Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 


exspirierten Luft vorgenommen, die dazu dienen sollten, die Er¬ 
mittelung des respiratorischen Quotienten zu ermöglichen. Die 
Versuche wurden nicht durchweg nach dieser Richtung durchge¬ 
führt, da sich ergab, dafs der Sauerstoffverbrauch der Versuchs¬ 
person angenähert mit ihrer Kohlensäurebildung Schritt hielt. 

In Versuch Nr. 34 zum Beispiel (Petroleum) betrug die 
Kohlensäurebildung der Versuchsperson in unreiner gegen reine 


Luft: 10,29 gegen 11,62 

und der respiratorische Quotient: 

0,78 gegen 0,80 

und ähnlich in Nr. 35 (ebenfalls Petroleum) die Kohlensäure¬ 
bildung: 11,95 + 12,05 

-£- gegen 14,11 


und der respiratorische Quotient: 

0,77 + 0,84 


gegen 0,84. 


In Versuch Nr. 39 (Schnittbrenner) stellte sich die Kohlen¬ 
säurebildung der Versuchsperson in unreiner gegen reine Luft: 
9,32 + 11,63 


2 


gegen 13,75 


und der respiratorische Quotient: 

0,84 + 0,80 

-2—— gegen °’ 87, 

ferner in Versuch Nr. 43 (Gasglühlicht) die Kohlensäure¬ 
bildung: 12,48 _|_ 12 o 9 13,00 +12,38 

-2- geg6U -2- 

und der respiratorische Quotient: 

0,86 + 0,84 0,80 + 0,76 

-£- gegen —-u. s. w. 


Die vorliegenden Versuche haben somit im wesentlichen zu 
folgendem Resultat geführt: 

1. In kleinen Wohnräumen kommt es infolge der Luftver¬ 
schlechterung durch Lampe und Menschen unschwer dahin, dafs 
eine (Petroleum-)Lampe allmählich bis um fünfzig und mehr 
Prozent von ihrer Lichtmenge einbüfst. 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 


17 


2. Die Ansammlung von Beleuchtungsprodukten in Wohn- 
räumen hat in der Regel zur Folge, dafs auch die Atmung 
und insbesondere die Kohlensäureabgabe des Menschen herab¬ 
gesetzt wird. 

Generaltabelle. 


Gruppe I. Versuche am Pettenkofersehen Respirationsapparat in 
Verbindung mit Lichtmessungen. (Lampe steht auf Tisch.) 

Abteilung I. 


Nr. 

Datum 

1902 

Art 

des Versuchs. 
Im Kasten befin¬ 
den sich 4 Std.: 

Luft pro Stunde 

4 

14. Mai 

Behr. allein 

cbm 

9,2 


7 

17. > 

> > 

*- - 

9,6 

1 

9. Mai 

1 Lampe allein 



2 

12 . » 

> > > 



3 

13. > 

> > > 

4 

97 

4 — 

9,9 

8 

22 . > 

> > i 

^ = 10,0 

4 


9 1 ) 

23. Mai 

1 Lampe allein 

«= v 


10 *) 

26. » 

> > > 

rr ^= 10 - 1 


11 

27. Mai 

2 Lampen 

40 / = io,i 
4 


5 

15. Mai 

B. u. 1 Lampe 

4 «4 _ io,i i 

4 

►9,9 

6 

16. > 

» > > > 

38 /= 9,7 




-4 * J 



C0 2 /Std. | H 2 0/Std. 
gebildet gebildet 


1 Lampe 
verbrauchte an 
Petroleum 
stündlich: 


25,61 


22,4) 

1 

j 

26,5 


27,4) 


20,5 J 

57,4 | 


27,4 

71,7 


25,0 


72,6 


73,9 


24,3 

87,4, 


27,0 

59,2 X 2 

18,0 ; 

= 118,3 

= 3. 

86,11 


33,8) 

i 

| 82,0 

l 

( 

77,8) 


29,5) 


► 21,5 


25,9 


100 

4 

95 

4 

88 

4 

89 

4 

96 
4 
78 
4 


= 25,0 
= 23,8 
= 20,8 
= 22,3 

= 24,0 
= 19,5 


23,0 


78 


-=19,5 


'I 

131,7 


74 

4 

71 

4 


- = 18 , 5 ) 
= 17, bj 


18,2 


1) Wahrend des Versuchs Nr. 9 wurde komprimierte C0 2 in den Zustrom 
eingeleitet. 

2) Während des Versuchs Nr. 10 befand sich eine zweite Lampe im 
Zustrom. 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 2 


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1$ Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 


Abteilung IL 


Nr. 


Art des 
Versuchs. Im 
Kasten befinden 
j sich 4 Std.: 


C0 2 ccm im Liter (°/ 00 ) 


H,0 mg im Liter 


Zustrom 

Abstrom 

Differenz 

Zustrom 

Abstrom 

Differenz 

°/ 

0,57 

0,62 

oo 

0,60 

°/ 

1,97 

2,01 

90 

1,99 

•/ 

+ 1.40| 
+ 1,39) 

+1,39 

TÜR 

5;S| «•* 

mg 

9 -°°l912 
9,23) ,l 

mg 

+ 2,451 „ 

+ 2,08| i ’ 

0,64 

0,60 

0,87 

0.66 

>0,69 

3.70 
4,04 

4.70 
5,03 

4,37 

4-3,06 

4-3,44 

4-3,83 

4-4,371 

4-3,68 

6,27 

6,80 

7,08 

7,50 

6,9 

9.19 

9.20 
9,60 

12,20 

10,0 

+ 2,92 
+ 2,40 
+ 2,52 
+ 2,70 

+ 3,10 

6,03 

6,05 

_ 




- 

_ 

_ 




0,94 

6,78 

+ 5,84 

8,67 

12,22 

+ 3,55 

0,75 

0,66 

0,71 

5,01 

4,66 

4,84 

+ 4,26 
+ 4,00 

+4,13 

6,55 

6,30 

6,43 

9,90 

9,33 

9,62 

+ 3,35 
+ 3,03 

+ 3,19 


4 

7 

1 

2 

3 

8 

9 

10 

11 

5 

6 


1 Lampe allein 
» > > 

2 Lampen 

B. u. 1 Lampe 


Abteilung UL 


Nr. 

Art 

des Versuchs. 
Im Kasten befin- 

Thermometer j 

Hygrometer 
im Kasten 

| 

1 im Zustrom 

im Abstrom 

im Kasten 

den sich 4 Std.: 

Anf. 

Ende 

Anf. 

Ende 

Anf. 

Ende 

Anf. 

Ende 



Cels. 

Cels. 

Cels. 

Cels. 

Cels. 

Cels. 

% 

°/o 

4 

Behr. allein 

13,9 

14,9 

13,6 

15,4 

13,1 

15,4 

54 

71 

7 

> > 

13,2 

13,6 

13,0 

14,2 

12,4 

14,2 

59 

74 

1 

1 Lampe allein 

13,2 

15,6 

13,2 

18,8 

13,0 

— 

— 

— 

2 

» , » , 

17,8 

18,0 

28,0 

22,0 

17,5 

— 

— 

49 

3 

1 

> » > i 

14,4 

15,4 

15,6 

17,6 

14,4 

16,9 

54 

64 

8 

, > 

14,0 

14,1 

14,0 

16,1 

13,8 

15,1 

64 

73 

9 

1 Lampe allein 

13,8 

14,9 

13,3 

17,2 

13,0 

16,2 

! 63 

73 

10 

> > > 

1 14,8 

16,0 

14,6 

17,9 

14,3 

16,8 

62 

! 76 

11 

2 Lampen 

15,0 

16,0 

15,0 

20,0 

14,8 

21,0 I 

1 64 

79 

5 

B. u. 1 J^ampe 

! 13,6 

14,8 

13,2 

17,4 

12,8 

17,4 

1 54 

1 77 

6 

» » » » | 

13,8 

14,1 

13,8 

16,2 

13,8 

’ i 

16,2 

56 

76 




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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 


19 


Abteilung IV. 


I Art 

I I des Versuchs. 
*|| Im Kasten befin- 

Leuchtkraft der Petroleumlampe 

nach 

nach 

nach 

nach 

nach 

Versuchs- 

nach 

! den sich 4 Std.: 

10 Min. 

1 St. 

2 St. 

3 St. 

4 St. 

mittel 

4 St. 10' 

| 

Kerzen 

Kerzen 

Kerzen 

Kerzen 

Kerzen 

Kerzen 

Kerzen 

1 , 1 Lampe allein 

9,0 

7,6 

6,0 

5,0 

4,3 

6,0 1 


— 

2 > > > 

6,5 

5,1 

4,1 

4,2 

4,8 

4,6 I 

4,6 

— 

3 ( > > > 

4,4 

3,9 

3,9 

3,4 

3,3 

3,7 1 

4,8 

8 > » > 

5,2 

4,7 

3,8 

3,9 

4,0 

4,2 J 


5,7 

9 1 Lampe allein 

6,8 

5,1 

4,7 

3,7 

3,7 

5,3 

7,0 

10 | > > > 

4,3 

3,2 

2,5 

| 

2,2 

2,2 

2,8 

4,3 

u i 

11 | 2 Lampen 

4,0 

2,2 

2,1 

2,1 

2,0 

2,3 

5,1 

5 B. u. 1 Lampe 

4,7 

3,2 

2,1 

2,6 

2,6 

2.8l 2 7 

2,7 | Z ’ 7 

5,6 

6 > > > > 

4,0 

2,9 

2,4 

2,3 

2,1 

4,0 


Bemerkung. In Versuch Nr. 9 wurde, wie bereits erwähnt, kom¬ 
primierte Kohlensäure aus einem Stahlzylinder in den Zustrom eingeleitet, 
und in Versuch Nr. 10 eine zweite Lampe in den Zustrom gestellt. In Ver¬ 
such Nr. 11 wurde nur die eine Lampe (I), welche wie in den anderen Ver¬ 
suchen dieser Gruppe auf einem Tisch im Kasten stand, photometriert; die 
zweite Lampe (II) wurde auf den Fuisboden des Kastens gestellt; I ver- 
72 84 

brauchte -j- = 18, II dagegen -j- = 22 g Petroleum stündlich. 

Zwischen Versuch Nr. 7 und 8 wurde ein Versuch eingeschaltet, wobei 
die Lampe 4 Stunden im offenen Kasten brennen gelassen wurde. 
Es ergab sich ein Petroleum verbrauch von 90:4 = 22,5 g stündlich, und 
die Leuchtkraft betrug die ganze Zeit hindurch konstant 
5,1 Kerzen; eine Kerze Helligkeit beanspruchte also einen Petroleum¬ 
verbrauch von 22,5 : 5,1 = 4,4 g stündlich. Im folgenden Versuch Nr. 8 
wurde der überstehende Docht möglichst ebenso hoch eingestellt (nicht 
maximal). 


2 * 


Digitized by t^.ooQle 






2Ö Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 

Abteilung V. 



StÜndl. verbrauchte 

Nr. 

1 Lampe 

1 Kerze 


an Petr. 

an Petr. 


& 1 

8 


1 

25,0] 


4 - 2 1 


2 

3 

23.8 1 

20.8 1 

>23,0 

5,2 1 
5 , 6 ! 

h 

8 

22,3 J 


5,3 J 


9 

24,0 

4,5 

10 

19,5 

7,0 

11 

18,0 

7,8 

5 

6 

18,51 
17,8J 

118,2 

6 ’ 6 *6 7 

6,8 r 


Stündlich lieferte 


1 g Petroleum 


an Helligkeit 


an CO, 


an H s O 


1 Kerze 


an CO a 


an HjO 


Kerzen 

0,23« 
0,192 
0,179 
0,189 


0,200 


0,222 

0,143 


0,128 


0,152 

0,147 


10,150 


2,30 

3,01 

3,55 

3,92 


3,20 


2,96 


1,10 

1,05 

1,17 

1 , 21 , 


1,13 


9,7 

15.7 

19.8 
20,7, 


16,5 


4.6 

5.6 
6,5 
6,4 


5,8 


0,90 


23,1 


7,0 


Gruppe H. Versuche am Pettenkofersehen Respirationsapparat ohne 
Lichtmessungen. (Lampe steht auf Fufsboden.) Abteilung I. 


Nr. 

Datum 

1902 

Art des Versuchs. 
Im Kasten befinden 
sich 4 Stunden: 

Luft 

pro Stunde 

C 0,/Stunde 
gebildet 

H,0/8td. 

gebildet 

1 Lampe ver¬ 
brauchte an Pe¬ 
troleum stündl. 




cbm 

8 

8 

8 

12 

28. Mai 

1 Lampe 

43,2:4 = 10,8 

76,5 

30,8 

1=24,6 

13 

29. > 

2 Lampen 

40,4 : 4 = 10,1 

72,1 X 2 

28,0 X 2 

? = 23,8 





= 144,2 

= 56,1 

16 

3. Juni 

3 > 

39,1:4= 9,8 

61,5 X 3 
= 184,6 

26,4X3 
= 76,2 

1“ = 20,0 

14 

30. Mai 

1 Lampe u. Behr. 

40,1 : 4 = 10,0 

86,61 

42,61 

? = 19,81 





> 89,0 

Ul,6 

81 P’ 1 

1=20,3) 

19 

6. Juni 

> > > > (nackt) 

41,0:4=10,3 

»1.4 I 

60,5) 

15 

2. > 

2 Lamp. u. Behr. 

42,7:4 = 10,7 

166,7 1 

93,91 

^ = 21,01 



i 


i 156,8 

>93,3 

82 } 21 - 3 
1 = 21,5) 

18 

5. > 

> > > > (nackt) 

43,1 : 4 = 10,8 

166,9 J 

92,7) 

17 

4. > 

3 Lamp. u. Behr. (nackt) 

i i 

38,8:4= 9,7 

208,6 

106,7 

-'S 

II 

** 

00 

o 


76.5 

24.5 
72,1 
23,8 

61.5 

20,0 


1 g Petroleum lieferte also Kohlensäure und Wasser: 

Q QQ 

= 3,12 g CO, und—-^ = 1,26 g H a O in Nr. 12 (1 Lampe); 


= 3,03 » » 
= 3,08 > > 


28,0 

23,8 

25,3 


20,0 


= 1,18 > > > * 13 (2 Lampen); 

= 1,26 >> >>16 (3 > ). 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 


21 


Abteilung II. 


Art d. Ver* | 
suchB. Im 
Nr Kasten be¬ 
finden sich 

4 Stunden: | 

CO, 

ccm im Liter (•/ 00 ) 

H 

2 0 mg im Liter 

Zustrom 

Abstrom 

Differenz 

Zustrom 

Abstrom 

DiflFerenz 


°/oo 

°/oo 

°loo 

mg 

mg 

mg 

12 1 Lampe 

0,62 

4,16 

+ 3,54 

8,85 

11,70 

+ 2,85 

13 2 Lampen 

0,54 

7,68 

+ 7,14 

9,35 

14,90 

+ 5,55 

161 3 Lampen 

0,43 

9,87 

+ 9,44 

12,00 

| 

19,80 

+ 7,80 

14 1 Lampe u. 







Behr. 

0,451 

0,40 

4,77 | 

+ 4,321 

10,401 

14,65 | 

+ 4,251 

+ 5,08 

19 1 Lampe u. 

\ 4,79 

+4.H9 1 

[ 9,10| 

[ 14,18 

Behr. (nackt) 

0,31 > 

4,801 

f 4,4'il 

7,80 * 

13,701 

+ 5,901 

15 2 Lampen u. 







Behr. 

0,421 

7,76 | 

+ 7,341 

12,05 | 

20,85 | 

+ 8,801 

18 2 Lampen u. 

0,43 

>7,74 

[+7,31 

[ 11,88 

[20,58 

!■+ 8,70 

Behr. (nackt) 

0,44 1 

7,721 

4- 7,281 

ll,70l 

20,301 

+ 8,60l 

17 3 Lampen u. 







Behr. (nackt) 

0,54 

11,29 

+ 10,75 

10,00 

21,00 

+ 11,00 


Abteilung III. 


Art des Versuclis. 

Nr. Im Kasten befinden sich 
4 Stunden: 

im Zustrom 

Thermometer 

im Abstrom 

im Kasten 

Hygrometer 
im Kasten 

Anf. 

Ende 

Anf. 

Ende 

Anf. 

Ende 

Anf. 

Ende 


Cels. 

Cels. 

Cels. 

Cels. 

Cels. 

Cels. 

% 

°/o 

12 1 Lampe 

15,9 

17,9 

15,9 

21,8 

15,6 

21,8 

66 

69 

13 2 Lampen 

18,0 

20,8 

18,0 

27,0 

17,6 

28,5 

64 

611 

16 3 > 

24,5 

26,5 

24,5 

34,0 

24,2 

35,5 

54 

531 

14 1 Lampe u. Behr. 

19,3 

20,8 

19,0 

25,0 

19,3 

25,8 

63 

67 

19 lj > * * » (nackt) 

23,2 

24,3 

23,1 

28,0 

23,1 

28,1 

37 

54 

15 2 Lamp, u Behr. 

24,1 

26,0 

24,1 

31,9 

24,1 

32,7 

57 

| 66 

18 > » > > (nackt) 

25,5 

27,0 

25,5 

32,0 

25,5 

32,8 

; 5! 

65 

17 3 Lamp. u. Behr. (nackt) 

I 

24,5 

26,4 

24,5 

34,0 

24,3 

35,6 

46 

,1 

1 64 


Bemerkung. Von Versuch Nr. 17 ab wurde der Versuchsperson auf 
Wunsch gestattet, die Kleider abzulegen. 


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22 Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 


Gruppe III. Versuche am Zuntzsehen Respirationsapparat über die Be¬ 
einflussung der Atmungsgröfse durch Verunreinigung der Einatemluft mit 
Petroleum-Verbrennungsprodukten. 

Vorversuche. 


Nr. 

Datum 

a) Reine Einatemluft 

b) Unreine Einatemluft 

1902 

Atemgröfse 

C0 2 

Temp. 

Feuch- 

tigk. 

Atemgröfse 

C0 2 

Temp. 

Feuch- 

tigk. 



1/St. 

°/oo 

Cels. 

% 

i 

1/St. 

7oo 

Cels. 

°/o 

211 

12. Juni 


0,5 

18,0 

45 

— 

— 

— 

— 

21 n 

> 

0,5 

18,0 

45 

— 

— 

— 

— 

21III 

» 

— 

— 

— 

— 

III 546 1 

iv sei) 554 

7,5 

24,5 

50 

21 IV 

> 

— 

— 

— 

— 

7,5 

25,5 

48 

21V 


* 2 }« 

0,5 

21,0 

41 

i- — 

— 

— 

— 

21 VI 


0,5 

20,5 

43 

| 

— 

— 

— 



Mittel 726 




1 




221 

22 II 

13. Juni 

— 

— 

— 

— 

l 543 1 
1153l) 53< 

7,5 

7,5 

26,0 

26,0 

, 54 

54 

22II1| 

> 

1X1 672 1 671 
IV 669 J 671 

0,5 

21,0 

48 j 

1 - 

— 


— 

22IV 

i , 

0,5 

21,0 

48 

— 

— 

— 

— 

22 V 

l 

! — 

— 

— 

— 

I V 549 

7,5 

25,0 

56 

22 VI 

> 

, VI 666 

0,5 

23,0 

45 

1 

j 

— 

— 

— 



Mittel 669 



$ 





251 j 

17. Juni 

_ 

_ 

_ 

_ J 

I 543 

10,0 

19,0 

53 

2511 il 

> , 

, n 597 

0,5 

18,5 

50 | 

— 

— 

— 

— 



Gesamtmittel 




Gesamtmittel 





1 

689 



; 

546 





24 1 

16. Juni || 1 570 J 

0,5 

18,0 55 — — ! m. 

— 

24II* 

» — 1 570 

— 

— — , II 582* 10,0* 18,0 

55 

24 in 

» ,| II 570 1 

0,5 

.8,5 6» j| - - | - 

— 


Bemerkung. In Versuch Nr. 2411* erfolgte die CO s -Anreicherung 
der Einatemluft mittels reiner komprimierter CO t , im übrigen mittels 
Petroleumlampen. 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 


23 


Gruppe IV. Versuche am Zuntzschen Respirationsapparat Über die Be¬ 
einflussung der Atmungsgröfse und der Kohlensäurebildung durch Verun¬ 
reinigung der Einatemluft mit Petroleum-Verbrennungsprodukten. 


Nr. 

Datum 

a) Reine Einatemluft 

b) Unreine Einatemluft 

1902 

Atemgröfse 

CO,-Bildung 

CO, 

Atemgröfse 

COj-Bildung 

co s 



1/St. 

1/St. 

°foo 

1/81. 

1/St. 

°/oo 

291 

26. Juni 

I 627 len 

II 595 f 611 

111,601 
n ii, 60 ) 11,60 

0,5 

— 

— 

— 

29 n 

* 

0,5 

— 

— 

— 

29 m 1 

* 

_ 

— 

— 

HI 727 

m 10,54 

11,5 

301 

27. Juni 

I 683 

I 10,92 

0,6 

— 

— 

— 

30II 

> 

— 

— 

— 

n 636 l600 

m 664 j ^ 

H — 

9,5 

30 HI 

» 

— 

— 

— 

IH 10,43 

? 

30IV* 

* 

— 

— 

— 

IV (681*) 

IV (10,90*) 

(10,5*) 

321 

1. Juli ] 

— 

— 

— 

iS}“ 

110,971 10 83 
II 10,681 10,83 

7,5 

32II 

> 

— 

— 

— 

7,5 

261 

19. Juni 

I 573 

I 12,32 

0,5 

— 

— 

— 

26 n : 

> 

— 

— 

— 

II 533 

n 10,66 

7,5 

271 

20. Juni 

I 626 

I 12,52 

0,5 

— 

— 

— 

27 H | 

> 1 

— 

— 


II 562 

II 14,04 

7,5 



Mittel 621 

Mittel 11,79 

1 

Mittel 608 

Mittel 11,22 


331 

2. Juli 1 

I 681 

111,58 

0,5 

— 

— 

— 

3311 | 

. 1 

— 

— 

— 

II 586 

H 9,40 

4,5 

341 

3. Juli i 

I 

— 

— 

I 515 

110,29 

4,5 

34 n ! 

1 * 

H 628 

n n ,62 

0,5 

— 

— 

— 

351 

^ 4. Juli ^ 

— 

— 

— 

I 556 | 

I 11,95) 

6,5 

3511 

> 

H 672 

II 14,11 

0,5 

— 552 

— 12,00 

— 

35 HI 

| * 

— 

— 

— 

IH 548 ) 

IH 12,05) 

4,0 

361 

1 7. Juli 1 

1 — 

— 

— 

1 514 \ 

I 12,331 

3,6 

36 H 1 

! . 

H 566 

II 12,19 

0,5 

— 512 

-[ 10,26 

— 

36 IU 

, > 

1 — 

— 

— 

HI 509 J 

IH 10,18 J 

3,5 


I 

Mittel 637 

Mittel 12,38 


Mittel 538 

Mittel 11,03 



i 

! Gesamtmittel 

Gesamtmittel 


Gesamtmittel 

i Gesamtmittel 




628 

12,05 


576 

I 11,13 


371* j 

8. Juli 

— 

— 

— 

1 723 *}745 
II 766* ( 7 

1 1.3,01* 1 lg 02 
(II 13,02*1 13,02 

8,5* 

37 n* 

> 

— 

— 

— 

5,5* 

37 HI 

> 

III 744 

HI 12,29 

| 0,5 


1 

— 


Bemerkung. In den Versuchen Nr. 30 IV* und 371* und II* erfolgte 
die C0,-Anreicherung der Einatemluft mittels reiner komprimierter CO„ im 
übrigen mittels Petroleumlampen. 


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24 Beziehungen zwischen menschlicher Atmung u. künstlich. Beleuchtung. 

Gruppe V. Versuche am Z u n t z sehen Respirationsapparat über die Be¬ 
einflussung der Atmungsgröfse und der Kohlensäurebildung durch Verun¬ 
reinigung der Einateraluft mit Leuchtgas-Verbrennungsprodukten. 


Abteilung I, Schnittbrenner. 


Nr. 

Datum 

1902 

a) Reine Einatemluft 

b) Unreine Einatemluft 

Atemgröfse 

CO,-Bildung 

CO, 

Atemgröfse 

COj-Bildung 

CO, 



1/St. 


. l/st. 

°/oo 

1/St. 

l/st. 

°/o0 

381 

9. Juli 

I 650] 


I 13,98 


0,5 

— 

— 

— 

38D 

» 

_ 


_ 


_ 

U 665) 

II 10,31) 

10,5 




> 618 


18,87 



r 9,82 


391 

10. Juli 

— 


U 13,7ö] 


— 

I 690 J 

1 9,321 

8,5 

39II 

> 

II 585 

! 



0,5 

— 

— 

— 

39 UI 

> 

— 


— 


— 

III 612 

III 11,63 

5,0 

411 

14. Juli 

I 5751 




0,5 

— 

— 

— 

41U 

> 


► tlfYJ 

112,35j 

.IO AQ 

| 

11 591 Uoo 

U 11 Ö2. 

5,0 

41III 

> 

-i 

bU« 


' 1 j,uy 


in 588 / 590 

III 10,58r 1,05 

4,5 

41IV 

> 

IV 639J 


IV 11 , 82 ! 


0,5 

— 

— 

— 

401 

11. Juli 

I 513 


I 13,34 


0,5 

— 

— 

— 

40 n 

» 

— 


— 


— 

11 549 1 * 7 * 

II 12,3. r >) 

4,5 

40 in 

> 

— 


— 


■! 

III 600 1 75 

III 12.00/ 12 ' 18 

3,5 



1 Gesamtmittel 1 

Gesamtmittel 


Gesamtmittel 

Gesamtmittel 




589 


13,05 


620 

11,10 



Abteilung II, Gasgliihlicht. 


v . Datum 1 

a) Reine Einatemluft 

b) Unreine Einateraluft 

Nr ‘ j 1902 

Atemgröfse 

CO s -Bildung CO, 

Atemgröfse 

CO,-Bildu ng 

CO, 


421 
42II 
42111 
42IV 

431 
43 II 
43 III 

43 IV 

441 

44 II 
44 III 
41 IV 


15. Juli 


16. Juli 


17. Juli 


l/st. 

I 539 


IV 543 
I 490 

IV 427 
I 483 

IV 405 


541 


459 


444 


i/st. 
I 11,85 


IV 11,13 
I 13,00 

IV 12,38 
1 14,73 


I ° /w I 

0,5 ! 


l/st. 




1/St. 


11 10 ’ 30 ll<>85 
111 11,45 U ’ 80 


12,69 


0,5 I 
0,5 

0,5 

0,5 


II 423 
III 465 


23 l 444 1I12,48 ll2 29 

65 | III 12,091 ’ 


— ! m nn - ! II 422 . 4n . 
' 4 — III 387 4 )5 


IV 14,58 


11 13,07 li9 eq 
III 12,58 12,83 


0,5 


Gesamtmittel Gesamtmittel 

481 12,95 


Gesamtmittel Gesamtmittel 

455 11,99 


°/oo 

3,5 

3,5 


4,0 

3,5 


4,0 

4,0 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 


25 


Gruppe VI. Versuche am Zuntzschen Respirationsapparat über die Be¬ 
einflussung der Atmungsgröfse und der Kohlensäurebildung durch Verun¬ 
reinigung der Einatemluft mit Stearinkerzen-Verbrennungsprodukten. 


Nr. 

Datum 

| a) Reine Einatemluft 

b) Unreine Einatemluft 

1902 

Atemgrüfse 

CO, Bildung 

CO, 

Atemgröfse 

CO,-Bildung 

CO, 

461 

4611 

19. Juli 

> 

1/St. 

I 533 j 

1479 

1/St. 

I 13,60 j 

113,27 

°/oo 

0,5 

1/St. 

^ \ 408 

III 401 } 

1/St. 

H 12,061 

HI 12,02J 

°/oo 

4,6 

46 III 
46IV 

> 

> 

IV 424 

iv 12,93! 

0,6 

4,0 

471 

4711 

21. Juli 

> 

1 I 425 

440 

I 13,59 j 

|l3,16 

0,5 

11 426 1 424 
III 421 f 

H 12,14K 

Hl 12,20} * 

4,5 

47 HI 
47 IV 

> 

> | 

IV 455 

IV 12,73 

0,5 

4,5 

1 


Gesamtmittel 

1 459 

Gesamtmittel 

13,21 

1 

Gesamtmittel 

416 

Gesamtmittel 

12,11 



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Wird die Kohlensäureabgabe des Menschen durch Beimen- 
gnng von Ansatmnngslnft znr Einatemluft beeinflnfst? 

Von 

Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 

(Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin.) 

Zur Beantwortung der Frage, ob die Kohlensäureabgabe des 
Menschen durch Beimengung von Ausatmungsluft zur Einatemluft 
beeinflufst werde, brachte ich eine Person, in anderen Versuchen 
auch mehrere Personen in einem luftdicht verschlossenen Raum 
unter, worin der steigende Kohlensäuregehalt der Luft zu Anfang 
des Versuchs sowie in bestimmten, gleichmäfsigen Zeitabständen 
gemessen wurde. 

Als Versuchsraum diente der 7 x / 2 cbm fassende Eisenblech¬ 
kasten unseres Pettenkofersehen Respirationsapparats, und 
als Versuchspersonen zunächst ich selber (I), sodann die Personen 
Behr. und Hs. sowohl einzeln (III und IV), wie auch zusammen (II). 

I. Selbstversuche. 

Versuch 1. 

Ich betrete den Kasten um 11 Uhr, 3—4 Stunden nach der 
letzten Nahrungsaufnahme, dem Frühstück, das in gewohnter 
Weise aus einer Tasse Kaffee und einem Milchbrot ohne Butter 
bestand. 

Ich bleibe zwei Stunden im Kasten und entnehme halb¬ 
stündlich Luftproben zwecks Kohlensäurebestimmung nach der 
Pett enk of er sehen Flascbenmetbode, im ganzen 5 Doppel- 


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Kohlensänreabgabe d. Menschen etc. Von Privatdozent Dr. H. Wolpert. 27 


proben. Im Kasten selber wird auch das Barytwasser in die 
Flaschen eingefüllt. Zu diesem Zwecke steht die Barytwasser¬ 
flasche auf dem Dach des Kastens und ist mit einem Heber ver¬ 
bunden, welcher durch eine Öffnung der Kastenwand ins Innere 
des Kastens reicht. 

Im Verlauf des Versuchs, während der Kohlensäuregehalt 
der Kastenluft allmählich auf 6,70 °/oo steigt, merke ich der Luft 
nichts Besonderes an, insbesondere merke ich nichts von einem 
Geruch; zeitweise kommt es mir so vor, als ob die Atmung herab¬ 
gesetzt sei. Etwa eine Stunde nach Abschiufs des Versuchs emp¬ 
finde ich Kopfschmerzen, die ich nicht wohl auf etwas Anderes 
als den Versuch zurückführen kann. 

Die Temperatur der Kastenluft stieg während des Versuchs 
von 18,0 auf 18,9° und die relative Luftfeuchtigkeit von 46 
auf 58%. 

Der Kohlensäuregehalt der Kastenluft wurde zu Anfang des 
Versuchs, da die Fenster des Respirationszimmers über Nacht 
offen gehalten worden waren, zu nur 0,30%o bestimmt. Gleich 
hier sei bemerkt, dafs in den späteren Versuchen ebenso ver¬ 
fahren und insbesondere auch der anfängliche Kohlensäuregehalt 
stets gemessen, jedoch des Vergleichs der ansteigenden Werte 
halber auf die einheitliche Ausgangsgröfse von 0,30 %<>, wie hier, 
reduziert wurde, übrigens stets wenigstens angenähert soviel 
betrug; im Maximum wurde 0,42%<> als Anfangswert gefunden. 

Von 0,30%o stieg der Kohlensäuregehalt der Kastenluft im 
ersten Versuch halbstündlich auf 2,23—3,90—5,28—6,70 %o; 
letzterer Wert wurde in zwei Stunden erreicht. 

Hieraus läfst sich für verschiedene Kohlensäuregehalte der 
Inspirationsluft meine Kohlensäureabgabe in Litern auf die 
Stunde berechnen: 


29,0 bis 

0,30 

bis 

2,23, Mittel 

l,3%o 

C0 2 der Inspirationsluft 

27,0 » 

2,23 

» 

3,90 » 

3,1 * 


24,9 » 

3,90 

» 

5,28 » 

4,6 » 


24,0 > 

5,28 

>•> 

6,70 » 

6,0 > 


1) 29,0 

= 7,5 

(2,23 — 0,30) X 2. 

24.9 

= 7,5 (5,28-0,30) X ■/.- 


27,0 = 7,5 (3,90 — 0,30) X 1. 24,0 ^ 7,5 (6,70 — 0,30) X 7 r 


Digitized by 


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28 


Die Koblensäureabgabe des Menschen etc. 


Die Zuwächse der Kastenluft an Kohlensäure in Promille, 
vergleichshalber gleichfalls auf Stundenwerte berechnet, betrugen 
zunächst 3,86 = 2 X 1,93, alsdann 3 , 60 , sodann 3,32 = 2 / 3 X 4,98, 
endlich 3,20 = % X 6,40. 

Meine Kohlensäureabgabe wurde also in diesem Versuch 
deutlich um so geringer, je höher der Kohlensäuregehalt der 
Einatemluft anstieg. Dasselbe Ergebnis hatte, wie vorweg be¬ 
merkt sei, der nächste, in etwas anderer Weise angeordnete 
Selbstversuch. 


Versuch 2. 

In diesem Versuch w T ird die Kastenluft zwecks besserer 
Mischung während der ganzen Versuchsdauer mittels Ventilators 
in schwacher Bewegung erhalten und der Ventilator so gerichtet, 
dafs mich der Wind nicht unmittelbar trifft. Ich bleibe andert¬ 
halb Stunden im Kasten und entnehme viertelstündlich Luft¬ 
proben, im ganzen 7 Doppelproben. Im übrigen sind Versuchs¬ 
bedingungen und Methodik die gleichen wie im vorigen Versuch. 

Die Temperatur der Kastenluft stieg während des Versuchs 
von 18,1 auf 18,7° und die relative Luftfeuchtigkeit von 46 
auf 56%. 

Einige Minuten nach Verlassen des Kastens in den Kasten 
zurückgekehrt, empfinde ich überaus deutlich den der Luft an¬ 
haftenden üblen Geruch, welchen ich im Verlauf des Versuchs 
nicht wahrgenommen hatte. (Ähnliches trifft für alle anderen, 
hier mitgeteilten Versuche zu.) 

Der Kohlensäuregehalt der Kastenluft betrug anfänglich 0,30 %<>, 
richtiger 0,32 %<,. Vergleichshalber sind 0,02 °/oo an diesem und 
den nachstehenden Werten in Abzug gebracht (z. B. 1,38 = 1,40— 
0,02 u. 8. w.). Ebenso wurde in den folgenden Versuchen ge¬ 
rechnet, insofern der Ausgangswert von 0,30 %<> ab wich. 

Von 0,30 (0,32) ^oo stieg der Kohlensäuregehalt der Kasten¬ 
luft im zweiten Versuch viertelstündlich auf 1,38—2,39—3,34— 
4,22—5,08—5,88%o; letzterer Wert wurde in anderthalb Stunden 
erreicht. 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 29 

Hieraus lftfst sich als meine Kohlensäureabgabe auf 
die Stunde rechnen: 


32,4 bei 0,30 bis 

1,38, 

Mittel 0,8 °/ 00 

der Inspirationsluft 1 ) 

31,4 > 1,38 » 

2,39, 

» 

1,9 » 

» 

» 

30,4 » 2,39 » 

3,34, 

» 

2,9 » 

> 

» 

29,4 » 3,34 » 

4,22, 

» 

3,8 » 

i 

i 

28,7 » 4,22 » 

5,08, 

» 

4,7 » 

* 

i 

27,9 » 5,08 » 

5,88, 

1 

5,5 » 

> 

» 


Die Zuwächse der Kastenluft an Kohlensäure in Promille, 
vergleichshalber auf Stundenwerte berechnet, betrugen zunächst 
4,32 = 4 X 1,08, alsdann 4,18 = 2 X 2,09, sodann 4,05 = 
% X 3,04, sodann 3 , 92 , hierauf 3,82 = 4 / 6 X 4 , 78 , endlich 
3,72 = % X 5,58. 

Also auch in diesem Versuch machte sich, von Analyse zu 
Analyse fortschreitend, eine stetige Verminderung der Kohlen¬ 
säureabgabe mit steigender Luftverschlechterung deutlichst be¬ 
merkbar. In hochgradig verschlechterter Luft, über etwa 4°/ 00 
CO 2 , war die fernere Verminderung relativ geringer geworden; 
ebenso anscheinend auch schon im ersten Versuch über etwa 
ö 0 /«, Kohlensäure. 

Die beiden Selbstversuche waren gewissermafsen Arbeits¬ 
versuche. Denn alle Viertel-, beziehungsweise Halbstunden 
wurden je zwei Flaschen durch je etwa 50 Blasebalgstöfse mit 
Kastenluft gefüllt, worauf ich Barytwasser zugab, die Flaschen 
umschwenkte u. s. w., so dafs ich fast ununterbrochen in Tätig¬ 
keit war. Da jedoch in den einzelnen Zeitintervallen die gleiche 
Arbeit geleistet wurde, durfte erwartet werden, dafs, wie auch 
tatsächlich aus dem Ausfall der Versuche hervorzugehen scheint, 
die Einzelzahlen des Kohlensäure-Anstiegs gleichmäfsig beein- 
flufst wurden. 

Jedenfalls wurde hauptsächlich wegen der Arbeitsleistung 
die Kohlensäure-Abgabe in den Selbstversuchen so hoch, und im 

1 ) 32,4 = 7,5 (1,38 — 0,30) X 4. 29,4 = 7,5 (4,22 — 0,30) X 1. 

31.4 = 7,5 (2,39 — 0,30) X 2 . 28,7 = 7,5 (5,08 - 0,30) X 4 / 5 - 

30.4 = 7,5 (3,34 — 0,30) X 4 /»- 27,9 = 7,5 (5,88 - 0,30) X */«. 


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30 


Die Kohlensäoreabgabe des Menschen etc. 


zweiten Versuch mit der doppelten Arbeitsleistung, indem alle 
Viertel- statt Halbstunden das Gleiche zu tun war, wesentlich 
höher als im ersten gefunden. Im Mittel betrug die Abgabe im 
ersten Versuch etwa 30, und im zweiten etwa 26 1 Kohlen¬ 
säure pro Stunde. Es mag mein eigentlicher Ruhewert hieraus 
auf etwa 26 — (30—26) = 22 1 Kohlensäure pro Stunde zu 
veranschlagen sein, was bei einem Körpergewicht von 85—90 kg 
keine aufsergewöhnlich hohe Abgabe bedeutet. 

In den folgenden Versuchen brachte ich andere Personen 
im Kasten unter. Die Versuchsanordnung war auf die Einhal¬ 
tung möglichster körperlicher Ruhe seitens der Versuchspersonen 
gerichtet, und daher teilweise eine andere als vorbeschrieben. 

II. Versuche an Personen Behr. und Hs. 

Versuch 3. 

Behr. und Hs. betreten den Kasten um 10 Uhr, 3—4 Stunden 
nach dem Frühstück, und haben angeblich seitdem nichts mehr 
zu sich genommen. 

Sie blieben dreieinviertel Stunden im Kasten. Die Kohlen¬ 
säuremessungen erfolgen mittels der Pettenkof er sehen Röhren¬ 
methode, indem, x / 4 Stunde nach Betreten des Kastens beginnend, 
während sechs halber Stunden je etwa 5 1 Luft gleichmäfsig 
aus dem Kasten abgesaugt werden. 

Der Kohlensäuregehalt der Kastenluft stieg von 0,30 °/oo um 
10 Uhr auf 2,54 °/oo um 10 V 2 Uhr (Mittel der Durchschnitts¬ 
analyse von lO 1 ^— 10 8 / 4 Uhr), und weiter halbstündlich auf 
4,48—6,35—7,699—10,16—ll,84°/ 00 ; letzterer Wert kann als in 
drei Stunden erreicht gelten. 

Auf die Stunde berechnet, betrug der Zuwachs der Kasten¬ 
luft an Kohlensäure in Promille zunächst 4,48, sodann nur mehr 

4,18—4,04—3,70? —3,94—3,85 l ). 

1 ) 4,48 = (2,54 — 0,30) X 2. 3,70 = (7,69 - 0,30) X V r 

4,18 = (4,48 — 0,30) X 1. 3,94 = (10,16 — 0,30) X ■/,. 

4,04 = (6,35 — 0,30) X Ä / r 3,85 = (11,84 — 0,30) X W 


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Von Privatdoient Dr. Heinrich Wolpert. 


31 


Durch Multiplikation der Zuwächse mit dem Kasteninhalt 
(7,5 cbm) erhält man folgende Gröfsen als stündliche Bil¬ 
dungen: 


33,6 1/St. 

C0 2 bei 2,5^ C0 2 

der Inspirationsluft 

31,4 > 

» » 

4,5 » 

» 


1 

30,3 > 


6,4 » 

» 


)> 

27,8? > 


7,7 » 

y> 

» 

» 

29,5 > 

> » 

10,2 > 


* 

1 

28,9 > 

y> >• 

11,8 > 



» 

Als Temperatur und relative Feuchtigkeit der Kastenluft 

wurden während dieses 

Versuchs 

notiert: 



20,0° 

und 56 °/ 0 

um 

10 v. 

Uhr 


21,7 

» 82 

> 

io 8 / 4 

» 


22,0 

* 87 

i 

in 



22,1 

* 88 

> 

u*/ 4 

1 


22,2 

» 90 


12 % 

» 


22,4 

> 90 


12*/ 4 

} 


22,5 

» 90 


1‘A 

1 


Versuche 4 und 5. 

Die Versuche 4 und 5 sind eine Wiederholung von 
Versuch 3. Anordnung und Ausführung der Versuche blieben 
im wesentlichen unverändert bis auf den einen Umstand, dafs 
der Kasten durch eine elektrische Glühlampe beleuchtet wurde, 
wodurch sich die im vorausgegangenen Versuch während der 
letzten Stunde beobachtete hohe Luftfeuchtigkeit (90°/ 0 ) ver¬ 
meiden liefs. 

In Versuch 4 wird der Kasten um lO 1 ^ Uhr betreten, von 
lO 1 ^ Uhr ab wird Luft zur Analyse entnommen und um l^Uhr 
ist der Versuch zu Ende. Versuch 5 währt entsprechend von 
10%, beziehungsweise 10 8 / 4 bis l 8 / 4 Uhr. Die Versuchspersonen 
bleiben beide Male also, wie in Versuch 3, dreieinviertel Stunden 
im Kasten. 


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32 


Die Kohlens&areabgabe des Menschen etc. 


Temperatur und Feuchtigkeit der Kastenluft waren: 



In Versuch 

4: 



In 

Versuch 

5: 


19,8® 

und64°/ 0 

um 

10Uhr25Min. 

17,6° und 

48°/ 0 um 

10 % 

Uhr 

21,2 

» 67 . 

» 

10 

» 45 

» 

20,8 

* 

58 » 

n% 

» 

21,6 

» 70 

» 

11 

» — 

» 

20,8 

» 

65 » 

11 % 

» 

22,0 

» 73 

> 

11 

» 30 

1 

21,0 


70 » 

12% 

» 

22,2 

» 76 

i 

12 

» — 

» 

21,3 

» 

73 » 

12% 

» 

22,5 

» 78 

i 

12 

» 30 

> 

21,5 

» 

77 » 

1% 

% 

22,6 

» 79 

i 

1 

> - 

» 

21,7 

1 

78 » 

1% 

i 

22,8 

o 

00 

A 

» 

1 

» 30 

» 







In Versuch 4 stieg der Kohlensäuregehalt der Kastenluft 
von 0,30 °/ 00 um 10% auf 3,15°/oo um 10% Uhr (Mittel der Durch¬ 
schnittsanalyse von 10%—11 Uhr), und weiter halbstündlich auf 
4,96—7,21—8,90—10,75—12,79°/ 00 ; im Versuch 5 von 0,30 °/ 00 
um 10% auf 2,61 um 11 Uhr (Mittel der Durchschnittsanalyse von 
10*/ 4 —11% Uhr), und weiter halbstündlich auf 4,68—6,88— 

8,62—10,78—13,06V 

Auf die Stunde berechnet, betrug der Zuwachs der Kasten¬ 
luft an Kohlensäure in Promille in Versuch 4 zunächst 5,70, so¬ 
dann 4,66—4,61—4,30—4,18—4,16 ! ) und im Versuch 5 zunächst 
4,62 und sodann 4,38—4,38—4,16—4,20—4J26 2 ). 

Die Kohlensäurebildung, auf die Stunde berechnet, 
betrug in Versuch 4: 


42,8 1/St. C0 2 bei 3,2»/« 

, C0 2 

der Inspirationsluft 

35,0 


» 1 

5,0 » 

1 

i 

> 


34,5 

) 

» * 

7,2 » 

> 

» 

» 


32,3 

» 

V » 

8,9 » 

» 

i 

> 


31,4 

» 

» » 

10,8 » 


* 

» 


31,2 

i 

» » 

12,8 » 

» 

i 

» 


1) 5,70 = 

(8,16 

-0,30) 

X 2. 

4,30 — (8,90- 

-0,30) X ' 

Vr 

4,66 = 

(4,96 

-0,30) 

X 1. 

4,18 = 

= (10,75 

-0,30) X 

%• 

4,61 = 

(7,21 

— 0,30) 

= */,- 

4,16 = 

= (12,79 

— 0,30) X 


2 ) 4,62 = 

(2,61 

-0,30) 

X 2. 

4,16 = 

= (8,62- 

-0,30) X ’ 

7,- 

4,38 = 

(4,68 

-0,30) 

X 1. 

4,20 = 

= (10,78 

-0,30) X 

*/.. 

4,38 = 

(6,88 

-0,30) 

X */,. 

4,26 = 

= (13,06 

- 0,30) X 



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Von Privatdoftent t>r. Heinrich Wolpert. 


33 


und in Versuch 5: 


34,7 1/St. 

C0 2 

bei 2,6 % C0 2 

der Inspirationsluft 

32,9 » 


> 4,7 » » 

» > 

32,9 » 


» 6,9 » » 

» » 

31,2 » 


00 

Ci 

** 

* 

> > 

31,5 > 

» 

» 10,8 t » 

• X 

32,0 > 


x 13,0 » » 



Im Gesamtmittel der Versuche 3, 4 und 5 betrugen, auf 
die Stunde gerechnet, die Zuwächse der Kastenluft an Kohlen¬ 
säure 4,93—4,41—4,34—4,23—4,11—4,09°/oo> und die Kohlen¬ 
säurebildungen: 

37,0 1/St. C0 2 bei 2,8°/ 00 C0 2 der Inspirationsluft 


33,1 * » » 4,7 » » » » 

32.6 » > » 6,8 * » > » 

31.7 » » » 8,8 » > » » 

30.8 > > > 10,6 » » » » 

30,7 » j > 12,6 » » » » 


Also auch in den Versuchen 3—5 wurde die Kohlensäure¬ 
abgabe der Versuchspersonen mit steigender Luftverschlechterung 
wesentlich geringer und zwar bis zu einer hochgradigen Luft¬ 
verschlechterung (um 10 °/oo)> in deren Bereich überhaupt keine 
weitergehende Einschränkung der Abgabe mehr erfolgte. Ver¬ 
mutlich hätte sich bei noch weitergehender Luftverschlechterung 
sogar wieder eine Steigerung der Kohlensäureabgabe gezeigt. 

An beiden Personen wurden dann noch Einzelversuche an¬ 
gestellt (Versuche 6—8). 

III. Versuche an Person Behr. allein. 

Versuch 0. 

Behr. betritt den Kasten um 10% Uhr und bleibt drei¬ 
einviertel Stunden darin. Anordnung und Ausführung des Ver¬ 
suchs waren die gleichen wie in Gruppe II, nämlich erst von 
10% Uhr ab wird Luft zur Analyse abgesaugt: zunächst 
eine Probe von 10%—11 Uhr, weitere Proben von 11—11%, 
11%—12, 12—12%, 12%—1, 1—1% Uhr. Im Kasten befindet 
sich keine künstliche Lichtquelle. 

Archir fflr Hygiene. Bd XLVU. 3 


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34 t)ie Kohlensiureabgabe des Menschen etc. 

Temperatur und Feuchtigkeit der Kastenluft: 


17,3° und 

50% 

um 

10% 

Uhr 

18,9(1) 

» 

57 

» 

10% 

i 

19,2 

» 

65 

i 

11 

» 

19,6 

1 

73 

» 

11% 


19,4 

1 

74 

» 

12 

> 

19,4 

> 

76 

> 

12% 


19,4 

> 

78 

T> 

1 

> 

19,4 

1 

80 

> 

1% 



Der Kohlens&uregehalt der Kastenluft stieg von 0,30 ^ halb¬ 
stündlich auf 1,53—2,36—3,37—4,23—5,16—6,19; letzterer Wert 
kann als in drei Stunden erreicht gelten. 

Der Zuwachs der Kastenluft an Kohlensäure in Promille 
stellte sich daher, auf die Stunde berechnet, auf 2 , 46 — 2 , 06 — 
2 , 05 — 1 , 97 — 1 , 94 — 1,96 und die Kohlensäurebildung betrug 
somit, ebenfalls auf Stunden gerechnet: 

18,5 1/St. C0 2 bei l,5°/oo C0 2 der Inspirationsluft 


15.5 > * » 2,4 » » > 

15,4 » » > 3,4 » » » 

14,8 > » > 4,2 > » » 

14.6 > > > 5,5 i * » 

14.7 > > » 6,2 > * » 


Auch hier trat somit die Einwirkung der Luftverschlechte¬ 
rung auf die Kohlensäureabgabe hauptsächlich und am ent¬ 
schiedensten dann zutage, wenn sich die Luftverschlechterung 
innerhalb mäfsiger Grenzen hielt. 

Man könnte vielleicht ein wenden, die Versuchsperson habe 
möglicherweise, trotz der gegenteiligen Weisung, zwischen Früh¬ 
stück und Versuchsbeginn noch weitere Nahrung, etwa Alkohol 1 ), 
zu sich genommen; und, wo dies der Fall, werde ein Abfall der 

1) Nach soeben veröffentlichten Versuchen von Binz (Berliner klin. 
Wochenschr., 1903, Nr. 3) wächst die Atmungsgröfse unter dem Einflufs von 
Alkoholaufnahme kaum oder nur unwesentlich bei dem nicht ermüdeten 
Menschen, während sie beim körperlich Ermüdeten ceteris paribus bis um 
80 und 90% in die Höhe geht. 


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Von Privatdoient Dr. Heinrich Wolpert. 


35 


Kohlensäureproduktion in der Zeiteinheit, das ist von Halbstunde 
zu Halbstunde im Versuch, möglicherweise erklärlich, ohne dafs 
man der unreinen Luft eine spezifische Wirkung beilegen müsse. 

Hierauf ist zu entgegnen, dafs die gleiche Wirkung in 
allen Versuchen und auch in den Selbstversuchen, wo sicher¬ 
lich hinsichtlich des subjektiven Verhaltens alles wunschgemäfs 
zuging, beobachtet wurde. Immerhin war dort eine andere 
Untersuchungsmethode in Anwendung. Um allen Einwänden 
dieser Art zu begegnen, wurde das Programm der letzten beiden 
Versuche in nachstehender Weise verändert: 

Der Versuch soll nicht mehr ununterbrochen 6 X V 2 Stunde 
währen, sondern zunächst nur 3 X V 2 Stunde. Hierauf soll eine 
halbstündige Pause eintreten, während welcher der Kasten gründ¬ 
lich gelüftet wird und die Versuchsperson, unter strenger Über¬ 
wachung bleibend, das Respirationszimmer nicht verlassen darf. 
Alsdann soll der Versuch für die Dauer einiger weiteren halben 
Stunden von neuem aufgenommen werden. In der vierten halben 
Versuchsstunde, nach der Pause, mufs — so ist zu erwarten 
— die Kohlensäurebildung wieder in die Höhe gehen, falls 
in reiner Luft tatsächlich mehr Kohlensäure abgegeben wird. 

Die Versuche 7 und 8 ergaben, wie aus dem Nachstehenden 
hervorgeht, das vorhergesehene Resultat: 

Im einen Fall (Behr., Versuch 7) stieg die Abgabe, welche 
von 16,2 auf 14,8 gesunken war, alsbald nach der Pause wieder 
auf 17,0, um alsdann von neuem auf 14,9 herunterzugehen; und 
im anderen Fall (Hs., Versuch 8) sank die Abgabe vor und nach 
der Pause ähnlich, nämlich von 20,2 auf 16,2, beziehungsweise 
von 19,2 auf 17,5. 


Versuch 7. 

Behr. betritt den Kasten um 9 8 / 4 Uhr. Von lö— IU /2 Uhr 
wird Luft zur Analyse abgesaugt, dreimal je eine halbe Stunde 
hindurch. Der Kasten wird von 11*/ 2 —11 3 / 4 verlassen und mittels 
eines grofsen elektrischen Ventilators gründlich gelüftet. Um 
ll 3 / 4 Uhr betritt Behr. den Kasten wieder und von 12—1 Uhr 
wird von neuem, zweimal eine halbe Stunde lang, Luft zur Analyse 

3 • 


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36 


t)ie Kohleniäareabgabe des Menschen etc. 


abgesaugt. Behr. verweilt also zunächst eindreiviertel Stunden, 
und nach der Pause nochmals eindreiviertel Stunden im Kasten. 
Der Kasten wird nicht künstlich beleuchtet. 

Temperatur und Feuchtigkeit der Kastenluft: 

18,8° und 71 °/ 0 um 10 Uhr 
19,2« » 77 » » 10% » 

19,4® » 83 t » 11 > 

19,6« » 84 » » 11% » 

und nach der Pause: 

19,0° und 57°/ 0 um ll s / 4 Uhr 
19,4® » 64 » » 12 » 

19,8« » 71 » > 12% > 

20,1® » 74 » » 1 » 

Der Kohlensäuregehalt der Kastenluft stieg zunächst von 
0,30®/oo halbstündlich auf 1,38—2,36—3,26 in 1% Stunden, und 
nach der Pause innerhalb einer ferneren Stunde von neuem von 
0,30«/jo auf 1,43 und 2,29. 

Der Zuwachs der Kastenluft an Kohlensäure in Promille 
belief sich daher, auf die Stunde berechnet, zunächst auf 2,16— 
2,06—1,98 und nach der Pause 2,26—1,99, im Mittel beider 
Reihen auf 2 , 21 — 2,03 — 1 , 98 , woraus sich für Person Behr. die 
nachstehenden Bildungen pro Stunde ergeben: 

Zunächst bis zur Pause: 

16.2 1/Std. C0 2 bei 1,4®/ M C0 2 der Inspirationsluft 

15.5 » > » 2,4 > > > » 

14.8 » » » 3,3 » » » > 

und nach der Pause ähnlich: 

17,0 1/Std. C0 2 bei lA^loo C0 2 der Inspirationsluft 

14.9 » > > 2,3 > > > » 

oder im Mittel beider Reihen: 

16.6 1/Std. C0 2 bei 1 ,4°loo C0 2 der Inspirationsluft 

15.2 > » » 2,3 > » » » 

14,8 4 » » 3,3 » » » » 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 


37 


oder im Gesamtmittel bei Einbezug von Versuch 6 1 ): 
17,51/Std. C0 2 bei l,4°/oo C0 2 der Inspirationsluft 
15,3 » > » 2,3 > » > » 

15,1 » » > 3,3 » » i » 

IV. Versuch an Person Hs. allein. 

Versuoh 8. 

Hs. betritt den Kasten um 9 8 / 4 Uhr. Von 10—ll 2 / 2 Uhr 
wird dreimal je eine halbe Stunde lang Luft zur Analyse abge¬ 
saugt. Der Kasten wird von 11 2 / 2 -—11 s / 4 verlassen und mittels 
Ventilators gründlich gelüftet. Um 11 s / 4 Uhr betritt Hs. den 
Kasten wieder und von 12—1V 2 Uhr wird von neuem dreimal je 
eine halbe Stunde lang Luft zur Analyse abgesaugt. Hs. ver¬ 
weilt also zunächst eindreiviertel Stunden, und nach der Pause 
wiederum eindreiviertel Stunden im Kasten. Der Kasten wird 
auch in diesem Versuch nicht künstlich beleuchtet. 

Temperatur und Feuchtigkeit der Kastenluft: 


18,5° 

und 

64®/„ 

um 

9 ®/ 4 Uhr 

19,2° 

i 

70 » 

* 

10 » 

19,5° 


76 » 


IOV2 > 

19,9° 

> 

81 » 

i 

11 > 

19,9® 

» 

84 z 

> 

11 Vs » 

und nach der Pause: 

19,0® 

und 66°/ 0 

um 

11 s / 4 Uhr 

19,6« 


71 » 


12 * 

19,7» 

i 

76 » 

i 

12 V, » 

19,9« 

» 

81 » 

> 

1 » 

20,2® 

) 

84 » 

» 

IV2 » 


Der Kohlensäuregehalt der Kastenluft stieg von anfänglich 
0,30 °/oo halbstündlich auf 1,65—2,78—3,53 und nach der Pause 
wiederum von 0,30 auf 1,58—2,71—3,82. 

Der Zuwachs derKastenluft an Kohlensäure in Promille stellte 
sich daher pro Stunde zunächst auf 2,70—2,48—2,16 und nach der 

1) Die Kohlensäurezuwächse der Kastenluft in Promille betrugen hier¬ 
bei fOr Person Behr. stündlich im Gesamtmittel 2,34 — 2,05 — 2,02. 


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38 


Die Kohlensftureabgabe des Menschen etc. 


Pause auf 2,56—2,40—2,34, durchschnittlich auf 2,63—2,44 
—2,25, woraus sich die nachstehenden stündlichen Bildungen 
ergeben: 

Zunächst bis zur Pause: 

20.2 1/Std. C0 2 bei l,7°/oo C0 2 der Inspirationsluft 

18,6 > » > 2,8 » > » » 

16.2 » > > 3,5 » » » » 

und nach der Pause ähnlich: 

19.2 1/Std. C0 2 bei 1,6^ C0 2 der Inspirationsluft 

18,0 i » > 2,7 > > » » 

17,5 t > > 3,8 » > » » 

oder im Mittel beider Reihen: 

19,7 1/Std. C0 2 bei l,6 0 /oo C0 2 der Inspirationsluft 

18.3 » » » 2,7 » » t » 

16,9 i » > 3,7 > » > » 

Vergleicht man die Einzel versuche mit jenen, wo beide 
Personen zusammen im Kasten safsen, so zeigt sich eine über 
Erwarten befriedigende Übereinstimmung der Abgaben, wie aus 
der folgenden Zusammenstellung erhellt: 

In der ersten halben Stunde hatten geliefert: 

17.5 1/Std. C0 2 Behr. allein im Mittel von Versuch 6 und 7 

+ 19,7 > » Hs. allein im Versuch 8 

37.2 > » beträgt somit die Summe, wogegen: 

37,0 » » Behr. + Hs. zusammen im Mittel von Ver¬ 

suchen 3, 4 und 5 während der ersten halben Stunde abgaben. 

Ähnlich lieferten in der zweiten halben Stunde: 

15.3 1/Std. C0 2 Behr. allein im Mittel von Versuch 6 und 7 

+ 18,3 » » Hs. allein im Versuch 8 

33.6 » > beträgt somit die Summe, wogegen 

33,1 > > Behr. + Hs. zusammen im Mittel von Ver¬ 

suchen 3, 4 und 5 während der zweiten halben Stunde abgaben. 

Aus allem geht hervor, dafs die Kohlensäureabgabe des 
Menschen durch Beimengung von Ausatemluft zur Einatem¬ 
luft innerhalb der in Wohnräumen vorkommenden Grenzen der 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert. 39 

Luftverschlechterung herabgesetzt ist. Besser als durch vor¬ 
stehende Zahleunachweise wird dieses Verhalten durch die beiden 
Diagramme Fig. 1 und 2 ver- 



Selbstversuche. - = Versuche Nr. 3—5, Behr -f- Hs. (obere Linien), 

_ — Versuch Nr. 1. bezw. Nr. 6, Behr. allein (untere Linien). 

= Versuch Nr 2. * = Versuch Nr. 8, Hs. allein. 

Rekapitulieren wir die in Betracht kommenden Versuchs¬ 
resultate. 


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40 Die Köhlensäureabgabe des Menschen etc. 

Versuch 1 (Selbstversuch). 

Während der Kohlensäuregehalt der Raumluft von 1,3 auf 6,0 °/oo stieg, 
sank die Abgabe von 29,0 auf 24,0 1/St., also im Verhältnis 100 : 83, oder 
für je 1 %o Kohlensäurezuwachs durchschnittlich um 1,0 1 stündlich, das ist 
um etwa 3,6% für 1% 0 Zuwachs. 

Versuch 2 (Selbstversuch). 

Während der Kohlensäuregehalt der Raumluft von 0,8 auf 5,5 'Voo stieg, 
sank die Abgabe von 32,4 auf 27,9 1/St., also im Verhältnis 100 : 86, oder 
für je 1 %o Kohlensäurezuwachs durchschnittlich um 1,0 1 stündlich, das ist 
um etwa 3,0 % für l%o Zuwachs. 

Versuche 8—5 (Behr. u. Hs.). 

Während der Kohlensäuregehalt der Raumluft von 2,8 auf 6,8 %q stieg, 
sank die Abgabe von 37,0 auf 32,6 1/St., also im Verhältnis 100 : 88, oder 
für je 1 °/oo Kohlensäurezuwachs durchschnittlich um 1,1 1 stündlich, das ist 
um etwa 3,0 °/ 0 für 1 °/oo Zuwachs; während der Kohlensäuregehalt der Raum¬ 
luft jedoch weiter von 6,8 auf 10,6 % 0 stieg, sank die Abgabe nur weiter 
von 32,6 auf 30,8, also im Verhältnis 100 : 94, oder für je 1 %o Kohlensäure¬ 
zuwachs durchschnittlich nur um 0,51 stündlich, das ist um etwa 1,5 % für 
1 %o Zuwachs; und während der Kohlensäuregehalt der Raumluft noch 
weiter von 10,6 auf 12,6 %o stieg, sank die Abgabe so gut wie gar nicht 
weiter, nämlich nur von 30,8 auf 30,7. 

Versuche 6—7 (Behr. allein). 

Während der Kohlensäuregehalt der Raumluft von 1,4 auf 3,3 °/ 00 stieg, 
sank die Abgabe von 17,5 auf 15,1 1/St., also im Verhältnis 100 : 86, oder 
für je 1 %o Kohlensäurezuwachs durchschnittlich um 1,3 1 stündlich, das ist 
um etwa 7,0% für 1°/^ Zuwachs; während der Kohlensäuregehalt der Raum¬ 
luft jedoch weiter von 3,3 auf °/oo stieg, sank die Abgabe nur wenig 
weiter, nämlich von 15,1 auf 14,7. 

Versuch 8 (Hs. allein). 

Während der Kohlensäuregehalt der Raumluft von 1,6 auf 3.7 # /„ stieg, 
sank die Abgabe von 19,7 auf 16,9 1/St., also im Verhältnis 100 : 86, oder 
ihr je 1 % 0 Kohlensäurezuwachs durchschnittlich um 1,3 1 stündlich, das ist 
um etwa 6,7% für 1°/« Zuwachs. 

Durchschnittlich war die Kohlensäureabgabe der Versuchs¬ 
personen also für je 1°)^ C0 2 -Zuwachs der Raumluft, innerhalb 
der Grenzen von 1—ö 0 /^ um je 1 / 2 — 1 1 stündlich = 3—5°/ 0 der 
normalen Abgabe herabgesetzt. Ob diese Verminderung ihren 
Grund hat in Stoffen, welche durch die Atmung der Luft beige¬ 
mengt werden, oder als ein rein psychisch-reflektorischer Vorgang 
aufzufassen sei, steht dahin. 


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Von Privatdoient Dr. Heinrich Wolpert. 


41 


Ohne Frage ist die Kohlensäure innerhalb dieser Grenzen 
von etwa 1—5 °/oo als ein Stoff, welcher den Gaswechsel beein¬ 
flussen könnte, nicht anzusehen. Bei höheren Gehalten aber 
wird durch ihre Anhäufung im Gegenteil die Abgabe infolge 
direkter Erregung des Atmungszentrums gesteigert, wie auch 
Versuch Nr. 37 der vorausgehenden Veröffentlichung 1 ) zeigt, 
wo durch Anreicherung der Raumluft auf 5—8 °/ 00 mittels chemisch 
reiner Substanz eine Vermehrung der Abgabe von 12,3 in der 
Norm auf 13,0 eintrat; falls in den vorliegenden Versuchen sich 
irgendwo eine Kohlensäurewirkung nebenher geltend machte, 
ging diese also im entgegengesetzten Sinne. Damit stimmt der 
Umstand, dafs die Verminderung der Abgabe nicht genau um¬ 
gekehrt proportional dem Steigen des Kohlensäuregehalts ge- 
funden wurde; die Abgabe verminderte sich vielmehr bei den 
höheren Kohlensäuregehalten der Raumluft in einem geringeren 
Verhältnis, beziehungsweise, auf einer gewissen unteren Grenze 
angelangt, überhaupt nicht weiter. 

Ebensowenig wie die Kohlensäureanhäufung als solche, 
kommt unter den gewählten Versuchsbedingungen die mit jener 
Hand in Hand gehende geringfügige Sauerstoff Vermin¬ 
derung der Raumluft in Betracht. 

Dafs eine Ammoniakansammlung im Sinne For- 
maneks 2 ) an den Resultaten beteiligt gewesen sei, glaube ich 
nicht annehmen zu dürfen. Am Schlufs der Versuche wurde 
zwar die Kastenluft stets als übelriechend, jedoch nicht mit 
einem Ammoniakgeruch behaftet erkannt. Die Versuchspersonen 
selbst nahmen übrigens während der Versuche niemals einen 
üblen Geruch wahr, dieser wurde erst am Schlufs von mir oder 
demjenigen, welcher die Kastentür öffnete (was von aufsen zu 
geschehen hatte), wahrgenommen. 

Ganz ausgeschlossen ist, dafs die beobachtete Verminderung 
der Kohlensäureabgabe infolge von Temperatur- und Feuchtig¬ 
keitsänderungen eingetreten sei. Denn die Temperatursteigerung 

1) Über die Beziehungen zwischen menschlicher Atmung und künst¬ 
licher Beleuchtung. 

2) Dieses Archiv, Bd. 38, S. 1. Über die Giftigkeit der Ausatmungsluft. 


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42 


Die Kohlensäureabgabe des Menschen etc. 


der Kastenluft, welche einen Kohlensäurezuwachs von 1 °/ 00 be¬ 
gleitete, betrug durchschnittlich höchstens etwa J / 4 0 Celsius und 
die gleichzeitige Erhöhung der Luftfeuchtigkeit kaum mehr als 
2—3 °/ 0 . Wie früher veröffentlichte Versuche des Laboratoriums 
ergeben haben, wird die Kohlensäureabgabe des Menschen selbst 
durch extreme Schwankungen der relativen Luftfeuchtigkeit nur 
unsicher beeinflufst, und innerhalb der gewählten Versuchsgrenzen 
auch nicht durch weit erheblichere Temperaturschwankungen als 
sie hier vorliegen. 

Ich mufs es, wie gesagt, dahingestellt sein lassen, wodurch 
die Verminderung der Kohlensäureabgabe bedingt war, und mich, 
vorläufig wenigstens, mit dem Nachweis begnügen, dafs eine 
solche Verminderung tatsächlich mit der spontanen Luftver¬ 
schlechterung in bewohnten Räumen, wofür das Ansteigen des 
Kohlensäuregehaltes der Raumluft einen Mafsstab bietet 1 ), Hand 
in Hand geht. 

Aus den obigen Darlegungen ziehe ich folgende Schlufs- 
sätze, welche für beengte und überfüllte Räume, in denen sich 
erfahrung8gemäfs etwa 1—5 °/oo, selten mehr Kohlensäure anzu¬ 
sammeln pflegt, Gültigkeit beanspruchen dürfen: 

1. In zu klein bemessenen oder aus anderen Gründen 
unzureichend gelüfteten Aufenthaltsräumen wird durch 
die sich ansammelnde Ausatemluft die Kohlensäure¬ 
ausscheidung des Menschen herabgesetzt. Dies gilt so¬ 
wohl für die eigene Verunreinigung der Atemluft durch 
einen einzelnen Menschen als auch für die durch andere 
Personen mit verursachte. 

2. Die reine Kohlensäure hat eine derartige Wirkung 
nicht; ebensowenig können Sauerstoffminderung und 

1) Der Pettenkofersehe Kohlensäure-Mafsstab erhält durch die vor¬ 
liegenden Versuche eine Stütze, auch für beleuchtete Räume. Denn eine 
ähnliche Verminderung der Abgabe wie hier trat bei Einatmen von Luft, 
welche Kohlensäure aus Beleuchtungsprodukten enthielt, ein, nicht aber bei 
solcher Luft, welcher chemisch reine CO, beigemengt wurde (vgl. die voraus¬ 
gehende Veröffentlichung: Über die Beziehungen zwischen menschlicher 
Atmung und künstlicher Beleuchtung). 


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Von Privatdozent Dr. Heinrich Wolpert 43 

andere bekannte Umstände hierfür verantwortlich ge¬ 
macht werden. 

3. Diese Verminderung der Kohlensäureausscheidung betrug 
für je 1 0 Iqq im Raum sich anhäufender Kohlensäure 
zumeist stündlich */ 2 —1 1 = 3—5 % der normalen Aus¬ 
scheidung. 

4. Die Verminderung der Kohlensäureausscheidung und 
wohl auch der Atmungsgröfse kann als ein ökonomisch 
sparendes Moment nicht angesehen werden. 

Vielleicht ist die depressorische Wirkung schlechter 
Luft auf eine nervöse Beeinflussung zurückzuführen, da 
nur Ermüdung und Erschlaffung einen ähnlichen Faktor 
darstellen. Die Wirkung war sowohl beim Ruhenden, 
als auch beim Arbeitenden nachzuweisen. 

Berücksichtigt man, dafs viele Personen dauernd, das 
ist während einer Reihe von Stunden tagtäglich, auch 
etwa während eines acht- und mehrstündigen Aufent¬ 
halts im Schlafzimmer regelmäfsig eine durch Atmungs¬ 
produkte um etwa 1—5°/oo Kohlensäure angereicherte 
Luft atmen, so dürfte ein Zusammenhang zwischen der 
Depression der Kohlensäureabgabe, verminderter Efslust 
und dem Sinken des Ernährungszustandes, wie sie bei 
dem Aufenthalt im geschlossenen Raum nicht selten 
sind, sich nicht von der Hand weisen lassen. 

5. Eine Steigerung der geschilderten Vorkommnisse tritt 
beim Hinzukommen der Verbrennungsluft von Leucht¬ 
materialien ein, wie in der vorhergehenden Abhandlung 
nachgewiesen wurde. 

Kompensatorische Einflüsse sind innerhalb gewisser 
Grenzen die Luftbewegung und Kühle, welche, wie in 
früheren Veröffentlichungen nachgewiesen, unter be¬ 
stimmten Voraussetzungen die Atmungsgröfse, Kohlen¬ 
säureausscheidung und Sauerstoffaufnahme steigern. 


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Über eine senchenhafte Erkrankung bei Singvögeln. 

Von 

Stabsarzt Dr. v. Wasielewski, Priv.-Doc. und Stabsarzt 
Dr. W. Hoffmann; Assistenten des Instituts. 

(Ans dem hygienischen Institut der Universität Berlin.) 

Bei den Übertragungen der Malariaparasiten auf Kanarien¬ 
vögel, welche von einem von uns seit längerer Zeit vorgenom¬ 
men worden sind*), traten, neben den schon früher geschilderten 
Infektionen durch Coccidien, ßakterienerkrankungen auf, welche 
den Fortgang der Impfungen längere Zeit störten und welche 
infolge der eigenartigen pathogenen Wirkung des Erregers eine 
kurze Schilderung verdienen. Bis zum Herbst 1901 waren die 
Kanarienvögel in Holzkäfigen untergebracht; sie wurden durch 
eine junge graue Ratte, die sich aus ihrem Käfig befreit hatte, 
sämtlich totgebissen und dadurch ging das Untersuchungsmaterial 
ebenso wie die für die Immunitätsprüfung aufbewahrten Tiere, 
welche die akute Bluterkrankung überstanden hatten, verloren. 
Damals machte die schnelle Beschaffung von malariakranken 
Vögeln zunächst Schwierigkeiten. Es wurde deshalb ein gröfserer 
Transport verschiedenartiger Vogelarten aus Holland bezogen, 
unter denen sich insbesondere die verhältnismäfsig häufig infi¬ 
zierten Goldammern befanden. Eine dieser Goldammern war auf 
dem Transport gestorben. Bei der Sektion fiel zwar die dunkel- 
rote Färbung und starke Injektion des Herzens und der Leber 
auf; da sich aber in dem Herzblut des gestorbenen Tieres spär¬ 
lich Blutparasiten, und zwar etwa 1 Parasit in jedem Präparat 
fanden, wurde das Blut zur Weiterimpfung benutzt. Schon 

•) v. Wasielewski, Über Verbreitung und künstliche Übertragung der 
Vogelmalaria 1901. Archiv f. Hygiene Bd. 41. 


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Seuchenh. Erkrank, b. Singvögeln. Von Dr. Wasielewski u. Dr. Hoffmann. 45 

früher war in mehreren Fällen die Übertragung des Blutes kürz¬ 
lich gestorbener Tiere geglückt. Da an diesem Tage eine gröfsere 
Reihe von auf dem Transport gestorbenen Tieren, sowie die 
lebenden neu eingetroffenen auf Blutparasiten untersucht wurden, 
unterblieb die weitere Sektion, sodafs über den Milzbefund der 
betreffenden Goldammer Notizen nicht vorhanden sind. Die 
Verimpfung ihres Herzblutes auf drei Kanarienvögel hatte den 
Erfolg, dafs zwei derselben am folgenden, ein dritter am elften 
Tage starben. Aus dem Herzblut der am folgenden Tage ge¬ 
storbenen Vögel wurde durch Agarausstrich ein kurzes, an¬ 
scheinend schwach bewegliches Stäbchen mit abgerundeten Ecken 
gezüchtet, welches mikroskopisch in wenigen Exemplaren im 
Blutausstrich nachweisbar gewesen war und hier Andeutungen 
einer Kapsel gezeigt hatte. Das Stäbchen war nicht nach Gram 
färbbar, bildete in den Kulturen lange Fäden, bildete auf der 
Gelatine, welche nicht verflüssigt wurde, coliähnliche Kolonien: 
auf Agar wuchs ein grauer, schleimiger, ziemlich reichlicher Be¬ 
lag, der auf Kartoffel gelblich gefärbt war. Auffallend war der 
Sektionsbefund bei dem nach 11 Tagen gestorbenen Tiere. Hier 
fanden sich an der Impfstelle, an der linken Brusthälfte, zahl¬ 
reiche, durch die Haut schimmernde, linsengrofse, nach dem 
Halse zu fast Mandelgröfse erreichende, prominente, konfluierende 
gelbe Herde. Nach der Entfernung der Haut erwiesen sich die¬ 
selben als nekrotische Partien, welche der Brustmuskulatur auf- 
und eingelagert waren und eine zähe Konsistenz besassen. Im 
Zupfpräparat waren nur nekrotische, fettig degenerierte Muskel¬ 
fasern erkennbar; im Herzblut liefsen sich mikroskopisch Plas¬ 
modien nicht nachweisen. Die Milz war weder vergröfsert noch 
hyperämisch: die Agarausstriche des Herzblutes ergaben das 
Vorhandensein der oben geschilderten Bakterien in Reinkultur. 

Obgleich von diesen drei Kanarienvögeln eine Überimpfung 
auf andere Tiere nicht erfolgte, breitete sich die Erkrankung 
auf eine Reihe der Nachbarkäfige aus, in denen ohne besondere 
Vorsichtsmafsregeln Impftiere gehalten wurden, und zwar waren 
anfangs nur einzelne Vögel davon befallen. Es wurden, ohne dafs 
diese Ausbreitung sich zunächst bemerkbar machte, die Malaria- 


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46 


Über eine Beuchenhafte Erkrankung bei Singvögeln. 


impfungen fortgesetzt. Da jedoch die Krankheit hier keine er¬ 
kennbaren äufseren Veränderungen hervorrief, dagegen haupt¬ 
sächlich nekrotische Herde in Leber und Milz veranlafste, die 
erst bei der Sektion gefunden wurden, war die Ausbreitung und 
die Übertragung der Infektion, welche ziemlich chronisch ver¬ 
lief, zunächst nicht erkennbar. Es mufs angenommen werden, 
dafs auch in diesen chronischen Fällen zum Teil Bakterien im 
Venenblut vorhanden gewesen sind. 

Während in der nächsten Zeit, im Laufe des Dezember 1901 
und des Januar und Februar 1902, nur einzelne Tiere erkrankten, 
nahm im April und Mai 1902 die Sterblichkeit einen solchen 
Umfang an, dafs von einer weiteren Übertragung der Malaria¬ 
parasiten Abstand genommen werden mufste. Es erwiesen sich 
schliefslich alle mit Malaria geimpften Vögel, welche zum Teil 
in der typischen Zeit nach der Impfung die Blutparasiten reich¬ 
lich im peripheren Blut zeigten, gleichzeitig mit Bakterien in¬ 
fiziert, deren Wirkung auf die einzelnen Impftiere feine ver¬ 
schiedene war. Während einzelne wenige Tage nach der Blut¬ 
übertragung an der Infektion starben, verlief bei anderen die 
Erkrankung chronisch durch Wochen hindurch, und nur der 
charakteristische besonders hervortretende Milzbefund, sowie der 
bakteriologische Nachweis der Bakterien im Blut liefs bei ihnen 
die Todesursache erkennen. Es mufste deshalb im Mai die Blut¬ 
übertragung vollkommen abgebrochen werden, um die Seuche 
auszurotten, und erst nach Monaten konnten die Malariaüber¬ 
tragungen wieder aufgenommen werden. 

Im Laufe der Infektion zeigte sich, dafs nicht nur durch 
die Blutübertragung, wie das anfangs angenommen wurde, sondern 
auch durch die Verstaubung infizierter Kot- und Futterteile auf 
die Nachbarkäfige eine Übertragung der Krankheit erfolgen 
konnte. Dies ging besonders daraus hervor, dafs Tiere, welche 
mit dem Blut völlig gesunder Vögel, bei denen auch die nach¬ 
folgende Sektion und bakteriologische Untersuchung keine Bak¬ 
terienerkrankung nachweisen konnte, geimpft worden waren, der¬ 
selben Seuche zum Opfer fielen. Es führten diese Beobachtungen 
zu einer näheren Verfolgung der Wachstumseigenschaften und der 


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Von Stabsarzt Dr. v. Wasielewski und Stabsarzt Dr. W. Hollmann. 47 


pathogenen Bedeutung des Stäbchens, über die hier kurz berichtet 
werden soll. 

Die Kulturen wuchsen auf Agar bei 28—37° Verhältnis- 
mäfsig üppig. Es bildeten sich kleine, durchscheinende, grau- 
weifse Kolonien, welche nach 24—48 Stunden etwa 2—4 mm 
im Durchmesser grofs waren. Während anfangs in diesen Kul¬ 
turen kurze, bisweilen fast kokkenähnliche Stäbchen gefunden 
wurden, welche zum Teil durch die auftretende Durchschnürungs¬ 
linie das Aussehen von Diplokokken annahmen, fanden sich da¬ 
neben später gröfsere stäbchenförmige Gebilde Fig. 1; dieselben 
wuchsen zum Teil zu langen Fäden aus, welche mehr als die zehn¬ 
fache Länge der anfangs vorhandenen Stäbchen erreichten Fig. 2. 
Bei den mehrfachen Übertragungen kamen meist nur kokken¬ 
ähnliche Kurzstäbchen zu Gesicht; schickte man die Kultur wieder 
durch den Tierkörper oder machte man die Übertragungen auf Blut¬ 
agarröhrchen, so fand man bei der mikroskopischen Untersu¬ 
chung vornehmlich längere Stäbchen; es scheint alsoderHämo- 
globingehalt des Nährbodens hierbei eine Rolle zu spielen. 
Üppiger als auf Agarnährböden erfolgte das Wachstum auf Serum¬ 
röhrchen und auf Blutagarröhrchen. Bouillon wurde schnell ge¬ 
trübt und enthielt einen schleimigen, fadenziehenden Bodensatz. 
Nach 2 Tagen war bisweilen eine deutliche Häutchenbildung 
auf der Oberfläche der Bouillon nachweisbar. Das Oberflächen¬ 
häutchen sank beim Schütteln zu Boden. Bei Stichkulturen in 
hohen Schichten von Traubenzuckeragar wurde kein Gas ge¬ 
bildet, das Wachstum war auch in den tiefen Agarschichten 
noch üppig; Milch gerinnt nicht, Indolbildung fehlt. Auf Gela¬ 
tine zeigte sich bei 22° C. geringes Wachstum und keine Ver¬ 
flüssigung; bei 28° C. traten nach 2 Tagen weifsliche Kolonien 
von 1—3 mm Durchmesser auf, die mikroskopisch eine gelb¬ 
bräunliche Farbe zeigten, in der Mitte dunkler gefärbt waren 
und eine hellere Randzone besafsen. Bei Oberflächenkolonien 
ragte das Zentrum kuppenförmig vor. Auf der Kartoffel erfolgte 
bei 28° geringes, bei 37° besseres Wachstum eines weifslichen, 
dünnen Rasens zunächst ohne Färbstoffbildung. Bei Zimmer¬ 
temperatur nahm jedoch nach 4 Tagen der Rasen eine leicht 


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48 Über eine seuchenhafte Erkrankung bei 8ingvögeln. 

gelbliche Färbung an. Das Stäbchen wuchs noch bei 15° C., 
bei 8° wie bei 48° C. stockte die Vermehrung. In gefärbten 


Fig. 1. 
Deckglas¬ 
anstrich von der 
Reinkultur. 
Vergröfserung 
1 : 1000 . 


Präparaten, insbesondere von Gewebsausstrichen, trat häufig bei 
Färbung mit den gewöhnlichen Anilinfarbstoffen und Karbol- 
thionin eine stärkere Färbung der Polenden der Stäbchen auf 


Fig. 2. 

Fadenbildung. 

Kapselbildung. 


— Polfärbung. Schwierigkeiten bereitete die Feststellung, ob 
Eigenbewegungen von diesen Stäbchen ausgeführt würden. Ver¬ 
schiedentlich schien es, als ob im hängenden Tropfen von frischen 




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Von Stabsarzt Dr. v. Wasielewski und Stabsarzt Dr. W. Hoffmann. 49 

Kulturen Eigenbewegung vorhanden sei. In allen zuletzt darauf 
hin untersuchten Kulturen war aber deutlich nachweisbar, dals 



Fig. 8. 

Id der Mitte eine 
normale, zu bei¬ 
den Seiten stark 
vergröfserte mit 
nekrotischen 
Herden besetzte 
Milzen vom 
Kanarienvogel. 
Phot 1:1. 


diese Eigenbewegung durch eine sehr lebhafte zitternde und 
tanzende Bewegung der kleinsten Stäbchen vorgetäuscht wurde. 
Wenn auch in den Randpartien des hängenden Tropfens eine 



deutliche Ortsveränderung stattfand, so erfolgte dieselbe doch 
ausschließlich nach dem Rande des hängenden Tropfens hin, 
um hier sofort einzuhalten. Es ist deshalb wahrscheinlicher, dafs 

Archiv für Hyglena. Bd. XLVIL 4 


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50 Über eine seuchenhafte Erkrankung bei Singvögeln. 

die Eigenbewegung durch molekuläre Strömungen im Tropfen 
vorgetäuscht wurde, besonders da es bisher nicht gelang, das 
Vorhandensein von Geifseln färberisch nachzuweisen. 

Von besonderem Interesse war die Prüfung der Virulenz 
dieser Stäbchen, insbesondere wegen der eigenartigen Verände¬ 
rungen, welche durch dieselbe bei den Impftieren hervorgerufen 
wurden. Als empfänglich erwiesen sich verwandte Vogelarten: 
wie Sperlinge, Finken, Tauben und vor allem Kanarienvögel, da¬ 
neben aber auch Mäuse und Meerschweinchen. Es gelang da¬ 
gegen nicht, Ratten durch die Kulturen erheblich zu schädigen. 

Anfangs wurden die Übertragungen mit dem Material ver¬ 
änderter Organe gestorbener Tiere vorgenommen, und zwar er¬ 
hielten einige Tiere Organteile subkutan einverleibt. Hierbei 
verlief die Krankheit verhältnismäfsig langsam. Als die charak¬ 
teristischen Knötchen, die sich im mikroskopischen Bilde als 
ausschliefslich aus Bakterien zusammengesetzt erweisen, Buch¬ 
finken subkutan verimpft wurden, starben die Tiere nach 10 bis 
14 Tagen. Schneller erfolgte der Tod bei Einverleibung von 
Milzmaterial, welches in Bouillon verrieben war. Hier hatte die 
intramuskuläre Einspritzung den Tod nach 6 Tagen zur Folge. 
Eine Maus wurde durch subkutane Verimpfung des Milzmaterials 
nach 7 Tagen getötet. 

Von einer 24stündigen Bouillonkultur tötete ein halbes 
Kubikzentimeter, Buchfinken intramuskulär eingespritzt, in 3Tagen; 
schwächere Dosen hatten eine Verlangsamung des Krankheits¬ 
verlaufes bis zu 7 Tagen zur Folge. Sperlinge starben nach Ver¬ 
impfung von 2 Ösen einer 24stündigen Agarkultur in weniger 
als 24 Stunden; eine Taube starb nach 39 Tagen nach intra¬ 
muskulärer Einspritzung von J / 2 ccm Bouillonkultur mit den 
typischen Veränderungen an der Milz und Leber, stärkster Ab¬ 
magerung und positivem bakteriologischen Befund. Sehr em¬ 
pfindlich waren Mäuse. Von den frisch aus Vögeln isolierten 
Kulturen töteten x / 2 Öse in einem Tage, Vs VlO Öse in 2 Tagen. 
Schwächere Dosen bewirkten zwar eine Erkrankung der Mäuse; 
dieselben erholten sich jedoch wieder. Eine Ratte, welche mit 
einer Öse einer 24stündigen Agarkultur geimpft wurde, er- 


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Von Stabsarzt Dr. v. Wasielewski und Stabsarzt Dr. W. Hoffman n. 51 

krankte deutlich, erholte sich aber gleichfalls nach einigen Tagen. 
Ihr Serum zeigte in der Verdünnung von 1 : 100 deutliches 
Agglutinationsvermögen für die Bakterien. Ein Kaninchen, 
welches mit zwei Ösen geimpft wurde, erlitt keine erkennbaren 
Schädigungen. Durch längere Fortimpfung der Kulturen auf 
Agamährböden kam eine deutliche Abschwächung der Bakterien- 
Virulenz für Versuchstiere zustande. So bewirkte dieselbe Kul¬ 
tur, welche in l /io Öse eine Maus nach zwei Tagen getötet 
hatte, nachdem sie durch neun Generationen auf Agar weiter¬ 
gezüchtet war, auch in der Dosis von einer halben oder einer 
ganzen Öse auf Mäuse übertragen, nicht mehr den Tod der 
Versuchstiere. Aber wenn auch eine Abschwächung erfolgte, so 
konnten doch nach s / 4 Jahren frische Kulturen noch erhebliche 
und vor allen Dingen ganz spezifische Wirkungen bei allen Impf¬ 
tieren hervorrufen. Auch nach diesem Zeitraum führte Vio Öse, 
in den Brustmuskel gespritzt, den Tod eines Finken nach 4Tagen 
herbei. Eine Maus, die mit einer Öse geimpft wurde, starb 
nach 2 Tagen, eine andere, mit J / 6 Öse geimpft, nach 6 Tagen, 
die dritte mit V 10 Öse geimpft nach 9 Tagen. Dabei waren, 
was vor allen Dingen Beobachtung verdient, die charakteristischen 
Organveränderungen nach der Impfung ebenso ausgesprochen 
wie bei den vor s / 4 Jahren angestellten Versuchen. 

Diese Veränderungen bestanden, wie bei dem ersten Tier, 
in eigenartigen Nekrosen an der Impfstelle, welche nach Über¬ 
tragung sehr virulenten Materials fast stets nachweisbar waren. 
Unter Umständen konnten dieselben direkt zur Entstehung ge¬ 
schwulstähnlicher Massen führen, ohne dafs es in irgend einem 
Falle zu deutlicher Eiterbildung kam. Es handelte sich vielmehr 
stets um nekrotische Veränderungen des Gewebes uud um zum Teil 
sehr beträchtliche Anhäufungen der Bakterien Fig. 4. Bei chroni¬ 
schem Verlauf der Infektion ragte diese geschwulstmäfsige Nekrose 
der Impfstelle stark über das umliegende, manchmal ad maximum 
abgemagerte Gewebe. Als typische Erscheinung fiel bei den 
Sektionen die starke Füllung und dunkle Färbung des Herzens 
auf, in dem sich dicke Blutgerinnsel häufig vorfanden. Dem¬ 
nächst waren am charakteristischsten und fast stets ausgesprochen 

4 • 


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52 


Über eine seuchenhafte Erkrankung bei Singvögeln. 


die Veränderungen der Milz, welche, wenn die Krankheit länger 
als 3 Tage gedauert hatte, stets erheblich vergröfsert war, manch¬ 
mal um mehr als das Doppelte der normalen Länge und Breite 
Fig. 3. In dem meist dunkelrot gefärbten Milzgewebe waren 
zahlreiche gelbe Knötchen erkennbar, welche oft sehr dicht ge¬ 
drängt lagen, deutlich über die Oberfläche der Milz hervorragen 
konnten, aber auch auf dem Querschnitte traten im Innern des 
Milzgewebes angeordnete Herde hervor. Nicht mit gleicher 
Regelmäfsigkeit, aber verhältnismäfsig häufig, fanden sich an 
der Oberfläche der Leber kleine weifs-gelb erscheinende, bis¬ 
weilen über die Oberfläche hervorragende nekrotische Herde, 
welche auf Schnitten erkennen lielsen, dafs es sich auch hier 
im wesentlichen um eine Anhäufung zahlreicher Nester weifser 
gruppierter Stäbchen im nekrotischen Gewebe handle, dessen 
Nekrose wohl hauptsächlich die weifse Färbung des Knötchens 
bedingt. Eine erhebliche Ansammlung von Eiterzellen fehlte 
auch hier. Häufig wurde bei der Sektion Hepatisation ein¬ 
zelner Lungenteile nachgewiesen. Bei Impfungen von Mäusen 
bemerkte man ausnahmsweise auch in der Nierensubstanz die 
oben beschriebenen nekrotischen Herde. Bei Meerschweinchen 
Hessen die eigenartigen miliaren Knötchenbildungen der Milz 
den Verdacht auf Tuberkulose zu. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung bewies jedoch, dals Tuberkelbacillen nicht vorhanden 
waren. 

Die Verbreitung der Bakterien im Blut mufs nach dem Er¬ 
gebnis der Impfungen in geringem Mafse schon während des 
Verlaufes der chronischen Erkrankung als vorhanden angenom¬ 
men werden. Dabei wurde die Entwicklung der Malariaparasiten 
nicht erheblich beinträchtigt. Die Blutparasiten traten in typi¬ 
schen Zeiträumen auf, und da sich das Vorhandensein der Bak¬ 
terien in den ersten Fällen im rollenden Blut nicht vermuten 
liefs, so gab dies den Anlafs zu unbeabsichtigten Weiterver¬ 
breitungen der Bakterieninfektion. Im Herzblut gestorbener Tiere 
fanden sich stets vereinzelte Bakterien, die mikroskopisch sowohl, 
wie hauptsächlich durch Ausstrich des Blutes auf Agarnährböden 
nachweisbar waren. Gerade in den mit Alkohol fixierten und 


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Von Stabsarzt Dr. v. Wasielewski und Stabsarzt Dr. W. Hoffmann. 53 


mit Karbolthionin gefärbten Blutpräparaten zeigten die Bakterien 
eine verhältnismäfsig ausgesprochene Polfärbung. 

Zum Schlüsse ein kurzer Überblick über die einschlägige 
Literatur, soweit sie uns zugänglich war. 

Es ist keinem Zweifel unterworfen, dafs unser Stäbchen 
wegen seiner kulturellen und biologischen Eigenschaften in die 
Gruppe der hämorrhagischen Septicämien gehört, und dafs es 
sich durch den pathologisch-anatomischen Befund von dem in 
erster Linie in Betracht kommenden Erreger der Hühnercholera 
different erweist. 

Während bei der Hühnercholera die oben beschriebenen 
nekrotischen Funde in Milz, Leber, Nieren bei der Sektion nie¬ 
mals zur Beobachtung kommen, und hauptsächlich die massen¬ 
haften Ekchymosen in die serösen Häute (besonders ins Pericard) 
und hämorrhagische Enteritiden imponieren, haben wir letztere 
Erscheinungen in keinem Falle feststellen können. 

Infektiöse Erkrankungen bei Vögeln, insbesondere bei Ka¬ 
narienvögeln, beschreiben Ri eck 1 ) und Kern. 2 ) 

Ri eck hebt in seiner Arbeit besonders hervor (S. 77), dafs 
bei allen seinen Untersuchungen Veränderungen an der Milz 
nicht beobachtet werden konnten, während wir dieselben meist 
in nicht zu übersehender Weise stets feststellen konnten. Ferner 
beschreibt er als ein Hauptmerkmal eine rufsartige Verfärbung 
an der Hals-, Brust- und Bauchhaut der erkrankten Vögel. Wir 
konnten diese Erscheinung nicht ein einziges Mal beobachten. 
Die von ihm gefundenen Stäbchen stimmen in manchen Eigen¬ 
schaften mit den unsrigen überein, sind aber wegen ihrer »leb¬ 
haften Eigenbewegungc nicht identisch mit ihm. 

Der von Kern als Erreger einer iKanariencholera« gefun¬ 
dene Bacillus ist von dem unsrigen in vielem verschieden. 
Während Kern einen eigenartigen Geruch der Kulturen auf 
allen Nährböden verzeichnet, konnten wir bei unseren — fast 

1) Eine infektiöse Erkrankung der Kanarienvögel. Deutsche Zeitschr. 
f. Tiermedizin, Bd. XV, S. 68. 

2) Eine neue infektiöse Krankheit der Kanarienvögel (Kanariencholera). 
Deutsche Zeitschr. f. Tiermedizin, Bd. XXII, 6. 171. 


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54 Über eine Beuchenhafte Erkrankung bei Singvögeln. 



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Zusammenstellung der Hauptunterschiede der bisher veröffentlichten Xhnlichen Geflttgelseuchen. 










Von Stabsarzt Dr. v. Wasielewski and Stabsarzt Dr. W. II off mann. 55 

1 Jahr alten — Kulturen hiervon nichts bemerken; ferner ver- 
gfthrt, im Gegensatz zu unserem Stäbchem der Kern sehe Bacil¬ 
lus Traubenzucker und zeigt keine bipolare Färbung: nur bei 
ganz alten Kulturen auf erschöpften Nährböden erwähnt Kern, 
dafs hier und da bald nur das eine, bald beide Enden des Ba¬ 
cillus die Färbung angenommen hätten, worunter keinesfalls eine 
Polfärbung gemeint ist. 

Klein fand bei einer Epizootie der Moorhühner einen dem 
unsrigen ähnlichen Bacillus, über den er sich anfangs nicht klar 

war, ob er zu den Kokken oder zu den Bacillen gehört, da er 
meist sehr viele kokkenähnliche Gebilde und nur vereinzelt 
kleinste Stäbchen sah, eine Erscheinung, für die wir wohl oben 
die Erklärung gegeben haben. Wir können den Klein sehen 
Bacillus nicht mit dem unsrigen für übereinstimmend halten, da 
er ihn nie aus dem Herzblut züchten konnte; auch erwähnt er 
nur sein hauptsächliches Vorkommen in Leber und Lunge, nicht 
in der Milz, deren augenfällige Veränderung — wie in unseren 
Fällen — ihm sicher nicht entgangen wäre; auch spricht Klein 
diesem Stäbchen Eigenbewegung zu. Ferner züchtete Klein 
bei einer Hühnerseuche ein Stäbchen, das aber nicht auf Kar¬ 
toffeln wuchs und für Tauben nicht infektiös war, sonst aber in 
manchem dem unsrigen gleicht. 

Luc et 1 ) fand bei einer epizootischen Dysenterie beim Ge¬ 
flügel einen auch in unsere Gruppe gehörigen Bacillus, der jedoch 
auch nicht auf Kartoffeln wuchs, und der Meerschweinchen — im 
Gegensatz zu dem unsrigen — nicht infizieren konnte; er wurde 
im Blute, der Leber, den Nieren und der Milz gefunden. 

Schliefslich erwähnen noch Cornil und Toupet 2 ) einen 
dem Erreger der Geflügelcholera nahe stehenden Bacillus, den 
sie bei einer seuchenartigen Krankheit der Enten isoliert hatten. 
Auch hier beherrschten zahlreiche Ekchymosen der serösen 
Häute hämorrhagische Enteritis das pathologisch-anatomische Bild, 

was, wie schon erwähnt, wir in unseren Fällen niemals kon¬ 
statieren konnten; auch war es ihnen nicht möglich — selbst 

1) Annales de l’Instit. Pasteur, 1891, Nr. 5. 

2) Compt. rend., 1888, Bd. CVI, S. 1717. 


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56 Seuchenh. Erkrank, b. Singvögeln. Von Dr. Wasielewski u. Dr. HoSmann. 

nicht mit 2,0 ccm einer Bouillonkultur —, Tauben zu infi¬ 
zieren, wogegen es uns mit 0,5 ccm gelang, die Tauben zu 
infizieren, so dafs sie unter den spezifischen Krankheitser¬ 
scheinungen starben. 

Es bedarf keiner Erwähnung, dafs eine Ähnlichkeit mit 
der kürzlich von Ostertag und Wolffhügel 2 ) untersuchten 
»Hühnerpest«, bei der stets ein negativer bakteriologischer Be¬ 
fund erhoben wurde, nicht besteht. 

1) Monatshefte f. prakt. Tierheilkunde, Bd. XIV, Heft 2. 


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Über den Nachweis der Tuberkelbacülen im Sputum. 

Von 

Dr. med. A. Nebel, 

Assistent am Institute. 

(Aus dem hygienischen Institute der Universität Leipzig. Dir.: Geh. Med.- 
Rat Prof. Dr. Fr. Hof mann.) 

Die folgenden Beobachtungen und Versuche sind aus einem 
rein praktischen Bedürfnisse hervorgegangen. Seitdem mit der 
Errichtung von bakteriologischen Untersuchungsstationen, wie sie 
an verschiedenen hygienischen Instituten bereits bestehen und 
wohl noch weiter sich nötig machen werden, die Sputumunter¬ 
suchung mehr und mehr aus der Hand des praktischen Arztes 
in die einzelner Personen übergeht, erscheint es wohl gerecht¬ 
fertigt, nach einer Methode zn suchen, welche diesen speziellen 
Verhältnissen ebenso wie den wissenschaftlichen Anforderungen 
Rechnung trägt. 

Nun sind zwar im Laufe der Zeit für die Untersuchung ba- 
cillenarmer Sputa, ganz entsprechend der diagnostischen Be¬ 
deutung des Bacillennachweises bei beginnenden Formen der 
Tuberkulose, eine Reihe verschiedener Anreicherungsverfahren 
empfohlen worden, aber, wie schon aus ihrer nicht geringen An¬ 
zahl sich vermuten läfst, noch keines, welches vollkommen be¬ 
friedigt. 

Da ferner die Joch mann sehe Methode, die im Gegensatz 
zu allen übrigen eine wirkliche Vermehrung der im Aus würfe 
enthaltenen Tuberkelbacillen anstrebt, bei den durch den Trans¬ 
port, durch längeres Aufbewahren oder gar durch Zusatz von 


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58 Über den Nachweis der Tuberkelbacillen im Sputum. 

Desinfektionsmitteln stark veränderten Sputen keine Anwendung 
finden kann, so konnten weitere nach dem Prinzipe der mechani¬ 
schen Anreicherungsverfahren angestellte Versuche nur dann zu 
einer zuverlässigen und für die praktischen Zwecke brauchbaren 
Methode führen, wenn man daran festhielt, dieselbe unter Ver¬ 
meidung der den früheren Verfahren anhaftenden Mängel und 
Fehler von vornherein möglichst einfach zu gestalten. 

Es war also zunächst die Aufgabe, das zähschleimige, die 
Tuberkelbacillen in ungleichmäßiger Verteilung enthaltende 
Sputum in einfacher Weise'in eine dünne, vollständig homogene 
Flüssigkeit zu verwandeln, eine Aufgabe, die man bereits in sehr 
verschiedener Weise, auf mechanischem (Amann, van Ketel), 
fermentativem (Philipp, Spengler) und vor allem auf chemi¬ 
schem Wege (Biedert, Stroschein, de Lannoise und 
Girard) mit mehr oder weniger Erfolg zu lösen versucht hat. 
Da bei der Verwendung von Alkalien, wie Natronlauge, die Ho¬ 
mogenisierung nur unvollkommen, nur bei Anwendung hoher 
Hitzegrade und vor allem nicht ohne Schädigung der spezifischen 
Erreger eintritt, benutzte ich auf Anraten von Herrn Geh. 
Medizinalrat Prof. Dr. Hofmann an Stelle der Alkalien die 
alkalischen Erden, welche ebenso wie jene das Eiweis und den 
Schleim des Auswurfs in lösliche Verbindungen überführen, 
ohne dabei irgendwie schädlich auf die Tuberkelbacillen einzu¬ 
wirken. 

Mit Hilfe einer gesättigten Kalklösung, die man sich 
einfach und äufserst billig aus ungelöschtem Weifskalk hersteilen 
oder auch als aqua calcis aus der Apotheke verschaffen kann, 
gelingt es in der Tat, nach kurzer Zeit kräftigen Umschüttelns 
auch die zähesten Sputa zu einer vollkommen homogenen und 
dünnflüssigen Masse zu verwandeln, zu einer Flüssigkeit, in der 
die Keime zwar gleichmäfsig aber auch auf ein je nach der 
Menge des Kalkwasserzusatzes bedeutend gröfseres Volumen ver¬ 
teilt sind. 

Eine derartige Verdünnung ist jedoch nicht unbedenklich 
und überhaupt nur dann zulässig, wenn man sämtliche in der 
Flüssigkeitsmenge suspendierten Keime wieder auf ein möglichst 


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Von Dr. med. A. Nebel. 


69 


kleines Volumen einzuengen vermag. Der Wert, der zu diesem 
Zwecke empfohlenen Sedimentierungsverfahren wird daher von 
zwei Faktoren abhängig sein müssen, einmal von dem Verhält¬ 
nis zwischen den im Sedimente sich ansammelnden und den in 
der überstehenden Flüssigkeit zurückbleibenden Keimen und 
dann auch vom Volumen des Sedimentes. Methoden, die wie 
die van KeteIsche nur einen beschränkten Prozentsatz der 
Tuberkelbacillen — nach Hempel 42,5% — im Sedimente ent¬ 
halten oder auch einen Bodensatz liefern, der an Volumen nur 
wenig kleiner ist als die verwandte Menge des Originalsputums, 
sind für die Untersuchung bacillenarmer Sputa unzweckmäfsig 
und unbrauchbar. Die Unzulänglichkeit der bisher geübten Sedi¬ 
mentierungsverfahren wurde wohl deshalb nicht anerkannt, weil 
man nur immer danach strebte, ein Sediment zu erhalten, weil 
man dasselbe, ohne auf seinen absoluten Wert zu prüfen, als 
den wertvollsten Teil ansah und auf dessen Brauchbarkeit schlofs, 
wenn sich Tuberkelbacillen in ihm überhaupt nachweisen liefsen. 
Auf die über dem Sedimente stehende Flüssigkeit wurde meistens 
nicht geachtet, sie wurde abgegossen und mit ihr der gröfste 
Teil der im Sputum enthaltenen Keime für die Untersuchung 
unberücksichtigt gelassen. 

Da also weder nach den früheren Methoden eine zuverlässige 
Sedimentierung zu erreichen war, noch auch die Annahme sich 
bestätigte, dafs das Kalkwasser vielleicht schon bei Gegenwart 
geringer Kohlensäuremengen eine spontane Klärung des ver¬ 
flüssigten Sputums herbeiführen werde, so lag es nahe, zur Aus¬ 
schleuderung der Keime die Zentrifuge zu benutzen. Mit Hilfe 
der Centrifugalkraft erhält man tatsächlich schon in kurzer Zeit 
ein Sediment, das gegen das Oberwasser scharf abgegrenzt und 
fest am Boden sitzend meistens nur Vio Vö des Volumens des 
Ausgangsmaterials einnimmt, aber keineswegs sämtliche in der 
Flüssiglseitsmenge suspendierten Tuberkelbacillen enthält. Die 
Unzulänglichkeit der Wirkung und der Wert des Zentrifugierens 
für die Sedimentierung von Keimen überhaupt ist einmal daraus 
ersichtlich, dafs die nach 30 Minuten langem Zentrifugieren über 
dem Sedimente stehende trübe Flüssigkeit bei wiederholtem Aus- 


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Über den Nachweis der Tuberkelbacillen im Sputum. 


schleudern auch ihrerseits einen bacillenhaltigen Bodensatz 
liefert, und dann auch quantitativ dadurch festzustellen, dafe 
man die Keimzahl des einfach verflüssigten Sputums mit der 
des Sedimentes und der über demselben stehenden Flüssigkeit 
vergleicht. 

Von verschiedenen nach dieser Richtung ausgeführten Zäh¬ 
lungen sei nur eine herausgegriffen: Ein tuberkulöses Sputum 
wurde mit 10 Teilen Kalkwasser versetzt und nach vollständiger 
Homogenisierung vermittelst geeichter Platinösen der Zählung 
unterworfen. Es wurden jedesmal von drei Deckglaspräparaten je 
30 Gesichtsfelder gezählt und aus dem Mittel von 90 die Keim¬ 
zahl für 1 g Originalsputum berechnet. In der gleichen Weise 
wurden nach 10 Minuten langem Zentrifugieren das Sediment 
und die über demselben stehende Flüssigkeit untersucht. 

1,0 g dieses Sputums enthielt dann berechnet aus: 

1. dem einfach homogenisierten Sputum — 53.031200 

2. dem Sedimente.= 6.607000 

3. der überstehenden Flüssigkeit . . = 45.778000 
Tuberkelbacillen. 

Wiewohl diese Zahlen nur Mittelwerte darstellen und bei 
der Technik der Bakterienzählung auf mathematische Genauig¬ 
keit keinen Anspruch erheben können, so geben sie doch ein¬ 
mal für die Beurteilung der früheren als Anreicherungsverfahren 
empfohlenen Methoden einen sicheren Anhalt und dann auch 
Aufschlufs über den Wert des Zentrifugierens für das Ausschleu¬ 
dern von Keimen überhaupt. Übereinstimmend mit anderen 
Zählungen enthält nach obiger Angabe das Sediment, da es 1 j s 
der verwendeten Sputummenge betrug, nicht mehr Keime als 
ihm seinem Gewichte und seinem Volumen nach zukommt. Von 
einer wirklichen Anreicherung der Tuberkelbacillen im Sedimente 
und einem Vorteile des Zentrifugierens kann somit nicht die 
Rede sein. Damit stimmen auch die Angaben von Menzi und 
Heim überein. Ersterer benutzt das Zentrifugieren nur dazu, 
um nach Verreibung von Tuberkelbacillenreinkultur in steriler 
Bouillon aus dem klaren Oberwasser die Keime in möglichst feiner 


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Von Dr. med. A. Nebel. 


61 


und gleichmäfsiger Verteilung auf dem Nährboden zur Aussaat 
zu bringen. Ebenso gibt Heim an, dafs er in einem absicht¬ 
lich mit Typhusbakterien versetzten Wasser nach drei Minuten 
langer Ausschleuderung nicht mehr Keime im Bodensatz bekam 
als aus der Mitte und von der Oberfläche. 

Dafs das Zentrifugieren für die Sedimentierung der Bakte¬ 
rien erfolglos bleibt, ist nur durch die zu geringe spezifiche Ge¬ 
wichtsdifferenz der Keime einerseits, der Flüssigkeit anderseits 
erklärbar. Der Gedanke, durch Veränderung dieser physikali¬ 
schen Momente das Ausschleudern der Keime zu erleichtern, 
liegt daher sehr nahe und verdient wohl auch noch bei andern 
Flüssigkeiten genauer geprüft zu werden, als es hier mit Rück¬ 
sicht auf die praktischen Verhältnisse angezeigt erschien. Die 
Differenz der spezifischen Gewichte kann a priori auf zwei ver¬ 
schiedene Weisen gesteigert werden, entweder dadurch, dafs man 
das Gewicht der Flüssigkeit erniedrigt, oder auch dadurch, dafs 
man die Keime selbst belastet. Die Wahl der nach der ersten 
Richtung hin wirksamen Mittel war dadurch erschwert, dafs nur 
eine Flüssigkeit Verwendung finden konnte, die spezifisch leicht, 
in Wasser löslich, für die Keime, speziell die Tuberkelbacillen 
unschädlich ist und dann auch mit Eiweifs oder eiweifsähnlichen 
Körper keine unlöslichen Verbindungen eingeht. Der Zusatz von 
Alkohol in stärkerer Konzentration war daher ausgeschlossen; aber 
auch andere Mittel, wie Äther und Xylol, führten nicht zum Ziele, 
da diesen wiederum eine eigentliche Wirkung auf die in der Flüfsig- 
keit gelösten schleimigen Substanzen zukommt. Wenn man z. B. eine 
bestimmte Menge des verflüssigten Kalksputums mit x j 3 Volumen 
Äther oder Xylol durchschüttelt und zentrifugiert, so erhält man 
einmal ein Sediment und dann eine, je nach dem Schleimgehalte 
des Auswurfes wechselnd, dicke, schleimig - gallertige Schichte, 
welche als zusammenhängende, lockere Haut oben auf der noch 
trüben Flüssigkeit schwimmt. Zur Entscheidung der Frage, ob 
nun im Bodensätze eine wirkliche Anreicherung der Bakterien 
eingetreten ist, oder ob nicht vielleicht durch die schleimige 
Ausfällung die Keime mechanisch an die Oberfläche gezogen 
werden und so in jener lockeren, bei Ätherzusatz leicht ver- 


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Über den Nachweis der Tuberkelbacillen im Sputum. 


dunstenden Schicht gewissermafsen von der Flüssigkeit isoliert 
vorhanden sind, gibt auch hier wiederum die Untersuchung der 
Flüssigkeit den sichersten Anhalt. Da dieselbe noch reichlich 
Tuberkelbacillen enthält, so ist damit einmal bewiesen, dafs der 
Zusatz von Äther ein vollständiges Ausschleudem der Keime 
nicht ermöglicht, und dann, dals auch die einhüllende Wirkung 
des Äthers oder Xylols, die in der Chemie schon lange bekannt 
und von Zulkowski zur raschen Abscheidung schleimiger 
Niederschläge empfohlen worden ist, im vorliegendem Falle keine 
praktische Verwendung finden kann. Ebenso sind die Versuche, 
durch Zusatz von Chloroform die fetthaltigen Tuberkelbacillen 
selbst zu belasten und somit das Ausfallen derselben zu er¬ 
leichtern, erfolglos geblieben. 

Da nach diesen Versuchen das mit Kalkwasser verflüssigte 
Sputum trotz des Zentrifugierens die Eigenschaft einer Suspen¬ 
sion beibehält und eine völlige Trennung der Keime innerhalb 
der Flüssigkeit bis jetzt unmöglich erscheint, so handelte es sich 
weiterhin darum, die Flüssigkeit auf irgend eine Weise zu be¬ 
seitigen, um so sämtliche körperlichen Bestandteile isoliert und 
auf ein möglichst kleines Volumen eingeengt der Untersuchung 
zugänglich zu machen. 

Der einfachste Weg, die Flüssigkeit durch Verdunstung zu 
entfernen, ermöglicht allerdings eine gewisse Anreicherung der 
Keime insofern, als man nach Eintrocknen des Tropfens auf der 
gleichen Stelle des Deckglases immer von neuem verflüssigtes 
Sputum aufgeben und somit auf kleiner Fläche trotz der Ver¬ 
dünnung 3—5 mal mehr zur Untersuchung bringen kann als bei 
Verwendung des Originalmaterials; aber diese Methode hat 
den Nachteil, dafs mit der Verdunstung die in der Flüssig¬ 
keit gelösten Substanzen ausfallen und das mikroskopische Bild 
stören. 

Um nun die Flüssigkeit als solche zu beseitigen, sind physi¬ 
kalisch zwei Möglichkeiten gegeben. Man kann sie entweder 
durch Filtration oder auch durch Absorption von den Keimen 
zu trennen suchen. Für beide Methoden konnte naturgemäfs 
nur ein zuverlässiges, keimdichtes Filtermaterial Verwendung 


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Von Dr. med. A. Nebel. 63 

finden. Da der Ablauf der Filtration aufser vom Filtermaterial 
auch von der physikalischen Beschaffenheit des verflüssigten 
Sputums und vom jeweiligen Filtrationsdrucke abhängig ist, so 
mulsten sämtliche Faktoren beachtet und mit Rücksicht auf die 
praktische Verwendbarkeit des Verfahrens auch möglichst gün¬ 
stig gestaltet werden. 

Die Wahl des Filtermaterials war nach den bei der Wasser¬ 
filtration und der Gewinnung von Bakterienstoff Wechselprodukten 
gesammelten Erfahrungen nicht schwer, und die Zuverlässigkeit 
desselben läfst sich auch im einzelnen Falle sehr leicht und 
sicher auf kulturellem Wege feststellen. Da andere zu diesem 
Zwecke angefertigte Tonfilter (Eugen Hülsman - Altenbach 
b/Wurzen) kein keimfreies Filtrat lieferten, so kamen für die 
nachfolgenden Versuche nur die sogenannten Berkefeld-Filter zur 
Verwendung. 

Während es bei der Filtermasse weiterhin nur darauf an¬ 
kommt, Täuschungen durch etwaige Rückstände eines vorher 
untersuchten Auswurfs mit Sicherheit zu vermeiden sowie die 
Durchlässigkeit möglichst konstant zu erhalten, d. h. den ausge¬ 
fallenen kohlensauren Kalk durch Einlegen des Filters in 1—3°/ 0 
Salzsäure wieder zu lösen und dann das in den Poren und auf 
der Oberfläche zurückgebliebene Eiweifs mitsamt den Keimen 
durch Ausglühen zu verbrennen, bietet das homogenisierte Spu¬ 
tum selbst als Eiweifslösung für die Filtration nicht unerhebliche 
Schwierigkeiten. Wenn nun auch die direkten Versuche, durch 
Zusatz von Pancreatin das Eiweifs des verflüssigten alkalisch 
reagierenden Auswurfs in leicht filtrierbare Peptone zu verwandeln, 
bei dem langsamen Ablaufe des ganzen Prozesses zu keinem 
praktisch verwendbaren Resultate führten, so liefsen sich doch 
aus der beim Zentrifugieren des Kalksputums gewonnenen Er¬ 
kenntnis auch für die Filtration desselben nicht unwesentliche 
Gesichtspunkte ableiten. Da, wie bereits erwähnt, das durch 
Ausschleudern erhaltene Sediment nicht mehr Keime, als ihm 
seinem Volumen und Gewichte nach zukommt, wohl aber sämt¬ 
liche gröberen Elemente, wie Speisereste, Epithelien u. s. w., ent¬ 
hält, welche die Filtration erschweren, das Volumen des Filter-, 


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64 Über den Nachweis der Tuberkelbacillen im Sputum. 

Rückstandes nachteilig vermehren und die Klarheit des mikro¬ 
skopischen Bildes beeinträchtigen, so ist es sicher gerechtfertigt, 
für die Filtration nur die nach ca. 2 Minuten langem Zentrifu¬ 
gieren über dem Sedimente stehende Flüssigkeit zu verwenden, 
die zwar immer noch ein schwer filtrierbares, aber bei der äufserst 
gleichmäfsigen Verteilung der Keime selbst in geringen Mengen 
völlig zuverlässiges Material darstellt. 

Bei der Konstanz der beiden ersten für den Ablauf der 
Filtration wichtigen Faktoren war es weiterhin vor allem die 
Aufgabe, die zum Filtrieren nötige Kraft in einer Weise zu ge¬ 
winnen, welche die Handhabung der Methode auch mit relativ 
einfachen Mitteln gestattet, eine Aufgabe, deren Schwierigkeit 
noch dadurch gesteigert wurde, dafs man, um den Rückstand 
auch der Fläche nach möglichst einzuengen, an Stelle der übli¬ 
chen länglichen Filterkerzen kurze, von oben her teilweise gla¬ 
sierte Filterbecher benutzte, welche aufserdem ein bequemes Ver¬ 
arbeiten des Rückstandes unter Leitung des Auges gestatten. 
Da die gebräuchlichste Filtrationsmethode durch Absaugen mittels 
der Wasserstrahlpumpe erst nach Stunden zum Ziele führte und 
von einer Anwendung der sogenannten Überdruckfilter aus prak¬ 
tischen Gründen abgesehen werden mufste, so wurde es auch 
hier versucht, die Zentrifugalkraft direkt zum Filtrieren zu be¬ 
nutzen. So sehr dieses Verfahren seiner Bequemlichkeit wegen 
zur Filtration eiweifsfreier resp. peptonhaltiger Flüssigkeiten, wie 
Bouillon, Harn u. s. w., Empfehlung verdient, so kann es doch 
im vorliegenden Falle nicht in Frage kommen, weil ein 
stundenlanges Zentrifugieren zu viel Kraft und somit zu hohe 
Kosten beansprucht. 

Bei dem Suchen nach einer billigen Kraft mufste man dar¬ 
auf kommen, auch die Absorptionskraft poröser oder hygro¬ 
skopischer Substanzen für unsern speziellen Zweck zu verwenden. 
Da es sich hier im Gegensatz zu den früheren Filtrationsmethoden 
nicht darum handelt, ein Filtrat zu erhalten, sondern das Wesent¬ 
liche in der Gewinnung eines der weiteren Untersuchung bequem 
zugänglichen Rückstandes besteht, so war der nächste Gedanke 
der, an Stelle der zylindrischen Filter, welche nur eine geringe 


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Von l)r. mod. A. ttebel. 


65 


Masse und somit auch nur ein kleines Porenvolumen darstellen, 
kompakte, von dem gleichen keimdichten gebrannten Materiale 
hergestellten Filterklötze zu benutzen, welche eine ihrem Fassungs¬ 
vermögen entsprechende halbkugelige Vertiefung zur Aufnahme 
des verflüssigten Sputums besitzen. Trotz der bedeutenden, der 
Kapillarattraktion analogen Saugkraft derartiger fester trockener 
Filterklötze wird deren Wert doch dadurch herabgesetzt, dafs bei 
der gewaltigen inneren Oberfläche die Verdunstung nur langsam 
eintritt und die zur Erhaltung der Porosität notwendige Beseiti¬ 
gung der zurückgebliebenen Kalk- und Eiweifssubstanzen nicht so 
schnell und einfach sich vollzieht. 

Es lag daher sehr nahe, an Stelle der festen zum gröfseren 
Teile nur zur Flüssigkeitsaufnahme bestimmten Masse ein locke¬ 
res, nach dem Gebrauche leicht durch anderes trockenes ersetz¬ 
bares Material zu verwenden und zwar derart, dafs man die von 
Maafsen angegebenen Filterbecher in lockeren Gips einsetzte 
und letzteren die Flüssigkeit durch die zwischengeschaltene 
keimdichte Schichte des Filters ab- und aufsaugen liefs. 

Diese äufserst einfache und billige Anordnung ermöglicht es 
tatsächlich, in relativ kurzer Zeit sämtliche körperliche Bestand¬ 
teile des mit Kalkwasser verflüssigten Sputums von der Flüssig¬ 
keit als solcher zu trennen und somit einen Rückstand zu er¬ 
halten, der im Gegensatz zu den früheren durch Sedimentierung 
erhaltenen nach der ganzen Art des Verfahrens eine wirkliche 
Anreicherung der Keime, speziell der Tuberkelbacillen, aufweisen 
mufs und tatsächlich aufweist, wie am besten durch die mehr¬ 
fachen positiven Untersuchungsergebnisse bei Sputen bewiesen ist, 
bei denen die Durchmusterung selbst mehrerer Deckglaspräparate 
nicht zum Ziele führte. 

Der Gang der Untersuchung ist kurz folgender: 

Zunächst werden mehrere gleichmälsig dünne Deckglasprä¬ 
parate hergestellt und gleichzeitig in der Weise gefärbt, dafs sie 
auf einem durchbohrten Korke befestigt und somit schwimmend 
und in vertikaler Stellung mehrere Minuten der im Wasserbade 
jederzeit gleichmäfsig temperierten und vor Verdampfung ge¬ 
schützten Karbolfuchsinlösung ausgesetzt werden. Durch diesen 

Archiv für Hygitne. Bd. XLVH. 5 


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66 tjber den Ifachwei» der 'Tuberkelbacillen im Sputum. 

kleinen Kunstgriff werden Überhitzungen, Farbstoffniederschläge 
und vor allem das lästige Ablaufen der Farblösung mit Sicher¬ 
heit vermieden. 

Falls die Durchmusterung der direkten Ausstrichpräparate 
zu keinem positiven Resultate führt, wird zur Sicherung der 
Diagnose stets das obige Anreicherungs verfahren angeschlossen, 
welches zum Schlüsse kurz zusammen gef afst sei: 

1. In einem weithalsigen mit Gummistopfen sicher ver- 
schli$fsbaren Gefäfse wird das Sputum mit der 8 bis 10- 
fachen Menge klaren Kalkwassers versetzt und kurze Zeit 
kräftig umgeschüttelt. 

2. Nach vollständiger Homogenisierung wird das Sputum 
ca. 2 Minuten lang zentrifugiert. Wenn genügend Kalk¬ 
wasser zugesetzt ist, erhält man einen kompakten, scharf 
begrenzten und festsitzenden Bodensatz. 

3. Die über dem Sedimente stehende Flüssigkeit wird in 
einem keimdichten Berkefeld-Filterbecher von ca. 15 ccm 
Inhalt gegeben, welcher seinerseits in ein mit trockenem 
lockeren Gipse gefülltes Becherglas eingesetzt ist. 

4. Die Zeit der Filtration schwankt je nach der Verdünnung 
des Sputums: im allgemeinen sind 15 ccm in ca. 2 bis 
3 Stunden abgesaugt. 

5. Der durch Filtration erhaltene Rückstand wird durch 
Platinpinsel oder Gummiwischer, eventuell unter Zusatz 
eines Tröpfchens Wasser aufs Deckglas übertragen und 
in der üblichen Weise untersucht. 

6. Die mit Kalkwasser behandelten Tuberkelbacillen er¬ 
scheinen nach der gewöhnlichen Färbung im mikro¬ 
skopischen Bilde als vollkommen gleichmäfsig tingierte, 
scharf begrenzte, relativ kräftige Stäbchen; ebenso bleiben 
die weniger resistenten, für die prognostische wie thera¬ 
peutische Beurteilung des tuberkulösen Prozesses nicht 
unwesentlichen Keime, wie Streptokokken, Pneumo¬ 
kokken, Staphylokokken, Tetragenus etc. vorzüglich er¬ 
halten, wie es an den nach Gram gefärbten Präparaten 
ersichtlich ist. 


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Von t)r. med. A. Nebel. 


67 


7. Die Einfachheit und Billigkeit des Verfahrens läfst es 
ohne weiteres zu, eine ganze Reihe von Sputen neben¬ 
einander in den mit Gips gefüllten Bechergläsern zum 
Zwecke der Anreicherung aufzustellen. 

Zum Schlüsse sei Herrn Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Hof- 
mann für die freundliche Leitung und vielfache Unterstützung 
der aufrichtigste Dank ausgesprochen. 


Literatur. 

Jochmann, Hygienische Rundschau, 1900, Nr. 20. 

Amann, Zentralblatt f. Bakteriologie, I, Abt. 17, S. 513. 
van Ketel, Archiv f. Hygiene, 1892, S. 109. 

Philipp, Referat bei Czaplewski: Untersuchung auf Tuberkelbacillen, 
S. 76. 

Biedert, Deutsche med. Zeitung, 1891, Nr. 28, S. 333. 

Spengler, Deutsche med. Wochenschrift, 1895, S. 244. 

Stroschein, Mitteilungen aus Dr. ßrehmers Heilanstalt, 1889, S. 294. 
De Lannoise und Girard, Referat in Zeitschrift für Tuberkulose und 
Heilst&ttenwesen, Bd. I, Heft 4. 

Hempel, Untersuchungen über den Nachweis von Tuberkelbacillen und 
ihre Zählung im Sputum. Inaug.-Dissert., Leipzig, 1902. 

Menzi, Beitrag zur Züchtung und Biologie des Tuberkelbacillus. Zeitschr. 

f. Hygiene u. Infektionskrankh., 39, S. 407. 

Heim, Lehrbuch der Bakteriologie, S. 531. 

Zulkowski, Fresenius, Analyt. Chemie, 25, S. 211. 


5* 


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Über Eismilch. 

Von 

Dr. Bischoff, 

Oberarzt im ß. Königl. Sächsischen Infanterie-Regiment »Kronprinz« Nr. 104, kommandiert 
zum Hygienischen Institut der Universität Leipzig. 

(Aus dem hygienischen Institut der Universität Leipzig. Direktor: Herr 
Geheimrat Prof. Dr. Fr. H o f m a n n.) 

Der Verwendbarkeit der Milch ist eine enge Grenze gesetzt 
durch die schnelle und leichte Zersetzung, welche sie unter dem 
Einflufs von Mikroorganismen erleidet. Um diesem leichten 
Verderben der Marktmilch zu steuern, hat man einerseits grölseres 
Gewicht auf eine richtige Stallhygiene und reinliche Milchge¬ 
winnung gelegt, anderseits sind zu diesem Behufe aufser chemi¬ 
schen Mitteln, die ja allgemein zu verwerfen sind und nur zur 
Fälschung dienen, besonders Hitze und auch Kälte zur An¬ 
wendung gebracht. Das Verhalten der Milch nach Hitzeeinwirkung 
ist schon mannigfach untersucht. Über das zahlenmäfsige Ver¬ 
halten der Keime bei niederen Temperaturen sind mir keine 
Versuche bekannt geworden bis auf die Angabe Flügges in 
seinem Grundrifs der Hygiene, dafs auch bei niederen Tempe¬ 
raturen eine gewisse Vermehrung der Bakterien stättfindet, und 
dafs etwaige pathogene Keime selbst beim Gefrieren der Milch 
teilweise lebensfähig bleiben. Bei dem Aufschwung, den die 
Kälteindustrie in letzter Zeit genommen hat und bei dem hohen 
Wert der Milch als Nahrungsmittel folgte ich gern der Anregung 
meines allverehrten Chefs, Herrn Geheimrat Dr. Hof mann, 
einige Versuche und Beobachtungen über das Verhalten der 


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Über Eismilch. Von Dr. Bischoff. 


69 


Milch bei niederen Temperaturen zu machen. Herrn Geheimrat 
sei an dieser Stelle dafür bestens gedankt, ebenso der Leipziger 
Aktiengesellschaft für Kühlanlagen, welche mir ihre nach dem 
bewährten Lindeschen System ganz neu und vollkommen ein¬ 
gerichteten Kühlräume zu allen meinen Beobachtungen in der 
liebenswürdigsten Weise zur Verfügung stellte. 

Es standen mir während meiner Versuche vier verschieden 
temperierte Räume zur Verfügung: 

1. Der sogenannte Wildbretraum zwischen — 3 0 bis — 7° C. 
täglich schwankend, ein Raum, wo Wild und Geflügel 
zur längeren Konservierung aufbewahrt wird. 

2. Der Eisvorratsraum, in welchem das nicht sofort verkaufte 
Kunsteis gelagert wird, mit einer Temperatur zwischen 
— 1,5 und 0° täglich schwankend. 

3. Der sogenannte Butter- und Eierraum, der unter anderem 
zur Konservierung dieser Nahrungsmittel Verwendung 
findet und dessen Temperatur dauernd auf +0,5 bis 
+ 2° 0. aufrecht erhalten wird. 

4. Der sogenannte Pökelraum, in welchem in grofsen 
zementierten Behältern von Fleischern Fleisch zum 
Pökeln eingelegt wird, und in dem die dafür geeignete 
Temperatur von +6 bis +8° C. besteht.'* 

In allen Räumen wird die Temperatur durch die Verwaltung 
der Kühlanlagen an den hier befestigten Thermometern zur ge¬ 
nauen Betriebskontrolle täglich zweimal fortlaufend abgelesen und 
notiert. Zur weiteren Feststellung des Temperaturganges während 
der Nacht beziehentlich während der Schmierpausen der Ma¬ 
schinen wurden von mir in den obigen Räumen Registrierthermo¬ 
meter aufgestellt, welche die Temperatur ununterbrochen auf 0,5° 
Genauigkeit angaben. 

Meine Aufgabe war zunächst, in frisch bezogener Marktmilch, 
nach Bestimmung der vorhandenen Keimmenge, zu beobachten, 
wie sich die Entwicklung dieser die Milch rasch verändernden 
Organismen bei Einwirkung wechselnder, niederer Temperaturen 
verhält. Die zu diesem Zwecke erforderliche Keimzählung 


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70 


Über Eiemilch. 


geschah nach dem im Leipziger Hygienischen Institut üblichen 
Verfahren: 

Die zu untersuchende Milch wurde in sterile Tropfgläschen 
gefüllt, darauf die Tropfengröfse durch Abtropfen in ein 1 ccm 
fassendes Mefsgefäfs bestimmt. Von der Milch wurden ein bis 
zwei Verdünnungen angelegt, je nach der zu erwartenden Keim¬ 
zahl. Zu diesem Zwecke wurden die Tropfgläschen mit 50 ccm 
steriler Pepton Kochsalzlösung (1 % Pepton, 0,5°/ 0 NaCl) vorrätig 
gehalten. Bei frischer Milch wurde 1 ccm Milch auf 50 ccm 
Peptonwasser verwendet, bei eingetretener Keimvermehrung 
weniger, bis herab zu 2 Tropfen. Von dieser I. Verdünnung 
wurde eine II. Verdünnung angelegt (1 ccm Verd. I bis herab zu 
2 Tropfen auf 50 ccm Peptonwasser). Von beiden Verdünnungen 
wurden bei niedrigen Keimzahlen je 2, bei höheren von Verdünnung I 
nur 1, dann aber von Verdünnung II 3 Platten gegossen. Vor 
dem Hineintropfen der bestimmten Tropfenzahl in das Pepton¬ 
wasser wurde von diesem das gleiche Volumen abgeträufelt, um 
immer 50 ccm zu behalten. Gegossen wurden Gelatineplatten 
von neutraler Gelatine mit 1 % Traubenzuckergehalt. Die ein¬ 
zelnen Röhrchen wurden mit 2 Tropfen bis 1 ccm der betreffen¬ 
den Verdünnung beschickt. Die Platten blieben in Blechdosen 
bei Zimmertemperatur stehen; die Zählung der Keime erfolgte 
am 2. bis 3. Tage und zwar bei nicht zu stark besäten Platten 
mit Hilfe der Lupe, indem jeder gezählte Keim auf der Rück¬ 
seite der Platte mit Tinte bezeichnet wurde. Bei reichlicherem 
Wachstum (etwa von 600 Keimen an auf der Platte) wurden 
50 Gesichtsfelder, möglichst von allen Teilen der Platte, mikro¬ 
skopisch gezählt und die Keimzahl der Platte aus der Gesichts- 
feldgröfse des Mikroskopes und dem Flächeninhalt der Platte 
berechnet. Aus der Keimzahl jeder einzelnen Platte wurde nun 
unter Berücksichtigung der erfolgten Verdünnung die Keimzahl 
für 1 ccm Milch berechnet und von den sich ergebenden Zahlen 
der Mittelwert notiert. 

Die Zählungen ergaben, wenn alle Platten mit der Lupe ge¬ 
zählt werden konnten, auf 1 ccm Milch berechnet, annähernd 
gleiche Zahlen; difEerierten öfters etwas, wenn die Platte der 


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Von Dr. Bischoff. 


71 


I. Verdünnung mikroskopisch, die Platten der II. Verdünnung mit 
der Lupe gezählt werden mufsten. Bei einzelnen sehr hohen 
Keimzahlen war eine Zählung der von der I. Verdünnung ge¬ 
gossenen Platte auch mikroskopisch unmöglich, so dafs in diesen 
Fällen die Werte aus den Platten der II. Verdünnung, deren 
Zählung nur mikroskopisch möglich war, berechnet werden 
mufsten. — Bei Zählung mit der Lupe wurden übrigens auch 
die im Gelatineröhrchen auf dem Gelatinerest angegangenen 
Keime mitgezählt. 

Um noch einen anderen Mafsstab für das Verderben der 
Milch unter der Einwirkung der Keime zu gewinnen, wurde von 
der frischen wie von der aus den Kühlräumen entnommenen 
Milch die Säuremenge bestimmt, und zwar wurden zur Säure¬ 
titrierung 25 ccm Milch abpipettiert und aufgekocht; als Indika¬ 
tor diente Phenolphthalein, zur Titrierung Vio Normalkalilauge. 
Den Säuregehalt drücke ich in meinen Angaben in Milligramm 
S0 3 pro 100 ccm Milch aus. 

Zu den Versuchen diente Milch, die teils aus kleineren 
Milchgeschäften, teils aus einer Molkerei, teils direkt aus einem 
Kindermilch produzierenden Kuhstall bezogen wurde. Später 
ist bei den einzelnen Milchsorten über ihre Herkunft Näheres 
angegeben. 

Um die Milch in geschützter Weise in den Kühlräumen zur 
Lagerung bringen zu können, verfuhr ich auf verschiedene Art, 
um etwaige Unterschiede, die durch die Art der Lagerung be¬ 
dingt wären, erkennen zu können: 

1. Die Milch wurde in gewöhnliche Flaschen mit Druck- 
verschlufs, ähnlich den Bierflaschen, von einem halben 
Liter Inhalt gefüllt, verschlossen und in die betreffen¬ 
den Kühlräume verbracht (Milch I, II, III). Nach kräf¬ 
tigem Durchschütteln wurden Proben zur Säurebestim¬ 
mung und Keimzählung durch Abgiefsen entnommen. 

2. Die Milch wurde in Milchtransportkannen, wie sie im 
Handel üblich sind, von etwa 20 1 Inhalt in die Kühl¬ 
räume verbracht (Milch V und VIII). Zur Milchentnahme 


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72 


Über Eismilch. 


aus den Kannen diente ein steriles, an einem sterilen 
Faden aufgehängtes Tropfglas. 

3. Zum Zwecke fortlaufender Beobachtungsreihen wurde 
die in einer grofsen Flasche gleich eingekaufte Milch 
kräftig durchgeschüttelt und mittels sterilen Hebers in ste¬ 
rile Medizinfläschchen von 50 g Inhalt abgefüllt. Die 
Fläschchen waren vorher mit Watte verschlossen und, 
mit einer Fliefspapierhaube geschützt, eine halbe Stunde 
im strömenden Wasserdampfe sterilisiert worden. Nach 
dem Einfüllen wurden sie wieder in gleicher Weise 
verschlossen und in die Ktihlräume verbracht (Milch 
IV und VI). 

I. 

Betrachten wir zunächst das Verhalten der Keim- und 
Säurezunahme in den auf verschiedene Temperaturgrade abge¬ 
kühlten, aber nicht zur Gefrierung gebrachten Milchsorten. 

A. 

Um mit dem Verhalten der im Pökelraume bei einer Tem¬ 
peratur von +6 bis -j- 8 0 C. aufgestellten Milchsorten zu be¬ 
ginnen, so zeigen dieselben nur eine äufserst kurze Haltbarkeit, 
weil die Keimvermehrung nur unerheblich verlangsamt ist, und 
demzufolge die davon abhängige Säuregerinnung der Milch ziem¬ 
lich schnell eintritt. Für eine längere Aufbewahrung von Milch 
können also Temperaturen von 6 bis +8° C. nicht in Frage 
kommen. Die Keimzahlen (in Tausendern) und Säurezahlen er¬ 
geben folgendes Bild. Die Zahlen in Klammern geben die 
Anzahl der Tage seit Aufstellung der Milch an. 

I II III 

1050 58 mg S0 3 360 59 mg S0 3 1500 68 mg SO, 

300000 (4) 96 — ! ) 40400 74 — (3) 300000 240 — (4 ) l ) 

295000 198 — (7) 1 ) 272 —(7) 2 ) 

179000 250 — (10) 

294 — (14) 2 ) 

1) Gerinnt beim Kochen. 

2) Spontan geronnen. 


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Von Dr. Biachoff. 


73 


B. 

Eine nicht unwesentliche Verlängerung der Haltbarkeit der 
Milch vor Gerinnung sehen wir schon in dem auf + 0,6 bis 
+ 2°C. temperierten Raume auftreten. Um hier nochmals an 
die Variation der Versuchsanordnung zu erinnern, so wiederhole 
ich: Milch I, II, HI war in Halbliterflaschen aufgestellt, Milch IV 
in Fläschchen von 50 g Inhalt, Milch V in einer Milchtransport- 
kanne. 


Die Keim- und Säurezahlen dieser fünf Milchsorten zeigt 
folgende Tabelle (Keimzahl in Tausendern): 


a 

* 

i J 

n ! 

III 

IV 

V 

s 

Keim- 

mg 

Keim- 

mg 

Keim- 

mg 

Keim- 

mg 

Keim- 

mg 

2 

55 

zahl 

SO, 

zahl 

SO, 

zahl 

so. 

zahl 

so, 

zahl 

SO, 

0 

1060 

68 

360 

59 

1500 

68 

158 

56 

405 

70,4 

1 

— 


— 

— 

— 

— 

113 

57,6 

2 470 

73,6 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

77 

57,6 

3 925 

74,4 

3 

— 

— 

4 760 

67 

— 

— 

100 

62,0 

11860 

75,2 

4 

3600 

62 

— 

— 

160000 

120») 

— 

— 

— 

— 

7 

14 700 

83 

37 000 

74 

— 

— 

155 

64,0 

14200 

78,0 

10 

26000 

90») 

83 000 

101») 

— 

— 

17 000 

67,2 

36 000 

88,0 

14 

47 000 

178 

106 000 

110 

— 

— 

133 000 

73,6 

153000, 

108,8») 

17 

64 000 

208 

481000 

232 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

21 

89000 

245 

— 

272 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

26 

100000 

268 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


1) Gerinnt beim Kochen. 


Betrachten wir zunächst die Anfangskeimzahlen der Milch¬ 
sorten I—V, so erkennt man, dafs derselben Keimzahl nicht der 
gleiche Säuregrad zu entsprechen braucht: Milch I und III haben 
fast dieselbe Anfangskeimzahl, während III einen bedeutend 
höheren Säuregrad aufweist; weiter haben I und II fast die¬ 
selbe Acidität, dabei I eine fast dreimal so hohe Keimzahl. Dafs 
die Acidität direkt von der Keimzahl abhängt, ist ja von vorn¬ 
herein nicht zu erwarten, da ja nicht allein Säurebildner in der 
Milch Vorkommen, und da die Verunreinigung der Milch mit 
Bakterien auf die verschiedenste Weise und auch zu verschie¬ 
dener Zeit zu stände gekommen sein kann. Ja gesetzt selbst, 


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74 


Über Eismilch. 


dafs die Milch nur Säurebildner enthielte, oder diese hätten 
wenigstens die Oberhand, so ist es sehr wahrscheinlich, dafs ver¬ 
schiedene Stämme desselben Keimes unter sonst gleichen Um¬ 
ständen mit verschiedener Energie Säure bilden, ein Faktor, der 
den Wert der Keimzahl als Mafsstab für Güte und Haltbarkeit 
der Milch noch mehr herabdrückt. Dafür bleibt der Säuregehalt 
der beste Indikator, wenigstens bei ungekochter Milch und bei 
diesen Temperaturen. 

Auch bei der längere Zeit aufbewahrten Milch läfst sich kein 
Anhalt für die direkte Abhängigkeit der Acidität von der abso¬ 
luten Keimzahl gewinnen; die Zunahme der Acidität hält nicht 
gleichen Schritt mit der Zunahme der Keime. 

Über die Grenze der Acidität, bei welcher die Säuregerin¬ 
nung der Milch beim Kochen eintritt, geben uns Milch I und V 
Auskunft: Milch V ist bei 88 mg S0 3 noch nicht geronnen, 
während Milch I bei 90 mg S0 3 geronnen ist. Nehmen wir die 
dazwischen liegende Acidität von 89 mg S0 3 als Grenze der 
Haltbarkeit an, so ergäbe sich für Milch III eine Haltbarkeit 
von 1—2 Tagen, für Milch I, II und V eine Haltbarkeit von 
etwa 6—10 Tagen, für Milch IV eine Haltbarkeit von sicherlich 
über 14 Tagen. Milch I, II und III wurden in einer kleinen 
Milcbhandlung gekauft, und weifs ich ihr Alter vor der Auf¬ 
stellung nicht anzugeben, Milch V sollte nach Angabe der Mol¬ 
kerei vom Abend vorher stammen, Milch IV wurde aus einem 
hiesigen Kuhstall, der Kindermilch produziert, direkt nach dem 
Melken geholt und etwa 4 Stunden darauf in den Kühlräumen 
aufgestellt. Die offenbar frischeste Milch zeigt also das günstigste 
Verhalten, eben weil sie sehr schnell nach ihrer Gewinnung, 
also sicherlich noch im sogenannten Inkubationsstadium der Bak¬ 
terienentwicklung aufgestellt wurde. Nach der Acidität zu 
schliefsen, müssen wir dies aber auch von Milch I und II an¬ 
nehmen, die jedoch nur eine halb so lange Haltbarkeit zeigt. 
Ein beachtenswerter Grund für die längere Haltbarkeit von 
Milch IV im Vergleich zu Milch I und II ist mit hoher Wahr¬ 
scheinlichkeit in einer reinlicheren Milchgewinnung zu suchen, 
in einem Kindermilchstalle, der unter städtischer Kontrolle steht. 


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Von Dr. Biechoff. 


75 


Den Hauptgrund sehe ich jedoch in der Versuchsanordnung. 
Selbstverständlich kann bei einer Aufstellung in kleinen Fläsch¬ 
chen die Durchkühlung des ganzen Milchquantums viel schneller 
erfolgen als in den grösseren Flaschen oder gar in der Milch¬ 
kanne. Wie wichtig die Schnelligkeit der Durchkühlung ist, 
ersieht man daraus, dafs bei Milch IV in den ersten Tagen so¬ 
gar eine Keimverminderung hervortritt, die man bei Milch V 
nicht beobachten kann. Offenbar erfolgt in dem grofsen Milch- 
gefäfs die Durchkühlung zu langsam, so dafs vorher noch eine 
Keim Vermehrung stattfindet. Haben sich die Keime der kälteren 
Temperatur angepafst, setzt eine fortschreitende Vermehrung ein. 
Die Schnelligkeit der Durchkühlung ist aufser von dem Quantum 
noch abhängig von der Temperatur der Milch, die sie zur Zeit 
der Aufstellung zeigt. Milch II und V hatten bei der Aufstel¬ 
lung eine Temperatur von 18 °C., Milch III, die an einem sehr 
heifsen Tage aufgestellt wurde, eine Temperatur von 28° C. 
Da naturgemäfs längere Zeit dazu gehört, eine wärmere Milch 
bis zur Temperatur des Raumes abzukühlen als eine schon 
kühlere, so haben die Keime längere Zeit eine für ihre Ver¬ 
mehrung günstigere Temperatur zur Verfügung und führen dem¬ 
entsprechend schneller die Säuregerinnung herbei. 

Während ich oben als Grenze der Säuregerinnung beim 
Kochen eine Acidität von 89 mg S0 8 angeben konnte, trat die 
Spontangerinnung in den Kühlräumen relativ spät ein. Brachte 
ich die in die Tropfgläschen abgefüllte Milch in das ziemlich 
warme Maschinenhaus, wo zur Keimzählung die Platten gegossen 
wurden, so konnte ich aus den Tropffläschchen noch abtropfen, 
ohne durch Gerinnsel gestört zu werden. Doch schon nach 
kurzer Zeit trat eine flockige Gerinnung ein. Manche 'Milch¬ 
proben, die dann vor der Säurebestimmung aufgekocht wurden, 
gerannen bereits nach kurzer Erwärmung, andere erst kurz vor 
dem Aufkochen resp. durch das Kochen. Es besteht mithin bei 
der Gerinnung ein Zusammenhang zwischen Säuregehalt und 
Temperatur, wie ja auch von Conradi 1 ) für die Kaseinfüllung 

1) Münchner med. Wochenschrift, 1900, S. 176. 


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76 


Über Eismilch. 


durch Na 2 C0 3 ein Zusammenhang zwischen Temperatur und 
Na 2 CO 3 Gehalt nachgewiesen ist. 

Der Geschmack der Milch bleibt die erste Zeit derselbe wie 
bei der Aufstellung. So behielt Milch IV ihren guten normalen 
Milchgeschmack 3 Tage lang unverändert, während dann ein 
fettigranziger Beigeschmack auftrat. Später wird die beginnende 
Säuerung erkennbar bis zu stark sauerem Geschmack. 

C. 

Eisvorratsraum zwischen — 1,5 und 0°C. täglich regelraäfsig 
schwankend. 

In diesem Baume waren zwei Milchsorten aufgestellt (Milch 
IV und VI) und zwar in Fläschchen von 50 g Inhalt. Bei dem 
erwähnten regelmäfsigen Temperaturgange war die Milch in den 
Fläschchen nie gefroren, obwohl ja der Gefrierpunkt der Milch 
nach Winter 1 ) zwischen —0,55 und 0,57° liegt. Es ist also 
hier die niedrigste Temperatur auf die Milch zur Einwirkung ge¬ 
kommen, bei der die Milch nicht in den fest gefrorenen Zustand 
übergeht. 

Die Keimzahlen (in Tausendern) und die Säurezahlen zeigen 
folgendes Verhalten: 


Tage 

Milch IV 

Milch VI 

Keimzahl 

mg SO, 

Keimzahl 

mg SO, 

0 

158 

66,0 

200 

64,0 

1 

82 

58,0 

158 

64,0 

2 

77 

58,0 

178 

66,6 

3 

53 

60,0 

299 

67,2 

4 

— 

— 

900 

67,2 

7 

25 

61,0 

19 770 

70,4 

10 

76 

62,0 

— 

— 

14 

1956 

66,0 

260000 

72,0 

21 

— 

— 

770000 

73,2*) 

8 Wochen 

750000 

220,0*) 

— 

— 


2) Gerinnt beim Kochen. 


Die Milch zeigt also im wesentlichen dasselbe Verhalten 
wie im Butter- und Eierraum; nur führt die schon dort bei 

1) Winter, Molkereizeitung, Berlin, 1896, S. 64. 


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Von Dr. Bischof?. 


11 

Milch IV hervorgetretene Keimverminderung zu niedrigeren Zahlen 
und halt länger an; nach 6 Tagen ist die niedrigste Zahl erreicht, 
nach weiteren 8 Tagen jedoch die ursprüngliche Keimzahl schon 
reichlich auf das Zehnfache angewachsen. Auch die Acidität 
steigt in flacherer Kurve, so dafs sich also eine verlängerte Halt¬ 
barkeit für Milch IV ergäbe. Milch VI bietet in sofern ein etwas 
verschiedenes Verhalten, als bei ihr die Keim Verminderung nur 
für kurze Zeit hervortritt, was sich wohl zum Teil daraus er¬ 
klärt, dals die Milch beim Aufstellen nicht mehr ganz frisch war, 
zum andern Teil daraus, dafs sich in ihr andere, widerstands¬ 
fähigere Keime in der Überzahl befanden. Eine weitere Eigen¬ 
tümlichkeit bietet der niedrige Säuregrad, bei dem die Gerinnung 
eintritt. Offenbar hat hier eine andere Bakterienflora die Ober¬ 
hand gewonnen und ihrerseits durch Fermentbildung die Ge¬ 
rinnung unterstützt, was auch der bittere Geschmack der Milch 
wahrscheinlich macht, der beim Aufstellen noch nicht hervortrat. 
Ob diese Milch etwa vorher seitens der Molkerei, von der sie 
bezogen war, pasteurisiert war und dadurch ein Überwuchern 
der Bakterien der bitteren Milch über die Säurebildner begünstigt 
worden ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. 

Gleich zusammenfassen will ich das Verhalten der gekochten 
Milch, die im Butter- und Eierraum einerseits und im Eisvorrats¬ 
raum anderseits aufgestellt war, da sie in beiden Räumen ganz 
dasselbe Verhalten zeigte. Milch IV und eine neue Milch VII 
wurden nach dem Abfüllen in sterile Medizinfläschchen von 50 ccm 
Inhalt 10 Minuten lang im strömenden Wasserdampf sterilisiert. 
Die schon mehrfach erwähnte Milch IV hatte ungekocht einen 
Anfangskeimgehalt von 158000 Keimen, Milch VII von 32 Mil¬ 
lionen bei einer Acidität von 75 mg S0 3 und bot einen unan¬ 
genehmen heuähnlichen Beigeschmack. Am 25. VII. 02 war die 
im Eisvorratsraum aufgestellte gekochte Milch IV gefroren; das 
Registrierthermometer notierte als niedrigsten Stand am 24. VII. 
eine Temperatur von —2,3° C. Wie schon oben erwähnt, war 
die unmittelbar daneben stehende ungekochte Milch IV, die sich 
also in gleichen Gefäfsen befand, unter den gleichen Verhält¬ 
nissen nicht gefroren. Die Acidität der ungekochten betrug am 


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78 


Über Eismilch. 


25. VII. 66 mg S0 8 , die der gekochten 54 mg S0 8 . Da nach 
Winter die Säuerung den Gefrierpunkt herabdrückt, so muls 
man annehmen, dals dies der Grund für das verschiedene Ver¬ 
halten der beiden Milchsorten sei.. Es ist aber auch zu er¬ 
wägen, ob nicht die in der gekochten Milch befindlichen Albu¬ 
mingerinnsel als körperliche Elemente die Eisbildung wesentlich 
beförderten, während diese in der homogenen ungekochten Milch 
fehlten. 

Gelatineplatten, die mit 2—5 Tropfen Milch besät waren, 
blieben steril; auch nach 14tägigem Stehen der Milch gingen 
keine Keime an. Milch IV zeigte noch den süfslichen Koch¬ 
geschmack unverändert. Bei einer erneuten Untersuchung nach 
12 Wochen war der Geschmack unangenehm süfslich, die Acidi¬ 
tät war unverändert, die angelegten Platten blieben steril. Von 
Milch VII waren die übrig gebliebenen fünf Fläschchen geronnen 
und zwar zeigte sich an der Milchoberfläche eine weifse krüme¬ 
lige Schicht, in der Mitte grünlichgelbe Flüssigkeit, am Boden 
des Gefäfses gelblich weifse flockige Massen; der Geschmack war 
unangenehm kratzig beifsend. Eine Keimzählung unterblieb, 
weil sie wegen der Gerinnsel doch keine verläfslichen Resultate 
gegeben hätte. Während also Milch IV gekocht längere Zeit zu 
konservieren war, war das bei Milch VII nicht möglich, wahr¬ 
scheinlich wegen einer widerstandsfähigeren Bakterienflora. 

II. 

Eismilch. 

Während in den bisherigen Beobachtungen die Milch dau¬ 
ernder Kälteeinwirkung ausgesetzt war, jedoch ohne zur Ge- 
frierung gebracht worden zu sein, wurde sie jetzt in dem — 3° 
bis —7 0 C. temperierten Wildbretraum zur festen Gefrierung ge¬ 
bracht. Und zwar wurde eine etwa 20 1 fassende Milchtransport¬ 
kanne zur Aufstellung gebracht, um hieran den Gang des Ge¬ 
frierens und die Schnelligkeit der Durchkühlung verfolgen zu 
können. Die Milch sollte früh gemolken sein und wurde noch an 
demselben Vormittage aufgestellt. Sie bot eine Anfangskeim¬ 
zahl von 3125000 Keimen und eine Acidität von 61 mg S0 8 . 


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Von Dr. Bischof!. 79 

In der Mitte der Milchkanne wurde zur Kontrolle der Durch¬ 
kühlung ein Thermometer aufgehängt. Die Temperatur der 
Milch betrug beim Aufstellen 18° C., nach 6 Stunden war 
eine Abkühlung bis 12° C., nach 11 Stunden bis +1°C. einge¬ 
treten. Nach 24 Stunden war die Oberfläche mit einer dünnen 
Eisscholle bedeckt; das Thermometer zeigte — 1° C.: an den 
Wandungen der Kanne fühlte man mit dem Thermometer 
knirschende Schneemassen. Aus der Mitte wurde mit einem 
an einem sterilen Faden gebundenen Tropfgläschen Milch zur 
Keimzählung und Säurebestimmung entnommen. Nach 48 Stun¬ 
den hatte sich auf der Milch erneut eine Eisscholle gebildet, 
nach deren Durchbrechung wieder Milch aus der Mitte, da die¬ 
selbe noch nicht gefroren war, entnommen werden konnte. Das 
in diesem ungefrorenen Teil der Milch hängende Thermometer 
zeigte — 3° C. Nach 3 Tagen war noch eine fünfmarkstück- 
grofse Fläche ungefroren, aus der wieder Milch entnommen 
wurde. Nach 6 Tagen fand ich die Milch so fest gefroren, dafs 
das Thermometer nicht herausgezogen werden konnte. Die Mitte 
der Oberfläche zeigte sich pilzkuppenförmig vorgewölbt, bot 
buttergelbes Aussehen und fühlte sich wie Butter an. 

Die jeweils aus der Mitte entnommene Milch ergab folgende 
Keimzahlen in Tausendern und folgende Acidität: 

Milch VIII 


Tage 

Keimzahl 

mg S0 3 

0 

3130 

61,0 

1 

3125 

68,0 

2 

659 

72,0 

3 

563 

88,0. 


Nach 6 tägigem Aufenthalt der Milch in dem Gefrierraum 
wird die Milchkanne zum Zwecke des Auftauens in Wasser von 
ca. 80° C. gestellt. Das Auftauen erfolgt selbstverständlich vom 
Rande her und von unten. Dabei lösen sich jedoch auch von 
der Oberfläche gelbe, butterähnliche Fettklümpchen ab, die in 
der aufgetauten Flüssigkeit herumschwimmen. Nachdem so weit 
abgetaut ist, dafs der Testierende Eisklumpen durch die Öffnung 


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80 


Über Bismilch. 


der Kanne geht, wird er herausgenommen. Er zeigt eine un¬ 
regelmäßig rauhe Oberfläche mit zahlreichen seichten Rillen, 
die den Eindruck machen, als sei zwischen den Eiskristallen 
etwas (vielleicht das Fett und Kasein) mechanisch eingeschlossen 
gewesen und beim Auftauen schneller abgeflossen. Beim Zer¬ 
schneiden des Eisklumpens erweisen sich die Randteile ziemlich 
spröde, so daß Eiskristalle abspringen; nach der Mitte zu dringt 
das Messer viel leichter in die viel weicheren Massen ein. Auf 
dem Durchschnitte kann man einen bläulich weißen Rand er¬ 
kennen, von dem aus die Farbe, mit Hellcreme beginnend, nach 
der Mitte zu in ausgesprochenes Buttergelb übergeht. Von dem 
bläulichweißen Rande reichen auch einige Spangen palmetten¬ 
artig in die gelbe Mitte hinein. Wie also schon aus der Be¬ 
sichtigung zu erkennen, findet durch das Gefrieren eine voll¬ 
ständige Entmischung der Milch statt, die auch Siegfeld 1 ) 
schon untersucht hat. Zunächst rahmt die Milch auf, so daß 
also der eine Teil des Milchfettes sich an der Oberfläche be¬ 
findet. Zum andern gefriert nicht die Milch als Ganzes, sondern 
von den Rändern der Kanne her, wo die Abkühlung durch 
Leitung zuerst erfolgt, gefriert das Wasser aus der Milch heraus, 
hin und wieder Bestandteile der Milch zwischen den Eismassen 
mechanisch einschließend, während die konzentrierter werdende 
Lösung der Milch nach der Mitte zu gedrängt wird. Dies spricht 
sich erstens in dem schon bei bloßer Besichtigung festzustellen¬ 
den höheren Fettgehalt des gelben Kernes des Milcheises aus. 
Zweitens findet die zunehmende Acidität darin ihre Erklärung, 
daß durch das Ausfrieren des Wassers in der Mitte eine kon¬ 
zentriertere Lösung der saueren Salze der Milch auftreten muß. 
Natürlich ist, wie auch die Säurezahlen der Milch VI weiter 
unten zeigen werden und wie auch die Abnahme der Keime 
zeigt, nicht an eine bakterielle Säureproduktion zu denken. Auch 
erklärt es sich aus der Acidität, daß die Milch hier als konzen¬ 
triertere Salzlösung in der Mitte bei — 3 0 C. noch nicht gefroren 
ist, ein Umstand, der für eine praktische Verwertung der Milch- 


1) Siegfeld, Molkereizeitung, Hildeeheim, 1899, S. 491. 


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Von Ihr. feischotf. 


81 


gefrierung von hoher Bedeutung sein mufis. Denn je gröfser das 
Milchquantum, das man gefrieren will, ist, desto konzentrierter wird 
der in der Mitte verbleibende Teil werden, eine desto niedrigere 
Temperatur mufs man anwenden, um diesen letzten Rest zum 
Gefrieren zu bringen. Dies bildet also den Hauptgrund für das 
schwierige Durchfrieren, weniger die erschwerte Leitung der 
Kälte durch die bereits gefrorene Milch. Es ist also unöko¬ 
nomisch und unvorteilhaft, grofse Milchquanten durchfrieren zu 
wollen, eine Schwierigkeit, die Ingenieur Bernstein 1 ) durch 
Einsetzen eines Rohres in die Mitte der Milch zu überwinden 
versucht hat. 

Auf die Keimzahlen der Milch VIH vermag ich keinen grofsen 
Wert zu legen, da sie uns ja kein Bild von dem Verhalten einer 
vollständig durchfrorenen und gleichmäfsigen Milch geben kön¬ 
nen. Um die Keimzahlen in vollständig und rasch durchgefro¬ 
rener Milch zu ermitteln, wurde Milch VI in 15 Medizinfläsch¬ 
chen von 50 g Inhalt aufgestellt. Schon nach einem Tage war 
die Milch darin fest gefroren, ohne dafs ein einziges Fläschchen 
zersprungen wäre. In allen Fläschchen zeigte sich oben eine 
gelbliche undurchsichtige Schicht aufgerahmten resp. herausge¬ 
triebenen Milchfettes, der untere Teil hatte das Aussehen von 
durchscheinendem grünlichem Milchglas und zeigte Eiskristalle 
wie Eisblumen an gefrorenen Fensterscheiben. Die Keimzahl 
(absolute Zahlen) und Acidität zeigt folgendes Verhalten: 



Milch 

VI. 


22. IX. 

200000 

64 mgr 

so, 

23. IX. 

105500 

62.4 » 

» 

24. IX. 

72300 

62,4 » 

1 

25. IX. 

62000 

64,0 » 

1 

26. IX. 

46400 

64,0 » 

1 

29. IX. 

44600 

64,0 » 

» 

6. X. 

40500 

62,4 » 


13. X. 

30300 

61,8 » 

> Flöckchen 

27. X. 

22500 

61,8 i 

» reichlich > 

10. XI. 

14200 

60,2 > 

> > > 


1) Molkereizeitang, Hildesheim, 1901, S. 310 u. 398. 

Archiv fhr Hygiene. Bd. XLVII. 6 


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Über Gismilch. 


8Ö 

j „Von den Aciditätszahlen, die einen wechselnden Säuregehalt 
aogeben, möchte ich glauben, dals sie innerhalb der Fehlergrenze 
der Methode schwanken, wenn man berücksichtigt, dals die 
Zahlen das Vierfache eines etwaigen Titrationsfehlers angeben. 
Es ist auch möglich, dafs sich infolge Flöckchenbildung besonders 
bei den letzten Zahlen durch Abpipettieren eines ungleichen 
Milchgemisches ein Fehler eingeschlichen hat. Eine wirkliche 
Abnahme des Säuregehaltes vermöchte ich nicht zu erklären. 

Zum Plattengiefsen wurde die Milch in einem Wasserbade 
von .20—30° unter häufigem Umschütteln aufgetaut. In den 
ersten Tagen machten sich nur spärliche Flöckchen bemerkbar, 
die das Abtropfen aus den Tropfgläsem nicht störten. Die Flöck¬ 
chen nahmen stetig zu, bis nach knapp 4 Wochen die aufgetaute 
Milch fast wie geronnen aussah. Beim Abtropfen verstopften 
sich jetzt die Tropfgläser, so dafs die Tropfengröfse sehr variierte 
und die letzten Keimzahlen deshalb nicht verläfslich sind. 
Soviel läfst sich jedoch mit Sicherheit aus den Zahlen ent¬ 
nehmen, dafs zu Anfang eine erhebliche Abtötung der Keime 
stattfijidet, und dafs dann keine Vermehrung der übrig gebliebe¬ 
nen statthat. 

Verhalten der längere Zeit gefrorenen Milch. 

Wie schon mehrfach erwähnt, erfährt die Milch durch das 
Gefrieren tiefgreifende physikalische Veränderungen. Um davon 
ein genaueres Bild zu bekommen, wurden 10 Halbliterflaschen 
Milch aufgestellt und in kurzen Zwischenräumen aus den Kühl¬ 
räumen entnommen. Die gefrorene Milch zeigte eine scharf ab¬ 
gesetzte Rahmschicht und einige Flaschen in der Mitte der 
Oberfläche eine flache Hervorwölbung. Am Boden der Flaschen 
waren mehr oder weniger bräunliche Massen zu sehen, augen¬ 
scheinlich zu Boden gesunkener Milchschmutz. Die Milch wurde 
abends aus dem Kühlraum entnommen und ins warme Zimmer 
gebracht, wo sie früh bei ruhigem Stehen aufgetaut war. Die 
ersten Tage zeigte sich, auf der Oberfläche schwimmend, die 
krümelige Rahmschicht. Nach 14 Tagen traten aulser den oben 
schwimmenden krümeligen gelben Massen am Boden, etwa ein 


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Von Dr. Bischoff. 


83 


Drittel des Inhalts einnehmend, lockere weilsliche Flöckchen auf. 
Die Milchflüssigkeit zwischen diesen beiden Schichten hatte ein 
gelbliches Aussehen und war durchscheinend. Einige Male 
schwammen an der Oberfläche nur wenige am Rande der Flasche 
hängen gebliebene Gerinnsel, während sonst alles zu Boden ge¬ 
sunken war. Wurde die Milch durchgeschüttelt, so trat darnach 
nie wieder eine so starke Entmischung ein, dafs die Milchflüssig¬ 
keit durchsichtig erschienen wäre. Ein Versuch, die Milch¬ 
flüssigkeit von den Flöckchen durch Filtrieren zu trennen, 
scheiterte daran, dafs die Flüssigkeit äufserst langsam filtrierte, 
und dafs das wenige Filtrat, nach dem weifslichen Aussehen 
zu schliefsen, wahrscheinlich schon wieder gelöste Bestandteile 
enthielt. 

Wir sehen also zweierlei von einander zu unterscheidende 
Veränderungen in der gefrorenen Milch auftreten. 

1. Zunächst zeigt sich eine Entmischung der gefrorenen 
Milch dadurch, dafs das Fett durch das Gefrieren fest 
wird und auch nach dem Auftauen bleibt, so dab nicht 
ohne weiteres wieder eine homogene Fettemulsion ent¬ 
steht. Auch durch kräftiges Schütteln läfst sich nicht 
eine vollständige Verteilung des Fettes bewirken. Wird 
jedoch die Milch nur gering erwärmt, so zerfallen die 
Fettklümpchen wieder in kleine Tröpfchen und man er¬ 
hält eine völlig gleichartige, unveränderte Milch, die 
einen guten süfslichen Geschmack darbietet. 

2. Die zweite Erscheinung der Flöckchenbildung tritt in 
der ersten Zeit nicht auffällig hervor und ist nur dann 
zu bemerken, wenn man die aufgetaute Milch auf 
eine Glasplatte in dünner Schicht ausgiefst. Je länger 
die Milch gefroren ist, um so reichlicher scheiden sich 
die Flöckchen ab, so dafs sie schliefslich bei einer 
3 Monate lang gefroren gewesenen Milch nach dem Auf¬ 
tauen einen flockigen Bodensatz bildeten, der sich nach 
dem Umschtitteln bald wieder abzusetzen strebte. Während 
die eben beschriebenen Fettklümpchen sich leicht auf¬ 
lösten, zeigen diese Flöckchen ein verschiedenes Ver- 

6 * 


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84 


Über Eismilch. 


halten je nach der Länge der Zeit, während der die 
Milch gefroren war. Die nach 14 tägigem Gefrieren auf* 
getretenen Flöckchen lösten sich zum gröfsten Teil nach 
halbstündigem Erwärmen der Milch auf 65°, während 
bei Erwärmen bis 37° resp. 25° und fünfstündigem 
Halten bei diesen Temperaturen sich noch keine Ab¬ 
nahme der Flöckchen bemerkbar machte. Durch Auf¬ 
kochen der Milch im Wasserbade lösten sie sich sofort, 
was sich auch darin aussprach, dafs die aufgekochte 
Milch schnell durch ein Fliefspapierfilter durchlief, 
während sie, frisch aufgetaut, nur äufserst langsam 
filtrierte. Später, nach etwa 4 wöchigem Gefrieren, gelang 
es schon nicht mehr, durch Aufkochen alle Flöckchen 
in Lösung zu bringen, ja bei einer 3 Monate lang ge¬ 
frorenen Milch blieb der gröfste Teil auch nach längerem 
Kochen ungelöst. 

Um nun die zu Boden gesunkenen Flöckchen zur Unter¬ 
suchung zu bekommen, wurde die überstehende Flüssigkeit samt 
der oberen Rahmschicht abgesaugt und der Rest in Zentrifugen¬ 
gläser gebracht und 10 Minuten lang mittels elektrischer Zentri¬ 
fuge zentrifugiert. Es zeigte sich, dafs sich dadurch die Milch 
wieder in 3 Teile geschieden hatte: obenaufschwimmend eine 
ziemlich fest zusammenhängende, hautähnliche, gelbliche Fett¬ 
schicht, in der Mitte weifse, milchähnliche Flüssigkeit, am Boden 
die Flöckchen, die sich fest zusammengesetzt hatten. Nach Ent¬ 
fernen der aufschwimmenden Fettschicht und Absaugen der 
Flüssigkeit wurde der Bodensatz mit einem Glasstäbchen tüchtig 
verrührt, um zur Untersuchung möglichst gleiches Material zu 
bekommen. Zwei Proben davon wurden zur Bestimmung des 
Wassergehalts in einem Porzellaniegel bei 100° C. getrocknet, bis 
keine Gewichtsabnahme mehr eintrat. Davon wurde ferner der 
Glührückstand bestimmt. Von zwei weiteren Proben wurde der 
N-Gehalt nach Kjehldal bestimmt und daraus durch Multipli¬ 
kation mit 6,37 der Eiweifsgehalt berechnet. Aus zwei anderen 
Proben wurde das Fett mittels des Soxhlet-Apparats extrahiert und 


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Von Dr. Bischoff. 86 

gewogen. Es ergab sich als Mittel aus den beiden Kontroll- 
versuchen: 

Wasser . . . 71,72 °/ 0 

Eiweifs . . . 13,85 » 

Fett .... 10,28 » 

Glührückstand 1,85 > 

Rest .... 2,30 » 

auf Trockensubstanz berechnet: 

Eiweifs . . . 48,97 °/„ 

Fett .... 36,35 » 

Glührückstand 6,54» 

Rest .... 8,13 > 

Um zu sehen, ob sich das mit den Flöckchen zu Boden ge¬ 
rissene Fett durch wiederholtes Zentrifugieren von den Flöck¬ 
chen trennen lasse, wurde eine zweite Bestimmung an dem Boden¬ 
satz einer 6 Wochen lang gefroren gewesenen Milch ausgeführt 
und zwar wurde nach dem Auftauen die oberste Fettschicht 
sorgfältig abpipettiert, der Rest in zwei Zentrifugengläser gefüllt. 
Nach 5 Minuten langem Zentrifugieren hat sich, wie schon oben 
beschrieben, ein zusammenhängendes Häutchen gebildet. Dieses 
wird entfernt, der Bodensatz mit einem Glasstab mit der über¬ 
stehenden Flüssigkeit verrührt und von neuem zentrifugiert. Es 
bildet sich abermals ein Fetthäutchen, das wieder entfernt wird. 
Dies Verfahren wurde viermal wiederholt, um möglichst viel 
Fett zu entfernen. Die Analyse ergibt aus zwei Kontrollproben 
im Mittel: 

Wasser . . 76,46 °/ 0 
Eiweifs . . 12,32 » 

Fett . . . 7,11 » 

Glührückstand 1,67 » 

Rest . . . 2,44 » 

auf 23,54 Trockensubstanz prozentual berechnet: 

Eiweifs . . 52,34 °/o 
Fett . . . 30,20 » 

Glührückstand 7,09 » 

Rest . . . 10,37 » 


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86 


Über Eismilch. 


Es ist also durch obige Mafsnahme gelungen, nur einen 
kleinen Teil des Fettes aus dem Flöckchenniederschlag zu 
entfernen. 

Um auch ein mikroskopisches Bild von der gefrorenen Milch 
zu bekommen, wurde mit einer starken Platinnadel eine Spur 
Milcheis entnommen, in ein Tröpfchen Wasser gebracht und vor 
zu starkem Druck des Deckglases durch eine untergelegte Borste 
geschützt. Man sieht rundliche oder auch rollenförmige oder 
unregelmäfsig plattenförmige Klümpchen, die aus glänzenden, 
stark lichtbrechenden Fettkügelchen bestehen. (Kleinere ähnliche 
Gebilde kommen übrigens schon in frischer Milch vor.) In der 
zwischen denselben auftauenden Flüssigkeit schwimmen kreis¬ 
runde, aber auch deformierte, zackige und eingebuchtete Fett¬ 
tröpfchen, die schon von Soxhlet 1 ) als Druckerscheinungen des 
gefrierenden Eises beschrieben sind. Manchmal macht es den 
Eindruck, als ob mehrere Fettkügelchen aneinander kleben, ohne 
dafs man zwischen ihnen eine Trennungslinie erkennen kann. 
Anderseits treten auffällig grolse kreisrunde Tropfen auf, die 
man sich durch Zusammenfliefsen verklebter Milchkügelchen ent¬ 
standen denken kann. Durch Druck auf das Deckglas kann 
man, wenn sich das Präparat noch nicht stark erwärmt hat, 
Bilder erzeugen, die ein unregelmäfsiges höckriges Aussehen des 
Fettes zeigen, was besonders an mit Sudan III gefärbten Prä¬ 
paraten hervortritt. Zwischen den zu Häufchen resp. Flöckchen 
verklebten Fettkügelchen glaubt man manchmal am ungefärbten 
Präparate eine Zwischensubstanz zu sehen. Zusatz von stark ver¬ 
dünnter, rein wäfsriger Methylenblau- oder Fuchsinlösung (Grüb¬ 
ler <fe Co.) läfst in den Flöckchen zwischen den Fettkügelchen 
eine feinkrümelige Substanz erkennen. Es kann das jedoch 
nicht als Beweis dafür gelten, dafs sich zwischen den Fettkügel¬ 
chen ausgefülltes Kasein befindet, wie nachfolgender Versuch 
erweist: 

Ich stellte mir durch Ausschütteln mit Chloroform eine voll¬ 
ständig fettfreie Milch her; die mit Chloroform versetzte Milch 


1) Soxhlet, Die Landwirtschaftliche Versuchsstation, 1876, S. 149. 


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Von Dr. Bischof!. 


87 


blieb zunächst stehen, bis sich am Boden eine ziemlich feste 
Fettchloroformschicht niedergesetzt hatte, darauf wurde abpipettiert 
und das Ausschütteln mit Chloroform solange fortgesetzt, bis 
eine milchglasähnliche, durchscheinende Flüssigkeit übrig blieb, 
die im mikroskopischen Bilde keinerlei geformte Elemente wie 
Fettkügelchen ergab. Das Chloroform wurde dann durch Auf¬ 
kochen und das dabei gerinnende Albumin durch Abfiltrieren 
entfernt. Brachte ich einen Tropfen dieser Milch unter ein 
Deckglas und liefs die Farbflüssigkeiten längs einer Borste, die 
unter dem Deckglas lag, zufliefsen, so traten an der Berührungs¬ 
stelle sowohl bei Zusatz von Fuchsin als auch von Methylen¬ 
blau reichlich krümelige Gerinnsel auf, die mit fortschreitender 
Mischung beider Flüssigkeiten Zunahmen. Durch die Färbung 
ist es also nicht zu entscheiden, ob Eiweifs tatsächlich in den 
Flöckchen ausgeschieden ist oder ob es nur mechanisch zwischen 
den verklebten Fettkügelchen festgehalten wird, die damit be¬ 
lastet zu Boden fallen. — Um dieser Frage näher zu treten, 
wurde aus der Milch, wie oben beschrieben, durch Chloroform¬ 
zusatz das Fett entfernt und diese Milch dann, allerdings ohne 
das überschüssige Chloroform durch Kochen entfernt zu haben, 
da ich sonst das Albumin mit entfernt hätte, in den Gefrier¬ 
raum aufgestellt. Nach 14 Tagen zeigten sich nach dem Auf¬ 
tauen keinerlei Flöckchen; die Milch wurde erneut aufgestellt 
und nach weiteren 3 Wochen traten beim Auftauen zahlreiche 
Gerinnsel auf, die sich während des Auftauens langsam zu Boden 
setzten. Die Flöckchen zeigen die Form unregelmäfsig viel¬ 
eckiger, platter Schollen von anscheinend homogener Struktur, 
zum Teil mit Fältelungen. Wenn nun auch hiernach eine wirk¬ 
liche Ausscheidung von Milcheiweifs stattzufinden scheint, so 
kann man doch dagegen einwenden, das Chloroform habe ver¬ 
ändernd auf die Eiweifskörper der Milch eingewirkt. Und fol¬ 
gender Versuch läfst daran denken. Versetzt man nämlich 
eine wie oben fettfrei gemachte und verdünnte Milch mit etwa 
gleichen Teilen Chloroform und schüttelt kräftig durch, so sieht 
man nach kurzem Zentrifugieren den oberen Teil des Zentri¬ 
fugenglases mit gelblicher, transparenter Flüssigkeit, den unteren 


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88 


Über Eismilct). 


Teil mit einer schaumigen Masse erfüllt, die nach dem Abgiefsen 
der oberen Schicht nicht aus dem Gefäfs heraustropft. Bisweilen 
tritt unter dieser schneeigen Schicht noch eine schmale durch¬ 
sichtige Zone auf. Wenn also auch hierdurch ein ein wands¬ 
freier Beweis noch nicht erbracht ist, so bleibt es doch allein 
schon aus der Analyse höchst wahrscheinlich, dafs nach länge¬ 
rem Gefrieren tatsächlich eine Ausfällung von Milcheiweifs 
stattfindet. 

Was den Geschmack der gefrorenen Milch betrifft, so tritt 
so lange als die Flöckchenbildung noch nicht erheblich ist, also 
etwa die ersten 14 Tage, ein süfslicher Beigeschmack hervor, der 
auch in der gekochten Milch nicht ganz verschwindet. Später 
schmeckt die Milch bei stärkerer Flockenbildung wäfsrig, be¬ 
kommt aber nach dem Aufkochen wieder annähernd normalen 
Milchgeschmack. 

Noch möchte ich das Verhalten einer vor dem Gefrieren 
aufgekochten Milch erwähnen, welche insofern ein abweichendes 
Bild bot, als nach dem Auftauen und erneutem Aufkochen ein 
Teil des Fettes als gelbe Fettaugen auf der Milch obenauf 
schwamm, eine Fettausscheidung, auf die Renk 1 ) bei sterili¬ 
sierter Milch aufmerksam gemacht hat. Hieraus ergibt sich, 
dafs gekochte Milch für das Gefrieren ungeeignet ist. 

Welche Folgerungen dürfen wir nun aus diesen Versuchen 
für eine praktische Verwertbarkeit ziehen? 

Wenn wir, auch ohne dafs die Milch zur Gefrierung gebracht 
wurde, schon eine Verlängerung der Haltbarkeit gesehen haben, 
so ist in der Praxis eine dauernde Kühlerhaltung bei + 1 bis 
+ 2 0 C. bis die Milch in die Hände des Konsumenten kommt, 
schwer durchzuführen. Ein Verfahren, welches eine Verbesse¬ 
rung der Milchversorgung durch Gefrieren eines Teiles der Milch 
resp. durch Zusatz von Milcheis zu vorgekühlter Milch zu er¬ 
reichen sucht, ist dem Ingenieur Casse patentiert worden und 
ist schon seit 1896 in Kopenhagen hauptsächlich zum Zwecke 
der Milchausfuhr nach England zur Anwendung gekommen. Es 

1) Renk, Archiv f. Hygiene, 1893, 17. Bd., S. 312. 


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Von Dr. Bischoff. 


89 


ist die Produktion von Eismilch nach den Angaben Helms 1 2 ) 
in den Jahren 1896—1900 von 4 Millionen Pfund auf 22 % Mil¬ 
lionen gestiegen. Auch in Deutschland ist das Verfahren in 
einigen Molkereien anscheinend mit Erfolg zur Anwendung ge¬ 
kommen. Doch hat es sich noch nicht allgemein Eingang zu 
verschaffen vermocht, da man meint, auch ohne Cassepatent 
auskommen zu können, anderseits auch der Befürchtung Raum 
gibt, es könnte durch dasselbe eine Überproduktion von Milch 
begünstigt und damit durch eine Verbilligung der Milch eine 
finanzielle Schädigung der Landwirte und Milchhändler herbei¬ 
geführt werden.*) 

Wenn wir also die Vorteile einer tiefen Abkühlung aner¬ 
kennen, so wird sich doch in vielen Fällen, z. B. bei starker 
Sommerhitze, eine Milchgefrierung empfehlen und zwar unter 
der Voraussetzung, dafs die Milch gleich in abgemessenen kleinen 
Quantitäten zu 1 I 2 1 und 1 1 gefroren wird, da nur hierdurch die 
Erhaltung einer gleichmäfsigen Mischung der Milch garantiert 
ist. Eine wesentliche Verteuerung würde durch das Gefrieren 
selbst kaum entstehen, wenn wir den Vertrieb in Flaschen aufser 
acht lassen. Legen wir einem Kostenanschlag die Verhältnisse 
der hiesigen Kühlhallen zu Grunde, welche pro qm Grund¬ 
fläche bei einer Höhe des Gefrierraums von 2,80 m das Jahr 
70 Mk., also pro Tag nicht ganz 20 Pfg., berechnet, so lassen 
sich in diesem Raume mindestens 400 Literflaschen oder 700 
Halbliterflaschen aufstellen. Nehmen wir an, die Flaschen stünden 
2 Tage, wo sie vollständig durchgefroren sind, so würde das für 
400 Literflaschen 40 Pfg., also pro 1 Vio Pfg. betragen, gerade so¬ 
viel wie das Cassepatent allein schon pro 1 kostet. Stehen die 
Flaschen länger, so erhöht sich natürlich der Preis; der Milch¬ 
händler ist aber dadurch entschädigt, dafs ihm keine Milch 
verdirbt. 

Einem länger anhaltenden Gefrieren, was sich ja auch 
unter den gewöhnlichen Verhältnissen des Lebens nicht not- 

1) Helm, Molkereizeitung, Berlin, 1901, S. 566. 

2) Molkereizeitung, Berlin, 1899, S. 76. Bericht über die General¬ 
versammlung des Deutschen milch wirtschaftlichen Vereins. 

6 " 


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90 


Ober Eismilch. 


wendig erweist, ist durch das Auftreten der Flöckchen eine 
Grenz6 gesetzt. Denn ungeachtet des Umstandes, dafs die 
Flöckchen in der ersten Zeit infolge ihrer Löslichkeit durch 
Kochen die Genufsf&higkeit der Milch nicht stören, würde das 
Publikum eine Milch mit derartigen Flöckchen zurückweisen. 
Wohl könnte aber eine Milch, so lange die Flöckchen durch 
Kochen sich noch Auflösen, z. B. auf SchifEen, Verwendung 
finden, da sie vor Ausgabe an die Passagiere leicht in die ho¬ 
mogene Form durch Aufkochen übergeführt werden könnte. 

Bezüglich der Gefäfse, in denen die Milch zur Gefrierung 
gebracht wurde, ist noch zu bemerken, dafs die zum Versuch 
aufgestellten Bierdruckflaschen das Gefrieren gut aushielten, 
gleichgültig ob sie offen oder verschlossen waren; nur durften 
sie nicht höher als bis an den Anfang des Flaschenhalses ge¬ 
füllt sein. Fs ist dies wohl daraus zu erklären, dafs während 
des Gefrierens ein Aufrahmen eintritt und durch den Fettgehalt 
die oben gefrierende Eisdecke nicht so fest ist wie bei Wassereis, 
sodafs sie beim weiteren Durchfrieren der sich ausdehnenden 
Luft ausweiclien und sich pilzförmig vorbauchen kann. 

Wichtig für die praktische Verwendung der gefrorenen 
Milch im Haushalt ist auch die Schnelligkeit, mit der die Milch 
auftaut: 

Bei einer Zimmertemperatur von 14° bis 17° C zeigte sich 
erst nach 2 Stunden der Beginn des Auftauens. Nach 15% Stun¬ 
den war 

die Literflasche auf 12,5° C 
die Halbliterflasche auf 13,0° C 
erwärmt bei einer Zimmertemperatur von 15,5° C. 

In fliefsendem Leitungswasser von 11° war dagegen die 
Literflasche bereits in 2% Stunden, die Halbliterflasche in knapp 
2 Stunden auf 11° erwärmt. In Wasser von 11° gesetzt und 
bis 30° erwärmt, war die Halbliterflasche in % Stunde aufgetaut. 
Nur einmal zersprang eine Flasche, die nicht über das Niveau 
ihres Inhalts in dem erwärmten Wasser stand, ganz natürlich, 
weil die unteren Schichten sich durch die Erwärmung ausdehn¬ 
ten, wo die oberen kalten Schichten nicht ausweichen konnten. 


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Von Dr. Bischof!. 


91 


Es ist also einerseits leicht möglich, Milch im Haushalt unver¬ 
ändert gut ohne Eisschrank längere Zeit aufzubewahren, ander¬ 
seits ergibt sich keine Schwierigkeit, die Milch auch schneller 
aufzutauen. 

Haben wir jetzt die Vorteile der gefrorenen Milch vom 
hygienischen Standpunkte aus beleuchtet, so will ich meine Be¬ 
trachtungen nicht schlief8eu, ohne an die Vorteile erinnert zu 
haben, die die gefrorene Milch bei der Butterbereitung bietet, 
die darin bestehen, dafs die Butterungszeit verkürzt (Soxhlet 1 ) 
und die Butterausbeute gröfser ist, so dafs nur ein sehr kleiner 
Bruchteil Fett in der Buttermilch zurtickbleibt (Siegfeld 2 ); 
dabei ist das Resultat eine haltbarere und wohlschmeckende 
Butter. 

Fasse ich noch einmal kurz die Hauptergebnisse meiner 
Beobachtungen zusammen, so komme ich zu folgenden Schlufs- 
sätzen: 

1. Für die Beurteilung der Marktmilch bietet der Säure- 
. grad einen besseren Anhalt als die Keimzahl. 

2. Milch läfst sich durch niedere Temperaturen, welche ein 
Gefrieren nicht bewirken, nur wenige Tage (3—10—14) 
genulsfähig erhalten. 

3. Auch bei 0° tritt nur eine Verzögerung der Keiment¬ 
wicklung und Säurebildung, aber kein Aufhören des 
Wachstums der Milchkeime ein. 

4. Die Bedeutung einer sauberen Milchgewinnung spricht 
sich unter anderem auch dahin äufserst vorteilhaft aus, 
dafs solche Milch auch über dem Gefrierpunkt sich viel 
länger hält. 

5. Die Haltbarkeit der Milch ist aufserdem abhängig von 
der Schnelligkeit der Durchkühlung. 

6. Erst mit dem Moment der Gefrierens der Milch tritt 
eine anhaltende Keimverminderung hervor: der Säuregrad 
bleibt derselbe. 

1) Soxhlet, Die landwirtschaftliche Versuchsstation, 1876, S. 149. 

2) Siegfeld, Molkereizeitung, Hildesheim, 1899, S 491. 


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92 


Über Eismilch. Von Dr. Bischof!. 


7. Beim Gefrieren wird das Milchfett in feste Klümpchen 
verwandelt. 

8. Durch Erwärmen lösen sich die Klümpchen leicht auf, 
so dals die Milch wieder vollständig homogen wird. 

9. Erst nach längerem Gefrieren (etwa von 14 Tagen an) 
machen sich zahlreiche lockere Flöckchen, in der Haupt¬ 
sache aus Milcheiweifs und Fett bestehend, in der Milch 
auffällig bemerkbar. 

10. Die Flöckchen einer 3—5 Wochen lang gefrorenen Milch 
lösen sich durch Aufkochen vollständig auf; nach 4 bis 
5-wöchigem Gefrieren werden sie schwer löslich; nach ein¬ 
vierteljährigem Gefrieren blieben sie fast ganz ungelöst. 

11. Die Marktfähigkeit der gefrorenen Milch 
wird durch das allmähliche Auftreten von 
Eiweifsausscheidungen zeitlich begrenzt. 

12. Beim Gefrieren der Milch in gröfseren Gefäfsen werden 
die Milch - Bestandteile durch Ausfrieren des Wassers 
vom Rande aus nach der Mitte zu konzentrierter. 

13. Durch den konzentrierteren Gehalt an Salzen rückt der 
Gefrierpunkt tiefer herab. 

14. Es ist daher rationell, Milch in kleinen abgeteilten Por¬ 
tionen (Literflaschen) gefrieren zu lassen. 

15. Eismilch garantiert dem Konsumenten nur dann den voll¬ 
wertigen, unveränderten Gehalt aller ihrer Bestandteile, 
wenn sie in Flaschen gefroren ist. 

16. Flaschen halten das Gefrieren aus. 

17. Durch das Gefrieren allein erfährt die Milch keine 
nennenswerte Preissteigerung. 

18. Eismilch läfst sich im Haushalt bequem einen Tag lang, 
ohne dafs Gerinnung eintritt, ungekocht auf bewahren; 
bei sofortigem Bedarf gelingt es andererseits, sie schnell 
aufzutauen. 


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Quantitative Staubbestinmrangen 
der Luft der Kohlenbunker S. M. Panzerschiff „Wörth“ 
während des Köhlens in den Jahren 1895—1897. 

Von 

Dr. Eduard Dirksen, 

Marineoberstabsarzt und ehemaligem Schiffsarzt. 


Quantitative Staubbestimmungen findet man in der Literatur 
nicht gerade häufig, solche von Kohlenstaub selten. In der 
schiffshygienischen Literatur habe ich nichts gefunden, aber ge¬ 
rade auf Schiffen ist die Art, wie und wo die Kohlen unterge¬ 
bracht werden, so zur Entwicklung von viel Staub auf kleinem 
Raum geeignet, dafs schon von vornherein angenommen werden 
konnte, dafs die gefundenen Mengen überraschend grofs sein 
würden. Ich hielt es daher als Schiffsarzt S. M. S. »Wörth« 
im hygienischen Interesse für lohnend, die Mengen in Zahlen 
festzulegen und die Notwendigkeit von Mafsregeln gegen die 
Staubeinatmung damit darzutun. Im Jahre 1899 überreichte 
ich diese Arbeit in von dieser wenig abweichenden Form dem 
Reichs-Marineamt. 

Ich schicke eine Beschreibung der Schiffsklasse, der Kohlen¬ 
aufbewahrungsräume (Kohlenbunker) und der Wege, wie die 
Kohlen dahin gelangen, voraus mit dem Bemerken, dafs die hier 
in Betracht kommenden ausschlaggebenden Verhältnisse im 
grofsen und ganzen auf allen Kriegsschiffen dieselben sind. 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVTT. 7 


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94 


Quantitative Staubbestimmungen etc. 


Die Panzerschiffe der »Brandenburg«-Klasse »Kurfürst Friedrich Wil¬ 
helm«, »Brandenburg«, »Weifsenburg«, »Wörth«, mit je etwa 10000 Tonnen 
Wasserverdrängung und 550 Mann Besatzung haben, wie aus Fig. la und 
b, 6 und 7 hervorgeht, folgende Decks: Oberdeck (Batteriedeck), Panzerdeck, 
Zwischendeck, Plattformdeck. Das tiefste Deck ist kein eigentliches Deck, 
sondern der Schiffsboden selbst, unter dem nur noch der sogen. Doppel¬ 
boden, doppelt zum Schutz gegen Lecks, sich befindet. Über dem Oberdeck 
ist noch das (achtere und vordere) Aufbaudeck und die Back zu erwähnen 
(Fig. 7). Die Figuren sind übrigens nur insofern vollständig, als zum Ver¬ 
ständnis der Lage der Heizräume und Kohlenbunker notwendig ist. Zwischen¬ 
deck und Plattformdeck fehlen in den beiden (Steuerbord- und Backbord ) 
Maschinenräumen (vgl. Fig. 2, 4 und 7) und in den (Steuerbord- und Back¬ 
bord) Kohlenbunkern (vgl. Fig. lb und 7), das Plattformdeck auch im 
Achterschiff. Sonst ist die Einteilung des Schiffes, wie sie Fig. 7 dar¬ 
stellt, ohne weiteres verständlich, bemerkt mufs nur noch einmal werden, 
dafs vieles, wie z. B. die einzelnen Abteilungen in den Decks, als zum Ver¬ 
ständnis des vorliegenden Themas nicht unmittelbar gehörig, nicht einge¬ 
zeichnet ist. 

Jedes dieser Schiffe hat ein Kohlenfassungsvermögen von rund 850 cbm 
= 600 Tonnen, d. h. etwa soviel wie ein Güterzug von 28 Doppelwaggons. 
Dieses Kohlenquantum verbraucht das Schiff durchschnittlich in etwa 20 Tagen, 
es mufs also alle 20 Tage »kohlen«, d. h. die Bunker frisch voll Kohlen 
füllen. In einer Stunde nahm S. M. S. »Wörth« im Jahre 1898 139 Tonnen 
= 2780 Zentner Kohlen über. Das sind, wenn man die Anzahl der beim 
Kohlen beschäftigten Leute in Betracht zieht, rund 300 kg für den Kopf 
und die Stunde. 

»Bunker« sind die für die Kohlen Vorräte vorgesehenen Räume (wasser¬ 
dichten Abteilungen). Dieselben liegen (vgl. die Figuren) bei diesen Schiffen 
um die Heizräume herum (Fig. 4 — 6) derart, dafs die Heizräume nach 
vorn von dem übrigen Schiff durch zwei Querbunker (Steuerbord- und Back¬ 
bord-Querbunker) getrennt sind (Fig. 5 — 7) und dafs zwischen Heizräumen 
und Bordwand auf jeder Seite zwei Längsbunker (Steuerbord vorderer, St.-B. 
achterer, Backbord vorderer, B.-B. achterer Längsbunker) angebracht sind 
(Fig. la und b, 4 — 6), deren Querschnitt im allgemeinen ein rechtwinkliges 
Dreieck darstellt (Fig. 1 a und b), lange Kathete Bordwand, zugleich Tiefe 
des Bunkers, kurze Kathete Dritteldecksbreite im Panzerdeck, bis zu dem 
die Bunker hinaufreichen, Hypotenuse Wand des Bunkers nach dem Schiffs¬ 
inneren zu (Heizerzwdschendeck, Heizraum). Die Bunker begrenzen also 
nicht nur die Heizräume nach aufsenbords zu, sondern sie reichen noch ein 
Deck höher bis zum Panzerdeck, während die Heizräume nur bis zum Heizer¬ 
zwischendeck reichen (Fig. 1 b). 

In den Heizräumen, deren Deck 1 ), wie gesagt, das unterste im Schiff 
und wo daher auch zugleich die Sohle der Bunker ist, befinden sich senk- 

1) Deck ist teils das Deck (die Ebene), auf dem man steht, teils der 
Raum (Wohnraum) darüber bis zum nächsten Deck, also z. B. Zwischendeck, 
Batteriedeck u. s. w. 


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nvuum Met o|rau 


Von Dr. Eduard Dirksen. 


95 



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_ Jne rer lAJmijjAn 

Äeusserer Hh ihfA ng 





Grundrifs Uber dem Zwischendeck im Vorschiff. 


96 


Quantitative Staubbestimmungen etc. 

















Grundrifs unter dem Zwischendeck im Vorschiff 


Yon Dr. Eduard Dirksen. 


97 


rechte, wasserdichte Falltüren in die Bunker hinein, durch die die Kohlen 
aus dem Bunker herausgenommen werden, um damit die Kessel zu heizen. 
Wie aus der Schilderung hervorgeht, werden die Kohlen unten entnommen 
und von oben stürzen immer andere Kohlen nach. Zugleich ist diese An¬ 
ordnung der Bunker getroffen, um den Heizräumen als Kollisionsschott zu 
dienen, dafs also bei Kollisionen nur der Bunker getroffen wird, und die 



Heizräume, da bei jeder Kollision sofort die erwähnten Falltüren geschlossen 
werden, betriebsfähig bleiben. 

Wie werden nun die Bunker mit Kohlen gefüllt? — Die Bunker reichen, 
wie oben geschildert, von unten bis an das Panzerdeck (Fig. la und b, 7). 
Letzteres liegt etwa gerade in der Wasserlinie (Fig. lb, 7). In dieses Deck 
können, weil keine Pforten dafür vorhanden sind, die Kohlen nicht direkt 
von auTsenbords, d. h. aus den Prähmen übergenommen werden, sondern 
dies geschieht ein Deck höher im Batterie- bezw. Oberdeck, teils noch ein 


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98 


Quantitative Staubbestimmungen etc. 


Deck höher auf dem vorderen Aufbaudeck. Erstens liegt es nun im In¬ 
teresse der Kriegsschlagfertigkeit des Schiffes, dafs es schnell kohlen kann; 

es müssen daher möglichst viel Zugänge zum 
Bunker sein, um in möglichst kurzer Zeit 
möglichst viel Kohlen in die Bunker zu 
schaffen. Zweitens soll das Schiff natürlich 
möglichst wenig durch Kohlenstaub ver¬ 
schmutzt werden. Dem ist in folgender Weise 
Rechnung getragen. Jeder hintere Bunker 
hat sechs, jeder vordere fünf und jeder Quer¬ 
bunker zwei Füllöffnungen. Es werden für 
das Kohlen eiserne Röhren von 0,46 m lichter 
Weite so angebracht, dafs sie aus dem Kohlen¬ 
bunker oben ihren Anfang nehmend, nach 
oben teils durch das Panzerdeck hindurch 
im Batteriedeck münden, teils auch durch 
das Batteriedeck weiter hindurchgehend, im 
vorderen Aufbaudeck in runden Löchern, die 
sonst durch Verschraubungen geschlossen 
sind, ihr Ende nehmen (Fig. 1 a). Es können 
daher teils vom Aufbaudeck, teils von dem 
darunter liegenden Batteriedeck die Kohlen 
direkt durch diese eisernen Röhren, Kohlen¬ 
trichter genannt, in die Bunker geschüttet 
werden Diese Kohlentrichter werden nur 
beim Kohlen eingesetzt. Das Batteriedeck ist 
2,125 m, das Panzerdeck 2,22 m, die Bunker 
6,49 m hoch. Im Beginn des Köhlens, wenn 
die Bunker ganz leer sind, was allerdings 
selten der Fall ist, stürzt also die auf dem 
Aufbaudeck in die Kohlentrichter eingeschüt¬ 
tete Kohle 2,125 + 2,22 + 6,49 m = 10,835 m, 
fast 11 m tief herab, die aus dem Batterie¬ 
deck 2,22 -f- 6,49 = 8,71 m, fast 9 m. Das 
gibt Ungefähr eine Vorstellung, was für ein 
Staub in dem sonst ganz abgeschlossenen 
Bunker aufgewirbelt wird. Im Bunker sind 
Heizer postiert, die die Aufgabe haben, die 
Kohlen gleichmäfsig zu schippen. Je voller 
der Bunker wird, desto staubhaltiger wird 
natürlich die Luft. Schliefslich müssen die 
Leute auf dem Bauche herumkriechen. Die 
Beleuchtung erfolgt durch in die Wände luft¬ 
dicht von aufHen eingelassene elektrische Glühlampen oder durch elektrische 
Lauflaternen, die getragen oder aufgehängt werden. Die Heizer gelangen in 
die Bunker durch die Kohlentrichter oder durch besondere viereckige 
Öffnungen im Panzerdeck oder durch hie und da im Zwischendeck ange- 



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Von Dr. Eduard Dirksen. 


99 


brachte Schotttüren, die je nach Bedarf geöffnet werden können, natürlich 
aber wegen des sonst in das Schiff eindringenden Staubes meist geschlossen 
gehalten werden und geschlossen werden müssen, sobald die eingeschüttete 
Kohle ihr Niveau erreicht. Es halten sich für gewöhnlich zwei Heizer, die 
abgelöst werden, in jedem Bunker auf, solange gekohlt wird. Das Kohlen 
kann 4—6 Stunden dauern. 

Die Verhältnisse liegen also kurz gesagt so, dafs die Kohlen 
durch Röhren aus einer Höhe von höchstens 9—11 m in einen 
sonst überall geschlossenen Raum hinabstürzen und dals, wie 
im Beginne betont, diese einfache Anordnung für eine hygieni¬ 
sche Prüfung sehr geeignet war. 

Ich hatte mir also die Aufgabe gestellt, den Kohlenstaub¬ 
gehalt dieser Bunkerluft während des Köhlens festzustellen. 

Die Räume sind schwer zugänglich, teils durch enge Schott¬ 
türen, teils durch noch engere »Mannlöcher« (Kohlentrichter- 
öffnungen im Deck); schlecht beleuchtet durch 1 oder 2 elek¬ 
trische Glühlampen, d. h. so gut wie dunkel; das Stehen auf 
den Kohlen ist kein sicheres; ab und zu, wenn man nicht auf- 
pafst, gefährden die an und für sich schon hinreichend mangel¬ 
hafte Stellung heranstürzende Kohlen, kurzum es ist in keiner 
Weise der Platz für genaue hygienische Arbeiten. Ich mufste 
daher einen möglichst wenig zerbrechlichen, einfachen, kompen- 
diösen Apparat für die Untersuchung nehmen. Ich entschied 
mich für folgenden: 

Ich liefs mir 12 cm lange, 6 mm weite, in der Mitte zu 
einer Kugel von 7 cm Umfang aufgeblasene Glasröhren her- 
stellen. In die Kugel brachte ich zuerst gewöhnliche Watte, so 
fest und dicht, dafs Durchpassieren von Staub ausgeschlossen 
war. In das eine Ende sollte die Luft eintreten, an das andere 
schlofs ich eine 5 Literflasche mit doppelt durchbohrtem Korken 
und einem kurzen Glasrohr verbunden mit dem erwähnten 
Kugelglasrohr und einem langen, bis auf den Boden reichenden, 
letzteres verbunden mit einem langen Gummischlauch zum 
Wasserablauf, kurz einen Aspirator, an. Das abgelaufene Wasser 
wurde aufgefangen, gemessen und daraus das durchpassierte Luft¬ 
volumen auf 0° und 760 mm berechnet. Das Kugelglasrohr 
hatte ich vorher mehrere Tage im Exsiccator liegen lassen, 


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100 


Quantitative Staubbestimmungen etc. 


es danach in der Lazarettapotheke an Land gewogen und so 
zum Gebrauch fertig. Nach dem Gebrauch kam es sofort in 
den Exsiccator, mit dem Exsiccator bei der nächsten Gelegenheit 
in die Lazarettapotheke an Land, wo ich es wog. So war die 
Untersuchung fertig. Man sieht aus diesem einen Beispiel, dafs 
hygienische Arbeiten an Bord meist sehr mühsam und um¬ 
ständlich sind. 

Die Berechnung fand statt nach der Formel: 

7 - V b 

0 1 +at 760’ 

wobei F 0 = Volumen bei 0° und 760 mm und 
V — abgelaufene Wassermenge war. 

Nach den ersten Probeversuchen gab ich die gewöhnliche 
Watte auf, weil sie so schnell beim Wiegen wieder Wasser auf¬ 
nahm, dafs die Genauigkeit der Wägung litt. Von da ab nahm 
ich Glaswolle. Zwar nimmt auch diese Wasser auf und an Ge¬ 
wicht zu, aber doch erheblich langsamer, so dafs man bei einiger 
Geschicklichkeit und Übung im übrigen brauchbare Resultate 
bekommt. 

Die Kohlensäurebestimmung machte ich nach Petten- 
kofer: nahm geaichte 5 1-Flaschen, füllte sie im zu untersuchen¬ 
den Raum vermittelst eines Blasebalgs mit Luft, verschlofs sie 
mit doppelter Gummikappe und machte die Untersuchung in 
der Schiffsapotheke. 

Ich habe nun in den folgenden Tabellen I—III die Ergeb¬ 
nisse meiner Untersuchungen zusammengestellt und zwar in I 
meine Untersuchungen in der Zeitfolge, wie sie gemacht sind. 
In Tabelle II sind dieselben mit denen, die ich in der Literatur 
gefunden, je nach der Menge des gefundenen Staubes, von der ge¬ 
ringsten angefangen, verglichen: dasselbe ist in Tabelle III gra¬ 
phisch geschehen. Letztere Tabelle ist auf Millimeter-Papier einge¬ 
tragen, 1 mm Höhe = 4 g Staub, also a = 0, b = 0 bis 4, c = 4 
bis 8 u. s. w. Nr. f als Kohlengrube ist durch Schraffieren, meine 
Beobachtungen durch Schwarz besonders kenntlich gemacht. 
Tabelle III ist dann photographiert. Tabelle II und III, nach den 
Buchstaben miteinander verglichen, sind ohne weiteres verständlich. 


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Von Dr. Eduard Dirksen. . .. .. - -1QJ 

Tabelle I. 


Lfd. Nr. 

Datum 

Ort der 
Luftprüfung 

Tageszeit 

Teraperatui 
er Runkerli 
in °C. 

fl B0 

& © a 

«Sb 
bc » 

.fl ce 

bc q 

©5 

5 3 

00 

'S’S 
-fl 8 

0 s 

0 fl 2? 

5» 

0 *- 

Bemerkungen 


1 



1 ■c 


HD 


1 

20. HI. 96 

Steuerbord 

- 

17° 



3,05 




achterer Bunker 






2 

10. IV. 96 

Backbord 


| 23° 

_ 

_ 

1,66 

Am Ende des Köhlens. 



achterer Bunker 





Kohlen waren nafs. 

3 

> 

> 

— 

23° 

— 


1,80 


4 

5. V. 96 

> 

93° am. 

33° 

2100 

582 

2,46 

Rhede Wilhelmshaven. 

5 

* 

Steuerbord 

10 am. 

22 ° 

23110 

708 

3,78 




achterer Bunker 


24,5° 




6 

22. V. 96 

Achtere Bunker 


20 ° 

1900 

2276 

— 


7 

26. VI. 96 

Backbord 

1240 pm. 

30° 

2450 

208 

2,05 




vorderer Bunker 





8 

» 

» 

I 20 pm. 

25« 

— 

— 

1,26 


9 

* 

Steuerbord 
vorderer Bunker 

121 » pm. 

270 

2280 

688,5 

1,2 


10 

14. VII. 96 

Steuerbord 

11 am. 

24° 

2450 

181 

_ 

Kriegsmüfsigas Kohlen 



achtere Bunker 




vor Helgoland. Kohle 
staubt sehr stark. Vom 

11 

> 

> 

10 ™ am. 

26° 

_ 

_ 

1,38 

< Jeschwadorkommando 

12 

l.vm.96 




auf wahrscheinlich 

Backbord 
vordere Bunker 

11 am. 

29° 



0,76 

hohen behalt an Me¬ 
than aufmerksam ge¬ 
macht. 





13 

24.VIII.96 

Backbord 

10 am. 

24 0 

1300 

0 

_ 

Neufahrwasser Rhede. 



achtere Bunker 





Kohlen ganz nafs. 

14 

1. IX. 96 

Abteilung VII 
Panzerdeck 

3 pm. 

28° | 

3040 

152 

0,90 

Kriegsmiifsiges Kohlen, 
j Abt. VII voll Kohlen ge¬ 
schüttet. Kohlen nafs. 



Backbord 






Luft 1,6 m über Deck 
entnommen. Selten¬ 









fenster und Torpedo- 
I pforte 1 ) geschlossen. 


2. IX. 96 


5 pm. 1 

25 0 I 


_ 

0,62 

1 Nicht gekohlt. Sohott- 






, türen offen. 


3. IX. 96 


6 pm. 1 

26° 

— 

— 

0,82 



4. IX. 96 

, 

5™ pm. 

25° 

— 

— 

0,78 | 

Noch halb voll Kohlen. 


5. IX. 96 

> 

6 ™ pm. ' 

24° 

— 


0,59 

Noch Vs voll Kohlen. 


6 . IX. 96 

> 

1 5 3 o pm. 

24,5° 

_ 


0,74 

1 Frei von Kohlen. Drei 







Seltenfenster offen. 

15 

1. IX. 96 

> 

Steuerbord 

3™ pm. 

25,5° 


— 

1,34 | 



2. IX. 96 

, 

1 5 pm. 

26,5® 



0,74 

Nicht gekohlt. Schott- 
türeu geschlossen. 


3. IX. 96 


6 pm. 

25° 


— 

0,87 



4. IX. 96 


5™ pm. 

26,5° 

— 

— 

0,89 1 

Noch halb voll Kohlen. 


5. IX. 96 


6 8n pm. 

25,5° 

— 


0,66 

1 Noch V* voll Kohlen. 


6 . IX. 96 I 

, 

5 8 o pm. 

26° 

_ 


0,58 

Frei von Kohlen. Zwei 





Seitenfenster offen. 


1) Torpedopforte ist eine etwa */* Q m grofse Pforte zum Übernehmen 
der Torpedos im Panzerdeck in der Bordwand. 


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102 - , • Quantitative Staubbestimmungen etc. 


Fortsetzung zu Tabelle I. 


c 

-c 

.J 

Datum 

Ort der 
Luftprüfung 

Tageszeit 

Temperatur 
er Bunkerluft 

in n C. 

Abgelaufene 
Wassermenge 
in ccm 

© 

bo d 

0 5 

I« 

*• s 
« 'S 

•Sä 

^ gc? 

o"s 

Bemerkungen 





TJ 



■w 


16 

1 

23. X. 96 

Backbord 

1130 am. 

16° 



1,74 

Kohleu in der Bauwerft 

achtere Bunker 




Wilhelmshaven. Kohle 
trocken, ziemlich stau¬ 
bend. 

1 




17 

} 

Steuerbord 
vorderer Bunker 

1130 am. 

15,5° 

1680 

2289,7 

0,85 


18 

i 

9 

12 m. 

17° 

— 

— 

0,64 


19 

11. XI. 96 

Steuerbord 
achtere Bunker, 

4 pm. 

17° 

— 

— 

1,12 

Kiel. Bunker fast voll. 
t = 17° t — 14,39 

F = 65,1 

t , = 13,2° e, — 11,28 



vordere Tür 














= 9,37. 









Aufsenluft F = 96 

20 

> 

9 

4 pm. 

16° 

_ 

_ 

0,72 

Bunker bis z. Zwischen- 


achtere Tür 



deckshöhe voll. 
t = 10° 6 = 13,51 









F -= 80,6 









t , = 14° e, = 11,88 









e„ = 10,88. 









Aufsenluft F — 96 

21 

28 . v. 97 

Steuerbord 
vordere Bunker 

1130 am. 

23,6° 

4390 

102,8 

— 


22 

29. VII. 97 

Backbord 

10 am. 

24,5° 

4690 

82,8 

1,1731 

Gute Stückkohle, mäfsi- 



achtere Bunker 



1,0701 

ge Staubentwicklung, 
Tür nach Zwischen¬ 









deck auf. 

23 

i 

Steuerbord 

11 am. 

25° 

4870 

88,7 

2,1743 

Tür nach Zwischendeck 



achterer Bunker 




1,9 

geschlossen. 

24 

> 

9 

II 30 am. 

22« 

3690 

. 205,8 

1,3372 


25 

20.vm.97 

Backbord 

230 pm. 

25,5° 

5280 

382,2 

1,009 

Kohle trocken, staubt 

vordere Bunker 


sehr. Neufahrwasser 

Rhede. 

26 

9 

Backbord 

3 pm. 

27° 

5025 

691,5 

1,19 




achterer Bunker 




27 

9 

Steuerbord 

3 pm. 

28° 

4950 

322,2 

0,778 




achterer Bunker 

29° 



28 

9 

Steuerbord 
vorderer Bunker 

380 pm. 

28° 

4890 

648,7 

1,009 



Der CO,-Gehalt der Aufsenluft bewegte sich zwischen den bekannten 
Grenzen 0,25—0,3. 

e = absolute Feuchtigkeit, 
e, = Maximum der Spannkraft, 
e„ — Spannkraft der Wasserdämpfe, 

F — relative Feuchtigkeit. 


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Von Dr. Eduard Dirksen. 


103 


Tabelle II. 


c 

fc 

5 


i 

Untersuchungsort 

Name 
des Unter¬ 
suchers 

mg 

Staub in 
1 cbm 

1 

a 

Kohlenbunker S. M. S. »Wörth«, nasse Kohle 

E. Dirksen 

0 

0 


/Verkehrsreiche Strafse. 

Arens 

0,01 

(-2,0) 

3 

1 

Aufsenluft nach Regen auf dem Lande . . 

Tissandier 

0,25 

4 


Verkehrsreiche Strafse. 

Fodor 

0,4 

5 


Laboratorium. 

Arens 

1,4 

6 

b 

Eisengiefserei. 

> 

1,5 

7 


Wohn- und Kinderzimmer. 

Hesse 

1,6 

8 


Verkehrsreiche Strafse. 

Arens 

(0,01 -) 
2,0 

9 


Mittel von 24 Stunden im Freien .... 

Tissandier 

2,1 

(-12,1) 

10 


Aufsenluft nach Trockenheit auf dem Lande 

» 

3—4,5 

11 


Aufsenluft nach Regen in der Stadt . . . 

> 

6,0 

12 


Aufsenluft. 

Uffelmann 

6,5 

13 

c 

Kunstwollfabrik (Reifsraum). 

Arens 

7,0 

14 


Schulzimmer. 

> 

8,0 

15 


Eisengiefserei. 

i 

8,0 

16 


[ Bildhauerei. 

Hesse 

8,73 

17 

d 

< Rofshaarspinnerei. 

j Arens 

10,0 

18 

i 


1 Eisengiefserei. 

1 * 

12,0 

19 ! 

1 

e 

Mittel von 24 Stunden im Freien . . . . 

! Tissandier 

(2,1 -) 
12,1 

20 

i f 

Kohlengrube. 

Hesse 

14,3 

21 

11 

1 Sägewerk. 

i Arens 

15,0 

22 

6 i 1 

\ Schnupftabakfabrik. ( 

I > 

16,0 

23; 

1 1, 

( Wohnhaus.1 

| Uffelmann 

16,6 

24 

8 

< Sägewerk. 

Arens 

17,0 

25 

, 

1 Kunstwollfabrik (Schneideraum). 

> 

1 20,0 

26 

| 

Mahlmühle. 

» 

22,0 

27 

l h t ; 

Papierfabrik. 

Hesse 

22,9 

28 


Aufsenluft nach Trockenheit in der Stadt . 

Tissandier 

23,0 

29 

i '! 

1 i, 

f Papierfabrik. 

Hesse 

24,9 

30 

»I 

< Mahlmühle. 

Arens 

28,0 

31 

;i tt 

1 Eisengiefserei. 

i 

28,0 

32 

: k 1 

Mahlmühle. 

Hesse 

47,0 

33 

1 

Eisengiefserei. 

» 

71,7 

34 

; 11: 

Schnupftabakfabrik. 

Arens 

72,0 

35 

i m | 

Kohlenbunker »Wörth«. 

E. Dirksen 

82,8 

36 

i! n , 

> > . 

> 

88,7 

37 

Hi 

> > . . 

i 

» 

: 

102,8 


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104 


Quantitative 8taubbestimmungen etc. 
Fortsetzung zu Tabelle II. 


55 

73 

«M 


Untersuchungsort 

Name 
des Unter¬ 
suchers 

mg 

Staub in 
1 cbm 

38 

0 

i Zementfabrik. 

Arena 

130,0 

39 

P 

Kohlenbunker >Wörth«. 

E. Dirksen 

152,0 

40 

q 

Filzschuhfabrik. 

Hesse 

175,0 

41 


i Kohlenbunker >Wörth«. 

E. Dirksen 

181,0 

42 

r 

i * . . 

> 

205,8 

43 

r 

» » . . 

> 

208,0 

44 

8 

Zementfabrik. 

Arens 

224,0 

45 

t 

Kohlenbunker >Wörth«. 

E. Dirksen 

322,2 

46 

U 


> 

382,2 

47 

V 

» > . 

> 

582,0 

48 

w 

» > . 

> 

648,7 

49 


[ ’ * . 

> 

688,5 

50 

X 

\ . . 

> 

691,5 

51 

y 

» > . 

» 

708,0 

52 


i * * . : 

> 

2276,0 

53 

7 . 

k » » .1 

i 

2289,7 


Wie oben geschildert, fallen die Kohlen nicht gleich hoch 
herunter. In die vorderen Bunker wird die Kohle vom Aufbau¬ 
deck geschüttet, in die achteren vom Oberdeck (Batteriedeck); 
das ist ein Unterschied von 2,22 m = der Höhe des Batterie¬ 
decks. Dieser Höhenunterschied kommt in der Staubentwick¬ 
lung nicht zum Ausdruck: in den vorderen Bunkern findet sich 
durchschnittlich nicht mehr Staub als in den achtern. Es 
spielen zu viele andere Verhältnisse mit: ob die Kohle feucht, 
nafs ist, ob mehr Stück- oder mehr Gruskohle geschüttet wird, 
wie voll die Bunker schon sind u. s. w. Ferner ist zu bedenken, 
dafs der Kohlenstaub naturgemäß sehr verschieden verteilt ist, 
so dafs man einmal in eine dichte Wolke kommt, ein anderes 
Mal relativ reine Luft ansaugt. Sehen kann man das nicht, es 
ist zu dunkel. So erklärt sich z. B. das Mifsverhältnis zwischen 
Nr. 10, wo die Kohle sehr stark staubte und 181 mg Staub hat 
und Nr. 14, wo die Kohle nafs war und trotzdem 152 mg 
zeigt. 


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Von Dr. Eduard Dirksen. 


105 


Im allgemeinen betrachtet, ist das Auffallendste die Extreme, 
in denen sich meine Beobachtungen im Verhältnis zu denen 

Tabelle m. 



der anderen Untersucher bewegen. Die niedrigste (lfd. Nr. 1) 
ist meine Beobachtung (= 0), meine zweite Beobachtung ist 


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106 


Quantitative Staubbestimmungen etc. 


schon Nr. 35 und von da ab kommen 16 meiner Beobachtungen 
auf 3 andere (vgl. auch Tabelle III), also die Luft ist be¬ 
deutend viel staubhaltiger, über 10 mal staubhaltiger bei meiner 
kleinsten und gröfsten Zahl als in der geringsten und höchsten 
im Gewerbebetriebe gemachten Beobachtung: 13) Kunstwoll- 
fabrik 7,0 gegen 35) 82,8 und 44) Zementfabrik 224,0 gegen 53) 
2289,7 und Hesse bezeichnet schon die Staubmenge der Ze¬ 
mentfabrik als geradezu haltlos und jeder Beschreibung hohn¬ 
sprechend. 

Erwähnenswert ist noch Nr. 13: die Kohle war nafs und 
es wurde nichts von Staub gefunden. Bei Nr. 14 war die Kohle 
auch nafs, trotzdem waren 152 g da, d. h. erst die drittgeringste 
Menge (Nr. 13 = 0, Nr. 22/23 — 82,8/88,7). Bei letzterer ist 
»mäfsige Staubentwicklung« besonders angegeben, man hätte 
also doch mehr als bei Nr. 14, der nassen Kohle (152 mg) er¬ 
warten sollen. Übrigens ist die Staubmenge Nr. 14 nicht im 
Bunker gefunden, sondern in Abteilung VII des Panzerdecks. 
Dort wurden nämlich, wenn das Schiff für längere Zeit keine 
Gelegenheit hatte, Kohlen zu nehmen und mit seinen Bunker¬ 
kohlen nicht gereicht hätte, Reservekohlen untergebracht. Das 
Panzerdeck ist in 11 wasserdicht voneinander abschliefsbare 
Abteilungen eingeteilt (angedeutet in Skizze 2—6) und dient 
sonst als Wohnraum für einen Teil der Mannschaft. In diesem 
Falle wurde die Abteilung wasserdicht abgeschlossen und wie 
ein Bunker mit Kohlen gefüllt. 

Die geringste Staubmenge war also = 0. Die nächst gröfsere 
(Nr. 22/23 82,8/88,7 mg) überflügelt gleich das Gros des bisher 
Beobachteten und steht vor Are ns Schnupftabakfabrik, über¬ 
ragt also die von Hesse im Kohlenbergwerk gefundene Menge 
(14,3 mg) um das Sechsfache. Die dritte Zahl (Nr. 14 152 mg) 
übertrifft schon die niedrigere Zahl der Zementfabrik. Die 
nächsten beiden Zahlen (205,8 und 208,0, Nr. 24 und 7) er¬ 
reichen bereits fast die höchste überhaupt bisher beobachtete 
Zahl (224 mg Zementfabrik) und von da geht es von 322 mg 
(Nr. 27) in grofsen Schritten bis zu der erheblichen Höhe von 
2276,0 und 2289,7 mg (Nr. 6 und 17). 


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Von Dr. Eduard Dirksen. 


107 


Wären die Staubmengen, wie ich sie in den einzelnen 
Momenten gefunden, während der ganzen Zeit des Köhlens 
die gleichen, so würde das für den dort arbeitenden Heizer, 
4 Stunden Arbeit im Bunker und 5001 stündliche Atemluft¬ 
menge gerechnet, verglichen mit H e s s e s Kohlengrubenarbeiter, 
ergeben : 

13,3 mg Staub in 1 cbm = 0,0286 g Staub 
atmet Hess es Arbeiter in 4 Stunden ein. 


82,8 

mg 

Staub 

in 

1 cbm 

= 

0,1656 g Staub 1 

aT © 
fl 

88,7 


T> 


> 

1 

= 

0,1774 > 

1 

® 5 
•S 2 

102,8 


7> 


> 

> 

= 

0,2056 > 

» 

fl 

S M 

« J8 

152,0 

» 

I 




= 

0,304 » 

T> 

a a 
© a 

181,0 


» 



» 

= 

0,3620 » 

» 


205,8 


» 

i 


} 


0,4116 » 


S .5 

fl 

208,0 

» 

> 

$ 


> 

— 

0,4160 » 


'S fl 
© 

322,2 


) 

i 


» 

= 

0,6444 » 


fl s 

5 & 

382,2 

» 

» 

* 

» 

> 

= 

0,7644 » 

* 

»5 „ 

582,0 

» 

» 


J 


= 

1,164 » 


rj fl 

.5 ® 

© N 

648,7 

» 

* 


» 

I 

= 

1,2974 » 

1 

«, fl 
© 08 
N 00 

691,5 

i 

> 


T> 

1 

= 

1,383 » 

1 

5 .2 

W *^3 

708,0 

» 

» 

» 

» 

> 

= 

1,416 » 

> 

'S ® 

2276,0 

i 

» 

> 


» 

— 

4,552 » 

7 > 

© Ö 

2289,7 

7 > 

» 

» 

* 

1 

= 

4,5794 > 

1 

a g 
'S * 


Die beiden letzten Mengen (4,5794 und 4,552 g) Kohlen¬ 
staub nehmen etwa an Raum ein: 8 ccm, also einen Würfel von 
2 cm Seitenlänge; von dieser Menge betragen die folgenden: 

1,416 =Vs 0,4116 = Vn 0,0286 = 1 /ieo (Hesse) 
0,7644 = 7« 0,1656 = Vs» 

In den 4 Stunden hätte also der Kriegsschiffsheizer das 
8 —160 fache von Kohlenstaub einzuatmen als der Arbeiter 
Hesses. 

Der Kohlengrubenarbeiter verbringt seine ganze tägliche 
Arbeitszeit oder doch wohl den gröfsten Teil derselben in der 
Staubatmosphäre, der Kriegsschiffsheizer alle 20 Tage einmal 
höchstens 4 Stunden. Allerdings kommt bei letzterem noch sein 


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108 


Quantitative Stanbbestimmnngen etc. 


Dienst vor den Feuern, d. h. die Zeit, in der er im Heizraum 
Kohlen auf die Feuerung aufschüttet, hinzu. Ich habe diese 
Staubmenge nicht messen können, da mir ein für solche Räume 
geeigneter Apparat nicht zur Verfügung stand. Doch läfst sich 
auch ohne das das Eine sagen, dafs diese Staubmenge ver- 
schwindend gering ist, da der Zug durch die Feuerung den 
gröfsten Teil des Staubes mit fortreifst. 

Dafs der vorzügliche Staubfänger, den wir an unserer Nase 
haben, mit solchen Staubquantitäten nicht fertig werden kann, 
und dafs ein grofser Teil in die Lunge gelangen mufs, beweisen 
die bekannten Lungensektionsbefunde bei Kohlenarbeitern. Fest¬ 
zustellen, wieviel die Nase festhält, ist schon allein deshalb schwer, 
weil die Heizer sich natürlich sehr häufig die Nase schneuzen. 

Ob sich aus der Krankenstatistik ein Überwiegen der Er¬ 
krankungen der Atmungsorgane bei Heizern im Vergleich zu 
den Matrosen während der 2 Jahre meines Bordkommandos 
nachweisen läfst, auf diese Frage will ich hier nicht eingehen. 
Erwähnen möchte ich nur nebenbei, dafs die Entzündungen der 
äufseren Gehörgänge bei Heizern häufiger sind. 

Während derselben Zeit ist auch kein Heizer verstorben, 
ich habe daher auch keine Kohlenlunge sehen und die Menge 
der Kohle in derselben bestimmen können. Wie grofs übrigens 
die abgelagerten Kohlenstaubmengen bei den Kohlenarbeitern, 
die unter ähnlichen Verhältnissen wie die Heizer arbeiten, sind, 
darüber hat Hanna berichtet: 


Kohlengehalt menschlicher Longen. 

Nach W. Hanna (Archiv f. Hygiene, 30. Bd., 1897, S. 335). 


Bezeichnung 

Frisches 

Gewicht 

Kohlen¬ 

menge 

»/. Kohle 
in der 
frischen 
Lunge 

% Kohle 
in der 
getrockn. 
Lange 

Pigment- j Beide Lungen (Frau 28 Jahre) 

778 

1,01 

0,129 

1 1,03 

arm {Rechte Lunge (Kind 5 Jahre) 

190 

0,402 

0,211 

1,30 

Kohlen- J Beide Lung. (Töpfer 80 Jahre) 

1072 

9,5 

0,88 

5,29 

1 ungen [Linke Lunge. 

363 

3,7 

1,02 

6,45 

Rindslunge. 

|! 


0,044 


Rindslange. 

— 

i 

0,034 

^ — 


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Von Dr. Eduard Dirksen. 109 

Dabei muls ich der Lehre von der Anthracosis pulmonum 
überhaupt auszugsweise mit wenigen Worten gedenken. 

Pearson und Laennec waren die ersten, die die Frage, 
ob Staubpartikelchen, speziell Kohlenstaub in das Lungengewebe 
und von da in die Bronchialdrüsen eindrängen, in bejahendem 
Sinne beantworteten. Pearson meint, dafs die Kohlenteilchen 
gleichwie der Sauerstoff aufgenommen werden und durch die 
Lungenzellen ins Blut gelangen, ebenso sei es möglich, dals die 
Teilchen von den Luftröhrenästen in die Saugader dringen, da 
die schwarzen Streifen an der Oberfläche der Lungen mit Lungen¬ 
saugadern übereinstimmen. Henle bezweifelte das im Jahre 
1841 und Virchow stützte diesen Zweifel, indem er dieses 
Lungenpigment für ein pathologisches Produkt erklärte, der 
Bronchialschleim befördere die Kohle wieder hinaus. Gregory 
veröffentlichte dann das Sektionsergebnis eines seit 10 Jahren 
in Kohlenbergwerken beschäftigten Arbeiters, bei welchem neben 
Kohlenanhäufungen in den Lungen sich Cavernen fanden, die 
mit einer schwarzen tintenartigen Flüssigkeit gefüllt waren. Die 
Engländer Thomson (Vater und Sohn) Philp Simpson, 
Hamilton und Stratton, die Deutschen Erd mann und 
Brockmann brachten weiteres Material herbei. Stratton ge¬ 
brauchte zuerst den Ausdruck Anthracosis. Christison, Gra¬ 
ham und Lecanu brachten den chemischen Nachweis. Der 
Franzose Robin kam auf Grund seiner Beobachtungen in den 
Pariser Hospitälern zu der Überzeugung, dafs das Eindringen 
von Kohlenteilchen in die Lungen eine nicht zu bezweifelnde 
Tatsache sei, der aufserdem die Villaretsche Ansicht, nach 
welcher die Kohle vom Darmkanal durch die Chylusgefäfse ins 
Blut übergehe, heftig bekämpte, der Staub gehe von den Alve¬ 
olen aus durch die Wandungen derselben hindurch zu dem 
interstitiellen Gewebe, so in den Lymphstrom und zuletzt in die 
Bronchialdrüsen. Traube wies dann direkt Kohlenteilchen 
nicht nur in den sputis, sondern auch in den Alveolen nach 
und nahm an, dafs die Aufnahme stattfinde bei durch chroni¬ 
schen Katarrh gestörter Flimmerbewegung. L e w i n und C r o c q 
beobachteten das Vordringen des Staubes bis in das Lungen- 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 8 


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110 


Quantitative Staubbestimmungen etc. 


parenchym und Crocq fand wenige Stunden nach Anstellung 
diesbezüglicher Versuche Kohle im Parenchym der Lunge und 
in den Bronchialdrüsen Als noch von vielen Seiten Bestäti¬ 
gungen kamen, gab auch Virchow schliefslich zu, dafs fein¬ 
körnige Kohle in die katarrhalische Zelle übergehe, und dafs es 
eine wahre Anthracosis pulmonum gäbe. 

Die feinere Verteilung des Staubes und die Einwirkung des¬ 
selben auf die Gewebe studierte Arnold an äufserst sorgfältigen 
und umfassenden Tierversuchen. Seine Beobachtungen sind in 
dem Werk über Staubinhalation und Staubmetastase niederge¬ 
legt. Danach findet sich der inhalierte Staub in Trachea und 
Bronchien sowohl frei in Form einzelner in Schleim eingebette¬ 
ter Körner- und Körnerhaufen, als auch an Zellen (Staubzellen) 
gebunden; letztere können ihrem anatomischen Charakter nach 
epitheliale und lymphoide sogenannte »Wanderzellen« sein. Teils 
aktiv teils passiv treten Staubmassen in den Alveolen zwischen 
den Epithelien hindurch und gelangen frei oder in Staubzellen 
in das Saftkanalsystem, von da in die Lymphgefäfse und in die 
Drüsen; in den vasis afferentibus findet sich Staub, in den effe- 
rentibus nicht. Man findet den Staub dann besonders massen¬ 
haft abgelagert im inter- und periinfundibulären, im peribronchia¬ 
len und perisvasculären Bindegewebe, und in den subpleuralen 
Lymphgefäfsen. In das Blut gelangt der Staub durch Verwach¬ 
sung von anthrakotischen Lymphdrüsen mit gröfseren Gefäfsen 
und Durchbruch in dieselben, oder Arnold fand Staubablage- 
rung nicht nur in der Adventitia, namentlich der Arteria pulmo- 
nalis, sondern auch nach innen vom Adventialraum in der 
Media und Intima, in letzterer bis an das Endothel heranreichend 
und zwar nicht einzelne Körner, sondern gröfsere Staubhaufen. 
Die Arterienwand ist dort stark atrophisch. Arnold hat das 
sehr häufig und in grofser Ausdehnung gesehen, so dafs der 
Übertritt ins Blut auf diesem Wege der wahrscheinlichste ist. 
Die Villaretsche Behauptung der Aufnahme des Staubes durch 
den Darmkanal bestreitet Arnold auf Grund seiner Versuche 
entschieden. Soyka und von Ins bestätigten dann noch, dafs 
die weifsen Blutkörperchen die Staubmoleküle aufnähmen. 


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Von Dr. Eduard Dirks en. 


111 


Staub ist in den meisten Brust- und Bauchorganen gefunden. 
Die Entlastung der Lunge von Staub nach Sistierung der Ein¬ 
atmung erfolgt teils durch Expektoration teils auf dem Wege 
des Lymphstroms nach den Bronchialdrüsen hin. 

Die Symptome der Antbracosis sind meist = 0. Seitmann 
sagt: bekannt ist jedem Grubenarzt, dafs selbst die höheren 
Grade ohne alle Symptome verlaufen können. In vorgeschritte¬ 
neren Stadien ist Husten, Auswurf, Dyspnoe, chronischer Bron¬ 
chialkatarrh, Emphysem, Dilatation und Hypertrophie des 
rechten Herzens, Venenstauungen, Leberschwellung, Ödeme 
beobachtet. 

Die Kohlenarbeiter erfreuen sich unter allen Staubarbeitem 
der besten Gesundheit. Nach Hirt litten von 100 Erkrankten 
an Phthise: 

26°/ 0 Arbeiter, die anorganischen Staub inhalieren 
17 » » » organischen » » 

11 » » | gar keinen t 

1,3» » » Kohlenstaub * » 

Nur 0,9% sämtlicher innerer Kranker der Bergleute Ober¬ 
schlesiens litten an Tuberkulose. Von vielen Seiten wird sogar 
eine direkte Immunität für Tuberkulose für die Kohlenarbeiter 
behauptet. 

Es lag nach den Befunden von Arnold und nach den 
grofsen Staubmengen, die in den Bunkern eingeatmet werden, 
der Gedanke nahe, ob sich gleich nach dem Kohlen bei den 
Heizern nicht Kohlepartikelchen im Blut finden würden. Es 
wurden daher bei Heizern, die eben in den Bunkern gewesen 
waren, und bei Matrosen vergleichende Blutuntersuchungen ge¬ 
macht, bei denen sich im Blute der Matrosen nichts, in dem 
eines Heizers scharfkantiges schwarzes Pigment in den weifsen 
Blutkörperchen zeigte, welches als Kohle angesprochen wurde, 
ein Befund, den Prof. Grawitz, dem ich das Präparat zeigte, 
bestätigte. 

Es ist also erwiesen — auch Arnold hat es bei seinen Ver¬ 
suchen mit Sicherheit nachgewiesen —, dafs bei Aufhören der 
Staubeinatmung die Lungen sich in relativ kurzer Zeit ent- 

8 * 


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112 


Quantitative Staubbestimmungen etc. 


kohlen. Die Kohlenarbeiter atmen relativ wenig, aber täglich 
Kohlenstaub ein, der Kriegsschiffsheizer schlimmstenfalls alle 
21 Tage höchstens 4 Stunden, aber dann sehr grofse Quanti¬ 
täten. So hat der Heizer jedenfalls Zeit, zwischen den einzelnen 
Kohlenperioden, sich der grofsen Kohlenmengen wieder zu ent- 
äufsern, trotz weiter dauernder Heizraumarbeit. 

Wenn man weiter in Betracht zieht, dafs der Kohlenstaub 
in den Lungen fast gar keine Krankheitserscheinungen macht, 
ja dafs Kohlenarbeiter sogar eine gewisse Immunität gegen Tuber¬ 
kulose erwerben sollen, so scheint die Gesundheitsschädigung, 
die man nach der sehr erheblichen eingeatmeten Staubmenge 
für die Heizer für recht bedeutend halten sollte, eine sehr ge¬ 
ringe zu sein, da der Körper aufser der Nase in den Lungen 
eine zweite Schutzvorrichtung hat, welche die die Nase passiert 
habende Kohle auch wieder hinausschafft. 

Trotzdem hätte man sich umzusehen, ob man den Körper 
nicht unterstützen und die Schädlichkeit fernhalten oder verrin¬ 
gern kann. Da wäre zu denken an: 

1. Die Kohlen so nafs zu schütten, dafs sie nicht stauben. 
Dadurch ist aber die Gefahr der späteren Selbstentzün¬ 
dung gegeben. Dieses ist daher nicht ausführbar. 

2. Die Heizer möglichst kurze Zeit in den Bunkern und sie 
häufig ablösen zu lassen. Das geschieht. 

3. Den Staub abzusaugen. Dem stellen sich aber grofse 
technische Schwierigkeiten in den Weg. 

4. Die Heizer Respiratoren tragen zu lassen. 

Das ist bisher daran gescheitert, dafs die Respiratoren drück¬ 
ten und kniffen und die Atmung behinderten. Die Leute trugen 
sie deshalb nicht. Im Jahre 1900 sind dagegen Schwamm-Re¬ 
spiratoren (System Sarg) der Marine zur Verfügung gestellt, die 
allen Anforderungen entsprochen haben und von den Heizern 
gern getragen werden. Marine-Oberstabsarzt Dr. Davids hat 
darüber im Oktoberheft 1900 der »Marine-Rundschau« berichtet. 1 ) 
Die Versuche fielen so günstig aus, dafs durch Verfügung des 

1) Versuche mit Schwammrespiratoren (System Sarg), S. 1065. 


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Von Dr. Eduard Dirksen. 


113 


Reichs-Marineamtes vom 17. XII. Ol die Masken eingeführt 
wurden. Davids sagt über den Effekt derselben a. a. 0.: »Die 
Respiratoren waren bei der Arbeit vollständig schwarz geworden 
und in ihrer ganzen Dicke mit Kohlenstaub durchsetzt. Bei 
denjenigen Leuten, welche ohne solche gearbeitet hatten, waren 
die Nasenschleimhaut, die Schleimhaut der Mund* und Rachen¬ 
höhle und die Zunge mit einer dicken, schwarzen, fast ununter¬ 
brochenen Schicht von Kohlenstaub bedeckt. Bei denjenigen 
Heizern dagegen, welche die Respiratoren getragen hatten, zeig¬ 
ten diese Schleimhäute die gewöhnliche gesunde Röte, nur an 
einzelnen wenigen Stellen sah man auf ihnen kleine Kohlenstaub¬ 
teilchen liegen. Der Unterschied war kolossal.« 

Es ist daher ein die Erwartungen wohl sogar übertreffendes 
Mittel gefunden, das hoffentlich auf die Dauer hält, was es jetzt 
verspricht. 

Über die drei anderen hygienischen Faktoren im Bunker: 
Temperatur, Feuchtigkeits- und CO 2 -Gehalt wäre noch zu be¬ 
merken : 

Die Temperatur schwankt zwischen 15,5° C. (Oktober) und 
33° C. (Mai). Sie ist nicht oder nur wenig abhängig von der 
Jahreszeit. Das Mafsgebende ist, die Heizräume, die den Bun¬ 
kern, wie geschildert, benachbart sind, und wieviel Heizräume 
(es gibt deren 4 zu je 3 Kesseln) in Betrieb sind. Eine Tem¬ 
peratur von 33° C. ist nicht übermäfsig, wenigstens für einen 
Heizer, der im Heizraum an manchmal höhere Temperaturen 
gewöhnt ist. 

Der CO 2 -Gehalt wächst und fällt nicht mit der Tempera¬ 
tur. Ich habe in der folgenden Tabelle IV den CO 2 0 / 0 -Gehalt 
vom geringsten bis zum gröfsten und die dazu gehörigen Tem¬ 
peraturen und den Staubgehalt zusammengestellt: 


Tabelle IV. 


Lfd. Nr. 

Nr. der 
Tabelle I 

CO,- 

Gehalt 

Temperatur 

»c. 

Staubgehalt 

mg 

Datum 

1 

18 

0,64 

17° 

1 — 

23. X. 96 

2 

20 

0,72 

16° 

— 

11. XI. 96 

3 

I 

12 

0,76 

29 ° 

— 

1. Vm. 96 


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114 Quantitative Staubbestimmungen etc. Von Dr. Eduard Dirksen. 


Lfd. Nr. 

Nr. der 
Tabelle I 

co f - 

Gehalt 

Temperatur 

0 O. 

Staubgehalt 

mg 

Datum 

4 

27 

0,778 

28° 

322,2 

20. VIII. 97 

5 

17 

0,85 

15,5° 

2289,7 

23. X. 96 

6 

14 

0,90 

28° 

152,0 

1 . IX. % 

7 

25 

1,009 

25,5° 

382,2 

20. VIII. 97 

8 

28 

1,009 

28° 

648,7 

20. VIII. 97 

9 

22 b 

1,0701 

24,5° 

82,8 

29. VII. 97 

10 

19 

1,12 

17« 

— 

11. XI. 96 

11 

22 a 

1,1731 

24,5° 

82,8 

29. VII. 97 

12 

26 

1,19 

27® 

691,5 

20. VIII. 97 

13 

9 

1,2 

27° 

688,5 

26. VI. 96 

14 

8 

1,26 

25° 

— 

26. VI. 96 

15 

24 

1,3372 

22 ® 

205,8 

29. VII. 97 

16 

15 

1,34 

25,5 ® 

— 

1. IX 96 

17 

11 

1,38 

26® 


14. VII. 96 

18 

2 

1,66 

23° 


10. IV. 96 

19 

16 

1,74 

16® 

— 

23. X. 96 

20 

3 

1,8 

23° 

-- 

10. IV. 96 

21 

23 b 

1,9 

25® 

88,7 

29. VII. 97 

22 

7 

2,05 

30® 

208,0 

26. VI. 96 

23 

23 a 

2,1745 

25® 

88,7 

29. VH. 97 

24 

4 

2,46 

33® 

582,0 

5. V. 96 

25 

1 1 

3,05 

17® 

— 

20. III. 96 

26 

i 6 

3,78 

22 ® 

708,0 

5. V. 96 


Der CO 2 -Gehalt ist an und für sich, wenigstens in der 
Mehrzahl der Fälle, nicht so schlecht. Doch für einen Raum, in 
dem körperlich schwer gearbeitet wird, ist er hoch. Deshalb 
darf von der Forderung 2 (S. 112), dafs die Heizer möglichst kurze 
Zeit in den Bunkern bleiben und häufig abgelöst werden, nicht 
abgegangen werden. 

Der Feuchtigkeitsgehalt wurde so selten bestimmt, weil ich 
nur ein Assmannsches Aspirationspsychrometer hatte und der 
Kohlenstaub mir das Uhrwerk verdorben hätte. 

Ein näheres Eingehen auf Temperatur, C0 2 - und Feuch¬ 
tigkeitsgehalt in diesen Räumen behalte ich mir für eine spätere 
Arbeit vor. 


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Über das Vorhandensein einiger schwerer Metalle in 
irdenen Geschirren nnd metallenen Gefäfsen entstam¬ 
menden Nahrungsölen. 

Von 

Dr. E. Bertarelli, 

Privatdozent. 

Ins Deutsche übertragen vom Dozenten A. Wihlfahrt, Turin. 

(Hygienisches Institut der Kgl. Universität Turin. Unter Leitung des Herrn 
Prof. Dr. L. Pagliani.) 

Meine nachstehend aasgeführten Untersuchungen wurden 
durch einen Prozefs hervorgerufen, der vergangenes Jahr gegen 
den Besitzer einer Ölbäckerei einer der gröfsten Städte Italiens 
eingeleitet worden war. Es wurde dabei die Behauptung aufge¬ 
stellt, dafs das zum Backen verwendete Öl Teile der nicht ver¬ 
zinnten Kupferpfanne losgelöst und infolgedessen einige Ver¬ 
giftungsfälle herbeigeführt habe. 

Etliche der gerichtlichen Sachverständigen bemerkten mit 
Recht, dafs die bromatologische und hygienische Literatur über 
eventuelles Vorhandensein schwerer Metalle in Nahrungsölen 
sehr dürftig sei und es ihnen somit wohl angebracht erscheine, 
systematische Nachforschungen anzustellen, die darauf hinaus¬ 
gehen, besonders vom praktischen hygienischen Gesichtspunkte 
aus darzulegen, ob wirklich die Gefahr vorliege, dafs die ge¬ 
wöhnlichen Nahrungsöle in irdenen lackierten Geschirren oder 
metallenen Gefäfsen deren schwere Metalle in hohem Grade auf¬ 
zulösen imstande seien. 


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116 Das Vorhandensein einiger schwerer Metalle in irdenen Geschirren etc. 


Derartige Forschungen mufsten sich naturgemäfs mit allen 
jenen Metallen beschäftigen, die gewöhnlich zur Fabrikation der 
Küchengeräte und zur Verzinnung verwendet werden und dann 
auch mit allen anderen, die eventuell als Bestandteile der Ge¬ 
schirrlacke in Betracht kommen konnten. 

Wie bereits angedeutet, ist die bezügliche Literatur wenn 
nicht ganz, so doch fast negativ. Soweit es mir zu konstatieren 
möglich war, ist Redwood 1 ) allein absichtlich dieser Frage 
näher getreten, als er über die Lösbarkeit einiger Metalle in Ölen 
für industrielle Zwecke Näheres zu erfahren suchte. Ein ganzes 
Jahr hindurch liefs er gut gereinigte und genau gewogene Zy¬ 
linder verschiedener Metalle in verschiedene, Öle enthaltenden 
geschlossenen Röhren liegen. Darauf reinigte er die Metalle 
sorgsam und wog sie ein zweites Mal zwecks Feststellung der 
Gewichtsdifferenz resp. der an das Öl abgegebenen Metall¬ 
quantität; zuletzt untersuchte er dann das Öl auf seinen 
Metallbestand. 

Er fand dabei, dafs Olivenöl das Messing stark angreift, das 
Baumwollöl dagegen das Zinn, dass Rüböl auf Kupfer einwirkt 
und, wenn auch nur wenig, auch auf Zinn, Olivenöl jedoch nur 
schwach auf Blei etc. 

Bailand 2 ) vervollständigte später (1892) diese Studien hin¬ 
sichtlich des Aluminiums und wies nach, dafs Olivenöl dasselbe 
auch nach langwährendem Kontakte nicht angreift. 

Das ist die ganze Literatur über die Gegenwart von Metallen 
in Ölen. Dagegen existiert dann eine sorgsam ausgeführte Ar¬ 
beit von H. Fresenius und A. Schattenfroh 8 ), die die Me¬ 
thoden zur Auffindung schwerer Metalle in Ölen bespricht, auf 
die ich noch später ausführlicher zurückkommen werde. 

Soweit mir bekannt, hat kein anderer Autor weder in hygie¬ 
nischer noch in industrieller Richtung Nachforschungen dieser 

1) Eedwood, L’azione degli olii sui metalli. (Journ. Soc. Chem. 
Industr., 1886.) 

2) Ball and, im Annnario scientifico Industr., 1892. 

3) Fresenius, H. und Schattenfroh, A., Über den Nachweis und 
die Bestimmung von Metallen in fetten ölen. (Zeitschr. f. analyt. Chemie, 
1895, Bd. 34.) 


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Von Dr. E. Bertarelli. 


117 


Art ausgeführt; selbst nicht Lehmann *) in seiner umfassenden 
Schrift über das Blei vom Standpunkte der Hygiene, noch 
Gautier 1 2 ) in seiner Studie über das Blei und Kupfer in den Nah¬ 
rungsmitteln, haben über die mögliche Gegenwart dieser Metalle 
in den Ölen besondere Nachsuchungen angestellt. Dieser letzte Ver¬ 
fasser spricht im Kapitel über Fleischkonserven nur ganz 
flüchtig von der Gegenwart der Metalle in den Ölen. 

Bei meinen Versuchen bin ich folgendermafsen verfahren. 
Zunächst experimentierte ich mit Oliven-, Rüben- und Sesamöl, — 
bekannter Herkunft — für dessen Reinheit ich volle Garantie 
hatte. Sodann wurde sämtlicher Öle Dichtigkeit und Acidität 
bestimmt. 

Ein Teil eines jeden dieser Öle wurde zuerst in Gefäfse 
überbracht, deren Glasur mit den üblichen Reaktionen unzweifel¬ 
hafte Spuren von Blei aufwiesen. 

Einige Ölproben wurden in irdenen Gefäfsen für 10—20 
bis 30 Tage stehen gelassen und dann in nachbeschriebener Weise 
auf Pb hin untersucht. 

Andere in Gefäfse gesetzte Ölproben wurden bis zum Sieden 
erhitzt, daraufhin abgekühlt, und dann der Pb-Probe unter¬ 
worfen. Wieder andere wurden erst nach 15—20 tägiger Ruhe 
in den Gefäfsen erhitzt. Schliefslich wurden auch einige mit 
der üblichen Quantität Essigsäure angesäuert, lange in Kontakt 
mit dem Firnis gehalten und dann zur Bestimmung heran¬ 
gezogen. 

In ähnlicher Weise ging ich mit den metallenen Gefäfsen 
um. Als solche kommen hier in Betracht: Gut gereinigte Kupfer- 
gefäfse und verzinnte Gefäfse mit Legierungen verschiedenen 
Bleigehalts, von einfachen Bleispuren bis zu 16% Pb. 

Ich wählte Verzinnungen bis zu besagter Höhe, weil aus 
einem vor kurzem in Turin verhandelten Prozefs hervorging, 
dafs einige unehrliche Zinngiefser — und ihre Nachahmer dürften 

1) Lehwann, K. B., Hygienische Studien über Kupfer. (Archiv für 
Hygiene, XXIV.) 

2) Gau tier, Le cuivre et le plomb dans l’alimentation et dans 
l’industrie au point de vue de l’hygi&ne. Paris, 1883. 


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118 Das Vorhandensein einiger schwerer Metalle in irdenen Geschirren etc. 

nicht wenige sein — Zinnlegierungen mit ähnlich starkem Blei¬ 
zusatz ausführten. 

Die der Untersuchung unterstellten Legierungen waren im 
allgemeinen dreier Art, nur einige wenige anderer Zusammen¬ 
setzung. Die erste enthielt Blei in kaum wahrnehmbaren Spuren, 
die zweite besafs 4°/ 0 Pb und die dritte 16°/ 0 . 

Nach Beendigung aller dieser Nachforschungen untersuchte 
ich, ob in Wirklichkeit auch im Öle einiger Nahrungssubstanzen, 
die in verzinnten Metallbüchsen stehen — woselbst überdies 
fast immer etwas Kontakt zwischen dem Öl und der Verlötung 
der Büchse besteht — Spuren von schweren Metallen vorge¬ 
funden werden können. Diese Bestimmungen wurden an einer 
Reihe von eingebüchsten Nahrungsmittel-Konserven aus¬ 
geführt, die seinerzeit den Preisrichtern der letzten Turiner Aus¬ 
stellung als Proben präsentiert worden waren. 

Bezüglich der zur Auffindung des Pb, Cu und Sn in Ölen 
einzuschlagenden Weges befand ich mich vor einer kleinen prakti¬ 
schen Schwierigkeit. Es galt, die Technik zu finden, zur Unter¬ 
scheidung der organischen Substanzen. In dieser Hinsicht lohnt 
es sich der Mühe, darauf hinzuweisen, wie einige Handbücher 
der Bromatologie, auch gut bekannte, in ohne weiteres erkennt¬ 
liche Ungenauigkeiten fallen. 

So rät das kleine Handbuch von Gigli 1 ) (aufser der Ver- 
äscherung), die organische Substanz nach der klassischen Methode 
Fresenius-Babo zu zerstören, was aber unmöglich gelingt 
wegen der bekannten Kombination des Chlors mit der Ölsäure. 
Dieser Fehler wird von verschiedenen Handbüchern wiederholt. 

Zweifellos ist es nicht gerade leicht, den praktischen Weg 
zu zeigen, der zur Zerstörung der organischen Substanz in den 
Ölen führt. Das einfachste Mittel wäre die Verbrennung; einige 
Metalle jedoch können in den Temperaturen, welchen man den 
Kohlenstoffrest sukzessiv zur Veraschung aussetzt, verflüch¬ 
tigen und die Bestimmung könnte — besonders da es sich 
um die Spuren einiger Metalle handelt, irrtümlich negativ aus- 
fallen. 

1) T. Gigli, Latte, Cacio, burro, olii, graaai alimentari. Duznolar, 1885. 


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Von Dr. E. Bertarelli. 


119 


Die vorerwähnte klassische Methode kann also nicht in Ge¬ 
brauch genommen werden, und ebensowenig die von Garnier 1 ) 
ausgeführte Modifikation, der das Chlorat und die Salzsäure auf 
bekannte Weise durch gasige Salzsäure ersetzt. Aus klarliegenden 
Gründen kann auch die Methode Ponchet 2 ) mit rauchender 
Salpetersäure und Kaliumbisulfat, noch die Methode von A. Wil¬ 
li er 3 ) nicht zur Anwendung kommen, während die Methode 
Gautier 4 ) mit sukzessiver Behandlung mit Salpeter, Schwefel- 
Salpetersäure sich auch ziemlich schlecht eignet. 

Viel besser dient das vorerwähnte Verfahren von H. 
Fresenius und A. Schattenfroh, das auch von Lehmann 
in seinem Handbuch der hygienischen Untersuchungsmethoden 
empfohlen wird. Diese Verfasser lösen das Öl in einem drei¬ 
fachen Volumen Äther, behandeln den gelösten Äther mit einem 
dreifachen Volumen verdünnter Salpetersäure, worauf sie dann in 
der Salpeterlösung die Metalle suchen. Zur Auffindung des Pb 
behandeln sie die Ätherlösung mit Schwefelsäure und erhalten 
so das Sulfat, das man scheiden und dann zu Kontrollversuclien 
verwenden kann. 

Nach Aussage der Erfinder ist die Methode gut, fordert 
aber notwendigerweise eine Volumen Verminderung des zu unter¬ 
suchenden Öls. Ergründen wollte ich deshalb mit einigen ein¬ 
leitenden Probebestimmungen, die an Oien, deren Zusammen¬ 
setzung mit Salzen der schweren Metalle, nach denen ich 
suchte, bekannt war, vorgenommen wurden, ob diese Methode 
wirklich viel empfindlicher ist als die andere Experimentierart, 
nach welcher zuerst das Öl karbonisiert, dann die Kohle zu 
Asche verwandelt und endlich in der Asche das Metall gesucht 
wird. Die angestellten Vergleichsproben — quantitative Be¬ 
stimmungen fanden nicht statt sondern nur annähernde Prüfungen 
— haben ergeben, dafs die Methode für Cu empfindlicher ist als 
jene die vorherige Zerstörung der organischen Substanz verlan- 

1) Journal Chim. Pharm. 8. 28, V. Serie. 

2) Assoc. Chimis. 1895. 

3) Encicl. Selmi-Guareschi. Supplement, vol. 17, 1901. 

4) Bullet. Coli, of Agric. Imper. Univ., vol. 24. 


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120 Das Vorhandensein einiger schwerer Metalle in irdenen Geschirren etc. 


gende; weniger interessant sind die Fehler für Pb und noch 
weniger die für Sn. 

Praktisch habe ich also stets die Zerstörung mittels Ver¬ 
kohlung des Öls angewandt. Die fein gepulverte Kohle wurde 
dann nach und nach verbrannt und die Asche mit HCl aufge¬ 
nommen. In der sauren Lösung begann schliefslich nach den 
bekannten analytischen Methoden die Untersuchung auf Metalle. 

Fiel das Experiment positiv aus, so liefs ich jedes andere 
Verfahren beiseite, im gegenteiligen Falle aber betrat ich andere 
Wege, d. h. I. Entweder wiederholte ich dieselbe Probe an nur 
karbonisiertem und nicht veraschtem Material, oder aber II. ich 
basierte meine Untersuchungen auf die Methode Fresenius 
und Schattenfroh. 

Als meine Untersuchungen nach allen Methoden nega¬ 
tives Resultat ergaben, versuchte ich zuletzt noch die von 
Gautier bei seinen Forschungen über Blei und Kupfer in den 
Speisen verwandte. Ich verkohlte nämlich die Öle bei ge¬ 
ringer Hitze und fügte ein wenig mit einigen Tropfen Schwefel¬ 
säure vermischte Salpetersäure hinzu, wobei der Zusatz der 
Salpetersäure jedoch erst erfolgte, wenn fast alles Öl spontan 
verbrannt war; der Kohlenrest wurde dann mit salpetersaurem 
kochenden Wasser erschöpft. Die noch übrig bleibende Kohle 
verkalkte ich langsam bei Rotglut, während ich das Waschwasser 
ausdampfen liefs. Die Kohlenasche wurde nun mit dem Evapo¬ 
rationsrest der Waschwasser vermischt und das Ganze mit über¬ 
schüssiger Schwefelsäure behandelt. Nach erfolgter Erhitzung 
und Veraschung verdünnte ich den Rest mit Wasser, liefs es 
sieden, abkühlen und nach 24 Stunden filtrieren. Das Blei und 
Zinn blieben auf dem Filter. 

Zur Auffindung des Pb liefs ich den Niederschlag einige 
Stunden lang mit Baryumhydratkrystallen kochen; die Sulfate gingen 
dabei in Oxyde über und man erhält definitiv Baryumbleiverbin- 
dung und Baryumzinnverbindung. Die Masse wird dann mit 
warmem und dem gleichen Volumen Wasser verdünnten HCl auf* 
genommen und durch Glaswolle oder Asbest gefiltert. In der sauren 
Flüssigkeit hat man Pb, Cu, Sn und die säuern Sulfate. Mau 


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Von Dr. E. Bertarelli. 


121 


wäscht nun den Rest mit verdünntem HCl und dann mit sieden¬ 
dem Wasser. In der säuern Flüssigkeit wird Pb und Sn mit 
einem Strahle von H 2 S gefällt. Die mit schwefelsaurem Wasser 
gewaschene Sulfure behandelt man mit lauem, verdünntem Poly¬ 
schwefelalkali, das nur den Schwefel von Sn löst; der Schwefel 
von Pb geht in Sulfat über, das man dann in H 2 S0 4 aufnimmt, 
und dann vermittels Elektrolyse trennen oder mit andern Ver¬ 
fahren erkennen kann. 

In einzelnen Fällen habe ich zur Auffindung des Kupfers auch 
die ziemlich sensible Bachsche Probe 1 ), auf der Asche grofser Öl¬ 
quantitäten versucht. Die Probe besteht in folgendem: Man läfst 
auf die gelöste Substanz äquimolekulare Quantitäten Formaldehyd 
und Hydroxylamin-Chlorhydrat in konzentrierter Lösung ein¬ 
wirken. Man verdampft dann die Lösung zu Schwefelsäure und 
erhält das Trioximidomethylenchlorhydrat, welches eine violette 
Färbung gibt. Die Reaktion ist auch mit Kupfersulfatlösungen 
von Vioooooo positiv. 

Aufserdem habe ich auch die Reaktion Vitali 2 ) unter¬ 
sucht, die wirklich äufserst empfindlich ist und darin besteht, 
dafs die zu prüfende Flüssigkeit bis zur Trocknung abgedampft 
wird, dann tropfenweise Bromwasser beigefügt und dann von 
neuem getrocknet wird. Im Falle der Gegenwart von Wasser 
erhält man einen schwarzen Rest wasserlosen Kupferbroms. 

Bleiprobe: Die Öle, welche bei diesen und allen andern 
Nachforschungen, auch für die übrigen Metalle dienten, sind: 

Olivenöl, Dichtigkeit 0,9175, Säuregehalt (in Ölsäure) 2,45% 

Sesamöl, i 0,9223, » t> » 2,27 % 

Rübenöl, » 0,9129, t. » » 0,96 % 

75 ccm jeden Öles bringt man in kleine glasierte irdene 
Gefäfse, deren Glasur nach den üblichen Proben sicher Bleian¬ 
wesenheit ergibt. 


1) Supplement zur Encicl. di Selmi, vol. 17, 1901. 

2) Bullett. farmaceut. 1895. 


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122 Das Vorhandensein einiger schwerer Metalle in irdenen Geschirren etc. 


Die verschiedenen Öle werden für 15—20 Tage in kaltem 
Kontakt gelassen, hierauf giefst man das Öl in einen Tiegel. 
Mit Watte werden nun die den Gefäfsen noch anhaftenden 
Ölspuren abgenommen und die Wattestückchen selbst mit dem 
übrigen Öle vereinigt. — (Diese Vorsichtsmafsregel, d. h. das 
Auffangen der am Gefäfse zurückbleibenden Ölspuren vermittelst 
Wattestückchen, ist sehr zweckmäfsig; in einigen Fällen war es 
diese Mafsregel allein, die zu einem positiven Resultat verhalf 
auf der Suche nach Metallen.) — Mit dem Ganzen werden dann 
die Versuche angestellt entweder durch Verkohlung oder durch 
Einäscherung nach erfolgter Verkohlung, teils auch mit einer 
Reaktion von Schwefelsäure auf die Ätherlösung desselben Öles, 
oder schliefslich, und das speziell in konstant negativen Fällen, 
mit Hilfe der Methode Gautier. 

Für die mit angesäuertem Wasser aufgenommene Asche und 
Kohle wurden die gewöhnlichen Reaktionen ausgeführt: Schwefel¬ 
wasserstoffzugabe, Behandlung mit Jodkalium, Schwefelsäure und 
Chromkalium. 

Die Nachforschungen gaben stets positives Resultat und er¬ 
wiesen im Olivenöl nach dessen 15 tägigem Kontakt mit den 
lackierten Gefäfsen, diskrete Bleispuren. 

Analoge Proben werden auch mit Olivenöl angestellt, das 
man sofort in den irdenen Gefäfsen 10 Minuten lang kochen 
läfst, ohne es weiter mit dem Gefäfse in Kontakt zu lassen. 

Die wiederholten Proben, die auf die verschiedenen Vor¬ 
behandlungsmethoden der Öle folgten, ergaben bezüglich des 
Auffindens des Pb negatives Resultat. Nur in einem Falle, 
nach langwährender Erhitzung des Öls, zeigen sich kleinste Spuren 
von Pb. 

Zuletzt experimentiert man in der Weise, dafs man das Öl 
nach 10 tägiger Ruhe in den Gefäfsen 15' lang kochen läfst und 
dann in vorbesagter Weise im Öle nach Pb sucht. 

So lassen sich immer bedeutende Spuren Pb im Öle er¬ 
kennen. Identische Versuche werden angestellt, indem man 
dem Öl kleine Quantitäten Essigsäure dergestallt beifügt, dafs 


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Von Dr. E. Bertarelli. 


123 


man einen Totalsäuregehalt (in Ölsäure ausgedrückt) von 3,50 °/ 0 
erzielt. 

Unter diesen Umständen weist das Öl, sei es nun, dafs es 
einfach mit dem glasierten Gefäls in Berührung kommt, sei es, dafs 
es sukzessiv in den Gefäfsen selbst erwärmt wird, sehr deutliche 
Spuren von Pb auf, die im zweiten Falle bedeutender sind als 
im ersten. Unter identischen Umstäuden wurden auch Sesamöl 
und Rüböl geprüft. 

Beim Rüböl fanden sich nur dann Spuren von Pb, der 
Glasur der irdenen gefirnifsten Gefäfse entstammend, wenn sein 
Säuregehalt künstlich erhöht wurde, oder wenn das Öl nach 
langem Verbleiben in dem Gefäfse sukzessiv in demselben direkt 
erwärmt wurde. 

Auch im Sesamöl kann man Pb nur dann finden, wenn es 
längere Zeit (15—20 Tage) mit dem Gefäfs in Kontakt bleibt. 
Doch handelt es sich dabei nur um schwache Bleispuren, die 
jedoch bedeutend stärker hervortreten, wenn man den Säure¬ 
gehalt des Öles erhöht. 

Gleichlaufende Proben wurden mit verzinnten Metallgefäfsen, 
deren Verzinnung innerhalb der bereits erwähnten Grenzen Blei 
beigefügt war, vorgenommen, d. h. die eine Zinnlegierung ent¬ 
hielt nur Spuren von Pb, die zweite 4 °/ 0 und die dritte 16 %. 

Bei allen Versuchen, bei denen die Öle direkt in den Be¬ 
hältern gekocht oder zuerst für 15—20 Tage mit der Verzinnung 
in Berührung gelassen und dann erhitzt wurden, zeigten sich 
stets Spuren Pb, bei Verzinnungen mit 16°/ 0 Blei, Mengen, 
die dann enorm wurden, wenn man den Säuregehalt der Öle 
steigerte. 

Mit 4proz. Verzinnung war die Bleiprobe nur positiv, 
wenn man die Öle lange in dem Gefäfs liefs oder nach Er¬ 
höhung der Acidität der Oie. Nach Verzinnungen mit kaum 
wahrnehmbarem Bleigehalte (die Bestimmungen des Pb in dieser 
Verzinnung nach der Methode von A. Seyda 1 ) notierten Blei¬ 
gehalt unter 0,38 °/ 0 ), war die Reaktion in einem einzigen Falle 
positiv und zwar mit Olivenöl nach zweimonatlichem Kontakt 

1) A. Seyda, Chem. Zentralbl., 1897, tome 2. 


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124 Das Vorhandensein einiger schwerer Metalle in irdenen Geschirren etc. 

und künstlichem Säuregehalt. Doch auch da waren die Spuren 
kaum merkbar. 

Von den drei untersuchten Ölsorten wiesen das Oliven- und 
Sesamöl immer gröfsere Blei-Quantitäten auf als das ßüböl. 

Kupferprobe: Zur Ausführung derselben dienten die 
gleichen Öle. 

Die Untersuchungsmethoden sind die oben angezeigten. Im all¬ 
gemeinen machte ich zwei Bestimmungen für jede Probe. In der 
einen verfolgte ich meine Nachforschungen in dem durch Salzsäure 
gesäuerten Wasser, womit ich den Kohlenrest behandelte, während bei 
der andern Probe die Asche derselben Behandlung unterzogen 
wurde. Diese so mit Kohlenrest und Asche gebildeten Flüssig¬ 
keiten erfuhren die gewöhnlichen Reaktionen (Eintauchen der 
Stahlnadeln, Behandlung mit Ammoniak etc.) zwecks Demon¬ 
stration des Kupfers. Nur im Falle eines Mifserfolgs versuchte 
ich dann — selbstverständlich unter Wiederholung der Proben 
mit neuem Öl — die von Bach-Vitali angeratenen Reaktionen 
sowie die Prüfung auf Ätherlösung. 

Die Resultate der einzelnen Versuche gebe ich der Kürze 
wegen nicht. Summarisch ergab sich mir, dafs das bis zum 
Sieden erhitzte und in diesem Zustand während 10' in gut ge¬ 
reinigten Kupferbehältern belassene Oliven- und Sesamöl nur in 
Ausnahmefällen Kupfer- und Metallspuren auf weist. Läfst man 
dagegen die Öle auch nur während weniger Tage in Berührung 
mit dem Kupfer, so hat man stets Metallspuren im Öle. Viel 
seltener ist dagegen das Vorhandensein von Kupfer im Rüböl, 
selbst nach wochenlangem Lagern in solchen Metallgefäfsen. 

In jedem Falle aber sind die entdeckten Kupferquantitäten 
so gering, dafs die Tatsache an und für sich vom Gesichtspunkte 
möglicher Vergiftungen aus nur sehr wenig Bedeutung besitzt. 

Zinnprobe: Im allgemeinen verbrannte ich zur Aufsuchung 
dieses Metalls die Öle, veraschte den Kohlenrest und be¬ 
handelte die Asche mit konzentriertem HCl. Daraufhin wurde 
filtriert, das Filtrierte mit HgCl 2 behandelt. Auch die An¬ 
gaben von Fresenius und Schattenfroh, die in der ätheri¬ 
schen Lösung nachsuchteu, wurden befolgt. 


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Von Dr. E. ßertarelli. 125 

Zur Probe des Sn wurden die Öle unter den verschiedensten 
Verhältnissen in die verzinnten Behälter gebracht, bald nach 
langem Kontakte zum Sieden gebracht, bald die natürliche Sauer¬ 
stärke der Öle — selbstverständlich nicht exzessiv — erhöht 
(nicht über 4% Säuregehalt in Ölsäure), aber stets blieb das Re¬ 
sultat negativ. 

Zuletzt schritt ich zur Auffindung des Pb und Sn im Öle 
verchiedener in Öl konservierter Nahrungsproben (Sardellen, 
Thunfisch, Salm etc.), wozu bedeutende Quantitäten Material 
verwendet wurden. Immer aber fiel die Untersuchung auf diese 
beiden Metalle hin negativ aus, ein Ergebnis, dem eine gewisse 
Bedeutung beizulegen ist, weil es sich ziemlich von dem entfernt, 
was Gautier in vielen in Metallschachteln oder flüssigen Sub¬ 
stanzen konservierten Nahrungsmitteln angetroffen hat . x ) 

Alles zusammenfassend komme ich also zum 
Schlüsse, dafs es Tatsache ist, dafs einige Speiseöle, 
besonders aber Oliven- und Sesamöl, zuweilen unter be¬ 
sonderen Umständen (in langandauerndem Kontakt mit 
bleireichen Verzinnungen und Glasuren, Erhöhung des 
spontanen Säuregehalts, andauerndes Sieden in ver¬ 
zinnten Gefäfsen mit stark bleihaltigen Verzinnungs¬ 
legierungen) Blei- und Kupferspuren enthalten können, 
die Quantität aber dieser im Öl enthaltenen Metalle 
nicht so hochgradig ist, dafs sie von vornherein die 
ernste Gefahr möglicher Intoxikationen zu rechtfertigen 
im stände wäre. Die einzige wirkliche Gefahr besteht 
nur da, wo die Verzinnungen einen hohen Bleisatz ent¬ 
halten. 

Wenn überhaupt noch eine andere Gefahr in Be¬ 
tracht käme, so wäre es schliefslich doch nur die, dafs 
der fortgesetzte Gebrauch solcher Metallspuren ent¬ 
haltenden Öle diese erzeugen könnte; in Wirklichkeit 
aber dürfte sich dies doch kaum bewahrheiten. 

1) Gautier hatte in bis einjährigen Fiscbkonserven, aber besonders 
Sardinen, pro Kilo 20—30 mg Pb gefunden. Das von mir untersuchte Ma¬ 
terial war nie älter als 4 Monate. 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 9 


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126 Das Vorhandensein einiger schwerer Metalle etc. Von Dr. E. Bertarelli. 

Es ist also deshalb empfehlenswert, zu verhindern, dals 
die die Gegenwart von Metallen in Speiseölen fördernden 
Verhältnisse eintreten und ein Gebot der Vorsicht, in dieser 
Hinsicht und besonders bezüglich der Zusammensetzung der 
Verzinnung und der Firnisse die Anwendung der Gesetzes¬ 
bestimmung und der SanitätsVorschrift zu verlangen. Gleich¬ 
zeitig aber ist auch jede exzessive Furcht vor möglichen, unter ge¬ 
wöhnlichen Umständen in Ölen anzutreffenden und Vergiftung 
bewirkenden schweren Metallen unangebracht. 


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Über dasWachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien, 
sowie den Ablauf fermentativer Prozesse bei niederer 
Temperatur unter spezieller Berücksichtigung desFleisches 
als Nahrungsmittel. 

Von 

Dr. Max Müller, 

approb. Tierarzt aus Strafsburg i. E. 

(Ans dem Institut für Hygiene und Bakteriologie der Universität Strafsburg.) 


Die vorliegende Arbeit verdankt ihre Entstehung dem mir 
von Herrn Professor Förster erteilten Aufträge, einen ätiolo¬ 
gischen Beitrag für die bei 0° erfolgenden Zersetzungsprozesse 
animaler Nahrungsmittel vom hygienischen Standpunkte aus zu 
erbringen. 

Es soll also in den folgenden Ausführungen nicht die Bio¬ 
chemie der Zersetzungsprozesse eine eingehende Erörterung er¬ 
fahren, sondern es soll hier der gegenwärtigen wissenschaftlichen 
Erfahrung gemäfs entschieden werden, welcher Art diese bei 
niederer Temperatur erfolgenden Zersetzungsprozesse sind, um 
hiernach gegebenen Falls weitere hygienische Mafsregeln Vor¬ 
schlägen zu können. 

Nach dem zeitigen Standpunkte der Erkenntnis über das 
Wesen der Zersetzungsprozesse kommen zwei causale Momente 
in Betracht: 


1. Die Zersetzungsprozesse durch die Tätigkeit der 
Bakterien, 

2. die Zersetzungsprozesse durch die Wirksamkeit 
der tierischen Fermente. 

9 * 


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128 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

Da jedoch das Wachstum und die Lebenstätigkeit der Bak¬ 
terien bei 0° bis jetzt keine eingehenden Untersuchungen ge¬ 
funden haben, so mufsten zunächst diese Fragen im Anschlufs 
an die früheren Befunde Prof. Försters eine gewisse Erledi¬ 
gung finden. 

Demgemäfs setzt sich die vorliegende Arbeit aus den fol¬ 
genden Untersuchungen zusammen: 

I. Wachstum der Bakterien bei 0°. 

a) Literaturreferat. 

b) Züchtung der bei 0° wachsenden Bakterien. 

c) Kulturelle Eigenschaften einiger dieser Bakterien. 

II. Vergleichung der Vermehrungsintensität dieser Bakterien 
bei 0° und höheren Temperaturen, demonstriert durch 
die Anzahl der jeweiligen lebenden Bakterien und die 
Bestimmung ihrer Generationsdauer. 

a) Methodik der Generationsdauerbestimmung. 

b) Generationsdauertabellen. 

c) Beobachtungen über Anpassungserscheinungen der 
Bakterien beim Überimpfen. 

d) Verhalten der bei 0° wachsenden Bakterien bei Tem¬ 
peraturen unter Null. 

III. Nachweise über das Zersetzungsvermögen einiger Bak¬ 
terien in eiweilshaltigem Materiale bei 0° und 25° durch 
NH 8 -, C0 2 - und H 2 S- Bestimmungen. 

IV. Ablauf fermentativer Prozesse bei 0°, verglichen mit 
höheren Temperaturen. 

a) Versuche mit Pepsin, Trypsin, Diastase und Lab. 

b) Autolyse-Reifungsprozefs des Fleisches. 

V. Schlufsfolgerungen bezüglich der Fleischhygiene. 

I. 

a) Die Vermehrungsfähigkeit gewisser Bakterien bei 0° wurde 
zuerst von Prof. Förster 1 )*) beobachtet. Derselbe zeigte in der 
Sitzung der Niederländischen Akademie im Juni 1887 Reinkul¬ 
turen von lichtproduzierenden, an Seefischen gefundenen Bakterien, 

•) s. das Literaturverzeichnis am Schlüsse. 


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Von Dr. Max Müller. 


129 


welche gleichzeitig die Fähigkeit besafisen, sich noch bei 0° zu 
vermehren. Durch diese interessante Beobachtung veranlafst, 
prüfte Prof. Förster 2 ) die Frage über das Vorkommen bei 0° 
wachsender Bakterien näher und fand, dafs dieselben nicht 
nur im Meerwasser sondern auch im Süfswasser und sonstigen 
Materialien (Milch, Fleisch, Erde etc.) anzutreffen waren. Das 
Resultat dieser Untersuchungen wurde dahin zusammenge- 
fafst, dafs 

1. nur wenige Bakteriensorten aufgefunden wurden, welche 
bei 0° zu wachsen vermögen; 

2. dafs jedoch von diesen Sorten häufig zahlreiche Individuen 
in unserer täglichen Umgebung sowie auf Nahrungsmitteln Vor¬ 
kommen. 

So wurden z. B. folgende Zahlen in Materialien gefunden, 
welche bei 0° aufbewahrt worden waren: 

In 1 ccm Kanal wasser bis 2000; 
in 1 ccm Tümpelwasser unzählbare Massen; 
in 1 ccm Handelsmilch bis 1000; 
in 1 g Gartenerde bis 140000. 

Diese Befunde hatten durch Prof. Försters Mitarbeiter 
Bleekrode noch weiterhin eine Bearbeitung speziell unter Be¬ 
rücksichtigung der Nahrungsmittel gefunden, indes konnten die 
Resultate dieser Untersuchungen eingetretener Umstände halber 
nicht veröffentlicht werden. 

Sodann hat Fischer 3 ), durch den Befund Prof. Försters 
veranlafst, gleichfalls Untersuchungen über das Wachstum der 
Bakterien bei 0° angestellt und hierbei aus Wasser und Erde 
des Kieler Hafens 14 verschiedene, bei 0° wachsende Bakterien 
isoliert, deren kulturelle Eigenschaften jedoch nicht veröffent¬ 
licht worden sind. 

Die weiteren Literaturangaben beschränken sich nur auf 
kurze Mitteilungen: 

So bestätigt Havemann 4 ) den Befund über das Vorkommen 
bei 0° wachsender Bakterien im Siel wasser und den oberen Erd¬ 
schichten. — Glage 6 ) macht auf die Wachstumsfähigkeit der 


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130 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

Bakterien, welche in den Kühlräumen au! dem Fleische para- 
sitieren, bei 0° aufmerksam. — Schmidt-Nielsen 6 ), welcher 
im hiesigen Institute eine Anzahl bekannter Bakterienarten auf 
ihre Vermehrungsfähigkeit bei 0° prüfte, fand bei fünf Bakterien 
der Strafsburger Wasserleitung (Bacterium fluorescens non lique- 
faciens; B. granulosum; B. paracoli gasoformans anindolicum; 
B. radiatum; B. tarde fluorescens) in 10 bis 40 Tagen deutliches 
und bei einigen Actinomyceten in 80 Tagen schwaches Wachs¬ 
tum. Schmelk 7 ) berichtet über das ständige Vorkommen des 
Bacillus fluorescens liquefaciens im Eiswasser der norwegischen 
Gletscher und glaubt die eigenartig grüne Färbung des Gletscher¬ 
wassers in Zusammenhang mit dem Vorkommen dieses Bacte- 
riums bringen zu können. — Prof. Förster (mündliche Mit¬ 
teilung) hat daun weiterhin die eigentümliche Tatsache konstatiert, 
dafs auch der Pestbacillus, dieser fast ausschliefslich in tropi¬ 
schen Gegenden stationäre Krankheitserreger, gleichfalls bei 0° zu 
wachsen vermag. — Conradi und Vogt 8 ) sowie B. Fischer 9 ) 
haben die gleiche Eigenschaft bei weiteren pathogenen Mikrobien 
beobachtet; erstere bei dem Bacillus proteus fluorescens, letzterer 
bei einem geschwürbildenden Commabacillus. 

Dafs die Wachstumsfähigkeit von Bakterien bei 0° eine spe¬ 
zifische Eigenart bestimmter Bakterien ist, welche auch durch 
allmähliche Anpassung an niedere Temperaturverhältnisse nicht 
zu erreichen ist, ergibt sich aus Versuchen von W. Brehme 10 ) 
und A. Dieudonnö. 11 ) Ersterer versuchte im hiesigen Institute 
durch wiederholtes Gefrieren und Auftauenlassen der Kulturen 
von Vibrio cholerae und Bacterium typhi eine gegen niedere 
Temperaturen resistente a Generation dieser Bakterien heranzu¬ 
züchten, erzielte jedoch einen völlig negativen Erfolg. Letzterer 
suchte durch sukzessives Herabsetzen der Temperatur von 0,5 zu 
0,5 Grad den Milzbrandbacillus nach einer gröfseren Anzahl von 
Generationen allmählich an niedere Temperaturen zu gewöhnen 
und konnte auf diese Weise die untere Wachstumsgrenze bis auf 
+ 10° C. herabdrücken, während weitere Versuche bei noch 
niederer Temperatur mifslangen. Da nach den Untersuchungen 
Weils 19 ) im hiesigen Institute die untere Wachstumsgrenze für 


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Von Dr. Max Müller. 


131 


den Milzbrandbacillus an und für sich schon +12° beträgt, so 
mufs die von Dieudonnö erzielte Anpassungsfähigkeit des Milz¬ 
brandbacillus an niedere Temperaturen als eine minimale be¬ 
zeichnet werden. 

b) Um die bei 0° wachsenden Bakterien züchten zu können, 
bedarf es zunächst eines Raumes, in welchem die zu unter¬ 
suchenden Materialien und die zu prüfenden Kulturen einer 
ständigen Temperatur von 0° ausgesetzt sind. Das hiesige Institut 
besitzt einen zu diesem Zwecke angefertigten Eiskalorimeter, dessen 
Konstruktion aus dem schematischen Durchschnitt (s. Fig. 1 auf 
folgender Seite) ersichtlich ist, und in dessen Aufbewahrungs¬ 
räume b die Temperatur konstant 0° beträgt. Der Kalorimeter 
besteht aus einem innen mit Kupfer ausgekleideten Holzbottich, 
in welchem zwei gleichfalls mit Deckel versehene verschieden 
grofse Kupferbüchsen konzentrisch eingeschaltet sind. Die 
gröfsere Büchse läuft nach unten trichterförmig zu und enthält 
an der Ansatzstelle des trichterförmigen Teiles ein Kupferkreuz, 
auf welchem die kleinste, als Aufbewahrungsraum dienende 
Büchse b ruht. Der Bottich und die gröfsere Büchse a werden 
ständig mit Eis angefüllt erhalten. Bei Aufstellung dieses Kalori¬ 
meters an einem kühlen Orte genügt es, das geschmolzene Eis 
des Bottichs in warmen Jahreszeiten alle 24 Stunden, -r- in 
kälteren alle 2 bis 3 Tage zu ersetzen. Bereits in der Büchse a 
erfolgt das Schmelzen des Eises in so geringer Weise, dafs hier 
meist nur alle 2 bis 3 Wochen ein geringes Nachfüllen zu er¬ 
folgen hat. Das Schmelzwasser fliefst durch eine im Boden des 
Bottichs befindliche und unter Wasserverschlufs endigende Öff¬ 
nung ab. Die Prüfung der Temperatur in der als Züchtungsraum 
dienenden Büchse b erfolgte mittels eines von Prof. Förster kon¬ 
struierten Maximumthermometers. Dieser in Fig. 2 veranschau¬ 
lichte Thermometer mit abgebrochener Quecksilbersäule wurde in 
der Weise benutzt, dafs der Index durch eine in b eingefüllte 
Kältemischung zunächst unter 0° gestellt wurde, worauf der 
Thermometer sofort dem Kalorimeter übergeben wurde. Nach 
längerem Verweilen nimmt dann die Kältemischung allmählich 


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132 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

die hier herrschende Temperatur an, welche durch den Stand 
des Indexes angegeben wird. Um nun durch das Hinausheben 
des Thermometers den im Kalorimeter erreichten höchsten Stand 
des Indexes nicht zu verändern, wird sofort nach dem Öffnen 
des Aufbewahrungsraumes eine frisch bereitete Kochsalzeislösung 
in den Trichter a gegossen, wodurch die Quecksilbersäule 
wieder stark verkürzt wird, während der abgebrochene Faden 



stehen bleibt; nach dem Herausnehmen ist nun ein bequemes und 
genaues Ablesen ermöglicht. Die so erfolgte Prüfung der Tempe¬ 
ratur im Aufbewahrungsräume ergab stets genau Null Grad. 

Das Züchten der bei 0° wachsenden Bakterien wurde auf 
folgende Weise vorgenommen: 

In ein Reagensröhrchen mit Löf fl er scher Bouillon wird eine 
geringe Menge des zu untersuchenden Materiales — gleichgültig 
ob fest oder flüssig — gebracht und das Röhrchen sofort dem 
Kalorimeter übergeben. Falls die Bouillon durch das Material 
keine Trübung erfährt, wird man nach durchschnittlich acht 
Tagen eine deutliche Bakterientrübung und nach weiteren acht 
bis vierzehn Tagen eine Bakteriensedimentierung am Boden des 
Glases bemerken können. Um aus diesem Bakteriengemische 
diejenigen zu gewinnen, welche sich bei 0° am schnellsten 


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Von Dr. Max Müller. 


133 


vermehren, kann man von Zeit zu Zeit eine gewisse Menge der 
trüben Bouillon in ein frisches Röhrchen überimpfen. Dieses 
Überimpfen auf frische Bouillon nach einer gewissen Zeit emp¬ 
fiehlt sich besonders in denjenigen Fällen, in welchen die 
Stammbouillon bereits durch die eingebrachten Materialien eine 
solche Trübung erfahren hat, dafs das Wachstum von Bakterien 
nicht erkannt werden kann. Die verschiedenen in dieser Bouillon 
enthaltenen Bakteriensorten sind durch das Koch sehe Platten¬ 
verfahren leicht in Reinkulturen zu erhalten und können sodann 
einer genauen Prüfung auf ihre kulturellen Eigenschaften unter¬ 
zogen werden. 

Das Züchten obligater Anaerobier stöfst wegen der beschränk¬ 
ten Raumverhältnisse des Kalorimeters auf gewisse Schwierig¬ 
keiten, infolgedessen konnte ihre Gewinnung nur durch das 
Verfahren mit hoher Gelatine- und Agarschicht versucht werden. 

Nach 3 bis 4 Wochen kann man in diesen Kulturen eine 
mehr oder minder grofse Anzahl von Kolonien, die zum Teil 
Gasbildung zeigen, deutlich erkennen. Die weitere Prüfung 
zahlreicher dieser Kolonien mittels des tiefen Stiches ergab jedoch, 
dafs immer nur fakultative Anaerobier gewachsen waren. 

An Materialien wurden untersucht: Hackfleisch: Fischfleisch; 
Darminhalt vom Fische; Milch; Gemüse; Mehl; Gartenerde und 
jauchige Erde. 

Um das Vorhandensein von Mikroorganismen, welche bei 
0° wachsen, auch in der Luft nachzuweisen, wurde eine Petrische 
Schale mit erstarrter Gelatine 6 Stunden lang offen im Zimmer 
stehen gelassen, sodann geschlossen und in den Kalorimeter ver¬ 
bracht. Nach fünf Wochen wurden die ersten Kolonien erkennbar. 

Aus diesen Materialien wurden, ohne dieselben zu erschöpfen, 
36 Bakteriensorten in Reinkultur gezüchtet und kulturell näher 
bestimmt. Von diesen Bakterien entfallen auf die einzelnen 
Materialien: Fleisch 10; Fisch 4; Milch 4; Mehl 2; Gemüse 4; 
Erde 9 und Luft 3 verschiedene Arten. 

Die Identifizierung dieser Mikroorganismen wurde nach der 
bakteriologischen Diagnostik vonMigula versucht, indessen er¬ 
wiesen sich die meisten als bisher noch nicht beschrieben. 


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134 Über das Wachstum und die Leben Stätigkeit von Bakterien etc. 


c) Von bekannten Bakterien wurden gefunden: 

1. Bacillus fluorescens liquefaciens in 4 verschiedenen 
Stämmen: 

Stamm a) Gelatine sehr schnell verflüssigend im Fischfleisch 
t> b) » weniger » » » Hackfleisch 

» c) > langsam » in der Milch. 

a, b und c verflüssigen das erstarrte Blutserum. 

Stamm d) Gelatine langsam, Blutserum nicht verflüssigend 
im Gemüse. 

2. Bacillus fluorescens non liquefaciens in der Milch. 

3. Mikrococcus flavus tardigradus 1 ^ 

4. > carneus J 

Die Aufstellung einer besonderen Nomenklatur für die nicht 
beschriebenen Arten schien uns in Anbetracht des Umstandes, 
dafs sich die Zahl dieser Bakterien vermutlich noch weiter ver¬ 
mehren läfst, hier nicht erforderlich. Da die kulturellen Eigen¬ 
schaften ein rein bakteriologisches Interesse besitzen, so nehme 
ich von einer Veröffentlichung derselben an dieser Stelle Abstand 
und lasse nur diejenigen folgen, welche eine nähere eingehende 
Untersuchung über ihre Vermehrungsintensität und Zersetzungs¬ 
fähigkeit gefunden haben: 


Bacteriam A. 


Fundort: 

Darminhalt des Aales. 

Form u.Gröfse: 

Schlanke Stäbchen mit geraden Enden; häufig in Diploformen 
auftretend. 1—2 p lang; 0,2—0,3 fi breit; 

Beweglichkeit: 

Sehr lebhaft. Selbst bei 60 facher Vergröfserung erkennt man 
in den flachverflüssigten Kolonien eine deutliche randwärts 
gerichtete Strömung als Ausdruck der Bewegung. 

Sporen: 

Nicht nachweisbar. 

Gramfärbung: 

Negativ. 

Temperaturen: 

Sauerstoff¬ 

0°—30°; bei 37° äufserst kümmerliches Wachstum. Optimum 
20—25°. Gelatinestrich aeigt bei 0° nach 3 Tagen deut¬ 
liches Wachstum und nach 16 Tagen Verflüssigung der 
Gelatine. 

bedürfnis : i 

I 

Aerob und fakultativ anaerob. 

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Von Dr. Max Müller. 


135 


Gelatine: 


Bouillon : 
Agar: 


Blutserum: 

Kartoffel: 
Milch: 

Säurebildung: 

Gärung: 
Indolbildung: 
Farbstoff¬ 
bildung : 
Besondere 
Eigenschaften: 


Wird verflüfsigt. Das Verflüssigungsvermögen zeigt eine aus¬ 
gesprochene Tiefenwirkung. 

Platte: Anfangs grauweifse, rundliche Kolonien, welche bei 
60facher Vergröfserung ein braunes Zentrum erkennen 
lassen. Nach 24—30 Stunden verlieren die Kolonien ihre 
Struktur, sinken in die Gelatine ein und verflüssigen die¬ 
selbe lochförmig. Die Kolonien zeigen alsdann von der 
Oberfläche betrachtet, eine graue Farbe; von der Glasseite 
aus einen schönen goldgelben Glanz. 60 fach vergröfsert 
sind die Kolonien rundlich geformt und besitzen einen 
schwach gezähnten Rand. Die Randpartien reflektieren 
das Licht sehr stark, erscheinen infolgedessen fast schwarz, 
während das Zentrum goldgelb durchleuchtet wird. Die 
punktförmigen tiefen Kolonien sind 60fach vergröfsert: 
rundlich, glattrandig und von brauner Farbe. — An den 
nur mit einer dünnen Gelatineschicht bedeckten Stellen 
erscheinen die Kolonien hellgrau durchscheinend, die Gela¬ 
tine flächenförmig verflüssigend. 

I Strich: Schmaler grauweifser Belag, welcher innerhalb zweier 
i Tage die Gelatine tief rinnenförmig verflüssigt. 

Stich: Anfangs durchscheinendes Wachstum. An der Ober- 
]I fläche setzt eine lochartige Verflüssigung ein, welche bis 
zur Kuppe des Glases fortschreitet. 

1 Diffuse Trübung; Bildung eines geringen, späterhin rosa- 
[! farbigen Niederschlages. 

/Platte: Runde, blaugrün durchscheinende Kolonien von 3 
ji bis 5 mm Durchmesser. 60fach vergröfsert: hellgelb durch¬ 
scheinend und von flockiger Struktur. Die anfangs grau- 
! weifsen, späterhin hellbraunen runden tiefen Kolonien 
sind bei 60facher Vergröfserung kreisrund und anfangs 
hellgelb, späterhin braun durchscheinend, 
i Strich: Anfangs flacher glänzender grauer Belag, nach 
3—4 Tagen hellbraun, nach ca. 7 Tagen schwach rosafarbig. 
Rosafarbiger Belag, welcher das Serum anfangs rinnenförmig 
und schliefslich vollständig verflüssigt. 

Fleischfarbiger, dünner glänzender Belag. 

Wird langsam ohne vorherige Gerinnung peptonisiert. 

J erfolgen nicht in Traubenzuckerbouillon. 

Positiv in alten Bouillonkulturen. 

Auf Agar und Serum rosafarbiger, auf Kartoffel fleischfarbiger 
Belag. 

Das Bakterium bildet in intensiver Weise Schwefelwasser¬ 
stoff. In frisch geimpfter Bouillon ist bereits nach 24 
Stunden eine deutliche Schwärzung des im Kulturröhrchen 
l hängenden Bleipapieres zu konstatieren. 


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136 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

B&cterium B. 


Fundort: Jauchige Erde. 

Formu.Gröfse: Stäbchen mit abgerundeten Enden; 1—1,5 zuweilen bis 2,5 fi 
lang, 0,3—0,4 fi breit. Diploformen häufig, zuweilen Ketten 
bis zu 30 Gliedern. 

Beweglichkeit: Sehr lebhaft. 

Sporen: Nicht nachweisbar. 

Gramfärbung: Negativ. 

Temperaturen0 0 —30°; bei 37° kein Wachstum; Optimum ca. 30°. 

Wachstums- 1 Erfolgt schnell; bei 0° zeigt der Gelatinestrich nach 3 Tagen 

Schnelligkeit: deutliches Wachstum und nach 6 Tagen beginnende Ver¬ 

flüssigung. 

Sauerstoff¬ 
bedürfnis: Obligat aerob. 

Gelatine: Wird rasch verflüssigt. 

Platte: Bereits nach 14 Stunden deutlich sichtbare grau 
durchscheinende rundliche Kolonien, welche die Gelatine 
schnell tellerförmig verflüssigen. 60 fach vergröfsert er¬ 
scheinen die Kolonien infolge starker Reflexion des Lichtes 
grauschwarz glänzend. Im Zentrum bemerkt man eine 
grobe, nach der Peripherie zu feiner werdende Körnung. 
Die punktförmigen tiefen, bläulich durchscheinenden 
Kolonien sind 60 fach vergröfsert, von hellgelber Farbe 
und reflektieren das Licht gleichfalls, besonders in der 
Randzone sehr stark. 

Strich: Zeigt bereits nach 4 Stunden eine beginnende Ver¬ 
flüssigung. 

Stich: Innerhalb 24 Stunden intensive trichterförmige Ver¬ 
flüssigung. 

Bouillon: Trübt sich schnell diffus unter Bildung eines reichlichen 

Bodensatzes und eines festen grauen Oberflächenhäutchens. 

Agar: Platte: Nach 24 Stunden runde, flache, farblose, bläulich 

irisierende Kolonien. Nach ca. 48 Stunden beginnt der 
Rand sich wallförmig aufzuwerfen; die flache zentrale 
Partie nimmt allmählich eine deutlich granulierte Ober¬ 
fläche an. Bei 60facher Vergröfserung zeigt die Rand- 
| zone eine gleichmäfsig hellbraune Färbung. Die zentrale 
Partie ist gleichfalls von hellbrauner Färbung, reflektiert 
!; jedoch infolge der unebenen Oberfläche das Licht aufser- 
I ordentlich verschieden. Das Bild ähnelt infolgedessen 
ganz auffallend einem in Schwefelsäure getauchten Stücke 
I Zinkblech. 

ii 

Blutserum: , Anfangs schmutzig gelber, späterhin schmutzig rosafarbiger 
Belag, welcher das Blutserum allmählich vollständig ver- 

I flüssigt. 


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Von Dr. Max Müller. 


137 


Kartoffel: 

: Farbloser, schmieriger, glänzender Belag. 

Milch: 

Wird ohne vorhergehende Gerinnung peptonisiert. 

Säurebildung: 

Erfolgt l in Traubenzuckerbouillon. 

Gärung: 

Erfolgt nicht | 

Indolbildung: 

Negativ. 

Fluoreszenz¬ 

Die Agar-, Gelatine- und Bouillon-Kulturen zeigen bei 

erscheinung : 

höheren Temperaturen wie auch bei 0° eine dunkelgrüne 
Fluoreszenz. 

Baeterium C. 


Fundort: 
Formu.Gröfse: 


Beweglichkeit: 

Sporen: 
Gramfärbung: 
Temperaturen: 
Wachstums¬ 
schnelligkeit : 

Sauerstoff¬ 
bedürfnis : 
Gelatine: 


Agar: 


Hackfleisch. 

1—1,5 fi lange, 0,5—0,75 fi breite Stäbchen mit abgerundeten 
Enden. Diploanordnungen häufig; Ketten verbände bis zu 
8 Gliedern in jungen Kulturen beobachtet. 

Nicht vorhanden. 

Nicht nachweisbar. 

Negativ. 

0°—37°; Optimum ca. 30°. 

Bei höheren Temperaturen schnell; Gelatinestrich zeigt bei 
0* nach 6 Tagen deutliches Wachstum; eine Verflüssigung 
der Gelatine beginnt nach ca. 20 Tagen. 

Aerob und anaerob; in letzterem Falle findet Gasbildung statt 

Wird schnell verflüssigt. 

Platte: Zeigt bei 25° grauweifse, die Gelatine schnell ver¬ 
flüssigende Kolonien. Bei 10° gewachsen erscheinen die 
Kolonien als flache grauweifse blattartige Kolonien mit 
einer fast farblosen feingekerbten Randzone. Die Ober¬ 
fläche ist glänzend und etwas uneben; im durchfallenden 
Lichte bemerkt man eine lebhafte bläuliche Fluoreszenz. 
Bei 60 facher Vergröfserung erscheinen die Kolonien von 
hellbrauner, nach dem Rande zu an Intensität abnehmen¬ 
der Farbe und lassen eine deutliche feine Granulation er¬ 
kennen. Die grauweifsen hirsekorngrofsen tiefen Kolonien 
sind bei 60 facher Vergröfserung von tiefbrauner Farbe und 
von runder oder ovaler Gestalt. 

Strich: Weifslicher, die Gelatine schnell verflüssigender 
Belag. 

Stich: Zeigt bereits nach 24 Stunden eine bis zur Kuppe 
reichende trichterförmige Verflüssigung. 

Platte: Glänzende, weifse, halbkugelige, bei 60facher Ver¬ 
gröfserung bräunliche, ganzrandige, feingranulierte Kolonien. 
Die kleinen scheibenförmigen tiefen Kolonien sind 60 fach 
vergröfsert, von hellbrauner Färbung. 


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138 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 


Bonillon: 


Blutserum: 

Kartoffel: 
Milch: 

Sfturebildung: 

Gärung: 
Indolbildung: 

Besondere 
Eigenschaften: 


Strich : Üppiger, dicker, speckigglänzender, weifser Belag, 
welcher nach 8—10 Tagen eine glasige Beschaffenheit an¬ 
nimmt. 

Stark diffuse Trübung. Häutchenbildung an der Oberfläche, 
sowie Bildung eines reichlichen lockenförmig aufwirbeln¬ 
den Bodensatzes. 

Dünner weiüslicher Belag, welcher allmählich das ganze 
Serum verflüssigt. 

Weiüser schmieriger, glasglänzender Belag. 

Wird schnell koaguliert. 

( Erfolgen in Traubenzuckerbouillon; bei 0 U nach 14 Tagen 
Gärung bemerkbar. 

Negativ. 

Die verflüssigten Gelatinekulturen, sowie die Bouillonkulturen 
zeigen nach einigen Tagen einen käseartig stinkenden 
Geruch. 


Fundort: 
Form u.Gröfse: 


Beweglichkeit: 


Sporen: 
Gramfärbung: 
Temperaturen: 
Wachstums¬ 
schnelligkeit : 
Sauerstoff¬ 
bedürfnis : 
Gelatine: 


B&cterium D. 


'• Hackfleisch. 

1—1,5 f* lange, 0,5—0,75 p breite Stäbchen mit abgerundeten 
Enden, welche häufig zu Diplostäbchen, zuweilen auch zu 
kurzen Ketten bis zu 5 Gliedern vereinigt sind. 

Ist eine sehr lebhafte. Auch der hängende Tropfen 
aus einer bei 0° gewachsenen Bouillonkultur läfst bei 
einer Witterungstemperatur von — 2 0 C. deutliche Beweg¬ 
lichkeit erkennen. 

Nicht nachweisbar. 

Negativ. 

0°—30°; bei 37° kein Wachstum; Optimum ca. 25°. 

Wächst schnell; bei 0° zeigt der Gelatinestrich nach 2Tagen 
deutliches Wachstum. 

Aerob. 

Wird nicht verflüssigt. 

Platte: Unregelmäfsige, blattförmige, grauweifs durcbschei- 

| nende, im durchfallenden Lichte lebhaft bläulich irisierende 
Kolonien bis zu 1 cm Durchmesser. Bei 60facher Ver- 

F gröfserung zeigen die Kolonien eine im Zentrum hellbraune 

i Färbung, welche nach der Peripherie zu an Intensität ab- 

1 nimmt. Häufig ziehen vom Zentrum aus haarlockenähn¬ 
liche Linien nach dem Rande zu. Der Rand ist unregel* 
mäfsig lappig. Die gelblichen bis hirsekomgrofsen tiefen 
Kolonien erscheinen bei 60facher Vergröfserung als kreis¬ 
runde Gebilde von tiefbrauner Farbe. 


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Von Dr.'Max Müller. 


139 


Bouillon: 
Agar: 


Blutserum: 
Kartoffel: 
Milch: 

Säurebildung: 

Gärung: 
Indolbildung: 


Strich: Flacher, glänzender, weifser Belag mit klein gelappten 
Rändern. 

Stich: Schwach entwickelter durchscheinender Stich nebst 
rundlichem weifsen Oberflächenbelag. 

Diffuse Trübung nebst flockig aufwirbelndem Bodensatz. 

Platte: Rundliche glänzende weifse Kolonien, welche 60 fach 
vergröfsert von hellbrauner Farbe und fein granuliert er¬ 
scheinen. Die kleinscheibenförmigen tiefen Kolonien iri¬ 
sieren schwach bläulich und zeigen mikroskopisch gleich¬ 
falls eine hellbraune Färbung. 

Strich: Breiter, weifser, glänzender Belag. 

Dünner, farbloser, glänzender Belag. 

Dicker, glänzender, schmutziggelber Belag. 

Wird nicht verändert. 


Erfolgt 
Erfolgt nicht 
Negativ. 


in Traubenzuckerbouillon. 


Aufser den Bakterien wurden folgende Mikroorganismen be¬ 
obachtet, welche bei einer Temperatur von 0° noch zu wachsen 
im stände sind: 

1. Mucor (Mucor mucedo?). Fundort: Luft. 

2. Penicillium (Penicillium glaucum?). Fundort: Luft. 

3. Oidium. Fundort: Mehl. 

4. Blastomycet. Fundort: Milch. 

Die Untersuchungen über das Vorkommen und die kul¬ 
turellen Eigenschaften der bei 0° wachsenden Bakterien ge¬ 
statten weiterhin folgende Schlufsfolgerungen: 

1. Die bei 0° wachsenden Bakterien finden sich ubiquitär 
in zahlreichen Arten vertreten. 

2. Das Optimum für dieselben liegt nicht unter 20° C. 

3. Bei 37° zeigen die meisten derselben entweder gar kein 
oder nur ein sehr kümmerliches Wachstum. 

4. Die kulturellen Lebensäufserungen sind bei 0° die 
gleichen wie bei höherer Temperatur, erfolgen jedoch 
mit verminderter Intensität. 


In der Literatur sind die bei 0° wachsenden Bakterien als 
»psychrophile« oder »rhigophile« bezeichnet worden — eine 


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140 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

Benennung, die nicht korrekt ist. Von einer kälteliebenden 
Eigenschaft dieser Bakterien kann ihrem ganzen kulturellen Ver¬ 
halten nach keine Rede sein; dieselben besitzen lediglich eine 
bei 0° noch erfolgende Vermehrungsfähigkeit, die bei Tempera¬ 
turen von 20 bis 30° stets gröfser als bei niederen Temperaturen 
ist. Wenn die bei 0° noch wachsenden Bakterien nach dieser 
besonderen Fähigkeit benannt werden sollen, so ist die von 
Prof. Förster in der Vorlesung gebrauchte Bezeichnung als 
»glaciale Bakterien« den anderen als die bessere vorzuziehen. 

II. 

a) Die Vermehrung der Bakterien besteht in einer Zweiteilung 
des Zelleibes. Der Zeitraum, innerhalb dessen dieser Vorgang 
abläuft, wird als Generationsdauer bezeichnet. Da nun die Ver¬ 
mehrung der Bakterien bei gleich günstigen Wachstumsbedin¬ 
gungen je nach der herrschenden Temperatur schneller oder 
langsamer verläuft, so mufs sich auch ihre Generationsdauer 
in proportionaler Weise verändern. Die Vermehrungsintensität 
drückt sich also zahlenmäfsig in dem entsprechenden Generations¬ 
dauerwerte aus. Das kulturelle Verhalten eines Bakteriums läfst 
jedoch deutlich erkennen, dafs auch bei konstanter Temperatur 
die Vermehrung mit zunehmender Schnelligkeit einsetzt, um 
dann schliefslich nach Erschöpfung oder Veränderung des Nähr¬ 
bodens zu sistieren. Es ist also auch die Vermehrungsintensität 
in einem gegebenen Medium bei konstanter Temperatur in jedem 
Zeitpunkte eine verschieden starke, die ihren stärksten Grad 
erreicht hat, sobald die Generationsdauer am kürzesten geworden 
ist. Die Vergleichung dieser kürzesten Generationsdauerwerte 
gibt mithin auch einen vergleichenden Mafsstab für die stärkste 
Vermehrungsintensität bei den verschiedenen Temperaturen. 

Von diesem Gedanken ausgehend, sollen die später folgenden 
Tabellen einen Einblick in das Wachstum der Bakterien bei 0° 
im Vergleich zu höheren Temperaturen gestatten. 

Die Bestimmung der kürzesten Generationsdauer eines Bak¬ 
teriums ist keineswegs einfach. — Nägeli 13 ) war der Erste, 


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Von Dr. Max Müller. 


141 


welcher die Vermehrungsintensität gewisser Bakterien festzustellen 
suchte. Derselbe bestimmte zu diesem Zwecke die von gährenden 
Bakterien in der Zeiteinheit gebildete Säuremenge und berechnete 
hieraus indirekt die Zahl der wirksamen Zellen. Da die Zahl 
der Aussaat bekannt war, so konnte hieraus die Zahl der Zellen¬ 
generationen mittels einer von Nägeli selbst angegebenen 
Gleichung bestimmt werden. 

Nächst ihm haben H. Büchner, K. Longard und 
G. Riedlin gemeinschaftlich eine Methode bekannt gegeben, 
welche die Berechnung der Generationsdauer nach einer von 
ihnen aufgestellten Gleichung gestattet, und welche im Prinzipe 
auf der Wachstumsfähigkeit der Bakterien durch die Zweiteilung 
unter Zuhilfenahme des Kochschen Platten Verfahrens beruht. 

Bestimmt man durch eine »primäre« Platte die Zahl der in 
der Kultur vorhandenen Bakterien, und durch eine »sekun¬ 
däre« Platte die Zahl der nach einer gewissen Zeit vorhandenen 
Bakterien, so läfst sich unter Hinzuziehung der Zeit die 
Generationsdauer genau berechnen. Vorausgesetzt wird: 1. dafs 
das Bakterium sich in geometrischer Progression fortpflanzt, 
was bei den Stäbchen der Fall ist, und 2. dafs während der 
Bestimmungszeit kein Absterben der Bakterien erfolgt. Auch 
diese letztere Bedingung kann bei Versuchen von nicht all¬ 
zulanger Dauer als erfüllt angesehen werden. Werden die 
Versuche über längere Zeit ausgedehnt, so müssen die er¬ 
haltenen Zahlen für die Generationsdauer als Maximalwerte an¬ 
gesehen werden. 

Bezeichnet man die Zahl der Kolonien der primären Platte 
mit a, die der sekundären mit 6, die Zahl der während des 
Versuches entstandenen Generationen mit n, die Zeit mit t und 
die Generationsdauer mit x , so ergibt sich x aus folgender Be¬ 
rechnung : 

a- 2* = b 



a 

log b log a 

log 2 • 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 10 


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142 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

Da diese n Generationen in t Minuten entstanden sind, so 

braucht eine Generation — Min. = Generationsdauer x 

n 

t 

x = 

n 

__ n log 2 
log b — log a * 

Büchner, Longard und Riedlin impften 50ccm Fleisch¬ 
wasserpeptonlösung und fertigten mit je 1 ccm der geimpften 
Flüssigkeit die Platten an. Aus den entwickelten Kolonien 
wurde mittels mikroskopischer Zählung von 10 bis 30 Feldern 
die Gesamtzahl bestimmt. 

Auf diese Weise fanden die genannten Autoren für den 
Vibrio cholerae eine zwischen 19,3 und 40,0 Min. schwankende 
Generationsdauer. 

Diese Werte sind gelegentlich weiterer Generationsdauerbestim¬ 
mungen (Müller I6 ), He he werth 16 ) sowie von den Autoren selbst 
bereits diskutiert worden, ohne dafs man die nächstliegende Fehler¬ 
quelle erkannt hat. Meiner Erfahrung nach liegt die Erklärung 
für diese grofsen Schwankungen in den B. L. R.’schen Versuchen 
hauptsächlich in der Anfertigung der Platten mit zu grofsen 
Mengen (1 ccm), wodurch die sekundären Platten eine viel zu 
grofse Dichtigkeit und ungleichmäfsige Verteilung der Bakterien 
erhielten. Das Zählen von nur 10 bis 30 — 0,0156 qmm grofsen 
Feldern auf einer Platte von 80 qcm (= 512820 Gesichtsfelder) 
und einer Kolonienzahl von 5—10 Millionen mufs bei Ausschlufs 
jeder weiteren Fehlerquelle variabele Werte geben. Eine Be¬ 
stätigung für die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich aus den 
Generationsdauerbestimmungen von F. Basen au 17 ) über den 
Bacillus bovis morbificans, sowie denen M. Müllers 18 ) überdas 
Bacterium typhi. Beide erhielten bei der Anwendung stärkerer 
Verdünnungen und der gleichen Methodik der Wirklichkeit mehr 
entsprechende Resultate. 

Im übrigen möge bereits an dieser Stelle erwähnt sein, dafs 
sich gemäfs der am Beginn dieses Abschnittes erfolgten Erörte¬ 
rung ein bestimmter Generationsdauerwert für ein gewisses 


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Von Dr. Max Müller. 


143 


Bakterium überhaupt nicht aufstellen läfst. Die Generationsdauer 
eines Bakteriums ist vielmehr ein konstant variabeler Zeitwert. 
Diese Werte in ihrer Gesamtheit auf ein Koordinatensystem auf¬ 
getragen, stellen eine nach oben offene hyperbelähnliche Kurve 
dar. Es ist also auch in dieser Hinsicht den B. L. R.’schen Ver¬ 
suchen Rechnung zu tragen. 

Eine Methode, welche die gleiche Berechnung zu Grunde 
legt, jedoch das Plattenverfahren vermeidet, hat A. Klein 19 ) 
angegeben. 

An Stelle der Berechnung der Bakterienanzahl mittels des 
Kochschen Platten Verfahrens wählt Klein die direkte Zählung 
der vorhandenen Bakterien mittels des Mikroskopes unter An¬ 
wendung der Färbung der Bakterien im feuchten Zustande. 

0,1 bis 1,0 ccm einer Kultur werden mit der gleichen oder 
gröfseren abgemessenen Menge einer Farbflüssigkeit vermengt 
und gut durchmischt. Diesem Gemenge wird eine Öse von 
bekanntem Fassungsvermögen entnommen und der Inhalt dieser 
Öse gleichmäfsig auf ein Deckgläschen ausgestrichen. Mittels 
des Mikroskopes wird nun die Anzahl der Bakterien in ca. 50 
Gesichtsfeldern bestimmt und hieraus das arithmetische Mittel für 
ein Gesichtsfeld berechnet. Bei bekanntem Fassungsvermögen 
der Öse, bekannter Gröfse des Gesichtsfeldes und des Deck¬ 
gläschens läfst sich die Anzahl der Bakterien in einer gewissen 
Menge der Kultur direkt berechnen. 

Die Kleinsche Methode unterscheidet sich in ihren Resul¬ 
taten von der Plattenmethode dadurch, dafs die erstere die Ge¬ 
samtzahl sowohl der toten als auch der lebenden Bakterien 
bestimmt, während das Resultat der Plattenmethode den Wert 
der vorhandenen lebenden Bakterien angibt.*) 

Weiterhin hat dann neuerdings G. W. Boland 20 ) unter Leitung 
von Klein eine Methode ausgearbeitet, welche die Generations¬ 
dauer ohne direkte Bestimmung der Bakterienzahl berechnen läfst. 

•) Es drängt sich hier der Gedanke auf, durch gleichzeitige Anwendung 
beider Methoden die Anzahl der abgestorbenen Individuen feststellen zu 
können. Inwieweit dieser theoretische Schlufs praktisch statthaft ist, wird 
an einer späteren Stelle kurz diskutiert werden. 

10 * 


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144 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 


Bol and geht hierbei von der Formel 2* = — aus. Kennt 

man den Wert des Verhältnisses von b : a, so läfst sich hieraus 
n, und weiterhin die Generationsdauer x nach der Formel x = 

— berechnen. — Den Wert für die Verhältniszahl bestimmt 
n 

Bol and durch Vergleichen der Kulturen mit Normal- oder 
Standarttrübungen, deren Verhältniszahlen zueinander bekannt 
sind. Diese Trübungen werden wegen der Inkonstanz der Bak¬ 
terientrübungen durch verschieden starke Talkaufschwemmungen 
hergestellt. Nach der Bolandsehen Angabe genügen fünf 
solcher Vergleichstrübungen, deren Verhältniszahlen am zweck- 
mäfsigsten betragen sollen: A — 5; B — 8; C — 14; D — 23; 
E — 35. Der Wert für n läfst sich dann in folgender Weise 
berechnen: Impfe ich z. B. aus einer Bouillonkultur, welche 
eine mit der Normaltrübung A übereinstimmende Trübung zeigt, 
eine Öse voll in ein frisches Bouillonröhrchen und bestimme die 
Zeit, nach welcher dieses Röhrchen die gleiche Trübung wie die 
Ausgangskultur also auch wie die Standarttrübung A zeigt, so 
sind bei bekannter Menge der geimpften Flüssigkeit und be¬ 
kanntem Fassungsvermögen der Öse so viel mal mehr Bakterien aus 
der in der Öse enthalten gewesenen Anzahl von Bakterien ge¬ 
bildet worden, als das Fassungsvermögen der Öse in der Menge 
der geimpften Flüssigkeit enthalten ist. 

Es wäre also für diesen speziellen Fall 

^_ b _Menge der geimpften Bouillon, 

a Fassungsvermögen der Öse 

Beträgt die Menge der geimpften Bouillon 5 ccm, das Fas¬ 
sungsvermögen der Öse 1 mg, so ist: 

^ 5000 log 5000 t 

2" = —; n = —y —; x=—. 

1 log 2 n 

Kommt nach einer Frist dieselbe Kultur überein mit der 
Trübung B y so befinden sich, die oben angegebenen Verhältnis¬ 
zahlen angenommen, 8 / ö mal soviel Bakterien in der geimpften 


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Ton Dr. Max Müller. 145 

Kultur als in derjenigen, aus welcher geimpft wurde. Die 

Formel 2" = — wäre also für diesen Fall: 
a 

on_V& _V5000 _log 8000_ t 

~T - 1 ’ n ~ log 2 ’ n- 

Im ganzen lassen sich mittels der fünf Standarttrübungen 
25 Kombinationen zusammenstellen und mithin auch 25 Werte 
für die Generationsdauer berechnen. 

Für die folgenden Versuche konnte keine dieser Methoden 
zur Anwendung kommen. Das Bolandsche Verfahren mufs von 
vornherein ausgeschaltet werden, da die Versuchsreihen gleichzeitig 
einen Einblick in die Mengen der vorhandenen Bakterien gestatten 
sollen. Fernerhin ist sowohl das Bolandsche als auch das Klein- 
sche Verfahren erst dann anwendbar, wenn im Kubikzentimeter der 
Kultur mindestens einige Millionen Bakterien anwesend sind. In 
diesem Stadium der Entwicklung ist aber, wie aus den Tabellen er¬ 
sichtlich, häufig die kürzeste Generationsdauer bereits überschritten. 
Nun liegt aber, wie eingangs schon erörtert, der praktische Wert der 
Generationsdauerbestimmung gerade darin, die maximale Vermeh¬ 
rungsgeschwindigkeit = kürzeste Generationsdauer zu eruieren. 

Um diese Werte wenigstens annähernd zu erhalten, ist es 
nötig: 1. von einer möglichst geringen Bakterienzahl auszugehen; 
2. eine gröfsere Anzahl von Generationsdauerwerten zu berechnen. 

Bei meinen Versuchen war fernerhin darauf Rücksicht zu 
nehmen: 1. dafs die Versuche bei fünf verschiedenen Tempe¬ 
raturen (30°; 25°; 12°; 6°; 0°) gleichzeitig angestellt werden 
sollten; 2. dafs die beschränkten Raumverhältnisse im Eiskalori¬ 
meter das Aufbewahren einer gröfseren Menge geimpfter Flüssig¬ 
keit nicht gestatteten; 3. dafs aus einer geringen Menge ge¬ 
impfter Flüssigkeit eine gröfsere Anzahl von Platten anzufertigen 
war, ohne durch eine wesentliche Verminderung des Volumens 
der Kultur die Wachstumsbedingungen zu alterieren. 

Diesen Anforderungen konnte durch folgendes Verfahren 
nach Möglichkeit genügt werden: 

Um aus einer relativ geringen Menge (5 ccm) eines flüssigen 
Kulturmediums eine gröfsere Anzahl von Platten anfertigen zu 


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146 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

können, ohne die Kulturflüssigkeit wesentlich zu verringern, 
wurden geeichte Spiralen und Ösen zur Plattenanlage verwendet. 
Da diese geeichten Spiralen und Ösen, deren Fassungsvermögen 
gelegentlich naclikontrolliert wurde, konstant die gleichen Mengen 
fassen, so ermöglicht ihre Anwendung nicht nur eine Material¬ 
ersparnis der Kultur, sondern auch gleichzeitig eine äufserst 
genaue Zählung der in dieser Menge vorhandenen Bakterien. 
Durch Überimpfung progressiv kleiner werdender Kulturmengen 
zu den Zählplatten, konnten möglichst genaue zählbare Platten 
erhalten werden. Auf diese Weise wurde gleichzeitig die durch 
die Verdünnungsmethode entstehende Fehlerquelle so lange als 
möglich vermieden. Nach einer gewissen Zeit wird aber selbst 
eine Öse von 0,4 mg eine so dicht besäte Platte geben, dafs 
eine annähernd genaue Zählung nicht mehr möglich ist; infolge¬ 
dessen ist nun eine Verdünnungsmethode nicht mehr zu um¬ 
gehen. Bei den meisten Versuchen wurde die Verdünriungs- 
methode bereits dann angewendet, wenn eine Öse von 1,6 mg 
voraussichtlich eine zu dicht besäte Platte ergab. Makroskopisch 
war dieser Zeitpunkt erkenntlich, sobald eine deutliche Bakterien¬ 
trübung bemerkbar wurde. In diesem Zeitpunkte ist einerseits 
die kürzeste Generationsdauer häufig schon überschritten, ander¬ 
seits ist die Bakterienzahl so stark angewachsen, dafs es gleich¬ 
gültig ist, ob man bei der Berechnung einige zehntausend 
Bakterien mehr oder weniger im Kubikzentimeter findet. 

Die infolge der Verdünnungsmethode entstehende Fehlerquelle 
wurde auf folgende Weise nach Möglichkeit reduziert: 

1. Es wird eine relativ grofse Menge der Kultur (81—8 mg) 
in das Verdünnungsmedium übergeimpft. 

2. Um ein kräftiges Durchmischen der Verdünnungsflüssig¬ 
keit vornehmen zu können, wird physiologische NaCl- 
Lösung verwendet. 

3. Die Zählplatte wird wiederum mit möglichst grofser 
Menge (81—8 mg) der geimpften Verdünnungsflüssigkeit 
angelegt. 

4. Die Menge der Verdünnungsflüssigkeit wird nach der An¬ 
fertigung der Zählplatte mittels graduierter Pipette genau 


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Von Dr. Max Müller. 


147 


gemessen, wobei es genügend ist, die an der Wand ad- 
härierende Flüssigkeitsmenge als nahezu konstant bleibenden 
Wert schätzungsweise in Berechnung zu ziehen. 

Nach der vorstehenden Ausführung wird man leicht zu der 
Annahme neigen, dafs zu dieser Methodik eine gröfsere Anzahl 
von Spiralen und Ösen nötig sei, was jedoch keineswegs der Fall ist. 
Sämtliche folgenden Untersuchungen sind mit drei Spiralen von 
einem Fassungsvermögen von 81, 21 und 7,9 mg, sowie mit zwei 
Ösen von 1,6 und 0,4 mg angestellt worden. 

Die Zählplatten wurden in der Weise angefertigt, dafs die 
mit nichtentfetteter Watte versehenen Gelatineröhrchen sofort nach 
erfolgter Impfung und Durchmischung in Rollplatten verwandelt 
wurden. Dieses Verfahren hat zum Zwecke der Zählung vor 
dem Plattenverfahren mit Petri sehen Schalen unverkennbare 
Vorteile. Abgesehen von der Ersparnis an Schalen vermeidet 
das Roll verfahren jene Fehlerquelle, welche durch das Zurück¬ 
bleiben der Gelatine im Reagensglase verursacht wird, und welche 
je nach der Temperatur der verflüssigten Gelatine in stärkerem 
oder geringerem Mafse zum Ausdruck kommt. Bei guter 
Durchmischung und gleichmäfsigem Ausrollen gestatten fernerhin 
die Rollröhrchen ein schnelles Zählen der Kolonien mittels der 
für Reagensgläser besonders konstruierten Lupe. Nicht zu 
dicht besäte Röhrchen mit einer Gesamtzahl bis zu ca. 500 Ko¬ 
lonien wurden ganz durchgezählt. Bei stärkerer Besäung wurden 
je nach der Dichtigkeit der aufgekommenen Kolonien zehn gleich- 
grofse Gesichtsfelder von 1,5, 1,0, x / 4 , 1 I 16 , selten l \^ qcm Gröfse 
in der Weise bestimmt, dafs Papierscheibchen mit Ausschnitten 
in den oben genannten Gröfsen direkt dem Glase aufgelegt 
werden. Das Verschieben dieses Ausschnittes hat ohne gleich¬ 
zeitige Benutzung der Lupe in unparteiischer Weise über die 
ganze Oberfläche hinweg zu erfolgen. — Innerhalb einer Stunde 
lassen sich auf diese Weise bei einiger Übung ca. 15 Röhrchen mit 
hinreichender Genauigkeit zählen. Das arithmetische Mittel aus 
den zehn gezählten Feldern ergibt die Durchschnittszahl für die 
Gröfse der gezählten Fläche, woraus durch einfache Umrechnung 
die Anzahl der Kolonien pro qcm gefunden werden kann. 


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148 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

Die Gesamtzahl ergibt sich aus der Zahl pro qcm mal der 
Oberfläche 

0 = 2 r rc h r 2 7t. 

Wählt man bei der Anfertigung der Rollröhrchen stets gleich¬ 
weite Reagensgläser von 1,6 cm Durchmesser und macht man 
durch Hineindrücken des Wattepfropfens h = 11,5 cm, so er¬ 
gibt sich lüiO = 2r7th-{-r 2 7t = 57,7760 + 2,0096 = 
59,7856 = 60 qcm. Die Anzahl der Kolonien pro qcm mal 60 
stellt also die Gesamtanzahl der Kolonien des Rollröhrchens dar, 
welche aus der gleichen in der Spirale oder Öse enthalten ge¬ 
wesenen Anzahl von Bakterien entstanden sind. Da jedoch 
Spiralen und Ösen von verschiedenem Fassungsvermögen ver¬ 
wendet worden sind, so bedarf es, um die gefundenen Zahlen 
vergleichen zu können, der Umrechnung sämtlicher Werte auf 
ein gleiches Volumen, wozu sich am besten die Mafseinheit 
eignet. Diese Werte gestatten dann auch die Berechnung der 
Generationsdauer nach der Formel: 

* lp g 2 

log b — log a 

Um stark gelatine-verflüssigende Bakterien auf diese Weise 
zählen zu können, mufs man die Kolonien im Eisschranke auf- 
kommen lassen, wodurch die Verflüssigung der Gelatine so hintan¬ 
gehalten wird, dafs man die eben makroskopisch sichtbar werdenden 
Kolonien bequem und deutlich mit der Lupe zählen kann. 

Diese Methodik gestattet es, die Generationsdauerwerte bei 
konstanter Temperatur für jeden beliebigen Zeitpunkt zahlen- 
mäfsig darzustellen. Bei einer genügenden Anzahl von Bestim¬ 
mungen wird man also auch die kürzeste Generationsdauer und 
hiermit den Zeitpunkt der stärksten Vermehrungsintensität er¬ 
halten können. Um nun noch die kürzeste Generationsdauer 
unter gleichen Bedingungen für die fünf verschiedenen Tempe¬ 
raturen feststellen zu können, wird auf folgende Weise verfahren: 
Aus einer ca. 20 ständigen bei 25° gewachsenen Bouillonkultur 
wird eine 0,4 mg fassende Öse in ein Pasteursches Kölbchen 
mit 40 ccm Bouillon übergeimpft, gut gemischt und sodann ein 
Zählröhrchen nebst Kontrolle mittels der gröfsten Spirale an- 


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Von Dr. Max Müller. 


149 


gefertigt. Unmittelbar hierauf werden je 5 ccm der Bouillon in 
Reagensgläser, welche bei den betreffenden Temperaturen gehalten 
werden, steril überpipettiert. Nach gewissen Zeiten sind dann 
für jede Temperatur die Rollröhrchen in der oben angegebenen 
Weise mit progressiv kleiner werdenden Mengen anzufertigen. 
Bei dieser Methodik enthalten die Kulturröhrchen für die ver¬ 
schiedenen Temperaturen 1. die gleiche Menge an Bakterien und 
2. eine möglichst geringe Anzahl von Bakterien (einige Tausend 
pro ccm). 

b) Tabelle I, 30° gibt die Versuchsanordnung in detaillierter 
Weise wieder. Weiterhin sind unter Fortlassung der 2., 3., 4. 
und 5. Rubrik nur die einer näheren Betrachtung zu unter¬ 
ziehenden Werte angegeben. 

Tabelle I. 


Bacterium A. 
30° 


Nr. 

Übergeimpfte 

Menge 

Gröfse 

des 

gezähtlen 

Feldes 

Zahl 

der 

Kolo¬ 
nien im 
Felde 

Zahl 

der 

Kolo¬ 
nien der 

Platte 

Bakterienzahl 

in 

1 ccm Bouillon 

Zeit 

nach der 
Impfung 

Genera- 

tionsdauer 

1 

81 mg 

60 

qcm 

111 

'in 

1 370 


— 

- 

- 

2 

81 > 

60 

» 

117 

117 

1440 

6 Min. 

(73' 

10") 

3 

81 > 

60 

> 

173 

173 

2150 

1 

St. 

(93' 

14") 

4 

81 » 

60 

i 

287 

287 

3 560 

2 

» 

87' 

6" 

5 

42 > 

60 

> 

276 

276 

6 580 

3 

> 

80' 

4" 

6 

21 > 

60 

> 

445 

445 

21 190 

4 

> 

60' 

46" 

7 

21 » 

1,5 

> 

27 

1080 

51 430 

5 

» 

57' 

20" 

8 

16 » 

1,5 

> 

62 

2 500 

156 250 

6 

> 

52' 

42" 

9 

8 > 

1,0 

» 

53 

3180 

397 500 

7 

> 

51' 

19" 

10 

8 > 

V. 

» 

31 

7 440 

930 000 

8 

> 

51' 

1" 

11 

8 > 

V« 

> 

72 

17 280 

2160 000 

9 

» 

50' 

47" 

12 

3,6 > 

Vie 

> 

21 

20160 

5 610 000 

10 

> 

50' 

1" 

13 

1,8» 

7,. 

> 

48 

46 100 

25 610000 

11 

» 

47' 

39" 

14 

81: 6,2 H,0—81 

V.6 

> 

36 

34 560 

60 628 000 

12 

> 

46' 

38" 

15 

21:6,3 — 21 

7.« 

> 

17 

16 320 

233 100 000 

24 

> 

82' 

47" 

16 

21:7,2—21 

7i« 

» 

17 

17 280 

252 000000 

28 

> 

95' 

52" 

17 

21 : 7,2 — 21 

7w 

> 

23 

22 280 

363 300000 

36 

> 

119' 

56" 

18 

8: 6,0 — 8 

V16 

i 

14 

13 440 

1260 000000 

48 

> 

145' 

19" 

19 

8:10,2 — 8 

! 

7« 

> 

36 

8 640 

1 377 000000 

72 

> 

215' 

47" 


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150 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 


25° 12° 


Nr. 

ßakterienzahl 

in 

1 ccm Bouillon 

Zeit 

nach der 
Impfung 

Genera¬ 

tionsdauer 

Nr. 

Bakterienzahl 

in 

1 ccm Bouillon 

Zeit 

nach der 
Impfung 

Genera¬ 

tionsdauer 

1 

1370 

— 

i 

1 

1370 

— 

— 

20 

1430 

7 Min. 

(113' 10") 

38 

1380 

lOMin. 

(952' 37") 

21 

2190 

1 st. 

(88' 40") 

39 

2 060 

2 St. 

(291' 42") 

22 

3 620 

2 > 

85' 41" 

40 

2 530 

4 > 

(271' 13") 

23 

7140 

3 > 

75' 35" 

41 

3500 

6 > 

266' 8" 

24 

15 700 

4 > 

68' 13" 

42 

6 570 

8 > 

212' 13" 

25 

43 800 

5 * 

60' 1" 

43 

11000 

10 > 

199' 37" 

26 

60 900 

6 > 

65' 47" 

44 

21 100 

12 > 

182' 25" 

27 

230 000 

7 > 

56' 49" 

45 

827 000 

24 » 

155' 53" 

28 

600000 

8 > 

54' 43" 

46 

4000 000 

28 > 

145' 56" 

29 

1320 000 

9 > 

54' 28" 

47 

12 700000 

32 ^ 

115' 38" 

30 

3 130 000 

10 > 

53' 46" 

48 

53 400000 

36 > 

141' 38" 

31 

8000000 

11 > 

61' 24" 

49 

184 600 000 

48 » 

168' 59" 

321 

22 125 000 

12 > 

51' 30" 

50 

266 500 000 

60 > 

204' 54" 

CO 

CO 

215 100 000 

24 > 

83' 25" 

51 

350 600000 

72 > 

240' 27" 

34 | 

239 000000 

28 > 

96' 28" 

52 

805100000 

96 > 

300' 34" 

35 

320 400 000 

36 > 

121' 7" 

53 

1225 500000 

120 > 

364' 5" 

36! 

945 800 000 

48 > 

124' 34" 





37 

1042 500 000 

72 > 

221' 3" 






6 ° 0 ° 


Nr. 

Bakterienzahl 

in 

1 ccm Bouillon 

Zeit 

nach der 
Impfung 

Genera¬ 

tionsdauer 

Nr. 

ßakterienzahl 

in 

I ccm Bouillon 

Zelt 

nach der 
Impfung 

Genera¬ 

tionsdauer 

1 

1370 

- 



— 


1 

1370 

— 


— 


54 

1380 

12 Min. 


— 


74 

1296 

15 Min. 

— 


55 

1650 

4 St. 

(14 St. 51') 

75 

1963 

24 St. 

(46 St. 

15') 

56 

2160 

8 

> 

(12 

> 

8') 

76 

2 200 

2 Tage 

(44 > 

22') 

57 

2 860 

12 

> 

11 

> 

17' 

77 

4 240 

3 

> 

44 > 

10' 

58 

8000 

24 

> 

9 

> 

26' 

78 

7 500 

4 

> 

39 » 

8' 

59 

11600 

28 

> 

9 

> 

2' 

79 

22 000 

5 

» 

30 > 

27' 

60 

17 500 

32 

> 

8 

5 

43' 

80 

55 000 

6 

> 

27 > 

2' 

61 

27 900 

36 

> 

8 

» 

17' 

81 

166 000 

7 

> 

24 » 

17' 

62 

79 400 

48 

> 

8 

» 

12' 

82 

450 000 

8 

> 

22 > 

40' 

63 

130 000 

52 

> 

7 

> 

55' 

83 

1022 000 

9 

> 

22 > 

38' 

64 

180000 

56 

> 

7 

> 

55' 

84 

2 964000 

10 


21 > 

39' 

65 

273 000 

60 

> 

7 

> 

52' 

85 

10 266 000 

11 

> 

20 > 

31' 

66 

1 353 000 

72 

> 

7 

> 

14' 

86 

30 450 000 

12 

> 

19 > 

57' 

67 

1956 000 

76 

> 

7 

> 

15' 

87 

68 500000 

14 

> 

21 > 

29' 

68 

13 545 000 

96 

> 

7 

> 

14' 

88 

125 700 000 

16 

> 

23 > 

17' 

69 

22 378 000 

104 

> 

7 

> 

26' 

89 

224 000 000 

18 

> 

24 > 

56' 

70 

102 966 000 

120 

> 

7 

> 

32' 

90 

293 000000 

20 

> 

27 > 

44' 

71 i 

187 500 000 

144 

> 

8 

> 

26' 

91 

420000000 

23 

> 

30 > 

17' 

72 

301000000 

168 


9 

> 

55' 







73 

500 250 000 

192 

> 

10 

> 

23' 








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Von Dr. Max Müller. 


151 



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543100 000 20 > 79’ 8” 

2 052 000 000 36 > 1 126’ 30" 











Bacterium C 


152 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 




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Bacterium D 


Von Dr. Max Müller. 


153 




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Bacillus fluorescens liquefacicns. 


154 Über das Wachstum und die Lebenstfttigkeit von Bakterien etc. 




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1254000000 






















Von Dr. Max Müller. 


155 


Es erübrigt sich, die Einzelheiten dieser Tabellen näher zu 
diskutieren, da dieselben nur einen allgemeinen Überblick über 
die Menge der lebenden Bakterien und die Intensität des Wachs¬ 
tums bei 0° im Vergleich mit höheren Temperaturen gestatten 
sollen. 

Denkt man sich die Generationsdauerwerte eines Bacteriums 
auf ein Koordinatensystem aufgetragen, so lassen sich die Kurven 
für die einzelnen Temperaturen annähernd darstellen. Diese 
Kurven fallen sämtlich von der Ordinate gegen die Abszisse, 
ohne diese jemals zu erreichen, und steigen allmählich wieder 
bis schliefslicli ins Unendliche. Der Scheitelpunkt der Kurve 
nähert sich um so mehr der Abszisse, je kürzer die Generations¬ 
dauer ist. Da nun die Generationsdauer wiederum von den 
herrschenden Temperaturverhältnissen direkt abhängig ist, so ist 
auch die Gestalt der Kurve je nach der herrschenden konstanten 
Temperatur eine verschiedene, und zwar der Art, dafs dieselbe 
bei höheren — das Wachstum günstig beeinflussenden — Tem¬ 
peraturen schnell und stark zur Abszisse fällt, um bald wieder 
mit geringerer Intensität bis schliefslich ins Unendliche zu steigen, 
während die Kurve bei niederer Temperatur entsprechend dem 
wachstumhemmenden Einflufs dieser Temperatur in flacherer 
Weise verläuft und sich gleichzeitig immer weniger mit ihrem 
Scheitel der Abszisse nähert. 

Für die Werte der jeweiligen Anzahl lebender Bacterien 
kann man sich in gleicher Weise Kurven konstruiert denken, 
die im Gegensatz zu den Generationsdauerkurven vom Null¬ 
punkt des Koordinatensystems aufsteigen. Das Ansteigen dieser 
Kurve erfolgt bei der Optimaltemperatur am stärksten und 
nimmt proportional dem Abfallen der Temperatur ab. Dem Er¬ 
messen nach werden diese Kurven allerdings nach verschieden 
langer Zeit eine gewisse, vielleicht annähernd gleiche Höhe er¬ 
reichen, worauf in der umgekehrten Weise des Ansteigens das 
Abfallen der Kurven erfolgen wird. Da die Tabellen nur 
die Anzahl der lebenden Bakterien angeben, so wird natürlich 
die Kurve für die Gesamtzahl der produzierten Bakterien in 
späteren Stadien einen wesentlich anderen Verlauf nehmen. 


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156 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

Diese Kurve mufs, bis das Bakterienwachstum schliefslich sistiert, 
ständig ansteigen. 

Es ist bereits bei Besprechung der Methodik der Klein- 
sehen Zählmethode darauf hingewiesen worden, dafs diese die 
Gesamtzahl der Bakterien, sowohl der lebenden als auch der 
toten, zu bestimmen gestattet, während die Plattenmethode nur 
die Zahl der lebenden Bakterien angibt. Die gleichzeitige Be¬ 
stimmung der Bakterienzahl nach beiden Methoden müfste also 
auch eine Vergleichung der beiden Kurven für die Gesamtzahl 
und die Zahl der lebenden Bakterien gestatten. Meine Metho¬ 
dik hat die gleichzeitige Ausführung des Klein sehen Verfah¬ 
rens allein wegen des geringen, mir zur Verfügung stehenden 
Materials in ausgiebiger Weise nicht gestattet. Es konnte des¬ 
halb nur am Schlüsse einer Versuchsreihe ein Vergleich zwischen 
den Resultaten der beiden Methoden gezogen werden. Die fol¬ 
gende Tabelle gibt die nach beiden Methoden gefundenen Zählen¬ 
werte wieder. 

Tabelle VI. 


Bacte- 

rium 

Platten- 

Nr. 

Tempe¬ 

ratur 

Plattenmethode 

Mikroekopische 

Methode 

C 

8 

30° 

450000000 

515 900 000 


15 

25° 

350000000 

429000000 


23 

12® 

888000000 

716 600000 


48 

0° 

586 500000 

659 200000 

Fluor- 

8 

30* 

1092 000000 

801300000 

liquef. 

15 

25° 

744 000 000 

773900000 


23 

12° 

1254000000 

1031800000 


48 

0° 

1800000000 

917 200000 

D 

11 

30° 

276 800000 

360100000 


21 | 

25° 

284 800 000 

315 300 000 

B 

40 

0° 

1390000000 

1805100000 


In der Tat ergeben die Berechnungen nach der Klein- 
schen Methode mit Ausnahme der Befunde für den Bacillus 
fluorescens liquefaciens eine gröfsere Bakterienzahl wie die 
Plattenmethode, mithin steigt auch die Kurve für die Gesamt- 


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Von t)r. Max Müller. 157 

zahl stärker als für die Anzahl der vorhandenen lebenden Bak¬ 
terien. Theoretisch müfste nun die Differenz in den Resul¬ 
taten der beiden Methoden die Anzahl der vorhandenen toten 
Bakterien zum Ausdruck bringen, wie dies auch Hehewerth 
angenommen hat. Gegen diese Folgerung hege ich Bedenken, 
da die in dieser Richtung untersuchten Bakterien häufig in 
Diploverbänden auftreten. Während sich nun jedes Diplostäb- 
chen oder ein zusammenhängendes Bakterienhäufchen bei der 
Plattenmethode als eine Kolonie markiert, zieht die mikrosko¬ 
pische Methode jedes Diplostäbchen als zwei Organismen und 
ein Bakterien häuf chen mit der betreffenden Anzahl in Berech¬ 
nung. Die mit der Plattenmethode gefundene Bakterienmenge 
gibt demnach eine Mindestanzahl vorhandener lebender Orga¬ 
nismen an, die nicht ohne weiteres von der Maximalzahl (Klein- 
sehe Methode) zwecks Bestimmung der Anzahl toter Bakterien 
subtrahiert werden kann. 

Dafs auch in einem Bakteriengemische die Vermehrung bei 
konstanter Temperatur in ähnlicher Weise verläuft, wie dies für 
einzelne Bakterienarten gezeigt worden ist, ergibt sich aus der 
Tabelle VII. Um ein natürliches Bakteriengemenge unter¬ 
suchen zu können, wurde als Versuchsmaterial eine gewöhnliche 
frische Handelsmilch gewählt. Die letzte Bestimmung für jede 
Temperatur wurde nach erfolgter Gerinnung der Milch vorge 
nommen. Bei 0° war diese bereits bei der vorletzten Bestimmung 
eingetreten. 

(Siehe Tabelle VII auf 8. 158.) 

Aus der Gesamtheit der Tabellen geht hervor, dafs auch 
bei 0° noch ein bedeutendes Bakterien Wachstum stattfindet. 
Allerdings ist bei dieser Temperatur die Generationsdauer und 
demgemäfs die Vermehrungsintensität eine geringere als bei 
höheren Temperaturen. Legt man einem Vergleiche die kür¬ 
zesten gefundenen Generationsdauerwerte für 0° und 25° zu 
Grunde, so ergibt sich hieraus, dafs die Vermehrung bei 25° für 
den Bacillus fluorescens liquefaciens —17 mal, für Bacterium A 
—24 mal, für Bacterium B —23 mal, für Bacterium C — 36 mal 
und für Bacterium D 21 mal, also durchschnittlich 24 mal so 

Archiv f. Hygiene. Bd. XLVII. 11 


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158 tJber das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

schnell als bei 0° erfolgt. Die Tabelle VIII enthält eine Zu¬ 
sammenstellung der in der angegebenen Wachstumszeit gefun¬ 
denen kürzesten Generationsdauerwerte für die fünf untersuchten 
Bakterien und gestattet für die übrigen Temperaturen denselben 
Vergleich mit 0° zu ziehen. 

Tabelle YD. 


1,0 ccm Milch enthält an Bakterien: 


nach 

30° 

25° 

12° 

6° 

0° 

— 


720000 

720000 

720 000 

720 000 

720 000 

3 St. 

1 380000 

1860 000 

— 

— 

_ 

7 

y 

3 244 000 

3150000 

— 

— 

— 

10 

> 

6 156 000 

6840 000 

1320000 

— 

— 

24 

» 

734 400000 

820800000 

177 400000 

4350000 

746 000 

2 Tagen 

— 

— 

372 400000 

— 

1500000 

3 

> 

— 

[ — 

464000000 

27 100 000 

— 

4 

> 

— 

— 

— 

— 

8100000 

5 

> 

— 


— 

% 480 000 

— 

7 

» 

— | 

— 

— 

250000000 

27 600000 

10 

> 

— 

— 

— 

584300000 

172 800000 

13 

> 

— 1 

— 

— 

744 800 000 

527 000000 

16 

> 

— 

— 

— 

— 

840000000 

19 

> 

— 

— 

— 

— 

1228 500000 

22 

» 

— 

— 

— 

— 

1629 800 000 


Tabelle VIII. 


Bacte- 

rium 

s 

o , 

25° 

12° 

A 

B 

C 

D 

fluor. 

liquef. 

46 Min. 38 Sek. nach 12 St. 
50 > 56 > > 7 > 

46 > 15 > » 8 > 

44 > 42 > > 7 > 

64 * 11 » > 10 > 

51 Min. 24 8ek. n. 11 St. 
53 > 9 > » 7 » 

53 > 48 » > 8 > 

45 y 6 » > 7 > 

76 > 36 » >24 > 

115 Min. 38Sek. n.32St 
190 > 30 > > 36 > 

145 > 54 > > 30 > 

125 » — > > 12 > 

138 > 54 > > 48 » 


Bacterium 

6° 

0° 

A 

1 7 8t. 36 Min. nach 96 St. 

19 St. 57 Min. nach 12 Tagen 

B 

6 > 25 > > 108 > 

19 > 48 > 

> 8 > 

C 

9 > 17 > > 144 > 

33 . 88 > 

> 18 > 

D 

5 > 13 > » 60 > 

15 > 55 > 

» 8 > 

Fluor, liquef. 

I 7 > 33 » > 96 > 

21 » 26 > 

> 10 > 


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Von Dr. Max Müller. 


159 


c) Die geringeren Zahlenwerte für den Bacillus fluorescens 
liquefaciens nach der Kleinschen Methode im Vergleich zur 
Plattenmethode können nicht in einwandfreier Weise erklärt 
werden. Teilweise mögen dieselben in einer besonderen Fähig¬ 
keit dieses Bacteriums, nach kurzer Zeit schon zahlreiche De¬ 
generationsformen zu bilden, beruhen. Infolge des körnigen 
Zerfalles (SelbstVerdauung?) eines grofsen Teiles dieser Bakterien, 
speziell in älteren Kulturen, können diese Bakterienfragmente 
vielfach nicht mehr im mikroskopischen Präparate von Farbstoff¬ 
niederschlägen unterschieden werden. 

Der Bacillus fluorescens liquefaciens zeigt fernerhin ein 
weiteres, auch anderen Bakterien mehr oder minder zukommen¬ 
des eigenartiges Verhalten, das auch M. Müller 21 ) und Hehe- 
werth 22 ) gelegentlich der Ausführung von Generationsdauer¬ 
bestimmungen beim Bacterium typhi beobachtet haben. Es 
findet nämlich, speziell beim Überimpfen aus älteren Kulturen 
in frische Bouillon, eine Zeitlang nicht nur keine Vermehrung, 
sondern sogar eine mehr oder minder starke Verminderung der 
Anzahl lebender Bakterien statt. A. Fischer 23 ), welcher zahl¬ 
reiche Bakterien, darunter auch den Bac. fluor. liquef., auf dieses 
Verhalten geprüft hat, bezeichnet diesen eigenartigen Vorgang 
»als eine durch osmotische Störungen bedingte Plasmolyse bezw. 
Plasmoptyse«, und teilt hiernach die Bakterien ein in solche, 
welche sich plasmolysieren, und solche, die sich nicht plasmo* 
lysieren lassen. 

Die folgenden Zahlen, welche gelegentlich eines Generations¬ 
dauerversuches gefunden worden sind, veranschaulichen dieses 
eigenartige Verhalten gewisser Bakterien in einer eklatanten 
Weise für den Bacillus fluorescens liquefaciens. 

(Siehe Tabelle IX auf 8. 160.) 

Die auffallende Abnahme der Anzahl der lebenden Bak¬ 
terien bei diesem Versuche findet in Übereinstimmung mit 
früheren Beobachtungen ihre hauptsächliche Ursache darin, dafs 
infolge eines Unfalles bei der 24 ständigen Bouillonkultur aus 
einer drei Tage alten Bouillonkultur zum Zwecke der Generations¬ 
dauerbestimmung übergeimpft wurde. Dafs das Auftreten dieser 

11 • 


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160 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

Erscheinungen ganz wesentlich durch das Alter der Kulturen 
bediugt wird, ergibt sich aus der Tabelle V. Hier ist eine Ver¬ 
minderung der Anzahl lebender Bakterien infolge des Über- 
impfens aus einer jungen Kultur nur bei 0° in geringem Mafse 
zu beobachten. 

T a b e 11 e IX. 


Zeit nach der 

Anzahl der 

lebenden 

Tempe¬ 

Impfung | 

Bakterien in 1 ccm 

ratur 


| Bouillon 



— 

61 700 

10 Min. 

59 300 ' 

1 St. 

53 300 


2 * 

41500 

30° 

3 » 

32 900 


4 > 

34 300 


5 > 

75 000 


6 > 

191 300 


— 

61 700 


15 Min. 

60 400 


1 St. 

57 900 


2 > 

57 140 

25° 

3 » 

51 430 


4 > ' 

51 400 


5 > ' 

60 000 


6 > 1 

72 000 

i 

— 

61 <00 


20 Min. 

57 770 

12° 

2 St. 

48150 1 


4 » 

j 40 500 | 



Zeit nach der 
Impfung 

Anzahl der 
lebenden 

Bakterien in 1 ccm 

Bouillon 

Tempe¬ 

ratur 

m 

31430 



30000 


n 

34 300 

12° 

ÜH 

40 000 


Hl 

7300 000 


— 

61 700 


25 Min. 

58 500 


4 St. 

48150 


8 » 

34100 

.6° 

12 » 

46 000 


24 . 

49000 


28 > 

71300 


32 > 

120 000 


— 

61 700 

i 

30 Min. 

58 600 


24 St. 

52 600 


2 Tage 

45 500 | 

0° 

3 » 

37 000 | 


4 > 

49 000 


5 > 

124 000 



II 


d) Die untere Grenze für das Wachstum der Bakterien liegt 
jedenfalls unterhalb einer Temperatur von 0°. Leider konnten im 
hiesigen Institute noch keine Einrichtungen getroffen werden, 
welche es zum Zwecke der Bestimmung dieses Temperatur¬ 
minimums ermöglicht hätten, auf längere Zeit hin beliebige 
konstante Temperaturen unter 0° herzustellen. 

Mit Rücksicht auf späterhin zu ziehende Schlufsfolgerungen 
schien es jedoch angebracht, einmal die Frage zu prüfen, wie 


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Von Dr. Max Müller. 161 

sich die glacialen Bakterien gegenüber der Einwirkung mäfsiger 
Kältegrade verhalten würden. 

Nach den Untersuchungen von Pictet und Joung 24 ), 
Macfadyen 26 ), Prudden 26 ), Brehme 27 ) u. a. erfolgt durch 
die Einwirkung der Kälte, je nach der Bakterienart, eine schnellere 
oder langsamere Abnahme der Anzahl lebender Individuen, 
während das Abtöten sämtlicher Bakterien nicht einmal durch eine 
intensive und lang andauernde Kälteeinwirkung erzielt werden 
kann. Als besonders geeignet zu einem Versuche in der Kälte 
schienen diejenigen Bakterien, welche bei 0° die kürzeste Gene¬ 
rationsdauer zeigten. Von diesen Bakterien konnte angenommen 
werden, dafs sie sich am resistentesten gegen die Kälte verhalten 
würden. Um bei diesem Versuche die Anzahl der jeweiligen 
lebenden Bakterien feststellen zu können, wurde in folgender 
Weise verfahren: 

Das der Kälteeinwirkung auszusetzende Bacterium wird in 
geringer Menge auf ca. 8 ccm Bouillon übergeimpft, und die 
Flüssigkeit sodann gut durchmischt. Unmittelbar nach der An¬ 
fertigung einer Zählplatte werden je 2 ccm in eine Anzahl Reagens¬ 
gläser steril überpipettiert, und diese sofort einer andauernden 
Kälteeinwirkung von —2 bis — 12° ausgesetzt. Nach gewissen 
Zeiten wird dann immer je ein Röhrchen auf die Anzahl der 
vorhandenen lebenden Mikroorganismen (falls die Bouillon ge¬ 
froren ist, sofort nach dem Auftauen) geprüft. Die folgende 
Tabelle gibt die mit den Bakterien B und D gewonnenen Re¬ 
sultate wieder: 


Tabelle X. 


Zeit nach 
d. Impfung 

Anzahl der in 81 mg 
vorhandenen Bakterien 


Bacterium B 

Bacterium D 

— 

1140 

720 

3 Tage I 

420 

46 

5 . ! 

57 

— 

7 > 

3 i 

1 :, •! 

— 


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162 über das Wachstum und die Leben Stätigkeit von Bakterien etc. 


Die nach erfolgter Anlage der Zählplatten bei 25° auf be¬ 
wahrten Bouillonröhrchen lassen anfangs innerhalb von 2 Tagen, 
späterhin erst nach drei Tagen eine deutliche Trübung erkennen 
und zwar auch in den Fällen, in welchen sich das Rollröhrchen 
als steril erwies. 

Es wird demnach auch bei den glacialen Bakterien durch 
die Einwirkung mäfsiger Kältegrade sowohl die Vermehrungs¬ 
fähigkeit sistiert als auch ihre Lebensfähigkeit stark beein¬ 
trächtigt. 


III. 

Unter den durch die Lebenstätigkeit der Bakterien hervor¬ 
gerufenen Zersetzungsprozessen beansprucht die Fäulnis das 
gröfste hygienische Interesse. 

Es soll demgemäfs in diesem Abschnitte untersucht werden, 
ob auch bei einer Temperatur von 0° noch Spaltungsprozesse 
in organischen Substanzen stattfinden, welche mit der Fäulnis 
Übereinkommen. 

Bei dem komplizierten und ungeklärten Wesen des Fäulnis¬ 
prozesses mufs sich dieser Abschnitt auf einige fundamentale 
Untersuchungen beschränken. 

Die Fäulnis besteht in dem Abbau N haltiger, hauptsächlich 
eiweifsartiger Substanzen zu einfacheren chemischen Verbin¬ 
dungen durch die Lebenstätigkeit der sogen. Fäulnisbakterien. 
Ebenso wie die Zahl dieser Bakterien eine mannigfaltige und 
grofse ist, sind auch die infolge der Fäulnisprozesse auftretenden 
Produkte von verschiedener chemischer Konstitution: NH 3 ; C0 2 ; 
H 2 S; CH 4 ; aromatische Stoffe; N-haltige Säuren u. a. m. Von 
diesen Körpern können N H s und C 0 2 als konstant vorkommend 
betrachtet werden. Die Zunahme dieser Körper in eiweifshaltigen 
Materialien durch die Lebenstätigkeit von Bakterien deutet dem¬ 
nach auf den Ablauf solcher Prozesse, welche mit der Fäulnis 
in ätiologischem Zusammenhänge stehen. Inwieweit auch bei 


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Von Dr. Max Müller. 163 

0° eine Zunahme von NH 3 und C0 2 durch Bakterientätigkeit 
nachzuweisen ist, sollen die folgenden Versuche ergeben. 

Es ist zwar bekannt, dafs eine Hauptgruppe der Fäulnis¬ 
bakterien — die Proteusgruppe — bei einer Temperatur von 0° 
nicht mehr zu wachsen vermag; indes sind ja die Fäulnis¬ 
bakterien von einer solchen Mannigfaltigkeit der Art, dafs man 
auch unter den bei 0° wachsenden Bakterien nach Repräsentanten 
der Fäulniserreger suchen darf. Schon das kulturelle Verhalten 
eines Bacteriums gestattet, seine Zugehörigkeit zur Gruppe der 
Fäulniserreger zu erkennen. Die Peptonisierung der erstarrten 
Gelatine, der Milch und des festen Blutserums sowie das Auf¬ 
treten stinkender Produkte in diesen Nährmedien sind charakte¬ 
ristische .Merkmale für die eiweifsabbauende Fähigkeit des be¬ 
treffenden Bakteriums. Dafs auch unter den glacialen Bakterien 
Vertreter dieser Gruppe zu finden sind, ergibt sich aus ihren oben 
angeführten Eigenschaften, wonach sie mit Ausnahme des Bacte¬ 
riums D sämtlich ihr Nährmaterial stark zersetzen. Fernerhin 
ist es auch von der Fluoreszens Gruppe, die in 5 verschiedenen 
Rassen bei 0° wachsend gefunden wurde, bekannt, dafs diese 
Bakterien fast regelmäfsig in faulenden Substraten nachzuweisen 
sind und auch zersetzend in Tätigkeit treten. 

Da sich das freie Ammoniak als solches nur schwer quanti¬ 
tativ nachweisen läfst, so wurde statt dessen die Menge des durch 
Magnesia usta abspaltbaren und als Ammoniak überdestillierenden 
Stickstoffes, der der Menge des vorhandenen freien Ammoniakes 
annähernd entspricht, bestimmt. Als eiweißhaltiges Nährsubstrat 
diente die gewöhnliche Löffler sehe Bouillon. Zunächst wurde 
folgender Vorversuch angestellt: 

Ein Erle nmay er scher Kolben mit ca. 150 ccm Bouillon 
wird mit einer Öse einer Bouillonkultur des Bacillus fluoreszens 
liquefaciens geimpft. Unmittelbar nach der Impfung, am 6. und 
10. Tage wird mit je 20 ccm Bouillon die Menge des als NH 8 
abspaltbaren N, sowie mit je 10 ccm der Gesamt-N nach der 
Kjeldahlsehen Methode bestimmt. Der Kolben wurde im 
Brutschrank bei 25° aufbewahrt. 


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Iß4 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 


Das Resultat war folgendes: 

100 ccm Bouillon enthalten: 

a) als NH S abspaltbaren N 

unmittelbar nach der Impfung 
nach 6 Tagen 

b) Gesamt-N 

unmittelbar nach der Impfung 
nach 6 Tagen 
»10 » 


17,42 mg 
44,38 > 

353,52 mg 
360,49 » 
362,23 » 


Die Kontrollen zeigen nur in die Fehlergrenze fallende Diffe¬ 
renzen. 

Die unter a) erhaltenen Resultate entsprechen den gehegten 
Vermutungen. 

Der Gesamt-N wurde aus dem Grunde bestimmt, um eventuell 
aus einer Abnahme desselben auf die Bildung flüchtiger N-haltiger 
Körper schliefsen zu können. Das diesbezügliche Resultat unter 
b) spricht augenscheinlich für das Gegenteil. Bevor man wegen 
der Zunahme von etwa 8 mg N an eine Assimilation von N 
denken konnte, mufsten vernachlässigte Fehlerquellen eruiert 
werden. Eine kurze Überlegung gab denn auch die Erklärung 
für die auffallende Zunahme des Gesamt-N. Dieselbe war ver¬ 
ursacht durch eine infolge Verdunstung eingetretene Konzentration 
der Bouillon. Die Richtigkeit dieser Annahme ergibt sich aus den 
weiteren Versuchen. Um diese Fehlerquelle fürderhin zu ver¬ 
meiden, wurden die Kolben stets mit einer Gummikappe luft¬ 
dicht verschlossen gehalten. Die Kontrolle auf eventuell erfolgende 
Verdunstung durch Wägung ergab denn auch, dafs jetzt die 
Gewichtsdifferenzen innerhalb zweier Tage höchstens in Zenti¬ 
grammen schwankten. 

Bei den weiteren Versuchen wurde folgende Methodik an¬ 
gewendet: 

a) 25° — Ein Kolben wird zu 4 / 6 mit ca. 350 ccm Bouillon 
gefüllt, mit 81 mg einer 24stündigen Bouillonkultur geimpft, 
luftdicht mittels Gummikappe verschlossen und sodann ständig 
bei 25° gelullten. 


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Von Dr. Max Müller. 


165 


b) 0° — Ein Kolben mit ca. 200 ccm Bouillon wird in der 
gleichen Weise wie bei a) geimpft, luftdicht verschlossen, zu¬ 
nächst 24 Stunden bei 25° belassen und sodann bei 0° ver¬ 
bracht. Nach weiterem 24stündigen Verweilen des Kolbens bei 
0° zum Zwecke völliger Abkühlung wird dann die erste Bestim¬ 
mung vorgenommen. Dieses abweichende Verfahren für 0° wurde 
angewandt, um die Versuche nicht über allzu lange Zeit aus¬ 
dehnen zu müssen. 

Zur Bestimmung des als NH 8 abspaltbaren N wurden bei 25° 
alle zwei, bei 0° alle 4 Tage je 20 ccm und zur Bestimmung 
des Gesamt-N in den gleichen Zeiträumen je 10 ccm steril und 
mit stets gleicher Pipette entnommen. Der als NH 3 abspaltbare N 
wird mittels MgO aus schwach alkalischer Lösung durch Destil¬ 
lation ausgetrieben; der Gesamt-N wird nach der Kjeld ah Ischen 
Methode bestimmt. Als Vorlage diente bei der Destillation in 
beiden Fällen eine Schwefelsäure mit bekanntem Baryttiter. Aus 
der Abnahme des Baryttiters unter Zusatz von Lackmus als 
Indikator konnte der N-gehalt des Destillates direkt berechnet 
werden. 



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166 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 


Tabelle XIU. 
Baeterium B. 


Alter 

der 

Bouil¬ 

lon 

100 ccm Bouillon enthalten 

abspalt-l Ge- || abspalt-1 Ge¬ 
baren N| samt-N || baren N| samt-N 

(N in mg angegeben) 

1 25° 1 

I 0 

0 

Tage 





— 

15,67 

287,35 

22,62 

283,86 

2 

21,77 

285,61 



4 

24,38 

287,35 

22,62 

285,61 

6 

26,12 

285,61 



8 

31,15 

287,35 

23,51 

282,82 

10 

46,15 

285,61 



12 

57,47 

283,87 

24,38 

283,86 

14 

73,14 

285,61 



16 

85,33 

282,12 

25,25 

283,86 

18 

104,49 

278,64 



20 

— 

— 

27,86 

— 


Tabelle XIV. 
Baeterium C. 


Alter 

| 100 ccm Bouillon enthalten 

der 

abspalt¬ 
baren N 

Ge¬ 

samt-N 

abspalt- 
baren N 

1 Ge- 
! samt-N 

Bouil¬ 

lon 

(N in mg angegeben) 

25° i 

o 

0 

Tage 

15,67 

285,61 

22,62 

282,12 

2 

20,03 

287,85 



4 

22,64 

285,61 

22,62 

283,86 

6 

27,86 

289,09 



8 

33,96 

287,35 

23,51 

283,86 

10 

62,25 

285,61 



12 

67,92 

283,87 

24,38 

282,12 

14 

76,63 

283,87 



16 

83,59 

282,12 

24,38 

282,12 

18 

95,78 

280,38 



20 

— 

— 

24,38 

— 


Sämtliche bei 25° gehaltene Kolben zeigen nach 6—8 Tagen 
einen intensiven, an faulen Käse erinnernden Geruch, der während 
der ganzen Beobachtungszeit bei 0° nicht zu bemerken ist. 
Immerhin ist aber aus den Tabellen zu ersehen, dafs auch bei 
0° noch eine nachweisbare Stickstoffabspaltung erfolgt, die na¬ 
türlich entsprechend dem langsamer erfolgenden Wachstum als 
bei 25° — auch entsprechend geringer ist. 

Die Menge des Gesamt-N bleibt bei 0° während der ganzen 
Versuchsdauer bei allen Bakterien konstant, während bei 25° eine 
geringe Abnahme desselben erfolgt. Für die Bildung flüchtiger 
N-haltiger Substanzen bei 25° spricht auch das Auftreten inten¬ 
siver Geruchskörper gegen Ende des Versuches. 

Die Verschiedenheit in den anfänglichen N-Werten für 25° 
und 0° findet darin ihre Ursache, dafs die Versuchsreihen nicht 
nebeneinander ausgeführt werden konnten, und dafs infolgedessen 
meistens eine andere Bouillon benutzt werden mufste. 

Die Bildung von C0 2 durch Bakterien wurde in folgender 
Versuchsanordnung quantitativ bestimmt: 

In einem kleinen Erlenmayer sehen Kolben von ca. 300 ccm 
Fassungsvermögen befinden sich ca. 120 ccm Bouillon, welche 


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Von Dr. Max Müller. 


167 


mit 81 mg einer 24stündigen Bouillonkultur geimpft werden. 
Durch diese Bouillon wird nach dem Prinzipe einer Waschflasche 
sofort die 6 fache Menge des Kolbenvolumens C0 2 -freie Luft ge¬ 
sogen, wodurch sämtliche im Kolben befindliche C0 2 ausgetrieben 
wird. Indem die Luft vor dem Eintreten in den Kolben und 
nach dem Austreten aus dem Kolben durch Waschflaschen mit 
Barytwasser geleitet wird, erhält man in der Waschflasche, durch 
welche die aus dem Kolben kommende Luft hindurchtreten mufs, 
diejenige C0 2 , welche durch das betreffende Bacterium gebildet 
worden ist. Die Menge dieser C0 2 wird bei 25° alle 24 Stunden 
bestimmt. 

Zu den Versuchen bei 0° wird der geimpfte Kolben zunächst 
24 Stunden bei 25° gehalten und sodann bei 0° verbracht. Nach 
weiterem 24 ständigen Verweilen des Kolbens bei 0° behufs voll¬ 
ständiger Annahme dieser Temperatur wird die vorhandene C0 2 
vollständig entfernt, und hierauf in Zeiträumen von je 24 oder 
48 Stunden die Menge der gebildeten C0 2 bestimmt. 

Aus der Abnahme des Titers der Barytlösung mittels einer 
bekannten Oxalsäure unter Hinzufügung von Phenolphthalein als 
Indikator läfst sich die Menge der gebildeten C0 2 berechnen, die 
in den Tabellen XV—XVIII in ccm angegeben ist. 

Tabelle XV. I Tabelle XVI. 


Bacillus fluorescens liquefaciens I Bacterium A 


25° 

0° 


25° 

0° 

am 

ccm CO, 

ccm CO, 

am 

ccm CO, 

ccm CO, 

1. Tage 

4,50 

1,13 

1. Tage 

2,75 

1,13 

2. 

> 

6,75 

2,18 

2. » 

3,75 


2,50 

3. 

> 

7,75 

2,63 

3. » 

5,25 

] 

4. 


8,76 

2,75 

4. » 

6,25 


2,76 

5. 

> 

10,25 

2,63 

5. > 

8,0 


6. 

> 

11,13 

2,75 

6. » 

9,75 


3,13 

7. 

> 

11,00 

2,75 

7. » 

11,13 


8 . 

> 

12,13 

2,75 

8. > 

13,0 


3,50 

9. 

> 

12,38 

3,13 

9. > 

14,25 


10. 


12,25 

3,25 

10. > 

14,50 

i 

[3,50 

11. 

> j 

12,25 

2,75 

11. » 

14,25 

i 

12. 

> | 

12,00 

2,63 

12. > ; 

13,50 

1,75 

13. 

> 

11,13 

2,63 

13. > 

! 12,75 

1,88 

14. 

1 i 

10,75 

| 2,50 

14. * 1 

10,75 

1,88 


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168 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 



Aus diesen Versuchsreihen geht hervor, dafs auch bei 0° 
noch eine deutliche C0 2 -Bildung stattfindet. 

Da der zur Bildung der C0 2 nötige Kohlenstoff nur den 
organischen Bestandteilen der Bouillon entnommen werden konnte, 
so müssen auch hier Spaltungsprozesse abgelaufen sein. 

Die Tabellen lassen fernerhin eine individuelle Verschieden¬ 
heit der Bakterien bezüglich ihres Verhaltens zur C0 2 -Bildung 
erkennen. 


Da das Bacterium A in seinen Kulturen eine intensive 
H 2 S-Produktion zeigte, so schien es der Mühe wert, auch diesen 
Prozefs einer Prüfung bei 0° zu unterziehen. Die Methodik 
zur quantitativen Bestimmung des H 2 S war die gleiche wie die¬ 
jenige bei der C0 2 -Bestimmung; nur wurde als absorbierendes 

N 

Reagens für den H 2 S anstatt der Barytlösung eine Jodkalium- 

N 

lösung verwendet. Aus der Abnahme des Titers der ^ Jod- 
N 

kaliumlösung mittels — Natriumthiosulfatlösung unter Zusatz von 


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Von Dr. Max Müller. 169 

Stärkekleister als Indikator konnte die Menge des in einer gewissen 
Zeit gebildeten H 2 S berechnet werden. 

Tabelle XIX. 


Bacterium A 



25° 

0° 

am 

ccm H a S 

ccm H,S 

1. Tage 

2,13 

l 


2. > 

2,76 


1,06 

3 * 

1,70 



4. > 

1,28 

: 


5. * 

1,06 


0,85 

6. > 

1,28 



7. » 

1,28 



8. > 

9. > 

1,06 

0,85 


0,85 

10. > 

0,64 



11. > 

12. > 

13. > 

14. > 

1 

1 

1 

1,06 

1,28 


0,86 


Die auch bei 0° nachzuweisende H 2 S-Abspaltung zeigt ebenso 
wie die Abspaltung bei 25° die Eigentümlichkeit, dafs die Menge des 
gebildeten H 2 S zu Beginn des Versuches am gröfsten ist. Dieses 
Verhalten findet wohl darin seine Erklärung, dafs der Schwefel 
des Eiweifsmoleküls nur zum Teil leicht abspaltbar ist. Infolge¬ 
dessen wird zu Beginn des Versuches die Menge des leicht ab¬ 
spaltbaren S, und somit auch die Menge des gebildeten H 2 S am 
gröfsten sein. 

Die Nachweisbarkeit einer NH 3 t, C0 2 - und H 2 S-Abspaltung 
bei 0° gestattet die Schlufsfolgerung, dafs auch bei 0° sich 
Zersetzungsprozesse abspielen, welche mit der Fäulnis überein¬ 
stimmen. 


IV. 

a) Die zersetzende Tätigkeit der Bakterien beruht indirekt 
auf Fermentationen. In der gleichen Weise wie die Bakterien¬ 
zelle ist auch die tierische Zelle zur Bildung von Fermenten 
befähigt, welche in ganz ähnlicher Weise wie die Bakterien orga- 


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170 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

nische Substanzen zu zersetzen vermögen. Inwieweit diese tieri¬ 
schen Fermente auch bei 0° Spaltungsprozesse hervorzurufen 
vermögen, soll durch die folgenden Versuche gezeigt werden. 

Da die Zersetzungsprozesse des Fischfleisches bei niederer 
Temperatur späterhin einer hygienischen Betrachtung unterzogen 
werden sollen, so schien es angebracht, im speziellen die Wirk¬ 
samkeit der aus den Fischen extrahierbaren Fermente bei 0° 
zu prüfen. 

In der Literatur finden sich einige zum Teil widersprechende 
Angaben über das Verhalten der Verdauungsfermente der Fische 
bei niederer Temperatur: 

Hoppe-Seyler 28 ) stellte zuerst Verdauungsversuche mit dem 
Extrakte der Magenschleimhaut des Hechtes an und fand bei 
15° eine schnellere Verdauung der Fibrinflocke als bei 40°. Die 
schnellste Verdauung trat bei ungefähr 20° ein. Wurde die 
Temperatur bis auf einige Grade über Null herabgesetzt, so fand 
sich immerhin noch keine Vernichtung der peptonisierenden Kraft, 
wenngleich die Einwirkung eine geringere als bei 15° war. 

Im Gegensatz zu Hoppe Seyler fanden Krukenberg 29 ) 
und Luch au 30 ) die Wirkung des peptischen Fermentes der 
Fische bei 40° stärker als bei 15°. Während Luchau meinte, 
dafs das peptische Ferment der Fische das der Warmblüter 
darin an Wirksamkeit übertreffe, dafs es bei einer Temperatur 
noch wirke, bei welcher das Ferment höherer Tiere nicht mehr 
tätig sei und zerstört würde, widerlegte Krukenberg diese An¬ 
sicht, indem er nach wies, dafs Luchau quantitative Differenzen 
in der Wirksamkeit verschiedener Enzymlösungen für qualitative 
angesehen habe, und dafs in keiner Weise Unterschiede in der 
Wirksamkeit des peptischen Fermentes der Fische und desjenigen 
der Warmblütler zu konstatieren seien. 

Fick und Murisier 81 ) geben an, dafs der Magensaft von 
Hecht und Forelle noch bei 0° regelmäfsig lösend auf geronnenes 
Eiweifs wirke. 

M. Flaum 82 ), welcher auf Veranlassung Kroneckers den 
Einflufs niedriger Temperaturen auf die Funktionen des Magens 


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Von Dr. Max Müller. 171 

prüfte, fand gleichfalls, dafs bei 0° ohne Ausnahme eine peptische 
Verdauung erfolgte. 

Da es nicht der Zweck dieser Untersuchungen war, die 
Wirkungsweise der Fermente selbst näher zu untersuchen, so 
konnten wir uns auf die einfachsten Versuche beschränken. 
Pepsinversuche: 

1. Die fein zerkleinerte Schleimhaut eines Hechtmagens wird 
48 Stunden lang mit 25 ccm Glycerin digeriert, und das Ge¬ 
menge hierauf filtriert. Zu je 10 ccm 0,25 proz. HCl-Lösung wird 
1 ccm des Filtrates hinzugefügt, und nachdem die Röhrchen auf 
24°, 8° und 0° gebracht worden waren, erhält jedes eine ca. 100 mg 
schwere Fibrinflocke. Die Kontrollröhrchen erhalten kein Extrakt. 


Tabelle XX. 


Fibrinflocke ist verdaut: 
bei 24° nach 40 Minuten 
» 8 ° » 100 
» 0° > 230 » 


Kontrollröhrchen ohne Glycerin¬ 
extrakt zeigen nur eine Quellung 
der Fibrinflocke. 


Da in diesem Versuche Profermente nicht in Wirkung treten 
konnten, so wurde versucht, durch Digeration mit verdünnter HCl 
ein wirksameres Extrakt zu erhalten. 

2. Zu diesem Zwecke wird die Schleimhaut eines Hecht¬ 
magens mit ca. 25 ccm 0,25 proz. HCl Lösung 12 Stunden lang 
digeriert, das Gemenge filtriert und sodann in gleicher Weise 
wie beim vorigen Versuch verfahren. Die Kontrollröhrchen er¬ 
halten kein Extrakt. 

Tabelle XXI. 

Fibrinflocke ist verdaut: 

bei 24° nach 20 Minuten | Kontrollröhrchen ohne HC1- 

> 8° » 65 » > Extrakt zeigen nur eine Quellung 

» 0° y> 140 » ) der Fibrinflocke. 

Das peptische Ferment zeigt demnach auch bei 0° eine un¬ 
erwartet rasche Wirkung, welche allerdings in Übereinstimmung mit 
früheren Befunden bei 0° schwächer ist als bei höherer Temperatur. 

Zur Erhaltung eines tryptischen Fermentextraktes wurde der 
Darmtractus magenloser Fische, welcher nach den Untersuchungen 


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172 Ober das Wachstum und die Lebenatätigkeit von Bakterien etc. 

Krukenbergs 83 ) und Luchaus 34 ) kein peptisches Ferment 
enthalten soll, in folgender Weise behandelt: 

Der gereinigte Darmtractus eines fünfpfündigen Karpfens 
wird zerkleinert und mit 75 ccm einer 50proz. Glycerinlösung über¬ 
gossen. Nach 24stündigem Digerieren bei gewöhnlicher Tem¬ 
peratur wird das Gemenge filtriert. Von dem klaren Filtrate 
werden zu je 10 ccm einer 1 proz. Sodalösung 2,5 ccm hinzugefügt 
und die Röhrchen auf die gewünschten Temperaturen gebracht. 
Hierauf erhalten drei Röhrchen je ein gleich grofses Stück Nähr¬ 
gelatine und drei Röhrchen je eine Fibrinflocke von 100 mg. 
Die Kontrollröhrchen erhalten das gleiche, vorher auf 100° er¬ 
hitzte Glycerinextrakt. 

Tabelle XXII. 

Gelatine ist aufgelöst: 

bei 20° nach 2 3 / 4 Stunden 
» 8° » 16 » 

> 0° » 34 » 

Fibrin ist aufgelöst: 

bei 20° nach Stunden 
» 8° » 31 » 

» 0° » 72 » 

Sämtliche Kontrollröhrchen bleiben unverändert. 

Das tryptische Ferment zeigt also bei 0° gleichfalls noch 
eine deutliche Wirkung. 

Die Prüfung der Wirksamkeit des diastatischen Fermentes, 
welches nach den Untersuchungen Krukenbergs 80 ) in der 
Leber der Cyprinoiden gebildet wird, wurde auf folgende Weise 
vorgenommen: 

Die Leber eines fünfpfündigen Karpfens wird im Mörser 
zerrieben, mit 75 ccm einer 50 proz. Glycerinlösung übergossen, und 
das Gemenge nach 24stündigem Digerieren filtriert. Von diesem 
Extrakte werden 5 ccm zu je 25 ccm eines lproz. filtrierten Stärke¬ 
kleisters, welcher vorher auf die gewünschte Temperatur gebracht 
wird, hinzugefügt und von Zeit zu Zeit mit je 2 ccm dieser 
Flüssigkeit Jodreaktionen angestellt. Die Kontrollröhrchen werden 


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Von Dr. Max Müller. 173 

in der gleichen Weise mit je 5 ccm des vorher auf 100° er¬ 
hitzten Extraktes angesetzt. 


Tabelle XXIII. 


Temperatur 

I 

i 

1 

Opaleszenz 

verschwunden 

nach 

! 1 

Jodreaktion 

nach 

verschwunde¬ 
ner Opaleszenz 

Rotfärbung 
bei Jodzusatz 
nach 

Durch Jod 
keine Färbung 
mehr hervorzu¬ 
rufen nach 

25° 

1V 4 Min. 

violett 

3»/ 4 St. 

8 1 /, St. 

8° 

5 

> 

18 

44 > 

0° 

i 

20 

» 

32 

72 


In den Kontrollröhrchen verschwindet die Opaleszenz nicht; 
die Jodreaktion ergibt eine tief dunkelblaue Färbung während 
der ganzen Versuchsdauer. 

Es erfolgt also auch bei 0° durch die Einwirkung des 
diastatischen Fermentes eine vollständige Umwandlung der Stärke 
in Zucker. 

Das Labferment erwies sich in allen Fermentextrakten als 
vorhanden, was nach den neueren Untersuchungen Pawlows 
leicht erklärlich ist. 

Zu den folgenden Versuchen wurde die Schleimhaut eines 
Hechtmagens fein zerkleinert, zerrieben und mit 75 ccm einer 
0,25 proz. HCl-Lösung übergossen. Nach 24 ständigem Digerieren 
wird das Gemenge durch Leinwand koliert. 

Zunächst wurden zu je 5 ccm ungekochter Milch, welche 
vorher auf die gewünschte Temperatur gebracht worden war, 
5 Tropfen dieses Extraktes hinzugefügt und sodann die Zeit 
bis zur deutlichen Gerinnung bestimmt. 

Tabelle XXIV. 

Gerinnung tritt ein: 

bei 40° nach 2 Min. 

»25° » ö l / 2 » 

> 15° » 25 » 

» 7° » ca. 18 Stunden 

» 0° tritt keine deutliche Gerinnung ein; 

jedoch erkennt man nach 5 Tagen bei langsamem Schwenken 
des Röhrchens eine feinflockige Beschaffenheit der Milch. Von 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVU. 12 


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174 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

der Kuppe des Röhrchens aus beginnt die Milch sich späterhin 
langsam aufzuhellen. Nach 20 Tagen besteht der Inhalt des 
Röhrchens aus einer klaren, grünen Flüssigkeit, auf deren Ober¬ 
fläche eine weifse, dicke Fettschicht liegt. Das Nichteintreten 
einer deutlichen Gerinnung und das Aufhellen der Milch erklärt 
sich anscheinend aus der gleichzeitigen Pepsinwirkung des 
Extraktes. 

Nach den Untersuchungen Fulds 36 ) u. A. setzt sich die Ge¬ 
rinnungszeit einer mit Lab versetzten Milch aus zwei Summanden 
zusammen: 1. der Zeit, deren es bedarf, damit das Kasein an¬ 
nähernd in Parakasein übergeht: der Umwandlungszeit und 2. der 
Zeit, welche zur Ausscheidung des sichtbaren Labgerinnsels er¬ 
forderlich ist: der Ausscheidungszoit. Da die letztere Gröfse, 
die Ausscheidungszeit, nach weiteren Untersuchungen Fulds 
bei niederer Temperatur bis zu mehreren Tagen braucht, um 
vollkommen in Erscheinung zu treten, während dieselbe bei 
höherer Temperatur in einigen Minuten und weniger verläuft, 
so wurde, um die Labwirkung bei 0° besser veranschaulichen 
zu können, der Versuch so angeordnet, dafs nur die I. Phase 
der Labwirkung bei 0° verläuft, während die II. Phase bei höherer 
Temperatur zum Ausdruck gebracht wird. 

Zu diesem Zwecke wurde die Lablösung so verdünnt, dafs 
5 ccm Milch von 0° + 1 ccm Lab von 0°, sofort nach Zusatz 
des Labes bei 40° (Wasserbad) gebracht, nach 7 Minuten ge¬ 
rinnen. Je länger die in gleicher Weise angesetzten Röhrchen 
bei0°gehalten werden, umsomehr wird sich die Zeit verringern, 
welche nötig ist, damit diese Röhrchen bei 40° gerinnen, wie 
dies aus der folgenden Tabelle hervorgeht: 


Tabelle XXV. 


Je ccm Milch von 0° -f- 1 <*cm 
Lub von 0° aufbewabrt bei 0 C : 

Gerinnung bei 40° 

0 Min. 

7 Min. 

10 » 

672 » 

20 » 

572 > 

30 » 

4 a k » 

45 » 

4 » 


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Von Dr. Max Müller. 


175 


Fortsetzung zu Tabelle XXV. 

Je 6 ccm Milch von 0° -f- 1 ccm 

Lab von 0° aufbewahrt bei 0°: Gerinnung bei 40® nach: 


60 Min. 

2 

Min. 



75 » 

1 


50 

Sek. 

90 » 

1 

Y 

45 

» 

105 » 

1 


10 

» 

120 » 



55 

> 

150 » 



45 

y> 

24 Stdn. 



45 

» 

00 



45 

> 

96 » 



45 





50 

»*) 


Die Erscheinung, dafs Milch, welche mit Lab versetzt bei 
0° aufbewahrt worden war, beim Erwärmen sofort gerinnt, hat 
Morgenroth 37 ) bereits beobachtet. 

Die gleiche Versuchsreihe läuft bei 15° und 40° innerhalb 



Tabelle 

XXVI. 


Milch mit Lab von 16°, auf¬ 



bewahrt bei 15°: 

Gerinnung bei 40° nach: 

0 Min. 

6 Min. 


5 

> 

5 » 


10 


2 % * 


15 


l»/ 4 » 


30 

i 


55 Sek. 

35 



35 » 

40 

Y 


16 » 

45 

» ist bereits bei 15 

0 geronn 


Es läuft also die eigentliche Labwirkung auch bei 0° noch 
mit einer gewissen Intensität ab. 

Gemäfs den Resultaten sämtlicher Versuchsreihen ergibt sich 
die Schlufsfolgerung, dafs eine Temperatur von 0° nicht im stände 
ist, den Ablauf fermentativer Prozesse zu behindern. 

Dieses Resultat wird in gleicher Weise durch die Beobach¬ 
tungen über den Ablauf der durch Bakterien bedingten fermen- 


*) Gerinnung wird infolge feinflockigen Ausfallens des Käses schwer 
erkennbar. 


12 * 


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176 t)ber das Wachstum und die hebenstfttigkeit von Bakterien etc. 

tativen Prozesse bestätigt. (Peptonisierung der Gelatine und 
Traubenzuckervergärung bei 0°.) 

b) Im Anschlüsse an die Untersuchungen über die Wirk¬ 
samkeit der Verdauungsfermente bei 0° möge jener eigenartige 
Zersetzungsprozefs des Fleisches eine eingehendere Betrachtung 
finden, welchen man im täglichen Leben als das »Reifen«; des 
Fleisches bezeichnet. 

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dafs das in den 
Kühlhäusern bei einer Temperatur von + 3 bis + 5° Celsius 
aufbewahrte Fleisch eine eigenartige und auffällige Veränderung 
erfährt, indem aus dem anfangs zähen, trockenen und unschmack¬ 
haften Muskelgewebe ein mürbes, saftiges und wohlschmeckendes 
Fleisch entsteht. 

Über das Wesen dieses sogen. Reifungsprozesses hat man 
sich vielfach einer völlig irrigen Meinung hingegeben, indem man 
denselben als beginnende Fäulniserscheinung betrachtete, obwohl 
diese Ansicht bei näherer Prüfung den tatsächlichen Verhältnissen 
völlig widersprach. Da einerseits die kalte und gleichzeitig 
trockene Luft der Kühlräume kaum ein Bacteriumwachstum auf* 
kommen läfst, und da anderseits nach den Untersuchungen von 
Prof. Förster und Pres uh n 38 ) das Eindringen von Bakterien 
— selbst unter den günstigsten Verhältnissen — innerhalb sechs 
Tagen auf kaum mehr als 1 cm Tiefe erfolgt, so müfsten bei der 
Annahme einer Bakterienwirkung nur die oberflächlichen Schichten 
dem Reifungsprozesse anheimfallen, während in Wirklichkeit 
selbst die kompaktesten Muskelmassen in toto diesem Prozesse 
in kurzer Zeit und bei niederer Temperatur unterliegen. 

Dieses eigenartige Verhalten aus Erfahrung kennend, hatte 
Prof. Förster 39 ), in Übereinstimmung mit den Anschauungen 
du Bois-Reymonds und anderer Physiologen, bereits vor 
Jahren seine Ansicht über das Reifen des Fleisches dahin aus¬ 
gesprochen, dafs die Ursache dieses Prozesses in einer fermen¬ 
tativen Wirkung zu suchen sei. 

Nachdem Nencki und Sieber 40 ) und Salkowski 41 ) dar¬ 
gelegt hatten, dafs auch bei vollkommenem Ausschlüsse der Fäulnis 
postmortal eine Spaltung der Eiweifsstoffe in tierischen Organen 


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Von Dr. Max Müller. 177 

auf fermentativem Wege erfolgt, fand diese Ansicht eine weitere 
Bestätigung. 

In den folgenden Versuchen soll nun geprüft werden, ob 
der von Salkowski als Autodigestion, von Jacobi 42 ) als Auto¬ 
lyse bezeichnete fermentative Prozefs auch bei einer Temperatur 
von 0° noch am Fleisch vom Fisch und Säugetier abläuft, und 
ob derselbe mit dem bei niederer Temperatur erfolgenden Reifen 
des Fleisches in kausalem Zusammenhänge steht. 

Der Ablauf des autolytischen Prozesses am Fischfleische 
hatte gleichfalls ein besonderes praktisches Interesse. Die schnelle 
Zersetzung der Fische ist eine bekannte Tatsache und bedingt 
eine baldige Genufsuntauglichkeit des Fleisches derselben. Nach 
Untersuchungen Schmidt-Nielsens (nicht veröffentlicht) im 
hiesigen Institut erwies sich das Fleisch eines Karpfens nach 
ca. 14 tägigem Aufbewahren im Eisschranke als vollkommen 
bakterienfrei im Innern. Trotzdem hatte der Karpfen bereits 
eine solche Beschaffenheit angenommen, dafs derselbe als voll¬ 
kommen genufsuntauglich bezeichnet werden mufste. 

Es konnte natürlich nicht unsere Aufgabe sein, die Biochemie 
der Autolyse des Fleisches klarzulegen, sondern für uns kamen in 
erster Linie hygienische Fragen in Betracht: Erleidet das Fleisch 
unter dem Einflüsse der Autolyse eine Veränderung des Ge¬ 
schmackes, Geruches sowie der Konsistenz und inwieweit dürfte 
hierbei eine Spaltung des Muskeleiweifses in Betracht kommen? 

Als besonders geeignet zur Prüfung dieser Fragen bei den 
Fischen scheinen diejenigen, welche ein längeres Aufbewahren 
infolge einer bald auftretenden Geschmacksveränderung nicht zu¬ 
lassen. Die Forelle, welche dieses eigentümliche Verhalten in 
besonderem Mafse zeigt, war zur Zeit meiner Versuche nicht er¬ 
hältlich. Infolgedessen mufsten sich die Untersuchungen auf den 
Barsch und Karpfen beschränken, welche sich gleichfalls infolge 
einer schnell eintretenden unangenehmen Geschmacksverände¬ 
rung nur auf kurze Zeit nach dem Tode aufbewahren lassen. 

Die Prüfung einer Autolyse an dem als Nahrungsmittel 
dienenden Fleische stöfst infolge der Ubiquität der Fäulnis¬ 
bakterien auf gewisse Schwierigkeiten. Das Fernhalten der 


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178 Über das Wachstum und die Lebenstfttigkeit von Bakterien etc. 

Fäulnis durch solche Reagentien, welche die Bakterien abtöten 
ohne die Wirksamkeit der autolytischen Fermente aufzuheben, 
konnte deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil hierdurch 
die uns interessierenden hygienischen Fragen der Geschmacks¬ 
und Geruchsveränderung nicht hätten beantwortet werden können, 
und da fernerhin die Anwendung der Antiseptica eine nicht 
unerhebliche Beeinträchtigung in der Intensität des Ablaufes der 
autolytischen Spaltungsprozesse bewirkt. Um daher die Wirkung 
der Autolyse in der natürlich verlaufenden Weise und mit Rück¬ 
sicht auf die zu beantwortenden hygienischen Fragen prüfen zu 
können, mufste ein aseptisches Verfahren zur Anwendung kommen. 

Dieser Anforderung wurde zunächst durch folgende Versuchs¬ 
anordnung zu genügen versucht: 

Zwei Barsche von 2 x / 2 Pfund Gewicht werden unmittelbar 
nach Durchtrennung des Rückenmarkes kräftig geschuppt, in 
Sublimatwasser abgewaschen und ausgenommen. Sodann werden 
in möglichst steriler Weise Kopf und Flossen abgeschnitten, die 
Haut vollständig abgezogen und die Wirbelsäule entfernt. Nach 
abermaligem Abspülen dieser Fleischmassen in Sublimatlösung 
und hierauf in sterilem Wasser werden dieselben zwischen Lagen 
sterilen Fliefspapieres getrocknet, durch eine ausgekochte Fleisch¬ 
maschine getrieben, und die zerkleinerte Masse in zwei sterilen 
Gefäfsen aufgefangen. Diese werden bei 0° und 12° aufbewahrt. 
Nach bestimmten Zeiten werden gewisse Mengen des Materiales 
steril entnommen und auf Stickstoffgehalt, Geschmack, Geruch 
und Sterilität geprüft. 

Tabelle XXVII. 


Alter des 
Fleisches i 

N durch MgO ab- 
spnltbar von 10 g 
Fleisch (N in mg) 

(Jesamt-N von 10 g N durch MgO ab- 
Flei.sch nach 1 spaltbar von 10 g 
Kjeldahl (N in mg) |* Fleisch (N in mg) 

Gesamt-N von 10 g 
Fleisch nach 
Kjeldahl (N in mg) 


12° 

0 

0 

— 

4,H4 

294,60 

4,84 

294,60 

2 Tage 

6,20 

293,27 

— 

— 

3 > 

7,46 

291,88 

5,89 

291,53 

4 > 

9,67 

292,69 


— 

5 > i 

— 

— 

5,76 

290,07 

7 » 

— 

— 

7,39 j 

294,66 

9 > 

— 

— 

1 6 *° 

290,75 


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Von Dr. Max Müller. 


179 


Nach diesen N-Werten scheint die Menge des abspaltbaren 
N sowohl bei 25° als auch bei 0° zuzunehmen. Der Gesamt-N 
läfst infolge der Schwankungen der erhaltenen Werte keine 
Schlufsfolgerung ziehen. 

Das bei 12° aufbewahrte Fleisch zeigt bereits nach zwei 
Tagen in gekochtem Zustande einen intensiv kratzenden Ge¬ 
schmack und einen stechenden unangenehmen Geruch. Bei 0° 
sind am fünften Tage die gleichen Erscheinungen zu bemerken, 
welche ständig an Intensität zunehmen. 

Der unangenehme Geruch tritt im Magnesiadestillate ganz be¬ 
sonders zutage und nimmt auch hier mit dem Alter des 
Fleisches an Stärke zu. 

Die angefertigten Platten ergeben, dafs das Material zu Be¬ 
ginn des Versuches als steril anzusehen ist, und dafs auch bei 
0° während der ganzen Dauer des Versuches kein nennenswertes 
Bakterienwachstum stattgefunden hat. Das bei 12° aufbewahrte 
Material zeigt am dritten und vierten Tage eine Verunreinigung 
mit Bakterien. 

Da die Schwankungen in den N-Werten durch einen gröfseren 
oder geringeren Wassergehalt des Fleisches bedingt sein konnten, 
und da sich das Material bei 12° späterhin verunreinigt erwies, 
so wurde versucht, auf folgende Weise bessere Resultate zu er¬ 
halten : 

Ein achtpfündiger Karpfen wird unmittelbar nach dem Töten 
ca. 1 Minute lang gebrüht, geschuppt, Kopf, Flossen und Ein¬ 
geweide entfernt, die Haut vollständig abgezogen und sofort ca. 
5 Minuten in Sublimatwasser gelegt. Sodann wird derselbe in 
sterilem Wasser abgespült und in sechs annähernd gleiche Teile 
zerlegt. Nachdem jedes Fleischstück 2 Minuten in kochendem 
Wasser verweilt hat, wird jedes einzelne Stück sofort in eine 
sterile feuchte Glaskammer gebracht, dieselbe abgekühlt und 
drei Gläser bei 20° sowie drei Gläser bei 0° auf bewahrt. Zu 
den feuchten Kammern werden Kappengläser verwendet, welche 
durch eine Wattelage und Glasdeckel bakteriendicht verschlossen 
werden. Der Boden ist mit Sublimatwasser bedeckt. Um das 
Fleisch nicht mit dieser Flüssigkeit in Berührung kommen zu 


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180 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 

lassen, werden kleine Gefäfse umgekehrt in die Glaskammer 
eingestülpt, auf denen das Fleisch in einer erhöhten Lage ge¬ 
halten wird. 

Infolge einer mir zu Gesicht gekommenen Arbeit von Vogel 48 ) 
über den Muskelsaft wurden die N-Bestimmungen mit dem durch 
die hydraulische Presse gewonnenen Muskelsafte dieser Fleisch¬ 
stücke ausgeführt. 

Im Gegensätze zum Fleische der Säugetiere, welches be¬ 
kanntlich unmittelbar nach dem Schlachten selbst unter Anwen¬ 
dung des stärksten Druckes keinen Saft auspressen läfst, gibt 
das Fischfleisch sofort nach dem Töten schon bei Anwendung 
eines nicht allzu hohen hydraulischen Druckes eine relativ grofse 
Menge Saft, die bei fortschreitender Autolyse noch weiterhin zu¬ 
nimmt. Dieser Saft ist von grauroter trüber Färbung; auf der 
Oberfläche scheiden sich meistens gröfsere Fettropfen ab, die 
jedoch durch Filtrieren leicht entfernt werden. Die Reaktion 
des Saftes ist eine saure, welche an Intensität zunimmt. 

Nach einiger Zeit erfolgt durch die Einwirkung der Auto¬ 
lyse ein selbständiges Austreten von Muskelsaft, was sich aus 
der Färbung und Menge der am Boden des Glases befindlichen 
Flüssigkeit zu erkennen gibt. Infolge gleichzeitiger Anwesen¬ 
heit von Sublimatwasser wurde dieser Saft keiner Prüfung unter¬ 
zogen. 

Die N-Bestimmungen im hydraulisch geprefsten Safte er¬ 
geben die in Tabelle XXVIII aufgeführten Werte. 


Tabelle XXVIII. 


Alter des 

Fleisches 

Durch MgO ab¬ 
spaltbarer N in lOccra 
Saft (N in mg) 

Gesamt-N in 2,5 ccm 
Saft (Kjeldahl) 

(N in mg) | 

Durch MgO abspalt- 
bar»-r N in 10 ccm 
Saft (N in mg) 

Gesamt-N in 2,5ccm 
Saft (Kjeldahl) 

(N in mg) 


o 

O 

0 

0 

— 

5,17 

33,30 

5,17 

33,30 

3 Tage 

5,45 

34,45 

— 

— 

6 > 

4,59 

36,75 

— 

— 

7 » 

— 

— 

4,59 

34,45 

9 * 

4,48 

41,05 

— 

— 

14 > 

— 

— 

4,88 

39,06 

25 > 

— 

— 

4,59 

40,77 


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Von Dr. Max Müller. 181 

Das Material erwies sich in allen Fällen als vollkommen 
steril. 

Demnach erfolgt unter dem Einflüsse der Autolyse eine 
Umwandlung des festen N in löslichen N, wie sich aus den 
Werten für den Gesamt-N des Saftes = löslicher N des Fleisches 
ergibt. Dieser Prozefs erfolgt auch bei 0° in ziemlich intensiver 
Weise. Die Menge des abspaltbaren N scheint dagegen konstant 
zu bleiben. Wie sich der freiwillig ausgetretene Saft bezüglich 
seines N-Gehaltes verhält, konnte wegen seiner Vermischung mit 
Sublimatwasser nicht festgestellt werden. Jedenfalls ergibt sich 
aber aus diesem Versuche, dafs auch bei 0° der autolytische 
Prozefs unter einer Spaltung des Eiweifsmoleküls mit auffallend 
starker Intensität noch verläuft. 

Wie bei dem ersten Versuche, so zeigten auch hier sämt¬ 
liche Destillationen mit dem Fleischsafte einen eigenartigen 
widerlichen Geruch. Derselbe ist zwar auch bereits beim ersten 
Destillate mit frischem Safte bemerkbar, tritt jedoch bei jeder 
späteren Destillation in verstärktem Mafse zutage. 

Das frische Fleisch selbst besitzt sowohl roh als auch ge¬ 
kocht lediglich den charakteristischen Fischgeruch und Geschmack. 
Die zweite Prüfung — bei 20° nach drei Tagen, bei 0° nach 
acht Tagen — zeigte bereits in starkem Mafse den stechenden, 
widerlichen, tranig ranzigen Geruch und kratzenden Geschmack, 
sowohl im rohen als auch ganz besonders im gekochten Zustande 
des Fleisches. 

Das Auftreten dieses Geruch- und Geschmackkörpers im 
Kjeldahldestillate spricht für eine äufeerst schwer zerlegbare 
chemische Substanz. Weitere Nachforschungen ergaben, dafs 
dieser Körper sowohl aus saurer als auch aus alkalischer 
Lösung überdestilliert. Nach längerem Stehenlassen des luft¬ 
dicht verschlossenen Destillates scheidet sich an der Glaswand 
ein fettiger, in kaltem Wasser unlöslicher Körper ab, welcher 
auch nach dem Abgiefsen des Wassers den eigentümlichen Ge¬ 
ruch zeigt. Derselbe ist in Alkohol und Äther löslich, in der 
Wärme leicht schmelzend und verflüchtigend, sowie von amor¬ 
pher Struktur. 


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182 Über das Wachstum und die Lebenstfttigkeit von Bakterien etc. 

Dieser, auf autolytischem Wege entstehende Körper scheint 
in einem innigen Zusammenhänge mit der eigenartigen und 
schnellen Geschmacksveränderung des Fischfleisches zu stehen. 

Fernerhin zeigt das rohe Fischfleisch in frischem Zustande 
eine gewisse, wenn auch geringe Elastizität des Gewebes und 
läfst den Finger nur schwer durch Druck in das Gewebe ein- 
dringen. Diese Beschaffenheit verliert der Muskel bei 20° und 
0° schnell und wird so mürbe, dafs ein schwacher Druck mit 
dem Finger genügt, um denselben in den Muskel einzubohren. 

Gemäfs diesen Befunden sowie in Übereinstimmung mit 
früheren Beobachtungen als auch gewissen Erfahrungen des täg¬ 
lichen Lebens mufs es als feststehend erachtet werden, dafs das 
Fischfleisch auch ohne die Einwirkung der Bakterientätigkeit 
auf rein fermentativem Wege eine solche Veränderung (und Zer¬ 
setzung) erfahren kann, dafs es vom hygienischen Standpunkte 
aus als ein minderwertiges oder verdorbenes Nahrungsmittel er¬ 
scheint. Dieser Zersetzungsprozefs läuft sowohl bei 20° als auch 
bei 0° ab. 

Zur Prüfung der Autolyse des Säugetierfleisches wurde in 
folgender Weise verfahren: 

Ein ca. 3 kg schweres, sehnen- und faszienfreies Stück Mus¬ 
kulatur eines frisch geschlachteten Rindes wird nach Anlegung 
frischer Oberflächenschnitte ca. 5 Minuten in Sublimatwasser 
gelegt und sodann möglichst steril in würfelförmige Stücke von 
ca. 250 g zerteilt. Nach 2 Minuten langem Eintauchen dieser 
Würfel in kochendes Wasser wird jeder sofort in eine sterile 
feuchte Kammer verbracht. Sodann werden nach erfolgter Ab¬ 
kühlung der Kammern drei Gläser bei 25° und drei bei 0° auf¬ 
bewahrt. Nach gewissen Zeiten werden mit dem hydraulisch 
geprefsten Safte dieser Fleischstücke und nach vorheriger Ent¬ 
fernung der koagulierten Oberfläche N-Bestimmungen ausgeführt 
und das Fleisch selbst auf Geruch, Geschmack und Konsistenz 
geprüft. 

Zu Beginn des Versuches läfst das frische Fleisch nur 
schwer und in geringer Menge mittels der hydraulischen Presse 
einen Saft gewinnen. Derselbe ist späterhin leichter und in 


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Von Dr. Max Müller. 


183 


gröfserer Menge erhältlich; zum Teil wird sogar der Muskelsaft 
unter der Einwirkung der Autolyse nach einiger Zeit freiwillig 
abgegeben, wie aus der Menge und der Farbe der am Boden 
des Glases befindlichen Flüssigkeit ersichtlich war. 

Der vollkommen klare, hellrote Saft ist von saurer Reaktion, 
die mit der Zeit an Intensität zunimmt. 

Die N-Bestimmungen des Saftes ergeben folgende Werte: 


Tabelle XXIX. 


Alter des 
Fleisches 

Durch MgO abspalt¬ 
barer N von 10 ccm 
Saft (N in mg) 

Gesamt-N in 2,5 ccm 
Saft (Kjeldahl) 

(N in mg) 

Durch MgO abspalt- 
barer N von 10 ccm 
8aft (N in mg) 

Gesamt-N in 2,5 ccm 
Saft (Kjeldahl) 

(N in mg) 


20° 

0 

0 

_ 

4,02 

37,90 

4,02 

37,90 

3 Tage 

4,«8 

42,20 

— 

— 

6 > 

4,02 

43,07 

— 

— 

7 > 


— 

5,17 

41,06 

9 » 

2,30 

47,78 

— 

— 

14 » 

— 

— 

3,16 

42,78 

25 > | 



to 

00 

«o 

45,65 


Die Fleischstücke erwiesen sich sämtlich als steril. 

Es bewirkt demnach die Autolyse auch beim Fleische, wie 
aus der vorstehenden Tabelle ersichtlich ist, sowohl bei 25° 
als bei 0° eine Umwandlung des in festem Zustande vorhan¬ 
denen N in löslichen N, während die Menge des abspaltbaren N 
im geprefsten Safte anscheinend abnimmt. Wie schon erwähnt, 
ist jedoch ein Teil des Saftes freiwillig ausgetreten, so dafs die 
Vermutung nahe liegt, dafs die Menge des abspaltbaren N 
im ausgeflossenen Safte eine Zunahme erfahren haben wird. 
Eine diesbezügliche Prüfung wurde wegen der gleichzeitigen An¬ 
wesenheit von Sublimatwasser am Boden des Gefäfses nicht vor¬ 
genommen, ist auch für die aus den Versuchen zu ziehenden 
Konsequenzen ohne Belang, da aus den obigen Befunden zur 
Genüge hervorgeht, dafs auch bei 0° der autolytische Prozefs 
unter einer Einwirkung auf die eiweifshaltigen Substanzen des 
Fleisches abläuft. 

Fernerhin wurden folgende mit den Sinnesorganen wahrnehm¬ 
bare Veränderungen bei beiden Temperaturen wahrgenommen: 


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184 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 


Infolge der Autolyse büfst der elastische frische Muskel all¬ 
mählich seine Elastizität ein und wird vollkommen mürbe. Die 
anfangs glasig hellrote Färbung verwandelt sich in ein tiefes 
undurchsichtiges Dunkelrot. Der Geruch des Fleisches wird 
bei 25° nach drei Tagen, bei 0° nach 14 Tagen ein intensiv und 
angenehm säuerlicher. Das anfangs zähe, trockene und wenig 
schmackhafte Fleisch wird mit zunehmendem Alter immer 
mürber, saftiger und wohlschmeckender. Allerdings geht, wenn 
das Schlachtfleisch, so vor der Einwirkung von Bakterien geschützt, 
sehr lange aufbewahrt wird, auch die autolytische Spaltung end¬ 
lich so weit, dafs dessen Genufsfähigkeit, wie weitere Unter¬ 
suchungen aus unserem Institute zeigen werden, leidet. 

Aus diesen Befunden geht hervor, dafs sich auch am Fleische 
bei 0° Spaltungsprozesse abspielen, welche durch die Tätigkeit 
unbekannter Fermente und ohne gleichzeitige Bakterienwirkung 
hervorgerufen werden. Da diese Prozesse in ihrer Gesamtwir¬ 
kung mit dem Reifungsprozesse des Fleisches übereinstimmen, 
so mufs es als feststehend erachtet werden, dafs die an der Mus¬ 
kulatur sich abspielende postmortale Veränderung, welche als das 
»Reifen« des Fleisches bezeichnet wird, nur durch die Einwir¬ 
kung jener fermentativen Tätigkeit hervorgerufen wird, welche 
das Wesen der Autolyse bedingen. 

Somit mufs auch die Ansicht Glages 44 ), dafs das Aroma 
des Fleisches durch das Wachstum bestimmter Bakterien bewirkt 
sei, als irrtümlich bezeichet werden. 

Ein Vergleich des autolytischen Prozesses beim Säugetier- 
und Fischfleische läfst die eigenartige Wirkung der Autolyse auf 
die weitere Verwertungsfähigkeit dieser Fleischsorten als mensch¬ 
liches Nahrungsmittel erkennen. Das Fleisch der Säugetiere 
erlangt durch die Einwirkung des autolytischen Prozesses (= Rei¬ 
fung) jene Beschaffenheit, welche ihm den Stempel der Voll¬ 
wertigkeit aufdrückt; der analoge Prozefs am Fischfleische bedingt 
eine solche Veränderung im Nahrungs- und Genufswert desselben, 
dafs das letztere schliefslich als ein verdorbenes Nahrungsmittel 
anzusehen ist. Bekanntlich existieren nur wenige Fischsorten, 
deren Fleisch nach dem Tode mehrere Tage ohue die eigen- 


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Von Dr. Max Malier. 


185 


tümliche, sie minderwertig machende Geschmacksveränderung 
aufbewahrt werden kann. Auch aus dieser Tatsache, dafs be¬ 
stimmte Fischsorten, obwohl sie in der gleichen Weise wie andere 
behandelt werden, doch ständig ein anderes Verhalten zeigen, 
läfst sich gleichfalls indirekt die Schlufsfolgerung ziehen, dafs die 
schnell auftretenden Geschmacksveränderungen in einer post¬ 
mortalen nichtbakteriellen Fermentation zu suchen sind. 

V. 

Die zu Beginn dieser Arbeit aufgeworfene Frage über die 
Ursache der bei niederen Temperaturen und speziell bei 0° 
erfolgenden Zersetzungsprozesse an animalen Nahrungsmitteln 
kann jetzt dahin beantwortet werden, dafs dieselben sowohl 
bakterieller als auch rein fermentativer Natur sind. 

Allerdings laufen die Zersetzungsprozesse bei 0° entsprechend 
dem langsameren Wachstum der Bakterien und der verminderten 
Wirksamkeit der Fermente mit geringerer Intensität als bei 
höheren Temperaturen ab, wie dies in Übereinstimmung mit der 
Erfahrung des praktischen Lebens nicht anders erwartet werden 
konnte. Die Temperatur von 0° ist an und für sich jedoch nicht 
hinreichend, um die animalen Nahrungsmittel längere Zeit vor 
dem durch bestimmte Zersetzungsprozesse bedingten Verderben 
schützen zu können. 

Während man vielfach das Verderben der animalen Nah¬ 
rungsmittel ausschliefslich einer bakteriellen Tätigkeit zugeschrieben 
hat, dürften die vorliegenden Untersuchungen den Beweis erbracht 
haben, dafs auch eine rein fermentative, durch die tierische Zelle 
selbst hervorgerufene postmortale Wirkung gewissen Nahrungs¬ 
mitteln jene Beschaffenheit verleihen kann, welche vom Stand¬ 
punkte der praktischen Fleischhygiene als die eines »verdorbenen« 
Nahrungsmittels bezeichnet werden mufs. 

Welche Mafsregeln hat man nun vom hygienischen Stand¬ 
punkte aus getroffen, um das Fleisch, den Ansprüchen des täg¬ 
lichen Lebens gemäfs, längere Zeit vor dem Verderben schützen 
zu können? 


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186 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 


In dieser Hinsicht hat sich die Kälte als das einzige rationelle 
Konservierungsmittel zur Erhaltung des Fleisches im natürlichen 
Zustande erwiesen. Dieselbe findet denn auch zur Konservierung 
des Fleisches der Säugetiere, dank der vorzüglich entwickelten 
Technik, eine ganz aufsergewöhnliche Anwendung in den Kühl¬ 
räumen der Schlachthöfe. 

Allerdings ist es in den Kühlhäusern nicht allein die niedrige 
Temperatur von + 3° bis + 5° C, welche die Haltbarkeit des 
Fleisches bedingt, sondern hier tritt, — um die Anwendung 
extensiver Kältegrade vermeiden zu können — als zweiter kon¬ 
servierender Faktor die gleichzeitige Trockenheit der Luft hinzu. 
Diese empirisch gemachte Erfahrung fand erst später durch 
Prof. Förster in der entwicklungshemmenden Eigenschaft der 
Kälte und Trockenheit auf das Wachstum der Bakterien ihre wissen 
schaftliche Erklärung. Indem die wasserarme Luft die Ober¬ 
fläche des Fleisches austrocknet, und die niedrige Temperatur 
die Vermehrung der Bakterien verzögert, werden durch die 
Wechselwirkung dieser beiden Faktoren den Bakterien die nötigen 
Existenzbedingungen geraubt, wodurch wiederum auch gleich¬ 
zeitig ihre zersetzende Lebenstätigkeit verhindert wird. 

Von welch’ wesentlichem Einflüsse die gleichzeitig trockene 
Luft für die Konservierung des Fleisches ist, ergibt sich aus 
dem Umstande, dafs Fleisch, welches in gleich temperierten Eis¬ 
schränken oder direkt auch auf Eis gelagert bewahrt wird, wesentlich 
schneller dem Verderben anheimfällt als das in den Kühlräumen 
aufbewahrte Fleisch: Hier finden die Bakterien infolge der gleich¬ 
zeitig vorhandenen Feuchtigkeit für ihre Vermehrung bei dieser 
Temperatur die Bedingungen, welche eine relativ schnelle Fäul¬ 
nis zur Folge haben müssen. 

In ähnlicher Weise erklärt sich auch das häufige und un¬ 
erwartet schnelle Eintreten von Fäulniserscheinungen an solchem 
Fleische, das nach längerem Aufbewahren im Eisschranke oder 
auf dem Eise bei Zimmertemperatur verbracht wird. Infolge der 
günstiger gewordenen Temperaturverhältnisse für eine schnelle 
Vermehrungstätigkeit der Bakterien verkürzt sich sofort die 
Generationsdauer dieser nun schon reichlich vorhandenen Mikro- 


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Von Dr. Max Müller. 


187 


Organismen. Es entsteht so anscheinend explosiv in kurzer Zeit 
eine solche Unmenge von Bakterien, dafs das schnelle Auftreten 
von Fäulniserscheinungen als der Ausdruck ihrer Lebenstätigkeit 
leicht erklärlich ist. 

Die grofse volkswirtschaftliche Bedeutung der Kühlräume 
liegt jedoch nicht allein in der Behinderung der Bakterientätigkeit 
sondern auch weiterhin in der Nichtbehinderung jener fermenta¬ 
tiven Zersetzungsprozesse, welche durch das sogen. »Reifen« 
erst die Voll Wertigkeit des Fleisches als Nahrungsmittel erzeugen. 

In dieser Hinsicht müssen die modernen Kühlhäuser mit 
gleichzeitig trockener und kalter Luft als eine der vollkommensten 
hygienischen Einrichtungen betrachtet werden. 

Der wohltuende Einflufs, den die Kühlräume auf die Be¬ 
schaffenheit des Fleisches ausüben, wird sogar vielfach gar nicht 
voll ausgenutzt, da es wenigstens in Deutschland nicht Sitte ist, 
das Fleisch in möglichst reifem Zustande zu geniefsen. Dieser 
in England übliche Gebrauch, das Fleisch bis zu 14 Tagen in 
den Kühlräumen zu belassen, verleiht demselben eine solche 
Zartheit und Mürbigkeit, dafs der Braten mit einem besonderen 
kulinarischen Genüsse halbgar verspeist werden kann. Vielleicht 
hat die in Deutschland übliche Sitte, das Fleisch vielfach in ge¬ 
kochtem Zustande zu geniefsen, seither die Einbürgerung des 
stärkeren Reifenlassens verhindert, da die aus lange gereiftem 
Fleische bereitete Suppe einen anderen und nicht den vollen 
Geschmack besitzt, den zu empfinden wir beim Genüsse unserer 
Fleischbrühe gewohnt sind. 

Im Gegensätze zu der Versorgung breiter Volksklassen mit 
frischem Fleische der Säugetiere genügt der Grofshandel mit 
frischer Fischware nur in beschränktem Mafse den zu stellenden 
hygienischen Anforderungen. Die Unzulänglichkeit der üblichen 
sanitären Mafsregeln dokumentiert sich denn auch bei den Fischen 
in dem schnellen Verderben; dem dieselben selbst unter den günstig¬ 
sten Aufbewahrungsbedingungen unterworfen sind. Infolge dieses 
Umstandes hat denn auch der Konsum des frischen Fischfleisches 
im Vergleich zu demjenigen des Säugetierfleisches noch keine 
entsprechende volkswirtschaftliche Bedeutung erlangen können. 


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188 Über das Wachstum und die Lebenstätigkeit von Bakterien etc. 


Um den Fischhandel und hierdurch den Fischkonsum zu 
heben, bedarf es einer Konservierungsmethode, welche es ge¬ 
stattet, die Fische in frischem Zustande unabhängig von einer 
längeren Zeitfrist erhalten zu können. Das Räuchern, Pökeln und 
Trocknen der Fische kann infolge einer gewissen Minderwertig¬ 
keit dieser Ware keinen vollen Ersatz für das frische Fischfleisch 
leisten. Bereits an früherer Stelle ist ausgeführt worden, dafs 
die schnelle Geschmacksveränderung, der die Fische unterworfen 
sind, durch den analogen Prozefs nichtbakterieller sondern rein 
fermentativer Tätigkeit erzeugt wird, welcher beim Fleisch der 
Säugetiere das Reifen bedingt. Demnach ist auch das Fern¬ 
halten der Fäulnis, wie dies beim Fleische der Warmblüter in 
den Kühlhäusern der Schlachthöfe geschieht, nicht im stände, die 
Eigenschaften des frischen Fischfleisches zu erhalten, da der 
durch die fermentative Tätigkeit der Autolyse bedingte Prozefs 
in den Kühlhäusern nicht sistiert wird, und da dieser Vorgang 
die Qualität des Fischfleisches im Gegensatz zum Säugetierfleische 
sehr rasch verschlechtert. Es mufs also, um die Fische in frischem 
Zustande erhalten zu können, auch diese postmortale Fermen¬ 
tation verhindert werden. Für die Bakterien ist bereits an früherer 
Stelle gezeigt worden, dafs ihre Lebensfähigkeit bereits wenige 
Grade unter Null beeinträchtigt und ihre Lebenstätigkeit völlig 
sistiert wird. In gleicher Weise kann man aus der Abnahme 
der Intensität fermentativer Tätigkeit bei niederer Temperatur 
schliefsen, dafs bei Einwirkung einer gewissen Kälte schliefslich 
auch jede Fermentwirkung sistieren mufs. Um uns hiervon zu 
überzeugen, wurde folgender Versuch angestellt: 

Ein Karpfen wird unmittelbar nach dem Töten und der Ent¬ 
nahme eines Teiles desselben in einer Büchse der ständigen 
Einwirkung einer Kälte von — 8° bis — 18° ausgesetzt. Am 8. 
und 18. Tage wurde je ein Teil des hartgefrorenen Karpfens 
zwecks Prüfung seiner Beschaffenheit entnommen. 

Der lösliche N des Fleisches betrug in 2,5 ccm Saft — so¬ 
fort 33,88; nach 8 Tagen 33,30; nach 18 Tagen 33,59 mg. Bezüg¬ 
lich des Aussehens des Fleisches in rohem Zustande, als auch 
des Geruches und Geschmackes in gekochtem Zustande, konnten 


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Von Dr. Max Müller. 


189 


keine Wahrnehmungen gemacht werden, welche auf eine er- 
Veränderung des Fleisches innerhalb von 18 Tagen hätten 
schliefsen lassen können. Die Schwankungen der N-Werte fallen 
in die Fehlergrenze, so dafs also auch keine Proteolyse zu kon¬ 
statieren ist. 

Durch das sofortige Gefrierenlassen nach dem Töten kann 
man demnach die Eigenschaften des frischen Fischfleisches auf 
längere Zeit hin erhalten, da im gefrorenen Zustande der Ablauf 
der Zersetzungsprozesse verhindert wird. 

Prof. Förster 46 ) hat bereits in einer früheren Veröffent¬ 
lichung die Forderung ausgesprochen, Fang, Tötung und Gefrieren 
der Fische unmittelbar aufeinander folgen zu lassen, als von 
Norwegen aus der Versuch gemacht worden war, Schellfische in 
gefrorenem Zustande nach Holland einzuführen. Diese Fische er¬ 
wiesen sich nicht völlig gleichwertig denen, welche unmittelbar 
nach dem Schlachten zubereitet waren. Da sich in der Leibeshöhle 
der aufgetauten Fische bereits eine gröfsere Anzahl von Bakterien 
fand, so konnte hieraus geschlossen werden, dafs die Fische nach 
dem Ausnehmen einige Zeit bei gewöhnlicher Temperatur liegen 
geblieben waren, bevor sie in die Gefrierkammer verbracht 
wurden. Wenn nun auch die damalige Ansicht, dafs die schnelle 
Geschmacksveränderung durch die Tätigkeit der Bakterien be¬ 
dingt werde, nicht mehr ausschliefslich zu Recht besteht, so 
behält trotzdem die gestellte Forderung zur Erhaltung einer voll¬ 
kommen unveränderten Ware ihre volle Berechtigung, da diese 
für die Fermentwirkung in gleicher Weise wie für die Bakterien¬ 
tätigkeit gilt, und da nur die Einhaltung jeglichen postmortalen 
Zersetzungsprozesses die Fische vor dem Verluste ihrer wohl¬ 
schmeckenden Beschaffenheit bewahren kann. Demnach kann 
auch der Fischhandel — unabhängig vom Alter der Fische — den 
Markt mit einer frischen und wohlschmeckenden Ware versehen, 
sofern die Technik dafür sorgt, dafs die Fische vom Fange und 
Tötung bis zum Momente ihrer Konsumierung in gefrorenem 
Zustande erhalten bleiben. In Anbetracht der aufserordentlichen 
Fortschritte, welche gerade die Konservierungstechnik durch Kälte 
in dem letzten Jahrzehnt genommen hat, kann die hier in Be- 

Archiv far Hygiene. Bd. XLVII. 13 


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190 Üb. d. Wachstum u. d. Lebenstfttigkeit v. Bakterien etc. Von Dr. Müller. 


tracht kommende technische Frage keine schwere und kostspielige 
sein. Gefrierräume auf den Fangschiffen gröfserer Seefischereien, 
sowie mit geeigneten Kühlanlagen versehene Transportschiffe 
oder Eisenbahnwagen würden es ermöglichen, gröfsere Städte 
in ausreichendem Mafse mit frischer, unveränderter Ware zu ver¬ 
sehen. Das fernere Erhalten des gefrorenen Zustandes der Fische 
würde in den Städten kaum noch auf Schwierigkeiten stofsen, da die 
überall vorhandenen Kühlanlagen der Schlachthöfe die Herstel¬ 
lung eines entsprechend niedrig temperierten Raumes zur ferneren 
Aufbewahrung dieser Fische ohne besondere Schwierigkeiten 
ermöglichen würden. Die Einrichtung solcher Gefrierkammem 
neben den Kühlanlagen der Schlachthöfe würde auch gleichzeitig 
an gewissen Orten die Rentabilität der intensiv betriebenen Teich¬ 
wirtschaften und des Massenfanges von Süfswasserfischen (z. B. 
Felchenfang am Bodensee) erhöhen, indem es hierdurch ermöglicht 
würde, die in kurzer Zeit erhaltenen grofsen Fischmengen unab- 
hängig von dem sofortigen Absatz auch auf längere Zeit ohne 
eine Beeinträchtigung ihrer Gecufswertigkeit aufbewahren und 
erhalten zu können. 

Jedenfalls geht aus diesen Ausführungen hervor, dafs die 
wissenschaftlichen Erfahrungen über das Wesen der schnellen 
Zersetzungsprozesse der Fische technisch sehr wohl verwertet 
werden können. 

In volkswirtschaftlicher Beziehung könnte auf diese Weise 
der Markt gröfserer Städte ständig mit einem Materiale versehen 
werden, das bezüglich seines Nährwertes dem Säugetierfleische 
kaum nachsteht, und das bei extensivem und rationellem Betriebe 
infolge seiner Billigkeit dazu angetan wäre, den breitesten Volks¬ 
klassen zugute zu kommen. 

Es ist mir ein Bedürfnis, Herrn Prof. Förster auch an 
dieser Stelle für die Überlassung des Themas, sein stets reges 
Interesse an den Versuchen sowie für die zahlreichen mir er¬ 
teilten Anregungen und Ratschlägen meinen besten Dank auszu¬ 
drücken. 


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Literatur. 


1) J. Förster, Über einige Eigenschaften leuchtender Bakterien. Zentral¬ 
blatt für Bakteriologie und Parasitenkunde, Bd. II, S. 37. 

2) J. Förster, Über die Entwicklung von Bakterien bei niederen Tem¬ 
peraturen. Zentralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde, Bd. XII, 
S. 431. 

3) B. Fischer, Bakterienwachstum bei 0 °, sowie über das Photographieren 
von Kulturen leuchtender Bakterien in ihrem eigenen Lichte. Zentral¬ 
blatt für Bakteriologie und Parasitenkunde, Bd. IV, S. 89. 

4) H. Havemann, Über das Wachstum von Mikroorganismen bei Eis¬ 
schranktemperatur. Inaug.-Diss. Rostock 1894. 

5) Glage, Über Aromabakterien. Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene, 
Bd. XI, S. 131. 

6) S. Schmidt-Nielsen, Über das Vorkommen psychrophiler Bakterien. 
Zentralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde 1902, Bd. IX, S. 145. 

7) L. Schmelk, Eine Gletscherbakterie. Zentralblatt für Bakteriologie und 
Parasiten künde, Bd. IV, S. 545. 

8) H. Conradi und H. Vogt, Ein Beitrag zur Ätiologie der Weil’sehen 
Krankheit. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. XXX, 
S. 287. 

9) B. Fischer, Deutsche medizinische Wochenschrift 1893, Nr. 25. 

10) W. Brehme, Über die Widerstandsfähigkeit der Cholera Vibrionen und 
Typhusbacillen gegen niedere Temperaturen. Archiv für Hygiene, 
Bd. 40, S. 320. 

11) A. Dieudonn4, Beiträge zur Kenntnis der Anpassungsfähigkeit der 
Bakterien an ursprünglich ungünstige Temperaturverhältnisse. Arbeiten 
aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte, Bd. IX, S. 492. 

12) R. Weil, Zur Biologie der Milzbrandbacillen: Die Sporenauskeimung. 
Archiv für Hygiene, Bd. XXXIX, S. 207. 

13) Naegeli und Schwendener, Das Mikroskop, 2. Aufl., 1877, S. 640. 

14) H. Büchner, K. Longard und G. Riedlin, Über die Vennehrungs- 
geschwindigkeit der Bakterien. Zentralblatt für Bakteriologie und Para¬ 
sitenkunde, Bd. n, S. 1. 

13* 


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192 


Literatur. 


15) M. Müller, Über den Einflufs von Fiebertemperatur auf die Wachs 
tumsgeschwindigkeit und die Virulenz des Typhusbacillus. Zeitschrift für 
Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. XX, S. 245. 

16) F. H. Hehe werth, Die mikroskopische Zählungsmethode der Bakterien 
von Alex. Klein und einige Anwendungen derselben. Archiv für Hygiene, 
Bd. XXXIX, S. 321. 

17) F. Basen au, Über die Ausscheidung von Bakterien durch die tätige 
Milchdrüse und über die sogenannten bakteriziden Eigenschaften der 
Milch. Archiv für Hygiene, Bd. XXXIH, S. 44. 

18) M. Müller, cf. oben. 

19) A. Klein, Eine einfache Methode der Sporenfärbung. Zentralblatt für 
Bakteriologie und Parasitenkunde, Bd. XXV, S. 376. 

Derselbe, Eine neue mikroskopische Zählungsmethode der Bakterien. 
Zentralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde, Bd. XXVII, S. 834. 

Derselbe, Die physiologische Bakteriologie des Darmkanales. Archiv 
für Hygiene, Bd. XLV, S. 117. 

F. H. He he werth. cf. oben. 

20) G. W. Bol and , Een nieuwe methode ter bepaling van den Generatieduur 
der Bacteriön en eenige van hare toepassingen. Inaug. Dissert. Amster¬ 
dam 1902. 

21) M. Müller, cf. oben. 

22) F. H. H ehe werth, cf. oben. 

23) A. Fischer, Die Empfindlichkeit der Bakterienzelle und das bakte¬ 
rizide Serum. Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, 
Bd. XXXV, S. 1. 

24) P i c t e t und J o u n g, De l’action du froid sur les microbes. Comptes 
rendus de l’Acad4mie des Sciences 1884, Nr. 12. 

25) Macfadyen, On the influence of the temperature of liquid air on Bac- 
teria. The I^ancet 1900, pag. 849 and 1130. 

26) Prudden, F. Mitchell. On bacteria in ice and their relations to 
disease with special reference on the ice supply of New-York City. The 
Medical Record, Vol. XXXI, 1887, March. 26 u April 2. 

27) W. Brehme, cf. oben. 

28) Hoppe-Seyler, Über Unterschiede im chemischen Bau und der Ver¬ 
dauung höherer und niederer Tiere. Pflügers Archiv für die gesamte 
Physiologie, Bd. XIV, S. 395. 

29) Krukenberg, Versuche zur vergleichenden Physiologie der Verdauung 
mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse bei den Fischen. Unter¬ 
suchungen aus dem physiologischen Institute zu Heidelberg, Bd. II, 
S. 395 ff. 

30) E. Luch au, Über die Magen- und Darmverdauung bei einigen Fischen. 
Inaug.-Diss. Königsberg 1878. 

31) Fick und Murisier, Über das Magenferment kaltblütiger Tiere. Ver¬ 
handlungen der Würzburger physiol. medizin. Gesellschaft. N. F. II, 
8. 122 (1872). 


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Literatur. 


193 


32) M. Flaum, Über den Einflufs niedriger Temperaturen auf die Funk¬ 
tionen des Magens. Zeitschrift für Biologie, XVIII. Band; Neue Folge, 
Bd. X, 8. 433. 

33) Kruken borg, cf. oben. 

34) E. Luch au, cf. oben. 

35) Krukenberg, cf. oben. 

36) E. Fuld, Über die Milchgerinnung durch Lab. Beiträge zur chemischen 
Physiologie und Pathologie, Bd. II, S. 169. 

37) Morgenroth, Archives internationales de Pharmacodynamie, Vol. VII, 
pag. 265. 

38) V. Presuhn, Zur Frage der bakteriologischen Fleischbeschau. Inaug. 
Dias. Strafsburg 1898. 

39) J. Förster, Ernährung und Nahrungsmittel. Pettenkoffer undZiemfsen: 
Handbuch der Hygiene, Bd. I, S. 167. 

40) Nencki und 8ieber, Journ. für prakt. Chemie, 26. Bd., 1. Heft, 1882. 

41) E. Salko wsky. Über Autodigestion der Organe. Zeitschrift für klinische 
Medizin. Supplement zu Bd. 17, S. 77. 

42) M. Jacoby, Über die fermentative Eiweifsabspaltung und Ammoniak¬ 
bildung in der Leber. Zeitschrift für physiologische Chemie, Bd. XXX, 
8. 149. 

43) R. Vogel, Untersuchungen über Muskelsaft. Deutsches Archiv für 
klinische Medizin, LXXII, S. 91. 

44) Glage, cf. oben. 

45) J. Förster, Über die Entwicklung von Bakterien bei niederen Tem¬ 
peraturen. Zentralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde, Bd. XII, 
8. 431. 


13 ** 


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Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwässer. 1 ) 

Von 

Prof. Dr. Gustav Kabrhel. 

Es kommen mitunter Fälle vor, in denen der Hygieniker 
sich über die Qualität des Grundwassers eines bestimmten Ter¬ 
rains zu einer Zeit aussprechen mufs, in welcher die zur Be¬ 
stimmung der Quantität, als auch zur Beschaffung der für das 
Detailprojekt nötigen Grundlagen dienenden hydrologischen Ar¬ 
beiten erst im Zuge sind. 

Eine derartige Aufgabe erscheint am einfachsten in dem 
Falle, in welchem die Bestimmung der Ergiebigkeit des Wasser¬ 
gebietes in der Weise geschieht, dafs, nachdem die Fassung des 
Grund wassere durchgeführt ist, das Wasser mit Hilfe einer Zentri¬ 
fugalpumpe ununterbrochen abgepumpt wird, bis sich der Be¬ 
harrungszustand 2 ) mit Sicherheit eingestellt hat, was gewöhnlich 
viele Wochen, eventuell auch Monate in Anspruch nimmt. 

Bei dieser Art der Ausführung der hydrologischen Arbeiten, 
die freilich nur bei Wassergebieten von geringerer Ausdehnung 
benutzt wird, kann die Lösung der Qualitätsfrage ziemlich gut 
an die Prüfung der Ergiebigkeit angegliedert werden, wenn der 
lokale Charakter den Fall nicht zu kompliziert gestaltet. 

1) Der Böhm. Kaiser-Franz-Josephs-Akademie vorgelegt am 7. März 1903. 

2) Unter Beharrungszustand ist jene Erscheinung zu verstehen, bei 
welcher die im Niveau des Grundwassers hervorgerufene Depression kon¬ 
stant wird, d. h. in dem Gebiete der Depression ebensoviel Wasser zufliefst, 
als abgepumpt wird. 

Archiv f. Hygiene. Bd. XLVU. 14 


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196 Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwässer. 


Die Bestimmung des Filtrationseffektes, dessen Feststellung 
das für die Beurteilung des Wassers wichtigste Moment bildet, 
kann unter solchen Umständen auf Grund der von mir 1 ) aus¬ 
gesprochenen und experimentell begründeten Beziehung aus* 
geführt werden, die sich folgendermafsen darstellt: 

Bezeichnet man die Mikrobenmenge eines einem Brunnen 
entnommenen Wassers, in welchen Wasser aus keimfreien 
wasserführenden Schichten gelangt, mit y , den Zuflufs des Wassers 
aus den wasserführenden Schichten mit x und die Vermehrungs¬ 
fähigkeit der an die Verhältnisse des Brunnenwassers akkommo- 
dierten Mikroben mit z , so ist 

y=f(x,z) 

Eine charakteristische Eigenschaft dieser Funktion bildet, wie 
ich auf Grund zahlreicher experimenteller Untersuchungen in 
meiner obenerwähnten Abhandlung 1 ) nachgewiesen habe, dafs 
bei wachsendem x d. h. bei vermehrter Wasserentnahme das y 
sich 0 nähert, während dasselbe bei Verminderung des Wertes x , 
d. h. bei Verminderung der Wasserentnahme anwächst. 

Wird also die Wasserentnahme derart eingerichtet, dafs sie 
den Bedingungen entspricht, unter welchen / (x, z) sich 0 nähert, 
so kann man, wenn die bakteriologische Untersuchung eine der 
Sterilität nahe Mikrobenzahl ergibt, mit Sicherheit den Schlufs 
ziehen, dafs die wasserführenden Schichten steril, d. h. der Fil¬ 
trationseffekt ein vollkommener ist. Ergibt jedoch die bakterio¬ 
logische Untersuchung unter den oben erwähnten Verhältnissen 
das Resultat, dafs die Mikrobenmenge des entnommenen Wassers 
der Sterilität nahe Grenzen übersteigt, so sind wir zu dem Schlüsse 
berechtigt, dafs der Filtrationseffekt kein vollkommener sei und 
zwar um so weniger, je gröfser die Vorgefundene Mikrobenzahl ist. 2 ) 

Es mufs nunmehr präzisiert werden, inwiefern und wann 
bei dem quantitativen Versuche die Bedingungen erreicht werden 
können, unter welchen / (x, z) sich 0 nähern würde. 

1) Theorie und Praxis der Trinkwasserbeurteilung. München, R. Olden- 
bourg, S. 89. 

2) Ein charakteristisches Beispiel, a. a. 0., 8. 200. 


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Von Frof. Dr. Gustav Kabrhel. 


197 


Da die Bedingung des raschen und ununterbrochenen 
Wasserwechsels erfüllt ist, so bleibt nur zu berücksichtigen, damit 
die Probe in einem Zeitpunkte des quantitativen Versuches ent¬ 
nommen werde, in welchem es sich um die Gegenwart von an 
die Verhältnisse der SammelVorrichtung akkommodierten Arten 
von Wassermikroben handelt. Diese Bedingung wird erfüllt, 
wenn die Wasserproben zur bakteriologischen Untersuchung, 
bereits nach längerer Dauer des quantitativen Versuches ent¬ 
nommen werden, d. h. am besten gegen das Ende desselben, 
nachdem die Wasserentnahme bereits mehrere Wochen ge¬ 
dauert hat. 

Die bakteriologische Untersuchung von Wasserproben, die 
zur Zeit des Anfanges des quantitativen Versuches 
entnommen worden sind, besitzt keinen Wert für die 
Lösung der Frage nach dem Filtrationseffekte. Im 
Gegenteil könnte dieselbe im Falle von Mangel an genügenden 
Erfahrungen zu gänzlich unrichtigen Schlüssen führen. 1 ) 

Im allgemeinen ist hervorzuheben, dafs die Zeit gegen Ende 
des quantitativen Versuches auch aus dem wichtigen Grunde zu 
wählen ist, um zur bakteriologischen Untersuchung eine Probe 
herbeizuschaffen, in welcher die Ergiebigkeit des Wassergebietes, 
dessen Wasser benutzt werden soll, in ihrem ganzen Umfange in 
Funktion getreten ist. 

Die in einem derartigen Zeitpunkte entnommene Wasserprobe 
ist einzig geeignet, um uns von dem auf das ganze Wassergebiet 
bezüglichen Filtrationseffekt in Kenntnis zu setzen. 

Denn die Qualität des Wassers kann bedeutenden Schwan¬ 
kungen unterliegen, je nachdem, wie grofs der durch die her¬ 
vorgerufene Depression in Tätigkeit einbezogene Teil des Wasser¬ 
gebietes ist. 

Würde jedoch die auf Grund der in dem betreffenden Was¬ 
sergebiet herrschenden lokalen Beziehungen aufgebaute Erwägung 
zu dem Schlüsse führen, dafs sich die Qualität des Wassers, je 
nach den Verhältnissen der sich ausbreitenden Depression, wesent- 

1) Siehe a. a. O., S. 88. 

14* 


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198 Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwässer. 


lieh ändern könnte, so mülste freilich die Probeentnahme ge¬ 
wissen und zwar solchen Phasen der Depression angegliedert 
werden, während welcher jene besonderen lokalen Beziehungen 
zum Ausdrucke gelangen würden. 

Handelt es sich aber um ein ausgedehntes Wassergebiet, so 
ist die Anschaffung solcher Wasserproben, die eine richtige 
Grundlage für die Feststellung des Filtrationseffektes auf Grund 
der bakteriologischen Untersuchung bilden würden, mit grofsen 
Schwierigkeiten verbunden. 

Dieselben entspringen dem Umstande, dafs eine einfache 
Angliederung der bakteriologischen Untersuchung an eine be¬ 
stimmte Phase des quantitativen Versuches, wie wir dies bei 
weniger ausgedehnten Wassergebieten gesehen haben, nicht mög¬ 
lich ist. 

Um dies klarzulegen, sei das Nachfolgende angeführt: 

Bei grofsen Wassergebieten kann die Ergiebigkeit auf zweierlei 
Art und Weise festgestellt werden: 

Die präzisere derselben, von Ingenieur Thiem ausgebaut, 
besteht darin, dafs das Durchflufsprofil in ein System von kleineren 
Abteilungen (welche etwa 600—700 m lang sind) zerteilt wird, 
in deren jeder durch Bohrungen die Bodenschichten bis zu der 
für das Wasser undurchlässigen Sohle eruiert, der Stand des 
Grundwassers festgestellt, der Abfall desselben gemessen, die 
Durchlässigkeit erforscht werden. 

Die Feststellung der Durchlässigkeit geschieht mit Hilfe 
eines derartig arrangierten Schöpfversuches, dafs bei gleich- 
mäfsiger Wasserentnahme mittels der Handpumpe in be¬ 
stimmten Intervallen (*/ 4 Stunde) sowohl das Wasserquantum ge¬ 
messen, als auch die durch die Entnahme hervorgerufene 
Depression (unter Anwendung von zwei in der Richtung des 
Grundwassers und in bestimmten Entfernungen von der Öffnung, 
in welcher die Pumpe steht, befindlichen Bohrlöchern) eruiert wird. 

Die durch derartige Messungen erhaltenen Werte werden zur 
Berechnung der Durchlässigkeit benutzt. 

Bei derart gestalteten hydrologischen Arbeiten erschiene es 
am geeignetsten, wenn die zur bakteriologischen Untersuchung 


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Von Prof. Dr. Guflta? Kabrbel. 199 

bestimmten Proben zu der Zeit der Wasserentnahme würden 
entnommen werden, in welcher die Durchlässigkeit festge¬ 
stellt wird. 

Trotzdem würde unter diesen Verhältnissen, auch wenn die 
wasserführenden Schichten steril wären, das durch die Pumpe 
abgeschöpfte Wasser eine ungeheure Anzahl von Mikroben ent¬ 
halten. 

Wollte man aber unter solchen Versuchsbedingungen auf 
Grund der hohen Keimzahl auf Nichtsterilität, d. h. schlechten 
Filtrationseffekt des die wasserführenden Schichten durch- 
fliefsenden Wassers schließen, so würde dieser Schlufs un¬ 
berechtigt sein. 

Denn unter den angeführten Verhältnissen sind die Be¬ 
dingungen, unter welchen — sterile wasserführende Schichten 
vorausgesetzt — / (. x , z) bei ununterbrochenem intensiven Wasser. 
Wechsel sich 0 nähert, noch nicht erfüllt. 

Und zwar sind dieselben aus dem Grunde nicht erfüllt, weil 
durch die dem Einsetzen der Pumpe vorausgegangene Bohrung 
sich Bestandteile der oberen aufserordentlich mikrobenreichen 
Bodenschichten den wasserführenden Schichten beigemengt haben, 
während die Formel f(x 1 z) sich auf die an das betreffende 
Brunnenwasser akkommodierten Mikroben bezieht. 

Sollte der letzterwähnte Stand erreicht werden, so wäre eine 
langandauernde ununterbrochene Wasserentnahme not¬ 
wendig, die jedoch bei dem zur Feststellung der Durchlässig¬ 
keit dienenden Versuche fehlt, da derselbe nur einige Stunden 
währt. 

Wenn also der Filtrationseffekt des Grundwassers eines be¬ 
stimmten Terrains mit Hilfe einer Wasserprobe festgestellt 
werden sollte, so könnte dies nur höchstens in der Weise be¬ 
werkstelligt werden, dafs man die von Fraenkel bei dessen auf 
die Gegenwart von Mikroben im Grundwasser bezüglichen Funda¬ 
mentalversuchen benutzte Methode anwenden würde, d. h. mit 
Hilfe eines in den Boden eingetriebenen Röhren- (Norton-) 
Brunnens, der durch strömenden Dampf oder durch chemische 
Desinfektion sterilisiert wurde. 


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200 Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwftsser. 


In ähnlicher Weise kann bewiesen werden, dafs auch bei 
der zweiten Methode der Ergiebigkeitsfeststellung, die bei grofsen 
Wassergebieten benutzt wird, die Bestimmung des Filtrations¬ 
effektes nicht durch blofse Angliederung an den quantitativen 
Versuch ausgeführt werden kann. 

Bei dieser Methode wird nämlich die Quantitätsfrage in der 
Weise zur Lösung gebracht, dafs in einem Teile des Durchflufs- 
profils die Sammeleinrichtung errichtet und aus derselben mit 
Hilfe einer Zentrifugalpumpe das Wasser durch eine durch den 
Verlauf des Versuches zu bestimmende Zeit entnommen wird 
(gewöhnlich dauert ein solcher Versuch mehrere Wochen). 

Gleichzeitig wird durch auf geeignete Weise in dem Ver¬ 
suchsterrain angebrachte Bohrlöcher das Fortschreiten der im 
Niveau der Grundwässer hervorgerufenen Depression festgestellt 
und die Menge des entnommenen Wassers gemessen. 

Mit Hinblick auf den erreichten Beharrungszustand, während 
dessen die durch die Wasserentnahme hervorgerufene Depression 
stabil erscheint, d. h. die Pumpe ebensoviel Wasser entnimmt 
als der wirkliche Zuflufs des Grundwassers beträgt, wird endlich 
das Quantum festgestellt, welches der betreffende Teil des Durch- 
flufsprofils dauernd ergibt. 

Durch Berechnung der Fläche des Durchflufsprofils und des 
Abfalls kann aus der Wassermenge der Wert abgeleitet werden, 
welchem die Ergiebigkeit pro lqm Fläche des Durchflufsprofils 
bei einem Gefälle von 1 : 1000 gleichkommt. 

Ist das Durchflufsprofil in den übrigen Teilen des Wasser¬ 
gebietes bezüglich der Durchlässigkeit dem Durchflufsprofile 
jenes Teiles desselben in welchem die Ergiebigkeit mit Hilfe des 
quantitativen Versuches festgestellt worden ist, gleichwertig, so 
kann nach Eruierung des Durchflufsprofils und des Gefälles 
der Grundwässer (wozu man sich der Messung und Nivellierung 
des Niveaus in zu diesem Zwecke angelegten Bohrlöchern be¬ 
dient) durch einfache Multiplikation mit dem Werte der auf 
1 qm der Durchflufsfläche (bei dem Gefälle 1 :1000) zufallenden 
Ergiebigkeit die das ganze Profil durchfliefsende Wassermenge 
berechnen. 


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Von Prof. Dr. Gustav Kabrhel. 


201 


Aus diesen Darlegungen erhellt, dafs die Angliederung der 
Feststellung des Filtrationseffektes an die hydrologischen Arbeiten 
nur insofern möglich wäre, inwieweit sich dieselbe nur auf jenen 
Teil des Wassergebietes und Profils beziehen würde, auf welche 
sich auch der quantitative Versuch bezogen hat, vorausgesetzt, 
dafs die oben gestellten Bedingungen erfüllt worden sind. 

In den übrigen Teilen des Wassergebietes begegnet die An¬ 
gliederung der Feststellung des Filtrationseffektes an die hydro¬ 
logischen Arbeiten wiederum gewichtigen Hindernissen. 

Denn die Aufstellung einer einfachen Pumpe in den Bohr¬ 
löchern und die Beschaffung der Wasserproben durch dieselbe 
kann aus den oben dargelegten Gründen nicht zum Ziele führen. 

Die einfache Übertragung aber der Gültigkeit des Filtrations¬ 
effektes, welcher durch die Untersuchung des bei dem quantita¬ 
tiven Versuche entnommenen Wassers festgestellt wurde, auf die 
übrigen Teile des Wassergebietes ist a priori unzulässig, da die 
Momente, von welchen der Filtrationseffekt abhängt, selbst in 
geologisch vollkommen gleichwertigen Terrains bedeutenden 
Schwankungen unterliegen können. 

Würde aber die Gültigkeit des festgestellten Filtrations¬ 
effektes für die übrigbleibenden Teile des Wassergebietes zweifel¬ 
haft erscheinen, so bliebe wiederum nichts anderes übrig — 
falls man sichere, durch analytische Tatsachen gestützte Schlüsse 
erstrebt, — als zu der von C. Fraenkel 1 ) bei seinen die Gegen¬ 
wart von Mikroben in den Grund wässern betreffenden Funda¬ 
mentalversuchen benutzten Methode Zuflucht zu nehmen, d. h. 
zur Entnahme der Wasserproben einen in den Boden einge¬ 
triebenen, mit strömendem Dampf oder durch chemische Des¬ 
infektion sterilisierten Röhren- (Norton-) Brunnen zu benutzen, 
wobei dann der Einflufs der in den obersten Bodenschichten ent¬ 
haltenen Mikroben ausgeschlossen ist. 

Es ist augenscheinlich, dafs diese zu anderen Zwecken als 
zur Untersuchung von Trinkwässern in der Praxis inaugurierte 
Methode, obwohl prinzipiell absolut präzis, nicht die Eigenschaften 
einer leichten, für die praktischen Verhältnisse der Wasserunter- 

1) Zeitschrift f. Hygiene, Bd. VI. 


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202 Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwässer. 

suchung geeigneten Methode besitzt ; man braucht nur, ungeachtet 
der Unkosten, ihre Kompliziertheit, die Schwerfälligkeit ihrer Hilfs¬ 
mittel ins Auge zu fassen, sowie den Umstand, dafs die Schwierig¬ 
keiten ihrer Benützung um so mehr anwachsen würden, je gröfser 
das Wassergebiet und je heteregener dasselbe in seinen Teilen 
wäre, so dafs sich die Notwendigkeit ergäbe, den Filtrationseffekt 
an vielen Stellen zu prüfen. 

Bei diesem Stande der Dinge fühlte ich mich veranlafst, 
eine Methode der Untersuchung des Filtrationseffektes zu kon¬ 
struieren, welche bei ihrer Durchführung nicht nur eine An¬ 
gliederung an die hydrologischen Arbeiten respektive an die Fest¬ 
stellung der Quantität nicht voraussetzt und erfordert, sondern 
aufserdem noch den Vorteil bietet, dafs sie — wie noch des 
Näheren dargelegt werden wird — eine leichte Lösung vieler 
heikler hygienischer Beziehungen, an welch immer Stelle des 
Wassergebietes, dessen Filtrationseffekt festgestellt werden soll, 
gestattet. 

Diese Methode beruht auf einem Prinzip, das von demjenigen, 
welches bis jetzt die Grundlage der Untersuchung des Filtrations¬ 
effektes gebildet hat, abweicht. 

Bei den bis jetzt gebrauchten Methoden der Untersuchung 
des Filtrationseffektes wird der bakteriologischen Untersuchung 
das Filtrat = das Wasser, unterworfen. 

Bei meiner Methode dagegen wird der Filtrationseffekt durch 
Untersuchung des Bodenfilters selbst festgestellt, zu welcher 
aus verschiedenen Tiefen — von der Oberfläche angefangen bis 
unter das Niveau des Grundwassers — entnommene Bodenproben 
die Grundlage bilden. 

Diese Untersuchungsmethode habe ich bereits in meinem 
Buche »Theorie und Praxis der Trinkwasserbeurteilung« S. 158 
und zwar für gewisse spezielle, besondere Schwierigkeiten bietende 
Fälle entworfen. 

Doch eignet sich der in der angeführten Monographie be¬ 
schriebene Untersuchungsmodus, wie ich mich auf Grund zahl¬ 
reicher praktischer Erfahrungen überzeugt habe, blofs für ein 
lehmiges Terrain. 


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Von Prof. Dr. Gustav Kabrhel. 


203 


Dieser Mangel brachte mich zu Änderungen in der Art der 
methodischen Lösungsweise; doch erreichte ich mit denselben 
zugleich eine grolse Vereinfachung des ganzen Untersuchungs¬ 
verfahrens bei gleichzeitiger absoluter Präzision der zu der bakterio¬ 
logischen Untersuchung dienenden Proben. 

Die Methode stellt sich in der von mir jetzt verwendeten 
Fassung folgendermafsen dar: 

Auf einer vorher dazu ausersehenen Stelle des Wasser¬ 
gebietes wird eine Grube von etwa 1,7 X 1»3 m Flächen-Dimen- 
sion gegraben. Das abgegrabene Erdreich wird sofort zur Seite 
geworfen. In die Tiefe wird soweit vorgegangen, bis die Gruben¬ 
sohle von dem Niveau des Grundwassers nur mehr durch eine 
dünne, etwa 10 cm dicke Bodenschichte getrennt ist. 

Um mit der Grubensohle nicht zu tief zu gehen, ist es zum 
Teil notwendig, den Grundwasserstand (wenigstens annähernd) 
zu kennen, zum Teil aber bei der Vertiefung die Bodenfeuchtig¬ 
keit zu beobachten. 

Von dem Grundwasserstande kann man sich aus dem 
Material der hydrologischen Untersuchung unterrichten, zu deren 
einer Hauptaufgabe eben, wie schon oben erwähnt wurde, die 
Feststellung des Grundwasserniveaus gehört. 

Eventuell kann der Grundwasserspiegel durch Anbohren mit 
einem etwa 2 cm dicken Bodenschraubenbohrer konstatiert werden. 
Das Bohren mit demselben erheischt keine grofse Kraft und ist 
in Kürze abgefertigt. Derjenige Teil des Bohrers, welcher in 
das Grundwasser eingedrungen ist, erscheint stark feucht. Durch 
Substraktion der Länge des feuchten Teiles von der Länge, in 
welche der Bohrer eingetrieben wurde, erhält man ungefähr 
die Entfernung des Grundwasserniveaus von der Oberfläche. Der 
erhaltene Wert ist blofs annähernd, weil die Oberfläche des 
Bohrers auch in einem Teile der Zone des kapillaren Standes 
des Grundwassers angefeuchtet wird. 

Doch gibt auch die Beobachtung der Bodenfeuchtigkeit genug 
Fingerzeige, um rechtzeitig mit dem Vertiefen der Grube auf¬ 
zuhören. Ober dem Grundwassemiveau befindet sich nämlich 
die Zone des sogen, kapillaren Standes, die besonders in ihrem 


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204 Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwässer. 


unteren Teile mehr Wasser enthält als die ober derselben ge¬ 
legenen Bodenschichten. 

Besteht diese Zone aus sandigem Material, so lassen zwi¬ 
schen den Fingern zerdrückte Proben desselben auf ihnen merk¬ 
liche Spuren einer inselartigen Befeuchtung zurück. 

Es weist also der erhöhte Grad der Bodenfeuchtigkeit auf 
die Nähe des Grundwasserspiegels hin. 

Zur Zeit, da man sich der notwendigen Tiefe schon nähert, 
wird die Austiefung nur an einem Ende der Grube vorge¬ 
nommen und zwar blofs mit einer Schaufel, mit welcher dünne 
Schichten vom Boden abgehoben und sofort an die Oberfläche 
der Grube befördert werden, wodurch eine Verunreinigung durch 
das Material oberer Schichten oder von seiten des Arbeiters aus¬ 
geschlossen wird. 

Regelmäfsig kommt man mit Gruben aus, deren Tiefe 3 m 
nicht übersteigt. Denn auch zur Fassung des Grundwassers 
werden solche Stellen des Durchflufsprofils gewählt, an welchen 
die Bodenschichten, welche den Grundwasserspiegel bedecken, 
dünner sind, ob man schon zu diesem Zwecke Sammelgalerien 
oder Röhrenbrunnen benutzt. 

Ist die Grube bis zu der erwähnten Tiefe gegraben, wird zur 
Entnahme von Bodenproben aus dem Bereiche des Grundwassers 
geschritten. 

Dazu benötigt es eines sterilisierten Erdbohrers von Fraenkel, 
sterilisierter Eisenstifte von 15—20cm Länge, 3—4 mm Durch¬ 
messer, deren eines Ende zugespitzt, das andere aber flachge¬ 
hämmert ist, weiterhin sterilisierter Watte. 

Der Bohrer wird nachfolgend sterilisiert. Vor allem wird 
er von den ijim anhaftenden Bodenbestandteilen gereinigt, wozu 
sich am besten Alkohol eignet. Darauf wird zur Erzielung voll¬ 
ständiger Sterilität sein unteres Ende in einen mit chemisch 
reinem Benzol gefüllten Glaszylinder getaucht. Das Benzol mufs 
einige Zentimeter über die Stelle hinaus reichen, an welcher der 
zur Entnahme der Bodenproben dienende Mechanismus anfängt. 
Um die Verdunstung des Benzols, sowie das Einfallen von Staub 
in denselben zu verhindern, steckt der Stab des Bohrers in einer 


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Von Prof. Dr. Gustav Kabrhel. 


205 


durchlöcherten Kautschukmembran, welche die Öffnung des 
Glaszylinders vollständig verdeckt. 

Benzol wurde aus dem Grunde gewählt, weil dasselbe auf 
das Eisen nicht chemisch ein wirkt, und weil es eine verflüchtigende 
Verbindung ist, so dafs es nicht nötig ist, dasselbe aus dem Bohrer 
zu entfernen, was sonst mit Hinblick auf den weiteren Vorgang 
der diesbezüglichen Untersuchung unumgänglich wäre. 

Die Sterilisation durch Hitze, die sich sonst am besten emp¬ 
fehlen würde, ist gegebenenfalls nicht ausführbar, weil durch 
dieselbe der Stahl des Bohrers in Mitleidenschaft gezogen wäre. 

Im Benzol wird der Bohrer bis zu der Zeit belassen, wo er 
benutzt werden soll. Um den Bohrer in sterilem Zustande an 
Ort und Stelle zu bringen, an welchem er in Funktion treten 
soll, mufs derselbe mit einer sterilen Hülle umwickelt werden. 
Zu diesem Zwecke wählte ich in dreifacher Lage zusammen¬ 
genähte Leinwandstücke, welche die Form eines Kreises besafsen, 
dessen Halbmesser der Länge des sterilisierten Teiles des Bohrers 
entsprach. Vor dem Gebrauche wird die Hülle in ein breites 
Glasgefäfs gebracht und in Kochs Dampfstopf sterilisiert. Nach 
vollendeter Sterilisation wird das die Hülle enthaltende Glasgefäfs 
in einen Trockenluftsterilisator übertragen, woselbst man die 
Hülle bei einer Temperatur zwischen 60—90° gänzlich aus¬ 
trocknen läfst. Die trockene, mit Hilfe von sterilisierten Pin¬ 
zetten aus dem Glasgefäfse gehobene Hülle wird um den unteren 
Teil des Bohrers, der eben erst aus dem Benzol entnommen und 
dessen Spitze in ein durch Kochen keimfrei gemachtes Korkstück 
gesteckt wurde, geschlungen. Die mit dem Korkstücke versehene 
Spitze wird in den Mittelpunkt des Hüllenkreises gelegt, worauf 
die Ränder über die Stange (den zur Entnahme der Bodenproben 
dienenden Mechanismus) gezogen und mit Spagat festgebunden 
werden. Der durch die sterilisierte Leinwand geschützte Teil des 
Bohrers wird noch in Billrothbatist geschlagen und zugebunden, 
worauf der ganze Bohrer in Wachsleinwaud gehüllt wird. 

Der solchermafsen zugerichtete Bohrer kann, ohne Beein¬ 
trächtigung seiner Sterilität, in beliebige Entfernungen übertragen 
oder überführt werden. 


»fr 


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206 Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwässer. 


Die sterilisierten Eisenstifte werden folgendermafsen zuge¬ 
richtet. Dieselben werden in Alkohol gereinigt und in zylindri¬ 
sche Eisenbehälter (ähnlich denjenigen, welche zur Sterilisation 
der zum Abmessen des Wassers bei Untersuchungen auf die 
Keimzahl gebrauchten Pipetten, verwendet werden) gebracht und 
im Trockenluftsterilisator sterilisiert. 

In dem Behälter können sodann die Stifte im sterilen Zu¬ 
stande in beliebige Entfernungen übertragen oder überführt 
werden. 

Die Entnahme der Bodenprobe aus dem Bereiche des Grund¬ 
wassers wird auf folgende Weise bewerkstelligt: 

Vor allem wird an jener Stelle der Grube, an welcher die 
Vertiefung mit der Schaufel vorgenommen wurde, und an welcher 
der Bohrer eingetrieben werden soll, die obere Bodenschichte mit 
Hilfe eines sterilisierten Eisenstiftes entfernt. Dies geschieht in 
der Weise, dafs der mit dem einen Ende ein wenig in den Boden 
eingestofsene Stift — dieses Ende als Stützpunkt benutzt — im 
Kreise herumgeführt wird. Der aufgelockerte Boden wird zur 
Seite geschoben. Hierauf wird mit einem zweiten Stifte noch 
eine dünne Bodenschicht entfernte und dieser Vorgang noch ein¬ 
mal wiederholt. 

An dieser derart vorbereiteten Stelle wird der Bohrer einge¬ 
trieben, nachdem zuvor seine Hülle entfernt worden ist. Der 
Bohrer wird bis fast zum Handgriffe in den Boden gestofsen, 
sodafs seine Spitze etwa 80—90 cm unter den Grundwasserspiegel 
dringt. Sodann wird durch angemessene Bewegungen die zur 
Bodenaufnahme bestimmte Kammer des Bohrers geöffnet, mit 
Boden gefüllt und herausgezogen. 

Die an der Oberfläche des Bohrers haften gebliebenen 
Bodenteile werden mit sterilisierter (gleichfalls in einem Eisen¬ 
behälter verwahrten) Watte entfernt, worauf durch einen Schlag 
auf den Flügel der Bohrer geöffnet wird. Mit dem flachen Ende 
eines sterilisierten Eisenstiftes werden die vom Wasser durch¬ 
tränkten Bodenteile entnommen und in eine Eprouvette, deren 
Hals durch Anbrennen ihres Wattepfropfens soeben sterilisiert 
worden war, gebracht. 


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Von Prof. Dr. Gustav Kabrhel. 


207 


Nachdem die Probe aus dem Bereiche des Grund Wassers 
entnommen worden ist, wird zur Entnahme von Bodenproben 
aus den ober dem Grundwasser gelegenen Schichten geschritten. 
Dies wird in der Weise vorgenommen, dafs man die Proben von 
unten nach oben einer der die Grube umschliefsenden Wände 
entnimmt. Zuerst nimmt man die Probe an der Grubensohle 
und schreitet dann stets höher und höher, so dafs die Entnahme 
aus der oberflächlichen Schichte zum Schlüsse übrig bleibt. An 
der Stelle der Bodenentnahme wird die oberflächliche Boden¬ 
schichte mit Hilfe eines sterilisierten Eisenstiftes durch eine 
Kreisbewegung (ähnlich wie an der Stelle, an welcher der Erd¬ 
bohrer eingetrieben werden sollte) entfernt; diese Prozedur wird 
dreimal hintereinander wiederholt, natürlich stets mit einem 
anderen noch nicht gebrauchten Stifte. 

Aus der Mitte des auf diese Weise hergestellten Grübchens 
wird der Boden in eine sterilisierte Eprouvette, deren Hals durch 
Anbrennen ihres Wattepfropfens eben sterilisiert worden war, 
genommen. Wenn der Boden locker ist, so genügt zur Ent¬ 
nahme der Bodenprobe der durch den Hals der Eprouvette auf 
die Fläche des Grübchens ausgeübte Druck und Bewegung, ist 
der Boden aber zähe, so mufs man einen sterilisierten Eisenstift 
zu Hilfe nehmen. 

Die mit Hilfe der beschriebenen Methode erhaltenen Boden¬ 
proben müssen freilich, ähnlich wie bei der bakteriologischen 
Wasseruntersuchung, in kurzer Zeit nach der Entnahme ver¬ 
arbeitet werden. 

Die Abmessung des Bodenquantums zum Anlegen von Platten¬ 
kulturen vollführe ich unter Benutzung eines 0,05 ccm fassenden 
Platinlöffels. Derselbe ist aus schwachem Platinblech verfertigt, 
um nach der Sterilisation mittels der Flamme (eines Spiritus¬ 
brenners aufserhalb des Laboratoriums) schnell auszukühlen. 
Eine bequeme Manipulation mit dem Löffel wird dadurch er¬ 
möglicht, dafs man den Griff desselben in eine Sperrpinzette 
einschliefst, deren Branchen bis fast zur Löffelpfanne reichen. 
Zum Abmessen des Bodenquantums wird der in der Pinzette ein¬ 
geklemmte Löffel auf eine Gasplatte gelegt, so dafs die Löffel- 


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208 Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwässer. 


pfanne den Rand der Platte überragt. Mit dem flachen Ende 
eines sterilisierten Eisenstiftes wird das Probematerial aus der 
betreffenden Eprouvette, deren Hals wiederum ausgeglüht sein 
mufs, auf den Löffel gebracht, in denselben gepfercht und ab¬ 
geglättet, damit dessen Oberfläche mit dem Rande der Löffel¬ 
pfanne eine Ebene bilde. Um dies zu erzielen, mufs man die 
Pinzette mit dem eingeklemmten Löffel mit dem kleinen Finger 
der Hand, in welcher man die das Bodenmaterial enthaltende 
Eprouvette hält, anhalten und fixieren. 

Besteht die Bodenprobe aus scholligen Bestandteilen, so mufs 
man die Schollen vor dem Füllen und Abmessen mit dem flachen 
Ende des (sterilisierten) Eisenstiftes zerdrücken (selbstverständlich 
in der betreffenden Eprouvette). 

Wie man weiter verfährt, ist nicht bei allen Bodenproben 
gleich. 

Diejenigen Proben nämlich, die verhältnismäfsig wenig Mi¬ 
kroben enthalten, z. B. also die aus den tieferen Schichten oder 
aus dem Bereiche des Grundwassers, werden direkt von dem 
Löffel in eine sterilisierte Petrischale geschüttet und darauf mit 
Fleischpeptongelatine unter Benutzung der beim Plattengiefsen 
überhaupt üblichen Kautelen begossen. Mit Hilfe des flachen 
Endes eines sterilisierten Eisenstiftes wird die Probe in der Schale 
gut verrieben und in der Gelatine gleichmäfsig ausgebreitet. 

Bei Bodenproben dagegen, welche eine grofse Anzahl von 
Mikroben beherbergen, als z. B. bei solchen aus der Oberfläche 
nahen Schichten, erwies sich mir ein Untersuchungsmodus als sehr 
geeignet, den ich als quantitative Verdünnung bezeich¬ 
nen will. 

Diese quantitative Verdünnung unterscheidet sich von der 
bei der Plattenmethode gewöhnlich geübten Verdünnung da¬ 
durch, dafs man mit einem abgemessenen Quantum — 7 ccm — 
Gelatine in den Eprouvetten arbeitet und die Verdünnung mit 
sterilisierten Pipetten (anstatt mit Platinnadel oder -Öse) voll¬ 
führt, mit deren Hilfe mau stets aus einer Eprouvette in die 
andere je 0,5 ccm Gelatine überträgt. 


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Von Prof. Dr. Gustav Kabrhel. 


209 


Ein Vorrat von sterilisierten Pipetten (denselben wie sie bei 
der Wasseruntersuchung gebräuchlich sind) wird ähnlich wie die 
Eisenstifte in eisernen Behältern gehalten. 

Um gute Resultate zu erhalten, ist es notwendig, die in die 
erste mit aufgelöster Gelatine gefüllte Eprouvette gebrachte 
Bodenprobe gut zu verreiben und mit der Gelatine gut und 
gleichmäfsig zu vermischen, wozu man sich wiederum des flachen 
Endes eines sterilisierten Eisenstiftes 1 ) bedient. 

Erst nach gründlicher Vermischung des Bodens mit der Ge¬ 
latine werden 0,5 ccm derselben in die Gelatine der zweiten Ep¬ 
rouvette gebracht. Der in der Pipette übriggebliebene Rest 
wird in die erste Eprouvette zurückgebracht. 

Bei Bodenproben, die eine aufserordentlich grofse Anzahl von 
Mikroben enthalten, z. B. also bei solchen von der Oberfläche, 
wird in der gleichen Weise noch eiue Verdünnung bewerk¬ 
stelligt. (Nach gründlicher Durchschüttelung werden aus der 
zweiten Eprouvette 0,5 ccm entnommen und in die dritte über¬ 
tragen.) 

Die Gelatine der die Bodenproben in der zugehörigen Ver¬ 
dünnung enthaltenden Epprouvetten wird in Petrischalen (unter 
gleichzeitiger Beobachtung sämtlicher bakteriologischer Kautelen) 
gegossen. 

Die weitere Erforschung sowohl der Mikrobenzahl als auch 
der Mikrobenarten unterscheidet sich in keiner Weise von der 
bei der bakteriologischen Wasseruntersuchung üblichen Weise. 

Aus den in der angeführten Weise erlangten Resultaten kann 
eine genaue Anschauung von der Gröfse des Filtrationseffektes 
des Grundwassers auf der betreffenden Stelle gewonnen werden. 

Zur näheren Klarlegung sei das Nachfolgende hervorgehoben: 

Der Filtrationseffekt des Grundwassers auf einer bestimmten 
Stelle ist die Resultante der Einwirkung a) der vertikalen Fil- 

1) Wie ersichtlich, mafs man eine grofse Anzahl von sterilisierten 
Eisenstiften vorrätig haben. Am besten hält man sie in zwei Behältern, 
von welchen die in dem einen enthaltenen zu den Arbeiten bei der Ent¬ 
nahme der Bodenproben, die in dem anderen aber bei dem Anlegen der 
Kulturen dienen. 


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210 Die Bestimmung des Filtrationseffektes der Grundwftsser. 


tration, b) der Filtration in der Richtung der Bewegung des 
Grundwassers, die annähernd horizontal ist. Die angeführten 
Komponenten müssen strenge voneinander unterschieden werden 
und zwar aus dem Grunde, weil die Wirksamkeit derselben, auch 
wenn der physikalische Charakter der ober dem Grundwasser 
liegenden Schichten dem derjenigen, durch welche das Grund¬ 
wasser fliefst, vollkommen gleichwertig ist, doch sehr bedeutende 
Unterschiede aufweist. Der Grund davon ist die ungleiche 
Filtriergeschwindigkeit. 

Die Schnelligkeit der vertikalen Filtration beträgt unter den 
gewöhnlichen Verhältnissen der Regenniederschläge und der 
Bodenkapazität etwa 0,0032 — 0,0054 pro Tag. 1 ) 

Die horizontale Filtriergeschwindigkeit beträgt dagegen in 
sandigen oder grieshaltigen Aufschwemmungen bei mittleren Ge- 
fällsverhältnissen etwa 0,5 — 5 m pro Tag. 

Nachdem der Filtrationseffekt in erster Reihe von der Filtrier¬ 
geschwindigkeit abhängt, so geht aus dem Angeführten hervor, 
dafs die Wirksamkeit der vertikalen Filtration diejenige der 
horizontalen aufserordentlich übertreffen mufs. Infolgedessen be¬ 
sitzt also eine Filtrierschichte von 2—4 m, die ja bei vertikaler 
Filtration regelmäfsig zum Schutze des Grundwassers vor dem 
Eindringen pathogener Keime genügt, bei der horizontalen Fil¬ 
tration einen bei weitem geringeren Wert. 

Insofern die Wirksamkeit der vertikalen Filtration in dem 
ganzen Niederschlagsgebiet eine vollkommene wäre (ein Umstand, 
der jedoch in der Praxis nicht immer Vorkommen mufs), inso¬ 
weit würde freilich die Leistungsfähigkeit der horizontalen Fil¬ 
tration nicht in die Wagschale fallen. 

Es ist ja klar, dafs — wenn bereits die den Grundwasser¬ 
spiegel von der Oberfläche trennenden Schichten geuügen würden, 
das Eindringen von pathogenen Mikroben gänzlich zu verhin¬ 
dern — die horizontale Filtration bereits eben mit Bezug auf 
die pathogenen Keime keine weitere Besserung nach sich ziehen 
könnte. 

1) Hoffmann, Archiv f. Hygiene, Bd. I. 


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Von Prof. Di. Gustav Kabrhel. 


211 


Ist dagegen in dem zu gewinnenden Wassergebiete die ver¬ 
tikale Filtration aus diesen oder jenen Gründen nicht genügend, 
so wird die Feststellung der horizontalen Filtration an denjenigen 
Stellen, zu welchen hin sich der Strom der Grundwässer von 
dem heiklen Punkte des Wassergebietes bewegt, zu einem aufser- 
ordentlich wichtigen Momente. 

Denn es ist klar, dafs bei Fassung des Wassers an einer 
Stelle, an welcher die durch die vertikale Filtration bedingten 
Mängel des Wassers bereits durch die horizontale Filtration gut¬ 
gemacht worden sind, gegen die Benutzung desselben zu Wasser¬ 
versorgungszwecken keine Einwendungen gemacht werden könnten. 

Aus dem Angeführten ist ersichtlich, dafs die Frage des 
Filtrationseffektes bei komplizierten Verhältnissen des Wasser¬ 
gebietes nur durch zweckmäfsige, den örtlichen Beziehungen ent¬ 
sprechende Untersuchung der oben erwähnten Komponenten, 
d. h. der vertikalen und horizontalen Filtration, einer zweck¬ 
entsprechenden Lösung entgegengeführt werden kann. Dazu be¬ 
nötigt man freilich einer Methode, die, leicht ausführbar, ohne 
Schwierigkeiten, ohne grolse, schwerfällige maschinelle Hilfsmittel 
an einer beliebigen Stelle zur Feststellung des Filtrationseffektes 
der betreffenden Komponenten in Anwendung gebracht werden 
könnte. 

Aus dem oben Angeführten geht gleichzeitig hervor, dafs 
zur Gewinnung einer genauen und vollkommenen Anschauung 
von dem Filtrationseffekte bei grofsen Wassergebieten sowohl die 
vertikale als auch die horizontale Filtration bestimmt werden mufs. 

Die Lösung dieser Aufgabe wird durch meine oben be¬ 
schriebene Methode ermöglicht. 

Der vertikale Filtrationseffekt spiegelt sich in den Resultaten 
der bakteriologischen Untersuchung der von der Oberfläche bis 
zum Grundwasserniveau entnommenen Bodenproben, der hori¬ 
zontale FiltrationsefEekt dagegen in den Resultaten der Unter¬ 
suchung der Proben aus dem Bereiche des Grundwassers. 

Zum Schlüsse sei das Resultat einer (am 9. Mai 1902) mit 
Hilfe der beschriebenen Methode ausgeführten Untersuchung als 
Beispiel angeführt. 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 


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212 Bestimmung d. Filtrationseffektes d. Grund Wässer. Von Dr. G. Kabrhel. 


Tiefe, aus welcher die Boden¬ 
probe entnommen wurde, in m 

Die In 0,05 ccm 
Boden enthal- 

Vorherrschende Arten 

außerhalb des 
Grundwassers 

im Bereiche des 
Grundwasse rs 

tene Mikroben¬ 
menge 

Von der 
Oberfläche 


60,760 

! 

Schimmelpilze, Bac. radicosus, B. 
punctatus, B. fluorescens lique- 
faciens, B. terrestris albus 1 ). 

0,5 

— 

3,412 

Schimmelpilze, B. radicosus, B. bru- 
neus 1 ), B. terrestris albus. 

M 

— 

9 

B. terrestris albus. 


2,46 

3 

B. terrestris albus. 


1) Als Bac. terrestris albus und Bac. bruneus bezeichne ich 
zwei sehr charakteristische, bis jetzt noch nicht beschriebene Mikrobenarten, 
denen ich im Boden sehr häufig begegnet bin. Gelegentlich werden die- 
selben beschrieben werden. 


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Bedeutung yoh Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 

Von 

Dr. Otto Heller, 

Chef d. Pasteur-Abteilung i. Inst. z. E. d. Infektionskrankheiten Bern: Prof. Tavel; 
ehern. Assistent am hygien. Inst. d. Universität Freiburg i. Br.: Hofrat Prof. 8chottelius. 

Chemische Körper haben einen desinfizierenden Wert nur 
wenn sie löslich sind und gelöst zur Anwendung gelangen. Der 
Desinfektionswert des einzelnen Körpers richtet sich natürlich 
nicht nur hiernach, sondern die Desinfektionsmittel besitzen jedes 
für sich eine charakteristische, ihren Wert bestimmende Wirkung, 
die bei dem einzelnen abhängt: 

1. Von dem chemischen Charakter des Mittels, d. h. von 
der spezifischen Wirkung seiner Moleküle. 

2. Von der Konzentration der Lösung, welche ihrerseits be¬ 
dingt ist durch das Lösungsmittel ev. durch dieses erst 
die für den Grad der Desinfektion mafsgebende Dissoziation 
erhält. 

3. Von dem Medium, in dem sie wirken sollen. Das Medium 
besitzt eine physikalische und chemische Bedeutung. Es 
kann entweder den Zutritt des Mittels zum Desinfektions¬ 
objekt beeinträchtigen, resp. völlig hindern, oder das Mittel 
erfährt im Medium eine chemische Umsetzung in mehr 
oder minder imwirksame Stoffe. 

4. Von dem Desinfektionsobjekt, d. h. von den Krankheits¬ 
oder Fäulniserregern, auf welche das Mittel im einzelnen 
Fall wirken soll. 

15* 


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214 Über die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 

5. Von der Temperatur. Hier gilt der Grundsatz, dafs die 
Einwirkung mit der Temperatur zunimmt, ähnlich chemi¬ 
schen Prozessen, die in der Wärme energischer und 
schneller ablaufen als bei niederer Temperatur. 

6. Von der Dauer der Einwirkung. 

In Berücksichtigung dieser Momente sind zahlreiche chemi¬ 
sche Körper untersucht, und aus der grolsen Reihe der ver¬ 
schiedenen Mittel sind einzelne für die Anwendung in der Praxis 
empfohlen worden. Besonders hervorzuheben ist, dafs eine Sub¬ 
stanz, ihre Löslichkeit vorausgesetzt, nur dann als Desinfektions¬ 
mittel für die Praxis in Frage kommt, wenn sie im stände ist, 
Kleinlebewesen völlig zu vernichten. Der Wert der im Gebrauch 
befindlichen Desinfektionsmittel richtet sich aber bekanntlich 
nicht allein nach der Löslichkeit, der Fähigkeit Mikroorganismen 
überhaupt abzutöten und nach dem Verhalten bez. oben ge¬ 
nannter sechs Punkte, sondern es fanden sich im Laufe der 
wissenschaftlichen Prüfung weitere Bedingungen, die erfüllt werden 
mufsten, sollte das Desinfektionsmittel für die Verwendung in 
der Praxis in Frage kommen. Dies sind vor allem: Der Mangel 
eines widrigen Geruches, der billige Preis, der Gebrauch ohne 
Schaden für den Gegenstand, in oder an dem die Desinfektion 
vor sich geht, z. B. Instrumente, Wäsche, Stoffe, Möbel, Betten 
und eine volle Wirkung innerhalb einer nicht zu langen Zeit, 
die je nach der Art der Desinfektion schwanken kann. Aufser- 
dem ist eine chemische Substanz als Desinfektionsmittel für die 
Praxis nur dann brauchbar, wenn sie ohne besondere Schwierig¬ 
keit anzuwenden ist und konstant bleibt, d. h. sich nicht unter 
irgendwelchen äufseren Einflüssen wie Licht, Luft, Temperatur, 
Feuchtigkeit etc. verändert und in ihrer Kraft Einbufse leidet. 
Schlielslich soll die in Betracht kommende Konzentration mög¬ 
lichst wenig Niederschläge bilden, noch soll die Lösung stark 
gefärbt sein. — Dieses sind die Anforderungen, welche man 
heute an ein Desinfektionsmittel stellt; es ist zu konstatieren, 
dafs ein Idealmittel, welches diesen Ansprüchen genügt, noch nicht 
existiert. Die Bemühungen, eine solche Substanz zu ermitteln, 
haben manche für die Praxis wertvolle Resultate gezeitigt. Was 


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Von Dr. Otto Heller. 


215 


man jedoch in einer Richtung gewann, ging häufig in anderer 
verloren. — Die Anwendung mancher Körper scheiterte an 
ihrer Giftigkeit; ihre weniger giftigen Verbindungen besafsen ge¬ 
ringere Desinfektionskraft. Das führte dazu, dafs man zu der 
irrigen Ansicht gelangte, dafs Giftigkeit und Desinfektionskraft 
in gewissem Verhältnisse stehen und die eine von der anderen 
abhängig sei. Allgemein läfst sich diese Anschauung auch heute 
vielleicht noch verteidigen da ja Giftwirkung und Desinfektions¬ 
wirkung beide denselben Effekt haben: die Schädigung des leben¬ 
den Eiweirses. Die Desinfektionswirkung soll aber nur die 
Schädigung und Abtötung des Protoplasmas im Körper der Mikro¬ 
organismen zur Folge haben, also eine gewissermaßen spezifische 
Wirkung ausüben. 

Als Lösungsmittel für Desinfizientien steht an erster Stelle 
das Wasser. — In gewisse Verlegenheit gerät man, wenn die 
Löslichkeit in Wasser zu gering ist für die zur Desinfektion 
nötige Konzentration. — Der wichtigste und am häufigsten an¬ 
gewendete Zusatz zürn Wasser, welcher mit letzterem ein brauch¬ 
bares Lösungsmittel geben sollte, ist die Seife. Sie erreichte 
eine ausgedehnte Benutzung zu diesem Zweck durch das Be¬ 
streben, das giftige Phenol durch die weniger giftigen, aber in 
Wasser schwer löslichen Kresole zu ersetzen. Die Versuche 
waren in der Tat von Erfolg gekrönt; seit jener Zeit treten im 
Handel sehr zahlreich die Kombinationen von Seife, Desinfizientien 
und Wasser auf, z. B. Lysol, Trikresol, Kresapol, denen sich 
in den letzten Jahren das Bacillol, Lysoform und der in die 
deutsche Pharmakopoe aufgenommene Liquor kresoli saponatus 
anschliefsen. 

Diese Ausdehnung des Gebrauchs von Seife in Verbindung 
mit Kohlenwasserstoffen gibt Anlafs zu der Frage: Macht die 
Seife jene Stoffe lediglich löslich in Wasser und gestattet sie 
dadurch eine höhere Konzentration der betr. Substanz in Wasser 
oder wird die desinfizierende Wirkung durch den Zusatz von 
Seife noch aus anderen Gründen erhöht? — 

Unerläfslich notwendig ist für die Beantwortung dieser Fragen 
die Kenntnis von dem Einflufs der Seife an sich auf Mikro- 


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216 Über die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 

Organismen. — In der Literatur findet sich hierüber als erste 
Mitteilung in der bekannten Arbeit Robert Kochs Ȇber Des 
infektion« (Mitteil, aus dem kaiserl. Gesundheitsamt 1881) im 
Zusammenhang mit der Prüfung einiger Fettsäuren, z. B. Butter¬ 
säure, Oleinsäure bezüglich ihres hemmenden Einflusses auf das 
Bakterienwachstum folgendes: 

»Die Tatsache, dafs Kaliseife bei 1 : 5000 schon eine Be¬ 
hinderung und bei 1 : 1000 vollständige Aufhebung der Ent¬ 
wicklung (der Milzbrandbacillen) bewirkt, während Kali für sich 
ungefähr achtmal niedrigere Grenzwerte aufweist, ist kaum anders 
zu erklären, als dafs gewisse Bestandteile der Kaliseife, höchst¬ 
wahrscheinlich die eine oder andere Fettsäure ein ziemlich be¬ 
deutendes Behinderungsvermögen für die Entwicklung der Milz¬ 
brandbacillen besitzt.« 

Im Reichsmedizinalkalender von 1884 wird in einem Aufsatz 
von Wernich »Anleitung zum Desinfektionsverfahren« Kali¬ 
seife zur Desinfektion empfohlen. (15 g Schmierseife in 10 1 
Wasser lösen = 0,15 °/ 0 .) * 

In seiner Dissertation »Beiträge zur Kenntnis der Bakterien 
im normalen Darmtraktus« (München 1885) konstatiert M. Kuisl, 
dafs die Kaliseife die Eigenschaft hat, schon bei 0,1 °/ 0 den Milz¬ 
brandbacillus in seinem Wachstum zu hemmen. »Allein gerade 
der Milzbrandbacillus ist sehr empfindlich gegen chemische und 
physikalische Einflüsse und erscheint deshalb zu Desinfektions¬ 
versuchen, aus denen weitergehende Schlüsse abgeleitet werden 
sollen, sehr wenig geeignet.« 

Der Typhusbacillus wächst noch bei 2 % Kaliseifengehalt des 
Nährbodens. 5°/ 0 behinderte den Kochschen »Kommabacillusc 
im Wachstum nicht. Im Gegenteil, Kuisl versucht durch den 
Zusatz von Seife, den Cholerabakterien ähnliche Vibrionen aus 
dem normalen Darm des Menschen (Kuisls Diagnose nach Vibr. 
Finkler-Prior) zu isolieren. Bei einem Gehalt von 2 °/ 0 Kaliseife 
erreicht er ein überwiegendes Wachstum der Vibrionen. 

Fleischfäulnis wurde durch Kaliseife in einer Konzentration 
von 10°/ 0 nicht verhindert. »Angesichts der angeführten Resul- 


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Von Dr. Otto Heller. 217 

täte mufs die antiseptische Eigenschaft der Kaliseife auf das 
entschiedenste verneint werden.« 

v. Eiseisberg (Wiener med. Wochenschrift Nr. 19 — 21, 
1887) prüft den »Keimgehalt von Seifen und Verbandstoffen«; 
sein Resultat bezw. der Seifen ist folgendes: Mandel-, Glyzerin-, 
Schmier- und Sublimatseifen sind im allgemeinen frei von Bak¬ 
terien, die Kernseife ist nicht so keimfrei, eine Tatsache, die er 
auf die Verwendung von Talg, der bereits in Zersetzung begriffen 
ist, und ein nicht genügendes Erhitzen bei der Fabrikation zurück¬ 
führt. Übrigens ist bei seinen Versuchen eine Täuschung durch 
Entwicklungshemmung nicht ausgeschlossen. 

Di Matt ei »SulP azione disinfettante del saponi communi« 
(Bollettino della R. Acad. med. di Roma Anno XV, 1888/89) 
prüfte gewöhnliche Seife: Cholerabacillen werden innerhalb einiger 
Minuten bis 24 Stunden, je nach der Menge der verwendeten 
Bacillen, abgetötet; Typhusbacillen widerstehen bis zu 4 Tagen, 
Staphylococcus aureus bis zu 8 Tagen und mehr. Die Versuchs¬ 
anordnung ist nicht völlig einwandsfrei, da Entwicklungshem¬ 
mung und Abtötung der als Testobjekte dienenden Mikroorga¬ 
nismen nicht auseinander gehalten werden. 

Kaupe konstatiert in seiner Dissertation, die vor allem der 
Prüfung des Kreolins gilt (»Studien über die Wirkung einiger 
Desinficientia«, Würzburg 1889), dafs Milzbrandsporen nach einem 
24 ständigen Aufenthalt in einer 5proz. Lösung gewöhnlicher 
Schmierseife nicht die geringste Einwirkung zeigten. 

Behring kommt in seiner Arbeit Ȇber Desinfektion, Des 
infektionsmittel und Desinfektionsmethodenc (Zeitschrift f. Hyg., 
Bd. IX, 1890) bei der Prüfung der Alkalien auch zur Unter¬ 
suchung alkalisch reagierender Seifen. Er verwendet meist 
lOproz. wässerige Lösungen von ca. 40 verschiedenen Seifen¬ 
sorten, darunter auch die neutralen und überfetteten Seifen. 
»Überall ist bestätigt worden, dafs es nur von dem Alkaligehalt 
der Seifen abhängt, welchen desinfizierenden Wert dieselben be¬ 
sitzen.« In Rücksicht darauf mifsbilligt er die Art der medi¬ 
kamentösen Seifen, die für Desinfektionszwecke hergestellt werden, 


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218 Über die Bedeutung von Seifemusatz zu Desinfektionsmitteln. 

da sie (Sublimat-, Teer-, Karbolseifen etc.) an Desinfektionswert 
der gewöhnlichen Seife nicht gleichkommen. 

1893 veröffentlicht A. H. Nijland in dem Archiv für Hygiene, 
Bd. XVIII, eine Arbeit »Über das Abtöten von Cholerabacillen 
im Wasser.« Er verwendet zu diesem Zweck in erster Linie 
Seifen und zwar weifse Waschseife (Natronseife), grüne Schmier¬ 
seife (Kaliseife) und Sapo medicatus (nach der niederländischen 
Pharmakopoe). Er findet den Seifenverbrauch für ein Wannen¬ 
bad von 12—24 g schwankend. In Berechnung auf die Menge 
des Badewassers (150—200 1) entspricht dies einem Gehalt von 
0,06—0,16 °/oo Seife. Um die unterste Grenze, bei welcher ver¬ 
schiedene Seifen die im Wasser enthaltenen Cholerabacillen zu 
töten im stände sind, zu bestimmen, geht er von einer etwas 
höheren Konzentration 0,24 ^ aus (36 g Seife: 1501 Wasser). 
Von einer lOproz. Lösung in destilliertem Wasser werden 1,2 ccm 
zu 500 ccm mit Cholerabacillen versetzten Wassers zugesetzt und 
nach 1, 5, 10 und 15 Minuten Proben bekannter Gröfse zu 
Platten verwendet. In entsprechender Weise variiert er seine 
Versuchsanordnung bezüglich der Konzentration. Das Resultat 
war: »Eine Seifenmenge, welche gewöhnlich bei einem Bade ver¬ 
braucht wird, ist nicht im stände, Cholerabakterien in Wasser zu 
töten; erst eine Menge, die 20 — 50mal gröfser ist, als dem 
wechselnden Seifenverbrauche entspricht, würde hierzu genügen. 
Doch ist deutlich zu erkennen, dafs die Schmierseife und auch 
Sapo medicatus eine stärkere Wirkung entfalten als die gewöhn¬ 
liche weifse Natronseife. Bei Sapo medicatus kann als Grenz¬ 
wert für die Wirkung, die auf im Wasser anwesende Cholera¬ 
bacillen innerhalb 15 Minuten ausgeübt wird, ein Gehalt von 
2,4 o/oq angenommen werden.« Es verdienen noch die Hauptsätze 
gegen Ende der Arbeit besondere Erwähnung: »Schon die ge¬ 
wöhnlichen Seifensorten schädigen in relativ geringen Konzen¬ 
trationen das Leben der Cholerabacillen, wenn diese sich im 
Wasser befinden.« . . . Die Beifügung von desinfizierenden Stoffen 
zu den Seifen erhöht in einigen Fällen deren Wirkung; in anderen 
dagegen, dann nämlich, wenn der Zusatz eine Bindung der 
Seifenbestandteile und des Desinfektionsmittels zur Folge hat, 


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Von Dr. Otto Heller. 


219 


wird die Wirkung verringert. Es sei hier hervorgehoben, dafs 
nach Nijland der Zusatz von Karbolsäure oder Salizylsäure zu 
Sapo medicatus die Wirkung des Sapo medicatus verringert. Durch 
Umsetzung bildet sich phenylsaures, resp. salizylsaures Natron und 
freie Fettsäure. Die Menge der Seife wird hierdurch vermindert 
und die desinfizierende Wirkung der Salizyl- resp. der Karbol¬ 
säure wird aufgehoben. 

Im gleichen Jahr untersucht M. Jolles die Desinfektions¬ 
fähigkeit von Seifenlösungen gegen Cholerakeime (Zeitschrift f. 
Hyg. ßd, XV. S. 460 1893). Er prüft Kaliwaschseife, Kali Lysol¬ 
seife, Glyzerinseife, Leda-Toiletteseife und Rasierseife. Ihre Zu¬ 
sammensetzung war folgende: 




Gebund. 

freies 


Fettsäuren 

Alkalien 

Alkali 

Kali Waschseife 

67,44% 

10,40 °/ 0 

0,041% 

Kalilysolseife 

68,44 » 

9,64 » 

0,065 » 

Glyzerinseife 

66,86 » 

8,13» 

0,004 » 

Ledatoiletteseife 66,54 > 

7,30» 

0,02» 

Rasierseife 

67,50 » 

9,15 » 

0,025 » 


Am Schlufs seiner sechs Untersuchungsreihen kommt er 
schliefslich zu dem Gesamtergebnis: 

Die Lösungen der einzelnen Seifengattungen zeigen unter 
den gleichen Bedingungen, d. i. der gleichen Temperatur, gleichen 
Wirkungsdauer und gleicher Konzentration hinsichtlich ihrer 
Desinfektionsenergie gegen die Cholerabakterien nur unbedeutende 
Differenzen. 

Sie sind als Choleradesinfektionsmittel für alle Fälle, wo 
Seifenlösungen anwendbar sind, sämtlich fast gleich brauchbar. 

Ihr grofser Vorzug vor anderen Desinfektionsmitteln besteht 
in der Leichtigkeit der Beschaffung, der Anwendungsweise und 
der völligen Ungefährlichkeit. Auf Grund dieses Gesamtergeb¬ 
nisses geben wir hier nur das Resultat für zwei Sorten im ein¬ 
zelnen wieder. 


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220 Über die ßedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 


Kaliwaschseife. 

Bei einer konstanten Temperatur von 15° C. werden Cholera¬ 
bakterien 

in 2—3 Minuten völlig getötet durch 8proz. Lösung 
10 » » » 3 » » 

» 30 » » f 1 » » 

30 >/ : » ;■ 0,8 » >/ 

f 60 ■ > >• » 0,6 : » 

Sodann folgen die Resultate für die Untersuchungen bei 
einer Temperatur von 30° und 40°. Bei 30% sind die zur Ab¬ 
tötung nötigen Konzentrationen etwas stärker, bei 40° etwas 
schwächer. 

Kalilysolseife. 

Bei einer konstanten Temperatur von 15 °C. werden Cholera¬ 
bakterien 

in 2—3 Minuten völlig getötet durch 8proz. Lösung 
» 10 | '/ > » 3 » » 

» 30 » » x y> 1 » > 

»30 » » » » 0,7 » » 

Bei einer Temperatur von 30° und 40° sind die Erfolge an¬ 
nähernd dieselben wie bei der Kaliwaschseife. — Die verschie¬ 
denen Desinfektionsresultate bei den Temperaturen von 15°, 30° 
und 40° veranlassen Jolles, weitere Untersuchungen anzustellen. 
(Zeitschr. f. Hyg. Bd. 19, 1895). Er verwendete mit Rücksicht 
auf das Ergebnis seiner ersten Arbeit nur eine Seifenprobe (Fett¬ 
säuren 67,44%, gebundene Alkalien 10,40%, freies Alkali 0,041 %) 
gegenüber Typhusbacillen und Bacterium coli. Typhusbacillen 
werden getötet in einer Zeit von 

12 Std. bei 4—8° C. durch eine 1 proz. Seifenlösung 


15 Min. » 4—8°C. » » 6 > > 

2 Std. » 4—8°C. » > 3 » » 

24 Std. > 18° C. » » 1 » 

30 Min. » 18° C. » » 6 » » 

1 Std. » 18 °C. » »5» » 

12 Std. » 18°C. » * 3 » > 


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Von Dr. Otto Heller. 


221 


Bei einer Temperatur von 30° sind die Resultate dieselben. 
Für Bacterium coli sind, entsprechend seiner gröfseren Wider¬ 
standskraft, etwas höhere Konzentrationen erforderlich. Die des¬ 
infizierenden Eigenschaften der Seifenlösungen sind bei niederer 
Temperatur stärker als bei höherer. »Den Seifenlösungen wohnt 
an und für sich eine bedeutende Desinfektionskraft inne, so dafs 
sie speziell in den Fällen, wo sie am häufigsten in Anwendung 
genommen werden dürften, nämlich zur Desinfektion von 
schmutziger und mit Dejekten infektiös Erkrankter verunreinigter 
Wäsche das geeignetste und natürlichste Reinigungsmittel ab¬ 
geben. Neben ihrem hohen Reinigungs- und Desinfektionseffekt 
besitzen sie nämlich keinerlei schädliche Nebenwirkung, welche 
anderweitige Desinfektionsmittel, sei es durch ihren Geruch, sei 
es durch ihre zerstörende Einwirkung auf die zu reinigenden 
Objekte selbst ausüben.« 

Rein icke (Bakteriologische Untersuchungen über die Des¬ 
infektion der Hände«, Diss. Berlin 1895) beobachtete noch nach 
35 tägigem Verweilen von Sporen in einer 5proz. Schmierseifen¬ 
lösung reichliches Wachstum. 50 Proben aus dieser Seife, die bezüg¬ 
lich ihres Keimgehaltes untersuchtwurden, zeigten sich keimfrei. 

Th. Beyer arbeitete »Über Wäschedesinfektion mit 3proz. 
Schmierseifenlösungen und mit Kalkwasser« (Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. XXII 1896). Er zitiert darin die ersten offiziellen Vorschläge 
und Empfehlungen zur Anwendung von Seife zur Desinfektion, 

»Indes sind Versuche, worauf sich diese Angaben stützen, 
meines Wissens nicht veröffentlicht.« (Choleraregulativ: An¬ 
lage VI, 27. VI. 93. — Anlage I 13. VII. 1893. Lösung von 
Kaliseife, Schmierseife etc., drei Teile Seife werden in 100 Teilen 
heifsen Wassers gelöst). Beyer bringt 7 verschiedene Seifen¬ 
sorten zur Untersuchung, bei der er auf Grund des Beh¬ 
ring sehen Resultates seine Aufmerksamkeit gleichzeitig auf den 
Gehalt an freiem Alkali richtet. — In 3 Proben ist derselbe 
= 0, in 2 weiteren eine ganz geringe Spur, einmal ergab sich 
0,09363 °/ 0 und einmal 0,047 °/ 0 . — Dieser Mangel oder äufserst 
geringe Gehalt an freiem Alkali bringt Beyer auf die Mut- 
mafsung, dafs die Desinfektion nicht durch den Gehalt an freiem 


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222 Über die Bedeutung von Seifenzueatz zu Desinfektionsmitteln. 

Alkali veranlagt ist, eine Mutmafsung, die durch J o 11 e s Seifen¬ 
analyse und Resultate uur gestützt wird. Zum Vergleich bringt 
er die Alkaleszenzgrade, die nach Kitasato Cholera und 
Typhus in ihrer Entwicklung hemmen resp. das Wachstum 
derselben sistieren, und welche bei der von ihm angewandten 
Konzentration von 3 °/ 0 bei weitem nicht erreicht werden. Seine 
Versuche dehnen sich aus auf Cholera, Typhus, Bacterium coli, 
Staphylococcus pyogenes aureus, Diphthieriebacillen. Das Resultat 
derselben ist, dafs gewöhnliche grüne Schmierseife bei einer 
Konzentration von 3 °/ 0 nur dann als Desinfiziens bei mit Cholera¬ 
kot besudelter Wäsche anwendbar ist, wenn die Wäsche min¬ 
destens eine Stunde in der Seifenlösung erwärmt wird und 
dann 24 Stunden in der Flüssigkeit verbleibt. »Weniger von BelaDg 
erscheint die Wahl der Seife bezügl. des freien Alkaligehaltes zu 
sein.« Ohne Vermischung der Testobjekte mit Kot waren die Erfolge 
günstiger, auch wurden hierbei mit einer Seifenprobe, die kein freies 
Alkali enthielt, nach 24 Stunden befriedigende Resultate erzielt. 

Sodann folgt im Jahre 1896 eine Arbeit von Rieh. Reit¬ 
hoff er »Über die Seifen als Desinfektionsmittel« (Arch. f. Hyg. 
Bd. XXVII). Die Untersuchungsmethoden, die bisher angewandt 
wurden, hält er nicht für einwandsfrei. Die Gelatineplatten¬ 
kulturen gestatten einen zu günstigen Schlufs auf die Desinfektions¬ 
kraft eines Mittels, da Keime, die durch das Desinfektionsmittel 
in Gelatine an der Entwicklung gehindert und für abgetötet an¬ 
gesehen werden, in flüssigen Nährböden noch wachsen. Ander¬ 
seits gestatten die flüssigen Nährböden keine fibersicht über die 
Zahl der Keime, der Nährboden geht chemische Reaktionen mit 
dem Desinfektionsmittel, z. B. mit der Seife, ein. Ein Teil der 
Seife wird durch die Kalk- und Magnesiasalze der Bouillon zer¬ 
setzt. Er prüft 3 verschiedene Seifen, deren Gehalt an freiem 
Alkali sich auf Spuren, 0,062 °/ 0 und 0,031% stellt. 

Als Testobjekte dienen Choleravibrionen. Eine Begünstigung 
des Wachstums war nirgends zu konstatieren. 

10°/ 0 Seife (Patent-Kaliseife) tötet Cholera in % Minute. 

1 °/ 0 » » » » %—1 Min. 

0,5 °/o » » » » 5 Minuten. 


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Von Dr. Otto Heller. 


223 


»Es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs man Wäsche, 
Kleider, Möbel u. s. w. einfach durch Einlegen und Waschen in 
Seifenlösung, die Hände einfach durch Waschen mit Seife rasch 
und völlig sicher von Cholerakeimen desinfizieren kann.« 
Ein Händewaschversuch bestätigt, dafs beim Händewaschen stets 
Konzentrationen hergestellt werden, die zur fast momentanen 
Tötung der Choleravibrionen hinreichen müssen. — »Aus den 
Versuchen (gegen Typhusbacillen) geht hervor, dafs man unter 
Umständen, wenn andere Desinfektionsmittel nicht zur Hand 
sind, die Seifen auch zur praktischen Desinfektion gegenüber 
Typhus heranziehen kann.« Erforderlich ist eine lOproz. Kon¬ 
zentration, um unter den günstigsten Umständen Typhusbacillen 
binnen 1 Minute zu vernichten. »Leider versagen die Seifen 
vollständig gegenüber Eiterkokken.« Eine stärkere Wirkung der 
Mandelseife erklärt sich durch die desinfizierenden Eigenschaften 
des zur Parfümierung verwendeten Nitrobenzols, das in Wasser 
fast unlöslich ist, von Seifenlösung aber reichlicher aufgenommen 
wird. Im Anschlufs an diese Erscheinung kommt Reithoffer 
auf die Untersuchung einer Kombination von Seife und Des¬ 
infektionsmitteln. Seine Resultate sind überraschend und sehr 
bemerkenswert: Gegen Choleravibrionen und Typhusbazillen war 
die Lysolseife nicht wirksamer als seine anderen Seifenproben, 
bei Staphylokokken war der Desinfektionserfolg allerdings besser. 
Die Lysolseifenlösung erwies sich viel weniger wirksam als eine 
Lösung von Lysol allein mit gleichem Lysolgehalte. Parallel¬ 
versuche mit Karbolsäure hatten dasselbe Ergebnis. 

2proz. Karbolsäure tötet Staphylokokken in l / 2 Minute. 

2 » » + 3 °/ 0 Kaliseife » » U/ 2 —3 Min. 

1 » Karbolsäure » » » A / 4 — A / 2 Std. 

1 » » + 3°/ 0 Kaliseife » » 8 / 4 —l A / 2 Std. 

»Die Wirkung der Karbolsäure wird durch den Seifenzusatz 
geschwächt, und der Seifenzusatz wirkt, wenn er über ein ge¬ 
wisses Verhältnis hinausgeht, beeinträchtigend auf die Desin¬ 
fektion . . . Offenbar wird ein Teil der Phenole durch das Alkali 
der leicht dissoziierbaren Seifen gebunden und dadurch unwirksam 


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224 Über die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 


gemacht.« Man mufs also die Hände zuerst mit Seife und dann 
mit dem Desinfektionsmittel behandeln.« — 

Serafini (»Beitrag zum experimentellen Studium der Des¬ 
infektionsfähigkeit gewöhnlicher Waschseifen«. Archiv für Hyg. 
Bd. XXXIII, 1898) versucht, den widersprechenden Resultaten 
der früheren Untersucher auf den Grund zu kommen, aber 
nicht mit vollem Erfolg. Trotzdem, sagt er, kann man den ge¬ 
wöhnlichen Seifen eine bedeutende Desinfektionskraft nicht ab¬ 
sprechen, nachdem z. B. die lOproz. Lösung in wenigen Minuten 
den Choleravibrio tötet, ungefähr ebenso schnell, wie eine gleiche 
Karbolsäurelösung. Diese Desinfektionsfähigkeit ist »weder den 
alkalischen Basen im besonderen, noch den Fettsäuren zuzu¬ 
schreiben, sondern dem Salze, welches sich aus der vollkommenen 
Zusammensetzung derselben ergibt.« Dem freien Alkaligehalt der 
Seife wie der wässerigen Seifenlösung ist eine ausschlaggebende Be¬ 
deutung nicht beizumessen. »Die Desinfektionsfähigkeit der 
Seifen kann sich in der Praxis der Wäschedesinfektion wenig 
wirksam zeigen, sei es wegen der Schwierigkeit, welche die kon¬ 
zentrierten Seifenlösungen beim Durchdringen der Stoffe finden, 
besonders wenn diese nafs sind, sei es ganz besonders wegen der 
geringen oder ganz ausgeschlossenen Löslichkeit, welche jene 
Substanzen, mit denen die Wäsche beschmutzt sein kann, gegen¬ 
über genannten Lösungen besitzen.« Bei höherer Temperatur 
wirken nach Serafini auch die Seifenlösungen stärker desinfi¬ 
zierend, vorausgesetzt, dafs die betr. Seifenlösung von der Be¬ 
einflussung der in der Luft, insbesondere im Thermostaten befind¬ 
lichen Kohlensäure geschützt ist. Die verschiedenen Resultate 
der früheren Forscher, wie auch die Differenzen bei seinen Ver¬ 
suchen erklären sich durch die Einwirkung des Lösungsmittels, 
durch die Kohlensäure und die Temperatur, den verschiedenen 
Wassergehalt und den Zusatz an Fremdstoffen, ferner die Gegen¬ 
wart von Harzseifen und die von Reithoffer erwähnte un¬ 
gleiche Widerstandskraft verschiedener Rassen eines und des¬ 
selben Mikroorganismus. Von dem Zusatz von Desinfektions¬ 
mitteln zur Seife erwartet Serafini keinen vorteilhaften Einflufs. 
Versuche hat er nicht angestellt. 


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Von Dr. Otto Heller. 


225 


Foerster (»Versuche über Wäschedesinfektion«, Hyg. Rund¬ 
schau, Bd.X Nr. 11, 1900) stellt fest, dafs bei der Wäschedesinfektion 
von den alkalischen Mitteln nur die Schmierseife eine Ausnahme 
macht, da sie »nicht den geringsten Erfolg geliefert hat.» 

Die neueste Arbeit stammt von Konradi (Arch. f. Hyg. 
Bd.XXXXIV 1902: Über die bakterizide Wirkung der Seifen). Die¬ 
selbe ist geeignet, bezüglich der Resultate Foersters, welche in 
derselben zitiert werden, einen Irrtum hervorzurufen. Konradi 
sagt: »Foerster untersuchte drei verschiedene Seifen gegen 
Hühnercholera, Bac. diphtheriae und Staphylococcus pyogenes 
aureus, findet ihre lOproz. Lösung sehr wirkungsvoll, indem er 
sagt: »haben schon nach 60 Minuten, mit positiver Sicherheit 
aber nach 6 Stunden alle pathogenen Keime abgetötet«. — 
Diese 3 untersuchten Seifen sind aber Kresolseifen; die keinen 
Zusatz enthaltende Schmierseife hatte den oben erwähnten Er¬ 
folg. — Zunächst konstatiert Konradi den entwicklungs¬ 
hemmenden Einflufs auf verschiedene Krankheitserreger und 
findet, »dafs die Entwicklung von Mikroben auch bei der Ver¬ 
dünnung der Seife 1 : 100000 vollkommen hintangehalten wurde.« 
Die Seife war eine Resorcinseife mit einem Gehalt von 5°/ 0 Re- 
sorcin und 2 °/ 0 Glyzerin. Anthraxsporen, die durch l 0 ^ Sublimat 
innerhalb einer Stunde getötet werden, werden durch die Resor¬ 
cinseife in gleicher Verdünnung bei Körpertemperatur in vier 
Stunden, bei Zimmertemperatur in 24 Stunden abgetötet. Ebenso 
günstig fielen die Versuche an Organ teilen (Milz und Leber von 
an Milzbrand verendeten Tieren) aus. — Ein Desinfektionsversuch 
in gleicher Anordnung mit einer wässerigen Lösung von 5°/ 0 Re- 
sorcin und 2 °/ 0 Glyzerin zeigte nicht den geringsten Erfolg. Da¬ 
gegen liefs sich konstatieren, dafs die in der Resorcinseife vor¬ 
handenen, odorierenden Substanzen (Terpineol, Vanilin, Cumarin, 
Heliotropin) in »minimaler Menge« (z. B. ein kleiner Tropfen zu 
10 ccm Gelatine) eine vollkommene Hintanhaltung der Entwicklung 
von Anthraxkulturen bewirkten, eine Tatsache, die Reithoffer bez. 
des Nitrobenzols bereits festgestellt hat und von anderen Autoren, z.B. 
Heid er, geprüft wurde; in neuester Zeit hat H.Marx (Zentralbl. f. 
Bakteriologie, XXXIII, Nr. 1) Untersuchungen über diese Frage 


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226 Über die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 


veröffentlicht. In gleicher Weise wurden andere Seifen von Kon- 
radi untersucht. »Diejenigen der Seifen, denen die oben er¬ 
wähnten odorierenden Substanzen beigesetzt sind, desinfizieren 
vollkommen.c Mit Fettsäuren — verwendet wurde Kokus- und 
altes Lebertranöl, Lipanin- und Oleinsäure — fand der Verfasser 
kaum eine Störung der Entwicklung. Ebenso ergaben Versuche 
mit der Seifensubstanz in verschiedenen Stationen der Fabri¬ 
kation das Resultat, »dafs die Seife nur nach Hinzugabe der odo¬ 
rierenden Mittel vollkommen desinfiziert. Der Seifensubstanz 
selbst kommt keine nennenswerte desinfizierende Wirkung zu. 
Dagegen hat Seife eine aufserordentlich starke, entwicklungs¬ 
hemmende Wirkung; bei der Verdünnung von 1 : 100000 im 
Nährboden wurde die Entwicklung der Mikroben vollkommen 
hintangehalten, c 

Nocht (»Über die Verwendung von Karbolseifenlösungen 
zu Desinfektionszwecken«, Zeitschr. f. Hyg. Bd. VII, 1889)stellte 
Versuche an, die in Wasser schwerlösliche »lOOproz. Karbolsäure« 
mit Hilfe von Seife zu lösen. Er verwendete 3 und 6proz. heifse 
wässerige Seifenlösung. »Je konzentrierter die Seifenlösung ge¬ 
nommen wird, desto mehr wird auch Karbolsäure in Lösung 
gehalten. Dabei ist es gleichgültig, welche Seife angewendet 
wird. Bei der Desinfektionsprüfung zeigte sich, dafs der Seifen¬ 
gehalt nicht in Frage kommt, dafs aber die Temperatur, bei 
welcher die Desinfektion stattfindet, von wesentlichem Einflufs 
ist. Milzbrandsporen wurden durch kalte Lösungen in 6 Tagen 
nicht vernichtet. Sporenfreie Bakterien, wie Cholera- und Typhus¬ 
bacillen, werden durch kalte Seifenlösungen von l*/ 2 °/ 0 Karbol¬ 
säuregehalt in */ 2 Stunde sicher abgetötet. 

Ad. Heider (Ȇber die Wirksamkeit der Desinfektionsmittel 
bei erhöhter Temperatur, c Arch. f. Hyg. Bd. XV, 1892) stellte 
Versuche an mit Kresolschmierseife-Lösungen von verschiedenem 
Mischverhältnis zwischen Kresol und Seife. Nach seinem Resultat 
ist die günstige Wirkung an ein bestimmtes Verhältnis zwischen 
Kresol und Seife geknüpft; in jenen Fällen, wo gleiche Gewichte¬ 
teile Kresol und Seife gemischt waren, war der Effekt viel weniger 
günstig als beim Mischungsverhältnis 2:1. Die verdünnte Seifen- 


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Von Dr. Otto Heller. 


227 


lösung an sich scheint die Wirkung der Phenole zu schwächen. 
Ein Versuch, welcher mit Öproz. reiner Karbolsäure in öproz. 
Seifenwasser gelöst angestellt wurde, ergab auch hier viel geringere 
Wirkung als bei reiner Karbolsäure von gleicher Konzentration 
in wäfsriger Lösung. Man könnte die Wirkung des Lysols 
steigern, wenn man die Menge des Kresols gegenüber der Seife 
erhöhen würde. Die Löslichkeit würde dadurch nicht beein¬ 
trächtigt. Bezüglich der Kresole stellt Hei dar fest, dafs die 
Mischung, die mit alkalischer (gewöhnlicher) Seife bereitet war, 
der mit neutraler Seife bereiteten stark überlegen war. Im Gegen¬ 
satz hierzu verhalten sich alkalische Karbollösungen schwächer 
als reine Karbollösungen derselben Konzentration. 

Henle (»Über Kreolin und seine wirksamen Bestandteile«, 
Arch. f. Hyg. Bd. IX 1889) spricht sich dahin aus, »dafs schon 
der Seifenzusatz allein genügt, die Desinfektionskraft des Kresols 
und auch die anderer Phenole zu erhöhen.« Versuche, auf welche 
er sich hierbei stützt, sind nicht angeführt. Ebensowenig ist 
erwähnt, dafs die Seife das Kresol im Wasser löslich macht und 
dafs eben auf diese Tatsache in erster Linie die gröfsere Wir¬ 
kung zurückgeführt wird.« — 

Es ist nicht leicht, sich ein Bild zu machen von der Wirk¬ 
samkeit der Seife nach so verschiedenen Resultaten. Jedenfalls 
bleibt zu betonen, dafs die desinfizierende Kraft einer Seife, ganz 
abgesehen von anderweiten Zusätzen, schwankt je nach dem ein¬ 
zelnen Präparat und sich ändert unter all den Einflüssen und Be¬ 
dingungen, dieSerafini anführt. Eine gewöhnliche Seife besitzt 
jedenfalls einen entwicklungshemmenden, in höherer Konzentration 
völlig desinfizierenden Einflufs. Der Zusatz von Seife zu Desinfek¬ 
tionsmitteln und umgekehrt wird durchaus verschieden beurteilt. 

Zur Feststellung der Desinfektionswirkung, die in den fol¬ 
genden Versuchen erforderlich ist, verwendeten wir in Rücksicht 
auf die im hiesigen Institute bereits auf solche Weise erhobenen 
Resultate die Methode, welche Schottelius im Jahre 1890 be¬ 
nutzte, un& die Desinfektionskraft des Kreolins, Lysols und der 
Karbolsäure vergleichsweise zu eruieren. Der Gang der Unter¬ 
suchung ist hiernach folgender: Zu 20 ccm sterilen Wassers 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII 16 


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228 tJber die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 

werden aus einem Patenttropffläschchen 10 Tropfen einer zwei¬ 
tägigen Bouillonkultur und hierauf 5 ccm der Desinfektionslösung 
zugesetzt. 

Als Testobjekt diente bei sämtlichen folgenden Versuchs¬ 
reihen derselbe Typhusstamm. 

Nachdem umgeschüttelt ist, wartet man 20 Minuten zu und 
bringt sodann 1 ccm der Mischung zu 9 ccm Nährgelatine in 
ein Reagenzröhrchen, in ein zweites Röhrchen überträgt man 
vom ersten abermals 1,0 ccm, vom zweiten 0,5 ccm in ein 
drittes, vom dritten 0,25 in ein viertes, jedes gefüllt mit soviel 
Gelatine, dafs es nach dem Zusatz 10 ccm enthält. Nach 
gehöriger Mischung, die bei jedem Röhrchen vor der weiteren 
Entnahme der entsprechenden Quantität für das nächste Röhr¬ 
chen zu geschehen hat, werden vier Platten gegossen, deren Re¬ 
sultate in den Tabellen zu finden sind. Zur Kontrolle werden 
aufserdem jedesmal vier Platten in ganz gleicher Weise und 
Verdünnung, doch ohne Desinfizienszusatz hergestellt. In ein¬ 
zelnen Fällen zeigt sich, dars auf den ersten beiden Platten das 
Wachstum ausbleibt, auf der dritten und vierten Platte dagegen 
eine Entwicklung zahlreicher Kolonien eintritt. Die Erklärung 
dieser Erscheinung ist bekanntlich die, dafs der mit dem einen 
Kubikzentimeter Bakterien-Desinfiziensmischung übertragene Teil 
des Desinfiziens wachstumshemmend gewirkt hat. — Um einer 
Mifsdeutung beim völligen Ausbleiben des Wachstums auf allen 
vier Platten vorzubeugen und um zu erkennen, ob es sich hier 
um eine Wachstumshemmung oder um völlige Desinfektion oder 
Vernichtung sämtlicher Keime handelt, schneidet man mit sterilen 
Instrumenten ein Stück der Gelatineplatte aus (ca. 4 qcm), bringt 
dasselbe in Bouillon und hierauf in den Brutschrank. Bleibt die 
Bouillon klar, d. h. wächst nichts, so war Abtötung eingetreten, 
also eine vollkommene Desinfektion erzielt. — 

Gegen diese Methode ist unter anderem vor allem von Beh¬ 
ring der Einwand erhoben worden, dafs man nach Ablauf der 
Desinfektionsfrist die desinfizierten Bakterienmassen nicht voll¬ 
ständig vom Desinfiziens befreit, sondern mit denselben etwas 
vom Desinfiziens auf die Nährböden überträgt. Dieser Umstand 


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Von Dr. Otto Heller. 


229 


ermöglicht es aber, die Grenzen der Entwicklungshemmung 
und der Desinfektion zu bestimmen. Gelegentlich vergleichender 
Untersuchungen mehrerer Desinfektionsmittel wurde von mir 
auf diese Weise die auch anderwärts festgestellte Tatsache 
ermittelt, dafs dem Lysoform erheblich entwicklungshemmende 
Eigenschaften * zukommen, mehr wie z. ß. dem Lysol etc.; 
während die desinfizierende Wirkung bei weitem nicht an 
die anderer Mittel spez. des Lysols herankommt. Mit anderen 
Methoden ist das ohne weiteres nicht möglich. — Die zur Zeit 
beste Methode zur »einheitlichen Wertbestimmung chemischer 
Desinfektionsmittel« von Th. Paul (Berlin, 1901, Jul. Springer) 
ist bei den folgenden Versuchen nicht verwendbar. Der Vor¬ 
schlag von Paul, sich die Lösungen nach äquimolekularen Ver¬ 
hältnissen zu bereiten, ist für Salze, Säuren, überhaupt für Sub¬ 
stanzen von chemisch einfacher und einheitlicher Zusammen¬ 
setzung leicht durchzuführen, stöfst aber bei komplizierteren 
Verbindungen und Mischungen auf erhebliche Schwierigkeiten. 
Steht es doch durchaus nicht fest, in welcher Weise sich bezüglich 
ihrer gegenseitigen Beeinflussung Seife und Desinfizientien zu¬ 
einander verhalten, und ob sich dieses Verhalten bei Gegenwart 
dritter Stoffe, wie z. B. Nährböden, ändert. Auf die Mängel der 
Paul sehen Methode, welche vom Autor selbst eingeräumt werden, 
aber anderen Methoden in höherem Grade anhängen, auf diese 
einzugehen ist hier nicht der Zweck. Nur kurz erwähnt seien 
die Umstände, welche die Feststellung des absoluten Desinfektions¬ 
wertes eines Mittels verhindern. Hierher gehört vor allem der 
häufige Wechsel des osmotischen Druckes, dem die Testobjekte, 
wenngleich es sich grofsenteils um Sporen handelt, ausgesetzt 
werden, das Trocknen derselben über Chlorkalcium, die Un¬ 
schädlichmachung des Desinfektionsmittels mit anderen chemi¬ 
schen Substanzen, welche bezüglich der Desinfektion sich indifferent 
verhalten sollen. Solche unschädlichen Mittel zur Bindung von 
Seife mit Desinfizientien gibt es nicht. Trotz aller dieser nicht 
leicht zu beseitigenden Nachteile gibt Paul mit seinen Forde¬ 
rungen einen Weg an, auf dem man ohne Zweifel dem absoluten 

Desinfektionswert eines Mittels am nächsten kommt. — In Rück- 

16 • 


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230 Über die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 


sicht darauf aber, dafs mit den zu prüfenden Präparaten die 
Vorschriften Pauls nicht eingehalten werden konnten, ohne bei 
den verschiedenen Kombinationen von Seife und Desinfiziens 
infolge des Versuchs die desinfizierende Substanz nach der Wir¬ 
kung zu binden und auszuschalten, gleichfalls unbekannte und 
ungleichmäfsige Einflüsse zu erhalten, wurde nach • dem Vorgehen 
von Schottelius verfahren. 

Wir verwendeten bei unsem Versuchen einen Sapokalinus 
(Pharm. Germ.), dessen chemische Analyse folgendes feststellte: 
Wassergehalt: 44,02°/ 0 , 
freies Alkali: 0, 

Eine Prüfung der Desinfektionswirkung resp. Entwicklungs¬ 
hemmung zeigt die 

Tabelle I. 


Mischung: 10 Tropfen 40 h Kultur -|~ 20,0 ccm Wasser -f- 5,0 ccm Seifen¬ 
lösung 10, 20%. 

Dauer der Einwirkung: 20 Min. Temperatur 16°. 


Konzentration 
d. zugesetzten 
Seifenlösung 
in Prozenten 

Seifengehalt 
der Mischung 

Zahl der Kolonien auf Platte 

a 

b 

c 

d 

1,0 ccm 
Mischung 
-f- 9,0 ccm 
Gelatine 

1,0 ccm a 
+ 9,0 ccm 
Gelatine 

0,5 ccm b 
-f- 9,5 ccm 
Gelatine 

0,25 ccm c 

4 9,75 ccm 
Gelatine 

g 

7. 

10*/, 

20 . 

0,5 

1,0 

2,0 

4,0 

unzählige 

unzählige 

unzählige 

unzählige 

unzählige 

viele 

sehr viele 
ca. 200 


Im Gegensatz zu Konradi, bei dessen Versuchen die Seife 
noch in einem Verhältnis von 1 : 100000 entwicklungshemmend 
gewirkt hat, fehlt in unseren Versuchen eine Wachstumshemmung 
bei einem Verhältnis von 1 : 250. 

Um zu konstatieren, ob die Seife in Verbindung mit einem 
Desinfektionsmittel die Wirkung desselben dadurch ermöglicht, 
dafs sie dasselbe zur Lösung bringt in einer Konzentration, die 
den praktischen Verhältnissen entspricht und eine völlige Des¬ 
infektion zur Folge hat, oder ob der Seife aufser diesem in¬ 
direkten Einflufs eine weitere Bedeutung zukommt, ist es er¬ 
forderlich, ein Mittel zur Prüfung heranzuziehen, das einmal in 
den obigen Grenzen in Wasser löslich ist, sodann aber auch in 
Seife löslich und unzersetzt bleibt. Sollte jedoch eine Verände- 


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Von Dr. Otto Heller. 


231 


rung sowohl an der Seife wie am Desinfiziens durch die Berüh¬ 
rung miteinander zu stände kommen, so ist von Bedeutung, fest¬ 
zustellen, ob durch gegenseitige Beeinflussung ein Körper entsteht, 
welcher eine andere Desinfektionskraft besitzt als das Desinfiziens 
allein vor der Mischung mit Seife. Der chemische Vorgang 
spielt nur eine nebensächliche Rolle, die Veränderung der Wir¬ 
kung ist für die praktische Verwertung die Hauptsache. Von 
den heute im Gebrauch befindlichen und verbreiteten Seifen¬ 


desinfektionsmitteln stehen diejenigen, welche Kresole enthalten; 
im Vordergrund. Ein Körper, der den Kresolen sehr nahe steht, 
aber in den oben angegebenen Grenzen in Wasser löslich ist, ist 
das Phenol. Berechnet man nach den Vorschriften des deutschen 


Arzneibuches für die Gehaltsprüfung der verflüssigten Karbol¬ 
säure die Wasserlöslichkeit der kristallisierten Karbolsäure, so 
ergibt sich in 100 Teilen klarer Lösung ein Gehalt von 0—6,35 °/ 0 
und von 73,9 °/ 0 aufwärts von Acid. carbolic. cristall. 

Es ist also möglich, eine wäfsrige klare Lösung von kristalli¬ 
sierter Karbolsäure herzustellen bis zur Konzentration von 6,35 °/ 0 . 
Auf dieser Tatsache fufsend, wurde die weitere Prüfung so ein¬ 
gerichtet, dafs nach der Methode von Schottelius die Desin¬ 
fektionskraft verschiedener wäfsriger Lösungen von Acid. carbol. 
crist. gegen Typhusbacillen festgestellt wurde. Das Resultat war 

folgendes: Tabelle!!. 


Mischung: 10 Tropfen 40 h Kultur -f- 20,0 ccm Wasser -f- 5,0 ccm Acid. carb. 

crist. 2, 3, 4, 5, 6°/ 0 - 

Dauer der Einwirkung: 20 Min. Temperatur 16°. 


Konzentration 
d. zugesetzten 
Desinfiziens 
in Prozenten 

DieMischung 
enthält Acid. 
carb. crist. in 

Zahl der Kolonien auf Platte 

a 

b 

c 

d 

1,0 ccm 
Mischung 
-f- 9,0 ccm 
Gelatine 

1,0 ccm a 
+ 9,0 ccm 
j Gelatine 

0,5 ccm b 
-f- 9,5 ccm 
Gelatine 

0,25 ccm c 
-f- 9,75 ccm 
Gelatine 

g 

•/. 


0,1 

0,4 

unzählige 

unzählige 

unzählige 

sehr viele 

3 > 

0,15 

0,6 

keine 

wenige 

viele 

ca. 200 

4 » 

0,2 

00 

© 

keine 

sehr viele 

viele 

ca. 100 

5 » 

0,25 

1,0 

keine 

keine 

keine 1 ) 

keine *) 

6 » 

0,3 

1,2 

keine 

keine 

keine *) 

keine *) 


1) 4 qcm der Platte werden in Bouillon gelöst in den Brutschrank ge¬ 
bracht; es entwickelt sich nichts. 


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232 Über die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 

Man hat aus dieser Versuchsreihe zu folgern, dafs kristallisierte 
Karbolsäure innerhalb 20 Minuten in der Konzentration der mög¬ 
lichen wäfsrigen Lösung Typhusbacillen vernichtet. Will man 
im Anschlufs hieran die Wirkung eines Seifenzusatzes konstatieren, 
so geschieht dies, ohne mit den Grenzen der Löslichkeit in Wasser 
in Konflikt zu kommen. Man verfährt am besten genau analog 
den Vorschriften des deutschen Arzneibuchs für die Herstellung 
des Liquor cresoli saponatus. 

Im Wasserbade wird eine abgewogene Quantität Sapokalinus 
in einer Glasflasche mit eingeschliffenem Glasstopfen geschmolzen; 
in gleicher Weise wird dieselbe Menge Acid. carbol. cristall. in 
einer anderen Flasche verflüssigt und alsdann zur Seife zuge¬ 
setzt. Die Flasche wird schnell und sorgfältig verschlossen, der 
Stopfen fixiert, damit die sich entwickelnden Karboldämpfe ihn 
nicht heraustreiben. War die Seife und die Karbolsäure rein, 
so bildet sich eine braune, klare, beim Schütteln wenig schäu¬ 
mende Flüssigkeit, welche etwas dünnflüssiger ist als Lysol. Der 
Geruch derselben ist charakterisiert durch ihre Zusammensetzung, 
doch tritt der Phenolgeruch aufserordentlich zurück. Beim Er¬ 
kalten verändert sich die Mischung nicht. Mit destilliertem Wasser 
werden nunmehr Konzentrationen von 3—6 °/ 0 hergestellt und 
es wird die Desinfektionskraft dieser Lösungen, welche zunächst 
klar bleiben, im Verlauf von 24 Stunden aber einen geringen 
Niederschlag ausscheiden, auf gleiche Weise gegenüber Typhus¬ 
bacillen festgestellt. Das Resultat ist in Tabelle III auf S. 233 
angegeben. 

Es hat also eine 4proz. Karbolsäure-Seifenlösung mit einem 
Gehalt von 2 % Acid. carbol. cristall. dasselbe bezüglich der 
Desinfektion geleistet wie eine Karbolsäurelösung mit einem Ge¬ 
halt von 5°/o Acid. carbol. cristall. In Wirklichkeit sind aller¬ 
dings diese Konzentrationen gar nicht zur Verwendung gekom¬ 
men; denn es wurden 5 ccm der fraglichen Lösungen mit 20 ccm 
Wasser verdünnt, also kam bei der Karbolsäurelösung eine Kon¬ 
zentration von l°/ 0 (0,25 g Acid. carbol. crist. in 25,0 ccm Wasser) 
zur Anwendung, bei der Karbolsäure-Seifenlösung eine Konzen¬ 
tration von 0,4 °/ 0 Acid. carbol. crist. (0,2 g Mischung in 25,0 ccm 


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Von Dr. Otto Heller. 233 

Wasser, das entspricht einer 0,8proz. Lösung, 0,4 Seife + 0,4 
Acid. carb. cristall.). 

Tabelle HI. 

Mischung: 10 Tropfen 40 h Kultur -f- 20,0 ccm Wasser 5,0 ccm Desinfi- 
ziens (Acid. carb. crist. u. Sapokalin. zu gleichen Teilen) 3, 4, 5, 6°/ 0 - 

Dauer der Einwirkung: 20 Min. Temperatur 16°. 


GO - 

ss s§ 

Die Mischung enthält 

Zahl der Kolonien auf Platte 

ö 2.2 p 

Acid. 

carb. 

1 

1 C3- „1 


a 

1 b 

c 

i d 

a *5 S 

0) bc.s E. 

2 G «CU 

crist. 

oapuKunu. 

1 

1,0 ccm 
Mischung 

j 1,0 ccm a 
i -f- 9,0 ccm 
| Gelatine 

0,5 ccm b 
- 9,5 ccm 
Gelatine 

0,25 ccm c 
f 9,75 ccm 
Gelatine 

0 a 

-4 -c 

g 

•/. 

g 

°/o 

t 9,0 ccm 
Gelatine 

3 •/« 

0,075 

0,3 

0,075 

0,3 

1 il 

unzählige unzählige sehr viele 

viele 

4 > 

0,1 

0,4 

0,1 

0,4 

keine 

keine 

keine l ) 

keine *) 

5 . 

0,125 

0,5 

0,125 

0,5 

keine 

keine 

keine *) 

keine 1 ) 

3 > 

0,15 

0,6 

0,15 

0,6 

keine 

| keine 

keine *) 

keine l ) 


Es ersetzt bei dieser Versuchsanordnung die Seife mehr als 
die Hälfte der Karbolsäure, nämlich einerseits wurden verwendet 
1 °/ 0 Karbolsäure, anderseits mit demselben Erfolg 0,4°/ 0 Acid. 
carb. crist. + 0,4 °/ 0 Seife. Diese 0,4 °/ 0 der Seife entsprechen 
in der Leistung 0,6 °/ 0 Acid. carb. cristall. Natürlich haben diese 
Zahlen nur Bedeutung für die Kombination von Seife und Kar¬ 
bolsäure, durchaus nicht für Seife allein. Immerhin geht daraus 
klar hervor, dafs die Seife nicht allein zur Lösung eines Des¬ 
infektionsmittels erforderlich ist, sondern dafs sie, wenn die Lö¬ 
sung an sich auch ohne Seife möglich ist, mit einem den in 
Frage kommenden Kresolen nahe verwandten Körper, dem 
Phenol, eine Steigerung der Desinfektionskraft zur Folge hat. 
Vielleicht darf man hiernach annehmen, dafs auch bei kresol- 
haltigen Seifen-Desinfektionsmitteln die Seife nicht nur lösende 
Eigenschaften hat, sondern von Bedeutung ist für die Erhöhung 
der Desinfektionskraft. Es ist selbstverständlich, dafs bei dieser 
Wirkung ein Verhältnisoptimum existieren wird; es wird bei 
einfacher Überlegung von vornherein anzunehmen sein, dafs 
nicht etwa bei immer weiterem Steigen des Seifengehaltes die 

1) 4 qcm der Platte werden in Bouillon gelöst in den Brutschrank ge¬ 
bracht; es entwickelt sich nichts. 


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234 Über die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 

Desinfektionskraft ad infinitum gesteigert wird, bis man end¬ 
gültig zu dem Ergebnis käme, dafs die Seife mit unendlich 
kleinem Karbolsfturegehalt den höchsten Desinfektionswert be¬ 
sitzt. Im Gegenteil, es fragt sich, ob nicht etwa bei der Mi¬ 
schung mit gleichem Gehalt Seife und Karbolsäure das Optimum 
bereits überschritten ist. In dieser Hinsicht wurde zunächst eine 
Mischung ganz unter den oben erwähnten Bedingungen und 
Kautelen hergestellt, welche einen Teil Acidum carb. crist. auf 
zwei Teile Sapokalinus enthielt. Es ergab sich abermals eine 
klare, beim Erkalten unveränderte Flüssigkeit von etwas stärkerer 
Kohärenz. Die Prüfung gegenüber Typhusbacillen hatte fol¬ 
gendes Resultat: 

Tabelle IV. 


Mischung: 10 Tropfen 40h Kultur -f- 20,0 ccm Wasser 5,0 ccm Desinfi- 
ziens (Acid. carb. crist. und Seife im Verhältnis 1 : 2), 3, 4, 5, 6, 7, 8°/ 0 - 
Dauer der Einwirkung: 20 Min. Temperatur 16°. 


a a a 

os -3 ® a 

Ssas 

Die Mischung enthält 

Zahl 

der Kolonien auf Platte 

Acid. 

carb. 

..... 


a 

b 

c 

d 

O ®3 O 
® bp.2 

g g 

crist. 

OUpUKttUU. 

1,0 ccm 
Mischung 

1,0 ccm a 
4- 9,0 ccm 
Gelatine 

0,6 ccm b 

4 9,6 ccm 
Gelatine 

0,26 ccm c 
4- 9,76 ccm 
Gelatine 


g 

% 

g 

# /o 

4* 9,0 ccm 
Gelatine 

*V. 

0,05 

0.2 

0.1 

0.4 

unzählig. 

unzählig. 

unzählig. 

sehr viele 

4 > 

0,066 

0,266 

0,133 

0,533 

unzählig. 

unzählig. 

unzählig. 

sehr viele 

5 » 

0,083 

0,33 

0,163 

0,66 

unzählig. 

sehr viele 

viele 

ca. 150 

6 > 

0.1 

0.4 

0.2 

0,8 

wenige 

viele 

20 

keine 

7 > 

0,116 

0,46 

0,233 

0,933 

keine 

keine 

keine l ) 

keine l ) 

8 > 

0,133 

0,533 

0,266 

1,066 

keine 

keine 

keine l ) 

keine l ) 


Eine völlige Desinfektion ist also eingetreten beim Zusatz 
von 5,0 ccm einer 7proz. Lösung zu 20,0 ccm Wasser, d. h. bei 
einer Konzentration von 1,4 °/ 0 , von der der dritte Teil = 0,473 °/ 0 
Acid. carb. crist. war. Das Verhältnis ist also ungünstiger, da 
sowohl der Karbolsäuregehalt etwas gestiegen ist, während die 
nötige Menge der Seife die doppelte war. Bei der weiteren Ver¬ 
suchsreihe wurde eine Karbolsäure-Seifenmischung hergestellt, 
welche einen Teil Acid. carbol. crist. und 3 Teile Seife enthielt. 

1) 4 qcm der Platte werden in Bouillon gelöst in den Brutschrank ge¬ 
bracht; es entwickelt sich nichts. 


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Von Dr. Otto Heller. 


235 


Dieselbe war dickflüssiger wie die vorigen und im ganzen klar, 
nur zeigten sich einige Flocken. Ihre Desinfektionskraft zeigt 
die Tabelle V. 


Tabelle V. 

Mischung: 10 Tropfen 40 h Kultur -|- 20,0 ccm Wasser -f- 5,0 ccm Desinfi- 
ziens (Acid. carb. crist. und Seife im Verhältnis 1 : 3), 8, 9, 10%. 

Dauer der Einwirkung: 20 Min. Temperatur 16°. 


ISas i 

I Die Mischung enthält 1 

| Zahl der Kolonien auf Platte 

SS»S 

Acid. 

carb. ! 

Ä 1. 


a 

b 

1 c 

d 

a o 

© öc.2 2 

N p Mdt 1 

crist. 1' 

1,0 ccm 
Mischung 

1,0 ccm a 
f- 9,0 ccm 
Gelatine 

0,6 ccm b 
f 9,5 ccm 
Gelatine 

0,25 ccm c 
> 9,75 ccm 
Gelatine 


g 

% 

g 

°/o 

j 9,0 ccm 
Gelatine 

8% 

0,1 

0,4 

0,3 

1,2 

keine 

wenige 

wenige 

einzelne 

9 > 

0,1125 

0,45 

0,3375 

1,35 

keine 

keine 

keine l ) 

keine l ) 

10 > 

0,125 

0,6 

0,375 

1,6 

keine 

keine 

keine 1 ) j 

keine ‘) 


Unter den gleichen äufseren Bedingungen ist die volle Des¬ 
infektionswirkung mit der 9proz. Lösung erreicht, in welcher 
2,25°/ 0 Acid. carb. cristall. enthalten waren. Die in Wirklichkeit 
verwendete Karbolsäure entspricht einer Konzentration von 
0,45°/ 0 in Gemeinschaft mit dem dreifach stärkeren Seifengehalt. 
Aus diesen Resultaten ist zu erkennen, dafs ein gröfserer Zusatz 
Seife als im Verhältnis 1 : 1 die Wirkung nicht vermehrt, im Gegen¬ 
teil, es mufs, um denselben Erfolg zu erzielen, die Konzentration 
der Lösung um so viel Seife erhöht werden, bis das nötige 
Karbolsäurequantum (d. h. eine Konzentration von 0,45 °/ 0 ) er¬ 
reicht ist. 

Versuchte man den Seifengehalt über 75 °/ 0 zu steigern, so 
erhielt man keine Lösung mehr, sondern eine Masse wie dickes 
Öl. Von einer Prüfung von 1 Teil Acid. carb. crist. + 4 Teilen 
Seife wurde deshalb abgesehen. Analog den bisherigen Unter¬ 
suchungen wurde nunmehr eine Lösung hergestellt, bei welcher 
der Karbolsäuregehalt das Doppelte des Seifengehaltes betrug. 
Das Resultat der Prüfung findet sich in Tabelle VI. 

1) 4 qcm der Platte werden in Bouillon gelöst in den Brutschrank ge¬ 
bracht; es entwickelt sich nichts. 


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236 Über die Bedeutung von Seifenzusatz za Desinfektionsmitteln. 


Tabelle VI. 

Mischung: 10 Tropfen 40 h Kultur -f- 20,0 ccm Wasser -f" 5,0 ccm Desinfi- 
ziens (Acid. carb. crist und Seife im Verhältnis 2 : 1), 3, 4, 5, 6°/ 0 - 

Dauer der Einwirkung: 20 Min. Temperatur 16°. 


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Die Mischung enthält 

Zahl der Kolonien auf Platte 

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Acid. 

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Mischung 

1,0 ccm a 
! 0,0 ccm 

Gelatine 

0,5 ccm b 
} 9,5 ccm 
Gelatine 

0,25 ccm c 
-f- 9,75 ccm 
Gelatine 

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0 

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Gelatine 

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0.1 

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viele 

wenige 

einzelne 

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keine 

keine l ) 

keine l ) 

6 > 

0.2 

0,8 

0.1 

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keine 

keine 

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keine *) 


Es zeigt sich, dafs bei diesem geringen Seifengehalt die völlig 
desinfizierende 4proz. Konzentration der Mischung 0,533 °/ 0 Acid. 
carb. crist. enthält, also ein ungünstigeres Verhältnis. 

Die Tatsache, dafs die bei den erwähnten Versuchen ver¬ 
wendete Seife einen Wassergehalt von 44,02% aufwies, erweckte 
den Gedanken, dafs die Art und Weise, wie die Mischungen 
von Karbolsäure- und Seife hergestellt wurden, auf einer fal¬ 
schen Annahme beruhe, nämlich der, dafs eine Vereinigung 
beider Substanzen resp. Mischung nur in höherer Temperatur 
nach dem Schmelzen beider Teile möglich sei, analog dem 
Verhältnis von Seife und Kresol. Vielmehr erschien es nicht 
unwahrscheinlich, dafs bei Vermengen der Körper in einem Glas 
mit eingeschliffenem Stopfen bei gewöhnlicher Temperatur die 
hygroskopische Karbolsäure der Seife ihr Wasser entzieht, sich 
dadurch verflüssigt und dann die Seife in sich löst. Ein Ver¬ 
such in dieser Hinsicht bewies die Richtigkeit einer solchen Auf¬ 
fassung. Es wurden gleiche Teile Acid. carb. crist. und Seife 
vereinigt. Das Phenol zerflofs innerhalb % Stunde, während die 
Seife erst nach drei Stunden völlig gelöst war. Eine verglei¬ 
chende Untersuchung dieser kalt erzielten Mischung mit der in 
der Wärme hergestellten ergab folgendes Resultat: 

1) 4 qcm der Platte werden in Bouillon gelöst in den Brutschrank ge¬ 
bracht; es entwickelt sich nichts. 


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Von Dr. Otto Heller. 


237 


Tabelle VH. 

Mischung: 10 Tropfen 40 h Kultur -f- 20,0 ccm Wasser -|- 5,0 ccm Desinfi- 
ziens (Acid. carb. crist. u. Seife zu gleichen Teilen; kalt hergestellt), 3, 4, 5 %• 
Dauer der Einwirkung: 20 Min. Temperatur 16°. 


§ 2 « ß 
% ® 

Die Mischung enthält 

Zahl 

der Kolonien auf Platte 

Acid. 

carb. 

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a 

b 

c 

d 

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ö 2 2^ 

crist. 

oapuiuuiu. 

1,0 ccm 
Mischung 

1,0 ccm n 
+ 9,0 ccm 
Gelatine 

0,6 ccm b 
4- 9,5 ccm 
Gelatine 

0,25 ccm c 
-f 9,75 ccm 
Gelatine 


g 

7, 

g 

0/ 
f 0 

4- 9,0 ccm 
Gelatine 

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0,3 

0,075 

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keine 

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keine*) 

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0,4 

0,1 

0,4 

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keine 

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keine *) 

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0,125 

0,5 

0,125 

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0,5 

keine 

keine 

keine*) | 

i 

1 keine*) 

i 


Ein besonderer Unterschied von der in der Wärme herge¬ 
stellten Mischung ist nicht zu konstatieren. 

Aus ähnlichen Rücksichten verglichen wir die Lösungen 
eines bestimmten Prozentgehaltes unserer Mischungen mit solchen 
Lösungen gleichen Gehaltes, welche aber von den früher unter¬ 
suchenden Autoren (Reithoffer) so hergestellt waren, dafs z.B. 
in eine 2proz. Karbolsäurelösung 2 g Seife zugefügt wurden. Es 
wäre immerhin nicht vollständig von der Hand zu weisen, dafs 
durch diese Zubereitung eine andere Beeinflussung der Des¬ 
infektionskraft resultiert. Es ergab sich z. B. folgendes: 

Tabelle Vm. 

Mischung: 10 Tropfen 40k Kultur -f- 20>0 ccm Wasser -f- 5,0 ccm Desinfi- 

ziens I resp. II. 


I = 4°/o wäfsrige Lösung von Acid. carb. crist. u. Sapokal. zu gleichen Teilen, 

II = 2°/ 0 wäfsrige Lösung von Acid. carbol. crist.; hierzu 2% Sapokalinus. 

Dauer der Einwirkung: 20 Min. Temperatur 16°. 



Zahl der Kolonien auf Platte 


a 

b 

c 

d 


1,0 ccm Mischung 

1,0 ccm a 

0,5 ccm b 

0,25 ccm c 


4- 9,0 ccm Gelatine 

4 9,0 ccm Gelatine 

4 9,6 ccm Gelatine 

4§- 9,75 ccm Gelatine 

i 

keine 

keine 

keine 1 2 3 * ) 

keine 3 ) 

11 

keine 

keine 

keine 3 ) 

keine 5 ) 


1) 4 qcm der Platte in Bouillon gelöst in den Brutschrank gebracht er¬ 
geben Wachstum von Typhusbacillen nach 2 Tagen. 

2) Wie oben; es entwickelt sich nichts. 

3) 4 qcm der Platte in Bouillon gelöst in den Brutschrank gebracht er¬ 

geben kein Wachstum. 


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238 Über die Bedeutung von Seifenzusatz za Desinfektionsmitteln. 

Auch dieser Versuch zeigt keine Veränderung der Desinfek¬ 
tionskraft infolge der Variation der Herstellung. 

Im Vergleich zu diesen Untersuchungen und den gefundenen 
Werten ist es von Bedeutung, die Schwankung der toxischen 
Wirkung je nach dem Verhältnis von Desinfiziens und Seife zu 
ermitteln. Hierbei möchte ich nicht versäumen, meinem Kol¬ 
legen, Herrn Dr. Fr. Erne, I. Assistent am hygienischen Institut 
in Freiburg i. Br., für manchen Rat und bereitwillige Unter¬ 
stützung aufrichtig zu danken. Wir wollen hier verzichten auf 
eine detaillierte Darstellung unserer Versuche. Vor allem aber 
sei bemerkt, dafs die von Husemann (»Toxikolog. Studien 
über Karbolsäure und Kreosot« deutsche Klinik 1871, S. 401) 
angegebene letale Dosis (für Acid. carb. crist.) 0,4—0,6 g bei 
subkutaner oder interner Applikation, auf 1000 g Kaninchen 
berechnet, als mafsgebend und richtig für Kaninchen befunden 
wurde, während häufig Werte zu niedrig angegeben sind. Natür¬ 
lich sind individuelle Einflüsse von grofser Bedeutung. Nachdem 
mehrere orientierende Experimente angestellt waren, wurden 
planmäfsig folgende 18 Versuche im Laufe mehrerer Wochen, 
stets an neuen Tieren vorgenommen. Die Präparate wurden mit 
50,0ccm Mucilago Salep vermengt und mit einem weichen Ka¬ 
theder per os eingeführt. Nach der Einführung der Mittel wurde 
2—3 Tage lang der Harn aufgefangen und untersucht. Besonder¬ 
heiten wurden nicht festgestellt. Nur war die Harnabscheidung 
in den ersten Stunden nach dem Versuch etwas vermehrt. 

(ßiehe Tabelle IX auf 8. 289 u. 240.) 

Ein völlig klares Bild ergeben diese Versuche nicht, bis¬ 
weilen findet sich die Beeinflussung durch individuelle Verschie¬ 
denheiten. Doch ist unleugbar, dafs in der grofsen Mehrzahl der 
Fälle beim Zusatz von Seife die Vergiftung unmittelbar und viel 
heftiger eintritt, ja unter Umständen den Tod bedingt, während 
gröfsere Mengen Karbolsäure mit geringeren Vergiftungssymptomen 
noch ertragen werden. Vielleicht könnte dies sogar darauf hin- 
weisen, in Fällen von Karbolsäurevergiftung das mehrfach ge¬ 
priesene therapeuthische Hilfsmittel, die Seife, lieber wegzulassen. 


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Tabelle IX. 


Von Dr. Otto Heller. 239 



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Fortsetzung zu Tabelle IX. 


240 Über die Bedeutung von Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. 


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Von Dr. Otto Heller. 241 

Die Folgerungen, welche man aus diesen Versuchen ziehen mufs, 
sind folgende: 

1. Sapokalinus (Pharm. Germ.) besitzt nur eine geringe des¬ 
infizierende Kraft. 

2. Mit Acid. carb. crist. pur. bildet er bis zu einem Ver¬ 
hältnis von 1 : 3 schon bei gewöhnlicher Temperatur ohne 
jeden weiteren Zusatz eine Lösung. . 

3. Die Desinfektionskraft des Acid. carbol. crist. pur. wird 
durch den Zusatz dieses Sapokalinus, welcher kein freies 
Alkali besitzt, gesteigert. 

Die Steigerung ist am gröfsten beim Verhältnis von 
1:1. Während Typhusbacillen in 20 Minuten von Acid. 
carbol. cristall. pur. erst durch eine öproz. Lösung ver¬ 
nichtet werden, werden sie in der gleichen Zeit bei 
Anwendung einer Mischung von gleichen Teilen Acid. 
carbol. cristall. und Sapokalinus durch eine 4 proz. 
Lösung abgetötet: man erreicht also den gleichen Erfolg 
mit weniger als der Hälfte Acid. carbol. crist. 

4. Überträgt man diese Erfahrungen mit Phenol und Seife* 
auf die in Wasser unlöslichen Kresole, so kann man den 
Schlufs ziehen, dafs die Verwendung von Seife bei der 
Herstellung von kresolhaltigen Desinfektionsmitteln nicht 
nur die Lösung der Kresole in Wasser ermöglicht in 
einer zur Desinfektion erforderlichen Konzentration, sondern 
dafs die Desinfektionskraft einer Kresolseifenlösung durch 
den Seifenzusatz erheblich gesteigert wird. 

Entweder ist die Erhöhung der Desinfektionskraft durch 
die an sich wenig wirksame Seife darauf zurückzuführen, 
dafs die Desinfektionsobjekte der wirksamen Substanz, 
d. h. dem Kresol zugänglicher gemacht werden, oder es 
kann sich aus Phenol resp. Kresol und Seife ein neuer 
kompliziert zusammengesetzter Körper von höherer Des¬ 
infektionskraft gebildet haben oder schliefslich die Lösung 
des Desinfiziens (Phenol resp. Kresol) erfährt durch den 


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242 Üb. d. Bedeutung v. Seifenzusatz zu Desinfektionsmitteln. Von Dr. Heller. 

Zusatz von Seife eine Steigerung des Dissoziationsgrades 
und damit eine höhere Wirksamkeit. 

Dieser Punkt ist zur Zeit noch Gegenstand weiterer Unter¬ 
suchung. 

Herrn Hofrat Prof. Dr. Schottelius, in dessen Institut 
und als dessen Assistent ich vorliegende Versuche anstellen konnte, 
möchte ich hiermit meinen aufrichtigen Dank aussprechen. 


Literaturverzeichnis. 

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W e r n i c h, Anleitg. z. Desinfektions verfahren, Reichsmedizinalkalender, 1884. 
M. Kuisl, Beiträge zur Kenntnis der Bakterien im normalen Darmtraktus. 
Dies., Mönchen, 1885. 

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Wien. med. Wochenschr., 1887, Nr. 19—21. 

Di Mattei, Sull’azione disinfettante dei saponi communi. Bollett. della 

R. Acad. med. di Roma, Anno XV, 1888/89. 

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Behring, Über Desinfektion, Desinfektionsmittel und Desinfektions¬ 
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F. X. Nigland, Über das Abtöten von Cholerabazillen im Wasser. Archiv 
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S. 460, 1893. 

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mit Kalkwasser. Zeitschr. f. Hyg., Bd. XXII, 1896. 

R. Reithoffer, Über die Seifen als Desinfektionsmittel. Archiv f. Hyg., 
Bd. XX VH, 1896. 

Serafini, Beitrag zum experimentellen Studium der Desinfektionsfäbigkeit 
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Foerster, Versuche über Wäschedesinfektion. Hyg. Rundschau, Bd. X, 
Nr. 11, 1900. 

Konradi, Über die bakterizide Wirkung der Seifen. Archiv f. Hvgiene, 
Bd. XXXXIV, 1902. 

H. Marx, Über die Desinfektionswirkung odorierender Substanzen in Seife. 
Zentral bl. f. Bakt., XXXHI, Nr. 1. 

Nacht, Über die Verwendung von Karbol Seifenlösungen zu Desinfektions¬ 
zwecken. Zeitschr. f. Hyg, Bd. VH, 1889. 

Ad. Heiller, Über die Wirksamkeit der Desinfektionsmittel bei erhöhter 
Temperatur. Archiv, f. Hyg., Bd. XV, 1892. 

Hen 1 e, Üb. Kreolin u. seine wirksamen Bestandteile. Arch. f.Hyg., Bd.IX, 1889. 
Schottelius, Vergleichende Untersuchungen über die Desinfektionskraft 
des Kreolins, Lysols u. der Karbolsäure. Mtinchn. med. Wochenschr., 1890. 
Th. Paul, Zur einheitlichen Wertbestimmung chemischer Desinfektions¬ 
mittel. Berlin, 1901. (Jul. Springer.) 

Husemann, Toxikologische Studien über Karbolsäure und Kreosot. Deutsche 
Klinik, 1871, S. 401. 


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Zur Biologie der Ruhrbacillen. 

Von 

Dr. Dombrowsky, Oberstabsarzt aus Rufsland. 

(Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin. Direktor: Geh. 

Medizinalrat Prof. Dr. Rubner.) 

Ungeachtet der in den Jahren 1898 bezw. 1900 erschienenen 
Arbeiten von Shiga 1 ) und Kruse 2 ), von denen der Erreger der 
Dysenterie in Japan und Westfalen entdeckt worden ist, ferner un¬ 
geachtet der im Jahre 1901 erschienenen Arbeiten von E. Pf uhl 8 ), 
Drigalski 3 ), Schmiedicke 3 ), Th. Müller 4 ) und Rosen¬ 
thal 5 ) (1902), welche Autoren die Ubiquität des Dysenterie- 
Erregers in allen Fällen von Dysenterie-Erkrankung in Ost- 
preufsen, Österreich und Rufsland bestätigt haben, schliefslich 
trotz des sowohl von der Mehrzahl der oben genannten 
Autoren erbrachten, wie auch namentlich aus den Arbeiten von 
Martini und Lentz 6 ) hervorgehenden Beweises der Identität 
der gefundenen Bacillen, können die biologischen Eigentümlich- 

1) K. Shiga, Über den Erreger der Dysenterie in Japan. Zentralbl. f. 
Bakt, 1898, Bd. XXIII, Nr. 14, 8. 599. 

2) Kruse, Über die Ruhr als Volkskrankheit und ihren Erreger. Deutsche 
med. Wochenschr., 1900, Nr. 40. 

3) Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militär-Sanitätswesens. 1902, 
H. 20. 

4) Th. Müller, Über den bakteriologischen Befund bei einer Dysenterie¬ 
epidemie. Zentralbl. f. Bakt, 1902, Bd. 31, H. 12. 

5) Rosenthal. Deutsche med. Wochenschr, 1903, Nr. 6. 

6) Martini und Lentz, Über die Differenzierung der Ruhrbacillen. 
Zeitschr. f. Hyg., Bd. 41, H. 3. 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 17 


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244 


Zur Biologie der Ruhrbacillen. 


keiten der Dysenteriebacillen bis auf den heutigen Tag als voll¬ 
ständig klargestellt nicht betrachtet werden. Letzteres bezieht 
sich sögar auf Fragen von so hervorragender Wichtigkeit, wie 
diejenigen des Wachstums, der Lebensdauer und des Absterbens 
der in Rede stehenden Bacillen. 

Über die besten Wachstumsbedingungen der Dysenteriebacillen. 

Hinsichtlich der Reaktion des Nährmediums, welche für das 
Wachstum der Dysenteriebacillen die günstigsten Bedingungen 
schafft, finden wir bei Shiga 1 ) folgendes: >Im allgemeinen sind 
Nährböden von etwas starker Alkalinität zu empfehlen.« Dem¬ 
gegenüber lesen wir bei Lentz 2 ) folgenden bezüglichen Hinweis: 
»Am besten gedeiht er (d. h. der Dysenteriebacillus) bei leicht 
alkalischer Reaktion des Nährbodens.« 

In Anbetracht dieses augenscheinlichen Widerspruches drängt 
sich einem unwillkürlich die Frage auf, welche Reaktion des 
Nährbodens ist nun diejenige, die das^Wachstum der Dysenterie¬ 
bacillen am meisten fördert. 

Zur Lösung dieser Frage habe ich eine Reihe entsprechender 
Experimente angestellt. 

Um Ruhrbacillen zu haben, die sich einem Nährmedium von 
bestimmter Reaktion nicht akkommodiert haben, nahm ich zu 
meinen Experimenten solche aus einem indifferenten Nährmedium, 
wie es z. B. sterilisiertes Leitungswasser ist. Ich verfuhr dabei 
folgendermafsen: 

In 10 ccm sterilisierten Leitungswassers brachte ich eine Öse 
Agar-Strichkultur hinein und zerrieb die letzte in der Flüssigkeit 
selbst. Nach 48 Stunden entnahm ich dieser Suspension 1 ccm 
und brachte es wiederum in 10 ccm sterilisierten Wassers, von 
welch letzterem nach 24 Stunden 1 ccm in ein Tropfglas A 
nebst 25 ccm sterilisierter Kochsalzlösung (0,85%) gebracht wurde; 
aus dem Tropfglas A brachte ich dann 5 Tropfen in ein Tropf- 

1) Shiga, Überden Dysenteriebacillus. Zentralbl. f. Bakt., 1898, Bd. 24, 
8. 824. 

2) Lentz, Dysenterie. Handbuch f. path. Mikroorganismen von Kolle 
u. Wassermann, S. 317. 


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Von Dr. Dombrowsky. 


245 


glas B , welches gleichfalls 25 ccm derselben Kochsalzlösung ent¬ 
hielt. Ich hatte also 2 Tropfgläser (A und B) mit ungleichem 
Ruhrbazillengehalt in sterilisierter Kochsalzlösung. 

Meine ersten Untersuchungen zur Bestimmung der Reaktionen, 
welche das Wachstum der Ruhrbazillen am meisten begünstigen, 
machte ich mit festen Nährmedien, nämlich mit Gelatine, die 
zur Züchtung von Plattenkulturen gewöhnlich verwendet wird. 
Ich verfertigte 8 Gelatine-Abstufungen von normalsaurem Fleisch¬ 
wasser bis zu Gelatine, in der die gesamte Säure durch 1 / 6 Normal- 
NaHO-Lösung neutralisiert war, wobei als Indikator Phenolphthalein 
(Phenolphthaleinrotneutral) verwendet wurde. Bei allen meinen 
Experimenten bediente ich mich, den in der Arbeit von Ficker 1 ) 
enthaltenen Vorschriften entsprechend, eines gleichartigen Nähr¬ 
materials; das Fleischwasser bereitete ich in gröfseren Mengen, 
die Gelatine in 5proz. Konzentration; diese Gelatine gestattet das 
Aufbewahren der Platten bei einer Temperatur von 26—27° C. 

Von allen hergestellten Gelatine-Abstufungen wurden je 5 ccm 
in Reagenzgläschen gegossen und dann in je 2 Reagenzgläschen 
mit gleicher Gelatine-Abstufung 5 Tropfen der Suspension aus 
dem Tropfglas A bezw. B hinzugesetzt. Das Ganze wurde gründ¬ 
lich durchgemischt und dann zur Anlegung von Plattenkulturen 
verwendet; die Zahl der Platten betrug somit 32. 

Die Zahl der auf den Platten gewachsenen Kulturen wurde 
entweder mikroskopisch (Plattenzähler von Leitz, Objektiv 3, 
Okular 1 oder 4, Netzmikrometer) nach den in der Arbeit von 
Neifser 2 ) enthaltenen Angaben oder, wenn es die Zahl der 
gewachsenen Kolonien gestattete, unmittelbar durch makro¬ 
skopische Zählung festgestellt. 

Die von mir dabei erzielten Resultate sind aus den nach¬ 
stehenden Tabellen I und II zu ersehen. 


1) M. Ficker, Über Lebensdauer und Absterben von pathogenen 
Keimen. Zeitscbr. f. Hyg., Bd. XXIX, S. 14 u. ff. 

2) M. Neifser, Die mikroskopische Plattenzftblung und ihre spezielle 
Anwendung auf die Zählung von Wasserplatten. Zeitschr. f. Hyg., Bd. XX, 
8. 119. 

17 • 


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246 


Zur Biologie der Ruhrbacillen. 


Aus den untenstehenden Tabellen, sowie aus den aus denselben 
sich ergebenden Kurven geht hervor, dafs die gröfste Kolonien¬ 
zahl bei amphoterer Reaktion des Nährmediums gewachsen ist; 
die verschiedenen Grade der Alkalinität des Nährbodens üben 
mit Ausnahme der stark alkalischen Reaktion keinen bemerk¬ 
baren Einflufs auf die Anzahl der wachsenden Kolonien aus, 
welch letztere unabhängig von dem Alkalinitätsgrade gleich gut 
wachsen; bei stark ausgesprochener alkalischer Reaktion des Nähr¬ 
bodens verringert sich die Zahl der auf demselben wachsenden 
Kolonien. Desgleichen erhält man eine relativ geringere Kolonien¬ 
zahl auch beim Wachstum der Ruhrbacillen auf einem vollständig 
sauren Nährboden (Gelatine + normalsaures Fleischwasser), wobei 
die Kolonienzahl mit der fortschreitenden Verringerung der 
Acidität des Nährbodens allmählich zunimmt. 


Tabelle I. 


! 

Säure 

normale 

4 /. s. 

h. s - r, s s-i'v. s-b« s - 

nicht neutralisierte 

v, s. 

l'henol- 

phthalein- 

rot-neutral 

Quantität d. Ver 
wendeten */ 5 Nor- 
mal-NaHO 
in ccin 


2,2 

2,7 

5,4 

7,2 


8,8 

10,8 

I. Verdünnung 

a. 19109 

23 306 

24 885 

29 208 

26 527 

25 367 

26 802 

24 697 


ß. 21344 

23 717 

26 287 

29 898 

26 287 

27 379 

26 053 

! 23 833 

II. Verdünnung 

a. 149 

184 

191 

237 

214 

199 

209 

| 190 

(Makrosk.) | 

ß. 156 

189 

214 1 

231 

211 

213 

202 ! 

184 

Lackmuspunkt 

i 

Saure Reaktion 

Ampho¬ 

tere 

Reakt. 

Alkalische Reaktion 

i 

t 

Stark 

alkalisch 


Tabelle II. 


Dieselbe Tabelle wie die vorstehende mit abgerundeter Kolonienzahl. 



S. 

V. s. 

! •/« s. ! 

jj 

V. & 

v. s. 

\ 8. 

l U s., 

i 

Phenol- 
phthalein- 
j rot-neutral 

I. Verdünnung 

20 

24 

26 1 

30 

; 26 

26 

26 

!! 24 

in Tausenden 

> i 


! 


1 




II. Verdünnung ( 

150 

190 

200 

230 

210 

210 

210 

190 


Lackmuspunkt 


Saure Reaktion Ampho- Alkalische Reaktion Stark 
ji tere j alkalisch 

I! Reakt. 'i 


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Von Dr. Dombroweky. 247 

Di© eben gefundenen Werte der absoluten Keimzahl der 
Kolonien graphisch dargestellt, geben folgende Kurven: 



Um den Einflufs der Reaktion des Nährbodens auf das Wachs¬ 
tum der Ruhrbazillen auf flüssigem Nährboden zu erforschen, 
stellte ich, die Experimente mit Gelatine berücksichtigend, nur 
5 Bouillonabstufungen her und zwar von normalsaurem Fleisch¬ 
wasser bis zu vollständiger Neutralisierung der Säure mittels 
% Normal-NaHO-Lösung. Zu 5 Tropfgläsern mit je 20 ccm Bouillon 
von verschiedener Reaktion wurden je 0,5 ccm der oben näher 
bezeichneten Suspension von Ruhrbacillen in sterilisiertem 
Leitungswasser hinzugesetzt. Da die Gröfse der Tropfen der 
verwendeten Tropfgläser verschieden war, mufste zuvor die Gröfse 
des Tropfens eines jeden der angewendeten Tropfgläser bestimmt 
werden, was auch gemäts den in der Arbeit von Ficker 1 ) ent- 

1) M. Ficker, Über Wachetumsgeschwindigkeit des Bacterium coli 
commune auf Platten. Inaugural-Dissert., Leipzig, S. 12 u. ff. 


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248 


Zur Biologie der Ruhrbacillen. 


haltenen Angaben geschah, worauf alles in eine Kubikeinheit 
umgerechnet wurde. Für die Platten wurde Gelatine von für 

g 

das Wachstum der Kolonien günstigster Reaktion - hergestellt 

und aus jedem Tropfglas wurden je 5 Tropfen in je 2 Reagenz¬ 
gläschen mit Gelatine gebracht, um je 2 Platten zu gewinnen. 
Die erzielten Resultate sind aus der nachstehenden Tabelle zu 
ersehen. 

Aus den in der Tabelle notierten Untersuchungsergeb¬ 
nissen, sowie aus den Kurven geht hervor, dafs auch in 
flüssigem Nährboden die amphotere Reaktion desselben die¬ 
jenige ist, welche das Wachstum der Ruhrbacillen am meisten 
begünstigt, während deutlich ausgesprochene alkalische Reaktion 
das Wachstum der Kolonien zunächst sogar verlangsamt. 


Tabelle III. 



8. 

*/ 4 s. 

1 

V, 8. 

*/ 4 S. 

Phenol- 

phthalein- 

rot-neutral 

Bouillon¬ 

trübung 

Quantität der 
verwendeten 
V 5 Norraal- 
Na HO-Lösg. 
zu 60 ccm 

' 

2 

4 

6 

8 


Aussaat 

0,5 ccm Suspension der Ruhrbacillen in Ac 
zu fünf Tropfen 

[ua ster. 

Ernte nach 
V, k bei 37° 
in 1 ccm 

1173 

1250 

1300 

1080 

428 

klar j 

Nach 6 b bei 
37 0 in 1 ccm 

3903 

3933 

4010 

3372 

24 

klar 

Nach 9 h bei 
37° in 1 ccm 

7590 

8953 

9480 

4516 

32 

klar 

Nach 24 k bei 
37 0 in 1 ccm 

Auf allen Platten unzahlbare Mengen 
gewachsen 

stark 

getrübt 

Lackmuspkt. 

Saure 

Reaktion 

Ampho- [ 
tere 

Reaktionj 

Alkali- | 
sehe ! 
Reaktion 1 

Stark 

alkalisch 

1 

i 


Auf 2 Gela¬ 
tineplatten 
bei 26° nach 
24 k zu 6 Kol. 

Die Platten 
wurden 
nach 48 h 
bei 26° 0. 
gez&hlt 


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Von Dr. Dombrowsky. 249 

Die gefundenen Werte der Keimzahl der Kolonien, in einer 
Kubikeinheit graphisch dargestellt, geben folgende Kurven: 



Alles in allem kann man aus den vorstehenden Ausführungen 
den Schlufs ziehen, dafs die Ruhrbacillen, wenn auch die für 
deren Wachstum günstigste Reaktion sowohl auf festen, wie auch 
auf flüssigen Nährböden die amphotere Reaktion ist, während 
die alkalische Reaktion auf das Wachstum der in Rede stehenden 
Bakterienart sogar etwas hemmend einwirkt, sich nichtsdesto¬ 
weniger, wie dies auch aus den obenstehenden Tabellen hervor¬ 
geht, durch die Fähigkeit, sich allen möglichen Schwankungen 
der uns bekannten Reaktionen zu akkommodieren, auszeichnen. 
Durch diese Eigenschaft unterscheiden sich die Dysenterie¬ 
bacillen von allen anderen pathogenen Bakterien, wie z. B. des 
Choleravibrio, der schon in sehr schwach sauren Lösungen zu 
Grunde geht, oder den Typhusbacillen, für welche wieder eine 
saurere Reaktion vorteilhaft ist. Diese Akkommodationsfähigkeit 
der Ruhrbacillen ist in epidemiologischer Beziehung von hoher 
Bedeutung. 


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250 Zur Biologie der Ruhrbacillen. 

Absterben der Ruhrbacillen. 

'Das Austrocknen ist das wichtigste Mittel, welches Bakterien 
zu Grunde zu richten vermag. In Bezug auf den Einflufs des 
Austrocknens auf die Lebensdauer der Ruhrbacillen finden wir 
aber bei den Autoren, welche mit diesen Bacillen experimentiert 
haben, ziemlich unbestimmte Angaben. So sagt Kruse 1 ): »Scharf 
getrocknet, gehen sie schnell zu Grunde«. In derselben Rich¬ 
tung sagt Shiga 2 ): »Beim Austrocknen in der Luft bleiben sie 
(die Ruhrbacillen) mehrere Tage lang am Leben c. 

Um den Einflufs des Austrocknens auf die Lebensdauer der 
Ruhrbacillen zu studieren, verfuhr ich folgendermafsen: In 1 ccm 
sterilisierter Bouillon zerrieb ich eine Öse einer 20 Stunden alten 
Agar^Strichkultur, und von dieser Suspension zerrieb ich einen 
Tropfen mittels eines Glasspatels (wie dies bei der von Drigalski 
empfohlenen Methode geschieht), ohne den Spatel zuvor zu durch¬ 
glühen, auf 2 gewöhnlichen Agarplatten. 

Von der zweiten Agarplatte nahm ich von der 48 Stunden 
alten Oberflächenkultur kleine Bakterienmengen mittels Platin¬ 
nadel, von deren oberem Ende ein 3 mm langes Stück unter 
geradem Winkel abgebogen war; die Nadel wurde auf die Kolonie 
gelegt und die an derselben haftende Bakterienmenge auf ein 
12 qmm grofses Deckgläschen aufgetragen, wobei die auf getragene 
Bakterien menge in der Mitte des Deckgläschens einen ungefähr 
3 qmm grofsen Raum einnahm. Die Deckgläschen wurden, bevor 
auf dieselben die Ruhrbacillen aufgetragen wurden, für die Dauer 
von 1 j 2 Stunde in eine Chromatmischung (1 Teil chromsaures Kali 
und 4 Teile 25 proz. Schwefelsäure) gelegt, dann durch ausgiebiges 
Wässern unter der Wasserleitung und durch öfteres Abspülen 
mit destilliertem Wasser gereinigt, getrocknet und ausgeglüht. 8 ) 

1. Kruse, Weitere Untersuchungen über die Ruhr und die Ruhr¬ 
bacillen. Deutsche med. Wochenschr., 1901, Nr. 24, S. 387. 

2) Shiga, Studien über die epidemische Dysenterie in Japan, unter 
besonderer Berücksichtigung des Bacillus dysenter. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift, 1901, Nr. 45, S. 741. 

3) M. Ficker, Über Lebensdauer und Absterben von pathogenen 
Keimen. Zeitschr. f. Hyg., Bd. XXIX, S. 15. 


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Von Dr. Dombrowsky. 


251 


Hierauf wurden die Deckgläschen samt den Rulirbacillen in 
sterilisierte Petrischalen gelegt, welche ihrerseits in grofse Dosen 
gebracht und samt diesen in den Brutschrank bei 22°, bei 37°, 
sowie in den Eisschrank (10°—12°) gestellt wurden, um 
auch den Einflufs der Temperatur beim Austrocknen zu be¬ 
rücksichtigen. 

In gewissen Zeitabschnitten wurden die Deckgläschen mittels 
sterilisierter Pinzette in toto mitsamt der ausgetrockneten Keim¬ 
masse in Röhrchen mit 5 ccm sterilisierter Bouillon übertragen 
und in den Brutschrank bei 37° für die Dauer von 24 Stunden 
gestellt, worauf die Röhrchen untersucht und aus denjenigen, die 
Trübung zeigten, von Zeit zu Zeit Plattenkulturen zur Kon¬ 
trolle angelegt wurden. Die Resultate, welche ich dabei erzielt 
habe, ergeben sich aus folgender tabellarischer Zusammen¬ 
stellung, in der + letztes positives, 0 erstes negatives Resultat 
bezeichnet. 




r 37° | 

p : 22 • 

10- 

-12° 



+ 

0 

| + 

0 

+ 

0 

Material von 
einer 48 h < 
alten Kultur 

( Stamm Shiga i 
| Stamm Kruse 

12 Tg. 
11 . 

13 Tg. 
12 . 

14 Tg. 
14 . 

15 Tg. 
15 . 

|23 Tg. 

23 » 

1 

24 Tg. 

24 * 

Material von i 
einer 72 h J 
alten Kultur | 

| Stamm Shiga j 
| Stamm Kruse 

12 » 

12 » 

| 

13 » 

13 > 

15 > 

14 » 

16 » 
15 > 

1 

23 * 

23 * 

1 

24 » 
24 > 


Irgend ein mehr oder minder auffallender Unterschied beim 
Austrocknen zwischen einer 48 Stunden alten und einer 72 Stunden 
alten Kultur konnte nicht wahrgenommen werden, ebenso wie 
sich auch kein Unterschied zwischen dem Stamm Shiga und 
dem Stamm Kruse bemerkbar machte. Die konservierende 
Wirkung der Kühle trat hier stark zur Geltung, wobei die Tena- 
zität des Individuums mit dem Steigen der Temperatur sinkt; 
beim Austrocknen bei 10°—12° bleiben die Ruhrbacillen 23 Tage 
am Leben; bei 22° bleiben die Ruhrbacillen 14—15 Tage am 
Leben; bei 37° nur 11—12 Tage. 


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252 Zur Biologie der Ruhrbacillen. 

Verhalten der Ruhrbacillen im sterilisierten Leitungswasser. 

Indem ich die Dysenteriebacillen in sterilisiertes Leitangs¬ 
wasser brachte, um weitere Beobachtungen an diesen Bacillen, 
die einer so indifferenten Flüssigkeit entnommen waren, anzu¬ 
stellen, bot sich mir Gelegenheit, auch die Vitalität der Ruhr¬ 
bacillen in diesem Medium zu studieren. In ein sterilisiertes 
Tropfglas wurden 20 ccm von der Suspension der Ruhrbacillen 
in sterilisiertes Leitungswasser (2 Ösen Agarkultur in 20 ccm 
sterilisiertes Leitungswasser) gebracht. Unmittelbar nach der 
Übertragung der Dysenteriebacillen in das Wasser und nach 
gründlicher Schüttelung des Gefäfses wurden 2 Gelatineplatten 
(2 Tropfen = 0,1 ccm) besät, worauf das Tropfglas bei Zimmer¬ 
temperatur im Laboratoriumschrank, d. h. im Dunkeln, aufbewahrt 
wurde. Die Zählung der Kolonien wurde alle 8 Tage vorge¬ 
nommen. Die erste Aussaat wurde am 9. Januar gemacht, das 
letzte positive Resultat am 24. März erzielt, an welchem Tage 
die makroskopisch abgezählten Platten einen durchschnittlichen 
Gehalt von 610 Kolonien pro Platte, d. h. von 6100 Kolonien in 
1 ccm aufwiesen. Das erste negative Resultat, d. h. vollständige 
Sterilität der Platten, wurde am 31. März festgestellt. Im steri¬ 
lisierten Leitungswasser erhalten die Ruhrbacillen, indem sie an 
Quantität allmählich abnehmen, ihre Lebensfähigkeit bis 11 Wochen 
(74 Tage) lang. Wolffhügel und Riedel 1 ) haben bei ähn¬ 
lichen Untersuchungen mit Cholerabacillen im sterilisierten Lei- 
tuugswasser bei 15°—20 °C. eine starke Vermehrung der Bacillen 
bis zum 13. Tage, sowie eine längere Erhaltung der Entwicklungs¬ 
fähigkeit bis zum 32. Tage festgestellt. Die Dysenteriebacillen 
zeigen somit in letzterer Beziehung eine gröfsere Widerstands¬ 
fähigkeit. 

Verhalten der Ruhrbacillen in nichtsterilisierten Medien. 

Bei allen im nachstehenden angeführten, behufs Studiums 
der Lebensfähigkeit der Ruhrbacillen ausgeführten Experimenten 

1) Wolffhügel und Riedel, Die Vermehrung der Bakterien im 
Wasser. Arbeiten aus d. Kaiserl. Ges.-Amt, 1886. Zit. nach Loefflers: Das 
Wasser und die Mikroorganismen in Weyls Handbuch der Hyg., S. 677. 


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Von Dr. Dombrowsky. 


253 


habe ich mich zur Isolierung der letzteren der von v. Drigalski 
vorgeschlagenen Nährböden bedient. Zunächst verwendete ich 
das von diesem Autor speziell für Ruhrbacillen 1 ) vorgeschlagene 
Nährmedium, dann aber setzte ich zu diesem Nährmedium, weil 
auf demselben rasch verschiedenartige Saprophyten wachsen, die 
den Gang der Untersuchung, wie es auch Pfuhl 2 ) in seiner 
Arbeit hervorhebt, verdunkeln, Nutrose und Kristall violett hinzu, 
wie es v. Drigalski für Untersuchungen auf Typhusbacillen 
vorgeschlagen hat. Zwar wachsen die Ruhrbacillen auf diesem 
Nährboden nicht so gut, dafür wird aber dieser letztere nicht so 
rasch von allen möglichen anderen Bakterien verunreinigt, was 
bei der Herstellung eines Nährbodens für eine gröbere Anzahl 
von Platten von nicht geringer Bedeutung ist. Anderseits ist 
es sehr schwer, den von v. Drigalski 3 ) vorgeschlagenen spe¬ 
ziellen Nährboden für Ruhrbacillen in Vorrat zu halten, und zwar 
nicht nur auf Platten ausgegossen, sondern selbst in Kolben, wo 
mit der Zeit Verunreinigung durch Luftkeime eintritt, Lackmus 
reduziert und der Nährboden aufgehellt wird. 

a) Auf getrocknetem Brot. 

Bei der Infizierung des Brotes verfuhr ich folgendermafsen: 
1 Agarstrichkultur wurde in 5 ccm sterilisierter Bouillon aufge¬ 
schwemmt und die gewonnene Aufschwemmung mit 5 ccm 
flüssigen Stuhls vermengt. Diese Mischung wurde dann mittels 
eines Platinpinsels aufgetragen. 

Ein Stück sogenannten Hamburger Schwarzbrotes wurde in 
Schnitten von 15 X 18 X 2 und ein Stück Pumpernickel in 
Schnitten von 8 X 5 X 1 24 Stunden lang im Brutschrank bei 
56° C. getrocknet. Mittels eines Platinpinsels wurden die getrock¬ 
neten Brotschnitten infiziert, und zwar auf Anraten des hochver¬ 
ehrten Herrn Geheimrats Prof. Dr. Rubner sowohl in der Mitte 
wie auch an der oberen und unteren Rinde. Das Brot wurde 

1) Dr. v. Drigalski, Untersuchungen. Veröffentlichungen ans dem 
Gebiete des Militär-Sanitäts*Wesens, 1902, H. 20, S. 89. 

2) Prof. E. Pfuhl. Zeitschr. f. Hyg., 1902, Bd. 40, S. 557. 

3) v. Drigalski und Conradi, Verfahren zum Nachweis der Typhus¬ 
bacillen. Zeitschr. f. Hyg., 1902, Bd. XXXIX, S. 283. 


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254 


Zur Biologie der Ruhrbacillen. 


mit der oben angegebenen Mischung reichlich bestrichen, worauf 
es in grofße Dosen gelegt und mitsamt denselben für die Dauer 
von 24 Stunden in den Schrank gestellt wurde. Hierauf wurde 
mittels ausgeglühten und darauf erkalteten Messers die ober¬ 
flächliche Schicht von einer ungefähr 1 qcm grofsen Fläche ab¬ 
geschabt und in ein sterilisiertes Blockschälchen zugleich mit 
10 Tropfen sterilisierter Bouillon gebracht. Die Masse wurde 
dann mittels eines sterilisierten Glasstabes zerrieben und hierauf 
mittels Glasspatels auf den in grotsen Platten formierten Nähr¬ 
boden aufgetragen. Die Platten wurden nach 24—30 Stunden 
besichtigt und die verdächtigen Kolonien untersucht. Zunächst 
wurde im hängenden Tropfen untersucht, ob nicht die der ver¬ 
dächtigen Kolonie entnommenen Bakterien Eigenbewegung auf¬ 
weisen. Zeigten die Bakterien keine Eigenbewegung, so wurde 
die entsprechende Agglutinationsprobe mit dem spezifischen Serum 
(gewöhnlich in einer Verdünnung von 1:20) gemacht; fiel die 
Agglutinationsprobe positiv aus, so wurden gefärbte Deckglas¬ 
präparate angefertigt, und in einigen Fällen wurde der Rest der 
Kolonie auf ein Schrägagarröhrchen übertragen und die gewonnene 
Kultur durch gewisse Nährmedien (Zuckeragar, Milch) durchge¬ 
führt. In derselben Weise verfuhr ich bei allen meinen weiteren 
Untersuchungen. 

Von der Brotrinde, der oberen sowohl wie der unteren, 
konnte man schon am dritten Tage keine Ruhrbacillen mehr 
züchten. 


Versuch: Rinde 


+ 0 
obere 24 h 72 h 

untere 24 h 72 h - 

Von der Krume konnten Ruhrbazillen noch nach 5 Tagen 
gezüchtet werden. 

+ 0 

Brotkrume 5 Tg. 6 Tg. 


b) Verhalten der Ruhrbacillen auf Kartoffeln. 

Dieselbe Mischung (dünner Stuhl -f- Aufschwemmung der 
Agarkultur) wurde mittels eines Platinpinsels auf Kartoffeln, die 


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Von Dr. Dombrowsky. 


255 


auf dem Markte gekauft waren, aufgetragen und in den Eis¬ 
schrank (10°—12°) unter Ausschlufs des Lichtzutritts gebracht, 
um ungefähr dieselben Verhältnisse zu schaffen, unter welchen 
Kartoffel im Keller gewöhnlich auf bewahrt werden. Hierauf 
wurde mittels Platinspatels vorsichtig, ohne stark aufzudrücken, 
von den Kartoffeln, und zwar von einer 1 qcm grofsen Fläche, 
die oberflächliche Schicht abgeschabt und die gewonnene Masse, 
wie oben geschildert, mit Bouillon in Blockschälchen zerrieben. 
Bei dieser Versuchsanordnung konnte man das Vorhandensein 
von Ruhrbacillen auf den Kartoffeln 3 Tage lang feststellen. 

c) Verhalten der Ruhrbacillen in Milch. 

Bezüglich der Haltbarkeit der Ruhrbacillen in der Milch 
finden wir Angaben in den Arbeiten von Pfuhl und Schmidt. 
Bei Pfuhl 1 ) hielten sich in der Milch die Ruhrbacillen in einer 
Probe 8 Tage, in einer anderen 27 Tage, bei Schmidt 2 ) hielten sie 
sich in einer gewöhnlichen Kaffeemilch bei Zimmerwärme 68 Tage. 

Um in Erfahrung zu bringen, ob nicht die Beschaffenheit 
der Milch von Einflufs auf die Haltbarkeit der Ruhrbacillen ist, 
habe ich Untersuchungen mit Vollmilch und Magermilch ange¬ 
stellt, die den durch die Stadt fahrenden Milchwagen entnommen 
wurde. Zu J j 2 1 Milch wrnrde eine Aufschwemmung von einer 
Ruhr-Agar-Strichkultur in 5 ccm derselben Milch hinzuge¬ 
setzt. 2 Proben der zu untersuchenden Milch und zw r ar je ! / 2 1 
Voll- und Magermilch wurden bei Zimmertemperatur in Erlen- 
may er sehen Kolben, die mit angebranntem Wattepfropfen ge¬ 
schlossen waren, in den Schrank gestellt. Zugleich wurde eine 
Milchprobe ( J / 2 1 Vollmilch) in den Eisschrank gebracht. Die 
Milch wurde alle 3 Tage 2 Tage hintereinander untersucht, wo¬ 
bei folgende Resultate festgestellt worden sind: 

+ 0 

Vollmilch (Zimmertemperatur) 20 Tg. 21 Tg. 

Magermilch » i 24 » 25 » 

Vollmilch (10°—12°) 24 > 25 > 

1) Prof. Pfuhl. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankheiten, 190*2, Bd. 40- 

2) G. Schmidt, Zur Frage der Widerstandsfähigkeit der Shiga-Kruse- 
schen Rnhrbacillen. Zentralbl. f. Bakt., Bd. XXXIa, Nr. 11, S. 522. 


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256 


Zur Biologie der Ruhrbacillen. 


Die Ruhrbacillen sind nicht nur in der Magermilch länger 
am Leben geblieben, sondern auch in bedeutend gröfserer Quan¬ 
tität auf aus der Magermilch angelegten Plattenkulturen gewachsen, 
so dals die Magermilch unbedingt als ein für die Ruhrbacillen 
günstigerer Nährboden betrachtet werden kann als die Vollmilch. 
Der konservierende Einfluls der Kühle ist auch hier zutage 
getreten. 

Über das zur Identifizierung der Ruhrbacillen verwendete 

Ruhrserum. 

Zur Identifizierung der Ruhrbacillen bediente ich mich des 
Blutserums von Kaninchen, denen unter die Bauchhaut abge¬ 
tötete Kulturen in immer steigenden Quantitäten injiziert wurden. 
Dem einen Kaninchen wurden subcutane Injektionen von Ruhr¬ 
bacillen des Shigaschen, dem anderen solche von Ruhrbacillen 
des Kruseschen Stammes gemacht. 

I. Einem schwarzen Kaninchen von 2490 g Körpergewicht 
wurden im Dezember 1902 3 Injektionen (0,02 Agar-Strichkultur, 
sowie 0,05 und 0,5 Agarkultur vom Shigaschen Stamme) mit 
einem Abstande von 8 bezw. 14 Tagen gemacht. 10 Tage nach 
der letzten Injektion agglutinierte das Serum dieses Kaninchens 
die Ruhrbacillen in einer Verdünnung von 1 :30, d. h. A 2 = 30. 
Dieses Kaninchen wurde 2 Monate lang nicht weiter behelligt, 
worauf die Prüfung des Serums A 2 = 5 ergab. 

Am 27. Februar 1903 wurde diesem Kaninchen (S.), dessen 
Körpergewicht immer noch 2490 g betrug, 1 ccm von einer Agar- 
Strichkulturaufschwemmung in Bouillon (1 :10), d. h. 0,1 Agar¬ 
kultur subcutan injiziert. 

Am 28. Februar wog das Kaninchen 2425 g. 

Am 7. März wurden dem Kaninchen, dessen Körpergewicht zur 
Zeit 2530 g betragen hat, 10 ccm Blut abgezapft, wobei die Agglu¬ 
tination skraft des Blutserums mikroskopisch und makroskopisch 
1:5, 1:10, 1:20, nur mikroskopisch 1:30, 1:50 ausmachte. Die 
mikroskopische Beobachtung wurde 2 Stunden lang geführt, die 
Reagenzgläschen makroskopisch nach 24 Stunden besichtigt. Wir 
wollen hier somit A 2 = 50 bezeichnen. 


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Von Dr. Dombrowsky. 


257 


9, März. Dem Kaninchen, welches an diesem Tage 2515 g 
wog, wurden 1,25 ccm Aufschwemmung, d. h. 0,125 Agarkultur 
subcutan injiziert. Allmählich an Körpergewicht abnehmend, 
erreichte das Tier den höchsten Körpergewichtsverlust am 13. März, 
an welchem Tage dasselbe nämlich 2320 g wog. Dann begann 
das Tier wieder an Körpergewicht zuzunehmen und sich zu 
erholen. Am 18. März wurden dem 2465 g wiegenden Tiere 
wiederum 8 ccm Blut abgezapft. Die Agglutinationskraft des 
Blutserums war dieselbe wie am 7. März, d. h. A 2 = 50. 

23. März. Körpergewicht des Tieres 2450 g. Subcutane 
Injektion von 0,2 Agarkultur. 

26. März. Körpergewicht des Tieres beträgt 2250 g. 

30. März. Das Tier wiegt 2370 g und bekommt eine sub¬ 
cutane Injektion von 0,3 Agarkultur. 

Zum 1. April wog das Tier 2155 g. 

Am 7. April wurde dem Kaninchen, welches an diesem Tage 
2225 g wog, 1 j 2 Agarkultur injiziert. 

15. April. Das Tier wiegt 2160 g. Es werden 10 ccm Blut 
abgezapft. Agglutinationswert mikroskopisch und makroskopisch 
1: 10, 1 : 20, 1 : 30 und nicht deutlich 1 : 50; mikroskopischl : 100. 
Wir wollen A 2 = 100 bezeichnen. 

II. Einem weifsen Kaninchen (W.), welches 1525 g wog, wurde 
am 7. Februar, ohne vorangehende Injektionen von kleineren 
Quantitäten, 0,1 Agarkultur (1 ccm Aufschwemmung vom Stamm 
Kruse) injiziert. Innerhalb der folgenden 4 Tage sank das Körper¬ 
gewicht des Tieres immer mehr und mehr und betrug am 
11. Februar 1250 g; das Tier hat die Frefslust verloren, hatte 
starke Diarrhöe und zeigte am 3. Tage eine Lähmung der Hinter¬ 
beine, bei einer Temperatur von nicht über 34° C., und es schien, 
dafs das Tier zu Grunde gehen wird. Das Tier hat aber den 
so hohen Körpergewichtsverlust und Kräfteverfall überstanden, 
begann an Körpergewicht allmählich zuzunehmen und wog nach 
10 Tagen, vom Beginn des Experiments gerechnet, d. h. am 
17. Februar, 1375 g; an diesem Tage wurden dem Kaninchen 
10 ccm Blut abgezapft. A^ = 50 (mikroskopisch). Mikroskopisch 
und makroskopisch A = 1: 5, 1: 10, 1: 20 und 1: 30. 


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258 


Zur Biologie der Rubrbacillen. 


Am 23. Februar wurde dem Tiere, welches an diesem Tage 
1450 g wog, wiederum dieselbe Quantität, nämlich 0,1 Agarkultur 
injiziert; nach dieser Injektion sank das Körpergewicht des Tieres 
bis 1350 g, jedoch wurde der Körpergewichtsverlust von den 
früheren stürmischen Erscheinungen nicht mehr begleitet. 

4. März. Agglutinationskraft des Blutserums blieb dieselbe. 

6. März. Dem 1590 g wiegenden Tiere wurden 0,125 Agar¬ 
kultur subcutan injiziert. Das Körpergewicht des Tieres sank 
hierauf auf 1530 g. 

16. März. Blutentnahme. Agglutinationskraft wie früher. 

19. März. Das Tier wiegt 1740 g und bekommt 0,2 Agar¬ 
kultur injiziert. Hierauf unbedeutende Körpergewichtsabnahme 
(1710 g). 

26. März. Das Tier wiegt 1770 g. Es bekommt 0,3 Agar¬ 
kultur subcutan injiziert und verliert innerhalb der beiden folgen¬ 
den Tage 95 g an Körpergewicht (1G75 g). 

4. April. Es werden 9 ccm Blut abgezapft. A 2 = 150; 
makroskopisch A = 50. 

7. April. Körpergewicht des Tieres 1735 g. Es wird 1 j 2 Agar¬ 
kultur injiziert, worauf das Körpergewicht bis 1565 g sinkt. 

15. April. Blutentnahme. Das Blutserum zeigt dieselbe 
Agglutinationskraft wie früher (4. April). 

Das Blutserum des Tieres, welchem die Aufschwemmung 
vom Stamm Kruse injiziert worden war, agglutinierte den Stamm 
Shiga und umgekehrt: nur trat die Agglutination desjenigen 
Stammes, mit dem das Tier immunisiert worden war, einige 
Minuten früher ein. Die mikroskopische Untersuchung führte 
ich in der üblichen Weise aus (2 Stunden = A 2 ); die makro¬ 
skopische Untersuchung machte ich in kleinen Spitzgläschen nach 
Ficker 1 ), indem ich eine Öse Agarstrichkultur in 1 ccm der 
entsprechenden Lösung des Blutserums in Bouillon aufschwemmte. 
Bei der Identifizierung der von verschiedenen Nährböden ge¬ 
wonnenen Ruhrbacillen bediente ich mich einer Verdünnung von 
1:20, da die Ruhrbacillen bei dieser Verdünnung verh&ltnis- 


1) M. Ficker, Zar Agglutinationstechnik. Hyg. Rundschau, 1902, Nr. 22. 


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Von Dr. Dombrowsky. 


259 


mäfsig rasch (ungefähr A */ 2 Stunde = 20) agglutiniert wurden, 
während andere Bacillen auch innerhalb 24 Stunden selbst im 
Brutschrank bei 37° nicht agglutiniert werden. 

Überall, wo ich den verwendeten Ruhrbacillenstamm nicht 

besonders bezeichne, ist der Stamm Kruse verwendet worden. 

* * 

* 

Aus diesen mit dem Blutserum von Kaninchen angestellten 
Experimenten geht hervor, dafs man diese Tiere, wenn man sie 
auch behufs Gewinnung von Ruhrserum verwenden kann, es 
natürlich nur zu diagnostischen Zwecken, nämlich behufs Identi¬ 
fizierung der Ruhrbacillen tun kann. Der Übelstand, mit dem 
die Verwendung der Kaninchen verknüpft ist, liegt darin, dafs 
die Tiere auf die Injektionen besonders stark reagieren, so dafs 
man die Menge des zu injizierenden Materials bisweilen in grofsen 
Zeitabständen und mit gewisser Vorsicht steigern kann; ferner 
läfst sich von diesen Tieren kein hochwertiges Ruhrserum 
gewinnen; die Agglutinationskraft des Blutserums läfst, wenn 
keine wiederholten Injektionen gemacht werden, bemerkbar nach, 
wie dies aus dem Experiment mit dem ersten Kaninchen (S) 
hervorgeht, bei dem die Injektionen durch eine Zwischenpause 
von 2 Monaten unterbrochen waren. Übrigens ist eine so rasche 
Herabsetzung der Agglutinationskraft des Ruhrserums auch bei 
Menschen beobachtet worden, welche Dysenterie überstanden 
haben.*) 

* * 

* 

Aus den vorstehenden Ausführungen glaube ich folgende 
Schlulsfolgerungen ziehen zu können: 

1. Die amphotere Reaktion ist diejenige, welche das Wachs¬ 
tum der Ruhrbacillen sowohl auf festen wie auch auf flüssigen 
Nährböden am meisten begünstigt. 

2. Wenn auch die deutlich ausgesprochene alkalische Reaktion 
der Nährböden zunächst eine gewisse verlangsamende Wirkung 
auf das Wachstum der Ruhrbacillen ausübt, so vermögen doch 
die Ruhrbacillen nichtsdestoweniger sich in weitgehendstem Mafse 

1) E. Pfahl, Bakteriologische und mikroskopische Untersuchungen. 
Veröffentlichung aus dem Gebiete des Militär-Sanitäts wesens, 1902, H. 20, S. 75. 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVIL 18 


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260 


Zur Biologie der Ruhrbacillen. 


allen möglichen Schwankungen der uns bekannten Reaktionen 
zu akkommodieren; dadurch unterscheiden sich die Ruhrbacillen 
von anderen pathogenen Bakterien, wie z. B. von Choleravibrionen 
oder Typhusbacillen. Letzterer Umstand ist in epidemiologischer 
Beziehung von hoher Bedeutung. 

3. Auf Deckgläschen ausgetrocknet, behalten die Ruhrbacillen 
ihre Lebensfähigkeit je nach der Temperatur, der sie ausgesetzt 
waren, 11—23 Tage. 

4. Ein Unterschied beim Austrocknen konnte zwischen einer 
48stündigen und einer 72 stündigen Kultur nicht wahrgenommen 
werden. 

5. Im sterilisierten Leitungswasser erhalten die Ruhrbacillen 
ihre Lebensfähigkeit 74—77 Tage, d. h. bis 11 Wochen. 

6. Auf der Krume einer mit ruhrbacillenhaltigen Stühlen 
infizierten Brotschnitte bleiben die Ruhrbacillen 5 Tage am Leben, 
während sie auf der Brotrinde, und zwar sowohl auf der oberen 
wie auf der unteren, schon innerhalb der ersten zwei Tage zu 
Grunde gehen. Letzterer Beobachtung kann man eine gewisse 
Bedeutung beimessen, namentlich wenn man den üblichen stück¬ 
weisen Brotverkauf in Erwägung zieht. 

7. Auf mit ruhrbacillenhaltigen Stühlen infizierten Kartoffeln 
bleiben die Ruhrbacillen 3 Tage am Leben. 

8. Was das Verhalten der Ruhrbacillen in der Milch betrifft, 
so bleiben dieselben ceteris paribus in Magermilch nicht nur 
länger am Leben als in Vollmilch (24: 20 Tage), sondern erstere 
gibt für das Wachstum der Ruhrbacillen zugleich auch einen 
weit günstigeren Nährboden als Vollmilch ab. 

9. In der Frage der Identizität der Ruhrbacillen des Shiga- 
schen und denjenigen des Kruseschen Stammes glaube ich 
sowohl auf Grund des Verhaltens dieser beiden Ruhrbacillen¬ 
stämme dem Blutserum von entsprechend immunisierten Tieren 
gegenüber, wie auch auf Grund ihres Verhaltens beim Aus¬ 
trocknen auf Deckgläschen mich denjenigen Autoren anschliefsen 
zu sollen, die die vollständige Identizität der beiden Ruhrbacillen¬ 
stämme anerkennen. 

* * 

* 


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Von Dr. Dombrowsky. 


261 


Zum Schlüsse ist es mir eine durchaus angenehme Pflicht, 
Herrn Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Rubner für die Anregung 
zu dieser Arbeit und für das Interesse, welches er meinen Unter¬ 
suchungen stets entgegengebracht hat, sowie auch Herrn Privat¬ 
dozenten Dr. Ficker für den fördernden Rat, den er mir Tag 
ein Tag aus in der liebenswürdigsten Weise in Wort und Tat 
hat zuteil werden lassen, an dieser Stelle meinen ergebensten 
und tiefgefühlten Dank zu sagen. 


18 * 


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Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärme¬ 
strahlung. 

Experimentelle Studien. 

Von 

Dr. med. P. Schmidt. 

(Ans dem Institute für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg. Direktor: 

Hafenarzt Physikus Dr. Nocht.) 

Es ist bekannt, dafs die Symptome des Sonnenstiches im 
Gegensätze zum Hitzschlag schon in ganz kurzer Zeit eintreten 
können, ohne dafs irgend eine Erhöhung der Körpertemperatur 
statthat. Man wird also eine momentane Durchstrahlung oder 
doch wenigstens eine sehr rasch in die Tiefe dringende Erwärmung 
der gesamten Schädeldecke voraussetzen müssen zur Annahme 
einer so frühzeitigen Alteration der Gehirnrinde, wenn man nicht 
zu einer reflektorischen Wirkung von der Haut in die Tiefe seine 
Zuflucht nehmen will. 

Bei der erheblichen Dicke des Schädeldaches ist eine Durch¬ 
strahlung und selbst eine so frühe Durchwärmung keineswegs 
selbstverständlich. 

Der Verfasser machte es sich zur Aufgabe, diesen Fragen 
experimentell näher zu treten. 

Könnte erwiesen werden, dafs eine Durchstrahlung oder 
Durchwärmung in so kurzer Zeit schon bei künstlichen Wärme¬ 
quellen vorhanden ist, um wieviel mehr müfste es erst bei Sonnen¬ 
licht, besonders dem tropischen, der Fall seinl 


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Üb. Sonnenstich u. üb. Schutzmittel geg.Wärmestrahlg. Von Dr. P. Schmidt. 263 



Fig. 1. 


a Galvanometer, b Beobachtungs-Skala, c Lichtquelle zur Beleuchtung des Spiegels, 
d Drähte, zur Thermosäule führend. 



Fig. 2. 

t Sammeltrichter der Thermosäule. / Nernstlampe, g Zwischenschaltapparate. 
h Maelzelsches Metronom. 


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264 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 

Es war bei diesen Untersuchungen von Interesse, nächst 
dem Verhalten der gesamten Schädeldecke das der verschiedenen 
Gewebe, Haut, Fett, Muskel etc. einzeln zu prüfen. 



Flg. 3. 

a Mariottesche Flasche, b Zuführungsrohr, c Kammer zur Auftaahme des Stoffes, d Ver- 
bindung8schlauch zum Recknagclschen Manometer, t Recknagelsches Differentialmanometer. 
/ Manometer-Röhre, g Winkelniesser (zur Bestimmung des Elevationswinkels), h Ausflufs- 
öffnung (hier mit einem Schlauch verschlossen). 

Auch die Frage, welche Bedeutung der Art der Strahlen, 
den aktinischen und den thermischen, zukommt, fand besondere 
Berücksichtigung. Im Anschlüsse an diese Untersuchungen wurde 
eine Anzahl in den Tropen verwendeter Kopfbedeckungen und 
Kleiderstoffe auf ihre Durchlässigkeit und Absorptionsfähigkeit 
für Wärmestrahlen untersucht. Es wurden nur relative Werte 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


265 


ermittelt. Wer sich für das Verhältnis absoluter Wärmemengen 
und ihrer physiologischen Wirkung auf die Haut interessiert, 
kann sich in der klassischen Arbeit Rubners iDie strahlende 
Wärme irdischer Lichtquellen in hygienischer Hinsicht« (Archiv 
für Hygiene, Bd. XXIII, S. 87 ff.) auf das Beste orientieren. 
— Siehe auch Rubner »Vergleichende Untersuchungen der 
Hauttätigkeit des Europäers und Negers« (Archiv für Hygiene, 
Bd. XXXVIII, S. 148 ff.). 

Versuchsanordnung. 

Die Untersuchungen geschahen auf thermoelektrischem Wege 
mittels eines Galvanometers. Das zu prüfende Gewebe wurde 
eingeschaltet zwischen Wärmequelle und Thermosäule vor der 
25 qcm weiten Öffnung eines wärmeundurchlässigen Pappeschirms. 
Als Wärmequelle diente eine 65kerzige Nernstlampe im Abstand 
von 28 cm von der Rufsfläche der Thermosäule für tierische 
Gewebe, und im Abstand von 42 cm für Stoffe, ferner für eine 
Reihe von Untersuchungen auch Sonnenlicht. 

Die Wärmemenge, welche durch das Gewebe hindurch die 
Rufsfläche der Thermosäule traf, wurde durch die Ausschläge 
eines in den Stromkreis der Thermosäule eingeschalteten Galvano¬ 
meters gemessen. In den Fällen, wo die Dauer der Einwirkung 
der Wärmestrahlen nur 1 Sekunde betrug, wurde die Öffnung 
und Schliefsung des Wärmekegels mittels eines Thornton- 
Pickardschen Patentverschlusses besorgt, der nach den Schlägen 
eines Maelzelschen Metronoms reguliert wurde. Die gröfseren 
Zeitwerte von 15 Sekunden an wurden mit dem Sekundenzeiger 
einer Uhr gemessen; den Verschlufs bewerkstelligte in den letz¬ 
teren Fällen ein Asbestschirm. 

(Abbildungen siehe S. 263 und 264.) 

Untersuchungen tierischer Gewebe. 

Ganze Schädeldecke. 

Von besonderem Interesse war das Verhalten der Schädel¬ 
decke in ihrer ganzen Dicke, Dura mater, Knochen, Muskel, 
Fascie und Haut zusammen. Es wurde eine 12 mm dicke, so¬ 
eben der frischen Leiche entnommene Schädelkalotte mit einer 


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266 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 

dünnen schwarzen Haarschicht (die einzelnen Haare waren etwa 
5 mm lang) eingeschaltet. Die Haarschicht war, den natürlichen 
Verhältnissen entsprechend, der Wärmequelle zugekehrt. Im 
folgenden ersieht man die Ausschläge des Galvanometers nach 
1, 15 Sekunden bis 3 Minuten bei einem Abstande der Nernst¬ 
lampe (des Glühfadens) von 28 cm von der Rufsfläche. Alle 
Zahlen sind Durchschnittswerte aus einer grofsen Reihe von Ein¬ 
zelbeobachtungen, zwischen denen der Thermosäule Zeit zur Ab¬ 
kühlung gelassen wurde. 


'■".ll - " 

[ 1 Sek. 

15 Sek. 

Dau 

30 Sek. 

ier der Exposi 

45 8ek. 60 Sek. 

ition 

IV* M3n. 

2 Min. 

3 Min. 


Ausschlag i 
des 1 
Galvano- f 
meters j 

0 

3.5 

8 

10,5 

| 

14,5 

20,5 

30,5 

57,5 

| Millimeter 
{d. Beobach- 
| tungs-Skala 


Bemerkenswert ist, dafs sich der Spiegelreflex auf der Be¬ 
obachtungsskala schon nach 5 Sekunden zu bewegen begann. 
Eine Erwärmung der der Rufsfläche der Thermosäule gegenüber¬ 
liegenden Dura mater durch Leitung von der Wärme absorbieren¬ 
den Haut- und Haarschichte her ist ausgeschlossen, wie experimen¬ 
tell durch Anlegen heifser Körper an das zu prüfende Gewebe dar 
getan werden konnte. Also ist dieser Anfangsausschlag in der 
Hauptsache durch Summation der momentan hindurchgehenden, 
nicht absorbierten Wärmestrahlen entstanden. Da die Diather- 
manität der Gewebe für dunkle Wärmestrahlen in Übereinstim¬ 
mung mit den sonst in der Physik für dunkle Wärmestrahlen 
geltenden Gesetzen eine sehr geringe ist, wird man diese mehr 
oder weniger momentane Wirkung hauptsächlich den hellen 
Wärmestrahlen des Nernstlichts zuschreiben müssen. Durch Ein¬ 
schaltung einer Jodschwefelkohlenstoff-Kuvette mit dünnen Glas¬ 
wänden konnte ich die Richtigkeit dieses Schlusses beweisen. 
Bekanntlich lälst eine Lösung von Jod in Schwefelkohlenstoff 
fast alle dunklen Wärmestrahlen durch, während die hellen ab¬ 
sorbiert werden. 

Die Ausschläge für die höheren Zeitwerte veranschaulichen 
die weitere Erwärmung der Thermosäule. Sie sind gleich der 
Summe der in jedem Momente weiterwirkenden Durchstrahlung 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


267 


und der Ausstrahlung der Schädeldecke, die durch allmähliche 
Absorption vornehmlich der dunklen Wärmestrahlen selbst zur 
Wärmequelle wird. 

Da das Maximum der Wärmewirkung beim Sonnenlicht im 
hellen Teile des Spektrums (bei gelb) im Gegensätze zu den künst¬ 
lichen Lichtquellen (hier liegt das Maximum im ultrarot) liegt, 
so wird man also bei der Bestrahlung des Schädels mit Sonnen¬ 
licht, besonders mit tropischem, auf eine viel intensivere momen¬ 
tane Durchstrahlung gefaTst sein müssen. 

Einzelne Gewebe. 

Es fragt sich jetzt, welche Rolle die einzelnen Gewebe bei 
dem Vorgänge der Durchstrahlung spielen. Zur Prüfung dieser 
Frage wurden die verschiedenen Gewebe, Haut, Fett, Muskel etc. 
in gleicher Weise wie die Schädeldecke untersucht, wiederum mit 
der 65kerzigen Nernstlampe als Wärmequelle und zwar in einem 
Abstand von 28 cm von der berufsten Fläche der Thermosäule. 
Die Expositionsdauer war 15 Sekunden, wo eine irgend erheb¬ 
liche Eigenstrahlung wohl noch nicht statthat. Um gleichmäfsig 
dicke Gewebsschichten hersteilen zu können, wurden Glaskästchen 
konstruiert, deren hintere Wand sich beliebig gegen die vordere, 
feste verstellen liefs. Diese Glaswände bestanden aus Spiegel¬ 
glas und waren beide je 1 mm dick, so dafs der Beobachtungs¬ 
fehler infolge Reflexion und Absorption am Glas bei allen Ver¬ 
suchen derselbe blieb. 

Hier die Resultate: 


Art des Gewebes 

1 

Dicke der 
Schichte 
ohne Glas 

Zeitdauer 
der Ein¬ 
wirkung 

Ausschlag 
des Gal- 
vanomet. 
in mm 

Muskel mit Fascie. 

3 

15 

73 

Fett (frisch von der Leiche). 

3 

15 

48 

Knochen (frisch abgeschliffen). 

3 

15 

30 

Gehirn (inkl. der grauen Rinde) .... 

3 

15 

12 

Blut (von 100 °/ 0 Hämoglobin, deflbriniert) 

3 

15 ! 

12 


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268 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 


Blut. 

Eingehender wurde das Blut auf sein Verhalten gegen 
Wärmestrahlen untersucht. Es war von vornherein wahrschein¬ 
lich, dafs anämisches Blut mehr diatherman als normales sein 
würde. Um dieser Frage experimentell näher zu treten, wurden 
deckfarbene Blutverdünnungen in physiologischer Kochsalzlösung 
auf 75°/ 0 , 50% und 25% aus einem 100°/ 0 Hämoglobin enhalten- 
den Blute hergestellt, ebenso lackfarbene in Leitungswasser, und 
in gleicher Weise wie die andern Gewebe untersucht. Hier die 
gefundenen Ausschläge und Kurven. 


Deckfarbene» Blut. Lackfarbene» Blut. 


Prozent¬ 

gehalt 

Dicke 

der 

Schichte 

in mm 

Zeit¬ 
dauer 
der Ein- 
wirkg. 
in Sek. 

! Ausschlag 
d. Galvano¬ 
meters 

in mm 

Prozent¬ 

gehalt 

Dicke 

der 

Schichte 
in mm 

Zeit¬ 
dauer 
der Ein- 
wirkg. 
in Sek. 

Ausschlag 
des Gal- 

vanomet. 

in mm 

100«/. 

3 

15 

12 

© 

H 

3 

1 

5 

75 »/„ 

3 

15 

9 

x • 0,75 »/. 

3 

1 

12 

© 

o 

o"" 

8 1 

15 

14 

x ■ 0,50 »/. 

3 

1 

48 

25»/. : 

i 3 

15 

32* 

x • 0,25»/. 

3 

1 

67 

o »/. = phy- 

3 

15 

nicht 

Leitungs- 

3 

1 

76 

siol. Koch* i 



mefsbar, 

wasser 




Salzlösung 1 



dazugrofs 

ohne Blut 





Deckfarbene» Blut. 

Bestrahlung mit Nernstlicht, Abstand 28 cm. 


40 



— 



r 




r 














j 











— 


/ 











7 \ 


20 

10 









/ 

y_ 

I 

3 


□ 




































100 % 75 % 50 % 25 > 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


269 


Laekfarbenes Blut. 

Bestrahlung mit Nernstlicht, Abstand 28 cm. 



Diese Untersuchungen wurden oftmals wiederholt und er¬ 
gaben stets Kurven von gleicher Tendenz. Danach steigt also 
die Diathermanität des Blutes bei höheren Graden von Anämie 
unverhältnismäfsig rascher als bei geringen. Die Diathermanitäts- 
werte des klaren Blutserums, der physiologischen Kochsalzlösung 
und des Wassers sind gleich, so dafs man wohl Verdünnungen 
in physiologischer Kochsalzlösung anämischem Blute gleich setzen 
darf. — So erklären sich vielleicht die häufigen Verwechslungen 
und Kombinationen zwischen Sonnenstich und iperniciöser Ma¬ 
laria«, die klinisch genau dasselbe Bild bieten können. — 

Von Interesse ist der regelmäfsig beobachtete Abfall der 
Kurve des deckfarbenen Blutes bei 75proz. Verdünnung. Diese 
geringere Diathermanität geht einher mit einem Hellerwerden des 
Rots infolge gröfserer Reflexion von auffallendem Licht. Vielleicht 
tritt bei nur geringem Zusatz von physiologischer Kochsalzlösung 
eine gewisse Oberflächenschrumpfung der Blutkörperchen ein, die 
eine gröfsere Unebenheit der Oberfläche und deshalb bedeutendere 
Reflexionsfähigkeit erzeugen würde. 

Muskel und Gehirn. 

Besondere Beachtung verdient ferner das Verhalten der 
Muskeln und des Gehirns strahlender Wärme gegenüber. Das 
dicke Muskelpolster, welches am Nacken zu beiden Seiten der 
Medianlinie die Gegend der Medulla oblong, mit ihren lebens¬ 
wichtigen Zentren schützt, verliert wesentlich an Bedeutung für 


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270 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 

den Schutz gegen strahlende Wärme, wenn man bedenkt, dals 
Muskel mit Fascie mehr als doppelt soviel Wärme durchläfst als 
eine gleich dicke Knochenschicht und 6 mal soviel als Blut. Die 
oberen Halswirbel aber dürften für den Wärmeschutz der Medulla 
oblong, kaum in Frage kommen. Aus dieser physikalischen Be¬ 
trachtung erhellt die Wichtigkeit des Nackenschutzes in den Tropen. 

Die geringe Diathermanität des Gehirns ist nur scheinbar 
zweckmäfsig. Da alle zuvor von den Wärmestrahlen passierten 
Schichten der Schädeldecke wärmedurchlässiger sind als Gehirn, 
so findet notwendig an der Grenze eine Arretierung der hellen 
Strahlen und also eine gröfsere Absorption statt. Die Reflexion an 
der grauen Rinde dürfte zu vernachlässigen sein. Dals es einen 
Unterschied machen mufs, ob dieselbe Wärmemenge in einer 
gröfseren (helle, tiefer eindringende Wärme!) oder geringeren Dicken¬ 
schichte (dunkle Wärme I) zur Absorption gelangt, liegt auf der Hand. 

Einflurs der Zirkulation. 

Alle bisherigen Untersuchungen wurden an frischen, aber 
abgestorbenen Geweben vorgenommen. Es entsteht die Frage, 
welchen Einflufs das zirkulierende Blut auf diese Verhältnisse 
ausübt. Zum Studium dieser Frage schien das Kaninchenohr 
besonders geeignet, da sich dort die Zirkulation durch eine Ab¬ 
klemmung leicht unterbrechen läfst. Der Versuch lehrte jedoch, 
dafs infolge Sistierung der Zirkulation sehr rasch eine Abkühlung 
des Ohres eintrat, welche die Durchstrahlung bei der Beleuchtung 
vollkommen kompensierte. Es wurde deshalb zu einem andern 
Verfahren gegriffen. Eine dünnwandige breitgedrückte Glasröhre 
wurde, vor der 1 qcm weiten Öffnung eines Pappeschirms be¬ 
festigt, mit einem hochgestellten Irrigator verbunden; am unteren 
Ende war für bequemen Abfluls der Flüssigkeit gesorgt, der 
durch einen Quetschhahn beliebig unterbrochen werden konnte. 
Die Versuche wurden zuerst mit stehender, sodann mit fliefsender 
Flüssigkeitssäule ausgeführt, das eine Mal mit Wasser, sodann mit 
defibriniertem Schweineblut. Wärmequelle war wiederum unsre 
Nernstlampe im Abstand von 42 cm. Das Niveau der Flüssig¬ 
keit war bei Wasser 20, bei Blut 50 cm über der Ausflufs- 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


271 


Öffnung. Hier die Galvanometer-Ausschläge und zugehörigen 
Kurven. (S. Tabelle S. 271.) 

Man sieht, dafs, wenigstens beim Blut, eine geringe Ver¬ 
minderung der Werte eingetreten ist. Der Fehler der Erwärmung 
der Glaswände liefs sich bei dieser Versuchsanordnung nicht um¬ 
gehen. Es dürfte jedoch bei einem Niveauunterschiede von 50 cm 
zwischen Ausflufsöffnung und oberem Spiegel und der daraus 
resultierenden Zirkulationsgeschwindigkeit {v = ]/ 2g • h) sehr ge¬ 
ring sein. Zwischen der stehenden und fliefsenden Wassersäule 
ist überhaupt kein wesentlicher Unterschied vorhanden. Die 
Kurve stellt einfach die Summation der momentan durchgehen¬ 
den Wärmemengen dar. Alle 4 Kurven sind annähernd die einer 
gleichförmig fortschreitenden Bewegung. — Danach sind wir be¬ 
rechtigt, die Fehler, welche wir begehen, wenn wir an Leichen¬ 
teilen arbeiten, zu vernachlässigen. 


Verwandte Flüssig- 


Galvanometerausschläge nach 


keit 

1 Sek. 

15 Sek. 

30 Sek. 

45 Sek. 

60 Sek. 

IV. Min. 

2 Min. 

3 Min. 

Wasser (stehend) 

3,5 

13 

18 

23 

26 

33 

41 

56 1 

Wasser (fliefsend) 

3,5 

14 

20 

24 

28 

36 

41 

57 f 

Blut (stehend) 

0 

o 

1 

3 

5 

10 

16 

28 1 

Blut (fliefsend) 

0 

0 

0 

. 1 

3 

7 

12 

22 | 


Durehstrahlung bei stehender and fllefsender Flttssigkeitssüule. 

Wasser und Blut. 



■ Wasser, stehend 1 obere ■■ ■■ Blut, stehend I untere 

-Wasser, fliefsend ) Kurven. -Blut, fliefsend [Kurven. 

Schwarze und weifee Haut. 

Es folgen einigeUntersuchungen über das Verhalten weifser und 
schwarzer Haut (Negerhaut). Es wurden das eine Mal in Kaiserling 


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272 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 

konservierte gleichdicke Stücke, das andere Mal ausgespannte, völlig 
(frische) von derselben Körperstelle stammende weifse und schwarze 
und auch getrocknete Hautportionen verglichen, die ersteren 
zwischen den schon früher erwähnten locker aufgelegte Glaswänden, 
die trockenen ohne dieselben. Die gefundenen Ausschläge sind die 
folgenden: 



Dicke 
in mm 

Zeitdauer 
der Be¬ 
strahlung 

Aus¬ 
schläge d. 
Galvano¬ 
meters 

Weifse Haut (ohne Fett) 

1 

15 

134 1 

Schwarze Haut (ohne Fett) 

1 

15 

65 j 



Dicke 1 

i 


Galvanometer Ausschläge nach 



in mm 

1 Sek. 

115 Sek. 

30 Sek. 

45 Sek. 

60 Sek. 

IV. Min. 

2 Min. 

8 Min. 

Weifse Haut ‘ 

2,5 

2,5 

1 10 

15 

20 

r 23 

32 

39 

55 l 

(frisch) 

Schwarze Haui 

1,5 

3 

| 10 

1 16 

22 

28 

38 

49 

69 J 

. (frisch) 



1 






Weifse Haut 

1 

7 

33 

48 

56 

61 

69 

73 

79 \ 

(trocken) 
Schwarze Haut 

1 1 > 2 

1 1 

|u 

22 

31 

36 

39 

44 

46 

«} 

(trocken) 

! 

l 








Bestrahlung weifser und schwarfeer Haut mit Sonnenlicht und Nernstlicht, 

Abstand 50 cm. 



Erklärung der Kurven. 


frische weifse Haut, 2,5 mm dick 
frische schwarze Haut, 1,5 mm dick 
trockne weifse Haut, 1,0 mm dick 
trockne schwarze Haut, 1,2 mm dick 


| untere Kurven. 
\ obere Kurven. 


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Von Dp. med. P. Schmidt. 


273 


Zum Vergleich der Diathermanität können wir nur die Werte 
der gleich dicken, in Kaiserling aufbewahrten Hautstücke heran¬ 
ziehen. Danach würde also die weifse Haut doppelt 
so viel Wärmestrahlen durchlassen als die schwarze 
(bei Nernstlicht). 

In den Kurven kommt die gröfsere Absorption der schwarzen 
Haut unleugbar in den gröfseren Zeitwerten zum Ausdruck. Die 
Quotienten der 3Minuten- und Sekundenwerte sind rund 1 I 22 und 
1 j 11 bei der weifsen und bei der schwarzen ^ und 1 h s . Die 
3 Minuten werte sind also bei der weifsen Haut das 22- und 11 fache, 
bei der schwarzen das 23- und 13 fache der Sekunden werte. 

Da die Dicken der beiden schwarzen Hautstücke im Ver¬ 
hältnis zu den weifsen sich gerade umgekehrt verhalten, ist die Mög¬ 
lichkeit ausgeschlossen, dafs die gröfsere Absorption hier auf 
Konto der gröfseren Dicke zu setzen wäre. Da gröbere ana¬ 
tomische Unterschiede zwischen schwarzer und weifser Haut nicht 
vorhanden sind, kann das verschiedene physikalische Verhalten 
wohl nur von der verschiedenen Farbe lierrühren. 

Haar. 

Ferner wurden schwarzes und blondes Haar auf ihre Diather¬ 
manität hin geprüft, zuerst in einer Schichte von 1 mm, sodann 
in einer solchen von 3 mm, jedesmal zwischen Glaswänden von 
1 mm Dicke. Hier die Befunde und Kurven: 


Haarfarbe 

Dicke der 
Schichte 
in mm 

Zeit der 
Durch¬ 
strahlung 

Ausschläge 
d. Galvano¬ 
meters 

Blond 

1 

1 

16 

Schwarz 

1 

1 

10 

Blond 

1 

15 

74 

Schwarz 

1 

15 

56 

Blond 

3 

1 

4 

Schwarz 

3 

1 

4 

Blond 

3 

15 

18 

Schwarz 

3 

15 

21 


Man sieht, dafs ein Unterschied in der momentanen Durch¬ 
strahlung nur in dünner Lage von 1 mm existiert. Bei einer 


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274 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 

3 mm dicken Schichte kommt die Farbe des Haares bei den 
Momentanwerten nicht mehr in Frage. Die 15 Sekunden-Aus¬ 
schläge zeigen in beiden Schichten die höhere Absorptions¬ 
fähigkeit des schwarzen Haares. Die Quotienten der Sekunden- 
und 15-Sekunden werte sind einerseits 16 / 74 und 4 / 18 , anderseits 
10 /m and %. 

Dafs das Haupthaar einen bedeutenden Schutz gegen Wärme¬ 
strahlung bilden würde, war vorauszusehen. Für die momentane 
Diathermanität sind also schon bei dünnen Haarschichten die 
Schwarzhaarigen offenbar günstiger gestellt >als die Blonden, da 
ein gröfserer Teil der hellen Wärme hier schon in der Oberfläche 
absorbiert wird. Die schlechtere Wärmeabgabe infolge eines 
dicken Haupthaars hat natürlich mit der Entstehung von Sonnen¬ 
stich gar nichts zu tun. Für die so intensiven hellen Wärme¬ 
strahlen der Tropensonne ist also das dicke Kraushaar der Neger 
eine zweckmäfsige Einrichtung, ebenso wie der Turban der Araber. 
Wenn die Chinesen trotz des glattrasierten Vorderschädels weniger 
an Sonnenstich erkranken als Europäer unter gleichen Verhält¬ 
nissen, so würde das einer besonderen Erklärung bedürfen. Viel¬ 
leicht spielt hier die Gewöhnung eine gröfsere Rolle als physi¬ 
kalische Gesetze, wenn auch schon in der gelben Haut ein ge¬ 
wisser Schutz gegen Tiefenwirkung gewährleistet wird. 

Hautstrahlung. 

Es folgen hier noch eine Reihe von Untersuchungen, die 
über die Eigenstrahlung dunkelpigmentierter und weifser In¬ 
dividuen angestellt wurden. Es handelte sich darum, festzu¬ 
stellen, ob lebende schwarze Haut bei gleicher Körpertemperatur 
mehr Wärme durch Strahlung abgibt als weifse. Zu dem Zwecke 
wurde ein gleich grofses und gleich belegenes, von einem durch¬ 
lochten Brett abgegrenztes Stück Brusthaut in gleicher Entfernung 
mittels Thermosäule und Galvanometer auf seine Strahlung hin 
untersucht. Die Thermosäule schaute mit dem offenen Sammel¬ 
trichter auf die zu prüfende Hautstelle und war mit dem durch¬ 
lochten Brett fest verbunden, um den Strahlungswinkel auch bei 
kleinen Exkursionen des Thorax nicht zu verändern. Die Dauer 
jedes Strahlungsversuchs war immer 15 Sekunden. 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


275 


Im ganzen wurden 5 Dunkelpigmentierte und 10 Weifse 
untersucht. Hier die Resultate: 

I. Die 39 bei 5 Pigmentierten vorgenommenen Einzelunter¬ 
suchungen (3 Neger, 2 Laskaren) ergaben folgendes: 
a) Durchschnittstemperatur der Achselhöhle 

36 , 83 ° C. 


b) Durchschnittsausschlag des Galvanometers (21 cm Abstand 
der Rufsfläche) 

6,83 cm. 

II. Die 36 Einzeluntersuchungen bei 10 Weifsen ergaben 
folgendes: 

a) Durchschnittstemperatur der Achselhöhle : 

37 , 12 ° C. 

b) Durchschnittsausschlag des Galvanometers: 

7,21 cm. 

Die Quotienten wären also zwischen Körpertemperatur und 
Ausschlag bei: 


I. 36,83 



5 , 392 , bei 
5 , 148 . 


Das würde doch heifsen, dafs kein Unterschied in der 
Strahlungsfähigkeit dunkler und weifser Haut existiert. Es ist 
auch physikalisch kein Grund vorhanden, dafs bei höheren Luft¬ 
temperaturen eine Änderung dieses Verhältnisses ein treten sollte. 
Die Farbe hat bekanntlich bei dunkler Wärmestrahlung ebenso¬ 
wenig Einflufs auf die Ausstrahlung wie auf die Absorption. 


Einflurs der Muskelarbeit auf die Körpertemperatur bei 
Schwarzen und Weifsen. 

Einschalten möchte ich hier nebenbei, dafs bei einer grofsen 
Reihe von Untersuchungen über Erhitzung des Körpers infolge 
Muskelarbeit, die ich an Bord eines Ost*Afrika-Dampfers zwischen 
16 Schwarzen und 16 Weifsen anstellen konnte, kein Unterschied 
zu Gunsten der schwarzen Rasse vorhanden war. Körperlich 
gleiche Individuen mufsten unter denselben Arbeitsbedingungen 
dieselbe Arbeit verrichten (eine gleich grofse Last eine gewisse 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 


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276 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 

Anzahl mal auf die gleiche Höhe heben); ihre Temperatur wurde 
sofort vorher und nachher gemessen, ihre Transpiration und Er¬ 
müdung genau beobachtet. Es ergaben sich Unterschiede sogar 
zu Gunsten der Weifsen, so dafs man wenigstens sagen darf, dafs 
diese 16 Schwarzen in keiner Weise über eine bessere Wärme¬ 
regulierung verfügten als die Weifsen. Einem gleichen Mafse 
Arbeit kann natürlich immer nur eine gleiche Zahl neuproduzierter 
Kalorien entsprechen. Unterschiede in der Körperoberfläche waren 
bei der gleichen Körpergröfse kaum anzunehmen. 

Ebensowenig ergaben sich Unterschiede zu Gunsten der 
Schwarzen, als ich die Leute in der Tropensonne mit Kopfbe¬ 
deckung und entblöfsten Oberkörpern die gleiche Wegstrecke mit 
demselben Tempo zurücklegen liefs. 

Wird Sonnenstich durch chemische oder thermische Strahlen 

veranlagt? 

Es ist die Vermutung ausgesprochen worden, dafs es nicht 
die »Wärmestrahlen«, sondern die chemisch wirksamen 
ultravioletten Strahlen des Sonnenlichts seien, welche den 
Sonnenstich erzeugen. Dafs in der Tat eine aktinische Wirkung 
des Sonnenlichts und selbst noch künstlichen Lichts (Nernstlichts) 
durch die ganze Dicke des Schädels inklusive einer Haarschichte 
von mehreren Millimetern statthat, habe ich experimentell be¬ 
wiesen. Es wurden photographische Platten mit einem Kreuz 
von Kupferblech versehen, in der Dunkelkammer unter eine 
Schädelkalotte gebracht, derart, dafs der Schädel in eine mit Rufs 
geschwärzte Paraffinmasse fest eingefügt wurde und die Platte 
dicht umschlofs. Daraufhin wurde die so verhüllte Platte das 
eine Mal dem Sonnenlicht, das andre Mal Nernstlicht (65 Kerzen- 
Lampe) exponiert. Die Entwicklung und Fixierung geschah in 
allen Fällen mit den gleichen Mitteln. (Siehe die Photogramme 
auf S. 277 u. 278.) 

Damit aber würde die Frage, ob die aktinischen oder die 
thermischen Strahlen den Sonnenstich hervorrufen, noch nicht 
gelöst sein. Um den Einflufs dieser beiden Strahlenarten einzeln zu 
untersuchen, wurde das eine Mal der glattrasierte Schädel eines 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


277 


Meerschweinchens in nächster Nähe einer 65kerzigen Nernstlampe, 
die noch relativ viel dunkle Wärme ausstrahlt, 1 j 2 Stunde lang 
bestrahlt. Das andre Mal benutzte ich im Finsen-Institut 



Mg «. 

Photogramm bei Sonnenlicht (Dezember). 
(Schädelkalotte mit Glatze.) 

Expos. 10 Minuten. 



Fig. 5. 

Bei Nerustlicht (32 Kerzen). Abst. 20 cm. 

Expos. 10 Minuten. 

(Schädelkalotte mit Glatze.) 

des Herrn Dr. Hahn hier lediglich ultraviolette und helle Strahlen. 
Dieselben kamen von einer starken, mit 16 Ampöre und 220 Volt 
gespeisten Bogenlampe und wurden von einem Quarzlinsensystem 

19* 


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278 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 

gesammelt. Die dunklen Wärmestrahlen dieser aufserordentlich 
kräftigen Lichtquelle waren durch eine in das Quarzlinsensystem 



Fig. 6 

Bei 3 Stearinkerzen. Abst. 20 cm. 
Expos. 10 Minuten. 
(Schadeikalotte mit Glatze.) 



Fi*. 7. 

Bei «Sonnenlicht (Januar). 

Expos. V t Stunde. 

;Schadclkalotte mit 4 mm langen, dunkelblonden HaAren.) 

eingeschaltete Wasserkühlvorrichtung völlig ausgeschaltet. — Die 
einzige Wirkung einer J / 2 stündigen Bestrahlung mit diesem stark 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


279 


aktinischen Lichte war eine Rötung der bestrahlten Hautstelle, die 
in einigen Tagen wieder verschwand. Das Tier blieb munter 
und frais wie zuvor. — Im andern Falle, wo die dunklen Wärme¬ 
strahlen einer schwächeren Lichtquelle verwendet wurden, war 
das Tier tagelang krank, frelsunlustig, safs bewegungslos in 
einer Ecke des Käfigs. . Die bestrahlte Hautpartie wurde allmählich 
bis auf den Knochen nekrotisch und mumifiziert. Das Tier ist 
bald darauf eingegangen. 

Der Umstand, dafs bei dem 1. Versuche mit konzentriertem 
aktinischen Lichte (Quarzlinsen lassen bekanntlich alle ultra¬ 
violetten Strahlen hindurch) und bei der geringen Dicke des 
Meerschweinchenschädels eine deutliche Tiefenwirkung ausge¬ 
blieben ist, während sie bei dem andern Versuche mit einer 
schwächeren Lichtquelle wohl vorhanden war, stützt die Ansicht 
von der wesentlichen Wirksamkeit der aktinischen Strahlen keines¬ 
wegs. Vor allem ist hier zu berücksichtigen, dafs das Maximum 
der Wärmewirkung des Sonnenlichts im hellen Teile 
des Spektrums bei gelb liegt, so dafs man gar nicht nötig 
hat, auf eine rein aktinische Wirkung beim Sonnenstich zu 
rekurrieren. Der englische Tropenarzt A. Duncan leitete seinen 
Schlufs auf die wesentliche Funktion der chemisch wirksamen 
Strahlen beim Sonnenstich von der Erfahrung her, dafs bei Hoch¬ 
öfen beschäftigte Arbeiter selten von den schädlichen Folgen der 
dort sehr bedeutenden dunklen Wärmestrahlung leiden. 1 ) Die 
letztere Beobachtung findet schon genügende Erklärung in der 
physikalischen Tatsache, dafs dunkle Wärmestrahlen viel weniger 
in die Tiefe eindringen als die hellen; eine Kerzenflamme übt 
z. B. eine viel gröfsere Wirkung durch Haut auf die Thermosäule 
aus als eine auf einige 100 Grad erhitzte, berufste Kupferplatte 
in derselben Entfernung. In der Hauptsache kommt bei Hoch¬ 
öfen ja tatsächlich nur intensive dunkle Wärme in Betracht. 

Um unsere Frage definitiv entscheiden zu können, wären 
unsere Tierversuche noch mit dem chemisch sehr wirksamen Eisen- 
Elektrodenlicht und vor allem mit dem Licht der Tropensonne 

1) Dunk an, Prophylaxis of Sunstroke. Journal of Tropical Medicine, 
Nr. 20, 15. Okt. 1902. 


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280 . Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 


zu wiederholen. Vermutlich ist es lediglich die helle, in die 
Tiefe eindringende Wärme des Sonnenlichts, welches bei gewissen 
disponierten Individuen schon in einem geringen Schwellenwerte 
schädlich auf die graue Rinde wirkt. Eine solche Disposition 
könnte z. B. bestehen in geringer Dicke des Schädeldachs, Kahl¬ 
köpfigkeit, in vorausgegangenen Exzessen irgend welcher Art, 
Anämie etc. Die Pigmentbildung der Haut, die nach Einwirkung 
intensiver Sonnenstrahlen auf tritt und vornehmlich der Effekt der 
rein chemischen Strahlen sein soll, ist eine reine Oberflächen¬ 
wirkung und hat mit einer Tiefenwirkung nichts zu tun. 

Kopfbedeckungen und Tropenstoffe. 1 ) 

Es lag nahe, im Anschlufs an diese Untersuchungen einmal 
die in den Tropen verwendeten Kopfbedeckungen und Kleider¬ 
stoffe auf ihre Diathermanität hin zu prüfen. Es ist bekannt, 
dafs man auch bedeckten Hauptes Sonnenstich in den Tropen 
erleiden kann, wenn die Kopfbedeckung ungeeignet war, also 
mufs eine Durchstrahlung derselben stattfinden. Denn die dunkle 
Wärmestrahlung und die Wärmeleitung, welche z. B. von einer 
dünnen weifsen Mütze ausgehen, dürften wohl kaum in Frage 
kommen. Es ist hier zweierlei auseinander zu halten. Einmal 
die reine Diathermanität durch im Stoff enthaltene Lücken, die 
natürlich in gleicher Weise für dunkle und helle Wärmestrahlen 
gilt, sodann die Diathermanität durch die Substanz des Stoffes 
mit einer gewissen Brechung der Strahlen. Vermindernd wirken 
offenbar die Absorption, Reflexion und Dipersion der Strahlen. 
Welche Rolle die Interferenz- und Beugungserscheinungen beim 
Durchgang der hellen und dunklen Strahlen durch den kompli¬ 
ziert strukturierten Stoff spielen, ist nicht näher bekannt. Jeden¬ 
falls gibt der Ausschlag des in den Stromkreis der Thermosäule 
eingeschalteten Galvanometers bei Exposition während kurzer 
Zeitmoraente die Menge der durchgelassenen Wärme an. Dauert 
die Exposition länger, so wird sich einmal in den Ausschlägen 

1) Die letzteren wurden mir in dankenswerter Weise von der Firma 
v. Tippelskirch & Co., Berlin, zur Verfügung gestellt und nach dem 
Kataloge der Firma numeriert. 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


281 


die Totalerwärmung der Thermosäule bemerkbar machen, so dafs 
die Werte hinter den zu erwartenden um ein Weniges Zurück¬ 
bleiben (die Thermosäule wird weniger empfindlich). Ferner mufs 
bei längerer Durchstrahlung auch die (dunkle) Eigenstrahlung 
des Stoffes infolge der Wärmeabsorption zur Geltung kommen, 
und dies besonders bei dunklen, stark absorbierenden Stoffen. 

Will man also die Werte der Ausschläge bei Einschaltung 
eines Stoffes in den verschiedenen Zeiten zu einer Kurve Zu¬ 
sammentragen, so mufs man sich erinnern, dafs diese Kurve im 
ganzen die allmähliche Summation der in der ersten Zeiteinheit 
von der Rulsfläche der Thermosäule absorbierten Wärmemenge 
darstellt. Je kleiner dieser Sekundenwert ist, desto mehr wird 
sich die Kurve der Geraden nähern, wohlgemerkt ohne die Eigen¬ 
strahlung des Stoffes. 

Je gröfser dieser Sekundenwert, desto rascher wird die Total¬ 
erwärmung der Thermosäule zur Geltung kommen. 

Man kann also sagen, dafs die momentan durch einen Stoff 
bei einer gewissen Fläche hindurchgehende Wärmemenge gleich 
sein wird derjenigen, welche durch ein Loch von gewisser Licht¬ 
weite hindurchgeht. Nach einer gewissen Zeit werden die den 
einzelnen Momentwerten entsprechenden Kurven alle annähernd 
parallel. Und selbst wenn die dunkle Eigenstrahlung eines 
Stoffes noch hinzutritt, so wird nach Erreichung des Maximums 
dieser Eigenstrahlung eine annähernde Parallelität der Kurven 
stattfinden, so dafs schliefslich der einzige Unterschied noch in 
der Höhenlage der Kurven im Ordinatensystem besteht. 

Je bedeutender die Licht- und Wärmequelle ist, desto später 
wird sich diese Parallelität einstellen, einmal, weil bei gröfseren 
Wärmezuschüssen die Eigenerwärmung der Thermosäule mehr in 
Frage kommt als bei kleinen, sodann weil die Einflüsse der Ab¬ 
sorption durch die Farbe zur Geltung kommen. Es ist klar, dafs 
bei Sonnenlicht, wo das Maximum der Wärmewirkuug im hellen 
Spektrum liegt, wie schon erwähnt, die Absorption durch die 
Farbe mehr ins Gewicht fällt als bei irgend einem künstlichen 
Licht, wo die helle Wärme nur einen Bruchteil der dunklen 
beträgt. 


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282 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 

Im nachfolgenden findet man zunächst einige Kurven, welche 
die Summation der Momentwerte ohne Einschaltung von Stoff 
unter Benutzung eines Loches von gewisser Lichtweite darstellen 
und zwar zuerst bei Sonnenlicht, sodann bei Nernstlicht. Darauf 
folgen die Kurven, welche durch Zwischenschaltung verschiedener 
Kopfbedeckungen erzielt wurden, und schliefslich die einer Reihe 
der gebräuchlichsten Tropenstoffe. Bei den letzteren wurden 
gleichzeitig die in Betracht kommenden Werte der Dicke, der 
Art des Stoffes und vor allem der Permeabilität für Luft 
beigegeben. Das Verfahren zur Bestimmung der Permeabili¬ 
tät für Luft, welches eingeschlagen wurde, folgt in einem 
andern Kapitel. 


Versuche mit Sonnenlicht (d. 9. III. 03; 1V, p. m.). 


Licht¬ 

weite 


Ausschläge des Galvanometers nach 


in qmm 

1 Sek. 

15 Sek. 

30 Sek. 1 45 Sek. 

60 Sek. 

lVj Min. 

2 Min. 

3 Min. 

1,5 

1 3,5 

15 

20 ! 23 

26 

31 

35 

43 

2 

6 

26 

31 35 

37 

41 

44 

46 


Bestrahlung der ThermosKule mit Sonnenlicht (9. m. 03; l 1 /, p. m.) bei 
zwei verschieden weiten Öffnungen. 1 ) 



Erklärung der Kurven: 

- Öffnung im Schirme 1,5 qmm, 

-Öffnung im Schirme 2,0 qmm. 


1) Die Öffnungen im Schirme wurden reguliert durch Vorschaltung der 
Stellvorrichtung aus dem Ehrl ich sehen Zähl-Okular. 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


283 


Versuche mit Nernstlieht (65kerz.), Abstand 42 cm. 


Licht¬ 

weite 


Ausschläge des Galvanometers nach 


in qmm 

1 Sek. 

15 Sek. 

30 Sek. 

45 Sek. 

60 Sek. 

l 1 /, Min. 

2 Min. 

3 Min. 

1,6 

1 

5 

7 

11 

14 

21 

28 

43 

2,5 

2 

12 

19 

23 

27 

34 

41 

56 

3,0 

3 

14 

20 

24 

29 

37 

44 

58 

3,5 

4 

22 

32 

37 

42 

49 

57 

71 

4,0 

5 

29 

41 

1 

49 

53 

61 

67 

81 


Bestrahlung: der Tliermos&ule mit Nernstlieht bei verschieden weiten 
Öffnungen. Abstand 42 cm. 



Erklärung der Kurven: 

— Öffnung im Schirme 1,5 qmm 

- > » > 2,5 > 

■M. — > > t 3,0 > 

- » » * 3,5 » 

— — > » > 4,0 » 


Kopfbedeckungen. Nernstlieht 65kerz. Abstand 42 cm. 


Art der Kopfbedeckung 


Ausschläge des Galvanometers 

nach 



1 Sek. 

15 8ek. 

30 Sek. 

45 Sek. 

60 Sek. 

lVsMin. 

2 Min. 

8 Min. 

Weifse Mütze ohne Futter 

5 

24 

42 

55 

69 

86 

103 

125 

Strohhut. 

2 

10 

23 

38 

53 

74 

95 

120 

Weifse Mütze mit Futter . 

0 

5 

11 

16 

21 

29 

37 

! 51 

Blaue Mütze mit Futter . 

! 0 

2 

7 

11 

16 

25 

29 

36 

Tropenhelm (pith hat) 

0 

0 

1 

3 

5 

10 

15 

27 

Fliefspapier (weifs). . . 

! 6 

29 

49 

64 

79 

i 

1 

104 

112 

147 


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284 Über Sonnenstich und über Schuttmittel gegen Wärmestrahlung. 
Kopfbedeckungen. Bestrahlung mit Nernstlieht. Abstand 42 cm. 



Erklärung der Kurven: 

_Tropenhelm, 

- blaue Mütze, 

—— weifse Mütze mit Futter, 

- Strohhut, 

-weifse Mütze ohne Futter. 


Tropenstoffe bei Sonnenlieht (15. n. 03; lh p. m.). 


Art des Stoffes 
und Nummer 

Dicke 
in mm 

IPermea 
bilitÄt 
für Luft, 
Man eil 
Sf= 100 


Gal 

M 

& 

vano 

M 

© 

DO 

13 

mete: 

M 

<g 

8 

rauss 

M 

& 

»O 

chläg 

M 

cg 

8 

p na 

3 

ch 

1 

Weifser Flanell 
Nr. 1 

0,75 

i, 

100 

l 

Wolle 

6 

56 

84 

104 

122 

! j 

i 

143 

— 

Schwarzer Lüster 
Nr. 21 

0,50 1 

133 

Halb¬ 

wolle 

7 

79 

134 

172 

nicht mehr 

zu messen 

Weifser Kflper 

Nr. 22 

0,50 

16 

Baum¬ 

wolle 

4,5 

37 

59 

74 

84 

114 

124 

Kaki (gelb) 

Nr. 25 

0,75 

14 

> 

3,5 

I 

35 

62 

78 

105 

127 

147 

Drell (grau) 

Nr. 30 

0,60 

18 

Leinen 

2,0 

1 

! 

23 

45 

67 

82 

105 

120 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


285 


Bestrahlung: mit Sonnenlicht (15. II. 03; 1& p. m.). 



Erklärung derKurven: 

- Drell, 

-Kaki, 

■ —- — Köper, 

- . Flanell, 

— — ' ■ Lüster. 


Tropenstoffe bei Nernstlicht (65 kerz.), Abstand 42 cm, 25 qcm. 


Art des Stoffes 
and Nummer 

Dicke 

in 

mm 

Permea¬ 
bilität 
für Luft, 
Flanell 
= 100 


G 

M 

® 

02 

alva] 

<2 

nomel 

M 

i <y 

CG 

1 3 

:eraus8chli 

M ' M 

O D 

CG 00 

io 1 Q 

i 55 

fige ] 
d 

a 

nach 

d 

a 

c* 

o* 

a 

CO 

Weifser Flanell 

0,75 

100 

Wolle 

2,5 

14 

26 

34 

39 

47 

53 

62 

Nr. 1 











Schwarzer Flanell 

0,80 

100 

» 

2,0 

12 

23 

32 

38 

46 

53 

64 

Nr. 7 


1 









Schwarzer Laster 
Nr. 21 

0,50 

133 

Halb¬ 

wolle 

5,0 

33 

48 

62 

69 

72 

77 

86 

Weifser Köper 
Nr. 22 

0,50 

16 

Baum 
wolle ! 

2,0 

13 

24 

31 

37 

45 

50 

59 

Kaki (gelb) 

0,75 

14 

i 

> 

1,5 

12 

22 

31 

36 

44 

50 

60 

Nr. 25 



i 








Drell (grau) 

0,60 

18 

Leinen 

1,0 

9 

19 

27 

34 

43 

51 

62 

Nr. 30 



j 









Weifser Battist 
Nr. 33 

0,25 

80 

Baum¬ 

wolle 

6,0 

38 

55 

64 

71 

80 

86 

96 

Bastseide 

Nr. 32 

0,25 

200 

Seide 

i 

j 12,0 

i 

78 

118 

133 

i 

nicht mehr zu 
messen 

Schilfleinen 

Nr. 28 

0,50 

57 

Baumw 
mit j 
Leinen 

1 2,0 

14 

24 

34 

1 

41 

50 

57 

69 


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286 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 


Bestrahlung mit Nerastliclit (65 kerz.), Abstand 42 cm. 



Erklärung der Kurven: 

_ Drell, 

-Kaki, 

■ —— Köper, 

- Schilfleinen, 

- Flanell. 


Schlufsfolgerungen. 

Man sieht, dafs diese Befunde ungefähr der täglichen Er¬ 
fahrung entsprechen. Als bestes Schutzmittel gegen Wärme¬ 
strahlung ergibt sich der Tropenhelm mit den Werten 0 bei 
1 und 15 Sekunden und 27 bei 3 Minuten, d. h. also, die Dia- 
thermanität ist gleich 0 und die Wärmeabsorption bezw. Eigen¬ 
strahlung sehr gering. Diesem Ergebnis nahe kommen gefütterte 
blaue Mützen, deren Ventilationsfähigkeit allerdings eine viel ge¬ 
ringere ist als die eines modernen Tropenhelms. Von Interesse 
ist, dafs ein Strohhut mittlerer Qualität immer noch besser ist 
als eine nicht gefütterte weifse Mütze, wie sie so häufig von den 
Besatzungen der Tropenschiffe unserer Handelsmarine getragen 
werden. 

Von den Tropenstoffen ist praktisch das Verhältnis zwischen 
Drell, Kaki, Köper, Schilfleinen und Flanell von ganz 
besonderer Wichtigkeit. Man sieht, dafs Drell von den ersteren 
die geringste Diathermanität hat, wenn auch eine mäfsig höhere 
Absorption. Auch in Bezug auf die Permeabilität für Luft ist 
er, wenigstens gegenüber Köper und Kaki, mit dem Werte 0,18 
noch am besten gestellt. Mit Rücksicht darauf jedoch, dafs bei 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


287 


der Kleidung die Permeabilität für Luft eine viel wichtigere 
Rolle spielt als die Diathermanität, können diese 3, Köper, Kaki 
und Drell, gegenüber Flanell und Schilfleinen nicht stand halten. 
Schilfleinen nimmt eine vermittelnde Stellung ein zwischen Flanell 
und jenen 3 in der Praxis so viel verwendeten Stoffen, und er¬ 
scheint deshalb ganz besonders für die Tropen geeignet. 

Für Sonnenlicht erweist sich Kaki in den höheren Werten 
ungünstiger als Köper und Drell, da hierbei die Farbe ins Ge¬ 
wicht fällt. 

Zu einem endgültigen Urteile über den praktischen Wert 
der Stoffe wären natürlich noch verschiedene Dicken bei den 
Versuchen zu berücksichtigen. 

Verfahren zur Bestimmung der relativen Permeabilität für Luft. 

(Siehe Figur 3 Seite 264.) 

Saugt man gleiche Mengen Luft in der gleichen Zeit durch 
dieselbe Fläche verschiedener Stoffe hindurch, so werden die nega¬ 
tiven Drucke unterhalb des Stoffes proportional den Widerständen 
der Stoffe wachsen. Diese Versuchsbedingungen lassen sich in ein¬ 
facher Weise mit der Mario tteschen Flasche erfüllen. Bekannt¬ 
lich ist die Ausflufsgeschwindigkeit an der Abflufsmündung der 
Flasche, unabhängig vom spezifischen Gewicht, immer proportional 
dem Niveauunterschiede der Mündung des Zuführungsrohres und 

Abflufsrohres, - 

v=l/2 g s, 

wobei s die Höhe der Wassersäule bedeutet. 

So lange also Zuführungs- und Abführungsrohr gleich lang 
und dick sind und gleich hoch eingestellt bleiben, wird man beim 
Fliefsen eine immer gleiche Aspirationswirkung in dem Zu¬ 
führungsrohr erzielen. Voraussetzung ist, vor allem für niedere 
Wassersäulen, dafs die Temperatur des Wassers möglichst dieselbe 
ist wie die der Luft. Um die durchgesogene Menge Luft bei 
verschiedenen Stoffen möglichst gleich grofs zu erhalten, wird man 
gut tun, die aspirierende Wassersäule im Verhältnis zu dem Wider¬ 
stande des Stoffes möglichst grofs zu machen, ferner das Zu¬ 
führungsrohr an der Stelle der Einschaltung des Stoffes tunlichst 
zu erweitern. Die sodann sehr geringen Druckunterschiede unter- 


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288 Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. 

halb des Stoffes kann man mit dem Recknagelschen Differen- 
tial-Manometer unter Anwendung eines geringen Elevations¬ 
winkels der Manometerröhre und von Petroleum leicht bestimmen. 
Die den Ausschlägen der Petroleumsäule entsprechenden senk¬ 
rechten Druckhöhen sind die Produkte aus dem Werte des Aus¬ 
schlags und dem Sinus des Elevationswinkels. Die Permeabilität 
für Luft ist den gefundenen Druckhöhen umgekehrt proportional. 
Auf diese Weise ergeben sich unter Anwendung eines Elevations¬ 
winkels von 5° (sin 5° = 0,0872), bei einer Stoffläche von 25 qcm 
und bei einer Luftmenge von 380 ccm (pro Minute durchgesogen) 
die in der Tabelle eingetragenen Werte auf Flanell (= 100) be¬ 
zogen. Die unterhalb des Stoffes gemessenen negativen Drucke 
schwankten zwischen 0,09 mm (senkrechte Petroleumsäule) bei 
Bastseide und 1,26 mm bei Kaki. Das entspricht ungefähr den 
Druckunterschieden, welche infolge der Atmung und der Be¬ 
wegung der Gliedmafsen am Körper entstehen. Nocht hat zuerst 
auf die Wichtigkeit der Verwendung kleiner Druckwerte hingewiesen 
gegenüber Pettenkofer und Hi 11er, die mit Überdrucken 
arbeiteten, welche unter den natürlichen Verhältnissen nie ein- 
treten. Es hatte sich nämlich bei den Nachprüfungen ergeben, 
dafs bei höheren Drucken unverhältnismäfsig viel gröfsere Mengen 
Luft durchgesogen werden. 1 ) So nähern sich denn auch unsere 
Befunde denen von Nocht, der eine Durchgängigkeit von 
10 1 Luft bei Leinwand gegenüber 100 1 pro Minute bei Flanell 
feststellte bei einem Überdrucke von ca. 1 mm Petroleumsäule. 

Kurze Zusammenfassung. 

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungen waren also 
kurz folgende: 

I. Die Schädeldecke ist in ihrer gesamten Dicke inklusive einer 
dünnen Haarschicht durchgängig sowohl für thermische als auch 
für aktinische Strahlen. Der Einflufs der Zirkulation ist dabei 
zu vernachlässigen. 

1) Siehe Nocht, »Vergleichende Untersuchungen über verschiedene, 
zu Unterkleidern verwandte Stoffe«. Zeitschr. f. Hygiene, 5. Bd., 1888. 


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Von Dr. med. P. Schmidt. 


289 


II. Die Gehirnsubstanz ist weniger diatherman als die übrigen 
Gewebe, welche ein Strahlenbündel vorher passiert. Dadurch 
wird eine Wirkung gerade auf die Gehirnrinde durch stärkere 
Absorption befördert. 

III. Hochgradig anämisches Blut ist unverhältnismäfsig viel 
mehr diatherman als solches von geringerer Anämie. Stark 
Anämische (Malariapatienten) würden also besonders zu Sonnen¬ 
stich disponiert sein. 

IV. Es ist wenig wahrscheinlich, dals die aktinischen ultra¬ 
violetten Strahlen den Sonnenstich hervorrufen. Wahrscheinlich 
sind es die hellen in die Tiefe eindringenden Wärmestrahlen des 
Sonnenlichts. 

V. Die Diathermanität der weifsen Haut beträgt ungefähr 
das Doppelte von der der schwarzen. Die letztere absorbiert mehr 
Wärme als die weifse. 

VI. Die dunkle Wärmestrahlung der schwarzen Haut ist bei 
gleicher Körpertemperatur dieselbe wie bei der weifsen. 

VII. Durch Strohhüte und nicht gefütterte weifse Tropen¬ 
mützen findet eine sehr erhebliche Durchstrahlung statt. Der 
beste Schutz gegen Durchstrahlung ist unter allen Umständen der 
Tropenhelm. 

VIII. Welchem von den gebräuchlichsten Tropenstoffen (Drell, 
Kaki, Köper, Flanell, Schilfleinen) in der Praxis hygienisch der 
Vorzug zu geben ist, wäre erst durch eine gröfsere Reihe von 
Paralleluntersuchungen unter besonderer Berücksichtigung ver¬ 
schiedener Dickenverhältnisse zu entscheiden. 

Am Schlüsse dieser Arbeit drängt es mich, meinem hoch¬ 
verehrten Chef, Herrn Physikus Dr. Nocht, für die stete För¬ 
derung meiner Studien durch wertvolle Ratschläge und durch 
gütige Bewilligung aller nötigen Hilfsmittel meinen verbindlichsten 
Dank auszusprechen. - Auch den Herren Kollegen am Institute danke 
ich bestens für die mir bei den Untersuchungen gewährte Unter¬ 
stützung, vor allem Herrn Marine-Oberassistenzarzt Dr. Stephan, 
zur Zeit zum Institut kommandiert, für die grofsen Opfer an Zeit 


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290 Ober Sonnenstich und über Schutzmittel etc. Von Dr. med. P. Schmidt. 

und Mühe, die er mir durch die sorgfältigen Beobachtungen des 
Galvanometers während der Versuche gebracht hat. Er hat einen 
grofsen Anteil an der erfolgreichen Durchführung der zum Teil 
recht schwierigen und umständlichen experimentellen Unter¬ 
suchungen. 

Mein Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Voller, Direktor 
des Hamburger physikalischen Staatslaboratoriums, der mir die 
Arbeitsräume und Instrumente des Instituts in liebenswürdigster 
Weise zur Verfügung stellte, sowie seinem I. Assistenten, Herrn 
Prof Dr. Classen, für die öftere Beratung bei den rein physi¬ 
kalischen Fragen der Arbeit. 


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Über desinfizierende Wandanstriche.*) 


Von 

Dr. phil. R. Rapp. 

(Aus dem Laboratorium der städt. Krankenhausapotheke München r. d. I.) 

In der Apotheker-Zeitung Nr. 86, 1901, habe ich über Unter¬ 
suchungen berichtet, die ich, der freundlichen Aufforderung von 
Verwaltung und Bauführung des städtischen Krankenhauses 
München r. I. Folge leistend, über den Desinfektions wert von 
Emaillefarben angestellt habe. Da nun von einer Seite 1 ) aus diese 
Resultate angezweifelt worden sind, sah ich mich veranlafst, die 
Untersuchungen von neuem aufzunehmen und die fraglichen 
Emaillefarben in genannter Richtung einer genauen Prüfung zu 
unterziehen. 

Die über dieses Thema bereits veröffentlichten Arbeiten sind 
schon öfters und auch neuerdings von Lydia Rabino witsch 2 ) 
aufgezählt worden. Die einen Autoren, Bosco, Rabinowitsch 
und Verfasser ziehen es vor, mit Rücksicht auf die vielen 
hierbei in Betracht kommenden schwierigen Punkte, den Des¬ 
infektionswert der Anstrichfarben untereinander ganz allgemein, 
ohne Zuhilfenahme von Zahlen zu vergleichen, während andere, 
w r ie Deycke, Heimes und Jacobitz den Desinfektionswert 

•) Zugleich als Erwiderung auf die Ausführungen von Herrn Stabsarit 
Jacobitz in Nr. 5 (1902) der Hygienischen Rundschau. 

1) Hygienische Rundschau, XII. Jahrgang, 1902, Nr. 5, S. 216. 

2) Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 40, S. 529. 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 20 


* 


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292 


Über desinfizierende Wandanstriche. 


der geprüften Anstriche in Zahlen ausdrückten. Letzteres Vor¬ 
gehen setzt aber notwendig ein quantitatives Arbeiten voraus, 
was bei den Untersuchungen der eben genannten Forscher keines¬ 
wegs der Fall war. Wenn wir einen in Wasser löslichen chemi¬ 
schen Stoff haben, so können wir hiermit den Desinfektionswert, 
besonders nach den neueren Angaben von Kroenig und Paul 
sehr genau ermitteln; schwieriger gestaltet sich bekanntlich diese 
Aufgabe schon mit in Wasser unlöslichen chemischen Stoffen; 
und noch schwieriger ist diese Frage zu lösen, wenn wir, wie hier 
bei den Emaillefarben, keinen einheitlichen Körper, sondern eine 
Mischung von solchen in Händen haben, die uns ihrer Zusammen¬ 
setzung nach nicht einmal genau bekannt ist. 

Dafs aber mit Emaillefarben doch ein genaueres quantitatives 
— es soll nicht behauptet werden »exaktes« — Arbeiten möglich 
ist und dafs auf Grund derartiger Untersuchungen ein Zahlen¬ 
vergleich eher zulässig sein kann, soll im folgenden gezeigt 
werden. 

Die wichtigsten Punkte für ein quantitatives Arbeiten bei 
Desinfektionsversuchen mit Emaillefarben sind kurz aufgezählt: 
1. Ein gleiches Quantum Farbe; 2. eine gleiche Menge Kultur¬ 
flüssigkeit zur Infizierung; 3. eine gleichmäfsige Verteilung der 
Kulturflüssigkeit; 4. eine einwandsfreie Prüfung auf die noch 
lebensfähigen Keime. Unter Berücksichtigung dieser Punkte 
wurde nun in folgender Weise verfahren: 

Um für jeden Versuch das gleiche Quantum Farbe zu er¬ 
halten, wurde die betreffende Emaillefarbe in ein Trichterchen 
gegeben, dessen Hals durch einen kleinen Schlauch mit einem 
in eine Spitze auslaufenden Glasröhrchen verbunden war. Aus 
der Öffnung des Glasröhrchens drangen gleichgrofse Tröpfchen 
Farbe hervor, deren Gewicht mittels der analytischen Wage 
öfters kontrolliert wurde. Dasselbe betrug 12 mg . l ) Ein 
solches Tröpfchen Farbe wurde auf einem Deckgläschen von 

1) Je nach dem Viscositätsgrade der Farbe mufste die Öffnung des 
Röhrchens enger oder weiter gemacht werden, um für die beiden zu unter¬ 
suchenden Farben dasselbe Gewicht (12 mg) zu erhalten, welche einmalige 
Arbeit allerdings etwas mühevoll ist. 


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Von Dr. phil. R. Rapp. 


293 


12 qmm, das zuerst durch die Flamme gezogen (also steril war) 
aufgefangen und dann nach Art der Klatschpräparate mit 
einem zweiten sterilen Deckgläschen gleichmäfsig verteilt, wo¬ 
durch also mit einem Tröpfchen Farbe zwei Präparate erhalten 
wurden. Eine öftere Kontrolle auf der analytischen Wage ergab 
immer die gleiche Menge Farbe (also die Hälfte von 12 mg = 6 mg) 
auf jedem der beiden Deckgläschen. Es bedarf zur Ausführung 
dieser Arbeit nur einiger Übung und Geschicklichkeit. Natürlich 
darf das Farbtröpfchen unter keinen Umständen so grofs sein, 
dafs die Farbe über den Rand des Gläschens fliefst. 

Die nun so präparierten Deckgläschen kamen in besonders 
zu diesem Zwecke ausgesuchte, ganz flache Petrischalen und diese 
wurden wieder auf eine genau horizontal eingestellte Fläche ge¬ 
stellt. Nach kürzerem oder längerem Trocknen (die Zeit ist in 
den einzelnen Versuchen angegeben) wurden die Farbenaufstriche 
auf den Deckgläschen mit je einer kleinen Öse voll Bouillon¬ 
kultur von Staphylococcus pyogenes aureus bestrichen. Auch hier 
kam also nach bakteriologischen Begriffen ein gleiches Quantum 
Kulturflüssigkeit zur Infizierung. Die Staphylokokkenbouillon¬ 
kultur wurde, um sie von Bakterienklümpchen etc. zu befreien 
und die Resultate dadurch nicht zu beeinträchtigen, filtriert. 

Ich habe schon bei meiner ersten Arbeit über dieses Thema 
bemerkt, dafs einzelne Farben, speziell die Farben Pef. 2098 und 
Pef. 2097 von der Firma Rosenzweig & Baumann-Kassel und 
die sog. Zoncafarbe 101 von der Firma Zonca & Cie. in 
Kitzingen die Bakterienkulturen nicht gleichmäfsig annehmen, 
und dafs die Kulturflüssigkeit zusammenfliefst. Wenn man nun 
weifs, dafs bei genannten Farben Leinöl oder richtiger Leinöl¬ 
firnis als Bindemittel benutzt wird, so kann ein solches Verhalten 
gewifs nicht wundernehmen. Jacobitz scheiut dieses Ver¬ 
halten jedoch auffallend gewesen zu sein, denn er berichtet meinen 
Beobachtungen gegenüber, dafs es ihm stets gelungen ist, die 
Bacillenkulturen auf den gestrichenen Platten gleichmäfsig zu 
verteilen. Ich habe nun auf diese Angaben hin seit 6 Monaten 
vielfach wiederholt auf alle möglichen, mit Farbe Pef. 2098 und 

Zonca 101 bestrichenen Platten (Holz, Stein, Glasplatten) Kulturen 

20 * 


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294 


Über desinfizierende Wandanstriche. 


aufgepinselt; ferner habe ich nach meiner Methode über 300 mit 
Farbe bedeckte Deckgläschen infiziert, und immer ist mir die 
Tatsache aufgefallen, dafs die Farben Pef. 2098 und Zonca 101 
die Kulturflüssigkeit schlecht annehmen und letztere zusammen- 
fliefst. Ich mufs daher nach einem so grofsen Material der Be¬ 
obachtungen solange behaupten, dafs dieses Zusammenfiiefsen der 
Kulturen Jacobitz bei seinen Versuchen entgangen ist, bis er 
mir den Beweis erbracht hat, dafs diese Erscheinung unter den 
von mir beobachteten Bedingungen nicht eintritt. 1 ) Zugleich 
aber sei bemerkt, dafs dieses Verhalten nicht sofort nach dem 
Befeuchten, sondern erst im Verlaufe von einigen Minuten ein¬ 
tritt, und dafs während der Augenscheinnahme die bestrichene 
Fläche bei schräg auffallendem Lichte und in Augenhöhe be¬ 
trachtet werden mufs, wenn der Beobachtende ein sicheres 
Urteil hierüber erhalten will. Übrigens läfst sich dieser Fehler 
etwas beheben, wenn man Stärkekleister, Gummiarabicumlösung 
oder Traganthschleim der Kulturflüssigkeit beimischt. Nicht ge¬ 
eignet zu diesem Zwecke sind Gelatine- und Agarlösung. 

Die, wie oben erwähnt, zuerst mit Farbe behandelten und 
dann infizierten Deckgläschen wurden in gewissen Zeitabschnitten 
aus den Petrischalen steril entnommen, und auf die infizierte 
Stelle eine Öse voll steriler Bouillon gebracht. Dann wurde mit 
einem kleinen, sterilen Wattekügelchen die Oberfläche gründlich 
abgewischt und das Wattekügelchen in ein und das Deckgläschen 
.in ein zweites Röhrchen steriler Bouillon gegeben. Hiermit war 
der Einwand, den mit Recht Rabinowitsch erhebt, dafs Farb- 
material mit in die Nährlösung übertragen, die Resultate dadurch 
beeinflufst werden könnten, wenigstens für die Röhrchen mit 
Wattekügelchen ausgeschaltet. Nach erfolgtem Wachstum bei 
37° C. wurde die Bouillon noch weiter durch Übertragen auf Agar 
oder mikroskopisch auf Staphylococc. pyogen, aureus unter¬ 
sucht. Es würde zu weit führen, wenn ich auf Kleinigkeiten bei 

1) Betreffs Echtheit der Farbe sei erwähnt, dafs die zu den Versuchen 
verwendete Farbe Pef. 2098b weifs, mit Auftrag Nr. 9624b bezeichnet, durch 
D. von der Firma Rosenzweig & Baumann Cassel, in 1 Kilo-Büchse ge¬ 
füllt war. 


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Von Dr. phil. R. Rapp. 


295 


der Versuchsanordnung eingehen wollte. Dieselben verstehen sich 
ja für einen genauen Arbeiter von selbst. Ich gestehe offen, 
dafs der soeben beschriebenen Versuchsanordnung im Sinne von 
B. König und Th. Paul 1 ) vielleicht noch manche Mängel an¬ 
haften mögen, und dafs dieselbe noch nicht als exakt be¬ 
zeichnet werden kann; aber das Eine kann ich behaupten, dafs 
sie quantitativ ausgearbeitet ist und deshalb ein Zahlenvergleich 
eher, als nach der Versuchsanordnung von Jacobitz zulässig 
ist, auf die ich hier näher eingehen mufs. 

Von Jacobitz wurden die einzelnen Farben 2 ) auf 53,29 qcm 
grofse Ton- oder auch etwa ebenso grofse Eichenholzplatten in 
möglichst gleichmäfsig dicker Schicht aufgestrichen. Dazu er¬ 
laube ich mir zu bemerken: Diese Methode des Bestreichens 
mittels Pinsels entbehrt jeder Genauigkeit und kann sicher nicht 
als eine quantitative Methode bezeichnet werden. Es kann für 
den Desinfektionserfolg doch nicht gleichgültig sein, ob eine Farb- 
schicht von 1 oder 2 mm Dicke oder — in Gewicht ausgedrückt — 
aufgetragene Farbe von 0,1 oder von 0,5 g auf dasselbe Quantum 
von Kulturflüssigkeit einzuwirken hat. 

Die bestrichenen Platten trocknete Jacobitz in grofsen 
Glasdoppelschalen zunächst 4 bis 6 Tage. Jacobitz bemängelt 
die Art der Aufbewahrung in meinen ersten Versuchen. Da mir 
seinerzeit zu meinen bedeutend gröfseren Platten von 450 bis 
600 qcm keine passenden Schalen zur Verfügung standen, lehnte 
ich diese (selbstverständlich) mit der bestrichenen und infizierten 
Seite schief gegen eine senkrechte Wand in einem wenig be¬ 
tretenen Zimmer. Ich wollte damit bezwecken, erstens die An¬ 
striche vor dem direkten Lichteinflusse zu schützen; zweitens 
sollten sie dadurch vor den Staubteilchen der Zimmerluft be¬ 
wahrt bleiben und drittens konnte auf diese Weise ein unum¬ 
schränkter Luftzutritt an der Oberfläche der Farbenanstriche er¬ 
folgen. Gerade damit aber war den in der Praxis sich ab¬ 
spielenden Verhältnissen mehr Rechnung getragen als durch 

1) Vergl. Th. Paul, Entwurf zur einheitlichen Wertbestimmung chemi¬ 
scher Desinfektionsmittel. Berlin, 1901. 

2) Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 37, 8. 75. 


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296 


Über desinfizierende Wandanstriche. 


eine Versuchsanordnung, wie die von Jacobitz, welche einer¬ 
seits den Luftwechsel beschränkt, anderseits den sich vielleicht 
bildenden flüchtigen Produkten Gelegenheit gibt, in einem 
kleineren abgesperrten Raume (in einer Schale) mehr zur Ein¬ 
wirkung zu kommen. Von einer vollkommenen Abweichung von 
der Versuchsanordnung, wie das Jacobitz nennt, kann über¬ 
haupt hiermit keine Rede sein, da dieser Punkt im Verhältnisse 
zu anderen noch näher zu besprechenden ganz untergeordnet ist. 

Die bestrichenen Platten wurden nun weiter von Jacobitz 
nach vollständiger Oberflächentrocknung mit den betreffenden 
pathogenen Bakterien (Bouillonkulturen infiziert) und zwar wurde 
immer möglichst dieselbe Menge 1 ) auf jede Platte aufgetragen 
und auf derselben mit einem sterilen, feinen Haarpinsel oder 
sterilen Wattebausche gleichmäfsig verteilt. Dazu gestatte ich 
mir zu bemerken: Die Oberfläche eines mit einem Pinsel an¬ 
gefertigten Farbenanstriches wird niemals eben sein können. 
Ein Blick mit der Lupe, wenn man sich nicht anders überzeugen 
lassen will, zeigt eine bunte Abwechslung von Vertiefungen und 
Erhebungen. Da nun der Spiegel der Kulturflüssigkeit nach der 
Lehre über Hydrostatik sich notwendig horizontal einstellen mufs, 
so wird in den Vertiefungen je nach Gröfse derselben xmal so 
viel Kulturflüssigkeit sich ansammeln, als auf den nebenliegenden 
Erhebungen; folglich müssen an jenen tieferen Stellen xmal so viel 
Bakterien zur Antrocknung gelangen, als an diesen höheren 
Stellen; ergo mufs auch die Farbe, was Desinfektionswirkung 
betrifft, dort xmal so viel leisten als hier, wo nur der yte Teil 
von Bakterien vorhanden ist. Ein solches Verfahren ist also von 
einem quantitativen weit entfernt. 

In bestimmten Zwischenräumen wurde schliefslich von 
Jacobitz Material von den infizierten Platten entnommen und 
zwar wurde mit einem sterilen Messer ein möglichst immer 
gleich grofses Stück von Stellen der gestrichenen Platten ab¬ 
gekratzt und dann zur Impfung verwendet. Wie schon erwähnt, 
wurde bei meinen neuen Versuchen, dem Vorschläge von Ra- 

1) Nach spateren Angaben (Hygienische Rundschau, 1902, Nr. 5, S. 210) 
betrug diese Menge 0,5 ccm Kulturflüssigkeit. 


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Von Dr. phil. R. Rapp. 


297 


binowitsch Folge leistend, von einer Übertragung des Farb- 
materials in die Nährlösung wenigstens teilweise Abstand ge¬ 
nommen. 

Wenn ich nun die ganze Versuchsanordnung von Jacobitz 
wiederhole, so wurde ungefähr gleichviel Farbe aufgetragen, 
ungefähr gleich viel Kulturflüssigkeit aufgepinselt, ein un¬ 
gefähr gleich grofses Stück abgekratzt und nun schliefslich je 
nach den vielen möglichen Zufälligkeiten, die während eines 
derartigen Arbeitens eintreten mufsten, der Desinfektionswert der 
untersuchten Farben einfach in Zahlen ausgedrückt und ohne 
weiteres behauptet, die eine Farbe wirke 2mal, 8mal etc. so 
stark desinfizierend als die andere. 

Eine solche Behauptung wäre ja an und für sich nicht so schwer¬ 
wiegend, wenn nur Farben von verschiedenem Charakter miteinander ver¬ 
glichen worden wären (die beiden Farben Pef. 2098 und Zonca 101 sind 
aber ganz gleichartig und sog. Konkurrenzfarben), oder wenn nur ein kleiner 
Kreis von Leuten am Ergebnisse der Resultate Interesse hätte. Da jedoch 
das meiste Interesse an dem Ausfälle Bolcher Untersuchungen unsere Fabri¬ 
kanten naturgemäfs zeigen müssen, so kann man mit dem Urteile auf Grund 
der Untersuchungen nicht vorsichtig genug sein; dies um so mehr, wenn be- 
solchen Untersuchungen die Grundbedingung — ein genaues quanti¬ 
tatives Arbeiten — nicht genügend beobachtet worden ist. Es ist leicht 
zu ermessen, welchen Schaden für den Fabrikanten eine fehlerhafte Unter¬ 
suchung und eine darauffolgende ungünstige Begutachtung haben kann. 
Ich überlasse es ferner dem Urteile des Lesers, wenn Jaco bi tz, um 
gleichsam seine Versuche als überzeugend hinzustellen, die Untersuchungen 
anderer, die dasselbe Thema behandelten und verschiedene Resultate er¬ 
halten haben als er, die übrigens, wie wir weiter unten ersehen werden, 
auch auf Grund von neuen quantitativen Untersuchungen 
sich als richtig herausstellten, ohne genaue quantitative Nach¬ 
prüfung einfach für nicht genügend vertrauenswürdig bezeichnet. Wenn 
ich in meiner ersten Arbeit über dieses Thema nur fünf Versuche (wie 
Jacobitz zählte) ausgeführt habe, so lag damals, da ich nur einer freund¬ 
lichen Aufforderung zur Nachprüfung Folge leistete, kein Grund vor, dafs 
ich mich der Mühe unterzog, eine neue, quantitative Versuchsanordnung 
auszuarbeiten; die fünf Versuche aber reichten für mich vollständig hin, 
den Eindruck zu bekommen, dafs die von Jacobitz angewandte Versuchs¬ 
anordnung für die Untersuchung von Pef. 2098 und Zonca 101 als nicht 
genügend exakt zu bezeichnen ist. Dafs infolgedessen zugleich auch meine 
damaligen ersten Versuche, die in der Hauptsache nach der Versuchs¬ 
anordnung von Jacobitz angestellt waren, als nicht genügend exakt be¬ 
zeichnet werden mufsten, ist selbstverständlich und bedurfte nicht erst des 
besonderen Hinweises von Jacobitz. Jacobitz benutzt nämlich diese 


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298 Über desinfizierende Wandanstriche. 

meine Äufserung resp. mein offenes Bekenntnis dazu, um auch deshalb 
meine früheren Versuche im Vergleiche mit seinen als nicht genügend ver¬ 
trauenswürdig zu bezeichnen. Was Jacobitz in seinen Versuchsanord¬ 
nungen exakt nennt, ist aus obigen Darlegungen zu ersehen. Es soll 
hierüber beim chemischen Teile dieser Arbeit noch weiter gesprochen werden. 
Nebenbei bemerkt, ein Beweis der Genauigkeit von Jacobitz besteht auch 
darin, dafs er z. B. in seiner Veröffentlichung in der Hygienischen Rundschau, 
Nr. 5, 1902, 8. 212, Tab. III, bei Pef. 2098 für Staphyl. pyog. aur. a) früheren 
Versuch als Abtötungsdauer — 12 Stunden einsetzt, wogegen diese auf 
Seite 103 (Tabelle, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 37) = 8 Stunden lautet und 
dann wieder b) nach späteren Versuchen die Abtötung nach 24 Stunden 
erfolgt ist. Und solche Resultate des Prüfungsergebnisses nennt Jacobitz 
fast jedesmal dieselben, während er auf der anderen Seite von einer Über¬ 
legenheit der Peftonanstriche über den Zoncaanstrich spricht, obwohl die 
Zoncafarbe 101 gegenüber Pef. 2098 in den Jacobitzsehen Versuchen 
auch keine gröfseren Unterschiede aufweist. Oder wenn von 
Jacobitz weiter auf Seite 215 der Hygienischen Rundschau, Tabelle VI, 
bei dem Versuche nach 4 Monaten die Abtötungsdauer bei Zinkweifsölfarbe 
4 statt 7 Tage und für Zoncafarbe 7 statt 4 Tage angegeben wird. 
(Ein Druckfehler ist hierbei ausgeschlossen und eine genaue Korrektur hätte 
solchen Verstofs unbedingt beseitigen müssen! D. Verf.) 

Wenn Jacobitz versucht, solche eben geschilderte Unter¬ 
schiede in der Abtötungsdauer von 8—12—24 Stunden bei Pef. 2098 
in früheren und späteren Versuchen auf die verschiedenen Stämme 
der einzelnen Mikroorganismen und auf die Nährböden zurück¬ 
zuführen (S. 215 Hyg. Rundsch, Nr. 5, 1902), so müfste sich 
doch auch bei Zoncafarbe in den früheren und späteren Ver¬ 
suchen — genaue Versuche vorausgesetzt — ein solcher Unter¬ 
schied mit Staphylokokken ergeben haben und nicht blofs bei 
Pef. 2098, was jedoch bei den späteren Versuchen mit den näm¬ 
lichen verschiedenen Stämmen und den nämlichen verschiedenen 
Nährböden nicht der Fall war. Es mufs vielmehr nach dem 
schon oben genau Geschilderten ganz allein die Ursache der 
so wechselnden Resultate in der Versuchsanordnung gesucht 
werden. 

Nachdem ich, durch die Ausführungen von Jacobitz zu 
einer Erwiderung gezwungen, meine neue quantitativ ausgearbeitete 
Versuchsanordnung und die Versuchsanordnung von Jacobitz 
einander gegenüber gestellt habe, so sollen nun jetzt die neu 
angestellten Versuche mit Pef. 2098 und Zonca 101 folgen. 


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299 


Von Dr. phil. R. Rapp, 


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72 000 
72 000 

88 200 
88 200 

134 400 
134 400 

76 200 
76 200 

75 000 
75 000 

384 000 
384000 

228 000 
228 000 

Alter der 
Staphylo 
kokk.- 
Kultur 

fl 

© 

^ © CD C£>C£> -+ -+ -V -+ ^ 

g CO CO — — ■ CM (N <M <M CM CM CM CM CM CM 

Cß 

Zeitdauer 

des 

Trocknen 

Tage 

*3 

2 

2 

4 

4 

7 

7 

8 

40 

40 

1 ca. 
r6 Monate 

Gewicht 
der Farbe 
auf jedem 
Deckglase 

SP(M(M ?D © © © © © CO CD CO © Ol CM 

S i-H ^ H H 

Name 
der unter¬ 
suchten 
Farben 

Pef. 2098 
Zonca 101 

Pef. 2098 
Zonca 101 

Pef. 2098 
Zonca 101 

Pef. 2098 
Zonca 101 

Pef. 2098 
Zonca 101 

Pef. 2098 
Zonca 101 

Pef. 2098 
Zonca 101 

> s 

M S t > > £ 


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1) + bedeutet Wachstum; — kein Wachstum. 




300 


Über desinfizierende Wandanstriche. 


Wenn man die Resultate in der Tabelle I näher betrachtet, 
so mufs zunächst auffallen, dafs je länger die Zeitdauer des 
Troknens währte, oder je früher der Anstrich der Emaillefarben 
vor der Infizierung erfolgt war, desto später die abtötende 
Wirkung eintrat. Während nach 2 Tage dauerndem Trocknen 
die Staphylokokken schon nach 1 Stunde nicht mehr entwickelungs¬ 
fähig waren, fand dies nach 5% Wochen langem Trocknen erst 
nach 96 Stunden statt. 

Ganz auffallend ist, dafs eine so kleine Menge Farbe von 
6 mg — und wenn man noch die anorganische Substanz von 
ca. 35% ZnO für Pef. 2098, und ca. 55°/ 0 ZnO für Zonca 101 in 
Abrechnung bringt — sogar nur 3,9 resp. 2,7 mg wirksame 
Substanz in verhältnismäfsig so kurzer Zeit einen nicht kleinen 
Desinfektionserfolg hervorzubringen vermag. 

Zu Versuch Nr. IV ist noch zu bemerken, dafs in den 
Bouillonröhrchen, die von Pef. 2098 abgeimpft waren, stets früher 
Wachstum zu beobachten war, als in denjenigen von Zonca 101 
abgeimpften. 

Wenn nun das Ergebnis dieser Versuche, wie früher bei 
meinen Untersuchungen zu Gunsten der Zoncafarbe 101 gedeutet 
werden kann, so nehme ich doch nicht den geringsten Anstand, 
beide untersuchten Emaillefarben Pef. 2098 und Zonca 101 an 
desinfizierenden Wert einander gleichzustellen; denn erstens ist 
der Unterschied noch nicht grofs genug, als dafs der einen von 
den Farben der Vorzug zu erteilen wäre, und zweitens möchte 
ich zu diesem Zwecke die Methode noch viel exakter aus¬ 
gearbeitet wissen. 

Ursache der Desinfektionswirkung bei Emaillefarben. 

Die Ursache all dieser desinfizierenden Wirkungen mufs nach 
Heimes neben gewissen physikalischen Vorgängen in der 
chemischen Beschaffenheit der Farbe gesucht werden. Derselbe 
Autor hat die Vermutung ausgesprochen, dafs die desinfizierende 
Wirkung auf gewisse, infolge Oxydation entstehender Körper, 
wie Ozon, WasserstoffSuperoxyd zurückzuführen sei. J a c o b i t z hat 
sodann die Lösung dieser Frage von neuem in Angriff zu nehmen 


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Von Dr. phil. R. Rapp. 


301 


versucht uud schreibt am Schlüsse nach Anstellung von Reaktionen 
und Versuchen, wie folgt: »Nach dem Vorausgehenden unterliegt 
es wohl keinem Zweifel, dafs die hervorragende, desinfizierende 
Wirkung der beiden Porzellanemaillefarben Pef. 2097 und 2098 
in erster Linie diesen soeben des Näheren betrachteten, 
flüchtigen chemischen Substanzen zuzuschreiben ist, die 
sich beim Trocknen derselben aus dem bei ihnen als Bindemittel 
benutzten gekochten Leinöl bilden. Die flüchtigen chemischen 
Produkte sind nach Jacobitz C0 2 , Aldehyd, Acetaldehyd, Acro- 
leün, Formaldehyd. 

In meiner letzten Arbeit hahe ich diese Frage gestreift, und 
nebenbei einige diesbezügliche Versuche ausgeführt; es geschah 
deshalb, weil es mir schon damals nicht wahrscheinlich erschien, 
dafs durch die soeben aufgezählten, von Jacobitz angenommenen 
flüchtigen Produkte die desinfizierende Wirkung bei Emaillefarben 
in erster Linie erzielt werden soll. Wenn ich an die Lösung 
dieser Frage ging, so war ich mir wohl bewufst, dafs diese Auf¬ 
gabe schwieriger ist, als sich dieselbe z. B. Jacobitz vorgestellt 
hat. Zunächst wurde der Versuch 13 von Jacobitz (S. 107 
Zeitschrift f. Hyg., Bd. 37) einer genauen Nachprüfung unterzogen. 
Ich konnte hiebei nicht alle Beobachtungen bestätigen, die Jacobitz 
angibt. Es würde zu weit führen, würden hier all die Unter¬ 
schiede angeführt werden, zumal ich weiter unten (vgl. Tabelle II) 
darauf wieder zurückkommen mufs. 

Wenn schon Jacobitz bei der vergleichenden Untersuchung 
der Emaillefarben ein genaues quantitatives Arbeiten aufser Acht 
gelassen hat, so mulste erst recht hier bei Lösung dieser Frage 
eine Feststellung nur von qualitativen Reaktionen zu ganz falschen 
Schlüssen Veranlassung geben. Leider wird dieser Fehler immer 
wieder begangen! Nur ein genaues quantitatives Arbeiten gibt 
uns ein klares Bild in solchen Fragen uud stempelt eine Arbeit 
erst eigentlich zu einer wissenschaftlichen. 

Bei dieser Nachprüfung warde vor allem Gewicht darauf ge¬ 
legt, die hierzu notwendigen Materialien nicht blofs auf ihre Rein¬ 
heit zu prüfen, sondern dieselben, wenn möglich, auch selbst her¬ 
zustellen. Es wurde auf Grund dieser Erwägungen Leinöl unter- 

21 • 


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302 


Über desinfizierende Wandanstriche. 


sucht und die Jodzahl desselben bestimmt (gefunden = 161,7 
nach 18 Stunden; die Jodzahl von Leinöl schwankt zwischen 
160 und 180). Aus diesem Leinöle wurde sodann Leinölfirnifs 
und Leinölsiccativ nach der Vorschrift der 4. Auflage des neuen 
pharmazeutischen Manuals von E. Dietrich, S. 165 und 166 
hergestellt (gefundene Jodzahl für Leinölfirnifs = 106,1 ; für 
Leinölsiccative = 70,4). Von demselben Leinöle wurden ferner 
Leinölsäure und Oxyleinölsäure dargestellt, da auch diese beiden 
Körper, wie wir später sehen werden, eine Bedeutung für diese 
Frage besitzen (gefundene Jodzahl für Leinölsäure = 162,5). Mit 
diesen reinen Materialien in den Händen konnte erst die weitere 
genaue Untersuchung in Angriff genommen werden. Zur weiteren 
Untersuchung war aufserdem sehr notwendig, dafs alle Reakti¬ 
onen unter gleichen Bedingungen mit genau bekannten Kontroll- 
lösungen angestellt wurden. Mit diesen Kontrollösungen konnten 
dann die zu untersuchenden, fraglichen flüchtigen Produkte ko- 
lori metrisch quantitativ verglichen werden. Nur auf diesem 
einzigen Wege war festzustellen, ob die sich in den Emaillefarben 
bildende Quantität von flüchtigen Produkten überhaupt zur Ab¬ 
tötung der Bakterienkulturen ausreichend ist oder nicht. In 
Tabelle II sind Lösungen der flüchtigen Produkte von Leinöl, 
Leinölfirnifs, Leinölsiccativ und Pef. 2098 unter gleichen Be¬ 
dingungen kolorimetrisch mit bestimmten Kontrollösungen. ver¬ 
glichen worden. Diese Lösungen der flüchtigen Produkte wurden 
erhalten, indem je 30 g Leinöl, Leinölfirnifs, Leinölsiccativ, 
Pef. 2098 in Flaschen von ca. 350 ccm Inhalt gegeben wurden. 
Durch die Flaschen wurde längere Zeit Sauerstoff hindurchge¬ 
leitet und dieselben dann mit einem Kautschukstopfen ver¬ 
schlossen. Die Flaschen blieben zur Einwirkung des Sauerstoffes 
6 Tage lang bei Zimmertemperatur stehen. Die Wandungen 
wurden mit dem Inhalte während dieser Zeit öfters bespült. Nach 
Ablauf von 6 Tagen fand nun die Untersuchung des Inhaltes 
statt. Um zunächst das Vorhandensein eines Vacuums und die 
Gröfse desselben zu ermitteln, wurde der Stopfen der Flaschen 
unter einem bestimmten Quantum Wasser vorsichtig gelüftet. 
Das Wasser mufste bei einem vorhandenen Vacuum eingesaugt 


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Von Dr. phil. R. Rapp. 


303 


werden und die Menge des eingesaugten Wassers entsprach dem 
Volumen des absorbierten Sauerstoffgases. Um die nicht von 
Öl oder Farbe bereits absorbierten Gase etc. in den Flaschen zur 
Absorption zu bringen, wurde der Inhalt mit Wasser geschüttelt 
und einige Zeit mit Wasser stehen gelassen. Eine völlige Ab¬ 
sorption war sicher möglich, da die Menge der flüchtigen Pro¬ 
dukte etc. nicht so bedeutend war, als dafs sie von der ver¬ 
wendeten Menge Wasser nicht hätte absorbiert werden können. 
Zum Beweise dessen wurden in gleichen Flaschen, mit welchen 
genau so, wie oben verfahren worden ist, diese Gase durch 
Sauerstoff verdrängt und durch Lösungen mit Schiffs Reagens, 
Fischers Reagens und Barytwasser geleitet. Hierbei trat ent¬ 
weder nur ganz geringe oder gar keine Reaktion ein. Nach der 
Absorption der Gase durch Wasser wurde nun der Inhalt der obigen 
Flaschen mitsamt den Flaschensplittern nach deren Zertrümmern 
und Zerkleinern in einen Destillierkolben gebracht. In den Destil. 
lierkolben wurde Wasserdampf eingeleitet und in allen 4 Fällen 
je 90 ccm Flüssigkeit (auf je 30 g Öl oder Farbe) überdestilliert. 1 ) 
Es mufsten demnach in jedem dieser 90 ccm Destillat sämtliche 
flüchtigen Produkte enthalten sein, welche sich innerhalb der 
6 Tage in Summa gebildet hatten. Die in Tabelle II angegebe¬ 
nen Zahlen drücken folglich auch die Gesamtmenge an flüchtigen 
Stoffen in den 90 ccm Destillat aus. 

Wie die Tabelle II zeigt, sind die von Leinöl, Leinölfirnifs, 
Siccativ innerhalb 6 Tagen gebildeten flüchtigen Produkte so un¬ 
bedeutend, dafs sie kaum der Erwähnung bedürfen. Damit finden 
die Resultate des Versuches 13 von Jacobitz nur zum Teile 
ihre Bestätigung. Als von Bedeutung sind nur die innerhalb 
6 Tagen erhaltenen flüchtigen Produkte von Pef. 2098 zu be¬ 
zeichnen. Betrachten wir uns das Ergebnis der mit dieser Farbe 
angestellten Versuche näher, so war die O Aufnahme von 50 °/ 0 
des dargebotenen Volumen Gases eine grofse. Dasselbe Resultat 


1) Selbstverständlich wurde nach den 90 ccm Destillat weiter destilliert 
und konstatiert, dafs keine oder nur die geringste Spur von Aldehyd etc. 
mehr zu erhalten war. 


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304 Über desinfizierende Wandanstriche. 



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Reaktionen erhalten mit 90 ccm Destillat nach Einwirkung von je 330 ccm Sauerstoff innerhalb 6 Tagen auf je 30 g: 




Von Dr. phil. R. Rapp. 


305 


ergaben auch ähnlich angestellte Versuche. Von Bedeutung 
ferner ist die Aldehydmenge, während die Gesamtformaldehyd¬ 
menge und die Säuremenge 1,9 mg fast nicht in Betracht kommen 
können. Rechnen wir die nun in 6 Tagen aus diesen 30 g Farbe 
Pef. 2098 erhaltene Gesamtmenge von 50 mg Aldehyd um auf 
0,6 g Farbe; denn soviel braucht man ungefähr um eine Fläche 
von 53 qcm mit Pef. 2098 zu decken und erinnern wir uns, dafs 
zu diesen 53 qcm Fläche Jacobitz 0,5 ccm Staphylokokkenkultur 
behufs Infizierung benutzt hat, um dann in 8—12 Stunden alle 
Keime abgetötet zu finden, so ergibt sich folgende Rechnung: 
Nur 0,6 g Farbe Pef. 2098 sind zum Bestreichen einer Fläche 
von 53 qcm nötig, nach meinen Versuchen haben 30 g Farbe 
Pef. 2098 im Verlaufe von 6 Tagen 50 mg Aldehyd geliefert, so- 

30 

mit treffen von Aldehyd auf 0,6 g Farbe umgerechnet = 50. Teil 

oder gleichfalls der 50. Teil von 50 mg Aldehyd = 1 mg Aldehyd 
pro 0,6 g Farbe Pef. 2098 in 144 Stunden. Da ferner diese 50 mg 
Aldehyd erst im Verlaufe von 6 Tagen oder 144 Stunden von 
30 g Farbe Pef. 2098 (n. Tabelle II) produziert worden sind, da 
schliefslich die Abtötung von einer 0,5 ccm Staphylokokkenkultur¬ 
flüssigkeit für 0,6 g Farbe Pef. 2098 (auf eine Fläche von 53 qcm 
gestrichen) nach den Jacobitzschen Versuchen innerhalb 8 bis 
12 Stunden erfolgt war, so verringern sich diese 1 mg Aldehyd 
noch in diesem Verhältnisse (144 Stunden zu 8 resp. 12 Stunden 
= 18. resp. 12. Teil), nämlich um den 18. resp. 12. Teil; oder 
es ergibt sich als produzierte Menge: 0,06 mg Aldehyd für 
0,6 g Farbe innerhalb 8 Stunden. 

Und diese Menge von 6 / 100 mg Aldehyd soll in 0,5 ccm Sta¬ 
phylokokkenbouillonkultur (Menge der Kulturflüssigkeit für eine 
Fläche von 53 qcm nach den Jacobitzschen Versuchen) alle 
Keime innerhalb 8 bis 12 Stunden abgetötet haben 1 In Wirk¬ 
lichkeit sind nach Zusatz von 1 mg und 10 mg Acetaldehyd 
zu 0,5 ccm einer 24stündigen Staphylokokkenbouillonkultur 
noch nach 7 Tagen die meisten Keime lebensfähig; erst bei Zu¬ 
satz von 100 mg Acetaldehyd zu obiger Menge Bouillonkultur 
sind nach 1 Stunde nur mehr wenige Keime lebend vorhanden. 


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306 


Über desinfizierende Wandanstriche. 


Während dieser Versuch nur qualitative Anhaltspunkte gibt, 
wurde folgender Versuch quantitativ angestellt: 

Za je 0,5 ccm 24stündiger Staphylokokkenboailionkultur kamen 1,5 mg 
Acetaldehyd (also mehr als das 20 fache nach obiger Berechnung) und aufeer- 
dem noch 0,3 mg Ameisensäure (also eine bedeutend grOfsere Menge als 
jene ist, welche sich für 0,6 g Farbe Pef. 2098 innerhalb 8 Stunden = (*/ 10op mg) 
vorfinden würde). 

Während vor dein Versuche die Kultur pro Öse 349440 Keime 
zeigte, fanden sich nach 4 Stunden 211200; nach 12 Stunden 
128640 Keime pro Öse vor. 

Nehmen wir nun an, dafs in statu nascendi die desinfi¬ 
zierende Wirkung der Aldehyde eine gröfsere ist und rechnen 
wir unter Berücksichtigung des Ausdrocknen und der Säure¬ 
menge das 10 fache, ja das 100 fache vom obigen gefundenen 
Werte, so sind wir immer noch von der Desinfektionswirk¬ 
ung entfernt, die in der Tat stattfindet. Ich kann also mit 
bester Überzeugung behaupten, die von Jacobitz angenommenen 
flüchtigen Produkte sind es in erster Linie nicht, welche 
beim Aufstreichen von Kulturen auf Emaillefarben, z. B. auf 
Pef. 2098, die bakterizide Wirkung hervorrufen. 

Aufser der oben dargelegten Berechnung stützt sich meine 
Behauptung auf folgende weiteren Punkte: Betrachten wir in 
Tabelle I die desinfizierende Wirkung der Farbe Pef. 2098 etwas 
näher. Auf 6 mg Emaillfarbe 2098 werden ca. 75000 bis 
130000 Keime schon innerhalb 1—4 Stunden abgetötet: Be¬ 
denken wir noch, dafs in 6 mg Emaillefarbe ca. 35°/ 0 ZnO als 
unwirksame Substanz enthalten sind, so wären es gar nur ca. 
4mg organische Substanz, die die Wirkung zu erzielen vermag; 
und der wievielste Teil von diesen 4 mg organischer Substanz ist 
dann erst in der Tat der Bestandteil der flüchtigen Produkte, 
da wir nur annehmen können, dafs sich diese flüchtigen Pro¬ 
dukte (Aldehyde, flüchtige Fettsäuren etc.) nur aus dem Gly¬ 
cerin nach Abspaltung der Fettsäuren bilden können. Nach¬ 
dem die Fettsäuren im Leinöl nach Mul der ca. 95°/ 0 betragen, 
das Glycerin ca. 5 °/ 0 , so mufste gar nur der 20. Teil von 4 mg 
oder 2 ho mg an flüssigen Produkten in maximo in Betracht 
kommen. Also auch auf Grund dieser Überlegung können 


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Von Dr. phil. R. Rapp. 


307 


flüchtige Produkte nicht die Hauptursache der desinfizierenden 
Wirkung bei Emaillefarben sein. Aber nicht auf Überlegungen 
und Berechnungen allein, sondern auch auf Versuche soll sich 
meine obige Behauptung stützen. 

Die Tabelle II zeigt auch, dafs das Gesamtdestillat nicht 
einmal entwicklungshemmend wirkt, geschweige denn abtötend. 
Zu 5 ccm Destillat gelangten als Nährstoffe Ammoniumsulfat und 
die Nägelisehen Nährsalze. Bouillon, Pepton etc. wurde ab¬ 
sichtlich vermieden, um dem Einwande zu entgehen, dafs die 
Aldehyde mit Pepton, Ei weifskörpern event. unwirksame Ver¬ 
bindungen eingehen. Als Aussaat konnten natürlich nicht Staphylo* 
kokken gewählt werden, sondern eine in einer so zusammenge¬ 
setzten Nährlösung besser wachsende Bakterienart und zwar 
wählte ich hiezu den Bacillus prodigiosus. Aus der Tabelle er¬ 
sehen wir, dafs in allen Proben Wachstum eingetreten ist, wenn 
auch bei Pef. 2098 bedeutend später. Ein quantitativ ange- 
stellter, baktericider Versuch mit Staphylokokkenkultur ergab: 
sofort 268800; nach 1 Stunde 213120; nach 4 Stunden 211200; 
nach 12 Stunden 126720 und nach 24 Stunden 269200 Keime 
pro gleicher ,Öse. Hiebei wurde 0,5 ccm Staphylokokkenkultur 
mit 1,5 ccm Destillat (Tab. II) gemischt. Also auch dadurch 
konnte meine Behauptung eine Stütze finden. 

Schliofslicli liefs ich in einem weiteren Versuche die flüch¬ 
tigen Produkte direkt auf Kulturen einwirken. Da möglichst 
viel Farbe in einem möglichst kleinen Raume am überzeugend, 
sten diesen Beweis erbringen mufste, so wurde folgende Anord¬ 
nung gewählt: Glasröhren von 14 mnl Durchmesser und 12 cm 
Länge wurden mit je 2,5 g Farbe Pef. 2098 beschickt und die 
Farbe an den Wandungen zur Verteilung und Trocknung ge¬ 
bracht. Nach 8 Tagen Trocknen wurde der Versuch weiter ge¬ 
führt. Da eine Berührung der Kultur mit Farbe ausgeschaltet 
werden mufste, aber möglichste Annäherung der Kultur zur 
Farbe wünschenswert erschien, so wurden Deckgläschen von 
12 qmm mit einer kleinen Öse voll Staphylokokkenkultur 
{130800 Keime) bestrichen und in die obige Röhre eingeschoben. 
Hierauf wurde durch die Röhren Sauerstoff hindurcbgeleitet. 

Archiv f. Hygiene. Bd.JCLVJI. 21 


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308 


Über desinfizierende Wandanstriche. 


Dadurch sollt© bezweckt werden, der verhältnifsmässig grofsen 
Menge Farbe einen Ersatz für den geringen Luftraum zu ver¬ 
schaffen, und der Farbe die gröfste Gelegenheit zur Sauerstoff¬ 
aufnahme zu geben. Nach bestimmten Zeitabschnitten wurde 
nun je ein Deckgläschen herausgenommen und untersucht. 
Nach 216 Stunden trat noch immer Wachstum ein, 
während im Kontrollversuche mit nur 6 mg Farbe und der 
gleichen Öse voll Keime bereits in 8 Stunden dieselben ver¬ 
nichtet waren. Da für eine gröfsere Anzahl Deckgläschen nicht 
Vorsorge getroffen war, konnte der Versuch nicht länger als 
216 Stunden ausgedehnt werden. Dieser Versuch ist wieder be¬ 
weisend genug, um die fragliche Wirkung der flüchtigen Produkte 
als unwesentlich erscheinen zu lassen. 

Aus all den angeführten Versuchen und den daraus sich 
notwendig ergebenden Folgerungen glaube ich, den genügenden 
Beweis erbracht zu haben, dafs die desinfizierende Wirk¬ 
ung bei Emaillefarben in erster Linie nicht auf Rechnung der 
flüchtigen Produkte zu setzen ist, sondern dafs dabei noch an¬ 
dere Faktoren notwendigerweise in Frage kommen müssen. Hie- 
mit sei durchaus nicht in Abrede gestellt, dafs die flüchtigen 
Produkte keinen Anteil an dem Ausfälle des Desinfektionser¬ 
folges haben; allerdings mufs dieser Erfolg als untergeordnet und 
als klein bezeichnet werden. 

Welchem Bestandteile verdanken nun die leinölhaltigen 
Emaillefarben die nicht unbedeutende Desinfektionswirkung? 
Diese Frage machte zunächst eine Analyse der Farbe Pef. 2098 
notwendig. Eine Behandlung der Farbe mit Lauge bringt nicht 
nur Zinkoxyd als Zinkat in Lösung, sondern verseift auch die 
Fette etc. Die Fettsäuren wurden aus der Seife mit Schwefel- 
Täure wieder abgeschieden und mit Äther ausgeschüttelt und ge¬ 
reinigt. Die so erhaltenen Fettsäuren zeigten eine Jodzahl von 
125,6 und ergaben nach der Methode von Gl ad ding und 
Twtischell aufser Fettsäuren fast genau 10°/ 0 Harzsäuren. 
Welche Harzsäure vorliegt, wurde vorläufig nicht weiter ermittelt. 
Also aus ca. 35 °/ 0 Zn 0 und 65 °/ 0 Leinöl mit 10 °/ 0 Harzzusatz 
besteht die Farbe Pef. 2098. 


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Von Dt. pbil. R. Rapp. 


309 


Wenn in der Litteratur eine von den Arbeiten über Leinöl, 
Leinölfirnifs, Erwähnung verdient, so ist es vor allem die Arbeit 
von Mul der. 1 ) Mul der schreibt: »Wenn man Leinöl bei Luft¬ 
zutritt kocht, so trennt sich das Glyzeryloxyd teilweise von den 
Fettsäuren (Leinölsäure, nebst wenig Elainsäure, Palmitinsäure und 
Magarinsäure) und die freigewordene Leinölsäure tritt wasserfrei 
auf. Diese wasserfreie Leinölsäure ist eine elastische, kautschuk¬ 
artige Masse, welche die wertvollen Eigenschaften eines guten 
Firnisses — grofse Widerstandsfähigkeit und Härte bei gleich¬ 
zeitiger Elastizität zugeschrieben werden mufs. Die im gekochten 
Leinöl vorhandene, nicht in wasserfreie Säure verwandelte Leinöl¬ 
säure . wird beim Anstriche und Trocknen zu einem anderen 
Produkte, der Linoxysäure, einer terpentinartigen Substanz oxy¬ 
diert. Alles was im gekochten Leinöl noch als unverändertes 
Linolein vorhanden ist, trocknet zu Linoxyn (Oxydationsprodukt 
der wasserfreien Leinölsäure), eine lederartige, elastische Substanz. 
Bei gutgetrocknetein Leinöle wurden alle Glyzeride zersetzt, was 
zurückbleibt ist Linoxyn, vermischt mit Palmitin-, Myristicin- 
und Elainsäure, welch letztere bei längerer Dauer des Trocknens 
oxydiert werden.« Ferner lesen wir: »Leinölsäure nimmt, sofern 
ihr Luft dargeboten wird, namentlich bei Gegenwart von Basen 
rasch Sauerstoff auf. So hatte z. B. Cloez 2 ) 10 gr Leinöl 
18 Monate lang der Luft ausgesetzt und gefunden, dafs dasselbe 
ein Gewicht von 10,703 gr angenommen hat, während zu gleicher 
Zeit CO 2 , Ameisensäure (nach 18 Monaten!) Essigsäure und 
Wasser aus dem Glyzerin durch Absorption von Sauerstoff ent¬ 
standen sind. An anderer Stelle 3 ) berichtet derselbe Autor, dafs 
die Öle (Leinöl und Mohnöl) in der Luft C und H verlieren und 
reichlich 0 absorbieren. Der C tritt zum gröfsten Teil als C0 2 , 
der H zum gröfsten Teil als H 2 0 aus, der Rest bildet, wie 
scheint eine flüchtige, an Acrolei'n erinnernde Verbindung. 


1) Mul der, Chemie der austrocknenden öle. Nach der holländischen 
Originalausgabe bearbeitet von J. Müller, Berlin, 1867. 

2) Cloetz, Wagners Jahresber. der chem. Technologie, 1865, 8. 558. 

3) Bullet, de la Sociät4 chim., 1865 Jan., 8. 41. 

21 • 


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310 Über desinfizierende Wandanstriche. 

Da in Pef. 2089 Harze resp. Harzsäuren nachgewiesen 
worden sind, so sollen hierüber folgende Angaben Erwähnung 
finden. An Stelle der früher gebräuchlichen, durch Kochen von 
Leinöl mit Bleioxyd hergestellten Firnisse verwendet man jetzt 
mit Erfolg in der Technik Lösungen von harzsauren und leinöl¬ 
sauren Salzen in Leinöl (= Metallfirnisse, ungekochte Firnisse). 
Die Oxydation der Harze an der Luft ist allbekannt. K.Dietrich 1 } 
schreibt: »Gerade bei den Harzen wird die oxydierende Wirkung 
des Trockenprozesses durch Luft und Licht am besten veran¬ 
schaulicht. Lippert 2 ) hat Versuche angestellt, ob bei Zusatz 
von Harzöl, Harz zu Firnissen eine Verminderung hinsichtlich 
der absorbierten Menge Sauerstoff eintritt oder nicht und findet, 
dafs bei Zusatz von Kolophonium gerade bei der stärksten Ver¬ 
fälschung die Sauerstoffzahl am höchsten ist. 

Wenn wir also von der Oxydation der Leinölsäure zu Oxy- 
leinölsäure, von Leinölsäureanhydrid zu Linoxyn, von Oxydations¬ 
vorgängen bei den Harzen hören, so kann es nicht Wunder 
nehmen, dafs Pef. 2098 in.Tab. II 5O°/ 0 des vorhandenen Sauer¬ 
stoffs in 6 Tagen absorbiert hat. Dafs Farbe Pef. 2098 noch 
mehr O aufzunehmen vermag, sollen folgende Versuche zeigen. 
Drei Flaschen mit je 850 ccm Inhalt wurden mit je 20 g Pef 2098 
beschickt. Nach dem Anhaften der Farbe an den Wandungen 
der Flasche wurde Sauerstoff eingepumpt. Nach 6 Tagen waren 
von den 830 ccm Sauerstoff 500 ccm absorbiert; also 60 °/ 0 . Auf 
einem Objektträger wurden 0,22 g Pef. 2098 gestrichen. Nach 
der Oberflächentrocknung wurde gewogen und in bestimmten 
Zeiträumen die Gewichtszunahme konstatiert, und zwar ergab 
dieselbe nach 4 Tagen = 3,6 mg; nach 8 Tagen = 5,0 mg; nach 
24 Tagen = 5,0 mg; nach 2 Monaten = 5,0 mg. Die Ge¬ 
wichtszunahme von Farbe Pef. 2098 nach erfolgter Oberflächen¬ 
trocknung war demnach nach 4 Tagen beendet und betrug 
ca. 2,3 °/ 0 ; in Gasvolumen ausgedrückt, haben 0,22 g Farbe 
Pef. 2098 = 3,5 ccm 0 aufgenommen, wobei die Abnahme keine 

1) K. Dietrich, Helfenberger Analen, 1896, S. 15. 

2) Lippert, Z. f. angew. Chemie, 1898, S. 412. Zur Ermittlung der 
v. trock. ölen und Firnissen absorb. 0*Menge. 


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Von Dr. phil. R. Rapp. 311 

Berücksichtigung finden konnte, die durch etwaige Gasbildung etc. 
erfolgt sein mag. 

Wenn wir uns alle diese Tatsachen von der Sauerstoffauf¬ 
nahme, einerseits des Leinölfirnisses und anderseits der Harze 
vor Augen führen, so mufs man sich doch unwillkürlich die 
Frage stellen, soll bei diesem bedeutenden O-Aufnahmevorgange, 
bei diesen Oxydationsprozessen nicht auch nebenbei eine keim- 
abtötende Wirkung stattfinden; müssen wir unbedingt erst durch 
Oxydation gebildete Produkte annehmen, welche die desinfizier¬ 
ende Wirkung schliefslich zustande bringen; kann die keimab-> 
tötende Wirkung der Emaillefarben nicht auf diesen Umstand 
zum Teile zurückgeführt werden? Gibt es doch sowohl in der 
anorganischen, wie in der organischen Chemie keimabtötende 
Körper, welche hauptsächlich dadurch desinfizierend zu wirken 
scheinen, dals infolge der Sauerstoffaufnahme nebenbei und nicht 
erst durch die sich bildenden Oxydationsprodukte die Keim- 
abtötuug erfolgt. Ich nenne als Beispiel die unterchlorigsauren 
Salze, die durch Sauerstoffaufnahme in chlorsaure Salze über¬ 
gehen. Die unterchlorigsauren Salze wirken aber bekanntlich 
stärker desinfizierend als die chlorsauren Salze. 

Bevor in dieser Hinsicht aber ein entscheidender Schlufs 
gezogen werden kann, mufs noch die Frage berührt werden, ob 
nicht aus den trockenen Farben durch wässerige Flüssigkeiten, 
wie sie die benützten Infektionsmaterialien darstellen, Salze ge¬ 
löst werden können. Wie wir gehört haben, entstehen beim 
Eintrocknen von Leinölfirnifs Fettsäuren, Oxyfettsäuren, die bei 
Gegenwart von ZnO das entsprechende Salz zu bilden vermögen 1 ). 
In der Tat kann man nach dem Eintrocknen der Farbe Pef. 2098 
mit Wasser Salze ausziehen. Es wurden z. B. in einer Flasche, 
in welcher 20 g Pef. 2098 angetrocknet war, noch nach der neunten 
Füllung derselben mit warmen Wasser diese Salze nachgewiesen. 
Aus mehreren solchen Flaschen wurde durch Abdampfen des 
Wassers eine weiche Masse erhalten, die in der Hauptsache aus 

1) Aufserdem werden, wie schon erwähnt, Lösungen von harzsauren 
und leinölsauren Salzen in Leinöl (sog. Metallfirnisse) mit Erfolg in der 
Technik benutzt. 


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Über desinfizierende Wandanstriche. 


dem Zinksalze einer Harzsäure bestand. Die nächste Aufgabe 
war nun zu erforschen, ob dieses Salz entwicklungshemmend 
und Bakterien abtötend wirkt. In einer Konzentration, von 3 zu 
1000, einer Bouillon zugesetzt und mit Staphylokokken infiziert, 
war eine entwicklungshemmende Wirkung zu konstatieren. In 
1 ccm Staphylokokkenbouillonkultur wurde ferner 0,02 g des 
des Salzes, (also 2 °/ 0 ) zur Lösung gebracht und mit je einer Öse 
voll Plattenkulturen angelegt. Während bei Beginn des Ver¬ 
fahrens 351360 Keime pro Öse vorhanden waren, zeigten sich 
nach 1 Stunde 297 600; nach 4 Stunden 201600; nach 12 Stuuden 
107520; nach 24 Stunden 76800 Keime pro Öse noch lebens¬ 
fähig. Wie viel von dem Salze unter Berücksichtigung der dar¬ 
gelegten Versuchsanordnung in Lösung geht, ergibt ein hierüber 
angestellter Versuch. Hiernach werden von 0,5 ccm Flüssigkeit 
1,14 mg gelöst, was einer 0,22 °/ 0 Lösung gleichkommt. Um 
einerseits die Wirkung dieser Salze allein zum Teile kennen 
zu lernen, raufste die Oxydation, also die Luft ausgeschaltet 
werden; um anderseits den Einflufs der Luft, also die Oxy¬ 
dation allein zu beobachten, raufste das Salz entfernt werden. 
Zu diesem Zwecke wurde eine Partie mit 6 mg Farbe Pef. 2098 
bestrichener Deckgläschen nach 2 Tage währendem Trocknen 
*/ 2 Minute lange in kochendes Wasser gegeben, dann an der 
Luft weitere 2 Tage belassen, und schlielslich mit einer kleinen 
Öse voll 248tündiger Staphylokokkenbouillonkultur (134400 Keime 
pro Öse) bestrichen; die andere Partie liefs ich 4 Tage lang 
trocknen, kochte dann dieselben 1 j 2 Minute lang in Wasser aus, 
infizierte sie nach dem Verdampfen des anhaftenden Wassers mit 
der gleichen Öse voll Kultur (134400 Keime pro Öse) und be¬ 
wahrte sie in einem Vacuumexsiccator auf, der mittelst einer 
kräftig saugenden Luftpumpe evacuuiert wurde; eine dritte Partie 
wurde wie sonst behandelt und diente als Kontrolle. Während 
nun auf den Kontrollgläschen nach 3 Stunden alle Keime ab¬ 
getötet waren, dauerte dies bei den aufgekochten (also von 
dem harzsaurem Zink befreiten) und wieder .den völligen 
Genufs von Luft besitzenden Deckgläschen schon 11 Stunden; 
die ausgekochten und im Vacuum (von 700 mm) befindlichen 


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Von Dr. phil. R. Rapp. 


313 


Proben bedurften, um denselben Effekt zu erzielen, hingegen 
96 Stunden. 

Farbe Pef. 2098 je 6 mg; je mit einer kleinen Öse voll 
Staphylokokkenbouillonkultur (134400 Keime pro Öse) infiziert. 




Wachstum in den geimpften 


Bestrichene Deckgläschen 

Bouillonröhrchen 

nach Stunden 



1 

2 

3 

7 

11 

23 

48 

72 

96 

A. 

2 Tage getrocknet, V, Minute aus¬ 
gekocht, nach 4 Tagen infiziert . . 

+ 

+ 

+ 

+ 






B. 

4 Tage getrocknet, l / s Minute aus¬ 
gekocht, infiziert und im Vacuum 
(von 700 mm) aufbewahrt .... 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

-i- 


C. 

Ohne Auskochen nach 4 Tagen in¬ 
fiziert (Kontrolle). 

+ 

+ 

— 

— 

— 






Um den Unterschied im Desinfektionserfolge bei vollstän¬ 
digem Luft- resp. Sauerstoffgenufse und bei ganz beschränktem 
Luft- resp. Sauerstoffzutritte genauer kennen zu lernen, wurden 
noch zwei weitere Versuche angestellt. Die eine Partie wieder 
mit 6 mg Farbe Pef. 2098 bestrichenen Deckgläschen blieb wie 
sonst in Petrischalen an der Luft liegen, die andere Partie wurde 
im wieder gut schliefsenden Vacuumexsiccator untergebracht 
und derselbe möglichst evacuuiert (Vacuum 700 mg). Der Auf¬ 
strich der Farbe war in dem einen der Versuche bereits 8 Tage, 
im andern der Versuche 11 Tage alt. Die Abtötung der Keime 
(136800 pro Öse) erfolgte an der Luft nach 12 Stunden, im 
fast völligen Vacuum nach 96 Stunden resp. war im zweiten Ver¬ 
suche dieser Erfolg nach 120 Stunden nicht erzielt. 

Farbe Pef. 2098 je 6 mg mit je einer kleinen Öse voll 
Staphylokokkenbouillonkultur (24stündig) infiziert. 


Anzahl der 

Deck¬ 


Wachstum in den geimpften 


Keime 

gläschen 


Bouillonröbrchen nach Stunden 


pro Öse 

aufbewahrt 

i 

2 

3 

1 4 

LL 

12 

24 

48 

72 

96 

120 

136 800 

an der Luft 

+ 

~+ 

T 

+ 

+ 

— 


— 

— 



136 800 

im Vacuum 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 


408000 

an der Luft 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

— 

— 

_ 

— 



408000 

im Vacuum j 

+ 

+ 

j + 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 


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314 


Über desinfizierende Wandanstriche. 


Die angestellten Untersuchungen genügen um daraus zu 
schliefsen, dafs die in Lösung gehenden fettsauren und harz* 
sauren Salze die hauptsächliche Ursache der desinfizierenden 
Wirkung bei frisch aufgestrichenen Emaillefarben nicht sind. 

Nachdem auch dieser Fall für den nicht unbedeutenden, 
desinfizierenden Erfolg bei frisch gestrichenen Emaillefarben nicht 
in erster Linie in Betracht kommen kann, so bleibt nur die eine 
schon angedeutete Möglichkeit übrig, dafs nämlich die desinfh 
zierende Wirkung bei Emaillefarben auch abhängig ist, von der 
Fähigkeit Sauerstoff aufzunehmen und dafs diese Wirkung um¬ 
so gröfser ist, je mehr das Bindemittel (Leinölfirnifs mit Harz¬ 
zusätzen) Sauerstoff aufzunehmen vermag. Diese Annahme steht 
mit den bereits bekannten Tatsachen im Einklänge, dafs solche 
Emaillefarben ihre desinfizierende Wirkung allmählich verlieren, 
wenn alle Oxydationsprozesse beendet sind. Die Wirkung der 
bei diesen Oxydationsvorgängen entstehenden flüchtigen und 
nicht flüchtigen Produkte kann bei dem Desinfektionserfolge 
nur von untergeordneter Natur sein. 

Es sei mir gestattet, bei dieser Gelegenheit auf einen ähn¬ 
lichen Fall hinzuweisen. Wenn man die bakterielle Selbst¬ 
reinigung der Flüsse nur auf den Einflufs des Lichtes, auf die 
ungünstigen Nahrungs- und Wachstums Verhältnisse, in welche 
die Bakterien bei Einschwemmung in die Flufsläufe versetzt 
werden etc. — und wie alle die untergeordneten Gründe lieifsen 
mögen — zurückführen will, so reichen sie alle zusammenge¬ 
nommen bei weitem nicht aus, um den wirklich stattfindenden 
Abtötungserfolg völlig zu erklären. Vielmehr glaube ich, auch 
hier annehmen zu müssen, dafs Oxydationsvorgänge — und 
solche finden ja bei Flufsläufen statt — die Hauptursache der 
Bakterienabtötung im verunreinigten Flufswasser sind. 

Fafse ich die Resultate meiner Untersuchungen zusammen, 
so ergibt sich folgendes: 

1. Zu allgemein vergleichenden Untersuchungen für Farben 
von verschiedener Zusammensetzung, also verschiedenen Charak¬ 
ters, ist die Versuchsanordnung von Jacobitz verwendbar. Wenn 
aber Farben von gleichem oder ganz ähnlichem Charakter auf 


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Von Dr. phil. R. Rapp. 


315 


ihre desinfizierende Wirkung hin untersucht werden sollen, wie 
das von Jacobitz auch für die Farbe Pef. 2098 und Zonca 101 
geschehen ist, so ist, um ein sicheres Urteil abzugeben, 
die Versuchsanordnung von Jacobitz unbedingt nicht mehr ge¬ 
nügend; es mufs hiefür ein genaueres quantitatives Verfahren 
Platz greifen. 

2. die hier aufgeführte Deckgläschen Versuchsanordnung ist 
quantitativ ausgearbeitet und entspricht deshalb dem eben ge¬ 
nannten Zweck; also zum Vergleiche von Farben mit gleicher 
Zusammensetzung. 

3. Auf Grund dieser neuen Versuchsanordnung ist, wie ich 
schon in meiner früheren Arbeit gezeigt habe, die Zoncafarbe 101 
mindestens ebenso gut keimabtötend, wie die Farbe Pef. 2098; 
also Pef. 2098 zeigt keine Überlegenheit, wie Jacobitz auf 
Grund ungenau angestellter Versuche behauptet. 

4. Die Menge der beim Trocknen von Leinöl auftretenden 
flüchtigen Produkte (Aldehyde, Formaldehyd, Ameisensäure) ist 
auf Grund von quantitativ ausgeführten Untersuchungen nicht 
so grofs, dafs sie für den Desinfektionserfolg bei Emaillefarben 
in Betracht kommen können, wie Jacobitz nach Anstellung 
nur qualitativer Reaktionen angibt. 

5. Die von Emaillefarbenanstrichen mit Flüssigkeiten in 
Lösung gehenden ölsauren und harzsauren Salze besitzen zwar 
eine abtötende Wirkung, erklären aber gleichfalls nicht die be¬ 
sonders bei frisch aufgestrichenen Emaillefarben stattfindende be¬ 
deutende Desinfektionswirkung. 

6. Die Desinfektionswirkung der Leinölfinifs, Harze und zu¬ 
gleich Basen (ZnO) enthaltenden Emaillefarben ist höchst 
wahrscheinlich als unmittelbare Folge des Oxydations¬ 
vorganges zu betrachten, ohne dafs wir annehmen müssen, 
dafs die dabei entstehenden flüchtigen und nicht flüchtigen Oxy¬ 
dationsprodukte diesen Effekt allein auslösen. Allerdings be¬ 
teiligen sich diese am Desinfektionserfolge. 

7. Nach vollendeter Oxydation können die in den Emaille¬ 
farbenanstrichen entstehenden löslichen fett- und harzsauren 
Salze den allmählich stattfindenden Desinfektionserfolg erklären. 


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316 Über desinfizierende Wandanstriche. Von Dr. phil. R. Rapp. 

Diese Erklärung gilt gerade für die Desinfektions Wirkung älterer 
Anstriche. 

8. Was den Wert der keimabtötenden Wirkung bei 
Emaillefarben betrifft, so möchte ich auch heute, wie ich das 
bereits früher getan habe, dieser keine allzu grolse Bedeu¬ 
tung beilegen. Sie ist nur eine schätzens- und wünschenswerte 
Eigenschaft. 

Zum Schlufs sei noch bemerkt, dafs ich dieses Thema, so¬ 
weit es die Emaillefarben angeht, von meiner Seite als erledigt 
betrachte und auf Einwendungen, die dagegen erhoben werden, 
nur eingehen werde, wenn sie sich auf genauest durchgeführte 
neue Untersuchungen stützen. 


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Über Malaria im europäischen RuMand (ohne Finnland). 

Eine Skizze. 

Von 

P. Argutinsky. 

(Mit einer Karte.) 

Die statistischen Daten über die Malariamorbidität in Rufs¬ 
land, welche meiner Mitteilung zu Grunde liegen, sind Berichten 
entnommen, die unsere oberste Behörde für die Medizinalver¬ 
waltung, das Reichsmedizinaldepartement, von Zeit zu Zeit ver¬ 
öffentlicht; sie betrefEen die Jahre 1893, 1894 und 1895. 

Das Medizinaldepartement erhält sein statistisches Material 
zum gröfsten Teil aus den Mitteilungen zahlreicher Ambulatorien 
auf dem Lande und auch in den Städten, zum geringeren 
aus denen verschiedener Krankenhäuser und zu einem ganz un¬ 
bedeutenden aus der Privatpraxis der praktischen Ärzte, die alle 
verpflichtet sind, alljährlich einheitlich rubrizierte Berichte über 
die Zahl der behandelten Kranken der Medizinalbehörde einzu¬ 
liefern. Es ist selbstverständlich, dafs die Publikationen des 
Medizinaldepartements nicht die Zuverlässigkeit einer genau ge¬ 
führten, auf klinischen Diagnosen gegründeten Krankenhaus¬ 
statistik haben, aber neben den medizinalstatistischen Veröffent¬ 
lichungen mancher Landschaftsärzte, mit denen sie ziem¬ 
lich übereinstimmen, bilden sie fast das einzige, grofse Zahlen 
enthaltende Material zur Feststellung der Malariamorbidität 
der Zivilbevölkerung des europäischen Rufslands. Unter den 
statistischen Quellen des Medizinaldepartements können die Be- 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 2 2 


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318 Über Malaria im europäischen Rufsland (ohne Finnland). 

richte aus der Privatpraxis der praktischen Ärzte keinen Anspruch 
auf Genauigkeit machen, da bei weitem nicht alle unsere Ärzte 
ihre Privatkranken regefmälsig registrieren. Zum Glück ist der 
Anteil gerade dieser Berichte, wie schon oben erwähnt, ein ganz 
unbedeutender. Dagegen sind die Mitteilungen der Krankenhäuser 
und Ambulatorien viel zuverlässiger. 

Der allergrölste Teil unserer statistischen Daten bezieht sich 
auf die Landbevölkerung, welche auch jetzt noch nahe an 9O°/ 0 
der Gesamtbevölkerung Rufslands ausmacht; deshalb ist für die 
richtige Beurteilung der allgemeinen, als auch der Malariamorbi¬ 
dität in erster Linie der Umstand zu berücksichtigen, dafs in 
verschiedenen Provinzen, wegen der ungleichen Organisation 
des Medizinalwesens auf dem Lande, die ärztliche Hilfe in 
ganz verschiedenem Mafse geboten und ebenso in ganz verschie¬ 
denem Mafse gesucht wird. Da das gröfsere Angebot und die 
stärkere Inanspruchnahme der ärztlichen Hilfe auf dem Lande 
vor allem davon abhängt, ob in dem betreffenden Gouvernement 
landschaftliche Selbstverwaltung — »S ernst wo« — eingeführt 
ist oder nicht, ist hier in kurzen Worten über >Semstwo« zu be¬ 
richten, während denen, die sich eingehender mit dieser echt 
russischen Institution bekannt machen wollen, vor allem die vor¬ 
treffliche Schilderung von F. Erismann 1 ), dem hochverdienten 
Förderer der landschaftlichen Medizin in Rufsland, empfohlen sei. 

Mit iSemstwo« bezeichnet man die auf Grund des Gesetzes 
vom L Januar 1864, in 34 Gouvernements des europäischen 
Rufslands eingeführte landschaftliche Selbstverwaltung, die vor 
allem die Aufgabe hat, für Unterricht, Medizin und Verkehrswege 
auf dem Lande innerhalb ihres Gouvernements zu sorgen. So 
weit es die Verhältnisse ermöglichten, hat die landschaftliche 
Selbstverwaltung in den, seit ihrer Einführung verflossenen nahe¬ 
zu 40 Jahren viel Segensreiches geleistet, ganz besonders iu Be¬ 
zug auf die Organisation der medizinischen Hilfe für die Land¬ 
bevölkerung. In jedem der 34 Semstwogouvernements wurden 
viele, gut besoldete Landärzte angestellt, mit festen Wohnsitzen 

1) Die Entwicklung der landschaftlichen Medizin and Gesundheitspflege 
in Rufsland Deutsche Vierteljahresschr. f. öffentl. Gesundheitspfl., Bd 29,1897. 


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Von P. Argutinsky. 


319 


in Dörfern und obligatorischer unentgeltlicher Behandlung der 
Landbevölkerung; es wurden auf dem Lande viele kleine Kranken¬ 
häuser kreiert und zahlreiche Ambulatorien gegründet, in denen 
dem Landmann und seinen Angehörigen täglich unentgeltliche 
ärztliche Hilfe und meist auch kostenlose Medizin zur Verfügung 
steht. Es ist selbstverständlich, dafs unter solchen Umständen 
die Landbevölkerung, die früher meist gar keine Ärzte kannte, 
in den Gouvernements, in denen Semstwo eingeführt wurde, 
bereits grofses Vertrauen zu den Landschaftsärzten und zur 
Medizin gewann, und dafs hier die Inanspruchnahme der ärzt¬ 
lichen Hilfe von Jahr zu Jahr steigt und bedeutend stärker ist 
als in den Gouvernements ohne Semstwo. 

In diesen letzteren wurden zwar in den verflossenen Jahren 
von der Regierung amtliche Dorfarztstellen geschaffen, aber weder 
sind diese Stellen zahlreich genug, noch sind sie so vortrefflich 
organisiert wie in den Semstwogouvernements. Es ist Tatsache, 
dafs in Gouvernements ohne landschaftliche Selbstverwaltung 
nicht einmal halb so viel Menschen ärztliche Hilfe aufsuchen als 
in Gouvernements mit landschaftlicher Selbstverwaltung. 

Daraus geht deutlich hervor, dafs bei Aufstellung einer 
Statistik der Malaria- oder der allgemeinen Morbidität im euro¬ 
päischen Rufsland, das Verhältnis der Malariakranken oder aller 
Kranken zur Bevölkerungszahl in einem Gouvernement mit land¬ 
schaftlicher Selbstverwaltung und in einem Gouvernement ohne 
landschaftliche Selbstverwaltung nicht miteinander verglichen 
werden darf. Bei einem solchen Vergleich würden in einem 
Semstwogouvernement selbstverständlich sowohl die Malaria¬ 
morbidität, als auch die allgemeine Morbidität immer bedeutend 
höher erscheinen. Die Malariastatistik wird nur dann ein der 
Wirklichkeit annähernd entsprechendes Bild geben, wenn das 
Verhältnis der Malariafälle zur Zahl aller Kranken 
im Gouvernement berücksichtigt wird, dagegen das zur Be¬ 
völkerungszahl aufser acht bleibt. Nur in diesem Falle können 
wir die Gouvernements mit und ohne Semstwo miteinander ver¬ 
gleichen. 

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Ober Malaria im europäischen Rufsland (ohne Finnland). 


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322 Über Malaria im europäischen RoTsland (ohne Finnland). 

Ich werde deshalb in jedem Gouvernement immer nur das ‘ 
Verhältnis der Malariafälle zur Gesamtzahl aller Erkrankungen 
berücksichtigen. Noch zwei Umstände werden mit zu Gunsten 
dieses Verfahrens und gegen die Berücksichtigung des Verhält¬ 
nisses zur Bevölkerungszahl sprechen. 

Erstens mufste die Bevölkerungszahl für jedes Gouvernement 
bis zum Jahre 1897 stets ausgerechnet werden, da sie nicht direkt 
bekannt war, denn die erste allgemeine Volkszählung in Rufs¬ 
land fand erst im Jahre 1897 statt. Diese Volkszählung ergab, 
dafs die Abweichung der ausgerechneten Bevölkerungszahl eines 
Gouvernements von der direkt ermittelten bis zu 10°/ 0 und mehr 
betragen konnte, also oft recht bedeutend war. 

Zweitens gehört in manchen Gouvernements des europäischen 
Rulslands (namentlich ganz im Osten und Südosten) ein mehr 
oder weniger grofser Teil der Landbevölkerung ganz unkultivierten 
Volksstämmen an, welche nur in geringem Grade ärztliche Hilfe 
aufsuchen, auch wenn dieselbe reichlich geboten wird. 

Um eine Malariakarte für Europäisch-Rufsland aufzuzeichnen 
habe ich für jedes Gouvernement die jährliche Durchschnittszahl 
der Malariafälle und die jährliche Durchschnittszahl aller Er¬ 
krankungsfälle für die Jahre 1893, 1894 und 1895 ausgerechnet 
und dann das Verhältnis der ersten zur zweiten Zahl ermittelt. 
Es ergab sich, dafs in einigen Gouvernements das Verhältnis 
der Malariafälle zu allen Erkrankungsfällen weniger als 1 %, nur 
einige Zehntelprozent ausmacht, in anderen bis zu 5% und 10°/ 0 
beträgt, in anderen wiederum 15% und 20% und nur in wenigen 
von 20% bis etwas über 25% steigt. In keinem Gouvernement 
des europäischen Rulslands steigert sich diese Zahl bis zu 30%; 
dagegen wird dieser Prozentsatz in manchen Gegenden des 
asiatischen Rufslands (des Kaukasus und Transkaspiens), in 
welchen eine viel heftigere Malaria herrscht, noch weit über¬ 
schritten. 

Um die Karte zu entwerfen, habe ich die ermittelten Zahlen 
nach ihrer Höhe in 6 Rubriken — Malariagebiete oder Malaria¬ 
zonen — eingeteilt und zwar: 


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Von P. Argutinsky. 


323 


I. 

Zone = Gouvernements 

mit 

20,1% 

und mehr 

Malariafälle 

II. 

» = 

» 

> 

15,1% 

bis 20,0 % 


III. 

> — 

) 


10,1% 

» 15,0% 

» 

IV. 

1 =r 

> 

» 

5,1% 

» ' 10,0% 


V. 

» — 


i 

1,1% 

» 5,0% 


.VI. 

» — 

> 


0 

» 1,0% 

» 


Diese 6 Zonen habe ich auf einer Karte Rulslands mit 
Gouvemementseinteilung in verschiedenen Schattierungen hervor* 
gehoben und so ein anschauliches Bild der Malariaverbreitung 
erhalten. Sehen wir nun näher zu, was diese Karte in Bezug auf 
die Ausdehnung und Lage der einzelnen Malariazonen ergibt. 

Die I. Zone, mit höchster Malariafrequenz von 20,1 °/ 0 und 
mehr, bildet ein zusammenhängendes Ganzes im südöstlichen Rufs* 
land und gehört hauptsächlich dem Gebiet der mittleren und 
unteren Wolga an, mehr auf dem flachen Ufer derselben sich 
ausbreitend. Diese I. Zone umfafst 5 Gouvernements und zwar 
Astrachan, Ssamara, Ssimbirsk, Pensa und Tambow, von denen 
die zwei letzteren nicht an der Wolga selbst, sondern an einigen 
ihrer Nebenflüsse liegen. 

Die II. Zone, das Gebiet der zweitstärksten Maläriafrequenz 
(15,1% — 2O,O°/ 0 ) nimmt eine gröfsere Bodenfläche ein, schliefst 
sich an die erste Zone an und bildet 3 verschieden grofse, ab¬ 
gegrenzte Gebiete, welche in der Richtung von Südwest nach 
Nordost aufeinander folgen und zusammen mit der ersten Zone 
das südöstliche Viertel von Europäisch-Rufsland einnehmen. Die 
2 kleineren Gebiete dieser II. Zone werden von je einem Gouver¬ 
nement gebildet, das eine (mittlere) von Kasan, das andere (nord¬ 
östliche) von Orenburg, während das gröfsere südwestliche von 
den Gouvernements Jekaterinoslaw, Woronesch, Ssaratow und 
vom grofsen Gebiet der Donschen Kosaken gebildet wird. 

Auch die III. Zone, in der die Malariafälle 10,1 %—15% 
aller registrierten Erkrankungsfälle ausmachen, tritt in einzelnen 
abgegrenzten Gebieten — 5 an der Zahl — auf, welche ebenfalls 
eine unzweideutige Richtung von Südwest nach Nordost einhalten. 

Während die 2 südwestlichen Gebiete dieser III. Zone von 
Bessarabien und Taurien gebildet worden und die 2 nordöstlichen 


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324 Über Malaria im europäischen Rufsland (ohne Finnland). 


vom Gouvernement Nishni Nowgorod und Gouvernement Ufa, 
besteht das gröfste mittlere Gebiet aus einem Komplex von 
4 Gouvernements (Tschernigovv, Poltawa, Kursk und Charkow), 
und zieht sich vom flachen linken Ufer des mittleren Dniepr nach 
Osten bis zur II. Zone. 

Die IV. Zone mit 5,l°/ 0 —10% Malaria zeigt ebenso unzwei¬ 
deutig die Richtung von Südwest nach Nordost. Sie besteht 
aus 2 gleich grofsen Endgebieten und 2 ganz kleinen, dazwischen 
gelagerten. Zum südwestlichen Endgebiet gehören 6 Gouverne¬ 
ments: Cherson, Wolynien, Podolien, Kiew, Grodno und Minsk; 
es liegt zum Teil der österreichischen Grenze an. Das grofse 
nordöstliche Endgebiet dieser IV. Zone, ebenso ausgedehnt wie 
das eben genannte, wird von 2 mächtigen Gouvernements, Perm 
und Wjatka gebildet. Die mittleren 2 kleinen Gebiete werden 
vom Gouvernement Orel und vom Gouvernement Rjäsan ein¬ 
genommen. 

Die vorletzte V. Zone mit spärlicher Malaria (1 % — 5%) zieht 
ebenfalls von Südwest nach Nordost (von Polen nach dem Nord- 
Ural). Ihr mächtiges Gebiet nimmt einen bedeutenden Teil der 
gröfseren nördlichen Hälfte Rulslands ein. 

Die letzte VI. Zone (mit spärlichster Malaria) endlich wird 
erstens von dem ganz im Norden gelegenen Gouvernement 
Archangelsk gebildet, dann aber von einem Komplex von 6 Gou¬ 
vernements, von denen 4 direkt an der Ostsee liegen (Kurland, Liv¬ 
land, Estland und Petersburg) und 2 sich ostwärts an diese 
letzteren anschliefsen (Pskow und Ssmolensk). In dieser VI. Zone 
wird die Malaria nur ganz vereinzelt angetroffen (vielleicht nur 
bei Zugereisten). 

Ein Blick auf die Karte zeigt: 

1. Die stärkste Malariafrequenz findet sich im 
südöstlichen Rufsland. Von hier aus vermindert sie 
sich nicht allein nach dem Norden hin, sondern merk¬ 
würdigerweise ganz ebenso auch in der Richtung nach 
Westen, trotzdem hierbei der Süden nicht verlassen und der¬ 
selbe Breitengrad nicht überschritten wird. 


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Von P. Argutinsky. 


325 


2. Schliefst man die erste (stärkste) und letzte (schwächste) 
Malariazone aus, so findet man, dafs jede der übrigen Zonen, d. 
h. die II., III. IV. und V. eine unverkennbare Richtung 
von Südwest nach Nordost zeigt, mit anderen Worten, 
dafs jede dieser Zonen in ihrem östlichen Teile nach 
Norden vorgerückt ist. Dieses Vorrücken kann sehr bedeu¬ 
tend sein und bis zu 10 Breitengraden betragen. 

Wodurch werden diese merkwürdigen Tatsachen erklärt? 

Vor allem dadurch, dafs das Klima im europäischen Rufsland 
um so kontinentaler wird, je weiter man nach Osten vorschreitet, 
um schliefslich streng kontinental zu werden. Im Osten Rufs¬ 
lands wechseln rauhe Winterkälte und unerträgliche Sommerhitze 
miteinander ab, während im Westen unter denselben Breiten« 
graden ein milder Winter und ein mäfsiger Sommer herrschen. 
So ist z. B: in der Stadt Ssamara die mittlere Januartemperatur 
um 10° niedriger, aber die mittlere Julitemperatur um 5° höher, 
als in dem unter gleicher Breite gelegenen Warschau. In der 
Stadt Ufa (an der Ostgrenze Rufslands), die 1000 km nörd¬ 
licher liegt, als die Stadt Ssimferopol in Taurien, ist die mittlere 
Julitemperatur dennoch dieselbe wie in der letztgenannten Stadt, 
während die mittlere Januartemperatur um 13° niedriger ist. Die 
Stadt Ssamara hat dieselbe mittlere Julitemperatur wie Kischinew 
(in Bessarabien), obgleich sie um volle 8 Breitengrade nördlicher 
liegt. Daraus ersieht man, dafs, um in der gleichen Sommer¬ 
temperatur zu bleiben, wie im Westen, man im Osten bedeutend 
nach dem Norden vorrücken mufs. 

Da wir die Abhängigkeit der Malariafrequenz (unter sonst 
günstigen Bedingungen) von der Höhe der Sommertemperatur 
nur zu genau kennen und in allen Ländern konstatieren können, 
so finden wir in den eben erwähnten speziellen klimatischen 
Verhältnissen eine genügende Erklärung für die eigen¬ 
tümliche Malariaverbreitung im europäischen Rufsland. Im 
Einklang mit diesen klimatischen Verhältnissen steht auch die Tat¬ 
sache, dafs die Gegend der stärksten Malaria zugleich die der 
höchsten Sommertemperatur ist. Solche mittlere Julitemperaturen 


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326 Über Malaria im europäischen Rufsland. Von P. Argutinsky. 


wie im Südosten (in Astrachan + 25,5°) werden nirgends sonst 
im europäischen Rufsland beobachtet. 

Nur in zweiter Reihe scheint in Rufsland die 
Bodenerhebung die Malaria Verbreitung zu beein¬ 
flussen. Der Vergleich der hypsometrischen Karte Rußlands 
mit unserer Malariakarte zeigt deutlich, dafs häufig die Weiter¬ 
ausdehnung oder das Aufhören einer Malariazone mit der Boden¬ 
elevation zusammenhängt. So sehen wir z. B., dafs am mittleren 
Dnjepr und in manchen Gebieten der Wolga auf dem erhöhten 
rechten Ufer meist spärlichere Malaria beobachtet wird als auf 
dem flachen linken Ufer. Aber dieser Faktor kommt, wo es sich 
um Malariaverbreitung nach Gouvernements betrifft, wie gesagt, 
^erst in zweiter Reihe in Betracht und wird vom Einflufs der 
hohen mittleren Sommertemperatur bedeutend übertroffen. Da¬ 
gegen wird er mehr hervortreten, wenn es sich um kleinere Bezirke, 
einzelne Kreise handelt. 

Zum Schlufs möchte ich noch folgende Bemerkung machen. Die 
Registrierung der Malariakranken und der gesamten Erkrankungs¬ 
fälle in verschiedenen Gouvernements Rufslands wird von Jahr 
zu Jahr eine bessere; deshalb sind die absoluten Zahlen für jede 
Provinz in raschem Steigen begriffen und werden wohl noch viele 
Jahre mit der Ausbreitung der Kultur und ärztlichen Fürsorge 
zunehmen. Es ist klar, dafs diese Zahlen nicht überall gleich 
rasch steigen, so dafs man beim Vergleich der statistischen Daten 
oder der danach entworfenen Malariakarte der älteren Jahrgänge 
mit denen der späteren bedeutende Abweichungen feststellen 
wird. Deshalb hat unsere Malariakarte einen nur bedingten Wert. 
Eins scheint aber sicher zu sein. Mögen die einzelnen Malaria¬ 
zonen in dem einen oder anderen Jahre sich anders gestalten und an 
Umfangzu- oder abnehmen, der allgemeine Charakter der 
Malariaverbreitung im europäischen Rufsland und in erster 
Linie seine Beeinflussung durch die speziellen klimatischen Ver¬ 
hältnisse wird dennoch immer der gleiche bleiben und in jeder 
solchen Karte zum Ausdruck kommen. 


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Untersuchungen über die gebräuchlichsten, in der 
Schweiz fabrikmäfsig hergestellten Milchpräparate — 
pasteurisierte, sog. sterilisierte und kondensierte Milch 
— mit besonderer Berücksichtigung der chemischen Zu¬ 
sammensetzung, des Keimgehaltes, der Gerinnungsfähig¬ 
keit und der Verdaulichkeit „in vitro“. 

Von 

Franz Sidler, Luzern. 

(Aus dem Hygiene-Institut der Universität Zürich.) 

Die steten Fortschritte in der Chemie haben uns der Kennt¬ 
nis der innem Zusammensetzung der Nahrungsmittel und der 
Beschaffenheit der Nährstoffe um einen grofsen Schritt näher 
gerückt. Denn während die Wissenschaft die chemischen Kennt¬ 
nisse über unsere Nahrungsmittel von Jahr zu Jahr vermehrt hat, 
ist sie anderseits nicht minder bemüht, die morphologische und 
chemische Beschaffenheit aller Teile unseres Körpers einer gründ¬ 
lichen Prüfung zu unterwerfen. So konnte denn auch festgestellt 
werden, welche Stoffe dem Körper zugeführt werden müssen, um 
die verschiedenen Teile desselben zu bilden, zu unterhalten und 
um zugleich die nötige Wärme zu entwickeln, welche für den 
Umwandlungs- und Verbrennungsprozefs der eingeführten Ele¬ 
mente nötig ist. Und gerade das setzt uns in den Stand, die 
Ernährung von dem Momente an, wo das Kind zuerst mit der 
Aufsenwelt in Verbindung tritt, nicht mehr nach blinden, oft von 
Vorurteilen getrübten Satzungen, sondern nach festen und sichern 


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328 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

Grundsätzen zu leiten. Allerdings müssen wir gestehen, dafs 
trotz den in allerneuester Zeit zu verzeichnenden Fortschritten auf 
dem Gebiete der Chemie und Biologie, die so wichtige Frage bis 
jetzt noch nicht genügend aufgeklärt ist. 

Das vornehmste und ausschliefsliche Nahrungsmittel für das 
Kind bildet die Milch, sei es nun, dafs es dieselbe der Mutter¬ 
brust entnimmt, oder sich mit künstlicher Nahrung begnügen 
mufs. Das Ideal der Kindesnahrung ist und bleibt die Mutter¬ 
milch und alle Bestrebungen, welche eine Hebung der natürlichen 
Säuglingsernährung bezwecken, sind allgemein zu unterstützen. 

Neuerdings haben sich aus diesem Grunde in einigen gröfseren 
Städten, wie Dresden, Wien etc. Institute gebildet, die für be¬ 
sondere Fälle gesunde Ammen zur Disposition auch eines weiteren 
Publikums stellen. In Dresden namentlich hat sich Schlofs- 
mann in Bezug auf die Säuglingsernährung grofse Verdienste 
erworben. 

Bei uns in der deutschen Schweiz ist die Ernährung durch 
Ammen eine sehr beschränkte und wird nur dazu geschritten, 
wenn kein Mittel mehr helfen will, um das Kind ernähren zu 
können. Etwas günstiger steht es in dieser Hinsicht in der 
französischen Schweiz. 

Es liegt daher auf der Hand, dafs die Wissenschaft diese 
Lücke auszufüllen suchte und ihr dabei das sich stets vervoll- 
kommende Milch- und Molkereiwesen hilfreich an die Hand ging. 
Dasjenige Ersatzmittel, das in erster Linie in Betracht kommt, 
weil am ehesten in konstanter Zusammensetzung erhältlich und 
jedermann zugänglich, ist die Kuhmilch. Um aber eine ein¬ 
wandsfreie frische Milch für die Säuglingsernährung zu beschaffen, 
stöfst man namentlich in bevölkerten Städten oft auf Schwierig¬ 
keiten, sei es, dafs vielerorts eine gute Milch nicht erhältlich oder 
zeitweise Krankheiten des Viehbestandes eine Infektionsgefahr 
durch Verwendung solcher Milch bedingen. Und sind auch diese 
Schwierigkeiten gehoben, so mufs man bedenken, wie empfind¬ 
lich gerade die frische Milch ist, dafs sie keine weiten Transporte 
verträgt und nicht zum mindesten ihre Haltbarkeit und Güte von 
Witterungsverhältnissen und anderen Einflüssen sehr abhängig ist 


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Von Franz Sidler. 


329 


Da gerade in neuester Zeit die verschiedensten Ersatzmittel 
für Muttermilch hergestellt und angepriesen werden, so liegt in 
erster Linie der Hygiene eine gar ernste Verpflichtung ob, zu 
prüfen, welche Ersatzmittel für Frauenmilch hygienisch zweck- 
mäfsig sind und wie dieselben beschaffen sein müssen. 

Während in Deutschland die daselbst im Handel befindlichen 
Kindermilchpräparate bereits zum Teil vor Jahren chemisch und 
bakteriologisch vielfach untersucht worden sind, sind für die in 
der Schweiz in grösserem Mafsstabe hergestellten Milchprodukte, 
die als Kindermilch zur Verwendung kommen, bis jetzt, meines 
Wissens, keine vergleichende Untersuchungen angestellt worden. 
Mit der immer steigenden Verwendung dieser sterilisierten Milch 
scheint es daher geboten, darüber eine orientierende Übersicht zu 
geben, um so mehr, als die Frage der Kinderernährung gegen¬ 
wärtig eine aktuelle ist. Herr Dozent Dr. Silberschmidt stellte 
mir daher zur Aufgabe, dieselben sowohl chemisch als auch 
bakteriologisch zu untersuchen und auf ihre Verdaulichkeit zu 
prüfen. 

Zur Untersuchung gelangten die Milchpräparate der gröfseren 
schweizerischen Milchanstalten, die solche als Säuglingsnahrung 
in den Handel bringen. 

Das Untersuchungsmaterial selbst stammte aus Apo- 
thekeii und Milchablagen, in denen die fertigen Milchprodukte 
zum Verkaufe gehalten werden. Zu den Verdauungsversuchen 
wurde von der Socidtö d’industrie laitiöre k Yverdon in zuvor¬ 
kommender Weise eine Anzahl ihrer Milchproben zur Verfügung 
gestellt. Die untersuchten Milchsorten sind in nachfolgender 
Tabelle (S. 8 u. 9) zusammengestellt: 

I. Chemischer Teil. 

Das Gebiet der Eiw r eifskörper der Milch bildet für den 
Chemiker gewissermafsen eine »terra incognita«. Einzelne Forscher 
behaupten, dafs in der Milch überhaupt nur ein Eiw'eifskörper 
existiere und aus diesem Grunde nimmt Duclaux (12) nur die 
Anwesenheit von Casein an und zwar als festes, kolloidales oder 
gelöstes und pflichten ihm viele andere Forscherbei, wiePfeifer(54), 


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T a b e 11 e I. 


330 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 



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6. Socidtä d’industrie lai- 6 Dz.-1-Flaschen, Gummi- Milch ziemlich rein weife, 40 Etikette »Lait sterilisd 
tifcre ä Yverdon verschlufs mit Drahtbügel Kochgeschmack nur wenig du Jura« 

und Plombe verratend 

6. Socidte d’industrie lai- 6 Dz.-1-Flaschen, Gummi- Farbe der Milch gelblich- 50 Etikette »Lait huma- 

tiere ä Yverdon, Back- verschlufs mit Drahtbügel weifs, mit Stich ins Graue, nisd du Prof. Back- 


Von Franz Sidler. 


331 


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Kochgeschmack 




332 Untereuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

Biedert (3), Peters (52) etc. Im Gegensatz zu ihnen steht 
Sebelien (73), der das Kasein und Albumin genauer untersuchte 
und nach wies, dafs im Kasein das Element Phosphor vorkommt, 
welches dem Albumin absolut fehlt und ferner auf den geringen 
Schwefelgehalt des Albumins gegenüber dem Kasein aufmerksam 
machte. Noch weiter als genannte Forscher gehen Danile wsky (6) 
Radenhausen (11), die das Eiweifs in zahlreiche Einzelkörper 
zerlegt haben wollten, was aber Hammarsten (27) widerlegte. 
Diese Widersprüche finden ihre Erklärung wohl darin, dafs gerade 
die Ei weifsstoffe höchst molekulare, komplizierte Gebilde dar¬ 
stellen, die sich gewissermafsen stets in einem labilen Zustande 
befinden und durch chemische und physikalische Einflüsse, durch 
Enzyme, Fermente, Bakterien etc. in die stabilen Formen über¬ 
gehen, die sich uns als Umwandlungs- und Abbauprodukte repräsen¬ 
tieren. Davon abgesehen, können wir zur Zeit die Anwesenheit 
dreier Eiweifsverbindungen in der Milch als gesichert annehmen, 
nämlich das Kasein, Albumin und Globulin, von denen wir aller¬ 
dings auch nicht wissen, ob sie einheitliche Stoffe sind oder ob 
sich eines Tages ihre weitere Zerlegbarkeit zeigen wird. Neben 
diesen 3 Ei weifskörpern will Schmidt-Mühlheim (5) Pepton 
als steten, normalen Bestandteil nächgewiesen haben, während 
Sebelien (73) durch zahlreiche Untersuchungen zu einem ent¬ 
gegengesetzten Resultate kommt und in diesem Sinne von andern 
Forschern unterstützt wird. 

Für unsere Zwecke kommt hauptsächlich in Betracht, in 
welchem Verhältnisse zueinander diese Eiweifsstoffe in der 
Milch, in unserem Falle speziell in der erhitzten Milch vor¬ 
handen sind. 

In neuester Zeit hat man sich vielfach mit den Eiweifs¬ 
körpern der Milch beschäftigt und biologische Untersuchungen 
haben den Nachweis erbracht, dafs diesen Stoffen eine grofse Be¬ 
deutung zukomme. Es ist aber doch darauf aufmerksam zu 
machen, dafs die andern Bestandteile, namentlich die Salze, neben 
Fett- und Zuckergehalt auch Berücksichtigung finden müssen. 
Ich habe aus diesem Grunde die vollständige chemische 
Untersuchung ausgeführt von Präparaten der oben genannten 


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Von Franz Sidler. 


338 


schweizerischen Milchanstalten. Dafs ich nicht alle derartigen 
Milchpräparate, die in der Schweiz überhaupt hergestellt werden, 
untersucht habe, ist erklärlich, weil viele nur in einen beschränkten 
Vertrieb kommen. Wenn daher die Arbeit keinen Anspruch 
auf Vollständigkeit machen kann, so gestattet sie doch, ein all- 
gemeines Urteil über die Präparate zu gewinnen. 

A. Untersuohungsmethoden. 

Trennung der Ei weifskörper. 

Um das Kasein, Albumin und Globulin fraktioniert zu be¬ 
stimmen, existieren sehr wenig Methoden. Das älteste Mittel und 
am meisten in der Technik (Käserei) angewendete, ist das Lab, 
dem Hammersten (26) eine spezifische Wirkung auf das 
Kasein zuschreibt. Auch durch Säuren ist das Kasein abscheid- 
bar, aber in ganz anderem Sinne. Durch das Labferment näm¬ 
lich wird das ursprüngliche Kaseinmolekül gespalten, wir haben 
in der Flüssigkeit — also nach der Gerinnung — 2 neue 
Körper, von denen der eine das Paracasein (Schultze)- Käse, 
Caseum (Hammarsten) ist, während der andere, das Molken- 
eiweifs oder Molkenalbumin, in Lösung bleibt und dem 
gewöhnlichen Eiweifs sehr ähnlich ist, so dafs mau das Ganze 
als einen hydrolytischen Prozefs auffassen kann. — Durch das 
Lab allein ist also das Kasein nicht quantitativ ausfällbar. Die 
älteste und bekannteste chemische Methode, um Kasein und 
Albumin voneinander zu trennen, ist diejenige, welche Hoppe- 
Seyler (31) ausgearbeitet hat, und zwar durch Zusatz von Essig¬ 
säure und Einleiten von C0 2 , wodurch das Kasein ausfällt, 
während das Albumin gelöst bleibt und nachträglich durch Sieden 
abgeschieden wird. Bis 1896 war dies die beste und ange¬ 
wandteste Methode; dann gab Schlofsmann (58) die Kali- 
Alaunmethode bekannt, die auch ich schliefslich angewendet habe, 
um so mehr, als Simon (63) an Hand zahlreicher Untersuchungen 
dieselbe sehr scharf und exakt fand. 

Nach derselben werden 20 ccm Milch mit 3—5 Teilen Wasser 
verdünnt und auf 40° C. erwärmt, alsdann tropf weise von einer 
gesättigten Kali-Alaunlösung so lange zugesetzt, bis eine Koagu- 

Arcbiv für Hygiene. Bd. XLVII. 23 


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334 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


lation uud rasches Absetzen der Koagula erfolgt. Nach Voll¬ 
endung der Abscheidung wird einige Minuten stehen gelassen 
und dann filtriert. Das Filter wird nach dem Auswaschen nach 
Kjeld ah 1 verbrannt. Das Filtrat wird zur Abscheidung des 
Albumins und Globulins mit 20 ccm Almfcns 1 )-Reagens versetzt 
und der Niederschlag nach dem Abfiltrieren ebenfalls in N um- 
gewandelt. Im Restfiltrate verbleiben somit nur mehr die so¬ 
genannten Extraktivstoffe, die ich in einem Erlenmeyer einengte 
und in gleicher Weise nach Kjeldahl veraschte. 

Bei der Kuhmilch ist die Abscheidung des Kaseins stets eine 
prompte, bei der Frauenmilch dagegen bedarf es beim Erwärmen 
eines Zusatzes von Kochsalz und beim Filtrieren eines solchen 
von Calciumphosphat. 

Von Schlofsmann (58) bin ich insoferne abgewichen, als 
das Fett, nach Simon (63) nicht aus dem Kaseinniederschlage 
im »Soxhletc bestimmt wurde, sondern in einer gesonderten Probe 
der Milch nach der Ger berschen Methode. 

Was nun das Schlofsmannsche Reagens als solches an¬ 
betrifft, so gibt Schlofsmann (58) in seiner Originalvorschrift 
nicht an, ob das von ihm verwendete Kali-Alaun käufliches 
(säurehaltiges) war. Dies legte den Gedanken nahe, es könnte 
die Kaseinfällung zum Teil eine blofse Säuregerinnung sein und 
zwar um so mehr, als ich mich überzeugte, dafs die meisten so¬ 
genannten chemisch reinen Kali-Alaunsorten bis 12 % freie Säure 
enthielten. Dies gab Veranlassung, für die Untersuchungen eine 
säurefreie Kali-Alaunlösung herzustellen in der Weise, dafs eine ge¬ 
sättigte Kali-Alaunlösung mit einer Mischung von 2 Teilen Alkohol 
und 3 Teilen Äther versetzt wurde. Das abgeschiedene Alaun 
wurde dann abfiltriert, mit Alkohol-Äther so lange ausgewaschen, 
bis die abfliefsende Flüssigkeit Lackmus nicht mehr veränderte, 
hierauf einige Male mit Wasser nachgewaschen und getrocknet. 
Aus dem so gereinigten Kali-Alaun stellte ich nun das Schlofs¬ 
mannsche Reagens her, das das Kasein quantitativ abschied. Es 
ist demnach das Kali-Alaun ein spezifisches Reagens für Kasein. 

1) Almens-Reagens: 4 g Gerbsäure, 8 ccm Essigsäure (25%), 190 ccm 
Spirit, dilect. (40—50%). 


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Von Franz Sidler. 335 

Nach dem Gesagten gelingt es drei Gruppen von Eiweifsstoffen 
zu trennen und zwar: 

I. das Kasein, durch Schl ofs man ns Reagens. Nebenbei 
bemerkt, gestattet die Beschaffenheit des Kasein-Coaguluins bei 
einiger Übung, gekochte und ungekochte Milch voneinander zu 
unterscheiden, und im ersteren Falle auch ein Urteil auf die un¬ 
gefähre Höhe und Dauer der Erhitzung. 

II. Haben wir im Filtrat vom Kaseinniederschlag die gelösten 
Eiweifskörper: das Albumin und Globulin. 

Das Globulin läfst sich mittels Magnesiumsulfat vom Albumin 
trennen. Ich habe aber von einer besonderen Globulinbestimmung 
Umgang genommen, da beide bezüglich ihres physiologischen 
Verhaltens nach Schlofsmann (58) so nahe stehen, dafs man 
sie ohne weiteres zusammen als »wasserlösliches Eiweifs« in An¬ 
rechnung bringen kann. Den vorwiegenden Prozentsatz nimmt 
das Albumin ein, während das Globulin darin ziemlich stark 
zurticktritt. Auch der Gehalt an Globulin ist nach Simon (63) 
keine konstante Gröfse, sondern weiten Schwankungen unter¬ 
worfen. Deshalb schied ich beide Körper stets durch Almöns- 
Reagens ab und bestimmte den N-Gehalt nach Kjeldahl (Wil- 
farthsche Modifikation (67). 

III. Im Filtrate des Albumin- und Globulinniederschlages 
haben wir die 3. Gruppe der N-haltigen Körper, die stets als 
Extraktivstoffe angeführt sind.* Dafs wir dieselben zu den 
Eiweifskörpern oder eiweifsartigen Stoffen zählen dürfen, scheint 
nach den bisherigen Forschungen ziemlich ausgeschlossen, denn 
weder mit Gerbsäure noch Phosphorwolframsäure oder den sonst¬ 
igen spezifischen Eiweifsreagentien ist im Restfiltrat eine Re¬ 
aktion zu erzielen. Viel näher liegt es, dazu jene N-haltigen 
Stoffe zu rechnen, die im Laufe der letzten Jahre von zahlreichen 
Untersuchern der Milch aufgefunden wurden, so von Hoppe- 
Seyler (32) das Lecithin und Leucin (33), von Schmidt-Mühl¬ 
heim (57) das Hypoxanthin, von Lefort (38) der Harnstoff, 
Th. Weyl (70) das Kreatin, von Commaille (9) das Kreatinin, 
Mus so (47) das Rhodannatrium, von Siegfried dasNucleon (61). 
Wie wir sehen, handelt es sich hier zum grofsen Teil um Stoffe, die 

23* 


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336 Untersuchungen aber die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

wir zu den Abbauprodukten des Eiweifsmoleküls rechnen, und ist es 
nicht ausgeschlossen, dafs diese Stoffe durch die Lebenstätigkeit 
von Mikroorganismen aus dem Eiweifs abgebaut wurden, um so 
mehr, als es sich zumeist um recht kleine Mengen handelt. 
Immerhin müssen wir das Gebiet der Extraktivstoffe als ein 
ziemlich unbekanntes ansehen. 

Schlofsmann (58) behauptet sogar, dafs für ihr obli¬ 
gatorisches Vorhandensein in absolut frischer Milch ein unanfecht¬ 
barer Beweis noch nicht erbracht worden sei. 

Die übrigen chemischen Untersuchungen der Kindermilch 
geschahen an Hand des schweizerischen Lebensmittel¬ 
buches für Nahrungsmittelchemiker (80). Nur wurde 
der Gehalt des Zuckers auf jodometrischem Wege nach der 
Methode Lehmanns (39) bestimmt. 

B. Untersuchung der einzelnen Kindermilchsorten. 

Wir können drei Gruppen von Milchpräparaten unterscheiden: 

I. Die pasteurisierte Kindermilch. 

Sanitätsmilch Dr. Gerber, Zürich. 

II. Die sterilisierte: 

1. Sterilisierte Kindermilch der Zentralmolkerei Zürich, 

2. Sterilisierte Berner Alpenmilch, 

3. Gärtners Fettmilch (lait matemis^), 

4. Lait sterilisö du Jura, 

5. Lait humanisä Backhaus Nr. I, 

6. Basler sterilisierte Kindermilch. 

III. Die kondensierte: 

1. Condensed Swiss Milk Bern, 

2. Anglo Swiss Condensed Milk Cham, 

3. Kondensierte Milch Romanshorn, 

4. Nestlä Milch (Marke Vicking). 

Krankheitskeimfreie Kindermilch (Sanitätsmilch) 
Dr. Gerber, Zürich. 

Die Gerb er-Milch wird nach einem Verfahren des Inhabers 
selbst bergestellt. Er geht dabei vorzüglich von den Resultaten 


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Von Franz Sidler. 


337 


Bitters (6) aus, der in seinen sorgfältigen Untersuchungen nach¬ 
gewiesen hat, dafs die wichtigeren pathogenen Mikroben, die in 
die Milch übergehen und sie gesundheitsschädlich machen könnten, 
eine längere Einwirkung von 60—70° C. nicht auszuhalten ver¬ 
mögen, sondern zu Grunde gehen. Anderseits steht durch die Unter¬ 
suchungen Duclaux’s (13) fest, dafs eine Temperatur von nicht 
über 70° C. den Geschmack nicht wesentlich beeinflufst, gleich¬ 
zeitig aber auch die Ei weifskörper noch keine Änderung erleiden. 

Gerbers Apparat nun besteht in einem viereckigen ab¬ 
geteilten Kasten, der auf Rollrädern zum bequemen Transporte 
ruht. In diesen Kasten kommt die vorher in gut gereinigte 
Flaschen abgefüllte Milch, während eine besondere Klemmvor¬ 
richtung die Flaschenlager festhält. Das Wasser, das man in 
den Kasten ein treten läfst, bedeckt die Flaschen vollständig, 
worauf der ganze Kasten durch einen mit Gummieinlage dicht 
abschliefsenden Deckel, wie bei einem Autoklaven, abgeschlossen 
wird. Die Erhöhung der Temperatur wird durch Zuleiten von 
Dampf bewirkt, den man so lange eintreten läfst, bis das Thermo¬ 
meter auf 67° steht, worauf der Dampf abgestellt wird. In diesem 
Moment tritt eine Rüttelvorrichtung in Funktion, ca. eine Stunde 
lang. Trotz der Dampfabstellung steigt die Temperatur noch um 
1—l 1 ^ 0 C., um während einer Stunde fast konstant sich auf 
dieser Höhe zu halten. Sobald diese Manipulation beendigt, — 
nach Verlauf einer Stunde, — werden die Flaschen möglichst 
rasch abgekühlt, um dann in kühlen Lagern zum Verkaufe auf¬ 
bewahrt zu werden. Morgens und nachmittags, also zweimal im 
Tage, wird solche Kindermilch frisch zubereitet, indem darauf 
gesehen wird, dafs die Milch nicht mehr wie 24 Stunden alt wird. 

Die Milch gelangt in */ 2 Liter-Flaschen zum Verkaufe und 
befindet sich auf jeder Flasche als Verschlufs über dem Draht¬ 
bügel ein Firmastreifen mit Angabe des Datums der Pasteuri- 
sation. Diese Neuerung Gerbers ist jedenfalls sehr zu be- 
grüfsen und verdiente wohl angestrebt zu werden, dafs jede 
Büchse oder Flasche das Datum der Verarbeitung trägt. 

Die Milch selbst zeigt äufserlich die charakteristische, rein 
weilse Farbe der rohen Milch. Sie ist angenehm im Geschmack 


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338 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

und tritt ein Kochgeschmack nicht hervor, mit einem Worte, 
sie verhält sich fast wie rohe Kuhmilch. Ein Unterschied findet 
nur darin statt, dafs sich das spezifische Gewicht des Milchserums 
nicht bestimmen läfst, indem die Milch meist gelatinös gerinnt 
wie die gekochte Milch. 

Das Resultat der einzelnen Untersuchungen ist aus folgender 
Tabelle ersichtlich: 


Tabelle II. 



I 

0/ 

Io 

n 

0/ 

Io 


H 

H 

VI 

•/. 

Mittel 

•/ 

Io 

Spezif. Gewicht.... 

1,031 

1,031 

1,030 

1,030 

1,030 

1,030 

1,030 

Fett. 

3,9 

4,2 

4,15 

4,10 

4,15 

4,0 

4,06 

Trockensubstanz . . . 

12,69 

13,05 

12,74 

12,68 

12,74 

12,56 

12,74 

Fettfreie Trockensubstanz 

8,79 

8,85 

8,59 

8,58 

8,59 

8,56 

8,66 

Zucker. 

4,86 

4,90 

4,60 

4,57 

4,70 

4,65 

4,71 

Asche. 

0,76 

0,71 

0,70 

0,72 

0,69 

0,70 

0,71 

Gesaint-Eiweifs (N X 6,26) 
Davon: 

3,17 

3,24 

3,23 

3,22 

3,20 

3,21 

3,21 

Kasein. 

2,50 

2,52 

2,53 

2,62 

2,58 

2,56 

2,55 

Albumin -f- Globulin . . 

0,56 

0,60 

0,59 

0,47 

0,52 

0,55 

0,55 

N-haltige Rest-Stoffe . . 

0,10 

0,12 

0,11 

0,13 

0,10 

0,11 

0,11 


Hier wie bei allen späteren Untersuchungen wurde die 
Kindermilch von ganz verschiedenen Tagen und verschiedener 
Sterilisation resp. Pasteurisation zur Untersuchung verwendet. 
Nach dieser Zusammenstellung bewegen sich demnach sämtliche 
Werte innerhalb relativ sehr engen Grenzen, es finden keine 
grofsen Schwankungen statt in der Zusammensetzung, so dafs 
Gewähr geboten ist, dafs der Konsument stets eine gleichmäfsig 
zusammengesetzte Milch in die Hand bekommt. 

In allen Untersuchungen führe ich neben der fetthaltigen 
Trockensubstanz die fettfreie an, da die Werte derselben viel 
konstanter sind und weniger grofse Schwankungen zeigen als die 
gesamte Trockensubstanz. 

Die Gerbermilch ist die einzige pasteurisierte Milch, die ich 
in den Kreis meiner Untersuchungen einbezogen habe, obschon 
auch andere Schweizerstädte Milchanstalten besitzen, in denen 


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Von Franz Sidler. 


339 


solche pasteurisierte Milch hergestellt wird. Die »Sanitätsmilch« 
dient somit als Prototyp einer pasteurisierten Kindermilch. 


Sterilisierte Kindermilch der Zentralmolkerei 

Zürich. 

Die Kindermilch der Zentralmolkerei wird im Prinzipe wie 
die anderen sterilisierten Kindermilchsorten hergestellt. Ein 
wesentlicher Unterschied besteht hier in der Vorwärmung der 
Milch. 

Die Milch wird nach dem Filtrieren mittels Dampf auf 
ca. 55—60° C. vorgewärmt. Diese vorherige Temperaturerhöhung 
bewirkt wohl, dafs ein Teil der in der Milch stets enthaltenen 
sporenbildenden Bakterien zum Auskeimen gelangen, während 
anderseits weniger hitzeresistente Mikroorganismen abgetötet 
werden. Durch automatische Abfüllvorrichtungen wird die vor¬ 
gewärmte Milch in gut gereinigte Flaschen gebracht, letztere ver¬ 
schlossen und nun in den eigentlichen Sterilisationsapparat ge¬ 
bracht, einen Autoklaven, in welchem mittels gespannten Dampfes 
eine solche Temperaturerhöhung bewirkt werden kann, dafs die 
Milch nach den Angaben, die nun mir gemacht wurden, auf 102° C. 
erhitzt ist, auf welcher Temperatur sie während 35 Minuten ge¬ 
halten wird. Nach dieser Zeit wird der Apparat geöffnet und 
die Flaschen herausgenommen. Um einen raschen Temperatur¬ 
abfall, der erfahrungsgemäfs zur besseren Haltbarkeit der sterili¬ 
sierten Milch notwendig ist, herbeizufüliren, stellt man die 
Flaschen in einen Eiskasten, in welchem sie bis zum Verkaufe 
belassen werden. 

Diese Sorte sterilisierter Kindermilch ist im Handel erhältlich 
in Flaschen ä x / 2 Liter. 

Die Milch zeigt infolge der Erhitzung auf über 100° C. nicht 
mehr die rein weifse Farbe der gewöhnlichen Marktmilch, sondern 
hat einen Stich ins Gelbliche und der Kochgeschmack tritt deut¬ 
lich hervor. 

Das Ergebnis der chemischen Untersuchung lege ich in fol¬ 
gender Tabelle nieder: 


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340 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Tabelle IQ. 



i 

V. 

H 

m 

ü 

H 


Spezif. Gewicht .... 

1,031 

1,031 

1,031 

1,032 

1,031 

1,031 

Fett. 

3,85 

4,15 

3,85 

3,90 

3,80 

3,91 

Trockensubstanz .... 

12,63 

12,93 

12,63 

12,94 

12,57 

12,72 

Fettfreie Trockensubstanz 

8,78 

8,83 

8,78 

i 9,04 

8,77 

8,84 

Zucker. 

4,74 

4,80 

4,76 

4,88 

4,74 

4,78 

Asche (Salze). 

0,70 

0,71 

0,68 

0,76 

0,70 

0,72 

Gesamt-EiweiXs (N X 6,25) 
Davon: 

3,35 

3,32 

3,34 

3,40 

3,33 

3,33 

Kasein. 

8,04 

2,99 

2,97 

3,06 

3,03 

3,01 

Albumin -f- Globulin . . 

0,21 

0,23 

0,26 

0,22 

0,20 

0,22 

N-haltige Rest-Stoffe . . 

0,10 

0,10 

0,11 

0,12 

0,10 

0,10 

i 


Nach dem Resultate dieser Analysen können wir diese 
sterilisierte Kindermilch als eine gute Vollmilch bezeichnen 
in Bezug auf spez. Gewicht, Fett und Trockensubstanz, Salze 
und Zucker. 


Sterilisierte Berner Alpenmilch. 

Eine der ersten Gesellschaften, die sich in der Schweiz mit 
der Herstellung von sterilisierter Kindermilch befafste, ist die 
Berner Alpenmilchgesellschaft in dem inmitten grüner Weiden 
gelegenen Stalden im Emmental, Bern. 

Durch die Freundlichkeit des Herrn Direktors Muheim, 
war es mir vergönnt, das ganze Etablissement unter seiner 
Führung zu besichtigen, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen 
Dank ausspreche. 

Es sei mir erlaubt, auf das in dieser Anstalt geübte Ver¬ 
fahren der Milchsterilisation etwas näher einzutreten. 

Die Milch, welche als Kindermilch verarbeitet wird, ist die¬ 
jenige, welche morgens früh eingeht aus den nächst gelegenen 
Stallungen und Bauernhöfen. Dabei wird gleichzeitig darauf ge¬ 
sehen, dafs nur die Milch ganz gesunder Kühe verwendet wird, 
schon aus dem Grunde, weil diese Milch allein sich leicht und sicher 
sterilisieren läfst. Abendmilch kommt nicht in Betracht, weil 
es nicht möglich ist, dieselbe am gleichen Tage zu verarbeiten 


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Von Franz Sidler. 


341 


und ein Aufbewahren der zur Sterilisation bestimmten Milch, 
namentlich in den wärmeren Jahreszeiten, besondere Kühlan¬ 
lagen beanspruchen würden und auch dann noch die Sterilisation 
erschwert wäre. 

Die Milch gelangt beim Melken in Gefäfse, die von der 
Gesellschaft gereinigt und, im Wasserdampfe sterilisiert, geliefert 
werden. 

Der Sterilisationsapparat selbst besteht aus einem 
runden Metallkessel von dosenförmiger Gestalt, dessen oberer 
Teil den Deckel bildet und sich mittels eines Hebewerkes leicht 
bedienen läfst. Die Kupferplatten, aus denen der Kasten her¬ 
gestellt ist, sind innen verzinnt und doppelwandig mit einer 
Isolierungsschicht. Der Teil des Kastens, welcher zur Aufnahme 
der Flaschen dient, läfst sich mittels Rollfüfsen, die auf Schienen 
laufen, im Lokale fortbewegen. Die Dampfzuleitungsrohre mün¬ 
den in den Boden des Apparates und werden durch einen Dampf¬ 
entwickler gespeist, der einen Dampf von 2—4 Atmosphären 
Spannung zu liefern im stände ist. Durch Tuben im Deckel des 
Apparates sind Thermometer eingesteckt, die die Temperatur 
des Innenraumes und auch der Milch abzulesen gestatten. 

Bevor die Milch zum Sterilisieren in die Flaschen kommt, 
werden dieselben selbst zuerst leer sterilisiert. Das Reinigen 
derselben wird in besondern Lokalen und mit eigens dafür 
konstruierten Reinigungsapparaten vorgenommen, um sie von 
jedem anhängenden Milchrest sicher zu befreien. Nach dieser 
gründlichen Reinigung werden die leeren Flaschen, die Gummi¬ 
ringe und die Verschlüsse gesondert, in einem speziell hierfür 
konstruierten Apparate sterilisiert. Nachdem die Flaschen so im 
Dampfstrome behandelt worden sind, werden die Gummiringe 
aufgestreift, die Flaschen mit Hilfe von Füllapparaten mit der 
Milch gefüllt, wieder in den Sterilisationsapparat gebracht, zu 
welchem Zwecke sich in dem untern Teil des Apparates passende 
Einsätze befinden. Zwischen den Einsätzen sind Druckstücke, 
mit deren Hilfe die Drahtbügel der Flaschen nach der Sterili¬ 
sation von aufsen automatisch heruntergedrückt und die Flasche 
geschlossen werden kann. 


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342 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Der Wasserdampf wird bei einer Spannung von ca. 1 1 / 2 At¬ 
mosphären eingeleitet; das Ventil wird erst dann geschlossen, 
wenn die Luft im Apparate völlig verdrängt worden ist. Die 
Dampfspannung wird soweit getrieben, dafs die Temperatur je nach 
der Beschaffenheit der Milch im Maximum 107—110° C. beträgt. 
Diese Temperatur läfst man 10 bis 15 Minuten lang einwirken. 

Sofort nach dem Aufwallen findet die automatische Schliefs- 
ung der Flaschen statt. Dadurch wird ein luftverdünnter Raum 
geschaffen, der die Ursache der sogen. Knallprobe ist, worauf 
jede Milchflasche vor dem Gebrauche geprüft werden soll. Die 
Flaschen werden nun rasch abgekühlt, in kaltes Wasser einge¬ 
taucht und versiegelt. 


Tabelle IV. 


I 

i 

% 

II 

0 / 

Io 

III 

o/ 

Io 

IV 

°l 

Io 

1 V 

0 / 

Io 

Mittel 

•/. 

Spezif. Gewicht .... 

1,030 

1,031 

1,029 

1,029 

1,028 

1,029 

Fett. 

3,3 

3,3 

3,2 

3,5 

3,4 

3,34 

Trockensubstanz .... 

11,72 

12,07 

11,35 

11,71 

11,34 

11,63 

Fettfreie Trockensubstanz 

8,42 

8,77 

8,15 

8,21 

7,94 

8,29 

Zucker. 

4,56 

4,90 

4,30 

4,30 

4,25 

4,46 

Asche. 

0,70 

0,71 

0,67 

0,68 

0,64 

0,68 

Gesamt-Eiweifs (N X 6 , 25 ) 
Davon: 

3,17 

3,17 

3,18 

3,23 

3,10 

3,16 

Kasein. 

2,85 

2,82 

2,82 

2,88 

2,77 

2,82 

Albumin -f- Globulin . . 

0,22 

0,25 

0,26 

0,24 

0,23 

0,24 

N-Rest-Stoffe. 

0,10 

0,10 

0,10 

0,11 

0,10 

0,10 


In den Handel kommen zwei Gröfsen ä 1 1 und 6 Dz.-l. 
Äufserlich verrät die Milch schon die Einwirkung der hohen 
Temperatur, die rein weifse Farbe der rohen Milch ist gewichen, 
die Farbe hat einen starken Stich ins gelbliche und tritt der 
Kochgeschmack beim Kosten deutlich hervor; trotzdem ist die 
Milch im Geschmacke angenehm. 

Das Ergebnis der Untersuchung ist aus vorstehender Zu¬ 
sammenstellung ersichtlich. 

Auf das Resultat der Untersuchung dieser Kindermilch — wie 
auch der andern — werde ich am Ende des chemischen Teiles 
noch zurückkommen. 


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Von Franz Sidler. 


343 


Prof. Gärtners Fettmilch (lait maternisö). 

In einer medizinischen Erstlingsschrift wies Biedert (4) 
im Jahre 1869 nach, dafs sich die Frauenmilch von der Kuh- 
mileh wesentlich unterscheide durch das verschiedene Verhalten 
des Kaseins sowohl in chemischer als in quantitativer Beziehung. 
Er schlug deshalb zum ersten Male vor, den Gehalt an Kasein 
in der Kuhmilch zweckentsprechend herahzumindem, ohne den 
Fettgehalt zu verändern und veröffentlichte 1874 in Virchows 
Archiv seine bisherigen Erfolge mit seinen Rahmgemengen, die 
er allerdings von der Mutter selbst im Hause bereiten liefs. 

Prof. Gärtner in Wien war es, der 1894 die Idee Biederts 
wieder aufgriff und in die Tat umsetzte, so also den Anstofs 
gab, dafs die Milch- und Molkereitechnik sich der Ausführung 
dieses Problems annahm. Dabei ging er offensichtlich von der 
Ansicht aus, dafs, um mit einer solchen Kindernahrung Erfolg 
zu haben, dieselbe einfach in der Anwendung und von jeder 
Kompliziertheit abzusehen sei. Während Biedert fünf Rahm¬ 
gemenge in Vorschlag gebracht hatte, entschied sich Gärtner 
nur für eine Sorte, dabei betonend, dafs in praxi keine Not¬ 
wendigkeit vorliege, verschiedene Sorten reiuer Fettmilch mit 
abgestuftem Kasein und Fettgehalt herzustellen. Demgemäfs 
schlägt Gärtner auch vor, die betreffende Mischung solange 
dem Kinde zu verabreichen, bis es zu einer gemischten Nahrung 
übergehen könne und den Übergang zur Vollmilch durch ent¬ 
sprechenden Zusatz von Vollmilch zu seinem Rahmgemenge 
allmählich zu vollziehen. Gärtners Fettmilch ist nichts anderes 
als eine Rahmmilch. 

Nach seinem patentierten Verfahren wird die Milch mit 
gleichen Teilen Wassers verdünnt und zentrifugiert. Die Zentrifuge 
ist so eingestellt, dafs die Milch in zwei Schichten getrennt wird, 
welche gesondert aufgefangen werden können: der spezifisch 
leichtere Teil ist Fettmilch, der andere Magermilch. 

Die so gewonnene Kindermilch enthält fast das gesamte 
Fett der Vollmilch, während sich in der entstehenden Magermilch 
nur mehr 0,1—0,2% vorfinden, gleichzeitig das ganze zugesetzte 


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344 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

Wasser, die Hälfte des in der Milch enthaltenen Kaseins, die 
Hälfte des Zuckers und der Salze. 


Nach Gärtner (24) ist die Zusammensetzung derselben: 



Kasein 

Fett 

Zucker 

Fettmilch. 

1,76% 

3,0 °/o 

2,4 % 

Kuhmilch mit gleichviel Wasser 

1,76% 

1.81% 

2,4% 

Frauenmilch. 

1.82% 

3,94% 

6,23% 


Nach ihm unterscheidet sich also die Fettmilch nur durch den 
geringen Zuckergehalt von der Frauenmilch, was sich aber durch 
Zusatz einer adäquaten Menge Milchzuckers ausgleichen läfet. 


Tabelle V. 



i 

7. 

H 

m 

7. 

IV 

7. 

V 

7. 

Mittel 

7. 

Spezif. Gewicht .... 

1,0164 

1,0154 

1,0146 

1,0160 

1,0150 

1,0154 

Fett. 

3,6 

3,5 

3,5 

3,3 

3,4 

3,46 

Trockensubstanz .... 

8,26 

8,15 

7,93 

7,96 

8,01 

8,06 

Fettfreie Trockensubstanz 

4,66 

4,65 

4,43 

4,66 

4,61 

4,60 

Zucker. 

2,49 

2,48 

2,30 

2,44 

2,49 

2,45 

Asche (Salze). 

0,36 

0,34 

0,35 

0,36 

0,35 

0,35 

Gesamt-Eiweifs (N X 6,25) 
Davon: 

1,81 

1,79 

1,78 

1,86 

1,77 

1,80 

Kasein. 

1,63 

1,55 

1,53 

1,59 

1,54 

1,56 

Albumin + Globulin . . 

0,12 

0,13 

0,14 

0,13 

0,13 

0,13 

N-haltige Rest-Stoffe . . 

0,06 

0,10 

0,10 

0,11 

0,10 

0,09 


In Deutschland und Österreich nahmen sich mehrere Milch¬ 
anstalten der Herstellung und des Vertriebes der Gärtner milch 
an. Auch bei uns in der Schweiz hat dieselbe frühzeitig Ein¬ 
gang gefunden und wird von der Berner Alpenmilchgesellschaft 
in Stalden neben der sterilisierten Kindermilch hergestellt. 

Die Fettmilch besitzt eine gelblichweifse Farbe und verrät 
einen ausgesprochenen Kochgeschmack. 

Die gefundenen Werte finden sich in vorstehender Zusammen¬ 
stellung. 

In erster Linie auffallend ist die für eine Milch geringe 
Menge Trockensubstanz und deshalb der fade und wäfsrige Ge¬ 
schmack der Fettmilch. 


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Von Franz Sidler. 


345 


Lait sterilisd du Jura. 

Diese Kindermilch wird dargestellt und in den Handel ge¬ 
bracht von der Sociötö d’industrie laitikre k Yverdon. Über das 
System, das bei der Sterilisation in Anwendung kommt, konnte 
ich nichts erfahren. Die Gesellschaft nimmt dieselbe wie bei allen 
andern Kindermilchpräparaten in der Flasche selbst vor. 
Im übrigen führe ich den entsprechenden Passus aus dem 
Prospekte an. 

iDie Milch stammt nur von auserlesenen Kühen, deren 
Befinden stets einer strengen Kontrolle unterstellt ist. Die 
Ställe sind aufserordentlich rein gehalten. Sofort nach dem 
Melken .wird die Milch in die nahe gelegene Molkerei gebracht, 
wo sie einer strengen Analyse unterzogen wird. Die Milch wird 
alsdann filtriert, was mit sehr vervollkommneten Apparaten ge¬ 
schieht, welche die geringsten Unreinigkeiten, die zufällig in die 
Milch gelangen könnten, entfernen. Die letzte Operation ist 
dann die Sterilisation. Diese geht in eigenen, der Gesell¬ 
schaft patentierten Apparaten vor sich, welche gestatten, 
diese wichtige Operation unter günstigen Verhältnissen zu 
vollziehen,« 

Die Yverdonermilch läfst vor allen untersuchten Flaschen¬ 
milchsorten den Kochgeschmack am wenigsten stark hervor¬ 
treten. Doch ist der Unterschied kein so grofser, wie man aus 
dem weitern Text des Prospektes entnehmen könnte. Nach An¬ 
gabe der Gesellschaft soll die Milch die Temperatur von 104° C. 
nicht übersteigen und ist die Dauer und Höhe der Temperatur 
verschieden je nach dem Fettgehalte der Milch. 

Es wird nur eine Gröfse von Flaschen geführt k 6 Dz. l. 
Die Farbe der Milch ist relativ weifs, sie ist in der Sinnenprüfung 
sehr angenehm und der Kochgeschmack kommt, wie bemerkt, 
nicht störend zum Vorschein. 

Ich teile im folgenden das Resultat meiner Untersuchung 
einiger Flaschen mit; von diesen rühren nur zwei von den von der 
Fabrik direkt zugesaudten Milchproben her, die übrigen wurden 
in Ablagen gekauft. 


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346 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Tabelle VI. 



i 

°/. 

II 

0/ 

Io 

III 

0/ 

!o 

m 

V 

°lo 

Mittel 

01 

Io 

Spezif. Gewicht . . . 

1,030 

1,031 

1,031 

1,029 

1,030 

1,030 

Fett. 

3,6 

3,6 

3,6 

3,6 

8,4 

3,54 

Trockensubstanz .... 

12,08 

12,21 

12,33 

11,83 

11,84 

12,05 

Fettfreie Trockensubstanz 

8,48 

8,7t 

8,73 

8,23 

8,44 

8,51 

Zucker. 

4,46 

4,71 

4,70 

4,38 

4,50 

4,55 

Asche. 

0,71 

0,73 

0,74 

0,68 

0,69 

0,71 

Gesamt Eiwcifs (N X 6,25) 
Davon: 

3,32 

i 

3,33 

3,29 

3,20 

3,25 

3,27 

Kasein. 

i 2,97 

2,98 

2,95 

2,98 

2,90 

2,94 

Albumin -f- Globulin . . 

°' 24 

0,26 

0,28 

0,23 

0,25 

0,25 

N-haltige Rest-Stoffe . . 

0,12 

0,11 

0,09 

0,10 

0,12 

0,10 


Lait humanisö Backhaus Nr. I der iSociötö 
d'industrie laitiöre ä Yverdonc. 

Backhaus (2) war der Erste, der den üblichen Weg, um 
zu einer der Frauenmilch ähnlichen Milch zu gelangen, aufgab 
und in Würdigung der Tatsache, dafs in der Muttermilch die 
gelösten Eiweifskörper den gröfseren Prozentsatz einnehmen, ver¬ 
suchte, auf künstlichem Wege diesem Verhältnisse mit der Kuh¬ 
milch nahezukommen. Er patentierte 1895 ein ganz neues Ver¬ 
fahren, nach welchem er das i widerspenstige« Kasein durch einen 
Verdauungsprozefs eliminierte, d. h. in Propeptone und Albu- 
mosen überführte. Der Vorgang ist dabei folgender: 

Mittels Zentrifuge wird aus Vollmilch Magermilch hergestellt; 
diese auf 40° C. erwärmt und nun Lab und Trypsin unter Zu¬ 
satz von Natriumkarbonat zugefügt. Das Trypsin löst das Kasein, 
indem es dasselbe peptonisiert. Nach 30 Minuten wird der über¬ 
schüssige Teil des Kaseins durch Lab abgeschieden, durch welches 
es gerinnt, worauf durch Erhöhung der Temperatur auf 80° C. die 
Fermentwirkung aufgehoben wird. Zu der durch Entfernung des 
Kaseins erhaltenen Molke wird jetzt eine entsprechende Menge 
Rahm nebst Kasein zugeführt und zwar so viel, dafs dadurch 
die Molke ca. 3,5°/ 0 Fett und ^/o Kasein enthält. Der Zucker¬ 
gehalt wird durch Zusatz von Milchzucker auf denjenigen der 


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Von Franz Sidler. 34? 

Frauenmilch erhöht. Das ganze Gemenge wird.nun gut gemischt, 
in Flaschen gefüllt und darin sterilisiert. 

Die einzige Konzessionsinhaberin in der Schweiz ist die 
Socidtd d’industrie laitiöre in Yverdon, welche aber nur eine 
Sorte, Nr. I, darstellt. Bekanntlich werden in Deutschland 
(Leipzig, Düsseldorf, München etc.) drei Sorten Backhausmilch dar¬ 
gestellt. Nr. I und Nr. II unterscheiden sich durch ihren Kasein¬ 
gehalt, der ja nach Backhaus’Verfahren geregelt werden kann. 
Nr. III dagegen ist nach den Untersuchungen Hartungs (28) 
und Zweifels (72) nichts anderes wie sterilisierte Vollmilch. 

Bevor ich auf das Ergebnis meiner eigenen Untersuchung 
näher eingehe, will ich die Zusammensetzung der Milch augeben 
nach dem Prospekte unserer schweizerischen Anstalt. 


Tabelle VD. 



| Kuhmilch 

°/ 

Io 

Frauenmilch 

°/ 

lo 

Backbaus¬ 
milch Nr. I 
°/o 

Wasser. 

87,70 

8825 

88,35 

Fett. 

3,40 

3,80 

3,25 

Albumin .... 

0,50 

1,25 

1,20 

Kasein. 

3,00 

0,50 

0,60 

Milchzucker . . . 

4,80 

6,25 

6,00 

Asche (Salze) . . . 

0,70 

0,25 

0,60 


Wenn wir nun diese Zahlenverhältnisse nach Angabe des 
Prospektes miteinander vergleichen, so müssen wir zugeben, 
dafs damit die Kluft, welche bis jetzt die Kuhmilch von der 
Frauenmilch trennte, überbrückt, und somit auch das lang ersehnte 
Ziel erreicht wäre. Das veranlafst denn auch die Gesellschaft, 
in ihrem Prospekte zu schreiben: »Das von Prof. Backhaus ent¬ 
deckte Verfahren erlaubt, wie man sieht, die Muttermilch fast 
genau nachzuahmen. Dies ist aber nicht der Fall mit nach an¬ 
dern Verfahren hergestellten Präparaten, unter welchen die so¬ 
genannte maternisierte Milch in der chemischen Zusammen¬ 
setzung von derjenigen der Muttermilch bedeutend abweicht. Es 
ist dies in der Hauptsache eine einfache, mit mehr oder weniger 


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348 Untersuchungen Aber die gebräuchlichsten Milch prflparate etc. 

Wasser gemischte Kuhmilch, welche keinerlei chemische Modi¬ 
fikation erfahren hat und daher keinen Anspruch auf Ersatz der 
Muttermilch erheben kann. 

Das Verfahren von Prof. Dr. Backhaus dagegen, wir können 
dies nicht genug hervorheben, ist allein im stände, eine humani¬ 
sierte Milch zu bereiten, weichein jeder Beziehung der Mutter¬ 
milch gleichkommt. Die humanisierte Milch ist die beste künst¬ 
liche Nahrung für Kinder in den ersten Monaten.« 

Ich führe den Wortlaut der Broschüre nur an, um zu zeigen, 
wie aus der rein chemischen Zusammensetzung, welche uns 
namentlich in Bezug auf die Eiweifskörper nur einen geringen 
Einblick gestattet, von seiten einer Gesellschaft etwas zu weit¬ 
gehende Schlufsfolgerungen gezogen werden. 

Die Milch kommt in Flaschen ä 6 Dz.-l in den Handel 
unter der Bezeichnung ilait humanisä«. Es scheidet sich beim 
Aufbewahren schon nach einiger Zeit das Rahmgemenge oben 
ab unter Bildung eines Rahmpfropfens. Das darunter befindliche 
Serum ist braunweifs gefärbt und am Boden scheidet sich in 
allen Flaschen ein ziemlich weifser Bodensatz ab, den ich nicht 
näher bestimmen konnte. Durch Schütteln läfst sich die Milch 
wieder gut emulgieren und bildet dann eine Flüssigkeit von gelb- 
lich-weifsem Aussehen wie gekochte Milch. 

Das Resultat von fünf chemischen Untersuchung ist folgendes: 


Tabelle VIU. 



I 

0/ 

Io 

II 

°/ 

Io 

in 

•/. 

IV 

7 » 

V 

7. 

Mittel 

7. 

Spezif. Gewicht.... 

1,0274 

1,028 

1,028 

1,029 

1,027 

1,0278 

Fett. 

3,2 

3,4 

3,3 

3,6 

3,2 

8,32 

Trockensubstanz . . . 

10,85 

11,09 

11,22 

11,71 

10,35 

11,14 

Fettfreie Trockensubstanz 

7,65 

7,69 

7,92 

8,21 

7,65 

7,82 

Zucker . 

5,70 

5,75 

5,90 

6,10 

5,85 

6,86 

Asche . 

0,55 

0,54 

0,57 

0,61 

0,52 

0,55 

Gesamt-Ei weifs (N X 6,25) 
Davon : 

1,40 

1,40 

1,45 

1,38 

1,82 

1,39 

Kasein. 

0,96 

0,94 

0,97 

0,88 

0,82 

0,91 

Albumine. 

0,32 

0,34 

0,35 

0,38 

0,39 

0,36 

N-haltige Rest-Stoffe . . 

0,12 

0,12 

i 

0,13 

0,12 

i 

0,11 | 

0,12 


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Von Franz Sidler. 


349 


Trotzdem die Fabrik in zuvorkommender Weise eine gröfsere 
Anzahl von Flaschen zur Verfügung stellte, so habe ich doch 
nur eine Flasche davon untersucht, die übrigen zu verschiedenen 
Zeiten aus einer Züricher Apotheke bezogen. 

Stellen wir nun die Mittelwerte aus den chemischen Unter¬ 
suchungen neben die Analyse der Gesellschaft resp. der von 
Backhaus angegebenen Zusammensetzung, so erhalten wir 
folgendes Bild: 


T a b e 11 e IX. 


1 

1 . r 

Analyse 

1 Eigene Ana- 


Backhaus 

lyse (8idler) 


0/ ° 1 

0/ 

Io 

Fett.ti 3,25 1 

3,32 

Albumine.1,20 

Kasein. 0,60 

0,48 

0,91 

Milchzucker .... 

6,00 

5,85 

Asche. j 

i 

0,60 

i 

0,55 


Was hiernach den Gehalt an Fett, Zucker und Asche anbe¬ 
trifft, so sind die Unterschiede nicht nennenswert. Für uns 
kommt hauptsächlich in Betracht das Verhältnis des Kaseins zu 
den gelösten Eiweifskörpem, denn gerade auf die gelösten Eiweifs¬ 
stoffe legt Backhaus ein besonderes Gewicht. Backhaus 
suchte eine Milch herzustellen, die 1,20% gelöste Eiweifsstoffe 
— von ihm unter dem Sammelnamen Albumin zusammengefafst — 
enthält und ist in den Broschüren auch obige Zusammensetzung 
als diejenige der hergestellten Milch angegeben. Nach meiner 
Untersuchung aber wäre das vorgesteckte Ziel nicht erreicht. 
Der Gehalt des Kaseins ist ja bedeutend höher. Backhaus gibt 
nur 0,5% an, während ich 0 91 % gefunden habe. Noch gröfser 
ist der Unterschied in dem Gehalte an gelöstem Eiweifs; Back¬ 
haus gibt 1,25% Albumine an, währenddem ich nur 0,48% 
gefunden habe. Ähnliche Resultate wurden von Hartung (28) 
mitgeteilt. 

Archiv t Hygiene. Bd. XLVII. 24 


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350 Untersuchungen Aber die gebrftuchlichsten Milchpräparate etc. 

Es ist wahrscheinlich, dafs sich diese grolsen Differenzen da¬ 
durch erklären, dafs die Untersuchungen von Backhaus an 
Milchproben ausgeführt wurden, die noch nicht sterilisiert worden 
waren. Wir werden später sehen, dafs sowohl die Höhe der 
Temperatur als auch die Dauer ihrer Einwirkung Faktoren sind, 
die wir nicht aufser acht lassen dürfen, indem sie stark ver¬ 
ändernd auf die Eiweifskörper einwirken. Allerdings verändernd 
in dem Sinne, als ein Teil der gelösten Eiweifsstoffe auf Zusatz 
von Kalialaun mit dem Kaseinniederschlage abgeschieden wird, 
so dafs im Filtrate nur mehr ein Drittel der ursprünglich 
gelösten Eiweifsstoffe nachgewiesen werden kann; der übrige 
Teil wird vom Kaseingerinnsel eingeschlossen und fällt mit 
ihm aus. 

Die Backhausmilch ist, wie eingangs erwähnt, nach einem 
Verfahren hergestellt, das von allen anderen prinzipiell ab weicht. 
Wir haben es mit einem partiellen Verdauungsprozefs der Milch 
zu tun, bevor sie noch mit dem kindlichen Magen in Berührung 
gekommen ist. Es sind also in derselben Eiweifsstoffe vor¬ 
handen, die total von denjenigen in der übrigen Kindermilch ab¬ 
weichen. Das ist der Grund, warum ich die gelösten Eiweifs- 
stoffe etwas näher zu charakterisieren suchte, um dadurch einen 
Einblick in die innere Zusammensetzung der Backhausmilch zu 
bekommen. Man darf ja nicht vergessen, dafs der Säuglings¬ 
magen auf viele Stoffe weit eher und intensiver reagiert, als es 
beim Erwachsenen der Fall ist. Ich untersuchte daher, analog 
wie es Hartung (28) mit der deutschen Backhausmilch getan, 
in zwei neuen Proben speziell jene Gruppe, die unter dem Sammel¬ 
namen »Albumine« zusammengefafst ist, denn die ganze Gruppe 
wurde durch Almöns - Reagens abgeschieden. Es waren also in 
dem Niederschlage nicht allein das Albumin, sondern auch die 
sogenannten Lactoproteine, bestehend aus Albumosen und Pro¬ 
pepton, die ausschliefslich durch den Verdauungsprozefs mit 
Trypsin entstanden sind und in der ursprünglichen Milch sonst 
nicht präexistieren. 

Das Resultat war folgendes: 


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Von Franz Sidler. 


351 


Tabelle X. 



i 

% 

ii 

7» 

1 Mittel 

7. 

Mischungsverhält¬ 
nis der gelösten 
N-h&ltigen Sub¬ 
stanzen 
•/. 

Gesamt-Eiweifs (N X 6,25) 

1,43 

1,38 

1,40 


Kasein. 

0,99 

0,90 

0,94 


Gelöste Eiweifsstoffe . . 

0,44 

0,48 

0,46 

100 

Davon: 





Albumin. 

0,13 

0,16 

0,14 

30 

Laktoproteine: 





a) Albamosen. . . 

0,09 1 0 25 

0,16 

°' 08 l02l 
0,13 r> 

SSI*» 

17 |öo 

ß) Propeptone. . . 

33 

N haltige Rest-Stoffe . . 

0,10 

0,11 

0,10 

20 


Diese Untersuchung wurde nach König (37) ausgeführt. Bei 
der Albuminbestimmung wich ich insoferne davon ab, als ich den 
Albuminniederschlag mit einer gesättigten Kochsalzlösung nach¬ 
wusch, nachdem ich beobachtet hatte, dafs beim Waschen des Filter¬ 
rückstandes mit destilliertem Wasser wieder ein Teil des Albumins in 
Lösung ging, was auf diese Weise vermieden wurde. Das Filter wurde 
nach Kjeldahl verbrannt. Zur Bestimmung und Trennung der 
Lactoproteine diente dann wieder das Verfahren nach König (37). 

Bereits vor mir sind von Hartung (28) und Ölig (80) Unter¬ 
suchungen der in Deutschland hergestellten Backhausmilch aus¬ 
geführt worden und dürfte es von Interesse sein, die Zusammen¬ 
setzung derselben mit der schweizerischen zu vergleichen, wie dies 
durch Tabelle XI (S. 352) geschieht. 

Die Yverdoner Backhausmilch besitzt danach so ziemlich die 
gleiche Zusammensetzung wie die in Leipzig hergestellte. Eine 
Abweichung findet insoferne statt, als bei Leipzigermilch von den 
gelösten Eiweifsstoffen nur 6% auf Albumin entfallen, während 
die Yverdoner Backhausmilch davon 30% enthält, was ent¬ 
schieden als Vorteil anzurechnen ist. 

Es ist auf Grund meiner chemischen Untersuchungen die 
Behauptung, »dafs die humanisierte Milch in jeder Be¬ 
ziehung der Muttermilch gleichkomme«, nicht einmal 
in chemischer Hinsicht richtig, von den Unterschieden 
der einzelnen löslichen Eiweifsstoffe ganz abgesehen« 

24* 


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352 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Tabelle XI. 



Backbaus¬ 
milch I 
Düsseldorf 
nach Ölig 

°/o 

Backhaus- 
milch I 
Leipzig 
nach Hartung 

°/o 

Backhaus¬ 
milch I 

Y verdon 
nach Sidler 

% 

Backhaus 
milch I 
laut 

Prospekt 

°/o 

Fett. 

2,73 

3,16 

3,32 

3,25 

Trockensubstanz 

9,85 

11,07 

11,14 

— 

Asche. 

0,33 

0,55 

0,55 

0,60 

Zucker. 

— 

5,66 

5,86 

6,00 

Gesamt-Eiweifs . . 
Davon: 

— 

1,82 

1,40 

1,80 

Kasein. 

0,93 

0,86 

0,94 

0,60 

Albumin .... 

0,Q61 

0,25 P 31 

0,031 

:o,34}°> 37 

SSI** 

1 1,20 

Laktoprotein©- . . 

N-baltige Rest-Stoffe 

— 

0,09 

0,10 

1 


Das Kasein der Backhausmilch verhält sich zwar bei der 
Labgerinnung etwas anders als das gewöhnliche Kuhmilchkasein, 
indem es auf Zusatz von Labferment in Form grobvoluminöser 
Flocken gerinnt. Bei den übrigen Milchsorten ist das Kaseinge¬ 
rinnsel spezifisch schwerer als das Molkenserum, sinkt infolge¬ 
dessen zu Boden; bei der Backhausmileli dagegen ist es spezifisch 
leichter und schwimmt daher obenauf. Jedoch dürfen wir des¬ 
wegen nicht annehmen, dafs es ein ganz anderes Kasein sei als 
in der Kuhmilch, denn nach dem Verdauungsprozefs mit Trypsin 
wird das Kasein in äquivalenter Menge nachträglich zugesetzt und 
dieses ist ja doch nichts anderes als Kuhmilchkasein. 


Sterilisierte Kindermilch, Basel. 

In Basel findet eine »sterilisierte« Kindermilch, welche vom 
dortigen Konsumverein hergestellt und vertrieben wird, einen 
regelmäfsigen und relativ hohen Absatz. 

Über die Darstellung dieser Kindermilch habe ich vom Ver¬ 
walter des Milchgeschäftes des A. C.-V., Herrn Reber, in zuvor¬ 
kommender Weise folgende Anhaltspunkte erhalten: 

Für die Herstellung von Kindermilch kommt nur die Milch 
von Kühen in Verwendung, welche ausschliefslich mit Trocken- 


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Von Franz Sidler. 


353 


futter ernährt werden. Die Milch wird kurze Zeit nach dem 
Melken filtriert und mit automatischen Abfüllvorrichtungen in 
vorher gut gereinigte (aber nicht sterilisierte) Flaschen abgefüllt. 
Dieselben werden auf Flaschenlagern unverschlossen in den 
Sterilisationsapparat gebracht, in welchem sie während ungefähr 
25 Minuten der Einwirkung des strömenden Wasserdampfes aus¬ 
gesetzt werden, wobei die Temperatur eine Höhe von ca. 100° C. 
erreicht und ein leichtes Aufwallen der Milch in den Flaschen statt¬ 
findet. Hierauf werden die Flaschen herausgenommen und dieselben 
einzeln von Hand geschlossen und sofort wieder in den Apparat 
gestellt. Nun wird die Zufuhr von gespanntem Dampf in der 
Weise geregelt, dafs das Thermometer nach 15 Minuten eine 
Temperatur von 104° C. anzeigt, auf welcher Temperatur die in 
den verschlossenen Flaschen befindliche Milch während 20 Minuten 
gehalten wird. Nach dieser Zeit wird die Dampfzuleitung ab¬ 
gestellt, die Flaschenmilch aber noch während 10 Minuten in 
dem verschlossenen Sterilisationsapparate belassen. Zuletzt wird 
die fertige Kindermilch nach der Herausnahme noch einige Zeit 
von selbst an der Luft abkühlen gelassen, bis die Flaschen ohne 
Gefahr des Springens in fliefsendes Wasser gestellt werden dürfen. 

Zum Verkaufe kommt diese Kindermilch in Flaschen ä 5 Dz,-1. 
Der Verschlufs derselben unterscheidet sich von den übrigen in 
der Weise, dafs die Flaschenöffnung mehr weithalsig und der 
Verschlufs kein Drahtbügel, sondern ein Klemm verschlufs ist wie 
bei Limonadenflaschen. 

Bei allen übrigen untersuchten Flaschen, in welchen Kinder¬ 
milch zum Verkaufe gelangt, war, was die Gummiringe und 
Flaschen anbetrifft, vom hygienischen Standpunkte aus nichts 
auszusetzen. Die Gummiringe dieser Milchflaschen hingegen waren 
meist braun und unansehnlich, aufserdem wiesen der Verschlufs 
und der Flaschenhals stets Reste inkrustierter Milch auf. 

Im Aussehen besitzt die Milch die weifsgelbliche Farbe, 
welche der gekochten Milch eigen ist. In den von mir unter¬ 
suchten Fällen war die Farbe der Milch, welche von verschiedenen 
Sterilisationen herrührte, nicht immer gleich, was auf eine nicht 
immer gleichmäfsige Behandlung der Milch schliefsen läfst. 


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354 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Über die chemische Beschaffenheit dieser sterilisierten Kinder¬ 
milch gibt uns folgende Zusammenstellung Aufschlufs: 


Tabelle XII. 



I 

Ol 

Io 

ii 

°lo 



V 

0 / 

/© 

Mittel 

•/. 

Spezif. Gewicht.... 

1,028 

1,030 

1,030 

1,029 

1,030 

1,029 

Fett.. . 

3,10 

2,90 

3,20 

3,40 

3,10 

3,20 

Trockensubstanz . . . 

10,98 

11,24 

11,60 

11,59 

11,48 

11,38 

Fettfreie Trockensubstanz 

7,98 

8,34 

8,40 

8,19 

8,34 

8,25 

Zucker. 

4,20 

4,52 

4,50 

4,40 

4,50 

4,42 

Asche. 

0,52 

0,54 

0,65 

0,59 

0,67 

0,59 

Gesamt-Eiweifs (N X 6,25) 

3,16 

3,28 

3,25 

3,20 

3,21 

3,22 

Kasein. 

2,80 

2,91 

2,89 

2,85 

2,87 

2,86 

Albumin -|- Globulin . . 

0,26 

0,25 

0,25 

0,25 

0,24 

0,25 

N-haltige Rest-Stoffe . . 

0,10 

0,12 

0,11 

0,10 

0,10 

0,10 


Die 3. Abteilung bildet die kondensierte Milch, die ich 
aus dem Grunde in meine Untersuchung einbezogen habe, weil 
sie speziell für die Säuglingsernährung empfohlen und auch viel¬ 
fach angewendet wird. Aufserdem wurde dieselbe zum Teil 
schon lange bevor man die sterilisierte Kindermilch in Flaschen 
kannte, für die Kindesernährung verwendet. 

Was das Verfahren zur Herstellung dieser Milchkonserven 
anbelangt, so ist dasselbe bei allen im Prinzip das gleiche und 
unterscheiden sie sich zumeist nur durch die hierbei benutzten 
Apparate. 

Das Eindicken geschieht in Kondensationsapparaten mit Hilfe 
des Vakuums bei einer Temperatur von 35—47° C., je nach der 
Beschaffenheit der zur Verwendung kommenden Milch. Nur bei 
der Romanshornermilch wird die Temperatur — der starken Ver¬ 
änderung der Milch nach — wohl höher gehen. 

£2QDie einen Fabriken, wie Cham und Stalden, machen einen 
Zusatz von Rohrzucker, während Nestld (Vicking) und Romans¬ 
horn davon absehen. Dafs das Quantum der Milch, welches in 
der Schweiz zur Herstellung solcher Milchkonserven in Anspruch 


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Von Franz Sidler. 


355 


genommen wird, kein geringes ist, geht aus der Tatsache hervor, 
dal's die Schweiz mit einer jährlichen Ausfuhr von ca. 13,434,000 kg 
kondensierter Milch, die noch im Steigen begriffen ist, den ersten 
Rang einnimmt. 

Anglo Swiss Condensed Milk, Cham. 

Die Anglo-Swiss-Condensed Milk Company (gegründet 1866) 
war die erste, die sich auf dem Kontinente mit der Herstellung 
von kondensierter Milch befafste. 

»Diese kondensierte Milch ist die beste kondensierte Kuh¬ 
milch und enthält keinen andern Zusatz als feinsten Zucker. 
Sie eignet sich für alle Zwecke, für welche gewöhnliche Milch 
Anwendung findet. Für Kinder ist kondensierte Milch selbst der 
besten Naturmilch vorzuziehen wegen ihrer sich gleichbleibenden 
Qualität, leichteren Verdaulichkeit und ihres Nichtsauerwerdens, c 

Die Milch kommt in Blechbüchsen ä 495,0 (Brutto) in den 
Handel. Jede Büchse besitzt zum Einfüllen eine ÖfEnung von 
der Gröfse eines 5-Frankenstückes, welche nach der Füllung zu¬ 
gelötet wird. Dafs durch das Zulöten die der Lötstelle benach¬ 
barten Milchteile angebrannt werden, was vielfach dem Zu¬ 
löten als Nachteil vorgeworfen wird, konnte ich unter einer 
gröfseren Anzahl von Büchsen nie beobachten. 

Tabelle XIII. 



i 

'Vo 

n 

% 

UI 

% 

IV 

0/ 

Io 

V 

°/ 

Io 

Mittel 

•/. 

Wasser. 

23,83 

23,55 

23,92 

24,85 

24,01 

24,05 

Trockensubstanz . . . 

76,17 

76,45 

76,08 

75,15 

75,99 

75,95 

Fettfreie Trockensubstanz 

66,17 

66,65 

66,48 

65,65 

65,79 

66,14 

Fett. 

10,0 

9,8 

9,6 

9,5 

10,20 

9,80 

Salze. 

2,21 

2,13 

2,18 

2,14 

2,19 

2,17 

Milchzucker .... 

16,20 

16,05 

16,18 

16,12 

16,08 

16,12 

Rohrzucker. 

38,37 

39,20 

38,80 

38,09 

38,20 

38,53 

Gesamt-Eiweifs .... 
Davon: 

9,39 

9,27 

9,32 i 

9,30 

9,41 

9,35 

Kasein. 

8,28 

8,26 

8,22 

8,17 

8,30 

8,24 

Albumin -j- Globulin . . 

0,86 

0,80 

0,82 

0,84 

0,83 

0,83 

N-haltige Rest-Stoffe . . 

i 

j 0,25 

0,26 

0,28 

0,29 

0,28 

0,27 


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356 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

Der Inhalt der Büchsen ist von dickflüssiger Beschaffenheit, 
im Geruch angenehm, ebenso im Geschmacke, jedoch intensiv 
süfs, infolge des Rohrzuckerzusatzes. Keine von all den unter¬ 
suchten kondensierten Milchsorten reicht in der schönen, rein 
weifsen Farbe und auch in dem angenehmen, die Einwirkung 
der Temperatur relativ wenig verratenden Geschmacke an die 
Chamermilch. 

Das Ergebnis der Untersuchungen von fünf verschiedenen 
Büchsen ist aus der Zusammenstellung in Tabelle XIII (S. 355) 
ersichtlich. 


Kondensierte Milch, Romanshorn. 

Die kondensierte Milch der Condensed Milk Export Company 
Romanshorn kommt in Büchsen in den Verkehr. Das Schliefsen 
der Büchsen geschieht ohne Lötung. Die Büchsen sind nicht 
ganz gefüllt, daher ein Geräusch beim Schütteln und infolge¬ 
dessen schwimmen in der kondensierten Milch bisweilen Fett¬ 
klümpchen herum. 


Tabelle XIV. 



U 

El 

Bi 


H 


Wasser 

62,25 

37,75 

62,02 

61,90 

62,20 

61,96 

62,06 

Trockensubstanz . . . 

37,98 • 

38,10 

37,80 

38,05 

37,94 

Fettfreie Trockensubstanz 

27,95 

27,78 

27,70 

27,70 

27,76 

27,76 

Fett. 

9,80 

10,20 

10,40 

10,10 

10,30 

10,16 

Salze. 

12,30 

2,31 

2,21 

2,26 

2,20 

2,25 

Milchzucker. 

16,28 

16,20 

16,19 

15,95 

16,15 

16,15 

Gesamt-Eiweifs .... 
Davon: 

9,37 

9,27 

9,30 

9,60 

9,40 

9,36 

Kasein j. 

8,37 

8,31 

8,36 

8,52 

8,43 

8,39 

Albumin -f - Globulin . . 

0,72 

0,71 

0,71 

0,72 

0,72 

0,71 

N-haltige Rest-Stoffe . . 

0,28 

0,25 

0,24 

0,26 

0,25 

0,25 


Jeder Büchse entspricht demnach ca. 1 1 Milch. 


>Die Romanshorner Milch ist, nach der Etikette, reelle, un¬ 
abgerahmte Kuhmilch, ohne irgend welchen Zusatz, ausschliefs- 


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Von Franz Sidler. 


35? 


lieb durch Einkochen kondensiert und sterilisiert, daher absolut 
bacillenfrei und folglich Übertragung von ansteckenden Krank¬ 
heiten von der Kuh auf den Menschen, wie Scharlach, Schwind¬ 
sucht etc. unmöglich.« 

Im Gerüche verhält sie sich wie stark gekochte Milch, 
ebenso verrät sie im Geschmacke eine jedenfalls intensive Ein¬ 
wirkung einer höheren Temperatur; sie schmeckt rahmartig und 
wenig süfs, weil ungezuckert. Die Farbe ist stark gelblich¬ 
braun. 

Die chemische Untersuchung ergab das in Tab. XIV (S. 356) 
dargestellte Resultat. 

Kondensierte Milch Nestlö (Marke Vicking). 

Ungezuckerte, sterilisierte und kondensierte Milch, Marke 
Vicking, ist nach Dr. Olav J. Olsens Verfahren zubereitet 
von Henry Nestld. 

Da über die Darstellung der Vickingmilch von der 
Fabrik keine Daten angegeben werden, aufser dafs sie wie 
die Chamermilch zubereitet werde, mufs ich mich auf den 
jeder Büchse beigegebenen Prospekt beschränken. Nach dem¬ 
selben ist »die Vickingmilch, nach einem neuen Verfahren 
hergestellt, eine durchaus reine Milch und Jedermann zuträg¬ 
lich. Die Vickingmilch ist, so lange die Büchse nicht geöffnet 
wird, von unbegrenzter Haltbarkeit. Frei von Mikroben und 
fremden Bestandteilen ist dieselbe von ärztlichen Autoritäten 
empfohlen.« 

»Die Vickingmilch ist sehr leicht verdaulich und behält den 
köstlichen Wohlgeschmack der frischen Milch bei.« 

»Die Vickingmilch enihält keine Fettkügelchen, wie die 
meisten der gegenwärtig in den Handel kommenden sterilisierten 
Milcharten.« 

»Die Verpackung in Büchsen anstatt in Flaschen erleichtert 
den Transport, macht die Vickingmilch sehr billig und zur 
vorteilhaftesten sterilisierten Milch.« 


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358 Untersuchungen Ober die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

»Man erhält sehr gute Resultate — für die Ernährung 
der Kinder — wenn man die Vickingmilch abwechslungsweise 
mit Nesttes Kindermehl, welches sich die Gunst aller Mütter er¬ 
worben hat, verwendet« etc. 

Was die Nichtausscheidung von Fettkügelchen — nach dem 
Prospekt ein besonderer Vorteil dieser Milch — anbetrifft, so 
stimmen meine Erfahrungen nicht ganz damit überein. Sie hat 
diesbezüglich keine Vorteile vor den andern. In allen von mir 
untersuchten Büchsen fand ich ausgebutterte Fettklümpchen. 
Desgleichen fand sich vielfach ein sandig anzufühlendes Sediment 
in den Büchsen vor, das sich als ausgeschiedener Milchzucker 
erwies. Aus einer Büchse konnte ich sogar Kristallkonglomerate 
von Milchzucker im Gewichte von 1—2 g erhalten. In der Farbe 
ist sie gelblichweifs, sie schmeckt rahmartig und verrät den Ein- 
flufs des Kochens. 

Die chemische Zusammensetzung dieser Milch ist die 
folgende: 


Tabelle XV. 



i 

% 

n 

V. 

UI 

7 » 

IV 

7o 

V 

°/ 

Io 

Mittel 

7 .' 

Wasser. 

62,67 

62,56 

62,63 

61,98 

62,44 

62,45 

Trockensubstanz . . . 

37,33 

37,44 

37,37 

38,02 

37,55 

37,55 

Fettfreie Trockensubstanz 

27,73 

27,74 

27,87 

28,02 

27,75 

27,82 

Fett. 

9,60 

9,60 

9,50 

10,00 

9,80 

9,70 

Milchzucker. 

16,18 

16,30 

16,25 

16,30 

16,21 

16,25 

Salze. 

2,20 

2,24 

2,23 

2,27 

2,22 

2,23 

Gesamt-Eiweifs .... 

9,35 

9,30 

9,39 

9,45 

9,32 

9,36 

Davon: 

Kasein. 

8,30 

8,24 

8,80 

8,36 

8,25 

8,29 

Albumin + Globulin . . 

0,80 

0,81 

0,85 

0,83 

0,82 

0,82 

N-haltige Reststoffe . . 

0,25 

0,26 

0,24 

0,26 

0,25 

0,25 


Condensed Swiss Milk, Bern. 

Neben der Herstellung von sterilisierter Kindermilch in 
Flaschen und Büchsen (für den Export) sowie der Gftrtnerschen 
Fettmilch befafst sich die Berner Alpenmilchgesellschaft Stalden 


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Von Franz Sidler. 


359 


noch mit der Fabrikation von kondensierter Milch in Büchsen. 
Dieselben besitzen ein Gewicht von 495 g (Brutto) und werden 
ohne Lötung verschlossen durch einfaches Stanzen der Ränder. 

»Diese schweizerische Alpenmilch zeichnet sich sowohl 
durch ihren reichen Gehalt wie durch ihren vorzüglichen Ge¬ 
schmack aus und diese Vorzüge behält sie in kondensiertem Zu¬ 
stande bei.« 

»Die Berner Alpenmilchgesellschaft, in Mitte einer der 
reichsten Berggegenden der Schweiz gelegen, verarbeitet nur die 
vorzügliche Vollmilch dieser Gegend unter Anwendung eines 
neuen, vervollkommneten Verfahrens.« 

In der Konsistenz ist diese kondensierte Milch dickflüssig¬ 
zähe. Die Farbe ist gelblich, die Milch im Geschmacke in¬ 
tensiv süfs, infolge des Zuckerzusatzes. 

Jede Büchse besitzt, wie die Romanshomer Milch, eine 
Kontrollnummer. Die Beschaffenheit ist folgende: 


Tabelle XVI. 



I 

0 / 

10 

II 

°/ 

/ 0 

m 

0 / 

Io 

IV 

Of 

Io 

Mittel 

% 

Wasser. 

24,75 

23,91 

23,78 

23,94 

24,09 

Trockensubstanz . . . 

75,26 

76,09 

76,22 

76,04 

75,91 

Fettfreie Trockensubstanz 

65,25 

65,69 

66,02 

66,24 

65,81 

Fett. 

10,0 

10,4 

10,2 

9,8 

10,1 

Asche. 

2,0 

2,10 

2,06 

2,20 

2,08 

Milchzucker. 

16,08 

16,12 

16,10 

16,05 

16,08 

Bohrzucker. 

37,95 

38,15 

38,52 

38,60 

38,30 

Gesamt-Eiweifs . . . 
Davon: 

9,24 

9,32 

9,35 

9,39 

9,32 

Kasein. 

8,26 

8,34 

8,37 

8,40 

8,34 

Albumin -f- Globulin . . 

0,72 

0,70 

0,69 

0,71 

0,70 

N-haltige Rest-Stoffe . . 

0,26 

0,28 

0,29 

0,28 

0,27 


Nachdem wir die Darstellungsw r eise und Beschaffenheit der 
einzelnen sterilisierten Kindermilchpräparate kennen gelernt 
haben, wollen wir zum Schlüsse unserer chemischen Unter¬ 
suchung die Resultate derselben nochmals kurz rekapitulieren. 
Ich stelle die Mittelwerte, die aus den einzelnen Untersuchungen 


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360 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

gewonnen wurden, nebeneinander und gebe dabei auch gleich¬ 
zeitig das Nährverhältnis der einzelnen Präparate an. 
Unter .dem Nährverhällnis versteht man bekanntlich das Ver¬ 
hältnis der N-haltigen Bestandteile (= 1) zu den N-freien Nähr¬ 
stoffen (Fett- und Kohlehydrate). Dabei ist das Fett mit 2,5 
multipliziert und so auf den Wert der Kohlehydrate gebracht 
(König 37). 


Tabelle XVD. 



g S 
mS 

CJ CD 

II 

Gesamt- | 
Eiweifs | 

d 

S 

M 

Albumin -f- j 
Globulin 

N-haltige 
Rest-Stoffe 

5 

© 

u 

© 

M 

O 

d 

S3 


4 ] 

li 

£3 

£ 

OB 

53 

S| 


% 

% 

°/o 

°/o 

°/o 

°/o 

% 

°/o 

% 

% 

Frauenmilch 

12,59 

2,29 

1,03 

1,26 

— 

3,78 

6,21 

0,31 

8,81 

1 :6,88 

(nach Struve) 

Flasch enmilch: 











Sanitätsmilch 

12,74 

3,21 

2,55 

0,66 

0,10 

4,06 

4,71 

0,71 

8,66 

1:4,62 

Dr. Gerber 











Kindermilch 

12,72 

3,34 

3,05 

0,22 

0,09 

3,91 

4,78 

0,72 

8,84 

1:4^6 

Zentral molkerei 











Berner Alpenmilch 

11,63 

3,16 

2,82 

0,24 

0,10 

3,34 

4,46 

0,86 

8,29 

1:4,06 

Gärtners Fetlmilch 

8,06 

1,80 

1,56 

0,13 

0,09 

3,46 

2,45 

0,35 

4,60 

1:6,16 

l.ait sterilis£du Jura 

12,06 

3,27 

2,94 

0,25 

0,10 

3,54 

4,55 

0,71 

8,51 

1:4,09 

Backhausmilch Nr. I 

11,14 

1,39 

0,91 

0,36 

0,12 

3,32 

5,86 

0,55 

7,82 

1 : 10,18 

Sterilisierte Kinder¬ 
milch Basel | 

11,38 

i 

3,22 

2,86 

0,25 

0,10 

3,20 

4,42 

0,59 

8,25 

1:3,86 



Wasser 

Trocken¬ 

substanz 

<2 

© 

* 

w 

I 

LJL 

Kasein i 

Albumin + 
Globulin 

N-haltlRe Rest- 
Stoffe 

Fett 

Milchzucker 

Rohrzucker ‘ 

Asche (Salze) g 

Fettfreie | 
Trockensubstz. t 

i 

! 

1 

Konden- 

°/o 

°/o i 

% 

°/o 

% ^ 

0 / 

Io 

°/o 

°/o 

% 

% 

°/o 


sierte 


1 











Milch: | 













Cham | 

24,05 

75,95 

9,35 

8,24 

0,83 

0,27 

9,80 

16,12 

38,53 

2,17 

66,14 

1:8,44*) 

Romanshorn 

'62,06 

37,94 

9,36 

8,39 

0,71 

0,25 

10,16 

16,15 

— 

2,25 

27,70 

1:4,48 

Nestle 1 

'62,45 

37,55 

9,36 

8,29 s 

0,82 

0,25 

9,70 

1625 

— 

2,23 

27,82 

1: 4,84 

Bern 

24,09 

75,91 

9,32 

8,34 

i 

0,70 

0,27 

10,1016,08 

38,30 

2,08 

65,81 

1 :8M*) 


•) Zusatz von Rohrzucker. 


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Von Franz Sidler. 


361 


Wenn wir die Resultate der Untersuchung der einzelnen 
Flaschenmilchsorten vergleichen wollen, so müssen wir von 
vornherein zwei Sorten ausscheiden: nämlich die Gärtnersehe 
Fettmilch und die Back haus milch. 

Die übrigen fünf Präparate erweisen sich als Milchprodukte, 
die aus Vollmilch ohne irgend welche Veränderung, sei es durch 
Verdünnung und Zentrifugierung, oder durch chemische Ein¬ 
griffe, hergestellt sind. Es sind Präparate, die im wesentlichen 
die Zusammensetzung einer guten Milch, wie sie das schweize¬ 
rische Lebensmittelbuch verlangt, besitzen. Einzig die Berner 
Alpenmilch und die Basler Konsummilch zeigen, aller¬ 
dings nur in Bezug auf die Trockensubstanz, Werte, die etwas 
unter den Anforderungen des Lebensmittelbuches stehen. Das¬ 
selbe schreibt für eine normale, nichterwärmte Marktmilch als 
Minimum eine Trockensubstanz von 12 °/ 0 vor, was beide Sorten 
nicht ganz erreichen. 

Der Zuckergehalt von 4,42°/ 0 —4,78%, wie er in der 
Kuhmilch vorkommt, ist geringer als derjenige der Frauenmilch, 
wo derselbe 6,38 — 6,50 °/ 0 erreicht. Dieser Defekt läfst sich bei 
Bedarf leicht durch einen entsprechenden Zusatz von Rohr- oder 
Milchzucker ausgleichen. Wir dürfen dabei immerhin nicht ver¬ 
gessen, dafs namhafte Forscher, wie Schlofsmann (59), es als 
zweifelhaft erscheinen lassen, ob der Milchzucker in der Frauen¬ 
milch identisch sei mit dem der Kuhmilch. 

Der Aschengehalt (0,59—0,72%) ist im Vergleiche zur 
Frauenmilch (0,26%) ein relativ hoher, entsprechend dem durch¬ 
schnittlichen Salzgehalte in der gewöhnlichen Kuhmilch. 

Weniger grofs ist der Unterschied zwischen Frauenmilch 
und Kuhmilch bezüglich des Fettgehaltes. Im Mittel ent¬ 
hält die Frauenmilch nach den Analysen verschiedener Unter¬ 
sucher 2,60—4,07 event. 4,20%, die sterilisierte Kindermilch 
3,20 — 4,06%. Doch ist, wie Schlofsmann (59) nach wies, das 
Fett der Frauenmilch viel feiner emulgiert, also auch leichter 
der direkten Resorption im Darme zugänglich. Durch das 
Sterilisieren wird der Unterschied noch gröfser und das Fett 
der Kindermilch physikalisch noch mehr verändert. 


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362 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Tabelle XVIII. 



Fett 

0 / 

Io 

Eiweifs 

7. 

1 

Frauenmilch. 

67 

33 

Sanitätsmilch Gerber . . . 

56 

44 

Kindermilch Zentral mol kerei 

54 

46 

Berner Alpen milch .... 

51 

49 

Gärtners Fettmilch . . . . , 

65 

35 

Lait sterilis4 du Jura . . . 

52 

48 

Backhausmilch Nr. I . . . 

71 

29 

Kindermilch Konsum . . . 

48 

52 

Kondensierte Milch: 



Vicking. 

51 

49 

Oh am. 

51 

49 

Romanshorn. 

53 

47 

Bern. 

53 

47 


Dazu kommt noch, dafs in der Frauenmilch Fett und 
Kasein resp. die Eiweifsstoffe zueinander in einem bestimmten 
Verhältnisse stehen und mag es von Interesse sein, dasselbe 
neben diejenigen Zahlen der Kindermilch zu stellen (Tab. XVIII). 

Weit wichtiger sind die Unterschiede zwischen Frauenmilch 
und Kuhmilch in Bezug auf die N*haltigen Substanzen und 
zwar: speziell hinsichtlich dem relativen Mischungsverhältnisse 
der einzelnen Eiweilskörper zueinander. 

Nach unserer heutigen Auffassung enthält die Frauenmilch 
nicht nur einen, sondern vier Ei weifskörper, nämlich Kasein, 
Albumin, Globulin und Opalisin. Lehmann (40)fand im 
Mittel Kasein zu 1,20°/ 0 und Albumin zu 0,5%. Nach Schlofs- 
maan (59) kommen 61,5% N aus dem Kasein und 38,5% N 
auf Albumin. Bei der Kuhmilch ändert sich das Verhältnis 
und steigt der Kaseingehalt. Zudem ist das Verhältnis von 
Kasein zu Albumin bei der Kuhmilch ein ziemlich konstantes, 
auf jeden Fall ist stets das Kasein der weit überwiegende Teil. 
Ganz anders bei der Frauenmilch, wo dieses Verhältnis im 
Laufe der Laktation sich umkehrt, wie dies aus einer Unter¬ 
suchung von Edlefsen (16) hervorgeht, und welche auch die 


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Von Franz Sidler. $63 

Mannigfaltigkeit der Analysen unter den verschiedenen Unter¬ 
suchen! der Frauenmilch zum Teil erklären mag. 

Tabelle XIX. 


Frauenmilchanalyse nach Edlefsen. 


Zeit nach 
der Geburt 

Fett 

°/o 

Zucker 

°u 

Gesamt- 

Eiweifs 

7. 

Kasein 

7. 

Albumin 

7. 

Verhältnis d. 
Eiweifs Stoffe 

7. 

3. Tag 

3,2 

3,59 

2,69 

1,81 

0,88 

67:33 

12. Tag 

8,0 

5,15 

1,87 

1,16 

0,71 

61:39 

48. Tag 

8,6 

7,06 | 

1,00 

0,44 

0,56 

44:56 

103. Tag 

8,4 

5,83 | 

0,84 

0,37 

0,47 

44:56 

116. Tag 

4,1 

5,95 

0,83 

0,31 

0,52 

37:63 


Fs findet also nach dieser Analyse nicht nur ein Sinken 
der Eiweifskörper statt mit der nach der Geburt verstrichenen 
Zeit, sondern es wird auch das Verhältnis von Kasein und 
Albumin zu einander gerade umgekehrt. Diesem Mehrgehalt 
an Laktalbumin in der Frauenmilch schreibt Schlofsmanu (59) 
insoferne eine Bedeutung zu, als dieses Albumin ein leicht 
resorbierbarer, schwefelhaltiger Eiweifskörper ist und anderseits 
durch den geringen Kaseingehalt und die relativ gröfsere Fett¬ 
menge die Gerinnung des Kaseins in der Frauenmilch eine 
äufserst feine ist. 


Tabelle XX. 



Gesamt- 

Eiweife 

7. 

Kasein 
(-f- der beim 
Sterilisieren 
ausfallen¬ 
den Albu¬ 
minteile) 

7. 

Albumin 

+ 

Globulin 

°l 

'0 

N-haUige 

Rest- 

Stoffe 

°/o 

Frauenmilch (Mischmilch) 4. XII. 02 

2,28 

1,00 

1,20 

0 09 

Rohe Kuhmilch (Zentralmolkerei) . 

3,43 

2,71 

0,61 

0,10 

»Sanitätsmilch« (pasteurisiert) . . 

3,21 

2,60 

0,56 

0,10 

Sterilisierte Kindermilch .... 

3,34 

3,04 

0,22 

0,10 

Berner Alpen milch. 

3,16 

2,82 

0,24 

0,10 

Gärtners Fettmilch. 

1,80 

1,56 

0,13 

0,09 

Lait sterilisd du Jura. 

3,27 

2,94 

0,25 

0,10 

Backhausmilch Nr. I. 

1,39 

0,91 

0,36 

0,12 

Basler Konsummilch. 

1 

3,22 

2,86 

0,25 

0,10 


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364 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

Ein weiteres wichtiges Moment ist das relative Misch¬ 
ungsverhältnis dieser verschiedenen Ei weifskörper 
und zwar des Kaseins einerseits und der gelösten Albumine 
+ N-haltigen Reststoffe anderseits, zueinander. Dieser Unter¬ 
schied geht bei unsern sterilisierten Milchsorten deutlich aus 
folgender*Vergleichstabelle hervor; sämtliche Analysen sind nach 
gleichen Methoden (Schlofsmann) gewonnen. 

Schon eine oberflächliche Betrachtung zeigt uns, dals diese 
Zahlen in Bezug auf die Eiweifskörper sehr verschiedenwertig 
sind. Vor allem fällt uns der relativ geringe Kaseingehalt der 
Frauenmilch auf, der in der gewöhnlichen Kuhmilch resp. steri¬ 
lisierten Kindermilch das 2 J / 2 — 3 fache beträgt, während der 
Albumingehalt, also das gelöste Eiweifs, einen Betrag erreicht, 
der das Doppelte bis 6fache von dem in der Kuhmilch resp. 
sterilisierten Kindermilch ausmacht. Setzen wir statt der abso¬ 
luten Werte die prozentualen Verhältnisse ein, so wird der 
Unterschied ^wischen den einzelnen Milchproben ein noch 
deutlicherer: 


Tabelle XXI. 



Kasein (-|- der 
beim Erhitzen 
ausfallenden 
Albuminteile 
•/. 

Gelöste Eiweifs- 
Stoffe + 

N-haltige Rest- 
Stoffe 
•/. 

Frauenmilch (Mischmilch). 

44 

56 

Rohe Kuhmilch. 

81 

19 

Sanitätsmilch. 

81 

19 

Steril. Kindermilch, Zentralmolkerei . 

91 

9 

Berner Alpenmilch. 

89 

11 

Gärtners Fettmilch. 

80 

20 

Lait sterilisä du Jura. .. 

89 

11 

Backhausmilch Nr. I. 

66 

35 

Basler Kindermilch. 

88 

12 

Vickingmilch Cond. 

88 

12 

Charoermilch Cond. 

88 

12 

Romanshornermilch Cond. . . . « . 

89 

11 

Bernermilch Cond. 

89 

11 


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Von Franz Sidler. 


365 


Daraus ersehen wir, dafs in Bezug auf das relative Mischungs¬ 
verhältnis die rohe Kuhmilch und die pasteurisierte Milch keine 
Abweichung untereinander zeigen. Dagegen ist das Verhältnis 
bei der ungleich stärker erhitzten, sterilisierten Kindermilch durch 
das beim Sterilisieren ausfallende Albumin in der Weise geändert, 
dafs das Verhältnis sich noch weit ungünstiger gestaltet gegen¬ 
über der an Laktalbumin so reichen Frauenmilch. Dafs dieser 
Unterschied ein gewichtiger ist, liegt auf der Hand und veran- 
lafste ja auch Backhaus (2), einen Teil des überflüssigen Kaseins 
mit Lab und Trypsin zu verdauen, um so das Verhältnis des 
Kaseins zu dem gelösten Giweifs der Zusammensetzung der 
Frauenmilch näher zu rücken. 

Aufserdem ist dies Mischungsverhältnis noch von besonderer 
Bedeutung wegen des Phosphorgehaltes. Die Kuhmilch ist 
zwar, absolut genommen, reicher an phosphorhaltigen Substanzen, 
aber der gröfste Teil davon findet sich als Phosphat vor und nur 
ein kleinerer Teil in organischer Bildung, während es bei der 
Frauenmilch gerade umgekehrt ist. So finden wir nach Schlols- 
mann (59) in der Frauenmilch 35°/ 0 des Phosphors im Kasein, 
35°/ 0 im Nucleon und 30°/ 0 im Lecithin, in der Kuhmilch dagegen 
35°/ 0 im Kasein, 11 °/ 0 im Nucleon und Lecithin und 54% in Form 
der Phosphate, also in anorganischer Bindung. Nach unseren 
Kenntnissen über die Physiologie der Ernährung sind es gerade 
die organischen Phosphorverbindungen, die vom menschlichen 
Organismus am leichtesten aufgenommen werden, während die an¬ 
organischen nur einen geringen Phosphoransatz bewirken. 

Ganz außerhalb von allen anderen Kindermilchsorten steht 
die Backhausmilch und erübrigt es uns noch, auf dieselbe kurz 
einzugehen. 

Die quantitative Bestimmung der einzelnen Eiweifskörper 
habe ich bereits Seite 351 angegeben. Um dieselbe mit der 
Frauenmilch vergleichen zu können, untersuchte ich eine Frauen¬ 
milchprobe (Mischmilch) vom 4. XII. 02 nach der gleichen 
Methode wie die Backhausmilch, wie dies aus folgender Tabelle 
hervorgeht: 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVIJ. ^ 


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366 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Tabelle XXII. 



Backhaus¬ 
milch Nr. I 

°u 

Frauenmilch 

0 / 

Io 

Kasein. 

63 


43 


Albumin (gelöst) .... 

14 1 


44 1 


Laktoproteine. 

16 | 

,37 

s 1 

57 

(Albumosen -f- Propepton) 





N-haltige Rest-Stoffe . . 


1 

5J 



Danach liegt der grofse Unterschied zwischen der Backhaus¬ 
milch und Frauenmilch in dem Verhältnis von gelöstem Albumin 
zu den übrigen Ei weifskörpern; die Frauenmilch enthält ungefähr 
3 mal mehr gelöstes Albumin als die Backhausmilch. Dagegen 
überwiegen in der Backhausmilch die sogenannten Laktoproteine 
(Albumosen und Propepton), die hier jedenfalls bereits als Ver¬ 
dauungsprodukte durch das Trypsin anzusehen sind. Ob dieser 
Ersatz des Albumins durch die Laktoproteine von irgend welchem 
Nachteil für den Säugling ist, will ich nicht entscheiden. 

Die Veränderungen, die die Milch beim Erhitzen 

erleidet. 

Dafs die Milch durch die Einwirkung einer höheren Tem¬ 
peratur namentlich in Bezug auf die Zusammensetzung der Ei- 
w r eifskörper eine Veränderung erleidet, geht bereits aus den Unter¬ 
suchungen der einzelnen Kindermilchsorten hervor. Auch So¬ 
lo min (64) machte darauf aufmerksam, dafs der Gehalt der lös¬ 
lichen Eiweifsstoffe in der Milch durch das Erhitzen auf ca. % 
zurückgehe. 

Ich suchte nun zu erfahren, welche Veränderungen die Kuh¬ 
milch in Bezug auf die quantitative Zusammensetzung der Ei¬ 
weifsstoffe erleidet, namentlich bei verschieden hohen Temperaturen 
und verschiedener Einwirkungsdauer derselben. 

Zu diesem Zwecke wurde Marktmilch verschieden hohen Er- 
hitzuugsgraden, bei verschiedener Dauer derselben, unterworfen. 
Die 1. Probe wurde im Kochschen Topf 5 Minuten auf 100° er¬ 
hitzt, ein damit eingesetztes Maximalthermometer zeigte 98,9° C. 


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Von Fjanz Sidler. 


367 


Die 2. Probe kam iu den Autoklaven, die Temperatur betrug 
während 5 Minuten 120° C. (Druck = 1 At.). Die 3. Probe be¬ 
fand sich ebenfalls im Koch sehen Topf, die Dauer betrug 
60 Minuten; die 4. Probe endlich wurde im Autoklaven 60 Minuten 
auf 120° C. gehalten. Das Ergebnis der Untersuchung ersehen 
wir aus der Tabelle 23. Die Milchproben wurden nach dem Er¬ 
hitzen unverändert untersucht. 


Tabelle XXIII. 



Gesamt- 

Eiweift 

% 

Kasein 
(-}- der bei 
Steril, aus¬ 
fallenden 
Albumin¬ 
teile) 

°/o 

Albumin -j- 
Globulin 

°/o 

N-haltige 

Rest- 

Stoffe 

°/o 

Farbe der Milch 

| 

Kontrollmilch 

3,43 

2,71 

0,61 

0,11 

rein weifs 

5 Min. auf 100° C. 

3,36 

3,00 

0,25 

0,12 

Milch noch weifs 

6 > > 120» > 

3,28 | 

2,95 

0,20 

0,13 

> stark gelblich 

60 » » 100° > 

3,42 j 

3,08 

0,22 

0,12 

> gelblich braun 

60 » » 120® > 

3,23 

2,85 

0,23 

0,15 

> stark gebräunt 


In einer 2. Untersuchung wurden die Proben in gleicher 
Weise hergestellt wie vorhin, dagegen nach dem Erhitzen der 
Milch und Wiedererkaltenlassen, dieselben wieder auf das ur¬ 
sprüngliche Gewicht gebracht, wodurch das Ergebnis, wie ersicht¬ 
lich, etwas geändert wurde: 


Tabelle XXIV. 



Gesamt- 

Eiweifa 

°/o 

Kasein 
(-f- der bei 
Steril, aus¬ 
fallenden 
Albumin¬ 
teile) 

°/o 

Albumin -f- 
Globulin 

°/o 

N-haltige 

Rest- 

Stoffe 

°/o 

Farbe der Milch 

Kontrollmilch 

3,37 

2,70 

0,59 

0,10 

rein weifs 

5 Min. auf 100° C. 


3,01 

0,25 

0,11 

Milch noch weifs 

5 » * 120° > 


3,06 

0,20 

0,11 

stark gelblich 

60 > > 100° > 


3,01 

0,22 

0,14 

gelblich-braun 

60 > > 120° > 


2,97 

0,25 

0,15 

stark gebräunt 


Es sinkt also beim einmaligen Erhitzen der Milch das Albumin, 
wie Solo min (64) feststellte, auf ein Drittel der ursprünglichen 
Menge in der rohen Milch, von da an wird nach obigen Unter- 

25* 


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568 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

suchungen das Mischungsverhältnis von Kasein einerseits und 
Albumin und Globulin und N-haltigen Reststoffe anderseits nicht 
mehr so stark alteriert, wie dies beim einmaligen Aufkochen der 
Fall ist, indem also von dem Albumin nur ein Teil gerinnt, aber 
selbst bei lange fortgesetztem Kochen nicht alles. 

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Erhitzungsgraden 
sind nicht bedeutend. Es macht den Eindruck, als ob auch 
Veränderungen in Bezug auf die N-haltigen Rest¬ 
stoffe vor sich gehen würden, worauf ich mich aber nicht näher 
einlassen konnte und beschränke ich mich darauf, die gefundenen 
Resultate anderer Untersucher kurz anzuführen. 

Nach Stocklasa (66) enthält die Frauenmilch 1,70—l,86°/oo 
Lecithin, während er in der Kuhmilch nur 0,90—l,13 0 /oo fand. 
Gerade diesen organischen phosphorhaltigen Stoffen, wie Nucleon 
und Lecithin, wird wegen ihrer leichten Resorbierbarkeit eine grolse 
Bedeutung beigelegt. Da die Milch meist verdünnt verabfolgt 
wird, so wird auch der Gehalt an diesen eiweifsartigen Stoffen 
noch mehr heruntergedrückt, während in der Frauenmilch der 
Gehalt an Nucleon und Lecithin mit der Sekretion der Milch 
steigt. Ferner wird der relativ geringe Lecithingehalt der Kuh¬ 
milch, wie Untersuchungen von Bordas und Racgkowsky (7) 
zeigen, durch die Erhitzung noch ziemlich bedeutend verringert. 
Nach diesen Autoren enthielt die untersuchte Milch 252 mg 
Lecithin im Liter. Wird nun die Milch während 30 Minuten über 
freiem Feuer auf 60° C. gehalten, so geht der Lecithingehalt 
auf 216 mg (= 14% Verlust), während 30 Minuten bei 80—95° C. 
auf 180 mg (= 28% Verlust) zurück. Geschieht die Erwärmung 
im Autoklaven 30 Minuten lang auf 105—110° C., so steigt der 
Verlust auf 30°/ 0 des gesamten Lecithins. Beim Erhitzen im 
Wasserbade hingegen auf 95° C. ist der Verlust 12% geringer, 
weshalb die Autoren die Erhitzung im Wasserbade empfehlen. 
Damit stimmen zum Teil die Angaben Bag in skys überein, der 
schon 1894 darauf aufmerksam machte, dafs das Lecithin durch 
Kochen zerstört werde. (1). 

Neben diesen Veränderungen im Gehalte der Ei weifskörper 
gehen durch Erhitzen resp. Sterilisieren noch andere einher. So 


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Von Franz Sidler. 


369 


wies Hotz (35) durch Bestimmung der Leitfähigkeit und Gefrier¬ 
punk tserniedrigung nach, »dafs nicht nur ein Verlust an osmotisch 
wirksamen Molekülen, sondern auch an Jonen stattfindet« und 
»dafs durch das Kochen das Eiweifsmolekül in einen labileren 
Zustand übergeführt wird, wodurch es leichter in seine Spaltungs¬ 
produkte zerfällt.« 


II. Bakteriologischer Teil. 

Frühzeitig schon ging das Bestreben der Milchtechnik dahin 
aus, eine Milch herzustellen, die für längere Zeit haltbar und sie 
auch zum Transport in andere Gegenden, wo die Milch Verhält¬ 
nisse nicht so günstig waren, geeignet zu machen. Und zwar 
lange bevor man die Bedeutung und die Tätigkeit der Mikro¬ 
organismen überhaupt und die der Milch im besonderen zu würdigen 
verstand. 

Der Franzose Appert war 1831 der Erste, der Nahrungs¬ 
mittel, auch Milch, durch Erhitzen zu konservieren suchte. 

Die ersten Forscher, welche sich mit der Bakteriologie in 
der Milchwirtschaft abgaben, waren Schröder und v Dusch (60), 
die sich bereits in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts 
unter anderem mit der Milch, namentlich ihrer Fäulnis und 
Gärung beschäftigten. Ihnen folgten Pasteur (50), Hoppe- 
Seyler (34), Schmidt (56), Gorup-Besanez (25) und andere 
mit Untersuchungen über die Zersetzung und Gerinnung der 
Milch, die zur Erklärung dieser Vorgänge das Vorhandensein 
gewisser Fermente annahmen, bis 1873 Lister (44) mit der Ent¬ 
deckung des Bacterium lactis hervortrat und so damit wesentlich 
das Studium der »Infusorien« in der Milch förderte. Nun er¬ 
schienen rasch zahlreiche Arbeiten verschiedener Forscher wie 
Hüppe (36), Marpman n (46), Esche rieh (20), Löffler (45) etc., 
die unsere Kenntnisse über die in der Milch vorkommenden Mikro¬ 
organismen erweiterten und das Verhalten und die Bedeutung der 
einzelnen genau erforschten, mit besonderer Berücksichtigung der 
in der Milch »normalerweise« vorkommenden Mikroben. 

Bereits Lister (1873), W. Roberts (1874) und Watson 
Cheyne (1882) erbrachten den Beweis, dafs im gesunden Euter 


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370 Untersuchungen Ober die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

die Milch keimfrei sei und auch steril daraus gewonnen werden 
könne. Es sind auch in neuerer Zeit verschiedene Apparate an¬ 
gegeben worden, um Kuhmilch vollkommen steril aufzufangen. 
Trotzdem ist diese Methode noch nicht praktisch verwertbar und 
müssen wir daher einstweilen mit bakterienhaltiger Milch rechnen. 
Die Milch ist für viele Bakterien ein vorzüglicher Nährboden 
und daher ist es erklärlich, dafs diejenigen Bakterien, welche 
während und durch das Melken in die Milch gelangen, sich darin 
reichlich vermehren und damit die Haltbarkeit der Milch be¬ 
schränken. 

Pasteur (50) hat durch seine genauen Untersuchungen 1860 
den Nachweis erbracht, dals die Milch viel schwerer keimfrei zu 
machen sei als gewöhnliche wäfsrige Lösungen und dafs eine 
Erhitzung auf 100° C. nicht genügt, um sämtliche in der Milch 
enthaltenen Keime mit Bestimmtheit zu vernichten. Durch seine 
Untersuchungen konnte er aber feststellen, dafs die Milch bei 
längerem Erhitzen und Steigerung der Temperatur auf 110—112° C. 
haltbarer und selbst eine nachträgliche Gärung aufgehoben 
wurde bei Anwendung dieser Temperatur und eines Druckes von 
l 1 ^ Atmosphären — also steril blieb, während die Gerinnung 
bei Einhalten einer niedrigeren Temperatur wie 70—75° C. auf 
längere Zeit hinausgeschoben werden konnte (Pasteurisieren). 

Da diese Frage speziell für die Säuglingsernährung eine 
so wichtige war, nahm sich namentlich in neuerer Zeit die Milch- 
und Molkereitechnik der Herstellung der sogenannten sterilisierten 
Kindermilch an. Je nach der Bearbeitung resp. Behandluugs- 
weise der Milch haben wir zwei Kategorien zu unterscheiden: 
die pasteurisierte (sogenannte krankheitskeimfreie) und die steri¬ 
lisierte. 

In bakteriologischer Beziehung kam die sterilisierte Milch 
des Handels in grofsen Mifskredit durch die klassische Arbeit 
Flügges (22), der nach wies, dafs in den meisten von ihm un¬ 
tersuchten Fällen, dieselbe nicht keimfrei war und zudem unter 
den die Sterilisation überstehenden Bakterien solche sich be¬ 
fanden, die giftige Toxine zu bilden im stände waren. Diese 
Bakterien der sterilisierten Milch brachte er ätiologisch in Be- 


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Von Franz Sidler. 


371 


ziehung zu den Darmerkrankungen der Flaschenkinder. Erst 
durch diese grundlegenden Untersuchungen Flügges (22) 
ist die Frage der Sterilisierung der Milch wieder aktuell ge 
worden und wurde man daran erinnert, dafs entgegen der ziem¬ 
lich allgemein verbreiteten Ansicht, das Erhitzen auf 100° C, 
das bekannte Soxhletsche Verfahren und andere, nur imstande 
waren, die Milch keimärmer, nicht aber keimfrei zu machen. 

Die Forderung, nur sterile Milch in Verwendung zu bringen, 
stöfst auf grofse Schwierigkeiten. Es ist auch trotz längeren 
Kochens oder 1 stündigen Erhitzens in kochendem Wasser nicht 
möglich, die Milch vollständig keimfrei zu machen. Es sind 
hierzu besondere Verfahren notwendig, die in der Haushaltung 
nicht Anwendung finden können, da man einer Hausfrau nicht 
zumuten kann, für die Erwärmung der Milch stets einen Pap- 
pinschen Topf zu verwenden. Eine zu lang oder zu hoch er¬ 
hitzte Milch erhält aber einen, für viele Menschen unangenehmen 
» Koch«geschmack. 

Die in der gekochten Milch enthaltenen Keime sind in der 
Regel für den Menschen nicht nachteilig wirksam und erst nach 
unzweckmäfsiger, zu langer Aufbewahrung können schädigende 
Eigenschaften infolge der starken Vermehrung der Bakterien 
und ihrer Stoffwechselprodukte hervorgerufen werden. 

Da wir in der Haushaltung die Milch nicht steril, sondern 
durch Erhitzen nur keimarm machen können, so besteht die 
Notwendigkeit, die Milch nicht zu lange aufzubewahren, sondern, 
wie dies ja gewöhnlich geschieht, innerhalb 24 Stunden zu ver¬ 
brauchen. 

Anders steht es mit der fabrikmäfsig hergestellten, »sterili¬ 
sierten« Milch. Diese Präparate müssen Wochen, Monate, ja 
Jahre lang in unverändertem Zustande verwendbar sein und es 
erscheint die Forderung, dafs diese Milch sicher steril hergestellt 
werde, berechtigt. 

Dieses Sterilisieren hat aber nicht nur eine Veränderung 
des Geschmackes, sondern auch chemische Veränderungen zur 
Folge. Eine Anzahl Hygieniker und Kinderärzte haben beim 
Säugling — allerdings nur in vereinzelten Fällen — Erkran- 


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372 Untersuchungen Uber die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

kungen beobachtet, welche sie der sterilisierten Milch zuschrieben 
(Barlowsche Krankheit). Aus diesem Grunde ist von ver¬ 
schiedener Seite statt der sterilisierten die Anwendung der 
pasteurisierten Milch, speziell für die Säuglingsemährung, an¬ 
empfohlen worden. 

Beim Pasteurisieren (65—70° C.), das in der Haushaltung 
sowohl als auch fabrikmäfsig betrieben werden kann, wird die 
Haltbarkeit der Milch nur um wenige Tage verlängert. Der 
Hauptzweck besteht darin, die spezif. Krankheitserreger, wie 
Tuberkelbacillen etc. zu vernichten. Die Temperatur von 65 
bis 70° C. verändert die Eiweifskörper nicht wesentlich. 

In neuerer Zeit setzte Weber (69) die Untersuchungen 
Flügges (22) in bakteriologischer Richtung fort. Er kam wie 
Flügge zum Resultate, dafs die bisher gebräuchlichen Milch¬ 
sterilisierungsverfahren nicht im stände sind, mit absoluter Sicher¬ 
heit keimfreie Milch zu liefern. • Seit dem Erscheinen der 
Flügge sehen Arbeit wendete sich die Aufmerksamkeit der 
Hygieniker dieser Frage in erhöhtem Mafse zu und haben sich 
seither die Verhältnisse entschieden gebessert So teilt Leh¬ 
mann (41) mit, dafs ein Apparat von Flaak während 1jährigen 
Betriebes auch bei strengster Untersuchung nie ein Versagen der 
Sterilisation gezeigt. 

Meine bakteriologischen Untersuchungen erstrecken 
sich auf die Zeit vom Mai 1902 bis Januar 1903 und umfassen 
75 Flaschen aus 7 und 34 Büchsen aus 4 Milchanstalten. Die 
Flaschen wurden, wie bereits früher bemerkt, zu verschiedenen 
Zeiten aus den betreffenden Milchablagen und Apotheken be¬ 
zogen, zum Teil auch einzelne direkt aus der Fabrik erhalten. 
Zur Untersuchung gelangte 1 pasteurisiertes, 6 sterilisierte und 
4 kondensierte Milchpräparate. 

Sämtliche zur Untersuchung gelangten Flaschen und Büch¬ 
sen wurden unter sterilen Kautelen geöfEnet und von mir auf 
ihren Keimgehalt geprüft. Bei der pasteurisierten Sanitätsmilch 
die nur »krankheitskeimfrei« ist, suchte ich die Keimzahl der in 
dieser Milch vorhandenen Mikroorganismen festzustellen. 



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Von Franz Sidler. 


373 


Die meisten Flaschen wurden wenigstens 4—8 Tage, ein¬ 
zelne auf Wochen, im Brutschränke belassen und nachher unter 
sterilen Vorsichtsmalsregeln geöffnet, nachdem sie die Knack¬ 
probe bestanden. Zur Unterstützung der bakteriologischen Un¬ 
tersuchung diente die Feststellung der Reaktion, die Alko¬ 
holprobe und die Sinnesprüfung. 

Als Nährboden diente Bouillon und Agar mit Traubenzucker¬ 
zusatz sowie Gelatine, die beiden ersteren wurden im Brutschränke 
bei 35° C., Gelatine bei 21,5° C. aufbewahrt. Die Untersuchung 
auf Anaeroben geschah mit Hilfe von Traubenzucker-Agar in 
hoher Schicht. Die Menge der angewandten Milch betrug 0,5 ccm. 

Es lag nicht im Rahmen dieser Arbeit, eine erschöpfende 
systematische Bearbeitung der isolierten Bakterienflora zu geben. 
Ich beschränkte mich vielmehr darauf, den Keimgehalt über¬ 
haupt festzustellen. Das Resultat dieser Untersuchung ist in 
folgender Tabelle zusammengestellt : 


Tabelle XXV. 


Flaschenmilch 

Zahl der 
untersuchten 

Davon 

waren 

Flaschen 

keimhaltig 

keimfrei 

Sterilisierte Kindermilch de/ Zentral¬ 
molkerei Zürich. 

12 

2 

10 

Berner Alpenmilch. 

10 

0 


Prof. Gärtners Fettmilch .... 

10 

1 

9 

Lait sterilisö da Jura. 

15 

0 

15 

Lait humanis4 Backhaus .... 

12 

0 

12 

Sterilisierte Kindermilch, Konsum¬ 
verein Basel. 

16 

• 5 

11 


Kondensierte Milch 

i I 

I Anzahl der 

T - - - 

t Davon 

waren 

Büchsen 

keimhaltig 

keimfrei 

Kondensierte Milch Cham . . . 

10 

10 

0 

Nestlö-Milch (Vicking). 

8 

0 

8 

Kondensierte Milch Romanshorn . 
Kondensierte Milch der Berner 

10 

0 

• 

10 

Alpenmilchgesellschaft .... 

1 6 

6 

0 


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374 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

Aus dieser tabellarischen Zusammenstellung geht hervor, 
dals die »sterilisierte« Milch, trotz ihrer Aufschrift sehr oft nicht 
keimfrei ist. Dagegen ist die Zahl der keimhaltigen Flaschen 
oder Büchsen je nach der Provenienz verschieden. Die Zeit, 
ob Sommer oder Winter scheint nach meinen Untersuchungen 
für die schweizerischen Milchproben nicht ausschlaggebend zu 
sein, gerade wie dies Weber (69) für die von ihm in Deutsch¬ 
land untersuchten Milchpräparate fand. Weit entscheidender, 
aber nicht sicher, ist das Aussehen und der Geschmack. Jene 
Milch, die gelblich gefärbt und den Kochgeschmack deutlich 
verrät, ist weit eher keimfrei. Das Gleiche gilt auch für die 
Büchsemnilch. Jene Präparate, Romanshom und Vicking, 
welche eine intensivere Einwirkung der Temperatur in ihren 
physikalischen Eigenschaften verraten, sind steril; die beiden 
anderen Sorten, welche sich der rohen Milch in Verhalten und 
Geschmack weit mehr nähern, sind dementsprechend keimhaltig, 
trotzdem z. B. jede Büchse der sonst vorzüglichen Chamermilch 
die Aufschrift »vollkommenste Sterilisation« und »unbe¬ 
grenzte Haltbarkeit«, trägt. Aber beide enthalten bis zu 40°/ 0 
Rohrzucker. Da dieser Zusatz zur Milch vor dem Eindicken ge¬ 
schieht, so wird dadurch das spezifische Gewicht derselben stark 
erhöht, ebenso die Konsistenz. Es ist also nicht mehr so gut 
möglich, beim Eindicken im Vakuum die Milch so gleichmäfsig 
zu durchwärmen wie die ungezuckerte. Die Erhöhung der Tem¬ 
peratur vermag die Sporen nicht zu zerstören und daher auch 
die stets beobachtete Nichtsterilität dieser zuckerhaltigen Milch¬ 
konserven. Allerdings bildet der Rohrzucker einen sehr schlechten 
Nährboden für die resistenten Sporen der Heu - und Kartoffel- 
Bacillen, so dafs sie in der Milch nicht zum Auskeimen ge¬ 
langen. Dafs dies selbst für Jahre gilt, konnte ich an einer 
Büchse aus der Sammlung des hiesigen hygienischen Institutes 
beobachten. Dieselbe wurde vor 8 Jahren angeschafft. Sie wurde 
steril geöffnet und mit dem entnommenen Material Kulturen an¬ 
gelegt, die nach 2 Tagen das Wachstum von KartofFelbacillen 
zeigten. Diese hatten sich also in der Chamermilch unter äufserst 
ungünstigen Bedingungen 8 Jahre lang keimfähig erhalten. 


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Von Franz Sidler, 


375 


In einzelnen Fällen blieben Milchflaschen bei mehrtägigem 
Stehen im Brutschränke scheinbar unverändert, erwiesen sich 
aber bei der Untersuchung trotzdem als keimhaltig. Eine 
Flasche der Basler Konsummilch war im Geschmacke 
ziemlich bitter und trotzdem gelang es mir nicht, daraus Bak¬ 
terien zu isolieren. Bouillon und Agar — auch in hoher Schicht 
blieben nach 3 Wochen noch steril. Hingegen erwiesen sich 
zwei weitere Flaschen derselben Milchanstalt als nicht steril, von 
denen die eine nur schwach, die andere dagegen stark bitter 
schmeckte. Beide hatten auch die Alkoholprobe noch aus¬ 
gehalten und machten sich somit nur durch den Geschmack 
verdächtig. 

Als vollkommen steril erwiesen sich die Berner Alpen¬ 
milch, die Lait sterilisd du Jura und die Backhaus¬ 
milch, von den kondensierten Milchsorten die Romans¬ 
horner und die Nestlömilch. Ein abschliefsendes Urteil ist 
infolge der relativ geringen Zahl der untersuchten Flaschen nicht 
gestattet. 

Das günstige Ergebnis in der Sterilisation der Berner und 
Yverdoner Milch mag aufserdem zu einem sehr grofsen Teile 
dem Umstande zu verdanken sein, dafs schon ca. 3 Stunden 
nach dem Melken die Milch auf über 100° C. erhitzt, resp. 
sterilisiert ist. 

Aufserdem werden die Gefäfse in den betreffenden Anstalten 
selbst peinlich gereinigt und mit strömendem Dampfe be¬ 
handelt und nur so gereinigte Gefäfse für den Milchtransport 
verwendet. 

Die in der Kindermilch gefundenen Bakterien. 

Flügge (22) konnte in den von ihm untersuchten Milch¬ 
sorten 4 Anaeroben und 12 aerobe, peptonisierende Bakterien iso¬ 
lieren, deren Sporen beinahe alle ein zweistündiges Kochen aus- 
halten konnten. Ulrichs (68) fand in der sterilisierten Handels¬ 
milch in Halle a. d. S. keine Anaeroben. Auch Weber (69) 
gelang es, aus 150 Milchproben nur zweimal anaerobe Bakterien 
zu erhalten. 


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Tabelle XXVL 


376 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 



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Von Franz Sidler. 


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378 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchprftparate etc. 


In den 109 von mir untersuchten Milchproben gelang es 
mir nicht, Anaerobe zu isolieren. Alle in den 28 keimhaltigen 
Präparaten gefundene Mikroorganismen liefsen sich in die Subtil is- 
resp. Mesentericusgruppe einreihen. Die morphologischen 
Eigenschaften der einzelnen habe ich nicht näher untersucht. 

Sämtliche Arten waren nach Tab. 26 imstande, die Milch 
zu peptonisieren. Nur die Zeitdauer bis zum Eintritt der durch 
die Bakterien bewirkten Gerinnung war bei den einzelnen ver¬ 
schieden. Während dieselbe bei einzelnen nach 2, andern nach 
3 Tagen beobachtet wurde, erfolgte diese zweimal erst nach 8 Tagen. 

Dafs dieselben auch sehr resistent sind gegen die Einwir¬ 
kung höherer Temperaturen, geht aus den Untersuchungen Her¬ 
zogs im hiesigen hygienischen Institut hervor, nach welchen 
einer der aus Chamerinilch isolierten Kartoffelbacillen selbst 
nach einstündigem Verweilen in kochendem Wasser seine Ent¬ 
wicklungsfähigkeit nicht verloren hatte und auch die Einwirkung 
von erhitztem Wasserdampf während 3 Stunden überstand. 

Das günstige Resultat der Berner Alpenmilchgesellschaft 
und der Sociötö d’industrie laitiörö ä Yverdon ist wohl in erster 
Linie darauf zurückzuführen, dafs in den betreffenden Etablisse¬ 
ments eine strenge Milchkontrolle besteht. So wird nur die 
Milch ganz gesunder, tierärztlich kontrollierter Kühe verwendet. 
Was die sanitärischen Verhältnisse dieser und der übrigen Milch¬ 
anstalten anbetrifft, so möchte ich an dieser Stelle nicht uner¬ 
wähnt lassen, dafs alle in ihre Milchlieferungsverträge sehr 
strenge Bestimmungen für den Lieferanten aufgenommen haben, 
so bezüglich des Gesundheitszustandes der Kühe, indem dieselben 
fortwährend von einem Tierarzte kontrolliert werden in Bezug 
auf Behandlung, Nahrung, Reinhalten der Kühe etc. und wird 
strenge auf gröfste Reinlichkeit gedrungen. 

Untersuchung der pasteurisierten Milch. 

Es erübrigt noch, auf eine Milch zurückzukommen, die ich 
in der Tabelle nicht angeführt habe Es ist die von Dr. Gerber 
heqjestellte, pasteurisierte, sogen, krankheitskeimfreie Kin- 
dermilch (Sanitätspiilch).. 


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Von Franz Sidler. 


379 


Im äufsern physikalischen Verhalten verrät sie die Ein¬ 
wirkung einer höheren Temperatur nicht. Da es sich um eine 
sog. »keimarme« Mjlch handelte, so wurde die Zahl der darin ent¬ 
haltenen aeroben Keime festzustellen gesucht. Anaerobe, nament¬ 
lich Buttersäurebakterien, kommen in der pasteurisierten Milch 
regelmäfsig vor (siehe Tabelle XXVII). 

Die Milch stammte aus einer Ablage und wurde dort jeweils 
auf die bestimmte Zeit abgeholt, nach der Ankunft sofort Platten 
gegossen und zwar infolge der hohen Keimzahl nur mit 0,1 ccm des 
Materials. Gleichzeitig wurde auch Zuckerbouillon mit je 0,5 ccm 
der Sanitätsmilch beschickt, um aufallfällige Gasbildner zu prüfen. 
Sämtliche diesbezüglichen Proben ergaben ein negatives Resultat. 

Tabelle XXVII. 


Keimgehalt der Sanitätsmilch pro 1 ccm. 


Tag der Ent¬ 
hebung 

Nach 

2 Tagen 

Nach 

3 Tagen 

Nach 

4 Tagen 

Nach 

5 Tagen 

Nach 

6 Tagen 

Nach 

7 Tagen 

4. XI. 02 

7 780 

9 380 

10 380 

15 410 

20 720 

21200 

5. XI. 02 

7 200 

9 500 

11300 

20 200, 

28100 

28 120 

6. XI. 02 

1200 

2 520 

10140 

13 100 

16 560 

16 690 

7. XI. 02 

2 420 

7 770 

9 080 

9 280 

9 390 

verfl. 

8. XI. 02 

2190 

3 290 

4 410 

verfl. 

— 

— 

9. XL 02 

2 460 

3 500 

4 700 

5 090 

verfl. 

— 


In allen untersuchten Milchproben machten einen grofsen 
Prozentsatz die Bacillen aus der Gruppe des Subtilis und Mesen- 
tericus aus, mit Ausnahme vom 8. und 9. November, wo ca. 2 / s 
der gewachsenen Keime sich als Mikrokokken erwiesen. Daneben 
wurden fast regelmäfsig Hefezellen nachgewiesen. 

Von einer zur Kinderernährung bestimmten Milch mufs 
der Hygieniker verlangen, dafs die Keimzahlen in relativ niedern 
Grenzen sich bewegen. So wird auch bei der Beurteilung eines 
Trinkwassers auf eine bestimmte Keimzahl gedrungen. Im An- 
schlufs daran forderte bereits Flügge(22), dafs eine Milch nicht mehr 
wie 100000 Keime in 1 ccm enthalte. Auch von andern Forschern, 
wie Escherich (74),. Knopf (75), CI aufs (76) etc. wird bei der 
Beurteilung einer Kindermilch dieser Standpunkt vertreten. 


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380 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Der Keimgebalt der frischen Milch ist schon ein relativ hoher. 
So fand Freudenreich (23) in einer Milchprobe die'kurze Zeit 
nach dem Melken 9000 Keime in 1 ccm enthielt, nach 2 Stunden 
36000, nach 4 Stunden 40000, nach 7 Stunden60000, nach 9 Stun¬ 
den 120000 und nach 25 Stuuden 5000000 (bei 15° C. aufbewahrt). 

Wir finden auch in der frisch bezogenen pasteurisierten 
»Sanitätsmilch« eine durchschnittliche Zahl von 10—30000 in 
der Gelatine entwicklungsfähigen Keimen pro 1 ccm Milch. Diese 
Zahl kann bei längerer Aufbewahrung bedeutend höher steigen. 

Dafs in der Sanitätsmilch keine virulenten Tuberkelbacillen 
enthalten sind, wurde durch Versuche in der hiesigen Tierarznei¬ 
schule nachgewiesen. 

Auf den ersten Blick mögen die obigen Zahlen bezüglich 
des Keimgehaltes in der pasteurisierten Sanitätsmilch vielleicht 
etwas hoch erscheinen, aber wir müssen bedenken, dafs bei der 
hygienischen Beurteilung einer Säuglingsmilch weniger die abso¬ 
lute Zahl der Keime eine Rolle spielt, als vielmehr die Gegen¬ 
wart resp. Zahl ganz bestimmter Keime und zwar solcher, die 
selbst entweder pathogen wirken oder in der Milch Toxine zu 
bilden vermögen, wie Flügge unter den von ihm aus sterili¬ 
sierter Dauermilch isoliertet Bakterien gefunden hat. Bitter (6) 
hat durch zahlreiche Versiehe nachgewiesen, dafs bei 65—70 °C. 
die gewöhnlichen pathogenen Mikroorganismen zu Grunde gehen 
und die Milch somit durch Pasteurisieren unschädlich gemacht 
werden kann. Flügge schreibt den in der sterilisierten Milch 
des Handels gefundenen, peptonisierenden Bakterienarten eine 
schädliche Wirkung zu. Weber schiebt die Schuld an der 
Schädlichkeit derselben im Säuglingsdarm nicht so sehr ihrer 
Giftigkeit als vielmehr ihrer Fähigkeit zu, das Kasein der Milch 
rasch in Fäulnis zu setzen. 

Unter den kondensierten Milchproben waren nach meiner 
Untersuchung nur jene Sorten steril, welche keinen Rohrzucker¬ 
zusatz erfahren hatten, nämlich Romanshorn und Vicking. Ich 
suchte nun auch bei der nicht sterilen Chamermilch und 
Berner Cond. Swiss Milk zu erfahren, wie viele Mikroben 
darin enthalten seien. Es wurden deshalb, allerdings mit nur 


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Von Franz Sidler. 


381 


je einer Probe, Platten zu Zählungszwecken gegossen, mit je 
0,1 ccm, unter sterilen Kautelen entnommener Milch. Danach ent* 
hielt die Cham er milch im Kubikzentimeter kondens. Milch 
360Keime, die kondensierte Bernermilch 130Keime. Die 
Untersuchung beider Sorten fand 7 Monate nach deren Einkauf 
statt. Als nach weiteren 3 Monaten eine noch Testierende Büchse der 
Bemermilch geöffnet wurde, erwies sich dieselbe als sauer und 
beim Erwärmen der Milchlösung auf 80 — 90° C. war dieselbe 
grobflockig geronnen. Es hatte also trotz des luftdichten Ver¬ 
schlusses diese Büchsenmilch sich in diesem Falle nicht einmal 
10 Monate lang (bei 15—18° C.) gehalten und kann demnach von 
einer »unbegrenzten Haltbarkeit« keine Rede sein. Besser hielt sich 
die Chamermilch, die, in gleicher Weise aufbewahrt, auch nach 
10 Monaten noch keine Beeinträchtigung des Aromaserfahren hatte, 
trotz der — nur einmal festgestellten — gröfsern Bakterienzahl. 

Aus den mitgeteilten Resultaten ist ersichtlich, dafs, ähnlich 
wie dies in Deutschland beobachtet wurde, auch die Milch¬ 
präparate der schweizerischen Fabriken nicht immer 
keimfrei sind. Bekanntlich hat Flügge diesen in der sterili¬ 
sierten Milch enthaltenen peptonisierenden Bakterien eine 
grofse Bedeutung zugeschrieben, welche Ansicht namentlich von 
D u c 1 a u x (14) u. a. bekämpft worden ist. Es liegt nicht in unserer 
Absicht, ein Urteil in dieser schwierigen Frage zu fällen. Es 
darf hier wohl angeführt werden, dafs die Zahl der gefundenen 
Mikroorganismen in jedem Falle eine geringe war. 

Verhalten von Bact. coli comm. gegen einige Milchsorten. 

Zur diagnostischen Charakterisierung der Bakterien dient 
u. a. das Verhalten derselben gegenüber steriler Milch. Silber¬ 
schmidt (62) machte zuerst die Beobachtung, dafs das Gedeihen 
resp. Wachstum einzelner Bakterien in der sterilen Milch oft ein 
ganz verschiedenes und wesentlich durch die Veränderung der 
Milch infolge des Erhitzens bedingtes ist. »Je höher die 
für die Sterilisierung angewandte Temperatur und 
je länger die Erwärmung, um so später tritt unter 
sonst gleichen Verhältnissen die Gerinnung ein.« 

Archiv für Hygiene. Bd. XLVII. 26 


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382 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

Ich untersuchte nun im folgenden das Verhalten dreier Coli- 
stämme gegenüber einigen Sorten der sterilisierten Milch des 
Handels, um so an Hand eines, allerdings einzelnen Versuches, 
zu prüfen, ob diese Beobachtung auch für die Kindermilch gilt. 


Tabelle XXVIH. 

1. Versuche mit Bact. coli comm. (Stammkultur) I. Bei 35° C. aufbewahrt. 



Nach 

24Stdn. 

Nach 
36 Stdn. 

Nach 
48 Stdn. 

Nach 

3Ta^<*n 

Nach 

4 Tagen 

Ge 

rönnen 

Gewöhnl. steril. Milch . 

0 

0 

+ 

+ 

+ 


Berner Alpen milch . . 

0 

0 

+ 

+ 

+ 


Gärtners Fettmilch . . 

0 

0 

+ 

+ 

+ 


Backhausmilch . . . 

1 + 

+ 

+ 

+ 

+ 


Lait sterilisö du Jura . 

1 + 

+ 

+ 

+ 

+ 


Romanshornermilch . . 

i o 

0 

0 

0 

+ 


Vickingmilch .... 

0 

0 

+ 

+ 

+ 



Tabelle XXIX. 

2. Versuch mit Bact. coli, aus Fleisch stammend, II. 35° C. 



1. Tag 

2. Tag 

3. Tag 

4. Tag 

6. Tag 

7. Tag 

Gewöhn!, steril. Milch . 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

Berner Alpenmilch . . 

0 

0 

0 

0 

0 

+ 

Gärtners Fettmilch . . 

0 

0 

0 

0 

+ 

+ 

Backhausmilch . . . 

0 

0 

0 

+ 

+ 

+ 

Lait sterilisl du Jura . 

0 

0 

0 

+ 

+ 

+ 

Vickingmilch .... 

0 

0 

0 

0 

| 0 

+ 

Romanshornermilch . . 

0 

0 

0 

0 1 

0 

+ 


Tabelle XXX. 

3. Versuch mit Bact. coli aus dem Herzblute eines Meerschweinchens. 



Nach 

24 Stdn. 

Nach 

36 Stiln. 

Gewöhnl. steril. Milch 

4- 

+ 

Berner Alpenmilch . . . 

+ 

+ 

Gärtners Fettmilch . . . 

+ 

+ 

Backhausmilch .... 

+ 

+ 

Lait sterilisd du Jura . . 

+ 

+ 

Vickingmilch. 

+ 

+ 

Romanshornermilch . . 

+ 

+ 


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Von Franz Sidler. 


383 


Nach diesen Versuchen ist die Wirksamkeit bei verschiede¬ 
nen Stämmen von Bact. coli comm. auch eine verschiedene. 
Der aus dem Herzblute eines Meerschweinchens iso¬ 
lierte Colistamm vermochte alle Milchproben gleichschnell 
und nach kurzer Zeit zum Gerinnen zu bringen. Gröfsere Unter¬ 
schiede zeigen sich dagegen bei der Stammkultur I des 
Hygiene-Institutes. Jene Milchproben, die, ihrem physikalischen 
Verhalten nach beurteilt, ziemlich gleichstark erhitzt worden 
waren, gerinnen übereinstimmend, jene Milchsorte, ßomanshorn, 
die eine intensive Erhitzung durchgemacht, gerinnt bedeutend 
später, während die am wenigsten stark erhitzten, Yverdon 
und Backhaus, die Gerinnung schon nach 24 Stunden zeigen. 
Ähnliche Verhältnisse zeigt die aus Fleisch gezüchtete 
Colikultur H mit dem Unterschiede, dafs der Eintritt der 
Gerinnung bei der am wenigsten erhitzten Milch erst nach 
4 Tagen erfolgt. 

III. Teil. Künstliche Gerinnungs- und Verdauungsversuche. 

I. Säurebindungsfähigkeit der einzelnen Milch¬ 
präparate. 

Im kindlichen Säuglingsmagen ist der Acidiiätsgrad, wenig¬ 
stens nach den Angaben der einzelnen Autoren, sehr verschieden 
und wohl nicht zum geringsten abhängig von dem Alter. Schon 
Heubner (29) und van Puteren (55) wiesen nach, dafs die 
Acidität während der Verdauung bis zu einem gewissen Grade 
zunehme, nie aber das Maximum von 0,l°/ 0 freie HCl über¬ 
schreite, abgesehen von Verdauungsstörungen, wo die Secerniel 
rung von HCl im allgemeinen etwas geringer ist als beim nor¬ 
malen Magen. Es handelt sich hier um freie HCl, indem auch 
noch solche »gebunden« vorkommt. Bei Brustkindern soll nach 
einigen Autoren unter normalen Verhältnissen keine freie HC- 
vorkommen und auch Escherich (19) bezeichnet dieselbe als 
sehr gering, während Heubner (29) solche allerdings selten 
und in kleinen Mengen nachwies. Alle Untersuchungen aber 
ergeben, dafs im Anfänge der Verdauung sehr wenig freie HCl 
vorhanden ist, wohl aber nach einer gewissen Zeit, was diese 

2G* 


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384 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

Verschiedenheit der Ansichten zum Teil erklären mag. Es fand 
Wohlmann (71) D/ 4 Stunden nach der Einnahme der'Nahrung 
freie HCl, ebenso Leo (42), Bauer und Deutsch (8) nach 
Vj 2 —2 Stunden. Dies gilt für Kinder in den ersten 5 Lebens¬ 
monaten; bei älteren Kindern kann schon bedeutend früher freie 
HCl nachgewiesen werden. 

Die im Säuglingsmagen befindliche Milch bindet die HCl 
gleich nach der Sekretion. Nach Ewald und Boas (21) ver¬ 
mengt sich die freie HCl mit den »Ingestisc, wird durch das in 
denselben befindliche Eiweifs und Alkali gebunden und erst 
wenn die Nahrung mit HCl gesättigt, kann freie HCl nachge¬ 
wiesen werden. Dazu bemerkt Penzoldt (51), dafs demnach 
um so eher freie HCl nachgewiesen werden könne, je weniger 
Eiweifs und Alkalien in der zugeführten Nahrung sich vorfin¬ 
den. Unter diesen eiweifshaltigen Körpern zeichnet sich, wie 
bereits Heubner (29), Escherich (19) und Müller (48) kon¬ 
statiert haben, die Milch durch ein relativ hohes HCl-bindungs- 
vermögen aus. So fand u. a. Heubner, dafs 100 ccm frische 
Kuhmilch 0,324 HCl zu binden im stände sei, Escherich (19) 
gibt als Bindungsvermögen 8—9^ N - Salzsäure für 50 ccm 
Frauenmilch an und für Kuhmilch 15 —16 ccm. Nach 
Soxhlet (65) verbraucht 1 1 Kuhmilch bis zum Auftreten von 
freier HCl (Methylorange) im Mittel 87 ccm und Frauenmilch 
im Mittel 28 ccm Normal-Salzsäure, die Kuhmilch also 3 mal so¬ 
viel als die Frauenmilch. 

Während Heubner (29) diese Eigenschaft der Milch deren 
Phosphorsfture und Kaseingehalt, Escherich (19) den Alkali- 
und Calciumsalzen zuschreiben, zeigte Müller (48), dafs das Ei¬ 
weifs und die Salze diese Erscheinung bedingen. 

Diese Untersuchungen der verschiedenen Autoren legen be¬ 
reits nahe, dafs die Milch verschiedener Provenienz und bei 
sterilisierter Milch je nach der Sterilisation, ein ganz verschie¬ 
denes Affinitätsvermögen zur HCl bekunden möchten, ent¬ 
sprechend der verschiedenen chemischen Beschaffenheit und der 
durch das Sterilisieren bedingten Veränderung des Kaseins resp. 
der Calcium8&lze. 


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Von Franz Sidler. 


385 


Dies veranlafste mich, bevor ich an die Untersuchung der Salz¬ 
säurebindungsfähigkeit der einzelnen Handelsmilchsorten heran¬ 
trat, zu prüfen, in wie weit das Sterilisieren diese Affinität 
ändert, um so mehr als bereits Silberschmidts (62) Unter¬ 
suchungen es möglich erscheinen lassen, »dafs die Menge der 
gebundenen HCl um so gröfser sei, je länger und je höher die 
Milch erhitzt wurde, c 

Ich stellte zu diesem Zwecke Versuche an mit Milch, welche in 
gleicher Weise erhitzt wurde wie die auf Seite 367 analysierte Milch. 

N 

Je 20 ccm solcher Milch wurde mit HCl versetzt, tropf¬ 
weise, bis auf Kongopapier bei der Tüpfelreaktion bleibende Blau¬ 
färbung eintrat. 


Tabelle XXXI. 



i 

ccm 

.1 

n ; 

ccm | 

III 

ccm 

IV 

ccm 

Mittel 

ccm 

Kontrollmilch . . 


5,5 

6,4 

4,8 

6,0 

5,1 

5 Mio. erhitzt auf 

100° C. 

6,1 

6,2 

5,2 

6,0 

5,7 

5 > > > 

120° > 

6,7 

6,7 

5,3 

6,0 

6,1 

60 » » > 

100° > 

7,0 

6,8 

5,2 

6,0 

6,2 

60 » > > 

120* > 

6,1 

6,2 

5,2 

5,4 

5,7 


Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dafs durch die 
Einwirkung einer erhöhten Temperatur das Bindungsvermögen 
in der Weise geändert wird, dafs eine höher erhitzte Milch 
etwas mehr HCl zu binden vermag als die gleiche 
rohe Milch. Wenn wir dabei die chemische Analyse zu Hilfe 
nehmen, so ersehen wir daraus, dafs mit dieser Veränderung 
auch eine Steigerung des als Kasein ausgefällten Niederschlags 
Hand in Hand geht und in jenem Falle, wo das Kasein wieder 
zurückgeht, d. h. nach 60 Minuten langem Erhitzen auf 120° C., 
etwas weniger HCl gebunden wird. Es scheint diese Änderung 
aber nicht so sehr durch das Kasein als vielmehr durch die 
demselben inkorporierten Calciumsalze bedingt zu sein. Ein 
ähnliches Ergebnis liefert eine Zusammenstellung der HCl-bin- 
dung der einzelnen sterilisierten Handelsmilchpräparate, wie aus 
nachstehender Tabelle ersichtlich: 


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386 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Tabelle XXXII. 


20 ccm ll 

1 1 

ccm ^ 

II 

ccm 

in 

ccm 

IV 

ccm 

1 v 

ccm 

Mittel 

ccm 

I^HCl 

0 

Frauenmilch. 

2,2 

1,8 

2,4 

2,0 

1,6 

2,0 


Zentralmilch, roh. 

4,1 

5,5 

4,8 

6,0 

4,9 

4,8 


Sanitätsmilch Dr. Gerber. 

6,0 

5,8 

6,2 

6,1 

5,5 

6,8 


Kindermilch, Zentralmolkerei . . . 

5,6 

5,4 

6,0 

6,4 

6,2 

5,8 


Berner Alpenmilch. 

4,4 

4,2 

5,6 

5,8 

5,4 

5,0 


Gärtners Fettmilch. 

3,2 

3,4 

3,8 

3,5 

3,0 

3,3 


Lait sterilis4 du Jura. 

5,2 

6,6 

5,8 

6,2 

5,9 

6,7 


Backhausmilch Nr. I. 

2,3 

3,2 

3,3 

3,8 

4,0 

3,3 


Kindermilch Basel. 

4,9 

5,1 

4,8 

6,3 

6,2 

5,0 


Kond. Milch Romanshorn 35 g/100 ccm 
Wasser. 

4,9 

4,4 

4,8 

4,5 

4,3 

4,6 


Kond. Milch Vicking, 35 g/100 ccm 
Wasser. 

4,0 

3,8 

8,7 

8,9 

4,1 

3,9 


Kond. Milch Cham, 35 g/100 ccm 
Wasser. 

5,2 

6,6 

6,3 

6,4 

6,0 

5,3 


Kond. Milch Bern, 35 g/100 ccm 
Wasser. 

4,8 

4,7 

M 

4,9 

6,0 

4,9 



Die Unterschiede sind bei ein und derselben Milch zumeist 
weniger grofs als in Bezug auf die Milchproben untereinander. 
Es ist somit das Bindungsvermögen für HCl ziemlich 
verschieden je nach der Provenienz der Milch. Am 
nächsten zur Frauenmilch stehen in dieser Beziehung jene zwei 
Milchsorten, welche den geringsten Casein- resp. Eiweifsgehalt 
aufweisen: die Gärtner- und die Backhausmilch und können diese 
Präparate mit den andern nicht verglichen werden. Interessant 
ist der Vergleich zwischen der rohen und der erhitzten Milch 
aus der Zentralmolkerei, welche beinahe in sämtlichen Versuchen 
sehr deutliche Unterschiede aufweist. Die mitgeteilten Resultate 
gestatten noch nicht, ein abschliefsendes Urteil über diese Frage 
zu fällen. 

Es darf vielleicht hier auf die Untersuchungen Cloettas(78) 
hingewiesen werden, der bei jungen Hunden, die mit Milch ge¬ 
füttert wurden, keine, bei anderen Hunden vom gleichen Wurf, 
mit Fleischnahrung, deutlich freie HCl nachweisen konnte. Die 
Annahme, dafs auch nach lang dauernder Ernährung mit stark 


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Von Franz Sidler. 


387 


erhitzter Milch erhöhte Salzsäuremengen vom Säuglingsmagen 
sezerniert werden, scheint namentlich in Anbetracht des An¬ 
passungsvermögens des kindlichen Magens nicht unberechtigt zu 
sein und »diese monatelang dauernden, erhöhten Anforderungen 
an die Magent&tigkeit, namentlich die gröfsere Säurebildung, 
können gewifs beim Säugling zu Störungen führen, welche sich 
vielleicht in Form von anämischen Zuständen bekundeu.c [Silber¬ 
schmidt (62)]. 

2. Labgerinnung bei einzelnen untersuchten Milch¬ 
präparaten. 

Über die Einwirkung des Labfermentes auf gekochte, resp. 
erhitzte Milch liegen in der Literatur zahlreiche Angaben vor, 
die oft recht erheblich voneinander abweichen. Gegenwärtig steht 
wohl fest, dafs sowohl die Höhe der Temperatur als auch die 
Dauer der Erhitzung die Gerinnungsfähigkeit der Milch wesent¬ 
lich beeinflufsen, wieausneuerenUntersuchungenvonZweifel(72), 
Conradi (10), Silberschmidt (62) etc. hervorgeht, indem 
längere Zeit erhitzte Milch garnicht oder erst nach Verlauf 
einiger Stunden gerinnt. Diese Verzögerung der Gerinnung kann 
allerdings, wie Zweifel (72) gezeigt hat, durch Zusatz bestimmter 
Mengen HCl oder gelöster Kalksalze (Conradi) aufgehoben 
werden. 

Zweifel nimmt an, dafs die Gerinnung gekochter Milch im 
Magen immer schon nach wenigen Minuten erfolge. Dagegen 
teilt Soxhlet (65) mit, dafs gekochte oder sterilisierte Kuhmilch 
wohl in der Regel sofort im Magen des Säuglings gerinne, dafs 
manchmal aber auch bis zur Gerinnung 1 Stunde vergehe. 
Silberschmidt (62) zeigte durch Versuche am Menschen, dafs 
ein und dieselbe Milch, je nach dem Grade der Erhitzung, sich 
im Magen in Bezug auf Eintritt der Gerinnung ganz verschieden 
verhalte, in dem Sinne als dieselbe bei einer sehr stark erhitzten 
Milch weniger schnell eintrat als bei der Milch, die nicht so 
lange und so hoch erwärmt worden war. Es ist wohl anzunehmen, 
dafs diese Unterschiede noch gröfser ausgefallen wären, wenn es 
sich nicht im zitierten Falle um einen besonders sauer reagierenden 
Magen gehandelt hätte. 


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388 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchprttparate etc. 

Da nun diese Verzögerung in der Gerinnung des Caseins 
bei der im Laboratorium hergestellten Milch eine verschiedene 
ist, so war anzunehmen, dafs auch die sterilisierte Milch des 
Handels sich dementsprechend verhalten würde. 

Zweifel (72) ist der Ansicht, dafs die Labgerinnung die 
Verdauung einleite oder die erste Stufe der Casein Verdauung dar¬ 
stelle. Es darf deshalb dieses Moment nicht unberücksichtigt 
gelassen werden, wie es vielfach zu geschehen pflegt. 

Aus diesem Grunde stellte ich, bevor ich an die diesbezüg¬ 
liche Untersuchung der einzelnen sterilisierten Milchsorten des 
Handels heranging, Versuche mit Milch an, die im Laboratorium 
selbst verschiedenen Erhitzungsgraden ausgesetzt worden war. 

Als Ferment diente eine Lösung einer Tablette käuflichen 
Labes (Marke Beyer) in 100 resp. 500 ccm Wasser. Für jeden 
Versuch wurde die Lösung frisch bereitet. Die Ausführung ge¬ 
schah im Schafferschen Apparate bei 37° C. Die verwendete 
Milchmenge — in gleicher Weise behandelt, wie Seite 367 an¬ 
gegeben — betrug bei der selbst zubereiteten Milch je 100 ccm, 
bei der sterilisierten Kindermilch je 50 ccm. 

Die Betrachtung der in den nachfolgenden Tabellen mit¬ 
geteilten Resultate ergibt, dafs ein deutlicher Unterschied 
in der Gerinnung durch Lab erfolgt je nach dem Grade 
der Erhitzung der Milch. Wie dies von verschiedenen 
Autoren angeführt worden ist, ist der Unterschied sowohl in der 
Raschheit der Gerinnung als auch in der Beschaffenheit des Ge¬ 
rinnsels wahrnehmbar. 

Währenddem eine nicht erhitzte Milch schon nach 8 Minuten 
zu einem kompakten Käse gerinnt, tritt die Gerinnung bei der¬ 
selben Milch, 5 Minuten auf 100° C. erhitzt, erst nach 25 Minuten, 
60 Minuten auf 100° C. nach ca. 2 Stunden und nach 60 Minuten 
auf 120° C. gar nicht bezw. nicht innerhalb 5 Stunden ein 
(Tab. XXXHI). 

Wird neben dem Lab HCl angewendet in einer Menge von 
1 ccm ^o-Normal-HCl auf 100 ccm Milch, so erfolgt die Gerinnung 
auch in der 60 Minuten auf 120° C. erhitzten Milch. Auch in diesen 
Versuchen ist der Unterschied ein sehr deutlicher (Tab. XXXIV). 


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Von Franc Sidler. 


389 


Des fernem wurde, nach dem Labzusatze, tropf weise HCl 
hinzugefügt, um die natürlichen Verhältnisse im Säuglingsmagen 
einigermafsen nachzuahmen. Die Menge der HCl war so be¬ 
rechnet, dafs die 100 ccm Milch nach dem fertigen Zusatz 

2,5 ccm ^ HCl enthielt. Nach Wohl mann (71) beträgt die freie 

HCl bei Brustkindern 0,831—1 ,8°loo freie HCl, welch letzterer 

Zahl diese 2,5 ccm ^ HCl entsprechen würden. Dieser Zusatz von 

HCl bewirkt, dafs im allgemeinen das Gerinnsel lockerer in der 
Konsistenz und feinflockiger im Aussehen wird, indem voraus¬ 
sichtlich eine kombinierte Wirkung von Lab und HCl stattge¬ 
funden hat (Tab. XXXV). 

Es braucht nicht betont zu werden, dafs die erhaltenen 
Resultate keinen absoluten, sondern nur Vergleichswerte darstellen 
und dafs aus den ziemlichen Unterschieden zwischen Tabelle 34 
und 35 nicht weitgehende Schlufsfolgerungen gezogen werden 
können. 

In Tabelle 36 wurde die Gerinnung geprüft bei Vermengung 
der Milch mit gleichen Teilen einer 6,5proz. Milchzuckerlösung, 
wie dieselbe von Zweifel (72) für die Säuglingsernährung vor¬ 
geschlagen wurde. Dieser Zusatz verändert die Gerinnungsfähig¬ 
keit auch der nicht erwärmten Milch in der Weise, dafs das 
Coagulum weicher ist. Ferner sehen wir, dafs die Gerinnung 
nicht eine so bedeutende Verzögerung auf weist, wie man infolge 
der Verdünnung erwarten sollte. 

In Tabelle 37 sind die Resultate bei gleichzeitigem Zusatz 
einer Lösung von Milchzucker 6,8°/ 0 und Kochsalz 0,5°/ 0 . 

Die verschiedenen, mit den untersuchten Milchpräparaten 
ausgeführten Versuche sind in Tabelle 40 zusammengestellt. Wir 
sehen, dafs die Resultate den mit im Laboratorium erhitzter Milch 
vorgenommenen Versuchen in mancher Beziehung entsprechen. 
Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dafs die Gerinnungs¬ 
fähigkeit bei den einzelnen Kindermilchsorten sehr verschieden 
ist. Doch gilt auch hier, wenn wir das Aussehen und die 
chemische Analyse zu Hilfe nehmen, im allgemeinen der Satz, 


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390 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

»dafs jene Milch am spätesten den Eintritt der Gerinnung zeigt, 
die am längsten resp. am höchsten erhitzt worden ist, wodurch 
die Resultate Silberschmidts bestätigt werden. (62). 

Die pasteurisierte Milch verhält sich in der Ge¬ 
rinnung wie ungekochte Milch. 

Unter den kondensierten Milchsorten gerinnt die Chamer- 
milch weitaus am schnellsten, sie scheint aber auch sonst die 
geringste Veränderung durch die Erhitzung erfahren zu haben. 
Das Gerinnsel ist bei dieser Milch stets ein feinflockiges. 

Die Verschiedenheit der Gerinnung von ungekochter 
und erhitzter ist von verschiedenen Autoren nur zum Teil be¬ 
rücksichtigt worden. Soxhlet gibt an, dafs sterilisierte Milch 
in der Regel sofort im Säuglingsmagen gerinnt, manchmal 
aber auch erst nach 1 Stunde. Ellenberger und Hof¬ 
meister (17) schreiben dieser Nichtgerinnung der sterilisierten 
Milch resp. der Verzögerung der Gerinnung, die mangelhafte 
Ausnutzung sterilisierter Milch zu, indem dieselbe im Magen mehr 
oder weniger flüssig bleibe und so leicht und zu frühe aus dem 
Magen in den Darm übergehe. Aber auch im Darm gerinnt sie 
nicht wie frische Milch und vermag daher auch diesen rasch zu 
durchlaufen. Unter solchen Umständen kann also ein gröfserer 
Teil der sterilisierten Milch unverdaut abgehen. Bleibt die 
sterilisierte Milch aber lange genug im Magen und Darm, so wird 
sie auch gut verdaut und ausgenutzt. 


Tabelle XXXIII. 
Lab 1 ccm (1:100). 


Behandlung der Milch 

Beginn der 
Gerinnung 
nach 

Geronnen 

nach 

Beschaffenheit des 
Gerinnsels 

Kontrollmilch 

7 Min. 

8 Min. 

Kompakter Käse 

6 Min. erhitzt auf 100° C. 

25 Min. 

30 Min. 

Käse weich 

60 . » 100* > 

1 Std. 35 Min. 

1 Std. 46 Min. 

Gerinnsel feinflockig 

6 . » 120® » 

2 Std. 20 Min. 2 Std. 30 Min. 

Gerinnsel breiig 

60 . » . 120® . 

Nach 5 Stdn. noch nicht 



geronnen 



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Von Franz Sidler. 


391 


Tabelle XXXIV. 

Lab 1 ccm (1:100). Lab auf einmal zu gesetzt, HCl nach und nach. 


Behandlung der Milch 

Geronnen 

nach 

Zugesetzte 

HCl 

Tropf. = ccm 

Beschaffenheit des 
Gerinnsels 

Kontroll milch 

5 Min. 

5 

0.2 

Gerinnsel klumpig 

5 Min. erhitzt auf 100° C. 

13 Min. 

25 

1,0 

* grobflockig 

60 > » » 100° > 

50 Min. 

62 

2,5 

> feinflockig-breiig 

5 > > 120« > 

42 Min. 

56 

2,2 

> feinflockig 

60 > > » 120° > 

2 Std. 30 Min. 

62 

2,5 

> gelatinös breiig 


Tabelle XXXV. 

Labzusatz 5 ccm (1 : 500). Lab und HCl tropf weise zugesetzt. 



Eintritt der 

Zugesetzte Menge von: 

Behandlung der Milch 

Gerinnung 

Lab (1 : 500) 1 

HCl V 5 N. 


nach 

Tropfen 

= ccm 

Tropfen 

= ccm 

Kontrollmilch 

28 Min® 

18 

0,6 

9 

0,3 

5 Min. erhitzt auf 100" C. 

42 » 

30 

i,i 

14 

0,5 

60 > 100° » 

53 » 

38 

1,4 

17 

0,6 

30 » 110® . 

55 > 

128 

4,9 

56 

2,2 

5 > > » 120® » 

63 > 

130 

5,0 

64 

2,5 

60 > > > 120® . 

68 > 

130 

5,0 

64 

2,5 


Tabelle XXXVI. 

Lab 1 ccm (1 : 500) und HCl 1 ccm 1 / l0 N. auf einmal zugesetzt. 


Behandlung der Milch 

Eintritt der 
Gerinnung 
nach 

Beschaffenheit des 
Gerinnsels 

Kontrollmilch 

5 Min. 

Käse klumpenförmig 

5 Min. erhitzt auf 100° C. 

30 » 

Käse weich 

60 > » » 100 0 » 

5 Std. 30 Min. 

feinflockig 

5 > > » 120* » 

2 > 20 > 

feinflockig 

60 » > 120° » 

6 > 20 > 

1 

breiig 


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392 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Tabelle XXXVH. 

60 ccm Milch -f- 50 ccm Milchzuckerlösung 6,5 °/ 0 * Lab und ü CI allmählich 

zugesetzt 


Behandlung der Milch 

Eintritt 

der 

Gerin¬ 

nung 

nach 

Zugesetzte 
Lab (5 ccm) 

Tropf. = ccm 

Menge von 

1:600 HCl - 
6 

Tropf. = ccm 

Beschaffenheit des 
Gerinnsels 

Kontrollmilch 

35 Min. 

40 

1,5 

18 

0,7 

Ganz weicher Käse 

5 Min. erhitzt auf 100° C. 

37 > 

40 

1,5 

18 

0,7 

feinflockig 

60 > 

> 100° » 

55 » 

124 

4,7 

58 

2,2 

> 

30 > 

» 110° » 

43 » 

40 

1,5 

18 

0,7 

> 

5 » * 

> 120° > 

45 » 

42 

1,6 

20 

0,8 

breiig 

60 > 

» 120° » 

65 > 

130 

5,0 

64 

2,6 

gelatinös 


Tabelle XXXYm. 

50 ccm Milch -|- 25 ccm Milchzuckerlösung (6,5 °/o) 25 ccm Na CI (Lösung 0,5°/#) 

Lab 5 ccm (1 : 500) und 2,5 ccm -g- H CI allmählich zugesetzt. 



■" ..- 

Eintritt 

der 

Zugesetzte Menge von 

Beschaffen- 

Behandlung der Milch 

Gerin- 

Lab 

HCl 

heit des 



nung 

nach 

Tropfen = ccm 

| Tropfen = ccm 

Gerinnsels 


Kontrollmilch 

37 Min. 

40 

1,6 

18 

0,7 

Weich erKäse 

5 Min. erhitzt auf 100° C. 

52 > 

44 

1,6 

22 

0,9 

grobflockig 

60 

. . . 100® > 

75 > 

130 

5,0 

64 

2,6 

breiig 

6 

> > » 120° » 

80 > 

130 

6.0 

64 

2,6 

feinflockig 

60 

» > » 120° > 

90 » 

130 

5,0 

64 

2,6 

schleimig 


Tabelle XXXIX. 

50 ccm Milch -f~ 50 ccm 11,0-1-2 Kaffeelöffel Kalkwasser, Lab 5 ccm 
(1 : 500) und 2,5 ccm ^ HCl allmählich zugesetzt 



Eintritt 

der 

Zugesetzte Menge 

von 

Beschaffen- 

Behandlung der Milch 

| Gerin- 

Lab 

HCl 

heit des 


nung 

nach 

Tropfen = ccm 

Tropfen 

= ccm 

Gerinnsels 

Kontrollmilch 

| 65 Min. 


5 


2,6 

Kftse 

5 Min. erhitzt auf 100° C. 

85 > 


— 


— 

Grobflockig 

60 » . . 100® . 

95 > 


— 


— 

breiig ‘ 

30 . . > 110® » 

95 > 


— 


— 

feinflockig 

5 » » » 120® » 

105 > 


— 


— 

> 

60 » . . 120® . 

180 > 

i 

i ! 

" 


1 

schleimig 


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Gerinnung der einzelnen Milchsorten durch Lab. 
Lab 1 ccm (1 : 500). 


Von Franz Sidler. 


393 



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394 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

3. Verdauungsversuche. 

Wir haben bereits im chemischen Teile unserer Arbeit und 
aus unsern Ausführungen gesehen, dafs bei der Erhitzung nicht 
nur die anorganischen, sondern, was wohl noch wichtiger ist, die 
organischen Bestandteile und zwar besonders Eiweifs- und eiweifs¬ 
artige Stoffe, verschiedenen Veränderungen unterworfen werden. 
In welcher Beziehung dieselben zur Verdauung im Säuglings¬ 
magen stehen, ist noch nicht aufgeklärt. 

Die so wichtige Frage der Verdaulichkeit verschieden her¬ 
gestellter, zur Säuglingsernährung dienender Milch ist schon 
wiederholt eingehend studiert worden, zum Teil in Laboratoriums¬ 
versuchen, zum Teil mittels Versuchen am Säugling. In neuerer 
Zeit hat namentlich Zweifel sorgfältige und eingehende Labora¬ 
toriumsversuche angestellt. Er kommt zum Schlüsse, dafs niemand 
mehr an der Behauptung festhalten könne, dafs die gekochte 
bezw. die im Soxhlet sterilisierte Milch »in vitroc schwerer ver¬ 
daulich sei als nicht sterilisierte. 

Von auderer Seite ist neuerdings wiederum der pasteurisierten 
Milch gegenüber der gekochten resp. sterilisierten der Vorzug ge¬ 
geben worden. Der Engländer Dukes (15) geht sogar soweit, 
der rohen Kuhmilch auf Grund seiner praktischen Erfahrungen 
das Wort zu reden. 

Da bereits Zweifel verschiedene Kindermilchpräparate, die 
in Leipzig in gröfserem Mafsstabe hergestellt werden, auf ihre 
Verdaulichkeit geprüft hat, so suchte ich dieselben Versuche bei 
den Schweiz. Milchpräparaten anzustellen, um, wenn nicht 
absolute, so doch vergleichende Werte für die einzelnen Produkte 
zu erhalten. Es gelangten alle jene Milchsorten zur Untersuchung, 
die auch chemisch untersucht worden waren. 

A. Untereuohungsmethode. 

20 ccm Milch wurden mit einer Pipette in ein tariertes 
Becherglas gebracht, das Gewicht der Milch bestimmt und nun 
2 ccm Lablösung zugesetzt. Mit dem Zusatze des sauren Magen¬ 
saftes (10 ccm 3 ) wurde stets 3—5 Minuten gewartet. Die ganze 
Verdauungsflüssigkeit wurde dann umgerührt, das Gefäfs mit 


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Von Franz Sidler. 395 

einem Uhrglase zugedeckt und im Thermostaten während drei 
Stunden auf 38—40° resp. 42° gehalten. 

Die Zeitdauer eines Verdauungsaktes ist beim normalen 
Brustkinde eine relativ kurze. So geben einige Forscher wie 
Eppstein (18) und Leo (42) als normalen Verlauf die Zeit von 
1—'■l 1 / 2 Stunden an, Cassel (77) fand dieselbe zu zwei Stunden, 
van Puteren (55) sogar 2*/ 2 Stunden. Dies gilt nur für den 
Vorgang im normalen Säuglingsmagen. Treten pathologische Ver¬ 
hältnisse ein, so dauert es bedeutend länger, bis der Magen wieder 
entleert ist, ja die Verdauungsperiode kann bis auf 3,5 und mehr 
Stunden verlängert werden. Der zeitliche Verlauf der Verdauung 
ist somit ein relativ rascher. Trotzdem wählte ich, wie Zweifel, 
für meine Versuche eine Zeit von 3 Stunden, da, wie Zweifel (72) 
richtig bemerkt, dies die Zeit ist, die bei einem Säugling in der 
Regel von einer Nahrungsaufnahme zur andern eingehalten wird. 

Zur konstanten Einhaltung der Temperatur wurde eine 
eigener Brutschrank eingestellt, in welchem die Bechergläser mit 
den zu verdauenden Milchproben während der Verdauung auf¬ 
bewahrt wurden. Das Thermometer zeigte meist die Temperatur 
von 40—42° C. 

Bei meinen ersten, orientierenden Versuchen verwendete ich, 
wie Zweifel es getan, Condoms, die in grofse Bechergläser mit 
Wasser eintauchten. Diese Einrichtung erwies sich als etwas 
umständlich und nachdem ich mich in einem Kontrollversuche 
überzeugt, dafs in den Condoms die Milch nicht besser verdaut 
wurde als in den gewöhnlichen mit Uhrgläsern zugedeckten 
Bechergläsem, ging ich davon ab. Um eine allfällige Verdunstung 
von Wasser aus der Verdauungsflüssigkeit zu verhindern, befand 
sich in dem Thermostaten ein offenes Gefäfs mit Wasser, wodurch 
eine feuchte Atmosphäre geschaffen wurde. Es war darum auch nie 
ein Beschlagen der Uhrgläser mit Condenswasser zu beobachten. 

Als Labferment kamen Labtabletten zur Verwendung, 
welche hier gewöhnlich verkauft werden (Marke Beyer), im Ge¬ 
wichte von 1,0 g. Eine solche Tablette wurde in 100 ccm 
Wasser gelöst, 2,5°/ 0 NaCl zugesetzt und davon jeder Milchprobe, 
vor dem Zusatze des sauren Magensaftes, je 2 ccm hinzugefügt. 


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396 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 

Der saure Magensaft selbst wurde, wie die nicht halt¬ 
bare Lablösung, jedesmal frisch hergestellt. Er bestand aus 
0,04 g Pepsin puriss. Merk., gelöst in verdünnter Salzsäure. 
Letztere war so eingestellt, dafs die 20 ccm Milch + 10 ccm 
sauren Magensaftes nach dem Vermengen je l 0 ^, 0,5 0 /oo und 
0,25°/ O o HCl enthielten. Die Lablösung wurde stets vor dem 
Magensafte zugesetzt. Auch durch diese, relativ grofse Menge 
Lab allein kam keine Milchprobe zur Gerinnung, wohl aber auf 
Zusatz des Magensaftes. Dabei wurde gleichzeitig beobachtet, 
dafs die eintretende Gerinnung stets verschieden war, je nach 
der Menge der zugesetzten Salzsäure. Bei jener Flüssigkeit, die 
0,25 °/oo HCl enthielt, scheint, nach dem makroskopischen Aussehen 
zu urteilen, die Labgerinnung vorzuwiegen, es kam zu einer mehr 
oder weniger feinflockigen Gerinnung, wie sie spontan durch Lab 
allein erfolgt. Das Verhältnis änderte sich bei den andern Proben. 
Auf Zusatz des Magensaftes mit 0 , 6 °^ HCl wirkten Säure und 
Labgerinnung in Kombination, während auf Zusatz der l 0 ^ Lösung 
die charakteristische feine bis schleimige Gerinnung der Säure ein¬ 
trat, was sich auch beim Filtrieren störend bemerkbar machte, indem 
im letzteren Falle das Filtrat stets 1 — 2 mal zurückgegossen werden 
mufste, bis es klar durchging, was bei den beiden übrigen nicht 
der Fall war. 

Als verdaut wurde das angenommen, was mich 3ständiger 
Einwirkung des Verdauungssaftes beim Filtrieren das Filter 
passierte, der Rückstand auf dem Filter dagegen als unverdaut 
in Rechnung genommen. Dieser Filterrückstand wurde in einem 
Erlenmeyer nach Kjeldahl verascht und daraus der N be¬ 
stimmt. Um genaue Vergleichswerte zu erhalten, wurde es so 
eingerichtet, dafs die Waschflüssigkeit stets ca. 100 ccm betrug, 
indem nach so langem Spülen die Chlorreaktion nicht mehr auftrat. 

B. Verdauung der Frauenmilch. 

Bevor ich an die Verdauung«versuche der einzelnen Kinder¬ 
milchsorten herantrat, suchte ich zu ermitteln, in welcher Weise 
dieselbe bei der Frauenmilch stattfindet und um so gleichzeitig 
eine Norm für die Beurteilung resp. Vergleichung der Handels- 


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Von Franz Sidler. 


397 


milch zu erhalten. Die Milch wurde mir aus Luzern zugeschickt 
und stammte für beide Versuche von ein und derselben Frau. 

Die Anzahl der untersuchten Proben ist nur eine geringe 
und gestattet keine zu weit gehenden Schlüsse. Das Resultat 
war folgendes: 


Tabelle XLI. 


Datum 

des 

Versuchs 

Spez. 

Gew. 

Fett 

°/o 

Ge- 

samt- 

Nin 

•/. 

Magensaft 
mit 1 »/„ HCl 

Magensaft mit 1 
0,5»/„HCl j 

■ Magensaft mit 
0,26 »/„HCl 

Rück¬ 
stand 
des N 
in °/o 

Ver¬ 

daut 

in <7o 

Rück¬ 
stand 
des N 
in »/o 

Ver¬ 
daut 
in °/ 0 

Rück¬ 
stand 
des N 

in °/ 0 

Ver¬ 
daut 
in # /o 

27.xn.02 

1,023 

1.4 

0,3464 

0,0192 

94,4 

0,0275 

92,0 

0,0329 

90,5 

31. XII. 02 

1,024 

1,5 

0,3594 

0,0249 

93,0 

0,0359 

90,0 

0,0414 

88,4 

i 




i 


93,7 


91,0 


89,4 


Es kann beim Zusatze des Labfermentes und des sauren 
Magensaftes keine Gerinnung beobachtet werdeu, oder sie ist so 
fein, dafs sie mit blofsem Auge kaum wahrnehmbar ist. Die ver¬ 
daute Flüssigkeit filtriert ziemlich gut und ohne Zusatz von 
Calciumphosphat, wie ein solcher bei der Kaseiubestimmung nach 
Schlofsmann gemacht werden mufs. 

C. Verdauungevereuohe mit Kuhmilch und den Kindermilch¬ 
sorten. 

Ähnlich wie bei den Labgerinnungsversuchen stellte ich mit 
im Laboratorium selbst erhitzter Milch Versuche an und zwar mit 
roher und mit 60 Minuten auf 100° C. erhitzter. Nach dem Erwärmen 
im Kochschen Topfe wurde die Milch auf das ursprüngliche 
Gewicht ergänzt und die entstandene Rahmhaut nach Möglich¬ 
keit durch tüchtiges Umschütteln wieder zu zerteilen versucht. 

Es braucht kaum erwähnt zu werden, dafs die Wirksam¬ 
keit des Pepsins eine sehr verschiedene ist, je nach dem be¬ 
treffenden Präparat. Deshalb wurde, um brauchbare Vergleichs¬ 
werte zu erhalten, für alle Versuche das gleiche Pepsin verwendet. 

Im mitfolgenden sind die erhaltenen Resultate der Ver¬ 
dauungsversuche, sowohl der selbst zubereiteten Milch, wie der 
sterilisierten Kinderinilchsorten mitgeteilt: 

Archiv für Hygiene. Rd XLVII. 27 


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398 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchprftpärate etc. 


Tabelle XLH. 
Milch, Zentralmolkerei (roh). 


Datum 

des 

Versuchs 

Spez. 

Gew. 

Fett 

7. 

Ge* 

samt- 

N in 

°f 

1 0 

Magensaft 
mit l*/o« HCl 

Magensaft mit 
0,5 »/„HCl 

Magensaft mit 
0,25°/oo HCl 

Rück¬ 
stand 
des N 
in •/, 

i 

Ver- , 
daut 

in 7. 

Rück¬ 
stand 
des N 
in 7, 

i 

Ver¬ 
daut 
in °/ 0 

Rück¬ 
stand 1 
des N 1 
in 7. i 

Ver¬ 
daut 
in % 

28. XI. 02 

1,031 

3,6 

0,6185 

0,0693 

88,6 

f 

| 0,0690 

86,6 

0,0614 

84,3 

2. XII. 02 

1,031 

8,4 

0,5264 

0,0686 

! fc6,9 

0,0863 

83,6 

0,1000 

81,0 

3. XII. 02 

1,030 

3,9 

0,5222 

0,0630: 

1 87,9 

0,0904 

82,6 

0,1123 

78,5 

4. XII. 02 

1,030 

3,5 

0,5245 

0,0753 

86,5 

0,0986 

81,2 

0,1054; 

| 79,9 

' 5. XII. 02 

1,031 

3,7 

0,5265 

0,0663 

! 87,4 

0,0852 

83,8 

0,0952 

i 82,9 

1 

, ! 

, i 

! ! 



87,4 

i 

83,5 


81,3 


Tabelle XUH. 

Gleiche Mileh der Zentralmolkerei, 60 Min. auf 100° 0. erhitzt. 


Datum 

des 

Versuchs 

8pez. 

Gew. 

Fett 

7. 

Ge- 
samt- 
N in 

7. 

Magensaft { 
mit l°/ 00 HCl 

Magensaft mit 
0,5 7oo H CI 1 

Magensaft mit 
0,257«, HOI 

Rück¬ 
stand 
des N 
in % 

Ver¬ 
daut 
in •/• 

Rück¬ 
stand 
desN 
in 7o 

Ver¬ 

daut 

in 7. 

Rück¬ 

stand 

desN 

in 7. 

Ver¬ 

daut 

in 7. 

28. XI. 02 




0,0683 

86,8 

0,0912 

82,4 

0,0990 

80,8 

2 . xn. 02 



| 

0,0822 

84,3 

0,0992 

81,1 

0,1149 

78,2 

3. XII. 02 | 




0,0830 

84,1 

0,1060 

79,6 

10,1310 

74,9 

4. XD. 02 


f 


0,0820 

84,3 

0,1029 

80,4 | 

0,1190 

79,3 

5. xn. 02 

j 

1 


0,0742 

85,9 

0,0937 

82,2 

'0,1016 

80,7 






85,0 

l 

81,1 I 

1 


78,8 


Tabelle XLIV. 
Sanittttsmilch Dr. Gerber, Zürich. 


Datum 

des 

Versuchs 

i 

i 

| Spez. 

| Gew. 

1 

Fett 

7. 

Ge- 

samt- 

N in 

o/ 

Io 

Magensaft 
mit l°/ooHCl 

Magensaft mit 
0,5°/ 00 HCl 

Magensaft mit 

0,26*/,. HCl 

Rück¬ 
stand 
des N 
in # /o 

Ver¬ 

daut 

in 7. 

Rück¬ 
stand 
des N 
in °/o 

Ver 

daut 

in % 

Rück¬ 
stand 
des N 
in »/, 

Ver 
daut 
in °/o 

4. XH. 02 

1,082 

4,1 

0,5265 

I 0,0741 

i 85,8 

0,1206 

77,1 | 

1 0,1357 

74,5 

5. XII. 02 

1,082 1 

3,8 

0,6162 1 

| 0,0629 

87,7 

1 0,0946 

81,7 ! 

0,1076 

79,1 

6. XII. 02 ! 

1,031 

, 3,6 

0,5080 

0,0690 

86,4 1 

0,1038 

79,5 j 

0,1174 

76,8 

S. XII 02 

1,032 

3,8 ! 

0,5227 1 

1 0,0682 

86,8 

0,1015 

80,5 ' 

0,1139 

78,2 

9. XII .02 

1,031 

i 3,7 

0,5205 

0,0671 

87,1 

0,0999 

80,8 | 

1 0,1123 

78,4 



i 


i 

1 86,7 , 


79,9 1 

1 

j 77,4 


Digitized by t^.ooQle 







Von Franz Sidler. 


399 


Tabelle XLV. 

Sterilisierte Kindermilch der Zentralmolkerei, Zürich. 


1 

Datnm 1 

i | 

1 j 

r 

ii 

! Ge- 

Magensaft 
mit l°/oo HCl 

Magensaft mit 
0,5 «/„HCl 

Magensaft mit 
0,25°/oo HCl 

des | 

Versuchs | 

1 Spez. | 
Gew. 

1 Fett 

0/ 

Io 

1 

1 samt- 
| Nin 

1 °/. 

Rück¬ 
stand 
des N 
in °/ 0 

Ver 
daut 
in °/ 0 

Rück¬ 
stand 
des N 
in »/. 

Ver¬ 
daut 
in »/. 

Rück¬ 
stand 
des N 
in »/. 

Ver¬ 
daut 
in °/ 0 

3. XII. 02 

1,032 

3,75 

0,5178' 

0,0810 

84,3 

0,1090 

78,9 

0,11881 

77,0 

4. XH. 02 

1,030 

3,7 

0,5233 

0,0822 

84,2 

0.1000 

80,8 

0,1141 

78,4 

5. XII. 02 

1,032 

3,8 

0,5263 

0,0740 

85,9 

0,0985 

81,7 

0,1196 

78,9 

6. XII. 02 

1,031 

3,6 

0,5237 

0,0736 

85,9 

0,0996 

80,9 

0,1116 

78,6 

8. XII. 02 

1,031 

3,6 

0,5195 

0,0764 

85,3 

0,1050 

79,8 

0,1160 

77,6 

1 

I 

1 




85,1 


80,5 

1 

78,1 


ii ii i ii i 

Tabelle XLVI. 

Sterilisierte Berner Alpenmilch, Stalden. 


Datum 

des 

Versuchs 

1 

i 

, Spez. 
Gew. 

i 

Fett 

°/ 

Io 

Ge- 

samt- 

N in 

°l 

Io 

Magensaft 
mit 1 0 /oo HCl 

Magensaft mit 
0,5 »/„HCl 

Magensaft mit 
0,25«/„ HCl 

Rück¬ 
stand 
des N 
in «/. 

Ver¬ 
daut 
in °/ 0 

Rück¬ 
stand 
des N 
in Ä /o 

Ver¬ 
daut 
in % 

Rück¬ 
stand 
des N 

in«/. 

Ver¬ 

daut 

in 0 /. 

8.XÜ.02 1 

1,028 

3,3 

0,5180 

0,0685 

86,7 

0,0849 

83,6 

0,1055 

79,4 

9. XII. 02 j 

1,029 

3,6 

0,5219 

0,0639 

87,5 

0,0963 

81,5 

0,1180 

77,4 

10.XII.02 

1,028 

3,6 

0,5279 

0,0739 

86,0 

0,1055 

80,0 

0,1230 

76,7 

11. XII. 02 

1,030 

3,4 

0,5090 

0,0622 

85,7 

0,0998 

80,3 

0,1119 

76,0 

12.xn.02 

1,030 

3,3 

0,5127 

0,0723 

85,8 

0,1019 

80,1 

0,1180 

76,8 

1 

1 





86,3 


81,1 


77,2 


Tabelle XLVIL 
Sterilisierte Kindermilch, Basel. 


Datum 

des 

Versuchs 

Spez. 

Gew. 

Fett 

°/. 

Ge- 
samt- 
N in 
% 

Magensaft 
mit 1°/ 00 HC1 

Magensaft mit! 
0,5»/„ HCl | 

Magensaft mit 
, 0,25»/„ HCl 

Rück¬ 
stand 
desN 
in °/» 

Ver¬ 
daut 
in */. 

Rück¬ 
stand ! 
des N 
in»/. 

Ver¬ 
daut 
in °/ 0 

Rück¬ 
stand 
des N 
in »/„ 

Ver¬ 
daut 
in »/. 

8. XII. 02 

1,030 

3,7 

0,6275 

0,0923 

82,5 

0,1128 j 

78,6 

0,1302 

75,3 

9. XH. 02 

1,029 

3,3 

0,5175 

0,0791 

84,7 

0,1205! 

76,7 

0,1299 

74,7 

10. XII. 02 

1,030 

3,5 

0,5260 

0,0941 

82,1 

0,1188 | 

77,4 

0,1341 

74,5 

11.XH.02 | 

1,030 

3,6 

0,5215 

0,0871 

83,3 

0,1189 | 

f 77,2 

0,1313 

74,8 

12. xn.02 

1,029 

M 

0,6135 

0,0878 

82,9 

, 0,12011 

76,6 

0,1283 

75,0 

1 


1 

i 


! 83,1 

i 


77,3 


74,8 

i 


Digitized by t^.ooQle 





400 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Tabelle XLVIII. 

Lait sterilis4 du Jura, Yverdon. 


1 

Datum 
des i 

Versuchs 1 

1 

I 

1 i 

i j 

Spez. 

Gew. | 

' 1 

Fett 

7. 

i i 

1 Ge- 
| samt- 
N in 

°l 

Io 

] 

Magensaft 1 
mit 1°/ „ H CI 

I Magenaaftmit Magensaftmit 
0,5 »/„HCl 0,25 »/„HCl 

| Rück¬ 
stand 
des N 
in °/o 

Ver¬ 
daut 
in »/. 

Rück- | 
stand 
des N 
in % 

Ver- i 

.«*“/ ' desN 
in /»! in »/„ 

Ver¬ 
daut 
in °/o 

10. XII. 02 1 

1,0321 

3,6 

0,52321 

1 

0,0846 

83,8 

0,0945 | 

_ j, 

81,9 ' 0,1081 

79,3 

12. XII.02 | 

1,0311 

3,4 

0,52111 

1 0,0918 

82,3 

0,1000 

80,8 fl 0,1042 

79,9 

15. XII.02 ! 

1,032| 

3,5 

0,52861 

0,0820 

84,4 

0,1108 

79,0 10,1217 

76,9 

16. XII 02 

1,0321 

3,2 

0,51351 

0,0786 

86,6 

0,0893 

82,6 110,1078 

79,0 

17.XII.02 

1,0301 

3,4 

0,51991 

0,0826 

84,1 

0,1039 

80,0 || 0,1154 

77,8 






84,0 

j 

80,8 | 

78,1 


Tabelle XLIX. 

Lait humanis^ Backhaus Nr. I. 


Datum 

des 

Versuchs 

Spez. 

Gew. 

Fett 

7, 

Ge 

samt- 
N in 1 

7. 1 

j Magensaft , 
| mit 1 »/„ HCl j 

i Magensaftmit 1 Magensaftmit 
0,5»/„HCl j| 0,25'»/„HCl 

1 Rück- 
! stand 
desN 
! in °/ 0 

Ver¬ 
daut 
in °/ 0 

i Rück¬ 
stand 
desN 
in °/ 0 

Ver- , | Ver- 

i ll des N i 

m /•), in »/„ j ,n 1° 

1 

27. XI. 02 

1,030 

3,6 ! 

0,2204 

0,0308 

86,0 

0,0420 

80,9 0,0507 77,0 

28. XI. 02 

1,030 

3,3 

0,2187 

0,0365 

83,7 

0,0447 | 

79,5 n 0,0524 j 76,0 

29. XI. 02 

1,029 

3,3 

0,2126 

0,0239 

88,7 

0,0335 

84,2 ,| 0,0386 1 81,9 

1. XII. 02 

1,030 

3,2 

0,2163 

0,0242 

88,1 

0,0365 

83,6 , 0,0402 81,4 

2. XII. 02 

1,030 

3,4 

0,2119 

0,0246 

88,4 

0,0319 j 

| 84,9 , 0,0382 81,9 






86,9 


82,6 jj , 19,6 


Tabelle L. 

Gärtners Fettmilch (lait maternis^). 


Datum 

i| 

1 Fett 

1 0/ 

1 

1 

Ge- 

Magensaft 
mit l°/ 00 HCl 

1{ Magensaft mitMagensaft mit 
0,5»/„ H CI j 0,25»/„ HCl 

des 

Versuchs 

Spez. 

Gew. 

samt- 
' Nin 

1 °/ 

Io 

Rück 
stand 
des N 
in °/ 0 

i 

Ver- 

daut 

in °/o | 

Rück¬ 
stand 
l desN 

! in °/ 0 

Ver- | 
daut i 

in 7o ! 

Rück 
| stand 

1 des N j 
i in °/ 0 

Ver¬ 
daut 
in °U 

19. XII. 02 

1,0164 

1 1 

8,6 

| 0,>894 

0,0390 

86,5 

[ 0,0480 

8X,4 

10,0549 i 

1 81,0 

20. XII. 02 

1,0154 

3,5 

0,2860 

0,0337 

88,2 

| 0,0411 

85,6 

0,0506 

82,3 

21.XII.02 

1,0145 

1,0160 

3,5 

0,2862 

0,0236 

91,7 

0,0332 

88,2 1 

0,0416 

88,4 

22. XII. 02 

3,3 

0,2899 

0,0334 

87,7 

0,0416 

84,9 fl 

0,0515! 

81,5 

23. XII. 02 

1,01601 

1 3,4 , 

i 0,2794 

0,0312 

88,8 

0,0412 

85,2 | 

0,0498 1 

82,1 

30. XII.02 1,0158 

3,2 

0,2828 

0,0342 

87,9 | 

0,0407 

85,6 j| 

0,0484 | 

82,9 

i 

, '1 

i 

i 

J i 

' i 

88,4 


85,3 11 

j 

82,5 


Digitized by t^.ooQle 










Von Franz Sidler. 


401 


Tabelle LI. 

Condensed Swiss Milk Cham, 35 g auf 100 ccm Wasser. 


Datum 

des 


Spez. 


Versuchs ^ ew 


Fett 

0 / 

Io 


Ge- 
samt- 
N in 

o t 

0 


Magensaft | 
| mit l°/ 00 HCl * 


RÜCk- y 

stand , , 

de« N 4aut 
des IN ! in 0/o 


in °/ 0 


Magensaft mit Magensaft mit 
0,5 °/ 00 H CI 0,25 °/ 00 H CI 


Rück¬ 
stand 
des N 
in °/ 0 


Ver¬ 
daut 
in °/ 0 


ltÜCk* | y 

stand 

, „ xt I daut 
des N I in °J 
in «Jo I /o 


5.1. 03 

1,0863 

3,3 

0,5120 

0,1001 j 

80,2 

0,1208 1 

| 76,4 

0,1326 

74,1 

6. I. 03 

1,0870 

3,2 

0,5201 

0,1019 

80,4 

0,1237 

76,2 

0,1393 

73,2 

7. I 03 

1,0859 

3,4 

0,5172 

0,0982 

81,0 

0,1251 

1 75,8 

10,1442 

72,1 

8. I. 03 

1,0852 

3,3 

0,5157 

! 0,0818 

82,2 

0,1139! 

77,9 ( 

0,1258 

75,6 

9.1. 03 

1,0862 

3,4 

| 0,5099 

1 0,0923! 

81,7 

0,1172 

! 77,0 

0,1274 

75,0 



1 

i i 


81,i ( 

[ 

1 

76,6 ;! 


74,0 


Tabelle LH. 
Kondensierte Milch Romanshorn, 35 g 


auf 100 ccm Wasser. 


Datum 

des 

Versuchs 


5. I. 03 

6.1. 03 

7.1. 03 

8.1. 03 
9.1 03 



1,0309 

1,0306 

1,0303 

1,030 

1,0308 



Magensaft mit 
0,5°/ 00 HCl 


/oo HCl 

Röck ' I Ver¬ 
stand i x?,y, 

des N ' 
in o/o | /o 


Magensaft mit 

0,25°/ 00 HCl 


0,5258 | 

0,5295 

0,5187 

0,5202 

0,5244 


0,0684 86,4 

0,0686 87,0 

0,0877 83,0 

0,0733 85,9 

0,0734 86,0 


0,0958 | 
! 0,1056' 
1 0,1083 I 
|| 0,0988 j 

i 0,1012 


85,6 


81,4 

80,0 

79,1 

81,0 

80,7 


Rück¬ 
stand 
des N 
in °/o 

0,1695 

0,12^8 

0,1248 

0,1212 

0,1232 


80,4 


Ver¬ 
daut 
in °/ 0 


79,0 

76.8 

75.9 
76,7 
76,5 


76,9 


Tabelle UH. 

Kondensierte Milch Nestle (Vicking), 35 g auf 100 ccm Wasser. 


Datum 

des 

Versuchs 

Spez. 

Gew. 

Fett 

0 / 

IQ 

Ge- 

samt- 

N in 

°/o 

- . . - -- — 

Magensaft Magensaft mit Magensaft mit 

mit 1 °/ 00 HCI 0,5HCI 0,25 %<> HCl 

Rück¬ 
stand 
des N 
in °/ 0 

Ver¬ 
daut 
in °/ 0 

! Rück- 
| stand 
des K 
in •/. 

Ver- Rück' 
daut p 

in °l II deS ^ 

/o I 1 in % 

Ver¬ 
daut 
in 0 o 

17. XI 02 

1,029 

3,3 

0,5201 

0,0915 

82,4 

0,1103 

78,5 , 0,1185 

77,2 

18. XI. 02| 

! 1,030 

3,2 

0,5260 

0,0946 

82,0 

0,1167 

77,8 0,1229 

76,6 

21. XI. 02 

1,030 

3,1 

0,5184 

0,0762 

85,3 

0,0901 

82,6 0,1036 

80,0 

26. XI. 02 

1,031 

3,4 

0,5212 

0,0760 

1 85,4 

0,0948 

81,8 1 0,1047 

79,9 

26. XI. 02 

, 1,030, 

3,2 

0,5008 

0,0816 

83,7 : 

0,1046 

79,1 0,1106 

77,9 

1 

1 

! 1 

1 

1 1 


83,7 

1 

79,9 ; 

78,3 


Digitized by t^,ooQle 






402 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchpräparate etc. 


Tabelle LIV. 

Kondensierte Berner Alpenmilch, Stalden, 35 g auf 100 ccm Wasser. 


Datum 

des 

Versuchs 

8pez. 

Gew. 

Fett 

°/o 

Ge¬ 

samt- 

N in 

0/ 

Io 

Magensaft 
mit 1»/«, HCl 

Magensaft mit 
0,5%. HCl 

Magensaft mit 

0,25«/«, HCl 

Rück¬ 
stand 
des N 
in °/o 

Ver¬ 
daut 
in °/o 

Rück¬ 
stand 
des N 
in °/o 

Ver¬ 
daut 
in °/o 

Rück¬ 
stand 
des N 

in % 

Ver¬ 
daut 
in °/o 

10. XI. 02 

1,0751 

3,4 

0,5136 

0,0929 

81,9 

0,1191 

76,8 

0,1289 

74,9 

11. XI . 02 

1,0683 

3,3 

0,5200 

0,0873 

83,2 

0,1097- 

78,9 

0,1242 

76,1 

12. XI. 02 

1,0619 

3,3 

0,5188 

0,0996 

80,8 

0,1151 

77,8 

0,1338 

74,2 

13. XI. 02 

1,0695 

3,2 

0,5149 

0,1034 

79,9 

0,1230 

76,1 

0,1343 

73,9 

14. XI. 02 

1,0701 

3,3 

0,5222 

0,0908 

82,6 

0,1222 

78,5 

0,1268 

75,7 






81,6 


77,6 


75,1 


Rekapitulieren wir nun am Ende unserer Verdauungs¬ 
versuche noch einmal die gefundenen prozentualen Mittelwerte: 


Tabelle LV. 



Magensaft 

Magensaft 

Magensaft 


mit 1 °/oo H CI 

mit 0,5 °/ M 

mit 0,25 °/oo 


verdaut in 

HCl verdaut 

HCl verdaut 


% 

in °/oo 

in % 

Frauenmilch. 

93,7 

91,0 

89,4 

Milch, roh (Zentralmolkerei) . . 

00 

83,5 

81,3 

60 Min. auf 100 0 0. erhitzte Milch 

| 85,0 

81,1 

78,8 

Sanitätsmilch Dr. Gerber .... 

86,7 

T9,9 

77,4 

Steril. Kindermilch Zentralmolkerei 

85,1 

80,5 

78,1 

Berner Alpenmilch. 

I 86,3 

81,1 

77,2 

Gärtners Fettmilch. 

| 88,4 

85,3 

82,5 

Jjait sterilisd du Jura. 

84,0 

80,8 

78,1 

Lait humanisä Backhaus I . . . 

86,9 

82,6 

79,6 

Steril. Kindermilch, Basel . . . 

83,1 

77,3 

74,8 

Kond. Milch, Oham. 

81,1 

76,6 

74,0 

Nestll-Milch (Vicking). 

83.7 

79,9 

78,3 

Nestlä-Milch, Romanshora . . . 

85,6 

80,4 

76,9 

Kond. Milch, Bern. 

81,6 

77,6 

75,1 


Wie aus diesen Versuchen ersichtlich, nimmt die Frauenmilch 
in Bezug auf die Verdaulichkeit den ersten Rang ein. Es ist zwar 
bekannt, dafs die Frauenmilch sich durch den relativ grofsen Ge- 


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Von Franz Sidler. 


403 


halt an sogenannten löslichen Eiweifsstoffen auszeichnet. Immer¬ 
hin dürfte es von Interesse sein, eine genauere Analyse einer der 
verwendeten Frauenmilchproben an dieser Stelle anzuführen. 

Tabelle LVL 

Frauenmilch 27. XU. 02 jj °/o || N in % 

Fett. , j 

Trockensubstanz ... I 7,62 

Zucker.l| 5,26 

Asche. 0,20 

Gesamt-Eiweifs . . . . j 2,16 

Davon: II 

Kasein. 1,16 

Albumin -f- Laktoprotein || 0,90 

N-haltige Rest-Stoffe . . ^ 0,10 

In der Frauenmilch, von welcher nach unsern Versuchen 
94,4 °/ 0 in vitro verdaut wurden, waren im vornherein 46,4 °/ 0 
des gesamten Stickstoffs in sog. löslicher Form vorhanden ge¬ 
wesen, als Lactalbumin, Lactoprotein und N. haltige Rest-Stoffe 
und mag dies, zum Teil wenigstens, die grofse »Ausbeute« erklären. 

Es darf vielleicht nochmals betont werden, dafs die hier 
gewonnenen Resultate nur einen Vergleichs wert besitzen und nicht 
etwa direkt der Verdaulichkeit der einzelnen Präparate im Säug¬ 
lingsmagen entsprechen. Hier kommen noch viele Verhältnisse 
in Betracht, die der Versuch im Reagensglas nicht nachzuahmen 
im stände ist. Immerhin sind, wie aus den angegebenen Tabellen 
ersichtlich, die erhaltenen Werte von prinzipieller Bedeutung. Es 
mufs vorerst betont werden, dafs der Gehalt des künstlichen 
Magensaftes an HCl von grofser Wichtigkeit ist. In keinem Ver¬ 
suche hat die Verdauung mit 0,5 °/oo HCl ein so gutes Resultat 
ergeben wie mit 1 %o. 

Die Resultate der mit verschiedenen Milchproben des Handels 
ausgeführten Untersuchungen lassen sich nur bis zu einem ge¬ 
wissen Grade vergleichen. Grofse Unterschiede sind hier nicht 
zu verzeichnen. Auffallend ist immerhin, dafs, in Bestätigung 
der von Zweifel (72) mitgeteilten Resultate, ein deutlicher 
Unterschied zwischen roher, pasteurisierter, im 


0,3456 

0,1856 

0,1440 

0,0160 


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404 Untersuchungen über die gebräuchlichsten Milchprftparate etc. 


Laboratorium erhitzter und sterilisierter Milch des 
Handels in Bezug auf Verdaulichkeit in vitro nicht 
festgestellt werden konnte. 

Der Salzsäuregehalt scheint nach unsem Versuchen 
nicht ohne Bedeutung zu sein, indem die Milchprobe, welche 
1 % HCl enthielt, eine grölsere Menge Propeptone auf weist als 
die, welche nur 0,5 oder 0,25 0 /oo HCl enthielt. Es erklärt sich 
diese Erscheinung vielleicht so, dafs, wie ich stets beobachten 
konnte, bei Gegenwart von nur 0,25 °/oo HCl die Labgerinnung, 
von der HCl unterstützt, eintritt und dabei die Säuregerinnung 
überwiegt. Bei der Frauenmilch und jenen Milchpräparaten, 
welche im Verhältnisse etwas kaseinärmer sind, machte sich die 
Quantität der Säure weniger bemerkbar. Dies Resultat würde mit 
den Versuchen Lindemanns (43) übereinstimmen, nach welchen 
das durch Lab gefällte Parakasein etwas schwerer verdaulich ist 
als das durch Säure gefällte Kasein. 

Auf das Ergebnis bezüglich der einzelnen Kindermilchsorten 
näher einzutreten, erscheint mir nicht geboten. 

Immerhin dürfen wir bei allen Versuchen, wie betont, nie 
aufser acht lassen, dafs es sich um Versuche »in vitroc handelt, 
Im Säuglingsmagen spielen ja noch viele andere Faktoren eine 
Rolle. Nicht zum wenigsten kommen noch hinzu die Motilität 
des Magens, die Resorption des Verdauten durch die Magen¬ 
wand, die stete Sezernierung von Verdauungssäften etc., was 
wir alles bei unsern Versuchen in vitro nicht nachahmen können. 
Auch müssen wir berücksichtigen, dafs nach Biedert (79) und 
Zweifel (81) die verdauende Kraft des Magens, welche sich zu¬ 
sammensetzt aus HCl und Pepsin, im Säuglingsalter 2 / 8 mal 
geringer ist als beim Erwachsenen. 

Nach den Forschungen der neuesten Zeit wird die »Milch¬ 
frage« noch nach einem anderen Gesichtspunkte beurteilt werden 
müssen. Ich verweise nur auf die in der Milch bis jetzt ge¬ 
fundenen zahlreichen Fermente, wie sie von Es che rieh (85), 
Moro(85), Wassermann (87), Marfan (84) und Gi 11 et (83), 
Dupouy (82), Bernheim-Karrer (86) etc. nachgewiesen 
worden sind. 


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Voi) Franz Sidler. 


405 


Ob man bei der Beurteilung der verschiedenen Milchpräparate 
dem Vorhandensein oder Fehlen dieser Fermente aine gröfsere 
Bedeutung zuschreiben mufs als den Unterschieden in der 
chemischen Zusammensetzung, wird die Zukunft lehren. 

Die Resultate der mitgeteilten Untersuchungen lassen sich 
kurz folgendermaßen zusammenfassen:/ 

I. Chemische Zusammensetzung. 

1. Sämtliche untersuchten Flaschen- und kondensierten 
Milchpräparate entsprechen den Anforderungen des schweizerischen 
Lebensmittelbuches. 

2. In allen untersuchten Proben ist infolge der Erhitzung 
der Gehalt der sogenannten »löslichen Eiweifsstoffe« auf etwa % 
der in der normalen, unerhitzten Milch vorkommenden Menge 
herabgesunken. Eine Ausnahme bildet die pasteurisierte so¬ 
genannte » Sanitätsmilch c. 

3. Die Backhausmilch, welche als »vollkommenster Mutter¬ 
milchersatz« in den Handel gebracht wird, entspricht der in den 
Prospekten angegebenen Zusammensetzung nicht, indem — 
wahrscheinlich infolge der Sterilisation — das Verhältnis von 
Kasein zu den gelösten Eiweifsstoffen wesentlich geändert ist. 

n. Bakteriengehalt. 

4. In 28 von 109 untersuchten Flaschen und Büchsen konnten 
Bakterien durch Kulturen nachgewiesen werden, trotzdem in den 
meisten Fällen äufserlich keine Veränderungen an der Milch zu 
konstatieren waren. Die sogenannte »sterilisierte« Milch des Handels 
ist in der Schweiz, ähnlich wie in Deutschland, nicht immer 
keimfrei. 

HI. Gerinnungsfähigkeit und Verdaulichkeit. 

5. Die Salzsäurebindungsfähigkeit der Milch ist je nach der 

Erwärmung und der Provenienz eine verschiedene. 

6. Die Gerinnungsfähigkeit der Milch durch Labzusatz er¬ 
weist sich bei den einzelnen Präparaten verschieden und um so 
mehr verlangsamt, je stärker die betreffenden Proben erhitzt 
worden sind. 


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406 Untersuch, über die gebraucht. Milchprftparate etc. Von F. Sidler. 

7. Die Verdaulichkeit »in vitro« ist in den untersuchten 
Präparaten in allen Fällen ziemlich gleichwertig. Die konden¬ 
sierten Milchsorten wurden etwas weniger ausgiebig verdaut als 
die Flascbenmilchpräparate. Die Menge der hinzugefügten Salz¬ 
säure spielt bei der künstlichen Verdauung eine ziemlich grofse 
Rolle. Bei 1 % HCl Zusatz wurde stets mehr verdaut als bei 
0,5°/oo oder 0 , 25 % HCl. 


Ich erfülle zum Schlüsse eine angenehme Pflicht, indem ich 
dem Direktor des hygienischen Instituts der Universität Zürich, 
Herrn Prof. Dr. O. Wyfs, für die im Laboratorium gewährte 
Aufnahme und Herrn Dozenten Dr. Silberschmidt für die 
Anregung, das lebhafte Interesse und die vielseitige Förderung, 
die derselbe meiner Arbeit stets zuteil werden liefe, meinen ver¬ 
bindlichsten Dank ausspreche. 


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Literatur-Verzeichnis. 


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fektionskrankheiten, Bd. 8, 1890. 

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Mönch, med. Wochenschrift, 1900, II. Abtlg. 

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Wochenschrift, 1903. 

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Magens bei Verdauungskrankheiten. Jahrb. f. Kinderheilkunde, N. F. 56, 
Bd. 6, Heft 5. 


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408 


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20. Derselbe, Zeitschrift f. Bakteriologie u. Parasitenkunde, 1889. 

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Virchows Archiv, Bd. 101, 1885. 

22. Flügge, Die Aufgaben und Leistungen der Milchsterilisation gegenüber 
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krankheiten. Jahrb. f. Kinderheilkunde, N. F. 56, Bd. 6, Heft 5, 1902. 

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37. König, Chemie der menschl. Nahrungs- und Genufsmittel. 3. Auflage. 
Bd. n. 

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67. Treadwell, Kurzes Lehrbuch der analyt. Chemie, H. Teil, p. 49. 

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73. Sebelien, Zeitschrift f. physiolog. Chemie, Bd. 9, S. 460 ff. u. Bd. 13, 
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74. Es che rieh, Zentralblatt für Bakteriologie u. Parasitenkunde, Bd. VI, 
Nr. 20. 

75. Knopf, Zentralblatt für Bakteriologie u. Parasitenkunde, Bd. VI. 


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410 


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76. CI aufs, Bakteriologische Untersuchung der Milch im Winter 1888/89. 
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77. Cassel, Zur Kenntnis der Magen Verdauung bei Atrophia infantum. 
Archiv f. Kinderheilkunde, Bd. XII. 

78. Cloetta, Zur Kenntnis der Salzsäuresekretion. Münch, med. Wochen¬ 
schrift, 1902, Nr. 32. 

79. Biedert, Lehrbuch der Kinderheilkunde, 1894, XI. Auflage. 

80. Schweizerisches Lebensrnittel buch für Nahrungsmittelchemiker. 
Methoden für die Untersuchung und Normen für die Beurteilung von 
Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen. Bern 1899. 

81. Zweifel, Untersuchungen über den Verdauungsapparat der Neugebomen. 
Berlin 1874, nach Hecker l. c. 

82. Dupouy, Stüdes des propridtds oxydantes de certains lait. Th&se 1897. 
Contribution 4 l’ötude des feiments oxydants des liquides de l'organisme. 
Thfese de Bordeaux 1899. 

83. Gill et, Le ferment oxydant du lait. Journal de physiol. et de pathologie 
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84. Marfan u. Gillet, Über zwei Fermente der Milch. Monatsschrift f. 
Kinderheilkunde, 1902, Nr. 2. 

85. Moro, E., Über die Fermente der Milch. Jahrb. f. Kinderheilkunde, 
N. F. 56, HL Folge, 6. Band. 

86. Bernheim-Karrer, Zentralblattf. Bakteriologie u. Parasitenkunde, 1902. 

87. Wassermann, Deutsche med. Wochenschrift, 1902. 


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