PAGE NOT
AVAILABLE
1 " ;
rMVa
ä#
ARCHIV
FÜR
WISSENSCHAFTLICHE UND PRAKTISCHE
TIERHEILKUNDE.
HERAUSGEGEBEN
VON
Du. C. DAMMANN.
<*eh. Reg.- «. Med.-Rat u. Professor, Direktor der
König!. Tierarzt!. Hochschule in Hannover.
Db. W. ELLENBERGER,
Ceheimer Rat a. Professor an der Königl. Tierarxtl.
Hochschule in Dresden,
Dr. r. eberlein,
Urofcssor au der Königl. Tierärztlichen Hochschule
in Berlin,
Dr. J. W. SCHÜTZ,
(«eh. Reg.-Kat u. Professor an der König!,
Tierarzt!. Hochschule in Berlin.
UNTER MITWIRKUNG VON R. EBERLEIN
REDIGIERT
VON
J. W. SCHÜTZ.
Sechsunddrelssigster Band. Supplement-Band.
Mit dem Porträt Wilhelm Schütz’, 13 Tafeln und 14 Textfiguren.
BERLIN 1910.
Verlag von August Hirschwald.
NW. Unter den Linden 68.
Festschrift
Herrn
Geh. Reg.-Rat Dr. med. et med. vet. h. c.
WILHELM SCHÜTZ
ord. Professor der pathologischen Anatomie und allgemeinen Pathologie und Direktor
des pathologischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin, Mitglied des
Reichsgesundheitsrats, Mitglied der Technischen Deputation für das Veterinärwesen,
Veterinär-Assessor bei dem Medizinal-Kollegium für die Provinz Brandenburg,
wissenschaftlichem Konsulenten des Militär-Vetcrinärwesens
zu seinem
fünfzigjährigen Berufsjubiläum
am 16. April 1910
in Verehrung und Dankbarkeit
gewidmet von
seinen Freunden und Schülern.
Hochverehrter Herr Jubilar!
Ihre Freunde und Schüler möchten den Tag, an welchem
Sie, sehr verehrter Herr Geheimrat, auf eine fünfzigjährige
Arbeit in der tierärztlichen Wissenschaft zurückblicken, nicht
ohne ein Zeichen der Dankbarkeit und Verehrung für Ihre
rege Forscher- und Lehrtätigkeit vorübergehen lassen.
Es ist Ihnen beschieden gewesen, die vergleichende patho¬
logische Anatomie, welche zu Beginn Ihrer Tätigkeit noch in
den ersten Anfangsstadien sich befand, zu weiterer Entwick¬
lung zu bringen. Ihrem rastlosen Streben ist es in vieler
Hinsicht zu verdanken, dass dieser Zweig der tierärztlichen
Wissenschaft zu hohem Ansehen gekommen ist.
Hiermit aber nicht genug, es war Ihnen vergönnt als Mit¬
arbeiter Robert Koch’s die bakteriologischen Methoden
zuerst in die Veterinärmedizin einzuführen und die ätiolo¬
gische Erkenntnis einer grossen Anzahl wichtiger Tierkrank¬
heiten zu fördern. Auf diese Weise haben Sie das Verständnis
für diese Krankheiten, ohne welche eine sachgemässe Be¬
kämpfung nicht denkbar war, geweckt, der Veterinärmedizin
zu weiterer Bedeutung verholfen und der Landwirtschaft un¬
geheure Werte erhalten. Ihre Schaffenskraft kennt hierbei
keine Grenzen, wofür die bedeutenden Arbeiten der letzten
Jahre ein beredtes Zeugnis ablegen.
VIII
Inhaltsverzeichnis.
Seit*»
XV. Loeffler, Aus dem hygienischen Institute der Universität Greifswald.
Ueber eine im Jahre 1904 in Klein-Kiesow bei Greifswald
beobachtete Gänseseuche. (Hierzu Tafel VIII.).289
XVI. Ludewig, Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in
den Ställen.299
XVII. MieBner und Immisch , Aus der Abteilung für Tierhygienc des
Kaiser Wilhelm Instituts für Landwirtschaft zu Bromberg.
Untersuchungen über die ostpreußische Beschäl sein; he und
ihre Beziehungen zur algerischen Dourine. (Mit 6 Abbildungen
im Text). 306
XVlll. Neufeld, Ueber Tuberkulosepräzipitine.347
XIX. Olt, Aus dem veterinär-pathologisch-anatomischen Institut der
Universität Gießen.
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Ab¬
weichungen und deren Beziehungen zur Rotzkrankheit. (Mit
5 Abbildungen auf Tafel IX—XI.) . . 355
XX. Petit, Institut d'Anatomie pathologique ä KEcole nationale veteri-
naire d’Alfort.
Pseudo-tuberculose vermineusc du rein chez le cheval.
(Avec 4 figures ä tables XII et XIII.).418
XXI. Pfeiler, Aus dem pathologischen Institut der Kgl. Tierärztlichen
Hochschule zu Berlin.
Die Ausführung der Komplementablcnkungsreaktion bei
Brustseuche.422
XXII. Pilwat, Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen Hoch¬
schule zu Berlin. (Vorstand: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Schütz.)
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. (Mit
3 Abbildungen im Text.).436
XXIII. von Rätz, Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Kgl. Tier¬
ärztlichen Hochschule in Budapest.
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche .... 573
XXIV. Seltern, Aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berlin.
Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit
der Anaphylaxie.590
XXV. Schaber! Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen
Hochschule zu Berlin.
Die Tilgung der Rotzkrankheit mit Hilfe der diagnostischen
Blutuntersuchung.611
XXVI. Seibel, Aus dem pathologischen Institut der Kgl. Tierärztlichen
Hochschule zu Berlin.
Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes .... 629
XXVIL Sticker, Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik zu Berlin.
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bior.)
Lymphosarkomatose und Tuberkulose beim Hunde . . . 646
XXVIII. Troester. Aus dem bakteriologischen Laboratorium der Kgl. Militär-
Veterinär-Akademie zu Berlin.
Ultramikroskopie. (Mit 2 Textliguren.).657
XXIX. Uhlenhuth und Manteafel, Aus dem Kaiserlichen Gesundheits¬
amte zu Berlin.
Ueber den Einfluß von Alkoholgaben bei der Behandlung
der Hühnerspirochätose mit Atoxyl.664
XXX. Aügeloff, Aus der veterinär-bakteriologischen Station in Sofia.
Ueber ein im Rhodopigcbirge (Bulgarien) vorkommendes
Blutharnen des Rindes (Haeraaturia vesicalis bovis rodopensis) 670
I.
Aas dem physiologischen Institute der Kgl. Tierärztl. Hochschale za Berlin.
Neue Forschungsrichtungen auf dem Gebiete der
Storungen des Zellstoffwechsels.
Von
Prof. Dr. Emil Abderhalden.
Unsere Kenntnisse über den Stoffwechsel der normalen und
der pathologisch veränderten Zelle sind zurzeit noch sehr
dürftige. Wir kennen zwar mancherlei Funktionen, die an ganz be¬
stimmte Zellgruppen — Gewebe — geknüpft sind und dürfen aus
mancherlei Analogien schließen, daß den bestimmten Funktionen auch
ein bestimmter chemischer Aufbau der einzelnen Zellen zugrunde
liegt. Wir sind jedoch vorläufig außerstande, uns nach irgend einer
Richtung ein bestimmtes Bild des Aufbaus irgend einer Zellart zu
machen. Man hat im Laufe der Zeit bald dieser bald jener Gruppe
von Bausteinen eine ausschlaggebende Bedeutung zugeschrieben, ohne
jedoch auf Grund exakt festgelegter Tatsachen für irgend eine dieser
Behauptungen einen einwandfreien Beweis beibringen zu können. Bald
wurden die Proteine als die Träger der Eigenarten der Zellen ange¬
sehen, bald traten die Nukleinsäuren in den Vordergrund des Inter¬
esses und jetzt sind es die Lipoide, an die sich manche Hoffnungen
knüpfen. Ohne Zweifel wird keine einzige Gruppe von Stoffen allein
maßgebend für den spezifischen Bau und damit auch für die spezi¬
fischen Funktionen bestimmter Gewebe sein, es werden vielmehr die
verschiedenartigsten Bausteine der Zellen in ihrer Gesamtheit in der
Funktion der einzelnen Zellarten zum Ausdruck kommen.
Allen Zellen sind gewisse Funktionen und Lebensäußerungen ge¬
meinsam. Ueberall begegnen wir in der Tier- und Pflanzenwelt im
Zellstoffwechsel gemeinsamen Zügen und auch die pathologisch ver¬
änderten Zellen weisen diese noch auf, solange sie noch am allgc-
Archiv t. wissensch. u. pr&kt. Tierheilk. Bd. 36. Snppl.-Band. \
2
ABDERHALDEN,
meinen Stoffwechsel teilnehmen. Hierher gehört die Sauerstoffauf¬
nahme und die Kohlensäureabgabe, ferner die Aufnahme bestimmter
Nahrungsstoffe und deren Verwertung usw. Die spezifische Natur
der einzelnen Zellen erkennen wir in erster Linie an den von ihnen
abgegebenen Stoffen. Diese sind für die einzelnen Gewebe charakte¬
ristisch. So wissen wir, daß nur die Leberzellen Gallensäuren bilden
und nur bestimmte Zellen der Nebenniere das Suprarenin aufbauen usw.
Ferner erkennen wir die Bildung spezifischer Produkte im Stoffwechsel
mancher Gewebe an den Erscheinungen, die auftreten, wenn die be¬
treffenden Organe ihre Funktion einstellen, sei es, daß sie pathologisch
verändert sind, sei es, daß sie experimentell entfernt werden. Es
sei auf die Folgen der Entfernung bestimmter Drüsen: Schilddrüse,
Geschlechtsdrüsen, Nebennieren, Pankreasdrüse usw. hin¬
gewiesen. Wir sind vorläufig nicht imstande, die von diesen Organen
erzeugten und an die Lymph- resp. Blutbahn abgegebenen Stoffe
irgendwie zu charakterisieren. Wir schließen auf ihre Anwesenheit,
weil in dem Momente, in dem den einzelnen Geweben die Mög¬
lichkeit genommen wird, sich am allgemeinen Stoffwechsel zu be¬
teiligen, schwere Störungen auftreten, die in vielen Fällen wieder
verschwinden, wenn die unterbrochene Funktion sich wieder einstellt,
oder wenn Extrakte der betreffenden Drüsen dem Organismus zugeführt
werden. Hier liegt noch ein gewaltiges Forschungsgebiet fast brach. Eine
Unsumme von Arbeit ist schon aufgewendet worden, um hier Klar¬
heit zu schaffen. Nur in wenigen Fällen ist es bis jetzt geglückt,
eine bestimmte Funktion eines Organs restlos und eindeutig in eine lücken¬
lose Kette von Einzelvorgängen aufzulöseri. Ueberall überbrücken noch
viele Hypothesen klaffende Lücken in unseren Kenntnissen.
Zwei Probleme sind es, die in erster Linie berufen sind, unsere
Kenntnisse des Zellstoffwechsels zu fördern. Einmal muß es unser Be¬
streben sein, möglichst viele Stoffe kennen zu lernen, die für
bestimmte Zellarten und vor allem für deren Stoffwechsel
charakteristisch sind. Ferner wird es unsere Aufgabe sein, die¬
jenigen Stoffe, mit denen die Zelle ihren ganzen Stoff¬
wechsel — Auf-, Ab- und Umbau — bewerkstelligt, in
ihrem Wesen und ihrer Wirkungsart möglichst genau auf¬
zuklären. Wir meinen hier in erster Linie die Fermente. Wir
kennen ihre Natur zurzeit noch nicht und können ihre Anwesenheit
nur aus ihrer Wirkung erschließen. Wir wissen, daß die Pflanzen- und
Tierzellen Stoffe erzeugen, die bestimmte Verbindungen entweder in ihre
Neue Forschungsrichtungen auf d. Gebiete d. Störungen d. Zellstoffwechsels. 3
Komponenten zerlegen, d. h. sie abbauen oder in anderer Weise ver¬
ändern, z. B. oxydieren oder reduzieren. Auch sind Fermente be¬
kannt, die aufbauen. Sind zurzeit die Aussichten, die Natur der
Fermente aufzuklären und gar ihre Struktur festzustellen, geringe, so
muß es umsomehr unser Bestreben sein, ihre Wirkungweise möglichst
scharf zu charakterisieren. Bei den meisten Fermentstudien arbeitete
man mit mindestens zwei Unbekannten, nämlich mit dem Ferment¬
gemisch und einem seinem Aufbau, seiner Struktur und Konfiguration
nach unbekannten Substrate. Es ist nun in neuerer Zeit geglückt Ver¬
bindungen aufzubauen, deren Struktur genau bekannt ist und die,
aus Bausteinen bestehend, die in der Natur Vorkommen, von be¬
stimmten Fermenten stufenweise abgebaut w r erden. Zu diesen Ver¬
bindungen gehören in erster Linie die von Emil Fischer dar¬
gestellten Polypeptide. Einige Beispiele mögen anstelle langer
Erörterungen zeigen, in welcher Weise derartige Substanzen zu
quantitativen und qualitativen Untersuchungen über die Wirkungs¬
art der Fermente verwendet werden können. Die Polypeptide sind
Verbindungen, die aus Aminosäuren bestehen, und zwar enthalten sie
diese in säureamidartiger Verknüpfung. Viele dieser Polypeptide
werden von Fermenten der Gruppe der proteolytischen abgebaut.
Pepsin greift die bis jetzt dargestellten Polypeptide nicht an, Trypsin
baut einen sehr großen Teil davon ab, noch allgemeiner wirken das
Erepsin und die in den Gewebszellen enthaltenen sog. „peptolytischen“
Fermente. Diese Feststellung ermöglicht es uns, diese drei Ferraent-
gruppen scharf zu trennen.
Wählen wir ein Polypeptid, das aus optisch-aktiven Amino¬
säuren aufgebaut ist, dann können wir den Verlauf des Abbaues in
sehr scharfer Weise durch Verfolgung der AenderuDg des Drehungs¬
vermögens feststellen. Gehen wir z. B. aus von dem Tripeptid:
Glycyl-d-alanyl-glycin.
Dieses hat eine spezifische Drehung von —64,3°. Wird in diesem
Polypeptid durch die Wirkung einer bestimmten Fermentlösung das
vorne stehende Glycin abgespalten, dann bildet sich das Dipeptid,
d-Alanyl-glycin. Dieses dreht -f-50 °. Wird dagegen das letzte Glied der
Kette zuerst frei, dann bleibt Glycyl-d-alanin übrig, das 50° nach links
dreht (—50°). Der erstere Abbau muß sich dadurch kundgeben, daß
bei fortwährender Beobachtung des Drehungsvermögens der Mischung
der Lösung des Tripeptids mit einer Fermentlösung die Minusdrehung
abnimmt und schließlich über 0° eine positive Drehung resultiert.
i e
4 ABDERHALDEN,
Im letzteren Fall nimmt die Minusdrehung etwas ab, sie bleibt jedoch
bestehen.
Derartige Polypeptide gestatten nun, einmal quantitative Versuche
vorzunehmen. Wir können feststellen, wie rasch die Spaltung fort¬
schreitet, wenn wir z.B. die aus verschiedenen Geweben gewonnenen Fer¬
mentlösungen vergleichen, oder wenn wir die Menge der zugesetzten Fer¬
mentlösung oder die Substratraenge ändern. Wir können ferner quali¬
tative Studien vornehmen. Wir können die Frage entscheiden, ob die
aus verschiedenen Geweben dargestellten Fermentlösungen bestimmte
Polypeptide über die gleichen Stufen abbauen, oder ob hier Unterschiede
hervortreten. Damit können wir gleichzeitig indirekt einen Einblick in den
Bau der Zellen gewinnen. Die Fermente sind Produkte der Zelltätigkeit.
Sie sind in ihrem Aufbau abhängig von demjenigen der Zelle. Ist
eine Zelle abgeartet, d. h. ist ihre feinere Struktur verändert, dann
werden auch ihre Funktionen in andere Bahnen gelenkt. Die von ihr
gelieferten Sekrete zeigen einen anderen Typus. Die einzelne Körper¬
zelle übernimmt aus dem Blute resp. der Lymphe keine Stoffe direkt.
Sie wandelt sie, ehe sie diese in ihren Bau einfügt, um. Es erfolgt ein
Ab- und Aufbau, und diese Prozesse vollziehen die Zelle mit Hülfe-
ihrer Fermente. Diese sind ihr Werkzeug, mit dem sie beständig ihren
Bau zurecht zimmert Hat eine Zelle einen atypischen Bau erhalten,,
dann entsteht in gewissem Sinne ein Circulus vitiosus. Die veränderte
Struktur führt zur Bildung eigenartig wirkender Fermente und diese
bewirken wiederum einen atypischen Aufbau der Zellen, in denen sie
wirksam sind. Wir kommen auf diesem Wege zu einer bestimmten
Vorstellung des Zellstoffwechsels und des Baus von Zellen, die
ihrem ganzen Wesen nach den Typus des fremdartigen tragen. Wirmeinen
hier speziell die malignen Tumoren: Sarkom und Karzinom. Wir
hätten, ausgehend von unserer Auffassung des Zellstoffwechsels,,
uns vorzustellen, daß diese Zellen aus irgend einer Ursache einen
atypischen Aufbau erhalten haben. Mit dieser Veränderung geht
Hand in Hand eine gänzliche Umprägung des Zellstoffwechsels. Es ent¬
stehen intermediäre Abbaustufen, die dem Körper fremd sind. Bleibt der
ganze Prozeß auf die Zellen selbst lokalisiert, dann liegt für den
Organismus keine Gefahr vor. Sie tritt hervor, sobald die Zellen
Stoffe ihres Stoffwechsels an die Blutbahn abgeben, denn nunmehr
kreisen Produkte die in ihrem ganzen Wesen dem Organismus ungewohnt
sind. Treten Fermente über in den allgemeinen Kreislauf, dann
Neue Forschungsrichtungen auf d. Gebiete d. Störungen d. Zellstoffwechsels. 5
können diese Schädigungen hervorrufen, indem sie in normalen Zellen
einen atypischen Verlauf des Abbaues bestimmter Stoffe herbeiführen.
Die sich bildenden Verbindungen könneD eventuell direkt toxisch sein.
Der tierische Organismus ist unter normalen Verhältnissen jenseits der
Darmwand ganz unabhängig von der Außenwelt. Der Darmkanal mit
all seinen Fermenten sorgt dafür, daß nichts in die Blutbahn gelangt,
was nicht vollständig seine Eigenart eingebüßt hat. In der Darmwand
findet die Umprägung des mannigfaltigen mit der Nahrung aufge¬
nommenen Materiales zu körpereigenem Material statt. Die einzelnen
Zellen wiederum prägen das „bluteigene“ Baumaterial um in zelleigenes.
Störungen in diesem harmonischen Ablauf des Gesamtstoffwechsels
in allen seinen Phasen treten nur auf, wenn mit Umgehung des Darm¬
kanals Stoffe in das Blut und die Gewebe gelangen, d. h. wenn die
Umprägung umgangen wird. Das ist der Fall, wenn wir z. B. Proteine
subkutan oder intravenös einführen. In derselben Lage befindet sich
der Organismus, wenn Zellarten, die seinem Zellverbande nicht an¬
gehören, oder die in ihrem Bau und damit in ihrem Stoffwechsel
abgeartet sind, ihre Sekrete und eventuell ihre Bausteine an den
allgemeinen Kreislauf abgeben. Das erstere ist der Fall, wenn
irgend welche Organismen — Bakterien usw. — den Körper mit¬
bewohnen und ihren eigenartigen Stoffwechsel demjenigen der Körper¬
zellen gegenüberstellen. Der zweite Fall tritt ein, wenn Tumoren
auftreten, die Zellen enthalten, welche ihrer ganzen Struktur nach nicht
in den Rahmen der übrigen Körperzellen hineinpassen.
Die hier kurz entwickelten Vorstellungen lassen sich experimentell
angreifen. Wir können die in Sarkom- und Karzinomzellen enthaltenen
Fermente qualitativ und quantitativ prüfen. Die bis jetzt ausgeführten
Untersuchungen haben ergeben, daß in der Tat in vielen Fällen ein
atypischer Abbau nachweisbar ist. Es wurde festgestellt, daß Poly¬
peptide, die von den Fermenten normaler Gewebe stets in einer
ganz bestimmten Richtung abgebaut werden, von aus Karzinomen und
auch aus Sarkomen gewonnenen Fermenten in anderer Richtung zerlegt
werden. Es ist dies die erste exakte Feststellung einer Aenderung
des Stoffwechsels der Zellen maligner Tumoren. Der Befund ist
kein regelmäßiger. Das spricht durchaus nicht gegen unsere Vor¬
stellungen. Wir können aus Mangel an Material als Substrat für
unsere Untersuchungen nur wenige Polypeptide bestimmter Struktur
wählen. Werden diese von bestimmten Zellfermenten auch in typischer
6
ABDERHALDEN,
Weise abgebaut, so ist damit noch nicht gesagt, daß bei Verwendung 1
anderer Substrate derselbe typische Verlauf des Abbaues sich wieder¬
findet. Hier könnten nur umfassende Untersuchungen Klarheit bringen —
Versuche, die ein Vermögen an Zeit und Geld verschlingen würden, die
jedoch unzweifelhaft lohnend wären und uns ein ganz neues Arbeits¬
gebiet erschließen könnten. Es ist wohl denkbar, daß ein systematischer
Ausbau dieses Arbeitsgebietes uns die Möglichkeit verschaffen würde,
die verschiedenartigsten Zellarten genau zu charakterisieren. Besonders
aussichtsvoll erscheint uns eine Verfolgung des Stoffwechsels ver¬
schiedenartiger Bakterien auf dieser Grundlage zu differentialdiag¬
nostischen Zwecken.
Wir sprachen oben von der Abgabe fremdartiger Stoffe an das
Blut von Seiten von Mikroorganismen und von Geschwulstzellen.
Auch diese Annahme läßt sich prüfen. Der Organismus ist gegen die
Zufuhr „blut- und zellfremden“ Materials nicht machtlos. Werden
ihm z. B. artfremde, d. h. nicht umgeprägte Proteine subkutan oder
intravenös eingeführt, dann liefert er Fermente an das Blut, die im¬
stande sind, diese Stoffe abzubauen und ihres Artcharakters zu be¬
rauben. Auch diese Prozesse lassen sich „optisch“ verfolgen. Nor¬
males Pferdeserum baut z. B. Gelatine oder Seidenpepton nicht ab,
d. h. wenn man das Drehungsvermögen von Serum -|- Seidenpepton
bestimmt, dann bleibt die Drehung konstant. Es läßt sich jedoch
sofort ein Abbau beobachten, wenn man das Serum eines Tieres
benutzt, dem vorher Eiweiß resp. Pepton subkutan zugeführt
worden ist.
Diese Beobachtungen versetzen uns in die Lage, körper- und
speziell blutfremde Stoffe im Blute aufzuspüren. Finden wir Ferment¬
wirkungen, die dem Blute normalerweise nicht zukommen, dann ist
dies ein Fingerzeig für das Vorhandensein von Stoffen, gegen die der
Organismus sich zu schützen sucht. Wir dürfen erwarten, daß es
gelingt, Fermente aufzufinden, welche die von Bakterien abgegebenen
Stoffe und Zellbestandteile zertrümmern um sie so ihrer Eigenart und
damit ihrer Schädlichkeit zu berauben.
Endlich muß es unser Bestreben sein, Methoden aufzufinden,
die uns gestatten, die Fermente in den Zellen oder wenigstens auf
bestimmte Zellen zu lokalisieren. Auch hier sind Erfolge zu ver¬
zeichnen. Verwendet man ein an Tyrosin reiches Polypeptid, dann
kann man mikroskopisch in den Zellen Tyrosinkristalle auftreten
Neue Forschungsrichtungen auf d. Gebiete d. Störungen d. Zellstoffwechsels. 7
sehen. Noch besser verwendet man Polypeptide, an deren Aufbau
Tryptophan beteiligt ist. Dieses gibt mit Bromwasser eine schöne
Violettfärbung. Die Polypeptide dagegen geben diese Reaktion nicht.
Sie tritt erst in dem Moment ein, wenn Tryptophan frei wird.
Es ist klar, daß mit all diesen Methoden Veränderungen im
Zellstoffwechsel nachweisbar sind, die sich weder makroskopisch noch
mikroskopisch in der anatomischen Struktur kundzugeben brauchen.
Andererseits wird manche nach dem anatomischen Bild scheinbar schwer
geschädigte Zelle bei der funktionellen Prüfung sich als relativ wenig
lädiert herausstellen. Je mannigfaltiger die Methoden sind, um so
mehr Fragestellungen sind von verschiedenen Gesichtspunkten aus an¬
greifbar und um so größer ist die Wahrscheinlichkeit einer eindeutigen
Entscheidung bestimmter Probleme.
II.
Infections tuberculeuses dissimul&es et occultes.
Cons6quences pratiques
par le
Professeur S. Arloing, de Lyon.
A mon eminent collegue, le professeur Schütz, dont les recher-
ches sur les maladies virulentes le placerent au premier rang parmi
les pathologistes contemporains, je cUdie ce m6moire dans lequel je
resume mes travaux de ces dernieres ann6es sur un point de l’histoire
de la tuberculose.
I.
Les idees classiques sur les caracteres de l’infection tuberculeuse
se modifient graduellement depuis quelques annöes.
G6n6ralement, on pensait que l’infection tuberculeuse ütait effec-
tive et reelle lorsqu’elle se traduisait par des tubercules dans les
Organes d’election. Les lesions etaient plus ou moins volumineuses,
plus ou moins 6tendues, siegeaient dans plusieurs Organes ou dans
un seul, parfois tres circonscrites et tres discretes, mais, dans tous
les cas, presentes et perceptibles ä l’oeil nu et au toucher.
Les discussions qui s’eleverent surTexistence ou l’absence de
la tuberculose chez les sujets soumis a l’epreuve de la tuberculine,
des que cette epreuve s’introduisit dans la pratique, demontrent que
telles etaient bien les idees admises. On se souvient que la rüpu-
tation de la tuberculine a 6tü faite surtout par des cas oü, a, la suite
d’une reaction positive, on fut assez heureux pour rencontrer un amas
de quelques follicules tuberculeux, de la grosseur d’un petit pois dans
le poumon, ou un ganglion lymphatique.
En d’autres termes, on croyait ä une relation si 6troite entre le
bacille de Koch et l’6dification tuberculeuse, qu’il semblait impossible
que l’un put cxister sans l’autre dans l’organisme des mammiferes.
Iniections tuberouleuses dissimuläes et occaltes.
9
Lorsque les lesions de cette nature sont tres etendues, dans
certains Organes, ou dans un etat d’evolution avancee, elles troublent
les fonctions et engendrent des symptömes qui perraettent de re-
connaitre la maladie. La tuberculose est alors cliniquement exi-
stante. Dans les cas oü les 16sions sont moins etendues, mieux
tolerees par les Organes et par l’organisme tout entier, qui cependant
ne res'pire pas une santö parfaite, la tuberculose est simplement
soup<jonn6e. Enfin, dans les cas oü elles sont discretes, someillantes
au point de n’apporter aucun trouble apparent aux fonctions du sujet,
et de frapper seulement l’observateur au cours d’une autopsie, on dit
que la tuberculose 6tait latente.
Mais on se tromperait etrangement si l’on croyait que l’infection
tuberculeuse se traduit toujours par des dösordres anatomiques pal-
pables. Elle peut exister sans entrainer l’edification tuberculeuse
classique, ou bien l’alteration qui denonce sa presence ou son anterio-
rite est si minime qu’il faut la chercher au raicroscope et meme
qu’elle devient imperceptible ou introuvable. Le bacille de Koch a
dütermine tout simplement une infection tuberculeuse dissimulee
typique ou atypique, ou une infection tuberculeuse occulte.
J’entrerai dans quelque developpement au sujet de ces infections.
II.
Infection tuberculeuse dissimulee typique.
Deja, en 1903, j’ai fait remarquer que l’appreciation rigoureuse
des resultats d’une inoculation pratiquöe avec des bacilles cultives ä
la maniere ordinaire mais peu virülents demandait l’intervention des
cxamens histologiques.
Par exemple, apres l’injection intra-veineuse sur le boeuf des
bacilles precites, le poumon paraissait absolument sain ä l’oeil et au
toucher, tandis que sur des coupes histologiques faites gä et la dans
l’organe, on rencontrait de tres petits tubercules p6ri-bronchiques ou
intra-alveolaires possüdant une structure classique.
J’ai observü des lüsions analogues dans les ganglions lyrapha-
tiques, dans le foie, la rate et les reins.
J’en concluais qu’avant de proclamer l’echec de teile ou teile
inoculation tuberculeuse, il fallait procüder ä l’etude histologique
systematique des Organes oü le bacille determine habituellement des
lesions.
10
ARLOING,
Cornme il s’agit ici de lesions tuberculeuses folliculaires, dont Ie
caractere particulier est la tönuitö, je rangerai l’infection qui les a
provoquees sous le titre d’ „infection typique dissimulee“.
A propos de cette description, je voudrais signaler certaines
particularitös anatorao-pathologiques dont la nature est devoilee par
les lesions microscopiques dont il est question plus haut. Ainsi, des
lesions peuvent prendre l’apparence d’une pneumonie catarrhale* diffuse
englobant des nodules ä peine esquisses, graauleux au centre, ou bien
celle d’une nappe granuleuse multinucleee, un peu rötractee, dans une
cavite qui fut probableraent un alvöole. Sur cette apparence, il serait
difficile de se prononcer et d’affirmer la tnberculose. Mais l’exaraen
du foie, de la rate, des ganglions permettra de voir des tubercules
epithelioi'des caracteristiques.
Infection tuberculeuse dissimulöe atypique.
L’infection tuberculeuse cachee devient atypique lorsque les
lesions microscopiques qui l’accompagnent ne revetent pas les dispo-
sitions folliculaires.
Yersin commen^a aattirer l’attention sur ces sortes de lesions.
Il les avait etudiees sur le lapin ä la suite de l’injection intra-veineuse
d’une culture de bacilles dont la souche etait tiree d’un veau tuber-
culeux, et surtout apres l’injection de cultures d’origine aviaire.
Les lesions les plus importantes siegent dans le foie et la rate.
Elles ont constituö le type Yersin admis par la plupart des experi-
raentateurs s’occupant de tuberculose.
On les rattache ordinairement au bacille aviaire implante dans
l’organisme du lapin. Si Yersin les a observees ä la suite de l’in¬
jection de bacilles retires du veau, assuröment ces bacilles avaient
subi une modification ä l’insu de l’auteur, car les bacilles bovins ou
humains ordinaires introduits dans les veines du lapin döterminent
des lesions pulmonaires du type Villemin.
Il y a donc dans les travaux de Yersin, en ce qui regard les
bacilles de mammiferes, une part faite a l’inconnu. Envisagees sous
ce point de vue, mes observations personnelles exposees ci-apres
prösentent une originalite et une importance qui n’echappera pas au
lecteur.
Etfectivement, j’ai determine l’infection tuberculeuse dissimulöe
atypique avec des bacilles humains et bovins dont la virulence et
la modalite virulente ont ete modifiees artificiellement, c’est-ä-dire
Infections tuberculeuses dissimu!6es et occaltes.
11
dans des conditions precises. On se souvient probablement que j’ai
accoutume des bacilles ä vivre dans la profondeur du bouillon gly-
cerine ä 4 ou 6 pCt.
Avant d’Stre plac^s dans ces conditions, les bacilles humains et
bovins vegetaient ä la surface du bouillon, en voile ou en colonies
seches sur des pommes de terre. Inocules dans les veines ou dans
le tissu conjonctif du lapin, ils entrainaient la tuberculisation de ces
animaux suivant le type Villernin.
Apres, leur inoculation dans le tissu conjonctif parait öchouer
coropletement. II en est de meine au premier abord ä la suite de
l’injection intra-veineuse. A s’en tenir aux effets visibles ä l’oeil nu,
les bacilles modifies ne manifestent leur pouvoir tuberculigene qu’apres
leur introduction dans le peritoine. La, ils provoquent la formation
de tubercules dans l’epiploon et dans les ganglions lymphatiques peri-
gastriques.
Propages de la sorte ä travers un grand nombre de generations,
les bacilles tuberculeux n’ont plus de tendance a se rassembler en
grumeaux dans la profondeur du bouillon.
Les cultures presentent un trouble homogene. De lä le nom de
bacilles tuberculeux en cultures homogenes que je donne
couramment aux bacilles qui les garnissent.
Lorsque cet etat est parfaitement 6tabli, les bacilles ont des
caracteres pathogeniques particuliers, fixes, qui en font une race.
En prenant cette race et en l’habituant ä croitre ä des tempe-
ratures superieures äl’optima, ou bien sous des pressions supörieures
ä la pression atmosph^rique, je suis arrive ä präparer plusieurs races
qui different quelque peu l’une de l’autre. Je me bornerai ä exa-
miner la propriSte pathogönique de la premiere, c’est-ä-dire de la
race formee par accoutumance ä la profondeur du bouillon et ä la
temperature de 37°—38°.
a) Si l’on injecte 1 / i , 1 / 2 cm cube d’une culture homogene ägee
d’une quinzaine de jours dans les veines du lapin, 1’animal parait
supporter tres bien cette inoculation. Mais ä partir du dixieme jour
environ, il maigrit de plus en plus et succombe entre le vingtieme
et le vingt-cinquierae jour dans un etat cachectique tres avanc6.
A l’autopsie, le poumon est souple et d’une consistance uni¬
forme; le foie possede sa teinte et sa grosseur normales; la rate est
hypertrophiee, mais däpourvue de granulations rappelant, meme de
loin, des 16sions tuberculeuses microscopiques. Les söreuses, l’intestin
12
ARL01NG,
prösentent de la congestion; parfois on trouve un peu d’epanchement
dans la plevre et dans le p&ritoine.
En un mot, on croirait que le lapin a succombG a une septi-
ceraie tuberculeuse. De fait, on trouve des bacilles dans le foie, les
poumons, la rate, la moelle des os, mais la septicemie s’accompagne
d’altörations anatomiques ainsi que le demontre l’6tude histologique
du foie et de la rate. Dans le foie, l’inflarnmation tuberculeuse se
traduit par des infiltrations plus ou moins importantes de leucocytes
au pourtour ou dans l’int^rieur meme des lobules h6patiques. Les
leucocytes refoulent ou englobent les .cellules hepatiques. Quelques-
unes de ces dernieres, emprisonnees dans les amas de leucocytes,
tendent a revetir le caractere epitheloide. Lorsque les alterations
sont ä leur maximum de gravite, des cellules geantes apparaissent
(,‘ä et lä dans les infiltrations leucocytaires. La rate peut egalem ent
präsenter des cellules geantes. Le plus souvent, eile raontre au sein
des follicules ou dans la substance inter-folliculaire des cellules epi-
theloides. Elles sont eparses ou rapproch£es les unes des autres, en
petites masses sphäroidales. Dans certains cas, les cellules subissant
la transformation epithöloi'de sont frapp^es de lesions n6crotiques au
cours de leur transformation. Leur noyau se fragmente et le proto-
plasma se Charge d’une multitude de fines granulations qui lui en-
levent sa transparence et son aptitude a fixer des raatieres colorantes.
Dans tous les cas, il n’existe pas de Subordination des cellules
geantes, des cellules epithelio'ides et des cellules rondes entrant dans
la Constitution de ces lesions. On ne voit pas de follicules tuber-
culeux. Bien plus, la lesion peut etre reduite ä une seule categorie
d’ölements: cellules lymphatiques dans le foie, cellules epithölioides
dans la rate. Ou bien, eile peut comprendre deux sortes d’ßlements:
cellules lymphatiques et cellules geantes, cellules epithelioidcs et
cellules geantes ou cellules lymphatiques et epithelio'ides; mais eiles
ne sont pas ordonnees les unes aux autres suivant le type classique.
Je ferai encore observer que la rate peut conserver quelquefois
son volume habituel. Dans ce cas, encore plus que dans les exem-
ples indiqu6s ci-dessus, l’infection tuberculeuse simulc une septicemie.
Au fond, il s’agit d’une infection tuberculeuse dissimulee
atypique.
b) L’infection est encore plus dissimulee si l’on injecte dans la
vcine jugulaire une dose beaueoup plus faible de bacilles: y i0 , y 60 ,
y i00 de centimetre cube.
Infections tuberculeuses dissimulöes et occultes.
13
Dans ces conditions, on croirait que les lapins ont öchappö com-
pletement ä l’infeetion. ns conservent toutes les apparences de la
sante pendant de longs raois. Cependant, quelques-unes contractent
des synovites ou des arthrites tuberculeuses au moraent oü on les
supposerait hors d’atteinte.
Ceux qui echappent ä ces coraplications (et ce sont les plus
nombreux) präsentent nöanmoins des traces de l’infection qu’ils ont
subie. Mais ces traces sont microscopiques. On rencontrera sur des
coupes histologiques d’un foie, dont l’aspect est absolument normal,
de rares infiltrations de cellules lymphatiques, g^neralement tres cir-
conscrites, ä la Peripherie ou au centre des lobules; et, dans la rate,
des cellules ä tendance epithelioide, et des elöments grenus, troubles,
dans l’epaisseur des follicules.
Si on ignorait l’inoculation faite ä ces animaux, on aurait sou-
vent une certaine hesitation ä proclamer la nature tuberculeuse des
lesions.
c) Dans une Serie d’injections faites sur le cbevreau, ä des
doses petites pour la taille de cet animal, j’ai relevö avec le pro-
fesseur Stazzi et Fernand Arloing, des suites fort analogues.
Avertis comme nous l’etions, nous avons bien relevö 9 a et la, dans
les principaux visceres et les ganglions lymphatiques, des alterations
histologiques que l’on pouvait attribuer a la presence anterieure du
bacille tuberculeux; mais elles auraient öchappe vraisemblablement
a d’autres observateurs.
A cette occasion, j’ai note, avec mes collaborateurs, que parmi
les cellules formant des lesions atypiques extremement discretes dans
le foie et les poumons des chevreaux, quelques-unes affectaient une
forme 6 toilee, signe indeniable d’une tendance a la transformation
conjonctive, c’est-ä-dire d’une tendance vers la gu^rison.
Les rurainants presentent donc, eux aussi, des infections tuber¬
culeuses dissimulöes atypiques.
d) J’ai observä des infections du meine genre sur des poules
auxquelles j’avais fait ingörer ä trois reprises, soit des crachats de
phtisiques, soit des lesions tuberculeuses du boeuf.
Quatre des poules ayant ing^re des lesions bovines et deux de
celles qui avaient mangö des crachats suceorabaient quatre mois
environ apres le debut de l’experience.
Aucune n’offrait de 16sions tuberculeuses apparentes; mais elles
en presentcrent sur des coupes histologiques de leurs visceres.
14
ARLOING,
Dans le foic des sujets de la s6rie bovine, on voyait cä et la
des infiltrations de cellules rondes dans les areoles du rßseau capillare
sanguin, entrainant peu ä peu la disparition des cellules hepatiques.
Au sein de ces infiltrations, parfois quelques cellules prenaient
graduellement le caractere epithelioide. Dans la rate, certains corpus-
cules de Malpighi se coloraient faibleraent et des cellules de leur
epaisseur rappelaient des cellules öpithelioides.
Chez les sujets de la serie humaine, les lesions etaient plus
discretes, mais histologiquement identiques.
J’ai remarque, par comparaison, quc les alterations hepatiques
ressemblent aux lesions debutantes consecutivcs ä l’inoculation de
bacilles aviaires dans le pcritoine ou le tissu conjonctif chez la
poulc; et aussi qu’elles rappelent les lesions produites sur le lapin
et le chevreau par l’injection intra-veineuse de bacilles humains ou
bovins en cultures homogenes.
Ces faits demontrent que la poule n’cst pas aussi refraetaire ä
la tubereulose des mammiferes qu'on I’admet generalement. En outre,
ils viennent ä l’appui de la these que je soutiens dans ce memoire,
savoir: que l’infection tuberculeuse peut etre dissimulee chez les
oiseaux chez les mammiferes, et deeelable sculctnent par des examens
histologiques.
III.
Infection tuberculeuse occulte.
Sous ce titre, je veux parier de la presence de bacilles virulents
dans les organes anatomiquement indemnes, ou bien de lesions
tellement minimes ou tellcmcnt rares que l’on ne saurait pretendre
ä les trouver.
a) Sur des bovides tuberculeux, la virulence peut etre constate(*
dans des ganglions lymphatiques qui ne repondent pas aux Organes
leses et dont la structure est absolument normale. On ne se Hatte
pas d’observcr sous le microseope les bacilles qu’ils renferment; mais
leur existencc est devoilee par l’inoculation de la pulpe des ganglions
dans le tissu conjonctif souscutane du cobaye.
Des inoculations positives ont ete signalees par plusieurs auteurs
notamment Junach, Oberwart et llabino witsch, Märtel,
Guerin, Vallee.
Rievel a fait etudier 64 ganglions provcnant de boeufs et de
porcs tuberculeux. Sur ce nombre, 12 se montrerent virulents. Sur
Infections tuberculeuses dissimulees et occultes.
15
ces 12 ganglions, 9 prtisenterent des lesions histologiques on ne peut
plus discretes; raais trois parurent absolument indemnes de tuberculose.
J’ai a borde moi-m§me ce sujet. J’ai conclu que la virulence se
presente dans la moitie des cas environ, et que cette virulence est
assez grande pour tuberculiser le tiers environ des cobayes inoculcs
avec la pulpe des ganglions.
d) Des bacilles virulents peuvent meine se rencontrer dans les
ganglions lymphatiques de bovins non tuberculeux dou6s d’une cer-
taine resistance, en egard a l’activite pathogene des bacilles infectants.
Cette resistance est naturelle ou artificiellement provoquöe par des
inoculations vaccinales.
Dans cet ordre de fait, je placerai les injections de bacilles
faibles, et cependant capables d’infecter le cobaye, que Ton pratique
sur les jeunes bovins dans le but de les vacciner contre la tuber¬
culose. Ou sait que dans certains cas, on a trouv£ des bacilles in¬
fectants plusieurs semaines et meine plusieurs mois apres les injections.
Je placerai aussi les injections de bacilles tres actifs faites a
titre d’epreuve sur des sujets vaccines. Comme ci-dessus, on a vu
que la pulpe de certains ganglions tuberculisait le cobaye.
Si des bacilles virulents restent ainsi emprisonnes dans des
ganglions sans provoquer de lesions tuberculeuses, il me parait naturel
d’admettre que les organisraes qui les hcbergeaient etaient pourvus
d’une resistance naturelle proportionnee ou superieure ä l’action offen¬
sive des bacilles.
Ce genre d’infection tuberculeuse occulte pourrait encore recevoir
le nom d’infection tuberculeuse latente, car il suffirait que la
resistance du sujet diminuat pour voir eclater des lesions dans les
points oü les bacilles sont arretes.
e) J’tcrivais dans le paragraphe 2 que l’injection de tres faibles
doses de bacilles en culture homogene dans la jugulaire du lapin
deterrainait de simples infiltrations de cellules lymphatiques entre les
elements propres du foie et une simple tendance a la transformation
epithelioide des cellules des corpuscules die Malpighi dans la rate.
Ces lösions sont minimes et relativement rares, car on ne les ob-
serve pas sur toutes les coupes pratiqu^es dans ces Organes.
Je disais dans le raeme paragraphe que de faibles doses pour le
lapin devenant extremement faibles pour le chevreau, on ne trouvait
plus que des traces quelquefois douteuscs du passage des bacilles
dans les visceres de cet animal.
16 ARLOING,
Ces trates sont ordinairement introuvables chez des bouvillons
ou des boeufs adultes auxquels on injecte un demicentimetre cube a
un centimetre cube de culture. J’ai pratiqu6 de norabreuses injections
de ce genre sur des bouvillons äges de 6 ä 15 mois, a deux reprises
et ä quelques mois d’intervalle, sans qu’il m’ait etü possible de
trouver des l6sions, müme atypiques, sur de nombreuses coupes histo-
logiques faites ä travers le foie, la rate et les ganglions lymphatiques.
La premiere injection ne produit pas de troubles physiologiques
dignes d’attirer serieusement l’attention. Au contraire, la seconde
injection entraine souvent des troubles immediats tres accus^s. Le
sujet devient subitement triste, le poil se herisse, la respiration
s’accelere, la tempürature s’üleve de 1° ä 2°; mais au bout de quel¬
ques heures, le calme venait, et le lendemain la tempürature est re-
devenue normale. Sur quelques animaux, la perturbation se borne a
une Elevation de la tempörature et ä une diminution passagere de
l’appetit.
Je Signale ces troubles pour bien marquer que les animaux
ayant re^.u les injections ont subi une veritable infection ou septi-
cemie tuberculeuse. Mais les bacilles producteurs de cette affection
sont alles se fixer et vraisemblableraent se detruire en une multitude
de foyers oü leur petit nombre n’a pü reussir ä creer une lösion
evidente.
J’ai donc raison de donner aux infections de ce genre le nom
d’infections tuberculeuses occultes.
J’ai note aussi l’absence complete de Ißsions ganglionnaires ä la
suite de l’inoculation sous-cutan^e des memes bacilles. Par exemple,
si l’on injecte deux centimetres cubes de culture sous la peau du
flanc, «le ganglion pre-crural se tumefie et presente tout d’abord une
sensibilite anormale. Plus tard, le gonflement disparait ainsi que la
sensibilite ä la pression. Le ganglion a donc ete le siege d’une
lymphite tuberculeuse aigue passagere qui a gueri completement avec
le tcmps. En effet, j’ai extirpe ce ganglion au moraent oü il ötait
tumefie et douloureux et lorsqu’il etait rentrü dans l’ordre, en appa-
rence tout au moins, afin de l’examiner par les procedes histologiques.
Dans les deux cas, il etait cxempt de lesions tuberculeuses. II s’agit
donc encore, dans ce cas de tuberculisation locale, d’une infection
tuberculeuse occulte.
Infections tuberculeuses dissimul6es et ocoaltes.
17
IV.
Consäquences pratiques.
II semblerait ä premiere vue que les tuberculoses u lesions
raaoroscopiques et les tuberculoses cliniquement existantes seules
fussent dignes d’interesser le praticien, parce que seules eiles tombent
sous les seDS du clinicien pendant la vie des malades ou le jour de
l’autopsie. Quant aux infections tuberculeuses dissimuiees typiques
ou atypiques et aux infections occultes, leur int6ret serait purement
scientifique ou pathogenique. II n’en estrien au fond. A certaines
heures, les infections dissimuiees ou occultes peuvent interesser le
praticien aussi vivement que les autres formes de la tuberculose et
merae le placer dans une Situation difficile. 11 faut savoir, en effet,
que les bovins qui ont subi ces infections prösentent les rßactions
rev6latrices de la tuberculose: hypertherrnie sous l’influence de l’in-
jection sous-cutanee de la tuberculine, congestion de la muqueuse
oculaire ou du derme cutane en presence de la tuberculine, augmen-
tation du pouvoir agglutinant du s&rum sanguin.
J’ai fait maintes fois ces constatations. Une tuberculisation avec
edification tuberculeuse classique, visdible par les moyens ordinaires
des autopsies, n’est donc pas indispensable pour modifier le pouvoir
agglutinant et faire apparaitrc la sensibilite speciale ä la tuberculine.
D suffit d’une impregnation bacillaire en quelque sorte; si bien que
les r&ictions sp 4 cifiques denoncent plutöt l’infection tuberculeuse que
la tuberculose teile qu’on l’a comprise en clinique jusqu’ä nos jours.
On devine la suite. Des animaux expörimentalement infectks
peuvent präsenter une ou plusieurs des reactions revelatrices, etre
sacrifiäs sur la valeur attribu^e ä ces reactions, et n’offrir ä l’autopsie
aucune lesion tuberculeuse constituee, de celles qui, aux yeux du plus
grand nombre des pathologistes et des propri^taires, t&noignent vöri-
tablement de l’existence de la tuberculose.
Je me permets d’insister sur ce point, car je suis sur que des
cas analogues se rencontrent a la suite des infections naturelles. Les
bacilles sont sourais dans les organismes infectes et en dehors ä des
influences qui attenuent et modifient leur virulence; ils les envahissent
par des voies differentes. Par consequent, nul doute que, de temps
en temps, la nature r6alise des infections dissimulees ou occultes. Si
les sujets infectes de cette maniere sont soumis aux moyens de
diagnostic dits „de laboratoire“, ces moyens paraitront defaillants,
Archi? f. wisseneeh. u. prak t Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. o
18 ARLOING, Infections taberculeuses dissimuläes et occultes.
en ce sens qu’ils auront d6nonc6 une tuberculose que l’autopsie ne
confirmera pas.
La defaiilance sera plus apparente que reelle. On le prouvera
probablement par une 6tude histologique des principaux Organes. Mais
il sera peut-etre impossible de fournir cette preuve, puisque l’infection
est parfois r6ellement occulte. Dans ee cas, la Situation du veteri-
naire serait tout ä fait embarrassante s’il ne pouvait invoquer les
infections occultes, dont la connaissance doit etre r6pandue dans le
railieu medical et veterinaire et parmi les eleveurs; car, generalement,
ces derniers supportent mal on que l’on a coutume d’appeler les
„erreurs“ ou les „defaillances“ de la tuberculine.
Ce sont ces considerations, capitales & mon sens pour le v6teri-
naire et l’6leveur, qui m’ont engage k publier le r6sultat de mes
travaux sur ce point dans le livre jubilaire de mon savant collegue,
le professeur Schütz.
Aus dem Veterinär-Institut der Universität Breslau.
Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden.
Von
Prof. Dr. M. Cnsper in Breslau.
Definition.
Ais Nabelbruch (Hernia umbilicalis, Omphalocele,
Exomphalos) bezeichnet man jene Eingeweidebrüche, bei denen der
Nabelring die Bruchpforte bildet;
Entwickelungsgeschichtliches.
Der Nabel entsteht während der fötalen Entwickelungszeit
dadurch, daß die Hautplatten von beiden Seiten, von vorn und hinten,
um den Darm zusammenwachsen und diesen durch ihre Vereinigung
in der Mittellinie des Körpers von der Dottersackhöhle abschnüren.
Nachdem diese Abschnürung vollendet ist und der Darm am inneren
oder Darmnabel sich geschlossen hat, bleibt in der Bauchwand noch
eine Stelle offen, der äußere oder Leibesnabel oder Hautnabel.
Durch diese offene Stelle, den Nabelring oder die Nabelöffnung, treten
die Nabelgefaße und der Urachus aus der Leibeshöhle des Fötus aus
bezw. ein.
Wird die Nabelschnur bei der Geburt durchtrennt, so erfolgt der
Verschluß des Hautnabels auf dem Wege der Wundheilung unter
Bildung einer Narbe, welche bei unseren Haustieren während des
ganzen Lebens als haarlose, derb anzufühlende, runde Stelle sichtbar
bleibt, in deren Umgebung die Haare wirbelförmig angeordnet sind.
Am Zustandekommen des narbigen Verschlusses beteiligen sich nicht
bloß Haut und Muskulatur, sondern auch die Gefäße; diese Stelle
des Nabels bezeichnet man speziell als Gefäßnabel.
Der Nabel liegt in der weißen Linie, aber nicht konstant an
20
CASPER,
derselben Stelle, sondern häufig weiter nach vorn, zuweilen auch
mehr rückwärts, bei unseren Haustieren und speziell beim Pferde
gewöhnlich dort, wo eine durch den ersten Lendenwirbel gelegte
Frontalebene die Linea alba schneidet.
Bleibt die Oeffnung in der unteren Bauchwand offen und bleiben
in dem vom Amnion umkleideten, zugleich die Nabelgefäße und die
Whartonsche Sülze enthaltenden Sacke Eingeweide liegen, so hat man
jene Entwickelungshemmung vor sich, welche als Nabelstrang¬
bruch, Hernia funiculi umbilicalis bezeichnet wird. Die Ein¬
geweide liegen also innerhalb des Sackes der nicht strangförmig
transformierten, hohlen Nabelschnur und sind vom Amnion umgeben.
Man gewahrt in der Nabelgegend eine sackartige, rundliche Ge¬
schwulst, in der ein größerer oder kleinerer Teil der Eingeweide
lagert und die aus 2 Blättern besteht. Das äußere Blatt wird vom
Amnion gebildet, welches auf der einen Seite kontinuierlich in die
äußere Decke übergeht, auf der anderen sich auf die Nabelschnur
fortsetzt und deren Scheiden bildet. Das innere Blatt wird vom
Peritoneum parietale dargestellt. Die äußere Haut fehlt im Bereich
des Bruchsackes.
Diese Hemmungsbildung ist bei Tieren selten und hat kaum
eine praktische Bedeutung, weil das betreffende Tier entweder tot
zur Welt kommt oder sofort getötet wird. Stock fl eth (48) be¬
obachtete einen Fall bei einem totgeborenen Kalbe, wo der dünne
Bauchfellsack so groß war, daß er die sämtlichen Gedärme des
Tieres aufnehmen konnte. (Beim Menschen enthalten die Nabelschnur¬
brüche zuweilen die Hauptmasse der Baucheingeweide, wie Leber,
Magen, Dünndarm und Dickdarm; nach Graser (19) gehen die Kinder
in der Mehrzahl der Fälle schon in den ersten Stunden nach der
Geburt zu Grunde.)
Ursachen.
Wir müssen unterscheiden zwischen dem angeborenen Nabel¬
bruch und dem erworbenen Nabelbruch. Der erstere entsteht
dadurch, daß ein Teil der Baucheingeweide nicht in die Bauchhöhle
eintritt, nicht von den Visceralplatten umschlossen wird. Dieser
Nabelbruch ist daher als ein Vitium primae formationis, als eine
Hcmmungsbildung aufzufassen, die den niedrigsten Grad des mangel¬
haften Verschlusses der Leibeshöhle darstellt.
Der erworbene Nabelbruch kommt dadurch zustande, daß der
Beitrag zur Behandlung der Nabelbräche bei Pferden.
21
Nabelring nach der Geburt offen bleibt, und daß Eingeweide in
denselben sich drängen, oder dadurch, daß der Nabelring nicht voll¬
ständig zuwächst und die junge Narbe des Hautnabels dem Drucke
der Eingeweide nachgibt. Diese Zusammenhangstrennung der Narbe
wird begünstigt durch die verschiedensten Momente, so durch gewalt¬
sames Abreißen der Nabelschnur ohne Fixation des Nabels, durch
Dehnungen und Zerrungen der Bauchwand bei Aufblähen, Verstopfung
(Atresia ani), Husten, beim Springen, bei anstrengenden Bewegungen,
kurz durch alle Umstände, die eine Steigerung des intraabdominalen
Druckes verursachen.
Gerade bei den Nabelbrüchen spielt die Vererbung eine große
Rolle, indem Tiere, deren Eltern in der Jugend Nabelbrüche hatten, gleich¬
falls sehr oft mit einem Nabelbruche geboren werden oder denselben bald
nach der Geburt akquirieren. Erik Viborg (48) berichtet, daß von
13 Fohlen, die von einem mit Nabelbruch behafteten Hengst abstammten,
11 an Nabelbruch litten. Eleonet (9) versichert, daß im Departement
Finisterre in Mittelfrankreich Zuchtstuten vorhanden waren, die fast
ohne Ausnahme Fohlen mit Nabelbrüchen lieferten; er hat innerhalb
26 Jahren rund 3000 Fohlen wegen dieses Leidens behandelt, ein
Beweis, wie häufig der Nabelbruch gewesen sein muß. Auch Hen-
drickx (21) erklärt auf Grund einer Umfrage bei den belgischen
Tierärzten, daß die Vererbung der Nabelbrüche bei Pferden unbe¬
streitbar ist. Ein Hengst, der in der Jugend wegen eines Nabel¬
bruches operiert worden war, produzierte nur Fohlen, die sämtlich
mit Nabelbruch behaftet waren.
Auch bei Hunden liegen derartige Mitteilungen vor. Nach
Benkert (48) warfen die Hündinnen, die er wegen Nabelbruches
behandelt hatte, fast immer Junge, die dasselbe Leiden aufwiesen.
Stockfleth (48) erzählt von einem Jagdhund, der, selbst früher mit
einem Nabelbruch behaftet, mehrere Würfe junger Hunde brachte, die
ebenfalls an Nabelbrüchen litten. Der letzte Wurf bestand aus
9 Jungen, die sämtlich wegen Nabelbruches in tierärztliche Behand¬
lung gegeben wurden.
Vorkommen.
Die Nabelbrüche werden am häufigsten bei Pferden und Hunden,
seltener bei den übrigen Tierarten beobachtet. Der Bruchsack be¬
steht aus der äußeren Haut (äußerer Bruchsack) und einer Aus¬
stülpung der Fascia transversa abdominis nebst dem Bauchfell (innerer
22
CASPER,
Bruchsack). Den Inhalt des Bruchsackes bilden gewöhnlich Dünn¬
darmschlingen [Hering (22), Esser (10)]; auch Gutmann (20) hat
gelegentlich der Nabelbruchoperationen mit Eröffnung der Bauch¬
höhle nur Dünndarmschlingen angetroffen. Nach Hcrtwig (23) und
Möller (37) dagegen sollen die Nabelbrüche meist Teile des Grimra-
darmes oder des Blinddarmes, selten ein Stück Netz enthalten.
Pathe (37) fand im Nabelbruch eines Kalbes einen Teil des
Labmagens.
Bei Hunden werden reine Netz-Nabelbrüche hin und wieder
dadurch unbeweglich, daß der ßruchinhalt (Netz) mit dem inneren
Bruchsack (Peritoneum) und dieser mit dem Nabelring verwächst,
wodurch es später gewöhnlich zu einer reichlichen Fettablagerung im
Innern des Bruches kommt (sogen, verwachsene Netz-Nabel¬
brüche): Müllers (38), eigene Beobachtung.
Diagnose.
Die Erkennung der Nabelbrüchc ist außerordentlich leicht. Am
Orte des Nabels bemerkt man eine rundliche, elastische oder mehr
teigartig anzufühlende, schmerzlose, nicht vermehrt warme Geschwulst,
deren Inhalt sich meist durch den Nabelring in die Bauchhöhle zu¬
rückbringen läßt. Die Größe der Geschwulst variiert von der einer
Haselnuß (Hund) oder der eines Hühnereies (Pferd) bis zum Umfange
eines Menschenkopfes. Nach der Reposition fühlt man sehr deutlich
in der Tiefe eine rundliche oder längliche, schlitzförmige Oeffnung,
den Bruchring oder die Bruchpforte. Die Oeffnung ist verschieden
groß, zuweilen so klein, daß man nur mit dem kleinen Finger ein-
dringen kann, während man in anderen Fällen 3—4 Finger bequem
einzuführen vermag.
Zuweilen trifft man bei Fohlen Brüche an, deren gewöhnlich
spaltförmige Pforte einige Zentimeter neben, vor oder hinter dem
eigentlichen Nabelring liegt, praktisch sind aber diese Brüche wie
Nabelbrüche zu beurteilen [Vennerholm (51), eigene Beobachtung].
Die Beweglichkeit des Bruchinhaltes wird ausnahmsweise aufge¬
hoben, wenn eine Inkarzeration besteht, oder wenn Verwachsungen
des Bruchinhaltes mit der inneren Wand des Bruchsackes bestehen.
Prognose.
Die Prognose der Nabelbrüche ist quoad vitam bei Fohlen und
jungen Hunden günstig, Inkarzerationen treten nur ganz ausnahms-
Beitrag zar Behandlung der Nabelbrüohe bei Pferden. 23
weise ein. Sie heilen zuweilen bei zunehmendem Alter von selbst
und zwar um so leichter je kleiner der Bruch, je enger die Bruchpforte
und je jünger das Tier ist. Nach Lehndorff (28) tritt bei mehr als
50 % der Fohlen eine Heilung ganz von selbst ein. Mit zunehmender
Kräftigung des Tieres wird das den Nabelring deckende, schlaffe Ge¬
webe fester und widerstandsfähiger, die Därme nehmen an Umfang
zu und können infolgedessen nicht so leicht durch den Bruchring hin¬
durchtreten. Die spontane Heilung erfolgt am ehesten in den ersten
sechs Lebensmonaten, daher haben die unten beschriebenen unblutigen
Methoden in dieser Zeit anscheinend den besten Erfolg. Auch in der
zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres kann man zuweilen spontane
Heilungen erleben, die aber nach Ablauf des ersten Jahres kaum noch
Vorkommen.
Wenn nun auch die Prognose quoad vitara günstig ist, so muß
der Nabelbruch, namentlich bei edleren Pferden, als ein erheblicher
Fehler bezeichnet werden, der den Verkaufswert bedeuteud herabsetzt.
Ich kann Fröhner (11), der den Nabelbruch „für ein ganz uner¬
hebliches Leiden, einen bloßen Schönheitsfehler“ hält, darin nicht bei¬
stimmen; die Erheblichkeit des Leidens geht schon daraus hervor, daß
die Besitzer den Nabelbruch um jeden Preis beseitigt wünschen und
daß sie das Fohlen lieber der Gefahr einer immerhin ernsten Operation
aussetzen, als daß sie den Nabelbruch bestehen lassen. Bei älteren
Pferden ist auch die Arbeitsfähigkeit beschränkt, daneben besteht eine
gewisse Gefahr der Vergrößerung des Bruches.
Einklemmungen der Nabelbrüche kommen selten vor, sind aber von
Lomas (35), Winter (48), Larsen (48), Mauri (35), Rolland (43),
Fröhner (14), Wiesner (53), Zwicker (54) u. a. bei Fohlen be¬
obachtet worden. Auch Verwachsungen des Bruchinhalts mit dem
Bruchsack finden sich verhältnismäßig selten und sind dann gewöhn¬
lich die Folge einer zufälligen Verletzung des Bruchsacks oder Ein¬
wirkung von Aetzmitteln bei mißlungenen Heilversuchen.
Therapie.
Die Behandlung des Nabelbruchs kann durch zahlreiche und sehr
verschiedenartige Methoden erfolgen; manche derselben verdanken
ihren Ruf dem Umstande, daß viele Nabelbrüche auch spontan
heilen.
Bei allen Behandlungsmethoden kann man zwei Stadien unter¬
scheiden :
24
CASPER,
I. Das Zurückbringen des Bruchinhaltes-in die Bauch¬
höhle, die Reposition, Taxis.
II. Das Zurückhalten des Bruchinhalts in der ßruch-
höhle, die Retention.
Die Beseitigung der Nabelbrüche kann auf zwei verschiedenen
Wegen angestrebt werden:
A. Auf unblutigem Wege (ohne Anschneiden der Haut oder
des Bruchsackes).
B. Auf blutigem Wege.
Die unblutige Behandlungsweise, auch genannt das Palliativ¬
verfahren, sucht den Bruch dadurch zu beseitigen, daß von außen
her ein Druck gegen den Nabelring ausgeübt wird oder daß man die
Bruchpforte zur Verwachsung bringt.
Die blutige Behandlungsweise, das Radikalverfahren, bezweckt,
die Beseitigung des Bruches durch einen Verschluß der Bruchpforte
mittelst der Naht.
A. Die sog. palliativen oder unblutigen Methoden.
Hierzu rechnet man:
1. Die Anwendung von Bruchbandagen.
2. Scharfe Einreibungen und Aetzmittel.
3. Die subkutane Injektion von Kochsalzlösung.
4. Das Abbinden.
5. Das Abnähen.
6. Das Abkluppen.
1. Die Anwendung von Bruchbandagen.
Die Bruch bandagen bestehen im wesentlichen aus einem um den
Leib gehenden Gurt mit einer dem Bruchringe entsprechenden Pelotte
(Wergbausch, Bleiplatte, Roßhaarkissen), welche den Bruchinhalt zu¬
rückhält. Wenn die Bruchbandage gut wirken soll, so muß sie
längere Zeit (1—3 Monate) ununterbrochen liegen bleiben. In der
Literatur sind eine große Zahl der verschiedensten Bandagen be¬
schrieben worden, aber bei allen besteht der Uebelstand, daß sie sich
leicht verschieben. Die Fohlen müssen einer ständigen sorgfältigen
Behandlung unterstellt bleiben; verschiebt sich die Bandage, dann
bleibt die Wirkung aus, drückt der Gurt an einer Stelle (Rücken),
so entsteht leicht Dekubitus. Fast alle Autoren stimmen darin über¬
ein, daß die Bandagen für die Behandlung der Nabelbrüche bei Fohlen
Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden.
25
umständlich ünd unzweckmäßig sind und daß diese Methode der Therapie
vergangener Zeiten angehört. Wenn Graf Lohndorff (28) behauptet, der
günstige Erfolg der Bruchbandage sei so auffallend, daß die sonst üblichen
Behandlungsmethoden, Abbinden, Abnähen, Brennen usw. vollständig über¬
flüssig werden, so mag sich die günstige Wirkung wohl daraus erklären,
daß Lehndorff das Verfahren bei ganz jungen Fohlen anwendet, bei
denen ein großer Teil der Nabelbrüche von selbst heilt. Bei älteren
Fohlen ist das Anlegen von Bandagen jedenfalls nicht zu empfehlen.
Als Ersatzmittel für das Bruchband sind Heftpflaster oder Pech¬
pflaster versucht worden, dieselben haften aber bei Tieren wegen der
behaarten Haut nicht und bedürfen der Unterstützung durch Bandagen,
wobei die oben genannten Uebelstände sich bemerkbar machen.
2. Scharfe Einreibungen und Aetzmittel.
Die Applikation einer scharfen Einreibung führt nur in seltenen
Fällen zum Ziel. Die Einreibung bezweckt eine entzündliche Schwellung
der Haut und Unterhaut, durch welche ein Druck auf den Bruch¬
inhalt ausgeübt werden soll. Man hat zu diesem Zwecke früher
Kantharidensalbe, Sinapismen, Collodium cantharidatum, Blister u.dcrgl.
empfohlen. Dieses Verfahren findet heute nur noch selten Anwendung
und kaDn nicht befürwortet werden.
Eine weit umfangreichere Verwendung finden in der Praxis die
Aetzmittel, welche eine starke Entzündung der Haut und Unterhaut
mit nachfolgender Nekrose verursachen. Es entsteht eine starke
Schwellung des Bruchsackes, die zunächst auf den Bruchinhalt drückt,
später stößt sich die Haut nekrotisch ab, die darunter erfolgende
Granulation und starke Narbenretraktion verschließt die Bruchpforte
und hält den Darm zurück.
Als Aetzmittel kommen im Wesentlichen die Schwefelsäure,
die Salpetersäure und die Chromsäure in Betracht.
Die Schwefelsäure und Salpetersäure werden entweder unver¬
dünnt mit einem Glasstabe in Form von Strichen aufgetragen, wo¬
bei die Anwendung nur zweimal erfolgen darf, oder sie werden mit
3—5 Teilen Wasser oder Spiritus verdünnt und 5—8 Tage hindurch
täglich zweimal auf den Bruchsack eingerieben. Da man die Wirkung
der Aetzmittel in die Tiefe nicht mit Sicherheit ermessen kann, so
ist bei deren Gebrauch große Vorsicht geboten. Bei sehr dünner
Haut oder bei wiederholter Applikation der Salpetersäure oder Schwefel¬
säure ist eine zu tief gehende Wirkung und ein zu schnelles Abstößen
26
CASPER,
der Haut zu befürchten. Wenn die äußere Haut zu früh nekrotisch
wird, bevor eine Vernarbung der Bruchpforte erfolgt ist, so tritt ein
Darmvorfall ein; geht die Aetzung zu sehr in die Tiefe, so kann es
zu einer adhärierenden Entzündung des Bauchfelles oder sogar zur
Perforation des Darmes kommen. Wenn daher die genannten Aetz-
mittel auch häufig mit bestem Erfolge Anwendung finden, so liegen
andererseits in der Literatur zahlreiche Mitteilungen über unglückliche
Ausgänge und Todesfälle vor.
An Stelle der Schwefelsäure und Salpetersäure sind noch andere
Aetzmittel empfohlen worden, deren Vorzug darin bestehen soll, daß
der Aetzschorf sich langsamerlöst. Peuch (40) hat zuerst das chrom¬
saure Kali empfohlen, welches in Form einer Salbe (1: 5—8) zwei
bis drei Tage nach einander eingerieben wird. Die Haut wird in
einen lederartigen Brandschorf umgewandelt, welcher nach 2 — 3 Wochen
sich ablöst. Foelen(17), Bonnaud(3), Trölut (50), Graf Lehndorff
(28) u. a. haben die günstige Wirkung der Chromkalisalbe bestätigt.
Riedinger (41) empfahl die Anwendung der Chromsäure
(Acidum chromicum 10,0:5,0 aqu. dest). Der Bruchsack wird
einmal mit der Lösung bepinselt, nach 4—6 Wochen fällt der Bruch¬
sack ab. Himmelstoß (24), Weigenthaler (52), Leibenger (28),
Riehlein (42), Ru pp (44) u. a. haben mit der einmaligen Anwendung
der Chromsäurelösung günstige Resultate erzielt. Jedenfalls ermutigen
die bisherigen Erfahrungen zu weiteren Versuchen mit Chromsäure,
deren Applikation eine sehr einfache ist.
Alle vorher genannten Aetzmittel eignen sich nur für die Be¬
handlung kleiner Brüche bei jungen Fohlen, während sie bei größeren
Brüchen und älteren Fohlen vielfach versagen. Degive (6) will
ihre Anwendung auf solche Nabelbrüche beschränkt wissen, bei
denen man nicht mehr als 2 Finger in die ßruchpforte einführen
kann und bei denen der Bruchsack nicht größer als ein Hühnerei
ist. Möller (37) bemerkt sehr richtig, daß die vergebliche An¬
wendung scharfer Mittel leicht zur Verwachsung des ßruchinhalts
mit dem Bruchsack führe, woraus sich später Schwierigkeiten für
die operative Behandlung ergeben.
3. Subkutane Injektion von Kochsalzlösung.
Auf Grund der günstigen Resultate, die Dr. Luton bei der Be¬
handlung angeborener Nabelbrüche der Kinder mit der subkutanen
Injektion von Kochsalzlösung erhalten hatte, empfahl Bouley (4)
Beitrag zur Behandlung der Näbelbröche bei Pferden. 27
die Anwendung dieses Verfahrens auch bei Nabelbrüchen der Pferde.
Diese Injektionen wurden u. a. versucht von Moliniö (36), Lenor-
mand (30), Lucet (33); in Deutschland hat namentlich Imminger
(26) auf dieses Verfahren hingewiesen. Er spritzte unter Beobachtung
der Asepsis 2—3 cm vor und hinter der Bruchöffnung je 30—40 ccm
einer löproz. sterilen Kochsalzlösung ein und zwar bei kleinen
Brüchen bloß einmal, bei größeren 3—4 mal innerhalb 4—6 Wochen.
Hierdurch entstand eine starke, 8—14 Tage lang andauernde An¬
schwellung. Das Verfahren hat in der Praxis keinen rechten Eingang
gefunden, die Resultate waren nicht immer günstig. Schmutterer
(45) wandte es bei sechs 1—3jährigen Fohlen an und erzielte in
5 Fällen Heilung; Liebl (31) und Stenger (47) sahen zweifelhafte
Erfolge.
4. Das Abbinden.
Das Abbinden, Abnähen und Abkluppen der Nabelbrüche
haben in der Praxis eine umfangreiche Anwendung gefunden, alle
3 Methoden verfolgen den Zweck, durch eine eintretende Entzündung
eine Verwachsung des Bruchringes herbeizuführen.
Das Abbinden erfolgt in der Weise, daß nach Reposition des
Bruchinhalts der Bruchsack nahe dem Bruchringe mit einer elastischen
Ligatur bezw. mit einem Faden abgeschnürt wird. Die Operation
selbst geschieht meist an dem auf dem Rücken liegenden Tier. Nach¬
dem man die Haut desinfiziert und die Haare am besten rasiert hat,
bringt man den Bruchinhalt in die Bauchhöhle zurück, verschließt
die Bruchpforte mit dem Finger, hebt den Bruchsack möglichst von
der Bauchwand ab und legt um die Basis des Sackes eine Ligatur
möglichst fest.
Die Ligatur wird sich am besten eignen, wenn der Nabelbruch
eine Einschnürung, einen Hals besitzt. Das ist aber häufig nicht der
Fall, sondern der Bruch ist meist an der Basis am weitesten. Das
dadurch begünstigte Abgleiten der Ligatur sucht man zu verhindern,
indem man unterhalb derselben einen Nagel quer durch den Bruch¬
sack steckt, der die Ligatur in der Lage erhält, oder indem man
mitten durch den ßruchsack mit der Nadel einen doppelten Faden
hindurchlegt und den Bruchsack in zwei Hälften abbindet. Das Ab¬
binden kann selbstredend nur dann Anwendung finden, wenn der
Bruchinhalt frei beweglich, nicht mit dem Bruchsack verwachsen und
nicht eingeklemmt ist, außerdem eignet sich die Ligatur nur für die
28 CASPER,
Behandlung der .Nabelbrüche, die eine verhältnismäßig enge Bruch¬
pforte besitzen.
Nach erfolgter Operation bindet man das Fohlen wenn möglich
einige Tage hoch und füttert es knapp. Die Ligatur schneidet durch¬
schnittlich innerhalb 10—20 Tagen durch und die kleine Wunde heilt
durch Granulation. Nachteilige Folgen dieser Methode können nach
2 Richtungen eintreten, entweder schneidet die Ligatur, wenn der
Bindfaden zu dünn war oder zu fest angezogen wurde, zu früh durch,
dann kann ein Darravorfall entstehen, oder die entstandene Narbe ist
zu schwach, hält dem Andringen der Eingeweide nicht stand und es
kann sich nach einiger Zeit an derselben Stelle ein neuer Bruch
ausbilden.
Die Zahl der Tetanusfälle, die in früheren Zeiten nach dem Ab¬
binden der Nabelbrüche nicht selten waren, hat sich in neuerer Zeit
wesentlich verringert, wohl hauptsächlich deswegen, weil man heute
mehr desinfiziertes Nähmaterial verwendet. Man kann aber selbst in
Gegenden, wo der Starrkrampf häufig vorkommt, die Gefahr desselben
nahezu vollständig ausschließen, wenn man dem Fohlen vor der
Operation eine Schutzdosis Tetanus-Antitoxin injiziert.
5. Das Abnähen
gleicht im Prinzip dem Abbinden, wird aber seltener ausgeführt als
dieses und das Abkluppen. Man legt das Pferd ebenfalls auf den
Rücken, rasiert die Haare ab, reponiert den Bruchinhalt, und indem
man auf die Bruchpforte drücken läßt, um den Inhalt zurückzuhalten,
wird der Bruchsack möglichst nahe der Bauchwand abgenäht, am
besten mittelst einer Schusternaht. Da hierbei die Nadel das Bauch¬
fell durchsticht, ist strenge Antisepsis erforderlich. Um bei einem
größeren Bruch eine gleichmäßige Naht zu erzielen, und den Bruch¬
inhalt bequem zurückzuhalten, kann man zweckmäßig über den
Bruchsack eine schmale eiserne Kluppe legen, über welcher das Ab¬
nähen vor sich geht. Letzteres erfolgt am besten mit starker Seide
(Nr. 11—13); die Naht selbst ist in verschiedener Weise modifiziert
worden, gemeinsam ist allen Methoden, daß der Bruchsack in kleinen
Partieen fest abgenäht wird. Die Kluppen werden sofort wieder
entfernt, während die Nähte liegen bleiben, bis sie zusammen mit
dem abgestorbenen Bruchsack abfallen, worüber etwa 12—20 Tage
vergehen.
Beitrag zur Behandlung der Nabelbrücbe bei Pferden.
29
6. Das Abkluppen
erfreut sich bei den praktischen Tierärzten seit langer Zeit be¬
sonderer Beliebtheit. Das Verfahren besteht darin, daß an dem in
Rückenlage befindlichen, wie oben vorbehandelten Tiere eine Kluppe
über den leeren Bruchsack hinaufgeschoben und möglichst nahe dem
Bruchringe fest zusammengeschraubt wird. Der Brucbinhalt muß
vorher sicher reponiert sein.
Es sind in der Literatur eine große Anzahl von Kluppen be¬
schrieben, die teils aus Holz, teils aus Eisen, teils aus Aluminium
hergestellt sind. Eine Hauptbedingung für brauchbare Kluppen ist
die, daß dieselben einen gleichmäßigen Druck auf die einzelnen
Abschnitte des Bruchsackes ausüben. Die früher benutzten Holz¬
kluppen, welche nach Art der Kastrationskluppen an einem Ende
fest zugebunden oder mit einem Scharnier versehen waren, eignen
sich nicht gut, weil der dem Scharnier nahe liegende Teil abnorm
stark, der entgegengesetzt liegende Abschnitt zu schwach gequetscht
wird. Die Aluminiumkluppen, deren Leichtigkeit sehr vorteilhaft
wäre, haben sich nach den Untersuchungen Immingers (27) als zu
nachgiebig, zu schwach erwiesen. Besser eignen sich eiserne Kluppen,
deren Arme an beiden Enden durch Schrauben nahe aneinander ge¬
bracht werden können, wenn auch eiserne Kluppen verhältnismäßig
schwer sind und wegen ihrer Härte und Schärfe zuweilen zu schnell
durchschneiden. Es ist daher ein Verdienst Riehleins (42), in
neuester Zeit Holzkluppeu konstruiert zu haben, welche durch Schrauben
an beiden Enden ähnlich wie die eisernen Kluppen gleichmäßig an¬
einander gepreßt werden. Nachdem die Kluppen in der bekannten
Weise über den Bruchsack geschoben und die beiden Schrauben ab¬
wechselnd und absatzweise fest angeschraubt sind, so daß die Enden
sich fast berühren, werden die Enden mit gewachstem Spagat sehr
fest zusammengebunden und die eisernen Schrauben dann entfernt.
Damit sind alle vorstehenden und schweren Teile der Kluppe be¬
seitigt und diese bleibt liegen, bis sie von selbst abfällt, was nach
durchschnittlich 2—3 Wochen eintritt. Diese Riehleinschen Holz¬
klappen werden von Hauptner (Katalog Nr. 10235) in 3 verschiedenen
Größen angefertigt, sie haben gegenüber den eisernen Kluppen den
Vorzug, daß sie leichter und billiger sind, bequemer und dabei ge¬
fahrloser durchschneiden, und dürften daher, soweit das Abkluppen
in Betracht kommt, als die brauchbarsten Kluppen anzusprechen sein.
30
CASPER,
B. Die blutige Behandlungsweise der Nabelbrüche,
die Radikaloperation.
Die Radikaloperation der Nabelbrüche, die im wesentlichen in
einem Vernähen der Bruchpforte besteht, wurde schon 1767 von
Robertson mit Erfolg bei Fohlen ausgeführt, aber wegen der Ge¬
fahr der Infektion in der vorantiseptischen Zeit nur selten angewendet.
Erst in neuer Zeit hat diese Methode dank der antiseptischen Be¬
handlung auch in der Praxis immer mehr Anhänger gefunden. Sie
ist angezeigt bei großen Brüchen, bei Verwachsungen des Bruch¬
inhaltes mit dem Bruchsacke, bei Einklemmungen und in den Fällen,
in denen die früher beschriebenen Methoden nicht zum Ziele geführt
haben.
Jede Radikaloperation eines Bruches setzt sich aus vier /Akten
zusammen, nämlich:
1. der Freilegung des inneren Bruchsackes,
2. der Reposition des Bruchinhaltes,
3. der Exstirpation bzw. anderweitigen Versorgung des
inneren Bruchsackes,
4. dem Verschluß der Bruchpforte.
Die einzelnen in der Literatur angegebenen Methoden unter¬
scheiden sich im wesentlichen nur durch die Verschiedenheit der
beiden letzten Akte; die einen exstirpieren den inneren Bruchsack, die
anderen versenken ihn in die Bauchhöhle.
Das Tier wird in den letzten Tagen vor der Operation knapp
gefüttert, abgeworfen und in die Rückenlage gebracht, wobei die Be¬
festigung der Beine am besten in der Weise erfolgt, wie es Frick
in Abbildung Nr. 138 seiner Operationslehre dargestellt hat. Der
Bruchsack und die Umgebung desselben werden abrasiert und desinfi¬
ziert, namentlich bei älteren Fohlen ist eine Chloroformnarkose sehr
zweckmäßig. Nunmehr wird über den Bruchsack in seiner Längs¬
richtung ein Schnitt durch die äußere Haut gelegt und der innere
Bruchsack bis zum Bruchring und etwas außerhalb desselben frei
präpariert.
Entweder trägt man jetzt den inneren Bruchsack hart am Bruch¬
ringe mit der Schere ab und skarifiziert die kallösen Bruchränder
[Degive (6), Fröhner (12 u. 13), Kraeraer (25), Wiesner (53),
Möller (37), Frick (16)] oder aber man stülpt den inneren Bruchsack,
Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden. 31
ohne ihn zu öffnen, in die Bauchhöhle [Hering (22), Siedaragrotzky
(46), Fröhner (14), Gutmann (20)].
In beiden Fällen werden dann die Bruchränder durch starke
Seidenfäden vereinigt, die nur in der Muskulatur reichlich 2 cm vom
Bruchring entfernt tief und dicht anzulegen sind. Den Beschluß bildet
eine Naht der Haut, wobei von letzterer praktischerweise nichts ab¬
getragen werden soll.
Dieses Radikal verfahren ist von einzelnen Chirurgen modifiziert
worden. So empfahl Gutmann (20), der nach beiden Methoden Mi߬
erfolge erlebte, die Nähte so anzulegen, daß eine mit Seidenfäden
versehene Nadel zuerst in einer Entfernung von ca. 3 cm vom Bruch¬
ringe in die Bauchwand eingestochen und hart am Bruchringe heraus¬
gezogen wird, am entgegengesetzten Bruchrande findet der Einstich
mit der Nadel direkt am Bruchrande statt, der Ausstich aber 3 cm
davon entfernt. Der Zeigefinger der linken Hand hält den Bruchsack
in der Bauchhöhle zurück. Bevor nun die 3—4 durch die Bruch¬
ränder gezogenen Seidenfäden definitiv geknotet werden, werden sie
so lose gezogen, daß der Bruchsack unter ihnen heraustreten, mit
einer Zange erfaßt und mit Katgut abgenäht und exstirpiert werden
kann. Erst jetzt werden die Seidennähte zugezogen und so geknotet,
daß die Ränder des Bruchsackes aneinander kommen. Die Haut¬
wunde wird mit einer Knopfnaht vernäht, nur in ihrem vorderen Teil
bleibt dieselbe für den Abfluß des Wundsekretes offen. Nach etwa
8 Tagen werden die durch die Bruchränder gelegten Seidenfäden ent¬
fernt, die Heilung erfolgt in 4—5 Wochen.
Daß auch die Radikaloperationen nicht immer zum Ziele führen,
geht u. a. aus den Mitteilungen Gutmanns (20) hervor. Er fand,
daß von 20 Fohlen, bei denen er die Bruchränder mit Katgut vernäht
hatte, bei 5 Fohlen nach einem halben Jahre ein Rezidiv eingetreten
war. Gutmann führt diese Mißerfolge zum Teil auf die Verwendung
von Katgut zurück, weil dasselbe zu schnell resorbiert würde. Er
hat deshalb später den Bruchsack versenkt und Seidenfäden zur Naht
benutzt, aber auch hiernach wurden unter 16 Fällen 2 Rezidive
beobachtet.
Mir selbst hat die früher mehrfach ausgeführte Radikaloperation
m einem Falle Bedenken verursacht. Ein zweijähriges Fohlen, bei
welchem der Bruchsack versenkt und die Bruchränder mit starken
Seidenfäden vernäht worden waren, ging 3 Wochen nach der Operation
dnrch einen unglücklichen Zufall zugrunde (es war mit dem Kopfe
32 CASPER,
zwischen 2 Stangen geraten und vermochte denselben nicht zu be¬
freien). Bei der Sektion war die Bruchpforte geschlossen und in bester
Verwachsung begriffen, aber es war ein Teil des Grimmdarraes im Be¬
reiche des eingestülpten Nabelbruchs und darüber hinaus mit dem Peri¬
toneum parietale verlötet. Zweifellos ist infolge der Eiterung der
Nähte eine Entzündung auf das Peritoneum fortgeleitet worden und
hat dort eine Adhäsion bedingt. Die zirkumskripte Peritonitis hätte,
wenn das Fohlen nicht durch den Zufall verendet wäre, wahrschein¬
lich zu wiederholten Kolikanfällen mit schließlichem letalen Ausgange
geführt.
Ich habe deshalb in der Folgezeit ein Verfahren eingeführt,
welches eine Kombination des Abnähens mit der radikalen Methode
darstellt und anscheinend auch schon von Vennerholm versucht
wurde. Die von mir geübte Operation gestaltet sich wie folgt:
Das Fohlen erhält in den letzten Tagen nur eine halbe Ration
Futter und während der Zwischenzeiten, um das Streufressen zu ver¬
hüten, einen Maulkorb angelegt. An den beiden der Operation voraus¬
gehenden Tagen wird je eine Injektion von Arekolin appliziert. Das
mit deutschem Wurfzeuge abgeworfene Fohlen wird in die Rückenlage
gebracht, wozu ich in unserer Operationshalle einen Flaschenzug be¬
nutze, der an der Decke angebracht ist. Die beiden Hinterfüße
werden ausgefesselt und nach hinten gezogen, wobei Achtertouren
um die Sprunggelenke dieselben gebeugt erhalten. Die Befestigung
des Tieres wird am besten aus Figur 138 der Operationslehre von
Frick ersichtlich; die Nabelgegend liegt dabei vollkommen frei, der
Operateur hat genügend Raum und ist gegen Bewegungen der Hinter¬
füße geschützt. Der Bruchsack und seine nächste Umgebung wird ab¬
rasiert und gründlich mit Sublimatwasser und Sublimatalkohol ge¬
reinigt. Nachdem der Patient chloroformiert ist, legt man nach
Emporheben einer Hautquerfalte einen Längsschnitt durch die Haut,
welcher das vordere und hintere Ende des Bruchsackes etwas über¬
schreitet. Sodann wird die äußere Haut nach rechts und links vor¬
sichtig vom inneren Bruchsack abpräpariert, was keine Schwierigkeiten
verursacht. Das Abpräparieren der Haut muß soweit erfolgen, daß
der innere Bruchsack ganz zu übersehen ist und die Ränder der
Bruchpforte vollkommen freigelegt sind. Man kann sich jet2t über¬
zeugen, daß, wie immer auch der Bruch im ganzen gestaltet war,
der innere Bruchsack einen Beutel bildet, der an dem Bruchringe'eine
deutliche Einschnürung, einen wirklichen Hals aufweist. .
Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden.
33
Jetzt schiebe ich über den inneren Bruchsack, während ein
Assistent durch einen Druck mit den Fingerspitzen den Bruchinhalt
zurückhält, eine schmale Kluppe (am besten eignet sich dazu die
französische Bruchkluppe, Hauptner Katalog Nr. 3337, von welcher
ich allerdings das eine Branchenpaar als unnütz entfernt habe) über
den Bruchsack, ziehe diesen möglichst weit hervor, so daß die Kluppe
unmittelbar am Bruchring der Bauchwand dicht ansitzt, und schraube
nunmehr die Kluppe vorsichtig zu.. Durch Einschneiden des Bruch¬
sackes überzeuge ich mich, daß derselbe leer ist, und stelle dabei
meist fest, daß am Grunde des Bruchsackes Spuren einer fibrinösen
Entzündung vorhanden sind, die wohl auf eine frühere vergebliche Be¬
handlung zurückzuführen sind. Nachdem die Kluppe fest zugeschraubt
ist, nähe ich den inneren Bruchsack dicht oberhalb der Kluppe (das
Pferd liegend gedacht) ab, wobei ich mich der Schusternaht bediene.
Ein starker Seidenfaden wird an beiden Enden mit Nadeln versehen;
die Nadeln werden, von dem einen Ende des Bruchsackes beginnend,
in entgegengesetzter Richtung durch ein und dasselbe Stichloch ge¬
führt und die Fäden jedesmal fest angezogen. Das nächstfolgende
Stichloch ist etwa 1 cm weit entfernt. In dieser Weise wird der Bruch¬
sack durch eine Reihe fester, zusammenhängender Ligaturen abge¬
schnürt. Die Fäden knote ich zur Sicherheit in jedem zweiten Stich¬
loch, damit sie nicht an einer Stelle zu sehr nachgeben und die
Spannung ungleich wird.
Nach dem Anlegen der Naht schneide ich den inneren Bruchsack
etwas oberhalb der Nahtreihe mit dem Messer glatt ab und entferne
die Kluppe.
Hierauf lege ich eine größere Kluppe (aus Aluminium oder Eisen
oder eine Holzkluppe nach Riehlein) über die beiden Lappen der
äußeren Haut, ziehe dieselben möglichst weit durch die Kluppe hin¬
durch und schraube diese fest an. Mit einem starken Seidenfaden
wird jetzt dicht unterhalb der Kluppe (das Pferd liegend gedacht)
die äußere Haut in derselben Weise, wie der innere Bruchsack etappen¬
weise abgenäht, wobei die Fadenenden ebenfalls immer fest ange¬
zogen und öfter geknotet werden, um eine gleichmäßige Spannung zu
erzielen. Der über die Kluppe hervorstehende Teil der Hautlappen
kann mit dem Messer abgetragen werden. An dem abhängigsten
(vorderen) Winkel der Wunde lasse ich einen mit Jodoformäther ge¬
tränkten Gazestreifen heraushängen, um dem in den nächsten Tagen
auftretenden eiterigen Sekret Abfluß zu verschaffen.* Die äußere
Arehir f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band.
3
34
CASPER,
Kluppe kann man entweder bald entfernen oder auch 24 Stunden
liegen lassen. In den nächsten Tagen stellt sich eine ziemlich um¬
fangreiche Schwellung der Haut und Unterhaut in der Umgebung des
Bruches ein, die mit etwas Temperatursteigerung verbunden ist,
während die Freßlust unverändert gut bleibt. Die Wundränder
werden täglich mit Jodtinktur bepinselt; nach 10—14 Tagen lösen
sich die Reste des Bruchsackes ab und der Patient kann nach
2—3 Wochen die Klinik verlassen.
Das von mir angewendete Verfahren unterscheidet sich vom Ab¬
nähen und Abkluppen dadurch, daß ich das Abschnüren des inneren
Brucksackes unmittelbar an der ßruchpforte vornehmen kann. Wenn
man die Kluppe, wie das gewöhnlich geschieht, auf den uneröffneten
äußeren Bruchsack anlegt, so kann man den Bruchsack noch so sehr
anziehen, man veimag doch die Kluppe nicht sicher bis an den Hals
des inneren Bruchsackes zu schieben. Es bleibt dann immer ein
gewisser Spielraum außerhalb der Bauchhöhle, zwischen der Kluppe
und der Bruchpforte, welcher beim stehenden Pferde durch den an¬
drängenden Darm leicht vergrößert wird, während bei der von mir
geübten Methode außerhalb der Bruchpforte nicht der geringste Spiel¬
raum ist. Die Abschnürung des Bruchsackes erfolgt in der denkbar
zuverlässigsten Weise. Dadurch, daß ich den inneren Bruchsack für
sich und außerdem noch den äußeren Bruchsack exakt abnähe, be¬
steht ein doppelter Schutz gegen die Gefahr des zu frühen Absterbens
des Bruchsackes und des Darm Vorfalles. Die Retraktion und Narben¬
bildung geht an zwei von einander unabhängigen Stellen vor sich und
muß dadurch eine stärkere Wirkung erzielen, einem größeren Drucke
gewachsen sein. Die Heilung erfolgt zwar niemals per primam,
sondern auf dem Wege der Eiterung, aber der kosmetische Effekt
nach der Operation ist ein recht guter.
In den von mir bisher behandelten Fällen ist der Erfolg ein
bleibender gewesen, obwohl es sich um Fohlen im Alter von 1 bis
2 Jahren handelte, bei denen vorher andere Methoden erfolglos ver¬
sucht worden waren. Die Methode besitzt gegenüber dem Abnähen
und Abkluppen den Vorzug der größeren Sicherheit, andererseits
ist die Gefahr der Peritonitis viel geringer als bei der Radikal¬
operation.
Ueber das Verfahren der Paraffin-Einspritzung vermag ich
ein eigenes Urteil nicht abzugeben, da diese ßehandlungsweise in
unserer Klinik noch nicht versucht wurde.
Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden.
35
Literatur.
1) Ableitner, Die Behandlung des Nabelbruch es. Oesterr. Monatsschr. f. Tier-
heilk. 1885. S. 6.
2) Bayer, Tierärztliche Operationslehrc. 1906. III. Aufl. S. 496.
3) Bonnaud, Journal de raed. vet. 1868.
4) Bouley, Dictionnaire pratique. 1874. Les hernies ombilicales.
5) Cordclier, De la eure radicale des hemies. Recueil de med. vet. 1896. p. 660
6) Degive, Annales de raed. vet. 1884 u. 1887. p. 25.
7) Derselbe, Precis de medecine operatoire. Bruxelles 1908. p. 379.
8) Eggmann, Schweizer Archiv für Tierheilkunde, 1894. S. 12.
9) Eleonet, Recueil de med. vet. 1867. p. 193.
10) Esser, Mitt. a. d. tierärztl. Praxis im preuß. Staate. Neue Folge. 1881/1882
11) Fröhner, E., Spezielle Chirurgie für Tierärzte. III. Aufl. 1905.
12) Derselbe, Radikaloperation eines Nabelbruches. Wochenschr. f. Tierheilk.
1884. S. 205.
13) Derselbe, Monatsh. f. Tierheilk. Bd. VII. S. 21.
14) Derselbe, Radikaloperation eines inkarzerierten Nabelbruches. Ebendas.
Bd. VIII. S. 15.
15) Derselbe, Geheilter Nabelbruch. Ebendas. Bd. 14. S. 475.
16) Frick, Tierärztliche Operationslehre. 1906. S. 223.
17) Foelen, Annal. de med. vöt. 1867.
18) Gmelin, Die Krankheiten des Nabels. Handbuch der tierärztl. Chirurgie
von Bayer und Fröhner. Bd. III. II. Teil. S. 419.
19) Graser, Handbuch der praktischen Chirurgie von v. Bergmann, v. Bruns u.
v. Mikulicz. 1902. Bd. II.
20) Gutmann, Handbuch der tierärztl. Chirurgie von Bayer u. Fröhner. III. Bd.
1908. 2. Teil. 2. Aufl. S. 135.
21) Hendrickx, Considerations sur la hernie orabilicaie du poulain. Annales de
med. vet. Juin 1906.
22) Hering, Operationslehre für Tierärzte. VI. Aufl. 1897.
23) Hertwig, Handbuch der Chirurgie. VII. Aufl. 1874.
24) Himraelstoß, Wochenschr. f. Tierheilk. 1894. S. 333.
25) Krämer, Die Operation der Nabelbrüche. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1894.
S. 54.
26) Imminger, Eine neue Behandlung der Nabelbrüche. Repertorium der Tier¬
heilk. 1891. S. 77.
27) Derselbe, Einiges über Aluminium. Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 491.
28) Lehndorff, Graf, Handbuch für Pferdezüchter. 1909. V. Aufl. S. 131.
28 a) Leib enger, Wochenschr. f. Tierheilk. 1900. S. 265.
29) Leipold, Ebendas. 1903. S. 257.
30) Lenormand, Recueil de med. vet. 1891.
31) Liebl, Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 195.
32) Lomas, The veterinarian. 1872.
33; Lucet, Recueil de med. vet. 1886 u. 1891.
34) Markcrt, Wochenschr. f. Tierheilk. 1891. S. 143.
3
36 CASPER, Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden.
35) Mauri, Revue vet6rinaire. 1882 u. 1890.
36) Molinid, Recueil de möd. vöt. 1877.
37) Möller, Lehrbuch der speziellen Chirurgie. IV. Aufl.
38) Müller, Die Krankheiten des Hundes. II. Aufl.
39) Pütz, Oesterr. Zeitschr. f. wissenschaftl. Yeterinärk. 1891. IV. Bd. S. 65.
40) Peuch, Journal de med. vet. 1868 u. 1878.
41) Riedinger, Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 194.
42) Riehlein, Ueber Nabel- und Bauchbrüche. Berl. tierärztl. Wochenschr.
1909. S. 323.
43) Rolland, Recueil de med. vöt. 1903. p. 641.
44) Rupp, Tierärztliche Rundschau. 1909. Nr. 41. S. 327.
45) Schmutterer, Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 195.
46) Siedamgrotzky, Bericht über das Veterinärwesen im Kgr. Sachsen. 1879
S. 86; 1886. S. 25.
47) Stenger, Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 196.
48) Stockfleth, Handbuch der tierärztl. Chirurgie. Bd. II. II. 3. S. 401 ff.
49) Stoß, Fissura abdominalis bei sämtlichen Föten einer Katze. Deutsche Zeit¬
schrift f. Ticrmed. 1892. Bd. XVIH. S. 44.
50) Trelut, Recueil de med. vet. 1894.
51) Vennerholm, Spezielle Operationslehre des Pferdes. 1907. S. 352.
52) Weigenthaler, Wochenschr. f. Tierheilk. 1900. No. 27.
53) Wicsner, Berl. tierärztl. Wochenschr. 1890. S. 177.
54) Zahn, Deutsche tierärztl. Wochenschr. 1895. S. 143.
55) Zwicker, Berl. tierärztl. Wochenschr. 1898. S. 265.
IV.
Aas dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Hannover.
Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestut Beberbeck
während des Winters 1907/08.
Von
Geh. Reg.- u. Med.-Rat Prof. Dr. Dammann.
Ein umfangreiches seuchenhaftes Verfohlen ist im Laufe der
Jahrzehnte zu wiederholten Malen beobachtet worden, u. a. von
Guillerey 1 ), welcher eine interessante Zusammenstellung der bisher
bekannt gewordenen Fälle lieferte und seine eigenen in der Ajoie
suisse, einer am Nordabhang des Jura, in der Nähe von Beifort,
während der Jahre 1897—1899 hierüber gemachten Wahrnehmungen
hinzufügte. Er sprach sich mit Bestimmtheit dahin aus, daß das
seuchenartige Verwerfen ausschließlich kontagiöser Natur sei: den Er¬
reger derselben hat er aber nicht nachgewiesen.
Dagegen will Ostertag 2 ) einen solchen ermittelt haben, als im
Winter 1899/1900 in den meisten preußischen Staatsgestüten, in
Trakehnen, Graditz, IJoppegarten, Neustadt a. d. Dosse und Beber¬
beck, ein ausgebreitetes Verfohlen aufgetreten war und er Gelegenheit
erhielt, an frisch durch besondere Boten aus Graditz und Hoppe¬
garten in sein Institut beförderten Eihäuten und Fohlen Untersuchungen
anzustellen. Ueberraschender Weise war es aber nicht der wenige
Jahre vorher von Bang unter Mitwirkung von Stribolt als Erreger
des ansteckenden Verkalbens nachgewiesene kleine, kurze und ver¬
hältnismäßig dicke, gekörnte Bazillus, sondern ein kurzer Streptokokkus,
welchen er in ursächliche Beziehung zu dem seuchcnhaften Verfohlen
1) Arch. f. Wissenschaft! u. prakt. Tierheilkunde. Bd. XXIX. 1903. S. 37.
2) Monatsh. f. prakt. Tierheilkunde. Bd. XII. 1901. S. 385. — Handb. d.
pathogenen Mikroorganismen. 1903. III. 287.
38
DAMMANN,
brachte. Alle seine Versuche, den Bangschen Abortusbazillus in
Ausstrichpräparaten nachzuweisen und in den nach den Angaben von
Bang in Seruraagar angelegten Kulturen zur Entwickelung zu bringen,
schlugen fehl. Die bezeichneten Streptokokken hingegen, und zwar
solche, welche sich nach Gram nicht färbten, wurden von ihm sowohl
im subchorialen Oedem als auch im Herzblut, in der Brusthöhlen¬
flüssigkeit und im Mageninhalt der totgeborenen Fohlen gefunden.
Im Körper der Früchte fanden sie sich in sieben Fällen in Reinkultur,
in den übrigen Fällen aber, sowie stets auf der Oberfläche des
Chorions, in Gemeinschaft mit anderen Bakterien und an letzterer
Stelle zu zwei und mehr Exemplaren im Protoplasma von Epithel¬
zellen eingeschlossen. Die Kultur gelingt nach Ostertag noch am
besten in Serurabouillon, in dem Transsudat aus der Brusthöhle der
Abortusfohlen und auf Serumagar. In Serumbouillon und im Trans¬
sudate erzeugen die Streptokokken nach zweitägigem Wachstum eine
gleichmäßige Trübung, um sich nach weiteren zwei Tagen zu Boden
zu senken. Auf Serumagar wachsen sie in Form eines zarten, mit
bloßem Auge kaum wahrnehmbaren Belages, in Serumagar als
schwacher, von der Oberfläche bis zum Boden des Kulturröhrchens
reichender Faden. Die Kulturen werden mit jeder Generation schwerer
überimpfbar.
Von vier trächtigen Stuten, an denen Infektionsversuche vorge¬
nommen wurden, verwarfen zwei, die eine, welche eine intravenöse
Injektion von 20 ccm Bouillonkultur aus Lederhaut von einem Gra-
ditzer Abortfohlen in die Drosselvene bekommen hatte, nach 20 Tagen,
die andere, welcher ein Chorionstückchen von einem solchen Fohlen
in die Scheide gebracht war, schon nach 8 Tagen. Die Untersuchung
wies in dem ersteren Falle auf der Lederhaut und im Herzblut des
totgeborenen Fohlens sowie in dem graurötlichen dicken Belag der
Gebärmutter der Tags darauf getöteten Stute Abortuskokken nach.
In dem zweiten Falle fanden sich solche auf der Lederhaut des
Fohlens und im Scheidenausfluß der Stute. Die beiden anderen Ver¬
suchsstuten, von denen die eine Brusthöhlenflüssigkeit eines Abort¬
fohlens aus lloppegarten in die Jugularvene gespritzt bekommen
hatte, während der anderen Bouillonkultur aus dem Scheidenausfluß
der vorhin genannten Stute, welche nach 8 Tagen abortierte, in die
Vagina gebracht war, brachten lebende, W'enn auch sehr schwache
Fohlen zur Welt.
Einführen von Eihautfetzen von Stuten, welche verfohlt hatten,
Das seuchenhafte Verfoblen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 39
in die Scheide von 10 Kühen und 2 Ziegen brachten bei diesen keinen
Abortus zu Wege. Dies erscheint um so bemerkenswerter, als es
Bang bekanntlich gelungen ist, auch bei einer trächtigen Stute durch
Injektion von 25 ccm der Kultur seines Abortusbazillus in die
Scheide nach 28 Tagen eine Frühgeburt herbeizuführen und in dem
Chorionexsudat auch in diesem Falle zahlreiche Exemplare seines
Bazillus nachgewiesen werden konnten.
In den folgenden Jahren sind Fälle eines seuchenhaften Ver-
fohlens in den genannten preußischen Staatsgestüten nicht wieder vor¬
gekommen.
Erst im Winter 1907/08 stellte sich diese Kalamität im Haupt¬
gestüt Beberbeck und nur in diesem wieder ein. Von dem Auf¬
treten derselben gab mir, nachdem mir bereits am 15. Februar ein
zwar lebend geborenes, aber nach etwa 36 Stunden eingegangenes
Fohlen von dort zur Untersuchung eingeschickt war, ein auf Ver¬
fügung des Herrn Landwirtschafts-Ministers vom 18. Februar 1908
mir übermittelter Bericht des Gestütsinspektors Veterinärrat Mieckley
vom 13. Februar nähere Kenntnis. Danach hatten vom 4. Januar
bis zu dem ebengenannten Tage in kurzen Zwischenräumen 10 Mutter¬
stuten, sämtlich im 9. oder 10. Monat der Trächtigkeit, verfohlt;
außerdem waren 4 lebendgeborene Fohlen innerhalb einiger Stunden
nach der Geburt an Lebensschwäche eingegangen, und als besonders
auffallend w'urde hervorgehoben, daß seit dem 7. Februar 6 noch
trächtige und 2 bereits säugende Mutterstuten von einer „infektiösen
Rückenmarkslähmung“ mit ataktischen Bewegungen der Gliedmaßen,
gelblich gefärbten Kopfschleimhäuten bei normaler oder subnormaler
Körpertemperatur ergriffen worden seien.
Infolge telegraphischer Anordnung des Herrn Ministers nahm ich
am 2. März eine Lokaluntersuchung in Beberbeck vor. Hierbei er¬
fuhr ich zunächst, daß im Frühjahr 1907 insgesamt 101 Mutterstuten,
darunter 2 fremden Besitzern gehörende, welche beide bis zur Ab-
fohlzeit 1908 im Gestüt verblieben, gedeckt waren.
Von den 99 besprungenen Gestütsstuten waren 67 tragend ge¬
worden, 32 dagegen giist geblieben.
Von den 67 trächtig gewordenen Stuten waren bis zum Tage
meines Dortseins 2 — und zwar am 7. November 1907 und am
16. Januar 1908 — an Kolik eingegangen, 1 — am 16. August 1907 —
wegen Kreuzlähmung getötet worden.
40
DAMMANN,
Von diesem liest von 64 trächtigen Stuten hatten bis zu dem
genannten Tage (2. März)
30 Stuten tote Fohlen geworfen,
7 Stuten lebensunfähige, bald nach der Geburt gestorbene
Fohlen geboren,
und nur
19 Stuten lebende und am Leben gebliebene Fohlen gebracht.
Es standen nur noch 8 trächtige Stuten da, von denen Fohlen
erwartet werden durften.
Leber die Haltung der Stuten im dortigen Gestüt belehrten mich
meine Erhebungen wie folgt.
Die bereits trächtigen Stuten werden alljährlich im Frühjahr, wenn
die Weidezeit naht — Mitte Mai —, durch Abzug von Hafer und Heu vor¬
bereitet und kommen täglich für einige Stunden auf die Weide. Ist
das Wetter dann günstig, so werden die Stuten nach einigen Tagen
beschränkten Weidens Tag und Nacht auf der Weide belassen. Sie
kommen dann vor Oktober nicht mehr in den Stall und müssen sich
lediglich durch den Weidegang ernähren. Die Weideplätze werden
selbstredend nach Bedarf gewechselt.
Die Stuten haben auf der Weide keinen Unterschlupf, sondern
müssen die Unbilden der Witterung ohne Schutz ertragen.
Von der Zeit an, wo die Nächte kalt zu werden beginnen und
die Stuten für die Nacht in den Stall genommen werden müssen, er¬
halten sie anfänglich (im Oktober) pro Tag und Kopf 2 Pfd. Hafer
und ca. 5 Pfd. Heu. Diese Ration steigt bis zur vollen Winterauf¬
stallung auf täglich 5 Pfd. Hafer und beliebige Mengen Heu — 12 Pfd.
und darüber. —
Säugende Stuten erhalten 8 Pfd. Hafer und die eben genannte
Quantität Heu.
Während der Winterzeit wird sämtlichen Stuten wöchentlich
einmal abends ein Maschfutter aus Weizenkleie und etwas Wachholder¬
beeren gereicht. Salzsteine sind zum Lecken ad libitum in den
Krippen vorhanden.
Der Sommer 1907 war besonders naß und kalt und hierunter
haben die Mutterstuten wohl erheblich gelitten. Sie kamen deshalb
trotz der größeren Zahl guter Tage, welche der Herbst noch brachte,
miserabel zur Aufstallung.
Der Stutenstall selber macht, soweit man es bei einmaliger Be¬
sichtigung beurteilen kann, den Eindruck eines feuchten Stalles,
von
Das seuchenbafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 41
dem mir gesagt wurde, daß er selbst bei Evakuierung im Sommer
au heißen Tagen nicht trocken ist.
Der Laufhof, auf dem die Stuten während des Winters die nötige
Bewegung finden, dessen Unterlage Gips ist, soll nach der mir ge¬
machten Angabe in diesem Winter nie trocken gewesen sein. Der
Schmutz spritzte den tragenden Stuten an den Bauch, und nach dem
Bewegen sollen die Leute nicht imstande gewesen sein, sie trocken
zu bekommen.
Das den Stuten im Stalle gereichte Heu und der Hafer waren,
so heißt es, von bester Qualität und gut geerntet. Indessen sollen
die Gräser einer ira Juli und August von den Stuten begangenen
Koppel von einem benachbarten stark befallenen Weizenfelde her
viel Rostpilze gehabt haben. Auch hat es sich ereignet, daß in der
Zeit vom 28. Januar bis 3. Februar 1908 Hafer zur Verwendung kam,
der geringen Bodengeruch besaß.
Es verdient hervorgehoben zu werden, daß fast alle hier in Be¬
tracht kommenden Stuten bei der Deckung künstlich nachbefruchtet
sind. Dies ist in der Weise ausgeführt worden, daß nach dem
Sprunge der in der Scheide enthaltene Same ausgekratzt, in eine
Spritze gebracht und mittels dieser durch den Muttermund in die Ge¬
bärmutter befördert wurde.
Bezüglich der seit dem 7. Februar bei 8 Stuten aufgetretenen
.,infektiösen Rückenmarkslähmung“ hat Veterinärrat Mickley noch
angegeben, daß die davon betroffenen Tiere im Gange schwankten,
daß deren Konjunktiven schmutzig rot gefärbt und leicht ödematös
geschwollen, die Maulschleimhaut gelblich gefärbt, die Freßlust wenig
gestört, die Temperatur kaum erhöht, oft anfänglich sogar subnormal
war und daß dieser Zustand sich nach und nach besserte. Von
diesen 8 Stuten brachten 6 bereits so erkrankte tote Junge zur
Welt, während bei zweien dieser Krankheitszustand sieh erst ein¬
stellte, nachdem sie schon normal geboren hatten. Diese letzteren
beiden säugten ihre Fohlen auch groß.
Im Hinblick auf das seuchenartige Auftreten des Verfohlens
mußte sich natürlich in erster Linie der Gedanke aufdrängen, daß
dieses einen infektiösen, ansteckenden Charakter an sich trage. Die
in dieser Beziehung gemeinsam mit dem Herrn Landstallmeister und
und dem Herrn Gestütsinspektor angestellten Erwägungen vermochten
42
DAMMANN,
indes keinerlei Anhaltspunkte dafür zu liefern, wie der Ansteckungs¬
erreger hätte eingeschleppt sein können.
Im Vorjahre hatte kein ansteckendes Abortieren in Beberbeck
geherrscht.
Die 2 fremden im Gestüt befindlichen Stuten konnten den In¬
fektionserreger schlechterdings nicht mitgebracht haben.
Einige andere fremde, auswärts stehende Stuten waren zwar
von zwei oder drei der Hauptbeschäler im Jahre 1907 besprungen
worden, aber die Mutterstuten des Hauptgestüts, welche weiterhin
verfohlten, hatten nicht etwa bloß von diesen Beschälern ihren Sprung
erhalten, sondern an deren Deckung waren sämtliche Hauptbeschäler
beteiligt.
Nichtsdestoweniger wurde von mir für nötig erachtet, die Sache
zunächst so aufzufassen, als ob es sich um ein ansteckendes
Verfohlen handle, und demgemäß scharf hervorgehoben, wie es
notwendig sei,
den abortierten Fötus nebst den Eihäuten und den Dünger der be¬
treffenden Box sowie wertlose Gegenstände (Besen, Putzlappen) jedes¬
mal sofort zu verbrennen,
die Box selber und die Jaucherinnen gründlich und sorgfältig
zu desinfizieren,
ingleichen eine gründliche Reinigung der Hände, Stiefel und
Kleidung der Wärter der Stute, welche verfohlt hat, vorzunehmen,
die betreffende Stute zu isolieren und ihr, solange der noch ge¬
öffnete Muttermund es gestattet, täglich 2 mal die Gebärmutter mit
y 2 proz. lauwarmem Lysolwasscr auszuspülen,
die Wärter der letzteren samt ihren Geräten von den anderen
Stuten fernzuhalten und umgekehrt,
die Stuten, welche abortiert haben, frühestens 6 Wochen nach
dem Ablauf ihrer normalen Tragezeit wieder decken zu lassen,
die Rute der Beschäler, welche den Sprung ausführen sollen,
vor und nach jedem Sprung durch Infundieren großer Mengen der¬
selben Lysollösung in den Schlauch gründlich zu desinfizieren.
Diese Maßnahmen waren in der Hauptsache auch bereits an¬
geordnet.
Die Entscheidung der Frage, ob ein Infektionserreger das
seuchenartige Verfohlen in Beberbeck verschuldet habe,
oder auf welches sonstige ätiologische Moment dasselbe
Das seuchenhafte Verfehlen im Hanpigestät Beberbeck usw.
43
etwa zurückzuführen sei, ließ umfangreiche exakte Unter¬
suchungen und Versuche notwendig erscheinen. So nahe der Ge¬
danke an den infektiösen Charakter der Seuche auch liegen mochte,
immerhin mußte doch auch mit der Möglichkeit gerechnet werden,
daß die Ursache in dem Futter oder dem Trinkwasser zu suchen
sei. Untersuchungen dieser Materialien mußten also nebenher laufen.
Die zur Klarstellung ausgeführten Arbeiten gliederten sich dem¬
nach in folgende:
I. Untersuchungen der abortierten Fohlen und Ei¬
häute,
II. Versuche der Uebertragung des Abortierens durch
Teile der Föten bezw. Eihäute und durch aus diesen
gezüchtete Kulturen,
III. Versuche der Hervorrufung des Yerwerfens durch
in Beberbeck verwendetes Futter,
IV. Untersuchung des Beberbecker Trinkwassers.
Ich lasse die einzelnen Arbeiten und deren Ergebnisse folgen.
I. Untersuchungen der abortierten Fohlen nnd Eihäute nnd
anderer von Normalgeburten ans Herrenhansen stammender Eihänte.
Entsprechend der Anordnung des Herrn Ministers für Landwirt¬
schaft, Domänen und Forsten und meinen Wünschen gemäß sind
mir die Eihüllen nebst den Fohlenkadavern bezw. Teilen letzterer von
8 Aborten aus Beberbeck zugegangen. Dieselben wurden jedesmal
so frisch wie möglich durch besondere Boten in das hygienische In¬
stitut der Hochschule gebracht.
Bei den Untersuchungen mußte, abgesehen von den bei der
Sektion zu ermittelnden krankhaften Veränderungen an den Eihäuten
und in dem Fohlenkadaver, vor allem darauf Gewicht gelegt werden,
ob sich der von Ostertag entdeckte und von ihm als Erreger des
infektiösen Abortus der Stuten angesprochene kurze Streptokokkus
ausfindig machen lasse.
Fohlen 1 . Am 13. 2. 1908 wurden vom Gestütstierarzt
Höpcrmann ein abortiertes Fohlen (Fohlen 1 von der Ostara
stammend) mit Eihäuten (aufgeschnitten), außerdem 2 Herzen,
2 Nieren, 1 Milzstück und 1 Stück Eihaut von anderen abortierten
Fohlen überbracht.
Obduktionsbefund der Fohlen: Starke Gelbfärbung des subkutanen,
intcrrauskulären, retroperitonealcn, subpleuralen, subepikardialen und des intra-
orbitalen Fettgewebes. Auch die Gelenkknorpel und die Intima der Gefäße sind
44 DAMMANN,
gelblich verfärbt Die eigentliche Sklera hat nur einen schwach gelblichen Farben¬
ton. sie schimmert aber auch durch das sie bedeckende auffallend gelb gefärbte
Augenfettgewebe intensiv gelb durch. Auch die Maulschleimhaut, der Kehldeckel
und die Lidbindehäute sind leicht gelblich verfärbt. Der Nabel und die Nabel¬
gefäße zeigen keine Besonderheiten.
In der Bauchhöhle etwa 70 ccm einer rötlich-gelben, schwach getrübten
Flüssigkeit; ebensolche Flüssigkeit, ca. 40 ccm, in den Bauchfellsäcken. Im
Herzbeutel etwa 2 Eßlöffel voll einer klaren goldgelbgefärbten Flüssigkeit. Außer¬
dem sieht man subepikardiale und subendokardiale Blutungen, einige auch im Peri¬
kard. Die Darmschleimhaut ist stellenweise diffus und ramiform gerötet. Sonst
sind keine Besonderheiten festzustellen. Leber sehr blutreich. Die Darmlymph-
drüsen sind nicht geschwollen. Blut schwarzrot und nicht geronnen. Es finden
sich nur einige kleine schlaffe Gerinnsel in der rechten Herzkammer.
Das Chorion (auch von dem mitüberbrachten Eihautstück) ist braunrot ge¬
färbt und verhältnismäßig trocken. Subchoriales Oedem ist an keiner Stelle fest¬
zustellen.
Die miteinge,sandten Organe zeigten keine pathologisch-anatomischen Besonder¬
heiten.
Mikroskopisch fanden sich im Herzblut, in den großen Körperparenchymen
und in den Körperflüssigkeiten keine Bakterien. Auf damit beschicktem Agar und
Serum-Agar wuchsen nur vereinzelte grauweiße Kolonien, die aus kurzen, plumpen,
nicht gramfesten Stäbchen (Koli) bestanden.
Im Chorionausstrich waren mikroskopisch neben vereinzelten koliähnlichen
Bakterien auch einzelne Kokken nachzuweisen. In den angelegten Kulturen
wuchsen die betreffenden Koli- und Staphylokokkenkolonien.
Der Erreger des infektiösen Abortus (Bang) war weder mikroskopisch noch
kulturell nachzuweisen.
Fohlen 2. Am 14. 2. 1908 wurde ein Fohlen (Fohlen 2 ) mit
Eihäuten übersandt.
Die sofort vorgenommene Sektion ergab folgendes:
Gelbfärbung weniger ausgesprochen als bei Fohlen 1. In der Bauchhöhle
eine größere Menge von ca. 3 / 4 Liter blutigroter Flüssigkeit. In geringerer Menge
Findet sich auch eine solche Flüssigkeit in der Brusthöhle. Im Herzbeutel ca. 1 E߬
löffel voll einer klaren gelblichroten Flüssigkeit. Sonst keine Besonderheiten.
Chorion braunrot gefärbt und verhältnismäßig trocken.
Mikroskopisch und kulturell konnten im Blute, in den inneren Organen
und in den Flüssigkeiten in den Körperhöhlen keinerlei Bakterien nachgewiesen
werden. Ebenso erwies sich auch das Chorion steril.
Der Erreger des infektiösen Abortus (Bang) konnte weder mikroskopisch
noch kulturell ermittelt werden.
Fohlen 3 . Ara 15. 2. 1908 wurde ein Fohlen (Fohlen 3) durch
Boten überbracht, welches angeblich 2 Tage gelebt und aus der
Flasche Milch getrunken hat, aber nicht aufstehen konnte.
Obduktionsbefund: Starke Gelbfärbung wie bei Fohlen 1.
In der Brusthöhle eine mäßige Menge rötlicher Flüssigkeit, in der Bauch¬
höhle etwas mehr. Im Herzbeutel gelbrote Flüssigkeit in mäßiger Menge. Unter
Das seuobenhafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 45
dem Epikard einige Blutungen. Dünndarmschleimhaut stellenweise diffus und rami-
form gerötet. Im Magen geronnene Milch und einige Strohhalme. Darmlymph-
drüsen und die übrigen Lymphdrüsen zeigen keine Besonderheiten. Sonst auch
keine Abweichungen zu konstatieren.
Mikroskopisch und kulturell konnten in dem Herzblut und den inneren
Organen sowie in den Körperhöhlenflüssigkeiten nur Kolibazillen nachgewiesen
werden.
Fohlen 4 . Am 18. 2 . 1908 wurden übersandt Eihäute, Herz
und Niere eines abortierten Fohlens (Fohlen 4) und Herz und Niere
eines anderen abortierten Fohlens.
Das subepikardiale Fettgewebe an der Kranzfurche beider Herzen ist intensiv
gelb gefärbt. Die Nieren zeigen keine Besonderheiten. Das Blut beider Herzen
erweist sich bei mikroskopischer und kultureller Untersuchung als steril.
Das Chorion ist größtenteils graurot gefärbt und schmierig, nur an einer
Stelle in der Ausdehnung von 2 Suppentellern dunkelrot gefärbt und trockener. Auf
dem Chorion befindet sich in mäßiger Menge eine hellgraue Flüssigkeit von milch-
artiger Konsistenz.
Mikroskopisch konnten im Chorionausstrich kurze (dickere und dünner?)
Stäbchen, oft zu zweien hintereinander liegend, außerdem längere Stäbchen und
Kokken nachgewiesen werden. Dieselben Bakterienformen konnten auch-in Kultur
vermittelst des Isolierungsverfahrens gewonnen werden. Der Erreger des infek¬
tiösen Abortus (Bang) konnte weder mikroskopisch noch kulturell nachgewiesen
werden.
Fohlen 5 . Ara 19. 2. 1908 nachmittags wurden vom Gestüts¬
tierarzt Höperraann die Eihäute und das Herz eines abortierten
Fohlens (Fohlen 5) überbracht.
Das Herzblut erwies sich mikroskopisch und kulturell als steril.
Das Chorion ist überall dunkelrot gefärbt und feucht; außerdem bedeckt mit
einer geringen Menge einer hellgrauen Flüssigkeit von milchartiger Konsistenz.
Mikroskopisch waren im Chorionausstrich keine Bakterien zu finden. Auf
der Kultur gingen vereinzelte Kolonien, bestehend aus plumpen, an den Enden
abgerundeten, gramfesten Stäbchen auf.
Der Erreger des infektiösen Abortus (Bang) war weder mikroskopisch noch
kulturell zu ermitteln.
Fohlen 6 . Am 25. 2 . 1908 wurden die Eihäute von einer am
19. 6 . 1907 gedeckten Stute übersandt, welche am 25. 2 . 1908 ver-
fohlt hatte (Fohlen 6 ).
Chorion teils dunkelrot, teils rötlichgrau gefärbt; es ist bedeckt mit einer
mäßigen Menge einer hellgrauen, trüben, geruchlosen Flüssigkeit von milchartiger
Konsistenz. In den rötlichgrau gefärbten Partien ist das Chorion schmierig. Kein
subchoriales Oedem.
Mikroskopisch fanden sich im Ausstrich vom Chorion vereinzelte plumpe
Stäbchen neben ganz vereinzelten Diplokokken, die extrazellulär gelagert waren.
Kulturell auf Agar waren diese beiden Formen ebenfalls zu ermitteln. Im
Kulturausstrich waren die Diplokokken größtenteils zu einer Kette nach Art eines
46 DAMMANN,
Streptokokkus hintereinander gelagert. Die Diplo - Streptokokken erwiesen sich
als gramfest. Sie wuchsen auf Agar nur spärlich, dagegen auf Serum-Agar (1:3)
sehr gut.
Fohlen 7 . Ara 8 . 3. 1908 nachmittags wurde durch Boten ein
Fohlen mit Eihäuten von der „Pastete“ (Fohlen 7) überbracht. Die
Stute soll den 7. 3. nachmittags 4 Uhr gefohlt haben und die Nach¬
geburt sofort abgegangen sein. Das Fohlen soll nur 12 Stunden ge¬
lebt haben, hat sich angeblich nicht erheben können und keine
Lebensenergie gezeigt.
Die Stute war angeblich am 17. 4. 1907 gedeckt und sollte am
17. 3 1908 fohlen.
Obduktionsbefund am 9. 3. morgens: Auffallend starke Gelbfärbung wie
bei Fohlen 1. Außerdem erscheint die Rindenschieht der linken Niere gelblich
verfärbt. In der Bauchhöhle etwa 50 ccm einer beim durchfallenden Lichte gold¬
gelben, beim auffallenden Lichte rotgelben, schwach getrübten Flüssigkeit. Eben¬
solche Flüssigkeit findet sich auch im Herzbeutel in einer Menge von 25 ccm. In
der Brusthöhle kein Inhalt. In der Magenschleimhaut mehrere feinste bis steck¬
nadelkopfgroße und einige hanfkorngroße Blutungen. Dünndarm- und Dickdarm-
schleimhaut stellenweise starkramiform gerötet. Kleine Blutungen finden sich
unter dem Epikard und Endokard. Blut schlecht geronnen. In der Luftröhre kurz-
streifige Blutungen. Lungen intakt. Gelenke ohne Veränderungen. Am Nabel
keine Besonderheiten. Blut- und Herzbeutclfliissigkeit erwiesen sich bei baktc-
rioskopischer und kultureller Prüfung als steril.
Chorion dunkelrot, teilweise auch hellerrot gefärbt. Es ist bedeckt mit einer
größeren Menge einer hellgrauen Flüssigkeit von milehartiger Konsistenz. Kein
subchoriales Ocdem. Im Chorionausstrich 2 kurze, diplokokkenartige Stäbchen
neben vereinzelten plumpen Stäbchen und vereinzelte Kokken ermittelt.
Kulturell sind durch das Trennungsverfahren rein gezüchtet: nicht gram-
feste, kurze diplokokkenartige Stäbchen und plumpe, an den Enden leicht ab¬
gerundete Stäbchen und Staphylokokken.
Fohlen 8. Ara 20. 3. 1908 nachmittags wurde durch Boten
('in Fohlen mit Eihäuten (Fohlen 8 ) überbracht. Das Fohlen soll
noch lebend am 20 . 3. früh 2 Uhr geboren, aber während des Ge¬
burtsaktes gestorben, die Nachgeburt 9 Stunden später abgegangen
sein. Die Stute sollte angeblich am 8 . 3. fohlen, soll aber für ge¬
wöhnlich immer etwas länger, 340—346 Tage, tragen.
Der sofort aufgenommene Obduktionsbefund ergab folgendes:
Keine Gelbfärbung. Nur das Augenhöhlenfett hat einen leicht schmutzig
gelben Farben ton. Die Sklera ist rein weiß gefärbt. Am Nabelstrang und den
Nabelgefäßen keine Besonderheiten. In der Bauchhöhle ca. 50 ccm einer gelb ge¬
färbten klaren Flüssigkeit. Die äußere Wand des Kolon und des Mastdarms ist
gelblichgrün gefärbt und mit konsistenten Kotballen gefüllt. Die Dünn- und
Diokdarmschleimhaut ist größtenteils diffus oder ramiform rot gefärbt. Die Lymph-
drüsen sind nicht verändert. Die Lebci ist sehr blutreich. Milz ohne Verände¬
rungen. Das Blut ist nicht geronnen und schwarzrot gefärbt. Es finden sich nur
einige lockere Gerinnsel in der rechten Herzkammer. In der Brusthöhle ca. 30 ccm
Das seuchenhafte Verfohlen im Hauptgestüt Boberbeck usw.
47
einer leicht getrübten schwachgelblichen Flüssigkeit. Im Herzbeutel etwa 50 ccm
einer goldgelben klaren Flüssigkeit. Es finden sich perikardiale, subepikardiale
und subendokardiale Blutungen vor. Die Gelenkknorpel sind nicht gelb gefärbt.
Im Herzblut, in der Herzbeutel-, Brusthöhlen- und Bauchhöhlenflüssigkeit finden
sieh mikroskopisch keine Bakterien, auch kulturell waren keine nachzuweisen.
(Die Kulturen sind 3 Tage lang im Brutschrank gehalten.)
Das Chorion ist teils dunkelrot teils mehr hellrot teils graurot (vor¬
herrschend grau) gefärbt. In den graugefärbten Partien ist das Chorion schmierig.
In den dunkelrot und hellrot gefärbten Partien ist das Chorion an mehreren
Stellen mit einem schmutzig graugelben, trüben, leicht abhebbaren, fibrinartigen
Belag bedeckt. Die Beläge haben bis pfennigstückgroße Dimensionen. Mikro¬
skopisch betrachtet bestehen diese Beläge aus eng aneinanderliegenden großen,
wenig scharf konturierten Epithelien. Stellenweise findet sich auch auf dem auf-
geschnittenen Chorion eine hellgraue Flüssigkeit von railchartiger Konsistenz vor.
Kein subchoriales Oedem.
Mikroskopisch waren im Chorionausstrich (ganz gleichgültig an welcher
Stelle entnommen) neben vereinzelten kurzen plumpen und längeren plumpen
Stäbchen zahlreiche extrazellulär gelagerte Diplokokken, die vereinzelt zu einem
Haufen zusammengelagert, vereinzelt auch in kurzen Ketten hintereinander gereiht
waren, nachzuweisen.
Kulturell konnten durch das Trennungsverfahren rein gezüchtet werden:
1. Diplokokken, die meistens in kürzeren Ketten hintereinander gereiht und
gramfest waren, 2. Staphylokokken, 3. kurze plumpe Stäbchen und
4. längere plumpe Stäbchen.
Eihäute aus dem Gestüt Herrenhausen.
Zum Vergleich mit den Beberbecker Eihäuten von Fohlen,
welche verworfen waren, wurden die Eihäute von 4 Fohlen, welche
im Gestüt Herrenhausen bei Hannover normal geboren sind, unter¬
sucht
1. Eihäute durch Boten überbracht am 27. 2. 1908
vormittags.
Die Stute soll in der Nacht zuvor geboren haben.
Befund: Chorion stellenweise dunkelrot, stellenweise mehr graurot gefärbt.
Es ist bedeckt mit einer trüben, hellgrauen, geruchlosen Flüssigkeit von milchiger
Konsistenz. In kleinen Partien ist die Oberfläche des Chorion schmierig. An einer
Stelle ist das Subchorion in etwa Suppentellergröße ca. 3 mm dick glasig aufge¬
quollen. Beim Einschneiden fließt aus dem Subchorion an dieser Stelle eine
wasserklare Flüssigkeit ab.
Mikroskopisch sind im Chorionausstricli nur ganz vereinzelte, kurze,
plumpe Stäbchen nachzuweisen.
Kulturell sind kurze plumpe Stäbchen und längere schlankere Stäbchen
zu ermitteln.
2. Eihäute durch Boten überbracht am 10. 3. 1908
vormittags.
48
DAMMANN,
Die Stute soll am 9. 3. 1908 abends 11 Uhr normal gefohlt haben.
Befund: Chorion größtenteils graurot gefärbt und schmierig, teilweise auch
dunkelrot gefärbt. In den graurot gefärbten Partien sieht man auch deutlich sich
abhebende, rot gefärbte Stellen bis Handtellergroße. Das Chorion ist bedeckt mit
einer trüben grauen Flüssigkeit von milchiger Konsistenz.
Mikroskopisch sieht man im Ausstrich mehrere extrazellulär gelagerte
Diplokokken neben mehreren kurzen plumpen Stäbchen und einigen längeren
plumpen und feinen schlanken Stäbchen. Die Diplokokken lagen ganz vereinzelt
paarweise hintereinander, so daß man das Bild eines viergliedrigen Streptokokkus
erhielt.
Kulturell konnten die bakterioskopisch im Chorionausstrich nachgewiesenen
Bakterien und außerdem Staphylokokken durch das Trennungsverfahren rein ge¬
wonnen werden. Die Diplokokken waren in der Kultur vielfach in kurzen Strepto¬
kokkenreihen hintereinander gelagert. Sie waren gramfest.
3. Eihäute durch Boten überbracht am 18. 4. 1908
vormittags.
Die Stute soll in der Nacht vorher gefohlt haben.
Befund: Chorion zum größten Teil rötlichgrau gefärbt. Innerhalb des röt¬
lichgrauen Bezirkes ist das Chorion stellenweise dunkelrot gefärbt. An einer
Stelle ist es in der Ausdehnung von 3 Suppentellern gleichmäßig dunkelrot gefärbt.
In den rötlichgrau gefärbten Partien bemerkt man vereinzelt gelblichgraue, fibrin-
artige Beläge bis zur Größe eines Pfennigs, die sich leicht abheben lassen.
Bakterioskopisch im Chorionausstrich und kulturell sind Diplokokken, die
sich zum Teil zu kurzen Ketten hintereinandergereiht haben und gramfest sind,
neben anderen Bakterien nachzuweisen. Die Diplokokken waren extrazellulär gelagert.
4. Eihäute durch Boten überbracht am 22. 4. 1908
vormittags.
Die Stute soll in der Nacht zuvor gefohlt haben.
Befund: Chorion größtenteils dunkelrot gefärbt, in kleineren Partien graurot
und schmierig. Es ist bedeckt mit einer schmutziggrauen, trüben Flüssigkeit von
milchiger Konsistenz. Vereinzelt liegen auf dem Chorion kleine graue, fibrinartige
Beläge, die sich leicht abheben lassen.
Mikroskopisch waren im Chorionausstrich vorwiegend extrazellulär gelagerte
Diplokokken (einmal 2 Paare hintereinander liegend gesehen) neben vereinzelten
plumperen und schlankeren Stäbchen nachzuweisen.
Kulturell konnten durch das Trennungsverfahren die obigen bakterioskopisch
im Chorionausstrich ermittelten Bakterien und außerdem Staphylokokken rein ge¬
wonnen werden.
Im Kulturausstrich lagen die Diplokokken vielfach zu kurzen Ketten hinter¬
einander. Sie waren gramfest.
II. Infektiousversuehe.
Diesen Versuchen dienten 4 trächtige Stuten, 1 trächtiges
Schuf. 2 trächtige Ziegen und je 1 trächtiges Kaninchen
und Meerschweinchen.
Das seuchenhafte Verfoblen im Hauptgestüt Beberbeck usw.
49
Von den Stuten stammten 2 aus dem Remontedepot Mecklen¬
horst; diese hatte der Herr Kriegsminister auf mein Gesuch uns zur
Verfügung gestellt. Die beiden anderen Stuten waren mir von
Privatbesitzern mit der Abmachung überlassen, daß, wenn das Fohlen
infolge des Versuches tot zur Welt käme, dessen Wert ihnen ersetzt
werde. Die Stuten hatten dauernd in geräumigen Boxen freie Be¬
wegung.
Versuch 1. Blauschimmelstute (Russe). 4 Jahre alt.
Ihr wurden am 26. 2. 1908 nachmittags 20 ccm einer Emulsion von dem
Chorion der obigen Fohlen 6 und 7, außerdem je 2 Stückchen derselben Eihäute
in die Scheide gebracht. Am 20. 3. abends ward diese intravaginale Infektion in
der Weise wiederholt, daß der Stute 20 ccm einer Emulsion aus Chorionstückchen
des Fohlen 8, zu deren Herstellung je 3 ccm Bauchhöhlen-, Brusthöhlen- und Herz¬
beutelflüssigkeit des betreffenden Fohlen mitverwendet waren, und außerdem
4 Chorionstückchen von Erbsengroße in die Scheide einverleibt wurden.
Die Blauschimmelstute hat am 9.7.1908 mittags gegen 1 / 2 12 Uhr
ein munteres, kräftiges Fohlen geboren.
Die Eihäute sind z / 4 Stunden nach der Geburt abgegangen.
Befund des Chorion am 9.7. nachmittags 4 Uhr: Chorion zum größten
Teil graurot gefärbt, innerhalb der graurot gefärbten Partie finden sich einige rot
gefärbte Stellen. In Größe von 3 Suppentellern ist das Chorion dunkelrot gefärbt
und an einer Stelle in Größe von 2 Suppentellern grau gefärbt und schmierig.
Bedeckt ist das Chorion mit einer rötlichgrauen, trüben Flüssigkeit von milchiger
Konsistenz. Kein subchoriales Oedem.
In Ausstrichen vom Chorion finden sich nur ganz vereinzelte kurze, plumpe,
an den Enden abgerundete Stäbchen, die vielfach in der Mitte eine Einschnürung zeigen.
Auf den vom Chorion angelegten Kulturen gingen nur wenige Kolonien, be¬
stehend aus den im Ausstrich Vorgefundenen Bakterien, auf.
Versuch 2. Braune Stute aus Mecklenhorst, 4 Jahre alt.
Sie erhielt am 9. 3. morgens 10 ccm einer Emulsion und 4 erbsengroße
Stückchen vom Chorion des obigen Fohlen 7 zwischen ihren Hafer gemengt. Eine
gleiche Dosis desselben Materials wurde am Abend dieses Tages dem Hafer bei¬
gemischt. Beide Male verzehrte die Stute die Masse mit dem Hafer gut.
Am 20. 3. abends und am 21. 3. mittags wurde die Infektion per os wieder¬
holt, indem jedesmal 10 ccm einer unter Mitverwendung von Bauchhöhlen-, Brust¬
höhlen- und Herzbeutelflüssigkeit von Fohlen 8 hergestellten Emulsion aus dem
Chorion dieses Fohlens und 4 Chorionstückchen dem Hafer beigemengt wurden.
Auch diese Mahlzeiten wurden gut verzehrt.
Die Stute blieb dauernd munter.
In der Nacht zura 1. 5. brachte sie ein gesundes, kräftiges Hengst¬
fohlen zur Welt. Die Nachgeburt lag früh morgens den 1.5. ebenso wie das
Fohlen in der Box.
Das Chorion sieht im großen und ganzen dunkelrot aus, in einzelnen Partien
mehr hellrot; in einzelnen Teilen ist es etwas schmierig. Bedeckt ist das Chorion
von einer mäßigen Menge einer grauroten, trüben Flüssigkeit von milchartiger
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 4
50 DAMBIANN,
Konsistenz. Außerdem liegt dem Chorion an ganz vereinzelten Stellen ein trüber
graugelblicher, leicht abhebbarer, fibrinartiger Belag auf.
Mikroskopisch sind im Chorionausstrich neben vereinzelten kurzen,
plumpen, an den Enden abgerundeten, meist zu zweien hintereinander liegenden
Stäbchen mehrere extrazellulär gelagerte Diplokokken nachzuweisen.
Kulturell wurden von dem Chorion durch das Trennungsverfahren gewonnen:
1. gramfeste Diplokokken, die vielfach in kurzen Streptokokkenreihen hintcr-
einandergelagert sind,
2. Staphylokokken und
3. kurze, plumpe, an den Enden abgerundete Stäbchen.
Versuch 3. Braune Stute von Mecklenhorst, 3 Jahre alt.
Ihr wurden am 9. 3. morgens 20 ccm einer Emulsion aus dem Chorion von
Fohlen 7 und 4 Chorionstückchen von gut Erbsengroße in die Scheide gebracht.
Am 20. 3. abends wurde die intravaginale Infektion wiederholt, indem 20 ccm
einer unter Mitverwendung von je 3 ccm Bauchhöhlen-, Brusthöhlen- und Herz¬
beutel flüssigkeit hergestellten Emulsion und 4 Chorionstückchen des Fohlen 8 in
die Scheide eingeführt wurden. Die Stute blieb dauernd munter.
In der Nacht zum 4.5.08 (zwischen 1—4 Uhr) gebar die Stute ein
gesundes Fohlen, das sich anfangs trotz verhältnismäßig starken Körperbaues
nicht ohne fremde Hilfe erheben konnte. Wenn es hochgehoben wurde, ging es
sofort zur Mutter, um zu saugen. Am 7. 5. stand das Fohlen schon manchmal
von selbst auf und vom 8. 5. ab erhob es sich immer ohne jegliche fremde Unter¬
stützung von selbst. Der Appetit des Fohlens ist von der Geburt an stets gut
gewesen.
Die Nachgeburt hat früh morgens in der Streu gelegen. Sie muß demnach
entweder gleich oder 1—3 Stunden nach der Geburt abgegangen sein.
Das Chorion sieht im allgemeinen dunkelrot aus, in einzelnen Partien mehr
hellrot; in einzelnen Teilen ist es etwas schmierig. Bedeckt ist das Chorion von
einer mäßigen Menge einer hellgrauen, trüben Flüssigkeit von milchartiger Kon¬
sistenz. An einzelnen Stellen liegt auf dem Chorion der eigenartige, fibrinartige
Belag.
Mikroskopisch sieht man im Chorionausstrich nur ganz vereinzelte kurze,
plumpe, an den Enden leicht abgerundete Stäbchen.
Kulturell ließen sich durch das Trennungsverfahren rein züchten:
1. gramfeste Diplokokken, die im Kulturausstrich meist in kurzen Strepto¬
kokkenreihen hintereinander gelagert waren (im Matcrialausstrich auf Agar waren
hiervon nur ganz vereinzelte Pünktchen aufgegangen):
2. bipolar gefärbte Bakterien und
3. kurze plumpe, an den Enden leicht abgerundete Stäbchen.
Versuch 4. Fuchsstute, edel, 6 Jahre alt.
Am 29. 3. vormittags 11 Uhr werden der Stute vermittelst einer Spritze
20 ccm einer Diplo-Streptokokkenreinkultur (gramfest) in Blutserum-Bouillon (1: 3),
die 3 Tage lang im Brutschrank gehalten war, vom Chorion des Fohlen 8 in die
Scheide injiziert und gleichzeitig 20 ccm derselben Kultur per os mit dem Futter
(Hafer, Häcksel und Weizenkleie) gegeben.
Am 31. 3. nachmittags V>6 Uhr erhält die Stute 20 ccm einer Diplo-Strepto-
Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestüt Beberbeck usw.
51
kokkenreinkultur (gramfest) in Blutserum-Bouillon 1 ) (3 Tage lang im Brutschrank
gehalten) vom Chorion des Pohlens 6 in die Scheide und 20 ccm derselben Kultur
mit dem Futter.
Am 2. 4. mittags 12 Uhr erhält die Stute 20 ccm einer 2 Tage alten Bouillon¬
kultur von den kurzen diplokokkenartigen Stäbchen (nicht gramfest) vom Chorion
des Fohlen 7 in die Scheide und 20 ccm derselben Kultur per os. Das Futter
wird alle drei Male gern und vollständig genommen. Das Tier blieb dauernd munter.
Die Stute hat am 11. 6. 1908 abends 8 Uhr ein gesundes, kräftiges
Fohlen geboren. Die Nachgeburt ist gleich darauf abgegangen.
Das Chorion hat im allgemeinen eine dunkelrote Farbe; an einzelnen Stellen
sieht es mehr hellrot, an anderen mehr graurot aus. Es ist bedeckt mit einer
mäßigen Menge einer hellgrauen, getrübten Flüssigkeit von milchiger Konsistenz.
An vereinzelten Stellen findet sich auch ein graugelblicher, leicht abziehbarer,
fibrinartiger Belag auf dem Chorion.
Mikroskopisch konnten in dem Chorionausstrich Bakterien nicht ermittelt
werden.
Auf den mit dem Chorion beschickten Agarnährböden wuchsen ganz ver¬
einzelte Kolonien. Durch das Trennungsverfahren konnten 2 verschiedene Kulturen
gewonnen werden. Die eine bestand aus plumpen, an den Enden abgerundeten
kurzen Stäbchen, die andere aus kleinen, vielfach bipolar gefärbten, feinen Bakterien.
Versuch 5. Schaf, Heidschnucke, 4 Jahre alt.
Am 15. 2. 1908 nachmittags wurden ihm 15 ccm einer mit steriler, physio¬
logischer Kochsalzlösung hergestellten Emulsion von Chorionstückchen, welche ver¬
schiedenen Stellen entnommen waren, stammend vom Fohlen 1, intravaginal in¬
jiziert. Das Schaf hat am 1. 3. 1908 ein gesundes, kräftiges, am Leben
bleibendes Lamm geboren.
Versuch 6. Ziege, 3 Jahre alt.
Am 15. 2. 1908 nachmittags wurden der hochtragenden Ziege 15 ccm einer
mit steriler physiologischer Kochsalzlösung hergestellten Emulsion von Chorion¬
stückchen des Fohlen 2 in die Scheide gespritzt. In der Nacht zum 5. 3. warf
die Ziege zwei normal entwickelte, kräftig sich bewegende Lämmer,
ein kleineres und ein größeres. Beide Lämmer erkrankten am 6. 3. mittags
unter den Erscheinungen von Krämpfen und sind in der Nacht zum 7.3. verendet.
Das Sektionsbild beider Lämmer war ein völlig negatives. Das Blut und
die inneren Organe erwiesen sich bakterioskopisch und kulturell als steril.
Versuch 7. Ziege, 4 Jahre alt.
Am 19. 2. 1908 wurden der tragenden Ziege 15 ccm einer Emulsion von
Chorionstückchen des Fohlen 4 in die Scheide gebracht. Sie warf am 12. 3.
vormittags 2 normal entwickelte Lämmer, die sich auch weiterhin
gut entwickelt haben.
Von der aus der Scheide der Ziege heraushängenden Nachgeburt wurde sofort
nach dem Lammen ein Stück abgeschnitten. Bei der bakterioskopischen und
kulturellen Untersuchung erwies sich das Chorion dieses Stückes vollkommen steril.
1) Blutserum-Bouillon wurde deswegen verwendet, weil in einfacher Nähr-
Bouillon die Diplo-Streptokokken äußerst spärlich wuchsen.
4
52
D AMMANN,
Versuch 8 . Kaninchen und Meerschweinchen.
Am 18. 2. 08 wurden einem trächtigen Kaninchen 2 ccm und einem trächtigen
Meerschweinchen 1 ccm von einer mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellten
Emulsion aus Chorionstückchen des Fohlen 4 in die Vagina gespritzt.
Das Kaninchen warf nach 3 Woch.cn 6 lebenskräftige Junge, das
Meerschweinchen nach 18 Tagen 3 gut entwickelte Junge.
Die vorstehenden Untersuchungen und Versuche lassen ersehen, daß
1. Die Eihäute der verworfenen Beberbecker Fohlen keine
irgendwie auffälligen und von den Eihäuten der normal geborenen
Herrenhäuser Fohlen abweichenden Veränderungen aufwiesen.
Schmierige, fibrinartige Auflagerungen waren bei einigen Eihäuten
der einen wie der anderen Herkunft vorhanden, und ein subchoriales
Oedem fehlte bei den Beberbecker Nachgeburten allemal, während es
in beschränkter Ausdehnung in dem einen Herrenhäuser Falle zu
konstatieren war.
2. Der von Ostertag als Erreger des infektiösen Verfohlens der
Stuten entdeckte nichtgramfeste, intrazelluläre Diplo-Strepto-
kokkus war in den Beberbecker Eihäuten durch die bakteriologische
Untersuchung nicht nachzuweisen. Vielmehr fanden sich in einigen
der Eihäute gramfeste, extrazelluläre Diplo-Streptokokken, aber
sowohl in solchen Beberbecker, als auch in solchen Herrenhäuser
Herkunft.
3. Es ist bei keiner der vier trächtigen Stuten und ebensowenig
bei trächtigen Ziegen, beim Schaf, Kaninchen und Meerschweinchen
möglich geworden, durch Einführung von Chorionstückchen der Beberbecker
Aborte, von Emulsionen aus denselben, von Bauch- und Brusthöhlen¬
flüssigkeit der geworfenen Fohlen, von Kulturen der gefundenen Diplo-
Streptokokken in die Scheide oder per os Abortieren hervorzurufen
oder es zu erreichen, daß lebensunkräftige Junge zur Welt kamen.
Aus alledem ist mit Sicherheit zu schließen, daß das
in diesem Winter und Frühjahr in dem Hauptgestüt Beb erb eck
aufgetretene seuchenartige Verfohlen keinen infektiösen
Charakter hatte und sein Auftreten und seine Ausbreitung
nicht auf Ansteckung zurückzuführen war.
III. Untersuchung des Beberbecker Heues und Heugesämes und
Versuche mit letzterem.
Wie oben gesagt, mußte mit der Möglichkeit gerechnet werden,
daß die denStuten verabreichten Futterstoffe die Schuld an
Das sencbenhafte Verfohleil im Haaptgestüt Beberbeck usw.
53
dem Verfohlen tragen möchten. Von dem Hafer, welcher in der
Zeit vom 28. Januar bis 3. Februar 1908 nach der Angabe des
Veterinärrat Mieckley in mangelhafter Qualität verfüttert wurde, war
nichts mehr vorhanden. Die Untersuchung mußte sich sonach auf
das Heu beschränken, dessen erster Schnitt im Jahre 1907 in weiter
Ausdehnung im Lande unter sehr ungünstigen Emteverhältnissen ge¬
worben war. Von diesem und dem Heugesäme, dem auf dem Heu¬
boden zusammengescharrten Abfall und Ausfall aus dem Heu, ließ ich
mir demgemäß Proben kommen.
Botanische Untersuchung des Heues.
Die Heuprobe bestand der Hauptmenge nach aus folgenden Gräsern:
Holcus lanatus, Lolium perenne, Agrostis alba und stolonifera,
Poa pratensis und compressa. Neben diesen Hauptformen kamen
noch vor:
Holcus mollis, Phleum pratense, Dactylis glomerata, Cynosurus
cristatus, Festuca ovina und pratensis, Anthoxanthum odoratum,
Avena elatior und flavescens, Briza media.
Von anderen Pflanzen fanden sich in geringer Menge:
Equisetum palustre, Carex acutiformis und panicea, Juncus effusus,
Rumex acetosa, Trifolium pratense, Lotus corniculatus, Lathyrus pra¬
tensis, Ranunculus acer, Heracleum Sphondylium, ferner noch Meny-
anthes trifoliata, Mentha aquatica und Hieracium spec.) wohl H. vul-
gatum).
Eigentliche Giftpflanzen wurden nicht gefunden.
Das Heu roch leidlich gut, zeigte jedoch keine gute Farbe, wohl
eine Folge der feuchten Witterung, die während der Heuernte herrschte.
Botanische Untersuchung des Heugesämes.
Bei der oberflächlichen Untersuchung derselben waren auffallende
Bestandteile nicht zu entdecken, es wurde deshalb zur mikroskopischen
Prüfung geschritten und bei 80 facher Vergrößerung untersucht.
Hierbei fanden sich zunächst und in größter Menge Bruchstücke
der Pflanzen, aus denen das Heu bestand, ferner zahlreiche Pollen¬
körner der verschiedensten Pflanzen, vorwiegend allerdings von Gra¬
mineen, doch auch von recht verschiedenen anderen Pflanzen. Auch
vereinzelte Pilzsporen und dürftige Pilzmycelien auf den Pflanzen¬
bruchstücken wurden gefunden, doch niemals Mutterkorn, so viele
Proben auch daraufhin untersucht wurden. Auffallend erschien das
54
DAMMANN,
massenhafte Vorkommen einer Milbenart, vielleicht Acarus foenarius,
doch schien sie mir kleiner und zierlicher als jene zu sein, die wir
in Kontrollheuproben fanden.
Die Milbe hatte sich in den Spelzen der Gramineen eingesponnen,
Kokons angefertigt, in denen sich stets Eier und Larven in großer
Menge fanden.
Auch in dem Heu selbst waren diese eigenartigen Kokons auf¬
gefallen. Die Milbenart wissenschaftlich genau zu bestimmen, ist uns
nicht möglich gewesen, da uns die hierfür unerläßliche Literatur
nicht zu Gebote stand.
Bakteriologische Untersuchung des Heugesämes.
1,0 g. Heusamen wurde in 10 ccm Traubenzucker-Bouillon bei
Bruttemperatur (37° C) gehalten. Am nächsten Tage zeigte sich
starke Gasbildung. Das Gas besaß einen sehr unangenehmen Geruch.
In dem Ausstrich aus der Bouillon-Kultur zeigten sich Stäbchen mit
abgerundeten Enden, sowie lange, schlanke Stäbchen und Kokken;
vereinzelt kamen auch Hefezellen vor.
Fütterungsversuche mit dem Heugesftme.
Diese Versuche wurden zum Teil mit einem Extrakt aus dem
Heugesäme, zum Teil mit letzterem direkt ausgeführt. Der Auszug
wurde mittelst physiologischer Kochsalzlösung im Verhältnis von
1 : 10 hergestellt.
Versuch 1. Ein trächtiges Meerschweinchen erhielt vom 4. 3. 1908 ab
täglich 2 mal, morgens und abends, je 5 ccm des Heusamenextraktes per os. Die
Einflößung erfolgte mittels einer Pipette. Auffällig war, daß bald nach der Auf¬
nahme des Extraktes Urinabsatz sich einstellte. Nachdem diese Einflößung mit
dem gleichen Ergebnis auch am 5. 3 und am 6. 3. fortgesetzt war, fand man am
7. 3. morgens ein totes Junges im Käfig; das Meerschweinchen hatte während
der Nacht abortiert.
Versuch 2. Vom 8. 3. bis zum 15. 3. erhielt ein trächtiges Meerschweinchen
zweimal täglich je 5 ccm des oben erwähnten Auszuges mittels der Pipette. Das
Tier ließ sich diese Prozedur ruhig gefallen.
Am 15. 3. wurde mit dem Eingeben abgebrochen, da die Geburt nahe bevor¬
zustehen schien.
Am 18. 3. starb das Versuchstier.
Obduktionsbefund: Im Uterus waren drei nahezu ausgetragene Föten vor¬
handen. Der Pleurasack war völlig mit einer klaren, serösen Flüssigkeit gefüllt.
Der vordere rechte Lungenlappen war hepatisiert.
Bakteriologischer Befund: Im Ausstriche aus dem Blute, dem Pleura¬
exsudat und aus den veränderten Lungenteilen fanden sich sehr kurze Stäbchen
Das seuchenbafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 55
mit abgerundeten Enden, die Kokken sehr ähnlich sahen, meist zu zweien anein¬
ander gelagert, auch wohl zu Fäden aneinander gereiht (Diplo-Streptokokken?).
Kultur-Versuche. Nur aus dem Blute gelang es die Bakterien in Rein¬
kultur zu erhalten.
Die auf schrägem Agar gewachsenen Kolonien waren durchscheinend, nach
zwei Tagen etwa von der Größe einer Stecknadelspitze.
Ein aus diesen Kolonien angefertigtes Präparat zeigte wieder die kurzen
Stäbchen mit abgerundeten Enden, streptokokkenartig gelagert.
Die Stäbchen waren gramfest.
Die bakteriologische Untersuchung der Föten verlief resultatlos.
Versuch 3. Vom 4.3. bis zum 31.3. erhielt ein trächtiges Kaninchen
täglich zweimal je 10 ccm des oben erwähnten Auszuges aus dem Heugesäme per
os mittels der Pipette. Auch hier war auffällig, wie mehrfach morgens nach dem
Einllößen des Extraktes Urinabsatz sich einstellte.
Am 31. 3. wurde abends ein schwach lebendes Junges geboren,
das über Dreiviertel der Zeit ausgetragen war. Am 1. 4. wurden noch fünf
weitere Junge geboren, drei tote und zwei schwach lebende, die aber bald starben.
Bakteriologisch konnten weder im Ausstrich des Blutes der Föten, noch
durch geeignete Kulturverfahren aus diesen Bakterien ermittelt werden.
Versuch 4. Vom 23. 3. ab erhielten zwei tragende Ziegen (eine weiße und
eine schwarze) das durchgesiebte Heugesäme mit Haferschrot gemischt zweimal
täglich in reichlicher Menge vorgelegt. Die Tiere nahmen das Futter ohne Zögern
an und blieben dauernd munter dabei. ,
Am 6.4. warf die weiße Ziege zwei gesunde, kräftige Lämmer
die gute Sauglust zeigten. Mutter und Lämmer blieben mit der anderen Ziege
gemeinsam in derselben Bucht zusammen, und die Mutter erhielt nach wie vor
große Mengen des dem Haferschrot beigemischten Heugesämes.
Am 16.4. lammte auch die andere Ziege; auch ihre beiden Lämmer
waren kräftig gebaut und zeigten munteres Wesen. Diese entwickelten sich auch
weiterhin gut.
Am 15. 5. wurde der Versuch abgebrochen. An diese Fütterungsversuche
knüpfte sich folgender Impfversuch.
Am 26. 2. erhielt ein trächtiges Meerschweinchen 1 ccm einer Bouillonkultur,
welche mit dem Heugesäme im Verhältnis (1 :10) angelegt war, subkutan.
Das Allgemeinbefinden des Tieres blieb unverändert.
Am 1. 3. erhielt das Tier dieselbe Dosis nochmals. Am 9. 3. wurden im
Käfig 4 tote Junge gefunden, die etwa zu zwei Drittel ausgetragen sein
mochten.
Am 2. 4. verendete das Meerschweinchen.
Obduktionsbefund: Milzanschwellung, seröser Erguß in Brust- und Bauch¬
höhle.
Bakteriologischer Befund: Im Exsudat sowohl, als auch in der Milz¬
pulpa fanden sich die vorhin erwähnten kurzen Stäbchen mit abgerundeten Enden
wieder, die sich häufig zu Fäden zusammengelagert hatten.
56
DAMMANN,
IV. Untersuchung des Beberbecker Trinkwassers.
Zur Untersuchung des im Gestüte zum Tränken verwendeten
Wassers waren auf mein Ersuchen fünf Flaschen, von je 1 Liter
Inhalt, eingesandt worden. Der Inhalt jeder Flasche war je einer
Tränkvorrichtung entnommen, die Flaschen waren fortlaufend numeriert.
Die Untersuchung hatte den Zweck, zu ermitteln, ob das den
Stuten in Beberbeck gereichte Trinkwasser etwa blei¬
haltig sei und ob hierauf das seuchenartige Verfohlen
zurückgeführt werden könne. In der Hauptsache kam hier also
nur der Nachweis von Blei und eventl. die Bestimmung der Menge
desselben in Betracht. Diese Untersuchung hat der Apotheker
unserer Hochschule, Dr. Behrens, ausgeführt. Derselbe berichtet
hierüber wie folgt:
„Da für diese Untersuchung ein Mindestquantum von je 1 Liter
nötig war, die Flaschen aber stets etwas mehr enthielten, so benutzte
ich den Rest, um damit die bei der Untersuchung von Trinkwasser
üblichen Proben anzustellen.
Zugleich mit der Untersuchung auf Blei verband ich die Fest¬
stellung des Abdampfrückstandes. Zu diesem Zwecke dampfte ich
jedes Mal 1 Liter der fraglichen Probe in gewogener Platinschale
zur Trockne ein, trocknete noch eine Stuude bei 110° nach, ließ im
Exsikkator erkalten und wog. Die Differenz ergab den Abdampf¬
rückstand von 1 Liter Wasser.
Diesen Rückstand löste ich unter Zusatz von verdünnter Essig¬
säure in destilliertem Wasser unter schwachem Erwärmen auf,
filtrierte in ein Meßkölbchen und füllte mit destilliertem Wasser zu
100 ccm auf.
5 ccm des Filtrates versetzte ich mit 5 Tropfen reiner Salz¬
säure und fügte nun starkes Schwefel wasserstoffwasser im Ueber-
schusse hinzu; in keinem Falle trat eine Schwarzfärbung, durch
Schwefelblei bedingt, ein.
Weitere 25 ccm des Filtrates versetzte ich mit verdünnter Schwefel¬
säure, ließ absetzen, filtrierte und wusch den Niederschlag auf dem
Filter aus.
Den gut ausgewaschenen Niederschlag übergoß ich mit 5 ccm
einer Lösung von basisch weinsaurem Ammoniak und versetzte das
Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestüt Beberbeck usw.
57
Filtrat mit einer Lösung von Kaliumdichromat. In keinem Falle
entstand ein gelber Niederschlag von Bleichromat.
25 ccm des schwach essigsauren Filtrates versetzte ich mit einer
Lösung von Kaliumjodid; auch hier trat ein gelber Nieder¬
schlag, der ein Beweis für die Gegenwart von Blei sein
würde, in keinem Falle auf.
Die gut ausgewaschenen Filterrückstände übergoß ich mit starkem
Schwefelwasserstoffwasser; eine Schwarzfärbung habe ich in keinem
Falle beobachtet.
Hiernach enthalten die mir überwiesenen fünf Wasser¬
proben aus dem Gestüte Beberbeck keine nachweisbaren
Mengen von Blei.
Die allgemeine Beschaffenheit des Wassers stellt sich, wie folgt:
Das Wasser war klar, farblos und geruchlos, von schwach alka¬
lischer Reaktion. In dem in geringer Menge vorhandenen, ocker¬
farbigen Bodensatz fanden sich allerlei pflanzliche und tierische
Lebewesen.
Wurmeier und als pathogen bekannte Organismen habe ich bei
der mikroskopischen Untersuchung nicht gefunden.
In einem Liter des Wassers waren enthalten:
Feste Bestandteile (Abdampfrückstand)
83,0 mg
Chlor.
12 mg
Kalziumoxyd.
geringe Menge
Magnesiuraoxyd.
geringe Menge
Ammoniak.
Spur
Eisenoxyd.
Spur
Schwefelsäure.
Spur
Salpetrige Säure.
Spur
Salpetersäure.
Spur
Die Härte betrug 2,8 (deutsche) Grade. Organische Substanz
war in dem filtrierten Wasser nicht nachweisbar.“
Ich habe den Gestütsinspektor, Veterinärrat Mickley, ersucht, die
Ergebnisse der Abfohlung des Jahres 1907/1908 im Hauptgestüt
Beberbeck in ein von mir aufgestelltes Schema einzutragen. Diesem
Ersuchen hat derselbe entsprochen; ich füge die von ihm gemachte
Aufstellung bei.
J ..jjufoo'ile|<p!\rry;
DAMMANN
AMolilttflgs-Re«ii1tä1 de« Jalires HW7/08
fflüik
: fafs $fry
V//V<
StV^i>pätef
^foi^K v «te t
'A bling' 4fcr
X.y^yg^ittHV
f%v^V. •.
Ai^ c
Stute
Silbe
MVi <ien
'; r.-., * ^Krfcrr.iVv
. • • jft
ft«;v *• Vv >’] *^jJ'ii
vUiltn^uu, i.V^gf,
* P&* Mh* ;)v>u^
ÜCtt
II 1 M siOH
ߣv f&tfr ; fte/'' -
'$$$• »THi b uff
V Ä& |'*’»ius
. ' J-V: v'f. , ■/figtytliiu l fitd.
LäUlerir». ;■ Brau«. M.. . l ^ 1 .lau
i Äb 1IffMte * in w\gw£
M Vu
I <*0~
Stute.
f, .VyStermle
•: • '
jV ii^iin; i s 2B.;1»;
t „</d i;<■:»• Ja*., mit
MtcbaniKus.
Ki>br. mit
; gißte tÄteV: St. Trupe.
M jgratm
* S^tiude
5t#tyr.
i Stuiicie
SlPÄPter.
«:»• 13 . M>r \
>C< Afwha- !
• Ufku$v ■[.
Ö;
],. '$&
19> April mlVi!
]Wr 8 ~ ;j
/iivldki bd
j 1 Stiinde
i fueh der 6«
i tourt.
• .
m aQ-fev. j'.££b» ! {m*
(jr . ^ b. U.
Mi i nirs(
i?tUud£
i DiiAV^j- f W;. Iri^v^ ’Aitf-
'. 4 •. . j 'braurr. .'■
( f$k. M»:
ilrtrihl, *. FuelK ?iit
j s$f>. )30 hV. »»uVddr^iv..
< J Ui j* }i > 1 *; . K^pTA* 11 ’ • : 54 'i)r caU
; ' y v V ‘ .'i
» Stellte
sputet,
ä Stitede
60
DAMUANN,
Laufende Nr. Reihen¬
folge der Geburten
Name
der
Stute
Farbe
und Alter
der
Stute
Ist
gedeckt 1907
am
a
<v
bO
3
o
Cft
<v
bß
•8
■*»
ce
ca
Hat
ge¬
boren
1908
am
Wurde
das
Fohlen in
den Ei-
häuten
geboren?
| Oder wieviel
Stund, später
erfolgte der
Abgang der
Nachgeburt?
13.
Urania.
Dunkel¬
braun,
geb. 1889.
26. Jan.,
28. Febr. mit
St. Tropez
X X
—
10. Jan.
Stute.
—
V 2 Stunde
später.
14.
Nadel.
Schwarz¬
braun,
geb. 1903.
7. Febr. mit
St. Tropez.
11. Jan.
Hengst.
V 2 Stunde
später.
15.
Dryas.
Rehbraun,
geb. 1891.
7., 8. Jan.,
25. Febr. mit
Mecbanikus.
11. Jan.
Hengst.
1 Stunde
später.
16.
Andacht.
Dunkel¬
braun,
geb. 1897.
11. Febr. mit
Titus.
17. Jan.
Stute.
V 2 Stunde
später.
17.
Addition.
;
Schwarz-
braun,
geb. 1902.
2., 26., 27.
Febr. mit
Mechanikus.
—
17. Jan.
Hengst.
V 4 Stunde
später.
18.
Ukraine.
1 Fuchs,
geb. 1902.
9., 30. Jan.,
16. März mit
St. Tropez
X X
22. Jan.
Hengst.
V2 Stunde
später.
19.
Mahlzeit.
Rehbraun,
! geb. 1893.
i
1
19. Febr.,
11., 12. März
mit Carnage
X X
—
23. Jan.
Stute.
—
1 Stunde
nach der
Geburt.
20.
Jamaika.
Braun,
geb. 1890,
■
30. März,
3. April mit
St. Tropez
- X X
26. Jan.
Hengst.
1 Stunde
später.
21.
Mignon.
Schwarz-
braun, <
geb. 1890.
3., 7., 16. Jan.,
9. Febr., 4.,
5. März mit
Beliane
X X
28. Jan.
Hengst.
V 4 Stunde
später.
22.
Nelke.
Schwarz¬
braun,
geb. 1887.
14., 15. Jan.,
5., 26. Febr.,
3. März mit
Ackermann.
29. Jan.
Hengst.
*/2 Stunde
später.
23.
Miss.
Fuchs,
geb. 1903.
7., 28. Febr.,
2. März mit
Titus.
31. Jan.
Stute.
V2 Stunde !
später.
24.
Patina.
Schwarz¬
braun,
geb. 1901.
4. März mit
Mechanikus.
1. Febr.
Hengst.
•
1 Stunde
später.
Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 61
Kam
das
Fohlen
Oder
kam d.
Fohlen
lebend
Blieb
das
Fohlen
Oder
vann
Bemerkungen
über auffälligen Scheidenausfluß vorher oder
nach dem Gebären, über Kolikerscheinungen
vor oder nach dem Gebären, über Schwäche
tot zur
am
starb das
und Lähmungserscheinungen vor oder nach dem
Welt?
zur
Welt?
Leben?
Pohlen?
Gebären, deren Dauer und über sonstige be¬
sondere Beobachtungen
Lebend. Lebt.
Lebend. Lebt.
Lebend. Lebt.
Lebend. Lebt. — Die Mutterstute erkrankte am 9. 2., also in vier
Wochen nach der Geburt, an Kreuzschwäche,
Appetitlosigkeit mit Gelbfärbung der Kopf¬
schleimhäute und der Schleimhaut der Scheide.
Sie genas davon am 23. 2. 1908.
Lebend. Lebt. — —
Lebend. — Starb am Das Fohlen konnte sich wegen Kreuzschwäche
23. Jan. nicht erheben und war nicht lebensfähig. Die
(nach Sektion ergab dieselben Erscheinungen wie die
24Stdn.). bei Nr. 8 (Ilme) angegebenen. Derselbe Be¬
fund konnte auch bei allen später als einge¬
gangen aufgeführten Fohlen erhoben werden,
ebenso wie bei den Aborten.
Lebend. Lebt. — —
Tot. I — — — I Sektionsbefund am Fohlen wie bei Nr. 8.
Lebend. Lebt.
Lebend. Lebt. * —
Lebend. Lebt.
Lebend.
Starb am Erscheinungen am Fohlen während des Lebens
4. Febr. und Sektionsbefund wie bei Nr. 18.
DAMMANN,
&$& •
Äp
;. A %ci^. ytflt
; J
’... 'i
' 'l&di&'j 'i
‘V'^jsa iib ,
j;
i ■gt4*W>1;>2
;V*'Stützte
Sc:[i>rAr/'
i. fefttiitft •
rjus
Srh:«V3iY-
Jutnp;' ‘ -2S; i4U^ !
gc& 1^|§,US , 2ä *H#j%.*
; 1 §,* Apii\ : pfiF
r«>riK<'i & in »f&<
Iv^um, ; iK. M fit? »‘»H*
£t*U, TfÖMt'i ’jkttfp .
;,• ... i v-< :•>•,
:• 0>r»K^. - ; ''i ;
2 - • jii]t
l *Stbjivic
Vjliiier.
V..?^
?$ Ä<; J) fi; [ X\. i t s V<rf>r v , ;j'
01 . 1 5M# :i>. \'}
l •-.■<
■:;. ftf4; m .F
^vh Jl&J&V;.
Tp
l>o$* riet.
7.
. {lea^l-
- ft ..
T h ei >:
8. i’pir-
j;
puol;t?(' Ti. 12. Ktffnp;
If^lui. 4 r jv ..:•.
-irth-./UWv <iiü -
£ ; V: s : ,.;;• \K \y£ ' •''•
oraijfH
■
.-• &fitf&i'r:- ',; l1 .C 'SHtp
:;'- &■''$$■'};■'.
??];. • i#4V i?& >»aTt3 •'
f# -i| ■
^M%Cv.
L'ani f
]Ti- Mivi'utf n
v
i|Ä
“ [S^pky
i2.T^ai:>
■/MM
*>T v >0v
ii
U&il.
'S*»uu'^r>'.
’ v®li4§r?‘**
?pä:«*>r
Das seuchenbafte Verfohlen im Uauptgestüt Beberbeck usw.
63
Kam
das
Fohlen
tot zur
Welt?
Oder
kam d.
Fohlen
lebend
zur
Welt?
Blieb
das
Fohlen
am
Leben?
Oder
wann
starb das
Fohlen?
Tot. !
—
—
Tot.
—
—
—
Tot.
—
—
—
Lebend.
i
1
Starb am
8. Febr.
Tot.
—
;
—
—
Lebend.
Lebt.
—
—
Lebend.
Lebt.
—
—
Lebend.
—
Starb am
8. Febr.
Tot.
—
—
einige
Stdn. alt.
Tot.
—
—
—
Tot.
—
—
—
Tot.
—
—
—
Tot.
'
—
—
BemerkuDgen
über auffälligen Scheidenausfluß vorher oder
nach dem Gebären, über Kolikerscheinungen
vor oder nach dem Gebären, über Schwäche
und Lähmungserscheinungen vor oder nach dem
Gebären, deren Dauer und über sonstige be¬
sondere Beobachtungen.
Sektion wie bei Nr. 8.
Erscheinungen und Sektionsbefund wie bei Nr. 18.
Sektionserscheinungen wie bei Nr. 8.
Die Stute zeigte am 9. 2. wie Andacht (siehe
Nr. 16) Kreuzschwäche, Gelbfärbung der
Schleimhäute des Kopfes und der Vagina, etwas
Ausfluß aus der Scheide und erhöhte Körper¬
temperatur, 39,9° C. Die Krankheitserschei¬
nungen ließen im Verlauf von 10 Tagen nach.
Ausrieselung des Uterus mit y 4 proz. Licol-
wasser.
Erscheinungen während des Lebens und der
Sektionsbefund wie bei Nr. 18.
t
Die Sektionserscheinungen ergaben denselben
Befund wie bei Nr. 8.
DAMMANN
gu4(t«W
l'lUfi
iXMhi
;S|tJyr
■ |' iJ
brftuiv» ;l.. i: M&> m!
gcb. ff(i0:j Tn-irt.
^;b jüoj i vi, ?» <; m.
i.UVbf
bt-utc.
V iv ■>«*
bJuroe
ßu: VarpjtQft
'
ßoWw, #iV tl»4iv, i
. ‘ j i xj
v .1-^; ^1«. i (Ai;
.. • 4;-K^A^v<?j. :
:
v.\ x •*•>• ; Vj
C v 11 v
U
i;>:
: i -Äf.fi^ac
VpKOf
<iec
A4re*$ T j.
10. Mfnalon
Os roiita
liajj. •
• \r\ ,v : v.: : .V^
'■ . &• -April . p.tfr
^.'ÜÄ • ?y •
1 10#(>r,
}^^#r
i%$v
5: SfiZi^fdU
. -
$0 'MiüUterv
Sirene
, 1ti; \
IM Mi* $&.
t*ß MtÄe
p* SVuäSc
66
DAMMANN,
Laufende Nr. Reihen¬
folge der Geburten
Name
der
Stute
Farbe
und Alter
der
Stute
Hat abgeschlagen
Hat
ge¬
boren
1908
am
Wurde
das
Fohlen in
den Ei¬
häuten
geboren?
Oder wieviel
Stunden spät,
erfolgte der
Abgang der
Nachgeburt?
49.
Julie.
Schwarz-
braun,
geb. 1888.
16., 20. April
mit St. Tropez
X X
l
—
18. Febr.
Stute.
—
Vi Stunde
später.
50.
Armbrust. 1
Braun,
geb. 1899.
4., 25. Febr.,
10., 22. März,
9. Apr., 1. Mai!
mitJubelgreis.
—
19.Febr.
Hengst.
—
v 4 Stunde
später.
51.
Olympiade.
1
Braun,
geb. 1891.
29., 80. April,
17., 18. Mai,
1., 3., 18., 19.
Juni mit
Mechanikus.
i
i
25. Febr.
Stute.
V 2 Stunde
später.
52.
Angelika.
Braun,
geb. 1902.
22., 25. März,
15. April mit
Titus.
25. Febr.
Hengst.
i
V 2 Stunde
später.
53.
Urkunde.
Fuchs,
geb. 1897.
10. April mit
Jubelgreis.
28.Febr.
Hengst.
I
V 2 Stunde
später.
54.
Akazie.
Braun,
geb. 1887.
9. März, 4.,
6. April, 7., 8.,
9., 10. Mai mit
Jubelgreis.
—
28.Febr.
Hengst.
—
1 Stunde
später.
55.
Tirolienne.
Braun,
geb. 1897.
17. Jan., 14.,
15. Febr., 1.,
2., 26. März,
16. April mit
Carnage
X X
29. Febr.
Hengst.
IV 2 Stunden
später.
56.
Juga.
Dunkel¬
braun,
geb. 1897.
28. Jan., 18.,
21. Febr.,
13., 14. Mai.
29. Febr.
Hengst.
V 2 Stunde
später.
57.
Pastete.
Braun,
geb. 1902.
30. März,
17. April mit
Mechanikus.
7. März
Stute.
V 2 Stunde
später.
58.
Gage.
Braun,
geb. 1899.
23. April mit
Titus.
—
16. März
Hengst.
—
1 Stunde
später.
Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestüt Beberbeck usw.
67
I
Kam
das
Fohlen
tot zur
Welt?
Oder
kam d.
Fohlen
lebend
zur
Welt?
— i Lebend.
Blieb
das
Fohlen
am
Leben?
Oder
wann
starb das
Fohlen?
Bemerkungen
über auffälligen Scheidenausfluß vorher oder
nach dem Gebären, über Kolikerscheinungen
vor oder nach dem Gebären, über Schwäche
und Lähmungserscheinungen vor oder nach dem
Gebären, deren Dauer und über sonstige be¬
sondere Beobachtungen
Starb am
18. Febr.
nach drei
Stunden.
Das Fohlen lag, nicht lebensfähig, bei der Mutter
und ging an Schwäche ein. Auf der Maul-
Schleimhaut zeigten sich große, blaugefärbte
Flecke. Auch die Konjunktiven waren blaurot
gefärbt (asphyktische Erscheinungen). Diese
Färbung wurde bei den folgenden nicht lebens¬
fähigen Geburten jetzt immer beobachtet.
Tot.
Tot.
Tot
— Lebend.
Tot. ' —
Starb am
28. Febr.
einige
Stdn. alt.
Die Mutterstute hatte am 24. 10. 07 eine sehr
schwere Kolik (Indigestion) durchgemacht.
Stark abführende Mittel wurden nicht verab¬
reicht, am allerwenigsten Alkaloide. Im Januar
1908 schwoll das Euter an und lief die Milch,
die erst einige Tage (10) vor dem Abortus
versiegte.
Das Fohlen war nicht lebensfähig, zeigte die
blauen Flecke wie das der Julie (s. Nr. 49).
Die Mutterstute hatte am 17. 12. schwere Kolik
durchgemacht.
Tot.
Tot.
Lebend.
Starb am
8. März
nach
20 Stdn.
Das Fohlen zeigte während des Lebens dieselben
Erscheinungen wie das von der Urkunde (siehe
Nr. 53).
Lebend.
Lebt.
5
68
DAMMANN,
Laufende Nr. Reihen¬
folge der Geburten
Name
der
Stute
Farbe
und Alter
der
Stute
Ist
gedeckt 1907
am
Hat abgeschlagen
Hat
ge¬
boren
1908
am
Wurde
das
Fohlen in
den Ei¬
häuten
geboren ?
Oder wieviel
Stunden spä¬
tererfolgte d.
Abgang der
Nachgeburt?
59.
Gold¬
Fuchs,
8. April mit
20. März
1 Stunde
forelle.
geb. 1897.
Mecbanikus.
Stute.
später.
60.
Alida.
Braun,
29. April mit
23. März
1 Stunde
geb. 1892.
Mechanikus.
Hengst.
später.
61.
Tatra.
Fuchs,
1., 10. April, j
—
31. März
—
V 2 Stunde
geb. 1900. 1
7., 8. Mai mit
Stute.
später.
Jubelgreis.
62.
Olinda.
Braun,
19. April, 13.,
—
7. April
—
V 2 Stunde
geb. 1890.
14. Mai mit
|
Hengst. :
später.
Jubelgreis.
63.
Adelheid.
Dunkel¬
23., 24. Mai
— 1
22. Apr.
— i
x !i Stunde
braun,
mit Beliane
Hengst.
später.
geb. 1889.
X X
64.
Capraja.
Fuchs,
16. März, 4., 5.,
—
13. Mai
— :
V 2 Stunde
i
geb. 1899.
20., 21. Juni
Stute. |
später.
mit Mecha-
nikus.
Das Studium der A bfohlungsliste läßt ersehen, daß von den
64 trächtigen Stuten 39 verfohlt haben.
Von diesen 39 Verfohlungen fallen 3 schon auf das Jahr 1907,
und zwar 1 auf den Monat Juli, 2 auf den Oktober, denen 3 nonnale
Geburten bis zum Ablauf des Jahres gegenüberstehen.
Auch im Januar 1908 hielt sich das Verwerfen noch auf mäßiger
Stufe. Es kamen 3 Aborte vor im Wechsel mit 13 normalen Ge¬
burten.
Die ganze Wucht der Kalamität fallt in den Monat Februar.
Auf ihn allein entfallen von den 39 Verfohlungen 30, wogegen für
diesen Monat nur 3 normale Geburten registriert werden konnten.
Nach Ablauf des Februar ereigneten sich nur noch 2 Aborte,
welche beide in den März fallen, während der Rest von 6 Stuten im
März, April und Mai normal abfohlte.
Der Abortus hat fast durchweg 8 bis 11 Monate nach dem be-
Das seuchenhafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeck usw.
69
Kam
das
Fohlen
tot zur
Welt?
Oder
kam d.
Fohlen
lebend
zur
Welt?
Blieb
das
Fohlen
am
Leben?
Oder
wann
starb das
Fohlen?
Bemerkungen
über auffälligen Scheidenausfluß vorher oder
nach dem Gebären, über Kolikerscheinungen
vor oder nach dem Gebären, über Schwäche
und Lähmungserscheinungen vor oder nach dem
Gebären, deren Dauer und über sonstige be¬
sondere Beobachtungen
Tot.
Das Fohlen lebte noch zu Beginn des Geburts¬
aktes, starb aber während der Geburt. Die
Stute, die öfter eine lange Trächtigkeitsperiode
hält, trug diesmal 346 Tage. Sie bekundete
in den letzten 4 Wochen der Trächtigkeit
leichte Leibschmerzen, war unruhig und fraß
wenig, oft gar nicht.
—
Lebend.
Lebt.
—
—
—
Lebend.
Lebt.
—
—
—
Lebend.
Lebt.
—
—
Lebend.
Lebt.
—
—
Lebend.
Lebt.
i
i
■—■
fruchtenden Sprunge eingesetzt, in der Regel nach 9 bis 10y 2 monatiger
Trächtigkeitsdauer. Nur einmal ist er schon nach 4 Monaten, einmal
erst nach liy 2 Monaten eingetreten.
Bei 30 von den 39 Aborten kamen die Fohlen tot zur Welt.
Von den übrigen 9 Fohlen starb 1 während der Geburt, die anderen
8 wurden so lebensschwach geboren, daß sie schon nach einigen
Stunden bis nach 3 Tagen eingingen.
Von den 39 Stuten, welche verfohlten, haben 4 Stück 1—4 Monate
vor dem Abortus Kolikerscheinungen gezeigt.
Ferner sind 4 andere dieser Stuten, welche im Monat Februar
verwarfen, 5—8 Tage vor dem Abortus an Eingenommenheit des
Kopfes, Appetitlosigkeit, Kreuzschwäche usw. erkrankt.
Unter den gleichen Erscheinungen, dazu noch mit Gelbfärbung
der Kopfschleimhäute, sind aber auch 2 von den 25 Mutterstuten,
welche normal gefohlt haben, beide am 9. Feburar 1908, die eine
70 DAMMANN,
4 Wochen, die andere 1 Tag nach dem Gebären erkrankt; sie genasen
indes nach 10—14 Tagen.
Auch diese Tatsachen sind wenig geeignet, dem schon durch die
obigen bakteriologischen Untersuchungen und die daran geknüpften
Versuche zurückgewiesenen Gedanken, daß das seuchenartige Ver-
fohlen in Beberbeck einen infektiösen, ansteckenden Charakter gehabt
habe, das Wort zu reden, wenn sie für sich auch nicht imstande
sind, denselben bestimmt zu negieren. Daß so viele Fohlen nahezu
ausgetragen verworfen wurden, daß eine nicht unbeträchtliche Zahl
nur lebensschwach zur Welt kam und dann erst einging, daß von den
39 Verfohlungen 30 sich auf den Monat Februar zusammendrängen und die
Kalamität alsdann so gut wie abgeschnitten erscheint —, alle diese Mo¬
mente wollen sich wenig mit der beregtcn Auffassung zusammenreimen.
Vielmehr drängt alles mehr auf den Gedanken hin, daß dem
Futter, zumal dem im Jahre 1907 unter der Ungunst der Witterung
geworbenen Heu, die Schuld an dem Verfohlen beizumessen ist.
Hierfür sprachen die mehrfachen Koliken und die sonstigen mit Kreuz¬
schwäche verbundenen Ernährungsstörungen der trächtigen Tiere,
welche letztere auch noch bei Stuten sich bemerklich machten, die
bereits abgefohlt hatten. Es fallen dafür ferner auch die Ergebnisse
der Fütterungsversuche, wenn auch nicht entscheidend, ins Gewicht.
Inwieweit dabei der in der Zeit vom 28. Januar bis 3. Februar ver¬
fütterte mangelhafte Hafer mitgewirkt hat, daß die Verfohlungen im
Monat Februar so massenhaft sich einstellten, ist schwer zu beurteilen,
ebensowenig, welchen Anteil die ungünstige Witterung des Sommers
1907 und die Vornahme der künstlichen Befruchtungen an der Kalamität
gehabt haben.
Das seuchenhafte Verfohlen hat sich in dem folgenden Jahre in
Beberbeck nicht wiederholt. Von den Stuten, welche im Winter 1907/08
verwarfen, haben im Winter 1908/09 nur 2 abortiert, eine 23jährige
und eine andere, welche tote Zwillinge ausstieß. 6 von ihnen sind
güst geblieben, 1 ist wegen eines kranken Uterus gar nicht gedeckt
worden und 1 wurde aus anderen Gründen getötet. Die übrigen
haben normal ausgetragen.
Nach alledem gelange ich zu den
Schlußsätzen:
1. Es ist mit Sicherheit auszuschließen, daß das im
Jahre 1908 im Hauptgestüt Beberbeck aufgetretene
Das seuchenhafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeok usw.
71
seuchenartige Verfohlen infektiöser, ansteckender
Natur gewesen ist.
2. Ebensowenig kann die Ursache des Verwerfens in
einem Bleigehalt oder in sonstiger schlechter Be¬
schaffenheit des den Stuten gereichten Trinkwassers
gesucht werden.
3. Vielmehr ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen,
daß die Kalamität auf die mangelhafte Beschaffen¬
heit des Futters zurückzuführen ist.
V.
Aus der chirurgischen Klinik der Kgl. Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
Lieber Polydaktylie beim Pferde.
Von
Prof. Dr. R. Eberlein.
(Mit 18 Abbüdungen auf Tafel I—V.)
Die Mehrzehigkeit des Pferdes ist verhältnismäßig häufig
beobachtet worden und hat von jeher das Interesse der Tierärzte und
Zoologen hervorgerufen. Dieselbe ist deshalb bereits mehrfach Gegen¬
stand zum Teil eingehender Untersuchung und Beschreibung gewesen
und wird auch schon sehr frühzeitig in der Literatur erwähnt. So
berichtet bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts Aldrovandus
(1, 1679) unter Beigabe einer bildlichen Darstellung von einem Equus
octopedibus, der an allen vier Füßen Didaktylie aufwies. Ferner
spricht Plot (2, 1688) von einem Fohlen, mit einer überzähligen
Zehe, ohne allerdings mitzuteilen, welche Gliedmaße betroffen war.
Sodann beschreibt Winter v. Adlersflügel (3, 1703) zwei Fälle
von Polydaktylie beim Pferde. Bei einer Stute fanden sich an allen
vier Gliedmaßen innen eine Beizehe und ein Hengst besaß an beiden
Vorderextremitäten eine überzählige klauenförraige Zehe.
Wenn auch hiernach die ersten Beobachtungen über das Vor¬
kommen der Polydaktylie bis in das 17. Jahrhundert zurückreichen,
so setzt doch eine exakte Forschung auf diesem Gebiete
erst mit der Entwickelung der wissenschaftlichen Tier¬
heilkunde ein, welche mit der Begründung der tierärztlichen Lehr¬
anstalten gegen Ende des 18. Jahrhunderts eingeleitet wurde. Seit
dieser Zeit mehrten sich die Mitteilungen über das Vorkommen und
das Wesen dieser Abnormität schnell, so daß wir heute, wie ich
unten weiter ausführen werde, über eine große Zahl von Beobachtungen
verfügen.
Ueber Polydaktylie beim Pferde.
73
Von Bedeutung war ferner der Umstand, daß auch die Natur¬
forschung ihre Aufmerksamkeit der Polydaktylie zuwandte und sich
Männer wie Goethe mit derselben beschäftigten. Nach der Mit¬
teilung von Boelsche (4) erklärte Goethe die Mehrzehigkeit des
Pferdes „als ein gelegentliches Durchschlagen des Typus, der allen
Säugern ursprünglich mehrere Zehen zudiktiere und auch da, wo er
sich auf eine einzige habe herunterhandeln lassen, sein ideelles
Fortbestehen gern einmal in Gestalt einer scheinbaren Abnormität
dokumentiere. 14
Mir selbst bot sich die Gelegenheit, in der Klinik 5 Fälle von
Polydaktylie zu beobachten, die mir der Mitteilung wert erscheinen,
umsomehr als ich bei zwei der Tiere die überzählige Zehe operativ
entfernt habe und den Heilverlauf verfolgen konnte. Ehe ich aber
auf die Beschreibung der Einzelfälle eingehe, möchte ich eine kurze
Uebersicht über die bisherigen in der Literatur niedergelegten Be¬
obachtungen voranschicken.
Literatur.
Gurlt, der Begründer der deutschen Veterinärteratologie, behandelt in seiner
pathologischen Anatomie (5, 1832) die Polydaktylie als „Megalomelus perisso-
dactylus, überzählige Zehen“ und bezieht sich hier auf die Mitteilungen von
Winter von Adlersflügel, Plot, Bredin u. a. An anderer Stelle seines
Lehrbuches (S. 373) bespricht dieser Forscher die Polydaktylie noch einmal unter
der Ueberschrift „Ueberzählige Teile an den Gliedmaßen“ und „Regel¬
widrige Spaltung an den Gliedmaßen“. Erstere bezeichnet er als nicht
selten, letztere aber als sehr selten und als äußerst selten, wenn die Spaltung nur
das letzte Zehenglied (Hufbein) betrifft. In der Folgezeit hat Gurlt dann noch
mehrere Einzelfälle (6 und 7) mitgeteilt und zum Teil auch abgebildet. Eine zu¬
sammenfassende Darstellung der Anomalie endlich gibt Gurlt in seinem Atlas der
tierischen Mißgeburten f8), in weichem er über 14 Fälle bei Fohlen berichtet.
Bei einem ausgetragenen Fohlen beobachtete Wehenkel (9,1873) an allen vier
Gliedmaßen zwei vollkommen ausgebildete Zehen. Es waren die zweiten und vierten
Zehen ausgewachsen, während die dritten oder Hauptzehon verkümmert waren.
Eine weitere Mitteilung stammt von Cornevin (10, 1881), welcher zunächst
die Beobachtungen von Aldrovandus (1679), Allard (1811), Geoffroy Saint-
Hilaire (1832), Moreul (1846, 1848 u. 1850), Lavocat (1853), Alibert (1855),
Goubaux (1855, une douzaine de cas), Varneil (1859 und 1862), Armatage
(1865), Arloing (1867), Hüll (1868), Freew (1869), Delplanque (1869),
Flemming (1871), Müller (1872), Wehenkel (1873), Benjamin (1878), Marsh
(1880), Darbot (1880) und Loubet (1881) registriert und dann drei eigene Beob¬
achtungen anschließt. Hiermit verzeichnet Cornevin insgesamt 49 Fälle, von
denen 12 alle vier Gliedmaßen und die übrigen 37 eine oder beide
Vorderextremitäten, und zwar stets die mediale Seite derselben, betrafen.
74
EBERLEIN,
Aehnliche Wahrnehmungen wie Wehenkel haben Ercolani (II, 1882) und
Lavocat (12, 1882), dieser an einem aus La Plata nach Paris eingeführten Pferde,
gemacht. Das Vorkommen einer (inneren) Nebenzehe an den Vordergliedmaßen
hält Lavocat für so häufig, daß die Fälle nicht mehr gezählt werden, während
sie an den Hinterbeinen seltener und nie an diesen allein, sondern dann immer
an allen vier Beinen sich zeigen. Spaltung der mittleren oder Hauptzehe
wurde in seltenen Fällen und wiederum nur an den Vorderbeinen beobachtet.
Popow (13, 1883) untersuchte mehrere Pferde mit einseitiger Verdoppelung
der Phalangen und ihrer Gelenke.
Schon Hensei (14) hat im Jahre 1860 die überzähligen Zehen des Pferdes
einer eingehenden wissenschaftlichen Untersuchung unterworfen. Ihm stand das
Material der Gurltsehen Sammlung zur Verfügung, von dem er fünf Fälle be¬
schreibt. Er erklärt die Anomalien als „wirkliche Rückschläge auf das Hip-
parionstadium“.
Ebenso hat Boas (15, 1882 u. 16, 1885) kritische Untersuchungen darüber
angestellt, wie weit die Mehrzehigkeit des Pferdes das Produkt einer Sprossung
oder eines Rückschlages (Atavismus) ist. Er greift auf die Mitteilungen von
Henscl, Gurlt, Gaudry, Marsh u. a. zurück und beschreibt vier Präparate der
Sammlung der Kopenhagencr Schule. Boas gelangt zu dem Schluß, daß ein
Teil der Veränderungen (die Minorität) Produkte einer Sprossung
sind, die Mehrzahl aber Rückschläge darstcllen.
Im Münchener Jahresbericht 1884/85 äußert sich Kitt (17) über 3 Fälle
„echt atavistischer Polydaktylie** beim Fohlen, auf welche derselbe auch in seinem
Lehrbuch der pathologischen Anatomie zurückgreift (18 u. 19).
Persillot (20) fand bei einem 6 Tage alten Fohlen, Sh ave (26) und Mac-
cagni (31) ebenfalls bei einem Fohlen, Pütz (21) bei einem zehnjährigen Wallach
norisch-ungarischer Abstammung und Briot (29) bei einem Mustang aus den
Prairien Südamerikas an der Innenseite eines Vorderfußes eine Beizehe. Ferner
sah Rudofsky (22) ein fünfjähriges, gut entwickeltes Pferd, welches an beiden
Vorderfüßen zwei vollkommen ausgebildete Seitenzehen hatte, die so lang waren,
daß sie den Boden berührten. Einen ähnlichen Fall beobachtete und operierte
Nies (23) bei einem Fohlen, ebenso Joger (24), Kirillow (25), Steger (27),
Ising (an allen vier Füßen) (30) und Salles (34).
Schmaltz (28) berichtet über einen Fall von Polydaktylie bei einem sechs¬
jährigen, wohlgebauten, starkknochigen Arbeitspferde, welches jederzeit gut gearbeitet
hatte. Dasselbe wies an der Innenseite des rechten Fessclgelenkes eine
zweite Zehe auf, welche normal gegliedert war und mit einem gut ausgebildetcn
Hufe etwa 4 cm über dem Boden endete. Das Pferd strich sich nicht und hatte
auch sonst im Gange keine Beschwerden durch die Nebenzehe.
Eine interessante Beobachtung hat R. Schmidt (32) gemacht. Ein kräftig
entwickeltes braunes Stutfohlen zeigte an jedem Beine zwei Zehen mit je drei
Gliedern und Hufen. Bei zwei Füßen berührten beide Hufe den Boden gleichzeitig,
während bei zweien die eine Zehe verkrümmt bzw. verkümmert war, sodaß dieser Huf
höher lag. Taylor (33) fand bei einem eintägigen Fohlen den rechten Vorderfuß bis
zum Karpus gespalten, an der linken Vordergliedmaße reichte die Spaltung nur
bis zur Mitte des Fesselgelenks. Einen ähnlichen Zustand sah Steffani (47) bei
• einem acht Wochen alten Fohlen.
Ueber Polydaktylie beim Pferde.
75
In den von Fantin (35) und Dalau (39) beschriebenen Fällen bestand an
der medialen Seite der Fesselgelenke beider Vorderfüße eine überzählige, etwas
verkümmerte Zehe.
Tiere, bei denen nur an einem Fuße eine derartige Nebenzehc, in der
Regel innen, vorlag, sind untersucht und beschrieben worden von Zimmer¬
mann (36, sehr eingehende anatomische Untersuchung), Ries (37, 3 Fälle), Gis-
lehni (38), Craig (40, an der lateralen Seite), Schimmel (42), Lesbre (43),
Pfab (44), Wucherer (45), Borelia und Finzi (46) und Hederstedt (48),
während eine Didaktylie an der gleichseitigen Vorder- und Hinter¬
extremität eines Pferdes von Dupas (41) geschildert wird.
In neuerer Zeit hat Reinhardt (49) eine eingehende Studio über die
vorwürfige Frage veröffentlicht. Seine Beobachtungen erstrecken sich auf vier
Fälle, die anatomisch sehr genau untersucht sind. Das erste Pferd war eine
mittelgroße, an allen vier Füßen zweizehige Stute, bei welcher jedem der vier
Füße an der Medianseite ein zweiter Finger, bezw. eine zweite Zehe ansaß. Die
weiteren drei Präparate stellten Einzelgliedmaßen dar. In ausführlicher Form
begründet Reinhardt seine Ansicht dahin, „daß alle vier Fälle durch Teilung
entstanden sind, hervorgerufen durch ein Hindernis, welches während der frühesten
Embryonalperiode vom distalen Ende der Gliedmaße her auf die noch nicht diffe¬
renzierten Teile teils spaltend, teils drückend parallel der Gliedmaßenachse ein¬
gewirkt hat.“
Ebenso beachtenswert sind endlich die sorgfältig durchgeführten Unter¬
suchungen und Betrachtimgen Lindemanns (50). Seine Untersuchungen be¬
treffen die vier Füße eines Fohlens, das an allen vier Extremitäten mit Poly¬
daktylie, und zwar an den Vordergliedmaßen mit atavistischer, an den
Hintergliedmaßen mit teratologischer Mehrzehigkeit behaftet war. Die einzelnen
Füße sind anatomisch eingehend geprüft und beschrieben.
Im Anschluß daran hat Lin de mann die in der Literatur mitgeteilten Fälle
zusammengestellt und ist hierbei zu den nachstehenden, sehr interessanten
statistischen Schlußfolgerungen gelangt:
In 81 genauer bestimmten Fällen waren 148 Extremitäten betroffen, und zwar
handelte es sich 72 mal um ein rechtes, 43mal um ein linkes Vorderbein, 17 mal
um die rechte und 16 mal um die linke Hinterextreraität.
Die Polydaktylie tritt am meisten an den Vordergliedmaßen auf
(77,70 pCt.), und zwar rechts (48,65 pCt.) häufiger als links (29,05 pCt.), seltener
an den Hinterextremitäten (22,30 pCt.).
In der Regel findet man die Polydaktylie nur an einerExtremi tat. (60,21pCt.),
seltener an 2 Gliedmaßen (22 Fälle = 23,66 pCt.) und noch seltener an
allen 4 Extremitäten (15 Fälle = 16,13 pCt.).
Ueber Tridaktylie liegen 7 Beobachtungen vor.
Hinsichtlich der Bedeutung des Geschlechtes und der Rassenzugehörig¬
keit der Tiere für das Auftreten der Polydaktylie stehen hinreichende Erfahrungen
nicht zur Verfügung.
Endlich hat Lindemann die Frage im allgemeinen erörtert, ob und inwie¬
weit die Polydaktylie als Atavismus oder als Mißbildung zu deuten ist und die
mitgeteilten Fälle darauf kritisch untersucht, wie weit dieselben den ata¬
vistischen, bzw. den teratologischen Abnormitäten zuzurechnen sind.
76
EBERLEIN,
Er gelangte hierbei zu dem Schluß, daß von den zusammengestellten Fällen
51 pCt. nicht genügend beschrieben sind, während 3 Präparate beide Arten von
Mehrzehigkeit vereint aufweisen. Von den übrigen 46 Beobachtungen waren
17 = 36,96 pCt. atavistisch-polydak ty 1 und 29 = 63,04 pCt., mithin die
Mehrzahl, teratologisch-polydaktyl.
Eigene Beobachtongen.
Wie ich schon erwähnte, habe ich in den letzten Jahren 5 Fälle
von Polydaktylie beim Pferde beobachten können. An 2 Tieren
wurde die Operation mit Erfolg ausgeführt. Ich werde die Fälle in
der Reihenfolge beschreiben, wie sie zur Beobachtung gelangt sind.
I. Fall.
(Figur 1—5.)
Jährlingsstutfohlen, 1,50 m hoch, posenschen Land¬
schlages, wurde der Klinik mit dem Vorbericht zugeführt, daß es in
der Provinz Posen auf dem Markte gekauft sei, um als Schaubuden¬
objekt verwendet zu werden. Ueber die Abstammung, bisherige
Haltung etc. des Tieres war nichts bekannt.
Status praesens. Das Fohlen war als Jährling nur schwach
entwickelt und sehr mäßig genährt. Das Allgemeinbefinden des Tieres
war jedoch nicht gestört, auch soll die Futteraufnahme gut sein.
Das Tier ist sehr schmalbrüstig, so daß beide Vorderglied¬
maßen eng stehen. Die linke Vorderextremität ist etwas diagonal
nach außen verstellt, und beide Zehen stehen zehenweit. Im übrigen
zeigt die rechte Vorderextremität keine Abweichungen, der Huf der¬
selben ist ein diagonaler Schiefhuf.
Der linke Vorderschenkel (Fig. 1) ist im ganzen schwächer als
der rechte. Die Unterarmpartie ist verlängert, so daß der Karpus
und ebenso das Fesselgelenk links 5 cm tiefer stehen als rechts.
Der linke Metakarpus ist nur 3 / 4 so stark wie der rechte. Das linke
Fessel- und Krongelenk aber sind verdickt.
Der Huf ist bei der Betrachtung von vorn gesehen klauen¬
artig bis zur Krone gespalten, in seinen beiden Hälften unregel¬
mäßig abgenutzt, schnabelschuhartig verbildet und seitlich nach außen
abgebogen (Fig. 1). Am aufgehobenen Fuße lassen sich die beiden
hornklauenartigen Teile des Hufes gegeneinander bewegen, jedoch
sind beide Abteilungen im mittleren Spalt durch festes Horn ver¬
bunden. Bei der Betrachtung der Bodenfläche fällt auf, daß die
Seitenwände infolge der vernachlässigten Hufpflege sich auf die
Ueber Polydaktylie beim Pferde.
77
Bodenfläche umgelegt haben. Jede Abteilung zeigt einen kleinen
verkümmerten Strahl und eine seitliche Eckstrebe. Es sieht
aus, als ob der Huf in der Mitte des Strahles durchgetrennt und aus¬
einander gebogen wäre.
Die Bewegungen des Tieres sind auf weichem Boden nur wenig
behindert, auf Pflaster dagegen sehr blöde und erheblich beeinträchtigt.
Um darüber Auskunft zu erhalten, wie die einzelnen Zehenknochen
beschaffen und zu einander gelagert sind, wurde die linke Zehe des
Tieres mit Röntgenstrahlen dorso-ventral und ventro-dorsal durch¬
leuchtet. Die in Fig. 2 u. 3 wiedergegebenen Aufnahmen lassen er¬
kennen, daß die Spaltung der Zehe bis in die distale Epi¬
physe des Fesselbeins reicht und die distale Artikulations¬
fläche dieses Knochens noch geteilt ist. Die beiden Kronbeine und
Hufbeine sind ungleich groß, die äußeren nämlich größer als die
inneren. Die Hufbeine sind klauenbeinförmig. Außerdem liegen zwei
Strahlbeine vor.
Wenn nun auch durch diese Röntgenaufnahmen das Wesen der
vorliegenden Polydaktylie als eine ohne Zweifel durch Mißbildung
bedingte Teilung der Zehe bis zur Phalanx prima festgestellt
war, so hatte ich doch den Wunsch, das im übrigen geringwertige
Tier als Versuchstier zu erwerben, um später noch eine weitere
Untersuchung vornehmen zu können. Die Unterhandlungen scheiterten,
da der Besitzer sich einen großen Verdienst durch Verwendung des
Fohlens als Schauobjekt versprach. Als dies nicht eintrat, ließ der
Eigentümer dasselbe nach einem halben Jahr schlachten und sandte
der Klinik die beiden Vorderfüße, im Karpus abgetrennt, zu.
Die Sektion der Füße ergab an der rechten Gliedmaße in allen
Teilen und Geweben normale Verhältnisse.
Am linken Fuße jedoch zeigen sich am Skelett (Fig. 4) die
schon durch die Röntgenuntersuchung erkannten und oben näher be¬
schriebenen Verhältnisse. Die Knochen sind sämtlich kleiner
und die Spaltung der Zehe erstreckt sich bis in die distale
Epiphyse der Phalanx I. Die genauen Messungen ergaben die
in der umstehenden Tabelle in cm mitgeteilten Maße.
Die Knochen zeigen die im Röntgenbilde erkennbaren Formen
und gleichen an den Krön- und Hufbeinen im allgemeinen mehr den
Krön- und Klauenbeinen der Rinderzehe, sind dabei aber sehr un¬
regelmäßig. Die Strahlbeine, von denen zwei vorliegen, sind sehr
klein und entsprechen in Größe und Form etwa denen eines jungen
78 EBERLEIN,
Rindes. Jedes Hufbein trägt an dem verkümmerten Huf beinaste einen
kleinen Hufknorpel.
Tabelle.
Mc.
III
Ph. I
Ph. II
Ph. III
i
1 .
V.
1 .
V.
r. V.
1
i
1. V.
r. Y.
1. V.
r. V.
med.
lat.
r. V.
med.
lat.
Gesamtlänge....
Breite ara proxi¬
25
23
8,25
6,75
3.5
2,4
2,5
5,0
09
00
4,2
malen Ende . . .
6,5
6,0
5,5
5,0
5,5
3.2
2,8
5,5
3,0
3,3
Breite in der Mitte
Breite am distalen
4,0
3,5
3,5
3,3
5,0
2,8
2,7
—
—
—
Ende.
5,0
1 4,5
4,8 |
4,3
:
5,3
3,3
i
3,5
7,5
1 3,3
i
3,6
Die Sehnen weisen bis zur distalen Epiphyse der Phalanx I
keine Abweichungen auf. Hier gabelt sieh die Sehne des M. ex-
tensor digitor. communis entsprechend der Teilung der Knochen in
zwei Schenkel. Ebenso ist an der Beugefläche die Sehne des M. flexor
digitor. profundus in zwei Schenkel geteilt, ähnlich wie an der Rinder¬
zehe. Das Verhalten der Gefäße und Nerven konnte nicht weiter
geprüft werden.
Interessant sind die Veränderungen an der Huflederhaut
(Fig. 5). Von der stark behaarten Haarlederhaut setzen sich der
gut ausgeprägte Fleischsaum und die mit kräftigen Zotten ausge¬
stattete Fleischkrone deutlich ab. Beide schlagen sich am Trachten¬
teil jederseits auf die Sohlenfläche des Hufes um und gehen hier wie
am normalen Hufe in den Fleischstrahl über, bezw. bilden die Fleisch¬
kroneneckstrebe. Die Fleischwand ist an den Außenflächen wie an
den Innenflächen der beiden Hufteile mit regelmäßig ausgebildeten
Fleischblättchen, die Fleischsohle mit kräftigen Fleischzotten besetzt.
Jeder Hufteil zeigt ferner an der Bodenfläche eine deutliche Fleisch¬
wandeckstrebe und einen verhältnismäßig kräftigen Fleischstrahl. Es
erscheint, als ob der Fleischstrahl in der Mitte durchtrennt und die
eine Hälfte desselben auf die innere, die andere auf die äußere Ab¬
teilung des Hufes verschoben wäre. In der Spalte zwischen den
beiden Hufhälften zeigt das Gewebe den Charakter des Fleisch¬
strahls und ist mit flachen, spärlichen Zotten ausgestattet.
Die Hornkapsel entspricht an ihrer Innenfläche genau der Ober¬
fläche der Huflederhaut und ist im übrigen von schon oben be¬
schriebener Form und Beschaffenheit.
Ueber Polydaktylie beim Pferde.
79
Fall II.
(Figur 6 und 7.)
Es handelt sich um die vier Füße des Fötus einer Voll¬
blutstute, die im 7. Monat der Trächtigkeit abortiert hatte. Stute
und Hengst waren vollkommen gesund. Auch war nicht bekannt,
daß von denselben jemals Fohlen mit Mißbildungen gefallen waren.
Befund. Alle vier Füße (Fig. 6) zeigen die Eigenschaften der
Extremitäten nicht ausgetragener Föten und lassen sämtlich eine
Mehrzehigkeit durch Bildung einer Nebenzehe an der
medialen Seite erkennen. Am Earpus und Tarsus liegen keine
Abweichungen bezüglich der Zahl und Form der Knochen vor.
Am rechten Vorderfuß, der einschließlich Karpus eine Ge¬
samtlänge von 16 cm mißt, ist das mediale Gritfelbein fast ebenso
stark ausgebildet wie das Mc. IH. Beide Knochen sind bis zum Karpus
an der dorsalen wie an der volaren Fläche durch eine tiefe Rinne
geschieden und im unteren Drittel durch einen Spalt getrennt. An
den distalen Enden der Mc. II und IH ist die Haut knollenförmig
verdickt und trägt eine kleine Hornkappe als erstes Anzeichen der
Hufbildung. Zehenknochen sind nicht zu fühlen. Wie die Röntgen¬
aufnahme (Fig. 7) zeigt, ist die Zehe noch nicht differenziert. Nur
in der Zehe des Mc. UI ist bereits ein Knochenkern zu bemerken.
Das laterale Griffelbein ist nicht vergrößert.
Der rechte Vorderfuß ist 15 cm lang und ähnlich beschaffen,
nur ist Mc. H bloß etwa % so l an S a * s Mc. IH (Fig. 6). Die
Bildung der Zehen ist unvollständiger als am linken Vorderschenkel
(Fig. 7). Laterales Griffelbein sehr klein.
Der linke und der rechte Hinterfuß messen 20 und 18 cm
und sind weiter ausgebildet als die Vorderextremitäten. An beiden
fällt auf, daß das mediale Griffelbein fast ebenso lang und stark ist
als das Mc. HI. Beide Knochen tragen knollenförmig verdickte
Stümpfe, die mit einem kleinen Huf enden (Fig. 6) und im Röntgen¬
bilde sich als Zehen erweisen (Fig. 7). Die lateralen Griffelbeine
sind weder verlängert noch verstärkt.
Fall QI.
(Fig. 8 u. 9.)
Das Präparat stellt den linken Vorderschenkel bis zum
Ellenbogengelenk eines Hengstfohlens dar, das 24 Stunden nach
g 0 EBER LEIN,
der Geburt gestorben war. Mutter englische Halbblutstute,
Hengst unbekannt.
Befund. Die Extremität zeigte bei der Geburt des Fohlens die in
der Fig. 8 dargestellte Form. Dieselbe ist im Karpalgelenk stark volar
gebeugt, während die Zehe durch exzessive Dorsalflexion im Fessel-
und Krongelenk hochgradig verbildet ist. An der medialen Seite des
Mittelfußes ist ein 15 cm langer dornförmiger Fortsatz zu erkennen,
der am Karpus entspringt und etwa bis zur halben Ausdehnung durch
eine Hautfalte mit dem Mittelfuß verbunden ist.
Auf dem Röntgengebilde (Fig. 9) erweist sich dieses Gebilde
als das verstärkte und verlängerte mediale Griflelbein, während das
laterale Griflelbein nur als ein zartes und nicht vergrößertes Gebilde zu
erkennen ist. Infolge der exzessiven Beugung im Karpalgelenk sind
die Karpalknochen unregelmäßig gebildet und gelagert (Fig. 9).
Fall IV.
(Fig. 10—14.)
Hellbrauner Wallach, mecklenburgischer Rasse, 3 Jahre
alt, 1,62 m hoch, wurde am 10. Juni 1909 zum Zwecke der
Operation in die Klinik eingestellt. Die Elterntiere des Fohlens sind
gesund.
Status praesens. Das kräftige, aber mäßig genährte Tier ist
innerlich gesund und frei von fieberhaften oder allgemeinen Er¬
krankungen.
Am rechten Vorderfuße des Fohlens sieht man an der
Innenfläche des Fesselgelenkes eine zweite Zehe (Fig. 10) von
etwa der halben Stärke der Hauptzehe. Dieselbe läßt bei der Pal¬
pation alle Eigenschaften einer Einhuferzehe, insbesondere eine Phalanx I,
II und III, sowie einen kräftigen Hornschuh erkennen. Mit dem
Mittelfuß ist die Nebenzehe durch ein doppeltdaumenstarkes Knochen-
gebildc verbunden, das sich bis zum Karpus verfolgen läßt und als
verstärktes mediales Griffelbein zu erkennen ist. Nach unten ist die¬
selbe seitlich (nach innen) abgebogen und reicht mit dem Hufzehen¬
rande bis zur Krone der Hauptzche. Bis an die Krone waren Haupt-
und Nebenzehe durch eine Hautfalte verbunden.
Die Bewegungen des Tieres sind frei. Es besteht weder beim
Vorführen auf weichem noch auf hartem Boden eine Lahmheit. Auch
fehlen Streichwunden oder Folgezustände früherer Verletzungen an
der linken Vordcrglicdmaße.
Ueber Polydaktylie beim Pferde.
81
Am aufgehobenen Hufe (Fig. 11) sieht man, daß der Huf der
Hauptzehe kräftig entwickelt ist. Auch der Huf der Nebenzehe, der
natürlich nie beschnitten worden war, läßt alle Einzelheiten eines
Pferdehufes erkennen, nur sind die Form geringgradig verkehrtkegel-
förmig, die Trachten sehr eng und die Sohle stärker gewölbt. An
der Figur 11 läßt sich erkennen, wie die Zehe durch ein strang-
förmiges Gebilde (mediales Griffelbein) mit dem Mittelfuß verbunden ist.
Die Röntgenaufnahme (Fig. 12) erweist mit Sicherheit, daß
die Nebenzehe mit dem Mittelfuß fest lediglich durch das mediale
Griffelbein verbunden ist, sowie daß die Fesselgelenke der Haupt-
und der Nebenzehe sicher selbstständig und von einander
getrennt sind. Die Operation konnte deshalb ausgeführt werden.
Operation. Am 19. Juni wurde das Tier unter Chloralhydrat-
Narkose auf die rechte Seite gelegt, der rechte Vorderfuß auf die
Latte gebunden und das Operationsfeld in größerer Ausdehnung rasiert,
gründlich desinfiziert und mit Tupfern abgedeckt. Hiernach legte ich,
nach Ausführung der Lokal-Anästhesie auf der Höhe des Innenrandes
der Nebenzehe einen Schnitt durch die Haut, der sich von der
Krone der Nebenzehe bis zum mittleren Drittel des Mittel¬
fußes erstreckte, präparierte die Haut an der dorsalen und volaren
Seite der Nebenzehe ab und legte so dieselbe vollkommen frei. Jetzt
konstatierte ich, daß die Nebenzehe eine eigene gemeinschaftliche
Strecksehne sowie auch alle drei Beugesehnen hatte, die in der Mitte
etwa des Vordermittelfußes an der dorsalen oder volaren Fläche von
den betreffenden Sehnen der Hauptzehe sich abzweigten. An den Ab¬
zweigungsstellen lagen gabelförmige Sehnenscheiden vor, die sowohl
die Sehnen der Hauptzehe wie die der Nebenzehe an der Teilungs¬
stelle umschlossen.
Nachdem so die Nebenzehe freigelegt war, habe ich das Mc. II
etwa in der Mitte des Vordermittelfußes und hart am Mc. III in der
Richtung des Innenrandes desselben mit dem Meißel schräg durch¬
trennt und die Knochenränder mit Knochenzange und scharfem Löffel
geglättet, nachdem ich zuvor die Strecksehnen und die Beugesehnen
der Nebenzehe nahe an der Abzweigungsstelle durchschnitten hatte.
Als darauf die blutenden Gefäße unterbunden waren, wurden die durch
den Schnitt geöffneten Sehnenscheiden durch eine sorgfältige enge
Naht verschlossen. Hiernach habe ich die Hautlappen reguliert und
durch eine kombinierte Knopf-Klararaernaht verschlossen. Der
untere Wundwinkel blieb zum Abschluß des Sekretes offen, in denselben
Archiv f. wUsensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. ß
82
EBERLEIN,
wurde ein Gazetupfer geschoben. Zum Schluß wurde die Operations¬
wunde mit Lenicet bepudert und ein Okklusivverband angelegt.
Nachdem das Tier wieder aufgestanden war, wurde zum Zwecke der
Immobilisierung der Zehe über den Watteverband noch ein dünner
Gypsverband gelegt.
Die Heilung vollzog sich ira ganzen regelmäßig. Während der
ganzen Zeit ist die Körpertemperatur nie über 38° C. gestiegen und die
Futteraufnahme stets gut geblieben. Am 27. Juni mußte der Verband
gewechselt werden, da oberhalb desselben an der Gliedmaße Schwellung
aufgetreten war. Einige Nähte waren ausgerissen, im übrigen aber
heilte die Wunde sehr gut. Von jetzt wurde der Verband jeden
3. und später jeden 5. Tag gewechselt, die Wunde hierbei, da die
Eiterung sehr gering war, nur mit Sublimatalkohol abgetupft und mit
Jodtinktur, später mit Aloetinktur bepinselt.
Am 18. Juli war die Wunde geheilt (Fig. 13), nur war die
Narbe noch etwas breit und wulstig, wie dies so kurze Zeit nach
der Operation nicht anders zu erwarten ist. Der Verband ist des¬
halb fortgelassen. An diesem Tage wurde auch der Huf regu¬
liert, indem ich den Tragerand der äußeren Wandabschnitte erniedrigen
ließ. Die Bewegungen des Tieres waren auf weichem wie
auf hartem Boden vollkommen frei. Es zeigte sich nicht die
geringste Spur einer Lahmheit.
Am 21. Juli wurde das Tier als geheilt entlassen. Der Be¬
sitzer verwendet dasselbe zu allen Ackerarbeiten und als
Kutschpferd, ohne daß irgendwelche Störungen im Dienstgebräuche
hervorgetreten sind.
Die amputierte Zehe zeigt bezüglich der Knochen, Sehnen.
Gefäße, Nerven, alle Eigenschaften einer Einhuferzehc. Das Gewicht
derselben beträgt 600 g. Die Knochen sind, wie die Röntgenauf¬
nahme (Fig. 14) zeigt, kräftig entwickelt, die Länge derselben be¬
trägt an der Phalanx I = 7,5 cm, an der Ph. 11 = 3,5 cm und an
der Ph. III = 4,5 cm.
Fall V.
(Figur 15—18.)
Fuchsstutfohlen, ostpreußischer Rasse, 1 Jahr alt, 1,45 m
groß, unbekannter Abstammung, w r urde am 9. Januar d. J. zur Ope¬
ration in die Klinik eingestellt.
Status praesens. Das Fohlen ist schlecht genährt und zeigt
lieber Polydaktylie beim Pferde.
83
«in rauhes, glanzloses Haarkleid, ist sonst aber innerlich gesund,
jedenfalls frei von fieberhaften Allgemeinerkrankungen.
Am linken Vorderfuß (Fig. 15) erscheint der Vordermittelfuß
in seiner ganzen Ausdehnung, namentlich in seiner unteren Hälfte in
seinem Umfange erheblich vergrößert und an der Innenfläche des
Fesselgelenkes findet sich eine zweite Zehe von etwa der halben
Stärke der Hauptzehe. Dieselbe läßt alle Eigenschaften einer
Einhuferzehe erkennen (Fig. 16), steht an ihrem proximalen Ende
mit dem verstärkten und stark vergrößerten medialen Griffelbein in
Verbindung und trägt an ihrem distalen Ende einen vollständig aus¬
gebildeten, wenn auch verkümmerten Huf, der bis zur Mitte der Seiten¬
wand des Hufes der Hauptzehe reicht.
Die Bewegungen des Tieres sind frei. Weder im Schritt noch
im Trab auf weichem und auf hartem Boden besteht Lahmheit.
Streichverletzungen irgendwelcher Art an der linken Gliedmaße
liegen nicht vor.
Die Röntgenaufnahme (Fig. 16) gab Aufschluß darüber, daß
die Nebenzehe mit dem medialen Griffelbein artikuliert und
daß die Fesselgelenke der Haupt- und der Nebenzehe sicher
selbständig und von einander getrennt sind, so daß die Ope¬
ration ausgeführt werden konnte.
Operation. Dieselbe wurde an dem Fohlen am 11. Januar in
der Choralhydrat-Narkose und unter Lokal-Anästhesie nach der oben
beschriebenen Methode (Fall IV) ausgeführt und ohne Zwischenfall
beendet. Nur wurde hier der Knochen nicht mit dem Meißel, sondern
mit Hilfe einer Säge durchtrennt und ferner mit Rücksicht auf das
Alter des Tieres zur Immobilisierung anstelle des Gypsverbandes ein
Stärkebindenverband angelegt.
Die Heilung vollzog sich per primam und sehr schnell.
Am 20. Januar wurde der Verband zum ersten Mal gewechselt und
schon am 30. Januar konnte das Tier als geheilt entlassen
werden. Zum Schutze der frischen Narbe wurde noch ein Schutz¬
verband angelegt.
Als das Tier am 30. Januar die Klinik verließ und zuvor der
Huf reguliert war, hatte die Gliedmaße das in der Figur 17 wieder¬
gegebene Aussehen, welches die ausgezeichnete Heilung erkennen läßt.
Am 25. März wurde das Tier noch einmal vorgestellt. Die
Narbe hat sich bis auf einen feinen Strich verkleinert und
fällt nicht im geringsten auf. Der Vordermittelfuß ist nur noch
<]•
84 ' EBERLEIN,
wenig dicker als der der rechten Seite. Es müssen sich hier also
bereits Rückbildungsvorgänge am Knochen durch Transformation
vollzogen haben. Die an diesem Tage vorgenommene Röntgenauf¬
nahme (Fig. 18) bestätigte diese Annahme und zeigte zugleich, wie
glatt der Amputationsstumpf des medialen Griffelbeins
verheilt ist.
An der amputierten Zehe lassen sich hinsichtlich der Knochen,
Sehnen, Gefäße und Nerven alle Eigenschaften einer Einhuferzehe er¬
kennen. Das Gewicht derselben betrug 250 g.
Aetiologie und Formen.
Die Entstehung der Polydaktylie hat zu verschiedenen Zeiten eine
sehr wechselnde Beurteilung erfahren.
Obgleich bereits Goethe nach dem schon S. 73 angeführten Ausspruch die
Polydaktylie r als ein gelegentliches Durchschlagen des Typus, der allen Säugern
ursprünglich mehrere Zehen zudiktierte“ deutete, wurde die Abnormität früher all¬
gemein als eine MißbiIdung angesprochen. Erst Hensel (1860) stellte die Mehr-
zehigkeit des Pferdes als wirkliche Rückschläge auf das Hipparionstadium
hin. Ihm schloß sich Gurlt an.
Jetzt schlug die Auffassung in das Gegenteil um, und man betrachtete jede
Polydaktylie beim Menschen und bei Tieren ohne weiteres als Rückschlag
(A tavismus).
Dieser Auffassung traten Gegenbauer (51, 52), Pfitzner (53, 54), Rabl
(55), Zander (56) u. A. entgegen, die wiederum jede Polydaktylie beim Menschen
für eine Mißbildung erklärten, während sie bei Tieren, namentlich beim Schweine
Atavismus als Ursache der Mehrzehigkeit zum Teil gelten lassen wollen.
Boas, welcher die Mehrzehigkeit des Pferdes einer sorgfältigen kritischen
Betrachtung unterzog, gelangte zu der Schlußfolgerung: ..Einige, offenbar die
Minorität, gehören in dieselbe Kategorie wie die beim Schwein und anderen
Tieren nicht selten beobachteten Fälle, sie sind die Produkte einer Sprossung;
andere, die Mehrzahl, bieten ein besonderes Interesse, es sind Rückschläge,
Wiederholungen von Verhältnissen, die bei den Ahnen des Pferdes normal waren. u
Die Untersuchungen Boas* haben sehr anregend gewirkt und zu verschiedenen
Nachprüfungen und Aeußerungen Veranlassung gegeben. So hat Kitt die Frage
näher betrachtet. Er unterscheidet zwischen atavistischer oder typischer
Polydaktylie und Spaltung oder atypischer Polydaktylie. In Ueberein-
stimmung hiermit trennt Lin de mann zwischen atavistischer und terato-
logischer Polydaktylie und Lesbre zwischen Polydaetylie atavique und
Polydactylie terato 1 ogique ou schistodaetylie.
Blanc (57) unterscheidet:
1. la polydactylie atavique,
2. la polydactylie teratologique,
3. la polydactylie höterogenique.
Zur letzten Gruppe will Blanc die Fälle zählen, welche sich in den beiden
Ueber Polydaktylie beim Pferde.
85
anderen Abteilungen nicht unterbringen lassen. Mit Recht betont Lindemann,
daß die dritte Gruppe überflüssig sein dürfte.
Desgleichen unterscheidet Taylor 3 Ursachen der Polydaktylie, nämlich:
1. atavistische,
2. mechanische (mechanical constriction by threads of the amnion),
3. innere (germinal Variation, duplication, Splitting or doubling of that
group or of those determinants).
Auch Inhelder (58) stellt 3 Formen der Polydaktylie auf:
1. die teratologische,
2. die neogenetische, meist durch eine Keimvariation bedingt,
3. die palingenetische, zu der die atavistische Mehrzehigkeit rechnet,
während Freund (59) deren 4 nennt, nämlich:
1. die traumatische oder typische Polydaktylie infolge mechanischer Ursachen
(Abschnürung, Einschnitt, Epiphysenabschnürung, Karpalfraktur),
2. die palingenetische, atavistische Mehrzehigkeit, veranlaßt durch innere
Ursachen,
3. die aus mechanischen und inneren Ursachen,
4. die progressive Polydaktylie (aquatile Anpassung als Kainogenese).
Hinsichtlich der Frage, wann wir eine Polydaktylie beim Pferde als
atavistisch oder als teratologisch anzusprechen haben, äußert sich
Kitt, indem er sagt:
„Manche Fälle sind unzweifelhaft als atavistische Formbildungen an¬
zusehen, nämlich diejenigen, bei welchen die überzählige Zehe genau den Platz
einnimmt, wo Vorfahren der betreffenden Tiergattung eine Zehe mehr als die jetzt
lebenden Repräsentanten besessen haben, und wenn die Ueberzahlzehe auch in ihrem
anatomischen Bau und der Gelenkung mit ihren Stützknochen entsprechende Ueber-
cinstimmung mit jenem phylogenetisch bekannten Gliedmaßenteil bietet.
Atypische Polydaktylie sind beim Pferde solche Fälle, bei welchen die
überzählige Zehe beispielsweise vom Fesselbein der Hauptzehe entspringt, als eine
Nebenknospe dieses Knochens erscheint, oder einem gespaltenen Fesselbein entspricht*.
Nach Sußdorf (60) sind für die Zuweisung einer Mehrzehigkeit zur ata¬
vistischen Polydaktylie folgende Punkte maßgebend:
„1. Vorhandensein normaler Mittelhand-, bzw. Mittelfußknochen von der Be¬
schaffenheit derjenigen bei unserem jetzigen Pferde, an deren seitlichen der
3-gliedrige oder durch Konnaszenz 2-gliedrige Finger bzw. Zehe ihren Sitz hat,
2. durchgehende Trennbarkeit des ganzen Strahles von den Nebenstrahlen
bei vollem Mangel weiterer Mittelhandknochenrudimente neben den zehentragenden;
während der pathologischen Hyperdaktylie jene Fälle zuzurechnen sind,
bei welchen:
1. die überzähligen Zehen aus dem einfach veranlagten Strahle hervorge¬
sprossen ist, und das zwar entweder schon im Bereich des betreffenden Mittelhand-
bzw. Mittelfußknochens oder erst im Bereich des eigentlichen Fingers bzw. der
Zehe, und bei welchem
2. neben den regelrecht ausgebildeten oder vielleicht auch etwas ver¬
krüppelten Handteilen eine mehr oder weniger vollkommene Doppelhand bzw. Fuß
sich entwickelt hat*“
86
EBERLEIN,
Als Ursache der teratologischen Polydaktylie werden in der Lite¬
ratur angegeben: Keimesvariation (Ziegler (61), Zander), dem Keime anhaftende
Eigentümlichkeiten (Zander), embryonaler Bildungstrieb oder Bildungsreiz (Kitt),
exzessives Wachstum, Abänderung der Keimung, Spaltung oder Verdoppelung durch
überreiche Ernährung (Taylor), Verdoppelung oder Sprossung (Boas), Spaltung
(Kitt) etc. Nach Zander, dessen Ansicht neuerdings mehrfach Anklang ge-
gefunden hat, soll ferner die Teilung (Spaltung) durch amniotische Falten oder
Fäden zustande kommen, die sich den wachsenden Gliedmaßen entgcgcnstellen,
in dieselben einschneiden, Teile derselben mehr oder weniger vollständig abtrennen
und so zur Bildung überzähliger Zehen führen können.
Nach den obigen Darlegungen unterscheiden die meisten Forscher
zwischen
1. der atavistischen Polydaktylie — typische P., P. ata-
vique — und
2. der teratologischen Polydaktylie — atypische P.,
pathologische P., Schistodaktylie, P. teratologique —.
Die Beurteilung, ob eine Polydaktylie zu der ersten oder
der zweiten Form gehört, ist, auch selbst an der Hand der von
Boas, Kitt und Sußdorf gegebenen Beurteilungsgrundsätze geprüft,
nicht immer leicht. Während Boas die atavistischen Formen der
Polydaktylie als die Mehrzahl, die teratologischen als die Minorität
bezeichnet, hat Lindemann von 46 Beobachtungen nur 17 = 36,96 pCt.
als atavistisch-polydaktyl und 29 = 63,04 pCt. als teratologiach-
polydaktyl bestimmt. Ein noch ungünstigeres Resultat hat Rein¬
hardt erhalten. Vier von ihm selbst untersuchte Fälle hat er alle
als teratologische Pleiodaktylien erkannt. Auf Grund seiner Unter¬
suchungen und seiner Literaturstudien gelangt derselbe Forscher mit
Recht zu der Schlußfolgerung, „daß das Auftreten eines wirklichen
Rückschlages zu den allergrößten Seltenheiten gehört und daß
die Erscheinung der Pleiodaktylie bezüglich der Entscheidung ob
Atavismus oder Mißbildung vorliegt, mit äußerster Vorsicht zu
beurteilen ist“.
Wenn ich die obige Einteilung zugrunde lege und die von Kitt
und Sußdorf anfgestellten Grundsätze berücksichtige, so gelange
ich zu dem Schluß, daß von den von mir beobachteten
Fällen der I., II. und HI. als teratologische und nur der
IV. und V. als atavistische Polydaktylien zu deuten sind.
Symptome und Diagnose.
Die klinischen Kennzeichen der Polydaktylie sind so prä¬
gnant, daß die Diagnose derselben keine Schwierigkeiten bietet.
Ueber Polydaktylie beim Pferde.
87
Man findet neben der Hauptzehe eine meistens kleinere Nebenzehe
(Fall HI und IV) oder trifft den Huf gespalten (Fall I) an. Meistens ist
nur eine Gliedmaße, seltener sind zwei Extremitäten und sehr selten
alle Tier Füße betroffen, ln der Regel wird die Abnormität an den
Vordergliedmaßen gesehen (nach Lindemann 77,70 pCt) und
zwar gewöhnlich an der medialen, selten an der lateralen
Seite derselben.
Die Nebenzehe ist meistens verkümmert, seitlich abgebogen und
artikuliert mit dem verlängerten und verdickten medialen Griffelbein
oder mit einem Teile der distalen Gelenkfläche des Metakarpus.
Der Huf der Nebenzehe ist ebenfalls verkümmert. Bei der durch
Spaltung entstandenen Zweiteilung der Zehe (Fall I) ist dieselbe
mehr oder weniger weit und meistens ungleichmäßig geteilt.
Wenn somit die Feststellung der Polydaktylie an sich leicht ist,
so bietet die Entscheidung der Frage, ob die Anomalie auf Ata¬
vismus oder Mißbildung beruht, meistens um so größere
Schwierigkeiten. Welche Grundsätze hierbei zu beachten sind, habe
ich in dem vorstehenden Kapitel ausgeführt. Ueber die Beschaffenheit
des Knochenskeletts gibt eine Untersuchung mit Röntgenstrahlen,
die sich am stehende Pferde leicht ausführen läßt, gute Auskunft
(Fall I, IV und V, Fig. 2, 3, 12 und 16).
Ob die Polydaktylie bei den Tieren Bewegungsstörungen
hervorruft, hängt von der Größe, der Lage (Richtung), und dem Sitz
der Nebenzebe ab. In der Regel zeigt sich keine Hinderung
(Fall IV und V, Beobachtung von Schmaltz, Reinhardt u. A.),
zuweilen ist die Bewegungsfreiheit der Tiere geringgradig beeinträchtigt,
z. B. im Trabe oder auf hartem Boden (Zimmermann) oder es be¬
steht Lahmheit, wenn das Tier sich mit der Nebenzehe stößt, ver¬
letzt oder die Nebenzehe auf dem Erdboden aufstößt (Kirillow).
Fohlen, welche eine Spaltung der Hauptzehe aufweisen (Fall I) oder
bei welchen die Hauptzehe verkümmert ist, gehen in der Regel
lahm, jedenfalls stets bei der Bewegung auf Pflaster.
Viele dieser Foblen sind kleine, schlecht entwickelte
Tiere, sog. Kümmerer, die der Besitzer deshalb nicht aufzieht,
sondern schlachten läßt. Hieraus erklärt sich, daß diese Fälle
seltener zur Behandlung kommen, obwohl die Polydaktylie an sich
kein rares Vorkommnis ist.
88
EBERLEIN,
Prognose.
Die Beurteilung hängt davon ab, ob es sich um ein hinreichend
kräftiges Tier handelt und ob sich die Nebenzehe operativ entfernen
läßt. Die auf Spaltung der Hauptzehe beruhenden Fälle
(Fig. 1) sind in der Regel inoperabel, immer jedenfalls dann,
wenn sich die Spaltung nur bis an das Fesselgelenk erstreckt. Aber
wenn auch die Spaltung bis über das Fesselgelenk hinausgeht und
die Gelenke an beiden Zehenteilen nicht Zusammenhängen, ist die
Operation, wenn auch technisch möglich, so doch meistens zwecklos,
da die bleibende Zehe zu schwach ist, um die Gliedmaße genügend
zu stützen.
Ist die Nebenzehe deutlich gegen die Hauptzehe ab¬
gesetzt und diese kräftig genug, so lautet die Beurteilung
günstig, da von der Operation Erfolg erwartet werden
kann.
lieber die Lage der Knochen und Gelenke zueinander, orientiert
sehr gut eine Röntgenaufnahme (Fig. 2, 3, 7, 12 und 16), die sich
leicht am stehenden Pferde ausführen läßt.
Therapie.
Die Operation ist schon häufig ausgeführt worden. Ueber
günstige Erfolge haben berichtet: Benard (62, 1828), Müller und
Rehrs (nach Gurlt), Varneil, Armatage, Hüll, Freew und
Dele (nach Cornevin), Nies, Liebl, Joger, Kirillow, Steger,
Salles, Ries, Schimmel, Pfab, Hederstedt. Ising hat die
Operation bei einem 3 Monate alten Fohlen sogar an allen vier
Füßen ausgeführt.
Die Operation selbst ist nicht schwer. Die Ausführung
derselben habe ich bereits oben (Fall IV) beschrieben,
worauf ich verweise. Nur möchte ich einige Punkte nochmals her¬
vorheben.
Das Tier wird wie gewöhnlich niedcrgelegt und das Operations¬
feld nach den Grundsätzen der allgemeinen Operationslehre vor¬
bereitet. Chloroformnarkose ist nicht erforderlich. Novokai’n-
Adrenalin-Lokal-Anästhesie reicht vollkommen aus. Ich
gebe den Tieren außerdem aus Vorsicht noch eine ihrer Größe ent¬
sprechende Dosis Chloralhydrat per os.
Nachdem alles vorbereitet ist, spaltet man durch einen langen
Schnitt am Innenrande der Nebenzehe die Haut, präpariert dieselbe
Ueber Polydaktylie beim Pferde.
89
nach vorn und hinten zurück, sodaß die Nebenzehe vollkommen
freigelegt ist. Jetzt werden die Weichteile durchschnitten und der
Knochen durchtrennt; dies geschieht am besten mit der Säge. Nun
muß sorgfältige Blutstillung und Verschluß der etwa er-
öffneten Sehnenscheiden durch Naht erfolgen. Endlich
werden die Hautlappen reguliert und durch Naht vereint. Zum
Schluß Verband. Es empfiehlt sich, den Okklusivverband durch
einen Immobilisierungsverband (Gyps etc.) zu verstärken, um
die Bewegungen der Gliedmaße möglichst einzuschränken und die
Heilung zu befördern.
Man schone die Haut sorgfältig. Wenn dieselbe auch zu¬
nächst zu reichlich erscheint, so retrahiert sie sich nach Entfernung der
Nebenzehe und infolge der eintretenden Entzündung meistens ziemlich
erheblich, sodaß dann ein Mangel an Haut eintritt und die Nähte ausreißen.
Die Durchtrennung des Knochens muß möglichst nahe am
und in der Richtung des Längskonturs des Mittelfußhauptknochens
erfolgen, damit nicht durch die verbleibenden VerdickuDgen Schön¬
heitsfehler bedingt werden. Allerdings kann man darauf rechnen,
daß sich nach Entfernung der Nebenzehe und Beseitigung der durch
dieselbe bedingten Zugwirkung bezw. infolge der nunmehr veränderten
Druckbeanspruchung des Mc. III. in diesem Knochen allmählich
Transformationen sowohl der äußeren Form als auch der
inneren Architektur vollziehen. Damit nimmt der Unterfuß eine
dem gleichen Teile der anderen Gliedmaße entsprechende Form an
und namentlich gleichen sich Unebenheiten am Knochen aus. Diese
Umformung hat sich auch in dem von mir operierten Fall V sehr
schön vollzogen (Fig. 18).
Endlich ist besonders darauf zu achten, daß nach der Heilung
der Wunde und ehe das Tier bewegt wird, die Hufe und namentlich
der Huf der operierten Gliedmaße reguliert wird. Der Huf
ist zweckmäßig zu beschneiden und erforderlichen Falles zu be¬
schlagen, damit auf diese Weise etwa vorliegende Form Veränderungen
am Hufe oder an der Zehe ausgeglichen werden.
Erklärung der Abbildungen anf Tafel I —V.
Tafel I, Fig. 1—5. Fall I. Polydaktylie durch Spaltung des linken Vorder-
Schenkels eines Jährlingsstutfohlens.
Fig. 1. Gesamtansicht des Fußes von vorn.
Fig. 2. Röntgenaufnahme der Zehe dorso-ventral.
90
EBERLEIN,
Fig. 3. Röntgenaufnahme der Zehe ventro-dorsal.
Fig. 4. Knochenskelett beider Vorderfüße.
Fig. 5. Sohlenfläche des Hufes nach Entfernung der Hornkapsel (Huf¬
lederhaut).
Tafel II, Fig. 6—7. Fall 11. Polydaktylie an allen vier Füßen bei einem
Vollblutfötus.
(1. V. = linker Vorderfuß, r. V. = rechter Vor¬
derfuß, l.H. = linker Hinterfuß, r.H. = rechter
Hinterfuß).
Tafel III, Fig. 8—9. Fall III. Polydakt ylieamlinkenVorderschenk deines
neugeborenen Hengstfohlens (engl. Halbblut).
Fig. 8. Gesamtansicht.
Fig. 9. Röntgenogramm.
Tafel IV, Fig. 10—14. Fall IV. Polydaktylie am rechten Vorderfuß eines
3jährigen Wallachs (mecklenb. Halbblut).
Fig. 10. Gesamtansicht.
Fig. 11. Ansicht der Volarfläche.
Fig. 12. Röntgenogramm der Fcsselgelenksgegcnd.
Fig. 13. Aufnahme nach erfolgter Heilung.
Fig. 14. Röntgenogramm der amputierten Zehe.
Tafel V, Fig. 15—18. Fall V. Polydaktylie am linken Vorderfuß eines
Jährlingsstutfohlens ostpreußischer Rasse.
Fig. 15. Gesamtansicht.
Fig. 16. Röntgenogramm der Fesselgelenksgegend.
Fig. 17. Aufnahme nach erfolgter Heilung.
Fig. 18. Röntgenogram 8 Wochen nach erfolgter Heilung.
Fig. 6. Gesamtansicht
Fig. 7. Röntgenogramm
Literatur.
1) Aldrovandus, M., De monstris. S. 538. (Zit. nach 9.)
2) Plot, The natural history of Staffordshire. Oxford 1688. S. 266.
3) Winter v. Adlersflügel, Neuer und vermehrter Traktat von der Stuterei
und Fohlenzucht. Nürnberg 1703. S. 134.
4) Boelsche, Das Pferd und seine Geschichte. Berlin 1909. S. 19.
5) Gurlt, Lehrbuch der pathol. Anatomie. Bd. II. 1832. S. 179, 373.
6) Derselbe, Eine überzählige Zehe am rechten Vorderfuße eines Pferdes. Magazin
für die gesamte Tierheilk. Bd. IV. 1838. S. 403.
7) Derselbe, Ueberzähligc Zehen beim Pferde. Ebenda. Bd. XX. 1854. S. 360.
8) Derselbe, lieber tierische Mißgeburten. 1877. S. 31 u. Tafel XIII.
9) Wehenkel, Sur la polydactylie chez les Solipedes. Journal de med. veter.
militaire. 1873.
10) Cornevin, Nouveaux cas de didactylie chez lc cheval et Interpretation de la
polydactylie des equides cn general. Journ. de med. veter. de Lyon. 1881.
S. 395. (Mit Literatur.)
11) Ercolani, Nach Ellenberger-Schütz, Jahresbericht für 1882. S. 117.
Ueber Polydaktylie beim Pferde.
91
12) Lavocat, Le pied du cheval. — Developpement des doigts lateraux. — Divi¬
sion du troisieme doigt. Revue vdter. de Toulouse. 1882. S. 22.
13) Popow, Anatomische Anomalien beim Pferde. Petersb. Arch. f. Veterinär¬
medizin. 1883. Nach Ellenberger-Schütz, Jahresbericht für 1883. S. 146.
14) Hensel, Ueber Hipparion mediterraneum. Abhandl. d. Königl. Akademie der
Wissenschaften zu Berlin. 1860. S. 27.
15) Boas, Ueber mehrzehige Pferde. Deutsche Zeitschr. f. Tiermed. 1882. S. 266.
16) Derselbe, Bemerkungen über die Polydaktylie des Pferdes. Morphol. Jahrb.
1885. S. 182.
17) Kitt, Polydaktylie beim Pferd. München. Jahresbericht. 1884/85. S. 57.
18) und 19) Derselbe, Lehrbuch der pathol. Anatomie. 1894. S. 57 und 1905.
S. 108.
20) Persillet, Polydactylie. Bull, de la societe centr. de med. veter. Paris 1888.
S. 430.
21) Pütz, Eine überzählige Zehe bei einem Pferde. Deutsche Zeitschr. f. Tier¬
medizin. 1889. S. 224.
22) Rudofsky, Ueberzählige Zehen bei einem Pferde. Zit. nach Eilenberger-
Schütz, Jahresbericht für 1890. S. 156.
23) Nies, Un cas de polydactylie chez un poulain. — Amputation. — Guerison.
Annales de m^d. vetdr. de Bruxelles. 1892. S. 22.
24) Joger, Vorkommen und operative Entfernung einer zweiten Zehe beim Pferde.
Berliner Archiv. 1894. S. 376.
25) Kirillow, Ein zweiter Finger an der linken vorderen Extremität bei einem
Pferde. Mitteil. d. Kasaner Veterinärinstituts. 1894.
26) Sh ave, Imperfect supemumerary digit in a horse. Journal of comparative
pathology and therapeutics. 1894. S. 282.
27) Steger, Amputation einer überzähligen Extremität. Wochenschr. f. Tierheil¬
kunde u. Viehzucht. 1897. S. 257.
28) Schmaltz, Polydaktylie beim Pferde. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1896. S. 462.
29) Briot, Ein Fall von Polydaktylie beim Pferde. Comptes rend. de la societ6
de biologie. 1898.
30) Ising, Ueberzählige Zehen bei einem Fohlen. Ma&nedsskrift for Dyrlaeger.
IX. 1899. S. 381.
31) Maccagni, Polydaktylie (2 Hütchen) beim Fohlen. II nuovo Ercolani. 1901.
S. 193.
32) R. Schmidt, Teras oder Atavismus. Berliner tierärztl. Wochenschr. 1901.
S. 133.
33) Taylor, The significance of supemumerary digits in the horse, with records
of two recent cases. The Veterinary journ. 1901. S. 344.
34) Salles, Polydactylie chez une pouliche. Operation. Revue v^ter. de Tou¬
louse. 1902. S. 445.
35) Fant in, Ein Fall von Polydaktylie beim Pferde. Oesterr. Monatsschr. f. Tier¬
heilkunde. 1902. S. 339.
36) Zimmermann, Ueber Polydaktylie beim Pferde. Ebenda. 1903. S. 337.
37) Ries, Note sur les doigts supplementaires chez le poulain. Rec. de med.
vtttr. 1903. S. 567.
92
EBERLEIN, Ueber Polydaktylie beim Pferde.
38; Gislehni, Je ein Fall von Polydaktylie beim Pferd und Rind. La Clinica
veterinaria. 1903. Teil I. S. 217.
39) Dalau, Polydaktylie beim Fohlen. Ibidem. 1904. Teil I. S. 32.
40) Craig, Supernumerary digit in a foal. The Veterinary journ. 1905. S. 205.
41) Dupas, Didaktylie beim Pferde. Bull, de la soci^td centr. 1905. S. 563.
42) Schimmel, Polydaktylie bei einem Füllen. Oesterr. Monatsschr. f. Tierheilk.
1906. S. 202.
43) Lesbre, Note sur la polydactylie des Solipedes. Bull, de la soc. centr. de
m6d. vötfr. 1906. S. 78.
44) Pf ab, Fohlen mit Polydaktylie. Wochenschr. f. Tierheilkunde u. Viehzucht.
Bd. 52. 1908. S. 342.
45) Wucherer, Digitus secundus bei einem Fohlen. Ebenda. S. 865.
46) Borella u. Finzi, Drei Fälle von Polydaktylie (2 beim Pferde und 1 beim
Schweine). La Clinica veterinaria. 1908. S. 673.
47) Stephani, Mißbildung. Sachs. Veterinärbericht f. 1907. S. 81.
48) Hederstedt, Einige Fälle aus meiner Praxis. Svensk. vet. tidskr. Bd. XIII.
S. 460.
49) Reinhardt, Ueber Pleiodaktylie beim Pferde. Anatomische Hefte. 1908.
108. Heft. (Bd. 36. H. 1.) (Mit Literatur.)
50) Lindemann, Ueber Polydaktylie beim Einhufer. Inaug.-Diss. Leipzig-
Dresden. 1909. (Mit Literatur.)
51) Gegenbaur, Kritische Bemerkungen über Polydaktylie als Atavismus. Mor-
pholog. Jahrbuch. 1880. S. 584.
52) Derselbe, Ueber Polydaktylie. Ebenda. 1888. S. 394.
53) Pfitzner, Ein Fall von beiderseitiger Doppelbildung der fünften Zehe. Nebst
Bemerkungen über die angeblichen Rückbildungen an der ^kleinen* Zehe des
Menschen. Morpholog. Arbeiten. 1895. S. 279.
54) Derselbe, Ein Fall von Verdoppelung des Zeigefingers. Ebenda. 1897.
S. 459.
55) Rabl, Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. Zeitschr.
f. wissensch. Zool. 1901. S. 474.
56) Zander, Ist Polydaktylie als theromorphe Varietät oder als Mißbildung an¬
zusehen? Virchows Archiv. Bd. 125. 1891. S. 453.
57) Blanc, La polydactylie chez les mammifercs. Journ. de med. vdt. de Lyon.
1893. S. 137.
58) Jnhelder, Fälle von Polydaktylie bei Menschen und Haustieren. Inaug.-
Diss. St. Gallen 1904.
59) Freund, Die Hyperdaktylie. Zeitschr. f. Tiermedizin. 1906. S. 110.
60) Sußdorf, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere. 1895. S. 316.
61) Ziegler, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie
für Aerzte. 1892.
62) Benard, Ueber Polydaktylie. Recueil de mtfd. vet. 1828. S. 150.
VI.
Aus dem veterinär-bakteriologischen Institut der Königlichen Regierung
zu Schleswig.
Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des
Rauschbrandes in der veterinärpolizeilichen Praxis.
Von
Veterinärrat Dr. Foth,
Departementstierarzt und Leiter des Instituts.
Vor zwanzig Jahren noch hätte mancher wohl verwundert ge¬
fragt, ob denn dieses Thema Anspruch darauf erheben könne, in
einer Festschrift behandelt zu werden. Milzbrand und Rauschbrand
galten als Krankheiten, deren sichere Erkennung einem einigermaßen
erfahrenen Praktiker ernsthaft Schwierigkeiten nicht bereitete.
Das sollte bald anders werden.
Als die Provinzialverbände anfingen, von der ihnen durch das
Gesetz vom 22. April 1892 verliehenen Befugnis Gebrauch zu machen
und die Entschädigung für Pferde und Rinder, die an Milzbrand oder
Rauschbrand gefallen waren, einzuführen, begannen die Seuchenziffern
vielfach so beträchtlich zu steigen, daß die zahlenden Provinzialver¬
bände und auch die Staatsbehörden sich beunruhigt fragten, ob denn
wirklich die Seuchen vordem in einem solchen. Maße unbeachtet ge¬
blieben oder absichtlich der amtlichen Kenntnis entzogen worden
seien, oder ob vielleicht diagnostische Irrtümer teilweise die Erschei¬
nung erklärten.
Vorsichtige Provinzial Verwaltungen begannen zu erwägen, ob es
nicht angezeigt sei, die Zahlung der Entschädigung von einer weiteren
Prüfung der Diagnose abhängig zu machen.
In der Zeit der jungen Bakteriologie war es natürlich, daß diese
Prüfung ausschließlich zu einer bakteriologischen wurde.
Als diese bakteriologischen Prüfungen dann wiederholt ein nega¬
tives Ergebnis hatten, schlug das frühere Vertrauen in die diagnosti-
94
FOTH,
sehe Sicherheit der Tierärzte bis tief in die Reihen der Tierärzte
selbst in das Gegenteil ura. Den schroffsten Ausdruck fand diese
Stimmung wohl in einem östlichen Bezirk, wo angeordnet wurde,
daß die Veterinärbeamten nach dem Sektionsbefunde offiziell nur
„ Milzbrand verdacht“ als vorliegend erachten durften.
Diese bakteriologische Prüfung bestand zumeist nur in einer dazu
recht einfachen bakterioskopisehen Untersuchung. Es entsprach dem
damaligen Stande der bakteriologischen Wissenschaft überhaupt und
der Kenntnis der Biologie der Erreger des Milzbrandes und des
Rauschbrandes im besonderen, daß man glaubte, sich damit begnügen
zu können.
Der Rückschlag konnte nicht ausbleiben. Man begann sich zu
fragen, worauf denn der Widerspruch zwischen den Diagnosen er¬
fahrener und zuverlässiger Praktiker und der Bakteriologen beruhe
und erweiterte und vertiefte die bakteriologische Prüfung.
Die weitere Entwicklung der bakteriologischen „Nachprüfung“
der Milzbrand- und Rauschbranddiagnosen ist bekannt. Ohne ver¬
kennen zu wollen, daß sie manche Verdienste um die Bereicherung
unserer Kenntnis der Morphologie und Biologie des Milzbrandbazillus
hat, muß es heute offen ausgesprochen werden, daß sie kein Ruhmes¬
blatt in der Geschichte der Veterinärbakteriologie ist.
Der Fehler lag im System. Die bakteriologische Feststellung
des Milzbrandes und des Rauschbrandes wurde für viel zu einfach
gehalten.
Viel zu früh wurden wissenschaftlich ungenügend durchgearbeitete
Methoden unbedenklich in die Praxis der „Nachprüfungen“ mit ihren
weittragenden Konsequenzen übertragen. Damit arbeiteten obendrein
zuweilen Anfänger, denen jede allgemeine bakteriologische Erfahrung
und Uebersicht fehlte, schablonenhaft und ohne sich Rechenschaft
geben zu können von der Mannigfaltigkeit der Einflüsse, denen die
Milzbrand- und Rauschbranderreger nach dem Tode des Tieres unter¬
liegen und von den daraus für den vorsichtigen Diagnostiker sich er¬
gebenden Fehlerquellen.
Wer ohne gründliche bakteriologische Vorbildung in irgend einem
Institut wenige Wochen auf „Milzbranddiagnosen“ gedrillt wird, ist
garnicht in der Lage, die komplizierten biologischen Vorgänge in der
Welt der Bakterien richtig zu würdigen.
Es konnte nicht ausbleiben, daß offenbare Widersprüche zwischen
den Befunden erfahrener Praktiker und dem Urteil der Nachprüfungs-
Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes nnd des Rauschbrandes usw. 95
stelle häufiger zu Tage traten und daß der -weitere Seuchenverlauf
den Bakteriologen zuweilen schroff ins Unrecht setzte.
Deshalb haben die offiziellen Nachprüfungen in der bis¬
herigen Form die Wertschätzung der Bakteriologie für die
Diagnose des Milzbrandes und des Rauschbrandes bei Be¬
hörden, Tierärzten und Laien geschmälert und überdies
dem Ansehen des tierärztlichen Praktikers geschadet.
Folglich wären die Nachprüfungen zu beseitigen.? Das hieße
das Kind mit dem Bade ausschütten. Denn der Praktiker kann die
Hülfsmittel der Bakteriologie in vielen Fällen nicht mehr entbehren,
wenn er nicht in die Irre gehen will. Aber: auch der Bakteriologe
kann die Beobachtungen des Praktikers nicht immer unbeachtet
lassen, wenn er nicht groben Täuschungen verfallen will. Folglich
sollen sich beide unterstützen, nicht aber soll die bakteriologische
Untersuchungsstelle den ausgesprochenen Charakter einer Kontroll¬
station für den Praktiker tragen, wie das schon die wenig glücklich
gewählte Bezeichnung „Nachprüfung“ andeutet.
Es fragt sich nun, in welchem Umfang und in welcher Form
ist eine bakteriologische Ergänzung der klinischen und anatomischen
Befunde geboten und wie kann das harmonische Zusammenwirken
des Praktikers und des Bakteriologen erreicht werden? Um diese
Frage beantworten zu können, haben wir den gegenwärtigen Stand
der bakteriologischen Diagnose des Milzbrandes und des Rausch¬
brandes einer kurzen Betrachtung zu unterziehen.
A. Milzbrand.
1. Es kann als sicher gelten, daß bei notgeschlachteten Tieren
und bei frischen Kadavern gefallener Tiere der mikroskopische Nach¬
weis der Bazillen in jedem Falle unzweifelhaft gelingt. Morphologisch
ist der Milzbrandbazillus sicher von anderen Bakterien zu unter¬
scheiden. Die Unterscheidung wird erleichtert durch differenzierte
Färbung. Sein als Kapsel bezeichneter äußerer Teil, der übrigens
im Dunkelfelde ohne weiteres nicht erkennbar ist 1 ), gibt die Muzin¬
reaktion. Das Safranin färbt ihn gleichmäßg hellgelb und den inneren
Bakterienkörper braun, zersetztes, Azur enthaltendes Methylenblau
1) Untersucht man Blut oder Gewebssaft von Milzbrandkadaver ohne irgend¬
welche Zusätze im Dunkelfelde, so findet man bestimmt niemals eine Kapsel oder
auch nur die Andeutung eines solchen Gebildes, wie ich hier gegenüber einer
l>iteraturangabe ausdrücklich betonen möchte.
96
FOTH,
rosa und je nach der Art der Zersetzung und der Zusammen¬
setzung des Farbstoffs und nach der Dauer der Färbung mit einem
leichten Stich ins Violette oder ins Rote, den zentralen Teil dagegen
tiefblau. Hierher gehören Nochts Rot aus Methylenblau, Unnas poly
chromes Methylenblau, die Boraxraethylenblaue von Ziemann und
von Manson, die Azurblaulösung nach Michaelis, die Giemsa-
sche Azur n-Lösung u. a.; (alle diese Lösungen enthalten außer
Methylenblau noch Methylenazur und, die Giemsa Azur II-Lösung
ausgenommen, noch Methylenviolett); ferner die zugleich Eosin ent¬
haltenden allgemein gebräuchlichen Farblösungen von Giemsa und
von Leishman.
Je länger die Kadaver liegen, desto unsicherer wird der Bazillen¬
nachweis. Eine Gesetzmäßigkeit fehlt indessen. Im allgemeinen geht
die Zahl der Bazillen zurück und ihre Form verrät deutlich die
Zeichen der Auflösung. In der Regel ist es jedoch dem Geübten
ohne weiteres möglich, die Gebilde als Milzbrandbazillen oder deren
Reste zu erkennen.
Hier eignen sich vorzugsweise die metachromatisch färbenden,
oben erwähnten Azur enthaltenden Methylenblaufarbstoffe 1 ). Blut
eignet sich besser als Milzbrei. Auch die Dunkelfelduntersuchung, die
interessante Aufschlüsse über die fortschreitenden Strukturverände¬
rungen der Milzbrandbazillen in tierischen Substraten gibt, kann unter¬
stützend mit Vorteil herangezogen werden.
Zuweilen aber, wenn auch selten, verschwinden die Milzbrand¬
bazillen selbst bei mäßiger Fäulnis ungewöhnlich schnell, anscheinend
so vollständig und ohne Hinterlassung nachweisbarer Reste aus dem
Blut und den Organen, daß sie mit keinem Färb verfahren mehr zu
entdecken sind. Trotzdem gelingt es zuweilen, sie noch spärlich
durch das eine oder andere Kulturverfahren nachzuweisen.
Daß man vorteilhaft dünne Objektträgerausstriche, die ebenso
wie für Blutuntersuchungen hergestellt werden, verwendet, sie sehr
gut lufttrocken werden läßt und am besten kurz mit Aether-Alkohol
fixiert, sei beiläufig bemerkt.
2. Zur Sicherung des Kulturnachweises sind alle möglichen Vor¬
schläge gemacht worden. Teils verfolgen sie nur das Ziel, das
Material vor weiterer Zersetzung zu schützen und die darin etwa ent¬
haltenen Bazillen vor Zerstörung zu bewahren; teils aber wollen sie
1) Ich bin zurzeit mit weiteren Untersuchungen über den diagnostischen Wert
dieser Färbungen beschäftigt und werde die Resultate in einiger Zeit veröffentlichen.
Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Kauschbrandes usw. 5)7
darüber hinaus noch eine Anreicherung erzielen und weiterhin eine
elektive Versporung der Milzbrandbazillen in der Bakterienflora des
mehr oder weniger in Zersetzung begriffenen Materials. Ich habe in
Gemeinschaft mit meinem ständigen Mitarbeiter, Herrn Kreistierarzt
Wulff, mit den verschiedenen Methoden eine große Reihe eingehender
vergleichender Untersuchungen angestellt. Es zeigte sich, daß kein
Verfahren vollkommen war und vor Täuschungen schützte. Auch
Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd in verschiedenen Konzentrationen zu
Milzbrei und Blut in kleinen engen Fläschchen, das die Ueberwucherung
der anderen Bakterienarten hemmen, Anreicherung und Versporung der
Milzbrandbazillen dagegen durch Sauerstoffzuführung fördern sollte,
erwies sich zwar als zweckmäßig, aber ebenfalls nicht als ein sicheres,
Täuschungen ausschließendes Mittel.
Dies Ergebnis überraschte nun zwar nicht sonderlich.
Es ergab sich aber weiter, daß keins der verschiedenen Ver¬
fahren so vollkommen ist, daß cs die übrigen ersetzen kann. Darin
liegt eine große Schwäche der bakteriologischen Milzbranddiagnostik.
Damit soll nicht gesagt sein, daß die Verfahren einander gleichwertig
sind. Unzweifelhaft bietet das als „Straßburger Methode“ bekannte
Gipsstäbchenverfahren die größte Gewähr, etwa vorhandene ent¬
wicklungsfähige Keime nachzuweisen, sofern besonders bei vorge¬
schrittener Fäulnis zunächst mehrere Gipsstäbchen nicht zu dünn
beschickt und bis zur möglichst zu beschleunigenden Verarbeitung vor
Austrocknung geschützt werden, und wenn die erste Aussaat nicht
nur, wie das Förster und seine Mitarbeiter fordern, mit 2 Minuten
auf 62° erhitztem, sondern vor allem auch mit unerhitztem Material
erfolgt. Die vegetativen Zellen sind oft schon so stark geschädigt,
daß sie bei der vorgeschriebenen Erhitzung ihre Entwicklungsfähigkeit
einbüßen. Auch allzu starke Verdünnung bei der Plattenaussaat ist
zu vermeiden. Die zweite Aussaat hat nur dann Aussicht auf Er¬
folg, wenn die Gipsstäbchen bis dahin einige Tage bei konstanter
Temperatur von etwa 20—22 0 in einem besonderen Brütraum für
konstante niedrige Temperaturen gehalten werden. Diese Forderung
bereitet oft beträchtliche örtliche Schwierigkeiten und Kosten, ist
aber unumgänglich. Wesentlich höhere Temperaturen fördern die
faulige Zersetzung des Materials, niedrigere hemmen die Versporung
der Milzbrandkeime. Die Forsterschc Vorschrift, dieses Material vor
der zweiten Aussaat etwa 10 Minuten auf 65 0 zu erhitzen, ist richtig,
denn ohne Erhitzung überwuchern die andern Keime die Milzbrand-
Archiv f. wisaensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-B&nd. 7
98
KOTH,
kolonieü oft so vollkommen, daß sie sich kaum entwickeln und auch
bei sorgfältigster Durchmusterung mit dem Mikroskop leicht über¬
sehen werden.
Indes auch bei sorgfältigster Beachtung aller dieser Momente
versagt das Verfahren nicht selten. Schüller, der an der amtlichen
Nachprüfungsstelle in Stettin diese Frage eingehend studierte, ersetzte
den Gipsstab durch eine Fließpapierrolle, in deren einzelnen Lagen
der Luftsauerstoff, das Material besser umspülen sollte. Tatsächlich
ergaben auch hier diese Rollen vielfach bessere Resultate, in vielen
Fällen versagten aber wieder die Rollen ohne ersichtlichen Grund,
während die mit demselben Material beschickten Gipsstäbe sehr gute
Resultate gaben. Allem Anschein nach liegt die Ursache des Ver¬
sagens der Gipsstäbe in erster Linie an dem Einfluß mancher Gips¬
arten. Bei den hiesigen Untersuchungen wurden die im Handel
befindlichen kleinen kantigen Originalgipsstäbchen (von Lauten¬
schläger und von Leitz - Berlin bezogen) und die nach den
Schüller sehen Angaben von Altmann (Berlin) gefertigten langen
runden Gipsstäbe benutzt. Jene waren durchweg zuverlässiger als
diese.
Mitunter versagten beide Verfahren, während aus frisch ein¬
getrocknetem Material Wachstum erzielt werden konnte. Ein ander¬
mal gelang der Nachweis mit keinem dieser Verfahren, während aus
Rlut oder Milzsaft, dem Wasserstoffsuperoxyd zugesetzt worden war,
reichliches Wachstum erfolgte.
fm allgemeinen ergab Blutmaterial bessere Resultate als Milzbrei.
Mitunter aber war es auch umgekehrt.
Mithin ist es unzulässig, sich bei stärkerer Fäulnis des Kadavers
auf ein oder zwei Methoden zu beschränken, auch wenn diese er¬
fahrungsgemäß die größte Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung
etwaiger Keime bieten.
3. Der zur weiteren Sicherung der Diagnose herangezogene
Tierversuch bietet im allgemeinen die geringsten Aussichten auf Er¬
folg. Denn diagnostische Schwierigkeiten liegen überhaupt nur
vor, wenn die Milzbrandbazillen bereits geschädigt sind. Ihre
pathogene Wirkung wird aber früher beeinträchtigt als ihre Ent¬
wicklungsfähigkeit. Indes gelingt es zuweilen, auch in schwierigen
Fällen, wo die anderen Kulturmethoden versagen, die Bakterien in
der Hauttasche des Impftiers soweit zur Entwicklung zu bringen, daß
sie daraus kulturell nachweisbar sind. Tödliche Infektion von
Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Rauschbrandes usw. 99
Mäusen dagegen mit Material, aus dem mit keinem Kulturverfahren
Wachstum erzielt werden konnte, habe ich noch nicht beobachtet.
Etwaige derartige Beobachtungen lassen vermuten, daß bei den
Züchtungsversuchen Fehler gemacht worden sind.
Daß selbst die bereits in Kultur gewonnenen Bakterien noch
keineswegs immer virulent sind, durch Weiterzüchtung aber, besonders
durch Anreicherung in Hauttaschen von Mäusen ihre Virulenz wieder
erlangen können, ist bekannt.
B. Den Rauschbrand.
Während die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes nur zu¬
weilen daran scheitert, daß die Bakterien verhältnismäßig schnell
untergehen, und im Uebrigen die morphologischen und kulturellen
Besonderheiten der Milzbrandbazillen so ausgeprägt sind, daß Irr-
tümer sicher vermieden werden können, begegnet der Bakteriologe
beim Rauschbrand anderen und zunächst weit größeren Schwierig¬
keiten. Ich habe die Frage, inwieweit der Rauschbrand auf
bakteriologischem Wege sicher feststellbar ist, in umfangreichen
Untersuchungen an einem großen Material studiert und das Ergebnis
in einer größeren Abhandlung „Die Diagnose des Rauschbrandes“ in
Heft 3/4 des 6. Bandes der Zeitschrift für Infektionskrankheiten,
parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere (Jahrgang 1909)
niedergelegt. Ich darf mich hier, um Wiederholungen zu vermeiden,
darauf beziehen und werde nur kurz die Hauptpunkte hervorheben.
1. Die mikroskopische Untersuchung allein liefert keinen hin¬
reichenden differentialdiagnostischen Anhalt.
Denn rein morphologisch unterscheiden sich die Rauschbrand-
bazillen in dem aus dem gefallenen Rinde gefertigten Ausstrich¬
präparat von mehreren verwandten Anaerobenarten nicht genügend.
Weder die Jodreaktion noch die Blähformenbildung sind für sie
charakteristisch. Klostridien und Granulöse scheinen die meisten, wenn
nicht alle Anaeroben in gewissen Stadien ihrer Entwicklung bilden
zu können. Sicher haben die zur Gruppe der ödembazillenartigcn
Anaeroben gehörenden Bakterien, die differentialdiagnostisch vorwiegend
in Betracht kommen, sämtlich diese Eigenschaften ähnlich wie der
Rausch brandbazillus. Graduelle Unterschiede sind bedeutungslos,
denn sie bestehen auch beim Rauschbrandbazillus selbst. Gramfestigkeit
ist erst recht eine Eigenschaft anscheinend aller Anaeroben im lebens-
100 KOTH,
und entwicklungsfähigen Zustande. Graduelle Schwankungen sind
differentialdiagnostisch ganz bedeutungslos.
Danach hat die mikroskopische Untersuchung von Material aus
dem Kadaver allein, sei es im Dunkelfelde oder im gefärbten Aus¬
strichpräparat (einfach oder metachromatisch färbende Lösungen,
Granulöse, Reaktion, Gramsche Färbung) nur einen unterstützenden
Wert, wenn die Zerlegung bereits sichere rauschbrandige Ver¬
änderungen ergeben hat. Dann aber ist sie an sich von unter¬
geordneter Bedeutung. Denn typische umfangreiche rauschbrandige
Muskelerkrankungen sichern die Rauschbranddiagnose hinlänglich.
Nur wenn sie im Anschluß an Geburten im Hinterteil auftreten, ist
Vorsicht geboten. Dann aber ist der etwaige mikroskopische Befund
von „Rauschbrandbazillen“ kein Beweis dafür, daß wirklich Rausch¬
brand vorliegt nnd nicht eine foudroyante ähnliche Erkrankung, deren
Erreger dem Rauschbrandbazillus zwar in vieler Hinsicht ähnlich
sind, sich aber in wichtigen biologischen und beim Tierversuch und
der Züchtung noch hervortretenden morphologischen Eigenschaften
doch weit von ihm entfernen.
Dasselbe gilt von allen rauschbrandverdächtigen Befunden, wo
das Infektionsbild kein sicheres Urteil gestattet. Dahin gehören vor
allem die Fälle, wo die Muskelerkrankungen nicht schwammig, trocken
und porös, sondern feuchtglänzend, sehr saftreich und nur auf kleine
Stellen beschränkt sind, und wo an den inneren Organen charak¬
teristische Veränderungen (Leber, Nieren, Brustfell, Herzbeutel, Herz¬
blut) fehlen.
2. Während in der bakteriologischen Milzbranddiagnosc, soweit
sie nicht schon durch den charakteristischen mikroskopischen Befund
allein gesichert wird, in den meisten Fällen das Kulturverfahren die
wichtigste Rolle spielt und der Tierversuch nur eine untergeordnete
Bedeutung hat, stützt sich die Rauschbranddiagnose in erster Linie
auf den Tierversuch und zwar vor allem auf die Meerschweinchen¬
impfung. Zunächst sind die typischen rauschbrandigen Veränderungen,
die man bei der Zerlegung der Impftiere findet, differentialdiagnostisch
von Bedeutung. Wertvoll ist auch die im Dunkelfelde (bei Körper¬
wärme) zu beobachtende Art der Eigenbewegung, weniger schon die
ßlähformenbildung, die Einlagerung von Granulöse, die Neigung zur
Versporung, die Lage der Sporen usw. Vor allem aber zeigen
die unmittelbar aus dem Tierkörper stammenden voll-
virulenten Rausclibrandbazillen in diesem Impftiere kon-
Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Rauschbrandes usw. 101
stant, die diagnostisch bedeutungsvolle Eigentümlichkeit, daß
sie auf dem Peritoneum, insbesondere auf der dem Zwerch¬
fell anliegenden Leberoberfläche, die der Besiedelung durch
Darmbakterien wenig ausgesetzt ist, und in den inneren
Organen, besonders den Nieren, niemals in Zellenverbänden
auftreten, während die ödembazillenartigen Bakterien
stets mehrgliedrige, oft lange Verbände bilden. Daneben
kommen die farbchemischen Reaktionen der Bakterien, ihre Gestalt,
Größe, Form Veränderungen und sonstige kleine Besonderheiten in
Betracht, so die Neigung zur Versporung in der Muskulatur, nicht
dagegen im Blut, in der Oedemflüssigkeit und auf dem Peritoneum,
sowie anderes mehr. Daß die Versuche mit größter Vorsicht aus¬
geführt werden müssen, um groben Täuschungen durch Mitüber¬
tragung von verbandbildenden Bakterien aus nicht mehr frischen
Kadavern vorzubeugen, kann allerdings nicht genug betont werden.
Dergleichen läßt sich aber, wie ich in meiner genannten Abhandlung
ausführlich dargelegt habe, bei genauer Kenntnis aller Fehlerquellen
vermeiden.
Somit reicht der exakte Meerschweinchenversuch in
der Regel zur Sicherung der Diagnose aus. Zur Unterstützung
kann in etwaigen zweifelhaften Fällen noch die verschiedene Empfäng¬
lichkeit der übrigen Laboratoriumsversuchstiere herangezogen werden,
bei denen indes mit natürlichen individuellen Schwankungen gerechnet
werden muß und daher Vorsicht geboten ist. (cfr. meine Ab¬
handlung S. 228).
Eine Erweiterung des Tierversuchs ist möglich durch Anwendung
spezifischen antiinfektiösen Serums, das durch Immunisierung von
Kaninchen mit Rauschbrandkulturen in kurzer Zeit zu gewinnen ist
(cfr. meine Abhandlung S. 253) sowie durch Verwendung von Meer¬
schweinchen, die durch fortgesetzte Impfung mit Rauschbrandmaterial
verschiedener Provenienz immunisiert worden sind.
3. Ausnahmsweise kommt es vor, daß das Ergebnis des Versuchs
noch einer weiteren Sicherung der Diagnose durch Reinzüchtung der
Bakterien und Prüfung ihres biologischen und pathogenen Verhaltens
bedarf. Es liegt nicht im Rahmen dieser Abhandlung hierauf näher
einzugehen. Einige kurze Angaben mögen genügen. Folgender Gang
der Arbeiten hat sich mir als der einfachste und sicherste erwiesen.
Impfung eines Meerschweines, davon oder von einem mit Oedemsaft
des ersten tödlich infizierten zweiten unmittelbar nach dem Tode oder
102
FOTH,
besser nach Tötung des Tierchens in der Agone Anlegung von (zucker¬
freien) Agarplatten, denen nach dem Vorgänge von Grassberger und
Schattenfroh (Ueber Buttersäuregärung, III. Abhdlg., Archiv f. Hygiene
Bd. XLVIII. Heft 1). kleine sterile, frische Rindermuskelstückchen zu¬
gesetzt wurden. Kultivierung unter reinem, am besten elektrolytisch
gewonnenem und nur noch von Sauerstoffbeimengungen zu befreiendem
Wasserstoff. Durchmusterung der üppig bewachsenen Platten nach
24 Stunden mit schwacher Vergrößerung, nähero Prüfung der Bakterien
im Dunkelfelde und in gefärbten Präparaten, Uebertragung anscheinend
sicherer Kolonien auf durch gut einströmenden oder ganz schwach ge¬
spannten Dampf sterilisierten Rindermuskel, Ueberschichtung mit 75°
heißer, frischer, ausgekochter, zuckerfreier Bouillon, Pasteurisierung
30 Minuten lang bei 75°, Einschluß ins Buchnerrohr und Kultivierung
im Thermostaten. Untersuchung der Kulturen im Dunkelfelde im
Nuttatschen Brutschrank nach 24 Stunden auf Beweglichkeit und
Art der Bewegung, Versporung, Blähformenbildung. Granulosereaktion,
Gramreaktion und gewöhnliche Färbung.
Weitere Beobachtung der Kulturen, der Gasbildung, der Bildung
des Bodensatzes, des weiteren morphologischen Verhaltens der Bakterien,
ihrer chemischen Reaktionen, ihrer Versporung, des Zerfalls der Zellen,
des Verschwindens der Sporen. Aus den Bouillonkulturen Uebertragung
des bakteriellen Bodensatzes mit frisch ausgezogenen Kapillaren auf
Milch, frisch und durchsichtig in hoher Schicht erstarrtes Serum,
neutralen hochgeschichteten im Verhältnis 1:15 mit 1 prom.
FeS0 4 Lösung versetzten und darauf auf offener Flamme gut durch¬
gekochten frischen Agar und auf Zuckerbouillon-Gärkülbcheu zur
Prüfung des biologischen Verhaltens der Bakterien.
Alles Nähere ergibt sich aus meiner mehrfach zitierten Abhand¬
lung S. 230 bis 253. Die Diagnose kann auf diesem Wege leicht
und schnell gesichert werden. Daß die Kulturarbeiten durch parallel
laufende Impfungen normaler und gegen Rauschbrand immunisierter
Meeschweine kontrolliert werden, ist selbstverständlich.
Somit liegen die Schwierigkeiten, denen die bakteriologische Dia¬
gnose beim Milzbrände und beim Rauschbrande, begegnet, in ganz ver¬
schiedener Richtung.
Die Milzbrandbazillen verspüren im Tierkörper nicht. Sie
gehen relativ schnell im Kadaver zu Grunde.
Die bakteriologische Diagnoso des Milzbrandes und des Kauschbrandes usw. 1Ö3
Die Schnelligkeit, mit der sich dieser Prozeß vollzieht, ist zum
Teil von unbekannten Momenten, im Ucbrigen aber von der Zeit ab¬
hängig, die seit dem Tode des Tieres verflossen ist, von dem Grade
der sich entwickelnden Fäulnis, anscheinend oft auch noch von der
Art der jeweiligen die Fäulnis beherrschenden Bakterienarten und
mithin wechselnd.
An frischen Kadavern ist die bakteriologische Diagnose durch bak-
terioskopische Prüfung schnell und völlig sicher zu stellen; auch bei
partieller Auflösung der Bakterien ist der Nachweis der Milzbrand¬
bazillen mit geeigneten Färbemethoden mit Azur enthaltenden Methylen¬
blaugemischen in den allermeisten Fällen noch ohne Weiteres sicher
zu führen. Im übrigen führt ein einfaches Kulturverfahren schnell
und sicher zum Ziel. Bei vorgeschrittener Auflösung dagegen wird
das Ergebnis selbst unter Anwendung vielfacher Methoden und unter
Zuhilfnahme des Tierversuchs immer unsicherer und zuweilen völlig
unmöglich.
Der pathologisch-anatomische Befund vermag diese unleugbaren
Mängel der bakteriologischen Diagnose kaum auszugleichen. Denn
die den Untergang der Bazillen in erster Linie fördernde Fäulnis der
Kadaver verwischt auch die charakteristischen anatomischen Ver¬
änderungen der Organe, des Blutes usw., während umgekehrt in frischen
Fällen, wo die bakteriologische Diagnose leicht ist, auch der Sektions¬
befund, von Ausnahmen abgesehen, den erfahrenen Praktiker kaum
im Zweifel über die Natur der Krankheit läßt.
Die Rauschbrandbazillen dagegen versporen im Tierkörper.
Die Fäulnis ergreift die rauschbrandig veränderten Muskelpartien nur
langsam. Selbst bei geringfügigen lokalen, rauschbrandigen Prozessen
können die versporten Rauschbrandbazillen sich zwar mit Fäulnis er¬
regenden Bakterien mischen. Bis zur völligen Ueberwucherung und
Zerstörung, bis zur Unnachweisbarkeit pflegt es aber unter den Ver¬
hältnissen der veterinärpolizeilichen Praxis schwerlich zu kommen.
Die bakteriologische Diagnose ist daher im Gegensatz zum Milz¬
brände auch in solchen Fällen nicht unmöglich. Dagegen ist sie in
frischen Fällen nicht so einfach, wie die des Milzbrandes, weil die
morphologischen Besonderheiten des Rauschbrandbazillus in dem aus den
Kadavern angefertigten Ausstrichpräparat allein für die Diagnose nicht
genügen. Die mikroskopische Untersuchung bedarf vielmehr, wenigstens
des Meersehweinschenversuchs als Ergänzung. In diesem Umfange ver¬
mag sie in den allermeisten Fällen die Diagnose ohne Weiteres zu
104
FOTH,
sichern. In den übrigen Fällen führen weitere, wenn auch mitunter
komplizierte bakteriologische Untersuchungsmethoden sicher zum Ziel.
Im Gegensätze zum Milzbrände werden nun aber diese Mängel
der bakteriologischen Rauschbranddiagnose zum Teil durch den patho¬
logisch-anatomischen Befund ausgeglichen. Denn bei frischen Kadavern
ist das Sektionsbild meistens so ausgeprägt, daß es einer bakterio¬
logischen Untersuchung überhaupt nicht bedarf. Und auch vorge¬
schrittene Fäulnis verändert größere, typisch erkrankte Muskelarten
oft so wenig, daß die Diagnose keine Schwierigkeiten bereitet.
Ist das Sektionsbild indes überhaupt weniger ausgeprägt, so ge¬
nügt in der Regel schon der Tierversuch, insbesondere, wenn der
Mangel hinreichend typischer Muskelveränderungen durch charakteristische
Befunde an den inneren Organen ersetzt wird und cfas der Fäulnis
nicht allzu schnell zugängliche, versporte Rauschbrandbaz.il len ent¬
haltende seröse und fibrinöse llerzbeutelexsudat zur Prüfung mit
herangezogen wird.
Nur in den seltenen sonstigen Yerdachtsfällen und vorzugsweise
bei verdächtigen Todesfällen bei Tieren, deren natürliche Erkrankung
an Rauschbrand nicht feststeht (Pferden, Schweinen und auch Schafen
sowie allen übrigen Tieren) läuft die Schwierigkeit der Diagnose am
Kadaver mit der jedoch im Gegensatz zum Milzbrand stets möglichen
bakteriologischen Diagnose parallel.
Nach diesen Feststellungen ergibt sich die Beantwortung unserer
Frage: „in welchem Umfange und in welcher Form eine bakterio¬
logische Ergänzung der klinischen und anatomischen Befunde beim
Milzbrände und Rauschbrande geboten sei und wie das harmonische
Zusammenwirken des Praktikers und des Bakteriologen erreicht werden
können“ von selbst.
Beim Milzbrände übertrifft im allgemeinen die bakterio¬
logische Untersuchung die klinische und anatomische an
diagnostischer Sicherheit. Zudem ist sie einfach und wird
daher im veterinär-polizeilichen Interesse und im Interesse
der die Entschädigungen zahlenden Verbände in allen
Fällen unbedenklich mit dem Vorbehalte zu fordern sein,
daß ein negatives Ergebnis der bakteriologischen Prüfung
nur unter gleichzeitiger Würdigung des Sektionsbildes und
der für den etwaigen Untergang der Milzbrandbazillen in
Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Kauschbrandes usw. 105
Betracht kommenden Momente den Milzbrand verdacht zu
entkräften vermag.
Beim Rauschbrande überwiegt dagegen im allgemeinen
die diagnostische Sicherheit der klinischen und anato¬
mischen Untersuchung. Die bakteriologische Untersuchung
in ihrer einfachsten Form, der bakterioskopischen Prüfung
allein, ist ohne ein gleichzeitiges typisches Sektionsbild
wertlos, folglich überflüssig, da dieses genügt.
Für alle weniger typischen Sektionsbefunde ist dagegen
eine mindestens durch den Meerschweinchenversuch und in
besonderes unklaren Fällen durch Kulturprüfungen er¬
weiterte bakteriologische Untersuchung zu fordern.
Nun erhebt sich die Frage, wer soll diese bakteriologischen
Untersuchungen ausführen V Zunächst muß ich wiederholen, daß ich
die gegenwärtig vielfach bestehende obligatorische „Nachprüfung“ an
den Zentraluntersuchungsstellen der die Entschädigungen zahlenden
Verbände mit ihrer, teilweise bereits etwas gemilderter Forderung
des Bazillennachweises aus den angeführten Gründen nicht nur nicht
für eine nützliche, sondern für eine schädliche Einrichtung halte. Sie
entspricht nicht dem Stande der wissenschaftlichen Erfahrung, beein¬
trächtigt die diagnostische Umsicht und Sicherheit des praktischen
Vetcrinärbeamten, mindert sein Ansehen und damit seine Berufs¬
freudigkeit und fördert aus naheliegenden Gründen zu guterletzt noch
die Ausbreitung der Seuchen, anstatt zu ihrer Tilgung beizutragen.
Das veterinärpolizeiliche Interesse fordert vielmehr, daß der
Vetcrinärbeamte selbständig entscheide, nötigenfalls mit Unterstützung
eines bakteriologischen Instituts. Diese Forderung setzt voraus, daß
er in der Lage ist, sich selbst in möglichst weitem Umfange der
Hiilfsmittel der bakteriologischen Diagnostik zu bedienen. Nur dann
wird man erwarten können, daß er zuverlässig richtige Entscheidungen
trifft und aiich beurteilen kann, wann weitere Untersuchungen in
einem bakteriologischen Institut zur Sicherung der Diagnose er¬
forderlich sind.
Befinden sich nun aber gegenwärtig alle Veterinärbcamten in
dieser Lage?
Diese Frage muß verneint werden.
Folglich wird dafür gesorgt werden müssen, daß sie sieb der
bakteriologischen Hülfsmittel mit Verständnis und Sicherheit zu be¬
dienen wissen.
106
FOTH,
Ob und inwieweit bereits eine Verbesserung und Vertiefung der
Ausbildung während der Studienzeit geboten erscheint, mögen die
tierärztlichen Hochschulen in erster Linie erwägen. Auch ob in der
kreistierärztlichen Prüfung ein stärkeres Gewicht auf den Nachweis
tieferen wissenschaftlichen Verständnisses und weit größerer praktischer
Gewandtheit und Sicherheit, ja einer gewissen Routine wenigstens
auf diesem eng begrenzten Gebiete der Bakteriologie zu fordern ist,
soll hier nicht erörtert w r erden.
Geht doch auch bei mangelnder Uebung manches davon wieder
verloren in dem bis zur Anstellung als Veterinärbeamter vorgehenden
von Jahr zu Jahr wachsenden Zeitraum.
Unerläßlich aber ist es, daß den Veterinärbeamten nach ihrer An¬
stellung im Staatsdienste Gelegenheit gegeben wird, sich die etwa
noch fehlenden Kenntnisse zu erwerben und sie dauernd zu erhalten.
Die bisherigen Fortbildungskurse reichen hierzu, wie die Erfahrung
lehrt, nicht aus. Sie können auch nicht ausreichen. Dazu ist die
Summe der fortschreitenden Erkenntnis auf allen Gebieten und die
Menge des den Herrn in knappster Zeit und gedrängter Kürze Ge¬
botenen heute viel zu groß.
Diese Kurse können und sollen auch nicht viel mehr als einen
allgemeinen Ueberblick geben und das Interesse des Praktikers anregen
für die Fortschritte der wissenschaftlichen Erkenntnis.
Die Lösung der Frage liegt in einer anderen Richtung.
Es muß dahin gestrebt werden, daß bei jeder Regierung
ein staatliches veterinärbakteriologisches Institut einge¬
richtet wird, das t unter der Leitung des selbstverständlich
bakteriologisch geschulten Departementstierarztes steht,
dem nach Bedarf ein oder mehrere Hülfsarbeiter zur Seite
stehen.
In diesem Institut sind diejenigen bakteriologischen
Untersuchungen auszuführen, die die Kreistierärzte nicht
selbst ausführen können.
Die Kreistierärzte sind, soweit dies nicht schon ge¬
schehen ist, sämtlich mit einem Bakterienmikroskop zu
versehen und im Dienstwege anzuhalten, die erforderlichen
Einrichtungen und Hülfsmittel für einfache bakteriologische
Untersuchungen, soweit sie ihnen nicht dazu geliefert
werden, selbst zu beschaffen und instand zu halten.
Wann und in welchem Umfang sie eine bakteriologische Unter-
Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Rauschbrandes usw. 107
suchuug vorzunehmen haben, wann sie Teile zur weiteren Untersuchung
an das Regierungsinstitut einzusenden haben und nach welchen Grund¬
sätzen dies zu geschehen hat, ergibt sich für die Milzbrand- und
Rauschbranddiagnose aus meinen Darlegungen und wird zweckmäßig
mindestens für diese Seuchen bindend vorzuschreiben sein.
Aufgabe der Dieustaufsicht wird es sein, die sorgsame Instand¬
haltung der bakteriologischen Einrichtung und die gewissenhafte Be¬
folgung der Untersuchungsvorschriften zu sichern. Strenge Dienst¬
aufsicht wird im preußischen ßearatenkörper bis in die höchsten
Stellen geübt. Sie wird also auch von den Kreistierärzten nicht als
Mißtrauen empfunden werden, um so weniger, als sie die Selbständig¬
keit ihrer Entscheidungen fördern will und als sie unerläßlich ist, um
das Vertrauen zu der Zuverlässigkeit ihres Urteils in interessierten
Kreisen zu sichern.
Doch diese Maßnahmen reichen allein nicht aus.
Den Kreistierärzten muß auch Gelegenheit gegeben
werden, sich in dem Institut selbst die praktische Routine
im bakteriologischen Arbeiten anzueignen, die allein ein
sicheres Urteil gewährleistet.
Das ist erreichbar, wenn von Zeit zu Zeit einige Herren,
gleichzeitig höchstens zwei oder drei, 10—14 Tage lang mit
Unterstützung des Leiters praktisch im Institut arbeiten.
Dann wird es den Kreistierärzten ein leichtes sein, die
die ihnen zufallenden diagnostischen Aufgaben zu lösen
und ein Zweifel an der Richtigkeit ihrer Diagnosen, wie
er heute noch in den Nachprüfungsbestrebungen vieler
Provinzialverbände zum Ausdruck kommt, ist ferner nicht
mehr berechtigt.
VII.
Ans dem Veterinär-Institut der Universität Breslau.
(Direktor: Prof. I)r. M. Casper.)
Beiträge zur bakteriologischen Sputumuntersuchung bei
der Lungentuberkulose des Rindes.
Von
J)r. med. vet. Hieronymi,
I. Assistenten des Veterinärinstituts.
Die Tuberkulose des Rindes ist in Deutschland die verbreitetste
Tierseuche. Bis jetzt hat eine zahlenmäßige Abnahme der Tuber¬
kulose von der Fleischbeschaustatistik nicht nachgewiesen werden
können, obwohl schon seit Jahren die Tuberkulosebekämpfung mit
Nachdruck in die Hand genommen worden ist und die verschiedensten
Methoden der Tuberkulosetilgung vorgeschlagen und zum Teil auch
praktisch durchgeführt worden sind. Abgesehen von dem beständigen
Verlust an Nationalvermögen, den die Rindertuberkulose im Gefolge
hat, ist ihre erfolgreiche Bekämpfung und Ausrottung auch deshalb
dringend geboten, weil sie einen nicht unwichtigen Faktor der Volks¬
gesundheit darstellt, da sie durch ihre nahe Verwandtschaft mit
der Tuberkulose des Menschen auch diesem gefährlich werden kann.
Die große Aufgabe, die der Immunitätsforschung gestellt ist, eine
tuberkulosefreie Nachzucht des Rindes zu gewährleisten, ist trotz
der vielen Anläufe in den letzten Jahren noch nicht gelöst. Wenn
auch die Ergebnisse der hierhin zielenden Versuche teilweise ermutigend
ausgefallen sind, so kann wegen des Zeitaufwandes, den derartige
Experimente erfordern und wegen der widersprechenden Resultate der
einzelnen Forscher ein positives Urteil über den Wert einer Immuni¬
sierung gegen die Rindertuberkulose noch nicht abgegeben werden.
Zur Zeit sind wir noch auf die Bekämpfung der Tuber¬
kulose der erwachsenen Tiere angewiesen, die naturgemäß um
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Kindes. 109
vieles langsamer zum gesteckten Ziele führen muß, da die Ausrottung
der Infektionsquellen in den einzelnen Rinderbeständen mit großen
Schwierigkeiten verknüpft ist, und die Tuberkulose vermöge ihrer
hervorragenden Kontagiosität die Tendenz hat, wenn auch langsam,
so doch stetig um sich zu greifen.
Zwei Hauptprinzipien kamen in Frage, um das dauernde An¬
schwellen der Rindertuberkulose allmählich einzudämmen: Der von
Bang (5) ausgehende Vorschlag der Tuberkulinisierung der
Rinderbeständc und das sogenannte Ostertagsche Verfahren
der klinischen Untersuchung der Rinder auf Tuberkulose.
Die erste Methode mußte in Deutschland wegen ihrer praktischen
Undurchführbarkeit bald fallen gelassen werden. Dagegen hat das
von Ostertag (78) angegebene Tilgungsverfahren in den meisten
Provinzen Preußens Eingang gefunden.
Siedamgrotzky (102) entwickelte auf dem VII. internationalen
tierärztlichen Kongreß in Baden-Baden 1899 seine Gedanken über
eine Tuberkulosetilgung und zeigte einen Weg, auf dem ein wirksames
Einschreiten gegen die Tuberkulose möglich wäre. Er empfahl ein
frühzeitiges Abschlachten der gefährlich tuberkulösen Tiere und eine
sorgfältige Vermeidung der Ansteckung der Kälber und der gesunden
Tiere. Als „gefährlich“ sah er die Tiere an, die mit Lungen-, Darm-,
Euter-, Gebärmutter- und Hoden tuberkulöse behaftet sind.
Ostertag machte diese Gedanken zur Grundlage eines neuen
Tilgungsverfahrens, dessen Durchführung er am 22. Mai 1900 in der
XIV. Jahresversammlung des Ostpreußischen landwirtschaftlichen
Zentralvereins darlegte und das seit dieser Zeit als Ostertagsches
Tuberkulosetilgungsverfahren bezeichnet und in größtem Maßstabe von
der Ostpreußischen Holländer Herdbuchgesellschaft durchgeführt wird.
Dieses Ostertagsche Tilgungsverfahren beruht im Prinzip bekannt¬
lich darauf, daß durch klinische Untersuchung in bestimmten Zeit¬
abschnitten die klinisch nachweisbar tuberkulösen Rinder der einzelnen
Bestände aus der Herde ausgemerzt und die der Tuberkulose ver¬
dächtigen Tiere bis zum nächsten Untersuchungstermin derart isoliert
werden, daß eine Ansteckung der gesunden Tiere durch sie ausge¬
schlossen wird. Gleichzeitig wird eine tuberkulosefreie Aufzucht der
Kälber angestrebt.
Bei der großen Bedeutung, die dieses Verfahren heute besitzt,
erschien es nicht unwichtig, einige Punkte desselben näher zu prüfen
und nach neuen Mitteln zu suchen oder alte zu verbessern, die als
110
1UERONYMI,
wirksame Waffen im Kampfe gegen die Tuberkulose gebraucht werden
können. Ich folgte daher der Anregung des Herrn Prof. Dr. Casper,
meines hochverehrten Chefs, das große Material, das mir im Veterinär¬
institut der Universität Breslau zur V erfügung stand, daraufhin durch¬
zuprüfen und zwar meine Untersuchungen, deren Ergebnisse im
folgenden mitgeteilt werden, besonders auf die bakteriologische
Seite des Ostertagschcn Verfahrens auszudehnen.
Für das Interesse und die liebenswürdige Unterstützung bei der
Anfertigung dieser Arbeit drängt es mich, meinem hochverehrten
Chef, Herrn Prof. Dr. Casper auch an dieser Stelle meinen ver¬
bindlichsten Dank auszusprechen. Ebenso bin ich Herrn Dr. Schmidt
und Herrn Dr. Wülfel für die gütige Ueberlassung des Materials zu
großem Dank verpflichtet.
Hauptsächlich sind es vier Formen der Tuberkulose des Kindes,
die als Angriffspunkte bei der wirksamen Bekämpfung der Tuberkulose
in Betracht kommen können:
1. die Lungentuberkulose, und zwar deren offene Formen,
2. die Darmtuberkulose,
3. die Gebärmuttertuberkulosc.
4. die Eutertuberkulose.
liier beschäftigt uns nur die wichtigste und zugleich verbreitetste
und gefährlichste Form, die Lungentuberkulose.
Die Genese der Lungentuberkulose ist besonders in der
Humanmedizin in den letzten Jahren der Gegenstand der eifrigsten
Forschung gewesen, und die widersprechendsten Ansichten sind auf
Grund ausgedehnter Experimente in der Literatur niedergelegt. Ob¬
wohl zur Zeit noch keine vollständige Uebereinstimmung unter den
einzelnen Autoren über die Pathogenese der Lungentuberkulose be¬
steht, so haben sich die Kontroversen doch so weit geklärt, daß
folgende Theorien über die Entstehung der Lungentuberkulose als fest¬
stehend angenommen werden können:
1. Die Tuberkelbaziilen können mit der Atemluft, ähnlich wie feiner Kohlen¬
staub, in die feineren Bronchialästc und in die Alveolen eind ringen. Die Bazillen
siedeln sich entweder hier an und rufen direkt ihre spezifischen Veränderungen
hervor. Es ist aber auch möglich, daß sie zunächst in die Bronchialdriiscn ver¬
schleppt werden. Erst nachdem diese tuberkulös erkrankt sind, infizieren die
Tuberkelbazillen von hier aus auf dem Wege der Blut- oder Lymphbalm die
Lungen oder sie gelangen durch direkten Einbruch aus den Bronchiallymphknoten
in die Lungen. Beide Infektionsarten der Lungen fallen unter den Begriff der
Inhalationstuberkulosc, die also primär oder aerogen entstanden ist.
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 111
Die Inhalationstuberkulose entsteht dann, wenn Rinder, besonders
ältere, in der Nähe hustender tuberkulöser Nachbartiere aufgestellt und so ge¬
zwungen sind, die mit tuberkelbazillenhaltigen Tröpfchen erfüllte Ausatmungsluft
bei Hustenstößen einzuatmen. Durch die Untersuchungen von Mazyk Ravenei
(88) und Kasselmann (59) ist erwiesen, daß auch das Rind, ebenso wie der
tuberkulöse Mensch, virulente Tuberkelbazillen enthaltende Tröpfchen beim Husten
verspritzt, während die Staubinfektion bei der Entstehung der Lungentuberkulose
keine Rolle spielt.
2. Auch von der Maul- bzw. Rachenhöhle aus, also durch die oberen Wege
des Respirations- und Digestionstraktus vermögen die Tuberkelbazillen die Lungen
zu infizieren, wenn sie nämlich mit der Inspirationsluft oder durch die Nahrung
hierher, dann in die regionären Lymphdrüsen gelangen und von diesen aus auf
lymphogenem oder hämatogenem Wege in die Bronchialdrüsen und Lungen ver¬
schleppt werden. Man bezeichnet diese Form des Infektionsweges als Aspirations¬
tuberkulose im engeren Sinn. Sie hat zwar dasselbe Endresultat wie die In¬
halationstuberkulose, nämlich eine Infektion der Lungen im Gefolge, besitzt aber
bei der Verbreitung der Tuberkulose unter den erwachsenen Rindern keine große
Bedeutung.
3. Ferner kann nach Weichsel bäum (113) auch vom unteren Teil des
Digestionstraktus, also vom Magen und Darm aus, ein Transport der Tuberkel¬
bazillen in die Lungen statthaben.
Entweder gelangen die Bazillen mit der Nahrung direkt in den Darm, oder
sie werden vorher in der Rachenhöhle abgelagert und erst später verschluckt. Die
Tuberkelbazillen vermögen, ohne „scheinbar" das Deckepithel des Darmes zu
schädigen [Bartel (6)] die Darmwand zu passieren. Sie infizieren aber sicher die
regionären Lymphdrüsen, von denen aus sie auf lymphhämatogenem Wege in die
Bronchiaidrüsen und von hier aus in die Lungen, oder direkt in die Lungen trans¬
portiert werden können. Man hat diese Form der tuberkulösen Erkrankung der
Lungen mit dem Namen Dcglutitionstuberkulose oder Intestinaltuber-
k ul ose belegt. Die Deglutitionstuberkulose ist vorwiegend eine Erkrankung der
Kälber, die mit Milch tuberkulöser Kühe aufgezogen werden. Erwachsene Tiere
infizieren sich auf diese Weise viel seltener, einmal, weil nach Flügge (32) bei
der intestinalen Infektion eine millionenfach größere Menge von Tuberkclbazillen
erforderlich ist, um manifeste Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Zweitens
spielt aber nach Weber (111) bei älteren Tieren neben der Art der Aufstallung
vielleicht noch der Umstand mit, daß nur ältere Tiere Wiederkauen und so der
Aspirationstuberkulose mehr ausgesetzt sind, als die jüngeren, die noch nicht
Wiederkauen.
Einige Autoren, unter ihnen besonders von Behring, behaupten, daß dieser
letzterwähnte Infektionsmodus, die infantile Infektion des Organismus, das Haupt¬
moment der tuberkulösen Erkrankung darstelle. Diese Auffassung gründet sich
auf die Versuche Calmettcs und seiner Schüler Vansteenberghe und Grysez
(17), die festgestcllt zu haben glaubten, daß Kohle oder Tuschepartikcl, die mit
der Nahrung Versuchstieren einverlcibt oder die direkt in eine Darmschlinge oder
in die Bauchhöhle injiziert wurden, zuerst sich in den Lungen deponierten. Nach¬
prüfungen von Basset (17), Hoche und Funck (50), Rcmlinger (90), Ravenna
(89) und Tsunoda (108), ergaben aber, daß die Anthrakosis der Lungen meistens
112
HIERONYMI,
und hauptsächlich auf dem Inhalationswege stattfindet. «Was den Kohlenstäubchen
recht ist“, sagt Orth (79). «muß den Tuberkelbazillen billig sein*. Und in der
Tat wurde dieser Satz auch von Flügge und seinen Schülern experimentell be¬
wiesen. Flügge (32) gelang es schon durch 50 aspirierte Tuberkelbazillen beim
Meerschweinchen regelmäßig eine Lungentuberkulose zu erzielen, während bei der
Fütterung zur Erzielung dieses Resultates etwa 8 Millionen Tuberkelbazillen mehr
erforderlich waren. Zu denselben Ergebnissen kamen Orth (80) und Weber (111).
Ebenso wurde durch die anatomische Untersuchung des Lymphapparates von Most
(93) und Weleminsky (114) die Inhalationstheorie der Lungentuberkulose ge¬
sichert. Ja, Albrccht (1) erklärt sogar, «eine Frage in Hinsicht auf die In¬
fektionswege der Tuberkulose existiert längst nicht mehr. Die Versuche, welche
zur Aufdeckung dieser Infektionswege immer von neuem angestellt werden, sind
vollständig überflüssig. Die pathologische Anatomie, und zwar im wesentlichen
schon die makroskopische Anatomie, gibt für die weitaus größte Zahl der Fälle
menschlicher Tuberkulose ein völlig klares und einwandsfreies Bild ihrer Entstehung
und Verbreitung*.
4. Die Irapftuberkulose und kongenitale Tuberkulose kommen beim
Rinde für die Entstehung der Lungentuberkulose nicht in Frage.
Es gibt, wie wir gesehen haben, viele Wege, die zu einer tuber¬
kulösen Infektion der Lungen führen können und die Entscheidung
darüber ist im konkreten Fall häufig schwierig. „Die Verdauungs¬
und Atmungswege kreuzen sich,“ sagt Ficker (28),' „sie anasto-
mosieren, und am Ende des Weges können wir gar nicht mehr sagen,
aus welcher Richtung vor der Kreuzungsstelle der Keim gekommen
ist.“ Wie ßeitzke (8) richtig betont, sind Inhalations- und Lungen¬
tuberkulose einerseits, Fütterungs- und Darmtuberkulose andererseits
keineswegs identische Begriffe und es ist zweckmäßig, die Ausdrücke
Fütterungs- und Inhalationstuberkulose gänzlich fallen zu lassen und
statt dessen Begriffe zu setzen, die den wirklich von den Bazillen
zurückgelegten Weg bezeichnen, nämlich Aspirations- und Deglutitions-
tuberkulose.
Ebenso mannigfaltig wie die Wege, auf denen der Tuberkel¬
bazillus in die Lungen gelangen kann, sind die Veränderungen patho¬
logisch-anatomischer Art, die er an diesem Ort der Infektion hervor¬
zurufen imstande ist.
Die inhalierten Tuberkelbazillen siedeln sich in der Schleimhaut
der Wände der Bronchiolen oder in den Wänden der Alveolargänge
und Alveolen an und rufen hier ihre spezifischen Veränderungen
hervor. Zunächst Knötchen, die der Krankheit ihren Xamen gegeben
haben. Die Knötchen haben die Tendenz, regressiven Veränderungen
anheim zu fallen, die durch die Einwirkung des Tuberkelbazillus ein¬
geleitet werden. Es bildet sich eine käsige Masse, die erweicht und
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 113
durch eine Art von Autodigestion, die ihrerseits auf ein beim Zerfall
der Tuberkelbazillen frei werdendes Ferment zu beziehen ist [Bongert,
(14)] verflüssigt wird. Auf diese Weise kann auf der Schleimhaut
der Bronchiolen ein tuberkulöses Geschwür entstehen. Durch Disse¬
mination auf dem Wege der Lymphspalten und durch den Transport
mittels Leukozyten bilden sich im Lungengewebe größere Herde, die
zuerst maulbeerförmig gruppiert sind [Schmauß (96)]. Durch fort¬
schreitende Verkäsung und Erweichung des erkrankten Gewebes ent¬
stehen häufig, beim Rinde weniger häufig als beim Menschen, Kavernen,
die mit eiterähnlichem, kleine Käsebröckel enthaltendem Inhalt an¬
gefüllt sind. Die mit solchen Kavernen kommunizierenden Bronchien
brauchen nicht ausgesprochen tuberkulös verändert zu sein. Meist
findet sich eine Bronchitis und Peribronchitis und ihr Lumen ist mit
schleimig-eiterähnlichera Inhalt gefüllt, der teils den tuberkulösen
Kavernen entstammt, teils ein Absonderungsprodukt der entzündeten
Bronchialschleimhaut darstellt.
So ist den Tuberkelbazillen wieder durch Kommunikation zwischen
Kaverne und Bronchus der Weg ins Freie gebahnt und sie können
durch Hustenstöße aus den Lungen in die Außenwelt projiziert
werden.
Man bezeichnet diese Form der Lungentuberkulose als primäre
Lungentuberkulose oder als offene Lungentuberkulose.
Ganz anders gestaltet sich der Verlauf der Lungentuberkulose,
wenn der Transport der Tuberkelbazillen nicht aerogen, sondern
lymphhämatogen stattgefunden hat. Die Erreger erzeugen bei dieser
metastatischen, hämatogenen oder sekundären Lungentuber¬
kulose an ihren durch die Blut- und Lymphbahnen vorgezeichneten
Depositionspunkten einzelne Knötchen, die teils im eigentlichen Lungen¬
parenchym d. h. in den Alveolarsepten, teils im interstitiellen Binde¬
gewebe zwischen den Lobuli und in der Umgebung der Bronchien und
Blutgefäße angeordnet sind. Sie unterscheiden sich wesentlich von
den vorher beschriebenen, sind zirkumskript und weisen eine mehr
graue, derbe, häufig sogar schwielige Beschaffenheit auf. Die Bronchial-
schleirahaut bleibt infolge des fehlenden Reizes frei von katarrhalischen
Affektionen. Allerdings kann die ractastatische Tuberkulose auch auf
die Bronchien übergreifen. Nach Orth (80) kann aus dem Ergriffen¬
sein von Bronchien bei Initialveränderungen ein Schluß auf aerogeno
oder hämatogene Lungeninfektion nicht gezogen werden.
Diese embolische Form der Lungentuberkulose führt auch den
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Baml. £
114
IIIER0NYM1,
Namen geschlossene Lungentuberkulose, der streng theoretisch,
nach den Angaben Orths betrachtet, nicht ganz den Tatsachen
entspricht.
Bei der geschlossenen Lungentuberkulose fällt die Ansteckungs¬
gefahr für andere Rinder fort, da eine Ausscheidung von Bazillen
nicht, oder nur äußerst selten erfolgen kann. Sie ist deshalb für
die Bekämpfung der Tuberkulose bedeutungslos.
Der pathologisch-anatomische Endeffekt der tuberkulösen Infek¬
tion muß also intra vitam klinisch zwei vollkommen verschiedene Er¬
scheinungen zeitigen, die bei der Tuberkulosetilgung auch verschieden
bewertet werden müssen.
Die große Fehlerquelle der von Bang angegebenen Tuberkulini-
sierung der Rinderbestände lag darin, daß das Tuberkulin auch ein
Indikator für die geschlossenen Formen der Tuberkulose ist, die doch
als Infektionsquellen nicht in Frage kommen.
Dagegen leuchtet sofort die große Bedeutung des Ostertagschen
Tilgungsverfahrens ein, das sich zur Aufgabe gestellt hat, die gefähr¬
lichen offenen Tuberkuloseforiuen zu ermitteln und unschädlich zu
machen, und so durch Verstopfung der Infektionsquellen ein geome¬
trisches Absinken der Tuberkulose in der Statistik zu ermöglichen.
Bei der klinischen Durchführung des Ostertagschen Verfahrens
war eine der aktuellsten Fragen die:
Bietet die offene Lungentuberkulose des Rindes einen so scharf
umrissenen Symptomenkomplex dar, daß ihre Erkennung und Dilfc-
rentialdiagnose intra vitam keine Schwierigkeiten bietet, und daß
Fehldiagnosen nach Möglichkeit vermieden werden können?
Die Antworten hierauf fielen verschieden aus. Vor allen stand
M. Fadyean (65) der klinischen Erkennbarkeit der Lungentuber¬
kulose skeptisch gegenüber. Seine Angaben in der Literatur, daß er
bei 1600 Kühen nur etwa 13mal mit einiger Sicherheit Tuberkulose
habe konstatieren können, wurden durch die statistischen Mitteilungen
Roeckels (91) widerlegt. Ebenso bewiesen die ausgedehnten
klinischen Untersuchungen in der Ostpreußischen Holländer Herdbuch¬
gesellschaft, ausgeführt von Müller, Lindenau und Lange (72) die
Möglichkeit einer klinischen Erkennbarkeit der Lungentuberkulose.
Und in der Tat ist es uns heute möglich, ein an etwas vorgeschrittener
Lungentuberkulose leidendes Rind mit großer Sicherheit klinisch zu
erkennen. Es kommen, wie 0. Müller richtig bemerkt, Fehlresul¬
tate bei der klinischen Untersuchung nur in verschwindend
Bakteriologische Sputumuntersoohang bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 115
kleiner Zahl vor. Auch unsere Untersuchungen können diesen
Satz voll und ganz bestätigen.
Neben diesen klinisch sicher erkennbaren Formen der Lungen¬
tuberkulose, die die Tiere als „gemeingefährlich“ im Sinne des
Ostertagschen Verfahrens stempeln, steht aber noch eine große
Gruppe von solchen Tieren, die wohl einzelne Symptome der Lungen¬
tuberkulose aufweisen, die jedoch in ihrer Gesamtheit nicht aus¬
reichen, um den Komplex der gemeingefährlichen offenen Lungen¬
tuberkulose zu konstruieren. Man bezeichnet diese Gruppe praktisch
als der Lungentuberkulose verdächtig.
Um aber auch von diesen der Lungentuberkulose verdächtigen
Tieren, bei denen die klinische Diagnose schwankt und im Stich läßt,
eine möglichst hohe Prozentzahl als tuberkulös bezeichnen zu können,
kommt der versagenden klinischen Diagnostik die bakteriologische
Diagnostik der Lungentuberkulose zu Hilfe.
Sie beruht im wesentlichen auf der Feststellung von
Tuberkelbazillen im Auswurf oder Sputum. Der Vorschlag der
bakteriologischen Untersuchung des Sputums bei Tuberkulose auf den
spezifischen Erreger derselben ist zuerst von R. Koch (61) gemacht
und praktisch durchgeführt worden. Ein positiver Bazillenbefund im
phthisischen Sputum ist absolut entscheidend für die Diagnose der
Lungentuberkulose, ln der Humanmedizin wird neben der bak-
terioskopischen Untersuchung auch die Histologie des Sputums ge¬
würdigt. Elastische Fasern, Alveolarepithel, Lymphozyten, eosino¬
phile Zellen können hier einen negativen Ausfall des Bazillenbefundes
ersetzen. Man war in der Veterinärmedizin bemüht, die Verhältnisse
der Sputurauntersuchung beim tuberkulösen Menschen auf das tuber¬
kulöse Rind zu übertragen, stieß dabei aber auf große Hindernisse.
Während beim Menschen das Tagessputum mühelos gesammelt und
zur Untersuchung konserviert werden kann, ist es beim Rinde schon
in den weitaus meisten Fällen unmöglich, das ausgehustete Sputum
aufzufangen, da das Rind nach jedem Hustenstoß eine Kaubewegung
macht und das Expektorat abschluckt. Infolgedessen ist auch die
makroskopische Betrachtung des Sputums, die in der Humanmedizin
schon einen bedeutsamen Rückschluß auf eine etwa vorhandene Lungen¬
tuberkulose erlaubt, nur in wenigen Fällen in der Veterinärmedizin
möglich.
Czaplewski (21) definiert den Sputumbegriff dahin, daß man
unter dem Namen Sputum, Auswurf, die gesamten Sekrete des Respi-
8*
116
HIERONYMI,
rationstraktus versteht, samt ihren Beimengungen und Verunreinigungen,
soweit dieselben durch den Mund entleert, „ausgeworfen“ werden,
gleichgültig, aus welchem Teil des Respirationstraktus dieselben stammen.
Beim Menschen ist die Beschaffenheit des tuberkulösen Sputums
nach v. Strümpell (106) größtenteils schleimigeitriger Natur und
unterscheidet sich als solches nur wenig von dem Auswurf bei ein¬
facher Bronchitis. Und in der Tat entstammt auch ein großer Teil
des phthisischen Auswurfes, wie wir oben gesehen haben, der katarrha¬
lisch entzündeten Bronchialschleimhaut. Indessen tritt doch der
Schleimgehalt der phthisischen Sputa gegenüber dem Eitergehalt
weniger stark hervor als bei der einfachen Bronchitis. Die Sputa
sind daher weniger zähe und zerfließen leichter. Der aus den Ka¬
vernen stammende Auswurf ist von fast rein eiteriger Beschaffenheit.
Solcher Auswurf besteht häufig aus einzelnen größeren Klumpen oder
Ballen, die wie angenagt erscheinen, mit Schleim umgeben sind und
im Wasser untersinken. Man bezeichnet dieses Sputum als Sputum
globosum, nummosum et fundum petens. Im Wasser tritt die un¬
regelmäßige höckrige Oberfläche der geballten Sputa oft deutlicher
hervor, ein Umstand, der auf Bildung des Sputums in den zerklüf¬
teten Kavernen hinweist.
Betrachtet man im Gegensatz hierzu die Expektoratproben vom
tuberkulösen Rind, so fällt der große Unterschied der Sputa, der
menschlichen und der tierischen, sofort in die Augen. Zunächst ist
der Ausdruck Sputum, auf die Verhältnisse in der Tierheilkunde an¬
gewendet, nicht ganz korrekt, da es sich in den seltensten Fällen
um wirklich „ausgeworfenes“ Material handelt. Es ist Rachenschleim
und Schleim aus dem Kehlkopf, der auf eine später zu erörternde
Methode gewonnen wird und zur Untersuchung gelangt. Im folgenden
wird der Ausdruck Sputum anstelle des schwerfälligen Wortes Rachen¬
schleim beibehalten.
Schon die Sputummenge, die zur Untersuchung gelangt, unter¬
scheidet sich naturgemäß beträchtlich von der, die beim phthisischen
Menschen zur Verfügung steht und legt den Methoden der Unter¬
suchung wesentliche Beschränkungen auf. Die Sputummenge betrug
nie mehr als 5 ccm, ging aber in einigen Fällen sogar bis auf 1 ccm
herunter.
Der Geruch war in den meisten Fällen fade, häufig ließen sich
gar keine Geruchsunterschiede erkennen.
Die Konsistenz der untersuchten Sputa war zähe, meist
Bakteriologisofae Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 117
schleimig, häufig ein am Glasrande hartnäckig adhärierender Belag.
Es wurde die Beobachtung gemacht, daß die Sputa, die 24 bis 48
Stunden bis zur Untersuchung aufgehoben worden waren, ihre faden¬
ziehende, schleimige Konsistenz verloren hatten, ein Umstand, auf
den später noch zurückzugreifen sein wird. Es resultierte schließlich
eine dünnflüssige, leicht bewegliche Flüssigkeit, in der die korpus-
kulären Elemente nicht mehr suspendiert waren, sondern sich zu
Boden gesenkt hatten. Die Konsistenz des Sputums besitzt in der
Humanmedizin eine große Bedeutung, da schon sie diagnostische Rück¬
schlüsse auf eine etwa vorhandene phthisische Lungenerkrankung zu¬
läßt. In die zähe, glasige Sputumhülle, die aus der Rachen- und
Mundhöhle stammt, sind bei vorhandener Tuberkulose die sogenannten
Sputumkerne oder Sputumlinsen eingebettet. Die Sputumkerne mit
ihrem rein eiterigen Substrat kommen als Träger der Tuberkelbazillen
bei der bakteriologischen Prüfung hauptsächlich in Betracht. Man
sucht sie durch Waschen in steriler Kochsalzlösung nach Möglichkeit
von ihren schleimigen Hüllen und den darin enthaltenen Begleit¬
bakterien gemäß der Koch-Kitasatoschen Vorschrift zu befreien.
Bei meinen Untersuchungen kamen derartige wohlcharakterisierte
Sputumformen nur vereinzelt zur Beobachtung, wie sich aus der
Kasuistik ergibt, und auch in diesen Fällen entsprach der bakteriolo¬
gische Befund nicht den Erwartungen.
Diese Postulate für das menschliche Sputum wurden in die Tier¬
heilkunde übertragen, ohne daß jedoch eine Berechtigung dazu vor¬
lag. Ostertag fordert in seiner Monographie (77) eine sorgfältige
Auswahl nur solcher Proben, die einen Sputumkern enthalten.
Ebenso will Bugge verfahren wissen (priv. Mitt.). Nach meinen
Untersuchungen, bei denen gerade diese Fragen eingehend berücksichtigt
wurden, treffen die oben gemachten Angaben, angewandt in der Tier¬
heilkunde, nicht zu. So wurden unter 50 untersuchten Proben 13mal
solche gefunden, die Eiterflöckchen oder Analoga der Sputumkerne
zeigten. In ihnen wurden mikroskopisch und durch Impfung 3 mal
Tuberkelbazillen nachgewiesen, während 10 Proben keine Tuberkel¬
bazillen enthielten. Es waren also 23 pCt. dieser untersuchten
Sputumproben positiv bezüglich des Bazillenbefundes, und 77 pCt.
negativ. 37 Sputumproben enthielten dagegen keine Andeutung von
Flocken- oder Kernbildung, die für das tuberkulöse Expektorat als
typisch beschrieben wurden. In diesen Proben wurden 14 mal mikro¬
skopisch oder durch Impfung Tuberkelbazillen ermittelt, während
118 HIERONYMI,
23 mal die Untersuchung resultatlos blieb. In Prozentzahlen ausge¬
drückt waren also 37,8 pCt. der untersuchten Proben positiv, bei
62,2 pCt. blieb der Befund negativ. Den 37,8 pCt. positiven Bazillen¬
befunden im nicht charakteristischen Sputum stehen also nur 23 pCt.
des „kernhaltigen“ Sputums gegenüber. Daß die rein eiterigen Partien
des Sputums durchaus nicht immer die Träger der Tuberkelbazillen
darzustellen brauchen, erhellt auch aus den neuerdings in der Human¬
medizin gemachten Angaben von C. A. Blume (13). Nach dessen
Vorschlag werden Schleimpartikel aus dem Cavum laryngis bei be¬
ginnender Lungenerkrankung, bei der noch kein Auswurf besteht, aus¬
gewischt und mikroskopisch auf Tuberkelbazillen untersucht. Blume
ist es auf diese Weise geglückt, Tuberkulose der Lungen im Initial¬
stadium zu diagnostizieren.
In einem Falle No. 14, Kuh No. 6, wurde eine Sputumprobe ge¬
wonnen und untersucht, die in ihrem Aussehen dem als typisch be¬
schriebenen menschlichen tuberkulösen Sputum, dem Sputum globosum,
nummosum et fundum petens entsprach. Die Menge betrug 5 ccm.
Die Farbe war grau, trübe. In eine zähschleimige Hülle war ein
kirschkerngroßer Sputumkern eingebettet, der gelblich gefärbt war und
einen weißlichen ausgefaserten Saum besaß. Im Wasser sank die
Probe unter. In ihm konnten jedoch weder durch die mikroskopische
Untersuchung noch durch Impfung von zwei Meerschweinchen Tuberkel¬
bazillen nachgewiesen werden. Das Tier, dem die Probe entstammte,
war klinisch als stark verdächtig zu bezeichnen.
Schließlich sei noch kurz die Farbennuanzierung der zur
Untersuchung gekommenen Sputa charakterisiert: sie bot in den
meisten Fällen nichts, was für die Differentialdiagnose der Tuberku¬
lose ins Gewicht fiele. Die Farbe war hauptsächlich grau, grauweiß,
zu der bisweilen kleine gelbe oder gelblichweiße Eiterpartikel kon¬
trastierten. Häufig war auch durch pflanzliche Beimischungen, die
aus dem Futter stammten, eine bräunliche oder grünliche Tönung
gegeben.
Wie schon oben berührt, stellen sich der Gewinnung des
Sputums, des Rachenschleimes, zwecks bakteriologischer Prüfung,
bei den tuberkuloseverdächtigen Rindern große Hindernisse in den Weg.
Es ist das große Verdienst Oster tags und seiner -Mitarbeiter
in die bisher unklaren Verhältnisse über die diagnostizierbare Lungen¬
tuberkulose des Rindes Klarheit gebracht haben. Ostertags groß
angelegte Versuche prüften teils die Angaben älterer Autoren auf ihre
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 119
Brauchbarkeit nach, teils stellten sie vollkommen neue Methoden der
bakteriologischen Diagnose der Lungentuberkulose auf. Die Resultate
dieser Versuche sind für die praktische Verwertbarkeit der Bakterio¬
logie in der Tuberkulosebekämpfung des Rindes nicht gerade er¬
mutigend. Große Schwierigkeiten bietet hauptsächlich die Technik
der Entnahme des Rachenschleimes.
Nach vergeblichen Versuchen, mit Hilfe von Schwämmchen, die an einer
Pinzette oder einem langen Draht befestigt waren, Lungenauswurf zu erlangen,
kam Ostertag zu dem Gebrauch eines Rachenlöffels, der sich ihm gut bewährte.
Er ist dem Linden au sehen Scheidenlöffel nachgebildet und besteht ganz aus
Metall, hat also den Vorzug, sich vollkommen einwandfrei sterilisieren zu lassen.
Ostertag folgte dabei dem Gedankengange Nocards (75). Das Rind macht be¬
kanntlich nach jedem Hustenstoß eine Kaubewegung nach Nocard u. Leclainche
und schluckt das in den Kehlkopf, bzw. die Rachenhöhle geworfene Sputum ab,
ohne es in die Außenwelt zu projizieren. Nocard war der erste, der auf den
Gedanken kam, der später erfolgreich ausgebaut wurde, durch in die Rachenhöhle
eingeführte geeignete Instrumente oder mittels der Hand den Rachenschleim zu
entnehmen, um ihn der bakteriologischen Untersuchung zugänglich zu machen. Er
berichtet jedoch nicht über praktische Prüfungen seines Vorschlages. Erst
M’Fadyean versuchte experimentell Nocards Theorie in die Praxis umzusetzen.
Es gelang ihm auch, aus der Rachenhöhle mit einem Schwämmchen Schleim zu
gewinnen, der sich bei der bakteriologischen Untersuchung als tuberkelbazillenhaltig
erwies. Allerdings gelang der bakteriologische Nachweis der Bazillen nicht mit
Sicherheit, doch wurde durch das Tierexperiment die tuberkulöse Natur des
Schleimes sichergestelit.
Auch Greffier (40) beschäftigte sich mit der Nachprüfung des Nocardsehen
Vorschlages. Die Ergebnisse seiner Versuche sind aber insofern nicht beweiskräftig
und auf unsere Verhältnisse übertragbar, da er am geschlachteten Tier experimen¬
tierte. Auch er gewann den Schleim durch Abwischen der Rachenwand mit einem
Schwämmchen, das er in sterilem Wasser ausdrückte. Schleim und Wasser be¬
nutzte er als Impfmaterial.
Die Versuche der Amerikaner Riddoch und Ravenei, das ausgehustete
Sputum des Rindes aufzufangen, haben fast nur noch historischen Wert.
Ravenei (88) band den tuberkulösen Versuchstieren für mehrere Stunden
einen Beutel um, auf dessen Boden ein steriles Brettchen aus weichem Holz gelegt
wurde. Die flüssigen Bestandteile des Sputums wurden von dem weichen Holz
aufgesaugt, während Schleim- und Eiterklümpchen der mikroskopischen Unter¬
suchung und dem Tierexperiment zugänglich gemacht werden konnten.
Riddoch (93) hatte beobachtet, daß Rinder, die gegenüber einer Mauer auf¬
gestellt waren, beim Husten ihr Sputum gegen die Wand warfen. Er untersuchte
die an der Wand haftenden Sputumballen mikroskopisch und fand in ihnen auch
Tuberkelbazillen. Sein Befund wurde jedesmal durch Schlachtung des betreffenden
Tieres kontrolliert und bestätigt. Bei nicht tuberkulösen Bronchialkatarrhen will
Riddoch Epithelzellen in reichlicher Menge gefunden haben, ein Befund, der nach
meinen Untersuchungen absolut keinen diagnostischen oder diffcrentialdiagnostischen
120
HIERONYMI,
Wert haben kann. Das Verfahren ist für die praktische Diagnosestellung nicht
brauchbar, einmal, weil im Stall eben nur die wenigsten Tiere einer Wand gegen¬
überstehen, — wenn auch, wie es bei den Untersuchungen zum Teil geschieht,
das Sputum von den Futtertischen gesammelt werden könnte — zweitens, weil bei
einem derartig starken Auswurf und Husten hochgradige Lungentuberkulose Vor¬
aussetzung ist, die schon klinisch diagnostiziert werden kann. Auch kann drittens
eine Verwechselung des Sputums mit dem einer Nachbarkuh bei enger Aufstallung
zu Fehldiagnosen Anlaß geben. Schon vor diesen Versuchen von Ravenel und
Riddoch hatte Nocard (1. c.) empfohlen, den tuberkuloseverdächtigen Tieren die
Luftröhre wie den Kehlkopf stark zu komprimieren. Gleichzeitig sollte der Unter¬
sucher die Zunge des Tieres möglichst weit aus dem Maul hervorziehen. Durch
den Druck sollte einmal Husten ausgelöst, durch das Fixieren der Zunge aber das
Abschlucken der expektoricrten Sputa verhindert werden. Nocard hat keine An¬
gaben über die Ergebnisse seines Vorschlages gemacht.
Heß (47) konnte bei der Nachprüfung dieser Methode nur ausnahmsweise
bei tuberkulösen Tieren Husten erzeugen, noch weniger konnte auf diese Weise
Auswurf erhalten werden.
Gleichzeitig empfahl Nocard Veratrin- und Eserininjektionen bei tuberkulose¬
verdächtigen Rindern, um mehr Schleim durch Ilypcrsekretion aus den Bronchien
zu erhalten. Heß, ebenso wie Ostertag (l. c), sprechen diesem Verfahren jeden
praktischen Wert ab.
Poels (86) veröffentlichte einen Weg zur Gewinnung von Luftröhren sch leim
bei Rindern, die der Tuberkulose verdächtig sind, bei dem sogar die Troikarierung
der Trachea nötig ist. Durch die cingeführte Troikarhülse wird ein Pinsel oder
ein an einem Neusilberdraht befestigtes Schwämmchen in die Luftröhre geleitet
und der so gewonnene Schleim bakteriologisch untersucht. Poels schlägt seine
Methode allerdings nicht zur Tubcrkulosetilgung vor, sondern will sie nur ange¬
wendet wissen, wenn z. B. die Tuberkulose als Gewährsmangel diagnostiziert
werden soll, ferner zur Untersuchung von Rindern in Milchkuranstaltcn und Kälbern,
die zur Vakzineproduktion benutzt werden sollen. Oster tag gelang es nicht, bei
einer mit klinisch nachweisbarer offener Lungentuberkulose behafteten Kuh auf
diese Weise trotz wiederholter Versuche, Tuberkelbazillen nachzuweisen.
Peterssen (83) brachte, basierend auf der Flüggesehen Tröpfcheninfektions¬
theorie der Tuberkulose Nährplatten, auf Spiegelplatten befestigt, vor den Mund
tuberkulöser Menschen. Die Platten wurden in 92 pCt., 23 von 25, durch die
lediglich durch Husten ausgeworfenen Partikel mit Tuberkelbazillen infiziert. Hier¬
auf gründete sich wohl das am Berliner Untersuchungsamt bei der praktischen
Tuberkulosetilgung geübte Verfahren, die verdächtigen Tiere gegen Glasplatten
husten zu lassen. Die anhaftenden Sputumtröpfchen werden färberisch auf Tuberkel¬
bazillen untersucht.
Schon aus der Vielheit der Methoden, die angevvendet worden
sind und werden, um Sputum von tuberkuloseverdächtigen Rindern
zwecks bakteriologischer Prüfung zu gewinnen, läßt sich der Schluß
ziehen, daß noch kein Idealverfahren für diesen Zweck ge¬
funden ist.
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 121
Die Entnahme von Lungenauswurf für unsere Untersuchungen
geschah folgendermaßen:
Das zu untersuchende Tier wird gut fixiert. Ein Gehilfe zieht
die Zunge des Tieres nach der linken Seite aus der Maulspalte her¬
vor. Zwischen die rechten Ober- und Unterkieferbackzahnreihen wird
ein Maulkeil aus Metall, den Bayer beschrieben und Ostertag abge-
hildet hat, geschoben. In das so geöffnete Maul führt der Unter¬
sucher seine mit Alkohol desinfizierte rechte Hand ein und zwar mit
der Volarseite nach oben, während die linke Hand den Griff des
Maulkeiles umspannt, bis er mit den Fingerspitzen die hintere Rachen¬
wand berührt. Bei einiger Uebung gelingt es leicht, die Finger so¬
gar bis in das Cavum laryngis gelangen zu lassen. Jetzt werden
die Finger in einem flachen Bogen nach oben gekrümmt und man
sucht so von den oberen Wandungen des Pharynx und Larynx den
dort haftenden Schleim abzulösen. Häufig gelingt es nicht beim
ersten Mal, die genügende Quantität des Sputums zn erlangen. In
diesen Fällen muß man die Hand öfter in den Pharynx schieben.
Alles Material, das auf diese Weise gewonnen ist, wird in ein steriles
Fläschchen gebracht und kann dann bakteriologisch verarbeitet werden.
Bei diesem Verfahren wird also einmal auf einen vorangehenden
Hustenstoß kein Gewicht gelegt, zweitens werden bei der Probeentnahme
auch solche Sputa berücksichtigt, die nur aus glasigem, grauem Schleim
bestehen und keine eiterähnlichen trüben Flöckchen und Kerne zeigen
Es wurde schon oben die Berechtigung dieser Methode aus Literatur
und Statistik nachgewiesen.
Anschließend an die Gewinnung des Sputums, das, wie gezeigt,
sich in fast allen Kriterien vom menschlichen tuberkulösen Auswurf
unterscheidet, ist der zweite Teil, die Methoden der bakteriologischen
Untersuchung abzuhandeln.
Zunächst war in Erfahrung zu bringen, in wie weit sich die bak¬
teriologische Diagnostik, die in der Humanmedizin so glänzende
Triumphe feiert, auf die Verhältnisse in der Tierheilkunde in An¬
wendung bringen läßt.
Bekanntlich bedient sich die bakteriologische Technik dreier
Methoden, um einen Krankheitserreger außerhalb des tierischen Organis¬
mus als das spezifisch krankmachende Agens zu identifizieren, näm¬
lich der Färbung, der Kultur und der Tierimpfung.
Es existiert für die differentialdiagnostische Färbung der
Tuberkelbazillen im mikroskopischen Bild eine außerordentlich große
122
MERONYMI,
Anzahl von Färbungsmethoden, deren Brauchbarkeit jedoch für die
Sputumuntersuchungen ziemlich beschränkt ist.
Alle Färbungsmethoden für Tuberkelbazillen beruhen im wesent¬
lichen auf der Eigenschaft derselben, daß sie den Farbstoff schwer
aufnehmen, dann aber zäh festhalten, sodaß selbst verdünnte Säuren
und Alkohol ihn nur langsam entziehen. Sie sind also säure- und
alkoholfest und wie in jüngster Zeit Demetrius Gasis (38) mitteilt,
auch alkalifest. Schien hiermit schon eine enge Abgrenzung der
Tuberkelbazillen tinktoriell gegeben, so komplizierten sich die Ver¬
hältnisse doch durch die Entdeckung von Bakterien, denen dasselbe
Vermögen zukommt. Schon 1885 entdeckten Alvarez und Tavel (2)
und Matterstock (66) bei der Nachprüfung des säurefesten Lust¬
garten sehen Syphilisbazillus die Sraegmabazillen, die sich in ihrer
färberischen Eigenschaft den Tuberkelbazillen an die Seite stellen.
Petri und Rabinowitsoh (84) fanden bei der Injektion von Markt-
railch und Butter in die Bauchhöhle von Meerschweinchen tuberkel¬
bazillenähnliche Stäbchen, und gleichzeitig entdeckte A. Möller ähn¬
liche Bakterien auf Timothcegras, anderen Futtergräsern und in den
Darmentleerungen von Kühen, Pferden, Schweinen und Mauleseln und
unterschied so die Timothee- und Mistbazillen. F. Herr fand der¬
artige Stäbchen auf Getreidekörnern, im Heustaub und in der Garten¬
erde. Aehnliche Stäbchen wurden in den Organen von Kaltblütern
gefunden. Alle diese Bakterien sind zwar säure- aber weniger akohol-
fest, doch sind sie hierdurch nicht mit positiver Sicherheit von den
Tuberkelbazillen zu unterscheiden. Ferner besitzen sie meist eine
plumpere Gestalt.
Bei meinen Untersuchungen kamen folgende Färbemethoden
zur Anwendung.
1. Die Färbung nach Ziel-Neelscn (117, 13) mit der von E. v. Rind¬
fleisch eingeführten Erwärmung wälirend der Einwirkung der Lösung.
2. Die Färbung nach B. Fränkcl-Gabbet (33, 33), bei der Entfärbung und
Gegenfärbung in einen Akt zusaramengezogen sind.
3. Die Färbung nach Spengler (99), die folgendermaßen ausgeführt wird:
a) Färbung mit kaltem Karbolfuehsin 1—5 Minuten lang.
b) Vollkommenes Abspülen mit 60proz. Alkohol ohne Zwischenschaltung von
Säuren.
c) Auf das mit Alkohol bedeckte Deckglas einen Tropfen Löfflers Blau, über
kleiner Flamme entzünden, etwa 2—3 Sekunden lang den Farbstoff einwirken
lassen.
d) Wasserspülung und Trocknen.
4. Die Färbung nach Czaplewski (22), zu der statt der Säure die stark
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 123
lösende und allsziehende Kraft des Fluoreszeins in Verbindung mit Methylenblau
gegenüber dem Fuchsin benutzt wird. Diese und die vorige Methode verdanken
ihre Entstehung der Befürchtung, daß durch die Säure einzelne Tuberkelbazillen
entfärbt werden könnten, was bei dem spärlichen Vorkommen derselben im Sputum
schwer ins Gewicht fallen kann. Die Ausführung der Methode nach Czaplewski
gestaltet sich so:
a) Gelbes Fluoreszein 1,0 in Alkohol 100,0, bleibt 1—2 Tage lang stehen.
Die Flüssigkeit wird vom Bodensatz dekantiert. Dann erfolgt Zugabe von 5,0 Me¬
thylenblau. Schütteln. Einen Tag stehen lassen und vom Bodensatz abgiessen.
b) öproz. alkoholische Methylenblaulösung.
Färbung mit warmer Karbolfuchsinlösung.
Abtropfen ohne Wasserspülung. Eintauchen in Lösung a G—10 mal. Ein¬
tauchen in Lösung b 10—12 mal. Abspülen mit Wasser.
5. Die Sp engl ersehe Pikrinsäuremethode (100):
a) Färbung mit Karbolfuchsin unter Erwärmen. Brüskes Erhitzen und Auf¬
kochen sind zu vermeiden.
b) Nach Abgießen des Fuchsins Pikrinsäurealkohol 2—3 Sekunden einwirken
lassen, dazu 3—4 Tropfen einer l5proz. Salpetersäurelösung. Pikrinsäurealkohol
besteht aus einer gesättigten wässerigen Pikrinsäurelösung und absolutem Alkohol
zu gleichen Teilen.
c) Wieder Einwirken von Pikrinsäurealkohol bis zur leichten Gelbfärbung
des Präparates etwa 5—10 Sekunden lang. Nach der ersten Pikrinsäureeinwirkung
kann auch mit 60proz. Alkohol abgespült werden. Aufgießen von 15proz. Sal¬
petersäurelösung einige Sekunden und wieder Abspülen mit 60proz. Alkohol.
Schließlich Kontrastfärbung mit Pikrinsäure bis zur Gelbfärbung.
6. Färbung nach Andrejew (4). Ausführung:
a) Heiße lOproz. Kalichlorikumlösung 100,0
b) Säuregrün (Grübler). 1,0
c) 25proz. Schwefelsäure.15,0
Nach Schütteln der Mischung wird filtriert, das mit Sputum bestrichene und
mit Karbolfuchsin vorgefärbte Deckglas eingetaucht bis der Grund gleichmäßig grün
ist Die Färbung soll das Aufsuchen der roten Tuberkelbazillen auf grünem
Grunde erleichtern, da das Auge zur Aufnahme von Komplementärfarben besonders
geeignet ist
7. Die Färbung nach Hauser (44):
Hauser verwendet keine mineralischen Säuren zur Entfärbung, sondern eine
5proz. alkoholische Milchsäurelösung, die in wenigen Minuten differenziert.
8. Die Färbung nach Weichselbaum, von Grethe (44) empfohlen:
Die Färbung erfolgt wie gewöhnlich. Das Abspülen und Nachfärben geschieht
mit konzentrierter alkoholischer Methylenblaulösung.
9. Die Färbung nach A. Müller (71):
Müller empfiehlt anstelle der Säuren das Kaliumperkarbonat und das
Wasserstoffsuperoxyd. Schneller als das erste wirkt das Hydrogenium peroxydatum.
Die mit Fuchsin hergestellten Ausstrichpräparate werden in Wasserstoffsuperoxyd,
das mit Natriumkarbonat alkalisch gemacht ist, entfärbt. Die Alkalisierung hat
unmittelbar vor dem Gebrauch der Lösung zu erfolgen.
124 HIERONYMI,
10. Die Färbung nach v. Betegh, b — Tolinfärbung (10).
a) Beizen der lufttrockenen Ausstriche mit 2—3 Tropfen einer 15 proz.
Salpetersäurelösung. Erhitzen über der Flamme bis zum Aufsteigen leichter
Dämpfe.
b) Abspülen in Wasser.
c) Auftropfen von einem Tropfen Löfflers Methylenblau mit 2—3 Tropfen
Karbolfuchsin oder beide Farben zu gleichen Teilen. Wieder bis zum Entstehen
leichter Dämpfe erhitzen.
d) Abwaschen, Entfärben mit 60proz. Alkohol. Wasserspülung. Trocknen.
Auf die neue Grammethode II, die Much (69) kürzlich beschrieben hat,
mittels deren man die nicht säurefesten Formen des Tuberkelbazillus, seine granu¬
läre Form darzustellen imstande ist, wurde nicht experimentell eingegangen, da zu
erwarten stand, daß unter den zahllosen Bakterienarten und fremden Beimischungen
im Rindersputum eine einwandfreie Darstellung der Much sehen Granula nicht
erzielt werden könne.
Dorset (24) gab eine Färbung der Tuberkelbazillen mit Sudan III an, die
besonders von Co wie (20) nachgeprüft wurde. Co wie konnte damit jedoch eine
Färbung nicht erzielen und schreibt seine Mißerfolge der Ungleichartigkeit der im
Handel befindlichen Sudanpräparate zu. Auch diese Methode eignete sich für
unsere Untersuchungen nicht.
Die Darstellung der Präparate nach den genannten Färbe¬
methoden gestaltete sich folgendermaßen:
Von jeder zur Untersuchung kommenden Sputumprobe wurden
Deckglasausstriche angefertigt, mindestens drei. War das Material
der klinischen Untersuchung nach stark verdächtig, so wurden fünf
und mehr Präparate hergestellt. Besondere Sorgfalt wurde auch den
wenigen Proben gewidmet, die Eiterflöckchen zeigten. Im ganzen
kamen 50 Proben zur Verarbeitung. Von jeder Probe wurde zunächst
ein Präparat nach Ziehl-Neelsen gefertigt. Bevor eine neue
Färbungsreaktion zur Anwendung kam, wurde sie an tuberkelbazillen¬
haltigen Kontrollpräparaten und an Ausstrichen von Reinkulturen des
Typus humanus und bovinus vorgeprüft.
Die Zahl der im einzelnen Präparat gefundenen Tuberkelbazillen
schwankte nur in engen Grenzen. Die Höchstzahl der in einem
Präparat gefundenen Tuberkelbazillen betrug 11, die niedrigste Zahl 4.
In jedem Gesichtsfeld lag meist nur ein Bazillus, nur einmal wurden
mehrere zusammengelagerte gefunden. Häufchenbildung fehlte stets.
Häufig wurde festgestellt, daß sich die Tuberkelbazillen an abgestoßene
Epithelzellen oder Leukozyten verankert hatten oder auf ihnen lagen.
Eine intrazelluläre Lagerung der Tubcrkelbazillen wurde nie gesehen.
Die zuerst von v. Niessen (74) gesehenen, ganz kurzen influenza¬
bazillenähnlichen Formen der Tuberkelbazillen, oder kugelrunden oder
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Kindes. 125
ovalen Gebilde, die von Spengler als Tuberkelbazillensplitter, Speng¬
lers sporoide Körper, beschrieben wurden, konnten nie gefunden
werden. Dagegen wurde in etwa einem Drittel der Fälle die unter¬
brochene Färbung, die Gliederung in gefärbte und ungefärbte Ab¬
schnitte, die sog. Streptothrixform, gefunden. In einem Falle Nr. 23
wurden bei der Anwendung der b - Tolinfärbung nach v. Betegli (1. c.)
dunkelblaue Polkörperchen innerhalb des Bazillenleibes gefunden, die
bekanntlich nach Spenglers Ansicht Sporen darstellen sollen. Die
„arterielle“ Färbung der Bazillen des Typus bovinus gegenüber der
„venösen“ des Typus humanus konnte übrigens niemals konstatiert
werden. Die Form der Tuberkelbazillen war die als typisch be¬
schriebene. Sie stellten meist gerade schlanke Stäbchen dar und
konnten als solche leicht von den erheblich plumperen anderen
säurefesten Bakterien unterschieden werden.
Es wurden nun unter 50 Sputumproben, von denen sich
16 durch den Tierversuch als sicher tuberkulös erwiesen,
10 tinktoriell als tuberkelbazillenhaltig erkannt, also
62,5 pCt., während 37,5 pCt. mikroskopisch ein negatives
Resultat lieferten.
Von den oben genannten 10 Färbemethoden schieden bei näherer
Prüfung einige wegen Unbrauchbarkeit aus, da sie keine wesentlichen
Verbesserungen der Technik darstellten, sondern im großen und
ganzen nur unwesentliche Abweichungen von den altbewährten Me¬
thoden sind. So z. B. die Färbung nach Andrejew, bei der der
grüne Untergrund vor dem blauen keinen Vorteil zu bieten schien.
Auch die Färbung nach Hauser, nach Weichsel bäum und ebenso
die „einfache Methode“ nach Spengler Nr. 3, wie ich sie nennen
möchte, haben für die Sputumuntersuchungen keine Bedeutung. Auch
die Entfärbung mit Wasserstoffsuperoxyd bewährte sich nicht. Die
b-Tolinfärbung nach v. Betegh eignet sich mehr dazu, um Struktur¬
bilder der Tuberkelbazillen darzustellen. Ganz für die Sputum¬
untersuchungen zu verwerfen ist die Färbung nach Fränkel-Gabbet.
Es gelang mit ihr öfter nicht, auch in sicher tuberkelbazillenhaltigem
Material, Tuberkelbazillen zu färben. Man muß sich dem Urteil von
P. Guttmann, Czaplewski und Heim (1. c.) anschließen, daß
durch diese Färbung viele Tuberkelbazillen dem Nachweis entgehen,
dagegen andere säurefeste Bakterien zur Darstellung kommen, da ja
die Alkoholdifferenzierung fehlt, gegen welche diese Bakterien wenig
widerstandsfähig sind. Wo die Z i eh 1-Nceisen sehe Methode ver-
126
HIERONYMI,
sagte, wurden noch gute Resultate erzielt mit der Färbung nach
Czaplewski, die in ihrem Fluoreszein ein außerordentlich schonendes
Entfärbungsmittel besitzt und jedesmal gute Bilder gab. Besonders
zahlreich und gut dargestellt erschienen die Tuberkelbazillen auch in
Kontrollpräparaten bei der Spengler sehen Pikrinsäuremethode,
die zwar etwas umständlich ist, aber absolut sicher zu sein scheint.
Bemerkenswert ist noch, daß in keinem der zahlreichen
Präparate Elemente gefunden wurden, die aus den Lungen
herstammen konnten, keine Alveolarepithelien, keine elastischen
Fasern, keine Fettkristalle, keine Staubzellen der Lungen, Zellen und
Elemente, die Czaplewski (1. c.) unter dem Namen „Leitzellen“
zusammengefaßt hat. Lymphozyten w r aren ebenfalls spärlich; beim
Menschen sollen sie nach Wolff-Eisner (116), wenn sie zu etwa
58 pCt. im Sputum zu finden sind, einen diagnostischen Rückschluß
auf Tuberkulose zulassen. Eiterige Sputa wurden auch auf
eosinophile Zellen gefärbt, deren Vorhandensein die Diagnose Tuber¬
kulose sichern soll, ohne daß jedoch deren Nachweis gelang.
Da bei dem üblichen Ausstreichen von Sputum auf Deckgläschen
immer nur ein äußerst geringer Bruchteil desselben zur Untersuchung
kommen konnte, und somit dem Auffinden der Tuberkelbazillen über¬
haupt eine Grenze gezogen war, lag der Gedanke nahe, Methoden
nachzuprüfen, die in der Humanmedizin für den Zweck in Gebrauch
stehen, die Tuberkelbazillen auf einen möglichst engen Raum zu-
samraenzudrängen und so im mikroskopischen Bilde leichter dar¬
zustellen.
Von diesen sogenannten Sedimentierungs- und Anreiche¬
rungsverfahren stand eine große Anzahl zur Verfügung. Durch
hpide Verfahren, die einzeln oder kombiniert zur Anwendung kommen
können, soll das Sputum zunächst homogenisiert, d. h. in eine gleich¬
mäßig dünne Flüssigkeit verwandelt werden.
Die Homogenisierung des Sputums kann auf verschiedenen
Wegen erzielt werden. Die eine Richtung erstrebt eine Auflösung
des Schleimes durch chemische Mittel. Verdünnte heiße Natronlauge
z. B. soll das Eiweiß in lösliches Alkalialbuminat uud den Schleim
in eine noch unbekannte ebenfalls lösliche Verbindung überführen.
Biedert (11) gab zuerst eine derartige Methode an, bei der ein Eßlöffel
Sputum kalt mit zwei Eßlöffeln Wasser und 4—8 Tropfen Natronlauge tüchtig ver¬
mischt wird. Dann läßt man das Gemisch 5 Minuten stehen, vermischt nochmals,
setzt weitere 4—6 Eßlöffel Wasser hinzu und kocht bis zur Dünnflüssigkeit des
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 127
Gemisches. Die Masse wird schließlich in ein Spitzglas gegossen und der Boden¬
satz verarbeitet.
Nach Mühlhäuser (70) wird durch dieses Verfahren die Färbbarkeit der
Tuberkelbazillen in erheblichem Maße durch die Behandlung mit Lauge geschädigt.
Um den schädigenden Einfluß der Lauge hintanzuhalten, empfahl Czaplewski
(22) nach dem Kochen das homogenisierte Sputum mit verdünnter Essigsäure und
Phenolphthalein als Indikator zu neutralisieren. Stroschein (105) verwendete
die von Wendriner (115) zuerst für Konservierung und Sedimentierung von Harn
angegebene Boraxborsäurelösung.
De Lannoise und Girard (64) verwandten Chlor in statu nascendi, indem
sie das Sputum mit dreifach verdünnter Lösung von Eau de Javclle mischten.
Das sich bildende Chlor bringt Schleim und Eiterkörperchen in kurzer Zeit zur
Auflösung.
Van Keteis (60) Prinzip der Homogenisierung des Sputums beruht auf der
Verwendung konzentrierter Karbolsäure. Nach Beitzkes (9) Erfahrungen wird
hierbei der Schleim nur zum Teil zerstört, hauptsächlich mechanisch zerrissen.
Die Präparate müssen vor der Färbung in Aetheralkohol — zu gleichen Teilen —
abgespült werden.
Quenscl (87) benutzt zum Homogenisieren des Sputums Formalin und
Alkohol. Alle drei Teile werden geschüttelt, dann zentrifugiert. Der Bodensatz
wird untersucht
Kamen (58) hat die Sedimentierung oder das Ausschleudern dadurch be¬
schleunigt, daß er das spezifische Gewicht der Flüssigkeit durch Zusatz von Alkohol
verringerte.
Strasburger (104) führt das Sedimentieren beim Zentrifugieren durch
Alkoholzusatz zum Sputum im Verhältnis 2 :1 herbei.
Hempel (46) schüttelt das Sputum beim Erhitzen, zentrifugiert oder setzt
dem homogenisierten Sputum Karbolsäure oder Salzsäure zu; hierauf wird es mit
dem Brück eschen Reagens gefällt. Das feine staubförmige Sediment soll alle
Tuberkelbazillen enthalten.
Ellermann und Erlandsen (25) erzielten die besten Resultate bei der
Homogenisierung und Sedimentierung des Exspektorates durch ein von ihnen als
Doppelmethode angegebenes Verfahren. Es besteht einmal in einer Autodigestion
des Sputums, dann in einem Aufkochen mit Natronlauge, von der die Mischung
0.2 pCt. enthält. Gleichzeitig prüften sie andere Methoden nach, wobei sie folgende
Brauchbarkeitsskala aufstellen konnten:
1. „Doppelmethode*, 2. Autodigestion nach der Methode von Philipp,
3. Methode von Hempel, 4. Methode von Spengler, 5. Methode von
Mü hlhäuser.
Lange und Nits che (63) versetzten Sputum mit Normalkalilauge und
Leitungswasser zu gleichen Teilen. Nach starkem Schütteln erfolgt ein Zusatz von
2 ccm Ligroin, kräftig schütteln. Abscheidenlassen bei Temperaturen von 60 bis
65°. Das Ligroin strebt der Oberfläche zu und reißt die Tuberkelbazillen mit
sich. Man findet sie in der Grenzschicht zwischen Ligroin und Sputum.
Sachs-Müke (95) versetzt das Sputum mit Wasserstoffsuperoxyd und rührt
das Gemisch gut um. Im Sediment finden sich die Tuberkelbazillen, aber auch in
128 HIERONYMI,
dem aufsteigenden Sauerstoffschaum, der durch explosionsartiges Aufbrausen des
Sputums entsteht.
Uhlenhuth und Xylander (109) studierten die auflösende Wirkung des
Antiformins und fanden, daß im tuberkulösen Sputum von allen Bestandteilen nur
die Tuberkelbazillen nicht geschädigt werden, die nach dem Zentrifugieren des
dünnflüssig gewordenen Sputums mikroskopisch dargestellt werden können.
Heim (45) filtrierte verflüssigtes Sputum durch Asbest unter etwa 2 Atmo¬
sphären Druck. Er erzielte auf diese Weise noch gute Resultate, wo auch nach
Homogenisierung keine Tuberkelbazillen gefunden werden konnten.
An diese chemischen Verfahren gliedert sich die zweite große Gruppe, das
mechanische Verfahren.
Dahmen (23) fällt Schleim und Eiweißsubstanzen durch Hitze aus und
schüttelt das Gemisch um. Nach dem Erkalten und Absetzen erfolgt die Zer-
reibung des Rückstandes im Achatmörser. Von dem so erhaltenen Material werden
Ausstriche gemacht.
Ilkewitsch (53) zerreibt zunächst 1 ccm Sputum im Mörser unter Zusatz
von 20 ccm W T asser und koaguliert dann den Schleim.
Aman (3) sorgt nur für mechanische Zerreißung des Schleims durch Blei¬
schrot und Chloroform.
Eine dritte Gruppe strebt eine Zerstörung des Schleims auf fermentativem
Wege an, wobei sich Homogenisierung *und Sedimentierung nebeneinander voll¬
ziehen.
Philipp (85) läßt das Sputum, das in 24 Stunden gesammelt ist, einen Tag
lang in einer feuchten Atmosphäre von 36—39° C. stehen, wobei eine Schleim¬
lösung durch peptonisierende Bakterien hervorgerufen wird.
Spengler (101) läßt das Sputum, das er zu gleichen Teilen mit warmem,
durch Soda alkalisiertem Wasser mischt, durch 0,1—1,0 g Pankreatinpulver bei
Körperwärme im Brutschrank verdauen. Um Fäulnis zu verhindern, wird nach
2—3 Stunden oder sofort ein Karbolkristall von 0,1—1,0 hinzugefügt. Sobald sich
ein Bodensatz gebildet hat, kann untersucht werden.
Von Joch mann (55) wurde eine vierte Gruppe in die Sedimentierungs-
methoden eingefügt, das biologische Verfahren. Er verfolgt dabei nicht das
Prinzip wie die vorigen, die in der Probe vorhandenen Tuberkelbazillen auf einen
engen Raum zusammenzudrängen, nachdem sie von dem umhüllenden Schleim be¬
freit sind, sondern er will die vorhandenen Tuberkelbazillen im Sputum anreichern,
zur Vermehrung zwingen. Dazu mischt er 10 ccin Sputum mit 20 ccm Nährlösung
und läßt das Gemisch 24 Stunden im Spitzglas bei Brutwärme stehen. Die Nähr¬
lösung besteht aus 5,0 g Nährstoff Heyden, 5,0 g Kochsalz, 30,0 g Glyzerin,
1000,0 g destillierten Wassers und 5,0 Kristallsodanormallösung 1,0 : 120,0 g. Nach
24ständigem Aufenthalt der Proben im Brutschrank kann man annehmen, daß eine
Vermehrung der Bakterien stattgefunden hat und man unterwirft dann das Gemisch
einer der oben genannten Homogenisierungsprozeduren, nach Jochmann am besten
der van K etc Ischen Methode.
Beitzke (9) hat nun alle vorstehend beschriebenen Methoden einer genauen
quantitativen Analyse unterworfen. Die von Biedert und Mühlhäuser ange¬
gebenen Wege schieden bei seiner Prüfung aus. Die Czaplewskisehe Modifikation
bewährte sich dagegen. Ferner wurden aus der chemischen Gruppe die Verfahren
Bakteriologische Sputamuntersucbung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 129
von de Lannoise und Girard verlassen, ebenso die aus der mechanischen von
Dahmen, Ilkewitsch und Aman. Philipps fermentative Methode erschien zu
wenig durchgreifend. Bei der Spenglerschen Versuchsanordnung haftete der
Schleim schlecht auf den Deckgläschen, außerdem störten im mikroskopischen Bilde
die Pankreatinkörnchen. Auch die .Tochmannsche biologische Anreicherungs¬
methode mittels Heydenbouillon führte nach seiner Angabe wohl deshalb nicht
zum gewünschten Ziel, weil eine stark saure Reaktion des Nährsubstrates, wahr¬
scheinlich durch die Begleitbakterien bedingt, nach seiner Vermutung dem Wachs¬
tum der Tuberkelbazillen Einhalt getan hatte. Das Resümee der Untersuchungen
von Beitzke ist, daß die Methode van Ketcls und die Mühlhäusersche, modi¬
fiziert nach Czaplewski in Verbindung mit Jochmanns biologischer Anreiche¬
rung, die besten Resultate gezeitigt hat.
Wie wir gesehen haben, stand für unsere Untersuchungen eine
große Anzahl der verschiedensten Methoden zu Gebote. Es war aber
bei unseren Versuchen von vornherein klar, daß die meisten Methoden
in der praktischen Durchführung versagen mußten. Sind wir doch
schon nicht in der Lage, den Auswurf in der genügenden Quantität
zu erhalten. Einer Nachprüfung wurden daher nur die Methoden von
von van Ketel, Jochmann, Philipp und Sachs-Müke unter¬
zogen. Die Antiforrainbehandlung des Sputums nach Uhlenhuth,
die sich dem Verfahren von de Lannoise und Girard im Prinzip
anlehnt und die unserer Ansicht nach den größten Anspruch auf
Erfolg haben dürfte, konnte, da sie erst nach Abschluß unserer Ver¬
suche publiziert wurde, leider nicht mehr berücksichtigt werden.
Bei dem äußerst geringen Mengenverhältnis der Sputumproben
war auch die regelrechte Durchführung der van KeteIschen und
Jochmannschen Methoden sehr schwierig und erfolglos. Dagegen
gelang es bei 2 unter 4 Proben, die nach dem Sachs-Mükeschen
Verfahren untersucht wurden, im Sauerstoffschaum Tuberkelbazillen
färberisch darzustellen. Am besten gelang der Nachweis der Tuberkel¬
bazillen mittels des Philippschen Sedimentierungsverfahrens, das auf
der Autodigestion des Sputums beruht. Schon bei Inangriffnahme
der Untersuchungen war es aufgefallen, daß das Sputum, das friscli
dem Rachenraum oder dem Kehlkopf entnommen war, eine äußerst
zähe Konsistenz besaß und in Klumpen dem Glase adhärierte. Nacli
etwa 24—48 Stunden hatte sich das Bild dahin verändert, daß das
Sputum seine zähe, schleimige Beschaffenheit verloren hatte. .Meist
entstand daraus eine leicht bewegliche Flüssigkeit, auf deren Grund
sich korpuskuläre Elemente gesenkt hatten. Beschleunigt wurde diese
ganze Umwandlung, wenn man das Sputum nach dem Vorgang!“
Philipps 24 Stunden bei 37° der Autodigestion überließ. Es nahm
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd.36. Suppl.-Band. <j
130
H1EKONYMI,
dann eine fast wässerige Beschaffenheit an. Durch nachfolgendes
Zentrifugieren wurde eine ziemlich vollkommene Sedimentierung er¬
reicht. Aus dem Bodensatz wurden Ausstriche gemacht, die in
10 Fällen 6 mal Tuberkelbazillen unter dem Mikroskop erkennen
Hessen. Diese Methode kann auch insofern empfohlen werden, als
durch sie die Tuberkelbazillen in ihren vitalen Eigenschaften nicht
geschädigt werden, wie bei allen anderen Verfahren, sondern das Sedi¬
ment kann zur Sicherstellung der Diagnose noch Meerschweinchen in¬
jiziert werden. Auf diese Weise wurden auch die oben erwähnten
positiven Bazillenbcfunde kontrolliert.
Führte die mikroskopische Sputumuntersuchung nicht absolut sicher
zum Ziel, so war, wie oben dargetan, eine zweite Möglichkeit ge¬
geben, die Tuberkelbazillen im Expektorat nachzuweisen, die Kultur.
Die Humanmedizin bedient sich für die direkte Züchtung von
Tuberkelbazillen aus pathologischen Produkten, besonders aber aus
Sputum, des von Hesse (48) in die Bakteriologie eingeführten Heyden¬
nährstoffagars. Es gliedert sich sein Verfahren also ziemlich eng an
die Joch mann sehe biologische Anreicherung an. Im Prinzip beruht
die Eigentümlichkeit des Hesseschen Nährbodens darauf, daß er in
dem Maße, wie er die Wachstumsgeschwindigkeit der Tubcrkelbazillen
fördert, die Entwicklung der Begleitbaktcricn im Sputum hemmt, so
daß sich in vielen Fällen der Tierversuch erübrigt. Bestätigt wurden
diese Angaben Hesses durch zahlreiche Nachprüfungen.
Der erste war Bronstein (15), der über günstige Erfolge berichtete. Dann
folgten die Veröffentlichungen von Joch mann, der nicht nur beim tuberkulösen
Sputum, sondern auch bei tuberkulösem Urin gute Resultate erzielte. Weitere
Arbeiten stammen aus der Feder von Römer (1)4), der eine Mittelstellung ein-
ninmit, da bei seinen Versuchen die Tuberkelbacillen auf dem Hess eschen Nähr¬
boden und auf den Kontrollplatten der üblichen Nährsubstrate gleich gut ge¬
diehen. Mit Römer stimmt C. Frankel (34) darin überein, daß nicht sämtliche
im Sputum enthaltenen Tubcrkelbazillen vermehrungsfähig sind. Ebenso Menzi (f»7),
der bei spärlichem Gehalt des Sputums an Tubcrkelbazillen ein Auswachsen der¬
selben zu Kolonien auf Hesses Platten nicht beobachten konnte.
Hesse hatte schon bei seinen bakteriologischen Wasseruntersuchungen mit
dem Heydenagar gearbeitet und kam auf den Gedanken, ihn bei der diagnostischen
Züchtung der Tuberkelbazillcn aus pathologischen Produkten zu benutzen. Die
Eigentümlichkeit der Zusammensetzung des Nährbodens besteht darin, daß die
Bouillon bei der Bereitung des Nährsubstrates ausgcschaltct und das Pepton durch
den Nährstoff Heyden, ein Gemisch wasserlöslicher Albumosen ersetzt wird.
Hesse alkalisierte den mit öpCl. Glyzerin versetzten Nährboden mit 5 ccm einer
Xormalsodalösimg. Die Tubcrkelbazillen sollen sich auf ihm in rapider Weise ver¬
mehren und schon nach b—8 .Stunden an Klatschpräparaten nachzuweisen sein.
Bakteriologische Sputumuntersuohung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 131
Nach 2—3 Tagen sind die Kulturen der Tuberkelbazillen schon mit schwacher
Vergrößerung erkennbar. Die Kolonien zeigen von den ausgesäten Partikeln aus-
laufende wellenförmige Schleifen und Schnörkel. Das anfänglich schnelle Wachs¬
tum sistiert aber nach der angegebenen Zeit, wie Joch mann (1. c.) zeigte, und
der Ertrag einer auf Heydenagar gewachsenen Kultur ist nach 20 Tagen nicht
dem auf Glyzerinagar oder Gehirnserum erhaltenen zu vergleichen. Nach Joch-
mann besitzen wir also im Heydennähragar keinen optimalen Nährboden für
Tuberkelbazillen. Die Tatsache wäre aber für die bakteriologische Schnelldiagnose
irrelevant und bedeutungslos. Hier ist allein die Schnelligkeit und Sicherheit des
Auswachsens maßgebend. Der Nährboden hat dagegen nach C. Fraenkel 0. c.)
clektive Eigenschaften, d. h. er ist imstande, Begleitbakterien im Wachstum
zurückzuhaltcn. Givelli (39) spricht sogar von einem „Arretieren* der Ent¬
wickelung derselben. Eine rasche und üppige Wucherung der Begleitbakterien hat
Königstein (G2) nur dann beobachtet, wenn die Mundhöhle und das Sputum vor¬
her nicht sorgfältig gewaschen wurden.
Die Frage, welcher Bestandteil des Heydennährbodens die gün¬
stigen Bedingungen für das schnei lc Wachs tum der Tuberkclbazil len
bildet, ist von Jochmann, C. Fraenkel, Römer und Ficker dahin beant¬
wortet worden, daß der mitausgestrichene Schleim, der muzinöse Bestandteil des
Sputums, die Hauptnahrungsquelle für den Tuberkelbazillus abgibt. Ficker (29)
wies nach, daß auch auf glyzerinfreiem Agar ausgestrichenes Sputum eine deut¬
liche Vermehrung der Tuberkelbazillcn erkennen läßt. Römer bestrich Platten
mit nicht tuberkulösem Sputum und impfte sie mit Reinkulturen von Tubcrkcl-
bazillen; er konnte dann eine raschere Vermehrung konstatieren als ohne Sputum.
Jochmann beobachtete sogar durch einfaches Stchenlassen des Sputums bei 37°
eine Anreicherung der Tuberkelbazillen. Eine diesbezügliche Bestätigung brachten
auch Königstein und Gurcwitsch-Franzmann (42), die im übrigen dem
Hcsscschen Nährboden keine diagnostische Bedeutung zuerkennen. Gühtgens (37)
konnte eine Anreicherung der Tuberkelbazillcn feststcllen, w’cnn er das Sputum in
einer Petrischale unter Verhinderung der Verdunstung 6—8 Stunden stehen ließ.
Absolut sicher wurde die Bedeutung des Schleimes beiin Hess eschen Nährboden
durch die Untersuchungen Hess es selbst über die Rolle des Luftröhrcnschleimes
Tuberkulöser als Nährboden für die darin enthaltenen Tuberkelbazillcn.
Pane (81) ist der einzige, der den Schleim für die Entwickelung der
Tubcrkelbazitlcnkolonien als entbehrlich, ja hinderlich betrachtet.
Jochmann (1. c.) brachte, ihm folgte C. Fraenkel (I. c.). eine kleine
Aenderung in der Konsistenz des Hesse sehen Agars dadurch an, daß er den
Agarprozentsatz von 1 pCt. auf 2 pCt. erhöhte. Das Arbeiten mit dem weichen
originären Hessonährboden ist, wie von Huellen (öl) erwähnt, und wir be¬
stätigen können, mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Joch mann fand weiter,
daß ein Säurczusatz für die Entwickelung der Tuberkelbazillcn dienlich sei. Er
alkalisierte daher nicht, sondern setzte sogar noch einige Tropfen einer lproz.
Milchsäurelösung hinzu. C. Fraenkel benutzte zur Erzielung der Azidität des
Nährbodens lproz. Essigsäure und fand, daß selbst nach Zusatz von 20 Tropfen
pro Liter Nährboden- das Wachstum der Tuberkelbazillcn noch kräftig war.
Aelteres Sputum, das 1—2 Tage lang gestanden hat, eignet sich nach
U. Frankel nicht besonders zur Züchtung von Tuberkelbazillcn. Ebenso vermag
9*
132
HIEKONYMI,
das Alter des Nährsubstrates die Wachstumfähigkeit der Tuberkelbazillen erheblich
zu beeinträchtigen. Gleichzeitig darf ein Schutz des Nährbodens gegen Aus¬
trocknung nicht außer Acht gelassen werden. Hesse umgibt die Petrischalen mit
Kofferdam, Ficker benutzt Glaskästen. Römer feuchte Kammern.
Neuestens prüfte Feruccio (27) die Brauchbarkeit des Ilcsseschen Nähr¬
bodens nach und kam zu dem Schluß, daß der Hesse sehe Agar weder die Ent¬
wickelung der Tuberkelbazillen begünstigt, noch die Vermehrung anderer Bakterien
hemmt. Nach seiner Ansicht hängt das Wachstum der Tuberkelbazillen im wesent¬
lichen von den im Sputum enthaltenen Stoffen ab.
Soweit mir die tierärztliche Literatur zugänglich war, habe ich
in ihr nur eine Arbeit gegenüber den äußerst zahlreichen in der
Humanmedizin gefunden, die sich mit der Nachprüfung des Hesse¬
schen Nährbodens beschäftigt.
Emeljanow (26) stellte Versuche mit dem Nährboden an und
kam zu folgenden Schlüssen:
1. Der Hesseschc Nährboden ist zur Erlangung von Tuberkulosckuliuren
direkt aus pathologischen Produkten sehr geeignet.
2. Der H essesehe Nährboden ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel für die
Diagnose der Tuberkulose, wenn die pathologischen Produkte eine geringe Anzahl
von Tuberkelbazillen enthalten, z. B. Sputum, Milch, Lvmphdrüsen.
3. Der Hessesehe Nährboden steht dem Glyzerinagar zur Züchtung von
Tuberkelbazillen aus Reinkulturen nicht nach.
4. Die Steigerung des Gehaltes an Glyzerin von 3 pH. auf fi ptt. beschleunigt
augenscheinlich das Wachsen des Tuberkelbazillus. Hesse gab übrigens einen
Gehalt von 5 pCt. Glyzerin in seinen Vorschriften an.
Diese sehr optimistischen Angaben setzen sich zum Teil in
direkten Widerspruch mit den Erfahrungen, die, wie wir oben ge¬
sehen haben, in der Humanmedizin gesammelt wurden. Trotz Ein¬
haltens aller Vorschriften ist es in unseren Versuchen nicht möglich
gewesen, dieselben günstigen Resultate zu erzielen.
Die Nährböden wurden genau nach Hess es Angaben oder nach
den Modifikationen von Jochmann und Fraenkel bereitet. Besonders
schwer war der integrierende Bestandteil des Nährsubstrates, der
Schleim zu beschaffen. Eine Zugabe von sterilisiertem Schleim war
in allen Fällen erfolglos. Auch erschien das Einstellen der Platten
in feuchte Kammern nach Römer unzweckmäßig, da in dieser feuchten
Atmosphäre ein schnelleres Wachsen der Begleitbakterien beobachtet
wurde. Ein Verdunsten der Feuchtigkeit wurde durch Einstellcn der
Platten in trockene Deckelschalen verhindert, die am Schließungs¬
rande von Deckel und Schale mit einem breiten (Jummibande um¬
geben wurden. Ein dem Wachstum der Tuberkelbazillen hinderlicher
Mangel an Sauerstoff stand dadurch nicht zu befürchten: nach
Bakteriologische Sputumuntersuclnuig bei il. Lungentuberkulose d. Rindes. 133
A. Weber (110) ist die Ansicht, daß Tuberkelbazillen zum Wachstum
möglichst viel Sauerstoff brauchen, irrig. Selbst in Röhrchen, die
sofort nach Anlegen der Kultur zugeschmolzen werden, erfolgt
Wachstum.
Die Kolonien der Begleitbakterien entwickelten sich auf den
Heydenagarplatten langsamer, dann aber in einer ganz uncharak¬
teristischen Weise, wie die Kon troll platten zeigten.
Die Kolonien hatten die Tendenz zu konfluieren, sie wuchsen
sehr flach, schleierartig, und ihre Farbe war meist ein unbestimmtes
schmutziges Grau. Zum Teil wird man dieses veränderte biologische
Verhalten der Begleitbakterien in der Kultur, die größtenteils für
Mäuse apathogene Kokken darstellten, auf die Zusammensetzung des
Nährbodens zurückführen müssen, zum Teil dürfte auch der mitaus-
gesäte Speichelschleim eine hemmende und urastimmende Wirkung
ausgeübt haben, wie Clairmont-Wiep (18) für Staphylokokken und
Streptokokken festgestellt hat. Das Wachstum von Tuberkelbazillen
blieb in allen Fällen aus. Es wurde unter den Proben, die zu Heyden¬
agarplatten verarbeitet wurden, nicht ein einziges Mal eine
Koloniebildung von Tubcrkelbazillen beobachtet. Ferner
konnte ebensowenig auch nur eine Anreicherung von Tuberkelbazillen
im Schleim an Klatschpräparaten nachgewiesen werden. Die Platten
wurden frühestens 7 Stunden nach der Aussaat daraufhin kontrolliert
und mindestens 5 Tage lang beobachtet.
Im Grunde genommen durfte dieser gänzlich negative Ausfall
unserer kulturellen Untersuchungen gar nicht allzu sehr enttäuschen,
da wir mit dem denkbar ungünstigsten Material arbeiteten. Einmal
fordert Königstein (62) ein sorgfältiges Auswaschen der Mundhöhle,
eine Forderung, die unmöglich auf unsere Verhältnisse anzuwenden
war. Sodann kam Sputum zur Verarbeitung, das wenigstens 24 bis
48 Stunden alt war, das also schon ab initio sich nicht besonders
gut zur Kultur nach Römer und Fraenke! eignet. Infolge der ge¬
ringen Quantität der einzelnen Proben war auch deren Gehalt an
Tuberkelbazillen gering, und nach Menzi kann bei spärlichem Vor¬
handensein derselben ihre Weiterentwicklung auf Hesses Agar nicht
verfolgt werden. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, daß die
Bazillen des Typus bovinus schwerer zu züchten sind als die des
Typus humanus (Weber 1. c.).
Es blieb nur noch ein dritter Weg übrig, die Tuberkelbazillen
aus dem Schleim zu isolieren, der Tierversuch, der zwar langsamer
134
MERONYMI,
zam Ziele führt, aber ein absolut sicheres Reagens auf etwa vor¬
handene Tuberkelbazillen abgibt.
Mit jeder Probe wurden Meerschweinchen injiziert. Die Impfung
geschah subkutan an der seitlichen Bauchwand oder intramuskulär
nach Oster tag in die Muskulatur des Hinterschenkels. Die Tiere
wurden vor der Impfung und nach der Tötung, bezw. nach dem
natürlichen Tode gewogen; dabei stellte sich heraus, daß auch bei
ausgebreiteter Tuberkulose keine Gewichtsabnahme vorhanden zu sein
braucht. Jedes Tier wurde alle 3 Tage auf Schwellung der regio¬
nären Lymphdrüsen geprüft, und schon nach durchschnittlich 12 Tagen
konnten bei den tuberkulösen Meerschweinchen deutlich vergrößerte
Lymphdrüsen gefühlt werden, ohne daß diese durch mechanische In¬
sulte nach Bloch (12) geschädigt waren. Haben doch auch Joan-
novisc und Kapsammer (54), ebenso Fligg (31) gezeigt, daß der
Wert der Lymphdrüsenquetschung für eine frühzeitige Diagnose der
Tuberkulose an lebenden Meerschweinchen kein allzu großer ist.
Kommen wir zum Resnme, so läßt sich das Ergebnis unserer
Untersuchungen in zusammenfassenden Worten dahin ausdrücken, daß
die versagende klinische Diagnose der Lungentuberkulose
des Rindes durch die Sputumuntersuchungen eine wesent¬
liche und wertvolle Unterstützung erhält. In etwa 62 pCt.
aller Fälle lassen sich die Tuberkelbazillen mikroskopisch
durch geeignete llomogenisierungs- und Färbungsmethoden
zur Darstellung bringen, während die Anreichcrungs- und
Züchtungsverfahren, wie sie in der Humanmedizin erfolg¬
reich angewendet werden, in der Tierheilkunde keine Be¬
deutung besitzen. Das feinste Reagens für tuberkulose-
verdächtiges Sputum bleibt der Tierversuch.
Kasnistik.
In den vorigen Abschnitten wurde die Literatur der Sputum¬
untersuchungsmethoden behandelt und die Anwendung derselben auf
das Sputum des tuberkulösen Rindes. Ferner wurden zusammen¬
fassend die Ergebnisse der Nachprüfungen der Besprechung der ein¬
zelnen Methoden angereiht. Im folgenden Abschnitt soll in Kürze
die Kasuistik angegliedert werden.
Nr. 1. Kuh Gerda, 4 1 / 2 Jahre alt. K 1 i n i s c her Befu n d: Husten, giemendc
Atmungsgeräusche rechts- und im Kehlkopf.
Das Sputum ist grau-glasig, fadenziehend. An korpuskularen Beimengungen
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Kindes. 135
finden sich außer Futterpartikelchen einzelne gelblich-weiße stecknadelkopf- bis
pfefferkorngroße Flocken, die flach sind und ausgebuchtete Ränder besitzen. Sie
sind in Schleimmassen eingebettet. Die Menge des Sputums beträgt etwa 5 ccm.
Der Geruch ist fade. Nach 24 stündiger Autodigestion wird die Probe zentrifugiert.
Im vierten Präparat finden sich fünf Tuberkelbazillen, gefärbt nach Czaplewski.
Viel polynukleäre Leukozyten und sehr zahlreiches Plattenepithel der Maulschleim¬
haut in diffus gefärbtes Schleimlager eingebettet. Viel dicke Streptokokken, wenig
Stäbchen. Die Aussaat auf Heydenagar bleibt negativ. Die subkutane Impfung
von Mee 100, Gewicht 390 g am 10. 3. verläuft positiv. Die Lymphdrüsen sind
nach 9 Tagen palpabel. Das Tier wird getötet am 25. 4. Gewicht 450 g.
Sektionsbefund: Tuberkulose der Milz und der Achseldrüsen. Im Ziehl-
präparat Tuberkelbazillen.
Nr. 2. Kuh Nr. 8, 3 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemendc
Geräusche links und im Kehlkopf. Kehlgangslymphdrüsen geschwollen.
Das Sputum ist leicht gelblich gefärbt, durchscheinend und ohne jeden
korpuskulären Anteil. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Der mikroskopische Nach¬
weis der Tuberkelbazillen verläuft negativ. Wenig Plattenepithelzellen. Heyden¬
agarplatten bleiben steril. Die subkutane Impfung von Mee 1, Gewicht 400 g am
15. 3., verläuft negativ. Getötet am 18. 4. Gewicht 420 g.
Sektionsbefund negativ.
Np. 3. Kuh Nr. 7, 2 1 / 2 Jahre alt. Klinischer Befund: Giemendc Atmung
links. Unbestimmtes, giemendes Atmen im Kehlkopf.
Das Sputum ist rötlichgrau durch Blutbeimisehung gefärbt. Die Konsistenz
ist fadenziehend, das Aussehen glasig. Im Kern ein etwa erbsengroßes, gelblich¬
graues Eiterklümpchen mit zernagter Oberfläche. Außerdem finden sich mehrere
kleine, hirsekorngroße Flöckchen. Der Geruch ist süßlichfade. Die Menge beträgt
etwa 2 ccm. Nach 24 ständigem Aufenthalt im Brutschrank bei 37° ist das Sputum
dünnflüssig und läßt sich gut zentrifugieren. Die bakteriologische Untersuchung
des Bodensatzes zeigt keine Tuberkelbazillen. Im Gesichtsfeld zahlreiche Erythro¬
zyten und Plattenepithelien in zusammenhängenden Lagen. Ziemlich zahlreich
sind Leukozyten vertreten. Einzelne Tetrakokken und Stäbchen. Heydenagar¬
platten bleiben steril. Die subkutane Impfung von Mee 2, Gewicht 290 g am
15. 3., verläuft negativ. Das Tier stirbt interkurrent am 29. 3., Gewicht 290 g.
Sektionsbefund und Drüsenausstriche negativ.
Np. 4. Kuh Nr. 5, 2 ! / 2 Jahre alt. Klinischer Befund: Giemen links.
Atemgeräusche im Kehlkopf unbestimmt.
Das Sputum kommt zwei Tage nach der Entnahme zur Untersuchung, be¬
sitzt eine wässerige Beschaffenheit und fließt leicht aus dem Fläschchen. In einer
kleinen feinblasigen Schauminsel befindet sich ein weißlich graues, etwa sagokorn¬
großes Zentrum. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Im Zentrifugat, das sich ohne
weitere Behandlung leicht gewinnen läßt, finden sich keine Tuberkelbazillen. Da¬
gegen sieht man viel mehrkernige Leukozyten und Plattenzellen. Wenig Stäbchen.
Heydenagarplatten bleiben steril. Intramuskuläre Impfung von Mee 3, Gewicht
300 g am 13. 3., verläuft negativ. Getötet am 14. 4. Gewicht 400 g. Sektions¬
ergebnis negativ.
Np. 5. Kuh Winter, G Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, keine
abnormen Atmungsgeräusche.
136
HIERONYMl,
Das Sputum ist 3 Tage alt, als es zur Untersuchung kommt. Es besitzt
eine rötlichgelbe Farbe. Die Konsistenz ist rein wässerig, fließend. An der Ober¬
fläche befindet sich Schaum. Formelemente sind nicht nachweisbar. Die Menge
beträgt etwa 2 ccm. Im Zentrifugat finden sich mikroskopisch keine Tuberkei-
bazillen, wenig Plattcnepithelien und viel Kokken. Auf Agar wächst ein gelber
Staphylokokkcnstaram, der nicht mäusepathogen ist. Die Aussaat auf Hevdenagar
bleibt steril. Intramuskuläre Impfung von Mee 15, Gewicht 108 g am 14. 3. Tod
am 30.3., Gewicht 190 g. Sektionsbefund negativ.
Xr. 6. Kuh Nr. 106. 7 Jahre alt. Klinischer Befund: Spontaner
Husten, Giemen rechts und im Kehlkopf. Eine etwa bohnengroße Neubildung an
der rechten Pharynxwand.
Drei Sputumproben, deren Farbe grau ist, und die undurchsichtig und
trübe sind, kommen zur Untersuchung. Die Konsistenz ist fadenziehend, es be¬
finden sich nur geringe Futterbeimengungen im Schleim. Die Menge jeder Probe
beträgt etwa 5 ccm. Probe! wird mit negativem Ergebnis nach van Ketels
Methode verarbeitet: Probell wird nach der J ochmann sehen biologischen Methode
untersucht. Im Ausstrich keine Tuberkelbazillen, nur Kokken in Haufen. Sub¬
kutanimpfung von Probe III, an Mee 13, Gewicht 190 g am 14.3.; getötet am
14.4. Gewicht 210 g. Sektionsbefund negativ.
Nr. 7. Kuh Nr. 11, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Bei der vorjährigen
klinischen Untersuchung wurde die Kuh für verdächtig erklärt. Sie zeigt spontanen
Husten und ein rauhes, glanzloses Haarkleid.
Das Sputum ist stark schleimig und fadenziehend. Es haftet an der Wand
des Fläschchens. Im ganzen ist es grau gefärbt und trübe. Mitten im Schleim-
zentrum sieht man zwei weißlichgolbe Flocken, zusammen von der Größe einer
Linse. Sie sind flach und zeigen angenagte Ränder. An Menge stellt die Probe
etwa 3 ccm Sputum dar. Der Geruch ist fade. Das Sputum wird 24 Stunden
lang der Philippschen Autodigestion bei 37° überlassen. Es resultiert eine leicht
bewegliche Flüssigkeit, die nach dem Zentrifugieren einen gelblichen Bodensatz
zeigt, lrn Ausstrich, nach Ziehl-Neelscn gefärbt, finden sich zwei rote Stäbchen,
die aber wegen ihrer plumpen geraden Gestalt nicht als Tuberkelbazillen ange-
sprochen werden können. In weiteren Präparaten, die nach Czaplewski und
Spengler gefärbt w r erden, finden sich keine weiteren rot fingierten Bakterien.
Neben zahlreichen Diplokokken zeigen sich im mikroskopischen Bild polymorph¬
kernige Leukozyten und ganz vereinzelte Zylinderepithelzellen, die wahrscheinlich
aus dem Kehlkopf stammen. Auf Heydennährstoffplatten ist kein Wachstum von
Tuberkelbazillen zu konstatieren. Mit dem Zentrifugat wird Mee 13 am 14. 3.
subkutan geimpft. Gewicht 190 g. Am 15. 4. wird das Tier getötet. Gewicht
250 g. Sektionsbefund negativ.
Nr. 8. Kuh Nr. 72, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und
struppiges Haarkleid, keine abnormen Atmungsgeräusche.
Das Sputum ist wässerig, da es erst zwei Tage nach der Entnahme zur
Untersuchung kommt. Die Farbe ist grau: zerstreut durch die ganze Probe finden
sich fünf kleine graue, etwas gelblich gefärbte, ungefähr hirsekorngroße Eiter¬
körnchen. Die Menge beträgt 4 ccm. Im Zentrifugat sind keine Tuberkelbazillen
wahrzunehmen. Auch andere morphotische Elemente sind nur spärlich vertreten.
Auf Hesses Agar hat kein Wachstum von Tubcrkelbazillen statt. Mee 8 wird
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 137
subkutan mit der Probe am 14. 3. geimpft. Gewicht 330 g. Tod am 16. 4. Ge¬
wicht 440 g. Sektionsergebnis negativ.
Nr. 9. Kuh Nr. 18, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, ver¬
schärftes Vesikuläratmen auf beiden Lungenseiten.
Das Sputum ist flüssig, gelblichbraun gefärbt. Suspendiert sind in ihm ge¬
ringe Futterbeimengungen bei sonst durchsichtiger Beschaffenheit des Sputums.
Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Der Geruch ist fade. Da zwei Proben entnommen
sind, wird die eine mit negativem Ergebnis der Sachs-Miikeschen Wasserstoff¬
superoxydprobe unterworfen. Die Hesseplatten lassen kein Wachstum erkennen.
Mee wird am 14. 3. subkutan geimpft. Gewicht 140 g. Tötung am 14. 4. Ge¬
wicht 350 g. Sektionsbefund negativ.
Np. 10. Kuh Nr. 128, 6 Jahre alt. Klinischer Befund: Brummende
Atmungsgeräusche auf beiden Lungenseiten. Husten.
Das Sputum ist stark mit Schaumperlen durchsetzt. Die Konsistenz ist
sehr zähe, fadenziehend. Die Farbe ist grau, trübe, das Ganze ist undurchsichtig.
Zerstreut durch die Schleimmasse bemerkt man einige kleine graue Epithelfetzen.
Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Das Sputum bleibt nach Philipp bei 37°
24 Stunden der Autodigestion überlassen und wird dann zentrifugiert. Im Aus¬
strich lassen sich keine Tuberkelbazillen nachweisen, ebenso bleiben die Hesse¬
platten steril. Außer geringen Mengen Leukozyten finden sich keine zeitigen Ele¬
mente. Mee 17 wird am 4. 3. subkutan infiziert. Gewicht 270 g. Nach 10 Tagen
ist eine linsengroße harte Schwellung der Achseilymphdrüsen zu fühlen. Am
15.4. wird das Tier getötet. Gewicht 250 g. Sektionsbefund: Schwellung der
Achsel- und Kniefaltenlymphdrüsen einer Seite mit käsigem Zerfall im Zentrum.
Tuberkulose der Milz. Tuberkulose der Leber. Im Ausstrichpräparat zahlreiche
Tuberkelbazillen.
Np. 11. Kuh Nr. 94, 7 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende
Atmungsgeräusche beiderseits.
Das Sputum besitzt eine zähe, stark schleimige Konsistenz. Seine Farbe
ist gelblichweiß. In seinem Innern befinden sich einige kleine, etwa hirsekorn-
große, weißgelbe kompakte Formelemente. Die Sputummenge beträgt etwa 2 ccm.
Das Sputum wird zentrifugiert, nachdem es 24 Stunden bei 37 0 im Brutschrank
gestanden hat. Im Bodensatz lassen sich keine Tuberkelbazillcn färberisch dar¬
steilen. An Zellelemcntcn finden sich zahlreiche Leukozyten, die in einigen Präpa¬
raten mit Ehrlichs Triazidlösung gefärbt werden. Eosinophile Zellen können
dadurch nicht dargestellt werden. Ferner sind im Präparat einige dickbauchige
Schleimzellen zu sehen. Die Hesseplatten zeigen kein Wachstum von Tuberkel¬
bazillen. Die Probe wird am 23. 3. Mee 31, Gewicht 310 g subkutan injiziert.
Am 4.4. stirbt das Tier interkurrent. Gewicht 310 g. Sektionsbefund:
Schwellung und Verkäsung der Achsel- und Kniefaltenlymphdrüsen auf der In¬
jektionsseite.
Im Ausstrich Tuberkelbazillen.
Np. 12. Kuh Nr. 48, 6 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, ver¬
schärftes vesikuläres Atmen rechts.
Das Sputum zeigt eine gleichmäßig wässerige, leichtflüssige Konsistenz.
Beim Schütteln wirbeln ziemlich reichlich Futterbestandteile auf, die sich zu Boden
gesenkt hatten. Die Farbe des Sputums ist graugelb und trübe. Die Menge be-
138
HIERONYMI,
trägt etwa 2 1 / 2 ccm. Im Zentrifugal sind bakterioskopisch keine Tuberkelbazillen
zu finden, nur spärliche Diplokokken und dicke Streptokokken neben einigen
Plattenepithelien. Leukozyten fehlen. Auf Hesseplatten erfolgt kein Wachstum
von Keimen. Am 23. 3. subkutane Impfung von Mee 16, Gewicht 300 g. Am
23. 4. Tötung des Tieres. Gewicht 400 g. Sektionsbefund negativ.
Np. 13. Kuh Nr. 2, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, brummende
Atmungsgeräusche auf der linken Seite.
Die Konsistenz von zwei entnommenen Sputumproben ist flüssig. Nur
einige Schleimzüge befinden sich darin, in denen zwei etwa pfeflferkorngroße, gelb¬
lichweiße, rundliche Eiterflocken eingebettet sind. Außerdem finden sich zahlreiche
Futterpartikel. Die Menge jeder Probe beträgt etwa 4 ccm. Der Geruch ist sü߬
lich. Im Zentrifugat lassen sich in 5 Präparaten nach der Pikrinsäuremethode
8 Tuberkelbazillen zerstreut, Leukozyten anliegend, nachweisen. Auch hier finden
sich Becherzellen. Das zweite Sputum wird nach Saehs-Müke mit Wasserstoff¬
superoxyd behandelt. Im Sauerstoffschaum, der auf Objektträger aufgetragen wird,
lassen sich in zwei Präparaten Tuberkelbazillen färben. Die Hesscplatten bleiben
steril. Mee 32 wird am 22. 3. mit Probe I intramuskulär geimpft. Gewicht 320 g.
Nach 13 Tagen sind die Achseldrüsen hart und geschwollen. Der Tod des Tieres
erfolgt am 4. 4. Gewicht 290 g; der einzige Fall, bei dem ein Gewichtsverlust am
tuberkulösen Meerschweinchen festgcstellt werden konnte. Sektionsbefund:
Verkäsung der geschwollenen Axillardrüsen. Tuberkulose der Milz. Tuberkulose
der Leber. Im Ausstrich aus den tuberkulösen Herden zahlreiche Tuberkelbazillcn.
Nr. 14. Kuh Nr. 6, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, Giemen
rechts und im Kehlkopf.
Die Konsistenz des Sputums ist zähschleimig, es haftet am Glase. Man er¬
kennt eine deutliche Schichtung. In einen glasigen, durchscheinenden Mantel von
trübgrauer Farbe ist ein Sputumkern eingebettet, der etwa kirschkerngroß ist. Die
Sputumlinse ist gelblich und besitzt einen weißen ausgefaserten Saum. Im Wasser
sinkt das Sputum unter. Es entspricht also diese Probe dem Sputum giobosum
nummosum et fundum petens. wie es für tuberkulöse Kavernen als typisch ange¬
sehen wird. In keinem der zahlreichen Präparate, die nach den verschiedensten
Methoden gefärbt wurden, konnten aber Tuberkelbazillen nachgewiesen werden.
Neben vielen Leukozyten, unter denen sich jedoch keine eosinophilen befinden, sind
auch Lymphozyten vertreten. Die Hesscplatten bleiben steril. Mee 34 wird am
23. 3. mit der Probe intramuskulär geimpft, Gewicht 240 g. Die Tötung erfolgt
am 28. 4. Gewicht 410g. Sektionsbefund negativ.
Nr. 15. Kuh Klara, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, Abmage¬
rung, verschärftes vesikuläres Atmen rechts.
Die Konsistenz des Sputums ist zäh-schleimig. Die Farbe ist bernsteingelb,
vollkommen durchsichtig und leicht irisierend. Es sind keine Formeleraente nach¬
zuweisen. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Nach Autodigestion bei 37° wird es
flüssig und läßt sich leicht zentrifugieren. Im Zentrifugat finden sich keine Tu¬
berkelbazillcn, außer einigen Kokken und Epithelien keine weiteren morphotischen
Elemente. Die Hcsseplatten bleiben steril. Impfung von Mee 36 am 23. 3. sub¬
kutan. Gewicht 240 g. Tötung am 4. 4. Gewicht 350 g. Sektionsbefund
negativ.
Bakteriologische Sputnmuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 139
Nr. 16. Kuh Dowle, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, starke
Abmagerung, keine krankhaften Atmungsgeräusche.
Die Sputunikonsistenz ist ziemlich flüssig, die Farbe ist leicht gelblich,
durchsichtig. Futterbeimengungen sind in geringer Menge vorhanden, aber staub¬
förmig verteilt. Die Menge jeder Probe — cs wurden zwei entnommen — beträgt
5 ccm. Probe I wird dem van Ketclschcn Verfahren unterworfen. Im Ausstrich
lassen sich keine Tuberkelbazillen nachweisen. Auch die zweite Probe wird mikro¬
skopisch ohne Erfolg auf Tuberkelbazillen untersucht. Neben einzelnen Leukozyten
sind auch Erythrozyten vorhanden. Die Probe II wird am 23. 3. Mee 35 intra¬
muskulär injiziert. Gewicht 250 g. Nach 9 Tagen sind die Kniefaltendrüsen ge¬
schwollen. Tötung des Tieres am 9. 5. Gewicht 380 g. Sektionsbefund:
käsige Herde in den Lymphdrüsen der geimpften Seite. Tuberkulose der Milz.
In Ausstrichpräparaten Tuberkelbazillen.
Nr. 17. Kuh Birne, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, Giemen
rechts und im Kehlkopf, leichte Abmagerung.
Das Sputum ist schleimig, es ist leicht gelblich gefärbt und enthält einige
Futterpartikelchen. Die Menge beträgt etwa 2 ccm, Eiterflöckchen sind nicht nach¬
weisbar. Im Ausstrich des der Philipp sehen Autodigestion unterworfenen Sputums
lassen sich tinktoriell keine Tuberkelbazillen nachweisen. Zellelemente sind sehr
spärlich. Die Aussaat auf Hesseplatten bleibt steril. Am 23. 3. wird die Probe
subkutan an Mee 17 verimpft. Gewicht 200 g. Tötung des Tieres am 22. 4. Ge¬
wicht 410 g. Sektionsbefund negativ.
Nr. 18. Kuh Elise, 8 Jahre alt. Klin ischer Befund: Husten, giemende
Geräusche beiderseits, auch im Kehlkopf. Die Kuh w T urde schon bei der klinischen
Untersuchung im Voijahre für verdächtig erklärt.
Das Sputum kommt vollkommen dünnflüssig zur Untersuchung. Durch
zahlreiche staubförmige Beimengungen von schwarzbrauner Farbe ist das Sputum
in toto getrübt, außerdem enthält es einen ziemlich erheblichen braunen Bodensatz.
Seine Menge ist gering und beträgt nicht mehr als 1 1 / 2 eem. Im Zentrifugal
können durch die Pikrinsäuremethode Tuberkelbazillen, 5 an der Zahl, nachge¬
wiesen werden. Ferner sieht man zahlreiche Pflanzenzellen, einige Leukozyten und
viel Kokken. Eine Aussaat auf Heydenagar unterbleibt wegen der zur Kultur¬
verarbeitung äußerst ungeeigneten Probe. Sie wird am 9. 4. an Mee 46, Gewicht
200 g, subkutan verimpft. Nach 12 Tagen läßt sich eine Schwellung der Aehsel-
lymphdFüsen konstatieren. Am 9. 5. wird das Tier getötet. Gewicht 260 g.
Sektionsbefund: Schwellung der Achseldrüsen und Kniefaltendrüsen mit einem
pfefferkorngroßen käsigen Zentrum. Tuberkulose der Milz, Tuberkulose der Leber.
Im Ausstrich aus den Lymphdrüsen mäßig viel Tuberkelbazillcn.
Nr. 19. Kuh Elbe, 9 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, schnar¬
chende Atmung. Von der Rachenhöhle aus ist eine faustgroße Schwellung der
retropharyngealen Lymphknoten zu fühlen.
Das Sputum, dessen Menge nur 1 ccm beträgt, ist flüssig. Die Farbe ist
rötlichbraun. Die Durchsichtigkeit ist durch Futterbestandteile gänzlich aufgehoben.
Im Zentrifugat können keine Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Leukozyten
fehlen ebenfalls. Nur einige platte Epithelzellen und spärliche Kokken neben
zahlreichen pflanzlichen Zellen präsentieren sich. Eine Verarbeitung der Probe zu
Platten unterbleibt auch hier, da das Material hierzu gänzlich ungeeignet erscheint.
140
HIKKONYMf,
Verimpfung der Probe an Met* 45. Gewicht 230 g. subkutan am 11. 4. Inter¬
kurrenter Tod des Tieres am 3. 5. Gewicht 350 g. Sektionsbefund negativ.
Nr. 20. Kuh Knospe, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, brum¬
mende Atmungsgeräusehe beiderseits. Die Kuh wurde schon im Vorjahre als der
Lungentuberkulose verdächtig bezeichnet.
Das ganz dünnflüssige Sputum enthält viele pflanzliche Kletnente. die beim
Stehen einen schwärzlichen Bodensatz bilden. Die überstchcnde Flüssigkeit er¬
scheint klar, leicht gelblich. Die Menge beträgt etwa 2 ccm. Im Ausstrich aus
dem Zentrifugat lassen sieh keine Tuberkel bazil len nach weisen. Auch andere
morphotischc Elemente, außer pflanzlichen, sind nur äußerst spärlich vorhanden.
Die Beschickung von Hesseplatten unterbleibt auch in diesem Falle. Impfung von
Mee 44, Gewicht 105 g, am 9. 4. subkutan Nach 8 Tagen sind die Achseldrüsen
vergrößert und derber. Die Tötung des Tieres erfolgt am 21. 5. Das Gewicht
beträgt 230 g. Sektionsbefund: Schwellung der Achseldrüsen mit Stecknadel-
kopfgroßer verkäster Bandpartie. Tuberkulose der Milz. Im Ausstrichpräparat
spärliche Tuberkelbazillen.
Nr. 21. Kuh Kante. 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und Ab¬
magerung.
Die Sputumkonsistenz ist dünnflüssig. Die Farbe ist gelblich. Ein bräun¬
licher Bodensatz wirbelt beim Schütteln der Probe auf und färbt diese. Die Menge
ist sehr spärlich und beträgt nur ca. 1 ccm. Im Zentrifugatausstrieh sind keine
Tuberkelbazillen vorhanden, einzelne polymorphkernige Leukozyten, Kokken und
Hefen sind vertreten. Eine Aussaat auf Hesseplatten unterbleibt. Am 9. 4. wird
Mee 43, Gewicht 240 g, mit der Probe subkutan geimpft. Tötung ries Tieres am
21. 5. Gewicht 340 g. Sektionsbefund negativ.
Die letzten 4 Proben zeichneten sieh durch ihren reichlichen Gehalt an
fremden Beimengungen, Pflanzcuteilen aus. Die Erklärung ist darin zu suchen,
daß sie von Kühen eines Dominiums stammten und wohl nach der Fütterung ent¬
nommen worden sind. Trotz der vollkommenen Atypie des Sputums bezüglich der
Konsistenz, des Flockengehalts und der (Quantität ist es bemerkenswert, daß in
zwei der Proben der Nachweis von Tuberkelbazillen gelungen ist, einmal, sogar
durch das Mikroskop. Es ist also nicht unbedingt notwendig, wie oben schon
betont wurde, daß die Proben unmittelbar nach einem Huslenstoß entnommen
werden, da die Anwesenheit von Tuberkelbazillen auf der Schleimhaut der Rachen-
höhle nicht immer in ursächlichen Zusammenhang mit dem Husten ries Tieres ge¬
bracht zu werden braucht. Aus demselben Grunde ist auch das Vorhandensein
der Tuberkelbazillen durchaus nicht immer an Eiterflöckchen im Sputum geknüpft.
Np. 22. Kuh Nr. 100, 4’/ 2 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und
giemende Atmungsgeräusche beiderseits. Die Kuh wurde schon in zwei Unter¬
suchungsprotokollen als der Lungentuberkulose verdächtig geführt.
Das Sputum ist vollkommen flüssig und homogen. Die Farbe ist gelblich.
Es sind zwei Proben genommen worden. Die Menge beträgt 3 ccm. Das Ganze
ist durch korpuskulare Elemente getrübt. Nach der Sachs-Mükeschen Methode
und im Zentrifugat können Tuberkelbazillen nicht nachgewiesen werden. Dagegen
finden sich in einem Präparat säurefeste Stäbchen, die ihrer Form nach Pseudo¬
tuberkelbazillen darstellen. Ferner sieht man im Gesichtsfeld zusammenhängende
Lagen von Plattenepithelien und ziemlich zahlreiche Lymphozyten. An Bakterien
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 141
sind Kokken und Pakete von Sarzinen vorhanden. Die Aussaat auf Hesseplatten
bleibt negativ. Am 9. 4. wird Mee 51, Gewicht 208 g, intramuskulär mit einer
Probe geimpft. Der Tod erfolgt aui 8. 5. interkurrent. Gewicht 410 g. Sek¬
tionsbefund negativ.
Nr, 23. Kuh Nr. 1033, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten,
sonst keine klinischen Symptome der Tuberkulose. Es werden zwei Proben unter¬
sucht. Das Sputum besitzt eine dünnflüssige Konsistenz, es ist grau gefärbt und
trübe. Nach der Sachs-Mükeschen Wasserstoffsuperoxydbehandlung schäumt es
stark auf. Die Schaumblasen werden ausgestrischen und bei der Czaplewski-
färbung zeigen sich im zweiten Präparat vier Tuberkelbazillen. Auch im Zentri-
fugat der zweiten Probe können Tuberkelbazillen bei Anwendung der Pikrinsäure¬
methode und nach v. Betegh nachgewiesen werden, ln den Bazillenleibem zeigen
sich nach der letzten Methode dunkelblau gefärbte Polkörperchen. Aßerdem sieht
man im Präparat vielzelliges Material, Plattenzellen und Leukozyten. Die Hesse-
platten bleiben steril. Mee 58 wird am 23. 4. mit dem Rest von Probe II intra¬
muskulär geimpft. Gewicht 330 g. 14 Tage nach der Impfung tritt eine Schwel¬
lung und Verhärtung der Achseldrüsen auf. Tötung des Tieres am 21. 5. Ge¬
wicht 470 g. Sektionsbefund: Schwellung und Verkäsung der Achscldrüsen.
Tuberkulose der Milz. Im Ausstrichpräparat Tuberkelbazillen.
Np. 24. Kuh Nr. 1490, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten,
giemende Atmung links. Das Tier wurde schon bei der vorjährigen klinischen
Untersuchung für verdächtig erklärt.
Das Sputum ist fast dünnflüssig, da es, wie die vorigen Proben, erst drei
Tage nach der Entnahme zur Untersuchung kam. Es ist leicht gelblich gefärbt
und ziemlich klar. Suspendiert sind in ihm neben den spärlichen Futterpartikeln
zwei zähe, graugelbe, etwa pfefferkorngroße Eiterflocken. Die Menge des Sputums
beträgt 2 ccm. Der Geruch ist fade. Im Ausstrich aus dem Zentrifugat können
nach der Pikrinsäuremethode 11 Tuberkelbazillen in einem Präparat nachgewiesen
werden. Ferner sind viele polygonale Zellen zu sehen und mehr Lymphozyten als
Leukozyten. Die Plattenaussaat auf Hesse platte "bleibt steril. Am 23. 4. wird
Mee 39, Gewicht 209 g subkutan geimpft. Nach 13 Tagen ist eine Lymphdrüscn-
schwellung palpabel. Das Tier wird am 21. 5. getötet. Gewicht 230 g.
Sektionsbefund: Schwellung und Verkäsung der Achsel- und KniefaltenLymph-
driisen. Tuberkulose der Milz und Leber. Im Ausstrich präparat Tuberkel-
bazillen.
Nf. 25. Kuh Nr. 40, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, gie¬
mende Atmungsgeräusche auf der rechten Lungenseite und im Kehlkopf.
Die Sputumkonsistenz ist schleimig und fadenziehend. Die Farbe ist grau-
gelb, hübe, im Licht leicht opalisierend. Im Schleim ist ein etwa pfefferkorn-
großer, gelblicher Eiterherd eingebettet, der zackige Ränder besitzt. Das Sputum
bleibt zur Homogenisierung 24 Stunden bei 37° im Brutschrank. Im Zentrifugat
lassen sich keine Tuberkelbazillen naehweisen.
Das zeitige Material ist spärlich vertreten, reichlich dagegen eine üppige
Bakterienflora. Auf Heydcnnährstoffplatten erfolgt kein Wachstum von Tuberkel¬
bazillen. Am 24. 4. wird Mee 5(5, Gewicht 225 g, subkutan geimpft. Am 20. 5.
stirbt das Tier interkurrent. Gewieht 340 g. Sektionsc rg e b n i s: negativ.
142
HIEKONYMl,
Nr. 26. Kuh Nr. 22, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und Ab¬
magerung.
Das Sputum ist dünnflüssig, durchsichtig und bernsteingelb gefärbt. Es hat
einen ziemlich starken Bodensatz aus Futterpartikeln. Ein kleiner hirsekorngroßer
gclblichwcißer Eiterherd schwebt in der Mitte. Die Sputummengc beträgt etwa
2 ccm. Im Zentrifugal lassen sieh keine Tuberkelbazillen nachweisen. auch nur
vereinzelte Zellen. Die Hesse platten bleiben steril. Impfung von Mce 55, Ge¬
wicht 238 g am 24. 4. subkutan. Tötung am 23. 5. Gewicht 3G5 g. Sektions¬
befund negativ.
Np. 27. Kuh Nr. 23, 10Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende
Atmungsgeräusche links und rechts und im Kehlkopf.
Das Sputum ist dünnflüssig. Es ist undurchsichtig und graugrün gefärbt
durch reichliche pflanzliche Beimengungen. Eine hirsekorngroße Eiterflocke ist
zu bemerken. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Der Nachweis von Tuberkclbazillcn
im Zentrifugat gelingt mikroskopisch nicht. Man sieht im mikroskopischen Bild
wenig Zellen und reichlich pflanzliche Elemente. Die Aussaat auf Heydennähr-
stolTagar bleibt negativ. Mee 57, Gewicht 250 g, wird am 24. 4. subkutan infiziert.
Nach 14 Tagen ist eine Lymphdrüsenschwellung zu fühlen.
Am 21. 5. wird das Tier getötet. Gewicht 340 g. Sek tions befund:
Schwellung und Verkäsung der Achsellymphdrüscn. Tuberkulose der Milz. Tuber¬
kulose der Leber. Iin Ausstrich Tuberkelbazillen.
Np. 28. Kuh Nr. 24, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende
Atmungsgeräusche beiderseits und im Kehlkopf.
Die Sputumkonsistenz ist dünnflüssig. Die Farbe, die dem Sputum durch
reichliche Futterpartikelchen mitgeteilt wird, ist bräunlich. Die Menge beträgt
etwa 2 ccm. Im Zcntrifugatausstrieh sind nach Ziohl-Neelsens und Captcwskis
Färbung Tuberkclbazillcn nachzuweisen. Ferner ist ein dichter Zcllrasen von poly¬
gonalen Plattcncpithclien zu sehen, auch reichliche polynukleäre Leukozyten. Die
Aussaat auf II esse platten bleibt steril. Mce 72 wird am 24. 4. subkutan geimpft.
Gewicht 200 g. Nach 10 Tagen tritt eine Lymphdrüsenschwellung und-Verhärtung
auf. Tod des Tieres am 10. 5. interkurrent. Gewicht 370 g. Sektionsbefund:
Schwellung und Verkäsung der Achsellymphdrüscn der geimpften Seite. Im Aus¬
strich Tuberkclbazillcn.
Np. 29. Kuh Nr. 104, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, sonst
keine klinischen Symptome der Lungentuberkulose.
Das Sputum hat eine zähschleimige Konsistenz. In den Schleimzügen sind
einige pfefferkorngroße, gelbliche Eiterflöckchen eingebettet, die wie ausgefasert aus-
sehen. Die Gesamtfarbe ist ein trübes Graugelb. Die Menge beträgt etwa 3 ccm.
Der Geruch ist fade. Nach 24 ständiger Autodigestion bei 37° wird die Probe
zentrifugiert. Im Bodensatz sind nach Caplewskis Methode Tuberkelbazillen
nachzuweisen, die zu vier oder mehr zusammenliegen. Auch finden sich einzelne
blaßrote dicke plumpe Stäbchen, die isoliert liegen und als Pseudotuberkelbazillen
anzusprechen sind. Neben zahlreichen polynukleären Leukozyten kommen auch
Lymphozyten und Plattenepithelien zur Darstellung. Die Aussaat der Hesse-
platten bleibt steril, Mee 11 wird am 2Ö. 4. mit dem Best der Probe subkutan
geimpft. Gewicht 215 g. Am 12. 5. stirbt das Tier interkurrent. Gewicht 250 g.
Sektionsergebnis: die Achsellymphdrüscn w r enig geschwollen, doch enthält eine
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 143
von ihnen einen stecknadclkopfgroßen Käseherd, in dem Tubcrkeibaziilcn naehzu-
weisen sind. Ebenso finden sich Tuberkelbazillen im Sekret eines Geschwüres, das
auf dem Boden der indurierten Impfstelle aufgebrochen ist.
Nr. 30. Kuh Nr. 283, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, sonst
kein klinisch nachweisbares Symptom der Lungentuberkulose.
Das Sputum ist flüssig. Die Farbe ist bräunlich, bedingt durch Futter¬
beimengungen, die beim Stehen einen dunkelbraunen Bodensatz bilden. Der über¬
stehende Teil der Sputumflüssigkeit ist klar. Die Menge beträgt 2 ccm. Der Ge¬
ruch ist fade. Im Ausstrich aus dem Zentrifugat markieren sich nach der Fär¬
bung von Andrejew zwei rote plumpe, säurefeste Pseudotuberkelbazillen auf
grünem Grunde. Die mit Sputum besäten Hesse platten bleiben steril. Am 26. 6.
wird Mec 13, Gewicht 220 g, intramuskulär mit dem Rest der Probe geimpft. Die
Tötung des Tieres erfolgt am 28. 7., Gewicht 225 g. Sektionsbefund negativ.
Np. 31. Kuh Nr. 35, 4 Jahre alt. Klini scher Befund: Außer Husten
keine Symptome der Lungentuberkulose.
Das fast wässerige Sputum ist farblos und undurchsichtig. Beim Schütteln
machen sich einige kleine Eitcrflöckehen bemerkbar. Die Menge beträgt etwa
1 */ 2 ccm. Im Zentrifugat werden in Ausstrichpräparaten nach der Zichl-Neelscn-
schen Methode und nach der Spenglerschen Pikrinsäurefärbung Tuberkclbazillen
dargestellt, die vereinzelt liegen, acht in einem Präparat. Außerdem finden sich
Plattenepithelien und wenig Leukozyten. Hesse platten, mit Sputum beschickt,
bleiben steril. Mee 5, Gewicht 195 g, wird am 26. 6. subkutan mit dem Rest der
Probe geimpft. Nach 10 Tagen sind die AchseUymphdrüsen hart und geschwollen.
Am 27. 7. wird das Tier getötet, Gewicht 225 g. Sektionsbefund: Große Käsc-
herde in den Achsel- und Knicfaltcndriisen. Tuberkulose der Milz und der Leber.
In Ausstrichen zahlreiche Tuberkelbazillen.
Np. 33. Kuh Karola, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende
Atmungsgeräuschc auf der linken Seite.
Die Konsistenz des Sputums ist wässerig, die Farbe bräunlich. Das ganze
Sputum ist undurchsichtig, getrübt durch starke Beimischung von Futterresten.
Die Menge des Sputums beträgt etwa 2 ccm. Im Zentrifugat können bakterio-
skopisch keine Tuberkclbazillen nachgewiesen werden. Ebenso bleiben die Hesse¬
platten steril. Mee 19 wird am 30. 6. mit der Probe subkutan geimpft. Ge¬
wicht 195 g. Tötung des Tieres am 30. 7. Gewicht 230 g. Sektionsergebnis
negativ.
Np. 34. Kuh Birke, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, unbe¬
stimmte, giemende Atmungsgeräusche auf der linken Seite.
Das Sputum ist von zäher, schleimiger, fadenziehender Beschaffenheit und
läßt sich nur schwer aus dem Glase entfernen. Die Farbe des Sputums ist gelblich
und undurchsichtig. Die Trübung rührt von vielen kleinen Futterbestandteilen
her. Der Geruch ist fade. Die Menge jeder Probe, es kommen zwei zur Unter¬
suchung, beträgt etwa 4 ccm. Die eine Probe wird dem van Ketelsehen Ver¬
fahren unterworfen, die andere bleibt 24 Stunden der Autodigestion überlassen
Im Zentrifugat beider Proben können mikroskopisch keine Tuberkclbazillen nach¬
gewiesen werden. Dagegen sind im mikroskopischen Bild zahlreiche Mengen von
Pflanzenzeilen zugegen, ebenso Zellkomplexe \on Plattenepithelien. die mit Kokken
wie gepflastert erscheinen. Die Leukozytenzahl ist gering. Die 11 esseplatten
144 HlERONYMl,
bleiben steril. Mee 21, Gewicht 215 g, wird am 30. ß. mit einer Probe subkutan
geimpft. Am 30. 7. erfolgt die Tötung des Tieres, dessen Gewicht 270 g beträgt.
Sektionsbefund negativ.
Np. 35. Kuli Korona, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, sonst
kein Symptom der Lungentuberkulose.
Das dünnflüssige Sputum ist leicht gelblich gefärbt. Durch körnige Futter¬
partikel ist es getrübt. Die Menge beträgt 2 ccm. Im Zentrifugat sind keine
Tuberkelbazillen enthalten, wenig Leukozyten und Epithelzellen, viel Diplokokken
und lange dicke Streptokokken. Die Hesse platten bleiben steril. Mee 24, Ge¬
wicht 175 g, wird am 30. 6. subkutan infiziert. Die Tötung erfolgt am 30. 7.
Gewicht 200 g. Sektionsbefund: negativ.
Np. 36. Kuh Dose, 7 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende
Atmungsgeräusche beiderseits.
Die Konsistenz des Sputums ist zähflüssig. In einigen Schleimdrüsen sind
kleine graue Epithelfetzen eingebettet. Die Farbe ist ein gelbliches Grau, das im
Licht leicht opalisiert. Im Ausstrich aus dem Zentrifugat, das nach 24stündiger
Autodigestion erhalten wird, sind tinktoriell keine Tuberkelbazillen nachzuweisen.
Der Leukozytengehalt ist ziemlich stark, Plattenepithelien sind in großer Anzahl
vorhanden. Die Heydennährstoffplattcn bleiben steril. Mee 23, Gewicht 175 g.
wird am 30. 6. subkutan geimpft. Nach 15 Tagen sind die Achseldrüsen als
erbsengroße harte Knötchen zu fühlen. Tötung des Tieres am 30. 7. Gewicht
205 g. Sektionsbefund: Schwellung und Verkäsung der Achsel- und Kniefalten-
lymphdrüsen, Tuberkulose der Milz. In Ausstrichpräparaten zahlreiche Tubcrkel-
bazillen.
Np. 37. Kuh Nr. 11, 9 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten.
Das Sputum ist ziemlich dünnflüssig. Durch Grünfutterbeimengungen hat
die Flüssigkeit eine grasgrüne Färbung angenommen. Es besteht eii* geringer
Bodensatz von Futterbestandteilen, die überstehende Flüssigkeit ist trübe. Die
Menge beträgt etwa 3 ccm. Der Geruch ist süßlich fade. Im Zentrifugat können
Tubcrkelbazillen nicht nachgewiesen werden. Der Ucberblick über die Ausstrich¬
präparate ist durch die Verunreinigungen mit Pflanzenzellen, die ira Bilde domi¬
nieren, stark gestört. Plattenzellen sind nur spärlich vorhanden. Eine Aussaat
auf Hesseplatten unterbleibt. Mee 50, Gewicht 215 g wird am 30. 3. subkutan
geimpft. An der Impfstelle entsteht auf dem indurierten Gewebe ein Geschwür,
das keine Heiltendenz zeigt. Nach 10 Tagen sind die Achsel- und Kniefaltcndriiscn
als harte geschwollene Knötchen fühlbar. Die Tötung erfolgt am 30. 7. Gewicht
220 g.
Sektionsbefund: Geschwür an der Impfstelle, Induration des Unterhaut¬
gewebes mit eingestreuten käsigen Herden. Verkäsung der Achsellymphdrüsen und
Knicfaltenlymphdrüsen. Tuberkulose der Milz. Tuberkulose der Leber. Im Aus¬
strich Tuberkelbazillen.
Nr. 38. Kuh Nr. 28, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Außer Husten
kein Symptom der Lungentuberkulose.
Das Sputum stellt eine zähe, lädenziehende Masse dar. Die Farbe ist
graugrün, getrübt durch Spuren von Futterresten, die einen geringen Bodensatz
bilden. Die Menge beträgt etwa 2 ccm. Im Zentrifugat, das nach 24 stündiger
Autodigestion erhalten wird, lassen sich nach CzapLewski Tuberkelbazillen nach-
Bakteriologische Sputumuntersuohung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 145
weisen. Chlorophyllhaltige Pflanzenzellen sind in größeren Mengen vorhanden.
Hesseplatten werden nicht angelegt. Mee 51, Gewicht 180 g wird mit der Probe
intramuskulär am 2. 7. infiziert. Nach 12 Tagen ist eine erbsengroße Schwellung
der Kniefaltendrüsen zu fühlen. Tötung des Tieres am 8. 8. Gewicht 230 g.
Sektionsbefund: Verkäste Herde in den Kniefaltendrüsen. Tuberkulose der
Milz. In Ausstrichpräparaten spärliche Tuberkelbazillen.
Np. 39. Kuh 990, 6 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. Im Vor¬
jahre und vor zwei Jahren war das Tier schon als der Lungentuberkulose ver¬
dächtig erklärt worden.
Das Sputum ist dünnflüssig. Die Farbe ist hellgelb, die Flüssigkeit fast
klar. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Im Zentrifugat können durch die mikro¬
skopische Untersuchung keine Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Im übrigen
findet sich viel zelliges Material, Leukozyten und Plattenzellen. Auf Hesseplatten
erfolgt kein Wachstum von Tuberkelbazillen. Mee 46 wird am 11. 7. subkutan
geimpft. Gewicht 200 g. Nach 9 Tagen ist eine deutliche Vergrößerung der
Achscldrüsen zu palpieren. Tötung des Tieres am 12. 8. Gewicht 230 g. Sektions¬
befund: Schwellung und Verkäsung der Achsellymphdrüsen. Tuberkulose der
Milz. Im Ausstrich spärliche Tuberkelbazillen.
Np. 40. Kuh Nr. 934, 10 Jahre alt Klinischer Befund: Husten.
Das Sputum stellt eine leicht bewegliche Flüssigkeit dar. Es besitzt eine
braunschwarze Farbe und ist vollkommen undurchsichtig. Die Menge beträgt ca.
2 ccm. Der Geruch ist süßlich. Im Zentrifugat lassen sich keine Tuberkelbazillen
darstellen. Durch strukturlose braune Partikelchen wird die Durchmusterung der
Präparate erheblich gestört. Hesseplatten werden nicht geimpft. Mee 47, Gewicht
180 g wird am 11. 3. subkutan geimpft. Tötung des Tieres am 9. S. Gewicht
247 g. Sektionsergebnis negativ.
Np. 41. Kuh Nr. 79, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten.
Die Sputumkonsistenz ist flüssig. Die Farbe ist braungelb. Durch zahl¬
reiche kleine körnige Partikel, die in der Flüssigkeit suspendiert sind, wird eine
Trübung des Sputums bedingt und ein geringgradiger Bodensatz hervorgerufen.
Die Menge des Sputums beträgt etwa 2 ccm. In den Ausstrichpräparaten, die un¬
übersichtlich sind, befinden sich nur wenig zellige Bestandteile. Hesseplatten
nicht angelegt. Mee 48, Gewicht 190 g, wird am 11.7. subkutan infiziert. Am
9. 8. wird es getötet. Gewicht 205 g. Sektionsbefund negativ.
Np. 42. Kuh Nr. 1689, 9 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende
Atmungsgeräusche auf beiden Lungenseiten, ebenso im Kehlkopf.
Das Sputum ist schleimig und fadenziehend, im ganzen trübe. Die Farbe
ist leicht gelblich. Auf dem Grunde des Glases befindet sich ein feiner Bodensatz.
Die Menge beträgt etwa 2 ccm. Das Sputum wird zentrifugiert, nachdem es
24 Stunden im Brutschrank gestanden hat. Im Ausstrich sind keine Tuberkel¬
bazillen vorhanden. Auch in diesen Präparaten machen amorphe dunkle Bei¬
mengungen das Präparat undurchsichtig. Hesseplatten werden nicht mit diesem
Sputum beschickt. Mee 49, Gewicht 220 g wird am 11. 7. intramuskulär geimpft.
Am 9.7. wird das Tier getötet. Gewicht 230 g. Sektionsbefund negativ.
Np. 43. Kuh Wonne, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und
glanzloses struppiges Haarkleid.
Die Sputumkonsistenz ist zähschleimig. Die Farbe ist graugelb. Die
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 10
146
HIERONYMI,
Menge beträgt ungefähr 3 ccm. Nach 24 ständiger Autodigestion wird die Probe
zentrifugiert. In Ausstrichpräparaten aus dem Zentrifugal sieht man Tuberkel¬
bazillen. gefärbt nach Ziehl und Czaplewski. An anderen Zellbestandteilen
des Sputums sind wenig Leukozyten, einige Lymphozyten und rote Blutkörperchen,
Kokken und Stäbchen zu erkennen. Auf Hesseplatten kann keine Vermehrung
von Tuberkelbazillen konstatiert werden. Mee 2, Gewicht 220 g, wird am 2. 8.
subkutan geimpft. Nach 10 Tagen kann eine deutliche Vergrößerung der Achsel¬
drüsen palpiert werden. Am 3. 9. wird das Tier getötet. Gewicht 280 g. Sektions¬
befund: Trockene käsige Herde im Zentrum der bohnengroßen Achsellymphknoten.
Tuberkulose der Milz. In Ausstrichpräparaten zahlreiche Tuberkelbazillen.
Xr. 44. Kuh Nr. 172, 6 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende
Atmungsgeräusche auf beiden Lungenseiten, ebenso im Kehlkopf.
Die Sputumkonsistenz ist schleimig, die Gesamtmasse ist trübe, graugelb
gefärbt. Die Menge beträgt 3 ccm. Der Geruch ist fade. Die Probe bleibt
24 Stunden bei 37° der Autodigestion überlassen und wird dann zentrifugiert. Im
Ausstrich lassen sich link torieil keine Tuberkelbazillen nach weisen. Außer Platten-
epithelien sind andere morphotisehe Elemente, auch Bakterien, nur äußerst spär¬
lich vertreten. Die Aussaat auf Heydennährstoffagar bleibt ergebnislos. 73, Ge¬
wicht 230 g wird am 2. 8. mit der Probe subkutan infiziert. Am 3. 9. wird das
Tier getötet. Gewicht 230 g. Sektionsbefund negativ.
Xr. 45. Kuh Karoline. 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Giemende
Atmungsgeräusche auf beiden Lungen.
Das Sputum ist ziemlich dünnflüssig und enthält einige gröbere Futterbei¬
mengungen. Die Farbe ist grau, das Ganze trübe, von einzelnen Schleimfäden
durchzogen. Die Menge beträgt 3 ccm. Im Zentrifugat können keine Tuberkel-
bazillcn gefunden werden. Im Gesichtsfeld herrschen polynukleäre Leukozyten vor,
daneben finden sich Pflanzenzellen, Plattenzellen, Kokken. Eine Aussaat auf
Hesseplatten unterbleibt. Mee 00, Gewicht 240 g wird am 3. 8. intramuskulär ge¬
impft. Am 2. 10. wird es getötet. Gewicht 280 g. Sektionsbefund negativ.
Xr. 46. Kuh Kupfermaul, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten.
Das Sputum ist fadenziehend und schleimig. Einzelne Schleimzüge sind
von grauen Epithelfetzen durchsetzt, sonst fehlen morphotisehe Elemente. Die
Farbe ist ein trübes Grau. Die Menge beträgt etwa 4 ccm. Die Probe wird nach
24 ständiger Autodigestion zentrifugiert. Im Zentrifugat befinden sich bakterio-
skopisch keine Tuberkelbazillen. Lymphozyten sind zahlreicher als Leukozyten
vorhanden. Die polygonalen Plattenzellen sind dicht mit Kokken besät. Die
Hesseplatten bleiben steril. Mee 05 wird am 2. 8. mit dem Best der Probe sub¬
kutan geimpft. Gewicht 240 g. Am 3. 9. würd das Tier getötet. Gewicht 280 g.
S e k t i o n s b e f u n d negativ.
Xr. 47. Kuh Nr. 300. 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. Die
Kuh war schon bei der vorjährigen klinischen l'ntersuchung der Lungentuberkulose
verdächtig.
Das Sputum ist flüssig. Auf dem Boden der Flüssigkeit haben sich kleinste
Futterpartikel gesenkt. Die Farbe ist ein trübes Graugelb, die Menge beträgt
2 ccm. Im Zentrifugat können mikroskopisch keine Tuberkelbazillen gefunden
werden. Der Leukozytengehalt ist spärlich. Plattenzellen, Kokken und Tetra¬
kokken sind reichlich vorhanden. Auf Hesseplatten findet kein Wachstum statt.
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 147
Mee 69, Gewicht 230 g wird am 3. 8. subkutan geimpft. Tötung des Tieres am
2. 9. Gewicht 280 g. Sektionsbefund negativ.
Nr. 48. Kuh Nr. 26, 3 Jahre alt. Klinischer Befund: Außer Husten
kein Symptom der Lungentuberkulose.
Das Sputum ist zähschleimig. In den schleimigen, trüben Sputumballen
sind kleine gelbgraue Eiterflöckchen eingesprengt, die ungefähr pfefferkorngroß sind.
Die Menge des Sputums beträgt etwa 5 ccm. Das Sputum bleibt 24 Stunden im
Brutschrank und ist dann leicht zu zentrifugieren. Im Zentrifugat können mikro¬
skopisch keine Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Leukozyten finden sich
reichlich, Lymphozyten spärlich. Auf Heydennährstoffplatten wachsen keine
Tuberkelbazillen. Mee 58, Gewicht 180 g wird am 2. 8. subkutan geimpft. Am
3. 9. wird das Tier getötet. Gewicht 210 g. Sektionsbefund negativ.
Np. 49. Kuh Nr. 46, 9 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten.
Das Sputum ist dünnflüssig und besitzt einen kopiösen grauen Bodensatz.
Beim Schütteln erweist er sich als aus pfefferkorngroßen Eiterflöckchen bestehend,
die mit grauen Epithelfetzen untermischt sind. Dio Menge des Sputums beträgt
etwa 3 ccm. Im Zentrifugat sind bakterioskopisch keine Tuberkelbazillen nachzu¬
weisen, Lymphozyten sind reichlich vorhanden; ebenso bleiben die Hesseplatten
steril. Mee 59, Gewicht 190 g wird am 7. 8. subkutan geimpft. Tötung des Tieres
am 3. 9. Gewicht 230 g. Sektionsbefund negativ.
Nr. 50. Kuh Nr. 32, 11 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. Die
Kuh wurde schon bei der letzten Untersuchung als der Lungentuberkulose ver¬
dächtig erklärt.
Die Sputumkonsistenz ist flüssig. Die Farbe ist hellgelb; im Licht ist ein
leichtes Opalisieren bemerkbar. Korpuskuläre Elemente sind nicht vorhanden. Die
Menge beträgt etwa 3 ccm. Im Zentrifugat sind mikroskopisch keine Tuberkel¬
bazillen nachweisbar. Zellige Elemente sind spärlich. Die Hesseplatten bleiben
steril. Mee 37, Gewicht 190 g wird am 5. 8. subkutan geimpft, am 5. 9. erfolgt
die Tötung des Tieres. Gewicht 230 g. Sektionsbefund negativ.
Literatm*.
1) Alb recht, Entstehung der Lungentuberkulose. Frankf. Zeitschr. f. Path.
1907. Bd. I. S. 214.
2) Alvarez et Tavel, Recherches sur le bac. de Lustgarten. Arch. de phys.
Bd. 17. Zit. nach Heim und Schmorl.
3) Aman, Nachweis der Tuberkelbazillen im Sputum. Zentralbl. f. Bakt. etc.
Abt. I. Bd. 17. S. 513.
4) Andrejew. Rasche Färbung von tuberkulösen Sputis. Ebendas. Bd. 22.
1897. S. 515.
5) Bang, Referat zur Bekämpfung der Tuberkulose unter den Haustieren. Ber.
über den VII. internat. tierärztl. Kongreß. Baden-Baden 1899.
6; Bartel, Die Infektionswege der Tuberkulose. Internat. Tuberkulosekonferenz
1907. Wien. In Zentralbl. f. Bakt. etc. Bd. 41. Referate Nr. 13. S. 9
7) Basset, A propos de la pathogenie de l’anthracose pulrnonaire par inhalation.
Compt. rend. hebd. de la soc. biol. T. 61. 1906. Nr. 34.
10
148
HIERONYMl,
8) H. Beitzke, Neuere Arbeiten über die Infektionswege der Tuberkulose. Berl.
klin. Wochenschr. 1908. Nr. 26. S. 1233.
9) Derselbe, Die Anreicherungsverfahren zum Nachweis der Tuberkelbazillen
im Sputum. Hygien. Rundschau. 1902. Bd. 12. • No. 1. S. 1—12.
10) L. v. Betegh, Neue differentialdiagnostische Färbemethode für Tuberkel-,
Perlsucht- und andere säurefeste Bazillen. Zentralbl. f. Bakt. etc. 1908.
Abt. I. Bd. 57. H. 5. S. 654.
11) Biedert, Ueber ein Verfahren, den Nachweis vereinzelter Tuberkelbazillen zu
sichern. Deutsche med. Ztg. 1891, auch Deutsche med. Wochenschr. 1886.
Zit. nach Pertik.
12) A. Bloch, Zit. nach Fligg. Berl. klin. Wochenschr. 1907. Nr. 17.
13) C. A. Blume, Zit. nach Jamin, Fortschritte in der Diagnose der Lungen¬
krankheiten. Deutsche med. Wochenschr. 1908. Nr. 27.
14) Bongert, Bakteriologische Diagnostik der Tierseuchen. II. Aufl. 1909.
15) Bronstein, Neuer Nährboden für Tuberkelbazillen. Medizinskoje Obosrenie
1899. Bd. 2. S. 893. Zit. nach Pertik.
16) Calmette et Guerin, Origine intestinale de la tuberculose pulraonaire et
mecanisme de l’infcction. Annal. de Tinstitut Pasteur. 1906. T. 25. p. 353.
17) Calmette, Vansteenberghe et Grysez, Sur Tanthracose pulmonaire d'origine
intestinale. Compt. rend. hebd. de la soc. biol. 61. 1906. No. 34.
18) Clairmont-Wiep, Ueber das Verhalten des Speichels gegenüber Bakterien.
Wiener klin. Wochenschr. 1906. Nr. 47. Ref. in Jahresber. über die Ergehn,
d. Immunitätsforsch. 1906. Bd. 2. S. 119.
19) Cornet und Meyer, Tuberkulose. Kolle-Wassermann, Handb. d. pathol.
Mikroorganismen. 1903. Bd. 2.
20) Cowie, The Sudan III stain for the tubercle bacillus. New York med. journ.
1899. No. 1. p. 16. Zitiert nach Pertik.
21) Czaplewski, Die bakteriologische Untersuchung des Sputums. Lehrb. der
klin. Untersuchungsmeth. etc. von Eulenburg, Rolle und Weintraud. 1906.
22) Derselbe, Zum Nachweis der Tuberkelbazillen im Sputum. Zeitschr. f.
Tuberk. 1900. Bd. I. H. 5. S. 387.
23) Dahmen, Neues Verfahren zur Auffindung der Tuberkelbazillen im Sputum.
Münch, med. Wochenschr. 1891. S. 667.
24) Dorset, A new stain for tubercle bacill. Reports and papers of the amer.
publ. healthy assoc. Vol. XXIV. 1898. p. 157. Ref. in Lubarsch-Ostertag.
Ergehn. Bd. 6. S. 290.
25) Ellermann u. Erlandsen, Nachweis von Tuberkelbazillen im Expektorat.
Hospitalstid. 1908. Nr. 17 und 18: Ref. Deutsche med. Wochenschr. 1908.
Nr. 24.
26) Emeljanow, Zur Frage über die Diagnostik der Tuberkulose des Rindes.
Magister-Diss. Jurjew. (Russisch.) Ref. in Ellenberger-Schütz, Jahresberichte
1903. S. 52.
27) Feruccio, Tubcrkulosckulturen. Reform, med. 1908. No. 30. Ref. Deutsche
med. Wochenschr. 1908. Nr. 33.
28) Ficker, Wachstum der Tuberkelbazillen auf sauren Gehirnnährböden. Zen¬
tralbl. f. Bakt. etc. 1900. Bd. 27. Nr. 14—17. S. 504—591.
29) Derselbe, Zit. nach Beitzke. Berl. klin. Wochenschr. 1908. Nr. 26. S. 1235.
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 149
30) Findel, Vergleichende Untersuchungen über Inhalations- und Fütterungs¬
tuberkulose. Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh. 1907. Bd. 57. H. 1.
S. 104.
31) Fligg, Ueber den Wert der Lymphdrüsenquetschung nach Bloch. Zeitschr.
f. Fleisch- u. Milchhygiene. 1908. H. 11. S. 843.
32) Flügge, Aetiologie der Tuberkulose. Internationale Tuberkulosekonferenz
Wien 1907. Ref. v. Rabinowitsch.
33) B. Fraenkel, Zit. nach Cornet (1. c.). Berl. klin. Wochenschr. 1887. S. 757.
34) C. Fraenkel, Beiträge zur Frage der Züchtung der Tuberkelbazillen. Hyg.
Rundschau. 1900. Nr. 13. S. 617.
35) Friedberger-Fröhner, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie
für Tierärzte. 1908. 6. Aufl.
36) Gabbet, Lancet. 1887. p. 757. Zit. n. Cornet in Kolle-Wassermann (1. c.)
37) Gaethgens, Ueber die Vermehrungsfähigkeit der Tuberkelbazillen im ent¬
leerten Sputum nebst Bemerkungen über das Hessesche Züchtungsverfahren.
Zeitschr. f. Tuberkulose. 1900. Bd. I. H. 5. S. 409.
38) Gasis, Demetrius, Ueber eine neue Reaktion der Tuberkelbazillen und eine
darauf begründete differentialdiagnostische Färbungsmethode derselben. Zen-
tralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. 50. H. 1. S. 111.
39) Givelli, Zit. nach Pertik (1. c.).
40) Greffier, Du diagnostic de la tuberculose bovine par Tinoculation du mucus
pharyngien. Rec. bullet. 1890. p. 445.
41) Grethe, Smegma und Tuberkelbazillen. Fortschritte d. Medizin. Bd. XIV.
Zit. nach Schmorl.
42) Gurewitsch und E. Franzmann, Ueber Tuberkelbazillenkulturen nach der
Methode Hesse. Medizinskoje Obosrenje. 1900. No. 9. (Russ.). Zit. nach
Pertik.
43) Hart, Zur Frage der Genese der tuberkulösen Lungenphthise. Deutsche med.
Wochenschr. 1907. S. 1774.
44) Hauser, Sur la coloration du bacille de la tuberculose. Compt. rend. de la
soc. biol. 1898. p. 1003.
45) Heim, Lehrbuch d. Bakteriologie. HI. Aufl. 1906.
46) Hempel, Untersuchungen über den Nachweis von Tuberkelbazillen und ihre
Zählung im Sputum. Inaug.-Dissert. Leipzig 1902. Zit. nach Pertik.
47) Hess, Die Symptomatologie der Tuberkulose des Rindes. Schweiz. Arch. f.
Tierheilk. 1889. Bd. 31. H. 4 u. 5. S. 153.
48) Hesse, Ein neuer Nährboden zur Züchtung des Tuberkelbazillus. Zeitschr. f.
Hygiene u. Infektionskrankh. 1899. Bd. 21. H. 3.
49) Derselbe, Ein neues Verfahren zur Züchtung des Tuberkelbazillus im mensch¬
lichen Luftröhrenschleim. Münch, med. Wochenschr. 1902. S. 2100.
50) Hoche et Funck, Des premiers stades de Tanthracose pulmonaire par inha-
lation. Compt. rend. hebd. de la soc. de biol. T. 61. 1906. Nr. 38.
51) v. Huellen, Ein Beitrag zur Biologie des Tuberkelbazillus mit besonderer Be¬
rücksichtigung der Hesseschen Angaben. Inaug.-Dissert. Königsberg 1901.
52) Hutyra u. Marek, Spezielle Pathologie und Therapie der Haustiere. II. Aufl.
Jena 1901. Bd. I.
150
HIERONYMI,
53) Ilkewitsch, Eine neue Methode zur Entdeckung von Tubcrkelbazillen im
Sputum Schwindsüchtiger. Baumgartens Jahresberichte. Bd. 8 und Zentralbl.
f. Bakt. etc. Bd. 15. 1894. S. 1G2.
54) Joannovisc und Kapsammer, Diagnose der Tuberkulose im Tierversuch.
Münch, med. Wochenscbr. 1907. S. 2347.
55) Jochmann, Das biologische Anreicherungs verfahren bei der Untersuchung auf
Tuberkelbazillen. Hygienische Rundschau. 1902. Nr. 11. S. 524—27.
56) Derselbe, Ueber ein neues Anreicherungsverfahren bei der Untersuchung auf
Tuberkelbazillen. Münch, med. Wochenschr. 1900. Nr. 22.
57) Derselbe, Ueber neuere Nährböden zur Züchtung des Tuberkuloseerregers.
sowie über ein neues Anreicherungsverfahren bei der Untersuchung auf Tuberkel¬
bazillen. Hygien. Rundschau. 1900. Nr. 20. S. 969 und 1901. Nr. 1.
58) Kamen, Thor Stenbecks Centrifuge. Zentralbl. f. Bakt. etc. Referate. Bd. 73.
S. 733.
59) Kasselmann, Ueber die Bedeutung der Luftinfektion bei den wichtigsten
Tierseuchen und über Maßregeln gegen die Gefahr dieser Infektion. Zeitschr.
f. Tiermedizin. 1900. Bd. 3. H. 2—5.
60) van Ketel, Zit. nach Pertik. Arch. f. Hyg. 1892. Bd. 15.
61) R. Koch, Aetiologie der Tuberkulose. Mitteii. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt.
1884. Bd. 2. S. 32.
62) Königstein, Ueber Anreicherung der Tuberkelbazillen im Sputum. Wiener
klin. Wochenschr. 1902. Nr. 43. S. 839.
63) Lange und Nits che, Eine neue Methode des Tuberkelbazillennachweises.
Deutsche med. Wochenschr. 1909. S. 435. Nr. 10.
64) De Lannoise et Girard, Nouvelle methode pour la recherche du bacille de
Koch dans crachats et le pus des tuberculeux. La Presse med. Mai 1900.
65) M’Fadyean, Ref. von Petri. Royal coramission on tuberculosis. Part IJI.
Append. Spec. Inquiries. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1897. Nr. 35.
66) Matterstock, Zit. nach L. Heim. Mitteil. a. d. med. Klinik. Würzburg 1885.
Bd. 6.
67) Menzi, Beitrag zur Züchtung und zur Biologie des Tuberkelbazillus. Zeitschr.
f. Hygiene u- Infektionskrankh. 1902. Bd. 9. H. 3. S. 407.
68) Most, Die Topographie der für die Infektionswege der Lungentuberkulose ma߬
gebenden Lymphbahnen. Internat. Tuberkulosekonferenz. 1907 und Habilita¬
tionsschrift. 1909. Breslau.
69) Much, Ueber die granuläre, nach Ziel nicht färbbare Form des Tuberkulose¬
virus. Beiträge z. Klinik d. Tuberk. 1907. Bd. 8. S. 85.
70) Mühlhauser, Zit. nach Pertik. Deutsche med. Wochenschr. 1891. Nr. 30.
71) Müller, A., Ueber Tuberkelbazillen- und Sporenfärbung unter Anwendung
von Kaliumperkarbonat und Wasserstoffsuperoxyd. Zentralbl. f. Bakter. etc*
1901. Nr. 20. S. 791.
72) Müller, Lindenau und Lange, Bericht über die Maßnahmen d. Ostpr. Holl.
Herdbuchges. zur Bekämpfung der Rindertuberkulose vom 22. Mai 1900 bis
30. September 1902. Monographie.
73) Neelsen, Zit. nach Schmort. Fortsehr. d. Medizin. 1885.
74) v. Ni essen, Zit. nach Heim. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 540.
Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 151
75) Nocard, Zit. nach Ostertag. Arch. veter. 1884. p. 441.
76) Nocard et Leclainche, Les maladies microbiennes des animaux domestiques.
III. Mit Paris 1903.
77) Ostertag, Brädert, Kaestner und Krautstrunk, Untersuchungen über
die klinische und bakteriologische Feststellung der Tuberkulose des Rindes.
Berlin 1905.
78) Ostertag, Ein Versuch zur Bekämpfung der Eutertuberkulose und der übrigen
Formen der klinischen Tuberkulose des Rindes. Zcitschr. f. Fleisch- u. Milch¬
hygiene. 1900. S. 121.
79) Orth, Zit nach Beitzke (1. c.).
80) Derselbe, Zur Frage der Infektionswege der Tuberkulose. Intern. Tuber¬
kulosekonferenz. Wien 1907.
81) Pane, Un metodo semplice per la dimonstratione de bazillo di Koch nei pro-
dotti tubercolari in putrefazione. Riform med. 1900. Nr. 230. p. 56.
82) Pertik, Pathologie der Tuberkulose. Ergebnisse d. allgem. Pathol. u. pathol.
Anatomie d. Menschen u. Tiere. Jahrg. 8. II. Abt. 1902. Wiesbaden 1904.
83) Petersson, Ueber die Ansteckungsgefahr bei Lungentuberkulose. III. Nord.
Kongr. d. inn. Med. Nord. med. Ark. 1901. Abt. II. Anhang, p. 163—173.
84) Petri und Rabinowitsch, Zit. nach Heim.
85) Philipp, Zit. nach Pertik, Pathologie der Tuberkulose.
86) Poels, Beitrag zur Diagnose der Tuberkulose des Rindes. Deutsche Zcitschr.
f. Tiermedizin. 1886. Bd. 12. S. 70.
87) Quensel, Ein neues Sediraentierungsverfahren zur Untersuchung von Sputum.
Nord. med. Ark. 1901. Abt. II. H. 4. Nr. 22. Zit. nach Pertik.
88) Ravenei, The dissemination of tubercle bacilli by cows in couhing a possible
source of contagion. Journ. of comp. med. and veterin. arch. 1901. Nr. I.
p. 15. Zit. nach Ostertag.
89) Ravenna, Sulla genesi dell'antracosi polmonare. Gazz. ospit. 1907. Nr. 18.
90) Remlinger, L'anthracose pulmonaire n'est pas d'origine intestinale. Compt.
rend. hebd. de la soc. de biol. T. 61. 1906. Nr. 38.
91) Roeckl, Bericht über die Verbreitung der Tuberculose unter dem Rindvieh
im Deutschen Reich vom 1. Oktober 1888 bis 30. September 1889. Berlin*
92) Ribbert, Allgem. Pathologie und pathol. Anatomie. Leipzig 1908. 3. Aufl.
93) Riddoch, Mikroskopischer Nachweis der Lungentuberkulose. The journ. of
comp. path. and therap. Vol. XXVI. p. 357. Nach Oster tag.
94) Römer, Ein Beitrag zur Frage der Wachstumsgeschwindigkeit des Tuberkel¬
bazillus. Zentralbl. f. Bakt. etc. 1900. Bd. 27. Nr. 20/21. S. 705.
95) Sachs-Müke, Ein Sedimentierungsverfahren des Auswmrfs mit Wasserstoff¬
superoxyd. Münch, med. Wochenschr. 1906. Nr, 34. S. 1000.
96) Schmaus, Grundriß der pathologischen Anatomie. 3. Aufl. 1907.
97) Schmorl, Die pathologisch-histologischen Untersuchungsmethoden. Leipzig
1897.
98) Sterling, Ein Beitrag zum Nachweis der Tuberkelbazillen im Sputum. Zen-
tralbl. f. Bakt. etc. Bd. 17. S. 874.
99) Spengler, Eine differentialdiagnostische Färbungsmethode der Perlsucht¬
bazillen. Deutsche med. Wochenschr. 1905. S. 1228.
152
H1ER0NYMI, Bakteriologische Sputunmntersuchung usw.
100) Derselbe, Neue Färbemethoden für Perlsucht- und Tuberkelbazilien und
deren Differentialdiagnose. Ebendas. 1907. Nr. 9. S. 337.
101) Derselbe, Pankreatinverdauung des Sputums zum Sedimentieren der Tubcrkel-
bazillen. Ebendas. 1895. No. 15.
102) Siedamgrotzky, Referat zur Bekämpfung der Tuberkulose unter den Haus¬
tieren. Bericht über den VIII. intemat. tierärztl. Kongreß Baden-Baden 1899.
103) Smith, A comparative study of bovin tubercle bacilU and of human baeilli
from sputum. The journ. of exp. med. Vol. III. 1898. Zit. nach Ostertag.
104) Strasburger, Ein verändertes Sedimentierungsverfahren zum mikroskopischen
Nachweis von Bakterien. Münch, med. Wochenschr. 1900. Nr. 16. S. 533.
105) Stroschein, Zur Untersuchung des tuberkulösen Sputums. Mitt. aus Dr.
Brehmers Heilanstalt. 1898. S. 285. Bergmann, Wiesbaden. Zit. nach
Pertik.
106) v. Strümpell, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie der inneren
Krankheiten. 15. Aufl. Leipzig 1904.
107) Thilenius, lieber den Nachweis von Mikroparasiten in Sekreten undExkreten
mittels der Antiforminmethode. Berliner klin. Wochenschr. 1909. Nr. 25.
S. 1169.
108) Tsunoda, Zur Frage der intestinalen Lungenanthrakose. Deutsche med.
Wochenschr. 1909. Nr. 26. S. 1131.
109) Uhlenhuth u. Xylander, Antiformin, ein bakterienauf lösendes Desinfektions¬
mittel. Berl. klin. Wochenschr. 1908. Nr. 29. S. 1346 und Zentralbl. f.
Bakt. etc. Abt. I. Bd. 52. Beiheft.
110) A. Weber, Tuberkulose des Menschen und der Tiere. Kolle-Wassermann.
Ergänzungsband. H. 1.
111) Weber, Zur Frage der Infektionswege der Tuberkulose. Internat. Tuber-
kulosekonf. Wien 1907.
112) Weichselbaum, Nachweis der Tuberkelbazillen. Fortschr. der Med. 1898.
Nr. 9.
113) Derselbe, Die Infektionswege der Tuberkulose. Internat. Tuberkulosekonfer.
Wien 1907.
114) Weleminsky, Dasselbe. Ebendas.
115) Wendriner, Zit. nach Pertik, Allg. med. Zentralzeitung. 1889.
116) Wolff-Eisner, Frühdiagnose und Tuberkuloseimmunität. 2. Aufl. Würz¬
burg 1909.
117) Ziehl, Bedeutung der Tuberkelbazillen. Deutsche med. Wochenschr. 1883.
VIII.
Aus dem pathologisch-anatomischen Institute der Tierärztlichen Hochschule
zu Berlin. Leiter: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Schütz.
Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillen¬
extraktes.
Von
Dr. Hobstetter, Oberveterinär und Assistent am Institute.
Nachdem Angeloff (1) im pathologischen Institute der tierärzt¬
lichen Hochschule zu Berlin sich die Beantwortung der Frage hatte
angelegen sein lassen: „Was für Knötchen kommen in den Pferde¬
lungen vor?“, und gefunden hatte, daß die grauen durchscheinenden
Knötchen sich im Gegensätze zu den Rotzknoten dadurch auszeichnen,
daß sich vom entzündlichen Knötchenanteil die Emigration fast aus¬
schließlich auf die eosinophilen weißen Blutkörperchen beschränkt,
einen Befund, den Hummel (2) in der tierhygienischen Abteilung des
Kaiser Wilhelms-Institutes zu Bromberg auch für die meisten der im
Darme der Pferde vorkommenden Knoten erhob, suchte Geheimrat
Schütz die von beiden ermittelten Tatsachen noch dadurch zu stützen,
daß er untersuchen ließ, welcher Art die chemotaktische
Wirkung der Toxine 1. des Sclerostomum bidentatum und
2. der Rotzbazillen im Tierversuche ist.
Nach der einen Seite bewies nun Vallillo (3), daß „das Toxin
des Sclerostomum bidentatum und seiner Larven einen positiven
Chemotropismus hauptsächlich auf die polynukleären eosinophilen
Leukozyten besitzt“. Mit der Untersuchung, wie es in dieser Hinsicht
mit dem Rotzbazillenextrakte steht, wurde ich beauftragt.
Die Veranlassung, nach genaueren Unterscheidungsmerkmalen für
die einzelnen in den Lungen der Pferde vorkommenden Knötchen zu
suchen, war die Opposition, die Schütz mit seiner Lehre fand, daß
die grauen durchscheinenden Knötchen in den Pferdelungen parasi-
154
HOBSTETTER,
tären Ursprungs wären und mit der Rotzkrankheit nicht das geringste
zu tun hätten. Die hauptsächlichsten dieser Opponenten waren
Nocard, Wladimiroff, Coreman, Preisz, Hutyra, Johne T
Schlegel, während Schütz durch Olt, Lüpke, Sticker, Willach,
Casper, Künneraann Unterstützung fand. Die diesbezügliche
Literatur ist ausführlich zusammengestellt bei Angeloff (1), auf den
ich verweise.
Angeloff fand bei seinen Untersuchungen, daß in den Pferdelungen graue
durchscheinende, fibröse, kalkige und rotzige Knötchen Vorkommen. Die grauen
durchscheinenden waren meist parasitäre Knötchen, seltener Lymph¬
knötchen. Den von Angeloff angegebenen Knötchen ließen sich noch anreihen:
Tuberkel, mykotische Knötchen und Blastommetastasen, ferner bronchiektatische und
peribronchitische Knoten. Betreffs der von ihm beschriebenen Gruppen gelangt
Angeloff unter anderen zu folgenden Schlußfolgerungen:
*3. Die Knötchen, die lebende oder abgestorbene und degenerierte Parasiten
enthalten, sind durch die Anwesenheit von eosinophilen Leukozyten ausgezeichnet.
Hierdurch sind sie mit Leichtigkeit von anderen Knötchen, hauptsächlich von
Rotzknötchen zu unterscheiden, in denen keine eosinophilen Zellen nachzu¬
weisen sind.
7. Die Rotzknötchen sind von den anderen in den Pferdelungen vor¬
kommenden Knötchen auch dadurch zu unterscheiden, daß sie keine eosinophilen
Leukozyten aufweisen und nicht verkalken.“
Zweifelsohne übertreibt Angeloff etwas, wenn er von den Rotzknötchen
behauptet, daß in ihnen keine eosinophilen Zellen Vorkommen; man findet auch in
Rotzknoten, namentlich in Hautknoten, hin und wieder solche. Dieser Befund ist
aber ein so seltener und die Zahl der eosinophilen Zellen eine so geringe, daß
man sie füglich vernachlässigen kann.
Hummel (2) stellt u. a. folgende Sätze auf:
„1. Die im Darme der Pferde vorkommenden Knoten und geschwürsartigen
Veränderungen sind in der Mehrzahl parasitärer Natur.
2. Die durch Entozoen veranlaßten Veränderungen der Darmwand sind stets
durch das Auftreten eosinophiler Zellen gekennzeichnet.
3. Die auf andere Ursachen zurückzuführenden, ähnlichen Veränderungen des
Darmes sind durch ihren makroskopischen und mikroskopischen Bau, insbesondere
durch das Fehlen eosinophiler Zellen leicht kenntlich.“
Vallilo (3) kommt zu folgenden Resultaten:
„1. Das Sclerostomum bidentatum Sticker und dessen Larven sondern ein
Toxin ab.
2. Dieses Toxin besitzt einen positiven Chemotropismus auf die polynukleären
eosinophilen Leukozyten.
3. Dasselbe hat keine chemische Beziehung zu dem Rotzbazillentoxin, weil
letzteres die Chemotaxe hauptsächlich auf die neutrophilen Leukozyten ausübt.
4. Die grauen durchscheinenden Knötchen in der Lunge des Pferdes sind
keine Produkte der Rotzkrankbeit, sondern ausschließlich die eines parasitischen
Toxins, des Toxins, geliefert vom Sclerostomum bidentatum.“
Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillenextraktes. 155
Für meine Untersuchungen wählte ich als Versuchstiere Meer¬
schweinchen, teils weil diese Tierchen gegen das Rotzgift sehr
empfindlich sind, teils auch, um nicht von Vallillos Versuchstieren
abzugehen. Da die Auswanderung der Leukozyten einen Teil der
Entzündung darstellt, diese aber nicht direkt durch die Hotzbazillen
bedingt, sondern durch die von den Körpersäften aus den Rotzbazillen
ausgelaugte toxisch wirkende Substanz, das Mallein, veranlaßt wird,
schien es aus verschiedenen Gründen vorteilhafter zu sein, nicht mit
Rotzbazillenkulturen zu arbeiten, sondern mit Extrakten von solchen,
welche das entzündungserregende Toxin enthielten. So stellte ich mir
zunächst nach den Angaben vou E. Pick ein 4tägiges Kochsalz¬
schüttelextrakt aus 36 ständigen Glyzerinagarkulturen sehr virulenter
Rotzbazillen her, die zum Zwecke der Abtötung während zweier
Stunden auf 60° C. erhitzt worden waren.
Durch einstündiges Zentrifugieren und nachfolgendes vorsichtiges
Abpipettieren wurde dann das Extrakt von den Bazillenresten getrennt,
Dieses Extrakt reagiert neutral oder schwach alkalisch. Von
einem Zusatz von Karbolsäure sah ich ab, weil ich die Erfahrung ge¬
macht zu haben glaube, daß der Unterschied in der Chemotaxe ver¬
schiedener Substanzen nicht zum geringsten in der Reaktion derselben
begründet ist. Denn das genau in derselben Weise hergestellte Ex¬
trakt von Sclerostoraum bidentatum (auch das von Ascaris megalo-
cephala) reagiert sauer und erzeugt Eosinophilie, während z. B. das
Extrakt von Filaria papillosa genau wie das Rotzbazillenextrakt neutral
bis schwach alkalisch reagiert und Neutrophilie erzeugt.
Anstelle der Kochsalzlösung verwandte ich bei den ersten Ver¬
suchen noch zwei Extrakte, von denen das eine mit schwacher Gly¬
zerinlösung, das andere mit schwachem Alkohol hergcstellt war. Da
ich jedoch keinen Unterschied in der Wirkung der verschiedenen Ex¬
trakte feststellen konnte, verwandte ich bei den beiden anderen Ver¬
suchsreihen nur das mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellte.
Um über die normale Beschaffenheit der Bauchhöhlenflüssigkeit
und über die Einrichtung der Haut und Unterhaut und der Lymph¬
knoten des Meerschweinchens unterrichtet zu sein, untersuchte ich die
genannten Flüssigkeiten und Organe bei einer ganzen Reihe (etwa 20)
solcher Tierchen, die zur Komplementgewinnung getötet worden
waren. Dabei fand ich, daß in der Haut und Unterhaut, auch
in den Lymphknoten eosinophile Leukozyten nur sehr spärlich Vor¬
kommen, daß dagegen in der Bauchhöhlenflüssigkeit an Zellen neben
156 HOBSTETTER,
Lymphozyten und Epithelien fast nur eosinophile Leukozyten Vor¬
kommen, zwar nie sehr viele, aber in einem Gesichtsfelde — Zeiß
homog. Immers. 2,0 mm, Apart. 1,30; Kompens.-Okular 4 — doch
bis zu 6 Stück. Mit diesem normalen Vorkommen der eosinophilen
Zellen war demnach bei den Versuchen zu rechnen.
Bei der ersten Versuchsreihe wurden je drei Meerschweinchen,
also zusammen neun Tierchen, sowohl in die Bauchhöhle wie in die
Unterhaut (in der Leistengegend) je 1,5 cm eines der drei Rotzbazillen¬
extrakte eingespritzt. In der zweiten und dritten Reihe wurden die¬
selben Mengen Extrakt in der gleichen Weise ein verleibt, aber nur
Kochsalzlösungextrakt verwandt.
In der ersten Reihe wurden die Tiere nach 1, 2 und 3 Tagen,
in der zweiten nach 4, 5 und 6 Tagen, in der dritten nach 7, 14
und 21 Tagen getötet. Störungen im Allgemeinbefinden habe ich bei
keinem der Impftiere wahrgenommen.
Von der Bauchhöhlenflüssigkeit eines jeden Tieres wurden Aus¬
striche gemacht, fixiert und gefärbt, (meist nach Assmann); aus der
Haut und Unterhaut wurden in der Nähe der Einstichstelle kleine
Stückchen herausgeschnitten, fixiert, gehärtet und in Paraffin einge¬
bettet. Die dann hergestellten 5—10 [i dicken Schnitte färbte ich
ebenfalls nach Assmann oder mit Hämatoxylin-Eosin.
V ersuchsergebnisse.
Wie bereits früher erwähnt, war der Befund in der ersten Reihe
stets der gleiche, ob das Extrakt mit Kochsalzlösung, Glyzerinlösung
oder schwachem Alkohol hergestellt worden war. Die angegebenen
Zahlen beziehen sich stets auf das bei Benutzung des oben erwähnten
optischen Systems sich ergebende Gesichtsfeld.
a) Bauchhöhlenflüssigkeit.
1. 24 Stunden nach der Einspritzung: In großer Menge
neutrophile Leukozyten mit gelappten, vielfachen resp. vielgestaltigen
Kernen und feinster eosinophiler Körnelung. In einem Gesichtsfelde
bis zu 120. Die genannten Zellen haben einen Durchmesser von 5,9
bis 8,5 / 1 ; sie weisen scheinbar bis 8 Kerne auf. Daneben von
kleineren Rundzellen (Lymphozyten) durchschnittlich 5, von großen
bis 8, von eosinophilen Leukozyten bis 4. Außerdem 2—7 größten¬
teils gut erhaltene Epithelzellen und ab und zu einige rote Blut¬
körperchen.
Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillenextraktes. 157
2. 48 Stunden nach der Einspritzung: Neutrophile Leuko¬
zyten etwa in derselben Menge. Zahl der Epithelien größer (bis 30
im Gesichtsfeld). Die neutrophilen Zellen liegen vielfach in den
Epithelien resp. dicht um dieselben (Phagozytosen). In einer Epithel¬
zelle bis zu 3 Leukozyten. Zahl der Lymphozyten geringer, keine
oder bis zu 3 eosinophile Zellen; bis zu 20 rote Blutkörperchen.
3. 72 Stunden nach der Einspritzung: Zahl der neutrophilen
Zellen dieselbe, desgl. die der Epithelien und der Phagazytosen. Die
Epithelienkeme färben sich nur blaß und Zelleib und Kern er¬
scheinen häufig in feinste eosinophile Körnchen zerfallen, wie sie sich
in den neutrophilen Zellen finden, so daß es den Anschein hat, als
ob diese feinste Kömelung der Leukozyten durch Aufnahme der ge¬
nannten Zerfallsteilchen der Epithelien zu Stande kommt; deutlich
unterscheiden sich davon die grob gekörnten eosinophilen Leukozyten,
deren Zahl ebenfalls dieselbe geblieben ist; desgl. die der Lymphozyten
und der Erythrozyten.
4. 4 Tage nach der Einspritzung: die Zahl aller zelligen
Bestandteile ist in der Abnahme begriffen. Neutrophile Leukozyten
zählte ich in einem Gesichtsfeld höchstens 35, Lymphozyten 2—6,
eosinophile Leukozyten 0 — 3, Epithelien 2 — 10. Phagozytosen
seltener. Viele (bis 12) zerfallende Erythrozyten.
5. 5 Tage nach der Einspritzung: Zahl der neutrophilen
Leukozyten noch geringer, desgl. die der Epithelien. Von ersteren
bis 15, von letzteren bis 5 im Gesichtsfeld. Zahl der eosinophilen
Leukozyten und der Rundzellen dieselbe; desgl. die der zerfallenden
Erythrozyten.
6. 6 Tage nach der Einspritzung: Zahlen Verhältnis im All¬
gemeinen wie nach dem 5. Tage. Zahl der roten Blutkörperchen
geringer (3—4).
7. 7 Tage nach der Einspritzung: Neutrophile 3-—5, Epi¬
thelien bis 3, Lymphozyten bis 5, eosinophile Leukozyten 0—3,
Erythrozyten selten.
8. 14 Tage nach der Einspritzung: Zahlenverhältnis der
Zellen normal.
9. 21 Tage nach der Einspritzung: normal.
Vergleicht man die Resultate der einzelnen Untersuchungen mit
einander, so ergibt sich, daß nach der Einspritzung des Rotzbazillen¬
extraktes schnell eine Auswanderung der neutrophilen Leukozyten
in riesiger Menge erfolgt, desgl. eine geringere Vermehrung der Lym-
158
HOBSTETTER,
phozyten. Am zweiten Tage finden sich viele Epithelien, die an¬
scheinend durch die Wirkung des Extraktes abgetötet, sich losgelöst
haben und zerfallen. Ihre Zerfallsmassen sind, wie der Zelleib fast
aller Zellen, azidophil und werden von den Leukozyten aufgenoromen.
Ein Zugrundegehen der Leukozyten habe ich nicht feststellen können
und ich befinde mich hier im Gegensatz zu Vallillo, der die erwähnten
feinsten Körnchen als Zerfallsmassen der eosinophilen Zellen ansieht.
(Vallilo. S. 521.) Die Zahl der roten Blutkörperchen ist vermehrt.
Vom 4 Tage an nehmen die zelligen Bestandteile in der Bauchhöhlen¬
flüssigkeit langsam an Zahl ab und zwischen dem 7. und 14. Tage
treten wieder normale Verhältnisse ein. Die Zahl der eosinophilen
Zellen wird durch das Rotzbazillenextrakt nicht verändert.
b) Haut und Unterhaus
In Haut und Unterhaut kann man die entzündungserregende
Wirkung des Rotzbazillenextraktes des genaueren beobachten. Dem
bloßen Auge bietet sich in der Unterhaut das Bild eines leichten
entzündlichen Oedcms; an der Haut sind krankhafte Veränderungen
nicht nachzuweisen. Das mikroskopische Bild entspricht genau dem,
das uns die pathologischen Anatomen für die einzelnen Phasen der
Entzündung entwerfen.
1. 24 Stunden nach der Einspritzung: Arterien, Venen
und Kapillaren erscheinen weit und sind mit roten und weißen Blut¬
körperchen prall gefüllt. Letztere lassen sich deutlich als aus¬
schließlich polymorphkernige neutrophile erkennen und liegen der
Innenhaut der Gefäße zum größten Teil fest an. Einige Kapillaren
enthalten fast nur diese Leukozyten, während die roten Zellen in ganz
geringer Zahl darin Vorkommen. Aber auch in der Gefäßwand und
in ihrer nächsten Nachbarschaft liegen die genannten weißen Blutzellen.
2. 48 Stunden nach der Einspritzung: Im Allgemeinen
dasselbe Bild. Viels Leukozyten sind jetzt in das Gewebe vor¬
gedrungen, wobei sie anscheinend den Saftlücken gefolgt sind: Man
sieht im Unterhautbindegewebe wahre Straßen winklig und senkrecht
zu den Gefäßen mit ihnen angefüllt, in einem Gesichtsfeld bis zu
70 Stück. An einigen Stellen trifft man sie auch zwischen den
Muskelfasern und in der Lederhaut einzeln und nesterartig zusammen¬
gelagert. Die Maschen der Unterhaut enthalten vielfach auch eine
gleichförmige sich mit Eosin färbende Masse, welche ich als geronnene
Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillenextraktes.
159
Blutflüssigkeit deuten möchte. Daneben sind den Leukozyten an
vielen Stellen Erythrozyten gefolgt.
3. 72 Stunden nach der Einspritzung. Außer den bis¬
herigen Veränderungen scheint es, als ob die Bindegewebszellen
nunmehr ebenfalls beteiligt sind. Ihre Kerne erscheinen größer, rund
bis oval. In den Gefäßen ist die Menge der Leukozyten wesentlich
geringer geworden.
4. 4—7 Tage nach der Einspritzung: Auch jetzt besteht
noch die Infiltration der Unterhaut mit den neutrophilen Leukozyten;
daneben finden sich einige Rundzellen.
5. 14 Tage nach der Einspritzung: Die Zahl der Leuko¬
zyten ist wesentlich geringer geworden; die Maschen der Unterhaut
erscheinen kleiner, die Bindegewebszellen sind jedoch vielfach noch groß
mit rundlichem Kern.
6. 21 Tage nach der Einspritzung: Haut und Unterhaut
haben an den Schnitten normale Dicke und Aussehen.
Was nun die Anwesenheit von eosinophilen Leukozyten in den
untersuchten Hautstückchen anlangt, so fand ich darin so gut wie
gar keine, obwohl ich darauf natürlich mein besonderes Augenmerk
richtete. Die polynukleären Leukozyten haben in der Unterbaut bei
derselben Färbung genau dasselbe Aussehen wie die in der Bauch¬
höhle beobachteten. Auch bei dieser Art der Einspritzung des
Extraktes war demnach ein rasches Anschwellen der Wirkung fest¬
zustellen, die nach 24—48 Stunden hinsichtlich der Chemotaxe
den Höhepunkt erreichte, einige Tage anhielt, um dann allmählich
wieder nachzulassen, worauf die restitutio ad integrum erfolgte. Wie
diese zustande kommt, und wie groß der Anteil der Bindegewebs¬
zellen, des Fibrins etc. dabei ist, wie die Leukozyten wieder ver¬
schwinden, das zu untersuchen lag abseits von meiner Aufgabe.
c) Blut, Milz und nachbarliche Lymphknoten
zeigten nie nennenswerte Veränderungen.
Fasse ich nunmehr die gewonnenen Resultate zusammen, so
lassen sich folgende Sätze aufstellen:
1. Das wie angegeben hergestellte Rotzbazillenextrakt
enthält die Substanz, welche den entzündlichen Anteil der
Rotzknoten bedingt.
2. Diese Substanz wirkt chemotaktisch nur auf die
polymorphkernigen neutrophilen Leukozyten.
160 HOBSTETTER, Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillenextraktes.
3. Finden sieh in Rotzknoten eosinophile Zellen, so ist
deren Anwesenheit nicht auf den chemotaktischen Einfluß
des Malleins zurückzuführen, sondern normal oder durch
andere Stoffe bedingt.
4. Findet kein Nachschub von Rotzgift statt, so
schwinden dje entzündlichen Veränderungen in 2—3 Wochen.
Literatur.
1) Angeloff, Die grauen, durchscheinenden Knötchen in den Pferdelungen und
ihre Beziehung zu der Rotzkrankheit. Arch. f. w. u. prakt. Tierheilkunde.
1908. S. 41.
2) Hummel, Vergleichende Untersuchungen über die im Darme der Pferde vor¬
kommenden Knoten und geschwürsartigen Veränderungen mit besonderer Be¬
rücksichtigung der Botzkrankheit. Ebenda. 1908. S. 550.
3) Vallillo, Die positiv-chemotaktische "Wirkung des Extraktes von Sclerostomum
bidentatum und dessen Larven auf die polymorphkernigen eosinophilen Leuko¬
zyten. Ebenda. 1908. S. 505.
4) Schütz und Schubert, Die Ermittelung der Rotzkrankheit mit Hilfe der
Komplementablenkungsmethode. Ebenda. 1909. S. 44.
IX.
Aus dem Institut für Tierzucht der Kgl. Tierärztl. Hochschule zu Hannover.
Forschungsziele und Forschungsergebnisse
auf dem Gebiete der Haustierzucht.
Von
(ieh. tteg.-Rat l'rof. Dr. Kaiser.
An dem Ausbau aller Zweige der Naturwissenschaften wird rast¬
los und mit größter Energie gearbeitet, ganz besonders betrifft dies
den Zweig, welcher sich Biologie nennt. Dabei haben aber nicht nur
die Embryologen und Morphologen, die Physiologen und die Zoologen
die Pflicht mitzuarbeiten, sondern auch die praktischen Tierzüchter sollen
und wollen gern mitwirken, um die Züchtungsbiologie zu fördern.
Die Biologie ist die Lehre vom Leben überhaupt, von den
Lebewesen und den Lebensbedingungen, sie beschäftigt sich mit allen
Erscheinungen, welche sich aus den Verhältnissen des lebenden Tieres
und der Pflanze ergeben und im weiteren auch mit den Beziehungen,
in welchen sie zu anderen Tieren oder Pflanzen und überhaupt zur
belebten Außenwelt stehen.
Eine besondere Bedeutung für die Biologie hat die immer weiter
sich ausdehnende und immer intimer werdende Bekanntschaft mit
den kleinsten Lebewesen, den Mikrobien tierischer und pflanzlicher
Natur; ich darf hier wohl nur darauf hinweisen, von welcher großen
Bedeutung die Protozoen, die Bakterien und die Kokken und andere
Formen nicht nur bei vielen Arbeiten der Technik und der Industrie
sind,- sondern (und was für unsere Wissenschaft von größerer Be¬
deutung ist) welche Rolle sie bei der Entstehung von Menschen-
und Tierkrankheiten spielen; dort werden sie oft absichtlich gezüchtet,
hier sollen sie möglichst vernichtet werden.
Die Biologie ist keine neue Wissenschaft, wohl aber ist sie jetzt
mehr als früher die angewandte Physiologie und Embryologie, sic
Archi? f. wissen sch. u.prakt. Tierbeilk. Bd. 36. Sappl-Band.
162
KAISER,
will auch das Leben der Haustiere vom ersten Moment ihrer Lebens¬
tätigkeit, das Leben in allen seinen Phasen bis zu seinem Erlöschen,
selbstredend auch die möglichste Höhe der wirtschaftlichen Leistungs¬
fähigkeit des Organismus erforschen und bewerten.
Die Biologie ist berufen, uns Aufschluss über manches scheinbar
Rätselhafte zu verschaffen. Ich will hier nicht auf die Entstehung
der Arten im Tier- und Pflanzenreich eingehen, auch nicht der Frage
nähertreten, ob der Naturforscher Recht hat, welcher sagte, dass der
Mensch und der Affe dieselben Stammeltern haben, dann würde ich
in das Labyrinth der spekulativen Biologie geraten, ich will nur auf
die praktische Biologie, speziell 1. auf Variabilität, auf die Ver¬
änderungsfähigkeit und die Variation, 2. auf die Anpassung
oder Akkommodation und 3. auf die Vorgänge bei der Ver¬
erbung der Zuchttiere hinweisen.
Das Gebiet, auf welches ich mich damit begebe, ist gerade kein
uferloses, aber doch ein riesig großes und deshalb noch nicht:
genau erforschtes, es wird auch bei rastlosester Arbeit noch längere
Zeit dauern, bis die Fackel der positiven Wissenschaft die vielen
noch recht dunklen Punkte erleuchtet haben wird. Auch meine Aus¬
führungen können nur aphoristisch sein.
„Die heutige Naturforschung ist als eine Wissenschaft der un¬
begrenzten Möglichkeiten zu bezeichnen.“ Immer neue Gebiete er¬
öffnen sich der Forschung. Unbegrenzt ist ihr Einfluß auf unser
kulturelles und materielles Leben.
Linne war der erste Begründer der systematischen Natur¬
geschichte, er lehrte, daß alle Tier- und Pflanzenarten, so wie sie
sind, aus des Schöpfers Hand hervorgegangen und in ihrer Art, in
ihren anatomischen und physiologischen Eigenschaften unveränderlich
seien, sich nur mit ihresgleichen fruchtbar vermischen könnten und
dann in ihren Nachkommen ihre körperlichen Formen und Lebens-
erseheinungen unverändert wieder zutage treten lassen.
Dieser Lehrsatz hat sich aber sehr bald als viel zu eng begrenzt
erwiesen; schon die Betrachtung des Pflanzenreiches zwang zu anderen
Anschauungen, — ich will hier nur auf einige Pflanzen: Rosa, Salix,
Hieracium und Chrysanthemum als Paradigma hinweisen; fast un¬
zählig sind die Varietäten derselben, welche sogar in verhältnismäßig
sehr kurzer Zeit aus den einzelnen Stamrapflanzen herangezüchtet
wmrden sind.
Nach dem Schweden Linne kam der Franzose Lamarek. der
Forschungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 163
Vorläufer des Engländers Darwin. Lamarck bewies im Jahre
1809 in seiner Transmutationslehre, dass die vorhandenen Arten
in sich nicht abgeschlossen seien, daß vielmehr im Laufe der Zeiten
allmählich sehr erhebliche Veränderungen durch Umbildung der Körper¬
formen entstanden seien und zwar durch die Fähigkeit der Organismen
sich neuen Verhältnissen, und zwar dem Klima und dem Boden, der
Ernährung, der Haltung und Pflege anzupassen, auch der verstärkte
oder verminderte Gebrauch einzelner Körperteile könne Veränderungen
herbeiführen (Umformung, funktionelle Anpassung).
Lamarck sagte wie Linnö: Eine Art besteht aus Geschöpfen,
welche untereinander sich vollkommen gleichen, sich fruchtbar mit¬
einander vermischen und in ihren Nachkommen sich gleich bleiben;
aber nun kommt der so sehr bedeutungsvolle Zusatz von Lamarck:
„so lange die äußeren Verhältnisse keine Umstände erleiden, welche
hinreichen, um ihre Form, ihre Beschaffenheit und ihren Charakter
abzuändern.“
Im weiteren sei es besonders der Gebrauch oder Nichtgebrauch
der Organe, der auf die Formgestaltung des tierischen Körpers einen
bestimmenden Einfluß ausübe (funktionelle Anpassung), ferner,
daß die Geschöpfe nach und nach eine Anpassung an neue Verhält¬
nisse ermöglichen, weil der Körper eine sehr große Plastizität be¬
sitze.
Darwin sagt, daß im Kampfe ums Dasein, bei der natürlichen
Zuchtwahl, nur das vollkommenste, das am besten ausgerüstete Ge¬
schöpf sich und seine Art erhalten könne, das ungenügend entwickelte
aber könne sich nicht genügend vererben, es gehe zugrunde, werde
ausgemerzt. Darwin illustrierte die natürliche Zuchtwahl, die
Selektionstheorie in ihrem Gegensätze zur künstlichen Wahlzucht,
wie solche tatsächlich von Tier- und Pflanzenzüchtern mit so großen
Erfolgen gehandhabt wird.
Diese Lehre, die man als die Abstammungs- oder die Dcs-
zendenzlehrc, die Selektionstheorie oder kurzweg als Darwi¬
nismus bezeichnet, hat manche Gegner und deshalb auch vielfach
Angriffe erfahren, sie war von Zeloten anfangs auch wohl in ihrem
Werte sehr überschätzt worden, deswegen ist aber doch die Behauptung,
der Darwinismus sei ein überwundener Standpunkt, gänzlich un¬
berechtigt.
Darwins Lehren sind auch heute noch im allgemeinen zutreffend;
durch die glückliche Kombination mit den von Lamarck gelieferten,
11*
164
KAISER,
vortrefflichen Grundlagen werden sic noch lange die Grundpfeiler der
biologischen Forschung bleiben.
In der Botanik ist die Biologie am meisten kultiviert, — ich
will nur andeuten, was man durch Pfropfen, Okulieren und Kopulieren
erreicht hat, wie ganz besonders durch die künstliche Bestäubung
und Befruchtung fortgesetzt erwünschte Kreuzungen, Hybriden und
Bastarde erzeugt worden sind, wie deshalb auch die Landwirtschaft
jetzt über fast unzählige Sorten der einzelnen Getreidevarietäten ver¬
fügt, die fast alle Produkte der Neuzeit, der künstlichen Zucht, der
Wahlzucht, nicht der natürlichen Zuchtwahl sind.
Soll die praktische Biologie auch in der Tierzucht zu einer
fruchtbringenden Tätigkeit gelangen, dann muß sie auch gleichsam
gärtnerische Arbeitsstätten und geeignete Arbeitskräfte in ihren Dienst
stellen, es müssen sachgemäß organisierte Versuchsstätten errichtet
werden, wo Theoretiker und Praktiker sich in die Hände arbeiten.
Auf dieser Basis hat sich die Deutsche Gesellschaft für
Züchtungskunde aufgebaut, welche zu einer wissenschaftlichen
Beraterin der deutschen Viehzüchter sich auswachsen will.
Diese Gesellschaft hat 3 Ausschüsse gebildet und zwar
1. den biologischen Ausschuß,
2. den Ausschuß für Rassenforschung und
3. den Ausschuß für die Sammlung züchterisch prak¬
tischer Erfahrungen.
In diesen Ausschüssen sollen zunächst die Beobachtungen über
Variation und Anpassung und Vererbung fruktifiziert werden.
lieber diese Punkte möchte ich hier etwas sagen und wende
mich zunächst zu einer kurzen Betrachtung des Abschnittes Variation.
Hier soll vor allem die gewaltige Macht der äußeren Verhält¬
nisse gewürdigt und nachgewiesen werden, inwiefern das Geschöpf
ein Produkt der heimatlichen Scholle ist.
Zum Glück für unsere modernen Viehzüchter sind die Haustiere
ganz besonders zur Variation befähigt. Damit soll nicht gesagt
sein, daß jede neue äußere Einwirkung sofort eine offensichtliche
Reaktion im Gefolge habe, nein, im Gegenteil, es geht oft recht
langsam.
In der freien Natur gehören dazu wohl Jahrhunderte, bei den
domestizierten Tieren, deren Urwüchsigkeit ja so gewaltig alteriert
ist, bei denen manche Lebensäußerungen, wie z. B. der Instinkt, ganz
zurückgedrängt sind, da ist die Veränderungsfähigkeit, die Biegsam-
Forscbungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 165
keit, die Flexibilität eine sehr große geworden, auch sind und werden
die veränderten äußeren Verhältnisse besonders in der Fütterung und
Haltung immer zahlreicher und einschneidender.
Tatsache ist, daß wir schon durch die Fütterung und Pflege des
Muttertieres einen Einfluß auf die Entwickelung des Fötus auszuüben
vermögen. Von den mancherlei Maßnahmen will ich hier nur er¬
wähnen, daß durch ein längeres Trockenstehen der hochträchtigen
Kühe die Entwickelung sehr großer und sehr schwerer Leibesfrüchte
begünstigt werden kann. Aber nicht nur die Art der Ernährung und
der Pflege, sondern auch das Klima spielt eine Hauptrolle, und
zwar, ob es kalt oder warm, feucht oder trocken ist, ferner die
Richtung der vorherrschenden Windströmung, nicht minder aber auch
die Bodenbeschaffenheit und der Einfluß des Bodens auf die
Quantität und die Qualität der Vegetation und nicht zu vergessen:
auf das Trinkwasser.
Darwin meint, daß ein Uebermaß von gehaltreicher Nahrung das
wirksamste Umwandlungsmittel sei, wie das Beakwell und andere
durch die Züchtung der englischen Kulturrassen bei Rindern, Schafen
und Schweinen eklatant bewiesen haben.
Auch der deutsche Züchter sagt: Der beste Teil, die größere
Hälfte der Rasse kommt durch das Maul in den Körper.
Häckel ist der Meinung, daß vorzugsweise das Klima und die
dadurch bedingte Lebensweise eine sehr große Umwandlungskraft zu
entwickeln vermögen.
Bekannt ist: wenn das Klima, die Luft, der Boden und das
Futter trocken sind, dann entwickelt sich ein kleineres, aber kräftiges,
festgefasertes, zähes, flüchtiges, also ein recht gesundes Tier, geringere
Rassen werden hier lebenskräftiger; umgekehrt begünstigt feuchtes
Klima und feuchter Boden die Entwickelung größerer Rassen, aber
auch schlaffe Gewebsbildung, poröse Knochen, mehr träge, schlaffe
und weichliche Tiere.
Auch die Temperatur hat besonders bei Pferden einen großen
Einfluß — sowohl große Hitze als große Kälte wirken entwickelungs¬
hemmend, im heißen Afrika und Asien sowohl als im hohen kalten
Norden Europas finden sich die kleinsten Pferde.
Aehnliches sehen wir auch in Deutschland. Die Füllen aus dem
mehr feuchten Klima und den üppigen Fettweiden unseres norddeutschen
Küstenlandes werden das nicht, wenn ihre Aufzucht in hohen, trockenen,
sandigen, mageren Geest- oder Gebirgsgegenden stattfindet, was ihre
166
KAISER,
in der Heimat verbliebenen Altersgenossen werden; umgekehrt werden
die hochedlen Füllen aus den hannoverschen mageren Geestgegenden
bei ihrer Aufzucht in den fetten Elb- und Wesermarschen, Ostfries¬
lands, Oldenburgs und Mecklenburgs erheblich schwerer; die Belgier
entwickeln sich in der Rheinprovinz auch etwas anders als in ihrer
Heimat, hier vielleicht weniger wegen der Verwendung anderer Futter¬
mittel als wegen der andersartigen Fütterung; das Simmentaler
Rind vermag in Norddeutschland nur sehr schw r er, oft gar nicht boden¬
ständig zu werden, mindestens muß hier eine öftere Blutauffrischung
eintreten, wenn die typischen Formen seiner Rasse erhalten werden
sollen. Die kalkreichen, mehr trockenen Höhen Süddeutschlands und
der Schweiz stehen im direkten Gegensatz zu den im allgemeinen
kalkarmeren feuchten Niederungen des Nordens, schon in der nächsten
Generation sah ich deutliche Veränderungen in der Formgestaltung
bei den Nachkommen der rassereinsten Originalzuchtticre auftreten.
Recht bedenklich, ja wohl sogar direkt gefährlich, kann die Nicht¬
beachtung des richtigen Nährstoffverhältnisses werden, wenn man
auch nicht die schlimmsten Folgen als Sehreckgebildc kennzeichnen
will, wie z. B. die Krüschkrankheit der Pferde, die Schnitzelkrankheit
der Rinder und Schafe, der Schlempeausschlag der Binder, die Kartoffel¬
rachitis der Schweine.
Die Art der Ernährung spielt ganz unbestreitbar eine sehr
große Rolle; die Art der Futterpflanzen, die Zeit, und die Methoden
ihrer Gewinnung, der Gehalt an Nährstoffen leichterer oder schwererer
verdaulicher Art, der Gehalt an anorganischen Stoffen — alles dieses
verlangt Beachtung, ferner ebenso auch ob natürliche oder künstliche
hezw. fremde Futterstoffe verwendet werden; es ist Tatsache, daß
letztere bei allen wirtschaftlichen Vorteilen doch öfter eine unerwartete
recht unliebsame Reaktion des Sexualapparates veranlassen, wie z. B.
die Derivate der Baumwollpflanze.
Es ist auch nicht einerlei, ob das Futter ständig kalt oder warm,
naß oder trocken gereicht wird, wie durch die Konstitution der ost¬
preußischen und der belgischen Pferde bewiesen werden kann. Es
fragt sich ferner, ob absolute Stallhaltung oder auch Weidegang statt¬
findet, auch wie der Stall und wie die Weide ist. Es ist doch
ein sehr großer Unterschied, ob der Stall luftig und sonnig oder dumpf
ist, ob er zu kalt oder zu warm ist, ob das sich entwickelnde Tier
— wenn auch nicht auf einer passenden Weide, so doch in einem
Laufstall — nach Belieben sich bewegen kann oder ob es wie ein
Forschungsziele und -ergehnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. Iß?
schwerer Verbrecher straff an eine kurze Kette gebunden ist und sich
kaum bewegen, also auch nur eine ungenügende Bewegungsfähigkeit
erlangen kann, ob die Krippen und die zumeist ganz überflüssigen
Raufen nicht zu hoch angebracht sind; besonders auffällig ist die viel¬
fach noch ganz unbekannte Gestaltsentwickelung der Schweine, wenn
sie an einer kurzen Kette liegend statt freiumherlaufend aufgezogen
werden.
Daß die Weiden so seht verschieden sind und deshalb auch von
sehr großer Bedeutung für die Entwickelung des Jungviehes sein
können, möchte ich nochmals hervorheben.
Von Bedeutung ist auch die Art des Stallbodens, ob er durch¬
lassend oder undurchlassend, ob das Lager trocken, weich und w r arm
oder naß, hart und kalt ist (Zementställe).
Auch die Hautpflege ist für den gesammten Stoffwechsel der
Haustiere von sehr großer Bedeutung: Bürsten, Striegeln, Baden,
Scheren, Sengen.
Im weiteren beeinflußt der ausschließliche Gebrauch der Tiere
zu bestimmten Zwecken die Formgestaltung im allgemeinen oder
auch nur einzelner Organe sehr deutlich. Das hierdurch veränderte
Bild zeigt sich Dank der progressiven Vererbungskraft auch bei den
Nachkommen mehr oder weniger scharf, man denke nur an Lauf- und
Schrittpferde, an Renn- und Lastpferde, an Milch- und Fleischrinder,
wo Hyperplasie und Aplasie, auch Panmyxie beobachtet werden. Wer
möchte bestreiten, daß dieses so mannigfaltige Heer äußerer Ein¬
wirkungen von sehr großem, ja entscheidendem Einflüsse auf die
normale oder erhoffte spezifische Entwickelung des Jungviehes, auf
die exogene Variation in der Formgestaltung, überhaupt auf alle Lebens¬
prozesse, also auch auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit aller Haus¬
tiere sei?
Ein gewaltiger Faktor für die exogene und die endogene
Variation ist auch die genau kalkulierte, zielbewußte Paarung. Nur
von normal gebauten, typisch geformten und harmonisch funktionierenden
Eltern kann man mit einiger Sicherheit gleichgeartete Kinder erwarten.
Heterogene Zuchttiere können sehr leicht kümmerliche Karrikaturcn
oder Mißbildungen der verschiedensten Art produzieren.
Die Variation unserer Haustiere wird, wie aus dem Gesagten er¬
sichtlich ist, ganz besonders ermöglicht durch die Anpassung der
Tiere an besondere oder ganz neue Verhältnisse.
Die Anpassungsfähigkeit an neue Verhältnisse ist bei den
168
KAISER,
verschiedenen Haustierarten und auch bei den einzelnen Haustieren
sehr verschieden. Manche Tiere zeigen eine sehr große Biegsamkeit,
Schmiegsamkeit, Flexibilität, andere aber zeigen einen hartnäckigen
Widerstand.
Sehr interessante Beobachtungen sind in dem Jardin d’acclimati-
sation zu Paris, im zoologischen Garten zu Amsterdam und neuer¬
dings auch in dem Hagenbeckschen Tierpark zu Stellingen gemacht
worden.
Sehr oft wird weniger die äußere Formgestaltung, als vielmehr
die Leistungsfähigkeit durch die neuen äußeren Verhältnisse be¬
troffen werden. De Vries nennt das Mutation, Wandlung der Arten
durch physiologische Veränderungsfähigkeit.
Man soll von einem Zuchttier, das aus einer ganz anders sich
verhaltenden Gegend eingeführt ist. nicht sofort eine große Fruchtbar¬
keit oder eine durchschlagende Vererbungskraft verlangen, denn das
Tier muß sich erst akklimatisieren, was manchem nicht sehr schnell,
manchem vielleicht gar nicht gelingt. Ich habe beobachtet, daß Olden¬
burger Bullen im ersten Halbjahr nach ihrer Ankunft in Heidedistrikten
der Umgebung Hannovers geschlechtsunlustig und wenig fruchtbar
waren, sie wurden deshalb verkauft und später zeigten sie* bei dem
neuen Besitzer eine üppige Fruchtbarkeit und eine vorzügliche Ver¬
erbung, sie hatten sich nun an die neuen Verhältnisse gewöhnt, akkli¬
matisiert.
Die norddeutschen Ticflandrinder stehen bei den süddeutschen
Tierzüchtern, besonders den Alpenbewohnern, und umgekehrt die
Simmentaler Rinder bei den norddeutschen Züchtern in dem Verdacht,
sehr leicht tuberkulös zu werden; dieser Verdacht ist beiderseits nicht
unbegründet — und weshalb? Weil die eingeführten Tiere gegen die
neuen andersartigen Einflüsse nicht widerstandsfähig genug sind und
deshalb leichter einer Infektion unterliegen.
Wenn wir auch zugeben müssen, wie gewaltig das werdende Tier
durch die Macht der äußeren Verhältnisse, durch die Scholle beeinflußt
wird, so hat die praktische Biologie aber noch die Aufgabe, auch die
Vererbungserscheinungen zu sichten. Und das ist ein Kapitel, das bald
als Schoßkind, bald als Stiefkind behandelt worden ist.
Was ist die Grundlage der Vererbung? Soviel steht fest,
daß es keine starren Vererbungsgesetze gibt, sondern nur Ver¬
erbungsregeln.
Ich will hier nicht auf die Kontroverse zwischen den Verteidigern
Forschungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 1H9
der strikten Konstanztheorie und den Anhängern der Individualpotenz
eingehen, obwohl ich schon vor 30 .Jahren zu dieser Frage öffentlich
Stellung genommen habe. Beide Parteien stützen ihre Beweisführung
auf die exorbitant durchschlagende Vererbungskraft einzelner Individuen,
manche haben es meisterhaft verstanden, diese dogmatischen An¬
schauungen „flexibel“ zu gestalten und die Richtigkeit ihrer Behauptungen
sehr stark beweisend darzustellen.
Inzwischen aber haben sich die Wogen des heftigen Streites
etwas geglättet, man gibt jetzt zu, daß die Individualpotenz die Kon¬
stanz der Rasse nicht überwindet, wohl aber mächtig unterstützt.
Was ist Vererbung? Unter Vererbung versteht man allgemein
die Tatsache, daß lebende Geschöpfe Nachkommen hervorbringen, die
ihnen nicht nur in der äußeren Form gleichen, sondern auch ihr ge¬
samtes Naturell, d. h. ihre Konstitution, ihre Lebensäußerungen und
auch ihre praktische Leistungsfähigkeit als ein mehr oder weniger
volles Erbteil (richtiger nur als Anlagen) erhalten.
Wenn wir die Kinder desselben Elternpaares vergleichen, dann
stellt sich oft heraus, daß sie wohl eine unverkennbare Familien¬
ähnlichkeit aufweisen, daß sie aber doch nicht in allem sich völlig
gleichen, sondern daß sie variieren.
Die Ursachen dieser Variation sind schwer zu ergründen; teilweise*
wurden sie schon kurz erörtert. Wir wissen, daß äußere Einflüsse
schon auf die fötale Entwicklung, noch einschneidender aber in dem
frühesten selbstständigen Leben sich geltend machen, die Geschöpfe
aber nicht gleichmäßig treffen. Darwin spricht hier von „single
Variation“, de Vries nennt das „Mutation“, eine sprunghaft auf¬
tretende erbliche Abänderung.
Diese Vielförmigkeit beruht darauf, daß das väterliche und das
mütterliche Keimplasma differieren^ daß die Keimzellen, durch deren
Vereinigung die Fruchtbarkeit überhaupt bedingt ist, von Hause aus
nicht alle die gleichen erblichen Anlagen besessen haben. Und diese
Unterschiede sind erblich!
Die Variabilität der Nachkommen bedingt mit den später ein¬
tretenden äußeren Einwirkungen die sog. individuelle oder fluk¬
tuierende Variation.
Im Keimplasma sind nur die Keime, nur die Anlagen vorhanden,
von deren weiteren Entwicklung der Aufbau des Organismus abhängig
ist, je nachdem derselbe unter günstige oder ungünstige Verhältnisse
gerät.
170 KAISKR,
Man unterscheidet eine väterliche und eine mütterliche Ver¬
erbungssubstanz. Die Anlage der Keimzelle des Mannes dominiert
vielleicht über die Keimzelle des Weibes, die regressiv ist; man hat
dies die Prävalenzregel genannt.
Die Möglichkeit der Neubildung von Rassen beruht in der Eigen¬
tümlichkeit der Vererbungssubstanz, welche in dem Zellkerne der Zelle
liegt und von Xägeli als „Idioplasma“ bezeichnet worden ist.
Wenn der bis dahin ruhende Zellkern in Bewegung kommt, wenn
er erweckt wurde, dann entwickelt er eine kolloidale netzartige oder
seifenschaumartige Masse, welche man Chromatinsubstanz nennt, weil
sie sich mit Anilinfarbstoffen färben läßt; diese schaumige Masse ballt
sich zusammen, es entsteht ein fadenartiges Knäuel oder einzelnen ab¬
gerissenen Fäden gleichende Konglomerate, welche Chromosomen ge¬
nannt werden. Man nimmt an, daß die Hälfte dieser Chromosomen
von dem väterlichen, zur Hälfte von dem mütterlichen Elter stamme.
Die individuell verschiedenen Chromosomen werden als die Träger der
Vererbung betrachtet.
Hat sich unter der Herrschaft der Chromosomen die Zelle geteilt,
dann sind in jeder dieser neuen Zelle auch wieder gleichvielc Chromo¬
somen entstanden, was man Karvokinese oder Mitose nennt.
Bei der Kopulation dringt im Samenfaden eine Spermazelle durch
die Mikropyle in das Ei, es findet die Amphimixis statt, es entsteht
weiter der Furchungskern, dieser teilt sich wiederum in zwei gleich¬
große Tochterzellen, die ersten Blastomeren, jede Tochterzellc enthält
eine gleiche Anzahl von Chromosomen und in jedem findet sich väter¬
liche und mütterliche Vererbungssubstanz je zur Hälfte.
Die Vererbungssubstanz in den Fortpflanzungszcllen erhält sich in
diesen unverändert, ihre Anlagen kommen erst zur Entwicklung, wenn
die Zellen als Ei- oder Samenzellen an der Grundlegung zu einem
neuen Individuum teilgcnommen haben. Von den Elterntieren können
daher nur solche Eigenschaften auf das Junge vererbt werden, deren
Anlagen schon in einem der beiden befruchteten Eier enthalten waren,
aus denen die Eltemtierc sich entwickelten.
Nun wird aber durch jede Teilung einer von dem befruchteten
Ei stammenden Zelle die in ihr vorhandene Vererbungssubstanz hal¬
biert, und diese würde bald durch die vielen aufeinander folgenden
'Peilungen zu einer verschwindend geringen Masse werden, wenn sie
nicht durch Aufnahme von Nährstoffen wüchse. Da ist es wohl
denkbar, daß bei dieser Assimilation Momente von Einfluß sind, die
Forschungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 171
die Beschaffenheit der Vererbungssubstanz vorändern, wodurch dann
das aus der Fortpflanzungszelle hervorgehende Produkt beeinflußt
wird. Eiweißhaltige und würzige Nährstoffe stehen hiermit an
erster Stelle.
Die in den Vererbungssubstanzen ruhenden Anlagen haben mehr
Aussichten auf die Nachkommenschaft übertragen zu werden, je größer
ihre Entwicklungsenergie ist. — Diese Aussichten stützen sieh auf
das Vorhandensein leistungsfähigerer Geschlechtsdrüsen, denn aus
solchen werden sich Keimzellen bilden, die eine größere Wachstums¬
energie die Vererbungssubstanzen enthalten.
Unsere Kenntnisse über die Ursachen, durch welche die lebenden
Zellen verändert werden, sind noch gering, vor allem wissen wir noch
sehr wenig von den Variationen der Vererbungssubstanz, die allein
maßgebend dafür sind, ob eine Eigenschaft zum vererbbaren Artmerk¬
mal wird oder auf das Individuum beschränkt bleibt, bei dem sie auf¬
getreten ist.
Die rationelle Kreuzung ist eine der schwierigsten Aufgaben des
Tierzüchters, er kann Fiasko erleben, er kann aber auch die herr¬
lichsten Triumphe feiern, wie Beakwcll, Colin und andere gezeigt
haben.
Die Messung und Wägung der Nachzucht sind regelmäßig vorzu¬
nehmen und die Resultate objektiv zu würdigen.
Die selbständigen Erbanlagen hat Weismann die Determi¬
nanten genannt.
Die aufgestellte Behauptung, daß in den Zellen ganz bestimmte
Anlagen vorhanden sind, um bestimmte Körperteile in ihrer Aus¬
bildung zu beeinflussen, wird als zutreffend angenommen.
Hier sind besonders die Färbung der Haut und der Haare unserer
Haustiere als Belege anzuführen 1 ). Daraus läßt sich auch der manch¬
mal unvermutet eintretende Rückschlag auf die Färbung der Gro߬
eltern und Urgroßeltern erklären.
In einigen Züchtervereinigungen legt man sehr großes Gewicht auf
„Hautrein“ und „Haarrein“. Von dem einwandfreiest gefärbten
Zuchtstier fallen zuweilen Nachkommen mit unerwarteter Pigmen¬
tierung der Haare auf der pigmentfreien Haut (Leucismus), dann
1) In wie weit die eintretende Schutzfärbung (Mimikry) als Stüt/.o für die
Lehre der allmählichen Anpassung der Organismen und dadurch als Sicherung
der Arterhaltung anzusehen ist, soll hier nicht erörtert werden.
172
KAISER,
wieder ist die Haut pigmentiert, nicht aber die auf derselben stehen¬
den Haare (Melanismus), solche Tiere werden eventuell in das Herd¬
buch nicht aufgenommen, auch vom Wettbewerb ausgeschlossen.
Bei der Wahlzucht sollen nun
1. ungeeignete Eigenschaften der Individuen möglichst ausgemerzt
werden, das ist die Personalselektion;
2. sollen die zur Entwickelung der Formen und der Leistung des
Tieres erforderlichen äußeren Lebensverhältnisse sorgfältig be¬
achtet werden und das führt zur Histonalselektion oder Ge¬
webeauslese, denn wir wissen, daß von dem Keimplasma aus
individuelle Abänderungen vererbt werden können, daß aber vor
allem eine passende Ernährung stattfinden muß, um den vor¬
handenen Keimen ihre Entwickelung auch zu ermöglichen, so¬
dann müssen
3. auch diejenigen Organe bei der Aufzucht geübt werden, welche
eine besondere Leistung zu entwickeln haben.
Nun wurde die Frage aufgeworfen, ob diese von den Tieren durch
raffinierte Züchtung erworbenen Eigenschaften auch vererbt werden bzw.
ob man mit Sicherlveit auf deren erbliche Uebertragung rechnen dürfe.
Weismann und seine Anhänger bestreiten dies, Lamarck bzw.
die Neulamarckianer aber geben diese Möglichkeit zu, deshalb
könne durch systematische Erziehung und Hebung verbunden mit
zielbewußter Auslese die Haustierzucht sehr erheblich vorwärts ge¬
bracht werden.
Daraus erkläre sich auch die Vererblichkeit der auftretenden
Naturspiele wie z. B. die Hornlosigkeit der Rinder, der merkwürdige
Wollcharakter des Mauchamp-Schafes etc; in auffallender Weise vererben
sich solche Naturspiele sehr leicht und wenn sie durch Wahlzucht fest¬
gehalten werden, dann können neue Rassen oder Schläge entstehen.
Daß dein so ist, müssen auch die überzeugtesten Doktrinäre zugeben,
die Samenzüchter wissen ganz genau, daß die Bestäubung durch
fremde Sämlinge energischer ist, als durch die heimatlichen
Kameraden.
Die Vererbung angeborener Eigenschaften ist in der konserva¬
tiven Vererbungskraft, die Vererbung der erworbenen Eigenschaften
ist in der progressiven Vererbungskraft begründet.
Manche Eigenschaften des Idioplasmas können auch kürzere oder
längere Zeit latent bleiben, dann aber können die Vererbungssubstanzen
wieder einmal akkumulativ wirken, z. B. die Milchergiebigkeit.
Forschungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 173
Je reiner die Rasse, desto sicherer ist die Vererbung. „An ihren
Früchten sollt Ihr sie erkennen.“
Der Stammbaum liefert wertvolle Anhaltspunkte über die dem
Besitzer desselben etwa eigentümliche Schnelligkeit, Ausdauer, Zähig¬
keit, Widerstandsfähigkeit gegen krankmachende Einflüsse, Langlebig¬
keit, Temperament, Charakter, Naturell, Frühreife, Mastfähigkeit,
Körperschwere, Fruchtbarkeit, Höhe und Dauer der Laktation, Woll-
charakter, Spürsinn etc. Aber der sehr lange Stammbaum darf
doch nicht allein bei der Wahlzucht entscheidend sein, sondern jedes
Individuum muß auch auf seinen persönlichen Wert geprüft werden.
Auch die Attribute des Patrimoniums und des Matrimoniums sind zu
beachten.
Uebrigens darf man nicht ohne weiteres bestreiten, daß auch die
Produkte von Mesalliancen übertragbare Eigenschaften und manchmal
sogar in reichem Maße besitzen können, man muß deshalb auch dem
Mischling, dem Parvenü ein Vererbungsrecht gegenüber dem hoch¬
gezogenen Sprößling eines alten Patriziergeschlechtes zugestehen.
Die Vererbungskraft ist bei den Tieren, abgesehen von ihrer
vollen Gesundheit, im mittleren Lebensalter sicherer als bei sehr
jungen und sehr alten Tieren.
Manche Tiere vererben sich durchschlagender in ihren Söhnen,
andere mehr in ihren Töchtern.
Vollblut soll vorzugsweise den Rumpf, den Leist, die Muskulatur,
den sogen. Schneid vererben, Halbblut mehr die Extremitäten, das
Vatertier soll sein Vorderteil, das Muttertier die posteriora leichter
vererben.
Erörtert man die Vererbungserscheinungen, dann kann man die
sogenannten Erbfehler und die Erbkrankheiten nicht ignorieren.
Aus den Deduktionen Weismanns und aus der Erfahrung
praktischer Viehzüchter folgt, daß diese Schreckbilder älterer Zeit
ganz erheblich verblaßt sind.
Weismann meint, daß eine Vererbung von Krankheiten über¬
haupt unmöglich sei. „Wenn Krankheiten während des Einzellebens
entstehen, so stelle dieses einen abnormen Vorgang, nicht aber ein
Wesen dar; es gibt nur eine Vererbung von Krankheitsanlagen
und diese finden sich im Keimplasma, sie sind aber nicht die Folge
einer gleichsinnigen Uebertragung lokaler, während des Einzellebens
erworbener krankhafter Veränderungen auf die Determinanten des
Keimplasmas.“
174
KAISER,
Bis in die Neuzeit suchte man die hereditäre Belastung auf
solche pathologische Gewebsveränderungen zurückzuführen, welche
durch sogenannte innere Reize bedingt, langsam sich heranbildeten
und nach längerem Bestehen sozusagen konstitutionell wurden und
damit die Eigenschaft erlangten als Anlage mit besonderer Sicherheit
sich zu vererben, während durch äußere, traumatische Einwirkungen
hervorgerufene Zustände in den Kindern nicht wieder erscheinen.
Diese Erklärung ist in ihrer ersten Hälfte nicht richtig. Ich
sage: Erbfehler sind begründet in einer Schwäche des Neu¬
geborenen, dessen Vater oder Mutter oder beide eine chro¬
nische Erkrankung oder Aplasie, Atrophie oder Panmyxie
desselben Organes besaßen — dann haben diese Organe des
Kindes sehr oft eine geringere Widerstandskraft gegen an sich nicht
übermäßige Reize, sie verfallen leichter in die Krankheiten ihrer
Eltern.
Koller, Kehlkopfpfeifen, Dämpfigkeit und manche Augenfehlcr
verdanken ihre Entstehung zum Teil allerdings einer oft recht stark
entwickelten Anlage und ererbten Konstitution; allbekannt ist ja, daß
in manchen Familien geistige Störungen, Atmungsfehler, Sehschwache,
usw. scheinbar erblich auftreten.
Manche Krankheiten aber, die man früher als direkt vererblich
ansah, sind jetzt als einfache Infektionskrankheiten erkannt, z. B.
Mondblindheit, Tuberkulose usw.
Bei Kälbern sieht man allerdings nicht selten angeborene Tuber¬
kulose, doch ist auch diese nur eine germinative oder plazen¬
tare Infektion durch den Tuberkelbazillus, wobei naturgemäß die
plazentare, also mütterlicherseits veranlaßte Erkrankung fast nur allein
in Frage kommt.
Auch die durch das Feberstehen einer Krankheit erworbene
Immunität ist nicht vererblich, z. B. Pocken, Maul- und Klauenseuche,
Druse, Brustseuche usw.
Ebensowenig ist auch der durch Impfung erlangte persönliche
Schutz vererbbar. Theoretisch zweifelt man nicht, daß bei aktiver
Immunisierung, durch künstliche Infektion die Bildung von Schutz-
stoffen im mütterlichen Blute erfolgen könne und — wenn sie in
der Plazenta passierbar sind — dann auch eine Immunisierung des
Fötus zu ermöglichen vermöchten.
Die durch äußere Einwirkungen hervorgerufenen Krankheits¬
zustände zeigen noch weniger Neigung zur erblichen Febertragung.
Forschungszielc und -orgebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 175
Gefürchtet ist bei Pferdezüchtern Spat und Schale. Wenn ein
ganz normales, vielleicht sogar herkulisch gebautes Spmnggelenk
deshalb spatig wird, weil es fortgesetzt überanstrengt wurde, so
ist dieser Spat nicht vererblich, ein vom Mutterleibe aus mit
mangelhafter Konstruktion oder großer Schwäche versehenes Gelenk
kann dagegen schon nach einer keineswegs übermäßigen Anstrengung
spatig werden, man kann hier also auch nur von einer Anlage reden.
Daß die durch äußere Einwirkungen erworbenen Eigenschaften
nicht vererblich sind, wird bewiesen durch das Kupieren der Ohren
und des Schwanzes bei Hunden bezw. Pferden, durch die seit
5000 Jahren übliche Zirkumzision der Juden, die Perforation des
Hymens, die verkrüppelten Füße der Chinesen, die durch schlechten
Beschlag deformierten Hufe der Pferde.
Zu den Fehlern und Mängeln im engeren Sinne rechnet man
für gewöhnlich die Formfehler bei der Kritik eines Tieres nicht
und doch sind diese sog. Schönheitsfehler oft von sehr großer
Bedeutung; ich erinnere nur an die mangelhaft geformte Wirbelsäule,
die Länge und die abnorme Stellung einzelner Knochen der Extremi¬
täten, wozu auch die mangelhafte Einschienung des Tarsalgelenkes
gehört. All diesen Mißständen liegt wohl eine erbliche Anlage
zugrunde, je nachdem aber müssen doch noch besondere Reize ein¬
wirken, welche die schlummernde Krankheitsanlage zur Entwickelung
bringen oder aber die fraglichen Körperteile waren vom Mutterleibe
aus nicht kräftig genug, um den gewöhnlichen Reizen erfolgreich zu
widerstehen.
Als Korrektiv kann hier nur die mit größter Subjektivität be¬
wirkte Zuchtwahl, die Sachgemäßeste Aufzucht, Haltung, Pflege und
Benutzung in Frage kommen, es ist dafür zu sorgen, daß die Ent¬
wickelung der in der Anlage vorhandenen Unregelmäßigkeit
oder Krankheit erschwert oder gänzlich verhütet werde;
das ist auch eine Aufgabe der Hygiene, aber auch der Konstitutions-
Pathologie und Therapie und nicht zuletzt auch der praktischen Bio¬
logie. Die künstliche Zuchtwahl, nicht die natürliche Wahlzucht,
muß hier besonders vorsichtig gehandhabt werden. Passendes mit
Passendem gepaart gibt Passendes, Gutes mit Besserem gepaart gibt
Besseres, Gleiches mit Gleichem gepaart gibt Gleiches, dagegen führen
diametrale Extreme nicht zum Ausgleich, wohl aber zu Karrikaturen,
denn Krankes mit Krankem gepaart kann etwas Gesundes nicht
geben; Hecht- und Ramskopf, Mäuse- und Kuhohren, Senkrücken
176
KAISER, Forschungsziele und Forschungsergebnisse usw.
und Spannrücken, Bockbeinigkeit und Kalbbeinigkeit, überbogigc und
ungebogene Wolle pp. können hier als Beweise gelten.
Ob die Stärke oder Dicke der Vordermittelfußknochen, der Röhre
der Pferde, vererblich ist, muß noch bewiesen werden.
Versuchen wir es nun, alle die erwähnten Anschauungen und
Behauptungen, alle sogenannte Erfahrungsgrundsätze und Axiome
jedes Beiwerkes zu entkleiden, stellen wir uns auf eine rein objektive
Basis, dann müssen wir zugestehen, daß der Schöpfer seine Geschöpfe
nicht unter starre, unbeugsame Vererbungsgesetze gestellt hat, er hat
ihnen vielmehr einen sehr großen Spielraum zu ihrer Entwickelung,
zu ihrer Anpassung, zu ihrer Variation gegeben, er läßt sogar
Bastardierungen zu, aber er hat auch dafür gesorgt, daß keine Ent¬
artungen eintreten, indem er den Tierbastarden ein Vererbungsrecht
nicht verliehen hat.
Wir wünschen und hoffen, daß es der Deutschen Gesellschaft
für Züchtungskunde gelingen möge, aus der Fülle der Abstraktionen
und Deduktionen autorative Lehrsätze — sine ira et studio — zu
formulieren, welche sich auf objektive, wahrheitsgetreue Beobachtungen
stützen, manches Rätsel wird dann seine Lösung finden: zum Segen
der landwirtschaftlichen Tierzucht.
X.
Aus dem pathol.-anatom. Institut der Kgl. Tierärztl. Hochschule iu München.
Knochensequestration am Vorarm eines Fohlens.
Von
Prof. Dr. Kitt.
(Mit 3 Textfiguren.)
Eine der interessantesten Heilreaktionen, die im Körper des Men¬
schen und der Tiere bei Gewebsläsionen sich einstellen, ist die natür¬
liche Reparatur solcher Knochendefekte, bei welchen ein abgestorbenes
größeres Knochenstück durch eine ringsum sich entwickelnde Knochen¬
lade sowohl abgekapselt, wie der Funktion nach wieder ersetzt wird.
Der Vorgang dieser Sequestration und der Bildung des
neuen Knochens ist in der Chirurgie des Menschen viel bekannt,
besonders bei Knochenbrüchen und eitrigen Periostitiden beobachtet,
wo größere nicht resorbierbare tote Fragmente im Kallusgewebe zum
Einschluß kommen oder ein vom Periost entblößtes Knochenstück
nekrotisch wird.
Bei den Haustieren sind solche Frakturen und Knochennekrosen
zwar auch häufig, aber der volle Ausbau einer Totenlade wird selten
beobachtet, weil er wegen der Langwierigkeit des Heilvorganges ge¬
wöhnlich nicht abgewartet wird, sondern der Tierbesitzer es vorzieht,
der Unkosten und Kurschwierigkeiten halber, das kranke Tier töten
zu lassen.
Nur die kleinen umschriebenen partiellen Nekrosen, wie sie an
den Hals-, Rücken- und Schweifwirbeln, an der Kieferlade, am Strahl-
und Hufbein nach traumatischen Läsionen und Eiterungsprozessen zu¬
stande kommen, sind häufiger Gegenstand der Behandlung, weil hier
durch operative Eingriffe der nekrotische Teil eher zu beseitigen und
eher ein Abschluß der Eiter- und Fistelbildung zu bewerk¬
stelligen ist.
Archiv f. wissenseb. u. prakt. Tieibeilk. Bd. 36. Sappl.-Band.
12
178
KITT,
Abkapselung fingerlanger Knochenstücke bei großen Splitter-
frakturen ist vornehmlich beim Wilde als Beispiel der großen vis
raedicatrix naturae anzutreffen, wo gelegentlich eine mächtige Kallus¬
masse das ganze doppelt abgebrochene Röhrenstück des Unterschenkels
von den gesunden Epiphysen aus umwächst, verknöchert und so dem
Fuße wieder Halt gibt. 1 )
Totalnekrosen sind am öftesten am Vorarm des Hundes bei trau¬
matischer eitriger Periostitis zu sehen, wo neben der Eiterung eine
gleichzeitig von der gesunden Ulna oder den Epiphysen des Radius
ausgehende Osteophytenwucherung das nekrotische Stück mantelartig
umgibt und bis zu einem gewissen Grade den Defekt ausgleicht, hier
jedoch zu keiner vollständigen Heilung führend, weil die monatclange
Eiterung und Fistelbildung das Tier kachoktisch werden läßt und der
lokale Zustand nie eiterungsfrei wird. 2 )
Bei der Seltenheit typischer Totenladen-Sequestration größeren
Umfangs beim Pferde dürfte die nebenstehende Abbildung eines
solchen Falles interessant erscheinen; ich verdanke das seltene Prä¬
parat der Gefälligkeit des Herrn Distriktstierarztes Wöhner (Hornbach
in Lothr.). Es handelt sich um die traumatische Nekrose der
ganzen Voramdiaphyse der linken Vorderextremität eines
Fohlens, bei dem ein vollständig neuer Vorarmknochen in der
Fonn einer Totenlade entstand, welche den alten Radius total seque¬
strierte und ihren Hohlraum eingeschlossen hat. Das Fohlen kam im
Februar 1904 zur Welt und war von der Stute, welcher die Eisen
nicht abgenommen worden waren, getreten worden. Als Einsender
das Fohlen zur Behandlung bekam (erst Mitte April) zeigte es den
bis zum Karpus mächtig angeschwollen und aus mehr als einem
halben Dutzend Fistelöffnungen eiternd. Von der Schulter ab ließ
das Tier den kranken linken Fuß herabhängen, ohne sieh irgend wie
darauf zu stützen. Da die Eiterung aus den vielen Fistelöffnungen
bei einem Behandlungsversuch nicht nachließ, wurde die Diagnose auf
die Anwesenheit eines großen Knochensequesters gestellt und bei den
geringen Aussichten für baldige Heilung das Tier im Juni getötet. Es
hat sonach 3—4 Monate an dem Leiden laboriert. An den mir in
bereits mazeriertem Zustande übermittelten, nebenstehend photo¬
graphisch abgebildeten Knochen der Vorarme beider Extremitäten ist
1) Abbildung s. in meinem Lehrbuch der pathol. Anatomie der Haustiere,
111. Aufl. Stuttgart, F. Enke, 1906.
’l) Abbildung, loc. cit.
'itn Vonim» ni oiv* l»V»Mens. 17 ü
ii'1 'i-T VVirhailfitv,.' <S>> mul <j.s kr:i*»i< ümvrK'n»'»
V uruiii> uml i!ii i;mb;.sfüm fiims Uluiini Smj.j. ■;><{,,\i-u- Knoi-hni-
rt'^M'rjitibü ersi' , )iUieh. • ‘ - ■
(v'ii'St»
■J ’•
P«*r Vurarot f I i’v. h o*r».> Dmpliv v’Ji--
lautm --. <•() .Uii, i.-.i iVi Hüll'- rt— f 'apmituir. müi .ui |||$
>0' ‘W i'tctt tiinl
iiialcr SclilaMlifjiyt dal) • r u> :trr Miur iji - f’f.rjni- -j um; ä • m
l'fit i».t iüi'l fit! r nur 8 ;1 I iti rVufuiijr lim Y Mi, -!i |. Mliiiil'iitos.i -Iiü
Kijipliyseo hat . <Jk; \ • <'o div ornoiv Pjjf$ Hiih*-. In/i
fwtgttfv iiit ri(>nuul. ' y.'J:'; *‘ r "
180
KITT,
Der kranke Vorarm präsentiert sich äußerlich als stark verdickter
Radius. Die Epiphysen sind ebenso scharf abgegrenzt wie beim ge¬
sunden, die obere ist 7 cm breit und 1 cm hoch, die untere 7,5 cm
breit und 3 cm hoch; letztere ist also nach der distalen Fläche zu
dicker, auch an der äußeren Oberfläche etwas durch ossifizierende
Periostitis rauhwarzig. Die Diaphyse ist 21 cm lang und durchaus
nicht unter 5 cm breit; sie erscheint also im mittleren Korpusteil
nicht schlanker, sondern das ganze Corpus radii hat eine dicke plumpe
Form; sein Umfang bemißt sich in der Mitte auf 15,5 cm im
unteren Drittel auf 16—17 cm, im oberen am collum radii ebenfalls
auf 17 cm. Das Spatium interosseum ist erhalten. Die Facies
articularis carpea des Radius ist etwas rauh, angefressen, ebenso zeigen
die Ossa carpi superiora usurierte Gelenkflächen und periostale Rauhig¬
keiten.
Der neu zugebildete verdickte Radius ist auf der Oberfläche nicht
so glatt wie der normale, sondern mehr sammetartig, auf der hinteren
dem Muskelansatz dienenden Fläche ziemlich rauh; am unteren und
oberen Ende läßt er gerade so wie der normale Radius des anderen
Fußes die der Architektur entsprechende Längsrichtung der Knochen-
bälkchen erkennen.
Verstreut über die ganze Diaphyse finden sich Oeffnungen von
Hirsekorn- bis Erbsengroße, 1—10 mm breit, durch welche man
mit ebenso dicken Sonden eindringen kann; die größeren Löcher sind
namentlich auf der medialen und lateralen Seite, auf der vorderen
Fläche die kleineren. Diese Ausflußlöcher des Eiters sind rundlich
wie ausgebohrt, teilweise etwas unregelmäßig rundlich ausgebuchtet,
einzelne mit niedrigem, rauhem, osteophytärem Randwulst umgeben.
Beim Schütteln des Knochens hört und spürt man, daß im Inneren
»‘in Sequester hin und her schlottert, ähnlich wie in einer Schublade
ein loses Holzstück bei Bewegung sich bemerkbar macht.
Beim Aufsägen des Knochens, welches so vorgenommen wurde,
daß eine förmliche Türöffnung entstand, erblickte man den Sequester
als ein Knochenstück von 17Y2 cm Länge, 2— 2 V 2 cm Breite, das
offenbar den ganzen Radius vorstellt, in der Totenlade ruhend.
Dieser Sequester hat eine braungraue, poröse, bimssteinähnliche
und zerfressen aussehende Oberfläche und ist knochenhart.
Die Totenlade liegt dem Sequester nicht dicht auf, sondern dieser
liegt ganz lose darin, wie in einer Truhe, so daß ringsum ein
Zwischenraum von ungefähr 1 cm gegeben ist. Die Wände der
Knorlicnset|a6stvation -am Votarni ei am Pohlens,
'
ToteuMn sififl ko irt|mi< t er
ri:r lirioehotißiissf? %o\v
ifiinthstthiöttiwJi i om [>i,;ko <ai< der dcinitsteu Suite 5
P/g. 1
durehbrn-feen von d<MJ Kloakotj, urnl jjriir rin der in nerv n dem
SiMincster xogcwendLide» flächt? auf Kam« 1 iom
•• : • , , • * /. i ' .
.
182
KITT, Knochensequestration am Vorarm eines Fohlens.
Tiefe etwas spongiös aber rauh und furchig uneben. Die Totenlade
ist somit derart dickwandig und auch in der anatomischen Form so
der Diaphyse des Radius nachgebildet, daß sie einen vollkommenen
knöchernen Wiederersatz des abgestorbenen Röhrenknochens hinsicht¬
lich der Gestalt und Tragfähigkeit repräsentiert, indes die andauernde
Eiterung die Heilung unvollkommen erscheinen läßt.
Theoretisch könnte man denken, daß durch Scquestrotomie (die
aber in einem solchen Falle beim Tier sehr schwierig ist und bis
zur Sistierung der Eiterung vielwöchige Wartezeit bedingen würde)
eine Heilung vielleicht möglich gewesen wäre, aber der kachektische
Zustand und die Komplikationen der Eiterung in den Weichteilen
wären auch noch in Betracht gekommen.
Da es sich um eine Totalnekrose der ganzen Diaphyse handelt,
muß man annehmen, daß durch den schweren Tritt, welchen die
Stute mit eisenbeschlagenem Fuße dem Fohlen zugefügt hat, entweder
die Diaphyse an ihren beiden Enden von den Epiphysen losgetrennt
wurde, ohne aus der Lage zu kommen, oder daß die schwere trauma¬
tische Verletzung eine derart umfangreiche Abtrennung und Vereite¬
rung des Periosts bedingte, daß das ganze Mittelstück des Vorarms
nekrotisch wurde, oder es war beides zusammentretfend. Bei Fraktur
erwartet man in der Regel eine Dislokation der Fragmente, doch tritt
solche Verschiebung nicht jedesmal ein.
Es ist ganz gut denkbar, daß in vorliegendem Falle die Diaphyse
zwar an beiden Enden abgebrochen ist, aber die starken Gelcnks-
bänder und das Ellenbogenbein soviel Halt gaben, daß die Diaphyse
den Epiphysen adaptiert blieb, worauf sowohl von den Epiphysen aus,
wie von der osteogenen Schicht des mehr oder minder abgerissenen
Periosts, welche beide bekanntlich eine erstaunliche Reproduktions¬
kraft namentlich am jugendlichen Individuum besitzen, die starke und
große Totenlade erbaut wurde, welche, da keine Dislokation bestand,
die Form und Längenausdehnung des Radius erhielt.
XI.
Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin
(Vorstand: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Schütz).
Untersuchungen über die Einwirkung der Kastration auf
die Hypophyse bei Pferden.
Von
Dr. H. Kühn, Stabsveterinär.
Im Jahre 1905 veröffentlichte Fichera im Arch. ital. d. ßioiog.
in der Arbeit: „Sur l’hypertrophie de la glande pituitaire consecu-
tive a la castration“ Versuche, aus denen er folgerte, daß die Hypo¬
physe kastrierter Tiere ein größeres Volumen und schwereres Gewicht
hat als die der normalen Tiere derselben Art und eine auffällige
Vermehrung der eosinophilen Zellen zeigt.
Auf Anregung des Herrn Geheim rat Schütz übernahm* ich es
an dem in seinem Institut zur Verfügung stehenden Material zu
prüfen, ob die von Fichera besonders bei dem Geflügel, den Meer¬
schweinchen und Kaninchen, aber auch bei Büffeln und Rindern be¬
obachteten Erscheinungen bei Pferden zuträfen, d. h. festz’ustellen, ob
auch bei diesen die Kastration einen Einfluß auf die Größe
der Hypophyse ausübe.
Obwohl Embryologen, Histologen, Physiologen und Pathologen
nach den verschiedenen Richtungen hin über Bau und Funktion der
Hypophyse Klarheit zu schaffen suchten, müssen wir doch bekennen,
daß unser Wissen bisher nicht wesentlich gefördert ist.
Bekanntlich ist der Gehirnanhang aus 2 Teilen zusammengesetzt,
deren Heterogenität sowohl in Bau wie Genese festgestellt ist; der
Hinterlappen (beim Menschen, denn bei den Tieren ist z. T. eine
andere Lagerung vorhanden) ist ein Hirnteil, der Vorderlappen eine
vom Ektoderm stammende Drüse.
Virchow nennt den Hinterlappen Filum terminale anterius und nach
Ben da ist die primäre Endigung des Medullarrohrs in der Gegend des Hypophysen¬
lappens zu suchen. Der Hinterlappen besteht vorwiegend aus Neuroglia, die
allerdings weniger entwickelt ist, als die des Gehirns; es fehlen ihm die nach
Weigert für das Gehirn und Rückenmark charakteristischen Fasern, dagegen
184 KUEHN,
findet sich darin weit mehr echtes kollagenes Bindegewebe als sonst im Gehirn.
Er'enthält ferner Nerven und Ganglienzellen, aber keine markhaltigen Nervenfasern.
Alle Gebilde erscheinen rudimentär, die Ganglienzellen sind stark pigmentiert und
enthalten nicht die basophilen Nisslkörperchen.
Der vordere, drüsige Teil des Gehirnanhangs hat sich, wie die Untersuchungen
von W. Müller, Mihalkovicz (40) und Anderen gezeigt haben, aus der primi¬
tiven Mundhöhle gebildet und repräsentiert nichts anderes als das Homologon
einer Ausstülpung dieser Höhle im embryonalen Stadium (Rathkesche
Tasche). Um die Zeit der Bildung der Schädelbasis schnürt sich diese Aus¬
stülpung von der Mundhöhle ab, obwohl sie mit der letzteren noch eine gewisse
Zeit lang durch einen Kanal, den sog. Hypophysengang, im Zusammenhang
steht, welcher später vollständig obliteriert. Vor dem gänzlichen Verschluß dieses
Kanals beginnt das Epithel am unteren Teile des ausgestülpten Säckchens, an der
Stelle, wo es sich mit dem Gang verbindet, zu wuchern und zu einem soliden Fort¬
satz nach vorn und oben auszuwachsen. Das Lumen des Hypophysensäckchens
entsendet in den soliden Fortsatz eine kleine Bucht. Der Hypophysengang verliert
sein Lumen und stellt einen dünnen soliden Epithelstrang dar, der das Epithel des
Schlundes mit dem soliden Fortsatz des nypophysensäckchens verbindet und
zwischen beiden Keilbeinknorpeln verläuft.
Peremeschko (44) sah auf Querschnitten der menschlichen und tierischen
Drüse spaltförmige Zwischenräume, welche scheinbar einen Teil der Drüse
von dem andern trennen. Auf dem durch die Mitte gehenden Horizontalschnitt
einer in Alkohol oder Müllerscher Flüssigkeit gehärteten Hypophysis unter¬
scheidet er:
1. den vorderen drüsigen Teil von grauroter Farbe, 3 / 4 des Schnittes
einnehmend: die Korkschicht,
2. den Kanal mit einem in diesem Teil sichelförmigen Verlauf von rechts
nach links,
3. einen schmalen, den hinteren Teil der Drüse halbkreisförmig umgebenden
Streif, der sich durch die weiße Farbe von dem vorderen Teil unterscheidet: Mark-
Schicht,
4. den hinteren Teil der Drüse von grauweißer Farbe,
o. eine schmale Schicht von schwammiger Substanz, welche den
hinteren Teil mit der Kapsel verbindet,
l». eine weiße Schicht von glänzender Farbe, welche ungefähr Vs des
ganzen Schnittes cinnimmt und als eine Verdickung der Kapsel erscheint.
Flesch (21) machte zuerst auf die differente mikrochemische Re¬
aktion der beiden Zellarten der Hypophysis aufmerksam, welche nach der Färbung
mit Weigertschem Eisen-Hämatoxylin oder nach der Merke Ischen Indigo-Borax¬
karminfärbung mit den beiden Zellarten der Labdriisen des Magens so sehr über-
cinstimmen, daß die Bilder fast zum Verwechseln ähnlich sind.
Lothringer (88) hat unter Fleschs Leitung weitere Untersuchungen aus¬
geführt. An den nach Merkel gefärbten Schnitten einer Hypophysis des Hundes
sieht man zwischen den grasgrünen Gefäßstrecken tief dunkelblaue und rote Zell¬
inseln erscheinen. Die dunkle Färbung rührt von der Existenz chromophiler
Zellen her, die im Epitbelsaum fehlen. Die Zellen in den Zwischenräumen des
Gefäßmaschenwerks sind meist in Ketten angeordnet, welche 2—3 Zellkörper in der
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d.Hypophyse b. Pferden. 185
Querrichtung gleichzeitig erkennen lassen; dort, wo sie im Querschnitt getroffen
sind, sicht man einen ganz engen, von den Zellen umgrenzten Hohlraum, etwa dem
Durchmesser einer Zelle gleich. An feinen Schnitten tritt sehr deutlich eine Be¬
ziehung der Zellen zu den Gefäßen hervor, sie sind denselben wie ein Epithelbelag
angelagert und zwar ist es meist die größere von den beiden Zellformen, welche
der Endothelwand der Gefäße unmittelbar angelagert erscheint. Die das Lumen
des Schlauches begrenzenden Epithelion sind gebildet aus ein wenig langgestreckten,
oft zylindrischen Zeilen, deren freie Fläche scharfkantig abgestutzt erscheint. An
manchen Stellen zeigen sich unmittelbar unter den zylindrischen (die Schläuche
begrenzenden Zellen) zuweilen sich eindrängend größere, bei Karmintinktion un¬
gefärbte Zellen, welche durch ihr homogenes Aussehen an Becherzellen erinnern.
Beim Pferde hat L. eine Hypophysenspalte nicht gefunden, gleichwohl ist färbe¬
risch die Abgrenzung eines epithelialen Körpers in sehr differenter Weise zu be¬
obachten. Es sind auch hier die Zellformen, welche sich für oben genannte Farb¬
stoffe auszeichnen, im Epithelkörper so angehäuft, daß dessen Färbung bei An¬
wendung geeigneter Reagentien dunkler erscheint als die des von solchen Zellen
freien Gebietes. Nun ist leicht die Existenz einer schmalen, dem Hirnteile sich
anschließenden Zone zu erkennen, sie entspricht dem Epithelsaum des Hundes.
Sie entbehrt gleich diesem der chromophilen Zellen, enthält Zysten, deren Inhalt
in höchst auffälliger Weise in seinem Tinktionsvermögen mit den großen Zellen
übereinstimmt; Eosin, Hämatoxylin-Indigo und Osmiumsäure zeigen die gleiche
Prädilektion für den Inhalt jener Zysten, sodaß man auf eine Beziehung zwischen
beiden zu schließen geneigt ist.
Die Verteilung der Zellformen scheint sich so zu gestalten, daß die chromo¬
philen Zellen an der Oberfläche in einer schmalen Zone, die dem Piaüberzuge fest
anhaftet, angehäuft sind und sodann in dem dem Epithelsaum des Körpers an¬
grenzenden Teil sich in größerer Menge finden.
In diesen beiden Gebieten finden sich an Hämatoxylin-Präparaten oft ganze
Schläuche von tief schwarzer Farbe, während in dem von ihm umfaßten, schon
makroskopisch helleren Teil die Zellen zerstreut liegen, den einzelnen Schläuchen
angefügt, etwa wie die Labzellen den Magendrüsen der Hauptzellen. Die Gefäße
sind da am reichlichsten verteilt, wo sich die meisten chromophilen Zellen finden.
Durch die Untersuchungsergebnisse wurde L. darauf geführt, daß in der Hvpo-
physis Bestandteile enthalten sind, welchen eine aktive chemische Funktion zu¬
kommt. Die Reaktionen der chromophilen Zellen sind die gleichen, wie die der
Belegzellen der Magendrüsen, deren chemische Aktivität unbezweifelt ist. Schwierig
ist allerdings die Frage zu beantworten, welcher Art die Tätigkeit der Hypophysis
sein könnte. Hier scheint L. aber durch das Verhalten der Kolloidsubstanz ein
positiver Hinweis auf eine sekretorische Tätigkeit, wie sie von den meisten Seiten
dem Vorderlappen der Hypophysis zugeschrieben wird, gegeben zu sein. Wenn
auch eine absolute Identität nicht bestehe, so fehle es ja nicht an Analogien aus
der Physiologie des Pankreas und der Magendrüsen, welche dafür sprechen, daß
das Sekret in den Driiscnzcllen nicht in seiner fertigen Zusammensetzung enthalten
sei. Dann müssen wir freilich annehmen, da ein Abfluß jenes hypothetischen
Sekretes auf freie Flächen nicht denkbar ist, daß cs der Resorption in den Hohl¬
räumen des Organs anheimfalle. Die Durehflechtung der epithelialen Elemente mit
186 Kl'EHN,
weilen dünnwandigen Gefäßschlingcn wäre damit vielleicht in Zusammenhang zu
bri ngen.
Nach Dostoicwsky (17). der gleichzeitig niitFlesch seine Pntersuchungen
vorgenommen hatte, besteht das Parenchym ausschließlich aus in Drüsenbläschen
gelagerten Zellen: Die körnige Masse und die freien Kerne, welche von manchen
Autoren beschrieben werden, sind Zerfallsprodukte der Zellen. Die Zellen sind
nicht gleich, sondern zweierlei Art, die einen sind grobkörnig, messen 0,015 bis
0.025 mm und besitzen eine dunkle Farbe, die anderen sind viel kleiner, voll¬
kommen homogen, klar und hell. Bei Hämatoxylin-Eosin färben sich die körnigen
Zellen tief rosa, die Zellen der zweiten Art nehmen an dieser Färbung fast gar keinen
Anteil. Nach Färbung in */ 4 —'/ 2 proz. Lösung in Ueberosmiumsäure und Färbung
in Pikrokarmin sind die körnigen Zellen dunkelbraun, die übrigen blaßgelblich.
Die körnigen Zellen sind größer als die homogenen und resistenter gegen Säuren
und Alkalien, während die hellen Zellen dabei aufquellen und zerfallen.
Rogowitsch (49) beschreibt außer den bisherigen beiden Zellsorten noch
eine dritte, die er Kernhaufen nennt: Reichliches, unfertiges, unbegrenztes Gewebe:
Kern an Kern in mehr oder weniger gleichmäßiger spärlicher, nicht differenzierter
Grundsubstanz, die sich beim Färben wie das Protoplasma der Hauptzellen verhält.
In dem von chromophilen Zellen freien dreieckigen Raum, welcher die vor¬
deren. mittleren Partien der Drüsenschicht cinnimmt und nach vorn allmählich in
ein der Markschicht ähnlich gebautes Gewebe übergebt, sieht man nur Kernhaufen:
deutliche Hauptzellen sind kaum nachzuweisen. Tn der die Kerne umgebenden
(nach Merkel bläulich gefärbten) Substanz finden sich ziemlich selten scharf be¬
grenzte kleine runde Löcher (Vakuolen).
Funktionell zerfällt der ganze epitheliale Teil der Drüse nach Rogowitsch
in zwei Abschnitte:
a) Die Zellen der Markschicht und Mantelschicht liefern freies
Kolloid, welches entweder unmittelbar dem Blutstrom übergeben wird oder sich in
kleineren und größeren Zysten ansammclt,
b) In den chromophilen Zellen wird das Kolloid gewissermaßen ge¬
bunden in ihrem Protoplasma angetroffen, um aller Wahrscheinlichkeit nach eben¬
falls in den Säftestrom aufgenommen zu werden.
Stieda (57). der die Versuche Rogowitschs nachprüfte, konnte die Be¬
hauptung desselben inbetreff der Kernhaufen nicht als zutreffend ansehen. Dagegen
kann er den neuen Befund Rogowitschs über das Vorhandensein der Vakuolen
bestätigen, er findet sie in dem hellen feingranulierten Protoplasma der Haupt¬
zellen des dreieckigen Raumes, aber nicht mit so scharfen Rändern: er hat den
Eindruck, als ob sich das zarte Protoplasma stellenweise verflüchtigt hätte. Selten
findet sich die Vakuolenbildung auch an den Hauptzellcn der übrigen Driisenab-
schnitte, nicht aber an den chromophilen Zellen.
Die von Stieda beobachtete Vergrößerung der Hvpophvsis nach Entfernung
der Schilddrüse beim Kaninchen beruht nach seinen Präparaten im Wesentlichen
auf einer Hypertrophie, besonders der Hauptzellen des dreieckigen Raumes, ver¬
bunden mit erhöhter Vakuolisierung.
Mit Rogowitsch nimmt er an, daß diese schnell auftretende Hypertrophie
der Ausdruck einer erhöhten Tätigkeit der Hypophysis sei. welche fiir den Ausfall
der Schilddrüse cintritt. Welcher Art diese Funktion sei, vermag er nicht zu
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b.Pferden. 187
sagen. Dieselbe als vermehrte Kolloidbildung aufzufassen, erscheint deshalb nicht
zulässig, weil weder er noch R. eine stärkere Ansammlung von Kolloid in den
Follikeln der Hvpophysis hat nachweisen können.
Schocnemann (54) findet, daß der Zell leib der chromophilen Zellen Loth¬
ringens bald mehr Kosin. bald mehr Hämatoxvlin annimmt und stellt somit die
eosinophilen den blauen oder zyanophilen gegenüber, erstere sind bei manchen
Drüsen im Uebergewioht vorhanden. Sodann erwähnt er besonders 2 Kernformen
einmal vereinzelte, besonders große, bläschenförmige Kerne von doppeltem Durch¬
messer der anderen, die Chromatinkörper in weiten Distanzen, der ganze Kern wie
aufgebläht, und im Gegensatz hierzu an dem gleichen Objekt auffallend kleine
Kerne rund, und sehr dunkelgefärbt, entweder ganz gleichmäßig, oder die Chroma¬
tinkörner sehr dicht gelagert. Es ist ihm nicht unwahrscheinlich, daß bei der Um¬
wandlung der kernreichen Protoplasmastränge der normalen Hypophyse zu den
Haufen der chromophilen Zellen zellige Elemente zu Grunde gehen; denn im
Durchmesser der normalen Stränge sind 8—10 Kerne, während bei den dichten
Haufen chromophiler Zeilen durchschnittlich 5 Kerne vorhanden sind. Außerdem
sind diese chromophilen Zellen oft in Form eines einschichtigen Epithels um ein
Bläschen angeordnet, das bald mit einer mehrkörnigen bald transparenten kollo¬
iden Masse ausgefüllt ist, in der ebenfalls manchmal Kernreste nachzuweisen sind,
sodaß möglicherweise dieser Inhalt aus umgewandelten chromophilen Zellen hervor¬
gegangen ist.
Es ist zweifelhaft, ob das Kolloid aus Drüsenzellen durch Umwandlung des
Protoplasmas oder durch Koagulation eines von den Zellen gebildeten flüssigen
Sekretes entsteht. Schoenemann glaubt ersteres annehmen zu müssen. Manches
deutet auf chromophile Zellen hin, deren Protoplasma ganz oder teilweise homogen,
stark glänzend mit Eosin intensiv gefärbt ist, sodaß man sie, wenn nicht der un¬
veränderte Kern da wäre, für Kolloidkugeln halten würde.
Schoenemann ist ferner im Gegensatz zu Lothringer der Ansicht, daß
die chromophilen Zellen einen nur ganz geringen Bestandteil der normalen mensch¬
lichen Hypophyse bilden, und glaubt, daß letzterer seine Versuche hauptsächlich
an strumösen Individuen gemacht habe, ohne hierauf sein besonderes Augenmerk
zu richten. Er sagt, man könne annehmen, daß die Entwicklung der chromo¬
philen Zellen ein kompensatorischer Prozeß sei, bedingt durch Ausfall der Funktion
einiger Teile der Thyreoidea. Dann wären konsequenterweise die Chromophilen
die funktionierenden Elemente der normalen Hypophyse und das kernreiche Proto¬
plasma ein mehr indifferentes, physiologisch nicht aktives Gewebe. Aber bei ihrer
geringen Anzahl ist das nicht wahrscheinlich, besonders weil man keinen Grund
hat, die Hypophyse von vorn herein als nicht funktionierendes Organ aufzufassen.
Aus Unkenntnis der Funktion auf Funktionslosigkeit zu schließen, wäre, wie die
Schilddrüse gezeigt hat, ein Irrtum. Es ist wahrscheinlicher, die Entwickelung der
chromophilen Zellen als Degenerationserscheinungen aufzufassen, welche Hypophyse
und Schilddrüse gleichzeitig erfaßt, da beide genetisch sehr nahe verwandte
Organe sind.
Ben da (3) findet als augenfälligsten Befund die chromophilen Zellen Fleschs,
die sich bei Alizarinpräparaten durch intensiv blaue Färbung, bei Hämatoxvlin-
Eosinfärbung durch hellrote und bei Triazid durch leuchtend rote Farbe aus¬
zeichnen. Bei starker Vergrößerung haben sie einen fast kugelrunden chromatin-
188
KUEHN,
reichen Kern (mitunter zweikernig, selten mehrkernig), Zcllleib meist völlig gleich¬
mäßig mit gleich großen Körnchen ausgefüllt, die an Größe und Reaktion den
eosinophilen Körnchen gleichen; häufig ist außer den Körnchen keine andere Grund¬
substanz erkennbar.
Die Hauptmasse der übrigen Zellen des Vorderlappens sind kleine, Unregel¬
mäßige, zylindrische Zellen, die zwar ebensowenig wie die chromophilen eine mem-
branöse Begrenzung zeigen und häufig in feine Fortsätze wie zerschlissen auslaufen.
aber doch stets um den großen mehr ellipsoiden, häufig etwas gelappten, reichliche
Chromatinmassen enthaltenden Kern einen wohlumschricbenen Zellleib besitzen.
Letzterer färbt sich nur leicht, vorwiegend mit basischen Farben. Bei Färbung
mit Methylcnblau-Eosin trifft man einzelne basophile Brocken, ähnlich den baso¬
philen Leukozyten. Dies sind die Fl es ch sehen chromophoben Zellen.
Eine dritte wohl charakterisierte Zellform bilden Elemente, die größer als die
chromophilen Zellen sind. Die im Ganzen blasse Färbbarkeit des Zellleibcs be¬
dingt es, daß, wenn mehrere Zeilen aneinanderliegen, ihre Zellgrenzen undeutlich
und den Zellhaufen Rogowitschs identisch sein werden. Wo die Zellen allein
zwischen den anderen liegen, ist ihre Begrenzung ohne weiteres zu erkennen, bei
scharfen Systemen auch dann, wenn sie zusammenliegen. Die Zellen haben einen
bläschenförmigen Kern mit meist einem großen Nukleolus; der Zellleib eine gleich¬
mäßige, äußerst feine, staubartige Körnung, die morphologisch etwa der der neutro¬
philen der Leukozyten entspricht, aber keine so ausgesprochene Farbenreaktion
besitzt. Die Zellleiber färben sich überhaupt sehr blaß, bisweilen mehr mit den
sauren, bisweilen mehr mit den basischen Farben, in Alizarinpräparaten stets röt¬
lich, in Triazid bald rötlich, bald grünlich.
Während die früheren Beobachter die Zellformen für verschiedene Zellarten
erklären, muß Benda dieselben nach den erkennbaren Uebergangsformen durchaus
als verschiedene Formen oder Funktionsstadien ein und derselben Zellart anseben.
In den kleinen chromophoben Zellen treten die azidophilen Granula zuerst
vereinzelt auf. Durch Ansammlung dieser Elemente bilden sie sich in chromo-
phile um, indem zunächst kleinere Zellen, die zwischen den Körnern noch baso¬
phile Substanzportionen erkennen lassen, die Uebergangsformen bilden. Ebenso
erkennt man, daß die azidophilen Zellen alle Uebergänge zu den großen feinge¬
körnten Zellen zeigen. Zuerst treten hellere Inseln auf, die bei Bendas Färbung
keineswegs Vakuolen, sondern Haufen der feinen amphophilcn Körner darstellcn.
Später werden die azidophilen Körner immer seltener und sind dann nur noch
vereinzelt innerhalb des feingekörnten Leibes zu sehen. Vakuolisation tritt unab¬
hängig von diesem Vorgänge auf.
Diese Uebergänge sind bei Bendas Untersuchungsmethode nur im morpho¬
logischen Sinne zu verstehen, ob die dargestellte Reihenfolge der Wirklichkeit des
Sekretionsvorganges entspricht, ist nicht ohne weiteres aus der histologischen
Untersuchung zu folgern, sondern nur aus einigen Betrachtungen wahrscheinlich zu
machen. Die kleinen chromophoben Zellen bilden nämlich die Hauptmasse in der¬
jenigen Region der Drüse, die den Ausgangspunkt der Entwickelung darstellt, der
mittleren = Percmeschkos Marksubstanz. Diese Region, in der B. in Ueberein-
stimmung mit den Voruntersuchern hohle Drüsenschläuche findet, enthält offenbar
die Reste der primären Hypophysenhöhle, von deren Epithel die embryonale Aus¬
wucherung der Driisenschläuche des Vorderlappens hervorgegangen ist. Bei älteren
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 185)
Individuen finden sich hier rundliche oder unregelmäßige, mit einfacher Epithel¬
schicht ausgekleidete, oft mit Kolloid ausgefüllte Alveolen, deren Aehnlichkcit mit
der Schilddrüse stets betont worden ist. Hier sind in der Hypophyse stets einige
der charakteristischen azidophilen Zellen zu finden, die Mehrzahl der Zellen ähnelt
allerdings den Haupt- oder chromophoben Zellen, die hier in echt epithelartiger
Anordnung meist einzeilig auftreten. Das überwältigende Ueberwiegen der kleinen
chromophoben Zellen hier ist in die Augen fallend und dürfte für die Deutung
derselben als Grundform sprechen. Daß andererseits die großen amphophilen
durch Verlust der azidophilen Körnchen aus den ehromophilen hervorgehen, wird
besonders durch ihr Vorherrschen in Greisenhypophyscn belegt. Dazu kommen
noch andere Degenerationserscheinungen, so die Vakuolisation, ferner werden die
Zellen unregelmäßig, erscheinen zusammengedrückt usw. Ebenso hält B. das
Kolloid für eine Degenerationserscheinung, nicht aber für Sekret der Drüse.
Auch Saint-Remy (48), der die feine Struktur der Hypophysiszellen unter¬
suchte, kommt zu dem Schlüsse, daß Haupt- und chromophile Zellen nicht ver¬
schiedene Zellarten, sondern verschiedene Sekretionsstadien seien, wobei die grob¬
granulierten sich auf der Höhe der Sekretion befinden. Die Granula sollen in ge¬
löster Form direkt in die Blutbahn sezerniert werden.
Als Ergebnis seiner Untersuchungen gibt Erdheim (151) an:
1. Die ehromophilen Zellen der Hypophyse finden sich schon bei Föten,
wo sie noch klein und spärlich sind. Am Ende des ersten Dezenniums gleichen
sie in bezug auf ihre Zahl den Hauptzellen, im mittleren Lebensalter sind sie in
der Majorität und werden im Grcisenalter wieder seltener.
2. Im Anfänge des postfötalen Lebens boginnen im vorderen Lappen der
Hypophyse zunächst ganz feine Fettkörnchen aufzutreten, die bis ins höchste
Greisenalter kontinuierlich an Größe zunehmen, bis sie über kerngroß werden.
3. Die Formen der Körnchen sind sehr mannigfaltig. Es kommen Voll- und
Kingkörner und die verschiedensten vakuolären Formen vor. Die violetten
ehromophilen Zellen enthalten im späteren Alter wenige aber sehr große, die an¬
deren Zellen zahlreiche sehr kleine Fcttkürncr.
4. In der epithelialen Auskleidung der zwischen Vorder- und Hinterlappen
liegenden Cysten finden sich ebenfalls Fettkörner, die aber regellos in den Zellen
liegen.
5. In höherem Alter wachsen fettarme somit neugebildete Gcwebspartien des
Vorderlappens in den Hinterlappen hinein.
Thom (60) bestätigt nach seinen Untersuchungen den von Schoencmann
hervorgehobenon Unterschied zwischen zyanophilen und azidophilen Zellen, hält
sic aber, entgegen Sch., für normale Bestandteile und zwar so, daß Va sämtlicher
Yorderlappenepitbelien eosinophil ist, während die Menge der zyanophilen Elemente
einen bedeutend kleineren Teil ausmacht. Der dreieckige Kaum Kogowitschs ist
beim Menschen ebenfalls vorhanden. Zwischen den nach vorn divergierenden
Hauptbindcgewebsbalken gelegen, enthält er jedoch, entgegen den Angaben jenes
Autors, stets zyanophile Zellen, während die seitlichen Gebiete wesentlich aus
eosinophilen Elementen bestehen. Die früher als HauptzeJlen benannten Gebilde
bezeichnet Thom als schwach zyanophile, schwach eosinophile und ungefärbte
oder chromophobe Zellen. Ihr Protoplasma färbt sich offenbar infolge einer wenig
ausgeprochenen Filarmasse bei keiner \on Th. angewendeten Methode.
190
KUEHN,
Die gleiche. Unfähigkeit der Färbung zeigen .stellenweise die Interfollikularräume.
Daß letztere kein Produkt der Schrumpfung sind, dafür spricht ihr häufiger, fein¬
körniger Inhalt sowie der gleiche Befund an Flemmingpräparaten. Chromophobe
Zellen und Interfollikularräume erscheinen somit chemisch verwandt, allein nicht
völlig homolog, denn die Interfollikularräume enthalten noch zahlreiche feine Gra¬
nula, welche intensiv gefärbt und daher als chroinophil zu bezeichnen sind. Wenn
nun die starke Tinktion der chromophilen Elemente eine reiche Anhäufung chemi¬
scher konzentrierter Substanzen bedeutet, so erscheint die Annahme einer Ver¬
dünnung ihrer Sekretstoffe durch ehromophobes Sekret nicht allzu gezwungen.
Letzteres ist von van der Stricht und ltothstein fiir das Nieren- und von
Andersson für das Schilddrüsencpithel nachgewiesen. (O. Anderson. Zur
Kenntnis der Morphologie der Schilddrüse. Arch. f. Anal. 1894.)
Thom stellt die Hypothese auf:
Die stark chromophilen Zellen der Hypophyse erzeugen ein chromophiles
Sekret in Form feiner Granula. Die Zellgrenzen werden undeutlich, der Kern
rückt zur Peripherie, hier treten die Granula aus und mischen sich mit einem von
tlen chromophobcn Elementen gelieferten unfärbbaren Sekretstoffe. Entweder diffun¬
diert dieses Gemisch durch die Membrana propria, wie es für die perifollikuläre
Lymphe ebenfalls gilt, oder aber es kommt zu einer Degeneration, einer Schmelzung
einer Randzelle mit umschriebenem Schwund der Membrana propria. Damit ist
die freie Kommunikation mit dem interfollikulären Lymphraum gegeben. Eine
solche ist durch Biondi und Laugendorf für die Schilddrüse bewiesen.
Es wäre zu unterscheiden: 1. ein in traf ol likul ä res meist konzen¬
triertes Kolloid, 2. ein peri- oder interfollikuläres, sehr dünnes Kol¬
loid, 8. ein Cystenkolloid in der Höhle und in Cysten von wechselnder Kon¬
zentration.
Außer auf histologischem Wege suchte man gleichzeitig oder
etwas später durch physiologischen Tierversuch oder Beob¬
achtung an Kranken das Rätsel des Zwecks und der Funk¬
tion der Hypophyse zu lösen, besonders nachdem Brown-
Sequard auf seine Versuche hin gegen Ende der achtziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts die Lehre von der inneren Sekretion
begründet hatte. Durch Blut und Lymphe werden den Gew r eben und
Organen die erforderlichen Nährstoffe zugeführt, von den Zellen
assimiliert und die entstehenden Stoffwechselprodukte teils durch die
Gewebsflüssigkeiten nach außen transportiert, teils direkt oder umge¬
staltet in bestimmten Geweben aufgespeichert. Der Stoffwechsel der
Verdauungsdrüsen z. B. liefert Produkte, die mittels der Ausführungs¬
gänge in den Verdauungskanal gelangen, wo sie dem Interesse des
ganzen Organismus dienen. Als „spezifische Sekretion“ wird die
Produktion von bestimmten charakteristischen Substanzen aufgefaßt,
und da diese spezifische Eigenschaft nicht nur den Drüsen im engeren
Sinne zukommt, sondern eine Eigentümlichkeit sämtlicher Gewebe ist.
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 191
also die Funktion der Zelle darstellt, so hat man besonders von
französischer Seite her den gesamten Stoffwechsel als innere Sekretion
bezeichnen wollen.
Abgesehen von diesem allgemeinen Standpunkt sind wir gewöhnt,
unter dem Begriff der inneren Sekretion nur die Vorgänge in den
Drüsen ohne Ausführungsgang zu gebrauchen, die den Anatomen
schon lange bekannt sind und wegen ihres ßlutgefäßreichtums und
drüsenähnlichen Baues als Blut- oder Blutgefäßdrüsen bezeichnet
werden. Man rechnet hierher die Schilddrüse, Epithelkörperchen,
Hypophyse, Zirbeldrüse, Nebennieren und Thymus.
Der Gedanke, daß die Keimdrüsen außer der Bedeutung
für die Fortpflanzung noch andere für den Gesamtorganis-
mus wichtige Funktionen haben müssen, wie das die Er¬
scheinungen der Pubertätszeit und die Veränderungen nach Ausfall
oder Zerstörung ihrer Tätigkeit zeigen, veranlaßten ßrown-Sequard,
seine dahinzielenden Versuche anzustellen. Nach subkutaner Injektion
von Hodenextrakt beobachtete er eine Steigerung der geistigen Fähig¬
keiten, eine größere Widerstandsfähigkeit in geistiger und physischer
Arbeit, Besserung der Verdauungstätigkeit und andere ähnliche Er¬
scheinungen.
Diese Beobachtungen begegneten zunächst großem Zweifel, aber
weitere Untersuchungen bestätigten teilweise den Befund, und die
Theorie der inneren Sekretion erwarb viele Anhänger. Wenn man
nun auch der Ansicht zuneigt, daß diese Tätigkeit eine Eigenschaft
aller Organe ist, so ist darüber doch noch sehr vieles unklar und so
vor allem auch was die Hypophyse anbetrifft.
Um aus den sichtbaren Folgen einer Operation — Exstirpation
der ganzen Drüse — auch nur annähernd verwendbare Schlüsse
ziehen zu können, ist es erforderlich, schon irgendwelche sicheren
Anzeichen über die Natur der festzustellenden Verrichtungen zu be¬
sitzen. Bei den Organen aber wie den Gefäßdrüsen, wo solche An¬
zeichen meist fehlen oder höchst lückenhaft sind, muß die Deutung
der Erscheinungen, welche nach deren Entfernung zur Beobachtung
kommen, ganz willkürlich ausfallen. Bei der Hypophyse ist dies
umsomehr der Fall, als wegen ihrer anatomischen Lage Exstirpationen
ohne Mitverletzung wichtiger benachbarter Organe höchst schwierig sind.
Von Horsley wurden im Jahre 188t> und nach ihm \on Dastre und ('üev
die ersten Versuche gemacht, die Hypophyse zu exstirpieren. welche aber völlig
mißlangen. Die Tiere gingen kurz .nach der Operation zu gründe. Marinesco
192 KUEHN,
machte an Katzen im Jahre 1892 ähnliche Versuche, die operierten Tiere starben
z. T. sofort, z. T. in den ersten 4—5 Tagen, nur eins blieb bis zum 18. Tage
leben. Es trat hochgradige Abmagerung und Tod ein, ohne daß eine Infektion der
Wunde festzustellen war.
Vassale und Sacchi operierten an Hunden und Katzen; bei 6 Hunden
gelang die völlige Entfernung der Hypophyse, die längste Lebensdauer betrug
14 Tage nach der Operation; andere, denen die Drüse nur teilweise entfernt
worden war, blieben längere Zeit am Leben, ein Hund wurde nach 64 Tagen ge¬
tötet. Die Tiere zeigten stets die gleichen Symptome: Apathie, Somnolenz, schwan¬
kenden Gang. Appetitmangel, mitunter aber auch Anfälle von Heißhunger, Ab¬
magerung, Polyurie, oft tonische und klonische Krämpfe und fibrilläre Zuckungen.
Tiere, denen die Drüse vollständig entfernt war, starben im Koma. Die Autoren
ziehen aus diesen Beobachtungen den Schluß, daß die Hypophyse als eine Drüse
anzusehen sei, deren Funktion ebenso wie die der Schilddrüse für den Haushalt
des Organismus notwendig sei. Bei der teilweisen Entfernung könne das Leben
zwar erhalten bleiben; es trete aber eine funktionelle Insuffizienz der Drüse
auf, die sich nur allmählich ausgleicht.
Caselli hat die Operation an 56 Hunden und Katzen ausgeführt, die alle
bis auf 3 in der ersten Woche nach der Operation zu gründe gingen. Letztere
starben am 16., 21. und 22. Tage. Er kommt zu dem Schluß, daß die Hypo¬
physe als ein Hilfsorgan der Schilddrüse anzusehen sei.
Während die bisherigen Untersucher vom Munde aus an die Hypophyse
hcranzukommen versuchten, schlugen Lomonaco und v. Rymbern (42) einen
anderen Weg ein. Sie gingen vom Scheitel aus in den Schädel hinein, durch¬
bohrten mit einem feinen an der Spitze löffelförmigen Instrument senkrecht das
Corpus callosum und Infundibulum und kamen so auf die Sella turcica. Nun wurde
mit dem Löffel die Hypophyse möglichst vollständig zerstört. Die Operation wurde
an 44 Hunden und Katzen ausgeführt und gelang in 63 pCt. der Fälle. Bei
1) Tieren, welche den 20. Tag überlebten, hat die Sektion völlige Zerstörung der
Hypophyse ergeben. Die Symptome, welche die Tiere darboten, waren ganz ver¬
schieden: so zeigte ein Hund z. B. einen dem Vassale-Sacchi sehen ähnlichen
Symptomenkomplex; die Sektion ergab, daß die Hypophyse intakt war. Bei einem
anderen Hunde dagegen, dessen Allgemeinbefinden gar nicht getrübt war, war die
Hypophyse vollständig zerstört. 4 Tiere überlebten die Operation sehr lange und
bewiesen nach Lomonaco. daß die Hypophyse keine lebenswichtige
Funktion hat, ja daß sie ein rudimentäres Organ ohne allgemeine oder spezielle
Bedeutung sei.
Friedmann u. Maas (24) operierten wieder von der Mundhöhle aus und ex-
stirpierten die Drüse, nachdem sie völlig freigelegt war. Von den operierten Tieren
gingen einige an Eiterung und Nachblutung, einige nach einigen Wochen ohne er¬
kennbare Ursache zugrunde, andere blieben am Leben und wurden nach mehreren
Monaten bei bester Gesundheit getötet. Die Sektion ergab völliges Fehlen der
Hypophyse und keine Veränderungen an irgend einem Organe, insbesondere nicht
an der Thyreoidea und dem Knochensystem. Im Urin war kein Eiweiß, dagegen
in der ersten Zeit bei allen Tieren Zucker nachzuweisen. Da die Glykosurie nach
kurzer Zeit wieder verschwand, so glauben die Autoren, daß es vielleicht die Wir¬
kung der Aethernarkose gewesen sei. Friedmann schließt, daß die Hypophyse
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 11)3
weder für den erwachsenen Organismus noch für den wachsenden ein lebenswich¬
tiges Organ darstellt.
Ausführliche Versuche hat de Cvon (14) angestellt. Von der Ucberlegung
ausgehend, daß es zu schwierig sei, nach der Exstirpation der Hypophyse auf ihre
Funktion zu schließen, suchte er die Drüse zu erhalten und durch Ausübung ver¬
schiedenartiger Reize an dem funktionsfähigen Organ die eintretenden Wirkungen
unter möglichst normalen Bedingungen zu beobachten, uild durch Aenderungen in
der Anordnung des Experimentes die Einzelheiten der Funktion festzustellen.
Er nahm Versuche an Kaninchen und Hunden vor. Nach Durchtrennung
des Pharynx wurde mit einem Trepan vorsichtig die Hypophysenhöhlc angebohrt,
ohne die Hypophyse selbst zu verletzen. Durch einen leichten Druck mittels eines
Wattebausches oder Anwendung eines ganz schwachen elektrischen Stromes wurde
die Reizung vorgenommen. Mitunter genügte schon der Druck des Trepans auf
den Boden der Hypophysenhöhle, um bedeutende Verstärkung und Verlangsamung
der Herzschläge zu erzeugen. In anderen Fällen bewirkte die Eröffnung der Hypo¬
physenhöhlc eine sofortige Beschleunigung der verkleinerten Pulse. Nach Cyons
Beobachtungen sind die Funktionen folgende: Der Hirnanhang erfüllt eine doppelte
Bestimmung:
1. er dient als autoregulatorischer Apparat für den intra¬
kraniellen Blutdruck,
2. er reguliert den Stoffwechsel.
1. Die Hypophyse reguliert den llimdruck in zweifacher Weise:
a) auf mechanischem W 7 ege, indem jede Erhöhung dieses Druckes eine
Erregung der Hypophyse erzeugt, die eine Verstärkung und Verlang¬
samung der Herzschläge mit leichter Steigerung des extrakraniellen
Drucks zur Folge hat. Diese seltenen imd starken Herzschläge, die V.
als Aktionspulse bezeichnet, erhöhen die Geschwindigkeit des venösen
Blutstromes, besonders in den A r enen der Schilddrüse und befreien da¬
durch das Gehirn von der anormalen Blutfülle;
b) auf chemischem W r ege, indem die Hypophyse wahrscheinlich zwei Sub¬
stanzen produziert, von denen die eine anhaltend die Vaguszentra. die
andere die Zentra der Accclerantes erregt. Die durch diese gleichzeitige
harmonische Erregung der Antagonisten hervorgerufenen Aktionsschläge
sind für die Geschwindigkeit des venösen Blutstroms in hohem Grade
günstig.
2. Die Beeinflussung des Stoffwechsels durch die Hypophyse und ihre wirk¬
samen Substanzen geschieht höchstwahrscheinlich durch eine ähnliche Beeinflussung
der Vagi und Sympathici, sic äußert sich in der gesteigerten Oxydation und einer
Abnahme des Körpergewichts.
3. Die tonische Erregung der Vagi beruht auf einer Erregung dm- Hypophyse,
erzeugt durch den auf sic ausgeübten Druck.
4. Anhaltende Erregungen der Hypophyse, besonders durch den elektrischen
Strom erzeugen als Nachwirkung heftige epilcptiforme Krämpfe, die am leichtesten
durch Störungen des Blutlaufs in gewissen Hirnpartien erklärt werden können.
Außerdem wurden noch gelegentlich andere Beobachtungen ge¬
macht so beim Kaninchenbock nach länger anhaltenden elektrischen
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. j;j
lt>4 KUEHN,
Reizungen der Hypophyse sehr ausgesprochene Erektionen, welche
die Reizungen bei weitem überdauerten. Dieselben waren unabhängig
von den auftretenden Krämpfen, da sie auch ohne dieselben zur Be¬
obachtung kamen.
Bei allen Kaninchen, gleichgiltig ob mechanisch oder elektrisch
gereizt, war häufige und reichliche Harnabsonderung zu beob¬
achten. Die Mengen waren zu bedeutend, um von einer bloßen Ent¬
leerung der gefüllten Blase herrühren zu können. Durch Einspritzungen
von Hypophysenextrakt wurde bei Hund und Kaninchen ebenfalls
eine enorme Vermehrung des Harns beobachtet, ebenso bei einem
akromegalischen Knaben. Durch diese beiden Beobachtungen wird
der innige Zusammenhang zwischen mechanischer und chemischer
Wirkung der Hypophyse bewiesen, wie sie Cyon auch von der Schild¬
drüse experimentell demonstriert hat.
Erwägt man einerseits die mächtige Beeinflussung der Vagi und
Sympathici durch die wirksamen Substanzen der Hypophyse und
Schilddrüse, andererseits den Einfluß, welchen diese Nerven besonders
der Vagus auf die Tätigkeit der Magendrüsen, Pankreas, Leber und
anderer für die Ernährung und den Stoffwechsel in Betracht kommen¬
der Abdominalorgane ausüben, so erkennt man auch leicht die Wege,
auf denen die genannten Substanzen den Stoffwechsel regulieren
können.
Die Tätigkeit der Hvpophysis als Regulator des intrakraniellen
Blutdruckes sucht Cyon durch ihre Beziehungen zur Schilddrüse zu
erklären. Durch Druckerhöhung in der Schädelhöhle wird die Hypo¬
physe in Erregung versetzt und von ihr in irgend einer Weise die
Tätigkeit des Vagus ausgelöst. Da nun die gefäßerweiternden Nerven
für die Schilddrüse in den Nervis laryngeis verlaufen, tritt hier Ge¬
fäßerweiterung ein und der Abfluß des Blutes aus den Gehirnvenen
nach der Schilddrüse wird sehr erleichtert. Es fragt sich nun,
ob Hypophyse und Schilddrüse die alleinigen autoregulatorischen Vor¬
richtungen für den intrakraniellen Druck sind. Nach C. scheint
auch die Zirbeldrüse eine solche Rolle zu spielen, indem sie auf rein
mechanischem Wege die Menge der Zerebrospinalflüssigkeit in den
Hirn Ventrikeln reguliert. Soviel steht jedenfalls fest, daß der Ausfall
der schon bekannten Verrichtungen der Hypophyse das Gehirn nicht
ganz schutzlos gegen geringe Schwankungen des intrakraniellen
Druckes läßt. Gehen die Tiere zu Grunde, so ist meist Nebenver¬
letzung der Gehirntcilc bei der Operation die Ursache, seltener wohl
Untersuchangen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d.Hypophyse b.Pferden. 11)5
zu große Steigerung des intrakraniellen Druckes. Der Tod tritt bei
Tieren nach Entfernung der Drüse ebenso wie bei Menschen mit
schweren Leiden derselben unter den Erscheinungen von Koma und
Sopor ein. Die anderen im Gehirn vorhandenen Regulatoren sind
auf die Dauer nicht imstande, vollständigen Ersatz für den Ausfall
der Hypophysenfunktion zu bieten.
Die Versuche Cyons sind von anderen Forschern nachgeprüft
und haben zum Teil zu anderen Ergebnissen und Schlußfolgerungen
geführt. So haben ßiedl und Reiner (4) bei Anwendung mechani¬
scher Reize fast nie eine Aenderung des Blutdrucks und Pulsverlang-
sarnung gesehen; elektrische Reize hatten sehr häufig Störung des
Blutdrucks zur Folge, ebenso auch die elektrische Reizung der meisten
Stellen der Hirnrinde und des Hirnstammes, ln der Pulsfrequenz
waren keine konstanten typischen Erscheinungen festzustellen. Die
Autoren nehmen nach ihren Versuchen an, daß die Hypophyse mit
der zentralen Erregung der Vagi bei hohem Blutdruck in keinerlei
direkter oder indirekter Beziehung stehe. Auch Lomonaco und
van Rymbern äußern sich dahin, daß die Versuchsresultate Cyons
wahrscheinlich traumatischen Ursprungs sind und daß das Organ den
Blutdruck nicht reguliert.
Einen Einfluß der Hypophyse auf den Gesamtstoffwcchsel des
Organismus glaubt Guerrini (27) aus seinen Versuchen herauslesen
zu können. Nach seinen histologischen Untersuchungen erklärt er,
daß es in dem epithelialen Teil der Drüse nur eine Art Zellen mit
deutlich sekretorischer Befähigung gibt; die sogenannten chromo-
philen, chromophoben, eosinophilen, zyanophilen, alizarinophilen,
siderophilen Zellen sind nur gleiche Zellen in verschiedenen Stadien
ihrer Funktion. Die Zellen bereiten 2 Arten Sekret, ein plasmatisches
von homogener oder nur wenig granulierter Beschaffenheit: das
Kolloid und ein anderes, welches seine elementärc, zellige Beschaffen¬
heit beibehält: die Körnchcnzcllen. Nach einer Reihe von Versuchen
an hungernden Tieren schließt er den Einfluß der Drüse auf die all¬
gemeine Ernährung aus und hat die Wirkung der akuten und chro¬
nischen Vergiftung auf die Sekretion der Drüse studiert. Endogene
Vergiftung wurde durch unvollständige Unterbindung des Darmes,
der Ureteren und des Ductus cholcdochus, exogene durch stdbkutane,
intravenöse und intraperitoneale Injektion von Diphtheriegift und Aal¬
blut hervorgerufen. Er kommt bei den akuten Vergiftungen zu fol¬
genden Schlußfolgerungen:
196
KUKHN,
a) Mit Beginn der Vergiftung tritt stets eine Steigerung der Sekre¬
tion in der Drüse ein.
b) Diese Sekretionssteigerung wächst bis zu einem Maximum, das
dem Auftreten prämortaler Symptome entspricht.
c) Von diesem Moment ain beginnen in den Zellen die Erscheinungen
der Erschöpfung, welche ihr Maxiraum in der Hypophyse bei
den infolge der Intoxikation verstorbenen Tieren findet.
Bei den Formen der chronischen Vergiftung, wo die Tiere nach
28—33—60—90 Tagen getötet wurden, findet sich nicht nur Hyper¬
trophie, sondern auch Hyperplasie am Parenchym der Drüse, be¬
wiesen durch direkte Zellteilung und Karyokinese.
Guerrini schließt daraus, daß die Hypophyse kein rudimentäres
Organ sei, sondern eine bestimmte Funktion: die Sekretion anti¬
toxischer Stoffe besitze.
Eine Reihe von Versuchen ist dann derart unternommen worden,
daß teils Drüse in Substanz verabreicht, oder das Extrakt
subkutan oder intravenös den Tieren einverleibt wurde.
Magnus und Schäfer (Pflügers Archiv, ßd. 84) sahen nach intravenöser
Injektion von wässerigem Hypophysenextrakt ein Ansteigen des Blutdrucks auf
ziemlich gleiche Weise wie bei Nebennierenextrakt. Im Gegensatz zu diesem folgt
liier eine deutliche Volumenzunahme der Nieren mit lang anhaltender Diurese,
letztere hörte früher auf als erstere. Die wirksame Substanz ist nur im Infundi-
bularteil enthalten, alkoholische Extrakte bewirkten Fallen des Blutdrucks oder
Volumenverringerung der Niere und Auf hören der Harnsekretion.
Die Untersuchungen von A. Schiff (51) haben ergeben, daß unter bestimmten
Bedingungen der Stoffwechsel durch Einführung von Hvpophysispräparaten —
Ilypophysin — beeinflußt werden kann. Beim gesunden jungen Menschen wird
hierdurch der Stoffwechsel allerdings nicht gestört, während bei einem älteren
Manne und einem Akromegaliekranken durch Hypophysisdarreichung eine sehr hoch¬
gradige Steigerung der Gesamtphosphorsäureausscheidung stattfand, die jedoch, wie
die Stickstoffausfuhr beweist, nicht auf gesteigerten Eiweiß zerfall zurückzuführen
ist. Es wäre somit bei der Hypophysiswirkung an Zerfall eines sehr phosphor¬
reichen und relativ stickstoffarmen Gewebes — Knochengewebe — zu denken.
Salvioli und Carraro konnten aus dem hinteren Teile der nervösen Be¬
standteile ein Extrakt gewinnen, das auf den Blutdruck erst herabsetzend, dann
steigernd wirkt. Bei wiederholter Einspritzung tritt Gewöhnung ein. Die Druck¬
steigerung hängt von der Wirkung auf die Gefäßwände ab, zugleich tritt Herzvcr-
langsamung ein. Entfernung der Schilddrüse war ohne Einfluß auf die Wirksam¬
keit des Hypophysenextraktes.
Herring (81) nimmt an. daß der vordere Teil der Drüse das Sekret liefert,
der hintere Teil es aktiviert und wirksam macht, daß bei Tumorbildung die
Sekretion vermehrt wird und durch den dritten Ventrikel in den Liquor cerebro¬
spinalis gelangt.
Untersuchungen üb. d.Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 19?
Weiteren Aufschluß über Wert und Tätigkeit der Hypophyse suchte
man aus der Pathologie zu gewinnen. Aber auch hier stimmen die
Meinungen der einzelnen Forscher über die Bedeutung der einzelnen
Symptome und den Zusammenhang mit der Hypophyse wenig überein.
So hat man schon seit langer Zeit Wechselbeziehungen zwischen
Schilddrüse und Hypophyse angenommen.
Schoenemann fand bei zwölf Kropfleidenden Entartungen der Hypophysis,
wobei er annimmt, daß eine degenerative Umbildung der normalen Hypophysen¬
zellen in chromophile und schließlich in Kolloid erfolgt. Daß dabei eine Wuche¬
rung von Bindegewebe und Sprossung von Blutgefäßen einhergeht, ist von vielen
anderen Organen bekannt. Hiermit stimmen nach Sch.s Ansicht auch die Ergeb¬
nisse von Rogowitsch und Stieda überein. Bei der bedeutenden kompensa¬
torischen Hypertrophie der Hypophysis nach Exstirpation der Thyreoidea sind nur
die Hauptzellen Stiedas, d. h. das, was Schoenemann als kernreiches Proto¬
plasma bezeichnet hat, beteiligt, nicht die chromophilen Zellen. Die Ansicht
Schoenemanns wird von Coulon unterstützt; auch er fand in mehreren Fällen
von Struma die Hypophysis vergrößert. Bei der makroskopischen Untersuchung
zeigten sich Bindegewebszügc und Blutgefäße so verbreitert, daß Coulon die
Ueberzeugung gewann, daß die Vergrößerung und Gewichtszunahme hierdurch be¬
dingt sei, daß das Drüsengewebe aber nun eine Atrophie erleide.
Comte dagegen fand in Fällen von Schilddrüsendegeneration eine Vergröße¬
rung des Gehirnanhangs, dabei sehr zahlreiche Vermehrung der chromophilen
Zellen und reichliche Vaskularisation sowie in mehreren Fällen reichliche Kolloid¬
substanz. Da er diese Erscheinungen aber als Zeichen gesteigerter Tätigkeit deutet,
betrachtet er den Prozeß als kompensatorische Hypertrophie und schließt daraus,
daß die Hypophyse vikariierend in den Fällen eintritt, in welchen die Funktion
der Schüddrüse gestört ist.
Schon vielfach war bei Degeneration der Schilddrüse neben der
Vergrößerung der Hypophyse eine schwere Veränderung am
Knochensystem beobachtet, als im Jahre 1888 Marie sie direkt
als Ursache der Akromegalie bezeiehnete.
Als Symptom dieser Krankheit ist zunächst die auffallende Ab¬
weichung in der Gesichtsformation anzusehen, die in erster Linie
durch eine Gestaltsveränderung des Unterkiefers bedingt wird, sodann
ist konstant eine Erweiterung der pneumatischen Räume, der Stirn-,
Keilbein-, Oberkiefer-Höhlen und der Cella raastoidea vorhanden. Die
Vergrößerung der Sella turcica beruht wahrscheinlich auf mechani¬
schen Einflüssen der Hypophysenvergrößerung, die zu Druckusur an
den Wandungen, nicht selten zur Eröffnung der Keilbeinhöhle führt.
Ferner kommt es zur Vergrößerung der Nase, der Lippen, besonders
der Unterlippe, der Ohren, der Zunge, Vergrößerung der Hände
und Füße zur Tatzenform und Krümmung des Rückens. Eigentum-
198
KUEHN,
lieh sind auch die Beziehungen zu den Geschlechtsorganen, die sich
bei Frauen zunächst durch Ausbleiben der Menstruation bemerkbar
machen. Marie ist geneigt vom Auftreten dieses phenomene precoce
den Beginn der Krankheit zu rechnen; sodann kommt es zu Atrophien
des Uterus, der Ovarien und Mammae; bei Männern ist Impotenz die
Regel. Dazu kommen Allgemeinerscheinungen, Kopfschmerzen, psychi¬
sche Depressionen, epileptische Krämpfe, Tobsucht, Wahnsinn, die
mannigfaltigsten Ernährungsstörungen, endlich Koma und Tod.
Ueber die Pathogenese dieser merkwürdigen Erkrankung sind
verschiedene Theorien aufgestellt, so
1. die nervöse Theorie von Magendie, v. Recklinghausen,
Panas. Die Krankheit sollte im zentralen Nervensystem ihren Ur¬
sprung haben, doch wird diese Annahme heut kaum noch vertreten.
2. Die Theorie der atavistischen Wachstumsanömalie.
Aus der Tierähnlichkeit des Akromegalenschädes, die schon älteren
Beobachtern wie Brigidi undCuningham aufgefallen war, und dem
ganzen Aussehen des Kranken wurden eine Rückkehr zum Typus des
anthropoiden Affen deduziert. Freund bringt auch die sexuellen
Störungen mit den Wachstumsveränderungen in ursächlichen Zu¬
sammenhang.
3. Die Thymustheorie (Klebs). In der großen Thymus sind
die Blutgefäßnetze der Follikel eine Bildungsstätte von Gefäßendothelien.
Diese werden von dem Blutstrome fortgeschwemmt und regen als
Angioblasten eine allgemeine Wucherung der Gefäßkeime an, welche
zum Riesenwuchs und zur Akromegalie führt. — Da die Persistenz
und Vergrößerung der Thymus nicht konstant ist, ist diese Lehre
nicht aufrecht zu erhalten.
4. Die Hypophysentheorie. Marie hat zuerst die Annahme
ausgesprochen, daß die Akromegalie eine allgemeine Dystrophie sei
die ebenso von der Erkrankung der Hypophyse abhängig wäre, wie
das Myxödem von der der Thyreoidea. Diese Theorie stützte er
zunächst auf die konstante Erkrankung jener Drüse; sie ist seitdem
vielfach ausgebaut und modifiziert worden, ohne daß wesentliche Tat¬
sachen zu ihrer Begründung beigebracht wären. Es ist zuzugeben,
daß in der überwiegenden Anzahl der sezierten Fälle eine Ver¬
größerung der Glandula pituitaria gefunden worden ist, in zahlreichen
anderen Fällen aber bestand eine in Größe, Aussehen und innerer
Einrichtung normale Hypophyse. Solche Fälle sind von Waldo,
Linsmayer, Hunter, Bonardi, Dallemagnes, Fraentzel,
Untersuchungen üb. d.Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b.Pferden. 199
Pel, Marcuse und anderen in der Literatur beschrieben. Die
Konstanz des ausgesprochenen Hypophysentumors ist also keine so
absolute, wie es nach den Angaben Maries und seiner direkten An¬
hänger erscheinen mußte, und der Vorschlag Arnolds, eine pituitäre
und nicht pituitäre Form der Akromegalie zu unterscheiden, hin¬
reichend begründet. Ebensowenig sind die Anschauungen geklärt, ob
das Leiden auf eine gesteigerte oder verringerte und aufgehobene Tätig¬
keit der Drüse zurückzuführen sei, da die Deutung der verschiedenen
Tumoren durchaus nicht einheitlich ist. An Häufigkeit überwiegen
echte Hyperplasien des drüsigen Teils = Adenome, oft mit ausgedehnter
Degeneration im Innern, ferner Cystenbildung (Fratenich, Furni-
vall), echte Rundzellen- oder Spindelzellensarkome (Rolleston,
Caton und Paul, Spiller-Mosse, Daunion), bald als abge¬
schlossener Knoten in der Sella turcica oder nach Usur ihres Bodens
in der Keilbeinhöhle liegend, oder in den Knochen hineinwachsend.
Mit vielen anderen nimmt Hansemann (29) an, daß die Akromegalie auf
vermehrter Sekretionstätigkeit der Hypophyse beruht. Nach ihm muß auf dem
gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis der Zellen begründet, die progressive Ent¬
wickelung eines Organs die progressive Entwickelung anderer Organe zur Folge
haben: altruistische Hyperplasie. So entwickeln sich bei der progressiven Ent¬
wickelung der Geschlechtsorgane bei der Frau die Mammae, beim Manne Kehlkopf
und Barthaare, bei beiden Geschlechtern Scham- und Achselhaare. In gleicher
Weise faßt Hansemann die Akromegalie als Ausdruck der altruistischen Hyper¬
plasie auf, indem die Geschwulstbildung der Hypophyse die Vermehrung des
Knochen- und Bindegewebes an verschiedenen Körpcrstellen erzeugt.
Tamburini (59) sagt, die Akromegalie sei an eine Veränderung der Hypo¬
physe gebunden, von welcher wegen llyperfunktion Substanzen in dem Organismus
aufgespeichert werden, welche das elementare Gleichgewicht desselben, besonders
im Knochengewcbe ändern.
Auch Thumim (61) glaubt auf Grund einiger Beobachtungen für besondere
spezifische Beziehungen nicht nur der Nebennieren, sondern der Blutdrüsen über¬
haupt, besonders der Schilddrüse und Hypophyse, zu den Keimdrüsenfunktionen
ein treten zu können. Er demonstriert einen Fall, wo durch Röntgenaufnahmen
Veränderungen am Türkensattel wahrscheinlich gemacht und die Diagnose eines
Hypophysentumors gestellt wurde. Bei der Patientin waren vor 14 Monaten die
Menses unregelmäßig geworden und ausgeblieben, eine längere Zeit andauernde
Heiserkeit wieder spontan verschwunden, gelegentlich wurde eine noch vorhandene
Abnahme des Sehvermögens des rechten Auges wahrgenommen, und verhältnismäßig
stark akromegalische Veränderungen an Gesicht und Extremitäten kamen zur
Entwickelung. Die Untersuchung des Kehlkopfes ergab, daß er in toto verlängert,
dem eines jungen Mannes ähnlich geworden war. Indem die Stimmbänder allmählich
mitwuchsen und sich dem Schildknorpel anpaßten, wurde die Stimme wieder nor¬
mal. Da Uterus auffallend klein, Korpus atrophisch ist und die Ovarien nicht zu
200
KUEHN,
fühlen sind, nimmt Thum im mit Bezugnahme auf den Hypophysentumor auch
Atrophie der Ovarien an. Er glaubt, daß dieselben Schädlichkeiten: Hyper¬
sekretion der Hypophyse, welche die akromegalischen Wucherungen bedingten, auch
die Atrophie und Funktionsstörung der Genitalien verursachten und dies um so
mehr, als längere Darreichung von Hypophysistabletten den Zustand nicht besserten,
sondern eher verschlechterten, was natürlich aus der dadurch vermehrten Zufuhr
üer Noxen erklärlich i.->t. ln seiner Annahme wird er bestärkt durch eine Beob¬
achtung v. Eiseibergs, wo nach operativer Entfernung eines Hypophysentumors
eine Besserung des Sehvermögens. Schwinden der Kopfschmerzen und Wiederkehr
der Menstruation eintrat.
Andere Autoren suchen die Entstehung der Akromegalie auf den Ausfall der
Hypophysensekretion zurückzuführen, da bei vielen Tumoren die funktionierende
Substanz völlig zugrunde gegangen ist.
Cyon möchte der Hypophyse einen hemmenden Einfluß auf die Ernährung
zuschreiben, da verschiedene Hunde mit exstirpierter Hypophyse trotz der Schwere
der Operation eine erhebliche Gewichtszunahme zeigten. Die außerordentliche
Entwickelung des Knochensystems bei der Akromegalie könnte auf den Mangel
dieser hemmenden Einflüsse zurückgeführt werden. Damit würden die Beobach¬
tungen übereinstimmen über die Wirkung der Hypophysensubstanz bei Akromegalie,
wo Cyon eine eanz gewaltige Gewichtsabnahme konstatiert hat. Die Ernährung
bei thyreodektomierten Kaninchen mit Hypertrophie der Hypophyse stehen damit
aber nicht ganz in Einklang, sodaß er die Ansicht ausspricht, daß irgend eine
Störung in ihrer Funktionsweise oder der Zusammensetzung ihrer Produkte eine
Verminderung ihrer trophischen Funktionen hervorruft.
Taraburini und Massolongo suchen die Widersprüche dadurch zu erklären,
daß bei Tumorenbildung zuerst durchweg eine Phase der Hyperplasie des drüsigen
Lappens mit Uyperaktivität existiert und die Ursache der allgemeinen akromega¬
lischen Veränderungen sei, und dann erst häufig die Degencrationsphase folge.
Mehrfache Beobachtungen aber, wo der Tumor als Gliom beschrieben, die Geschwulst
also lediglich aus dem nervösen Anteil hervorgegangen ist, lassen auch diesen
Deutungsversuch nicht ganz einwandsfrei erscheinen.
Da das Sekret der Hypophysis gleich dem Adrenalin zu Blut-
drueksteigerung und Veränderungen an Herz und Gefäßen
führen kann, so stellt Philipps (45) diese in den Vordergrund bei
der Akromegalie und die Knochenveränderung sowohl als eine Folge
der Ueberdehnung der Gefäße als auch der Uebcrcrnährung hin.
Indes liegen nicht wenige Beobachtungen von hyperplastischen
Tumoren wie Destruktion der Drüse ohne jede akromegalischc Ver¬
änderung des Körpers vor.
Betrachtet man nun die Ergebnisse der vorliegenden Forschungen,
so sehen wir, daß sie nach keiner Richtung hin zu einem be¬
stimmten, einheitlichen und allseitig anerkannten Ergebnis
geführt haben. Die histologischen Untersuchungen haben zwar
das Vorhandensein bestimmter, färberisch zu differenzierender Zell-
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 201
Elemente nahezu einheitlich festeresteilt, aber über die Deutung der¬
selben, ob verschiedene Zellformen oder nur verschiedene Funktions¬
stadien einer Zellart, herrscht keine Einigkeit. Ebenso ist die Frage
der Kolloidbildung, ob sie Produkt der aktiven Tätigkeit oder des
Zerfalls der Zellen sei, durchaus unentschieden. Man kann daher
Scaffidi (50) nur zustimmen, wenn er sagt, daß es kaum tunlich
erscheint, diese Frage nach dem histologischen Befund zu lösen und
ein Urteil über die Beschaffenheit einer Substanz zu fällen, die nicht
gesammelt und in vitro untersucht werden kann.
Dieselbe Unsicherheit herrscht in der physiologischen Beur¬
teilung der Stellung des Gehirnanhangs, da dieselben Versuche von
anderen Autoren angestellt, oft zu dem entgegengesetzten Ergebnis
oder wenigstens zu anderer Deutung führten. Während die einen
Forscher auf Grund ihrer Experimente die Hypophysis für ein rudi¬
mentäres Organ halten, welches keine wichtige funktionelle Bedeutung
habe und ohne Schaden für den Körper eliminiert werden könne, be¬
haupten andere, daß sie ein gut differenziertes Organ und ihre Funk¬
tion für die Erhaltung des Lebens unentbehrlich sei.
Wenn ferner die Hypophyse von Liögois für ein hämato-
poetischös, von Wolff für ein hämatolytisches Organ, von Cyon
und anderen als Regulator des Blutdrucks und von den meisten
Autoren als Drüse mit innerer Sekretion erklärt wird, deren
Produkt bald auf die roten Blutkörperchen, bald auf die Ernährung
einwirken, oder endlich auf die im Körper gebildeten schädlichen Sub¬
stanzen einen entgiftenden Einfluß ausüben sollte, so haben doch
weder die Tierversuche noch die Beobachtung an Kranken
eine überzeugende Klarheit über die Richtigkeit der einen
oder anderen der aufgestellten Hypothesen gebracht.
Da jedoch aus verschiedenen, besonders bei pathologischen Ver¬
hältnissen gemachten Beobachtungen ein gewisser Einfluß der Hypo¬
physe auf die Geschlechtsorgane hervorzugehen schien, unternahm es
Fichera (20), dieser Frage experimentell näher zu treten. Er hat
zahlreiche Kastrationen an Hähnen vorgenommen, bei weiblichen Meer¬
schweinchen und Kaninchen die Ovariotomie ausgeführt und auch
größere Tiere in den Bereich seiner Betrachtungen gezogen. Die
festgestellten Durchschnittsgewichte der Hypophyse waren folgende:
raax. min.
50 Hähne.1,33 cg 1,45 cg — 1,20 ctg
50 Kapaune.2,07 - 2.75 « — 2.48 ..
202
KUEHN,
raax.
mm.
5 Stiere.
3,35 g
4.10 g
— 3,00 g
5 Ochsen.
4.4H „
5.12 „
— 4,15 „
5 nicht kastrierte Büffel
1.8 .
1,90 „
- uo *
5 kastrierte Büffel . .
3.45 .
3.90 .
3.10 „
Die vergleichenden Betrachtungen ergaben, daß die Schwankungen
zwischen den Maximal- und Minimalgewichten bei Kapaunen und
Hähnen nur gering sind und dem Durchschnittsgewicht sehr nahe
stehen, während der Unterschied zwischen dem Durchschnittsgewicht
der Hypophyse des Hahns und der des Kapauns etwa 1 : 2 ist. Auch
beim Büffel herrscht ungefähr dasselbe Ziffernverhältnis, während
beim Ochsen der Unterschied nicht ganz so groß, aber immerhin doch
beträchtlich ist. Bei den weiblichen Tieren erhielt Fichcra fol¬
gende Resultate:
2 Meerschweinchen normal.1,50 cg 1,35
3 ^ ovariotomiert -f- a 10, 20 u. 30 Tage 1,50 1,80 2,20
3 Kaninchen normal.1,60 — 1,80
3 „ ovariotomiert -f a 10, 20 u. 30 Tage . . 2,0 2.35 3,00
Die Richtigkeit der allgemeinen Annahme, daß die Organe der
kastrierten Tiere von denen der nicht kastrierten nicht wesentlich
verschieden seien, wurde bezüglich des Gehirns nochmals speziell fest¬
gestellt und das Durchschnittsgewicht
beim Hahn mit 3,32 g
„ Kapaun mit 3,34 g
ermittelt, so daß die Differenz bei 3,32 g nur 2 cg betrug. Diese
geringe Zahl konnte als ohne jede Bedeutung außer Acht gelassen
werden, und Fichera zog aus dem Umstande, daß die Gewichts¬
zunahme der Hypophyse bei den kastrierten Tieren im Vergleich zu
dem allgemeinen Wachstum derselben unverhältnismäßig groß ist, die
Schlußfolgerung, daß die Hypophyse dieser Tiere ein größeres Vo¬
lumen und größeres Gewicht hat, als die der normalen Tiere derselben
Art. Die Ergebnisse der histologischen Untersuchung standen mit den
durch Gewicht erhaltenen Tatsachen in voller Uebereinstimmung, er
fand eine auffällige Vermehrung der eosinophilen Zellen und somit
eine bemerkenswerte wirkliche Hypertrophie der Glandula pituitaria.
Da Fichera aus der Literatur über die betreffs der inneren
Sekretion der Geschlechtsdrüsen unternommenen Versuche keinen Auf¬
schluß fand, der eine Erklärung für die von ihm beobachtete Hyper¬
trophie der Hypophyse nach der Kastration ermöglichte, so unternahm
er eine zweite Reihe von Versuchen, um festzustellen, in weicher Zeit
Untersuchungen üb. d.Einwirkung d.Kastration auf d.Hypophyse b. Pferden. 203
die beobachtete Veränderung einträle und ob sie durch Injektionen
von Hodenextrakt beeinflußt werden könne.
Frisch kastrierte junge Hähne wurden am 5., 20. und 25. Tage
nach der Operation getötet. Während bei ersterem weder Gewicht
noch histologische Untersuchung eine Abweichung zeigte, waren bei
den anderen die Gewichte auf 2 bzw. 2,28 cg wie bei alten Kapaunen
gestiegen und auch der histologische Befund durch überreiche Anzahl
eosinophiler Zellen ausgezeichnet.
Andererseits wurde alten Kapaunen je 3 ccm in physiologischer
Kochsalzlösung frisch bereiteter Tcstikelsaft injiziert. Die Untersuchung
der Hypophysen zeigte, daß nur 1 oder 2 Einspritzungen genügten,
um das Aussehen derart zu ändern, daß es sich ganz dem Aussehen
der normalen Drüse nähert. Die Veränderung beginnt sofort nach
der Injektion und geht um so schneller vor sich, je mehr Extrakt
eingespritzt wird.
Wenn somit die Modifikation der Struktur, welche die Glandula
pituitaria infolge der Kastration erwirbt und die durch Zeichen er¬
höhter funktioneller Tätigkeit ausgezeichnet ist, stark abgeschwächt
wird oder verschwindet, sobald der Saft von den Organen eingespritzt
wird, deren Fehlen jene Strukturveränderung hervorgerufen hat, so ist
man nach Fichera zu der Annahme berechtigt, daß der Ausfall des
Produktes der inneren Sekretion der Geschlechtsdrüsen die Ursache
der Vergrößerung der Hypophyse ist, und daß dadurch die direkten
Beziehungen zwischen Testikeln und Hypophyse bewiesen sind.
Um die Bedeutung und die Art des Einflusses der Keim¬
drüsen auf den übrigen Körper festzustellen, kann man auf verschie¬
dene Weise Vorgehen, indem man einmal am unversehrten Organismus
die Veränderungen beobachtet, die bei der Reifung der Keimdrüsen,
der Pubertät und bei der Zurückbildung im Alter auftreten, ein
andermal feststellt, welche Erscheinungen unter pathologischen Ver¬
hältnissen bei Verkümmerung oder Erkrankungen dieser Drüsen wahr¬
nehmbar sind. Vielleicht lassen sich gerade hier aus dem negativen
Befunde, aus dem Fehlen bestimmter Veränderungen trotz der Ver¬
kümmerung der Keimdrüsen wichtige Schlüsse ziehen. Den sichersten
Aufschluß aber ergibt der Versuch, die operative Entfernung der Ge¬
schlechtsdrüsen, die - Kastration.
Schon in den ältesten Zeiten wurde die Kastration vielfach, und
zwar zunächst ausschließlich am Menschen ausgeführt. So wurden
dem besiegten Feinde die Geschlechtsteile abgeschnitten und sic selbst
204
KL’EHN
zu Sklaven gemacht. Da aber bei diesem Verfahren zu viele zu
Grunde gingen, die Sklaven auch einen erheblichen Wertgegenstand
darstellten, beschränkte man sich später auf die Entfernung der
Hoden.
Trotzdem also die Kastration so ungeheuer oft ausgeführt wurde,
ist unser Wissen über die Einwirkung derselben auf den Körper sehr
mangelhaft, weil die Menschen meist nicht auf das geachtet haben,
was von wirklicher Bedeutung ist, heute aber das Beobachtungsmaterial
nur selten oder schwierig zu erreichen ist.
Die ersten Kenntnisse über die Körperbeschaffenheit von
kastrierten Männern verdanken wir mehrfachen Berichten von
Reisenden, v. Krem er nennt ihre Erscheinung widerlich, die Gestalt
hager und eckig, ihre ganze Entwickelung verkümmert. Bilharz
schildert sie als abschreckend dick und mißgestaltet, wenn es sich
um verschnittene Nubier und Negerrassen handelt, während die
Abessinier angenehme Gesichtsbildung und gute Formen haben sollen.
Hervorzuheben ist, daß fast in allen Berichten eine Annäherung an
den entgegengesetzten weiblichen Typus als Begleiterscheinung der
Kastration angegeben wird.
Man sieht, daß aus diesen allgemeinen x\ngaben sich keine
nennenswerten Schlüsse ziehen lassen, dennoch haben die tiefer ein¬
dringenden Untersuchungen der neueren Zeit, besonders auch die unter
Berücksichtigung pathologischer Verhältnisse und die mittels Experi¬
mentes erhaltenen Aufschlüsse unsere Kenntnisse etwas erweitert. Im
allgemeinen ist festgestellt, daß nach der Kastration Veränderungen
an der Haut und ihren Anhängen, im Knochensystem, an Muskeln.
Fettpolster, inneren und äußeren Geschlechtsorganen und ihren Ad¬
nexen, am Kehlkopf und anderen Organen entstehen.
Die meisten Angaben über Kastration verdanken wir den Er¬
fahrungen von Hühnerzüchtern.
So berichtet Yareil: „Nach der Kastration kräht der Hahn nimmermehr
Kamm und Bartläppehen erreichen kaum die Grüße wie bei anderen männlichen
Tieren. Die Sporen erscheinen, bleiben jedoch nur kurz und stumpf, die langen
schmalen Federn am Hals und den hinteren Partien des Rückens nehmen ein Aus¬
sehen an, welches zwischen den Halsfedern des Hahnes und dem gewöhnlichen
Federkleid des Huhnes steht. Der Kapaun pflegt sich zu den Küchlein zu halten,
sie beim Suchen nach Nahrung zu begleiten und sie unter seine Schwingen zu
nehmen, wenn sie müde sind. So groß ist die Aehnlichkcit im Alter von 10 bis
12 Monaten zwischen manchen der kastrierten Hähne und den Hennen, daß es oft
schwer ist, das Geschlecht durch die Testierenden äußeren Charaktere zu be¬
stimmen. Auf diese Weise bekommen männliche und weibliehe Tiere, die durch
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 205
Verlust der Sexualorgane sozusagen Neutra werden, ein entsprechendes Aussehen
und beide nehmen Charaktere an, die entschieden zwischen beiden Geschlechtern
liegen**.
Von anderen Beobachtern berichtet Samuel noch: Die Mauserung, die zur
Begattungszeit eintritt, fällt nach Angaben aller Ornithologen bei Kastraten,
Kapaunen und Poularden völlig fort. Kastrierte Vögel mausern nicht.
K. Römer sagt: „Die Kastration hat eine raschere Ausbildung der Tiere
zur Folge, und dabei entwickelt sich bei ihnen eine größere Neigung zum Fett¬
werden. Die Kapaunen sind meist friedfertige, nicht zum Streite geneigte, emsig
nach Futter suchende Tiere, sie lassen zuweilen einen klanglosen Hahnruf er¬
schallen, tragen den Steiß gesenkt. Einige Kapaunen versuchen zu treten“. Um
diese literarischen Angaben auf ihren wahren Wert zu prüfen, nahm Seil heim (55)
ergiebige Versuche vor und beobachtete bei völlig kastrierten Hähnen folgendes:
Kapaunen krähen für gewöhnlich nicht, doch wurde bei Erwachen des Früh¬
lings mehrfach ausgesprochenes Krähen gehört, Stimme etwas leiser und heiser.
Tretversuche vereinzelt beobachtet, in einem Falle nach 1 Jahre regelrecht aus-
geübt. Von Friedfertigkeit und Feigheit nichts beobachtet. Die Kapaunen
kämpften noch 1 Jahr nach der Operation untereinander, mit Hähnen und Hühnern
häufig, mutig und ausdauernd, ergriffen oft die Offensive und richteten den Kontroll-
hahn übel zu. Entwickelung von Mutterliebe und Fürsorge für die Küchlein nicht
beobachtet, beim Fressen Benehmen nicht auffällig emsiger als Hähne und Hennen.
Kämme entwickelten sich nur wenig: schrumpften sogar unter die Dimension, die
sie vor der Operation hatten; auch Bartläppchen nahmen an Länge und Breite ab.
Ohrscheiben sind beim Kapaun am wenigsten entwickelt, stellen nur einen weißen
kahlen, runzeligen Fleck dar, der fast völlig in das Niveau der Haut fällt. Der
Sporn nimmt entgegen den seitherigen Beobachtungen fast stärker als beim Hahn
zu. Ebenso behielt das Gefieder durchaus den Charakter des männlichen Tieres.
Steiß-, Halsfedern, sowie Farbenpracht des Federkleides waren besser ausgebildet
als bei nichtoperierten Tieren. Der Körperbau des Kapauns erscheint etwas
schlanker. Entgegen den Angaben Samuels wurde die Mauserung deutlich wahr¬
genommen.
Die Kastration beeinflußt also die sekundären Geschlechtscharak¬
tere in ganz verschiedener Weise, die einen (Kämme, Bartläppchen,
Ohrscheiben) regressiv, die anderen (Sporen) progressiv.
Inbetreff der Kastration der Hennen kommt Seilheim zu der
Ueberzcugung, daß früher die Entfernung ganzer Eierstöcke wohl nie
ausgeführt wurde, da die Operation sehr schwierig ist und die Tiere
kaum mit dem Leben davonkommen. Man hat oft nur einen Haut¬
schnitt gemacht und die Bürzeldrüse (Glandula uropygii) oder die
Bursa Fabricii, die man für Eierstock oder gar die Mutter hielt, ent¬
fernt; aber beide Organe stehen zu den Geschlechtsteilen in gar keiner
Beziehung.
Man übte an Stelle der Kastration die Durchschneidung bzw.
Resektion des Legrohrs, und auf solche Tiere beziehen sich die An-
20«
KliEHN,
gaben YarelTs, ßland-Sutton’s und anderer. Yarell sagt dar¬
über: Die Follikel werden dann nicht mehr größer und der Zu¬
sammenhang zwischen den Geschlechtsorganen und der Stimme tritt
bei der Henne nicht weniger in Erscheinung wie bei dem männlichen
Tier. Sie macht einen unvollkommenen Versuch zu krähen. Es er¬
folgt eine Zunahme an Größe des Kammes, Sporne kommen hervor,
'bleiben jedoch kurz und stumpf. Das Gefieder unterliegt einer Alte¬
ration, welche der Züchter schmutzig federig nennt, indem die Form
gekräuselt wird und die Farbe sich ändert. Besonders bemerkenswert
ist das Ausbleiben der Vergrößerung an der hinteren Partie des
Rückens, die bei allen wahren weiblichen Individuen beobachtet wird
und zur Passage der ausgebildeten Eier nötig ist.
Seilheim gibt aus seinen Beobachtungen an 7 operierten Hennen,
die z. T. während der nächsten Legepause, z. T. kurz vor der
nächsten Legeperiode (7 Monate post operationem) und auf der Höhe
der nächsten Legezeit (11—13 Monate p. oper.) mit Kontrolltieren
geschlachtet waren, folgendes an:
Während der Legepause schrumpften die Eierstücke bei beiden Arten der
Hühner bis auf Mandelgröße zusammen. Beim Herannahcn der Legezeit und während
der nächsten Legeperiode machten die Eierstöcke und teilweise auch die Legerohre
dieselben physiologischen Wandlungen mit, wie beim niehtoperierten Huhn.
Ovarien und (in einem Falle) auch Ovidukt traten in Tätigkeit und stießen ihre
Erzeugnisse in die freie Bauchhöhle aus, wo sie teilweise der Resorption anheim¬
fielen. Jedenfalls ist nach diesen Untersuchungen zu sagen, daß der supponierte
lokale Einfluß der Resektion des Ovidukts auf den Eierstock nicht eintritt.
Von einer Kastration der Hennen spricht man daher mit Unrecht. Daß die
sekundären (reschlcehtscharaktere durch die beschriebene Operation eine Alteration
erfahren, ist reines Phantasiestück.
Auch im übrigen traten im Fcderkleid und Benehmen bei den operierten
Tieren keine bemerkenswerten Verschiedenheiten von den Kontrollhennen in Er¬
scheinung. Sie ließen sich treten wie die anderen, insbesondere wurden Krähvcr-
versuchc nicht gemacht. Von einer Beckenverengerung war beim Vergleich der
Durchschnittszahlen ebenfalls nichts zu bemerken, die Zahl betrug bei den ope¬
rierten 4,17 cm gegen 3,7 der normalen, also sogar ein durch den Zufall bedingtes
kleines Plus.
Wenden wir uns nun weiter den einzelnen Veränderungen zu,
welche beim Menschen oder den anderen Haustieren als Folgezustände
der Kastration aufgefaßt werden, so ist, wenn wir zunächst die Ge¬
schlechtsorgane berücksichtigen, von Gr über und Steinach beob¬
achtet, daß bei Kastrierten die Saracnblasen rudimentär sind.
Andere Versuche haben ergeben, daß bei Tieren mit Entfernung der
Hoden eine Atrophie der Prostata einhergeht. Steinach hat
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b.Pferden. 207
dies bei Ratten, Kirby, Guyon und Legueu bei Hunden, die 5 und
2Vs Monate nach der Operation getötet wurden, gesehen, und
Al bar ran, der dasselbe Experiment mit Hunden anstellte, konnte
die Atrophie schon nach Monaten feststellen. Eine große An¬
zahl Chirurgen hat deshalb die Entfernung der Hoden vorgenommen,
um bei Hypertrophie der Prostata eine Vergrößerung der Drüse auf¬
zuhalten, und viele versichern, mit Erfolg. Del bet faßt die Ergeb¬
nisse etwa folgendermaßen zusammen: Wegnahme der Hoden bewirkt
Schwund der Prostata auch im reifen Alter. Einseitige Kastration
bewirkt einseitigen Prostataschwund, wirkt aber weniger energisch
und weniger zuverlässig als die doppelseitige Operation. Alle Wider¬
sprüche zwischen den Autoren sind bis jetzt noch nicht auszugleichen.
Zu den merkwürdigsten Veränderungen gehören die der Brust¬
drüsen. Wie Delbet sagt, ist das Verhalten der Brüste schwer zu
verstehen. Die Pubertät wirkt befördernd auf ihr Wachstum, aber
auch die Unterbrechung der Tätigkeit des Keimgewebes wirkt in
gleichem Sinne, denn nach der Porro’sehen Operation hat man be¬
sonders starke Milchabsonderungen beobachtet, und während des
Stillens hört die Menstruation auf; besonders aber kann durch die
Kastration beim Manne das Wachstum der Brüste angeregt werden.
Auffallenderweise wird zwar in den Berichten über nichtmedizinische
Kastrationen die Hypertrophie der Brustdrüsen nicht erwähnt, aber
die medizinische Beobachtung erwähnt einmal die angeborene Gynä¬
komastie, sowie einige, wenn auph seltene Fälle, erworbener d. h.
das Entstehen von Weiberbrüsten nach Zerstörung der Hoden bei ge¬
schlechtlich Reifen. So beschreiben Lereboullet und Coffin das
Auftreten nach durch Hodenentzündung bedingtem Schwund beider
Hoden; Lacassagne nach Zugrundegehen auch nur eines
Hodens, und Le Dentu die einseitige Hypertrophie der Brustdrüse
bei einseitigem Fehlen des Hodens der gleichen Seite.
Ueber die Exstirpation der weiblichen Keimdrüsen beim
Menschen aus früherer Zeit fehlen fast alle Berichte. Dr. Roberts
will in Indien weibliche Kastraten gesehen haben; die von ihm unter¬
suchten Personen waren etwa 25 Jahre alt, groß, vollkommen ge¬
sund und muskulös, hatten keinen Busen und keine Warze, der
Scharabogen war so eng, daß sich die aufsteigenden Aeste der Sitz¬
beine und die absteigenden der Schambeine fast berührten. Die
ganze Gegend der Schamteile zeigte keine Fettablagcrung, die Hinter¬
backen waren nicht mehr entwickelt wie bei Männern. Menstrual-
20«
KUEHN,
blutung und Gesehlechstrieb nicht vorhanden. Da in neuerer Zeit die
operative Entfernung der Eierstöcke verhältnismäßig häufig vorge¬
nommen wurde, sind die darnach eintretenden Veränderungen ziemlich
genau beobachtet und herrscht darüber in vielen Punkten nahezu Ueber-
einstimraung.
Nach der Kastration hört die Menstruation auf; sind Reste der Eierstöeke
zurückgeblieben, kann sie fortdauern, die Menopause trat in der Regel in 55,5 p( 't.
sofort, in 25,8 pUt. erst nach langer Zeit und in 18,7 pCt. gar nicht ein. Von
manchen Seiten. Daucourt, wird auf vikariierende Blutungen aus Scheide.
Urethra, Rektum, Nase und Lunge großes Gewicht gelegt, aber andere, z. B.
Fehling, sagen, es sei übertrieben, und Alterthum (1) und Glaeveck kon¬
statieren, daß sie nur selten Veranlassung zu vikariierenden Blutungen gibt.
Man hatte geglaubt, daß das Weib durch die Kastration zu einem geschlechts¬
losen Individuum werde und die Charakteristika des weiblichen Geschlechts ver¬
loren gehen. Man hatte das Schwinden der Brüste, des langen Haupthaars, de>
breiten Beckens behauptet, ja sogar, daß sie positive männliche Charaktere an¬
nehmen, als: tiefe Stimme, starke Behaarung. Dies ist nicht der Fall. Von Alter¬
thum ist nie eine Schrumpfung der Brüste, in manchen Fällen sogar eine Ver¬
mehrung durch Zunahme von Fettgewebe, in 5 Fällen kolostrumähnliche Flüssig¬
keit beobachtet. Konstant ist Rückbildung des Uterus, wie beim natürlichen AIt-
werden, ähnlich am Introitus und der Scheide. Nach histologischen Untersuchungen
von Jentzer und Beult ner, von Buys und Vandervelde beruht das Kleiner¬
werden des Uterus auf einfacher Atrophie der Muskelfibrillen ohne fettige Degene¬
ration, auf einer Wucherung des interstitiellen Gewebes, welches später fibrös wird,
und auf einer Degeneration und Desquamation der Fpithelien der Uterusdrüsen.
Leber die Veränderungen an den äußeren Geschlechtsteilen
männlicher Tiere nach der Kastration ist wenig bekannt. Kichon
und Fandelize (Fichera) fanden bei früh kastrierten Lapins die
äußeren Genitalien so mangelhaft entwickelt, daß ein Irrtum über das
Geschlecht möglich wurde. Sellheim stellte nach Beobachtung beim
Kinde fest, daß die Durchschnittsmaße der Zitzen bei gleichaltrigen
Stieren und Ochsen das unverhältnismäßig starke Wachstum dieser
Gebilde bei Kastraten anzeigen, im Gegensatz zur minimalen Ver¬
größerung bei unverschnittenen Tieren im Laufe der ersten 6 Lebens¬
jahre. Der Durchschnitt durch durch Zitze und das darunterliegende
Drüsengewebe zeigt auch beim Ochsen eine etwas reichlichere Ent¬
wicklung des letzteren als beim Stier.
Bei weiblichen Tieren, die früh kastriert worden sind,
schrumpfen Gebärmutter, Eileiter und Bänder, die Brunst hört auf.
Die Milch kastrierter Kühe soll fett- und kascinrcicher, nach Leblanc
die Fettmenge um ein Drittel vermehrt sein. Oharlier behauptete
auch, daß der Geschmack der Milch ein angenehmerer würde. Falk
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 209
gibt an, daß eine kastrierte, nicht besonders gute Kuh im Jahre
auf ca. 3500 1, eine bessere auf 5—6000 1 im ersten Jahre nach
der Kastration kommt, während sonst eine mittlere Kuh im Durch¬
schnitt 2000—2600 1 gibt. Bei besseren Milchkühen, die über 20 1
täglich geben, hält dieser hohe Milchertrag nicht länger als bei nicht-
kastrierten an. Die Vermehrung der Milchmenge tritt nach Falk
weniger durch Steigerung der täglichen Milchmenge als durch Ver¬
längerung der Dauer der Laktation von etwa 9 auf 18—20 Monate
hervor. Bertschy in Düdingen führt an, daß Kühe, welche an
Stiersucht leiden, öfters rinderig werden, unbefruchtet bleiben, und
auf der Weide die ganze Herde belästigen, sowie Kühe, die zur Zucht
untauglich wurden, durch die Ovariotomie zu sehr nutzbarem Milch-,
Arbeits- und Mastvieh umgeändert werden.
Ueber den Erfolg der Operation in betreff der größeren Milch¬
ergiebigkeit sind die Ansichten sehr geteilt; in großen Milchwirt¬
schaften hat man gefunden, daß die Kühe durch die Kastration zu
rasch fett werden und daß damit eine Verminderung der Milch¬
quantität eintritt. Liebner, Friedrich, Hofbauer und Sickert
erklären, daß die Erfolge der Ovariotomie in keinem Verhältnis zu
den eventl. Gefahren stehen. (Bayer, Operationslehre 1906).
Die bekannteste Wirkung der Jugendkastration beim Menschen
ist das Ausbleiben des Stimmwechsels, d. h. der Knabe be¬
kommt nicht, wie der gesunde, zur Zeit der Reife eine tiefe Stimme,
so daß die Operation früher sehr häufig ausgeführt wurde, um für
Männerchöre Sopranstimmen zu erhalten. Da die Tiefe der Stimme
von der Größe des Kehlkopfes abhängt, muß die Kastration die
Weiterentwicklung desselben verhindern.
Dupuytren (18) beschreibt einen Kehlkopf eines menschlichen Kastraten,
er war ein Drittel kleiner als der von Männern gleichen Alters und gleicher Statur:
er ähnelte dem eines Kindes oder Weibes und die Stimmritze war eng. Gr über (2(0
fand beim Vergleichen des Kehlkopfes eines 65jährigen Eunuchen mit dem eines
Mannes bzw. eines Weibes
1. daß der Kehlkopf des Mannes um ty 4 größer ist als der des Kastraten:
2. daß die Größe des Kehlkopfes des Kastraten den des Weibes bloß um
V 7 im Umfange übertrifft;
3. daß sonach die Größe des Kehlkopfes der Kastraten in Beziehung seines
allgemeinen Umfanges auffallend zu der des Weibes sich hinneigt.
Nach Angabe von Huschkc. Krause und Müller steht die Stimmritze
der Kastraten gleichsam in der Mitte zwischen der des Weibes und jener des
Mannes, wenigstens was die Pars vocalis betrifft, die Pars respiratoria nähert sich
der des Mannes.
Arehii f. wissenseb. u. prallt. Tierheilk. Bd. 36. -Sappl.-Baud.
14
210
KUKHN,
Bei Tieren scheint der Stimmwechsel nicht vorzukommen, ist
wenigstens nicht so auffällig; man nimmt im allgemeinen an, daß die
Stimme des Männchens tiefer ist und die des kastrierten Tieres diese
Eigenschaft verliert. Von Kapaunen hat Seil he im festgestellt, daß
der Kehlkopf an Größe in allen Dimensionen zwischen denen des aus¬
gebildeten männlichen und weiblichen Tieres steht, von einer aktiven
Annäherung an das weibliche Geschlecht aber nichts zu merken sei.
Als eine ferner allgemein beobachtete Veränderung nach der
Kastration dürfte der Einfluß auf das Knochensystem anzusehen
sein. Fast überall, wo eine Beschreibung der Eunuchen gegeben
wird, weist man auf ihre Größe hin.
Tourncs sagt: „Die meisten der vielen Eunuchen in Kairo sind lang, schlank
und sehr mager: Arme und besonders Beine sind von einer unvernünftigen hänge."
Fast das (ileiche berichtet Godard: „Die Eunuchen sind mager, lang gewachsen,
stumpfsinnig, ihre Beine sind durch ihre Länge monströs. Auch die Neger
können sehr groß werden, aber in normalen Proportionen. Das abnorme Wachs¬
tum soll zur Zeit der Pubertät eintreten." Mersch ejewsky untersuchte in den
Petersburger Gefängnissen 22 männliche kastrierte Skopzen und stellte die genauen
Maße fest, wobei eine größere Körperlänge, große Länge der Arme und besonders der
Unterschenkel, und vor allem bedeutendere Breite des Beckens gefunden wurde.
Er betont übrigens, daß die Beckenbreite nicht proportional der Körperlänge sei,
daß man die Breite des Skopzenbcckens nicht durch die langen Glieder erklären
könne.
Pittard (4b) fand ebenfalls durch Beobachtung an Skopzcn. daß durch
Kastration das absolute und relative Wachstum der Brust, des Kopfes und des
knöchernen Schädels in seinen 3 Hauptdurchmessern eingeschränkt würde, dagegen
das absolute und relative Wachstum des Körpers im ganzen, das der Extremitäten
und wahrscheinlich des äußeren Ohrs erhöht und beschleunigt wird.
Bei Tieren wird allgemein die Annäherung an den Typus des
weiblichen Geschlechts behauptet, ohne daß die Annahme durch
Messungen direkt bewiesen wird.
Nach Hering und }foffmann nehmen die hinteren Körperteile au Masse
zu, während die vorderen schlanker werden. Bullenschädel und Stiernacken des
männlichen Kindes kommen garnicht zur Entwickelung, ebensowenig der Hengstkopf
und Speckhals des männlichen Pferdes. Aehnlielier Einfluß macht sich bei sämt¬
lichen anderen Haustieren bemerkbar. Settegast hat bemerkt, daß Ochsen größer
als Stiere und Kühe der gleichen Kasse sind. Xathusius hat beim Vergleiche
der morgen- und abendländischen Pferdegruppei] zahlreiche Messungen vorgenommen
und bei Kastraten ein größeres Maß der Widerristhöhe. Hüftknochenhöhe und der
\ orderen Extremitäten gefunden, während die Kumpf länge bei beiden fast gleich
war. Nach Frank soll das Wallachcnhccken dem Stillenhecken ähnlicher werden,
da der starke Knochenwulst am vorderen Ende der Beckenfuge verschwindet.
Ein richtiges Verständnis über die Ursache dieser Ab¬
weichungen haben uns die Untersuchungen Seilheims gebracht.
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 211
Er untersuchte die Skeletteile von Schlachttieren, also Tieren, die in
der Jugend aus wirtschaftlichen Gründen kastriert waren. Er fand
beim Ochsen von 3 s / 4 Jahr am unteren Ende der Oberschenkel auf
Sägeschuitten eine noch 2 mm breite, ununterbrochene, knorpelige
Epiphysenscheibe erhalten, beim Stiere ganz verknöchert. Die An¬
nahme, daß das Rind mit 4 Jahren ausgewachsen ist, findet hiermit
volle Bestätigung. Bei älteren Wallachen war alles verknöchert,
also ein Beweis, daß bei alten Kastraten die Knorpelzonen auch ver¬
kalken. Er verglich die Skelette vom Hahn und Kapaun und fand
letzteren höher und schmalbrüstiger als den Hahn, das Becken war
hier enger, dort breiter, aber nicht dem der Henne ähnlich. Sodann
stellte er Versuche mit 2 Hündinnen großer Rasse an. Beim Ver¬
gleich ergab sich, daß besonders die Hinterbeine des kastrierten
Tieres, aber auch durchweg die großen Gliederknochen länger und
schlanker waren, daß am Becken die absoluten Maße größer, die
relativen kleiner waren, und daß das Knochenwachstum bei der nicht
kastrierten Hündin abgeschlossen war, während bei der kastrierten
Epiphysenscheiben und knorpelige Nähte noch vorhanden waren.
Es bestehen sonach sehr auffällige Störungen im Wachstum der
Knochen im Anschluß an die in jugendlichem Alter ausgeführte
Kastration beim männlichen wie weiblichen Tier. Die Abweichungen
von der Norm bestehen in einer Retardation der Verknöcherung
knorpeliger Skelettabschnitte, besonders der Epiphysenscheiben an
den Knochen der Extremitäten und den Knochensuturen.
Die Folgen sind sehr beträchtliche Veränderungen in den Pro¬
portionen der Extremitäten, des Schädels, des Beckens und auch des
Brustkorbes.
Daß Kastrationen nach Vollendung des Wachstums einen solchen
Einfluß auf das Knochensystem nicht mehr ausüben, ist begreiflich,
es sind solche Knochenveränderungen wenigstens bei den zahlreichen
operierten Frauen nicht beobachtet worden, eine Verkleinerung des
Beckens kommt nicht vor. Zu erw'ähnen ist hier aber die Wirkung
der Kastration auf die Osteomalazie. Nach Entfernung der Eierstöcke
hört die Krankheit auf und wenn auch die Heilung nicht immer
dauernd ist, so scheinen doch die Beziehungen zwischen den
Keimdrüsen und dem Knochensystem vorhanden zu sein.
Im Hinblick auf die günstigen Erfolge hat Fehling die Hypothese aufgestelit.
es handle sieh bei diesen Erkrankungen um eine von den Ovarien ausgehende
14*
212
KUEHK,
Trophoneurose der Knochen. Man fand in den exstirpierten Ovarien starken Ge¬
fäßreichtum, hyaline Degeneration der Gefäß Wandungen und Veröden bzw. Degene¬
ration der Follikel. Die Fehlingschc Theorie würde nun durch das Auffinden
konstanter Veränderungen in den Ovarien, sei es im ganzen Organ oder nur in
einzelnen Bestandteilen, gestützt werden. Nach den Untersuchungen von
Bulius (8) ist es zu bezweifeln, ob cs je gelingen wird; auch Schottländer
gibt zu, daß es anatomisch nicht möglich, vielleicht auf chemischem Wege zu er¬
reichen sein wird.
Kehrer hat folgende Hypothese aufgestellt:
1. Die Eierstucke bilden pathologischerwcisc einen chemischen Körper, der
fortwährend ins Blut übergehend, die Knochenphosphatc und -karbonate
löst und zwar nach Maßgabe der inneren Angriffsfläche, die in den spon¬
giösen Knochen ausgedehnter ist als in den Röhrenknochen.
2. Der hypothetische chemische Körper wird auch in der Norm in geringen
Mengen, bei Osteomalazie reichlich gebildet. Er hemmt in der Norm
bloß die Knochenneubildung, so daß das" weibliche Skelett dünner und
graziler wird als das männliche. Seine Hypersekretion erzeugt Osteo¬
malazie.
Diese Theorie hat eine ganze Reihe von Dingen zu Voraus¬
setzungen, von denen bisher noch nichts auch nur einigermaßen sicher
erwiesen ist: die sogenannte innere Sekretion der Eierstöcke,
ihre Störungen, ihr Einfluß auf den Gesamtorganismus und
auf einzelne Körperteile bei normalem oder abnormem Verhalten.
Zur ihrer Stütze lassen sich höchstens die Versuche von Tarulli und Pa¬
ra tu lo anführen. Sie beobachteten den Stoffwechsel bei Hunden und ovario-
tomierten weiblichen Mäusen und stellten nach Entfernung der Keimdrüsen eine
ansehnliche und dauernde Verminderung in der Ausscheidung der Phosphate und
ausgeatmeten Kohlensäure fest, die sofort wieder zunahm, wenn Ovarialsaft
subkutan eingespritzt wurde. Tarulli und Caratulo folgerten hieraus, daß die
Ovarien dauernd an das Blut ein Produkt der inneren Sekretion abgäben, welches
die Oxydation von organischen Phosphorverbindungen. Kohlehydraten und Fetten
begünstige. Pinz uni, Loe wy und Rieh t er . welche die gleichen Versuche
machten, bestätigten oben gemachte Behauptungen, während Schultz und Falk,
Lüthje und andere sie verneinten. Messe und Oulie und Hey mann sogar in
einigen Fällen eine vermehrte Ausscheidung der Phosphate gefunden haben.
Nach dem jetzigen Stande ist es nicht möglich, über die Wirkung
der Kastration bei der Osteomalazie und die Entstehung dieser
Knoehenerkrankung befriedigende Erklärungen abzugeben.
Treten wir jetzt den Veränderungen des Schädels noch
etwas näher, so sollte man annehmen, daß der Kastratenschädel
größer sein müsse, da seine Nähte später verknöchern, somit Ge¬
legenheit zu längerem Wachstum gegeben isl.
Vom menschlichen Kastraten ist in alten Beobachtungen die Größe des
Kopfiiinläntre" nicht angegeben. Merschejcwsky säet von seinen Skopzen. daß
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 213
die Kopfmaße nicht wesentlich anders als von Männern gewesen seien; war der
Kopfumfang aber gleich, so waren die Skopzenköpfe verhältnismäßig kleiner wegen
der vermehrten Körperlänge. Auch nach den Betrachtungen von Ecker und
Becker an Negerskeletten waren die normalen Negerköpfe größer als die der
Eunuchen.
Nun hat aber Gail (zitiert von Möbius) behauptet, daß beim Kastraten die
Hinterhauptschuppe weniger gewölbt, ja geradezu flach sei, und führt dies auf die
seiner Ansicht nach wichtigste Veränderung nach der Kastration, auf die Entwicke¬
lungshemmung des Kleinhirns zurück, das bei weitem nicht die Größe erreicht, als
wenn die Operation nicht vorgenommen worden wäre. Nach seiner Ueberzeugung ist
das Kleinhirn der Sitz des Geschlechtstriebes. Wird die Kastration erst nach Be¬
endigung des Wachstums vorgenommen, oder wenigstens zu einer Zeit, wo in der
Hauptsache das Kleinhirn schon entwickelt ist, so verhindert sie weder die Kund¬
gebungen des Fortpflanzungstriebes, noch die Möglichkeit die Begattung auszuüben.
Den besten Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung sieht Gail in der Wir¬
kung der einseitigen Kastration auf die Entwickelung des Kleinhirns. Wie mehr¬
fache Beobachtungen an Kranken, verschiedene Sektionsbefunde und Tierexperi¬
mente zeigten, hatte stets der Verlust nur eines Hodens Atrophie der gegenüber¬
liegenden Kleinhirnhemisphäre und im Anschluß daran auch Abflachung der Hinter¬
hauptswölbung zur Folge.
Möbius (41), der warm für die Ga 11 sehen Anschauungen eintritt, glaubt
nach seinen Messungen an Schädeln verschiedener Tierarten mit großer Wahr¬
scheinlichkeit sagen zu dürfen, daß durch die Kastration die Form des Schädels
verändert wird, daß er im ganzen größer wird, und daß sein hinteres Ende in
einer nach der Tierart verschiedenen Weise verunstaltet wird. Am Wallachenschädel
will Möb ius ein engeres Hinterhauptsloch und eine rauhe, gleichsam verwitterte
Oberfläche des außerdem kleineren und weniger gewölbten Hinterhauptbeins ge¬
funden haben.
Sellheim stellte bei seinen Versuchen fest, daß der Kapaunenschädel zier¬
licher, weniger massig und mit weniger ausgeprägten Muskelansätzen versehen war.
Der Schädelinnenraum war etwas vermindert, der Höhendurchmesser kleiner. Auch
der Schädel der kastrierten Hündin war länger und breiter, aber niedriger als der
des Kontrolltieres. Christiani (11) hat zahlreiche Messungen an den Hinter¬
hauptsbeinen von Pferden vorgenominen, ohne einen durchgreifenden und außer
allem Zweifel stehenden Unterschied in Größe, Gestalt und Wölbung der Hinter¬
hauptsbeine bei Wallachen und nicht kastrierten Pferden nachweisen zu können.
Daß die Kastration tatsächlich einen Einfluß auf die Schädel¬
beschaffenheit ausübt, lehrt die allgemein bekannte stärkere Ent¬
wickelung der Hörner der Ochsen, der Unterschied betrug nach
Seilheim in 5 Jahren 15 cm. Bei Ziegen ist es vielleicht ebenso;
Tschudi erwähnt, er habe einen kastrierten Bock gesehen, dessen
Hörner im Bogen 2y 2 Fuß maßen. Bei Widdern sollen in der Regel
die Hörner mehr oder weniger kümmerlich ausfallen, bei manchen
Rassen ganz ausbleiben. Rörig hat beim Wild diese Frage sorg¬
fältig studiert und gefunden, daß angeborene völlige Atrophie der
214
KÜEHN,
Zeugungsorgane vollständige Geweihlosigkeit zur Folge hat. Ein¬
seitige Atrophie derTestikel bedingt einseitige Verkümmerung der Geweih¬
stangen auf der entgegengesetzten Seite. Erworbene völlige Atrophie der
Hoden hat Entwickelung eines Perückengeweihes zur Folge. TotaleKastra-
tion eines jugendlichen Tieres bewirkt, daß weder Stirnzapfen noch
Geweih entwickelt werden, die gleiche Operation zur Zeit des völlig
ausgereiften Geweihes verursacht, daß das Geweih vorzeitig abfällt
und nie wieder ein ausreifendes Geweih entsteht.
Ueber Größe und Beschaffenheit des Kastratengehirns
finden sich mit der Ausnahme der Gal Ischen Beobachtungen keine
Angaben vor. An Pferdegehirnen hat Lauret Wägungen vornehmen
lassen, die für Hengste ein Gewicht von 534,8, Stuten 507 und
Wallache 519,62 g, somit für die kastrierten Tiere ein geringeres Ge¬
wicht ergaben. Golin hat in 15 Wägungen nur eine geringe Differenz
festgestellt, die er auf eine Vergrößerung des Kleinhirns schiebt.
Ueber die Beeinflussung der seelischen Tätigkeit und Charak¬
tereigenschaften durch die Kastration liegen die widersprechendsten
Urteile vor. So heißt es im allgemeinen von den Kastraten, sie seien
feige, boshaft, neugierig, fanatisch, grausam, hinterlistig, eitel, aber
alle diese Eigenschaften sind überhaupt häufiger als ihr Gegenteil und
kaum auf direkten Verlust der Keimdrüsen, sondern auf verschiedene
andere Umstände und wirtschaftliche Verhältnisse zurückzuführen,
andererseits werden Eunuchen als anhänglich und kinderfreundlich be¬
zeichnet.
Sodann ist vielfach die Entstehung von Geistesstörungen be¬
hauptet worden. Dupuytren, Demarquay, Vidal und andere
sagen, es könne Melancholie auftreten, die zuweilen tödlich sei oder
zum Selbstmord führe. Auch in neuerer Zeit sind bei Behandlung
von Prostatavergrößerung durch Kastration unangenehme Geistes¬
zustände beobachtet worden; so starben von 6 Kranken Faulds 4
an akuter Manie kurze Zeit nach der Operation. Wenn hier gewisse
ursächliche Beziehungen zwischen Operation und Geisteskrankheit
augenscheinlich sind, so ist der nähere Zusammenhang doch völlig
ungeklärt, und müssen ganz andere Ursachen und Gemütsstimmungen
mitgewirkt haben. In manchen Fällen mögen die Patienten schon
vorher geistig etwas abnorm gewesen sein. Nach Ausführung der
Operation im jugendlichen Alter hat man Geistesstörungen nicht be¬
obachtet.
Auch die Erfahrungen an Frauen haben nicht, zu einer einheit-
Untersuchungen üb. d.Einwirkung d. Kastration auf d.Hypophyse b. Pferden. 21 •*>
liehen Deutung geführt. So wird von Glaevecke ein schädigender
Einfluß auf den Geisteszustand behauptet, Vs aller Fälle war melan¬
cholisch, gedrückt. Pfister nennt von 116 Fällen 50 gedrückt.
Schmitz beschreibt 3 Fälle schwerer psychischer Störung, er zieht
wie Routh die Theorie der inneren Sekretion der Ovarien heran und
stellt die Folgen des Verlustes der Keimdrüsen in Analogie mit Ver¬
lust der Schilddrüse. Alterthum sagt aber, eine Cachexia ovario-
priva gibt es nicht, er stellt 111 Fälle zusammen, von denen 47 keine
Aenderungen der Gemütsstimmung zeigten, 45 waren heiter, froh,
8 gereizt erregt und nur 7 waren traurig, aber auch dazu gaben
andere familiäre Gründe die Veranlassung ab. Ueber die Abnahme
des Gedächtnisses gaben von 97 Frauen 28 eine Abnahme an, aber
nur 1 hochgradig.
Bei Tieren wird im allgemeinen der Charakter durch die
Kastration geändert, Kraft und Lebhaftigkeit vermindert und zwar
umsomehr, je später die Operation vorgenommen wird, alte Hengste
werden nach der Kastration ruhiger und träger als junge. Von
Kapaunen wird angegeben, sie seien feige und bemutterten die Jungen,
Seilheim hat das Gegenteil beobachtet.
Uebersehen wir nun noch einmal die Veränderungen, welche
direkt durch die Kastration, durch den Ausfall des Einflusses der
Keimdrüsen auf den Körper hervorgerufen werden, so kommen wir
zu der Ueberzeugung, daß die früheren Annahmen zum großen Teil
übertrieben sind, daß die alte und noch heute vielfach verbreitete
Anschauung, daß durch diese Operation die Geschlechter gewisser-
raassen umgekehrt, daß der Mann zum Weibe, das Weib zum Manne
würde, nicht den Tatsachen entspricht. Es ergibt sich aber, daß die
Kastration im jugendlichen Alter die Ausbildung der sekundären Ge¬
schlechtscharaktere hemmt, aber nicht aufhebt, im späteren Alter
zwar nur geringeren Einfluß äußert, aber doch nicht ganz ohne Ein¬
wirkung bleibt.
Es werden auch nicht alle Gcschlechtscharaktere in gleicher
Weise, sondern die einen regressiv, die anderen progressiv beeinflußt.
Während von den Geschlechtsorganen Samenblasen, Prostata und
Uterus sich zurückbilden, wird die Mamma mitunter zum Wachstum
oder erhöhter Tätigkeit angeregt. Der Kehlkopf bleibt in der Ent¬
wickelung zurück. Epiphysenknorpel und Nähte verknöchern nicht
rechtzeitig, so daß aus dieser Hemmung ein stärkeres Wachstum hervor¬
geht. Die Einwirkung auf die nervösen Zentralorgane, die Haut und
216
KUEHN,
ihre Anhänge ist zwar nicht zu leugnen, aber bei weitem nicht in
dem Maße zu beobachten, wie immer angenommen wird.
Daß die Entfernung der Keimdrüsen aber wirklich als die Ur¬
sache genannter Veränderungen zu betrachten ist, dürfte durch die
Tatsache gestützt sein, daß sie nicht eintreten, wenn die Testikel
bzw. Ovarien nicht vollständig entfernt, sondern Teile davon im Körper
zurückgeblieben sind. Knauer und Haibau haben gezeigt, daß die
aus ihren nervösen Verbindungen vollständig gelösten und an irgend
einer Stelle des Körpers eingepflanzten Eierstöcke den Schwund der
übrigen Geschlechtsteile und der Brustdrüse verhindern.
Alle diese Tatsachen machen es wahrscheinlich, daß
eine innere Sekretion der Geschlechtsdrüsen vorhanden ist,
daß irgend welche Stoffe aus den Keimdrüsen in den Kreislauf ein¬
treten müssen, die dann auf die einzelnen Organe hemmend, fördernd
oder umgestaltend wirken.
Fichera glaubt nun durch seine Versuche den Beweis erbracht
zu haben, daß direkte Beziehungen zwischen den Geschlechtsdrüsen
und der Hypophyse bestehen. Die Richtigkeit dieser Behauptung vor¬
ausgesetzt, würden darnach manche Hypothesen aus dem Bereich der
bloßen Wahrscheinlichkeit herausgerückt werden. Bei der Akromegalie
wird die Hypertrophie und vermehrte Tätigkeit der Hypophyse als
Ursache der Steigerung des Knochenwachstums angesehen, auch bei
der Kastration wird, wenigstens bei jungen Tieren, eine Steigerung
des Knochenwachstums und eine Vergrößerung der Hypophyse beob¬
achtet. Da diese Vergrößerung und die durch Eosinophilie gekenn¬
zeichnete vermehrte Tätigkeit sehr schnell eintritt, ließe sich das
Knochenwachstum vielleicht auf die Hyperfunktion des Gehirnanhangs
zurückführen.
Man müßte hieraus folgern, daß das Produkt der inneren Se¬
kretion der Keimdrüsen die entgegengesetzte Wirkung habe, als das
der Hypophyse, daß es Antagonist der letzteren sei und auf das
Knochenwachstum hemmend wirke. Die verminderte Ausscheidung
der Phosphate nach der Kastration, wie sie Tarulli und Caratulo
beobachtet haben, müßte dann ebenfalls als Wirkung der vermehrten
Hypophysenfunktion gedeutet werden. Eine größere Sicherheit in der
Beurteilung dieses Punktes würde man erhalten, wenn nach Kastra¬
tion von Tieren ohne Hypophyse das vermehrte Knochenwachstum
ausbliebe.
Auch für die Annahme der Reziprozität, daß umgekehrt auch ein
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 217
hemmender Einfluß der Hypophyse auf die Keimdrüsen vorhanden sei.
könnten Beobachtungen bei der Akromegalie herangezogen werden,
wo sie in Form von Funktionsstörungen (Menopause) und Atrophie
der Geschlechtsorgane teilweise zum Ausdruck kommt.
Auch die Kehrersche Hypothese der Osteomalazie würde hier¬
durch eine gewisse Stütze finden. Sie setzt bekanntlich seitens der
Eierstöcke eine in diesem Falle gesteigerte Sekretion eines Stoffes
voraus, der die Knochenphosphate und -karbonatc löst, in der Norm
nur in geringen Mengen gebildet wird, um die Knochenneubildung zu
hemmen. Die ausfallende Tätigkeit der Hypophyse würde dem Pro¬
dukt der Ovarien eine gesteigerte Wirkung ermöglichen. Von Inter¬
esse würde es sein zu wissen, ob bei Osteomalazie Verkleinerung der
Hypophyse bzw. verminderte Funktion zu beobachten ist, da dies ein
weiterer Beweis für die wechselseitigen Beziehungen genannter Organe
sein würde; ich habe in der mir vorliegenden Literatur keine darauf
bezügliche Notiz gefunden.
Beim Fehlen der Hypophyse müßte als Ausdruck des Mangels
ihrer hemmenden Tätigkeit eine Hypertrophie der Geschlechtsorgane
oder Steigerung ihrer Funktion eintreten. Beobachtungen dieser Art
sind nirgends verzeichnet. Friedmann und Maas haben bei ihrem
Versuchstier, das lange Zeit nach völliger Entfernung der Hypophyse
lebte und sich des besten Wohlseins erfreute, ausdrücklich hervor¬
gehoben, daß keine Abweichung an irgend welchen Organen vorhanden
war, auch von gesteigertem Geschlechtstrieb nichts erwähnt.
Für uns war es nun von größter Wichtigkeit, festzustellen, ob
die von Fichera gefundene Vergrößerung der Hypophyse
nach der Kastration auch beim Pferde vorhanden ist. Das
müßte-eigentlich der Fall sein, da auch Osborne-Vincent die An¬
sicht ausgesprochen haben, daß die Funktion der Hypophyse im
ganzen Tierreich die gleiche sei, da selbst mit dem Extrakt von
Fischhypophysen ähnliche Reaktionen hervorzurufen waren, wie mit
dem von Säugetieren. Auch Kon (34) glaubt die Beobachtungen
Fichera’s bestätigen zu können.
Da nach Landessitte nur sehr wenig Hengste gebraucht werden,
somit diese selten zur Sektion kommen, wäre das Vergleichsmaterial
nur ein sehr mangelhaftes gewesen, und es wurden daher die Hypo¬
physen von Stuten mit herangezogen. Es war dabei die Ueberlegung
maßgebend, daß sie in geschlechtlicher Beziehung als unversehrt zu
betrachten und somit den Hengsten gleichzustellen seien, ferner auch
218
KUEHN,
deshalb, weil der Einfluß der Ovarien auf die Hypophyse der gleiche
wie der der Testikel sein soll, wie Fichera ja bei den ovariotomierten
Tieren festgestellt hat. Von allen zur Sektion kommenden Tieren
wurde nach Herausnahme des Gehirns das Gewicht desselben und der
Hypophyse, später auch das des Kleinhirns festgestellt. Von der
Hypophyse wurde die der unteren Fläche ziemlich fest anhaftende
Dura entfernt, indem mit scharfem Messer an der Verwachsungsstelle
am unteren Rande vorsichtig ein Einschnitt gemacht und dann durch
leichten Zug, unterstützt von weiterem Präparieren mit dem Messer,
die feinen Fasern, welche Dura und Hypophyse innig verbinden, ge¬
trennt wurden.
Es gelangten zur Untersuchung 70 Wallache, 40 Stuten und
2 Hengste. Die festgestellten Gewichte waren folgende:
Hypophysen.
Durchschnitt
Minim.
Maxim.
Wallach
. . . 2,432 g
1,115 g
3.681 g
Stute
2,645 g
1,524 g
3,1)85 g
Hengst .
. . . 2,701 g
2.427 g
2.975 g
Gehirn.
Wallach
. . . 632,08 g
498.47 g
735.00 g
Stute
. . . 634,18 g
528,50 g
729,00 g
Hengst .
. . . 683,00 g
r, 78,00 g
688.00 g
Kleinhirn.
Wallach
• ■ • 77,08 g
(5(1,(10 g
88,30 g
Stute
. . . 75,34 g
65,20 g
84,40 g
Die vergleichende Untersuchung ergibt zunächst die überraschende
Tatsache, daß die Hypophyse der Wallache die leichteste der
aufgeführten Geschlechter ist, sie ist mit 2,432 g um 0,213 g
kleiner als die der Stuten, welche wiederum ein aber nur um 0,056 g
geringeres Gewicht besitzt als der Hengst. Die Differenz der letzten
beiden ist so gering, daß sie ganz außer Acht gelassen werden kann.
Freilich ist die Zahl der herangezogenen Hengste so klein, daß daraus
ein sicherer Schluß nicht gezogen werden kann; bei einer größeren
Anzahl könnte die Differenz im Durchschnittsgewicht erheblich steigen,
oder aber auch sich ins Gegenteil verkehren. Aus dem geringen
Unterschied von 0,243 g zwischen Wallach und unversehrten Ge¬
schlechtern aber überhaupt auf einen Einfluß der Kastration auf die
Schwere der Hypophyse schließen zu wollen, dürfte mehr als gewagt
erscheinen, da die Gewichtsschwankungen bei den gleichen Ge¬
schlechtern unendlich viel größer sind, jene kleine Differenz als ab¬
solut belanglos zu betrachten ist. So beträgt namentlich beim
Untersuchungen üb. d.Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 219
Wallach, wo die leichteste Hypophyse 1,115 g und die schwerste
3.681 g wiegt, die Spannung 2,566 g oder mit anderen Worten: die
leichteste verhält sich zur schwersten wie 1: 3,31.
Auch bei Stuten ist die Sachlage ungefähr die gleiche, die
leichteste mit 1,524 g ist gegen die schwerste von 3,985 g um 2,461 g
leichter oder verhält sich zu ihr wie 1 : 2,61. Von einem speziellen
Vergleich der beiden Hengsthypophysen kann wohl abgesehen werden,
da auch schon unter den beiden größere Differenzen vorhanden sind,
als zwischen Hengsten und Wallachen.
Betrachten wir nun das Gewicht der Hypophyse im Verhältnis
zu dem des Gehirns, so läßt sich absolut kein bestimmtes wechsel¬
seitiges Abhängigkeitsverhältnis erkennen. Bei Wallachen wurde aller¬
dings bei der kleinsten Hypophyse (1,115 g) das kleinste Gehirngewicht
498,47 g gefunden, die schwerste (3,681 g) aber bei einem Gehirn von
nur 632,50 g, während eine fast halb so schwere Hypophyse von 2,00 g
bei einem Gehirngewicht von 666,30 g vorhanden war. Das schwerste
Gehirn andererseits mit 735,00 g hatte allerdings auch eine schwere
Hypophyse von 3,180 g, aber ein fast gleiches Gehirn von 726 g hatte
nur eine Hypophyse von 1,848 g aufzuweisen. Bei den Stuten ist die¬
selbe Beobachtung fast noch auffälliger zu machen, die leichteste
Hypophyse von 1,524 g und die schwerste von 3,985 g kommen bei
gleichem Gehirngewicht vor. nämlich bei 677,10 bzw. 677,78 g, die
Differenz von 0,68 g entbehrt wohl jeder Bedeutung. Wir sehen also
ganz regellos schwere Hypophysen bei leichten Gehirnen und umge¬
kehrt Vorkommen, ohne daß auch das Geschlecht irgend welchen Ein¬
fluß bemerkbar macht. Auch der Größe und dem Gewicht der Pferde
kann nach meiner Beobachtung kein irgendwie bestimmender Einfluß
auf Größe des Gehirns oder der Hypophyse beigemessen werden, da
bei kleinen Pferden große Gehirne und bei großen leichte Gehirne
gefunden wurden. Es wäre vielleicht der Rasse ein gewisser Einfluß
zuzuschrciben, allein die Versuchsanordnung und das Material waren
nicht geeignet, um daraus bindende Schlüsse ziehen zu können, und
müßte diese Frage durch eine besondere Versuchsreihe gelöst werden.
Was nun die Gehirngröße bei den verschiedenen Geschlechtern
anbetrifft, so zeigt sich, daß das Hengstgehirn mit 683 g gegen
634,18 g der Stute und 632,98 g des Wallachs um rund 50 g schwerer
ist. Man könnte daraus schließen, daß das Gehirn des männlichen
Geschlechts — wie beim Menschen — größer ist als das des weib¬
lichen, und daß beim Wallach infolge der Kastration ein Zurückbleiben
220
KUEHN,
der Gehirnentwicklung stattgefunden hat. Es würde hierdurch die
Beobachtung Seilheims bestätigt, der nach der Kastration eine Ver¬
änderung des Schädels festgestcllt hat in der Richtung, daß der Kopf
länger, aber niedriger wird. Da das Wachstum des Schädels von der
Entwicklung des Gehirns abhängig ist, würde beim Wallach eine
kleinere Schädelhöhle vorhanden sein müssen als beim Hengst. Ein
ähnliches Resultat hatte Leuret erhalten, der auch festgestellt hatte,
daß das Gehirn des Hengstes schwerer sei als das der Stuten und
Wallache.
Da ich erst später, nachdem schon eine ganze Reihe von
Wägungen vorgenommen waren, durch die Literatur an die Behauptung
Gall’s erinnert wurde, daß durch die Kastration die Entwickelung
des Kleinhirns aufgehalten wird, suchte ich auch dieser Frage gleich¬
zeitig näherzutreten. Da die Pferde alle oder mindestens zum größten
Teil in früher Jugend, jedenfalls vor völliger Entwickelung kastriert
werden, müßte die Abweichung leicht festzustellen sein. Das Gewicht
des Kleinhirns wurde ermittelt, nachdem stets die Kleinhirnschenkel
in gleicher Weise durchschnitten waren. Das Durchschnittsgewicht
bei Wallachen ergab 77,08 g, bei Stuten 75,34 g, bei gleichem Gesamt¬
gewicht des Gehirns, so daß beim Pferde die behauptete Verkleinerung
des Kleinhirns nicht beobachtet werden kann.
Um die Größe der Hypophyse festzustellen, wurde die Be¬
stimmung der verdrängten Wassermenge benutzt, da die einfache Auf¬
nahme der drei dimensionalen Durchmesser keinen genauen Aufschluß
über den wirklichen Kubikinhalt abgeben kann. Die ermittelten
Maße betrugen beim
Durchschnitt Minim.
Wallach . . 2,302 ccm 1,004 ccm
Stute .... 2,508 . 1,432 „
Hengst . . . 2,568 „ 2,300 .
Maxim.
3,475 ccm
3,700 .
2,820 .
Der Vergleich ergibt, daß die Größe der Hypophyse eben¬
sowenig wie das Gewicht durch die Kastration beeinfluß.t wird.
Die Gestalt der Hypophyse ist nicht ganz leicht zu bestimmen:
Lothringer nennt sie kastanienförmig, welcher Vergleich noch am
besten, aber nicht völlig zutrifft. Von oben gesehen ist die Form fast kreis¬
förmig, in der Regel etwas von vorn nach hinten zusammengedrückt,
sodaß der (juerdurchmesser etwas größer ist. Am hinteren Ende
macht sich mitunter eine kleine spitzrunde Ausbuchtung bemerkbar,
die dann auf der etwas hervortretenden Partie des Hirnteils beruht, in
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 221
der Regel aber nicht sichtbar in Erscheinung tritt. An der oberen
Fläche pflanzt sich am Uebergang des ersten in das zweite Drittel
das Infundibulum in die Hypophyse ein, im übrigen ist sie flach ge¬
wölbt. an der hinteren Partie öfter je ein seitliches etwas stärkeres
Hügelchen zeigend, und geht ohne besondere Grenze in die Seiten-
und Hinterfläche über. Die untere Fläche ist mehr eben, zeigt, eine
flache konkave Ausbuchtung, welche vorn am breitesten und tiefsten
ist, nach hinten schmaler und flacher wird, gut 2 / 3 des Längsdurch¬
messers einnimmt und eine dreieckige Gestalt mit nach hinten abge¬
rundeter Spitze hat. Die Höhlung entspricht natürlich genau dem
gewölbten Teil des Türkensattels, dem sie vermittels der Dura fest
anhaftet. Untere und obere Fläche konvergieren vorn, sodaß die
Hypophyse hinten am dicksten ist und die beiden Flächen sich vorn in
einem nahezu scharfen Rande berühren; an den Seiten und dem hinteren
Teile gehen untere und Seitenflächen in einer deutlich markierten Linie
in einander über, mitunter ist die Kante auch so abgerundet, daß die
deutliche Grenze verschwindet.
Die Farbe der Hypophyse ist fleckig oder flammig gelblich,
braunrot in verschiedener Schattierung; die Oberfläche, die von einer
zarten, durchsichtigen Kapsel überzogen ist, etwas grauer, die untere
Fläche nach Ablösen der Dura mehr dunkel, braunrot gefärbt. Die
Durchschnittsfläche zeigt, je nach der Richtung, in der sie angelegt
wird, eine verschiedene Verteilung der Farben und Beschaffenheit;
die beiden Bestandteile des Organs, Gehirn- und Drüsenteil, sind
scharf und deutlich von einander zu unterscheiden.
Der rötlich grau gefärbte Gehirnteil zieht sich auf einem
mittleren Sagittalschnitt in schräg von oben und vorn nach unten und
hinten verlaufender Richtung und in der Regel in einem leicht S-förmig
gekrümmten Bogen durch die ganze Drüse. Anfangs schmal nimmt
er mehr oder weniger schnell an Breite zu und endet kolbenförmig
abgerundet am hinteren Rande, diesen mitunter spitzrund ausbuchtend.
Der ganze Teil ist von einem scharf abgesetzten, etwa 1 mm breiten
weißlichen Streifen begrenzt, von der braunroten, vorn und unten in
der Regel etwas dunkleren Drüsenpartie getrennt und nimmt etwa
y 3 der Schnittfläche ein. Auf einem mittleren Frontal- oder Horizontal¬
schnitt ist die periphere Drüsensubstanz in viel größerer Mächtigkeit
vorhanden, der Gehirnteil stellt sich als ein mehr oder weniger großer,
rundlicher oder länglicher heller Fleck dar, der auch am oberen, be¬
züglich hinteren Rande von einem Streifen des Drii senge wehes umfaßt
222
KUEHN,
wird, oder schiebt sich /ungenförmig vom hinteren Rande in den
Drüsenlappen ein; auch hier ist er allseitig von dem scharf abge-
set/.ten Band des Epithelsaumes umgeben.
Zur mikroskopischen Untersuchung wurde die Fixierung in Formalin.
Sublimat, Müllerscher Flüssigkeit, und nach Ben da mit Forraalin
und Chromsäure vorgenommen, in der Alkoholreihe gehärtet, und nach
Xylol- resp. Chloroformbehandlung in Paraffin eingebettet. Die Schnitte
wurden nach den bekannten Methoden gefärbt, mit Woigertschem
Eisenhämatoxylin, dem Biondi-Heidenhainschen Gemisch, nach
Assmann, mit Hämatoxylin-Eosin und anderen.
Das mikroskopische Bild entspricht den von den verschiedenen
Autoren gemachten Schilderungen. Der dem Gehirnteil unmittelbar
anliegende, makroskopisch etwa 1 mm, auf Frontal- oder Horizontal¬
schnitten im vorderen Teil breitere Streifen des drüsigen Anteils, der
von Peremeschko als Markschicht, von Lothringer als Epithelsaum
bezeichnet worden ist, hat einen ganz bestimmten, mehr einfachen Bau,
wodurch er sehr scharf und deutlich von dem übrigen zu unterscheiden
ist. Zarte Bindegewebsfasern bilden ein feines Netzwerk ungleicher,
vielgestaltiger Maschen, die dicht mit gleichartigen kleinen Zellen an¬
gefüllt sind. Im übrigen peripheren Drüsenteile ist die Anordnung
eine ganz andere und je nach der Schnittrichtung verschiedene. Eine
außerordentlich reiche Entwickelung der Blutgefäße beherrscht das
Bild. Während in der Grenzschicht nur sehr wenig und dann äußerst
feine, kaum sichtbare Kapillaren das bindegewebige Stroma begleiten,
sind sie hier so breit, daß an vielen Stellen das begleitende Bindege¬
webe völlig in den Hintergrund tritt. Auf Sagittalschnitten sieht man
die Gefäße vielfach in Längsrichtung getroffen, zum Teil nahezu
parallelen, aber auch ganz verschiedenen Lauf nehmend, sich vielfach
verzweigend und verbindend. Dazwischen erscheinen die /.eiligen Be¬
standteile in Form kompakter Stränge oder Schläuche angeordnet.
Auf Frontalschnitten zeigen sich die Gefäße fast ausschließlich im
Querschnitt getrofTen, die Zellen in einer mehr alveolären v\nordnung
von feinen Bindegewebsmassen zusammengehalten. Auf Horizontal¬
schnitten sind die Gefäße und Zellschläuche in verschiedener Richtung
erfaßt und entstehen Bilder, die als eine Mischung obiger beiden zu
betrachten sind.
Die Entwickelung der Blutgefäße ist in den verschiedenen
Hypophysen durchaus nicht die gleiche; während sie bei den einen
außerordentlich zahlreich, weit und stark gefüllt sind, erscheinen sie
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 223
bei anderen spärlicher, enger und wenig gefüllt. Ein besonderer Ein¬
fluß des Geschlechtes konnte nicht festgestellt werden, da sich so¬
wohl bei Wallachen wie bei Stuten Hypophysen mit allen Ueber-
gängen von geringem zu reichlichstem Vorhandensein der Gefäße fanden.
Es machte fast den Eindruck, als ob die jeweilige Blutmenge für die
Größe des Organs von bestimmender Bedeutung sei, da große Hypo¬
physen in der Regel durch starke Blutfülle und dementsprechend Ge¬
fäßerweiterung ausgezeichnet waren. Es soll damit aber nicht be¬
hauptet werden, daß das größere Volumen einer Hypophyse aus¬
schließlich durch die Hyperämie bedingt sei.
Was nun die /.eiligen Elemente anbetrifft, so sind zunächst
die chromophoben oder Hauptzellen Fleschs zu unterscheiden:
Kleine Zellen mit sehr gut entwickeltem, großem, rundlichem oder
ovalem Kern mit deutlichem Kernkörperchen und einem reichlichen
Chromatingerüst, umgeben von einem schmalen, strukturlosen Proto¬
plasmastreifen, der immerhin eine mehr oder weniger deutliche Be¬
grenzung in unregelmäßiger, vielfach zackiger Form erkennen läßt,
und sich bei Hämatoxylin-Eosintinktion sehr schwach bläulich oder
rötlich, meist aber garnicht färbt.
Die andere Gruppe der Zellen sind die chromophilen oder Be-
lcgzellen Fleschs; größere Zellen mit deutlich granuliertem Proto¬
plasmaleib, der eine scharfe Begrenzung und meist rundliche Form
zeigt, sich aber an Berührungsstellen mit anderen chromophilen ab¬
plattet. Zwischen je zwei solcher Zellen macht sich dann gewöhnlich
ein ganz feiner Zwischenraum bemerkbar. Bei oben genannter Färbung
nimmt das Protoplasma zum größten Teil eine hellrote Farbe, bei
einzelnen auch einen bläulich-violetten Farbenton an, sodaß darnach
eosino- und cvanophile unterschieden werden können. Die Zellen
haben ebenfalls einen großen rundlichen, vielfach eckigen Kern mit
deutlichem Kernkörperchen und zahlreichen Chromatinmassen, welche
den Farbstoff intensiv aufnehmen und dadurch vielfach dunkler ge¬
färbt erscheinen.
Diese chromophilen Zellen bilden die Ueberzahl. Die chromo¬
phoben füllen zwar ausschließlich die Maschen der Markschicht aus,
wo nur äußerst selten eine eosinophile auftaucht: anders ist es aber
in dem übrigen peripheren Teile, wo die letzteren bei weitem das
Uebergcwieht haben. Die Verteilung ist eine ganz regellose, manche
Stränge bestehen nur aus Haupt- andere nur aus Belegzellen, in noch
anderen sind sie gemischt, bald diese bald jene Art vorherrschend.
224 KUEHN,
Auch an der regionären Verteilung, ob nahe dem äußeren, nahe
dem inneren Rande oder in der Mitte diese oder jene Zellart mit be¬
sonderer Vorliebe oder Regelmäßigkeit vertreten wäre, läßt sich keine
Gesetzmäßigkeit erkennen. Durchschnittlich sind die kleinen chromo-
phoben etwa zu Vs vorhanden; es gibt aber Schnittflächen, wo nahe¬
zu das ganze Gesichtsfeld mit eosinophilen Zellen bedeckt und nur
selten eine Hauptzelle zu finden ist, während in anderen Schnittpartien
die Hauptzellen überwiegen. Ebenso wie die einzelnen Schnitte ver¬
halten sich die ganzen Hypophysen, auch hier zeichnen sich einzelne
durch besondere Reichhaltigkeit der einen oder anderen Zellart aus.
Außer den zelligen Elementen finden sich im Drüsenlappen in
der Regel mehr oder weniger zahlreiche Hohlräume vor und zwar
nicht nur in der Markschicht und den angrenzenden Teilen der peri¬
pheren Schicht, sondern überall in dieser zerstreut, die mit Kolloid
angefüllt sind. Es färbt sich verwaschen mit den Farben, zu welchen
auch die chromophilen Zellen nähere Beziehungen haben. Diese Hohl¬
räume haben in der Markschicht eine mehr kugelige Form, und sind
mit einer einfachen Schicht anscheinend durch Druck etwas abge¬
platteter Hauptzellen umgeben, während sie in dem anderen Teil
außerdem auch langgestreckte, unregelmäßige Gestalt und nicht so
scharfe /.eilige Begrenzung zeigen.
Unser Hauptaugenmerk bei der mikroskopischen Untersuchung
war natürlich darauf gerichtet, ob in den Hypophysen der Wallache
stets ein größerer Reichtum an eosinophilen Zellen vorhanden war,
als bei den anderen Geschlechtern. Die Untersuchung ergab aber,
daß dies nicht der Fall ist, daß die Hypophysen der Stuten
wie der Hengste denselben Gehalt an eosinophilen Zellen
aufwiesen, daß die vorkommenden Schwankungen bei allen Ge¬
schlechtern gleichartig zu beobachten waren.
An vom Schlachthof bezogenem Material wurde vergleichsweise
das Gewicht von Bullen- und Uchsenhypo ph ysen festgestellt; erstere
hatten ein Durchschnittsgewicht von 2,409 g, letztere von 2,622 g.
Da die Schwankungen auch hier zwischen den Hypophysen derselben
Art viel größer waren, läßt sieh auch hier dieser geringe Unterschied
nicht auf die Entfernung der Keimdrüsen zurückführen, dürfte viel¬
mehr auf die allgemein gesteigerte körperliche Entwickelung der etwas
älteren Ochsen zurückzuführen sein.
Aus allen obigen Untersuchungen geht also hervor, daß
beim Pferde ein Einfluß der Kastration auf das Gewicht und
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 225
die Größe der Hypophyse und die Kosinophilie ihrer Zellen
nicht zu beobachten ist.
Zum Schluß erfülle ich die angenehme Pflicht, meinem hochver¬
ehrten Lehrer, Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Dr. Schütz,
für die Anregung zu dieser Arbeit, Ucbcrlassung des Materials und
das lebhafte Interesse, mit dem er die Sache unterstützte, an dieser
Stelle meinen besten Dank auszusprechen.
Literatur-
1) Alterthum, Dr. E\, Die Folgezustände nach der Kastration und die sekun¬
dären Gcschlechtscharakterc. Beiträge z. Geburtsh. u. Gynäk. Bd. II. S. 13.
2) Arnold, Weitere Beiträge zur Akromegalie. Yirchows Arch. Bd. 135. 181)4.
3) Benda, a) Beiträge zur normalen und pathologischen Histologie der mensch¬
lichen Hypophysis ccrebri. Berliner klin. Wochensehr. 1900. No. 52. 8. 1250.
— b) Ueber den normalen Bau und einige pathologische Veränderungen der
menschlichen Hypophysis ccrebri. Verband!, der Bcrl. physiol. Gesellseh.
Arch. f. Anat. u. Physiol. Physiol. Abt. 1900. S. 373.
4) Biedl und Reiner, Studien über Hirnzirkulation und Hirnödem. Pflügers
Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 73.
5) Blum, Die Schilddrüse als entgiftendes Organ. Virchows Arch. Bd. 158. 1899.
ü) Breitncr, Zur Kasuistik der Hypophysistumoren. Virchows Arch. Bd. 93.
1883.
7) Brooks. Akromegalia. State hospitals press Utiea N. Y. 1899.
8) Bulius, Prof. G., Osteomalazie und Eierstock. Beiträge zur Geburtsh. pp.
Bd. I. 1898. S. 138.
9) Cagnetto, Zur Frage der anatomischen Beziehung zwischen Akromegalie und
Hypophysistumor. Virchows Arch. Bd. 178. S. 115.
10) Caro, Beziehungen der Schilddrüse zu den Genitalorganen und der Schwanger¬
schaft. Berliner klin. Wochenschr. 1905. S. 310.
11) Christiani, Die Actiologic der sporadischen und epidemischen Zcrcbrospinal-
meningitis des Pferdes. Arch. für wissensch. u. prakt. Tierhcilk. Bd. 35.
12) Comtc, Contribution a belüde de Thypophyse humaine et ses relations avec
lc corps thyreoide. Zieglers Beiträge. 1898. Bd. 23. S. 91.
13) CouIon, William de, Heber Thyreoidea und Ilypophysis der Kretincn sowie
über Thyrcoidalrcste bei Struma nodosa. Virchows Arch. 1897. Bd. 147. S. 53.
14) Cyon, E. v.. a) Die physiologischen Verrichtungen der Hypophyse. Pflügers
Arch. Bd. 73 u. 81. — b) Zur Physiologie der Hypophyse. Ebenda. Bd. 87.
15) Dallemagne, Trois cas d'acromegalie avec autopsies. Arch. de mcd. exprr.
Tome VII. 1895. p. 589.
Archiv f. wiä.seiiäch. u. prukt. Tierhoilk. Bd. SG. Suppl -Band.
15
KUEHN,
226
US) Dal ton, N., A case of acroincgaly. Brii. med. journ. 18U7. I. p. 1283.
17) Dostoiewsky, Leber den Bau des Yorderlappens des Gehirnanhangs. Arch.
f. mikrosk. Anat. 1886. Bd. 26.
18) Dupuytren, C., Note sur lc developpcment du larynx dans les eunuques.
Bulletin des Sciences par la Societe Philomatique de Paris. Tome III.
1811.
1!)) Erdheim, Dr. J., Zur normalen und pathologischen Histologie der Glandula
thyreoidea und parathyreoidea und Jlypophysis. Zieglers Beiträge. 1903.
Bd. 33. S. 158. — Uebcr Hypophysengeschwülste und Hirncholesteatome.
Wien 1904.
20) Fichera, G., Sur riiypertrophie de la glande pituitaire consecutive ä la
castration. Archives Italiennes de Biologie. T. XLIII. 1905. p. 405.
21) Fl es eh. Tageblatt der 57. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerztc
zu Magdeburg. 1884. Nr. 4. S. 195.
22) Fraentzel. 0., Uebcr Akromegalie. Deutsche mcd. Wochcnschr. 1888.
Nr. 32.
23) Freund, Beziehungen der weiblichen Geschlechtsorgane in ihren physio¬
logischen und pathologischen Veränderungen zu anderen Organen. Lubarsch-
Ostertag, Ergebnisse der allgem. Pathol. pp. III. Jahrg. 2. Hälfte. 1898.
24) Fried mann und Maas, Uebcr Exstirpation der Hypophysis cerebri. Berliner
klin. Wochcnschr. 1900. Nr. 52. S. 1213.
25) Gerhardt, (\, Ein Fall von Akromegalie. Berliner klin. Wochcnschr. 1890.
Nr. 52. S. 1183.
26) Grub er, Wenzel, Untersuchungen einiger Organe eines Kastraten. Arcli. f.
Anat., Physiol. u. Wissenschaft!. Med. 1847. S. 463.
27) Gucrrini, G.. Sur une hypertro[»hie seeondaire experimentale de Thypophysc.
Archiv. Ital. de Biologie. Turin 1905. Tome XLIII. p. 10. — Sur la fonction
«lc l’hypophyse. Ebenda, p. 1.
28) Halb an. Die innere Sekretion von Ovarien und Plazenta und ihre Bedeutung
für die Funktion der Milchdrüse. Arch. f. Gynäk. Bd. 75. II. 2.
29) Hansemann, D., Uebcr Akromegalie. Berliner klin. Wochcnschr. 1897.
Nr. 20.
30) He gar. a) Korrelationen der Keimdrüsen zur Geschlechtsbest irnmung. Bei¬
träge für Geburtsh. pp. Bd. II. S. 201. — b) Die Kastration der Frauen.
Volkmanns Samml. klin. Vorträge. 136—138.
31) Her ring, The histological appearenccs of the Mamalian Pituitary Body.
Quartcrly journal of experimental physiology. 1908. Vol. 1. Nr. 2. p. 121.
32) v. Hippel, Ein Beitrag zur Kasuistik der llypophysistumoren. Virchows Arch-
Bd. 126. 1891. S. 124.
33) Hirsch, Raliel, Innere Sekretion. Folia scrologica. 1909. Bd. VII. 11. 4.
34) Kon, dutaka, Hypophysenstudien. Zieglers Beiträge. 1908. Bd. 24. S. 233.
35) Kollarits, Hypophysentumoren ohne Akromegalie. Deutsche Zeitschr. f.
Nervenheilk. 1904. Bd. 28. II. 1.
36) Lewin, J., Theorien über die Physiologie und Pathologie der Hvpophysis.
Inaug.-Diss. Berlin 1906.
Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 227
37) Linsmayer, Ein Fall von Akromegalie. Wiener klin. Wochenschr. 1894.
S. 294.
38) Lothringer, Ueber Untersuchungen an den Hypophysen einiger Säugetiere.
Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 28. 188b.
39) Mendel, E., Ein Fall von Akromegalie. Berl. klin. Wochenschr. 1895.
Nr. 52.
40) v. Mihalkovics. Wirbelsäule und Hirnanhang. Arch. f. mikrosk. Anatomie.
Bd. 11. 1875.
41) Möbius, Dr. P. J., lieber die Wirkungen der Kastration. Halle 190b.
42) Lo Monaco e van Ryrnbcrn, Sulla funzione dell ipofisi cerebrale. Atti della
R. Acad. dei Lincei. Yol. X. I. Sem. p. 172.
43) Pcl, Ein Fall von Akromegalie infolge von Schreck. Berl. klin. Wochenschr.
1891. S. 53.
44) Percmeschko, Ueber den Bau des (iehirnanhangs. Yirch. Arch. Bd. 38.
1867. S. 429.
45) Philipps, A case of acromegaly with thrombophlcbitis of the superficial veins.
Med. reeord. Yol. 75. Nr. 8. 1909.
4b) Pittard, E., Die Kastration bei Menschen und die dadurch bedingten Ent¬
wickelungsmodifikationen. Acad. des Sciences. Paris. Ref. Münchener med.
W T ochenschr. Bd. L. S. 1319.
47) Rathke, Ueber die Entstehung der Glandula pituitaria. Müllers Arch. 183S.
48) Saint-Remy, G., Contribution a Phistologie de Phypophy.se. Arch. Ital. de
Biologie. T. XII. 1892.
49) Rogowitsch, Die Ycränderungen der Hypophyse nach Entfernung der Schild¬
drüse. Zieglers Beitr. Bd. 4. 1889.
50) Scaffidi, V.. Ueber den feineren Bau und die Funktion der Hvpophysis des
Menschen. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. b4. H. 2.
51) Schiff, A., Hypophysis und Thyreoidea in ihrer Einwirkung auf den mensch¬
lichen Organismus. Wien. klin. Wochenschr. 1897. Nr. 12.
52) Schmal tz, R., Anzeichen einer besonderen Sekretion in jugendlichen Hoden.
Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. LXXI. H. 1.
53) Schmidt, M. B., Die Akromegalie. Lubarsch-Ostcrtag, Ergebnisse d. allgem.
Path. V. Jahrg. 1898. S. 914.
54) Schocnemann, Hypophysis und Thyreoidea. Yirch. Arch. Bd. 129. 1892.
55) Seilheim, Dr. H., a) Zur Lehre von den sekundären Geschlechtscharaktercn.
Beiträge z. Geburtsh. u. Gynäk. Bd. I. S. 229. — b) Kastration und
Knochenwachstum. Ebenda. Bd. II. S. 23b. — c) Kastration und sekundäre
Geschlechtscharakterc. Ebenda. Bd. Y. S. 409.
5b) Sternberg, M., Die Akromegalie. Nothnagels spezielle Patliol. u. Therapie.
Bd. II. 1897.
57) Stieda, Ueber das Yerhalten der Hypophysis bei Kaninchen nach Entfernung
der Schilddrüse. Zieglers Beitr. Bd. 7. 1890. S. 535.
58) Studnicka, Einige Bemerkungen zur Histologie der Hypophyse. Sitzungs-
ber. der böhm. Gesellseh. d. Wissensch. zu Prag. Nr. 32. 1901.
59) Tamburini, Contributio alla patogenesi dell acromegalia. Atti dell XI. Congr.
Intern, di med. Roma 1894.
15*
228 KUEHN, Untersuchungen über die Einwirkung der Kastration usw.
60) Thoni, Untersuchungen über die normale und pathologische llypophysis
cerebri des Menschen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 57. 1901.
Hl) Thum im, Beziehungen zwischen Hypophysis und Eierstöcken. Berl. klin.
Wöchenschr. 1909. Nr. 14.
62) Weigert, Zur Lehre von den Tumoren der Hirnanhänge. Virch. Arch. Bd. 65.
1875. S. 212.
63) Weichselbaum, Zu den Neubildungen der llypophysis. Virch. Arch. Bd. 75.
1879.
64) Zimmermann, K. W., Beiträge zur Kenntnis der Drüsen und Epithelien.
Arch. i*. mikrosk. Anatomie. Bd. 52. 1898.
XII.
Aus der Klinik für kleine Haustiere der Kgl. Tierärztlichen Hochschule zu
Hannover.
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
Von
Prof. Dr. 0. Künnemann.
(Mit 7 Abbildungen auf Tafel VI.)
Die medizinische Literatur über Hodengeschwülste ist ver¬
hältnismässig groß und haben sich namentlich neuere Arbeiten mit
eingehenderen Untersuchungen über die morphologische und histogene-
tische Natur der in den Hoden Vorgefundenen Neubildungen be¬
schäftigt. Dadurch sind die Kenntnisse über die eigenartigen Neu¬
bildungen der Hoden wesentlich gefördert, wenn auch über die Genese
derselben noch keine völlige Uebereinstimmung in den Ansichten er¬
zielt zu sein scheint. Die Veterinärliteratur enthält ziemlich
häufige kasuistische Mitteilungen über Hodenerkrankungen. Manche
dieser Mitteilungen beschränken sich aber nur auf kurze Angaben
über das Vorkommen, in seltenen Fällen scheinen genaue Unter¬
suchungen über die Art der Neubildungen ausgeführt zu sein, so daß
die Kenntnisse über die llodcngeschwülste unserer Haustiere noch
lückenhaft sind.
Bruckmüller unterscheidet in seinem Lehrbuch der pathologischen
Zootomie der Haustiere unter den Neubildungen im Hoden Chondrome, die in
Form einer selbständigen Gesohwulst wiederholt bei Pferden gefunden seien;
Zysten, die sich offenbar aus verstopften Samenkanälchen entwickelten und bei
Hunden und Pferden zuweilen Vorkommen sollen; Lederhautzysten mit einem aus
Haaren nnd Zahnsubstanz gebildeten Inhalte, sowie sarkomatöse und krebsige
Wucherungen des Hodens. Die sarkomatöse Wucherung verändert nach Bruck¬
müller den ganzen Hoden, der bcträohtlich sich vergrößert, uneben und höckerig
wird und durch breite Faserbündel gefächert ist, mit einem saftigen, weichen,
markähnliohen Inhalt der Fächer, in dem auch kleine mit gallertigen Massen
230
KÜNNEMANN,
gefällte Zysten in großen Mengen Vorkommen. Ueber den Krebs des Hodens gibt
Bruckmüller an, daß er als Markschwamm erscheint, den Hoden stark ver¬
größert und mit der Scheidenhaut verwächst, bei Pferden häufig längs des
Samenstranges in die Bauchhöhle wächst und am Bauchfell enorme Ausdehnung
erlangen kann, bei Hunden meist aber auf den Hoden beschränkt bleibt. Die
Schnittfläche der krebsartig entarteten Hoden zeigt dicke fibröse Balken, welche
sich netzartig verbinden und ein feines Netzwerk bilden, dessen hirse- oder hanf¬
korngroßen Maschen von einer sehr weichen, ungemein saftigen, hirnmarkähnlichen,
oft auch mit fast schleimartigen Massen ausgefüllt sind. Ueber eine mikroskopische
Unterscheidung der verschiedenen Neubildungen des Hodens konnte Bruck-
müller noch keine Angaben machen, die makroskopische Unterscheidung der
sarkomatösen und krebsigen Veränderungen ist nach Bruckmüllers Angaben
sicher nicht möglich. Die Beschreibung der beiden Geschwulstarten zeigt so
viel Uebereinstimmendes, daß nicht zu erkennen ist, naoh welchen Voraus¬
setzungen eine Differenzierung angängig werden möchte.
Kitt erwähnt in dem Kapitel über Geschwülste des Hodens den Krebs nicht. Nach
ihm kommen als Hodenneubildunden Sarkome und Fibrome vor als wallnuß- bis
eigroße, scharf berandete Geschwülste mit einzelnen Knoteneinlagerungen von
markiger, speckiger oder derbfaseriger, sehniger Beschaffenheit, ferner
Leiomyome von der glatten Muskulatur des Hodenstromas Ausgang nehmend,
Chondrome, Lederhautzysten und ferner Zysten, die teils aus einer Verstopfung
der Drüsengänge resultieren und dann einen milchigen, Samenfäden bergenden
Inhalt besitzen, teils aus embryonalen Kanalanlagen oder aus kleinen Blutergüssen
herrühren und dann einen klaren, wässerigen oder bräunlichgelben, kolloiden
Inhalt zeigen, teils auch in Adenosarkomen und Mischgeschwülsten sich als
Hetentions- und Erweichungszysten ausbilden. Nach Kitt kommen als diffuse
Vergrößerung eines oder beider Hoden bei Pferden und Hunden nicht seiten Ge¬
schwülste in ganz enormen Dimensionen vor, die in Gestalt des Hodens als kom¬
pakte Klumpen, sog. Sarkocele, Fleischbruch des Hodensackes den letzteren er¬
füllen. Diese Geschwülste zeigen in der Schnittfläche einen lappigen Bau und
drüsenähnliches Aussehen mit bindegewebigen Fächern dazwischen. Sie sind bald
grau, bald weißrötlich, markig wie Fettmark oder Lymphdrüsengewebe, bald fest,
bald weich, gallertig oder blutig infiltriert, also nach Farbe, Konsistenz, Binde-
gewebsreichtum ziemlich variabel, so daß nach dem grobanatomischen Aussehen
keine Anhaltspunkte für die Gruppierung sich ergeben, aber auch nach dem mikro¬
skopischen Verhalten keine bestimmte Richtung sich bietet, welcher Kategorie
diese Geschwülste einzureihen sind, da die Zellen so embryonale Formen haben,
daß cs schwer ist zu entscheiden, ob es sich um Epithelien oder Sarkomzellen
handelt. Kitt bezeichnet diese Geschwülste, weil sie embryonalen Charakter
haben, als Orchidoma und unterscheidet diffuse, hyperplastische und maligne. Da
Kitt das Hodenkarzinom nicht erwähnt, so könnte man meinen, daß er solche
nicht gesehen hat und die in der Literatur verstreuten Angaben über Befunde von
karzinomatösen Geschwülsten des Hodens bezweifelt und ihr Vorkommen leugnet.
Die in der Literatur verzeichneten Fälle von Hodengeschwülsten sind in der Tat
häufig wenig genau mitgeteilt, so daß eine Beurteilung schwer möglich wird.
Gurlt katalogisiert unter den Präparaten des zootomischen Museums der KÖnigl.
Tierarzneischule zu Berlin einen verhärteten Hoden aus der Bauchhöhle des
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
231
Hundes, einen platten Hoden vom Pferde, welcher am Zwerchfell befestigt war,
einen großen Hoden eines kleinen Hundes und durch Sarkom vergrößerten Hoden
eines 18jährigen Hengstes und eines Hundes. Siedamgrotzky fand bei einem
17 Jahre alten Hunde neben dem vergrößerten rechten Hoden noch einen Tumor
in der oberen Wand der Bauchhöhle. Der rechte Hoden hatte 7 bzw. 5 cm Durch¬
messer, war glatt und an wenigen Stellen mit der Scheidenhaut verwachsen,
Nebenhoden deutlich, Vas deferens oblitoriert. Auf der Schnittfläche zeigte die
Geschwulst einen lappigen Bau. Die einzelnen Lappen waren von festem Binde¬
gewebe umschlossen, rundlich, weißrötlich, teils breiig, teils fester, alle entleerten
eine rahmartige oder rötlich schmierige Flüssigkeit. In derselben fanden sich
mikroskopisch neben Fetttröpfchen und Körnchen kugeln große meist runde, selten
ovale Kerne mit stets sehr deutlichem Kernkörperchen. Die Zellen waren sehr
groß und hatten ein schwach granuliertes, zuweilen mit Fetttröpfchen versehenes
Protoplasma. An ausgepinselten Schnitten ergibt sich, daß die Zellen durch eine
geringe, netzartig verbundene Zwischensubstanz, ohne größere Gruppen zu bilden,
verbunden sind. Außer diesem retikulären Zwischengewebe trugen zur Gerüst¬
bildung noch einzelne stärkere fibrilläre Bindegewebszüge und ziemlich zahlreiche
Kapillaren bei. ln der Bauchhöhle fand sich noch ein knolliger Tumor, welcher
unter der Wirbelsäule lag und vom Beckeneingang bis zum Zwerchfell reichte
und deu gleichen Bau zeigte wie die Hodengesohwulst. Siedamgrotzky be¬
zeichnet die Geschwulst als ein Hedullarsarkom des Hodens mit Metastasen in den
retroperitonealen Lymphdrüsen. Siedamgrotzky ermittelte bei einem Pferde
dicht hinter dem Kopfe des Nebenhodens einige von der Albuginea überzogene,
mit derselben an der oberen Fläche innig verbundene Geschwülste, die nach der
mikroskopischen Untersuchung aus glatten Muskelfasern bestanden, die sich nach
verschiedenen Richtungen durchkreuzten, während Bindegewebe nur sparsam vor¬
handen war. Ueber den Entwicklungsmodus stellte Siedamgrotzky soviel fest,
daß in dem weioheren Gewebe in der Umgebung der Kapillaren Zellen gefunden
wurden, deren Kerne allmähliche Uebergänge vom ovalen Kern zum stäbchen¬
förmigen der kontraktilen Faserzelle nebeneinander zeigten. Kurze Angaben über
Geschwulstbefunde im Hoden unserer Haustiere finden sich mehr, so berichtet
Appenrodt über ein Karzinom des Hodens bei einem Pferde; Fröhner über
die Exstirpation eines krebsigen Hodentumors bei einem Spitzhengst, bei dem sich
gleichzeitig ein mannskopfgroßer Medullarkrebs in der Nierengegend fand; Popow
berichtet über die kindskopfgroße Entartung des rechten Hodens bei einem Hengst;
Gosswell über zwei Hoden bei Kryptorchiden, von denen der eine 1980 g wog
und in seiner Mitte eine hühnereigroße Höhle mit käsigem Eiter und Rundwürmern
enthielt, der andere 573 g schwer, bindegewebig und fettig entartet war.
Trasbot berichtet in einem Vortrag über einen karzinomatösen Hoden von einem
9—10 Jahre alten Pferde. Das Pferd war linkerseits kastriert, indes ließ das
Verhalten des Pferdes nicht vermuten, daß der andere Hoden in der Bauchhöhle
zurückgeblieben war. Das Pferd zeigte seit 2y 2 Jahren einen kleinen Tumor in
der Skrotalgegend, der sich unaufhörlich bis zu der Größe eines Kindskopfs ver¬
größerte. Der Tumor war oval, auf Druck wenig empfindlich, gleichmäßig dicht
und fest und nur stellenweise etwas nachgiebig und elastisch. Haut und Samen¬
strang waren intakt. Der exstirpierte Tumor wog 3,2 kg. Die Albuginea war
verdickt; von dem Hodengewebe bemerkte man nur Spuren in der Peripherie, der
232
KÜNNEMANN,
Nebenhoden hingegen war völlig normal. Die Schnittfläche erschien graurötlich
und war durch fibröse Züge gelappt. Auf Druck floß ein milchiger Saft ab, der
ungemein viele Zellen enthielt und zwar kleinere runde mit nur einem Kern und
große unregelmäßig gestaltete, die zwei und mehrere Kerne enthielten. In Schnitten
sah man Hohlräume bzw. Alveolen, die miteinander in Verbindung standen und
durch ein sehr dichtes schwammiges, fibröses Gewebe gebildet wurden, in dem
die kleinen runden Zellen lagen, während die großen in den Höhlen steckten.
Trasbot bezeichnet die Neubildung als cancer encöphaloide. In der Diskussion
bemerkte Barrier, daß er Krebs in den Hoden des Pferdes ziemlich häufig ge¬
funden aber nicht mikroskropisch untersucht habe, während Nocard hervorhebt,
daß nur die mikroskopische Untersuchung über die Natur der Geschwülste Auf¬
schluß geben kann, da das makroskopische Verhalten zu Irrtümern Anlaß gäbe.
Er habe zwei Pferde kastriert, mit karzinomatös entarteten Hoden, eine Generali-
sation sei nicht eingetreten. Heß stellte bei einem Zuchtstier einen stark ver¬
größerten Hoden fest, der nach der Schlachtung des Tieres eine halbkugelige 5 cm
breite Geschwulst erkennen ließ, die eine gelblich-weiße Masse entleerte, die einem
Fibringerinnsel ähnelte. Die Höhle, die diesen Inhalt besaß, hatte eine warzige,
gelblich-weiße Oberfläche. Der gelblich weiße Inhalt erwies sich bei der mikro¬
skopischen Untersuchung amorph mit ziemlich viel gelben Trümmern, roten Blut¬
körperchen und einigen Kristallen. Heß bezeichnet die Veränderung als Hämato-
cele. Zystoide Degenerationen eines Hodens wurden bei jüngeren und älteren
Pferden gefunden, ohne daß aus den Mitteilungen ersichtlich ist, aus welchen
Ursachen sie sich erklären ließen. Lothian und Clark fanden in einem Pferde¬
hoden eine Dermoidzyste. Pierrot eine solche in denHoden einesKryptorchiden.
Bossi fand ein hühnereigroßes Fibrom an der Innenfläche der Albuginea des
Hodens eines Esels. Gooch und Hobday konstatierten ein Lipom in dem Hoden
eines kryptorchidischen Pferdes. Turtill stellte ein Teratom des Hodens fest.
Pauer fand bei einem 9 Jahre alten Hunde den rechten Hoden, der in der
Bauchhöhle lag, karzinomatös entartet und den Samenstrang mehrere Male gedreht.
Karzinome in kryptorchidischen Hoden fanden bei Pferden Coquot und Lecap-
lain und Petit et Dumond. Calve beschreibt einen Fall von primärem Karzinom
des Hodens mit sekundärer Erkrankung der Leber bei einem Hunde. Er äußert
sich dabei dahin, daß die moderne pathologische Anatomie darauf hinzielt Epithe¬
liom und Karzinom mit einander zu verschmelzen und* daß in dem beobachteten
Falle das karzinomatöse Stadium durch die testikuläre Form, das epitheliomatöse
durch die Neubildung in der Lober gut angedeutet seien. Peuch und Ball beob¬
achteten bei einem 11jährigen Hengste eine kindskopfgroße, derbe Geschwulst des
linken Hodens, die sich als sarkomatös erwies. Besnoit kastrierte einen Ochsen
mit einer großen Geschwulst des rechten Hodens. Die Geschwulst wog 8 l /<> kg
und erwies sich von bindegewebiger Natur. Rieh lein berichtet über Hoden¬
tumoren von zwei älteren Pferden, die in der chirurgischen Klinik der Münchener
tierärztlichen Hochschule kastriert wurden. Der entfernte Hoden des einen Tieres
hatte die Größe einer schweren Pferdeniere und zeigte in der Schnittfläche wall-
nuß- bis kindsfaustgroße grau- bis gelblich-weiße Herde von birnmarkähnlicher
Konsistenz, die mikroskopisch als Endotheliom festgestellt wurden. Das andere
Pferd zeigte eine enorme Vergrößerung des Skrotums mit einer kleinen OefFnung,
aus der Eiter abfloß und die schon jahrelang bestanden haben sollte. Der entfernte
Ueber Hodenturnoren beim Hunde.
233
Hoden wog 6y 2 kg, war von der Größe eines mäßig gefüllten Pferdemagens und
maß in der Länge 84 cm, in der Breite 60 cm Die Schnittfläche zeigte eine gleich¬
mäßige Lappenzeichnung, war lehmfarbig, ohne Knotenbildung und Erweichungs¬
herde. Die mikroskopische Untersuchung ergab viele unregelmäßig angeordnete
epitheliale Zellen ohne Strangbildung und w f urde als Orchidoblastom bezeichnet.
Der linke Hoden war eitrig eingeschmolzen. Schuemacher kastrierte einen 15
Jahre alten Zuchthengst, der seit s / 4 Jahren eine erhebliche, anfangs entzündliche
Geschwulst des rechten Hodens gezeigt hatte. Der Hoden wog 1450 g, hatte eine
Länge von 19 cm, eine Höhe von 13 cm und eine größte Tiefe von 9 l j 2 cm, eine
unregelmäßig bohnenförmige Gestalt. Der Nebenhoden hob sich deutlich ab und
machte reichlich ein Drittel der ganzen Geschwulst, er fühlte sich im Gegensatz
zum Hoden, der weich und schwappend war, ziemlich fest an. In der Schnitt¬
fläche traten im interstitiellen Gewebe zahlreiche Blutgefäße hervor. Das inter¬
stitielle Gewebe war wenig verbreitert, in den Maschen lagen feuchte, weißgraue
hervorstehende Drüsenpakete, welche durch Bindegewebszüge von einander getrennt
waren. Nach der im pathologischen Institut der tierärztlichen Hochschule zu Stutt¬
gart ausgeführten mikroskopischen Untersuchung handelte es sich bei der fraglichen
Hodengeschwulst um ein Sarkom, in welchem Rundzellen vorherrschten. Frohner
beobachtete zwei Fälle von Hodensarkom bei je 14jährigen Hengsten. Im ersten
Falle war der rechte Hoden seit einem Jahr vergrößert, er war kindskopfgroß,
schmerzlos und derb. Auch der rechte Samenstrang war sehr stark verdickt. Nach
der Entfernung wog der Hoden 1750 g. Die mikroskopische Untersuchung ergab
ein kleinzelliges Rundzcllensarkom. In dem anderen Falle zeigte der Hengst seit
einem halben Jahre eine allmählich zunehmende Vergrößerung des linken Hodens.
An Stelle desselben fand sich eine kindskopfgroße rundliche, derbe, schmerzlose
an der Oberfläche glatte Geschwulst mit starker Verdickung des Samenstranges.
Die regionären Lympbdrüsen waren nicht geschwollen. Das Gewicht des entfernten
Hodens betrug 1065 g. Bei der mikroskopischen Untersuchung w T urae ein klein¬
zelliges Rundzellensarkom festgestellt, da sich eine große Menge kleiner, runder,
ziemlich regelmäßig angeordneter Zellen mit dazwischen liegenden Bindegewebs-
strängen fanden. Duschanek beschreibt einen Fall von Kryptorchismus und
sarkomatöser Entartung der Hoden bei einem 10—11 Jahre alten Hunde. Der
Hund worde wegen zunehmender Abmagerung und stetig wachsender Umfangs¬
vermehrung des Hinterleibes getötet. Die Sektion ergab zwei die verlagerten
Hoden darstellende Tumoren in der Bauchhöhle, die durch ein breites Band mit
der Lendenwirbelsäule befestigt waren. Der linke Testikel war mannsfaustgroß,
eiförmig und hatte 15 :10 cm Durchmesser, der rechte Testikel 6 : 4 cm Durch¬
messer. Beide Tumoren hatten eine rötliche Farbe, waren an der Oberfläche höckerig
und von markiger Konsistenz, auf der Schnittfläche weißlich-grau und stellenweise
verkäst. Die Milz enthielt einen nußgroßen und mehrere bohnengroße Knoten,
ebenso die mäßig hydronephrotische linke Niere einen nußgroßen und außerdem
hatten zwei Lymphdrüsen des Mediastinums nußgroße Knoten. Die im patholo¬
gischen Institut der Universität Prag ausgeführte mikroskopische Untersuchung er¬
gab in sämtlichen Tumoren den gleichen Bau und zwar den eines ziemlich gro߬
zelligen alveolären Sarkoms. Mayr untersuchte eine größere Anzahl Hodentumoren
besonders zwecks Prüfung der Frage, ob die Zw r ischenzellen des Hodens,
die er bei sonst normalen retinierten Hoden in Gruppen und Strängen antraf,
234
KINNEMANN,
vielleicht bei den Hodentumoren irgendwelche Rolle spielen sollten. Dabei fand
sich, daß bei einer größeren Zahl von Sarkomen und Karzinomen die Zellen nicht
mit Sicherheit nachgewiesen werden konnten, so besonders auch nicht bei einem
gewaltigen Tumor eines retinierten Pferdehodens. Es fanden sich aber auch ein
Hodensarkom vom Hunde, eine Hodenhypertrophie vom Pferde und eine käsige
Nekrose vom Schwein, in welchen Zellen in solcher Zahl sich zeigten, daß Mayr
ihnen eine besondere Bedeutung bei den betreffenden Erkrankungen beizumessen
geneigt ist. Ueber die Häufigkeit des Karzinoms des Hodens gibt Fröhner an,
daß es seltener bei Hunden vorkommt, und bemerkt, daß eine besondere Disposition
für die krebsige Entartung die beim Hunde zuweilen vorkommende Verlagerung
eines oder beider Hoden nach vorne oder hitften bedinge, da die dislozierten Hoden
in der Regel krebsig vergrößert seien. Nach Fröhner kennzeichnet sich der
Hodenkrebs durch eine Vergrößerung des Organs mit gleichzeitiger Infiltration des
Samenstranges.
Soweit mir die Literatur zugänglich war, habe ich in dem Vor¬
stehenden eine kurze Uebersicht der verstreut beschriebenen oder er¬
wähnten Hodentumoren gegeben, um soweit möglich einen Ueberblick
zu gewinnen über das Vorkommen und die Häufigkeit von
Hodentumoren bei den verschiedenen Haustiergattungen
überhaupt, sowie auch über die Art der Neubildungen, das
Alter der Tiere, bei denen sie gefunden wurden, die Bös¬
artigkeit der Geschwülste und eventl. andere sichergebende
Verhältnisse über Entstehung und Verlauf. Die Zusammen¬
stellung soll keinen Anspruch machen auf Vollständigkeit und ich
gebe gern zu, daß besonders in der ausländischen Literatur dies¬
bezügliche Mitteilungen übersehen wurden. Es handelt sich bei den
vorstehenden Mitteilungen um 32 Hodentumoren und zwar von
22 Pferden, 7 Hunden, 1 Esel und 2 Stieren. Soweit das Alter
der erkrankten Tiere angegeben ist, waren es durchweg ältere bezw.
alte Tiere; bei 6 Pferden schwankte es zwischen 10 und 18 Jahren,
bei 3 Hunden betrug cs 9, 10—11 und 17 Jahre. Es läßt sich hier¬
nach wohl die Behauptung aufstellen, daß Neubildungen in den Hoden
vornehmlich bei älteren Tieren auftreten und daß das zunehmende
Alter eine gewisse Disposition für die Entstehung der Hodentumoren
in sich birgt. In 12 Fällen wurde die Geschwulstbildung an retinierten
Hoden beobachtet, also bei 38 pCt. aller Tiere, oder für die einzelnen
Tiergattungen berechnet, bei Pferden und Hunden zu je etwa 41 pCt.
Der Prozentsatz der geschwulstartigen Veränderung der retinierten
Hoden ist demnach ein außerordentlich hoher und steht ganz mit der
allgemeinen Auffassung von dem Vorhandensein einer besonderen Dis¬
position für die Erkrankung der retinierten Hoden im Einklang. Was
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
235
die Geschwulstarten anlangt, so wurden die Neubildungen bei
2 Hunden als Karzinome (28 pCt.), bei dreien als Sarkome (41 pCt.)
gedeutet, in 2 Fällen ist die Geschwulst nicht genau untersucht. Bei
Pferden fand sich fünfmal ein Karzinom (23 pCt.), sechsmal ein Sarkom
(27 pCt.), dreimal wurden Dermoidzysten ermittelt, einmal eine Zyste,
die Rundwürmer enthielt, je zweimal ein Myom, Lipom, Teratom und
ein Orchidoblastora. Bei einem Esel fand sich ein Fibrom, ebenso
bei einem Ochsen und bei einem anderen ein Hämatozele. Bei den
drei sarkomatösen Hodcnturaoren der Hunde fanden sich auch Meta¬
stasen in Organen der Bauchhöhle. Bei Pferden wurden nur einmal
bei einem Medullarkrebs des Hodens gleichzeitig Tumoren in der
Nierengegend gefunden. Als besonders bösartige Geschwülste mit der
Neigung zur Metastasenbildung und Ausbreitung zeigten sich die sarko¬
matösen Geschwülste des Hundes, während sowohl die sarkomatösen
als auch die karzinomatösen Hodentumoren des Pferdes als weniger
maligne Geschwülste vorkamen, in der Regel lokale Erkrankungen
der Hoden darstellten und mit Erfolg chirurgisch behandelt werden
konnten, selbst in den Fällen,, wo eine Infiltration des Samenstranges
festgestellt wurde. Ueber das Alter der Geschwülste bezw. die Dauer
ihrer Entwickelung sind nur vereinzelte Angaben vorhanden. Bei
einem Pferde wurden die ersten Zeichen der Geschwulstbildung
2 V 2 Jahre vor der operativen Entfernung gesehen; bei drei Pferden
mit sarkomatösen Hodentumoren hatte man die Entstehung seit ein
V 2 ) 8 A und 1 Jahr beobachtet. Bezüglich der Diagnose der
Geschwülste bemerkt Nocard mit Recht, daß nur die mikroskopische
Untersuchung über die Natur Aufschluß geben könne, da das
makroskopische Verhalten zu Irrtümern Anlaß gebe. Nach Fröhner
kennzeichnet sich der Hodenkrebs durch eine Vergrößerung des
Organs mit gleichzeitiger Infiltration des Samenstranges. In den
beiden oben erwähnten Fällen erwies sich dieses Kennzeichen als
trügerisch, denn nach der späteren mikroskopischen Untersuchung be¬
stand nicht Krebs, sondern die Hodengeschwulst ergab sich als eine
sarkomatöse. Nach Kitt stellen sich die Fibrome und Sarkome als
scharf berandete walnuß- bis eigroße Geschwülste dar von markiger,
speckiger, oder derbfasriger, sehniger Beschaffenheit. Soweit die
mitgeteilten Fälle eine Beurteilung zulassen, sind die von Kitt an¬
gegebenen Eigenschaften keine diagnostisch charakteristischen Merk¬
male, sondern neben anderen nur einige Erscheinungsformen, besonders
wurde das Sarkom auch als eine mehr diffuse Hodengeschwulst vor-
236
KINNEMANN,
gefunden. Hiernach muß man vorläufig sich damit abfinden, daß es
charakteristische Kennzeichen für die Diagnose der einen oder anderen
Geschwulstart nach den klinischen Beobachtungen nicht gibt und daß
auch das mikroskopische Verhalten der Geschwülste nach Ausbreitung,
Konsistenz und Aussehen speziell für die karzinomatösen und sarko-
raatösen Neubildungen keine ausreichenden Merkmale für die Diagnose
bietet.
Bei Durchsicht der medizinischen Literatur über Hodengeschwülste
findet man zahlreiche Arbeiten, die sich mit Untersuchungen über die malignen
Tumoren des Hodens beschäftigen, daß aber die Ergebnisse dieser Untersuchungen
vielfach von einander abweichen und die Ansichten über die Deutung der Befunde
und die Benennung der Geschüwlste noch nicht völlig geklärt sind. Nachdem
Virchow zuerst darauf hingewiesen batte, daß eine Unterscheidung der Hodenge¬
schwülste nach äußeren Kennzeichen mangels ausreichend sicherer Merkmale nicht
möglich sei und eine difTerentialdiagnostische Sonderung nur auf Grund mikro¬
skopischer Eigenschaften durchführbar sei, wies Birch-Hirschfeld in einer
grundlegenden Arbeit über die Entwicklung des Hodenkrebses die Abstammung
der Krebszellen von den Epithelzellen der Samenkanälchen nach. Hiernach wurde
für die Diagnose Krebs bestimmend der Nachweis der Herkunft der Krebszellen von
den Epithelien der Samenkanälchen. Waldeyer weist demgegenüber darauf hin,
daß, wenn irgendwo, gerade in den Hoden die Entwickelung der Krebstumoren
schwer zu verfolgen sei, besonders wegen des Reichtums des Hodenparenchyms an
Lymphbahnen und wegen der eigentümlichen Beschaffenheit des Gefäßperithels im
Hoden. Wenn Waldeyer in vier von ihm untersuchten Fällen zwar ein so klarer
Nachweis des Ausgangs der Krebskörper von den Epithelien der Samenkanälchen
nicht gelungen war, so tritt er doch der Ansicht von Birch-Hirschfeld bei und
nimmt den Ausgang der Krebszellen von den Inhaltszellen der Samenkanälchen
an. Demgegenüber hebt er aber besonders hervor, daß eine Verwechselung des
Karzinoms gerade beim Hoden mit Neubildungen, die er plexiforme Angiosarkome
nennt, besonders leicht begangen werden könnte. Diese Geschwülste sollen von
eigentümlichen Zellen ausgehen, die mitunter recht große, dunkelkörnige, kern¬
haltige Protoplasmakörper mit zahlreichen feinen Fortsätzen bilden und der Ge¬
fäßwand außen auf liegen. Hansemann machte demgegenüber darauf aufmerksam,
daß die enge Beziehung, welche nach Waldeyer diese Zellen zu den Gefäßen haben
sollen, nicht vorhanden sei und daß daher die Geschwülste, welche von diesen
Zellen ausgehen, in eine engere genetische Beziehung zu den Gefäßen, wie es andere
Geschwülste verdienen, nicht gebracht werden könnten. Hansemann wies nach,
daß es sich bei den fraglichen Zellen um die sogenannten von Leydig entdeckten
und von He nie zuerst genauer beschriebenen Zwischenzellen handelt, die ein
biologisch merkwürdiges Verhalten zeigen und deren Bedeutung für die Bildung
von Geschwülsten er mit Waldeyer anerkennt und ganz besonders betont. Die
Geschwülste, die von den Zwischenzellen ausgehen, stellen sich nach Hansemann
bald mehr als großzelliges Sarkom, bald mehr als Karzinom dar, die aber in Wirk¬
lichkeit stets Sarkome seien, nie Karzinome, deren Formen sich nur durch das mehr
oder weniger ausgebildete Stroma unterscheiden und von den übrigen Sarkomen,
Heber Hodentumoren beim Hunde.
237
die eine mehr gleichmäßige Zusammensetzung aus kleineren Rund- oder Spindel¬
zellen erkennen lassen, durch die Aehnlichkeit ihrer Zellen mit den großen Zwischen¬
zellen. Auch von den Endotheliomen seien sie leicht zu unterscheiden durch die
reihenförmige Anordnung der Zellen des Endothelioms in Zügen, wie schließlich
von den wirklichen Karzinomen durch die lnterzellularsubstanz. Nach Eberth ist
die lange strittige Frage nach der Natur der Zwischenzellen, die teils als epithe¬
lialen Ursprungs angesprochen wurden, teils als Reste eines rudimentären Organs,
vielleicht des Wolffschen Körpers, im Sinne der Mehrzahl der Forscher, die sie
für protoplasmareiche Bindegewebszellen halten, zu Gunsten des bindegewebigen
Ursprungs entschieden. Hiernach würden die Geschwülste, die ihren Ursprung von
den Zwischenzellen herleiten lassen, wie Hansemann nachwies, nur als Sarkome
bezeichnet werden können. Kyrie spricht sich im Sinne Platos dahin aus, daß
die Zwischenzeiten vielleicht als trophische Hilfsorgane aufzufassen seien, die für
die Reifung der Hodenepithelien von Bedeutung seien. Er fand nämlich in den
Hoden eines vieljährigen Kindes eine kugelförmige tumorartige Anhäufung von
Zwischenzellen, während die Hoden im übrigen arm an Zwischenzellen, und völlig
unentwickelt waren. In der Peripherie dieses Zwischenzellenhaufens waren nun
in einer nioht allzu breiten Zone die Hodenkanälchen bedeutend weiter entwickelt,
als im übrigen Hoden und zeigten stellenweise deutliche Ansätze zur Spermatoge-
nese. Aus der innigen Lagebeziehung der Zwischenzellen zu den weitentwickelten
Hodenkanälchen glaubt Kyrie schließen zu müssen, daß die Reifung und Aus¬
bildung der Kanälchenepithelien bis zur vollen funktionellen Höhe in innigem Zu¬
sammenhang Stande mit den Zwischenzellen. Dürck beobachtete mehrere Fälle,
in denen neben einer Hodenatrophie eine enorme Vermehrung der Zwischenzellen
bestand. Die Zwischenzellenhyperplasie hatte durchaus den Charakter eines Tu¬
mors. Dafür sprach auch die starke Variabilität der Zellformen und die Neigung
zur Bildung uncharakteristischer und undifferenzierter Zellen und das Vorkommen
atypischer Mitosen. Der Zwischenzellentumor war verbunden mit einer Atrophie der
Samenkanälchen und hatte gewöhnlich eine Verkleinerung, seltener eine Ver-
größeruug des Organs zur Folge. Kaufmann fand beide Hoden eines Mannes
in gleicher Weise in Folge einer Wucherung der Zwischenzellen vergrößert. Das
Hodengewebe war bis auf geringe Reste verschwunden. Das Tumorgewebe bestand
im wesentlichen aus ziemlich großen epithelähnlichen Zellen, die haufenweise
oder in netzförmigen oder beiderseits spitz auslaufenden Strängen angeordnet waren.
Wo die Zellen in großen Massen zusammenlagen, waren die Zellhaufen durch
zahllose, meist kapillare Gefäße in kleinere Komplexe zerlegt. Die Zellen waren
ziemlich polymorph und meist polyedrisch und durch zartere und dickere Fort¬
sätze miteinander verbunden. Der oft peripherwärts gelagerte, rundliche oder
ellipsoide Kern besaß meist ein oder zwei große Kernkörperchen. Das Protoplasma
der Zellen war grobkörnig und hatte viele Vakuolen, ferner feinste rundliche,
gelbbräunliche Pigmentkörnchen und reichlich Fett, das in kleineren oder größeren
Tröpfchen auftrat. Kaufmann möchte die fragliche Geschwulst nioht als Sarkom
bezeichnen, obgleich nach der bindegewebigen Natur der Zwischenzellen prinzipiell
nichts gegen diese Bezeichnung zu sagen sei, und zwar deshalb, weil der Ge¬
schwulst der maligne Charakter zu fehlen scheint. Denn es ließ sich nicht er¬
weisen, daß die Hodenkanälchen durch die Zwischenzellengeschwulst destruiert
waren, wenn auch immerhin die Polymorphie der Geschwulstzellen auf Malignität
238
Kl NNEMANN,
verdächtig schien. Hiernaoh schlägt Kaufmann die Bezeichnung Zwischenzellen¬
geschwulst des Hodens vor. Bezüglich der Entstehung der fraglichen Geschwulst
glaubt Kaufmann eine hereditäre Anlage annehmen zu müssen, zumal auch der
Bruder des Mannes, von welchem der fragliche Hoden stammt, große Hoden hatte,
von denen der eine entfernt wurde und eine ganz übereinstimmende Zwischen¬
zellengeschwulst aufwies. Die Abstammung großzeiliger Geschwülste von den
Zwischenzcllen, wie sie auch Borst mit Hansemann für wahrscheinlich hielt,
ist nach den Untersuchungen von Dürck und Kaufmann sicher erwiesen, nur
bleibt es fraglich, ob man diese Geschwülste zu den malignen, speziell den
Sarkomen stellen soll oder als eine Neubildung sui generis betrachten muß.
Außer diesen großzelligen Tumoren, die einen alveolären oder karzinomatösen Bau
Vortäuschen können, kommen auch noch andere großzellige Geschwülste vor, die
sicher nicht von den Zwischenzellen abstammen und eine verschiedene Be¬
urteilung erfahren haben. Diese großzelligen Tumoren sind bald als Sarkome,
bald als Karzinome angesprochen, was sich aus der Schwierigkeit erklärt, den
histogenetischen Ursprung der Geschwulstzellen nachzuweisen. Ehrendorfer
konnte bei einer größeren Zahl großzelliger Hodentumoren eine Beteiligung des
Epithels der Hodenkanälchen nicht nachweisen und rechnet dieselben daher nicht
zu den Karzinomen, sondern bezeichnet sie wegen ihres alveolären Baues als
Alveolärsarkome, wobei er besonders das Vorhandensein einer fibrillären Zwischen¬
substanz in Anschlag bringt. Klebs hält die großzelligen Hodentumoren wegen
des Mangels einer Zwischensubstanz und der Aehnlichkelt der Geschwulstzellen
mit den Epithelien der Samenkanälchen für Karzinome. Ebenso Tizzoni,
Monod und Terrillon, sowie Kocher und Langhans. Langhans stützt
sich auf die große Aehnlichkeit der Geschwulstzellen mit den Keimzellen und den
beiderseitigen Gehalt an Glykogen. Krompecher tritt der Ansicht von Lang¬
hans entgegen, der die Alveolärsarkome Ehrendorfers als Karzinome deutet
und spricht sich dahin aus, daß Langhans bei seinerAeußerung über denVerlauf
von vaskularisiertem Bindegewebe innerhalb von Krebszellsträngen mit der heutigen
Karzinomhistologie in Widerspruch gerät und die histologische Grenze des
Karzinoms entschieden zu weit zieht. Er betont, daß als Grundlage für eine
differentialdiagnostische Beurteilung als Merkmale der Sarkome gegenüber den
Karzinomen daran festzuhalten sei, daß „beim Sarkom a) meist reiohvaskularisiertes
Bindegewebe zwischen den Geschwulstzellen anzutreffen ist, daß b) die Ge-
Schwulstzellen bei alveolärartiger, den Krebszellnestern ähnlicher Anordnung,
stellenweise unscharf in das begrenzende Bindegewebe übergehen und daß o) die
Samenkanälchen und sonstige epitheliale Elemente an der Geschwulstbildung
nicht beteiligt sind. — Zellformation und sonstige Unterschiede weniger be¬
deutungsvoll sind und mehr sekundär in Betracht kommen . 41 — Nach Krom-
pecher^ Untersuchungen sind die großzelligen Rundzellensarkome, sowohl die
mit diffuser Anordnung, entsprechend dem Lympbadenom der Franzosen, als auch
die Alveolärsarkome Ehrendorfers histogenetisch als Abkömmlinge des Ly mph-
endothels zu betrachten. Nach Krompechers Untersuchungen ist das Alveolär¬
sarkom oder, wie er es nennt, das Endotheliom mit alveolärem Bau die häufigste
maligne Geschwulst des Hodens. Most berichtet über sechs Hodentumoren, von
denen ihm aber nur ein Teil der Geschwülste zur eigenen Untersuchung vorlag,
deren Resultat er in Einklang bringt mit den Ergebnissen von Ehrendorfer und
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
235)
Krompecher, wonach gegenüber Langhans die überwiegende Mehrzahl der
großzelligen Hodentumorerr zu den Sarkomen zu rechnen sind. Most konnte bei
der einen Geschwulst den direkten Nachweis der Entstehung der Tumorzellen aus
dem Endothelbelag der Blutgefäße nachweisen, weil in den Alveolen und in den
Hohlräumen, in denen sich die Geschwulstbildung zeigte, stets Blut vorhanden
war und die Wucherung sich bis in die Kapillarlumina zurück verfolgen ließ. Es
handelte sich bei diesem Alveolärsarkom um ein hämangiotisches Endotheliom. Die
letzte größere Arbeit über Hodentumoren stammt von Lorenzo Debernardi,
der mehrere Tumoren untersuchte und eine kritische Literaturzusammenstellung
der einschlägigen Arbeiten gibt. Debernardi beschreibt vier großzellige Hoden¬
tumoren, deren mikroskopische Struktur gekennzeichnet war duroh große epithel¬
artige, in der Form, Struktur, Anordnung den epithelialen Zellen der Samen¬
kanälchen vollkommen ähnliche Zellen, die in einem bindegewebigen, bald
alveolären, bald mehr diffusen Stroma eingelagert waren. Da andere Gewebe nicht
zugegen waren, müßte dio Möglichkeit des Vorhandenseins einer Mischgeschwulst
ausgeschlossen werden. Debernardi hält auf Grund seiner Untersuchungen die
großzelligen Hodentumoren für Karzinome. Die Abstammung der Geschwulstzellen
aus den Zwischenzellen mußte ausgeschlossen werden, weil sich solcheZellen selbst
in der in den erhaltenen Hodenabschnitten vorhandenen Zwischensubstanz nicht
vorfanden, die Kernteilungsßguren der Geschwulstzellen mit denen der Epithelien
der Samenkanälchen übereinstimmten und die Zellen den Kanälchenepithelien
nach ihrer Gestalt und Struktur durchaus ähnelten, und weil in beiden Zellarten
Glykogen nachgewiesen wurde, worauf zuerst Langhans hingewiesen hatte. Für
ganz unwahrscheinlich hält Debernardi die Abstammung der großzelligen
Tumoren von Endothelien, wie von Krompecher angenommen wird, und erkennt
mit Ribbert und Oberndorfer die Gründe, auf die Krompecher bei Geltend¬
machung seiner Ansicht sich stützt, nicht an, vielmehr spricht nach Debernardi
alles und besonders die Morphologie der Gescbwulstzellen, der Bau und das
Wachstum der Geschwülste dafür, daß die Geschwulstzellen mit den Epithelien
der Samenkanälchen in genetischer Verbindung stehen und epithelialer Natur sind.
Den histogenetischen Nachweis der Abstammung der Geschwulstzellen von den
Kanälchenepithelien konnte Debernardi allerdings nicht erbringen, glaubt aber
aus dem Vorhandensein zellerfüllter Kanälchen und kanälchenartiger Hohlräume
bei ihrer großen Aehnlichkeit mit den gewundenen Hodenkanälchen die Wahr¬
scheinlichkeit der Herkunft annehmen zu dürfen.
Hiernach nimmt wohl die größere Mehrzahl der Autoren an, daß die gro߬
zelligen Hodentumoren, speziell diejenigen mit alveolärem Bau als Karzinome auf-
zufassen sind, deren Zellen von den Epithelien der Samenkanälchen stammen, und
daß die Annahme Krompechers, wonach sie Endotheliome mit vornehmlichem
AusgaDg von den Lymphgefäßen sind, wenig wahrscheinlich ist, während die
Möglichkeit der Entstehung großzelliger Geschwülste von den Zwischenzellen der
Interzellularsubstanz, also großzelliger Sarkome nach der Annahme Waldeycrs
und Hansemanns bestehen bleibt und auch von Borst ohne Einschränkung an¬
erkannt wird.
Gegenüber diesen nach ihrem morphologischen Verhalten bezüglich ihrer Zu¬
ordnung zweifelhaften Geschwülsten, die bald als Karzinome bald als Sarkome
angesprochen wurden, sind die kleinzelligen Geschwülste allseitig als Sarkome ge-
240
KINNEMANN,
deutet und werden nach der Gestalt der Zellen in Spindelzel.’en- und Rundzellen¬
sarkome geschieden. Es kommen im Hoden aber auch Riesenzellensarkpme vor,
Krompecher beschreibt ein solches. Einige Zweifel in der Beurteilung hat eine
kleinzellige Geschwulst erfahren, die wegen einiger Besonderheiten im morpholo¬
gischen Verhalten von den Franzosen, besonders Malassez, sowie Monod und
Terrillon als Lymphadenom bezeichnet wurde, weil bei diesen Geschwülsten im
Gegensatz zu dem eigentlichen Sarkom die in ein feines Retikulum eingebetteten
Zellen gleichmäßig groß und rund sind, wenig Protoplasma und einen großen
Kern enthalten und die Blutgefäße eine eigene gegen das Geschwulstgewebe scharf
abgesetzte Wand besitzen. Krompecher faßt sie als Lymphendotheliome mit
diffusem Bau auf. Debernardi hält die Begründung dieser Ansicht nicht für ge¬
lungen und reohnet sie zu den Rundzellensarkomen, deren Uebereinstimmung mit
dem Lymphadenom der Franzosen durch Birch-Hirschfeld und Kocher voll¬
kommen bewiesen sei. Eine besondere Stellung nimmt ein von Malassez und
Monod beschriebenes Riesenzellensarkom ein, das von den Forschern als „Sar-
come angioplastique“ beschrieben wurde. Bei dieser Geschwulst fanden sich außer
verschieden großen Riesenzellen auch noch anastomosierende, protoplasmatische
Massen vor, von eigenartigen Formen, die durch Schlingen und Balken in Ver¬
bindung standen und ein regelloses Protoplasmanetz bildeten. In den protoplasma¬
tischen vielkernigen Riesenzellen fanden sich Vakuolen, die entweder eine helle
körnige Masse oder rote Blutkörperchen enthielten. Malassez und Monod haben
die Ansicht, daß die zu einem Netzwerk verschmolzenen Riesenzellen als unent¬
wickelte Gefäßanlagen zu betrachten seien, bzw. die Zellen als vasoformative,
woraus sich die Bezeichnung Sarcome angioplastique erklärt. Aehnliche Ge¬
schwülste mit der gleichen Auffassung der Befunde wurden noch von Carnot und
Marie und von Dopter beschrieben, während Wlassow auf Grund seiner Unter¬
suchungen eine ganz abweichende Ansicht vertritt. Die Aehnlicbkeit und stellen¬
weise vollständige Identität mit dem Chorionepitheliom ließ bei ihm die Vermutung
der Entstehung aus dem Keimepithel aufkommen und er sieht die Riesenzellen
nicht als vasoformative Zellen an, sondern hält sie nach ihren morphologischen
Eigenschaften für identisch mit den synzytialen Zellen des Chorions. In drei unter¬
suchten Fällen erwiesen sich die Tumoren als Mischgeschwülste, denn es fanden
sich stellenweise embryonale Drüsenkanälchen, sowie Bindegewebe und glatte
Muskelfasern embryonalen Charakters. Da sich aber eine Beteiligung auch des
dritten Keimblattes an der Bildung der Geschwulst nicht erbringen ließ, so hält
W. den genetischen Zusammenhang der Geschwulst mit dem Epithel eines bei der
Entwickelung eines Embryoms hypothetisch vorausgesetzten Chorions für proble¬
matisch und bezeichnet den Tumor zum Unterschied von anderen epithelialen als
Epithelioma syncytiomatodes testiculi. Oberndorfer gibt eine Zusammenstellung
der einschlägigen Literatur und weist daraufhin, daß Schlagenhaufer zuerst auf
die frappante Aehnlichkeit'dieser Geschwülste mit den chorionepitbeliomatösen
aufmerksam machte und den Schluß zog, daß dieses Geschwulstgewebe ebenfalls
vom Epithelüberzugc der Chorionzotten abzuleiten sei; nach Riesel seien sie in¬
des nichts anderes, als eine besondere Erscheinungsform des fötalen Ektoderms.
Wesentliche Fortschritte in der Beurteilung der Hodengeschwülste haben die neueren
Untersuchungen und namentlich die von Wilms geliefert über die Mischgeschwülste
des Hodens. Hiernach ist zu unterscheiden zwischen Teratomen bzw. Embryomen
lieber Hodontumoren beirr. Hunde.
241
und teratoiden bzw. embryoiden Tumoren der Geschlechtsdrüsen. Zu den ersteren
gehören die Dermoidzysten, die ans einer abgeschlossenen Zyste bestehen, welche
Haare und eine fettige Grütze enthalten und deren Wand aus Haut mit Haaren,
Talg- und Schweißdrüsen gebildet wird. Außerdem findet sich ein von behaarter
Kutis überzogener polypöser Körper, eine Zotte, die nach ihrem komplizierten Bau
und der Formation der Gewebe, als Derivate aller drei Keimblätter, eine rudimen¬
täre Embryonalanlage repräsentiert. Nach Wilras sind die Teratome bzw.Embryome
und dieHodenteratoide nicht wesentlich verschiedene Gebilde, sondern dadurch unter-
chieden, daßdiedrei Keimblätter bei den Teratomen zur Bildung eines rudimentären
Embryo führen, während sie bei den teratoiden Geschwülsten regellos durchein¬
ander wachsen. Zu diesen teratoiden Geschwülsten sind viele als Hodenzystoide,
Enchondrome, Zystokarzinome Zystosarkome und Endotheliome beschriebene Ge¬
schwülste zu rechnen. Nach Borst sind die Forschungsergebnisse bezüglich der
Teratome und teratoiden Tumoren, soweit sie sich auf den Bau derselben beziehen,
von Hanau, Pfannenstiel, Kockel u. a. größtenteils bestätigt. Manche Ge¬
schwülste, die nach ihrem wechselnden Aussehen von den verschiedenen Beob¬
achtern bald als sarkomatöse, bald als karzinomatöse gedeutet wurden, sind nach
Kibberts Ansicht zum Teil einseitig entwickelte Misohgeschwülste, in denen die
sonstigen embryonalen Gewebe übersehen werden oder auch zu Grunde gegangen
sind. Ueber die Entstehung der hier fraglichen Geschwülste sind die Meinungen
verschiedenartig gewesen und auch wohl noch heute nicht ganz übereinstimmend.
Wilms glaubte anfänglich ihre Entstehung auf die Samenzellen zurückführen zu
müssen, die entweder in einem embryonalen Zustand verharrten oder später patho¬
logisch wucherten, welche Ansicht von anderen geteilt wurde, und an der Borst
teils festhält, indem er sich dahin ausspricht, daß die Entstehung aus in fehler¬
hafte Entwickelung geratenen primären Geschlechtszellen sehr diskutabel sei. Nach
einer anderen Anschauung, die von Bonnet und Marchand vertreten wird, sollen
sie versprengten Blastomeren ihre Entstehung verdanken, wie solche Verlagerungen
im Blastulastadium bei Tieren beobachtet wurden, oder auch auf eine befruchtete
Polzelle zurückzuführen sein, die sich zwischen den Blastomeren weiter entwickelte.
Welche von diesen Anschauungen zu Recht besteht, ist fraglich, jedenfalls herrscht
darin Uebereinstimmung, daß es sich bei den fraglichen Mischgeschwülsten bei
ihrer Entstehung um versprengte embryonale Zellen handelt mit einem großen
Differenzierungsvermögen und daß sich in den Tumoren Derivate aller drei Keim¬
blätter in wechselvollem Durcheinander vorfinden, häufig mit überwiegender Be¬
teiligung der ektodermalen Anlage.
Bei den Hodengeschwülsten hat man demnach zu unterscheiden
zwischen Karzinomen, Sarkomen, die als Riesenzellensarkome oder
als kleinzellige Spindel- oder Rundzellensarkome Vorkommen;
Fibromen, Myomen, Zwischen zellen ge sch wülsten, großzelligen
Tumoren, die meist als Karzinome, teils als Sarkome, teils als Endo¬
theliome aufgefaßt werden; den chorionepitheliomartigen Neubildungen
und den Mischgeschwülsten, die entweder als Teratome (Dermoid¬
zysten) oder als Teratoide auftreten, in denen häufig Zysten und
Archiv f. wisscnsch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. i g
242
KlNNKMANN
Knorpelroassen sich finden und die nach ihrem wechselvollen Bau
und der morphologischen Anordnung ihrer Bestandteile zur Verwechselung
mit einfachen Geschwülsten leicht Anlaß geben können. So sehr die
Erforschung der Hodentumoren das Dunkel, das in der Beurteilung
der mannigfachen und eigenartigen Hodengeschwülste herrschte, zu
lichten vermochte, so daß eine teilweise Sonderung derselben auf
histogenetischer Grundlage ermöglicht wurde, so sehr darf anderseits
die Schwierigkeit der jedesmaligen genetischen Bestimmung nicht ver¬
kannt werden. Die noch bestehenden Zweifel in der Deutung mancher
Hodentumoren beweisen, daß ein sicherer Nachweis über die Ab¬
stammung der Geschwulstzellen selten einwandsfrei möglich wurde
und daß zur Klärung der bestehenden Zweifel noch weitere Unter¬
suchungen erforderlich sein werden. So lange aber eine sichere
Trennung auf genetischer Grundlage nicht möglich ist, werden die
morphologischen Eigenschaften für die Deutung und Klassifikation der
Geschwülste maßgebend bleiben müssen. Hierbei werden gewiß
Irrtümer nicht ausbleiben, da besonders die Unterschiede zwischen
Karzinom und alveolärem Sarkom nicht scharf genug sind, um eine
sichere Entscheidung für das eine oder andere treffen zu können.
Die nach Kitt bei Pferden und Hunden nicht selten vor¬
kommenden, enormen Geschwülste, die in Gestalt des Hodens als
kompakte Klumpen — sog. Sarkocele, Fleischbruch des Hodensackes —
gefunden werden und die derselbe, da die Zellen so embryonale
Formen haben, daß es schwer ist zu unterscheiden, ob es sich um
Epithelien oder Sarkomzellen handelt, wegen ihres embryonalen
Charakters als Orchidom oder Orchidoblastom bezeichnet, ge¬
hören sicher zu den teratoiden Mischgeschwülsten. Kitt gebührt das
Verdienst, die Natur dieser Geschwülste bei Tieren zuerst erkannt
und durch eine ihrem Wesen entsprechende Bezeichnung von den
übrigen Geschwülsten gesondert zu haben. Es erscheint mir indessen
nicht zweckmäßig, diese Bezeichnung in der Veterinärliteratur beizu¬
behalten, nachdem in der medizinischen Literatur die Bezeichnungen
Teratoide und Teratome der Geschlechtsdrüsen gebräuchlich sind.
Turtill hat mit der Beschreibung eines Hodenteratoms sich der
medizinischen Bezeichnung angeschlossen. Im Interesse einer möglichst
einheitlichen Nomenklatur halte ich es für empfehlenswert, die
zystischen Dermoide, die nach Wilms in ihren Zotten eine rudimen¬
täre Embryoanlage darstellen, als Teratome und die hier in Frage
kommenden Mischgeschwülste, welche Derivate aller drei Keimblätter
lieber Hodentumoren beim Hunde.
243
im bunten Durcheinander enthalten, als Teratoide des Hodens zu
bezeichnen.
In dem Spital für kleine Haustiere habe ich verschiedentlich
Gelegenheit gehabt, Hodenerkrankungen bei Hunden zu behandeln,
darunter kamen auch hin und wieder geschwulstartig vergrößerte
Hoden vor. In sieben Jahren wurden neunmal derartige Hoden ent¬
fernt und untersucht. Es handelte sich nicht immer um Neubildungen,
wenn auch die klinischen Erscheinungen das Vorhandensein solcher
nicht ausschließen ließ. In dem folgenden habe ich diese neun
Fälle zusammengestellt.
1. Fall. Hoden von einem 9 Jahre alten Pinscher, der der
Klinik wegen einer sich allmählich vergrößernden Geschwulst in der
linken Leistengegend zugeführt wurde. Genauere Angaben über die
ersten Beobachtungen und die Entstehung der Geschwulst ließen sich
nicht ermitteln. In der linken Leistengegend fand sich ein fast
mannesfaustgroßer Tumor, über dem die Haut leicht verschiebbar
war. Die Oberfläche der Geschwulst war glatt und am hinteren Ende
stand dieselbe mit einem fast kleinfingerdicken Strange in Verbindung,
der nach dem Leistenkanal zu verlief. Die Geschwulst fühlte sich
in allen Teilen ziemlich derb an und war auf Druck nicht schmerz¬
haft. Hiernach handelte es sich um einen nach vorn verlagerten
großen Hoden, der durch Kastration entfernt wurde. Die Wund¬
heilung verlief ohne Zwischenfälle und wurde das Tier bald als geheilt
entlassen. Ueber das spätere Schicksal des Tieres ist nichts bekannt
geworden. Samenstrang und Scheidenhäute waren verdickt, nicht
verwachsen. Nebenhoden deutlich abgesetzt und klein. Hoden 122 g
schwer, 7y 2 cm lang, 5 cm breit.
Schnittfläche gelblicbgrau, zeigte einzelne unregelmäßig verlaufende, dicke,
weiße Stränge und ein vielfach verzweigtes unregelmäßiges Netzwerk aus feineren
Bindegewebszügen, die ein gleichmäßiges, markiges, graaweißes Gewebe um¬
schließen. Bei Druck tritt über die Oberfläche eine trübe, milchweiße Flüssigkeit.
In derselben befinden sich mäßiggroße Zellen mit rundlichem, oder ovalem Kern,
Zelltrümmer und kleine Fetttröpfchen. Die Zellen sind vielgestaltig, sie haben
häufig eine unregelmäßig spindelförmige Gestalt mit einem oder zwei feinen Aus¬
läufern, odor sind mehr oval oder auch kantig und mehreokig. Der Zellleib ist
im Vergleich zum Kern nur klein, trübe und gekörnt. In Schnitten, die mit dem
Gefriermikrotom hergestellt wurden, fanden sich in einem Bindegewebsgerüst
Hoblräume mit glatten Wänden, aus denen die Zellen völlig ausgewaschen sind,
oder in den kleineren der wechselnd großen Hohlräume noch Zellen, die nach
Färbung mit Sudan Hl eino teilweise rotgclbe Farbe angenommen haben in Form
16 *
244
KINNEMAMN,
kleiner rotgelber Körnchen oder Einlagerungen, ln Schnitton, die aus dem in
Formalin konservierten Hoden angefertigt wurden, sieht man bei schwacher Ver¬
größerung nach Färbung nach van Gieson ein massiges bindegewebiges Stroma
mit alveolären Hohlräumen, die von Zellen erfüllt sind (Fig. 1). Das Bindegewebe
ist besonders in der Nähe der stark verdickten Albuginea reichlich und bildet
mehr oder weniger breite Stränge oder dicke Balken, die sich teilweise zu gleich¬
mäßigen Platten vereinigen. In Schnitten aus den zentralen Partien der Geschwulst
ist es weniger reichlich und bildet dünnere Stränge mit regelmäßigem Verlauf,
die sich in mannigfachster Weise verbinden, Knickungen zeigen und bald unter
spitzem, bald unter stumpfem Winkel zusammentreten oder auch von einem
Knotenpunkt in unregelmäßig strahliger Anordnung ihren Ursprung nehmen, ln
dem buntmaschigen Gefüge des Bindegewebsgerüstes liegen Hohlräume von
mannigfaltiger Gestalt und Größe. Sie sind teils auffällig groß und von mehr
länglich ovaler Gestalt, aber durch Knickung der Bindegewebsstränge oder vor¬
stehende Zapfen derselben, die bald mehr, bald weniger weit in die Höhlen hinein¬
ragen, eigenartig geformt. Häufig sind die Balken durchbrochen, so daß durch
schmale oder breitere Spalten eine Vereinigung zweier oder mehrerer Hohlräume
stattgefunden hat. Manchmal sind die Hohlräume mehr schmal und langgestreckt
und in das Stroma spaltförmig eingeschoben. Hin und wieder findet man nur
kleine Hohlräume eingesprengt in das derbe Stroma oder inselförmig in der knoten¬
förmigen Vereinigung des Gerüstes. Das Verhältnis des Stromas zu den Hohl¬
räumen ist ein wechselndes, mehr nach der Albuginea zu iiberwiegt das Stroma,
zentralwarts die Hohlräume. Die Hohlräume sind glattwaudig und überall von
Zellen erfüllt. Nirgends sieht man eine Verbindung des Stromas mit den Zellen
bzw. von der Oberfläche der Wand ausgehende Fibrillen, die sich zwischen die
Zellen verteilen. Die Zellen sind vielgestaltig, größer und kleiner, mehr rund
oder eckig, länglich oval und kantig, oft auch langgestreckt und mehr spindel¬
förmig. Der Kern ist stark gefärbt und groß, der Zelleib verhältnismäßig klein.
An manchen Stellen sind die Umrisse der Zellen schlecht oder gar nicht zu er¬
kennen oder findet man nur Kerne, die in einem feinkörnigen Detritus liegen.
Samenkanälchen oder Reste derselben konnten als solche nicht aufgefunden
werden.
Die fragliche Geschwulst kennzeichnet sich hinsichtlich ihres
mikroskopischen Verhaltens durch ein derbes, mit Lücken und Hohl¬
räumen ausgestattetes Stroma, durch ihren alveolären Bau, anderseits
durch die in die Alveolen eingelagerten, vielgestaltigen Zellen. Die
Lücken und Hohlräume können als veränderte Samenkanälchen nicht
gedeutet werden, dagegen spricht die Unregelmäßigkeit in Gestalt und
Verlauf und die Konfluenz zu verschiedenartig gestalteten Räumen.
Nach dem alveolären Bau und der Polymorphie der Zellen kann es
sich nur um ein Karzinom handeln. Man könnte noch daran denken,
daß ein alveoläres Sarkom vorläge. Indessen spricht die scharfe Ab¬
grenzung des bindegewebigen Stromas gegen die Zellnester gegen
Sarkom. Nirgends trat ein Zusammenhang zwischen Gerüst und
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
245
Zellen hervor oder war ein Uebcrgang des bindegewebigen Stromas
in die Zellager bemerkbar. Als Unterscheidungsmerkmal des Karzinoms
von dem Sarkom bezeichnet Krompecher die Tatsache, daß bei
letzterem die Geschwulstzellen bei alveolartiger, den Krebszellnestern
ähnlicher Anordnung stellenweise unscharf in das begrenzende Binde¬
gewebe übergehen. Auch Borst spricht sich dahin aus, daß in den
alveolären Karzinomen immer ein strengerer Gegensatz zwischen der
epithelialen Einlagerung und dem bindegewebigen Stroma vorhanden
ist, während in den alveolären Sarkomen das Parenchym oft vielfach
durch Bildung von Interzellularsubstanzon sich als Abkömmling der
Bindegewebssubstanz kennzeichnet. Was die Größe und das Aussehen
der Zellen in den Nestern anlangt, so handelt es sich um Zellen von
etwa der Größe des Kanälchenepithels, sie zeigten auch eine gewisse
Aehnlichkeit mit demselben, ob sie aber von demselben abstammen,
ließ sich bei Durchforschung der Geschwulst nicht ermitteln, da Reste
von Samenkanälchen nicht vorgefunden wurden.
2 . Fall. Rechter Hoden von einem ca. 11 Jahre alten Setter¬
hund. Seit einem halben Jahre wurde eine Vergrößerung des Hodens
bemerkt, die seit jener Zeit an Umfang fortwährend zunahm. Im
Allgemeinbefinden des Tieres keine Störung, beim Gehen und Palpieren
keine Schmerzen. Hoden faustgroß, nur wenig verschiebbar, Skrotal-
haut straffgespaunt aber nirgends mit dem Hoden verwachsen. Kon¬
sistenz gleichmäßig fest, fast derb; Nebenhoden deutlich fühlbar;
Saraenstrang bleistift dick, überall glatt. Kastration. Der entfernte
Tumor hat die ungefähre Gestalt eines Testikcls, wiegt 161 g und
hat eine Länge von 10 cm, eine Breite von 6 cm. Die Schnittfläche
zeigt in den mittleren Abschnitten eine rötlich-graue Farbe, in allen übrigen
Teilen ist sie gelblich-grau. Die Tumormasse quillt beim Durch¬
schneiden etwas über die Schnittfläche vor und hat eine festweiche,
markige Konsistenz. In der Schnittfläche lassen sich drei verschiedene,
ungleich große und unregelmäßig gestaltete Abschnitte unterscheiden,
ein mittlerer mehr rötlich gefärbter größerer und zwei kleinere, die
schalenartig übereinander gelagert, den größeren umfassen. Die
einzelnen Abschnitte sind teils durch straffes, teils durch lockeres
Bindegewebe getrennt, so daß sie sich stellenweise gegen einander
verschieben lassen.
In Schnitten (van Gieson-Färbung) scheint die Geschwulst auf den ersten
Blick nur aus Zellen zu bestehen, nur vereinzelt treten bei der Durchmusterung
Bindegewebszüge hervor (Fig. 2). Von den stärkeren Zügen ausgehend, finden
246
KTNNEMANN,
sieb weiterhin aber noch zarte feine Faserböndel, die in ihrem Verlauf spindel¬
förmige, schmale, stärker gefärbte Kerne erkennen lassen. Diese Fasern lösen sich
in feine Fibrillen auf, die sich zwischen den Zellen verteilen. An diesen Stellen
zeigen die Zellen wohl eine gewisse Anordnung in ihrer Lagerung, indem sie sich
börsten- oder fiederförmig um sie gruppieren. Hier haben die Zellen durchweg
eine mehr oder weniger deutlich ausgeprägte spindelförmige Gestalt und einen
gut tingiorten länglich-runden Kern, der den blassen Zellenleib größtenteils
einnimmt. Die Zellen lagern sich mit dem einen verjüngten Ende an die Fibrillen
an, während sie mit dem anderen sioh zwischen die dicht gedrängt liegenden
freien Zellmassen einschieben. Diese Zellen haben einen mehr runden, stark ge-
gelarbten Kern von etwa gleicher Größe wie bei den Spindelzellen. Der Zellkörper
ist im Vergleich zum Kern nur klein, meist von rundlicher Gestalt, oder auch
kantig und läuft hier und da in eine kurze Zacke aus. Stellenweise und besonders
in der Nähe der Gefäße finden sich kleine lymphoide Zellen, die zuweilen in
größeren Mengen angebäuft sind.
Die Geschwulst besteht also aus einem spärlichen, bindegewebigen
Stroma und vornehmlich aus Zellen, die hauptsächlich aus Rund-
und Spindelzellen bestehen.
3. Fall. Hoden von einem ca. 1 Jahr alten Dalmatiner.
Genaue Angaben über die Entstehung konnten nicht gemacht werden;
es wurde nur beobachtet, daß seit einiger Zeit der linke Hoden größer
war und in kurzer Zeit schnell sich vergrößert habe. Linker Hoden
des munteren Tieres fast gänseeigroß, auf Druck ganz ohne Schmerz.
Skrotalhaut gespannt, aber überall von dem Hoden abhebbar, Samenstrang
deutlich fühlbar und glatt. Lymphdrüsen nicht vergrößert. Kastration.
Scheidenhautblätter etwas dick, nicht verwachsen. Nebenhoden deut¬
lich abgesetzt und kleiner. Der etwa gänseeigroße Hoden hat im
ganzen die Gestalt des normalen Organs, wiegt 252 g und hat 8 cm
Breite und 12 cm Länge und eine gleichmäßig derbe Konsistenz.
Schnittfläche gelblichgrau oder gelblichrötlich, in der Mitte etwas
dunkler, weicher und leicht vorquellend. Am vorderen Ende ent¬
springen von der Albuginea im Winkel von etwa 45° zwei weiße,
derbe Stränge von 1 / i cm Breite, die sich vereinigen und vom Ver¬
bindungspunkt zahlreiche dünne Züge abgehen lassen, die sich teils
wieder verbinden oder mit dünnen, von der Albuginea stammenden
Strängen zusammentreten. Dadurch zeigt die Schnittfläche ein lappiges
Aussehen, wobei die Läppchen nach Größe und Gestalt vollkommen
variieren. Ein Abstrich läßt mittelgroße runde und eckige Zellen mit
großem Kern erkennen und vereinzelt kleine Rundzellen.
Bei schwacher Vergrößerung sieht man in den nach van Gieson gefärbten
Schnitten nur vereinzelte, unregelmäßig verlaufende Bindegewebsstränge und
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
247
wenige feinere Bündel. Nur hin und wieder trifft man Stellen an, wo ein
inaschiges, aus stärkeren Fasern bestehendes Gerüst vorhanden ist. ln der Haupt¬
sache besteht die Geschwulst aus mäßig großen Zellen mit intensiv gefärbtem Kern
von annähernd gleicher Größe. Der Kern ist im Vergleich zum Protoplasmasleib
groß und hat eine rundliche oder ovale Gestalt. Einzelne größere Zellen besitzen
zwei Kerne. Die Zellen sind rund oder unregelmäßig polygonal, manchmal
spindelförmig und zwar dann gewöhnlich, wenn sie mit einzelnen mehr regel¬
mäßig gelagerten Reihen eine Art Zapfen bilden, der um eine Bindegewebsfaser
formiert ist.
4. Fall. Rechter Hoden von einem ca. 10 Jahre alten Spitz,
der seit 8 Tagen eine größere Geschwulst in der Leistengegend ge¬
zeigt hatte. Ursprünglich war der Hund ein einseitiger Kryptorchide.
Nur der linke Hoden war vorhanden. Einige Jahre später entdeckte
man in der rechten Leistengegend neben dem Penis eine kleine An¬
schwellung. Ein Tierarzt stellte fest, daß diese Anschwellung durch
den rechten Hoden bedingt sei, der verspätet ausgetreten sei und eine
anormale Lage habe. Seit etwa 8 Tagen begann der Hund ungemein
steif zu gehen und jegliches Springen zu vermeiden; er getraute sich
nicht einmal mehr vom Stuhle zu springen. Bei der Untersuchung
fand sich in der rechten Schamgegend eine hühnereigroße Geschwulst,
über der die Haut leicht verschiebbar war, ebenso ließ sich zwischen
Geschwulst und ßauchdecken der Finger vorschieben, wobei man auf
einen nach dem Leistenkanal zu verlaufenden dünnen glatten Strang
stieß. Die Konsistenz der Geschwulst war im allgemeinen derb, an
einzelnen Stellen weicher. Beim Palpieren äußerte der Hund Schmerzen.
Kastration. Normaler Wundheilungsverlauf. Tumor etwa apfelrund
und -groß, 5 cm breit, 57* cm lang, 63 g schwer. Albuginea glatt
und durchsichtig; Nebenhoden deutlich abgesetzt und klein. Scheiden¬
häute dünn und glatt, nicht verwachsen, Samenstrang glatt. Konsistenz
der Geschwulst ziemlich derb. Schnittfläche grauweiß, an einzelnen Stellen
rötlich grau bis bräunlich grau, hier ist die Geschwulstmasse weicher
und quillt etwas vor. Einige kleine linsen- bis erbsengroße glatt-
wandige Höhlen sind bemerkbar, von denen eine durch ein weißes
sehniges Septum in zwei Kammern geschieden ist. Von der Albuginea
auslaufend treten einzelne kurze, dünne Bindegewebszüge hervor, sonst
erscheint die Schnittfläche von gleichmäßig homogener Beschaffenheit. Ein
Abstrich ergibt hauptsächlich großkernige, verschiedengestaltige Zellen
und rote und weiße Blutkörperchen.
An Schnitten aus verschiedenen Teilen der Geschwulst ergibt sich ein im
ganzen übereinstimmender Bau und zwar findet sich ein spärliches bindegewebiges
248
KUNNEMANN,
Stroma und hauptsächlich Zellen (Fig 3). Das Stroma wird gebildet aus einem
feinen Bindegewebsgerüst, das nur vereinzelt sich zu etwas dickeren Strängen ver¬
einigt und mit ganz unregelmäßigem, vielfach geschlängeltem Verlauf die Ge¬
schwulst durchzieht und häufig unter spitzem oder stumpfem Winkel sich ver¬
bindet und ein Netzwerk bildet, in dessen unregelmäßigen und verschieden großen
Haschen die Zellen gelagert sind, häufig stehen die Maschen miteinander in Ver¬
bindung. An anderen Stellen tritt das Maschenwerk nicht so ausgeprägt auf und
findet man nur Zellen in dicht gedrängter Lagerung, zwischen denen hin und
wieder einige Bindegewebsfasern verlaufen. Das Bindegewebsgerüst zeigt bei
starker Vergrößerung spärliche, kleine spindelförmige Zellen, manchmal finden
sich aber, besonders in der Nähe von Gefäßdurchschnitten entlang dem Stroma
kleine lymphoide Zellen, die stellenweise in Haufen liegen oder eine dichtj£fn-
filtration bilden. Die Geschwulstzellen sind ziemlich groß und haben eineif runden,
höchstens ovalen Kern, der den Zellkörper zum größten Teil erfüllt. Selten findet
man Zellen mit zwei kleineren Kernen. Die Zellen sind polyedrisch mit stumpfen,
schwach angedeuteten Ecken.
Die letzten 3 Fälle zeigen in der mikroskopischen Struktur der
Geschwülste große Aehnlichkeit, aber auch in ihrem sonstigen Ver¬
halten. Es handelt sich um Geschwülste, die seit der ersten Be¬
obachtung an Umfang ziemlich schnell Zunahmen. In dem letzten
Falle vergrößerte sich die Geschwulst innerhalb 8 Tagen auffällig, in
den anderen innerhalb eines halben Jahres und in dem zweiten ohne
genauere Zeitangabe seit einiger Zeit ziemlich schnell, ln dem letzten
Falle, wo sich derTumor als außerordentlich schnellwüchsig kennzeichnet,
bestand eine Behinderung in der Bewegung und Abneigung zum
Springen, was wohl auf eine geringe Schmerzhaftigkeit, wie sie auch
beim Pal pieren sich äußerte, zurückzu führen war. In den beiden an¬
deren Fällen waren aber selbst bei Druck auf die Geschwulst
Schmerzen nicht auszulösen. Die Geschwülste waren auf die Hoden
lokalisiert, Metastasen nicht nachzuweisen und trat nach der Kastration
ohne Störungen in der Wundheilung schnell Heilung ein. Das mikro¬
skopische Verhalten der Geschwülste war ein übereinstimmendes.
Ohne Mitbeteiligung des Nebenhodens oder der Scheidenhäute waren
die Hoden unter Erhaltung ihrer äußeren Form im ganzen zu ziemlich
umfangreichen Tumoren vergrößert, einmal in einem anfangs retinierten,
später nach vorn verlagerten Hoden. Die Hoden waren in toto ver¬
ändert, mehr oder weniger derb und in der Schnittfläche graugelblich
oder graurötlich gefärbt, unregelmäßig und undeutlich gelappt und
von gleichmäßiger festweicher oder markiger Konsistenz. Nach der
mikroskopischen Struktur handelte es sich um zellenreiche Geschwülste,
deren Zellen verhältnismäßig groß und in einem diffusen Stroma ein-
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
249
gelagert waren. Nur in dem letzten Falle zeigte das Stroma stellen¬
weise eine deutliche Anordnung zu einem unregelmäßig geformten Netz¬
werk mit verschiedenartigen, teils ineinander übergehenden Lücken
und zellerfüllten Maschen, also eine Andeutung eines alveolären Baues.
Die Zellen waren ziemlich groß, hatten etwa die Größe der normalen
Kanälchenepithelien. Ihr Kern war groß, gewöhnlich rund oder oval,
der Zellkörper im Vergleich zum Kern klein. Abgesehen von stellen¬
weise auftretenden kleinen lyrophoiden Zellen waren andere Bestand¬
teile, weder Samenkanälchen noch Zwischenzellen nachweisbar. Die
rastalt der Geschwulstzellen, deren Größe keine nennenswerten Unter¬
schiede erkennen ließ, war eine wechselnde, neben Spindelzellen, die
besonders entlang den Fibrillenbündeln auftraten, fanden sich kantige
und mehr eckige entsprechend der dichtgepreßten Lagerung der Zellen.
Der überwiegende Gehalt* der Geschwülste an Zellen gegenüber dem
spärlichen Stroma, das meist in diffuser Anordnung die Zellen in Form
feiner Fibrillen durchsetzt und dem zum Teil die spindelförmigen
Zellen geradezu anliegen oder bürstenförmig aufsitzen, als wenn sie
aus ihnen hervorgesproßt wären, berechtigen zur Annahme, daß es sich
bei diesen Geschwülsten um Sarkome handelt.
Herrn Prof. Dr. Rievel verdanke ich einige Schnitte aus einer
Hodengeschwulst vom Pferde, die als Sarkom diagnostiziert wurde.
Die Schnitte sind mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt und lassen folgende
Einzelheiten erkennen. In den Maschen eines spärlichen binde¬
gewebigen Stromas liegen dicht gedrängt gleichartige Zellen. Das
Stroma wird aus feinen Faserbündeln oder Fibrillen gebildet, die
höchstens an den Vereinigungsstellen ein stärkeres Gerüst bilden. Der
Verlauf der Fasern zeigt keine regelmäßige Anordnung, vielmehr
durchkreuzen und verflechten sich dieselben und verbinden sich in
verschiedener Richtung zu einem feinen Netzwerk mit vielgestaltigen
Maschen. Das Stroma tritt im Vergleich zu der Anzahl der Zellen
völlig in den Hintergrund, so daß die Schnitte auf den ersten Blick
nur Zellen zu enthalten scheinen. Die dicht gelagerten Zellen sind
von annähernd gleicher Größe, verhältnismäßig klein. Der Kern ist
intensiv gefärbt und rund, im Verhältnis zum Zellkörper groß. Die
Zellen haben durchweg eine mehr runde Gestalt, sind offenbar
wegen der gepreßten Aneinanderlagerung gegen einander abge¬
plattet und erscheinen daher meist kantig und eckig. Die mikro¬
skopische Struktur ähnelt demnach ganz den vorher beschriebenen
Hodengeschwülsten von Hunden, besonders durch den Reichtum
250 Kl NNEMÄNN,
gleichartiger runder Zellen, die einem spärlichen diffusen Stroma ein¬
gelagert sind.
5. Fall. Hoden von einem Terrier, der seit längerer Zeit eine
Vergrößerung des rechten Hoden besaß. Seit einigen Tagen äußerte
der Hund Schmerzen und ging ungern und gespannt, die Schwellung
des Hodens hatte sich vergrößert. Hodensack teigig geschwollen,
auf Druck schmerzhaft. Kastration. Hoden dunkelrot, Gefäße stark
gefüllt. Samenstrang hinter dem Hoden um seine Längsachse gedreht
und eingeschnürt. Drehungsstelle blaß. Schnittfläche blutreich, dunkel¬
rot, an einzelnen Stellen mehr gelbrot. Gefäße weit, in einzelnen
schwarzrote Gerinnsel.
Bei schwacher Vergrößerung nach van Gieson gefärbter Schnitte lassen sich
Hodenkanälchen nicht ermitteln. (Jeberall tritt ein ziemlich massiges Stroma
hervor, das aus einem derben fibrillären Bindegewebe besteht, in dessen Faser¬
verlauf viele Spalten und Hohlräume angetroffen werden, die von einem feinkörnigen
Inhalt erfüllt sind. Zwischen den Bindegewebszügen liegen Zeilhaufen oder auch
Zellstränge von geschlängeltem Verlauf, deren kleine Zellen einen spindelförmigen
oder länglichovalen Kern besitzen. An einzelnen Stellen finden sich Herde, die
aus diffus und schlecht gefärbten scholligen Massen bestehen und eine Struktur
nicht erkennen lassen (Nekrose). Die Zellhaufen und Zellstränge erscheinen
manchmal unvermittelt in Hohlräume des Bindegewebsgerüstes eingesprengt zu
sein, da eine Verbindung mit demselben nicht zu erkennen ist; an anderen Stellen
sitzen die Spindelzellcn pallisadenartig der Wand der Hohlräume auf. An manchen
Stellen lassen sich feine Fibrillenbündel verfolgen, die von den stärkeren Strängen
des Stroma ausgehen, sich netzartig verschlingen und ein feines Maschenwerk
bilden, in dessen Lücken die Zellen ihre Lage haben.
Es handelt sich in dem vorliegenden Falle um einen Hoden, der
nach dem Vorbericht seit längerer Zeit schon geschwollen erschien,
der sich aber seit einigen Tagen noch vergrößert hatte, wobei gleich¬
zeitig eine teigige schmerzhafte Schwellung des Skrotums auftrat.
Als Ursache hierfür fand sich eine Verdrehung des Samenstrangs
um seine Längsachse, woraus sich die Stauungserscheinungen im
Skrotum und Hoden erklären, ebenso die im mikroskopischen Bilde
sich geltend machende Erweiterung der Blutgefäße und Lymphspalten
und wahrscheinlich auch die herdweise auftretende Nekrose. Unab¬
hängig hiervon bestand eine geschwulstartige Veränderung des Hodens,
die nach dem Vorbericht schon längere Zeit bestanden hatte. Hoden¬
kanälchen wurden nicht aufgefunden. Dagegen ein zum größten Teil
aus derbem, fibrillären, teils auch aus netzförmig geordnetem Binde¬
gewebe bestehendes Stroma, in dessen Maschen, Spalten und Hohl-
lieber Hodentumoren beim Hunde.
251
räumen Zellen mit spindelförmigem oder länglichovalera Kern gelagert
waren. Hiernach handelt es sich um eine zellenreichc Bindegewebs-
geschwulst, deren in unregelmäßigen Haufen oder in schlauchartiger
Anordnung gelagerte kleine Zellen zum größten Teil einen spindel¬
förmigen Kern hatten. Man kann demnach die Geschwulst als ein
kleinzelliges Spindelzellensarkom deuten oder mit Rücksicht
auf das verhältnismäßig massige Bindegewebsgerüst als ein Fibro-
sarkom.
lieber den mikroskopischen Befund einiger Schnitte aus einem
großen Hodentumor von einem Pferde, die mir von Herrn
Prof. Dr. Rievel zur Verfügung gestellt wurden, möchte ich hier noch
berichten. Der Tumor steht leider nicht mehr zur Verfügung und
sind auch Einzelheiten über den Fall nicht bekannt. Die Geschwulst
wurde von einem Tierarzt wegen der auffälligen Veränderung des
Hodens zur Untersuchung an das pathologische Institut eingeschickt.
Die daraus hergestellten Schnitte sind mit Eosin-Hämatoxylin gefärbt und
lassen bei schwacher Vergrößerung (Fig. 4) die quer oder schräg getroffenen
Kanälchen deutlich erkennen und je nach den Stellen ein im Aussehen ver¬
schiedenes Zwischengewebe, das überall sehr reichlich vorhanden ist. Die Hoden¬
kanälchen sind deutlich durch ihre feine Eigenmembran abgegrenzt, die innen ge¬
wöhnlich nur eine durch die gutgefärbten Kerne kenntliche Epithellage trägt,
während die Kanälchen im Uebrigen von einem feinen Netzwerk erfüllt sind. An
manchen fehlt auch die innere Zelllage und man sieht nur ein feines Maschen¬
werk. Die Zwisoheusubstanz besteht stellenweise der Hauptsache nach aus großen
blassen Zellen mit kleinem runden Kern (Fig. 4a). Zwischen den Zellen sieht
man ein reiches, mit roten Blutkörperchen gefülltes Kapillarnetz (Fig. 4b). An
anderen Stellen läßt das breite Zwischengewebe die großen Zellen vermissen.
Statt dessen treten hier vereinzelte kleine runde oder ovale Kerne auf und große
verschieden gestaltete, bald mehr runde, bald ovale oder längliche, manchmal
etwas verjüngte oder mit zapfenartigen Fortsätzen versehene gut konturierte,
schwach gefärbte Protoplasmahaufen, die teils die Größe etwa der anderenorts
befindlichen großen Zellen haben und auch hin und wieder hellere Stellen oder
eine Vakuole besitzen. Bei starker Vergrößerung erscheint das Bindegewebe in der
Umgebung der Kanälchen etwas vermehrt. Die Zollgrenzen der einschichtigen
Epithellage sind nicht deutlich zu erkennen. Die Kanälchen besitzen außer diesen
wandständigen Zeilen nur einen feinkörnigen Inhalt, der besonders nach der
Peripherie hin dichter ist, naoh der Mitte zu häufig ganz fehlt. Außerdem erkennt
man ein feines Netzwerk, das in den peripheren Abschnitten besonders da deutlich
wird, wo die körnigen Massen mehr fehlen. Die großen Zellen des Zwischen¬
gewebes besitzen einen runden oder .ovalen verhältnismäßig kleinen Kern. Der
Kern liegt vielfach mehr seitlich in den Zellen und zeigt gewöhnlich ein deut¬
liches Kernkörperchen. Das Protoplasma der Zellen ist schwach gefärbt, wenig
dicht und fein gekörnt, ist manchmal in der Mitte der Zelle oder um den Kern
252
KTNNEMANN,
herum dichter, so daß die Peripherie der Zellen ganz hell ist. Die Zellen sind
meist rundlich oder oval, wo sie dichter liegen, sind sie unregelmäßig kantig und
eckig und zuweilen macht es den Eindruck, als wären sie in einen kurzen mehr
breiten oder auch feinen Fortsatz ausgezogen. Zwischen diesen Zellen sieht man
vereinzelt kleinere ovale oder mehr spindelförmige Kerne. An anderen Stellen
sieht man zwischen den großen Zellen ein Kapillarnetz auftreten. Die Wand der
Kapillaren ist manchmal als deutliche Kontur zu erkennen, die hier und da durch
einen spindelförmigen Kern unterbrochen w r ird. Auch an Querschnitten der Gefäße
ist die Wand deutlich abgesetzt und zeigt auch hier und da einen dieselbe sichel¬
förmig umgreifenden Kern. An anderen Stellen ist die Kapillarwand nicht zu er¬
kennen und gewinnt es den Eindruck, als lägen die roten Blutkörperchen reihen¬
förmig zwischen den Zellen. An manchen Stellen, wo die roten Blutkörperchen
diffus zerstreut gefunden werden, ist das sicher der Fall. Wo die Kapillaren
reichlicher auftreten, ist die Zahl der großen Zellen vermindert, dagegen treten
mehr kleinere Kerne auf. An anderen Stellen sieht man die blassen großen Zellen
nur ganz vereinzelt, dagegen strangförmig gleichmäßig gefärbte Protoplasmabänder,
die bald schmäler bald breiter sind und auch mit zapfenartigen Fortsätzen oder
breiteren Balken zu einem Netzwerk sich verbinden, stellenweise nur vereinzelt
einen rundlichen oder ovalen Kern, stellenweise auch mehrere Kerne erkennen
lassen, hin und wieder auch wohl bei geeigneter Einstellung eine hellere Kontur
als eine Andeutung einer Zellgrenze (Fig. 5). Zwischen den Protoplasmabändern
finden sich kleinere ovale oder längliche Kerne und vielfach deutlich verzweigte
Kapillaren mit reihenförmig gelagerten roten Blutkörperchen, hin und wieder aber
auch Stellen, wo die roten Blutkörperchen zerstreut in den Lücken liegen (Fig. 5).
An anderen Stellen zeigt das Protoplasma der Stränge weniger eine gleichmäßige
Beschaffenheit, sondern ist feiner oder grober gekörnt und aufgelockert. An
wiederum anderen Stellen besteht die Zwischensubstanz aus einem äußerst feinen
Gitterwerk mit spärlichen Kernen und einzelnen unregelmäßig runden ovalen,
manchmal einerseits mehr verjüngten oder auch lang gestreckten, schmäleren und
breiteren ziemlich grobkörnigen oder scholligen Protoplasmahaufen, die manchmal
noch einen runden undeutlichen Kern erkennen lassen, zuweilen auch eino Vakuole
(Fig. 6). Die Lücken des feinen Gitterwerks sind verschieden gestaltet und auch
von wechselnder Größe. Meist sind sie leer, hin und wider findet sich auch in
ihnen eine feinkörnige Masse oder es liegen in ihnen einzelne rote Blutkörperchen.
Schließlich findet man Stellen, wo das feinfaserige Gerüst vorherrscht und nur
ganz selten körnige Protoplasmamassen vorhanden sind. Das Gerüst zeigt hier
auch nur selten größere Maschen, meist sind sie klein und spaltförmig und die
feinfaserige Substanz zeigt mehr einen gestreckt welligen Verlauf und weist häufiger
Kerne von länglich ovaler Gestalt auf.
Leider stand die Hodengeschwulst selbst nicht mehr zur Ver¬
fügung und es war auch kein Material vorhanden, um die Unter¬
suchung zu vervollständigen, was bei der Eigenartigkeit des mikrosko¬
pischen Befundes der vorliegenden Schnitte zur sicheren Deutung der
Geschwulstart recht wünschenswert gewesen wäre. Immerhin kann
zunächst kein Zweifel darüber bestehen, daß an den Hodenkanälchen
Ueber llodentumoren beim Hunde.
253
ein degenerierender Prozeß bestand mit Zerfall des Epithels bis auf
eine teilweise erhaltene wandständige Schicht. Bemerkenswert in dem
mikroskopischen Befunde ist das verschiedene Verhalten des zwischen
den Kanälchen gelegenen Geschwulstgewebes. In erster Linie ver¬
dienen die in größeren oder kleineren Gruppen und Haufen vor¬
herrschenden einkernigen, epithelähnlichen Zellen neben dem auf¬
fälligen Reichtum an Kapillaren, Beachtung. Es sind polymorphe,
mehreckige Zellen mit einem leidlich großen, manchmal mehr peripher-
wärts gelagerten runden oder ovalen Kern, der ein deutliches Kern¬
körperchen erkennen läßt. Das Protoplasma der Zellen ist meist
licht und mehr grobkörnig, seltener gleichmäßig und mehr dicht. Die
Zellen zeigen manchmal breitere oder schmälere zapfenartige Fort¬
sätze, mit denen sie in Verbindung stehen und sind häufig in strang¬
förmigen oder netzartigen Verbänden angeordnet. In den Strängen
macht sich nur hin und wieder ein hellerer Streifen als Andeutung
einer Zellgrenze bemerkbar, im übrigen sind Zellgrenzen nicht vor¬
handen, sondern nur Kerne, die dichter oder weiter gelagert sind,
häufig aber in Abständen wie sie den Größen Verhältnissen der Einzel¬
zellen wohl entsprechen. Jedenfalls gewinnt man den Eindruck, daß
die Stränge aus einer Konfluenz der Zellen entstanden sind und eine
zusammenhängende Protoplasmamasse bilden, zumal die Größen¬
verhältnisse der Kerne übereinstiramen und das Protoplasma eine
ähnliche körnige Beschaffenheit zeigt, wie bei den Einzelzellen. Gleich¬
zeitig sind diese Stellen ausgezeichnet durch einen Reichtum kapillarer
Gefäße, die zwischen den Zellen und Strängen sich bunt verflechten.
Anderseits finden sich auch Reihen von roten Blutkörperchen, die in
wandungslosen Rinnen zwischen den Zellen und Balken oder auch in
Lücken verstreut liegen, hin und wieder sind auch kleine Höhlen von
Haufen roter Blutkörperchen erfüllt. Dieses mikroskopische Verhalten
erinnert an die von Mallassez und Mono’d zuerst beschriebene und
als Sarcome angioplastique bezeichnete Geschwulst, die später von
Schlagenhaufer und Wlassow als chorionepitheloraartige Bildung
erkannt wurde. Hier wie dort sind als charakteristische Eigentüm¬
lichkeit große Zellen vorhanden und protoplasmatische Massen, die
durch Schlingen und Balken zu Netzen verbunden sind, sowie von
Blutkörperchen erfüllte Lücken. Auch hier zeigte sich stellenweise
eine körnige und schollige Auflockerung des Protoplasmas mit Bildung
von Lücken und Vakuolen. Trotz dieser Aehnlichkeit glaube ich
doch nicht annehmen zu können, daß es sich bei der hier fraglichen
254
KÜNNEMANN,
Geschwulst um eine chorionepitheliomatösc Neubildung handelt. Die
großen, epithelähnlichen einkernigen Zellen mit körnigem Protoplasma
müßten hiernach als Langhanssche Zellen gedeutet werden, aus
denen durch Konfluenz, wie auch Wlassow beobachtete, die Proto¬
plasmastränge sich gebildet hatten. Die vergleichsweise festgestellten
Größenverhältnisse dieser Zellen mit den Langhansschen ergaben
aber abweichende Resultate. Die hier inbetracht kommenden Zellen
sind offenbar kleiner, so daß sie kaum mit den Langhansschen
Zellen identifiziert werden können. Man wird sie dann nur als
Zwischenzellen deuten können. Ihre Eigentümlichkeiten sprechen nicht
dagegen. Große epithelähnlichc Zellen mit Fortsätzen, rundlichem,
häufiger etwas peripherwärts gelegenem Kern und einem körnigen
Protoplasma sind Kennzeichen, die für die Zwischenzellen zutreffen.
Das lichte Aussehen mancher dieser Zellen und das Vorhandensein
von Vakuolen erklärt sich ungezwungen aus dem Fettgehalt dieser
Zellen. Kaufmann fand einen reichlichen Fettgehalt in Form von
kleineren und größeren Tröpfchen, wodurch die Zelleu nach dem Aus¬
ziehen des Fettes viele rundliche Lücken und ein wabenartiges
Aussehen erhielten. Nach den Zellen würde die Neubildung demnach
als eine Zwischenzellengeschwulst zu deuten sein. Aber auch die
zweite Eigentümlichkeit der Geschwulst, der Reichtum von kapillaren
Gefäßen spricht nicht für eine chorionepitheliomatöse Neubildung,
wohl aber das Vorhandensein von Blutkörperchen in wandungslosen
Lücken und Höhlen zwischen den Zellen und netzförmigen Zellsträngen.
Gerade in dieser Hinsicht wäre eine weitergehende Untersuchung von
Geschwulstmaterial wünschenswert gewesen, wodurch auch dieser
Befund Aufklärung gefunden hätte. Jedenfalls fand Kaufmann in
der Zwischenzellengeschwulst ein inniges Nebeneinander von Geschwulst¬
zellen und Gefäßen, die die zu einem lockeren, netzförmig-balkigen
System angeordneten Geschwulstzellen gleichmäßig begleiteten und
durchsetzten. Auch die Uebereinstimmung dieser Geschwulst in der
Verbindung der Zellen zu Strängen und Balken in netzartigem Ver¬
bände spricht ganz für die Gleichartigkeit beider Geschwülste. Nach
einer Bemerkung Albrechts im Anschluß an die Kaufmannschc
Mitteilung über Zwischenzellengeschwülste des Hodens sind Zwischen-
zellenturaoren beim Pferde von Mayr häufig beobachtet und be¬
schrieben, wobei namentlich auch die Einwucherung in Samenkanälchen
gesehen wurde. Die fragliche Veröffentlichung Mayrs ist mir nicht be¬
kannt, sondern nur ein Referat über einen Vortrag desselben. Hier-
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
255
nach fand derselbe in einem flodensarkom vom Hunde, bei einer
Hodenhypertrophie vom Pferde und bei einer käsigen Nekrose beim
Schwein Zwischenzellen in solcher Zahl, daß er denselben eine besondere
Bedeutung beim Zustandekommen der fraglichen Erkrankungen beimessen
möchte. Nach der Albrechtschen Aeußerung ist aber anzunehmen,
daß beim Pferde Zwischenzellengeschwülste häufiger Vorkommen. Die
hier beschriebenen Schnitte zeigen nach ihrem mikroskopischen Ver¬
halten jedenfalls in vieler Hinsicht so große Aehnlichkeit mit der
Kaufmannschen Zwischenzellengeschwulst, daß ich glaube nicht fehl¬
zugehen, wenn ich die Geschwulst als eine Zwischenzellen¬
geschwulst deute. Eigenartig und abweichend verhielt sich dieselbe
insofern, als das Zwischengewebe nicht überall gleichmäßig dieselbe
Struktur zeigte. Denn an manchen Stellen fanden sich weder Zellen
noch Gefäße, sondern neben vereinzelten verschieden gestalteten
Protoplasmahaufen mit körnigem Inhalt, nur ein feingitteriges Gerüst¬
werk mit wenigen ovalen oder länglichen Kernen, wodurch es den
Eindruck machte, als wenn hier die Zellen und Zellverbände unter¬
gegangen sejen, zumal die Lücken in dem Gitterwerk manchmal in
Größe und Gestalt den Zellen glichen, manchmal auch eine fein¬
körnige Masse enthielten als eventuellen Rest der untergegangenen
Zellen, sodaß das Gitterwerk größtenteils als Testierende Interzellular¬
substanz gedeutet werden möchte.
6. Fall. Linker Hoden von einem sechsjährigen Teckel.
Ueber die Entstehung wurde ermittelt, daß der Hund seit einiger
Zeit, vielleicht einem halben Jahr, eine Schwellung gezeigt habe, die
allmählich sich etwas vergrößert habe. Linker Hoden taubeneigroß,
hart und auf Druck nicht schmerzhaft. Allgemeinbefinden gut. Kastra¬
tion. Scheidenhäute dick und teilweise verwachsen. Albuginea 2 mm
dick, sehnig. Schnittfläche gelblich-weiß mit breiten, weißen, sehnigen
Bindcgewebsbalken durchsetzt, die nächst der Albuginea am dicksten
sind und sich von hier in das Hodengewebe verzweigen und in der
Mitte ein feines Netzwerk bilden, in dem das Gewebe von gelblicher
Farbe liegt.
Bei schwacher Vergrößerung der mit Delafieldschem Hämatoxylin vor¬
gefärbten und nach van Gieson weiter behandelten Schnitte ergibt sich ein
dichtes bindegewebiges Stroma, mit vielfach breiten Faserziigen, von denen
schmälere Stränge abgehen, die unregelmäßig verlaufen, sich durchflechten und
ein teils mehr dichtes, teils etwas mehr lockeres Geflecht bilden mit spärlichen
kleinen ovalen oder länglichen Kernen, ln diesem Bindegewebsgeriist liegen
kleinere und größere Hohlräume von meist rundlicher oder länglich ovaler Gestalt,
25« KÜNNEMANN,
die manchmal eine Lage wandständiger Kerne erkennen lassen, manchmal auch
nur vereinzelte wandständige Kerne, oft aber nur einen feinkörnigen Inhalt be¬
sitzen, der meist eine feine netzartige Anordnung zeigt. Zentral sind die Hohl¬
räume durchweg leer. Bei starker Vergrößerung sieht man zwisohen den wellig
geschlängelten Fibrillen der Bindegewobsstränge schmale spindelförmige Kerne
und in dem lockeren, netzartigen Gerüst häufiger ovale Kerne, an einzelnen Stellen
auch kleine lymphoide Zellen, die manchmal dicht gedrängt das lockore Gewebe
durchsetzen. An den Hohlräumen zeigt das Bindegewebe meist eine zirkuläre An¬
ordnung, indem einige Schichten Faserbündel mit unregelmäßig welligem Verlauf
den Hohlraum kapselartig umschließen und nach außen sich durch ein lockeres
Gewebe mit den breiten Bindegewcbszügen verbindet. Nicht immer bilden die
zirkulären Faserbündel eine völlig geschlossene Kapsel, häufig erscheint sie auf¬
gefasert oder zapfenartige und büschelförmige Fortsätze ragen in das Lumen. An
den Stellen, wo die Kapsel zerklüftet und aufgefasert ist, findet man gewöhnlich
zwischen den Fasern blasse epitheloide Zellen mit rundlichem Kern vom Aussehen
des Kanälchenepithels. In den Hohlräumen findet sich ein feinkörniger Inhalt, der
entweder ziemlich gleichmäßig den Hohlraum ausfüllt oder meist ein feines zier¬
liches Netzwerk erkennen läßt. Nur ganz vereinzelt liegen in diesem feinkörnigen
Inhalt blasse runde oder ovale Zellkerne, die häufig ein Kernkörperchen besitzen,
deren Zellleib und Zollgrenzen nicht zu erkennen sind. Nur ausnahmsweise findet
man Hohlräume, deren Wänden eine Reihe blasser runder Kerne anliegt, ohne
daß auch hier die Zollgrenzen deutlich wären.
Die Geschwulst ist demnach ausgezeichnet durch eine massige
Wucherung des Bindegewebes mit gleichzeitiger Degeneration
des Kanälchenepithels und Atrophie der Kanälchen, die
manchmal im Querschnitt nur noch als kleine unregelmäßige Hohl¬
räume sich zu erkennen gaben.
7 . Fall. Hoden von einem ca. 8 Jahre alten Pinscher. Seit
einigen Monaten vor der Einstellung in die Klinik wurde eine
Schwellung des rechten Hodens bemerkt, der seither allmählich größer
geworden sei. Rechter Hoden fast hühnereigroß, etwa doppelt so
groß als der linke. Haut überall über der Geschwulst verschiebbar,
Hoden derb, fast hart und schmerzlos. Kastration. Scheidenhäute
mit der Tunica albuginea zum größten Teil verwachsen. Schnitt¬
fläche gelblichweiß. Albuginea dick. Von ihr gehen weiße derbe
Stränge aus, die teils schräg zur Oberfläche verlaufen, teils sich durch¬
kreuzen. Dazwischen ist das Hodengewebe gelblichweiß gefärbt.
An Schnitten, die mit dem Gefriermikrotom hergestellt waren, erscheint die
Struktur des Hodens teilweise erhalten, das interstitielle Bindegewebe stark ver¬
mehrt, die Hodenkanälchen degeneriert, so daß vielfach nur noch Reste der
Kanälchen in dem Bindegewebsstroma zu erkennen sind. Bei Färbung mit Sudan III
machen sich reichlich Fetteinlagerungen bemerkbar. Das Fett tritt in Form meist
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
257
kleiner Tröpfchen auf und liegt besonders in den Epithelien der Kanälchen, die
der Wand aufliegen. Bei Färbung naoh van Gieson fällt das massige Binde*
gewebsgejüst auf, das aus dicken Strängen besteht und einem vielfach verflochtenen,
engmaschigen unregelmäßigen Netzwerk, in dem verschieden große und mannig¬
fach gestaltete Hohlräume liegen, die teils von einem feinkörnigen Inhalt erfüllt
sind, teils einzelne Zellkerne erkennen lassen. Bei starker Vergrößerung fällt in
manchen Hohlräumen eine wandständige Zellenlage auf, deren rundliche Kerne
nnr schwach gefärbt sind. Im Uebrigen enthalten die Hohlräume nur eine fein¬
körnige Masse, die naoh der Peripherie mehr gleichmäßig gelagert ist und nur bin
und wieder kleine oder größere Vakuolen besitzt, naoh der Mitte des Kanälchens
zu aber regelmäßig ein sehr feines zartes Netzwerk bildet, das nur selten einen
blassen rundlichen Kern in sich birgt. Wo das Bindegewebe zwischen den
Kanälchen dichter ist, sind dieselben gegen das Lumen vielfach flach eingebuchtet
oder durch keilförmig vorgeschobene Zapfen wellig gebogen oder scharf geknickt.
An manchen Stellen sind die Kanälchen nur durch kleine unregelmäßige Hohl¬
räume angedeutet, die durch den feinkörnigen, gittrig formierten Inhalt und ge¬
legentlich durch einen blassen Zellkern sich kennzeichnen. In dem Bindegewebe
treten überall spindelförmige und ovale Kerne auf.
Es handelt sich demnach bei dieser Hodengeschwulst wiederum
um eine Wucherung im interstitiellen Bindegewebe mit gleich¬
zeitigem Schwund der Hodenkanälchen.
8. Fall. Hoden von einem älteren Pudel. Der rechte Hoden
soll allmählich größer geworden sein, ohne daß der Hund jemals irgend¬
welche Beschwerden davon gehabt habe. Da die Geschwulst nun
doch sehr groß geworden sei, sollte sie evtl, entfernt werden. Der
rechte Hoden hängt ziemlich stark herunter, ist fast gänseeigroß, hart
und schmerzlos. Kastration. Samenstrang glatt, Scheidenhäute normal
dick und nicht verwachsen. Nebenhoden deutlich abgesetzt. Hoden
wiegt 141 g, hat die Gestalt eines normalen Hodens und ist 5 cm
breit, 8 cm lang. Schnittfläche gelblichweiß, fettigglänzend. Durch¬
weg zeigt die Schnittfläche einen lappigen Bau, indem weiße Züge in
unregelmäßigem Verlauf gelblichweiße, unregelmäßig gestaltete und
verschieden große Felder abgrenzen. Einzelne mehr weiße Partien
zeigen ein mehr strahliges Gefüge und lassen nur kleine, ziemlich
zahlreich eingesprengte gelbliche Herde erkennen.
ln Schnitten, die mit dem Gefriermikrotom hergestellt waren, sieht man ein
Bindegewebsgerüst mit verschieden großen Maschen, in denen traubig ungeordnete
große und kleine Fetttropfen liegen. Bei Färbung mit Sudan III zeigen die Schnitte
an vielen Stellen eine gelbbraune Färbung und zwar sowohl an länglichrunden
größeren Hänfen mit drusenartiger Anordnung, als auch an großtraubigen kleineren
und längeren Strängen, die von ungefärbten Bindegewebssträngen umschlossen
werden. An nach van Gieson gefärbten Schnitten fallt zunächst ein derbes Binde-
Archiv f. wissenscb. u. pinkt. Tierbeilk. Bd. Suppl.-Band. ]y
258
Kf'NNEMANN,
gewebsgerüst auf, das überall in ziemlich dicken Strängen mit welligem Faserver¬
lauf aufiritt und ein buntes Netzwerk bildet mit mannigfach gestalteten und ver¬
schieden großen Maschen, die von großen kugelförmigen mit schmalem Protoplasma¬
saum versehenen Zellon erfüllt sind (Figur 7). Bei starker Vergrößerung zeigt
das aus wellenförmig verlaufenden Fibrillen bestehende Bindegowebe nur vereinzelt
spindelförmige oder ovale Kerne, oft aber kleine Spalten und Lücken, in denen
ebenfalls große kugelförmige Fettzellen gelagert sind. Der Regel nach finden sich
aber größere ovale oder beiderseits etwas verjüngte oder längere spaltförmige Hohl¬
räume, die mit großen kugelförmigen Zellen völlig erfüllt sind. Diese Zellen haben
nur einen sehr schmalen Protoplasmasaum und einen ovalen oder sichelförmigen
wandständigen Kern, der gewöhnlich ein Kernkörperchen erkennen läßt.
Die drei zuletzt beschriebenen Fälle haben in ihrem Verhalten
sehr viel Aehnlichkeit. Es handelt sich um harte große Hoden, die
nach den Angaben der Besitzer der Tiere allmählich, in etwa 1 / 2 Jahr,
größer geworden waren, ohne daß die Tiere Beschwerden daran ge¬
äußert hatten und auch beim Betasten keine Schmerzen zeigten. Alle
drei Hoden sind durch eine starke Vermehrung des interstitiellen
Bindegewebes ausgezeichnet, während gleichzeitig das Epithel der
Samenkanälchen zum größten Teil oder vollständig degeneriert, war,
derart, daß entweder nur einzelne Kerne gefunden wurden oder
höchstens nur noch eine Epithelschicht, deren Zellgrenzen nicht zn
erkennen waren, und deren Zellkerne nur schwach gefärbt waren. In¬
folge der massigen Zunahme des Bindegewebes zeigten die Kanälchen
vielfache Gestaltveränderungen. Sie waren unregelmäßig in ihrer
Form, bald geknickt oder eingebuchtet, bald zusammengedrückt und
schmal oder zeigten nur ein kleines unregelmäßiges Lumen. Oefter
fanden sich auch Kanälchen, an denen eine Verkleinerung und Gestalts¬
veränderung durch Einbruch und Einwuchern des Bindegewebes sich
zu erkennen gab. Das in den Epithelien der Kanälchen Vorgefundene
Fett, das in feinen Tröpfchen auftrat, ist offenbar auf degenerative
Prozesse an den Epithelien zu beziehen. In dem letzten Falle aller¬
dings zweifellos nicht, denn hier haftete das Fett nicht an den
Kanälchenepithelien, sondern an ausgesprochenen Fettzellen. Kanälchen¬
epithel war überhaupt nicht nachweisbar, sondern in verschiedenartig
gestalteten Räumen und Höhlen des Bindegewebes lagen in drusen-
und traubenförmiger Anordnung große fetterfüllte Fettzellen. Es han¬
delt sich also in diesem Falle um eine Neubildung von Binde- und
Fettgewebe. Hansemann und Cordes weisen nach, daß mit der
Geschlechtsreife des Menschen regelmäßig in den Hoden Fett auftritt,
das niemals wieder verschwindet. Das Fett findet sich in Form
lieber Hodentumoren beim Hunde.
259
kleinster und größerer Tröpfchen in den Epithelien der Kanälchen,
am reichlichsten in den Zellen, die der Wand der Kanälchen aufliegern
während es spärlicher und in kleineren Tröpfchen auftritt, je mehr die
Zellen nach dem Lumen der Kanälchen zu gelagert sind. Auch bei
Tieren fand Cordes ähnliche Verhältnisse und spricht sich dahin aus,
daß bei der Konstanz des Befundes der größte Teil des Fettes, neben
einer vielleicht vorhandenen fettigen Degeneration der Zellen, einer
physiologischen Eigentümlichkeit des Hodenparenchyms zuzuschreiben
sei. Mit dieser Anschauung tritt Cordes der Ansicht Lubarschs
entgegen, der das Vorkommen von Fett in den Hodenepithelien nicht
auf einen physiologischen, sondern regressiven Vorgang beziehen
möchte. Engel mann gibt in einer Arbeit über das Vorkommen von
Fett im kryptorchidischen und normalen Hoden eine Literatur¬
zusammenstellung der einschlägigen Mitteilungen, woraus hervorgeht,
daß das Vorkommen von Fett besonders in der Zwischensubstanz ver¬
schiedentlich beobachtet und gedeutet wurde. Engelmann fand mit
Ausnahme von Rindern unter 14 Tagen in den Hoden ausnahmslos
Fett bei jungen und alten Tieren ohne Unterschied und nimmt an,
daß das Fett ein physiologischer Bestandteil des normalen Hodens
ist. Bei jugendlichen Tieren findet sich das Fett in bei weitem
größeren Mengen im interstitiellen Gewebe, während die Samenkanälchen
einen größeren Fettgehalt erst zur Zeit der Geschlechtsreife erhalten,
wobei die Epithelien der‘Samenkanälchen keinerlei Anzeichen einer
Degeneration erkennen ließen. Auch in den degenerierten Epithelien
von Hoden älterer Kryptorchiden fand Engelmann einen außer¬
ordentlich großen Fettgehalt. Nielsen fand in den retinierten
Hoden von Pferden dagegen in den Kanälchen kein Fett, wohl
aber in den Plasmazellen des Zwischengewebes. Man kann
hiernach annehmen, daß normalmäßig konstant in den Hoden, sowohl
in den Zwischenzellen, als auch in dem Kanälchenepithel Fett als
physiologischer Bestandteil vorkommt, daß aber auch eine fettige
Degeneration des Kanälchenepithels nicht wohl abgewiesen werden kann,
wenn anderweitige Anzeichen für degenerative Vorgänge an demselben
sprechen. Es ist deshalb anzunehmen, daß der Fettgehalt der Epi¬
thelien in dem einen der hier in Frage kommenden Fälle mindestens
zum Teil auf eine fettige Degeneration der Zellen zu beziehen ist.
Anders ist der Fettgehalt des Hodens im letzten Falle zu beurteilen.
Hier kann es sich weder um eine physiologische Aufspeicherung von
Fett in den Epithelien handeln noch um eine fettige Degeneration
17*
260
KUNNEMANN,
derselben, denn das Fett fand sich nicht in Epithelien der Kanälchen,
sondern in großen, kugelförmigen Zellen mit schmalem Protoplasma¬
saum und randständigem abgeplatteten Kern, also in Fettzellen, die
in drusenartiger oder traubenförmiger Anordnung in verschieden großen
und verschiedenartig gestalteten Spalten und Hohlräuroen gelagert
waren. Es ist möglich, daß das Fettgewebe teils in den Hoden¬
kanälchen gelagert war, indessen ließ sich darüber ein sicheres Urteil
nicht gewinnen, da weder die Räume, in denen das Fett sich fand,
einen Anhalt dafür boten, noch irgendwo Reste von Kanälchenepithel
nachzuweisen waren, wie überhaupt Hodenkanälchen oder Reste solcher
nicht gefunden wurden. Engelmann gibt an, daß Waldeyer erwähnt,
daß die Plasmazellen gern Fett aufnehmen und sich hierbei in echte
Fettzellen umwandeln können. Es könnte hiernach daran gedacht
werden, daß es sich im vorliegenden Falle um eine derartige Um¬
wandlung von Plasmazellen in Fettzellen handeln möchte, aber auch
das erscheint nicht wahrscheinlich, da Plasmazellen in Hundehoden
normalmäßig immer nur spärlich Vorkommen und eine abnorme Ver¬
mehrung und spätere Umwandlung dieser Zellen in Fettzellen nicht
wohl vermutet werden kann, da anderenfalls hier und dort noch
Zellen gefunden werden mochten, die einen solchen Uebergang erkennen
ließen oder als Plasmazellen gedeutet werden konnten. Es muß also
angenommen werden, daß im fraglichen Falle eine teilweise Um¬
bildung des massenhaft gewucherten Bindegewebes in Fettgewebe
stattgefunden hat.
Die geschwulstartige Vergrößerung in den 3 letzten Fällen beruht
also auf einer Produktion von Bindegewebe mit gleichzeitigem
Schwund des Hodenparenchyms.
9. Fall. Hoden von einer ca. 3 Jahre alten Dogge, die der
Klinik mit dem Bericht zugeführt wurde, daß seit etwa 3 Monaten
eine Schwellung des linken Hodens bemerkt wurde. Seit etwa drei
Wochen zeige die Geschwulst eine kleine Oeffnung und seitdem hätte
die Schwellung stark zugenommen und die Munterkeit und der Appetit
abgenoraraen. Bei der Untersuchung war das Skrotum besonders in
den vorderen Abschnitten teigig geschwollen. Inmitten dieser Stelle
lag eine kleine Fistelöffnung, die in einen etwa 2 cm langen Kanal
führte. Aus dem Kanal entleerte sich etwas rötlich-eitrige Flüssigkeit.
Hoden stark vergrößert, etwa kinderfaustgroß, derb, bei Druck wenig
oder gar nicht schmerzhaft. Kastration. Hoden 143 g schwer, 9 cm
lang, 6 cm breit. Ueber die Schnittfläche entleert sich eine geringe
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
261
Menge grauweißer trüber Flüssigkeit. Ziemlich zentral liegt ein 3 cm
langer und 2 cm breiter grauer Herd, an welchem das Gewebe erweicht
ist und von welchem sich eine grauweiße eitrige Flüssigkeit abstreifen
läßt. Dieser Herd reicht seitwärts fast bis zur Albuginea und steht
hier mit dem Fistelkanal in Verbindung. Der Herd wird von einer
weißen Bindegewebszone begrenzt, die nach vorne in ein weißes,
strahliges derbes Gewebe übergeht, das nur einzelne kleine gelbliche
Herde einschließt, ln den übrigen Abschnitten gehen von der weißen
Randzone des zentralen Herdes radiär verlaufende weiße Züge aus,
die sich mit der stark verdickten Albuginea verbinden, auch unterein¬
ander sich vereinigen und in ihren Maschen gelblichweiße Herde bergen,
die etwas über die Schnittfläche vorquellen. In dem Abstrich fanden
sich vornehmlich Leukozyten und einzelne stäbchenförmige Bakterien.
ln Schnitten, die nach van Gieson gefärbt worden, sieht man hauptsächlich
dicke Biudegewebsstränge und ein dichtes engmaschiges Bindegewebsgerüst mit
vielfach verschlungenem Verlauf der Fibrillenbändel. Ueberall in den Maschen des
Bindegewebes liegen kleine Rundzellen, die stellenweise in dichten Haufen zu¬
sammenliegen und das Gewebe mehr oder weniger durchsetzen. Außerdem sieht
man kleinere nnd größere Hohlräume, die teils rund, teils langoval, teils auch ver¬
schiedenartig gebuchtet erscheinen. Diese Hohhäume sind zum größten Teile von
Leukozyten erfüllt, zeigen aber meist auch noch auf ihrer Innenwand eine ein- oder
zweischichtige Zellentage, deren Zellen einen ovalen, blassen Kern besitzen. An
manchen Hohlräumen sieht man nur an kleinen Stellen große, ovale, blasse Kerne
der Wand anliegen, während an anderen Stellen der kleinzellige Inhalt ohne Grenze
in das kleinzellig infiltrierte Bindegewebe übergeht. Der ovale Kern der wand¬
ständigen Zellenlage ist schlecht gefärbt, läßt aber meist ein deutliches Kern¬
körperchen erkennen. Die Zellgrenzen sind nicht zu erkennen, das Protoplasma
ist feingekörnt und geht unbegrenzt in das Lumen des Hohlraumes über. Hin und
wieder ist die ganze Lage von der Wand bandartig abgehoben und es macht dann
den Eindruck als wenn die ovalen Kerne in einer zusammenhängenden feinkörnigen
Protoplasmamasse gelagert wären. Neben der kleinzelligen Infiltration zeigt das
Bindegewebe, namentlich an den Stellen, wo die Infiltration geringer ist, noch
größere ovale und spindelförmige Kerne.
Es handelt sieh in dem vorliegenden Falle zweifellos um einen
chronischen abszedierenden Prozeß mit Durchbruch und Fistel¬
bildung. Leider hat eine genaue Untersuchung der Infektionserreger
nicht stattgefunden, und es muß zweifelhaft bleiben, ob die Vorge¬
fundenen stäbchenförmigen Bakterien als alleinige Ursache zu be¬
schuldigen sind, oder ob noch andere Eitererreger Anteil hatten.
Jedenfalls hatte der Prozeß einen wenig akuten Charakter, denn einige
Monate lang bestand nur eine geringe Schwellung ohne Störung des
262
Kl'NNEMANN,
Allgemeinbefindens und erst nach dem Durchbruch trat eine stärkere
Entzündung mit Abnahme der Munterkeit und des Appetits auf. Die
weiße ßindegewebszone, welche den zentralen Herd kapselartig ein¬
schloß, sowie die reichliche von der Kapsel sich strahlenartig aus¬
breitende Bindegewebswucherung in Verbindung mit der starken Ver¬
dickung der Albuginea beweisen ebenfalls einen langsamen Verlauf bis
zu dem Augenblick, wo mit dem Durchbruch des Abszesses der
Prozeß um sich griff und die akuten Erscheinungen erzeugte mit klein¬
zelliger Infiltration des Bindegewebes und eiteriger Einschmelzung des
Kanälchenepithels. Jedenfalls lehrt der Fall, daß die abszedierenden
Hodenentzündungen sehr lange auf den Hoden lokalisiert bleiben können,
ohne zur Allgemeinerkrankung zu führen.
Außer den neun Fällen geschwulstartiger Erkrankungen von
Hundehoden habe ich noch die histologischen Befunde einiger Schnitte
angeführt, die aus Hodentumoren vom Pferde angefertigt waren.
Der histologische Befund des als Sarkom diagnostizierten Tumors zeigte
mit den Sarkomen vom Hunde große Aehnlichkeit und bot insofern
vergleichsweise ein gewisses Interesse. Der histologische Befund der
Schnitte aus einer anderen Hodengeschwulst von einem Pferde bot so
mancherlei charakteristische Eigentümlichkeiten, daß ich gern die Ge¬
legenheit benutzte, diese an sich selten beobachtete und auch bei
Pferden nur wenig bekannte Geschwulst, soweit das nach dem vor¬
handenen Material möglich war, zu beschreiben. Es handelte sich bei
dieser Neubildung um eine Geschwulst, die nach ihren histologischen
Kennzeichen ungemein viel Aehnlichkeit zeigte mit der von Dürck
und Kaufmann neuerdings beschriebenen Zwischenzcllenge-
schwulst. Auf das Vorkommen von Geschwülsten, die ihren Ur¬
sprung von den Zwischenzellen nehmen, hatte zuerst Waldevcr und
besonders Hansemann hingewiesen, ohne daß bisher in der Literatur
Mitteilungen über derartige Tumoren bekannt geworden sind. Erst die
Fälle Dürcks und Kaufmanns bestätigen das Vorkommen und lenken
von neuem die Aufmerksamkeit auf diese Geschwulstform. In den
Dürckschen Fällen bestand mit der Zwischenzellenwucherung gleich¬
zeitig eine Verkleinerung des Organs, in den Kaufmannseben eine
geschwulstartige Vergrößerung. Mayr hat angeblich bei Pferden
häufiger Zwischenzellengeschwülste beobachtet, jedenfalls darauf auf¬
merksam gemacht, daß bei Tieren die Zwischenzellen für Geschwulst¬
bildungen bedeutungsvoll werden können. Ob diese eigenartige Ge¬
schwulst malignen Charakter hat und den Sarkomen zuzurcchnen sein
Ueber Modentumoren beim Munde.
263
wird und ob eine besondere hereditäre Anlage, wie Kaufmann glaubt
annehmen zu können, für die Entstehung in Betracht kommt, sind
Fragen, die noch der. Klärung bedürfen. Jedenfalls möchte ich durch
diese Mitteilung die Aufmerksamkeit auf die Zwischenzellengeschwulst
gelenkt haben, damit bei gelegentlich vorkommenden Hodentumoren
weitergehende Untersuchungen über diese Geschwulstform des Hodens
angestellt werden möchten.
In den übrigen Fällen stammten die Hoden von Hunden und
waren wegen geschwulstartiger Vergrößerung durch Kastration ent¬
fernt worden. Nach dem klinischen Verhalten zeigten die krankhaften
Hodenveränderungen eine große Aehnlichkcit. Durchweg hatte man
bei den fraglichen Tieren eine sich allmählich entwickelnde und zu¬
nehmende Vergrößerung des Hodens beobachtet, ohne daß die Tiere
sonst Krankheitserscheinungen zeigten, weder Schmerzen noch Störungen
im Allgemeinbefinden. Nur in zwei Fällen traten nach einer längeren
Beobachtungszeit derartige Störungen auf, die aber in besonderen Um¬
ständen ihre Erklärung fanden. Abgesehen von diesen Fällen ließen
die großen meist derb oder gar hart sich anfühlenden Hoden bei dem
Fehlen von Drüsenschwellung und Tumoren an anderen Körperorganen
keine Grundlage finden für eine genauere Diagnose und zur Beurteilung
des Charakters der Geschwülste. Auch die makroskopische Besichti¬
gung der exstirpierten Hoden bot keine sicheren Merkmale für die
Diagnose und ließ höchstens bei den mehr markigen Geschwülsten mit
spärlichem Bindegewebsgcrüst eine sarkomatöse Entartung des Organs
vermuten, obgleich auch diese Anzeichen als charakteristische Kenn¬
zeichen nicht gelten können und ähnlich auch bei Karzinomen beob¬
achtet werden. Erst die histologische Untersuchung konnte über die
Natur der Hodengeschwülste Aufschluß bringen, indessen ließen sich
auch hierbei von vorneherein Schwierigkeiten erwarten, zumal über die
morphologisch-histologische Deutung gewisser Hodentumoren die Mei¬
nungen geteilt sind und für die Diagnose Karzinom die Mitbeteiligung
des Epithels der Samenkanälchen als maßgebende Grundlage erachtet
wird. Da aber diese Forderung den größten Schwierigkeiten begegnet
und der histogenetische Nachweis über die Abstammung der Geschwulst¬
zellen selten mit Sicherheit sich erbringen läßt, so besteht in der Dia¬
gnose der großzelligen Hodentumoren und teils auch der Mischge¬
schwülste eine Unsicherheit, die auch weiterhin bestehen bleiben wird,
so lange nicht die morphologischen Eigentümlichkeiten des histologi¬
schen Befundes eine einheitliche Deutung zulassen. Für die Diagnose
264
KÜNNEMANN,
der hier in Betracht kommenden Hodentumoren sind die morphologi¬
schen Kennzeichen des histologischen Bildes grundlegend gewesen und
sie haben jedenfalls in den neun untersuchten Hodengeschwülsten in¬
soweit eine begründete Unterlage gegeben, als sich dieselben in zwei
Gruppen scheiden lassen und zwar in echte Neubildungen und in
Bindegewebswucherungen mit geschwulstartigem Charakter. In die
erste Gruppe gehören 5 Hoden und zwar 1 karzinomatös und 4 sarko-
matös veränderte Organe. In allen Fällen war die Erkrankung auf
den Hoden lokalisiert, Lymphdrüsenschwellungen und Tumoren in
anderen Organen fanden sich nicht, so daß mit Entfernung der Hoden
Heilung eintrat. Jedenfalls ist in keinem Falle über eine spätere Er¬
krankung der Tiere etwas bekannt geworden. Wenn man berück¬
sichtigt, daß nach den Beobachtungen der Tierbesitzer die Erkrankung
bis zur Kastration schon monatelang bestanden hatte, so muß man
zugeben, daß die Hodentumoren lange Zeit sich auf das Organ loka¬
lisieren. Mit dieser Beobachtung stehen allerdings die in der Ein¬
leitung gegebenen statistischen Ergebnisse, was den Hund anlangt,
nicht ganz im Einklang, denn die 3 sarkomatösen Hodenerkrankungen
beim Hunde, die dort angegeben sind, hatten einen recht malignen
Charakter und in allen Fällen bestanden gleichzeitig auch Metastasen
in anderen Organen. Dagegen waren die Hodentumoren beim Pferde
durchweg selbst nach jahrelanger Krankheitsdauer lokalisierte Erkran¬
kungen und konnten selbst noch in den Fällen erfolgreich chirurgisch
behandelt werden, bei denen bereits eine Infiltration des Samenstranges
ermittelt wurde. Es wird sieh immerhin als zweckmäßig empfehlen,
die Exstirpation des erkrankten Organs möglichst frühzeitig vorzu¬
nehmen. In Uebereinstimmung mit den früheren Beobachtungen haben
auch meine Befunde ergeben, daß bei Hunden häufiger das
Hodensarkom beobachtet wird, als das Karzinom. Legt man
für die Berechnung des prozentualen Verhältnisses die Gesamtzahl der
geschwulstbildenden Prozesse zugrunde, so berechnet sich das Ver¬
hältnis für das Karzinom mit 11 Prozent, für das Sarkom mit 44 Pro¬
zent, wobei 55 Prozent aller Geschwülste als echte Neubildungen auf¬
zufassen sind. Hiervon hatten sich die Geschwülste in zwei Fällen in
einem retinierten bzw. verlagerten Hoden entwickelt, also in 22 Pro¬
zent aller erkrankten Hoden, oder in 40 Prozent der mit echten
Tumoren behafteten Organe. Es ergibt sich also auch aus dieser
Vergleichung, daß entsprechend der allgemein gültigen Auffassung die
retinierten Hoden eine besondere Disposition besitzen für eine ge-
lieber Hodentumoren beim Hunde.
265
schwülstige Entartung. Im ganzen kommen Hodentumoren bei Hunden
relativ häufig vor.
Bei einer Gesamtzahl von etwa 32 000 im hiesigen Spital inner¬
halb 7 Jahre behandelten Hunden fanden sich 9 geschwulstartig ver¬
änderte Hoden, also etwa 0,03 pCt. oder unter 1000 kranken Hunden
waren 3 mit Hodentumoren. Was das Alter der betroffenen Tiere
anbelangt, so waren mit Ausnahme von einem einjährigen Hunde, bei
welchem ein großer sarkomatöser Tumor festgestellt wurde, sämtliche
Tiere älter, soweit bestimmte Altersangaben vorhanden sind, schwankte
das Alter zwischen 6 und 11 Jahren. Bei jungen Hunden kommen
hiernach Hodentumoren relativ selten vor, mit zunehmendem Alter
aber wächst die Disposition für die Ausbildung von Hodengeschwülsten.
Ueber die Entstehung und erste Entwicklung ließ sich bei den von
mir untersuchten Fällen kein Anhalt gewinnen. In allen Fällen
hatten die Geschwülste schon längere Zeit bestanden und war das
Organ gleichmäßig degeneriert. Kitt unterscheidet zwischen diffusen
und zirkumskripten Hodengeschwülsten und stellt in die erste Gruppe
nur das Orchidoblastora und sagt, daß die Sarkome und Fibrome in
Form scharfberandeter, wallnuß- bis eigroßer Geschwülste mit einzelnen
Knoteneinlagerungen Vorkommen. Es mag richtig sein, daß manche
diffuse Hodentumoren, die als Karzinom oder Sarkom gedeutet wurden,
bei genauerer Untersuchung sich als teratoide Mischgeschwülste heraus¬
gestellt hätten, zumal, wie Kitt hervorhebt, bei diesen Geschwülsten
schwer zu entscheiden ist, ob es sich um Epithelien oder Sarkom¬
zellen handelt. Diese Entscheidung wird ganz besonders dann noch
schwierig sein, wenn in den fraglichen Tumoren eine mehr einseitige
Entwicklung eines Gewebes statthatte. Bei Anerkennung dieser
Schwierigkeit und der daraus sich ergebenden Irrtümer in der Diagnose
darf doch anderseits ein diffuses Auftreten von Sarkomen und Kar¬
zinomen nicht bestritten werden. Meine Befunde sprechen dafür, daß
sie bei Hunden häufiger Vorkommen, und das erscheint meines Er¬
achtens auch ganz erklärlich, wenn man berücksichtigt, daß die
Geschwülste erst spät beachtet werden und erst die Aufmerksamkeit
auf sich lenken, wenn bereits eine augenfällige Vergrößerung des
Organs besteht. Diese wird aber erst dann recht bemerkbar werden,
wenn schon das weniger widerstandsfähige Parenchym durchsetzt ist
und die Albuginea nicht mehr der Wachstumsenergie genügend Wider¬
stand bietet und zu einer allgemeinen Vergrößerung des Organs
Raum schafft. Daher wird es auch erklärlich, daß mit einer gleich-
266
KTNNEMANN,
mäßigen Veränderung des Organs eine ziemlich gleichmäßige Ver¬
größerung desselben zustandekommt unter ungefährer Erhaltung der
Form und Gestalt, wie die Hodentumoren bei der Exstirpation meist
sich repräsentieren. Das einzige Karzinom, das von mir gefunden
wurde, bestand in einem nach vorn verlagerten Hoden. Nach
Fröhners Erfahrung werden die verlagerten Hoden der Regel nach
krebsig entartet vorgefunden und es besteht für diese Hoden eine be¬
sondere Disposition für Karzinom. Wenn man die retinierten Hoden
zu den verlagerten rechnet, so ist diese Annahme Fröhners nicht
zutreffend, denn nach meinen Untersuchungen war der eine der beiden
verlagerten Hoden karzinomatös, der andere sarkoraatös erkrankt.
In dem Falle von Duschanek waren beide retinierte Hoden sarko-
matös verändert. Es wurde ein großzelliges, alveoläres Sarkom fest¬
gestellt. Duschanek gibt zwar keine Schilderung des histologischen
Befundes, da er aber von einem großzelligen Alveolärsarkom spricht,
ist es nicht unwahrscheinlich, daß es sich um ein Karzinom gehandelt
hat. Die großzelligen alveolären Hodengeschwülste sind allerdings
Gegenstand verschiedenster Beurteilung geworden, bald für Sarkome,
bald für Karzinome gehalten. Ehrendorfer hielt sie wegen der
Nichtbeteiligung der Samenkanälchen und wegen des Vorhandenseins
einer fibrillären Zwischensubstanz für Sarkome, Langhans für Karzi¬
nome und Krompecher suchte den Beweis zu erbringen, daß es
sich um Endotheliome handele. Debernardi spricht sich auf Grund
eigener Untersuchungen und einer kritischen Zusammenstellung der
einschlägigen Literatur entschieden dahin aus, daß die großzelligen,
alveolären Hodentumoren als Karzinome gedeutet werden müßten.
Die Ansichten über diese großzelligen Geschwülste sind jedenfalls ge¬
teilt, immerhin scheint es, als wenn die größere Mehrzahl der Autoren
geneigt ist, dieselben für Karzinome zu halten. Wenn man aber auch
den Duschanekschen Fall zu den Karzinomen rechnet, so scheint
mir doch der Fröhnerschc Satz von der besonderen Disposition der
verlagerten Hoden für Karzinom zu weitgehend und es richtiger zu
sein, ganz allgemein nur von einer besonderen Disposition für ge-
schwulstige Entartung zu sprechen, die jeden Falls besteht. Riesel
(cit. nach Oberndorfer) bezweifelt, daß beim Menschen die Leisten¬
hoden, wie in chirurgischen Lehrbüchern ausnahmslos hervorgehoben
wurde, besonders prädisponiert sind für blastomatöse Entartung.
Gegenüber den zahllosen Fällen von Geschwulstbildung in normalen
Hoden spreche die Statistik jedenfalls nicht für jene Behauptung, so
Ueber Hodentomoren beim Hunde.
267
daß eine statistische Zusammenstellung wahrscheinlich die Unrichtigkeit
jener alten Anschauung erweisen würde. Auch in der Tierheilkunde
findet sich allgemein die Anschauung, daß die retinierten oder ver¬
lagerten Hoden eine Prädisposition besitzen für Geschwulstbildung.
Nach meiner Zusammenstellung der in der Literatur verzeichneten
Hodentumoren und nach meinen eigenen Befunden mit Recht. Etwa
40 Prozent aller Hodentumoren fand sich in retinierten oder verlagerten
Hoden. Berücksichtigt man dabei, daß mindestens bei Hunden ver¬
lagerte Hoden verhältnismäßig selten Vorkommen, so erscheint die
Annahme von einer besonderen Disposition für geschwulstige Ent¬
artung der verlagerten bzw. retinierten Hoden ganz berechtigt. Die
sarkomatösen Hodentumoren von Hunden und auch das angeführte
Sarkom vom Pferde kennzeichneten sich durch ihren überwiegenden
Reichtum an Zellen. Nur in dem einen Falle fand sich neben kleinen
Spindelzellen noch ein reichliches Bindegewebsgerüst. Im übrigen
schienen die Geschwülste auf den ersten Blick, abgesehen von einzelnen
Bindegewebssträngen, ausschließlich aus Zellen zu bestehen. In dem
einen Falle fanden sich indessen auch Stellen, wo das Bindegewebe
reichlicher vorhanden war und eine alveoläre Struktur andeutete.
Diese war aber jedenfalls nur stellenweise nachzuweisen, auch nicht
deutlich ausgesprochen, so daß von einem Alveolarsarkom kaum die
Rede sein konnte.
Nach den Beschreibungen über das Alveolarsarkom ließ sich
eine hinreichende Uebereinstimmung nicht finden, so daß jedenfalls
diese Geschwulst zu den zweifelhaften Alveolarsarkomen nicht gestellt
werden konnte, und kein Zweifel darüber bestehen konnte, daß es
sich nicht um Karzinom, sondern um Sarkom haudelte. Nach der
Zellart, die sich vorwiegend in den sarkomatösen Neubildungen der
Hunde fanden, waren drei als Rundzellensarkome, eins als Spindel-
zellensarkora zu bezeichnen. Von den übrigen geschwulstartigen Er¬
krankungen der Hoden erwies sich die eine als schleichend verlaufende
abszedierende Hodenentzündung. Offenbar hatte sich allmählich ein
zentral gelegener Abszeß gebildet, der schließlich zum Durchbruch
kam und zur Entstehung einer Fistel Anlaß gab; weiterhin wurde
dann auch das übrige Hodengewebe ergriffen, eitrig infiltriert und das
Epithel der Samenkanälchen zum größten Teil eingeschmolzen. In
dem Eiter wurden stäbchenförmige Bakterien gefunden, die vermutlich
die Ursache der abszedierenden Orchitis waren. Derartige Orchitiden
werden sicher nicht häufig beobachtet bei Hunden, es ist daher über
268 Kf'NNEMANN,
sie in der Literatur nichts zu finden. Beim Menschen scheinen sie
häufiger im Anschluß an Gonorrhoe aufzutreten, es wurden aber auch
Orchitiden mit Abszedierung durch Bacteriura coli veranlaßt, beobachtet,
■die ohne begleitende Allgemeinerkrankung sich auf den Hoden lokali¬
sierten. Da infektiöse Harnröhrenerkrankungen bei Hunden kaum Vor¬
kommen und der bei Hunden häufige eitrige Präputialkatarrh nach
meinen Beobachtungen nicht auf die Harnröhre übergreift, so ist es
zweifelhaft, von woher die Infektion ihren Ursprung nahm.
Bei den drei anderen Hoden beruhte die geschwulstartige Ver¬
größerung auf einer interstitiellen Bindegewebsproduktion bei gleich¬
zeitiger Atrophie der Hodenkanälchen. Mit der Atrophie der Hoden,
wie sie bei Kryptorchiden regelmäßig besteht, kann diese nicht ver¬
glichen werden. Zwar gibt es bei diesen Hoden, wie Nielsen an
einer Reihe Pferdehoden nachgewiesen hat, verschiedene Stadien der
Atrophie der Samenkanälchen und der Neubildung von Bindegewebe,
aber auch dann, wenn die Hoden ganz zu ßindegewebsmasse verbildet
waren, war eine Vergrößerung nicht vorhanden, im Gegenteil, die
Hoden waren auffällig klein. Nach Spangaro (cit. nach Oberndorfer)
charakterisiert sich die eigentliche Hodenatrophie des Menschen durch
drei verschiedene Grade des Schwundes des Epithels der Kanälchen
mit allmählicher Verengerung derselben, bis mit dem schließlichen
Zugrundegehen der Sertolischen Zellen nur noch die stark verdickte
Wand der Samenkanälchen mit aneinander gelagerten Flächen und
Verengerung des Lumens auf einen schmalen Spalt übrig bleibt. In
den obigen Fällen beschränkte sich die Bindegewebsbildung nicht auf
die Wand der Samenkanälchen, sondern stellte vielmehr eine diffuse
Wucherung im interstitiellen Gewebe dar, wobei nur hin und wieder
gleichzeitig eine kapselartige Verdickung der Wand sich geltend
machte, vielmehr manchmal die Wand der Kanälchen sogar durch¬
brochen schien, so daß das Lumen durch büschel- und zapfenartige
Fortsätze des Bindegewebes teilweise verengt war. In jedem Falle
hatte der Prozeß nicht zu einer Verkleinerung des Organs geführt,
sondern regelmäßig mit dem Schwund der Kanälchen infolge der
massigen Bildung von Bindegewebe zu einer auffälligen Vergrößerung.
In einem Falle ließen sich deutliche Reste der Samenkanälchen nicht
nachweisen. Dagegen fanden sich Nester von Fettgewebe. Möglich,
daß dasselbe sich in den verödeten Samenkanälchen etabliert hatte,
zumal es manchmal in Nestern auftrat, die von einer Art Binde-
gewebskapsel umschlossen waren. Bestimmt erweisen ließ sich das
Ueber Hodentumoren beim Hunde.
269
allerdings nicht, zumal auch kleine Haufen von Fettzellen im Verlauf
der Bindegewebsfasern nicht selten gefunden wurden und eine Meta¬
plasie des Bindegewebes in Fettgewebe wahrscheinlich machten. In
letzterem Falle könnte man vielleicht von einem Fibrolipom sprechen,
während in den anderen der Prozeß als eine chronische interstitielle
Orchitis mit Atrophie der Samenkanälchen bezeichnet werden möchte.
Literator.
1. Bruckmüller, Lebrbuch der pathologischen Zootomie der Haustiere. 1869.
2. Kitt, Lebrbuch der pathologischen Anatomie der Haustiere. 1901.
3. Gurlt, Dritte Fortsetzung des Katalogs des zootomischen Museums der
Königl. Tierarzneischule in Berlin. Magazin für die gesamte Tierheilkunde.
XXII. 1856.
4. Siedamgrotzky, Medullarsarkom des Hodens mit Metastasen in den retro-
peritonealen Lymphdrüsen. Bericht über das Veterinärwesen im Königreich
Sachsen. 1871.
5. Derselbe, Myom der Albuginea des Hodens bei einem Pferde. Ebenda. 1873.
6. Appenrodt, Karzinom des Hodens bei einem Pferde. Preuß. Mitteil. 1883.
7. Fröhner, Exstirpation eines krebsigen Hodentumors beim Pferde mit tödlichem
Ausgang. Report, d. Tierheilkunde. H. IV. 1883. Ref. Jahresbericht von
Ellenbergor u. Schütz.
8. Popow, Vergrößerung und Entartung des rechten Hodens bei einem Hengst.
Ref. Jahresbericht von Ellenberger u. Schütz. 1884.
9. Gosswell, On certain pathological conditions met within the testicules of
horses. The vet. journal. Bd. XXII., S. 86. Ref. Jahresbericht von Ellen¬
berger u. Schütz. 1886.
10. Trasbot, Sur le caroinome du testicule. Bulletin et M£moires de la socieiö
centrale de medecine vötörinaire. 1885. S. 178.
11. Heß, Hämatozele bei einem Zuchtstier. Schweizer Archiv für Tierheil¬
kunde. 1888.
12. Lothian, The Veterinary Journal. Ref. Jahresbericht von Ellenberger und
Schütz. 1894.
13. Bossi, Fibroma dell’albuginea dell testicolo di un asino. Giorn. di Vet. milit.
VI. Ref. Jahresbericht von Ellenberger u. Schütz. 1893.
14. Pierrot et Petit, Dermoidzyste des Hodens bei einem kryptorcbidischen
Pferde. Bull, de la soc. centr. 1904. Ref. Jahresbericht v. Ellenberger und
Schütz. 1904.
15. *Gooch u. Hobday, Außergewöhnlicher Tumor eines kryptorchiden Testikcls
(Lipom). The vet. journal. 1906. Ref. Jahresbericht von Ellenberger und
Schütz. 1906.
16. Turtill, Ein interessantes Teratom des Hodens. The vet. journal. 1906.
Ref. Jahresbericht von Ellenberger u. Schütz. 1906.
17. Pauer, The vet. rec. Vol. XII. p. 88. Ref. Ellenberger u. Schütz. 1905.
270 Kl NNEMANN,
18. Coquot u. Lecaplain, Rec. de m£d. vet. 81. lief. Ellenberger u. Schütz.
1904.
19. Petit et Dumond, Ball, de la soc. centr. 81. Ref. Jahresber. v. Ellenberger
u. Schütz. 1904.
20. Calvd, Rec. de med. vet. 1900. Ref. Ellenberger u. Schütz. 1900.
21. Ball, Journ. de m6d. x6t. 1903. Ref. Ellenberger u. Schütz. 1903.
22. Besnoit, Enorme Testikelgeschwulst bei einem durch Umdrehung kastrierten
Ochsen. Revue vet. Nr. 12. 1902. Ref. Schweizer Archiv für Tierheilkunde.
Bd. 45. 1903. S. 128.
23. Riehloin, Zwei Fälle von Hodentumoren beim Pferde. Wochenschrift für
Tierheilkunde und Viehzucht Nr. 16. 1903. Ref. Schweizer Archiv für Tier¬
heilkunde. Bd. 46. 1904. S. 41.
24. Schuemacher, Rundzellensarkom im Hoden eines Hengstes. Deutsche tier¬
ärztliche Wochenschrift. IV. 1896. S. 408.
25. Frohner, Statistische und kasuistische Mitteilungen über das Vorkommen und
die chirurgische Behandlung der Geschwülste beim Hunde. Monatshefte für
prakt. Tierheilkunde. VI. 1895. S. 87.
26. Froh ner, Ein Fall von Hodensarkom beim Pferde. Ebenda. IX. 1898. S. 200.
27. Fröhner, Hodensarkom bei einem Deckhengst. Ebenda. XIII. 1902. S. 521.
28. Duschaneck, Kryptorchismus und Sarkom der Hoden bei einem Hunde.
Tierärztliches Zentralblatt. 1897. S. 303.
29. Mayr, Zur Histologie der retinierten Hoden beim Pferde und einiger Hoden¬
tumoren. Deutsche tierärztliche Wochenschrift. IX. 1901. S. 414.
30. Nielsen, Histologische Untersuchungen über retinierte Hoden beim Klopf¬
hengst. Monatshefte für prakt. Tierheilkunde. XVII. 1906. S. 385.
31. Engelmann, Ueber das Vorkommen von Fett im kryptorchidischen und nor¬
malen Hoden. Inaugural-Dissertation der vet. med. Fakultät der Universität
Bern. 1902.
32. Waldeyer, Die Entwickelung der Karziuome. Archiv für patholog. Anatomie
und Physiologie und für klinische Medizin. Bd. 55. 1872. S. 131.
33. Hansemann, Ueber die sogenannten Zwischenzellen des Hodens und deren
Bedeutung bei pathologischen Veränderungen. Ebenda. Bd. 142. 1895. S. 538.
34. Eberth, Die männlichen Geschlechtsorgane, Handbuch der Anatomie des
Menschen. Bd. VII. 112. 1904.
35. Borst, Die Lehre von den Geschwülsten. Wiesbaden. 1902.
36. Krompecher, Ueber die Geschwülste, insbesondere die Endotheliome des
Hodens. Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie usw. Supplement¬
heft zum 151. Bd.
37. Most, Ueber maligne Hodengeschwülste und ihre Metastasen. Ebenda. Bd.
154. 1898. S. 138.
38. Wlassow, Ueber Patlio- und Histogenese des sogenannten „Sarcome angio-
plastique“. Ebenda. Bd. 169. 1902. S. 220.
39. Debernardi, Beiträge zur Kenntnis der maglinen Hodengeschwulst. Bei¬
träge zur pathologischen Anatomie und zur allgemeinen Pathologie. Bd. 40.
1907. S. 534.
lieber Hodentumoren beim Hunde.
271
40. Oberndorfer, Pathologie der männlichen Geschlechtsorgane. Ergebnisse der
allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie des Menschen und der
Tiere von 0. Lubarsch u. R. Ostertag. 9. Jahrg. 1. Abt. 1903. S. 1168.
41. Dürck, lieber die Zwischenzellenhyperplasie des Hodens. Verhandlungen der
Deutschen pathologischen Gesellschaft. 1907. Ergänzungsheft zum XVIII. Bd.
des Zentralblatts für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 1908.
S. 130.
42. Kaufmann, Ueber Zwischenzellengesohwülste des Hodens. Ebenda. S. 237.
43. Kyrie, Beitrag zur Kenntnis der Zwischenzellen des menschlichen Hodens.
Zentralblatt für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 21. Bd.
1910. S. 54.
XIII.
Beobachtungen über Nagana und Glossinen
in Deutsch-Ostafrika.
Von
Dr. Georg Lichtenheld,
Kogimuii^-Ticrarzt in Daros-Salam (DenisHi Ostafrika).
(Hierzu eine Karte über das Vorkommen der Glossinen [Tafel VII].)
Die Nagana ist eine spezifisch afrikanische Trypanoso-
miasis, die durch Glossinen und zwar höchst wahrschein¬
lich durch sämtliche Arten übertragen wird. Die Seuche kann
alle größeren Haustiere und auch einen Teil des Wildes befallen. Am
empfänglichsten sind europäische Schweine- und Hunderassen, weniger
empfänglich sind Pferde, Maultiere, Esel, Rinder und einheimische
Hunderassen. Erkrankungen bei einheimischen Schafen und Ziegen
sowie Wildschweinen und Großwild sind nur selten, bei kleinen Wild¬
arten noch nicht festgestellt worden. Ueber das Verhalten europäischer
Ziegen und Schafe gegenüber der Tsetse konnten im Schutzgebiet
keine Beobachtungen gemacht werden. Die hochempfänglichen Tier¬
arten erliegen einer Infektion mit seltenen Ausnahmen, die weniger
empfänglichen genesen zu einem ziemlich großen Prozentsätze, trotz¬
dem können sie sich im allgemeinen nicht dauernd in Tsetse-Gegendcn
halten. Ich habe nur in einem Orte (am Kwarebach in Unyamwezi),
wo Tsetsefliegen (Gloss. morsitans) vorkamen, eine seit mehreren
Jahren vorhandene Rinderherde getroffen. Hingegen kommt das Klein¬
vieh, vor allem die Ziege, in Tsetse-Gegenden sehr zahlreich vor,
ohne daß im allgemeinen Trypanosomen bei ihnen gefunden werden
oder ein schädigender Einfluß festzustellen ist. Ebenso widerstands¬
fähig scheint auch das Großwild und das Wildschwein zu sein. In
den zahlreich cingesandten Blutpräparaten dieser Tiere wurden nur
dreimal, und zwar bei großen Antilopen Trypanosomen gefunden. Bei
einem dieser Tiere, das zu Lebzeiten einen schwerkranken Eindruck
Beobachtungen über Nagana und Glossinen in Deutsch-Ostafrika.
273
gemacht hätte (Grothusen), waren zahlreiche, bei anderen nur ganz
vereinzelte Trypanosomen nachzuweisen.
Der Verlauf sowie der klinische und pathologisch-anato¬
mische Befund der Nagana ist außerordentlich verschieden. Es er¬
scheint angebracht, eine akute und eine chronische Form zu unter¬
scheiden. Europäische Hunde und Schweine erkranken meist an der
akuten, die übrigen Tierarten öfter an der chronischen Form. Bei
der akuten Erkrankung treten hohe, meist intermittierende Fieber
auf. Im Blute, das bald nach dem Auftreten der Krankheit eine
wässerige Beschaffenheit annimmt, sind auf der Höhe des Fiebers sehr
viele, während dessen Tiefstand nur wenige Trypanosomen nachzu¬
weisen. Die Tiere magern sehr schnell ab. Die Futteraufnahme ist,
zumal auf der Höhe des Fiebers, schlecht. Außerdem treten die all¬
gemeinen Erscheinungen fieberhafter Erkrankungen wie gesträubtes
Haarkleid, erhöhter Puls usw. auf.
Bei der Sektion findet man das subkutane und intermuskuläre
Bindegewebe des Körpers stark wässerig durchtränkt; die seröse
Flüssigkeit in dem Herzbeutel, in den Brustfellsäcken und der Bauch¬
höhle ist vermehrt. Die Leber und die Nieren befinden sich im
Stadium der trüben Schwellung. Die Milz ist gleichfalls geschwollen
und sehr blutreich. An den Lymphdrüsen ist eine bedeutende wässerige
Durchtränkung, mitunter auch markige Schwellung nachzuweisen.
Bei den Einhufern sind meist schon zu Lebzeiten große Oedeme
an der Brust, dem Schlauche und den Extremitäten zu beobachten,
bei Hunden tritt manchmal eine diffuse Trübung der Hornhaut auf.
Bei der chronischen Form ist das Fieber niedriger und gleich¬
mäßiger. Die Wässerigkeit des Blutes und die Abmagerung nehmen
nur langsam zu. Trypanosomen treten in geringerer Anzahl und
weniger schwankender Menge auf. Die Oedeme der Einhufer sind
auch hierbei meist vorhanden, sie fehlen nur bei sehr protrahiertem
Verlaufe. Nach längerer Krankheitsdauer knicken speziell Einhufer in
den Fesseln der Hinterbeine über und bekommen in der Nachhand
einen eigentümlichen steifen Gang. Bei Rindern tritt nicht selten
Nekrose der Schwanzspitze auf. Die Futteraufnahme ist gut, meisten¬
teils sogar gesteigert.
An der Leiche fallen außer der bedeutenden Abmagerung und
der Wässerigkeit des Blutes starke parenchymatöse Schwellung der
Lymphdrüsen auf. Ira Vergleich zu dem starken Muskelschwund ist
das Kadaver relativ reich an Fettgewebe.
Arehir f. wissenscli. u prakt. TierliPilk. Bd. 3fi. Suppl.-Baud.
18
274
LICHTENHELD,
Bei einem Maultier und mehreren Rindern fanden sich Trypano¬
somen, ohne daß bei diesen Tieren trotz mehrmonatiger Beobachtung
irgend welche Krankheitssymptome nachzuweisen gewesen wären.
Wodurch ist nun der verschiedenartige Verlauf der
Trypanosoraiasis zu erklären? Wenn man auch den großen
Unterschied im Verhalten der einzelnen Tierarten gegenüber der
Trypanosomiasis hauptsächlich auf die verschiedene Resistenz zurück¬
führen kann, so dürfte diese Erklärung für den sehr abweichenden
Verlauf bei den verschiedenen Individuen derselben Art wohl nicht
genügen. Folgende Versuche geben hierüber näheren Aufschluß. Die
Uebertragung von Trypanosomen eines erkrankten Individuums auf
Tiere der gleichen Art verursachte einen fast gleichen Verlauf wie bei
dem ersten Tiere; starb dieses in kurzer Zeit, so erlagen auch die
Versuchstiere in ebenso kurzer Zeit der Infektion. Wurde das Blut
eines an chronischer Tsetse leidenden Tieres übertragen, so erkrankten
auch die Versuchstiere an der chronischen Form. Es dürfte also in
diesen Fällen der Virulenzgrad der Trypanosomen als ausschlaggebend
anzusehen sein. Ungefähr ebenso ist das Resultat bei der Ueber¬
tragung der Trypanosomen von einem Individuum auf ein solches einer
nahe verwandten Spezies. Bei der Uebertragung auf Individuen einer
entfernteren Art ist jedoch oft ein abweichendes Verhalten festzu¬
stellen. Werden z. B. Ziegen mit dem Blute eines an akuter Trypa¬
nosomiasis leidenden Rindes infiziert, so tritt bei ihnen chronische
Trypanosomiasis auf. Mit der Weiterzüchtung dieser Trypanosomen
von Ziege auf Ziege erfolgt eine Steigerung der Virulenz, während sie
für Rinder zugleich weniger virulent werden. Das Trypanosoma hat
also die Fähigkeit, sich dem Blute einer Tierart anzupassen. Der
verschiedenartige Verlauf ist demnach neben der Resistenz der Tiere
der schwankenden Virulenz der Trypanosomen zuzuschreiben, die nach
Ansicht von R. Koch ebenso wie bei der künstlichen Uebertragung
auch . bei der natürlichen Infektion wenigstens zum Teil durch den
Grad der Angewöhnung an eine Tierart bedingt wird.
Auf Grund dieser Beobachtung versuchten Schilling und Panse
Rinder zu immunisieren, indem sie zunächst die durch Ziegen-
bzw. Hunde- und Gänsepassage am meisten abgeschwächten und
später die für Rinder virulenteren Trypanosomen überirapften. Auf
diese Weise gelang es ihnen bei den Rindern eine Immunität zu
erzielen.
Dieser Methode haften jedoch bedeutende Mängel an. Zunächst
Beobachtungen über Nagana und Glossinen in Deutsch-Ostafrika. 275
ist zu bedenken, daß das immunisierte Tier sehr lange, mitunter
lebenslänglich Träger des Infektionsstoffes bleibt und infolgedessen
zur Verbreitung der Seuche beitragen kann, außerdem können diese
Tiere der Trypanosomiasis erliegen, sobald ihre Resistenz durch
Krankheiten oder Anstrengung herabgesetzt wird. Mehrere Ochsen z. B.,
die an Tsetse erkrankt gewesen waren und sich bei guter Haltung
soweit erholt hatten, daß sie einen vollständig gesunden Eindruck
machten, erkrankten wieder, als sie zu schwerem Zug verwandt
wurden. Dieser schädigende Einfluß schwerer Arbeit konnte auch auf
einer Plantage bei Dar-es-Salam, wo nur ganz vereinzelte Tsetseflliegen
vorkamen, öfter beobachtet werden. Von den dortigen Zugochsen,
die auf demselben Terrain wie die Weiderinder lebten, starben viele,
von den letzteren nur wenige an Trypanosomiasis. Wurden die er¬
krankten Zugtiere bei dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome
nicht mehr angespannt, so erholten sie sich meist wieder, andernfalls
erlagen sie der Krankheit.
Außerdem erliegt auch noch ein Teil der immunisierten Tiere
einer spontanen Infektion mit hochvirulenten Trypanosomen.
Die beiden erst erwähnten Nachteile könnten durch die Abtötung
der Trypanosomen nach erfolgter Immunisierung beseitigt werden.
Es erscheint aber fraglich, ob die nach erfolgter Abtötung der Trypa¬
nosomen vorhandenen Schutzstoffe oder die Fähigkeit solche in aus¬
reichender Menge zu bilden, zur Verhütung einer Neuerkrankung
genügen, da nach Kleine und Möllers Schutzstoffe nur in verhältnis¬
mäßig geringer Menge gebildet werden. So starb z. B. ein Maultier»
das eine schwere Trypanosomiasis überstanden hatte und über ein
Jahr lang gesund erschienen war, als es wieder in Tsetsegegenden
gebracht wurde. Im vorliegenden Falle ist es allerdings schwer zu ent¬
scheiden, ob das Tier seine Immunität verloren hatte, oder ob es der
Infektion mit einem virulenteren Trypanosoma erlegen ist. Die bishe¬
rigen Resultate lassen es jedenfalls zweifelhaft erscheinen, ob die bisherige
Immunisierungsmethode für die Praxis nennenswerte Vorteile bietet.
Nach den Erfolgen von R. Koch in der Behandlung der Schlaf¬
krankheit mit Atoxyl hat man sich auch im Kampfe gegen die
Nagana der medikamentösen Behandlung kranker Tiere zugewandt.
Auf eine subkutane Einspritzung von 5—8 Gramm Atoxyl verschwinden
bei Eseln, Maultieren und Rindern sämtliche Trypanosomen aus dem
Blute, das Fieber, die ödematösen Schwellungen gehen zurück und
das Allgemeinbefinden des Patienten bessert sich. Nach ca. 12 Tagen
18*
27«
LICHTEN HELD,
— in vielen Fällen auch bedeutend später — treten aber die Trypa¬
nosomen wieder im Blute auf. Ein weiterer Einfluß des Medikaments
auf den Verlauf der Krankheit ist dann nicht mehr zu konstatieren.
Wesentlich besser sind die Resultate, wenn analog der Behandlungs¬
methode der Schlafkrankheit die Einspritzung an zwei aufeinander¬
folgenden Tagen (am 10. und 11. Tage) und zwar wiederholt aus¬
geführt wird. Mehrere so behandelte Tiere wurden geheilt; es ist
jedoch eine frühzeitige Anwendung des Mittels notwendig. Bei sehr
akut verlaufenden Fällen konnte, trotzdem auch hier die Trypanosomen
nach der Einspritzung im Blute nicht mehr nachzuweisen waren, eine
Heilung nicht erzielt werden. Aehnliche Wirkung hatte auch die
„Neue Lösung“ Löfflers. Ein wertvoller, schwer an chronischer
Trypanosoraiasis erkrankter Bulle europäischer Kreuzung konnte durch
abwechselnde Injektionen von Atoxyl und „Neuer Lösung“ vollständig
geheilt werden. Es ist bei Beurteilung der Wirksamkeit eines Mittels
jedoch in betracht zu ziehen, daß auch ohne Behandlung ein Teil der
Tiere bei guter Haltung genesen sein könnte. Ein abschließendes
Urteil über den Erfolg ist daher zur Zeit noch nicht möglich, zumal
das Verschwinden der Trypanosomen aus dem Blute nach der Ein¬
verleibung des Medikaments, auch für mehrere Wochen, nicht gleich¬
bedeutend mit Heilung ist. Berücksichtigt man die Notwendigkeit der
wiederholten Anwendung der Mittel und die teilweise ungenügenden
Erfolge, so kommt man zu dem Schluß, daß auch sie ebenso wie das
Trypanrot und Malachitgrün im Kampfe gegen die Tsetse vorläufig
nur unvollkommene Waffen darstellen. Immerhin ist nach den
bisherigen Resultaten der medikamentösen Behandlung eine
gewisse Bedeutung beizumessen.
Mangels einer in der Praxis bewährten Immunisierung und einer
sicher wirksamen Behandlungsmethode sind wir im wesentlichen noch
auf den Schutz gegen die Tsetsefliege angewiesen. Zu diesem
Zwecke ist in erster Linie die Kenntnis über das Vorkommen
der Glossinen von besonderem Wert. Die auf Grund der Fest¬
stellung von R. Koch, Meixner, Feldmann, mir und anderen an¬
gefertigte Tsetsckarte (Tafel VII) gibt uns hierüber Aufschluß. Man
ersieht aus ihr, daß die Glossinen im Hinterlande des Tanganyika-
und Viktoriasees sowie der südlichen Hälfte der ozeanischen Küste in
großer Verbreitung, in den übrigen Gebieten nur in geringer Aus¬
dehnung Vorkommen und daß im ersten Tsetsegebiet hauptsächlich
tiloss. morsitans, im anderen Gloss. pallidipes vorkommt.
Beobachtungen über Nagana und Glossinen in Deutsoh-Ostal'rika. 277
Diese Karte hat eine große allgemeine Bedeutung für das Schutz¬
gebiet. Der Händler kann mit Hilfe derselben für seine Viehtransporte
eine möglichst glossinenfreie Marschroute auswählen und sich
so vor Verlusten schützen. Die Tatsache, daß bei einem Rinder¬
transporte vom Hinterland von Muanza über Tabora, Kilimantinde,
Morogoro, Dar-es-Salam der größte Teil der Rinder auf dem Marsche
verendet und der Rest schwer krank am Bestimmungsort ankommt,
während bei einem Transporte über Mkalama, Kondoa-Irangi, Mgera,
Korogwe nur geringe Verluste zu verzeichnen sind, findet bei einem
Blicke auf die Tsetsekarte ohne weiteres ihre Erklärung in dem aus¬
gedehnten Vorkommen von Tsetsefliegen auf der ersten und im Fehlen
derselben auf der zweiten Strecke. Dem Viehzüchter, der natürlich
nur prosperieren kann, wenn er sich in einer tsetsefreien Gegend mit
tsetsefreiem Absatzwege niederläßt, zeigt die Karte, welche Gebiete
für sein Vorhaben in betracht kommen. Die Kenntnis der Verbreitungs¬
gebiete der Glossinen ist auch unbedingt notwendig bei der Anlage
von Fahrstraßen für den Verkehr mit Zugtieren, ohne sie läuft man
Gefahr Straßen zu bauen, die sich für ihren Zweck später als un¬
brauchbar herausstellen. Die Karte bildet außerdem eine Grundlage
für eine eventuelle Bekämpfung der Tsetse durch Ausrottung der
Fliegen, indem sie durch Darstellung der Größe der Seuchengebiete
über die Unkosten eines solchen Verfahrens einen Anhalt gibt.
Eine Vervollständigung der Karte durch Eintragung jeder neuen ein¬
wandsfreien Feststellung von Glossinen ist natürlich dauernd notwendig.
Diese Aufzeichnungen können nur dann den angedeuteten großen
Wert haben, wenn das Vorkommen der Glossinen an bestimmte
Gegenden gebunden ist, ein Wandern derselben, wie vielfach an¬
genommen worden ist, also nicht stattfindet. Nach unseren bisherigen
Beobachtungen erscheint eine solche Voraussetzung berechtigt. Von
wenigen noch zu erwähnenden, durch besondere Umstände bedingten
Ausnahmen abgesehen, ist eine Ausbreitung der Glossinen auf bisher
freie Gebiete noch nicht beobachtet worden. Außerdem ist nach den
Angaben von Eingeborenen in den Tsetsegegenden auch früher eine
Rinderhaltung nicht möglich gewesen, während in den glossinenfreien
Gebieten früher Rinder ebenfalls, abgesehen von periodischen Epizootieen
anderen Ursprungs, gut gediehen sind. In dem einen Falle werden
also Glossinen ständig gefehlt und im andern immer vorhanden gewesen
sein. Auch ein Einnisten der Glossinen in tsetsefreie Gebiete durch
eingewandertes Großwild ist bisher noch nicht festgestellt worden.
278
LICHTENHELD,
Es erscheint überhaupt, abgesehen von der gegenseitigen Infektions¬
möglichkeit, irgend ein Zusammenhang zwischen den beiden nicht zu
bestehen. Es gibt im Schutzgebiete außerordentlich wildreiche Gegenden
ohne irgend welche Glossinen und sehr glossinenreiche Gegenden ohne
Großwild.
Nicht unerwähnt möchte ich die wenigen Beobachtungen lassen,
die anscheinend für ein Wandern der Glossinen sprechen. Auf der
Missionsstation Kissirawe drangen die Glossinen* während der Regen¬
zeit bis in die Wohnungen vor und verschwanden in der Trockenzeit
wieder. Auf der Straße Moschi-Arusha fand ich während der Regen¬
zeit Glossina fusca zahlreich, obgleich ich bei drei früheren Durch¬
reisen während der Trockenzeit trotz größter Aufmerksamkeit nicht
eine einzige Glossina gesehen hatte. Dieselbe Beobachtung machte
auf dieser Strecke einige Jahre später Allbory. Es ist daher der
Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß bei mehreren aufein¬
anderfolgenden ausgedehnten und starken Regenzeiten ein Wandern
der Tsetsefliegen in bisher freie Gegenden, wenn auch nur in be¬
schränktem Maße, möglich ist.
Gerade entgegengesetzt schienen diese Verhältnisse auf der Kaffee¬
plantage Bulwa im Usambara-Gebirge zu liegen; dort traten in den
trockensten Monaten (Dezember bis Februar) Glossinen und Trypa-
nosomiasis unter den Rindern alljährlich auf, während der übrigen
Monate, vor allem in der Regenzeit, fehlten sie. Diese eigenartige
Erscheinung, die ich während meines dortigen Aufenthalts bestätigen
konnte, ist unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse leicht zu
erklären. Während der heißen und trockenen Monate finden die
Glossinen in den abgebrannten Steppen und Abhängen des Gebirges
infolge der Trockenheit nicht mehr die für sie notwendigen Existenz¬
bedingungen, sie wandern dann in die feuchteren, hochgelegenen Teile
des Gebirges, in denen Bulwa liegt. Sobald der Regen einsetzt, finden
sie am Abhange wieder günstigere Bedingungen als in den kalten
Höhen und wandern wieder abwärts.
Im Jahre 1906 fand ich Glossina fusca und Trypanosomiasis
unter den Rindern bei Sadani, wo beide bisher nicht aufgetreten
waren. In diesem Falle war das Verbot, die Steppen zu brennen,
strikte durchgeführt worden, infolgedessen war der Busch dermaßen
herangewachsen, daß er den Glossinen die notwendigen Existenz¬
bedingungen bot. Die Fliegen verschwanden jedenfalls, nachdem der
Busch teilweise abgehauen worden war.
Beobachtungen über Nagana und Gtossinen in Deutsch-Ostafrika. 279
In demselhen Jahre stellte ich im Tabora-Bezirk Glossina morsitans
an einem Orte fest, wo vor vielen Jahren große Rinderherden ge¬
weidet batten. Vom Dorfältesten erfuhr ich, daß in jener Zeit zahl¬
reiche Leute ansässig gewesen wären, die in weitem Umkreis die
Felder bestellt hätten. Als diese nicht mehr ertragreich waren, hätten
die Einwohner allmählich andere Wohnsitze aufgesucht, auf den ver¬
nachlässigten Feldern sei der Busch allmählich wieder herangewachsen.
Daraufhin sollen sich die Stechfliegen und Krankheiten unter den
wenigen noch vorhandenen Rindern eingestellt haben. Auch in diesem
Falle scheint durch das Emporwachsen des Busches das Ein¬
nisten der Glossinen ermöglicht worden zu sein.
Diese Beobachtungen sprechen also dafür, daß durch Veränderung
des Klimas oder der Vegetation beschränkte Verschiebungen in der
Lokalisation der Glossinen möglich sind.
Bei der Betrachtung der Lokalisation verdient das verschiedene
Verhalten der einzelnen Glossinenarten erwähnt zu werden. Bisher
hat man in dieser Hinsicht nur zwischen der Glossina palpalis und
den übrigen Tsetsefliegen unterschieden, indem man daraut hinwies,
daß erstere nur an beschatteten Ufern von Süßwasser dauernd zu
existieren vermöge, während die anderen Glossinen eine weitere Ver¬
breitungsfähigkeit besäßen. Aber auch ihre Existenzbedingungen sind
wesentlich verschieden. Glossina fusca kommt nur in feuchten, mit
dichtem Busche oder Schilfe bstandenen Gegenden in der Nähe von
Wasser vor. Das größte Verbreitungsgebiet der Glossina morsitans
hingegen ist ein lichter, relativ hochstämmiger Laubwald (Myombowald),
in dem nur stellenweise etwas Oberflächenwasser auftritt. Glossina
tachinoides habe ich speziell in dichten, inmitten lichter Wälder ge¬
legenen Buschinseln getroffen. Am anspruchslosesten ist jedenfalls
Glossina pallidipes, die ich teilweise an ganz trockenen, mit sehr
dürftigem Busch bestandenen Gebirgsabhängen gefunden habe. Natür¬
lich können auch mehrere Glossinenarten an einem Orte Vorkommen,
wie aus der Karte zu ersehen ist.
Der Unterschied in den Existenzbedingungen der Glossinenarten
ist für deren Ausrottung von Bedeutung. R. Koch hat nachgewiesen,
daß man durch Abhauen des Busches oder Schilfes ein Gebiet
glossinenfrei machen kann. Daraufhin vorgenommene Abholzungen
ergaben ein günstiges Resultat, das allerdings je nach der Glossinen-
art Schwankungen aufwies. Während die Beseitigung der Glossina
fusca leicht zu sein scheint, ist Glossina pallidipes nur schwer aus-
280 LICHTENHELD,
zurotten. So fand ich sie beispielsweise noch auf einer Plantage von
Kokuspalmen bei Dar-es-Salam, auf der kein Busch mehr vorhanden
war, und in deren Nachbarschaft nur vereinzelte Hecken standen.
Eine allgemeine Ausrottung der Glossinen auf dem oben be¬
schriebenen Wege kommt wegen der damit verbundenen hohen Kosten
zur Zeit nicht in Frage, zumal bei der tropischen Vegetation sehr
schnell ein neuer Busch heranwächst, in dem Glossinen sich wieder
zu halten vermögen. Dies Verfahren wird immer nur in engbegrenzten
Gebieten Anwendung finden können. Für die Viehhaltung auf großen
Plantagen, die in Tsetsegegenden angelegt werden, hat der Versuch
von R. Koch eine große Bedeutung. Man kann als sicher annehmen,
daß solche Gebiete infolge der periodischen Bearbeitung des Bodens
tsetsefrei werden und eine Haltung von Vieh möglich sein wird. Es
ist allerdings fraglich, ob nicht unter Umständen einzelne Kulturen
später ein Wieder-Einnisten der Fliegen ermöglichen. In der Tat
habe ich auf einer alten Plantage von Manihot Glaziowii (in Lewa)
Glossina fusca ziemlich zahlreich gefunden. Auf Plantagen von Baum¬
wolle, Sisalagaven und Kaffee scheint, sofern diese von sehr großer
Ausdehnung sind, die Tsetsefliege nicht vorzukommen.
Da die Ausrottung der Tsetsefliegen infolge der erheblichen Un¬
kosten in größerem Maßstabe nicht möglich ist, so muß man ver¬
suchen, Tiere bei unvermeidbarem Passieren von Tsetsegegenden zu
schützen. Man hat zu diesem Zweck durch mannigfaltige Mittel —
Einreiben von Petroleum, Nelkenöl und andere stark riechende
Ingredienzien — die Fliegen abzuhalten versucht. Auch mit dem
tellursauren Kalium, das nach innerlicher Verabreichung bei den Tieren
eine widerliche knoblauchartige Ausdünstung bewirkt, konnte ein ein¬
wandsfreier Erfolg nicht erzielt werden. So erkrankte z. ß. ein Maul¬
tier, das 24 Stunden vor dem Passieren eines Tsetseherdes 3 g Kalium
telluricum erhalten hatte und stark nach Knoblauch roch, an
Trypanomiasis.
Erfolgreicher scheint der mechanische Schutz zu sein, der aller¬
dings im allgemeinen nur bei dem Transporte von hochwertigen Zucht¬
tieren vollkommen durchgeführt werden kann. Zunächst ist für die
Bahnfahrt die Einstellung in solche Wagen notwendig, deren sämtliche
Oeffnungen mit einem großmaschigen Drahtgeflecht versehen sind.
Beim Transporte über Land sind für kleinere Tiere durch Drahtnetze
geschützte Käfige herzustellen, in denen sie untergebracht und ge¬
tragen werden können. Ein auf diese Weise nach Iringa transpor-
Beobachtungen über Nagana und Glossinen in Deutsch-Ostafrika. 281
tierter deutscher Schaf bock kam dort gesund an. Für größere Tiere
kann man Anzüge anfertigen lassen, oder sofern es sich, um den
Transport durch Gegenden mit vereinzelten Tsetsefliegen handelt (wie
es die Regel ist), auch ohne einen solchen Anzug auskommen, wenn
man zu beiden Seiten eines Tieres je einen Eingeborenen marschieren
läßt, der die Tsetsefliege kennt und ihn mittelst eines Wedels etwa
ankommende Fliegen verscheuchen läßt. Dies gelingt leicht, da be¬
kanntlich die Tsetsefliegen sehr scheu sind. Es ist natürlich hierbei
eine große Aufmerksamkeit erforderlich, die ohne Anwesenheit eines
Europäers bei den Eingeborenen wohl vermißt werden dürfte. Während
der Nacht ist die Einstellung der Tiere in gut geschlossene Räume nötig.
Die noch vielfach verbreitete Annahme, daß Glossinen nachts
nicht stechen sollen, ist irrig. Auf verschiedenen Nachtmärschen,
die ich mit Oberstabsarzt Dr. Meixner ausführte, sind unsere Reit¬
tiere von Glossinen stark belästigt worden. Von den eingefangenen
Exemplaren hatten sich einige mit Blut vollgesogen. Allerdings
scheint bei kühlen Nächten die Gefahr, von Tsetsefliegen gestochen zu
werden, geringer als am Tage zu sein. Auch während der kühlen
Morgenstunden zeigten sich in Tsetsegegenden relativ wenige Fliegen.
Am zahlreichsten und stechlustigsten haben wir sie während der
schwülen Nachmittagsstunden bei ganz oder teilweise bedecktem Himmel
gefunden.
Auch konnten wir die Beobachtung machen, daß Reittiere am
Ende der Karawane weniger belästigt wurden als an der Spitze, weil
die Glossinen mit den ersten Leuten weiter flogen, um an ihnen ihren
Blutdurst zu stillen. Wurden sie dabei gestört, so verschwanden sie
teilweise wieder, ohne sich gesättigt zu haben.
Ueber den zweckmäßigsten Schutz gegen Glossinen werden zurzeit
spezielle Untersuchungen ausgeführt.
Die wichtigsten Ergebnisse vorstehender Ausführungen lassen sich
in folgenden Sätzen zusammenfassen:
1. Sowohl die Resistenz der einzelnen Tierarten gegen
Nagana als auch die Virulenz der Trypanosomen ist sehr
verschieden.
In Tsetsegegenden gedeihen von den Haustieren nur
Ziegen und Schafe, die anderen Arten erliegen bei dau¬
erndem Aufenthalt mit Ausnahme weniger Individuen der
Seuche.
282 LICHTENHELD, Beobachtungen über Nagana und Glossinen usw.
2 . Eine Immunisierung der Haustiere nach den jetzigen
Methoden erscheint nicht ratsam.
3. Die Behandlung der Trypanosomiasis mit Arznei¬
mitteln ist in vielen Fällen erfolgreich, während derselben
dürfen die Tiere nicht zur Arbeit verwendet werden.
Am wirksamsten hat sich das Atoxyl erwiesen.
4. Die Glossinen sind an bestimmte Plätze gebunden,
eine Verschiebung in der Lokalisation ist bisher nur in be¬
schränktem Masse und dann infolge Veränderungen der
klimatischen Verhältnisse oder der Vegetation beobachtet
worden.
Die verschiedenen Glossinenarten weichen in ihren
Existenzbedingungen von einander ab.
5. Es gelingt im allgemeinen durch Abhauen des Busches
oder Schilfes Gebiete von Glossinen zu befreien.
Diese Methode ist jedoch wegen der damit verbundenen
hohen Kosten in grossem Umfange nicht durchführbar.
6 . Beim Transport von Tieren durch Tsetsegegenden
hat sich der mechanische Schutz zur Abhaltung der Fliegen
am besten bewährt.
7. Den größten Nutzen zur Vermeidung von Verlusten
durch Tsetse haben bisher die Feststellungen über das Vor¬
kommen der Glossinen gebracht.
XIV.
1^*Institut National de Bacteriologie, Professeur des maladies contagieuses
et de bacteriologie a la Faculte Veterinaire de Buenos Aires.
Quelques notes k propos du Streptocoque de Schütz.
Considerations generales sur la qualite pathogene
et la difTerenciation des microbes d’un mime groupe.
Par
Prof. J. Lignieres.
L’une des maladies du cheval les plus universellement repandues
c’est la gourme.
Quoique cette affection evolue souvent sous une forme relative-
ment benigne, eile est 6conomiquement des plus graves parce
qu’elle frappe tot ou tard presque tous les cheveaux, surtout les
jeunes et aussi, parce qu’elle sc presente assez fröquemraent sous des
form es graves.
La pathologie de la gourme est aussi des plus coraplexes, toutes
les formes, toutes les localisations sont possibles; et bien que son type
soit essentiellement suppuratif, on peut voir aussi des formes aigues
septic6miques.
Longtemps on a discutfi sur la nature de la gourme et ce n’est
qu’en 1888 que le Dr. Schütz fit connaitre son microbe specifique:
le Streptococcus equi.
Peu apres Sand et Jensen d’une part, Poels de l’autre
apportaient aussi leur importante contribution a l’etude du microbe
de la gourme.
Une question se pose qui a ete fort discutöe et sur laquelle
l’accord n’est pas encore complet, c’est de savoir si le Strepto¬
coccus equi est identique au Streptococcus pyogenes de
l’homme.
Pour rösoudre ce problerae, il faut non seulement comparer les
deux streptocoques en question, mais aussi etudier le plus grand
2S4
UGN1KRES,
nombre possible de ceux qu’on rencontre soit chez l’homme, soit chez
les animaux, soit dans le railieu exterieur.
Or, on s’aper^oit immediateraent que si l’aspect de tous ces
streptocoques est plus ou raoins identique, que los memes milieux
de culture leur conviennent souvent, qu’ils se colorent de )a meme
fa<*on, ils sont cependant capables de presenter des variantes im¬
portantes.
Ainsi, le meme streptocoque peut, suivant le railieu de culture
se montrer en chaines longues ou en chaines tres courtes parfois raeme
rGduites a deux coccus: le meme streptocoque peut faire des lesions
suppuratives ou des lesions septicemiques: le raeme streptocoque peut
etre ou non virulent pour la m^me espece animale.
Toutes ces constatations ne pcuvent Svidemment que plaider en
faveur de l’identit6 des streptocoques et il faut reconnaitre que les
unicistes sont les plus norabreux.
Toutefois, rien n’est plus sur que la dualite des streptocoques
ct rien non plus n’est plus utile a connaitre pour la prophylaxie.
Si on s’appuio sur la qualite pathogene des microbes, qualite qui
en somme est preponderante en pratique, on est absolument oblige
de reconnaitre des differences fondamentales entre les streptocoques;
par exemple, le streptocoque de la raammite des vaches n’a aucune
des qualites pathogenes des streptocoques equi ou pyogene quelles
que soient les doses ou les modes d’inoculation. Les streptocoques
qu’on rencontre en abondance sur les fourrages, dans le contenu in¬
testinal et meme dans les tissus des animaux sains ou malades,
notarament les ganglions lymphatiques, sont aussi essentiellement
differents au point de vue de leur qualite pathogene presque nule
comparativement avec les streptocoques gourmeux et pyogene.
Enfin, si nous arrivons ä comparer ces deux derniers strepto¬
coques cependant plus voisins, nous constatons encore des differences
dans leurs qualites pathogenes.
Avant d’aller plus loin, je dois une nouvelle fois repßter ce que
j’entende par qualite pathogene, qu’il ne faut pas confondre avec ce
qu’on a coutume d’appeler la virulence.
La qualite pathogene et la propriete qu’a un raicrobe d’attaquer
teile ou teile espece animale.
La virulence est l’exaltation plus ou moins prononcee de cette
qualite pathogene. Tandis que la virulence est essentiellement variable
et ne peut servir ä une Classification, la qualite pathogene, beaucoup
Quelques noles a propos du Streplocoque de Schütz.
285
plus fixe est, au contraire, des plus utiles ä la Classification des
raicrobes et surtout des Varietes.
Les exemples sont aussi nombreux que sont nombreux les
microbes avec leurs varietes obligees et si les bacteriologistes vou-
laient bien les envisager de pres, maintes discussions interminables
sur l’identite ou la non identite de certains microbes seraient desor-
mais rendues inutiles.
Prenons les streptocoques eux-raemes: on se rapelle que Mar-
morek a pu exalter la virulence de son streptocoque jusqu’au point
que Yiooooo oooooo de centimetre cube tuait le lapin en moins de
24 heures. Or, malgre son extreme virulence, ce streptocoque d’ori-
gine humaine n’avait pas acquis pour le jeune cheval la qualitü patho¬
gene du streptocoque gourmeux de Schütz meme non exalte. En
effet, tandis que le premier produisait a faible dose sous la peau une
reaction inflammatoire assez intensc mais se resorbant vite, le segond
produit un phlegmon suivi d’un volumineux abces ä pus blanc homo¬
gene renfermant de longues chainettes de coccus.
De plus, avec ce streptocoque de Marmorek si exaltü on a pu
obtenir un serum de cheval tres actif contre ce streptocoque et ceux
du meme type, mais toujours inefficace contre le streptocoque
equi cependant extremement moins virulent.
De meme la vaccination du lapin avec le streptocoque de Mar¬
morek ne tenait pas contre le streptocoque equi de Schütz.
Les Pasteurelia offrent aussi un bei exemple de la diffürence
qui existe entre le degre de virulence et la qualite pathogene.
La Pasteurella du cholera des poules tue le lapin en 10—12 heures
avec une trace de culture inoculüe sous la peau; malgre cette enorme
virulence la qualite pathogene de la Pasteurella aviaire ne varie pas
pour le boeuf qu’elle n’influence guere en injection sous-cutanee de
doses relativement clevres. De meme, une Pasteurella bovis type
Rinderseuche toujours mortelle pour les bovides en injection d’unc
seule goutte de culture en bouillon sous la peau. laisse la poule in¬
differente dans les meines conditions et ne la vaccine meme pas
contre la Pasteurella aviaire.
C’est donc que le degre de virulence est different de la qualite
pathogene.
Le charbon symptomatique et la scptieemie sont des microbes
du meme groupe qui different essentielleraent par leur qualite patho¬
gene vis-a-vis du boeuf: tandis que le bacillus chauvei tue facile-
UGNIKKES,
28(5
ment le boeuf sous la peau ou mieux dans le musclc, le vibrion
septique ou bacille de l’oedeme malin de Koch, dans les memes con-
ditions et quel que soit son degre de virulence pour les autres especes,
laisse le boeuf ä peu pres indifferent.
Je pourrais multiplier beaucoup les exemples, je citerai seulement
encore le bacille tuberculeux. En d£pit de tout ce qu’on a pu
soutenir, c’est encore la qualite pathogene des difterents types mammi-
fcre, aviaire, pisciaire qui les separe lc plus sürement et le plus
utilement peut on dire.
On peut augraenter tant qu’on voudra la virulence du bacille
aviaire pour la poule, il n’en gardera pas moins sa qualite pathogene
pour les mammiferes notamment le cobaye qu’il infectera peu ou
point sous la peau.
Nous pouvons comparer des bacilles de Koch beaucoup plus
voisins comme ceux de la tuberculose humaine et de la tuberculose
bovine et trouver en dehors de la question virulence, une qualite
pathogene differente: on aura beau dire, le bacille tuberculeux qu’on
retire generalement des tesions de l’homme produit en injection
souscutanee chez le veau des tesions locales le plus souvent spon-
tanement curables. Par contre, dans les ntemes conditions les bacilles
tuberculeux d’origine bovine determinent chez le veau des lesions en-
vahissantes generalement mortelles.
Ces differences dans la qualite pathogene empeche-t-elle l’infection
possible plus ou moins accidentelle du veau par le bacille humain,
soit en choissisant une voie plus s6vere d’inoculation, soit en aug-
mentant la quantite des bacilles, soit en afaiblissant la resistance
naturelle de l’organisme ä inoculer? Certes non; mais quand dans
ces conditions on a pu infecter le veau avec des bacilles humains
on n’a pas change la qualite pathogene de ces bacilles que j’ai re-
trouvee intacte apres une Station de deux ans dans l’organisme bovin.
On n’aura pas change davantage la qualite pathogene du
streptocoque pyogene pour en faire un streptocoque equi parce qu’on
aura tue des ehevaux; on n’aura pas davantage transforme en pasteu-
rella aviaire une pasteurella bovis parce qu’on aura tue successivement
plusieurs poules; ni, vice versa, fait une pasteurella bovis avec une
pasteurella aviaire qui aura tue plusieurs bovides par injection intra-
veineuse. Non plus qu’on n’aura transforme en bacillus chauvei
un vibrion septique qui aura pu tuer un ou plusieurs veaux.
Chez les hematozoaires, rien ne les differentie mieux que la
Quelques notes ä propos du Streptocoque de Schütz. '287
qualite pathogene parfois absolument radicale comme pour les Piro-
plasma.
Cette conception generale de la qualite pathogene a, a mon sens
une importance pratique e.onsiderable parceque si eile nous permet
d’envisager le possible danger du streptocoque equi pour l’homme de
la pasteurella aviaire pour le boeuf, du vibrion septique pour le boeuf,
du bacille tuberculeux aviaire pour les mammiferes et celui du boeuf
pour l’hoinme; eile nous indique que le plus grand danger reside
dans le streptocoque equi pour le chevai, la pasteurella aviaire pour
la poule, le bacillus chauvei pour le boeuf, le bacille aviaire pour
les oiseaux, le bacille bovin pour le boeuf, le bacille humain pour
l’homme.
La prophylaxie generale doit forcement etre influencee par ces
considerations essentielleraent pratiques et dans la fabrication des
vaccins et des serums on doit en tenir le plus grand compte si Ton
vcut obtenir le maximum d’effet utile.
Donc, les streptocoques, comme tous los autres microbes, peuvent
presenter en dehors de caracteres communs qui les resserablent dans
un meme groupe, un certain nombre de proprietes secondaires assez
fixes cependant pour crßer des variötes ou types: la qualite pathogene
est peut-etrc parmi ces caracteres secondaires, le plus important de tous.
Et en effet, pratiquement, que diflferentie le mieux le streptocoque
pyogene du streptocoque de Schütz, si non sa qualite pathogene
vis-ä-vis de la souris, du lapin et surtout du chevai? Que diflferentie
le mieux lös pasteurella bovis et aviaire par exemple? encore leur
qualite pathogene differente pour le boeuf et les oiseaux. De meme,
c’est la qualite pathogene vis-a-vis du boeuf qui separe incontestable-
ment le charbon symptomatique de la septicemie et c’est encore le
bovide le meilleur reactif par la voie sous-cutanee pour rendre tan-
gible la diff&rence pathogene des types tuberculeux humains et bovins.
En confondant comme on l’a fait tres generalement la qualite
pathogene et la virulence on n’a pas pu dans la Classification tirer
partie de la prcraiere car si celle-ci est assez fixe, la seconde est au
contraire, essentiellement variables aussi bien dans sa forme que dans
son intensite.
II n’est pas jusqu’aux caracteres morphologiques et eulturaux qui
n’aient subi une depreciation prejudiciable sous l’influence de variations
obtenues pour un meme microbe observe dans des conditions variables.
Quoi de plus suggestif que cet admirable travail de Charrin sur
288 UGN1ERES, Quelques notes a propos du Streptocoque de Schütz.
le pyocyaneus qu’il montre capable de subir des variations enormes
de formes, d’aspect et de qualite des cultures suivant les milieux
employes.
Ces constatations ont jete un trouble Enorme en bactöriologie et
les pr6ceptes si purs et si sure de son debut ont et6 fausses: des
lors on n’a plus attach6 qu’une importance tout-a-fait secondaire ä
la forme et meme ä l’aspect et aux qualites des cultures, non plus
qu’ä l’action pathogene.
Je ne suis pas du tout de cet avis: une pratique de 20 ans
m’a au contraire, prouvö et de plus en plus, qu’en se playant dans des
conditions identiques, les raicrobes presentent des caracteres morpho-
logiques, culturaux, biologiques et pathogenes d’une fixite süffisante
pour les reconnaitre toujoure, les identifier ou les separer.
Et voilä pourquoi j’ai pu ecrire ä propos de la Classification des
raicrobes:
Les raicrobes appartenant ä la meme espece presentent toujoure
un certain nombre de caracteres fixes et coramuns dits specifiques
qui servent a les placer dans le meme groupe, et un faisceau de pro-
pri6t6s morphologiques ou biologiques distinctes, qui eräent des Varietes.
Si on tient corapte de toutes les observations que je viens de
faire et qu’on les applique a l’ötude du streptocoque equi, on acquiert
immediatement la conviction que ce streptocoque est le prototype,
d’une vari^te tres nette et tres fixe de streptocoques. On s’apercoit
de la sorte que son r<Me dans la nature est beaucoup plus important
qu’on ne l’avait pense; on le retrouve non seuleraent et avec une
extreme frequence chez les equides, mais aussi chez d’autres especes
animales et aussi chez l’homme notamment dans la scarlatine.
En le decouvrant Schütz n’a donc pas seulement fait connaitre
la cause de la gourme, il a permis aussi de mettre en relief un type
nouveau de streptocoque dont l’importance pathologique est tres grande
dans les deux medecines.
Le travail du Prof. Dr. Schütz sur le streptocoque de
la gourme est un des fleurons de sa belle couronne scienti-
fique ä laquelle nous rendons un bien sincere et bien le¬
gitime hommage d’admiration.
XV.
Aus dem hygienischen Institute der Universität Greifswald.
lieber eine im Jahre 1904 in Klein-Kiesow bei Greifswald
beobachtete Gänseseuche.
Von
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. F. Loeffler.
(Hierzu Tafel VIII.)
Im Juli 1904 brach unter den Gänsen in Klein-Kiesow bei
Greifswald eine mörderische Seuche aus, um deren nähere Unter¬
suchung der damalige Kreistierarzt Herr Braß das hygienische In¬
stitut ersuchte. Nach den Ermittelungen des Herrn Braß waren in
Klein-Kiesow 346 Gänse vorhanden, die 14 Besitzern gehörten,
43 waren alt und 313 jung. Zuerst starben ganz junge, dann auch
ältere Tiere. Von den 346 Gänsen sind erkrankt 191 und zwar
5 alte und 186 junge, und verendet 1 alte und 159 junge. Es sind
mithin 14pCt. der alten und 60pCt. der jungen Gänse erkrankt. Von
den Gantern ist keiner erkrankt. Die Mortalität der erkrankten Alten
betrug 20pCt., die der erkrankten Jungen 85,5 pCt. Enten, Hühner
und Tauben sind nicht erkrankt. Ebensowenig sind Erkrankungen
unter den Sperlingen, Krähen und anderen Vögeln beobachtet worden.
Am 7. Juli 1904 wurde dem hygienischen Institute von Herrn
Braß eine frisch gestorbene und eine schwerkranke Gans übermittelt.
Die erkrankte Gans starb am 8. Juli. Die Sektion der am 7. Juli
tot überbrachten Gans ergab folgenden Befund:
Junges Tier. Hautgefäße stark gefüllt. In der Bauchhöhle eine mäßige Menge
eines zellenreichen Exsudates. Leichter fibrinöser Belag auf der Konvexität der
Leber. Im Herzbeutel ebenfalls etwas Exsudat. Die Gefäße des Perikards stark
erweitert. Im übrigen nichts Besonderes. In den mit alkalischem Methylenblau
bzw. verdünntem Karbolfuchsin gefärbten Ausstrichen des Peritoneal- und Peri-
kardial-Exsudates fanden sich massenhaft kleinste, gerade, bisweilen
leicht gekrümmte Stäbchen, die an Influenzabazillen erinnerten.
Archiv f. wissenscb. u. prakt. Tierlieilk. Bd. 36. Suppl.-Band.
290
LOEFFLER.
Gleiche Stäbchen fanden sioh auch im Herzblut. Der Gramschen Färbung gegen¬
über verhielten sie sich negativ. Im hängenden Tropfen nntersucht erschienen sie
unbeweglich.
Der Befund bei der zweiten, am 8. Juli früh tot aufgefundenen
Gans war folgender:
Starkes trübes Exsudat in der Bauchhöhle. Fibrinöser Belag auf der Leber
und auf den Därmen. Exsudat in der Brusthöhle und im Herzbeutel. Frische
fibrinöse Auflagerungen auf dem Herzen und auf den Wandungen des Herzbeutels.
In gefärbten Ausstrichen der Exsudatmassen fanden sich wiederum sehr zahl¬
reiche Stäbchen von derselben Form wie bei der ersten Gans.
Vereinzelte Stäbchen ließen sich auch im Ausstrich des Blutes aus einer Hautvene
nachweisen. Die Stäbchen erwiesen sich Gram-negativ und bei der Untersuchung
im hängenden Tropfen ebenso wie die Stäbchen der ersten Gans unbeweglich.
Nach diesen bei den beiden Gänsen übereinstimmenden
Befunden lag unzweifelhaft eine bakterielle Infektions¬
krankheit der Gänse vor. Um Geflügel-Cholera handelte es sich
bestimmt nicht, da die Stäbchen durchaus verschieden waren von den
Erregern dieser Krankheit. Das Studium der Literatur ergab keinen
bestimmten Anhaltspunkt. Fiorentini hatte bei Schwänen und
ägyptischen Gänsen eine Septikäraie beschrieben, die durch ein
bewegliches, koliartiges Stäbchen bedingt war. Diese Krankheit konnte
nicht vorliegen. In der „Deutschen tierärztlichen Wochenschrift“ vom
Jahre 1903 fand ich ein kurzes Referat über eine von Mc Fadyean
beobachtete Gänse-Septikämie, bei der kleine Stäbchen, die dem
Rotlaufbazillus an Gestalt und Größe glichen, als Erreger gefunden
waren. Vielleicht konnte es sich bei der Epidemie in Klein-Kiesow
um die gleichen Erreger handeln. Jedenfalls erschien es von großem
Interesse, die gefundenen Stäbchen einer näheren Untersuchung zu
unterziehen.
Zur Ermittelung der biologischen Eigenschaften der Stäbchen
wurde von mir in Gemeinschaft mit meinem damaligen ersten Assi¬
stenten, Herrn Dr. Gehrke, eine Reihe von Uebertragungs- und
Kulturvcrsuchen angestellt.
Zunächst war es von Wichtigkeit, das Verhalten der Gänse-Stäb-
chcn gegenüber möglichst zahlreichen Tierspezies klar zu stellen, um
womöglich ein für die Fortzüchtung der Stäbchen im Tierkörper ge¬
eignetes und bequemes Versuchstier zu finden. Es wurden deshalb
am 7. Juli von einer Aufschwemmung des Herzblutes der ersten Gans
in physiologischer Kochsalzlösung gespritzt subkutan: 2 Hühner,
lieber eine in Klein-Kiesnw bei Greifswald beobachtete Gänseseuche. 291
4 Kaninchen, 2 Meerschweinchen, 1 weiße Maus, 1 graue
Hausmaus, 1 Feldmaus und 2 Ratten, ferner in den Brustmuskel
1 ausgewachsenes Huhn, 1 Küken, 2 Tauben und 1 Ente. Die
Menge der injizierten Flüssigkeit betrug 0,5 ccm bei den kleineren,
1 ccm bei den größeren Tieren. Alle diese Tiere blieben gesund
bis auf die Ente, die am 10. Juli Mittags verendete. Der
Befund war ein ganz charakteristischer. Ebenso wie bei den Gänsen
fand sich etwas trübes Exsudat in der Bauchhöhle; ferner waren vor¬
handen fibrinöse Auflagerungen auf der Leber und außerdem eine
frische Perikarditis, ein sog. Cor villosura. In den Exsudaten waren
die Stäbchen in großen Mengen vorhanden; im Herzblut und im peri¬
pherischen Blute fanden sie sich ebenfalls, aber in geringerer Zahl.
Von einer Kultur aus dem Herzblute der Ente wurden am 11. Juli
2 ganz junge Enten (No. 2 und 3), die noch mit Flaum bedeckt waren,
in den Brustmuskel geimpft, ebenso 1 Sperling.
Ente No. 2 wurde am 13. Juli bereits tot gefunden. Die Impf¬
stelle war nicht auffällig verändert. Dagegen aber fand sich wiederum
eine fibrinöse Peritonitis und eine starke fibrinöse Perikarditis mit
massenhaften Stäbchen in dem Exsudat. Auch das Blut enthielt
zahlreiche Stäbchen.
Ente No. 3 war am 13. Juli bereits sehr krank, am 14. taumelte
das Tier bei den Versuchen, sich zu erheben, und fiel immer um. Am
15. Juli früh wurde die Ente tot gefunden. Der Befund war wieder
der gleiche: starke fibrinöse Peritonitis und Perikarditis mit massen¬
haften Stäbchen, im Blut relativ wenig Stäbchen. Von der Impfstelle
ausgehend ein über die ganze Brustseite ausgebreitetes gelbes Exsudat
mit mäßig zahlreichen Stäbchen.
Der Sperling starb stark abgemagert am 18. Juli mit negativem
pathologischen Befund. Stäbchen konnten in ihm weder mikroskopisch
noch kulturell nachgewiesen werden. Er ist jedenfalls nicht einer
Infektion erlegen.
Mit einer Kultur aus dem Herzblute von Ente No. 3 wurde eine
alte Ente No. 4 geimpft. Dieselbe erkrankte indessen nicht.
Von einer Kultur aus dem Blute der Gans No. 1 und von einer
Kultur aus dem Herzblute von Ente No. 3 wurde am 21. Juli je eine
junge Ente, No. 5 und 6, geimpft. Beide Tiere erkrankten nicht.
Da die Uebertragung der 'Stäbchen auf Enten Schwierigkeiten
machte, und da andere Versuchstiere, wie es schien, nicht für sie
19*
292 LOEFFLER,
empfänglich waren, wurde die Uebcrtragung auf junge Gänse vor-
genoramen.
Am 25. Juli wurde eine junge Gans, No. 3, von 5000 g Ge¬
wicht, mit einer Kultur aus dem Blute von Gans No. 1 subkutan
rechts an der Brust geimpft. Am 26. Juli nachmittags war das Tier
bereits deutlich krank. Es vermochte nicht mehr zu stehen und ließ
sich ohne weiteres anfassen. Abends gegen 9 Uhr wurde es tot ge¬
funden in zusammengekauerter Stellung. Sektion am 27. Juli: An
der Injektionsstelle das Gewebe stark ödematös, die Muskelbündel
aufgelockert und von Blutungen durchsetzt. In der Bauchhöhle keine
Veränderungen. Im Herzbeutel eine geringe Menge klarer Flüssigkeit.
Auf dem Perikard in Gruppen beieinanderliegende Blutungen. An
der Impfstelle massenhafte Stäbchen. Ina Herzblute mäßig zahl¬
reiche Stäbchen.
Um zu sehen, ob schon eine relativ kleine Menge der Stäbchen
zur Infektion einer Gans genügen würde, wurde eine Platinöse des
Herzblutes von Gans No. 3 in den rechten Brustmuskel einer jungen,
der gleichen Zucht wie Gans No. 3 entstammenden Gans, No. 4,
geimpft. Die kleine Wunde wurde mit Kollodium verklebt. Das
Tier blieb gesund.
Am 19. August erhielten Gans No. 4 und zugleich die beiden
am 21. Juli vergeblich geimpften Enten No. 5 und No. 6 je eine
viertel Kultur aus der Gans No. 3 in die Brustmuskulatur eingespritzt.
Die Gans No. 4 wurde am 25. August vormittags zwischen 9
und 10 Uhr tot aufgefunden. Ihr Gewicht war von 4100 g auf
3200 g zurückgegangen, das Tier war stark abgemagert. An der
Impfstelle nichts Besonderes. Im Herzbeutel etwas klare, gelbliche
Flüssigkeit, ln der Muskulatur des Herzens, besonders an der Spitze
zahlreiche gelbliche, strichartige Vcrfettungsherdchen. Am Rande der
Leber, da, wo sie dem Magen auflag, markierte sich eine Partie
durch eine auffallende braune Färbung. Auf dem Durchschnitt erwies
sich diese Partie als trocken nekrotisch. In dem Blute und in der
Perikardialflüssigkeit konnten mikroskopisch Stäbchen nicht nachge¬
wiesen werden. Wohl aber gelang deren Nachweis aus dem Blute
sowohl wie aus der Perikardialflüssigkeit wie auch aus der nekrotischen
Leberpartie mit Hilfe der Kultur.
Die Ente No. 5 starb am 21. August, 2 Tage nach der In¬
fektion, stark abgemagert. Es fand sich ein fibrinöses Exsudat in
der Bauchhöhle, das besonders die Leber bedeckte. Auf dem Perikard
Ueber eine in Klein-Kiesow bei Greifswald beobachtete Gänseseuche. 293
lag eine ganz frische, weiche fibrinöse Haut. In den Exsudaten sehr
zahlreiche Stäbchen.
Die Ente No. 6 zeigte nach der Impfung eigentümliche Gleich¬
gewichtsstörungen. Das Tier taumelte, hielt den Kopf schief und
blieb in einer Ecke sitzen. Es starb hochgradig abgemagert am
6. Dezember. Bei der Sektion waren Veränderungen an den Organen
nicht zu konstatieren. Weder durch Färbung noch durch Kultur
konnten Stäbchen nachgewiesen werden.
Am 6. August wurde noch ein Uebertragungsversuch auf eine
Gans vorgenommen. Eine junge Gans, No. 5, von 4120 g Gewicht
erhielt eine halbe Kultur, von der Gans No. 3 herrührend, rechts in
die Brust. Am 7. August war das Tier bereits deutlich krank. Es
hatte seine Munterkeit verloren und ließ sich ruhig anfassen und zur
Seite schieben. Am 8. August saß es traurig da und taumelte.
Gegen 11 Uhr verendete die Gans. Die Sektion ergab folgenden
Befund: Die ganze rechte Brustseite ist stark geschwollen. Beim
Durchschnitt durch die Muskulatur sieht man, daß dieselbe bis auf
den Knochen gelb verfärbt ist. Die Schwellung erstreckt sich bis
auf den Bauch. Hier sind die Gewebe sulzig, gelblich. Im Perikardial¬
sack findet sich etwas klare seröse Flüssigkeit. In der Bauchhöhle
keine auffallenden Veränderungen. In Ausstrichen von der Impfstelle
der Perikardialflüssigkeit und des Herzblutes finden sich massenhafte
Stäbchen. Aussaaten aus Perikardial- und Peritonealilüssigkeit,
Leber, Herzblut und Lungen lieferten reichliche und üppige Kulturen.
Da junge Gänse nicht zu beschaffen waren, mußte von weiteren
Uebertragungsversuchen Abstand genommen werden. Die angestellten
Versuche beweisen zur Genüge, daß die in den beiden aus der
Epidemie stammenden Gänsen gefundenen Stäbchen Organismen waren,
die für Gänse und Enten spezifisch pathogene Eigenschaften besaßen,
während sie für andere Tierspezies nicht pathogen waren. Sie mußten
daher als Erreger der Gänseseuche angesehen werden.
Sehr interessant war das kulturelle Verhalten der Stäbchen.
Sie wuchsen nicht in der gebräuchlichen Fleischwasserpeptongelatine,
in Hühnerblutgelatine und in Hammelserumgelatine. Sehr kümmerlich
gediehen sie auf schwach alkalischem Fleischwasserpepton-Agar. Da¬
gegen aber zeigte es sich, daß das von mir für die Kultur der
Diphtherie-Bazillen angegebene Pepton-Zuckerbouillon-Serum ein guter
Nährboden für sie war. Die große Aehnlichkeit der Stäbchen mit
den von Pfeiffer bei der menschlichen Influenza und mit den von
294
LOEFFLER,
Koch bei der katarrhalischen ägyptischen Bindehautentzündung ge¬
fundenen kleinen Stäbchen legte den Gedanken nahe, daß sie auch
wie jene Stäbchen auf hämoglobinhaltigen Nährsubstraten bei Brut¬
temperatur gut gedeihen würden. Und in der Tat es zeigte sich, daß
sie ganz ausgezeichnet wuchsen auf Hammelblut- undHühnerblut-Fleisch-
wasserpepton-Agar. Bei den Untersuchungen, die seiner Zeit von Sick
in meinem Institut über Kultur der Influenza-Bazillen angestellt waren,
hatte sich ergeben, daß der optimale Nährboden für diese Bazillen er¬
zielt wurde, wenn frisches Blut mit der vierfachen Menge destillierten
Wassers lackfarben gemacht und davon 2 ccm mit 8 ccm gewöhnlichen
Fleischwasserpeptonagars vermischt wurden. Auf einem in dieser
Weise mit Hühnerblut und auch mit Hammelblut hergestellten Agar
wuchsen die Gänse-Stäbchen als kleine, rundliche, feuchtglänzende,
tautropfenähnliche, später grau werdende Kolonien, die da, wo sie
isoliert lagen, bis zu 1 mm groß wurden. Besondere Zeichnungen
boten die Kolonien nicht dar. Sie enthielten kurze, bisweilen etwas
gebogene Stäbchen, die ebenso wie die Influenza-Bazillen hie und da
lange fädige Verbände bildeten. Die von Herrn Dr. Stempell von
Präparaten, die mit verdünntem Karbolfuchsin intensiv gefärbt waren,
bei lOOOfacher und 1600facher Vergrößerung angefertigten Photo¬
gramme (Tafel VIII) geben ein getreues Bild der Stäbchen im Blute der
Gänse und in den Reinkulturen.
Die Lebensfähigkeit der Stäbchen erhielt sich auf den Blutnähr¬
böden sehr lange. Von einer Kultur aus dem Herzblut von Gans
Nr. 2 vom 8. Juli gelang die Uebertragung auf frisches Nährsubstrat
noch am 8. November, also nach 4 Monaten. Eine Kultur aus der
Lunge von Gans Nr. 3 am 22. Juli erwies sich dagegen bei der
Ueberimpfung am 8. November als abgestorben. Zwei Kulturen aus
dem Perikard und aus dem Peritoneum von Gans Nr. 5 vom 8. August
gingen am 8. November, also nach 3 Monaten, glatt an. Kulturen
auf Hammelblutagar von Gans Nr. 2 und von Gans Nr. 4, die seit
dem 1. September bei Zimmertemperatur gestanden hatten, lieferten
ebenfalls am 8. November üppige Kulturrasen.
Als die vorstehend mitgeteilten Untersuchungen bereits vollständig
abgeschlossen waren, erschien gegen Ende des Jahres 1904 im 5. Hefte
des 37. Bandes des Zentralblattes für Bakteriologie, Parasitenkunde
und Infektionskrankheiten, Originale, eine Arbeit von Riemer: „Kurze
Mitteilung über eine bei Gänsen beobachtete exsudative Septikämie
und deren Erreger.“ Im Mai 1904 in der Nähe von Doberan und
Ueber eine in Klein-Kiesow bei Greifswald beobachtete Gänseseuche. 295
im September 1904 in der Nähe von Parchim war epidemisches
Sterben unter den Gänsen aufgetreten. Die Epidemie in Klein-
Kiesow fällt somit zeitlich zwischen die beiden mecklenburgischen
Epidemien. Vermutlich sind sie Teilglieder eines und desselben
Seuchenganges. Vorzugsweise sind in allen drei Epidemien die jungen
Tiere erkrankt und gestorben. Die pathologisch-anatomischen Ver¬
änderungen, Perikarditis und Peritonitis, besonders auf der oberen
Fläche der Leber, sind die gleichen gewesen. Die Beschreibung der
Erreger, die Riemer gibt, stimmt genau mit den von uns erhobenen
Befunden überein, was die Größe, Mangel an Beweglichkeit und Gram¬
negatives Verhalten anlangt. Kulturell verhielten sich die Riemer-
schen Stäbchen ähnlich wie die unsrigen. Sie wuchsen am besten
auf Blutserum, namentlich dem von mir angegebenen, nur schwach
auf gewöhnlichem Agar. Abweichend ist nur, dass die Riem ersehen
Stäbchen, wenn auch kümmerlich, auf Nährgelatine wuchsen, unter
langsamer Verflüssigung der letzteren. Vielleicht haben wir das
kümmerliche Wachsen in Nährgelatinen übersehen, weil unser Inter¬
esse ganz von dem üppigen Wachstum auf den häraoglobinhaltigen
Nährböden in Anspruch genommen war, die Riemer nicht versucht
hat. Auch in ihrem pathogenen Verhalten waren die Riem ersehen
Stäbchen den unserigen gleich. Sie waren pathogen für Gänse und
Enten, nicht pathogen für Hühner und Tauben und die kleineren
Versuchstiere.
Ganz neuerdings ist von Frosch und Bier bäum eine Epidemie
studiert, die im Mai 1908 in dem Gänsebestand auf einem Ritter¬
gute im Kreise Franzburg, unfern von Greifswald ausgebrochen war.
Der Bericht ist im 4. Heft des 52. Bandes des Zentralblattes für
Bakteriologie, Originale, am 1. Dezember 1909 erschienen. Auch
diese Epidemie hat dasselbe Bild gezeigt wie die im Jahre 1904 von
Riemer in Mecklenburg und von uns im Kreise Greifswald beob¬
achteten Epidemien. Die pathologisch-anatomischen Veränderungen
bei den verendeten Tieren, das morphologische, tinktorielle, kulturelle
und pathogene Verhalten der gefundenen Stäbchen stimmt genau mit
den von uns erhobenen Befunden überein. Interessant ist, daß
Frosch und Bierbaum ebenso wie wir durch das influenzabazillen-
äholiche Aussehen der Stäbchen veranlaßt worden sind, hämoglobin¬
haltige Nährsubstrate für die Kultur zu verwenden, und daß sie diese
als ausgezeichnet brauchbar gefunden haben. Wenn die genannten
Autoren, was das pathogene Verhalten ihrer Stäbchen anlangt, Enten
296
T.OEPPLER,
damit nicht za infizieren vermocht haben, so ist der Grund, wie sie
auch selbst annehmen, wohl darin zu suchen, daß ihnen, jugendliche
Tiere, die allein sich uns als empfänglich erwiesen haben, nicht zur
Verfügung gestanden hatten.
Es kann nach allen diesen Beobachtungen keinem Zweifel unter¬
liegen, daß in Pommern und Mecklenburg eine Gänseseuche eigener
Art vorkommt, die durch ein den Influenzabazillen ähnliches Stäbchen
bedingt ist. Man könnte sie, um damit zugleich die Zugehörigkeit
ihres Erregers zur Gruppe der Influenzabazillen zu kennzeichnen, mit
dem Namen Gänse-Influenza bezeichnen. Für die Differentialdia¬
gnose wäre es von größtem Interesse, zu ermitteln, wie sich der
Pfeiffersche Influenzabazillus des Menschen bei der Uebertragung
auf Gänse und Enten verhält. Diesbezügliche Versuche sind, soviel
mir bekannt, bisher nicht angestellt worden. Mit den in die gleiche
Gruppe gehörenden feinen Stäbchen der egyptischcn katarrhalischen
Konjunktivitis hat Reinhard Hoffmann im Jahre 1900 in meinem
Institute eine Uebertragung auf eine Gans vorgenomraen. Bei einer
Anzahl von russischen Schnittern, die auf einem Gute in der Nähe
von Greifswald an typischer egyptischer katarrhalischer Konjunk¬
tivitis erkrankt waren, war es ihm gelungen (s. Zeitschr. f. Hygiene,
Bd. 33, S. 109) auf einem Nährboden, bestehend aus schwach alka¬
lischem Glyzerin-Peptonagar zu zwei Teilen und aus einem Teil
menschlicher Aszitesflüssigkeit, der steril aufgefangenes Hammel- oder
Menschenblut im Verhältnis von 1: 2 beigemischt war, Reinkulturen
der Stäbchen zu erzielen. Eine solche Reinkultur, die bei Menschen
die typische Konjunktivitis erzeugte, hat er unter anderen auch einer
Gans in den Konjunktivalsack gestrichen — aber ohne Erfolg. Ob
durch eine anderweitige Beibringung der Bazillen eine Erkrankung von
Gänsen herbeigeführt werden könnte, wäre noch zu ermitteln. Jeden¬
falls muß das Verhalten der zahlreichen bei Menschen und Tieren ge¬
fundenen hämoglobinophilen, morphologisch einander sehr ähnlichen
Mikroorganismen noch genauer untersucht werden.
lieber die Art und Weise, wie die Infektion der Gänse
bei der Gänse-Influenza erfolgt, haben die bisherigen Unter¬
suchungen einen Aufschluß noch nicht gegeben. Es liegt dies im
wesentlichen an der Schwierigkeit der Beschaffung der geeigneten
Versuchstiere, junger Gänse. Die Befunde von entzündlichen Erschei¬
nungen im Digestionstraktus deuten auf eine Infektion per os, die
Befunde von Bugge (Zeitschr. f. Infektionskrankh. d. Haustiere Bd. 3,
Ueber eine in Klein-Kiesow bei Greifswald beobachtete Gänseseuche. 297
Heft 5), wenn der von ihm bei einer ansteckenden Luftsackentzündung
der Gänse in Schleswig-Holstein gefundene Erreger identisch ist mit
dem Bacillus septicaemiae anserum exsudativae Riemer, auf eine In¬
fektion durch die Luftwege. Vielleicht sind beide Infektionswege
gangbar wie bei der menschlichen Influenza.
Von wesentlicher Bedeutung für die epidemische Verbreitung eines
Erregers ist ohne Zweifel seine Virulenz. In allen Gänse-Epidemien,
die durch den Bazillus Riemer bedingt sind, ist beobachtet, daß
zuerst die ganz jungen Tiere und dann schließlich auch die älteren
erkrankt sind. Man wird durch diese Beobachtung erinnert an die
Versuche Pasteurs, die Virulenz der Milzbrandbazillen künstlich zu
erhöhen. Pasteur war es, wie bekannt, gelungen, virulente Milz¬
brandbazillen durch Züchten bei 42—43° so in ihrer Virulenz abzu¬
schwächen, daß sie Meerschweinchen nicht mehr töteten. Uebertrug
er nun aber diesen Stamm auf ein neugeborenes Meerschweinchen,
von diesem auf ein 1 Tag altes, dann weiter auf ein 2 Tage altes,
auf ein 3 Tage altes und so fort, so gelang es ihm, den Stamm
wieder so virulent zu machen, daß er auch ausgewachsene Meer¬
schweinchen tötete. Bei der Entstehung der Gänse-Epidemien hat
man den Eindruck, als ob der Erreger zunächst den Körper ganz
junger, wenig widerstandsfähiger Individuen passiert haben und dadurch
zu einer erhöhten Virulenz herangezüchtet sein muß, damit er infektions¬
tüchtig wird auch für ältere Tiere.
Die Frage, ob die G änse-Influenza in Pommern ein¬
heimisch ist, oder ob sie, wie so manche menschlichen Infektions¬
krankheiten durch russische Schnitter, so durch russische Gänse
eingeschleppt ist, hat sich nicht entscheiden lassen. In Klein-
Kiesow konnte nur ermittelt werden, daß drei Jahre vorher, im Jahre
1901, 20—30 russische Gänse als Stoppelgänse eingeführt worden
waren, die zum Teil als Zuchtgänse weitere Verwendung gefunden
hatten. Zwei Jahre vorher, 1902, war dann ein großes Sterben unter
den jungen Gänsen beobachtet worden, und auch im Vorjahre, 1903
waren einige, aber nur wenige junge Gänse gestorben. Ob der Bazillus
durch die ersten russischen Gänse mitgebracht und an dem Sterben
der jungen Gänse in den Jahren 1902 und 1903 beteiligt gewesen
ist, läßt sich natürlich nicht mehr sagen. Man müßte dann schon
annehmen, daß unter den eingeführten russischen Gänsen eine Bazillen¬
trägerin gewesen wäre. Man würde sich damit aber ganz in das
Gebiet der Hypothesen begeben. Notwendig dürfte es jedenfalls sein,
298 LOEFFLER, Ueber eine in Klein-Kiesow beobachtete Gänseseuche.
bei dem Vorkommen von Erkrankungen und von Todesfällen unter
den zur Mästung importierten russischen Gänsen ein besonderes Augen¬
merk zu richten auf den Bacillus septicaemiae anserum exsudativac
Riemer.
Was nun endlich die Bekämpfung der Seuche anlangt, so
kann von Maßnahmen, die auf die Biologie des Erregers basiert wären,
noch nicht die Rede sein. Serologische Untersuchungen und Immuni¬
sierungsversuche fehlen bisher noch vollständig. In Klein-Kiesow hat
sich für die Bekämpfung der Seuche ein Verfahren bewährt, das ich
in meinem Institute bei der Bekämpfung der mehrfach unter meinen
Vorrats-Mäusen beobachteten Epidemieen von Mäusetyphus mit bestem
Erfolge zur Anwendung gebracht habe. Sobald in einem Mäusebestande
ein Fall von Mäusetyphus festgestellt war, wurden sofort die Mäuse,
jede für sich oder in kleinen Gruppen von 2 und 3 Tieren in besonderen
Gläsern isoliert. Die bereits infizierten Tiere starben dann, aber die
noch nicht infizierten blieben vor der Infektion bewahrt. In analoger
Weise wurde von Herrn Kreistierarzt Braß in Klein-Kiesow ver¬
fahren. Das gemeinsame Hüten der Gänse wurde inhibiert, und die
verschiedenen Besitzer, 14, wurden angewiesen, womöglich auch ihre
Gänse von einander zu trennen und isoliert zu halten in sorgfältig
gereinigten und desinfizierten Behältern. Mit der Durchführung
dieser strengen Isolierung erlosch die Epidemie.
Es dürfte daher nach der Feststellung des Bazillus Riemer bei
Todesfällen in Gänseherden als erste und wichtigste Bekärapfungs-
maßnahme die Stallsperre der Gänse und die Isolierung der
einzelnen Tiere oder, falls dies nicht angängig, möglichst kleiner
Gruppen derselben anzuordnen sein.
XVI.
Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in
den Ställen.
Von
Oberstabsveterinär Lndewig, Altona.
Zu den vornehmsten Zielen der Gesundheitspflege der Haustiere
gehört es, diesen Lebensbedingungen zu bieten, die nicht nur deren
Wohlbefinden, sondern auch höchste Leistungsfähigkeit ermöglichen.
Die Mittel zur Erreichung dieser Ziele sind so mannigfaltig, daß es
eines besonderen Studiums bedarf, um diese unter den verschieden¬
artigen Verhältnissen richtig an wenden und bei den wechselnden
Leistungen der Haustiere zweckmäßig benutzen zu können.
Nicht Zweck dieser Zeilen soll es sein, auf die verschiedenen
Mittel der Gesundheitspflege, auf spezielle Krankheitsursachen, auf
Schutz- und .Abwehrvorrichtungen des Tierkörpers, Immunität und
Disposition, die verschiedenen mechanischen und physikalischen ätio¬
logischen Momente der Störungen des Wohlbefindens einzugehen,
sondern es soll nur ein Umstand gewürdigt werden, welcher die Ver¬
sorgung der Haustiere mit Luft betrifft. Insonderheit werden
hierbei die Verhältnisse berücksichtigt werden, welche auf unser Pferd
zutreffen. '
Es ist ja allgemein bekannt, daß gerade bei denjenigen Pferden,
die am besten gehalten werden wie die Kenn- und Soldatenpferde,
häufig Krankheiten auftreten, die ihre Gebrauchsfähigkeit in erheb¬
lichem Grade für längere oder kurze Zeit aufheben oder doch sehr
beeinträchtigen. Ich erinnere nur an den seuchenartigen Husten, der
nicht selten in den Rennställen beobachtet werden kann, wo er
mit Recht so gefürchtet wird, weil er die Erfolge langer und schwerer
Arbeit raubt und die Zuchterfolge in hohem Grade nachteilig be¬
einflußt.
Wer kennt nicht die schweren dienstlichen Nachteile, die der
eben erwähnte Husten auch beim Soldatenpferde herbeiführt, dessen
vorzügliche Pflege und Haltung von Niemand bezweifelt wird. Und
doch spielt hierbei die Luftversorgung oder richtiger die Lufterneue-
300
LUDEWIG,
rung in den Ställen eine wichtige, vielleicht die wichtigste Rolle. Und
zwar sowohl bezüglich der Entstehung als auch der Bekämpfung dieses
seuchenartigen Katarrhs, der ja bekanntlich keine Todesfälle bedingt,
sondern wegen der Störung in der Benutzung, beim Militär wegen der
vorübergehenden Uebungsunfähigkeit der betreffenden Truppe so große
Nachteile mit sich bringt.
Nicht viel anders verhält es sich mit der Brustseuche der Pferde.
Es soll nicht etwa behauptet werden, daß diese Krankheit durch
mangelhaften Luftwechsel in den Ställen entsteht. Wohl aber unter¬
liegt es keinem Zweifel, daß der Ansteckungsstoflf in warmen und
dunstigen Ställen besonders günstige Bedingungen für seine Ent¬
wickelung und Fortzüchtung findet. Wenngleich trotz langer und
mühsamer Arbeit das Wesen des Erregers dieser Infektionskrankheit
noch nicht klargestellt ist, so werden doch für ihre Bekämpfung die
in der Hygiene begründeten Gesichtspunkte geltend bleiben, die bei
anderen Infektionskrankheiten als richtig erkannt sind. Denn wie bei
anderen Infektionskrankheiten sehen wir auch bei der Brustseuche
nach dem Ueberstehen derselben eine Immunität, während andererseits
gewisse Umstände eine Disposition zu dieser Krankheit hervorrufen.
Mit diesen beiden Eigenschaften hat sich die Gesundheitspflege bei
der Brustseuche nicht nur immer beschäftigt, sondern sie bleiben auch
jetzt noch dauernd Gegenstand der Forschung. Leider haben bisher
alle Versuche, welche zur Aufgabe hatten, durch Schutzimpfungen
Immunität herbeizuführen, ein befriedigendes Ergebnis nicht gezeitigt.
Nun aber scheint es besonders bei der Brustseuche, daß nicht die
äußeren Krankheitsursachen allein für die Entstehung der Krankheit
ausschlaggebend sind, denn wir wissen, daß es schwer, vielleicht nur
vom Zufall abhängig ist, ein der Infektion ausgesetztes Pferd will¬
kürlich zur spezifischen Erkrankung zu bringen. Es müssen deshalb
im Pferdekörper gewisse Schutzvorrichtungen gegeben und vorhanden
sein. Eine besondere Aufgabe der Gesundheitspflege muß es nun sein,
die dem Körper innewohnenden Abwehrvorrichtungen in ihrer Wirkung
zu erhöhen, um die Pferde vor Erkrankungen zu schützen bzw. bei
eingetretener Gesundheitsstörung einen schnellen und leichten Ablauf
derselben herbeizuführen. Dies dürfte möglich und erreichbar sein
durch Steigerung der Widerstandskraft gegen die äußeren Schädlich¬
keiten und dadurch bedingter Fähigkeit die etwa in den Körper ein¬
gedrungenen Infektionserreger abzutöten bzw. unschädlich zu machen.
Diese natürlichen Waffen des Körpers können nun ungünstig und
Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in den Ställen. 301
günstig beeinflußt werden. Erfahrungsgemäß bilden ungünstige Um¬
stände mangelhafte Ernährung, Anstrengung und Erkältung, günstige
werden geschaffen durch naturgemäße Haltung, Abhärtung und der
Leistungsfähigkeit entsprechende Arbeit.
Da wir nun gezwungen sind, die zur Arbeit bestimmten Pferde
in Ställen zu halten und zu verpflegen, wird der Aufenthalt in den¬
selben so gestaltet werden müssen, daß alle nachteiligen Folgen dieser
nicht naturgemäßen Haltung möglichst abgeschwächt werden. Deshalb
werden auch in den Ställen alle diejenigen Vorrichtungen getroffen,
die Technik und Wissenschaft als zweckdienlich befunden haben,
namentlich wird durch besondere Ventilationsanlagen auf Herbei¬
führung und Erhaltung einer frischen, gesunden Stallluft abgezielt,
ohne daß die Stalltemperatur unter eine gewisse Grenze sinkt. Als
letztere gilt gewöhnlich in Pferdeställen eine Temperatur von ca. 10° C.
Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß eine niedrigere Temperatur
das Wohlbefinden der Pferde weniger beeinträchtigt als eine höhere,
und daß die Pferde gesundheitlich am meisten leiden, wenn die Stall¬
luft mit Wasserdampf nahezu gesättigt ist.
Man hört nun aber recht oft die Klage — nicht nur von mili¬
tärischer, sondern besonders von landwirtschaftlicher Seite —, daß in
den alten früher benutzten Ställen weniger Seuchen vorgekommen seien,
als in den neuen, nach allen Regeln der Kunst erbauten Unterkunfts¬
räumen. Zweifellos hat diese richtige Beobachtung ihren Grund teil¬
weise in den veränderten Verkehrsverhältnissen, dem leichteren und
häufigeren Wechsel des Viehstandes und dem durch die Eisenbahnver¬
bindungen beschleunigten Verkehr und erleichterten Handel, durch den
von weither Seuchen eingeschleppt werden können. Infolge der vor¬
züglichen Seuchen-Vorschriften spielt aber beim Militär dieser Umstand
eine mehr oder weniger untergeordnete Rolle, obgleich durch Neuankäufe
und besonders bei Einquartierung eine Aufnahme und Einschleppung von
Ansteckungsstoffen nicht gerade zu den Seltenheiten gehört. Aber
diese Momente kamen auch früher schon in Betracht und können nicht
den Grund für die häufigeren Seuchenausbrüche in der neueren Zeit
allein abgeben. Dieser liegt vielmehr in den heutigen massiven Ställen
selbst, die architektonisch sehr schön doch vielfach zweckmäßiger
hygienischer Einrichtungen entbehren oder solche Fehler im Bau, Bau¬
material, Anlage der Mauern und Decken aufweisen, daß gut angelegte
Vorrichtungen nicht zur Wirkung kommen können. Besonders bezieht
sich dies auf die Vorkehrungen, die der Lufterneuerung dienen sollen.
302
LUDEWIG,
Diese können vorzüglich in der Konstruktion sein und nicht funk¬
tionieren, weil sie willkürlich nicht in Betrieb gesetzt werden, oder weil
sie für die gegebenen Verhältnisse nach keiner Richtung hin passen.
Besonders bei den VentilationsVorrichtungen bedingen oft kleine
Mängel große Störungen und Fehler, weil Konstruktion und Material
nicht nach einem Schema, sondern nach den gegebenen lokalen Ver¬
hältnissen gewählt werden müssen. Naturgemäß ist beim Architekten
nicht diejenige Kenntnis der Hygiene vorauszusetzen, die beim Tier¬
arzt gesucht werden muß, und es werden dann Anlagen geschaffen,
die sich später als ungenügend erweisen, weil der Rat eines sachver¬
ständigen Hygienikers nicht eingeholt oder nicht befolgt wird, ln
anderen Veröffentlichungen habe ich hierauf bereits hingewiesen und
der wünschenswerten Zusammenarbeit Erwähnung getan.
Die ergiebigste und bequemste Weise schlechte Luft aus den
Ställen weg und gute frische Luft zuzuführen, geschieht durch die
Fenster, die aber der Regel nach mehr geschlossen gehalten werden
als der Stallluft und den Stallinsassen gut ist. Wirken nun auch die
Lüftungseinrichtungen wenig oder gar nicht, so häufen sich übel¬
riechende Gase und Feuchtigkeit dermaßen an, daß der Aufenthalt in
einem solchen Stalle sich zu einer Qual für die Tiere gestaltet. Es
treten nicht nur Schäden der Gesundheit durch mangelhafte und ver¬
hinderte Wärmeabgabe ein, sondern der ganze Körper wird verweich¬
licht und anfällig gegen jeden Luftzug und Abkühlung und disponiert
zu Infektionskrankheiten. Die Ueberlegung, daß das dienende Per¬
sonal nur schwer von der Fehlerhaftigkeit der beliebten Warmhaltung
der Stallungen zu überzeugen ist und der Umstand, daß der Schaden
die Besitzer und die die Verantwortung tragenden Personen trifft, deren
Einsicht sich gegen die Folgen der angegebenen Mängel nicht ver¬
schließt, waren die Veranlassung, daß ich bereits vor 25 Jahren
empfahl die üblen Folgen des willkürlichen Schließens der Fenster
dadurch zu verhüten, daß dieselben durch feste Gazefenster ersetzt
würden. Die beobachteten ausgezeichneten Erfolge in Rindviehställen
legten es nahe, auch für Pferdeställe derartige Vorrichtungen dort zu
empfehlen, wo nur ein mangelhafter Luftwechsel herbeizuführen ist.
Es fehlte aber an einer wissenschaftlich begründeten Grundlage und
an Versuchen, die über die Größe des Widerstandes Aufschluß gaben,
welche der Luftzug durch Gazen verschiedener Maschenweite erfährt.
Durch die liebenswürdige Unterstützung des Herrn Oberstabsvete¬
rinär Troestcr und das dankenswerte Entgegenkommen des Herrn
Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in den Ställen. 303
Lautenschläger war es mir ermöglicht, einige Untersuchungen in
dieser Richtung auszuführen, die zur Klärung dieser Frage beizutragen
geeignet sind.
Die einfache Versuchsanordnung war folgende:
Ein Luftstrom von bestimmter Stärke — 5m— wurde durch
eine Röhre von 8 qcm lichter Oeffnung geleitet, in welche Gaze von
verschiedener Maschenweite als einfaches oder doppeltes Sieb einge¬
setzt werden konnte. Vor und hinter den Gazeplättchen waren U förmig
gekrümmte Röhren eingesetzt, die bis zu einer gewissen Höhe mit
gefärbtem Wasser gefüllt waren und dessen Niveauveränderung in dem
Schenkel einen Schluß auf die ansaugende bzw. Druckwirkung des
durchstreichenden Luitstroms zuließ. Die gewählten Gazen waren
Siebgazen mit vier verschiedenen Drahtstärken und Maschenweiten.
Sieb Drahtstärke
1 1 mm
2 0,66 mm
3 0,44 mm
4 0,1 mm
Maschenweite
2 mm
1 mm
0,88 mm
0,33 mm
In der lichten Oeffnung des Rohres von 8 qcm bot
Sieb
1
2
3
4
Maschen
81
256
576
5184
Die freie Oeffnung von 8 qcm entspricht einer quadratischen Oeff¬
nung von 2,9 cm Seitenläüge.
Auf diese kommen bei Sieb 1 (weit) ca. 9 Drähte
r> n 2 n 16 n
n - 3 ü 24
« A 4 (eng) „ 72 „
Versuch 1. Wurde nun der Luftstrom durch die offene Röhre
geleitet, so übte derselbe auf das Manometer der Eingangsöffnung der¬
artig saugend, daß das Wasser im langen Schenkel um 43 cm in die
Höhe stieg, an der Ausgangsöffnung aber keine Veränderung eintrat,
auch die Stromstärke zeigte keine Schwächung der Geschwindigkeit.
Versuch 2. Sieb 1. Eingangsöffnung, Druckabnahme im Ein-
gangsmanoroetcr 32 mm, Druckabnahme im Ausgangsmanometer 0 mm.
304 LUDEWIG,
Versuch 3. Je 1 Sieb Nr. 1 an Eingangs- und Ausgangsöffnung,
Druckabnahme im Eingangsmanometer 23 mm, Drucksteigerung im
Ausgangsmanometer 8 mm.
Versuch 4. Je 1 Sieb Nr. 2 wie bei Versuch 3, Druckabnahmc
im Eingangsmanometer 21 mm, Drucksteigerung im Ausgangsmano-
raeter 10 mm.
Versuch 5. 1 Sieb Nr. 3 an der Eingangsöffnung, Druckab¬
nahme an dem Eingangsmanometer 30 mm, Drucksteigerung an dem
Ausgangsmanometer 2 mm.
Versuch 6. 1 Sieb Nr. 3 an der Ausgangsöffnung, Druckab¬
nahme an dem Eingangsmanometer 30 mm, Drucksteigerung an dem
Ausgangsmanometer 8 mm.
Versuch 7. 1 Sieb Nr. 4 an der Eingangsöffnung, Druckab¬
nahme an dem Eingangsraanometcr 21 mm, Drucksteigerung an dem
Ausgangsmanometer 0 mm.
Versuch 8. 1 Sieb Nr. 4 an der Ausgangsöffnung, Druckab¬
nahme au dem Eingangsmanometer 23 mm, Drucksteigerung an dem
Ausgangsmanometer 17 mm.
Versuch 9. Sieb Nr. 3 an der Eingangs- Sieb Nr. 1 an der Aus¬
gangsöffnung, Druckabnahme an dem Eingangsmanometer 27 mm,
Drucksteigerung an dem Ausgangsraanometer 15 mm.
Versuch 10. Sieb Nr. 1 an der Eingangs- Sieb Nr. 4 an der
Ausgangsöffnung, Druckabnahme in dem Eingangsmanometer 12 mm,
Drucksteigerung an dem Ausgangsmanometer 20 mm.
Versuch 11. Sieb Nr. 4 an der Eingangsöffnung, Sieb Nr. 3 an
derAusgangsöffnung, Druckabnahme an dem Eingangsmanometer 12 mm,
Drucksteigerung an dem Ausgangsmanoraeter 12 mm.
Versuch 12. Sieb Nr. 3 an der Eingangsöffnung, Sieb Nr. 4 an
derAusgangsöffnung, Druckabnahrae an dem Eingangsmanometer 13 mm,
Drucksteigerung an dem Ausgangsmanometer 20 mm.
Bezüglich der Luftgeschwindigkeit wurde in den Versuchen 1 und
2 keine nennenswerte Abnahme derselben beobachtet, ln den folgenden
Versuchen verhielt sich die Luftgeschwindigkeit an der Ausgangsöff¬
nung in folgender Weise:
Versuch 3 . .
. 3 ni
Versuch 8 .
. 3 m
n 4
. . 3—4 m
* 9 • •
. 3 m
n 3 ■
. . 4 m
„ 10 . .
. 2—3
n 6 . ,
. . 4 m
» 11 • •
. 2 m
r?
t.
4
. . 3—4 m
» 12 • •
. 1—2 m.
Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in den Ställen. 305
Es ergibt sich also, daß eine Verringerung der Geschwindigkeit
des Luftstroms (5 in bedeutet Wind, 3 m der gewöhnliche Luftstrom,
welcher für das Gefühl den Eindruck der Erfrischung macht) nicht
einfach eine Funktion der Beschränkung der freien Oeffnung ist, denn
Siebweite 4 läßt absolut die meiste freie Oeffnung, sondern bedingt
wird durch Reibungswiderstände, die durch die Maschenweite und die
Drahtstärke gegeben werden.
Für die Praxis dürfte aus den Versuchen zu folgern sein, daß
Fenster aus Drahtgaze von etwa 0,6 mm Drahtstärke und
einer Maschenweite 0,5—1,0 mm besonders dann auch bei
lebhafter Luftbewegung eine erhebliche Abschwächung der
Luftgeschwindigkeit und einen ergiebigen Luftwechsel her¬
beizuführen vermögen, wenn sie als Doppelfenster kon¬
struiert, an der Windseite der Ställe angebracht sind. Eine
wesentlich größere Maschenweite der Gazefenster aber wird notwendig
sein (bis zu 5 mm) an den windabgelegenen Seiten um eine genügende
Saugwirkung zu erzielen, wobei zu berücksichtigen bleibt, daß all¬
mählich durch Staub eine Verkleinerung der Maschenweite eintritt.
Es bedarf wohl kaum des Hinweises, daß eine derartige Anlage nicht
schematisch ausgeführt werden darf, sondern ein großes Verständnis
für hygienische Einrichtungen voraussetzt. Auch ist die Kenntnis
solcher Verhältnisse notwendig, welche je nach Umständen eine kleinere
oder größere Maschenweite oder die Benutzung anderer VentilationsVor¬
richtungen wünschenswert machen oder angezeigt erscheinen lassen.
Wenn der Einrichtung der Ställe für unsere Haustiere eine noch
größere, verständnisvollere Aufmerksamkeit geschenkt werden wird,
und wenn besonders die Anlagen für Lufterneuerung und Luftwechsel
den gegebenen örtlichen Verhältnissen entsprechend und nicht schema¬
tisch vorgesehen werden, sodaß den Tieren zu jeder Tages- und Jahres¬
zeit frische, reine Luft zur Verfügung steht, und wenn endlich die
Sympathie für Wärme auf die Stufe gebracht sein wird, die ihr zu¬
kommt, so werden für die Tiere so günstige Lebensbedingungen ge¬
boten, als dies überhaupt in Ställen möglich ist. Die Tiere werden
sich dann gut und kräftig entwickeln und die Resistenzfähigkeit er¬
werben, die zur Erhaltung der Gesundheit und zum natürlichen Schutz
gegen Seuchenkrankheiten notwendig ist.
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd.36. Suppl.-Band.
20
XVII.
Aus der Abteilung für Tierhygiene des Kaiser Wilhelm Instituts für
Landwirtschaft zu Bromberg.
Untersuchungen Ober die ostpreußische Beschälseuche
und ihre Beziehungen zur algerischen Dourine.
Von
Prof. Dr. H. Mießner, und Dr. K.-B. launisch,
Vorsteher der Abteilung Wissenschaft!. Hilfsarbeiter an d. Abteilung.
(Mit 6 Abbildungen im Tcit.)
Die Beschälseuche hat für Deutschland in neuerer Zeit dadurch
an Interesse gewonnen, daß sie ira Herbst des Jahres 1908 in den
östlichen Provinzen erneut durch die Veterinärräte Lorenz (28) und
Kleinpaul (24) festgestellt worden ist. Nach deren Ermittelungen
soll, wie Fröhner(19) angibt, im Herbst 1906 eine beschälseuche¬
kranke Stute von Rußland nach dem Kreise Lötzen in Ostpreußen
importiert worden sein. Diese ist dann von einem Privathengst ge¬
deckt worden, welcher wieder andere Stuten infizierte und endlich die
Veranlassung dazu gab, daß auch vier königliche Hengste aus den
Kreisen Johannisburg und Lyck im März 1908 an Beschälseuche er¬
krankten und diese Krankheit auf die in den genannten Bezirken ge¬
deckten Stuten übertrugen.
A. Die ostpreoßische Beschälseuche.
I. Untersuchungen im Seuchenbezirk.
Am 26. Oktober 1908 trafen in der Abteilung für Tierhygiene
des Kaiser Wilhelm Instituts aus Johannisburg zur Untersuchung auf
Trypanosomen zwei tote Mäuse ein, welche von Veterinärrat Kl ein-
paul bzw. seinem Assistenten Dr. Neu mann mit Nasendejckt von
beschälseuchekranken Stuten infiziert worden waren. Außer ver¬
schiedenen Kokken ließ sich bei diesen Tieren nichts nachweisen, ins¬
besondere konnten Trypanosomen nicht ermittelt werden.
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc.
307
Mit dem Herzblut dieser Mäuse wurde ein Kaninchen, zwei Ratten
und vier Mäuse infiziert, die sämtlich am Leben blieben.
Am gleichen Tage traf defibriniertes Blut von vier beschäl¬
seuchekranken Pferden der Besitzer Herrmann, Skowronek,
Kozlowski und Morsa ein. Das Blut wurde sowohl im hängenden
Tropfen als auch nach Giemsa gefärbt auf die Anwesenheit von Try¬
panosomen untersucht, jedoch stets ohne Erfolg. Mit dem Blute eines
jeden Tieres wurden je ein Kaninchen intraperitoneal, zwei Ratten so¬
wie eine Maus subkutan infiziert. Keines der Tiere wies jemals Try¬
panosomen auf.
Am 27. Oktober 1908 traf eine tote Maus in der tierhygie¬
nischen Abteilung ein, die ebenfalls mit Nasendejekt beschälseuche¬
kranker Pferde infiziert worden war; auch bei ihr konnten Try¬
panosomen nicht nachgewiesen werden.
Am 9. November 1908 wurden einige beschälseuchekranke
Stuten und zwei Hengste aus den Kreisen Johannisburg und Lyck
an Ort und Stelle einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Wir
möchten nicht verfehlen, für die liebenswürdige Unterstützung der
Herren Kleinpaul, Lorenz und Neuraann unseren besten Dank
zum Ausdruck zu bringen.
Zur Untersuchung gelangten folgende Tiere:
Stute l,
dem Besitzer Kozlowski aus Osranken gehörig, ca. 4 Jahre alt.
Die Stute sollte häufig urinieren. Das abgemagerte Tier zeigte eine Rektal¬
temperatur von 38,4° C. Das Deckhaar war glanzlos. Geringer glasiger Ausfluß
aus der Nase machto sich bemerkbar. Auf den Schleimhäuten beider Nasen-
öffnungen fanden sich mehrere, ungefähr pfennigstückgroße gelbe Schorfe. Die
Gefäße der Nasenschleimhäute und Lidbindehäute waren ramiform injiziert. Die
weitere Untersuchung der Augen führte nur zur Feststellung des Bestehens ge¬
ringer Lichtscheu. Die Kehlgangslymphknoten waren rechterseits bis zur Größe
einer Haselnuß geschwollen, aber nicht mit denen der anderen Seite verwachsen.
Die normaliter schwarz pigmentierte Haut der Schamlippen und der unmittelbar be¬
nachbarten Schenkelpartieen zeigte mehrere pfennig- bis markstückgroße pigment¬
freie Stellen. Die Labien waren stark geschwollen, weshalb der Scheidenspalt
gering geöffnet war. Aus ihm flössen spärliche Mengen zähflüssigen, glasigen
Schleimes. Die Schamlippen waren in unmittelbarer Nähe des Scheidenspaltes
von zahlreichen gelben abhebbaren Blättchen bedeckt, die von Harnsedimenten
herrührten, ein Befund, den auch die rosarote Seheidenschleimheit aufzuweisen
hatte. Der Kitzler war etwa haselnußgroß. Nach mehrmaligem Herumführen
stellten sich die Symptome der Kreuzlahmheit ein. Die Stute atmete schon nach
8 Minuten währender Bewegung im Trabe sehr angestrengt und unter lautem
20*
M1ESSKEH üvä
brwniwenäen ^töhriert. Be» der Auskultation waren pteifcmie und schwebende
uetiiui' be ih iifiien.
Eine sofort mit Scheidepscfrtmtft dieses; Pferdes subkutan infizierte Msu?
biiü-b gt-niid, ebenso wie zwei *oh' t'r. Nedmana einige Tage vorher mit dem
tusch »ätooa)ß'v>tton Blute dieser Suste »p Ctrl, rind Sielte ipiraiertö Mäuse, Desr
Scham der IwsHiälscuebeL-ranktm Sntie M"rsa
aie'.-licu waren ein 'lünineheit und *woi RhUen,- wel-'t,
®m* : dtflSfeE-i5e?es infi^ielt wtt«:'»iftejr, nMi i ix kr»okt
Rappstute 2,
dem Besitzer Iwanow ski aus Usnmk^j «rhüv;e, ca, 4 Uhre a.B.
Dem Vor bericht des HestwerÄ /nfulcv war sin um 21 AprilJltOStge<ieckt.
ftic HektaKemperatür der-s^lir äb^.iftages;e«i ine Schain-
Untersuchungen über die ostpreußiscbe Beschälseuche etc. 309
lippen wiesen pigmentlose Flecke auf, waren geschwollen und demzufolge war der
Scheidenspalt leicht geöffnet.
Puchsstute 3,
dem Besitzer Morsa aus Kotten gehörig, 10 Jahre alt.
Sie war am 1. Mai und 10. Juni 1908 von einem besohälseuchekranken
Hengst gedeckt worden. Der Ausfluß aus der Scheide und die beginnende Ab¬
magerung wurden 14 Tage nach dem zweiten Deckakt bemerkt. Rektaltemperatur
38,9° C. Das Euter war stark geschwollen, schmerzhaft und warm, trotzdem die
Stute zwei Jahre lang nicht trächtig gewesen ist. Sowohl die Haut der Scham¬
lippen als die des Afters wies (conf. Fig. 1) pigmentlose Flecke auf. Die Scham¬
lippen waren verdickt und der Scheidenspalt war geöffnet. Die Schleimhaut der
Scheide war mäßig geschwollen.
An Ort und Stelle wurde eine Maus, 24 Stunden später wurden ein
Kaninchen und eine Ratte mit Scheidenschleim und mit Blut infiziert. Keines der
Tiere erkrankte.
Braune Stute 4,
dem Besitzer Dzinziol aus Osranken gehörig, ca. 12 Jahre alt.
Sie war stark abgemagert. Die mit pigmentlosen Stellen bedeckten Scham¬
lippen waren gesohwollen, die Schamspalte war geöffnet. Beim Laufen schwankte
die Stute.
Fuchsstute 5,
dem Besitzer Witte aus Rakowen gehörig.
Sie war gut genährt. In der rechten Sattellage befand sich ein Talerfleck.
Die Scheidenschleimhaut war geschwollen. Es bestand ein eiterähnlicher Ausfluß
aus der Scheide.
Eiue mit Scheidenschleim sofort infizierte Maus starb nach drei Tagen inter¬
kurrent.
Fuchsstute 6,
desselben Besitzers.
Sie war gut genährt. Am Bauche bestand, vom Euter ausgehend, starke
Schwellung.
Eine mit Scheidenschleim subkutan infizierte Maus blieb gesund.
Fuchshengst 7,
dem Besitzer Erdt aus Monken gehörig.
Das Tier, belgischer Abstammung, war am 7. Juni 1908 offensichtlich er¬
krankt und zeigte seit dem Juli 1908 vollständige Penislähmung. Bei dem sehr
stark abgemagerten Hengst hing der ausgesohachtete Penis in Länge von x / 4 m
schlaff herunter. Durch das Schlagen des männlichen Gliedes gegen die Innen¬
fläche der Schenkel beim Laufen hatten sich auf der Haut des Penis zahlreiche
Wunden gebildet, die zum Teil mit Schorfen bedeckt waren.
Mit Blut dieses Tieres wurden an Ort und Stelle und an dem folgenden
Tage je ein Kaninchen und eine Ratte infiziert, ohne daß die Tiere erkrankten.
Brauner Hengst 8,
demselben Besitzer gehörig.
Der Hengst, ebenfalls belgischer Abstammung, hatte am 8. Juli 1908 eine
310
MIESSNER und IMMISCH,
Stute gedeckt, die am 28. Mai 1908 von einem beschälseuchekranken Hengst er¬
folglos gedeckt worden war. Am 7. Oktober 1908 wurden die ersten Krankheits¬
erscheinungen, Quaddeln, Talerflecke und Sohwellung des Schlauches, beobachtet.
Mit 24 Stunden altem Blut wurden ein Kaninchen und eine Ratte in¬
traperitoneal infiziert, ohne zu erkranken.
Die beiden Hengste des Erdt-Monken sind in der Arbeit von Lorenz (28)
und Kleinpaul (24) abgebildet.
Stute 9,
aus Sareiken.
Am 8. und 15. Juli 1908 sowie am 21. September 1908 war die Stute von
einem beschälseuchekranken Hengst gedeckt worden. Die ersten Veränderungen
wurden Mitte Oktober beobachtet. Zur Zeit der Untersuchung lag die Stute hilf¬
los am Boden, sie war nicht imstande, sich zu erheben. Drei Tage später soll
sie zugrunde gegangen sein.
Ein mit 24 Stunden altem Bluto infiziertes Kaninchen bzw. eine Ratte er¬
krankten nicht.
II. Untersuchungen im Institut.
Mit je 20 ccm Mischblut der Pferde 1, 3, 7, 8 und 9 wurden
etwa 24 Stunden nach der Entnahme in der Abteilung für Tierhygiene
zu Bromberg ein Hund und ein Pferd subkutan infiziert. Außerdem
wurden die an Ort und Stelle vom Blut und Scheidenschleim sämt¬
licher untersuchter Stuten bzw. vom Harnröhrensekret der beiden
Hengste und von der Gewebsflüssigkeit der Talerflecke der Stute 5
angefertigten Ausstrichpräparate einer mikroskopischen Untersuchung
unterworfen. Diese fiel mit Ausnahme der mit Scheidensekret be¬
schickten Präparate der Stute Morsa negativ aus. In dem Scheiden¬
sekret dieses Tieres konnten vereinzelte Trypanosomen
nachgewiesen werden, die mit Scheidenschleim dieser Stute an
Ort und Stelle infizierte Maus zeigte jedoch keine Trypanosomen. Der
Nachweis von Trypanosomen in dem Scheidensekret der Stute Morsa
gab die Veranlassung dazu, daß die Abteilung dieses Tier ankaufte
und am 1. Dezember 1908 in den Besitz der Fuchsstute gelangte.
1. Beschälseuchekranke Stute Morsa.
Am Tage der Einlieferung der Stute in die tierhygienische Ab¬
teilung konnten im Scheidenschleim keine Trypanosomen nachgewiesen
werden. Ebensowenig gelang dies auch in den folgenden 16 Tagen,
trotzdem der Scheidenschleim täglich und in mehreren Präparaten
untersucht wurde. Die Temperatur des Tieres hielt sich dauernd auf
normaler Höhe. Der Appetit war gut. Die Atmung war im Stande
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc.
311
der Ruhe normal. Die rechte Euterhälfte war stärker angeschwollen
als die linke. Die Untersuchung des Blutes aus der Scheide und dem
Euter verlief stets negativ.
Am 15. Dezember 1908 wurden zwei Hunde und zwei Kaninchen mit je
10 bzw. 1 ccm frisch aus dem Euter entnommenen Blutes subkutan infiziert.
Auch diese Tiere blieben gesund und zeigten selbst nach ein Jahr langer Be¬
obachtung nicht die geringsten Veränderungen, ebensowenig konnten in dem
Blute derselben jemals Trypanosomen nachgewiesen werden.
Am 17. Dezember 1908 traten plötzlich wieder vereinzelte Trypanosomen im
Scheidenschleim auf, die an den folgenden Tagen an Menge derart Zunahmen,
daß sie mit Leichtigkeit im hängenden Tropfen nachgewiesen werden konnten.
Die Trypanosomen verschwanden jedoch nach einigen Tagen und ließen sich am
23. Dezember 1908 nieht mehr nachweisen. Am 19. Dezember 1908, dem Tage,
an welchem die meisten Trypanosomen im Scheidenschleim vorhanden waren, die
sich durch ihre lebhafte Beweglichkeit auszeichneten, wurde mit dem Scheiden¬
schleim eine größere Anzahl von Tieren, sowie einige mit Blut infiziert. Das
Material gewannen wir mit Hilfe eines Scheidenlöffels aus der Scheide; dieses
wurde dann mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt und wenige Minuten
nach der Entnahme sofort den betreffenden Tieren eingespritzt. Infiziert wurden
a) mit Scheidenschleim: vier Kaninchen intraperitoneal, zwei Kaninchen subkutan,
zwei Kaninchen intravaginal, zwei Ratten intraperitoneal, sechs Mäuse subkutan,
ein Hund intraperitoneal, eine Hündin intravaginal, ein Hengst subkutan und
intravenös, b) mit Blut: ein Kaninchen intraperitonoal, zwei Mäuse subkutan.
Sämtliche Tiere sind in kurzen Zwischenräumen auf Trypanosomen unter¬
sucht worden, ohne daß es bis heute gelungen wäre, bei ihnen solche nach¬
zuweisen.
In der Folgezeit zeigte die Stute Morsa eine Zunahme der Schwellung am
Euter und an dor rechten Hintergliedmaße; diese dehnte sich zunächst auf die
oberen, später aber auch auf die unteren Partien des rechten Hinterfußes aus,
sodaß dieser an Umfang stark vermehrt war. Der Zustand der Stute verschlechterte
sich, die Abmagerung nahm weiterhin zu, desgleichen auch die Kreuzscbwäche.
Am 21. Februar 1909 war die Stute nicht imstande, sich ohne Hilfe vom Lager
zu erheben, die Folge davon war, daß sich das Tier seit dieser Zeit nicht mehr
legte. Die Schwellung am Euter schritt bis zum Brustbein fort, war schmerzhaft
und fühlte sich ziemlich fest an. Das Gewicht der Fuchsstute Morsa betrug:
am 14. 12. 1908 . . . 375 kg
„ 31. 12. 1908 .. . 3G0
. 2. 2. 1909 . . . 334
„ 23. 2. 1909 . . . 335
„ 22. 3. 1909 ... 350
„ 5. 4. 1909 .. . 348
„ 24. 4. 1909 . . . 370
„ 4. 5. 1909 ... 370
„ 14, 5. 1909 .. . 370
am
4.
6. 1909 .
. . 368 kg
77
3.
7.
1909 .
. . 396 „
17
4.
8.
1909 .
. . 413 „
17
4.
9.
1909 .
. . 420 „
11
4.
10.
1909 .
. . 430 „
11
4.
11.
1909 .
. . 420 „
11
4.
12.
1909 .
. . 416 „
71
4.
1.
1910 .
. . 409 „
17
4.
2.
1910 .
, . . 392 ,.
7 1
14.
3.
1910 .
. . . 400 „
71
312
MIESSNER und IMMISCH,
Die Untersuchung des Blutes aus den ödematösen Teilen ist stets negativ
verlaufen.
Euterblut der Stute Morsa wurde am 1. März 1909 subkutan injiziert in
Mengen von 80 ccm dem Versuchspferd 809, von je 20 ccm zwei Hunden,
von denen der eine bereits am 15. September eine Injektion von Blut der Stute
Morsa erhalten hatte. Ueber den weiteren Verlauf des Versuches mit Pferd 809
ist auf Seite 317 berichtet. Die in der Folgezeit sich zeigenden Veränderungen des
Gesundheitszustandes der Stute Morsa sollen auf Seite 333 bei Besprechung der
chemotherapeutischen Versuche Erwähnung finden.
Der eine zum ersten Male mit Euterblut infizierte Hund erkrankte nach
10 Monaten unter Lähmungserscheinungen und ging vier Tage darauf am 6. Januar
1910 zugrunde. Bei der Obduktion wurde eine Schwellung der Leber, Milz und
Nieren beobachtet und ikterische Verfärbung der Organe.
Mit Blut von diesem Hunde, welches kurz vor dem Tode entnommen worden
war, sind am 6. Januar 1910 fünf Mäuse infiziert worden. Von diesen Mäusen
erkrankten drei nach 14 bzw. 23 Tagen und zeigten zahlreiche Trypanosomen im
Blute. Auf diesen Fall, welcher deswegen besonders beachtenswert ist, weil die
Uebertragung von Trypanosomen der Beschälseuche auf kleine Versuchstiere ge¬
lungen ist, kommen wir auf Seite 331 noch zurück.
2. Beschälseuchekranke Mutterstute.
Ara 3. Februar 1909 trafen auf ministerielle Anordnung zwei
beschälseuchekranke Stuten aus dem Kreise Lyck hierselbst ein.
Das eine der Tiere, eine 7 Jahre alte, gut genährte Fuchsstute, ist
am 29. Mai 1908 sowie am 28. und 29. Juni 1908 von dem beschäl¬
seuchekranken Königlichen Landbeschäler Ali (43) gedeckt worden.
Die ersten Symptome der Seuche zeigten sich nach den brieflichen
Mitteilungen von Lorenz an dieser Stute am 4. November 1908 in
Schwellung und Rötung der Scheidenschleimhaut.
Bei der Ankunft hierselbst waren an dem Pferde außer einer geringgradigen
einseitigen Fazialislähmung, infolge deren die Oberlippe nach rechts gezogen war,
Veränderungen nicht zu bemerken. Das Pferd war sehr munter, hatte glänzendes
Deckhaar, keine erhöhte Temperatur, gute Freßlust und nahm auch an Gewicht
zu. Schamlippen und Scheide waren nicht geschwollen. Auf Grund einer dies¬
bezüglichen Untersuchung schien die Stute im letzten Drittel der Trächtigkeits-
periode zu stehen. Mikroskopisch ließen sich bei den periodischen Untersuchungen
niemals Trypanosomen nachweisen.
Zehn Mäuse wurden mit je 0,2 ccm defibriniertem Blut dieses Pferdes in¬
fiziert und blieben gesund.
Am 24. Mai 1909 wurde ein gut entwickeltes Stutfohlen geboren, das in der
Folgezeit gleichmäßig an Gewicht zunahm. Die Fohlenstute selbst magerte im
Laufe der Zeit nur unwesentlich ab. Außer der Fazialislähmung trat auch eine
Lähmung des Nervus mentalis durch anfänglich geringgradiges, später aber
stärkeres Herunterhängen der Unterlippe in Erscheinung, so daß eine Schließung
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 313
der Mundspalte unmöglich war. Die Stute mußte am 25. August 1909 infolge
eines Bruches des Femurs getötet werden. Besondere pathologische Veränderungen
konnten bei der Obduktion der Stute nioht ermittelt werden.
3. Beschälseuchekranke Rappstute.
Das zweite Tier, eine 4 Jahre alte Rappstute war am 28. Mai
und 25. Juni 1908 gleichfalls von dem Hengst Ali gedeckt worden.
Die Seuche wurde bei ihr am 30. Oktober 1908 festgestellt. Die
Stute war damals mager, fraß schlecht, hatte eitrigen Nasenausfluß
und ein schniebendes Atemgeräusch. Die Schamlippen und Scheiden¬
schleimhaut waren geschwollen. Da durch die beiden ersten Deck¬
akte eine Befruchtung nicht eintrat, so wurde die Stute am 8. Juli
von einem Privathengst des Besitzers Erdt nochmals gedeckt. Der
von dieser Stute angesteckte Hengst war typisch an Beschälseuche
erkrankt und entspricht dem oben auf Seite 309 unter Nr. 8 beschriebenen.
Klinischer Befund. Die Stute war bei ihrer Aufnahme in die Instituts¬
stallungen sehr abgemagert und hatte struppiges Deckhaar. Der Appetit war gut.
Das gelegentlich der Anamnese erwähnte schniebende Atemgeräusch war stets in
gleichem Maße vorhanden; selbst nach vorheriger Bewegung konnte keine wesent¬
liche Vermehrung beobachtet werden. Aus den Nasenöffnungen ergoß sich eine
geringe Menge eines ziemlich dünnflüssigen, schwach geblich gefärbten Sekretes,
linkerseits war der Ausfluß etwas stärker. Die Oberlippe zeigte eine Verschiebung
nach links, was auf eine einseitige Fazialislähmung hindeutete. Schwellungen
von Lymphknoten, insbesondere der des Kehlganges, konnten nicht festgestellt
werden. Die mit pigmentlosen Stellen bedeckten Schamlippen waren verdickt.
Die Schamspalte stand offen. Die Schleimhaut der Scheide erschien gerötet und
war leicht geschwollen. Bei Bewegung der Stute konnte ein unsicherer Gang be¬
obachtet werden. Während der Gesundheitszustand der Stute vom Tage ihrer
Einlieferung an bis zum 1. März keineswegs bedenklich erschien, zeigte sie an
diesem Tage eine derartige Schwäche, daß sie kaum imstande war, sich stehend
zu erhalten. Sie fiel in der Nacht vom 1. zum 2. März um. Mit Hilfe des Hänge¬
zeugs wurde sie einige Tage stehend erhalten. Da sich trotzdem der Zustand
nicht besserte, so wurde die Stute am 5. März 1909 getötet (conf. Fig. 2).
Obduktionsbefund. Der Kadaver war stark abgemagert. Die äußere
Besichtigung ergab außer einigen Defekten der Haut am Kopfe, an dem Jochbogen
und der Angesichtsleiste, die mit blutigen Schorfen bedeckt waren, keine patho¬
logischen Veränderungen; die Haut war an allen Stellen weich und konnte von
ihrer Unterlage abgehoben werden. Irgendwelche dekubitalen Veränderungen be¬
standen nicht. Die Kornea war von Trübungen vollkommen frei. Die Lidbinde-
bäute erschienen rosarot, ebenso die Schleimhaut der geschlossenen Mundhöhle.
Die sichtbaren Schleimhäute der Nase waren ebenfalls rosarot gefärbt und mit
einem schwach gelblichen Sekret bedeckt.
Die Serosa des Magendarmkanals war überall glatt und glänzend, in der
Schleimhaut der Kardiadrüsenregion und des Anfangsteils des Zwölffingerdarms
imd UfWSOH
saiten G;i>tropfiUw$lar^fü Dpt Öimrjdanä über 180 Askariden
von■ -v.*>?'■ vch<e*1 *s*^» hiiivit. d.«e SehleiQibaut war *n euizeinen Stellen schwach ,ge-
iiiiH.1..-. \m rengioti den Beginn einer trüben Schwellung. Uie übrigen
Organe lief ibvuehkuhie *owie die der Brusthöhle ließen Weder äußerlich noch
n^ofe : Ädio^bfe' vtfn Scljtn[t;tlläf'hen irgendwelche^^ piiüvotogbstfhen Prozesse erkennen.
Die weih Heben DeschJedvt^nr^äh’e wiesen AuGf-r einer geringen •Bötling der
.ScbeidenschlBtmhHül keine Verifiiieuingetj m( t insonderheit mr die Sehleimhaut
der tiebarinutUr ohne entzündliche Prozesse, Die Ovarien waren von Hiihnerei-
groüe, auf der Schnittfläche ziemlich detb .und Helten versdiirdene erbsen- bis
B (aifcoy ei Ra pps hi.j «\
hascinuLS^robe Hühl er* erkennen, die .not - einer Kh\m\. w/Uvntien jnn.ssigkdiftit-
gtfi'ütU waren.
Bei der Kxernemion des ilßhrrivs ergaben $ich M*»ne Br Sonderheiten. 1)0
Rnekerirnark erschien uieiehlalis unverandnt «ml lieh auf forsch «Bien ciftttHfcfc'
die dorsalen und ventralen Hörner eittennen. 4# Eintel 1 des Hiu^keronarkkane)^
dort, wo das Rückenmark sich, in eine Anzah.J/IYdc >1 1 <v iO.vJih r-,u'na), fand
sieh eine klare, leicht gelblich gri/uld? pl ossig Indi. Der Pie tos brachial 1-5 ond
ß&cralte sowie die von ihren ai^gehfndort grüßeren und klyin^cn Nerrenäsfe
lagen in eine gfillertige, gelbtv ’M Ag&r* .gi.itg'efenl^lV'"' : ibtdurfK : w$rm
di«- umgebe.tuten MnskelwassKn, die von me*- Käthe und troctemir .{von/isvvnz
waren. deutlich von dem ner^oven Gelobe gen^rmf \md Yeibst die. feineren Mü^od*
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 315
äste ließen sich bis zu den Enden der Extremitäten leicht verfolgen. Die über
den größeren, oberflächlicheren Nervenstämmen befindliche Unterhaut war trocken.
Histologischer Befund. Am Gehirn konnten keine pathologischen
Prozesse ermittelt werden.
Das Rückenmark zeigte ebenfalls keine Veränderungen.
Wesentlich verschieden hiervon waren die Befunde an den peripheren
Nerven. Entsprechend den gallertigen die Nervon umgebenden Massen wies auch
das mikroskopische Bild nicht jenen einheitlichen Bau auf, wie wir ihn bei Quer¬
schnitten durch normales Nervengewebe zu sehen gewohnt sind. Das den ganzen
Nervenstrang umgebende Bindegewebe war aufgelockert. An Stelle der Fettzellen
war die gallertige Masse getreten, zwischen der sich einzelne spärliche, zellarme
Bindegewebsfaserstränge hinzogen. Das Perineurium zeigte eine Verdickung von
wechselnder Stärke. An seiner dem Nerven zugekehrten Seite fanden sich bis¬
weilen einzelne Rundzellen, zumeist aber waren auf dem Querschnitte halbmond¬
förmig erscheinende freie Stellen vorhanden, in denen sich ebenfalls jene die
Nervenzüge von außen umgebenden gallertigen Massen befunden hatten. Das
beim normalen Nervengewebe nur in Form feinster Septen zu erkennende Endo-
neurium zeigte einen erheblichen Schwund und war durch die gallertigen Massen
ersetzt worden. In analoger Weise waren auch die Nervenfasern selbst in
wechselnder Zahl zum Schwinden gebracht. In der Umgebung der zu den Nerven
führenden Gefäße machte sich eine kleinzellige Infiltration geltend.
Am Herzen waren eigenartige Veränderungen der Purkineschen Fäden zu
beobachten. Diese Fäden werden von Lungwitz (14) „als unter dem Endokard
gelegene Fasern bezeichnet“, die mit den Herzmuskelfasern Zusammenhängen und
von einer bindegewebigen, „elastische Fasern enthaltenden Scheide umgeben sind“.
Diese Fäden sind aus einer oder mehreren Reihen von polyedrischen Zellen zu¬
sammengesetzt, „die aus einer quergestreiften, Fibrillen enthaltenden Wandsohicht
und aus einer zentralen hellen Sarkoplasmazone bestehen“. „Zwischen beiden
befindet sich oft eine feingranulierte Protoplasmamasse mit einigen feinen, schein¬
bar unvollkommen entwickelten Fibrillen. Die helle zentrale Zone, welche in
ihren Randpartien reich an Pigmentkörnchen sein kann, schließt die bläschen¬
artigen Zellkerne ein, von denen in der Regel einer oder zwei, selten mehr (bis
vier) mit einem oder zwei Kernkörperchen vorhanden sind. Kittstreifen bzw.
Schaltstücke, wie bei den Herzmuskelfasern, sind zwischen den Zellen nicht vor¬
handen. Die Verbindung derselben untereinander besorgen die Fibrillen der
peripheren Zone, welche von einer Zelle ohne Unterbrechung in die andere
übergehen.“
In unserem Falle liegen die Purkin eschen Zellen zu einem erheblichen
Prozentsatz unter dem Endokard, doch fanden sich auch Stellen, wo die
Purkineschen Fäden vom Endokard durch Herzmuskelfaserzüge getrennt waren.
In den weitaus meisten Fällen konnte man eine dunkle periphere und eine
zentrale helle Zone deutlich unterscheiden, es wurden auch Zellen beobachtet,
bei denen dieser Unterschied vollkommen verwischt war. Bei diesen gingen durch
die zentralen Parteien zahlreiche fein granulierte Fäden in den verschiedensten
Richtungen durcheinander. Kerne wurden meistens an den Purkin eschen Zellen
vermißt.
316
MIESSNER und IMMISCH,
Auf dem mikroskopischen Längsschnitt der Niere sah man neben gut
erhaltenen und gefärbten Zellen und Zellkernen fleckweise Partien, in denen die
Struktur der Nierensubstanz verschwommen erschien. Solche Stellen ließen sich in
gleicher Weise an den gewundenen wie auch an den geraden Harnkanälchen be¬
obachten. Die Kerne der Zellen waren daselbst schwach gefärbt, eventuell fehlten
sie gänzlich. Die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen waren verwischt. Das
Protoplasma selbst wies feinste Körnelung auf. Einzelne Epithelien der Harn¬
kanälchen waren von ihrer Unterlage losgelöst und wurden im Lumen der Harn¬
kanälchen angetroffen.
Die Ovarien zeigten entsprechend dem makroskopischen Befunde zahlreiche
hasel- bis walnußgroße Follikelzysten. Das Stroma ließ nicht eine gleichmäßig
derbe bindegewebige Beschaffenheit erkennen, sondern das Bindegewebe war zu
einzelnen Strängen angeordnet, die ein regelloses Geflechtwerk bildeten. Das
Bindegewebe zeichnete sich durch einen außerordentlichen Reichtum an Kernen
aus. Auch das die Follikelzysten umgebende Bindegewebe war vermehrt. An
diese schloß sich die gut sichtbare Theca interna an. Auf diese folgten in sehr
unregelmäßiger Anordnung Zellen von bindegewebigem Charakter, untermischt mit
Zelltrümmern. Der Hohlraum der Zysten war mit einer feinkörnigen und fadigen
Masse angefüllt. In dieser Masse fanden sich in geringer Zahl zellige Elemente
eingelagert, insonderheit Bindegewebszellen, auch einige Zelltrümmer konnten er¬
mittelt werden, die sich mit Eosin gut gefärbt hatten und sich hinsichtlich ihrer
Größe und Form als Luteinzellen erwiesen.
Das Corpus cavernosum clitoridis zeigte bei schwacher Vergrößerung das
diesem Organ charakteristische Maschen- bzw. Balkenwerk, das Hohlräume von
verschiedener Form und Größe beherbergte. Bei starker Vergrößerung beobachtete
man, daß das Balkengerüst sich nicht aus soliden bindegewebigen Strängen zu¬
sammensetzte, sondern durch Einlagerung von strukturlosen Massen sowie degene¬
rierten Bindegewebszellen und Leuko- bzw. Lymphozyten aufgelockert erschien
und ein netzförmiges Ansehen erhielt.
Die Epithelien der Labia pudendi waren entsprechend den fleckweise zu be¬
obachtenden pigmentlosen Stellen frei von Pigmenteinlagerungcn. An einzelnen
Stellen enthielt die Keimschicht zwar kein Pigment, während dieses sich an den.
weiter oberflächenwärts gelegenen Epithelschichten mehr oder weniger deutlich
zeigte, ein Beweis für den Beginn der Depigmentation.
Zu Lebzeiten der Stute wurden Blut und Scheidenschleim in zwei- bis drei¬
tägigen Intervallen untersucht, ohne daß jemals die Ermittelung von Trypanosomen
gelungen wäre.
Infektionsversuche. Mit der Gebärmutter und dem frisch exstirpierten
Lendenmark des moribund getöteten Tieres wurden Uebertragungsversuche aus¬
geführt. Die genannten Teile wurden sofort nach dem Tode der Stute in einem
Mörser zerrieben und mit physiologischer Kochsalzlösung zu einer Emulsion an¬
gerührt. Mit Gebärmutteremulsion wurden infiziert zwei Mäuse, zwei Ratten, zwei
Kaninchen und ein Hund. Mit Lendenmark wurden infiziert zwei Mäuse, zwei
Ratten, zwei Kaninchen und ein Hund. Ferner erhielt ein Esel 30 ccm Gebärmutter¬
emulsion, 30 ccm Lendenmark und Lendenmarkflüssigkeit getrennt an beiden Seiten
des Halses unter die Haut gespritzt. Keines der angeführten Versuchstiere ist
Untersuchungen über die oslprentSisc.br> Be?chölseuche etc
bisher erkrankt und. bet keiftet» Untersnchungen xu
irgendeiner y.#it Trypannsönjini i«nctv«:«is«n, Aiit^ttUua «brdon mit 10 cc.w des
noch xu 'Lebzeiten der : Stute omnaniaüsöfc'n Biui.es 'infiziert: «in 8 Wochen alter
Hund, .weicher bis xum Abschintt der UntersuChungeii gesund blieb und die StuteSOS«,
4. Künstlich infizierte Stute 809,
Dieses Tic-f erhielt-am 2. März H)09 20 ccm fSlui der vorstehend*».
beschSe^u^tikr^ilten Rapp$ltt.tn und 80 ccm Blht aus dem Katter der
Morsa u \ H'ierjaarifif'r.^jjedetr' itn BefimifiTi
ücschä1#ueh^r4siifee}i Stute
Kiiai-vi;.;b inl'i/icru ,*Uuu §09.
des Tiere« in den 'folgenden drei Monaten ircomlweiebe Veränderungen
nicht beobachte!. Oaaegeti -machte. s‘icH im Monat .hm eine gewisse
Müdigkeit beim Fahrdienst - bemerkbar,, Auch wurden . zeit weist
«^wankende,- Bewegungen der Nachhsnd beabaejuet-
An» 15 Juni traten piützheh *0 der Uriierfläob?' des Bauches in einer Aus¬
breitung ton je I& om i&eiiiibh diH Mediftnltnro torseliiedelri« Anschwellungen auf,
dje-weniger bceurtig als hügelfuitoig erschienen. Am Vormblog des folgenden
der Mittei ries ersten .Drittels riet Hippen,
Tages zeigte sich auf d«r TechienvSolte
etwa zwei Handbreiten ißn ».ihm UiuVranon entfernt., ein Talerfleck, der nach ,Ab
■
M
ssfeh
ßÜfl
318
MIESSNER und IMMISCH,
rasieren der Haut siob als beetartige Erhebung erwies. Am 19. Juni zeigte die
Stute an den Vorderextremitäten eine ziemlich erhebliche Anschwellung, so daß
das Kronen* sowie das Fesselgelenk nur undeutlich abgesetzt waren. Am 21. Juni
war diese Schwellung wesentlich zurückgegangen, insonderheit am rechten Vorder¬
fuß. Am Beginn des Monats Juli wies die Stute abermals einige, wenn auch
geringere Anschwellungen auf, die bis zum 12. Juli verschwanden, bis auf eine
Anschwellung an der linken Seite des Halses, ungefähr am Uebergang des oberen
in das mittlere Drittel. Von Ende Juli machte sich eine fortschreitende Ab¬
magerung geltend, so daß die Rippen der früher in sehr gutem Nährzustande be¬
findlichen Stute deutlich hervortraten. In den ersten Tagen des Monats September
konnten wir eine Lähmung der linken Hintergliedmaßen beobachten. Die Stute
vermochte den Fuß nicht regelmäßig vorzuführen und schleifte mit der Zehon-
spitze beim Vorwärtsgehon auf dem Erdboden entlang. Infolge zunehmender
Schwäohe war schließlich das Pferd nicht mehr imstande sich zu erheben und
verendete am 6. Oktober 1909 (conf. Fig. 3).
Bei der Obduktion ließen sich außer einer geringen gallertigen Durch-
trankung des den Nervus ischiadicus umgebenden Gewebes Veränderungen nicht
feststellen.
5. Beschälseuchekranke Stutbuchstute 119.
Ara 2. Juni 1909 langte durch Vermittelung von Veterinärrat
Lorenz in Lvck eine Fuchsstute Nr. 119 des Gutes Baitkowcn an.
Diese Stute war am 23. März 1908 von dem Hengst Trepow gedeckt
worden und hatte sich laut schriftlicher Mitteilung von Lorenz vom
30. Mai 1909 bei den wiederholt vorgenommenen Untersuchungen stets
frei von irgendwelchen verdächtigen Erscheinungen gezeigt. Am
25. April 1909 war sie sichtbar erkrankt, also erst am Ende des
13. Monats. Sie zeigte plötzlich die „schönsten“ Quaddeln und Taler¬
flecke in größerer Anzahl auf den Brustwandungen, den Flanken, dem
Rücken, am Halse und am Bauche. Dieselben waren zur Zeit der
Feststellung der Krankheit fünfraarkstück- bis handgroß, rund, sichel-,
nieren- oder t- förmig. Außerdem bestand starke Schwellung der
Kehlgangslymphknoten bis fast zur Größe eines Hühnereies, Konjunk¬
tivitis, Anschwellung der Vulva und sulzige Schwellung der Vaginal¬
schleimhaut; Knoten und Geschwüre waren nicht vorhanden, ebenso
bestand kein Scheidenausfluß. Die Talcrfleckc hatten während des
Zeitraumes von 5 Wochen d. i. von der Feststellung der Krankheit
bis zur Einlieferung in die Abteilung für Tierhygiene des Kaiser
Wilhelm Instituts in abwechselnder Zahl bestanden, sie waren zum
Teil verschwunden, zum Teil aber waren neue aufgetreten. Seit dem
1. Juni 1909 machte sich eine rechtsseitige Lähmung der Unterlippe
bemerkbar.
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 319
Lorenz (28) konnte weder in dem Scheidensekret noch in der
Quaddelflüssigkeit Trypanosomen nachweisen.
Der in der Abteilung für Tierhygiene bei Einlieferung der Stute
aufgenommene Status praesens ergab folgende Einzelheiten:
Das Allgemeinbefinden der Stute war gut, wenngleich die Ausführung
lokomotorisoher Funktionen eine gewisse Abgeschlagenheit unzweifelhaft erkennen
ließen. An dem Atmungs- und Verdauungsapparat waren Störungen irgendwelcher
Art nicht wahrzunehmen. Die Soheidenschleimhaut war leicht geschwollen und
hatte ein glasiges Aussehen. Die linksseitigen Kehlgangslymphknoten waren
taubeneigroß. Die einzelnen Knoten waren fest miteinander verwachsen. Die
darüberliegende Haut ließ sich nicht verschieben. Schmerzhaftigkeit bestand
nicht. Die Oberfläche von Thorax und Abdomen zeigte mehrere Talerfleoke, die
nur wenige Millimeter über die übrige Oberfläche prominierten, wie sich nach
Abrasieren der Haare ergab. Vor Vornahme dieser Manipulation waren die Taler¬
flecke nicht durch ihr Prominieren zu erkennen, sondern durch das an dem Rande
der Flecke gesträubte Haar.
Mit Material von Stute 119 wurden am 2. Juni 1909 10 Mäuse subkutan in¬
fiziert, welche nicht erkrankten.
Am 3. Juni 1909 wurden von der Stute Präparate von Blut und von Scheiden¬
schleim angefertigt. Dio Untersuchung des Blutes lieferte einen negativen Befund,
hingegen fanden sich in dem Scheidenmaterial Trypanosomen, fünf an
Zahl, vor. In der Folgezeit konnten weder in dem Scheidenschleim noch in der
Flüssigkeit der Talerflecke Trypanosomen nachgewiesen werden.
Um festzustellen, ob etwa in den geschwollenen linken Submaxillarlymph-
knoten Trypanosomen vorhanden waren, wurde ein Teil dieses Organs exstirpiert
und von seiner Schnittfläche sofort Ausstriche gemacht, und mit zerriebenen
Teilen der Lymphknoten verschiedene Tiere infiziert. In keinem Falle gelang der
Nachweis von Trypanosomen. Die Schnittfläche selbst hatte ein graues Aussehen
und war ziemlich feucht. Bei der histologischen Untersuchung zeigten sich auf¬
fallend viele aus Lymphozyten bestehende herdförmige Zellanhäufungen (Keim¬
zentren). Das perivaskuläre Gewebe enthielt an mehreren Stellen zahlreiche
eosinophile Zellen, welches Phänomen mit für den zooparasitären Charakter der
Beschälseuche sprechen dürfte.
In der Folgezeit verschlechterte sich das Befinden der Stute ständig. In¬
folgedessen haben wir zu Beginn des Jahres 1910 an ihr einen Heilversuch mit
Arsenophenylglyzin angestellt, auf den wir bei den diesbezüglichen Versuchen
näher eingehen werden.
6. Künstlich infiziertes Fohlen 164.
Die beschäleseuchekranke Mutterstute hatte am 24. Mai 1909 ein
gesundes und kräftiges Fohlen geboren (cf. Seite 312), welchem am
24. August 1909 10 ccm Blutaufschwemraung unter die Haut gespritzt
wurde. Dieses Blut stammte aus der Scheide der beschäleseuche¬
kranken Stutbuehstutc 119 und war durch Skarifikation der Scheiden-
320
MIESSNER und IMMISCH,
Schleimhaut gewonnen. Außerdem erhielt das Fohlen noch 1 ccm
Scheidenschleim derselben Stute auf der linken Halsseite eingespritzt.
Irgendeine Erhöhung der Körpertemperatur trat in der Folgezeit nicht
ein, auch waren im sonstigen Befinden Veränderungen nicht zu beob¬
achten. Trypanosomen wurden bis jetzt nicht nachgewiesen. Das
Gewicht hat von 110 kg am 24. August 1909 auf 170 kg am 4. März
1910 zugenomraen.
Vom 8. März 1910 an wurden dem Fohlen in 2 tägigen Zwischen¬
räumen im ganzen zehnmal Injektionen von dem Zentrifugat von je
200 ccm frisch entnommenen und defibrinierten Blutes der Stutbuch-
stutc 119 eingespritzt. Das Ergebnis dieses Versuches steht noch aus.
7. Untersuchung eingesandter Organe und Präparate.
Auf Grund eines Ministerialerlasses wurde die Tötung der im
Regierungsbezirk Allenstein an Beschälseuche erkrankten Pferde an-
geordnet und gleichzeitig die Einsendung von Schcidenschleimhaut-,
Blut- und Rückenmarkausstrichen sowie von Teilen des Rückenmarkes
an die Tierhygienische Abteilung verfügt. Die Untersuchung der bc-
zeichneten Präparate geschah einmal zu dem Zweck, um festzustellen,
ob bei den betreffenden Tieren Trypanosomen ermittelt werden konnten;
sie sollten ferner Gelegenheit geben, eine größere Anzahl von Lenden¬
markstücken verschiedener beschälseuchekranker Tiere einer genauen
mikroskopischen und tierexperimenteilen Prüfung zu unterziehen. Da
mit der Beschälseuche in den meisten Fällen eine beiderseitige Lähmung
der Nachhand verbunden war, so bestand die Möglichkeit, daß speziell
im Lendenmark wesentliche Veränderungen durch die histologische
Untersuchung sowie die Erreger der Beschälseuche zu finden waren.
Außerdem lagen mehrere Untersuchungen Kerns vor, in welchen
dieser Autor das Lendenmark beschälscuchekranker Tiere auf Kaninchen
verimpft hatte und bei einer größeren Anzahl der Versuchstiere gleich¬
falls Lähmungserscheinungen der Nachhaud beobachten konnte.
Das Institut kam in den Besitz folgender Präparate: Eines Harn-
und Geschlechtsapparates einer Stute, dreier Eierstöcke, der Hoden
eines Hengstes, des Lendenmarkes von elf Pferden, ferner des
Seheidcnschlciraes und Blutes von 26 Tieren auf Objektträgern
frisch ausgestrichen.
Sämtliche Objektträgerpräparate wurden nach Giemsa gefärbt
und einer eingehenden mikroskopischen Untersuchung unterzogen. In
keinem Falle konnten Trypanosomen ermittelt werden.
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuohe eto.
321
Das Lehdenmark wurde in einem sterilen Mörser zerrieben und
mit physiologischer Kochsalzlösung zu einer Emulsion angeröhrt, welche
Kaninchen und Mäuse teils subkutan teils intraperitoneal eingespritzt
erhielten. Ferner wurden mit dem Lendenmark acht Kaninchen und
sieben Mäuse und mit Hodengewebsaufschwemmung ein Kaninchen und
zwei Mäuse geimpft. Einige der infizierten Tiere gingen interkurrent
zugrunde, die übrigen blieben gesund und zeigten niemals Lähmungs-
.erscbeinungen.
Die makroskopische Untersuchung ergab an dem eingesandten
Harn- und Geschlechtsapparat einer Stute außer einer fleckigen Rötung
auf der Uterus- und Scheidenschleimhaut, von denen erstere mit einem
zähen, glasigen Schleim gleichmäßig überzogen war, und einer zystischen
Entartung der Ovarien, wie sie bereits bei Schilderung des Obduktions¬
befundes auf Seite 316 niedergelegt ist, keine weiteren pathologischen
Befunde. Die eingesandten drei Eierstöcke wiesen ausnahmslos zystöse
Degeneration auf. An den Hoden und am Rückenmark ließen sich
Veränderungen nicht nachweisen.
IIL Untersuchungen über den Erreger der ostpreußischen
Beschälseuche.
Durch unsere eigenen Untersuchungen sowie die von Marek (35)
in Ungarn, Watson (59) in Amerika, Lorenz (28) und Kleinpaul (24),
FrÖhner (19) und die von Zwick und Fischer (66) ist in vielen
Fällen von Beschälseuche ein Trypanosom nachgewiesen worden.
Diesem Umstande sowie den diesen Autoren gelungenen Uebcrtragungs-
versuchen zufolge ist dieses Trypanosom für die Beschälseuche als
ätiologisches Moment erkannt worden. Der Nachweis des Erregers
bereitet in vielen Fällen außerordentliche Schwierigkeiten. Damit
hängt es zusammen, daß dieser den meisten Forschern erst nach
längeren Untersuchungen gelang. Wir müssen demnach annehmen, daß
das Trypanosom nur äußerst spärlich im Organismus der erkrankten
Tiere vorkommt. Es findet sich am leichtesten in der serösen Flüssig¬
keit bzw. im Blute frisch entstandener Quaddeln und Schwellungen,
ferner im Harnröhrensekret und Scheidenschleim sowie in dem Blute
der skarifizierten Scheidenschleimhaut. Im peripheren Venenblute ist
der mikroskopische Nachweis bisher nur in den seltensten Fällen ge¬
lungen. In den Organen, besonders im zentralen und peripheren
Nervensystem sind die Trypanosomen der Beschälseuche nicht näch-
gewiesen worden.
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band.
21
322
MIESSNER und IMMISCH,
Die Uebertragung auf Pferde gelingt mit demjenigen Material,
in dem mikroskopisch die Erreger nachzuweisen sind; am meisten
eignet sich hierzu die Flüssigkeit aus Quaddeln.
Kleinpaul (24) und Fröhner (19) berichten von Uebertragung
der Trypanosomen der Beschälseuche auf je eine Maus, weitere Fort¬
züchtungsversuche sind aber von ihnen nicht angestellt.
Zwick und Fischer (66) ist die direkte Uebertragung auf Rind,
Ziege, Hund und Kaninchen, nicht aber auf Huhn und Taube gelungen.
Wir selbst vermochten den Erreger vom Pferde nach Hunde-
passage auf Mäuse zu übertragen und in diesen Tieren fortzuzüchten.
Weitere diesbezügliche Untersuchungen sind im Gange.
Die morphologischen Betrachtungen ergaben, daß die bei Fällen
der ostpreußischen Beschälseuche in dem Scheidenschleim gefundenen
Trypanosomen sowie die bei den Weiterzüchtungen in dem Blute der
Maus beobachteten einen langgestreckten, spindelförmigen Zellkörper
aufwiesen. Im gefärbten Präparat kann man an jedem Individuum
zwei verschieden große Kerne, eine längs des Zelleibes hinlaufende
undulierende Membran und eine mit dieser im Zusammenhang stehende
Geißel erkennen.
Das Protoplasma erscheint bei Färbung nach Gierasa gleich¬
mäßig mittelstark blau gefärbt, dem ein ganz zarter rötlicher Ton
beigemischt ist.
Der Kern ist ungefähr in der Mitte gelegen, vielfach liegt er dem
geißelfreien Ende etwas näher. In dieser Hinsicht unterscheidet sich
das Trypanosom der Beschälseuche wesentlich von dem Trypanosoma
Lewisi, bei dem der Kern im ersten Drittel, also verhältnismäßig
nahe dem geißeltragenden Ende liegt, und ähnelt dem von Frank (15) bei
einem in Stein-Wingert (Westerwald, Regierungsbezirk Wiesbaden) ver¬
endeten Rinde gefundenen und von Frosch(16) beschriebenen Trypanosom.
Sein Umfang entspricht dem des Trypanosomes. Bei genauer Be¬
trachtung sieht man, daß der Kern aus einzelnen verschieden großen
Granula zusammengesetzt ist, die bei Färbung des Präparats nach
Giemsa intensiv rot erscheinen.
Der zweite Kern, der sogenannte Blepharoblast, der um ein Viel¬
faches kleiner ist als der soeben besprochene, liegt nahe dem geißel¬
freien Ende. Er ist von rundlicher, zuweilen aber querovaler Form
und entspricht hinsichtlich seiner Größe nicht immer der Stärke des
geißelfreien Endes. Auch dieser zweite Kern zeichnet sich bei Giemsa¬
färbung durch seine intensive rote Farbe aus.
Untersuchungen über die ostprenßische Beschälseuche etc.
323
Die längs des Zellkörpers verlaufende undulierende Membran,
welche hinsichtlich ihrer Tinktionsfähigkeit mit dem Protoplasma
identisch ist, ist zumeist gegenüber der der algerischen Dourinetrypa-
nosomen von geringerer Höhe. Das auf der Höhe der Membran ver¬
laufende Sauraband sowie die daraus hervorgehende Geißel erscheinen
zarter als die entsprechenden Teile bei der algerischen Dourine.
Bezüglich des Verhaltens gegenüber der Giemsafärbung scheinen
gewisse Unterschiede zwischen unserem Trypanosom der Beschälseuche
und demjenigen der algerischen Dourine zu bestehen. Hierbei sei
darauf hingewiesen, daß wir bei diesen vergleichenden Untersuchungen
stets Blutpräparate benutzten, die an demselben Tage hergestellt
worden waren und von gleichzeitig infizierten Tieren stammten. Zur
Färbung wurden die Präparate nebeneinander glcichlange in dieselbe
Farbkuvette gelegt. Auf diese Weise gingen wir sicher, daß die fest-
gestellten Differenzen nicht auf etwaige äußere Einflüsse zurückgeführt
werden konnten und Kunstprodukte darstellten. Bei dieser gleich¬
artigen Behandlung der Präparate konnten wir stets beobachten, daß
die Trypanosomen der Beschälseuche den Farbstoff schlechter annahmen
als diejenigen der Dourine. Während der Kern und Blepharoblast
des algerischen Dourinetrypanosoms sich dunkelviolett färbten, wiesen
die gleichen Teile des Beschälseucheerregers lebhaft rote Färbung auf.
B. Die algerische Dourine.
Weiterhin sind Untersuchungen an künstlich mit Dourine-
trypanosomen infizierten Pferden angestellt worden, um den Ver¬
lauf dieser Krankheit näher zu studieren. Der zu den Versuchen be¬
nutzte Trypanosoraenstamm ist uns von Herrn Prof. Schilling zu
Berlin in liebenswürdiger Weise überlassen worden, wofür wir ihm an
dieser Stelle unseren verbindlichsten Dank sagen. Um den Infektions¬
modus möglichst nachzuahmen, wie er unter natürlichen Verhältnissen
bei der Dourine bzw. Beschälseuche beobachtet wird, haben wir die
Infektion bei der Versuchsstute Nr. 71 per vaginara ausgeführt
und zwar wurde am 31. März 1909 bzw. 1. April 1909 Kochsalz¬
aufschwemmung von Blut einer Dourinemaus in Mengen von 2 V 2 bzw.
5 ccm vermittelst einer Glaspipette mit vollkommen stumpfer Spitze
in die Scheide gebracht. Die im Anschluß an beide Infektionen vor¬
genommenen Untersuchungen des Scheidenschleims verliefen trotz
systematischer Durchmusterung unter Anwendung des Kreuztisches
jederzeit ergebnislos. Im Blute jedoch konnten 8 Tage nach der In-
21 *
324
MIESSNER und IMMISCH,
fektion mikroskopisch vereinzelte Trypanosomen nachgewiesen werden.
In der folgenden einhunderttägigen Beobachtungszeit sind Scheiden¬
schleim und Blut in Zwischenräumen von durchschnittlich zwei bis
drei Tagen untersucht worden. Im Scheidenschleim vermochten wir
niemals mikroskopisch Trypanosomen nachzuweisen, dagegen wurden
im Blute in den meisten Fällen mikroskopisch Trypanosomen in mehr
oder weniger großer Anzahl ermittelt. In den Fällen, wo mikro¬
skopisch keine Trypanosomen gefunden wurden, haben wir ihre An¬
wesenheit stets in gleicher Weise wie Dausei (6), nämlich durch den
Tierversuch an Mäusen feststellen können.
Irgendwelche Schwellung oder Rötung der Scheidenschleimhaut,
vermehrter Scheidenausfluß, Schwellung der Schamlippen, Krötenflecke
auf den letzteren sowie Talerflecke und Quaddeln wurden nicht be¬
obachtet. Der Nährzustand der Stute verschlechterte sich allmählich,
gleichzeitig stellte sich allgemeine Schwäche ein. Drei Monate nach
der Infektion vermochte das Tier nicht mehr, sich selbständig zu er¬
heben, es wurde dann noch kurze Zeit ira Hängezeug lebend erhalten
und am 19. Juli 1909 getötet.
Irgendwelche makroskopische Veränderungen außer den Zeichen
vorgeschrittener Abmagerung waren bei dem Pferde nicht festzustellen,
insbesondere lagen die Nervenstränge in dem trockenen Bindegewebe
zwischen den Muskeln, sodaß von einer sulzigen Beschaffenheit desselben,
wie wir sie bei der Beschälseuche zu beobachten gewohnt sind, nichts
zu sehen war.
Es sind im ganzen zu verschiedenen Zeiten zehn Mäuse mit
Blut des Pferdes infiziert worden. Die Mäuse starben in allen Fällen
nach durchschnittlich 8 Tagen. Die ersten Trypanosomen wurden in
der Regel am fünften Tage nach der Infektion ermittelt. Am 2. Juli
1909 sind mit je 10 ccm Blut ferner infiziert worden der Hund
Nr. 808, welcher bereits am 2. März 1909 10 ccm Blut von der
Stute „Morsa“ erhalten hatte, ferner Hund Nr. 854 und Hund Nr. 132,
die noch nicht vorbehandelt waren. Hund Nr. 808 starb am 25. Juli
1909, Hnnd Nr. 854 am 20. August 1909, Hund Nr. 132 am
16. August 1909, also nach 3, 6 und 7 Wochen, an Trypanosomiasis.
Aus den Dourineversuchen geht einmal hervor, daß es gelingt,
eine Stute nach Infektion durch die unverletzte Scheiden-
schlcimhaut an Dourine krank zu machen. Erwähnt sei an
dieser Stelle, daß Yakimoff und Schiller (65) Trypanosomen¬
infektionen durch denVerdauungsstraktus gelangen. Es ist dadurch derWeg
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc.
325
nachgeahmt, welchen der Infektionsstoff unter natürlichen Verhält¬
nissen wählt, und ein experimenteller Beweis dafür erbracht, daß tat¬
sächlich dieser Weg gangbar ist. Ferner zeigen die Versuche in
Uebereinstimraung mit den Arbeiten von Schneider und Buffard (53)
sowie von Marek (33), daß bei der Dourine der Nachweis von
Trypanosomen, sei es mikroskopisch sei es durch den Tierversuch,
an Mäusen und Hunden leicht gelingt.
Das für die Beschälseuche typische klinische Bild, Auftreten von
Quaddeln und Krötenflecken sowie Schwellung der Geschlechtsteile
haben wir nicht beobachtet, indes muß zugegeben werden, daß diese
Veränderungen auch bei der Beschälseuche gelegentlich fehlen können.
Beachtenswert ist aber, daß Hunde wie Pferde, welche bereits mit
Beschälseuchematerial infiziert worden waren, nach Infektion mit
Dourinematerial des Pferdes genau so schnell und schwer erkrankten,
wie gleichzeitig infizierte, aber nicht mit Beschälseuchematerial vor¬
behandelte Tiere.
C. Chemotherapeutische Versuche.
I. Literatur.
Zur wirksamen Bekämpfung der Protozoenkrankheiten, insbesondere
der Trypanosomiasen, wird allenthalben seit der Begründung der Chemo¬
therapie durch Paul Ehrlich, insbesondere aber seit ungefähr vier
Jahren, mit fieberhaftem Eifer nach neuen Mitteln geforscht.
Ehe wir auf die von uns angcstellten therapeutischen Versuche
mit Arsenophenylglyzin, dem zuletzt von Ehrlich (9, 10) in die
Medizin eingeführten und wohl auch wirksamsten Präparate aus der
großen Klasse der Trypanoziden, eingehen, wollen wir die mit den
verschiedelnen zur Bekämpfung von Trypanosomiasen empfohlenen
Mitteln erzielten Resultate‘einer näheren Betrachtung unterziehen.
Zu den wirksamsten Präparaten gehören zweifellos die Arsenikalien. Das
älteste Medikament dieser Gruppe ist die arsenige Säure, die zuerst von
Lin gar d (27) an surrakranken Pferden mit Erfolg angewendet worden ist. In
einer ausführlichen Arbeit stellten alsdann Laveran und Mcsnil (21) an experi¬
mentell infizierten kleinen Versuchstieren den Heilwert der arsenigen Säure fest.
In denj Trypanrot, einem Farbstoff aus der Benzopurpurinreihe, fanden
hiernach Ehrlich und Sbiga (13) ein Mittel, mit dem ihnen duroh eine einzige
Injektion die dauernde Heilung von Mäusen gelang, die in ihrem Blute Trypa¬
nosomen des Mal de Caderas aufwiesen. Auch Schilling (52) hat durch wieder¬
holte Injektion von Trypanrot die Cadorasinfektion der Mäuse zu heilen vermocht.
Die vod Laveran und Mesnil (26) mit Trypanrot angestellten Heilversuche bei
326
MIESSNER und IMMISCH,
Trypanosoma Lewisi ergaben keine therapeutischen Erfolge. In Hinsicht auf die
prophylaktische Wirkung hat sich das Trypanrot sowohl auf Grund der Versuche
von Ehrlich und Shiga (13) als auch der von Schilling (52) als ein wenig
wirksames Mittel erwiesen. Die Versuche, mit Trypanrot dauernde Heilung zu er¬
zielen, scheiterten insbesondere bei der Nagana daran , daß die Trypanosomen
dieser Krankheit nicht mit Sicherheit abgetötet werden konnten, so daß immer mit
Rezidiven und weiterhin mit der allmählichen Ausbildung von try pan rotfesten
Stämmen gerechnet werden mußte.
Nach den Forschungen von Nicolle und Mesnil (44) haben sich auch
blaue und violette Benzidinfarbstoffe wirksam gegen Trypanosomen erwiesen,
zum Teil sogar wirksamer als Trypanrot. Gegenüber dem Trypanosoma Lewisi
zeigen allerdings die besten Benzidinfarben den Beobachtungen von Mesnil (36)
zufolge in gleicher Weise wie das Trypanrot nur mangelhafte Wirkung.
Auf eine neue Gruppe von Bekämpfungsmitteln der Trypanosomen, die
Farbstoffe der Triphenylmethanreihe, hat in der Folgezeit Wendelstadt (61)
hingewiesen, insofern, als er in dem Malachitgrün ein wenn auch nur geringgradig
trypanozides Präparat entdeckte. Durch Franke (18) wurden in dieser Richtung
weitere Untersuchungen vorgenommen.
Das von Ehrlich und Franke (12) alsdann aufgefundene Parafuchsin,
welches gleichfalls den Farbstoffen der Triphenylmethanreihe angehört, hat sich
als etwas wirksamer erwiesen gleich dem von Weber und Krause (60) als
trypanozid ermittelten Fuchsin. Mit Parafuchsin gelingt nach Angabe von
Roehl (47) selbst bei Verabreichung in den höchst ertragenen Dosen nur ganz
ausnahmsweise die Heilung von Trypanosomiasen, ein Befund, der durch Marks
(35) Bestätigung gefunden hat. Diesem gelang bei intrastomachaler Behandlung
vier trypanosomenkranker Mäuse mittelst Magensonde (34) die dauernde Heilung
nur eines Tieres. Während Roehl (47) bei Applikation per os durch Verbitterung
von Parafucbsinkakes einige Tage vor der Infektion in der Regel eine prophy¬
laktische Wirkung zu beobachten Gelegenheit hatte, ergaben die betreffenden Ver¬
suche von Marks (35) selbst bei intrastomachaler Anwendung sofort nach der
Infektion und bei Konzentrationen von 1 : 200, der höchsten Dosis, keine positiven
Resultate. Nicht unerwähnt darf an dieser Stelle ein eigenartiger Befund
Brownings (2, 3) sein; dieser hat durch Behandlung von Trypanosomen in vitro
mit Parafuchsin eine Mitigation erzielt, so daß die mit diesem Trypanosomenstamm
infizierten Mäuse chronisch erkrankten.
Die von Marks (35) mit Fuchsin D. T. angestellten Versuche haben weder
bei mehrmaliger Injektion kleinerer Mengen noch bei einmaliger Applikation der
höchst erträglichen Dosis Heilung trypanosomenkranker Mäuse ergeben.
Noch nicht halb so giftig für den Organismus des Parasitenträgers als das
Parafuchsin ist dessen Derivat, das von Ben da durch Einführung von Halogen¬
resten speziell des Chlors in das Parafuchsinmolekül erhaltene Tryparosan.
Nach den Angaben von Roehl (47) und Marks (35) hat Tryparosan dauernde
Heilung erzielt. Bei unmittelbar an die Infektion sich anschließender Behandlung
mit Tryparosan sowohl intrastomachal als auch nach der Kakesmethode erwies
sich den Berichten von Marks und den von Roehl zufolge dieses Chemikale auch
als präventiv wirksam.
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 327
Die von La v er an und Mesnil (26) angestrebte Bekämpfung des Trypa¬
nosoma Lewisi mitarsenigsaurem Natron hat keine Erfolge gehabt.
Nach den Versuchen von Browning (2, 3) besitzt Paroxybenziliden-
arsanilsäure eine ausgezeichnete Heilwirkung bei trypanosomenkranken Hausen.
Wendelstadt (61) hat keine dauernden Heilungen erzielen können, vielmehr
machte sich bei Behandlung der Rezidive eine Gewöhnung der Parasiten an dieses
Chemikale geltend.
Die ebenfalls von Wendelstadt (61) auf seine trypanozide Wirkung ge¬
prüfte Trioxybenzylidenarsanilsäure zeigte bei den Versuchen an Ratten
nur eine lebensverlängernde Wirkung.
Mit Arsacetin, d. i. acetylparamidphenylarsinsaures Natron, haben die
Forscher zwar keine Heilungen hervorzubringen vermocht, wohl aber hat es sich
bei den diesbezüglichen Versuchen von Wendelstadt (61) präventiv wirksam er¬
wiesen, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Behandlung sofort nach der
Infektion mit genügend hohen Dosen einsetzte. Waren diese zu gering, dann trat
eine Verzögerung des Krankheitsverlaufes ein. Roehl (48) hat ähnliche Resultate
erhalten; eine prophylaktische Wirkung bestand nicht.
Die nach Roehls (48) Angaben bei trypanosomenkranken Mäusen so aus¬
gezeichnet wirksamen Harnstoffderivate der Phenylarsinsäure erwiesen sich
prophylaktisch in der Therapie der Trypanosen ohne Erfolg, wie aus seinen Ver¬
suchen mit Methylharnstoffphenylarsinsäure hervorgeht.
Eine Reihe von Versuchen mit Arsanilat ergab für den von Roehl (48)
verwendeten Naganastamm eine größere Beeinflussungsfähigkeit gegenüber dem
von Browning (2, 3) zwei Jahre vorher benutzten. Beim Arsanilat besitzt man
jedoch überhaupt keine Dosis, die mit Sicherheit heilt und für den Durchschnitt
der Mäuse ungefährlich ist. Bei Kaninchen ist Arsanilat nur ausnahmsweise im¬
stande, nach einer Injektion Heilung zu bewirken. Eine prophylaktische Wirkung
kommt dem einfachen Arsanilat, wie aus den Arbeiten aller Untersucher und ins¬
besondere aus den Versuchen von Uhlenhuth hervorgeht, nicht zu.
Das weiterhin von Roehl (48) untersuchte Trioxybenzylidenarsanilat
hat bei trypanosomenkranken Mäusen nach mehrmaliger Injektion eine verhältnis¬
mäßig gute Heilwirkung gezeigt, weshalb es verwundert, daß es nicht einmal
24 Stunden lang Mäuse gegen eine Infektion zu schützen vermag.
Durch Thomas (55) wurde zunächst die heilende Wirkung des Atoxyls ent¬
deckt. Nach der Auffindung der Konstitution desselben durch Ehrlich und
Bertheim (11) wurde dieses Präparat insbesondere von Uhlenhuth (58) auf
seine trypanozide Wirkung in weitgehendster Weise geprüft. Für Dourineratten
haben die Versuche die Möglichkeit einer Dauerheilung ergeben, ein Befund, der
mit dem Schillings (45) übereinstimmt. Dieser Forscher hat aber Nagana-
infektionen nicht mit Sicherheit zu heilen vermocht, nur bei einzelnen Ratten und
Mäusen gelang durch Atoxyldosen, die nahe an die Dosis letalis gingen, die
Heilung. Mesnil (36) berichtet über mangelnde Wirkung des Atoxyls gegenüber
dem Trypanosoma Lewisi. Bei Kaninchen vermochte Uhlenhuth (57) einmal
die klinischen Symptome der Dourine mehr oder weniger schnell zum Schwinden
zu bringen, zum anderen aber auch die Parasiten selbst und zwar dauernd.
Durch eine so zeitig als möglich einsetzende Präventivbehandlung mit Atoxyl selbst
328
MIESSNEK uud IMMISCH,
schon in geringen Mengen hat Uhlenhuth (57) den Ausbruch der Dourine bei
Kaninchen völlig verhindert. An Stelle von den üblichen intravenösen Appli¬
kationen hat dieser Autor Salbeneinreibungen an Kaninchen vorgenommeri und
trotz des Bestehens von tiefgreifenden Veränderungen Heilerfolge erzielt. Die
Salbeneinreibung gestattet die Applikation besonders großer Atoxylmengen und
bürgt infolge der langsamen Resorption für eine gleichmäßige protrahierte Wirkung
während längerer Zeit. Die weiteren von Uhlenhuth und Woithe (58) an
Pferden vorgenommenen Atoxylversuche haben zwar keine dauernde Heilung ge¬
zeitigt, vielmehr traten Rezidive auf; die sich an diese anschließende Behandlung
führte zu einer Abnahme der Virulenz. Eine dauernde Heilung trat nicht ein,
immerhin überlebte dieses Versuchspferd das Kontrollpferd, das bereits 4 Monate
nach der Infektion starb, um 8 Monate, starb also erst ein Jahr nach der In¬
fektion. Auch bei Hunden ist Uhlenhuth und Woithe (58) die Heilung der
experimentellen Dourine mittels Atoxyls nicht gelungen.
Mit Atoxyl kombiniert mit Arsentrisulfid nach Laveran erzielte Schilling
(52) bei einem Heilversuch an einem mit Nagana infizierten Hund ebenfalls nur
ein negatives Resultat.
Durch eine weitere Kombination von Atoxyl mit Acidum arsenicosum
haben Löffler und Rühs (29) gegenüber einem für Meerschweinchen hochpatho¬
genen Trypanosomenstamm durch mehrfache Einverleibungen Heilungen erzielt.
Die von Schilling (52) nach dieser Löffler-Rühsschen Methode an Meer¬
schweinchen vorgenommenen Heilversuche haben wegen der geringen Virulenz des
zu den Versuchen verwendeten Naganastammes für Meerschweinchen zu keinem
einwandfreien und völlig aufklärenden Resultat geführt. Bei Versuchen an Ratten
mit vollvirulentem Naganamaterial mit der Kombination von Atoxyl mit Acidum
arsenicosum waren die Resultate außerordentlich variabel.
Das von Mesnil (36) zur Bekämpfung des Trypanosoma Lewisi erprobte
Azetylatoxyl hat sich seinen Versuchsergebnissen zufolge als unwirksam er¬
wiesen.
Nächst dem Atoxyl dürfte das erst seit kurzer Zeit in therapeutischer An¬
wendung befindliche Arsenophenylglyzin Ehrlichs das für eine wirksame
Bekämpfung der Trypanosomiasen am meisten Gewähr bietende Mittel sein. Die
glänzenden Ergebnisse der mit Arsenophenylglyzin angestellten Versuche haben
Ehrlich (9, 10) zu der Schlußfolgerung geführt, daß „wir in dem Arsenophenyl¬
glyzin einen Stoff ausfindig gemacht haben, der im Tierversuche geradezu Ideales
leistet, da es, genau genommen, gelingt, bei jedem Versuchstier und bei jeder ver¬
wandten Trypanosomenart mit einer einzigen Injektion Heilung herbeizuführen“.
Dauerheilungen sind allen Forschern mit Arsenophenylglyzin gelungen.
Am eklatantesten dürften die bei trypanosomenkranken Mäusen erzielten
Heilerfolge sein. Am ersten Tage nach der Infektion, also bei bereits manifester
Blutinfektion gelang es Roehl (41) leicht die Mäuse mit einer einzigen Injektion
dauernd zu heilen und zwar genügte hierfür schon der 5. bis 7. Teil der höchst
ertragenen Dosis.
Am zweiten Tage nach der Infektion konnte Roehl (48) mit 1 ccm einer
Lösung von 1 : 150 bis 1 : 250 von 19 Mäusen 18 dauernd heilen; bei der einen
Maus muß es zweifelhaft bleiben, ob sie einer Vergiftung erlag, oder ob nicht die
lebensrettende Intervention zu spät erfolgte.
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 329
Roehl (48) berichtet ferner noch, daß es gelang, schon schlaffe und sich
kühl anfühlende Tiere ,,selbst durch Dosen von 1 : 600 wieder munter und vor¬
übergehend parasitenfrei zu machen, sodaß sie erst dem später eintretenden Rezidiv
erlagen“. Durch Lösungen von 1: 250 d. i. dem dritten Teil der vom gesunden
Tier ertragenen Dosis konnte dieser Autor noch schwer kranke Tiere mit einem
Schlage dauernd heilen.
Wesentliche Differenzen in den Versuohsergebnissen lieferten die an Ratten
vorgenommenen Heilversuche mit Arsenophenylglyzin. Den günstigen Resultaten
Roehls (48), der bei Ratten eine Dosis von 0,4 g pro kg Tier empfiehlt, und denen
Schillings (52), der als Dosis efficax 1 mg pro 10 g Tier fand und mit Aus¬
nahme von einer Ratte stets sichere Heilung erzielte, stehen die wenig ermutigenden
von Breinl und Nierenstein (1) gegenüber. Von 20 Ratten, die teils mit der
von Roehl angegebenen Dosis teils mit geringeren Mengen behandelt worden
waren, starben alle bis auf eine an Vergiftung.
Bei Meerschweinchen ist, wie Roehl (48) berichtet, die Heilung mit einer
Injektion von Arsenophenylglyzin zwar möglich, aber nicht sicher. Bei den von
Breinl und Nierenstein mit Arsenophenylglyzin vorgenommenen Heilversuchen
an Meerschweinchen, die teils mit Trypanosoma equinum teils mit Trypanosoma
gambiense teils mit Trypanosoma Brucei infiziert waren, zeigte von fünf Tieren
nur eins 22 Tage nach der Behandlung ein Rezidiv, das erst nach Verlauf von
11 weiteren Tagen mit 0,1 g Arsenophenylglyzin (Körpergewicht des Versuchs¬
tieres 495 g) behandelt wurde, aber am folgenden Tage schon an Vergiftung starb.
Von den übrigen vier Tieren sind zwei noch am 240. Tage am Leben.
Bereits mit dem dritten bis vierten Teile der Dosis letalis des Arsenophenyl-
glyzins vermochte Roehl (48) bei Kaninchen mit einer einmaligen Applikation
Heilung zu erreichen, selbst der sechste Teil hat in der Regel, wenn auch nicht
immer, heilende Wirkung gehabt. Wiederholte Injektionen kleiner Dosen von
Arsenophenylglyzin bei Naganakaninchen haben Heilungen zur Folge gehabt. Re¬
zidive nach ungenügenden Dosen von Arsenophenylglyzin oder anderen Arseni¬
kalien konnte Roehl (48) mit einer einmaligen Injektion von Arsenophenylglyzin
dauernd heilen, ebenso war es möglich Dourine- und Mal de Cad^raskaninchen
mit einmaliger Injektion von Arsenophenylglyzin vor Rezidiven zu bewahren. Das
den übrigen trypanoziden Agentien gegenüber sehr resistente Trypanosoma Lewisi
gelang Wendelstadt (61) schon mit relativ kleinen Mengen von Arsenophenyl¬
glyzin (0,05 g pro kg Ratte) innerhalb 24 Stunden aus dem Blute zum Ver¬
schwinden zu bringen. Im gleichen Sinne berichtet Schilling (52).
Mesnil und Kerandel (37) haben Versuche mit Arsenophenylglyzin an
Affen (Macaous rhesus) angestellt, die mit Trypanosoma gambiense infiziert worden
waren. In Dosen von 10 cg pro kg Körpergewicht haben sie bei zwei Affen Heilung
erzielt, während ein dritter nach Auftreten eines Rezidives erst nach Injektion von
weiteren 12 cg pro kg Körpergewicht endgültig geheilt wurde. Breinl und
Nierenstein (1) erzielten ebenfalls günstige Resultate an Affen, die mit Trypa¬
nosoma gambiense infiziert worden waren. Wendelstädt (61) hat von zwei
naganakranken Affen den einen mit dem ,,Flaschenpräparat“ des Arsenophenyl-
glyzins durch zweimalige Injektion von je 0,015 g, den anderen mit dem Vakuum¬
präparat durch zwei Gaben von je 0,0025 g dauernd geheilt.
330
MIESSNER and IMMISCH,
Die an Händen vorgenommenen Heilversache zeitigten bei allen Forschern
günstige Resultate, jedoch vermochten Breinl und Nierenstein (1) nur in den
Fällen, wo die Behandlung frühzeitig einsetzte, Rezidive zu verhindern. Bei Be¬
ginn der Behandlung in bereits vorgeschrittenem Stadium der Krankheit traten im
Verlauf der Behandlung Rückfälle ein, doch erzielten die beiden Autoren durch
wiederholte Injektionen von Arsenophenylglyzin Heilung, ausgenommen einen Fall,
wo Exitus letalis durch Vergiftung eintrat.
Während Schilling (52) bei Anwendung von Arsenophenylglyzin an einem
trypanosomenkranken Pferde schon am Tage darauf durch den Tierversuch im
peripheren Blute das Fehlen von Trypanosomen feststellen konnte, starben bei den
Versuchen von Breinl und Nierenstein (1) an vier Eseln und einem Pony zwei
Esel, der eine nach Injektion von 0,1 g Arsenophenylglyzin pro kg Körpergewicht
schon nach Verlauf von 5 Stunden, der andere am dreizehnten Tage nach einer
intramuskulären Injektion in der Glutäalregion an einer jauchigen Gangrän dieser
Muskeln, die beiden anderen Esel und der Pony zeigten trotz Einverleibung hoher
Dosen von Arsenophenylglyzin Rezidive.
II. Eigene Arsenophenylglyzinversuche.
Wie aus den bisherigen Angaben in der Literatur hervorgeht,
haben insbesondere verschiedene Arsenpräparate eine ausgezeichnete
trypanozide Wirkung entfaltet, weshalb wir selbst in die Untersuchung
eines derartigen Präparates eingetreten sind.
Da Herr Geheimrat Ehrlich uns in liebenswürdigster Weise das
neueste von ihm untersuchte Präparat, das Arsenophenylglyzin,
zur Verfügung stellte, so haben wir mit diesem Präparat eine größere
Anzahl von Untersuchungen vorgenommen und zwar sind diese Unter¬
suchungen teils an Tieren ausgeführt worden, welche mit Dourine-
trypanosomen infiziert worden waren, teils an solchen, bei welchen wir
zur Infektion den in neuerer Zeit von uns gezüchteten Beschälseuche¬
stamm „Morsa u verwendeten. Als Versuchstiere wurden weiße Mäuse,
ferner Hunde und endlich Pferde benutzt.
Um zunächst zu ermitteln, ob das Arsenophenylglyzin irgend einen
schädigenden Einfluß auf die mit dem Präparat behandelten Tiere aus¬
übt, sind die zu Heilzwecken verwendeten Mengen verschiedentlich
gesunden Tieren subkutan bzw. intravenös eingespritzt worden. Eine
Veränderung im Gesundheitszustände der betreffenden Tiere hat sich
hierbei nicht ergeben. Auch sind Zählungen der roten Blutkörperchen
vorgenommen worden, ohne daß es gelang, einen Einfluß des Arseno-
phenylglyzins auf die Zahl der Blutkörperchen festzustellen.
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc.
331
1. Versuche mit Arsenophenylglyzin an mit Donrinestamm Schilling infizierten
Tieren.
a) Mäuse.
Bei den Untersuchungen beschränkten wir uns nicht allein darauf,
den Heileffekt des Präparates festzustellen, sondern wir suchten auch
zu ermitteln, ob die Krankheit durch prophylaktische Impfungen
verhütet werden kann. Es sind infolgedessen einmal Tiere mit Arseno¬
phenylglyzin behandelt worden, bevor man sie mit Trypanosomen
infizierte, dann gleichzeitig mit der Trypanosomeninfektion, endlich
ein bis mehrere Tage hinterher. Auf diese Weise war es möglich,
die Wirksamkeit des Arsenophenylglyzins bei verschiedener Anwendung
zu studieren.
1. Prophylaktische Versuche mit Arsenophenylglyzin an Mäusen.
Arsenophenylglyzinein-
spritzung* Zahl der Tage
vor der Infektion
Zahl der
Mäuse
Zahl der erkrankten
Mäuse
Wieviel Tage
nach der
Infektion erkrankt?
3 Tage
3
_
_
2 Tage
3
—
—
1 Tag
3
—
—
0 Tage
3
2
10 Tage
Aus der Tabelle ergibt sich, daß man eine Erkrankung an
Trypanosomiasis zu verhüten imstande ist, wenn das Arsenophenylglyzin
ein bis drei Tage vor der Infektion eingespritzt wird. Dagegen kann
durch die Siraultaneinspritzung von Trypanosomen und Arsenophenyl¬
glyzin nicht in allen Fällen einer Erkrankung an Trypanosomiasis
vorgebeugt werden.
2. Präventivimpfung mit Arsenophenylglyzin.
Arsenopbenylglyzinein-
spritzung. Zahl der Tage
nach der Infektion
■
■
Zahl der erkrankten
Mäuse
Wieviel Tage
nach der
Infektion erkrankt?
2 Tage
3
2
10
3 Tage
3
1 interkurrent
—
4 Tage
5
2
15
Kontrolle
1
l
4
Aus der Tabelle erhellt, daß eine Arsenophenylglyzinbehandlung
nach der Trypanosomeninfektion in den meisten Fällen eine Erkran-
332
MIESSNER and IMMISCB,
kung an Trypanosomiasis nicht verhindern kann, wenn auch die In¬
kubationszeit dadurch wesentlich verlängert wird.
3. Mehrmalige Einspritzung von Arsenophenylglyzin.
Zahl der Arsenophenyl-
glyzineinspritzungen
Zahl der
Mäuse
Zahl der Tage nach
der Infektion
Ist eine spätere Er¬
krankung cingctreten?
3
2
8 Tage
10 Tage
12 Tage
—
2
2
8 Tage
10 Tage
—
Kontrolle
1
10 Tage
gestorben
Die in der Tabelle zusamraengestellten Versuche sind derart aus¬
geführt, daß die erste Arsenophenylglyzineinspritzung sofort nach dem
ersten Auftreten der Trypanosomen vorgcnomroen wurde, und daß darauf
in Zwischenräumen von zwei Tagen weitere Injektionen folgten. Die
in dieser Weise behandelten Tiere sind nicht weiter erkrankt.
4. Heil versuche mit Arsenophenylglyzin.
Endlich haben wir an einer größeren Anzahl von Mäusen Heil¬
versuche angestellt, indem wir das Arsenophenylglyzin zu einer Zeit
einspritzten, zu welchem bereits eine größere Anzahl von Trypano¬
somen im Blute der Mäuse nachzuweisen waren.
Zahl der
Mäuse
Zahl der trotz
Arsenophenyl¬
glyzin ge¬
storbenen
Mäuse
Zahl der
ersten
Rezidive
Zahl der Tage nach
der ersten Arseno¬
phenylglyzin¬
einspritzung
i
Zahl der zwei¬
ten Rezidive
Zahl der Tage nach
der zweiten Arseno¬
phenylglyzinein¬
spritzung
15
3
4
1 nach 10 Tagen
2 nach 11 Tagen
1 nach 17 Tagen
i
24
Wie die Tabelle ergibt, sind von 15 Mäusen 3 trotz Einspritzung
des Arsenophenylglyzins kurze Zeit hinterher gestorben. Bei diesen
war offenbar die Infektion schon zu weit vorgeschritten, so daß die
Arsenophenylglyzininjektion zu spät kam. Man konnte zwar das Ver¬
schwinden der Trypanosomen bei diesen Tieren noch feststellen, der
durch die starke Invasion der Trypanosomen geschädigte Körper
vermochte sich aber nicht mehr zu erholen. Von den übrigen 11
Tieren bekamen 4 Rezidive verschiedene Zeit nach der Behandlung
und von diesen wieder 1 ein zweites Rezidiv.
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc.
333
b) Hunde.
Zwei Hunde wurden am 2. August 1909 mit Dourinetrypanosomen
infiziert. Schon nach 8 Tagen ließen sich Trypanosomen im Blute
nachweisen. Das Befinden der Tiere verschlechterte sich dann zu¬
sehends, sie wurden mager, sehr matt, fraßen schlecht, bei dem einen
Hunde stellte sich in der vorderen Augenkammer ein trübes Exsudat
ein. Am 27. August 1909 waren sehr viele Trypanosomen im Blute
der Hunde nachzuweisen und das Befinden beider Tiere war schlecht.
Dem Hunde mit dem Exsudat in der vorderen Augenkammer, bei dem
sich mikroskopisch am meisten Trypanosomen nachweisen ließen,
wurde 0,5 g Arsenophenylglyzin in die Vene gespritzt. Der nicht be¬
handelte Hund verendete 8 Tage darauf an Trypanosomiasis, während
der behandelte Hund sich besserte. Trypanosomen waren nicht zu
ermitteln und konnten auch in den folgenden sieben Monaten nicht
mehr gefunden werden, trotzdem periodisch Mäusen Blut dieses Hundes
injiziert wurde. Das Exsudat in der Augenkammer trat nach einigen
Monaten wieder auf, verschwand jedoch nach kurzer Dauer; aber auch
zu dieser Zeit ließen sich Trypanosomen nicht nachweisen.
2. Arsenophenylglyzinversuche an besehälsenchekranken Tieren.
a) Mäuse.
Nachdem es geglückt war, nach Hundepassage die Trypanosomen
aus der beschälseuchekranken Stute Morsa in Mäusen nachzuweisen,
haben wir unsere Arsenophenylglyzinstudien auf Mäuse ausgedehnt,
die mit diesen Trypanosomen infiziert worden waren. Unsere Unter¬
suchungen beschränkten sich lediglich auf Heilversuche. Bis jetzt sind
20 mit Beschälseuchetrypanosomen mit Arsenophenylglyzin behandelt
worden. Bei keinem dieser Mäuse sind bis zum Abschluß vorliegender
Arbeit (etwa 2 Monate nach der Behandlung) Rezidive aufgetreten.
b) Beschälseuchekranke Pferde.
Das Befinden der am 1. Dezember 1908 in die tierhygienische
Abteilung eingestellten Stute Morsa verschlechterte sich zusehends.
Anfang Februar 1909 war die Stute nicht mehr imstande, sich allein
vom Lager zu erheben und legte sich deswegen nicht mehr nieder. Die
Schwellung am Euter dehnte sich nach vorn bis zum Schaufelknorpel
aus (cfr. Fig. 4), das Gewicht nahm ständig ab (cfr. S. 311). Temperatur¬
schwankungen waren nicht zu beobachten. Mitte Februar 1909 wurden
der Stute 20 g Arsenophenylglyzin in die Vene gespritzt. Hiernach trat
MIESSNBR uori 1MMISCH
noch ^iö, es folgt« infolgedessen Anfang
Marr-!9Ö9 ; eine noehnmjig»'' .Injektion .von Arseriophenylglyziii. .Auf
iweitc hin besserte sich das Boßnden ««£ebendy,
die Schwelungen »o dcr 'üntcrbntsf und am Euter nahmen allmählich
ab, die i\ep!>.fBe?H.iernngeii auf den Schamlippen eersthsvänden (coftf.
Fig. 5} im Laufe der Zeit vollkommen ebenso wie di«? Schwellung der
Schamlippen. Der in Figur 5 an der Scham der Stute Morsa steht*
Bc§chäl6euchelsrapke(Slr)t£ Morse .Vor dec ..L . o
bare heile Pieck, der auf der .rechten Tabin . nahe. demunterm» Winke!
sich, höfttidet, ist eine Narbe, die von 4$r-
•Ciiiidces SehAini'ppe zu hDin'o.givdii.n l;Titi'r>iu-hur>g.cn iierriihrt. Die
Stute vermocht«'sich htawlegen und ..hrm iJilie nolrustebeo. Ir« der
Folgezeit hielt die Besscrtrhg an. Die Sime, v\fj«hi ; h«-i Liriltefenmc
in das Institut nicht imstande war. wenicr Minuten lang im Trabt- her-
utnzuiaufe», hielt. ein? SO Minuten langt?g ßewegtiog frtf Trabe aus,
ohne hierbei mehr zu ermüden als gesunde, Pferde Sic wurde dauernd
tftitmoü&ttrigfrt ’ubftr '»Up o&iprPütiiselip ßescbäisebofe «ie. 335
'. ' .• ; ••’':- •■ i •*•'V i ;'“ve>-^v -/••• \ •’.?:.»/* ’•*!.- : - v, -\-
.
zum Fahrdienst, im Institut benutzt und dadurch nicht merkbar ange¬
strengt. Lbe ursprüngliche Lähmung der Nachhaud hatte sich vei*
iorcii ... -Trypanosomen wäre« bei. dem Tiere, bißht uachzuweweri. Es
h.a£;jS^2tät' d$s gute Befinden der Stute etwa ein didrr dirigf gedauört^
und wenn' nielii unerwartet Rezidive eintrete« solltet), so muß reu
einer Heilung gesprochen- werden (cool Figur 6). Da der Besscrnngs-
Kig. 5.
Schani .der besc.tui.seut'Jiekranketi Stifte .Morsa nach der Behandlung.
zustaod unmittelbarder zweiten ArsenophenylgDininjekuon folgte, su
Scheint die Armshme yid% berechtigt, daß die Besserung dwf da«
•Ami»opb<‘n.yfg.lyi:in bezöge« werden muß.
| Fuchsstute' U\).
Üä.v Befinde« der am .2,. dom Hf03 eitigelieferteft typisch beschai-
seuehekranken Fuchs.slute lljt aus iinifkoWem verscblechtefite-V^ich rm
M1ESSNER und IMMfSOR
■Laufe des Winters zusehends,. fio Monat Dezenaher legte- sich das
T»er nur seiten Im», weil ihd» yernroiligh das Aufsiehen Schwierig-
ketten machte. Eine ständige Gewichtsabnahme, von 470 kg im Monat.,
Juni 1909 »af^ kg jtn Monat Januar 1910 war sn beobachten, Am
8. Januar ISt0 würden dieser Stute- *20 g Arsenophenvigb/Äin mtravehäsr
injiziert. Näch dieser Zeit eryvee-kte es den Eindruck, als ob sieh der
Zustand besserte. Die Stute legte sich regelmäßiger hin, fraß besser und
15e^c^f>encbekranke 5lutö Mam nach der HehaDiijurv^.
zeigte ein. munteres, Wesen. Die Zeitnach der Einsprilzting ist noch zu
kurz, uro ein endgültiges Urteil zu fallen, ob das ArsenophetiyIglvzin in
diesem Falle tatsärhlihh nitife« Besserung oder gar Heilung erzielt hat.
A. Fu< !t - he.l£rSV.
Der am 21. Dezember '190$ rmi Sclieideniehleimaufednvemmung
von Stute Mor^a (cont. S. 211; -unkmunutui n uns venös itdiziortc Fuohs-
.iiengNt 851 ging in der /.weiten Hälfte des. Jahres 1909 ständig im
Untersuchungen über die ostpreuliische Beschälseuche etc.
337
Nährzustande zurück, sodaß sein Gewicht von 469 kg im Juni 1909
auf 293 im Dezember des gleichen Jahres gesunken war. Seit Mitte
November fraß der Hengst schlecht und vermochte nur mit Unter¬
stützung aufzustehen. Auch bei diesem Tiere schien nach intravenöser
Applikation von 15 g Arsenophenylglyzin am Ende November 1909
eine wesentliche Besserung einzutreten. Ob dieselbe aber anhaltend
ist, soll erst die Folgezeit lehren. Jedenfalls ließ sich im Monat
Februar eine Gewichtszunahme von 284 auf 292 kg feststellen.
Aus den Versuchen ergibt sich, daß es mit Hilfe des Arsenophenyl-
glyzins gelingt, stark mit Trypanosomen infizierte Mäuse zu
heilen, sowie durch prophylaktische Behandlung mit dem Präparat
eine Trypanosomiasis zu verhüten. Auch die Heilversuche an Hunden,
welche noch im größeren Umfange fortgesetzt werden sollen, lassen
deutlich die spezifische trypanozide Wirkung des Arsenophenylglyzins
erkennen.
Was die Versuche an Pferden anbetrifft, so verfügen wir leider
zur Zeit nur über einen positiven Heilversuch, während eine größere
Anzahl von diesbezüglichen Untersuchungen noch nicht beendet ist.
Es wird ohne weiteres zugegeben werden, daß gelegentlich spontane
Heilungen von beschälseuchekranken Tieren beobachtet werden, die
Erkrankung der Stute Morsa erschien aber so schwer, daß an eine
Besserung kaum zu denken war. Der Umstand, daß diese im An¬
schluß an die Verabreichung von Arsenophenylglyzin eintrat, läßt es
als berechtigt erscheinen, die vorläufige Heilung der Stute Morsa ledig¬
lich der Einwirkung des Arsenophenylglyzins zuzuschreiben.
Ob derartige Frfolge dauernd oder wenigstens in der Mehrzahl
der Fälle beobachtet werden, darüber können natürlich erst größere
Versuchsreihen ein endgültiges Urteil gestatten.
Auf die mit den Trypanosomen der ostpreußischen Beschälseuche
angestellten Reagenzglasversuche zum Studium des Verhaltens der¬
selben gegenüber dem Arsenophenylglyzin sowie den übrigen trypa-
noziden Agentien wird späterhin berichtet werden, da wir zur Zeit noch
nicht über eine genügende Zahl von Versuchsreihen verfügen.
D. Agglutinationsversuche.
Zur Feststellung der Identität bzw. Nichtidentität der europäischen
Beschälseuche und algerischen Dourine hatten wir versucht, die
Agglutination zu verwenden, in der Annahme, daß es evtl, gelingen
Archiv f. wissenseb. u. prakt. Tierheilfc. Bd. 36 Suppl.-Band.
MIESSNKR und IMMISCH,
33 S
könnte, durch spezifische Zusammenballungen einen Rückschluß auf
die Art bzw. Herkunft der agglutinierten Trypanosomen zu machen.
Als Versuchsstämme benutzten wir einmal den Dourinestamm
Schilling, ferner einen von Ehrlich überlassenen Tsetsestamm und
endlich den aus unseren Mäusen gewonnenen Bcschälseuchestamm.
Zu verschiedenen Zeiten nach der Infektion wurde den Mäusen try¬
panosomenhaltiges Blut entnommen und dieses mit dem Serum von
teils beschälseuche- teils dourinekranken teils gesunden Pferden zu¬
sammengebracht. Bei den Vorversuchen hatte sich ergeben, daß
Serumverdünnungen von 1 : 10 die besten Resultate lieferten, weshalb
wir bei unseren Untersuchungen ausschließlich diese Verdünnungen
benutzten. Auch verwendeten wir ursprünglich neben der normalen
Serumkontrolle eine Kontrolle, bei der die Trypanosomen mit physio¬
logischer Kochsalzlösung verdünnt wurden. Es ergab sich aber sehr
bald, daß die physiologische Kochsalzlösung häufig auf die Beweg¬
lichkeit der Parasiten einen hemmenden Einfluß ausübte. Neven(42)
beobachtete, daß seine als Kontrolle dienenden Trypanosomen in phy¬
siologischer Kochsalzlösung in der Regel nach einer Stunde nicht mehr
die ursprüngliche Beweglichkeit zeigten. Wir kamen infolgedessen
bald von dieser Kontrolle ab und beschränkten uns lediglich auf die
Kontrolle mit normalem Serum.
Bei unseren Versuchen mußten wir zwischen zwei vollkommen
differenten Phänomenen unterscheiden: einmal erhielten wir regellose
Zusammenklumpungen der Trypanosomen, das andere Mal aber regel¬
mäßige stem- bzw. rosettenförmige Gebilde, bei denen alle daran be¬
teiligten Trypanosomen in einem zentral gelegenen Punkte mit dem
einen geißelfreien Ende zusammentrafen. Auch Laveran und
Mesnil (26) sowie Düring (7) berichten über den Erhalt von Ro¬
setten bei ihren Agglomerationsversuchen.
Vergleichende Betrachtungen ergaben, daß bei diesen letztgenannten
Bildungen, die sich bei den Versuchen meist sehr schnell, man darf
wohl sagen zusehends, etwa im Verlauf von 10 bis 15 Minuten, ent¬
wickelten, jedes einzelne beteiligte Trypanosom noch im Vollbesitze
seiner lebhaften Beweglichkeit war. Bei den regellosen Zusammen¬
klumpungen, die ganz allmählich zustande kamen, ließen sich an den
Trypanosomen nur noch schwache Bewegungen erkennen und im
Laufe der Zeit konnten wir aus unseren Versuchen schließen, daß nur
die Bildung der sternförmigen Gebilde etwas Typisches darstellt.
Jene regellosen Zusammenklumpungen erfolgten bei allen Versuchen,
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc.
389
bei denen die Trypanosomensternbildungen nicht eintraten, mit Ab¬
nahme der Beweglichkeit aller in dem betreffenden hängenden Tropfen
befindlichen Trypanosomen und haben mithin nichts Charakteristisches.
Tsetseparasiten mit Dourineserum ergab diese regellose Zusaromen-
klumpung zumeist schon nach kurzer Zeit.
Nach Rabinowitsch und Kempner(46) zeigt das Trypanosomen¬
serum in keiner Weise irgendwelche agglutinierenden oder entwicklungs¬
hemmenden Eigenschaften.
Die Versuche wurden in größerem Maßstabe ausgeführt und es
war zuweilen eine gewisse Spezifität der Agglutination nicht zu ver¬
kennen. Wir konnten beispielsweise beobachten, daß das Serum un¬
seres dourinekranken Pferdes lediglich auf Dourinetrypanosomen
zusammenballend wirkte, ein Befund, der stets in prägnanter Weise
zum Ausdruck kam, nicht aber auf Trypanosomen der Tsetse- oder
Beschälseuche, ebenso wie wir zuweilen einen spezifischen Einfluß des
Serums unserer beschälseuchekranken Tiere auf Beschälseuchetrypano¬
somen feststellten. Diese Resultate waren aber nicht konstant und
wir konnten zuweilen selbst einen zusammenballenden Einfluß des
Serums von beschälseuchekranken Pferden auf Tsetseparasiten be¬
obachten. Wegen dieser Unbeständigkeit in den Resultaten gelangten
wir zu der Ueberzeugung, daß es mit Hilfe der Agglutination nicht ge¬
lingt, einen Rückschluß auf die Herkunft der Trypanosomen zu machen.
Es eignet sich mithin die Agglutination nicht zur Diffe¬
renzierung der verschiedenen von uns verwendeten Try¬
panosomenarten.
E. Schiaßbetrachtung.
Bei der Aehnlichkeit der europäischen Beschälseuche und der in
Algerien zuerst beobachteten Dourine sowohl bezüglich der zu Lebzeiten
auftretenden Veränderungen als auch in ätiologischer Hinsicht war es
von Wichtigkeit, einer eingehenden Prüfung der Frage näherzutreten,
ob diese Krankheiten tatsächlich identisch sind.
Der erste, welcher in Algerien eine Trypanosomiasis nachwies, war
Chauvrat (4). Nach Ansicht von Raillet, der den Befand von Chauvrat (4)
prüfte, lag in diesem Falle eine Krankheit vor, welche in Indien mit dem Namen
Snrra bezeichnet wird, und die sich vornehmlich durch intermittierendes Fieber,
dauernd zunehmende Abmagerung und Schwellung der Glieder kennzeichnete,
Diese Veränderungen sind von Chauvrat bei dem Pferde beobachtet worden,
von welchem die ermittelten Trypanosomen herstammten. Vier Jahre später ent¬
deckte dann Rouget (ÖO) abermals Trypanosomen bei einem algerischen Hengste
340
MIESSNER und IMMISCH
in Constantine. ’ Die Krankheit des betreffenden Tieres unterschied sioh in¬
sofern von der Surra, als sie sich vornehmlich auf die Geschlechtsorgane be¬
schränkte, Wie schon damals richtig erkannt war, kam die Uebertragung des
Krankheitserregers von Tier zu Tier lediglich durch den Geschlechtsakt zustande
und man bezeichnete die Krankheit als Dourine = unreine Begattung. Der Er¬
reger wurde zu Ehren seines Entdeckers mit dem Namen Trypanosoma
Rougeti belegt.
Ausführliche Untersuchungen über diese Krankheit haben dann Schneider
und Buffard (53) gemacht. Diesen Forschern gelang bei der Dourine, welche
mit Schwellung der Hoden, Lähmung des Penis, Auftreten von Quaddeln und
Talerflecken verlaufen soll, stets der Nachweis von Trypanosomen. In den Fällen,
in denen der mikroskopische Nachweis Schwierigkeiten bereitete, war es möglich,
durch das Tierexperiment und zwar durch die Verimpfung von Blut auf Hunde,
die Anwesenheit von Trypanosomen festzustellen. Die infizierten Hunde gingen
ohne Ausnahme innerhalb ein bis zwei Monaten an Trypanosomiasis zugrunde.
Da bei der aus ihrem früheren Auftreten in Deutschland bekannten Beschäl¬
seuche ähnliche Veränderungen wie bei der Dourine ermittelt worden waren und
diese Krankheit sich auch durch den Geschlechtsakt übertrug, so neigte man der
Ansicht zu, daß die Beschälseuche durch das Trypanosoma equiperdum s.
Rougeti erzeugt werde. Aber schon die ersten Untersuchungen, die man nach
dem Bekanntwerden der Trypanosomenbefunde bei der algerischen Dourine an¬
läßlich neuer Ausbrüche von Beschälseuche in Ungarn machte, ließen diese An¬
schauungen als zweifelhaft erscheinen. Marek (31, 32) sowohl wie Kern (23),
die Gelegenheit hatten, eine größere Anzahl von beschälseuchekranken Pferden zu
untersuchen, vermißten Trypanosomen und neigten daher der Ansicht zu, daß
entweder die europäische Beschälseuche eine andere Krankheit sei, oder daß auch
die Trypanosomenbefunde bei der Dourine in Algerien nur Zufallsergebnisse dar¬
stellten, die sich in keinem ätiologischen Zusammenhänge mit dieser Krankheit
befänden. Der eigenartige Umstand, daß Trypanosomen häufig bei algerischen
Pferden gefunden wurden, die niemals zur Begattung zugelassen worden waren,
bestärkte die beiden Autoren in ihrer Ansicht.
Nicht ohne Bedeutung für die von Rouget erhobenen Trypanosomenbefunde
dürfte ferner die Feststellung einer Trypanosomiasis durch Edmond und
Sergent (5) unter den Dromedaren sein, mit welchen der Verkehr auf der
Karawanenstraße zwischen Constantine und dem Innern Nordafrikas (Biskra,
Tugurt) aufrecht erhalten wurde. Ein mit diesen Trypanosomen infiziertes Pferd
erkrankte unter den typischen Erscheinungen der Surra. Da Constantine den
Ausgangspunkt der Karawane darstellt und gleichzeitig Sitz eines Gestütes ist, so
war die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß in dem Gestüt befindliche
Pferde gelegentlich mit Trypanosomen der Surra infiziert wurden. Aus Con¬
stantine stammte aber auch der von Rouget im Jahre 1896 untersuchte und mit
Trypanosomen behaftete Hengst.
Die Dourine ist außer in Afrika noch in Asien und in Amerika beobachtet
worden. Speziell über das Auftreten in Amerika besitzen wir neuerdinds sehr
schöne Arbeiten. In seiner Reisestudie widmet Ostertag (45) den in den Ver¬
einigten Staaten erfolgten Seuchenausbrüchen einige Worte. Nach Rutherford
Untersuchungen über die ostpreußischo Beschälseuche etc. 341
(51) war diese Krankheit im Jahre 1882 in den Staat Illinois durch einen fran¬
zösischen Hengst eingeführt und im Staate Kanada im Jahre 1904 zum ersten
Male durch Burnett beobachtet worden. Higgins (20) gibt einige ausführliche
Obduktionsberichte über dourinekranke Pferde. Er glaubt, da er im Blutserum von
mit Trypanosoma gambiense (Schlafkrankheit) behafteten Menschen Toxine ge¬
funden hat, auch auf solche die schweren durch das Trypanosoma equiperdum
veranlaßten Schädigungen zurückführen zu müssen. Einen besonderen Anteil an
der Erforschung der Krankheit hat Watson (59), da es ihm gelungen war, bei
der amerikanischen Dourine Trypanosomen nachzuweisen. Er fand diese Parasiten
stets nur in den oberflächlichen Schichten der Schleimhaut, niemals in tieferen
Blutgefäßen. Watson empßehlt, die Scheide mit 5 g Kochsalz und 5 g Kalium¬
zitrat gelöst in 1000 ccm Wasser auszuspülen und dann zu skarifizieren. Es ge¬
lang diesem Forscher teils mit Scheidenschleim, teils mit Blut (vornehmlich aus
der Scheidenschleimhaut) mehrere Pferde zu infizieren. Eine Uebertragung auf
Hunde, Ratten, Kaninchen, Mäuse blieb stets erfolglos. Einen angeblich positiven
Uebertragungsversuch bei der Maus (conf. S. 44) deutete Watson nach einer
brieflichen Mitteilung neuerdings dahin, daß es sich nicht um Trypanosoma
equiperdum sondern um ein dem Trypanosoma Lewisi ähnliches Rattentrypanosom
gehandelt habe. Watson hatte ferner die Liebenswürdigkeit, uns über seine
neueren noch nicht veröffentlichten Arbeiten zu informieren. Hiernach ist ihm in
der Folgezeit die Uebertragung auf Pferde ständig geglückt, während die gleich¬
zeitige Impfung mit dem gleichen Material bei Hunden, Ratten, Mäusen,
Kaninchen stets negativ verlief. Die Virulenz der Trypanosomen hatte durch diese
Pferdepassagen offensichtlich zugenommen, so daß die Uebertragungen auf 2 bis
3 Monate alte Fohlen jetzt in kurzer Zeit den Tod dieser Tiere herbeiführte,
während die im Jahre 1906/07 infizierten Tiere heute noch leben und sich bester
Gesundheit erfreuen. Aber die kleinen Versuchstiere erscheinen auch diesen
virulenteren Protozoen gegenüber genau so widerstandsfähig wie vorher.
Schneider und Buffard (54) fanden bei zwei Stuten Trypanosomen im
Ohr- und Scheidenblut. Diese Tiere waren von dem Nationalhengst Lusignan ge¬
deckt worden, der wegen Dourineverdachtes der Veterinärschule zu Toulouse über¬
sandt und daselbst lange Zeit vergeblich auf Trypanosomen untersuoht worden
war. Ein mit 50 ccm Jugularisblut infizierter Hund wies am siebenten Tage
Parasiten auf, welcher Befund durch Leclainche und La voran bestätigt
worden ist.
Weiterhin berichtet Kleinpaul (24), daß ihm die Uebertragung der Try¬
panosomen mit Hilfe von Scheidenschleim einer beschälseuchekranken Stute ge¬
lungen ist.
Miessner (39, 40) und Im misch (22) haben im Scheidenschleim zweier
besobälseuchekranker Stuten Trypanosomen nachweisen können. Wie aus vor¬
stehenden Untersuchungen hervorgeht, ist uns ferner die Uebertragung von Be¬
schälseuchetrypanosomen nach Hundepassage auf die Maus geglückt.
Fröhner (19) hat zweimal im Blute bzw. in der Quaddelflüssigkeit von be¬
schälseuchekranken Pferden Trypanosomen gesehen. Der Uebertragungsversuch
mit Blut auf eine Maus ist insofern abweichend von den Forschungsergebnissen
anderer, als bei dieser die Trypanosomen schon am dritten Tage im Blute auftraten
und nur einmal nachgewiesen wurden.
342
MIESSNER und 1MM1SCH,
Wie sohwierig der Trypanosomennachweis ist, geht auch aus den umfang¬
reichen Untersuchungen von Zwick und Fischer (66) im Kaiserlichen Gesund¬
heitsamt hervor. Drei Monate lang wurden daselbst drei beschälseuchekranke
Pferde auf das sorgfältigste vergeblich auf die Anwesenheit von Trypanosomen
untersuoht und Uebertragungsversuche ausgeföhrt. Im vierten Monat gelang es
endlich in einer frischen Quaddel Trypanosomen zu ermitteln. In der Folgezeit
ist den genannten Autoren als ersten geglückt, die Beschälseuohetrypanosomen
auf kloine Versuchstiere und auf Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde zu übertragen.
Aus den vorstehenden literarischen Zusammenstellungen ergibt
sich, wie bereits bei Besprechung des Erregers der Beschälseuche
auseinandergesetzt worden ist, daß es in neuerer Zeit in vielen Fällen
von europäischer Beschälseuche gelungen ist Trypanosomen nach¬
zuweisen, sodaß ein Zweifel über die ätiologische Bedeutung der
genannten Protozoen uicht bestehen dürfte.
Schwieriger stellt sich dagegen die Frage, ob die algerische
Dourine und die europäische bzw. die amerikanische Beschäl¬
seuche durch denselben Erreger erzeugt werden. Wie bereits
an anderer Stelle betont worden ist, besteht eine Differenz zwischen
beiden Krankheiten darin, daß der Nachweis von Trypanosomen bei
der Dourine leicht, bei der Beschälseuche nur äußerst schwer gelingt.
Auch gehen, wie von Marek (33) und uns nachgewiesen worden ist,
an Beschälseuche erkrankte Tiere nach Einverleibung von Dourine-
trypanosoraen ebenso schnell an Trypanosomiasis zugrunde wie nicht
beschälseuchckranke mit Dourinetrypanosomen infizierte Tiere. Man
sollte wenigstens eine gewisse Verzögerung der Erkrankung und Ver¬
längerung der Inkubationszeit beobachten, falls beide Erkrankungen
auf den gleichen Erreger zu beziehen wären.
Was ferner den Erreger der algerischen Dourine anbetriflft,
so ist zu berücksichtigen, daß er zuerst bei Pferden festgestellt wurde,
die an Orten untergebracht worden waren, wo nachweislich auch
die Surra herrschte (Constantine). Es lassen sich daher gewisse
Zweifel nicht beheben, daß die bei den algerischen beschälseuche¬
kranken Plerden als Erreger nachgewiesenen Trypanosomen zur Klasse
der Surratrypanosomen gerechnet werden könnten. Damit würde in
Einklang zu bringen sein, daß der Nachweis und die Uebertragung auf
kleine Versuchstiere leicht gelang.
Unsere früher an anderer Stelle (22, 39) zum Ausdruck gebrachte
Ansicht von der Nichtidentität der Dourine und Beschälseuche
stützte sich zum Teil auf den Umstand, daß eine Uebertragung der euro¬
päischen und der amerikanischen Beschälseuche auf andere Tiere als
Untersuchungen über die ostpreutiisclie Beschälseuche etc. 343
Pferde bisher trotz vielfacher dahin zielender Versuche nicht gelungen
ist. Wenn auch die in neuerer Zeit sowohl Zwick und Fischer (66)
als auch uns gelungenen Fortzüchtungsversuche noch keinen endgül¬
tigen Beweis für die ätiologische Gleichartigkeit beider Seuchen liefern,
so ist doch dadurch zum mindesten ein Parallelisraus beider Seuchen
zu Tage getreten.
Wir geben ohne weiteres zu, daß die oben gemachten Einwände
eine absolute Beweiskraft nicht besitzen, immerhin hielten wir uns
für verpflichtet, unsere Bedenken zum Ausdruck zu bringen, weil heute
vielfach die Ansicht vertreten ist, daß die Identität der europäischen
bzw. amerikanischen Beschälseuche einerseits und der algerischen
Dourine andererseits außer Frage steht.
Bevor man über die Unität bzw. den Dualismus der ge¬
nannten Seuchen ein endgültiges Urteil auszusprechen wagt,
bedarf es ausgedehnter vergleichender Untersuchungen mit
den beiden Erregern. Die Möglichkeit zu diesen Untersuchungen
war erst gegeben, als es durch neue Forschungen gelang, den Erreger
der Beschälseuche im Körper kleiner Versuchstiere fortzuzüchten.
Literatur.
1. Breinl, A., und Nierenstein, M., Beitrag zur Kenntnis des Arsenophenyl-
glyzins. Aus den Runcorn Research Laboratories der Liverpool School of
Tropical Medicine.
2. Browning, Brit. med. journ. 16. Nov. 1907.
3. Derselbe, Journ. of path. and bact. 1908. Vol. XII. p. 166.
4. Cbauvrat, Un cas d’anämie pernioieuse du cheval en Algorie, causee par un
Trypanosoma. Recueil de müdeoine veterinaire. Vol. VII. 18%. p. 344.
5. Edmond et Sergent, Trypanosiase des dromadaires de l’Afrique du Nord.
El. Debab. Annales de l’Institut Pasteur. Vol. XIX.
6. Dausei, F., Beitrag zur Kasuistik der ,,Dourine“ (Beschälseuohe). Zeitschr.
f. Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere.
5. Bd. 1908/09. S. 448.
7. Düring, Arthur, Studien*über Agglomeration und Immunität bei Trypano¬
soma Lewisi. Inaug.-Diss. Bern. 1908.
8. Ehrlich, Berliner klinische Wochenschrift. 1907.
9. Derselbe, Bericht der Deutschen Chemischen Gesellschaft. 42. Jahrg. Heft 1.
10. Derselbe, Verhandlungen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. 10.
Kongreß. Juni 1908.
11. Ehrlich und Bertheim, Bericht der Deutschen Chemischen Gesellschaft.
1907. Bd. 40. S. 32.
344
MIESSNER und IMMISCH,
12. Ehrlich und Frank e, Berliner klinisohe Wochenschr. 1907. S. 233, 280,
310, 341.
13. Ehrlich und Shiga, Berliner klinische Wochenschr. 1904.
14. Ellenberger, W., Handbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie
der Haussäugetiere. Bd. 1. 1906. S. 75. Die Bewegungsorgane mit Ein¬
schluß der Grundsubstanzgewebe und des Muskelgewebes von M. Lungwitz.
15. Frank, G., Ueber den Befund von Trypanosomen bei einem in Stein-Wingert
(Westerwald, Regierungsbezirk Wiesbaden) verendeten Rinde. Zeitsohr. für
Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere. Bd.5.
1908/09. S. 313.
16. Frosch, P., Aetiologische Ermittelungen über das Trypanosoma Frank. Zeit¬
schrift für Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haus¬
tiere. Bd. 5. 1908/09. S. 316.
17. Fra nk, G., und Frosch, P., Ueber die Bedeutung des Befundes rinder¬
pathogener Trypanosomen in Deutschland. Zeitschr. für Infektionskrankheiten,
parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere. Bd. 5. 1908/09. S. 330.
18. Franke, Inaug.-Di9S. 1905.
19. Fröhner, Untersuchungen über die Beschälseuche in Ostpreußen. Monats¬
hefte für praktische Tierheilkunde. Bd. XX. 1909. 11/12. Heft. S. 385.
20. Higgins, Maladie du co'it or Dourine. Department of agriculture. Ottawa,
November 1907. p. 7.
21. Hu tyra und Marek, Spezielle Pathologie und Therapie. 2. Aufl. 1909. Bd. 1.
22. Im misch, K.-B., Untersuchungen über die Beschälseucho der Pferde. Ver¬
handlungen der Gesellschaftjdeutscher Naturforscher und Aerzte. 1909 und
Deutsche tierärztliche Wochenschr. 1909. 17. Jahrg.
23. Kern, Studien über das Wesen der Beschälseuche. Zeitschr. für Tiermedizin.
1905. Bd. IX. S. 259.
24. Kleinpaul, Die Beschälseuche in den Kreisen Lyck und .Johannisburg. Ber¬
liner tierärztliche Wochenschr. 1908.
25. La voran und Mesnil, Annales de Plnstitut Pasteur. 1902.
26. Dieselben, TrypanosomesetTrypanosomiases.MassonetCie., Paris. 1904. p. 95.
27. Lingard, Report on Surra. Bombay. 1899.
28. Lorenz, Die Beschälseuche in den Kreisen Lyck und Johannisburg. Berliner
tierärztl. Wochenschr. 1908. S. 915.
29. Löffler und Rühs, Die Heilung der experimentellen Nagana (Tsetsekrank¬
heit). Deutsche medizin. Wochenschr. 1908. Nr. 1. S. 5.
30. Löwen stein, E., Zur Pathologie und Therapie der Mäusenagana. Zeitschr.
für Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. 63. 1909.
31. Marek, DieZuchtlähmederPferde. Zeitschr.f.Tiermedizin. 1900. Bd.IV. S.401.
32. Derselbe, Weitere Beiträge zur Kenntnis der Beschälseuche. Zeitschr. für
Tiermedizin. Bd. 8. 1904. S. 11.
33. Derselbe, Untersuchungen über die Beschälseuche. Deutsche tierärztliche
Wochenschr. 17. Jahrg. 1909. Nr. 9 und 10.
34. Marks, Fütterung von Mäusen mittelst Magensonde. The journ. of experim.
Med. 1908. Nr. 1, und Arbeiten aus dem Kgl. Institut für experimentelle The¬
rapie zu Frankfurt a. M. 1908. Heft 4.
Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 345
35. Derselbe, Ueber intrastomachale Behandlung trypanosomeninfizierter Mäuse.
Zeitschr. für Immunitätsforschung. Bd. 2. 1909. Heft 3.
36. Mesnil, Annales de PInstitut Pasteur. Oktober 1907. Bd. 21. S. 823.
37. Mesnil et Kerandel, Sur Paction präventive et curative de Parsenophenyl¬
glycine dans les trypanosoraiases experimentales et en particulier dans les in-
fections par T. gambiense. Extrait de Bulletin de la Sociäte de Pathologie Exo-
tique. Tome II. 1909. Nr. 7.
38. Mesnil und Rouget, Annales de PInstitut Pasteur. 1906.
39. Miessner, Die Beschälseuche. Berliner tierärztliche Wochenschr. 1909. S. 634.
40. Derselbe, Die Beschälseuche des Pferdes. Archiv für Schiffs- und Tropen¬
hygiene. Bd. XIII. 1909. S. 132.
41. Monod, La dourine au depot de remonte de Constantine. Bulletin de la So-
ciätd centrale de mödecine veterinaire. 1907. p. 448.
42. Neven, Ueber die Wirkungsweise der Arzneimittel bei Trypanosomiasis. In-
aug.-Diss. Bern. 1909.
43. Nevermann, Zur Beschälseuche in Ostpreußen. Berl. tierärztl. Wochenschr.
1908. S. 884.
44. Nicoile und Mesnil, Annales de PInstitut Pasteur. T. 20. 1906. p. 417
und 513.
45. Ostertag, R., Das Veterinärwesen der Vereinigten Staaten von Nordamerika
einschließlich des Vieh- und Schlachthofwesens, der Fleischverarbeitung, der
Milchversorgung und Milchkontrolle. Reisestudie. Verlag von Richard Schoetz,
Berlin 1906.
46. Rabinowitsch, Lydia, und Kempner, Walter, Ein Beitrag zur Kenntnis
der Blutparasiten speziell der Rattentrypanosomen. Zeitschr. f. Hygiene und
Infektionskrankh. 30. Bd. 1899. S. 251.
47. Roehl, W., Ueber Trypanosan. Zeitschr. f. Immunitätsforschung u. experim.
Therapie. 1. Bd. 1908. Heft 1.
48. Derselbe, Heilversuche mit Arsenophenylglyzin bei Trypanosomiasis. Zeit¬
schrift f. Immunitätsforschung u. experim. Therapie. Bd. 1. Teil 1. 1909.
49. Derselbe, Paraminophenylarsenoxyd contra Trypanotoxyl. Zeitschr. f. Im¬
munitätsforschung u. experim. Therapie. 2. Bd. 1909.
50. Rouget, Contribution a l’etude du trypanosome des Mammiferes. Annales de
PInstitut Pasteur. 1896. p. 716.
51. Rutherford, Maladie du coi't or Dourine. Department of agriculture Ottawa.
November 1907. S. 1.
52. Schilling, Claus, Chemotherapeutische Versuche bei Trypanosomeninfek¬
tionen. Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene. 13. Bd. 1908.
53. Schneider und Buffard, La dourine et son parasite. Recueil de mddecine
väterinaire. 1900. Vol. VII. p. 81, 157, 220.
54. Dieselben, Unicitd de la dourine. Annales de PInstitut Pasteur. 1905.
Bd. 19. S. 715.
55. Thomas, Brit. med. joum. London. 1905. Vol. 50. S. 1140.
56. Uhlenhuth, Hübner und Woithe, Experimentelle Untersuchungen über
Dourine mit besonderer Berücksichtigung der Atoxylbehandlung. Arbeiten aus
dem Kaiserl. Gesundheitsamte. Berlin. 27. Bd. 1907. S. 256.
346 MIESSNER. u. IMMISCH, Unters, übor die ostpreußisohe Beschälseuche etc.
57. Uhlenhuth und Manteufel, Chemotherapeutische Versuche mit einigen
neueren Atoxylpräparaten bei Spirochätenkrankheiten mit besonderer Berück¬
sichtigung der experimentellen Syphilis. Zeitschr. f. Immunitätsforschung u.
experim. Therapie. 1. Bd. 1. Heft. 1908.
58. Uhlenhuth und Woithe, Experimentelle Untersuchungen über Dourine
mit besonderer Berücksichtigung der Atoxylbehandlung. Arbeiten a. d. Kaiserl.
Gesundheitsamt. 1908. Bd. 29. Heft 2.
59. Watson, Report on a case of dourine with experimental inoculations and
miscellaneous notes on its symptomatology and diagnoses. Department of
agriculture. Ottawa. November 1907. S. 32.
60. Weber und Krause, Berl. klin. Wochenschr. 1907. Nr. 7.
61. Wendelstadt, Ueber Versuche mit neuen Arsenverbindungen gegen Try¬
panosomen bei Ratten und dabei beobachtete Erblindungen. Berl. klin.
Wochenschr. 1908. No. 51.
62. Wrublewski, Ein Trypanosoma des Wisent von Bielowesch. Zentralbl. f.
Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten. 48. Bd. 1909. Erste
Abteilung. S. 162.
63. Yakimoff, W. L., Zur Atoxylbehandlung der experimentellen Dourine.
Deutsche raed. Wochenschr. 1907. No. 16. S. 641.
64. Yakimoff, W. L. und Kohl, Nina, Zur Infektionsmöglichkeit der Hühner
mit Dourinetrypanosomen. Zentralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenkd. 1908.
47. Bd. 1909. Erste Abt. S. 483.
65. Yakimoff, W. L. und Schiller, Nadeshda, Zur Trypanosomeninfektion
durch die Schleimhaut des Verdauungstraktus. Zentralbl. f. Bakteriol.,
Parasitenkd. u. Infektionskrankh. 43. Bd. 1907. Heft 7.
66. Zwick und Fischer, Zur Aetiologie der Beschälseuche. Berl. tierärztl.
Wochenschr. 1909. S. 683.
XVIII.
Lieber Tuberkulosepräzipitine.
Von
Prof. F. Neufeld.
R. Koch hat bei der Veröffentlichung seiner Untersuchungen über
die Agglutination der Tuberkelbazillen 1 ) gleichzeitig das Phänomen
der spezifischen Präzipitation beschrieben, d. h. die Niederschlags¬
bildung, welche bei Zusatz des Serums immunisierter Tiere zu dem
klaren Filtrat einerTuberkelbazillenkultur eintritt. Er gibt an, daß hoch¬
wertige agglutinierende Sera in kurzer Zeit eine derartige Niederschlags¬
bildung hervorrufen, daß man jedoch dazu stärkerer Konzentrationen
bedarf, als beim gleichen Serum zur Agglutination, weil offenbar das
fällbare Material nur in geringer Menge in der Flüssigkeit enthalten
sei. Dies entspricht ja auch dem, was zuerst von Kraus bei der
Präzipitation in Filtraten anderer Bakterienkulturen (Typhus, Pest)
beobachtet worden ist; die Präzipitation tritt langsamer wie die Agglu¬
tination und nur bei Zusatz stärkerer Serummengen ein. Die Präzipi¬
tation wurde von Koch in der wasserklaren Flüssigkeit beobachtet,
die man erhält, wenn man Tuberkelbazillenkülturen, die auf dem
eiweißfreien Nährboden von Proskauer und Beck gewachsen sind,
durch Papier filtriert; die Reaktion war streng spezifisch, mit andern
Sera trat sie nicht auf. Koch fügt hinzu: „Ob die fällbare Substanz
in der klaren Nährflüssigkeit dieselbe ist, welche auch die Fällbarkeit
der aus der Kultur hergestellten Präparate (d. h. der zur Agglu¬
tination benutzten Aufschwemmungen) bedingt, muß noch untersucht
werden.“
Die von Koch mitgeteilte Beobachtung scheint etwas in Ver¬
gessenheit geraten zu sein; wenigstens wurde die spezifische Präzipi-
1) Deutsche mediz. Wochenschr. 1901. S. 832.
348
NEIJFEUP,
tation bei Tuberkulose von Bonome im Jahre 1907 als etwas Neues
beschrieben und ganz kürzlich hat Finzi angegeben, daß die Reaktion
weit besser als mit den von Bonome u. a. benutzten Bazillenextrakten
mit der filtrierten Nährflüssigkeit, auf der Tuberkelbazillen gewachsen
sind, gelingt, offenbar ohne Kenntnis davon zu haben, daß die Präzipi¬
tation gerade in dieser Form zuerst beschrieben worden ist.
Da nun die Präzipitationserscheinungen bei Tuberkulose gerade
in jüngster Zeit besonderes Interesse gefunden haben, so möchte ich
hier mit Genehmigung von Exzellenz Koch einige ältere Beobachtungen
mitteilen, die ich im Jahre 1901 im Anschluß an die oben er¬
wähnten Versuche Kochs gemacht habe. Zuvor seien jedoch einige
Angaben aus der Literatur erwähnt.
Sobernheim 1 ) hat im Anschluß an die Publikation Kochs Untersuchungen
über die Agglutination der Tuberkelbazillen angestellt, er teilt dabei kurz mit,
daß er mit einem Immunpferdeserum unter Verwendung von Alttuberkulin und
Tuberkulol als Antigen noch bis zu Verdünnungen von 1 : 10000 auch eine Präzi¬
pitation erhielt, während normales Serum nur sehr schwache Wirkung hatte. Von
großem Interesse ist seine Beobachtung, daß dieses Serum, das zugleich sehr stark
agglutinierte, bei vielfach variierter Versuchsanordnung gar keine Komplement¬
ablenkung bewirkte, weder mit Tuberkelbazillen, noch mit Tuberkulin, noch mit
keimfrei filtrierter Kulturflüssigkeit von älteren Tuberkelbazillenkulturen.
Bonome 2 ) untersuchte die präzipitierende Wirkung des Serums von tuber¬
kulösen Patienten und perlsüchtigen Kindern, sowie von künstlich infizierton Tieren
(Meerschweinchen und Kaninchen) auf Extrakte von Tuberkelbazillen und von
tuberkulösem Gewebe. Er empfahl die Präzipitation zur Diagnose der Rinder¬
tuberkulose zu verwerten, da er bei perlsüchtigen Rindern positive, bei normalen
negative Ausschläge erhielt. Außerdem glaubt Bonome in der Präzipitation ein
Mittel zur Unterscheidung des typus humanus und typus bovinus gefunden zu
haben, indem die Sera ausschließlich oder doch vorwiegend mit Extrakten des
homologen Typus reagieren sollen.
Kurz hingewiesen sei auch auf die Untersuchungen von Stork 3 ) und von
Porter 4 ) über Präzipitationsreaktionen im Serum von Phthisikern, obwohl es
zweifelhaft erscheint, inwieweit dabei spezifische antibakterielle Antikörper be¬
teiligt sind. Danach entsteht bei Zusatz des Serums von Phthisikern zu Extrakten
aus verriebenen Tuberkelbazillen häufig eine Präzipitation; Porter sah eine solche
unter 381 tuberkulösen Patienten bei 68pCt., unter 301 Kontrollfällen nur bei
15pCt., fast stets aber trat eine Niederschlagsbildung auch dann auf, wenn das
Serum einfach mit Karbolkochsalzlösung versetzt wurde anstatt mit dem klaren
1) Sobernheim, Vortrag in der mikrologisohen Gesellschaft 1906. Zentral¬
blatt f. Bakt. Ref. Bd. 38. S. 114.
2) Bonome, Zentralbl. f. Bakteriol. Orig. Bd. 43. S. 91. 1907.
3) Störk, Wiener klin. Woch. 1908. No. 9 u. 11. 1909. S. 325.
4) Porter, Journal of infect. diseases. VII. No. 1. p. 87. 1910.
Ueber Tuberku 1 osepräzi pi 1 inc.
34!)
Filtrat der in Karbolkoohsatzlösung extrahierten Bazillen. Störk erhielt in etwa
60pCt. der untersuchten Fälle von Lungentuberkulose bei einfachem Verdünnen
des Serums mit Karbolkochsalzlösung (im Verhältnis von 1 : 2) eine Ausflockung,
während mit einem Aetherextrakt aus Tuberkelbazillen die Reaktion in 75pCt. ein¬
trat. Außer bei Tuberkulose sah Störk diese Präzipitation noch bei Patienten mit
akuten Infektionen, Diabetes, Tumoren.
Szaboky 1 ) fand, daß das Blutserum tuberkulöser Menschen, Rinder und
Kaninchen mit Extrakten aus tuberkulösen Organen und aus Tuberkelbazillen eine
Präzipitation ergab, die mit normalen Kontrollsera ausblieb oder doch wenigstens
erheblich schwächer ausfiel. Szaboky glaubt daher, das Auftreten einer stär¬
keren Präzipitation diagnostisch verwerten zu können; er bestätigt jedooh das
häufige Vorkommen von Präzipitation mit Lipoidaufschwemmungen oder einfacher
Karbolkochsalzlösung. Bei Verwendung von Extrakten aus humanem und bovinem
Material fand Szaboky gewisse Unterschiede, die er aber nicht für durch¬
greifend hält.
Gute diagnostische Resultate erhielt in jüngster Zeit Finzi 2 ) mit der Präzi¬
pitationsprobe bei Rindern; er versetzte 4 Teile Serum mit 1 Teil einer filtrierten
Bouillonkultur von Tuberkelbazillen und sah nach 1—2stündigem Stehen bei 38°
einen Niederschlag auftreten, sobald das Serum von natürlich erkrankten oder
künstlich tuberkulös infizierten Rindern stammte, nicht aber mit dem Serum ge¬
sunder Rinder. Finzi empfiehlt, diese Reaktion neben der Ophthalmoreaktion zur
Erkennung der Rindertuberkulose heranzuziehen.
Calmette u. Massol 3 ) untersuchten das Serum eines Kalbes, das mit
intravenösen Injektionen auf Glyzeringalle gezüchteter Perlsuchtbazilleu vor-
bchandelt war, auf Präzipitinwirkung mit verschiedenen Antigenen (Tuberkulin,
Extrakt aus menschlichen und Rindertuberkolbazillen, sowie aus Tbimothee-
bazillen), indem sie 2 Teile Serum mit 3 Teilen Tuberkulin mischten; sie fanden
stets Niederschlagsbildung, die allerdings bei den letztgenannten säurefesten
Stäbchen geringer war, als bei Tuberkelbazillen.
Calmette und Massol bestätigten dabei die interessante Beobachtung
Sobernheims, daß bei diesen Präzipitationsvorgängen keine Komplementab¬
lenkung stattfindet. In weiteren Versuchen gelang es Calmette u. Massol 4 )
durch intravenöse Injektionen von Pferden mit Bazillenextrakten Sera zu gewinnen,
die sehr stark Komplement ablenkten, aber keine Präzipitation bewirkten. Damit
stimmen auch die Versuche Pojrters mit menschlichen Sera überein, die keine
Parallelität zwischen Präzipitation und Komplementablenkung ergaben; diejenigen
Sera, welche die (allerdings, wie oben erwähnt, nicht spezifische) Präzipitation
zeigten, lenkten nicht Komplement ab, während umgekehrt Sera, welche eine
spezifische Komplementablenkung zeigten, nicht präzipitierten.
Dagegen zeigte das sehr stark kompiementabienkende Serum der von Vallee 5 )
1) Szaboky, Zeitschr. f. Tuberkulose. Bd. 14. H. 3. S. 169. 1901).
2) Finzi, C. r. soc. biol. 1910. No. 3. p. 127.
3) Calmette u. Massol, referiert Bull. Pasteur. 1909. S. 1070.
4) Dieselben, C. R. soc. biol. 1909, No. 32, S. 528 u. 1910, No. 2, S. 48.
5) Vallöe, Ann. Pasteur, September 1909: Derselbe, C. r. soc. biol.
Bd. 67. No. 36. S. 700. 1909.
350
NEUFELD.
mit lebenden, abgeschwächten Tuberkelbazillen immunisierten Pferde daneben auch
eine beträchtliche Präzipitationswirkung; es ergab noch in der Verdünnung 1 :40
mit 1 : 10 verdünntem Tuberkulin versetzt deutlichen Niederschlag.
Die Tatsache, daß in bestimmten Fällen die Präzi pitin -
und die Bordetsche Reaktion mit Tuberkuloseimmunserum
ganz verschiedene Resultate zu ergeben scheinen, dürfte im
Hinblick auf die neueren Diskussionen über die Identität
oder Verschiedenheit der dabei beteiligten Antikörper von
großem theoretischen Interesse sein und daher weitere
Untersuchung verdienen.
Die im folgenden mitgeteilten Versuche sind im Gegensatz zu
der Mehrzahl der soeben zitierten Beobachtungen mit stark aggluti¬
nierenden Sera von hoch immunisierten Tieren angestellt. Zunächst sei
ein Beispiel für eine quantitative Bestimmung des Präzipitingehaltes
eines Serums gegeben; für weitere Versuche ist wohl ein genaues quan¬
titatives Arbeiten unerläßlich.
Nachdem durch Vorversuche festgestellt war, daß stark agglutinie¬
rende Sera mit dem Filtrat von Tuberkebazillenkulturen, die entweder auf
Glyzerinbouillon oder auf den Nährböden von Proskauer und Beck
gewachsen waren, zu gleichen Teilen versetzt, in kurzer Zeit einen
spezifischen voluminösen Niederschlag ergaben, wurde mit dem Serum
des Esels I, der zwei intravenöse Injektionen von lebenden Tuberkel¬
bazillen erhalten hatte, der folgende quantitative Versuch ausgeführt.
Es wurden 3 Kulturen des menschlichen Tuberkulosestamms KK,
die verschieden lange Zeit auf Proskauer-Beckscher Nährflüssigkeit
gewachsen waren, durch Papier filtriert, das klare Filtrat mit y 2 proz.
Karbol versetzt und alsdann das Serum in abgestuften Mengen zugefügt.
Das Ergebnis, nach 48 stündigem Stehen bei 37° abgelesen, war
folgendes:
Versuch 1.
Serum-
Filtrat
Verdünnung:
einer 28 tag. Kultur
einer 32 tag. Kultur
einer 50 tag. Kultur
1 : 25
starker Niederschlag
starker Niederschlag
feiner Niederschlag
1 : 50
desgl.
desgl.
desgl.
1 : 100
desgl.
desgl.
ganz schwache Trübg.
1 : 250
klar
klar
klar
Kontrolle mit Normalserum 1 : 10 klar.
Gleichzeitig wurde der gleiche Versuch mit denselben Filtraten
ohne Karbolzusatz angestellt: hier entstanden etwas stärkere Nieder-
Ueber Tuberkulosepräzipitine.
351
schlage, als in den karbolhaltigen Röhrchen, doch konnte eine quanti¬
tative Bcstimmnng nicht vorgenoraxnen werden, da die meisten Röhrchen
bakterell verunreinigt waren. Danach scheint also der Karbolzusatz
die Reaktion etwas abzuschwächen; hiermit stimmt ein Versuch über¬
ein , der 2 Tage später mit einem der 3 Filtrate ausgeführt wurde,
nachdem dasselbe inzwischen mit Karbol versetzt im Eisschrank ge¬
standen hatte. Die Präzipitation trat noch in den gleichen Ver¬
dünnungen ein, die Flocken waren jedoch viel feiner als beim vorigen
Versuch.
Dasselbe Eselserum wurde ferner mit altem Tuberkulin, das mit
Kochsalzlösung 5 fach verdünnt war, versetzt; auch hier erfolgte eine
Präzipitation, jedoch nicht in so starken Verdünnungen, wie mit dem
Filtrat.
Versuch 2.
Präzipitation desSerums von Esel l und Alttuberkulin (1:5 verdünnt).
Serum Verdünnung:
1 : 1 (unverdünnt): schnelle Präzipitation,
1 : 5 nach 24 Stunden dicker Niederschlag,
1 : 10 desgl.
Auch diese Reaktion wurde durch Karbolzusatz etwas gehemmt,
wie das folgende Protokoll zeigt, bei dem gleichzeitig das etwas stärker
wirksame Serum des ähnlich vorbehandelten Esels II benutzt wurde.
Versuch 3.
Präzipitation der Tuberkulinverdünnung 1 : 5 nach Zusatz von
V 2 proz. Karbol.
Serum-
Verdünnung
Serum Esel I
Serum Esel 11
1 : 5
Niederschlag '
Niederschlag
1 : 10
? ganz feine Körnchen 1
desgl.
1 : 25
—
—
1 : 50
—
—
Auch eines der im ersten Versuch benutzten Filtrate wurde mit
Kochsalzlösung 1 : 5 verdünnt und dann mit spezifischem Serum ver¬
setzt; es zeigte sich, daß die verdünnte Flüssigkeit etwa ebenso stark
präzipitiert wurde, wie die konzentrierte. Weitere Versuche mit
stärker verdünntem Filtrat oder Tuberkulin, etwa in der bei der
Titrierung präzipitierender Antieiweißsera üblichen Weise, wurden nicht
angestellt.
352
N KU FELD,
lm Agglutinationsversuch nach der von Koch ausgebildeten
Methode ergab das in den vorigen Versuchen benutzte Eselserum I
mit der 1 : 10000 verdünnten Testfähigkeit folgenden Titer:
1 : 400 nach 24 Std. +>
1 : 600 „ 24 „ —, nach 48 Std.
Das Serum einer immunisierten Ziege (Ziege XU) zeigte bei Beob¬
achtung nach 24 Stunden folgende Werte für Agglutination und Prä¬
zipitation.
Agglutination Präzipitation
mit 1 : 10000 Testflüssigkeit: mit dem Filtrat einer 13täg. Kultur:
1 : 1200 + 1 : 20 + +
1 : 1500 — 1 : 50 +
1 : 100 —.
Dasselbe, sowie ein zweites Ziegenserum wurde in gleicher Weise
mit dem Filtrat einer 16 tägigen Perlsuchtkultur geprüft; auch hier
zeigte sich eine, wenn auch schwächere Präzipitation. Die verschiedene
Stärke der Reaktion hängt aber vielleicht nur davon ab, daß die
Quantität des reaktionsfähigen Materials in den Filtraten schwankt;
auch bei verschiedenen Kulturen desselben Bazillenstammes ergaben
sich oft beträchtliche quantitative Unterschiede der Präzipitation.
Der folgende Versuch betrifft hauptsächlich die Frage nach den
Beziehungen zwischen der Agglutination und der Präzipitation bei
Tuberkulose. Hierzu ist jedoch zu bemerken, daß die Agglutination
in der von Koch angegebenen Ausführung, nämlich mit im Exsikkator
getrockneten, sodann zu Pulver verriebenen und in Karbolkochsalz¬
lösung aufgeschwemmten Tuberkelbazillen insofern bereits ein Mittel¬
ding zwischen Agglutination und Präzipitation darstellt, als die
Bakterien dabei nicht mehr in der Form erhalten, sondern in eine
Suspension von groben und feineren Bazillentrümmern verwandelt sind,
wobei sicherlich auch Teile der Bakteriensubstanz in Lösung gehen.
Nun zeigten aber einige vergleichende Versuche, daß die aus diesen
verriebenen Bazillen erhaltene Koch sehe „Testflüssigkeit“ beim Ver¬
setzen mit spezifischem Serum fast völlig dieselben Ausschläge, sowohl
in bezug auf den Titer, als auch in bezug auf den zeitlichen Verlauf
der Reaktion, ergab, wie eine Aufschwemmung von lebenden, in der
Form erhaltenen Tuberkelbazillen, die durch Verreiben mit schwacher
Lauge fein suspendiert worden waren. Hiernach darf man die mit
der Testflüssigkeit (deren Herstellung weit einfacher ist als die einer
(Jeber Tuberkulosepräzipitine.
353
Agglutinationsflüssigkeit aus lebenden Tuberkeibazillen) erhaltenen
Titer wohl als die Agglutinationstiter bezeichnen. Im übrigen
nehmen wohl die meisten Autoren an, daß Präzipitation und Ag¬
glutination im Grunde auf den gleichen Vorgängen beruhen, und
daß die dabei in Wirksamkeit tretenden Serumantistoffe identisch sind.
Mit dieser Annahme stimmt auch das Ergebnis des folgenden Ver¬
suches überein; aus demselben geht wohl hervor, daß die bei der
agglutination und Tuberkulose-Präzipitation beteiligten Antikörper minde¬
stens zum großen Teil identisch sind.
Versuch vom 13. November 1901.
Versuch über die im Serum Ziege 23 (Agglutinationstiter, mit Test-
lüVAA/
flüssigkeit, nach 24 Stunden 1 : 800 stark —, 1 : 1000 schwach -[-) enthaltenen
Agglutinine und Präzipitine.
Folgende 4 Röhrchen kommen auf 24 Stunden in den Brutschrank:
I. 0,4 Serum -f- 4,0 Testflüssigkeit (konzentriert j
II. 0,4 Serum -f- 4,0 klares Filtrat einer 16tägigen Kultur f Ueberall starker
III- 0,25 Serum + 5,0 Testflüssigkeit (l Niederschlag.
IV. 0,25 Serum -j- 5,0 Filtrat ]
Dazu zwei Kontrollen ebenfalls 24 Stunden bei 38°:
Kontrolle a (0,4 Serum -f- 4,0 Karbolkochsalzlösung 1 kein Nieder-
Kontrolle b 0,35 Serum -f- 5,0 Karbolkochsalzlösung J schlag.
Die entstandenen Niederschläge, die in den mit Testflüssigkeit
versetzten Röhrchen massiger sind als in den Filtraten, werden ab¬
zentrifugiert, mit der überstehenden Flüssigkeit folgende Proben an¬
gestellt:
A) Ist bei 24stündiger Einwirkung des Serums alles reak¬
tionsfähige Material in der Test-resp. Filtratflüssigkeit auf¬
gebraucht worden?
Zu der überstehenden Flüssigkeit aller 4 Röhrchen wird frisches
Serum im Verhältnis 1 : 10 zugesetzt. In allen tritt ein reichlicher
Niederschlag auf; das fällbare Material ist also nirgends aufgebraucht.
ß) Sind die Agglutinine und Präzipitine, die das Serum ent¬
hielt, bei dem Versuche ganz oder teilweise aufgebraucht
worden?
1. Je 0,5 klarer Flüssigkeit aus den 4 Röhrchen sowie den
beiden Kontrollen werden mit je 0,5 Filtratflüssigkeit einer Tuberkel¬
bazillenkultur versetzt (Prüfung auf Vorhandensein des Präzipitins):
Archiv f. wisseusch. u.prakt. Tierheilk. Bd.36. Sappl-Band. 93
354
NEUFELD, Ueber Tuberkulosepräzipitine.
I. nach 24 Stunden — (nach 3 Tagen schwacher Niederschlag),
II. nach 24 Stunden -f»
III. nach 24 Stunden — (nach 3 Tagen schwacher Niederschlag),
IV. nach 24 Stunden -|-.
Kontrolle a und b -f.
Schlußfolgerung: Auch bei der Agglutination werden also die
Präzipitine gebunden, bei obiger Versuchsanordnung sogar fast voll¬
ständig und jedenfalls in viel höherem Maße als bei der Präzipitation.
2. Prüfung der 6 Röhrchen auf Gehalt an Agglutinin:
a) mit ■ ^ Testflüssigkeit geben II und IV schneller, I und III
erheblich langsamer den Niederschlag,
b) mit erhält man nach 24 Stunden folgende Werte:
I. 1 : 100 stark, 111. 1:100 schwach,
II. 1 : 600, IV. 1: 400.
Kontrolle a 1 : 800 stark, b 1 : 800 schwach.
Schlußfolgerung: Bei der Präzipitation werden ebenfalls die
Agglutinine gebunden; bei den gewählten Versuchsbedingungen aller¬
dings quantitativ weniger stark als bei der Agglutination.
Hiernach scheinen bei unseren Präzipitations- und Agglutinations¬
versuchen wenigstens zum größten Teil die gleichen Stoße in Reaktion
zu treten.
XIX.
Aus dem veterinttr-pathologisch-anatoniischen Institut d. Universität Gießen.
Ueber die durch Strongyüden bei Pferden verursachten
Abweichungen und deren Beziehungen zur Rotzkrankheit.
Von
Prof. Dr. Olt.
Mit 5 Abbildungen auf Tafel IX—XI.
Die beim Pferde durch Strongyüden verursachten Schädigungen
sind je nach ihrem Sitz und der Zahl der Parasiten sehr vielgestaltige.
Eine besondere Beachtung haben sie in der Veterinärpathologie erst
gefunden, nachdem von Bollinger (34) im Jahre 1870 die Beziehungen
des Aneurysmas der vorderen Gekrösarterie zur Kolik des Pferdes
geklärt worden waren. In jüngerer Zeit sind weitere Abweichungen
als Folgezustände des Parasitismus der Strongylidenlarvcn erkannt
worden, so die in den Lungen des Pferdes vorkommenden grauen
durchscheinenden und verkalkten Knötchen, und eigenartige Knoten
und Geschwüre im Darme. Alle diese fraglichen Produkte erheischen
hinsichtlich ihrer Verwechselung mit Zuständen rotziger Natur ein her¬
vorragendes Interesse in der Veterinärpathologie. Ferner darf man
sich durch das Studium des in Rede stehenden Parasitismus mancher¬
lei Aufklärung über noch dunkele Punkte hinsichtlich der Naturge¬
schichte der Strongyüden des Pferdes versprechen; harren doch noch
verschiedene strittige Fragen über die Wanderung dieser Parasiten
ihrer endgültigen Lösung. In mehrfacher Beziehung sind die Ansichten
der Autoren auf dem durch das Thema berührten Gebiete so ge¬
teilte, daß das Ende der Diskussion hierüber noch nicht abzusehen ist.
Als Schüler unseres Altmeisters Schütz halte ich es für eine
angenehme Pflicht, in dieser Festschrift einen Beitrag zu dem beregten
Gegenstand zu liefern. Ich tue das eingedenk früherer gemeinsamer
Arbeit auf diesem Gebiete und unter Beachtung der Tatsache, daß
23*
356
OLT,
kein zweiter Forscher sich für alle die Lehre vom Rotz berührenden
Fragen stets so hervorragend interessiert hat wie Schütz. Wenn
ich ferner sage, Schütz .ist es, dem wir die Lehre vom Rotz
verdanken, so spreche ich heute nur aus, was in objektiver Würdi¬
gung seiner Arbeiten sicherlich in der Geschichte einmal uneinge¬
schränkt anerkannt werden wird.
Bevor ich jene den Produkten des Rotzes ähnlichen entozoischen
Gebilde bespreche, halte ich es für angebracht, auf die Naturge¬
schichte der Strongyliden des Pferdes zurückzukoraraen.
Raillet(35) und Neumann (23) haben zuerst darauf hingewiesen, daß
Strongylus armatus Rudolphi (Sclerostomum armatum Dujardin) im Darm des
Pferdes in einer kleinen und einer großen Spielart auftrelen. Später hat Poppel
Unterschiede im Nahrungsschlauch, im Geschlechtsapparat, im Gefäß- und Muskel¬
system nachgewiesen, die große Art mit dem Namen Strongylus neglectus belegt
und die kleinere Strongylus armatus genannt. Im Jahre 1900 wies Looß (25)
eine dritte Strongylidenart im Pferdedarme nach, die er als Sclerostomum eden-
tatum bezeichnete. In der Folge hat Sticker eine nähere Untersuchung der drei
Arten vorgenommen und mit Rücksicht auf das beste mikroskopische Unterschei¬
dungsmerkmal, die zahnähnlichen Gebilde am Boden der Mundkapsel, empfohlen,
die fraglichen Würmer zu benennen als zahnlosen, zweizähnigen und vierzähni-
gen — Sclerostomum edentatum, Sei. bidentatum, Sei. quadriden-
tatum —.
In folgendem gebe ich eine kurze Beschreibung nach Stickers (31) Angaben:
1. Sclerostomum edentatum Looß, zahnloser Palissadenwurm =
Strongylus armatus Rud. part. = Palissadenwurm Goeze.
j 23—26 mm lang, 1,5 mm dick,
2 33—36 mm lang, 2 mm dick. Kommt im Grimm- und Blinddarm des
Pferdes vor, hier der Schleimhaut anhaftend. Verirrt ist er in verschiedenen
Körperregionen gefunden worden, z. B. in der Bauchhöhle, dem Hodensack, den
Hoden, der Leber, der Subserosa der Bauchhöhle.
Der vordere Körperpol setzt sich durch einen Zirkelschnitt wie ein rundes
Knöpfchen ab, welches frontal abgeflaebt und eine von zahlreichen Lippenfransen
umgebene Mundöffnung besitzt. Die Mundkapsel becherförmig mit weiter Oeffnung.
Der Querschnitt der Dorsalrinne dreieckig mit umgebogener Spitze. Am Boden
der Mundkapsel keine Erhebungen.
Der Oesophagus am unteren Ende bimförmig geschwollen. Exkretionsporus
in der Nähe des Mundkapselrandes. Die Vulva 9—10 mm vom Schwanzende ent¬
fernt. Letzteres am After leicht eingezogen und mit stumpfer Spitze endend.
2. Sclerostomum bidentatum Sticker, zweizähniger Palissadenwurm
= Sclerostomum vulgare Looß = Strongylus armatus Rud. part.
$ 14—16 mm lang, 0,7 mm dick,
J 23—24 mm lang, 1 mm dick.
Larve in der Submukosa des Pferdedarmes und in Blutgefäßen (vordere Ge-
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 357
krösarterie); der geschlechtsreife Wurm haftet an der Schleimhaut des Blind- und
Grimmdarmes.
Vorderer Körperpol abgeflacht und mit einer kreisrunden von zahlreichen
Lippenfransen umgebenen Mundöffnung versehen. Mundkapsel kugelig mit weiter
vorderer Oeffnung; dorsal etwas mehr gebogen als ventral; an ihrer Rückenwand
eine vom Boden bis zum vorderen Rand aufsteigende Rinne, deren Querschnitt
halbrund ist; an ihrem Grunde zwei buckelförmige Auftreibungen,
sogenannte Zähne, und eine dreäsohlitzige Oeffnung, welche in den Schlund führt.
Der Oesophagus am unteren Ende leicht birnenförmig geschwollen. Die Vulva ist
7 mm vom Schwanzende entfernt. Der Schwanz läuft allmählich spitz zu.
3. Sclerostomum quadridentatum Sticker, vierzähniger Palissaden-
wurm = Strongylus neglectus Poppel = Strongylus armatusRud. part. = Stron-
gylus equinus Müll.
33—35 mm lang, 1,25 mm dick,
$ 45 mm lang, 2,25 mm dick.
Auf der Schleimhaut des Grimmdarmes des Pferdes.
Der vordere Körperpol wenig abgeflacht mit einer kleinen kreisrunden, von
zahlreichen Lippenfransen umgebenen Mundöffnung. Die Mundkapsel elipsoidisch,
1 mm lang, 0,65 mm breit; Dorsalrinne auf dem Querschnitt rundlich; am Boden
der Kapsel 4 buckelförmige Erhebungen; die beiden ventralen scharf zu¬
gespitzt, 285 /< lang, 90 fi breit, die beiden dorsalen abgerundet, 340 /i lang,
115 ju breit. Der Oesophagus am unteren Ende nur wenig verbreitert. Die Vulva
14 mm vom Schwanzende entfernt. Letzteres am After leicht eingezogen und mit
stumpfer Spitze endend.
Sticker (31) hat ferner noch die Unterscheidungsmerkmale hinsichtlich der
Anordnung des Gefäßsystems und der Beschaffenheit der Bursa angegeben.
Besonderes Interesse erheisoht das Schmarotzertum der Strongyliden
im Blutgefäßsystem des Pferdes. Schon im Jahre 1691 hat Ruyisch (22)
dcnWurm des Aneurysmas beschrieben und Rudolphi(72) unterschied einen Stron¬
gylus armatus ct major intestinalis und Str. ß minor, aneurysmaticus. Später
wurde letzterer als Entwickelungsform des ersterenangesehen. Sticker fand, daß das
Aneurysma duroh die Jugendform des Sclerostomum bidentatum verursacht wird.
Diese Angabe kann ich bestätigen, und habe ich Vertreter der anderen beiden
Arten in der Arteria ileo-coeco-colica noch nicht angetroffen.
Verschiedene Autoren haben über das Vorkommen von Strongyliden in der
Bauchspeicheldrüse, in den Nieren, den Hoden, der Hodenscheidenhaut, in den
Lungen und im Gehirn berichtet. Ich hatte Gelegenheit, ihn in zertrümmertem
und*durchblutetem Parenchym der Leber, der Hoden und zweimal unter der Serosa
des Zwerchfells und der Bauchdecken in mehr als je 20 Exemplaren zu finden, ln
letzteren Fällen lag Strongylus edentatus vor; die Männchen waren 14 mm, die
Weibchen 34 mm lang. Sie hatten fingerbreite, blutige Straßen hinter sich und
waren von unregelmäßigen, hochroten, fleckigen Blutungen umgeben. Die darüber¬
gelegene Serosa war tauähnlich mit Fibrin beschlagen.
Stioker teilt mit, in der alten Gurltsohen Sammlung seien mehrere Stron¬
gyliden aus der Scheidenhaut der Hoden eines Hengstes und mehrere
zwischen Bauchhaut und Bauchmuskeln eines Pferdes aufgefunden,
358 OLT,
die der zahnlosen Art des bewaffneten Palissadenwurmes angehören, ln der
Helminthensammlung des zoologischen Museums hatten sich Strongyliden aus der
Lunge eines Pferdes und ebensolche aus der Bauchhöhle eines Fohlens ge¬
funden, die gleichfalls als Sclerostomum edentatum erkannt wurden. Wahrschein¬
lich handelt es sich bei zwei von Kitt in der Bauchhöhle des Pferden gemachten
Funden gleichfalls um diese Art. An verschiedenen Stellen waren Blutungen unter
der Serosa durch 4—5 cm lange Strongyliden verursacht worden, wovon ein
Exemplar unter der Nierenkapsel an einer blutig«sugillierten Stelle lag.
Nach diesen Beobachtungen will es erscheinen, als seien die
im Parchenym von Organen und subscrös oder in der Unter¬
baut gelegentlich vorkommenden Strongyliden der Art
Sclerostomum edentatum zuzuzählen.
Das Auftreten von Würmern in der Darm wand des Pferdes hat
zuerst Raillet beobachtet und nach ihm Kitt mit den Worten er¬
wähnt: „Man findet die Parasiten auch in der Wand unter der
Schleimhaut des Darmes, wo ihre Nester als flachhügelige, knotige
Verdickungen von Hirse- bis Hanfkorn-, bis Nuß oder bis Mandel¬
größe sichtbar und fühlbar werden. Die Schleimhaut zieht über die
Stelle weg; wenn man einschneidet, gewahrt man eine Höhlung mit
trüb rötlichem, eitrig blutigem Inhalt, milchiger, weißlich oder
schieferig gefärbter Wand. Der darinliegende Wurm ist eingerollt
und nähert sich in Größe und Gestalt den geschlechtsreifcn Exemplaren“.
Im Jahre 1900 berichtete ich (12) näher über das Vorkommen der
Strongyliden in der Darmwand und erwähnte, daß man bei sorg¬
fältiger Prüfung der Blind- und Grimmdarmschleimhaut fast immer
Würmer oder Residuen ihrer Lagerstätte bestätigen könne. In einem
Falle waren ca. 150 Wurm knoten zu ermitteln. Jeder Knoten bestand
aus einer bindegewebigen Kapsel und einer glattwandigen einfachen
oder gefächerten Höhle, in der je eine Strongylidenlarvc und ein grau¬
brauner breiiger Pfropf saßen. Die Mehrzahl der Würmer hatte eine
Länge von 12—18 mm, einige geschlechtsreife Exemplare maßen über
20 mm. Auch Wurmlager mit einer 1 mm weiten Oeffnung, die der
Parasit bereits verlassen hatte, fanden sich vor. Ferner sah mair bei
straff angespannter Schleimhaut stippchenförmge Rötungen und soeben
erkennbare Ringelchen von 1—3 mm Durchmesser. Mit der Nadel
konnten an diesen Stellen 3—10 mm lange Wurmlarven herausgezogen
werden, deren Länge 0,8—1,5 mm betrug. Bei 4 mm langen Männchen
waren schon beide Spiculae und eine enge trichterförmige Bursa zu
erkennen. Die Zahl dieser Wurmlarven war auf einige Hunderte zu
schätzen.
lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 359
Es steht fest, daß die in der Darmwand des Pferdes einge¬
kapselten Strongyliden, abgesehen von Sclerostomum tetracanthum,
das als 1—10 mm langer Wurm gleichfalls in der Darmwand ge¬
funden wird, mit der im Aneurysma vorkomraenden Art, Sclerostomum
bidentatum identisch sind. Das hat Sticker festgestellt, meine Be¬
obachtungen und die Hummel’s (27) stimmen damit überein.
Es fragt sich nun, sind die zur Art Sclerostomum bidentatum
gehörigen Würmer, welche in den Knoten der Darmwand gefunden
werden, vom Aneurysma heruntergewandert, wie nach der An¬
sicht von Rai 1)et (35 und 36), Leuckart (37) und anderen Autoren
bisher angenommen wurde, oder sind sie von dem Darmluraen her
nach der Submukosa vorgedrungen, um hier die Entwickelung
bis zur Geschlechtsreife durchzumachen. Diese letzte Ansicht habe
ich auf Grund histologischer Merkmale bei der Untersuchung der
Wurmknoten vor 10 Jahren ausgesprochen, und weitere Beobachtungen
bestärkten mich in meiner Annahme.
Sclerostomum tetracanthum sowohl wie Sclerostomum bidentatum
liegen, wenn in der Darmwand parasitierend, in der Submukosa, un¬
mittelbar unter der Muscularis mucosae. Solange die Schleimhaut über
dem Wurmknoten erhalten ist, läßt sich ein mit unbewaffnetem Auge
kaum sichtbarer Defekt nachweisen, der an mikroskopischen Schnitten
durch die Muscularis mucosae als ein mit Detritusmassen und emi¬
grierten Zellen verstopfter Kanal bis in das Wurmlager zu verfolgen
ist. Aus diesem regelmäßigen Befunde ist auf eine Zuwanderung des
Parasiten vom Darmlumen her zu folgern.
Die in der Blutbahn vorkommenden Strongylidenlarven halte ich
auch heute noch für verirrte Exemplare, die vielleicht von den Darm¬
arterien zum Teil den Weg zurück in den Darm finden können, für
die Erhaltung der Art meines Erachtens aber nicht nennenswert in¬
betracht kommen. Sichere Beweise, daß diese Würmer Arterien¬
wände perforieren und hierauf den Weg bis in das Darmlumen des
Pferdes einschlagen, fehlen heute noch.
Hummel, der in jüngster Zeit in einer sehr schätzenswerten
Abhandlung diese Frage berührte und viele Wurmknoten der Darra-
wand des Pferdes in Schnittserien zerlegt und eingehend untersucht
hat, sagt: „Zweifellos spielt sich die Entwickelung des Sclerostomum
bidentatum in einer sehr großen Anzahl von Fällen in der von Olt be¬
schriebenen Weise ab, und geht auch eine große Zahl der in die Blut¬
bahn eingedrungenen Larven in den verschiedensten Organen zugrunde.“
360
OLT,
Sticker hält streng an der früheren Auffassung fest und sagt
über den in der Art. mesent. anterior parasitierenden Strongylus:
„Die Ueberwanderung der jungen Würmer aus dem Aneurysma in den Darm
geht in folgender Weise vor sich: So lange die Larven in der Blutader verweilen,
werden sie durch die geronnenen Fibrinmassen dort festgehalten. Nur ihr vor¬
deres Ende, bisweilen auch das hintere, ragt ein wenig hervor und ist imstande,
sich zu bewegen. Zu einer Ansaugung an die Wand der Blutader, nach Art der
Gesohlechtstiere an der Schleimhaut des Darmes, ist weder die Larve mit ihrer
Mundrosette, noch der in der Larvenhaut sitzende Wurm befähigt. Wird die
Larvenhaut zerrissen, so treibt die Blutwelle die Würmer willenlos nach den End¬
verzweigungen der Gekrösarterie. Hier verweilen sie in flachhügeligen, knotigen
Verdickungen von Bohnen- bis Haselnuß- oder Mandelgröße und wachsen zu der
Länge und Gestalt der Geschlechtstiere heran. Niemals habe ich in diesen Darm¬
wandknoten Larven, sondern stets junge Würmer des Aneurysma gefunden. Aus
der Darmwand gelangen die Würmer durch eine kraterförmige Oeffnung der
Schleimhaut in das Lumen des Darmes, saugen sich fest, erlangen dort ihre voll¬
ständige Geschlechtsreife und begatten sich endlich, worauf der Kreislauf des
Lebens von neuem beginnt.“
Im Jahre 1890 hat Willach die Ansicht ausgesprochen: „Daß
der Durchgang durch die Blutbahn notwendigerweise zur Entwickelung
unserer Parasiten gehört, möchte ich aus dem Grunde verneinen, weil
die geschlechtsreifen Exemplare in so großer Anzahl im Darme ge¬
funden werden, daß sie unmöglich alle die Blutbahn passiert haben
können, ohne viel gewaltigere Störungen hervorzurufen, als wir in der
Kegel zu sehen gewohnt sind.“ Diese Ansicht habe ich vollkommen
geteilt, seit sie mir bekannt geworden ist. Bei Sektionen habe ich
stets auf das Verhältnis der im Darm ermittelten Strongyliden zu den
in der Arteria ileo-coeco-colica sitzenden geachtet. Wenn wir die
Anzahl des im Darme vorkommenden Sei. bidentatum mit den im
Aneurysma schmarotzenden Exemplaren vergleichen, muß auffallen,
daß letztere in einer unverhältnismäßig geringen Zahl gegenüber den
geschlechtsreifen im Zökum und Kolon vertreten sind. Wir können
bei dem auffallend großen Zahlenunterschied nicht folge¬
richtig annehmen, daß alle geschlechtsreifen Exemplare ein¬
mal in der Gekrösarterie schmarotzt haben, auch wenn die
Entwickelung des Wurmes im Blutgefäß wesentlich rascher
ablaufen sollte, als die Zeit des Geschlechtslebens. Eine
richtige Vorstellung über die Zahl der im Pferdedarm schmarotzenden
Strongyliden gewinnt man nur, wenn Zökum und Kolon noch lebens¬
warm aufgeschnitten werden, da in diesem Falle die Würmer an der
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 361
Schleimhaut halten und nicht wie bei erkalteten Kadavern sich unter
dem Darminhalt der Beachtung entziehen. Chabcrt fand auf einer
zwei Hände großen Fläche mehr als 1000 Stück und schätzte die
Gesamtmenge der im Darme vorhandenen Würmer auf mehr als eine
Million. Allerdings ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis Sei.
bidentatum darunter vertreten war. Auf einer 20 qcm großen Schleiro-
hautfläche sah ich in einem Fall 63 geschlechtsreife Strongyliden, auf¬
fallend war aber, daß in der Gekröswurzel nur 4 kleine Larven er¬
mittelt werden konnten. Allenfalls kann nach dieser Sachlage ange¬
nommen werden, daß ein kleiner Teil der geschlechtsreifen Exemplare
des Sei. bidentatum von den Arterien des Darmes heruntergewandert
ist. Aber auch das trifft meines Erachtens wohl kaum zu.
Ungemein häufig finden sich am Gekröse des Blind- und Grimra-
darmes, und nicht selten auch an den übrigen Darmteilen kleine
reiserähnliche Gefäßverkalkungen oder grieskorn- bis pfefferkorn¬
große graue bis hellgelbe, kalkige Knötchen, die in einer
straffen bindegewebigen Hülle liegen. Daß sie auf Emboli der
vorderen Gekröswurzel zu beziehen sind, ist zweifellos. Denn in
den entkalkten und mikrotomierten Gebilden findet man regelmäßig
untergegangene Wurmlarven, und zwar in der Regel mehrere hinter¬
einander. Aus diesem Befund geht hervor, daß Würmer des An¬
eurysmas in den peripheren Gefäßverzweigungen absterben und ver¬
kalken. Sicher werden auch viele Wurralarven auf ähnliche Weise zu¬
grunde gehen, ohne sich mit Kalkknoten zu umgeben. Die Menge
etwa gleichzeitig mitgeschwemmter Gerinnsel und das Verhalten
des verletzten Gefäßrohres werden entscheiden, ob später Reste des
Embolus und Abweichungen an den Arterien sich bemerkbar machen
oder nicht.
In all den fraglichen Kalkkörperchen habe ich niemals Wurm¬
larven vermißt, woraus ich folgere, daß sic an dem Orte, wo das
Gefäß infolge seiner Enge ein weiteres Absteigen nicht zuläßt, liegen
bleiben und die Arterienwand nicht zu durchbrechen vermögen. Aller¬
dings handelte es sich hier mit sehr seltenen Ausnahmen um kleine
Wurmlarven, die den Entwickelungsgrad der Häutung, welcher nach
Sticker dem Verlassen des Aneurysma vorausgeht, noch nicht erreicht
hatten, ln größeren, erbsengroßen und umfangreicheren kalkig inkrustierten
Knoten der Submukosa des Kolons fand ich aber auch solche Würmer,
die verschrumpft und teilweise verkalkt waren und nach den Größen¬
verhältnissen den ausgewachsenen Exemplaren des Aneurysma gleich-
362
OLT,
kamen. Es ist mir allerdings nicht gelungen, an den Schnitten nach¬
zuweisen, ob die definitive Wandkapsel schon gebildet war.
Nach Abzug aller in der gedachten Weise zugrundegegangener
Wurmlarven müßten, die Richtigkeit der früheren Anschauung voraus¬
gesetzt, noch soviele bis zum Stadium der Häutung gelangte Würmer
übrigbleiben, um die Zahl der im Darm sich vorfindenden Reprä¬
sentanten der Art Sei. bidentatum zu liefern.
Wo sind diese durch die Arterien herabsteigenden Arten
zu suchen? Am Gekrösansatz verzweigen sich die Darraarterien
plötzlich in ein kleinkalibriges Gefäßnetz; hier finden wir auch fast
ausschließlich die kalkigen Knoten mit den zentral gelegenen Würmern.
Die Knoten mit den lebenden Würmern der Submukosa sind
aber gleichmäßig über die ganze Oberfläche der Darm¬
schleimhaut verteilt. Diese Tatsache läßt sich meines Er¬
achtens nicht mit der Annahme einer Zuwanderung der
Würmer durch die Darmarterien in Einklang bringen. Nur
einen einzigen mir bekannten Fall muß ich als Ausnahme betrachten,
er betrifft zahlreiche Wurmknoten in der Spitze des Blinddarmes, die
sich auf einen verhältnismäßig kleinen Bezirk beschränkten; ich komme
unten auf den Fall zurück.
Hummel (27) folgert auf Grund seiner Untersuchungen an frag¬
lichen Wurmknoten des Pferdedarmes: „Die Sklerostomenlarven und
geschlechtsreifen Individuen gelangen nicht nur vom Darme aus,
sondern auch auf dem Wege der Gefäßbahn in den Dünn- und Dick¬
darm.“ Er nimmt sonach eine Mittelstellung zwischen der von
Lcuckart, Raillet (22), Sticker u. a. vertretenen Ansicht, wonach
die Strongyliden (Sei. bidentatum) vom Blutgefäßsystem nach dem
Darme gelangen, und meiner Auffassung, nach welcher die in Gefäßen
vorkommenden Strongyliden als verirrte Exemplare anzusehen sind,
die nur durch die Gunst des Zufalls den Weg zurück ins Darmlumen
wieder finden. Die Beobachtung Hümmels, daß in den feinen
Gefäß Verästelungen der Submukosa namentlich des Dünndarmes die
Würmer sich festkeilen und in den periarteriellen nekrotischen Herden,
aus denen pfefferkorngroße bis erbsengroße Knoten hervorgehen, völlig
zugrundegehen, kann ich durchaus bestätigen.
Die Wurmknoten des Pferdedarmes hat Hummel nach ihrer
Einrichtung in Gruppen gesondert. Einen besonders bemerkenswerten
Befund teilte er über einen vollständig in eine Serie mikroskopischer
Schnitte zerlegten Wurmknoten mit, der beweisend für die Zuwanderung
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 3t>3
der Parasiten aus einer Arterie sein sollte. Ein Schnitt (Fig. 5) zeigt
die Muskularis einer zerstörten Arterienwand inmitten von roten Blut¬
körperchen und Gerinnungsmassen. „Hier befand sich das große, mit
weiten Ausbuchtungen versehene Wurmlager, in deren vorderster der
Parasit sich noch vorfand, durch breite, mit starken Streifen roter
Blutzellen durchsetzte Züge direkt mit dem Innern einer Arterie in
Verbindung. Die allmähliche Thrombosierung und Einschmelzung der
Arterienwand und die spätere Regeneration des Gefäßlumens konnte
in einer Reihe von Schnitten genau verfolgt werden. Ein Zweifel
daran, daß der vorliegende Wurm seinen Weg aus dieser
Arterie in das Wurmlager hineingenommen hatte, war
schlechterdings nicht möglich.“ Herr Hummel hatte die Liebens¬
würdigkeit, mir seine mikroskopischen Präparate zur Durchsicht zu
überlassen, und kann ich mich seinen Folgerungen nicht anschließen, lra
Bereiche der Blutung gewinnt man den Eindruck, als sei hier die
Zerstörung des Blutgefäßes durch den in der Nähe gelegenen Wurm
verursacht. Nun lehren aber die vielen Schnitte der Serie, daß sich
die jüngsten Abweichungen auf die Blutung um das zerstörte Gefäß
beziehen; denn die Blutkörperchen sind noch gut erhalten, während
in weiterer Entfernung alter Detritus liegt. Vor allen Dingen aber
findet sich im Bereiche der ältesten Abweichungen des Wurmlagers
der Defekt in der Mukosa und Muscularis mucosae, der für die Zu¬
wanderung des Wurmes vom Darmlumen her spricht. Bei dem
weiteren Vordringen ist der Parasit mit der Adventitia des Arterien¬
rohres zuerst in Berührung gekommen und der Gewebszerfall ging
soweit, daß sich die Blutung angeschlossen hat. Ich will keineswegs
behaupten, daß Hummel unter den vielen von ihm untersuchten
Wurmknoten nicht auch solche ermittelt hat, die seine Folgerungen
mit Recht stützen; die fragliche Serie lehrt aber, wie leicht Bilder
entstehen, die zu Täuschungen führen.
An Arterien wie auch an Venen der Darmwand, welche durch
den Parasitismus der Strongyliden in Mitleidenschaft gezogen werden,
entstehen gar vielgestaltige Abweichungen. Die jüngsten Veränderungen
treten in Form von zelligen an Eosinophilen reichen Exsudaten
in den adventitiellen Gewebszügen auf. Bald lockern sich die glatten
Muskelfasern der Media, ihre Kerne nehmen unregelmäßige Gestalt,
z. B. wellige Schlängelungen an, und lösen sich zuletzt in Trümmer
auf. In der Regel tritt eine ausgiebige Kontraktion des Gefäßes ohne
Blutung ein. In dem Erweichungsherd des Wurrasitzes widerstehen
364
OLT,
die Arterienwände ebenso wie bei anderen Einschmelzungen in lockerem
Gewebe am längsten dem Zerfall. Ja manchmal sieht man dick¬
wandige kontrahierte Arterien mitten in feinkörnigem Detritus des
Wurmknotens noch liegen, wenn längst der Parasit seinen Weg nach
dem Darmlumen gefunden hat. Beim Studium solcher Bilder habe
ich nie ein sicheres Urteil gewinnen können, ob der Wurm durch die
Arterie oder von der Glandularis her in die Submukosa ursprünglich
eingewandert war, da die Schleimhaut in diesem Stadium sekundäre
Abweichungen aufweist, die eine Folgerung nicht mehr oder nur
ausnahmsweise zulassen.
Die zum Schlüsse sich einstellende Regeneration im Bereiche des
Wurmlagers vollzieht sich unter Ausstoßung des Pfropfes nach dem
Darmlumen und einer epithelialen Ueberkleidung des Defektes. Diese
entwickelt sich vom Rand des Geschwüres her und dringt schon in
die Tiefe vor, ehe sich hier die oft kalkig inkrustierten Massen lockern.
Im Grunde des Defektes bleibt eine geringe Menge Granulationsgewebe
zurück, in das von der gebildeten Epitheldecke einzelne Drüsenschläuche
Vordringen, die nicht ganz die Länge der Liberkühnschen Drüsen
erreichen und auch nicht das regelmäßige Anordnungsverhältnis auf¬
weisen. Der Defekt in der Museularis mucosae bleibt bestehen. Diese
Abweichungen sind makroskopisch nicht sichtbar, bei histologischen
Untersuchungen begegnet mancher gelegentlich Zuständen, die auf
frühere Geschwüre schließen lassen und große Uebereinstimmung mit
den vernarbten entozoischen Follikulargeschwüren (Strongylus dentatus)
des Schweinedarmes aufweisen. Aus diesem Befund geht hervor,
daß die zahlreichen Follikulargeschwüre der Darmschleim¬
haut und die Erkrankungen der Lymphdrüsen durch Wurm¬
larven verursacht worden sind. Diese waren von der Ober¬
fläche der Schleimhaut eingedrungen und sind in der Tiefe
der Geschwüre zugrunde gegangen. Ein Teil ist bis zu den
Lymphdrüsen gewandert und dort abgestorben. Wie der
Untergang der Wurmlarven zu erklären ist und welcher Art sie an¬
gehören, läßt sich nicht entscheiden.
Der Nachweis mehr oder weniger gut erhaltener Blut¬
gefäße inmitten nekrotischer Herde beweist für sich allein
nicht, daß die Parasiten durch die Darmarterien zugewandert
sind und vorher im Aneurysma gesessen hatten. Ira frag¬
lichen Falle ist diese Art der Zufuhr als ausgeschlossen an¬
zusehen.
lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 365
Schipp (private Mitteilung) hat bei allen Obduktionen, die er
an Pferden in Ostpreußen vornahm, der Beschaffenheit des Darmes
besondere Aufmerksamkeit geschenkt und stets reichlich geschwürige
Zustände und Knoten mit Strongyliden ermittelt, die ein vielgestaltiges
Aussehen hatten. In einem Falle, der verdient mitgeteilt zu werden,
hatte Schipp die Liebenswürdigkeit, mir Darmteile eines an Druse
verendeten Fohlens zugehen zu lassen.
Bei der Obduktion fielen an der Serosa des ganzen Dünndarmes geldstück-
große, beetartige, erhabene, dunkelrote bis sohwarze Flecken auf, ähnlioh wie sie
von der Serosa des Hüftdarmes bekannt sind. Nach der Eröffnung des Darmes
zeigte sich, daß diese Fleoken genau dem Sitze der Peyersehen Plaques ent«
sprachen. Hier ragten pfefferkorn- bis erbsengroße graugelbe und dunkelbraune
Pfropfe über die Oberfläche, die aus einer krümeligen oder dickbreiigen Masse be¬
standen. Die Pfropfe setzten sich mit dünnen Ausläufern bis zur Muskularis fort.
Auffallend war, daß immer nur im Bereiche der Follikelanhäufungen diese Ab¬
weichung ihren Sitz batte, vielfach lagen 6 bis 8 solcher Pfropfe nebeneinander.
Ein Teil derselben war mit Hinterlassung einer entsprechenden Vertiefung heraus¬
gefallen, andere saßen so locker, daß man sie leicht herausheben konnte. Auch
im Kolon und Zökum beschränkten sich diese Knoten hauptsächlich auf die an
lymphatisohem Gewebe reichen Stellen; so war die Schleimhaut in der Spitze des
Blinddarmes übersät mit Geschwüren, die den erwähnten Pfropf aufwiesen oder
sich bereits gereinigt hatten. Neben 1—3 mm weiten, tiefgehenden Defekten mit
höher geröteter Umgebung fielen glatte, Senfkorn- bis erbsengroße, halbkugelige
Vertiefungen auf, die als leicht abgeheilte Geschwüre alle Uebergänge bis zn den
mit Pfropfen ausgestatteten Zuständen verfolgen ließen.
Ferner fiel die Vergrößerung der mesenterialen Lymphdrüsen auf. An der
Blinddarmspitze lagen sie in haselnuß- bis taubeneigroßen derben Knoten, die
außen eine gefäßreiche Bindegewebsschicht und innen graues lymphatisches Ge¬
webe aufwiesen. In diesem fielen auf dem Schnitt zahlreiche Senfkorn- bis pfeffer¬
korngroße, graugelbliche, trübe Erweichungsherde auf, die sich scharf gegen die
durchscheinende Nachbarschaft abhoben.
Dieser Befund ist in verschiedener Hinsicht interessant; zufällig bei einem
rotzkranken Pferde ermittelt, würde er zweifellos von gar manchem Obduzenten
als Darmrotz gedeutet werden; sicherlich sind die Berichterstattungen über spon¬
tanen Darmrotz auch auf diese Weise zu erklären. Mit Rücksicht auf die Wichtig¬
keit dieser Frage erlaube ich mir das Ergebnis der histologischen Untersuchung
in kurzen Zügen hier anzuführen.
Bei den Knoten in den Peyerschen Haufen wird der Pfropf von dem Ge¬
schwürsrande bis hinunter zur Muskularis von zellreichem Granulationsgewebe
scharf begrenzt. Dieses ist mit zahlreichen Kapillaren und einem vielmaschigen,
zarten Fibrillennetz ausgestattet, das sich nur nach kräftiger Säurefuchsinfärbung
feststellen läßt und sich mit feinsten abgestorbenen Re iserohen hinei n in den Pfropf fort¬
setzt. Im übrigen besteht der Pfropf aus einem feinkörnigen Detritus, dessen Ge¬
halt an Kern fragmen ten sich nur andeutungsweise färbt, während die ganze Grund¬
substanz große Affinität zu Eosin hat. In der Nachbarschaft des Pfropfes liegen
3H6 OLT,
scharenweise eosinophile Zellen. Verfolgt man den über das Niveau der Mukosa
hervorragenden Pfropf nach der Tiefe, wo er sich konisch verjüngt, dann findet
sich, daß er in einen dünnen nekrotischen Strang gleicher Zusammensetzung auf
eine größere Strecke ausläuft und am Ende Sitz einer abgestorbenen Wurmlarve
ist, die nicht ganz den Umfang einer Trichine hat. Der dünne Strang und das
Wurmlager werden von radiär geordneten Fibroblasten, eosinophilen Zellen, baso¬
philen Rundzellen und hier und da von Riesenzellen umlagert; von letzteren
finden sich manchmal 20 und mehr. Die Masse des Pfropfes ist so plastisch, daß
die Straße der Parasiten bei vielen Knoten als glattwandiger Kanal vom Sitze des
Wunnes eine größere Strecke rückwärts verfolgt werden kann.
Bei einem Knoten liegt in dem strangförmigen Ausläufer des Pfropfes ein
arterielles, bis auf die Media geschwundenes Blutgefäß, das schwach gefärbt ist
und allseitig von Detritus umgeben wird. Die Schnittserie lehrt aber, daß der Strang
oder sagen wir die Straße der Parasiten von außen her auf das Gefäß zuführt und
eine kleine Strecke weiter von ihm wieder abbiegt. Sonach ist die Einwanderung
des Wurmes nicht durch das nekrotische Blutgefäß erfolgt, sondern dieser ist an
der betreffenden Stelle abgestorben, weil es von dem Wurmkanal tangiert wurde.
An den vergrößerten und auf dem Schnitt mit miliaren und pfefferkorngroßen
Zorfallsherden ausgestatteten Lymphdrüsen fällt bei der histologischen Unter¬
suchung eine starke Vaskularisation auf, die vom Hilus an sich wie das Gerüst
der Lymphdrüsen bis zu den Follikeln der Rinde ausbreitet. Die Follikel sind
hyperplastisch und reichlich von Kapillaren durchsetzt. Das periadenoide und
subseröse Bindegewebe ist um den 5—8fachen Umfang normaler Verhältnisse ver¬
dickt. Die Zerfailsherde sitzen hauptsächlich im periadenoiden Bindegewebe, sie
durchqueren aber auch lympbadenoides Gewebe und bestehon aus der gleichen
Masse wie die Pfropfe der oben beschriebenen Wurmknoten des Darmes. Sie
lassen sich auf Schnittserien als vielfach gewundene Gänge deuten und sind Sitz
der kleinen Rundwürmer, die übrigens in mehreren Exemplaren gefunden werden
und gleichfalls abgestorben sind. Auch hier sind die Eosinophilen in der mit
vielen Fibrillenzügen ausgestatteten Nachbarschaft massenhaft vertreten. Ab¬
gestorbene Blutgefäße werden hier mehrfach von den nekrotischen Zügen tangiert,
ohne daß Anhaltspunkte für eine arterielle Zuwanderung der Parasiten zu er¬
mitteln sind.
Sclerostoraura bidentatum verursacht zwei ganz verschiedenartige
gewebliche Abweichungen, je nach dem es im Blutgefäß oder frei im
Gewebe sitzt. Im ersten Falle gesellt sich zur Thrombose stets
Gewebsproliferation mit starker Verdickung der Intima und Media
sowohl bei kleinen wie großen Arterien, während die extravaskulärc
Ansiedelung des Wurmes zur Entstehung einer Zerfallshöhle führt,
welche die bekannten Wandlungen bis zur Verkalkung ihres Inhalts
oder zur Geschwürsbildung erfahren kann. Extravaskulär ist Scle-
rostomum bidentatum mit Sicherheit immer nur in den fraglichen
Knoten des Darmes und an der Darraschleimhaut haftend gefunden
worden. Wäre dieser Parasit imstande, sich durch Blutgefäße nach
lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 3H7
außen zu bohren, dann müßte man ihn doch recht oft in der nahezu
geschiechtsreifen Form außer in der Darmwand auch im Gekröse,
in den' Lyraphdrüsen und retroperitoneal an anderen Stellen be¬
gegnen.
Manchmal findet man einen leeren oder schon fast vollständig
zurückgebildeten Wurraknoten und in einiger Entfernung Oedem der
Submukosa um ein nahezu geschlechtsreifes Sklerostomum. Die
Schleimhaut ist über dem ödematösen Bezirk vollkommen intakt, und
dürlte unter diesen Umständen der Parasit den Weg nach dem Darm¬
lumen endgültig verfehlt haben. Würden alle Artgenossen durch die
Arterien nach dem Darme heruntergespült und in die Nachbarschaft
eindringen, dann müßte man doch wohl dergleichen Oedemen auf den
Straßen, welche die Würmer noch in der Darmwand zurückzulegen
hätten, recht oft begegnen. Die Beobachtung lehrt aber, daß fragliche
Funde äußerst selten zu verzeichnen sind. Am Aneurysma verur¬
sacht Sclerostomum bidentatum keinerlei mechanische Gewebsläsionen,
wenn es sich im Thrombus angesiedelt hat. In der Regel liegt der
Parasit mit dem Kopfende zwischen dem Thrombus und der Intima,
während das Schwanzende frei in das Gefäßlumen ragen kann.
Mikroskopische Schnitte durch die Aneurysmawand weisen selbst an
dem zartesten Granulationsgewebe keinerlei Zerstörungen auf. In
Schnitten von Gewebsstückchen, die in Formolagargemisch eingebettet
und wegen der Erhaltung des Fettes unter Anwendung nur schwacher
Alkohollösungen mikrotomiert worden waren, ließ sich nach zweck¬
entsprechender Färbung Fett in 4—20 /* großen Tröpfchen in den
thrombotischen Massen, im Mundbecher und in dem Darmepithel der
Würmer nachweisen. Auch die Zerfallprodukte emigrierter Zellen
fanden sich neben Massen des Thrombus im Mundbecher, nicht aber
fixe Gewebszellen. Der Wurm des Aneurysmas ist offenbar nicht im¬
stande, mit dem dicken abgestutzten Kopfende, das den feinen Kranz
von Fransen trägt, in die Wand eines Blutgefäßes einzudringen und
nicht befähigt, Arterienwände zu perforieren; nur durch Zerfall an
letzteren könnte die Möglichkeit für eine Auswanderung des Parasiten
gegeben sein.
Nun ist aber bekannt, daß bei seiner Anwesenheit im Gefäßlumen
ein Gewebszerfall nicht eintritt, sondern ira Gegenteil, eine Endo-
arteriitis mit Thrombose und bindegewebiger Verdickung spielt sich
ab. Je nach der Größe des Gefäßes gestalten sich die Zustände ver¬
schieden. Wir sehen da alle Uebergänge von den einfachsten skle*
368
OLT,
rotischen Veränderungen bis zu der zur Verkalkung neigenden knötchen¬
förmigen Gefäßverdickung und dem Aneurysma verminosum.
Histologisch läßt sich am Aneurysma Folgendes feststellen:
Die Verdickungen der Arterienwand erstrecken sich hauptsächlich
auf die Media, sie sind aber manchmal auch in recht beträchtlichem
Maße auf die Intima zu beziehen. Die genaue Grenze kann nur durch
eine Färbung der elastischen Fasern ermittelt werden. In manchen
Fällen, so bei der Erkrankung der Art. colica inferior, habe ich
die stärksten geweblichen Wucherungen in der Intima, bis 2,5 mm
gegenüber einer Dicke der Media von 1,7 mm gefunden. Die sehr
dickwandigen Aneurysmen weisen die stärkste Gewebszunahme immer
in der Media auf. Wir sehen hier zwischen auseinandergedrängten
Zügen der glatten Muskulatur Fibroblastenanhäufungen, die sich dem
Faserverlauf der Media anpassen. Je nach dem Alter der Zustände
liegen neben den erwähnten Elementen lange feinwellige Fibrillen¬
stränge, welche bei der Giesonfärbung in roter Farbe scharf zu den
dicht anliegenden gelben und gradlinigen Muskelfaserzügen kontrastieren.
Diese erfahren eine Abnahme ihrer Elemente, viele Muskelfasern
weisen einen außergewöhnlich schmalen Protoplasraaleib auf, und
deuten auch die Kerne solcher auf einen Untergang von Zellen hin.
Mit dieser Aenderung der Textur, die übrigens auch das elastische
Gewebe in Mitleidenschaft zieht, nimmt trotz der Dickenzunahme der
Wand die Widerstandskraft gegen den Innendruck ab, daher stellt
sich die aneurysmatische Erweiterung des erkrankten Rohres ein. In
den inneren Lagen der Media bis hinein in die gewucherte Intima
finden sich Nester und Straßen junger Fibroblasten und zahlreicher
Lymphozyten neben eosinophilen Zellen.
Das junge Granulationsgewebe der Intima zeigt vielfach deutlich
ausgeprägten radiären Verlauf der Gewebselemente, besonders der oft
reichlich vorhandenen Kapillargefäße. Auf der mit Endothel über¬
kleideten Oberfläche machen sich zwischen halbkugeligen Prominenzen
enge Einziehungen mikroskopisch feiner Narbenretraktionen bemerkbar.
Hier liegen fibrilläre Bindcgewebszüge in dem einer solchen Ein¬
ziehung entsprechenden Anordnungsverhältnis: Das fibrilläre Binde¬
gewebe der Intima ist nicht so geregelt angeordnet wie das der
Media und zeigt auch eine größere Mannigfaltigkeit hinsichtlich der
Beschaffenheit seiner Bündel. Man sieht im Maschenwerk feine
Reiserchen die jüngsten Granulationen durchziehen, nebenan rankt es
in Bogen und Durchflechtungen, und besonders fallen an vielen Stellen
Lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 3(W
unmittelbar unter dem Endothel sehr zellarme Bezirke auf, die von
dicken, an die kollagenen Gewebszüge des Kutiskörpers erinnernden
Fibrillenbändeln belagert werden.
Da, wo die Intima mit Thromben beschlagen ist, begegnet man
ganz allmählichen Uebergängen von lockeren, sehr zellreichen Granu*
lationen in das Gerinnsel. Die emigrierten mononukleären Zellen,
wovon ein kleiner Bruchteil auf eosinophile kommt, lassen sich in
dichten Schwärmen, bis hinein in die Gerinnungsmasse verfolgen. Hier
gehen die Wanderzellen massenhaft zu Grunde und Kernfragmente
neben den rotgefärbten Körnern der Eosinophilen häufen sich an, den
Strongyliden einen Teil der Nahrung liefernd.
An den von Thromben freien Stellen trägt die Intima guterhaltenes
Endothel, das stellenweise durch Vergrößerung der Kerne und eines
mehr abgerundeten Protoplasmaleibes an epitheliale Auskleidungen
erinnert.
Die Strongyli liegen im Thrombus, und stehen in der Regel mit
der Intima in direkter Berührung, ohne jedoch in sie einzudringen.
Oberflächendefekte mechanischen Ursprunges habe ich hier nicht finden
können. Kleine in dem Granulationsgewebe ablaufende Blutungen sind
nicht mit Gewebszertrümraerung vergesellschaftet. Die ausgetretenen
Erythrozyten beschränken sich auf enge Bezirke und hinterlassen die
verschiedenen Derivate bis zu den Testierenden Narbenpigmenten, die
der Intima jene bekannten schiefergrauen Flecken verleihen.
Gelegentlich findet man auch in mikroskopischen Schnitten die
Kutikula, die der Wurm bei der Häutung zurückgelassen hat. Als
gefaltetes, homogenes, in sich geschlossenes Band liegen die Schnitte
der Kutikula im Thrombus und in den Nischen der Intimawucherungen,
bisweilen von diesen vollkommen eingehüllt. Es fiel mir auf, daß
diese Haut nicht eine Eosinophilie der nächsten Nachbarschaft unter¬
hält, wie das bei den Würmern und selbst den kleinsten abgestorbenen
Larven der Fall ist.
Die adventitiellen Wucherungen sind von anscheinend unter¬
geordneter Bedeutung; sic bestehen hauptsächlich aus lockerem gefä߬
reichen Bindegewebe. Aber auch straffe fibrillenreiche Züge neben
zeitigen, an Eosinophilen reiche Infiltrate entwickeln sich nicht selten
in erheblichem Maße. Meines Erachtens sind diese Abweichungen von
großer Tragweite, da der Plexus coeliacus im Bereiche der vorderen
Gekrösarterie seinen Sitz hat, und seine Nerven längs der Blutgefäße
ihren weiteren Verlauf nach den verschiedenen Darrateilen nehmen.
ArchiT f. wisjensch. u. prakt. Tierlieilk. J(il 30. Suppl.-Itand.
24
370
OLT,
Hier liegen im adventitiellen Bindegewebe der Darmarterien vasomo¬
torische Nerven und solche die teils hemmend und teils verstärkend
auf die Darmperistaltik einwirken. Die Darmwand hat zwar ihre
eigenen Nerven, welche die Peristaltik unabhängig vom Zentralnerven¬
system unterhalten; daß aber der Plexus coeliacus eine hervorragende
Rolle inbezug auf die Innervation der Darmgefäße und die Regulation
der Darmperistaltik zukomrat, steht außer Zweifel. Die hohe Be¬
deutung hinsichtlich der vasomotorischen Funktionen hat Popielski (82)
durch Exstirpation des Plexus coeliacus bei zahlreichen Versuchen an
Hunden dargetan. Ich möchte hier nur nachdrücklich hervor¬
heben, daß der Plexus coeliacus durch das Aneurysma ver-
minosum oft recht erheblich in Mitleidenschaft gezogen
wird; er erfährt den Druck der Gefäßerweiterung, und die
Nervenbahnen werden bei den adventitiellen Gewebs¬
wucherungen so umsponnen, daß Zustände, wie sie von der
Perineuritis bekannt sind, zur Entwickelung kommen. Ueber
die an den Nerven sich einstellenden Abweichungen werde ich bei
späterer Gelegenheit berichten. Eine nähere Prüfung der Frage wird
ergeben, daß die Kolikanfälle, denen manche Pferde so ungemein
häufig ausgesetzt sind, ihre Erklärung in den Abweichungen an den
Nerven des Plexus coeliacus finden. Bei keiner zweiten Tierart kommen
so häufig Störungen in der Darmperistaltik vor, wie beim Pferde, und
die geringsten Diätfehler führen bekanntlich bei manchen Tieren zu
immer wiederkehrenden, eines Tages tödlich endenden Unterdrückungen
der Darmtätigkeit. In den allermeisten Fällen dürften die Achsen¬
drehungen des Darmes als die Folgen vorausgegangener Darmparese
angesehen werden. Tritt durch Innervationsstörungen oder das Wälzen
der Tiefe Volvulus ein, und der erlahmte Darm kann nicht aus eigener
Kraft die normale Lage wieder herstellen, dann folgt letaler Ausgang.
Rechnet man die häufigen Todesarten durch Fäkalstase in der magen-
ähnlichen Erweiterung hinzu, so muß man sich fragen, haben wir eine
befriedigende Erklärung für die beim Pferde so ungemein oft beob¬
achtete Darmparese? Was abgesehen von der anatomischen Disposition
an Ursachen für Kolik angegeben wird, kommt doch auch bei anderen
Tieren in Frage, wie: Ueberfütterung, verdorbenes Futter, Gährung
des Magen- und Darminhalts, Erkältung, Aufnahme kalten Wassers,
Hungern, Ermüdung usw. Zweifelsohne kommt noch ein Faktor für
die häufigen Kolikanfälle des Pferdes in Frage, der noch nicht auf¬
geklärt ist.
lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 371
Als v. Bollinger (34) die Beziehungen desAneurysma verminosuni
zur Kolik des Pferdes geklärt hatte, wurde zunächst die Bedeutung
der Thrombose in der Arteria ileo-coeco-colica überschätzt, und die
Erfahrung hat gelehrt, daß tödliche Embolien von dieser Seite immer¬
hin zu den Seltenheiten gehören. Für die Folge wird die Frage, welche
Störungen das Aneurysma verminosum durch die Mitleidenschaft des
Plexus coeliacus verursacht, zu klären sein. Die Lösung dieser Frage
ist ungemein schwierig, da unsere Kenntnisse über die physiologische
Bedeutung des Plexus coeliacus noch recht dürftige sind.
Von weiteren Abweichungen, die namentlich mit dem Parasitismus
der Strongyliden Zusammenhängen, erlaube ich mir noch Gefä߬
erkrankungen in der Wand des Magens und Darmes zu erwähnen. Un-
gemein häufig fielen mir an diesen Stellen kleine Arterien mit verdickter
Media und Kalkkörnern unter dem Endothel der Intima auf. Manchmal
war diese bei geschlossenem Gefäßlumen vollständig in Kalkschollen
umgewandelt. Ob diese Gefäßerkrankungen durch Strongyliden ver¬
ursacht werden, läßt sich nicht entscheiden, da Reste ihres Leibes und
und auch thrombotische Massen nicht nachzuweisen sind. Es finden
sich aber alle Uebergänge von diesen einfachen Gefäßerkrankungen
bis zu jenen embolischen kugeligen oder geschlängelten, kalkigen
Körperchen, die im Zentrum die Wurmlarve, ja manchmal mehrere
solcher in kleinen Abständen hintereinander bergen. Die Parasiten
sind längst abgestorben und nebst ihrer nächsten Umgebung verkalkt,
sie haben aber ihre äußere Form so unverkennbar beibehalten, daß
die Deutung bei zweckentsprechender technischer Bearbeitung der ver¬
kalkten Gefäßteile auf keinerlei Schwierigkeit stößt. Die bei ver¬
kalkten Knötchen und Gefäßen angewandte Technik ist am Schlüsse
der Abhandlung mitgeteilt.
Die Frage, wie die Strongyliden in die Arterien gelangen
und wie die hauptsächliche Ansiedelung an der Arteria
mesenterica anterior zu erklären ist, hat eine befriedigende
Lösung kaum gefunden. Vielfach ist die Ansicht geäußert worden,
die jungen Larven würden durch die Darmarterien heraufwandern.
Das ist bei der Stromgeschwindigkeit des Blutes und dem Bau der
Larven unmöglich. Auch kann nicht gut angenommen werden, daß
sich die jungen Parasiten, auf Umwegen in den großen Kreislauf ge¬
langt, auf der Intima größerer Arterien und besonders in der Art.
mensent. anterior ablagern. Wie sollten sie plötzlich hier haften und
sich der passiven Weiterbeförderung entziehen können?
24 ’
372
OLT,
Sticker gibt eine Erklärung, die auch ich auf Grund eigener
Beobachtungen teile. Er sah ein Sklerostomum „auf dem Wege von
der Bauchhöhle durch die Arterienwand hindurch nach dem Lumen
des Gefäßes“ Vordringen. „Der schon gehäutete Wurm war an¬
scheinend auf diesem Wege Hindernissen begegnet, bestehend in derben
Bindegewebswucherungen, welche andere vor ihm gewanderte Würmer
verursacht hatten.“ Ferner fand Sticker (31) in der äußeren
Schicht einer Ancurysmenwand, die in eine derbe Geschwulstmasse
umgewandelt war, „vier erbsengroße Erweichungsherde, ln einem
derselben befand sich ein 15 cm langer, 1 mm dicker junger weib¬
licher Wurm von Sclerostomum bidentatum, dessen Kopf in einem
vom Herde ausgehenden blind endigenden Gange steckte.“
Aehnliche Beobachtungen an viel kleineren Würmern hatte auch
ich zu machen Gelegenheit, und will ich einen Befund anführen, der
sich auf Abweichungen an der Arteria colica inferior bezieht. Das
Gefäß ist 15 cm unterhalb des Ursprunges Sitz einer knochenharten
haselnußgroßen Verdickung. Auf der einen Seite ist ein schmaler
Saum des Arterienrohres mit der Schere noch ohne Widerstand zu
spalten. Die Intima des ganzen Gefäßes ist frei von Abweichungen.
Die knochenharte Partie der Arterie wird entkalkt, in Celloidin ein¬
gebettet und mikrotomiert. Die mikroskopische Untersuchung ergibt
die Anwesenheit eines abgestorbenen strukturlosen Herdes der einseitig
verdickten Arterienwand. Danach lag nicht Verknöcherung, sondern
Verkalkung vor.
Der abgestorbene Teil zieht sich als dünner gewundener 0,7 bis
1,5 mm dicker Strang durch die Gefäßwand und fällt schon bei makro¬
skopischer Besichtigung der mit Weigerts Eisenlack behandelten
Schnitte durch dunkele Färbung auf. Der Rand des Stranges er¬
scheint unter schwacher Vergrößerung achatähnlich von helleren und
dunkleren Bändern umsäumt. Nach Anwendung der Elastinfärbung
kann man elastische Fasern in mehr oder weniger gut erhaltener
Form von der mit fibrillären Bindegewebszügen und Fibroblasten
durchsetzten Media bis hinein in den Strang abgestorbenen Ge¬
webes verfolgen. An verschiedenen Stellen fällt ein überall gleich-
weiter glattwandiger Kanal von 55 fi Quere auf, der auf senkrechtem
Schnitt genau kreisrund erscheint und an seinem nahe der Intima ge¬
legenen Ende einen in seinen äußeren Formen noch guterhaltenen,
aber abgestorbenen Rundwurm birgt. Den Weg hatte dieser von der
Advcntitia her eingesehlagen. Eine kleine Strecke weiterer Wanderung
Ucbor die durch Strongylidcn bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 373
hätte ihn mit der Intima in Berührung gebracht, die sich dann wohl
vor Ankunft des Wurmes im Gefäßlumen mit einem kleinen Thrombus
bedeckt hätte, der zur Ansiedelung des Parasiten im Gefäßrohr ge¬
nügen konnte.
Es ist denkbar, daß derjenige Teil der jüngsten Larven, welcher
über die Grenzen der Darmwand vordringt, zwischen den serösen
Blättern des Gekröses hauptsächlich im Verlaufe der Lymphbahnen
weiterwandert. An der Gekröswurzel vereinigen sich die Straßen auf
das enge Gebiet, wo neben anderen geweblichen Hindernissen die
vielen Gefäßverzweigungen den meisten Parasiten den Weg verlegen.
Auf der Strecke, wo die Arteria raesenterica anterior dicht neben¬
einander die durchschnittlich 21 Aestc für das Jejunum abgibt,
finden sich ja auch regelmäßig erhebliche Abweichungen an der Ge¬
fäßwand, wenn ein Aneurysma besteht.
Von allen Theorien hat diejenige, welche die Zuwan¬
derung der Strongylidenlarven von der Adventitia durch die
Media nach der Intima in den sich hier bildenden Thrombus
annimrat, die größte Wahrscheinlichkeit für sich; es wäre
aber verfrüht, wollte man die dürftigen Beobachtungen von
Sticker und mir als zwingende Beweise für die Annahme
eines solchen Vordringens des Sclerostomum aneurysma-
ticum (bidentatum) bewerten.
An dieser Stelle will ich noch eine durch Wurmknötchen ge¬
kennzeichnete Hauterkrankung erwähnen, die wohl ebenfalls durch
die in Geweben untergehenden Wurmlarven verursacht wird und nach
ihren klinischen Erscheinungen und dem Verlauf nichts gemein hat
mit der von Rivolta zuerst erwähnten Dermatitis pruriginosa s.
Dermatitis granulosa Laulanie, welchem Leiden bekanntlich Filaria
haemorrhagica s. raultipapillosa zugrunde liegt, welcher Wurm in
einer Länge bis zu 6 und 7 cm gesehen worden ist (v. Ratz, Con-
tamine und Drouilly).
ln dem hier fraglichen Falle fand ich im Juni 1907 bei einem
Pferde linsengroße derbe Knötchen der Haut, besonders am Halse und
der Brust. Die Haare waren über den Knötchen etwas gesträubt.
Nach dem Rasieren traten die Knötchen sehr auffallend und viel zahl¬
reicher in die Erscheinung als vorher, da viele nur andeutungsweise
zur Entwickelung gekommen waren und andere 2—3 mm prominierten.
Auf handgroßer Fläche saßen 10—15 Stück, von denen das größte
herausgeschnitten und mikrotomiert wurde. Nach 14 Tagen waren
374
OLT,
alle Knötchen abgeschwollen und nur noch leichte Schuppenbildung
bemerkbar geblieben.
Die mikroskopische Untersuchung hat folgendes ergeben: die Cutis vas-
culosa ist beetartig verdickt, zeigt starke Füllung der Kapillaren und in den Ge-
websspalten eine Durchtränkung bis hinauf zwischen die letzten Reiserchen des
kollagenen Bindegewebes zwischen den Haarfollikeln. Basal ist das Infiltrat eine
kleine Strecke bis in die Cutis propria zu verfolgen. Die interepilhelialen Lymph¬
spalten im Stratum germinativum sind an den Follikeln und dem Oberfläcbenepithel
leicht erweitert und hie und da Sitz eingedrungener Leukozyten, ln der oberen
Region der Cutis propria fällt der Querschnitt eines Rundwurmes auf, der wenig
größer als eine Trichine ist und deutlich den Darm, Muskelzellen und einen Kuti-
kularsaum erkennen läßt. Umgeben wird der Parasit von kollagenem Bindegewebe,
dessen Züge auseinandergedrängt sind und in den Lücken neben mono- und poly¬
nukleären Zellen spärlich eosinophile Zellen und Zerfallsprodukte roter Blut¬
körperchen einschließen.
Drei Wochen später waren die Knötchen der Haut so spurlos zurückgebildet,
daß weiteres zur Untersuchung geeignetes Material nicht mehr gewonnen werden
konnte. Wahrscheinlich waren die Würmer abgestorben und resorbiert worden.
Bei der im November vorgenommenen Obduktion ließen sich außer einigen grauen
durchscheinenden und verkalkten entozoischen Knötchen in den Lungen Anhalts¬
punkte für die Wurminvasion nicht ermitteln.
Ein besonderes Interesse haben, abgesehen vom Aneurysma vermi-
nosam, die durch Entozocn verursachten Abweichungen erst erfahren,
als auf die Verwechselungen mit rotzigen Zuständen nachdrücklich
hingewiesen wurde. Neben den entozoischen Knötchen in den Lungen
haben in jüngster Zeit Geschwüre des Darmes hinsichtlich
der Rotzdiagnose eine größere Beachtung erfahren.
Die Italiener Boschctti, Benedetto, Vecchi (77) und andere
Tierärzte wollen in mehreren Fällen spontanen Darmrotz beobachtet
haben, hauptsächlich sollten sich in der mit Lymphfollikeln besetzten
Schleimhaut des Blinddarmes, sowie in der Serosa ltotzknötchen mit
käsigem Zentrum, auch manchmal verkalkte Knötchen finden lassen.
Rotzgeschwüre sassen namentlich in der Spitze des Blinddarmes.
Hummel sagt m. E. sehr zutreffend: „Für die Unterscheidung der
entozoischen Knoten des Darmes von denen des Rotzes können
Schwierigkeiten dadurch erwachsen, daß die entozoischen Knoten fast
bei keinem Pferde fehlen, andererseits reaktive Prozesse in der Darm¬
wand hervorrufen, die denen bei der Rotzkrankheit unter Umständen
ähnlich sehen können. Bei den Veränderungen verminösen Ursprungs
kann eine reiche Ansammlung von Rundzellen und Leukozyten statt¬
finden, die Gefäße in der Umgebung können stärker gefüllt und der-
Ueber die durch Strongylidcn bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 375
artig alteriert sein, daß es zum Austritt von serösem und sogar fibri¬
nösem Materiale kommt. Schließlich kann der Parasit, namentlich ein
solcher in jugendlichem Zustande derartig zerfallen, daß von seinem
Körper keine Spuren mehr nachzuweisen sind und eine nekrotische Masse
zurückbleibt. Es kann sogar zur Bildung kleinster Abszesse in oder
in der Nähe solcher Wurmlager kommen, wie in einem Falle nach¬
gewiesen werden konnte. Da nun vielfach ein solcher nekrotischer
Herd nach der Oberfläche durchbricht, so kann eine solche Stelle den
Eindruck eines mehr oder weniger kraterförmigen Geschwüres hervor-
rufen und leicht zu einer falschen Diagnose Veranlassung geben.“
Alle diese Angaben vermag ich auf Grund eigener Beobachtungen
mit der Ergänzung zu bestätigen, daß auch die Lymphdrüsen gelegent¬
lich infolge von Entozoenansiedelungen anschwellen und Zerfallsherde
aufweisen, die sich makroskopisch nicht in allen Fällen sofort von
rotzigen unterscheiden lassen, ln den weiteren Ausführungen erklärt
Hummel die eosinophilen Zellen als ein Charakteristikum für Wurm¬
knoten im Darme, ohne indes Rotzgeschwüre des Darmes, wie sie
schon experimentell erzeugt worden sind, als Vergleichsobjekte heran¬
gezogen zu haben. Hummel „erscheint es zum mindesten zweifel¬
haft“, daß es sich in dem einen Falle der von Schütz beschriebenen
künstlich erzeugten Darmgeschwüre um Rotz gehandelt habe, ferner
wäre noch nicht einwandsfrei bewiesen, „daß auch im zweiten Falle
die beiden Knoten tatsächlich rotziger Natur gewesen sind.“ Die
Zweifel stützen sich auf Analogieschlüsse, wobei die Frage der Eosino¬
philie entscheiden soll. In den fraglichen Geschwüren und Knoten
fanden sich nämlich eosinophile Zellen.
Schütz und Angeloff haben bekanntlich betont, daß in den
Lungenknoten verminösen Ursprunges stets eosinophile Zellen ge¬
funden werden, die jedoch niemals in Rotzknoten der Lungen zugegen
sind. Diese Angaben kann ich auf Grund früherer und jüngster Unter¬
suchungen bestätigen, sie stehen auch im Einklang mit den Beobach¬
tungen von Ebhardt(40). Hummel sagt nun von den eosinophilen
Zellen „ebenso scheint das Vorhandensein derselben im Darme auf die
Anwesenheit von Würmern einen Rückschluß zu gestatten. Daß die
eosinophilen Zellen wirklich nur durch die Parasiten angelockt werden,
bezeugt auch der Umstand, daß ich dieselben in Darmstückchen von
gesunden Pferden, die frei von Parasiten waren, niemals gefunden
habe, und daß sie auch in der Nähe von polypösen Wucherungen und
autonomen Neubildungen, soweit ich zu beobachten Gelegenheit hatte,
376
OLT,
nicht Vorkommen. Man muß hiernach die eosinophilen Zellen als ein
Charakteristikum der Wurmknoten im Darme ansehen.“
Die hier angeführten Gründe vermag ich nicht als zwingende Be¬
weise für die Folgerungen Hümmels anzuerkennen, der ferner sagt:
„Wenn man das von Schütz und Angeloff zuerst nachgewiesene
Fehlen der eosinophilen Zellen bei rotzigen Lungenveränderungen des
Pferdes auf den Darm überträgt, so muß man annehmen, daß auch
in rotzigen Darmveränderungen diese Zellen nicht Vorkommen “
Daß lokale Eosinophilie auch im Anschluß an saprophytische In¬
fektionen vorkoromt, ist durch die Untersuchungen von Joest und
Ebhard dargetan. Joest fand lokale Eosinophilie zweimal in tuber¬
kulösen Herden der Niere eines Schweines, in einem Falle von Enteritis
chronica bovis pseudotuberculosae, in schwacher Form bei einem Spindel¬
zellensarkom am Perikard eines Schafes, bei einer Mischgeschwulst
von Adenokarzinom und Leiomyom vom Uterus des Rindes, bei einem
Leberadenom vom Rinde, sowie in starker Form bei einem Karzinom
der Milchdrüse des Rindes und den Metastasen in den Lungen und
Nieren, ferner in mäßiger Stärke bei Elephantiasis des Ohres eines
Schweines und einer Schrumpfniere eines Schweines. Ebhard er¬
mittelte in mehreren Fällen von Tuberkulose und auch bei Schweine¬
pest eine ausgesprochene Vermehrung der eosinophilen Zellen. In der
Schilderung eines auf der Oberfläche zerklüfteten Schweinepestge¬
schwüres wird gesagt: „Am stärksten war die zellige Infiltration an
der Grenze der inneren Muskelschicht und der abgestorbenen Submu¬
kosa. Es fanden sich polymorphkernige Leukozyten, eosinophile Zellen
und Lymphozyten. Vereinzelt kamen auch epithelioide Zellen zu Ge¬
sicht. Zumeist hatten die eosinophilen Leukozyten das Ueber-
gewicht.“
Lehren die Untersuchungen von Schütz, Angeloff, Hummel,
Folger, Joest, Felber, Ebhard und vieler anderer Forscher, daß
Eosinophilie zu charakteristischen Begleiterscheinungen zooparasitärer
Erkrankungen gehört, so ist andererseits zu beachten, daß lokale
Eosinophilie auch bei anderen Prozessen vorkommt, und gelegentlich
durch bakterielle Infektionen angeregt wird. Nach meinen Beobach¬
tungen stellt sich lokale Eosinophilie am Darme bei sehr verschieden¬
artigen Abweichungen ein, so abgesehen von den entozoischen Ge¬
schwüren bei Schweinepest in denjenigen Fällen, die durch Hyper¬
plasie des lymphatischen Gewebes in der Nachbarschaft der Ver¬
schorfungen besonders ausgezeichnet sind und fast allgemein bei chro-
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 377
nischen Ulzerationen. In älteren tuberkulösen Darmgeschwüren des
Rindes finden sich gleichfalls eosinophile Zellen, wenn oft auch in
verschwindender Zahl gegenüber den vielen neutro- und basophilen
Rundzellen. Bei einem Sarkom und einem Adenom im Darme des
Rindes bzw. Pferdes und in einem ulzerierenden Karzinom, das seinen
Sitz im Rektum eines Pferdes hatte, konnten ebenfalls eosinophile
Zellen nachgewiesen werden.
Chronisch verlaufende Entzündungsprozesse mit Bindegewebs¬
wucherungen und Hyperplasie des lymphatischen Gewebes, — die
Leukämie ausgeschlossen —, sind besonders am Darme durch die
Anwesenheit eosinophiler Zellen ausgezeichnet.
Die häufige und bisweilen stark ausgeprägte Eosinophilie bei nicht
entozoischen Ulzerationen des Darmes erklärt sich vielleicht aus der
gleichzeitigen Gegenwart tierischer Parasiten im Darme und ihrer in¬
direkten Einwirkung auf die Geschwürsflächen, da die Stoffwechselpro¬
dukte der Schmarotzer an diesen Stellen direkt in die Gewebe ein-
dringen können.
Schütz bat auf Grund seiner Beobachtungen an Trichinen in den Muskeln
und des Studiums der Eosinophilie bei entozoischen Knötchen der Lungen des
Pferdes im Sinne Ehrlichs (80) gefolgert „daß besonders tierische Parasiten (Hel¬
minthen) auf eosinophile Leukozyten chemotaktisch wirkende Stoffe bilden“, und
alle Forscher, die sich früher und in der Folge mit dieser Frage befaßt haben,
kamen zu gleichem Ergebnis. Daß diese chemotaktisch wirkenden Stoffe bei An¬
wesenheit von Askariden, Strongyliden oder l'änien im Darminhalte Vorkommen
und einen Einfluß auf geschwürige Zustände der Darmschleimhaut entfalten, ist
zum mindesten wahrscheinlich, steht doch auch fest, daß Eosinophilie des Blutes
bei Helminthiasis vorkommt, die nicht anders als durch Resorption spezifischer von
den Parasiten abgeschiedener Stoffe erklärt wird. Vielleicht kommen beim Darme
auch noch andere Faktoren, wie histologische Verhältnisse, z. B. das reichlich
vorhandene lymphatische Gewebe inbetracht. Der Einfluß der Inhaltsmassen auf
Ulcera des Darmes ist aber in jedem Fall gegeben und abhängig von der Zu¬
sammensetzung der Kontenta. Es ist mir auch vielfaoh aufgefallen, daß die Eosino¬
philie bei Wurmlagern mit ziemlich intakter Glandularis nicht so stark ausge¬
prägt ist, wie bei zerstörter Decke. Noch lange nach der Auswanderung der
Strongyliden besteht starke Eosinophilie in den Wurmnestern des Pferdedarmes,
besonders wenn der Pfropf teilweise verkalkt ist und nicht vollständig von der
Glandularis bedeokt wird; ja ich habe an solch alten Wurmnestern die Eosino¬
philen manchmal in einer Reichhaltigkeit gesehen, wie in keinem anderen Falle.
Auch in der Nachbarschaft abgestorbener Entozoen pflegt die lokale Eosino¬
philie,wie leicht erklärlich, lange anzuhalten. SolcbeBefunde weisen mit zahlreichen
kalkig inkrustierten Pfropfen ausgestattete Darmgeschwüre auf, die ich nach und
nach gesammelt habe, und bis in das Jahr 1901 zurückverfolgen kann. Die eosino¬
philen Zellen und die Pfropfe, welchen sich Zerfallsprodukte dieser Zellen beige-
378
OLT,
mischt hatten, haben die intensiv rote Farbe so gut konserviert, daß die Schnitte
heute noch wie frisch angefertigte aussehen.
Die Entscheidung, ob in dem Pfropf, nachdem der Parasit ausgewaniert ist, seine
auf die Eosinophilen chemotaktisch wirkenden Stoffe noch lange zurückgeblieben sind
oder die analoge Wirkung von Bestandteilen des üarminhaltes ausgeht, lasse ich da¬
hingestellt. Für die erste Annahme sprechen Befunde, die ich aufder von Onkosphären
des Cysticercus tenuicoliis erzeugten Straße zu machen Gelegenheit hatte. Dieser Para¬
sit legt unter der Leberkapsel des Kalbes manchmal Strecken von 10 cm und mehr
zurück. EinStrang nekrotischen Gewebes mit körnigem und scholligem Detritus, um¬
geben von zölligen Infiltraten der Nachbarschaft markiert bekanntlich die Straße des
Parasiten, der an dem sich verjüngenden Ende sitzt, wo sich gleichzeitig Hyperämie
des angrenzenden Gewebes ausprägt. Hier ist die Zahl der Eosinophilen geringer
als an dem Anfangsteil des Ganges, ein Beweis, daß nach der Abwanderung der
Zystizerken das Zuströmen der Eosinophilen angebalten hat, und der Befund lehrt,
daß die Leiber untergehender säurephiler Zellen wesentlich zur Anreicherung des
sich mit Eosin intensiv rot färbenden Detritus beitragen. Analog gestalten sich
auch die Vorgänge bei Wanderungen der Onkosphären des Echinokokkus in der
Pferdeleber. Wenn später die Umwandelung der auf der Straße liegenden Detritus¬
massen in ein kalkiges Reiserchen erfolgt ist, finden sich noch längere Zeit in den
peripheren Spalten der bindegewebigen Kapsel neben mononukleären Lymphozyten
Eosinophile nesterweise, in Zügen und hier und da einzeln. Bei ganz alten kal¬
kigen Gebilden dieser Art fehlen sie.
Auch bei den Wanderungen der Distomeen außerhalb der Gallengänge spielen
sich bei der Schaf leber anloge Vorgänge lokaler Eosinophilie ab. Hinzu kommen
hier noch regelmäßig Riesenzellen und Plasmazellen, welche die nekrotischen
Massen oft wie ein dichter Mantel neben mono- und polynukleären Leukozyten um¬
lagern.
Eosinophilie des Blutes und lokale Ansammlungen von Eosinophilen ist bei
vielgestaltigen parasitären Leiden festgestellt worden. Brown (42) fand bei der
Trichinose Eosinophilie des Blutes und der Stellen stärkster Muskeldegeneration,
und Osler (43) und Gordonier bestätigten diese Angaben. Schleip verzeiohnete
gleichen Befund in 56 von 60 Fällen, und Gwyn (46) berechnete in einem Falle
die Eosinophilie auf 56,9 pCt. Anchylostomum duodenale verursacht nach
Cabot (47), Bloch (48), Patzelt (49) und von Linstow (50) Eosinophilie und
Grünberger (51) fand bei einem Anchylostomapatienten haufenweise Eosinophilen
in Schleimflocken des Stuhles. Bückler (52) und Limmasset (53) stellten
Eosinophilie des Blutes beim Menschen fest, die Träger von Askariden, Oxyuris
vermicularis, Taenia solium und Taenia saginata waren, Schaumann (54) beim
Parasitismus des Bothriocephalus latus und von Linstow bei Hunden, welche die
Taenia coenurus bewirteten. Dobbertin (50) fand bei Hunden mit der Taenia
marginata eine Abnahme der basophilen und Zunahme der eosinophilen Zellen.
Bei Gegenwart von Strongyliden im Magen und Darme des Rindes ermittelte
Blunschy in den benachbarten zelligen Infiltraten der Wurmsitze Eosinophilen,
deren Menge mit dem Umfange der Zerfallsvorgänge wuchs. Nach Bill et (57 und
58) rufen auch Amoeba coli und Filaria medinensis beim Menschen Eosinophilie
des Blutes hervor. Ferner fanden Billet und Fayet (59) analoge Begleiterschei-
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 379
nungen bei Gegenwart der Filaria reticulata im Aufhängeband der Köte des Pferdes.
Aehnliche Beobachtungen sind über Filaria loa beim Menschen durch Billet (60),
Wurtz und Clerc (61) und über Filaria Bankrofti durch von Linstow und Bil-
harzia haematobia durch Kautzky-Bey (62) und Coles gemacht worden.
Im Jahre 1898 habe ich auf das Vorkommen eosinophiler Zellen in den durch
Strongylus ptaradoxus bei Schweinelungen verursachten entozoischen Knötchen hin¬
gewiesen, die ,,in nächster Umgebung der Parasiten liegen 11 .
Lokale Eosinophilie ist ferner als Begleiterscheinung verschiedenartiger
Entozoeninvasionen gesehen worden, vonSchütz (41) bei derTrichinose, vonD6v<5
(63) bei Echinokokken des Kindes und Schafes (Einspritzungen von Echinokokken¬
flüssigkeit erzeugte bei Kaninchen Eosinophilie des Blutes), von Schütz (41) und
Angeloff (28) in den entozoischen Knötchen der Lungen des Pferdes, von Fölger
(64) bei der Myositis sarcosporidica, der Distomatose und in der Leber des Schweines
als Folge der Einwanderung von Cysticercus tenuicollis. Joest und Felber (38)
ermittelten lokale Eosinophilie der Leber bei Echinokokken, Cysticercustenui-
collis, Distomen, ferner bei der Hepatitis interstitialis chronica multiplex des
Schweines und Strongylose der Rehlunge. Alle nicht durch Parasiten an der
Leber entstandenen Abweichungen waren frei vpn lokaler Eosinophilie. Ebhard
(40) stellte lokale Eosinophilie fest bei Echinokokken und frischer Einwanderung
des Cysticercus tenuicollis in der Leber des Schweines, bei der Distomatose des
Schafes, in den durch Spiroptera megastoma und Strongylus armatus am Digestions¬
apparat des Pferdes verursachten Abweichungen, ferner in den entozoischen Folli-
kulargeschwüren des Darmes des Schweines, in den entozoischen Knötchen der
Lungen des Pferdes und Schafes (Strongylus capillaris) und bei Strongylose der
Lungen des Rehes in 2 von 5 Fällen.
Nach dem ich in knapper literarischer Uebersicht der lokalen
Eosinophilie gedacht habe, komme ich zur Frage der Eosinophilie jener
Darmgeschwüre und Knoten zurück, die Schütz bei drei Pferden nach
dem Verfüttern hochvirulenter Rotzbazillenkulturen ermittelt hat. Die
am Darme über lokale Eosinophilie gemachten Beobachtungen bei Ab¬
weichungen nicht entozoischer Natur kommen hier besonders in betracht.
In dieser Frage muß zunächst von Fall zu Fall entschieden
werden, da die bisher gesammelten Tatsachen noch zu dürftige sind,
um weitgehende Analogieschlüsse zuzulassen. Daß Eosinophilie die
entozoischen Knötchen von jenen rotziger Natur unterscheidet, darf
auf Grund der von Schütz und Angeloff ermittelten Ergebnisse, die
Eberth und ich bestätigen konnten, als sicher angenommen werden.
Daraus läßt sich aber noch keineswegs mit Hummel folgern, ge-
schwürige Zustände am Darme seien nichtrotzige, wenn sich Eeosino-
philie an ihnen eingestellt habe.
Wer nicht aus eigener Anschauung kennt, mit welcher Sorgfalt
und Prüfung aller Faktoren Schütz an den 5 Pferden im Jahre 1897
380
OLT,
die Fütterungsversuche mit Rotzkulturen anstellte, mag die Annahme
Hummelsteilen, für mich besteht nicht der geringste Zweifel, daß tat¬
sächlich eine rotzige Infektion der Darmschleimhaut vergesellschaftet
mit Eosinophilie Vorgelegen hat. Welch große Menge von Rotz¬
bazillenkulturen erforderlich sind, um Geschwüre der Darmschleimhaut
zu erzeugen, haben die Versuche gezeigt, ln drei Fällen sind den
Pferden die Bazillen von 22 und 24, bzw. 40 hochvirulenten Kulturen
in den Magen gebracht worden, worauf nur einige wenige erbsengroße,
grauweiße, auf der Höhe hellrote Knoten entstanden, wovon einer mit
einer hanfkorngroßen Vertiefung ausgestattet war, die graugelbe Zer¬
fallsmassen enthielt. Alle Abweichungen waren frische, und keine
erinnerte makroskopisch an Wurmknoten. Sämtliche Knoten und Ge¬
schwüre sind damals eingebettet und in ihrem ganzen Umfange mikro-
tomiert worden. In keiner der Abweichungen waren Würmer oder
Andeutungen solcher nachzuweisen.- Ich war damals mit der techni¬
schen Bearbeitung des Materials betraut und entsinne mich noch genau,
daß in Schnitten aller Knoten und Geschwüre Stäbchen von den mor¬
phologischen Eigenschaften des Rotzbazillus lagen, und zwar auch in
der Tiefe der noch nicht ulzerierten Knoten der Mukosa. Schütz
hat das nicht besonders in seiner Arbeit erwähnt.
Einige der damals angefertigten Schnitte befinden sich in meinem
Besitze, und hatte ich Gelegenheit, sie Herrn Hummel vorzulegen,
der mir unumwunden erklärte, daß er entsprechende Bilder bei seinen
umfangreichen Untersuchungen an entozoischen Wurmknoten und Ge¬
schwüren des Darmes niemals gesehen habe.
Da Herr Geheimrat Schütz mir gestattete, auf die Histologie
fraglicher Abweichungen an der Schleimhaut seiner Versuchspferde
zurückzukommen, verfehle ich nicht, die Unterschiedsmerkrnale gegen¬
über den durch Entozoen verursachten Darmerkrankungen besonders
hervorzuheben.
1. Die erbsengroßen Knoten in der Mukosa kennzeichnen sich durch
starke Füllnng dor Kapillaren, Degenerationsvorgänge an den Epithelien der
Grandularis und zellige Infiltrate im ganzen Bereiche der Anschwellung.
Die tubulösen Drüsen sind durch interglanduläre Exsudation auseinander¬
gedrängt, und zwischen den Epithelien wie auch im Drüsenlumen liegen mono-
und polynukleäre Leukozyten. Die Epithelien verschiedener Drüsenschläuche haben
sich basal gelockert und aus ihren Verbänden gelöst. Im Bereiche der zeitigen
Dissoziation sind an den Epithelkemen eigenartige Degenerationsformen abgelaufen
in Gestalt unregelmäßiger Verzerrungen mit der Bildung kleiner spitzer Fortsätze,
die teils in Köpfchen enden oder mit anderen bizarren Gebilden zusammengesintert
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 381
sind. Es ist also hier das Bild der Chromatotexis — Unna —, das Schütz vom
Rotzknötchen zuerst geschildert hat, in besonders prägnanter Weise abgelaufen.
Die interglandulären Leukozytenanhäufungen sind mit Zelltrümmern aus¬
gestattet, deren Kernreste in Form stark tingibler Körner angehäuft sind, wie das
vom Rotz bekannt ist.
Die Fibrillenzüge der Submukosa sind in ihrer Struktur verwischt, so daß
man den Eindruck einer Verquellung dieser Teile bekommt, ln den tieferen
Schichten der Submukosa sind die Gewebe besser erhalten.
Eosinophile Zellen finden sich vereinzelt in der Glandularis, nur spärlich in
Spalten der Muscularis mucosae und reichlicher, stellenweise sogar in straßenähn¬
lichen Ansammlungen zwischen den Bindegewebszügen der Submukosa, nirgends
aber in einer Reichhaltigkeit wie bei Wurmknoten.
Die ganzen Abweichungen machen den Eindruck ganz frischer Exsudation,
die noch nicht zur geweblichen Einschmelzung geführt hat, aber die Anzeichen
des Beginnes einer solchen unverkennbar in der Glandularis aufweist.
2. Die Darmgeschwüre der fraglichen Versuchspferde zeigen histologisch
unter sich vollkommene Uebereinstimmung. Ein ziemlich scbarfrandiger
glandulärer Defekt reicht bis zur Muscularis mucosae, die bis unter die gleichfalls
verdickten Geschwürsränder eine Quellung erfahren hat.
Die Drüsen in den seitlichen Begrenzungen der Geschwüre sind in der Auf¬
lösung begriffen oder haften nur noch in Resten an den benachbarten. Hier haben
sich die Epithelien in ganzen Komplexen von der Membrana propria losgestoßen,
und charakterisiert sich der Zerfall der Epithelkerne in noch prägnanteren
Formen als bei den oben beschriebenen Knoten. Auch die zellige Exsudation und
der Leukozytenzerfall haben hier höhere Grade erreicht, so daß die Struktur der
Glandularis vielfach bis auf Reste der Drüsenschläuche verwischt ist. In der
nächsten Umgebung nimmt das zellige Infiltrat ab und die Hyperämie zu, weiter
in der Nachbarschaft kommt intaktes Gewebe.
Der Geschwürsgrund ist mit gut erhaltenen polynukleären Zellen neben Zell¬
trümmern und mononukleären Leukozyten ausgestattet, von denen ein kleiner Teil
einen gewissen Grad der Eosinophilie aufweist. Typische Eosinophilen liegen in
Gewebsspalten der Submukosa hauptsächlich bei kleinen Blutgefäßen, sie sind aber
an keiner Stelle in Anhäufungen wie bei entozoischen Geschwüren des Darmes zu
finden. In einem arteriellen Gefäß mit zellreichem Thrombus liegen sehr vereinzelt
eosinophile Zellen an der Intima und in der Adventitia.
Besonders charakteristisch erweisen sich Lymphgefäße, die mit wohlerhaltenen
Lymphozyten so dicht gefüllt sind, daß für andere Elemente kein Raum bleibt.
In Schräg- und Querschnitten heben sie sich unmittelbar unter der Muscularis
mucosae scbarfbegrenzt gegen die viel zellärmere mit Flüssigkeit durchtränkte
Nachbarschaft ab. In diesen Lymphgefäßen finden sich eosinophile Zellen nur
sehr spärlich, hier und da liegt eine solche der endothelialen Auskleidung an.
Bilder der geschilderten Art, hauptsächlich die an den Lymph¬
gefäßen auffallenden Abweichungen kommen bei entozoischen Knoten
und Geschwüren des Darmes nicht vor. Auch ist die Eosinophilie
bei letzteren stets in einem viel stärkeren Grade ausgeprägt. Hier
382
OLT,
finden sie sich in dichten Schwärmen und ununterbrochenen Straßen
besonders stark um den Parasiten, aber auch auf weite Strecken
lassen sie sich vom ganzen Bereiche des Defektes bis hinein in die
sonst intakte Nachbarschaft verfolgen. Auch die von Unna (81) als
Chromatotexis bezeichnete Kerndegeneration an den Epithelien der
Glandularis und den Trümmern zerfallener zelliger Exsudate wird bei
den entozoischen Erkrankungen des Pferdedarraes nicht beobachtet.
Die charakteristischen histologischen Merkmale entozoischer Ge¬
schwüre lassen sich kurz dahin zusammen fassen:
Die Wurmlager sind von Unsummen eosinophiler Zellen umgeben,
man begegnet ihnen in Scharen und Nestern innerhalb der Submukosa
bis hinein in das interglanduläre Gewebe, und vereinzelt sitzen sie
zwischen Epithelien der Drüsenschläuche sowie frei im Lumen dieser.
Auch an alten Strongylidenknoten ist die Glandularis verhältnismäßig
gut über dem Wurmfortsatz erhalten. Ist die Perforation durch die
Schleimhaut erfolgt, so sieht man an den Geschwürsrändern haupt¬
sächlich Hyperplasie des lymphatischen Gewebes ausgeprägt. Durch
Fibroblastenwucherung und geringfügige zellige Infiltrate geht ein
kleiner Teil von Drüsenschläuchen zugrunde, doch überwiegt die Rege¬
neration schon vor vollständiger Beseitigung der Zerfallsmassen, welche
durch Granulation in der Tiefe und Retraktion des Geschwürsrandes
aus dem Wurralager in das Darmlumen geschoben werden. Die Kern¬
reste des Detritus nehmen im Gegensatz zu rotzigen Zerfallsprodukten
Chroraatinfarben nur in geringem Maße auf, dagegen werden Plasma¬
farben, besonders Eosin energisch absorbiert. Die Zerfallserscheinungcn
an den Zellkernen gleichen nicht denen des Rotzes, die Kerne gehen
auch zum Teile in Trümmer, die allergrößte Zahl färbt sich aber
schon schwach, wenn die äußere Form noch vollkommen erhalten ist.
Auch die bei den Rotzgeschwüren beobachtete Rundzellenanschoppung
in den Lymphgefäßen der Submukosa werden bei entozoischen Ulze-
rationen niemals gesehen. Die Zustände lassen nicht auf stürmische
Entwickelung schließen und Dissoziation der Epithelien in der Glan¬
dularis mit den typischen Bildern der Kernschmelze fehlen vollständig.
Die Zahl der rotzigen Stellen in der Schleimhaut fraglicher
Versuchspferde war eine verschwindend geringe im Verhältnis zu den
vielen erkrankten mesenterialen Lymphdrüsen. Es ist daher anzu¬
nehmen, daß Rotzbazillen vom Darme aus bis zu den Lymph¬
drüsen Vordringen können, ohne Abweichungen an der
Schleimhaut zu hinterlassen. Das lehren auch Versuche
Ucber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 383
und die Ergebnisse anderer Autoren stehen damit im Ein¬
klang, nur mit dem Unterschiede, daß Schütz experimentell
vom Magen und Darme aus Lungenrotz in keinem Fall ohne
primäre Erkrankung an Gekröslymphdrüsen erzeugen konnte.
Hier haben sich die Gekröslymphdrüsen gegen Rotzbazillen
genau so verhalten, wie das für alle übrigen Lyraphdrüsen
des Körpers ohne Ausnahme der Fall ist.
Bei dem einen Versuchspferd, dem 14 Tage hindurch je der zehnte
Teil einer Oese Rotzbazillen gegeben worden war, fand sich neben
metastatischem Lungenrotz, nur eine rotzige Lymphdrüse auf der
Außenfläche des Pylorus vom Magen, aber sie war doch da.
Die Möglichkeit der experimentellen Erzeugung des Lungenrotzes
vom Digestionsapparat aus wurde von den verschiedenen Verteidigern
des primären Lungenrotzes aufgegriffen, nach deren Ansicht Rotz¬
bazillen durch die Aufnahme per os Gelegenheit finden sollen, vom
Darme aus ohne Hinterlassung irgend welcher Abweichungen an der
Schleimhaut! oder den mesenterialen Lymphdrüsen in die Lungen zu
gelangen und hier die Infektion einzuleiten. Diese Ansicht ist von
Nocard zuerst ausgesprochen worden; ihre Richtigkeit würde voraus¬
setzen, daß vielfach Knötchenrotz der Lungen ohne jegliche Ab¬
weichungen an anderen Körperteilen vorkommt. Dem widersprechen
aber die von Virchow und Schütz bei der Nachprüfung solcher
Fälle gemachten Erfahrungen. Diese Frage soll unten eingehender
behandelt werden.
Schütz hat von jeher betont, daß ihm noch kein Fall primären
Lungenrotzes zu Gesicht gekommen ist. Die Erfahrung lehrt, daß
die ersten Abweichungen an den Lungen stets in Form von Knötchen
auftreten, die im allgemeinen gleichmäßig auf das Gewebe verteilt
sind und nicht von den Endbronchien ausgehen, sondern ihren Sitz im
Lungengewebe haben. Alle unter solchem Bilde einsetzenden Krank¬
heitsprozesse sind metastatischer Natur, seien sie auf Rotz¬
bazillen, Tuberkelbazillen, Kokken, irgend welche andere Krankheits¬
erreger oder auf autonome Nachbildungen zu beziehen 1 ).
1) tn der Veterinärliteratur werden metastatisebe Prozesse fast durchweg in
inkorrekter Weise als „embolische“ bezeichnet. Schritt für Schritt begegnet man
Angaben über „embolischen Hotz“, „embolische Tuberkulose“ usw. Nach diesen
Bezeichnungen müssten in allen solchen Fällen die Emboli Träger von Rotzbazillen,
bzw. Tuberkelbazillen usw. gewesen sein und an jeweiligen Stellen ein Blut¬
gefäß verstopft haben. Solche Ereignisse kommen zwar vor, aber doch sehr
384
OLT,
Für die anatomische Diagnose ist diese Tatsache von allergrößter
Wichtigkeit, da ihre korrekte Beachtung vor Irrtümern schützt. Als
das Mallein zur Anwendung kam und von verschiedenen Seiten als
unfehlbares Mittel zum Nachweis des Rotzes gepriesen wurde, und
viele Obduzenten sich mit dem Nachweis einiger Knötchen in den
Lungen begnügten, um die Diagnose als gesichert zu betrachten, hat
es sich gezeigt, wohin es führt, wenn die sorgfältige anatomische
Beurteilung des ganzen Falles und die Erfahrungen mühseliger For¬
schungen außer acht gelassen werden. 1
Die Frage, ob Rotzknötchen überhaupt verkalken, ist vielfach in
der Literatur aufgeworfen und verschieden beantwortet worden. Wenn
nur verkalkte Knötchen in den Lungen des Pferdes vor-
licgen, sind sie sicher nicht rotziger Natur, da bei Rotz
immer wieder jüngere Nachschübe entstehen, und daher
nach einem Zeitbestande, die Verkalkung voraussetzt, auf
alle Fälle Rotzknötchen bis zu den jüngsten Stadien ver¬
treten sind. Trotz dieses sicheren Ausweges, der bei der Beurteilung
verkalkter Knötchen gegeben ist, erscheint die Entscheidung obiger
Frage wichtig genug, um eingehend geprüft zu werden. Bei einer
großen Anzahl rotziger Lungen habe ich immer wieder Knötchen
mikrotomiert und daraufhin untersucht. Verkalkte Knötchen wurden
stets als zufällige entozoische erkannt. Ich vertrat daher die Ansicht,
Rotzknötchen würden nicht verkalken. Vor drei Jahren hatte ich
jedoch Gelegenheit, Teile der Lungen eines nach dem Obduktions¬
ergebnis und auf Grund bakteriologischer Untersuchung als zweifellos
rotzig erkannten Pferdes für wissenschaftliche Zwecke zu verwerten.
Neben Knötchen, die makroskopisch und mikroskopisch für Rotz
typisch waren, fanden sich ältere mit leicht verkalktem Zentrum.
Man konnte sie gerade noch mit dem Messer spalten. Die Kapsel
bestand aus grauem Bindegewebe, war aber nicht so geschichtet wie
selten. Bazillen für sich allein figurieren nicht als Emboli, da ihre Leiber bei der
Zirkulation unmöglich Gefäßlumina plötzlich verstopfen können. Verschleppt
durch die Blutbahn verursachen pathogene Bakterien nach Ansiedlung in Ge¬
weben Metastasen, wobei es für die Bezeichnung gleichgültig ist, ob die
Prozesse von Blutgefäßwänden, Kapillaren oder anderen Stellen ausgehen. Die
Embolie (f-fifin/J.iir hineinwerfen) ob mit oder ohne Infektion zeitigt auch
ganz andere Zustände als Metastasen, da sie unmittelbar nach der plötzlichen Ent¬
stehung mehr oder weniger schwere Zirkulationsstörungen für das betroffene Gebiet
zu Folge hat.
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 385
bei den kalkigen Knötchen entozoischen Ursprunges. Die Entscheidung
über ihre Natur konnte nur durch die histologische Untersuchung ge¬
troffen werden, da auch eine Inokulation entozoischer Knötchen aus
rotziger Lunge beim Versuchstier unter Umständen Impfrotz ergeben
kann. Unversehrt eingebetteten Knötchen war nicht anzusehen,
ob sio zentral verkalkt waren oder nicht. Ich bettete daher eine
größere Zahl in Zelloidin ein. Beim Schneiden fiel es sofort auf,
wenn die Klinge die Zone des Kalkherdes herührte. Der erste Schnitt
wurde nun auf die Kalkkörner im Mikroskop geprüft. Diese lagen
zu kleinen teils dunklen, teils stark lichtbrechenden scholligen Massen
im Zentrum des Herdes und schwanden auf Säurezusatz unter Gas¬
bildung. Den noch nicht in Schnitte zerlegten größeren Teil des
Knötchens brachte ich so wie er in der Zelloidinmasse lag und
noch mit dem Block anhaftend 5 Stunden in konzentrierte Lösung
schwefliger Säure und hierauf 10 Stunden in fließendes Wasser. Die
weitere Bearbeitung auf dem Mikrotom zeigte, daß aller Kalk gelöst war. 1 )
Sämtliche Schnitte sind in ununterbrochener Serie aufgeklebt und
nach verschiedenen Methoden gefärbt worden. Die mikroskopische
Besichtigung hat bei einer größeren Anzahl von solchen Knötchen er¬
geben, daß keinerlei Wurmlarven zugegen waren. Ich bemerke aus¬
drücklich, daß bei Anwendung dieser Technik in entozoischen Knötchen
mit absoluter Sicherheit unverkennbare Einschlüsse eines Rundwurmes
zu finden sind, während die Einbettung in Paraffin weniger zuverlässig
ist, da hierbei gerade das spröde Wurmlager den meisten Artefakten
ausgesetzt ist.
Auch die Histologie entschied bei den Knötchen für die rotzige
Natur. Der Befund war folgender:
Die zentrale Partie besteht aus feinkörnigen Massen, die Hämatoxylin,
Weigertschen Eisenlack und andere kernfärbende Mittel so intensiv aufnehmen,
wie das von den Zerfallsprodukten der Rotzknötchen allgemein bekannt ist. Die
ganze Fläche wird durch schmale hellere, die ursprünglichen Alveolarsepten an¬
deutende Züge in Felder gegliedert, welch letztere den Schnitten durch die ge-
1) Diesen Vorzug nachträglicher Entkalkung eines bereits eingebetteten Ob¬
jektes gewährt nur die Zelloidineinbettung. Auch aktinomykotisches und tuber¬
kulöses Gewebe, sowie jedes andere in gewissen Stadien mit Kalksalzen aus¬
gestattetes Objekt ist vorteilhaft nach dieser Methode zu behandeln. Da man nicht
in allen Fällen durch direkte Besichtigung voraussehen kann, ob eine Entkalkung
geboten ist, läßt sich die Entscheidung über deren Vornahme nachträglich beim
Mikrotomieren noch treffen.
Archiv f. wissenseb. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band.
25
386
OLT,
füllten Alveolarlumina entsprechen. Die bindegewebige, bereits aus reichlich ent¬
wickelten Fibrillenzügen bestehende Kapsel grenzt sich ziemlich scharf gegen das
nekrotische Zentrum ab. Die Peripherie der Kapsel wird allmählich zellreicher,
ärmer an fibrillärem Gewebe und geht in Lungengewebe mit zunächst verdickten
Alveolarsepten über, ln den Spalten des peripheren Kapselgebietes lagern mono¬
nukleäre basophile Lymphozyten und Fibroblasten. Eosinophile Zellen sind nicht
zugegen.
Der feinere Bau stimmt sonach mit dem alter Rotzknötchen genau überein.
Zur Sicherung der Deutung wurde noch eine weitere Untersuchung
vorgenommen, die Färbung auf elastische Fasern. Schon länger ist
mir bekannt, daß letztere ihre Tingibilität in Rotzknötchen lange be¬
wahren, so daß sie auch im Zentrum derselben zu veranschaulichen
sind. Ja an den mit Resorzinfuchsin behandelten Rotzknötchen kann
man das ganze Gerüst der elastischen Fasern hauptsächlich auch
durch die bindegewebige Kapsel, an welcher doch sonst jede Andeu¬
tung des ursprünglichen Lungengewebes geschwunden ist, ausgezeichnet
verfolgen. Ueberall wo ursprünglich Alveolarsepten lagen, finden sich
die Züge elastischer Fasern, so daß man das ganze Anordnungsver¬
hältnis der längst durch Bindegewebswucherung verstrichenen Alveolen
rekonstruieren kann. Das ganze Gerüst der elastischen Fasern ist in
den zentral leicht verkalkten Knötchen in ununterbrochenem Zusammen¬
hang erhalten geblieben; ein Befund, der in vielen Fällen beweist, ob
eine Abweichung an alveolärem oder anderem Gewebe abgelaufen ist 1 ).
1) Auch an alten Rotzknötchen läßt sich durch die Elastinfärbung nach-
weisen, ob das Knötchen das Produkt einer miliaren Hepatisation (Schütz)
oder einer Vasculitis und Pcrivasculitis malleosa (Hutyra) ist. Wie lange voll¬
ständig außer Funktion gesetzte elastische Fasern ihre morphologische Beschaffen¬
heit behalten, beweisen nachstehende Fälle.
Bei einem dreijährigen Rinde fand sich in der Bauchhöhle hinter dem
Zwerchfellschlitz ein kugeliger, 15 cm dicker Lungenlappen mit oben verschlossenem
schleimhaltigen Bronchus. Dieser Lappen war infolge seiner abnormen Lage und
und Beschaffenheit im fötalen Zustande geblieben. Das elastische und alles
übrige Gewebe unterschieden sich nicht von dem anderer fötaler gutentwickelter
Lungen.
In den Lungen des Hundes finden sich gelegentlich grieskorn bis senfkorn-
große, harte Knötchen. Entkalkt und mikrotomiert erweisen sie sich als Knochen¬
körperchen, die sich aus dünnen lamellösen Schichten und typischen Knochen¬
zellen ohne jegliche Kanälchen oder Markräume aufbauen und drusenähnlich wie
Botryomycesrasen mit halbkugeligen Vorsprüngen ausgestattet sind. Durch die
Färbung mit Resorcin-Fuchsin fand ich, daß elastische Fasern die Knochen¬
körperchen genau im Anordnungsverhältnis der Alveolarsepten durchziehen, woraus
hervorgeht, daß diese Körperchen ihre Entwicklung vom alveolären Gewebe
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen otc. 387
An jungen entozoischen Knötchen läßt sich gleichfalls elastisches
Gewebe des ursprünglichen Mutterbodens nachweisen, aber Unterschei¬
dungsmerkmale gegenüber den Rotzknötchen können auch in dieser
Beziehung ermittelt werden. Hierbei kommen jedoch verschiedene
Verhältnisse je nach dom Alter und dem Mutterboden, aus dem das
Knötchen hervorgegangen ist, in betracht. In dieser Hinsicht sind zu
unterscheiden:
a) Die grauen durchscheinenden, von Schütz zuerst geschilderten
Knötchen der Pferdelungen.
Sie sind aus Lungenparenchym infolge des durch die Wurmlarve
unterhaltenen chronischen Reizes entstanden und haben eine auffallende
Uebereinstimmung mit lymphatischem Gewebe. Im Zentrum liegt um
den Wurm ein körniger, aus zerfallenen Zellen hervorgegangener
Detritus, der von Leukozyten, besonders eosinophilen Zellen umlagert
wird. Die ursprünglichen Alveolarsepten verbreitern sich nach und
nach etwas infolge Vermehrung von Bindegewebszellen und Kapillar¬
gefäßen, so daß ein mit der peripher sich bildenden dünnen binde¬
gewebigen Kapsel in innigem Zusammenhang stehendes Gerüst das
Knötchen durchzieht. Die das Parenchym der letzteren repräsen¬
tierenden Zellen sind aus lymphatischem Gewebe, das in spärlichen
Zellen ursprünglich zugegen war, hervorgegangen. Dieser Vorgang
lymphatischer Hyperplasie läßt sich übrigens nach Wurrainvasionen in
den Lungen verschiedener Tiere verfolgen, so z. B. um Strongylus para-
doxus beim Schweine [Olt (67)]. Hier nimmt die Hyperplasie des
normal schon reichlich vorhandenen lymphatischen Gewebes wesentlich
größere Dimensionen an als in den Pferdelungen.
Behandelt man die grauen durchscheinenden Knötchen mit Re¬
sorzinfuchsin, dann lassen sich die elastischen Fasern der ursprüng¬
lichen Alveolarsepten ausgezeichnet nachweisen; nur in dem zentralen
Teile, wo der Wurm seinen Sitz hat, sind sie in einem kleinen Bezirk
zerstört. Die histologische Untersuchung der Knötchen setzt das serien¬
weise Zerlegen in Schnitte voraus. Hierbei entzieht sich aber auch
leicht der Wurm der Beobachtung, da sein Lager unter der Klinge
oft in Trümmer geht, besonders wenn Paraffin zur Einbettung be¬
nutzt wird. Zelloidin ist daher vorzuziehen. Da man nicht voraus-
durch Metaplasie des Bindegewebes genommen haben, wobei sich die elastischen
Fasern vollkommen passiv verhielten und keinerlei Einbuße in ihren morpho-
Jogischen Eigenschaften erfahren haben.
388
OLT,
sehen kann, ob das Warmlager schon von Kalksalzen durchsetzt ist,
empfiehlt sich eine der Einbettung vorausgehende sechs- bis zehn¬
stündige Behandlung mit schwefliger Säure, die hierauf in fließendem
Wasser ausgewaschen wird.
Alle die in der Literatur angegebenen Untersuchungen grauer
durchscheinender oder verkalkter Knötchen, wobei Bazillen vom
morphologischen Aussehen der Erreger des Rotzes gesehen worden
sind, ohne daß diese Krankheit durch Verimpfen erzeugt werden konnte,
beweisen nichts für die rotzige Natur fraglicher Gebilde.
Denn zum Nachweis der Rotzbazillen gehört mehr als die Er¬
mittelung der morphologischen Eigenschaften, da verschiedene Bak¬
terienarten das Aussehen der Rotzbazillen besitzen.
Im Jahre 1903 habe ich abgeschabte Teile der Nasenschleimhaut
eines Deckhengstes, der an Rotz erinnernde Geschwüre in der Nasen-
schleirahaut aufwies, auf Meerschweinchen übertragen und in der Impf¬
tasche nach einigen Tagen vorwiegend Bakterien gefunden, die morpho¬
logisch mit dem Rotzbazillus übereinstiramten; sie wuchsen auf Nähragar
allerdings auffallend üppig und waren rein gezüchtet nicht pathogen.
Die weitere Untersuchung ergab, daß die Abweichungen an der Nasen¬
schleimhaut tuberkulöser Herkunft waren. (Der Fall ist von Ger-
spach(68) bearbeitet worden).
b) Kalkige Knötchen, die aus durchscheinenden entozoischen
hervorgegangen sind.
In vielen Fällen ist es möglich, an den bis auf die äußere fibröse
Hülle verkalkten Knötchen noch festzustellen, ob sie aus embolischen
oder den grauen durchscheinenden hervorgeganger, sind. Sie werden
nach gründlicher Entkalkung in Zelloidin eingebettet, mikrotoraiert
und teilsauf elastische Fasern, teils nach den sonst üblichen Methoden
gefärbt. Im mikroskopischen Bilde sieht man eine pfropfähnliche,
körnige Masse scharf gegen die Kapsel abgegrenzt. Der Pfropf ist
aber nicht selten so gefeldert, daß die ursprünglichen Alveolarsepten
angedeutet sind, ähnlich wie das bei alten Rotzknötchen der Lungen
der Fall ist. Um die längst abgestorbene Wurmlarve fehlt das Ge¬
präge früherer alveolärer Einrichtung des Mutterbodens, aus dem das
Knötchen hervorgegangen ist. Manchmal sind nur noch auf einer
Seite des abgestorbenen Bezirkes Andeutungen der fraglichen Struktur
zu erkennen. Auffallend ist aber, wie lange elastische Fasern in den
steinharten Gebilden nachgewiesen werden können. Diese Fasern sind
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 389
bei gleichzeitiger Anwesenheit des Wurmes der sicherste Beweis, daß
sich das Kalkknötchen in alveolärem Gewebe entwickelt hat und aus
einem grauen, durchscheinenden Knötchen hervorgegangen ist. Von
diesem lassen sich auch alle Stadien bis zu den vollkommen verstei¬
nerten verfolgen.
Die durchscheinende Beschaffenheit kann offenbar lange bei¬
behalten werden, da oft der Wurm im Zentrum längst abgestorben
und verkalkt ist, wenn der periphere Teil des Knötchens noch seine
glasige Beschaffenheit besitzt. Diese Möglichkeit ist gegeben, weil
hier nicht zeitiges Exsudat, sondern fixe Zellen des lymphatischen
Gewebes die Alveolen füllen. Nach und nach gehen aber auch diese
durch die vom Zentrum her vorschreitende Verkalkung zugrunde.
Das Endprodukt des Vorgangs sind die miliaren bis pfefferkorn-
großen, kugeligen, oft aber auch unregelmäßig gestalteten, eckigen
mit scharfen Kanten versehenen hellgrauen, enukleierbaren kalkigen
Knötchen, deren fibröse Kapsel ziemlich dünn und nur wenig ge¬
schichtet ist.
c) Die embolischen fibrösen Knötchen der Pferdelungen.
Diese liegen ebenfalls subpleural oder in der Ticfa des Lungen¬
parenchyms als kugelige bis pfefferkorn- und umfangreichere hellgraue
und weiße Gebilde, die aus straffem Bindegewebe bestehen und im
Zentrum einen stecknadelkopfgroßen Pfropf mit der Wurmlarve ent¬
halten. In diesem übrigens durch massenhafte Anwesenheit eosino¬
philer Zeller ausgezeichneten Stadium findet man die Knötchen nur
selten. Offenbar spielt sich an ihnen die Verkalkung viel rascher ab
als bei den grauen, durchscheinenden Knötchen.
Für die embolische Natur ist die Gewebsstruktur, wie ich bereits
früher dargetan habe, beweisend. Die dicke, sphärisch geschichtete
fibröse Kapsel steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem kleinen
o'bliterierten Blutgefäß, das manchmal noch fibrinhaltige, mit Granu¬
lationsgewebe durchzogene Thromben aufweist, wenn das angrenzende
Knötchen bereits zentral verkalkt ist. Die Schnittserie beweist, daß
der Pfropf des Wurmlagers in ununterbrochener Verbindung mit der
thrombotischen Masse des herantretenden Gefäßes steht.
Ein weiterer Beweis für die embolische Natur kann durch die
Färbung auf elastische Fasern erbracht werden, die ergibt, daß hier
das Strukturverhältnis elastischer Elemente so wie in Blutgefäßwänden
vorliegt.
390
OLT,
d) Die embolischen verkalkten Knötchen
gehen aus den eben geschilderten durch Inkrustation mit Kalksalzen
hervor und besitzen deren Form und lamellöse Kapselschichtung.
Schliffe, die sich von solchen Knötchen anfertigen lassen, (die Technik
des Schleifens solcher Knötchen habe ich im Archiv f. wissensch. u.
prakt. Tierheilkunde, Bd. 21 raitgeteilt), zeigen auch sphärische An¬
ordnung der Kalkmassen und im Zentrum einen strukturlosen körnigen,
ebenfalls verkalkten Pfropf, der bei gutem Gelingen des Schliffes
Teile eines glattwandigen Kanales von der Form eines geringelten
oder geschlängelten Rundwurmes erkennen läßt. An entkalkten und
in Zelloidin eingebetteten Knötchen lassen sich absolut beweiskräftige
Strukturverhältnisse ermitteln, die für den entozoischen Charakter der
Knötchen sprechen und genau wie die sub c beschriebenen den Zu¬
sammenhang mit einem kleinen obliterierten Blutgefäß erkennen lassen.
Figur 3 und 4 veranschaulichen solche Knötchen, die vor der Ent¬
kalkung steinhart und von weißer Hülle umgeben waren. (Ueber die
Natur dieser Knötchen habe ich schon im Jahre 1894 in Greifswald
im Verein pomraerscher Tierärzte berichtet.)
Die Ansicht, daß in den Lungen des Pferdes Knötchen
embolischen Ursprunges Vorkommen, haben Csokor (5) im Jahre 1880
und Kitt (6) im Jahre 1891 geäußert. Dieser sagt, der Mangel an
Knorpel in und an den Knötchen und die Lage neben den Bronchien
spräche dafür, daß die Knötchen verstopfte Gefäße seien, deren
Wandung die ßindegewebskapsel hersteilen helfe. Kitt vertritt aber
an einer anderen Stelle in der im Jahre 1906 erschienenen Auflage
der pathologischen Anatomie der Haustiere die Ansicht, die Frage,
ob kalkig gewordene Knötchen in der Lunge der Rotzkrankheit an¬
gehören bzw. abgeheilten Knötchenrotz (Malleosis inveterata chalicotica)
repräsentieren, könne trotz der vielen autoritativen Aussprüche, welche
auf „Nein“ lauten, noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden.
Hinsichtlich der Frage, ob Rotz abheilt oder nicht, sind die
Ansichten geteilt. Es sei mir gestattet, zunächst auf die von Nocard
vertretene Auffassung zurückzukoramen.
Nocard hat sich auf dem VIII. internationalen Kongreß für Hygiene und
Demographie zu Budapest dahin ausgesprochen: „Wenn bei einer Malleininjek-
tion typische Reaktion eingetreten ist, dann findet man stets rotzige Verände¬
rungen in den Lungen, welche aber nicht immer auflällig zu sein brauchen, son¬
dern oft nur aus einigen kleinen durchscheinenden Knötchen bestehen.“ Nocard
hielt diese Knötchen für abgeheilte rotzige, und folgert das aus ihrem Vorkommen
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 391
bei Pferden, die nach mehreren Malleineinspritzungen zu reagieren aufgehört
haben. Der Lungenrotz sollte duroh den Aufenthalt in freier Luft, und weil die
Tiere keine Arbeit zu leisten hatten, abgeheilt sein. Später hat Nocard (18) eine
andere Deutung gegeben. Er sagt: „Tötet man die gesund erscheinenden, auf
Mallein reagierenden Pferde eines Stalles, so findet man in ihren Lungen Knöt¬
chen, von denen viele durchscheinend sind, also die Merkmale frischen Rotzes
erkennen lassen; bei manchen Pferden findet man nur eine geringe Anzahl dieser
Knötchen; ja noch mehr, wenn diese zuerst getöteten, rotzigen Pferde eines solchen
Stalles schon längere Zeit krank waren, dann findet man diese Knötchen auch bei
einer gewissen Anzahl von Pferden, die auf die Einspritzung von Mallein nicht
reagiert hatten. Wenn man diese Knötchen Meerschweinchen oder Eseln einimpft,
so bleiben letztere in der Regel gesund, und wenn man diese Knötchen auf Nähr¬
böden aussät, die für die Entwickelung der Rotzbazillen geeignet sind, so bleiben
die Nährböden in der Regel steril.“
Nooard gibt für dieses inkonstante Verhalten eine Erklärung dahin: „Die
Knötchen können nur durchscheinend sein, wenn die Zellen, die um die Rotz¬
bazillen liegen, leben, wenn sie in dem Kampfe mit den Bazillen nicht unter¬
liegen; in diesem Falle behält das Knötchen lange Zeit sein durchscheinendes
Aussehen. Später wird das Knötchen fibrös und schließlich verliert es seine Durch¬
sichtigkeit, indem es sich nach Art einerNarbemehrundmehr zusammenzieht. Wenn
aber die Zellen in dem Kampfe mit den Bazillen unterliegen, so sterben die Zellen
ab und verkäsen. Die abgestorbenen Zellen bilden im Zentrum des Knötchens
einen weißen Punkt, der an Umfang in dem Maße wächst, als neue Rotzbazillen
in den abgestorbenen Zellmassen entstehen. Hierdurch erklärt es sich, daß die
Impfung und Aussaat der durchscheinenden Knötchen in der Regel kein positives
Resultat ergibt, und daß Pferde, die mit derartigen Knötchen in den Lungen be¬
haftet sind, auf Mallein nicht mehr reagieren, wenn die Bazillen, die in den
Knötchen liegen, abgestorben sind. u
Diese Ansicht hat gar manche Anhänger gefunden; sie ist aber de facto eine
irrige, wie sich an der Hand der Schilderung, die Nocard (18) über die Be¬
schaffenheit und Histogenese der in Frage stehenden Knötchen gibt, nachweisen
läßt. Er sagt: „Das Aussehen des Rotzknötchens wechselt mit dem Alter des¬
selben. Die frischen Rotzknötchen sind gelblich, grau oder rötlich, fast durch¬
sichtig, leicht zu zerdrücken, homogen, d. h. ohne zentrale Erweichung und
ohne Veränderung in der Umgebung. 44
Dio in dem letzten Satz gegebene Schilderung paßt nur auf die grauen
durchscheinenden entozoischen Knötchen, keinesfalls aber auf rotzige. Wer
die durch intravenöse Injektion von Rotzbazillen hervorgerufenen Knötchen und
solche anderer frischer Rotzfälle genau makroskopisch und mikroskopisch studiert
hat, wird das zugeben. Nocard fährt fort: „Man kann das Rotzknötchen für ein
frisches Fleischwärzchen halten, denn es hat dieselbe Konsistenz und Durchsich¬
tigkeit (Das trifft doch ebenfalls nur für die entozoischen Knötchen — Schütz —
zu. Der Verf.), denselben Bau und besteht aus einer Anzahl weißer Blutkörper¬
chen. Später bemerkt man im Zentrum der Knötchen einen weißen, trüben Punkt,
in welchem die Zellen abgestorben und käsig geworden sind. 44
Diese letzte Schilderung paßt auf pneumonische Rotzknötchen, bei denen die
392
OLT,
rote Hepatisationszone bereits in Granulationsgewebe umgewandelt ist. Auch die
folgenden Sätze sprechen für Beobachtungen an älteren Rotzknötohen: „Der trübe
Punkt im Zentrum des Knötchens vergrößert sioh allmählich, und in demselben
Maße nimmt die Dicke der noch durchscheinenden peripherischen Schicht des
Knötchens ab. Der Rest dieser Schicht wird später fibrös.“
Nocard hat, wie aus der Schilderung hervorgeht, graue durch¬
scheinende entozoische Knötchen mit Jugendstadien der Rotzknötchen
verwechselt, und kam daher zur Ansicht, die Zellen könnten im
Kampfe mit den Bazillen siegen, „in welchem Falle das Knötchen
lange Zeit sein durchscheinendes Aussehen behält.“ Auf diesem Irr¬
tum basiert weiter die Folgerung, Rotz könne bei guter Haltung der
Pferde in frischer Luft abhcilen.
Ein einwandsfreier wissenschaftlicher Beweis von abgeheiltem Rotz
ist bis heute noch für keinen einzigen Fall erbracht worden. Kein
Zweiter hat so viele rotzige Pferde untersucht wie Schütz. Käme
gelegentlich Heilung dieser Krankheit vor, dann wären ihm doch Fälle
mit Anzeichen der Heilung sicher nicht entgangen, ln seinen Be¬
lehrungen über die Rotzkrankheit wird stets das verschiedene Alter
der rotzigen Zustände, insbesondere das der Rotzknötchen in den
Lungen betont. Mir war Gelegenheit gegeben, gemeinschaftlich mit
Schütz eine große Zahl amtlich eingesandter Teile rotziger oder rotz¬
verdächtiger Pferde zu untersuchen. Hierbei wurden an rotzigen
Lungen niemals junge Rotzknötchen vermißt. Waren nur Knötchen
vorhanden, die den angeblich abgeheilten entsprechen, dann gab die
jedesmalige histologische Untersuchung Aufschluß über die wahre
Natur; es fand sich hierbei regelmäßig die Wurmlarve, auch alle meine
inzwischen bei jeweiligen Gelegenheiten immer wieder vorgenommenen
diesbezüglichen Prüfungen stimmten mit diesem Ergebnis überein.
Ginge Rotz der Lungen gelegentlich in Heilung über, dann müßten
doch auch Fälle Vorkommen, in denen neben ganz alten, von Entozoen
freien Knötchen junge Rotzknötchen gänzlich fehlen.
Die Behauptung Semmers (15), in Südrußland komme gutartiger
heilbarer Rotz unter Pferden häufig vor, ist meines Wissens in keinem
Falle auf Grund bakteriologischer und gleichzeitig histologischer Unter¬
suchungen gestützt worden. Man wird sich schwerlich der Anschauung
hingeben können, die Pferde möchten sich in dortiger Gegend anders
gegen Rotz verhalten als in Deutschland.
Von einer Ziege ist mir ein Fall bekannt, der als geheilter Impf¬
rotz der Lungen gedeutet werden könnte; hier kommt aber ein Tier
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 393
in Frage, das spontan überhaupt nicht an Rotz erkrankt. Dem
3 Jahre alten Tiere hatte ich die Aufschwemmung einer Oese von
einem Pferde gezüchteter Rotzbazillenkultur unter die Haut der Bauch¬
decke gespritzt. Zwei mit gleichem Material geimpfte Meerschweinchen
sind an Rotz verendet. Die Ziege zeigte nach der Impfung keinerlei
Störungen des Allgemeinbefindens. Am zweiten Tage war die linke
Kniefaltendrüse um das Doppelte und am folgenden Tage um das
Dreifache verdickt. Nach 14 Tagen war die Schwellung nahezu und
bald darauf fast vollständig geschwunden.
Obduktionsergebnis 11 Wochen nach der Impfung:
Die Lungen sind nach der Herausnahme gut retrahiert, rosarot, elastisch
und wegsam für Luft. Im Parenchym sitzen gleichmäßig auf die Lappen verteilt
60 bis 80 pfefferkorn- bis erbsengroße derbe Knoten, die aus einer mörtelartigen
mit Kalksalzen spärlich durchsetzten graugelben, trockenen Masse bestehen und von
einer bindegewebigen, 1 bis 2 mm dicken Kapsel umgeben werden. Merkmale, woraus
auf untergegangene tierische Parasiten gefolgert werden könnte, sind auch durch
die mikroskopische Untersuchung nicht zu ermitteln und Aussaaten auf Nähr¬
substrate bleiben steril. Die linke Kniefaltenlymphdrüse ist nur wenig hyper¬
plastisch. An allen übrigen Körperteilen finden sich keinerlei Abweichungen, die
mit einer Rotzinfektion in Zusammenhang gebracht werden könnten.
Daß in diesem Falle die Knoten in den Lungen auf abgeheilte
metastatische Rotzknoten zu beziehen waren, ist nicht erwiesen,
aber rücksichtlich des ferneren Umstandes, daß solche oder ähn¬
liche Knoten von den Lungen der Ziege nicht bekannt sind, wahr¬
scheinlich.
Eine weitere Frage kommt noch in Betracht: Können beim
Pferde, wenn auch die Krankheit nicht zum Stillstand
kommt, einzelne Herde abheilen?
Diese Frage ist entschieden zu bejahen. Jede auf Oberflächen
sitzende, mit Epithel überkleidete Rotznarbe, in deren Bereich sich
weder Gewebszerfall noch Exsudationsvorgänge abspielen, kann als
abgeheilter Herd betrachtet werden; ebenso ist jedes alte von fibröser
Kapsel umgebenes, ira Innern vollständig zerfallenes Rotzknötchen zu
beurteilen, wenn alle Entzündungsprozesse und reaktiven Reizerschei¬
nungen zum Stillstand gekommen sind. Eine vollkommen abgeheilte
Rotznarbe der Haut veranschaulicht Figur 2; sie sass in der Nachbar¬
schaft verschiedenalteriger Ulzerationen.
Das wichtigste Merkmal für die anatomische Diagnose bietet die
Tatsache, daß abgehciltc rotzige Herde für sich allein niemals ein¬
wandsfrei nachgewiesen worden sind.
394
OLT,
Primäre Rotzherde gewinnen in der Regel örtliche Ausbreitung,
der je nach dem Sitz, der Menge und Virulenz der Bazillen engere
oder weitere Grenzen gezogen sind. Hierzu kommt das Fortschreiten
der Prozesse durch die Lymphbahnen zu den nächstgelegenen Lymph¬
drüsen und die Verschleppung der Bazillen durch die Blutbahn, die
Metastasenbildung.
Durch Fütterungsversuche an Pferden hat Schütz dargetan, daß
Rotzbazillen vom Darme aus eine rotzige Erkrankung an mesente¬
rialen Lymphdrüsen verursachen und metastatischen Lungenrotz im
Gefolge haben. Nocard, Hutyra u. a. erzeugten durch Fütterungs¬
versuche mit Rotzbazillen Lungenrotz und führen Fälle an, in denen
rotzige mesenteriale Lymphdrüsen nicht gefunden wurden. Wie die
Widersprüche zu erklären sind, läßt sich nicht entscheiden; die Ver¬
suche wurden allerdings nicht nach einheitlichem Modus und größten¬
teils so angestellt, daß der Lungenrotz auch durch Eindringen der
Bazillen von der Rachenhöhle her bei einigen Versuchen entstanden
sein kann.
Hutyra fand in den Lungen seiner mit Rotzbazillenkultur ge¬
fütterten Versuchspferde zweierlei Knötchen; größere graurote mit
granulierter Schnittfläche und feinem weißlichen oder gelblichen ira
Zentrum neben ganz kleinen, „teils glasig durchscheinenden, grauen,
kugeligen, teils bei sonst ähnlicher Beschaffenheit nur im Zentrum
oder auch durchwegs weißlichen, übrigens aber ebenfalls den miliaren
Tuberkeln ganz ähnlichen Gebilden. Während außerdem die ersten
vom lufthaltigen Lungengewebe undeutlich begrenz! erschienen, hoben
sich die letzteren von dem Lungengewebe scharf ab oder waren sie
nur von einem sehr schmalen grauroten Hof umgeben.“ Mikroskopisch
wurden die Knötchen der ersten Gruppe als die bekannten Hepati¬
sationsherde erkannt; intraalveolär lag zelliges Exsudat.
Von der Gruppe der „grauen, durchscheinenden Knötchen“ hat
Hutyra unter Beigabe von Abbildungen eine genaue histologische
Schilderung gegeben. Hiernach hatten diese Knötchen ihren Sitz im
interlobulären und im peribronchialen Bindegewebe und waren von
Blutgefäßen ausgegangen. Zeitige Thrombose und perivaskuläre zellige
Infiltrate werden geschildert und ähnliche Zustände von den Lungen
der Meerschweinchen angeführt. Die geschilderten Abweichungen sind
mir aus histologischen Studien bekannt. Bei einem bereits rotzigen
Pferde, dem ich 5 Tage vor der Tötung Rotzbazillen in die Vena
jugularis gespritzt hatte, fand ich dergleichen rotzige Zustände an kleinen
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 395
Blutgefäßen der Lungen besonders reichlich. Die von Hutyra ge¬
brachten histologischen Schilderungen und Abbildungen muß ich als
rotzigen Zuständen entsprechende anerkennen. Anderseits verfehle ich
aber nicht zu erwähnen, daß ich solche histologischen Bilder in der
Regel nur von Knötchen oder miliaren Herden mit frischer Entzündungs¬
röte oder rotem Hofe gewinnen konnte; ausnahmsweise gelang es mir
an seltenen grauen Knötchen den gleichen Ursprung fcstzustellen.
Diese waren aber sehr wesentlich verschieden von den cntozoischen
grauen, durchscheinenden Knötchen — Schütz. Die rotzigen grauen
Knötchen sind nicht so durchscheinend und glasig wie letztere, dabei
etwas durchfeuchtet und nicht scharf gegen vollkommen intaktes
Lungengewebe abgegrenzt. Ein Vergleich der Abbildungen, die Schütz
und Hutyra von den Knötchen beider Arten gegeben haben, weist
auch auf sehr auffallende histologische Unterschiede hin. Die grauen
Knötchen, welche Nocard mit einem Fleischwärzchen ver¬
glichen hat, hatten ihren Sitz im alveolären Gewebe und
sind nicht mit denen Hutyras identisch.
Hutyra hat an einer Figur den Uebertritt rotziger Exsudations¬
prozesse von einem kleinen Blutgefäß der Lungen auf alveoläres
Gewebe veranschaulicht. Aus solchen Vorgängen können, wie ich an
älteren Zuständen ermittelt habe, Rotzknötchen entstehen, denen man
makroskopisch und auch bei gewöhnlicher Färbung, z. B. mit Häma-
toxylin und Kontrastfarben mikroskopisch nicht ansieht, daß der Aus¬
gang von einem Blutgefäß erfolgte, da von letzterem keine Spur zu
erkennen ist. Behandelt man aber solche Schnitte einer größeren
Anzahl von Rotzknötchen mit Resorzinfuchsin zur Färbung der
elastischen Fasern, dann werden einzelne Präparate ermittelt, bei
denen sich neben dem elastischen Gerüst der untergegangenen Alveo-
larsepten in einem sonst strukturlosen Bezirk des körnigen Detritus
die wohlerhaltenen elastischen Fasern eines kleinen Blutgefäßes so
deutlich abheben, daß selbst ein Rückschluß auf die Größe und den
Verlauf des Gefäßes zulässig ist. In dieser Hinsicht verhält sich das
elastische Gewebe der Haut ganz anders; dieses löst sich, wie ich
unten ausführen werde, bei rotzigen Exsudationsprozessen ungemein
sehnell auf und ermöglicht demgemäß die rasche Einschmelzung des
Kutiskörpers.
Wenn in dem Streite um die Natur der grauen Knötchen stets
so klare histologische Schilderungen und so instruktive Abbildungen
geliefert worden wären, wie sie Schütz und Hutyra brachten,
396
OLT,
dann hätten manche Mißverständnisse und Irrtümer vermieden werden
können.
Besondere Beachtung verdient, daß Hutyra neben seinen histo¬
logisch eingehend geschilderten grauen Knötchen, die aus einer Peri-
vasculitis malleosa hervorgegangen sind, eine zweite Art von Rotz¬
knötchen erwähnt, die den miliaren Hepatisationen Schütz’ entspricht.
Diese Knötchen werden bei Lungenrotz nie vermißt, sie
überwiegen stets an Zahl, finden sich in verschiedenen
Altersstadien und bieten charakteristische Merkmale für die
makroskopische Diagnostik. Dagegen sprechen Funde, in
denen nur graue, durchscheinende Knötchen oder auch noch
kalkige in den Lungen ermittelt werden, nicht für Rotz.
Neuerdings publizierte Lothes (69) Beobachtungen, die er bei
zwei Rotzepidemien in Köln gemacht hat. Er weist auf die im 18. Jahr¬
hundert von französischen Autoren vertretene Ansicht der Infektion
vom Verdauungstraktus hin, die in neuerer Zeit durch Nocard und
die Anhänger seiner Lehren in modernem Gewände wieder aulgetaucht
ist. Lothes richtete bei den Obduktionen rotziger Pferde sein Haupt¬
augenmerk auf den Verdauungsapparat, „dabei fiel es auf, daß der
Darm nur vereinzelt und die Gekröslymphdrüsen sogar nur in einem
einzigen von den zahlreichen Fällen rotzkrank befunden wurden.“
Auf einige in seiner vorläufigen Mitteilung berührte Fragen möchte
ich schon jetzt eingehen.
Zunächst vertritt Lothes die Meinung, die Praxis habe sich viel
zu viel mit Fragen beschäftigt, die für sie von untergeordneter Be¬
deutung wären und fährt fort: „Ich erwähne in dieser Hinsicht nur
den Streit um den primären Lungenrotz. Durch den Streit um diese
Rotzform, dessen Umfang auch in keinem Verhältnis zu der nicht
wegzuleugnenden wissenschaftlichen Bedeutung dieser Frage steht,
wurden die Tierärzte veranlaßt, bei den Rotzobduktionen ihr Augen¬
merk fast ausschließlich auf die Atmungsorgane zu richten und an
anderen, für die Pathogenese des Rotzes nicht minder wichtigen
Organen achtlos vorüberzugehen.“
Das ist eine Verkennung der Tatsachen. Gerade weil die Tier¬
ärzte vielfach glaubten, lediglich auf Grund zweifelhafter Befunde an
den Lungen Rotz diagnostizieren zu können und hauptsächlich von
ihnen die Ansicht vertreten wurde, es gäbe einen primären Lungen¬
rotz, sah sich Schütz genötigt, immer wieder zu betonen, daß der
Knötchenrotz der Lungen ein sekundärer, metastatischer sei, und außer
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen eto. 397
den Lungen auch regelmäßig andere Körperteile erkrankt sein müßten.
Auf Grund einer Verfügung des Königl. Preuß. Landwirtschaftsministers
wurden in derZeit vom 24. Februar bis 10. Oktober 1892 die Lungen
von 127 Pferden, bei denen primärer Lungenrotz diagnostiziert worden
war, nach Berlin zur Nachprüfung durch Virchow und Schütz ein-
gesandt. Von den Lungen haben sich 92 als rotzig und 35 als nicht¬
rotzig erwiesen. Die Lehren, welche sich aus den fraglichen Unter¬
suchungen ergeben haben, sind von Schütz (5) in einer Abhandlung
niedergelegt worden, in welcher am Schlusso betont wird, „daß der
Nachweis des rotzigen Ursprungs der einfach entzündlichen Verände¬
rungen nur geführt werden kann durch die Geschichte des Falles.
Man muß ihrer Entstehung nachgehen und aus anderen Tatsachen, die
sich an demselben Kadaver vorfinden, aus dem Vorhandensein von
Rotzgeschwüren, Narben usw. die Beweise beibringen, daß sie als
Erscheinungen der Rotzkrankheit anzusehen sind. Diese Entscheidung
ist aber nur nach Kenntnisnahme des ganzen Befundes möglich, und
je vollständiger die Obduktionen ausgeführt und je sorg¬
fältiger alle Organe geprüft werden, um so schneller wird
man das Sachverhältnis kennen.“
Befremden muß es ferner, wie Lothes die Versuchsanordnung
bei der Fütterung mit Rotzbazillen bewertet.
Nocard gab die Rotzbazillenkulturen zwischen Brot und Rüben¬
schnitten an Pferde, Maultiere und Esel und verabreichte dann Wasser,
um einer Infektion der oberen Teile des Verdauungstraktus
vorzubeugen. Schütz hatte die Bazillen nach einem besonderen
Verfahren in eigroße leichtverdauliche Gelatinepillen so eingeschlossen,
daß beim Eingeben derselben Rotzbazillen nicht in Berührung mit der
Schleimhaut der Maul- und Rachenhöhle des Pferdes kommen konnten,
und der Weg, den die Bazillen bei einer Infektion einschlagen würden,
ganz genau bekannt sein mußte. Dazu sagt aber Lothes: „Die
sämtlichen Versuche litten insofern an einer gewissen Einseitigkeit,
als sie in erster Linie wieder der Klärung der vorhin beleuchteten
Frage nach dem primären Lungenrotz galten.“ Entschieden wird hier
der Wert exakter wissenschaftlicher Versuchsanordnung verkannt. Ich
entsinne mich noch sehr genau der den Schützschen Versuchen vor¬
ausgegangenen Beratungen über die technische Durchführung der Ex¬
perimente, wobei ganz besonders darauf Bedacht gelegt wurde, die
Rotzbazillen so in den Magen zu bringen, daß das Versuchsergebnis
durch Nebenfaktoren nicht gestört werden könne; denn darüber
398
OLT,
konnte nicht der geringste Zweifel gjehegt werden, daßgleich-
zeitig auch an den Tonsillen und der Pharyngealschleim¬
haut, oder auch an noch ganz anderen Stellen wie an den
Lippen, der Nase usw. eine Infektion einsetzen müsse, so¬
fern die Rotzbazillen teilweise in der Maulhöhle abgelagert
werden würden. Schütz (4) hat auch in seiner Abhandlung „Zur
Lehre vom Rotz“ erwähnt (S. 18), daß bei der von Nocard ge¬
wählten Versuchsanordnung die Rotzbazillen, zwischen den Zähnen
oder in den zahlreichen Vertiefungen liegen bleiben, welche in der
Schleimhaut der oberen Abschnitte des Digestionsapparates nachzu¬
weisen sind, und sagt weiter: Ich will nur an die Tonsillen und die
pharyngealen Follikeln erinnern, in denen fremde Körper häufig ge¬
funden werden.
Aus Nocards Versuchsergebnissen ging ja auch hervor, und
Schütz hat später darauf hingewiesen, daß „bei fast allen“ Versuchs¬
tieren der Schlundkopf usw. rotzig erkrankt war; ja Nocard hat
selbst eingeräumt, daß bei fast allen Versuchspferden nach einer be¬
stimmten Zeit Anschwellungen der Lymphdrüsen beobachtet werden
konnten, welche bei der Obduktion als rotzig befunden wurden. Ferner
ist ein Versuch unter den fünf von Schütz angestellten unabsichtlich
so ausgefallen, wie die Experimente Nocards. Eine Pille von zwei
verabreichten wurde auf dem Zungengrunde zerdrückt, so daß die Rotz¬
bazillen mit der Maul- und Rachenhöhle des Pferdes in Berührung
kamen. Trotzdem das Tier hierauf getränkt wurde, stellten sich
Ulcera am Pharynx und einer aryepiglottischen Falte neben den Ab¬
weichungen in der Bauch- und Brusthöhle ein.
Welchen hervorragenden Wert die von Schütz angestellten Fütte¬
rungsversuche mit Rotzbazillen haben, geht aus seiner Besprechung
der Ergebnisse hervor, welche auf die damals schwebenden Streitfragen
gerichtet waren. Ich werde aber an der Hand der von Schütz mit-
gcteilten Versuchsergebnisse dartun, daß die Experimente auch für
Fragen, wie sie neuerdings durch Lothes aufgeworfen wurden,
zwingende Beweise liefern.
Kurzer Auszug aus den Mitteilungen über die von Schütz mit
Rotzbazillen angestellten Fütterungsversuche:
Versuch 1. 18—20 Jahre alter Wallach erhält per os die Bazillen von
22 hochvirulenten Kulturen so, daß die Rotzbazillen mit der Maul- und Rachen¬
höhle nicht in Berührung kommen. Nach 14 Tagen Tötung.
lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 399
Befund: Ueber einem Peyerschen Haufen ein erbsengroßer, ziemlich derber,
grauweißer, abgeflachter Knoten, welcher auf der Höhe hellrot ist. In der
Schleimhaut des Grimmdarmes zwei erbsengroße Knoten; der eine hat eine hanf¬
korngroße, kraterförmige, unebene Vertiefung, welche eine graugelbe Zerfallsmasse
enthält. Sämtliche Gekröslymphdrüsen bedeutend vergrößert, vielfach wallnuß-
bis hühnereigroß. Am Blind- und Grimmdarm stellen die Lymphdrüsen dicke,
knotige, 4 cm breite und 2 cm dicke Stränge dar, deren Zwischengewebe mit einer
bernsteingelben Flüssigkeit getränkt ist. Auf dem Durchschnitt graugelbe, trübe,
trockene, ca. erbsengroße Zerfallsherde. Lymphdrüsen der Gekröswurzeln hühner¬
eigroß; hier noch keine Zerfallsherde. — In der Leber zahlreiche grieskorngroße,
grauweiße Knötchen. Außerdem einige größere, zentral erweichte Knoten. — Unter
der Milzkapsel zentral zerfallene Knötchen, Leisten-, Scham-, Darmbein- und
Kreuzbeinlymphdrüsen gesohwollen und durchfeuchtet.
In den Lungen Knötchen, die nach der Schilderung als Rotzmetastasen zu
deuten sind. Die bronchialen und mediastinalen Lymphdrüsen gesohwollen und
.durchfeuchtet. „Die Schleimhaut der Nase, des Schlund- und Kehl¬
kopfes, der Luftröhre und Bronchien ist nicht verändert.“
Die bakteriologische und histologische Untersuchung haben ergeben, daß die
erwähnten Abweichungen rotziger Natur waren.
Versuch II. 12 Jahre alter Wallach erhält wie bei Versuch I in einer Pille
eingeschlossen die Rotzbazillen von 24 Kulturen. Nach 14 Tagen Tötung.
Befund: Die Abweichungen stimmen im Wesen mit denen des Versuches I
überein. Auch in diesem Falle waren „die Schleimhaut der Nase, des
Schlund- und Kehlkopfes, der Luftröhre und Bronchien normal.“
Die bakteriologischen und die histologischen Untersuchungen haben das Gleiche
wie bei Versuch I ergeben.
Versuch III. 14 Jahre alte Stute erhält in zwei Pillen die Rotzbazillen von
40 Kulturen. Eine Pille platzt auf dem Zungengrunde beim Hineinschieben, so
daß Rotzbazillen mit der Maul- und Rachenschleimhaut in Berührung kommen.
Das Pferd nimmt hierauf eine größere Menge angebotenen Wassers auf. Nach
14 Tagen Tötung.
Befund: Die Abweichungen am Darme und den Gekrösdrüsen und der
Leber nicht so stark wie bei Versuch I und II, aber von gleichem Charakter. Milz
intakt, an den Lungen Zustände wie bei Versuch 1 und II.
ln der Schleimhaut des Schlundkopfes acht linsengroße Geschwüre mit wall-
artigen Rändern, am linken Kehldeckel-Gießkannenbande ein ähnliches Geschwür.
Lymphdrüsen im Kehlgang und hinter dem Schlundkopf bohnen- bis haselnu߬
groß, feucht und von stecknadelkopfgroßen, graugelben Herden durchsetzt.
Die bakteriologischen und die histologischen Untersuchungen haben ergeben,
daß die Abweichungen rotziger Natur waren.
Die Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre blaß. Ueber die Be¬
schaffenheit der Nasenschleimhaut ist nichts mitgeteilt, ich weiß
aber, daß trotz sorgfältiger Untersuchung an ihr Abweichungen
nicht ermittelt werden konnten.
Versuch IV. 20 Jahre alter Wallach erhält per os den zehnten Teil einer
Oese voll der aus Lymphdrüsen des Versuchspferdes No. 1 gezüchteten und auf
400
OLT,
ihre Virulenz geprüften Rotzbazillen, die sorgfältig so von Gelatinemasse um¬
gossen worden waren, daß sie im Zentrum einer hühnereigroßen Pille lagen.
Tötung nach 27 Tagen.
Befund: Magen, Darm, Milz und Gokrösdrüsen zeigen keine Veränderungen.
In der Leber verkalkte, in der Peripherie geschichtete Knötchen. Unter dem
Ueberzug der rechten Lunge zwei hanfkorngroße, gelbe Knötchen, deren Zentrum
verkalkt ist, und welche von einer zarten bindegewebigen und an der Innenfläche
glatten Kapsel umgeben sind. Unter dem Ueberzug der linken Lunge drei hanf¬
korngroße graue, durchscheinende Knötchen, welche scharf begrenzt und von
gesundem Lungengewebe umschlossen sind. In diesen Knötchen wurde durch die
histologische Untersuchung je ein Rundwurm ermittelt. Alle Abweichungen waren
nicht rotziger Natur.
Ueber die Beschaffenheit der Schleimhaut der Nase und der
übrigen Luftwege ist nichts mitgeteilt, ich weiß aber, daß diese
Teile intakt waren.
Versuch V. Eine 18—20 Jahre alte Stute erhält vom 17.—30. August täg¬
lich den zehnten Teil einer Oese voll Rotzbazillen in der Form wie bei Versuch IV.
Tötnng nach 55 Tagen.
Befund: Magen- und Darmschleimhaut intakt. Außen am Pylorus eine
wallnußgroße, erkrankte Lymphdrüse. Im Innern derselben drei erbsengroße
Herde mit grauer Zerfallsmasse. Die übrigen Teile des Knotens sind weiß und
derb. Am Zwölffingerdarm ein haselnußgroßer Lymphdrüsenknoten von ähnlicher
Beschaffenheit. Im Mastdarmgekröse ein hühnereigroßes Lymphdrüsenpaket; in
den einzelnen Knoten zahlreiche stecknadelkopfgroße, gelbe Zerfallsherde. Am
Zwerchfell fünf beetartige Erhebungen, welche 1 cm dick sind und deren Zentrum
aus einer graugelben Erweichungsmasse besteht.
In der Leber und Milz Knötchen und Knoten vom Aussehen der rotzigen,
ln den Lungen 14 stecknadelkopfgroße bis erbsengroße Knötchen, welche im
Zentrum graugelb und trüb, in der Peripherie grauweiß und von einem roten Hof
umgeben sind. Außerdem in den Lungen vier graue durchscheinende, scharf¬
begrenzte Knötchen.
Letztere wurden mikrotomiert und ließen im Inneren einen Rundwurm nach-
weisen. Die übrigen Abweichungen rotziger Herkunft.
In allen übrigen Organen sind trotz der genauesten Unter¬
suchung keine Veränderungen festzustellen.
Bei der Dosierung der Rotzbazillen in den Versuchen IV und V ist eine Oese
voll mit 10 g Kartoffelbrei innig zerrieben und 1 g der Mischung abgewogen
worden. Ich darf ergänzend hinzufügen, daß in mikroskopischen Ausstrichen
dieses Kartoffelbreies die Rotzbazillen mit Leichtigkeit und in Mengen festzustellen
waren, wie ich sie in rotzigen Dejekten niemals nachzuweisen vermochte. Der
zehnte Teil einer Oese bedeutet eine so große Bazillenmenge,, wie sie bei Spontan¬
infektionen niemals in Betracht kommen kann.
Die auf den Streit um den Wert des Malleins bezüglichen An¬
gaben habe ich hier nicht wiederholt; es galt mir nur diejenigen Tat¬
sachen zu erwähnen, welche von Bedeutung sind für die Beantwortung
der Frage:
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 401
Was beweisen sonst noch die von Schütz angestcllten
Fütterungsversuche mit Rotzbazillen hinsichtlich der von
Lothes vertretenen Anschaungen über die Pathogenese des
Rotzes?
Bei einem Falle hatten die Rotzbazillen, der zehnte Teil einer
Oese, nicht ausgereicht, vom Magen oder Darme aus eine Infektion
einzuleiten. Das Pferd war vollkommen gesund geblieben, trotzdem
es hochvirulente Rotzbazillen in einer so großen Menge aufgenommen
hatte, wie sic unter natürlichen Verhältnissen sicher niemals in Frage
kommt. Ein Pferd, das 14 Tage hintereinander solche Bazillenmengen
erhalten hatte, war allerdings rotzkrank geworden.
Alle vom Darme aus infizierten Pferde waren mit Rotz
der mesenterialen Lymphdrüsen behaftet. Drei Pferde, denen
die großen Mengen von Rotzbazillen in den Magen gebracht worden
waren, wiesen primären Darmrotz in Form weniger Geschwüre der
Mukosa auf.
Metastasen fanden sich in allen vier Fällen in den Lungen —
sekundärer Lungenrotz —, in der Leber und dreimal in der Milz.
Einmal war infolge des Platzens der Pille primärer Rotz des Pharynx
und der zugehörigen Lymphdrüsen eingetreten.
In keinem der Fälle erkrankte die Schleimhaut der Nase,
des Kehlkopfes oder der Bronchien, trotzdem doch jedesmal,
wenn die Infektion haftete, auch Metastasen in den Lungen
und an anderen Organen nachzuweisen waren.
Da auch die Milz dreimal mit Rotzmetastasen ausgestattet war,
sonach Rotzbazillen auch in den großen Kreislauf gelangt sein mußten,
wird Herr Lothes doch wohl einräumen, daß der mit Blutzufluß so
reichlich versorgten Nasenschleimhaut sicher Gelegenheit zur sekun¬
dären Infektion gegeben war. Dabei ist zu bedenken, daß in drei
Fällen die Bazillen von 22, 24, bzw. 40 Kulturen verfüttert worden
waren. Die schweren rotzigen Zustände an den Lungen haben ferner
stets durch Abgabe von Rotzbazillen an die Blutbahn die Nase in
hohem Grade gefährdet, aber der metastatische Nasenrotz, für den das
Pferd nach Lothes ganz besonders disponiert sein soll, ist ausgc-
blieben, trotzdem ein Pferd erst 55 Tage nach dem Beginne des Ver¬
suches getötet wurde.
Die Erfahrung lehrt, daß spontaner Rotz der Lungen, der in
Knötchenform nach den pathologisch-anatomischen Merkmalen als ein
metastatischer Prozess angesehen werden muß, in der Regel mit Nasen-
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Bund. 2G
402
OLT,
rotz vergesellschaftet ist, und zwar auch bei ganz jungen Rotzfällen.
Mit dieser Tatsache und den Versuchsergebnissen, denen, wie wir unten
finden werden, sich noch andere anreihen lassen, steht die von Lothes
vertretene Anschauung in Widerspruch. Die Annahme, eine Verletzung
der Schleimhaut müsse der Spontaninfektion vorausgehen, und deshalb
gehöre primärer spontaner Nasenrotz des Pferdes „zweifelsohne zu
seltenen Ereignissen“ beruht auf willkürlicher Annahme. Die Infektion
mit zerstäubter Kultur erfolgt doch auch ohne verletzte Schleimhaut,
und ein von Hutyra angestellter Versuch beweist, daß die Infektion
an der Nase auch dann eintritt, wenn in der Trachea Rotzbazillen¬
kultur zerstäubt wird. Hierbei wird doch sicher nicht der entstehende
Luftwirbel „die schützende Schleimschicht zerstört“ haben.
Lothes bat auf die Tuberkulose der Nasenschleimhaut exempli¬
fiziert, die bei tuberkulösen Pferden oft als sekundäre Begleiterschei¬
nung zur Beobachtung kommt. Derartige Fälle habe ich wiederholt
genauer untersucht, und Gcrspach (68) hat einen solchen unter meiner
Leitung histologisch bearbeitet. Als Gegensatz zu frischen rotzigen
Zuständen ist hervorgehoben worden, daß die Tuberkeln in der Tiefe
der Nasenschleimhaut zur Entwickelung kommen, hier allmählich eine
Vermehrung bis zu beetartigen subepithelialen Wucherungen erfahren,
welche den Geschwüren vorausgehen (Fig. 5).
Im Gegensatz hierzu ist mir bei ganz frischem Nasenrotz stets
der kaum sichtbare Oberflächendefekt aufgefallen, und niemals habe
ich an solchen Stellen Knötchen bei erhaltener Epitheldecke so tief
in der Schleimhaut sitzen sehen, wie das bei altem Nasenrotz der
Fall ist; ja an den soeben beginnenden Defekten sieht man noch gar
keine Knötchen, und nur geeignete Beleuchtung verrät die Stellen, an
denen die mallöse Ulzeration einsetzt. Solche Bilder sprechen unter
Berücksichtigung der Geschichte des Falles nicht für metastatischen
Ursprung der Abweichungen.
Das Ergebnis des Versuches II, wobei die Pille beim Einschieben
in die Rachenhöhle platzte und Rotzbazillen mit dieser in Berührung
kamen, hat die von Schütz gehegte Befürchtung eine Infektion von
den Tonsillen oder dem Pharynx bestätigt und gezeigt, daß die von
Nocard gewählte Versuchsanordnung als exakte Beweisführung für
Lungeninfektion vom Darme her nicht genügt, auch wenn nach der
Fütterung mit Kultur den Tieren hinterher Wasser gereicht wird.
Ferner haben die fraglichen Versuche gelehrt, daß die Rotzbazillen
vom Darme nicht direkt in die Lungen gelangen, auch wenn sich
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweiwungen etc. 403
rotzige Zustände an der Schleimhaut nicht einstellen; sondern es
zeigte sich, daß Rotz der Gekrösdrüsen den Metastasen vorausgeht.
Das entspricht auch allen sonstigen Tatsachen, die über die Patho¬
genese des Rotzes bisher bekannt waren, und hätte es auffallen müssen,
wenn sich die mesenterialen Lymphdrüsen anders verhalten würden,
als alle übrigen des Körpers. Sonach ist auch der experimen¬
telle Fütterungsrotz der Lungen ein sekundärer.
Diese Versuche litten durchaus nicht an einer gewissen Einseitig¬
keit, wie Lothes meint, im Gegenteil, sie enthalten überraschend
viele wertvolle Ergebnisse, die übrigens noch gar nicht alle besprochen
sind. Zur Zeit, als die Experimente angestellt würden, standen andere
Fragen im Vordergründe, so der Streit um den Wert des Malleins,
um den Charakter der grauen durchscheinenden Knötchen und um die
von Vielen noch heute vertretene Annahme eines primären Lungen¬
rotzes, denen die Besprechung der Versuchsergebnisse galt.
Lothes verallgemeinert die Schlüsse, welche er aus seinen in
Köln vorgenommenen Obduktionen gezogen hat, dahin: „Es ist anzu¬
nehmen, daß entgegen der bisher vorherrschenden Ansicht der Ein¬
tritt des Rotzgiftes in den Körper beim Pferde gewöhnlich vom Ver-
dauungstraktus und zwar häufig bereits vom unteren Teile der Rachen¬
höhle stattfindet.
Daß gelegentlich einmal die Rotzinfektion von den Tonsillen und
der Pharyngealschleimhaut ausgeht, wird kein Kenner des Rotzbazillus
bestreiten. Verabreichung von Rotzbazillenkulturen per os nach dem
von Nocard, Hutyra und anderen gewählten Modus sind dafür ja
auch beweisend. Daß diese Experimente den natürlichen Gefahren
einer Infektion durch die Maulhöhle gleichwertige sind, wird wohl
niemand ernstlich behaupten wollen, das hat auch Lothes nicht un¬
eingeschränkt getan.
Nun lehrt aber die Erfahrung, daß höchst selten die Geschichte
eines Rotzfalles, ich denke hier in erster Linie an das Obduktions¬
ergebnis, für eine Infektion von der Rachenhöhle spricht. Ein ge¬
schulter Obduzent gibt sich doch über jede Lymphdrusenerkrankung
Rechenschaft und fragt nach den Zuständen in ihrem Wurzelgebiet.
Wenn Lothes von einseitiger Berücksichtigung des Respirationsapparates
bei Rotzobduktionen spricht, dann will er damit doch wohl sicherlich
nicht sagen, daß auch Virchow und Schütz beim Studium der Rotz¬
krankheit befangen vorgegangen sind.
Die Belehrung über den Rotz, welche besonders auf den Respi-
404
OLT,
rationsapparat verweist, basiert doch auf dem Ergebnis der Forschung
dieser Männer und nicht auf vorgefaßter Meinung.
In keinem Institut der Welt ist soviel Rotz untersucht worden
wie in dem pathologischen Institut der tierärztlichen Hochschule in
Berlin, und kein Unbefangener wird annehmen, daß bei der Prüfung
des Riesenmateriales, das aus den Provinzen nach Berlin gesandt
worden ist, und bei den vielen Rotzobduktionen, die dort zur Aus¬
führung kamen, Virchow und Schütz die von Lothes allgemein
behaupteten Tatsachen könnten entgangen sein, wenn sie zuträfen.
Den Tonsillen habe ich von jeher bei verschiedenen Infektions¬
krankheiten ein besonderes Augenmerk geschenkt, das geht auch aus
Arbeiten, die von mir oder unter meiner Leitung angefertigt wurden,
hervor. Es war mir aber bisher nicht möglich, die Tonsillen als Ein¬
gangspforten für Rotz zu ermitteln, trotzdem ich im pathologischen
Institute in Berlin an einer großen Zahl von Fällen und auch später
auf die genaue Untersuchung der Halsorgane stets bedacht war.
Auch habe ich seit 18y2 mit besonderer Vorliebe den Magen und
Darm des Pferdes auf Geschwüre und deren Ursprung geprüft und
entsprechendes Material methodisch gesammelt. Die Suche nach
spontanen Rotzgeschwüren blieb erfolglos und zwar auch bei Sektionen
rotziger Pferde. Mit Herrn Professor Dr. Peter in Hamburg, da¬
maligem Repetitor tier Dieckerhoffschen Klinik, den ich auch als
Kenner der italienischen Literatur persönlich hochschätzte, habe ich
mich wiederholt über die Frage des von Italienern diagnostizierten
Darmrotzes unterhalten, es ist mir aber bei Obduktionen in keinem
Falle möglich gewesen, die Richtigkeit fraglicher Behauptungen zu
bestätigen.
Wahrscheinlich sind die Angaben über spontanen primären Rotz
des Darmes und der Gekrösdrüsen auf die von Kitt (7), mir (12)
und später von Sticker (30) und Hummel (27) beschriebenen Ge¬
schwüre zu beziehen, denen bekanntlich ursächlich Strongyliden zu¬
grunde liegen.
Hutyra sagt in den Schlußfolgerungen zu seinen Versuchen:
„Der Nasenrotz pflegt sich ebenso wie der Hautrotz als sekundärer
Prozeß der primären Erkrankung innerer Organe und insbesondere der
Lungen anzuschließen.“ Seine Versuchsergebnisse sind meines Er¬
achtens hierfür keinesfalls beweisend. Denn bei acht Pferden (Ver¬
suche 6—13), denen Rotzbazillenkulturen per os auf verschiedene
Weise beigebracht worden waren, sind jedesmal Metastasen in den
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 405
Lungen und rotzige Erkrankungen an Lymphdrüsen beobachtet worden,
ohne daß auch nur einmal rotzige Prozesse an der Nase hinzu¬
gekommen waren.
Dagegen entstand primärer Nasenrotz in zwei Fällen nach der
Inhalation von Bouillonkultur (Versuch 1 und 2) und in einem weiteren
Falle (Versuch 5) durch Zerstäuben von Rotzbazillenkultur in der
Trachea. Wenn in den zwei weiteren Fällen (Versuch 3 und 4)
virulenter Nasenausfluß, der einmal bei Tageslicht und das andere
Mal im Dunkeln getrocknet worden war, nach dem Zerstäuben die
Infektion der Nasenschleimhaut nicht herbeiführte, dann kann daraus
noch nicht der weitgehende Schluß, die Nasenschleimhaut sei für
Primärrotz wenig disponiert, gezogen werden, zumal die übrigen Ver¬
suche hiermit im Widerspruch stehen. Daß den Bazillen in ein-
getrocknctem Schleim der Kontakt mit der Nasenschleimhaut ganz
besonders erschwert wird, ist zweifellos, selbst nach dem Verquellen
bildet Schleim noch eine schützende Hülle um Mikroorganismen, die
sehr wohl eine Infektion verhindern kann. Feuchter, rotzbazillen¬
haltiger Nasenausfluß wird sicher bei der Aspiration viel gefährlicher
sein, als das verwandte Impfmaterial. Solche Gefahren bestehen be¬
kanntlich für Pferde, die mit rotzkranken in Berührung kommen, und
wenn sich auch nur in einem Bruchteil der Uebertragungsgelegenheiten
die Bazillen auf der Nasenschleimhaut der angepusteten Pferde ver¬
mehren, ist genügend Gelegenheit für die Ausbreitung der Seuche
gegeben.
Analog wie die Nasenschleimhaut hat sich die äußere Haut bei
den 13 Versuchen Hutyras verhalten. Dreimal waren Geschwüre
an den Lippen entstanden, die offenbar als primäre Erkrankungen zu
deuten sind, denn in dem einen Falle wurde Kultur unter der Maske
zerstäubt (Versuch 2), und bei den anderen Versuchen ist die Kultur
per os mit Trinkwasser, bzw. in Pillenform beigebracht worden.
Auch bei drei nach besonderen Vorsichtsmaßregeln mit Rotz¬
kultur gefütterten Pferden, die Hummel erwähnt, sind Metastasen in
den Lungen entstanden, ohne daß Nasen- und Hautrotz hinzu¬
gekommen war.
Mac Faydean verfütterte Rotzbazillen in Rüben an vier Pferde
und erzeugte Rotz des Darmes, der Milz, der Lungen und einmal der
Nasenschleimhaut. Bei der Versuchsanordnung läßt sich nicht ent¬
scheiden, ob die Nase sekundär oder primär infiziert wurde.
Bonome hat bei fünf Pferden Fütterungsversuche mit Rotz-
406
OLT,
bazillenkulturen angestellt. Ein Pferd, das viele Monate beobachtet
wurde und wiederholt große Kulturmengen erhalten hatte, war sehr
erklärlicherweise auch an Rotz der Nase und der Haut erkrankt.
Von einem zweiten Pferde, das zuerst eine auf 48—50° erwärmte
Agarkultur, drei Monate später zehn und eine Woche darauf acht
Agarkulturen erhalten hatte, wird im Obduktionsbefund nichts über
Nasen- und Hautrotz erwähnt. Das Pferd wurde erst 13 Monate
nach Beginn des Versuchs getötet und hatte in beiden Lungen mehrere
hühnereigroße, bakteriologisch als rotzig erkannte Knoten. Auch bei
drei weiteren Fütterungsversuchen waren die 14, 24 bzw. 19 Tage
später getöteten Pferde frei von Nasen- und Hautrotz, trotzdem rotzige
Abweichungen am Darme, den mesenterialen Lymphdrüsen und den
Lungen Vorlagen.
Fast allgemein wird die Ansicht vertreten, einer kutanen In¬
fektion der Haut müsse eine Wunde oder mindestens eine Epithel¬
verletzung vorausgehen. Die Richtigkeit dieser Voraussetzung würde
allerdings für die Wahrscheinlichkeit höcht seltenen primären Haut¬
rotzes sprechen. Die absolute Voraussetzung einer Hautwunde oder
eines Epitheldefektcs für das Zustandekommen des primären Haut¬
rotzes ist aber keinesfalls bewiesen. Es ist sehr wohl denkbar, daß
der Rotzbazillus auch bei intakter Haut eine Infektion einleiten kann,
wenn er sich in Haarfollikeln angesiedelt hat.
Babes (78) gelang es, durch Einreiben von Rotzkultur an in¬
takter Haut eine Infektion zu erzielen. Andere behaupten, hierbei
müsse eine Epithelschädigung Vorgelegen haben oder dazugekommen
sein. Die vom Menschen bekannten Infektionen sind mit wenigen
Ausnahmen von der Haut ausgegangen. Aus eigener Anschauung
kenne ich einen Fall, der an intakter Haut in der Nähe des Fu߬
gelenkes eingesetzt hat und tödlich endete. Der Patient hatte bei
der Sektion Halbschuhe getragen und wahrscheinlich die Strümpfe mit
infektiösem Material besudelt.
In dem zweiten Falle hatte ich mir gelegentlich der von Schütz
angestellten Fütterungsversuche eine rotzige Infektion auf dem rechten
Handrücken an unverletzter Haut zugezogen. Beim Eingeben der mit
Rotzkultur gefüllten Pille, die auf dem Zungenrücken des Pferdes
platzte (Versuch III), waren die Bazillen mit meiner Hand in Be¬
rührung gekommen. Sofort wurde eine vermeintlich gründliche Des¬
infektion mit Sublimatlösung 1 pM. vorgenomraen. Zum Schlüsse
tauchte ich die Hand noch in öprozentiges Phenolwasser. Ich achtete
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 407
dabei besonders auf Wunden und hätte bei Gegenwart der geringsten
Verletzung das durch Schinerzenapfindung merken müssen, als ich
die starke Phenollösung anwandte. Am 4. Tage nach der Berührung
mit den Rotzbazillen machte sich auf dem Handrücken eine Papel
bemerkbar, die, wie an ausgeschabten Massen mikroskopisch nach¬
weisbar, zweifellos durch Rotzbazillen verursacht worden war. An
einer Stelle des Gesichtsfeldes lagen fünf Stäbchen, die morphologisch
vollkommen mit Rotzbazillen übereinstimmten, und auch von Schütz
als solche angesprochen wurden. Andere Mikroorganismen waren in
der Papel nicht zugegen.
Da das erkrankte Hautstück sofort herausgeätzt und chirurgische
Behandlung eingeleitet wurde, konnte noch schlimmeren Folgen vor¬
gebeugt werden. Offenbar hatten sich Rotzbazillen in einem Haar¬
trichter der Einwirkung der Desinfektionsmittel entzogen und das
erste Stadium der Infektion herbeigeführt.
Daß gelegentlich auch beim Pferde, welches für Rotz doch viel
empfänglicher ist als der Mensch, solche Ereignisse mit primärem
Hautrotz im Gefolge, eintreten, dürfte nicht zu bezweifeln sein.
Vielfach wird betont, Nocard (83) sei es nicht gelungen, durch
Einreibung von Rotzbazillenkultur eine Infektion der Haut herbeizu¬
führen. Nun ist aber die Frage aufzuwerfen, ob der Versuch den
natürlichen Verhältnissen Rechnung getragen hat. Das muß verneint
werden, denn die Bazillen wurden mit Paraffinsalbe gemischt und
mit diesem nicht wasserlöslichen Mittel 3 Eseln und bei 5 Meer¬
schweinchen aufgetragen; von letzteren gingen 2 Stück ein.
Ein besseres mechanisches Schutzmittel gegen die In¬
fektion hätte wohl kaum gewählt werden können. Bekannt¬
lich verwendet man die Paraffinsalbe auch zum Einfetten der Hände
bei der Vornahme gefährlicher Obduktionen, da dieses Deckmittel
Keime einhüllt und so unschädlich macht. Wasser und Gewebssäfte
machen die in der Paraffinsalbe eingeschlossenen Bazillen nicht flott,
ja selbst die oszillierenden Bewegungen der Pilze hören, wie der Ver¬
such unter dem Mikroskop beweist, schon sofort auf, wenn sie auch
auch nur in Paraffinum liquidum suspendiert sind.
Befinden sich dagegen die Pilze in wässerigen und wasserlöslichen
Medien, in Nasensekret, Exsudaten oder in Kulturflüssigkeit, dann ist
für sie die Möglichkeit des Eindringens in die Tiefe der Haartrichter
gegeben, wo sie vielleicht ebenso wie andere dort vorkommende patho-
408
OLT,
genc Pilze (Kokken) bereits eine Vermehrung erfahren und ihre Gifte
den Weg für ein weiteres Vordringen vorbereiten.
Es ist eine altbekannte Erfahrung, daß nach Schweißausbruch die
kutane Infektion leichter haftet als sonst. Neben Verquellungen und
Lockerungen im Stratum corneum spielt wohl die Kapillarattraktion
beim Entstehen und Eintrocknen des Schweißes noch eine besondere
Rolle. Durch diesen Vorgang werden die Bazillen in die feinsten
Spalten und in die Tiefe der Haarfollikel getragen, wo sie durch die
gleichzeitigen oszillierenden Bewegungen in die mikroskopisch feinsten
Nischen Vordringen. Gelingt einem einzigen Stäbchen der Kontakt
mit den intcrepithelialcn Lymphspalten, dann sind hinreichende Be¬
dingungen für die Infektion gegeben.
Wenn experimentell über die Frage, ob primärer Hautrotz spontan
leicht entstehen kann, entschieden werden soll, dann müssen die Ver¬
suche den natürlichen Verhältnissen angepaßt werden. Das Kontagium
ist bei Pferden in wasserlöslicher Form auf die Haut zu bringen, sei
es Nasendejekt, Rotzeiter oder Kultur. Die Versuchstiere müßten,
wie Pferde allgemein, mit dem Putzgeschirr bearbeitet werden, und
zwar auch an den mit Kontagium beschickten Stellen, und wären so
zu bewegen, daß Schweißausbruch wie bei der Arbeit unter natürlichen
Verhältnissen cintritt.
Die von der Oberfläche der Haut ausgehende Infektion setzt mit
einer Erkrankung des Haarbalges — Folliculitis mallcosa — ein.
Eine Gruppe von Haarfollikeln unterliegt einem Exsudationsprozeß,
der durch die Cutis vasculosa (Papillarkörper) unterhalten wird. Der
starken Hyperämie und Bildung einer Papel folgt rasch der Austritt
hauptsächlich mono- aber auch polynukleärer Leukozyten in die Ge-
websspalten der Cutis vasculosa. Die kollagenen Bindcgewebszüge
verlieren ihre Tingibilität und lösen sich spurlos auf. Fast ebenso
rasch schwindet auch das Gerüst elastischer Fasern. An den mit
Resorzinfuchsin behandelten Schnitten fällt eine scharfe Grenze zwischen
den noch erhaltenen elastischen Fasern der benachbarten Bezirke und
den eingeschmolzenen Partien auf, wo manchmal nur noch Tröpfchen
und Bruchstücke der untergegangenen elastischen Fasern zu ermitteln
sind. Hier und da sitzen an den in den Rotzherd hineinragenden
Fasern kleine kugelige Anschwellungen. Die Epithelschicht kann sich
pustelähnlich durch Lockerung über dem Exsudat abheben, oder, was
die Regel ist, sie bleibt in Verbindung mit der nun abgestorbenen
Follikelgruppe, die im Zusammenhang mit einem kleinen Bezirk der
Ucbcr die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 409
Kutis durch eitrige Dissektion losgestoßen wird. Auf diese Weise
entsteht ein rotziger Furunkel (Figur 1).
Die beiden Ausgänge epidermoidaler Infektion gestalten sich im
Bilde verschieden. Pustelbildung mit raschem Verluste der Decke
und nachfolgender Ausbreitung des lentikulären Ulkus in die Fläche
und die Tiefe entwickelt sich meist nur an schwachbehaarten Stellen,
z. B. an den Lippen.
Da, wo Hautpartien sich gegenseitig reiben, kann die Folliculitis
malleosa in größerer Ausbreitung mit Verlust der ganzen Epidermis
und Haarbälge auftreten, so daß der Papillarkörper in hochroter
erodierter Fläche freiliegt. Eine solche Stelle sah ich z. B. am Ellen¬
bogen, wo sich bei der Bewegung Hautfalten gegenseitig gerieben hatten.
Die Dissektion bei der Entwicklung des rotzigen Furunkels geht
in geringem Grade über die Grenzen des Bodens der Follikel hinaus,
so daß dem ausfallenden Hautstückchen etwas Kutisgewebe anhaftet.
Bei der makroskopischen Betrachtung sieht man an der betroffenen
Stelle eine Gruppe von Haaren in unregelmäßiger Stellung und das
sequestrierte Hautstückchen vom Rande teilweise losgestoßen, so daß
etwas Exsudat aus dem feinen Spalt dringt; an anderen Stellen ist
das abgestorbene Gewebsstück in der Tiefe abgehoben und eine Stelle
am Rande hält es noch einigermaßen fest, so daß es mit der Pinzette
leicht losgezogen werden kann. Das entstandene Geschwür ist zu¬
nächst scharfrandig und mit gelbem Exsudat bedeckt.
In der Folge gestaltet sich der Zustand verschieden, je nachdem
die Ulzeration oder die Regenerationsbestrebung überwiegt. Das Ge¬
schwür wird durch weiteren Gewebszerfall in der Tiefe und am Rande
entweder größer, oder was häufiger der Fall ist, Granulationsgewebe
füllt in wenigen Tagen den Defekt aus und wuchert meist über das
Niveau der Haut, immerzu Material für anhaltenden Zerfall liefernd.
Vielfach geht aus dem Granulationsgewebe dieses raalleösen Ge¬
schwüres eine mit schützender Epidermis überkleidete Narbe hervor,
die eine scharfrandige Einziehung annimmt und unmittelbar an guter¬
haltene Haarfollikel grenzt.
Solcher Ausgang bedeutet definitive Heilung des rotzigen Furunkels,
und wäre theoretisch in diesem Sinne eine Heilung des lokalen Haut¬
rotzes denkbar. Die Erfahrung lehrt aber, daß mit diesem Vorgang
die Infektion nicht erloschen ist; neue Herde in der Nachbarschaft
entstehen, und geben mikroskopische Schnitte Aufschluß über die
weitere Ausbreitung der Prozesse. Vom Boden der Haarfollikel werden
410
OLT,
die Rotzbazillen auf Straßen fortgetragen, die sich durch zeitige In¬
filtrate in auffallender Weise markieren und die ersten Stadien des
Kutisrotzes darstellen. Es sind die Spalträume, wo sich die kolla-
genen Gewebsbündel in verschiedenen Lagen spitzwinkelig kreuzen.
Hier durchschrägen neben Arterien und Venen herziehend die Lymph¬
gefäße den Kutiskörper. In diesem Gefäßgebiete liegen nach allen
Richtungen vom Rotzgeschwür ausgehend Züge zelliger Infiltrate aus
hauptsächlich mononukleären Leukozyten bestehend. Die adventitiellcn
Gefäßscbeiden sind besonders mit emigrierten Zellen überladen, die
Lymphgefäße erweitert und in der Wand gleichfalls mit zelligen In¬
filtraten ausgestattet. Hier und da schließt sich der lokalen Leuko¬
zytose Gewebszerfall der Lymphgefäße an. Chromatinreicher körniger
Detritus des Exsudates mit zelliger Thrombose der Blutgefäße folgen,
und ein kleiner Erweichungsherd im Kutiskörper ist da 1 ). Die starke
Hyperämie der Nachbarschaft mit dem zelligflüssigen Exsudat in den
vielen Gewebsspalten verleiht dem angeschwollenen Bezirk die derbe
Konsistenz des kutanen Rotzknotens.
Die kleinen Erweichungsherde koufluieren bald mit benachbarten,
wobei sich die oben geschilderte Einschmelzung des kollagenen Binde¬
gewebes und der elastischen Fasern wiederholt, und ein Durchbruch
nach der Oberfläche mit Hinterlassung eines sinuösen Geschwüres er¬
folgt. Letzteres verhält sich ähnlich wie das furunkulöse nur mit
dem Unterschiede, daß bei endgiltiger Vernarbung die Nachbarschaft
eine beträchtliche schwielige Verdickung erfährt.
Bei den Einschmelzungen bleibt die Form der Talgdrüsen gut er¬
halten, im Zusammenhang mit den Haarfollikeln werden sie über der
unterminierten Stelle losgestoßen. Die Schweißdrüsen sind anfangs
von zelligem Exsudat umgeben, die Epithelien degenerieren und zer¬
fallen in Gesellschaft mit eingedrungenen Leukozyten zu dem bekannten
chromatinreichen Detritus.
Multiplizität der kutanen Rotzknoten in enger begrenztem Bezirk
verleiht nach den Perforationen der Haut gelegentlich das Aussehen
siebartiger Durchlochungen, denen sich verschiedenartig gestaltete Ge¬
schwüre und Haarausfall mit all den erwähnten Begleiterscheinungen
hinzugesellen.
1) Die von den Alten hierfür gebrauchte Bezeichnung Wurm oder Wurmknoten
der Haut dürfte endgiltig aufgegeben werden, zumal auch durch Würmer erzeugte,
also wirkliche Wurmknoten in der Haut des Pferdes Vorkommen, die mit Rotz
nichts gemein haben.
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden rerursacbten Abweichungen etc. 411
Von der Cutis propria schreitet der Prozeß auf den vielen kleinen
Lymphbahnen weiter in die großen Stromgebiete der Unterhaut. Was
zunächst entsteht, ist streng genommen nicht mehr Hautrotz, sondern
eine Lymphangitis und Perilymphangitis malleosa; sie kann
aus primärem Hautrotz hervorgehen oder auch metastatisch entstehen
und schreitet unter steter Gefährdung der Haut längs des Laufes der
betroffenen Lymphgefäße weiter.
Bei den größeren Lymphgefäßen setzen rotzige Eiterungen in der
Regel an den seitlichen Spalten gefalteter Wandpartien ein. Vielleicht
sind das aus rein mechanischen Umständen Prädilektionsstellen für
die Ansiedelung der Bazillen. Hier geht das Endothel zu Grunde,
die Wand wird mit Leukozyten überschwemmt, so daß bald die Ge-
websstruktur verdeckt ist. Die Einschmelzung erfolgt in der Regel
von innen her und breitet sich von der erodierten Nische über die
ganze Innenfläche eines kleinen Gefäßabschnittes aus, worauf sich
Eiter anschoppt. Der eiterigen Aussackung des Lymphgefäßes gesellt
sich Eiterung in der Umgebung hinzu. Mit dem nun folgenden Unter¬
gang der Gefäßwand vollzieht sich die Konfluenz zu einem kleinen
Abszeß, in dessen Nachbarschaft Granulationsgewebe und schließlich
Narbengewebe entsteht, das den Eiterherd abkapselt, wenn sich das
Exsudat nicht durch Deckeneinschmelzung Abfluß nach außen verschafft.
Den von Lymphgefäßen ausgehenden Eiterungen gesellen sich
immer neue in etagenartiger Anordnung zu. Sie sind vielfach um¬
schrieben knotenförmig, so daß die bekannten rosenkranzähnlichen
Anschwellungen oder strangartige Verdickungen längs der Lymph¬
bahnen zur Entwickelung kommen.
Der Durchbruch dieser subkutan gelegenen Knoten vollzieht sich mit
Hinterlassung sinuöser Geschwüre, die durch eine enge Oeffnung ein
Exsudat wie Gemisch aus Leinöl und Rahm entleeren. Der kessel¬
artig weite Grund verengert sich in wenigen Tagen durch Granulations¬
gewebe, das über das Hautniveau hervorwuchert, wenn nicht aus¬
nahmsweise die Ulzeration überwiegt. Vielfach konkurrieren beide
Prozesse derart, daß immer wieder Gewebszerfall an den rotzigen
Granulationen einsetzt. Hierbei stellen sich in der Nachbarschaft
starke Schwielenbildung und neue Durchbrüche der Eiterungen ein, die
sich nun durch chronischen Charakter auszeichnen — Chronischer
Hautrotz —. Konfluenz der Ulzera, wucherndes Granulationsgewebe,
Narben und Haarausfall verleihen den betroffenen Hautbezirken ein
vielgestaltiges Bild.
412
OLT,
In der Nachbarschaft der Geschwüre besteht starke Proliferation
der Epidermis, die Zellen im Stratum corneum verhornen nur mangel¬
haft und die Zellkerne bleiben andeutungsweise erhalten — Para-
keratose —. Die hierbei entstehenden Borken verkleben durch
Exsudate mit den Haaren, so dass allenthalben Krusten die Geschwüre
und ihre Umgebung bedecken.
Die auffallend rasche Entstehung und die ebenso schnelle Ein¬
schmelzung der Knoten bei gleichzeitiger Affektion der Lymphgefäße
und der regionären Lymphdrüsen gehören zu den charakteristischen
Erscheinungen des Hautrotzes.
Als diffuser Hautrotz sind die seltener beobachteten erysipe-
latösen Erkrankungen bezeichnet worden [Schindclka (84)], welche
mit Phlegmone der Unterhaut und angrenzender Teile, z. B. der
Muskulatur und des intermuskulären Bindegewebes vergesellschaftet
sind. Der Verlauf ist ein akuter und führt unter stürmischen Eite¬
rungen in kurzer Zeit zu ausgedehnten geweblichen Zerstörungen.
Unterminierung und Gangrän der Haut geht in der Regel tiefgehenden
und umfangreichen Ulzerationen voraus.
Metastatischer Hautrotz kann in der Unterhaut oder der Kutis '
einsetzen und sich rückläufig auf die Haarfollikel fortsetzen oder
auch gleich hier wie primärer Hautrotz beginnen. Hierüber entscheidet
der Ort, an welchem die Rotzbazillen seitens der Blutbahn abgelagert
worden sind. Es ist daher in konkreten Fällen sehr schwierig zu
entscheiden, ob primärer oder sekundärer Hautrotz vorliegt, wenn
nicht die Geschichte des Falles, in erster Linie der pathologisch ana¬
tomische Befund in seiner Gesamtheit hinreichende Anhaltspunkte
hierfür gibt.
Technik.
Die mikroskopische Bearbeitung verkalkter Knötchen der Lungen, des Darmes
und ähnlicher kalkhaltiger Gebilde erfordert eine vorausgegangene Lösung der
Calziumsalze. Vorzügliche Dienste leistet schwefelige Säure, da sie erst nach
mehrtägiger Einwirkung die Tinktion der Zellkerne und Gewebe störend beeinflußt.
Nach der Fixierung bringe ich die Objekte unter dichten Verschluß in konzen¬
trierte Lösung schwefeliger Säure. Steinharte Kalkknötchen von der Größe eines
Pfefferkornes sind nach zwei Tagen entkalkt. Wurmknoten des Darmes mit kalk¬
haltigen Pfropfen verbleiben auf 3 bis 5 Stunden in der Säure. Die Objekte
werden hierauf 12 Stunden in fließendem Wasser belassen, alsdann in Zelloidin
eingebettet und mikrotomiert. Paraffin empfiehlt sich für die an fibrillärem Binde¬
gewebe reichen Knötchen nicht, auch wird hierbei der nekrotische Kern so spröde,
daß die Schnitte leicht Risse annehmen und krümeln. Die Zelloidiosohnitte klebe
Ueber die duroh Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 413
ich nach dem von mir in Vorschlag gebrachten Verfahren auf. (Deutsche Tierarzt.
Wochenschr. 1906. No. 33.)
Hinsichtlich einiger Verbesserungen der Methode erlaube ich mir folgendes
mitzuteilen:
Als Klebemittel wird lOproz. Gelatinelösung benutzt, die durch Phenolzusatz
gegen Fäulnis zu schützen ist. 8 Teile Gelatine werden in 72 Teilen destillierten
Wassers gelöst, durch Kochen mit beigemischtem Eiweiß geklärt und filtriert.
Dem Filtrat sind 20 Teile einer 5proz. wässerigen Phenollösung zuzusetzen. Die
Masse wird mit destilliertem Wasser auf 100 Teile ergänzt, erhitzt und in ein
gegen Staub zu schützendes verschließbares Gefäß auf Vorrat filtriert. Die zum
Kleben nötigen Mengen werden mit der Messerspitze herausgeholt und auf dieser,
nicht auf dem Objektträger, erwärmt und über letzteren gestrichen. Mit der Finger¬
beere verteilt man die flüssige Gelatine, hierauf wird alle überflüssige Klebemasse
durch Ueberstreichen mit dem Daumenballen abgestreift. Die Gelatine darf nur
in äußerst dünner Schicht den Objektträger bedecken und trocknet sofort.
Die Zelloidinschnitte werden aus 50 bis TOproz. oder beliebig stärkerem
Alkohol aufgelegt und mit Leinewand, nioht mit Fließpapier, von Alkohol durch
Tupfen befreit und so angedrückt, daß sie glatt und trocken ausgebreitet sind.
Ohne Zeitverlust werden 2 bis 3 Tropfen lOproz. Formollösung (4 Aqu. dest. -f-
1 Formalin) auf die Schnitte gebracht, die durch rasches Andrücken eines leeren
Objektträgers und Beschwerung in ihrer Lage zu halten sind. Nach 10 bis
20 Minuten werden die beiden Objektträger in ein Standgefäß mit lOproz. Formol¬
lösung gebracht, wo die Schnitte eine Stunde oder beliebig länger verweilen. Sie
haften jetzt der Unterlage an und kann nun mit dem Färben begonnen werden.
Erläuterung der Abbildungen auf Tafel IX—XI.
Figur 1. Rotziger Furunkel, a = intakte Epidermis, b = Epidermis im
Zusammenhang mit dem Papillarkörper und einem kleinen Teile der
obersten Kutisschicht bis auf schmale Brücken durch eitrige Dissektion
losgestoßen, c = Granulationsgevvebe aus der Demarkationszone,
d = Granulationsgewebe unterhalb der Demarkationszone, e = zellig
infiltriertes Kutisgewebe. f = Reste zerstörter kollagener Bindegewebs-
züge. g = Talgdrüse, h = Schweißdrüse.
Figur2. Narbe eines abgoheilten rotzigen Furunkels, a = Papillar¬
körper in der Randzone der kesselartig vertieften Narbe, die auf dem
Schnitt makroskopisch noch zu sehen ist. b = intakte Epidermis am
Rande der Narbe, in der Tiefe ist sie abgeflacht, c, c = Narbengewebe
reich an Fibroblasten, deren Züge sich nach verschiedenen Richtungen
kreuzen, d, d = Haarfollikel in nächster Nähe der Narbe, e = Kutis-
gewebc mit Fibroblasten zwischen den kollagenen Faserzügen. Leuko¬
zyten sind nicht mehr zugegen. f = Schweißdrüse in unmittelbarer
Nähe der Narbe, g = Arrector pili. h = Talgdrüse an Narbengewebe
grenzend.
Figur3. Zentrum eines entozoischen verkalkten Knötchens. Peripher
sind Teile der verdickten Wand eines Blutgefäßes zu sehen, die kalkig
414 OLT,
inkrustiert waren. In dem zentralen dunklen Pfropf liegt ein geschlän¬
gelter Hundwurm. Durch Schrumpfung hat sich zwischen dem glatt-
wandigen Kanal und dem Wurm ein schmaler Spalt gebildet. Oben
rechts ist ein Körperende der Parasiten auf dem Querschnitt zu sehen.
Retusche ist vermieden worden.
Figur4. Subpleural gelegenes entozoisches Knötchen, das bis auf die
bindegewebige Kapsel verkalkt war. In dem größeren dunklen Feld
liegt eingeringelt ein Rundwurm, der an 5 Stellen durchschnitten ist.
Die schwarzen Bezirke sind aus dem Lumen eines Blutgefäßes hervor¬
gegangen, dessen geschlängelte Fortsetzung links und rechts in der
Serosa auf Querschnitten zu sehen ist. Die helle Begrenzung der
schwarzen Felder entspricht der verdickten Gefäßwand, die nebst
Pfropf verkalkt war.
Figur5. Septum nasale einesPferdes mit tuberkulöser Schleimhaut.
a = subepitheliale tuberkulöse Wucherungen, b = angenagter Ge¬
schwürsrand. c = strahlige tuberkulöse Narben, d = warzenähn¬
liches derbes tuberkulöses Granulationsgewebe, das mit graubraunen
Borken bedeckt war.
Literatur.
1. Schütz, Zur pathologischen Anatomie des Rotzes. Archiv f. wissenschaftl.
u. praktische Tierheilkunde. Bd. 20. 1894. S. 444 u. 468.
2. Derselbe, Die grauen durchscheinenden Knötchen in den Pferdelungen.
Ebenda. Bd. 21. 1898. S. 338.
3. Derelbe, Malleinversucbe. Ebenda. Bd. 20. 1894.
4. Derselbe, Zur Lehre vom Rotze. Ebenda. Bd. 24. 1898.
5. Derselbe, Zur pathologischen Anatomie des Rotzes. Ebenda. Bd. 22. 1894.
6. Kitt, Die kalkig-fibrösen Knötchen der Leber und Lunge des Pferdes und
die Unterscheidung von Rotzknoten. Monatshefte f. praktische Tierheilkunde.
Bd. 2. 1891.
7. Derselbe, Pathologische Anatomie der Haustiere. 1906. S. 269.
8. Dieckerhoff, Spezielle Pathologie und Therapie.
9. Olt, Zur Aetiologie der kalkig-fibrösen Knötchen in der Lunge des Pferdes.
Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhygiene. 1894. Heft 9.
10. Derselbe, Die kalkig-fibrösen Knötchen in den Lungen und der Leber des
Pferdes. Archiv f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilkde. Bd. 21. 1895. S. 352.
11. Derselbe, Beitrag zur Frage der Echinokokkenkrankheit bei Haustieren.
Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhygiene. 4. Jahrg. Heft 7. S. 131.
12. Derselbe, Die Wanderungen des Strongylus armatus und Folgen seines
Schmarotzertums. Deutsche tierärztl. Wochenschr. 1900. No. 43.
13. Will ach, Sclerostomum arraatum, ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte
der Nematoden. Saarbrücken 1890.
14. Babes, Die Bekämpfung der Rotzkrankheit des Pferdes. Zeitschr. f. Hygiene
u. Infektionskrankheiten. Bd. 39. S. 217.
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 415
15. Semmer, Ueber gutartige, heilbare Formen des Rotzes. Zeitschr. f. Tier¬
medizin. Bd. 20. 1899. S. 54.
16. Rapport sur les exp4riences faites ä Montoir pour ötablir la valeur diagnosti-
que de la malleine au point de vue de la r^völation de la morve. Paris,
31. Octobre 1892.
17. Nocard, La malleioe. Rapport pr&entö au congrös international d’hygiene
de Budapest 1894.
18. Derselbe, Sur les tubercules translucides du poumon des cheveux morveux.
Extrait du Bulletin de la sooiötö centrale de mddecine v^törinaire de France.
Söance du 12. mars 1896.
19. Hutyra, Untersuchungen über die Pathogenese der Rotzkrankheit. Zeitschr.
f. Tiermedizin. Bd. 11. 1907.
20. Johne, Ebenda.
21. Pflug, Zur pathologischen Zootomie des Lungenrotzes der Pferde.
22. Raillet, A., Sur les migrations des Sclörostomes du cheval. Archives vete-
rinaires. 1880. p. 445.
23. Neumann, Traitä des maladies parasitaires, Paris 1892.
24. Breton und Chencan, Post mortem-Diagnose des Rotzes. Rec. de med.
vdt. T. LXXXII. § 81. Zitiert nach Jahresberichten für Veterinärmedizin.
1905. S. 48.
25. Loos, A., Die Skierostomen der Pferde und Esel in Aegypten. Zentralblatt
f. Bakt., Parasitenkunde u. Infektionskrankheiten. 1900.
26. Coreman, Spez. Pathologie und Therapie der Haustiere. Hutyra u. Marek.
27. Hummel, Vergleichende Untersuchungen über die im Darme der Pferde vor¬
kommenden Knoten und geschwürigen Veränderungen. Inaug.-Dissertation.
Gießen 1908.
28. Angel off, Die grauen durchscheinenden Knötchen in den Lungen des Pfordes
und ihre Beziehung zu der Rotzkrankheit. Inaug.-Diss. Gießen 1907.
29. Lubarsch, Arbeiten aus der pathologisoh-anat. Abteilung des Kgl. hygieni¬
schen Instituts in Posen. Wiesbaden 1901.
30. Sticker, A., Der Aufenthalt von Sclerostomum armatum in der Wand des
Dickdarmes. Deutsche tierärztl. Wochenschr. 9. Jahrg. No. 25.
31. Derselbe, Die drei Arten des bewaffneten Palissadenwurmes. Ebenda.
9. Jahrg. No. 33.
32. Derselbe, Untersuchungen über den Bau und die Lebensgeschichte des
Sclerostomum armatum. Archiv f. wissenschaftliche u. prakt. Tierheilkunde.
1901. Bd. 27. H. 3 u. 4.
33. Faller, Ueber Totalinkrustation der Pferdeleber. Inaug.-Diss. Gießen 1902.
34. Bollinger, Die Kolik der Pferde. München 1870.
35. Raillet, Traitö de Zool. M^dicale. Paris 1895.
36. Derselbe, Sur les migrations des Scl^rostomes du cheval. Archives v<$te-
rinaires. 1880.
37. Leuckart, Parasiten des Menschen. Bd. I u. II.
38. Joest und W. Felber, Ueber lokale Eosinophilie in der Leber der Haus¬
tiere. Zeitschr. f. Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten u. Hygiene der
Haustiere. Bd. 4. H. 5 u. 6. 1908.
416
OLT,
39. Joest, Zur Frage der lokalen Eosinophilie bei zooparasitären Organerkran¬
kungen. Deutsche Tierärztl. Wochenschr. 17. Jahrg. No. 24.
40. Ebhardt, Untersuchungen über das Vorkommen und die Bedeutung lokaler
Eosinophilie bei tierisch-parasitären Organerkrankungen unter gleichzeitiger
Berücksichtigung einiger infektiöser Organleidcn. Dissert. Bern 1908.
41. Schütz, Bemerkungen zu der Arbeit „über die grauen durchscheinenden
Knötchen in den Pferdelungen und ihre Beziehung zu der Rotzkrankheii a .
Archiv f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilkunde.
42. Brown, Studios of trichinosis with especial reference to the increase of tbe
eosinophilic cells in the blood and muscle, the origin of these cells and their
diagnostic importance. The journal of experiment med. Vol. UI. No. 3. 1898.
43. Osler, The clinical feature of trichinosis. American journal of the med.
1899. sc. March.
44. Schleip, Die Hornberger Trichinenepidemie und die für Trichinosis patho-
gnonomischeEosinophilie. Deutsches Archiv f. klin. Med. 1905. Bd.85. S.2S6.
45. Stäubli, Klinische und experimentelle Untersuchungen über Trichinosis und
Eosinophilie im allgemeinen. Ebenda. 1905. Bd. 85. S. 286.
46. v. Nor mann, Ein 5. Fall von Trichinosis mit Vermehrung der eosinophilen
Zellen. Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenkde. u. Infektionskrankheiten. 1899.
Bd. 25. S. 749.
47. Cabot, A., Guide of clinical examination of the blood. UI. Aull. 1898.
Longmans Green a. Co.
48. Bloch, Zur Kenntnis der Eosinophilie. Deutsche med. Wochenschr. 1903.
S. 511.
49. Patzclt, Ein Beitrag zum Studium der Anchylostomafrage. Prager med.
Wochenschr. 1904. No. 26.
50. v. Linstow, Die durch tierische Parasiten erzeugten toxischen Stoffe.
VIII. Internationaler Thierärztl. Kongreß in Budapest 1905. III. Sektion.
Thema 10.
51. Grünberger, Beitrag zum Studium der Anchylostomiasis. Wiener med.
Wochenschr. 1903. Bd. 52.
52. Bückler, Ueber den Zusammenhang der Vermehrung der Leukozyten im
Blute mit dem Vorkommen der Charcot-Leydenschen Krystalle in den Fäces
des Wurmkranken. Münchener med. Wochenschr. 1894. Bd. II u. III.
53. Limmasset, Essai sur Tdosinophilie dans le parasitisme vermineux chez
Thomme. These. Lyon 1894.
54. Schaumann, Zur Kenntnis der sog. Bothriocephalenanämie. Berlin 1904.
55. Blunschy, Untersuchungen über die Veränderungen der Schleimhaut bei der
Magen- und Darmstrongylose des Rindes. Inaug.-Diss. Zürich 1906.
56. Dobbertin, Ueber das Verhalten der weißen Blutkörperchen beim Hunde
unter besonderer Berücksichtigung der Bandwurm- und Trichinenkrankheit.
Diss. Leipzig 1907.
57. Billet, Eosinophilie dans la dysenterie amebienne. Comptes rendus de la
societe de biologie. 1905. LXIII. p. 874.
58. Derselbe, Eosinophilie dans un cas de filariose.
59. Billet et Fayet, Revue veter. 1907. No. 10 u. 11.
Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 417
60. Billet, Filaria loa avec oedemes intermitt. hdmomicrofilaires et cosinophilie
accentude. Compt. rend. de la societe de biologie. T. LX. No. 24. 1906.
61. Wurtz und Clerc, Nouvelle Observation de Filaria loa ect. Arch. exper.
mdd. anatom. pathol. 1. Sdr. T. XVII. 1906.
62. Kantzky-Bey, Blutuntersuchungen bei der Bilharziakrankheit. Zeitschr. f.
klin. Medizin. 1904. II. H. 3 u. 4.
63. Devd, L’dosinophilie locale des cystes hydatiques. Compt. rend. de la societe
de biol. 1905. II. p. 49.
64. Folger, Ueber lokale Eosinophilie (Gewebseosinophilie) bei zooparasitären
Leiden. Zeitschr. f. Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten etc. Bd. IV.
H. 1 u. 2.
65. Gordonier, Medical News. 1900.
66. Coles, The blood in cases affected with filarious and bilharzia haematobia.
British med. Journal. 1902. 10. May.
67. Olt, Strongylus paradoxus in den Lungen des Schweines. Deutsche tierärztl.
Wochenschr. 1898. No. 9.
68. Gerspacb, Tuberkulose eines Pferdes mit rotzähnlichen Geschwüren der
Nasenschleimhaut. Inaug.-Diss. Gießen 1905.
69. Lothes, Zur Pathogenese und Diagnose der Rotzkrankheit. Berliner tier¬
ärztliche Wochenschr. 1909. No. 33.
70. MasFadyean, The journal of comp. Pathology and Therapeutics. 1904.
Bd. XVIII. p. 295.
71. Bonome, Pathogenesi e trasmissibilitä della morva chinsa. Padova 1905.
72. Rudolphi, Carl Asmund, Entozoorum Synopis.
73. Rivolta, 11 Medico veterinario. 1868. p. 300.
74. Laulanie, Revue vdsdrinaire. 1884. p. 166.
75. v. Ratz, Veterinarius. 1898.
76. Constanine und Drouilly, Rec. de mdd. vet. 1878.
77. Vecchi, Sulla morva della puntata del ceco. Torino 1896 (zit. nach Kitt).
78. Babes, Archives de mdd. expdriment. et d’Anatomie-pathol. *1891. p. 617.
79. Csokor, Zur Differentialdiagnose der Rotzknoten in den Lungen des Pferdes.
Oesterr. Vierteljahrsschr. f. Tierheilkunde. 1880. S. 41.
80. Ehrlich, P., Farbenanalytische Untersuchungen zur Histogenese und Klinik
des Blutes. Berlin 1891.
81. Unna, Histopathologie der Hautkrankheiten. Berlin 1904. S. 549.
82. Popielski, Zur Physiologie des Plexus iliacus. Archiv f. Anatomie u. Phy¬
siologie. 1903. S. 338.
83. Nocard, Bulletin de la Societd centrale de medicino vetcrin. 1890. p. 322.
84. Schindelka, Hautkrankheiten. 1903. S. 309.
Archiv f. wissßnseh. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band.
XX.
Institut <l'Anatomie pathologique ä l'Ecole nationale veterinaire d’Alfort.
Pseudo-tuberculose vermineuse du rein, chez le cheval.
l’ar
Prof. M. Gabriel Petit.
(Avec 4 ligures n tables XII et XIII.)
J’ai eu l’occasion d’etudier, avec mes eollaboratcurs MM. H. Henry
et R. Germain, chef de travaux ä l’Ecole d’Alfort, un rein de cheval
offrant de tres curieuses lesions de pseudo-tuberculose, que nous
n’avions jusqu’a, present jamais observees. II provenait d’un cheval
de quatorze ans, mort d’ureraie. L’autre rein, que nous n’avons pas
vu, car la piccc nous fut Offerte, devait presenter des lesions idcntiques,
quoique moins accusees sans doute, puisqu’elles n’ont pas attire
l’attention au moment de l’autopsie.
A l’ocil nu, ces lesions, parfaitcracnt evidentes pour l’organc qui
nous occupc, consistent en son hypertrophie et en Texistence de
marbrures blanchätres ressemblant a des foycrs de nccrosc
ct presque exclusiveraent reparties dans la zone corticale, sous la
capsule raodcrement adherente et peu epaissie. Elle affectcnt une dis-
position nodulaire assez particuliere (fig. 1), qui nc s’obscrvc pas dans
lcs nephrites banales et frequentes.
En les examinant ä la loupe (fig. 2), on constatc qu’elles sont
systematiquement orientees, ce qui permet de soupeonner qu’elles ont
pour point de depart les arterioles dichotomiqucment ramifi6es de la
eorticalite.
L’examen histologique demontre qu’il s’agit d’une agglomeration
de tu bereu les, semblables ä celui de la fig. 3. Ils sont fort richcs
en cellules geantes, et, a moins d’ctre coupes tangentiellement, offrent
tous en leur centre une arteriole a lumiere generalement comblee
par l’endarteritc obliterantc. Les arterioles du rein constituent donc
Pseudo-tuberculose vermineuse du rein, chez le cheval.
419
le point de depart de ces formations nodulaires, ce qui permet de
supposer, d’affirmer raeme que l’agent provocateur a ete apporte par
le sang.
En examinant ä un fort grossissement la zone centrale, degenercc,
des pseudo-tubercules, on d^couvre, en pleines parois arterielles, de
petits tron^ons difficilement colorables et assez enigmatiques, qui
correspondent a la coupe de Vers. Du raoment que ces vers, qui ne
sont que des larves, sont loges dans l’endartere et la mesartere, il a
fallu qu’apportes par le sang, ils perforent, de dedans en d6hors, ces
deux tuniques, fait extremement interessant et qui n’avait pas ete
dccrit, du moins ä notre connaissance. L’irritation intense provoquee
par leur präsence s’est traduite par la forraation des pseudo-tubercules.
II est tres difficile de determiner exactement la nature de ces
parasites. S’agit-il d’embryons de Strongles, de Sclerostomes, de
Filaires?
Nous avons reussi a les isoler, par dissociation, en raclant
legerement, avec un scalpel, la surfacc de nos fragracnts conserves
dans le forraol. Colores en brun par l’iode et examines dans l’eau,
ils se montrcnt cornrae autant des petitcs larves fusifoinaes de Nema¬
todes, mesurant 280/* de long ou 15 /* de large des leur plus grande
cpaisseur. Le corps est tronquc en avant par l’orifice buccal; en
arriere, il s’effile en une pointe fine souvent retroussee. La cuticule
est striee en travers. La bouche est formee de trois petites levres
nodulaires; le long vestibule pharyngien est regulierement cylindrique,
l’oesophage a deux bulbes accuses, reunis par un long col intercalaire.
Le bulbe oesophagien posterieur est muni int6rieurement d’un appareil
en Y bien visible. L’ensemble du vestibule pharyngien et de l’oeso-
phage mesure 90 ft, c’est ä dire le Vs environ de la lonqueur du Ver.
L’intestin, Charge de granulations, occupe a peu pres le reste du
corps; il se prolonge par un court rectum chitineux qui s’ouvrc
l’anus, situe ä environ 40 /* de la pointe caudale.
Sur la ligne mediane ventrale, un peu en arriere du milieu du
corps, nous avons observe un orifice transversal borde de deux levres
legerement saillantes, et qui ne peut etre qu’une vulve. A son niveau,
se trouvait une esquisse genitale femelle, assez developpee pour qu’on
puisse parfois y reconnaitre une anse anterieure et une anse posterieurc.
Dans une preparation, nous avons mcme observe, au voisinage de la
vulve, un corps ovoide, long de 15 /*, que nous considerons comme
un oeuf en voie de formation.
27 *
420
PETIT,
La presence d’un Organe genital chez des larvcs si jeunes est un
fait biologique d’un extröme interdt, qu’aucun observateur, pensons-
nous, n’avait jusqu’ä present Signale! C’est l’indice d’uue multi-
plication rapide des larves pour elles-memes, qui nous donne
peut etre l’explication du groupement en grand nombre de ces larves
les unes contre les autres, dans l’int^rieur des tubercules?
Les Sclörostoroes sont si frcquemment erratiques chez le Cheval
que la premiere id6e qui vient a l’esprit est que nos larves pourraient
bien se rapporter ä ces parasites.
Cependant, il ne nous parait pas probable qu’il s’agissc de
Sclerostomes, ni de tout autre Strongilidac. En effet, le premier
bulbe oesophagien de nos parasites est bien devcloppc et tres nette-
ment liroite cn arriere, tandis que les embryons de Strongylides ont
leur bulbe plus attcnue et se prolongeant progressivem ent avec le col
intercalaire.
L’oesophage de nos larves est identique a celui des larves de
Rhabditis vrais; est c’est plutöt de ce cote qui nous serions tentes
de faire pencher nos conclusions sur l’identite du parasite.
II faut espfrer que de nouveaux travaux mettront au point ccttc
interessante question, ä la connaissauce de laquelle la presente note
n’apporte qu’unc premiere contribution.
Fignres ä table XII et XIII.
Fig. 1. Caracteres macroscopiques. Les lesions blanohätres, nodulaires,
confluentes, siegent dans la zone corticale, du rein, qu’elles detruisent
profonddment.
Fig. 2. Vue ä la loupe des pseudo-tubercules vermineux (Pr6paration
microscopique ooloree et dessinöe par transparence). On voit ici, en
outre de la localisation des lesions dans la couche corticale, leur
systematisation par rapport aux art^rioles renales dichotomiques, qui
en representent le point de depart. Entre les pseudo-tubercules, des
bandes etroites de scl£rose. Dans la zone medullaire, quelques rares
nodules. Sur la limite des deux zones corticale et medullaire, la section
d’arterioles assez importantes, montrant leur lumiere beante. Enfio, tout
ä fait en bas, la section de vaisseaux plus gros, appartenant ä la sub-
stance medullaire, dans un point voisin du hile. La capsule fibreuse du
rein n’est pas sensiblement epaissie ii la surface des lesions qui la
refoulent legerement.
Pseudo-tuberculose vermineuse du rein, chez le cheval. 421
Fig. 3. Details de structure d’un pseudo-tubercule vermineux a un
grossissement de 165 diametres. Au centre, lumiere oblit^e
d’une artöriole. Autour de cette lumiere, une zone claire, d£g4n<5ree,
resultant de l’action nßcrosante directe des parasites. On voit, a la
limite de cette zone, les tron^ons de ces derniers. Autour de cette zone
parasitaire et d£g6ncrative, une zone franchement r^actionelle, caracterisäe
par une multitude de petites cellules, ainsi que par un grand nombre de
cellules geantes inilammatoires. Dans certains points du pseudo-tuber¬
cule peuvent se decouvrir des fibres musculaires lisses, appartenant a la
tunique moyenne de l’arteriole. Enfin, une Organisation fibreuse p6ri-
pherique termino l’architecture du tubercule sans aller toutefois, au
moins ä ce stade, jusqu’a la Constitution d’une coque resistante, comme
dans la plupart des pseudo-tubercules parasitaires du cheval.
Fig. 4. Une larve isol£e par dissociation et dessin^e ä un grossisse¬
ment de 300 diametres (longeur reelle 280/i, largeur 15 /j). En haut,
l’extrtfmitö anttfrieuro, avec l’orifice buccal; en bas,l’extr6mite posterieure,
effilfo. Le tube digestif so devine. L’anus se voit ä peu de distance de
Pextremite caudale. On observe meine, a gauche et au y 3 införieur, une
vulve avec, ä son voisinage, un oeuf, semble-t-il, en voie de formation.
XXI.
Aus dem pathologischen Institut der Kgl. Tierftrztl. Hochschule zu Berlin.
Die Ausführung der Komplementablenkungsreaktion bei
Brustseuche.
Von
Dr. Willy Pfeiler,
wissenschaftlichem Hilfsarbeiter am Institut.
Im 1. Heft des 6. Bandes der Zeitschrift für Infektionskrank¬
heiten der Haustiere haben Hempcl und ich (1) über Kompleraent-
ablenkungsversuche mit dem Diplococcus pleuropneumoniae
Schütz und der Pasteurelia equina Lignieres berichtet. Bei der von
uns gewählten Versuchsanordnung (fallende Mengen Serum, konstante
Mengen der Antigene und des Komplements — konstante Mengen
der Antigene und der Sera und fallende Mengen des Komplements —
konstante Menge der Antigene, fallende Menge der Sera und des
Komplements) war es nicht gelungen zu ermitteln, ob die Schützschen
Streptokokken oder die Pasteurelia equina Beziehungen zur Brust-
seuche der Pferde hätten oder nicht.
Diese Versuche sind von mir später fortgesetzt worden, indem
ich die von Schütz und Schubert (2) für die Ermittelung der Rotz¬
krankheit ausgearbeitete Modifikation des Koraplementablenkungsver-
fahrens zur Anwendung brachte (B). Das Wesen dieser Modifikation
besteht darin, daß Schütz und Schubert nach dem Vorgänge von
Ehrlich, Sachs und Neißer (4), Bauer (5) und anderen zunächst
die kleinste Menge Komplement, die eine vollständige Lösung der
roten Blutkörperchen bei doppelter hämolytischer Ambozeptordosis
herbeiführt, durch einen Vorversuch ermitteln und die so gefundene
Komplementmenge dann auch tatsächlich für die Ausführung des
Komplementablenkungsversuches benutzen. Bekanntlich haben Sachs
und Neißer, sowie Bauer und die übrigen Autoren diese letzte
Konsequenz aus ihren Feststellungen nicht gezogen und nach Er-
Die Ausführung der Komplementablenkungsreaktion bei Brustseuche. 423
mittelung der minimalen komplettlösenden Dosis das anderthalb- bis
zweifache Multiplum für die Ausführung des eigentlichen Komplement¬
ablenkungsversuches benutzt.
Aber auch bei Verwendung dieser Modifikation war es mir nicht
gelungen, positive Versuchsergebnisse mit dem Serum brustseuche¬
kranker Tiere zu erzielen. Es gelang mir jedoch zu zeigen, daß bei
Benützung des Serums von mit Pasteurelia equina immunisierten
Pferden und Pasteurella-Antigen regelmäßig Ablenkung des Kom¬
plements eintrat. So lenkte beispielsweise die am 10. Tage nach der
Infektion entnommene Serumprobe eines Pferdes (0,1 ccm) voll¬
ständig ab. Ich habe diese Feststellung benützt, um darzutun, daß
die Pasteurella equina nicht, wie Lignieres (6) und andere
Forscher behauptet haben, der Erreger der Brustseuche ist. Denn
wäre sie das ursächliche Agens der Brustseuche, so müßten bei dem
hohen Fieber, mit dem die Brustseuche einzusetzen pflegt, Antikörper
gegen dieses Bakterium, insbesondere komplementablenkende Sub¬
stanzen, auftreten. Da nun an den zahlreichen von mir untersuchten
Seris brustseuchekranker Pferde niemals das Phänomen der Kom¬
plementablenkung zu beobachten war, so habe ich mit Rücksicht auf
den positiven Ausfall des Versuches bei künstlich infizierten Pferden
diese Tatsache als den indirekten Beweis dafür angesehen, daß die
Pasteurella equina für die Entstehung der Brustseuche ohne Be¬
lang ist.
Da meine Versuche auch bei Anwendung der Schütz-
Schubertschen Modifikation des Komplementablenkungsverfahrens
für die Brustseuchestreptokokken negativ ausgefallen waren, so konnte
als letzter Grund für das Versagen der Reaktion nur noch die un¬
zweckmäßige Beschaffenheit der Antigene in Frage kommen. Meine
ersten Extrakte waren nach den Angaben von Wassermann und
seinen Schülern durch einfaches Extrahieren mit physiologischer
Kochsalzlösung hergcstellt worden. Bei den späteren Versuchen
benutzte ich alkoholische, Glyzerin-, Chloroform- und bei 60 0 dige¬
rierte Streptokokken-Schüttelextrakte, strcptokokkentoxinhaltige Bouil¬
lon und Vollbakterien. Im allgemeinen aber erwiesen sich diese
Antigene nicht wirksamer als die Kochsalzschüttelextrakte. Insbe¬
sondere zeigte sich hierbei, daß es nicht genügt, wenn ein Antigen
an sich hemmt und eine der hemmenden Dosis naheliegende, allein
nicht mehr hemmende Antigenkonzentration für den Ablenkungsver¬
such verwandt wird. Wichtig für die Herstellung eines ge-
424 PFEILER,
eigneten Antigens ist, daß in ihm der Anteil enthalten ist,
der im Tierkörper die Bildung der komplementablenkenden
Substanzen hervorruft.
Es ist mir nun nach zahlreichen Versuchen gelungen, ein solches
Antigen zu gewinnen, dessen Herstcllungswcise ich hiermit bekannt
gebe. Gut bewachsene Bouillon- oder Serumbouillonkulturen werden
durch Zentrifugieren geklärt und die überstehende Nährflüssigkeit ab¬
gehebert. Der Rest der Nährflüssigkeit wird durch Fließpapier abge¬
saugt und der Bodensatz mit soviel destilliertem Wasser übergossen,
daß die noch zwischen den Bakterienleibern befindliche Nährbouillon
für den Salzgehalt der Aufschwemmungsflüssigkeit nicht mehr in
Frage kommt. Nach dem Gesetz vom osmotischen Druck geben die
Bakterien bei dieser Art der Behandlung einen Teil der in ihrem
Leibe befindlichen Salze an das sie umgebende salzfreie destillierte
Wasser ab, bezw. sie selbst nehmen Wasser auf, sic quellen. Bei
diesem Vorgänge, der als Plasmolyse bezeichnet worden ist, wird die
Leibessubstanz der Bakterien so stark geschädigt, daß sie gewöhn¬
lich nicht mehr lebensfähig sind. Nachdem die Bakterien so
„plasroolysiert“ worden sind, werden sie 3 Tage, in destilliertem
Wasser aufgeschwemmt, bei 37 0 C. im Brutschrank „digeriert“ und
dann noch einen Tag bei 60 0 C. gehalten. Hierauf werden die Bak¬
terien abzentrifugiert.
Das auf diese Weise gewonnene Schüttelextrakt zeichnet sich
vor den nach dem gewöhnlichen Modus hcrgestelltcn dadurch aus,
daß es selbst nach stundenlangem Zentrifugieren nicht klar wird.
Mithin muß in ihm eine große Anzahl wasserlöslicher Substanzen des
Bakterienkörpers enthalten sein, die bei der gewöhnlichen Extraktions¬
weise mit physiologischer Kochsalzlösung, Alkohol, Glyzerin, Chloro¬
form usw. nicht in Lösung gehen.
Es ist vorteilhaft, wenn die Extrakte, che sie austitriert und ver¬
wandt werden, längere Zeit (bis zu 10 Tagen) auf Eis stehen. Ihre
ablenkende Kraft ist dann eine viel ausgesprochenere und gleich¬
mäßigere, eine Erscheinung die wir auch von anderen Extrakten, z. B.
denen der Rotzbazillen, kennen. Während bei einem Rotzablenkungs¬
versuch die Prüfungsröhrchen unbeschadet des Ausfalles der Reaktion
die Nacht über im Brutschrank verweilen können, empfiehlt es sich,
bei den Komplementablenkungsversuchen mit Streptokokkenantigen,
die Versuchsreihen 2 Stunden, nachdem der hämolytische Ambozeptor
zugesetzt ist, aus dem Brutschrank zu entfernen und das Absetzen
Die Ausführung der Komplementableriküt'gsi^Akiion lis* ßnistseuebe, 42f»
der roten Blutkörperchen sieh im Eissöhrank vollseichen ?.p ,lassen.
Dies ist deshalbangezeigt, weil an einzelnen Seris brüstsimehekrruiker
l’leuie bei Jüngeren« Verweilen i,m Brutschrank noch nachträglich flü-
molvsc tißireien kann, An Be idem sei bfmieikt, dal* die Versnobe
unter Verwendung der intitiroulen ktuopleülöseriden IvoitiplemenÜuengo
ausgcfiihrt worden sind.
Die Titration der Extrakte nehme ich neuerdings so vor, drei ich
gieicho Meegen e0. v > ccm. eures lrumunsenmis iPferd -Nr. • 11h mit je
lecm der. Ext.rakf.Verdünnungen von 1 : L, 12. usw. zur Bindung
bringe. Zur Kontrolle wird die gleiche und die doppelte Scrom-
triertge allein iind die einzelnen ExtraklytTdiiiuiiiitgen ohne Serum-
ssdsätz auf ihre h'ommertden Eigenschaften geprüft. Hierbei zeigt, sich,
d»M die Extrakte allein in ktmzentriencr Form tmd auch in Ver¬
dünnungen von 1:1, 1:2' ond 1 : 2. gewöhnlich noch hemmen Hei
tingstvlirah rn
ri tiiiinVtipiVob*- 5,5"- ? f “‘ HI Ileuuanr
i V.t Vv.u .%/H
o.i . o öi,0 Oitirör/ V • y;.
•• i. ■ (im
■ • ' i -•> i.juV 'r--
,Tt* o.2 ö-'F ,j.,.
:. ihr- .. 0.2' -t ;V h&SvtMpßli V ;-V?; tfc-:
>1... dp; .
vdo: ■ #i .t C» e O.ü^ üudiiitVdä-. ;■ :
■■■•;'! 1 ; •( itU*? ir(rt.>'tii,tiü . - ■
du. Cu- '.t . f: •; <fc
' ‘1 : f. .
■ T -. V -:|i • ; / ' —
•>(< ■ O.g i £i ihi; äfi
■ ~f e ; ;•'~
-Je, , 0,2 '. •. titiälaiity.
• - \ V..: v.-: -i...,,r. ;4 rg*N>?, sS’Sk
LijfsrUiK'
426
PFEILER,
einer Verdünnung der Extrakte von 1:4 an war dies jedoch nicht
mehr der Fall. Eine Ablenkung des Komplements war bei
gleichzeitiger Verwendung des Immunserums des Pferdes
Nr. 19 bei einigen Extrakten noch bei einer Antigenver¬
dünnung von 1:20 festzustellen. Es empfiehlt sich jedoch, die
Extrakte möglichst in konzentrierterer Form anzuwenden und zwar
in der Konzentration, die der an sich, d. h. ohne Serumzusatz, ge¬
rade nicht mehr hemmenden Dosis entspricht oder ihr nahe liegt:
das heißt Verdünnungen des Extraktes von 1:3 —1:6. Lieber den
Ausfall eines solchen Extrakttitrationsversuches gibt vorstehende Ta¬
belle (1) Aufschluß.
Aus der Prüfung des Extraktes ergibt sich, daß es in kon¬
zentrierter Form und in einer Verdünnung von 1 : 2 nicht brauchbar
ist für die Ausführung von Komplementablenkungsversuchen. Bei
einer Verdünnung des Extraktes von 1 :3 tritt Lösung ein, bei Zusatz
von 0,2 ccm des Iramunserums von Pferd No. 19 vollständige
Hemmung. Da das Serum dieses Pferdes allein bei 0,2 ccm Lösung,
bei 0,4 ccm fast vollständige Lösung zeigt, ist die ermittelte Extrakt¬
dosis von 1 : 3, ebenso wie die ihr naheliegenden bis 1:6 für die
Ausführung der Komplementablenkung geeignet.
Um die Spezifität der ermittelten Reaktion zu prüfen, werden
nun das Serum des Immunpferdes No. 19 in fallenden Mengen und
gleichzeitig die Sera zweier Pferde, die unter Rotzansteckungsverdacht
standen und zur Zeit der Blutentnahme fieberfrei gewesen waren, zur
Kontrolle untersucht (s. Tab. 2).
Durch den Ausfall dieses Versuches ist die Spezifität der Reaktion
erwiesen. Bei 0,01 ccm Serum des Immunpferdes No. 19 ist die
Hemmung eine schwache, bei 0,02 ccm wird sie mittelstark, um bei
0,05 fast vollständig und bei 0,1 ccm vollständig zu sein. Bei 0,2 ccm
Serum ohne Extraktzusatz ist Lösung eingetreten, bei 0,4 ccm Serum
allein nur ganz schwache Hemmung, die auf die große Quantität des
Serums zurückzuführen ist und füglich vernachlässigt werden kann.
Da bei Verwendung der gleichen Seruramengen zweier rotzansteckungs¬
verdächtiger, nicht fiebernder Pferde immer Lösung zu verzeichnen
ist und die angewandten Extraktmengen an sich nicht hemmend
wirken, ist die Möglichkeit der Ausführung eines Kom¬
plementablenkungsversuches mit Streptokokkenantigen und
Streptokokkenimmunserum dargetan.
Es galt nun nachzuweisen, ob die bei Verwendung eines
feie Ausführung der Kowp1eniet)tuhiiirti«UDgsrRftktion frei ßrUstjeuche. 4P"
T a 6 HU
’3 f .
; '
•: • ■* < a : o-,/ x vv
- ..
*> : u
; 1
44 - t •:
<: V : <?V .
**r>^;V' ..‘Hw;.V»e
. -r > . :'<r / ' -3Ä •£
.••: ■•' t i^^^t;\ ;
ü'iVj r>>4U,^v •. . •
VJ>.
t-*' * •-■ •■‘i;c : H> •
*•, ■ % A"§:
j
.:■ •>. -£•• z..Ä •!?..
' ^ , r . ♦-•' ' j
1 ,'/:• JJj.!;’'. :',j»jk. ! l
. /ftMuz f^XyvVXr-
; - r •'lAS- .**{ '
1
f >:■ '
? ;u>W. ii'.PZ
; Xf.f- i
■Wi; 1 Dttt|Ä;i
i>j'w ■ t
O.vdl*’
jitc;. ÖPrfK/iüu ^
‘jf^
: •.
.
HW- r »Vi>
m i
I • C 0<X>:
<»'w
VrU«:?tfojri i
v -' de;.-: •
t > * : 5?
w*
' i -Ar OM '
r,;‘ ;. •: ■'<->■ >s.*;. v,*. t, >• • •.- » .
> t:' £*;\£
:Ä4? ;
- . ■ !
i-iptnv- v :
• ' ; • • ■
Sfel;
t -if n,iV? i
u
>;viT tiwwow-'./
■ -c?s^t' 1 '.Tpe*'o, : 'Prefdi>'
“.eäfei
i HW.-i
'••Z: . . ■' ••' s -l
v '.Sv.'
‘ • 1- ;-Tj
1 r. 0;p:-i 1
VyK^iVtip,
■■■,■;■■■■ ■■ s-k:
•1.
; ö^f ;
t •- U.iü,;
v,S|/:' 4 ;.
' ZV:' ’ ‘ : . ••I’- . ,-
'
•%3.
i A
( Ä:W
: •-%;■ : i.,;Z ’i
dD.
•• • * ■*■** '■ ■* *
’(Ü
■ - ■ ■ o,o:>:
' o.dnV ,t;oA :
•.- •:!. Ai ..- .. • • -
i/,0-/
t : Ü f il.Oit :
. ftnuä i>.*)rä.
rio
rlt..
tfXrö.
■ 1 -• «io.ÖS :
o.n&$ ; o-u;.
• ; tlr.
-
tu
1 : ß Ü.tp. ,
it/tAä ; (k«ä'
•Ir
■ : • j$r ; .
i>,2
16: 0,06 ;
ötin
. S ; . . (h/- , ■ ,
tj»»
>>4
M.tK'.V m;,
gfe ft > ffoom int p,
t .6 Ö.ok
0,002 O.Ü.’<
0,tj0-> : öioS
:^v
f ;nM
Üa i.'-
...| o.oa :
OJ'Oy i}^;*
-■■■■
■ OM
f¥r> * it¥äi-
i
v-i't'.ini») tkvi'ituihk
./ /* ~ t ’
’ * ' trffb ’ K ' ^ ^ t
Vr^Zv**«- • r d«t T *
Ö..002 o.f'.v
;-.T>Z;. .•• :— .->; t-;-1
; ; -iV,
s-.V'V' JZ V P*< jUV’ ji. ; <t. y>,’ v?r.' '* *;, •
mm
Immiiiiji'riims aul’gctr'cr.ssttp Reaktion' sich aiu-b an dp» 'Seren
von an Brustsewehr erkrankten Herden zeigen wurde Zn
dem Zweck sind die Sera einer größere»! Zahl von Pf erden, die in
die Berliner medizinWSjie Klnuk nv|f der Diagnose. Buen^e he emz
gestellt war-on, mUersnehr Wörde« Die Tiere befanden sieh zur Zeit
der- Biutent'nkbm-e aiei^tvauf der tiöliV d«« Krankheit oder . inZder
llekonval'/iiaerrÄ Zur Kontrojle würden die Sera von einigen an
anderen fieberhaften Krankheiten leidenden Pferden | Petechialfieber,
Druse und (ntluenia.i' sowie eine große Anzahl von Pferden de-- m
Steif« i. PotYun, stehende« Husarcnregiroents No» ö, sowie von >enh-.
Zierden ein« Berliner Bestandes ( Mispel), deren Sera um Zweck der
Blutöfdersuchjmg für die Diagnose der Roizkränkheit
waren; mVtg/jprtHt. Die HusarenpiWde waren 'ebenso wie die Sechs
Pferde de«'.Berliner Bestandes zur Zeit der Blutentnahme ifeberfm.
. ' ■ •
aiso voräussfehtlich nicht an Prustseuche erkrankt. Außerdni- ist
«,y\^ Ny?'
428 PFEILER,
noch das Untersuchungsergebnis des Serums mehrerer gegen die
Streptokokken der Druse immunisierter Fohlen, eines gegen die
Pasteurelia equina immunisierten Pferdes, einer Höchster Antistrepto-
kokkenseruraprobe und des Römersehen Pneuraokokkenserums mit¬
geteilt. In der nebenstehenden Tabelle ist nur der Ablenkungswert bei
0,1 und 0,2 ccm Serum vermerkt worden. Diejenigen Sera, welche noch
bei Verwendung von weniger als 0,1 ccm ablenkend wirkten, sind
weiterhin austitriert worden. Das Ergebnis dieser Titration ist in der
Tabelle 4 verzeichnet. Bemerkt sei noch, daß die Tabellen nur eine
summarische Wiedergabe vieler und annähernd gleichmäßig aus¬
gefallener Versuche darstellen. Eine Reproduktion sämtlicher Vcr-
suchsprotokolle mußte der Raumersparnis wegen unterbleiben.
Das Studium dieser Tabellen zeigt, daß bei Verwendung
von 0,2 ccm Serum brustseuchekranker Pferde eine Ab¬
lenkung des Komplements in Form mittelstarker bis voll¬
ständiger Hemmung eintritt. Wenn die Hemmung nicht bei allen
Pferden eine vollständige ist, so dürfte als Erklärung hierfür sich der
Umstand heranziehen lassen, daß die Blutentnahmen nicht immer am
Ende der Erkrankung erfolgen konnten. Die Antikörperbildung ist
bei diesen Pferden zur Zeit der Blutentnahme noch nicht vollendet
gewesen. War den Patienten das Blut längere Zeit nach der Ent¬
fieberung entnommen worden, so zeigte das Serum auch vollständig
ablenkende Eigenschaften (vergl. die Sera Gleinitz, Hintze,
X-Brustscuche überstanden). Das Serum der beiden Petechialfieber¬
pferde und von vier natürlich an Druse erkrankten Pferden sowie
eines gegen Drusestreptokokken immunisierten Fohlens lenkte nicht
ab. Anders verhielt sich das Blut der gegen die Drusestreptokokken
immunisierten Fohlen 2, 3 und 5. Bei Fohlen 2 war eine schwache
Hemmung bei 0,2 ccm zu verzeichnen, die vielleicht unberücksichtigt
bleiben darf. Das Serum des Fohlens 5 aber ergab die gleicho
Reaktion wie das eines Brustseuchepferdes. Diese an sich auffallende
Erscheinung ist im Sinne einer Verwandtschaftsreaktion erklärlich
(das Fohlen war monatelang mit Drusestreptokokken behandelt worden!).
Die Hemmung bei Serum von Fohlen 3 ist eine sogenannte nicht
spezifische. Sic tritt auch ohne Zusatz von Extrakt auf. Ich habe
auf diese Erscheinung schon an anderer Stelle aufmerksam gemacht
und sie mit dem großen Gehalt der Antisera und der Sera einzelner
hochfieberhaft erkrankter Pferde an Immunkörpern erklärt. Ihre
Menge bewirkt bei Verwendung der kleinsten lösenden Dosis von
Die Ausführung der Komplomentablenkungsreaktion bei Brustseuche. 429
Tabelle 3.
Serum-
o
bO
□
©
Extrakt
Komplement
Hämolytisch.
Ambozeptor
Rote Blut¬
körperchen
Prüfungsröhrchen
Kontrollen:
Serum ohne Extrakt
des Immunpferdes
0,1
1 :5
0,03
0,0025
0,05
Vollständ. Hemmung
_
Nr. 19
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
Lösung
des Brustseuche-
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Mittelst. Hemmung
—
pferdes Johne
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Starke Hemmung
do.
des Brustseuche-
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Mittelst. Hemmung
—
pferdes Stocken
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Fast vollst. Hemmung
do.
des Brustseuche-
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Mittelst. Hemmung
—
pferdes Reins
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Fast vollst. Hemmung
do.
des Brustseuche-
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Sehr starke Hemmung
—
pferdes Andersen
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Fast vollst. Hemmung
do.
des Brustseuche-
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Schwache Hemmung
—
pferdes Ziedrich
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Mittelst. Hemmung
do.
des Brustseuche-
0,1
1 : 5
0,03
0,0025
0,05
Starke Hemmung
—'
pferdes Schultze
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Sehr starke Hemmung
do.
des Brustseuche-
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Vollständ. Hemmung
—
pferdes Gleinitz
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
des Brustseuche¬
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Starke Hemmung
—
pferdes Klette
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Sehr starke Hemmung
do.
des Brustseuche¬
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Schwache Hemmung
—
pferdes Kramsta
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Mittelst. Hemmung
do.
des Brustseucbe-
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Lösung
—
pferdes Steinbrück
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Mittelst. Hemmung
du.
des Brustseuche¬
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Sehr starke Hemmung
—
pferdes Landsberg
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Vollständ. Hemmung
do.
des Brustseuche¬
0,1
1:5
0,03
0.0025
0,05
do.
—
pferdes Hintze
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
d. Brustseuchepferdes
0,1
1 :5
0,03
0,0025
0,05
du.
—
X. Brustseuche über¬
standen
0,2
1 : 5
0,08
0,0025
0,05
do.
du.
des Petechialfieber¬
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Lösung
—
pferdes Behren
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do. Rotzverdacht
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
—
0,2
1 : 5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
des Drusepferdes
0,1
1:5
0,03
0,0025
0.05
do.
—
Cyliax
0,2
1 : 5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
des Drusepferdes
0.1
1:5
0.03
0,0025
0,05
do.
—
Rubinger
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
des Drusepferdes
0,1
1:5
0,03
[ 0,0025
0,05
do.
—
Gutzeit
0,2
1:5
0,03
! 0,0025 | 0,05
do.
do.
430
PFEILER,
Serum-
CU
hO
a
a>
S
Extrakt
Komplement
Hämolytisch.
Ambozeptor
Rote Blut¬
körperchen
Prüfungsröhrchen
Kontrollen:
Serum ohne Extrakt
des Drusepferdes
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Lösung
Schmidt
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
Lösung
Druseimmunticr
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
—
Fohlen 2
0,2
1 : 5
0,03
0,0025
0,05
Schwache HemmuDg
do.
Druseimrauntier
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Fast vollst. Hemmung
—
Fohlen 3
0,2
, 1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
Fast vollst. Hemmung
Dniseimmuntier
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Lösung
—
Fohlen 4
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
Lösung
Druseimmunticr
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Starke Hemmung
—
Fohlen 5
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Fast vollst. Hemmung
do.
des Iofluenzapferdes
0,1 |
1:5
0,03
0,0025
0,05
Schwache Hemmung
—
Hans
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Mittelst. Hemmung
do.
des Influenzapferdes
0,1 j
1 •
0,03
0.0025
0,05
Schwache Hemmung
—
pfiffig
0,2 1
1:5
0,03
0,0025 0,05
Mittelst. Hemmung
do.
des Influenzapferdes
0,1
1:5
0,03
0,0025 1
0,05
Mittelst. Hemmung
—
Weber
0,2
1:5
0,03
0,0025 j
0,05
Starke Hemmung
do.
des Influenzapferdes
0,1 1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Fast vollst. Hemmung
—
Schimmel
0,2
1 : 5
0,03
0,0025
0,05
Vollständ. Hemmung
Vollständ. Hemmung
des Pasteurelia-
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Fast vollst. Hemmung
—
Immunpferdes Nr. 25
0.2
! 1:5
0,03
0,0025
0,05
Vollständ. Hemmung
Lösung
Höchster Antistrepto¬
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Schwache Hemmung
—
kokkenserum
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
Mittelst. Hemmung
do.
Rümorsches Pneumo¬
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Vollständ. Hemmung
—
kokkenserum
0,2
1 :5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
d. Pferdes Hus.-Rgt. V
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Lösung
—
Nr. 2
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do. Nr. 3
0,1
1 :5
0,03
0,0025
0,05
do.
—
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do. Nr. 4
0,1
1 : 5 j
0,03
0,0025
0,05
do.
—
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do. Nr. 5
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
—
0,2
1 :5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do. Nr. 6
0,1
1 :5 !
0,03
0,0025
0,05
do.
_
0,2
1:5
0,03
0.0025
0,05
do.
do.
du. Nr. 7
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
—
0,2
1 : 5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do. Nr. 9
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
—
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do. Nr. 13
0.1
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
—
0.2
' i
1:5
i
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
Die Ausführung der KomplementablenkungsreakÜon bei Brustseuclic. 431
Serum-
Menge '
Extrakt
Komplement J
Hämolytisch. !
Ambozeptor !
Rote Blut¬
körperchen
Prüfungsröhrcl.en
Kontrollen:
Serum ohne Extrakt
d. Pferdes Hus.-Rgt. V
0,1
! 1.5
i
0,03
0,0025 : 0,05
Lösung
Nr. 14
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
Lösung
do.
Nr. 15
0,1
1 : 5
0,03
1 0,0025
0,05
do.
—
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do.
Nr. 16
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Vollständ. Hemmung
—
0,2
1:51 0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do.
Nr. 17
0,1
1:5
0,03
| 0,0025
0,05
Schwache Hemmung
—
0,2
1:5
0,03 i 0,0025
0,05
Mittelst. Hemmung
do.
do.
Nr. 18
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
Lösung
. -
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
du.
Nr. 19
0,1
1:5
0,03 ; 0.0025
0,05
do.
.—
0,2
1 : 5 l
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do.
Nr. 20
0,1
1:5
0,03
10,0025
! 0,05
do.
0,2
1 1 : 5 i 0,03
0.0025
0,05
du.
do.
d. Pferdes
► Mispel Nr. 4
0,1
1 : 5
0,03
1 0,0025
0,05
do.
—
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do.
Nr. 5
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
-—
0,2
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do.
Nr. 6
0,1
1 :5 i
0,03
0,0025
0,05
do.
—
0,2
1:5;
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do.
Nr. 7
0,1
1.5
0,03
0,0025
0,05
do.
___
0,2
1:5
0,03 | 0,0025
0,05
do.
do.
do.
Nr. 8
0,1
1:51
0,03
; 0,0025
0,05
do.
---
0,2 j
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
do.
do.
Nr. 10
0,1
1:5
0,03
0,0025
0,05
do.
- -
0,2
1:5
0,03
0,0025,0,0 5
do.
do.
- ,
1:5
0,03
0,0025
! 0,05
—
do.
j
1 : 2,0
0,03
0,0025
0,05
—
do.
—
j
0,03
0,0025
0,05
—
do.
—
0,03
—
0,05
—
Volls'änd. Hemmung
--
—
—
0,0025
0,05
■—
do.
—
—
—
—
0,05
—
do.
Komplement auch ohne Gegenwart von Antigen die vollständige
Absorption des Komplements, so daß eine Hämolyse nachträglich
nicht cintrcten kann (3, S. 126). Ebenso ist als nicht spezifische
Reaktion die Hemmung am Serum des Influenzapferdes Schimmel
aufzufassen. Die Sera der übrigen drei Influenzapferde lenken gleich¬
falls ab, das des Pferdes Weber sogar ziemlich stark. Dieses Tier
war gleichzeitig an Lungenentzündung erkrankt. Sehr auffällig er-
432
PFEILER,
scheint zunächst der Befund am Serum des Pastcurella-Immunpferdcs
No. 25. Dieses Tier ist lange Zeit mit Reinkulturen der Pasteurella
cquina behandelt worden, es hat aber außerdem zu verschiedenen
Zeiten Injektionen von Serum brustseuchekranker Pferde erhalten.
Dazu kommt, daß das Tier im Januar des Jahres 1909 für einen
Infektionsversuch mit den Streptokokken der Brustseuche gedient
hatte, nachdem es im November 1908 an Druse erkrankt war. Es
hat während des Jahres 1909 unausgesetzt neben dem Brustseuche-
streptokokken-Immunpferd No. 19 gestanden und so fortwährend
Gelegenheit zur Aufnahme dieser Bakterien gehabt. Auf diese Weise
wird das Vorhandensein der komplementablenkenden Substanzen bei
diesem Pferde erklärlich. Die Reaktion am Höchster Antistrepto¬
kokkenserum ist gleichfalls im Sinne einer Verwandtschaftsreaktion
zu deuten, ebenso die am Römerschen Antipneumokokkenserum. Auf¬
fällig ist, daß dieses um soviel stärker ablenkend wirkte als das
Höchster Antistreptokokkenserum (siehe Tabelle 4). Die zur Kontrolle
Tabelle 4.
Serum-
Menge
i
Extrakt
Komplement j
Hämolytisch.
Ambozeptor
Rote Blut¬
körperchen
Prüfungsröhrchen
Kontrollen:
Serum ohne Extrakt
des Brustseuche-
0,01
1:5
0,03
0.002
0,05
Schwache Hemmung
Lösung
pferdes Gleinitz
0,02
1:5
0,03
0,002
0,05
Starke Hemmung
do.
0,05
1:5
0,03
0.002
0,05
Fast vollst. Hemmung
do.
0,1
1:5
0,03
0,002
0,05
Vollständ. Hemmupg
do.
des Brustscuche-
0,01
1 : 5
0,03
0,002
0,05
Schwache Hemmung
do.
pferdes Hintze
0,02
1:5
0,03
0,002
0,05
do.
do.
0,05
1:5
0,03
0,002
0.05
Starke Hemmung
do.
0,1
1 : 5
0,03
0,002
0,05
Vollständ. Hemmung
do.
des Pasteurella-
0,01
1:5
0,03
0,002
0,05
Lösung
do.
Immunpferdes Nr. 25
0,02
1 : 5
0.03
0,002
0,05
Schwache Hemmung
do.
0,05
1:5
0.03
0,002
0,05
Mittelst. Hemmung
do.
0,1
1 : 5
0,03
0,002
0,05
Fast vollst. Hemmung
do.
Römcrselies Anti-
0,01
1:5
0,03
0,002
0,05
Schwache Hemmung
do.
pneumokokkenscrum
0,02
1:5
0,03
0,002
0,05
Mittelst. Hemmung
do.
0,05
1:5
0,03
0,002
0,05
Fast vollst. HemmuDg
do.
0,1
1:5
j 0,03
0,002
0,05
Vollständ. Hemmung
do.
—
1:5
0.03
0,002
0,05
— j
do.
—
1:2,5
0,03
0,002
0,05
!
do.
—
1 -
0,03
0,002
0,05
—
do.
—
1
0,03
—
0,05
—
Vollständ. Hemmung
-
—
0,002
0,05
—
do.
—:
i -
1 —
l __
i
i 0,05
—
do.
Die Ausführung der Komplementablenkungsreaktion bei Brustseuchc. 433
untersuchten, rotzansteckungsverdächtigen Pferde des Husarenregiraents
No. 5 in Stolp und des Bestandes Mispel-Berlin zeigen bis auf zwei
Fälle keine Ablenkung, sie stützen infolge ihres negativen Ausfalles
das Ergebnis der Versuche bei den brustseuchekranken Pferden.
Wenn am Serum des Pferdes 17 bei 0,2 ccm eine mittelstarke, bei
Pferd 16 bei 0,1 ccm vollständige Hemmung zu verzeichnen ist, so
dürfte dies auf eine frühere Erkrankung der Pferde an Brustseuche
oder eine Streptokokkeninfektion zurückzuführen sein. Auffällig ist
eine solche Erscheinung nicht.. Leider war ich nicht in der Lage, in
Erfahrung zu bringen, ob diese Pferde vor einiger Zeit tatsächlich an
Brustseuche erkrankt waren.
Aus den Aufzeichnungen in Tabelle 4 geht hervor, daß die in
Tabelle 3 verzeichneten Ablenkungen spezifischer Natur sind. Denn
die Hemmungen nehmen bei Verwendung steigender Mengen der Sera zu.
Durch die vorstehend mitgeteilten Versuche ist dargotan, daß es
unter Benutzung der nach meinen Angaben hergestollten
Extrakte gelingt, die Komplementablenkungsreaktion auch
für den Diplostrcptococcus pleuropneumoniae Schütz aus¬
zuführen. Es fragt sich nun, welche Schlußfolgerungen wir
aus einer solchen Feststellung zu ziehen berechtigt sind.
Zunächst scheint es mir wichtig, daß die allgemeine Frage, ob
es überhaupt gelingt, den Komplementablenkungsversuch bei Strepto¬
kokkenerkrankungen für die Diagnose zu verwenden, im Prinzip ge¬
löst ist. Dies kann insofern von Bedeutung werden, als wir bislang
kein geeignetes sicheres Verfahren zur Wertbemessung von Strepto-
kokken-Antiseris haben. Vielleicht läßt sich, ähnlich der Wert¬
bemessung der Meningokokkensera, die Koraplementablenkungsmethodc
auch für Streptokokkensera verwenden. Mir selbst fehlen hierüber
die nötigen Erfahrungen, da ich praktische Versuche mit den von
mir an einem Pferde hergestellten Brustsouchestreptokokkcnimmun-
serum nicht habe anstellen können.
Des weiteren geht aus meinen Versuchen hervor, daß in den auf
die angegebene Weise hergestellten Extrakten Substanzen vorhanden
sind, die in engster Beziehung zu den im Verlaufe der Brustseuche¬
erkrankung gebildeten Antikörpern stehen. Die Wahrscheinlichkeit
liegt nahe, daß die auf diese Weise extrahierten Stoffe infolge der er¬
wiesenen nahen Beziehungen zu Antikörpern des lmmunseruras sich
auch für die Immunisierung besser eignen werden als auf die ge¬
wöhnliche Weise hcrgestclltc Extrakte oder vielleicht auch die Bakterien
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band.
434
PFEILER,
selbst. Die von mir angestellten Serumprüfnngsversuche an kleinen
Versuchstieren bestätigen diese Vermutung.
Die spezielle und bedeutende Frage, ob wir berechtigt sind, den
positiven Ausfall der Komplementablenkungsversuche mit
den Brustseuchestreptokokken im modernen Sinne aufzu¬
fassen, wage ich auf Grund der vorliegenden Versuche allein nicht
zu beantworten. Denn einwandfrei ist mit dem Gelingen der Kom¬
plementablenkungsreaktion die ätiologische Bedeutung der als Antigen
verwandten Bakterien nicht bewiesen. Es kann hier mit nur zu großer
Berechtigung der Einwurf gemacht werden, daß auch eine sekundär
angesiedelte Bakterie zur Bildung von Substanzen im Blutserum Ver¬
anlassung geben kann, die dann mittels der Komplementablenkungs¬
methode nachzuweisen sind.
Nun ist aber der Beweis, daß die Brustseuchestreptokokken nicht
die Erreger der Krankheit seien, bisher nicht erbracht worden. Vieles
aber spricht dafür, daß sie es sind, die unter besonderen Bedingungen
die Krankheit erzeugen. Hat doch die Anwendung sämtlicher in der
Bakteriologie üblichen Untersuchungsmethoden zu keiner anderen Fest¬
stellung als der der Schützschen Streptokokken und einiger anderer
zweifellos sekundär angesiedelter Bakterien geführt. -Ich glaubte,
gleichfalls unter Anwendung des Komplementablenküngsverfahrens,
etwas über das Wesen des Erregers ermitteln zu können, indem ich
Extrakte aus Organen wie frisch hepatisierten oder nekrotischen
Lungenteilen, Pleurabelag usw. herstellte und diese mit dem Serum
brustseuchekranker Pferde zur Bindung brachte. Diese Versuche sind
negativ ausgefallen. Dies spricht nicht dafür, daß etwa ein ultra-
visibles, uns bisher verborgen gebliebenes Virus die Ursache der Krank¬
heit ist.
Mit Rücksicht auf das Ergebnis der von mir früher mitgeteilten
Infektionsversuche und anderer serologischer Feststellungen (7), über
die ich demnächst in der Zeitschrift für Infektionskrankheiten usw.
der Haustiere eingehend berichten werde, möchte ich die bei meinen
Komplementablenkungsversuchen gemachten Feststellungen
als eine weitere Stütze ansehen für die Behauptung, die
Brustseuchestreptokokken seien die ursächlichen Erreger
der ansteckenden Lungenbrustfellentzündung der Pferde.
Daß die Komplemcntablenkungsversuche allein nicht ausreichend sind,
dies zu beweisen, habe ich betont.
Die Ausführung der Komplementablenkungsreaktion bei Brustseuche. 435
Literatur.
1) Hempel, J., und W. Pfeiler, Ueber Komplementbindungsversuche mit dem
Diploooccus pleuropneumoniae Schütz und der Pasteurella equina Lignieres.
Zeitschr. f. Infektionskrankh. usw. d. Haustiere. 1909. Bd.6. H. 1. S.28—38.
2) Schütz, J. W. und B. Schubert, Die Ermittelung der Rotzkrankheit mit
Hilfe der Komplementablenkungsmethode. Aroh. f. wissenschaftl. u. prakt.
Tierheilk. 1909. Bd. 35. H. 1—2. S. 44-82.
3) Pfeiler, W., Weitere Komplementbindungsversuche mit dem Diplococcus
pleuropneumoniae Schütz usw. Zeitschr. f. Infektionskrankh. usw. d. Haustiere.
1909. Bd.6. H.2. S. 117-136.
4) Ehrlich, P., Neißer, M. und H. Saohs, Untersuchungen über das Verfahren
von M. Neißer und H. Sachs zur forensischen Unterscheidung von Menschen-
und Tierblut. Abdruck aus d. klin. Jahrbuch. Jena bei Gust. Fischer. 1908.
S. 28-49.
5) Bauer, J., Ueber die Spezifität der biologischen Eiweißdifferenzierung. Arb.
aus d. kgl. Inst. f. experim. Therapie z. Frankfurt a. M. 1907. H.3. S. 71—82.
Gustav Fischer, Jena.
6) Lignieres, Etiologie de la fievre typhoide du cheval. Bulletin de la Soc.
centr. de medec. v^terin. 1897. Vol. 15. p. 437—449.
7) Pfeiler, W., Infektionsversuohe mit dem Diplococcus pleuropneumoniae Schütz
und der Pasteurella equina Lignieres an Pferden usw. Zeitschr. f. Infektions¬
krankh. usw. der Haustiere. 1908. Bd. 4. S. 250—264.
XXII.
Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
Vorstand: Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Schütz.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
Von
F. Pilwat,
Kreistierarzt und ehemaligem Assistenten am Institute.
(Mit 3 Abbildungen im Text.)
Die nachstehende Arbeit gründet sich auf Beobachtungen, die an
dem Sektionsmaterial des Pathologischen Instituts während eines Zeit¬
raums von drei Jahren, vom 1. April 1903 bis 31. März 1906, ge¬
sammelt worden sind.
Geschichtliches.
Die Kolik gehört zu den am längsten bekannten Pferdekrank¬
heiten; sie wird bereits von den tierärztlichen Schriftstellern des
Altertums, Coluraclla, Eumelus, Vegetius, Apsyrtus und
Hieroklcs genau beschrieben. In der tierärztlichen Literatur des
Mittelalters findet sich bei Jordanus Ruffus eine ziemlich ausführ¬
liche Abhandlung über die Kolik. Mit dem Aufblühen der tierärzt¬
lichen Wissenschaft, besonders seit Gründung der tierärztlichen Lehr¬
anstalten, ist die Zahl der tierärztlichen Autoren, die ihre Erfahrungen
und Beobachtungen über die Kolik des Pferdes in der Literatur
niedergelegt haben, eine so große geworden, daß es den Rahmen
dieser Abhandlung bei weitem übersteigen würde, wenn alle Arbeiten
über diese Krankheit des Pferdes aufgezählt werden sollten. Alle
Lehrbücher der speziellen Pathologie und Therapie der Haustiere,
namentlich diejenigen von Dieterichs, Haubner, Veith, Hering,
Röll, Spinola, Friedberger und Fröhner, Dieckerhoff, Hutyra
und Marek haben das klinische Bild der Kolik eingehend be¬
sprochen. Auch über die der Krankheit zu Grunde liegenden patho-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
437
logisch-anatomischen Veränderungen an den Organen der Bauchhöhle
finden sich bei den genannten Autoren kurze Angaben. Eine ein¬
gehendere Bearbeitung hat die pathologische Anatomie der Kolik von
Ullrich (Magazin für die gesamte Tierheilkunde, Band 16), von
Bruckmüller (Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Veterinär¬
medizin, Band 2), Friedberger und insbesondere von Bollingcr
(Die Kolik der Pferde und das Wurmaneurysma der Eingeweidearterien,
München 1870) erfahren. Ferner hat Kitt in seinem Lehrbuche der
pathologischen Anatomie der Haustiere die anatomischen Verände¬
rungen an den Organen der Bauchhöhle des Pferdes beschrieben und
dadurch gleichfalls Beiträge zur pathologischen Anatomie der Kolik
geliefert.
Leider sind ausführliche Obduktionsberichte in der Literatur nur
spärlich mitgeteilt worden, so daß ein bestimmtes Urteil über die
anatomischen Veränderungen, die den Tod der Tiere herbeigeführt
haben, nicht immer mit Sicherheit ausgesprochen werden kann.
Wesen nnd Begriff.
Mit dem Namen Kolik hat man seit alters her die Schmerz¬
empfindung eines Tieres bezeichnet, die durch Erkrankung der in der
Bauchhöhle gelegenen Organe bedingt wird. Mithin ist die „Kolik“
nur ein Symptom, aber allerdings ein besonders auffallendes Symptom
einer Gruppe von Krankheiten. Da nun in der Bauchhöhle des
Pferdes zahlreiche Organe ihre Lage haben, an denen die verschieden¬
artigsten schmerzhaften Krankheitsprozesse auftreten können, so er¬
scheint es zunächst wunderbar, daß alle jene Krankheiten unter der
Bezeichnung „Kolik“ zusammengefaßt worden sind. Diese eigen¬
artige Erscheinung erklärt sich nur durch eine gewisse Verlegenheit,
nämlich dadurch, daß die Hilfsmittel der klinischen Diagnostik in der
Regel nicht ausreichen, um die einzelnen zur Gruppe der Kolik ge¬
hörenden Krankheiten mit Sicherheit von einander trennen zu können.
Dieckerhoff (Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie,
2. Auflage, S. 889) sagt: „Die Pathologie der Kolik gestaltet sich
bei Pferden so kompliziert, daß die sichere und vollständige Differen¬
zierung der Krankheitsgruppe für die praktische Diagnostik nicht er¬
reichbar ist.“ Auch in den neuesten Veröffentlichungen aus der
medizinischen Klinik der Berliner Tierärztlichen Hochschule (Nitzschke,
Monatshefte für praktische Tierheilkunde, Band 16) heißt es, daß
die Spezialdiagnose der einzelnen Kolikarten ein sehr schwieriges
438 PILWAT,
Problem sei, und daß durch die Sektion vielfach erst eine genauere
Aufklärung zu erreichen ist.“ Hutyra und Marek haben allerdings
in ihrem jüngst in deutscher Sprache erschienenen Lehrbuche der
speziellen Pathologie und Therapie der Haustiere den Versuch ge¬
macht, den Begriff der Kolik fallen zu lassen, und diese Krankheits¬
gruppe in die einzelnen Krankheiten aufzulösen. Ob dieser Versuch
gelungen ist, kann natürlich von dieser Stelle aus nicht entschieden
werden. In jedem Falle befindet sich die pathologische Anatomie bei
der Differenzierung der Kolik den klinischen Methoden gegenüber im
Vorteil, weil die Organe der Bauchhöhle der anatomischen Unter¬
suchung viel leichter zugänglich sind, und die Krankheiten dieser
Organe der Regel nach offensichtliche Veränderungen zurücklassen.
Daher wird auch das Obduktionsbild des an der Kolik gestorbenen
Pferdes für die praktischen Tierärzte stets eine Quelle der Belehrung
sein; man wird den anatomischen Befund mit den zu Lebzeiten des
Pferdes beobachteten Krankheitserscheinungen vergleichen, seine Diag¬
nose kontrollieren, vielleicht stillschweigend korrigieren und nicht
unwesentliche Schlüsse daraus für die Therapie dieser Krankheit ziehen.
Namentlich aber für die Beurteilung gerichtlicher Fälle gibt die patho¬
logische Anatomie die wichtigsten Anhaltspunkte.
Schon seit langer Zeit findet sich in der Literatur die Einteilung
in eine symptomatische oder falsche und eine wahre Kolik. Die
symptomatische Kolik wird bei mehreren Infektions- und Intoxikations¬
krankheiten, z. B. beim Milzbrände, dem Pferdetyphus, der Bleiver¬
giftung und anderen Krankheiten beobachtet. Diese Krankheiten zeigen
jedoch noch andere Erscheinungen, so daß ihre Erkennung in der
Regel keine Schwierigkeiten bietet und sind demnach aus der großen
Gruppe der „Kolik“ leicht auszuscheiden. Die falsche Kolik soll
durch Krankheitsprozesse in den Organen der Bauch- und Becken¬
höhle mit Ausnahme des Magens und Darms hervorgerufen werden.
Dieckerhoff (Spezielle Pathologie und Therapie, 2. Auflage) glaubt,
daß mit Sicherheit nur die entzündlichen Prozesse am Bauchfelle eine
sogenannte falsche Kolik erzeugen können, und nennt diese Kolik
daher die „Bauchfellkolik“. Berücksichtigt man, daß primäre Bauch¬
fellentzündungen des Pferdes sehr selten sind, so dürfte diese Kolik
ein großes praktisches Interesse nicht besitzen. Die sekundären Ent¬
zündungen des Bauchfells sind beim Pferde allerdings ziemlich häufig;
sie gehen aber der Regel nach aus primären Krankheiten des Magens
und Darmes hervor und müssen daher als Komplikationen derselben
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
439
betrachtet werden. Alle selbständigen Krankheiten des Magens und
Darms sind von den Autoren als wahre Kolik bezeichnet worden.
Diese Erkrankungen haben für die praktische Tierheilkunde die aller¬
größte Wichtigkeit, da ihnen fast die Hälfte aller Pferde zum Opfer
fällt. Bollinger (Die Kolik der Pferde und das Wurmaneurysma der
Eingeweidearterien, München 1870) gibt an, daß unter 100 innerlich
kranken Pferden 40 an Kolik leiden, daß unter 100 Fällen von Kolik
13 tödlich endigen, und daß unter 100 umgestandenen Pferden 40 an
Kolik gelitten haben. Gestützt auf obige Statistik konnte Bollinger
mit Recht sagen, daß es weder unter den epizootischen noch unter
den sporadischen Krankheiten des Pferdes eine Krankheit gibt, die
nur annähernd ähnliche Opfer fordert, wie die sogenannte Kolik.
In der nachstehenden Abhandlung sind nur die Fälle von primärer
Erkrankung des Magens und Darms, die in einem dreijährigen Zeit¬
räume, vom 1. April 1903 bis 31. März 1906, im Pathologischen
Institute der Berliner tierärztlichen Hochschule zur Obduktion ge¬
kommen sind, berücksichtigt worden.
In dem genannten Zeiträume wurden im Pathologischen Institute
837 Pferde seziert. Darunter befanden sich 428 = 51,14 pCt. aller
in den Kliniken der Berliner Hochschule gestorbenen Pferde, die an
selbständigen Krankheiten des Magens und Darms gelitten hatten,
also während des Lebens Kolikerscheinungen gezeigt hatten. Die bei
diesen Sektionen ermittelten Krankheiten lassen sich in folgende
Gruppen zerlegen.
I. Primäre Magen-Darmentzündung.
Bei 29 Pferden = 6,78 pCt. aller an Kolik gestorbenen Pferde
wurde als Todesursache eine primäre Entzündung der Schleimhaut
des Magens und Darmes gefunden, die alle Formen vom einfachen
Katarrh bis zur schwersten Diphtherie oder zur Gangrän zeigte. Die
Lehrbücher der speziellen Pathologie und Therapie beschreiben diese
Erkrankungen teils als akute Magendarmkatarrhe, teils als einfache,
toxische und infektiöse oder mykotische Magendarraentzündungen.
Bevor auf die pathologisch-anatomischen Veränderungen dieser Magen¬
darmaffektionen näher eingegangen werden soll, mag es gestattet sein,
die Obduktionsbefunde mehrerer an den genannten Prozessen zugrunde
gegangener Pferde mitzuteilen.
1. Braune Stute, Stern, Druckflecke in der Sattellage, linke Vorderkrone
und Ballen, linke Hinterfessel, Krone und Ballen weiß, ca. 15 Jahre alt.
440
PILWAT,
Gestorben und obduziert am 14. 3. 1906.
Der Kadaver befindet sich in gutem Nährzustande, ln der Unterbaut^ über
dem Euter, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt dickes
weißlich-graues, mit einem Stioh ins Gelbliche schimmernde Fettgewebe, das auf
dem Durchschnitto einen lappigen Bau erkennen läßt. Die Körpermuskeln zeigen
Totenstarre und erscheinen auf dem Durchschnitte graubraunrot, etwas trocken
und trübe. Die Unterhaut ist in der Gegend des Brustbeins und in der vorderen
und mittleren Bauchgegend dick, gelblich-grau, gallertartig und auf dem Durch¬
schnitte feucht.
Der Bauch ist etwas eingefallen. Im freien Raume der Bauchhöhle kein
fremder Inhalt. Das den Darm und die Bauchwände überziehende Bauchfell ist
blaßgrau, zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. An
der Lage des Darms findet sich keine Abweichung, Der Zwölffinger-, Leer- und
Hüftdarm sind mäßig zusammengezogen und enthalten etwas gelblich-graubraune,
trübe, mehlsuppenartige Flüssigkeit. Die Schleimhaut der Dünndarmabteilungen
liegt in Längs- und Querfalten, die auf ihrer Höhe gerötet sind. Sonst erscheint
diese Schleimhaut grau, trübe, etwas dick, aufgelockert und auf dem Durchschnitt
feucht. Der Blinddarm enthält mehrere Liter graubraune flüssige, der Grimmdarm
flüssige bis dünnbreiige Massen. Im Mastdarme wenig breiiger grünlich-brauner
Kot. Die Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarms ist in großer Aus¬
dehnung diffus gerötet, etwas dick, aufgelockert und auf dem Durchschnitte feucht.
Im Magen finden sich 3 Liter bräunliche dünnbreiige bis flüssige Inhaltsmassen,
die einen schwach-säuerlichen Geruch besitzen. Der Magen ist klein und etwas
zusammengezogen; die Schleimhaut der Pförtnerhälfte bildet zahlreiche, der Mehr¬
zahl nach in der Längsrichtung verlaufende Falten, deren Gipfel diffus gerötet und
mit zahlreichen braunroten Flecken besetzt sind. Gegen den Pförtner hin liegt auf
der Oberfläche der Schleimhaut ein grauer, zäher, glasig durchscheinender Belag,
der sich schwer von der Schleimhaut abspülen läßt. In der linken Magenhälfte
ist die Schleimhaut grauweiß, an der Oberfläche glatt und läßt keine Abweichungen
erkennen.
Die im Gekröse des Darmes liegenden Lymphdrüsenpakete sind bis bohnen¬
groß, sehen außen grau bis rötlich-grau aus, besitzen eine etwas weiche Be¬
schaffenheit und erscheinen auf dem Durchschnitte graurot und feucht. Die Milz
mißt 48 cm in der Länge, 26cm in der größten Breite und 3,5 cm in der mittleren
Dicke; das Gewicht derselben beträgt 2300 g. Oberfläche der Milz glatt und grau¬
blau; Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in der Milz
nicht sichtbar. Die Pulpa hat an Masse erheblich zugenommen, ist dunkelrot und
fast flüssig, sodaß die Schnittfläche der Milz dadurch ein glattes und feucht¬
glänzendes Aussehen erhält. Die Leber wiegt 8000g; ihre Ränder sind abgerundet.
Auf der Zwerchfellsfläche, besonders des rechten Leberlappens, sitzen zahlreiche
grauweiße bindegewebige Zotten; sonst ist die Oberfläche der Leberkapsel glatt.
Konsistenz der Leber etwas brüchig. Ueber die Schnittfläche der Leber fließt viel
dunkelrotes Blut. Das Lebergewebe erscheint auf dem Durchschnitte rötlich-grau-
braun mit einem Stich ins Gelbliche und ist trübe. Zeichnung der Leberläppchen
ziemlich gut erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind hirsekorn- bis reiskorngroß,
in der Mitte dunkelrot. am Rande in breiter Zone gelblichgrau. Dio bindegewebigen
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
441
Kapseln der Nieren sind dünn und reißen leicht beim Abziehen. Die Nieren sehen
außen rötlich-grau aus und zeigen an ihrer Oberfläche mehrere Risse, die beim
Abtrennen der Kapseln in dem brüchigen Rindengewebe entstanden sind. Linke
Niere 19 om lang, 17 cm breit und 5,3 cm dick, reohte Niere 18,5 cm lang, 19 cm
breit und 6 cm dick. Die Rindenschicht besitzt auf dem Durchschnitte eine Breite
von 2 cm, sieht rötlich-grau aus, ist trübe, etwas trocken und von zahlreichen,
breiten, grauen, radiär verlaufenden Streifen durchzogen. Marksubstanz gestreift
und graurot, an der Grenze der Rinde in breiter Zone dunkelrot. Beim Streichen
mit dem Messerrücken von der Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den
großen Sammelröhren eine gelblich-graue, trübe rahmartige Flüssigkeit.
Das Zwerchfell steht im 7. Zwischenrippenraume. Die Brustfellsäcke sind
leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt
und mattglänzend. Unter den Blättern der Brusthaut liegen zahlreiche dunkelrote
bis schwarzrote Punkte und Flecke. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken,
haben sich von den Rippenwänden zurückgezogen und sind klein. Das Gewebe
beider Lungen ist weich, elastisch und knistert beim Durchschneiden. Im Herz¬
beutel 50 ccm einer rötlichen wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich be¬
rührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Unter dem inneren Blatte des
Herzbeutels finden sich zahlreiche fleckenförmige Blutungen. Der Umfang des
Herzens beträgt an der Herzbasis 62 cm. Rechte Kammer 18 cm hoch, stark ge¬
wölbt und mit dunkelrotem geronnenen und flüssigen Blute prall gefüllt. Die
linke Kammer ist 19 cm hoch, mehr abgeflacht und enthält neben etwas flüssigem
Blute kleinere dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Seitenwand des rechten
Ventrikels 1,9 cm, die des linken 3,5 cm dick. Durch die beiderseitigen Atrio-
Ventrikularöffnungen läßt sich die länglich zusammengelegte Hand bequem hin¬
durchführen. Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind zart. Unter
dem wandständigen Endokard, besonders des linken Ventrikels, liegen auf der
Höhe der Papillarmuskeln große flächenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur
erscheint auf dem Durchschnitt graurot, fleckweise gelblich-grau, trooken und
trübe; ihre Konsistenz ist brüchig. Die venösen Gefäßnetze der Sohleimhaut des
Kehlkopfes und der Luftröhre sind stark gefüllt; daneben liegen in dieser Schleim¬
haut mehrere punkt- und fleckenförmige Blutungen. Die Schleimhaut der Raohen-
höhle, der Kehldeckel-Gießkannenbänder und des Zungengrundes erscheint mehr
gleichmäßig bläulich-rot. Die harte Hirnhaut ist grau und durchscheinend. Die
venösen Gefäße der weichen Hirnhaut sind stark gefüllt. An der Hirnsubstanz
bestehen keine nachweisbaren Veränderungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie
ist 4 cm lang und spindelförmig erweitert. Die Wände des erweiterten Gefäßes
sind 2—3 mm dick, an der Innenfläche rauh und mit rötlich-grauen, ziemlich
trockenen Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand fest anhaften. Unter den Auf¬
lagerungen ist die Gefaßinnenhaut fetzig und fehlt teilweise ganz. Die Abgangs¬
stellen aller aus dem Stamm der vorderen Gekrösarterie und aus der Hüft-Blind-
Grimmdarmarterie entspringenden Arterien sind unverändert. Die Darmarterien
sind wegsam; Pfropfe fehlen in ihnen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Einfache katarrhalische Ent¬
zündung der Drüsenschleimhaut des Magens und der Schleimhaut des gesamten
Darmes. Akute Schwellung der Gekröslymphdrüsen und der Milz. Trübe Schwel-
442
PILWAT,
lung und Fettinfiltration der Leber. Trübe Schwellung der Körpermuskeln.
Schwere trübe Schwellung und beginnende Fettmetamorphose des Herzmuskels.
Katarrhalische Nierenentzündung. Blutungen unter dem Brustfelle, unter dem
inneren Blatte des Herzbeutels und unter der Herzinnenhaut. Erweiterung und
wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
2. Fuchswallach, durchgehende Blässe, vier Füße weiß, 7—8 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 13. 1. 1906.
Der Kadaver ist gut genährt; in der Unterhaut, in der Umgebung des
Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt ziemlich dickes, grau¬
weißes, lappiges Fettgewebe. Die Körpermuskeln sind noch warm und zeigen erst
am Kopfe und Halse beginnende Totenstarre. Auf dem Durchschnitte erscheinen
die Muskeln graurot und trübe. Gefäße der Unterhaut stark gefüllt.
Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle kein fremder
Inhalt. An der Lago des Darms zeigt sich keine Abweichung. Der Blind- und
Grimmdarm sind lang und weit und hauptsächlich durch Gase stark ausgedehnt.
Die Blätter des Bauchfells sind zart und durchscheinend, an der Oberfläche matt¬
glänzend. Der Leerdarm sieht außen bläulich-grau aus, ist in seinem vorderen Ab¬
schnitte etwas zusammengezogen und enthält hier wenig gelbrote dickschleimige
Flüssigkeit. Gegen den Hüftdarm hin nimmt der flüssige Inhalt, der hier mit festen
Bestandteilen vermischt ist, erheblich an Menge zu; auch enthält dieser Darmteil
Gase. Die Schleimhaut des vorderen Leerdarmabschnittes und des Zwölffinger¬
darmes ist gleichmäßig dunkolrot, etwas dick und locker. Im hinteren Teile des
Leerdarmes und im Hüftdarme erscheint die Schleimhaut nur auf der Höhe der
Längs- und Ringfalten stark gerötet, sonst grau-rot und trübe. Auf der Oberfläche
der einzelnen Diinndarmabscbnitte findet sich stellenweise in großer Ausdehnung
ein grauer, etw^as durchscheinender, zäher, schwer abspülbarer Belag. Im Blind-
und Grimmdarme viel Gas und bräunlicher flüssiger bis dünnbreiiger Inhalt in
reichlicher Menge. Die rechte obere Lage und die magenähnliche Erweiterung des
Grimmdarmes sowie der Mastdarm sind fast leer. Schleimhaut des Blind-, Grimm-
und Mastdarmes auf der Höhe der Bandstreifen und Ringfalten gerötet, sonst grünlich¬
grau, etwas dick und trübe. Der Magen enthält etwas Gas und 15 Liter flüssige,
mit breiigen Bestandteilen vermischte graugrüne Massen. Die mit Drüsen besetzte
Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist fleckig und streifig gerötet, in der Gegend
der Fundusdrüsen dick, trübe und grob gekörnt. Auf der Höhe zahlreicher Schleim¬
hautläppchen finden sich punkt- und fleckenförmige schwarzrote Blutungen. Gegen
den Pförtner hin wird die Oberfläche der Schleimhaut mehr glatt. Die im Gekröse
liegenden Lymphdrüsenpakete sind über bohnengroß, auf dem Durchschnitte rötlich-
grau und saftreich. Die Milz wiegt 7500 g; sie mißt 78 cm in der Länge, 33 cm
in der größten Breite und 5 cm in der mittleren Dicke. Die Oberfläche der Milz
erscheint dunkelblau und flach gekörnt. Unter der stark gespannten und dünnen
Milzkapsel liegen zahlreiche, etwa linsengroße, schwarzblaue Hügel dicht neben¬
einander. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balken¬
gewebe nicht sichtbar. Die schwarzrote, sehr reichliche Pulpa ist fast flüssig und
quillt in Form von dicklichen Tropfen über die Schnittfläche hervor, letztere er¬
scheint feucht und stark glänzend. Das Gewicht der Leber beträgt 10 1 / 2 kg. Die
Leber ist außen glatt, mattglänzend, besitzt abgerundete Ränder und sieht rötlich-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
443
graugelb aus. Das Lebergewebe ist trübe, brüchig und blutreich. Schnittfläche
der Leber gelblich-graurot und fettig glänzend. Die Zeichnung der Leberläppchen
ist ziomlich gut sichtbar. Die einzelnen Läppchen haben etwa die Größe eines
Reiskorns, sind in der Mitte gelblich-rot, am Rande in breiter Zone graugelb. Die
fibrösen Kapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Linke Niere 19 cm
lang, 16 cra breit und 5 cm dick, rechte Niere 18 cm lang, 18 cm breit und 5,3 cm
dick. Beide Nieren besitzen eine glatte, mattglänzende Oberfläche, sehen außen
rötlich-grau aus und sind etwas brüchig. Die Rindenschicht zeigt auf dem Durch¬
schnitte eine Breite von 2—3 cm, ist grau bis rötlich-grau, trocken, trübe und
stellenweise von grauen, radiär verlaufenden Streifen durchzogen. Marksubstanz
dunkelgraurot und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durch¬
scheinend, an der Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei in
den Brustfellsäcken, sind retrahiert, sehen bläulich-rot aus und knistern beim
Hinüberstreichen. An den scharfen Rändern beider Lungen sitzen einzelne weißlich¬
graue bindegewebige Fäden. Ueber die Schnittfläche der Lungen fließt etwas
dunkelrotes Blut. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll einer gelbroten klaren Flüssig¬
keit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend.
Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 63 cm. Die rechte Kammer ist
17 cm hoch und mit dunkelrotem flüssigen und geronnenen Blute prall gefüllt;
ihre Seitenwand ist 1,9 cm dick. Linke Kammer 19 cm hoch, fast leer und zu¬
sammengezogen; diese Kammer enthält kleine dunkelrote und speckhäutige Ge¬
rinnsel; ihre Seitenwand ist 3,5 cm dick. Durch die zwischen den Vor- und Herz¬
kammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand
bequem hindurchführen. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Unter dem
wandständigen Endokard, hauptsächlich des linken Ventrikels, liegen größere strich-
und fleckenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte
graurot, trocken und trübe; ihre Konsistenz brüchig. Das Gewicht des leeren
Herzens beträgt 6 kg. In der Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre liegen
stark gefüllte venöse Netze. Die Schleimhaut des Zungengrundes, der vorderen
Fläche des Kehldeckels, der Kehldeckelgießkannenbänder und der Rachenhöhle ist
bläulich-rot. Die Hüft-Blind -Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und zylindrisch
erweitert; ihre Wände sind 2 bis 4 mm dick, an der Innenfläche bis auf mehrere
in der Längsrichtung verlaufende strichförmige Narben glatt. Wandständige Ge¬
rinnsel fehlen. Die Darmarterien sind wegsam und ohne Veränderungen. Am
Gehirne und an den Häuten desselben lassen sich gleichfalls keine Abweichungen
feststellen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Allgemeine akute katarrhalische
Magen-Darmentzündung mit hauptsächlicher Lokalisation im Zwölffinger- und Leer¬
darme. Tympanitis desBlind-und Grimmdarmes. Hochgradige akute Milzschwellung.
Trübe Schwellung, Fettinfiltration und geringgradige Gelbsucht der Leber. Trübe
Schwollung der Nieren, der Körpermuskeln und des Herzens. Blutungen unter der
Innenhaut dos Herzens. Erweiterung der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
3. Rappstute mit Flocke.
Gestorben und obduziert am 28. 7. 1907.
Der Kadaver befindet sich in der Rückenlage und ist schlecht genährt, ln der
444
PILWAT,
Unterbaut, über dem Euter, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauch¬
felle liegt etwas rötlich-gelbes Fettgewebe von schleimiger Beschaffenheit. Gefäße
der Unterhaut gefüllt. Die Körpermuskeln sind schlecht entwickelt, zeigen Toten¬
starre, sehen außen und auf dem Durchschnitte braunrot und etwas feucht aus.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle findet
sich ein Liter einer bräunlich-roten wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche des
Bauchfells ist mit zahlreichen grauweißen bindegewebigen Zotten besetzt; sonst
ist das Bauchfell zart und schwach durchscheinend. Die Zwerchfellskrümmungen
und die linken Lagen des sehr langen und weiten Grimmdarms sind zum Teil
durch eine große Oeffnung des Zwerchfells in den linken Brustfellsack hinein¬
getreten. Die Beckenkrümmung des Grimmdarms befindet sich in der linken Leisten¬
gegend. Der Blind- und Leerdarm liegen mehr auf der rechten Seite der Bauch¬
höhle, die Schlingen des kleinen Kolons in der linken Leisten- und Flankengegend.
Alle sichtbaren Darmteile sind durch Gas beträchtlich ausgedehnt. Unter dem
serösen Ueberzuge besonders des Blind- und Grimmdarms finden sich zahlreiche
dunkelrote Punkte, Flecke und Striche. Die Mehrzahl der Leerdarmschlingen sieht
außen bläulichgrau aus. Der Inhalt des Leerdarms besteht aus etwas bräunlicher,
trüber schleimiger Flüssigkeit und Gas. Die Schleimhaut des Zwölffinger-, Leer-
und Hüftdarms ist in großer Ausdehnung stark diffus gerötet, etwas dick, trübe
und aufgelockert. Auf der Höhe der Scbleimhautfalten liegen schwarzrote Punkte
und Flecke. Im Blind- und Grimmdarme viel Gas und dünnbreiige, grünlichgraue
Massen in mittlerer Menge. Der Mastdarm enthält nur sehr wenig breiigen Kot.
Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarms fleckweise, besonders auf der
Höhe der Falten gerötet, sonst grünlichgrau und etwas trübe. Die mesenterialen
Lymphdrüsenknoten sind etwa erbsengroß, rötlichgrau, etwas weich und auf dem
Durchschnitte feucht. Der Magen enthält außer Gas 10 Liter dünnbreiige bis
flüssige bräunlich-grüne Massen, die einen säuerlichen Geruch besitzen. Die
Schleimhaut der linken Magenhälfte ist rötlichgrau, ihre Oberfläche glatt. Der
gefranzte Rand dieser Schleimhaut ist zwischen den Schenkeln der hufeisenförmigen
Muskelschleife mit zahlreichen bis erbsengroßen grauen Warzen besetzt. Die
Schleimhaut der drüsentragenden rechten Magenhälfte erscheint in der Gegend der
Fundusdrüsen dunkelblaurot, trübe, etwas dick und gallertartig, ihre Oberfläche
fast glatt. Gegen den Pförtner hin zeigt die Schleimhaut fleckige und streifige
Rötung. Die Milz mißt 48 cm in der Länge, 25 cm in der größten Breite und 4 cm
in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt und graublau; Konsistenz weich.
Das Balkengewebe ist auf dem Durchschnitte der Milz nicht deutlich sichtbar.
Pulpa sehr reichlich, dunkelrot und über die Schnittfläche hervorquellend. Das
Gewicht der Leber beträgt 3600 g. Außen sieht die Leber braunrot aus; auf der
Zwerchfellsfläche ist die Leberkapsel mit zahlreichen grauweißen bindegewebigen
Zotten besetzt, au mehreren Stellen plattenförmig verdickt, grauweiß und undurch¬
sichtig. Das Lebergewebe besitzt eine derbe Konsistenz und ist sehr blutreich.
Auf dem Durchschnitte ist die Läppchenzeichnung in der Leber ziemlich deutlich
sichtbar. Die einzelnen Läppchen sind etwa hirsekorngroß, in der Mitte braunrot,
am Rande in schmaler Zone graubraun. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von
den Nieren abtrennen. Linke Niere 15 cm lang, 12 cm breit und 3,8 cm dick,
rechte Niere 14 cm lang, 14 cm breit und 4,2 cm dick. Die Nieren sehen rotbraun
aus und fühlen sich derb an. Oberfläche beider Nieren glatt und mattglänzend.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
445
Die Rindenschicht ist auf dem Durchsohnitte 1,5 cm breit, rötlichbraun und
schwach durchscheinend. Die Knäuel sind in der Rinde als rote Pünktchen er¬
kennbar. Marksubstanz graurot und streifig, an der Grenze der Rindenschicht
dunkelrot.
In der muskulösen Rippen- und Lendenpartie der linken Zwerchfellshälfte
findet sich ein fast vertikal verlaufender 43 cm langer Riß, dessen Ränder an ein¬
zelnen Stellen etwas zackig, sonst glatt, scharf, blaß und frei von Blutgerinnseln
sind. Die Brustfellsäcke enthalten etwa ein Liter einer rötlichen wässerigen
Flüssigkeit. Die Brustfellblätter sind zart und durchscheinend, ihre Oberfläche ist
glatt und glänzend. Unter dom Rippen- und Lungenfelle liegen stellenweise
dunkelrote Punkte und Flecke. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind
klein, retrahiert, sehen in ihren oberen Teilen bläulichrot aus und knistern
schwach beim Durchschneiden. Ueber die glatte Durchschnittsfläche fließt be¬
sonders in den oberen Teilen beider Lungenkörper viel dunkelrothes Blut. Im
Herzbeutel 200 ccm einer gelbroten klaren wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche
der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. In den Herzfurohen
Hegt wenig gelbliches gallertartiges Fettgewebe. Der Umfang des Herzens beträgt
an der Herzbasis 56 cm. Die rechte Herzkammer ist 15, die linke 17 cm hoch.
Seitenwand des rechten Ventrikels 1,5, die des linken 3 cm dick. Die rechte Herz¬
hälfte ist mit flüssigem und geronnenem Blute ziemlich stark gefüllt. In den linken
Herzhöhlen finden sich kleinere dunkelrote und speokhäutige Gerinnsel. Durch die
zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine läng¬
lich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die am Ostium aorticum
stehenden halbmondförmigen Klappen sind in ihren Randteilen dick, grauweiß und
undurchsichtig. Das wandständige Blatt der Herzinnenhaut, besonders der linken
Herzhälfte, ist fleckweise schwielenartig verdickt. Unter der Herzinnenhaut finden
sich auf der Höhe der Papillarmuskeln große flächenförmige Blutungen. Die Herz¬
muskulatur erscheint auf dem Durchschnitte braunrot und etwas trübe. Die Schleim,
haut des Zungengrundes, der Rachenhöhle, der vorderen Fläche des Kehldeckels
und der Kehldeckelgießkannenbänder ist bläulichrot und etwas dick. In der
Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre liegen gefüllte Venennetze. Der
Kehldeckel besizt eine kahnförmige Gestalt. Die retropharyngealen und sub-
maxillaren Lymphdrüsenknoten sind linsen- bis erbsengroß gegen einander ver¬
schiebbar und auf dem Durchschnitte rötlicbgrau. Stellenweise sind in dem Drüsen¬
gewebe schwarze Partikelchen eingelagert. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie
ist 4 cm lang und gleichmäßig zylindrisch erweitert; ihre Wände sind 2—3 mm
dick, an der Innenfläche rauh und mit mehreren erbsen- bis bohnengroßen, etwas
platten rötlichgrauen Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand ziemlioh fest anhaiten.
In der Tiefe der Gerinnselmassen liegen zwei drehrunde, 12—14 mm lange Wurm¬
larven. Unter den Auflagerungen ist die Gefäßinnenhaut fetzig und fehlt stellen¬
weise ganz. Die Abgangsstellen der aus der vorderen Gekrösarterie und aus der
Hüftblinddarmarterie entspringenden Darmgefäße sind ohne Veränderungen. Die
Darmarterien sind in ihrem ganzen Verlaufe wegsara und frei von Pfropfen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Starke Ansammlung von
Gasen im Leer-, Blind- und Grimmdarme. Blutiger Katarrh der Magen- und
Darmschleimhaut. Beginnende kadaveröse Erweichung der Magenschleimhaut.
Blutungen unter dem Bauchfelle, Brustfelle und der Innenhaut des Herzens.
446
PILWAT,
Akute Milzschwellung. Braune Atrophie der Leber. Leichte trübe Schwellung
der Körper- und Herzmuskulatur. Chronische Entzündung der Herzinnenhaut. Er¬
weiterung und wandständige Thrombose der Hüft-, Blind-, Grimmdarmarterie.
Postmortale Zerreißung des Zwerchfells.
4. Schimmelstute, ca. 9 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 16. 5. 1903.
Der Kadaver befindet sich in Rückenlage und zeigt einen guten Nährzustand.
Das Unterhautfettgewebe ist reichlich entwickelt und auf dem Durchschnitte lappig.
Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitte graurot, etwas trocken
und trübo. Die Bauchdecken sind mäßig gespannt.
Im freien Raume der Bauchhöhle ungefähr zwei Liter einer gelblichen, etwas
trüben Flüssigkeit. Der Darm ist normal gelagert. Blind- und Grimmdarm mäßig
gefüllt, Leerdarm zusammengezogon. Duroh den serösen Ueberzug des Leer- und
Hüftdarmes schimmern mehrere längliche, etwa markstückgroße bläulich-rote Herde
hindurch. Sonst ist das Bauchfell grau und etwas trübe, seine Oberfläche glatt
und mattglänzend. Der Inhalt des Leer- und Hüftdarmos besteht aus einer geringen
Menge einer grauroten, trüben, schleimigen Flüssigkeit. Die Schleimhaut des
Leer- und Hüftdarmes ist dick, dunkelgraurot, aufgelockert und bildet zahlreiche
unregelmäßig verlaufende Falten, die auf ihren Gipfeln dunkelrot und an einzelnen
Stellen schwarzrot gefleckt sind. Die Peyerschen Haufen ragen als dunkelrote
bis schwarzrote Beete über die Schleimhautoberfläche hervor. Blind- und Grimm¬
darm enthalten eine mäßige Menge breiiger graurot gefärbter Massen. Der Mast¬
darm ist fast leer. Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarmes graurot, etwas
dick und besonders auf der Höhe der zahlreichen ringförmig verlaufenden Falten
gerötet. Der Magen enthält 6 Liter dünnbreiige, graubraune, schwach säuerlich
riechende Massen. Die Schleimhaut der linken Magenhälfte ist weißlich-grau, ihre
Oberfläche glatt. Die Drüsen tragende Sohleimhaut der rechten Hälfte des Magens
ist durchgehend diffus gerötet, etwas dick, aufgelockert und mit schwarzroten und
sohwarzbraunen etwas prominierenden Flecken in der Größe eines Pfennigs bis
Markstückes durchsetzt, die stellenweise eine etwas fetzige Oberfläche erkennen
lassen und sich in Geschwüre umzuwandeln beginnen. In der Gegend der Fun¬
dusdrüsen erscheint diese Schleimhaut an der Oberfläche flach gekörnt, gegen den
Pförtner hin mehr glatt. Der Zwölffingerdarm ist außen streifig blaurot gefärbt,
seine Schleimhaut wie die des Leerdarmes graurot, dick und besonders auf der
Höhe der Falten stark gerötet. Die im Gekröse des Darmes liegenden Lymphknoten
sind über bohnengroß, graurot, etwas weich, auf dem Durchschnitte feucht und mit
dunkelroten Flecken durchsetzt. Die Milz mißt 59 cm in der Länge, 25 cm in der
größten Breite, und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt
und stahlblau; Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in
der Milz nicht sichtbar. Die Pulpa ist schwarzrot, fast flüssig, hat an Menge be¬
trächtlich zugenommen und quillt über die Schnittfläche stark hervor. Letztere
erscheint dadurch feucht und spiegelnd gänzend. Das Gewicht der Leber beträgt
9 kg. Auf der Zwerchfellsfläche besonders des rechten Leberlappens sitzen mehrere
grauweiße Zotten. Die Leberkapsel ist sonst dünn, durchscheinend und an der
Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Ränder der Leber sind abgerundet. Farbe
der Leber gelblich-braunrot. Konsistenz des Lebergewebes etwas brüchig. Auf
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
447
dem Durchschnitte ist das Lebergewebe mäßig blutreich, etwas trübe and läßt die
Läppchenzeichnung ziemlich gut erkennen. Die einzelnen Läppchen sind reiskorn-
bis linsengroß und gelbbraun gefärbt. Schnittfläche der Leber etwas fettig. Die
Nierenkapseln lassen sich leioht von den Nieren abtrennen. Linke Niere 18 cm
lang, 13 cm breit, und 6 cm dick; rechte Niere 15 cm lang, 16 cm breit und 5,5 cm
dick. Die Nieren sehen graubraun aus und sind brüchig. An der Oberfläche beider
Nieren liegen mehrere Risse, die beim Abtrennen der Kapseln in der mürbenRinden-
substanz entstanden sind. Auf dem Durchschnitte ist die Rindenschicht trübe, hell¬
graubraun gefärbt und 2 bis 2,5 cm breit. Markschicht gestreift und stark gerötet.
Die Brustfellsäcke sind leer, das Brustfell ist zart, durchscheinend, seine
Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind
oiheblich größer und schwerer wie im Retraktionszustande. Farbe der Lungen hell¬
rot, Oberfläche glatt und glänzend. Beim Hinüberstreichen mit den Fingerspitzen
fühlt sich das Lungengewebe weich und elastisch, jedoch etwas derber als nor¬
males lufthaltiges Lungengewobe an und knistert undeutlich, stellenweise über¬
haupt nicht. Die Schnittfläche der Lungen ist glatt und feucht, über dieselbe quillt
aus den Bronchien ein rötlicher, dichter, feinblasiger Schaum, der sich in größerer
Menge in der Luftröhre und in ihren Aesten vorfindet. Die Schleimhaut der Bron¬
chien, der Luftröhre und des Kehlkopfes zeigt fleckige und verästelte Rötung. Die
Kohldeckelgießkannenbänder sind bläulich-rot, glasig durchscheinend und gering¬
gradig verdickt. In der Gegend des Zungengrundes sieht die Schleimhaut blaurot
aus. Die an den Halsorganen gelegenen Lymphdrüsen zeigen keine Veränderungen.
Der Herzbeutel enthält 60 ccm einer bernsteingelben fast klaren Flüssigkeit. Die
Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Um¬
fang des Herzens beträgt an der Herzbasis 60 cm. Rechte Kammer 16 cm hoch,
ihre Seitenwand etwas gewölbt und 2 cm dick. Linke Kammer 19 cm hoch; ihre
Seitenwand 3,5 cm dick. Das rechte Herz ist mit geronnenem und flüssigen dunkel¬
roten Blute stark gefüllt. In den linken Herzhöhlen finden sich kleine dunkelrote
und speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen
Oeffnungen sind so weit, daß sich eine länglich zusammengelegte Hand bequem
durch dieselben hindurchschieben läßt. Die Herzklappen und die Innenhaut des
Herzens sind zart. Unter der Innenhaut liegen auf der Höhe der Papillarmuskeln
und der Herzbalken große dunkelrote flächenförmige Blutungen. Die Herzmusku¬
latur erscheint auf dem Durchschnitt graurot, trooken und trübe. Konsistenz
brüchig. Die Hüft- Blind- Grimmdarmarterie ist 4 cm lang, zylindrisch erweitert
und an der kraniellen Seite sackförmig ausgebuohtet. Die Wände des Gefäßes sind
2 bis 4 mm dick und an der Innenfläche rauh. Die sackförmige Ausbuchtung ist
mit einer bohnengroßen, rötlich-grauen, trookenen Gerinnselmasse gefüllt. Die
Darmarterien sind sonst in ihrem ganzen Verlaufe wegsam und frei von Pfropfen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Blutige Entzündung der
Schleimhaut des Magens und Darms. Schwellung der Peyerschen Haufen und
Gekröslymphdrüsen. Leichte seröse Entzündung des Bauchfells. Akute Schwellung
der Milz. Fettinfiltration und trübe Schwellung der Leber. Trübe Schwellung der
Nieren, der Körpermuskeln und des Herzens. Blutungen unter der Innenhaut des
Herzens. Oedem der Lungen. Erweiterung und wandständige Thrombose der
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
448 PILWAT,
5. Apfelschimmelwallach, ca. 7 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 1. 8. 1905.
Der Kadaver befindet sich in der Rückenlage und zeigt einen guten Nähr¬
zustand. Das Unterhautfettgewebe ist gut entwickelt, gelblich-grauweiß und von
lappigem Bau. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitt grau¬
braunrot, etwas trocken und trübe. Gefäße der Unterhaut mäßig gefüllt. Der
Bauch ist etwas ausgedehnt.
Im freien Raum der Bauchhöhle finden sich etwa 4 Liter einer gelblichen,
leicht getrübten Flüssigkeit. Das Bauchfell ist grau und etwas trübe, seine Ober¬
fläche glatt und mattglänzend. An der Lage des Darmes läßt sich keine Ab¬
weichung feststellen. Der Leerdarro ist mäßig zusammengezogen, sieht außen
stellenweise bläulich-rot aus, enthält Gase und etwas graubraune, trübe, schlei¬
mige Flüssigkeit. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarmes ist graurot, dick
und trübe. Im Leerdarm bildet dieselbe hauptsächlich Ring-, im Hüftdarm Längs¬
falten, die eine dunkelrote Farbe zeigen und auf ihren Gipfeln mit einer grauen,
etwas fetzigen Membran bedeckt sind. Im Blind- und Grimmdarm viel Gas und
dünnbreiige braungrüne Massen. Unter der Serosa des Blind- und Grimmdarmes
finden sich zahlreiche dunkelrote bis schwarzrote fleckenförmige Blutungen. Die
Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes ist dunkolbraunrot, dick und trübe.
Die Submukosa erscheint auf dem Durchschnitt sehr feucht, gelblich und gallert¬
artig. Die oberflächlichen Schichten der Schleimhaut sind in großer Ausdehnung,
hauptsächlich jedoch auf der Höhe der Bandstreifen und Falten, abgestorben und
bilden einen grauen, stellenweise fetzigen, hautartigen Belag, der sich schwer ab¬
heben läßt. Im Mastdarm befindet sich etwas Gas und sehr wenig grünlich¬
brauner, dünnbreiiger Kot. Die Schleimhaut des Mastdarmes ist grünlich-braun,
auf der Höhe der Falten gerötet. Der Magen enthält 10 Liter einer graubraunen
schleimigen Flüssigkeit, die mit breiigen Bestandteilen vermischt ist. Die Schleim¬
haut der Schlundhälfte ist rötlich-weiß und an der Oberfläche glatt. Der gefranste
Rand dieser Schleimhaut ist zwischen den Schenkeln der hufeisenförmigen Muskel¬
schleife mit zahlreichen weißlich-grauen, warzenartigen Hervorragungen besetzt,
die etwa die Größe einer Linse bis Erbse besitzen. Schleimhaut der rechten
Magenhälfte graurot, mit roten Flecken und Streifen durchsetzt, dick und trübe,
ln der Gegend der Fundusdrüsen erscheint die Schleimhaut an der Oberfläche ge¬
körnt, gegen den Pförtner hin fast glatt und trägt hier einen grauen, etwas trüben,
schleimigen Belag, der sioh schwer abspülen läßt. Die Schleimhaut des Zwölf¬
fingerdarmes ist besonders auf der Höhe der Falten gerötet, sonst graurot, etwas
dick und trübe. Die im Gekröse des Darmes liegenden Lymphknoten sind bis
bohnengroß, graurot, etwas weich und auf dem Durchschnitt feucht. Die Milz
mißt 51 cm in der Länge, 30 cm in der größten Breite und 4 cm in der mittleren
Dicke. Die Milzkapsel ist gespannt, dünn und durchscheinend. Oberfläohe der
Milz glatt. Auf dem Durchschnitt ist das Balkengewebe in der Milz nicht sichtbar.
Die Pulpa hat an Menge beträchtlich zugenommen, sieht dunkelrot aus, ist fast
flüssig und quillt in Form von dicklichen Tropfen über die Schnittfläche, letztere
erscheint feucht und spiegelnd glänzend. Das Gewicht der Leber beträgt 9 kg;
Leberränder abgerundet. Die Zwerchfellsfläche der Leber ist mit mehreren wei߬
lich-grauen Zotten besetzt; sonst erscheint die Oberfläche der Leber glatt und
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
449
mattglänzend. Farbe der Leber außen gelblich-graurot. Konsistenz brüchig. Das
Lebergewebe ist auf dem Durchschnitt mäßig blutreich, gelblich-graubraun und
trübe. Schnittfläche etwas fettig. Die Läppchenzeichnung ist undeutlich. Die
einzelnen Leberläppchen sind etwa reiskorngroß (und gelblich-graubraun, in der
Mitte rötlich-braun. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren ab¬
trennen. Linke Niere 21 cm lang, 18 om breit und 6 cm dick, rechte Niere 19 cm
lang, 20 cm breit und 5,5 cm dick. Die Nieren sehen außen rötlich-graubraun,
an der Oberfläche glatt und mattglänzend aus. Konsistenz brüchig. Auf dem
Durchschnitt ist die Rindenschicht bis 2 l / 2 cm breit, graubraun und trübe. Die
Knäuel sind in der Rinde stellenweise als rote Punkte erkennbar. Marksubstanz
gestreift und stark gerötet.
ln den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und
durchscheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei
in den Brustfellsäcken, befinden sich im Retraktionszustande und sehen blaßrot
aus. Ihre Oberfläche ist glatt und glänzend. Das Lungengewebe ist weich,
elastisch und knistert beim Durchschneiden. Schnittfläche ziemlich trocken und
glatt. Im Herzbeutel findet sich etwa 1 Eßlöffel voll einer klaren gelblichen
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und
glänzend. Das Herz hat an der Basis einen Umfang von 61 cm. Die rechte
Kammer ist 16y 2 , die linke 18 cm hoch. Seitenwand des linken Ventrikels 3,3 em,
die des rechten 2 cm dick. Die rechte Herzhälfte ist mit dunkelrotem flüssigen
Blut und mit weichen roten Gerinnselmassen ziemlich stark gefüllt, ln den linken
Herzhöhlen finden sich große dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel neben etwas
flüssigem Blute. Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeff-
nungen läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchschieben.
Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind zart. Herzmuskulatur auf
dem Durchschnitt graurot, trocken und trübe. Konsistenz brüchig. Unter der
Innenhaut des Herzens finden sich zahlreiche punkt- und fleckenförmige Blutungen.
Die Schleimhaut des Zungengrundes, des Schlundkopfes und der Kehldeckelgie߬
kannenbänder ist bläulich-rot und etwas dick. Schleimhaut des Kehlkopfes und
der Luftröhre blaß. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und fast
gleichmäßig zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind 2—3 mm dick.
Auf der Innenfläche des Gefäßes sieht man mehrere in der Längsrichtung ver¬
laufende strichförmige Narben; sonst ist die innere Fläche der Arterie glatt und
frei von Auflagerungen. Alle von der vorderen Gekrösarterie an den Darm gehen¬
den Gefäße sind wegsam und frei von Veränderungen.
Pathologisch- anatomische Diagnose: Blutig-diphtherische Entzün¬
dung der Magen- und Darmschleimhaut. Leichte seröse Bauchfellentzündung.
Trübe Schwellung der Körpermuskeln, des Herzens, der Leber und der Nieren.
Blutungen unter der Innenhaut des Herzens. Akute Milzschwellung. Erweiterung
und Narbenbildung in der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
6. Brauner Wallach, ca. 7 Jahre alt, Druckflecke in der Geschirrlage.
Gestorben und obduziert am 10. August 1904.
Der Kadaver ist gut genährt. Totenstarre noch nicht eingetreten. Das in
der Unterhaut und unter dem Bauchfell gelegene Fettgewebe ist reichlich ent¬
wickelt, sieht gelblich grauweiß aus und zeigt auf dem Durchschnitte einen lappi-
Archi? f. wissenscb. u. prakt. Tierlieilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 9<j
450
PILWAT,
gen Bau. Die Körpermuskeln sehen auf dem Durchschnitte graurot aus, sind
trübe und trocken.
Der Bauoh ist mäßig ausgedehnt. Im freien Raum der Bauchhöhle etwa
5 Liter einer graugelben, trüben, wässerigen Flüssigkeit. Das die Bauchwände,
hauptsächlich aber das den Darm überziehende Bauchfell, ist grau und trübe,
stellenweise durch gefüllte, fein verästelte Gefäßnetze gerötet, seine Oberfläche
mattglänzend. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Leerdarm zusammengezogen,
Blind- und Grimmdarm stärker gefüllt. Die vorliegenden Leerdarmschlingen sehen
außen grau, stellenweise rötlichgrau aus. Der Blinddarm und die unteren Lagen
des Grimmdarmes besitzen eine bläulichrote Farbe. Unter der Serosa dieser
Darmabteilungen liegen viele punkt-, flecken- und strichförmige Blutungen. Die
venösen Netze sind stark gelullt. Der Inhalt des Zwölffinger-, Leer- und Hüft-
darmes besteht aus einer goldgelben bis bräunlichroten, trüben, schleimigen
Flüssigkeit in geringer Menge. Die Schleimhaut dieser Darmabteilungen ist dick,
trübe, rötlichgrau und bildet viele Ring- und Längsfalten, die auf ihrer Höhe dnnkel-
rot und schwarzrot gefleckt erscheinen. Gegen den Hüftdarm hin sind die oberfläch¬
lichen Schichten derSohleimhaut auf denGipfeln der Falten gelblichgrau, trübe und
etwas fetzig. Blind- und Grimmdarm enthalten viel Gas und grünlichbraune,
dünnbreiige Massen in mittlerer Menge. Im Mastdarm etwas Gas und wenig dünn-
breiiger Kot. Die Schleimhaut des Blinddarms und die der unteren Lagen des Grimm¬
darms ist in ganzer Ausdehnung mit fetzigen, gelblichgrauen Massen bedeckt, die
der Schleimhaut fest anhaften. Unter diesen abgestorbenen Teilen ist die Schleim¬
haut dick, trübe, aufgelockert und stellenweise diffus gerötet. Die Schleimhaut
der oberen Grimmdarmlagen ist dick, etwas glasig, gleichmäßig dunkelrot und
mit zahlreichen hanfkorngroßen schwarzroten Flecken durchsetzt. Die Schleimhaut
des Mastdarmes erscheint nur auf der Höhe der Falten gerötet, sonst grau und
etwas trübe. Der Magen enthält viel Gas und graugrüne breiige Massen. Schleim¬
haut der Schiundhälfte weißlichgrau und an der Oberfläche glatt. In der Gegend
der Fundusdrüsen ist die Schleimhaut bis 7 mm dick, graurot, trübe und an der
Oberfläche hügelig. Die Hügel zeigen eine mehr graurote, die Vertiefungen
zwischen denselben eine mehr dunkelrote Farbe. Gegen den Pförtner hin wird
die Schleimhaut grau und ist von mehreren roten Streifen und Flecken durchsetzt;
ihre Oberfläche erscheint hier fast glatt. Die Milz mißt 48 cm in der Länge, 19 cm
in der größten Breite und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz
graublau und hügelig. Konsistenz weich, schlaff. Die einzelnen Erhebungen sind
halbhaselnuß- bis halbwallnußgroß, sehen außen dunkelblau aus und lassen aaf
dem Durchschnitte das Balkengerüst nicht erkennen. Die Pulpa ist hier sehr
reichlich, dunkelrot bis schwarzrot und zerfließlich. Die übrigen Abschnitte der
Milz sehen außen mohr graublau aus; auf dem Durchschnitte ist das Balken¬
gewebe in denselben noch sichtbar. Die Pulpa ist etwas reichlicher und von braun¬
roter Farbe. Das Gewicht der Leber beträgt 11 kg. Leberränder stark abgerundet.
Oberfläche der Leber an der Zwerchfellsseite mit einigen grauen Zotten besetzt,
sonst glatt. Farbe der Leber außen rötlich-graugelb, Konsistenz brüchig. Das
Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte mäßig blutreich und sieht gelbgrau aus.
Schnittfläche der Leber fettig glänzend. Die Läppchenzeichnung ist erkennbar.
Die einzelnen Leberläppchen sind bis linsengroß, in der Mitte goldgelb, am Rande
in breiter Zone grau. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren ab-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 451
trennen. Linke Niere 19,5 cm lang, 16 cm breit und 4,8 cm dick, rechte Niere
19 cm lang, 19,2 cm breit und 5 cm dick. Die Nieren sehen außen rötlichgrau,
glatt und mattglänzend aus. Konsistenz etwas brüchig. Auf dem Durchschnitt
ist die Rindenschicht bis 2,3 cm breit, grau, trocken und etwas trübe. Die Gefä߬
knäuel sind als große dunkelrote Punkte sichtbar. Marksubstanz gestreift und
stärker gerötet.
In den Brustfellsäoken findet sich kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist
grau, zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die
Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind klein, gut retrahiert, an der Ober¬
fläche glatt, glänzend und sehen rosarot aus. Das Lungengewebe ist weich,
elastisch und knistert beim Durchschneiden. Schnittfläche glatt und etwas feucht.
Aus den durchschnittenen Luftröhrenästen quillt etwas dichter, feinblasiger
Schaum. Der Herzbeutel enthält 30 ccm einer bernsteingelben, wasserklaren
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und
glänzend. Unter dem Epikard liegen namentlich in den Herzfurchen mehrere bis
pfennigstückgroße schwarzrote Blutungen. Der Umfang des Herzens beträgt an
-der Herzbasis 62 cm. Rechte Kammer 17 cm hoch; ihre Seitenwand gewölbt und
1,9 cm dick. Linke Kammer 19 cm hoch; ihre Seitenwand flach und 3,5 cm dick.
Die rechte Herzhälfte ist mit großen, weichen, dunkelroten bis schwarzroten Blut¬
gerinnseln und mit flüssigem Blute stark gefüllt. Die linken Herzhöhlen enthalten
kleinere speckhäutige Gerinnsel und etwas flüssiges Blut. Durch die zwischen den
Vor- und Herzkammern gelegenen OefTnungen läßt sich die länglich zusammen¬
gelegte Hand bequem hindurchschieben. Die Herzklappen und die Innenhaut des
Herzens sind zart. Unter der Innenhaut, besonders der linken Kammer finden
sich mehrere flächenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durch¬
schnitte graurot, fleckweise graugelb, trocken und trübe; ihre Konsistenz sehr
brüchig. Die Halsorgane zeigen außer mäßiger Füllung der venösen Gefäße in der
Schleimhaut der Rachenhöhle und des Kehlkopfes keine Veränderungen. Der
Stamm der IIüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und spindelförmig er¬
weitert. Die Gefäßwand ist etwa 3 mm dick, an der Innenfläche rauh und mit
einer mandelkerngroßen, rötlichgrauen, etwas brökligen Masse bedeckt, die der
Gefäßwand fest anhaftet. Unter der Auflagerung ist die Innenhaut fetzig und fehlt
stellenweise ganz. Die übrigen aus der vorderen Gekrösarterie hervorgehenden
Gefäße des Darmes sind wegsam und ohne Abweichungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Blutige und diphtherisch¬
brandige Entzündung der Magen- und Darmschleimhaut, hauptsächlich im Blind¬
darm und in den unteren Lagen des Grimmdarmes. Seröse Bauchfellentzündung.
Akute multiple Milzschwellung. Gelbsucht und Pettinßltration der Leber. Trübe
Schwellung der Nieren und der Körpermuskeln. Schwere trübe Schwellung und
beginnende Fettmetamorphose des Herzmuskels. Blutungen unter dem viszeralen
Blatte des Herzbeutels und der Innenhaut des Herzens. Geringgradiges Oedem
der Lungen. Erweiterung und wandständige Thrombose in der Hüft-Blind-Grimm-
-darmartcrie.
7. Falbstute, Stern, ca. 15 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 22. 5. 1904.
Der Kadaver befindet sich in gutem Nährzustande und ist noch nicht erkaltet.
29 *
452
PILWAT,
Totenstarre noch nicht eingetreten. Das Unterhautfettgewebe ist reichlich ent¬
wickelt, gelblioh grau und von lappigem Bau. Die Muskeln sehen auf dem Durch¬
schnitte grau-braunrot und etwas trübe aus. Der Bauch ist mäßig ausgedehnt.
Im freien Raum der Bauchhöhle finden sich etwa 10 Liter einer gelblichen, leicht
getrübten wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist grau, stellenweise fleckig und
ramiform gerötet, etwas trübe und an der Oberfläche mattglänzend. Der Darm
liegt regelmäßig; Leerdarm mäßig, Blind- und Grimmdarm stark ausgedehnt. Der
Leerdarm sieht außen graurot aus; seine in und unter der Serosa gelegenerv
Venennetze sind streckenweise stark gefüllt. Der Inhalt des Zwölffinger-, Leer-
und Hüftdarmes besteht aus einer rötlich-grauen trüben zähschleimigen Masse, die
sich schwer von der Oberfläche der Schleimhaut abspülen läßt. Die Schleimhaut
dieser Darmabteilungen ist in großer Ausdehnung diffus gerötet, etwas dick und
glasig. Blind- und Grimmdarm enthalten viel Gas und breiige braunrote Massen,
die mit Sand vermischt sind. Besonders reichlich und auffallend ist die Sand-
beimischung im Blinddärme und in der magenähnlichen Erweiterung des Grimm¬
darmes. Aus diesen Dannabteilungen lassen sich 8 Kilo Sand herausheben. Die*
Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes ist durchgehend stark diffus gerötet,
auf der Höhe der Falten mit Blutungen durchsetzt, dick und aufgelockert. Im.
Mastdarme etwas bräunlicher flüssiger, mit festen Bestandteilen vermischter Inhalt.
Die Schleimhaut des Mastdarms erscheint grünlich-graubraun und etwas trübe.
Der Magen enthält Gas und viel grünliche dünnbreiige bis festweiche Massen. Die
Schleimhaut der Fundusdrüsengegend ist bräunlich-grau, fleckweise gerötet und
an der Oberfläche glatt. Die Milz mißt 40 cm in der Länge, 22 cm in der größtem
Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz graublau und mit
zahlreichen flachen dunkelblauen Hervorwölbungen bedeckt. Konsistenz der Milz
schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den hügelartig über die
Oberfläche hervortretenden Teilen der Milz nicht sichtbar. Pulpa hier dunkelrot,
sehr reichlich und fast flüssig. In den übrigen Abschnitten der Milz ist das trabe¬
kuläre Gewebe auf dem Durchschnitte noch deutlich erkennbar, die Pulpa braun¬
rot und breiig. Die Leber wiegt 3y 2 kg. Der rechte Leberlappen ist gänzlich
geschwunden und stellt einen grauen hautartigen Anhang dar, der nur aus den
dicht aneinanderliegenden Blättern der Leberkapseln zu bestehen scheint. An der
Zwerchfellsfläche ist die Lebor mit zahlreichen grauweißen Zotten besetzt. Die
Leberkapsel ist etwa auf der Mitte des linken Leberlappens an einer halbhand¬
großen Stelle plattenartig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Die Konsistenz
der Leber ist etwas brüchig. Lebergewebe auf dem Durchschnitte mäßig blut¬
reich, gelblich-graubraun und trübe. Läppchenzeichnung undeutlich. Die Nieren¬
kapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Linke Niere 13 cm lang,
12 cm breit und 3,4 cm dick, rechte Niere 14 cm lang, 13 cm breit und 2 cm dick.
Oberfläche der Nieren graubraun und fein gekörnt. Die Nieren fühlen sich derk
an und schneiden sich schwer. Auf dem Durchschnitte liegen in der hellgrau-
braunen Rindenschicht zahlreiche unregelmäßig verlaufende weißlicheZüge. Mark¬
substanz radiär gestreift und etwas gerötet.
In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und
durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in
den Brustfellsäcken, sind klein, gut relrahiert, sehen hellrot aus und sind an der
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
453
Oberfläche glatt. Das Lungengewebe ist weich, elastisch und knistert beim Hin¬
überstreichen. Schnittfläche glatt und fast trocken. Der Herzbeutel enthält 20 ccm
einer bernsteingelben klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden
Herzbeateiblälter ist glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der
Herzbasis 60 cm. Rechte Kammer 17 cm, linke 19 cm hoch. Die Seitenwand des
rechten Ventrikels ist 2, die des linken 3,5 cm dick. Die rechte Vor- und Herz¬
kammer sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute stark gefüllt. In
den linken Herzhöhlen finden sich kleine dunkelrote und speckhäatige Gerinnsel.
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich
eine länglich zusammengelegte Hand beqaem hindurchschieben. Herzklappen zart.
Die Innenhaut besonders der linken Herzhälfte ist fleckweise verdickt, grauweiß
und undurchsichtig. Unter der Innenhaut des Herzens liegen viele punkt- und
fleckenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graurot,
trocken und trübe. Konsistenz brüchig. An den Halsorganen keine Veränderungen.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,6 cm lang und zylindrisch erweitert. Die
Gefäßwand besitzt eine mittlere Dicke von 2—3 mm, ist an der Innenfläche rauh,
und mit mehreren, etwas platten, fetzigen grauroten Gerinnselmassen bedeckt, die
■der Gefäßwand fest anhaften. Sonst sind die aus der vorderen Gekrösarterie her¬
vorgehenden Gefäße wegsam und frei von Veränderungen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Blutige Entzündung der
Magen-Darmschleimhaut infolge von Sandaufnahme. Akute seröse Bauchfell¬
entzündung. Trübe Schwellung der Körpermuskeln, des Herzens und der Leber.
Blutungen unter der Innenhaut des Herzens. Granularatrophie der Nieren. Akute
multiple Milzschwellung. Erweiterung und wandständigo Thrombose der Hüft-
Blind-Grimmdarmarterie.
8. Brauner Wallach, Stern, 5 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 18. 11. 1903.
Der Kadaver befindet sich in der Rückenlage und zeigt einen schlechten Nähr¬
zustand. Totenstarre noch nicht eingetreten, ln der Unterbaut und unter dem
Bauchfello liegt wenig gelbliches Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte eine
sch leimig-gallertartige Beschaffenheit zeigt. Die Körpermuskeln erscheinen auf
•dem Durchschnitte graubraunrot umd trübe. Der Bauch ist mäßig ausgedehnt. Im
dreien Raume der Bauchhöhle etwa 1 Liter einer gelblichen, fast klaren Flüssigkeit.
Das Bauchfell ist grau, zart und durchscheinend, seineOberfläcbe glatt und glänzend.
Der Darm ist regelmäßig gelagert. Leerdarm außen bläulich-grau gefärbt. Unter
dem serösen Ueberzuge dieses Darmes liegen zahlreiche dunkelrote Punkte und
Flecke. Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarm enthalten erhebliche Mengen einer grau-
roten trüben Flüssigkeit und zahlreiche mannsfaustgroße Wurmknäuel des Ascaris
megalocephala. Fast die ganze Schleimhaut der einzelnen Dünndarmabteilungen
ist stark gerötet, dick und in unregelmäßig verlaufende Falten gelegt. Der Blind-
und Grimmdarm enthalten außer Gas viel dünnbreiige Massen. Im Mastdarme
etwas dickbreiiger Kot. Die Schleimhaut des Blinddarmes und der unteren Lagen
des Grimmdarmes ist gleichmäßig intensiv gerötet, dick und aufgelookert. In den
oberen Lagen des Grimmdarmes und im Mastdarme zeigt sich die Schleimhaut nur
auf der Höhe der Falten gerötet und ist sonst grau und trübe. Der Magen ist mit
Gasen und dünnbreiigen grünlich-grauen Massen stark gefüllt; seine Drüsenschleim-
454
PILWAT,
haut erscheint graurot, dick und zeigt mehrere rote Flecke und Streifen. In der
Gegend der Fundusdrüsen ist die Schleimhaut an der Oberfläche gekörnt, gegen
den Pförtner hin mehr glatt. Die Milz mißt 57 cm in der Länge, 26 cm in der
größten Breite und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Die Milzoberfläche ist glatt und
graublau. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitt ist das Balkengewebe
in der Milz schwer erkennbar. Die Pulpa ist erheblich vermehrt, rotbraun und
besitzt eine breiig-weiche Konsistenz. Die Leber wiegt 5,2 kg, sieht außen gelblich-
braunrot, glatt, mattglänzend aus und besitzt scharfe Ränder. Konsistenz* der Leber
etwas brüchig. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte ziemlich blutreich,
gelblich-rotbraun und trübe. Zeichnung der Loberläppchen nicht deutlich. Die
einzelnen Läppchen sind in der Mitte gelblich-braunrot, am Rande in ganz schmaler
Zone gelblich-graubraun gefärbt und haben etwa die Größe eines Hirsekorns. Die
Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Linke Niere 19 cm
lang, 17 cm breit und 6 cm dick, rechte Niere 16 cm lang, 17 cm breit und 5,5 cm
dick. Die Oberfläche der Nieren ist glatt, ihre Farbe graubraunrot. Konsistenz der
Nieren etwas brüchig. Auf dem Durchschnitte ist die Rindenschicht 2—3 cm breit,
graurot und trübe. Die Markstrahlen treten als breite, graue, radiär verlaufende
Streifen deutlich hervor. Marksubstanz graurot und gestreift, an der Grenze der
Rinde dunkelrot.
In den ßrustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist blaßgrau, zart
und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei
in den Brustfellsäcken, sind etwas größer als im Retraktionszustande und sehen
hellrot aus. Das Lungenfell beider Lungen ist an mehreren, bis fünfmarkstück¬
großen Stellen plattenförmig und schwielig verdickt, grauweiß und undurchsichtig.
Das Gewebe beider Lungen ist weich, elastisch und knistert ganz schwach beim
Durchschneiden. Schnittfläche glatt und etwas feucht. Der Herzbeutel enthält
60 ccm einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden
Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der
Herzbasis 55 cm. Die rechte Kammer ist 13 ein, die linke 16 cm hoch. Seitenwand
des rechten Ventrikels 1,8, die des linken 3 cm dick. Die rechten Herzhöhlen ent¬
halten etwas flüssiges und geronnenes dunkelrotes Blut. Linke Herzhälfte fast
leer. Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen OefTnungen laßt
sich eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchschieben. Die Herz¬
klappen und die Innenhaut dos Herzens sind zart. Unter der Innenhaut der linken
Herzkammer liegen auf den Gipfeln der Papillarmuskeln und Herzbalken mehrere
fleckige und streifige Blutungen. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durch¬
schnitte graubraunrot, etwas trocken und trübe; Konsistenz etwas brüchig. Die
Schleimhaut des Zungengrundes und der Rachenhöhle ist bläulich-rot und etwas
dick. Kehlkopf- und Luftröhrenschleimhaut blaß. Die retropharyngealen und
submaxillaren Lymphdriisen sind unverändert. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie
ist 3,8 cm lang und zylindrisch erweitert; ihre Wände sind 2—3 mm dick, an der
Innenfläche rauh und mit mehreren platten, erbsen- bis bohnengroßen, rötlich¬
grauen Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand fest anhaften. In den Gerinnseln
finden sich fünf drehrunde Wurmlarven. Die Innenhaut ist unter den Auflago¬
rungen fetzig. An den übrigen Gefäßen des Darmes bestehen keine Abweichungen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Blutiger Katarrh der Magen-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 455
und Darmschleimhaut, bedingt durch den Parasitismus von Ascaris megalocephala.
Akute Schwellung der Uilz. Trübe Schwellung der Körpermuskeln, der Leber und
des Herzens. Blutungen unter der Innenhaut des Herzens. Katarrhalische Nieren¬
entzündung. Geringgradiges Oedem der Lungen. Schwielige Verdickungen des
Lungenfells. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm-
darmarter ie.
Die Ursache der Magen-Darmentzündungen konnte durch die
Obduktion mit Sicherheit nur in zwei Fällen (Befund No. 7 und 8)
ermittelt werden. Aus dem unter No. 7 mitgeteilten Obduktions¬
befunde geht hervor, daß die tödliche Magen-Darmentzündung durch
die Einwirkung von großen verschluckten Sandmassen auf die Schleim¬
haut des Verdauungskanals entstanden war. Im Falle No. 8 fanden
sich Spulwürmer (Ascaris megalocephala) in so großer Anzahl im
Dünndarm des Pferdes vor, daß sie in Form von Knäueln diesen
Darm stellenweise gänzlich verstopften. Wenn uns auch zurzeit noch
genaue Kenntnisse über die Wirkung dieses Parasiten fehlen, so wird
doch die Annahme zulässig sein, daß das massenhafte Auftreten des¬
selben im Darme des Pferdes eine Darmentzündung hervorrufen kann.
Unter 428 an der Kolik gestorbenen Pferden befand sich also nur
eins, das an den Folgen der Sandaufnahme und ebenfalls nur eins,
das infolge des Parasitismus von Spulwürmern zugrunde gegangen
war. Diese Tatsache erscheint beachtenswert, weil in der Literatur
über das Vorkommen der sog. Sand- und Wurmkolik weit höhere
Zahlen angegeben werden. Nach den Obduktionsergebnissen des
pathologischen Instituts muß jedoch angenommen werden, daß diese
beiden Kolikursachen eine tödliche Krankheit nur selten veranlassen
können.
In den übrigen Fällen ließ sich durch die Obduktion die Ursache
der primären tödlichen Magen-Darmentzündung nicht mit Sicherheit
aufklären. Stets war die Digestionsschleimhaut in den oberflächlichen
Schichten am stärksten betroffen und zwar litten am meisten die¬
jenigen Teile derselben, die über die Oberfläche hervorragen, das sind
die Gipfel der Schleimhautfaltcn, die Peyerschen Haufen, die Darm¬
zotten und die in Höhe der Bandstreifen gelegenen Schleirahaut-
partien besonders im Blind- und Grimmdarme. Der Reiz, der die
Entzündung der Schleimhaut hervorgerufen hat, muß daher auf deren
Oberfläche eingewirkt, oder über die Oberfläche derselben fortgegangen
sein. Dieser Reiz kann aber nur als am Inhalte des Magens und
Darmes haftend gedacht werden; seine Wirkung ist entweder eine rein
456 PILVVAT,
chemische oder eine infektiöse. Daß Mikroorganismen in die Schleim¬
haut eindringen und von hier in die regionären Lymphdrösen und dann
in die Blutbahn gelangen können, dafür sprechen die bei diesen
Magen-Darmentzündungen sehr häufig auftretende trübe Schwellung
oder parenchymatöse Entzündung der großen Körperorgane, Muskeln,
Herz, Leber, Nieren, und die zuweilen sehr bedeutende Schwellung
der Milz, die regelmäßig bei den typischen Infektionskrankheiten be¬
obachtet werden können. Ferner scheinen am Inhalte des Magens
und Darms nicht selten rasche Umsetzungen nach Art der Gärung
einzutreten. Bei diesen Vorgängen findet wahrscheinlich eine Bildung
von giftigen Stoffen statt, deren Resorption sehr schnell erfolgt und
zu einer Vergiftung führt. An der Magen- und Darmschleimhaut
finden sich stellenweise die Merkmale des Katarrhs, Rötung, Schwellung
und leichte Auflockerung, während die großen Körperorgane gar keine
Veränderungen oder nur eine geringfügige Trübung erkennen lassen,
ln anderen Fällen bilden sich durch die Umsetzungen des Magen-
Darminhaltes sehr schnell große Mengen von Gas, die den Magen
und Darm stark ausdehnen, die Tätigkeit des Zwerchfells bei dem
Akte der Einatmung behindern und dadurch eine Erstickung herbei¬
führen. Bei der Obduktion solcher Pferde konnten stets die
anatomischen Zeichen des Erstickungstodes: starke Füllung der rechten
Herzhöhlen und der venösen Gefäße, Blutungen unter dem Brustfelle,
Herzbeutel und unter der Innenhaut des Herzens, Lungenödem und
oft kahnförmige Stellung des Kehldeckels, nachgewiesen werden (No. 3).
Die ausgedehnten Darmteile üben gleichzeitig auch auf den Stamm
oder doch wenigstens auf einzelne Aeste der Pfortader einen Druck
aus und veranlassen dadurch Blutungen unter dem serösen Ueberzugc
des Darms oder im Gekröse desselben.
Anatomisch lassen sich die primären Magen-Darmentzündungen
in folgende Unterabteilungen zerlegen:
1. Die einfache katarrhalische Entzündung der Magen-
Darm schleim haut.
Bei dieser Form ist die Schleimhaut in großer Ausdehnung oder
stellenweise Sitz eines geringgradigen Entzündungsprozesses. Vor¬
nehmlich leiden die oberflächlichen Schichten der Schleimhaut; letztere
ist gerötet, etwas dicker wie gewöhnlich und trübe. In der Be¬
zeichnung Katarrh liegt der Begriff des Fließens. Die entzündete
Schleimhaut liefert ein Absonderungsprodukt, das über die Schleim-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 457
hautoberfläche fließt. Da sich aber das Abgesonderte, zumal wenn
es in flüssiger Form auftritt, rasch mit dem Inhalte des Magens und
Darmes mischt, ist cs sehr schwierig, über die Menge und Art der
flüssigen Absonderungsprodukte ein Urteil auszusprechen. Wie bei
den serösen Katarrhen der übrigen Schleimhäute findet auch im Darm
eine Abstoßung der Darmepithelien und Bildung von Erosionen statt.
Es ist jedoch zu beachten, daß die Magen-Darmschleimhaut, mit Aus¬
nahme der linken Magenhälfte ein einschichtiges Zylinderepithel trägt,
<las mit bloßem, unbewaffneten Auge nicht wahrgenommen werden
kann. Ebensowenig läßt sich auch der Verlust dieses Epithels mit
bloßem Auge erkennen. Daher muß den in der Literatur oft wieder¬
holten Behauptungen mit Entschiedenheit widersprochen werden, daß
Schleirahauterosionen bei der Obduktion von Pferden, die an Magen-
Darmkatarrh gelitten haben, zu dem gewöhnlichsten Befunde gehören.
Regelmäßig handelt es sich in solchen Fällen nicht nur um einfache
Epitheldefekte, sondern gleichzeitig um tiefere Verluste der oberfläch¬
lichen Schleimhautschichten, die in der wissenschaftlichen Medizin
nicht als Erosionen, sondern als Ulzerationen bezeichnet werden.
Auch feste Absonderungsprodukte werden bei dem Katarrh der
Magen-Darmschleimhaut von derselben geliefert. Zwischen den Epi-
thelien, besonders an den Mündungen der Drüsenausführungsgänge,
liegen beim Pferde zahlreiche Becherzellen, die Schleim produzieren.
Diese Zellen werden häufig durch Reize, welche über die Oberfläche
der Schleimhaut hinziehen, getroffen; sie vermehren sich, bilden mehr
Schleim und werden zum Teil desquamiert. Der produzierte Schleim
steht mit den Becherzellen in innigem Zusammenhänge, daher bildet
er auf der Oberfläche der Schleimhaut einen festhaftenden, schwer
abspülbaren, weißlichen, durchscheinenden Belag, der keine fremden
Beimischungen, insbesondere keine Luftblasen enthält. Diese Auf¬
lagerung besteht aus proliferierten Epithelien und Schleim. Unter
dem Belage zeigt sich die Schleimhaut meist gerötet und etwas ver¬
dickt, weil die Blutgefäße gleichfalls durch den Reiz getroffen werden.
Ziemlich häufig findet sich der schleimig-epitheliale Katarrh an der
Schleimhaut der rechten Magenhälfte, besonders in der Gegend der
Pylorusdrüsen und an der ganzen Dünndarmschleimhaut (Nr. 7).
Die fibrinöse Absonderung, die z. B. an der Darmschleimhaut
des Rindes oft auftritt, ist bei der Obduktion von Pferden im patho¬
logischen Institute nicht beobachtet worden.
458 P1LWAT,
*2. Die blutige Entzündung der Magen-Darmschleimhaut.
Diese Form der Entzündung wird durch stärker auf die Magen-
Darmschleimhaut einwirkende Reize erzeugt. Die Schleimhaut er¬
scheint hierbei stark gerötet, dick, trübe und ist hauptsächlich in den
über die Oberfläche hervorragenden Teilen von schwarzroten Punkten
und Flecken durchsetzt. An diesen Stellen ist die Blutung ein¬
getreten. In der Schleimhaut des Magens wandeln sich die blutigen
Herde ziemlich schnell in Geschwüre um, weil die mit Blut durch¬
tränkte Schleimhaut sich gegen die Einwirkung des Magensaftes nicht
mehr genügend schützen kann und verdaut wird. Die auf diese
Weise entstandenen Schleimhautdefektc, die gewöhnlich einen schwarz¬
braunen kaffeesatzähnlichen Grund besitzen, sind fälschlich als „hämor¬
rhagische Erosionen“ bezeichnet worden, obwohl hierbei nicht nur das
Epithel, sondern gleichzeitig ein Teil des Schleimhautkörpers verloren
gegangen ist. Besser wäre die Benennung „hämorrhagische Ulzera-
tionen“. Sind die Darmzotten Sitz der Blutung gewesen, so erscheint
die Schleimhaut des geöffneten und abgespülten Dünndarms meist
schwarzgrau, wie eine Aalhaut. Bei genauer Betrachtung der Schleim¬
hautoberfläche läßt sich nachweisen, daß diese Färbung durch zahl¬
reiche dicht nebeneinander liegende schwarzbraune Punkte zustande
gekommen ist, die den Spitzen der Darmzotten entsprechen. Aus
dem Blutfarbstoffe hat sich hier durch Einwirkung des aus dem Darm¬
inhalte entstandenen Schwefelwasserstoffs ein Pigment gebildet, das
seiner chemischen Zusammensetzung nach hauptsächlich aus Schwefel¬
eisen besteht und in Alkohol löslich ist (Nr. 3, 4, 7 und 8).
3. Die diphtherische Entzündung der Magen-
Darm sch leim haut.
Nach der seit einer Reihe von Jahren in der pathologischen
Anatomie üblich gewordenen Nomenklatur bezeichnet man als Diph¬
therie das rasche Absterben der oberflächlichen Schichten einer Schleim¬
haut. Die abgestorbenen Schleimhautteile bilden eine zusammen¬
hängende oder etwas fetzige Haut (jy diylHoa), die als Belag erscheint,
in Wahrheit aber einen Teil der Schleimhaut selbst darstellt, welcher
der Nekrose anheirogefallen ist. Die abgestorbenen Teile sind trübe,
durch Koagulation des Zelleiweißes trocken und nehmen durch die
ziemlich rasch eintretende Entfärbung einen weißlich-grauen oder
gelblich-grauen Farbenton an. Nach Entfernung der abgestorbenen
Schleimhautschichten erscheint der restierende Schleimhautkörper dick,
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 459
dunkelrot, zuweilen infolge starker Infiltration mehr graurot; seine
Oberfläche ist rauh. In den dieser Bearbeitung zu Grunde liegenden
Fällen ist die primäre Diphtherie im Verdauungsapparate des Pferdes
mehrmals an der Schleimhaut des Leer-, Hüft-, Blind- und Grimm¬
darms beobachtet worden. Eine nekrotisierende Entzündung kann nur
durch schwere Reize hervorgerufen werden, die auch in diesen Fällen
am Inhalte des Darms gehaftet und auf die Oberfläche der Schleim¬
haut in intensivster Weise eingewirkt haben müssen. Denn diejenigen
Teile der Schleimhaut, welche am meisten über die Oberfläche hervor¬
ragen, die Gipfel der Darmfalten, die Schleimhaut in Höhe der Tänien,
die Peyersehen Haufen, waren stets am stärksten betroffen. Ge¬
wöhnlich setzt sich der Entzündungsprozeß durch die Darmwand auf
das viszerale Blatt des Bauchfells fort; es entsteht eine sekundäre
Peritonitis (Nr. 5).
4. Die brandige Entzündung der Magen-Darmschleimhaut
wurde nur bei einem an der Kolik gestorbenen Pferde als primäre
Krankheit beobachtet (Bericht Nr. 6). Das Absterben der Schleimhaut
vollzieht sich ähnlich wie bei der Diphtherie, reicht aber hier mehr
in die Tiefe bis in die Submukosa hinein. Die Schleimhaut ist dick,
trübe und schmutzig graubraun. Die abgestorbenen Teile derselben
sitzen noch zum Teil an der Grundlage fest und bilden dadurch
gelblich-graue Fetzen, die durch einen auffallenden Wasserstrahl hin
und her bewegt werden können. Diese Form der Magen-Darm¬
entzündung muß als die schwerste bezeichnet werden. Auch in diesem
Falle hatte sich der Entzündungsprozeß durch die Darmwand hindurch
auf das Bauchfell fortgesetzt und eine allgemeine akute Bauchfell¬
entzündung hervorgerufen.
H. Verstopfung des Darms.
1. Einfache Verstopfung des Darms, Fäkalstase.
Als einfache Verstopfung ist im Gegensätze zu den Verstopfungen
durch Kotsteine und zu denjenigen infolge von Verengerungen des
Darmrohrs nur die Fäkalstase bezeichnet worden, die ohne erhebliche
Veränderung des Darminhaltes und der Darmwände auftritt. Beim
Pferde bilden die einfachen Verstopfungen des Darrarohrs die häufigste
Ursache der Kolik. Die meisten tödlichen Kolikfälle beginnen, wie
die Untersuchungen ira pathologischen Institute ergeben haben, mit
einer Verstopfung des Darms. Diese Verstopfung kann ohne Kom-
■460
PILWAT,
.plikationen bleiben und für sich allein tödlich werden, ödes es bildet
sich im Anschlüsse an die Verstopfung eine Verlagerung des Darms
aus. Nicht selten zerreißt auch der Magen oder der Darm vor oder
im Bereiche der verlegten Stelle.
Die einfache Verstopfung des Darms wurde im pathologischen
Institute unter 428 an der Kolik gestorbenen Pferden in 76 Fällen
als Todesursache ermittelt. Mithin starben 17,76 pCt. dieser Pferde
an einfachen Verstopfungen des Darmrohrs. Auf die einzelnen Darm¬
abschnitte verteilen sich die Verstopfungen wie folgt:
1. Zwölffingerdarm 2 Fälle = 0,47 pCt. aller tödlichen Koliken =
2,63 pCt. aller einfachen Verstopfungen. 2. Leerdarm 3 Fälle =
0,70 pCt. aller tödlichen Koliken = 3,95 pCt. aller einfachen Ver¬
stopfungen. 3. Hüftdarm 3 Fälle = 0,70 pCt. aller tödlichen Koliken
= 3,95 pCt. aller einfachen Verstopfungen. 4. Blinddarm 12 Fälle =
2,80 pCt. aller tödlichen Koliken = 15,79 pCt. der einfachen Ver¬
stopfungen. 5. Grimradarm 53 Fälle = 12,38 pCt. aller tödlichen
Koliken = 69,74 pCt. der einfachen Verstopfungen. 6. Mastdarm
0 Fälle = 0,70 pCt. aller tödlichen Koliken = 3,95 pCt. der einfachen
Verstopfungen. Eine primäre Verstopfung des Magens ist bei den
Obduktionen im pathologischen Institute nicht beobachtet worden.
Folgende Obduktionsbefunde dienen zur Erläuterung der einzelnen Ver¬
stopfungen :
9. Hellbraune Stute, ca. 10 Jahre alt, 160 cm groß.
Gestorben und obduziert am 5. November 1904.
Der Kadaver ist schlecht genährt, ln der Unterhaut, in der Umgebung der
Gelenke und unter demßauchfello liegt wenig intensiv gelbrot gefärbtes Fettgewebe,
•das auf dem Durschschnitte eine schleimige Beschaffenheit zeigt. Die Gefäße der
Unterhaut sind auffallend blutleer, nur im Bereiche des Kopfes, Halses und Rückens
stärker gefüllt. Die Körpermuskeln befinden sich in der Totenstarre und sehen
außen und auf dem Durchschnitte tief rotbraun und etwas trübe aus. Der Bauch
ist stark aufgetrieben.
Im freien Raume der Bauchhöhle etwa 200 ccm einer rötlichgelben fast
klaren wässerigen Flüssigkeit. Die hervorquellenden Dünn* und Dickdarmteile
sind durch Gase stark ausgedehnt und sehen blaß aus, nur die größeren Venen
treten als gefüllte Gefäßstränge deutlich hervor. Das Bauchfell ist zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Der Leerdarm bedeckt mit einem
Teile seiner Schlingen die linken Grimmdarmlagen von unten her und ist in seinem
hinteren Teile stärker erweitert als im vorderen. Die großen Gokrösvenen sind ge¬
füllt. Sonst bestehen an der Lage des Darms keine Abweichungen. Der Leerdarm
enthält außer Gas eine trübe, rotbraune, wässerige Flüssigkeit, deren Menge gegen
den Hüftdarm hin allmählich zunimmt. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarms
ist fleckweise, besonders auf der Höhe der Falten gerötet, etwas diok, aufgelockert
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
461-
und trübe. Die Peyerschen Haufen bilden deutlich hervortretende beetartige Er¬
habenheiten, deren Follikel zum größten Teile ausgefallen sind. Dadurch er-,
scheint die Schleimhaut auf der Höhe der Peyerschen Haufen siebartig durch¬
löchert. Der Umfang der Hüftblinddarmöffnung beträgt 11 cm. In der Nähe der.
Gekrösanheftungsstellen finden sich in und unter der Serosa des Blind- und
Grimmdarms zahlreiche bis bohnengroße blutige Flecke. Blind- und Grimmdarm
enthalten viel Gas und dünnbreiige, gegen den Mastdarm bin mehr dickbreiige.
Massen in erheblicher Menge. Im Mastdarme etwas geformter Inhalt. Die Schleim¬
haut des Blind-, Grimm- und Mastdarms ist grünlichgrau und etwas trübe. Das.
zwischen den Gekröswurzeln dicht unter der Wirbelsäule liegende Stück des.
Zwölffingerdarms sieht außen dunkelrot aus und erscheint wurstförmig angefüllt.
In diesem Teile des Zwölffingerdarms findet sich ein 20 cm langer Kotpfropf, der
aus zerkleinertem Rauhfutter und Maisschrot hesteht. Vor dem beschriebenen Kot¬
pfropfe ist der Zwölffingerdarm mit Gasen und dünnbreiigen bis flüssigen Massen,
gefüllt. Die Schleimhaut des Zwölffingerdarms ist im Bereiche der festen An¬
schoppung stark gerötet und schwarzrot gefleckt, sonst mehr graurot, etwas dick v
und trübe. Der Magen ist sehr groß, soine Wände sind dünn und stark ausge¬
dehnt. Der Inhalt des Magens besteht aus Gasen und 12 Litor dünnbreiigen,
graugrünen, sauren Massen. Die Schleimhaut der linken Magenhälfte sieht rötlich-,
grauweiß aus und ist an der Oberfläche fast glatt. Die mit Drüsen ausgestattete
Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist trübe, dick, gallertartig, wie zerflossen,
in der Gegend der Fundusdrüsen rotbraun, sonst mehr graurot gefärbt. Die Ober¬
fläche dieser Schleimhaut ist glatt und besitzt einen starken Glanz. Die Milz mißt:
48 cm in der Länge, 18 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke.
Die Oberfläche der Milz ist fast glatt und grau; Konsistenz schlaff. Etwa auf der*
Mitte der lateralen Fläche ist die Milzkapsel in der Größe eines Dreimarkstückes
schwielig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Am vorderen Rande der Milz
in der Nähe ihres unteren Endes findet sich eine bohnengroße, die ganze Dicke
der Milz durchsetzende Narbe. Auf dem Durchschnitte erscheint die Milz rotbraun,
und trocken; Schnittfläche glatt. Das Balkengewebe ist deutlich sichtbar. Die.
Leber wiegt 4500 g, sieht rötlich braun aus, besitzt scharfe Ränder und fühlt sich
derb an. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte fast blutleer. Die Zeichnung
der Leberläppchen läßt sich bequem erkennen. Die einzelnen Läppchen sind etwa
hirsekorngroß, sehen rotbraun aus und besitzen am Rande einen schmalen grau-,
braunen Saum. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abziehen.
Linke Niere 18 cm lang, 14 cm breit und 4,8 cm dick. Rechte Niere 18 cm lang,
17 cm breit und 5 cm dick. Die Nieren sehen außen rotbraun, glatt und matt-,
glänzend aus. Konsistenz ziemlich derb. Die Rindenschicht ist 1,5—2 cm breit,
trübe und von einzelnen grauweißen, radiär verlaufenden Streifen durchzogen.
Marksubstanz gestreift und grau, an der Grenze der Rinde dunkelrot. Beim.
Streichen mit dem Messerrücken von der Rinde gegen die Papille hin entleert sich
aus den großen Sammelröhren etwas gelblich-grauweiße trübe, rahmartige Flüssig¬
keit, die sich auch im Nierenbecken vorfindet.
Die Pleurasäcke sind leer. Beide Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken,
sind stark retrahiert, klein und in allen Teilen lufthaltig. Der seröse Ueberzug
der Lungen ist an mehreren Stellen bis zur Größe eines Markstücks schwielig ver¬
dickt, grauweiß und undurchsichtig. An den scharfen unteren Rändern der Lungen,
462
P1LWAT,
sitzen zahlreiche grauweiße derbe Fäden. Unter dem Lungen- und Rippenfelle
liegen mehrere bis bohnengroße, schwarzrote Flecke. Das Lungengewebe ist auf
dem Durchschnitte etwas stärker gerötet, seine Schnittfläche glatt und feucht. Der
Herzbeutel enthält 70 ccm einer gelbroten, fast klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche
der sich berührenden Herzbeutclblätter ist glatt und spiegelnd, glänzend. Unter
dem inneren Blatte des Herzbeutels finden sich besonders in den Herzfurchen
zahlreiche Blutungen. Das rechte Herz ist mit flüssigem und geronnenen dunkel¬
roten Blute ziemlich stark gefüllt. Linkes Herz fast leer. Der Umfang des Herzens
beträgt an der Basis 59 cm, die Höhe des rechten Ventrikels 18 cm, die des linken
19 cm. Die Seitenwand der rechten Kammer ist 1,8, die der linken 3,2 cm dick.
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen OefTnungen läßt sich
eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herzklappen
sind zart und zeigen keine Abweichungen. Die Innenhaut, hauptsächlich der
linken Herzhöhlen, ist stellenweise dick, grauweiß und undurchsichtig. Unter der
Innenhaut liegen mehrere flächenförmige Blutungen. Herzrauskulatur auf dem
Durchschnitte graurot, trocken und trübe, Konsistenz brüchig. Die Schleimhaut
der Luftröhre und des Kehlkopfes zeigt nur vereinzelte gefüllte Venenstämme und
ist sonst blaß. In der Gegend des Zungengrundes, der Kehldeckelgießkannen¬
bänder und an der vorderen Fläche des Kehldeckels sieht die Schleimhaut blaurot
aus und ist etwas dick. An den Muskeln des Kehlkopfes und an den Lymphdrüsen
der Halsorgane finden sich keine Abweichungen.
Die IIüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,9 cm lang und fast gleichmäßig
zylindrisch erweitert. Die Wände des Gefäßes sind bis 2 mm dick, an der Innen¬
fläche rauh und mit grauroten, etwas bröckligen Gerinnseln bedeckt, die der Ge¬
fäßwand fest anhaften. Unter den Auflagerungen ist die Innenhaut der Arterie
fetzig und fehlt stellenweise ganz. Die von dieser Arterie zum Darm gehenden
Gefäße zeigen keine Veränderungen und sind w T egsam.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung
des Zwölffingerdarms. Leichte katarrhalische Entzündung des Leer- und Hüft-
darms. Starke Ausdehnung des Magens und postmortale saure Erweichung der
Magenschleimhaut. Geringgradige Schwellung der Milz. Geringgradige katar¬
rhalische Entzündung der Nieren. Braune Atrophie der Leber und der Korper-
muskeln. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Blutungen unter dem inneren
Blatte des Herzbeutels, unter der Innenhaut des Herzens und unter den Blättern
des Brustfells. Geringgradiges Stauungsödem im Bereiche der Kehldeckel-Gie߬
kannenbänder. Erweiterung und wandständige Thrombose in derHüft-Blind-Grimm-
darmarterie.
10. Brauner Wallach, kleiner Stern, beide Hinterkronen und Fesseln gefleckt
w eiß, 7—8 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 21. 11. 1905.
Der Kadaver ist gut genährt. In der Unterhaut in der Umgebung des
Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt dickes gelblich-weißes
Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau erkennen läßt. Die
Körpermuskeln zeigen Totenstarre, sehen rot und auf dem Durchschnitte etwas
trübe aus. Gefäße der Unterhaut stark gefüllt. Der Bauch ist aufgetrieben.
Im freien Raume der Bauchhöhle etwa ein Liter einer rötlichen wässerigen
Flüssigkeit. Das den Darm und die Bauchwände überziehende Bauchfell ist zart
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
463
und durchscheinend, seine Oberfläche glatt uad glänzend. Der Blinddarm und die
rechten Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten Seite der Bauchhöhle. Die
Beckenkrümmung und die linken Lagen des Grimmdarmes liegen vorn dicht hinter
dem Zwerchfelle. Die stark ausgedehnten Leerdarmschlingen haben links und hinten
ihre Lage. Die vorliegenden Darmteile sehen blaßgrau aus, nur im vorderen Ab¬
schnitte des Leerdarmes finden sich in und unter der Serosa zahlreiche flecken-
und strichförmige Blutungen. Der Inhalt des Leerdarmes besteht aus Gasen und
einer grauen, trüben, mehlsuppenartigen Flüssigkeit, die gegen den Hüftdarm hin
an Menge zunimmt. Im vorderen Abschnitte des Leerdarmes sieht die Schleimhaut
schwatz-grau aus. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, daß diese Färbung durch
zahlreiche dicht nebeneinander liegende schwarze Punkte bedingt ist, die den
Zottenspitzen entsprechen. In den übrigen Teilen des Leerdarmes und im Hüft-
darme sind die Zotten der Schleimhaut in eine weißliche, trübe, schmierige Masse
umgewandelt, die sich abstreichen läßt. Die Schleimhaut ist hier sehr trübe. Blind-,
Grimm- und Mastdarm enthalten Gase und wenig breiige bis festweiche Massen.
Die Schleimhaut dieser Darmabteilungen ist grünlich-grau bis bräunlich-grau und
etwas trübe, an der Oberfläche glatt. Der Magen und Zwölffingerdarm sind sehr
groß; sie enthalten 30 Liter braune dünnbreiige bis flüssige Massen und Gas. Der
zwischen den GekrösWurzeln gelegene Teil des Zwölffingerdarms ist durch einen
länglichen Kotpfropf, der aus gekautem Häcksel und Heu besteht, verlegt. Die
Schleimhaut dieses Abschnittes ist fleckweise gerötet und etwas verdickt. Unter
der Serosa des Zwölffingerdarmes finden sich zahlreiche Blutungen. Der Umfang
des Zwölffingerdarmes vor der verlegten Stelle beträgt 29 cm, die Dicke seiner
Muskolhaut 2,5 mm. Die Muskelschicht der Magenwände ist 3—5 mm dick. Die
Schleimhaut der Fundusdrüsengegend erscheint bräunlich-grau, flach gekörnt und
-etwas trübe; gegen den Pförtner hin wird die Schleimhaut mehr blaßgrau, ihre
Oberfläche fast glatt. Die gesamte mit Drüsen besetzte Schleimhaut der rechten
Magenhälfte ist erheblich dicker wie gewöhnlich. Messungen ergaben eine Dicke
von 1—3 mm. An der Schleimhaut der linken Magenhälfte lassen sich keine Ab¬
weichungen nachweisen. Die Milz mißt 49 cm in der Länge, 25 cm in der größten
Breite und 4 cm in der mittleren Dicke. Die Milz sieht außen graublau aus und
besitzt eine hügelige Oberfläche, Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist nur
<lie dunkelrotbraune Pulpe sichtbar. Die Schnittfläche erscheint spiegelnd glänzend.
Das Gewicht der Leber beträgt 6300 g. Die Leberränder sind abgerundet. Außen
sieht die Leber gelblich-graubraun, an der Oberfläche glatt aus; nur auf der
Zwerchfellsfläche des rechten Leberlappens sitzen einzelne grauweiße bindegewebige
Zotten. Konsistenz der Leber etwas weich. Ueber die Durchschnittsfläche fließt
aus den Lebergefäßen eine blasige dunkelrote Flüssigkeit. Das Lebergewebe ist
trübe, verwaschen gelbrot und läßt die Zeichnung der Läppchen nur undeutlich
erkennen. Die einzelnen Läppchen sehen in der Mitte graurot, am Rande mehr
grau aus. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide
Nieren sind außen graubraun, an der Oberfläche glatt und mattglänzend. Rechte
Niere 19,5 cm lang, 19 cm breit und 5,3 cm dick. Linke Niere 20 cm lang, 16 cm
breit und 6 cm dick. Konsistenz der Nieren etwas brüchig. Auf dem Durchschnitte
sind beide Nieren blutreioh. Die Rindenschicht ist 1,5—2 cm breit, trübe, graurot
und von zahlreichen grauweißen radiär verlaufenden Stroifen durchzogen. Mark-
substanz dunkelgraurot und gestreift. Beim Streichen mit dem Messerrücken von
464 PILWAT,
der Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den großen Sammelröhren ein*
trübe gelblich-graue rahmartige Flüssigkeit.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das die Brustwände und die Lungen über¬
ziehende Brustfell ist blaß graurot, zart und durchscheinend. Unter dieser serösen
Haut finden sich zahlreiche fleckenförmige Blutungen. Die Lungen liegen frei in
den Brustfellsäcken, sind klein, sehen in den unteren Teilen blaßrot, in den oberen
mehr dunkelrot aus, fühlen sich weich, elastisch an und knistern schwach beim
Hinüberstreichen. Die Durchschnittsfläche der Lungen ist glatt und etwas feucht.
Im Herzbeutel 30 ccm einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich
berührenden Herzbeutelblätter ist glatt’und glänzend. Unter dem inneron Blatte
des Herzbeutels liegen besonders in den Herzfurchen größere fleckenförmige Blu¬
tungen. Der Umfang des Herzens beträgt an der Basis 62 cm. Rechte Herzkammer
17 cm hoch und stark gewölbt. Die Seitenwand dieser Kammer ist 2 cm dick. Der
linke Ventrikel ist mehr abgeflacht und 19 cm hoch, die Dicke seiner Seitenwand
beträgt 3,4 cm. Die rechten Herzhöhlen sind mit dunkelrotem flüssigen und ge¬
ronnenen Blute prall gefüllt. In der linken Vor- und Herzkammer finden sich
kleine speckhäutige und dunkelrote Gerinnsel neben etwas flüssigem Blute. Durch
die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine läng¬
lich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herzklappen und difr
Innenhaut des Herzens sind zart. Unter der Innenhaut, hauptsächlich des linken
Ventrikels, liegen auf den Gipfeln der Papillarmuskeln große flächenförmige Blu¬
tungen. Die Herzmuskulatur sieht auf dem Durchschnitte graurot, trocken und
trübe aus; Konsistenz brüchig. Die Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfes
ist durch gefüllte Venennetze gerötet. In der Schleimhaut der vorderen Kehldeckel-
fläche finden sich mehrere punkt- und fleckenförmige Blutungen. Der Kehldeckel
zeigt eine etwas kahnförmige Gestalt. Die Schleimhaut des Zungengrundes und
der Kehldeckelgießkannenbänder ist bläulich-rot und etwas dick. An den Muskeln
des Kehlkopfes, an den Lyraphdrüsenpaketen in der Nachbarschaft des Schlund¬
kopfes und im Kehlgange finden sich keine Abweichungen. Die Hüft- Blind-
Grimmdarmarterie ist 4 cm lang, zylindrisch erweitert und an der vorderen Seite
sackförmig ausgebuchtet. Die Wände der Arterie sind bis 3 mm dick, ihre Innen¬
flächen rauh und mit kleinen grauen Gerinnseln bedeckt, die den Gefäßwänden
ziemlich fest anhaften. Die sackförmige Ausbuchtung der Arterie ist mit einem
grauroten ziemlich trocknen Gerinnsel vollkommen angefüllt. Die Gefäßinnenhaut
ist fetzig. Die aus dieser Arterie abgehenden Gefäße zeigen keine Veränderungen
und sind frei von Pfropfen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung des Zwölffinger¬
darmes. Erweiterung und Hypertrophie des Magens und Zwölffingerdarmes. Ent¬
zündung des Zwölffingerdarmes und des vorderen Leerdarmabschnittes. Mazera¬
tionserweichung der Leer- und Hüftdarmschleimhaut. Fäulnis der Leber. Akute
Milzschwellung. Katarrhalische Entzündung der Nieren. Trübe Schwellung des
Herzmuskels. Blutungen unter der inneren Brusthaut, unter dem inneren Blatt
des Herzbeutels und unter der Innenhaut des Herzens. Stauungsödem in der
Nachbarschaft der Glottis. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-
Bli nd-Griramdarmarterie.
11. Schimmelstute, ca. 10 .Jahre alt.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
4(55
Gestorben am 7. 3., obduziert am 8. 3. 1906.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande, ln der Unterhaut,
über dem Euter, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfell liegt
etwas gelblich-graues Fettgewebe, das auf dem Durchschnitt einen lappigen Bau
erkennen läßt. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitt schwach
graurot, etwas trocken und trübe. Die Gefäße der Unterhaut sind stark gefüllt.
Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raum der Bauchhöhle finden sich
2 Liter einer rötlichen wässerigen Flüssigkeit. Der Blinddarm und die rechten
Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten, die linken Grimmdarmlagen auf
der linken Seite der Bauchhöhle und sind zum Teil von prall gefüllten Leerdarm¬
schlingen bedeckt. Der Leerdarm nimmt den größten Raum in der Bauchhöhle
ein. Außen zeigt dieser Darm zahlreiche dunkelrote Flecke und Striche. Die
übrigen Darmteile sehen grau aus. Das Bauchfell ist zart und durchscheinend,
seine Oberfläche glatt und glänzend. Bei der Herausnahme und Eröffnung des
Leerdarmes zeigt sich, daß derselbe in seinem hinteren Abschnitt, etwa 4 m vor
der Einpflanzung des Hüftdarmes in den Blinddarm, durch einen 30 cm langen
graugrünen, ziemlich festen Kotpfropf vollkommen verlegt ist. Der vor dem Kot¬
pfropf gelegene Teil des Leerdarmes und der Zwölffingerdarm sind sehr lang und
weit, mit flüssigen und dünnbreiigen Massen prall gefüllt. Der hintere Teil des
Leerdarmes und der Hüftdarm sind leer, im Bereiche der Anschoppung ist die
Schleimhaut des Leerdarmes stark gerötet und mit Blutungen durchsetzt. Unter
der Serosa dieses Darmstückes finden sich gleichfalls fleckenförmige Blutungen.
Die Schleimhaut des vorderen Leerdarmabschnities und des Zwölffingerdarmes ist
fleckenweise stark gerötet, etwas dick und aufgelockert, die des hinteren Leer¬
darmabschnittes und des Hüftdarmes blaßgrau und etwas trübe. Der Blinddarm
enthält flüssige und dünnbreiige, der Grimmdarm fest-weiche Massen, die gegen
den Mastdarm hin etwas fester werden. Im Mastdarm wenig geformter Inhalt.
Die Schleimhaut der Dickdarmabteilungen ist graugrün bis bräunlichgrau und
etwas trübe. Der Magen ist sehr groß; seine Wände sehr dünn; er enthält viel
Gas und 18 Liter dünnbreiige bis flüssige saure Massen. Die Schleimhaut der
Pförtnerhälfte ist dick, trübe, gallertartig, in der Gegend der Fundusdrüsen grau¬
braun, gegen den Pförtner hin blaßgrau. Die Oberfläche dieser Schleimhaut ist
glatt und stärk glänzend, ln der linken Magenhälfte sieht die Schleimhaut rot-
lich-weiß aus und zeigt keine Veränderungen. Am gefransten Rande des Magens
finden sich zwischen den Schenkeln der hufeisenförmigen Muskelschleife zahlreiche
linsen- bis erbsengroße Warzen. Die Milz mißt 49 cm in der Länge, 28 cm in der
größten Breite und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz graublau
und hügelig; Konsistenz weich. Die Erhebungen erscheinen auf dem Durchschnitt
dunkelrot bis schwarzrot und lassen das Balkengerüst nicht erkennen; die Pulpa
ist hier sehr reichlich und zerfließlich. In den übrigen Abschnitten der Milz ist
das Balkengewebe noch sichtbar, die Pulpa rotbraun. Das Gewicht der Leber
beträgt 7500 g. Leberränder abgerundet. An der Zwerchfellsfläche zeigt die Leber¬
kapsel mehrere grauweiße plattenförmige Verdickungen und zahlreiche bindegewebige
Zotten. Sonst sieht die Leber an der Oberfläche graubraun aus und besitzt eine
brüchige Konsistenz. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitt w*enig blutreich
und graubraun. Die Leberläppchen sind etwa hirsekorngroß, ihre Grenzen deut-
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierlieilk. Bd. 30 . Suppl.-Band.
30
466
PILWAT,
lieh sichtbar. In der Mitte sehen die einzelnen Läppchen braun, am Rande grau
aus. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abziehen. Die Nieren
sind außen graubraun, an der Oberfläche glatt und mattglänzend. Konsistenz
etwas brüchig. Rechte Niere 18 cm lang, 18,3 cm breit und 5,2 cm dick. Linke
Niere 20,5 cm lang, 16 om breit und 6 cm dick. Auf dem Durchschnitt ist das
Gewebe beider Nieren blutreich. Die Rindenschioht ist 1,5—2 cm breit, trübe,
graubraun und von zahlreichen breiten, grauweißen, radiär verlaufenden Streifen
durchzogen. Die Marksubstanz ist graurot bis dunkelrot und gestreift. Beim
Streichen von der Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den großen
Sammelröhren eine trübe grauweiße, rahmartige Masse, die sich auch im Nieren¬
becken in beträchtlicher Menge vorfindet.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend,
seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬
säcken, sind klein, blaßrot, weich, elastisch und knistern überall beim Hinüber¬
streichen. Ihre Durchschnittsfläche ist glatt und fast trocken. Im Herzbeutel
finden sich 35 ccm einer gelbroten, fast klaren wässerigen Flüssigkeit. Die Ober¬
fläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang
des Herzens beträgt an der Herzbasis 61 cm. Rechte Kammer 17,5 cm, linke
Kammer 18,5 cm hoch. Die Seitenwand der rechten Kammer ist stark gewölbt
und 2 cm dick, die der linken Kammer mehr abgeflacht und 3,5 cm dick. Die
rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenem dunkelroten Blut stark
gefüllt. In den linken Herzhöhlen finden sich kleinere speckhäutige Gerinnsel.
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich
eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die halbmond¬
förmigen und zweizipfeligen Klappen der linken Herzhälfte sind besonders in ihren
Randteilen etwas verdickt. Die Innenhaut dieser Herzhälfte zeigt ebenfalls mehrere
plattenförmige Verdickungen, ist hier grauweiß und undurchsichtig. Die Herz¬
muskulatur erscheint auf dem Durchschnitt graurot, trocken und trübe; Konsistenz
brüchig. In der Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfes liegen nur ver¬
einzelte gefüllte Gefäßnetze. Die Schleimhaut der Kehldeckelgießkannenbänder
und des Pharynx ist rötlich-blaugrau und etwas dicker wie gewöhnlich. An den
Muskeln des Kehlkopfes sowie an den Lymphdrüsen der Halsorgane zeigen sich
keine Abweichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3y 2 cm lang und fast
gleichmäßig zylindrisch erweitert; ihre Wände sind ungleichmäßig verdickt und
zeigen auf der Innenfläche mehrere Längs- und Querrisse. Thrombenbildung fehlt.
Die an den Leer-, Hüft-, Blind- und Grimmdarm herantretenden Gefäße zeigen
keine Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung
des Leerdarmes. Starke Dilatation und saure Erweichung des Magens. Akute
multiple Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Leichte Trübung der
Körpermuskeln. Schwere trübe Schwellung des Herzmuskels. Chronische Ent¬
zündung der Herzinnenhaut. Erweiterung der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
12. Apfelschimmelstute, ca. 9 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 10. 8. 1905.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande; in der Unterhaut, in
der Umgebung der Gelenke, über dem Euter und hinter dem Brustfell liegt ziem-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
467
lieh viel gelblichgrauweißes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitt einen lappigen
Bau erkennen läßt. Die Körpermuskeln sind -totenstarr, graubraunrot, auf dem
Durchschnitt etwas trübe und trocken. Gefäße der Unterbaut ziemlich stark ge¬
füllt. Der Bauch ist aufgetrieben.
Im freien Raum der Bauchhöhle etwa V 2 Liter einer gelbliohen, leicht ge¬
trübten Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart und durchscheinend, seine Oberfläche
glatt. An einzelnen Stellen, besonders an dem wandständigen Blatte des Bauch¬
fells, finden sich grauweiße bindegewebige Zotten. Der Blinddarm und die rechten
Lagen des Grimmdarms liegen auf der reohten, die linken Grimmdarmlagen auf der
linken Seite der Bauchhöhle und sind fast vollkommen von den starkgefüllten und
-ausgedehnten Leerdarmschlingen bedeckt. Der Leerdarm ist sehr lang und weit
und nimmt den grössten Raum in der Bauchhöhle ein. Unter der Serosa desselben
finden sich mehrere fleckenförmige Blutungen. Der Leerdarm ist mit flüssigen,
gegen den Hüftdarm hin mehr breiig werdenden Massen stark gefüllt und enthält
außerdem viel Gas. Der Hüftdarm zeigt eine wurstförmige Gestalt, ist lang, weit
und mit festen trockenen Massen angefüllt, die einen s / 4 m langen zusammen¬
hängenden Pfropf bilden, der bis zur Hüft-Blinddarmöffnung reicht. Der Umfang
■dieser Oeffnung beträgt 12 cm, die ganze Dicke der Hüftdarmwand 1—2 mm. Die
Längsmuskelschicht der Hüftdarmwand ist 0,2 mm, die Ringfaserschicht bis 1 mm
■dick. Die Schleimhaut des Hüftdarms ist fleckweise gerötet, mit kleinen Blutungen
durchsetzt, etwas dick und aufgelockert. Unmittelbar vor der Hüft-Blinddarra-
■öffnung, am Ende des Kotpfropfes, findet sich in der Schleimhaut eine ungleich¬
mäßige, zirkulär verlaufende Rötung. Die Schleimhaut des Leerdarms ist strecken¬
weise dunkelrot gefärbt, sonst mehr graurot, etwas dick und aufgelockert. Im
Zwölffingerdarm erscheint die Schleimhaut grau und zart. Der Blinddarm enthält
flüssige, der Griramdarm mehr breiige Massen in mittlerer Menge. Im Mastdarm
findet sieb etwas weicher geballter Kot. Die Schleimhaut des Blinddarms ist
■dunkelgrau, die des Grimm- und Mastdarms schwach grünlichgrau und durch¬
scheinend. Die Oberfläche dieser Schleimhaut besitzt einen sammetartigen Glanz.
Der Magen enthält 15 Liter braungrüne dünnbreiige Massen und Gas. Die Magen¬
wände sind dünn. Die Schleimhaut der linken Magenhälfte ist rötlichgrau und
zeigt zahlreiche bis linsengroße Epitheldefekte, die von wallartigen, ringförmigen
Epithelwucherungen umgeben sind. Der Grund der zentralen Vertiefungen sieht
dunkelbraun aus. Die Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist etwas glasig-
gallertartig, wie zerflossen und trübe. In der graubraun gefärbten Fundusdrüsen¬
gegend liegen an der Schleimhautoberfläche noch ganz flache Hügel. Gegen den
Pförtner hin wird die Oberfläche der Schleimhaut ganz glatt. Die Milz mißt 57 cm
in der Länge, 24 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke; ihr
Gewicht beträgt 2000 g. Die Oberfläche der Milz ist graublau und hügelig. Die
einzelnen Erhebungen sind bis walnussgroß und dunkelblau gefärbt. Konsistenz
■der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den Erhebungen
<ler Milz nicht sichtbar; die Pulpe ist hier dunkelrot bis schwarzrot, sehr reichlich
•und zerfließlich. In den übrigen Teilen der Milz sind die Trabekel schwer, aber
noch sichtbar; die Pulpe ist hier mehr braunrot und sehr weich, so dass die
Schnittfläche der Milz ein feuchtglänzendes Aussehen erhält. Das Gewicht der
-Leber beträgt 5000 g. Die Leberränder sind etwas abgerundet. Farbe der Leber
30
468 PILWAT,
graubraun, Oberfläche glatt und mattglänzend, Konsistenz etwas brüchig. Auf
dem Durchsohnitte ist das Lebergewebe ziemlich blutreich, trübe und graurot. Die
Läppchenzeichnung ist etwas undeutlich; die Grenzen der Läppchen sind aber
noch erkennbar, letztere haben die Größe eines Hirsekorns bis Reiskorns, sind in
der Mitte graurot, am Rande in breiter Zone grau. Die Nierenkapseln lassen sich
leicht von den Nieren abtrennen. Die Nieren sehen graubraunrot aus; ihre Ober¬
fläche ist glatt und mattglänzend. Konsistenz etwas brüchig. Rechte Niere
18,3 cm lang, 19 cm breit und 5,6 cm dick, linke Niere 21 cm lang, 15,8 cm breit
und 6 cm dick. Auf dem Durchschnitte ist das Nierengewebe blutreich. Die
Rindenschicht ist 1—2 cm breit, trübe, graubraun und von zahlreichen breiten
grauen, radiär verlaufenden Strahlen durchzogen. Marksubstanz dunkelgraurot
und gestreift.
ln den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Unter dem wandständigen Blatte
der Pleura fiuden sich zahlreiche punkt- und fleckenförmige Blutungen. Die
Lungen liegen frei in den Brustfellsäoken, sind etwas größer als im Retraktions¬
zustande und sehen hellrot aus. Unter dem Lungenfelle liegen einzelne kleine
Blutungen. Das Gewebe beider Lungen ist weich, elastisch und knistert schwach
beim Hinüberstreichen. Die Schnittfläche der Lungen ist glatt und feucht. Bei
leichtem seitlichen Drucke auf das Lungengewebe quillt aus den durchschnittenen
Luftröhrenästen und Lungenbläschen eine feinblasige schaumige Flüssigkeit. Der
Herzbeutel enthält einen Eßlöffel voll einer gelblichen, fast klaren wässerigen
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und
glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 60 cm. Die rechte
Kammer ist 16,5 cm, die linke 18,5 cm hoch. Die Seitenwand des rechten Ven¬
trikels ist stark gewölbt und 2 cm dick, die des linken Ventrikels mehr abgeflacht
und 3,4 cm dick. Die rechte Herzhälfte ist mit flüssigem und geronnenen dunkel¬
rotem Blute prall gefüllt, ln den linken Herzhöhlen findet sich etwas flüssiges
Blut und kleinere speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herz¬
kammern gelegenen Oeffnungen sind so gross, dass sich eine länglich zusammen¬
gelegte Hand bequem durch dieselben hindurchführen läßt. Die Innenhaut des
Herzens und die Herzklappen sind dünn, zart und durchscheinend. Unter der
Innenhaut des linken Ventrikels finden sich mehrere punkt- und fleckenförmige
Blutungen. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durchschnitte graurot, trocken
und trübe; Konsistenz brüchig. Die Schleimhaut des Zungengrundes, Schlund¬
kopfes und der Kehldeckel-Gießkannenbänder ist blaurot und etwas dick, ln der
Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfes finden sich einzelne gefüllte Venen¬
netze. Der Kehldeckel zeigt eine kahnförmige Gestalt. Die Muskeln des Kehl¬
kopfes sowie die Lymphdrüsen der Halsorgane sind frei von Veränderungen. Die
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang, zylindrisch erweitert und an zwei
Stellen sackförmig ausgebuchtet. Die Wände der Arterie sind ungleichmäßig ver¬
dickt, ihre grüßte Dicke beträgt 4 mm. An der Innenfläche sind die Gefäßwände
rauh und mit grauroten, zusammenhängenden, etwas bröckligen geronnenen
Massen bedeckt, die der Gefäßwand ziemlich fest anhaften. Unter diesen Auf¬
lagerungen ist die Gefäßinnenhaut fetzig und fehlt stellenweise. Die aus der
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie abgehenden Gefäße sind wegsam und frei von Ver¬
änderungen.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
469
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und Dilatation des
Hüftdarms. Entzündung der Leer- und Hüftdarmschleimhaut. Saure Erweichung
der Magenschleimhaut. Akute multiple Milzschwellung. Leichte Trübung der
Leber. Katarrhalische Nierenentzündung. Oedem der Lungen. Trübe Schwellung
der Körper- und Heizmuskulatur. Blutungen unter der Innenhaut des Herzens.
Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
13« Brauner Wallach, ca. 12 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 11. September 1905.
Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut, in der Umgebung
der Gelenke, des Schlauches und unter dem Bauchfell liegt wenig gelbrotes Fett¬
gewebe, das auf dem Durchschnitte eine schleimig-gallertige Beschaffenheit zeigt.
Die Körpermuskeln sind unvollkommen totenstarr, sehen dunkclbraunrot aus und
sind auf dem Durchschnitte etwas feucht. Gefäße der Unterhaut leer.
Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle findet sich
etwa y 2 Liter einer gelblichen, fast klaren, leicht beweglichen Flüssigkeit. Die
Blätter des Bauchfells sind an mehreren Stellen mit weißlichen bindegewebigen
Zotten besetzt; sonst ist das Bauchfell zart und durchscheinend, seine Oberfläche
glatt und glänzend. Der Blinddarm ist sehr groß und nimmt den größten Raum
in der Bauchhöhle ein; er liegt mehr auf der rechten Seite und ragt über die
Mitte der Bauchhöhle weit in die linke Hälfte derselben hinein. Die rechten
Grimmdarmlagen liegen auf der rechten, die linken Lagen des Grimmdarms, der
Leer- und Mastdarm auf der linken Seite der Bauchhöhle. Diese Darmteile sind
durch den erweiterten Blinddarm größtenteils von unten her bedeckt und sehen
außen grau aus. Der Leerdarm enthält etwas Gas und graugelbe, trübe Flüssig¬
keit, die gegen den Hüftdarm hin an Menge zunimmt und mit viel festen Bestand¬
teilen vermischt ist. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarms ist stellenweise
schwach gerötet, sonst grau und trübe. Der Blinddarm sieht außen rötlichgrau
aus; er ist mit festen trockenen Massen im Gewichte von 41 kg prall gefüllt. Die
Blinddarmwände sind dünn. Die Schleimhaut des Blinddarms ist stellenweise ge¬
rötet. Die zwischen Blind- und Griramdarm gelegene Oeffnung ist so weit, daß
sich eine Faust bequem durch dieselbe hindurchführen läßt. Im Grimmdarm findet
sich breiiger Inhalt, der in der magenähnlichen Erweiterung eine mehr festweiche
Konsistenz annimmt. Der Mastdarm ist leer. Die Schleimhaut des Grimm- und
Mastdarms ist grünlichgrau bis bräunlichgrau, blaß und durchscheinend. Der
Magen enthält 8 Liter dünnbreiige, graubraune, saure Massen. Die Schleimhaut
der linken Magenhälfte ist rötlichgrauweiß, ihre Oberfläche fast glatt. Die
Schleimhaut der Pförtnerhälfte erscheint grau, in der Gegend der Fundusdrüsen
graunbraun, etwas dick, gallertartig und trübe. Oberfläche dieser Schleimhaut
glatt und stark glänzend. Die Milz mißt 39 cm in der Länge, 18 cm in der
größten Breite und 2,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt,
Farbe grau, Konsistenz festweich, wie die des erektilen Gewebes. Auf dem Durch¬
schnitte ist das Balkengerüst bequem sichtbar. Pulpa braunrot, mit einem Stich
ins Gelbliche. Schnittfläche der Milz glatt und trocken. Das Gewicht der Leber be¬
trägt 3500g. Die Leberränder sind scharf. Auf der Zwerchfellsfläche, hauptsächlich
des rechten Leberlappens, sitzen an der Leberkapsel zahlreiche weißlichgraue
Zotten. Die Leber sieht dunkelrotbraun aus und fühlt sich derb an. Das Leber-
470
P1LWAT,
gewebe ist auf dem Durchschnitte rotbraun und blutreich. Läppchenzeichnung
bequem erkennbar. Die einzelnen Leberläppchen sind bis hirsekorngroß und sehen
rotbraun bis dunkelbraun aus. Die Nierenkapseln sind an mehreren Stellen mit
den Nieren verwachsen. Beide Nieren sehen außen rötliohbraun aus und besitzen
an ihrer Oberfläche einen matten Glanz. An der Oberfläche der rechten Niere
finden sich vier, an der der linken Niere zwei weißliche Narben von der Größe einer
Linse bis zu der eines halben Pfennigstückes. Rechte Niere 16 cm lang, 17 cm
breit und 4,6 cm dick. Linke Niere 18 cm lang, 15 cm breit und 5 cm dick. Die
Konsistenz der Nieren ist derb. Das Nierengewebe ist auf dem Durchschnitte blut¬
reich. Rindenschicht 1— \ l j 2 cm breit und rötlichbraun. Die Knäuel sind in der
Rinde als große, rote Punkte sichtbar. Stellenweise treten die Markstrahlen als
breite, grauweiße, radiär verlaufende Züge deutlich hervor. Die Marksubstanz ist
gestreift und an der Grenze der Rinde stark gerötet.
Die Brustfellsäcke enthalten 1 Liter einer gelbroten, klaren Flüssigkeit. Das
Brustfell ist zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Unter
dem Rippenteile des Brustfells liegen einzelne fleokenförmige Blutungen. Die
Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind größer und schwerer wie gewöhn¬
lich. Das Lungenfell der linken Lunge ist an zwei Stellen in derGröße eines Fünf¬
markstücks verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Aus den scharfen Rändern
beider Lungen sitzen zahlreiche weißlichgraue, bindegewebige Zotten. Das Lungen¬
gewebe ist hellrot, fühlt sich weich, elastisch an und knistert beim Hinüber¬
streichen, es ist jedoch etwas derber als normales lufthaltiges Lungengewebe.
Die Schnittfläche der Lungen ist glatt und sehr feucht. An den durchschnittenen
Luftröhrenästen quillt ein dichter feinblasiger Schaum, der nach einiger Zeit fast
die ganze Schnittfläche der Lungen bedeckt. Die großen Bronchien, die Luftröhre
und der Kehlkopf enthalten eine feinblasig-schaumige Flüssigkeit. Die Schleim¬
haut der Luftröhre und des Kehlkopfes zeigt vereinzelte, stärker gefüllte Venen¬
netze und ist sonst blaß. Der Kehldeckel besitzt eine kahnförmige Gestalt. An
den Muskeln des Kehlkopfes und an den Lymphdrüsen der Halsorgane finden sich
keine Abweichungen. Der Herzbeutel enthält 200 ccm einer gelblichen, klaren
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und
glänzend. In den Herzfurchen findet sich wenig rötlichgelbes, schleimiges Fett¬
gewebe. Die Kranzarterien des Herzens sind lang, weit und verlaufen geschlän¬
gelt. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 56 cm. Rechte Kammer
14 cm, linke 17 cm hoch. Die Seitenwand des rechten Ventrikels ist stark gewölbt
und auf dem Durchschnitte 1,5 cm dick, die des linken Ventrikels abgeflacht und
3 cm dick. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenen dunkel¬
roten Blute stark gefüllt, die linken Herzhöhlen leer und zusammengezogen.
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich
eine länglich zusaramengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herzklappen
und die Innenhaut, besonders der linken Herzhälfte sind grauweiß, dick und un¬
durchsichtig. Herzmuskulatur auf dem Durchschnitte dunkelgraurot, etwas trocken
und trübe. Konsistenz ziemlich derb.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylinderförmig erwei¬
tert. Die Gefäßwände sind bis 3 mm dick, an der Innenfläche etwas rauh und
weisen mehrere strichförmige Narben auf, die in der Längsrichtung des Gefäßes
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
471
verlaufen. Thrombenbildung fehlt. An den Gefäßen des Blind- und Grimmdarmes
keine Abweichungen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung, Erweiterung und
Entzündung des Blinddarms. Leichte katarrhalische Entzündung der Leerdarm¬
schleimhaut. Saure Erweichung des Magens. Schwund und Braunfärbung der
Leber. Leichter Katarrh der Nieren. Oedem der Lungen. Leichte Trübung der
Herzmuskulatur. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des
Herzens. Erweiterung und Narbenbildung in der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
14 . Fuchsstute mit Stern, ca. 10 Jahre alt.
Gestorben am 22. 8. 1904, obduziert am 23. 8. 1904.
Der Kadaver ist schlecht genähTt: in der Unterbaut, in der Umgebung der
Gelenke, über dem Euter und hinter dem Bauchfelle liegt wenig gelbliches Fett¬
gewebe, das auf dem Durchschnitte eine schleimig-gallertige Beschaffenheit zeigt.
Die Muskeln sehen braunrot aus und befinden sich in der Totenstarre. Auf dem
Durchschnitte erscheinen die Muskeln feucht. Gefäße der Unterhaut mäßig gefüllt.
Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich
3 Liter einer rötlichgelbbraunen wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart
und durchscheinend, seine Oberfläche stellenweise mit weißlichen Zotten besetzt,
sonst glatt und glänzend. Der Blinddarm und die rechten Tagen des Grimmdarmes
liegen auf der rechten, die linken Grimmdarmlagen, der Leer- und Mastdarm mehr
auf der linken Seite der Bauchhöhle. Die vorliegenden Leerdarmschiingen sind
durch Gase ausgedehnt und sehen grau aus. Einzelne Leerdarmschlingen haben
eine bläulich-graurote Farbe. Der Leerdarm enthält außer Gas eine trübe, schleimige
Flüssigkeit, die gegen das Endo des Darmes erheblich an Menge zunimmt und mit
breiigen Teilen vermischt ist. Im Hüftdarme dünnbreiiger Inhalt. Die Schleimhaut
des Leerdarmes ist grau und trübe, streckenweise in größerer Ausdehnung stark
gerötet und an der Oberfläche mit einem grauen, zähen, schleimigen, schwer ab-
spülbaren Belage versehen. Die Hüftdarmschleimhaut ist besonders auf der Höhe
der in der Längsrichtung des Darmes verlaufenden Falten gerötet. Der Blinddarm
sieht außen grau aus, ist durch Gase beträchtlich ausgedehnt und enthält außer¬
dem viel dünnbreiige und flüssige Massen. Die Schleimhaut des Blinddarmes ist
blaßgrau und durchscheinend, stellenweise schwach gerötet. Die rechte untere
Lage und die untere Querlage des Grimmdarmes sehen außen bläulichrot aus und
sind mit festen, ziemlich trockenen Massen prall gefüllt. Die Darmwände dieser
Teile sind dünn. In den übrigen Teilen des Grimmdarmes ist der Inhalt spärlich
und breiig. Der Mastdarm ist fast leer. Die Schleimhaut des Grimmdarmes ist
im Bereiche der festen Anschoppung diffus gerötet und etwas dick, in den übrigen
Teilen schiefriggraublau. Mastdarmschleimhaut weißlichgrau und durchscheinend.
Der Magen ist erheblich ausgedehnt, enthält Gase und 12 1 / 2 kg feste, ziemlich
trockene Massen, die aus gekautem Heu, Häcksel und etwas Hafer bestehen. Die
Magenwände sind dünn. Die Schleimhaut der Schlundhälfte ist weißlichgrau und
zeigt keine Abweichungen. Schleimhaut der Pförtnerhälfte etwas gallertig, trübe
und an der Oberfläche fast glatt. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese
Schleimhaut braun, gegen den Pförtner hin mehr grau aus. Die Milz mißt 43 cm
in der Länge, 21 cm in der größten Breite und 2,5 cm in der mittleren Dicke.
Oberfläche der Milz glatt, Farbe grau, Konsistenz schlaff. Das Balkengewebe ist
472
PI L WAT,
auf dem Durchschnitte ziemlich gut sichtbar. Pulpa braunrot, Schnittfläche der
Milz glatt und etwas feucht. Das Gewicht der Leber beträgt 4400 g. Die Leber¬
ränder sind scharf. Auf der Zwerchfellsfläche ist die Leberkapsel des rechten Leber¬
lappens an einer fast handgroßen Stelle schwielig verdickt, grauweiß und undurch¬
sichtig. Die gesamte Zwerch fellsfläche der Leber ist mit zahlreichen bindegewebigen
Zotten besetzt. Konsistenz der Leber derb. Das Lebergewebe ist auf dem Durch¬
schnitte mäßig blutreich, braunrot und etwas trübe. Läppchenzeichnung noch gut
sichtbar. Die einzelnen Läppchen sind bis hirsekorngroß und braunrot. Am Rande
der Läppchen zeigt sich ein schmaler grauer Saum. Die Nierenkapseln lassen sich
leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren sehen außen hellbraun, an der
Oberfläche glatt und mattglänzend aus. Konsistenz der Nieren derb. Rechte Niere
16,5 cm lang, 17 cm breit und 4,8 cm dick. Linke Niere 18 cm lang, 15 cm breit
und 5 cm dick. Auf dem Durchschnitte ist das Nierengewebe blutreich. Die Rinden¬
schicht ist 1—2 cm breit, blaßbraun und schwach durchscheinend. Die Knäuel
sind als feine rote Pünktchen deutlich sichtbar. Marksubstanz gestreift und etwas
gerötet.
In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den
Brustfellsäcken, sind klein, hellrot, weich und elastisch. Oberfläche der Lungen
glatt. Die Schnittfläche ist glatt und mäßig feucht. Im Herzbeutel etwa 10 ccm
einer gelbroten, fast klaren wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich be¬
rührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Unter dem inneren Blatte des
Herzbeutels finden sich in den Herzforchen kleine fleckenförmige Blutungen. Das
in den Herzfurchen gelegene Fettgewebe ist spärlich, sieht gelbrot aus und zeigt
eine schleimig-gallertige Beschaffenheit. Der Umfang des Herzens beträgt an der
Herzbasis 55 cm. Die rechte Kammer ist 13 cm hoch, ihre Seitenwand mäßig ge¬
wölbt und 1,5 cm dick. Die linke Kammer besitzt eine Höhe von 17 cm und ist
gleichfalls gewölbt. Die Dicke der Seitenwand dieser Kammer beträgt 3 cm. Die
linke Herzhälfte ist mit großen Blutgerinnseln ziemlich stark gefüllt. In den
rechten Herzhöhlen finden sich größere dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel und
flüssiges dunkelrotes Blut. Atrioventrikularöffnungen normal weit. Die Herzklappen
und die Innenhaut der linken Herzhälfte sind etwas verdickt, grauweiß und undurch¬
sichtig. Die Herzmuskulatur erscheint auf dom Durchschnitte graurot, stellenweise
ganz grau, trocken und trübe. Konsistenz sehr brüchig. Die Schleimhaut des
Kehlkopfes und der Luftröhre ist blaß und zeigt keine Abweichung. An den
Muskeln des Kehlkopfes und an den Lymphdrüsen der Halsorgane findet sich nichts
Abnormes.
Der Stamm der Hüft-Blind - Grimmdarmarterie fehlt. Alle sonst aus dieser
Arterie hervorgehenden Gefäße entspringen direkt aus der Aorta. Die obere Grimm¬
darmarterie, welche gleichfalls aus der Aorta hervorgeht, zeigt an ihrer Ursprungs¬
stelle eine kleine, etwa erbsengroße sackartige Erweiterung. Die Wände des Ge¬
fäßes sind hier etwas verdickt, ihre Innenfläche ist rauh und mit einer ziemlich
fest haftenden rötlichgrauen, bröckligen Auflagerung versehen. Die übrigen Ge¬
fäße des Darmes sind wegsam und frei von Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung
der unteren Querlage und der rechten unteren Lage des Grimmdarmes. Blutig-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
473
schleimiger Katarrh des Leerdarmes. Saure Erweichung der Magenschleimhaut.
Leichte Trübung der Leber. Geringgradige Schwellung der Milz. Katarrh der
Nieren. Schwere parenchymatöse Entzündung der Herzmuskulatur. Chronische
Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des linken Herzens. Erweiterung
und wandständige Thrombose in der oberen Grimmdarmarterie.
15 . Braune Stute, 1,69 m groß, 6—7 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 23. 7. 1904.
Der Kadaver befindet sich im mittleren Nährzustande. In der Unterbaut,
über dem Euter und unter dem Bauchfelle liegt etwas gelblichgraues Fettgewebe,
das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau erkennen läßt. Die Körpermuskeln
zeigen Totenstarre, sind graurot, auf dem Durchschnitte trocken und trübe. Ge¬
fäße der Unterhaut mäßig gefüllt. Der Bauch ist etwas aufgetrieben.
Im freien Raume der Bauchhöhle findet sich 1 Liter einer grauroten wässe¬
rigen, leicht getrübten Flüssigkeit, Das Bauchfell ist grau, an mehreren Stellen
durch gefüllte fein verzweigte Gefäßnetze gerötet, seine Oberfläche glatt und matt¬
glänzend. Der Blinddarm liegt rechts von der Mitte und ragt in die linke Hälfte der
Bauchhöhle hinein, er sieht außen grau aus und ist hauptsächlich durch Gase
stark ausgedehnt. Die rechten Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten, die
linken Lagen desselben auf der linken Seite der Bauchhöhle; Beckenflexur in der
linken Leistengegend. Die Leerdarmschlingen liegen mehr auf der linken Seite der
Bauchhöhle, sind durch Gase mäßig ausgedehnt und sehen außen bläulichgrau
aus. Der Mastdarm liegt in der linken Leistengegend. Der Inhalt des Leerdarmes
besteht aus Gas und aus einer bräunlichgrauen trüben schleimigen Flüssigkeit,
die nach dem Hüftdarme hin an Menge zunimmt. Die Schleimhaut des Leerdarmes
ist streckenweise stark gerötet, sonst bräunlichgrau und trübe. Die Hüftdarm-
schleimhaut bildet zum großen Teil Längsfalten, die auf ihrer Höhe gerötet sind.
Im Blinddärme viel Gas und graubraune dünnbreiige Massen in reichlicher Menge.
Blinddarmschleimhaut bräunlichgrau. Unter der Serosa der unteren Grimmdarm¬
lagen finden sich mehrere punkt- und flecken förmige Blutungen, sodaß diese Darm¬
lagen stellenweise rot gesprenkelt aussehen. Die Beckenflexur und die linke untere
Lage des Grimmdarmes sind mit festen trockenen Massen, die hauptsächlich aus
Häcksel und zerkleinerten Maiskörnern bestehen, prall angefüllt. In der rechten
unteren Lage des Grimmdarmes ist der Inhalt mehr dickbreiig; außerdem enthält
diese Lage viel Gas. Die oberen Lagen des Grimmdarmes sind fast leer und zu¬
sammengezogen. In der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarms und im
Mastdarme findet sich wenig breiiger Inhalt. Die Schleimhaut der unteren Grimm¬
darmlagen, ist stark diffus gerötet, stellenweise abgestorben, grau und fetzig.
Nach Entfernung der Fetzen bleiben flache Vertiefungen in der Schleimhaut zu¬
rück. In den übrigen Grimmdarmteilen und im Mastdarme sieht die Schleimhaut
blaß graubraun, zart und schwach durchscheinend aus. An der Wand desGrimm-
darmes und an den Gefäßen desselben finden sich keine Abweichungen; insbe¬
sondere sind seine Arterien wegsam. Der Magen enthält Gas und 15 Liter saure,
breiige, grünlich gefärbte Massen. An der Schleimhaut der Schlundhälfte zeigen
sich keine Abweichungen. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist etwas dick,
trübe und besitzt eine gallertartige Beschaffenheit. In der Gegend der Fundus¬
drüsen sieht diese Schleimhaut braun aus und läßt an der Oberfläche noch flache
474
PILWAT,
Hügel erkennen; gegen den Pförtner bin wird die Schleimhaut hellgrau, ihre
Oberfläche ganz glatt und glänzend. Die Milz mißt 56 cm in der Länge, 22 cm in
der größten Breite und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt
und dunkelblau. Die Milzkapsel ist dünn und stark gespannt. Milzränder abge¬
rundet. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe
in der Milz nicht sichtbar, es wird vollständig durch die reichliche dunkelrote und
zerfließliche Pulpa verdeckt. Die Schnittfläche der Milz erscheint glatt, feucht
und stark glänzend. Das Gewicht der Leber beträgt 5000 g. An der Zwerchfells¬
fläche des rechten Leberlappens finden sich mehrere grauweiße Zotten, sonst ist
die Oberfläche der Leber glatt und schmutzig graubraun. Konsistenz der Leber
brüchig. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebo trocken, trübe, gelb¬
lichgraubraun, lehmfarben und läßt die Läppchenzeichnung schwer erkennen.
Die Nierenkapseln sind dünn und reißen leicht beim Abtrennen. An der Ober¬
fläche beider Nieren finden sich einzelne Längs- und Querrisse, die durch das Ab¬
ziehen der Kapseln in dem brüchigen Nierengewebe entstanden sind. Sonst sehen
die Nieren an der Oberfläche glatt und graubraun aus. Rechte Niere 19 cm lang,
20 cm breit und 6 cm dick, linke Niere 20 cm lang, 17,5 cm breit und 6,2 cm
dick. Die Rindenschicht ist auf dem Durchschnitt bis2 1 / 2 cm breit, trocken, trübe
und fleckiggrau; ihre Struktur ist nicht mehr erkennbar. Marksubstanz gestreift
und graurot, an der Grenze der Rinde dunkelrot.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, seine
Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken,
sind in den unteren Teilen hellrot, in ihren oberen dunkelrot, klein und in allen
Teilen lufthaltig. Schnittfläche der Lungen glatt und feucht. Der Herzbeutel
enthält etwa 100 ccm einer gelbroten, fast klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der
sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang des
Herzens beträgt an der Herzbasis 58,5 cm. Die rechte Kammer ist 16 cm hoch;
Seitenwand dieser Kammer stark gewölbt und 1,8 cm dick. Die rechten Herz¬
höhlen sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute stark gefüllt. Die
linke Kammer ist 18 cm hoch; ihre Seitenwand abgeflacht und 3cm dick. Das
linke Herz ist zusammengezogen und enthält neben etwas flüssigem Blute kleine
speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen OefT-
nungen besitzen die gewöhnliche Weite. Die Herzklappen der linken Herzhälfte
sind besonders in den marginalen Teilen etwas verdickt. Das wandständige Endo¬
kard ist an mehreren Stellen plattenförmig verdickt, grauweiß und undurchsichtig.
Herzmuskulatur auf dem Durchschnitt fleckig-graurot bis grau, trocken und trübe;
Konsistenz brüchig. An den Halsorganen finden sich keine Abweichungen. Die
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,6 cm lang, zylindrisch erweitert und an zwei
Stellen flach ausgebuchtet. Die Wände der Arterie sind bis 4 mm dick; ihre
Innenfläche ist rauh und mit mehreren grauroten, zusammenhängenden, fest an¬
haftenden Gerinnseln bedeckt, die besonders in ihren tieferen Schichten zahl¬
reiche drehrunde bis 1,6 cm lange Wurmlarven einschließen. Die Innenhaut des
Gefäßes ist stellenweise narbig verdickt, an anderen Stellen fetzig zerfallen. Die
aus der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie abgehenden Gefäße sind wegsam und frei
von Pfropfen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Schwere Verstopfung und
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
475
blutige, diphtherische Entzündung der Beckenflexur und der unteren Lagen des
Grimmdarmes. Entzündung der Leer- und Hiiftdarmschleimhaut. Saure Magen¬
erweichung. Allgemeine akute Milzschwellung. Trübe Schwellung der Körper¬
muskeln, des Herzens, der Leber und der Nieren. Chronische Entzündung der
Herzinnenhaut. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm-
darmarterie.
16 . Brauner Wallach, ca. 10 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 19. 3. 1906.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in
der Umgebung des Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas
gelblich-graues Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau er¬
kennen läßt. Die Körpermuskeln sind totenstarr, graubraun, etwas trocken und
trübe. Gefäße der Unterhaut stark gefüllt. Der Bauch ist aufgetrieben.
Im freien Raume der Bauchhöhle kein fremder Inhalt. Das Bauchfell ist
blaßgrau, zart und durchscheinend, an der Oberfläche glatt und glänzend. Blind-
und Grimmdarm sind sehr lang und weit, nehmen den größten Teil der Bauch¬
höhle ein und sehen außen grau aus. Ganz vereinzelt finden sich kleine schwarz¬
rote Blutungen unter der Serosa dieser Darmabteilungen. Der Blinddarm liegt
rechts und in der Mitte, die rechten Grimmdarmlagen auf der rechten, die linken
Lagen des Grimmdarmes auf der linken Seite der Bauchhöhle übereinander, wie
gewöhnlich. Die Leerdarmschlingen liegen auf der linken Seite der Bauchhöhle
und in der Mitte derselben. DerMastdarm liegt in der linken Leisten- und Flanken¬
gegend. Beide Darmabschnitte werden vom Blind- und Grimmdarm größtenteils
bedeckt. Der Leerdarm enthält etwas Gas und gelblichgraue, trübe, wässerige
Flüssigkeit, die nach dem Hüftdarme zu mit breiigen Bestandteilen vermischt ist.
DieSchleimhaut der Dünndarmabteilungen ist streckenweise stark gerötet,sonst grau
und trübe. Im Blinddärme viel Gas und dünnbreiige Massen. Blinddarmschleim¬
haut grünlichgrau und etwas trübe. Die magenähnliche Erweiterung des Grimm¬
darmes ist mit festen, trockenen Massen, die aus Häcksel, Heu und zerkleinerten
Haferkörnern bestehen, stark angefüllt. Die Inhaltsmassen bilden in diesem Darm¬
teile einen zusammenhängenden kegelförmigen Körper, dessen Form ein ziemlich
genauer Abdruck der Darmlichtung darstellt. Die vor dem Kotpfropfe gelegenen
Grimmdarmabschnitte sind mit dickbreiigen, nach vorn hin mehr dünnbreiigeu
Massen und mit Gasen stark gefüllt. Die Schleimhaut des Grimmdarmes ist fleck¬
weise gerötet, etwas dick und aufgelockert. Der Mastdarm ist leer, seine Schleim¬
haut blaßgraubraun, zart und schwach durchscheinend. Der Magen enthält
18 Liter dünnbreiige bis flüssige, graugrüne, saure Massen und etwas Gas. Die
Schleimhaut der Pförtnerhälfie ist dick, trübe und von gallertartiger Beschaffen¬
heit. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese Schleimhaut braun, gegen den
Pförtner hin mehr grau aus. Oberfläche der Schleimhaut glatt und stark glänzend.
In der Gegend des Pförtners sitzen an der Schleimhaut wenige, in der linken
Magenhälfte, nahe dem gefranzten Rande, Scharen von Gastruslarven. Die Milz
mißt 53 cm in der Länge, 31 cm in der größten Breite und 4 cm in der mittleren
Dicke. Die Milzkapsel ist stark gespannt, dünn und durchscheinend. Oberfläche
der Milz glatt, Farbe dunkelblau; Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist
das Balkengewebe in der Milz nicht sichtbar. Pulpa reichlich, dunkelrot und fast
476
P1LWAT,
flüssig. Schnittfläche derMilz feucht und stark glänzend. Das Gewicht der Leber
beträgt 7000 g. An der Zwerchfellsfläche ist die Leberkapsel stellenweise platten¬
förmig verdickt, grauweiß, undurchsichtig und in großer Ausdehnung mit binde¬
gewebigen Zotten besetzt. Konsistenz der Leber derb. Das Lebergewebe ist auf
dem Durchschnitte sehr blutreich und rötlichgraubraun. Läppohenzeichnung
ziemlioh gut sichtbar. Die einzelnen Läppchen sind etwa hirsekorn- bis reiskorn¬
groß, in der Mitte dunkelrot, am Rande graubraun. Die Nierenkapseln lassen
sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren sehen außen rötlichgraubraun,
an der Oberfläche glatt und mattglänzend aus. Konsistenz des Nierengewebes
etwas brüchig. Rechte Niere 17 cm lang, 18 cm breit und 5 cm dick, linke Niere
19,5 cm lang, 16 cm breit und 4,5 cm dick. Auf dem Durchschnitte erscheinen
beide Nieren blutreich, ln der graubraunen, 1—2cm breiten, etwas trüben Rinden¬
schicht liegen zahlreiche graue, radiär verlaufende Streifen, die den verbreiterten
Markstrahlen entsprechen. Die Marksubstanz ist rötlich-grau und gestreift, an der
Grenze der Rinde dunkelrot. Beim Streichen mit dem Messerrücken von der
Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den großen Sammelröhren eine trübe,
gelblichgraue, rahmartige Masse.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgraurot, zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den
Brustfellsäcken, sind klein, hellrot, weich, elastisch und knistern leicht beim Hin¬
überstreichen. Unter dem Rippen- und Lungenfelle finden sich zahlreiche flecken¬
förmige Blutungen. Der Herzbeutel enthält einen Eßlöffel voll einer gelblichen,
klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutolblätter ist glatt
und glänzend. Unter dom inneren Blatte des Herzbeutels liegen punkt- und
fleckenförmige Blutungen. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis
61 cm. Rechte Kammer 16 cm hoch, ihre Seitenwand stark gewölbt und 2 cm
dick. Linke Kammer 19 cm hoch. Die Seitenwand dieser Kammer ist abgeflacht
und 3,5 cm dick. Die linken Herzhöhlen enthalten wenig flüssiges Blut und kleine
dunkelrote und speckhäutigeGerinnsel. RechteHerz- und Vorkammer mit flüssigem
und geronnenen Blute prall gefüllt. Durch die zwischen den Herz- und Vor¬
kammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand
bequem hindurchführen. Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind
zart. Unter der Innenhaut des Herzens finden sich besonders auf der Höhe der
Papillarmuskeln große flächenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur erscheint
auf dem Durchschnitte schwach graurot, trocken und trübe; ihre Konsistenz etwas
brüchig. Die Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfes ist stellenweise
durch gefüllte venöse Netze gerötet. In der Schleimhaut der vorderen Fläche des
Kehldeckels finden sich mehrere fleckenförraige Blutungen. Die Schleimhaut des
Zungengrundes und der Kehldeckelgießkannenbänder sieht bläulichrot aus und
ist etwas verdickt. Der Kehldeckel besitzt eine schwach kahnförmige Gestalt. Der
linke Gießkannenknorpel ist etwas eingesunken. Die linke Hälfte des Quergie߬
kannen-, der linke hintere Ringgießkannen-, der linke seitliche Ringgießkannen-,
der linke Stimmband- und Taschenbandmuskel sind stark abgeplattet, bandartig
dünn und sehen weißlichgrau aus. An den Lymphdrüsen der Halsorgane finden
sich keine Abweichungen.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3 cm lang und in geringem Grade
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
477
zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind 2—3 mm dick. In der Intima
des Gefäßes finden sich mehrere in der Längsriohtung verlaufende große Narben
und eine querverlaufende kleine Narbe. Thrombenbildung fehlt. Die aus dieser
Arterie hervorgehenden Darmarterien sind wegsam und frei von Veränderungen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Einfache Verstopfung der
magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarms. Entzündung der Schleimhaut des
Grimm- und Leerdarms. Saure Magenerweichung. Allgemeine akute Milzschwel¬
lung. Katarrhalische Nierenentzündung. Geringgradige Fettleber. Trübe Schwel¬
lung der Herz- und Körpermuskulatur. Blutungen unter dem Brustfelle, inneren
Blatte des Herzbeutels und unter der Inuenhaut des Herzens. Venöse Hyperämie
der Halsorgane. Starker Schwund der an der linken Seite des Kehlkopfes ge¬
legenen Muskeln. Geringgradige Erweiterung und Narbenbildung in der Hüft-
Blind-Grimmdarmartcrie.
17 , Fuchswallach, 8 bis 9 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 3. Oktober 1905.
Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut, in der Umgebung des
Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt wenig schmutziggelb¬
braunes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte eine schleimige Beschaffenheit
zeigt. Die kräftig entwickelten Körpermuskeln befinden sich in der Totenstarre
und sind auf dem Durchschnitte mäßig feucht, schwach durchscheinend und
braunrot. Die venösen Gefäße der Unterhaut enthalten wenig Blut. Der Bauch ist
ausgedehnt.
Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich 3 Liter einer wässerigen, leicht
getrübten gelblichen. Flüssigkeit. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Das
Bauchfell ist blaßgrau, zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und
glänzend. Der Leer- und Hüftdarm enthalten etwas schleimige, grauweiße mehl¬
suppenartige Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser Darmabschnitte ist blaß und
sammetartig glänzend; vereinzelt finden sich in ihr bis linsengroße Blutungen.
Blind- und Grimmdarm sind sehr lang und weit, durch Gas stark ausgedehnt und
außen dunkelgrau gefärbt. Außer Gasen finden sich in diesen Darmabteilungen
viel w T eichbreiige braune Massen. Die Schleimhaut des Blind- und Griramdarmes
ist dunkelgraugrün und trübe, stellenweise schwach gerötet. Der Mastdarm sieht
außen grau bis rötlichgrau aus und weist unter seiner Serosa viele bis linsengroße,
einzeln und gehäuft liegende Blutungen auf. 80 cm vor der Afteröffnung ist der
Mastdarm auf einer Strecke von 40 cm sehr stark und gleichmäßig ausgedehnt.
Seine Außenfläche hat hier eine rote bis dunkelrote Farbe und zeigt mehrere bis
markstückgroße schwarzrote Blutungen. In diesem erweiterten Teile ist der Mast¬
darm mit festen trockenen Inhaltsmassen prall gefüllt. Letztere bilden einen 30 cm
langen, zusammenhängenden Kotpfropf, der die Lichtung des Darmes vollkommen
verlegt. Der vordere Teil des Mastdarmes enthält viel festen bis festweichen ge¬
formten Kot. Die Schleimhaut des Mastdarmes ist besonders in der Gegend des
Kotpfropfes mit weißlichgrauen, zähen, schleimigen Massen bedeckt, die sich nur
schwer von der Schleimhaut abspülen lassen. Unter diesen Auflagerungen ist die
Schleimhaut stark gerötet, sonst graurot und von zahlreichen Blutungen durch¬
setzt. Der Magen enthält 5 Liter bräunliche, etwas schleimige Flüssigkeit, der
feste Bestandteile beigemischt sind. An der Schleimhaut der Schlundhälfie zeigen
478
PILWAT,
sich keine Abweichungen. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist bräunlich-grau¬
grün, schwach durchscheinend, in der Gegend der Fundusdrüsen an der Oberfläche
gekörnt, gegen den Pförtner hin mehr glatt. Die Milz mißt 47 cm in der Länge,
21 cm in der größten Breite und 3,5 cm in der größten Dicke. Ueber die sonst
glatte bläulichgraue Milzoberfläche erheben sich beetartig einige flache dunkel¬
blaue Hügel, in denen die Pulpe reichlich, fast flüssig und dunkel- bis schwarzrot
ist. Das ßalkengerüst ist hier nicht sichtbar. In den übrigen Abschnitten der
Milz ist die Pulpe dickbreiig und braunrot. Die Trabekel sind zu erkennen. Die
Leber wiegt 6000 g, besitzt ziemlich scharfe Ränder, ist außen glatt, mattglänzend
und bläulichrotbraun. Konsistenz der Leber ziemlich derb Das Lebergewebe ist
auf dem Durchschnitte stark blutreich, braunrot und schwach durchscheinend.
Läppchenzeichnung bequem erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind hirsekorn-
groß, in der Mitte dunkelrot, am Rande graubraun. Die Nierenkapseln lassen sich
leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren sehen an der Oberfläche glatt,
mattglänzend aus und besitzen eine rotbraune Farbe. Konsistenz etwas derb.
Rechte Niere 17 cm lang, 18 cm breit und 4,8 cm dick. Linke Niere 19 cm lang,
15 cm breit und 5,5 cm dick. Das Nierengewobe zeigt sich auf dem Durchschnitte
blutreich. Rindenschicht 1—2 cm breit, schwach durchscheinend und rötlich¬
braun. Die Gefäßknäuel sind in der Rinde als rote Punkte erkennbar. Marksubstanz
hellrot und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot.
Das Zwerchfell ist durch den ausgedehnten Blind- und Grimmdarm stark
nach vorn gewölbt, sein höchstcrWölbungspunkt liegt im 4. Zwischenrippenraume.
In dem linken muskulösen Teile des Zwerchfells findet sich ein fast vertikal ver¬
laufender, das Zwerchfell in seiner ganzen Dicke durchdringender, 17 cm langer
Riß, dessen Ränder glatt und blaß sind. Blutgerinnsel in der Nachbarschaft des
Risses sind nicht nachzuweisen. Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist
zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Unter dem Rippen-
und Lungenfelle liegen zahlreiche fleckenformige Blutungen. Die Lungen liegen
frei in den Brustfellsäcken, sind klein, weich, elastisch und knistern ganz schwach
beim Hinüberstreichen. Das Lungengewebe ist auf dem Durchschnitte etwas ge¬
rötet. Schnittfläche glatt und feucht. Der Herzbeutel enthält 100 ccm einer gelb¬
lichen, wäßrigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutel¬
blätter ist glatt und glänzend. Die rechte Herzhälfte ist stark gefüllt, die linke
leer und zusammengezogen. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis
60 cm. Die rechte Herzkammer ist 16 cm, die linke 18 cm hoch. Seitenwand des
rechten Ventrikels 1,9, die des linken 3 cm dick. Die zwischen den Vor- und
Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Die Herz¬
klappen der linken Herzhälfte sind in den marginalen Teilen etwas verdickt. Das
wandständige Endokard ist stellenweise plattenförmig verdickt, grauweiß und un¬
durchsichtig. Unter der Innenhaut des Herzens und unter dem viszeralen Blatte
des Perikards finden sich zahlreiche punkt- und fleckenformige Blutungen. Der
Herzmuskel ist auf dem Durchschnitte graurot, etwas trocken und trübe. Kon¬
sistenz brüchig. Die linke Hälfte des Quergießkannen- und der linke hintere Ring¬
gießkannenmuskel sind sehr stark abgellacht und von rötlichgraugelber Farbe.
Durch die Muskelzüge schimmert die Platte des Ringknorpels hindurch. In gleicher
Weise sind der linke seitliche Ringgießkannen-, der linke Stimmband- und Taschen¬
bandmuskel erheblich geschwunden und abgeplattet. Sie erscheinen als dünne,
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
479
bandartige Muskelzüge von graugelber Farbe. Der linke Gießkannenknorpel liegt
etwas tiefer als der rechte. Die Schleimhaut der Laftröhre und des Kehlkopfes
läßt stellenweise gefüllte Venennetze erkennen. In der Gegend des Zungongrundes
und der Kehldeokelgießkannenbänder ist die Schleimhaut bläulich-rot und etwas
dick. Der Kehldeckel besitzt eine kahnförmige Gestalt.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und spindelförmig erweitert.
Die Wände der Arterie sind ungleichmäßig verdickt, an der Innenfläche rauh und
mit mehreren bis bohnengroßen grauroten etwas bröckeligen Gerinnseln bedeckt,
die der Gefäßwand ziemlich fest anhaften. Unter diesen Auflagerungen ist die
Innenhaut fetzig. Die aus der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie an den Darm tretenden
Arterien sind wegsam, frei von Pfropfen und sonstigen Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Einfache Verstopfung und Ent¬
zündung des Mastdarms. Starke Gasanhäufung im Blind- und Grimmdarme. Akute
multiple Milzschwellung. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Chronische Ent¬
zündung der Herzklappen und der Innenhaut des Herzens. Blutungen unter dem
Brustfelle, dem inneren Blatte des Herzbeutels und unter der Innenhaut des Herzens.
Postmortale Zerreißung des Zwerchfells. Starker Schwund der linksseitigen Kehl¬
kopfmuskeln. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm-
darmarterie.
Zur Erklärung des Zustandekommens der einfachen Verstopfungen
im Darme des Pferdes ist es wichtig, diejenigen Faktoren genauer zu
betrachten, die unter physiologischen Verhältnissen die Fortbewegung
des Darroinhaltes bewirken.
Der Inhalt des Zwölffinger- und Leerdarms ist beim Pferde fast
flüssig. Die Ingesta dieser Darmabteilungen haben etwa die Konsistenz
einer Mehlsuppe. Im Hüftdarme wird der Inhalt reicher an breiigen
Bestandteilen, weil er vor der engen Hüft-Blinddarmöffnung länger
verweilt als in den übrigen Teilen des Dünndarmes. Der Blinddarra-
inhalt kann als dünnbreiig bezeichnet werden. Im Grimmdarme wird
der Inhalt mehr dickbreiig und am Ende dieses Darms, in der soge¬
nannten magenähnlichen Erweiterung, festweich. Da unter normalen
Verhältnissen im Blind- und Grimmdarme Gärungsvorgänge ablaufen,
so findet sich auch stets etwas Gas in diesen Darmabschnitten vor.
Im kleinen Kolon nehmen die Ingesta eine geballte Form an, sind
also hier am wasserärmsten. Der Gehalt an Wasser, der über die
Konsistenz des Inhalts entscheidet, ist für seine Fortbewegung zunächst
von Wichtigkeit. Mithin liegt der erste Faktor, der die Ursache für
die Inhaltsbewegung abgibt, an der Beschaffenheit des Inhaltes selbst.
Ferner wissen wir, daß durch die Sekretion der Schleimhautdrüsen
und durch die Schleimproduktion der Becherzellen die Oberfläche der
Schleimhaut schlüpfrig erhalten wird, damit der Inhalt über die
480
P1LWAT,
schlüpfrige Schleimhautoberfläche leicht fortgleiten kann. Das zweite
Moment haftet also an der Schleimhaut, oder an ihrer Oberfläche.
Ob die Sekretion der großen Anhangsdrüsen, der Leber und der
Bauchspeicheldrüse, auch ein ursächliches Moment für die Fortbe¬
wegung des Inhaltes darstellt, ist nicht sicher bekannt, ihre Möglich¬
keit jedoch nicht zu leugnen. Endlich liegt das dritte und wichtigste
Moment für die Fortbewegung der Inhaltsraassen in den regelmäßigen
Kontraktionen der Darmmuskulatur. Die Darmperistaltik ist die
hauptsächlichste fortbewegende Kraft. Alle drei Faktoren stehen aber
in Wechselwirkung mit einander, so daß z. B. das Versagen des einen
auch verschlechternd auf die andern einwirkt.
Unter pathologischen Verhältnissen gestaltet sich die Entstehung
der einfachen Verstopfung wahrscheinlich meist so, daß sich zunächst
die Darmperistaltik im ganzen oder teilweise verschlechtert. Durch
die Verminderung der Darmperistaltik muß der Inhalt länger im
Darme verweilen und gibt durch Resorption der Schleimhaut Wasser
ab, wird also trocken. Dadurch erhöhen sich die Reibungswider¬
stände. Die Darmbewegungen stehen unter dem Einflüsse zweier
Nervenbahnen. Der Nervus splanchnicus hemmt die Darmtätigkeit,
während die in der Wand des Darms gelegenen Meißner-Auer-
bachschen Plexus die Darmperistaltik steigern. Nun sind uns zahl¬
reiche Reize bekannt, die auf die Meißner-Auerbachschen Plexus
einwirken und eine erhöhte Darmperistaltik auslösen. Auf diese
Weise wirken z. B. viele Abführmittel. Durch die Erhöhung der Darm¬
peristaltik entsteht Durchfall, weil der Darminhalt zu schnell fort¬
bewegt wird, und für die Resorption des Wassers nicht genügend
Zeit übrig läßt. Andererseits wissen wir, daß es auch Ursachen gibt,
die eine Verringerung der Darmperistaltik und dadurch eine lang¬
samere Fortbewegung des Inhaltes herbeiführen. Neben den soge¬
nannten stopfenden Arzneimitteln, Opium, Morphium und anderen,
scheinen starke Ermüdung und plötzliche Abkühlung des Bauches in
diesem Sinne zu wirken. Ob nun bei Verlangsamung der Darm¬
peristaltik eine Verstopfung eintretcn wird, darüber entscheidet erstens
der Grad und die Dauer der Herabsetzung der Darmtätigkeit. Man
wird mit Recht annehraen können, daß eine geringfügige nur kurze
Zeit andauernde Unterdrückung der Peristaltik keine unlösbare Ver¬
stopfung erzeugt, während eine längere Zeit anhaltende hochgradige
Herabsetzung oder das vollständige Aufhören der Peristaltik den
Darminhalt durch die verlängerte Resorptionsmöglichkeit vollkommen
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
481
austrocknen und ihn in einen festen harten Kotpfropf umwandeln wird,
der durch die natürlichen Mittel des Organismus nicht mehr vor¬
wärts bewegt werden kann. Zweitens wird es nicht gleichgültig sein,
von welcher Zusammensetzung der langsamer fortbewegte oder stag¬
nierende Darminhalt ist, oder in welchem Zustande er sich bereits
befindet. Ein aus mehr festen und unverdaulichen Futterstoffen be¬
stehender Inhalt wird leichter eintrocknen und einen Pfropf bilden
als flüssige oder dünnbreiige Massen.
Der zweite Faktor, der für das Zustandekommen der einfachen
Verstopfung von Bedeutung ist, ist die Beschaffenheit, bezw. Tätigkeit
der Darmschleimhaut. Diese Schleimhaut hat neben dem wichtigen
Geschäfte der Digestion und Resorption auch die Aufgabe, die leichte
Fortbewegung der lngesta zu ermöglichen. Dazu muß die Oberfläche
derselben durch Absonderungsprodukte schlüpfrig erhalten werden.
Verschlechterungen in der Sekretion der Darmschlcimhaut werden
durch mannigfache Ursachen erzeugt. Letztere können entweder die
sezernierenden Zellen oder die der Sekretion vorstehenden Nerven
treffen. Wir wissen, daß bei den Infektionskrankheiten die Toxine der
Infektionserreger hauptsächlich auf die funktionierenden oder Paren¬
chymzellen der Organe einwirken und ihre Einrichtung und damit
auch ihre Funktion verschlechtern. Dadurch würde es sich erklären,
daß bei manchen Infektionskrankheiten die Vcrdauungsschleimhaut
eine mehr trockene Beschaffenheit an ihrer Oberfläche zeigt. Allge¬
mein bekannt ist jedenfalls die Tatsache, daß bei einigen Infektions¬
krankheiten der Pferde, z. B. bei der Brustseuche, der Darminhalt
bald eine trockene, feste Beschaffenheit annimrat, der die Therapie seit
alters her durch die Applikation von Abführmitteln zu begegnen
trachtet. Es kann allerdings dahingestellt bleiben, ob hier die Ver¬
zögerung der Defäkation allein durch die Veränderung der Verdauungs¬
schleimhaut, oder auch durch die Konkurrenz der verminderten Darm¬
peristaltik bedingt wird. Ferner ist es den Tierärzten bekannt, daß
bei der Kolik die Maulschleimhaut der Pferde sehr oft eine gewisse
Trockenheit erkennen läßt, die nur durch eine verminderte Sekretion
von Speichel erklärt werden kann. Hier scheint ein hemmender Ein¬
fluß auf die sekretorischen Nerven ausgeübt zu werden.
Betrachten wir noch einmal die bereits erwähnte Lokalisation der
einfachen Verstopfung in den einzelnen Darmabschnitten, so ergibt
sich, daß der Dünndarm verhältnismäßig selten, der Blind- und Grimm¬
darm dagegen viel öfter Sitz einer tödlichen Fäkalstase ist. Diese
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. qj
482
PILWAT,
Tatsache erklärt sich dadurch, daß in den Dünndarmabteilungen der
Inhalt flüssig ist und daher weniger leicht in einen festen Eotpfropf
uragewandelt werden kann als in den Dickdarmabschnitten, wo er
bereits durch Resorption des Wassers mehr eingedickt ist. Im Mast¬
darm erreicht die Austrocknung des Inhalts den höchsten Grad, und
doch wurde in ihm nur 3 mal eine tödliche Verstopfung beobachtet.
Hier darf nicht übersehen werden, daß dieser Darm den therapeu¬
tischen Eingriffen viel leichter zugänglich ist als die übrigen Dick¬
darmabschnitte, und daß sich insbesondere durch die bei kolikkranken
Pferden sehr oft angewandten Klystiere Mastdarmverstopfungen
meistens beseitigen lassen. Ferner sehen wir, daß die Verstopfung
gewisse Stellen des Darms regelmäßig befällt, während andere fast
niemals oder nur sehr selten betroffen werden. Diese Tatsache läßt
sich nur durch die anatomische Einrichtung und Lage des Darms aus¬
reichend erklären.
Der Zwölffingerdarm geht aus der rechten Hälfte des Magens
hervor, verläuft also zunächst auf der rechten Seite der Bauchhöhle
und tritt dann, die Wirbelsäule fast senkrecht kreuzend, dicht unter
derselben nach links herüber. An der Kreuzungsstelle ist das Gekröse
des Darmes sehr kurz. Ein kurzes Gekröse ist aber für die peristai-
tischen Bewegungen des Darms weniger günstig, als ein langes, das
dem Darm mehr Spielraum gewährt. Dazu kommt, daß sich unmittelbar
vor dem Zwölffingerdärme die vordere und unmittelbar hinter ihm die
hintere Gekröswurzel an der Wirbelsäule anheftet. Der Darm zieht
also zwischen den Gekröswurzeln von rechts nach links herüber und
erleidet an dieser Stelle eine gewissermaßen natürliche Einklemmung.
Daher beobachtet man, daß die Verstopfungen des Zwölffingerdarms
sich regelmäßig an dieser Stelle ausbilden (Obduktionsbefund Nr. 9).
Der unter Nr. 10 mitgeteilte Obduktionsbefund zeigt, daß sich bei
diesem Pferde eine Hypertrophie und Dilatation des Magens und
Zwölffingerdarms ausgebildet hatte, die bis zu der durch einen Kot¬
pfropf verlegten Kreuzungsstelle der Wirbelsäule des Zwölffingerdarms
rcichto. Die Entstehung der Dilatation und Hypertrophie ist hier
wahrscheinlich durch ein andauerndes oder öfter wiederkehrendes
Hindernis an der Kreuzungsstelle des Darms zu erklären. Schließlich
gelang die natürliche Regulation nicht mehr und die Verstopfung
wurde tödlich.
Ueber die Lokalisation der Verstopfung im Leerdarme (Obduktions¬
befund Nr. 11) kann aus den drei beobachteten Fällen keine Regel
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
483
abgeleitet werden, da die Fäkalstase jedesmal in einem andern Teil
des Leerdarms ihren Sitz hatte. Dieser Darm zeigt auch in seiner
gesamten Länge eine fast gleichmäßige anatomische Einrichtung.
Bemerkenswert ist nur, daß das Gekröse des Leerdarms in seinem
hinteren Teil erheblich länger ist als im vorderen.
Im flüftdarrae (Obduktionsbefund Nr. 12) zeigt sich die Ver¬
stopfung stets unmittelbar vor der Einmündung desselben in den Blind¬
darm. An dieser Stelle hat der Darminhalt ein dauerndes Hindernis
zu überwinden, so daß er vor demselben stets längere Zeit im Darme
verweilt, ln die Hüft-Blinddarraöffnung ragt ein großer Schleimhaut¬
wulst, die Bauhinsche Klappe hinein, und ferner ist der Umkreis der
Hüft-Blinddarmöffnung erheblich kleiner als der der vor derselben
gelegenen Darmabschnitte; er beträgt beim Pferde im Mittel 10 cm.
Dazu kommt noch, daß der Hüftdarm mit dem Blinddarm durch ein
■breites Band verwachsen und dadurch in seinen peristaltischen Be¬
wegungen erheblich behindert ist. Die Natur hat den Hüftdarm daher
auch mit einer viel stärkeren Muskulatur ausgestattet als den Leerdarm.
Der Blinddarm (Obduktionsbefund Nr. 13) ist beim Pferde ziemlich
häufig Sitz der Verstopfung. Gewöhnlich ist der ganze Darm prall
mit trockenen, harten Kotmassen angefüllt und stark ausgedehnt. Das
Gewicht seines Inhalts beträgt dann nicht selten 50 Kilo und mehr.
Die hier beobachteten 12 Fälle waren alle dadurch ausgezeichnet, daß
der Darm gleichzeitig stark ausgedehnt und daß die Wände desselben
■dünn waren. Mithin müssen diese Verstopfungen als akute angesehen
werden. Es ist bereits erwähnt, daß der Inhalt im Blinddärme schon
■unter normalen Verhältnissen durch Wasserabgabe etwas fester wird.
Dazu kommt, daß die Fortbewegung der Ingesta im Blinddärme des
Pferdes sehr ungünstig ist. Wie aus der umstehenden schematischen
Zeichnung ersichtlich ist, liegt die Hüft-Blinddarmöffnung an der kleinen
Kurvatur des Blinddarms brustwärts, die Blind-Grimmdarmöffnung
■dicht dahinter, beckenwärts. Die Ingesta, die durch die Hüft-Blind¬
darmöffnung in den Blinddarm eintreten, müssen in diesem großen,
weiten Sacke zunächst gegen die Biinddarmspitze, also nach vorn und
unten gegen die Brusthöhle hin bewegt werden. Von hier muß der
Strom im entgegengesetzten Sinne nach rückwärts und gleichzeitig
nach oben zum Grunde des Blinddarms hin gerichtet sein. Der Grund
des Blinddarms ist mit der rechten Niere und mit der Bauchwand
dicht unterhalb der Wirbelsäule verwachsen, liegt also höher als die
Spitze und der Körper des Blinddarms. Durch die Blind-Grimmdarm-
31 *
484
PILWAT,
Öffnung tritt der Inhalt schließlich in den Grimmdarm ein. Die Be¬
wegung des gewöhnlich ziemlich massigen Blinddarminhalts von der
Blinddarmspitze zum Grunde und dann zur Blind-Grimmdarmöffnung
hin erfolgt also dem Gesetze der Schwere entgegen.
Dazu kommt, daß diese Inhaltsströmung noch gehemmt sein kann
durch die gleichzeitig erfolgende Bewegung des Inhalts von der Hüft-
Blinddarmöffnung zur Blinddarmspitze hin. Die eingezeichneten Pfeile
geben die ßewegungsrichtung des Blinddarminhalts an. Es ist daher
klar, daß der ohnehin schwierige Abfluß des Blinddarminhalts schon
durch geringfügige Ursachen, die in anderen Darmteilen vielleicht noch
Fig. 1.
keine Stase erzeugen, gehemmt werden kann. Durch die Hüft-Blind-
darmöffnung wird noch eine zeitlang Inhalt zufließen, während der Ab¬
fluß durch die Blinddarmöffnung nicht mehr von statten gehen kann.
Infolgedessen muß sich der Blinddarm mit Inhalt stark anfüllen, und
müssen seine Wände stark gedehnt, also dünner werden. Diese Ver¬
dünnung der Blinddarmwände bezieht sich oft nur auf die Muskel¬
schicht. Denn die Schleimhaut kann durch die Umsetzungsprodukte
des stagnierenden Inhalts entzündet und durch Infiltration mit den
Entzündungsprodukten dicker erscheinen. Die Verdickung der Schleim¬
haut ist hier aber stets durch die Produkte der akuten Entzündung
bedingt. Dieser Zustand ist von großer Wichtigkeit, weil er von den
durch eine chronische Entzündung entstandenen Verdickungen der
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
485
Blinddarmwand unterschieden werden muß. Diese einfache akute
Verstopfung des Blinddarms kann für sich allein tödlich werden, wie
die beobachteten 12 Fälle zeigen, oder sie kann zur Zerreißung des
Blinddarms führen (Obduktionsbefund Nr. 30). ln zahlreichen Fällen
wird aber die einfache akute Verstopfung durch die natürlichen Mittel
des Körpers oder vielleicht auch durch Anwendung von Kunsthilfe
gehoben, um nach einiger Zeit wiederzukehren. Die Verstopfung wird
habituell oder chronisch. Hier hat die Muskulatur des Blinddarms,
die den massigen, harten und trockenen Inhalt fortbewegen muß, eine
erheblich größere Arbeit zu verrichten, als unter gewöhnlichen Ver¬
hältnissen, sie wird hypertrophisch und verdickt sich. Am stärksten
ist von der Verdickung die Ringfaserschicht betroffen. Die im Patho¬
logischen Institute ausgeführten Messungen haben ergeben, daß die
normale Ringfaserschicht des Blinddarmgrundes eine Dicke von etwa
3 mm und die Längsfaserschicht eine solche von 1 mm aufweist. Die
hypertrophische Verdickung der Muskelschichten beträgt das Doppelte
und Dreifache ihrer gewöhnlichen Dicke. Gleichzeitig verdickt sich
auch die Schleimhaut durch Zunahme des Bindegewebes in ihr. Sie
wird grau oder weißlich grau und lederartig derb. Diese Verdickung
ist so zu erklären, daß die Entzündung der Schleimhaut zunächst
akut ist und nach einiger Zeit chronisch wird. Das Produkt der
chronischen Entzündung ist Neubildung von Bindegewebe. Hier be¬
stehen also am Blinddärme gleichzeitig Verstopfung, Dilatation, Hyper¬
trophie seiner Muskelhaut und meist auch chronische Entzündung der
Schleimhaut desselben. Die bloße Verdickung der Blinddarmwände
genügt noch nicht, um damit die Bezeichnung „chronische Blinddarm¬
kolik“ zu begründen. Das wichtigste Kennzeichen liegt vielmehr in
der Art der Verdickung der Blinddarmwände. Die Regel ist, daß
schließlich eine Ruptur der Biinddarmwand und dadurch der tödliche
Ausgang erfolgt (Obduktionsbefund Nr. 31).
Im Grimmdarme tritt die einfache Verstopfung regelmäßig an
gewissen Lieblingsstellen dieses Darms auf. Unter 53 einfachen Ver¬
stopfungen war einmal das untere Querkolon und die rechte untere
Lage, in 4 Fällen die Beckenflexur und die linke untere Lage und in
48 Fällen die magenähnliche Erweiterung Sitz der Verstopfung. Für
das untere Querkolon (Obduktionsbericht Nr. 14) kann als anatomische
Ursache nur die Knickung des Darms bezeichnet werden. Die anato¬
mischen Verhältnisse liegen in diesem Darmteile aber noch ziemlich
gut, sonst würde die Verstopfung hier häufiger beobachtet werden.
486
PILWAT,
In der Bcckenflexur (Obduktionsbefund Nr. 15) stellen sich der Fort¬
bewegung des Inhalts von Natur schon größere Schwierigkeiten ent¬
gegen. Erstens ist die Knickung des Darms in der Beckenflexur eine
sehr scharfe; zweitens muß der Inhalt hier dem Gesetze der Schwere
entgegen von den unteren zu den oberen Lagen aufsteigen, und drittens
endlich verjüngt sich das Lumen des Darms in der Beckenflexur. Diese
natürlichen Hindernisse reichen oft aus, um die Bewegung des Inhalts
in der Beckenflexur zu stören. Am ungünstigsten ist die Passage des
Inhalts in der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarms(Obduktions-
befund Nr. 16). Diese Stelle ist beim Pferde überhaupt in bezug auf
Lage und anatomische Einrichtung die ungünstigste des ganzen Darm¬
rohrs. Der Darm erweitert sich hier ad maximum, um sich dann
rasch und unvermittelt beim Uebergange in den Mastdarm zu ver¬
jüngen. Zweitens macht der Darm an dieser Stelle einen ziemlich
scharfen Knick. Die magenähnliche Erweiterung liegt beim Pferde
weit nach vorne dicht unter der Wirbelsäule und zieht fast senkrecht
zu ihr, sie kreuzend von rechts nach links herüber, um in der linken
Unterrippengegend in den Mastdarm überzugehen. Drittens ist der
Anfangsteil des Mastdarms durch ein breites Band, das auch auf die
raagenähnliche Erweiterung hinübergreift, mit dem Zwölffingerdarm
verbunden. Die magenähnliche Erweiterung selbst ist mit der Bauch¬
speicheldrüse und mit der Bauchwand verwachsen, sie ist also voll¬
kommen festgelegt und in ihren peristaltischen Bewegungen stark be¬
hindert. Dazu kommt viertens, daß der Inhalt in der magenähnlichen
Erweiterung bereits physiologisch eine mehr feste Beschaffenheit an¬
nimmt und dadurch unbeweglicher wird. Fünftens könnte noch er¬
wähnt werden, daß dieser Darmteil so weit nach vorn gelegen ist,
daß er durch therapeutische Eingriffe, z. B. durch Klystiere, schwer
beeinflußt werden kann. So haben wir Ursachen genug, die gerade
das ungemein häufige Befallensein der magenähnlichen Erweiterung des
Grimmdarms beim Pferde von einfachen Verstopfungen hinreichend
erklären.
Im Mastdarm oder kleinen Kolon (Obduktionsbefund Nr. 17) läßt
sich über Lokalisation der einfachen Verstopfung an bestimmten Stellen
dieses Darms nichts Sicheres aussagen. Der anatomische Bau und
die Lage dieses Darms sind nicht ungünstig. Erwähnt wurde bereits,
daß der Inhalt im Mastdarra die größte Trockenheit besitzt, und daß
wahrscheinlich eine Verstopfung des Mastdarros aus diesem Grunde
nicht selten ist. Dieser Darm ist aber seiner Lage wegen den direkten
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
487
therapeutischen Eingriffen leicht zugänglich, und daher kommen tödliche
Verstopfungen in ihm nur verhältnismäßig selten zur Beobachtung.
Der Tod erfolgt bei den einfachen Verstopfungen teils durch die
Ausbildung einer Darmentzündung, die alle Grade vom einfachen
Katarrh bis zur schwersten diphtherisch-gangranösen Entzündung zeigen
kann. Die Darmentzündungen sind im ersten Teile dieser Abhandlung
eingehend besprochen worden, so daß auf jene Ausführungen verwiesen
werden kann. Nur eine Erscheinung verdient ihrer Häufigkeit und
Wichtigkeit wegen hier noch besonders hervorgehoben zu werden. Der
verstopfende Kotpfropf hindert die Fortbewegung des Darrainhalts in
den vor ihm gelegenen Darmabschnitten. Wir haben nun gesehen,
daß sich die meisten Verstopfungen in den Dickdarmabteilungen aus¬
bilden. Der Inhalt des Leerdarms wird daher nicht abfließen können
und muß sich in diesem Darme ansammeln. Nun bildet der Leerdarm
zahlreiche Schlingen, die an der vorderen Gekröswurzel befestigt sind
und in die Bauchhöhle herabhängen. Der sich anstauende Inhalt wird
daher, dem Gesetze der Schwere folgend, sich an den tiefsten Stellen
der herabhängenden Leerdarmschlingen ansammeln, sich hier umsetzen
und die Schleimhaut reizen. Wir finden daher nach der Eröffnung des
Leerdarms in der Regel die Schleimhaut desselben nicht gleichmäßig,
sondern nur streckenweise gerötet, verdickt und aufgelockert. Diese
Rötungen entsprechen den tiefsten Stellen der Leerdarmschlingen.
Ferner kann der Tod durch die Resorption giftiger Umsetzungsprodukte
des sich anstauenden Inhalts eintreten, ohne daß die Schleimhaut
hierbei erhebliche Veränderungen aufweist. Endlich üben die sich im
Darm zuweilen sehr schnell bildenden und den Darm stark ausdehnenden
Gase einen Druck auf das Zwerchfell aus und führen zur Atmungs-
lähraung, also zur Erstickung. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß
diese Momente der Regel nach Zusammenwirken, wie sich aus der
Durchsicht der mitgeteilten Obduktionsbefunde ergibt.
2. Verstopfung des Darms durch eingeklemmte Kotsteine.
Unter 428 an der Kolik gestorbenen und im Pathologischen
Institute obduzierten Pferden wurde 5 mal als Todesursache die Ver¬
stopfung des Darms durch einen Kotstein gefunden. Mithin waren
1,17 pCt. dieser Pferde an Darmkonkrementen gestorben. Bei zwei
Pferden hatte sich der Kotstein am Uebergange der magenähnlichen
Erweiterung des Grimmdarms in den Mastdarm und bei drei Pferden
im Anfangsteile des Mastdarms eingeklemmt. Die pathologisch-anato-
488
PILWAT,
mische Veränderungen waren in allen 5 Fällen einander sehr ähnlich
und können aus folgendem Obduktionsbefunde ersehen werden.
18 . Brauner Wallach, Stern, Druckflecke, hinten rechts halbgestiefelt, hinten
links gekrönt, 7 bis 8 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 7. 3. 1905.
Der Kadaver befindet sich in ziemlich gutem Nährzustande. Das Fettpolster
der Unterbaut hat einen lappigen Bau und eine gelblich-weiße Farbe. Die Venen
der Unterhaut sind fast leer. Die Körpermuskeln sind kräftig entwickelt und toten¬
starr. Sie erscheinen auf dem Durchschnitte graurot, trübe und trocken; ihre Kon¬
sistenz ist brüchig. Der Bauch ist etwas ausgedehnt.
ln der Bauchhöhle etwa 15 Liter einer trüben graubraunen Flüssigkeit, in
welcher flockige, gelbweiße Gerinnsel schwimmen. Die Oberfläche des Bauchfells
ist mit einem gelblich-weißen zusammenhängenden und weichen, schmierigen Be¬
lage bedeckt, der sich abheben läßt. Unter dieser Auflagerung erscheint das Bauch¬
fell trübe, fleckig gerötet und an der Oberfläche rauh. Die Lage des Darmes zeigt
keine Abweichung. Der Leerdarm ist stark zusammengezogen, außen graurot und
zeigt injizierte Venennetze. Sein spärlicher Inhalt ist trübe, graugelb und etwas
schleimig. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarmes ist blaß, trübe und von
punktförmigen Blutungen durchsetzt. Der Blinddarm enthält breiige braune Massen
in erheblicher Menge, seine Schleimhaut ist bräunlich-grau und etwas trübe. Am
Uebergange des Grimmdarmes in den Mastdarm zeigen sich außen handtellergroße,
scharf abgesetzte trübe, graugelbe Flecke, deren Nachbarschaft schwarzrot gefärbt
ist. Die magenähnliche Erweiterung des Grimmdarmes ist mit dickbreiigen bis
festen, die vorderen Abschnitte desselben sind mit mehr weichbreiigen bräunlichen
Massen stark gefüllt. Die Uebergangsstelle des Grimmdarmes in den Mastdarm ist
durch ein hartes Konkrement verlegt, das 4 l / 2 kg wiegt. Das Konkrement ist außen
uneben. Auf dem Durchschnitte zeigt sich, daß es aus faustgroßen steinharten
Knollen zusammengesetzt ist. An denjenigen Stellen der Darmwand, die außen
trübe und grau gefärbt erscheinen, sind Schleimhaut und Muskelhaut zum Teil
gänzlich abgestorben. In der Nachbarschaft dieser Stellen sind die genannten
Häute mit einem blutigen Exsudate durchtränkt. Die Schleimhaut der vorderen
Grimmdarmabschnitte ist bräunlich-grau und etwas trübe. Der Mastdarm ist außen
graurot und zeigt injizierte Venennetze; sein spärlicher Inhalt ist breiig. Die
Schleimhaut des vorderen Mastdarmabschnittes ist dick, rot und von Blutungen
durchsetzt. Im Magen graugelbe Flüssigkeit in spärlicher Menge. An der Schleim¬
haut der linken Magenhälfte nichts Abweichendes. Die Schleimhaut der mit Drüsen
ausgestatteten Magenhälfte ist dick, trübe und graurot. In der Gegend der Fundus¬
drüsen trägt diese Schleimhaut auf ihrer Oberfläche einen grauen, zähen, schlei¬
migen Belag, der sich schwer abspülen läßt. Unter dieser Auflagerung erscheint
die Schleimhaut lebhaft gerötet. Die Milz mißt 61 cm in der Länge, 25 cm in der
größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Oberfläche der Milz ist hügelig
und mit grauweißen zottigen Anhängseln versehen. Der Durchschnitt ist braunrot
und läßt das Balkengerüst bequem erkennen. Die Pulpe ist weich. Nur an den¬
jenigen Steilen, die außen in Form von Hügeln hervortreten, ist die Pulpe reichlich,
schwarzrot und bedeckt das Balkengewebe. Das Gewicht der Leber beträgt 5500 g.
Die Leber ist außen glatt und glänzend; ihre Konsistenz brüchig. Auf dem Durch-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
489
schnitte ist das Lebergewebe gleichmäßig graugelb, lebmfarben und trübe. Die
Läppchenzeichnung ist schwer erkennbar. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von
den Nieren abtrennen. Die Nieren sehen außen rötlich-grau, an der Oberfläche
glatt, mattglänzend aus und brechen leicht. Rechte Niere 18,8 cm lang, 19 cm
breit und 6 cm dick. Linke Niere 21 cm lang, 16 cm breit und 5,8 cm dick. Die
Rindenschicht ist auf dem Durchschnitte gelblich-grau, trübe und läßt ihre feine
Struktur nicht mehr erkennen. Grenzschicht dunkelbraunrot, Markschicht mehr
hellrot und gestreift.
ln den Brustfellsäcken findet sich kein fremder Inhalt. Die Oberfläche des
Brustfells ist glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken
und sind klein. Das Lungengewebe ist weich, elastisch, hellrot und knistert
schwach beim Hinüberstreiohen. Die Durchschnittsfläche ist glatt und ziemlich
trocken. Im Herzbeutel findet sich etwa ein Eßlöffel voll einer rötlich-gelben fast
klaren wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutel¬
blätter hat einen spiegelnden Glanz. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herz¬
basis 62 cm. Rechte Kammer 16 cm hoch, linke 19 cm hoch. Die Seitenwand des
rechten Ventrikels ist 2 cm, die des linken 3,3 cm dick. Die rechten Herzhöhlen
sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute ziemlich stark gefüllt. In
der linken Kammer und Vorkammer finden sich größere dunkelrote und speckhäutige
Gerinnsel. Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen
läßt sich eine länglich zusaramengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herz¬
klappen und die Innenhaut des Herzens sind zart. Unter der Innenhaut finden sich
hauptsächlich im linken Ventrikel mehrere punkt- und fleckenförmige Blutungen.
Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graurot, trocken und trübe; ihre
Konsistenz brüchig. An den Halsorganen zeigen sich keine krankhaften Verände¬
rungen. Die Hüft- Blind- Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und fast gleichmäßig
zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind bis 3 mm dick, an der Innen¬
fläche rauh und an einer Stelle, an der das Gefäß eine geringe Ausbuchtung zeigt,
mit einem bohnengroßen grauroten, trockenen und bröckligen Gerinnsel bedeckt,
das der Gelaßwand adhäriert. Unter dieser Auflagerung ist die Innenhaut fetzig.
An anderen Stellen zeigt diese Haut in der Längs- und Querrichtung verlaufende
Narben. Die von der Hüft- Blind- Grimmdarmarterie zum Darm gehenden Gefäße
sind wegsam und frei von Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und brandige Ent¬
zündung in der Wand der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes infolge
eines eingeklemmten Kotsteins. Akute Bauchfellentzündung. Akute multiple Milz¬
schwellung. Trübe Schwellung des Herzmuskels, der Leber, der Nieren und der
Körpormuskeln. Schleimiger Katarrh des Magens. Erweiterung und wandständige
Thrombose der Hüft- Blind- Grimmdarmarterie.
Die eingeklemmten Kotsteine üben auf die ihnen anliegenden
Teile der Darrawand einen anhaltenden Druck aus und erzeugen wahr¬
scheinlich auch kleine Wunden jn der Darmschleimhaut, in die vom
stagnierenden Darminhalte aus leicht Spaltpilze eindringen. Dadurch
entsteht der Regel nach eine umschriebene Darmgangrän. Der Ent¬
zündungsprozeß setzt sich auf das Bauchfell fort und führt zur Aus-
490
PILWAT,
bildung einer akuten allgemeinen Bauchfellentzündung, die tötlich ist.
Dieser brandige Prozeß am Darm ist am besten zu vergleichen mit
dem Hautbrande, der durch den Druck des Körpergewichts infolge
des anhaltenden Liegens der Tiere an gewissen Stellen der äußeren
Haut entsteht.
Sämtliche Kotsteine oder Konkremente bestanden aus harten, ein¬
getrockneten Fäkalmassen, die sich zum Teil knollenartig aneinander
gelagert und Kalksalze aufgenomraen hatten. Die Bildung solcher
Konkremente findet im Blind- und Grimradarm wahrscheinlich ganz
allmählich statt. Von hier aus rücken dieselben, sich stetig ver¬
größernd, nach hinten fort. Beim Uebergange der magenähnlichen
Erweiterung des Griramdarms in den Mastdarm verengt sich der
Darmkanal plötzlich, so daß an dieser Stelle bereits die Einklemmung
größerer Steine im Darme erfolgen kann. Kleine Konkremente können
diese Enge noch passieren und klemmen sich später ira Mastdarme ein.
3. Verstopfung des Darms infolge von Narbenstrikturen.
Narbige Verengerung des Darmrohrs und Verstopfung vor den
verengten Stellen wurde nur am Leer- und Hüftdarme beobachtet.
Der Leerdarm war in 4 Fällen Sitz einer tödlichen Striktur; letztere
war an keine bestimmte Stelle dieses Darms gebunden, sondern wurde
ganz regellos an verschiedenen Abschnitten des Darms ermittelt. Am
Hüftdarm wurde ‘27mal eine Striktur als Todesursache gefunden, und
zwar war in allen Fällen die Hüft-Blinddarmöffnung Sitz der narbigen
Verengerung. Es waren unter 428 an Kolik gestorbenen und obduzierten
Pferden 31 = 7,24 pCt. mit Verstopfungen des Darms infolge von
Strikturen desselben behaftet. Die folgenden Obduktionsbefunde dienen
zur Erläuterung der hier in Rede stehenden Fälle.
19. Schimmelstute, ca. 12 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 23. 1. 1903.
Der Kadaver ist gut genährt, ln der Unterbaut, in der Umgebung der Ge¬
lenke, über dem Euter und hinter dem Bauchfell liegt dickes gelblich-weißes Fett¬
gewebe, das auf dem Durchschnitt einen lappigen Bau erkennen läßt. Die Körper¬
muskeln sind totenstarr und sehen rotbraun aus. Der Bauch ist ausgedehnt.
Im freien Raum der Bauchhöhle etwa 1 Liter einer graubraunroten trüben
Flüssigkeit. An den Blättern des Bauchfells sitzen zahlreiche grauweiße Binde-
gewebszotten; sonst ist das Bauchfell mattgrau, zart, schwach durchscheinend
und an der Oberfläche glänzend. Der Blinddarm und die linken Lagen des Grimm¬
darmes liegen auf der rechten Seite der Bauchhöhle und bedecken die rechten
Grimmdarmlagen. Diese Darmteile sehen grau, ihre Oberfläche glatt und glänzend
aus. Der prall gefüllte Leerdarm liegt links und nimmt den größten Raum in der
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
491
Bauchhöhle ein. Zahlreiche Leerdarmschlingen sehen außen bläulichrot aus und
lassen an der Oberfläche gefüllte, fein verzweigte Venennetze erkennen. Der vor¬
dere Abschnitt des Leerdarmes enthält viel braunrote Flüssigkeit, die mit festen
Bestandteilen vermisoht ist. Gegen das hintere Drittel des Leerdarmes wird sein
Inhalt dickbreiiger und bildet schließlich einen trockenen, das Darmlumen voll¬
ständig anfüllenden Pfropf von 20 cm Länge. Hinter diesem Kotpfropf sind Leer-
und Hüftdarm leer und zusammengezogen, vor demselben ist der Leerdarm stark
erweitert. Im Bereich der festen Anschoppung der Inhaltsmassen sieht die Schleim¬
haut diffus dunkelrot aus. An der hinteren Grenze dieser Zone findet sich in der
Darmwand ein bohnengroßer, aus derbem Gewebe bestehender bräunlich-grauer
Knoten, der gegen die Darmlichtung hin eine Oeffnung zeigt. Von dem genannten
Knoten geht eine strangartige ringförmige Narbe aus, welche dem Verlaufe einer
in der Darmwand gelegenen kleinen Arterie entspricht und den Darm halbkreis¬
förmig umfaßt. Der Umfang des Leerdarms beträgt an dieser Stelle 7 cm. Vor
der Verengung ist der Darm sehr weit; sein Umfang beträgt hier bis 20 cm. Auf
der Höhe des Knotens fehlt die Schleimhaut; es besteht hier ein tiefer Defekt, in
dessen Grunde eine graue, trockene, bröckelige Masse liegt, bei genauer Unter¬
suchung derselben läßt sich in ihr ein verkäster Kundwurm nachweisen. Im vor¬
deren und mittleren Teil des Leerdarmes erscheint die Schleimhaut streckenweise
diffus gerötet und mit Blutungen durchsetzt. Das hintere Drittel der Leerdarm-
sowie die Hüftdarmschleimhaut sind blaßgrau und schwach durchscheinend, an
der Oberfläche sammetartig. Im Blinddarm wenig festweicher Inhalt; seine
Schleimhaut ist bräunlich-grau und durchscheinend. Der Grimmdarm enthält
wenig breiigen, in der magenäbnlichen Erweiterung mehr trockenen Inhalt. Die
Grimmdarmschleimhaut ist stellenweise gerötet. Im Mastdarm sehr wenig ge¬
formter Inhalt. Mastdarmschleimhaut blaßgrau und durchscheinend. Der Magen
ist mit Gasen und dünnbreiigen braunen Massen stark angefüllt. Die Magenwände
sind dünn. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte erscheint diffus gerötet und etwas
dick. Stellenweise liegen in derselben braunrote beetartige flache Erhebungen,
auf deren Höhe das Epithel und die oberen Schichten der Schleimhaut fehlen. In
der Gegend der Fundusdrüsen erscheint die Schleimhaut an der Oberfläche im
allgemeinen flach gekörnt, gegen den Pförtner hin wird sie mehr glatt. Die
Schleimhaut der Schlundhälfte des Magens ist frei von Veränderungen. Die Milz
mißt 42 cm in der Länge, 19 cm in der größten Breite und 2,5 cm in der mittleren
Dicke. Die Milz sieht außen bläulich-grau aus. Die Milzkapsel ist mit mehreren
weißlich-grauen Zotten besetzt. Konsistenz der Milz fest-weich. Auf dem Durch¬
schnitt ist das Balkengewebe noch sichtbar. Pulpa etwas reichlicher, weich und
rotbraun. Durchschnittsfläche der Milz glatt und etwas feucht. Das Gewicht der
Leber beträgt 4000 g. Der rechte Leberlappen ist fast vollkommen geschwunden
und stellt einen grauweißen hautartigen Anhang dar. Der linke Lappen ist halb-
kugelähnlioh gewölbt; seine Ränder sind stark abgerundet. Die Leberkapsel ist
auf der Zwerchfellfläche mit zahlreichen bindegewebigen Zotten besetzt. Konsistenz
der Leber derb. Das Lebergewebe erscheint auf dem Durchschnitt wenig blutreich
uDd graubraun. Zeichnung der Leberläppchen bequem erkennbar. Die einzelnen
Läppchen sind bis linsengroß, in der Mitte rötlich-graubraun, am Rande in breiter
Zone grau. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die
Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form und Größe, sind an ihrer Oberfläche glatt,
492
PILWAT,
mattglänzend und hellbraun. Die Rindenschicht ist auf dem Durchschnitt blaß-
braun und schwach durchscheinend. Die Gefäßknäuel sind in ihr als rote Pünkt¬
chen sichtbar. Die Grenzschicht ist dunkelrot, die Markschicht blaßrot.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den
Brustfellsäcken. Der untere mittlere 'feil der rechten Lunge ist groß, schwer,
dunkelrot und fühlt sich etwas derbe an. Beim Hinüberstreichen mit den Finger¬
spitzen fühlt man in diesem Lungenteil verschieden große, ziemlich dicht anein¬
ander liegende derbe Knoten, die auf dem Durchschnitt dunkelrot bis schwurzrot
erscheinen und in der Mitte einen kleinen mit Mageninhalt gefüllten Luftröhrenast
erkennen lassen. Das zwischen den verdichteten Stellen gelegene Gewebe ist noch
zum Teil lufthaltig. Die Schnittfläche desselben sowie die der übrigen Lungen¬
teile ist feucht und bedeckt sich nach kurzer Zeit mit einem dichten feinblasigen
Schaum. Die nicht von Knoten durchsetzten Lungenabschnitte sehen mehr hellrot
aus, fühlen sich weich, etwas elastisch an und knistern sehr schwaoh beim Hin¬
überstreichen. Die Schleimhaut der Bronchien und des Kehlkopfes ist schmutzig-
graubraun, dick und trübe. Auf der Oberfläche dieser Schleimhaut liegen zahl¬
reiche aus dem Mageninhalt stammende Teilchen und dichter feinblasiger Schaum.
Sonst finden sich an den Halsorganen keine Veränderungen. Im Herzbeutel 1 E߬
löffel voll einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden
Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der
Herzbasis 62 cm. Rechte Herzkammer 17 cm hoch, linke 19 cm hoch. Die Seiten¬
wand der rechten Kammer ist 2 cm, die der linken 3,5 cm dick. Die rechten
Herzhöhlen enthalten viel dunkelrotes flüssiges Blut und große dunkelrote und
speckhäutige Gerinnsel, ln den linken Herzhöhlen neben etwas flüssigem Blut
kleine dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Durch die zwischen den Vor- und
Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand
bequem hindurchführen. Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind
zart. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durchschnitt graurot, trocken und
trübe; ihre Konsistenz ist brüchig. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,2 cm
lang und zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind bis 3 cm dick, an
der Innenfläche rauh und mit mehreren linsengroßen grauen bröckligen Gerinnseln
bedeckt, die der Gekröswand ziemlich fest anhaften und sich bis zur Aorta hin
fortsetzen. Unter diesen Auflagerungen fehlt die Innenhaut zum Teil. Am Grunde
der Auflagerungen 6 Wurmlarven.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Wurmknoten und ringförmig-
stenosierende Narbe in der Lcerdarmwand. Verstopfung, Erweiterung und blutige
Entzündung des Leerdarras. Blutiger Katarrh der Magenschleimhaut. Akute
rechtsseitige blutig-fibrinöse Bronchopneumonie. Oedem der Lungen. Trübe
Schwellung des Herzmuskels. Druckatrophie des rechten und kompensatorische
Hypertrophie des linken Leberlappens. Geringgradige Schwellung der Milz. Er¬
weiterung und wandständige Thrombose in der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
20. Schimmelhengst, ca. 15 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 24. März 1906.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in
der Umgebung des Schlauches und unter dem Bauchfell liegt etwas gelblichgraues
Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau zeigt. Die Körper-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
493
muskeln sind totenstarr, braunrot und etwas trübe. Die Gefäße der Unterhaut
sind mäßig gefüllt.
Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raum der Bauchhöhle mehrere Liter
einer gelblichen, fast klaren Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart und durchschei¬
nend, seine Oberfläche mit mehreren grauweißen bindegewebigen Zotten besetzt,
sonst glatt und glänzend. Der Blinddarm und die rechten Lagen des Grimmdarms
liegen auf der rechten, dio fast ganz von Leerdarmschlingen bedeckten linken
Grimmdarmschlingen auf der linken Seite der Bauchhöhle. Diese Darmteile sehen
außen grau aus. Der prall gefüllte Leerdarm liegt links und nimmt den größten
Raum in der Bauchhöhle ein. Die Leerdarmschlingen sehen außen bläulichgrau
aus. Der vordere und mittlere Teil des Leerdarms ist mit einer graubraunen
Flüssigkeit gefüllt, die nur wenig feste Bestandteile enthält. Gegen den Hüftdarm
hin nehmen die festen Bestandteile an Menge zu. Der Inhalt wird mehr breiig und
bildet vor der Hüft-Blinddarmöffnung einen 30 cm langen, festen, trockenen
Pfropf, der das Lumen des Hüftdarmes vollständig ausfüllt. Die Hüft-Blinddarm¬
öffnung ist narbig zusammengezogen und besitzt einen Umfang von l l j 2 cm. Der
Hüftdarm und der hintere Abschnitt des Leerdarms sind sehr weit; die Ring¬
muskelschicht des Hüftdarms ist 2mm, die Längsfaserschicht x / 2 mm, die Schleim¬
haut 1—2 mm dick. Unmittelbar vor der Hüft-Blinddarmöffnung findet sich in
der Schleimhaut des Hüftdarms ein 2 cm breiter, dunkelroter bis schwarzroter
ringförmiger Streifen. An einzelnen Stellen liegen in der schwarzroten Schleim¬
haut gelblicbgraue, linsengroße, fetzige Herde. Vor der ringförmigen Rötung sieht
die Schleimhaut des Hüftdarms grau bis bräunlichgrau aus, ist dick und lederartig
derb. Die Schleimhaut des Leer- und Zwölffingerdarms ist in großer Ausdehnung
diffus gerötet, in der Gegend der Peyersehen Haufen mit schwarzroten Flecken
durchsetzt; stellenweise sind die oberflächlichen Schichten dieser Schleimhant ab¬
gestorben, gelblichgrau und fetzig. Der Magen enthält 15 Liter dünnbreiige grau¬
grüne Massen. Schleimhaut der Pfortnerhälfte gleichmäßig gerötet, etw T as dick,
trübe und gallertartig. Oberfläche dieser Schleimhaut glatt und glänzend. An der
Schleimhaut der Schlundhälfte keine Abweichungen. Im Blinddarm wenig breiiger,
im Grimmdarm etwas fcstweicher bis trockener Inhalt. Der Mastdarm ist fast leer.
Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarms fleckweise schwach gerötet, sonst
grünlichgrau bis bräunlichgrau. Die Milz mißt 53 cm in der Länge, 26 cm in der
größten Breite und 4 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz graublau und
hügelig. Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den
Erhebungen der Milz nicht sichtbar. Pulpa hier dunkelrot, reichlich und zerfließ-
lich. In den übrigen Abschnitten der Milz lassen sich die Trabekel noch er¬
kennen. Pulpa rotbraun und reichlich. Das Gewicht der Leber beträgt 7000 g.
Die Leberränder sind etwas abgerundet. An der Zwerchfellfläche ist die Leber¬
kapsel, besonders des rechten Leberlappens, mit zahlreichen weißlichgrauen Zotten
besetzt und an einer fünfmarkstückgroßen Stelle plattenförmig verdickt, grauweiß
und undurchsichtig. Konsistenz der Leber etwas brüchig. Das Lebergewebe ist
auf dem Durchschnitte blutreich und rötlich-graubraun. Schnittfläche etwas fettig.
Läppchenzeichnung deutlich sichtbar. Die einzelnen Läppchen sind hirsekorn- bis
reiskorngroß, in der Mitte dunkelrot, am Rande in breiter Zone bräunlicbgrau. Die
Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren besitzen
die gewöhnliche Gestalt und Größe, sehen außen graubraun, glatt und matt-
494
PILWAT,
glänzend ans. Konsistenz etwas brüchig. Auf dem Durchschnitte liegen in der
graubraunen, trüben Rindenschicht zahlreiche grauweiße, breite, radiär verlau¬
fende Streifen, die den Markstrahlen entsprechen. Die Marksubstanz ist graurot
und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend,
seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬
säcken, sind klein, blaßrot, weich, elastisch und knistern beim Durchschneiden.
Schnittfläche der Lungen glatt und etwas feucht. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll
einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herz¬
beutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz ist mit dunkelrotem, flüssi¬
gen und geronnenen Bluto ziemlich stark gefüllt, ln den linken Herzhöhlen klei¬
nere dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Der Umfang des Herzens beträgt an
der Herzbasis 61 cm. Rechte Kammer 16 cm hoch, linke 19 cm hoch. Die Seiten¬
wand des rechten Ventrikels ist 2 cm, die des linken 3,3 cm dick. Atrio-Ventri-
kularöffnungen von gewöhnlicher Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens
zart. Unter der Innenhaut, hauptsächlich des linken Ventrikels, finden sich große
flächenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graurot.
trocken und trübe, ihre Konsistenz brüchig. Die Halsorgane zeigen keine Ab¬
weichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und spindelförmig
erweitert. Die Wände der Arterie sind unregelmäßig dick, 0,8 bis 3 mm. Fast
die ganze Innenfläche des Gefäßes ist mit einem platten, etwa walnußgroßen,
grauroten, trockenen Gerinnsel bedeckt, das der Gefäßwand ziemlich fest anhaftet
und das Lumen der Arterie stark verengt. Unter dieser Auflagerung ist die Gefäß-
innenhaut fetzig und fehlt stellenweise ganz. Die aus der Hüft-Blind-Grimmdarm-
arterio hervorgehenden Gefäße erweisen sich bei genauer Untersuchung wegsam
und frei von Pfropfen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Narbige Verengerung der Hüft-
Blinddarmöffnung. Verstopfung, Erweiterung, Hypertrophie und Druckbrand am
Hüftdarme. Allgemeine blutige, diphtherische Entzündung der Leerdarmschleim¬
haut. Katarrh und saure Magenerweichung. Geringgradige Fettinfiltration der
Leber. Akute multiple Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Trübe
Schwellung des Herzmuskels und Blutungen unter der Innenhaut des Herzens.
Leichte Trübung der Körpermuskeln. Erweiterung und wandständige Thrombose
der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
21. Rappstute, ca. 15 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 12. 10. 1905.
Der Kadaver befindet sich in schlechtem Nährzustande. In der Unterhaut,
um die Gelenke und unter dem Bauchfelle zeigt das spärliche Fettgewebe eine
schleimige Beschaffenheit und schmutzig-dunkelgelbe Farbe. Die Körpermuskeln
sind schlecht entwickelt, totenstarr, braunrot und auf dem Durchschnitte feucht.
Der Bauch ist stark ausgedehnt.
Im freien Raume der Bauchhöhle Gas und 10 Liter einer sauren, wässerigen,
trüben, graugrünen Flüssigkeit, die mit festen, aus dem Magen stammenden Teilchen
vermischt ist. Das Bauchfell ist grau und trübe, seine Oberfläche etwas rauh und
besonders im vorderen Teile der Bauchhöhle mit breiigen, aus dem Magen stammen¬
den Massen bedeckt. Letztere finden sich auch zwischen den Blättern des großen
Netzes und im freien Raume des Netzbeutels. Blind- und Grimmdarm haben die
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
495
gewöhnliche Lage, sind fast leer und stark zusammengezogen. Den größten Teil
der Bauchhöhle nimmt der stark ausgedehnte und prall gefüllte Leer- und Hüft-
darm ein. Die Leerdarmschlingen sehen außen bläulioh-rot aus und zeigen gefüllte
venöse Netze. Der Inhalt des Leerdarmes besteht aus großen Mengen einer gelblich¬
grauen, trüben Flüssigkeit, die nach dem hinteren Ende des Darmes zu mit festen
Bestandteilen vermischt ist. Im hintersten Abschnitte des Leerdarmes und im An¬
fangsteile des Hüftdarmes ist der Inhalt dickbreiig und bildet schließlich am Ende
des Hüftdarmes einen 50 cm langen festen Kotpfropf, der bis zur Hüft-Blinddarm¬
öffnung reicht und die Darmlichtung vollkommen anfüllt. In den Rändern der
Hüft-Blinddarmöffnung finden sich zwei weißliche Narben. Diese Oeffnung ist
stark zusammengezogen und besitzt einen Umfang von nur 5,5 cm. Der Hüftdarm
ist stark erweitert. Die weiteste Stelle desselben ist 21 cm von der Hüft-Blind¬
darmöffnung entfernt; hier beträgt der Umfang des Darmes 26 cm. Der hintere
Abschnitt des Leerdarmes ist gleichfalls stark erweitert. Die größte Dicke der
ringförmig verlaufenden Muskelschicht des Hüftdarmes beträgt 10mm, die der Längs-
faserschioht 2 mm. Die Verdickung in der Muskelhaut des Leerdarmes ist gleich¬
falls sehr auffallend und bis auf 9 m vor der Hüft-Blinddarmöffnung noch wahr¬
nehmbar. Hier beträgt die Dicke der Muskelhaut noch 3 mm. Die Schleimhaut
des Hüftdarmes und des hinteren Leerdarmabschnittes ist grau bis bräunlich-grau,
lederartig derb und bis 2 mm dick. Unmittelbar vor der Hüft-Blinddarmöffnung
ist die Schleimhaut dunkelrot, an zwei Stellen in Bohnengröße abgestorben, grau¬
grün und fetzig. Im vorderen und mittleren Teile des Leerdarmes, sowie im Zwölf¬
fingerdärme sieht die Schleimhaut graurot, streckenweise dunkelrot aus, ist etwas
dick, trübe, aufgelockert und mit linsengroßen Blutungen durchsetzt. Blind- und
Grimmdarm sehen außen grau aus und enthalten wenig flüssige und breiige grau¬
grüne Massen. Die Schleimhaut dieser Darmteile ist etwas trübe und dunkelgrau¬
grün. Im Mastdarme wenig geformter, locker geballter Kot. Mastdarmschleimhaut
grau und schwach durchscheinend. Der Magen ist zusammengefallen und enthält
wenig dickbreiigen Inhalt. An der großen Krümmung des Magens findet sich in
der Serosa und Muskelhaut ein 26 cm langer Riß. Die Schleimhaut ist in einer
Länge von 16 cm zerrissen, die Rißränder sind blaß, dünn und frei von Blut¬
gerinnseln. Die mit Drüsen besetzte Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist dick,
trübe und gallertartig. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese Schleimhaut
braunrot, gegen den Pförtner hin mehr grau aus. An der Schleimhaut der Schlund¬
hälfte keine krankhaften Veränderungen. Die Milz mißt 47 cm in der Länge, 19 cm
in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Stellenweise erheben sich
über die sonst glatte graublaue Milzoberfläche bis halbwallnußgroße flache dunkel¬
blaue Hügel, in denen die Pulpa reichlich, zerfließlich und schwarzrot ist. Das
Balkengerüst ist hier nicht sichtbar. In den übrigen Teilen der Milz ist die Pulpa
braunrot und dickbreiig; die Trabekel sind noch erkennbar. Das Gewicht der
Leber beträgt 4000 g. Der rechte Leberlappen ist auffallend dünn, Oberfläche der
Leber glatt und glänzend. Ränder scharf. Farbe der Leber außen bläulich-braun-
rot. Konsistenz derb. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe sehr blutreich
und braun bis braunrot. Läppchenzeichnung deutlich erkennbar. Die einzelnen
Leberläppchen sind hirsekorngroß und braun; zwischen denselben liegen schmale
graue Züge. Die Nierenkapseln sind stellenweise mit den Nieren fest verwachsen.
An der Oberfläche beider Nieren, besonders aber an der linken Niere finden sich
496
PILWAT,
mehrere weißlich-graue, etwas eingezogene Narben. Sonst sieht das Nierengewebe
außen rötlich-graubraun aus und ist etwas brüchig. Rechte Niere 15 cm lang,
14,6 cm breit und 4,3 cm dick. Linke Niere 17 cm lang/ 13 cm breit und 5 cm
dick. Auf dem Durchschnitte zeigt sich das Nierengewebe ziemlich blutreich. Die
Rindenschicht ist trübe und von zahlreichen grauweißen, breiten, radiär verlaufen¬
den Streifen durchzogen. Marksubstanz dunkelgraurot und gestreift, an der Grenze
der Rinde dünkelrot.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend,
seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬
säcken, haben sich von den Brustwänden gut zurückgezogen, sind klein, weich,
elastisch und knistern beim Hinüberstreichen. Außen und auf dem Durchschnitte
sieht das Lungengewebe blaßrot aus. Schnittfläche der Lungen glatt und etwas
feucht. Der Herzbeutel enthält etwa 100 ccm einer gelblichen, leicht beweglichen,
klaren, wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutel¬
blätter ist glatt und spiegelnd glänzend. Die Kranzarterien des Herzens sind lang,
weit und verlaufen geschlängelt. Das in den Herzfurchen gelegene spärliche Fett¬
gewebe sieht schmutzig gelb aus und besitzt eine schleimig-gallertige Beschaffen¬
heit. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 53 cm. Rechte Kammer
15 cm, linke 17 cm hoch. Die Seitenwand des rechten Ventrikels ist gewölbt und
1,5 cm dick, die des linken abgeflacht und 2,9 cm dick. Die rechten Herzhöhlen
enthalten ziemlich viel flüssiges und geronnenes Blut. In den linken Herzhöhlen
Anden sich neben etwas flüssigem Blut mäßig große speckhäutige Gerinnsel. Die
zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind für eine länglich
zusammengelegte Hand bequem passierbar. Die Herzklappen der linken Herzhälfte
sind besonders in ihren marginalen Teilen verdickt und derb. Die Innenhaut
dieser Herzhälfte ist in großer Ausdehnung gleichmäßig dick, grauweiß und un¬
durchsichtig. In den rechten Herzhöhlen ist die Innenhaut stellenweise in Form
von Platten schwach verdickt. Unter der Innenhaut des Herzens, namentlich auf
der Höhe der Papillarmuskeln, finden sich bis markstückgroße schwarzrote Blu¬
tungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitt graubraunrot, trocken und
trübe, ihre Konsistenz brüchig. Die Schleimhaut des Zungengrundes, des Schlund¬
kopfes und der Kehldeckel-Gießkannenbänder ist blaurot und etwas dick, ln der
Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre finden sich stellenweise gefüllte
Venennetze. Der Kehldeckel zeigt eine kahnförmige Gestalt. Sonst bestehen an
den Halsorganen keine Abweichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm
lang und zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind bis 3 mm dick, an
der Innenfläche rauh und mit mehreren hanfkorngroßen grauroten bröckligen
Massen bedeckt. Außerdem zeigen sich in der Innenhaut des Gefäßes mehrere
längs- und querlaufende Narben. Die aus dieser Arterie an den Darm gehenden
Gefäße sind wegsam und ohne Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Narbige Verengerung der Hüft-
Blinddarmöffnung. Verstopfung, Erweiterung und Hypertrophie des Hüft- und
Leerdarms. Dekubitalgangrän in der Schleimhaut des Hüftdarmes. Akute und
chronische Entzündung der Hüft- und Leerdarmschleimhaut. Postmortale Magen¬
zerreißung und saure Erweichung der Magenschleimhaut. Akute multiple Milz-
schwcllung. Embolische Narben in den Nieren und katarrhalische Nierenentzün-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
497
düng. Braune Atrophie der Leber. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Blutungen
unter der Innenhaut des Herzens. Chronische Entzündung der linksseitigen Herz¬
klappen und der Innenhaut des Herzens. Erweiterung und wandständige Throm¬
bose der Hüft-BIind-Grimmdarmarterie.
Die Striktnren des Leerdarms waren sämtlich durch die Ein¬
wanderung der Larven des Strongylus armatus in die Leerdarrawand
verursacht. Nach den Untersuchungen von Sticker, die dieser Autor
im Pathologischen Institute ausgeführt hat (Archiv für wissenschaft¬
liche und praktische Tierheilkunde, Bd. 27), schmarotzen die Larven
des Strongylus armatus in der vorderen Gekrösarterie bzw. Hüft-
BIind-Grimmdarmarterie des Pferdes nur eine gewisse Zeit und ver¬
lassen dann ihren Wohnsitz, um durch die Aeste der Hüft-BIind-
Grimmdarmarterie in den Blind- oder Grimmdarm zu wandern. Diese
reifen Larven sind bis 18 mm lang. Im Darme erfolgt die weitere
Entwickelung des Wurms bis zur Geschlechtsreife. Reicht ausnahms¬
weise das Aneurysma und die Thrombose der Arteria ilio-coeco-colica
weiter nach oben bis in die Abgangsstellen der 19—21 Dünndarm¬
arterien hinein, so können die Wurmlarven mit dem Blutstrome auch
in diese Gefäße hineingespült und in die Wand des Leerdarms ge¬
bracht werden, ln einem kleinen Arterien zwei ge dringen die Wurra-
larven allmählich langsam gegen die Darmschleimhaut vor, reizen
gleichsam als Fremdkörper und wahrscheinlich auch durch giftige Ab¬
sonderungsprodukte und erzeugen eine chronische Entzündung der
Arterie und ihres nachbarlichen Gewebes. Das Produkt dieser Ent¬
zündung ist ein bindegewebiger Strang, welcher der Lage der Arterie
in der Darmwand entsprechend ringförmig verläuft. Schließlich bleibt
die Wurmlarve liegen, erzeugt durch Reizung ihrer Umgebung einen
derben Knoten, dessen zentraler Teil der Verkäsung anheimfällt.
Durch Erweichung des Käses öffnet sich der Knoten gegen die Darm¬
lichtung und gestattet dem Parasiten den Austritt in das Darmluraen.
In manchen Fällen erreicht die Wurmlarve die Darralichtung nicht,
sondern bleibt in der Darrawand liegen und fällt gleichfalls der Ver¬
käsung anheim. So konnten von den beobachteten 4 Fällen der durch
Strongylus armatus in der Leerdarmwand erzeugten Knoten 3 mal
verkäste Parasitenreste in der zentralen Knotenmasse nachgewiesen
werden. Der in der Darmwand liegende bindegewebige Strang ver¬
kürzt sich durch Narbenretraktion und erzeugt dadurch eine Ver¬
engerung des Darmlumens.
Die Narbenstenose der Hüft-Blinddarmöffnung ist, wie aus der
Archiv f. wissensch. u prakt. Tierbeilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 32
498
PILWAT,
Zahl der beobachteten Fälle (27) hervorgeht, beim Pferde sehr häufig.
Diese Stenosen besitzen alle Eigenschaften einer chronischen Krank¬
heit und sind daher besonders für die gerichtliche Tierheilkunde von
großer Wichtigkeit. Wem> auch die Ursachen der an der Hüft-Blind-
darmöffnung auftretenden Stenosen leider nicht mit Sicherheit ange¬
geben werden können, so dürfte doch folgende Erwägung viel Wahr¬
scheinlichkeit besitzen. Die Hüft-Blinddarraöffnung ist eine verhältnis¬
mäßig sehr enge Oeffnung, sie ist überhaupt die engste Stelle des
ganzen Darrarohrs beim Pferde. Nach den im Pathologischen Institute
ausgeführten Messungen beträgt ihr Umfang, wie schon angegeben ist,
etwa 10 cm. Dazu kommt, daß diese Oeffnung infolge der dicken
Ringmuskulatur des Hüftdarms gewöhnlich geschlossen ist und sich
nur bei dem periodischen Durchtritte des Hüftdarminhalts in den
Blinddarm öffnet. Befinden sich nun im Darminhalte scharfe Gegen¬
stände, z. B. Glassplitter, die auf mechanische Weise eine Verwundung
der Darmschleimhaut erzeugen können, so sind die Ränder der Hüft-
Blinddarmöffnung für Verletzungen dieser Art geradezu prädisponiert.
In vielen Fällen ließen sich noch Schleimhautnarben an den Rändern
der stark verengten Hüft-Blinddarmöffnung nach weisen.
Jede erhebliche Verengerung des Darmrohrs bildet für die Fort¬
bewegung des Inhalts ein Hindernis und muß daher eine Anstauung
desselben und dadurch die Erweiterung des vor der verengten Stelle
gelegenen Darmabschnitts zur Folge haben. Der vor der Striktur
verweilende Inhalt verliert durch Resorption der Darmschleimhaut
leicht Flüssigkeit, wird trocken und verwandelt sich schließlich in
einen harten, schwer beweglichen Kotpfropf. Ob nun die Bildung des
tödlichen Kotpfropfs rasch oder langsam erfolgt, darüber entscheidet
1. die Art der Entstehung und der Grad der Striktur und 2. die
Leistungsfähigkeit der Darmmuskulatur vor der verengten Stelle. Es
ist klar, daß eine rasch entstehende hochgradige Verengerung des
Darmrohrs schneller zu einer tödlichen Verstopfung führen muß, als
die sich allmählich ausbildendc Stenose.
Ferner wird eine verhältnismäßig kräftige Muskulatur, wie sie
z. B. der Hüftdarm im Gegensätze zum Leerdarm besitzt, das Hinder¬
nis leichter überwinden als eine schwache. Die Darmmuskulatur hat
vor der engen Stelle eine größere Arbeitsleistung zu verrichten, weil
der Darminhalt durch den Engpaß gewissermaßen hindurchgepreßt
werden muß. Diese vermehrte Arbeitsleistung der Darramuskulatur
führt nach einiger Zeit zur hypertrophischen Verdickung derselben.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 499
An der Hypertrophie nimmt die Ringmuskulatur stets den größten
Anteil.
Am Leerdarm fand sich vor der Narbenstenose nur Erweiterung
und keine Hypertrophie. Das Fehlen derselben ist wahrscheinlich so
zu erklären, daß die Verengerung dieses Darms infolge der Wande¬
rung der Wurmlarven rasch entsteht und verhältnismäßig hochgradig
ist. Die Verengerung und nachfolgende tödliche Verstopfung müssen
jedenfalls schneller entstehen, als Zeit zur Ausbildung der Darmhyper-
tropbie erforderlich ist. Daß die Muskulatur des Leerdarms auch
hypertrophisch werden kann, zeigt der unter Nr. 21 raitgeteilte Ob¬
duktionsbefund. In diesem Falle war die Ursache der Hypertrophie
eine Stenose der Hüft-Blinddarmöffnung.
Anders verhält sich der Hüftdarm, dessen Muskulatur viel
kräftiger als die des Leerdarms ist. Dieser Darm vermag noch
längere Zeit das Hindernis, das in der narbigen Verengerung der Hüft-
Blinddarmöffnung liegt, zu überwinden. Der Hüftdarm erweitert sich
vor der verengten Oeffnung infolge der Ansammlung des Inhalts gleich¬
falls, aber seine Muskulatur wird durch die vermehrte Arbeitsleistung
allmählich hypertrophisch und verdickt sich. Die Schleimhaut des
Hüftdarms ist durch den stagnierenden Inhalt einem andauernden
Reize ausgesetzt. Dadurch entsteht in derselben eine chronische Ent¬
zündung, deren Produkt Verdickung der Schleimhaut durch Binde¬
gewebsneubildung ist. Bei diesem Prozesse gehen die Drüsen in der
Schleimhaut zu Grunde; letztere wird lederartig derb, dick, undurch¬
sichtig, ihre Farbe ist meist grau oder bräunlich-grau. Manchmal
sind schwarzbraune Punkte in der Schleimhaut nachzuweisen, die als
die Produkte der Pigmcntbildung aufzufassen sind; an diesen Stellen
war Blutung erfolgt. Durch zahlreiche Messungen am hypertrophischen
Hüftdarme konnte festgestcllt werden, daß die ringförmig angeordnete
Muskelschicht im Mittel 3 mm, die Längsfaserschicht 1 mm dick ist.
In einem Falle (Obduktionsbefund Nr. 21) betrug die Dicke der hyper¬
trophischen Ringschicht sogar 10 mm und die der Längsfaserschicht
2 mm. Die Schleimhaut des Hüftdarms erreicht nicht selten eine
Dicke von 2 mm. Auch bei den akuten Entzündungen kann sich die
Schleimhaut durch das in sie ergossene Exsudat und durch die
in ihre Gewebsspalten gelangten Zellen bedeutend verdicken. Im Be¬
ginne der akuten Entzündung läßt sich aber stets infolge der stärker
gefüllten und ausgedehnten Kapillaren und Venen wurzeln eine lebhafte
Rötung an der Schleimhaut nachweisen. Wird später durch die nach-
500
PI L WAT,
folgende entzündliche Infiltration die Rötung verdeckt, so sieht die
verdickte Schleimhaut trübe aus, ist dick und bildet bei erheblicher
Schwellung unregelmäßige Falten. Denn die Schleimhaut hat sich
nach jeder Richtung vergrößert; sie ist nicht nur dicker, sondern
gleichzeitig länger und breiter geworden, daher findet sie auf ihrer
Unterlage nicht mehr genügend Platz und muß sich in Falten legen.
An der Hüft-Darmschleimhaut finden sich nicht selten beide Formen
der Entzündung vor. Denn schließlich vermag auch die hyper¬
trophische Muskulatur das sich allmählich vergrößernde Hindernis, die
zunehmende Stenose der Hüft-Blinddarmöffnung, nicht mehr zu über¬
winden. Es bildet sich vor dieser Oeffnung, wahrscheinlich ganz all¬
mählich, ein harter Kotpfropf, der die Schleimhaut reizt und meist
eine akute gangränöse Entzündung in ihr hervorruft. Die haupt¬
sächlichste Ursache des brandigen Absterbens liegt aber in dem an¬
dauernden Drucke, den der Kotpfropf auf die Schleimhaut ausübt.
Die gedrückte Schleimhaut wird anämisch, daher „anämische Nekrose“.
Der Verschluß des Darmrohrs, der hier durch die Bildung eines Kot¬
pfropfs herbeigeführt ist, führt zur Ansammlung und nachfolgenden
Umsetzung des Darminhalts. Durch die Einwirkung dieser Um¬
setzungsprodukte auf die Schleimhaut und durch die Resorption der¬
selben entstehen jene Veränderungen an der Darmschleimhaut und an
den übrigen Organen, die bereits bei der einfachen Verstopfung er¬
örtert sind und auf die hier verwiesen werden kann.
An den durch Hypertrophie der Muskelhäute und chronische
Entzündung der Schleimhaut verdickten Hüftdarmwänden sind eine
Reihe von mikroskopischen Untersuchungen vorgenommen worden, die
zwar noch nicht abgeschlossen werden konnten, deren vorläufige Er¬
gebnisse jedoch hier mitgeteilt werden sollen. Es wurden kleine
Stückchen der Hüftdarmwand nach verschiedenen Methoden gehärtet
und in Paraffin eingebettet. Von diesen Stückchen wurden zahl¬
reiche Längs- und Querschnitte in der Dicke von 5—10 (j angefertigt
Die von Paraffin befreiten Schnitte wurden dann gefärbt. Die besten
Färberesultate ergab die Doppelfärbung mit Hämatoxylin-Eosin. Hier¬
auf folgte die Entwässerung der Präparate und das Einlegen derselben
in Xylol-Kanadabalsam. Die so vorbereiteten Darmschnitte wurden
nun unter dem Mikroskop genau untersucht. Hierbei zeigte sich, daß
die einzelnen Muskelzellen der glatten Darmmuskulatur länger, breiter
und dicker waren, als die zur Kontrolle hergestellten Schnitte aus
einem normalen Darme. Aber nicht nur die Größe der Zellen, sondern
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 501
auch die Zahl derselben hatte bedeutend zugenommen. Mithin ist die
Verdickung der Muskelschicht nicht allein das Produkt der Hyper¬
trophie, sondern gleichzeitig auch das der Hyperplasie. Die Muskel¬
zellen wachsen und vermehren sich gleichzeitig. Die zwischen' den
einzelnen Lagen der Muskelzellen befindlichen Bindegewebszüge hatten
keine Veränderung erfahren. Die Verdickung der Schleimhaut war,
wie das mikroskopische Bild zeigte, lediglich durch Zunahme des
Bindegewebes im Schleimhautkörper entstanden. Die Drüsen hatten
sich an diesem Prozesse nicht beteiligt, sie waren vielmehr fast voll¬
ständig untergegangen.
UL Zerreißung des Magens und Darms.
1. Zerreißung des Magens.
In dem oben genannten dreijährigen Zeiträume wurde bei der
Obduktion von 428 kolikkranken Pferden in 63 Fällen eine tödliche
Magenzerreißung ermittelt. Von den an Kolik gestorbenen Pferden
waren demnach 63 = 14,72 pCt. an der Zerreißung des Magens zu
Grunde gegangen. Diese Zahlen zeigen, wie häufig Magenzerreißungen
beim Pferde Vorkommen, und schon aus diesem Grunde beanspruchen
sie für die praktische Tierheilkunde ein erhöhtes Interesse. Aus den
folgenden Obduktionsbefunden dürften sich wichtige Schlüsse für die
Erklärung des Zustandekommens der Magen Zerreißung ergeben.
22. Braune Stute, Flocke, linke Hinterkrone und Ballen weiß, ca. 9 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 6. 6. 1904.
Der Kadaver befindet sich in schlechtem Nährzustande. In der Unterhaut,
über dem Euter und hinter dem Bauchfelle liegt wenig golbrotes, schleimiges
Fettgewebe. Die Körpermuskeln zeigen Totenstarre, sehen braunrot und auf dem
Durchschnitte etwas feucht aus. Gefäße der Unterhaut fast leer.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬
weichen aus derselben viel Gaso. Der freie Raum der Bauchhöhle enthält außer¬
dem 15 Liter einer trüben, sohmutzig grauroten Flüssigkeit, in der einzelne feste
Teilohen, die aus dem Mageninhalte stammen, nachzuweisen sind. Das Bauchfell
ist stellenweise gerötet, sonst grau und trübe. Der Darm liegt regelmäßig. Leer¬
darm zusammengezogen. Blind- und Grimmdarm hauptsächlich durch Gase stark
ausgedehnt. Im Anfangsteile des Leerdarmes wenig graue, mehlsuppenartige
Flüssigkeit. Gegen den Hüftdarm hin nimmt der Inhalt etwas an Menge zu und
enthält mehr feste Bestandteile. Die Hüft-BlinddarmöfTnung besitzt einen Umfang
von 10 cm. Die Schleimhaut des Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarmes bildet viele
regelmäßig verlaufende Falten, die teils ringförmig, teils in der Längsrichtung an¬
geordnet sind. Auf der Höhe der Falten ist die Schleimhaut schwach gerötet,
sonst grau und etwas trübe. Blind- und Grimmdarm enthalten außer Gas breiige
Massen in mäßiger Menge; in der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes
502
PILWAT,
wird der Inhalt mehr festweich. Im Mastdarm wenig geformter Inhalt. In der
Gegend der Blinddarmspitze und der Beckenkrümmung des Grimmdarmes erscheint
die Schleimhaut schwach gerötet, sonst sieht die Schleimhaut des gesamten Dick¬
darmes grau aus und weist keine Abweichungen auf. Der Magen enthält 10 kg
dickbreiige, hauptsächlich aus zerkleinerten Maiskörnern bestehende Massen. In
der Wand der kleinen Kurvatur, dicht hinter der Einmündungsstelle des Schlundes
findet sich ein 3 cm langer und 1—2 cm breiter Riß, der in der Richtung der
Speiseröhre verläuft und die ganze Magenwand durchdringt. Die Rißränder sind
bis zu einer Tiefe von 5 mm blutig durchtränkt. Schleimhaut der Schlundhälfte
grauweiß, ohne Abweichung. Die drüsentragende Schleimhaut der rechten Magen¬
hälfte ist trübe, etwas dick und fleckweise schwach gerötet, ln der Gegend der
Fundusdrüsen erscheint die Oberfläche dieser Schleimhaut schwach gekörnt. Die
Milz mißt 40 cm in der Länge, 20 cm in der größten Breite und 3 cm in der
mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt und graublau. Konsistenz festweich.
Auf der glatten, ziemlich trockenen Schnittfläohe ist das Balkengewebe deutlich
erkennbar. Pulpa rotbraun. Das Gewicht der Leber beträgt 5500 g. Leberränder
scharf. Die Leberkapsel ist an der Zwerchfellfläche der Leber mit mehreren grau¬
weißen Zotten besetzt, die hintere Fläche der Leber erscheint glatt. Auf dem
Durchschnitte ist das Lebergewebe wenig blutreich und gelblich-braun. Zeichnung
der Leberläppchen gut erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind etwa hirsekorn¬
groß und gelblich-braun. Konsistenz der Leber etwas brüchig. Die Nierenkapseln
lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die Oberfläche beider Nieren ist glatt
und glänzend. Rechte Niere 14 cm lang, 18 cm breit und 4 cm dick. Linke Niere
18 cm lang, 15 cm breit und 4,2 cm dick. Kousistenz der Niere etwas brüchig.
Die Rindenschicht erscheint auf dem Durchschnitte trübe und graubraun. Gefä߬
knäuel schwer erkennbar. Die Marksubstanz ist gestreift, an der Grenze der Rinde
stark gerötet, nach der Papille hin mehr graurot.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend,
seine Oberfläche glatt und raattglänzend. Die Lungen liegen frei in den Brust¬
fellsäcken, sind klein und sehen blaßrot aus. Das Lungengewebe ist weich,
elastisch und in allen Teilen lufthaltig. Im Herzbeutel 1 Eßlöffel voll einer gelb¬
lichen wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutel¬
blätter ist glatt und glänzend. Die rechten Herzhöhlen enthalten ziemlich viel
flüssiges und geronnenes, dunkelrotes Blut. Das linke Herz ist fast leer und zu¬
sammengezogen. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 56 cm. Rechte
Kammer 15 cm, linke 17 cm hoch. Die Seitenwand des rechten Ventrikels ist
1,5, die des linken 3 cm dick. Innenhaut und Herzklappen zart. Atrio-Ventrikular-
öffnungen normal weit. Herzmuskulatur auf dem Durchschnitte graurot, etwas
trocken und trübe. Konsistenz brüchig. An den Halsorganen lassen sich keine
Abweichungen nachweisen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,1 cm lang,
zylindrisch erweitert und in ihrem Anfangsteile sackförmig ausgebuchtet. Die
Inuenhaut der ausgebuchteten Stelle trägt auf ihrer Oberfläche eine haselnuss¬
große, graurote, etwas bröcklige Gerinnselmasse, die auf ihrer Grundlage ziemlich
fest haftet. In der Tiefe des Gerinnsels liegen mehrere drehrunde Wurmlarven.
Die Gefäßinnenhaut ist stellenweise rissig. An allen übrigen zum Darme tretenden
arteriellen Gefäßen finden sich keine Abweichungen.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 503
Pathologisch-anatomische Diagnose: Zerreißung der Magenwand an
der kleinen Kurvatur des Magens. Verdauung und beginnende Entzündung des
Bauchfells. Einfacher Katarrh der Schleimhaut des Magens und Darmes. Gering¬
gradige Trübung des Herzmuskels, der Leber und der Nieren. Erweiterung und
wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
23. Blausohimmelstute, Stern, ca. 18 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 24. 10. 1905.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande, ln der Unterhaut, in
der Umgebung der Gelenke und hinter dem Bauchfelle liegt etwas gelblich-graues
Fettgewebe von lappigem Bau. Die Körpermuskeln sind gut entwickelt und zeigen
noch keine Totenstarre; sie fühlen sich weich und lebenswarm an. Das Muskel¬
gewebe ist auf dem Durchschnitte blaßbraun-rot und schwach durchscheinend.
Gefäße der Unterhaut leer.
Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle Gase und
30 Liter einer graubraunroten, trüben, sauer riechenden Flüssigkeit, die mit festen,
aus zerkleinerten Hafer- und Maiskörnern und Strohteilchen bestehenden Massen
vermischt ist. Die beschriebenen festen Massen liegen hauptsächlich im vorderen
Teile der Bauchhöhle, zwischen den Blättern des Netzbeutels und im freien Raume
desselben. Das Bauchtell ist grau und trübe, an seiner Oberfläche rauh, wie eine
mit feinem Sande bestreute Milchglasplattte. Lage der Bauchoingcweide ohne
Abweichung. Der Leerdarm ist in seinem vorderen Abschnitte zusammengezogen
und fast leer, gegen den Hüftdarm hin mit flüssigem graubraunen Inhalte mäßig
gefüllt. Schleimhaut des Leer- und Hüftdarms streckenweise stark diffus gerötet,
sonst grau und trübe. Im Blind- und Grimmdarm Gase und dünnbreiige, gegen
den Mastdarm hin etwas fester werdende Massen in mittlerer Menge. Der Mast¬
darm ist leer. Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarmes graugrün und
schwach durchscheinend. Der Magen ist leer und zusammengezogen; an seiner
großen Krümmung findet sich ein 38 cm langer Riß der Serosa und Muskelhaut.
Die Schleimhaut ist durch die Rißöffnung vorgewölbt und in einer Länge von
26 cm zerrissen. Die Rißränder sind gezackt, etwas dick, blutig durchtränkt und
mit kleinen Blutgerinnseln bedeckt. Die Kardia ist geschlossen. An der Schleim¬
haut der Schlundhälfte keine Abweichung. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfto
erscheint diffus gerötet und trägt stellenweise auf ihrer Oberfläche einen glasig
durchscheinenden zähen Belag, der sich schwer abspülen läßt. Der Zwölffinger¬
darm zeigt an seiner äußeren Fläche, besonders im hinteren Abschnitte, mehrere
dunkelrote Flecke. Das Gewebe ties Mastdarm-Zwölffingerdarmbandes ist dick,
trübe und erscheint wie eine gelbliche, gallertartige Masse. In seinem mittleren
Teile enthält der Zwölffingerdarm einen länglichen, aus festen Massen bestehenden
Kotpfropf. Die Schleimhaut erscheint hier grau und trübe, ihre Zotten bilden
eine graue, schleimige, abstreif bare Masse. Das Gewicht der Leber beträgt 5*/okg.
Die Zwerchfellfläche der Leber ist mit zahlreichen Zotten besetzt. Sonst sieht die
Leber außen grau aus. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebe rot¬
braun, etwas trübe und besitzt eine weiche Beschaffenheit. Zeichnung der Leber¬
läppchen erkennbar. In der Mitte sehen die einzelnen Läppchen rotbraun, am
Rande in einer schmalen Zone graubraun aus. Die Milz mißt 43 cm in der Länge,
25 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der
504
PILWAT,
Milz glatt und grau. Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balken¬
gewebe noch sichtbar, Pulpa braunrot, reichlich und weich. Die Nierenkapseln
lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren besitzen die gewöhn¬
liche Form und Größe. Oberfläche derNieren glatt und mattglänzend. Konsistenz
der Nieren etwas brüchig. Die Rindenschicht erscheint auf dem Durchschnitte
etwas trübe und graubraun. Die Gefäßknäuel sind stellenweise als rote Punkte
erkennbar. Marksubstanz gestreift und blaßrot, an der Grenze der Rinde dunkelrot.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an
seiner Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬
säcken, sehen blaßrot aus, sind klein und enthalten in allen Teilen Luft. Im
Herzbeutel ein Eßlöffel voll einer gelblichen, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche
der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz
ist mäßig gefüllt; linkes Herz leer und zusammengezogen. Der Umfang des
Herzens beträgt an der Herzbasis 59 cm. Die Höhe der rechten Kammer 15 cm,
die der linken 18 cm. Seitenwand des rechten Ventrikels 1,8 cm, die des linken
3,2 cm dick. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen
besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart
Herzmuskulatur auf dem Durchschnitte trübe, graurot und trocken. Konsistenz
etwas brüchig. Die Schleimhaut der Rachenhöhle des Kehlkopfes und der Luft¬
röhre ist auffallend blaß. Der linke hintere Ring-Gießkannen, der linke seitliche
Ring-Gießkannen-, der linke Taschenband-, der linke Stimmbandmuskel und die
linke Hälfte des Quergießkannenmuskels sind etwas abgeplattet und sehen rötlich-
grau aus. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylindrisch er¬
weitert; ihre Wände sind ungleichmäßig verdickt. Die Innenfläche des Gefäßes
ist mit mehreren bis bohnengroßen, grauroten, trockenen, ziemlich adhärenten
Gerinnselmassen bedeckt, in deren Tiefe einzelne drehrunde Wurmlarven liegen.
Unter den Gerinnseln ist die Innenhaut rauh und fetzig.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung
des Zwölffingerdarmes. Entzündung des lockeren Gewebes im Mastdarm - Zwölf¬
fingerdarmbande. Entzündung der Leer- und Hüftdarmschleimhaut. Zerreißung
des Magens und blutig-schleimiger Katarrh der drüsenhaltigen Magenschleimhaut.
Verdauung des Bauchfells, der oberflächlichen Schichten der Leber und der Milz.
Geringgradige akute Milzschwellung. Trübung des Herzmuskels und der Nieren.
Schwund der linksseitigen Kehlkopfmuskeln. Erweiterungund wandständigeThrom-
bose in der Hült-Blind-Grimmdarmarterie.
24. Apfelschimmelstute, 8 bis 9 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 21. 9. 1905.
Der Kadaver ist gut genährt. In der Unterhaut und unter dem Bauchfelle
liegt dickes gelblich-weißes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen
Bau zeigt. Totenstarre vorhanden. Die Körpermuskeln erscheinen auf dem Durch¬
schnitte bräunlich-rot, etwas trocken und trübe.
Der Bauch ist mäßig stark aufgetrieben. Aus der Bauchhöhle entweichen bei
ihrer Eröffnung reichliche Mengen von Gas. Im freien Raume der Bauchhöhle be¬
finden sich außerdem 12 Liter einer graubraunen trüben sauer riechenden Flüssig¬
keit, die mit festen Teilchen vermischt ist. Zwischen den Blättern des großen
Netzes, im Netzboutel und im vorderen Teile der Bauchhöhle liegen breiige, haupt¬
sächlich aus zerkleinerten Maiskörnern und Häcksel bestehende Massen. Das Bauch-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
505
feil ist grau, stellenweise mit roten Flecken durchsetzt, trübe und an der Ober¬
fläche etwas rauh. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Der vordere Abschnitt des
Leerdarmes und der Zwölffingerdarm enthalten viel Flüssigkeit und breiige Massen.
Etwa 7 m hinter dem Pförtner des Magens ist der Leerdarm durch einen 15 cm
langen trockenen Kotpfropf vollständig verlegt. Unmittelbar hinter diesem Pfropfe
ist der Leerdarm narbig verengt. An der der Gekrösanheftung gegenüberliegenden
Seite befindet sich an dieser Stelle in der Schleimhaut des Darmes eine stecknadel-
kopfgroße Oeffnung, von der ein ringförmig in der Darmwand liegender, teilweise
vernarbter Gang abgeht. Das in der Nachbarschaft dieses Ganges gelegene Ge-
webejst strangförmig verdickt, grauweiß und derb. Der Umfang des Darmes be¬
tragt an der verengten Stelle 8 cm. Vor der Verengung ist der Leerdarm sehr
weit; er besitzt hier einen durchschnittlichen Umfang von 16 cm. Die Leerdarm¬
wand ist im erweiterten Teile dünn; ihre Schleimhaut stark gerötet und etwas
dick. Im hinteren Teile des Leerdarmes und im Hüftdarme finden sich etwas grau¬
braune Flüssigkeit und wenig feste Bestandteile. Die Schleimhaut dieser Darmab¬
schnitte ist gelblich-grau, in Falten gelegt und sammetartig glänzend. Der Blind-
und Grimmdarm enthalten Gas und breiige, gegen den Mastdarm etwas fester
werdende Massen in mäßiger Menge. Der Mastdarm ist fast leer. Auf der Schleim¬
haut des Blind- und Grimmdarmes finden sich Larven und geschlechtsreife Würmer
des Strongylus bidentatus in großer Anzahl. Die Schleimhaut des Blind- Grimm-
und Mastdarmes ist graugrün und schwach durchscheinend. Der Magen ist fast
leer und zusammengezogen. Kardia geschlossen. An der großen Krümmung des
Magens findet sich in der Serosa und Muskelhaut ein 33 cm langer Riß, durch den
die Schleimhaut vorgewölbt und in einer Länge von 17 cm zerrissen ist. Zu beiden
Seiten des großen Risses ist die Serosa und Muskelhaut noch mehrfach quer ein¬
gerissen. Die Rißränder sind zackig, gewulstet und blutig durchtränkt. Auf den
Rändern des Risses liegen kleine schwarzbraune Blutgerinnsel. Die Schleimhaut
des Fundusdrüsenteiles ist in Falten gelegt, etwas dick, gerötet und mit einem
grauen, durchscheinenden, zähen Belage versehen, der sich nicht abspülen läßt.
An dor Schleimhaut der Schlundhälfte keine Abweichung. Die Milz mißt 45 cm
in der Länge, 17 cm in der größten Breite und 2,5* cm in der Dicke. Oberfläche
der Milz glatt und grau; Konsistenz schlaff. Das Balkcngewebe ist auf dem Durch¬
schnitte sichtbar. Pulpa braunrot und etwas weich. Die Leber wiegt l l j 2 kg, sieht
an ihrer Oberfläche glatt und bräunlich-grau aus. Konsistenz der Leber etwas
brüchig. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebe nahe der Oberfläche
grau, in den tieferen Schichten graubraun und trübe. Läppchenzeichnung undeut¬
lich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Oberfläche
der Nieren glatt und mattglänzend. Beide Nieren besitzen die gewöhnliche Form
und Größe. Auf dem Durchschnitte ist das Gewebe der Rindenschicht graubraun
und etwas trübe, ln der Rinde liegen zahlreiche breite, grauweiße, radiär ver¬
laufende Streifen, die den Markstrahlen entsprechen. Marksubstanz graurot und
gestreift.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an
der Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind hellrot,
klein, elastisch und knistern beim Hinüberstreichen. Der Herzbeutel enthält etwa
2 Eßlöffel voll einer gelbroten fast klaren Flüssigkeit. Oberfläche der Herzbeutel¬
blätter glatt und glänzend. Die rechte Herzhälfte ist schlaff, die linke zusammen-
506
PILWAT,
gezogen. Umfang des Herzens an der Herzbasis 61 cm. Rechte Kammer 15 cm;
linke 19 cm hoch. Seitenwand des rechten Ventrikels 2,1 cm, die des linken 3,3 cm
dick. In den rechten Herzhöhlen flüssiges und geronnenes Blut in mittlerer Menge,
linke Herzhöhlen fast leer. AtrioventrikularöfTnungen normal weit. Herzklappen
und Innenhaut des Herzens zart. Unter der Herzinnenhaut liegen besonders in der
linken Kammer bis markstückgroße Blutungen. Der Herzmuskel ist auf dem Durch¬
schnitte graubraun, mit vielen grauen trüben Flecken und Streifen durchsetzt, seine
Konsistenz brüchig. An den Halsorganen keine Veränderungen.
Die Hüft- Blind- Grimmdarmarterie ist 3,8 cm lang, zylindrisch erweitert und
in ihren Wänden ungleichmäßig verdickt. Die Innenhaut ist grau, trübe, stellen¬
weise rissig und an der Oberfläche rauh. Thrombenbildung fehlt.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Narbige Verengerung, Ver¬
stopfung, Erweiterung und Entzündung des Leerdarmes. Zerreißung des Magens.
Verdauung und beginnende Entzündung des Bauchfells. Trübe Schwellung der
Körpermuskeln, des Herzens und der Leber. Blutungen unter der Innenhaut des
Herzens. Geringgradige Schwellung der Milz. Katarrhalische Nierenentzündung.
Erweiterung der Hüft- Blind- Grimmdarmarterie.
25. Rappstute mit Stern, ca. 12 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 25. I. 1906.
Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut in der Umgebung der
Gelenke, über dem Euter und hinter dem Bauchfelle liegt wenig gelbrotes schlei¬
miges Fettgewebe. Die Körpermuskeln sind totenstarr, sehen außen und auf dem
Durchschnitt dunkelbraunrot und etwas feucht aus. Gefäße der Unterhaut leer.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬
weicht aus derselben viel Gas. Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich
außerdem etwa 20 Liter einer graubraunen trüben stark sauer riechenden Flüssig¬
keit, die mit festen Teilchen, welche aus zerkleinertem Stroh und Heu bestehen,
vermischt ist. Zwischen den Blättern des großen Netzes, im Netzbeutel und
namentlich im vorderen Teile der Bauchhöhle liegen viel breiige Massen. Das
Bauchfell ist grau, trübe, an seiner Oberfläche etwas raub, wie eine dünne mit
feinem Sande bestreute Milchglasplatte. Der Blinddarm und die rechten Lagen des
Grimmdarms liegen auf der rechten Seite der Bauchhöhle. Die Beckenkrümmung und
die linken Lagen des Grimmdarmes liegen vorn hinter dem Zwerchfelle. Die prall
gefüllten und stark ausgedehnten Leerdarmschlingen nehmen den größten Teil der
Bauchhöhle ein; sie liegen links, hinten und rechts. Der Leerdarm enthält große
Mengen einer gelblich-grauen Flüssigkeit, die mit festen Bestandteilen vermischt
ist. Gegen den Hüftdarm hin wird der Inhalt mehr breiig und bildet vor der Hüft -
Blinddarmöffnung einen länglichen festweichen Pfropf. Die Hüft-Blinddarm-
öffnung ist narbig zusammengezogen und besitzt einen Umfang von 7 l / 2 cm. Der
Hüftdarm ist weit, seine Wände sind 5—6 mm dick. Die Ringmuskelschicht des
Hüftdaimes ist 3, die Längsfaserschicht und Serosa 1, die Schleimhaut bis 2 mm
dick. Vor der Hüftblinddarmöffnung findet sich in der Schleimhaut des Hüftdarms
ein 2 cm breiter dunkelroter mit schwarzroten Flecken durchsetzter Ring. Stellen¬
weise sind hier die oberflächlichen Schichten der Schleimhaut in Form einer
grauen Haut abgestorben und erscheinen fetzig. Die Schleimhaut des Leerdarms
ist streckenweise dunkelrot und dick, sonst grau, etwas trübe und an der Ober-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
507
fläche sammetartig. Im Blind- und Grimmdarm dünnbreiiger, gegen den Mast¬
darm hin mehr fest und trocken werdender Inhalt in mittlerer Menge. Der Mast¬
darm enthält wenig breiigen Kot. An den Wänden des Blind-, Grimm- und Mast¬
darmes bestehen keine Abweichungen; die Schleimhaut dieser Darmteile sieht
blaßgraugrün, zart und durchscheinend aus; sie ist an der Oberfläche glatt
und glänzend. Der Magen ist fast leer und zusammengezogen. Kardia ge¬
schlossen. An der großen Krümmung des Magens findet sich in seiner Wand
ein 27 cm langer Riss der Serosa und Muskelhaut. Die durch diesen Riß vor-
gewölbto Schleimhaut ist in einer Länge von 15 cm zerrissen. Die Rißränder sind
gezackt, dick, mit Blutgerinnseln bedeckt und blutig durchtränkt. Die mit Drüsen
ausgestattete Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist etwas dick, trübe, fleckweise
gerötet und in derGegend der Fundusdrüsen schwach gekörnt. Gegen den Pförtner
hin ist die Oberfläche der Schleimhaut mehr glatt. Zwischen den Schen¬
keln der hufeisenförmigen Muskelschleife sitzen auf dem gefranzten Rande
der Magenschleimhaut mehrere linsen- bis erbsengroße grauweiße Warzen. Das
Gewicht der Leber beträgt i l / 2 kg. Die Leberränder sind scharf. Auf der Zwerch¬
fellfläche der Leber zeigt die Leberkapsel mehrerere plattenartige Verdickungen
und zottenförmige Anhänge. Die Leber sieht außen und auf dem Durchschnitte
blaßbraun aus, fühlt sich derb an und ist fast blutleer. Zeichnung der Leber¬
läppchen deutlich erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind bis grieskorngroß,
blaßbraun und von einem schmalem grauen Saume umgeben. Die Milz mißt 38 cm
in der Länge, 15 cm in der größten Breite und 2 1 / 2 cm in der größten Dicke.
Oberfläche der Milz glatt, Farbe außen grau. Konsistenz weich, schlaff. Auf dem
Durchschnitte sieht die Milz gelblich-braun aus; ihre Schnittfläche ist glatt und
läßt das Balkengewebe deutlich erkennen. Pulpa breiig. Die Nierenkapseln lassen
sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren besitzen ihre gewöhnliche
Form und Größe. Auf der graubraunen Oberfläche der linken Niere liegen 5 bis
pfennigstückgroße gelblich-graue Flecke. Auf dem Durchschnitt zeigt sich, daß
jeder Fleck die Basis eines mit der Spitze gegen die Papille gerichteten Kegels
bildet, in dem das Nierengewebe etwas trocken gelblich-grau und trübe ist. In
der etwas trüben Rindenschicht beider Nieren liegen, wie der Durchschnitt zeigt,
zahlreiche breite, grauweiße, radiär verlaufende Streifen. Die Marksubstanz ist
graurot und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot.
Die Brustfcllsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, seine
Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken,
sind klein und enthalten in allen Teilen Luft. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll
einer gelblichen klaren Flüssigkeit. An den Blättern des Herzbeutels keine Ab¬
weichung. Der Umfang des Herzens beträgt an der Kranzfurche 61 cm. Rechte
Herzkammer 16 cm, linke 19 cm hoch. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem
und geronnenen dunkelroten Blute stark gefüllt. In den linken Herzhöhlen finden
sich kleinere speckhäutige Gerinnsel. Seitenwand des linken Ventrikels 3,1 cm,
die des rechten 1,7 cm dick. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen
Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen und Innenhaut des
Herzens zart. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durchschnitte graubraun,
etwas trocken und trübe; Konsistenz brüchig. Die Halsorgane sind frei von Ab¬
weichungen.
508
PILWAT,
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und fast gleichmäßig
zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind bis 3 mm dick, an der Innen¬
fläche rauh und mit einem großen länglichen grauroten bröckligen Gerinnsel be¬
deckt, das die Lichtung des Gefäßes verengt und bis in die Lichtung der hinteren
Aorta hineinragt. Am Grunde des Gerinnsels finden sich zahlreiche Wurmlarven
des Strongylus bidentatus. Alle übrigen Darmarterien sind wegsam und frei von
Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Narbige Verengerung der Hüft-
BlinddarmöfTnung. Verstopfung, Erweiterung, Hypertrophie und Druckbrand am
Hüftdarme. Entzündung der Leerdarmschleimhaut. Zerreißung des Magens. Ver¬
dauung des Bauchfells. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Embolische Nekrose
in der linken Niere und katarrhalische Nierenentzündung. Erweiterung und wand¬
ständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
26. Rappwallach, ca. 6 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 28. 3. 1906.
Der Kadaver befindet sich im mittleren Nährzustande. In der Unterhaut, in
der Umgebung des Schlauches, der Gelenke und hinter dem Bauchfelle liegt etwas
graues Fettgewebe, das auf dem Durchschnitt einen lappigen Bau erkennen
läßt. Die Körpermuskeln sind rotbraun und totenstarr, auf dem Durchschnitt
etwas trübe.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle viel Gas
und etwa 12 Liter einer dunkelgraubraunen trüben Flüssigkeit, die mit breiigen,
sauer riechenden Massen vermischt ist. Der Netzbeutei ist zerrissen. Im vorderen
Teile der Bauchhöhle befinden sich viel gelblich-graue bis grünlich-braune, trockene
stark sauer riechende Massen, die aus zerkleinerten Maiskörnern, Heu und Stroh
bestehen. Das Bauchfell ist grau, trübe, fleckweise gerötet und an seiner Ober¬
fläche etwas rauh. Die Lage des Darmes zeigt keine Abweichung. Der Leerdarm
enthält viel graue trübe mehlsuppenartige Flüssigkeit. Die Schleimhaut des Leer-
und Hüftdarmes ist grau und trübe; die Zotten dieser Schleimhaut bilden eine
schleimige, grauweiße, leicht abstreifbare Masse. Im Blinddarm viel Gas und dick¬
breiiger bräunlich-grüner Inhalt. Blinddarmschleimhaut dunkelgrau und trübe.
Der Grimmdarminhalt ist mehr trocken und bildet in der magenähnlichen Erwei¬
terung dieses Darmes einen großen, aus ganz festen, trockenen Massen bestehenden
Kotpfropf. Die Schleimhaut des Grimmdarmes ist grünlich-graubraun und trübe,
in der magenähnlichen Erweiterung fleckig gerötet. Der Mastdarm ist mit geballtem
Kote mäßig gefüllt. Der Magen ist fast leer und zusammengezogen. Kardia ge¬
schlossen. An der großen Krümmung des Magens findet sich in der Magenwand
ein 40 cm langer Riß der Serosa und Muskelhaut. Die Schleimhaut ist in einer
Länge von 28 cm zerrissen. Die Rißränder sind blutig durchtränkt, etwas gc-
wulstet und mit Blutgerinnseln bedeckt. Schleimhaut der Pförtnerhälfte graubraun
bis rotbraun, etwas dick und mit einem glasigen zähen grauweißen Belage ver¬
sehen, der sich schwer abspülen läßt. An der Schleimhaut der Schlundhälfte keine
Abweichung. Der Zwölffingerdarm ist mit graugrünen dünnbreiigen Massen mäßig
gefüllt; seine Schleimhaut ist dunkelgraugrün und trübe. Die Milz mißt 44 cm in
der Länge, 28 cm in der größten Breite und 3 cm in der größten Dicke. Oberfläche
der Milz grau. Konsistenz schlaff. Auf dem Durchschnitte erscheint das unter der
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
509
Kapsel liegende Gewebe in der Randzone grau. In den tieferen Teilen der Milz ist
das Balkengewebe auf dom Durchschnitte erkennbar. Pulpa braunrot und sehr
weich. Die Leber wiegt & l / 2 kg. Leberränder scharf. Oberfläche der Leber glatt
und hellgrau. Auf dem Durchschnitte ist die oberflächliche Schicht des Leber¬
gewebes grau, trübe und breiig, die tieferen Teile sind rotbraun und lassen die
Läppchenzeichnung noch erkennen. Die Nierenkapseln sind leicht abziehbar. Die
oberflächlichen Schichten beider Nieren sind bräunlich-grau, trübe und von breiiger
Beschaffenheit. Die Marksubstanz ist graurot und gestreift, an der Grenze der
Rinde dunkelrot.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den
Brustfellsäcken, sind klein und enthalten in allen Teilen Luft. Im Herzbeutel zwei
Eßlöffel voll einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berühren¬
den Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Umfang des Herzens an der Herz¬
basis 63 cm. Rechte Kammer 17 cm, linke 19 cm hoch. Die rechten Herzhöhlen
sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute stark gefüllt. In den linken
Herzhöhlen kleinere speckhäutige Gerinnsel und etwas flüssiges Blut. Seitenwand
des rechten Ventrikels 1,7 cm, die des linken 3,3 cm dick. Die zwischen den Vor-
und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind für eine länglich zusammengelegte
Hand passierbar. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmusku¬
latur erscheint auf dem Durchschnitte graurot, trocken und trübe. Konsistenz
brüchig. Unter der Innenhaut, namentlich der linken Herzkammern, finden sich
mehrere flächenförmige Blutungen. Die Halsorgane sind frei von Abweichungen.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5 cm läng, zylindrisch erweitert und
an der vorderen Wand sackförmig ausgebuchtet. Die Wand der Arterie ist un¬
gleichmäßig verdickt, ihre Jnnenhaut stellenweise fetzig. Die sackförmige Aus¬
buchtung der Arterie ist mit einem grauroten brüohigen Gerinnsel ausgefüllt, das
der Wand fest anhaftet. An den übrigen Gefäßen des Darmes keine Abweichungen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung
der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes. Zerreißung des Magens. Katarrh
der Magenschleimhaut. Mazeration der Darmschleimhaut. Verdauung des Bauch¬
fells, der oberflächlichen Schichten der Milz, Leber und Nieren. Trübe Schwellung
des Herzmuskels und Blutungen unter der Innenbaut des Herzens. Erweiterung,
sackförmige Ausbuchtung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm-
darmarterie.
27. Fuchswallach, ca. 8 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 30. 3. 1906.
Der Kadaver ist gut genährt. In der Unterhaut, in der UmgebungdesSchlauches,
der Gelenke und hinter dem Bauchfelle liegt dickes gelblich-graues Fettgewebe, das
auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau erkennen läßt. Die Körpermuskoln sind
totenstarr, graurot, stellenweise gelblich-grau, trocken und trübe. Gefäße der Unter¬
haut mäßig gefüllt.
Der Bauch ist etwas ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle Gas und
15Liter einer graubraunen, trüben, schwach sauer riechenden Flüssigkeit. Zwischen
den Blättern des großen Netzes, im Netzbeutel und im vorderen Teile der Bauch¬
höhle finden sich feste Teilchen, die aus zerkleinerten Haferkörnern und Heu be-
510
PILWAT,
stehen. Das Bauchfell ist grau und etwas trübe, seine Oberfläche fast glatt und
mattglänzend. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Der Leerdarm sieht außen grau
aus, ist mäßig zusammengezogen und enthält wenig gelblich-graue trübe Flüssig¬
keit die gegen den Hüftdarm bin etwas an Menge zunimmt. Die Schleimhaut des
Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarmes ist weißlich-grau, zart, durchscheinend und
an der Oberfläche sammetartig. Im Blind-, Grimm- und Mastdarme ziemlich viel
grünlich-brauner flüssiger Inhalt, der mit wenig festen Bestandteilen vermischt ist.
Die Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarmes ist bläulich-graugrün, etwas
glasig und durchscheinend, ihre Oberfläche glatt und glänzend. Der Magen ist
leer und zusammengezogen; an der großen Krümmung desselben findet sich in der
Wand des Magens ein 42 cm langer Riß, der durch alle Häute der Magenwand
geht. Die Rißränder sind glatt, blaß und scharf. An einzelnen Stellen liegen auf
den Rändern des Risses kleine braunrote Blutgerinnsel, die mit den Gerinnseln
der durchrissenen größeren Venen im Zusammenhänge stehen. Eine blutige Durch¬
tränkung der Rißränder ist nicht naohzuweisen. Die Schleimhaut der Pförtner¬
hälfte ist dick, grau, trübe, in der Gegend der Fundusdrüsen grob gekörnt, gegen
den Pförtner hin mehr glatt. Die Milz mißt 50 cm in der Länge, 20 cm in der
größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt und
blaugrau. Konsistenz schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe
in der Milz schwer sichtbar. Pulpa dunkelrot, reichlich und zerfließlicb. Das Ge¬
wicht der Leber beträgt IO 1 /* kg. Oberfläche der Leber glatt. Leberränder stark
abgerundet. Konsistenz der Leber brüchig. Lebergewebe auf dem Durchschnitte
fast blutleer, gelblich-graubraun und trübe. Die Läppchenzeichnung ist etwas
verwischt und undeutlich. Die einzelnen Läppchen sind bis linsengroß, in der
Mitte bräunlich-gelb, am Rande in breiter Zone graugelb. Schnittfläche der Leber
fettig. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren
sind an der Oberfläche glatt, mattglänzend und rötlich-grau. Konsistenz der Nieren
brüchig. Reohte Niere 19 cm lang, 19,5 om breit und 5,8 cm dick. Linke Niere
21 cm lang, 17 om breit und 6,7 cm dick. Die Rindenschicht ist auf dem Durch¬
schnitte bis 3 cm breit, trübe, grau, mit dünkelroten Flecken und Streifen durch¬
setzt. Marksubstanz stark gerötet und gestreift.
Die Brustfellsäcke enthalten 6 Liter einer gelblich-grauen leicht getrübten
Flüssigkeit. Die Blätter des Brustfells beider Pleurasäcke sind in den unteren Ab¬
schnitten diffus und durch gefüllte fein verzweigte Gefäßnetze gerötet, trübe, an
der Oberfläche etwas rauh und mit einem dünnen, graugelben, zusammenhängen¬
den Belage versehen, der sich abheben läßt. Die Lungen liegen frei in den Brust¬
fellsäcken. Die unteren mittleren Teile beider Lungen sehen dunkelrot aus, sind
groß, schwer und fühlen sich derb an. Das Gewebe der übrigen Lungenabschnitte
ist mehr hellrot, weich, elastisch und knistert schwach beim Hinüberstreichen.
Die verdichteten Lungenteile sehen auf dem Durchschnitt dunkelgraurot aus;
ihre Schnittfläche erscheint trocken und stellenweise etwas gekörnt. Auf der
Schnittfläche liegen zahlreiche hirsekorn- bis pfennigstückgroße, schwarzrote,
etwas über die Oberfläche hervorragende Herde. Außerdem finden sich in der
Schnittfläohe mehrere bis markstückgroße, gelbliche, trockene Herde, die ziemlich
scharf von der Nachbarschaft abgegrenzt sind. Im Herzbeutel 500 ccm einer grau¬
roten, trüben, wässerigen Flüssigkeit. Die Herzbeutelblätter sind diffus gerötet und
durch gefüllte, fein verästelte Gefäßnetze gerötet, an der Oberfläche etwas rauh.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
511
Der Umfang des Herzens beträgt 65 cm. Rechte Kammer 17,5 cm, linke 20 cm
hoch. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten
Blute ziemlich stark gefüllt. Die linken Herzhöhlen enthalten große, dunkelrote
und speckhäutige Gerinnsel. Seitenwand des rechten Ventrikels 2 cm, die des
linken 3,4 cm dick. Atrioventrikularöffnungen normal weit. Herzklappen und Innen¬
haut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graurot,
fleckweise gelblich-grau, trooken und trübe. Konsistenz sehr brüchig. Die ober¬
flächlichen Gelaßnetzc sind in der Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre
stark gefüllt. Sonst bestehen an den Halsorganen keine Abweichungen.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3 cm lang und in geringem Grade
zylinderförmig erweitert. Die Wände der Arterie sind etwas dick. An der
Innenhaut des Gefäßes lassen sich mehrere Narben nachweisen. Thrombenbildung
fehlt. Die übrigen Darmgefäße sind wegsam und frei von Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Beiderseitige, akute, blutig¬
fibrinöse, mortifizierende Lungenentzündung. Beiderseitige, akute, serös-fibrinöse
Brustfellentzündung. Seröse Entzündung des Herzbeutels. Schwere, trübe
Schwellung und Fettmetamorphose des Herzmuskels. Trübe Schwellung der
Körpermuskeln. Starke Fettinfiltration und trübe Schwellung der Leber. Blutige,
parenchymatöse Nierenentzündung. Akute, allgemeine Milzschwellung. Postmortale
Magenzerreißung und akute Entzündung der Drüsenschleimhaut des Magens. Darm¬
katarrh. Erweiterung und Narbenbildung in der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
Ueber die Ursachen und das Zustandekommen der Magenzerreißung
beim Pferde sind in der Literatur bis zur Gegenwart die wider¬
sprechendsten Angaben gemacht worden. Weit verbreitet ist ins¬
besondere die Annahme, daß der Magen nach einfacher Ueberfüllung,
also infolge eines akuten Zustandes, der nur an ihm selbst abläuft,
zerreißt. Das würde eine echte primäre Magenzerreißung sein. In
den statistischen Veterinär-Sanitätsberichten der preußischen Armee
werden in jedem Jahre eine große Zahl von primären Magen¬
zerreißungen als Obduktionsbefunde kolikkranker Pferde aufgeführt.
Leider sind aber die Obduktionsbefunde dieser Fälle nicht mitgeteilt
worden, so daß sich ein sicheres Urteil darüber nicht gewinnen läßt,
ob letzteres zutrifft oder nicht.
Im Pathologischen Institute hat sich unter den 63 Fällen von
Magenzerreißung nur ein Fall ermitteln lassen, in dem der Magen
primär, selbständig, zerrissen war (Befund No. 22). Bei diesem Pferde
war aus irgend einem Grunde wiederholt eine Sonde in den Magen
eingeführt worden, durch welche die Durchstoßung der Magenwand
wahrscheinlich herbeigeführt worden war. Denn die Form, Größe,
Richtung und Lage der Verletzung an der Wand der kleinen Kurvatur
des Magens sowie das Fehlen pathologischer Veränderungen an den
Wänden des Magens und am Darm lassen das Zustandekommen dieser
512
PILWAT,
Magenzerreißung durch eine ungeeignete Handhabung der Sonde als
sicher erscheinen. Eine primäre Magenzerreißung nach Ueberfüllung
des Magens ist nicht beobachtet worden. Alle übrigen Zerreißungen
der Magenwand hatten ihre Ursache in Verstopfungen oder Ver¬
legungen des Darmrohrs, waren daher als sekundär anzusehen. An
den Wänden des Magens ließen sich in allen diesen Fällen keine
organischen Veränderungen nachweisen. Ob nun der Verschluß des
Darms durch eine Verstopfung, Abschnürung oder Verschlingung des¬
selben zustande kommt, ist für die Entstehung der Magenzerreißung
ohne Bedeutung. Die Gefahr ihres Eintritts ist aber am größten,
wenn der Darmverschluß in der Nähe des Magens, im vorderen Ab¬
schnitte des Darmrohrs, z. B. im Zwölffingerdärme, auftritt und nimmt
in der Richtung nach dem Mastdarme zu, ab. So wurde im Patho¬
logischen Institut bei 428 an der Kolik gestorbenen Pferden zwölfmal
eine Verstopfung des Zwölffingerdarms ermittelt, die in zehn Fällen
eine Magenzerreißung verursacht hatte. Der Leerdarm war in
104 Fällen teils durch Verstopfung, teils durch Abschnürung, teils
durch Verschlingung verlegt; sein Verschluß hatte bei 15 Pferden
eine Magenzerreißung hervorgerufen. Die Verlegung des Hüftdarms
konnte 47mal, die Zerreißung des Magens infolge dieser Verlegung
12mal konstatiert werden. Der Verschluß des Grimmdarms wurde
in 147 Fällen gefunden, und hatte in 25 Fällen die Zerreißung des
Magens bewirkt. Der Blinddarm war 40-, der Mastdarm neunmal
Sitz einer Verstopfung oder eines anderen Hindernisses. Durch die
Verlegung dieser Darmteile war jedoch niemals eine Magenzerreißung
entstanden. Diese Beobachtungen beweisen, daß der Magen der Regel
nach sekundär nach dem Verschlüsse des Darmrohrs zerreißt. Je voll¬
ständiger der Darmverschluß ist, und je mehr er in der Nähe des
Magens seine Lage hat, desto leichter kann die Magenzerreißung ein-
treten. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich auch, daß man sich
bei einer Obduktion nicht mit der Feststellung einer Magenzerreißung
zu begnügen hat, sondern verpflichtet ist, die Ursache derselben zu
ermitteln. Denn nicht die Magenzerreißung, sondern diejenige Krank¬
heit des Darms ist Ursache der Kolik gewesen, die die Zerreißung
des Magens bewirkt hat.
Wie läßt sich nun die Zerreißung des Magens nach dem Eintritt •
des Darmverschlusses erklären? Es ist eine längst bekannte Tatsache,
daß die Kardia des Pferdemagens, also diejenige Stelle, an welcher
die Speiseröhre eintritt, durch die Wirkung einer zweckentsprechenden
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
513
Muskulatur stets fest verschlossen ist und nur periodisch zum Eintritt
des verschluckten Bissens in den Magen geöffnet wird. Eine Oeffnung
der Kardia zum Austritt des Mageninhalts in die Speiseröhre dürfte
unter normalen Verhältnissen nur bei sehr wenigen Pferden möglich
sein. Die eigentümlichen anatomischen Verhältnisse an der Muskulatur
des Pferdemagens sind in der jüngsten Zeit von Weisflog (Archiv
f. wissensch. u. prakt. Tierheilkd. 1902. Bd. 27) genau dargelegt
worden, und es soll daher hier auf diese Arbeit nur verwiesen werden.
Unter pathologischen Verhältnissen, insbesondere nach Zerreißung der
Magenwand, ist das Erbrechen bei Pferden häufiger beobachtet worden,
und man hat die Eröffnung der Kardia und das Eintreten des Er¬
brechens infolge einer Magenzerreißung durch Lähmung der Schlie߬
muskulatur am Endstücke der Speiseröhre zu erklären versucht. Ob
aber diese Erklärung zutreffend ist, erscheint zweifelhaft, da bei den
Sektionen die Kardia stets fest verschlossen gefunden worden ist. Die
Kardia bildet auf der einen Seite ein unüberwindliches Hindernis für den
Rücktritt des Mageninhaltes einschließlich der im Magen sich bildenden
Gase. Der Pförtner öffnet sich dagegen periodisch, um den Magen¬
inhalt in den Zwölffingerdarm eintreten zu lassen. Mithin wird der
Inhalt des Magens selbst bei starker Ueberfüllung stets in den Darm
abfließen können, solange das Darmrohr wegsam ist. Berücksichtigt
man ferner, daß die Magenwände sehr dick und widerstandsfähig sind,
und daß zu ihrer Zerreißung eine beträchtliche Kraft erforderlich ist,
so erscheint es schon aus diesem Grunde ziemlich unwahrscheinlich,
daß durch die einfache Ueberfüllung des Magens eine Zerreißung
desselben herbeigeführt werden kann. Ist der Darm jedoch an
irgendeiner Stelle unwegsam geworden, so kann der Inhalt des
Magens und der vor dem Hindernisse liegende Darminhalt weder
vorwärts noch rückwärts bewegt werden. An dem Inhalte treten
stets Umsetzungen ein, bei denen große Mengen von Gas gebildet
werden, die den Magen auftreiben. Dadurch werden die Magenwände
stark ausgedehnt und gleichzeitig dünner. Dazu kommt, daß die
stark ausgedehnte Muskulatur gelähmt, also weniger widerstandsfähig
ist. Ob die Magenwände infolge der starken Dehnung oder durch
Einwirkung giftiger Gärungsprodukte auch noch eine Verschlechterung
in ihrer Einrichtung erfahren, ist nicht sicher ausgemacht. Je näher
das Hindernis dem Magen aber liegt, um so stärker wird die Auf¬
treibung desselben und die Ausdehnung der Magen wände sein, weil
ein kurzer Darmabschnitt nur wenig Gas zur Entlastung des Magens
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 30. Suppl.-Baud.
oo
514
PILWAT,
aufnehmen kann. In der Tat beweisen auch die im Pathologischen
Institute beobachteten Fälle, daß der Magen bei einer Verlegung des
Zwölffingerdarms fast regelmäßig zerrissen war; es muß also hier die
Dehnung'der Magenwände am stärksten sein. Ist das Hindernis weit
vom Magen entfernt, z. ß. im Grimmdarm, so wird der zwischen
Magen und Hindernis liegende Darmabschnitt gleichfalls stark ausge¬
dehnt und entlastet dadurch den Magen. Wenn aber die Magenwände
durch die im Magen sich entwickelnden Gase auf das stärkste aus¬
gedehnt und dadurch verdünnt sind, so genügt wahrscheinlich schon
ein Stoß gegen die Magengegend, um eine Berstung der Magenwände
herbeizuführen. Solche Stöße fügt sich ein kolikkrankes Pferd schon
dadurch zu, daß es sich heftig zu Boden wirft. Trifft diese Erklärung
der Magenruptur zu, so muß die Magenwand an der dünnsten, am
wenigsten widerstandsfähigen Stelle zerreißen. Und auch hier zeigen
die Beobachtungen, daß die Magenwände regelmäßig an der großen
Kurvatur des Magens zerrissen sind. Denn diese Stelle ist die am
wenigsten widerstandsfähige, weil die Serosa hier den Magen verläßt,
um das große Netz zu bilden. An der großen Krümmung besteht
die Magenwand nur aus zwei Häuten, aus Muskelhaut und Schleim¬
haut. An der Abgangsstelle, also zwischen den beiden Blättern des
großen Netzes beginnt die Zerreißung in der Muskelhaut und umfaßt
bald die nachbarliche Serosa. Zuletzt zerreißt auch die Schleimhaut.
Letztere bildet am Magen einen Sack, der größer ist als derjenige,
der durch die übrigen Häute gebildet ist; die Schleimhaut ist auch
widerstandsfähiger, weil in ihr viel elastisches Gewebe enthalten ist.
Der in der Schleimhaut liegende Riß ist stets kleiner als der in der
Serosa und Muskclhaut. Durch den klaffenden Riß der Serosa und
Muskelhaut wölbt sich die Schleimhaut nach außen. In der am
stärksten vorgewölbten Stelle der Schleimhaut bildet sich dann ein
kleiner Riß, der oft nur 4—7 cm lang ist, während der Riß in der
Serosa und Muskelhaut 20—30 cm lang sein kann. Da die Magen¬
zerreißung innerhalb des Lebens auftritt, so muß sie stets mit einer
Blutung verbunden sein. Die Blutung kann bei der Zerreißung
größerer arterieller Gefäße so bedeutend sein, daß eine Verblutung
eintritt. Dieser Fall wurde bei den Sektionen im Pathologischen In¬
stitute nur einmal sicher ermittelt. Das austretende Blut durchtränkt
zunächst das in der Nähe der Rißränder liegende Gewebe der Magen¬
wände, dadurch bekommen die Ränder des Risses eine etwas wulstige
Form. Sodann fließt das Blut in den Innenraum des Magens und in
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
515
den freien Raum der Bauchhöhle. Das mit dem säuern Mageninhalte
in Berührung kommende Blut ändert, durch die Einwirkung der Säure
rasch seine Farbe, es wird schwarzbraun und nimmt die Farbe des
Kaffeesatzes an. Durch den Riß der Magenwand tritt Mageninhalt
aus dem Magen heraus, und da die Zerreißung der Magenwände regel¬
mäßig an der Abgangsstelle der Blätter des großen Netzes und
zwischen denselben beginnt, so dringt der Mageninhalt in den Spalt
zwischen diesen Blättern ein. Die Netzblätter sind jedoch nur zarte
spinnenge websartige Häute, die große Lücken zeigen. Daher wird
besonders der gasförmige und flüssige Mageninhalt sehr rasch in die
Bauchhöhle entleert, während die festen Teile des Mageninhalts zwischen
Fig. 2.
a = Gewöhnlicher Sitz des Magenrisses.
Der Verlauf des Bauchfells ist gestrichelt eingezeichnet.
den Blättern des großen Netzes verbleiben. Ein großer Teil des
Inhalts gelangt durch die Löcher des Netzes in die Bursa omentalis
und in den vorderen Raum der Bauchhöhle. Oft zerreißen später
auch die Blätter des großen Netzes, so daß selbst große Massen des
Mageninhalts in die Bauchhöhle gelangen.
Die obenstehende schematische Zeichnung erläutert den regel¬
mäßigen Sitz des Risses in der Magenwand.
Das im Magensafte enthaltene Ferment kommt mit dem Bauch¬
felle in Berührung und übt an ihm eine verdauende Wirkung aus.
Das Bauchfell wird trübe, an der Oberfläche etwas rauh und gleicht
im Aussehen einer dünnen Milchglasplatte, die mit einer feinen Sand¬
schicht bedeckt ist. Zuweilen sehen wir, daß der verdauende Vorgang
33*
516
PILWAT,
nicht nur das Bauchfell ergriffen hat, sondern weiter in die Tiefe ge¬
drungen ist, z. B. bis in die oberflächlichen Schichten der Leber, der
Milz und der Nieren. Diese Teile sehen dann grau bis grauweiß und
trübe aus und besitzen eine weiche, breiige Beschaffenheit. Denn das
Pepsin wirkt auch ohne Salzsäure bei Körperwärme, und die ver¬
dauende Wirkung desselben dauert lange Zeit nach dem Tode des
Tieres noch an, wenn Umstände vorliegen, die die rasche Abkühlung
des Kadavers verhindern. Der Regel nach ist eine ausgedehnte Ver¬
dauung des Bauchfells, die nach der Zerreißung des Magens sehr rasch
eintritt und niemals fehlt, die am meisten auffallende Erscheinung bei
der oberflächlichen Betrachtung der Organe der Bauchhöhle. Mit dem
Mageninhalte kommen aber auch die an ihm habenden Bakterien in
die Bauchhöhle. Der Mageninhalt reizt das Bauchfell rein mechanisch;
die Bakterien reizen ferner durch ihre Stoffwechselprodukte und ver¬
ursachen eine Bauchfellentzündung. Letztere ist meist eine geringe,
weil die Tiere zu früh sterben, und die Zeit zum Zustandekommen
einer stärkeren Entzündung fehlt. Die Entzündung trifft man deshalb
stets nur im Anfangsstadium an; sie zeigt sich durch fleckige, ver¬
ästelte oder mehr diffuse Rötung des Bauchfells, die durch die ent¬
zündliche Hyperämie und durch vereinzelte Hämorrhagien bedingt ist.
Die Ursache des schnellen Todes der Tiere ist darin zu suchen, daß
nach der Zerreißung des Magens und nach dem Eintritte des Inhalts
in die Bauchhöhle Bakterien und giftige Stoffwechselprodukte desselben
in größeren Mengen schnell resorbiert werden; denn der Bauchfellsack
ist ein großer Lymphraum, der für die Resorption sehr günstige Ver¬
hältnisse bietet. Die Tiere gehen demnach an einer schnell ver¬
laufenden Septikämic zugrunde, die als „Sepsis peritonealis“ bezeichnet
werden kann.
Sehr häufig wurde bei den Obduktionen der an Kolik einge¬
gangenen Pferde eine erst nach dem Tode entstandene Zerreißung des
Magens ermittelt; dagegen ist bei Pferden, die an anderen Krank¬
heiten zugrunde gegangen waren, die postmortale Magenruptur selten;
denn sie wurde nur einmal, und zwar bei einem Pferde, das an
Lungen-Brustfellentzündung gelitten hatte, vorgefunden (Befund Nr. 28).
Die nach dem Tode auftretende Magenzerreißung brauchte hier
keine Berücksichtigung zu finden, wenn nicht ein erhebliches prak¬
tisches Interesse für die Besprechung dieses Vorganges vorläge. Bei
der Schwierigkeit, die für die Unterscheidung pathologischer und ka-
daveröser Prozesse oftmals vorliegt, dürfte es nicht selten Vorkommen,
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
517
daß die vitale und postmortale Magenzerreißung miteinander ver¬
wechselt werden.
In der größten Mehrzahl der Fälle besteht bei der tödlich
werdenden Kolik ein Hindernis im Darmrohre, das die Weiterbewegung
des Magen- und Darminhaltes stört. An diesem Inhalte treten Um¬
setzungen ein, bei denen viel Gas gebildet wird. Die Gärung der
Inhaltsmassen nimmt gewöhnlich nach dem Tode infolge der Wirkung
einzelner gasbildender Mikroorganismen noch beträchtlich zu und die
Gasbildung vollzieht sich oft so stürmisch, daß die Magenwände stark
ausgedehnt und schließlich zersprengt werden. In anderen Fällen
läßt sich nachwcisen, daß die Kadaver auf dem Transporte nach der
Sektionsstätte heftigen Stößen ausgesetzt waren, z. B. bei dem Herauf¬
ziehen auf den Wagen. Sind nun die Magenwände durch die im
Magen gebildeten Gase stark gedehnt, so kann ein kräftiger Stoß
sehr leicht die Zerreißung derselben bewirken. Dazu kommt, daß die
toten Magenwände bei der säuern Gärung des Mageninhaltes häufig
durch Gastromalazie erweicht und dadurch weniger widerstandsfähig
sind. In dem Falle, auf den sich der Obduktionsbefund Nr. 28 be¬
zieht, war weder eine Ausdehnung des Magens durch Gas noch Gastro-
raalazic nachzuweisen. Hier müssen die Stöße, denen der Kadaver
auf dem Transporte ausgesetzt war, allein genügt haben, um die Zer¬
reißung des Magens zu bewirken.
Auch bei der postmortalen Magenzerreißung wurde ebensowenig
wie bei der vitalen eine krankhafte Veränderung an den Wänden des
Magens nachgewiesen, die einen hinreichenden Grund für das Zu¬
standekommen der Zerreißung hätte abgeben können. Regelmäßig
war die Magenwand an der großen Krümmung des Magens zerrissen,
und zwar war der Riß der Serosa und Muskelhaut erheblich länger
als der in der Schleimhaut. Da die Zerreißung aber an der toten
Magenwand eintritt, so fehlt jede Blutung. Die Rißränder sind blaß
und scharf. Manchmal kann bei der Zerreißung von großen, in der
Magen wand gelegenen Venen der flüssige Anteil des Blutes aus den
Gefäßstümpfen austreten und eine Blutung Vortäuschen; niemals tritt
jedoch eine blutige Durchtränkung der dem Risse benachbarten Magen¬
wand ein. Durch den Riß können Teile des Mageninhalts in den
Netzbeutcl und in den freien Raum der Bauchhöhle gelangen. Die
mit Magensaft vermischten Inhaltsmassen bewirken der Regel nach
auch bei ihrem erst nach dem Tode erfolgenden Austreten aus dem
Magen eine oberflächliche Verdauung derjenigen Organe, mit denen sie
518
PILWAT,
in Berührung kommen. Dagegen fehlt bei der nach dem Tode ent¬
standenen Magenzerreißung jede Spur einer Bauchfellentzündung, und
zeigen die Rißränder keine blutige Infiltration, sondern sind blaß.
2. Zerreißung des Darms.
Die Zerreißung des Darms wurde bei 45 kolikkranken Pferden,
d. s. an 10,51 pCt. aller in den Kliniken der Tierärztlichen Hoch¬
schule an Kolik gestorbenen Pferde durch die Sektion ermittelt. Auf
die einzelnen Darmabschnittc verteilen sich die Zerreißungen, wie folgt:
Zwölffingerdarm zerrissen bei 0 Pferden
Leerdarm „ „ 1 „
Hüftdarra „ 0 „
Blinddarm r „27 „
Grimradarm „ r II „
Mastdarm r „ 6
Die folgenden Obduktionsberichte dienen zur Erläuterung der
einzelnen Gruppen.
28 . Schimmelstute, 11—12 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 7. November 1903.
Der Kadaver zeigt einen guten Nährzustand. In der Unterhaut und unter
dem Bauchfell liegt eine größere Menge gelblichweißen, traubigen Fettgewebes.
Die Körpermuskeln sind graurot, trübe und befinden sich in der Totenstarre. Die
Gefäße der Unterhaut sind leer.
Die Bauchdecken sind stark gespannt. Die Bauchhöhle enthält 10—12 Liter
einer graubraunen, trüben, schäumenden Flüssigkeit, die mit gelbgrauen, weichen,
nicht zusammenhängenden Gerinnseln vermischt ist. Das Bauchfell ist trübe,
diffus und durch gefüllte, fein verästelte Gefnßnetze gerötet, an der Oberfläche
rauh. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Der Leerdarm enthält eine erhebliche
Menge flüssiger und breiiger Massen. Im Anfangsteile des hinteren Abschnittes
des Leerdarmes ist nachzuweisen, daß von der Ansatzstcllc des Gekröses aus¬
gehend die beiden Gekrüsblätter im Umkreise eines Suppentellers von einander
getrennt sind. Zwischen den Gekrösblättern liegt Darminhalt. Die Wand des
Leerdarms ist hier zwischen den Gekrösblättern in einer Länge von 5 cm zerrissen.
Die Rißränder sind zackig, dick, blutig durchtränkt und mit Blutgerinnseln be¬
deckt. Die Darm wand ist vor der Rißstelle und ungefähr bis 2 cm hinter dersel¬
ben erheblich verdickt. Die Dicke der Muskelhaut beträgt 2,5 m. Besonders tritt
die Ringfascrschicht der Muskelhaut in Form dicker Bündel deutlich hervor. An
der Schleimhaut des Leerdarms sind keine Besonderheiten nachzuweisen. Die
Länge des Leerdarms beträgt 12 m. Der Inhalt des Blind- und Grimmdarms ist
dickbreiig, die Schleimhaut dieser Darmabteilungen grünlichgrau gefärbt. Im
Mastdarm etwas geformter Inhalt. Mastdarmschleimhaut weißlichgrau. Der Magen
ist stark gefüllt. Die Drüsenschleimhaut des Magens besitzt eine grünlichgraue
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
519
Farbe und ein trübes, glasiges Aussehen. Die Leber ist außen schwarzgrün und
dunkelbraun gestreift. Konsistenz der Leber sehr brüchig. Auf dem Durchschnitte
erscheint das Lebergewebe lehmfarben und trübe. Aus den durchschnittenen Ge¬
fäßen tritt rotbraune, mit Gasblasen vermischte Flüssigkeit hervor. Die Milz mißt
52 cm in der Länge, 20 cm in der größten Breite und 2 l / 2 cm in der Dicke. Farbe
der Milz außen graublau. Konsistenz schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das
Balkengewebe der Milz schwer zu erkennen. Die Milzpulpa ist rotbraun, reichlich
und sehr weich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren ablösen.
Linke Niere 20 cm lang, 15 cm breit, 6,5 cm dick. Rechte Niere 17 cm lang,
18 cm breit und 5,5 cm diok. Die Rindenschicht ist auf dem Durchschnitte grau¬
braunrot und trübe. Die Markstrahlen sind breit, grauweiß und treten als radiär
verlaufende Streifen deutlich hervor. Marksubstanz graurot und gestreift.
Die Brustfellsäcke enthalten keinen fremden Inhalt. Das Brustfell ist zart
und durchscheinend, seine Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brust¬
fellsäcken, sind etwas größer als im Retraktionszustande und enthalten Luft. Die
oberen Teile beider Lungen sind dunkelrot gefärbt und auf dem Durchschnitte
feucht, die unteren Teile mehr hellrot und trocken auf der Schnittfläche. Der
Herzbeutel enthält 100 ccm einer weinroten, etwas trüben Flüssigkeit. Die Ober¬
fläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Die Herz¬
kammern enthalten nur wenig flüssiges Blut. Die Innenhaut des Herzens ist ver¬
waschen rot gefärbt. Klappen zart. Das Herzfleisch erscheint auf dem Durch¬
schnitte graubraunrot, trübe und feucht. Konsistenz brüchig. An den Halsorganen
liegen keine Veränderungen vor.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,7 cm lang, zylindrisch erweitert und
an der Abgangsstelle der Dünndarmarterien sackförmig ausgebuchtet. Die Wand
des Gefäßes ist verdickt. Die Oberfläche der Gefäßinnenhaut ist rauh und mit
mehreren warzenartigen grauroten Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand fest an-
haften. Unter diesen Auflagerungen ist die Innenhaut fetzig und fehlt stellen¬
weise. An den übrigen Gefäßen des Darmes zeigen sich keine Veränderungen.
Diese Gefäße sind wegsam und frei von Pfropfen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Partielle Hypertrophie der
Leerdarmwand und Zerreißung derselben in der Gegend der Gekrösanheftung.
Angeborene Verkürzung des Leerdarms. Akute allgemeine Bauchfellentzündung.
Fäulnis der Leber. Akute Schwellung der Milz. Trübe Schwellung der Körper¬
muskeln und des Herzens. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-
Blind-Grimmdarmarterie.
29 . Schimmelwallach, 7 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 13. Oktober 1904.
Der Kadaver befindet sich in gutem Nährzustande. Totenstarre ist vorhanden.
Der Bauch ist aufgetrieben. In der Bauchhöhle etwa 15 Liter einer trüben
bräunlichen Flüssigkeit, der Inhaltsmassen des Darmes beigemischt sind. Die
Oberfläche des Bauchfells ist namentlich auf den beiden linken Lagen des Grimm¬
darms mit gelblichweißen, netzartigen Belägen versehen, die sich abheben lassen.
Der Leerdarm hat außen eine graurote Farbe und ist mit grauem schleimigen In¬
halte mäßig angefüllt; seine Schleimhaut ist blaß. Der Blinddarm ist außen blau¬
rot gefärbt, die kleinen venösen Gefäßnetze enthalten viel Blut. Der reichliche
520
PILWAT,
Inhalt des Blinddarms besteht aus trockenen festen Massen. Ain Grunde des
Blinddarms zeigt sich ein 7 cm langes und 2 cm breites Loch mit zerrissenen
Rändern, die rot gefärbt sind. Die Schleimhaut des Blinddarms ist fleckweise ge¬
rötet und etwas dick. Die Muskelhaut dieses Darmes ist 1—2 mm dick. Der
Grimmdarm ist etwas zusammengezogen und hat an seiner äußeren Oberfläche
eine graurote Farbe; die venösen Gefäßnetze enthalten viel Blut. Der Grimmdarm
enthält bräunliche, breiige Massen in mäßiger Menge. Grimmdarmschleimhaut
bräunlich-graugrün. Der Mastdarrn ist außen dunkelgrau und enthält einige
Kotballen; die Schleimhaut desselben ist blaß. Der Magen ist durch Gas etwas
ausgedehnt; er enthält dünnbreiige, hellgraue Massen. Die Schleimhaut des
Fundusdrüsenteils ist leicht gekörnt und von röthlichgrauer Farbe. In der Gegend
des Pförtners wird die Schleimhaut mehr glatt und bräunlich. Die Milz ist außen
glatt und graurot. Gefäße der Milzkapsel injiziert. Die Milz mißt 48 cm in der
Länge, 23 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Konsistenz
der Milz schlaff. Auf dem Durchschnitte erscheint die Pulpa rotbraun. Das
Balkengerüst ist erkennbar. Die Leber wiegt 6 kg, ist außen glatt, rötlichbraun
und mit vielen grieskorngroßen, schwarzroten Blutungen besetzt. Auf dem Durch¬
schnitte sind die Grenzen der Läppchen ziemlich schwer erkennbar. Das Leber¬
gewebe ist etwas trübe und graubraun. Konsistenz etwas brüchig. Die Nieren¬
kapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Oberfläche beider Nieren
glatt und rotbraun. Die Konsistenz ist derb. Auf dem Durchschnitte ist die
Rindenschicht schwach graubraun und etwas trübe. Marksubstanz rötlichgrau
und gestreift.
In den Brustfellsäcken findet sich kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart
und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei
in den Brustfellsäcken, sind zusammengefallen, rot, elastisch und knistern beim
Drucke mit den Fingerspitzen. Im Herzbeutel etwa ein Eßlöffel voll einer klaren,
bernsteingelben Flüssigkeit. Die Oberfläche der Herzbeutelblätter besitzt einen
spiegelnden Glanz. Der Umfang des Herzens an der Kranzfurche beträgt 58 cm,
die Höhe des linken Ventrikels 18 cm und die Höhe des rechten 16 cm. Das Herz
wiegt mit Blut 4250 g, ohne Blut 4050 g. Die rechte Herzkammer und Vorkammer
enthalten schwarzrotes, schlecht geronnenes Blut in mäßiger Menge. Die linke
Kammer ist fast leer, die linke Vorkammer mit speckhäutigen Blutgerinnseln von
geringem Umfange angefüllt. Die Klappen und die Innenhaut des Herzens sind
zart. Der Herzmuskel erscheint auf dem Durchschnitte trübe, trocken, graurot,
fleckweise grau; seine Konsistenz ist brüchig. Die Schleimhaut der Luftröhre und
des Kehlkopfes ist blaß. Am Kehldeckel einige schwach gefüllte Venennetze. Die
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,3 cm lang und zylindrisch erweitert; die Wand
derselben ist l j 2 cm dick. Die Innenhaut ist sehr uneben, mit zottigen grauweißen
Anhängseln versehen, mit denen bröcklige, graurote, geronnene Massen verklebt
sind. Am Grunde dieser Gerinnselmassen finden sich mehrere Wurmlarven.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung, Erweiterung und
Zerreißung des Blinddarmes. Allgemeine akute, serös-fibrinöse Entzündung des
Bauchfelles. Schwere trübe Schwellung des Herzmuskels. Leichte Trübung der
Leber und Nieren. Geringgradige Milzschwellung. Erweiterung und wandständige
Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
521
3(h Fliegenscbimmelstute, 15—18 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 30. 11. 1904.
Der Kadaver befindet sich in schlechtem Nährzustande. In der Unterhaut,
über dem Euter und hinter dem Bauchfelle liegt etwas grünlich-gelbes Fettgewebe
von schleimiger Beschaffenheit. Die Körpermuskeln zeigen Totenstarre und sehen
braunrot aus.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬
weichen aus derselben Gase in größerer Menge. Im freien Raume der Bauchhöhle
finden sich außerdem 15 Liter einor trüben grauroten Flüssigkeit, in der graue
Gerinnsel verteilt sind. Das Bauchfell ist in großer Ausdehnung trübe, diffus und
durch gefüllte, fein verzweigte Gefäßnetze gerötet. Die Oberfläche des Bauchfelles
ist rauh, mit Teilchen aus dem Darminhalte und mit grauen, teils zusammen¬
hängenden, teils weichen schleimigen Belägen versehen, die sich abheben lassen.
Der Blinddarm ist sehr lang und weit, sieht außen graurot aus und nimmt den
größten Raum in der Bauchhöhle ein. Die linken Grimmdarmlagen liegen auf der
linken Seite der Bauchhöhle. Der Leerdarm liegt in der linken Unterrippen- und
Flankengegend. Leer- und Grimmdarm sind fast vollkommen vom Blinddärme be¬
deckt. Der Leerdarm ist mäßig zusammengezogen und enthält reichliche Mengen
einer gelblichen, schleimigen Flüssigkeit, die gegen den Hüftdarm hin mit festen
Teilchen vermischt ist. Schleimhaut des Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarmes bla߬
grau und schwach durchscheinend, Oberfläche samtartig. Der Blinddarm ist
mit festen, aus zerkleinerten Haferkörnern, Häcksel und Heu bestehenden Massen,
die ein Gewicht von 50 kg besitzen, angefüllt. Im Grunde des Blinddarmes ist
soin Inhalt ganz trocken. Die Schleimhaut des Blinddarmes ist grau, lederartig
und 1—2 mm dick. Fleckweise erscheint diese Schleimhaut gerötet. Die Ring¬
faserschicht der Muskelhaut des Blinddarmes ist am Grunde dieses Darmes bis
3 mm, die Längsfasorschicht bis 1 mm dick, auf dem Durchschnitte grauweiß und
derb. In der Wand des Blinddarmgrundes findet sich ein 6 cm langer Riß, dessen
Ränder blutig durchtränkt sind. Das zwischen Blinddarmgrund, rechter Niere und
Bauchwand gelegene Gewebe ist dick, grünlich-grau und trübe. Die Maschen
dieses Gewebes enthalten Gasblasen, eine schmutzig graubraune, trübe Flüssigkeit
und Teilchen des Blinddarminhaltes. Im Grimmdarme wenig breiiger Inhalt.
Mastdarm fast leer. Die Schleimhaut des Grimradarmes ist bräunlich-grau und
durchscheinend. Der Magen enthält etwa 8 Liter dünnbreiige bis flüssige saure
Massen. Die Schleimhaut der Schlundhälfte erscheint rötlich-weiß, ihre Oberfläche
glatt. In der rechten Magenhälfte ist die Schleimhaut dick und zeigt das Aus¬
sehen einer etwas trüben Gallerte, Oberfläche derselben glatt und stark glänzend.
In der Gegend der Fundusdrüsen sieht die Schleimhaut braunrot, gegen den
Pförtner hin mehr grau aus. Das Gewicht der Leber beträgt 3y 2 kg. Leberränder
scharf. Auf der Zwerchfellfläche der Leber sitzen zahlreiche grauweiße Zotten.
Die Lebersubstanz fühlt sich derb an und erscheint auf dem Durchschnitte rot¬
braun bis dunkelbraun. Zeichnung der Leberläppchen erkennbar. Die Milz be¬
sitzt eine schlaffe Beschaffenheit; ihre Oberfläche ist glatt und graublau; sie mißt
47 cm in der Länge, 24 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke.
Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe schwer erkennbar. Pulpa rotbraun,
etwas reichlich und sehr weich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den
522
PILWAT,
Nieren abtrennen. Oberfläche der Nieren dunkelbraun, glatt und mattglänzend.
Konsistenz der Nieren derb. Beide Nieren besitzen die gewöhnliche Form und
Größe. Die Rindenschicht erscheint auf dem Durchschnitte braunrot, Marksubstanz
graurot und gestreift.
Die Brustfellsäcke enthalten keinen fremden Inhalt. Das Brustfell ist durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den
ßrustfellsäcken, sind zusammengefallen, klein, und enthalten Luft. Im Herzbeutel
100 ccm einer gelblichen, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden
Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens an der Kranz-
furohe beträgt 56 cm. Rechte Kammer 14 cm, linke 17 cm hoch. Die Kranz¬
arterien des Herzens sind lang, weit, und verlaufen geschlängelt. Die rechten
Herzhöhlen sind stark gefüllt, die linken fast leer. Die Herzinnenhaut ist stellen¬
weise plattenartig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Die Herzklappen der
linken Herzhälfte sind in ihren Randteilen etwas verdickt. Atrio-Ventrikular-
öffnungen von gewöhnlicher Weite. Unter der Innenhaut der linken Kammer liegen
mehrere flächenformige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte
graurot, trocken und trübe, ihre Konsistenz brüchig. Die an der linken Seite des
Kehlkopfes gelegenen Muskeln sind stark abgeplattet, bandartig dünn und grau.
Sonst bestehen an den Halsorganen keine Abweichungen. Die Hüft-Blind-Grimm-
darmarterie ist 3 cm lang und in geringem Grade zylindrisch erweitert, ihre Wand
ist etwas verdickt, an der Innenfläche rauh und mit mehreren reiskom- bis linsen¬
großen, grauroten, trockenen Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand fest anhaften.
Unter diesen Auflagerungen ist die Innenhaut teilweise fetzig. Die übrigen Gefäße
des Darmes erweisen sich bei der Untersuchung als frei von Veränderungen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung, Erweiterung,
Hypertrophie und Zerreißung des Blinddarms. Phlegmonöse Entzündung in dem
zwischen Blinddarmgrund, rechter Niere und Bauchwand gelegenen Gew r ebe.
Allgemeine akute serös-fibrinöse und eitrige Bauchfellentzündung. Braune Er¬
weichung der Magenschleimhaut. Braune Atrophie der Leber. Leichte Milz¬
schwellung. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Chronische Entzündung der
Herzklappen und der Innenhaut des Herzens. Schwund der linksseitigen Kehl¬
kopfmuskeln. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm¬
darmarterie.
31. Apfelschimmelwallach, ca. 7 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 25. 11. 1905.
Der Kadaver befindet sich in ziemlich gutem Nährzustande. In der Unter¬
haut, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle, hat das Fett¬
polster lappigen Bau und gelblich-weiße Farbe. Die Körpermuskeln sind kräftig
entwickelt, totenstarr, auf dem Durchschnitte mäßig feucht, etwas trübe und
dunkelrot.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬
weichen aus derselben Gase. Im freien Raume der Bauchhöhle etwa 6 Liter einer
trüben, braunroten Flüssigkeit, der Inhaltsmassen des Darmes beigemischt sind.
Das Bauchfell ist in großer Ausdehnung diffus und durch gefüllte, fein ver¬
ästelte Gefässnetze gerötet, trübe, und an der Oberfläche rauh. Der Darm ist
regelmäßig gelagert. Leer- und lliiftdarm enthalten wenig schmutzig-graubraune,
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
523
wässerig-schleimige Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser Darmteile ist blaß. Der
Blinddarm ist mäßig durch Gas ausgedehnt und hat breiigen, braunen Inhalt in
mittlerer Menge; seine Schleimhaut erscheint dunkelgrau. Der Grimmdarm ist in
seiner ganzen Ausdehnung mit dickbreiigen braunen Massen angefüllt, die be¬
sonders in der rechten oberen Lage und in der magenähnlichen Erweiterung eine
mehr trockene und bröcklige Beschaffenheit annehmen. Die Grimmdarmschleim¬
haut ist fleckweise gerötet, sonst schiefrig-graublau. Am Uebergange der rechten
oberen Lage zur magenähnlichen Erweiterung findet sich in der dorsalen Wand des
Darmes ein 9 cm langer Längsriß, dessen Ränder dick, blutig-durchtränkt und mit
Blutgerinnseln bedeckt sind. Der Mastdarm enthält wenig geformten Inhalt; seine
Schleimhaut ist blaß. Im Magen wenig dünnbreiiger Inhalt. Die drüsentragende
Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist etwas dick, trübe und glasig. Die Ober¬
fläche dieser Schleimhaut ist glatt und glänzend. An der Schleimhaut der linken
Magenhälfte keine Abweichung. Die Milz mißt 48 cm in der Länge, 25 cm in der
größten Breite und 3,5 cm in der größten Dicke. Die Oberfläche der Milz zeigt
einigo schwarzbraune Buckel, in denen die Pulpa auf dem Durchschnitte dünn¬
flüssig, schwarzrot und sehr reichlich ist. Das Balkengewebe ist hier nicht sicht¬
bar. In den übrigen Teilen der Milz ist die Pulpa braunrot, das Balkengewebe
noch sichtbar. Die Leber wiegt 7 kg. ist außen glatt und glänzend, von rotbrauer
Farbe. Leberränder scharf. Konsistenz ziemlich derb. Auf der Schnittfläche er¬
scheint das Lebergewebe etwas trübe und graubraun. Die Grenzen der Leber¬
läppchen sind noch erkennbar. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den
Nieren abtrennen. Die Oberfläche der Nieren ist glatt und glänzend. Konsistenz
der Nieren derb. Außen und auf der Durchschnittsfläche zeigt die Rindenschicht
eine dunkelgraubraune Faibe; sie wird durchzogen von radiär verlaufenden breiten
grauweißen Streifen, die den Markstrahlen entsprechen. Bei seitlichem Drucke
entleert sich aus den Sammelröhren eine schleimige Flüssigkeit von gelblich¬
weißer Farbe. Die zwischen den Streifen in der Rinde liegende Nierensubstanz
ist etwas trübe. Marksubstanz graurot, an der Grenze der Rinde dunkelrot.
In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liogen frei in den
Biustfellsäcken, sind zusammengefallen und enthalten Luft. Im Herzbeutel ein
Eßlöffel voll einer gelbrötlichen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden
Herzbeutelblätter zeigt spiegelnden Glanz, ln den rechten Herzhöhlen findet sich
flüssiges und geronnenes schwarzrotes Blut in ziemlich großer Menge. Das linke
Herz enthält nur wenig Blutgerinnsel. Unter der Innenhaut der linken Kammer
liegen, namentlich im Bereiche der Papillarmuskeln, bis talergroße Blutungen.
Der Herzmuskel ist auf dem Durchschnitte graurot, trocken und trübe, seine Kon¬
sistenz brüchig. An den Halsorganen keine Abweichungen. DieHüft-Blind-Grimm-
darmarterie ist 4,3 cm lang und ungleichmäßig erweitert. Die Wand des Ge¬
fäßes ist bis 3 mm dick. An der Innenfläche derselben haftet ein bohnenförmiges
3 cm langes Gerinnsel, das graurot, ziemlich trocken und bröcklig ist. ln den
tiefen Schichten des Gerinnsels liegen zahlreiche Wurmlarven des Strongylus
bidentatus. Nach Entfernung des Gerinnsels erscheint die Gefäßinnenhaut fetzig,
ihre Oberfläche ist rauh. An den übrigen Gefäßen des Darmes nichts Ab¬
weichendes.
524
PILWAT,
Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung und Zerreißung
der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes. Akute allgemeine Bauchfell¬
entzündung. Leichte Milzschwellung. Leichte Trübungder Leber. Kartarrhalische
Nierenentzündung. Schwere trübe Schwellung des Herzmuskels und Blutungen
unter der Innenhaut des Herzens. Erweiterung und wandständige Thrombose der
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
32. Brauner Wallach, Stern, 12—15 Jahre alt. Gestorben und obduziert
am 25. 3. 1906.
Der Kadaver ist schlecht genährt. Das spärlicho Fettgewebe in der Unterhaut
und hinter dem Bauchfelle zeigt eine schleimige Beschaffenheit und schmutzig¬
graugelbe Farbe. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitte braun¬
rot und etwas feucht.
In der Bauchhöhle finden sich etwa 10 Liter einer trüben, graubraunen
Flüssigkeit, welcher lockere, gelblich-weiße, flockige Gerinnsel und Inhaltsmassen
des Darmes beigemischt sind. Das Bauchfell ist trübe diffus und durch gefüllte
Gefäßnetze gerötet, an seiner Oberfläche etwas rauh. An der Lage des Darmes
keine Abweichung. Der Leer- und Hüftdarra enthalten eine schleimige, grauweiße,
mehlsuppenartigo Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser Darmteile ist blaß und be¬
sitzt einen samtartigen Glanz. Blind- und Grimmdarm sind mäßig durch Gase
ausgedehnt und mit breiigen Massen in mittlerer Menge angefüllt. Die magen-
ähnliche Erweiterung des Grimmdarmes ist stark ausgedehnt und mit festen,
trockenen Massen prall gefüllt. In der magenähnlichen Erweiterung des Grimm¬
darmes ist die Schleimhaut fleckweise gerötet, in den übrigen Abschnitten des
Grimmdarmes und im Blinddarm dunkelgrau. Der Mastdarm enthält viel geformten
Inhalt, seine Schleimhaut ist stellenweise schwach gerötet. 35 cm vor dem After
findet sich in der dorsalen Mastdarmwand ein 15 cm langer Längsriß, dessen
Ränder gezackt, dick, blutig durchtränkt und mit Blutgerinnseln bedeckt sind. Das
um den Mastdarm gelegene lockere Gewebe, und das zwischen den Gckrösblättern
liegende Fettgewebe ist dick, graurot und enthält in seinen Maschen Gasblasen,
eine trübe, eiterähnliche Flüssigkeit und Teilchen des Mastdarminhalts. Im Magen
linden sich 7 Liter einer bräunlichen, sauerriechenden Flüssigkeit, die mit breiigen
Massen vermischt ist. Die Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist etwas dick,
trübe graurot und gallertartig; ihre Oberlläche ist glatt und stark glänzend. An
der Schleimhaut der linken Magenhälfte nichts Abweichendes. Die Milz mißt 45 cm
in der Länge, 16 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Außen
sieht die Milz graublau aus und zeigt einige buckelartige Erhebungen von schwarz¬
blauer Farbe, in denen die Milzpulpa auf dem Durchschnitte sehr reichlich, flüssig
und schwarzrot ist. Das Balkengerüst ist hier nicht erkennbar. In den übrigen
Teilen erscheint die Milzpulpa dickbreiig und braunrot, das Trabekulargewebe ist
noch erkennbar. Die Leber wiegt 4y 2 kg, besitzt scharfe Ränder und eine derbe
Beschaffenheit. Auf der Schnittfläche ist die Läppchenzeichnung erkennbar. Die
einzelnen Läppchen sind grieskorngroß und rotbraun. Die Nierenkapseln lassen
sich leicht von den Nieren ablösen. Die Oberfläche der Niere ist glatt und matt-
glänzend. Außen sehen die Nieren braunrot aus, ihre Konsistenz ist etwas brüchig.
Auf der Durchschnittsfläche liegen in der etwas trüben Uindenschicht zahlreiche
breite, grauweiße, radiär verlaufende Streifen. Die Markschicht ist gestreift und
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 525
graurot, an der Grenze der Rinde dunkelrot. Bei seitliohem Drucke entleert sich
aus den großen Sammelröhren eine schleimige, rahmartige, gelblich-weiße Masse.
In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den
Brustfellsäcken, sind klein, elastisch und knistern schwach beim Hinüberstreichen.
Auf dem Durchschnitte ist das Lungengewebe hellrot und wenig feucht, die
Schnittfläche glatt. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll einer rötlich-gelben, fast klaren
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und
glänzend. Die rechten Herzhöhlen enthalten viel schwarzrotes, geronnenes Blut
und speckhäutige Gerinnsel. Im linken Herzen wenig flüssiges und geronnenes
Blut. Atrio-Ventrikularöffnungen normal weit. Die Herzklappen und die Innenhaut
des Herzens sind zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte trocken,
trübe, graurot, Konsistenz brüchig. Die Halsorgane erweisen sich als frei von Ab¬
weichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,9 cm lang und fast gleich¬
mäßig zylindrisch erweitert. Die Wand der Arterie ist verdickt und trägt auf ihrer
inneren Oberfläche mehrere bis erbsengroßo etwas längliche Gerinnselmassen, die
graurot, etwas trocken und brüchig sind. Unter diesen der Gefäßwand ziemlich
fest anhaftenden Gerinnseln ist die Innenhaut zerrissen und fehlt stellenweise.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung der magen¬
ähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes. Zerreißung der dorsalen Mastdarmwand.
Phlegmonöse Entzündung im lockeren Gewebe des Beckens und im Gekröse des
Mastdarmes. Allgemeine akute, fibrinös-eitrige Bauchfellentzündung. Multiple
Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Braune Atrophie und gering¬
gradige Trübung der Leber. Saure Erweichung der Magenschleimhaut. Schwere,
trübe Schwellung des Herzmuskels, Erweiterung und wandständige Thrombose der
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
Die Zerreißung des Darras wird in der Mehrzahl der Fälle durch
ähnliche Ursachen hervorgerufen, wie die Zerreißung des Magens.
Im Darmlumen entsteht ein Hindernis für die Fortbewegung des Darra¬
inhaltes; der Regel nach ist ein Darmabschnitt durch einen Kotpfropf
verlegt. Vor dem Hindernisse bildet sich rasch oder allmählich, je
nach der Art der Entstehung und der Größe desselben eine Ansamm¬
lung des Darminhaltes; dadurch wird der vor dem Hindernisse liegende
Darmteil ausgedehnt. Ist die äußerste Grenze der Ausdehnung er¬
reicht, so genügt wahrscheinlich ein kräftiger Stoß, den sich ein kolik¬
krankes Pferd schon durch heftiges Niederwerfen zufügen kann, um
die Darmwand zu zerreißen. Organische Veränderungen in den von
der Zerreißung betroffenen Teilen der Leer- und Grimmdarmwände
fehlten stets, und es muß deshalb die nachgewiesene Verstopfung
allein in ursächlichen Zusammenhang mit der Darmzerreißung ge¬
bracht werden.
Der Blinddarm war in 7 Fällen prall mit Kotmassen angefüllt
und stark aufgetricben. Die Blinddarmwände waren infolge der Aus-
526
PILWAT,
dehnung dünn und an einer Stelle zerrissen. Sonstige pathologische
Veränderungen ließen sich an den Blinddarmwänden nicht nachweisen.
In allen diesen Fällen waren die Ansammlungen des Darminhaltcs
und die Zerreißung des Darms durch ein rasch entstandenes Hindernis
verursacht worden. Es hatten sich also akute Zustände am Blind¬
darm entwickelt.
In einer größeren Anzahl von Fällen (20) aber, in denen eine
Zerreißung der Blinddarmwand Vorgelegen hatte, zeigte sich der
Blinddarm zwar gleichfalls erweitert und mit festen trockenen Kot-
raassen angefüllt, seine Wände waren jedoch gleichzeitig um das
doppelte bis dreifache verdickt. Die Verdickung konnte besonders
am Blinddarmgrunde nachgewiesen werden und war durch Hyper¬
trophie der Muskelhaut und durch chronische Entzündung der Schleim¬
haut zustande gekommen. Mithin hatte für die Fortbewegung des
Blinddarminhaltes ein Hindernis bestanden, das sich allmählich ent¬
wickelt und ausgebildet hatte. Der Blinddarm war durch die An¬
sammlung seines Inhaltes zwar stark erweitert worden, hatte aber
den letzteren mit Hilfe seiner Muskelhaut, die infolge der erhöhten
Arbeitsleistung hypertrophisch geworden war, noch fortbewegen können.
Auch war durch den Reiz, den der angesammelte und sich um-
setzende Inhalt auf die Schleimhaut andauernd ausgeübt hatte, eine
chronische Entzündung und Verdickung durch neugebildetes Binde¬
gewebe entstanden. (Vergl. Verstopfung des Blinddarms, Seite 483
und folgende.) Als aber das Hindernis ein so großes geworden war,
daß auch die hypertrophische Muskelhaut des Blinddarms nicht mehr
imstande war, dasselbe zu überwinden, hatte sich schließlich so viel
Inhalt im Blinddarm angesammelt, daß er zerrissen war. Auch hier
war wahrscheinlich die Zerreißung durch Stöße und Aufschlagen des
Bauches beim heftigen Niederwerfen der Pferde und durch das große
Gewicht der festen Inhaltsmassen, des verstopften Blinddarms, die
nicht selten bis 50 kg schwer waren, begünstigt. Die durch Hyper¬
trophie der Muskelhaut und chronische Entzündung der Schleimhaut
entstehenden Verdickungen der Blinddarmwände sind chronische Zu¬
stände und bilden einen wichtigen Bestandteil derjenigen Darmver¬
änderungen, welche der sogenannten chronischen Kolik zugerechnet
werden.
Wie die Wände des Magens, so zerreißen auch diejenigen des
Darms an denjenigen Stellen, die am wenigsten widerstandsfähig sind.
Die Ruptur des Blinddarms hatte in allen beobachteten Fällen am
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
527
Grunde desselben ihren Sitz. Da der Grund des Blinddarms mit der
rechten Niere und mit der dorsalen Bauchwand durch lockeres Ge¬
webe verwachsen ist. so fehlt an ihm gleichfalls ein seröser Ueber-
zug; er besteht demnach nur aus zwei Häuten und ist deshalb weniger
widerstandsfähig als die übrigen Teile des Blinddarms. (Vergl. Ab¬
bildung Nr. 1.) Der Leer- und Grimmdarm reißen gewöhnlich an der
Anheftungsstelle des Gekröses, weil die Serosa den Darm an dieser
Stelle verläßt, um die Blätter des Gekröses zu bilden. Die Darm¬
wand besteht demnach an dieser Stelle nur aus Schleimhaut und
Muskelhaut. (Vergl. untenstehende Zeichnung.) Der Riß vergrößert
sich dann; es zerreißen, wie an der Wand des Magens, zunächst Se¬
rosa und Muskelhaut und wölbt sich die Schleimhaut durch den Riß
der beiden anderen Häute vor, bis auch sie zerreißt. Der Schleim¬
ig. 3.
a = Gewöhnlicher Sitz des Darmrisses. Serosa gestrichelt.
hautriß ist stets kleiner als der Riß ir. der Serosa und Muskelhaut.
Die Zerreißung der lebenden Darmwand ist selbstredend von einer
Blutung begleitet, die sich hauptsächlich als eine blutige Infiltration
der dem Risse benachbarten Teile kennzeichnet. Durch die Rißöff¬
nung tritt der Darrainhalt und gelangt nach der Zerreißung des Blind¬
darmgrundes in das zwischen Blinddarmgrund, rechter Niere und
Bauchwand gelegene lockere Bindegewebe, nach Zerreißung des Leer-
und Grimmdarms gewöhnlich in das zwischen den Gekrösblättern
liegende Fettgewebe. Die am Danninhalt haftenden Mikroorganismen
rufen in dem genannten Gewebe einen akuten phlegmonösen Prozeß
hervor, der sich in dem Gewebe fortsetzen und auf das Bauchfell
übertreten kann. Es entsteht schließlich eine allgemeine eitrigjauchige
Bauchfellentzündung.
Regel ist, daß nach einer Darmzerreißung nur wenig Darminhalt
in den «freien Raum der Bauchhöhle gelangt. Nur wenn der Riß in
528 PILWAT,
der Darrawand ausnahmsweise sehr groß ist, kann viel Darminhalt in
den freien Raum der Bauchhöhle eintreten. Zum Unterschiede vom
Mageninhalt fehlt dem Darminhalt der saure Geruch; auch ist
letzterer mehr im hinteren Teile der Bauchhöhle zu finden.
Die Zerreißungen des Mastdarms waren in den 6 beobachteten
Fällen durch Einführen der Hand oder eines anderen Gegenstandes in
den Mastdarm hervorgebracht worden. Die Wand des Mastdarms
war stets in ihrem dorsalen Teile, nahe der Gekrösanheftung und
etwa 30 bis 60 cm vor dem After zerrissen. Im Gegensätze zu den
übrigen Darmabschnitten war im Mastdarme der Schleimhautriß länger
als der Riß in der Serosa und Muskelhaut und führte in schräger
Richtung von der Schleimhaut zu der Außenfläche des Darms. Dadurch
war im Gewebe unter der Schleimhaut, das besonders im Endteile
des Mastdarms reichlich entwickelt ist, eine Tasche oder ein breiter
Kanal gebildet worden. Die Rißränder zeigten sich gleichfalls blutig
durchtränkt und dick. Da das Beckenstück des Mastdarms von
lockerem Fettgewebe umgeben ist, so führt der Riß der Regel nach
in dieses Gewebe hinein. Der Mastdarminhalt gelangt der Rißöffnung
folgend zunächst in das Gewebe unter die Schleimhaut und dann in
das Fettgewebe des Beckens. Die am Inhalte haftenden Bakterien
erzeugen in den genannten Geweben einen akuten eitrig-jauchigen
Prozeß, der sich auf das Bauchfell fortsetzen und eine tödliche allge¬
meine Bauchfellentzündung hervorrufen kann.
IV. Lageveränderung des Darms.
Lageveränderungen des Darms werden bei Pferden, die an Kolik
gestorben sind, häufig gefunden. So ließen sich unter den im Patho¬
logischen Institute obduzierten 428 kolikkranken Pferden 156 =
36,45 pCt. von Lageveränderungen des Darmes nachweisen.
1. Darmverschlingung, Volvulus.
Als Darmverschlingung oder Volvulus bezeichnet man die Drehung
von frei beweglichen Darmteilen um ihr Gekröse oder um ihre Achse.
Durch diese Drehung entstehen am Darme zuweilen kunstvolle, schwer
lösbare Knoten, für welche die Bezeichnung „Darmverschlingung“ ein
ganz zutreffender Ausdruck ist. An den einzelnen Darmabschnitten
trat die Darmverschlingung, wie folgt, auf:
Am Zwölffingerdärme.0 mal
_ Leer- und Hüftdarme .... 59 _
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
529
am Blinddärme.2 mal
„ Grimmdarme.65 „
„ Mastdarrae.0 „
Die folgenden Obduktionsbefunde dienen zur Erläuterung der
verschiedenen Fälle.
33. Brauner Wallach, zirka 9 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 14. 10. 1905.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in
der Umgebung der Gelenke und hinter dem Bauchfelle liegt etwas grauweißes lap¬
piges Fettgewebe. Die Gefäße der Unterhaut sind leer. Die Körpermuskeln sind
totenstarr, auf dem Durchschnitte blaßbraun, rot und schwach durchscheinend.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle ungefähr
20 Liter einer blutigen braunroten Flüssigkeit. Der Blinddarm und die rechten
Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten Seite der Bauchhöhle. Die Becken¬
krümmung und die linken Grimmdarm lagen liegen vom, dicht hinter dem Zwerch¬
felle. Der stark ausgedehnte und prall gefüllte Leerdarro nimmt den größten Raum
in der Bauchhöhle ein; er liegt links und in der Mitte. Mehrere Leerdarraschlingen
sehen außen dunkelrot aus und besitzen auf ihrer Oberfläche einen spiegelnden
Glanz. Bei der Herausnahme des Leerdarmes zeigt sich, daß der hintere Abschnitt
desselben und der Hüftdarm in einer Länge von 8 m mehrmals um ihre Gekröse
gedreht sind. Die Darmwände des gedrehten Abschnittes sind dick, dunkelrot und
mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Das zu diesem Darmteile gehörende
Gekröse ist gleichfalls blutig durchtränkt und dick. Die venösen Gefäße dieses Ge-
krösteiles sind prall gefüllt. Der abgedrehte Darmteil enthält 6 Liter einer braun¬
roten mit wenig festen Bestandteilen vermischten Flüssigkeit. Die Schleimhaut
dieses Darmabschnittes bildet große wulstartige Falten und ist in den oberfläch¬
lichen Schichten größtenteils abgestorben, grau, trübe und teilweise fetzig. Im
Zwölffingerdarm und im vorderen Leerdarmteile viel flüssiger graugrüner Inhalt und
Gase. Gegen die vordere Drehungsstelle hin wird der Inhalt mehr breiig und füllt
den Darm in Form eines länglichen weichen Pfropfes vollkommen aus. Die Schleim¬
haut dieses Leerdarmteiles ist fleckweise gerötet, sonst grau und trübe. Im Blind¬
därme Gase und dünnbreiigo Massen in mäßiger Menge. In den unteren Lagen des
Grimmdarmes wird der Inhalt dickbreiiger, in den oberen Lagen mehr trocken. Die
magenähnliche Erweiterung des Grimmdarmes ist durch einen großen kegelförmigen
festen Kotpfropf prall gefüllt. Mastdarm fast leer. Die Schleimhaut des Griram-
darmes ist stellenweise schwach gerötet, sonst bräunlich-grau und etwas trübe.
Der Magen ist groß und stark ausgedehnt, seine Wände sind dünn. Im Magen viel
Gas und breiige saure Massen. Die mit Drüsen bosetzte Schleimhaut der rechten
Magenhälfte ist gerötet und trägt auf ihrer Oberfläche einen grauen zähen schlei¬
migen Belag, der sich schwer abspülen läßt. An der Schleimhaut der linken Magen¬
hälfte nichts Abweichendes. Das Gewicht der Leber beträgt 5 kg. Leberränder
scharf. Konsistenz der Leber derb. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte
blutleer und graubraun. Zeichnung der Leberläppchen bequem erkennbar. Die
einzelnen Läppchen sind etwa hirsekorngroß, in der Mitte blaßbraun, am Rande
grau. Die Milz mißt 46 cm in der Länge, 25,5 cm in der größten Breite und 3,5 cm
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierbeilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 34
530
PILWAT,
in der größten Dicke. Konsistenz der Milz festwoich, teigig. Auf der sonst grau¬
blauen Oberfläche der Milz liegen mehrere halbwalnußgroße buckelartige Hervor¬
wölbungen von dunkelblauer Farbe; auf dem Durchschnitte ist in letzteren das
Balkengewebe der Milz nicht erkennbar. Pulpa hier schwarzrot, reichlich und zer-
fließlich. In den übrigen Abschnitten der Milz ist das Balkengewebe noch ziem¬
lich gutsiohtbar; Pulpa braunrot und mehr fest. Die Nierenkapseln lassen sich
leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form
und Größe, sehen außen graubraun und mattglänzend aus. Konsistenz ziemlich
derb. Auf dem Durchschnitte zeigen sich in der graubraunen Rindenschicht zahl¬
reiche breite, graue, radiär verlaufende Streifen. Beim Streichen mit dem Messer¬
rücken von der Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den großen Sammel¬
röhren eine trübe, gelblich graue, eiterähnliche Masse. Die Marksubstanz ist grau¬
rot und gestreift, an der Grenze der Rinde stärker gerötet.
In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Das rechte Herz ist mit flüssigem
und geronnenen dunkelroton Blute mäßig gefüllt. In den linken Herzhöhlen ganz
kleine Blutgerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeff-
nungen besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens
zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graubraunrot, etwas trübe und
trocken; ihre Konsistenz ist brüchig. An den Halsorganen sind außer starker Blut¬
leere keine Abweichungen nachzuweisen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist
3,7 cm lang, zylindrisch erweitert und an einer Stelle geringgradig sackförmig aus¬
gebuchtet. Die Wände der Arterie sind etwas verdickt. Auf der Innenfläche der
Ausbuchtung liegt ein längliches graurotes Gerinnsel, das der Gefäßwand fest an¬
haftet. Unter dieser Auflagerung ist die Gefäßinnenhaut rauh und fetzig.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung der magenähn¬
lichen Erweiterung des Grimmdarmes. Drehung des hinteren Leerdarmabschnittes
und des Hüftdarmes um das Gekröse. Blutige Durchtränkung der Darmwände des
gedrehten Darmteiles und des zugehörigen Gekröses. Diphtherie der Schleimhaut
im abgedrehten Teile. Starke Ausdehnung dos Magens und schleimiger Katarrh
desselben. Akute multiple Milzschwellung. Katarrh der Nieren. Leichte Trübung
des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-
Grimmdarmarterie.
34. Brauner Wallach, 15—IS Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 22. 8. 1904.
Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut und unter dem Bauch¬
felle Spuren eines grünlich-gelbbraunen schleimigen Fettgewebes. Totenstarre noch
nicht eingetreten. Die Muskeln fühlen sich warm an, sehen dunkelbraunrot aus,
sind schwach durchscheinend und auf dem Durchschnitte feucht. Gefäße der Unter¬
haut leer.
Der Bauch ist mäßig ausgedehnt. In der Bauchhöhle finden sich 8—10 Liter
einer rötlichen wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart und durchscheinend,
an der Oberfläche glatt und stark glänzend. Die Spitze des Blinddarmes liegt in
der rechten Leistengegend. Die übrigen Darmteiie haben ihre gewöhnliche Lage.
Der Leerdarm ist in seinem Anfangsteile zusammengezogen; der hintere Abschnitt
desselben enthält eine große Menge grünlich-braunen dünnbreiigen Inhalts. Außen
sieht der Leerdarm bläulich-grau aus; seine Schleimhaut zeigt gegen den Hüftdarm
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 531
hin und in letzterem Darmteile eine zunehmende Rötung. Der Blinddarm erscheint
außen graublau, ist sehr groß und besitzt an der Oberfläche einen spiegelnden
Glanz. Die Wände des Körpers und der Spitze des Blinddarmes sind sehr dick und
mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Am Grunde des Blinddarmes ist die
Darmwand dünn. Der Blinddarmgrund enthält feste trockene Massen in erheblicher
Menge, der übrige Teil des Blinddarmes mehr dickbreiigen Inhalt, der in der Nähe
der Wand mit braunroter Flüssigkeit vermischt ist. Die Schleimhaut des Biind-
darmkörpers und der Spitze des Blinddarmes bildet große rötlich-gelbe Wülste. Im
Grimmdarme breiiger Inhalt in mäßiger Menge; Mastdarm fast leer. Die Schleim¬
haut des Grimmdarracs ist grünlich-graubraun, die des Mastdarmes weißlich-grau
und durchscheinend. Der Magen ist zusammengezogen und enthält etwas breiigen
Inhalt. Die Pförtneröffnung ist sehr enge, ihr Umfang beträgt 6 cm. Die Wand
der rechten Magenhälfte ist in der Muskelhaut stark verdickt; letztere besitzt gegen
den Pylorus hin eine Dicke bis zu 2 cm. Die Schleimhaut der rechten Magenhälfte
ist gleichfalls dick und lederartig derb; ihre Oberfläche ist besonders in der Gegend
der Fundusdrüsen mit zahlreichen, dicht aneinanderstehenden, brustwarzenartigon
Auswüchsen bedeckt. Stellenweise findet sich auf der Oberfläche dieser Schleim¬
haut ein grauer zäher schleimiger Belag, der sich schwer abspülen läßt. Gegen
den Pförtner hin bildet die Schleimhaut große Längsfalten, die auf ihrer Höhe ge¬
rötet sind. Das Gewicht der Leber beträgt 4 1 /* kg. Der rechte Leborlappen ist
vollständig geschwunden und stellt einen grauen hautartigen Anhang dar. Die
Zwerchfellfläche der Leber ist mit zahlreichen weißlich-grauen Zotten besetzt. Kon¬
sistenz der Leber sehr derb. Lebergewebe auf dem Durchschnitte blutleer und
braun; in demselben liegen unregelmäßig verlaufende weißliche Züge. Grenzen der
Leberläppchen schwer erkennbar. Die Milz mißt 42 cm in der Länge, 19 cm in
der größten Breite und 2,8 cm in der größten Dicke. Farbe der Milz außen grau,
Konsistenz festweich, teigig. Das Balkengewebe ist auf dem Durchschnitte bequem
erkennbar. Pulpa rotbraun und etwas vermehrt. Die Nierenkapseln sind stellen¬
weise mit den Nieren verwachsen und lassen sich schwer abziehen. Rechte Niere
13 cm lang, 13,3 cm breit und 3,8 cm dick. Linke Niere 15 cm lang. 12,2 cm
breit und 4 cm dick. Konsistenz der Nieren derb. Auf dem Durchschnitte liegen
in der Rindenschicht zahlreiche weißliche unregelmäßig verlaufende Streifen. Die
Gefäßknäuel sind stellenweise als rote Pünktchen erkennbar. Marksubstanz blaßrot.
In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart. Die Lungen
liegen frei in den Brustfellsäcken, sind klein, blaßrot und enthalten Luft. Im
Herzbeutel 100 ccm einer rötlich-golben klaren Flüssigkeit. Oberfläche der Herz¬
beutelblätter glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herz¬
basis 52 cm. Rechte Herzkammer 12 cm, linke 15,3 cm hoch. Das rechte Herz
enthält etwas flüssiges und geronnenes Blut. In den linken Herzhöhlen kleine
speckhäutige Gerinnsel. Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen
Oeffnungcn läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand hindurchführen. Die
Herzklappen und die Innonhaut des Herzens sind etwas dick, grauweiß und un¬
durchsichtig. Herzmuskulatur auf dem Durchschnitte dunkelbraunrot und etwas
trübe. Konsistenz etwas brüchig. An den Halsorganen lassen sich keine Ab¬
weichungen feststellen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylin¬
drisch erweitert; ihre Wand ist dick. Auf der Innenfläche des Gefäßes sitzt eine
ringförmige graurote Gerinnselmasse, welche der Gefäßwand fest anhaftet. Unter
34*
532
PILWAT,
dieser Auflagerung ist die Innenbaut fetzig. Die übrigen Gefäße des Darmes er¬
weisen sich bei der Untersuchung als frei von Veränderungen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung, Erweiterung und
Knickung des Blinddarmes. Blutige Durchtränkung der Blinddarmwände. Akuto
katarrhalische Entzündung an der Schleimhaut des Leer- und Hüftdarmes. Ver¬
engerung des Pylorus, hypertrophische Verdickung der Muskelhaut des Magens und
chronische Entzündung der Magenschleimhaut. Chronische Entzündung der Leber
und der Nieren. Geringgradige Schwellung der Milz. Geringgradige Trübung des
Herzmuskels. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des Herzens.
Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
35. Dunkelfuchswallach, 12—15 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 20. 3. 1906.
Der Kadaver zeigt einen schlechten Nährzustand. In der Unterbaut, in der
Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt wenig geibrotes schleimiges
Fettgewebe. Die Körpermuskeln sind totenstarr und braunrot, auf dem Durchschnite
etwas feucht. Gefäße der Unterbaut leer.
Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle 15 Liter einer
gelbroten fast klaren wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt. Die rechten Grimmdarmlagen und der Blind¬
darm liegen auf der rechten, die linken Lagen des Grimmdarmes auf der linken
Seite der Bauchhöhle übereinander, wie gewöhnlich. Der Leerdarm liegt mehr
rechts und in der Mitte. Die linken Grimmdarmlagen sind lang, weit, sehen
außen blaurot aus und besitzen an ihrer Oberfläche einen spiegelnden Glanz Bei
der Herausnahme des Grimmdarmes zeigt sich, daß die ganze freie Dünndarm¬
schleife korkenzieherartig von links nach rechts, im Sinne des Uhrzeigers, um dia
Längsachse gedreht ist. Die Drehung beträgt 360° und reicht bis zu den rechten
Lagen des Grimmdarmes; letztere sind unmittelbar hinter ihren fixen Punkten
strangförmig zusammengedreht und zeigen hier spiralig verlaufende Falten. An
der Drehungsstelle sind die Darmwändo weißlich grau und blutleer. In der abge¬
drehten Dünndarmschleife sind die Darmwände dick und mit einer blutigen Flüssig¬
keit durchtränkt. Die Schleimhaut bildet hier große dunkelrote schlotternde
Wülste. Der Inhalt dieses Darmteils besteht aus Gasen und flüssigen mit breiigen
Bestandteilen vermischten braunroten Massen. Die magenähnliche Erweiterung des
Grimmdarmes ist mit festen trockenen, einen länglichen Pfropf bildenden Massen
stark angefüllt, ihre Schleimhaut stellenweise gerötet. Im Blinddarm viel Gas und
dünnbreiiger Inhalt. Blinddarmschleimhaut schwach gerötet. Der Mastdarm ist
leer, seine Schleimhaut bräunlich-grau und durchscheinend. Im Leerdarme Gase
und viel gelblich-graugrüner flüssiger Inhalt, der gegen den Hüftdarm an Menge
zunimmt und mit breiigen Teilen vermischt ist. Schleimhaut des Leer- und Hüft¬
darmes strecken weise gerötet, sonst grau und trübe. Der Magen ist durch
Gase stark ausgedehnt; seine Wände sind dünn. Im Magen außerdem 15 Liter
dünnbreiige saure Massen. Die Schleimhaut der Pförtnerbälfte ist etwas dick, trübe
und gallertartig, in der Gegend der Fundusdrüsen graubraun, gegen den Pförtner
hin mehr grau. Oberfläche dieser Schleimhaut glatt und glänzend. Die Milz mißt
41 cm in der Länge, 19 cm in der größten Breite und 2 ein in der mittleren Dicke.
Oberfläche der Milz glatt und bläulich-grau; Konsistenz festweich. Auf dem
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
533
Durchschnitt ist das Balkengewebe bequem erkennbar. Pulpa gelblich-braun;
Schnittfläche glatt und trocken. Das Gewicht der Leber beträgt A l / 2 kg. Leber¬
ränder scharf. An der Zwerchfellfläche ist die Leberkapsel stellenweise platten¬
förmig verdickt, grauweiß, undurchsichtig und mit zahlreichen weißlichen Zotten
besetzt. Konsistenz der Leber derb. Lebergewebe auf dem Durchschnitte mäßig
blutreich und rotbraun. Grenzen der Leberläppchen deutlich erkennbar. Die ein¬
zelnen Läppchen sind etwa grieskorngroß und rotbraun, am Rande von einem
schmalen grauen Saume umgeben. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den
Nieren abzieben. Die Nieren sind klein und besitzen sonst ihre gewöhnliche Form.
Außen sehen die Nieren rotbraun, glatt und mattglänzend aus. Konsistenz derb,
liindenschicht auf dem Durchschnitt blaßbraun und schwach durchscheinend. Die
«Gefaßknäuel sind als feine rote Pünktchen sichtbar. Marksubstanz grauweiß
und gestreift, an der Grenze der Rinde gerötet.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an
der Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken,
sind klein, elastisch und lufthaltig. Im Herzbeutel ein Esslöffel einer gelblichen
klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt
und glänzend. Das rechte Herz ist mit flüssigem und schlecht geronnenen dunkel¬
roten Blute mäßig gefüllt. Die linken Herzhöhlen sind fast leer und zusammen¬
gezogen. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen
die gewöhnliche Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Herzmusku¬
latur auf dem Durchschnitt schwach graubraun, etwas trocken und trübe. Kon¬
sistenz etwas brüchig. An den Halsorganen lassen sich außer starker Blässe keine
Veränderungen nachweisen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5 cm lang
und mäßig erweitert. Die Wand des Gefäßes ist bis 3mm dick, ihre Innenfläche
uneben und mit mehreren kleinen grauroten Auflagerungen versehen, die etwas
brüchig sind und der Gefäßwand fest anhaften. Die übrigen Gefäße des Darmes
erweisen sich als frei von Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung der magenähn¬
lichen Erweiterung des Grimmdarmes. Drehung der ganzen freien Grimmdarm¬
schleife im Sinne des Uhrzeigers um die Längsachse im Winkel von 360°.
Blutige Durchtränkung der Darmwände des abgedrehten Darmteils. Leichte Ent¬
zündung der Schleimhaut des Leer-, Hüft- und Blinddarms. Ausdehnung des
Magens und saure Erweichung der Magenschleimhaut. Braune Atrophie der
Leber. Leichte Trübung des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Throm¬
bose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
36. BraunerWallacb, ca. 9Jabre alt. Gestorben und obduziert am 28,3.1906.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in
der Umgebung des Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas
gelblich-graues Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau er¬
kennen läßt. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitte etwas
graubraunrot und trübe. Gefäße der Unterhaut leer.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle finden
sich 8—10 Liter einer rötlichen, wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart
und durchsichtig, seine Oberfläche glatt. Blind- und Grimmdarm sind lang und
weit. Der Blinddarm und die rechten Lagen des Grimmdarms liegen auf der
534
PILWAT,
rechten, die linken Grimmdarmlagen auf der linken Seite der Bauchhöhle. Die
linke obere Grimmdarmlage liegt unter der linken unteren Lage des Grimmdarmes.
An den vorderen Querlagen des Grimmdarmes zeigen sich spiralig verlaufende
Falten; diese Grimmdarmlagen sind etwas eingeschnürt. Bei der Herausnahme des
Grimmdarmes zeigt sich, dass die linken Lagen desselben im Sinne des Uhrzeigers
von links nach rechts gedreht sind. Die Drehung beträgt 180°. Die Wände des
gedrehten Darmteils sind dick und mit einer rötlich-gelben Flüssigkeit durchtränkt.
Die Schleimhaut dieses Darmabschnittes bildet große, wulstartige Falten. Im ab¬
gedrehten Darmteile viel Gas und rötliche mit breiigen Massen vermischte Flüssig¬
keit. Die Beckenkrümmung und der vor derselben gelegene Teil der linken untern
Lage des Grimmdarms sind mit festen, einen zusammenhängenden Kotpfropf
bildenden Massen angefüllt, die in ihren Randteilen durch eine braunrote Flüssig¬
keit etwas erweicht sind. Die magenähnliche Erweiterung des Grimmdarmes und
der Mastdarm sind fast leer. Im Blinddarm breiiger Inhalt und Gas. Die rechte
untere Lage des Grimmdarmes enthält viel breiige Massen, die sich vor der
Drehungsstelle angeschoppt haben. Schleimhaut dieser Darmabschnitte leicht
tleckig gerötet. Leer- und Hüftdarm enthalten größere Mengen einer grünlich-grauen,
trüben Flüssigkeit, die gegen den Blinddarm hin mit breiigen Bestandteilen ver¬
mischt ist. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarms ist streckenweise stark ge¬
rötet, dick und mit Blutungen durchsetzt. Im Magen viel Gas und 15 Liter dünn¬
breiige bis flüssige, saure Massen. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist dick,
trübe, gallertartig, wie zerflossen, in der Gegend der Fundusdrüsen braunrot,
gegen den Pförtner hin mehr graubraun. Oberfläche dieser Schleimhaut glatt und
stark glänzend. Die Schleimhaut der linken Magenhälfte ist rötlich grauweiß, ihre
Oberfläche glatt. Die Milz mißt 42 cm in der Länge, 18 cm in der größten Breito
und 3 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz graublau und hügelig; Kon¬
sistenz etwas schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den Er¬
hebungen der Milz nicht sichtbar. Pulpa hier schwarzrot, reichlich und zerfließlich.
ln den übrigen Abschnitten der Milz sind die Trabekeln noch erkennbar. Pulpa
rotbraun und weich. Das Gewicht der Leber beträgt ö 1 ^ kg. Der rechte Leber-
lappen ist abgeplattet und brettartig dünn, seine Kapsel ist an der Zwerchfell¬
fläche mit zahlreichen weißlich-grauen Zotten besetzt. Der linke Leberlappen ist
groß, an seiner vorderen Fläche halbkugelähnlich gewölbt und besitzt abgerundete
Ränder. Konsistenz des rechten Leberlappens derb, die des linken weniger derb.
Auf dem Durchschnitte ist das Lebergewebe wenig blutreich und läßt die
Läppchenzeichnung deutlich erkennen. Die einzelnen Läppchen des rechten
Leberlappens sind etwa grieskorngroß und rotbraun, die des linken bis linsengroß
und fast grau. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen.
Die Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form und Größe, sehen außen glatt, matt¬
glänzend und graubraun aus. Konsistenz derb. In der graubraunen Rindenschicht
liegen auf dem Durchschnitte zahlreiche grauweiße, radiär verlaufende Streifen.
Marksubstanz graurot und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei in den
Brustfellsäcken, sind klein, gut retrahiert und enthalten Luft. Im Herzbeutel ein
Eßlöffel voll einer gelblichen, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich be¬
rührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Die rechte Vor- und Herz-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
535
kammer enthalten etwas flüssiges und geronnenes, dunkelrotes Blut. In den linken
Herzhöhlen ganz kleine, speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herz¬
kammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen und
Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durchschnitte
graubraun, etwäs trocken und trübe. Konsistenz brüchig. Die Halsorgane zeigen
eine auffallende Blässe.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,3 cm lang, zylindrisch erweitert und
an mehreren Stellen leicht sackförmig ausgebuchtet. Die Wand des Gefäßes ist
ungleichmäßig verdickt, an der Innenfläche rauh und mit mehreren, bis bohnen¬
großen, rötlich-grauen, brüchigen Gerinnseln bedeckt, welche der Gefäßwand fest
anhaften. Unter diesen Auflagerungen ist die Innenhaut fetzig. Die übrigen Gefäße
des Darmes sind, wie die Untersuchung ergibt, frei von Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung der Becken¬
krümmung und der linken unteren Lagen des Grimmdarmes. . Drehung der linken
Grimmdarmlagen um die Längsachse von links nach rechts im Sinne des Uhrzeigers
um 180°. Blutige Durchtränkung der Darmwände im abgedrehten Teile. Entzün¬
dung der Leer- und Hüftdarmschleimhaut. Saure Erweichung der Magenschleim¬
haut. Akute multiple Milzschwellung. Schwund des rechten und kompensatorische
Vergrößerung des linken Leberlappens. Katarrh der Nieren. Trübe Schwellung
des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-
Grimmdarmarterie.
Eine Darmverschlingung kann nur an solchen Darmteilen auf-
treten, die sich in der Bauchhöhle frei bewegen können. Der Zwölf¬
fingerdarm ist in seinem Anfangsteile mit dem Magen, der Leber und
der Bauchspeicheldrüse und in seinem hinteren Teile mit dem Mast¬
darm verwachsen. Das Mittelstück des Zwölffingerdarms ist an einem
kurzen Gekröse befestigt und außerdem zwischen der vorderen und
hinteren Gekröswurzel gelegen. Der Grund des Blinddarms ist mit
dem Rücken und der rechten Niere, der Anfangsteil der rechten
unteren Grimmdarmlage ist mit dem Blinddärme, und die magen¬
ähnliche Erweiterung des Grimmdarms ist mit der Bauchwand und
der Bauchspeicheldrüse fest verwachsen. An diesen Darmteilen kann
keine Veränderung der Lage, also auch keine Darmverschlingung
zustande kommen, sie sind als feste Punkte des Darmes anzusehen.
Der Leer- und Hüftdarm sind an einem gemeinschaftlichen Gekröse
aufgehängt, dessen Länge von vorn nach hinten zunimmt. Mithin
besitzen die hinteren Leerdarmschlingen und der Hüftdarm eine
größere Beweglichkeit als die vorderen, und deshalb treten auch die
Darmverschlingungen am Hüftdarme und am hinteren Teile des
Leerdarms viel häufiger auf als am vorderen Teile desselben. Die
Spitze und der Körper des Blinddarms zeigen dagegen eine geringere
Beweglichkeit, weil letzterer mit dem Hüftdarme und mit der rechten
536
PILNVAT,
unteren Grimradarmlage durch je ein Band verbunden ist. Der
Griramdarm bildet eine große Darmschleife, deren Schenkel durch
ein kurzes Gekröse miteinander verbunden sind, und deren Anfang
mit der dorsalen Wand der Bauchhöhle verwachsen ist. Das Ende
des einen Schenkels wird von der rechten unteren Lage des Griram-
darms gebildet, die aus dem Blinddärme hervorgeht und durch den
Grund desselben mit der dorsalen Wand der Bauchhöhle verbunden
ist, und das andere Ende des Schenkels der Griramdarmschleife ist
die magenähnliche Erweiterung, die dicht unter der Wirbelsäule un¬
mittelbar am Rücken befestigt ist. Die Grimmdarmschleife ist länger
als die Bauchhöhle und muß sich daher krümmen, um Platz in der¬
selben zu finden. Dadurch entstehen auf der rechten und linken
Seite der Bauchhöhle je eine obere und untere Grimmdarmlage und
vorn, wo die Krümmung der Schleifenschenkel liegt, ein oberes und
unteres Querkolon. Die Verbindung der Schleifenschenkel bildet die
ßeckenkrümmung, die in der linken Leistengegend ihre Lage hat.
Hieraus ergibt sich, daß die Grimradarmschleife sehr beweglich ist.
Ganz besonders beweglich sind die linken Grimmdarmlagen, die sich
um ihre Längs- und Querachse drehen können. Sehr leicht beweg¬
lich ist auch der Mastdarm, der an einem langen Gekröse befestigt
ist und beim Pferde etwa 3 ra lang ist. Nur der hintere in der
ßeckenhöhle gelegene Teil des Mastdarms, das Beckenstück desselben
ist durch Fettgewebe mit der Beckenwand verbunden und daher un¬
beweglich. Aber die Beweglichkeit eines Darmabschnittes ist nicht
der einzige Grund für das Zustandekommen einer Verlagerung. Denn
sonst würde durch einfaches Wälzen der Pferde, wie es namentlich
bei jüngeren Pferden auf der Weide beobachtet werden kann, oft eine
Darmverschlingung zustande kommen. Die Erfahrung lehrt jedoch,
daß solche Pferde fast niemals an Kolik oder Darmverschlingung er¬
kranken, während sich bei anderen Pferden, die im Stalle gehalten
werden und sich nicht gewälzt haben, oft eine tödliche Darm¬
verlagerung ausbildet. Es müssen daher noch andere Ursachen hinzu¬
kommen, die das Zustandekommen einer Darmverschlingung herbei¬
führen. Eine solche liegt, soweit ich es beurteilen kann, in den un¬
regelmäßigen Darmbewegungen kolikkranker Pferde. Während ein
Darmabschnitt gelähmt ist oder sich nur schwach bewegt, bewegt
sich der nachbarliche noch kräftig und schlingt oder dreht sich um
den in Ruhe befindlichen, gelähmten Teil. Eine Lähmung von Darm¬
teilen wird aber wahrscheinlich häufig durch Verstopfung mit festen
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 537
Massen oder durch Ansammlung von Gasen herbeigeführt. So konnte
bei den Obduktionen der 126 mit Darmverschlingung behafteten
Pferde in 102 Fällen eine Verstopfung des Darmes nachgewiesen werden,
die teils vor der Hüft-Blinddarraöffnung, teils im Blinddärme, teils im
Grimmdarroe ihren Sitz hatte. Am häufigsten, 85 mal. war die magen¬
ähnliche Erweiterung von der Verstopfung befallen. Berücksichtigt man
ferner, daß die magenähnliche Erweiterung des Grimmdarros dorsal und
mehr rechts gelegen ist, und daß sie bei ihrer Verstopfung ein erhebliches
Gewicht erlangt, so ergibt sich, daß die magenähnliche Erweiterung
rein mechanisch durch ihre Schwere einen Zug auf die rechte und
linke obere Grimmdarmlage ausübt, der gewöhnlich zu einer Drehung
der linken Grimmdarmlagen oder des ganzen beweglichen Teiles der
Grimmdarmschleife um ihre Längsachse von links nach rechts führt.
Der Volvulus des Leerdarms hatte in der größten Mehrzahl der
Fälle seinen Sitz im hinteren Teile des letzteren und umfaßte nicht
selten gleichzeitig den ganzen Hüftdarm. Zahlreiche an dem langen
Gekröse hängende Darmschlingen hatten sich um ihre Querachse oft
zu einem festen Strange zusammengedreht. Der von der Drehung
betroffene Darmteil hatte eine Länge von 5—10 m. In einem Falle
wurde beobachtet, daß die Leerdarmschlingen sich zu einem kunst¬
gerechten Knoten miteinander verschlungen und in zwei anderen
Fällen, daß sie sich um die linken Grimmdarmlagen gewickelt und
letztere abgeschnürt hatten. Die abgeschnürten Grimmdarmlagen
hatten sich hinter der Abschnürungsstelle mehrmals um ihre Längs-
achso gedreht.
Der Volvulus des Blinddarms stellte sich in den beiden be¬
obachteten Fällen in Form einer Knickung dar. Die beweglichen
Abschnitte des Blinddarms, der Körper und die Spitze hatten sich
um ihre Querachse gedreht, so daß die Blinddarmspitze bis in die
Schamgegend oder in die rechte Leistengegend reichte.
Ara Grimmdarme sind zwei Arten der Drehung möglich. Der
freie Teil der Grimmdarraschleife kann sich um die Längs- oder um
die Querachse drehen. Beide Arten der Drehung wurden beobachtet.
Die Drehung um die Längsachse war jedoch bei weitem die häufigste;
sie wurde in 60 Fällen ermittelt, während die Drehung um die Quer¬
achse nur 6 mal festgestellt werden konnte. Unter diesen 5 Fällen
waren 2 Fälle, in denen beide Drehungen nachgewiesen werden
konnten. Häufig drehen sich nur die linken Grimmdarmlagen um
ihre Längsachse und reicht die Drehung bis zu den vorderen Quer-
538
PILWAT,
lagen. In einer großen Anzahl von Fällen hatte sich aber die ganze
Grimmdarmschleife bis zu den festen Enden der Schenkel korken¬
zieherartig um die Längsachse gedreht. In der Regel findet die
Drehung um die Längsachse in der Richtung von links nach rechts,
im Sinne des Uhrzeigers statt. Diese Drehung wurde in 58, die im
entgegengesetzten Sinne nur in 4 Fällen beobachtet. Die Drehungs¬
richtung wird hauptsächlich durch die anatomische Lage der linken
Grimmdarmlagen bedingt. Beide Lagen liegen der linken Bauchwand
dicht an, und die linke obere Grimmdarmlage kann daher nur schwer
nach links, sehr leicht aber nach rechts, d. h. gegen die Mitte der
Bauchhöhle sich lagern. Dazu kommt, daß die stark gefüllte magen¬
ähnliche Erweiterung, die mehr rechts liegt, einen Zug auf die linke
obere Grimmdarmlage ausübt und ihr dadurch die Drehungsrichtung
von links nach rechts zuweist. Die Größe der Drehung um die
Längsachse entweder der ganzen freien Grimmdarmschleife oder nur
der linken Grimmdarmlagen kann nun verschieden sein.
So wurde
6 mal eine Drehung um 90 °,
8 „ „ „ 180°,
4 „ „ „ „ 270 0,
40
2
V
n v
n n
n n
r)
Tf
n
360 0 und
mehr als 360 0 beobachtet.
In 2 Fällen hatte sich nur die linke obere Grimmdarmlage nach
Zerreißung des Grimmdarmgekröses um ihre Längsachse gedreht. Die
Drehung war von links nach rechts erfolgt.
Für den Anfänger ist es schwer, die Richtung und den Grad der
Drehung sicher zu bestimmen. Ob eine Rechts- oder Linksdrehung
der Grimmdarmlagen vorliegt, läßt sich einmal an dem Verlaufe der
spiralig gedrehten Falten an der Drehungsstelle erkennen. Ferner
kann die Drehung der Grimmdarmlagen durch den Obduzenton be¬
seitigt werden, indem er die freie Grimmdarmschleife im entgegen¬
gesetzten Sinne dreht und dabei die Drehungsrichtung feststellt. Für
die Ermittelung des Grades der Drehung empfiehlt es sich, daß der
Obduzent an der rechten Seite des Kadavers die Bestimmung der
Lage der Darrateile vornimmt. Hat eine Drehung um die Längsachse
der linken Griramdarmlagen um 90 0 von links nach rechts stattge¬
funden, so liegen die linken Grimmdarmlagen nebeneinander, und zwar
ist die obere Lage dem Obduzenten zugekehrt. Bei einer Drehung um
180° liegt die obere Lage unter der unteren, bei einer solchen von
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
539
270 0 liegen beide Lagen wieder nebeneinander, und zwar ist die
untere nunmehr dem Obduzenten zugekehrt. Hat eine Drehung um
360 0 stattgefunden, so liegen die Grimmdarralagen scheinbar ganz
normal übereinander. Die Drehung der freien Teile der Grimmdarm¬
schleife um die Querachse ist nicht häufig, sie konnte nur 5 mal wahr¬
genommen werden. Bei dieser Drehung wird die Beckenflexur
nach vorn verlagert und findet sich meist dicht hinter dem Zwerchfelle.
Jede Drehung des Darms, die sich während des Lebens vollzieht,
hat eine Ansammlung des Darminhaltes vor der Drehungsstelle und
eine Störung der Blutzirkulation im gedrehten Darmabschnitte zur
Folge. Denn an der Drehungsstelle wird die Lichtung des Darms
verlegt. Dadurch entsteht für die Fortbewegung des Darminhaltes
ein Hindernis, vor welchem der Inhalt sich ansammclt. Unmittelbar
vor der Drehungsstelle bildet sich gewöhnlich ein fester Pfropf aus.
Der festliegendelnhalt setzt sich um; die Umsetzungsprodukte wirken
reizend auf die Darmschleimhaut ein und können eine Entzündung
an der letzteren hervorrufen. An der Drehungsstelle wird durch das
Zusammendrehen des Darms und Gekröses ein Druck auf das Ge¬
webe ausgeübt, der an demselben Blutleere erzeugt. Die Venen
können schon durch einen geringen Druck vollständig verlegt werden,
weil sie sehr dünnwandig sind und in ihren Wänden nur wenige
elastische Fasern aufweisen. Die Wände der Arterien dagegen sind
viel dicker und reich an elastischem Gewebe. Daher werden die
Arterien durch einen Druck, der die Venen schon vollständig ver¬
schließt, nur unerheblich verengt. Durch die Arterien kann der
ßlutzufluß in den abgedrehten Darmteil fast ungehindert erfolgen,
während der Abfluß des Blutes durch die Venen sehr erschwert oder
gänzlich aufgehoben ist. In dem abgedrehten Darmgebiete bildet
sich demnach rasch eine hochgradige venöse Stauung aus. Das Blut
häuft sich zunächst in den Venen und in dem Wurzelgebiete derselben,
in den Kapillaren, an und erweitert diese Gefäße. Nach kurzer Zeit
dringt durch die Gefäßwände Blutflüssigkeit nach außen. Mit diesem
Flüssigkeitsstrome gelangen auch massenhaft rote Blutkörperchen in
das nachbarliche Gewebe, die wahrscheinlich durch den infolge der
Stauung erhöhten Blutdruck durch die Gefäßwände hindurchgepreßt
werden. Blutflüssigkeit und rote Blutkörperchen füllen sehr bald die
Saftlücken des Gewebes vollständig an, wodurch letzteres anschwillt.
Ueber den Grad der Anschwellung entscheiden Größe und Zahl der
Saftlücken. In der Schleimhaut und im Gewebe unter der Schleimhaut
540
PILWAT,
sind die Saftlücken sehr groß und zahlreich und können daher viel
Flüssigkeit und rote Blutkörperchen aufnehmen, während in der
Muskelkaut und Serosa nur sehr wenige und kleine Saftlücken ent¬
halten sind. Infolgedessen ist die Schwellung der Schleimhaut und des
unter ihr gelegenen Gewebes sehr bedeutend, während diejenige der
Serosa und Muskelhaut nur gering ist. Mukosa und Submukosa
erreichen nicht selten eine Dicke von 2—3 cm und da sie auch an
Länge und Breite infolge der Schwellung erheblich zunehmen, so
legen sie sich in Falten. Letztere sind oft so groß, daß sie mit
Wülsten verglichen werden können, die weich und dunkelrot gefärbt
sind. Mithin ist die starke Anschwellung der Schleimhaut in einem
abgedrehten Darmabschnittc lediglich auf die venöse Stauung des
Blutes zurückzuführen. Sobald nun die Saftlücken der Darmwand
gefüllt sind, ergießt sich die Flüssigkeit über die Oberfläche der
Darmwand und sammelt sich teils im Darmluraen und teils im freien
Raume der Bauchhöhle an. So konnten aus dem freien Raume der
Bauchhöhle nicht selten bis 15 Liter und aus dem abgedrehten Darm¬
abschnittc bis 8 Liter Flüssigkeit entleert werden. Die Oberfläche
des abgedrehten Darmteils zeigt nach Eröffnung der Bauchhöhle stets
einen spiegelnden Glanz, weil sie mit Flüssigkeit bedeckt ist. Dieser
starke Glanz verliert sich jedoch, sobald der Darmteil bei eröffneter
Bauchhöhle einige Zeit der Einwirkung der äußeren Luft ausgesetzt
war. Die Darmteile erscheinen außen graublau oder blaurot. Die
Gekrösvenen des abgedrehten Darmteils sind oft so stark erweitert,
daß sie die Dicke eines Fingers erreichen.
Der Inhalt in dem verlagerten Teile des Darmes setzt sich um
und reizt durch seine Umsetzungsprodukte die Schleimhaut. In
letzterer sind aber die Zirkulationsverhältnisse durch die venöse
Stauung bereits sehr verschlechtert, und deshalb erzeugen die auf die
Oberfläche der Schleimhaut einwirkenden Reize leicht Nekrose
(Diphtherie). Häufig sterben die oberflächlichen Schichten der Schleim¬
haut in großer Ausbreitung ab und bilden eine graue zusammen¬
hängende Haut, die sich stellenweise in Form von Fetzen ablöst.
Die abgestorbenen Teile nehmen eine graue oder gelblichgraue Farbe an.
Es ist bekannt, daß Pferde, die an einer Darmverschlingung
leiden, meist sehr rasch zu Grunde gehen. Der schnelle Tod ist auf
die Verblutung in den Darm zurückzu führen, die eine allgemeine
kollaterale Anämie im Gefolge hat, und da sämtliche Darmvenen mit
Ausnahme derjenigen, die dem hinteren Abschnitte des Mastdarms
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 541
zugehören, Wurzeln der Pfortader sind, So gehen solche Pferde eigentlich
infolge einer Verblutung in die Pfortaderwurzeln ein. Nach dem Ab¬
ziehen der Haut fällt an den Kadavern solcher Pferde die allgemeine
Blässe der Unterhaut auf. Erfolgt die Blutentziehung durch die
Stauung iin Darme nur langsam, so kann die Darmentzündung, die
sich infolge der Ansammlung des Darminhalts vor der Drehungsstelle
und besonders im abgedrehten Darrateile ausbildet, gleichzeitig als
Todesursache angesehen werden.
2. Invagination des Darms.
Bei der Invagination rückt ein Darmstück in ein benachbartes
herab, so daß das letztere eine Scheide um das erstere bildet. Bei
der Invagination begegnet man drei in einander geschobenen Darm¬
rohren. Das äußere Rohr bildet das Intussuszipiens oder die Vagina;
die beiden inneren sind das Intussuszcptum.
Diese Form der Darm Verlagerung wurde nur in zwei Fällen am
Leerdarme beobachtet. Als Ursache der Invagination wurde in einem
Falle ein faustgroßes gestieltes Myom gefunden, das im Anfangsteile
des invaginierten Darmstückes unter der Submukosa saß. In dem
andern Falle, zeigte sich keine organische Abweichung an der Leer¬
darmwand und ließ sich die Ursache der Invagination nicht sicher er¬
mitteln.
Vor dem invaginierten Darrateil entsteht in ähnlicher Weise wie
bei der Darmverschlingung eine Ansammlung des Inhalts und am
Intussuszeptum eine starke venöse Stauung; denn das Intussuszipiens
übt auf das letztere besonders auf den Anfang desselben, einen Druck
aus, der zum Verschlüsse der Venen hinreicht, die Arterien aber noch
wegsam läßt. In den beiden zur Beobachtung gelangten Fällen war
das Intussuszipiens sehr lang und infolgedessen eine kollaterale Anämie
zustande gekommen. Vor der invaginierten Stelle hatte sich durch
die Umsetzungsprodukte des angesammelten Darminhalts eine Darm¬
entzündung ausgcbildet. Aus den nachfolgenden Obduktionsbefunden
lassen sich die weiteren Veränderungen ersehen.
37. Fuchsstute, ca. 8 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 2. 4. 1903.
Der Kadaver zeigt einen guten Nährzustand. Die Körpermuskeln befinden
sich in der Totenstarre und sehen braunrot aus.
Die Bauchdecken sind leicht gespannt. In der Bauchhöhle ungefähr 8 Liter
einer gelbrot gefärbten, leicht getrübten Flüssigkeit. An der Lage des Darmes ist
zunächst keine Abweichung nachzuweisen. Biind-undGrimmdarm sind zusammen-
542 PILWAT,
gezogen. Der Leerdarm ist stark geTüllt und ausgedehnt. Das Bauchfell ist zart
und durchscheinend, an seiner Oberfläche glatt und glänzend. Beim Heraus¬
schneiden des Leerdarmes trifft man im mittleren Abschnitte desselben auf einen
korkenzieherartig aufgerollten Darmabschnitt. Bei der Aufrollung dieses Darm¬
teiles ist nachzuweisen, daß ein 3 m langer Abschnitt des Leerdarmes mit seinem
Gekröse in den folgenden Dannabschnitt eingeschoben ist. Der eingeschobene
Darmteil ist sohwarzrot gefärbt, seine Wände sind sehr dick und mit einer blutigen
Flüssigkeit durchtränkt. Die Schleimhaut dieses Darmteiles bildet dunkelrote
wulstartige Falten. Der Inhalt des eingescheideten Därmteiles besteht aus einer
rotbraunen, mehrere Liter messenden Flüssigkeit. Der übergeschobene Teil des
Darmes weist nur eine diffuse Rötung der Schleimhaut auf; derselbe geht dann
in den fast leeren hinteren Abschnitt des Leerdarmes über. Am Anfänge des ein¬
geschobenen Teiles des Darmes ragt eine fast faustgroße Geschwulst in das
Lumen desselben hinein. Die Geschwulst ist von der Schleimhaut überzogen und
nimmt mit einem ziemlich dünnen Stiele ihren Ursprung aus der Muskelhaut des
Darmes. Die Geschwulst ist weich, elastisch, auf dem Durchschnitte grau gefärbt
und zeigt auf der Bruchfläche einen faserigen Bau. Die später vorgenommene
mikroskopische Untersuchung der Geschwulst ergibt, daß letztere aus glatten
Muskelzellen und wenig Bindegewebe besteht. Die vor der Einschiebung ge¬
legenen Absohnitte des Leerdarmes enthalten große Mengen graugrün gefärbter
trüber Flüssigkeit. Die Schleimhaut zeigt stellenweise fleckige. Rötungen. Im
Blind- und Grimmdarm mäßige Mengen grau gefärbter dünnbreiiger Massen. Die
Schleimhaut des Blind- und Grimmdarms ist dunkelgrau. Der Magen enthält viel
Gas und flüssigen Inhalt. An der Schleimhaut der Schlundhälfte keine Ab¬
weichungen. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist fleckenweiso gerötet und trägt
auf der Oberfläche einen zähen schleimigen Belag, der sich schwer abspülen läßt.
Das Gewicht der Leber beträgt 6 x / 2 kg- Die Leber sieht außen braunrot aus und
besitzt eine derbe Konsistenz. Auf dem Durchschnitte sind die Grenzen der Leber¬
läppchen deutlich erkennbar. Die Läppchen sind graubraun gefärbt und hirsekorn¬
groß. Die Milz mißt 52 cm in der Länge, 23 cm in der größten Breite und 3 cm
in der Dicke Die Milzoberfläche ist glatt und graublau. Konsistenz der Milz
weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe noch sichtbar. Pulpa rot¬
braun und weich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen.
Die Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form und Größe; ihre Oberfläche ist glatt
und braunrot. Konsistenz derb. Auf dem Durchschnitte liegen in der Rinden¬
schicht zahlreiche graue radiär verlaufende Streifen, die den verbreiterten Mark¬
strahlen entsprechen. Marksubstanz graurötlich und gestreift.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, seine
Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken und sind etwas
größer als im Retraktionszustande. Das Lungengewebe ist etwas gerötet und
knistert schwach beim Hinüberstreichen mit den Fingerspitzen. DieDurchschnitts-
lläche ist glatt, feucht und bedeckt sich nach kurzer Zeit mit einem dichten fein¬
blasigen Schaume. Im Herzbeutel 30 ccm einer bsrnsteingelben klaren Flüssigkeit.
Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Die
rechte Vor- und Herzkammer sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute
mäßig gefüllt. In den linken Herzhöhlen sehr kleine dunkelrote und speckhäutige
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 543
Gerinusel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind
normal weit. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Unter der Innenhaut
der linken Herzkammer liegen streifige und fleckige Blutungen. Die Herzmusku¬
latur erscheint auf dem Durchschnitte graubraunrot, etwas trocken und trübe. An
den Halsorganen keine Veränderungen. DieHüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5cm
lang und spindelförmig erweitert. Die Wand der Arterie ist ungleichmäßig ver¬
dickt, an der Innenfläche rauh und mit flachen gerinnselartigen grauroten Auf¬
lagerungen versehen, die der Wand fest anhaften. Alle übrigen Darmgefäße sind
frei von Veränderungen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Invagination des Leerdarms
infolge eines großen submukösen Myoms im Anfangsteile des invaginierten Darm¬
abschnittes. Blutige Durchtränkung des invaginierten Darmteils. Magendarm¬
katarrh. Leichte Schwellung der Milz. Katarrh der Nieren. Trübe Schwellung
des Herzmuskels. Lungenödem. Erweiterung und wandständige Thrombose der
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
38. Schimmelwallach, ca. 15 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 28. 10. 1904.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterbaut, in
der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas Fettgewebe von
lappigem Bau. Die kräftig entwickelten Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem
Durchschnitte braunrot und etwas feucht. Gefäße der Unterhaut leer.
Der Bauch ist mäßig aufgetrieben. Im freien Raum der Bauchhöhle 10 Liter
oiner braunroten, wässerigen, leicht getrübten Flüssigkeit. Das Bauchfell ist
zart, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die prall gefüllten und stark ausge¬
dehnten Leerdarmschlingen liegen in der linken Unterrippen-, Flanken- und
Leistengegend und ragen in die rechte Hälfte der Bauchhöhle hinein. Blind- und
Grimmdarm sind klein, zusammengezogen, liegen auf der rechten Seite der Bauch¬
höhle und werden teilweise von den Leerdarmschlingen bedeckt. Bei der Heraus¬
nahme des Leerdarms zeigt sich, daß der hintere Abschnitt desselben samt seinem
Gekröse in einer Länge von 4 m in den Hüft- und Blinddarm hineingeschoben ist.
Die Wände und das Gekröse des eingeschoideten Darmstückes sind dick und mit
einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Die Wände des eingescheideten Teiles
sind gleichfalls blutig imbibiert, besonders sieht die Schleimhaut dieses Teiles
gleichmäßig dunkelrot aus. Die Schleimhaut des invaginierten Darmstückes bildet
große wulstartige Falten und ist besonders auf der Höhe des letzteren abgestorben.
Die abgestorbenen Teile der Schleimhaut erscheinen gelblichgrau und sind fetzig. Im
invaginierenden Leer-, Hüft- und besonders im Blinddarm finden sich große Mengen
einer braunroten, blutigen Flüssigkeit, die mit wenig breiigen Bestandteilen ver¬
mischt ist. Vor der Einscheidung enthalten Leer- und Zwölffingerdarm viel grau¬
grüne, trübe, mit festen Teilchen gemischte Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser
Darmabschnitte ist streckenweise gerötet. Im Grimmdarm etwas breiiger Inhalt,
der gegen den Mastdarm hin mehr fest wird. Der Mastdarm ist fast'leer. Die
Schleimhaut des Grimmdarms erscheint dunkclgrau, die des Mastdarms weißlich¬
grau und weist stellenweise ganz schwache Rötungen auf. Der Magen ist groß
und stark ausgedehnt; seine Wände sind dünn; er enthält viel Gas und dünn¬
breiige saure Massen in reichlicher Menge. An der Schleimhaut der Schlundhälfte
544
P1LWAT,
nichts Abweichendes. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist etwas dick, trübe
und gallertartig. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese Schleimhaut braun T
gegen den Pförtner hin mehr grau aus. Das Gewicht der Leber beträgt 5Y 2 kg.
An der Zwerchfellfläche ist die Leberkapsel mit mehreren weißlichen Zotten be¬
setzt. Die Leberränder sind scharf. Konsistenz der Leber derb. Das Lebergewebo
ist auf dem Durchschnitte wenig blutreich und graubraun. Die Grenzen der etwa
hirsekorngroßen Leberläppchen sind gut erkennbar. In der Mitte sind die Läpp¬
chen braun, am Rande grau gefärbt. Die Milz mißt 41 cm in der Länge, 24 cm
in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Milz sieht graublau
aus, ist an der Oberfläche glatt und besitzt eine schlaffe Konsistenz. Das Balken¬
gewebe ist auf dem Durchschnitte noch sichtbar. Pulpa braunrot, reichlich und
breiig. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide
Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form und Größe, sehen rotbraun aus und
fühlen sich etwas derb an. Auf dem Durchschnitte sind die Knäuel in der
Rinde als feine rote Pünktchen erkennbar. Die Markstrahlen sind breit und treten
in der Rinde als grauweiße, radiär verlaufende Züge deutlich hervor. Beim
Streichen mit dem Messerrücken von der Rinde her gegen die Papille hin entleert
sich aus den großen Sammelröhren eine graugelbe, trübe, schleimige Masse. Die
Marksubstanz ist blaßrot und streifig.
In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist blaßgrau und
durchscheinend, seine Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬
säcken, sind gut retrahiert, klein, elastisch und knistern überall beim Hinüber-
streichen mit den Fingerspitzen. Im Herzbeutel 25 ccm einer gelbroten, klaren
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und
glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 62 cm. Rechte
Kammer 16 cm, linke 19 cm hoch. Das nicht eröffnete Herz wiegt mit Blut kg.
Ohne Blut beträgt das Gewicht des Herzens 4 l / A kg. In den rechten Herzhöhlen
finden sich mäßig große dunkelrote Gerinnsel und etwas flüssiges Blut. Das linke
Herz ist fast leer und zusammengezogen. Die zwischen den Vor- und Herzkammern
gelegenen OefTnungen sind normal weit. An den Herzklappen und an der Innen¬
haut des Herzens keine Abweichungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durch¬
schnitte leicht graubraunrot, etwas trocken und trübe. Konsistenz des Herz¬
muskels brüchig. Die Halsorgane zeigen außer starker Blässe keine Veränderungen.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylindrisch erweitert. Die
Wände des Gefäßes sind dick. Die Innenhaut der Arterie trägt auf ihrer Ober¬
fläche ein längliches, etwa kleinfingerdickes Gerinnsel, das graurot, etwas brüchig
und mit der Gefäßwand innig zusammenhängend ist. Unter dieser Auflagerung
ist die Innenhaut fetzig. An den übrigen Gefäßen des Darmes bestehen keine Ab¬
weichungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Invagination des Leerdarmes.
Blutige Durchtränkung der Wände des invaginierten Darmabschnitts und Diph¬
therie seiner Schleimhaut. Leichte Entzündung der Schleimhaut des vor der In¬
vagination gelegenen Leerdarmteils. Saure Erweichung der Magenschleimhaut.
Geringgradige Schwellung der Milz. Katarrhalische Nierenentzündung. Trübe
Schwellung des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Thrombose der
ilüft-Blind-Grimmarterie.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
545
3. Einklemmung und Abschnürung des Darms.
Eine Einklemmung des verlagerten Darms bezeichnet man auch
als „eingeklemmten Bruch“; sie kommt dadurch zustande, daß ein
Darmteil durch eine enge, mit der Bauchhöhle in Verbindung stehende
natürliche oder pathologisch entstandene Oeffnung hindurchtritt und
von den Rändern dieser Oeffnung fest umschnürt wird. Die Bauch¬
höhle besitzt in ihrem hinteren Teile zwei fingerförmige Fortsätze, die
Scheidenfortsätze. Letztere sind als Ausstülpungen des parietalen
Blattes des Bauchfells anzusehen. Mit dem parietalen Bauchfelle
haben sich auch die übrigen Wandbestandteile der Bauchdecken aus¬
gestülpt, so daß in den Wänden dieser beiden Fortsätze alle Schichten
der sonstigen Bauchwand nachgewiesen werden können. Die Scheiden¬
fortsätze sind bei allen Pferden vorhanden, verkümmern aber bei
weiblichen Tieren, während sie bei männlichen Tieren zwei große
Säcke bilden, die zur Aufnahme dor Hoden und Samenstränge dienen.
Die Scheidenfortsätze stehen mit der Bauchhöhle durch je eine enge
Oeffnung in Verbindung, die bei Pferden zeitlebens offen ist. Diese
Oeffnung, innerer Bauchring genannt, stellt einen kleinen Schlitz dar,
durch den sich nur schwer der Zeigefinger der Hand hindurchführen
läßt. Bei Wallachen dürfte der Schlitz eine Länge von 2—3 cm be¬
sitzen; bei älteren Hengsten ist er zuweilen erheblich größer, so daß
man zwei Finger in denselben schieben kann. Eine andere natürliche
Oeffnung findet sich im vorderen Teile der Bauchhöhle. Zwischen
der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarms und der Bauch¬
speicheldrüse auf der einen, und der Leber auf der anderen Seite
liegt eino enge Oeffnung, das Winslowsche Loch, das den Eingang in
einen dorsoventral verlaufenden Kanal bildet, der in den Netzbeutel
führt. Im Zwerchfelle endlich entstehen durch partielle Zerreißung
Löcher, die die Bauchhöhle mit den Brustfellsäcken verbinden.
Durch den inneren Bauchring kann eine Darmschlinge unmittel¬
bar in den Processus vaginalis eintreten. Bleibt die Darmschlinge
in demjenigen Teile des Scheidenfortsatzes, der im Leistenkanal liegt,
so bezeichnet man diese Darm Verlagerung als Leistenbruch, Hernia
inguinalis, tritt die Darmschlinge tiefer herab, so entsteht ein Hoden¬
sackbruch, Hernia scrotalis. Der Durchtritt des Darms durch das
Winslowsche Loch kann aber nicht von oben her erfolgen, weil hier
die angrenzenden Organe, Leber und magenähnliche Erweiterung, an
der dorsalen Bauchwand angewachsen sind und den Zugang zum
Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. or
546
PILWAT,
Winslowschen Loch verwehren. Frei bewegliche Darraschlingen
müssen vielmehr, um durch das Winslowsche Loch hindurchtreten zu
können, von unten und hinten her den Netzbeutel in der Richtung auf
das Winslowsche Loch vorschieben. Bei dem Durchtritte von Darm¬
schlingen durch das Loch sind letztere deshalb stets vom Netzbeutel
bedeckt. Nun ist das große Netz beim Pferde wenig widerstands¬
fähig und zerreißt leicht, und deshalb bilden die Reste desselben
einen halskrausenähnlichen Behang um die Einschnürungsstelle des
Darms. Eine Darmverlagerung durch das Winslowsche Loch wird als
Hernia foraminis Winslowii bezeichnet. Endlich können Darmteile
durch Löcher des Zwerchfells aus der Bauchhöhle in einen Pleurasack
gelangen. Diese üarmverlagerung heißt Zwerchfellsbruch, Hernia
diaphragraatica. Die durch die genannten Oeffnungen verlagerten
Darmschlingen werden der Regel nach von den Rändern der Oeffnung
fest umschnürt und dadurch eingeklemmt. Solche eingeklemmten
Brüche wurden unter den 428 ausgeführten Sektionen 13mal = 3,04 pCt.
beobachtet:
1. Leistenbruch, stets Leerdarm betroffen, 5 Fälle;
2. Bruch durch das Winslowsche Loch, Leerdarra 4mal, Hüft-
darm lmal betroffen, 5 Fälle;
3. Zwerchfellbruch, Leerdarm 2mal, Mastdarm, lmal betroffen,
3 Fälle.
Bemerkenswert ist, daß der eingeklemmte Leistenbruch nur bei
Hengsten gefunden worden ist, die stets einen sehr weiten inneren
Bauchring besaßen.
Die Abschnürung von Darmteilen vollzieht sich in der Weise,
daß strangartige Gebilde, die meist unter pathologischen Verhältnissen
entstanden sind, sich um Darmschlingen legen und dieselben fest um¬
schnüren. Bei älteren Pferden finden sich sehr häutig Stränge in der
Bauchhöhle, die durch Zerreißung des großen Netzes entstanden sind.
Nicht selten kommen ferner beim Pferde Lipome vor, die sich aus
dem zwischen den Gekrösblättern des Mastdarms liegenden Fettgewebe
entwickeln und ihren Sitz meist dicht am Gekrösansatze haben.
Diese Lipome üben durch ihr eigenes Gewicht einen Zug auf die Ur¬
sprungsstelle aus, die sich allmählich zu einem langen Stiele verlängert,
an dem das Lipom hängt. In einem Falle hatte sich im linken Eier¬
stocke eine kindskopfsgroße Zyste gebildet und war das Aufhänge¬
band des Eierstocks zu einem langen Strange ausgezogen. In der Becken
höhle bei Stuten finden sich endlich zwei freie natürliche Bänder, die breiten
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
547
Mutterbänder, durch welche Darniteile abgeschnürt werden können.
Abschnürungen des Darms durch die beschriebenen Stränge und
Bänder wurden bei 15 Pferden (3,50 pCt.) ermittelt. Der Leerdarm
war durch einen Netzstrang 8mal, der Hüftdarm 4mal abgeschnürt
worden. In einem Falle hatte sich um eine Leerdarmschlinge ein
gestieltes Lipom geschlungen. Der Mastdarm war bei einem Pferde
durch den zystisch entarteten linken Eierstock und bei einem zweiten
Pferde durch das linke breite Mutterband abgeschnürt worden.
Bei Einklemmungen eines Darmteils üben die Ränder der Bruch¬
pforte und bei Abschnürungen von Darmteilen der Strang oder das
Band, die sich um dieselben gelegt haben, einen Druck aus, durch
den die Fortbewegung der Inhaltsmassen unterbrochen wird. Der Inhalt
sammelt sich vor der gedrückten Stelle an und dadurch wird der be¬
treffende Darmteil ausgedehnt. Die Darmschleimhaut wird durch den
Inhalt und die Umsetzungsprodukte desselben gereizt, und infolge des
Reizes entsteht eine Entzündung. Der hinter der Einklemmung oder
Abschnürung gelegene Darmteil kann dagegen seinen Inhalt entleeren
und wird, da kein neuer Inhalt in ihn eintreten kann, ganz leer; seine
Muskelhaut zieht sich deshalb zusammen. In dem eingeklemmten
oder abgeschnürten Teile, z. ß. bei einer Hemia incarcerata inguinalis
oder bei einer Abschnürung einer Darmschlinge durch einen Strang,
kann der Inhalt nicht weiter bewegt werden. Die Ränder der Bruch¬
pforte oder die den Darm umschlingenden Stränge drücken auf die
Blutgefäße der Darmwand und erzeugen an der Schnürstelle einen
anämischen Ring, eine Strangulationsmarke. Der Blutstrom in den
Venen und Kapillaren ist vollständig unterbrochen, weil diese Gefäße
dünne Wände besitzen, die schon durch mäßigen Druck zusammen¬
gedrückt werden können. Dagegen bleiben die Arterien infolge ihrer
dicken und elastischen Wände zum Teil offen. Durch die Arterien
wird dem abgeschnürten Darmteile noch Blut zugeführt, das infolge
des Verschlusses der Venen nicht wieder abfließen kann. Deshalb
bildet sich sehr rasch im eingeklemmten oder abgeschnürten Darm¬
teile eine hochgradige Stauung aus, die bereits beim Volvulus des
Darms beschrieben worden ist. Das Stauungsexsudat fließt über die
Darmschleimhaut in den eingeklemmten oder abgeschnürten Darmteil
und über die Serosa desselben entweder in den Bauchsack, Processus
vaginalis, Pleurasack oder direkt in den freien Raum der Bauchhöhle.
Da die Bruchsäcke mit der Bauchhöhle kommunizieren, so kann das
Exsudat auch aus ihnen in die Bauchhöhle abfließen.
35 •
548
PILWAT,
Die eingeklemmten oder abgeschnürten Darmteile haben in der
Regel nur eine geringe Länge; eine Verblutung in das Darmlumen
und in den freien Raum der Bauchhöhle, wie sie beim Volvulus des
Darms beobachtet wird, pflegt deshalb nicht einzutreten. Der ein¬
geklemmte oder abgeschnürte Darmteil stirbt auch bald ab. Auf die
in der Stauung befindliche und dadurch weniger widerstandsfähige
Schleimhaut wirken die Produkte der Umsetzung des Darminhalts ein
und die am Darminhalte haftenden Mikroorganismen, die sonst un¬
schädlich sind, dringen in die ihres natürlichen Schutzes beraubte
Schleimhaut ein und bewirken ihre Ertötung. Vor dem abgeschnürten
Darmteile sammelt sich der Inhalt an; der Teil erweitert sich, und
die Schleimhaut desselben wird gereizt. Die Einklemmung oder Ab¬
schnürung des Darms führt beim Pferde meist rasch zum Tode. Der
tödliche Ausgang wird durch das rasche Zusammenwirken der ange¬
führten Prozesse erzeugt. In einzelnen Fällen kann die Gasentwickelung
in dem vor der Abschnürung gelegenen Darmteile und im Magen so
hochgradig werden, daß eine Zerreißung des Magens eintritt oder daß
infolge der Bewegungstörungen des Zwerchfells Erstickung erfolgt.
Ziemlich häufig findet man bei der Obduktion von Pferden, die
an Kolik oder an anderen Krankheiten gestorben sind, Lageveränderungen
des Darms, die erst während des Todeskarapfes zustande gekommen
sind. Diese Lageveränderungen entstehen dadurch, daß sich der
Darm während des Todeskampfes unregelmäßig zusammenzieht. Der
Darm ist an einer oder mehreren Stellen verengt, und da der Kon¬
traktion die Todesstarre folgt, so wird der Kontraktionszustand des
Darms stabil gemacht. Diese Verengerungen des Darms können mit
wirklichen Darmstenosen leicht verwechselt werden, unterscheiden sich
jedoch von ihnen dadurch, daß sie gewöhnlich multipel sind und durch
mäßige Ausdehnung der Darmwände leicht beseitigt werden können.
Ferner können Lage Veränderungen des Darms nach dem Tode durch
den Transport des Kadavers und starke Gasentwickelung in einzelnen
Darmteilen sich ausbilden. Nicht selten zerreißt bei starken An¬
sammlungen von Gas im Magen und Darm das Zwerchfell und werden
Darmschlingen durch den Riß in einen Pleurasack hineingedrückt.
Endlich kann eine Darm Verlagerung, z. B. eine Invagination des Darms,
während der Obduktion durch unvorsichtige Herausnahme des Darms
entstehen. Alle Darm Verlagerungen, die sich während des Todes
oder nach demselben ausgebildet haben, unterscheiden sich von den
bei Lebzeiten entstandenen dadurch, daß weder eine Ansammlung des
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
549
Darminhalts noch eine Zirkulationsstörung am verlagerten Darmteil
nachzuweisen ist, weil nach dem Tode sowohl die Fortbewegung des
Darminhalts als auch die Zirkulation des Blutes aufhört.
39. Rapphengst, ca. 8 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 31. 10. 1904.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in
der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas graues Fettge¬
webe von lappigem Bau. Die gut entwickelten Muskeln sind totenstarr, auf dem
Durchschnitte rot und etwas feucht.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Die rechte Seite des Hodensaokes hat die
Größe einer doppelten Mannsfaust und fühlt sich weich an. Nach Eröffnung der
Scheidenfortsätze zeigt sich im rechten Fortsatze eine 30—40 cm lange, neben
dem Samenstrange liegende Darmschlinge, die schwarzrot gefärbt ist; die Wände
derselben sind dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Die Darm¬
schlinge gehört dem hinteren Abschnitte des Leerdarmes an und ist durch die
Ränder des inneren Baucbringes fest umschnürt. An der Einschnürungsstelle
findet sich an der verlagerten Darmschlinge ein weißlicher blutleerer Strangu¬
lationsring. Der rechte Scheidenfortsatz enthält etwa 1 Liter einer dunkelroten
wässerigen Flüssigkeit. Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich etwa 10 Liter
der beschriebenen Flüssigkeit vor. Der Leerdarm ist lang und weit; er nimmt
den größten Raum in der Bauchhöhle ein. Blind- und Grimmdarm liegen rechts
und sind zum Teil von Leerdarmschlingen bedeckt. Das Bauchfell ist zart und
besitzt an seiner Oberfläche einen spiegelnden Glanz. Einzelne Leerdarmschlingen
zeigen an ihrer Außenfläche gefüllte und fein verästelte Venennetze. Der Zwölf¬
finger- und Leerdarm sind mit einer bräunlich-grauen Flüssigkeit prall gefüllt.
Die Schleimhaut des Leerdarmes sieht streckenweise dunkelrot aus und trägt in
großer Ausbreitung auf ihrer Oberfläche einen grauen, schmierigen, abstreifbaren
Belag, der aus den erweichten Darmzotten besteht. Der im rechten inneren Bauch¬
ringe liegende Teil des Leerdarmes läßt zwei weißlich-graue, blutleere Schnür-
furchen erkennen. Die abgeschnürte Leerdarmschlinge enthält viel dunkelgrau¬
braune, trübe Flüssigkeit, ihre Schleimhaut ist großenteils abgestorben, grau und
fetzig. Der rechte innere Leistenring ist 5 cm, der linke 3 cm lang. Der Hüftdarm
ist leer und zusamraengezogen. Im Blind- und Grimmdarme wenig dickbreiiger,
im Mastdarme etwas geformter Inhalt. Die Schleimhaut des Blind- und Grimm¬
darmes sieht graubraun, die des Mastdarmes weißlich-grau aus. Der Magen ent¬
hält viel Gas und 15 Liter flüssige und breiige saure Massen. An der Schleim¬
haut der Schlundhälfte nichts Abweichendes. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte
ist dick, trübe und gallertartig. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese
Schleimhaut dunkelbraun, gegen den Pförtner hin mehr grau aus. Das Gewicht
der Leber beträgt 4 l / 2 kg. Die Leberkapsel ist an der vorderen Fläche der. Leber
mit zahlreichen weißlich-grauen Zotten besetzt. Die Leberränder sind scharf Das
Lebergewebe erscheint auf dem Durchschnitte etwas trocken, gelblich-graubraun,
lehmfarben und trübe. Die Grenzen der Leberläppchen sind nicht deutlich er¬
kennbar. Konsistenz der Leber etwas mürbe. Die Milz mißt 57 cm in der'Länge,
28 cm in der größten Breite und 4,5 cm in der größten Dicke. Konsistenz der
550
PILWAT,
Milz schlaff. Auf der Oberfläche der Milz zeigen sich mehrere halbhandtellergroße
beetartige Erhebungen, die dunkelblau gefärbt sind. Auf dem Durchschnitte ist
das Balkengewebe in den hügelartigen Erhebungen der Milz nicht sichtbar. Pulpa
dunkelrot, reichlich und zerfließlich. In den übrigen Abschnitten der Milz sind
die Trabekeln nicht sichtbar; Pulpa hier braunrot. Die Nierenkapseln lassen sich
leicht von den Nieren abtrennen. An der Größe und Gestalt beider Nieren nichts
Abweichendes. Konsistenz der Nieren etwas brüchig. Auf dem Durchschnitte er¬
scheint die Rindenschicht trübe, trocken und fleckweise graubraun gefärbt. Die
Gefaßknäuel sind in der Rinde nur stellenweise als rote Punkte erkennbar. Die
Marksubstanz ist streifig und gerötet.
ln den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den
Brustfellsäcken, befinden sich im Retraktionsznstande und sehen hellrot aus. Das
Lungengewebe fühlt sich weich, elastisch an und knistert beim Hinüberstreichen
mit den Fingerspitzen. Im Herzbeutel 30 ccm einer gelbroten klaren Flüssigkeit.
Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. In
den rechten Herzhöhlen mäßig große dunkelrote Gerinnsel und flüssiges Blut. Die
linken Herzhöhlen enthalten kleine dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Die
zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhn¬
liche Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur
sieht auf dem Durchschnitte graurot, fleckweise grau, trocken und trübe aus. Kon¬
sistenz brüchig. An den Halsorganen liegen keine pathologischen Veränderungen
vor. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylindrisch erweitert.
Die Wand des Gefäßes ist verdickt. Auf der Innenhaut desselben sitzen mehrere
erbsen- bis linsengroße rötlich-graue, bröckelige Gerinnsel, unter denen die Innen¬
haut zahlreiche Risse und Defekte zeigt. Die übrigen Gefäße des Darmes sind
wegsam und frei von Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Eingeklemmter Leistenbruch
des Leerdarmes. Blutige Durchtränknng der Wände des abgeschnürten Darm¬
stückes und schwere diphtherische Entzündung seiner Schleimhaut. Entzündung
und postmortale Erweichung der Schleimhaut des Zwölffinger- und Leerdarmes.
Saure Magenerweichung. Akute multiple Milzschwellung. Trübe Schwellung der
Leber, der Nieren und des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Throm¬
bose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
40. Dunkelbrauner Wallach, ca. 10 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 17. 10. 1905.
Der Kadaver ist gut genährt, ln der Unterbaut, in der Umgebung der Ge¬
lenke und unter dem Bauchfelle liegt dickes, gelblich-weißes Fettgewebe, das auf
dem Durchschnitte einen lappig-traubigen Bau zeigt. Gefäße der Unterhaut fast
leer. Die Körpermuskeln sind kräftig entwickelt, totenstarr, auf dem Durchschnitte
schwach graubraunrot und mäßig feucht.
Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle etwa 15 Liter
einer blutigen rot gefärbten Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart, an seiner Ober¬
fläche glatt. Der Blinddarm liegt in der Mitte, die rechten Grimmdarmlagen auf
der rechten, die linken Lagen des Grimmdarmes auf der linken Seite der Bauch¬
höhle. Der Leerdarm ist sehr lang und weit; er nimmt den größten Teil der Bauch-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
551
höhle ein. Die Leerdarmschlingen sehen außen graurot aus; nur eine, in der rechten
Unterrippengegend gelegene Schlinge dieses Darmes sieht dunkelrot aus und be¬
sitzt an der Oberfläche einen starken Glanz. Bei der Herausnahme dos Leerdarmes
zeigt sich, daß diese Schlinge durch das Winslowsche Loch hindurchgetreten und
von den Rändern desselben fest umschnürt ist. Diese Schlinge gehört dem hinteren
Leerdarmabschnitte an und besitzt eine Länge von 1 m. Die Abschnürungsstellen
markieren sich als weißliche, anämische Ringe. Die Wand des abgeschnürten
Darmstückes ist dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt, seine Schleim¬
haut ist in den oberflächlichen Schichten abgestorben und bildet eine zusammen¬
hängende graue, trübe Haut, die stellenweise fetzig ist. Vor der vorderen Abschnü¬
rungsstelle sind Leer- und Zwölffingerdarm sehr weit und mit einer graubraunen
trüben Flüssigkeit stark angofüllt. Die Schleimhaut dieser Abschnitte ist strecken¬
weise dunkelrot gefärbt und in den oberflächlichen Schichten in Form von grauen
zum Teil fetzigen Häuten abgestorben. Der Blinddarm enthält etwas graubraunen
dünnbreiigen Inhalt in mäßiger Menge. In der magenähnlichen Erweiterung des
Grimmdarmes ist der Inhalt massiger, mehr fest und trocken. Die Schleimhaut ist
hier schwach gerötet; sonst sieht die Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes
dunkelgrau aus. Der Mastdarm ist fast leer, seine Schleimhaut weißlich-grau. Der
Magen ist groß, er ist durch Gas stark ausgedehnt und enthält außerdem etwa 12
Liter dünnbreiige dunkelgraubraune Massen. Die Schleimhaut der Pförtnerbälfte
ist stark diffus gerötet, in der Gegend der Fundusdrüsen gekörnt, gegen den
Pförtner hin mit einem grauen zähen schwer abspülbaren Belage versehen. Das
Gewicht der Leber beträgt 7 kg. Die Leberränder sind abgerundet. Oberfläche der
Leber glatt. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte wenig blutreich, grau¬
braun und trübe. Schnittfläche etwas fettig. Die Grenzen der Leberläppchen sind
noch erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind bis reiskorngroß und grau gefärbt.
Konsistenz der Leber etwas brüchig. Die Milz mißt 56 cm in der Länge, 26 cm in
der größten Breite und 3,5 cm in der größten Dicke. Die Oberfläche der Milz ist
hügelig. Die Erhabenheiten erscheinen dunkelblau, die übrigen Abschnitte mehr
graublau. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist die Pulpa in den
Hügeln dunkelrot, reichlich und fast flüssig; das Balkengew'ebe wird hier von der
Pulpa verdeckt. In den anderen Teilen der Milz erscheint die Pulpa rotbraun, ist
weniger reichlich und läßt das Balkengewebe noch frei. Die Nierenkapseln sind
leicht von den Nieren abzutrennen. Die Nieren sehen außen graubraun, glatt und
mattglänzend aus. Form und Größe der Nieren ohne Abweichung. Auf dem Durch¬
schnitte liegen in der graubraunen etwas trüben Rindenschicht zahlreiche breite
graue radiär verlaufende Streifen. Beim Streichen mit dem Messerrücken von der
Rinde gegen die Papilla hin entleert sich aus den großen Sammelröhren eine gelb¬
lich-weiße eiterähnliche Masse. Die Marksubstanz ist gestreift, an der Papilla
blaßgrau, nach der Rinde hin stärker gerötet.
Die Brustfellsäcko sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, seine
Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind
gut retrahiert, hellrot und lufthaltig. Im Herzbeutel ein Teelöffel voll einer gelb¬
lichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter
ist glatt. Das rechte Herz ist mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute
mäßig gefüllt. In den linken Herzhöhlen ganz kleine dunkelrote und speckhäutige
Gerinnsel. Die Innenhaut, hauptsächlich der linken Herzhälfte, ist größtenteils
552
PJL WAT,
plattenartig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Unter der Innenhaut des
linken Ventrikels liegen große strich- und fleckenförmige Blutungen. Die Herz¬
klappen der linken Herzhälfte sind in ihren Randteilen etwas verdickt und derb.
Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind für eine läng¬
lich zusammengelegte Faust passierbar. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durch¬
schnitte graubraunrot, etwas trocken und trübe. Konsistenz brüchig. Die Hals¬
organe erweisen sich bei der Untersuchung als frei von Veränderungen. Die Hüft-
Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5 cm lang und spindelförmig erweitert. Die Gefä߬
wand ist ungleichmäßig verdickt, an der Innenfläche rauh und mit mehreren ad-
härenten Auflagerungen versehen, die rötlich-grau und bröcklig sind. Alle übrigen
Darmgefäße sind wegsam und frei von Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Eingeklemmter Bruch des Leer¬
darms im Winslo vvschen Loch. Blutige Durchtränkung der Darmwände des einge¬
klemmten Teiles und Diphtherie ihrer Schleimhaut. Starke Ausdehnung und blutig¬
diphtherische Entzündung des Leerdarmes vor der Einklemmungsstelle. Blutige
Entzündung der Drüsenschleimhaut des Magens. Fäkalstase in der magenähnlichen
Erweiterung des Grimmdarmes. Trübung und Fettinfiltration der Leber. Akute
multiple Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Trübe Schwellung des
Herzmuskels. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des Herzens.
Blutungen unter der Herzinnenhaut. Erweiterung und wandständige Thrombose
der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
4L Brauner Wallach, ca. G Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 4. 9. 1904.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut und
unter dem Bauchfelle liegt etwas Fettgewebe von lappigem Bau. Die Körpermuskeln
sind totenstarr, auf dem Durchschnitte braunrot und mäßig feucht.
Der Bauch ist aufgetricben. Im freien Raume der Bauchhöhle mehrere Liter
einer roten blutigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart, seine Oberfläche glatt.
Blind- und Grimmdarra sind lang und weit. Der Blinddarm und die rechten Lagen
des Grimmdarmes liegen auf der rechten, die linken Grimmdarmlagen auf der
linken Seite der Bauchhöhle. Der Leerdarm, dessen Schlingen vereinzelt durch
Gas aufgetrieben erscheinen, liegt mehr auf der linken Seite der Bauchhöhle. Der
vordere Teil des Mastdarmes ist durch ein schlitzförmiges, 4 cm langes Loch,
welches sich im sehnigen Teile der linken Zwerchfellhälfte findet, in den linken
Brustfellsaok hineingetreten und von den Rändern dieser Oeffnung fest umschnürt.
Die Ränder des Zwerchfellloches sind weißlich-grau, glatt und im geringen Grade
wulstartig verdickt. Ein Teil des Mastdarmgekröses ist mit dem Rande der Zwerch¬
fellöffnung fest verwachsen. Die von den Rändern derZwerchfellöffnungumschnürten
Teile des Mastdarmes zeigen eine deutliche weißlich-graue Strangulationsmarke.
Das im linken Brustfellsacke liegende Stück des Mastdarmes besitzt eine Länge
von 0,75 ra und sieht dunkelrot bis schwarzrot aus; die Wände desselben sind dick
und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Die Schleimhaut dieses Teiles
bildet große dunkelrote Wülste, auf dereu Höhe die oberflächlichen Schleimhaut¬
schichten abgestorben, graugrün und fetzig sind. Der hintere Teil des Mastdarmes
ist leer. Im Blind- und Grimmdarme reichliche Gasansammlung und breiiger bis
fe$tw T eicher Inhalt in großer Menge. Die Schleimhaut dieser Darmabschnitte läßt
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
553
stellenweise eine schwache Rötung erkennen und ist sonst graugrün gefärbt. Leer-
und Hüftdarm enthalten etwas Gas und viel graugrüne Flüssigkeit, die gegen den
Blinddarm hin mit breiigen Bestandteilen vermischt ist. Die Schleimhaut des Zwölf¬
finger-, Leer- und Hüftdarmes ist grau und trübe. Der Magen enthält neben Gas
5 Liter dickbreiige saure Massen. Die Schleimhaut der Pförtner hälfte ist etwas
dick, trübe und gallertartig, in der Gegend der Fundusdrüsen graubraun, gegen
den Pförtner hin mehr grau gefärbt. An der Schleimhaut der Schlundhälfte zeigen
sich keine Abweichungen. Das Gewicht der Leber beträgt 6 kg. Die Oberfläche
der Leber ist glatt und rötlich-graubraun. Leberränder soharf. Konsistenz der
Leber derb. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte wenig blutreich und grau¬
braun. Die Grenzen der Leberläppchen sind ziemlich gut erkennbar. Die einzelnen
Läppchen sind hirsekorngroß, in der Mitte braun, am Rande grau. Die Milz mißt
48 cm in der Länge, 24 cm in der größten Breite und 3 cm in der größten Dicke.
Oberfläche der Milz glatt und graublau. Konsistenz schlaff. Das Balkengewebe
ist auf dem Durchschnitte noch erkennbar. Pulpa braunrot, etwas reichlioh und
zerfließlich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide
Nieren sehen außen braunrot, an der Oberfläche glatt und mattglänzend aus. An
der Größe und Gestalt der Nieren nichts Abweichendes. Konsistenz derb. Auf
dem Durchschnitte erscheint die Rindenschicht rötlich-graubraun und etwas trübe.
Die Gefäßknäue) sind in der Rinde erkennbar. Marksubstanz blaßrot und ge¬
streift.
Die Brustfellsäoke enthalten 7 Liter einer dunkelroten blutigen Flüssigkeit.
Das Brustfell ist zart, seine Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brust¬
fellsäcken, sind klein, retrahiert und lufthaltig. Im Herzbeutel zwei Eßlöffel voll
einer gelbroten wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herz¬
beutelblätter ist glatt und glänzend. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem
und geronnenen dunkelroten Blute ziemlich stark gefüllt. In den linken Herz¬
höhlen kleine dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und
Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen
und Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte
graurot, trocken und trübe, ihre Konsistenz ist brüchig. Die Halsorgane sind frei
von Veränderungen.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,6cm lang und spindelförmig erweitert;
ihre Wand ist dick. Die Oberfläche der Gefäßinnenhaut ist rauh und mit mehreren
warzenartigen grauroten Auflagerungen versehen, die bröcklig sind und der Ge¬
fäßwand fest anhaften. Die übrigen Gefäße des Darmes sind wegsam und ohne
Veränderungen.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Alte Zerreißung im Zwerchfelle.
Verwachsung des Mastdarmgekröses mit dem Zwerchfelle. Verlagerung des vorderen
Teiles des Mastdarmes durch das Loch des Zwerchfelles in den linken Brustfellsack
und Abschnürung des verlagerten Mastdarmstückes. Blutige Durchtränkung der
Wand des abgeschnürten Darmstückes und Diphtherie seiner Schleimhaut. Starke
Ausdehnung und Entzündung des Blind- und Grimmdarmes. Saure Erweichung
der Magenschleimhaut. Geringgradige Schwellung der Milz. Leichte Trübung der
Nieren. Starke trübe Schwellung der Herzmuskulatur. Erweiterung und wand¬
ständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
554
PI L WAT
42. Braune Stute mit Stern, ca. 15 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 6. 11. 1905.
Der Kadaver ist gut genährt, in der Unterhaut und unter dem Bauchfelle
liegt viel gelblich-weißes Fettgowebe, dessen Durchschnittsfläche einen lappigen
Bau zeigt. Die Körpermuskeln sind gut entwickelt und totenstarr; sie erscheinen
auf dem Durchschnitte schwach graubraun und etwas trübe. Gefäße der Unter¬
haut leer.
Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle etwa 10 Liter
einer grauroten, etwas trüben, mit kleinen Gerinnseln vermischten Flüssigkeit. Die
Blätter des Bauchfells sind in großer Ausdehnung teils diffus, teils fleckig, teils
durch gefüllte Gefäßnetze gerötet. Die Oberfläche des Bauchfells ist rauh und an
einzelnen Stellen mit einem dünnen grauen netzartigen Belage versehen, der sich
abheben läßt. Der Leerdarm ist lang, weit und nimmt den größten Teil der Bauch¬
höhle ein. Blind- und Grimmdarm sind regelmäßig gelagert und großenteils von
Leerdarmschlingen bedeckt. Bei dem Heraussöhneiden des Leer- und Hüftdarmes
zeigt sich, daß eine Darmschlinge, die dem hinteren Teile des Leerdarmes und
dem vorderen Hüftdarmteile zugehört, von einem federkieldicken grauen Netz¬
strange fest umschnürt ist. Die Umschnürungsstelle kennzeichnet sich als ein
blutleerer grauer Ring. Der abgeschnürte Darmteil hat eine Länge von 70 cm,
sieht schwarzrot aus und zeigt an seiner Außenfläche einen halbhandtellergroßen
gelbbraunen, ziemlich scharf begrenzten Fleck. Das Gewebe der Darmwand ist
hier abgestorben, trocken und etwas mürbe. Die übrigen Wandabschnitte der ab¬
geschnürten Darmschlinge sind schwarzrot, dick und mit einer blutigen Flüssig¬
keit durchtränkt. Die Schleimhaut ist hier bis in die tiefsten Schichten hinein ab¬
gestorben, graugelb und fetzig, ln dev abgeschnürten Darmschlinge findet sich
viel braunrote trübe Flüssigkeit. Der vordere Abschnitt des Leerdarmes und der
Zwölffingerdarm sind mit Gas und graugrünen flüssigen Massen stark gefüllt. Die
Leerdarmschleimhaut ist hier streckenweise gerötet, mit Blutungen durchsetzt und
trägt auf ihrer Oberfläche einen grauen zähen schleimigen Belag, der sich schwer
abspülen läßt. Im Blinddärme dünnbreiiger, im Grimmdarme dickbreiiger, gegen
den Mastdarm hin mehr trocken werdender Inhalt in mäßiger Menge. Der Mast¬
darm enthält einige Kotballen. Die Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes
ist dunkelgrau, die des Mastdarmes weißlich-grau. Der Magen enthält 12—15 Liter
flüssige und breiige graugrüne Massen. Die Schleimhaut der Schlundhälfte ist
weißlich-grau, die der Pförtnerhälfte fleckweise gerötet. In derGegend der Fundus¬
drüsen erscheint diese Schleimhaut flach gekörnt, gegen den Pförtner hin wird
ihre Oberfläche mehr glatt. Das Gewicht der Leber beträgt 6,5 kg. Die Ober¬
fläche der Leber ist glatt und rötlich-graubraun. Konsistenz der Leber etwas
brüchig. Das Lebergewebe ist auf dem Dnrchschnitte wenig blutreich, graubraun
und etwas trübe. Die Grenzen der Leberläppchen sind bequem sichtbar. Die ein¬
zelnen Läppchen haben die Größe eines Hirsekorns, sind in der Mitte braun, am
Rande grau gefärbt. Die Milz mißt 46 cm in der Länge, 21 cm in der größten
Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Milzkapsel ist fleckig und durch ge¬
füllte Gefäßnetze gerötet. Oberfläche der Milz höckerig. Konsistenz weich. Auf
dem Durchschnitt ist das Balkengewebe in den Erhebungen der Milz schwer sicht¬
bar; die Pulpa ist hier dunkelrot bis schwarzrot, reichlich und zerfließlich. In
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
555
den übrigen Abschnitten der Milz ist das Balkengewebe noch ziemlich deutlich
erkennbar. Pulpa braunrot. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren
abtrennen. Rechte Niere 18 cm lang, 19 cm breit und 5,8 cm dick. Linke Niere
21 cm lang, 17 cm breit und 6 cm dick. Die Nieren sehen graubraunrot aus und
brechen leicht. Auf dem Durchschnitt ist dieRindenschicht graurot, etwas trocken
und trübe. DieGefaßknäuel sind als große dunkelrote Punkto leicht wahrnehmbar.
Die Marksubstanz ist gestreift und stärker gerötet.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an
der Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den ßrustfellsäcken,
sind zusammengefallen und sehen rot aus. Das Lungengewebe fühlt sich weich,
elastisch an und knistert beim Hinüberstreichen mit den Fingerspitzen. Im Herz¬
beutel ein Eßlöffel voll einer rötlichen, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich
berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz ist schlaff
und enthält dunkelrotes flüssiges und geronnenes Blut in mäßiger Menge. Die
linken Herzhöhlen sind zusammengezogen und enthalten nur kleine speckhäutige
Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind
so weit, daß sich eine länglich zusammengelegte Hand bequem durch dieselben
hindurchführen läßt. Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind zart.
Die Herzmuskulatur sieht auf dem Durchschnitt graurot aus ist trocken und trübe,
ihre Konsistenz ist mürbe. An den Halsorganen bestehen keine Abweichungen.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,3 cm lang und stark erweitert; ihre
Wände sind starr, 2—4 mm dick und knirschen beim Durchschneiden. Die Innen¬
fläche des Gefäßes ist rauh und mit mehreren grauroten bröckligen Auflagerungen
versehen, die der Gefäßwand fest anhaften.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Abschnürung einer Leerdarm¬
schlinge durch einen Netzstrang. Blutige Durchtränkung und Nekrose der Darm-
w r and im abgeschnürten Teile. Katarrh des Leerdarmes und des Magens. Akute
allgemeine serös-fibrinöse Bauchfellentzündung. Akute multiple Milzschw r ellung.
Trübe Schwellung der Nieren, der Leber und des Herzmuskels. Leichte Trübung
der Körpermuskeln. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-
Grimmdarmarterie.
43. Dunkelfuchswallach, 12—15 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 26. 1. 1905.
Der Kadaver befindet sich im mittleren Nährzustande, ln der Unterhaut und
unter dem Bauchfell liegt etwas gelbweißes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitt
einen lappigen Bau zeigt. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durch¬
schnitt braunrot und mäßig feucht. An der rechten seitlichen Brustwand zeigt
sich ein doppelhandtellergroßer dunkelroter Fleck. Hier sind das Unterhautgewebe
und die darunter gelegenen Muskeln dick und blutig durchtränkt. Beim Ein¬
schneiden auf dieser Stelle w r ird ersichtlich, daß die 8., 9. und 10. Rippe etwa in
der Mitte quer gebrochen sind.
Der Bauch ist stark ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle lassen
sich etwa 15 Liter einer dunkelroten, trüben Ftüssigkeit nachweisen, die mit Blut¬
gerinnseln vermischt ist. Das Bauchfell ist zart und durchscheinend, seine Ober¬
fläche glatt und glänzend. Blind- und Grimmdarm liegen auf der rechten Seite
der Bauchhöhle. Der Leerdarm liegt mehr links, nimmt den größten Teil der
556
PILWAT,
Bauchhöhle ein und bedeckt große Abschnitte des Blind- und Grimmdarmes. Die
Mehrzahl der sichtbaren Leerdarmschlingen ist prall gefüllt und dunkelrot gefärbt;
ihre Oberfläche besitzt einen spiegelnden Glanz. Bei dem Herausschneiden des
Leerdarms zeigt sich, daß das Gekröse desselben ungefähr in der Mitte des Darmes
in größerer Ausdehnung zerrissen und blutig durchtränkt ist. Eine etwa kinder¬
faustgroße, langgestielte Fettgeschwulst des Mastdarragekiöses hat sich um mehrere,
von ihrem Gekröse abgerissene Leerdarmschlingen geschlungen und dieselben fest
umschnürt. Die freien Leerdarmschlingen und die hinter denselben gelegenen noch
am unverletzten Gekröse hängenden haben sich mehrfach um ihre Querachse ge¬
dreht und ineinander verschlungen, so daß die Abtrennung dieses Darmteils sehr
schwierig ist. Der Inhalt des Leerdarmes besteht in seinem vorderen Teile aus
einer graubraunen etwas schleimigen, im hinteren abgeschnürten und verschlun¬
genen Abschnitte aus einer großen Menge braunroter, trüber Flüssigkeit. Die Ab-
schnürungsstcllen sind durch zwei graue, blutleere Ringfurchen in der Darmwand
gekennzeichnet. Zwischen diesen Schnürfurchen ist die Darmwand dick, schwarz¬
rot, blutig durchtränkt. Die Schleimhaut dioses Teils ist graugelb, bis in die
tieferen Schichten hinein abgestorben und fetzig. Die vor und hinter diesem ab¬
geschnürten Darmstücke liegenden verschlungenen und gedrehten Leerdarm¬
abschnitte besitzen gleichfalls dicke, blutig durchtränkte Wände, jedoch ist die
Verdickung weniger erheblich als im abgeschnürten Teile. Die Schleimhaut ist
hier dunkelrot und bildet große, wulstartige Falten. Die Schleimhaut des Zwölf¬
fingerdarms ist grau, die des vorderen Leerdarmabteils streckenweise gerötet. Im
Blinddärme dünnbreiige, im Grimmdarme dickbreiige Massen in mittlerer Menge.
Die Schleimhaut dieser Darmteile sieht dunkelgraugrün aus. Der Mastdarm enthält
wenige Kotballen, seine Schleimhaut sieht weißlich-grau aus. Der Magen enthält
15 kg dickbreiige, saure Massen, seine Schleimhaut sieht in der Pförtnerhälfte
etwas trübe und gallertartig aus; sie ist im Bereiche der Fundusdrüsen graubraun,
gegen den Pförtner hin mehr grau gefärbt. Das Gewicht der Leber beträgt l l j 2 kg.
Die Leberränder sind etwas abgerundet. Das Lebergewebe ist auf dem Durch-
schnitto sehr blutarm und graubraun. Die Grenzen der Leberläppchen sind deutlich
erkennbar. Die Läppchen sind in der Mitte braun, am Rande in schmaler Zone
grau gefärbt. Konsistenz der Leber derb. Die Milz mißt 47 cm in der Länge,
21 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Oberfläche der
Milz ist glatt und graublau. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte
ist das Balkengewebe noch erkennbar. Pulpa braunrot, etwas reichlich und sehr
weich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die Nieren
sehen außen glatt, mattglänzend und rötlich-braun aus; sie besitzen ihre gewöhn¬
liche Form und Größe. Konsistenz derb. Auf dem Durchschnitte erscheint die
Rindenschicht graubraun und etwas trübe. Die Gefäßknäuel sind als rote Punkte
in der Rinde sichtbar. Marksubstanz rötlich-grau und streifig, an der Grenze der
Rinde dunkelrot.
Die Brustfellsäcke enthalten keinen fremden Inhalt. Das die rechte Rippen¬
wand überziehende Brustfell ist in der Gegend der 8.—10. Rippe dunkelrot und
mit Blutungen durchsetzt. Sonst ist das Brustfell zart. Die Lungen liegen frei in
den Brustfellsäcken, sind groß und sehen hellrot aus. Das Gewebe der Lungen ist
weich, knistert beim Hinüberstreichen und fühlt sich puffig an. Fingereindrücke
bleiben an der Oberfläche der Lungen bestehen. Im Herzbeutel 15 ccm einer gelb-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
557
roten, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläohe der sich berührenden Herzbeutelblätter
ist glatt und glänzend. Das Herz ist schlaff und enthält mäßig große, dunkelrote
und speckhäutige Gerinnsel, sowie etwas flüssiges Blut. Die linken Herzhöhlen
sind fast leer und zusammengezogen. Atrio-Ventrikularöffnungen normal weit.
Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur erscheint auf
dem Durchschnitte graubraunrot und etwas trübe; ihre Konsistenz ist brüchig.
Die Halsorgane zeigen außer auffallender Blässe keine Abweichungen.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5 cm lang und zylindrisch erweitert.
Die Wand des Gefäßes ist dick, an der Innenfläche rauh und mit mehreren linsen-
bis erbsengroßen, rötlich-grauen, bröckligen Gerinnseln versehen, die der Wand
fest anhaften. Unter diesen Auflagerungen ist die Innenhaut fetzig.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Abschnürung mehrerer Leer¬
darmschlingen durch eine gestielte Fettgeschwulst des Mastdarragekröses. Drehung
und Verschlingung zahlreicher Leerdarmschlingen. Blutige Durchtränkung des
abgeschnürten und verschlungenen Leerdarmteils. Diphtherie der Leerdarmschleim¬
haut im abgeschnürten Teile. Saure Erweichung der Magenschleimhaut. Gering¬
gradige Schwellung der Milz. Leichte Trübung der Leber und der Niere. Schwere
trübe Schwellung des Herzmuskels. Emphysem der Lungen. Erweiterung und
wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. Bruch der rechten 8.,
9. und 10. Rippe.
44. Rotschimmelstute, 15—18 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 7. 12. 1905.
Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut, in der Umgebung der
Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas gelbrotes, schleimiges Fettgewebe.
Die Körpermuskeln sind totenstarr und sehen dunkelbraunrot aus; auf dem Durch¬
schnitte sind sie etwas feucht.
Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle mehrere Liter
einer grauroten trüben Flüssigkeit. Die Blätter des Bauchfelles sind diffus und
durch gefällte Gefäßnetze gerötet, an der Oberfläche etwas rauh und stellenweise
mit graugelben netzartigen Belägen versehen, die sich abheben lassen. Der Blind¬
darm und die rechten Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten, die linken
Grimmdarmlagen, der Leer- und Mastdarm auf der linken Seite der Bauchhöhle.
Der Leerdarm sieht außen grau aus, ist in seinem vorderen Abschnitte mäßig zu¬
sammengezogen und enthält gelbbraune trübe schleimige Flüssigkeit, die gegen
den Hüftdarm hin erheblich an Menge zunimmt und mit festen Teilchen vermischt
ist. Die Schleimhaut des hinteren Leerdarmabschnittes und des Hüftdarmes ist
stark diffus gerötet und mit Blutungen durchsetzt. Die Blutungen liegen besonders
auf der Höhe der Zotten und Schleimhautfalten. Blind- und Grimmdarm sind
durch Gas stark ausgedehnt. Der Blinddarm enthält außerdem viel breiigen, der
Grimmdarm mehr festweichen Inhalt. Die magenähnliche Erweiterung des Grimm¬
darmes ist mit festem trockenen Inhalte stark angefüllt. In der Gegend des Ge-
krösansatzes findet sich in der Schleimhaut und Muskelhaut der magenähnlichen
Erweiterung ein 15 cm langer Riß, dessen Ränder dick, blutig durchtränkt und
mit Blutgerinnseln bedeckt sind. Das Gewebe der Unterschleimhaut und das des
Grimmdarmgekröses ist in weiterer Umgebung von der Rißstelle dick, schmutzig¬
graurot und trübe. Die Maschen dieses Gewebes enthalten Teilchen aus dem Darm-
558
P1LWAT,
inhalte, eine graubraune trübe Flüssigkeit und Gasblasen. Die Schleimhaut des
Grimmdarmes ist besonders in der magenähnlichen Erweiterung diffus gerötet.
Blinddarmsohleimhaut bräunlich-graugrün gefärbt. Der Hastdarm ist lang und
weit, sieht außen graurot bis dunkelrot aus und enthält festen trockenen Inhalt in
großer Menge. 30 cm vor der Afteröffnung hat sich das linke breite Mutterband
um den Mastdarm gelegt und ihn an dieser Stelle fest eingeschnürt. Die Wand des
Mastdarmes zeigt hier einen 2—3cm breiten blutleeren Ring. Vor der Abschnürungs¬
stelle findet sich im Mastdarme das stumpfkegelförmige Ende eines festen trockenen
Kotpfropfes, der sich durch den ganzen Mastdarm bis in die magenähnliche Erwei¬
terung des Grimmdarmes hinein fortsetzt. Die Schleimhaut des Mastdarmes ist im
Bereiche der Anschoppung diffus gerötet und mit Blutungen durchsetzt. Der Magen
enthält 10 Liter dünnbreiige saure Massen und Gase. Die Schleimhaut der Pförtner¬
hälfte ist besonders in der Gegend der Fundusdrüsen graurot, trübe und gekörnt.
Gegen den Pförtner hin wird die Schleimhautoberfläche mehr glatt. Das Gewicht
der Leber beträgt A l j 2 kg. Die Leberränder sind scharf. Außen sieht die Leber
braunrot aus und besitzt eine derbe Beschaffenheit. Das Lebergewebe ist auf dem
Durchschnitte mäßig blutreich und rotbraun. Die Grenzen der Leberläppchen sind
erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind etwa grieskorngroß und rotbraun gefärbt.
Die Milz mißt 57 cm in der Länge, 28 cm in der größten Breite und 4 cm in der
Dicke. Oberfläche der Milz glatt und blaugrau. Die Milzränder sind abgerundet.
Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengew’ebe in der
Milz nicht sichtbar. Pulpa dunkelrot, reichlich und zerfließlich. Die Nierenkapseln
lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die Nieren sind etwas größer wie
gewöhnlich, sehen außen graubraun, glatt und mattglänzend aus. Konsistenz etwas
brüchig. Auf dem Durchschnitte liegen in der graubraunen trüben Rindenschicht
zahlreiche grauweiße radiär verlaufende Streifen. Marksubstanz gestreift und stellen¬
weise gerötet. Beim Streichen mit dem Messerrücken von der Rinde gegen die
Papilla hin entleert sich aus den großen Sammelröhren eine grauweiße rahmartige
Masse.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an
der Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken,
sind zusammengefallen, hellrot und lufthaltig. Im Herzbeutel zwei Eßlöffel voll
einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herz¬
beutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz ist schlaff, enthält wenig
flüssiges und geronnenes dunkelrotes Blut. Die linken Herzhöhlen sind zusammen¬
gezogen und enthalten ganz kleine speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor-
und Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Die Herz¬
klappen und die Herzinnenhaut, hauptsächlich der linken Herzhälfte, sind dick,
grauweiß und undurchsichtig. Am stärksten ist die Verdickung der Herzklappen
in den marginalen Teilen derselben. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durch¬
schnitte graubraun, trocken und trübe. Konsistenz brüchig. Die Halsorgane sind
frei von pathologischen Veränderungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist lang
und zylindrisch erweitert; an der Abgangsstelle der Blinddarmarterien zeigt sie
eine haselnußgroße sackförmige Ausbuchtung. Die Wand der Arterie ist ungleich¬
mäßig verdickt. Die Gefäßinnenhaut trägt auf ihrer Oberfläche, besonders an der
ausgebuchteten Stelle der Arterie, große graue trockene Gerinnselraassen, die der
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 559
Gefäßwand fest anhaften. Die übrigen Gefäße des Darmes sind wegsam und frei
von Pfropfen.
Pathologisch - anatomische Diagnose: Abschnürung des Mastdarmes
durch das linke breite Mutterbard. Verstopfung und blutige Entzündung des Mast¬
darmes. Starke Ansammlung fester Inhaltsmassen in der magenähnlichen Erwei¬
terung des Grimmdarmes und Zerreißung derselben. Phlegmonöse Entzündung im
Gewebe der Unterschleimhaut und in dem des Grimmdarmgekröses. Allgemeine
akute Bauchfellentzündung. Entzündung der Leerdarmschleimhaut. Allgemeine
akute Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Trübe Schwellung der
Herzmuskulatur. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des
Herzens. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarm-
arterie.
V. Embolische Prozesse am Darme.
Die am Darme des Pferdes auftretenden embolischen Prozesse
haben ihre Ursache in der vorderen Gekrösarterie. Die Arteria mesen-
terica cranialis entspringt dicht hinter der Bauchschlagader aus der
hinteren Aorta und bildet einen ganz kurzen, etwa 1 cm langen
Stamm, der sich fast unmittelbar nach seinem Ursprünge teilt. Zu¬
nächst gehen aus diesem Gefäße 19—21 Arterienäste für den Dünn¬
darm und eine kurze Arterie hervor, die sich in die Arteria colica
media und die Arteria colica dorsalis teilt. Der nach der Abgabe
dieser Arterien fortlaufende Stamm der Arteria mesenterica cranialis
heißt Arterica ilio-coeco-colica und besitzt etwa die Länge von 2 bis
3 cm. Dieser fortlaufende Stamm, die Arteria ilio-coeco-colica, löst
sich in 4 Gefäße auf, von denen das größte als Arteria colica ven-
tralis an die unteren Grimmdarmlagen, zwei fast gleichgroße Gefäße
als laterale und mediale Arteriae coecales an den Blinddarm und der
kleinste Ast als Arteria iliaca an den Hüftdarm treten. Die Aeste
der Dünndarraarterien anastomosieren unter einander und mit der
Hüftdarmarterie. Die obere und untere Grimmdarmarterie anastomo¬
sieren durch einen in der Beckenflexur des Grimmdarms gelegenen
großen Gefäßbogen. Ob die Zweige der beiden ßlinddarmarterien
Anastoraosen eingehen, scheint nicht mit Sicherheit festzustehen.
Martin gibt zwar an, daß beide Blinddarmarterien sich vielfach mit¬
einander verbinden, andere Anatomen aber sind der Meinung, daß die
Anwesenheit dieser Verbindungen nicht mit Sicherheit dargetan sei.
Von den Verzweigungen der vorderen Gekrösarterie erkrankt am
häufigsten der kurze Stamm der Arteria ilio-coeco-colica. In den
Wänden dieser Arterie wohnt die Larve des Strongylus bidentatus.
Auf welchem Wege die Larve in die Arterienwand hineinkomrat, ist
560
PILWAT,
nicht mit Sicherheit bekannt. Die Art der Gefäßerkrankung spricht
jedoch dafür, daß sie mit dem ßlutstrome durch die Vasa vasorum
in die Media der Arterie gebracht wird und hier ihren Entwicklungs¬
gang fortsetzt. Die ausgewachsene Larve verläßt dann die Arterie
und gelangt mit Hilfe des Blutstromes durch die Zweige der Arteria
ilio-coeco-colica in den Grimm- und Blinddarm und wandelt sich hier
in das geschlechtsreife Tier um. Die geschlechtsreifen Tiere begatten
sich, und das Weibchen legt Eier, die mit dem Kote nach außen ge¬
langen. Die aus den Eiern ausgekrochenen Larven müssen vom
Pferde wiederum aufgenommen werden, um in die Wände der Arteria
ilio-coeco-colica eindringen zu können. Die Larven reizen die Media
und erzeugen eine chronische Entzündung derselben, die durch Neu¬
bildung von Bindegewebe ausgezeichnet ist. Unter der Neubildung
dieses Gewebes gehen die in der Media liegenden muskulösen Teile
zu Grunde und dadurch verliert die Gefäßwand ihre Widerstands¬
fähigkeit, so daß sie sich ausdehnt. Von dieser Ausdehnung kann
das ganze Gefäß oder können nur einzelne Teile desselben befallen
sein. Die Intima kann, da sie wenig elastisch ist, dieser Ausdehnung
nicht folgen und reißt. Gewöhnlich treten die Risse an mehreren
Stellen auf und liegen in der Längsrichtung des Gefäßes. Von den
Rissen der Intima geht die Entwickelung des Thrombus aus, und nicht
selten lassen sich im Thrombus Wurmlarven nachweisen.
Sind die Wurmlarven aus der Arteria ilio-coeco-colica ausge-
gewandert, so tritt am Thrombus häufig Organisation ein. Auch heilen
die Risse der Intima unter Zurücklassung von feinen linienförmigen
Narben. Wandern später neue Wurmlarven in die Gefäßwand ein,
so entsteht eine neue Entzündung in der Media und damit eine Ver¬
größerung des Aneurysmas. Das Aneurysma und die Thrombose der
vorderen Gekrösarterie sind, wie bereits Bollinger angegeben hat,
sehr häufig; 94 pCt. aller Pferde sind mit dieser Gefäßerkrankung
behaftet.
Im Pathologischen Institut wurde das Aneurysma der vorderen
Gekrösarterie fast bei allen sezierten Pferden gefunden, so daß die
angegebene Zahl über die Häufigkeit des Vorkommens noch zu niedrig
erscheint. Bollinger behauptet ferner, daß 50 pCt. aller tödlich
endenden Kolikfälle bei Pferden auf Embolie der Darmarterien zurück¬
zuführen seien. Würde diese Behauptung zutreffen, so wäre das
Wurraaneurysma und die Thrombose der vorderen Gekrösarterie als
die Todesursache der Hälfte der an der Kolik verendeten Pferde an-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
561
Zusehen. Bollinger hat jedoch den Beweis für die Richtigkeit dieser
Behauptung nicht erbracht, dagegen mit Sicherheit dargetan, daß es
eine thrombotisch-embolische Kolik bei Pferden gibt.
Die Embolien der Darmarterien kommen dadurch zustande, daß
Teile des Thrombus vom Blutstrom abgerissen und in die Arterien
transportiert werden, und da in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
die Arteria ilio-coeco-colica Sitz des Aneurysmas und der Thrombose
ist, so sind auch die Embolien in der unteren Grimmdarm- und in
den beiden ßlinddarmarterien am häufigsten anzutreffen. Der vierte
Zweig der Arteria ilio-coeco-colica, die Hüftdarraarterie, ist sehr eng
und daher für die Aufnahme von Emboli wenig geeignet. Manchmal
erstreckt sich das Aneurysma und die Thrombose der vorderen Gekrös-
arterie bis in die hintere Aorta hinein, ln diesen Fällen können auch
in den Dünndarmarterien und in der oberen Grimmdarmarterie Em¬
bolien zustande kommen. Im Pathologischen Institut wurden in der
oben angegebenen Zeit unter den 428 Pferden, die an der Kolik ge¬
storben waren, 21 Fälle (4,91 pCt.) von Embolie des Darms fcstgestellt.
Rechnet man vier andere Fälle hinzu, in denen Stenose des Leerdarms
durch parasitäre Knoten in der Wand desselben zustande gekommen
waren, so ergibt sich, daß nur 25 Pferde = 5,84 pCt. an den Folgen
des Parasitismus der Strongyluslarven in der vorderen Gekrösarterie
zugrunde gegangen waren.
Man kann deshalb sagen, daß die Embolien der Darmarterien
bei Pferden verhältnismäßig selten sind, daß sie jedenfalls zu der
Häufigkeit des Aneurysmas und der Thrombose der vorderen Gekrös¬
arterie in keinem Verhältnis stehen. Gelangt ein kleines Stückchen des
Thrombus in eine Darmarterie hinein, so ruft es keine Störungen her¬
vor, weil die Darmarterien genügend untereinander in Verbindung
stehen. Ist dagegen der Embolus sehr lang, oder werden in eine
Arterie mehrere Stückchen des Thrombus hineingeschleudert, die
etagenartig übereinander sitzen, so treten schwere Zirkulationsstörungen
am Darme auf. Der gleiche Erfolg kann beobachtet werden, wenn
gleichzeitig die Kollateralgefäße, z. B. die obere und untere Grimm-
darra- oder die laterale und mediale Blinddarmarterie durch je einen
Embolus verlegt werden.
In diesen Fällen stellt sich an den betreffenden Darm teilen eine
mit ausgedehnter Blutung verbundene Gewebsnekrose ein. Zuweilen
sind Uebergänge zwischen anämischen Infarkten (reine Gewebsnekrosen)
und hämorrhagischen Infarkten (mit Blutungen verbundene Gewebs-
Archiv f. wissenseb. u. prakt. Tierheilk. Bd.36. Suppl.-Band. 36
562
PILWAT,
nekrosen) nachzuweisen. Das Zustandekommen von Blutungen bei
den in Rede stehenden Embolien des Darms erklärt sich durch die
Beschaffenheit der Kapillargefäße, die besonders dünn und durch¬
gängig sind, so daß ein Austritt von roten Blutkörperchen aus ihnen
leicht erfolgen kann. Das ist auch der Grund, daß meist schon eine
kurze Zeit bestehende Embolie ausreicht, um eine nicht mehr aus¬
gleichbare Schädigung in den Darmwänden hervorzurufen. Dazu
kommt die leichte Zersetzbarkeit des Darminhaltes, die offenbar die
Durchlässigkeit der Kapillaren erhöht. Denn wenn die angegebene
Embolie besteht, so ist der Darm gelähmt und werden die Inhalts¬
massen nicht weiter fortbewegt. Damit beginnt aber die Zersetzung
derselben.
Ist die ganze Darrawand nekrotisch geworden, so können Zer¬
reißung des Darms und Austritt von Darminhalt in die Bauchhöhle
erfolgen, ln solchen Fällen tritt durch die Sepsis peritonealis sehr
rasch der Tod ein. Die Ruptur tritt fast immer an der Grenze
zwischen dem abgestorbenen und dem noch lebenden Teile der Darm¬
wand ein.
Die embolischen Prozesse können auch heilen. Ist nur ein Teil
der Darmwand, z. B. die Darmschleimhaut, nekrotisch geworden, so
kann durch Abstoßung und Narbenbildung Heilung eintreten. Die
verstopfte Arterie obliteriert gleichzeitig. Narben und partiell ob-
litcrierte Arterien am Darme werden zuweilen gefunden, die nur auf
abgelaufene embolische Prozesse bezogen werden können.
Im Nachstehenden folgen einige Obduktionsbefunde, die zur Er¬
läuterung der embolischen Prozesse am Darme dienen mögen.
45. Fuchswallach, 8—9 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 30. 10. 1903.
Der Kadaver befindet sich in ziemlich gutem Nährzustande. In der Unterhaut
und unter dem Bauchfelle liegt viel graugelb gefärbtes traubiges Fettgewebe. An
den seitlichen und unteren Teilen der Brust und dos Bauches ist die Unterhaut
mit einer gelblichen leicht getrübten Flüssigkeit durchtränkt und besitzt ein gallert¬
ähnliches Aussehen. Die Körpormuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitte
gelblich-braunrot und trübe; ihre Konsistenz ist brüchig.
Der Bauch ist stark aufgetrieben. Die Bauchhöhle enthält außerGas 15Liter
einer grauroten, trüben, mit Gasblasen und gelben, weichen Flocken vermischten
Flüssigkeit. Auf derOberfläche desDarmes liegen graugelbe schmierige Gerinnsel-
massen. Der seröse Ueberzug der Bauch wand und des Darmes ist diffus und durch
gefüllte, fein verästelte Gefäßnetze gerötet. Die Oberfläche des Bauchfells ist rauh.
Der Darm ist regelmäßig gelagert. Im hinteren Abschnitte des Leerdarmes findet
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
563
sich eine 80 cm lange, sehr «reite Leerdarmschlinge. Dieselbe zeigt außen scharf-
umschriebene schwarzrote und graugelbe Stellen, welche den Darm teilweise ring¬
förmig umgeben. Die schwarzroten Herde besitzen an ihrer Oberfläche einen
feuchten Glanz; die graugelben sind trübe und trocken. Im Bereiche der letz¬
teren ist die Darmwand abgestorben und brüchig. An den rot gefärbten Stellen
ist die Darmwand dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. In der
beschriebenen Darmschlinge findet sich viel braunrote Flüssigkeit. Die übrigen
Abschnitte des Leerdarmes enthalten etwas graue, trübe Flüssigkeit. Die Leer¬
darmschleimhaut ist grau und trübe, streckenweise diffus gerötet und mit Blutungen
durchsetzt. Im Blind- und Grimmdarm breiiger bis festweicher Inhalt in mäßiger
Menge. Die Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes ist dunkelgrau. Im Mast¬
darm wenig geformter Inhalt. Mastdarmschleimhaut weißlich - grau. Der Magen
ist fast leer; seine Drüsenschleimhaut erscheint in der Gegend der Fundusdrüsen
graurot, trübe, dick und an der Oberfläche grob gekörnt. Gegen den Pförtner hin
wird diese Schleimhaut mehr grau, ihre Oberfläche glatter. Das Gewicht der Leber
beträgt 7,5 kg. Leberränder abgerundet. Oberfläche der Leber glatt. Farbe der
Leber außen rötlich-graubraun. Konsistenz der Leber brüchig. Auf dem Durch¬
schnitte sind die Grenzen der Leberläppchen noch erkennbar. Die einzelnen
Läppchen sind bis reiskorngroß, in der Mitte rot, am Rande in breiter Zone grau.
Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte etwas fettig. Die Milz mißt 56 cm in
der Länge, 23 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Milz¬
ränder abgerundet. Oberfläche der Milz glatt und graurot. In der Milzkapsel
liegen zahlreiche strichförmig injizierte Gefäßnetze. Konsistenz der Milz weich.
Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in der Milz schwer erkennbar. Pulpa
dunkelrot, reichlich und zerfließlich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von
den Nieren abtrennen. An der Oberfläche der rechten Niere liegt ein Herd, an der
Oberfläche der linken Niere liegen drei zehnpfennig- bis markstückgroße, zum Teil
ineinanderfließende, aber gegen die Nachbarschaft scharf abgegrenzte Herde, die
graugelb gefärbt, trübe und von einem 2 mm breiten dunkclroten Saum umgeben
sind. Auf dem Durchschnitte zeigen diese Herde eine keilförmige Gestalt, graue
Farbe und homogene Beschaffenheit; sie reichen mit der Spitze bis in die Mark¬
schicht hinein. Die Rindenschicht ist sonst graurot, trübe und trocken; ihre Kon¬
sistenz brüchig. Marksubstanz gerötet und gestreift.
Die Brustfellsäcke enthalten 5 Liter einer gelbroten, trüben Flüssigkeit. Das
Brustfell, besonders des rechten Pleurasackes, ist in seinen unteren Teilen diffus
und ramiform gerötet, an der Oberfläche rauh. Die Lungen liegen frei in den
Brustfellsäcken. Die rechte Lunge ist größer und schwerer als die linke und sieht
dunkelrot aus. Der mittlere untere Teil der rechten Lunge fühlt sich derb an
und ist luftleer. Auf dem Durchschnitte erscheint das Gewebe der rechten Lunge
dunkelrot und feucht, ihre Schnittfläche glatt. Die linke Lunge ist klein, mehr
blaßrot und in allen Teilen lufthaltig. Der Herzbeutel enthält 60ccm einer gelben,
klaren Flüssigkeit. Die Oberfläohe der sich berührenden llerzbeutelblätter ist glatt
und glänzend. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenem, dunkel¬
rotem Blute prall gefüllt. In der linken Vor- und Herzkammer finden sich kleine
dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Die Herzklappen und die Innenhaut des
Herzens sind zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte trocken, trübe
564
PILWAT,
und graurot mit einem Stich ins Gelbe. Konsistenz des Herzmuskels brüchig. Die
Halsorgane sind frei von Veränderungen.
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 om lang und stark zylindrisch er¬
weitert. Die Wand des Gefäßes ist diok. Die Gefäßinnenhaut trägt auf ihrer
Oberfläche große graue Gerinnselmassen, die sehr bröcklig sind und sich bis in
die Aorta hinein fortsetzen. Vier Leerdarmarterien, die zu dem veränderten Leer¬
darmabschnitte führen, sind durch lange graue Pfropfe verlegt. Die übrigen Ge¬
fäße des Darmes sind wegsam.
Pathologisoh-anatomische Diagnose: Embolische Nekrose des Leer¬
darmes. Akute allgemeine Bauchfellentzündung. Trübe Schwellung der Körper¬
muskeln, des Herzens uud der Nieren. Embolische Nekrose der Nieren. Akute
Schwellung der Milz. Akute Entzündung der Drüsenschleimhaut des Mageps.
Akute blutige Entzündung der rechten Lunge und des Brustfells. Erweiterung
und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
46. Schimmelwallach, ca. 12 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 15. 2. 1906.
Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterbaut, in der Umgebung der
Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas rötlich-gelbes, schleimiges Fett¬
gewebe, dessen Schnittfläche glatt ist. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf
dem Durchschnitte tief braunrot und feucht. Gefäße der Unterhaut fast leer.
Der Bauch ist etwas ausgedehnt. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬
weichen aus derselben übelriechende Gase. Im freien Raum der Bauchhöhle finden
sich außerdem 20 Liter einer schmutzig-gelbraunen, trüben Flüssigkeit, die mit
graugelben, weichen Gerinnseln und mit Dickdarminhalt vermischt ist. Die Blätter
des Bauchfells sind in ihrer gesamten Ausdehnung diffus und durch gefüllte, fein
verzweigte Gefäßnetze gerötet, trübe und an der Oberfläche rauh. Stellenweise
liegen an der Oberfläche des Darmes graugelbe, schmierige, nicht zusammen¬
hängende Gerinnselmassen, die sich leicht abheben lassen. Der Körper und die
Spitze des Blinddarms sind an einer Stelle mit der unteren Bauchwand verklebt.
Der Blinddarm und die rechten Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten,
die linken Lagen des Grimmdarmes auf der linken Seite der Bauchhöhle. Der
Leerdarm liegt in der linken Unterrippen-, Flanken- und Lendengegend, seine
Schlingen sind zum Teil miteinander, zum Theil mit den linken Lagen des Grimm¬
darms und mit den Bauchwänden verklebt. Der Leerdarm enthält etwas grau¬
braune, mit wenig festen Bestandteilen vermischte Flüssigkeit. Die Schleimhaut
des Leer- und Hüftdarms ist streckenweise stark gerötet und mit schwarzroten
Flecken durchsetzt, sonst grau, dick und trübe. Der Blinddarm ist zusammen¬
gezogen und sieht außen schmutzig-graubraun aus; er enthält wenig breiigen In¬
halt. In der Gegend der Spitze und des Körpers des Blinddarms ist die Blind¬
darmwand dick, stellenweise dunkelrot und auf dem Durchschnitte feucht, stellen¬
weise graugelb und trocken. Die Schleimhant dieser Blinddarmteile bildet große
Wülste, die auf ihrer Höhe, grau und fetzig sind. In der Nähe der Blinddarmspitze
findet sich in der Darmwand ein 20 cm langer und 12 cm breiter, gegen die
Nachbarschaft scharf abgegrenzter Fleck. Am Rande dieser Stelle liegt in der
Darmwand ein 15 cm langer Riß, durch den Darminhalt hindurchtritt. 40 cm von
der Blinddarmspitze entfernt findet sich in der mittleren und 45 cm von der Blind-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 565
darmspitze entfernt in der seitlichen Blinddarmarterie je ein 2—3 cm langer gelb¬
lichgrauer, trockener, bröckliger Pfropf, der sich leicht aus dem Gefäße heraus-
heben läßt. Die den Pfropfen anliegende Gefaßinnenhaut erscheint an ihrer Ober¬
fläche glatt. In Verbindung mit den Pfropfen und gleichsam als ihre Fortsetzung
erscheint in beiden Blinddarmarterien ein dunkelrotes, feuchtes Blutgerinnsel, das
bis zur Spitze des Blinddarms reicht. Im Grimmdarm wenig dickbreiiger, im Mast¬
darm etwas geformter Inhalt. Die Schleimhaut des Grimmdarms ist bräunlichgrau,
die des Mastdarms weißlichgrau. Der Magen enthält etwa 2 Liter einer grau¬
braunen, trüben, mit wenig festen Bestandteilen vermischten Flüssigkeit. Die
Schleimhaut der Fundusdrüsengegend ist graurot, trübe und an der Oberfläche
grob gekörnt. Gegen den Pförtner hin wird die Schleimhaut grau, ihre Oberfläche
mehr glatt. Das Gewicht der Leber beträgt 4 kg. Die Leberränder sind scharf.
Farbe der Leber außen bläulichgrün. Konsistenz derb. Das Lebergewebe ist auf
dem Durchschnitte mäßig blutreich, dunkelbraun und etwas trübe. Zeichnung der
Leberläppchen erkennhar. Die einzelnen Läppchen sind etwa grieskorngroß und
rotbraun. Zwischen den Läppchen liegt stellenweise ein weißlichgraues, derbes
Gewebe. Die Milz mißt 48 cm in der Länge, 26 cm in der größten Breite und
4 cm in der mittleren Dicke. Die Oberfläche der Milz ist mit großen graublauen
Hügeln besetzt. Konsistenz der Milz schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das Balken¬
gewebe in den Erhebungen der Milz nicht sichtbar. Die Pulpa ist hier schwarz¬
rot, reichlich und zerfließlich. In den übrigen Abschnitten der Milz ist das Balken¬
gewebe noch erkennbar. Pulpa rotbraun und weich. Die Nierenkapseln lassen
sich leicht von den Nieren abtrennen. Die Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form
und Größe. An der Oberfläche der Nieren finden sich mehrere zehnpfennigstück-
bis markstückgroße, gelblichgraue, scharf abgegrenzte Flecke. Auf dem Durch¬
schnitte der Nieren bildet jeder Fleck die Grundfläche eines gelbgrauen Kegels,
dessen Spitze gegen die Papille gerichtet ist. Das Gewebe dieser gelbgrauen
Herde ist trocken, trübe und brüchig. Die Rindenschicht ist sonst graurot und
von zahlreichen radiär verlaufenden grauen Streifen durchzogen. Marksubstanz
dunkelgraurot und gestreift.
Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist grau und sohwach durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den
Brustfellsäcken, sind zusammengefallen und sehen blaßrot aus. Das Lungen¬
gewebe ist weich, elastisch und knistert schwach beim Durchschneiden. Im Herz¬
beutel ein Eßlöffel voll einer gelbroten, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der
sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz ent¬
hält etwas geronnenes und flüssiges dunkelrotes Blut. Die linken Herzhöhlen sind
leer und zusammengezogen. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Die
Herzmuskulatur sieht auf dem Durchschnitte graubraun aus, ist etwas trocken und
trübe. Konsistenz brüchig. DieHalsorgane erweisen sich aisfrei von Abweichungen.
Der Stamm der vorderen Gekrösarterie, die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie und der
gemeinschaftliche Stamm der oberen Grimmdarm- und vorderen Mastdarmarterie
sind lang, weit und stark ausgebuchtet. Die Wände dieser Gefäße sind ungleich¬
mäßig verdickt und an der Innenfläche rauh. Auf der Oberfläche der Gefäßinnen-
haut liegen große, rötlichgraue, trockene Gerinnselmassen, die den Gefäßwänden
fest anhaften.
566
PILWAT,
Pathologisch-anatomische Diagnose: Embolischo Nekrose des Blind¬
darms. Zerreißung der Blinddarmwand. Allgemeine akute, eitrig-jauchige Bauch¬
fellentzündung. Entzündung des Leer- und Hüftdarms. Akute Entzündung des
Drüsenschleimhaut des Magens. Akute multiple Milzschwellung. Multiple embo-
lische Nekrose der Nieren und katarrhalische Nierenentzündung. Trübe Schwellung
des Herzmuskels. Erweiterung und wandständigo Thrombose im Gebiete der vor¬
deren Gekrösarterie.
47. Schwarzbraune Stute, etwa 12 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 8. September 1905.
Der Kadaver ist schlecht genährt, ln der Unterbaut, in der Umgebung der
Gelenke und unter dem Bauchfell liegt wenig gelbrotes, schleimiges Fettgewebe.
Die Körpermuskeln sind schlecht entwickelt und totenstarr, auf dem Durchschnitte
dunkelbraurot, trübe und etwas feucht. Gefäße der Unterbaut fast leer.
Der Bauch ist mäßig ausgedehnt. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬
weichen aus derselben Gase. In der Bauchhöhle außerdem etwa 10 Liter einer
grauen trüben Flüssigkeit die mit grauen Gerinnseln und Darminhalt vermischt ist.
Das wandständige und das den Darm überziehende Blatt des Bauchfells ist in
großer Ausbreitung diffus und durch gefüllte fein verästelte Gefäßnetze gerötet und
trübe. Die Oberfläche des Bauchfells ist rauh und stellenweise mit grauen, weichen,
nicht zusammenhängenden Gerinnseln bedeckt, die sich abheben lassen. Der Darm
ist regelmäßig gelagert. Der Leerdarm ist mäßig zusammengezogen und enthält
etwas bräunlich-graugelbe schleimige Flüssigkeit, die gegen den Hüftdarm hin an
Menge zunimmt und mit festen Bestandteilen vermischt ist. Die Schleimhaut des
Leer- und Hüftdarms ist streckenweise diffus gerötet, sonst grau und trübe. Der
Blinddarm enthält Gase und viel breiige Massen. Die unteren Lagen des Grimm¬
darmes und die Beckenkrümmung desselben sind mit mehr dickbreiigen bis fest¬
weichen Massen gefüllt. In den oberen Grimmdarmlagen etwas trockener, im Mast¬
darme geformter Inhalt. Die Beckenkrümmung des Grimmdarmes sieht außen
schwarzrot aus. Auf der Höho der Krümmung zeigt sich eine handtellergroße scharf
begrenzte gelbgraue Stelle, deren Gewebe trocken und brüchig ist. Die Darmwand
ist am Rande dieser Stelle zerrissen. Der Riß ist 12cm lang und 3cm breit. DieWand
der Beckenkrümmung und der angrenzenden Teile der linken Grimmdarmlagen ist
dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. In der Schleimhaut dieses
Darmabschnittes finden sich mehrere gelbgraue trockene Herde, an denen die
Schleimhaut fetzig erscheint. Sonst ist die Schleimhaut des Blind- und Grimm¬
darmes graubraun und trübe. In der oberen und unteren Grimmdarmarterie findet
sich 15—20 cm vor der Beckenkrümmung des Grimmdarmes je ein 3—4 cm langer
weißlich-grauer walzenförmiger Pfropf, der ans einer trockenen, brüchigen Masse
besteht und den Gefäßwänden lose anliegt. Die Gefäßinnenhaut ist in der Gegend
der Pfropfe unversehrt, ihre Oberfläche glatt. Der die obere und untere Grimm¬
darmarterie verbindende Gefäßbogen ist mit einem dunkelroten zusammenhängenden
feuchten Gerinnsel ausgefüllt, welches sich mit den beschriebenen Pfropfen ver¬
bindet. Der Magen enthält etwa 10 Liter breiige saure Massen. Die Schleimhaut
der Pförtnerhälfte ist gerötet und größtenteils mit einem weißlich-grauen, zähen,
schwer abspülbaren Belage versehen. Die Milz mißt 47 cm in der Länge, 22 cm
in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Milzkapsel zeigt stellen-
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
567
weise injizierte Gefäßnetze. Die Oberfläche der Milz ist höckerig. Konsistenz der
Milz schlaff. Die Erhabenheiten haben eine bläuiiohe Farbe und lassen auf dem
Durchschnitte das Balkengewebe nicht erkennen. Pulpa hier dunkelrot, reichlich
und zerfließlich. In den übrigen Teilen der Milz ist das Balkengewebe noch sicht¬
bar, Pulpa braunrot. Das Gewicht der Leber beträgt i l / 2 kg. Der rechte Leber¬
lappen ist vollkommen geschwunden und stellt einen grauen hautartigen Anhang
dafr. Die Ränder der übrigen Leberlappen sind abgerundet. Konsistenz des Leber¬
gewebes brüchig. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebe bräunlich¬
graugelb, lehmfarben, trübe und trocken. Die Grenzen der Leberläppchen sind
schwer erkennbar. Die Nierenkapscln lassen sich leicht abtrennen. Die Nieren
sind etwas größer wie gewöhnlich und besitzen sonst ihre regelmäßige Form. Kon¬
sistenz etwas brüchig. Die Oberfläche der Nieren ist glatt, mattglänzend und grau¬
rot. Die Rindenschicht erscheint auf dem Durchschuitte grau und trübe. Die Ge-
faßknäuel sind stellenweise als große rote Punkte sichtbar. Marksubstanz gestreift
und dunkelrot.
Die Brustfellsäcke enthalten etwa 2 Liter einer grauroten wässerigen Flüssig¬
keit. Das Rippen- und Lungenfell des linken Brustfellsackes ist in den oberen
Teilen durch gelbgraue zusammenhängende Massen verklebt. In der Umgebung der
Verklebungsstelle sind die Brustfellblätter stark diffus und durch gefüllte Gefä߬
netze gerötet. Die linke 7. Rippe ist in der Nähe der Wirbelsäure quer gebrochen.
Das freie Ende dieser Rippe ist in den linken Brustfellsack eingedrungen und hat
in dem Gewebe der linken Lunge einen 5 cm langen Riß erzeugt. Das Gewebe der
linken Lunge sieht im oberen in der Umgebung der Verletzung gelegenen Teile
dunkelrot aus, ist schwer und fühlt sich derb an. Die Durchschnittsfläche dieses
Lungenteiles ist dunkelrot bis schwarzrot und glatt, ln den übrigen Abschnitten
ist das Gew r ebe beider Lungen weich, elastisch und knistert beim Hinüberstreiohen
mit den Fingerspitzen. Im Herzbeutel etwa 100 ccm einer gelblichen wässerigen
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und
glänzend. Das in den Herzfurchen gelegene Fettgewebe sieht gelbrot aus und be¬
sitzt eine schleimiggallertige Beschaffenheit. In den rechten Herzhöhlen etwas
flüssiges und geronnenes dunkelrotes Blut. Die linken Herzhöhlen sind fast leer.
AtrioventrikularöfTnungen von gewöhnlicher Weite. Die Herzklappen sind haupt¬
sächlich in ihren Randteilen, die Innenhaut besonders in der linken Herzhälfte
dick, grauweiß und undurchsichtig. Die Herzmuskulatur erscheint auf den^Durch-
schnitte graurot, trocken und trübe. Konsistenz brüchig. An den Halsorganen
finden sich keine Abweichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang,
zylindrisch erweitert und im oberen Abschnitte stark ausgebuchtet. Die Gefä߬
wände sind dick. In der Ausbuchtung findet sich eine halbhaselnuß- bis walnu߬
große graurote trockene brüchige Gerinnselmasse, die der Innenhaut des Gefäßes
fest anhaftet. Unter dieser Auflagerung ist die Innenhaut stellemveise rauh und
fetzig.
Pathologisch-anatomische Diagnose: Embolische Nekrose und Zer¬
reißung des Grimmdarmes. Allgemeineakute eitrigjauchige Bauchfellentzündung. Ent-
zündungderLeerdarmschleimhaut. Katarrh desMagens. TrübeSchwellung der Leber,
der Nieren und des Herzens. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut
des Herzens. Akute multiple Milzschwellung. Bruch der linken 7. Kippe. Akute
568 PILWAT,
linksseitige, serös- fibrinöse Brustfellentzündung. Akute, partielle, blutige, links¬
seitige Lungenentzündung. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-
Blind-Grimmdarmarterie.
48. Braune Stute, 8—9 Jahre alt.
Gestorben und obduziert am 8. 10. 1905.
Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in
der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas gelbliches Fett¬
gewebe von lappigem Bau. Die Körpermuskeln sind gut entwickelt und zeigen
Totenstarre. Auf dem Durchschnitte erscheinen die Muskeln graurot, trocken und
trübe. Die Gefäße der Unterhaut sind gefüllt.
Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich 8 Liter einer gelbgrauen, sehr
trüben Flüssigkeit, die beim Stehen im Glase einen grauen Bodensatz liefert. Das
Bauchfell ist in großer Ausbreitung diffus und durch gefüllte Gefaßnetze gerötet,
trübe und an der Oberfläche glanzlos. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Der
Leerdarm ist zusammengezogen und enthält wenig gelbliche, mehlsuppenartige
Flüssigkeit. Die Schleimhaut des Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarmes ist strecken¬
weise schwach gerötet, sonst grau und schwach durchscheinend. Der Körper und
die Spitze des Blinddarmes sehen außen blaurot aus und zeigen an der Oberfläche
mehrere bis doppelhandtellergroße gelbliche, scharf begrenzte Fleoke. Im Bereiche
dieser Stellen ist die Darmwand mübe und brüchig. In den dunkelrot gefärbten
Abschnitten ist die Darmwand dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt.
Die Schleimhaut des Blinddarmes bildet große rote, wulstartige Falten. Stellen¬
weise, entsprechend den an der Außenseite des Darmes sichtbaren gelblichen
Flecken ist die Schleimhaut. gelbgrau, trübe und fetzig. Der Inhalt des Blind¬
darmes besteht aus einer graubraunen trüben Flüssigkeit, die mit wenig breiigen
Bestandteilen vermischt ist. Beide Blinddarmarterien sind durch je einen 20 und
25 cm langen grauen, trockenen, der Gefäßwand lose anliegenden Pfropf verlegt.
In der Gegend der Blinddarmspitze sind die beschriebenen Pfropfe etwas mit den
Arterienwänden verklebt. Die Gefäßinnenhaut ist hier an der Oberfläche etwas
rauh. Der Grimmdarm ist mit dünnbreiigen Massen mäßig gefüllt. Die Schleim¬
haut des Grimmdarmes ist dunkelgrau und durchscheinend. In der linken unteren
Lage des Grimmdarmes, nahe der Beckenkrümmung, ist die Schleimhaut in der
Größe eines Handtellers gelbgrau, trübe und fetzig. In Höhe dieser Stelle ist die
untere Grimmdarmarterie durch einen 30 cm langen gelblich-grauen, trockenen,
brüchigen Pfropf verlegt, welcher der Gefäßwand etwas anhaftet. Die Oberfläche
der Gefäßinnenhaut ist hier etwas rauh, lra Mastdarme wenig breiiger Inhalt. Die
Mastdarmschleimhaut ist graugrün. Der Magen enthält 6 Liter dünnbreiige bis
flüssige graubraune Massen. An der Schleimhaut der Schlundhälfte nichts Ab¬
weichendes. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte trägt auf ihrer Oberfläche be¬
sonders gegen den Pförtner hin einen durchscheinenden, grauen, zähen, schwer
abspülbaren Belag und ist stark diffus gerötet. Die Milz mißt 52 cm in der Länge,
26 cm in der größten Breite und 3,5 cm in der größten Dicke. Die Oberfläche der
Milz ist graublau und hügelig, Konsistenz schlaff. Die über die Oberfläche hervor¬
tretenden Erhebungen lassen auf dem Durchschnitte das Balkengewebe nicht er¬
kennen. Die Pulpa ist hier schwarzrot, reichlich und zerfließlich. In den übrigen
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
569
Abschnitten der Milz ist die Pulpa braunrot. Das Gewicht der Leber beträgt 9 kg.
Die Leberränder sind abgerundet. Die Oberfläche der Leber ist glatt und graurot.
Konsistenz der Leber brüchig. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebe
wenig blutreich, graurot und trübe. Die Leberläppchen sind bis reiskorngross, in
der Mitte rot, am Rande in breiter Zone grau. Die Schnittfläche der Leber ist
etwas fettig. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die
Nieren sind etwas größer wie gewöhnlich und brechen leicht. Auf der glatten und
graubraunen Oberfläche der Nieren liegen zahlreiche pfennigstück- bis dreimark¬
stückgroße, schwarzrote und gelbgraue, scharf begrenzte Flecke, die, wie der
Nierendurchschnitt zeigt, die Grundfläche eines schwarzroten oder grauen Kegels
bilden, dessen Spitze gegen die Papille hin gerichtet ist. Das Gewebe dieser
Herde ist trocken und sehr brüchig. Die Rindenschicht erscheint auf dem
Durchschnitte graurot, etwas trocken und trübe. Die Gefäßknäuel sind in der
Rinde stellenweise als große rote Punkte sichtbar. Marksubstanz dunkelrot und
gestreift.
In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist grau und durch¬
scheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei in
den Brustfellsäcken, sind zusammengefallen, klein, hellrot und knistern beim Hin¬
überstreichen. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll einer gelbroten klaren Flüssigkeit.
Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Die
rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenem Blute ziemlich stark ge¬
füllt. In den linken Herzhöhlen kleine dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel.
Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind zart. Herzmuskulatur auf
dem Durchschnitte graurot, trocken und trübe. Konsistenz brüchig. An den Hals¬
organen zeigen sich keine Veränderungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist
4,9 cm lang, zylindrisch erweitert und an mehreren Stellen etwas ausgebuchtet.
Die Wand des Gefäßes ist dick, ihre Innenfläche rauh. In der Lichtung der Arterie
liegt ein daumendickes, längliches, graues Gerinnsel, das eine brüchige Beschaffen¬
heit zeigt und mit der stumpfen Spitze in die hintere Aorta hineinreicht. Stellen¬
weise haftet die Gerinnselmasse der Gefäßwand fest an. Unter dieser Auflagerung
ist die Gefaßinnenhaut fetzig und zerfallen.
Pathologisch- anatomische Diagnose: Embolische Nekrose des Blind-
und Grimmdarmes. Allgemeine akute eitrige Bauchfellentzündung. Katarrh des
Magens. Trübe Schwellung der Körpermuskeln, des Herzens uud der Nieren.
Embolische Nekrose der Nieren. Multiple Milzschwellung. Fettinfiltration und
trübe Schwellung der Leber. Starke Erweiterung und wandständige Thrombose
der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie.
Zum Schlüsse möchte ich noch die Aufmerksamkeit auf einen
Fall lenken, der sich als Nachkrankheit der Kolik darstellte und
tödlich endete. Im Anschlüsse an den zwecks Entleerung der Darm¬
gase ausgeführten Darmstich hatte sich eine allgemeine akute eitrig¬
jauchige Bauchfellentzündung ausgebildet, die den Tod des Pferdes
herbeiführte. Unter den 428 Fällen von tödlich verlaufender Kolik
starb demnach nur ein Pferd an den direkten Folgen des Darmstichs,
A
570
PILWAT,
obwohl diese Operation, wie mir bekannt ist, nicht selten ausgeführt
wird. Der anatomische Befund folgt im Nachstehenden:
49. Dunkelbraune Stute, ca. 6 Jahre alt. Gestorben und obduziert am
15. Juni 1905.
Das Kadaver befindet sich in gutem Nährzustande. In der Unterhaut, über
dem Euter, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt viel
gelblich-weißes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau er¬
kennen läßt. Die Körpermuskeln sind gut entwickelt und zeigen Totenstarre.
Auf dem Durohschnitte erscheinen die Muskeln graurot, stellenweise grau, trocken
und trübe. Ihre Konsistenz ist etwas brüchig. Die Gefäße der Unterhaut ent¬
halten wenig Blut. Etwa 5—6 cm vor dem rechten äußeren Darmbeinwinkel
findet sich in der rechten Flankengegend ein Stichkanal, der sich durch die ganze
Bauchwand bis in den freien Raum der Bauchhöhle hinein verfolgen läßt. Der
Kanal ist stellenweise so weit, daß er den kleinen Finger der Hand aufzunehmen
imstande ist. Die Wände des Kanals sind fetzig und mit einer graubraunen, trüben,
dicklichen Masse bedeckt.
Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich 10 Liter einer trüben, übel¬
riechenden, graubraunen Flüssigkeit, die mit weichen Gerinnselmassen vermischt
ist und beim Stehen im Glase einen hohen grauen Bodensatz liefert. An der Lage
der Baucheingeweide keine Abweichung. Das die Bauchwand und den Darm
überziehende Bauchfell ist trübe, in großer Ausdehnung gerötet, an der Oberfläche
rauh und mit dünnen, zum Teil zusammenhängenden, zum Teil weichen,
schmierigen, grauen Belägen versehen, die sich abheben lassen. An der lateralen
Fläche des Blinddarmkörpers ist der Bauchfellüberzug dunkelrot und trägt auf
seiner Oberfläche einen doppelhandtellergroßen, grauen, an der Oberfläche weichen,
schmierigen Belag, in dessen Mitte ein etwa markstückgroßer, fetziger Herd liegt,
der eine unregelmäßige l j 2 cm breite Oeffnung zeigt. Durch letztere läßt sich
eine Sonde bis an die Blinddarmschleimhaut führen. Der Zwölffinger-, Leer- und
Hüftdarm enthalten viel gelblich-graue, trübe Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser
Darmteile zeigt an ihrer Oberfläche einen sammetartigen Glanz, ist etwas dick,
dunkelgrau bis graurot und mit linsengroßen Blutungen durchsetzt. Im Blind-
und Grimmdarme findet sich viel flüssiger, mit breiigen Bestandteilen vermischter
Inhalt. Die Schleimhaut beider Darmteile ist ziemlich gleichmäßig dunkelgrau,
fleckweise graurot, etwas dick und von trübem Aussehen. Der Mastdarm enthält
wenig geformten Kot; seine Schleimhaut ist grau, gegen den After hin mehr
dunkelgraurot. Im Magen 18 Liter einer gelblichen, trüben Flüssigkeit und wenig
feste Bestandteile. Die Schleimhaut der Schlundhälfte ist grauweiß und ohne
Abweichungen. Die drüsentragende Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist dick,
trübe, von grauroter bis brauner Farbe. In der Gegend der Fundusdrüsen er¬
scheint diese Schleimhaut an der Oberfläche gekörnt, während sie zum Pförtner
hin mehr glatt ist. Die Milz mißt 59 cm in der Länge, 27 cm in der größten
Breite und 4,5 cm in der größten Dicke. Das Gewicht der Milz beträgt 1650 g.
An der Oberfläche erscheint die Milz im allgemeinen graurot und hügelig. Gefäße
der Milzkapsel injiziert. Die über die Milzoberfläche hervortretenden buckelartigen
Erhabenheiten sind halbwalnuß- bis halbhühnereigroß und sehen dunkelblau aus.
Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
571
Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den Erhebungen nicht sichtbar.
Pulpa hier schwarzrot, reichlich und zerfließlich. Im übrigen hat dje Milzpulpa
eine braunrote Farbe, ist dickbreiig und läßt das Balkengewebe bequem erkennen.
Die Leber wiegt 14 500 g, ist an ihrer Oberfläche glatt und besitzt stark ab¬
gerundete Ränder. Farbe der Leber hellgraubraun, Konsistenz brüchig. Ueber
die fettig glänzende Durchschnittsflächo fließt wenig Blut. Die Leberläppchen
grenzen sich scharf voneinander ab, sind bis linsengroß und fast grau, ln der
Mitte zeigen sie einen kleinen bräunlichroten Punkt. Die Nierenkapseln lassen sich
leicht von den Nieren abtrennen. Oberfläche der Nieren glatt und mattglänzend.
Rechte Niere 19,5 cm lang, 20 cm breit, 6 cm dick, linke Niere 21 cm lang, 16 cm
breit, 6,5 cm dick. Das Gewebe der Rindenschicht ist etwas brüchig. Auf dem
Durchschnitte ist die Rindenschicht bis 2 cm breit, trübe, gleichmäßig grau bis
graurot und läßt vereinzelte Gefäßknäuel als kleine rote Punkte erkennen. Mark¬
substanz gestreift und dunkelrot.
Die Brustfellsäcke enthalten keinen fremden Inhalt. Das Brustfell ist zart
und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei
in den Brustfellsäcken, haben sich von den Brustwänden zurückgezogen und sind
klein. Das Lungengewebe ist rot bis dnnkelrot, elastisch und knistert beim Hin¬
überstreichen. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lungengewebe trocken, seine
Schnittfläche glatt. Der Herzbeutel enthält einen Eßlöffel voll einer gelblichen,
wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist
glatt und glänzend. Das Herz wiegt mit Blut 7000 g, ohne Blut 6250 g. Rechte
Kammer 16,5 cm, linke Kammer 19 cm hoch. Umfang des Herzens an der Kranz¬
furche 63 cm. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenen Blute
gefüllt. Seitenwand des rechten Ventrikels 2,5 cm dick. Die linken Herzhöhlen
sind fast leer und zusammengezogen Seitenwand des linken Ventrikels 4 cm dick.
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern liegenden Oeffnungen läßt sich
eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herzklappen
und die Innenhaut des Herzens sind zart und schwach durchscheinend. Die
Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte trübe, trocken und graurot, ihre Kon¬
sistenz ist brüchig. Die Schleimhaut der Luftröhre ist blaß. In der Kehlkopf¬
schleimhaut finden sich vereinzelte gefüllte Venennetze. Am Zungengrunde, an
der hinteren Fläche des Kehldeckels und an den Kehldeckelgießkannenbändern er¬
scheint die Schleimhaut bläulich-rot. Die Muskeln des Kehlkopfes lassen keine
Abweichungen erkennen. Die Hüfi-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und
zylindrisch erweitert; ihre Wände sind bis 3 mm dick, an der Innenfläche rauh
und zeigen viele Längsrisse. Auf der Innenhaut liegen zwei längliche, bohnen¬
große, graurote, etwas brüchige Gerinnselmassen, die auf ihrer Grundlage fest¬
haften. Am Grunde der Gerinnsel finden sich 17 drehrunde Wurmlarven. Alle
von der vorderen Gekrösarterie zum Darme gehenden Gefäße sind sonst frei von
Veränderungen.
Pathologisch- anatomische Diagnose.
Allgemeine akute eitrig-jauchige Bauchfellentzündung nach Ausführung des
Darmstichs. Trübe Schwellung der Körpermuskeln, des Herzfleisches und der
Nieren. Akute multiple Milzschwellung. Fettinfiltration der Leber. Akute Ent-
572
PILWAT, Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes.
zündang der Drüsenschleimhaut des Magens. Leichte Entzündung der Darm¬
schleimhaut. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm-
darmarterie.
Am Schlüsse dieser Arbeit verfehle ich nicht, meinem hoch¬
verehrten Lehrer Herrn Geheimen Regierungsrat Prof. Dr. Schütz
den ehrerbietigsten Dank auszusprechen für alle Belehrungen und
wissenschaftlichen Anregungen, die ich im Pathologischen Institut er¬
halten habe.
XXIII.
Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Königl. Thierärztlichen
Hochschule in Budapest.
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche.
Von
Prof. Dr. med. Stefan von Ratz.
I.
Parasitische Protozoen kennt die Wissenschaft schon lange.
Cavaloni hat im Dannkanal der Krebse schon im Jahre 1787 Pro¬
tozoen gefunden, die dann von Dufour (1823) Gregarinen genannt
wurden. Psorospermien, welche Bütschli (1881) als Myxosporidien
bezeichnet hat, sind von Gluge und auch von Joh. Müller schon
im Jahre 1838 beschrieben worden. Die in der Leber der Kaninchen
vorkommenden eirunden Psorospermien, d. h. Coccidien nach
Leuckart (1879), hat zuerst Hake (1839) beschrieben. Aus dem
menschlichen Körper stammende Protozoen erwähnen zuerst R. Wagner
(1836) und Donne (1837).
Nach diesen Entdeckungen hat es aber noch eine geraume Zeit
gedauert, bis die Forscher die Naturgeschichte der Protozoen gründ¬
licher zu studieren anfingen, denn systematische Untersuchungen wurden
erst nach den Forschungen Pasteurs über die Pebrine der Seiden¬
raupe ausgeführt. Als dann Laveran (1880) den Erreger der
Malaria im Blute der Kranken gefunden hatte, wendete sich die Auf¬
merksamkeit der Aerzte und Naturforscher auf diese winzigen
Tierchen und man suchte die Erreger aller jener Krankheiten unter
den Protozoen, für deren Aetiologie die bakteriologischen Unter¬
suchungen keine genügende Erklärung gaben.
L. Pfeiffer hat auch viele Verdienste darin, daß systematische
Forschungen in Gang gebracht wurden. Während seiner Unter¬
suchungen über die Ursachen der Pockenkrankheit hat er mit viel
574
v. RATZ
Fleiß und Ausdauer nach den parasitischen Protozoen geforscht.
Einesteils verdanken wir ihm wichtige Beobachtungen, anderesteils
aber wirkte sein Beispiel überall aneifernd.
Eines der bedeutendsten Resultate der neueren Untersuchungen
war unzweifelhaft die Erkenntnis, daß sich die früher allgemein
anerkannte Auffassung über die ungeschlechtliche Fortpflanzung der
einzelligen Protozoen gegenüber den vielzelligen Metazoen als ein
Irrtum erwiesen hat, denn die gründlicheren Untersuchungen haben
gezeigt, daß auch bei den auf der niedrigsten Stufe der tierischen
Organisation stehenden Rhizopoden eine Art der geschlechtlichen Ver¬
mehrung vorkommt, nur daß diese Lebenserscheinung in manchen
Klassen selten und nur schwer erkennbar ist.
Die exakten Untersuchungen haben dann ergeben, daß die
sexuelle Dimorphie auch unter den parasitischen Urtieren vorkommt
und infolgedessen können sich diese auf zweierlei, wesentlich ver¬
schiedene Arten vermehren. Die eine Fortpflanzung ist eine unge¬
schlechtliche oder multiplikative (Schizogonie, endogene Sporulation),
welche mittels einfacher Zellteilung verläuft; die zweite ist die pro-
pagative Fortpflanzungsart (Sporogonie, exogene Sporulation), welche
nach der Vereinigung von zweierlei Geschlechtzellen, d. h. mittels
Befruchtung geschieht. Diese zweifache Fortpflanzung kann auch
miteinander kombiniert Vorkommen, in welchem Falle sic dann in
kürzeren oder Längeren Zwischenräumen, in Form eines Generations¬
wechsels verläuft und mit dem Wirtswechsel der Parasiten zusammeu-
fallen kann.
Diese zweifache Entwickelung der Gregarinen, Arnöbosporidien,
Coccidien, Hämosporidien, Mvxosporidien ist schon bekannt, und in
der neuesten Zeit hat man die Vermehrungsart auch bei einigen
Flagellaten beobachtet.
Eine neue Richtung haben der Forschung die wichtigen Ent¬
deckungen von Smith und Kilborne, später von Manson, Roß,
Grassi u. a. angewiesen, nämlich, daß die im Blute der Menschen
und Tiere schmarotzenden Protozoen durch Vermittelung der Ekto-
parasiten, hauptsächlich Fliegen und Zecken einverleibt werden,
folglich einen Teil ihres Lebens in diesen verleben und durch deren
Stiche in den Organismus eingeimpft werden.
Unstreitbar ist es also, daß die Forschungen der letzten zwei
Dezennien zur Kenntnis der parasitischen Protozoen wichtige Beiträge
geliefert haben. Das Wenigste bezieht sich davon aber auf die
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche.
575
Sarkosporidien, von denen wir auch heutzutage, selbst über die am
meisten bekannten, nicht viel mehr wissen, als ihre ersten Beschreiber
gewußt haben. In der neuesten Zeit sind auch die Sarkosporidien
von mehreren Forschern untersucht worden, trotzdem ist die Art und
Weise ihrer Einwanderung in die Muskeln, sowie ihrer Fortpflanzung un¬
bekannt, und abgesehen von denjenigen zwei Arten, die in den Muskeln
der Schafe (Sarcocystis tenelia) und Schweine (S. Miescheriana)
parasitieren, sind auch bezüglich ihrer Struktur unsere Kenntnisse
sehr lückenhaft.
Die Sarkosporidien, welche früher Miesch ersehe oder Psorospermien-
schläuche und Raineysche Körperchen genannt wurden, hat Miescher (1) im
Jahre 1843 in den quergestreiften Muskeln der Mäuse entdeckt, die infolge der
Einwanderung dieser Parasiten blaß und gestrichelt aussahen. Die mikroskopische
Untersuchung zeigte dann, daß dio Muskeln längliche, weiße Schläuche enthielten,
die aus einer strukturlosen Membran bestehen und sehr zahlreiche nierenförmige
Körperchen enthalten. Am zahlreichsten waren diese Schläuche in den Muskeln
des Rumpfes, Halses, Kopfes, der Augen und der Glieder, sowie in dem Zwerch¬
fell. Miescher hat die Hülle dieser Schläuche für Sarkolemma gedeutet, den
Ursprung der darin enthaltenen Körperchen konnte er jedoch nicht entscheiden.
An zwei Möglichkeiten hat er gedacht, indem er die Schläuche als pathologische
Veränderungen der Muskelfasern ansah oder für Parasiten hielt, die sich in den
Muskelfasern ansiedeln und die Fibrillen zerstören.
Drei Jahre später (1846) fand v. Heßling (2) in den Muskeln eines Rehes,
dann in den Purkin eschen Fäden der Herzmuskulatur eines Rindes, sowie in
dem Herz des Kalbes und Schafes ähnliche Gebilde und erkannte, daß sie identisoh
sind mit den Mieschersehen Schläuchen. Ihren Ursprung suchte er auch in den
Veränderungen der Muskelfasern. Roloff war ebenfalls dieser Meinung und sah
die in den Schläuchen vorkommenden Körperchen für Lymphzellen an, wogegen
Kühne sie für mit den durch Kölliker aus den Muskeln der Frösche beschrie¬
benen Muskelknospen identische Gebilde angesehen hat.
Die neueren eingehenderen Untersuchungen und die gründlichere Erforschung
der niederen Tiere hat dann gezeigt, daß die in zweiter Linie erwähnte Meinung
Mieschers die zutreffende war und die Auffassung wurde allgemein, daß diese
Schläuche parasitische Organismen sind. Umsomehr teilten sich aber die An¬
sichten darüber, ob sie den tierischen oder pflanzlichen Parasiten anzureihen
wären.
Rainey (3) hat im Jahre 1857 die Entwicklung der Schweinefinne studiert
und fand in den Muskeln der untersuchten Schweine zahlreiche Miesch ersehe
Schläuche, die er für Entwicklungsformen der Finne hielt. Aus seinen Beschrei¬
bungen ist zu ersehen, daß er den Stäbchenbesatz der Hülle, welcher an die
Wimperbekleidung mancher Protozoen erinnert, schon erkannt hat. Schmidt
hat sie dann nach dieser eigentümlichen Struktur für mit Wimpern oder Cilien
bekleidete Tierchen angesehen und Rivolta erachtete sie für die Hülle oder
Kapsel einer Ciliate, in der die Vermehrung von statten geht.
Eine ganz andere Meinung äußerte v. Siebold (4), der diese Schläuche zu
576
v. RATZ,
den Pflanzen einreihte und als schimmelpilzähnliche Entophyten beschrieb, da er
an den Schläuchen oder den darin eingeschlossenen Körperchen keine Bewegung
beobachten konnte. Auch Kühn (1865) hat sie für Pflanzen gehalten und als
einen den Chytridien angehörigen Pilz, Synchitrium Miescherianum benannt.
Pagenstecher (1866) hat sie ebenfalls für Pilze gehalten, sowie auch Zürn
(1874).
Lieberkühn (1864) und Ripping (1865) waren die ersten, die die syste¬
matische Stellung dieser Parasiten zuerst erkannten und die Miesch ersehen
Schläuche den Gregarinen angereiht haben; Virchow (1865) (5) glaubte ebenfalls
eine nahe Verwandtschaft zwischen den Psorospermienschläuchen und Gregarinen
zu erkennen.
Leuckart (1879) (6) äußerte sich über die Verwandtschaft der Sarko-
sporidien mit den Sporozoen sehr vorsichtig, Eimer erkannte aber schon ihre
Aehnlichkeit mit den eiförmigen und kugelförmigen Psorospermien und erklärte
sie für mit jenen verwandte Lebewesen, und mit ihm hielten sie auch Davaine,
Cobbold und Perroncito für Protozoen. Bütschli (7) selbst hat es für wahr¬
scheinlich gehalten, daß sie mit den Sporentieren verwandt sind, aber nur Bal-
biani (8) hat es nachgewiesen, daß die Miescherschen Schläuche wirklich
Sporozoen sind und als solche den Gregarinen und Coccidien sehr nahe stehen
und benannte sie nach ihrem Sitz im Muskelgewebe Sarkosporidien, unter welchem
Namen sie heute als eine selbständige Ordnung der Sporentiere bekannt sind und
nach der Einteilung Dofleins der Unterklasse der Neosporidien angehören.
Gegenüber dieser allgemein anerkannten Ansicht versuchte neuerlich Lind-
ner (11) nachzuweisen, daß die Sarkosporidien stiellose Vorticellen und Kolpidien
sind, die mittels unreinen Stehwassers aufgenommen werden. Die Jugendformen
geraten dann auf dem Wege der Blutgefäße zu den Muskeln, wo sie sich ein¬
kapseln. Auf beweisende Untersuchungen oder Tierversuche beruft sich Lindner
nicht und folglich blieb er jene Beweise schuldig, welche die Richtigkeit seiner
Behauptung begründen könnten. Außerdem vergaß er dabei, daß die weißen
Mäuse, die in Käfigen und gesperrten Lokalen gehalten werden, sehr schwer dazu
kommen, Wasser aufnehmen zu können, welches Ciliaten enthält, und trotzdem
tritt bekanntlich manchmal die Sarkosporidiose unter den weißen Mäusen auch
endemisch auf.
II. lieber das Vorkommen der Sarkosporidien.
Die Sarkosporidien parasiticren in den quergestreiften Mus¬
keln der Menschen und Wirbeltiere, die größeren Schläuche
kommen aber augenscheinlich im intcrrauskulären Bindegewebe vor.
Ausnahmsweise siedeln sie sich auch an anderen Stellen des Or¬
ganismus an; so haben R. ßlanchard und O’Kinealy in der Sub¬
mukosa des Darmes, Kartulis auch in der Leber (?) Sarkosporidien
gefunden.
Die in den Muskeln vorkommenden Schläuche sind nach
L. Pfeiffer (10) und R. Blanchard (11) intrazellulär und inter-
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche.
577
zellulär. In den Muskeln liegen sie immer parallel mit dem Verlauf
der Muskelfasern und erweitern die Fasern derart, daß diese manch¬
mal vier- bis sechsmal dicker erscheinen als die gesunden Fasern.
Nach einer eingehenden Untersuchung der augenscheinlich in dem
intermuskulären Bindegewebe liegenden großen Schläuche, habe ich
mich auch überzeugt, daß sie sich eigentlich in den Muskelfasern
entwickelt haben und nur später haben sie sich teilweise oder ganz
befreit. Bertram (12) war der erste, der auf diese Tatsache zuerst
hingewiesen hat. Seit der Zeit habe auch ich diese viel bestrittene
Frage gründlich untersucht und in den Muskelquerschnitten unzählige-
mal gesehen, daß die jungen Entwickelungsformen immer in den
Muskelfasern liegen, von einer um so dickeren Schicht umgeben, je
kleiner der Parasit selbst ist; mit dem Wachstum des Schlauches
vermindert sich aber die Muskelsubstanz. Sehr instruktiv sind in dieser
Beziehung jene Mikrotomschnitte, in denen man es gut erkennen
kann, daß der Schlauch an einer Seite schon bis zum Sarkolemma
geraten ist und von der Muskelsubstanz nur teilweise umgeben ist
und die größte Peripherie des Schlauches schon befreit ist. Zugleich
habe ich in den Präparaten oft auch solche Zysten gesehen, die von
einer Muskelsubstanz garnicht mehr umrandet waren. Die Erklärung
dieser Erscheinungen finden wir darin, daß die Sarkosporidien während
ihres Wachstums die Muskelsubstanz zusammenpressen, wodurch die¬
selbe nach und nach atrophiert und nur das erweiterte Sarkolemma
zurückbleibt. Es hat also den Anschein, als wenn sich der Parasit
im Bindegewebe entwickelt hätte.
Nachdem aber die Sarkosporidien sich immer in den Muskel¬
fasern entwickeln, so können wir die frühere Einteilung, wonach die
im Bindegewebe vorkommenden Arten zu den Balbianiden x ) und die
in den Muskelfasern liegenden zu den Miescheriden gehören, nicht
aufrecht erhalten, denn dann müßten wir die jüngeren Entwickelungs¬
formen in die eine, die älteren dagegen in die andere Familie ein¬
teilen, trotzdem sie einer Art angehören. Folglich unterscheiden wir
1) Die Benennung Balbiania R. Blanch. könnte man für jene Gattung der
Sarkosporidien beibehalten, die von der Submukosa des Darmes beschrieben
wurden, wenn es sich beweisen läßt, daß sie sich nicht in der Muskelschicht ent¬
wickeln, sondern sich von Anfang an in der Submukosa ansiedeln. Eine solche Art
wäre die von R. Blanchard von einem Känguruh (Maoropus penicillatus)
beschriebene Balbiania mucosa.
Archiv f. wissenseh. u. pr&kt. Tierbeilk. Bil. 36. Suppl.-Band.
37
578
V. RATZ,
dieser Zeit in der Ordnung der Sarkosporidien nur eine Familie und
in dieser nur eine Gattung, die Sarcocystis.
Am häufigsten und am zahlreichsten finden wir diese Parasiten
in den quergestreiften Muskeln in die Nähe des Vorderdarmes, d. h.
in den Muskeln der Zunge, des Schlundkopfes, des Kehlkopfes, des
Halses; sehr häufig findet man sie auch im Schlund und Zwerchfell,
folglich in denjenigen Teilen des Organismus, in denen die durch
den Darmkanal einwandernden Trichinelien Vorkommen. Aus diesen
Beobachtungen könnte man daran denken, daß die Sarkosporidien
auch im Wege der Verdauungsorgane aufgenommen werden und
M. Koch, sowie nach ihm Th. Smith und Negri haben gezeigt,
daß man die Mäuse und nach Negri auch die Meerschweinchen
wirklich infizieren kann, wenn sie mit Muskelstückchen, welche
Sarkosporidienschläuche enthalten, gefüttert werden. Die Pflanzen¬
fresser können sich aber in dieser Weise nicht infizieren, es ist jedoch
nicht ausgeschlossen, daß sie die Sporozoiten vielleicht in einer ein¬
gekapselten oder ruhenden Form durch den Mund aufnehmen, denn
sonst wäre es nicht zu erklären, daß sie sich gerade in den er¬
wähnten Muskeln ansiedeln.
Nach Bergmann (13) kommt Sarcocystis Miescheriana
(Kühn) im Schweine am häufigsten in den in der Nähe des Ver¬
dauungskanals liegenden Muskeln vor: in den Bauchmuskeln, im
Zwerchfell, M. triangularis sterni, M. complexus major,
M. anconaci, M. longus colli, wogegen sie in anderen Muskeln
seltener und in minderer Zahl auffindbar sind. In den Kehlkopf¬
muskeln der ungarischen Schweine habe ich die Scliläuche beinahe
stets gefunden.
Im Schafe findet man die Sarcocystis tenella (RailIiet) in
der Zunge, in den Kehlkopf- und Augenmuskeln, im Zwerchfell und
in der muskulösen Bauchdecke, sowie in der Muskelschichte des
Schlundes häufig; in manchen Fällen sind aber beinahe alle Muskeln
mit Sarkosporidien-Schläuchen voll. In Ungarn hat Iv. Hutva auch
allgemeine Sarkosporidiose beim Schafe gesehen.
Die Muskeln des Rehes sind ebenfalls öfters mit Sarcocystis
gracilis Ratz (14) infiziert, denn in 4 Rehen, deren Muskeln ich
Gelegenheit hatte, zu untersuchen, fand ich immer Schläuche und
zwar in der Zunge, im Schlundkopf, Kehlkopf und im Schlund.
In der Zunge, in den Rachen- und Halsmuskeln, sowie im
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche.
579
Schlund des Büffels ist Sarcocystis hirsuta Moule *) sehr
häufig. Wir linden kaum einen Büffel, dessen Schlund nicht wenigstens
einige Schläuche enthalten möchte. Genug häufig sind aber auch
jene Fälle, wo die Muskeln des Rumpfes und der Glieder mit
Sarkosporidien derart vollgepfropft sind, daß das Fleisch ganz ge¬
scheckt erscheint. In Siebenbürgen sind diese Sporentiere in den
Büffeln sehr häufig, wie dies zuerst von Szentkirdlvi (15) schon
lange erkannt wurde. In der Gegend von Köhalom habe ich mich
auch davon überzeugen können und die Statistik des ßudapester
Schlachthauses beweist ihre Häufigkeit ebenfalls genügend.
In den Rindern findet man dieselbe Art bei uns viel weniger
und ich habe sie hauptsächlich in der Zunge, im Schlunde, und in
<len Muskeln des Halses gefunden.
Pferde, besonders ältere Tiere, sind in Ungarn sehr oft mit
Sarcocystis Bertrami Dofl. behaftet. Am leichtesten entdeckt
man sie in größerer Zahl im Schlund, infolge ihrer Kleinheit sind sie
aber oft schwer zu erkennen.
In Fleischfressern habe ich bis jetzt Sarkosporidien nicht
gefunden, obgleich sie nach Kraus in den Augenmuskeln der Hunde
und Katzen nicht selten sein sollen.
Bei Hühnern habe ich Sarcocystis Horväthi Ratz (14)
zweimal gefunden. Aehnliche Beobachtungen haben schon Kühn,
Rivolta und Stiles veröffentlicht. In Enten hat L. v. ßetegh
zuerst in Rumänien, später auch in Ungarn (Brassö) Muskelsporozoen
gefunden. Aus Amerika beschrieb sie Stiles aus Anas boschas
und A. clypeta.
Außer den erwähnten Tieren fand v. Niederhäusern in der
Ziege, R. Blanchard im Känguruh (Macropus penicillatus),
Rievel und Behrens im Lama (Auchenia), Huet in der kalifor¬
nischen Otaria californica, Ratzel und Körte in Affen und zwar
1) Sarcocystis Blanchardi Dofl. 1901 ist gewiß dieselbe Art, welche im
Jahre 1897 von Railliet (Ball, de la Soc. centr. de med. vct. p. 377) als Bal-
biania fusiformis beschrieben wurde, folglich wäre sie S. fusiformis zu
nennen. Indem aber nach Doflein die in den Büffeln vorkommende Spezies
wahrscheinlich identisch ist mit jener aus dem Rinde, welche von Moul6 als
S. hirsuta bezeichnet wurde (Des Sarcosporidies et de leur frequence, princi-
palement chez les animaux de boucheries. Vitry-le-Fran<;ois. 1887. p. 14. Plan-
chos III et IV), so soll nach der Priorität die aus den BüfTeln und Rindern be¬
kannte Art Sarcocystis hirsuta Moule 1887 heißen.
37
580
v. RATZ,
der erstere in Inuus, der zweite in Macacus rhesus, Rivolta bei
Vögeln, Lühe in Lacerta muralis, Will in Gekko (Platydac-
tylus mauritanicus) etc. Sarkosporidien.
Der Mensch ist auch nicht verschont, denn es sind in der
Literatur einige gründliche Beobachtungen darüber aufgezeichnet, daß
diese Parasiten auch bei Menschen schmarotzen, wenn auch selten
(Baraban et St. Remy, Kartulis, Hoche und O’Kinealy).
III. Ueber die Form der Schläuche und Struktur des Ektoplasmas.
Die Sarkosporidien sind längliche, schlauchförmige Protozoen,
die sich bezüglich ihrer Form und Größe bis zu einem gewissen
Grade auch an die Raumverhältnisse anpassen, jedoch zumeist länger
sind als breit. Die Schläuche sind röhren-, spindel- oder eiförmig,
können aber auch rundlich sein. Die kleineren haben nur eine
mikroskopische Größe oder man erkennt sie bloß als kleine weiße
Linien, welche parallel mit den Muskelfasern verlaufen. Falls sie
sich dicht aneinander häufen, verleihen sie den Muskeln ein ge¬
stricheltes Aeußeres. Die größeren sind in der Mitte zumeist dicker,
wogegen sie sich gegen die zwei Pole verjüngen oder abrunden.
In der Subserosa des Schafes findet man aber auch kreisförmige,
abgeplattete Zysten.
Die kleinsten Entwickelungsformen, die nur 12 ft lang und 7 fi
breit waren, fand ich in der Zunge eines Rindes; es kommen aber
auch haferkom-, bohnen- und ausnahmsweise sogar haselnußgroße
Zysten vor.
Frisch sind die Schläuche milchweiß, etwas gelblich oder grau,
folglich sind in den braunroten Muskeln die größeren Schläuche auch
durch ihre abweichende Farbe augenfällig. Wenn man eine größere
Zyste quer durchschneidet, so sind zwei Teile zu unterscheiden, und
zwar die Hülle des Schlauches, das Ektoplasma, und der Inhalt, das
Kntoplasma.
Die Dicke und Struktur des Ektoplasmas ist abweichend nach
dem Alter, d. h. nach der Entwickelung der Sarkosporidien. An den
allerjüngsten Formen ist ein differenziertes Ektoplasma garnicht zu
erkennen. Ferret (16) hat bei seinen Untersuchungen bezüglich der
Sarcocystis tenella der Schafe gesehen, daß die kleinsten Formen
als morulaähnliche Zellgruppen in den Muskelfasern liegen und von
einer differenzierten Membran noch nicht umgeben sind. In Quer¬
schnitten aus der Zunge des Rindes ist es mir auch gelungen diese
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche.
581
Entwickelungsform der Sarcocystis hirsuta aufzufinden, die in der
querdurchschnittenen Muskelfaser in einer kleinen Höhle lag, rund¬
liche Form zeigte und aus großen Zellen bestand, die mit Hämatoxylin-
Eosin blau gefärbt sind und einen dunkler tingierten rundlichen oder
länglichen Kern enthalten. An den 38.5—40 /< langen Zysten ist
das Ektoplasma auch noch dünn und homogen. Dagegen ist diese
Membran an den größeren Schläuchen schon dicker, ca. 4 ft dick
und aus zwei Schichten bestehend, wovon die äußere breiter erscheint
und eine stäbchenartige Zeichnung erkennen läßt, die innere aber
homogen ist und mit dem Zystengerüst in Verbindung steht.
Die in Muskelfasern liegenden Schläuche lassen diese stäbchen¬
artige Zeichnung nur schwer erkennen, in frischen Zupfpräparaten
aber, in denen man die zerzupften Muskelfasern mit Eosin-Glyzerin
aufgehellt untersuchen kann, habe ich konstastiert, daß die äußere
Schicht der aus den Rindern und Büffeln, Pferden, Schafen, Rehen,
Schweinen und Hühnern stammenden Sarkosporidien-Schläuche eine
Stäbchenzeichnung aufweist, deren Linien mit der Querstreifung der
Muskeln nicht zusammenfallen und viel feiner sind. An den befreiten
Zysten ist diese stäbchenartige Schichte viel augenfälliger, denn an
dem Ektoplasma sieht man feine, kurze, fadenförmige Anhängsel, die
sich wie die Cilien in Form kurzer Fäden zueinander reihen, aber
nicht überall gleich lang und manchmal auch etwas gebogen sind.
Diese Fortsätze sind an dem aus dem Pferd, Rind und Huhn
stammenden Sarkosporidien ungefähr gleich groß, oder wenigstens
nicht dermaßen ungleich, wie an den Schläuchen der Sarcocystis
Miescheriana, was schon Manz erkannt hat. Die Fortsätze sind
gegen die zwei Pole der Zyste länger, wie man dies bei S. hirsuta
der Rinder und noch ausgesprochener bei S. Miescheriana sehen
kann, an welch letzteren die Stäbchen der Zystenpole beinahe zwei-
bis dreimal so lang sind wie an den Seitenteilen des Schlauches.
Wenn man die Richtung dieser Seitenfortsätze verfolgt, so bemerkt
man auch an der Oberfläche der Zysten ähnliche kurze Stäbchen, die
sich dicht rangieren und in quer oder bogenförmig verlaufende, manch¬
mal sich schlängelnde, aber zueinander immer parallele Linien geordnet
sind. Die Oberfläche der Schläuche hat infolgedessen ein derartiges
Aussehen, wie wenn es mit winzigen Stäbchen gespickt wäre; an
vielen Stellen sieht man aber statt der Stäbchen nur kleine Körnchen,
weil man von oben gesehen nur den optischen Durchschnitt bemerkt.
Diese stäbchenartige Schichte hat in den Muskeln eine gleichmäßige
582
v. RATZ,
Grenze, außerhalb der Muskelfaser zerfällt sie aber, wie dies schon
Leuckart festgestellt hat, und folglich sehen die Zysten wie mit zilien¬
artigen Fortsätzen bekleidet aus.
lieber die Entstehung dieser Stäbchen und über ihr Verhältnis
zu den quergestreiften Muskelfasern finden wir in der Literatur zahl¬
reiche von einander sehr abweichende Ansichten.
Rainey sah in diesen Fortsätzen mit der Hülle zusammenhängende Cilien r
welche Lokomotionsorgane wären, wogegen sie Virchow von den quergestreiften
Muskelfasern ableitet: nach dieser Ansicht entsteht die äußere Schicht der Hülle
aus Teilchen der primitiven Muskelfasern. Dagegen erklärte Leuckart diese eigen¬
tümliche Struktur in der Weise, daß die äußere Lage von zahlreichen Poren¬
kanälchen durchbohrt ist, die manchmal aufspringen, wodurch die Oberfläche der
Zyste einen Wimperbesatz bekommt.
Bertram beobachtete in den mit Hämatoxylin gefärbten Präparaten ebenfalls
dieses Auseinanderfallen der äußeren Schicht in Stäbchen. Nach seinen Beob¬
achtungen färben sich diese wimperartigen Fäden aber anders wie die die Schläuche
umhüllenden und oft auch noch ihre Querstreifung gut zeigenden Muskelfasern.
Wenn er dann die Zysten aus den Muskelfasern lospräparierte, so blieben die
Stäbchen mit der Hülle in Verbindung. Nach diesen Beobachtungen hielt er es
nicht für wahrscheinlich, daß die Fortsätze aus den Muskeln entstehen.
Nach Ferret wäre die radiäre Streifung so zu erklären, daß die Hülle aus
zweierlei Substanz besteht: aus sehr dünnen, stark lichtbrechenden Teilchen und
aus solchen, die sich mit Hämalaun gut färben. Die Streifung der Hülle stammt
also von gut färbbaren Stäbchen her, die mit einer hyalinen Substanz zusammen¬
gehalten werden. Vom Ursprung dieser Stäbchen gibt er aber keine weitere Auf¬
klärung.
Laveran und Mesnil (17) fanden die Hülle, welche mit queren, schrägen
oder länglich liegenden Wimpern, die zur Hülle gehören, bekleidet ist, sehr zart.
Nach Doflein kennen wir bei Cnidosporidien ganz ähnliche Strukturen und
können auf Grund der dort gemachten Befunde die beiden Schichten für Diffe¬
renzierungen des Ektoplasmas halten.
Aus meinen eigenen Untersuchungen erachte ich diese parallelen
Stäbchen als zum Ektoplasma gehörige Bildungen. An Querschnitten
ist es klar zu sehen, daß sich diese stäbchenartige Schicht von der
Muskelsubstanz ganz abweichend färbt, und daß sie mit der inneren
hyalinen Schicht des Ektoplasmas innig verbunden ist. Eine regel¬
mäßige Anordnung sehen wir an diesen längeren oder kürzeren, oft
etwas gebogenen Stäbchen auch dann, wenn wir die Schläuche von
den Muskelfasern herauspräparieren und mikroskopisch untersuchen.
Alle diese Beobachtungen weisen darauf hin, daß die Stäbchen
differenzierte Teile des Ektoplasmas sind, mittels welchen sich die
Sarkosporidien in die Muskelsubstanz anklammern und vielleicht auch
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche.
583
die zur Ernährung nötigen Säfte aus dem Muskelplasina durch Osmose
aufnehmen können.
Daß die Auffassung derjenigen Forscher, die diesen Stäbchen¬
besatz von den Muskeln ableiten wollten, nicht stichhaltig ist, habe
ich auch an den Sarkosporidienschläuchen des Rehes (Sarcocystis
gracilis) konstatieren können. In einem Präparat habe ich im
Längsschnitt einer Muskelfaser eine 0,20 mm lange und 0,055 mm
breite Zyste gefunden, die in der Mitte etwas aufgetrieben, an den
Polen abgerundet und von der Muskelfaser losgetrennt war, folglich
in einer kleinen Höhle lag, aber durch kurze abgerissene Teilchen
der Muskelsubstanz bedeckt war, die den Fleischprismen der Muskel¬
fibrillen ähnlich waren. Diese kleinen Partikelchen der Muskelfaser
erschienen an beiden Seiten ungefähr gleich groß und lagen parallel
nebeneinander, an den zwei Polen waren sie aber ungleich groß, in¬
folgedessen erschien ihre äussere Grenze hier unregelmäßig, und wo
sie etwas länger waren, gezackt; sie lagen aber immer parallel mit
der Queraxe des Schlauches und mit der Querstreifung der Muskel¬
faser. Die Zyste lag in einer kleinen Höhle und an einem Ende
dieser Lücke war die Muskelsubstanz in längliche Stückchen zer¬
fallen, die ein ähnliches Aussehen hatten, wie die der Hülle an¬
liegenden Muskelteilchen.
Dieser Befund ist aus zwei Gesichtspunkten interessant, denn er
beweist einmal, daß die Sarkosporidienschläuche in der Muskelsub¬
stanz so stark angeklammert sein können, daß, falls sie während der
histologischen Behandlung in Folge der chemischen Einwirkungen
oder aus einer anderen Ursache etwas zusammenschrumpfen, die
Teilchen, mit denen sie in unmittelbarer Berührung waren, aus der
Muskelfaser herausreißen, und zweitens werden die Differenzen, welche
zwischen den angeklebten ausgerissenen Muskelpartikelchen bestehen,
sichtbar gemacht. Diese an der Hülle anliegenden Muskelteilchen
sind aber mit der stäbchenartigen Schicht des Ektoplasraas nicht
identisch, indem sie viel dicker erschienen als die Stäbchen, sich
unregelmäßiger rangierten und mit der Muskelsubstanz ganz gleich¬
mäßig färbten, wogegen die unterhalb dieser Teilchen liegenden
feineren Stäbchen mit der Hülle gleichmäßig tingiert waren.
Mit der Atrophie der Muskelfaser verschwindet auch der Stäb¬
chenbesatz der Zyste, und die Hülle wird infolgedessen dünner. Bei
Safraninfärbung der Mikrotomschnitte habe ich aber manchmal auch
in diesem Stadium eine blasse, radiärgestreifte Schicht der Hülle ge-
584
v. HATZ,
sehen, die den stäbchenförmigen Fortsätzen entspricht. Nachdem
aber die Schläuche mit Sporen gefüllt werden und die Zystenwand
sich erweitert, erleiden diese Stäbchen eine stärkere Druckwirkung
und verschwinden stufenweise.
IV. Die Struktur des Endoplasmas und der Sporen.
Aus der hyalinartigen inneren Schicht der Zystenwand ent¬
springen Stränge, die sich dann vereinigen und den Hohlrau ra der
Zyste in kleinere Kammern teilen. Dieses Gerüst färbt sich ebenso
blaß und gleichartig, wie die innere Schicht der Zystenwand. Die
Stränge des Ektoplasmas sind an der Peripherie, wo sie entspringen,
dicker, wogegen sich ihre zentralen Teile so verjüngen, daß sie an
manchen Stellen zwischen den kugelförmigen Gruppen der Sporen
kaum zu erkennen sind. In der Mitte der größten Zysten erschienen
sie aber wieder dichter, indem die Kammern hier leer sind, zu¬
sammenfallen, wodurch die dazwischen liegenden ursprünglich ge¬
spannten Stränge nicht mehr gespannt bleiben und folglich kürzer
und dichter erscheinen.
Unter den mit Sporen gefüllten Kammern habe ich ausnahms¬
weise auch solche Protoplasmastränge gesehen, die eine kleinere oder
größere spindelförmige Anschwellung zeigten und hier eine ovale oder
rundliche, großkernige Zelle einschlossen.
An der inneren Grenze der Zystenwand liegen rundliche oder
längliche, blaßgefärbte Zellen in 2— 3 Reihen, die einen Kern oder
mehrere dunkel gefärbte, große Kerne enthalten, umgeben von dem
feingranulierten Plasma. Diese Zellen bilden eine blasse Zone und
entsprechen den aus den Cnidosporidien bekannten Pansporoblasten.
In den jüngsten Zysten findet man nur diese grossen Zellen, entwickelte
Sporen aber noch nicht. Die zweite Zone der größeren Schläuche
zeigt schon die genannten kleinen Kammern, mit zahlreichen rund¬
lichen oder an einem Pole etwas ausgespitzten, an dem anderen ab¬
gerundeten Zellen (Sporoblasten) und darunter blasse, kleine Kügel¬
chen, zerstreut auch kleine bohnen-, nieren- und sichelförmige Sporen.
Die dritte Zone enthält schon größere Kammern, ganz mit Sporen ge¬
füllt, die mehr oder weniger gebogen, an einem Ende abgerundet, an
dem anderen dagegen verjüngt sind. Im Zentrum sind die
Kammern leer.
Die Sporen sind von einer sehr dünnen Membran umgeben, und
in dem Zellplasma finden wir einen großen Kern, der nahe zu dem
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche.
585
abgerundeten Pole liegt und im Inneren eine zentrale oder zwei ex¬
zentrische Karyosomen aufweist. Vor dem Kern liegt ein viel
kleineres, stark lichtbrechendes, rundliches Körperchen. In der Mitte
der Sporen und manchmal auch hinter dem Kern sind glänzende
Körnchen und in dem verjüngten Ende ist eine spiralartige Zeichnung
zu sehen.
Mit einer sehr dünnen wässerigen Dahlialösung oder mit Neutral¬
rot können die Sporen auch vital gefärbt werden, indem das Proto¬
plasma die Farbe annimmt, und auch die Körnchen werden teilweise
gefärbt, dagegen bleiben der Kern und das vor ihm liegende Körper¬
chen ungefärbt, jedoch ihre Konturen werden in dem gefärbten Proto¬
plasma besser wahrnehmbar, und auch die spiralartige Streifung des
verjüngten Pols der Sporen ist schärfer. Noch besser kann man sich
über die Struktur in den nach Giemsa gefärbten Deckglaspräparaten
orientieren, da sich dann die Chromatinsubstanz der Kerne rot färbt
und unregelmäßig zerstreut oder in Fäden gereiht in der achroma¬
tischen Substanz zu sehen ist. Das stark licht brechende Körperchen
bleibt regelmäßig ungefärbt oder tingiert sich blaßrötlich, enthält
aber ein dunkleres Körnchen.
Das Plasma der Spore vor und hinter dem Kern erscheint licht¬
blau oder etwas dunkler und enthält dunkelblaue Körnchen, die nach
Laveran und Mesnil Nuklein sein sollen. Um das lichtbrechende
Körperchen sieht man hier und da rotgefärbte Granula. Der verjüngte
Pol der Spore färbt sich blaßrötlich und ist in manchen gegen den
mittleren blaugefärbten Teil scharf begrenzt.
Die Sporen der Sarcocystis Miescheriana enthalten hinter
dem Kern, im abgerundeten Pol eine kleinere oder größere Vakuole,
die immer ganz ungefärbt bleibt und einen gefärbten Teil nicht
enthält.
Die spirale Zeichnung erstreckt sich zirka auf ein Drittel der
Sporen, die Streifung ist aber nicht in allen Sporen gleich, indem
die Linien bald parallel mit der Queraxe, bald in schräger Richtung
oder etwas gebogen verlaufen und oft nur zwischen den zwei Rändern
der Spore zum Vorschein kommen, sich aber nicht bis zur Membran
erstrecken.
Diese eigentümliche Struktur an dem verjüngten Pol wurde schon von L.
Pfeiffer bemerkt, von van Eeoke (18) auch abgebildet; später haben Laveran
und Mesnil die früheren Beobachtungen bestätigt und erachteten zugleich die
auch schon von anderen Forschern ausgesprochene Meinung als bewiesen, daß
586
v. RATZ,
diese Zeichnung von einer Polkapsel kommt, obwohl sie das Hervorschnellen eines
Polfadens nicht gesehen haben. Pagenstecher, Dammann, L. Pfeiffer,
van Eecke und Schneidemühl (19) haben auch Polfäden gesehen, wie man sie
aus den Cnidosporidien kennt. Die Beobachtungen von van Ecke können aber
kaum richtig sein, denn er zeichneto einen solchen Faden auch an dem abge¬
rundeten Pol der Spore und an anderen sogar zwei Fäden. Wasielewski (20)
hat an einem Pol auch einen Faden stufenweise ausspringen gesehen, der sich
bald lostrennte und verschwand; dieser Faden war aber nach soiner Meinung mit
den Polfäden der Cnidosporidien nicht gleichwertig. M. Koch (21) hat an den
Sporen einen Faden nicht beobachtet, aber nach der schraubenförmigen lebhaften
Bewegung, die er an den Sporen der Sarcocystis muris gesehen bat, hält er
das Vorhandensein eines Fadens nicht für ausgeschlossen. Th. Smith (22) hat
diese Bewegung bei 37° C. auch an den Sarkosporidiensporen der Mäuse in phy¬
siologischer Kochsalzlösung gesehen. L. Pfeiffer aber behauptete schon lange,
daß in den Zysten der Sarcocystis Miescheriana zweierlei Sporen Vorkommen,
d. h. bewegliche und unbewegliche. Jan in (23) konnte nur eine Art Rotation
wahrnehmen, die er mit der Strömung der Flüssigkeit oder mit der Molekular¬
bewegung in Zusammenhang brachte.
Ich habe den Inhalt ganz frischer Zysten ohne Zugabe eines
fremden Stoffes im Thermostasen bei 36—37° 0. vielmal untersucht
und bei dieser Gelegenheit sehr schwache pendulierende Bewegungen
und Orts Veränderungen der Sporen beobachtet, dabei zeigten sie auch
kleine Formveränderungen, wie dies schon Leuckart erwähnt; in¬
dessen alle diese Erscheinungen waren so unbestimmt, daß ich die¬
selben nicht für selbstständige Bewegungen ansehen kann.
Mit einem ähnlichen Verfahren, wobei ich dafür gesorgt habe, daß
die Sporen vor Bakterien und gegen Austrocknung geschützt sein
sollen, habe ich die Sporen bei 36—37° C. mehrere Tage lang im
Thermostaten unter dem Mikroskop beobachtet, um zu sehen, ob sie
Zeichen der Teilung oder andere Umwandlungen und Veränderungen
zeigen. Piana (24) behauptet nämlich, daß es ihm gelungen wäre
die Sporen der Sarcocystis hirsuta künstlich zu züchten und zu
beobachten, daß sie in kleine Kügelchen zerfallen, die dann stufen¬
weise wachsen, in 25—60 Tagen amöbenartige Organismen werden,
sich einkapseln und in einem encystierten Zustand lebensfähig bleiben.
Aehnliche Beobachtungen sollen auch van Eecke und L. Pfeiffer
gemacht haben. Meine oft wiederholten Versuche blieben in dieser
Beziehung resultatlos, ebenso wie die Untersuchungen von Bertram.
Diesen Versuchen verdanke ich es aber, daß ich mich von einem
den Polfäden ähnlichen Fortsatz der Sporen überzeugen konnte.
An den Sporen der Sarcocystis hirsuta aus dem Schlunde
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche.
587
eines Büffels habe ich nach 92 Standen einen geißelförmigen Faden
gesehen, der an dem verjüngten Pol erschien. Der Basalteil dieses
Fadens war etwas dicker und manche Fäden hatten beinahe die
gleiche Länge als die Spore. 24 Stunden lang habe ich diese Geißeln
gesehen, hernach sind sie verschwunden. Vielleicht waren die von
Wasielewski beobachteten Fäden auch dieser Art. Diese Geißeln
scheinen sich nur unter gewissen Umständen und nach besonderen
Einflüssen zu zeigen, die in meinem Falle die längere Einwirkung der
gleichmäßigen Wärme gewesen sein könnte.
Mit diesen Geißeln kann die eigentümliche spirale Zeichnung der
Sporen Zusammenhängen, denn sie erscheinen an demselben Pol.
Damit kann auch eine andere bis jetzt unbemerkte Erscheinung in
Beziehung sein, die ich in den nach Giemsa gefärbten Deckglasprä¬
paraten aus Sarcocystis hirsuta eines Rindes beobachtet habe. Der
verjüngte Pol vieler Sporen blieb beinahe ganz ungefärbt, nur die
Ränder waren hier rot und eine kegelförmige mit der Basis nach
innen gerichtete oder in manchem bimförmige, kapselähnliche Höhle
war zu sehen. In anderen Sporen, in denen beide Pole gefärbt
waren, zeigte sich statt der kleinen Höhle ein bimförmiges, stärker
gefärbtes Körperchen, gefüllt mit rotgefärbtem Plasma, welches in den
oben erwähnten fehlte.
Wenn ich nun alle diese Beobachtungen miteinander vergleiche,
so glaube ich neue Beweise gefunden zu haben, die alle dafür sprechen,
daß die Sporen an einem Pol wirklich eine Kapsel und
darin, so scheint es zu sein, einen Faden enthalten.
M. Koch hat mittels der Romanowskischen Färbung die Ein-
kernigkeit der Sarkosporidiensporen nachgewiesen. Dies spricht nach
Doflein (25) gegen das Vorhandensein der Polkapseln und gegen die
systematische Zugehörigkeit der Sarkosporidien zu den Myxosporidien.
Folglich hat bis jetzt keiner von den zitierten Forschern in den Sporen
ein zweites Zellorgan nachgewiesen, welches man als einen zweiten
Kem oder für ein damit vergleichbares Organ hätte ansprechen können.
Eben deswegen glaube ich meinem Befund, daß ich vor dem Kern ein
Körperchen bemerkt habe, welches stark lichtbrechend ist und ein sich
stärker färbendes Körnchen enthält, eine gewisse Bedeutung zusprechen
zu können. Dieses Gebilde, umsäumt von einer helleren Plasmaschicht,
erinnert an jene Zellorgane, die wir unter den Namen Blepharoblast,
Centrosoma oder Nukleocentrosoma kennen, die in den Protozoen von
dem ausgezeichneten Protistologen Schaudinn nachgewiesen wurden,
588 v. RATZ,
obzwar Bütschli, Hertwig und Lauterborn an einen Nebenkern
schon gedacht haben.
Es wäre noch verfrüht weitgehende Folgerungen aus diesen Be¬
obachtungen zu ziehen, sie können aber als Fingerzeige dienen, daß
wir die nächsten Verwandten der Sarkosporidien doch in den Cnido-
sporidien und zwar in den Noseraatiden suchen sollen. Nach dem
geißelartigen Fortsatz der Sporen und dem blepharoblastähnlichen
Zellorgan könnte man auch an die Flagellaten denken, diese Verwandt¬
schaft ist aber nicht wahrscheinlich.
Unter den regelmäßig sichelförmigen Sporen der Sarcocystis
Miescheriana gibt es auch bohnen- und nierenförmige, die etwas
länger und bedeutend dicker sind und einen verhältnismäßig sehr
großen ovalen oder länglichen Kern enthalten, in welchen die Chroma¬
tinsubstanz verdünnt und in Fäden gereiht ist, wie man dies in ge¬
wissen Stadien der Kern- und Zellteilung wahrnehmen kann. Jeden¬
falls sind diese Strukturveränderungen der Zellteilung ähnliche Er¬
scheinungen, die seit meinen (1908) Untersuchungen von Negri (26)
bei Sarcocystis muris viel eingehender beschrieben wurden.
Literatur.
1) Mieseber, F., Ueber eigentümliche Schläuche in den Muskeln einer Haus¬
maus. Berichte über die Verhandl. d. naturforsch. Gesellscb. in Basel. Bd. V.
1843. S. 198.
2) Heßling, Th. v., Histologische Mitteilungen. Zeitschr. f. wissensch. Zool.
Bd. V. 1854. S. 189.
3) Siebold, C. Th. v., Zusatz (zu Heßlings histolog. Mitteilungen). Ebendas.
S. 199.
4) Rainey, G., On the structure and development of Cysticercus cellulosae, as
found in the muscles of pig. Philosopbical Transactions. 147. 1858. p. 111.
5) Virchow, R., Zur Trichinenlehre. Virchows Arch. Bd. XXXU. 1865. S. 322.
6) Leuckart, R., Die Parasiten des Menschen. 2. Aufl. Bd. I. 1879. S. 251.
7) Bütschli, 0., Klassen und Ordnungen des Tierreiches. I. Protozoa. Leipzig
1882. Sarcosporidia. S. 604.
8) Balbiani, G., Les Sporozoaires. Journ. de micrographie. T. VII. 1882.
Le$ons sur les Sporozoaires. Paris 1883.
9) Lindner, G., Biologische Studien über parasitische Protozoen. Arch. f. wiss.
u. prakt. Tierheilk. Bd. XXXIII. 1907. S. 432.
10) Pfeiffer, L., Die Protozoen als Krankheitserreger usw. Jena 1891.
11) Blanchard, R., Note sur les Sarcosporidies etc. Bull, de la Soc. Zool. de
France. T. X. 1885. p. 244.
Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche.
589
12) Bertram, A., Beiträge zur Kenntnis der Sarkosporidien usw. Zool. Jabrb.
Abt. f. Morphologie. Bd. V. 1892. S. 581.
13) Bergmann, A. M., Einige statistische Mitteilungen über Sarkosporidien.
Zeitscbr. f. Tiermedizin. Bd. VI. 1902. S. 462.
14) Ratz, St. v., A izomban älösködö v4gl6nyek 4s & magyar faunäban elöfor-
dnld fajaik. .(Die Sarkosporidien and ihre in Ungarn vorkommenden Arten.)
Tafel I—III. Ällattani közlemänyek. 1909. Nr. 1—2.
15) Szentkirälyi, A., A Miescher-f41e tömlök. Kolozsvär 1881.
16) Ferret, P., L’Evolution de la cnticule du Sarcooystis tenella. Compt. rend.
de la Soc. de Biologie. T. 55. Nr. 26. p. 1054. 1903.
17) Laveran, A., et F. Mesnil, Sur la morphologie des Sarcosporidies. Ibidem.
T. 51. p. 245. 1899.
18) Ecke, J. van, Jaarsverslag Labor, patbol. Anat. en Bacter. te Weltevreden.
(1892.) Batavia 1893. (Zitiert nach Braun und Doflein.)
19) Schneideraühl, G., Ueber Sarkosporidien. Tiermedizin. Vorträge. Bd. III.
H. 11. Leipzig 1897.
20) Wasielewski, Dasselbe. Verhandl. des V. Internat. Zoologenkongr. zu Bern
1901. S. 683.
21) Koch, M., Dasselbe. Ebendas. S. 674.
22) Smith, Th., The production of sarcosporidiosis in the mouse by feeding in-
fected muscular tissue. Journ. of experim. med. Vol. 6. No. 1. p. 1.
Tab. 1—4.
23) Janin, F., Recherches sur la Sarcosporidies du mouton. Arch. de Parasitol.
T. XI. No. 2. p. 233. 1907.
24) Piana, G. P., Fasi evolutive dei sarcosporidi. La Clinica veterinaria. p. 145.
1901.
25) Doflein, F., Lehrbuch der Protozoenkunde. 2. Aull. Jena 1909. S. 805.
26) Negri, A., Beobachtungen über Sarkosporidien. I. u. II. Zentralbl. f. Bakt.
etc. Orig. Bd. 47. 1908. S. 56 u. 612.
XXIV.
Aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berlin.
Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit
der Anaphylaxie.
Von
Dr. Knrt Schern,
wissenschaftlichem Hilfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheitsamt.
Die Präzipitation wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts von
Uhlenhuth zur Unterscheidung verschiedenartiger Fleisch- und Blut¬
arten praktisch verwendet. Die von Uhlenhuth bekannt gegebenen
Tatsachen hat Schütz als erster in der Veterinärmedizin durch
seine Schüler Mießner und Herbst für die Erkennung von Pferde¬
fleisch nachprüfen lassen. Auf Grund dieser und vieler anderer
nachfolgender Untersuchungen hat die Präzipitation in der praktischen
Veterinärmedizin, besonders zum Nachweis von Pferdefleisch eine
ausgedehnte Verwendung gefunden. In allerletzter Zeit ist der Eiwei߬
differenzierung nach Uhlenhuth für den Tier-Arzt ein neues Feld
dadurch erschlossen worden, daß man sie nach dem Vorgänge von
Mießner zur Erkennung bestimmter Futtermittel Verfälschungen ver¬
wendet hat.
Neben der Präzipitation ist die Koraplemcntbindung zur
Unterscheidung verschiedener Eiweißsorten empfohlen worden. Diese
aber hat sich nicht in so ausgedehnter Weise wie die Präzipitation
einbürgern können, weil sie für praktische Zwecke nicht mit derselben
Sicherheit arbeitet, wie die Präzipitation und technisch schwieriger
als diese zu handhaben ist.
Nach den Ergebnissen der neuesten im Kaiserlichen Gesundheits¬
amt ausgeführten Untersuchungen von Uhlenhuth und Händel ist
anzunehmen, daß auch die Anaphylaxie bei der biologischen Eiwei߬
differenzierung zum Nachweis bestimmter Eiweißkörper praktische
Verwendung finden kann. Mit dieser Frage soll sich auch die vor¬
liegende Arbeit beschäftigen.
Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 591
Die theoretischen Anschauungen über die Anaphylaxie, die noch
nicht geklärt sind, zu erörtern, ist hier nicht unsere Aufgabe. Es
möge genügen, wenn gesagt wird, daß die Anaphylaxie eine
biologische Eiweißreaktion im lebenden Organismus darstellt.
Man unterscheidet eine aktive und passive Anaphylaxie.
Die aktive Anaphylaxie besteht darin, daß nach einer reaktions¬
los vertragenen Injektion einer Eiweißsubstanz der Tierkörper so
empfindlich, bzw. sensibilisiert gegen die injizierte Substanz
wird, daß er bei einer später erfolgenden Injektion — der Reinjektion
oder Prüfungsinjektion — einer gleichartigen Substanz charakte¬
ristisch und typisch reagiert.
Die passive Anaphylaxie läßt sich dadurch nachweisen, daß man
einem aktiv sensibilisierten Tier, z. B. einem Meerschwein Serum
entzieht und einem anderen, normalen Meerschwein injiziert. Spritzt
man diesem Tier 24 bis 48 Stunden nach dieser Injektion die als
Sensibilisinogen benutzte Eiweißart ein, so reagiert es mit Ueber-
empfindlichkeitssymptomcn, wie Otto zuerst nachgewiesen hat.
Die Versuchstechnik bei der Anaphylaxie gestaltet sich so, daß man
einem Meerschwein eine Eiweißärt — am besten subkutan — injiziert. Einige Zeit
später — 2 bis 3 Wochen darnach — erfolgt die Reinjektion oder die Prüfungs¬
injektion der als Antigen benutzten Eiweißart — am zweckmäßigsten intrakardial
—, durch welche das betreffende Tier auf das Vorhandensein der Ueberempfind-
lichkeit geprüft wird. Die Erscheinungen der aktiven nnd passiven Anaphylaxie
sind zwar gleichartig, aber äußerst mannigfaltig. Sensibilisierte Meerschweine
zeigen nach der Prüfungsinjektion Unruhe, sie stellen die Ohren und sträuben das
Nackenhaar. Die Tiere führen ziemlich schnelle Kaubewegungen aus und putzen
sich das Maul. Bald stellen sich Zuckungen über den ganzen Körper ein, diese
steigern sich zu allgemeinen Krämpfen. Es werden Kot und Urin abgesetzt. Die
Atmung ist beschleunigt und angestrengt. Die Herztätigkeit ist schwach und die
Temperatur herabgesetzt. Die Meerschweine gehen unter diesen Erscheinungen
häufig zu Grunde.
Die Bedeutung der Anaphylaxie beruht darin, daß sie eine
Eiweißreaktion ist. Allerdings muß man sich, worauf Uhlenhuth
und Händel ausdrücklich hinweisen, hinsichtlich eines Urteils über
ihre Verwendung in der Praxis eine gewisse Reserve auferlegen.
Die Verhältnisse sind in dieser Beziehung noch lange nicht so geklärt,
wie bei der Präzipitation. Deshalb wird diese letzte Methode
in der Praxis, wo es gilt, Eiweiß zu differenzieren, nach wie vor an
erster Stelle stehen. Es läßt sich zur Zeit noch nicht mit völliger
Sicherheit sagen, ob die Anaphylaxie in demselben Grade spezifisch
592
SCHERN,
ist, wie die Präzipitation, wenn auch zweifellos feststeht, daß der
Ueberempfindlichkeit eine quantitative Spezifität zukoramt. Da
kleinste Eiweißspuren zur Auslösung des anaphylaktischen Symptomen-
komplexes genügen und sich auch mit denaturierten Eiweißkörpern
Anaphylaxie erzeugen läßt, so können diese Eigenschaften der Ueber¬
empfindlichkeit bestimmend für ihre Verwendung bei gewissen Fällen
in der Praxis sein. Von diesem Gedanken ausgehend haben Uhlenhuth
und Händel die anaphylaktische Reaktion auf ihre Verwendbarkeit
für die forensische Praxis zur Differenzierung von Blut- und Fleisch¬
sorten herangezogen. Sleeswigk, H. Pfeiffer und Thomsen
haben bald darauf die Anaphylaxie ebenfalls in forensischer Beziehung
zur Unterscheidung der verschiedenen Blutarten empfohlen. Uhlen¬
huth und Händel haben ferner versucht, die Reaktion für die Be¬
stimmung der Provenienz von Mumien, gekochten Fleischsorten,
rohen Oelen, Fetten, Nährpräparaten und Futtermitteln,
von Se- und Exkreten, sowie zur Differenzierung verschiedener
Organeiweißarten desselben Organismus zu verwenden. Den
beiden Autoren ist es gelungen, mittels der Anaphylaxiereaktion selbst
bei ägyptischen Mumien [der XXI. (950 v. Chr.) und XXVI. (600 v.
Chr.) Dynastie] noch Spuren von menschlichem Eiweiß nachzuweisen,
was mit anderen biologischen Methoden dieser Art, wie Präzipitation
und Komplementbindung nicht möglich ist. Dieselben Autoren haben
u. a. mit gekochtem Pferdefleisch, gekochter Leber- und Blutwurst,
gekochtem Fischfleisch eine positive Anaphylaxiereaktion in solchen
Fällen erzielen können, in denen die Präzipitation ein negatives
Resultat ergeben hat. Sehr interessant ist die Tatsache, daß Meer¬
schweine, die mit rohem Leinöl vorbehandelt worden sind, anaphy¬
laktisch auf die Injektion von Extrakten aus rohem Leinsamen
reagiert haben.
Analog ist ein Versuch mit Kokosbutter ausgefallen. Besonders
bemerkenswert ist ferner, daß Meerschweine nach der Vorbehandlung
mit menschlichem, normalem Urin, in dem sich mit den sonst üblichen
Methoden Eiweiß nicht hat nachweisen lassen, gegen menschliches
Eiweiß und zwar nur gegen solches anaphylaktisch werden. Es ge¬
lingt daher in fraglichen Fällen mittels der Ueberempfindlichkeits-
reaktion den Urin der einzelnen Tiere zu unterscheiden, was mit den
bisherigen Methoden nicht möglich war.
Von Uhlenhuth und Andrejew, sowie von Kraus, Doerr,
Sohma ist gezeigt worden, daß sich das Linseneiweiß von dem
Experimentolle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 593
des Serums eines Organismus auch bei der Prüfung mit der
Anaphylaxie unterscheiden läßt. Das entspricht den von Uhlenhuth
bereits früher mit der Präzipitation festgestellten Tatsachen. Das
Linseneiweiß nimmt demnach eine Sonderstellung ein und entbehrt
der Artspezifität, weil es sich bei allen untersuchten Tieren als ein
biologisch gleichwertiger Eiweißkörper erwiesen hat. Es gelingt also,
Meerschweine, die mit Linsen von Meerschweinen vorbehandelt sind,
gegen den gleichartigen Eiweißkörper, nicht aber gegen das von der
gleichen Tierart stammende Serumeiweiß anaphylaktisch zu machen.
Es ist sogar nach den Angaben von Uhlenhuth und seinen Schülern
möglich, bei Meerschweinen, die mit dem Linseneiweiß ihres einen
Auges sensibilisiert worden sind, Anaphylaxie gegen das Linseneiweiß
des anderen Auges auszulösen.
Auch zur Differenzierung von Bakterien ist die Ueberempfind-
lichkeit von Rosenau und Anderson, sowie von Kraus und Doerr
und Wolff-Eisner u. a. verwendet worden. Aus diesen Unter¬
suchungen, die u. a. an Typhus- und Dysenteriebazillen, Cholera-, Nasik-
oder El-Tor-Vibrionen ausgeführt worden sind, hat sich nach Kraus
und Doerr „die bis ins Detail gehende Uebereinstimmung mit den
Eigenschaften der anaphylaktischen Reaktionskörper gegen artfremdes
Eiweiß“ ergeben. Diese Angabe ist neuerdings durch Experimente
von Holobut bestätigt worden.
Verschiedene Autoren haben auch die Anaphylaxie zur Diagnose
von Infektionskrankheiten verwendet. Man hat die im Blute eines
infizierten Organismus hypothetisch angenommenen und darin kreisen¬
den eiweißhaltigen Stoffwechselprodukte der Infektionserreger nach-
weisen wollen. Praktisch wird bekanntlich eine Form der Ueber-
empfindlichkeit schon seit längerer Zeit zu diagnostischen Zwecken
bei der Tuberkulose und beim Rotz verwendet (Tuberkulin- und
Malleinreaktion). Von Jamanouchi ist die passive Anaphylaxie zur
Diagnose der Tuberkulose und von H. Pfeiffer zur Erkennung von
Tumoren empfohlen worden.
Auf Veranlassung des Herrn Geheimrat Uhlenhuth habe ich
im Kaiserlichen Gesundheitsamte über die praktische Verwertbarkeit
der Anaphylaxie einige Untersuchungen angcstellt, über die im
Folgenden berichtet werden soll.
38
Archiv f. Wissens*'!], u. prakt. Tierheilk. ßd. Snppl.-ßand.
594
SCHERN,
I. Untersuchungen über Anaphylaxie zum Nachweis von Ver¬
fälschungen der Futtermittel.
Fultermittelverfälschungen nachzuweisen, bietet gewisse Schwierig¬
keiten. Die einschlägigen Untersuchungsmethoden sind auch nicht
immer absolut zuverlässig und bedürfen deshalb in mancher Be¬
ziehung einer Ergänzung. Aus diesem Grunde habe ich im Hinblick
auf die oben erwähnten Befunde von Uhlenhuth und Händel ver¬
sucht, die Anaphylaxie zur Erkennung von bestimmten Verfälschungen
der Futtermittel zu verwenden. Die Anaphylaxie wird in solchen
Fällen gute Dienste leisten, wo es gilt, in einem Futtermittel sehr
kleine Mengen bezw. Spuren gewisser Eiweißsubstanzen nach zu weisen;
denn größere Mengen solcher Eiweißstoffe kann man, wie zuerst
Mießner gezeigt hat, sehr gut mit der Präzipitation auffinden.
Für die nachstehenden Versuche kam es zunächst darauf an,
im Prinzip die Frage zu beantworten, ob überhaupt die
Anaphylaxie für die gedachten Zwecke geeignet ist. Es sind des¬
halb Rizinus, Kornrade, Ackersenf und Mutterkorn in einer
so geringen Menge, wie es unter praktischen Verhältnissen wohl
meist nicht vorkommt, mit Futtermitteln — Roggenkleie, Erdnu߬
mehl und Sesamkuchenmehl — vermischt worden.
ß
Von diesen verfälschten Futtermitteln werden je 5 g in 100 com 0,85 proz.
NaCl-Lösung aufgeschwemmt und dieseAufschwemmungen 24Stunden im Schüttel¬
apparat bei Zimmertemperatur geschüttelt. Hiernach werden die Aufschwemmungen
durch Papierfilter so oft filtriert, bis mit unbewaffnetem Auge erkennbare Bestand¬
teile in den Extrakten nicht mehr vorhanden und letztere ziemlich klar sind, ln
gleicher Weise werden von den unverfälschten Futtermitteln, von der Roggenkleie,
dem Erdnuß- und Sesamkuchenmehl Extrakte hergestellt. Mit den so gewonnenen
Extrakten werden Meerschweine subkutan vorbehandelt. Zu der später erfolgenden
Prüfungsinjektion werden in ähnlicher Woisc Extrakte aus den eigentlichen Futter¬
mitteln selbst als auch aus den zur Verfälschung benutzten Samen in y 2 , 10 und
20proz. Konzentration hergestellt und hiermit die Versuchstiere intrakardial
gespritzt. Bei den Versuchen über Rizinusverfälschungen ist auch die passive
Anaphylaxie zur Anwendung gekommen.
Außerdem sind noch einige Nebenversuche ausgeführt worden.
Diese haben darüber Aufschluß geben sollen, ob Meerschweine aktiv
und passiv gegen Rizin überempfindlich werden und ob die Diagnose
der Rizinusvergiftung mit Hilfe der Anaphylaxie gestellt werden kann.
Die näheren Einzelheiten linden sich im Nachstehenden.
Experimenteller Beitrag zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 505
a) Versuche mit Ackersenf.
Tabelle a.
Versuchs¬
tier Nr.
Datum der
Vorbehandlung
Menge des sub¬
kutan injizierten
V 2 proz. Acker-
senf-Erdnuß-
mehlextraktes
Datum der Prü¬
fungsinjektion
Menge des zur
Prüfungs¬
injektion ver¬
wendeten Acker¬
senfextraktes
Menge des zur
Prüfungs-
kontroilinjektion
verwendeten
Extraktes von
Mutterkorn
Ausgang des
Versuches
1909
1909
i.
9. 9.
2 ccm sk.
14. 10.
iy 2 ccm (*/ 2 proz.
—
Ist munter.
10. 9.
2 ccm sk.
Ackersenfextr.)
13. 9.
2 ccm sk.
2.
9.9.
2 ccm sk.
14. 10.
1V 2 ccm (V 2 proz.
Ist sofort schwer
10. 9.
2 ccm sk.
Ackersenf lösg.)
anaphylakt., setzt
Urin ab. Erholt sich.
13. 9.
2 ccm sk.
15. 10.
—
3 / 4 ccm (20 proz.
Ist munter.
Mutterkornex- |
traktes)
3.
9. 9.
2 ccm sk.
15.10.
,
l 1 2 ccm (10 proz.
—
Sofort schwor ana¬
10. 9.
2 ccm sk.
Ackersenf lösg.)
1
phylaktisch, dabei f.
13. 9.
2 ccm sk.
4.
9. 9.
2 ccm sk.
18. 10.
1 ccm (20 proz.
—
Sofort schwer ana¬
10. 9.
2 ccm sk.
Ackcrscnflösg.)
phylaktisch, dabei +.
13. 9.
2 ccm sk.
5.
—
—
15. 10. ,
l ! /2 ccm (10 proz.
—
Ist munter.
(Kontrolle)
1
Ackcrscnt lösg.)
6.
—
—
18. 10.
1 ccm (20 proz.
— 1
Ist munter.
(Kontrolle)
Ackersenf lösg.)
Anmerkung: Die übrigen Kontrollen sind in Tabelle d verzeichnet.
Hieraus ergibt sich, daß die Versuchstiere durch die
Vorbehandlung mit dem Extrakt des verfälschten Futter¬
mittels — Ackcrscnf-Erdnußmehl — bei der Prüfungs¬
injektion gegen Ackersenf anaphylaktisch geworden sind.
b) Versuche mit Mutterkorn.
Aus den in der nachstehenden Tabelle verzeichneten Tatsachen
ist ersichtlich, daß die Versuchstiere nach der Vorbehandlung mit
dem Extrakt des verfälschten Futtermittels — Mutterkorn - Roggen¬
kleie — bei der Priifungsinjektion gegen Mutterkorn nicht in typischer
Weise anaphylaktisch geworden sind. Nur ein Tier hat ganz leichte
Symptome der Anaphylaxie gezeigt.
38*
596 SCHERN,
Tabelle b.
Versuchs¬
tier Nr.
Datum der
Vorbehandlung
Menge des sub¬
kutan injizierten
1 / 2 proz. Mutter¬
kornroggenkleie¬
extraktes
Datum der Prü¬
fungsinjektion
Menge des zur
Prüfungs¬
injektion ver¬
wendeten Mutter¬
kornextraktes
Menge des zur 1
Prüfungs- !
kontrollinjektion,
verwendeten
Kornrade¬
extraktes i
Ausgang des
Versuches
1909
1909
1 l
1.
9.9.
2 ccm sk.
18.10.
9 /io ccm (20proz.
—
Kaut nach der In*
10. 9.
2 ccm sk.
Mutterkornextr.)
jektion. Ist munter
13. 9.
2 ccm sk.
Ob anaphylaktisch':
2.
9. 9.
2 ccm sk.
18. 10.
V 2 ccm (20proz.
i
Putzt sich sehr wen:>
10.9.
2 ccm sk.
Mutterkornextr.)
nach der Injektion
13. 9.
2 ccm sk.
Ist munter. Ob ana¬
i
phylaktisch?
3.
9. 9.
2 ccm sk.
18. 10.
—
, V 2 ccm (15proz.
Ist munter.
10. 9.
2 ccm sk.
Kornradcextr.)
13. 9.
2 ccm sk.
4.
9. 9.
2 ccm sk.
18. 10.
3 / 4 ccm (20proz.
1
Putzt sich, fängt an zu
10. 9.
2 ccm sk.
Mutterkornextr.)
husten nach d. Injek¬
13. 9.
2 ccm sk.
tion. Ist ganz 1 e i e h:
anaphylaktisch, aber
nicht sehr typisch.
5.
—
' —
18. 10.
9 / 10 ccm (20proz.
—
Ist munter nach der
(Kontrolle)
1
Mutterkornextr.)
Injektion.
6.
—
—
18. 10.
—
1 ccm (15proz.
Ist bald nach der Ln-
(Kontrolle)
, Kornradeextr.)
. jektion f.
7.
—
|
18. 10.
—
l j 2 (wm (15proz.
• Ist munter nach der
(Kontrolle)
1
' Kornradeextr.)
Injektion.
Anmerkung: Die übrigen Kontrollen sind in Tabelle d verzeichnet.
c) Versuche mit Kornrade.
Aus den nachstehenden Versuchen mit Kornrade einen endgültigen
Schluß zu ziehen, ist ebenso schwierig, wie aus den Versuchen mit
Mutterkorn. Eindeutig sind die Resultate nicht. Die sehr ge¬
ringen anaphylaktischen Symptome, die ein mit verfälschtem Futter¬
mittel — Kornrade-Roggenkleie — vorbehandcltcs Tier bei der
Prüfungsinjektion gezeigt hat, weisen darauf hin, daß es bei wei¬
teren Versuchen wohl möglich sei n wird, Uebcrempfindlich-
keit gegen Kornrade auszulösen.
d) Kontrollversuche mit reiner Roggenkleie und reinem Erdnu߬
mehl.
Aus den in der Tabelle d verzcichneten Versuchen ist
der Schluß gestattet, 1) daß sich Anaphylaxie gegen Roggen-
Experimentelle Beiträge zur praktischen Vorwertbarkeit der Anaphylaxie. 597
Tabelle c.
Versuchs¬
tier
Nummer
Datum der Vor¬
behandlung
Menge des
subkutan inji¬
ziert. 1 / 2 proz.
Kornrade¬
roggenkleie¬
extraktes
! 2 §
‘ta
Ut ff)
TJ Q
ä ’35
1 %
" 5,2
Q
Menge des zur
Prüfungsinjektion
verwendeten
Kornradeextraktes
Ausgang
des
Versuches
1909
1909
1.
9. 9.
2 ccm sk.
14.10.
1 72 ccm (7 2 proz.
Ist munter nach der
10. 9.
2 ccm sk.
Kornradeextraktes).
Injektion. Nicht
13. 9.
2 ccm sk.
anaphylaktisch.
2.
9. 9.
2 ccm sk.
18.10.
V* ccm (löproz.Korn-
Stirbt bald nach
10. 9.
2 ccm sk.
1 radeextraktes).
der Injektion. Ob
13. 9.
2 ccm sk.
i
anaphylaktisch?
3.
9. 9.
2 ccm sk.
18.10.
'/2 ccm(15proz.Korn-
10 Minuten nach der
10. 9.
2 ccm sk.
radeextraktes).
Injektion fangt es an,
13. 9.
2 ccm sk.
sich zu putzen u. zu
husten. Erholt sich.
i
Ganz leicht anaphyl.
4.
9. 9.
2 ccm sk.
| 18. 10.
1 3 / 4 ccm(15proz.Korn-
Ist munter nach der
10. 9.
2 ccm sk.
i radeextraktes).
Injektion. Nicht
13. 9.
2 ccm sk.
i 18. 10.
anaphylaktisch.
G.
—
—
a / 4 ccm (15 proz. Korn¬
Ist munter nach der
Kontrolle
i
i
radeextraktes).
Injektion.
Anmerkung: Die übrigen Kontrollen sind in Tabelle d verzeichnet.
kleie und Erdnußmehl erzeugen läßt, 2) daß diese Ueber-
empfindlichkeit eine spezifische ist und 3) daß die Anaphy-
laxiesymptorac der einzelnen in Tabelle a, b und c aufge¬
führten Tiere ebenfalls spezifisch gewesen sind.
e) Versuche mit Rizin und Rizinussamen.
Die mit Rizin angestellten Versuche sind Vorversuche für die
weiter unten mitgeteilten Experimente über Rizinussaraen.
Es werden Meerschweine mit untertödlichen Dosen von in 0,85proz. NaCl-
Lösung aufgeschwemmtem Rizin (Rizin Merck) subkutan vorbehandelt und nach
Verlauf mehrerer Wochen mit y 2 proz. Rizinussamenkern-, Sesamkuchenmehl- und
Rizinussamenschalenextrakten, die in derselben Weise wie die anderen bereits oben
erwähnten Extrakte hergestellt worden sind, intrakardial zur Prüfung auf Anaphy¬
laxie nachgespritzt.
Aus diesem Versuch geht hervor, daß mit Rizin vor¬
behandelte Meerschweine gegen Rizinussamenkernextrakt
überempfindlich geworden sind. Die Ueberempfindlichkeit
ist eine spezifische und wahrscheinlich keine Gift-, sondern
eine an das Eiweiß des Rizinussamenkerns gebundene Ueber¬
empfindlichkeit.
598 SCHERN,
Tabelle d.
Versuchs¬
tier
Nummer
Datum der
Vorbehand
lung
Menge des
subkutan inji¬
ziert. Roggen-
kleiecxtraktes
Menge des
subkutan inji¬
zierten x / 2 proz.
Erdnußmehl¬
extraktes
Datum der
Prüfungsinjektion
mit Angabe der
| injizierten Sub-
1 stanz
!
Ausgang
des
i
Versuches
1909
1.
9. 9.
2 ccm sk.
—
14. 10. 1909 lccmi Ist munter nach
10. 9.
2 ccm sk.
15 proz. Korn-
der Injektion.
13. 9.
2 ccm sk.
radeextraktes.
2.
9. 9.
2 ccm sk.
—
14. 10. 1909 1 ccm
Ist munter nach
10. 9.
2 ccm sk.
20 proz, Aekcr-
der Injektion.
13. 9.
2 ccm sk.
senfextraktes.
3.
9. 9.
2 ccm sk.
—
14.10.1909 1 ccm
Ist bald nach der
10. 9.
2 ccm sk.
V 2 proz.Roggen-
Injckt. typisch
13. 9.
2 ccm sk.
kleicextraktes.
überempfindlich.
4.
9. 9.
2 ccm sk.
—
18.10.1909 1 ccm
Ist sofort sehr
10. 9.
2 ccm sk.
lOproz.Roggen-
schwer anaphy¬
13. 9.
2 ccm sk.
klcieextraktcs.
laktisch.
5.
9. 9.
_ 1
2 ccm sk. .
18 10.1909 1 ccm
Ist sofort nach d.
10. 9.
1
2 ccm sk.
15 proz. Erdnuß-
Injektion schwer
13. 9.
2 ccm sk.
mehlextraktes.
anaphylaktisch.
9. 9.
—
2 ccm sk.
18.10.1909 1 ccm
Ist sofort nach d.
10. 9.
2 ccm sk.
15 proz. Erdnu߬
Injektion schwer
13. 9.
1
2 ccm sk.
mehlextraktes.
anaphylaktsich
dabei +.
7.
9. 9.
2 ccm sk. 1
18.10.19091 ccm
Ist munter nach
10. 9.
2 ccm sk. j
20 proz. Acker¬
der Injektion.
13. 9. |
2 ccm sk. 1
senfextraktes.
s.
9. 9.
—
2 ccm sk.
18.10.1909. 1 ccm
Ist munter nach
10. 9.
2 ccm sk.
20 proz. Acker-
der Injektion.
13. 9.
2 com sk.
senfextraktes.
9.
1
—
18.10.19091 ccm
Ist munter nach
K entrolle
10 proz. Roggen-
der Injektion.
zu Nr. 4.
kleiecxtraktes.
10.
—
—
—
18.10.1909 1 ccm
Ist munter nach
Kontrolle
15proz. Erdnu߬
der Injektion.
zu Nr.6u.7.
mehlextraktes.
Anmerkung: Die fehlenden Kontrollen sind in Tabelle b und c ver¬
zeichnet.
Am 29. 5. 09 ist außerdem ein Meerschwein mit l / 2 Millionstel Gramm Rizin
subkutan vorbehandelt worden. Mit dem Serum dieses Tieres ist ein passiver
Ueberempfindlichkeitsversuch angestellt. Das Versuchstier wird am 8. 7. 09 durch
Halsschnitt getötet, sein Blut aufgefangen und klar zentrifugiert. 3 ccm des so
erhaltenen Serums werden einem anderen Meerschwein subkutan injiziert. Am
9. 7. 09, also einen Tag nach dieser Injektion, wird dem Tier 1 ccm eines proz.
Rizinussamenkernextraktes intrakardial injiziert. Es bleibt gesund und, was be¬
sonders auffällig ist, trotz der Rizinussamenkernextraktinjektion am Leben. Dieses
Versuchstier wird am 17. 8. 09 durch Halssclinitt entblutet und sein durch Zentri¬
fugieren gewonnenes Serum wird in einer Monge von je 3 ccm je einem anderen
Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 599
Tabelle e.
Versuchs¬
tier Nr.
Datum der
Vor¬
behandlung
Menge des
subkutan in¬
jizierten Rizin
Datum der
Prüfungs¬
injektion
Menge und Art der
bei der Prüfungs¬
injektion ver¬
wendeten Substanz
Ausgang des Versuches
i
1909
29. 5. |
1 Vz Millionstel
8. 7. 09
1 ccm (V 2 proz. Rizi-
Bald nach der Injektion
2
29. 5.
Gramm
do.
8. 7. 09
nussamenkern-
extrakt)
1 ccm O /2 proz. Rizi-
leicht überempfindlich,
i Stellt die Ohren, putzt
sich nach zirka 10 Mi¬
nuten. Ist am 9. 7. 09 +
infolge Rizinus.
Ist bald nach der In-
3
29. 5.
i do.
9. 7. 09
nussamenkern-
extrakt)
1 ccm O/j proz. Rizi-
jektion schwer über¬
empfindlich. Setzt Urin
ab. Krämpfe. Dabei +.
Das Tier ist völlig
4
I
1
29. 5. ■
1
do.
*
9. 7. 09
1 Stunde nach der
ersten Injektion
9. 7. 09
nussamenschalen-
extrakt)
1 ccm (V 2 proz. Rizi-
nussamenkern-
extrakt)
1 ccm O /2 proz.Scsam-
munter. Bleibt leben.
Das Tier ist bald nach
dieser zweiten Injektion
schwer überempfindlich,
dabei +.
Das Tier ist nach dieser
5
1
9. 7. 09
1 Stunde nach der
ersten Injektion
■
i
8. 7. 09
kuchenmehlextrakt)
1 ccm O /2 proz. Rizi-
nussamenkernlösg.’)
1 ccm (V 2 proz. Rizi-
Injektion völlig munter.
Bleibt leben.
Das Tier putzt sich nach
der Injektion. Zuckun¬
gen. Ist überempfind¬
lich. Erholt sich später.
Ist am 10. 7. 09 f in¬
folge Rizinus.
1 Ist munter. Am 9. 7. 09
(Kontrolle)
6
9. 7. 09
nussamenkcrnlüsg.)
1 ccm O /2 proz. Rizi¬
f infolge Rizinus.
Das Tier ist munter.
(Kontrolle)
7
9. 7. 09
1 Stunde nach der
i ersten Injektion
!
| 9. 7. 09
nussamenschalen¬
extrakt)
1 ccm (V 2 proz. Rizi¬
nussamenkern¬
extrakt)
1 ccm O /2 proz. Scsam-
Das Tier ist munter.
Zeigt keine Symptome.
Am 10. 7. 09 f infolge
Rizinus.
Das Tier ist munter.
(Kontrolle)
-
9. 7. 09
1 Stunde nach der
ersten Injektion
kuchcnmehlextrakt)
1 ccm (Viproz. Rizi¬
nussamenkern lösg.)
Das Tier ist munter.
Zeigt keine Symptome.
Am 10. 7. 09 f infolge
Rizinus.
Meerschwein subkutan am 17.8.09 injiziert. Am 18.8.09 wird dem einen der beiden
Tiere 1 ccm eines YgP™ 2 - Rizinussamenkernextraktes intrakardial injiziert. Das
Meerschwein ist sehr leicht überempfindlich, putzt sich nach der Injektion und
sträubt die Haare, hustet und schüttelt sich. Es ist am 19.8.09 infolge von Rizinus-
600
SCHEKN,
Vergiftung gestorben. Das andere Meersohwein zeigt nach der am 19. 8. erfolgten,
in gleicher Weise vorgenommenen Prüfungsinjektion keine Symptome. Es ist am
20. 8. tot infolge der Wirkung des Rizinus.
Aus den in dieser Richtung angestellten passiven Ueber-
empfindlichkeitsvorsuchen kann man endgültige Schlüsse
nicht ziehen.
Des Weiteren sind Anaphylaxieversuche mit Sesamkuchenmehl,
dem künstlich je 5 pCt. von gekochten und von rohen Rizinus¬
samenkernen im zerriebenen Zustand beigemischt waren, angestellt
worden. Von diesem so verfälschten Futter werden in der bekannten
Weise 1 / 2 prozentige Extrakte hergestellt. Damit werden Meerschweine
aktiv sensibilisiert zwecks späterer Prüfung auf Anaphylaxie.
f) Versuche mit rohen Rizinussamenkernen.
Tabelle f.
Versuchs¬
tier Nr.
bfi
§
<D
- a
B «3
•*2 <u
ca o
Q T-
o
>
* N C —
's £
p _
x> w c 5 £
«■ = St j
© .£ % B *
C .Z, M (fl
© c; ©
a
*.2
*C
Menge und Art
^ ^ der bei der
<D O
^ a* 1 Prüfungsinjektion
§ ä
3 s
«j £
Q
verwendeten
Substanz
Ausgang des
Versuches
Bemerkungen
3.
D.
(Kontrolle)
G.
(Kontrolle)
7.
(Kontrolle)
8 .
(Kontrolle)
1909
21 . 8 .
I
1 ccm sk.
1 ccm sk.
1 ccm sk.
1 ccm sk.
21 . 8 .
21 . 8 .
21 . 8 .
21 . 8 . 1 —
I
• 21 . 8 .,
I
1909
18. 9.
1 ccm (Va proz.
Rizinussamen-
kernextraktes)
18. 9.
18.9.
18 9.
18. 9.
18. 9.
P^ccm (^^proz.
Rizinussamen-
kernextraktes)
1 ccm (V 2 proz.
Rizinussamen¬
kernextraktes)
do.
2 ccm (V 2 proz.
Sesamkuchen-
mehlextraktes)
2 ccm (V 2 proz.
Sesamkuchen¬
mehl ex traktes)
18. 9. ! 1V 2 ccm (VL>proz.
Rizinussamen¬
kernextraktes)
18. 9.
l l / 2 ccm (V^proz.
Rizinussamen¬
kernextraktes.
Sofort schwer ana-
phylakt., erholt
sich allmählich,
f am 22. S. 09 in¬
folge Rizinus.
Sofort schwer ana¬
phylaktisch. Da¬
bei +.
do.
do.
Bleibt völlig ge¬
sund u. munter.
do.
Bleibt gesund und
munter. Am 19.9.
09 f infolge Ri¬
zinus.
Bleibt gesund und
munter. Am 19.9.
09 f infolge Ri¬
zinus.
Sind Toibehandelt mit
4 ccm eines 5pro?,
reinen unverfälscht.
Sesamkuchenmehl¬
extraktes.
do.
Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 601
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß Meerschweine
nach Sensibilisierung mit einem in sehr geringem Grade
durch Rizinussamen verfälschten Sesamkuchenmehl — eine
so geringe Verfälschung kommt in der Praxis kaum vor —
gegen das Eiweiß des Rizinussamens überempfindlich werden»
g) Versuche mit gekochten Rizinussamen.
Es werden Rizinussamenkerne ohne Schalen im Mörser zerrieben und dar¬
nach 2 Stunden lang in 0,85 proz. Kochsalzlösung gekocht. Hiernach wird die
Masse durch ein einfaches Papierfilter filtriert. Der Rückstand wird vom Filter
abgenommen und auf Kanzleipapier in sehr dünner Schicht ausgebreitet. Dieses
Papier bleibt während 24 Stunden auf einem auf 37° eingestellten Brutschrank
liegen. Hiernach wird von den trockenen Rizinussamenkernbestandteilen 1 g mit
19 g rohem Sesamkuchenmehl durch Reiben im Mörser und durch Schütteln ver¬
mischt. Es sind demnach dem Sesamkuchenmehl 5pCt. zerriebene, gekochte
Rizinussamenkerne beigemischt gewesen. Von diesem Gemisch wird in der be¬
kannten Weise ein lproz. Extrakt hergestellt. (Bei den Versuchen mit rohem
Rizinus ist nur mit 1 / 2 proz. Extrakt gearbeitet worden.) Mit dem Extrakt werden
Meerschweine sensibilisiert und später durch intrakardiale Injektion von aus rohen
Rizinussamenkernen hergestellten Extrakten auf Anaphylaxie geprüft.
Tabelle g.
Versuchs¬
tier Nr.
bo
u S
O 3
B 5
-2-g
Sf
>
Menge des sub¬
kutan injizierten
V 2 P r oz- Rizinus¬
samenkern (ge¬
kocht) -Sesam-
kuchenmehl-
extraktes
Datum der
Prüfungs¬
injektion
Menge des zur
Prüfungsinjektion
verwendeten Rizinus-
samenkern(roh)-
extraktes
Ausgang des Versuches
1909
i
22. 9.
2 ccm sk.
18. 10. 09
1 ccm (10 proz. rohen
Legt sich auf die Seite
Rizinussamenkern¬
und stirbt ohne ana¬
extrakt)
phylaktische Symptome.
2
22. 9.
1 ccm sk.
18. 10. 09
V 2 ccm (10 proz. rohen
Legt sich bald auf die
24. 9.
1 ccm sk.
Rizinussamenkern-.
Seite, zuckt.
extrakt)
Ob anaphylaktisch?
3
22. 9.
1 ccm sk.
18. iO. 09
3 / 4 ccm (lOproz. rohen
Ist munter, drängt nach
24. 9.
1 ccm sk.
Rizinussamenkern¬
links.
extrakt)
Nicht anaphylaktisch.
4
22. 9.
1 ccm sk.
18. 10. 09
3 / 4 ccm (lOproz.rohen
Ist munter, legt sich
24. 9.
1 ccm sk.
Rizinussamenkern¬
später auf die Seite.
extrakt)
Nicht anaphylaktisch.
5
—
—
18. 10. 09
1 ccm (lOproz. rohen
Ist anfangs munter. Sitzt
(Kontrolle)
Rizinussamenkern¬
nach einiger Zeit krank
1
i
1
extrakt)
da.
602 SCH FIRN,
Nach dom Ausfall dieser Versuche ein einwandfreies
Urteil darüber abzugeben, ob die gekochten Rizinussamen
die Versuchstiere sensibilisiert haben, ist nicht möglich.
h) Versuche über die Verwendung der Anaphylaxie zur Diagnose
einer Rizinus Vergiftung.
Von großem Interesse ist es, festzustellen, ob sich eine Rizinus¬
vergiftung ante und post mortem durch den Anaphylaxieversuch
diagnostizieren läßt, weil diese Diagnose erheblichen Schwierigkeiten
unterliegt.
Tabelle h.
Versuchs¬
tier Nr.
^ bf
<D C
c
CO o
p £
Menge und Art
der zur Vor-
, behändlung ver¬
wendeten Sub¬
stanz
Datum der
Prüfungs¬
injektion
Menge des bei der
Prüfungsinjektion
verwendeten Rizinus¬
samenkernextraktes
Ausgang des Versuche*
1909
i
15. 9.
IG. 9.
1 ccm (Magcn-In-
haltextrakt) sub¬
kutan
do.
i
14. 10.09
Vj 2 ccm 1 /o proz. Ri* i Das Tier bleibt munter
zinussamenkern- und wird nicht aua
extraktes. phylaktisch.
Intrakardial ! + am 15. 10. 09 infolge
l Rizinus.
2
15. 9.
IG. 9.
do.
do.
15. 10.09
1 ccm 5 proz. Rizinus¬
samenkernextraktes
intrakardial
Das Tier bleibt munter
und wird nicht ana¬
phylaktisch.
f am 16. 10. 09 infolge
Rizinus.
3
15. 9.
IG. 9.
do.
do.
18. 10. 09
do.
Ob anaphylaktisch?
+ am 19. 10. 09 infolge
Rizinus.
4
13. 9.
!l 3 / 4 ccm Serum
; vom Kaninchen,
Rizinus gefüttert j
15.10.09 1
i
!
do.
Das Tier bleibt munter
und wird nicht ana¬
phylaktisch. f am 17.10.
1909 infolge Rizinus
5
13. 9.
do.
j
18,10.09
i
do.
Das Tier bleibt munter
und wird nicht ana¬
phylaktisch. f am 19.10.
1909 infolge Rizinus.
G
13. 9.
1 ccm do.
i
15. 9. 09
i
1 com V 2 proz. Rizi-
nussamenkernextr.
Intrakardial
Das Tier bleibt munter
und wird nicht ana¬
phylaktisch. fam 16.9.
1909 infolge Rizinus.
7
13. 9.
do. i
i
15. 9. 09
IV 2 ccm do.
do.
8
13. 9.
1
do.
15. 9. 09 |
1
1 ccm 5 proz. Rizinus -1
samenkernextrak tcs.
Intrakardial
do.
■
9
(Kontrolle)
- 1
i
15. 9. 09 i
do.
do.
Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 603
Am 10. 9. 09 wird ein 2,360 kg schweres Kaninchen mit 1,5 g entschälten,
im Mörser zerriebenen, darnach in Oblaten gehüllten Rizinussamen gefüttert. Am
11.9.09 ist das Tier schwer krank und nimmt kein Futter auf. Gegen Abend des¬
selben Tages wird das Tier in der Agone entblutet, das Blut aufgefangen. Das
Serum hiervon hat sich bis zum 13. 9. klar abgesetzt. Bei der am 13. 9. 09 statt¬
findenden Obduktion — das Kadaver des Tieres lag vom 11.9. bis 13.9.09 auf Eis
und zwar deshalb, weil unter praktischen Verhältnissen ein Tierarzt nicht sofort
die Obduktion vornehmen kann — wird dem Magen 50 g seines aus grünen Massen
bestehenden Inhalts und ebenso dem Darm 20 ccm seines flüssigen, bräunlichen
Inhalts entnommen. Die 50 g Mageninhalt und die 20 com Darminhalt werden
mit 200 ccm physiologischer Kochsalzlösung vermischt und dieses Gemisch wird
ungefähr 40 Stunden dem Schüttelapparat bei Zimmertemperatur überlassen. Hier¬
nach wird eine bestimmte Menge davon zentrifugiert. Da eine injektionsfähige
Masse nach dem Zentrifugieren nicht erhältlich ist, so werden einige Kubikzenti¬
meter wiederholt durch ein Kieselgurfilter filtriert. Es resultiert eine klare, leicht
gelbe Flüssigkeit, welche die Eiweißprobe schwach gibt (leichtvioletter Ring).
Sowohl mit diesem Extrakt aus Mageninhalt als auch mit dem
Serum des Kaninchens sind Meerschweine sensibilisiert und später
auf Anaphylaxie gegen Rizinus geprüft worden. (Siehe Tabelle h.)
Aus diesen Versuchen ergibt sieb, daß sich die Dia¬
gnose einer Rizinusvergiftung mit Hilfe der Anaphylaxie in
der angegebenen Form nicht stellen läßt.
II. Untersuchungen über Anaphylaxie hei einigen
Infektionskrankheiten.
Im Anschluß an die obigen Versuche ist festgestellt worden, in
welchem Umfange sich die Anaphylaxie zur Diagnose von zwei der
gefährlichsten Mensch- und Tierseuchen, von Tuberkulose und Malleus
verwenden läßt.
Hinsichtlich der Tuberkulose stehen uns heute bekanntlich sehr
gute diagnistische Hilfsmittel, mit denen eine ziemlich sichere Er¬
kennung der Krankheit erfolgt, zur Verfügung. Es sei hier nur an
das Tuberkulin erinnert. Vom Mallein das Gleiche für den Rotz zu
sagen ist nicht angängig, zumal die Malleinprobe von Schütz, dem
bedeutendsten Kenner der Rotzkrankheit, so, wie sie augenblicklich
angewandt wird, für die Diagnose des Rotzes für wertlos gehalten
wird.
Es besteht die Aufgabe, zu prüfen, ob sich mit Hilfe der weiter
unten näher ausgeführten Anaphylaxieprobe bei kleinen Versuchstieren
die Diagnose des Rotzes und der Tuberkulose stellen läßt.
604 SCHERN,
Es werden 3 männliche Meerschweine mit Kotz infiziert. Neun Tage nach
der Infektion weisen alle 3 Tiere die Anzeichen der Rotzkrankheit in Form von
ungefähr pflaumengroßen geschwollenen Hoden auf. Außerdem sind die Tiere
abgemagert. II Tage nach der Infektion wird an den Tieren der Anaphylaxie¬
versuch ausgeführt.
Das eine Tier erhält 0,05 ccm flüssiges Mallein [Mallein Foth 1 )] in 0,95 ccm
0,85proz. NaCl-Lösung intrakardial injiziert, nachdem vorher an verschiedenen
anderen gesunden Meerschweinen festgestellt war, daß 0,1 ccm flüssiges Mallein
von den Tieren gut vertragen wird.
Dem zweiten mit Rotz infizierten Meerschwein werden 0,1 ccra flüssiges
Mallein zusammen mit 0,9 ccm physiologischer Kochsalzlösung injiziert.
Das dritte rotzige Meerschwein erhält 0,008 g trookenes Mallein aufgelöst in
1 ccm physiologischer Kochsalzlösung ins Herz injiziert. Für dieses Tier war
durch entsprechende Kontrollversuche die Malleindosis, welche nicht tötet, er¬
mittelt.
Die drei mit Rotz behafteten Tiere erwiesen sich bei der
Prüfungsinjektion nicht überempfindlich. Allerdings hat das eine mit
trockenem Mallein behandelte Meerschwein einzelne Symptome gezeigt,
die für einen ganz leichten Anfall von Anaphylaxie hätten gedeutet
werden können. Aber mit Sicherheit hat sich eine Ueberempfindlich-
keit nicht beobachten lassen.
Praktisch bedeutungsvoll ist es, wenn sich passive Anaphylaxie
bei Meerschweinen gegen Rotz erzeugen läßt.
Es werden deshalb Versuche an Kaninchen und Meerschweinen so ausge¬
führt, daß diesen Tieren Serum von rotzkranken Pferden intraperitoneal und nach
Verlauf von 24 bzw. 48 Stunden Mallein bzw. Rotzbazillenextrakt intravenös oder
intrakardial injiziert wird.
Bei der Prüfungsinjektion ist durch entsprechende Kontrollversuche
vorher festgestellt worden, wieviel von den Rotzbazillensubstanzen
den Tieren eingespritzt werden kann, ohne daß sie zu Grunde gehen.
Die Einzelheiten der Versuche veranschaulicht die folgende
Tabelle.
Hiernach sind bei einzelnen Tieren zwar Symptome beobachtet
worden, die nicht mit Sicherheit von der Anaphylaxie haben getrennt
werden können. Trotzdem kann man sagen, daß sich weder die
1) Herr Departementstierarzt, Veterinärrat Dr. Foth hat mir das Mallein für
diese Versuche in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt. Auch an dieser
Stelle möchte ich ihm meinen ergebensten Dank dafür sagen.
Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 605
Nummer
Tierart
Rotziges
Pferde¬
serum
Normales
Pferde¬
serum
Mallein
flüssig
Foth
trocken
Rotz¬
bazillen¬
extrakt
Ausgang des
Versuches
i.
Kaninchen
5ccm(kar-
bolisiert)
ip.
—
Nach 24 Std.
0,1 ccm +
0,9 ccm NaCl
intravenös.
—
—
Lebt.
2.
do.
3 ccm. do.
—
do.
—
—
do.
3.
do.
Kontrolle
5 ccm (kar-
bolisiert)
ip.
do.
do.
4.
Meer¬
schwein¬
chen
5ccm(kar-
bolisiert)
ip.
Nach 24 Std.
0,05 ccm +
0,5NaCl-Lösg.
intrakardial.
—
—■
Ist gelähmt, Zuckun¬
gen. Ob überempfind¬
lich? Tod V 2 Stunde
nach der Injektion.
5.
do.
3 ccm do.
do.
Erscheint benommen
nach der Injektion,
erholt sich bald.
6.
do.
Kontrolle
5ccm(kar-
bolisiert)
ip.
do.
Ist munter. Lebt.
7.
Meer¬
schwein¬
chen
5 ccm
(nicht kar-
bolis.) ip.
Nach 24 Std.
0,08g +1 ccm
NaCl-Lösung
intrakardial.
Anfänglich munter,
dann Lähmung der
Nachhand, fällt auf
die Seite u. verendet.
Ob überempfindl.?
8.
do.
do.
i
i ,
| do.
Symptome wie bei
Nr. 7. Ob über¬
empfindlich ?
9.
do.
1 do.
—
—
do.
—
Ist munter. Lebt.
10.
do.
do.
—
—
do.
—
do.
11.
do.
do.
—
do.
i
do.
12.
do.
do.
i
do.
Zeigt die Symptome
wie Nr. 7. Ob über¬
empfindlich?
13.
do.
Kontrolle
1
5 ccm
(nicht kar-
bolis.) ip.
do.
i
i
: Ist munter. Lebt.
1
14.
do.
—
do.
—
do.
—
1 do.
15.
do.
do.
—
do.
, —
do.
16.
do.
Kontrolle
unvor- i
behandelt.j
j
_
i
do.
Zunächst munter,
dann krank,Schüttel¬
frost, gesträubte
Haare, aber nicht ge¬
lähmt und nicht
überempfindlich.
17.
Meer¬
schwein¬
chen
1,9 ccm
(karboli- |
siert) ip.
l
—
Nach 24 St.
1 ccm
intrakard.
Ist munter. Tod einen
Tag nach der In¬
jektion.
18.
do.
4,5 ccm do.
—
—
—
do.
do.
19.
do.
Kontrolle
i
1
4,5 ccm
(karboli-
siert) ip. |
1
1
do.
i
do.
SCUKHN,
| •
T-vsrbvi'r f';; Tj>
M;HMn i <f '•,.
. :.%,Viyv ;a> - -A'MMxm: .
".fc&iptt *:'• %C ? '-•-
•/yijralr^ >j*i : :
■Wmx 1 - \ ;
• , -••;-• ö{t*h ; ■
iihp- • ; * >‘!O s - ’ : ‘ :
•{£♦; ■ttfttuter. liefe
f i :&} ?*'!ö* . /.,. : l : .
•' ‘fev’ _
k. '
Ti:’;;-:.:':
.Vj* s ’ , * i r.
Vy i ^ V, \ ;v
\ w \ ‘\v "Xlvi \y&
r;. ’. ; v/. V S #is< * t N '. f •• .
nj \ e - k; •' f ?■
-
;
'• 1*7 1 . Wr'^'yV^i'vi ml
*', 5 i •’.':?Vv’ ! ';*/•> 'fl • e. C.-* o.r ,;,'i
; aktiv; r
y . jiöoh d ie ' , passi v e '..’A
napby la
xie zur Di aiinn.se des
ftnUe
H' ii): d e x l * raxi %, eigtiOn
sut&M. ■
i)ic Versuche (üm'.t aktive Aft«}»ht faxte ? * iii>erküIi<iion,) hei
Tuberkulose worden an Meerschweinen au^eiiihtf. dk mit dem
BaeiUu* iube.retdosi* i j'yptis Iminauus»'. infiziert uijd Affon.siohHi^ir-'ktkn'k
sind. liHi Tieren wird ilcichzeiiig mit Anräpm;h«ii(i.^ , fcontmlien
0.7-j <:<■>,t Tiiberküliik; Welches aus• ITvlnwkcMa/ilkn des T\juis
htttniUttlS i.*-!'Asie!i* Di. gemischt mit <>..% -tm ibiysibloehm her Rödi-
lÄzIösunät mirukardntl injiziert. Die lv*.*iitrolftier^v DiviDen
tuumor, -uacb Verbitif von 20—HO Minuten faiuveu einigevon i Juten
an »I zittern..- andere strauben die Haare. Simitiie.he kranke
Kuntrolhierf erholen ,-n-h Uml sind munter. Von de« iuberkukDen
Mecraeliiveinen sind einige juteb der Injekut*« in der Nachband gelähmt,
•sie verkochen davon zu laufen, führen Maiiege!"Weuungefi aus, Fallen
aut die .Seife und -verenden •tnir-r Znektui^en. Dir. anderen fuber-
: kuM?m VveirKri' die ebenso behandelt werde«, bleihon uiuuter.
Typiri.'.li >i!• eret«{»IhV.clIieh .j&t kein* der Tiere Geworden.
The Versio he «her jjäSisfffc \nafdtv.la\je- feoi Tuhorkiilose leiben
dasselbe Resultat ze/.eitigt;
Von tuberbuKAen Hmdwii wird lUüt Milrionmmtt uml du^
Serum Kaninchen intrapiinUniV-al- injiziert Ks werden deshalb : }nr
dikiit■ %i*siHdie Kaninchen^ ;;v^rV^iidel; \veil JamanoiidhT bei, einer. '
•»ihlieri Versiichsanordnimi! dar tuberkulöse Serum hat erkennen
kühnen.- 24 Stunden nach der ersten-Injektion wird dijji T'tofHUgfis-
■
l i Ks .in. vielli'
ich i ri
cid innülfl'i:
«»!•!, hier xu erwälmon, d^lj .*v raii flifie
voi, Antiiocdim-Kr.i/I.
iizitle
v:n«flö.snng«r.
: gcgtiicJii, ist, üm Heersci’iVMUn sjegrti föuv
tu man animieren., Vi
e.Uee-l
tt fiiiu Sieh
auch tfuJcIi Ö'ih<vid}*Uig yffrt Hot'zbazdfmi
mit Anii/ortfliu oiit bi
u ktirH-
hdyrauclibarr
5S Maltrin b-oVstcUvu).
Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 607
tiercn Tuberkulin, welches aus Rindertuberkelbazillen hergestellt ist,
intravenös injiziert. Einige Daten aus den Versuchsprotokollen sind
in der folgenden Tabelle wiedergegeben.
Nr.
Versuchstier
Tuberkulöses
Rinderserum |
Normales
Rinderserum
Tuberkulin
Ausgang des Versuches
1 .
Kaninchen
5 ccm ip. (nicht
! karbolisiert)
i
i
1 ccm gemischt mit
2 ccm 0,85 proz.
NaCl-Lösung ip.
Taumelt nach d. 2. Injektion,
erholt sich. Tod 1 Tag nach
der Injektion.
2.
do.
do.
—
do.
do.
3.
do.
do.
—
do.
i
Zittert nach der 2. Injektion.
Erholt sich. Bleibt leben.
4.
do.
do.
—
do.
do.
5 .
do.
(Kontrolle)
—
5 ccm ip. (nicht
j karbolisiert)
do.
Ist munter. Bleibt leben.
6.
do.
1 ~
, do.
do.
Ist munter, stirbt 1 Tag nach
der 2. Injektion.
7.
Nicht vorbc-
handelt
! ~
: ~~
i i
do.
Ist munter. Bleibt leben.
i
Die Resultate der Versuche weisen darauf hin, daß sich
weder die aktive noch die passive Anaphylaxie für die
praktische Diagnose der Tuberkulose verwenden läßt.
III. Untersuchungen über Anaphylaxie zum Nachweis von Serum-
eiweiß im Sekret der Milchdrüse des Rindes.
Der Nachweis von Serumeiweiß ira Sekret der Milchdrüse bietet
ein großes praktisches Interesse. Denn unter pathologischen Ver¬
hältnissen am Euter wird Flüssigkeit aus den Gefäßen in das Sekret
der Milchdtüsenzellen übertreten.
Diesen Znstand frühzeitig zu erkennen, ist aus verschiedenen
Gründen ein Bedürfnis. Naturgemäß kommen praktisch nur die sehr
geringgradigen Beimischungen von entzündlichem Exsudat zum
Eutersekret in Betracht. Denn wir haben in anderen diagnostischen
Proben (Labhemmprobe, Komplementnachweis) so fein arbeitende
Methoden für die Erkennung von Euterentzündungen, daß hier nur
eine Probe ergänzend eingreifen kann, die allerkleinste Mengen von
Serumeiweiß, bezw. entzündlichem Exsudat nachweist. Vom theo¬
retischen Standpunkt müßte die Anaphylaxie hierfür geeignet sein.
Meerschweinen werden 1 bzw. 2 ccm hochwertiges präzipitierendes Anti¬
rinderserum (Titer 1 : 20000) vom Kaninchen intraperitoneal injiziert. 24 bzw.
48 Stunden nach dieser Injektion werden die Tiere mit Rinderserum oder Milch,
bzw. maslilischem Sekret, welches schon bei der makroskopischen Besichtigung
608
SCHERN.
als solches infolge seiner graugelben Farbe zu erkennen ist, intrakardial nachge¬
spritzt. Die Tabelle gibt den Versuch wieder.
Nr.
Tierart
Antirinderserum
vom Kaninchen
(Titer 1:20000)
Normales
Kaninchenserum
Inaktiviertes
normales
Rinderserum
Normale
, Kuhmilch
1
Mastitisches
Sekret von
der Kuh
1
1
i
| Ausgang des Versuch
1.
Meer¬
schwein
1 ccm ip.
i
24Std.nachd.
1. Injektion
0,3 ccm intra¬
kardial
t
—
Bleibt munter. Nit
überempfindlich.
2.
do.
2 ccm ip.
i
48 Std. naehd.
1. Injektion
1 ccm intra¬
kardial
10 Min. nach d. Prüfung
| injektion kratzt u. pu,
sich d. Tier. Kaute?
gungen; darnach rnunU
Leicht anaphylak
3.
do.
1 ccm ip.
1 —
1
1
48Std. naehd.
1. Injektion
0,3 ccm intra¬
kardial
i
1
Bald nach der Injek:::
schwer überem¬
pfindlich. Krämpiv
Bleibt am Leben.
4.
do.
do.
i _
1
!
48 Std. naehd.
1. Injektion
2 ccm intra¬
kardial
Sofort nach d. Prüfur.j
injektion sehr schwä
überempfindlich.
Kauen, Kratzen, 1
Krämpfe. Erholt siel s
bleibt am Leben.
5.
do.
do. i
48 Std. naehd.
1. Injektion
1 ccm intra¬
kardial
Sofort nach d. Prüfung
injektion schwer ütd
empfindlich. Krampi
Bleibt am Leben.
6 .
do.
do.
j
1
|
i 48 Std. nach d. 1. Injektion
0,25 ccm mastitischcs Se¬
kret 4- 0,75 ccm normale
Milch intrakardial
Nach der Prüfungsinjci
tion: Kanbewe^nnsrt
sonst keine Sympton
der Anaphylaxie.
7.
do.
; 2 ccm ip.
i
i
1
48Std. naehd.
1 1. Injektion
1 ccm intra¬
kardial
| ___ 1
Anfangs gar keine Syrj
ptorae nach d. Prüfung
injektion, 1 / 2 Std. späri
putzt u. kratzt sich dl
Tier.
8 .
do.
Kontrolle
—
2 ccm ip.
—
do.
-
Ist munter. Bleibt ^
Leben.
9.
Meer¬
schwein
Kontrolle
1 ccm ip. |
48Std. naehd.
1. Injektion
0,3 ccm intra¬
kardial
do.
10.
Meer¬
schwein
Unvor-
behandelt
1 ! / 2 ccm intra¬
kardial
Anfänglich nach d. In je;
völlig munter, 20 M;
später gelähmt, erh-
sich, bleibt am Lebei
11.
do.
i
I 1 / 2 ccm intra¬
kardial j
•
Ist munter. Bleibt 3
Leben.
Experimentelle Beitrege zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 609
Der Ausfall dieses Versuches ist ganz unzweideutig. Es
reagieren die passiv sensibilisierten Meerschweine bei der Prüfungs¬
injektion mit krankhaft veränderter Milch in annähernd gleich
schwerer Weise, wie die mit dem spezifischen Serum nachgespritzten
Tiere, während die mit normaler, roher Milch geprüften Meerschweine
entweder • gar keine oder nur sehr geringgradige Symptome von
Ueberempfindlichkeit aufweisen. Infolgedessen ist in diesem Falle
ein Unterschied zwischen normal er Milch und mastitischem
Sekret mit Hilfe der Anaphylaxie nachzuweisen.
Es fragt sich, ob sich die Reaktion für die Praxis verwenden
läßt. Hierbei muß in Betracht gezogen werden, daß das mastitische
Sekret, welches bei der Prüfungsinjektion typische Anaphylaxie aus¬
gelöst hat, ohne weiteres bei einfacher Besichtigung als solches zu
erkennen gewesen ist. Das Tier (Nr. 6), welches bei der Prüfungs.-
injektion mastitisches Sekret mit normaler Milch gemischt ein¬
gespritzt erhalten hat, ist nicht deutlich anaphylaktisch gewesen.
Dieser Versuch ist so angestellt gewesen, daß er den Verhältnissen
in der Praxis entsprach.
Schlußfolgerungen.
Aus den Versuchen lassen sich folgende Schlüsse ziehen:
1. Weder die aktive noch die passive Anaphylaxie hat sich
als ein sicheres diagnostisches Hilfsmittel für Tuberkulose
und Rotz in Versuchen an kleinen Tieren bewährt.
2. Im Eutersekret der Kuh läßt sich unter bestimmten Ver¬
hältnissen — Mastitis — Serumeiweiß des milchliefernden
Tieres mit Hilfe der Anaphylaxie nachweisen.
3. In Futtermitteln, denen in sehr geringer Menge giftige Samen
beigemischt sind, lassen sich die Eiweißkörper dieser durch
die Anaphylaxie nachweisen. Somit besteht die Möglichkeit,
in bestimmten Fällen von Futtermittelverfälschung die zur
Fälschung benutzte Eiweißart besonders dann zu erkennen,
wenn andere Methoden des Nachweises von Verfälschungen
der Futtermittel versagen.
4. Roggenkleie und Erdnußmehl können mit Hilfe der Anaphy¬
laxie erkannt werden, da sich typische Anaphylaxie dagegen
erzeugen läßt.
Abgeschlossen: Ende Oktober 1909.
Archiv f. wissenseh. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band.
30
610 SCHERN, Experiment. Beiträge zur prakt. Verwertbarkeit der Anaphylaxie.
Literatur.
Andrejew, Arb. ans dem Kais. Gesundheitsamt. Bd. XXX.
J. Bauer, MQnoh. med. Woohenschr. 1909. Nr. 24.
Holobut, Zeitschr. f. Immunitätsforschung. Orig. Bd. III. Nr. 7. S. 639.
Kraus u. Doerr, Zentralbl. f. Bakt. I. Abt., Referate. Bd. XLU. 1909.
Otto, Kolle-Wassermann, Handbuch d. pathogenen Mikroorganismen. 1908. Er*
gänzungs-Bd. II. H. 2.
Mießner u. Herbst, Aroh. f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. 1902. Bd. XXVIII.
H. 3 u. 4.
Mießner, Mitteilungen des Kaiser Wilhelms-Instituts f. Landwirtschaft zu Brom¬
berg. Januar 1909. Bd. I. H. 3.
H. Pfeiffer, Wiener klin. Wochenschr. 1909.
Rosenau u. Anderson, Hyg. Laboratory Bull. 1907. No. 36.
Sleeswigk, Zeitschr. f. Immunitätsforsohung. 1909. Bd. II. H. 1.
Thomson, Ebendas. 1909. Bd. II. H. 6.
Uhlenhuth u. Händel, Ebendas. 1909. Bd. III.
Uhlenhuth u. Weidanz, Praktische Anleitung zur Ausführung des biologischen
Eiweißdifferenzierungsverfahrens. Verlag von Fischer, Jena 1909.
Jamanouchi, Wiener klin. Wochenschr. 1908.
XXV.
Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
Die Tilgung der Rotzkrankheit mit Hille der diagno¬
stischen Blutuntersuchung.
Von
Dr. Schubert,
wissenschaftlichem Hilfsarbeiter.
Die diagnostische Blutuntersuchung oder Serodiagnose hat in
neuerer Zeit bei der Untersuchung und Bekämpfung von Infektions¬
krankheiten des Menschen und der Tiere viele Forscher beschäftigt
und sich in der Bakteriologie einen wichtigen Platz errungen.
Die Methoden, welche man zur Prüfung des Blutes, dieses an
wichtigen Aufschlüssen über den Zustand eines Individuums so er¬
giebigen Bestandteiles des Organismus, angewandt hat, sind zahlreich
und haben sich für die Zwecke, denen sie dienen sollten, je nach der
Eigenart der betreffenden Infektionskrankheit, in sehr verschiedenem
Maße bewährt.
Es würde zu weit führen, die Leistungen hier zu erörtern, welche
alle diese Methoden bisher gezeitigt haben. Die Anwendung zweier
von ihnen jedoch, der Agglutination und der Korapleraentab-
lenkung, hat in den letzten Jahren auf tierärztlichem Gebiete Er¬
gebnisse geliefert, die nicht allein einen wissenschaftlichen Gewinn
darstellen, sondern auch eine praktische Bedeutung erlangt
haben, nämlich für die Bekämpfung der Rotzkrankheit
der Pferde.
A. Alleinige Anwendung der Agglntination.
Um die Art, in welcher die in Rede stehenden beiden Methoden
zurzeit bei der Tilgung der Rotzkrankheit in Betracht kommen,
beschreiben und begründen zu können, muß ich auf die Zeit zurück¬
gehen, in welcher die Agglutinationsmethode allein als Hilfsmittel zu
dem genannten Zwecke diente.
39
612
SCHUBERT,
Unter der Leitung des Herrn Geheirarates Schütz hatte ich als
wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am pathologischen Institute der tier¬
ärztlichen Hochschule zu Berlin seit Juni 1907 die amtlichen Prüfungen
des Blutes rotzverdächtiger bezw. der Ansteckung durch Rotz ver¬
dächtiger Pferde und Pferdebestände des westlichen Teiles der
Monarchie mittels der Agglutination auszuführen.
Die Methodik, wie ich sie zu jener Zeit anwenden lernte, läßt
sich im wesentlichen folgendermaßen zusammenfassen.
Zu fallenden Mengen einer Serum-Grundverdünnung von 1 :40
(1 Teil Serum, 39 Teile Karbolkochsalzlösung), nämlich 0,26; 0,2;
0,16; 0,13; 0,10 ccm etc. werden je 2,0 ccm der „Testflüssigkeit“, einer
Aufschwemmung durch Wärme abgetöteter Rotzbazillen in Karbol¬
kochsalzlösung von konventioneller Dichtigkeit, hinzugefügt, so daß in
den einzelnen Röhrchen Seruraverdünnungcn von 1:300, 1:400,
1: 500 etc. bis 1 :8000 enthalten sind.
Das Agglutinationsphänomen der Rotzbazillen bietet die Besonder¬
heit, daß die Bildung makroskopisch sichtbarer Bazillenklümpchen in
der Regel nur langsam vor sich geht, so daß sie erst nach 12 bis
36 Stunden deutlich wahrnehmbar ist. Dann liegen die agglutinierten
Bazillen in Form eines „Schleiers“, dessen Rand nicht selten umge¬
schlagen ist, auf dem Grunde des Reagenzröhrchens. In denjenigen
Röhrchen, in welchen keine Agglutination eingetreten ist, liegen die
nicht agglutinierten Bazillen in Form eines kreisrunden, flachen, hirse-
bis hanfkorngroßen grauweißen Haufens an der tiefsten Stelle des
Röhrchenbodens.
Das Ablesen des Ergebnisses wird dadurch vereinfacht, daß man
als Agglutinationswert diejenige Verdünnung ansieht, bis zu
welcher nur Schleier-, aber jedenfalls keine Haufenbildung einge¬
treten ist.
Nachdem dio Agglutinationsmethode in den Jahren 1902 bis 1904
von Schütz und Mießner 1 ) an mehr als 2000 Pferden beim Rotz¬
tilgungsverfahren praktisch erprobt worden war, hatten die genannten
Autoren für die Beurteilung der Agglutinationswerte bestimmte Sätze
aufgestellt. Danach waren alle Pferde als rotzverdächtig anzusehen,
deren Blut bei der ersten Prüfung einen Agglutinationswert von 500
bis 800 hatte; solche Pferde sollten, falls sich gleichzeitig rotzver-
1) Schütz und Mießner, Zur Serodiagnose der Rotzkrankheit. Arch. f.
wissensch. u. prakt. Tierheilkd. Bd. 31. 1905.
Die Tilgung d. Rotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 613
dächtige Erscheinungen bei ihnen zeigten, getötet, falls sie aber
klinisch nicht verdächtig waren, abgesondert und erst dann getötet
werden, wenn sich bei der zweiten Prüfung ein veränderter Agglu¬
tinationswert ergeben hatte. Ferner sollten alle diejenigen Pferde
getötet werden, deren Blut den Agglutinationswert 1000 zeigte.
Endlich waren nach jenen Sätzen Pferde, deren Blut den Aggluti¬
nationswert 400 und darunter aufwies, falls sie keine rotzverdächtigen
Erscheinungen zeigten, als rotzfrei anzusehen.
Es waren indessen bei der weiteren praktischen Anwendung
der Agglutinationsmethode Fälle zu verzeichnen gewesen, die mit
diesen Sätzen nicht im Einklang standen. Insbesondere hatte sich
ergeben, daß Werte von 500 bis 800 für sich allein einen
Rotzverdacht nicht begründen können und daß Schwankungen
im Agglutinationswerte auch bei rotzfreien Pferden Vor¬
kommen. Ferner war eine immerhin beachtenswerte Anzahl
von Pferden mit dem Agglutinationswerte 1000 rotzfrei
befunden worden. Endlich hatte man die Erfahrung gemacht, daß
ein niedriger Agglutinationswert — 400 und darunter —
keineswegs sicher das Freisein von Rotz anzeigt, auch wenn
die betreffenden Pferde keine klinischen Erscheinungen des Rotzes
erkennen lassen.
Obgleich diese Erfahrungen bei der weiteren Anwendung der
Agglutinationsmethode auf das sorgfältigste berücksichtigt wurden,
mußte doch zugegeben werden, daß man sich vor Wiederholungen
solcher Fälle nicht sicher schützen könne. Denn sie beruhten auf
einer Schwäche der Methode, die zunächst eine unausfüllbare Lücke
darstellte. Das Wesen dieser Schwäche bestand darin, daß man
genötigt war, auf Grund von Zahlenwerten, die je nach Lage des
Falles eine ganz verschiedene Bedeutung haben konnten, die Diagnose
zu stellen. Kann doch beispielsweise, wie wir heute sicher wissen,
ein Pferd, dessen Serum den Agglutinationswert 800 hat, sowohl
rotzfrei wie mit altem oder auch ganz frischem Rotze behaftet sein.
Der störendste und bei der praktischen Tilgung am unange¬
nehmsten empfundene Mangel der Agglutinationsmethode lag aber
darin, daß zur Ermittelung von Pferden, die mit verborgenem chro¬
nischen Rotze behaftet waren, mehrere Prüfungen, und zwar in
Zeitabständen von 3—5 Wochen, erforderlich waren. Denn da solche
Pferde nur durch Feststellung allmählichen Sinkens des Agglutina¬
tionswertes ermittelt werden konnten, so nahm die diagnostische Blut-
614 SCHUBERT,
Untersuchung bis zu ihrem endgültigen Abschlüsse in jedem Bestände,
der vermutlich chronisch rotzkranke Pferde enthielt, eine Zeit von
1 / i bis zu y 2 Jahre in Anspruch.
Dies war der Hauptgrund, weshalb ich von Herrn Geheimrat
Schütz wiederholt darauf hingewiesen wurde, daß es vor allem not¬
wendig sei, ein Verfahren ausfindig zu machen, durch welches
auch die mit verborgenem chronischen Rotze behafteten
Pferde rasch ermittelt werden könnten.
B. Einführung der Komplementablenkang.
Theoretisch betrachtet, erschien mir für diesen Zweck am ge¬
eignetsten die Methode der Kompleraentablenkung, welche damals
— im Jahre 1907 — in weiteren Kreisen anfing, von sich reden zu
machen, und auf welche man namentlich hinsichtlich der Ermittelung
syphilitischer Infektionen große Hoffnungen setzte. Denn insofern
man es in der Komplementablenkung, der damals herrschenden An¬
schauung gemäß, mit einer Immunitätsreaktion zu tun hatte, d. h. mit
einer Reaktion, die auf den Nachweis von „Antikörpern“ des Krank¬
heitserregers hinauslief, mußte auch das Blutserum von chronisch
rotzkranken Pferden diesen Nachweis gestatten, selbst wenn der
Agglutinationswert schon wieder einen unverdächtigen Tiefstand, z. B.
600, erreicht hatte.
Bei den ersten Versuchen, die ich im Aufträge des Herrn Ge¬
heimrates Schütz mit einer größeren Reihe von Serumproben chronisch
rotzkranker Pferde anstellte, ergab sich aber, daß zwar manche
dieser Sera eine vollständige oder doch starke Ablenkung hervorriefen,
viele nur aber eine ganz schwache oder keine, so daß die Methode
zunächst für eine diagnostische Verwertung nicht brauchbar erschien.
Bei weiteren Untersuchungen konnte ich indessen nachweisen.
daß nur die unzweckmäßige Verwendung des Komplementes jene
Versuche so aussichtslos erscheinen ließ. Dem Beispiele Wasser¬
manns 1 ) folgend, der bei der Untersuchung von Blutserum syphilis¬
verdächtiger Personen immer eine gleich große Menge des Komple¬
mentes, nämlich 0,1 ccm, anwandte, hatte ich zunächst übersehen,
daß dieses Verfahren für die Feststellung der Komplementablenkung
am Serum rotziger Pferde nicht geeignet ist. Für viele der geprüften
1) Wassermann, Neißer u. Bruck, Eine serodiagnostische Reaktion bei
Syphilis. Deutsche med. Wochenschr. 1907. Nr. 19.
Die Tilgung d. Kotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 615
Sera erwies sich jene Komplementmenge (0,1 ccm) als zu groß, so
daß der nicht abgelenkte freie Ueberschuß doch noch vollständige
oder fast vollständige Lösung in Fällen herbeiführte, in denen man
ein Ausbleiben oder doch eine starke Hemmung der Lösung er¬
warten mußte.
Sobald ich bei der Prüfung der Rotzsera durchweg eine möglichst
kleine, d. h. diejenige Komplementmenge anwandte, welche in dem
zu den Untersuchungen benutzten hämolytischen System gerade noch
vollständige Lösung der roten Blutkörperchen bedingte, zeigten sämt¬
liche von chronisch rotzkranken Pferden stammenden Serumproben
eine so starke Ablenkung, daß man dieselbe als deutlich positives,
für die Diagnose brauchbares Ergebnis ansehen konnte.
Es ergab sich aber bei der Anwendung dieser Modifikation auch
ein anderer wichtiger Umstand, der über das Erwartete noch hinaus¬
ging. Die Reaktion trat nämlich nicht nur bei der Prüfung des
Serums chronisch rotzkranker Pferde, sondern auch bei der Prüfung
des Serums von Pferden ein, die frisch durch Rotz infiziert waren,
sobald 5 — 8 Tage seit der Infektion verflossen waren.
Auf die Untersuchungstechnik, welche mit allen Einzelheiten und
theoretisch begründet, bereits veröffentlicht 1 ) 2 ) und deren Brauchbar¬
keit in einer kürzlich erschienenen Arbeit von Mießner und Trapp 3 )
bestätigt worden ist, kann hier nicht näher eingegangen werden.
Jedenfalls eröffnete sich nunmehr die Aussicht, bei der Unter¬
suchung eines verdächtigen Pferdebestandes sämtliche rotzkranken
Pferde mit einem Male ermitteln zu können.
Alle Schwierigkeiten, mit denen man bei der Anwendung der
Agglutination zu kämpfen hatte, schienen überwunden, der Begriff
„nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung rotzverdächtig“ beseitigt
zu sein. Hatte man doch die Diagnose nicht mehr auf Zahlenwerte
von wechselnder Bedeutung zu stützen, sondern konnte einfach — so
schien es zunächst — jedes Pferd, dessen Serum Komplementablenkung
hervorrief, als rotzkrank, jedes Pferd, an.dessen Serum keine Ab-
1) Schütz und Schubert, Die Ermittlung der Rotzkrankheit mit Hilfe
der Komplementablenkungsmethode. Arch. f. wissensch. u. prakt. Tierheilkunde.
Bd. 35. 1909.
2) Schubert, Ueber die Bedingungen zur exakten Anwendung der Kom¬
plementablenkungsmethode. Arch. f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 35. 1909.
3) Mießner und Trapp, Die Komplementbindung beim Kotz und ihre Be¬
ziehung zur Syphilisreaktion. Zentralbl. f. Bakt. 1909. Bd. 52. H. 1.
616
SCHUBERT,
lenkung festzustcllen war, w r enn es vor der Blutentnahme mindestens
8 Tage lang eine Möglichkeit zur Ansteckung durch Rotz nicht mehr
gehabt hatte, als rotzfrei erklären ufld dabei sicher sein, daß auch die
rotzkranken Pferde, deren Blut einen niedrigen Agglutinationswert
hatte, sämtlich durch eine Untersuchung ermittelt wurden.
€. Beibehaltung der Agglutination neben der Komplementablenknng.
Es zeigte sich indessen bald, daß die Verhältnisse doch nicht
ganz so einfach liegen und daß sowohl bei der Untersuchung einzelner
Serumproben als auch besonders beim praktischen Tilgungsverfahren
in ganzen Pferdebeständen Komplikationen zu berücksichtigen sind,
die eine sichere Diagnose bei alleiniger Anwendung der Komplement¬
ablenkung in manchen Fällen unmöglich machen würden. Für solche
Fälle bilden die Ergebnisse der Agglutinationsprüfung eine
unentbehrliche und sehr wertvolle Ergänzung.
Von vornherein und bevor noch die neue Mitwirkung der dia¬
gnostischen Blutuntersuchung beim Tilgungsverfahren im pathologischen
Institute völlig ausgestaltet werden konnte, ist daher ein besonderer
Wert darauf gelegt w'orden, die Untersuchung verdächtiger Blutproben
immer mittels beider Methoden, der Komplementablenkung und der
Agglutination, auszuführen. Denn jede dieser Methoden bietet für
sich allein Vorteile, die die andere nicht gewährt, und die gleichzeitige
Anwendung beider Methoden verleiht der Diagnose der Rotzkrankheit
der Pferde eine bisher unerreichte Sicherheit.
Deshalb wurde auch, nachdem sich das neue diagnostische Ver¬
fahren so bewährt hatte, daß es auf Anordnung des Herrn Ministers
auch bei der Tierhygienischen Abteilung des Kaiser Wilhelms-Institutes
für Landwirtschaft zu Bromberg (Vorstand: Prof. Dr. Mießner) ein¬
geführt werden konnte, diesem Institute die Beibehaltung der Agglu¬
tination neben der Komplementablenkung auf das wärmste empfohlen.
Mießner und Trap'p haben in der zitierten Arbeit auf den
Nutzen dieser Kombination schon hingewiesen. Es ist aber noch
nicht erschöpfeud dargelegt worden, welche Gesichtspunkte für diese
neue Art der Diagnose maßgebend waren, wie sich die systematische
Untersuchung mittels der beiden Methoden gestaltet, und in welcher
Weise die Ergebnisse derselben bei der Tilgung der Rotzkrankheit zweck¬
entsprechend zu berücksichtigen sind.
Die Tilgung d. Kotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 617
I. Diagnose im einzelnen Falle.
Wenn ich zunächst von den Forderungen eines praktischen Til¬
gungsverfahrens in ganzen Beständen absehe und nur die Diagnose
im einzelnen Falle ins Auge fasse, so schicke ich voraus, daß die
folgenden Ausführungen das Ergebnis der in der Zeit von Oktober
1907 bis Oktober 1909 angestellten Untersuchung des Blutes von
3286 Pferden sind, unter denen 124 rotzkranke waren.
Es kann Vorkommen, daß trotz ermittelter Ablenkungsfähigkeit
einer Blutprobe Zweifel bestehen bleiben, ob das Pferd, von dem sie
stammt, rotzkrank ist. Wie sich nämlich bei der Untersuchung des
Blutes der genannten Anzahl von Pferden gezeigt hat, gibt es außer
der Erkrankung an Rotz noch andere Umstände, welche dem Blut¬
serum der Pferde die Eigenschaft verleihen, das Komplement von den
roten Blutkörperchen des hämolytischen Systems ab- und zum Rotz¬
bazillenextrakt hinzulenken.
In erster Linie ist hier zu nennen die Einspritzung von
Mallein. Da dasselbe ein Produkt der Rotzbazillen darstellt, so ist
leicht zu verstehen, daß es, in den Säftestrom des Organismus gebracht,
ähnliche Reaktionen bei der Untersuchung des Blutes bedingt, wie
die Infektion mit Rotzbazillen. Weil aber das dem Körper ein¬
verleibte Mallein bald wieder ausgeschieden wird, so ergeben die
wiederholten Blutuntersuchungen, daß die Intensität der Reaktionen
auch verhältnismäßig rasch wieder abnimmt.
Nach Mießners 1 ) Feststellungen steigt der Agglutinationswert
bei Pferden, denen Mallein subkutan eingespritzt worden ist, nach
einer Inkubationszeit von 4 bis 8 Tagen rasch an, erreicht am 9. bis
11. Tage seinen Höhepunkt und sinkt im Verlaufe von 4 bis 6
Wochen schon ‘wieder auf die vor der Einspritzung des Malleins
eingenommene Höhe.
In ähnlicher Weise nimmt auch die Ablenkungsfähigkeit des
des Blutes bei Pferden ab, denen Mallein cingespritzt wurde, eine
Beobachtung, die von Mießner und Trapp neuerdings auch
experimentell hestätigt worden ist. Die Abnahme erfolgt schon
innerhalb einiger Wochen, im Gegensätze zu rotzkranken Pferden,
deren Blutserum eine sehr langsame Abnahme der Ablenkungs-
1) Mießner, Versuche über den Einfluß des Mallei'ns auf den Agglutina-
tionswcrt des Blutes gesunder und rotzkranker Pferde. Arch. f. wissensch. u. prakt.
Tierheilkd. 1908. Bd. 34.
618
SCHUBERT.
fähigkeit eigen ist. Im allgemeinen kann man daher sagen, daß das
Serum chronisch rotzkranker Pferde in der Regel eine starke Ab¬
lenkung zeigt.
Nur bei sehr altem Rotz, und zwar bisher nur in 2 Fällen, ist
beobachtet worden, daß das Serum nicht ablenkte, während der
Agglutinationswert 300 bezw. 400 betrug; daraus darf man zwar
schließen, daß auch bei rotzkranken Pferden die Ablenkungsfähigkeit
bis zum völligen Verschwinden abnehmen kann, jedoch mit der Ein¬
schränkung, daß dies nur ausnahmsweise geschieht und einer sehr
langen Zeit, vielleicht mehrerer Jahre, bedarf. Es möge auch nicht
unerwähnt bleiben, daß es sich in beiden Fällen vorwiegend um alten
Hautrotz handelte, der vor der Blutuntersuchung klinisch festgestellt
worden war.
Mithin würde es möglich sein, durch zwei bis drgi Blutunter¬
suchungen innerhalb einiger Wochen festzustellen, ob Botzkrankheit
oder lediglich Malleineinspritzung vorliegt. Liegt beides vor, so kann
dadurch die Feststellung der Rotzkrankheit nicht vereitelt werden,
da, wie von vornherein anzunehmen war und auch Mießner und
Trapp experimentell nachgewiesen haben, die spezifische Reaktions¬
fähigkeit des Blutes rotzkranker Pferde durch die noch hinzukommende
Malleineinspritzung nicht vermindert, sondern vorübergehend ge¬
steigert wird.
Um nun aber eine Abnahme der Ablenkungsfähigkeit an einer
Blutprobe feststellen zu können, bedarf man vor allem eines Grad¬
messers für die Stärke der Ablenkung, und zwar eines solchen, der
sich durch absolute Maße (Kubikzentimeter) ausdrücken läßt.
Auch für diesen Zweck erwies sich die Verwendung der kleinsten.
Komplementmenge als unentbehrlich. Denn diese, in der Regel
0,03 ccm frischen Meerschweinchenserums, ist, wenh man dasselbe
hämolytische System, welches zu ihrer Ermittelung gedient hat, auch
zum Ablenkungsversuche verwendet, eine nahezu konstante Größe,
auf welche die Serummenge, die zur Feststellung ihrer Ablenkungs¬
fähigkeit verwendet wird, bezogen werden kann; mit andern Worten:
diejenige Serummenge — z. B. 0,1 ccm — welche jene Kornpleraent-
menge gerade eben noch vollständig vom hämolytischen System
ablenkt, bezeichnet den Grad der Ablenkungsfähigkeit des
geprüften Serums oder seinen Ablenkungswert. Man würde also
sagen, der Ablenkungswert dieses Serums betrage 0,1, wobei nicht
zu vergessen ist, daß der Ablenkungswert zum Grade der Ablenkung
Die Tilgung d. Rotzkrankhoit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 619
im umgekehrten Verhältnisse steht, d. h. daß die Ablenkungsfähigkeit
eines Serums natürlich um so höher ist, je kleiner der Ablenkungs¬
wert befunden wird.
Es sind aber auch Fälle zu verzeichnen gewesen, in denen das
Blutserum eine geringgradige Ablenkung bewirkte und eine Ein¬
spritzung von Mallein ausgeschlossen war. Bei der Obduktion solcher
Pferde sind zwar keine Veränderungen gefunden worden, welche es
hätten gerechtfertigt erscheinen lassen, sie ohne weiteres als „rotz¬
krank“ zu bezeichnen, wohl aber sind Ueberbleibsel einer einstmaligen
rotzigen Infektion in Form von charakteristischen Narben auf der
Schleimhaut der Nase, der Luftröhre oder der Luftröhrenäste und
alten Knötchen mit eingedicktem, fast trockenem Inhalte in den
Lymphdrüsen nachgewiesen worden, die den Verdacht eines in der
Heilung begriffenen Rotzes begründeten.
Endlich muß zugegeben werden, daß in seltenen Fällen (ca. ein
Prozent) geringgradige Ablenkung vorkoramt, ohne daß eine
Malleinbehandlung oder eine Rotzinfektion anzunehmen
sind 1 ).
Gleichviel nun, wodurch die geringgradige Ablenkung bedingt
ist, — mittels der Komplementablenkungsmethode allein ist man nicht
imstande nach einmaliger Blutentnahme ein sicheres Urteil
darüber zu gewinnen, ob das Pferd, an dessen Blut eine solche ge¬
ringgradige Ablenkung ermittelt wurde (vollständige oder unvollständige
Ablenkung bei 0,2) rotzkrank ist oder nicht. Hierin liegt eine
Schwäche der Komplementablenkungsmethode, und diese Schwäche
ist ein Grund für die Beibehaltung der Agglutination neben der
Komplementablenkung gewesen.
Denn wenn das Serum eines Pferdes eine vollständige oder un¬
vollständige Ablenkung bei 0,2 zeigt, so kann das Pferd sowohl
rotzfrei wie rotzkrank sein. In der Regel allerdings hat das Serum
rotzkranker Pferde einen kleineren Ablenkungswert (0,1 — 0,01);
doch kann eine ganz frische und in selteneren Fällen auch eine alte
Rotzinfektion gelegentlich sehr wohl jenen Ablenkungswert, „0,2“
oder „0,2 unvollständig“, haben.
Die frische Infektion wird durch die gleichzeitig angewandte
1) Anm.: Es ist ein Verdienst von Mießner und Trapp, nacbgewiesen zu
haben, daß das Serum von Pferden, die an anderen Krankbeiten leiden (Druse,
Influenza, Phlegmone, Kolik, Petecbialfleber, Gehirnentzündung, Beschälseuche,
Dourine), eine Ablenkung des Komplements zum Rotzbazillenextrakt nicht bedingt.
620
SCHUBERT,
Agglutinationsprüfung meistens sofort sicher festgestellt, weil der
Agglutinationswert des Blutes gewöhnlich schon auffällig gestiegen ist,
wenn die Ablenkungsfähigkeit noch gering ist. Wird also außer der
geringgradigen Ablenkung ein hoher Agglutinationswert (1000 oder
höher) ermittelt, so kann man annehmen, daß eine frische Rotzinfektion
vorliegt. Es ist zwar nicht in Abrede zu stellen, daß gelegentlich
einmal ein rotzfreies Pferd an seinem Blute einen hohen Gehalt an
Normalagglutinin, also z. B. den Agglutinationswert 1000, hat und
zugleich zufällig eine geringe Ablenkungsfähigkeit zeigt. Eine Fehl¬
diagnose läßt sich in solchem Falle aber leicht vermeiden, wenn man
die Blutentnahme und Untersuchung nach wenigen Tagen wiederholt.
Denn das Blut eines rotzfreien Pferdes würde bei dieser zweiten
Untersuchung dieselben Reaktionswerte, das eines frisch durch
Rotz infizierten Pferdes aber einen höheren Agglutinationswert und
eine stärkere Ablenkung zeigen als bei der ersten Untersuchung.
Chronisch rotzkranke Pferde können freilich auch den Agglu¬
tinationswert 1000 an ihrem Blute aufweisen, doch ist in diesen
Fällen die Ablenkungsfähigkeit stets stark gewesen (Ablenkungswert
0,1 oder darunter). Ist aber das Pferd schon so lange mit der
Rotzkrankheit behaftet, daß der Agglutinationswert bis unter 1000,
z. B. auf 400, gesunken ist, so zeigt das Blut bisweilen auch schon
eine Abnahme in der Ablenkungsfähigkeit (Ablenkungswert über 0,1).
Einem solchen Falle gegenüber, namentlich wenn das Pferd keine
klinischen Erscheinungen des Rotzes zeigt, ist man in derselben Lage
wie zur Zeit der alleinigen Anwendung der Agglutination, d. h. man
kann die Frage, ob das Pferd chronisch rotzkrank oder rotzfrei ist,
bei Lebzeiten desselben nur dadurch entscheiden, daß man sein Blut
in größeren Zeitabständen wiederholt prüft; wird dabei eine
deutliche Abnahme beider Reaktionen oder auch nur des Agglutinations¬
wertes nachgewiesen, so ist auf das Vorhandensein des chronischen
Rotzes zu schließen.
Aus dem bisher Angeführten ergibt sich, daß man nach ein¬
maliger Blutuntersuchung nur solche Pferde als rotzfrei ansehen darf,
deren Serum außer einem niedrigen Agglutinationswert (1000 und
darunter) in der Menge von 0,2 ccm keine Ablenkung (auch keine
unvollständige) bedingt, während jeder bei dieser Serummenge be¬
obachtete Grad von Ablenkung, so gering er auch sein mag, eine
Rotzinfektion zur Ursache haben kann und nach der vorliegenden Er¬
fahrung in der Mehrzahl der Fälle auch hat.
Dio Tilgung d. Rotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersnchung. 621
Ferner ergibt sich aus den obigen Ausführungen, daß man in
jedem Falle von Ablenkung, und zwar bei geringgradiger Ablenkung
(Ablenkungswert über 0,1, bis einschließlich des geringsten Grades
von Ablenkung bei 0,2,) durch wiedeholte, bei starker Ablenkung
(Ablenkungswert 0,1 oder darunter) durch einmalige Untersuchung
eines Pferdes die Diagnose mit sehr großer Sicherheit stellen kann.
Der große Vorteil der Komplementablenkungsmethode liegt besonders
darin, daß ein Ablenkungswert von 0,1 und darunter, falls
eine Malleineinspritzung ausgeschlossen ist, sicher die Rotzinfektion
anzeigt, da ein so hoher Grad von spezifischer Ablenkungsfähigkeit
am Blute rotzfreier Pferde nach den vorliegenden Erfahrungen nicht
vorkommt.
Mießner und Trapp führen in ihrer schon genannten Ver¬
öffentlichung Ergebnisse der Komplementablenkungsmethode an, die
hiermit nicht in Uebereinstimmung stehen und mir einer eingehenden
Besprechung wert zu sein scheinen. Ich behalte mir vor, an
einer anderen Stelle ausführlich darauf einzugehen.
Wenn ich alles, was über die Diagnose im einzelnen Falle
mittels der Agglutination und Koraplementablenkung ausgeführt ist,
noch einmal zusammen fasse, so sind vier Möglichkeiten zu unterscheiden.
1. Das geprüfte Sernm hat den Ablenkungswert 0,1 oder
darunter; dann ist das Pferd, von dem das Serum stammt, gleichviel,
welche Höhe der Agglutinationswert hat, als rotzkrank anzusehen.
2. Das Serum hat einen Ablenkungswert über 0,1 (also 0,2 oder
„0,2 unvollständig“) und zugleich den Agglutinationswert 1000 oder
darüber; dann ist das Pferd als frisch durch Rotz infiziert zu er¬
achten. In Zweifelsfällen (Agglutinationswert 1000) entscheidet eine
nach etwa 8 Tagen wiederholte Blutentnahme und Untersuchung.
3. Das Serum hat einen Ablenkungswert wie sub 2, aber einen
Agglutinationswert unter 1000; dann ist das Pferd rotzverdächtig,
eine Entscheidung, ob Rotz vorliegt oder nicht, kann erst durch
Wiederholung der Blutuntersuchung herbeigeführt werden.
Ergibt die zweite, etwa 8 Tage nach der ersten ausgeführte
Untersuchung einen wesentlich höheren Agglutinationswert (1000 oder
höher) und eine stärkere Ablenkung (0,1), so ist das Pferd als frisch
durch Rotz infiziert anzusehen. Tritt keine Zunahme der Ablenkung
und keine Erhöhung des Agglutinationswertes ein, sondern ist viel¬
mehr nach etwa 5 Wochen oder nach längerer Zeit eine Abnahme in
der Stärke der Reaktionen (bezw. nur ein Sinken des Agglutinations-
622
SCHUBERT,
wertes) nachzuweisen, so ist das Pferd als chronisch rotzkrank zu
erachten. Bleiben endlich selbst bei lange fortgesetzten Wieder¬
holungen der Blutuntersuchungen sowohl der Agglutinationswert wie
der Ablenkungswert unverändert, so ist das Pferd mit großer Wahr¬
scheinlichkeit als rotzfrei zu bezeichnen.
4. Das Serum zeigt bei 0,2 keine Ablenkung; dann ist das
Pferd, wenn es vor mindestens 8 Tagen der Ansteckung zum letzten
Male ausgesetzt war, als rotzfrei zu erachten.
II. Mitwirkung der beiden Methoden bei der Tilgung der Rotz¬
krankheit.
Ein ideales Tilgungsverfahren wäre dasjenige, bei welchem
1. alle rotzkranken Pferde eines Bestandes
2. durch einmalige Untersuchung und
3. ohne Opfer an rotzfreien Pferden
ermittelt würden.
Die erste Bedingung — Sicherheit des Verfahrens — läßt sich
bei gleichzeitiger Anwendung der Agglutination und Komplement¬
ablenkung durchaus erfüllen. Als Beweis dafür darf wohl die Tat¬
sache gelten, daß bisher noch niemals nach Abschluß der Blutunter¬
suchung in einem Bestände ein rotzkrankes Pferd ermittelt worden
ist, daß also der Rotz in jedem der bisher untersuchten Bestände
mit Hilfe der beiden Methoden wirklich getilgt worden ist.
Auch die dritte Bedingung — Vermeidung der Tötung rotzfreier
Pferde — würde erfüllt werden, wenn nur diejenigen Pferde getötet
würden, die nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung als rotzkrank
anzusehen sind. Denn unter Beachtung der obigen vier Sätze ist
man in der Lage, in jedem Falle durch die einmalige oder wieder¬
holte Blutuntersuchung ein sicheres Urteil darüber zu gewinnen, ob
ein Pferd rotzkrank oder rotzfrei ist. Die Erfüllung dieser Forderung
kommt jedoch erst in zweiter Linie in Betracht. Auch würde die bis
zur völligen Entscheidung, ob ein auf Grund der ersten Blutunter¬
suchung rotzverdächtig erscheinendes Pferd wirklich rotzkrank ist,
erforderliche Stallsperre wirtschaftliche Störungen verursachen und
keine ganz sichere Gewähr gegen weitere Ansteckungen bieten.
Viel wichtiger ist bei einer so gefährlichen Seuche wie der Rotz¬
krankheit die zweite Bedingung — möglichste Schnelligkeit des Ver¬
fahrens. Auch dieser Forderung kann genügt werden, aber nur dann,
wenn man auf die Erfüllung der weniger wichtigen dritten Bedingung
Die Tilgung d. RotzkraDkheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 623
verzichtet. Dieser Verzicht ist notwendig, weil die sichere Ent¬
scheidung, ob Rotz vorliegt oder nicht, in manchen Fällen, wie bei
geringgradiger Ablenkung und niedrigem Agglutinationswerte, um¬
ständlich und zeitraubend sein würde.
Aus den angeführten wirtschaftlichen und veterinärpolizeilichen
Gründen und weil unter den Pferden, deren Blut in der Menge von
0,2 Ablenkung hervorruft, nur vereinzelt rotzfreie Vorkommen, ist
es am zweckmäßigsten, alle Pferde unverzüglich zu töten, die nach
dem Ergebnisse der einmaligen Blutuntersuchung als rotzkrank oder
als rotzverdächtig zu bezeichnen sind; das sind diejenigen, an deren
Blut überhaupt Ablenkung bei 0,2 festgestellt wird, gleichviel in
welchem Grade dieselbe auftritt, und welche Höhe der Agglutinations¬
wert hat.
Aber auch bei diesem Verfahren würde man in ganzen Pferde¬
beständen mit einer Blutuntersuchung meistens nicht auskommen.
Die Umstände, welche ein so einfaches Verfahren leider verbieten, sind:
1. die „Inkubationszeit“ von 8 Tagen, welche verstreichen muß,
bis das Blut eines frisch durch Rotz infizierten Pferdes Ab¬
lenkung oder Erhöhung des Agglutinationswertes zeigt; ich
nenne sie kurz: „Reaktions-Inkubation“, und
2. die Möglichkeit des Auftretens neuer Ansteckungen in Rotz¬
beständen.
Nur dann würde es gelingen, durch einmalige Blutuntersuchung
alle rotzkranken Pferde in einem Bestände zu ermitteln, wenn man
die Untersuchung immer erst beginnen könnte, nachdem alle vermut¬
lich infizierten Pferde über das Inkubationsstadium (im Sinne der
Reaktionsfähigkeit des Blutes) hinaus wären, und wenn man dem
Umsichgreifen der Seuche in dem Augenblicke, in welchem man an
die Untersuchung des Bestandes herangeht, Halt gebieten könnte.
Die Untersuchung erst zu beginnen, nachdem alle infizierten
Pferde die Reaktions-Inkubation überschritten haben, verbietet sich
aus veterinärpolizeilichen Gründen: denn es liegt im Interesse der be¬
schleunigten Unterdrückung der Seuche, alle rotzkranken Pferde,
soweit sie überhaupt schon nachweisbar sind, möglichst bald zu
ermitteln.
Was die zweite Bedingung betrifft, so können alle im Gesetze
und den Ausführungsbestimraungen vorgesehenen Maßnahmen nicht
verhindern, daß weitere Ansteckungen durch Vermittelung nicht offen¬
sichtlich rotzkranker Pferde Vorkommen.
624
SCHUBERT,
Was also das Tilgungsverfahren in Beständen, trotz der aus¬
gezeichneten Leistungen der kombinierten Untersuchungsmethode im
einzelnen Falle und selbst bei sofortiger Tötung aller nach dem Er¬
gebnisse der ersten Blutuntersuchung als rotzkrank oder rotzver¬
dächtig zu bezeichnenden Pferde, etwas umständlich macht, sind
lediglich die Fälle von frischer Infektion. Denn beim Beginn
der Untersuchung weiß man meistens nicht, ob sich nicht noch frisch
infizierte, aber nicht offensichtlich erkrankte Pferde des betreffenden
Bestandes in jenem Stadium der „Reaktions-Inkubation“ befinden, die
also durch die erste Blutuntersuchung noch nicht ermittelt werden
können, und ob nicht nach der ersten Blutentnahme neue Ansteckungen
in dem Bestände eingetreten sind. Da es die Hauptaufgabe der dia¬
gnostischen Blutuntersuchung sein muß, dafür zu sorgen, daß kein
rotzkrankes Pferd in dem Bestände verbleibt, und daß der Rest¬
bestand erst dann als unverdächtig erklärt wird, wenn jedes einzelne
Pferd als sicher rotzfrei anzusehen ist, so muß die Blutuntersuchung
so oft wiederholt werden, bis bei jedem Pferde die Reaktions-Inku¬
bation so erheblich überschritten ist, daß das Blut ira Falle einer er¬
folgten Ansteckung reagieren müßte, und bis neue Infektionen in dem
Bestände ausgeschlossen sind.
Für die Frage, in welchen Zeitabständen die einzelnen Unter¬
suchungen aufeinander folgen sollen, ist die Frist der Reaktions-
Inkubation maßgebend, welche nach den bisherigen im pathologischen
Institute der tierärztlichen Hochschule zu Berlin und in der tier¬
hygienischen Abteilung der Kaiser Wilhelms-Akademie zu Bromberg
angestellten Experimenten höchstens 8 Tage beträgt. Um jedoch
volle Sicherheit zu erreichen und in allen frischen Fällen eine Re¬
aktion zu bekommen, die jeden Zweifel ausschließt, tut man gut,
noch um mehrere Tage über die Grenze des Stadiums der Reaktions-
Inkubation hinauszugehen und die neue Blutentnahme erst 14 Tage
nach der ersten vorzunehmen. Dadurch wird jede frische Infektion
sicher und ohne unnötigen Zeitverlust ermittelt.
Am einfachsten gestaltet sich die Untersuchung eines Pferde¬
bestandes, wenn sämtliche Pferde sicher das Stadium der Reaktions-
Inkubation überschritten haben und bei der ersten Untersuchung an
allen Blutproben keine Ablenkung (bei 0,2) ermittelt wird. Dann ist
der ganze Bestand nach einmaliger Untersuchung als unverdächtig an¬
zusehen und eine nochmalige Blutentnahme überflüssig. Dies ist aber
Die Tilgung d. Rotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 625
der einzige Fall, in welchem nach einmaliger Blutentnahme die
Untersuchung als abgeschlossen erklärt werden kann.
Es bleiben noch zwei andere Möglichkeiten übrig, nämlich 1.,
daß das Stadium der Reaktions-Inkubation zur Zeit der ersten Blut¬
entnahme nicht oder nicht sicher überschritten ist, und 2., daß nach
der ersten Blutentnahme rotzkranke Pferde ermittelt werden.
Im ersten Falle muß, auch wenn durch die erste Blutunter¬
suchung kein rotzkrankes oder rotz verdächtiges Pferd ermittelt worden
ist, eine zweite Entnahme und Untersuchung des Blutes 14 Tage
nach der ersten stattfinden. Dies ist nötig, damit solche rotz¬
kranken Pferde, die sich zur Zeit der ersten Blutentnahme im Stadium
der Reaktions-Inkubation befinden, ermittelt werden. Erst wenn auch
durch die zweite Blutuntersuchung kein rotzkrankes Pferd nachge¬
wiesen wird, ist der Bestand unverdächtig und eine weitere Blutent¬
nahme nicht mehr nötig.
Noch weniger einfach muß sich das Verfahren gestalten, wenn
nach der ersten Blutentnahme, sei es durch die Untersuchung des
entnommenen Blutes oder auf andere Weise, ein rotzkrankes Pferd
in dem Bestände ermittelt wird. Dann muß jedenfalls wenigstens
noch eine Blutentnahme stattfinden, weil das ermittelte rotzkranke
Pferd kurz vor seiner Beseitigung andere Pferde des Bestandes
angesteckt haben kann. Würde aber die zweite Blutentnahme erst
14 Tage nach der Beseitigung des rotzkranken Pferdes, bis zu
welcher, vom Tage der ersten Blutentnahme an gerechnet, 8—10 Tage
zu vergehen pflegen, stattfinden, so würde ein Pferd, das zur Zeit
der ersten Blutentnahme schon infiziert, aber noch in der Reaktions-
Inkubation war, über 3 Wochen lang eine Infektionsquelle in dem
Bestände bilden. Deshalb empfiehlt es sich, jedesmal, wenn durch
die erste Blutuntersuchung oder auch nach der ersten Blutentnahme
(z. B. durch die klinische Untersuchung) ein rotzkrankes Pferd
ermittelt wird, noch eine Blutentnahme zwischen der ersten und
derjenigen, welche 14 Tage nach Beseitigung des rotzkranken Pferdes
stattfindet, einzuschieben, am zweckmäßigsten am Tage der Tötung
des rotzkranken Pferdes. Durch die zweite Blutuntersuchung werden
dann die zur Zeit der ersten Blutentnahme bereits infizierten, durch
die dritte Blutuntersuchung aber, welche stets 14 Tage nach Be¬
seitigung der durch die erste oder zweite Blutuntersuchung ver¬
mittelten rotzkranken Pferde stattfindet, die nach der ersten Blut-
Archiv f. wissensch. n. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band.
(>‘26
SCHUBERT,
entnähme infizierten Pferde sicher ermittelt. Dadurch würde ver¬
mieden, daß rotzkranke Pferde länger, als unvermeidlich, in dem Be¬
stände verblieben und gesunde Pfeide noch infizierten.
Endlich ist noch die Rolle zu erwähnen, welche die Agglu¬
tinationsmethode zur Zeit bei dem Tilgungsverfahren hat. Ihre
Anwendung ist deshalb von Wichtigkeit, weil mitunter am Blute
frisch infizierter Pferde eine Steigerung des Agglutinationswertes
früher nachweisbar ist als eine Ablenkung, und weil die Höhe des
Agglutinationswertes einen Schluß auf das Alter der rotzigen Er¬
krankung zuläßt, was unter Umständen einen Fingerzeig für die
Ermittelung des Ansteckungsherdes geben kann.
In der Methodik der Agglutination der Rotzbazillen hat Müller 1 )
im hygienischen Institute der Universität Straßburg eine Verbesserung
einzuführen gesucht; er stellte unter Verwendung des Serums rotziger
Meerschweinchen und einiger rotzfreier Pferde fest, daß sich der
Eintritt des Agglutinationsphänoraens — was Gaethgens 2 3 ) 8 ) schon
bezüglich der Typhusbazillen, Paratyphusbazillen und Meningokokken
mitgeteilt hatte —, durch Zentrifugieren der Röhrchen derart be¬
schleunigen läßt, daß man den Agglutinationswert schon nach sehr
kurzer Zeit ablesen kann. Im pathologischen Institute der Berliner
tierärztlichen Hochschule ist durch Pfeiler 4 ) das Serum zahlreicher
rotzkranker und rotzfreier Pferde untersucht worden; Pfeiler stellte
fest, daß man in der Regel 1V 2 Stunden nach 10 Minuten langem
Zentrifugieren den Agglutinationswert des Serums rotzkranker und
rotzfreier Pferde, auf Rotzbazillen bezogen, mit Sicherheit bestimmen
kann, eine dem Untersucher für die Rotzdiagnose sehr zu statten¬
kommende Neuerung. Durch Mießner 5 * ) ist diese Feststellung im
Wesentlichen bestätigt worden.
1) Müller, M., Beitrag zur Agglutinationsteohnik bei Kotz. Berl. tierärztl.
Wochenschr. 1908. Nr. 34.
2) Gaethgens, Beitrag zur Agglutinationstechnik. Arbeiten a. d. Kaiserl.
Reichsgesundheitsamt.
3) Derselbe, Ueber Beschleunigung der Agglutination durch Zentrifugieren
mit besonderer Berücksichtigung der Meningokokkenagglutination. Arch. f. Hygiene.
1908. Bd. 66.
4) Pfeiler, Ueber die Serodiagnose der Rotzkrankheit und Beschleunigung
der Agglutination der Rotzbazillen durch Zentrifugieren. Aroh. f. wissensch. u.
prakt. Tierheilkd. 1908. Bd. 34.
5) Mießner, Die Schnellagglutination und ihre Verwendung bei der Sero¬
diagnose des Rotzes. Zentralbl. f. Bakt. Bd. 48. H. 2.
Die Tilgung d. Kotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 627
Die Mitwirkung der diagnostischeu Blutuntersuchung mittels der
beiden in Rede stehenden Untersuchungsmethoden — Koraplement-
ablenkung und Agglutination — läßt sich unter Berücksichtigung des
bisher Ausgeführten nach den vorliegenden Erfahrungen in folgende
Schlußsätze zusamraenfassen. Dabei möchte ich nochmals hervor¬
heben, daß die Bestimmtheit, mit der, namentlich in den Sätzen 1 und 5,
die positive bezw. negative Diagnose von den quantitativen Ver¬
hältnissen der Ablenkung abhängig gemacht wird, nur unter der Vor¬
aussetzung möglich ist, daß ein bestimmtes hämolytisches
System und die kleinste völlig lösende Komplementmenge bei der
Untersuchung des verdächtigen Serums verwendet werden.
Schlußsätze.
1. Pferde, deren Serum in der Menge von 0,1 ccm eine voll¬
ständige Ablenkung des Komplements hervorruft, sind ohne
Rücksicht auf die Höhe des Agglutinationswertes als rotz-
krank anzusehen und zu töten.
2. Pferde, deren Serum in der Menge von 0,1 ccm nur eine
unvollständige oder erst in der Menge von 0,2 ccm eine
vollständige oder unvollständige Ablenkung des Komplements
hervorruft, sind zu töten ohne Rücksicht auf die Höhe des
Agglutinationswertes.
3. Pferde, deren Serum in der Menge von 0,2 ccm keine Ab¬
lenkung des Komplements hervorruft, sind zu töten, wenn
der Agglutinationswert mehr als 1000 beträgt.
4. In jedem Pferdebestande, in dem durch die Blutuntersuchung
rotzkranke Pferde ermittelt worden sind, ist eine neue Blut¬
entnahme am Tage der Tötung der rotzkranken Pferde und
eine weitere Blutentnahme 14 Tage nach der Tötung des
zuletzt ermittelten rotzkranken Pferdes und nach Ausführung
der Desinfektion vorzunehmen. Sollten durch die letztere
Blutuntersuchung noch rotzkranke Pferde ermittelt werden,
so ist genau so zu verfahren, wie nach der ersten ßlut-
untersuchung.
5. Pferde, deren Serum in der Menge von 0,2 ccm keine Ab¬
lenkung des Komplementes hervorruft und einen Agglu¬
tinationswert von 1000 oder weniger hat, sind als unverdächtig
anzusehen, wenn die Blutentnahme mindestens 14 Tage nach
Aufhebung der Ansteckungsgefahr stattgefunden hat. Hat
40*
628
SCHUBERT, Die Tilgung der Rotzkrankheit usw.
die Blutentnahme weniger als 14 Tage nach Aufhebung der
Ansteckungsgefahr stattgefunden, oder ist der Zeitpunkt des
Aufhörens der Ansteckungsgefahr nicht sicher zu ermitteln,
so ist eine zweite Blutentnahme 14 Tage nach der ersten
vorzunehmen. Liefert die zweite Blutuntersuchung dieselben
Ergebnisse wie die erste, so sind die Pferde als unverdächtig
anzusehen.
Die Blutuntersuchung eines Pferdebestandes ist als ab¬
geschlossen zu erachten, sobald sämtliche Pferde als unver¬
dächtig (siehe Ziffer 3) anzusehen sind.
XXVI.
Aus dem pathologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.
Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes.
Von
Dr. Seibel,
Repetitor am Institut.
„Die Niere ist ein heimtückisches Organ, welches eine einmal
erlittene Beschädigung noch viele Jahre lang nachtragen und durch
häßliches Siechtum rächen kann“, sagt Müller in seinem Referat
über den Morbus Brightii auf der 9. Tagung der Pathologischen Ge¬
sellschaft. Ein heimtückisches Organ ist die Niere auch für den
pathologischen Anatomen. Die pathologische Anatomie der
Nephritis im allgemeinen und der chronischen Nephritis im
besonderen gehört bekanntlich zu den strittigsten Kapiteln der
pathologischen Anatomie überhaupt. Es liegt dies nicht allein an
dem komplizierten Bau des Organs, dessen in ihrer inneren Ein¬
richtung so verschiedene Wegstrecken (Glomeruli, Kapseln, gewundene
und gerade Harnkanälchen, Gefäßbindegewebe) so sehr verschieden
auf Reize reagieren, sondern, wie Aschoff betont, vor allem daran,
daß sich der Ausheilungsprozeß oft über Jahre hinzieht und der bei
der Sektion gefundene Narbenzustand ein Urteil über die Ursache und
den Verlauf der Krankheit selten erlaubt. Auf den Verhandlungen
der Pathologischen Gesellschaft zu Meran (9. Tagung), wo der gegen¬
wärtige Stand der Jjehre vom Morbus Brightii eingehend erörtert
wurde, wurde vor allem hervorgehoben, daß man danach streben
müsse, die sekundären Vorgänge in den Nieren von den primären zu
unterscheiden. Und in der Schwierigkeit der klaren Differenzierung
des anatomischen Bildes liegt die Schwierigkeit der Nephritisfrage
überhaupt. Es kommt hinzu, daß das klinische Symptoraenbild uns
auch keine eindeutigen Fingerzeige liefern kann, d. h. auf Grund des
630
SEIBEL,
klinischen Bildes können wir kein Urteil über den anatomischen
Charakter der Erkrankung gewinnen und umgekehrt. Man hat, sagt
Ponfick, lange Zeit darauf verwendet, indem man den Hauptwert
darauf legte, parenchymatöse und interstitielle Entzündungen der Niere
gegenüberzustellen. Abgesehen davon, daß die Bezeichnung paren¬
chymatöse Entzündung gerade bei der Niere für viele verpönt ist,
lassen es die neueren Untersuchungen doch wahrscheinlich erscheinen,
daß es sich bei allen Nephritiden um mehr oder weniger diffuse Er¬
krankungen der Niere handelt; so werden zum Beispiel bei Er¬
krankungen der Glomeruli die Harnkanälchen, die Blutgefäße und das
interstitielle Gewebe mehr oder weniger beteiligt sein. Aber anderer¬
seits läßt es sich wiederum nicht abstreiten, daß es in der Niere
Prozesse gibt, die sich fast ausschließlich am Gefäßbindegewebe, also
interstitiell abspielen, und andere, die vorwiegend das sezernierende
Gewebe betreffen. Und je länger man sich mit diesen Fragen be¬
schäftigt, um so mehr muß man Orth beipflichten, der nach dem
Grundsätze a priori fit denominatio die Unterscheidung zwischen
parenchymatösen und interstitiellen Erkrankungen der Nieren zuläßt,
immer natürlich beachtend, daß es sich in der Mehrzahl der Fälle
um diffuse Nephritiden handelt. Für „parenchymatöse“ Nephritis ist
übrigens die exaktere Bezeichnung glomeruläre und tubuläre
Form der Nephritis vorzuziehen.
Diese einleitenden Bemerkungen vorausgeschickt, will ich dazu
übergehen, verschiedene Formen entzündlicher Nierener¬
krankung des Hundes zu schildern, denen ich im Laufe des letzten
Jahres bei den Sektionen begegnet bin. Ich mache keinen Anspruch
auf Vollständigkeit meiner Ausführungen. Aber wenn man sich die
veterinär-pathologische Literatur besieht, so weiß man oft nicht, was
man mit Bezeichnungen wie Nephritis mixta, Nephritis fibrove-
siculosa, Ren cicdtricosus, Ren retractus etc. anfangen soll.
Man soll deshalb jeden Versuch gelten lassen, der, gestützt auf Er¬
fahrungen am Sektionstische und eingehende mikroskopische Unter¬
suchungen, Aufklärung in dieser Frage zu bringen bemüht ist.
Parenchymatösen Degenerationen der Nieren begegnen wir
täglich am Sektionstisch; auffallend selten sind bei unseren Haus¬
tieren chronische Nierenerkrankungen auf entzündlicher Basis. Ich
habe bei ungefähr 500 sezierten Pferden in mehr als 100 Fällen
parenchymatöse Degenerationen der Nieren und keinen einzigen Fall
von sog. Schrumpfniere gesehen. Die Nieren unserer Haustiere scheinen
Beitrage zur Kenntnis der Nepbritis des Hundes. (>31
demnach auffallend gut imstande zu sein, Schädigungen, wie sie die
parenchymatösen Degenerationen mit sich bringen, auszugleichen. Eine
Ausnahme von dieser Regel macht jedoch der Hund, bei welchem
wir akut- wie chronisch-entzündliche Veränderungen der Nieren öfters
zu Gesicht bekommen. Ich zähle in den Obduktionsberichten des
pathologischen Institutes unter 804 in den letzten Jahren zur Sektion
gelangten Hunden 34 = 4,23 pCt., die mit akut-entzündlichen und
22 = 2,75 pCt., die mit chronisch-entzündlichen Veränderungen der
Nieren behaftet waren. Die Gründe für das häufigere Auftreten der
Nierenentzündungen beim Hunde sind nicht leicht zu eruieren. Eine
kleine Anzahl der Fälle mag wohl traumatischen Ursprungs sein.
(Ueberfahrenwerden, Fußtritte.) So ist es ja Orth gelungen, experi¬
mentell durch manuelle Quetschung Schrumpfnieren zu erzeugen.
Dies werden aber vereinzelte Fälle bleiben. Die Tatsache, daß diese
oft in engster Gemeinschaft mit uns lebenden Tiere ähnlichen deletären
Einflüssen ausgesetzt sind, wie der Mensch, fördert unsere Kenntnisse
kaum. Wenn wir aber für die Aetiologie der akuten wie chronischen
Nephritiden toxische und bakterielle Einflüsse vor allem beschuldigen,
so will es doch scheinen, als ob die Mehrzahl der Nierenent¬
zündungen des Hundes im Verlaufe der Staupe entsteht,
jener überaus häufigen und gefürchteten Jugenderkrankung des Hundes.
Fast alle Fälle von akuter Nephritis habe ich bei Hunden gesehen,
die der Staupe erlegen waren. Da die Staupe eine ausgesprochene
Jugenderkrankung ist, finden wir vorgeschrittene chronische Nephri¬
tiden, also Schrumpfnieren bei jungen, kaum 2 Jahre alten Tieren;
ich habe sogar deutliche Schrumpfung auf entzündlicher Basis bei
einem eben a / t Jahre alten Box gesehen. Gewisse Formen der akuten
wie chronischen Nephritis des Hundes stehen somit der „Scharlach¬
niere“ des Menschen sehr nahe.
Ich übergehe hier die nicht entzündlichen, sog. akuten parenchy¬
matösen Degenerationen der Niere (trübe Schwellung, fettige Degene¬
ration), ebenso die gut beschriebene Nephritis purulenta. Diese
ist beim Hunde nicht häufig, im letzten Jahre habe ich sie überhaupt
nicht zu sehen bekommen. Dagegen habe ich sie oft bei Mäusen
nach Impfung mit Drusestreptokokken entstehen sehen und konnte alle
Phasen ihres Verlaufes verfolgen. Aschoff bezeichnet ein dieser Er¬
krankung meist vorangehendes Stadium, in welchem die Nieren von
seröser Flüssigkeit durchtränkt, also auffallend turgeszent sind, als
Nephritis serosa. In Fällen, wie dem angeführten, wo der Erkrankung
632
SE1BEL,
eine Streptokokkeninvasion zu Grunde liegt, darf man wohl eine der
Emigration vorausgehende entzündlich-seröse Exsudation als Nephritis
serosa ansprechen; mit diesem entzündlichen Oedem dürfen andere
Zustände seröser Durchtränkung auf nicht entzündlicher Basis, wie sie
beim Hunde häufig Vorkommen, nicht verwechselt werden. Ich er¬
innere an gewisse Formen seröser Durchtränkung auf zirkulatorischer
und degenerativer Basis (Amyloidniere).
Bei mehreren Hunden, die an Staupe uragestanden waren, habe
ich folgende Veränderungen an den Nieren gesehen:
Die Nieren, in der Kegel beide, sind auffallend groß und sehr blaß an ihrer
Oberfläche. Hin und wieder ist dieselbe marmoriert, weiß und rot gesprenkelt, ein
Zeichen, daß es zu Blutungen in der Nähe der Oberfläche gekommen ist; im
übrigen sind die Nieren außen glatt und glänzend. Ihre Konsistenz ist vermin¬
dert. Die Durchschnittsfläche zeigt spiegelnden Glanz und ist in ihrer ganzen
Ausdehnung gleichmäßig grauweiß oder graurötlich und eigentümlich turgeszent;
besonders die Markpyramiden quellen geradezu hervor. Die scharfe Grenze
zwischen Medullaris und Kortikalis ist meist verwischt. Die Malpighisohen Kör¬
perchen sind in einigen Fällen ungemein deutlich, in anderen überhaupt nicht
sichtbar.
Das mikroskopische Bild wechselt; in allen Fällen ist die Erkrankung jedoch
eine diffuse, über die ganze Niere ausgebreitete. Die Intensität der Erkrankung
kann allerdings verschieden sein. Es sind nicht alleGlomeruli und Harnkanälchen
gleich schwer ergriffen. Im Anfangsstadium sind die Schlingen des Glomerulus
stark gefüllt und die Kerne vermehrt; es sind dies die Fälle, bei welchen die
Malpighischen Körperchen schon makroskopisch als dunkelrote Punkte deutlich
sichtbar sind. In den geschwollenen Epithelien der gewundenen Harnkanälchen
treten trübe Körnchen und Fetttröpfcben auf. Bald sieht man im Kapselraum der
Nierenkörperchen eine homogene, oft auch feinkörnige Masse; gleichzeitig wird
der vergrößerte Glomerulus kernärmer, seine Schlingen, oft sind es alle, oft nur
ein Teil derselben, nehmen ein eigenartiges, glasiges Aussehen an. Diese Ver¬
änderung beruht nach einigen Autoren auf hyaliner Degeneration der Wand der
Glomerulusschlingen, nach anderen auf Füllung der letzteren mit homogenen
Harnzylindern, einer Exsudatmasse. Ich neige der letzteren Anschauung zu, denn
diese homogene Masse nimmt bei van Gieson-Färbung nicht den leuchtend
roten Ton des Hyalins, sondern eine mehr strohgelbe Farbe an. Nun behauptet
Herxheimer allerdings, daß das Hyalin des Glomerulus bei genannter Methode
sich immer strohgelb färbe im Gegensatz zur hyalin entarteten Glomeruluskapsel,
die das bekannte leuchtende Rot annähme. Ich konnte beim Hunde diesen Unter¬
schied nicht finden und lasse die Frage offen. In diesen Stadien sieht man auch
die Membrana popria der Kapseln, die normal sehr fein ist, als breiten aufge-
quollonen Gürtel den Glomerulus umgeben. Je mehr Exsudat sich im Kapselraum
ansammelt, um so kleiner wird der Gefäßknäuel; im Exsudat siebt man jetzt
desquamierte, verfettete Epithelien liegen. Inzwischen haben sich auch an den
Epithelien der gewundenen und geraden Harnkanälchen schwere Degenerationen
abgespielt. Ein großer Teil der Epithelien ist fettig degeneriert. Die zum Teil ab-
Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes.
633
gestoßenen, verfetteten Epithelien liegen entweder frei im Lumen der Harnkanäl¬
chen oder sie liegen auf den sioh jetzt in großen Mengen in den Harnkanälchen
ansammelnden Harnzylindern. Diese Zylinder sind so zahlreich, daß man oft kein
Kanälchen frei davon trifft; besonders in den Schleifenschenkeln und in den
Sammelröhren der Pyramiden bilden sie lange, zusammenhängende Ausgüsse
derselben. In den aufgequollenen Interstitien sieht man nur vereinzelte kleineFett-
tröpfchen. Während die Blutgefäße im Anfangsstadium der Entzündung prall ge¬
füllt sind, ist die Niere späterhin wohl stark durchfeuchtet, aber auffallend
anämisch, besonders in der Rinde.
Die entzündlichen Veränderungen spielen sich, wie wir ge¬
sehen haben, fast ausschließlich am sog. Parenchym der Nieren ab.
und zwar habe ich in den untersuchten Fällen immer Gefäßknäuel
und Harnkanälchen gleichzeitig erkrankt vorgefunden. Man hat diese
Erkrankung seither bekanntlich als Nephritis parenchymatosa be¬
zeichnet. Gegen diese Bezeichnung haben sich in den letzten Jahren
viele Stimmen erhoben. Für den Gloraerulus oder besser, für das
Malpighische Körperchen liegen ja die Verhältnisse einfach. Der
Glomerulus besteht bekanntlich aus Gefäßschlingen und einer zwischen
diesen Schlingen wie auch an den Oberflächenteilen der Knäuel ge¬
legenen strukturlosen, kernreichen Masse, dem sog. Knäuelsynzytium.
Hier können sich ausgezeichnet entzündlich-exsudative Prozesse ab¬
spielen, und da der Glomerulus von einer eng umschließenden Kapsel
umgeben ist, können sich die entzündlichen Exsudate bequem an¬
sammeln und nachgewiesen werden. Daß man hier von einer Glo¬
merulonephritis oder Glomerulitis sprechen kann, ist klar. Wie
steht es aber in dieser Beziehung mit den Veränderungen an den
Epithelien der Harnkanälchen, besonders der gewundenen? Ribbert
bestreitet überhaupt, daß an ihnen entzündliche Prozesse auf treten
können. Die typischen Begleiterscheinungen der Entzündung (Hyper¬
ämie, Exsudation, Emigration, Zellproliferation) lassen sich nach ihm
hier nicht nachweisen, folglich kann von Entzündung nicht gesprochen
werden. Die an den Epithelien ablaufenden Prozesse müssen nach
Ribbert als rein degenerative betrachtet und demgemäß bezeichnet
werden: trübe Schwellung, körnige und fettige Degeneration sind
hierfür gebräuchliche Bezeichnungen. Dagegen vertritt Asch off
die Ansicht, daß sich auch an dem Epithel der Harnkanälchen ent¬
zündliche Prozesse abspielen können und bezeichnet Erkrankungen
der beschriebenen Art als tubuläre Form der Nephritis, Nephritis
tubularis. Ich halte es für geraten, zur Unterscheidung von den
häufigen einfachen akuten parenchymatösen Degenerationen der Nieren-
f>34
SEIBEL,
epithelien mit Aschoff auch diese beim Hunde vorkommende Form
als glomeruläre bezw. tubuläre Form der Nephritis und zwar als akute
zu bezeichnen: Glomerulitis und Nephritis tubularis acuta.
Um diese Schwierigkeiten der Bezeichnung zu umgehen, schlug
Müller vor, „für Krankheitsprozesse der Nieren, die entweder nur
degenerativer Natur sind oder bei denen der entzündliche Charakter
nicht außer allem Zweifel steht, statt des Wortes Nephritis — Nieren¬
entzündung — das Wort Nephrose — Nierenerkrankung — zu
wählend Sein Vorschlag hat aber wenig Anklang gefunden, besonders
deshalb, weil „Nephrose“ schon für andere allgemein bekannte Er¬
krankungen der Nieren vergeben und eingewurzelt ist. (Hvdro-,
Pyonephrose.) Jedenfalls zeigt diese Erörterung, wie ungemein
schwer die Deutung der sich an den Epithelien der Nieren abspielenden
Erkrankungen ist.
Von dieser akuten Form zur chronischen hinüberleitend, habe
ich ein Schulbeispiel bei einem dreijährigen, an Septikämie zu Grunde
gegangenen Bernhardiner gesehen.
Beide Nieren sind etwas verkleinert, außen blaß und makroskopisch glatt.
Die Konsistenz ist die gewöhnliche. Die Durchschnittfläche ist mäßig feucht; die
Kinde ist leicht gekörnt, dabei etwas glasig. Die Markschicht ist ohne Besonder¬
heiten, diffus gerötet.
Mikroskopisch prachtvolle Bilder liefert die van Giesonsche Methode
oder eine etwas modifizierte Färbung mit Eosin-Metbylenblau. Um sie zu ver¬
stehen, vergegenwärtigen wir uns rasch noch einmal den Zustand, in welchem wir
die vorher beschriebene Niere verließen: es war, kurz gesagt, ein Chaos von
hyalinen Glomeruli, entarteten und abgestoßenen Kapsel- und Kanälchenepithelien,
Exsudat, Zelltrümmern und Harnzylindern. Nun sind zwei Ausgänge dieser Er¬
krankung denkbar; den ersten wollen wir den Ausgang in Heilung nennen. Eine
vollständige Restitutio ad integrum wird kaum eintreten; dazu sind die Verände¬
rungen am Sekretions- und Filtrationsapparat zu schwere. Es kann aber das Ex¬
sudat zum größten Teil resorbiert oder weggeschwemmt werden, die Epithelien
regenerieren sich ausgezeichnet, wenn auch ein etwas minderwertiger Zellbelag
entsteht, wie dies Heineke jüngst nachgewiesen hat. Das ist der eine Ausgang.
Der zweite ist bei unserer Niere zu sehen. In dem Trümmerfeld, welches der akute
Anfall hinterlassen hat, setzt der subakute ein. Auch hier werden stellenweise
Gruppen von Glomeruli und Harnkanälchen restituiert. An vielen Stellen aber sieht
man über die ganze Niere verbreitet kleinzellige Infiltration als Anfang einer
Bindegewebswucherung auftreten. In dem kleinzellig infiltrierten Gewebe kann
man noch deutlich atrophische, mit Zylindern angefüllte Harnkanälchen und durch
Exsudatmassen zusammengepreßte Knäuel unterscheiden. Der Kapselhohlraum der
Malpighischen Körperchen ist gut erhalten, man sieht Zelltrümmer und durch¬
scheinende Schollen darin liegen. Der Glomerulus ist bedeutend kleiner geworden,
seine Schlingen lassen sich nicht unterscheiden, nur ein kleiner Teil seiner Kerne
Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes.
635
tingiert sich schwach. Bei van Gieson-Färbung nimmt er einen gelben Farben¬
ton an. In den Harnkanälchen sind die Zylinder seltener geworden, doch nehmen
viele derselben, besonders in den unteren Abschnitten der Sammelröhren einen
auffallend dunkelblauen Farbenton bei Hämatoxylinfärbung an. (Kalk- oder ver¬
kalkte Zylinder?) Bemerken will ich noch, daß diese subakute Nierenentzündung
beim Hunde mit ausgedehnten wassersüchtigen Erscheinungen einherging; es be¬
stand bei dem Tiere hochgradige Zellgewebs- sowie Bauchwassersucht. Wahr¬
scheinlich führt diese subakute glomeruläre und tubuläreForm zu einer der Schrumpf¬
nieren, denen wir beim Hunde begegnen.
Ehe ich zur Beschreibung der beim Hunde Vorgefundenen
Schrumpfnierenformen übergehe, will ich kurz einen Ueberblick über
den Stand der Frage der chronischen Nephritis überhaupt geben. Man
hat seit langem, weniger auf Grund des anatomischen Bildes als auf
Grund des klinischen Verlaufs der Nierenerkrankung zwei Formen der
chronischen Nephritis unterschieden. Die eine, die sich aus der sog.
parenchymatösen Nephritis (akute und subakute glomeruläre und
tubuläre Nephritis) entwickeln sollte, die chronisch parenchyma¬
töse Nierenentzündung, auch sekundäre Schrumpfniere, geht
klinisch mit wassersüchtigen Zuständen einher und zeichnet sich
außerdem durch große Eiweißmengen und Formelemente im Harn
aus; auch führt sie in der Regel frühzeitig zum Tode. Im Gegen¬
satz hierzu soll sich die sog. genuine Schrumpfniere, die
chronisch interstitielle Nephritis von vornherein schleichend
entwickeln und nicht zu Hydrops führen. Man nimmt an, daß es
sich bei letzterer um die Folge einer langwierigen Giftwirkung handelt.
Nun haben sich schon lange Stimmen geltend gemacht, die an der
ätiologischen wie anatomischen Verschiedenheit beider Formen
zweifeln. Es läßt sich nicht verkennen, daß beide Formen, besonders
hochgradige Stadien derselben anatomisch gleiche Bilder bieten, daß
aber die einzelnen Entwickelungsstadien, vom klinischen Symptomen-
komplex, von dem wir beim Hunde meist wenig erfahren, abgesehen,
auffallende Verschiedenheiten erkennen lassen.
Ich will diese Frage nicht eingehender berühren und nur ver¬
suchen, verschiedene Formen entzündlicher Nierenschrumpfung zu
schildern, die ich beim Hunde gesehen habe. Zur Beschreibung wähle
ich natürlich diejenigen Nieren, die Uebergangsbilder erkennen lassen,
also mittelhochgradige Formen von Nierenschrumpfung. Hochgradige
Schrumpfnieren zeigen immer ähnliche Bilder.
Man findet hin and wieder Nieren, die auffallend klein sind. Die Entfernung
der verdickten fibrösen Kapsel ist meist mit Substanzverlusten der Nierenoberfläche
636 SEIBEL,
verbunden. Diese ist mehr oder weniger höckerig, abwechselnd grauweiß und
braunrot gefärbt und zwar entsprechen die braunroten Partien Hervorragungen
der Rinde, während die tiefer liegenden grauweißen Herde Einziehungen derselben
darstellen. Die Nieren sind sehr derb, auch schneiden sie sich schwer. Die
Durchschnittfläche ist trocken und glanzlos. Die Rindenschicht ist sehr schmal,
stellenweise kaum 1—2 mm breit; auch hier wechseln weiße, atrophische Herde
mit grau- bis braunroten Bezirken ab, die die Struktur der Nierenschichten mehr
oder weniger gut erkennen lassen. Die Größe der eingestreuten Indurationsherde
wechselt; sie sind Stecknadel-, linsen-, pfennigstückgroß, erscheinen stich-, punkt-
oder keilförmig und sind auch auf der Durchschnittfläche leicht eingezogen,
während die verschieden gestalteten Inseln von weichom Nierengewebe pro¬
minieren.
Das mikroskopische Bild ist ebenso wechselnd wie das makroskopische.
Wir beginnen mit den weißen eingestreuten Indurationsherden. Hier ist die Wuche¬
rung des bindegewebigen Stroma charakteristisch; sie bietet alle Abstufungen von
kleinzelliger Infiltration mit weiten Gefäßen bis zum kernarmen Narbengewebe mit
spärlichen, dickwandigen Gefäßen. Wo die kleinzellige Infiltration vorherrscht, sind
Glomeruli und Harnkanälchen gut zu erkennen; im kernarmen, faserigen Bindegewebe
aber sind selbst Spuren derselben nicht mehr zu finden. Schwere Veränderungen
zeigen auch die an die atrophischen Bezirke angrenzenden Teile der Rinde. Hier
hat die Bindegewebswucherung solche Fortschritte gemacht, daß sie an den
Glomeruluskapseln nicht allein weit nach außen vorgreift, sondern auch nach
innen, besonders vom Stiele des Glomerulus her gegen den Glomerulus vordrängt.
Ein Teil der zwischen den Wucherungsherden gelegenen makroskopisch scheinbar
intakten Abschnitte der Rinde zeigt mikroskopisch ebenfalls verschiedene Grade
der Degeneration und des Schwundes. Kaum verändert sind die Glomeruli; in
den Epithelien der gewundenen und geraden Harnkanälchen sieht man oft trübe
Körnchen und kleinste Fetttröpfchen. Hin und wieder liegen abgestoßene
Epithelien im Lumen der Kanälchen. Zylinder sind selten; dagegen fallen ge¬
wundene wie gerade Harnkanälchen in den verschiedensten Teilen durch ihre
außerordentlich wechselnde Weite und ihren gewundenen Verlauf auf.
Dazwischen große Abschnitte intakten Nierenparenchyms. Die Erkrankung
tritt demnach ausgesprochen fleckweise und wie man aus den Uebergangsbildern
zwischen kleinzelliger Infiltration, kernreichem Bindegewebe und Narbengewebe
schließen muß, schubweise auf, stetig kleinere oder größere Abschnitte zur Ver¬
ödung bringend. Das hervorstechendste Merkmal dieser Erkrankung ist eine fleck¬
weise Wucherung des interstitiellen Gewebes. Es ist eine chronisch interstitielle
Nierenentzündung mit disseminiertem Sitz.
Eine zweite Schrumpfnierenform gleicht makroskopisch der eben
beschriebenen sehr. Meist sind beide Nieren verkleinert, die eine
mehr, die andere weniger. Die verdickten, undurchsichtigen Nieren¬
kapseln haften innig an der Oberfläche. Diese ist graurötlich, oft
ganz glatt, hin und wieder fein gekörnt. Ich habe solche Nieren
gesehen, die so klein und an der Oberfläche so glatt waren, daß
man unwillkürlich an eine Hypoplasie denken mußte. Erst die
Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes.
637
mikroskopische Untersuchung ergab, daß es sich um ausgesprochene
Schrurapfnieren handelte. Auf der Durchschnittsfläche ist die Rinden¬
schicht auffallend schmal und blaß. Bei genauer Betrachtung sieht
man in ihr überall weiße Herde eingestreut, die keine Struktur er¬
kennen lassen und in Form und Größe wechseln. Sie sind rundlich,
strich- oder sternförmig, oft eben sichtbar, selten mehr als reiskorn-
groß und liegen dicht beisammen.
Die Markschicht ist meistens ebenfalls sehr blaß, zeigt aber auch
öfters eine dunkelrote, mit den Sammelröhren verlaufende Strichelung,
die in der Nähe der Grenzschicht am ausgesprochensten ist und sich
gegen die Papilla hin allmählich verliert.
Mikroskopisch sieht man ähnliche wecbselreiche Bilder wie bei der eben
besprochenen Form. Es fehlen jedoch die Uebergangsbilder zwischen kleinzelliger
Infiltration, kernreichem Bindegewebe und Narbengewebe; der Prozeß steht überall
auf gleicher Höhe, kurz gesagt, wir finden ein vorgeschrittenes Stadium der sub¬
akuten Glomerulitis und Nephritis tubularis. Dort sahen wir in dem Trümmerfeld,
das der akute Anfall hinterlassen hatte, kleinzellige Infiltration als Beginn einer
chronischen Entzündung auftreten; hier hat die Bindegewebswucherung bedeutende
Fortschritte gemacht. Die Glomeruluskapseln zeigen meist eine konzentrisch ge¬
schichtete Verdiokung, welche aus kernhaltigen Bindegewebsfasern besteht. Auch
die gewundenen und geraden Harnkanälchen sind von breiten Bindegewebsstreifen
begleitet. Die Epithelien der Kapseln befinden sich in lebhafter Proliferation. Im
Kapselhohlraum liegt scholliges Exsudat neben desquamierten Epithelien. Gleich¬
zeitig sieht man von vielen Stellen der Kapsel aus Bindegewebe in den kernarmen
hyalinen Glomerulus hinein wuchern. Die Epithelien der Harnkanälchen sind
stellenweise gut erhalten; an vielen Stellen aber färben sich die Kerne derselben
sehr schlecht, oder es liegt an Stelle des normalen, regelmäßigen Epithels ein un¬
regelmäßiger Epithelbesatz. Zylinder sieht man in den Sammelröbren noch häufig.
Im allgemeinen nimmt die Bindegewebswucherung nie die Mächtigkeit an, wie es
bei der zuerst beschriebenen Form von Nierensohrumpfung der Fall ist; das ein¬
fache Kollabieren der atrophischen Glomeruli und Harnkanälchen herrscht vor. —
Auch diese Nephritisform geht fast immer mit wassersüchtigen Zuständen einher.
Wir können demnach beim Hunde zwei Formen der chronischen
Nephritis auseinanderhalten. Bei der ersten Form ist die Wucherung
des bindegewebigen Stromas vor allem in die Augen fallend. Man
sieht kein Exsudat im Kapselraum, keine oder nur vereinzelte Zylinder
in den Harnkanälchen; man kann aber besonders deutlich, eben weil
die Erkrankung schubweise auftritt, verfolgen, wie zuerst kleinzellige
Infiltration besteht, wie sich junges, kernreiches Bindegewebe bildet,
wie der Glomerulus, offenbar an seinem Stiele durch wucherndes
Bindegewebe abgeschnürt, allmählich schrumpft, wie er von Bindege¬
webe durchwuchert wird und dieser Wucherung schließlich zum Opfer
638 SEIBEL,
fällt. Hochgradige Degenerationen an den Schlingen des Glomerulus
und an den Harnkanälchen sind aber im Anfang nicht zu sehen; es
können geringe Grade derselben vorhanden sein, die parenchymatösen
Degenerationen und exsudativen Vorgänge erreichen aber niemals die
Ausdehnung, wie es bei der zweiten Form die Regel ist. Bei dieser
steht die Degeneration und entzündliche Exsudation im Vordergrund;
hier wird der in seiner inneren Einrichtung schwer geschädigte Glo¬
merulus durch die sich anhäufenden Exsudatmassen an die Wand
gedrängt, er wird kleiner; die hochgradig degenerierten Harnkanälchen
fallen zusammen und erst in diesem Trümmerfeld tritt Bindegewebs¬
wucherung auf. Das Endresultat ist dann freilich dasselbe, eine
Narbe, Schrumpfniere. Aber in ihrer Entstehung sind diese Schrumpf¬
nieren verschieden. Auf der einen Seite Wucherung des bindege¬
webigen Stromas mit Druckertötung des Parenchyms infolge
Schrumpfung des neugebildeten Bindegewebes, auf der anderen schwere
Degeneration mit Tod der Zellen und nachfolgende Bindegewebs¬
wucherung. Ob die Wucherung des bindegewebigen Stromas bei der
ersten Form primär entsteht oder ob ihr vielleicht mikroskopisch
nicht sichtbare molekulare Veränderungen des Parenchyms vorauf¬
gehen, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall sind, und das will ich
nochmals betonen, entzündliche Veränderungen und Degenerationen
am Sekretions- und Filtrationsapparat ganz zurücktretend hinter der
Bindegewebswucherung. Bei der zweiten Form ist das gerade um¬
gekehrt.
Während die erste Form entschieden fleckweise und schubweise
auftritt, so daß also zwischen gut erhaltenem Parenchym zahlreiche
Indurationsherde verschiedenen Alters liegen, erscheint die zweite als
Folgestadium einer Entzündung, die ganz diffus verlaufen sein muß.
Und da die Retraktion des sekundär gebildeten Bindegewebes oft eine
so gleichmäßige ist, daß die Oberfläche der Nieren fast glatt erscheint,
kann sie nicht schubweise entstanden sein, wie dies für die erste
Form zugegeben werden muß. Nun sind ja der akuten glomerulären
und tubulären Nephritis nicht alle Glomeruli zum Opfer gefallen.
Ein großer Teil ist restituiert worden. Man findet aber nie so große
zusammenhängende Bezirke intakten Nierengewebes wie bei der ersten
Form. Nach dem Grundsätze denominatio fit a potiori nannten wir
diese eine chronisch interstitielle Nephritis mit disseminiertem
Sitz; die zweite Form können wir entsprechend als eine chronische
glomeruläre und tubuläre Nephritis (mit diffusem Sitz) bezeichnen.
Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes.
639
Die Frage, auf welche Weise die Verödung und binde¬
gewebige Durchwucherung der Glomeruli und Harn¬
kanälchen zustande kommt, ist nach dem Gesagten dann so zu
beantworten:
Bei der ersten Form umschließt wucherndes Bindegewebe den
Stiel der Glomerulusschlingen und bringt die Gefäße zur Verödung.
Ob das wuchernde Bindegewebe von der Kapsel geliefert wird, ob es,
wie Ribbert annimmt, von der Adventitia der Hilusgefäße stammt,
oder ob beide Komponenten an seiner Bildung beteiligt sind (Böhm),
ist schwer zu sagen. Beim Hunde sieht man das Bindegewebe bei
der interstitiellen Nephritis vorwiegend vom Stiele der Glomerulus¬
schlingen Vordringen und zwischen den Schlingen durchwuchern. Daß
es auch von anderen Stellen der Kapsel aus, besonders von dem dem
Glomerulusstiel gegenüberliegenden Pol derselben in den Glome-
rulus hineinwuchert, ist hin und wieder zu sehen, jedoch nicht die
Regel.
Bei der diffusen chronischen Nephritis kommt die Verödung des
Glomerulus einerseits durch (hyaline?) Entartung seiner Schlingen,
andererseits durch den Druck des im Kapselraum angesammelten
Exsudates zustande. Man sieht oft, wie das angesammelte mächtige
Exsudat den Glomerulus gleichsam wie einen Gummi ball eingedrückt
hat. Die Bindegewebsdurchwucherung geht hier viel häufiger von
allen Teilen der Kapsel aus, wie man denn auch das Kapselepithel
in lebhafter Proliferation sieht.
Ponfick führt die Verödung der Glomeruli und Harnkanälchen
auf Verlegung der abführenden Kanälchen durch Harnzylinder zurück.
Der Vorgang ist nach ihm folgender: „Die Niere ist Sitz einer akuten
Entzündung gewesen, die mit Exsudation einer hyalinen, zu Pfropfen
sich ballenden Masse verbunden war. Dem verstärkten Harnstrome
gelingt es, die meisten der die Harnkanälchen sperrenden Hemmnisse
wegzuschwemmen. Nur vereinzelte Zylinder bleiben stecken. Die¬
jenigen Malpighischen Körperchen nun, die zu diesen dauernd ver¬
stopften Tubuli gehören, und nur sie, verfallen auf dem Wege funk¬
tioneller Untätigkeit der Verödung: „für alle Zukunft ein Denkmal
sekundären Schwundes“. Für die zweite Form der Schrumpfniere
muß man das Zustandekommen der Verödung auf dem von Ponfick
beschriebenen Wege zugeben, zumal die Ansammlung von Zylindern
eine ganz gewaltige sein kann und auch verkalkte Zylinder gefunden
werden. Ich möchte jedoch auch den Druck des in der Kapsel.an-
640
SEiBEL,
gesammelten Exsudates für das Zustandekommen der Verödung her¬
vorheben. Bei der chronischen interstitiellen Nephritis halte ich die
Verödung auf diesem Wege für selten. Hier ist es das wuchernde
Bindegewebe, das durch Abschnürung von Glomerulusstiel oder
Tubuli funktionelle Untätigkeit mit anschließender Inaktivitätsatrophie
bedingt. Die bindegewebige Durchwucherung von Knäueln und
Kanälchen aber ist hier wie dort ein sekundärer Vorgang, dem das
atrophische Parenchym schließlich ganz zum Opfer fällt.
Ebenso wie die Frage des Zustandekommens der Verödung der
Glomeruli und Harnkanälchen ist auch die Entstehung der Nieren¬
zysten bei Schrurapfnieren noch strittig. Dünger teilt die Nieren¬
zysten im engeren Sinne in drei Gruppen:
1. Harnzysten: diese finden sich in sonst normalen Nieren in
der Regel dicht unter der Oberfläche als Stecknadel- bis apfelgroße
Blasen. Sie sind als einfache Retentionszysten zu betrachten, her¬
vorgerufen durch Verschluß von Harnkanälchen.
2. Zysten im Gefolge chronischer Entzündung: Sie sind
in der Regel in größerer Anzahl vorhanden, werden aber nur selten
mehr als erbsengroß. Sie treten sowohl in der Rinden- wie in der
Marksubstanz auf und besitzen gewöhnlich einen hyalinen, kolloiden,
manchmal auch flüssigen Inhalt. Sie gehen aus diktierten Harn¬
kanälchen oder Glomeruli hervor und sind ebenfalls als Retentions¬
zysten aufzufassen, bedingt durch Sekretstauung infolge bindegewebiger
Schrumpfung in der Umgebung der Kanälchen.
3. Die angeborenen Zystennieren, die auf einer Entwicke¬
lungsstörung der Nieren beruhen.
Für uns kommt die zweite Gruppe in Betracht. Ribbert be¬
zweifelt das Zustandekommen von Harnzysten durch Schrumpfung
überhaupt und hält auch die in den Schrumpfnieren so häufig vor¬
kommenden Zysten für angeboren. Ponfick legt das Hauptgewicht
bei ihrer Entstehung auf die Verlegung von Harnkanälchen durch
Zylinder und Sekretstauung vor der veilegten Stelle. Ich will auf
diese schwer zu entscheidenden Fragen nicht näher eingehen, sondern
nur das häufige Vorkommen von Zysten bei chronischer Nephritis
erwähnen. Gegen die Ribbertsche’Ansicht spricht meines Erachtens,
daß man Nierenzysten beim Hunde im Verlaufe der chronischen
Nephritis so ungemein häufig und bei normalen Nieren selten findet.
So habe ich Nierenzysten bei Schrumpfnieren in 4 von 10 Fällen und
bei normalen Nieren bei weit über 100 daraufhin untersuchten Hunden
Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Bandes.
641
nur 2 oder 3 mal gesehen. Auch der geschlängelte Verlauf der
Harnkanälchen und vor allem die häufigen Dilatationen derselben bei
chronischer Nephritis sprechen für die unter 2 genannte Art der Ent¬
stehung.
Ich habe bei meinen Untersuchungen stets darauf geachtet, zu
ermitteln, ob die beim Menschen so häufige arteriosklero¬
tische Schrumpfni.ere auch beim Hunde vorkommt. Nun sind
ja in der Humanmedizin die Ansichten in dieser Frage noch geteilt.
Die Gefäße in den Schrurapfniercn verhalten sich meist so: Ein Teil
der Kapillaren geht innerhalb der atrophischen Bezirke vollständig
unter. Die Arterien fallen schon mikroskopisch durch ihre starren
Wände auf und zeigen mikroskopisch eine auffallende Verdickung der
Gefäßwand. Dadurch wird das Lumen der Gefäße stark eingeengt;
es kann sogar vollständig verstrichen erscheinen. Diese Gefäßver¬
änderungen sind am ausgeprägtesten bei der chronischen interstitiellen
Nephritis, der sog. genuinen Schrumpfniere, weniger deutlich sind sie
bei der sog. parenchymatösen Nephritis (2. Form); sie fehlen voll¬
ständig bei den akuten Nephritiden. Wegen dieser der Arterioskle¬
rose ähnlichen Veränderungen sind manche Autoren (Jores, Prym)
geneigt, die genuine Schrumpfniere als selbständige Form nicht gelten
zu lassen, sondern sie als arteriosklerotische aufzufassen. Besonders
Jores hat ausgedehnte Untersuchungen über das Vorkommen der
Arteriosklerose kleinster Arterien angestellt. Die Arteriosklerose der
Nierenarterien ist nach ihm ‘keine einfache Folgeerscheinung der
Nephritis, sondern in frühzeitiger Verknüpfung mit derselben ein den
Ablauf der Nierenerkrankung wesentlich beeinflussendes Moment“, also
die Ursache der Schrumpfung. Die meisten Autoren halten
jedoch genuine und arteriosklerotische Schrumpfniere scharf aus¬
einander.
Bei Tieren sind bekanntlich Erkrankungen, die man als Arterio¬
sklerose ansprechen kann, selten. Ich habe bei den von mir unter¬
suchten Nieren eine gefunden, an deren Arterien Veränderungen be¬
standen, die ich als arteriosklerotische auffassen möchte. Da die
Sektion des Hundes (es handelte sich um ein wegen Altersschwäche
vergiftetes Tier) nicht von mir selbst vorgenommen wurde, bin ich
leider nicht imstande, anzugeben, ob auch an anderen Arterien ähn¬
liche Erkrankungen Vorlagen. An den Arterien der linken Niere
bestanden sie zweifellos. Makroskopisch fiel an dieser Niere eine
kleinfingerbreite, ringförmige Einziehung auf, die sich vom Hilus zum
Archiv f. wissensch u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl-Band.
642
SEIBEL,
gegenüberliegenden Pol der Rinde erstreckte, so daß die Niere
seramelförmig aussah. Mikroskopisch will ich nur Gewicht auf die
Unterscheidung dieser Form von Nierenschrumpfung von der genuinen
Schrumpfniere legen. Während bei letzterer die Bindegewebszubildung
charakteristisch ist und überall, nicht nur in der Umgebung der
kleinen Arterien auftritt, ist bei dieser Niere die bindegewebige
Wucherung nur in der Umgebung einer größeren Arterie und ihres
Ausbreitungsgebietes und auch hier nur in geringer Ausdehnung zu
verfolgen. In größerer Ausdehnung aber sind um das Gefäß Glome-
ruli und Harnkanälchen atrophisch geworden und einfach geschrumpft,
ohne daß es zu einer stärkeren bindegewebigen Durchwucherung ge¬
kommen wäre. Am auffälligsten ist jedoch der Unterschied in der
Art der Verdickung der Arterien bei dieser Niere im Gegensatz zur
genuinen Schrumpfniere. Bei letzterer habe ich immer nur rein
muskuläre Hypertrophie der Arterien gesehen. Bei dieser Niere ist
jedoch die Wucherung der Intima ganz außerordentlich, besonders
der elastischen Schicht derselben. Mit Rücksicht darauf, daß die
Veränderungen an den Gefäßen sehr stark und die Veränderungen
am interstitiellen Gewebe sehr gering und nur auf das Ausbreitungs¬
gebiet eines Gefäßes beschränkt waren, kann man diese Schrumpf¬
niere wohl als arteriosklerotische bezeichnen.
Eine häufige Begleiterscheinung der chronischen Nephritis ist die
Herzhypertrophie. Ich habe sie etwa in der Hälfte aller Fälle
von Schrumpfniere gesehen, oft so' ausgesprochen, daß man von
Bukardie sprechen konnte. Am stärksten hypertrophiert war in allen
Fällen der linke Ventrikel. In einem Falle von hochgradiger Schrumpf¬
niere habe ich ausgesprochene exzentrische Hypertrophie, in allen
anderen vorwiegend konzentrische Hypertrophie feststellen können.
Die Papillarmuskeln, besonders der linken Kammer sind dann auf¬
fallend groß, walzenrund, auch die Trabekel sind sehr dick, abge¬
rundet und lassen tiefe Buchten zwischen sich.
Ueber das Zustandekommen der Herzhypertrophie bei chronischer
Nephritis gehen die Ansichten auseinander. Nur noch geschichtliches
Interesse haben die Theorien, die in der Herzhypertrophie den primären
und in der Nierenerkrankung den sekundären Vorgang sehen; heute
ist man allgemein der Ansicht, daß die Erkrankung der Niere das
Primäre und die Hypertrophie des Herzens die Folgeerscheinung der
Nierenerkrankung ist. Ueber die inneren Ursachen der Entstehung
Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes. 643
der Herzhypertrophie herrseht aber wie gesagt noch keine Ein¬
stimmigkeit.
Traube sucht die Entstehung derselben rein mechanisch zu erklären. Er
nimmt an, daß infolge ausgiebiger Verödung des Gefäßsystems in den schrumpfen¬
den Nieren der Bruck im Aortensystem steigt und das Herz infolge vermehrter
Inanspruchnahme hypertrophisch wird. Ein weiterer Faktor soll die Verhinde¬
rung der Wasserausscheidung aus dem Blut und damit die vermehrte Blutmenge
sein. Gegen diese Theorie ist vor allem geltend gemacht worden, daß man beide
Nierenarterien unterbinden kann, ohne daß Drucksteigerung im Aortensystem ein-
tritt. Weiterhin geht gerade diejenige Nephritisform, bei der wir am häufigsten
Herzhypertrophie finden, die sog. genuine Schrumpfniere nicht mit Anurie, sondern
mit Polyurie einher; folglich kann von einer Zurückhaltung des Harnwassers keine
Hede sein.
Die Senatorsche Theorie nimmt an, daß infolge der Insuffizienz der Nieren
Harnbestandteile in die Blutbahn gelangen. Diese sollen entweder direkt reizend
auf den Herzmuskel oder kontrahierend auf die peripheren Arteriengebilde wirken,
infolgedessen es zu einer Steigerung des Blutdrucks und Herzhypertrophie kommt.
Gegen diese Theorie macht Rosenbach geltend, daß in vielen Fällen von
Schrumpfniere Herzhypertrophie besteht, ohne daß es zu einer Vermehrung der
Harnbestandteile im Blute gekommen wäre.
Ewald nimmt an, daß os infolge der gestörten Nierenfunktion zu einem er¬
höhten Reibungswiderstand des Blutes kommt und die Arbeit des Herzens gesteigert
wird. Auch dies ist zum mindesten nicht erwiesen.
Paßler und Heineke glauben zum ersten Male einwandfrei nachgewiesen
zu haben, daß die Blutdrucksteigerung und Herzhypertrophie bei Nierenläsion die
Folge eines einfachen Mangels einer genügenden Menge sezernierenden Parenchyms
sein könne. Sie entfernten bei Hunden operativ die eine Niere vollständig und
einen Teil der zweiten. Die überlebenden Tiere zeigten deutliche Blutdrucksteige¬
rung mit konsekutiver Herzhypertrophie. Da die operierten Tiere auch klinisch
ähnliche Symptome zeigten, wie man sie bei chronischer Nephritis beobachtet,
nehmen Päßler und Heineke als sehr wahrscheinlich an, daß auch die Herz¬
hypertrophie bei chronischer Nephritis die Folge dos Mangels von sezernierendem
Parenchym ist und daß es einer Retention von Harnbestandteilen im Blut zum
Zustandekommen der Hypertrophie kaum bedarf.
Während die Bedeutung der Retention von Ilarnbestandteilen ins
Blut und die hierdurch reflektorisch bewirkte Kontraktion der kleinsten
Körperarterien für das Zustandekommen der Herzhypertrophie in den
letzten Jahren allgemein angenommen worden war, nähern sich die
Schlußfolgerungen von Päßler und Heineke wieder der alten Traube-
schen Theorie. Auch Volhard betonte auf Grund klinischer Er¬
fahrungen die vorwiegende Beteiligung der Glomeruli für das Zustande¬
kommen der Herzhypertrophie. Es läßt sich das Zustandekommen der
Herzhypertrophie auf dem zuletzt beschriebenen Wege am zwanglosesten
41 *
644
SEIBEL,
erklären. Wir haben gesehen, daß bei der chronischen Nephritis große
Gefäßstrecken veröden, sowohl vasa aSerentia wie Glomeruli, Kapillaren
und vasa efferentia. Das Blut gelangt wohl in die Nieren hinein,
findet aber bei seinem Durchtritt einen großen Widerstand. Nun kann
nach den Versuchen Köppes eine Mehrleistung des wasserabführenden
Apparates der Nieren nur auf zweierlei Art erreicht werden, entweder
durch Erhöhung des Filtrationsdruckes oder Vergrößerung der Fil¬
trationsfläche. Bei der chronischen Nephritis ist eine große Anzahl
der Glomeruli erkrankt; es kann eine Vergrößerung der Filtrations¬
fläche nicht eintreten; folglich muß, um die Wasserabscheidung zu
bewirken, der Filtrationsdruck steigen. Und in der Tat zeigen auch
die exakten Versuche von Päßler und Heincke, daß nach Exstir¬
pation, also nach Verkleinerung der Filtrationsfläche, der Druck im
Aortensystem erheblich anstieg. Die Blutdruckerhöhung betrug nie
weniger wie 15 mm, im einzelnen Falle bis 29 mm. Der Grad der
Erhöhung ging dem Grad der Niereninsuffizienz parallel. Nach dem
Tode wurde bei allen Tieren Herzhypertrophie festgestellt. Die Herz¬
hypertrophie bei Nephritis würde demnach eine rein kompensato¬
rische sein.
Mit Herrn Dr. Hintze gemeinschaftlich habe ich mich mit einer
weiteren Folgeerscheinung der chronischen Nephritis beschäftigt, die
in der Menschenheilkunde seit langem bekannt ist und diagnostisch
verwertet wird, die man aber in der veterinärmedizinischen Literatur
kaum erwähnt findet. Ich denke an die sog. Retinitis albumi¬
nurica. Beim Menschen haben Schwachsichtigkeiten und Erblindung
im Verlauf von Nierenentzündungen längst die Aufmerksamkeit der
Aerzte erregt.
Nach Schmidt-Rimpler, dem ich im wesentlichen folge, teilte schon
John Bright 1836 mehrere Fälle mit und Landouzy schrieb bereits 1849 über
den Zusammenhang zwischen Amaurose und Nephritis. Türok und Virchow
konstatierten später die anatomischen Veränderungen in der Netzhaut, Heymann
und Liebreich gaben eine Beschreibung des ophthalmoskopischen Bildes. Be¬
troffen ist meist die Netzhaut und die Papille. Die Erkrankungen dieser Teile
können beim Menschen bei den verschiedensten Formen von Nephritis Vorkommen;
am häufigsten sind sie in Verbindung mit Schrumpfnieren konstatiert worden.
Retinitis albuminurica hat man die Erkrankung genannt, weil die mit ihr im Zu¬
sammenhang stehende Nierenerkrankung meist mit Albuminurie einhergeht.
Wir haben die Erkrankung bei zehn genau daraufhin untersuchten
Fällen von Nephritis nur einmal ausgesprochen gesehen und zwar bei
vorgeschrittener Nierenschrumpfung. Die Veränderungen waren hier
Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Pfundes.
645
auffallend. Die Papille des linken Auges ist geschwollen, turges-
zenter und zeigt einen rötlichen Schimmer. Dabei ist das Gewebe
nicht glänzend, sondern von stumpf-sammetartigem Glanz. Die an¬
grenzende Netzhautpartie ist ebenfalls trüber und undurchsichtig. Auf
der Höhe der Papille sieht man zwei dunkelrote, kreisrunde, über
stecknadelkopfgroße Petechien und in der Umgebung der Papille viele
strich- oder punktförmige weiße Flecken (chronische Retinitis) neben
kleineren Blutungen.
Ein ähnlicher Befund wurde am rechten Auge erhoben.
Ob die Erkrankung der Netzhaut in der Tierheilkunde von dia¬
gnostischer Bedeutung sein könnte, erscheint mit Rücksicht auf das
Fehlen der subjektiven Mitteilungsgabe der Tiere fraglich; immerhin
wäre ihre Bestätigung durch unsere Kliniker zum mindesten lehrreich.
Literatur.
]) Aschoff, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. 1909.
2) Dünger, Zur Lehre von den Zystennieren. Zieglers Beiträge. Bd. 35.
3) Heineke, Die Veränderungen der menschlichen Niere nach Sublimatvergiftung.
Ebendas. Bd. 45.
4) Herxheimer, Ueber die sog. hyaline Degeneration der Glomeruli der Niere.
Ebendas. Bd. 45.
5) Jores, Pathologie und pathologische Anatomie der Harnorgane. Ergebnisse
von Lubarsoh-Ostertag. VI. u. XI. 11 - Jahrg.
6) Derselbe, Hypertrophie und Arteriosklerose in den Nierenarterien. Virchows
Archiv. Bd. 181. 3. 1905.
7) Kaufmann, Lehrbuch der spez. pathol. Anatomie. 4. Aufl.
8) Müller, Morbus Brightii. Verhandl. d. Pathol. Ges. 9. Tagung. Meran.
9) Orth, Diskussion über Morbus Brightii. Ebendas.
10) Päßler u. Heineke, Versuche zur Pathologie des Morbus Brightii. Ebendas.
11) Ponfick, Ueber Morbus Brightii. Ebendas.
12) Ribbert, Pathologische Anatomie. 3. Aufl. 1908.
13) Schmidt-Rimpler, Die Erkrankungen des Auges. 1905.
14) Senator, Ueber die Herzhypertrophie bei Nierenkrankheiten. Deutsche med.
Wochenschr. 1903. Nr. 1.
15) Thorei, Pathologie der Kreislaufsorgane. Ergebnisse von Lubarsch-Ostertag.
9. Jahrg. I. Abt. u. 11. Jahrg. II. Abt.
16) Volhard, Diskussion über Morbus Brightii. Verhandl. der pathol. Gesellsch.
9. Tagung.
XXVII.
Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik zu Berlin.
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bier.)
Lymphosarkomatose und Tuberkulose beim Hunde.
Ein experimenteller Beitrag
von
Prof. Dr. Anton Sticker,
Oberassistent der Klinik.
Hochverehrter Herr Geheimrat! Die vorliegenden Untersuchungen
bilden ein Glied in der Kette der vor 10 Jahren begonnenen und
seitdem ununterbrochen fortgesetzten erfolgreichen Uebertragungsver-
suche bösartiger Geschwülste beim Hunde; sie verdanken, wie alle
meine wissenschaftlichen Bestrebungen auf dem Gebiete der Veterinär¬
medizin vor allem Ihnen, meinem hochverehrten Lehrer, befruchtende
Anregung, die ich als Ihr Assistent im Jahre 1886 und als Ihr Mit¬
arbeiter im Jahre 1900 unmittelbar zu empfangen das große Glück
hatte. Nehmen Sie bitte, als ein schwaches Zeichen meiner nie ver¬
löschenden Dankbarkeit, diese Arbeit am heutigen Tage entgegen!
Die Lymphosarkomatose des Hundes ist im Verlaufe der
letzten 20 Jahre vielfach Gegenstand des Studiums gewesen, so daß
sich eine Weltliteratur über dieselbe gebildet hat, bezüglich deren
Einzelheiten ich auf eine von mir 1906 verfaßte Abhandlung 1 ) ver¬
weise.
Das Interesse, welches dieser Krankheit entgegengebracht wurde,
verdankt sie nicht so sehr ihrer praktischen Bedeutung, obw r ohl auch
diese wegen des bisweilen beobachteten endemischen Charakters nicht
gering zu nennen ist, als vielmehr ihrer Besonderheit als günstiges
1) Arch. f. klin. Chir. Bd. 78. H. 4.
Lymphosarkomatose und Tuberkulose beim Hunde. 647
Objekt für die wissenschaftliche Erforschung der Natur der bösartigen
Geschwülste.
Ich will an dieser Stelle bezüglich aller Einzelheiten auf meine
Publikationen 1 ) verweisen und nur das eine hervorheben, daß der
Charakter der Lymphosarkomatose des Hundes als einer echten Ge¬
schwulstkrankheit, welche ein vollwertiges Analogon zu den malignen
Geschwülsten des Menschen bildet, über allem Zweifel erhaben steht 2 ),
und es als ein schwerer Irrtum bezeichnet werden muß, wenn man
sie früher — so namentlich auf englischer Seite 3 ) — mit den infek¬
tiösen Granulomen, also mit der Tuberkulose, der Aktinomykose und
den leukämischen Tumoren zusammenbrachte.
Die Lymphosarkomatose des Hundes prägt sich wie die gleich¬
namige Krankheit des Menschen durch das Auftreten multipler Tumoren
aus, welche sich aus Rundzellen aufbauen, die in steter karyokine-
tischer Teilung begriffen sind und nur mit den großen Rundzellen der
1) Transplantables Lymphosarkam des Hundes. Ein Beitrag zur Lehre der
Krebsubertragbarkeit. Zeitschr. f. Krebsforschung. 1904. Bd. 1. — Erfolgreiche
Uebertragungen bösartiger Geschwülste bei Tieren. Med. Klinik. 1905. Nr. 24. —
Transplantables Rundzellensarkom des Hundes. Berl. tierärztl. Woohenschr. 1905.
Nr. 20. — Infektiöse und krebsige Geschwülste an den äußeren Geschlechts¬
organen des Hundes. Arch. f. klin. Chir. 1906. Bd.78. — Transplantables Rund¬
zellensarkom des Hundes. (Zweite Mitteilung.) Zeitschr. f. Krebsforschung. 1906.
Bd. IV. — Spontane und postoperative Implantationstumoren. Münchener med.
Wochenschr. 1906. Nr. 39. — Uebertragung von Tumoren bei Hunden durch den
Geschlechtsakt. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1906. Nr. 50. — Das Wesen und
die Entstehung der Krebkrankheit auf Grund der Ergebnisse der modernen Krebs¬
forschung. Zeitschr. f. Veterinärkunde. 1907. H. 10. — Ueber Pathogenese und
über den spezifischen Abbau der Krebsgeschwülste. Deutsche med. Wochenschr.
1907. Nr. 38. — Die Immunität und die spontane Heilung der Krebskrankheit
nach den Ergebnissen der modernen experimentellen Forschung. Zeitschr. f. Krebs¬
forschung. 1908. Bd. 7.
2) Die seiner Zeit von Weigert und Arnold gestellte Diagnose wurde
durch eine Reihe namhafter Pathologen: Albrecht, Bollinger, Dürck,
von Hansemann, Kitt,’ Lüpke, Orth, Ribbert, Schmaus, Schmorl
bestätigt. In neuerer Zeit haben die amerikanischen Forscher Ewing u. Beebe,
R. Gaylord, Crile, der französische Gelehrte Borrel eigene umfangreiche
Versuche mit dem Lymphosarkom des Hundes angestellt und sich bezüglich der
Diagnose auf den Standpunkt der deutschen Pathologen gestellt.
3) Smith and Wahsbourn, Infective venereal tumours in dogs. Transact.
of the path. soc. of London. 1897. Vol. 48. — Withe, Contagious growths in
dogs. Brit. med. Journ. July 1902. — Bashford, Murray and Cramer, An
infective granuloma of the dog. Scient. reports of the Imp. canc. Research.
1905. No. 2.
648 STICKER,
Keimzentren der Lymphfollikel der Lyraphdrüsen verglichen werden
können.
Die Lyraphosarkomatose nimmt ihren allerersten Ursprung aller
Beobachtung nach im lymphatischen Apparat, so insbesondere in den
reichlich auf der Schleimhautoberfläche des Penis und im Scheiden¬
vorhof befindlichen Lymphfollikeln; bei ihrer weiteren Ausbreitung ver¬
meidet sie jedoch die vorgeschriebenen Lymphbahnen, bricht in die
Nachbarschaft aus und verbreitet sich später nur auf dem Blutwege.
Ich habe zahlreiche Fälle von metastatischem Lungensarkom, meta¬
statischem Lebersarkom, metastatischem Lymphdrüsensarkom, Fälle
von allgemeiner über fast alle Körperorgane sich erstreckender Sar-
komatose beschrieben, in denen durch das histologische Studium
kleinster submiliarer Knötchen nachgewiesen werden konnte, daß die
Metastasen ihre Entstehung von wenigen, auf dem Wege der Blut¬
bahn eingeschwemmten Sarkorazellen nehmen, ohne daß irgend eine
Beteiligung des umliegenden Gewebes zu beobachten wäre.
Um nun differential-diagnostisch wichtiges Material für die von
mir hinreichend studierten echten blastomatösen Prozesse beim Hunde
zu gewinnen, habe ich das experimentelle Studium der Tuberkulose
des Hundes in Angriff genommen. Ich begann im Verein mit
meinem Mitarbeiter Ernst Löwenstein durch Injektionen von
Tuberkelbazillen — wir wählten dazu Kulturen Von Bazillen, welche
direkt vom Menschen genommen, und Kulturen von Perlsuchtbazillen —
in die Bauchhöhle des Hundes eine miliare Tuberkulose des Bauch¬
fells zu erzeugen. Das Studium der morphologisch ähnlichen Bilder,
der Tuberculosis und Lymphosarcomatosis peritonei sollte wertvolle
Anhaltspunkte liefern. War es doch bekannt, daß gerade die durch
Tuberkelbazillen hervorgerufenen hyperplastischen Prozesse oft das
Bild einer echten Blastomatose vortäuschten — so hatte Virchow
bei seiner ersten Bekanntschaft mit der Perlsucht des Rindes diese
auf Grund seiner histologischen Untersuchung für eine Sarkomatose
erklärt, während die Tierärzte auf Grund klinischer Erfahrungen die
Perlsucht als die Tuberkulose der serösen Häute des Rindes längst
erkannt hatten.
Wir haben uns im Verlaufe unserer Versuche nicht auf die
Tuberkelbazillen allein beschränkt, sondern auch eine Reihe anderer
säurefester Bakterien, so Pseudoperlsuchtbazillen, Timotheebazillen
und Smegmabazillen zur Injektion benutzt.
Lymphosarkomatose and Tuberkulose beim Ilunde. 649
Außer den intraperitonealen wurden auch subkutane und kutane
Impfungen vorgenommen.
Die intraperitonealen Impfungen mit Tuberkelbazillen gaben
nachfolgendes Resultat. r
Während für die meisten Haustiere der Perlsuchtbazillus sich
pathogener erweist als der Tuberkelbazillus vom Typus humanus,
findet beim Hunde das Umgekehrte statt. Bei den mit Perlsucht¬
bazillen geimpften Hunden fand sich nur eine beschränkte tuberkulöse
Entzündung des großen Netzes, bei den mit Tuberkelbazillen mensch¬
licher Herkunft geimpften eine allgemeine Miliartuberkulose, welche
sich auf großes Netz, Mesenterium, Leber, Milz und Nieren, ja bis
auf die- sternalen Lymphdrüsen ausdehnte.
Es erscheint auffällig, daß dieser Unterschied in den Befunden 1 )
anderen Experimentatoren entgangen sein soll. Es erklärt sich zum
Teil daraus, daß die intraperitoneale Impfung gajiz außer Acht ge¬
lassen wurde, so z. B. von Titze und Weidanz ira Kaiserlichen Ge¬
sundheitsamt 2 3 ), welche zahlreiche subkutane und intravenöse Injek¬
tionen, zahlreiche Inhalations- und Fütterungsversuche bei Hunden
sowohl mit Perlsuchtbazillen, als auch mit Bazillen des Typus
humanus ausführten.
Robert Koch*) selber beschreibt 3 Infektionsversuche, welche
mit Reinkulturen von menschlicher Miliartuberkulose intraperitoneal
bei Hunden vorgenommen wurden. Alle 3 Hunde zeigten nach
1) Unser experimentelles Ergebnis entspricht auch der klinischen Beob¬
achtung:
Die spontane Erkrankung der Hunde steht zumeist mit der Tuberkulose des
Menschen in ursächlichem Zusammenhang; am häufigsten pflegen sich Stuben¬
hunde durch Einatmung bazillenhaltiger Luft, seltener durch Auf lecken von tuber¬
kulösem Spututn zu infizieren. Die von Petit tuberkulös befundenen Hunde
stammten zum größten Teil aus von Arbeitern stark besuchten, unreinen Sohank-
lokalen und Kaffehäusern.
Die Spontanerkrankung der Hunde ist an vielen Orten ein seltene Beob¬
achtung.
Froh ner fand unter 62500 Berlinor Hunden 27, d. i. 0,04 pCt. mit Tuber¬
kulose behaftet.
Johne u. Eber in Dresden unter 400 Hunden 11, d. i. 2,7 pCt. Dagegen
sah Jensen.in. Kopenhagen im Laufe von 2 Jahren 28 Hunde, Petit und Basset
in Alfort während eines Jahres 32 Hunde mit Tuberkulose.
2) Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt. Berlin 1908. Heft9.
3) Mitteil. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt.. 1884. Bd. 2.
650
STICKER,
5 Wochen bei der Obduktion das Bild einer ausgebreiteten Miliar¬
tuberkulose. Dieser Befund deckt sich mit dem unserer analogen Fälle.
Die englische Tuberkulosekommission 1 ) berichtet, daß ein mit
einer Kultur, welche von einer primären Mesenterialtuberkulose des
Menschen stammte, intraperitoneal geimpfter Hund nach 48 Tagen
an den Folgen einer Tuberculosis universalis starb; allerdings soll ein
zweiter Hund nur geringgradige Tuberkulose gezeigt haben.
Ein dritter Hund, welcher 1 mg einer Bazillenkultur boviner
Herkunft intraperitoneal erhielt, zeigte nach 5 Wochen nur wenige
fibröse Tuberkel in den Lungen, kleine verdächtige Herde in Leber
und Nieren.
Versuch Nr. L Schwarzer Spitz, männlich, boscbiger Schwanz.
16. 12. 1909 mit Perlsucht (Bongert) 2 Oesen einer 2 Monate alten
Glyzerinagarkultur (Aufschwemmung in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung)
intraperitoneal.
4. 1. 1910 (19. Tag) gestorben an infektiöser Pneumonie.
Obduktionsbefund: Im großen Netz ein kastanienkroßer Knoten, welcher
deutlich abgerundet und eine rötlich-weiße, markige festweiche Schnittfläche auf¬
weist. Im übrigen erweist sich das Peritoneum glatt und glänzend.
Mikroskopischer Befund: Die Struktur des Netzes noch deutlich; die
Gesohwulstmasse besteht zum größten Teil aus flbroblastiscbem Gewebe, in welchem
die spindligen Zellen vorherrschen und schmale sich durchflecbtende Züge bilden.
Die Zellen durchgängig protoplasmareich, die Kerne groß, die Chromatinsubstanz
fein verteilt. Einzelne Partien nekrotisch; die Kerne pyknotisch; Lymphzellen
und Leukocyten wenig oder gar nicht vorhanden.
Versuch Nr. 2. Hellgrauer Spitz, männliob, mit buschigem Schwanz.
16. 12. 1909 mit Perlsucht (Wien) 2 Oesen einer 1 Monat alten Glyzerin¬
agarkultur (Aufschwemmung in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung) intra¬
peritoneal.
8. 1. 1910 (23. Tag) durch Geniokstioh getötet.
Obduktionsbefund: Das große Netz an seinem freien Rande zu einem
Drittel aufgerollt und in eine derbe mehrere Zentimeter lange, weißlioheGeschwulst¬
masse verwandelt.
Mikroskopischer Befund: Keine wahrnehmbare Nekrose; Geschwulst¬
masse besteht aus dichtgedrängten großen protoplasmareichen, zum Teil rund¬
lichen, zum Teil spindelförmigen Zellen mit großem, rundem, cbromatinarmemKern
(oft 2 vorhanden).
Versuch Nr.3. Männlicher, weißerFoxterrier mit regelmäßiger Maske.
16. 12. 1909 mit Tb. (Typus humanus, Blasentuberkulose) 2 Oesen einer
2 Monate alten Glyzerinagarkultur (Aufschwemmung in' 5 ccm physiologischer
Kochsalzlösung) intraperitoneal geimpft.
1) Second Report of tho R. Comm. of human and animal tuberculosis.
London 1907.
Lymphosarkomatose und Tuberkulose beim Hunde.
651
8. 1. (23. Tag) durch Genickstich getötet.
Obduktionsbefund: Das ganze Bauchfell (viszerales und parietales Blatt)
besät mit miliaren und submiliaren Knötchen, welche an einzelnen Stellen an¬
gehäuft erscheinen und perlsuohtartige Gewächse bilden. Das Netz erscheint auf¬
gerollt und in eine wurstförmige weißliche, derbe Geschwulstmasse verwandelt.
Die Leber von dichtgedrängten miliaren Knötchen durchsetzt. Auch im Mittelfell
finden sieb, wenn auch spärlicher, kleine Tuberkel. Die vordere mediastinale und
sternale Lymphdrüse, beide bohnengroß, auf der Schnittfläche markig geschwollen.
In beiden Nieren vereinzelte miliare Knötchen.
Mikroskopischer Befund: a) Netzknoten: durchgängig bestehend aus
großen protoplasmareichen Zellen und großem rundlichen chromatinarmen Kern in
sehr feinfaserigem Netzwerk, sodaß Zellausläufer, die sich gegenseitig verbinden,
vorgetäuscht werden. Ueberall nekrotische Partien.
b) In den Lympbdrüsenknoten ausgebreitete Nekrose, in den dazwischen
liegenden Partien herrschen die großen (epitheloiden!) Zellen vor, welche zum
Teil polygonal, zum Teil rundlich erscheinen, und großo Kerne, oft deren zwei,
besitzen. Die kleinen Lymphzellen (Lymphozyten) in einzelnen Zögen an die
Peripherie gedrängt.
Was die subkutanen Impfungen betrifft, so machte sich auch
hier der Unterschied zwischen Typus bovinus und Typus humanus
deutlich. In allen Fällen trat eine vom 7. Tage ab zunehmende
entzündliche Infiltration der Unterhaut auf, welche bald auf die Kutis
überging und zu Geschwürsfisteln führte. Während aber bei Bovinus
eine glatte Heilung der Geschwüre schon vor dem 80. Tage erfolgte,
und die am 137. Tage vorgenommene Tötung und Obduktion keinen
besonderen Befund ergab, wurden bei Humanus noch am 120. Tage
sezernierende Geschwüre gefunden und bei der am 137. Tage vorge¬
nommenen Tötung und Obduktion fand sich unter der scheinbar ge¬
heilten Geschwürsstelle der Haut eine pflaumengroße Abszeßhöhle,
eine hieran anschließende Erkrankung der regionären Lymphdrüse
(Lgl. pubis), der retroperitonealen Lymphdrüsen, des Milch brustganges,
der Lungen und der Nieren, kurzum das Bild einer ausgebreiteten
disseminierten Tuberkulose.
Bei den gleichzeitig kutan vorgenommenen Impfungen war nur
bei bovinus eine deutliche Reaktion bemerkbar und zwar am 18.,
29. und 42. Tage durch das Auftreten von kleinen Bläschen bezw.
Papeln.
Versuch Nr. 21. Schwarzgelbe Haushündin mit zwei gelbenAugen-
flecken.
12. 11. 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung mit einer aus zwei
Oesen einer 2 Monate alten Glyzerinagarkultur von Tb. (Typus bovinus, Ber¬
liner Schlachthof Bongert) 5 com in physiologischer Kochsalzlösung bereiteten
Aufschwemmung.
652
STICKER,
19. 11. (7. Tag). Rechts breite weiße Strichbildung; links kaffebohnen-
großer Knoten.
24. 11. (12. Tag). Links baselnaß- und pflaamengroßer derber Knoten, Haat
verschieblioh.
27. 11. (15. Tag). Vorderer Knoten exstirpiert und überimpft auf Hund
Nr. 30.
30. 11. (18. Tag). Rechts kleine Bläschen; links: Operationswunde eitert;
zweiter Knoten derbe.
4. 12. (22. Tag). Rechts Zahl der Bläschen zugenommen; links Operations¬
wunde geschlossen; 2 kleine Kastanien.
8. 12. (26. Tag). Bläschen fast verschwunden.
11. 12. (29. Tag). Aus der Wundnaht seröse Flüssigkeit, im Ausstrich keine
Tb. Erneute Exstirpation des Granulationsgewebes und Ueberimpfung auf Hund
Nr. 52.
Der mittlere Knoten zeigt eine markstückgroße granulierende Wunde mit
scharfem glatten Rande und klarer seröser Flüssigkeit bedeckt; hintere Knoten
haselnußgroß.
Rechts: Impfstriche sämtlioh wieder deutlich; stellenweise papelartig her-
vörtretend.
16. 12. (34. Tag). Klaffende Wunde; Ulkus klein und trocken.
24. 12. (42. Tag). Wunde bis auf eine kleine Stelle verheilt; mittlerer
Knoten schwach verheilendes Geschwür; hinterer Knoten bildet in der Mamma
feste Geschwulst; an der Innenfläche des Schenkels schmerzhafte, flache Ge¬
schwulst.
Rechts: Erneute kleine Knötchenbildung.
6. 1. 1910 (55. Tag). Links: schwartig verheilte Narbe; mittlere Geschwulst
verschwunden, derbes kleines Knötchen in der Nachbarschaft; Mamma hühnerei¬
groß, fluktuierend; an der Schenkelfläche starke Infiltration und glattwandiges
Geschwür.
Rechts: stecknadelkopfgroße isoliertederbe Knötchen.
13. 1.(62. Tag). Vorne Null. Mammageschwulst dattelgroß, innen glatte
Geschwürsfläche mit feuchter Absonderung; an der Schenkelfläche geringe Schwel¬
lung mit flachem Geschwür.
Rechts: minimale Knötchen.
31. 1. (80. Tag). Mammageschwulst bohnengroß.
16. 2. (96. Tag). Mammaknoten saubohnengroß. Alle 3 Narben glatt
und weich.
23. 2. (103. Tag). Knoten fast Null.
8. 3. (116. Tag). Null.
29. 3. (137. Tag). Tötung des ganz gesunden Hundes. Die Obduktion er¬
gab keinen besonderen Befund.
Versuch Nr. 29. Kurzhaarigor Spitzbastard mit gelben Beinen.
12. 11. 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung mit einer aus zwei
Oesen einer zwei Monate alten Glyzerinagarkultur von Tuberkelbazillen (Typus
humanus, Blasentuberkulose) in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung bereiteten
Aufschwemmung.
Lymphosarkoraatoso und Tuberkulose beim Hunde.
653
19. 11. (7. Tag). Rechts Null; links kleine flache Knötchenbildung an zwei
Stellen der Bauchwand.
24. 11. (12. Tag). Rechts weiße Strichbildung; links haselnußgroßcr Knoten,
bohnengroße Lymphoglandula pubis.
30. 11. (18. Tag). Links kastaniengroße Geschwulst, in der sie überziehenden
Haut zwei Bläschen.
4. 12. (22. Tag). Links zweidaumenstarkes Infiltrat, Bläschen geplatzt;
Drüse hart.
8. 12. (26. Tag). Infiltrat fast verschwunden, kleines Ulkus; Drüse hart.
11. 12. (29. Tag). Kleines Geschwür nebst kleinem Knötchen. An hinterer
Kontur des Oberschenkels scharf ausgestanztes, im Grunde feuchtes Gesohwür.
16. 12. (34. Tag). Geringe Schwellung, Fistel stark nässend; hinteres Ge*
schwör tiefer.
24. 12. (42. Tag). Kleiner derber Knoten; hinteres Geschwür in Heilung.
6. 1. 1910. (55. Tag). Dattelkerngroße derbe Geschwulst, Fisteln nässend;
Drüse pflaumengroß, hart, rundlich.
13. 1. (62. Tag). Dattelkerngroße Schwellung mit kleiner Geschwulstöffnung;
Drüse mäßig gesohwollen; Geschwür am Hintersohenkel fast abgebeilt.
31. 1. (80. Tag). Keine Schwellung, aber noch nässend.
16. 2. (96. Tag). Nässende Fistel.
23. 2. (103. Tag). Nässende Fistel; Lymphoglandula pubis pflaumengroß.
8. 3. (116. Tag). Stat. idem.
22. 3. (130. Tag). Keine Fistel. Pflaumengroße Geschwulst.
29. 3. (137. Tag). Tötung des ansoheinend gesunden Hundes.
Sektionsbefund: An der Impfstelle Haut und Unterhaut fest verwachsen.
Vor derLymphoglandulapubis, welche von Bohnengröße, eine pflaumengroße Höhle,
deren Wand mit grauweißen Granulationen bedeckt und deren Inhalt serös-eitrig
erscheint. Die Lunge in ihrem ganzen Bereich von zahlreichen grauen, durch¬
scheinenden Knötohen durchsetzt. Die Lymphdrüsen geschwollen, zum Teil mit
schwärzlichem Zentrum und grauweißer Peripherie. In beiden Nieren zahlreiche
gries- bis hirsekorngroße grauweiße Herde, welche nicht nur über die Oberfläche
leicht prominieren, sondern auch in der Markschicht sich vorfinden und zum Teil
linsengroße deutliche käsige Herde bilden. Die Lymphdrüse an der Teilungsstelle
der Bauchaorta über bohnengroß. Markzone braunrot, Peripherie grauweiß.
Passageimpfungen, welche mit Bovinus vorgenommen wurden,
zeigten, daß 15 Tage altes Granulationsgewebe, subkutan verimpft,
eine, wenn auch spät einsetzende, heftige lokale Entzündung hervor¬
rief, die gegen den 117. Tag abgeklungen war, aber nach Tötung des
Hundes am 122. Tag sich ins Innere fortgesetzt zeigte, indem sich
eine ausgebreitete miliare Tuberkulose des Bauchfelles, der Lungen,
der Milz und der Nieren vorfand. Es ähnelte dieses Bild bezüglich
seiner Ausbreitung dem nach intraperitonealer Verimpfung von
Tuberkeln des Typus humanus entstandenen; der Zeitunterschied war
654
STICKER,
jedoch ein bedeutender, indem hier 122 Tage, dort nur 23 Tage seit
der Impfung verflossen waren.
Ueberimpfung des 29 Tage alten, schon einmal exstirpierten
Granulationsgewebes war ohne Erfolg.
Impfungen mit Pseudoperlsuchtbazillen erzeugten schnelle
intensive Entzündungen der Unterhaut, die aber schon gegen den
30. Tag abklangen.
Timothce zeitigte unwesentliche, Smegmabazillen keine Reak¬
tionen.
Versuch Nr. 30 . 27. 11 . Ueberimpfung eines 15 Tage alten Geschwulst¬
gewebes von Versuchshund Nr. 21 in die Unterbaut.
30. 11 . (3. Tag). Kleine Wunde, kleines Knötchen.
4. 12. (7. Tag). Status idem.
8 . 12. (11. Tag). Null.
16. 12. (19. Tag). In der Mitte der beiden vorletzten Mammae entzündete
kleine Stelle. In der linken Kniefalte haselnußgroßer Knoten.
24. 12. (27. Tag). Null.
6 . 1. (40. Tag). Doppelbühnereigroße Geschwulst, welche den Bereich der
beiden hinteren Mammae einnimmt, an mehreren Stellen die Haut durchlöchert,
glattrandige OefTnungen, aus welchen größere Mengen seröser Flüssigkeit fließen.
31. 1. (65. Tag). Etwas kleiner, aber noch stark sezerniorend.
16. 2. (81. Tag). Status idem.
23. 2. ( 88 . Tag). Kleiner, noch sezerniercnd.
8 . 3. (101. Tag). Nässend.
24. 3. (117. Tag). Null.
29. 3. (122. Tag). Tötung des anscheinend gesunden Hundes.
Sektionsbefund: Das große Netz dicht besät mit zahlreichen Knötchen.
In der Milz etwa ein Dutzend hanfkorngroßer Bläschen, welche mit trüher Lymphe
gefüllt waren. In beiden Nieren und in der Leber vereinzelte grauweiße Herde von
unregelmäßiger Gestalt. Die retroperitonealen Lymphdrüscn bilden ein walnu߬
großes, mit der Nachbarschaft duroh entzündliches Gewebe verwachsenes Paket.
In beiden Lungen zahlreiche glasige Knötchen.
Versuch Nr. 52 . 11. 12. Ueberimpfung des 29 Tage alten, schon einmal
am 15. Tage exstirpierten Granulationsgewebes von Versuchshund Nr. 21 mittelst
Trokart an zwei Stellen subkutan.
16. 12. (5. Tag). Null.
6 . 1. (26. Tag). Derbes kleines Knötchen beiderseits.
31. 1. (51. Tag). Null.
16. 2. (67. Tag). Null.
Versuch Nr. 50 . 20. 11. 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung
mit einer aus zwei Oesen einer zwei Monate alten Glyzerinagarkultur von Pscudo-
perlsuchtbazillen (Pseudoperlsucht Möller) in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung
bereiteten Aufschwemmung.
Lymphosarkoroatose und Tuberkulose beim Hunde.
655
30. 11. (10. Tag). Rechts Impfstriche undeutlich; links zweifingerbreites
Infiltrat am Penis entlang.
4. 12. (14. Tag). Links Zerteilung in drei Knoten; am hintersten walnu߬
große Bläschenbildung in der Haut.
8 . 12. (18. Tag). Bläschen eingetrocknet. Die drei Knoten fest.
16.12. (24. Tag). Vorderer Knoten ulzeriert, mittlerer kleiner, hinterer ent¬
leert seröse Flüssigkeit.
24. 12. (32. Tag). Fast Null.
6 . 1. (45. Tag). Null.
31. 1 . (70. Tag). Links am Penis flacher Strang.
16. 2. ( 86 . Tag). Null.
Versuch Nr. 32 . 20. 11. 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung
mit einer aus zwei Oesen einer zwei Monate alten Glyzerinagarkultur von Timothee-
bazillus in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung bereiteten Aufschwemmung.
30. 11. (10. Tag). Links kleine Knötchenbildung.
4. 12. (14. Tag). Kleine Bohne.
8 . 12. (18. Tag). Kleine Bohne.
24. 12. (34. Tag). Null.
31. 1. (80. Tag). Getötet.
Sektionsbefund: 0 . B.
Versuch Nr. 40. 20. 11 . 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung
mit einer aus zwei Oesen einer zwei Monate alten Glyzerinagarkultur von Smegma-
bazillus in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung bereiteten Aufschwemmung.
30. 11. (10. Tag). Rechts deutliche Strichbildung; links Null.
4. 12. (14. Tag). Null.
8 . 12. (18. Tag). Null.
24. 12. (34. Tag), f an Darmverschlingung.
Die histologische Untersuchung der beiden Arten von Bauchfell¬
tuberkulose beim Hunde, ebenso wie die der tuberkulösen Neoforma¬
tionen in der Unterhaut zeigte nirgends das Vorhandensein von
typischen Tuberkeln, sondern nur Wucherungszonen der sogenannten
epitheloiden Zellen. Ich halte die letzteren, auch auf Grund meiner
vergleichenden Studien der Tuberkulose des Menschen, für gewucherte
fixe Bindegewebszellen und schließe mich in diesem Punkte den
Anschauungen Baumgartens, welche derselbe vor 25 Jahren in
seiner klassischen Arbeit, „Experimentelle und pathologisch-ana¬
tomische Untersuchungen über Tuberkulose“ 1 ), überzeugend ausge¬
sprochen, vollständig an. Die Lymphozyten spielen bei der Tuber¬
kulose , des Hundes nur eine untergeordnete Bedeutung. Entweder
sind sie ganz aus dem Bereiche der Neoplasie verschwunden, oder sie
bilden, wie z. B. in den Lymphdrüsen, nur noch eine Art Stauwerk,
um mich dieses trefflichen Ausdruckes ven Benda Zu bedienen.
1) Zeitschr. f. klin. Med. Bd. IX. 1885.
656
STICKER, Lymphsarkomatose und Tuberkulose beim Hunde.
Wenn demnach also die Verhältnisse liegen, daß die tuberkulöse
Neoformation beim Hunde eine nur bis zu einem gewissen Grade
fortschreitende Wucherung fixer Bindegewebszellen, eine retikuläre
Hyperplasie, darstellt, die Lymphozyten dabei vollständig in den
Hintergrund treten und eine Gefäßneubildung gänzlich ausbleibt; die
Lymphosarkomatose des Hundes dagegen eine endlos fortgesetzte,
aus sich heraus sich vollziehende Wucherung von Rundzellen dar¬
stellt, welche ein reichliches Gefäßnetz mit sich führen und eine
fibroblastische Wucherung ganz in den Hintergrund drängen, so ist
nicht einzusehen, daß jemand noch an der Ansicht festhalten könnte,
daß die infektiösen Granulome, speziell das Tuberkulom, mit dem
Lymphosarkom irgend etwas Identisches haben, wo die absolute
Gegensätzlichkeit der Prozesse nicht einmal einen Vergleich zuläßt 1 ).
Als Endergebnisse unserer Infektionsversuche mit tuber¬
kulösem Virus bei Hunden stelle ich den Satz auf, daß die
Tuberkelbazillen menschlicher Herkunft sich weit patho¬
gener beim Hunde erweisen als die Perlsuchtbazillen, daß
dieser Unterschied am deutlichsten bei intraperitonealer
Injektion hervortritt, daß jedoch eine Virulenzsteigernng
der Bazillen boviner Herkunft sich schon nach einmaliger
Passage erreichen läßt.
1) Basbford schrieb 1905: The processes which occur in artificial trans-
missions (sc. des Lymphosarkoms) are identical with those by which tumour
masses are formed as a result of inoculation which the tubercle or glanders ba-
cilles. Dieser Meinung schlossen sich ohne weiteres Hertwig und Poel, Gierke
ii. a. an.
XXVIII.
Aus dem bakteriologischen Laboratorium der Kgl. Militär-Veterinär-Akademie
zu Berlin.
Ultramikroskopie.
Von
Oberstabsveterinär C. Troester.
(Mit 2 Textfiguren.)
Es gibt einige Krankeiten, welche durch Flüssigkeiten übertragen
werden können, die durch Filtration von allen sichtbaren körperlichen
Elementen befreit wurden, und die dennoch lebendige Keime enthalten
müssen, denn sie wirken nicht quantitativ nach Art der chemischen
Gifte, sondern genau so wie Aufschwemmungen lebender Infektions¬
erreger. Wenn die hier vorhandenen Erreger unsichtbar waren, so
konnte dies einmal an ihrer Kleinheit, zweitens aber auch daran
liegen, daß sie optisch nicht genügend gegen das umgebende Medium
differenziert waren. Ein relativ großes Gebilde, welches denselben
Lichtbrechungsexponenten wie die umgebende Flüssigkeit besitzt, wird
unsichtbar bleiben müssen und kann wohl auch bei genügender Nach¬
giebigkeit ein Filter passieren, dessen Poren viel geringere Dimen¬
sionen als das Gebilde selbst besitzen. Es sprechen indes andere
Gründe dafür, daß die Unsichtbarkeit mancher Krankheitserreger doch
auf ihre zu geringe Größe zurückzuführen ist, denn wenn nur ihre
optischen Eigenschaften sie der Wahrnehmung entzögen, so wäre nicht
einzusehen, warum sie nicht Farbstoffe annehraen und dadurch sichtbar
werden könnten.
Diese unsichtbaren Erreger werden als ultramikroskopisch
bezeichnet, und man fragt nun, welche wohl die geringste Größe ist,
die mit unseren Mikroskopen noch gesehen werden kann. Die Ant¬
wort, welche man auf diese Frage erhält, geht meistens dahin, daß
nach den Gesetzen der Optik die Grenze für die auf lösende Kraft
der Mikroskope gegeben sei durch den Ausdruck ~ , wo A die Wellen-
Z di
Archiv f. wissen8ch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band.
42
658
TROESTER,
länge des angewandten Lichtes, a die numerische Apertur des Mikro¬
skopobjektivs bedeutet. Nehmen wir für / einen mittleren Wert von
0,5 /M und setzen die numerische Apertur (Produkt aus dem Sinus
des halben Oeffnungswinkels und dem kleinsten Brechungsexponenten
der zwischen Objektiv und Präparat befindlichen Medien) gleich 1,25,
so ist die Grenze für die auflösendc Kraft bei 0,4 [t erreicht. Diese
Größe kann noch bis auf etwa 0,25 fi dadurch herabgedrückt werden,
daß man X verkleinert, also Licht von geringerer Wellenlänge benutzt.
In der Tat hat man durch raikrophotographische Aufnahmen mit ultra¬
violetten Strahlen die Grenze der Auflösbarkeit nicht unbeträchtlich
hinausschieben können, allerdings unter Anwendung eines ziemlich
komplizierten Verfahrens.
Was das zweite Mittel zur Vermehrung der auflösenden Kraft
des Mikroskops anlangt, nämlich die Vergrößerung der numerischen
Apertur, so sind wir auch hier schon an der Grenze des Erreichbaren
angekommen, das heißt also mit anderen Worten: alles, was kleiner
ist als 0,25 (i, entzieht sieh unserer Wahrnehmung, ist also ultra¬
mikroskopisch.
Dieser Schluß ist jedoch falsch und beruht auf einem unter
Mikroskopikern weit verbreiteten Irrtum, indem nämlich angenommen
wird, daß die Grenze des Auflösungsvermögens auch die Grenze der
Sichtbarkeit darstelle. Der oben angegebene Grenzwert bezieht sich
indes nur auf die Wahrnehmung von Strukturen, Streifungen, Kör¬
nungen u. dgl. Wenn es sich um die bloße Sichtbarmachung iso¬
lierter Körperchen handelt, so haben diese Gesetze keine Geltung,
man muß vielmehr sagen, daß in diesem besonderen Falle die Größe
der körperlichen Elemente nur eine untergeordnete Rolle spielt, daß
diese eigentlich immer wahrgenomraen werden, wenn sie nur genügend
gegen ihre Umgebung kontrastieren.
Wir kennen alle ein eklatantes Beispiel hierfür, indem wir mühe¬
los mit bloßem Auge die Fixsterne am dunkeln Himmel erblicken,
wärend sie uns am Tage unsichtbar bleiben, und dabei ist ihr Durch¬
messer so klein, daß sie erst bei vieltausendfacher Vergrößerung sicht¬
bar würden, wenn sie als dunkele Körper auf hellem Grunde stünden.
Bei der gewöhnlichen Anwendung des Mikroskops ist eine der¬
artige Erweiterung der Grenze seiner Leistungsfähigkeit nicht zu er¬
reichen, immerhin sieht man in gut gefärbten Präparaten Dinge, deren
Durchmesser noch unter 0,04 /i beträgt, wobei man allerdings nicht
vergessen darf, daß in solchen Fällen die Objekte oftmals durch Be-
Ultramikroskopie.
659
laden mit Farbstoffen eine Vergrößerung ihrer Dimensionen erfahren
haben mögen. Bei der Beobachtung im hängenden Tropfen, wo man
mit engen Blenden arbeiten muß, wird aber diese Grenze bei weitem
nicht erreicht, da hier die Bedingungen wesentlich ungünstiger als
beim gefärbten Präparat sind. Und doch können wir die Unter¬
suchung der lebenden Kleinwesen nicht entbehren, einmal um Wachs¬
tums- und Teilungsvorgänge zu verfolgen, und ferner als Kontrolle,
um das auszuschalten, was durch Fixierung und Färbung am natür¬
lichen Aussehen geändert wird.
Nun sind in neuester Zeit einige Apparate aufgetaucht, welche
uns in den Stand setzen, kleinste Teilchen unter ähnlichen Be¬
dingungen zu sehen wie die Fixsterne oder, noch besser, wie die
Sonnenstäubchen in einem dunkelen Raum. Wir alle haben schon die
Beobachtung gemacht, daß die Luft eines Zimmers etwa vollkommen
klar und staubfrei erscheint; fällt dann ein Strahl intensiven Lichtes
in den Raum, so wird sein Weg sofort sichtbar, und wir erkennen
mit bloßem Auge eine Menge von Stäubchen, die wir sonst nur bei
vielfacher Vergrößerung wahrnehmen würden. Die Stäubchen werden
von dem starken Licht getroffen und zerstreuen es nach allen Seiten,
so daß ein Teil davon in unser Auge gelangt, während der Hinter¬
grund verhältnismäßig dunkel bleibt.
Eine Vorrichtung, die ähnliches bewirkt, hat man auch am Mikro¬
skop angebracht und damit Vorteile erreicht, die dem ohne weiteres
klar sein werden, der meinen Ausführungen bis dahin gefolgt ist.
Bei der gewöhnlichen mikroskopischen Beobachtung arbeitet
man mit einer gewissen Lichtstärke, die man nicht überschreiten
darf, um nicht die Leistungsfähigkeit des Auges durch Blendung
zu schädigen; auch könnte eine Verstärkung der Beleuchtung nichts
nützen, da sie ja die Kontraste nicht erhöhen würde und Objekt und
umgebendes Medium gleichmäßig beträfe. Ganz anders aber liegt die
Sache, wenn man dafür Sorge trägt, daß von der Lichtquelle kein
direktes Licht ins Auge gelangt, sondern nur solches, welches vom
Objekt zurückgeworfen oder abgebeugt wurde. Dann treten ähnliche
Bedingungen auf wie beim Beobachten der Sonnenstäubchen, und man
sieht nun mit demselben Mikroskop Dinge, die unter gewöhnlichen
Umständen vollkommen unsichtbar geblieben wären.
Es ist hier nicht der Ort auf eine genauere Beschreibung der
3Iittel einzugehen, durch deren Anwendung die oben geschilderte
Wirkung erreicht wird; es möge der Hinweis genügen, daß man be-
42 *
TKOBSTEK
srindere KöndenS'Vrpw in• Verbindung mit Blenden henoUt, di« io der
optischer» Aehae angebrai.lu sind, s... daß «ie um. der -MtrU» des «im-
ÖHouei'iüine • bewirkenden Luftkegel' ein Stiiek heranssdineiden, nnd
daß m Ü'vncü dunklen Innenraum djes Mikruskopöh[jektiy iauekfe
.Solehe Eiririe läufigen sind unier dem der- l)unkelieiiik.(>n
densatoren i.Fig- i.i bekannt geworden und haben die Iteaehtung der
ö u» Le 1 fei 4 k (uw ■ ru-or •
Mikroskopikirg, egCunden. Man würde aber, inen, wenn man dies*-
Etopolnujug dir ^ d#-kditen Jahre Ansehen wollte:
IMesd An der Brlouehfufig «fid Ikoibaclttnng ist sfebön, vor tm-hr als,
TO Jdbti'ii v oa il-eot ilfigtäiidef- Jk ß, Readrt iMtgö^eben und in der
des wind: Idtttfoeii-
talen Optikern verbessere wy.rden; k'
Ultramikroskopie.
661
Mit solchen Einrichtungen, welche die Objekte hell leuchtend auf
dunkelem Grunde darstellen, werden Bedingungen geschaffen, unter
denen die Grenzen der Wahrnehmung einzelner körperlicher Elemente
weit hinaus geschoben werden, und die Sichtbarkeit weniger von der
Größe der Elemente abhängt, als von der Güte der Beleuchtung, d. h.
von dem Kontrast mit dem Gesichtsfelde und von der Vollkommen¬
heit der Korrektion des Objektivsystems, und auch von der Empfind¬
lichkeit der Netzhaut für schwache Lichteffekte. Wenn allerdings die
Größe der Objekte unter eine gewisse Grenze sinkt, so werden Größe
und Gestalt der gesehenen Bilder nicht mehr in vollkommener Ueber-
einstimmung mit den Dimensionen des Objekts sein, und es läßt sich
beweisen, daß bei Anwendung weißen Lichtes und eines Objektivs von
der numerischen Apertur 1,25 alle überhaupt sichtbar kleinsten
Körperchen als runde Scheibchen mit einem scheinbaren Durchmesser
von nicht weniger als 0,4 fn gesehen werden. Man wird demnach
mit Dunkelfeldeinrichtungen wohl die Anwesenheit sonst unsicht¬
barer Körperchen feststellen können, aber wenig oder nichts über
ihre wahre Größe und Gestalt erfahren. Trotzdem hat aber diese
Beleuchtungsart unleugbare Vorteile und sie ist, neben den gewöhn¬
lichen Beobachtungsmethoden gebraucht, ein wertvolles Hilfsmittel der
Forschung geworden.
Es ist schon erwähnt worden, daß dieses Verfahren sich nament¬
lich zur Beobachtung lebender Bakterien eignet und diese, die früher
ebenso anstrengend als undankbar war, leicht und fruchtbringend ge¬
macht hat. Man sieht z. B. am lebenden, ungefärbten Präparat die
Geißeln bei einer ganzen Reihe von Bakterien. Die Vorgänge der
Teilung und Sporenbildung lassen sich ausgezeichnet verfolgen, da
jede Dichtigkeitsänderung im Leibe der Bakterien sofort sichtbar wird.
Das Auffinden von Blutparasiten erfährt eine wesentliche Erleichterung,
man erreicht tatsächlich in wenigen Minuten das, wozu man sonst
Stunden gebrauchte. Die Frage nach dem Vorhandensein einer Kapsel
bei den lebenden Milzbrandbazillen des Blutes läßt sich durch einen
Blick auf das Präparat entscheiden: sie haben nämlich keine, denn
die geringste Spur einer Kapsel müßte bei dieser Beleuchtung als
doppelter Kontur sichtbar werden. Nach Zusatz geeigneter Reagentien
sieht man aber die Membran aufquellen und die Kapsel entstehen.
Die Apparate, mit welchen diese Wirkungen erreicht werden,
sind an jedem Mikroskop anzubringen und für einen verhältnismäßig
bescheidenen Preis zu haben. Sollen sie ihre volle Wirksamkeit ent-
662
TOESTER,
falten, so müssen sie allerdings in Verbindung mit den stärksten
Lichtquellen benutzt werden, und da in unserem Klima mit der Sonne
nicht zu rechnen ist, so wird man eine kleine Bogenlampe (Fig. 2)
kaum entbehren können, es genügen jedoch für viele Zwecke auch
schwächere Lichtquellen, z. B. Gasglühlicht.
Zur Beobachtung braucht man gute Objektivsysteme, am besten
sind Apochromate oder sog. Seraiapochroraate geeignet. Ein starkes
Trockensystem reicht aus, besser ist ein Oelimmersionssystem. Die
Oeffnung eines solchen muß zwar durch eine im System anzubringende
Blende verkleinert werden, trotzdem bleibt sie noch etwas größer als
die der Trockensysteme, und überdies hat man den Vorteil von der
Deckglasdicke unabhängig zu sein, die bei der Anwendung von
Trockensystemen sehr genau innegehalten oder bei Abweichungen
durch Korrektion des Systems oder Aenderung der Tubuslänge aus¬
geglichen werden muß. Die Verwendung der Oelimmersion hat aber
noch einen anderen Vorteil, der aus den nachstehenden Ausführungen
sich ohne weiteres ergeben wird. Da nämlich bei dieser Beleuchtungs¬
art weitaus mehr Objekte wahrgenommen werden, so ist es durchaus
erforderlich, sehr dünne und materialarme Präparate zu verfertigen.
Ferner ist äußerste Sauberkeit der Objektträger und Deckgläser er¬
forderlich, eine Sauberkeit, wie man sie sonst nur bei Geißelfärbungen
anzuwenden pflegt. Trotzdem läßt es sich nicht vermeiden, daß
während der Beobachtung Staub auf das Deckglas fällt, der nun in
viel höherem Grade störend wirkt als bei der Beobachtung im durch¬
fallenden Licht. Diesem Uebelstande kann man durch Verwendung
von Oelimmersion wirksam begegnen und die Beobachtungen unge¬
stört tagelang fortsetzen, vorausgesetzt daß man die Präparate durch
Paraffinumrandung vor dem Austrocknen geschützt hat.
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß es durch Verbindung von
Dunkelfeldkondensor mit einem mikrophotographischen Apparat sogar
gelingt, Momentbilder von lebenden, sich bewegenden Bakterien zu
erhalten.
Es wurde oben gesagt, daß diese Kondensoren eine Verbesserung
älterer Vorrichtungen darstellen. Anders liegt die Sache bei dem
Ultramikroskop, wie es von Siedentopf und Zsigmondy ange¬
geben worden ist. Dieses ist ein durchaus neuer und wesentlich
anders zusammengesetzter Apparat, der sich aber weniger für die
Untersuchung bakteriologischer Präparate als vielmehr für die Sicht¬
barmachung kleinster Teilchen in Lösungen eignet. Die genannten
Ultramikroskopie.
663
Autoren geben an, daß ihr Apparat Teilchen erkennen läßt, wenn sie
eine Größe von vier Millionstelmillimetern (0,004 /*) haben, und daß
sie getrennt gesehen werden, wenn ihr Abstand mehr als vier Zehn-
tausendstelmillimeter (0,4 ju) beträgt.
Ganz soweit kommt man mit den Dunkelfeldkondensoren nicht,
nichtsdestoweniger haben wir in ihnen ein brauchbares Mittel zum
tieferen Eindringen in die Welt der kleinsten Lebewesen.
Zum Vergleich der hier in Betracht kommenden Größen diene
folgende Zusammenstellung:
tausendstel Millimeter
Tuberkelbazillen, Länge.1,5—4
„ Breite.0,4
Staphylococcus pyog. alb.0,5—0,7
Mittlere Länge der Lichtwellen.0,5
Grenze des Auflösungsvermögens des Mikroskops 0,25
Grenze der Sichtbarkeit im Ultramikroskop . . 0,004
Wasserstoflmolekül.0,001
Negatives Elektron nach J. J. Thomson. . . 0,000001
XXIX.
Aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berlin.
(Jeher den Einfluß von Alkoholgaben bei der Behandlung
der Hühnerspirochätose mit Atoxyl.
Von
Prof. Uhlenhuth und Dr. Msnteufel
Geheimen Regiernngsrat und Direktor früherem Hilfsarbeiter
im Kaiserlichen Gesundheitsamt.
Die Wirkung des Alkohols bei Infektionskrankheiten hat man
experimentell dadurch zu erforschen gesucht, daß einerseits das
Verhalten der Resistenz alkoholisierter Tiere gegenüber künstlichen
Infektionen (mit Cholera, Typhus, Milzbrand etc.), andererseits die
Antikörperproduktion im Vergleich zu den von Kontrollieren fest¬
gestellt wurde. Trotz der ziemlich umfangreichen Literatur über
diesen Gegenstand, — es seien von neueren Arbeiten die von
Gruber 1901, Goldberg 1901, P. Th. Müller 1903, Fried¬
berger 1904, C. Frankel 1905, Trommsdorff 1906 erwähnt —
ist eine endgiltige Entscheidung über die Bedeutung der Alkohol¬
medikation eigentlich weder in dem einen noch in dem anderen der
erwähnten Punkte • zur Zeit möglich. Die meisten Autoren fanden
die Resistenz der Versuchstiere unter Alkoholeinfluß herabgesetzt,
während z. B. C. Fränkel das aus seinen Versuchen nicht schließen
konnte. In Bezug auf die Antikörperproduktion hat sich Friedberger,
Fränkel und Tromrasdorff die Alkoholmedikation in kleinen
Dosen bezw. bei einmaliger Darreichung als günstig erwiesen, während
die chronische Verfütterung von Alkohol nach Friedberger und
Trommsdorff eine Hemmung der Antikörperbildung im Gefolge
haben soll. In den Versuchen von C. Fränkel haben sich dagegen
die einmalig und die öfter mit Alkohol behandelten Tiere in Bezug
auf die Intensität der Antikörperbildung ganz gleichmäßig verhalten.
Es möchte bei dieser Sachlage die Mitteilung der folgenden im
Kaiserl. Gesundheitsamt ausgeführten Versuche nicht ohne Interesse
Einfluß von Alkoholgaben bei der Behandlung der Höhnerspirochätose usw. 665
sein, zuraal darin nicht nur über die beiden soeben erwähnten Fragen,
sondern auch über die Wirkung des Alkokols bei gleichzeitiger
chemotherapeutischer Behandlung Aufschluß gegeben wird. Der
Umstand, daß die Spirochätenseptikäraie als Blutinfektion mikro¬
skopisch sehr leicht inbezug auf einen modifizierten Verlauf zu kon¬
trollieren ist, ließ die Versuche damit als besonders geeignet er¬
scheinen.
Besonders maßgebend war aber auch der Umstand, daß wir nach
den Untersuchungen von Uhlenhuth, Groß und Bickel in dem Atoxyl
ein Mittel besitzen, welches auf die Hühnerspirochäte eine spezifisch ab¬
tötende Wirkung ausübt und das daher die Krankheit präventiv und
therapeutisch in ausgezeichneter Weise beeinflußt.
Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß auf Grund
dieser Tatsache das Atoxyl auch bei der Behandlung der Syphilis
bei Affen und Kaninchen von Uhlenhuth und seinen Mitarbeitern,
Hoffmann, Roscher und Weidanz in Anwendung gezogen wurde.
Die Versuche fielen so ermutigend aus, daß dieses Mittel auf Veran¬
lassung von Uhlenhuth in der Lesserschen Klinik für Haut- und
Geschlechtskrankheiten bei der Syphilis des Menschen versucht und auch
hier als wertvolles neues Medikament zur Bekämpfung der Syphilis
(besonders maligner auf Quecksilber schlecht reagierenden Formen)
erkannt wurde.
Die wichtigsten Beobachtungen an Affen und Menschen sind in der
Deutschen med. Wochenschr. 1907, No. 22 von Uhlenhuth und Hoff¬
mann veröffentlicht. Die Befunde wurden bestätigt durch Salmon,
Hallopeau, Metschnikoff, A. Neisser, Lesser u. a. und er¬
weitert durch Uhlenhuth und Weidanz, die eine ausgesprochene
und dem Sublimat bei weitem überlegene präventive Wirkung des
Atoxyls bei der Syphilis nachweisen konnten. Wegen seiner unange¬
nehmen Nebenwirkungen auf den Optikus ist jedoch bei Anwendung
des Atoxyls die größte Vorsicht geboten.
Diese etwas ausführlichen Bemerkungen über die Wirkung des
Atoxyls auf die Syphilis glaubten wir deshalb machen zu müssen,
weil unsere im Folgenden mitzuteilenden Versuche auch vielleicht die
Frage nach dem Einfluß des Alkohols auf die SyphilisbehandluDg be¬
rühren könnten. —
Der Alkohol wurde den Hühnern teils in größeren Dosen, die
mittelst Pipette verabreicht wurden, teils in kleinen Dosen, die frei¬
willig genommen wurden, gegeben und dabei auch der Einfluß seltener
UHLENHUTH und MANTEUFEL,
<566
und häufiger Alkoholgaben in Rücksicht gezogen. Die berauschende
Wirkung des Alkohols war anfangs in der Regel sehr bald zu be¬
merken. Nach 2—3 Tagen nahmen die Hühner freiwillig das Futter,
aber nur ungern und kamen infolgedessen auch in der Ernährung
etwas zurück.
Die erste Tabelle gibt einige Versuche wieder, die mit großen
Alkoholdosen angestellt wurden. Den Hühnern wurden gleichzeitig
mit der Infektion (1 ccm Hühnerspirochätenblut intramuskulär) mittels
Pipette 15 ccm 40 prozentigen Alkohols in den geöffneten Schnabel
eingeträufelt. Am folgenden Tage, d. h. zu einer Zeit, in der den
Kontrollhühnern noch keinerlei Krankheitserscheinungen anzusehen
waren, zeigten die Versuchshühner durchweg schwere Er¬
scheinungen von Körperschwäche, die bei 2 der 4 Versuchs¬
hühner zum Tode führte. Der Infektionsverlauf selbst wurde durch
die Alkoholgaben anscheinend nicht beschleunigt, dagegen war die
Wirkung des Atoxyls bei den geschwächten Hühnern deut¬
lich schlechter als bei den Kontrollhühnern.
Tabelle l.
].
2
i 3.
i
4.
5.
6. Tag
Huhn
590
0
.
1 ++
H—1—b
0
0
0,05 Atoxyl
V
591
Jj
0
+ t-
+++
0
0
/ 3
0,05 Atoxyl
w
592
15ccra40proz.
0
4—b
+ ++
++
0
\ JS
) O
Alkohol
sehr krank
gebessert
0,05 Atoxyl
593
/ °
do.
0
1 +
l £
krank
1
r>
594
O
do.
| 0
++
H—1—b
+ 4-
1 t
p
krank
, krank
0,05 Atoxyl
I
n
595
/
do.
0
1 ++
| t
i
krank
1 krank
i
i
1
Wesentlich anders gestaltet sich der Verlauf, wenn man den
Hühnern kleinere Alkoholdosen verabreicht, wie es in Tabelle U dar¬
gestellt ist. Die Versuchstiere bekamen hier während der ganzen
Versuchszeit das Futter am Morgen (Gerste, Schrot) in 40 prozentigem
Alkohol aufgeweicht und nahmen dabei in den ersten fünf Tagen
mehr, später weniger Alkohol zu sich. Auch hierbei ließ sich im
Ablauf der Infektion mikroskopisch keine wesentliche Aenderung fest¬
stellen. In auffälligem Gegensatz zu den mit großen Dosen Alkohol
behandelten Hühnern machte sich aber in keiner Weise eine
Einfloß von Alkoholgaben bei der Behandlung der Hühncrspirochätose usw. 667
Stärkere Schädigung der Versuchshühner im Vergleich zu
nicht mit Alkohol gefütterten infizierten Kontrollhühnern
geltend: Die Alkoholtiere befanden sich bis zum 4. Versuchstage bei
mindestens ebenso gutem Wohlbefinden wie die Kontrolliere.
Was den Einfluß des Alkohols auf die Atoxyltherapie anlangt,
so ergibt sich aus unseren Versuchen (vergl. diese und die nächste
Tabelle) ganz eindeutig, daß die kleinen freiwillig von den
Hühnern genommenen Alkoholdosen die therapeutische
Wirkung des Atoxyls nicht beeinträchtigen, denn bei den mit
Alkohol gefütterten Hühnern verschwanden die Spirochäten auf die
einmalige Gabe von 0,05 Atoxyl ebenso schnell aus dem Blut wie
bei den Kontrolltieren. Ebenso deutlich geht aber aus den Versuchen
hervor, daß das Atoxyl von den infizierten Alkoholtieren schlechter
vertragen wird, als von den anderen infizierten Hühnern. Trotz
prompter Wirkung des Atoxyls gingen von den Versuchshühnern eine
große Anzahl ein.
Tabelle II.
1.
2.
3.
4.
1 5.
6. Tag
Huhn 595
1 ^
Alkohol
gefüttert
gesuöd
++
H—1—h
0,05 Atoxyl
t o:
„ 596
1 P
1 ^
1 P
do.
19
++
H—1—h
0,05 Atoxvl
0
i i
0
, 597
\ :rt
\ pC
do.
r>
+
+++
0,05 Atoxyl
+ 0
1 1
1
, 593
/ £
1 CU
1 CO
do.
19
+
+++
0,05 Atoxyl
0
0
. 599
1 o
Kontrolle
19
++
krank
H—1—b
0,05 Atoxyl
0
0
* 600
)
do.
19
++
+++
0,05 Atoxyl
+ 1
i
0
Die folgende Tabelle III gibt einen Versuch wieder, der gleichzeitig
mit Hühnern angestellt wurde, die längere Zeit hindurch, bevor sie
infiziert wurden, mit Alkohol gefüttert wurden und mit solchen, die
nur, wie in Tabelle I und II, während der Infektionsdauer unter Al¬
koholwirkung standen.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den längere Zeit
mit Alkohol behandelten Hühnern und den anderen ist, wie
man sieht, nicht vorhanden. Bis zur Einspritzung des Atoxyls ver¬
hielten sich beide Serien so wie die Kontrollhühner. Der Infektions¬
verlauf war unter der Alkoholeinwirkung weder beschleunigt, noch
Waren die Versuchshühner schwerer krank. Dagegen vertrugen die
668
UHLENHUTH und MANTEUFEL,
Alkoholh tihn er das Atoxyl viel schlechter als die Kontrolltiere. Die
Wirkung des Atoxyls auf die Spirochäten ist aber auch bei den
lange mit Alkohol behandelten Hühnern nicht schlechter als bei den
Kontrolltieren.
Tabelle III.
1.
2.
3. |
4.
5. i
6. Tag
Huhn 582
Kontrolle
0
+ +
■4- 4- J -
0,05 Atoxyl
0
0
* 583
j
Kontrolle
0
+
+++
0,05 Atoiyl
o
0
, 584
r> 585
* 586
1 ~
1
1 ß
1 ©
\ :rt
\ je
1 t-
1 ’S,
1 Während der
f Infektions-
> dauer mit
l Alkohol
] gefüttert
0
0
0
++
++
H—b
+++
0,05 Atoxyl
+++
0,05 Atoxyl
+++
0,05 Atoxyl
+
krank
t o
+ o
0
„ 587
1 w
\ Seit 3 Woch.
0
++
+++
+
+
1 °-
f vor der
0,05 Atoxyl
„ 588
1 ^
f Infektion
0
i +
0
t
1
/ unter
0,05 Atoxyl
„ 589
.
1 Alkobol-
0
j 4-
4“ + “f-
0
t
i Wirkung
i
0,05 Atoxyl
Daß die Alkoholfütterung allein jedenfalls keinen wesentlichen
Einfluß auf den Krankheitsverlauf ausübt und die Widerstandsfähig¬
keit der Tiere gegen die Infektion nicht nachweisbar schädigend be¬
einträchtigt, ging schließlich noch aus einem Versuche ohne Atoxyltherapie
hervor, bei welchem der Infektionsverlauf sonach chemotherapeutisch
überhaupt nicht gestört worden war.
Wie bei dem in Tabelle III wiedergegebenen Versuche waren die
Hühner zum Teil bereits einige Zeit vor der Infektion, zum Teil erst
nach derselben der Alkoholeinwirkung ausgesetzt worden.
Der Alkohol war dabei den Hühnern in der Weise beigebracht
worden, daß sie nur in Alkohol (30 pCt.) getränktes Futter bekamen.
Außerdem war jedem der Versuchshühner mit Ausnahme der Kon¬
trollen am Tage der Infektion je 15 ccm (20pCt.) Alkohols mittels
Pipette eingeflößt worden.
Nach dem aus der Tabelle ersichtlichen Ergebnis dieses Ver¬
suches kann jedenfalls der Alkoholfütterung kein die Resistenz
der Hühner gegen die Infektion herabsetzender oder sonst
die Infektion begünstigender Einfluß zugeschrieben werden.
In den ersten Tagen nach der Infektion machten die Alkoholhühner
Einfluß von Alkoholgaben bei der Behandlung der Hfihnerspirochätose usw. 669
eher noch einen kräftigeren Eindruck als die Kontrolliere und haben
diese auch selbst noch einige Tage überlebt.
Tabelle IV.
1
2
3
D
5
6
7
8
9
10
Huhn 19 = /
1
_P 1
| Seit 14 Tagen vor der
> Infektion m. Alkohol
0
0
++
++
++
++
++
t
> 20 s 1
J gefüttert
0
+
++
++
++
++
0
0
t
- 21 1 <
\ Nach d. Infektion mit
0
+
++
+++
++
++
0
+
» 22 -l)
/ Alkohol gefüttert
0
+
+ +
++
+ 1-
t
, 23 « /
J Kontrolle
0
++
+++
+
, 24 S (
0
+ +
++
++
++
t
Der Alkohol an und für sich setzt also die Resistenz der
Hühner gegen die Spirochäteninfektion nicht wesentlich
herab und beeinträchtigt auch das Atoxyl in seiner Wirk¬
samkeit auf Spirochäten nicht sichtbar. Die gemeinsame
Einwirkung von Alkohol und Atoxyl macht aber die Atoxyl-
therapie zu einem sehr häufig letal verlaufenden Eingriff.
XXX.
Aus der Veterinär-bakteriologischen Station in Sofia.
(Jeher ein im Rhodopigebirge (Bulgarien) vorkommendes
Blutharnen des Rindes (Haematuria vesicalis bovis rodo-
pensis).
Von
Dr. St. Angeloff’),
Leiter der Station.
Ina Kreise Ruptschos des Rhodopigebirges (Südbulgarien) herrscht
seit unbekannter Zeit unter den Rindern eine Krankheit, welche sich
hauptsächlich durch Auftreten von Blut im Harne kennzeichnet, stets
einen chronischen Verlauf hat und in dieser Gegend großen Schaden
verursacht.
Ich habe im Sommer 1909 zusammen mit den Herren Bat sch -
waroff, Departementstierarzt von Philippopel und Dr. Mlekoff,
Kreistierarzt von Stanimaka Gelegenheit gehabt, diese Krankheit an
Ort und Stelle zu studieren, und möchte ich hiermit eine vorläufige
Mitteilung über meinen Befund geben.
An dieser Krankheit leiden hauptsächlich Rinder der einheimischen
grauen Gebirgsrasse, aber auch die importierten bleiben nicht ver¬
schont. Unter den anderen Haustieren ist die Krankheit nicht be¬
obachtet. Es erkranken ausschließlich Tiere im Alter von über
einem Jahr und wesentlich ältere Rinder. Die Kranken werden von
der dortigen Bevölkerung Pikliwi genannt. Die Ortschaften, in
denen diese Krankheit fast zu jeder Zeit, jedoch meist im Sommer,
zur Beobachtung gelangt, liegen 745—2183 m über dem Meere. In
manchen Dörfern sind 80—90 pCt., in anderen 10—50 pCt. der
Rinder mit diesem Leiden behaftet. Da die kranken Tiere im Laufe
1) Infolge verzögerten Eintreffens der Auslandspost konnte die Arbeit nicht
mehr dom Autornamen entsprechend alphabetisch einrangiert werden.
(Jeber ein im Rbodopigebirge vorkommendes Blutharnen des Rindes. 671
der Zeit abmagern und anämisch werden, eignen sie sich weder zur
Milchproduktion, noch zur Arbeit, auch ihr Fleisch ist minderwertig,
so daß die Krankheit den Landwirten und Tierzüchtem großen
Schaden verursacht. Die Zahl der in ein und demselben Stall
erkrankten Rinder ist ganz verschieden. Es kommt vor, daß alle
Rinder mit dem Leiden behaftet sind, ein andermal bloß ein oder
mehrere, während die übrigen ganz gesund bleiben. Nach der Be¬
obachtung der Tierzüchter sollen die Tiere hauptsächlich dann
erkranken, wenn sie auf steilen, von Wäldern umgebenen Weiden,
sogenannten Kartalen, grasen.
Die erste Krankheitserscheinung ist das öftere Absetzen
von hell- bis dunkelbraunrotem Harn. Der Harn liefert einen
steten starken Bodensatz, dem rote und weiße Blutkörperchen und
Blasenepithelien beigemischt sind. Später wird der Harn immer
dunkler und enthält Blutgerinnsel. Dieses Ausscheiden von Blut mit
dem Harn bleibt entweder, sich immer stärker ausprägend, bestehen,
oder verschwindet für verschiedene lange Zeit, einige Wochen, Monate,
sogar Jahre, um wieder aufzutreten. Die Krankheit nimmt gewöhn¬
lich einen chronischen Verlauf und die Tiere schleppen sich mit dem
Leiden viele Jahre hin. In den Fällen, wo das Blutharnen bestehen
bleibt, wird der Harn immer reicher an Blut und Blutgerinnsel. Oft
werden ganz große Blutgerinnsel, besonders von Kühen, mit dem
Harn abgesetzt. Nicht selten verlegen die Gerinnsel die Harnröhre,
wobei die Tiere nach Harn drängen, ohne aber etwas ausscheiden zu
können. Die Harnzurückhaltung ist bei männlichen Tieren häufiger,
als bei weiblichen und verursacht oft Ruptur der Harnblase.
Das Allgemeinbefinden ist für gewöhnlich nicht gestört,
ebenso ist die Körpertemperatur normal. Im weiteren Verlaufe ändert
sich aber der Zustand. Es besteht Mattigkeit und Ermüdung beim
Gehen, nach längeren Bewegungen fangen die Tiere an zu schwanken
und bleiben mit gespreizten Beinen stehen oder stürzen zusammen.
Die Schleimhäute sind sehr blaß und, wenn die Tiere viel Blut ver¬
loren haben, ganz weiß. Die Frequenz der Herztätigkeit ist erhöht,
der Puls schwach und beschleunigt, die Atemzüge sind auch ver¬
mehrt. Andere Erscheinungen sind Glanzlosigkeit des Haarkleides
und verminderte Freßlust; oft ist aber die Freßlust nicht gestört. In
den Fällen mit Harnzurückhaltung stellen sich mit der Zeit An¬
schwellungen in verschiedenen Körpergegenden ein.
Sorgfältige Untersuchungen habe ich am Blute der mit dem
672 ANGELOFF,
Leiden behafteten Tiere gemacht. Das Blnt der schwer leidenden
Rinder erschien hell, als ob es stark mit Wasser verdünnt wäre. Die
Zahl der roten Blutkörperchen war sehr zurückgegangen. Ich habe
viele Ausstrichpräparate mit Methylalkohol oder durch trockene Hitze
fixiert, mit Ehrlichscher Triazidlösung oder nach Giemsa gefärbt und
dabei verschiedene Bilder, je nach der Intensität des Leidens der
Tiere, beobachtet. Im Anfang der Erkrankung zeigten die Ausstrich¬
präparate die Blutbestandteile des normalen Blutes. In schweren
Fällen dagegen sah ich außer den normalen Erythrozyten (Normozysten),
wenn auch seltener, noch kernhaltige, rote Blutkörperchen; häufiger
jedoch habe ich rote Blutkörperchen mit basophilen Granulationen,
größere und kleinere Blutkörperchen als die gewöhnlichen kernlosen
und endlich Blutplättchen in größerer Menge wie normal beobachtet.
Die kernhaltigen Blutkörperchen waren von der Größe der normalen
Erythrozyten und hatten eine glatte Oberfläche. Das Protoplasma nahm
bei Färbung mit der Triazidlösung einen gelblichroten Ton an. Ihr
Kern war klein und die chromatische Substanz desselben nahm die
Farbe stark an. Diese roten Blutkörperchen zähle ich zu den poly¬
chromatischen Normoblasten. Von diesen entstehen durch Verlust
des Kernes wahrscheinlich die roten Blutkörperchen mit den baso¬
philen Granulationen, welche viel häufiger wie Normoblasten zu sehen
waren. Diese hatten die Größe der normalen Erythrozyten und
zeigten in ihrem Protoplasma Granulationen von der Größe kleinster
Tröpfchen. Bei Giemsafärbung nahmen sie blauen Ton an, während
das Protoplasma rosarot erschien. In den Ausstrichpräparaten waren,
wenn auch selten, größere und kleinere Blutkörperchen (Poikilozyten)
zu beobachten. Das Auftreten von Normoblasten und der granulierten
Erythrozyten erklärt sich mit der Regeneration der durch den starken
Blutverlust verloren gegangenen Blutkörperchen.
Mikroorganismen waren weder in den Blutzellen noch
im Blutplasma zu sehen.
Die wichtigsten anatomischen Veränderungen fanden sich
in der Harnblase. Bei den in späteren Stadien der Krankheit ge¬
töteten oder gestorbenen Tieren findet man sämtliche Organe infolge
des Blutverlustes blaß und blutarm. Das Herz und die Blutgefäße
enthalten zum Teil Blutgerinnsel, zum Teil blasses, wässeriges Blut.
Die Hauptveränderungen in der Harnblase bestehen in dem Anfangs¬
stadium der Krankheit im Auftreten von roten Punkten und Flecken
Uebcr ein im Rhodopigebirgo vorkommendes Blutharnen des Rindes. 673
auf der Schleimhaut, welche durch die erweiterten Blutgefäße und
den Austritt von Blut aus denselben bedingt werden. Die Schleim¬
haut besonders des Blasengrundes erscheint infolgedessen dunkelrot
bis braunrot gefleckt. In späteren Stadien der Krankheit findet man
die Blase oft infolge Verstopfung der Harnröhre mit blutigem Harn
und geronnenem Blute- prall gefüllt. Die Oberfläche der Blase ist
weißlich-grau, glatt und feucht. Die Schnittfläche läßt die Wand¬
schichten deutlich erkennen. Die Wanddicke beträgt 3—4 cm. Die
Innenfläche ist am oberen Teil des Blasenkörpers weißlich-grau, am
Grunde rötlich-grau und läßt gefüllte Blutgefäße erkennen; an vielen
Stellen ist 1 die Schleimhaut dunkelrot gefärbt. Die Innenfläche zeigt
auch ein netzartiges Balkenwerk, welches durch die unter der
Schleimhaut gelegene hypertrophische Muskulatur bedingt ist (trabe*-
kuläre Hypertrophie).
Auf der Schleimhaut des ßlasengrundes waren am häufigsten Ge¬
schwülste von verschiedener Form und Größe zu sehen. Manche von
diesen hatten papillären, blumenkohlähnlichen, andere polypösen Bau,
und ihre Größe schwankte von der einer Erbse bis zu der eines
Menschenkopfes. Die polypösen Wucherungen sind immer kleiner, sitzen
selten breit auf der Schleimhaut, so daß sie bei Wasseraufguß flottieren;
ihre Oberfläche ist glatt, die Konsistenz weich, die Farbe gelb-rötlich.
Viel häufiger aber waren die blumenkohlähnlichen Geschwülste
vorhanden. Sie besitzen einen Stiel, einen Grundstock und kleine
Zweige, ihre Konsistenz ist härter als die der polypösen und die
Farbe graurötlich. Ich habe diese Geschwülste histologisch unter¬
sucht. Es zeigte sich, daß sie fibroepitheliale Neubildungen sind.
Sie bestehen aus papillär angeordnetem Bindegewebe, welches mit
neugebildeten Epithelien überkleidet ist. Das Bindegewebe geht von
der Tunica propria der Schleimhaut aus und bildet das Stroma der
Papillen, welches ganz dünnwandige, geschlängelte Blutgefäße enthält.
Diese bindegewebigen Papillen sind mit verschieden dicken Lagen
zylindrischer Epithelzellen bekleidet. Das Epithel füllt aber nicht
die Zwischenräume zwischen den Papillen völlig aus, daher ist die
Neubildung papillär, zottig. Wo der Epithelüberzug dünn ist, waren
die dünnwandigen Blutgefäße geplatzt und das Blut auf die Ober¬
fläche getreten. An vielen Stellen der Epithelialbekleidung waren
Kernteilungsfiguren zu sehen, was bezeugte, daß lebhafte Neubildung
der Epithelien vor sich gegangen war.
Archiv f. wisaensch. n. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Sappl.-Band.
43 -
674
ASGELOFF,
Die polypösen Neubildungen batten ähnlichen Bau. zeigten jedoch
keine Papillen. Das bindegewebige Stroma war infiltriert und ent¬
hielt Rundzellen.
An den Schnitten der rötlich-braungefärbten Schleimhaut beob¬
achtete man, daß die Schicht zwischen den Muskelbündeln und dem
Epithel reich au neugebildeten Blutgefäßen war, aus denen Blut in
das Gewebe und auf die Oberfläche der Schleimhaut ausgetreten war.
An diesen Stellen war die Epithelialbekleidung abgestoßen.
In den Fällen, wo sich in der Harnblase große Geschwülste ge¬
bildet hatten und durch die Blutgerinnsel Verstopfung der Urethra ein¬
getreten war, waren auch auf der Schleimhaut der Harnröhre, be¬
sonders bei den männlichen Tieren blaurötlich gefärbte Stellen
bemerkbar. In einem solchen Fall fand ich auch Veränderungen an
den Nieren. Es war besonders die linke Niere stark vergrößert.
Die Kapsel ließ sich schwer abziehen. Die Oberfläche war uneben
und grauweiß gefleckt, die Konsistenz derb. Die Schnittfläche er¬
schien ebenso gefleckt. Den Flecken auf der Oberfläche entsprachen
weißgraue Streifen ira Parenchym der Niere. Das Nierenbecken war
mit schleimig-eiterigem Harn gefüllt. Ebensolchen Harn enthielt auch
die Harnblase. Die Harnleiter waren verdickt. Die histologische
Untersuchung der veränderten Niere ergab Emigration von Leuko-
und Lymphozyten, Infiltration zwischen den Harnkanälchen und Neu¬
bildung von Bindegewebe. In den Nierenbecken anderer Tiere fand
ich hin und wieder Nierensteine.
Außer diesen Veränderungen beobachtete ich in einem Falle
kleine teleangiektatischc Herde in der Leber.
Durch die wiederholten Blutungen in der Harnblase, durch die
Harnverhaltung und Zufuhr von Bakterien von außen her entsteht oft
Blasenkatarrh, an welchen sich aszendierende eiterige Pyelitis und
Nephritis anschließt.
Aus dem eiterigen Harne isolierte ich B. coli commune
und verschiedene Diplokokken.
Nach der Ursache der Krankheit forschend habe ich Tiere im
Anfang der Erkrankung töten lassen und von dem sterilerweise ge¬
sammelten Harne Ausstrichpräparate gemacht, sowie Kulturen auf
Agar, Gelatine und Serum angelegt. Mit diesem Harne wurden je
zwei Meerschweinchen und Kaninchen intraperitoneal geimpft, ebenso
wurden je zwei Meerschweinchen, Kaninchen und graue Mäuse 'subku¬
tan resp. intraperitoneal mit defibriniertem Blute gespritzt. Weder
Ueber ein im Rhodopigebirge vorkommendes Blutharnen des Rindes. 675
in den Präparaten noch in den Kulturen ließen sich irgendwelche
Mikroorganismen nachweisen, auch blieben alle geimpften Tiere am
Leben und zeigten keine Krankheitserscheinungen. Diese Versuche
und der Umstand, daß Tiere bei jahrelanger Kohabitation
sich gegenseitig nicht anstecken, sprechen gegen die infek¬
tiöse Natur dieser Krankheit.
Zum Schluß möchte ich mich dahin zusammenfassen, daß diese
Krankheit wahrscheinlich mit dem in gewissen Gegenden
Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Italiens vor¬
kommenden Stallrot der Rinder identisch ist, und da sie aus¬
schließlich in Gebirgsgegenden mit steilen Wegen und Weiden vor¬
kommt, zur Ursache Blutstauungen im Gebiet der hinteren Hohlvene
haben wird. Diese Meinung wird auch von Hink und Liönaux
(zitiert nach Hutyra-Marek) für das in Deutschland beziehungsweise
in Belgien vorkommende Blutharnen der Rinder vertreten, nach welchen
sich die Ausbildung der Krankheit dadurch erklärt, daß die Harnblase
durch den mit voluminösem Futter stärker gefüllten Pansen beim
Weiden und Gehen auf steilen Weideplätzen und Wegen zeitweise
komprimiert und somit der Abfluß des venösen Blutes aus der Wand
der Blase behindert wird. Die so verursachte Zirkulationsstörung
ruft an einzelnen Stellen der Harnblase Gefäßerweiterungen hervor,
welche zuweilen platzen und Blutungen verursachen. Durch den
Druck, welchen die erweiterten Blutgefäße auf das Nachbarbinde¬
gewebe ausüben, werden die Bindegewebszellen gereizt und zum
Wuchern veranlaßt. Diese Erklärung für die Entstehung der Ge¬
schwülste stimmt auch mit der Beobachtung der Tierzüchter überein,
nach welcher die Tiere besonders dann erkranken, wenn sie auf
steilen Weideplätzen (Kartalen) weiden.
Daß gewisse scharfe Giftpflanzen, wie Nieswurz (Veratrum
album) und andere, welche in diesen Gegenden außerordentlich zahlreich
verbreitet sind, eine Rolle bei der Entstehung dieser Krankheit spielen
können, will ich nicht in Abrede stellen. Diesbezügliche Untersuchungen
werden nächstens fortgesetzt.
Druck \
msM
Archiv f; wiöi
’Ti’r* . r,v .1
Tafel .y.
■prakt. TierheilkmTde Bd.Stt. Sappl
Über die Verbreitung der
GLOSSINEN
Liehtenheld, .M
Tafel IX
Archiv f, m$*. u. prakt, Tfcrheilk. >M. 1kl. 'HuppU- IP-nd.
r.
mmm
«®fi
i§f$$?Ä&2Sp§3;
t&j&m&s-afs«*®
iil
wmmmm
mm
<>7f Y Bfrmpflidvu fpv Pferden.
PpAl: 't. &*&§ • .■;-v A>:
Archiv f. iijm, u. prakt. Ti&'hfiilfr.''WL'ßtt-.\'SUppl.-Bitifd.- Tafel XL
01 k, Sivonffi/li'len hei JTcräm
* V - >_1 4 J >’ V
* <*”■*■£ *-h • 3r- r -
Archir f. wiss, u. pi'akt. Tmimlk, >Ui. Bd. Buppl .-Bcttiä.
Täßi mm
;*4
Mi
Üll
wmm
W#M?,
Petit, P<ev.do-tuh' rnilii.«: Tmnrne/W- pl i-C.ili ehr: /fr rhrrnL
; - ■
INHALT
' ’:') f • f' •>”
MSRH
&8m
wmjmwm- fj|. ßetsm-
wAa
liefert Hoclisebutivio
: • N«*u* I wüI t jW i
i$WÄ£ Uihx.me* Ui
&& MWtttlC
i^ars^
vvAifc.
ifc AÄ-i
AM ;tjm f$
nWww^m¥ !f ' ieA
’^W^ää
ktefter, a'flj» rtT>«if j»*lM
[«*& - it
^ P; $ 7 V*
n >fe<
i jolb'. Rcy.- Rat-
.' Ȋ!
>1X1 Kaiser*
■ »sdiwte 7 ,a
-
^a|ppÄil
Ä -ilm jV • Kii^!<Ä.,t^i
: p ,Pie?‘i«s ;•; . • ■ .- \£ £ >
Ä«!» ! K» ^kt|ins iW'iatwtf <S*r ; M. •**»«#-.
.artSfö..
$ £&*& **:■ 4i! ; -8«öWri^^Vpr-f.Rs*i;iif de» ;»*#-.
...
mm
§Mm