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Full text of "Archiv für wissenschaftliche und praktische Tierheilkunde 36.1910 Supplementband"

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ARCHIV 


FÜR 

WISSENSCHAFTLICHE UND PRAKTISCHE 


TIERHEILKUNDE. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 


Du. C. DAMMANN. 

<*eh. Reg.- «. Med.-Rat u. Professor, Direktor der 
König!. Tierarzt!. Hochschule in Hannover. 

Db. W. ELLENBERGER, 

Ceheimer Rat a. Professor an der Königl. Tierarxtl. 
Hochschule in Dresden, 


Dr. r. eberlein, 

Urofcssor au der Königl. Tierärztlichen Hochschule 
in Berlin, 

Dr. J. W. SCHÜTZ, 

(«eh. Reg.-Kat u. Professor an der König!, 
Tierarzt!. Hochschule in Berlin. 


UNTER MITWIRKUNG VON R. EBERLEIN 
REDIGIERT 

VON 

J. W. SCHÜTZ. 


Sechsunddrelssigster Band. Supplement-Band. 

Mit dem Porträt Wilhelm Schütz’, 13 Tafeln und 14 Textfiguren. 


BERLIN 1910. 

Verlag von August Hirschwald. 

NW. Unter den Linden 68. 





















Festschrift 


Herrn 

Geh. Reg.-Rat Dr. med. et med. vet. h. c. 

WILHELM SCHÜTZ 

ord. Professor der pathologischen Anatomie und allgemeinen Pathologie und Direktor 
des pathologischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin, Mitglied des 
Reichsgesundheitsrats, Mitglied der Technischen Deputation für das Veterinärwesen, 
Veterinär-Assessor bei dem Medizinal-Kollegium für die Provinz Brandenburg, 
wissenschaftlichem Konsulenten des Militär-Vetcrinärwesens 


zu seinem 


fünfzigjährigen Berufsjubiläum 

am 16. April 1910 

in Verehrung und Dankbarkeit 

gewidmet von 

seinen Freunden und Schülern. 




Hochverehrter Herr Jubilar! 


Ihre Freunde und Schüler möchten den Tag, an welchem 
Sie, sehr verehrter Herr Geheimrat, auf eine fünfzigjährige 
Arbeit in der tierärztlichen Wissenschaft zurückblicken, nicht 
ohne ein Zeichen der Dankbarkeit und Verehrung für Ihre 
rege Forscher- und Lehrtätigkeit vorübergehen lassen. 

Es ist Ihnen beschieden gewesen, die vergleichende patho¬ 
logische Anatomie, welche zu Beginn Ihrer Tätigkeit noch in 
den ersten Anfangsstadien sich befand, zu weiterer Entwick¬ 
lung zu bringen. Ihrem rastlosen Streben ist es in vieler 
Hinsicht zu verdanken, dass dieser Zweig der tierärztlichen 
Wissenschaft zu hohem Ansehen gekommen ist. 

Hiermit aber nicht genug, es war Ihnen vergönnt als Mit¬ 
arbeiter Robert Koch’s die bakteriologischen Methoden 
zuerst in die Veterinärmedizin einzuführen und die ätiolo¬ 
gische Erkenntnis einer grossen Anzahl wichtiger Tierkrank¬ 
heiten zu fördern. Auf diese Weise haben Sie das Verständnis 
für diese Krankheiten, ohne welche eine sachgemässe Be¬ 
kämpfung nicht denkbar war, geweckt, der Veterinärmedizin 
zu weiterer Bedeutung verholfen und der Landwirtschaft un¬ 
geheure Werte erhalten. Ihre Schaffenskraft kennt hierbei 
keine Grenzen, wofür die bedeutenden Arbeiten der letzten 
Jahre ein beredtes Zeugnis ablegen. 



VIII 


Inhaltsverzeichnis. 


Seit*» 


XV. Loeffler, Aus dem hygienischen Institute der Universität Greifswald. 

Ueber eine im Jahre 1904 in Klein-Kiesow bei Greifswald 
beobachtete Gänseseuche. (Hierzu Tafel VIII.).289 

XVI. Ludewig, Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in 

den Ställen.299 

XVII. MieBner und Immisch , Aus der Abteilung für Tierhygienc des 
Kaiser Wilhelm Instituts für Landwirtschaft zu Bromberg. 

Untersuchungen über die ostpreußische Beschäl sein; he und 
ihre Beziehungen zur algerischen Dourine. (Mit 6 Abbildungen 

im Text). 306 

XVlll. Neufeld, Ueber Tuberkulosepräzipitine.347 

XIX. Olt, Aus dem veterinär-pathologisch-anatomischen Institut der 
Universität Gießen. 

Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Ab¬ 
weichungen und deren Beziehungen zur Rotzkrankheit. (Mit 

5 Abbildungen auf Tafel IX—XI.) . . 355 

XX. Petit, Institut d'Anatomie pathologique ä KEcole nationale veteri- 
naire d’Alfort. 

Pseudo-tuberculose vermineusc du rein chez le cheval. 

(Avec 4 figures ä tables XII et XIII.).418 

XXI. Pfeiler, Aus dem pathologischen Institut der Kgl. Tierärztlichen 
Hochschule zu Berlin. 

Die Ausführung der Komplementablcnkungsreaktion bei 

Brustseuche.422 

XXII. Pilwat, Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen Hoch¬ 
schule zu Berlin. (Vorstand: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Schütz.) 

Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. (Mit 

3 Abbildungen im Text.).436 

XXIII. von Rätz, Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Kgl. Tier¬ 
ärztlichen Hochschule in Budapest. 

Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche .... 573 

XXIV. Seltern, Aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berlin. 

Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit 
der Anaphylaxie.590 

XXV. Schaber! Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen 
Hochschule zu Berlin. 

Die Tilgung der Rotzkrankheit mit Hilfe der diagnostischen 
Blutuntersuchung.611 

XXVI. Seibel, Aus dem pathologischen Institut der Kgl. Tierärztlichen 
Hochschule zu Berlin. 

Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes .... 629 

XXVIL Sticker, Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik zu Berlin. 
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bior.) 

Lymphosarkomatose und Tuberkulose beim Hunde . . . 646 

XXVIII. Troester. Aus dem bakteriologischen Laboratorium der Kgl. Militär- 
Veterinär-Akademie zu Berlin. 

Ultramikroskopie. (Mit 2 Textliguren.).657 

XXIX. Uhlenhuth und Manteafel, Aus dem Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amte zu Berlin. 

Ueber den Einfluß von Alkoholgaben bei der Behandlung 

der Hühnerspirochätose mit Atoxyl.664 

XXX. Aügeloff, Aus der veterinär-bakteriologischen Station in Sofia. 

Ueber ein im Rhodopigcbirge (Bulgarien) vorkommendes 
Blutharnen des Rindes (Haeraaturia vesicalis bovis rodopensis) 670 















I. 


Aas dem physiologischen Institute der Kgl. Tierärztl. Hochschale za Berlin. 

Neue Forschungsrichtungen auf dem Gebiete der 
Storungen des Zellstoffwechsels. 

Von 

Prof. Dr. Emil Abderhalden. 


Unsere Kenntnisse über den Stoffwechsel der normalen und 
der pathologisch veränderten Zelle sind zurzeit noch sehr 
dürftige. Wir kennen zwar mancherlei Funktionen, die an ganz be¬ 
stimmte Zellgruppen — Gewebe — geknüpft sind und dürfen aus 
mancherlei Analogien schließen, daß den bestimmten Funktionen auch 
ein bestimmter chemischer Aufbau der einzelnen Zellen zugrunde 
liegt. Wir sind jedoch vorläufig außerstande, uns nach irgend einer 
Richtung ein bestimmtes Bild des Aufbaus irgend einer Zellart zu 
machen. Man hat im Laufe der Zeit bald dieser bald jener Gruppe 
von Bausteinen eine ausschlaggebende Bedeutung zugeschrieben, ohne 
jedoch auf Grund exakt festgelegter Tatsachen für irgend eine dieser 
Behauptungen einen einwandfreien Beweis beibringen zu können. Bald 
wurden die Proteine als die Träger der Eigenarten der Zellen ange¬ 
sehen, bald traten die Nukleinsäuren in den Vordergrund des Inter¬ 
esses und jetzt sind es die Lipoide, an die sich manche Hoffnungen 
knüpfen. Ohne Zweifel wird keine einzige Gruppe von Stoffen allein 
maßgebend für den spezifischen Bau und damit auch für die spezi¬ 
fischen Funktionen bestimmter Gewebe sein, es werden vielmehr die 
verschiedenartigsten Bausteine der Zellen in ihrer Gesamtheit in der 
Funktion der einzelnen Zellarten zum Ausdruck kommen. 

Allen Zellen sind gewisse Funktionen und Lebensäußerungen ge¬ 
meinsam. Ueberall begegnen wir in der Tier- und Pflanzenwelt im 
Zellstoffwechsel gemeinsamen Zügen und auch die pathologisch ver¬ 
änderten Zellen weisen diese noch auf, solange sie noch am allgc- 

Archiv t. wissensch. u. pr&kt. Tierheilk. Bd. 36. Snppl.-Band. \ 



2 


ABDERHALDEN, 


meinen Stoffwechsel teilnehmen. Hierher gehört die Sauerstoffauf¬ 
nahme und die Kohlensäureabgabe, ferner die Aufnahme bestimmter 
Nahrungsstoffe und deren Verwertung usw. Die spezifische Natur 
der einzelnen Zellen erkennen wir in erster Linie an den von ihnen 
abgegebenen Stoffen. Diese sind für die einzelnen Gewebe charakte¬ 
ristisch. So wissen wir, daß nur die Leberzellen Gallensäuren bilden 
und nur bestimmte Zellen der Nebenniere das Suprarenin aufbauen usw. 
Ferner erkennen wir die Bildung spezifischer Produkte im Stoffwechsel 
mancher Gewebe an den Erscheinungen, die auftreten, wenn die be¬ 
treffenden Organe ihre Funktion einstellen, sei es, daß sie pathologisch 
verändert sind, sei es, daß sie experimentell entfernt werden. Es 
sei auf die Folgen der Entfernung bestimmter Drüsen: Schilddrüse, 
Geschlechtsdrüsen, Nebennieren, Pankreasdrüse usw. hin¬ 
gewiesen. Wir sind vorläufig nicht imstande, die von diesen Organen 
erzeugten und an die Lymph- resp. Blutbahn abgegebenen Stoffe 
irgendwie zu charakterisieren. Wir schließen auf ihre Anwesenheit, 
weil in dem Momente, in dem den einzelnen Geweben die Mög¬ 
lichkeit genommen wird, sich am allgemeinen Stoffwechsel zu be¬ 
teiligen, schwere Störungen auftreten, die in vielen Fällen wieder 
verschwinden, wenn die unterbrochene Funktion sich wieder einstellt, 
oder wenn Extrakte der betreffenden Drüsen dem Organismus zugeführt 
werden. Hier liegt noch ein gewaltiges Forschungsgebiet fast brach. Eine 
Unsumme von Arbeit ist schon aufgewendet worden, um hier Klar¬ 
heit zu schaffen. Nur in wenigen Fällen ist es bis jetzt geglückt, 
eine bestimmte Funktion eines Organs restlos und eindeutig in eine lücken¬ 
lose Kette von Einzelvorgängen aufzulöseri. Ueberall überbrücken noch 
viele Hypothesen klaffende Lücken in unseren Kenntnissen. 

Zwei Probleme sind es, die in erster Linie berufen sind, unsere 
Kenntnisse des Zellstoffwechsels zu fördern. Einmal muß es unser Be¬ 
streben sein, möglichst viele Stoffe kennen zu lernen, die für 
bestimmte Zellarten und vor allem für deren Stoffwechsel 
charakteristisch sind. Ferner wird es unsere Aufgabe sein, die¬ 
jenigen Stoffe, mit denen die Zelle ihren ganzen Stoff¬ 
wechsel — Auf-, Ab- und Umbau — bewerkstelligt, in 
ihrem Wesen und ihrer Wirkungsart möglichst genau auf¬ 
zuklären. Wir meinen hier in erster Linie die Fermente. Wir 
kennen ihre Natur zurzeit noch nicht und können ihre Anwesenheit 
nur aus ihrer Wirkung erschließen. Wir wissen, daß die Pflanzen- und 
Tierzellen Stoffe erzeugen, die bestimmte Verbindungen entweder in ihre 



Neue Forschungsrichtungen auf d. Gebiete d. Störungen d. Zellstoffwechsels. 3 

Komponenten zerlegen, d. h. sie abbauen oder in anderer Weise ver¬ 
ändern, z. B. oxydieren oder reduzieren. Auch sind Fermente be¬ 
kannt, die aufbauen. Sind zurzeit die Aussichten, die Natur der 
Fermente aufzuklären und gar ihre Struktur festzustellen, geringe, so 
muß es umsomehr unser Bestreben sein, ihre Wirkungweise möglichst 
scharf zu charakterisieren. Bei den meisten Fermentstudien arbeitete 
man mit mindestens zwei Unbekannten, nämlich mit dem Ferment¬ 
gemisch und einem seinem Aufbau, seiner Struktur und Konfiguration 
nach unbekannten Substrate. Es ist nun in neuerer Zeit geglückt Ver¬ 
bindungen aufzubauen, deren Struktur genau bekannt ist und die, 
aus Bausteinen bestehend, die in der Natur Vorkommen, von be¬ 
stimmten Fermenten stufenweise abgebaut w r erden. Zu diesen Ver¬ 
bindungen gehören in erster Linie die von Emil Fischer dar¬ 
gestellten Polypeptide. Einige Beispiele mögen anstelle langer 
Erörterungen zeigen, in welcher Weise derartige Substanzen zu 
quantitativen und qualitativen Untersuchungen über die Wirkungs¬ 
art der Fermente verwendet werden können. Die Polypeptide sind 
Verbindungen, die aus Aminosäuren bestehen, und zwar enthalten sie 
diese in säureamidartiger Verknüpfung. Viele dieser Polypeptide 
werden von Fermenten der Gruppe der proteolytischen abgebaut. 
Pepsin greift die bis jetzt dargestellten Polypeptide nicht an, Trypsin 
baut einen sehr großen Teil davon ab, noch allgemeiner wirken das 
Erepsin und die in den Gewebszellen enthaltenen sog. „peptolytischen“ 
Fermente. Diese Feststellung ermöglicht es uns, diese drei Ferraent- 
gruppen scharf zu trennen. 

Wählen wir ein Polypeptid, das aus optisch-aktiven Amino¬ 
säuren aufgebaut ist, dann können wir den Verlauf des Abbaues in 
sehr scharfer Weise durch Verfolgung der AenderuDg des Drehungs¬ 
vermögens feststellen. Gehen wir z. B. aus von dem Tripeptid: 

Glycyl-d-alanyl-glycin. 

Dieses hat eine spezifische Drehung von —64,3°. Wird in diesem 
Polypeptid durch die Wirkung einer bestimmten Fermentlösung das 
vorne stehende Glycin abgespalten, dann bildet sich das Dipeptid, 
d-Alanyl-glycin. Dieses dreht -f-50 °. Wird dagegen das letzte Glied der 
Kette zuerst frei, dann bleibt Glycyl-d-alanin übrig, das 50° nach links 
dreht (—50°). Der erstere Abbau muß sich dadurch kundgeben, daß 
bei fortwährender Beobachtung des Drehungsvermögens der Mischung 
der Lösung des Tripeptids mit einer Fermentlösung die Minusdrehung 
abnimmt und schließlich über 0° eine positive Drehung resultiert. 

i e 



4 ABDERHALDEN, 

Im letzteren Fall nimmt die Minusdrehung etwas ab, sie bleibt jedoch 
bestehen. 

Derartige Polypeptide gestatten nun, einmal quantitative Versuche 
vorzunehmen. Wir können feststellen, wie rasch die Spaltung fort¬ 
schreitet, wenn wir z.B. die aus verschiedenen Geweben gewonnenen Fer¬ 
mentlösungen vergleichen, oder wenn wir die Menge der zugesetzten Fer¬ 
mentlösung oder die Substratraenge ändern. Wir können ferner quali¬ 
tative Studien vornehmen. Wir können die Frage entscheiden, ob die 
aus verschiedenen Geweben dargestellten Fermentlösungen bestimmte 
Polypeptide über die gleichen Stufen abbauen, oder ob hier Unterschiede 
hervortreten. Damit können wir gleichzeitig indirekt einen Einblick in den 
Bau der Zellen gewinnen. Die Fermente sind Produkte der Zelltätigkeit. 
Sie sind in ihrem Aufbau abhängig von demjenigen der Zelle. Ist 
eine Zelle abgeartet, d. h. ist ihre feinere Struktur verändert, dann 
werden auch ihre Funktionen in andere Bahnen gelenkt. Die von ihr 
gelieferten Sekrete zeigen einen anderen Typus. Die einzelne Körper¬ 
zelle übernimmt aus dem Blute resp. der Lymphe keine Stoffe direkt. 
Sie wandelt sie, ehe sie diese in ihren Bau einfügt, um. Es erfolgt ein 
Ab- und Aufbau, und diese Prozesse vollziehen die Zelle mit Hülfe- 
ihrer Fermente. Diese sind ihr Werkzeug, mit dem sie beständig ihren 
Bau zurecht zimmert Hat eine Zelle einen atypischen Bau erhalten,, 
dann entsteht in gewissem Sinne ein Circulus vitiosus. Die veränderte 
Struktur führt zur Bildung eigenartig wirkender Fermente und diese 
bewirken wiederum einen atypischen Aufbau der Zellen, in denen sie 
wirksam sind. Wir kommen auf diesem Wege zu einer bestimmten 
Vorstellung des Zellstoffwechsels und des Baus von Zellen, die 
ihrem ganzen Wesen nach den Typus des fremdartigen tragen. Wirmeinen 
hier speziell die malignen Tumoren: Sarkom und Karzinom. Wir 
hätten, ausgehend von unserer Auffassung des Zellstoffwechsels,, 
uns vorzustellen, daß diese Zellen aus irgend einer Ursache einen 
atypischen Aufbau erhalten haben. Mit dieser Veränderung geht 
Hand in Hand eine gänzliche Umprägung des Zellstoffwechsels. Es ent¬ 
stehen intermediäre Abbaustufen, die dem Körper fremd sind. Bleibt der 
ganze Prozeß auf die Zellen selbst lokalisiert, dann liegt für den 
Organismus keine Gefahr vor. Sie tritt hervor, sobald die Zellen 
Stoffe ihres Stoffwechsels an die Blutbahn abgeben, denn nunmehr 
kreisen Produkte die in ihrem ganzen Wesen dem Organismus ungewohnt 
sind. Treten Fermente über in den allgemeinen Kreislauf, dann 



Neue Forschungsrichtungen auf d. Gebiete d. Störungen d. Zellstoffwechsels. 5 

können diese Schädigungen hervorrufen, indem sie in normalen Zellen 
einen atypischen Verlauf des Abbaues bestimmter Stoffe herbeiführen. 
Die sich bildenden Verbindungen könneD eventuell direkt toxisch sein. 
Der tierische Organismus ist unter normalen Verhältnissen jenseits der 
Darmwand ganz unabhängig von der Außenwelt. Der Darmkanal mit 
all seinen Fermenten sorgt dafür, daß nichts in die Blutbahn gelangt, 
was nicht vollständig seine Eigenart eingebüßt hat. In der Darmwand 
findet die Umprägung des mannigfaltigen mit der Nahrung aufge¬ 
nommenen Materiales zu körpereigenem Material statt. Die einzelnen 
Zellen wiederum prägen das „bluteigene“ Baumaterial um in zelleigenes. 

Störungen in diesem harmonischen Ablauf des Gesamtstoffwechsels 
in allen seinen Phasen treten nur auf, wenn mit Umgehung des Darm¬ 
kanals Stoffe in das Blut und die Gewebe gelangen, d. h. wenn die 
Umprägung umgangen wird. Das ist der Fall, wenn wir z. B. Proteine 
subkutan oder intravenös einführen. In derselben Lage befindet sich 
der Organismus, wenn Zellarten, die seinem Zellverbande nicht an¬ 
gehören, oder die in ihrem Bau und damit in ihrem Stoffwechsel 
abgeartet sind, ihre Sekrete und eventuell ihre Bausteine an den 
allgemeinen Kreislauf abgeben. Das erstere ist der Fall, wenn 
irgend welche Organismen — Bakterien usw. — den Körper mit¬ 
bewohnen und ihren eigenartigen Stoffwechsel demjenigen der Körper¬ 
zellen gegenüberstellen. Der zweite Fall tritt ein, wenn Tumoren 
auftreten, die Zellen enthalten, welche ihrer ganzen Struktur nach nicht 
in den Rahmen der übrigen Körperzellen hineinpassen. 

Die hier kurz entwickelten Vorstellungen lassen sich experimentell 
angreifen. Wir können die in Sarkom- und Karzinomzellen enthaltenen 
Fermente qualitativ und quantitativ prüfen. Die bis jetzt ausgeführten 
Untersuchungen haben ergeben, daß in der Tat in vielen Fällen ein 
atypischer Abbau nachweisbar ist. Es wurde festgestellt, daß Poly¬ 
peptide, die von den Fermenten normaler Gewebe stets in einer 
ganz bestimmten Richtung abgebaut werden, von aus Karzinomen und 
auch aus Sarkomen gewonnenen Fermenten in anderer Richtung zerlegt 
werden. Es ist dies die erste exakte Feststellung einer Aenderung 
des Stoffwechsels der Zellen maligner Tumoren. Der Befund ist 
kein regelmäßiger. Das spricht durchaus nicht gegen unsere Vor¬ 
stellungen. Wir können aus Mangel an Material als Substrat für 
unsere Untersuchungen nur wenige Polypeptide bestimmter Struktur 
wählen. Werden diese von bestimmten Zellfermenten auch in typischer 



6 


ABDERHALDEN, 


Weise abgebaut, so ist damit noch nicht gesagt, daß bei Verwendung 1 
anderer Substrate derselbe typische Verlauf des Abbaues sich wieder¬ 
findet. Hier könnten nur umfassende Untersuchungen Klarheit bringen — 
Versuche, die ein Vermögen an Zeit und Geld verschlingen würden, die 
jedoch unzweifelhaft lohnend wären und uns ein ganz neues Arbeits¬ 
gebiet erschließen könnten. Es ist wohl denkbar, daß ein systematischer 
Ausbau dieses Arbeitsgebietes uns die Möglichkeit verschaffen würde, 
die verschiedenartigsten Zellarten genau zu charakterisieren. Besonders 
aussichtsvoll erscheint uns eine Verfolgung des Stoffwechsels ver¬ 
schiedenartiger Bakterien auf dieser Grundlage zu differentialdiag¬ 
nostischen Zwecken. 

Wir sprachen oben von der Abgabe fremdartiger Stoffe an das 
Blut von Seiten von Mikroorganismen und von Geschwulstzellen. 
Auch diese Annahme läßt sich prüfen. Der Organismus ist gegen die 
Zufuhr „blut- und zellfremden“ Materials nicht machtlos. Werden 
ihm z. B. artfremde, d. h. nicht umgeprägte Proteine subkutan oder 
intravenös eingeführt, dann liefert er Fermente an das Blut, die im¬ 
stande sind, diese Stoffe abzubauen und ihres Artcharakters zu be¬ 
rauben. Auch diese Prozesse lassen sich „optisch“ verfolgen. Nor¬ 
males Pferdeserum baut z. B. Gelatine oder Seidenpepton nicht ab, 
d. h. wenn man das Drehungsvermögen von Serum -|- Seidenpepton 
bestimmt, dann bleibt die Drehung konstant. Es läßt sich jedoch 
sofort ein Abbau beobachten, wenn man das Serum eines Tieres 
benutzt, dem vorher Eiweiß resp. Pepton subkutan zugeführt 
worden ist. 

Diese Beobachtungen versetzen uns in die Lage, körper- und 
speziell blutfremde Stoffe im Blute aufzuspüren. Finden wir Ferment¬ 
wirkungen, die dem Blute normalerweise nicht zukommen, dann ist 
dies ein Fingerzeig für das Vorhandensein von Stoffen, gegen die der 
Organismus sich zu schützen sucht. Wir dürfen erwarten, daß es 
gelingt, Fermente aufzufinden, welche die von Bakterien abgegebenen 
Stoffe und Zellbestandteile zertrümmern um sie so ihrer Eigenart und 
damit ihrer Schädlichkeit zu berauben. 

Endlich muß es unser Bestreben sein, Methoden aufzufinden, 
die uns gestatten, die Fermente in den Zellen oder wenigstens auf 
bestimmte Zellen zu lokalisieren. Auch hier sind Erfolge zu ver¬ 
zeichnen. Verwendet man ein an Tyrosin reiches Polypeptid, dann 
kann man mikroskopisch in den Zellen Tyrosinkristalle auftreten 



Neue Forschungsrichtungen auf d. Gebiete d. Störungen d. Zellstoffwechsels. 7 

sehen. Noch besser verwendet man Polypeptide, an deren Aufbau 
Tryptophan beteiligt ist. Dieses gibt mit Bromwasser eine schöne 
Violettfärbung. Die Polypeptide dagegen geben diese Reaktion nicht. 
Sie tritt erst in dem Moment ein, wenn Tryptophan frei wird. 

Es ist klar, daß mit all diesen Methoden Veränderungen im 
Zellstoffwechsel nachweisbar sind, die sich weder makroskopisch noch 
mikroskopisch in der anatomischen Struktur kundzugeben brauchen. 
Andererseits wird manche nach dem anatomischen Bild scheinbar schwer 
geschädigte Zelle bei der funktionellen Prüfung sich als relativ wenig 
lädiert herausstellen. Je mannigfaltiger die Methoden sind, um so 
mehr Fragestellungen sind von verschiedenen Gesichtspunkten aus an¬ 
greifbar und um so größer ist die Wahrscheinlichkeit einer eindeutigen 
Entscheidung bestimmter Probleme. 



II. 

Infections tuberculeuses dissimul&es et occultes. 

Cons6quences pratiques 
par le 

Professeur S. Arloing, de Lyon. 


A mon eminent collegue, le professeur Schütz, dont les recher- 
ches sur les maladies virulentes le placerent au premier rang parmi 
les pathologistes contemporains, je cUdie ce m6moire dans lequel je 
resume mes travaux de ces dernieres ann6es sur un point de l’histoire 
de la tuberculose. 

I. 

Les idees classiques sur les caracteres de l’infection tuberculeuse 
se modifient graduellement depuis quelques annöes. 

G6n6ralement, on pensait que l’infection tuberculeuse ütait effec- 
tive et reelle lorsqu’elle se traduisait par des tubercules dans les 
Organes d’election. Les lesions etaient plus ou moins volumineuses, 
plus ou moins 6tendues, siegeaient dans plusieurs Organes ou dans 
un seul, parfois tres circonscrites et tres discretes, mais, dans tous 
les cas, presentes et perceptibles ä l’oeil nu et au toucher. 

Les discussions qui s’eleverent surTexistence ou l’absence de 
la tuberculose chez les sujets soumis a l’epreuve de la tuberculine, 
des que cette epreuve s’introduisit dans la pratique, demontrent que 
telles etaient bien les idees admises. On se souvient que la rüpu- 
tation de la tuberculine a 6tü faite surtout par des cas oü, a, la suite 
d’une reaction positive, on fut assez heureux pour rencontrer un amas 
de quelques follicules tuberculeux, de la grosseur d’un petit pois dans 
le poumon, ou un ganglion lymphatique. 

En d’autres termes, on croyait ä une relation si 6troite entre le 
bacille de Koch et l’6dification tuberculeuse, qu’il semblait impossible 
que l’un put cxister sans l’autre dans l’organisme des mammiferes. 



Iniections tuberouleuses dissimuläes et occaltes. 


9 


Lorsque les lesions de cette nature sont tres etendues, dans 
certains Organes, ou dans un etat d’evolution avancee, elles troublent 
les fonctions et engendrent des symptömes qui perraettent de re- 
connaitre la maladie. La tuberculose est alors cliniquement exi- 
stante. Dans les cas oü les 16sions sont moins etendues, mieux 
tolerees par les Organes et par l’organisme tout entier, qui cependant 
ne res'pire pas une santö parfaite, la tuberculose est simplement 
soup<jonn6e. Enfin, dans les cas oü elles sont discretes, someillantes 
au point de n’apporter aucun trouble apparent aux fonctions du sujet, 
et de frapper seulement l’observateur au cours d’une autopsie, on dit 
que la tuberculose 6tait latente. 

Mais on se tromperait etrangement si l’on croyait que l’infection 
tuberculeuse se traduit toujours par des dösordres anatomiques pal- 
pables. Elle peut exister sans entrainer l’edification tuberculeuse 
classique, ou bien l’alteration qui denonce sa presence ou son anterio- 
rite est si minime qu’il faut la chercher au raicroscope et meme 
qu’elle devient imperceptible ou introuvable. Le bacille de Koch a 
dütermine tout simplement une infection tuberculeuse dissimulee 
typique ou atypique, ou une infection tuberculeuse occulte. 

J’entrerai dans quelque developpement au sujet de ces infections. 


II. 

Infection tuberculeuse dissimulee typique. 

Deja, en 1903, j’ai fait remarquer que l’appreciation rigoureuse 
des resultats d’une inoculation pratiquöe avec des bacilles cultives ä 
la maniere ordinaire mais peu virülents demandait l’intervention des 
cxamens histologiques. 

Par exemple, apres l’injection intra-veineuse sur le boeuf des 
bacilles precites, le poumon paraissait absolument sain ä l’oeil et au 
toucher, tandis que sur des coupes histologiques faites gä et la dans 
l’organe, on rencontrait de tres petits tubercules p6ri-bronchiques ou 
intra-alveolaires possüdant une structure classique. 

J’ai observü des lüsions analogues dans les ganglions lyrapha- 
tiques, dans le foie, la rate et les reins. 

J’en concluais qu’avant de proclamer l’echec de teile ou teile 
inoculation tuberculeuse, il fallait procüder ä l’etude histologique 
systematique des Organes oü le bacille determine habituellement des 
lesions. 



10 


ARLOING, 


Cornme il s’agit ici de lesions tuberculeuses folliculaires, dont Ie 
caractere particulier est la tönuitö, je rangerai l’infection qui les a 
provoquees sous le titre d’ „infection typique dissimulee“. 

A propos de cette description, je voudrais signaler certaines 
particularitös anatorao-pathologiques dont la nature est devoilee par 
les lesions microscopiques dont il est question plus haut. Ainsi, des 
lesions peuvent prendre l’apparence d’une pneumonie catarrhale* diffuse 
englobant des nodules ä peine esquisses, graauleux au centre, ou bien 
celle d’une nappe granuleuse multinucleee, un peu rötractee, dans une 
cavite qui fut probableraent un alvöole. Sur cette apparence, il serait 
difficile de se prononcer et d’affirmer la tnberculose. Mais l’exaraen 
du foie, de la rate, des ganglions permettra de voir des tubercules 
epithelioi'des caracteristiques. 

Infection tuberculeuse dissimulöe atypique. 

L’infection tuberculeuse cachee devient atypique lorsque les 
lesions microscopiques qui l’accompagnent ne revetent pas les dispo- 
sitions folliculaires. 

Yersin commen^a aattirer l’attention sur ces sortes de lesions. 
Il les avait etudiees sur le lapin ä la suite de l’injection intra-veineuse 
d’une culture de bacilles dont la souche etait tiree d’un veau tuber- 
culeux, et surtout apres l’injection de cultures d’origine aviaire. 

Les lesions les plus importantes siegent dans le foie et la rate. 
Elles ont constituö le type Yersin admis par la plupart des experi- 
raentateurs s’occupant de tuberculose. 

On les rattache ordinairement au bacille aviaire implante dans 
l’organisme du lapin. Si Yersin les a observees ä la suite de l’in¬ 
jection de bacilles retires du veau, assuröment ces bacilles avaient 
subi une modification ä l’insu de l’auteur, car les bacilles bovins ou 
humains ordinaires introduits dans les veines du lapin döterminent 
des lesions pulmonaires du type Villemin. 

Il y a donc dans les travaux de Yersin, en ce qui regard les 
bacilles de mammiferes, une part faite a l’inconnu. Envisagees sous 
ce point de vue, mes observations personnelles exposees ci-apres 
prösentent une originalite et une importance qui n’echappera pas au 
lecteur. 

Etfectivement, j’ai determine l’infection tuberculeuse dissimulöe 
atypique avec des bacilles humains et bovins dont la virulence et 
la modalite virulente ont ete modifiees artificiellement, c’est-ä-dire 



Infections tuberculeuses dissimu!6es et occaltes. 


11 


dans des conditions precises. On se souvient probablement que j’ai 
accoutume des bacilles ä vivre dans la profondeur du bouillon gly- 
cerine ä 4 ou 6 pCt. 

Avant d’Stre plac^s dans ces conditions, les bacilles humains et 
bovins vegetaient ä la surface du bouillon, en voile ou en colonies 
seches sur des pommes de terre. Inocules dans les veines ou dans 
le tissu conjonctif du lapin, ils entrainaient la tuberculisation de ces 
animaux suivant le type Villernin. 

Apres, leur inoculation dans le tissu conjonctif parait öchouer 
coropletement. II en est de meine au premier abord ä la suite de 
l’injection intra-veineuse. A s’en tenir aux effets visibles ä l’oeil nu, 
les bacilles modifies ne manifestent leur pouvoir tuberculigene qu’apres 
leur introduction dans le peritoine. La, ils provoquent la formation 
de tubercules dans l’epiploon et dans les ganglions lymphatiques peri- 
gastriques. 

Propages de la sorte ä travers un grand nombre de generations, 
les bacilles tuberculeux n’ont plus de tendance a se rassembler en 
grumeaux dans la profondeur du bouillon. 

Les cultures presentent un trouble homogene. De lä le nom de 
bacilles tuberculeux en cultures homogenes que je donne 
couramment aux bacilles qui les garnissent. 

Lorsque cet etat est parfaitement 6tabli, les bacilles ont des 
caracteres pathogeniques particuliers, fixes, qui en font une race. 

En prenant cette race et en l’habituant ä croitre ä des tempe- 
ratures superieures äl’optima, ou bien sous des pressions supörieures 
ä la pression atmosph^rique, je suis arrive ä präparer plusieurs races 
qui different quelque peu l’une de l’autre. Je me bornerai ä exa- 
miner la propriSte pathogönique de la premiere, c’est-ä-dire de la 
race formee par accoutumance ä la profondeur du bouillon et ä la 
temperature de 37°—38°. 

a) Si l’on injecte 1 / i , 1 / 2 cm cube d’une culture homogene ägee 
d’une quinzaine de jours dans les veines du lapin, 1’animal parait 
supporter tres bien cette inoculation. Mais ä partir du dixieme jour 
environ, il maigrit de plus en plus et succombe entre le vingtieme 
et le vingt-cinquierae jour dans un etat cachectique tres avanc6. 

A l’autopsie, le poumon est souple et d’une consistance uni¬ 
forme; le foie possede sa teinte et sa grosseur normales; la rate est 
hypertrophiee, mais däpourvue de granulations rappelant, meme de 
loin, des 16sions tuberculeuses microscopiques. Les söreuses, l’intestin 



12 


ARL01NG, 


prösentent de la congestion; parfois on trouve un peu d’epanchement 
dans la plevre et dans le p&ritoine. 

En un mot, on croirait que le lapin a succombG a une septi- 
ceraie tuberculeuse. De fait, on trouve des bacilles dans le foie, les 
poumons, la rate, la moelle des os, mais la septicemie s’accompagne 
d’altörations anatomiques ainsi que le demontre l’6tude histologique 
du foie et de la rate. Dans le foie, l’inflarnmation tuberculeuse se 
traduit par des infiltrations plus ou moins importantes de leucocytes 
au pourtour ou dans l’int^rieur meme des lobules h6patiques. Les 
leucocytes refoulent ou englobent les .cellules hepatiques. Quelques- 
unes de ces dernieres, emprisonnees dans les amas de leucocytes, 
tendent a revetir le caractere epitheloide. Lorsque les alterations 
sont ä leur maximum de gravite, des cellules geantes apparaissent 
(,‘ä et lä dans les infiltrations leucocytaires. La rate peut egalem ent 
präsenter des cellules geantes. Le plus souvent, eile raontre au sein 
des follicules ou dans la substance inter-folliculaire des cellules epi- 
theloides. Elles sont eparses ou rapproch£es les unes des autres, en 
petites masses sphäroidales. Dans certains cas, les cellules subissant 
la transformation epithöloi'de sont frapp^es de lesions n6crotiques au 
cours de leur transformation. Leur noyau se fragmente et le proto- 
plasma se Charge d’une multitude de fines granulations qui lui en- 
levent sa transparence et son aptitude a fixer des raatieres colorantes. 

Dans tous les cas, il n’existe pas de Subordination des cellules 
geantes, des cellules epithelio'ides et des cellules rondes entrant dans 
la Constitution de ces lesions. On ne voit pas de follicules tuber- 
culeux. Bien plus, la lesion peut etre reduite ä une seule categorie 
d’ölements: cellules lymphatiques dans le foie, cellules epithölioides 
dans la rate. Ou bien, eile peut comprendre deux sortes d’ßlements: 
cellules lymphatiques et cellules geantes, cellules epithelioidcs et 
cellules geantes ou cellules lymphatiques et epithelio'ides; mais eiles 
ne sont pas ordonnees les unes aux autres suivant le type classique. 

Je ferai encore observer que la rate peut conserver quelquefois 
son volume habituel. Dans ce cas, encore plus que dans les exem- 
ples indiqu6s ci-dessus, l’infection tuberculeuse simulc une septicemie. 
Au fond, il s’agit d’une infection tuberculeuse dissimulee 
atypique. 

b) L’infection est encore plus dissimulee si l’on injecte dans la 
vcine jugulaire une dose beaueoup plus faible de bacilles: y i0 , y 60 , 
y i00 de centimetre cube. 



Infections tuberculeuses dissimulöes et occultes. 


13 


Dans ces conditions, on croirait que les lapins ont öchappö com- 
pletement ä l’infeetion. ns conservent toutes les apparences de la 
sante pendant de longs raois. Cependant, quelques-unes contractent 
des synovites ou des arthrites tuberculeuses au moraent oü on les 
supposerait hors d’atteinte. 

Ceux qui echappent ä ces coraplications (et ce sont les plus 
nombreux) präsentent nöanmoins des traces de l’infection qu’ils ont 
subie. Mais ces traces sont microscopiques. On rencontrera sur des 
coupes histologiques d’un foie, dont l’aspect est absolument normal, 
de rares infiltrations de cellules lymphatiques, g^neralement tres cir- 
conscrites, ä la Peripherie ou au centre des lobules; et, dans la rate, 
des cellules ä tendance epithelioide, et des elöments grenus, troubles, 
dans l’epaisseur des follicules. 

Si on ignorait l’inoculation faite ä ces animaux, on aurait sou- 
vent une certaine hesitation ä proclamer la nature tuberculeuse des 
lesions. 

c) Dans une Serie d’injections faites sur le cbevreau, ä des 
doses petites pour la taille de cet animal, j’ai relevö avec le pro- 
fesseur Stazzi et Fernand Arloing, des suites fort analogues. 
Avertis comme nous l’etions, nous avons bien relevö 9 a et la, dans 
les principaux visceres et les ganglions lymphatiques, des alterations 
histologiques que l’on pouvait attribuer a la presence anterieure du 
bacille tuberculeux; mais elles auraient öchappe vraisemblablement 
a d’autres observateurs. 

A cette occasion, j’ai note, avec mes collaborateurs, que parmi 
les cellules formant des lesions atypiques extremement discretes dans 
le foie et les poumons des chevreaux, quelques-unes affectaient une 
forme 6 toilee, signe indeniable d’une tendance a la transformation 
conjonctive, c’est-ä-dire d’une tendance vers la gu^rison. 

Les rurainants presentent donc, eux aussi, des infections tuber¬ 
culeuses dissimulöes atypiques. 

d) J’ai observä des infections du meine genre sur des poules 
auxquelles j’avais fait ingörer ä trois reprises, soit des crachats de 
phtisiques, soit des lesions tuberculeuses du boeuf. 

Quatre des poules ayant ing^re des lesions bovines et deux de 
celles qui avaient mangö des crachats suceorabaient quatre mois 
environ apres le debut de l’experience. 

Aucune n’offrait de 16sions tuberculeuses apparentes; mais elles 
en presentcrent sur des coupes histologiques de leurs visceres. 



14 


ARLOING, 


Dans le foic des sujets de la s6rie bovine, on voyait cä et la 
des infiltrations de cellules rondes dans les areoles du rßseau capillare 
sanguin, entrainant peu ä peu la disparition des cellules hepatiques. 
Au sein de ces infiltrations, parfois quelques cellules prenaient 
graduellement le caractere epithelioide. Dans la rate, certains corpus- 
cules de Malpighi se coloraient faibleraent et des cellules de leur 
epaisseur rappelaient des cellules öpithelioides. 

Chez les sujets de la serie humaine, les lesions etaient plus 
discretes, mais histologiquement identiques. 

J’ai remarque, par comparaison, quc les alterations hepatiques 
ressemblent aux lesions debutantes consecutivcs ä l’inoculation de 
bacilles aviaires dans le pcritoine ou le tissu conjonctif chez la 
poulc; et aussi qu’elles rappelent les lesions produites sur le lapin 
et le chevreau par l’injection intra-veineuse de bacilles humains ou 
bovins en cultures homogenes. 

Ces faits demontrent que la poule n’cst pas aussi refraetaire ä 
la tubereulose des mammiferes qu'on I’admet generalement. En outre, 
ils viennent ä l’appui de la these que je soutiens dans ce memoire, 
savoir: que l’infection tuberculeuse peut etre dissimulee chez les 
oiseaux chez les mammiferes, et deeelable sculctnent par des examens 
histologiques. 


III. 

Infection tuberculeuse occulte. 

Sous ce titre, je veux parier de la presence de bacilles virulents 
dans les organes anatomiquement indemnes, ou bien de lesions 
tellement minimes ou tellcmcnt rares que l’on ne saurait pretendre 
ä les trouver. 

a) Sur des bovides tuberculeux, la virulence peut etre constate(* 
dans des ganglions lymphatiques qui ne repondent pas aux Organes 
leses et dont la structure est absolument normale. On ne se Hatte 
pas d’observcr sous le microseope les bacilles qu’ils renferment; mais 
leur existencc est devoilee par l’inoculation de la pulpe des ganglions 
dans le tissu conjonctif souscutane du cobaye. 

Des inoculations positives ont ete signalees par plusieurs auteurs 
notamment Junach, Oberwart et llabino witsch, Märtel, 
Guerin, Vallee. 

Rievel a fait etudier 64 ganglions provcnant de boeufs et de 
porcs tuberculeux. Sur ce nombre, 12 se montrerent virulents. Sur 



Infections tuberculeuses dissimulees et occultes. 


15 


ces 12 ganglions, 9 prtisenterent des lesions histologiques on ne peut 
plus discretes; raais trois parurent absolument indemnes de tuberculose. 

J’ai a borde moi-m§me ce sujet. J’ai conclu que la virulence se 
presente dans la moitie des cas environ, et que cette virulence est 
assez grande pour tuberculiser le tiers environ des cobayes inoculcs 
avec la pulpe des ganglions. 

d) Des bacilles virulents peuvent meine se rencontrer dans les 
ganglions lymphatiques de bovins non tuberculeux dou6s d’une cer- 
taine resistance, en egard a l’activite pathogene des bacilles infectants. 
Cette resistance est naturelle ou artificiellement provoquöe par des 
inoculations vaccinales. 

Dans cet ordre de fait, je placerai les injections de bacilles 
faibles, et cependant capables d’infecter le cobaye, que Ton pratique 
sur les jeunes bovins dans le but de les vacciner contre la tuber¬ 
culose. Ou sait que dans certains cas, on a trouv£ des bacilles in¬ 
fectants plusieurs semaines et meine plusieurs mois apres les injections. 

Je placerai aussi les injections de bacilles tres actifs faites a 
titre d’epreuve sur des sujets vaccines. Comme ci-dessus, on a vu 
que la pulpe de certains ganglions tuberculisait le cobaye. 

Si des bacilles virulents restent ainsi emprisonnes dans des 
ganglions sans provoquer de lesions tuberculeuses, il me parait naturel 
d’admettre que les organisraes qui les hcbergeaient etaient pourvus 
d’une resistance naturelle proportionnee ou superieure ä l’action offen¬ 
sive des bacilles. 

Ce genre d’infection tuberculeuse occulte pourrait encore recevoir 
le nom d’infection tuberculeuse latente, car il suffirait que la 
resistance du sujet diminuat pour voir eclater des lesions dans les 
points oü les bacilles sont arretes. 

e) J’tcrivais dans le paragraphe 2 que l’injection de tres faibles 
doses de bacilles en culture homogene dans la jugulaire du lapin 
deterrainait de simples infiltrations de cellules lymphatiques entre les 
elements propres du foie et une simple tendance a la transformation 
epithelioide des cellules des corpuscules die Malpighi dans la rate. 

Ces lösions sont minimes et relativement rares, car on ne les ob- 
serve pas sur toutes les coupes pratiqu^es dans ces Organes. 

Je disais dans le raeme paragraphe que de faibles doses pour le 
lapin devenant extremement faibles pour le chevreau, on ne trouvait 
plus que des traces quelquefois douteuscs du passage des bacilles 
dans les visceres de cet animal. 



16 ARLOING, 

Ces trates sont ordinairement introuvables chez des bouvillons 
ou des boeufs adultes auxquels on injecte un demicentimetre cube a 
un centimetre cube de culture. J’ai pratiqu6 de norabreuses injections 
de ce genre sur des bouvillons äges de 6 ä 15 mois, a deux reprises 
et ä quelques mois d’intervalle, sans qu’il m’ait etü possible de 
trouver des l6sions, müme atypiques, sur de nombreuses coupes histo- 
logiques faites ä travers le foie, la rate et les ganglions lymphatiques. 

La premiere injection ne produit pas de troubles physiologiques 
dignes d’attirer serieusement l’attention. Au contraire, la seconde 
injection entraine souvent des troubles immediats tres accus^s. Le 
sujet devient subitement triste, le poil se herisse, la respiration 
s’accelere, la tempürature s’üleve de 1° ä 2°; mais au bout de quel¬ 
ques heures, le calme venait, et le lendemain la tempürature est re- 
devenue normale. Sur quelques animaux, la perturbation se borne a 
une Elevation de la tempörature et ä une diminution passagere de 
l’appetit. 

Je Signale ces troubles pour bien marquer que les animaux 
ayant re^.u les injections ont subi une veritable infection ou septi- 
cemie tuberculeuse. Mais les bacilles producteurs de cette affection 
sont alles se fixer et vraisemblableraent se detruire en une multitude 
de foyers oü leur petit nombre n’a pü reussir ä creer une lösion 
evidente. 

J’ai donc raison de donner aux infections de ce genre le nom 
d’infections tuberculeuses occultes. 

J’ai note aussi l’absence complete de Ißsions ganglionnaires ä la 
suite de l’inoculation sous-cutan^e des memes bacilles. Par exemple, 
si l’on injecte deux centimetres cubes de culture sous la peau du 
flanc, «le ganglion pre-crural se tumefie et presente tout d’abord une 
sensibilite anormale. Plus tard, le gonflement disparait ainsi que la 
sensibilite ä la pression. Le ganglion a donc ete le siege d’une 
lymphite tuberculeuse aigue passagere qui a gueri completement avec 
le tcmps. En effet, j’ai extirpe ce ganglion au moraent oü il ötait 
tumefie et douloureux et lorsqu’il etait rentrü dans l’ordre, en appa- 
rence tout au moins, afin de l’examiner par les procedes histologiques. 
Dans les deux cas, il etait cxempt de lesions tuberculeuses. II s’agit 
donc encore, dans ce cas de tuberculisation locale, d’une infection 
tuberculeuse occulte. 



Infections tuberculeuses dissimul6es et ocoaltes. 


17 


IV. 

Consäquences pratiques. 

II semblerait ä premiere vue que les tuberculoses u lesions 
raaoroscopiques et les tuberculoses cliniquement existantes seules 
fussent dignes d’interesser le praticien, parce que seules eiles tombent 
sous les seDS du clinicien pendant la vie des malades ou le jour de 
l’autopsie. Quant aux infections tuberculeuses dissimuiees typiques 
ou atypiques et aux infections occultes, leur int6ret serait purement 
scientifique ou pathogenique. II n’en estrien au fond. A certaines 
heures, les infections dissimuiees ou occultes peuvent interesser le 
praticien aussi vivement que les autres formes de la tuberculose et 
merae le placer dans une Situation difficile. 11 faut savoir, en effet, 
que les bovins qui ont subi ces infections prösentent les rßactions 
rev6latrices de la tuberculose: hypertherrnie sous l’influence de l’in- 
jection sous-cutanee de la tuberculine, congestion de la muqueuse 
oculaire ou du derme cutane en presence de la tuberculine, augmen- 
tation du pouvoir agglutinant du s&rum sanguin. 

J’ai fait maintes fois ces constatations. Une tuberculisation avec 
edification tuberculeuse classique, visdible par les moyens ordinaires 
des autopsies, n’est donc pas indispensable pour modifier le pouvoir 
agglutinant et faire apparaitrc la sensibilite speciale ä la tuberculine. 
D suffit d’une impregnation bacillaire en quelque sorte; si bien que 
les r&ictions sp 4 cifiques denoncent plutöt l’infection tuberculeuse que 
la tuberculose teile qu’on l’a comprise en clinique jusqu’ä nos jours. 

On devine la suite. Des animaux expörimentalement infectks 
peuvent präsenter une ou plusieurs des reactions revelatrices, etre 
sacrifiäs sur la valeur attribu^e ä ces reactions, et n’offrir ä l’autopsie 
aucune lesion tuberculeuse constituee, de celles qui, aux yeux du plus 
grand nombre des pathologistes et des propri^taires, t&noignent vöri- 
tablement de l’existence de la tuberculose. 

Je me permets d’insister sur ce point, car je suis sur que des 
cas analogues se rencontrent a la suite des infections naturelles. Les 
bacilles sont sourais dans les organismes infectes et en dehors ä des 
influences qui attenuent et modifient leur virulence; ils les envahissent 
par des voies differentes. Par consequent, nul doute que, de temps 
en temps, la nature r6alise des infections dissimulees ou occultes. Si 
les sujets infectes de cette maniere sont soumis aux moyens de 
diagnostic dits „de laboratoire“, ces moyens paraitront defaillants, 

Archi? f. wisseneeh. u. prak t Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. o 



18 ARLOING, Infections taberculeuses dissimuläes et occultes. 

en ce sens qu’ils auront d6nonc6 une tuberculose que l’autopsie ne 
confirmera pas. 

La defaiilance sera plus apparente que reelle. On le prouvera 
probablement par une 6tude histologique des principaux Organes. Mais 
il sera peut-etre impossible de fournir cette preuve, puisque l’infection 
est parfois r6ellement occulte. Dans ee cas, la Situation du veteri- 
naire serait tout ä fait embarrassante s’il ne pouvait invoquer les 
infections occultes, dont la connaissance doit etre r6pandue dans le 
railieu medical et veterinaire et parmi les eleveurs; car, generalement, 
ces derniers supportent mal on que l’on a coutume d’appeler les 
„erreurs“ ou les „defaillances“ de la tuberculine. 

Ce sont ces considerations, capitales & mon sens pour le v6teri- 
naire et l’6leveur, qui m’ont engage k publier le r6sultat de mes 
travaux sur ce point dans le livre jubilaire de mon savant collegue, 
le professeur Schütz. 



Aus dem Veterinär-Institut der Universität Breslau. 

Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden. 

Von 

Prof. Dr. M. Cnsper in Breslau. 


Definition. 

Ais Nabelbruch (Hernia umbilicalis, Omphalocele, 
Exomphalos) bezeichnet man jene Eingeweidebrüche, bei denen der 
Nabelring die Bruchpforte bildet; 

Entwickelungsgeschichtliches. 

Der Nabel entsteht während der fötalen Entwickelungszeit 
dadurch, daß die Hautplatten von beiden Seiten, von vorn und hinten, 
um den Darm zusammenwachsen und diesen durch ihre Vereinigung 
in der Mittellinie des Körpers von der Dottersackhöhle abschnüren. 
Nachdem diese Abschnürung vollendet ist und der Darm am inneren 
oder Darmnabel sich geschlossen hat, bleibt in der Bauchwand noch 
eine Stelle offen, der äußere oder Leibesnabel oder Hautnabel. 
Durch diese offene Stelle, den Nabelring oder die Nabelöffnung, treten 
die Nabelgefaße und der Urachus aus der Leibeshöhle des Fötus aus 
bezw. ein. 

Wird die Nabelschnur bei der Geburt durchtrennt, so erfolgt der 
Verschluß des Hautnabels auf dem Wege der Wundheilung unter 
Bildung einer Narbe, welche bei unseren Haustieren während des 
ganzen Lebens als haarlose, derb anzufühlende, runde Stelle sichtbar 
bleibt, in deren Umgebung die Haare wirbelförmig angeordnet sind. 
Am Zustandekommen des narbigen Verschlusses beteiligen sich nicht 
bloß Haut und Muskulatur, sondern auch die Gefäße; diese Stelle 
des Nabels bezeichnet man speziell als Gefäßnabel. 

Der Nabel liegt in der weißen Linie, aber nicht konstant an 



20 


CASPER, 


derselben Stelle, sondern häufig weiter nach vorn, zuweilen auch 
mehr rückwärts, bei unseren Haustieren und speziell beim Pferde 
gewöhnlich dort, wo eine durch den ersten Lendenwirbel gelegte 
Frontalebene die Linea alba schneidet. 

Bleibt die Oeffnung in der unteren Bauchwand offen und bleiben 
in dem vom Amnion umkleideten, zugleich die Nabelgefäße und die 
Whartonsche Sülze enthaltenden Sacke Eingeweide liegen, so hat man 
jene Entwickelungshemmung vor sich, welche als Nabelstrang¬ 
bruch, Hernia funiculi umbilicalis bezeichnet wird. Die Ein¬ 
geweide liegen also innerhalb des Sackes der nicht strangförmig 
transformierten, hohlen Nabelschnur und sind vom Amnion umgeben. 
Man gewahrt in der Nabelgegend eine sackartige, rundliche Ge¬ 
schwulst, in der ein größerer oder kleinerer Teil der Eingeweide 
lagert und die aus 2 Blättern besteht. Das äußere Blatt wird vom 
Amnion gebildet, welches auf der einen Seite kontinuierlich in die 
äußere Decke übergeht, auf der anderen sich auf die Nabelschnur 
fortsetzt und deren Scheiden bildet. Das innere Blatt wird vom 
Peritoneum parietale dargestellt. Die äußere Haut fehlt im Bereich 
des Bruchsackes. 

Diese Hemmungsbildung ist bei Tieren selten und hat kaum 
eine praktische Bedeutung, weil das betreffende Tier entweder tot 
zur Welt kommt oder sofort getötet wird. Stock fl eth (48) be¬ 
obachtete einen Fall bei einem totgeborenen Kalbe, wo der dünne 
Bauchfellsack so groß war, daß er die sämtlichen Gedärme des 
Tieres aufnehmen konnte. (Beim Menschen enthalten die Nabelschnur¬ 
brüche zuweilen die Hauptmasse der Baucheingeweide, wie Leber, 
Magen, Dünndarm und Dickdarm; nach Graser (19) gehen die Kinder 
in der Mehrzahl der Fälle schon in den ersten Stunden nach der 
Geburt zu Grunde.) 


Ursachen. 

Wir müssen unterscheiden zwischen dem angeborenen Nabel¬ 
bruch und dem erworbenen Nabelbruch. Der erstere entsteht 
dadurch, daß ein Teil der Baucheingeweide nicht in die Bauchhöhle 
eintritt, nicht von den Visceralplatten umschlossen wird. Dieser 
Nabelbruch ist daher als ein Vitium primae formationis, als eine 
Hcmmungsbildung aufzufassen, die den niedrigsten Grad des mangel¬ 
haften Verschlusses der Leibeshöhle darstellt. 

Der erworbene Nabelbruch kommt dadurch zustande, daß der 



Beitrag zur Behandlung der Nabelbräche bei Pferden. 


21 


Nabelring nach der Geburt offen bleibt, und daß Eingeweide in 
denselben sich drängen, oder dadurch, daß der Nabelring nicht voll¬ 
ständig zuwächst und die junge Narbe des Hautnabels dem Drucke 
der Eingeweide nachgibt. Diese Zusammenhangstrennung der Narbe 
wird begünstigt durch die verschiedensten Momente, so durch gewalt¬ 
sames Abreißen der Nabelschnur ohne Fixation des Nabels, durch 
Dehnungen und Zerrungen der Bauchwand bei Aufblähen, Verstopfung 
(Atresia ani), Husten, beim Springen, bei anstrengenden Bewegungen, 
kurz durch alle Umstände, die eine Steigerung des intraabdominalen 
Druckes verursachen. 

Gerade bei den Nabelbrüchen spielt die Vererbung eine große 
Rolle, indem Tiere, deren Eltern in der Jugend Nabelbrüche hatten, gleich¬ 
falls sehr oft mit einem Nabelbruche geboren werden oder denselben bald 
nach der Geburt akquirieren. Erik Viborg (48) berichtet, daß von 
13 Fohlen, die von einem mit Nabelbruch behafteten Hengst abstammten, 
11 an Nabelbruch litten. Eleonet (9) versichert, daß im Departement 
Finisterre in Mittelfrankreich Zuchtstuten vorhanden waren, die fast 
ohne Ausnahme Fohlen mit Nabelbrüchen lieferten; er hat innerhalb 
26 Jahren rund 3000 Fohlen wegen dieses Leidens behandelt, ein 
Beweis, wie häufig der Nabelbruch gewesen sein muß. Auch Hen- 
drickx (21) erklärt auf Grund einer Umfrage bei den belgischen 
Tierärzten, daß die Vererbung der Nabelbrüche bei Pferden unbe¬ 
streitbar ist. Ein Hengst, der in der Jugend wegen eines Nabel¬ 
bruches operiert worden war, produzierte nur Fohlen, die sämtlich 
mit Nabelbruch behaftet waren. 

Auch bei Hunden liegen derartige Mitteilungen vor. Nach 
Benkert (48) warfen die Hündinnen, die er wegen Nabelbruches 
behandelt hatte, fast immer Junge, die dasselbe Leiden aufwiesen. 
Stockfleth (48) erzählt von einem Jagdhund, der, selbst früher mit 
einem Nabelbruch behaftet, mehrere Würfe junger Hunde brachte, die 
ebenfalls an Nabelbrüchen litten. Der letzte Wurf bestand aus 
9 Jungen, die sämtlich wegen Nabelbruches in tierärztliche Behand¬ 
lung gegeben wurden. 


Vorkommen. 

Die Nabelbrüche werden am häufigsten bei Pferden und Hunden, 
seltener bei den übrigen Tierarten beobachtet. Der Bruchsack be¬ 
steht aus der äußeren Haut (äußerer Bruchsack) und einer Aus¬ 
stülpung der Fascia transversa abdominis nebst dem Bauchfell (innerer 



22 


CASPER, 


Bruchsack). Den Inhalt des Bruchsackes bilden gewöhnlich Dünn¬ 
darmschlingen [Hering (22), Esser (10)]; auch Gutmann (20) hat 
gelegentlich der Nabelbruchoperationen mit Eröffnung der Bauch¬ 
höhle nur Dünndarmschlingen angetroffen. Nach Hcrtwig (23) und 
Möller (37) dagegen sollen die Nabelbrüche meist Teile des Grimra- 
darmes oder des Blinddarmes, selten ein Stück Netz enthalten. 
Pathe (37) fand im Nabelbruch eines Kalbes einen Teil des 
Labmagens. 

Bei Hunden werden reine Netz-Nabelbrüche hin und wieder 
dadurch unbeweglich, daß der ßruchinhalt (Netz) mit dem inneren 
Bruchsack (Peritoneum) und dieser mit dem Nabelring verwächst, 
wodurch es später gewöhnlich zu einer reichlichen Fettablagerung im 
Innern des Bruches kommt (sogen, verwachsene Netz-Nabel¬ 
brüche): Müllers (38), eigene Beobachtung. 

Diagnose. 

Die Erkennung der Nabelbrüchc ist außerordentlich leicht. Am 
Orte des Nabels bemerkt man eine rundliche, elastische oder mehr 
teigartig anzufühlende, schmerzlose, nicht vermehrt warme Geschwulst, 
deren Inhalt sich meist durch den Nabelring in die Bauchhöhle zu¬ 
rückbringen läßt. Die Größe der Geschwulst variiert von der einer 
Haselnuß (Hund) oder der eines Hühnereies (Pferd) bis zum Umfange 
eines Menschenkopfes. Nach der Reposition fühlt man sehr deutlich 
in der Tiefe eine rundliche oder längliche, schlitzförmige Oeffnung, 
den Bruchring oder die Bruchpforte. Die Oeffnung ist verschieden 
groß, zuweilen so klein, daß man nur mit dem kleinen Finger ein- 
dringen kann, während man in anderen Fällen 3—4 Finger bequem 
einzuführen vermag. 

Zuweilen trifft man bei Fohlen Brüche an, deren gewöhnlich 
spaltförmige Pforte einige Zentimeter neben, vor oder hinter dem 
eigentlichen Nabelring liegt, praktisch sind aber diese Brüche wie 
Nabelbrüche zu beurteilen [Vennerholm (51), eigene Beobachtung]. 

Die Beweglichkeit des Bruchinhaltes wird ausnahmsweise aufge¬ 
hoben, wenn eine Inkarzeration besteht, oder wenn Verwachsungen 
des Bruchinhaltes mit der inneren Wand des Bruchsackes bestehen. 

Prognose. 

Die Prognose der Nabelbrüche ist quoad vitam bei Fohlen und 
jungen Hunden günstig, Inkarzerationen treten nur ganz ausnahms- 



Beitrag zar Behandlung der Nabelbrüohe bei Pferden. 23 

weise ein. Sie heilen zuweilen bei zunehmendem Alter von selbst 
und zwar um so leichter je kleiner der Bruch, je enger die Bruchpforte 
und je jünger das Tier ist. Nach Lehndorff (28) tritt bei mehr als 
50 % der Fohlen eine Heilung ganz von selbst ein. Mit zunehmender 
Kräftigung des Tieres wird das den Nabelring deckende, schlaffe Ge¬ 
webe fester und widerstandsfähiger, die Därme nehmen an Umfang 
zu und können infolgedessen nicht so leicht durch den Bruchring hin¬ 
durchtreten. Die spontane Heilung erfolgt am ehesten in den ersten 
sechs Lebensmonaten, daher haben die unten beschriebenen unblutigen 
Methoden in dieser Zeit anscheinend den besten Erfolg. Auch in der 
zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres kann man zuweilen spontane 
Heilungen erleben, die aber nach Ablauf des ersten Jahres kaum noch 
Vorkommen. 

Wenn nun auch die Prognose quoad vitara günstig ist, so muß 
der Nabelbruch, namentlich bei edleren Pferden, als ein erheblicher 
Fehler bezeichnet werden, der den Verkaufswert bedeuteud herabsetzt. 
Ich kann Fröhner (11), der den Nabelbruch „für ein ganz uner¬ 
hebliches Leiden, einen bloßen Schönheitsfehler“ hält, darin nicht bei¬ 
stimmen; die Erheblichkeit des Leidens geht schon daraus hervor, daß 
die Besitzer den Nabelbruch um jeden Preis beseitigt wünschen und 
daß sie das Fohlen lieber der Gefahr einer immerhin ernsten Operation 
aussetzen, als daß sie den Nabelbruch bestehen lassen. Bei älteren 
Pferden ist auch die Arbeitsfähigkeit beschränkt, daneben besteht eine 
gewisse Gefahr der Vergrößerung des Bruches. 

Einklemmungen der Nabelbrüche kommen selten vor, sind aber von 
Lomas (35), Winter (48), Larsen (48), Mauri (35), Rolland (43), 
Fröhner (14), Wiesner (53), Zwicker (54) u. a. bei Fohlen be¬ 
obachtet worden. Auch Verwachsungen des Bruchinhalts mit dem 
Bruchsack finden sich verhältnismäßig selten und sind dann gewöhn¬ 
lich die Folge einer zufälligen Verletzung des Bruchsacks oder Ein¬ 
wirkung von Aetzmitteln bei mißlungenen Heilversuchen. 

Therapie. 

Die Behandlung des Nabelbruchs kann durch zahlreiche und sehr 
verschiedenartige Methoden erfolgen; manche derselben verdanken 
ihren Ruf dem Umstande, daß viele Nabelbrüche auch spontan 
heilen. 

Bei allen Behandlungsmethoden kann man zwei Stadien unter¬ 
scheiden : 



24 


CASPER, 


I. Das Zurückbringen des Bruchinhaltes-in die Bauch¬ 
höhle, die Reposition, Taxis. 

II. Das Zurückhalten des Bruchinhalts in der ßruch- 

höhle, die Retention. 

Die Beseitigung der Nabelbrüche kann auf zwei verschiedenen 
Wegen angestrebt werden: 

A. Auf unblutigem Wege (ohne Anschneiden der Haut oder 

des Bruchsackes). 

B. Auf blutigem Wege. 

Die unblutige Behandlungsweise, auch genannt das Palliativ¬ 
verfahren, sucht den Bruch dadurch zu beseitigen, daß von außen 
her ein Druck gegen den Nabelring ausgeübt wird oder daß man die 
Bruchpforte zur Verwachsung bringt. 

Die blutige Behandlungsweise, das Radikalverfahren, bezweckt, 
die Beseitigung des Bruches durch einen Verschluß der Bruchpforte 
mittelst der Naht. 

A. Die sog. palliativen oder unblutigen Methoden. 

Hierzu rechnet man: 

1. Die Anwendung von Bruchbandagen. 

2. Scharfe Einreibungen und Aetzmittel. 

3. Die subkutane Injektion von Kochsalzlösung. 

4. Das Abbinden. 

5. Das Abnähen. 

6. Das Abkluppen. 

1. Die Anwendung von Bruchbandagen. 

Die Bruch bandagen bestehen im wesentlichen aus einem um den 
Leib gehenden Gurt mit einer dem Bruchringe entsprechenden Pelotte 
(Wergbausch, Bleiplatte, Roßhaarkissen), welche den Bruchinhalt zu¬ 
rückhält. Wenn die Bruchbandage gut wirken soll, so muß sie 
längere Zeit (1—3 Monate) ununterbrochen liegen bleiben. In der 
Literatur sind eine große Zahl der verschiedensten Bandagen be¬ 
schrieben worden, aber bei allen besteht der Uebelstand, daß sie sich 
leicht verschieben. Die Fohlen müssen einer ständigen sorgfältigen 
Behandlung unterstellt bleiben; verschiebt sich die Bandage, dann 
bleibt die Wirkung aus, drückt der Gurt an einer Stelle (Rücken), 
so entsteht leicht Dekubitus. Fast alle Autoren stimmen darin über¬ 
ein, daß die Bandagen für die Behandlung der Nabelbrüche bei Fohlen 



Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden. 


25 


umständlich ünd unzweckmäßig sind und daß diese Methode der Therapie 
vergangener Zeiten angehört. Wenn Graf Lohndorff (28) behauptet, der 
günstige Erfolg der Bruchbandage sei so auffallend, daß die sonst üblichen 
Behandlungsmethoden, Abbinden, Abnähen, Brennen usw. vollständig über¬ 
flüssig werden, so mag sich die günstige Wirkung wohl daraus erklären, 
daß Lehndorff das Verfahren bei ganz jungen Fohlen anwendet, bei 
denen ein großer Teil der Nabelbrüche von selbst heilt. Bei älteren 
Fohlen ist das Anlegen von Bandagen jedenfalls nicht zu empfehlen. 

Als Ersatzmittel für das Bruchband sind Heftpflaster oder Pech¬ 
pflaster versucht worden, dieselben haften aber bei Tieren wegen der 
behaarten Haut nicht und bedürfen der Unterstützung durch Bandagen, 
wobei die oben genannten Uebelstände sich bemerkbar machen. 

2. Scharfe Einreibungen und Aetzmittel. 

Die Applikation einer scharfen Einreibung führt nur in seltenen 
Fällen zum Ziel. Die Einreibung bezweckt eine entzündliche Schwellung 
der Haut und Unterhaut, durch welche ein Druck auf den Bruch¬ 
inhalt ausgeübt werden soll. Man hat zu diesem Zwecke früher 
Kantharidensalbe, Sinapismen, Collodium cantharidatum, Blister u.dcrgl. 
empfohlen. Dieses Verfahren findet heute nur noch selten Anwendung 
und kaDn nicht befürwortet werden. 

Eine weit umfangreichere Verwendung finden in der Praxis die 
Aetzmittel, welche eine starke Entzündung der Haut und Unterhaut 
mit nachfolgender Nekrose verursachen. Es entsteht eine starke 
Schwellung des Bruchsackes, die zunächst auf den Bruchinhalt drückt, 
später stößt sich die Haut nekrotisch ab, die darunter erfolgende 
Granulation und starke Narbenretraktion verschließt die Bruchpforte 
und hält den Darm zurück. 

Als Aetzmittel kommen im Wesentlichen die Schwefelsäure, 
die Salpetersäure und die Chromsäure in Betracht. 

Die Schwefelsäure und Salpetersäure werden entweder unver¬ 
dünnt mit einem Glasstabe in Form von Strichen aufgetragen, wo¬ 
bei die Anwendung nur zweimal erfolgen darf, oder sie werden mit 
3—5 Teilen Wasser oder Spiritus verdünnt und 5—8 Tage hindurch 
täglich zweimal auf den Bruchsack eingerieben. Da man die Wirkung 
der Aetzmittel in die Tiefe nicht mit Sicherheit ermessen kann, so 
ist bei deren Gebrauch große Vorsicht geboten. Bei sehr dünner 
Haut oder bei wiederholter Applikation der Salpetersäure oder Schwefel¬ 
säure ist eine zu tief gehende Wirkung und ein zu schnelles Abstößen 



26 


CASPER, 


der Haut zu befürchten. Wenn die äußere Haut zu früh nekrotisch 
wird, bevor eine Vernarbung der Bruchpforte erfolgt ist, so tritt ein 
Darmvorfall ein; geht die Aetzung zu sehr in die Tiefe, so kann es 
zu einer adhärierenden Entzündung des Bauchfelles oder sogar zur 
Perforation des Darmes kommen. Wenn daher die genannten Aetz- 
mittel auch häufig mit bestem Erfolge Anwendung finden, so liegen 
andererseits in der Literatur zahlreiche Mitteilungen über unglückliche 
Ausgänge und Todesfälle vor. 

An Stelle der Schwefelsäure und Salpetersäure sind noch andere 
Aetzmittel empfohlen worden, deren Vorzug darin bestehen soll, daß 
der Aetzschorf sich langsamerlöst. Peuch (40) hat zuerst das chrom¬ 
saure Kali empfohlen, welches in Form einer Salbe (1: 5—8) zwei 
bis drei Tage nach einander eingerieben wird. Die Haut wird in 
einen lederartigen Brandschorf umgewandelt, welcher nach 2 — 3 Wochen 
sich ablöst. Foelen(17), Bonnaud(3), Trölut (50), Graf Lehndorff 
(28) u. a. haben die günstige Wirkung der Chromkalisalbe bestätigt. 

Riedinger (41) empfahl die Anwendung der Chromsäure 
(Acidum chromicum 10,0:5,0 aqu. dest). Der Bruchsack wird 
einmal mit der Lösung bepinselt, nach 4—6 Wochen fällt der Bruch¬ 
sack ab. Himmelstoß (24), Weigenthaler (52), Leibenger (28), 
Riehlein (42), Ru pp (44) u. a. haben mit der einmaligen Anwendung 
der Chromsäurelösung günstige Resultate erzielt. Jedenfalls ermutigen 
die bisherigen Erfahrungen zu weiteren Versuchen mit Chromsäure, 
deren Applikation eine sehr einfache ist. 

Alle vorher genannten Aetzmittel eignen sich nur für die Be¬ 
handlung kleiner Brüche bei jungen Fohlen, während sie bei größeren 
Brüchen und älteren Fohlen vielfach versagen. Degive (6) will 
ihre Anwendung auf solche Nabelbrüche beschränkt wissen, bei 
denen man nicht mehr als 2 Finger in die ßruchpforte einführen 
kann und bei denen der Bruchsack nicht größer als ein Hühnerei 
ist. Möller (37) bemerkt sehr richtig, daß die vergebliche An¬ 
wendung scharfer Mittel leicht zur Verwachsung des ßruchinhalts 
mit dem Bruchsack führe, woraus sich später Schwierigkeiten für 
die operative Behandlung ergeben. 

3. Subkutane Injektion von Kochsalzlösung. 

Auf Grund der günstigen Resultate, die Dr. Luton bei der Be¬ 
handlung angeborener Nabelbrüche der Kinder mit der subkutanen 
Injektion von Kochsalzlösung erhalten hatte, empfahl Bouley (4) 



Beitrag zur Behandlung der Näbelbröche bei Pferden. 27 

die Anwendung dieses Verfahrens auch bei Nabelbrüchen der Pferde. 
Diese Injektionen wurden u. a. versucht von Moliniö (36), Lenor- 
mand (30), Lucet (33); in Deutschland hat namentlich Imminger 
(26) auf dieses Verfahren hingewiesen. Er spritzte unter Beobachtung 
der Asepsis 2—3 cm vor und hinter der Bruchöffnung je 30—40 ccm 
einer löproz. sterilen Kochsalzlösung ein und zwar bei kleinen 
Brüchen bloß einmal, bei größeren 3—4 mal innerhalb 4—6 Wochen. 
Hierdurch entstand eine starke, 8—14 Tage lang andauernde An¬ 
schwellung. Das Verfahren hat in der Praxis keinen rechten Eingang 
gefunden, die Resultate waren nicht immer günstig. Schmutterer 
(45) wandte es bei sechs 1—3jährigen Fohlen an und erzielte in 
5 Fällen Heilung; Liebl (31) und Stenger (47) sahen zweifelhafte 
Erfolge. 


4. Das Abbinden. 

Das Abbinden, Abnähen und Abkluppen der Nabelbrüche 
haben in der Praxis eine umfangreiche Anwendung gefunden, alle 
3 Methoden verfolgen den Zweck, durch eine eintretende Entzündung 
eine Verwachsung des Bruchringes herbeizuführen. 

Das Abbinden erfolgt in der Weise, daß nach Reposition des 
Bruchinhalts der Bruchsack nahe dem Bruchringe mit einer elastischen 
Ligatur bezw. mit einem Faden abgeschnürt wird. Die Operation 
selbst geschieht meist an dem auf dem Rücken liegenden Tier. Nach¬ 
dem man die Haut desinfiziert und die Haare am besten rasiert hat, 
bringt man den Bruchinhalt in die Bauchhöhle zurück, verschließt 
die Bruchpforte mit dem Finger, hebt den Bruchsack möglichst von 
der Bauchwand ab und legt um die Basis des Sackes eine Ligatur 
möglichst fest. 

Die Ligatur wird sich am besten eignen, wenn der Nabelbruch 
eine Einschnürung, einen Hals besitzt. Das ist aber häufig nicht der 
Fall, sondern der Bruch ist meist an der Basis am weitesten. Das 
dadurch begünstigte Abgleiten der Ligatur sucht man zu verhindern, 
indem man unterhalb derselben einen Nagel quer durch den Bruch¬ 
sack steckt, der die Ligatur in der Lage erhält, oder indem man 
mitten durch den ßruchsack mit der Nadel einen doppelten Faden 
hindurchlegt und den Bruchsack in zwei Hälften abbindet. Das Ab¬ 
binden kann selbstredend nur dann Anwendung finden, wenn der 
Bruchinhalt frei beweglich, nicht mit dem Bruchsack verwachsen und 
nicht eingeklemmt ist, außerdem eignet sich die Ligatur nur für die 



28 CASPER, 

Behandlung der .Nabelbrüche, die eine verhältnismäßig enge Bruch¬ 
pforte besitzen. 

Nach erfolgter Operation bindet man das Fohlen wenn möglich 
einige Tage hoch und füttert es knapp. Die Ligatur schneidet durch¬ 
schnittlich innerhalb 10—20 Tagen durch und die kleine Wunde heilt 
durch Granulation. Nachteilige Folgen dieser Methode können nach 
2 Richtungen eintreten, entweder schneidet die Ligatur, wenn der 
Bindfaden zu dünn war oder zu fest angezogen wurde, zu früh durch, 
dann kann ein Darravorfall entstehen, oder die entstandene Narbe ist 
zu schwach, hält dem Andringen der Eingeweide nicht stand und es 
kann sich nach einiger Zeit an derselben Stelle ein neuer Bruch 
ausbilden. 

Die Zahl der Tetanusfälle, die in früheren Zeiten nach dem Ab¬ 
binden der Nabelbrüche nicht selten waren, hat sich in neuerer Zeit 
wesentlich verringert, wohl hauptsächlich deswegen, weil man heute 
mehr desinfiziertes Nähmaterial verwendet. Man kann aber selbst in 
Gegenden, wo der Starrkrampf häufig vorkommt, die Gefahr desselben 
nahezu vollständig ausschließen, wenn man dem Fohlen vor der 
Operation eine Schutzdosis Tetanus-Antitoxin injiziert. 

5. Das Abnähen 

gleicht im Prinzip dem Abbinden, wird aber seltener ausgeführt als 
dieses und das Abkluppen. Man legt das Pferd ebenfalls auf den 
Rücken, rasiert die Haare ab, reponiert den Bruchinhalt, und indem 
man auf die Bruchpforte drücken läßt, um den Inhalt zurückzuhalten, 
wird der Bruchsack möglichst nahe der Bauchwand abgenäht, am 
besten mittelst einer Schusternaht. Da hierbei die Nadel das Bauch¬ 
fell durchsticht, ist strenge Antisepsis erforderlich. Um bei einem 
größeren Bruch eine gleichmäßige Naht zu erzielen, und den Bruch¬ 
inhalt bequem zurückzuhalten, kann man zweckmäßig über den 
Bruchsack eine schmale eiserne Kluppe legen, über welcher das Ab¬ 
nähen vor sich geht. Letzteres erfolgt am besten mit starker Seide 
(Nr. 11—13); die Naht selbst ist in verschiedener Weise modifiziert 
worden, gemeinsam ist allen Methoden, daß der Bruchsack in kleinen 
Partieen fest abgenäht wird. Die Kluppen werden sofort wieder 
entfernt, während die Nähte liegen bleiben, bis sie zusammen mit 
dem abgestorbenen Bruchsack abfallen, worüber etwa 12—20 Tage 
vergehen. 



Beitrag zur Behandlung der Nabelbrücbe bei Pferden. 


29 


6. Das Abkluppen 

erfreut sich bei den praktischen Tierärzten seit langer Zeit be¬ 
sonderer Beliebtheit. Das Verfahren besteht darin, daß an dem in 
Rückenlage befindlichen, wie oben vorbehandelten Tiere eine Kluppe 
über den leeren Bruchsack hinaufgeschoben und möglichst nahe dem 
Bruchringe fest zusammengeschraubt wird. Der Brucbinhalt muß 
vorher sicher reponiert sein. 

Es sind in der Literatur eine große Anzahl von Kluppen be¬ 
schrieben, die teils aus Holz, teils aus Eisen, teils aus Aluminium 
hergestellt sind. Eine Hauptbedingung für brauchbare Kluppen ist 
die, daß dieselben einen gleichmäßigen Druck auf die einzelnen 
Abschnitte des Bruchsackes ausüben. Die früher benutzten Holz¬ 
kluppen, welche nach Art der Kastrationskluppen an einem Ende 
fest zugebunden oder mit einem Scharnier versehen waren, eignen 
sich nicht gut, weil der dem Scharnier nahe liegende Teil abnorm 
stark, der entgegengesetzt liegende Abschnitt zu schwach gequetscht 
wird. Die Aluminiumkluppen, deren Leichtigkeit sehr vorteilhaft 
wäre, haben sich nach den Untersuchungen Immingers (27) als zu 
nachgiebig, zu schwach erwiesen. Besser eignen sich eiserne Kluppen, 
deren Arme an beiden Enden durch Schrauben nahe aneinander ge¬ 
bracht werden können, wenn auch eiserne Kluppen verhältnismäßig 
schwer sind und wegen ihrer Härte und Schärfe zuweilen zu schnell 
durchschneiden. Es ist daher ein Verdienst Riehleins (42), in 
neuester Zeit Holzkluppeu konstruiert zu haben, welche durch Schrauben 
an beiden Enden ähnlich wie die eisernen Kluppen gleichmäßig an¬ 
einander gepreßt werden. Nachdem die Kluppen in der bekannten 
Weise über den Bruchsack geschoben und die beiden Schrauben ab¬ 
wechselnd und absatzweise fest angeschraubt sind, so daß die Enden 
sich fast berühren, werden die Enden mit gewachstem Spagat sehr 
fest zusammengebunden und die eisernen Schrauben dann entfernt. 
Damit sind alle vorstehenden und schweren Teile der Kluppe be¬ 
seitigt und diese bleibt liegen, bis sie von selbst abfällt, was nach 
durchschnittlich 2—3 Wochen eintritt. Diese Riehleinschen Holz¬ 
klappen werden von Hauptner (Katalog Nr. 10235) in 3 verschiedenen 
Größen angefertigt, sie haben gegenüber den eisernen Kluppen den 
Vorzug, daß sie leichter und billiger sind, bequemer und dabei ge¬ 
fahrloser durchschneiden, und dürften daher, soweit das Abkluppen 
in Betracht kommt, als die brauchbarsten Kluppen anzusprechen sein. 



30 


CASPER, 


B. Die blutige Behandlungsweise der Nabelbrüche, 
die Radikaloperation. 

Die Radikaloperation der Nabelbrüche, die im wesentlichen in 
einem Vernähen der Bruchpforte besteht, wurde schon 1767 von 
Robertson mit Erfolg bei Fohlen ausgeführt, aber wegen der Ge¬ 
fahr der Infektion in der vorantiseptischen Zeit nur selten angewendet. 
Erst in neuer Zeit hat diese Methode dank der antiseptischen Be¬ 
handlung auch in der Praxis immer mehr Anhänger gefunden. Sie 
ist angezeigt bei großen Brüchen, bei Verwachsungen des Bruch¬ 
inhaltes mit dem Bruchsacke, bei Einklemmungen und in den Fällen, 
in denen die früher beschriebenen Methoden nicht zum Ziele geführt 
haben. 

Jede Radikaloperation eines Bruches setzt sich aus vier /Akten 
zusammen, nämlich: 

1. der Freilegung des inneren Bruchsackes, 

2. der Reposition des Bruchinhaltes, 

3. der Exstirpation bzw. anderweitigen Versorgung des 
inneren Bruchsackes, 

4. dem Verschluß der Bruchpforte. 

Die einzelnen in der Literatur angegebenen Methoden unter¬ 
scheiden sich im wesentlichen nur durch die Verschiedenheit der 
beiden letzten Akte; die einen exstirpieren den inneren Bruchsack, die 
anderen versenken ihn in die Bauchhöhle. 

Das Tier wird in den letzten Tagen vor der Operation knapp 
gefüttert, abgeworfen und in die Rückenlage gebracht, wobei die Be¬ 
festigung der Beine am besten in der Weise erfolgt, wie es Frick 
in Abbildung Nr. 138 seiner Operationslehre dargestellt hat. Der 
Bruchsack und die Umgebung desselben werden abrasiert und desinfi¬ 
ziert, namentlich bei älteren Fohlen ist eine Chloroformnarkose sehr 
zweckmäßig. Nunmehr wird über den Bruchsack in seiner Längs¬ 
richtung ein Schnitt durch die äußere Haut gelegt und der innere 
Bruchsack bis zum Bruchring und etwas außerhalb desselben frei 
präpariert. 

Entweder trägt man jetzt den inneren Bruchsack hart am Bruch¬ 
ringe mit der Schere ab und skarifiziert die kallösen Bruchränder 
[Degive (6), Fröhner (12 u. 13), Kraeraer (25), Wiesner (53), 
Möller (37), Frick (16)] oder aber man stülpt den inneren Bruchsack, 



Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden. 31 

ohne ihn zu öffnen, in die Bauchhöhle [Hering (22), Siedaragrotzky 
(46), Fröhner (14), Gutmann (20)]. 

In beiden Fällen werden dann die Bruchränder durch starke 
Seidenfäden vereinigt, die nur in der Muskulatur reichlich 2 cm vom 
Bruchring entfernt tief und dicht anzulegen sind. Den Beschluß bildet 
eine Naht der Haut, wobei von letzterer praktischerweise nichts ab¬ 
getragen werden soll. 

Dieses Radikal verfahren ist von einzelnen Chirurgen modifiziert 
worden. So empfahl Gutmann (20), der nach beiden Methoden Mi߬ 
erfolge erlebte, die Nähte so anzulegen, daß eine mit Seidenfäden 
versehene Nadel zuerst in einer Entfernung von ca. 3 cm vom Bruch¬ 
ringe in die Bauchwand eingestochen und hart am Bruchringe heraus¬ 
gezogen wird, am entgegengesetzten Bruchrande findet der Einstich 
mit der Nadel direkt am Bruchrande statt, der Ausstich aber 3 cm 
davon entfernt. Der Zeigefinger der linken Hand hält den Bruchsack 
in der Bauchhöhle zurück. Bevor nun die 3—4 durch die Bruch¬ 
ränder gezogenen Seidenfäden definitiv geknotet werden, werden sie 
so lose gezogen, daß der Bruchsack unter ihnen heraustreten, mit 
einer Zange erfaßt und mit Katgut abgenäht und exstirpiert werden 
kann. Erst jetzt werden die Seidennähte zugezogen und so geknotet, 
daß die Ränder des Bruchsackes aneinander kommen. Die Haut¬ 
wunde wird mit einer Knopfnaht vernäht, nur in ihrem vorderen Teil 
bleibt dieselbe für den Abfluß des Wundsekretes offen. Nach etwa 
8 Tagen werden die durch die Bruchränder gelegten Seidenfäden ent¬ 
fernt, die Heilung erfolgt in 4—5 Wochen. 

Daß auch die Radikaloperationen nicht immer zum Ziele führen, 
geht u. a. aus den Mitteilungen Gutmanns (20) hervor. Er fand, 
daß von 20 Fohlen, bei denen er die Bruchränder mit Katgut vernäht 
hatte, bei 5 Fohlen nach einem halben Jahre ein Rezidiv eingetreten 
war. Gutmann führt diese Mißerfolge zum Teil auf die Verwendung 
von Katgut zurück, weil dasselbe zu schnell resorbiert würde. Er 
hat deshalb später den Bruchsack versenkt und Seidenfäden zur Naht 
benutzt, aber auch hiernach wurden unter 16 Fällen 2 Rezidive 
beobachtet. 

Mir selbst hat die früher mehrfach ausgeführte Radikaloperation 
m einem Falle Bedenken verursacht. Ein zweijähriges Fohlen, bei 
welchem der Bruchsack versenkt und die Bruchränder mit starken 
Seidenfäden vernäht worden waren, ging 3 Wochen nach der Operation 
dnrch einen unglücklichen Zufall zugrunde (es war mit dem Kopfe 



32 CASPER, 

zwischen 2 Stangen geraten und vermochte denselben nicht zu be¬ 
freien). Bei der Sektion war die Bruchpforte geschlossen und in bester 
Verwachsung begriffen, aber es war ein Teil des Grimmdarraes im Be¬ 
reiche des eingestülpten Nabelbruchs und darüber hinaus mit dem Peri¬ 
toneum parietale verlötet. Zweifellos ist infolge der Eiterung der 
Nähte eine Entzündung auf das Peritoneum fortgeleitet worden und 
hat dort eine Adhäsion bedingt. Die zirkumskripte Peritonitis hätte, 
wenn das Fohlen nicht durch den Zufall verendet wäre, wahrschein¬ 
lich zu wiederholten Kolikanfällen mit schließlichem letalen Ausgange 
geführt. 

Ich habe deshalb in der Folgezeit ein Verfahren eingeführt, 
welches eine Kombination des Abnähens mit der radikalen Methode 
darstellt und anscheinend auch schon von Vennerholm versucht 
wurde. Die von mir geübte Operation gestaltet sich wie folgt: 

Das Fohlen erhält in den letzten Tagen nur eine halbe Ration 
Futter und während der Zwischenzeiten, um das Streufressen zu ver¬ 
hüten, einen Maulkorb angelegt. An den beiden der Operation voraus¬ 
gehenden Tagen wird je eine Injektion von Arekolin appliziert. Das 
mit deutschem Wurfzeuge abgeworfene Fohlen wird in die Rückenlage 
gebracht, wozu ich in unserer Operationshalle einen Flaschenzug be¬ 
nutze, der an der Decke angebracht ist. Die beiden Hinterfüße 
werden ausgefesselt und nach hinten gezogen, wobei Achtertouren 
um die Sprunggelenke dieselben gebeugt erhalten. Die Befestigung 
des Tieres wird am besten aus Figur 138 der Operationslehre von 
Frick ersichtlich; die Nabelgegend liegt dabei vollkommen frei, der 
Operateur hat genügend Raum und ist gegen Bewegungen der Hinter¬ 
füße geschützt. Der Bruchsack und seine nächste Umgebung wird ab¬ 
rasiert und gründlich mit Sublimatwasser und Sublimatalkohol ge¬ 
reinigt. Nachdem der Patient chloroformiert ist, legt man nach 
Emporheben einer Hautquerfalte einen Längsschnitt durch die Haut, 
welcher das vordere und hintere Ende des Bruchsackes etwas über¬ 
schreitet. Sodann wird die äußere Haut nach rechts und links vor¬ 
sichtig vom inneren Bruchsack abpräpariert, was keine Schwierigkeiten 
verursacht. Das Abpräparieren der Haut muß soweit erfolgen, daß 
der innere Bruchsack ganz zu übersehen ist und die Ränder der 
Bruchpforte vollkommen freigelegt sind. Man kann sich jet2t über¬ 
zeugen, daß, wie immer auch der Bruch im ganzen gestaltet war, 
der innere Bruchsack einen Beutel bildet, der an dem Bruchringe'eine 
deutliche Einschnürung, einen wirklichen Hals aufweist. . 



Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden. 


33 


Jetzt schiebe ich über den inneren Bruchsack, während ein 
Assistent durch einen Druck mit den Fingerspitzen den Bruchinhalt 
zurückhält, eine schmale Kluppe (am besten eignet sich dazu die 
französische Bruchkluppe, Hauptner Katalog Nr. 3337, von welcher 
ich allerdings das eine Branchenpaar als unnütz entfernt habe) über 
den Bruchsack, ziehe diesen möglichst weit hervor, so daß die Kluppe 
unmittelbar am Bruchring der Bauchwand dicht ansitzt, und schraube 
nunmehr die Kluppe vorsichtig zu.. Durch Einschneiden des Bruch¬ 
sackes überzeuge ich mich, daß derselbe leer ist, und stelle dabei 
meist fest, daß am Grunde des Bruchsackes Spuren einer fibrinösen 
Entzündung vorhanden sind, die wohl auf eine frühere vergebliche Be¬ 
handlung zurückzuführen sind. Nachdem die Kluppe fest zugeschraubt 
ist, nähe ich den inneren Bruchsack dicht oberhalb der Kluppe (das 
Pferd liegend gedacht) ab, wobei ich mich der Schusternaht bediene. 
Ein starker Seidenfaden wird an beiden Enden mit Nadeln versehen; 
die Nadeln werden, von dem einen Ende des Bruchsackes beginnend, 
in entgegengesetzter Richtung durch ein und dasselbe Stichloch ge¬ 
führt und die Fäden jedesmal fest angezogen. Das nächstfolgende 
Stichloch ist etwa 1 cm weit entfernt. In dieser Weise wird der Bruch¬ 
sack durch eine Reihe fester, zusammenhängender Ligaturen abge¬ 
schnürt. Die Fäden knote ich zur Sicherheit in jedem zweiten Stich¬ 
loch, damit sie nicht an einer Stelle zu sehr nachgeben und die 
Spannung ungleich wird. 

Nach dem Anlegen der Naht schneide ich den inneren Bruchsack 
etwas oberhalb der Nahtreihe mit dem Messer glatt ab und entferne 
die Kluppe. 

Hierauf lege ich eine größere Kluppe (aus Aluminium oder Eisen 
oder eine Holzkluppe nach Riehlein) über die beiden Lappen der 
äußeren Haut, ziehe dieselben möglichst weit durch die Kluppe hin¬ 
durch und schraube diese fest an. Mit einem starken Seidenfaden 
wird jetzt dicht unterhalb der Kluppe (das Pferd liegend gedacht) 
die äußere Haut in derselben Weise, wie der innere Bruchsack etappen¬ 
weise abgenäht, wobei die Fadenenden ebenfalls immer fest ange¬ 
zogen und öfter geknotet werden, um eine gleichmäßige Spannung zu 
erzielen. Der über die Kluppe hervorstehende Teil der Hautlappen 
kann mit dem Messer abgetragen werden. An dem abhängigsten 
(vorderen) Winkel der Wunde lasse ich einen mit Jodoformäther ge¬ 
tränkten Gazestreifen heraushängen, um dem in den nächsten Tagen 
auftretenden eiterigen Sekret Abfluß zu verschaffen.* Die äußere 

Arehir f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 


3 



34 


CASPER, 

Kluppe kann man entweder bald entfernen oder auch 24 Stunden 
liegen lassen. In den nächsten Tagen stellt sich eine ziemlich um¬ 
fangreiche Schwellung der Haut und Unterhaut in der Umgebung des 
Bruches ein, die mit etwas Temperatursteigerung verbunden ist, 
während die Freßlust unverändert gut bleibt. Die Wundränder 
werden täglich mit Jodtinktur bepinselt; nach 10—14 Tagen lösen 
sich die Reste des Bruchsackes ab und der Patient kann nach 
2—3 Wochen die Klinik verlassen. 

Das von mir angewendete Verfahren unterscheidet sich vom Ab¬ 
nähen und Abkluppen dadurch, daß ich das Abschnüren des inneren 
Brucksackes unmittelbar an der ßruchpforte vornehmen kann. Wenn 
man die Kluppe, wie das gewöhnlich geschieht, auf den uneröffneten 
äußeren Bruchsack anlegt, so kann man den Bruchsack noch so sehr 
anziehen, man veimag doch die Kluppe nicht sicher bis an den Hals 
des inneren Bruchsackes zu schieben. Es bleibt dann immer ein 
gewisser Spielraum außerhalb der Bauchhöhle, zwischen der Kluppe 
und der Bruchpforte, welcher beim stehenden Pferde durch den an¬ 
drängenden Darm leicht vergrößert wird, während bei der von mir 
geübten Methode außerhalb der Bruchpforte nicht der geringste Spiel¬ 
raum ist. Die Abschnürung des Bruchsackes erfolgt in der denkbar 
zuverlässigsten Weise. Dadurch, daß ich den inneren Bruchsack für 
sich und außerdem noch den äußeren Bruchsack exakt abnähe, be¬ 
steht ein doppelter Schutz gegen die Gefahr des zu frühen Absterbens 
des Bruchsackes und des Darm Vorfalles. Die Retraktion und Narben¬ 
bildung geht an zwei von einander unabhängigen Stellen vor sich und 
muß dadurch eine stärkere Wirkung erzielen, einem größeren Drucke 
gewachsen sein. Die Heilung erfolgt zwar niemals per primam, 
sondern auf dem Wege der Eiterung, aber der kosmetische Effekt 
nach der Operation ist ein recht guter. 

In den von mir bisher behandelten Fällen ist der Erfolg ein 
bleibender gewesen, obwohl es sich um Fohlen im Alter von 1 bis 
2 Jahren handelte, bei denen vorher andere Methoden erfolglos ver¬ 
sucht worden waren. Die Methode besitzt gegenüber dem Abnähen 
und Abkluppen den Vorzug der größeren Sicherheit, andererseits 
ist die Gefahr der Peritonitis viel geringer als bei der Radikal¬ 
operation. 

Ueber das Verfahren der Paraffin-Einspritzung vermag ich 
ein eigenes Urteil nicht abzugeben, da diese ßehandlungsweise in 
unserer Klinik noch nicht versucht wurde. 



Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden. 


35 


Literatur. 

1) Ableitner, Die Behandlung des Nabelbruch es. Oesterr. Monatsschr. f. Tier- 
heilk. 1885. S. 6. 

2) Bayer, Tierärztliche Operationslehrc. 1906. III. Aufl. S. 496. 

3) Bonnaud, Journal de raed. vet. 1868. 

4) Bouley, Dictionnaire pratique. 1874. Les hernies ombilicales. 

5) Cordclier, De la eure radicale des hemies. Recueil de med. vet. 1896. p. 660 

6) Degive, Annales de raed. vet. 1884 u. 1887. p. 25. 

7) Derselbe, Precis de medecine operatoire. Bruxelles 1908. p. 379. 

8) Eggmann, Schweizer Archiv für Tierheilkunde, 1894. S. 12. 

9) Eleonet, Recueil de med. vet. 1867. p. 193. 

10) Esser, Mitt. a. d. tierärztl. Praxis im preuß. Staate. Neue Folge. 1881/1882 

11) Fröhner, E., Spezielle Chirurgie für Tierärzte. III. Aufl. 1905. 

12) Derselbe, Radikaloperation eines Nabelbruches. Wochenschr. f. Tierheilk. 
1884. S. 205. 

13) Derselbe, Monatsh. f. Tierheilk. Bd. VII. S. 21. 

14) Derselbe, Radikaloperation eines inkarzerierten Nabelbruches. Ebendas. 
Bd. VIII. S. 15. 

15) Derselbe, Geheilter Nabelbruch. Ebendas. Bd. 14. S. 475. 

16) Frick, Tierärztliche Operationslehre. 1906. S. 223. 

17) Foelen, Annal. de med. vöt. 1867. 

18) Gmelin, Die Krankheiten des Nabels. Handbuch der tierärztl. Chirurgie 
von Bayer und Fröhner. Bd. III. II. Teil. S. 419. 

19) Graser, Handbuch der praktischen Chirurgie von v. Bergmann, v. Bruns u. 
v. Mikulicz. 1902. Bd. II. 

20) Gutmann, Handbuch der tierärztl. Chirurgie von Bayer u. Fröhner. III. Bd. 
1908. 2. Teil. 2. Aufl. S. 135. 

21) Hendrickx, Considerations sur la hernie orabilicaie du poulain. Annales de 
med. vet. Juin 1906. 

22) Hering, Operationslehre für Tierärzte. VI. Aufl. 1897. 

23) Hertwig, Handbuch der Chirurgie. VII. Aufl. 1874. 

24) Himraelstoß, Wochenschr. f. Tierheilk. 1894. S. 333. 

25) Krämer, Die Operation der Nabelbrüche. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1894. 
S. 54. 

26) Imminger, Eine neue Behandlung der Nabelbrüche. Repertorium der Tier¬ 
heilk. 1891. S. 77. 

27) Derselbe, Einiges über Aluminium. Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 491. 

28) Lehndorff, Graf, Handbuch für Pferdezüchter. 1909. V. Aufl. S. 131. 

28 a) Leib enger, Wochenschr. f. Tierheilk. 1900. S. 265. 

29) Leipold, Ebendas. 1903. S. 257. 

30) Lenormand, Recueil de med. vet. 1891. 

31) Liebl, Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 195. 

32) Lomas, The veterinarian. 1872. 

33; Lucet, Recueil de med. vet. 1886 u. 1891. 

34) Markcrt, Wochenschr. f. Tierheilk. 1891. S. 143. 


3 



36 CASPER, Beitrag zur Behandlung der Nabelbrüche bei Pferden. 

35) Mauri, Revue vet6rinaire. 1882 u. 1890. 

36) Molinid, Recueil de möd. vöt. 1877. 

37) Möller, Lehrbuch der speziellen Chirurgie. IV. Aufl. 

38) Müller, Die Krankheiten des Hundes. II. Aufl. 

39) Pütz, Oesterr. Zeitschr. f. wissenschaftl. Yeterinärk. 1891. IV. Bd. S. 65. 

40) Peuch, Journal de med. vet. 1868 u. 1878. 

41) Riedinger, Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 194. 

42) Riehlein, Ueber Nabel- und Bauchbrüche. Berl. tierärztl. Wochenschr. 
1909. S. 323. 

43) Rolland, Recueil de med. vöt. 1903. p. 641. 

44) Rupp, Tierärztliche Rundschau. 1909. Nr. 41. S. 327. 

45) Schmutterer, Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 195. 

46) Siedamgrotzky, Bericht über das Veterinärwesen im Kgr. Sachsen. 1879 
S. 86; 1886. S. 25. 

47) Stenger, Wochenschr. f. Tierheilk. 1893. S. 196. 

48) Stockfleth, Handbuch der tierärztl. Chirurgie. Bd. II. II. 3. S. 401 ff. 

49) Stoß, Fissura abdominalis bei sämtlichen Föten einer Katze. Deutsche Zeit¬ 
schrift f. Ticrmed. 1892. Bd. XVIH. S. 44. 

50) Trelut, Recueil de med. vet. 1894. 

51) Vennerholm, Spezielle Operationslehre des Pferdes. 1907. S. 352. 

52) Weigenthaler, Wochenschr. f. Tierheilk. 1900. No. 27. 

53) Wicsner, Berl. tierärztl. Wochenschr. 1890. S. 177. 

54) Zahn, Deutsche tierärztl. Wochenschr. 1895. S. 143. 

55) Zwicker, Berl. tierärztl. Wochenschr. 1898. S. 265. 



IV. 

Aas dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Hannover. 

Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestut Beberbeck 
während des Winters 1907/08. 

Von 

Geh. Reg.- u. Med.-Rat Prof. Dr. Dammann. 


Ein umfangreiches seuchenhaftes Verfohlen ist im Laufe der 
Jahrzehnte zu wiederholten Malen beobachtet worden, u. a. von 
Guillerey 1 ), welcher eine interessante Zusammenstellung der bisher 
bekannt gewordenen Fälle lieferte und seine eigenen in der Ajoie 
suisse, einer am Nordabhang des Jura, in der Nähe von Beifort, 
während der Jahre 1897—1899 hierüber gemachten Wahrnehmungen 
hinzufügte. Er sprach sich mit Bestimmtheit dahin aus, daß das 
seuchenartige Verwerfen ausschließlich kontagiöser Natur sei: den Er¬ 
reger derselben hat er aber nicht nachgewiesen. 

Dagegen will Ostertag 2 ) einen solchen ermittelt haben, als im 
Winter 1899/1900 in den meisten preußischen Staatsgestüten, in 
Trakehnen, Graditz, IJoppegarten, Neustadt a. d. Dosse und Beber¬ 
beck, ein ausgebreitetes Verfohlen aufgetreten war und er Gelegenheit 
erhielt, an frisch durch besondere Boten aus Graditz und Hoppe¬ 
garten in sein Institut beförderten Eihäuten und Fohlen Untersuchungen 
anzustellen. Ueberraschender Weise war es aber nicht der wenige 
Jahre vorher von Bang unter Mitwirkung von Stribolt als Erreger 
des ansteckenden Verkalbens nachgewiesene kleine, kurze und ver¬ 
hältnismäßig dicke, gekörnte Bazillus, sondern ein kurzer Streptokokkus, 
welchen er in ursächliche Beziehung zu dem seuchcnhaften Verfohlen 


1) Arch. f. Wissenschaft! u. prakt. Tierheilkunde. Bd. XXIX. 1903. S. 37. 

2) Monatsh. f. prakt. Tierheilkunde. Bd. XII. 1901. S. 385. — Handb. d. 
pathogenen Mikroorganismen. 1903. III. 287. 



38 


DAMMANN, 


brachte. Alle seine Versuche, den Bangschen Abortusbazillus in 
Ausstrichpräparaten nachzuweisen und in den nach den Angaben von 
Bang in Seruraagar angelegten Kulturen zur Entwickelung zu bringen, 
schlugen fehl. Die bezeichneten Streptokokken hingegen, und zwar 
solche, welche sich nach Gram nicht färbten, wurden von ihm sowohl 
im subchorialen Oedem als auch im Herzblut, in der Brusthöhlen¬ 
flüssigkeit und im Mageninhalt der totgeborenen Fohlen gefunden. 
Im Körper der Früchte fanden sie sich in sieben Fällen in Reinkultur, 
in den übrigen Fällen aber, sowie stets auf der Oberfläche des 
Chorions, in Gemeinschaft mit anderen Bakterien und an letzterer 
Stelle zu zwei und mehr Exemplaren im Protoplasma von Epithel¬ 
zellen eingeschlossen. Die Kultur gelingt nach Ostertag noch am 
besten in Serurabouillon, in dem Transsudat aus der Brusthöhle der 
Abortusfohlen und auf Serumagar. In Serumbouillon und im Trans¬ 
sudate erzeugen die Streptokokken nach zweitägigem Wachstum eine 
gleichmäßige Trübung, um sich nach weiteren zwei Tagen zu Boden 
zu senken. Auf Serumagar wachsen sie in Form eines zarten, mit 
bloßem Auge kaum wahrnehmbaren Belages, in Serumagar als 
schwacher, von der Oberfläche bis zum Boden des Kulturröhrchens 
reichender Faden. Die Kulturen werden mit jeder Generation schwerer 
überimpfbar. 

Von vier trächtigen Stuten, an denen Infektionsversuche vorge¬ 
nommen wurden, verwarfen zwei, die eine, welche eine intravenöse 
Injektion von 20 ccm Bouillonkultur aus Lederhaut von einem Gra- 
ditzer Abortfohlen in die Drosselvene bekommen hatte, nach 20 Tagen, 
die andere, welcher ein Chorionstückchen von einem solchen Fohlen 
in die Scheide gebracht war, schon nach 8 Tagen. Die Untersuchung 
wies in dem ersteren Falle auf der Lederhaut und im Herzblut des 
totgeborenen Fohlens sowie in dem graurötlichen dicken Belag der 
Gebärmutter der Tags darauf getöteten Stute Abortuskokken nach. 
In dem zweiten Falle fanden sich solche auf der Lederhaut des 
Fohlens und im Scheidenausfluß der Stute. Die beiden anderen Ver¬ 
suchsstuten, von denen die eine Brusthöhlenflüssigkeit eines Abort¬ 
fohlens aus lloppegarten in die Jugularvene gespritzt bekommen 
hatte, während der anderen Bouillonkultur aus dem Scheidenausfluß 
der vorhin genannten Stute, welche nach 8 Tagen abortierte, in die 
Vagina gebracht war, brachten lebende, W'enn auch sehr schwache 
Fohlen zur Welt. 

Einführen von Eihautfetzen von Stuten, welche verfohlt hatten, 



Das seuchenhafte Verfoblen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 39 

in die Scheide von 10 Kühen und 2 Ziegen brachten bei diesen keinen 
Abortus zu Wege. Dies erscheint um so bemerkenswerter, als es 
Bang bekanntlich gelungen ist, auch bei einer trächtigen Stute durch 
Injektion von 25 ccm der Kultur seines Abortusbazillus in die 
Scheide nach 28 Tagen eine Frühgeburt herbeizuführen und in dem 
Chorionexsudat auch in diesem Falle zahlreiche Exemplare seines 
Bazillus nachgewiesen werden konnten. 

In den folgenden Jahren sind Fälle eines seuchenhaften Ver- 
fohlens in den genannten preußischen Staatsgestüten nicht wieder vor¬ 
gekommen. 

Erst im Winter 1907/08 stellte sich diese Kalamität im Haupt¬ 
gestüt Beberbeck und nur in diesem wieder ein. Von dem Auf¬ 
treten derselben gab mir, nachdem mir bereits am 15. Februar ein 
zwar lebend geborenes, aber nach etwa 36 Stunden eingegangenes 
Fohlen von dort zur Untersuchung eingeschickt war, ein auf Ver¬ 
fügung des Herrn Landwirtschafts-Ministers vom 18. Februar 1908 
mir übermittelter Bericht des Gestütsinspektors Veterinärrat Mieckley 
vom 13. Februar nähere Kenntnis. Danach hatten vom 4. Januar 
bis zu dem ebengenannten Tage in kurzen Zwischenräumen 10 Mutter¬ 
stuten, sämtlich im 9. oder 10. Monat der Trächtigkeit, verfohlt; 
außerdem waren 4 lebendgeborene Fohlen innerhalb einiger Stunden 
nach der Geburt an Lebensschwäche eingegangen, und als besonders 
auffallend w'urde hervorgehoben, daß seit dem 7. Februar 6 noch 
trächtige und 2 bereits säugende Mutterstuten von einer „infektiösen 
Rückenmarkslähmung“ mit ataktischen Bewegungen der Gliedmaßen, 
gelblich gefärbten Kopfschleimhäuten bei normaler oder subnormaler 
Körpertemperatur ergriffen worden seien. 

Infolge telegraphischer Anordnung des Herrn Ministers nahm ich 
am 2. März eine Lokaluntersuchung in Beberbeck vor. Hierbei er¬ 
fuhr ich zunächst, daß im Frühjahr 1907 insgesamt 101 Mutterstuten, 
darunter 2 fremden Besitzern gehörende, welche beide bis zur Ab- 
fohlzeit 1908 im Gestüt verblieben, gedeckt waren. 

Von den 99 besprungenen Gestütsstuten waren 67 tragend ge¬ 
worden, 32 dagegen giist geblieben. 

Von den 67 trächtig gewordenen Stuten waren bis zum Tage 
meines Dortseins 2 — und zwar am 7. November 1907 und am 
16. Januar 1908 — an Kolik eingegangen, 1 — am 16. August 1907 — 
wegen Kreuzlähmung getötet worden. 



40 


DAMMANN, 


Von diesem liest von 64 trächtigen Stuten hatten bis zu dem 
genannten Tage (2. März) 

30 Stuten tote Fohlen geworfen, 

7 Stuten lebensunfähige, bald nach der Geburt gestorbene 
Fohlen geboren, 
und nur 

19 Stuten lebende und am Leben gebliebene Fohlen gebracht. 

Es standen nur noch 8 trächtige Stuten da, von denen Fohlen 
erwartet werden durften. 

Leber die Haltung der Stuten im dortigen Gestüt belehrten mich 
meine Erhebungen wie folgt. 

Die bereits trächtigen Stuten werden alljährlich im Frühjahr, wenn 
die Weidezeit naht — Mitte Mai —, durch Abzug von Hafer und Heu vor¬ 
bereitet und kommen täglich für einige Stunden auf die Weide. Ist 
das Wetter dann günstig, so werden die Stuten nach einigen Tagen 
beschränkten Weidens Tag und Nacht auf der Weide belassen. Sie 
kommen dann vor Oktober nicht mehr in den Stall und müssen sich 
lediglich durch den Weidegang ernähren. Die Weideplätze werden 
selbstredend nach Bedarf gewechselt. 

Die Stuten haben auf der Weide keinen Unterschlupf, sondern 
müssen die Unbilden der Witterung ohne Schutz ertragen. 

Von der Zeit an, wo die Nächte kalt zu werden beginnen und 
die Stuten für die Nacht in den Stall genommen werden müssen, er¬ 
halten sie anfänglich (im Oktober) pro Tag und Kopf 2 Pfd. Hafer 
und ca. 5 Pfd. Heu. Diese Ration steigt bis zur vollen Winterauf¬ 
stallung auf täglich 5 Pfd. Hafer und beliebige Mengen Heu — 12 Pfd. 
und darüber. — 

Säugende Stuten erhalten 8 Pfd. Hafer und die eben genannte 
Quantität Heu. 

Während der Winterzeit wird sämtlichen Stuten wöchentlich 
einmal abends ein Maschfutter aus Weizenkleie und etwas Wachholder¬ 
beeren gereicht. Salzsteine sind zum Lecken ad libitum in den 
Krippen vorhanden. 

Der Sommer 1907 war besonders naß und kalt und hierunter 
haben die Mutterstuten wohl erheblich gelitten. Sie kamen deshalb 
trotz der größeren Zahl guter Tage, welche der Herbst noch brachte, 
miserabel zur Aufstallung. 

Der Stutenstall selber macht, soweit man es bei einmaliger Be¬ 
sichtigung beurteilen kann, den Eindruck eines feuchten Stalles, 


von 



Das seuchenbafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 41 

dem mir gesagt wurde, daß er selbst bei Evakuierung im Sommer 
au heißen Tagen nicht trocken ist. 

Der Laufhof, auf dem die Stuten während des Winters die nötige 
Bewegung finden, dessen Unterlage Gips ist, soll nach der mir ge¬ 
machten Angabe in diesem Winter nie trocken gewesen sein. Der 
Schmutz spritzte den tragenden Stuten an den Bauch, und nach dem 
Bewegen sollen die Leute nicht imstande gewesen sein, sie trocken 
zu bekommen. 

Das den Stuten im Stalle gereichte Heu und der Hafer waren, 
so heißt es, von bester Qualität und gut geerntet. Indessen sollen 
die Gräser einer ira Juli und August von den Stuten begangenen 
Koppel von einem benachbarten stark befallenen Weizenfelde her 
viel Rostpilze gehabt haben. Auch hat es sich ereignet, daß in der 
Zeit vom 28. Januar bis 3. Februar 1908 Hafer zur Verwendung kam, 
der geringen Bodengeruch besaß. 

Es verdient hervorgehoben zu werden, daß fast alle hier in Be¬ 
tracht kommenden Stuten bei der Deckung künstlich nachbefruchtet 
sind. Dies ist in der Weise ausgeführt worden, daß nach dem 
Sprunge der in der Scheide enthaltene Same ausgekratzt, in eine 
Spritze gebracht und mittels dieser durch den Muttermund in die Ge¬ 
bärmutter befördert wurde. 

Bezüglich der seit dem 7. Februar bei 8 Stuten aufgetretenen 
.,infektiösen Rückenmarkslähmung“ hat Veterinärrat Mickley noch 
angegeben, daß die davon betroffenen Tiere im Gange schwankten, 
daß deren Konjunktiven schmutzig rot gefärbt und leicht ödematös 
geschwollen, die Maulschleimhaut gelblich gefärbt, die Freßlust wenig 
gestört, die Temperatur kaum erhöht, oft anfänglich sogar subnormal 
war und daß dieser Zustand sich nach und nach besserte. Von 
diesen 8 Stuten brachten 6 bereits so erkrankte tote Junge zur 
Welt, während bei zweien dieser Krankheitszustand sieh erst ein¬ 
stellte, nachdem sie schon normal geboren hatten. Diese letzteren 
beiden säugten ihre Fohlen auch groß. 


Im Hinblick auf das seuchenartige Auftreten des Verfohlens 
mußte sich natürlich in erster Linie der Gedanke aufdrängen, daß 
dieses einen infektiösen, ansteckenden Charakter an sich trage. Die 
in dieser Beziehung gemeinsam mit dem Herrn Landstallmeister und 
und dem Herrn Gestütsinspektor angestellten Erwägungen vermochten 



42 


DAMMANN, 


indes keinerlei Anhaltspunkte dafür zu liefern, wie der Ansteckungs¬ 
erreger hätte eingeschleppt sein können. 

Im Vorjahre hatte kein ansteckendes Abortieren in Beberbeck 
geherrscht. 

Die 2 fremden im Gestüt befindlichen Stuten konnten den In¬ 
fektionserreger schlechterdings nicht mitgebracht haben. 

Einige andere fremde, auswärts stehende Stuten waren zwar 
von zwei oder drei der Hauptbeschäler im Jahre 1907 besprungen 
worden, aber die Mutterstuten des Hauptgestüts, welche weiterhin 
verfohlten, hatten nicht etwa bloß von diesen Beschälern ihren Sprung 
erhalten, sondern an deren Deckung waren sämtliche Hauptbeschäler 
beteiligt. 

Nichtsdestoweniger wurde von mir für nötig erachtet, die Sache 
zunächst so aufzufassen, als ob es sich um ein ansteckendes 
Verfohlen handle, und demgemäß scharf hervorgehoben, wie es 
notwendig sei, 

den abortierten Fötus nebst den Eihäuten und den Dünger der be¬ 
treffenden Box sowie wertlose Gegenstände (Besen, Putzlappen) jedes¬ 
mal sofort zu verbrennen, 

die Box selber und die Jaucherinnen gründlich und sorgfältig 
zu desinfizieren, 

ingleichen eine gründliche Reinigung der Hände, Stiefel und 
Kleidung der Wärter der Stute, welche verfohlt hat, vorzunehmen, 
die betreffende Stute zu isolieren und ihr, solange der noch ge¬ 
öffnete Muttermund es gestattet, täglich 2 mal die Gebärmutter mit 
y 2 proz. lauwarmem Lysolwasscr auszuspülen, 

die Wärter der letzteren samt ihren Geräten von den anderen 
Stuten fernzuhalten und umgekehrt, 

die Stuten, welche abortiert haben, frühestens 6 Wochen nach 
dem Ablauf ihrer normalen Tragezeit wieder decken zu lassen, 

die Rute der Beschäler, welche den Sprung ausführen sollen, 
vor und nach jedem Sprung durch Infundieren großer Mengen der¬ 
selben Lysollösung in den Schlauch gründlich zu desinfizieren. 

Diese Maßnahmen waren in der Hauptsache auch bereits an¬ 
geordnet. 

Die Entscheidung der Frage, ob ein Infektionserreger das 
seuchenartige Verfohlen in Beberbeck verschuldet habe, 
oder auf welches sonstige ätiologische Moment dasselbe 



Das seuchenhafte Verfehlen im Hanpigestät Beberbeck usw. 


43 


etwa zurückzuführen sei, ließ umfangreiche exakte Unter¬ 
suchungen und Versuche notwendig erscheinen. So nahe der Ge¬ 
danke an den infektiösen Charakter der Seuche auch liegen mochte, 
immerhin mußte doch auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, 
daß die Ursache in dem Futter oder dem Trinkwasser zu suchen 
sei. Untersuchungen dieser Materialien mußten also nebenher laufen. 

Die zur Klarstellung ausgeführten Arbeiten gliederten sich dem¬ 
nach in folgende: 

I. Untersuchungen der abortierten Fohlen und Ei¬ 
häute, 

II. Versuche der Uebertragung des Abortierens durch 
Teile der Föten bezw. Eihäute und durch aus diesen 
gezüchtete Kulturen, 

III. Versuche der Hervorrufung des Yerwerfens durch 
in Beberbeck verwendetes Futter, 

IV. Untersuchung des Beberbecker Trinkwassers. 

Ich lasse die einzelnen Arbeiten und deren Ergebnisse folgen. 

I. Untersuchungen der abortierten Fohlen nnd Eihäute nnd 
anderer von Normalgeburten ans Herrenhansen stammender Eihänte. 

Entsprechend der Anordnung des Herrn Ministers für Landwirt¬ 
schaft, Domänen und Forsten und meinen Wünschen gemäß sind 
mir die Eihüllen nebst den Fohlenkadavern bezw. Teilen letzterer von 
8 Aborten aus Beberbeck zugegangen. Dieselben wurden jedesmal 
so frisch wie möglich durch besondere Boten in das hygienische In¬ 
stitut der Hochschule gebracht. 

Bei den Untersuchungen mußte, abgesehen von den bei der 
Sektion zu ermittelnden krankhaften Veränderungen an den Eihäuten 
und in dem Fohlenkadaver, vor allem darauf Gewicht gelegt werden, 
ob sich der von Ostertag entdeckte und von ihm als Erreger des 
infektiösen Abortus der Stuten angesprochene kurze Streptokokkus 
ausfindig machen lasse. 

Fohlen 1 . Am 13. 2. 1908 wurden vom Gestütstierarzt 
Höpcrmann ein abortiertes Fohlen (Fohlen 1 von der Ostara 
stammend) mit Eihäuten (aufgeschnitten), außerdem 2 Herzen, 
2 Nieren, 1 Milzstück und 1 Stück Eihaut von anderen abortierten 
Fohlen überbracht. 

Obduktionsbefund der Fohlen: Starke Gelbfärbung des subkutanen, 
intcrrauskulären, retroperitonealcn, subpleuralen, subepikardialen und des intra- 
orbitalen Fettgewebes. Auch die Gelenkknorpel und die Intima der Gefäße sind 



44 DAMMANN, 

gelblich verfärbt Die eigentliche Sklera hat nur einen schwach gelblichen Farben¬ 
ton. sie schimmert aber auch durch das sie bedeckende auffallend gelb gefärbte 
Augenfettgewebe intensiv gelb durch. Auch die Maulschleimhaut, der Kehldeckel 
und die Lidbindehäute sind leicht gelblich verfärbt. Der Nabel und die Nabel¬ 
gefäße zeigen keine Besonderheiten. 

In der Bauchhöhle etwa 70 ccm einer rötlich-gelben, schwach getrübten 
Flüssigkeit; ebensolche Flüssigkeit, ca. 40 ccm, in den Bauchfellsäcken. Im 
Herzbeutel etwa 2 Eßlöffel voll einer klaren goldgelbgefärbten Flüssigkeit. Außer¬ 
dem sieht man subepikardiale und subendokardiale Blutungen, einige auch im Peri¬ 
kard. Die Darmschleimhaut ist stellenweise diffus und ramiform gerötet. Sonst 
sind keine Besonderheiten festzustellen. Leber sehr blutreich. Die Darmlymph- 
drüsen sind nicht geschwollen. Blut schwarzrot und nicht geronnen. Es finden 
sich nur einige kleine schlaffe Gerinnsel in der rechten Herzkammer. 

Das Chorion (auch von dem mitüberbrachten Eihautstück) ist braunrot ge¬ 
färbt und verhältnismäßig trocken. Subchoriales Oedem ist an keiner Stelle fest¬ 
zustellen. 

Die miteinge,sandten Organe zeigten keine pathologisch-anatomischen Besonder¬ 
heiten. 

Mikroskopisch fanden sich im Herzblut, in den großen Körperparenchymen 
und in den Körperflüssigkeiten keine Bakterien. Auf damit beschicktem Agar und 
Serum-Agar wuchsen nur vereinzelte grauweiße Kolonien, die aus kurzen, plumpen, 
nicht gramfesten Stäbchen (Koli) bestanden. 

Im Chorionausstrich waren mikroskopisch neben vereinzelten koliähnlichen 
Bakterien auch einzelne Kokken nachzuweisen. In den angelegten Kulturen 
wuchsen die betreffenden Koli- und Staphylokokkenkolonien. 

Der Erreger des infektiösen Abortus (Bang) war weder mikroskopisch noch 
kulturell nachzuweisen. 

Fohlen 2. Am 14. 2. 1908 wurde ein Fohlen (Fohlen 2 ) mit 
Eihäuten übersandt. 

Die sofort vorgenommene Sektion ergab folgendes: 

Gelbfärbung weniger ausgesprochen als bei Fohlen 1. In der Bauchhöhle 
eine größere Menge von ca. 3 / 4 Liter blutigroter Flüssigkeit. In geringerer Menge 
Findet sich auch eine solche Flüssigkeit in der Brusthöhle. Im Herzbeutel ca. 1 E߬ 
löffel voll einer klaren gelblichroten Flüssigkeit. Sonst keine Besonderheiten. 

Chorion braunrot gefärbt und verhältnismäßig trocken. 

Mikroskopisch und kulturell konnten im Blute, in den inneren Organen 
und in den Flüssigkeiten in den Körperhöhlen keinerlei Bakterien nachgewiesen 
werden. Ebenso erwies sich auch das Chorion steril. 

Der Erreger des infektiösen Abortus (Bang) konnte weder mikroskopisch 
noch kulturell ermittelt werden. 

Fohlen 3 . Ara 15. 2. 1908 wurde ein Fohlen (Fohlen 3) durch 
Boten überbracht, welches angeblich 2 Tage gelebt und aus der 
Flasche Milch getrunken hat, aber nicht aufstehen konnte. 

Obduktionsbefund: Starke Gelbfärbung wie bei Fohlen 1. 

In der Brusthöhle eine mäßige Menge rötlicher Flüssigkeit, in der Bauch¬ 
höhle etwas mehr. Im Herzbeutel gelbrote Flüssigkeit in mäßiger Menge. Unter 



Das seuobenhafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 45 

dem Epikard einige Blutungen. Dünndarmschleimhaut stellenweise diffus und rami- 
form gerötet. Im Magen geronnene Milch und einige Strohhalme. Darmlymph- 
drüsen und die übrigen Lymphdrüsen zeigen keine Besonderheiten. Sonst auch 
keine Abweichungen zu konstatieren. 

Mikroskopisch und kulturell konnten in dem Herzblut und den inneren 
Organen sowie in den Körperhöhlenflüssigkeiten nur Kolibazillen nachgewiesen 
werden. 

Fohlen 4 . Am 18. 2 . 1908 wurden übersandt Eihäute, Herz 
und Niere eines abortierten Fohlens (Fohlen 4) und Herz und Niere 
eines anderen abortierten Fohlens. 

Das subepikardiale Fettgewebe an der Kranzfurche beider Herzen ist intensiv 
gelb gefärbt. Die Nieren zeigen keine Besonderheiten. Das Blut beider Herzen 
erweist sich bei mikroskopischer und kultureller Untersuchung als steril. 

Das Chorion ist größtenteils graurot gefärbt und schmierig, nur an einer 
Stelle in der Ausdehnung von 2 Suppentellern dunkelrot gefärbt und trockener. Auf 
dem Chorion befindet sich in mäßiger Menge eine hellgraue Flüssigkeit von milch- 
artiger Konsistenz. 

Mikroskopisch konnten im Chorionausstrich kurze (dickere und dünner?) 
Stäbchen, oft zu zweien hintereinander liegend, außerdem längere Stäbchen und 
Kokken nachgewiesen werden. Dieselben Bakterienformen konnten auch-in Kultur 
vermittelst des Isolierungsverfahrens gewonnen werden. Der Erreger des infek¬ 
tiösen Abortus (Bang) konnte weder mikroskopisch noch kulturell nachgewiesen 
werden. 

Fohlen 5 . Ara 19. 2. 1908 nachmittags wurden vom Gestüts¬ 
tierarzt Höperraann die Eihäute und das Herz eines abortierten 
Fohlens (Fohlen 5) überbracht. 

Das Herzblut erwies sich mikroskopisch und kulturell als steril. 

Das Chorion ist überall dunkelrot gefärbt und feucht; außerdem bedeckt mit 
einer geringen Menge einer hellgrauen Flüssigkeit von milchartiger Konsistenz. 

Mikroskopisch waren im Chorionausstrich keine Bakterien zu finden. Auf 
der Kultur gingen vereinzelte Kolonien, bestehend aus plumpen, an den Enden 
abgerundeten, gramfesten Stäbchen auf. 

Der Erreger des infektiösen Abortus (Bang) war weder mikroskopisch noch 
kulturell zu ermitteln. 

Fohlen 6 . Am 25. 2 . 1908 wurden die Eihäute von einer am 
19. 6 . 1907 gedeckten Stute übersandt, welche am 25. 2 . 1908 ver- 
fohlt hatte (Fohlen 6 ). 

Chorion teils dunkelrot, teils rötlichgrau gefärbt; es ist bedeckt mit einer 
mäßigen Menge einer hellgrauen, trüben, geruchlosen Flüssigkeit von milchartiger 
Konsistenz. In den rötlichgrau gefärbten Partien ist das Chorion schmierig. Kein 
subchoriales Oedem. 

Mikroskopisch fanden sich im Ausstrich vom Chorion vereinzelte plumpe 
Stäbchen neben ganz vereinzelten Diplokokken, die extrazellulär gelagert waren. 
Kulturell auf Agar waren diese beiden Formen ebenfalls zu ermitteln. Im 
Kulturausstrich waren die Diplokokken größtenteils zu einer Kette nach Art eines 



46 DAMMANN, 

Streptokokkus hintereinander gelagert. Die Diplo - Streptokokken erwiesen sich 
als gramfest. Sie wuchsen auf Agar nur spärlich, dagegen auf Serum-Agar (1:3) 
sehr gut. 

Fohlen 7 . Ara 8 . 3. 1908 nachmittags wurde durch Boten ein 
Fohlen mit Eihäuten von der „Pastete“ (Fohlen 7) überbracht. Die 
Stute soll den 7. 3. nachmittags 4 Uhr gefohlt haben und die Nach¬ 
geburt sofort abgegangen sein. Das Fohlen soll nur 12 Stunden ge¬ 
lebt haben, hat sich angeblich nicht erheben können und keine 
Lebensenergie gezeigt. 

Die Stute war angeblich am 17. 4. 1907 gedeckt und sollte am 
17. 3 1908 fohlen. 

Obduktionsbefund am 9. 3. morgens: Auffallend starke Gelbfärbung wie 
bei Fohlen 1. Außerdem erscheint die Rindenschieht der linken Niere gelblich 
verfärbt. In der Bauchhöhle etwa 50 ccm einer beim durchfallenden Lichte gold¬ 
gelben, beim auffallenden Lichte rotgelben, schwach getrübten Flüssigkeit. Eben¬ 
solche Flüssigkeit findet sich auch im Herzbeutel in einer Menge von 25 ccm. In 
der Brusthöhle kein Inhalt. In der Magenschleimhaut mehrere feinste bis steck¬ 
nadelkopfgroße und einige hanfkorngroße Blutungen. Dünndarm- und Dickdarm- 
schleimhaut stellenweise starkramiform gerötet. Kleine Blutungen finden sich 
unter dem Epikard und Endokard. Blut schlecht geronnen. In der Luftröhre kurz- 
streifige Blutungen. Lungen intakt. Gelenke ohne Veränderungen. Am Nabel 
keine Besonderheiten. Blut- und Herzbeutclfliissigkeit erwiesen sich bei baktc- 
rioskopischer und kultureller Prüfung als steril. 

Chorion dunkelrot, teilweise auch hellerrot gefärbt. Es ist bedeckt mit einer 
größeren Menge einer hellgrauen Flüssigkeit von milehartiger Konsistenz. Kein 
subchoriales Ocdem. Im Chorionausstrich 2 kurze, diplokokkenartige Stäbchen 
neben vereinzelten plumpen Stäbchen und vereinzelte Kokken ermittelt. 

Kulturell sind durch das Trennungsverfahren rein gezüchtet: nicht gram- 
feste, kurze diplokokkenartige Stäbchen und plumpe, an den Enden leicht ab¬ 
gerundete Stäbchen und Staphylokokken. 

Fohlen 8. Ara 20. 3. 1908 nachmittags wurde durch Boten 
('in Fohlen mit Eihäuten (Fohlen 8 ) überbracht. Das Fohlen soll 
noch lebend am 20 . 3. früh 2 Uhr geboren, aber während des Ge¬ 
burtsaktes gestorben, die Nachgeburt 9 Stunden später abgegangen 
sein. Die Stute sollte angeblich am 8 . 3. fohlen, soll aber für ge¬ 
wöhnlich immer etwas länger, 340—346 Tage, tragen. 

Der sofort aufgenommene Obduktionsbefund ergab folgendes: 

Keine Gelbfärbung. Nur das Augenhöhlenfett hat einen leicht schmutzig 
gelben Farben ton. Die Sklera ist rein weiß gefärbt. Am Nabelstrang und den 

Nabelgefäßen keine Besonderheiten. In der Bauchhöhle ca. 50 ccm einer gelb ge¬ 

färbten klaren Flüssigkeit. Die äußere Wand des Kolon und des Mastdarms ist 
gelblichgrün gefärbt und mit konsistenten Kotballen gefüllt. Die Dünn- und 
Diokdarmschleimhaut ist größtenteils diffus oder ramiform rot gefärbt. Die Lymph- 
drüsen sind nicht verändert. Die Lebci ist sehr blutreich. Milz ohne Verände¬ 
rungen. Das Blut ist nicht geronnen und schwarzrot gefärbt. Es finden sich nur 

einige lockere Gerinnsel in der rechten Herzkammer. In der Brusthöhle ca. 30 ccm 



Das seuchenhafte Verfohlen im Hauptgestüt Boberbeck usw. 


47 


einer leicht getrübten schwachgelblichen Flüssigkeit. Im Herzbeutel etwa 50 ccm 
einer goldgelben klaren Flüssigkeit. Es finden sich perikardiale, subepikardiale 
und subendokardiale Blutungen vor. Die Gelenkknorpel sind nicht gelb gefärbt. 

Im Herzblut, in der Herzbeutel-, Brusthöhlen- und Bauchhöhlenflüssigkeit finden 
sieh mikroskopisch keine Bakterien, auch kulturell waren keine nachzuweisen. 
(Die Kulturen sind 3 Tage lang im Brutschrank gehalten.) 

Das Chorion ist teils dunkelrot teils mehr hellrot teils graurot (vor¬ 
herrschend grau) gefärbt. In den graugefärbten Partien ist das Chorion schmierig. 
In den dunkelrot und hellrot gefärbten Partien ist das Chorion an mehreren 
Stellen mit einem schmutzig graugelben, trüben, leicht abhebbaren, fibrinartigen 
Belag bedeckt. Die Beläge haben bis pfennigstückgroße Dimensionen. Mikro¬ 
skopisch betrachtet bestehen diese Beläge aus eng aneinanderliegenden großen, 
wenig scharf konturierten Epithelien. Stellenweise findet sich auch auf dem auf- 
geschnittenen Chorion eine hellgraue Flüssigkeit von railchartiger Konsistenz vor. 
Kein subchoriales Oedem. 

Mikroskopisch waren im Chorionausstrich (ganz gleichgültig an welcher 
Stelle entnommen) neben vereinzelten kurzen plumpen und längeren plumpen 
Stäbchen zahlreiche extrazellulär gelagerte Diplokokken, die vereinzelt zu einem 
Haufen zusammengelagert, vereinzelt auch in kurzen Ketten hintereinander gereiht 
waren, nachzuweisen. 

Kulturell konnten durch das Trennungsverfahren rein gezüchtet werden: 
1. Diplokokken, die meistens in kürzeren Ketten hintereinander gereiht und 
gramfest waren, 2. Staphylokokken, 3. kurze plumpe Stäbchen und 
4. längere plumpe Stäbchen. 

Eihäute aus dem Gestüt Herrenhausen. 

Zum Vergleich mit den Beberbecker Eihäuten von Fohlen, 
welche verworfen waren, wurden die Eihäute von 4 Fohlen, welche 
im Gestüt Herrenhausen bei Hannover normal geboren sind, unter¬ 
sucht 

1. Eihäute durch Boten überbracht am 27. 2. 1908 
vormittags. 

Die Stute soll in der Nacht zuvor geboren haben. 

Befund: Chorion stellenweise dunkelrot, stellenweise mehr graurot gefärbt. 
Es ist bedeckt mit einer trüben, hellgrauen, geruchlosen Flüssigkeit von milchiger 
Konsistenz. In kleinen Partien ist die Oberfläche des Chorion schmierig. An einer 
Stelle ist das Subchorion in etwa Suppentellergröße ca. 3 mm dick glasig aufge¬ 
quollen. Beim Einschneiden fließt aus dem Subchorion an dieser Stelle eine 
wasserklare Flüssigkeit ab. 

Mikroskopisch sind im Chorionausstricli nur ganz vereinzelte, kurze, 
plumpe Stäbchen nachzuweisen. 

Kulturell sind kurze plumpe Stäbchen und längere schlankere Stäbchen 
zu ermitteln. 

2. Eihäute durch Boten überbracht am 10. 3. 1908 
vormittags. 



48 


DAMMANN, 


Die Stute soll am 9. 3. 1908 abends 11 Uhr normal gefohlt haben. 

Befund: Chorion größtenteils graurot gefärbt und schmierig, teilweise auch 
dunkelrot gefärbt. In den graurot gefärbten Partien sieht man auch deutlich sich 
abhebende, rot gefärbte Stellen bis Handtellergroße. Das Chorion ist bedeckt mit 
einer trüben grauen Flüssigkeit von milchiger Konsistenz. 

Mikroskopisch sieht man im Ausstrich mehrere extrazellulär gelagerte 
Diplokokken neben mehreren kurzen plumpen Stäbchen und einigen längeren 
plumpen und feinen schlanken Stäbchen. Die Diplokokken lagen ganz vereinzelt 
paarweise hintereinander, so daß man das Bild eines viergliedrigen Streptokokkus 
erhielt. 

Kulturell konnten die bakterioskopisch im Chorionausstrich nachgewiesenen 
Bakterien und außerdem Staphylokokken durch das Trennungsverfahren rein ge¬ 
wonnen werden. Die Diplokokken waren in der Kultur vielfach in kurzen Strepto¬ 
kokkenreihen hintereinander gelagert. Sie waren gramfest. 

3. Eihäute durch Boten überbracht am 18. 4. 1908 

vormittags. 

Die Stute soll in der Nacht vorher gefohlt haben. 

Befund: Chorion zum größten Teil rötlichgrau gefärbt. Innerhalb des röt¬ 
lichgrauen Bezirkes ist das Chorion stellenweise dunkelrot gefärbt. An einer 
Stelle ist es in der Ausdehnung von 3 Suppentellern gleichmäßig dunkelrot gefärbt. 
In den rötlichgrau gefärbten Partien bemerkt man vereinzelt gelblichgraue, fibrin- 
artige Beläge bis zur Größe eines Pfennigs, die sich leicht abheben lassen. 

Bakterioskopisch im Chorionausstrich und kulturell sind Diplokokken, die 
sich zum Teil zu kurzen Ketten hintereinandergereiht haben und gramfest sind, 
neben anderen Bakterien nachzuweisen. Die Diplokokken waren extrazellulär gelagert. 

4. Eihäute durch Boten überbracht am 22. 4. 1908 
vormittags. 

Die Stute soll in der Nacht zuvor gefohlt haben. 

Befund: Chorion größtenteils dunkelrot gefärbt, in kleineren Partien graurot 
und schmierig. Es ist bedeckt mit einer schmutziggrauen, trüben Flüssigkeit von 
milchiger Konsistenz. Vereinzelt liegen auf dem Chorion kleine graue, fibrinartige 
Beläge, die sich leicht abheben lassen. 

Mikroskopisch waren im Chorionausstrich vorwiegend extrazellulär gelagerte 
Diplokokken (einmal 2 Paare hintereinander liegend gesehen) neben vereinzelten 
plumperen und schlankeren Stäbchen nachzuweisen. 

Kulturell konnten durch das Trennungsverfahren die obigen bakterioskopisch 
im Chorionausstrich ermittelten Bakterien und außerdem Staphylokokken rein ge¬ 
wonnen werden. 

Im Kulturausstrich lagen die Diplokokken vielfach zu kurzen Ketten hinter¬ 
einander. Sie waren gramfest. 

II. Infektiousversuehe. 

Diesen Versuchen dienten 4 trächtige Stuten, 1 trächtiges 
Schuf. 2 trächtige Ziegen und je 1 trächtiges Kaninchen 
und Meerschweinchen. 



Das seuchenhafte Verfoblen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 


49 


Von den Stuten stammten 2 aus dem Remontedepot Mecklen¬ 
horst; diese hatte der Herr Kriegsminister auf mein Gesuch uns zur 
Verfügung gestellt. Die beiden anderen Stuten waren mir von 
Privatbesitzern mit der Abmachung überlassen, daß, wenn das Fohlen 
infolge des Versuches tot zur Welt käme, dessen Wert ihnen ersetzt 
werde. Die Stuten hatten dauernd in geräumigen Boxen freie Be¬ 
wegung. 

Versuch 1. Blauschimmelstute (Russe). 4 Jahre alt. 

Ihr wurden am 26. 2. 1908 nachmittags 20 ccm einer Emulsion von dem 
Chorion der obigen Fohlen 6 und 7, außerdem je 2 Stückchen derselben Eihäute 
in die Scheide gebracht. Am 20. 3. abends ward diese intravaginale Infektion in 
der Weise wiederholt, daß der Stute 20 ccm einer Emulsion aus Chorionstückchen 
des Fohlen 8, zu deren Herstellung je 3 ccm Bauchhöhlen-, Brusthöhlen- und Herz¬ 
beutelflüssigkeit des betreffenden Fohlen mitverwendet waren, und außerdem 
4 Chorionstückchen von Erbsengroße in die Scheide einverleibt wurden. 

Die Blauschimmelstute hat am 9.7.1908 mittags gegen 1 / 2 12 Uhr 
ein munteres, kräftiges Fohlen geboren. 

Die Eihäute sind z / 4 Stunden nach der Geburt abgegangen. 

Befund des Chorion am 9.7. nachmittags 4 Uhr: Chorion zum größten 
Teil graurot gefärbt, innerhalb der graurot gefärbten Partie finden sich einige rot 
gefärbte Stellen. In Größe von 3 Suppentellern ist das Chorion dunkelrot gefärbt 
und an einer Stelle in Größe von 2 Suppentellern grau gefärbt und schmierig. 
Bedeckt ist das Chorion mit einer rötlichgrauen, trüben Flüssigkeit von milchiger 
Konsistenz. Kein subchoriales Oedem. 

In Ausstrichen vom Chorion finden sich nur ganz vereinzelte kurze, plumpe, 
an den Enden abgerundete Stäbchen, die vielfach in der Mitte eine Einschnürung zeigen. 

Auf den vom Chorion angelegten Kulturen gingen nur wenige Kolonien, be¬ 
stehend aus den im Ausstrich Vorgefundenen Bakterien, auf. 

Versuch 2. Braune Stute aus Mecklenhorst, 4 Jahre alt. 

Sie erhielt am 9. 3. morgens 10 ccm einer Emulsion und 4 erbsengroße 
Stückchen vom Chorion des obigen Fohlen 7 zwischen ihren Hafer gemengt. Eine 
gleiche Dosis desselben Materials wurde am Abend dieses Tages dem Hafer bei¬ 
gemischt. Beide Male verzehrte die Stute die Masse mit dem Hafer gut. 

Am 20. 3. abends und am 21. 3. mittags wurde die Infektion per os wieder¬ 
holt, indem jedesmal 10 ccm einer unter Mitverwendung von Bauchhöhlen-, Brust¬ 
höhlen- und Herzbeutelflüssigkeit von Fohlen 8 hergestellten Emulsion aus dem 
Chorion dieses Fohlens und 4 Chorionstückchen dem Hafer beigemengt wurden. 
Auch diese Mahlzeiten wurden gut verzehrt. 

Die Stute blieb dauernd munter. 

In der Nacht zura 1. 5. brachte sie ein gesundes, kräftiges Hengst¬ 
fohlen zur Welt. Die Nachgeburt lag früh morgens den 1.5. ebenso wie das 
Fohlen in der Box. 

Das Chorion sieht im großen und ganzen dunkelrot aus, in einzelnen Partien 
mehr hellrot; in einzelnen Teilen ist es etwas schmierig. Bedeckt ist das Chorion 
von einer mäßigen Menge einer grauroten, trüben Flüssigkeit von milchartiger 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 4 



50 DAMBIANN, 

Konsistenz. Außerdem liegt dem Chorion an ganz vereinzelten Stellen ein trüber 
graugelblicher, leicht abhebbarer, fibrinartiger Belag auf. 

Mikroskopisch sind im Chorionausstrich neben vereinzelten kurzen, 
plumpen, an den Enden abgerundeten, meist zu zweien hintereinander liegenden 
Stäbchen mehrere extrazellulär gelagerte Diplokokken nachzuweisen. 

Kulturell wurden von dem Chorion durch das Trennungsverfahren gewonnen: 

1. gramfeste Diplokokken, die vielfach in kurzen Streptokokkenreihen hintcr- 
einandergelagert sind, 

2. Staphylokokken und 

3. kurze, plumpe, an den Enden abgerundete Stäbchen. 

Versuch 3. Braune Stute von Mecklenhorst, 3 Jahre alt. 

Ihr wurden am 9. 3. morgens 20 ccm einer Emulsion aus dem Chorion von 
Fohlen 7 und 4 Chorionstückchen von gut Erbsengroße in die Scheide gebracht. 

Am 20. 3. abends wurde die intravaginale Infektion wiederholt, indem 20 ccm 
einer unter Mitverwendung von je 3 ccm Bauchhöhlen-, Brusthöhlen- und Herz¬ 
beutel flüssigkeit hergestellten Emulsion und 4 Chorionstückchen des Fohlen 8 in 
die Scheide eingeführt wurden. Die Stute blieb dauernd munter. 

In der Nacht zum 4.5.08 (zwischen 1—4 Uhr) gebar die Stute ein 
gesundes Fohlen, das sich anfangs trotz verhältnismäßig starken Körperbaues 
nicht ohne fremde Hilfe erheben konnte. Wenn es hochgehoben wurde, ging es 
sofort zur Mutter, um zu saugen. Am 7. 5. stand das Fohlen schon manchmal 
von selbst auf und vom 8. 5. ab erhob es sich immer ohne jegliche fremde Unter¬ 
stützung von selbst. Der Appetit des Fohlens ist von der Geburt an stets gut 
gewesen. 

Die Nachgeburt hat früh morgens in der Streu gelegen. Sie muß demnach 
entweder gleich oder 1—3 Stunden nach der Geburt abgegangen sein. 

Das Chorion sieht im allgemeinen dunkelrot aus, in einzelnen Partien mehr 
hellrot; in einzelnen Teilen ist es etwas schmierig. Bedeckt ist das Chorion von 
einer mäßigen Menge einer hellgrauen, trüben Flüssigkeit von milchartiger Kon¬ 
sistenz. An einzelnen Stellen liegt auf dem Chorion der eigenartige, fibrinartige 
Belag. 

Mikroskopisch sieht man im Chorionausstrich nur ganz vereinzelte kurze, 
plumpe, an den Enden leicht abgerundete Stäbchen. 

Kulturell ließen sich durch das Trennungsverfahren rein züchten: 

1. gramfeste Diplokokken, die im Kulturausstrich meist in kurzen Strepto¬ 
kokkenreihen hintereinander gelagert waren (im Matcrialausstrich auf Agar waren 
hiervon nur ganz vereinzelte Pünktchen aufgegangen): 

2. bipolar gefärbte Bakterien und 

3. kurze plumpe, an den Enden leicht abgerundete Stäbchen. 

Versuch 4. Fuchsstute, edel, 6 Jahre alt. 

Am 29. 3. vormittags 11 Uhr werden der Stute vermittelst einer Spritze 
20 ccm einer Diplo-Streptokokkenreinkultur (gramfest) in Blutserum-Bouillon (1: 3), 
die 3 Tage lang im Brutschrank gehalten war, vom Chorion des Fohlen 8 in die 
Scheide injiziert und gleichzeitig 20 ccm derselben Kultur per os mit dem Futter 
(Hafer, Häcksel und Weizenkleie) gegeben. 

Am 31. 3. nachmittags V>6 Uhr erhält die Stute 20 ccm einer Diplo-Strepto- 



Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 


51 


kokkenreinkultur (gramfest) in Blutserum-Bouillon 1 ) (3 Tage lang im Brutschrank 
gehalten) vom Chorion des Pohlens 6 in die Scheide und 20 ccm derselben Kultur 
mit dem Futter. 

Am 2. 4. mittags 12 Uhr erhält die Stute 20 ccm einer 2 Tage alten Bouillon¬ 
kultur von den kurzen diplokokkenartigen Stäbchen (nicht gramfest) vom Chorion 
des Fohlen 7 in die Scheide und 20 ccm derselben Kultur per os. Das Futter 
wird alle drei Male gern und vollständig genommen. Das Tier blieb dauernd munter. 

Die Stute hat am 11. 6. 1908 abends 8 Uhr ein gesundes, kräftiges 
Fohlen geboren. Die Nachgeburt ist gleich darauf abgegangen. 

Das Chorion hat im allgemeinen eine dunkelrote Farbe; an einzelnen Stellen 
sieht es mehr hellrot, an anderen mehr graurot aus. Es ist bedeckt mit einer 
mäßigen Menge einer hellgrauen, getrübten Flüssigkeit von milchiger Konsistenz. 
An vereinzelten Stellen findet sich auch ein graugelblicher, leicht abziehbarer, 
fibrinartiger Belag auf dem Chorion. 

Mikroskopisch konnten in dem Chorionausstrich Bakterien nicht ermittelt 
werden. 

Auf den mit dem Chorion beschickten Agarnährböden wuchsen ganz ver¬ 
einzelte Kolonien. Durch das Trennungsverfahren konnten 2 verschiedene Kulturen 
gewonnen werden. Die eine bestand aus plumpen, an den Enden abgerundeten 
kurzen Stäbchen, die andere aus kleinen, vielfach bipolar gefärbten, feinen Bakterien. 

Versuch 5. Schaf, Heidschnucke, 4 Jahre alt. 

Am 15. 2. 1908 nachmittags wurden ihm 15 ccm einer mit steriler, physio¬ 
logischer Kochsalzlösung hergestellten Emulsion von Chorionstückchen, welche ver¬ 
schiedenen Stellen entnommen waren, stammend vom Fohlen 1, intravaginal in¬ 
jiziert. Das Schaf hat am 1. 3. 1908 ein gesundes, kräftiges, am Leben 
bleibendes Lamm geboren. 

Versuch 6. Ziege, 3 Jahre alt. 

Am 15. 2. 1908 nachmittags wurden der hochtragenden Ziege 15 ccm einer 
mit steriler physiologischer Kochsalzlösung hergestellten Emulsion von Chorion¬ 
stückchen des Fohlen 2 in die Scheide gespritzt. In der Nacht zum 5. 3. warf 
die Ziege zwei normal entwickelte, kräftig sich bewegende Lämmer, 
ein kleineres und ein größeres. Beide Lämmer erkrankten am 6. 3. mittags 
unter den Erscheinungen von Krämpfen und sind in der Nacht zum 7.3. verendet. 

Das Sektionsbild beider Lämmer war ein völlig negatives. Das Blut und 
die inneren Organe erwiesen sich bakterioskopisch und kulturell als steril. 

Versuch 7. Ziege, 4 Jahre alt. 

Am 19. 2. 1908 wurden der tragenden Ziege 15 ccm einer Emulsion von 
Chorionstückchen des Fohlen 4 in die Scheide gebracht. Sie warf am 12. 3. 
vormittags 2 normal entwickelte Lämmer, die sich auch weiterhin 
gut entwickelt haben. 

Von der aus der Scheide der Ziege heraushängenden Nachgeburt wurde sofort 
nach dem Lammen ein Stück abgeschnitten. Bei der bakterioskopischen und 
kulturellen Untersuchung erwies sich das Chorion dieses Stückes vollkommen steril. 

1) Blutserum-Bouillon wurde deswegen verwendet, weil in einfacher Nähr- 
Bouillon die Diplo-Streptokokken äußerst spärlich wuchsen. 


4 



52 


D AMMANN, 


Versuch 8 . Kaninchen und Meerschweinchen. 

Am 18. 2. 08 wurden einem trächtigen Kaninchen 2 ccm und einem trächtigen 
Meerschweinchen 1 ccm von einer mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellten 
Emulsion aus Chorionstückchen des Fohlen 4 in die Vagina gespritzt. 

Das Kaninchen warf nach 3 Woch.cn 6 lebenskräftige Junge, das 
Meerschweinchen nach 18 Tagen 3 gut entwickelte Junge. 

Die vorstehenden Untersuchungen und Versuche lassen ersehen, daß 

1. Die Eihäute der verworfenen Beberbecker Fohlen keine 
irgendwie auffälligen und von den Eihäuten der normal geborenen 
Herrenhäuser Fohlen abweichenden Veränderungen aufwiesen. 

Schmierige, fibrinartige Auflagerungen waren bei einigen Eihäuten 
der einen wie der anderen Herkunft vorhanden, und ein subchoriales 
Oedem fehlte bei den Beberbecker Nachgeburten allemal, während es 
in beschränkter Ausdehnung in dem einen Herrenhäuser Falle zu 
konstatieren war. 

2. Der von Ostertag als Erreger des infektiösen Verfohlens der 
Stuten entdeckte nichtgramfeste, intrazelluläre Diplo-Strepto- 
kokkus war in den Beberbecker Eihäuten durch die bakteriologische 
Untersuchung nicht nachzuweisen. Vielmehr fanden sich in einigen 
der Eihäute gramfeste, extrazelluläre Diplo-Streptokokken, aber 
sowohl in solchen Beberbecker, als auch in solchen Herrenhäuser 
Herkunft. 

3. Es ist bei keiner der vier trächtigen Stuten und ebensowenig 
bei trächtigen Ziegen, beim Schaf, Kaninchen und Meerschweinchen 
möglich geworden, durch Einführung von Chorionstückchen der Beberbecker 
Aborte, von Emulsionen aus denselben, von Bauch- und Brusthöhlen¬ 
flüssigkeit der geworfenen Fohlen, von Kulturen der gefundenen Diplo- 
Streptokokken in die Scheide oder per os Abortieren hervorzurufen 
oder es zu erreichen, daß lebensunkräftige Junge zur Welt kamen. 

Aus alledem ist mit Sicherheit zu schließen, daß das 
in diesem Winter und Frühjahr in dem Hauptgestüt Beb erb eck 
aufgetretene seuchenartige Verfohlen keinen infektiösen 
Charakter hatte und sein Auftreten und seine Ausbreitung 
nicht auf Ansteckung zurückzuführen war. 

III. Untersuchung des Beberbecker Heues und Heugesämes und 

Versuche mit letzterem. 

Wie oben gesagt, mußte mit der Möglichkeit gerechnet werden, 
daß die denStuten verabreichten Futterstoffe die Schuld an 



Das sencbenhafte Verfohleil im Haaptgestüt Beberbeck usw. 


53 


dem Verfohlen tragen möchten. Von dem Hafer, welcher in der 
Zeit vom 28. Januar bis 3. Februar 1908 nach der Angabe des 
Veterinärrat Mieckley in mangelhafter Qualität verfüttert wurde, war 
nichts mehr vorhanden. Die Untersuchung mußte sich sonach auf 
das Heu beschränken, dessen erster Schnitt im Jahre 1907 in weiter 
Ausdehnung im Lande unter sehr ungünstigen Emteverhältnissen ge¬ 
worben war. Von diesem und dem Heugesäme, dem auf dem Heu¬ 
boden zusammengescharrten Abfall und Ausfall aus dem Heu, ließ ich 
mir demgemäß Proben kommen. 

Botanische Untersuchung des Heues. 

Die Heuprobe bestand der Hauptmenge nach aus folgenden Gräsern: 

Holcus lanatus, Lolium perenne, Agrostis alba und stolonifera, 
Poa pratensis und compressa. Neben diesen Hauptformen kamen 
noch vor: 

Holcus mollis, Phleum pratense, Dactylis glomerata, Cynosurus 
cristatus, Festuca ovina und pratensis, Anthoxanthum odoratum, 
Avena elatior und flavescens, Briza media. 

Von anderen Pflanzen fanden sich in geringer Menge: 

Equisetum palustre, Carex acutiformis und panicea, Juncus effusus, 
Rumex acetosa, Trifolium pratense, Lotus corniculatus, Lathyrus pra¬ 
tensis, Ranunculus acer, Heracleum Sphondylium, ferner noch Meny- 
anthes trifoliata, Mentha aquatica und Hieracium spec.) wohl H. vul- 
gatum). 

Eigentliche Giftpflanzen wurden nicht gefunden. 

Das Heu roch leidlich gut, zeigte jedoch keine gute Farbe, wohl 
eine Folge der feuchten Witterung, die während der Heuernte herrschte. 

Botanische Untersuchung des Heugesämes. 

Bei der oberflächlichen Untersuchung derselben waren auffallende 
Bestandteile nicht zu entdecken, es wurde deshalb zur mikroskopischen 
Prüfung geschritten und bei 80 facher Vergrößerung untersucht. 

Hierbei fanden sich zunächst und in größter Menge Bruchstücke 
der Pflanzen, aus denen das Heu bestand, ferner zahlreiche Pollen¬ 
körner der verschiedensten Pflanzen, vorwiegend allerdings von Gra¬ 
mineen, doch auch von recht verschiedenen anderen Pflanzen. Auch 
vereinzelte Pilzsporen und dürftige Pilzmycelien auf den Pflanzen¬ 
bruchstücken wurden gefunden, doch niemals Mutterkorn, so viele 
Proben auch daraufhin untersucht wurden. Auffallend erschien das 



54 


DAMMANN, 


massenhafte Vorkommen einer Milbenart, vielleicht Acarus foenarius, 
doch schien sie mir kleiner und zierlicher als jene zu sein, die wir 
in Kontrollheuproben fanden. 

Die Milbe hatte sich in den Spelzen der Gramineen eingesponnen, 
Kokons angefertigt, in denen sich stets Eier und Larven in großer 
Menge fanden. 

Auch in dem Heu selbst waren diese eigenartigen Kokons auf¬ 
gefallen. Die Milbenart wissenschaftlich genau zu bestimmen, ist uns 
nicht möglich gewesen, da uns die hierfür unerläßliche Literatur 
nicht zu Gebote stand. 

Bakteriologische Untersuchung des Heugesämes. 

1,0 g. Heusamen wurde in 10 ccm Traubenzucker-Bouillon bei 
Bruttemperatur (37° C) gehalten. Am nächsten Tage zeigte sich 
starke Gasbildung. Das Gas besaß einen sehr unangenehmen Geruch. 
In dem Ausstrich aus der Bouillon-Kultur zeigten sich Stäbchen mit 
abgerundeten Enden, sowie lange, schlanke Stäbchen und Kokken; 
vereinzelt kamen auch Hefezellen vor. 

Fütterungsversuche mit dem Heugesftme. 

Diese Versuche wurden zum Teil mit einem Extrakt aus dem 
Heugesäme, zum Teil mit letzterem direkt ausgeführt. Der Auszug 
wurde mittelst physiologischer Kochsalzlösung im Verhältnis von 
1 : 10 hergestellt. 

Versuch 1. Ein trächtiges Meerschweinchen erhielt vom 4. 3. 1908 ab 
täglich 2 mal, morgens und abends, je 5 ccm des Heusamenextraktes per os. Die 
Einflößung erfolgte mittels einer Pipette. Auffällig war, daß bald nach der Auf¬ 
nahme des Extraktes Urinabsatz sich einstellte. Nachdem diese Einflößung mit 
dem gleichen Ergebnis auch am 5. 3 und am 6. 3. fortgesetzt war, fand man am 
7. 3. morgens ein totes Junges im Käfig; das Meerschweinchen hatte während 
der Nacht abortiert. 

Versuch 2. Vom 8. 3. bis zum 15. 3. erhielt ein trächtiges Meerschweinchen 
zweimal täglich je 5 ccm des oben erwähnten Auszuges mittels der Pipette. Das 
Tier ließ sich diese Prozedur ruhig gefallen. 

Am 15. 3. wurde mit dem Eingeben abgebrochen, da die Geburt nahe bevor¬ 
zustehen schien. 

Am 18. 3. starb das Versuchstier. 

Obduktionsbefund: Im Uterus waren drei nahezu ausgetragene Föten vor¬ 
handen. Der Pleurasack war völlig mit einer klaren, serösen Flüssigkeit gefüllt. 
Der vordere rechte Lungenlappen war hepatisiert. 

Bakteriologischer Befund: Im Ausstriche aus dem Blute, dem Pleura¬ 
exsudat und aus den veränderten Lungenteilen fanden sich sehr kurze Stäbchen 



Das seuchenbafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 55 

mit abgerundeten Enden, die Kokken sehr ähnlich sahen, meist zu zweien anein¬ 
ander gelagert, auch wohl zu Fäden aneinander gereiht (Diplo-Streptokokken?). 

Kultur-Versuche. Nur aus dem Blute gelang es die Bakterien in Rein¬ 
kultur zu erhalten. 

Die auf schrägem Agar gewachsenen Kolonien waren durchscheinend, nach 
zwei Tagen etwa von der Größe einer Stecknadelspitze. 

Ein aus diesen Kolonien angefertigtes Präparat zeigte wieder die kurzen 
Stäbchen mit abgerundeten Enden, streptokokkenartig gelagert. 

Die Stäbchen waren gramfest. 

Die bakteriologische Untersuchung der Föten verlief resultatlos. 

Versuch 3. Vom 4.3. bis zum 31.3. erhielt ein trächtiges Kaninchen 
täglich zweimal je 10 ccm des oben erwähnten Auszuges aus dem Heugesäme per 
os mittels der Pipette. Auch hier war auffällig, wie mehrfach morgens nach dem 
Einllößen des Extraktes Urinabsatz sich einstellte. 

Am 31. 3. wurde abends ein schwach lebendes Junges geboren, 
das über Dreiviertel der Zeit ausgetragen war. Am 1. 4. wurden noch fünf 
weitere Junge geboren, drei tote und zwei schwach lebende, die aber bald starben. 

Bakteriologisch konnten weder im Ausstrich des Blutes der Föten, noch 
durch geeignete Kulturverfahren aus diesen Bakterien ermittelt werden. 

Versuch 4. Vom 23. 3. ab erhielten zwei tragende Ziegen (eine weiße und 
eine schwarze) das durchgesiebte Heugesäme mit Haferschrot gemischt zweimal 
täglich in reichlicher Menge vorgelegt. Die Tiere nahmen das Futter ohne Zögern 
an und blieben dauernd munter dabei. , 

Am 6.4. warf die weiße Ziege zwei gesunde, kräftige Lämmer 
die gute Sauglust zeigten. Mutter und Lämmer blieben mit der anderen Ziege 
gemeinsam in derselben Bucht zusammen, und die Mutter erhielt nach wie vor 
große Mengen des dem Haferschrot beigemischten Heugesämes. 

Am 16.4. lammte auch die andere Ziege; auch ihre beiden Lämmer 
waren kräftig gebaut und zeigten munteres Wesen. Diese entwickelten sich auch 
weiterhin gut. 

Am 15. 5. wurde der Versuch abgebrochen. An diese Fütterungsversuche 
knüpfte sich folgender Impfversuch. 

Am 26. 2. erhielt ein trächtiges Meerschweinchen 1 ccm einer Bouillonkultur, 
welche mit dem Heugesäme im Verhältnis (1 :10) angelegt war, subkutan. 

Das Allgemeinbefinden des Tieres blieb unverändert. 

Am 1. 3. erhielt das Tier dieselbe Dosis nochmals. Am 9. 3. wurden im 
Käfig 4 tote Junge gefunden, die etwa zu zwei Drittel ausgetragen sein 
mochten. 

Am 2. 4. verendete das Meerschweinchen. 

Obduktionsbefund: Milzanschwellung, seröser Erguß in Brust- und Bauch¬ 
höhle. 

Bakteriologischer Befund: Im Exsudat sowohl, als auch in der Milz¬ 
pulpa fanden sich die vorhin erwähnten kurzen Stäbchen mit abgerundeten Enden 
wieder, die sich häufig zu Fäden zusammengelagert hatten. 



56 


DAMMANN, 


IV. Untersuchung des Beberbecker Trinkwassers. 

Zur Untersuchung des im Gestüte zum Tränken verwendeten 
Wassers waren auf mein Ersuchen fünf Flaschen, von je 1 Liter 
Inhalt, eingesandt worden. Der Inhalt jeder Flasche war je einer 
Tränkvorrichtung entnommen, die Flaschen waren fortlaufend numeriert. 

Die Untersuchung hatte den Zweck, zu ermitteln, ob das den 
Stuten in Beberbeck gereichte Trinkwasser etwa blei¬ 
haltig sei und ob hierauf das seuchenartige Verfohlen 
zurückgeführt werden könne. In der Hauptsache kam hier also 
nur der Nachweis von Blei und eventl. die Bestimmung der Menge 
desselben in Betracht. Diese Untersuchung hat der Apotheker 
unserer Hochschule, Dr. Behrens, ausgeführt. Derselbe berichtet 
hierüber wie folgt: 

„Da für diese Untersuchung ein Mindestquantum von je 1 Liter 
nötig war, die Flaschen aber stets etwas mehr enthielten, so benutzte 
ich den Rest, um damit die bei der Untersuchung von Trinkwasser 
üblichen Proben anzustellen. 

Zugleich mit der Untersuchung auf Blei verband ich die Fest¬ 
stellung des Abdampfrückstandes. Zu diesem Zwecke dampfte ich 
jedes Mal 1 Liter der fraglichen Probe in gewogener Platinschale 
zur Trockne ein, trocknete noch eine Stuude bei 110° nach, ließ im 
Exsikkator erkalten und wog. Die Differenz ergab den Abdampf¬ 
rückstand von 1 Liter Wasser. 

Diesen Rückstand löste ich unter Zusatz von verdünnter Essig¬ 
säure in destilliertem Wasser unter schwachem Erwärmen auf, 
filtrierte in ein Meßkölbchen und füllte mit destilliertem Wasser zu 
100 ccm auf. 

5 ccm des Filtrates versetzte ich mit 5 Tropfen reiner Salz¬ 
säure und fügte nun starkes Schwefel wasserstoffwasser im Ueber- 
schusse hinzu; in keinem Falle trat eine Schwarzfärbung, durch 
Schwefelblei bedingt, ein. 

Weitere 25 ccm des Filtrates versetzte ich mit verdünnter Schwefel¬ 
säure, ließ absetzen, filtrierte und wusch den Niederschlag auf dem 
Filter aus. 

Den gut ausgewaschenen Niederschlag übergoß ich mit 5 ccm 
einer Lösung von basisch weinsaurem Ammoniak und versetzte das 



Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 


57 


Filtrat mit einer Lösung von Kaliumdichromat. In keinem Falle 
entstand ein gelber Niederschlag von Bleichromat. 

25 ccm des schwach essigsauren Filtrates versetzte ich mit einer 
Lösung von Kaliumjodid; auch hier trat ein gelber Nieder¬ 
schlag, der ein Beweis für die Gegenwart von Blei sein 
würde, in keinem Falle auf. 

Die gut ausgewaschenen Filterrückstände übergoß ich mit starkem 
Schwefelwasserstoffwasser; eine Schwarzfärbung habe ich in keinem 
Falle beobachtet. 

Hiernach enthalten die mir überwiesenen fünf Wasser¬ 
proben aus dem Gestüte Beberbeck keine nachweisbaren 
Mengen von Blei. 

Die allgemeine Beschaffenheit des Wassers stellt sich, wie folgt: 

Das Wasser war klar, farblos und geruchlos, von schwach alka¬ 
lischer Reaktion. In dem in geringer Menge vorhandenen, ocker¬ 
farbigen Bodensatz fanden sich allerlei pflanzliche und tierische 
Lebewesen. 

Wurmeier und als pathogen bekannte Organismen habe ich bei 
der mikroskopischen Untersuchung nicht gefunden. 

In einem Liter des Wassers waren enthalten: 


Feste Bestandteile (Abdampfrückstand) 

83,0 mg 

Chlor. 

12 mg 

Kalziumoxyd. 

geringe Menge 

Magnesiuraoxyd. 

geringe Menge 

Ammoniak. 

Spur 

Eisenoxyd. 

Spur 

Schwefelsäure. 

Spur 

Salpetrige Säure. 

Spur 

Salpetersäure. 

Spur 


Die Härte betrug 2,8 (deutsche) Grade. Organische Substanz 
war in dem filtrierten Wasser nicht nachweisbar.“ 


Ich habe den Gestütsinspektor, Veterinärrat Mickley, ersucht, die 
Ergebnisse der Abfohlung des Jahres 1907/1908 im Hauptgestüt 
Beberbeck in ein von mir aufgestelltes Schema einzutragen. Diesem 
Ersuchen hat derselbe entsprochen; ich füge die von ihm gemachte 
Aufstellung bei. 











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DAMMANN 


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60 


DAMUANN, 


Laufende Nr. Reihen¬ 
folge der Geburten 

Name 

der 

Stute 

Farbe 
und Alter 
der 
Stute 

Ist 

gedeckt 1907 

am 

a 

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bO 

3 

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Hat 

ge¬ 

boren 

1908 

am 

Wurde 

das 

Fohlen in 
den Ei- 
häuten 
geboren? 

| Oder wieviel 
Stund, später 
erfolgte der 
Abgang der 
Nachgeburt? 

13. 

Urania. 

Dunkel¬ 
braun, 
geb. 1889. 

26. Jan., 

28. Febr. mit 
St. Tropez 

X X 

— 

10. Jan. 
Stute. 

— 

V 2 Stunde 
später. 

14. 

Nadel. 

Schwarz¬ 
braun, 
geb. 1903. 

7. Febr. mit 
St. Tropez. 


11. Jan. 
Hengst. 


V 2 Stunde 
später. 

15. 

Dryas. 

Rehbraun, 
geb. 1891. 

7., 8. Jan., 
25. Febr. mit 
Mecbanikus. 


11. Jan. 
Hengst. 


1 Stunde 
später. 

16. 

Andacht. 

Dunkel¬ 
braun, 
geb. 1897. 

11. Febr. mit 
Titus. 


17. Jan. 
Stute. 


V 2 Stunde 
später. 

17. 

Addition. 

; 

Schwarz- 
braun, 
geb. 1902. 

2., 26., 27. 
Febr. mit 
Mechanikus. 

— 

17. Jan. 
Hengst. 


V 4 Stunde 
später. 

18. 

Ukraine. 

1 Fuchs, 
geb. 1902. 

9., 30. Jan., 
16. März mit 
St. Tropez 

X X 


22. Jan. 
Hengst. 


V2 Stunde 
später. 

19. 

Mahlzeit. 

Rehbraun, 

! geb. 1893. 

i 

1 

19. Febr., 
11., 12. März 
mit Carnage 

X X 

— 

23. Jan. 
Stute. 

— 

1 Stunde 
nach der 
Geburt. 

20. 

Jamaika. 

Braun, 
geb. 1890, 

■ 

30. März, 

3. April mit 
St. Tropez 

- X X 


26. Jan. 
Hengst. 


1 Stunde 
später. 

21. 

Mignon. 

Schwarz- 
braun, < 
geb. 1890. 

3., 7., 16. Jan., 
9. Febr., 4., 
5. März mit 
Beliane 

X X 


28. Jan. 
Hengst. 


V 4 Stunde 
später. 

22. 

Nelke. 

Schwarz¬ 
braun, 
geb. 1887. 

14., 15. Jan., 

5., 26. Febr., 
3. März mit 
Ackermann. 


29. Jan. 
Hengst. 


*/2 Stunde 
später. 

23. 

Miss. 

Fuchs, 
geb. 1903. 

7., 28. Febr., 
2. März mit 
Titus. 


31. Jan. 
Stute. 


V2 Stunde ! 
später. 

24. 

Patina. 

Schwarz¬ 
braun, 
geb. 1901. 

4. März mit 
Mechanikus. 


1. Febr. 
Hengst. 

• 

1 Stunde 
später. 







Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 61 


Kam 

das 

Fohlen 

Oder 
kam d. 
Fohlen 
lebend 

Blieb 

das 

Fohlen 

Oder 

vann 

Bemerkungen 

über auffälligen Scheidenausfluß vorher oder 
nach dem Gebären, über Kolikerscheinungen 
vor oder nach dem Gebären, über Schwäche 

tot zur 

am 

starb das 

und Lähmungserscheinungen vor oder nach dem 

Welt? 

zur 

Welt? 

Leben? 

Pohlen? 

Gebären, deren Dauer und über sonstige be¬ 
sondere Beobachtungen 


Lebend. Lebt. 


Lebend. Lebt. 


Lebend. Lebt. 


Lebend. Lebt. — Die Mutterstute erkrankte am 9. 2., also in vier 

Wochen nach der Geburt, an Kreuzschwäche, 
Appetitlosigkeit mit Gelbfärbung der Kopf¬ 
schleimhäute und der Schleimhaut der Scheide. 
Sie genas davon am 23. 2. 1908. 

Lebend. Lebt. — — 


Lebend. — Starb am Das Fohlen konnte sich wegen Kreuzschwäche 
23. Jan. nicht erheben und war nicht lebensfähig. Die 

(nach Sektion ergab dieselben Erscheinungen wie die 

24Stdn.). bei Nr. 8 (Ilme) angegebenen. Derselbe Be¬ 
fund konnte auch bei allen später als einge¬ 
gangen aufgeführten Fohlen erhoben werden, 
ebenso wie bei den Aborten. 

Lebend. Lebt. — — 


Tot. I — — — I Sektionsbefund am Fohlen wie bei Nr. 8. 


Lebend. Lebt. 


Lebend. Lebt. * — 


Lebend. Lebt. 


Lebend. 


Starb am Erscheinungen am Fohlen während des Lebens 
4. Febr. und Sektionsbefund wie bei Nr. 18. 






DAMMANN, 


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Das seuchenbafte Verfohlen im Uauptgestüt Beberbeck usw. 


63 


Kam 

das 

Fohlen 
tot zur 
Welt? 

Oder 
kam d. 
Fohlen 
lebend 
zur 
Welt? 

Blieb 

das 

Fohlen 

am 

Leben? 

Oder 

wann 

starb das 
Fohlen? 

Tot. ! 


— 

— 

Tot. 

— 

— 

— 

Tot. 


— 

— 

— 

Lebend. 

i 

1 

Starb am 
8. Febr. 

Tot. 

— 

; 

— 

— 

Lebend. 

Lebt. 

— 

— 

Lebend. 

Lebt. 

— 

— 

Lebend. 

— 

Starb am 
8. Febr. 

Tot. 

— 

— 

einige 
Stdn. alt. 

Tot. 

— 

— 

— 

Tot. 

— 

— 

— 

Tot. 

— 

— 

— 

Tot. 

' 

— 

— 


BemerkuDgen 

über auffälligen Scheidenausfluß vorher oder 
nach dem Gebären, über Kolikerscheinungen 
vor oder nach dem Gebären, über Schwäche 
und Lähmungserscheinungen vor oder nach dem 
Gebären, deren Dauer und über sonstige be¬ 
sondere Beobachtungen. 


Sektion wie bei Nr. 8. 


Erscheinungen und Sektionsbefund wie bei Nr. 18. 


Sektionserscheinungen wie bei Nr. 8. 


Die Stute zeigte am 9. 2. wie Andacht (siehe 
Nr. 16) Kreuzschwäche, Gelbfärbung der 
Schleimhäute des Kopfes und der Vagina, etwas 
Ausfluß aus der Scheide und erhöhte Körper¬ 
temperatur, 39,9° C. Die Krankheitserschei¬ 
nungen ließen im Verlauf von 10 Tagen nach. 
Ausrieselung des Uterus mit y 4 proz. Licol- 
wasser. 

Erscheinungen während des Lebens und der 
Sektionsbefund wie bei Nr. 18. 


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Die Sektionserscheinungen ergaben denselben 
Befund wie bei Nr. 8. 








DAMMANN 




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66 


DAMMANN, 


Laufende Nr. Reihen¬ 
folge der Geburten 

Name 

der 

Stute 

Farbe 
und Alter 
der 
Stute 


Hat abgeschlagen 

Hat 

ge¬ 

boren 

1908 

am 

Wurde 

das 

Fohlen in 
den Ei¬ 
häuten 
geboren? 

Oder wieviel 
Stunden spät, 
erfolgte der 
Abgang der 
Nachgeburt? 

49. 

Julie. 

Schwarz- 
braun, 
geb. 1888. 

16., 20. April 
mit St. Tropez 

X X 

l 

— 

18. Febr. 
Stute. 

— 

Vi Stunde 
später. 

50. 

Armbrust. 1 

Braun, 
geb. 1899. 

4., 25. Febr., 

10., 22. März, 
9. Apr., 1. Mai! 
mitJubelgreis. 

— 

19.Febr. 
Hengst. 

— 

v 4 Stunde 
später. 

51. 

Olympiade. 

1 

Braun, 
geb. 1891. 

29., 80. April, 

17., 18. Mai, 

1., 3., 18., 19. 
Juni mit 

Mechanikus. 

i 

i 

25. Febr. 
Stute. 


V 2 Stunde 
später. 

52. 

Angelika. 

Braun, 
geb. 1902. 

22., 25. März, 
15. April mit 
Titus. 


25. Febr. 
Hengst. 

i 

V 2 Stunde 
später. 

53. 

Urkunde. 

Fuchs, 
geb. 1897. 

10. April mit 
Jubelgreis. 


28.Febr. 

Hengst. 

I 

V 2 Stunde 
später. 

54. 

Akazie. 

Braun, 
geb. 1887. 

9. März, 4., 
6. April, 7., 8., 
9., 10. Mai mit 
Jubelgreis. 

— 

28.Febr. 

Hengst. 

— 

1 Stunde 
später. 

55. 

Tirolienne. 

Braun, 
geb. 1897. 

17. Jan., 14., 

15. Febr., 1., 
2., 26. März, 

16. April mit 
Carnage 

X X 


29. Febr. 
Hengst. 


IV 2 Stunden 
später. 

56. 

Juga. 

Dunkel¬ 
braun, 
geb. 1897. 

28. Jan., 18., 
21. Febr., 
13., 14. Mai. 


29. Febr. 
Hengst. 


V 2 Stunde 
später. 

57. 

Pastete. 

Braun, 
geb. 1902. 

30. März, 

17. April mit 
Mechanikus. 


7. März 
Stute. 


V 2 Stunde 
später. 

58. 

Gage. 

Braun, 
geb. 1899. 

23. April mit 
Titus. 

— 

16. März 
Hengst. 

— 

1 Stunde 
später. 








Das seuchenhafte Verfehlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 


67 


I 


Kam 

das 

Fohlen 
tot zur 
Welt? 


Oder 
kam d. 
Fohlen 
lebend 
zur 
Welt? 


— i Lebend. 


Blieb 

das 

Fohlen 

am 

Leben? 


Oder 
wann 
starb das 
Fohlen? 


Bemerkungen 

über auffälligen Scheidenausfluß vorher oder 
nach dem Gebären, über Kolikerscheinungen 
vor oder nach dem Gebären, über Schwäche 
und Lähmungserscheinungen vor oder nach dem 
Gebären, deren Dauer und über sonstige be¬ 
sondere Beobachtungen 


Starb am 
18. Febr. 
nach drei 
Stunden. 


Das Fohlen lag, nicht lebensfähig, bei der Mutter 
und ging an Schwäche ein. Auf der Maul- 
Schleimhaut zeigten sich große, blaugefärbte 
Flecke. Auch die Konjunktiven waren blaurot 
gefärbt (asphyktische Erscheinungen). Diese 
Färbung wurde bei den folgenden nicht lebens¬ 
fähigen Geburten jetzt immer beobachtet. 


Tot. 


Tot. 


Tot 


— Lebend. 

Tot. ' — 


Starb am 
28. Febr. 

einige 
Stdn. alt. 


Die Mutterstute hatte am 24. 10. 07 eine sehr 
schwere Kolik (Indigestion) durchgemacht. 
Stark abführende Mittel wurden nicht verab¬ 
reicht, am allerwenigsten Alkaloide. Im Januar 
1908 schwoll das Euter an und lief die Milch, 
die erst einige Tage (10) vor dem Abortus 
versiegte. 

Das Fohlen war nicht lebensfähig, zeigte die 
blauen Flecke wie das der Julie (s. Nr. 49). 


Die Mutterstute hatte am 17. 12. schwere Kolik 
durchgemacht. 


Tot. 


Tot. 


Lebend. 


Starb am 
8. März 
nach 
20 Stdn. 


Das Fohlen zeigte während des Lebens dieselben 
Erscheinungen wie das von der Urkunde (siehe 
Nr. 53). 


Lebend. 


Lebt. 


5 




68 


DAMMANN, 


Laufende Nr. Reihen¬ 
folge der Geburten 

Name 

der 

Stute 

Farbe 
und Alter 
der 
Stute 

Ist 

gedeckt 1907 

am 

Hat abgeschlagen 

Hat 

ge¬ 

boren 

1908 

am 

Wurde 

das 

Fohlen in 
den Ei¬ 
häuten 
geboren ? 

Oder wieviel 
Stunden spä¬ 
tererfolgte d. 
Abgang der 
Nachgeburt? 

59. 

Gold¬ 

Fuchs, 

8. April mit 


20. März 


1 Stunde 


forelle. 

geb. 1897. 

Mecbanikus. 


Stute. 


später. 

60. 

Alida. 

Braun, 

29. April mit 


23. März 


1 Stunde 



geb. 1892. 

Mechanikus. 


Hengst. 


später. 

61. 

Tatra. 

Fuchs, 

1., 10. April, j 

— 

31. März 

— 

V 2 Stunde 



geb. 1900. 1 

7., 8. Mai mit 


Stute. 


später. 




Jubelgreis. 





62. 

Olinda. 

Braun, 

19. April, 13., 

— 

7. April 

— 

V 2 Stunde 



geb. 1890. 

14. Mai mit 

| 

Hengst. : 


später. 




Jubelgreis. 





63. 

Adelheid. 

Dunkel¬ 

23., 24. Mai 

— 1 

22. Apr. 

— i 

x !i Stunde 



braun, 

mit Beliane 


Hengst. 


später. 



geb. 1889. 

X X 





64. 

Capraja. 

Fuchs, 

16. März, 4., 5., 

— 

13. Mai 

— : 

V 2 Stunde 


i 

geb. 1899. 

20., 21. Juni 


Stute. | 


später. 


mit Mecha- 
nikus. 


Das Studium der A bfohlungsliste läßt ersehen, daß von den 
64 trächtigen Stuten 39 verfohlt haben. 

Von diesen 39 Verfohlungen fallen 3 schon auf das Jahr 1907, 
und zwar 1 auf den Monat Juli, 2 auf den Oktober, denen 3 nonnale 
Geburten bis zum Ablauf des Jahres gegenüberstehen. 

Auch im Januar 1908 hielt sich das Verwerfen noch auf mäßiger 
Stufe. Es kamen 3 Aborte vor im Wechsel mit 13 normalen Ge¬ 
burten. 

Die ganze Wucht der Kalamität fallt in den Monat Februar. 
Auf ihn allein entfallen von den 39 Verfohlungen 30, wogegen für 
diesen Monat nur 3 normale Geburten registriert werden konnten. 

Nach Ablauf des Februar ereigneten sich nur noch 2 Aborte, 
welche beide in den März fallen, während der Rest von 6 Stuten im 
März, April und Mai normal abfohlte. 

Der Abortus hat fast durchweg 8 bis 11 Monate nach dem be- 










Das seuchenhafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeck usw. 


69 


Kam 

das 

Fohlen 
tot zur 
Welt? 

Oder 
kam d. 
Fohlen 
lebend 
zur 
Welt? 

Blieb 

das 

Fohlen 

am 

Leben? 

Oder 

wann 

starb das 
Fohlen? 

Bemerkungen 

über auffälligen Scheidenausfluß vorher oder 
nach dem Gebären, über Kolikerscheinungen 
vor oder nach dem Gebären, über Schwäche 
und Lähmungserscheinungen vor oder nach dem 
Gebären, deren Dauer und über sonstige be¬ 
sondere Beobachtungen 

Tot. 




Das Fohlen lebte noch zu Beginn des Geburts¬ 
aktes, starb aber während der Geburt. Die 
Stute, die öfter eine lange Trächtigkeitsperiode 
hält, trug diesmal 346 Tage. Sie bekundete 
in den letzten 4 Wochen der Trächtigkeit 
leichte Leibschmerzen, war unruhig und fraß 
wenig, oft gar nicht. 

— 

Lebend. 

Lebt. 

— 

— 

— 

Lebend. 

Lebt. 

— 

— 

— 

Lebend. 

Lebt. 

— 

— 


Lebend. 

Lebt. 

— 

— 


Lebend. 

Lebt. 

i 

i 

■—■ 


fruchtenden Sprunge eingesetzt, in der Regel nach 9 bis 10y 2 monatiger 
Trächtigkeitsdauer. Nur einmal ist er schon nach 4 Monaten, einmal 
erst nach liy 2 Monaten eingetreten. 

Bei 30 von den 39 Aborten kamen die Fohlen tot zur Welt. 
Von den übrigen 9 Fohlen starb 1 während der Geburt, die anderen 
8 wurden so lebensschwach geboren, daß sie schon nach einigen 
Stunden bis nach 3 Tagen eingingen. 

Von den 39 Stuten, welche verfohlten, haben 4 Stück 1—4 Monate 
vor dem Abortus Kolikerscheinungen gezeigt. 

Ferner sind 4 andere dieser Stuten, welche im Monat Februar 
verwarfen, 5—8 Tage vor dem Abortus an Eingenommenheit des 
Kopfes, Appetitlosigkeit, Kreuzschwäche usw. erkrankt. 

Unter den gleichen Erscheinungen, dazu noch mit Gelbfärbung 
der Kopfschleimhäute, sind aber auch 2 von den 25 Mutterstuten, 
welche normal gefohlt haben, beide am 9. Feburar 1908, die eine 






70 DAMMANN, 

4 Wochen, die andere 1 Tag nach dem Gebären erkrankt; sie genasen 
indes nach 10—14 Tagen. 

Auch diese Tatsachen sind wenig geeignet, dem schon durch die 
obigen bakteriologischen Untersuchungen und die daran geknüpften 
Versuche zurückgewiesenen Gedanken, daß das seuchenartige Ver- 
fohlen in Beberbeck einen infektiösen, ansteckenden Charakter gehabt 
habe, das Wort zu reden, wenn sie für sich auch nicht imstande 
sind, denselben bestimmt zu negieren. Daß so viele Fohlen nahezu 
ausgetragen verworfen wurden, daß eine nicht unbeträchtliche Zahl 
nur lebensschwach zur Welt kam und dann erst einging, daß von den 
39 Verfohlungen 30 sich auf den Monat Februar zusammendrängen und die 
Kalamität alsdann so gut wie abgeschnitten erscheint —, alle diese Mo¬ 
mente wollen sich wenig mit der beregtcn Auffassung zusammenreimen. 

Vielmehr drängt alles mehr auf den Gedanken hin, daß dem 
Futter, zumal dem im Jahre 1907 unter der Ungunst der Witterung 
geworbenen Heu, die Schuld an dem Verfohlen beizumessen ist. 
Hierfür sprachen die mehrfachen Koliken und die sonstigen mit Kreuz¬ 
schwäche verbundenen Ernährungsstörungen der trächtigen Tiere, 
welche letztere auch noch bei Stuten sich bemerklich machten, die 
bereits abgefohlt hatten. Es fallen dafür ferner auch die Ergebnisse 
der Fütterungsversuche, wenn auch nicht entscheidend, ins Gewicht. 
Inwieweit dabei der in der Zeit vom 28. Januar bis 3. Februar ver¬ 
fütterte mangelhafte Hafer mitgewirkt hat, daß die Verfohlungen im 
Monat Februar so massenhaft sich einstellten, ist schwer zu beurteilen, 
ebensowenig, welchen Anteil die ungünstige Witterung des Sommers 
1907 und die Vornahme der künstlichen Befruchtungen an der Kalamität 
gehabt haben. 

Das seuchenhafte Verfohlen hat sich in dem folgenden Jahre in 
Beberbeck nicht wiederholt. Von den Stuten, welche im Winter 1907/08 
verwarfen, haben im Winter 1908/09 nur 2 abortiert, eine 23jährige 
und eine andere, welche tote Zwillinge ausstieß. 6 von ihnen sind 
güst geblieben, 1 ist wegen eines kranken Uterus gar nicht gedeckt 
worden und 1 wurde aus anderen Gründen getötet. Die übrigen 
haben normal ausgetragen. 

Nach alledem gelange ich zu den 

Schlußsätzen: 

1. Es ist mit Sicherheit auszuschließen, daß das im 
Jahre 1908 im Hauptgestüt Beberbeck aufgetretene 



Das seuchenhafte Verfohlen im Hauptgestüt Beberbeok usw. 


71 


seuchenartige Verfohlen infektiöser, ansteckender 
Natur gewesen ist. 

2. Ebensowenig kann die Ursache des Verwerfens in 
einem Bleigehalt oder in sonstiger schlechter Be¬ 
schaffenheit des den Stuten gereichten Trinkwassers 
gesucht werden. 

3. Vielmehr ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, 
daß die Kalamität auf die mangelhafte Beschaffen¬ 
heit des Futters zurückzuführen ist. 



V. 


Aus der chirurgischen Klinik der Kgl. Tierärztlichen Hochschule zu Berlin. 

Lieber Polydaktylie beim Pferde. 

Von 

Prof. Dr. R. Eberlein. 

(Mit 18 Abbüdungen auf Tafel I—V.) 

Die Mehrzehigkeit des Pferdes ist verhältnismäßig häufig 
beobachtet worden und hat von jeher das Interesse der Tierärzte und 
Zoologen hervorgerufen. Dieselbe ist deshalb bereits mehrfach Gegen¬ 
stand zum Teil eingehender Untersuchung und Beschreibung gewesen 
und wird auch schon sehr frühzeitig in der Literatur erwähnt. So 
berichtet bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts Aldrovandus 
(1, 1679) unter Beigabe einer bildlichen Darstellung von einem Equus 
octopedibus, der an allen vier Füßen Didaktylie aufwies. Ferner 
spricht Plot (2, 1688) von einem Fohlen, mit einer überzähligen 
Zehe, ohne allerdings mitzuteilen, welche Gliedmaße betroffen war. 
Sodann beschreibt Winter v. Adlersflügel (3, 1703) zwei Fälle 
von Polydaktylie beim Pferde. Bei einer Stute fanden sich an allen 
vier Gliedmaßen innen eine Beizehe und ein Hengst besaß an beiden 
Vorderextremitäten eine überzählige klauenförraige Zehe. 

Wenn auch hiernach die ersten Beobachtungen über das Vor¬ 
kommen der Polydaktylie bis in das 17. Jahrhundert zurückreichen, 
so setzt doch eine exakte Forschung auf diesem Gebiete 
erst mit der Entwickelung der wissenschaftlichen Tier¬ 
heilkunde ein, welche mit der Begründung der tierärztlichen Lehr¬ 
anstalten gegen Ende des 18. Jahrhunderts eingeleitet wurde. Seit 
dieser Zeit mehrten sich die Mitteilungen über das Vorkommen und 
das Wesen dieser Abnormität schnell, so daß wir heute, wie ich 
unten weiter ausführen werde, über eine große Zahl von Beobachtungen 
verfügen. 



Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


73 


Von Bedeutung war ferner der Umstand, daß auch die Natur¬ 
forschung ihre Aufmerksamkeit der Polydaktylie zuwandte und sich 
Männer wie Goethe mit derselben beschäftigten. Nach der Mit¬ 
teilung von Boelsche (4) erklärte Goethe die Mehrzehigkeit des 
Pferdes „als ein gelegentliches Durchschlagen des Typus, der allen 
Säugern ursprünglich mehrere Zehen zudiktiere und auch da, wo er 
sich auf eine einzige habe herunterhandeln lassen, sein ideelles 
Fortbestehen gern einmal in Gestalt einer scheinbaren Abnormität 
dokumentiere. 14 

Mir selbst bot sich die Gelegenheit, in der Klinik 5 Fälle von 
Polydaktylie zu beobachten, die mir der Mitteilung wert erscheinen, 
umsomehr als ich bei zwei der Tiere die überzählige Zehe operativ 
entfernt habe und den Heilverlauf verfolgen konnte. Ehe ich aber 
auf die Beschreibung der Einzelfälle eingehe, möchte ich eine kurze 
Uebersicht über die bisherigen in der Literatur niedergelegten Be¬ 
obachtungen voranschicken. 


Literatur. 

Gurlt, der Begründer der deutschen Veterinärteratologie, behandelt in seiner 
pathologischen Anatomie (5, 1832) die Polydaktylie als „Megalomelus perisso- 
dactylus, überzählige Zehen“ und bezieht sich hier auf die Mitteilungen von 
Winter von Adlersflügel, Plot, Bredin u. a. An anderer Stelle seines 
Lehrbuches (S. 373) bespricht dieser Forscher die Polydaktylie noch einmal unter 
der Ueberschrift „Ueberzählige Teile an den Gliedmaßen“ und „Regel¬ 
widrige Spaltung an den Gliedmaßen“. Erstere bezeichnet er als nicht 
selten, letztere aber als sehr selten und als äußerst selten, wenn die Spaltung nur 
das letzte Zehenglied (Hufbein) betrifft. In der Folgezeit hat Gurlt dann noch 
mehrere Einzelfälle (6 und 7) mitgeteilt und zum Teil auch abgebildet. Eine zu¬ 
sammenfassende Darstellung der Anomalie endlich gibt Gurlt in seinem Atlas der 
tierischen Mißgeburten f8), in weichem er über 14 Fälle bei Fohlen berichtet. 

Bei einem ausgetragenen Fohlen beobachtete Wehenkel (9,1873) an allen vier 
Gliedmaßen zwei vollkommen ausgebildete Zehen. Es waren die zweiten und vierten 
Zehen ausgewachsen, während die dritten oder Hauptzehon verkümmert waren. 

Eine weitere Mitteilung stammt von Cornevin (10, 1881), welcher zunächst 
die Beobachtungen von Aldrovandus (1679), Allard (1811), Geoffroy Saint- 
Hilaire (1832), Moreul (1846, 1848 u. 1850), Lavocat (1853), Alibert (1855), 
Goubaux (1855, une douzaine de cas), Varneil (1859 und 1862), Armatage 
(1865), Arloing (1867), Hüll (1868), Freew (1869), Delplanque (1869), 
Flemming (1871), Müller (1872), Wehenkel (1873), Benjamin (1878), Marsh 
(1880), Darbot (1880) und Loubet (1881) registriert und dann drei eigene Beob¬ 
achtungen anschließt. Hiermit verzeichnet Cornevin insgesamt 49 Fälle, von 
denen 12 alle vier Gliedmaßen und die übrigen 37 eine oder beide 
Vorderextremitäten, und zwar stets die mediale Seite derselben, betrafen. 



74 


EBERLEIN, 


Aehnliche Wahrnehmungen wie Wehenkel haben Ercolani (II, 1882) und 
Lavocat (12, 1882), dieser an einem aus La Plata nach Paris eingeführten Pferde, 
gemacht. Das Vorkommen einer (inneren) Nebenzehe an den Vordergliedmaßen 
hält Lavocat für so häufig, daß die Fälle nicht mehr gezählt werden, während 
sie an den Hinterbeinen seltener und nie an diesen allein, sondern dann immer 
an allen vier Beinen sich zeigen. Spaltung der mittleren oder Hauptzehe 
wurde in seltenen Fällen und wiederum nur an den Vorderbeinen beobachtet. 

Popow (13, 1883) untersuchte mehrere Pferde mit einseitiger Verdoppelung 
der Phalangen und ihrer Gelenke. 

Schon Hensei (14) hat im Jahre 1860 die überzähligen Zehen des Pferdes 
einer eingehenden wissenschaftlichen Untersuchung unterworfen. Ihm stand das 
Material der Gurltsehen Sammlung zur Verfügung, von dem er fünf Fälle be¬ 
schreibt. Er erklärt die Anomalien als „wirkliche Rückschläge auf das Hip- 
parionstadium“. 

Ebenso hat Boas (15, 1882 u. 16, 1885) kritische Untersuchungen darüber 
angestellt, wie weit die Mehrzehigkeit des Pferdes das Produkt einer Sprossung 
oder eines Rückschlages (Atavismus) ist. Er greift auf die Mitteilungen von 
Henscl, Gurlt, Gaudry, Marsh u. a. zurück und beschreibt vier Präparate der 
Sammlung der Kopenhagencr Schule. Boas gelangt zu dem Schluß, daß ein 
Teil der Veränderungen (die Minorität) Produkte einer Sprossung 
sind, die Mehrzahl aber Rückschläge darstcllen. 

Im Münchener Jahresbericht 1884/85 äußert sich Kitt (17) über 3 Fälle 
„echt atavistischer Polydaktylie** beim Fohlen, auf welche derselbe auch in seinem 
Lehrbuch der pathologischen Anatomie zurückgreift (18 u. 19). 

Persillot (20) fand bei einem 6 Tage alten Fohlen, Sh ave (26) und Mac- 
cagni (31) ebenfalls bei einem Fohlen, Pütz (21) bei einem zehnjährigen Wallach 
norisch-ungarischer Abstammung und Briot (29) bei einem Mustang aus den 
Prairien Südamerikas an der Innenseite eines Vorderfußes eine Beizehe. Ferner 
sah Rudofsky (22) ein fünfjähriges, gut entwickeltes Pferd, welches an beiden 
Vorderfüßen zwei vollkommen ausgebildete Seitenzehen hatte, die so lang waren, 
daß sie den Boden berührten. Einen ähnlichen Fall beobachtete und operierte 
Nies (23) bei einem Fohlen, ebenso Joger (24), Kirillow (25), Steger (27), 
Ising (an allen vier Füßen) (30) und Salles (34). 

Schmaltz (28) berichtet über einen Fall von Polydaktylie bei einem sechs¬ 
jährigen, wohlgebauten, starkknochigen Arbeitspferde, welches jederzeit gut gearbeitet 
hatte. Dasselbe wies an der Innenseite des rechten Fessclgelenkes eine 
zweite Zehe auf, welche normal gegliedert war und mit einem gut ausgebildetcn 
Hufe etwa 4 cm über dem Boden endete. Das Pferd strich sich nicht und hatte 
auch sonst im Gange keine Beschwerden durch die Nebenzehe. 

Eine interessante Beobachtung hat R. Schmidt (32) gemacht. Ein kräftig 
entwickeltes braunes Stutfohlen zeigte an jedem Beine zwei Zehen mit je drei 
Gliedern und Hufen. Bei zwei Füßen berührten beide Hufe den Boden gleichzeitig, 
während bei zweien die eine Zehe verkrümmt bzw. verkümmert war, sodaß dieser Huf 
höher lag. Taylor (33) fand bei einem eintägigen Fohlen den rechten Vorderfuß bis 
zum Karpus gespalten, an der linken Vordergliedmaße reichte die Spaltung nur 
bis zur Mitte des Fesselgelenks. Einen ähnlichen Zustand sah Steffani (47) bei 
• einem acht Wochen alten Fohlen. 



Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


75 


In den von Fantin (35) und Dalau (39) beschriebenen Fällen bestand an 
der medialen Seite der Fesselgelenke beider Vorderfüße eine überzählige, etwas 
verkümmerte Zehe. 

Tiere, bei denen nur an einem Fuße eine derartige Nebenzehc, in der 
Regel innen, vorlag, sind untersucht und beschrieben worden von Zimmer¬ 
mann (36, sehr eingehende anatomische Untersuchung), Ries (37, 3 Fälle), Gis- 
lehni (38), Craig (40, an der lateralen Seite), Schimmel (42), Lesbre (43), 
Pfab (44), Wucherer (45), Borelia und Finzi (46) und Hederstedt (48), 
während eine Didaktylie an der gleichseitigen Vorder- und Hinter¬ 
extremität eines Pferdes von Dupas (41) geschildert wird. 

In neuerer Zeit hat Reinhardt (49) eine eingehende Studio über die 
vorwürfige Frage veröffentlicht. Seine Beobachtungen erstrecken sich auf vier 
Fälle, die anatomisch sehr genau untersucht sind. Das erste Pferd war eine 
mittelgroße, an allen vier Füßen zweizehige Stute, bei welcher jedem der vier 
Füße an der Medianseite ein zweiter Finger, bezw. eine zweite Zehe ansaß. Die 
weiteren drei Präparate stellten Einzelgliedmaßen dar. In ausführlicher Form 
begründet Reinhardt seine Ansicht dahin, „daß alle vier Fälle durch Teilung 
entstanden sind, hervorgerufen durch ein Hindernis, welches während der frühesten 
Embryonalperiode vom distalen Ende der Gliedmaße her auf die noch nicht diffe¬ 
renzierten Teile teils spaltend, teils drückend parallel der Gliedmaßenachse ein¬ 
gewirkt hat.“ 

Ebenso beachtenswert sind endlich die sorgfältig durchgeführten Unter¬ 
suchungen und Betrachtimgen Lindemanns (50). Seine Untersuchungen be¬ 
treffen die vier Füße eines Fohlens, das an allen vier Extremitäten mit Poly¬ 
daktylie, und zwar an den Vordergliedmaßen mit atavistischer, an den 
Hintergliedmaßen mit teratologischer Mehrzehigkeit behaftet war. Die einzelnen 
Füße sind anatomisch eingehend geprüft und beschrieben. 

Im Anschluß daran hat Lin de mann die in der Literatur mitgeteilten Fälle 
zusammengestellt und ist hierbei zu den nachstehenden, sehr interessanten 
statistischen Schlußfolgerungen gelangt: 

In 81 genauer bestimmten Fällen waren 148 Extremitäten betroffen, und zwar 
handelte es sich 72 mal um ein rechtes, 43mal um ein linkes Vorderbein, 17 mal 
um die rechte und 16 mal um die linke Hinterextreraität. 

Die Polydaktylie tritt am meisten an den Vordergliedmaßen auf 
(77,70 pCt.), und zwar rechts (48,65 pCt.) häufiger als links (29,05 pCt.), seltener 
an den Hinterextremitäten (22,30 pCt.). 

In der Regel findet man die Polydaktylie nur an einerExtremi tat. (60,21pCt.), 
seltener an 2 Gliedmaßen (22 Fälle = 23,66 pCt.) und noch seltener an 
allen 4 Extremitäten (15 Fälle = 16,13 pCt.). 

Ueber Tridaktylie liegen 7 Beobachtungen vor. 

Hinsichtlich der Bedeutung des Geschlechtes und der Rassenzugehörig¬ 
keit der Tiere für das Auftreten der Polydaktylie stehen hinreichende Erfahrungen 
nicht zur Verfügung. 

Endlich hat Lindemann die Frage im allgemeinen erörtert, ob und inwie¬ 
weit die Polydaktylie als Atavismus oder als Mißbildung zu deuten ist und die 
mitgeteilten Fälle darauf kritisch untersucht, wie weit dieselben den ata¬ 
vistischen, bzw. den teratologischen Abnormitäten zuzurechnen sind. 



76 


EBERLEIN, 


Er gelangte hierbei zu dem Schluß, daß von den zusammengestellten Fällen 
51 pCt. nicht genügend beschrieben sind, während 3 Präparate beide Arten von 
Mehrzehigkeit vereint aufweisen. Von den übrigen 46 Beobachtungen waren 
17 = 36,96 pCt. atavistisch-polydak ty 1 und 29 = 63,04 pCt., mithin die 
Mehrzahl, teratologisch-polydaktyl. 

Eigene Beobachtongen. 

Wie ich schon erwähnte, habe ich in den letzten Jahren 5 Fälle 
von Polydaktylie beim Pferde beobachten können. An 2 Tieren 
wurde die Operation mit Erfolg ausgeführt. Ich werde die Fälle in 
der Reihenfolge beschreiben, wie sie zur Beobachtung gelangt sind. 

I. Fall. 

(Figur 1—5.) 

Jährlingsstutfohlen, 1,50 m hoch, posenschen Land¬ 
schlages, wurde der Klinik mit dem Vorbericht zugeführt, daß es in 
der Provinz Posen auf dem Markte gekauft sei, um als Schaubuden¬ 
objekt verwendet zu werden. Ueber die Abstammung, bisherige 
Haltung etc. des Tieres war nichts bekannt. 

Status praesens. Das Fohlen war als Jährling nur schwach 
entwickelt und sehr mäßig genährt. Das Allgemeinbefinden des Tieres 
war jedoch nicht gestört, auch soll die Futteraufnahme gut sein. 

Das Tier ist sehr schmalbrüstig, so daß beide Vorderglied¬ 
maßen eng stehen. Die linke Vorderextremität ist etwas diagonal 
nach außen verstellt, und beide Zehen stehen zehenweit. Im übrigen 
zeigt die rechte Vorderextremität keine Abweichungen, der Huf der¬ 
selben ist ein diagonaler Schiefhuf. 

Der linke Vorderschenkel (Fig. 1) ist im ganzen schwächer als 
der rechte. Die Unterarmpartie ist verlängert, so daß der Karpus 
und ebenso das Fesselgelenk links 5 cm tiefer stehen als rechts. 
Der linke Metakarpus ist nur 3 / 4 so stark wie der rechte. Das linke 
Fessel- und Krongelenk aber sind verdickt. 

Der Huf ist bei der Betrachtung von vorn gesehen klauen¬ 
artig bis zur Krone gespalten, in seinen beiden Hälften unregel¬ 
mäßig abgenutzt, schnabelschuhartig verbildet und seitlich nach außen 
abgebogen (Fig. 1). Am aufgehobenen Fuße lassen sich die beiden 
hornklauenartigen Teile des Hufes gegeneinander bewegen, jedoch 
sind beide Abteilungen im mittleren Spalt durch festes Horn ver¬ 
bunden. Bei der Betrachtung der Bodenfläche fällt auf, daß die 
Seitenwände infolge der vernachlässigten Hufpflege sich auf die 



Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


77 


Bodenfläche umgelegt haben. Jede Abteilung zeigt einen kleinen 
verkümmerten Strahl und eine seitliche Eckstrebe. Es sieht 
aus, als ob der Huf in der Mitte des Strahles durchgetrennt und aus¬ 
einander gebogen wäre. 

Die Bewegungen des Tieres sind auf weichem Boden nur wenig 
behindert, auf Pflaster dagegen sehr blöde und erheblich beeinträchtigt. 

Um darüber Auskunft zu erhalten, wie die einzelnen Zehenknochen 
beschaffen und zu einander gelagert sind, wurde die linke Zehe des 
Tieres mit Röntgenstrahlen dorso-ventral und ventro-dorsal durch¬ 
leuchtet. Die in Fig. 2 u. 3 wiedergegebenen Aufnahmen lassen er¬ 
kennen, daß die Spaltung der Zehe bis in die distale Epi¬ 
physe des Fesselbeins reicht und die distale Artikulations¬ 
fläche dieses Knochens noch geteilt ist. Die beiden Kronbeine und 
Hufbeine sind ungleich groß, die äußeren nämlich größer als die 
inneren. Die Hufbeine sind klauenbeinförmig. Außerdem liegen zwei 
Strahlbeine vor. 

Wenn nun auch durch diese Röntgenaufnahmen das Wesen der 
vorliegenden Polydaktylie als eine ohne Zweifel durch Mißbildung 
bedingte Teilung der Zehe bis zur Phalanx prima festgestellt 
war, so hatte ich doch den Wunsch, das im übrigen geringwertige 
Tier als Versuchstier zu erwerben, um später noch eine weitere 
Untersuchung vornehmen zu können. Die Unterhandlungen scheiterten, 
da der Besitzer sich einen großen Verdienst durch Verwendung des 
Fohlens als Schauobjekt versprach. Als dies nicht eintrat, ließ der 
Eigentümer dasselbe nach einem halben Jahr schlachten und sandte 
der Klinik die beiden Vorderfüße, im Karpus abgetrennt, zu. 

Die Sektion der Füße ergab an der rechten Gliedmaße in allen 
Teilen und Geweben normale Verhältnisse. 

Am linken Fuße jedoch zeigen sich am Skelett (Fig. 4) die 
schon durch die Röntgenuntersuchung erkannten und oben näher be¬ 
schriebenen Verhältnisse. Die Knochen sind sämtlich kleiner 
und die Spaltung der Zehe erstreckt sich bis in die distale 
Epiphyse der Phalanx I. Die genauen Messungen ergaben die 
in der umstehenden Tabelle in cm mitgeteilten Maße. 

Die Knochen zeigen die im Röntgenbilde erkennbaren Formen 
und gleichen an den Krön- und Hufbeinen im allgemeinen mehr den 
Krön- und Klauenbeinen der Rinderzehe, sind dabei aber sehr un¬ 
regelmäßig. Die Strahlbeine, von denen zwei vorliegen, sind sehr 
klein und entsprechen in Größe und Form etwa denen eines jungen 



78 EBERLEIN, 


Rindes. Jedes Hufbein trägt an dem verkümmerten Huf beinaste einen 
kleinen Hufknorpel. 

Tabelle. 



Mc. 

III 

Ph. I 


Ph. II 


Ph. III 


i 





1 . 

V. 


1 . 

V. 


r. V. 

1 

i 

1. V. 

r. Y. 

1. V. 

r. V. 

med. 

lat. 

r. V. 

med. 

lat. 

Gesamtlänge.... 
Breite ara proxi¬ 

25 

23 

8,25 

6,75 

3.5 

2,4 

2,5 

5,0 

09 

00 

4,2 

malen Ende . . . 

6,5 

6,0 

5,5 

5,0 

5,5 

3.2 

2,8 

5,5 

3,0 

3,3 

Breite in der Mitte 
Breite am distalen 

4,0 

3,5 

3,5 

3,3 

5,0 

2,8 

2,7 

— 

— 

— 

Ende. 

5,0 

1 4,5 

4,8 | 

4,3 

: 

5,3 

3,3 

i 

3,5 

7,5 

1 3,3 

i 

3,6 


Die Sehnen weisen bis zur distalen Epiphyse der Phalanx I 
keine Abweichungen auf. Hier gabelt sieh die Sehne des M. ex- 
tensor digitor. communis entsprechend der Teilung der Knochen in 
zwei Schenkel. Ebenso ist an der Beugefläche die Sehne des M. flexor 
digitor. profundus in zwei Schenkel geteilt, ähnlich wie an der Rinder¬ 
zehe. Das Verhalten der Gefäße und Nerven konnte nicht weiter 
geprüft werden. 

Interessant sind die Veränderungen an der Huflederhaut 
(Fig. 5). Von der stark behaarten Haarlederhaut setzen sich der 
gut ausgeprägte Fleischsaum und die mit kräftigen Zotten ausge¬ 
stattete Fleischkrone deutlich ab. Beide schlagen sich am Trachten¬ 
teil jederseits auf die Sohlenfläche des Hufes um und gehen hier wie 
am normalen Hufe in den Fleischstrahl über, bezw. bilden die Fleisch¬ 
kroneneckstrebe. Die Fleischwand ist an den Außenflächen wie an 
den Innenflächen der beiden Hufteile mit regelmäßig ausgebildeten 
Fleischblättchen, die Fleischsohle mit kräftigen Fleischzotten besetzt. 
Jeder Hufteil zeigt ferner an der Bodenfläche eine deutliche Fleisch¬ 
wandeckstrebe und einen verhältnismäßig kräftigen Fleischstrahl. Es 
erscheint, als ob der Fleischstrahl in der Mitte durchtrennt und die 
eine Hälfte desselben auf die innere, die andere auf die äußere Ab¬ 
teilung des Hufes verschoben wäre. In der Spalte zwischen den 
beiden Hufhälften zeigt das Gewebe den Charakter des Fleisch¬ 
strahls und ist mit flachen, spärlichen Zotten ausgestattet. 

Die Hornkapsel entspricht an ihrer Innenfläche genau der Ober¬ 
fläche der Huflederhaut und ist im übrigen von schon oben be¬ 
schriebener Form und Beschaffenheit. 









Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


79 


Fall II. 

(Figur 6 und 7.) 

Es handelt sich um die vier Füße des Fötus einer Voll¬ 
blutstute, die im 7. Monat der Trächtigkeit abortiert hatte. Stute 
und Hengst waren vollkommen gesund. Auch war nicht bekannt, 
daß von denselben jemals Fohlen mit Mißbildungen gefallen waren. 

Befund. Alle vier Füße (Fig. 6) zeigen die Eigenschaften der 
Extremitäten nicht ausgetragener Föten und lassen sämtlich eine 
Mehrzehigkeit durch Bildung einer Nebenzehe an der 
medialen Seite erkennen. Am Earpus und Tarsus liegen keine 
Abweichungen bezüglich der Zahl und Form der Knochen vor. 

Am rechten Vorderfuß, der einschließlich Karpus eine Ge¬ 
samtlänge von 16 cm mißt, ist das mediale Gritfelbein fast ebenso 
stark ausgebildet wie das Mc. IH. Beide Knochen sind bis zum Karpus 
an der dorsalen wie an der volaren Fläche durch eine tiefe Rinne 
geschieden und im unteren Drittel durch einen Spalt getrennt. An 
den distalen Enden der Mc. II und IH ist die Haut knollenförmig 
verdickt und trägt eine kleine Hornkappe als erstes Anzeichen der 
Hufbildung. Zehenknochen sind nicht zu fühlen. Wie die Röntgen¬ 
aufnahme (Fig. 7) zeigt, ist die Zehe noch nicht differenziert. Nur 
in der Zehe des Mc. UI ist bereits ein Knochenkern zu bemerken. 
Das laterale Griffelbein ist nicht vergrößert. 

Der rechte Vorderfuß ist 15 cm lang und ähnlich beschaffen, 
nur ist Mc. H bloß etwa % so l an S a * s Mc. IH (Fig. 6). Die 
Bildung der Zehen ist unvollständiger als am linken Vorderschenkel 
(Fig. 7). Laterales Griffelbein sehr klein. 

Der linke und der rechte Hinterfuß messen 20 und 18 cm 
und sind weiter ausgebildet als die Vorderextremitäten. An beiden 
fällt auf, daß das mediale Griffelbein fast ebenso lang und stark ist 
als das Mc. HI. Beide Knochen tragen knollenförmig verdickte 
Stümpfe, die mit einem kleinen Huf enden (Fig. 6) und im Röntgen¬ 
bilde sich als Zehen erweisen (Fig. 7). Die lateralen Griffelbeine 
sind weder verlängert noch verstärkt. 

Fall QI. 

(Fig. 8 u. 9.) 

Das Präparat stellt den linken Vorderschenkel bis zum 
Ellenbogengelenk eines Hengstfohlens dar, das 24 Stunden nach 



g 0 EBER LEIN, 

der Geburt gestorben war. Mutter englische Halbblutstute, 
Hengst unbekannt. 

Befund. Die Extremität zeigte bei der Geburt des Fohlens die in 
der Fig. 8 dargestellte Form. Dieselbe ist im Karpalgelenk stark volar 
gebeugt, während die Zehe durch exzessive Dorsalflexion im Fessel- 
und Krongelenk hochgradig verbildet ist. An der medialen Seite des 
Mittelfußes ist ein 15 cm langer dornförmiger Fortsatz zu erkennen, 
der am Karpus entspringt und etwa bis zur halben Ausdehnung durch 
eine Hautfalte mit dem Mittelfuß verbunden ist. 

Auf dem Röntgengebilde (Fig. 9) erweist sich dieses Gebilde 
als das verstärkte und verlängerte mediale Griflelbein, während das 
laterale Griflelbein nur als ein zartes und nicht vergrößertes Gebilde zu 
erkennen ist. Infolge der exzessiven Beugung im Karpalgelenk sind 
die Karpalknochen unregelmäßig gebildet und gelagert (Fig. 9). 

Fall IV. 

(Fig. 10—14.) 

Hellbrauner Wallach, mecklenburgischer Rasse, 3 Jahre 
alt, 1,62 m hoch, wurde am 10. Juni 1909 zum Zwecke der 
Operation in die Klinik eingestellt. Die Elterntiere des Fohlens sind 
gesund. 

Status praesens. Das kräftige, aber mäßig genährte Tier ist 
innerlich gesund und frei von fieberhaften oder allgemeinen Er¬ 
krankungen. 

Am rechten Vorderfuße des Fohlens sieht man an der 
Innenfläche des Fesselgelenkes eine zweite Zehe (Fig. 10) von 
etwa der halben Stärke der Hauptzehe. Dieselbe läßt bei der Pal¬ 
pation alle Eigenschaften einer Einhuferzehe, insbesondere eine Phalanx I, 
II und III, sowie einen kräftigen Hornschuh erkennen. Mit dem 
Mittelfuß ist die Nebenzehe durch ein doppeltdaumenstarkes Knochen- 
gebildc verbunden, das sich bis zum Karpus verfolgen läßt und als 
verstärktes mediales Griffelbein zu erkennen ist. Nach unten ist die¬ 
selbe seitlich (nach innen) abgebogen und reicht mit dem Hufzehen¬ 
rande bis zur Krone der Hauptzche. Bis an die Krone waren Haupt- 
und Nebenzehe durch eine Hautfalte verbunden. 

Die Bewegungen des Tieres sind frei. Es besteht weder beim 
Vorführen auf weichem noch auf hartem Boden eine Lahmheit. Auch 
fehlen Streichwunden oder Folgezustände früherer Verletzungen an 
der linken Vordcrglicdmaße. 



Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


81 


Am aufgehobenen Hufe (Fig. 11) sieht man, daß der Huf der 
Hauptzehe kräftig entwickelt ist. Auch der Huf der Nebenzehe, der 
natürlich nie beschnitten worden war, läßt alle Einzelheiten eines 
Pferdehufes erkennen, nur sind die Form geringgradig verkehrtkegel- 
förmig, die Trachten sehr eng und die Sohle stärker gewölbt. An 
der Figur 11 läßt sich erkennen, wie die Zehe durch ein strang- 
förmiges Gebilde (mediales Griffelbein) mit dem Mittelfuß verbunden ist. 

Die Röntgenaufnahme (Fig. 12) erweist mit Sicherheit, daß 
die Nebenzehe mit dem Mittelfuß fest lediglich durch das mediale 
Griffelbein verbunden ist, sowie daß die Fesselgelenke der Haupt- 
und der Nebenzehe sicher selbstständig und von einander 
getrennt sind. Die Operation konnte deshalb ausgeführt werden. 

Operation. Am 19. Juni wurde das Tier unter Chloralhydrat- 
Narkose auf die rechte Seite gelegt, der rechte Vorderfuß auf die 
Latte gebunden und das Operationsfeld in größerer Ausdehnung rasiert, 
gründlich desinfiziert und mit Tupfern abgedeckt. Hiernach legte ich, 
nach Ausführung der Lokal-Anästhesie auf der Höhe des Innenrandes 
der Nebenzehe einen Schnitt durch die Haut, der sich von der 
Krone der Nebenzehe bis zum mittleren Drittel des Mittel¬ 
fußes erstreckte, präparierte die Haut an der dorsalen und volaren 
Seite der Nebenzehe ab und legte so dieselbe vollkommen frei. Jetzt 
konstatierte ich, daß die Nebenzehe eine eigene gemeinschaftliche 
Strecksehne sowie auch alle drei Beugesehnen hatte, die in der Mitte 
etwa des Vordermittelfußes an der dorsalen oder volaren Fläche von 
den betreffenden Sehnen der Hauptzehe sich abzweigten. An den Ab¬ 
zweigungsstellen lagen gabelförmige Sehnenscheiden vor, die sowohl 
die Sehnen der Hauptzehe wie die der Nebenzehe an der Teilungs¬ 
stelle umschlossen. 

Nachdem so die Nebenzehe freigelegt war, habe ich das Mc. II 
etwa in der Mitte des Vordermittelfußes und hart am Mc. III in der 
Richtung des Innenrandes desselben mit dem Meißel schräg durch¬ 
trennt und die Knochenränder mit Knochenzange und scharfem Löffel 
geglättet, nachdem ich zuvor die Strecksehnen und die Beugesehnen 
der Nebenzehe nahe an der Abzweigungsstelle durchschnitten hatte. 
Als darauf die blutenden Gefäße unterbunden waren, wurden die durch 
den Schnitt geöffneten Sehnenscheiden durch eine sorgfältige enge 
Naht verschlossen. Hiernach habe ich die Hautlappen reguliert und 
durch eine kombinierte Knopf-Klararaernaht verschlossen. Der 
untere Wundwinkel blieb zum Abschluß des Sekretes offen, in denselben 

Archiv f. wUsensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. ß 



82 


EBERLEIN, 


wurde ein Gazetupfer geschoben. Zum Schluß wurde die Operations¬ 
wunde mit Lenicet bepudert und ein Okklusivverband angelegt. 
Nachdem das Tier wieder aufgestanden war, wurde zum Zwecke der 
Immobilisierung der Zehe über den Watteverband noch ein dünner 
Gypsverband gelegt. 

Die Heilung vollzog sich ira ganzen regelmäßig. Während der 
ganzen Zeit ist die Körpertemperatur nie über 38° C. gestiegen und die 
Futteraufnahme stets gut geblieben. Am 27. Juni mußte der Verband 
gewechselt werden, da oberhalb desselben an der Gliedmaße Schwellung 
aufgetreten war. Einige Nähte waren ausgerissen, im übrigen aber 
heilte die Wunde sehr gut. Von jetzt wurde der Verband jeden 
3. und später jeden 5. Tag gewechselt, die Wunde hierbei, da die 
Eiterung sehr gering war, nur mit Sublimatalkohol abgetupft und mit 
Jodtinktur, später mit Aloetinktur bepinselt. 

Am 18. Juli war die Wunde geheilt (Fig. 13), nur war die 
Narbe noch etwas breit und wulstig, wie dies so kurze Zeit nach 
der Operation nicht anders zu erwarten ist. Der Verband ist des¬ 
halb fortgelassen. An diesem Tage wurde auch der Huf regu¬ 
liert, indem ich den Tragerand der äußeren Wandabschnitte erniedrigen 
ließ. Die Bewegungen des Tieres waren auf weichem wie 
auf hartem Boden vollkommen frei. Es zeigte sich nicht die 
geringste Spur einer Lahmheit. 

Am 21. Juli wurde das Tier als geheilt entlassen. Der Be¬ 
sitzer verwendet dasselbe zu allen Ackerarbeiten und als 
Kutschpferd, ohne daß irgendwelche Störungen im Dienstgebräuche 
hervorgetreten sind. 

Die amputierte Zehe zeigt bezüglich der Knochen, Sehnen. 
Gefäße, Nerven, alle Eigenschaften einer Einhuferzehc. Das Gewicht 
derselben beträgt 600 g. Die Knochen sind, wie die Röntgenauf¬ 
nahme (Fig. 14) zeigt, kräftig entwickelt, die Länge derselben be¬ 
trägt an der Phalanx I = 7,5 cm, an der Ph. 11 = 3,5 cm und an 
der Ph. III = 4,5 cm. 


Fall V. 

(Figur 15—18.) 

Fuchsstutfohlen, ostpreußischer Rasse, 1 Jahr alt, 1,45 m 
groß, unbekannter Abstammung, w r urde am 9. Januar d. J. zur Ope¬ 
ration in die Klinik eingestellt. 

Status praesens. Das Fohlen ist schlecht genährt und zeigt 



lieber Polydaktylie beim Pferde. 


83 


«in rauhes, glanzloses Haarkleid, ist sonst aber innerlich gesund, 
jedenfalls frei von fieberhaften Allgemeinerkrankungen. 

Am linken Vorderfuß (Fig. 15) erscheint der Vordermittelfuß 
in seiner ganzen Ausdehnung, namentlich in seiner unteren Hälfte in 
seinem Umfange erheblich vergrößert und an der Innenfläche des 
Fesselgelenkes findet sich eine zweite Zehe von etwa der halben 
Stärke der Hauptzehe. Dieselbe läßt alle Eigenschaften einer 
Einhuferzehe erkennen (Fig. 16), steht an ihrem proximalen Ende 
mit dem verstärkten und stark vergrößerten medialen Griffelbein in 
Verbindung und trägt an ihrem distalen Ende einen vollständig aus¬ 
gebildeten, wenn auch verkümmerten Huf, der bis zur Mitte der Seiten¬ 
wand des Hufes der Hauptzehe reicht. 

Die Bewegungen des Tieres sind frei. Weder im Schritt noch 
im Trab auf weichem und auf hartem Boden besteht Lahmheit. 
Streichverletzungen irgendwelcher Art an der linken Gliedmaße 
liegen nicht vor. 

Die Röntgenaufnahme (Fig. 16) gab Aufschluß darüber, daß 
die Nebenzehe mit dem medialen Griffelbein artikuliert und 
daß die Fesselgelenke der Haupt- und der Nebenzehe sicher 
selbständig und von einander getrennt sind, so daß die Ope¬ 
ration ausgeführt werden konnte. 

Operation. Dieselbe wurde an dem Fohlen am 11. Januar in 
der Choralhydrat-Narkose und unter Lokal-Anästhesie nach der oben 
beschriebenen Methode (Fall IV) ausgeführt und ohne Zwischenfall 
beendet. Nur wurde hier der Knochen nicht mit dem Meißel, sondern 
mit Hilfe einer Säge durchtrennt und ferner mit Rücksicht auf das 
Alter des Tieres zur Immobilisierung anstelle des Gypsverbandes ein 
Stärkebindenverband angelegt. 

Die Heilung vollzog sich per primam und sehr schnell. 
Am 20. Januar wurde der Verband zum ersten Mal gewechselt und 
schon am 30. Januar konnte das Tier als geheilt entlassen 
werden. Zum Schutze der frischen Narbe wurde noch ein Schutz¬ 
verband angelegt. 

Als das Tier am 30. Januar die Klinik verließ und zuvor der 
Huf reguliert war, hatte die Gliedmaße das in der Figur 17 wieder¬ 
gegebene Aussehen, welches die ausgezeichnete Heilung erkennen läßt. 

Am 25. März wurde das Tier noch einmal vorgestellt. Die 
Narbe hat sich bis auf einen feinen Strich verkleinert und 
fällt nicht im geringsten auf. Der Vordermittelfuß ist nur noch 

<]• 



84 ' EBERLEIN, 

wenig dicker als der der rechten Seite. Es müssen sich hier also 
bereits Rückbildungsvorgänge am Knochen durch Transformation 
vollzogen haben. Die an diesem Tage vorgenommene Röntgenauf¬ 
nahme (Fig. 18) bestätigte diese Annahme und zeigte zugleich, wie 
glatt der Amputationsstumpf des medialen Griffelbeins 
verheilt ist. 

An der amputierten Zehe lassen sich hinsichtlich der Knochen, 
Sehnen, Gefäße und Nerven alle Eigenschaften einer Einhuferzehe er¬ 
kennen. Das Gewicht derselben betrug 250 g. 

Aetiologie und Formen. 

Die Entstehung der Polydaktylie hat zu verschiedenen Zeiten eine 
sehr wechselnde Beurteilung erfahren. 

Obgleich bereits Goethe nach dem schon S. 73 angeführten Ausspruch die 
Polydaktylie r als ein gelegentliches Durchschlagen des Typus, der allen Säugern 
ursprünglich mehrere Zehen zudiktierte“ deutete, wurde die Abnormität früher all¬ 
gemein als eine MißbiIdung angesprochen. Erst Hensel (1860) stellte die Mehr- 
zehigkeit des Pferdes als wirkliche Rückschläge auf das Hipparionstadium 
hin. Ihm schloß sich Gurlt an. 

Jetzt schlug die Auffassung in das Gegenteil um, und man betrachtete jede 
Polydaktylie beim Menschen und bei Tieren ohne weiteres als Rückschlag 
(A tavismus). 

Dieser Auffassung traten Gegenbauer (51, 52), Pfitzner (53, 54), Rabl 
(55), Zander (56) u. A. entgegen, die wiederum jede Polydaktylie beim Menschen 
für eine Mißbildung erklärten, während sie bei Tieren, namentlich beim Schweine 
Atavismus als Ursache der Mehrzehigkeit zum Teil gelten lassen wollen. 

Boas, welcher die Mehrzehigkeit des Pferdes einer sorgfältigen kritischen 
Betrachtung unterzog, gelangte zu der Schlußfolgerung: ..Einige, offenbar die 
Minorität, gehören in dieselbe Kategorie wie die beim Schwein und anderen 
Tieren nicht selten beobachteten Fälle, sie sind die Produkte einer Sprossung; 
andere, die Mehrzahl, bieten ein besonderes Interesse, es sind Rückschläge, 
Wiederholungen von Verhältnissen, die bei den Ahnen des Pferdes normal waren. u 

Die Untersuchungen Boas* haben sehr anregend gewirkt und zu verschiedenen 
Nachprüfungen und Aeußerungen Veranlassung gegeben. So hat Kitt die Frage 
näher betrachtet. Er unterscheidet zwischen atavistischer oder typischer 
Polydaktylie und Spaltung oder atypischer Polydaktylie. In Ueberein- 
stimmung hiermit trennt Lin de mann zwischen atavistischer und terato- 
logischer Polydaktylie und Lesbre zwischen Polydaetylie atavique und 
Polydactylie terato 1 ogique ou schistodaetylie. 

Blanc (57) unterscheidet: 

1. la polydactylie atavique, 

2. la polydactylie teratologique, 

3. la polydactylie höterogenique. 

Zur letzten Gruppe will Blanc die Fälle zählen, welche sich in den beiden 



Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


85 


anderen Abteilungen nicht unterbringen lassen. Mit Recht betont Lindemann, 
daß die dritte Gruppe überflüssig sein dürfte. 

Desgleichen unterscheidet Taylor 3 Ursachen der Polydaktylie, nämlich: 

1. atavistische, 

2. mechanische (mechanical constriction by threads of the amnion), 

3. innere (germinal Variation, duplication, Splitting or doubling of that 
group or of those determinants). 

Auch Inhelder (58) stellt 3 Formen der Polydaktylie auf: 

1. die teratologische, 

2. die neogenetische, meist durch eine Keimvariation bedingt, 

3. die palingenetische, zu der die atavistische Mehrzehigkeit rechnet, 
während Freund (59) deren 4 nennt, nämlich: 

1. die traumatische oder typische Polydaktylie infolge mechanischer Ursachen 
(Abschnürung, Einschnitt, Epiphysenabschnürung, Karpalfraktur), 

2. die palingenetische, atavistische Mehrzehigkeit, veranlaßt durch innere 
Ursachen, 

3. die aus mechanischen und inneren Ursachen, 

4. die progressive Polydaktylie (aquatile Anpassung als Kainogenese). 

Hinsichtlich der Frage, wann wir eine Polydaktylie beim Pferde als 

atavistisch oder als teratologisch anzusprechen haben, äußert sich 
Kitt, indem er sagt: 

„Manche Fälle sind unzweifelhaft als atavistische Formbildungen an¬ 
zusehen, nämlich diejenigen, bei welchen die überzählige Zehe genau den Platz 
einnimmt, wo Vorfahren der betreffenden Tiergattung eine Zehe mehr als die jetzt 
lebenden Repräsentanten besessen haben, und wenn die Ueberzahlzehe auch in ihrem 
anatomischen Bau und der Gelenkung mit ihren Stützknochen entsprechende Ueber- 
cinstimmung mit jenem phylogenetisch bekannten Gliedmaßenteil bietet. 

Atypische Polydaktylie sind beim Pferde solche Fälle, bei welchen die 
überzählige Zehe beispielsweise vom Fesselbein der Hauptzehe entspringt, als eine 
Nebenknospe dieses Knochens erscheint, oder einem gespaltenen Fesselbein entspricht*. 

Nach Sußdorf (60) sind für die Zuweisung einer Mehrzehigkeit zur ata¬ 
vistischen Polydaktylie folgende Punkte maßgebend: 

„1. Vorhandensein normaler Mittelhand-, bzw. Mittelfußknochen von der Be¬ 
schaffenheit derjenigen bei unserem jetzigen Pferde, an deren seitlichen der 
3-gliedrige oder durch Konnaszenz 2-gliedrige Finger bzw. Zehe ihren Sitz hat, 

2. durchgehende Trennbarkeit des ganzen Strahles von den Nebenstrahlen 
bei vollem Mangel weiterer Mittelhandknochenrudimente neben den zehentragenden; 

während der pathologischen Hyperdaktylie jene Fälle zuzurechnen sind, 
bei welchen: 

1. die überzähligen Zehen aus dem einfach veranlagten Strahle hervorge¬ 
sprossen ist, und das zwar entweder schon im Bereich des betreffenden Mittelhand- 
bzw. Mittelfußknochens oder erst im Bereich des eigentlichen Fingers bzw. der 
Zehe, und bei welchem 

2. neben den regelrecht ausgebildeten oder vielleicht auch etwas ver¬ 
krüppelten Handteilen eine mehr oder weniger vollkommene Doppelhand bzw. Fuß 
sich entwickelt hat*“ 



86 


EBERLEIN, 


Als Ursache der teratologischen Polydaktylie werden in der Lite¬ 
ratur angegeben: Keimesvariation (Ziegler (61), Zander), dem Keime anhaftende 
Eigentümlichkeiten (Zander), embryonaler Bildungstrieb oder Bildungsreiz (Kitt), 
exzessives Wachstum, Abänderung der Keimung, Spaltung oder Verdoppelung durch 
überreiche Ernährung (Taylor), Verdoppelung oder Sprossung (Boas), Spaltung 
(Kitt) etc. Nach Zander, dessen Ansicht neuerdings mehrfach Anklang ge- 
gefunden hat, soll ferner die Teilung (Spaltung) durch amniotische Falten oder 
Fäden zustande kommen, die sich den wachsenden Gliedmaßen entgcgcnstellen, 
in dieselben einschneiden, Teile derselben mehr oder weniger vollständig abtrennen 
und so zur Bildung überzähliger Zehen führen können. 

Nach den obigen Darlegungen unterscheiden die meisten Forscher 
zwischen 

1. der atavistischen Polydaktylie — typische P., P. ata- 
vique — und 

2. der teratologischen Polydaktylie — atypische P., 
pathologische P., Schistodaktylie, P. teratologique —. 

Die Beurteilung, ob eine Polydaktylie zu der ersten oder 
der zweiten Form gehört, ist, auch selbst an der Hand der von 
Boas, Kitt und Sußdorf gegebenen Beurteilungsgrundsätze geprüft, 
nicht immer leicht. Während Boas die atavistischen Formen der 
Polydaktylie als die Mehrzahl, die teratologischen als die Minorität 
bezeichnet, hat Lindemann von 46 Beobachtungen nur 17 = 36,96 pCt. 
als atavistisch-polydaktyl und 29 = 63,04 pCt. als teratologiach- 
polydaktyl bestimmt. Ein noch ungünstigeres Resultat hat Rein¬ 
hardt erhalten. Vier von ihm selbst untersuchte Fälle hat er alle 
als teratologische Pleiodaktylien erkannt. Auf Grund seiner Unter¬ 
suchungen und seiner Literaturstudien gelangt derselbe Forscher mit 
Recht zu der Schlußfolgerung, „daß das Auftreten eines wirklichen 
Rückschlages zu den allergrößten Seltenheiten gehört und daß 
die Erscheinung der Pleiodaktylie bezüglich der Entscheidung ob 
Atavismus oder Mißbildung vorliegt, mit äußerster Vorsicht zu 
beurteilen ist“. 

Wenn ich die obige Einteilung zugrunde lege und die von Kitt 
und Sußdorf anfgestellten Grundsätze berücksichtige, so gelange 
ich zu dem Schluß, daß von den von mir beobachteten 
Fällen der I., II. und HI. als teratologische und nur der 
IV. und V. als atavistische Polydaktylien zu deuten sind. 

Symptome und Diagnose. 

Die klinischen Kennzeichen der Polydaktylie sind so prä¬ 
gnant, daß die Diagnose derselben keine Schwierigkeiten bietet. 



Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


87 


Man findet neben der Hauptzehe eine meistens kleinere Nebenzehe 
(Fall HI und IV) oder trifft den Huf gespalten (Fall I) an. Meistens ist 
nur eine Gliedmaße, seltener sind zwei Extremitäten und sehr selten 
alle Tier Füße betroffen, ln der Regel wird die Abnormität an den 
Vordergliedmaßen gesehen (nach Lindemann 77,70 pCt) und 
zwar gewöhnlich an der medialen, selten an der lateralen 
Seite derselben. 

Die Nebenzehe ist meistens verkümmert, seitlich abgebogen und 
artikuliert mit dem verlängerten und verdickten medialen Griffelbein 
oder mit einem Teile der distalen Gelenkfläche des Metakarpus. 
Der Huf der Nebenzehe ist ebenfalls verkümmert. Bei der durch 
Spaltung entstandenen Zweiteilung der Zehe (Fall I) ist dieselbe 
mehr oder weniger weit und meistens ungleichmäßig geteilt. 

Wenn somit die Feststellung der Polydaktylie an sich leicht ist, 
so bietet die Entscheidung der Frage, ob die Anomalie auf Ata¬ 
vismus oder Mißbildung beruht, meistens um so größere 
Schwierigkeiten. Welche Grundsätze hierbei zu beachten sind, habe 
ich in dem vorstehenden Kapitel ausgeführt. Ueber die Beschaffenheit 
des Knochenskeletts gibt eine Untersuchung mit Röntgenstrahlen, 
die sich am stehende Pferde leicht ausführen läßt, gute Auskunft 
(Fall I, IV und V, Fig. 2, 3, 12 und 16). 

Ob die Polydaktylie bei den Tieren Bewegungsstörungen 
hervorruft, hängt von der Größe, der Lage (Richtung), und dem Sitz 
der Nebenzebe ab. In der Regel zeigt sich keine Hinderung 
(Fall IV und V, Beobachtung von Schmaltz, Reinhardt u. A.), 
zuweilen ist die Bewegungsfreiheit der Tiere geringgradig beeinträchtigt, 
z. B. im Trabe oder auf hartem Boden (Zimmermann) oder es be¬ 
steht Lahmheit, wenn das Tier sich mit der Nebenzehe stößt, ver¬ 
letzt oder die Nebenzehe auf dem Erdboden aufstößt (Kirillow). 
Fohlen, welche eine Spaltung der Hauptzehe aufweisen (Fall I) oder 
bei welchen die Hauptzehe verkümmert ist, gehen in der Regel 
lahm, jedenfalls stets bei der Bewegung auf Pflaster. 

Viele dieser Foblen sind kleine, schlecht entwickelte 
Tiere, sog. Kümmerer, die der Besitzer deshalb nicht aufzieht, 
sondern schlachten läßt. Hieraus erklärt sich, daß diese Fälle 
seltener zur Behandlung kommen, obwohl die Polydaktylie an sich 
kein rares Vorkommnis ist. 



88 


EBERLEIN, 


Prognose. 

Die Beurteilung hängt davon ab, ob es sich um ein hinreichend 
kräftiges Tier handelt und ob sich die Nebenzehe operativ entfernen 
läßt. Die auf Spaltung der Hauptzehe beruhenden Fälle 
(Fig. 1) sind in der Regel inoperabel, immer jedenfalls dann, 
wenn sich die Spaltung nur bis an das Fesselgelenk erstreckt. Aber 
wenn auch die Spaltung bis über das Fesselgelenk hinausgeht und 
die Gelenke an beiden Zehenteilen nicht Zusammenhängen, ist die 
Operation, wenn auch technisch möglich, so doch meistens zwecklos, 
da die bleibende Zehe zu schwach ist, um die Gliedmaße genügend 
zu stützen. 

Ist die Nebenzehe deutlich gegen die Hauptzehe ab¬ 
gesetzt und diese kräftig genug, so lautet die Beurteilung 
günstig, da von der Operation Erfolg erwartet werden 
kann. 

lieber die Lage der Knochen und Gelenke zueinander, orientiert 
sehr gut eine Röntgenaufnahme (Fig. 2, 3, 7, 12 und 16), die sich 
leicht am stehenden Pferde ausführen läßt. 

Therapie. 

Die Operation ist schon häufig ausgeführt worden. Ueber 
günstige Erfolge haben berichtet: Benard (62, 1828), Müller und 
Rehrs (nach Gurlt), Varneil, Armatage, Hüll, Freew und 
Dele (nach Cornevin), Nies, Liebl, Joger, Kirillow, Steger, 
Salles, Ries, Schimmel, Pfab, Hederstedt. Ising hat die 
Operation bei einem 3 Monate alten Fohlen sogar an allen vier 
Füßen ausgeführt. 

Die Operation selbst ist nicht schwer. Die Ausführung 
derselben habe ich bereits oben (Fall IV) beschrieben, 
worauf ich verweise. Nur möchte ich einige Punkte nochmals her¬ 
vorheben. 

Das Tier wird wie gewöhnlich niedcrgelegt und das Operations¬ 
feld nach den Grundsätzen der allgemeinen Operationslehre vor¬ 
bereitet. Chloroformnarkose ist nicht erforderlich. Novokai’n- 
Adrenalin-Lokal-Anästhesie reicht vollkommen aus. Ich 
gebe den Tieren außerdem aus Vorsicht noch eine ihrer Größe ent¬ 
sprechende Dosis Chloralhydrat per os. 

Nachdem alles vorbereitet ist, spaltet man durch einen langen 
Schnitt am Innenrande der Nebenzehe die Haut, präpariert dieselbe 



Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


89 


nach vorn und hinten zurück, sodaß die Nebenzehe vollkommen 
freigelegt ist. Jetzt werden die Weichteile durchschnitten und der 
Knochen durchtrennt; dies geschieht am besten mit der Säge. Nun 
muß sorgfältige Blutstillung und Verschluß der etwa er- 
öffneten Sehnenscheiden durch Naht erfolgen. Endlich 
werden die Hautlappen reguliert und durch Naht vereint. Zum 
Schluß Verband. Es empfiehlt sich, den Okklusivverband durch 
einen Immobilisierungsverband (Gyps etc.) zu verstärken, um 
die Bewegungen der Gliedmaße möglichst einzuschränken und die 
Heilung zu befördern. 

Man schone die Haut sorgfältig. Wenn dieselbe auch zu¬ 
nächst zu reichlich erscheint, so retrahiert sie sich nach Entfernung der 
Nebenzehe und infolge der eintretenden Entzündung meistens ziemlich 
erheblich, sodaß dann ein Mangel an Haut eintritt und die Nähte ausreißen. 

Die Durchtrennung des Knochens muß möglichst nahe am 
und in der Richtung des Längskonturs des Mittelfußhauptknochens 
erfolgen, damit nicht durch die verbleibenden VerdickuDgen Schön¬ 
heitsfehler bedingt werden. Allerdings kann man darauf rechnen, 
daß sich nach Entfernung der Nebenzehe und Beseitigung der durch 
dieselbe bedingten Zugwirkung bezw. infolge der nunmehr veränderten 
Druckbeanspruchung des Mc. III. in diesem Knochen allmählich 
Transformationen sowohl der äußeren Form als auch der 
inneren Architektur vollziehen. Damit nimmt der Unterfuß eine 
dem gleichen Teile der anderen Gliedmaße entsprechende Form an 
und namentlich gleichen sich Unebenheiten am Knochen aus. Diese 
Umformung hat sich auch in dem von mir operierten Fall V sehr 
schön vollzogen (Fig. 18). 

Endlich ist besonders darauf zu achten, daß nach der Heilung 
der Wunde und ehe das Tier bewegt wird, die Hufe und namentlich 
der Huf der operierten Gliedmaße reguliert wird. Der Huf 
ist zweckmäßig zu beschneiden und erforderlichen Falles zu be¬ 
schlagen, damit auf diese Weise etwa vorliegende Form Veränderungen 
am Hufe oder an der Zehe ausgeglichen werden. 


Erklärung der Abbildungen anf Tafel I —V. 

Tafel I, Fig. 1—5. Fall I. Polydaktylie durch Spaltung des linken Vorder- 
Schenkels eines Jährlingsstutfohlens. 

Fig. 1. Gesamtansicht des Fußes von vorn. 

Fig. 2. Röntgenaufnahme der Zehe dorso-ventral. 



90 


EBERLEIN, 


Fig. 3. Röntgenaufnahme der Zehe ventro-dorsal. 

Fig. 4. Knochenskelett beider Vorderfüße. 

Fig. 5. Sohlenfläche des Hufes nach Entfernung der Hornkapsel (Huf¬ 
lederhaut). 

Tafel II, Fig. 6—7. Fall 11. Polydaktylie an allen vier Füßen bei einem 
Vollblutfötus. 

(1. V. = linker Vorderfuß, r. V. = rechter Vor¬ 
derfuß, l.H. = linker Hinterfuß, r.H. = rechter 
Hinterfuß). 

Tafel III, Fig. 8—9. Fall III. Polydakt ylieamlinkenVorderschenk deines 
neugeborenen Hengstfohlens (engl. Halbblut). 

Fig. 8. Gesamtansicht. 

Fig. 9. Röntgenogramm. 

Tafel IV, Fig. 10—14. Fall IV. Polydaktylie am rechten Vorderfuß eines 
3jährigen Wallachs (mecklenb. Halbblut). 

Fig. 10. Gesamtansicht. 

Fig. 11. Ansicht der Volarfläche. 

Fig. 12. Röntgenogramm der Fcsselgelenksgegcnd. 

Fig. 13. Aufnahme nach erfolgter Heilung. 

Fig. 14. Röntgenogramm der amputierten Zehe. 

Tafel V, Fig. 15—18. Fall V. Polydaktylie am linken Vorderfuß eines 
Jährlingsstutfohlens ostpreußischer Rasse. 

Fig. 15. Gesamtansicht. 

Fig. 16. Röntgenogramm der Fesselgelenksgegend. 

Fig. 17. Aufnahme nach erfolgter Heilung. 

Fig. 18. Röntgenogram 8 Wochen nach erfolgter Heilung. 


Fig. 6. Gesamtansicht 
Fig. 7. Röntgenogramm 


Literatur. 

1) Aldrovandus, M., De monstris. S. 538. (Zit. nach 9.) 

2) Plot, The natural history of Staffordshire. Oxford 1688. S. 266. 

3) Winter v. Adlersflügel, Neuer und vermehrter Traktat von der Stuterei 
und Fohlenzucht. Nürnberg 1703. S. 134. 

4) Boelsche, Das Pferd und seine Geschichte. Berlin 1909. S. 19. 

5) Gurlt, Lehrbuch der pathol. Anatomie. Bd. II. 1832. S. 179, 373. 

6) Derselbe, Eine überzählige Zehe am rechten Vorderfuße eines Pferdes. Magazin 
für die gesamte Tierheilk. Bd. IV. 1838. S. 403. 

7) Derselbe, Ueberzähligc Zehen beim Pferde. Ebenda. Bd. XX. 1854. S. 360. 

8) Derselbe, lieber tierische Mißgeburten. 1877. S. 31 u. Tafel XIII. 

9) Wehenkel, Sur la polydactylie chez les Solipedes. Journal de med. veter. 
militaire. 1873. 

10) Cornevin, Nouveaux cas de didactylie chez lc cheval et Interpretation de la 
polydactylie des equides cn general. Journ. de med. veter. de Lyon. 1881. 
S. 395. (Mit Literatur.) 

11) Ercolani, Nach Ellenberger-Schütz, Jahresbericht für 1882. S. 117. 



Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


91 


12) Lavocat, Le pied du cheval. — Developpement des doigts lateraux. — Divi¬ 
sion du troisieme doigt. Revue vdter. de Toulouse. 1882. S. 22. 

13) Popow, Anatomische Anomalien beim Pferde. Petersb. Arch. f. Veterinär¬ 
medizin. 1883. Nach Ellenberger-Schütz, Jahresbericht für 1883. S. 146. 

14) Hensel, Ueber Hipparion mediterraneum. Abhandl. d. Königl. Akademie der 
Wissenschaften zu Berlin. 1860. S. 27. 

15) Boas, Ueber mehrzehige Pferde. Deutsche Zeitschr. f. Tiermed. 1882. S. 266. 

16) Derselbe, Bemerkungen über die Polydaktylie des Pferdes. Morphol. Jahrb. 
1885. S. 182. 

17) Kitt, Polydaktylie beim Pferd. München. Jahresbericht. 1884/85. S. 57. 

18) und 19) Derselbe, Lehrbuch der pathol. Anatomie. 1894. S. 57 und 1905. 
S. 108. 

20) Persillet, Polydactylie. Bull, de la societe centr. de med. veter. Paris 1888. 
S. 430. 

21) Pütz, Eine überzählige Zehe bei einem Pferde. Deutsche Zeitschr. f. Tier¬ 
medizin. 1889. S. 224. 

22) Rudofsky, Ueberzählige Zehen bei einem Pferde. Zit. nach Eilenberger- 
Schütz, Jahresbericht für 1890. S. 156. 

23) Nies, Un cas de polydactylie chez un poulain. — Amputation. — Guerison. 
Annales de m^d. vetdr. de Bruxelles. 1892. S. 22. 

24) Joger, Vorkommen und operative Entfernung einer zweiten Zehe beim Pferde. 
Berliner Archiv. 1894. S. 376. 

25) Kirillow, Ein zweiter Finger an der linken vorderen Extremität bei einem 
Pferde. Mitteil. d. Kasaner Veterinärinstituts. 1894. 

26) Sh ave, Imperfect supemumerary digit in a horse. Journal of comparative 
pathology and therapeutics. 1894. S. 282. 

27) Steger, Amputation einer überzähligen Extremität. Wochenschr. f. Tierheil¬ 
kunde u. Viehzucht. 1897. S. 257. 

28) Schmaltz, Polydaktylie beim Pferde. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1896. S. 462. 

29) Briot, Ein Fall von Polydaktylie beim Pferde. Comptes rend. de la societ6 
de biologie. 1898. 

30) Ising, Ueberzählige Zehen bei einem Fohlen. Ma&nedsskrift for Dyrlaeger. 
IX. 1899. S. 381. 

31) Maccagni, Polydaktylie (2 Hütchen) beim Fohlen. II nuovo Ercolani. 1901. 
S. 193. 

32) R. Schmidt, Teras oder Atavismus. Berliner tierärztl. Wochenschr. 1901. 
S. 133. 

33) Taylor, The significance of supemumerary digits in the horse, with records 
of two recent cases. The Veterinary journ. 1901. S. 344. 

34) Salles, Polydactylie chez une pouliche. Operation. Revue v^ter. de Tou¬ 
louse. 1902. S. 445. 

35) Fant in, Ein Fall von Polydaktylie beim Pferde. Oesterr. Monatsschr. f. Tier¬ 
heilkunde. 1902. S. 339. 

36) Zimmermann, Ueber Polydaktylie beim Pferde. Ebenda. 1903. S. 337. 

37) Ries, Note sur les doigts supplementaires chez le poulain. Rec. de med. 
vtttr. 1903. S. 567. 



92 


EBERLEIN, Ueber Polydaktylie beim Pferde. 


38; Gislehni, Je ein Fall von Polydaktylie beim Pferd und Rind. La Clinica 
veterinaria. 1903. Teil I. S. 217. 

39) Dalau, Polydaktylie beim Fohlen. Ibidem. 1904. Teil I. S. 32. 

40) Craig, Supernumerary digit in a foal. The Veterinary journ. 1905. S. 205. 

41) Dupas, Didaktylie beim Pferde. Bull, de la soci^td centr. 1905. S. 563. 

42) Schimmel, Polydaktylie bei einem Füllen. Oesterr. Monatsschr. f. Tierheilk. 
1906. S. 202. 

43) Lesbre, Note sur la polydactylie des Solipedes. Bull, de la soc. centr. de 
m6d. vötfr. 1906. S. 78. 

44) Pf ab, Fohlen mit Polydaktylie. Wochenschr. f. Tierheilkunde u. Viehzucht. 
Bd. 52. 1908. S. 342. 

45) Wucherer, Digitus secundus bei einem Fohlen. Ebenda. S. 865. 

46) Borella u. Finzi, Drei Fälle von Polydaktylie (2 beim Pferde und 1 beim 
Schweine). La Clinica veterinaria. 1908. S. 673. 

47) Stephani, Mißbildung. Sachs. Veterinärbericht f. 1907. S. 81. 

48) Hederstedt, Einige Fälle aus meiner Praxis. Svensk. vet. tidskr. Bd. XIII. 
S. 460. 

49) Reinhardt, Ueber Pleiodaktylie beim Pferde. Anatomische Hefte. 1908. 
108. Heft. (Bd. 36. H. 1.) (Mit Literatur.) 

50) Lindemann, Ueber Polydaktylie beim Einhufer. Inaug.-Diss. Leipzig- 
Dresden. 1909. (Mit Literatur.) 

51) Gegenbaur, Kritische Bemerkungen über Polydaktylie als Atavismus. Mor- 
pholog. Jahrbuch. 1880. S. 584. 

52) Derselbe, Ueber Polydaktylie. Ebenda. 1888. S. 394. 

53) Pfitzner, Ein Fall von beiderseitiger Doppelbildung der fünften Zehe. Nebst 
Bemerkungen über die angeblichen Rückbildungen an der ^kleinen* Zehe des 
Menschen. Morpholog. Arbeiten. 1895. S. 279. 

54) Derselbe, Ein Fall von Verdoppelung des Zeigefingers. Ebenda. 1897. 
S. 459. 

55) Rabl, Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. Zeitschr. 
f. wissensch. Zool. 1901. S. 474. 

56) Zander, Ist Polydaktylie als theromorphe Varietät oder als Mißbildung an¬ 
zusehen? Virchows Archiv. Bd. 125. 1891. S. 453. 

57) Blanc, La polydactylie chez les mammifercs. Journ. de med. vdt. de Lyon. 
1893. S. 137. 

58) Jnhelder, Fälle von Polydaktylie bei Menschen und Haustieren. Inaug.- 
Diss. St. Gallen 1904. 

59) Freund, Die Hyperdaktylie. Zeitschr. f. Tiermedizin. 1906. S. 110. 

60) Sußdorf, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere. 1895. S. 316. 

61) Ziegler, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie 
für Aerzte. 1892. 

62) Benard, Ueber Polydaktylie. Recueil de mtfd. vet. 1828. S. 150. 



VI. 


Aus dem veterinär-bakteriologischen Institut der Königlichen Regierung 

zu Schleswig. 

Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des 
Rauschbrandes in der veterinärpolizeilichen Praxis. 

Von 

Veterinärrat Dr. Foth, 

Departementstierarzt und Leiter des Instituts. 


Vor zwanzig Jahren noch hätte mancher wohl verwundert ge¬ 
fragt, ob denn dieses Thema Anspruch darauf erheben könne, in 
einer Festschrift behandelt zu werden. Milzbrand und Rauschbrand 
galten als Krankheiten, deren sichere Erkennung einem einigermaßen 
erfahrenen Praktiker ernsthaft Schwierigkeiten nicht bereitete. 

Das sollte bald anders werden. 

Als die Provinzialverbände anfingen, von der ihnen durch das 
Gesetz vom 22. April 1892 verliehenen Befugnis Gebrauch zu machen 
und die Entschädigung für Pferde und Rinder, die an Milzbrand oder 
Rauschbrand gefallen waren, einzuführen, begannen die Seuchenziffern 
vielfach so beträchtlich zu steigen, daß die zahlenden Provinzialver¬ 
bände und auch die Staatsbehörden sich beunruhigt fragten, ob denn 
wirklich die Seuchen vordem in einem solchen. Maße unbeachtet ge¬ 
blieben oder absichtlich der amtlichen Kenntnis entzogen worden 
seien, oder ob vielleicht diagnostische Irrtümer teilweise die Erschei¬ 
nung erklärten. 

Vorsichtige Provinzial Verwaltungen begannen zu erwägen, ob es 
nicht angezeigt sei, die Zahlung der Entschädigung von einer weiteren 
Prüfung der Diagnose abhängig zu machen. 

In der Zeit der jungen Bakteriologie war es natürlich, daß diese 
Prüfung ausschließlich zu einer bakteriologischen wurde. 

Als diese bakteriologischen Prüfungen dann wiederholt ein nega¬ 
tives Ergebnis hatten, schlug das frühere Vertrauen in die diagnosti- 



94 


FOTH, 


sehe Sicherheit der Tierärzte bis tief in die Reihen der Tierärzte 
selbst in das Gegenteil ura. Den schroffsten Ausdruck fand diese 
Stimmung wohl in einem östlichen Bezirk, wo angeordnet wurde, 
daß die Veterinärbeamten nach dem Sektionsbefunde offiziell nur 
„ Milzbrand verdacht“ als vorliegend erachten durften. 

Diese bakteriologische Prüfung bestand zumeist nur in einer dazu 
recht einfachen bakterioskopisehen Untersuchung. Es entsprach dem 
damaligen Stande der bakteriologischen Wissenschaft überhaupt und 
der Kenntnis der Biologie der Erreger des Milzbrandes und des 
Rauschbrandes im besonderen, daß man glaubte, sich damit begnügen 
zu können. 

Der Rückschlag konnte nicht ausbleiben. Man begann sich zu 
fragen, worauf denn der Widerspruch zwischen den Diagnosen er¬ 
fahrener und zuverlässiger Praktiker und der Bakteriologen beruhe 
und erweiterte und vertiefte die bakteriologische Prüfung. 

Die weitere Entwicklung der bakteriologischen „Nachprüfung“ 
der Milzbrand- und Rauschbranddiagnosen ist bekannt. Ohne ver¬ 
kennen zu wollen, daß sie manche Verdienste um die Bereicherung 
unserer Kenntnis der Morphologie und Biologie des Milzbrandbazillus 
hat, muß es heute offen ausgesprochen werden, daß sie kein Ruhmes¬ 
blatt in der Geschichte der Veterinärbakteriologie ist. 

Der Fehler lag im System. Die bakteriologische Feststellung 
des Milzbrandes und des Rauschbrandes wurde für viel zu einfach 
gehalten. 

Viel zu früh wurden wissenschaftlich ungenügend durchgearbeitete 
Methoden unbedenklich in die Praxis der „Nachprüfungen“ mit ihren 
weittragenden Konsequenzen übertragen. Damit arbeiteten obendrein 
zuweilen Anfänger, denen jede allgemeine bakteriologische Erfahrung 
und Uebersicht fehlte, schablonenhaft und ohne sich Rechenschaft 
geben zu können von der Mannigfaltigkeit der Einflüsse, denen die 
Milzbrand- und Rauschbranderreger nach dem Tode des Tieres unter¬ 
liegen und von den daraus für den vorsichtigen Diagnostiker sich er¬ 
gebenden Fehlerquellen. 

Wer ohne gründliche bakteriologische Vorbildung in irgend einem 
Institut wenige Wochen auf „Milzbranddiagnosen“ gedrillt wird, ist 
garnicht in der Lage, die komplizierten biologischen Vorgänge in der 
Welt der Bakterien richtig zu würdigen. 

Es konnte nicht ausbleiben, daß offenbare Widersprüche zwischen 
den Befunden erfahrener Praktiker und dem Urteil der Nachprüfungs- 



Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes nnd des Rauschbrandes usw. 95 

stelle häufiger zu Tage traten und daß der -weitere Seuchenverlauf 
den Bakteriologen zuweilen schroff ins Unrecht setzte. 

Deshalb haben die offiziellen Nachprüfungen in der bis¬ 
herigen Form die Wertschätzung der Bakteriologie für die 
Diagnose des Milzbrandes und des Rauschbrandes bei Be¬ 
hörden, Tierärzten und Laien geschmälert und überdies 
dem Ansehen des tierärztlichen Praktikers geschadet. 

Folglich wären die Nachprüfungen zu beseitigen.? Das hieße 
das Kind mit dem Bade ausschütten. Denn der Praktiker kann die 
Hülfsmittel der Bakteriologie in vielen Fällen nicht mehr entbehren, 
wenn er nicht in die Irre gehen will. Aber: auch der Bakteriologe 
kann die Beobachtungen des Praktikers nicht immer unbeachtet 
lassen, wenn er nicht groben Täuschungen verfallen will. Folglich 
sollen sich beide unterstützen, nicht aber soll die bakteriologische 
Untersuchungsstelle den ausgesprochenen Charakter einer Kontroll¬ 
station für den Praktiker tragen, wie das schon die wenig glücklich 
gewählte Bezeichnung „Nachprüfung“ andeutet. 

Es fragt sich nun, in welchem Umfang und in welcher Form 
ist eine bakteriologische Ergänzung der klinischen und anatomischen 
Befunde geboten und wie kann das harmonische Zusammenwirken 
des Praktikers und des Bakteriologen erreicht werden? Um diese 
Frage beantworten zu können, haben wir den gegenwärtigen Stand 
der bakteriologischen Diagnose des Milzbrandes und des Rausch¬ 
brandes einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. 

A. Milzbrand. 

1. Es kann als sicher gelten, daß bei notgeschlachteten Tieren 
und bei frischen Kadavern gefallener Tiere der mikroskopische Nach¬ 
weis der Bazillen in jedem Falle unzweifelhaft gelingt. Morphologisch 
ist der Milzbrandbazillus sicher von anderen Bakterien zu unter¬ 
scheiden. Die Unterscheidung wird erleichtert durch differenzierte 
Färbung. Sein als Kapsel bezeichneter äußerer Teil, der übrigens 
im Dunkelfelde ohne weiteres nicht erkennbar ist 1 ), gibt die Muzin¬ 
reaktion. Das Safranin färbt ihn gleichmäßg hellgelb und den inneren 
Bakterienkörper braun, zersetztes, Azur enthaltendes Methylenblau 

1) Untersucht man Blut oder Gewebssaft von Milzbrandkadaver ohne irgend¬ 
welche Zusätze im Dunkelfelde, so findet man bestimmt niemals eine Kapsel oder 
auch nur die Andeutung eines solchen Gebildes, wie ich hier gegenüber einer 
l>iteraturangabe ausdrücklich betonen möchte. 



96 


FOTH, 


rosa und je nach der Art der Zersetzung und der Zusammen¬ 
setzung des Farbstoffs und nach der Dauer der Färbung mit einem 
leichten Stich ins Violette oder ins Rote, den zentralen Teil dagegen 
tiefblau. Hierher gehören Nochts Rot aus Methylenblau, Unnas poly 
chromes Methylenblau, die Boraxraethylenblaue von Ziemann und 
von Manson, die Azurblaulösung nach Michaelis, die Giemsa- 
sche Azur n-Lösung u. a.; (alle diese Lösungen enthalten außer 
Methylenblau noch Methylenazur und, die Giemsa Azur II-Lösung 
ausgenommen, noch Methylenviolett); ferner die zugleich Eosin ent¬ 
haltenden allgemein gebräuchlichen Farblösungen von Giemsa und 
von Leishman. 

Je länger die Kadaver liegen, desto unsicherer wird der Bazillen¬ 
nachweis. Eine Gesetzmäßigkeit fehlt indessen. Im allgemeinen geht 
die Zahl der Bazillen zurück und ihre Form verrät deutlich die 
Zeichen der Auflösung. In der Regel ist es jedoch dem Geübten 
ohne weiteres möglich, die Gebilde als Milzbrandbazillen oder deren 
Reste zu erkennen. 

Hier eignen sich vorzugsweise die metachromatisch färbenden, 
oben erwähnten Azur enthaltenden Methylenblaufarbstoffe 1 ). Blut 
eignet sich besser als Milzbrei. Auch die Dunkelfelduntersuchung, die 
interessante Aufschlüsse über die fortschreitenden Strukturverände¬ 
rungen der Milzbrandbazillen in tierischen Substraten gibt, kann unter¬ 
stützend mit Vorteil herangezogen werden. 

Zuweilen aber, wenn auch selten, verschwinden die Milzbrand¬ 
bazillen selbst bei mäßiger Fäulnis ungewöhnlich schnell, anscheinend 
so vollständig und ohne Hinterlassung nachweisbarer Reste aus dem 
Blut und den Organen, daß sie mit keinem Färb verfahren mehr zu 
entdecken sind. Trotzdem gelingt es zuweilen, sie noch spärlich 
durch das eine oder andere Kulturverfahren nachzuweisen. 

Daß man vorteilhaft dünne Objektträgerausstriche, die ebenso 
wie für Blutuntersuchungen hergestellt werden, verwendet, sie sehr 
gut lufttrocken werden läßt und am besten kurz mit Aether-Alkohol 
fixiert, sei beiläufig bemerkt. 

2. Zur Sicherung des Kulturnachweises sind alle möglichen Vor¬ 
schläge gemacht worden. Teils verfolgen sie nur das Ziel, das 
Material vor weiterer Zersetzung zu schützen und die darin etwa ent¬ 
haltenen Bazillen vor Zerstörung zu bewahren; teils aber wollen sie 

1) Ich bin zurzeit mit weiteren Untersuchungen über den diagnostischen Wert 
dieser Färbungen beschäftigt und werde die Resultate in einiger Zeit veröffentlichen. 



Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Kauschbrandes usw. 5)7 


darüber hinaus noch eine Anreicherung erzielen und weiterhin eine 
elektive Versporung der Milzbrandbazillen in der Bakterienflora des 
mehr oder weniger in Zersetzung begriffenen Materials. Ich habe in 
Gemeinschaft mit meinem ständigen Mitarbeiter, Herrn Kreistierarzt 
Wulff, mit den verschiedenen Methoden eine große Reihe eingehender 
vergleichender Untersuchungen angestellt. Es zeigte sich, daß kein 
Verfahren vollkommen war und vor Täuschungen schützte. Auch 
Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd in verschiedenen Konzentrationen zu 
Milzbrei und Blut in kleinen engen Fläschchen, das die Ueberwucherung 
der anderen Bakterienarten hemmen, Anreicherung und Versporung der 
Milzbrandbazillen dagegen durch Sauerstoffzuführung fördern sollte, 
erwies sich zwar als zweckmäßig, aber ebenfalls nicht als ein sicheres, 
Täuschungen ausschließendes Mittel. 

Dies Ergebnis überraschte nun zwar nicht sonderlich. 

Es ergab sich aber weiter, daß keins der verschiedenen Ver¬ 
fahren so vollkommen ist, daß cs die übrigen ersetzen kann. Darin 
liegt eine große Schwäche der bakteriologischen Milzbranddiagnostik. 
Damit soll nicht gesagt sein, daß die Verfahren einander gleichwertig 
sind. Unzweifelhaft bietet das als „Straßburger Methode“ bekannte 
Gipsstäbchenverfahren die größte Gewähr, etwa vorhandene ent¬ 
wicklungsfähige Keime nachzuweisen, sofern besonders bei vorge¬ 
schrittener Fäulnis zunächst mehrere Gipsstäbchen nicht zu dünn 
beschickt und bis zur möglichst zu beschleunigenden Verarbeitung vor 
Austrocknung geschützt werden, und wenn die erste Aussaat nicht 
nur, wie das Förster und seine Mitarbeiter fordern, mit 2 Minuten 
auf 62° erhitztem, sondern vor allem auch mit unerhitztem Material 
erfolgt. Die vegetativen Zellen sind oft schon so stark geschädigt, 
daß sie bei der vorgeschriebenen Erhitzung ihre Entwicklungsfähigkeit 
einbüßen. Auch allzu starke Verdünnung bei der Plattenaussaat ist 
zu vermeiden. Die zweite Aussaat hat nur dann Aussicht auf Er¬ 
folg, wenn die Gipsstäbchen bis dahin einige Tage bei konstanter 
Temperatur von etwa 20—22 0 in einem besonderen Brütraum für 
konstante niedrige Temperaturen gehalten werden. Diese Forderung 
bereitet oft beträchtliche örtliche Schwierigkeiten und Kosten, ist 
aber unumgänglich. Wesentlich höhere Temperaturen fördern die 
faulige Zersetzung des Materials, niedrigere hemmen die Versporung 
der Milzbrandkeime. Die Forsterschc Vorschrift, dieses Material vor 
der zweiten Aussaat etwa 10 Minuten auf 65 0 zu erhitzen, ist richtig, 
denn ohne Erhitzung überwuchern die andern Keime die Milzbrand- 

Archiv f. wisaensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-B&nd. 7 





98 


KOTH, 

kolonieü oft so vollkommen, daß sie sich kaum entwickeln und auch 
bei sorgfältigster Durchmusterung mit dem Mikroskop leicht über¬ 
sehen werden. 

Indes auch bei sorgfältigster Beachtung aller dieser Momente 
versagt das Verfahren nicht selten. Schüller, der an der amtlichen 
Nachprüfungsstelle in Stettin diese Frage eingehend studierte, ersetzte 
den Gipsstab durch eine Fließpapierrolle, in deren einzelnen Lagen 
der Luftsauerstoff, das Material besser umspülen sollte. Tatsächlich 
ergaben auch hier diese Rollen vielfach bessere Resultate, in vielen 
Fällen versagten aber wieder die Rollen ohne ersichtlichen Grund, 
während die mit demselben Material beschickten Gipsstäbe sehr gute 
Resultate gaben. Allem Anschein nach liegt die Ursache des Ver¬ 
sagens der Gipsstäbe in erster Linie an dem Einfluß mancher Gips¬ 
arten. Bei den hiesigen Untersuchungen wurden die im Handel 
befindlichen kleinen kantigen Originalgipsstäbchen (von Lauten¬ 
schläger und von Leitz - Berlin bezogen) und die nach den 
Schüller sehen Angaben von Altmann (Berlin) gefertigten langen 
runden Gipsstäbe benutzt. Jene waren durchweg zuverlässiger als 
diese. 

Mitunter versagten beide Verfahren, während aus frisch ein¬ 
getrocknetem Material Wachstum erzielt werden konnte. Ein ander¬ 
mal gelang der Nachweis mit keinem dieser Verfahren, während aus 
Rlut oder Milzsaft, dem Wasserstoffsuperoxyd zugesetzt worden war, 
reichliches Wachstum erfolgte. 

fm allgemeinen ergab Blutmaterial bessere Resultate als Milzbrei. 
Mitunter aber war es auch umgekehrt. 

Mithin ist es unzulässig, sich bei stärkerer Fäulnis des Kadavers 
auf ein oder zwei Methoden zu beschränken, auch wenn diese er¬ 
fahrungsgemäß die größte Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung 
etwaiger Keime bieten. 

3. Der zur weiteren Sicherung der Diagnose herangezogene 
Tierversuch bietet im allgemeinen die geringsten Aussichten auf Er¬ 
folg. Denn diagnostische Schwierigkeiten liegen überhaupt nur 
vor, wenn die Milzbrandbazillen bereits geschädigt sind. Ihre 
pathogene Wirkung wird aber früher beeinträchtigt als ihre Ent¬ 
wicklungsfähigkeit. Indes gelingt es zuweilen, auch in schwierigen 
Fällen, wo die anderen Kulturmethoden versagen, die Bakterien in 
der Hauttasche des Impftiers soweit zur Entwicklung zu bringen, daß 
sie daraus kulturell nachweisbar sind. Tödliche Infektion von 



Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Rauschbrandes usw. 99 

Mäusen dagegen mit Material, aus dem mit keinem Kulturverfahren 
Wachstum erzielt werden konnte, habe ich noch nicht beobachtet. 
Etwaige derartige Beobachtungen lassen vermuten, daß bei den 
Züchtungsversuchen Fehler gemacht worden sind. 

Daß selbst die bereits in Kultur gewonnenen Bakterien noch 
keineswegs immer virulent sind, durch Weiterzüchtung aber, besonders 
durch Anreicherung in Hauttaschen von Mäusen ihre Virulenz wieder 
erlangen können, ist bekannt. 

B. Den Rauschbrand. 

Während die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes nur zu¬ 
weilen daran scheitert, daß die Bakterien verhältnismäßig schnell 
untergehen, und im Uebrigen die morphologischen und kulturellen 
Besonderheiten der Milzbrandbazillen so ausgeprägt sind, daß Irr- 
tümer sicher vermieden werden können, begegnet der Bakteriologe 
beim Rauschbrand anderen und zunächst weit größeren Schwierig¬ 
keiten. Ich habe die Frage, inwieweit der Rauschbrand auf 
bakteriologischem Wege sicher feststellbar ist, in umfangreichen 
Untersuchungen an einem großen Material studiert und das Ergebnis 
in einer größeren Abhandlung „Die Diagnose des Rauschbrandes“ in 
Heft 3/4 des 6. Bandes der Zeitschrift für Infektionskrankheiten, 
parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere (Jahrgang 1909) 
niedergelegt. Ich darf mich hier, um Wiederholungen zu vermeiden, 
darauf beziehen und werde nur kurz die Hauptpunkte hervorheben. 

1. Die mikroskopische Untersuchung allein liefert keinen hin¬ 
reichenden differentialdiagnostischen Anhalt. 

Denn rein morphologisch unterscheiden sich die Rauschbrand- 
bazillen in dem aus dem gefallenen Rinde gefertigten Ausstrich¬ 
präparat von mehreren verwandten Anaerobenarten nicht genügend. 
Weder die Jodreaktion noch die Blähformenbildung sind für sie 
charakteristisch. Klostridien und Granulöse scheinen die meisten, wenn 
nicht alle Anaeroben in gewissen Stadien ihrer Entwicklung bilden 
zu können. Sicher haben die zur Gruppe der ödembazillenartigcn 
Anaeroben gehörenden Bakterien, die differentialdiagnostisch vorwiegend 
in Betracht kommen, sämtlich diese Eigenschaften ähnlich wie der 
Rausch brandbazillus. Graduelle Unterschiede sind bedeutungslos, 
denn sie bestehen auch beim Rauschbrandbazillus selbst. Gramfestigkeit 
ist erst recht eine Eigenschaft anscheinend aller Anaeroben im lebens- 




100 KOTH, 

und entwicklungsfähigen Zustande. Graduelle Schwankungen sind 
differentialdiagnostisch ganz bedeutungslos. 

Danach hat die mikroskopische Untersuchung von Material aus 
dem Kadaver allein, sei es im Dunkelfelde oder im gefärbten Aus¬ 
strichpräparat (einfach oder metachromatisch färbende Lösungen, 
Granulöse, Reaktion, Gramsche Färbung) nur einen unterstützenden 
Wert, wenn die Zerlegung bereits sichere rauschbrandige Ver¬ 
änderungen ergeben hat. Dann aber ist sie an sich von unter¬ 
geordneter Bedeutung. Denn typische umfangreiche rauschbrandige 
Muskelerkrankungen sichern die Rauschbranddiagnose hinlänglich. 
Nur wenn sie im Anschluß an Geburten im Hinterteil auftreten, ist 
Vorsicht geboten. Dann aber ist der etwaige mikroskopische Befund 
von „Rauschbrandbazillen“ kein Beweis dafür, daß wirklich Rausch¬ 
brand vorliegt nnd nicht eine foudroyante ähnliche Erkrankung, deren 
Erreger dem Rauschbrandbazillus zwar in vieler Hinsicht ähnlich 
sind, sich aber in wichtigen biologischen und beim Tierversuch und 
der Züchtung noch hervortretenden morphologischen Eigenschaften 
doch weit von ihm entfernen. 

Dasselbe gilt von allen rauschbrandverdächtigen Befunden, wo 
das Infektionsbild kein sicheres Urteil gestattet. Dahin gehören vor 
allem die Fälle, wo die Muskelerkrankungen nicht schwammig, trocken 
und porös, sondern feuchtglänzend, sehr saftreich und nur auf kleine 
Stellen beschränkt sind, und wo an den inneren Organen charak¬ 
teristische Veränderungen (Leber, Nieren, Brustfell, Herzbeutel, Herz¬ 
blut) fehlen. 

2. Während in der bakteriologischen Milzbranddiagnosc, soweit 
sie nicht schon durch den charakteristischen mikroskopischen Befund 
allein gesichert wird, in den meisten Fällen das Kulturverfahren die 
wichtigste Rolle spielt und der Tierversuch nur eine untergeordnete 
Bedeutung hat, stützt sich die Rauschbranddiagnose in erster Linie 
auf den Tierversuch und zwar vor allem auf die Meerschweinchen¬ 
impfung. Zunächst sind die typischen rauschbrandigen Veränderungen, 
die man bei der Zerlegung der Impftiere findet, differentialdiagnostisch 
von Bedeutung. Wertvoll ist auch die im Dunkelfelde (bei Körper¬ 
wärme) zu beobachtende Art der Eigenbewegung, weniger schon die 
ßlähformenbildung, die Einlagerung von Granulöse, die Neigung zur 
Versporung, die Lage der Sporen usw. Vor allem aber zeigen 
die unmittelbar aus dem Tierkörper stammenden voll- 
virulenten Rausclibrandbazillen in diesem Impftiere kon- 





Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Rauschbrandes usw. 101 

stant, die diagnostisch bedeutungsvolle Eigentümlichkeit, daß 
sie auf dem Peritoneum, insbesondere auf der dem Zwerch¬ 
fell anliegenden Leberoberfläche, die der Besiedelung durch 
Darmbakterien wenig ausgesetzt ist, und in den inneren 
Organen, besonders den Nieren, niemals in Zellenverbänden 
auftreten, während die ödembazillenartigen Bakterien 
stets mehrgliedrige, oft lange Verbände bilden. Daneben 
kommen die farbchemischen Reaktionen der Bakterien, ihre Gestalt, 
Größe, Form Veränderungen und sonstige kleine Besonderheiten in 
Betracht, so die Neigung zur Versporung in der Muskulatur, nicht 
dagegen im Blut, in der Oedemflüssigkeit und auf dem Peritoneum, 
sowie anderes mehr. Daß die Versuche mit größter Vorsicht aus¬ 
geführt werden müssen, um groben Täuschungen durch Mitüber¬ 
tragung von verbandbildenden Bakterien aus nicht mehr frischen 
Kadavern vorzubeugen, kann allerdings nicht genug betont werden. 
Dergleichen läßt sich aber, wie ich in meiner genannten Abhandlung 
ausführlich dargelegt habe, bei genauer Kenntnis aller Fehlerquellen 
vermeiden. 

Somit reicht der exakte Meerschweinchenversuch in 
der Regel zur Sicherung der Diagnose aus. Zur Unterstützung 
kann in etwaigen zweifelhaften Fällen noch die verschiedene Empfäng¬ 
lichkeit der übrigen Laboratoriumsversuchstiere herangezogen werden, 
bei denen indes mit natürlichen individuellen Schwankungen gerechnet 
werden muß und daher Vorsicht geboten ist. (cfr. meine Ab¬ 
handlung S. 228). 

Eine Erweiterung des Tierversuchs ist möglich durch Anwendung 
spezifischen antiinfektiösen Serums, das durch Immunisierung von 
Kaninchen mit Rauschbrandkulturen in kurzer Zeit zu gewinnen ist 
(cfr. meine Abhandlung S. 253) sowie durch Verwendung von Meer¬ 
schweinchen, die durch fortgesetzte Impfung mit Rauschbrandmaterial 
verschiedener Provenienz immunisiert worden sind. 

3. Ausnahmsweise kommt es vor, daß das Ergebnis des Versuchs 
noch einer weiteren Sicherung der Diagnose durch Reinzüchtung der 
Bakterien und Prüfung ihres biologischen und pathogenen Verhaltens 
bedarf. Es liegt nicht im Rahmen dieser Abhandlung hierauf näher 
einzugehen. Einige kurze Angaben mögen genügen. Folgender Gang 
der Arbeiten hat sich mir als der einfachste und sicherste erwiesen. 
Impfung eines Meerschweines, davon oder von einem mit Oedemsaft 
des ersten tödlich infizierten zweiten unmittelbar nach dem Tode oder 



102 


FOTH, 

besser nach Tötung des Tierchens in der Agone Anlegung von (zucker¬ 
freien) Agarplatten, denen nach dem Vorgänge von Grassberger und 
Schattenfroh (Ueber Buttersäuregärung, III. Abhdlg., Archiv f. Hygiene 
Bd. XLVIII. Heft 1). kleine sterile, frische Rindermuskelstückchen zu¬ 
gesetzt wurden. Kultivierung unter reinem, am besten elektrolytisch 
gewonnenem und nur noch von Sauerstoffbeimengungen zu befreiendem 
Wasserstoff. Durchmusterung der üppig bewachsenen Platten nach 
24 Stunden mit schwacher Vergrößerung, nähero Prüfung der Bakterien 
im Dunkelfelde und in gefärbten Präparaten, Uebertragung anscheinend 
sicherer Kolonien auf durch gut einströmenden oder ganz schwach ge¬ 
spannten Dampf sterilisierten Rindermuskel, Ueberschichtung mit 75° 
heißer, frischer, ausgekochter, zuckerfreier Bouillon, Pasteurisierung 
30 Minuten lang bei 75°, Einschluß ins Buchnerrohr und Kultivierung 
im Thermostaten. Untersuchung der Kulturen im Dunkelfelde im 
Nuttatschen Brutschrank nach 24 Stunden auf Beweglichkeit und 
Art der Bewegung, Versporung, Blähformenbildung. Granulosereaktion, 
Gramreaktion und gewöhnliche Färbung. 

Weitere Beobachtung der Kulturen, der Gasbildung, der Bildung 
des Bodensatzes, des weiteren morphologischen Verhaltens der Bakterien, 
ihrer chemischen Reaktionen, ihrer Versporung, des Zerfalls der Zellen, 
des Verschwindens der Sporen. Aus den Bouillonkulturen Uebertragung 
des bakteriellen Bodensatzes mit frisch ausgezogenen Kapillaren auf 
Milch, frisch und durchsichtig in hoher Schicht erstarrtes Serum, 
neutralen hochgeschichteten im Verhältnis 1:15 mit 1 prom. 
FeS0 4 Lösung versetzten und darauf auf offener Flamme gut durch¬ 
gekochten frischen Agar und auf Zuckerbouillon-Gärkülbcheu zur 
Prüfung des biologischen Verhaltens der Bakterien. 

Alles Nähere ergibt sich aus meiner mehrfach zitierten Abhand¬ 
lung S. 230 bis 253. Die Diagnose kann auf diesem Wege leicht 
und schnell gesichert werden. Daß die Kulturarbeiten durch parallel 
laufende Impfungen normaler und gegen Rauschbrand immunisierter 
Meeschweine kontrolliert werden, ist selbstverständlich. 


Somit liegen die Schwierigkeiten, denen die bakteriologische Dia¬ 
gnose beim Milzbrände und beim Rauschbrande, begegnet, in ganz ver¬ 
schiedener Richtung. 

Die Milzbrandbazillen verspüren im Tierkörper nicht. Sie 
gehen relativ schnell im Kadaver zu Grunde. 



Die bakteriologische Diagnoso des Milzbrandes und des Kauschbrandes usw. 1Ö3 

Die Schnelligkeit, mit der sich dieser Prozeß vollzieht, ist zum 
Teil von unbekannten Momenten, im Ucbrigen aber von der Zeit ab¬ 
hängig, die seit dem Tode des Tieres verflossen ist, von dem Grade 
der sich entwickelnden Fäulnis, anscheinend oft auch noch von der 
Art der jeweiligen die Fäulnis beherrschenden Bakterienarten und 
mithin wechselnd. 

An frischen Kadavern ist die bakteriologische Diagnose durch bak- 
terioskopische Prüfung schnell und völlig sicher zu stellen; auch bei 
partieller Auflösung der Bakterien ist der Nachweis der Milzbrand¬ 
bazillen mit geeigneten Färbemethoden mit Azur enthaltenden Methylen¬ 
blaugemischen in den allermeisten Fällen noch ohne Weiteres sicher 
zu führen. Im übrigen führt ein einfaches Kulturverfahren schnell 
und sicher zum Ziel. Bei vorgeschrittener Auflösung dagegen wird 
das Ergebnis selbst unter Anwendung vielfacher Methoden und unter 
Zuhilfnahme des Tierversuchs immer unsicherer und zuweilen völlig 
unmöglich. 

Der pathologisch-anatomische Befund vermag diese unleugbaren 
Mängel der bakteriologischen Diagnose kaum auszugleichen. Denn 
die den Untergang der Bazillen in erster Linie fördernde Fäulnis der 
Kadaver verwischt auch die charakteristischen anatomischen Ver¬ 
änderungen der Organe, des Blutes usw., während umgekehrt in frischen 
Fällen, wo die bakteriologische Diagnose leicht ist, auch der Sektions¬ 
befund, von Ausnahmen abgesehen, den erfahrenen Praktiker kaum 
im Zweifel über die Natur der Krankheit läßt. 

Die Rauschbrandbazillen dagegen versporen im Tierkörper. 
Die Fäulnis ergreift die rauschbrandig veränderten Muskelpartien nur 
langsam. Selbst bei geringfügigen lokalen, rauschbrandigen Prozessen 
können die versporten Rauschbrandbazillen sich zwar mit Fäulnis er¬ 
regenden Bakterien mischen. Bis zur völligen Ueberwucherung und 
Zerstörung, bis zur Unnachweisbarkeit pflegt es aber unter den Ver¬ 
hältnissen der veterinärpolizeilichen Praxis schwerlich zu kommen. 

Die bakteriologische Diagnose ist daher im Gegensatz zum Milz¬ 
brände auch in solchen Fällen nicht unmöglich. Dagegen ist sie in 
frischen Fällen nicht so einfach, wie die des Milzbrandes, weil die 
morphologischen Besonderheiten des Rauschbrandbazillus in dem aus den 
Kadavern angefertigten Ausstrichpräparat allein für die Diagnose nicht 
genügen. Die mikroskopische Untersuchung bedarf vielmehr, wenigstens 
des Meersehweinschenversuchs als Ergänzung. In diesem Umfange ver¬ 
mag sie in den allermeisten Fällen die Diagnose ohne Weiteres zu 



104 


FOTH, 


sichern. In den übrigen Fällen führen weitere, wenn auch mitunter 
komplizierte bakteriologische Untersuchungsmethoden sicher zum Ziel. 

Im Gegensätze zum Milzbrände werden nun aber diese Mängel 
der bakteriologischen Rauschbranddiagnose zum Teil durch den patho¬ 
logisch-anatomischen Befund ausgeglichen. Denn bei frischen Kadavern 
ist das Sektionsbild meistens so ausgeprägt, daß es einer bakterio¬ 
logischen Untersuchung überhaupt nicht bedarf. Und auch vorge¬ 
schrittene Fäulnis verändert größere, typisch erkrankte Muskelarten 
oft so wenig, daß die Diagnose keine Schwierigkeiten bereitet. 

Ist das Sektionsbild indes überhaupt weniger ausgeprägt, so ge¬ 
nügt in der Regel schon der Tierversuch, insbesondere, wenn der 
Mangel hinreichend typischer Muskelveränderungen durch charakteristische 
Befunde an den inneren Organen ersetzt wird und cfas der Fäulnis 
nicht allzu schnell zugängliche, versporte Rauschbrandbaz.il len ent¬ 
haltende seröse und fibrinöse llerzbeutelexsudat zur Prüfung mit 
herangezogen wird. 

Nur in den seltenen sonstigen Yerdachtsfällen und vorzugsweise 
bei verdächtigen Todesfällen bei Tieren, deren natürliche Erkrankung 
an Rauschbrand nicht feststeht (Pferden, Schweinen und auch Schafen 
sowie allen übrigen Tieren) läuft die Schwierigkeit der Diagnose am 
Kadaver mit der jedoch im Gegensatz zum Milzbrand stets möglichen 
bakteriologischen Diagnose parallel. 


Nach diesen Feststellungen ergibt sich die Beantwortung unserer 
Frage: „in welchem Umfange und in welcher Form eine bakterio¬ 
logische Ergänzung der klinischen und anatomischen Befunde beim 
Milzbrände und Rauschbrande geboten sei und wie das harmonische 
Zusammenwirken des Praktikers und des Bakteriologen erreicht werden 
können“ von selbst. 

Beim Milzbrände übertrifft im allgemeinen die bakterio¬ 
logische Untersuchung die klinische und anatomische an 
diagnostischer Sicherheit. Zudem ist sie einfach und wird 
daher im veterinär-polizeilichen Interesse und im Interesse 
der die Entschädigungen zahlenden Verbände in allen 
Fällen unbedenklich mit dem Vorbehalte zu fordern sein, 
daß ein negatives Ergebnis der bakteriologischen Prüfung 
nur unter gleichzeitiger Würdigung des Sektionsbildes und 
der für den etwaigen Untergang der Milzbrandbazillen in 



Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Kauschbrandes usw. 105 


Betracht kommenden Momente den Milzbrand verdacht zu 
entkräften vermag. 

Beim Rauschbrande überwiegt dagegen im allgemeinen 
die diagnostische Sicherheit der klinischen und anato¬ 
mischen Untersuchung. Die bakteriologische Untersuchung 
in ihrer einfachsten Form, der bakterioskopischen Prüfung 
allein, ist ohne ein gleichzeitiges typisches Sektionsbild 
wertlos, folglich überflüssig, da dieses genügt. 

Für alle weniger typischen Sektionsbefunde ist dagegen 
eine mindestens durch den Meerschweinchenversuch und in 
besonderes unklaren Fällen durch Kulturprüfungen er¬ 
weiterte bakteriologische Untersuchung zu fordern. 

Nun erhebt sich die Frage, wer soll diese bakteriologischen 
Untersuchungen ausführen V Zunächst muß ich wiederholen, daß ich 
die gegenwärtig vielfach bestehende obligatorische „Nachprüfung“ an 
den Zentraluntersuchungsstellen der die Entschädigungen zahlenden 
Verbände mit ihrer, teilweise bereits etwas gemilderter Forderung 
des Bazillennachweises aus den angeführten Gründen nicht nur nicht 
für eine nützliche, sondern für eine schädliche Einrichtung halte. Sie 
entspricht nicht dem Stande der wissenschaftlichen Erfahrung, beein¬ 
trächtigt die diagnostische Umsicht und Sicherheit des praktischen 
Vetcrinärbeamten, mindert sein Ansehen und damit seine Berufs¬ 
freudigkeit und fördert aus naheliegenden Gründen zu guterletzt noch 
die Ausbreitung der Seuchen, anstatt zu ihrer Tilgung beizutragen. 

Das veterinärpolizeiliche Interesse fordert vielmehr, daß der 
Vetcrinärbeamte selbständig entscheide, nötigenfalls mit Unterstützung 
eines bakteriologischen Instituts. Diese Forderung setzt voraus, daß 
er in der Lage ist, sich selbst in möglichst weitem Umfange der 
Hiilfsmittel der bakteriologischen Diagnostik zu bedienen. Nur dann 
wird man erwarten können, daß er zuverlässig richtige Entscheidungen 
trifft und aiich beurteilen kann, wann weitere Untersuchungen in 
einem bakteriologischen Institut zur Sicherung der Diagnose er¬ 
forderlich sind. 

Befinden sich nun aber gegenwärtig alle Veterinärbcamten in 
dieser Lage? 

Diese Frage muß verneint werden. 

Folglich wird dafür gesorgt werden müssen, daß sie sieb der 
bakteriologischen Hülfsmittel mit Verständnis und Sicherheit zu be¬ 
dienen wissen. 



106 


FOTH, 


Ob und inwieweit bereits eine Verbesserung und Vertiefung der 
Ausbildung während der Studienzeit geboten erscheint, mögen die 
tierärztlichen Hochschulen in erster Linie erwägen. Auch ob in der 
kreistierärztlichen Prüfung ein stärkeres Gewicht auf den Nachweis 
tieferen wissenschaftlichen Verständnisses und weit größerer praktischer 
Gewandtheit und Sicherheit, ja einer gewissen Routine wenigstens 
auf diesem eng begrenzten Gebiete der Bakteriologie zu fordern ist, 
soll hier nicht erörtert w r erden. 

Geht doch auch bei mangelnder Uebung manches davon wieder 
verloren in dem bis zur Anstellung als Veterinärbeamter vorgehenden 
von Jahr zu Jahr wachsenden Zeitraum. 

Unerläßlich aber ist es, daß den Veterinärbeamten nach ihrer An¬ 
stellung im Staatsdienste Gelegenheit gegeben wird, sich die etwa 
noch fehlenden Kenntnisse zu erwerben und sie dauernd zu erhalten. 
Die bisherigen Fortbildungskurse reichen hierzu, wie die Erfahrung 
lehrt, nicht aus. Sie können auch nicht ausreichen. Dazu ist die 
Summe der fortschreitenden Erkenntnis auf allen Gebieten und die 
Menge des den Herrn in knappster Zeit und gedrängter Kürze Ge¬ 
botenen heute viel zu groß. 

Diese Kurse können und sollen auch nicht viel mehr als einen 
allgemeinen Ueberblick geben und das Interesse des Praktikers anregen 
für die Fortschritte der wissenschaftlichen Erkenntnis. 

Die Lösung der Frage liegt in einer anderen Richtung. 

Es muß dahin gestrebt werden, daß bei jeder Regierung 
ein staatliches veterinärbakteriologisches Institut einge¬ 
richtet wird, das t unter der Leitung des selbstverständlich 
bakteriologisch geschulten Departementstierarztes steht, 
dem nach Bedarf ein oder mehrere Hülfsarbeiter zur Seite 
stehen. 

In diesem Institut sind diejenigen bakteriologischen 
Untersuchungen auszuführen, die die Kreistierärzte nicht 
selbst ausführen können. 

Die Kreistierärzte sind, soweit dies nicht schon ge¬ 
schehen ist, sämtlich mit einem Bakterienmikroskop zu 
versehen und im Dienstwege anzuhalten, die erforderlichen 
Einrichtungen und Hülfsmittel für einfache bakteriologische 
Untersuchungen, soweit sie ihnen nicht dazu geliefert 
werden, selbst zu beschaffen und instand zu halten. 

Wann und in welchem Umfang sie eine bakteriologische Unter- 



Die bakteriologische Diagnose des Milzbrandes und des Rauschbrandes usw. 107 


suchuug vorzunehmen haben, wann sie Teile zur weiteren Untersuchung 
an das Regierungsinstitut einzusenden haben und nach welchen Grund¬ 
sätzen dies zu geschehen hat, ergibt sich für die Milzbrand- und 
Rauschbranddiagnose aus meinen Darlegungen und wird zweckmäßig 
mindestens für diese Seuchen bindend vorzuschreiben sein. 

Aufgabe der Dieustaufsicht wird es sein, die sorgsame Instand¬ 
haltung der bakteriologischen Einrichtung und die gewissenhafte Be¬ 
folgung der Untersuchungsvorschriften zu sichern. Strenge Dienst¬ 
aufsicht wird im preußischen ßearatenkörper bis in die höchsten 
Stellen geübt. Sie wird also auch von den Kreistierärzten nicht als 
Mißtrauen empfunden werden, um so weniger, als sie die Selbständig¬ 
keit ihrer Entscheidungen fördern will und als sie unerläßlich ist, um 
das Vertrauen zu der Zuverlässigkeit ihres Urteils in interessierten 
Kreisen zu sichern. 

Doch diese Maßnahmen reichen allein nicht aus. 

Den Kreistierärzten muß auch Gelegenheit gegeben 
werden, sich in dem Institut selbst die praktische Routine 
im bakteriologischen Arbeiten anzueignen, die allein ein 
sicheres Urteil gewährleistet. 

Das ist erreichbar, wenn von Zeit zu Zeit einige Herren, 
gleichzeitig höchstens zwei oder drei, 10—14 Tage lang mit 
Unterstützung des Leiters praktisch im Institut arbeiten. 

Dann wird es den Kreistierärzten ein leichtes sein, die 
die ihnen zufallenden diagnostischen Aufgaben zu lösen 
und ein Zweifel an der Richtigkeit ihrer Diagnosen, wie 
er heute noch in den Nachprüfungsbestrebungen vieler 
Provinzialverbände zum Ausdruck kommt, ist ferner nicht 
mehr berechtigt. 



VII. 


Ans dem Veterinär-Institut der Universität Breslau. 

(Direktor: Prof. I)r. M. Casper.) 

Beiträge zur bakteriologischen Sputumuntersuchung bei 
der Lungentuberkulose des Rindes. 

Von 

J)r. med. vet. Hieronymi, 

I. Assistenten des Veterinärinstituts. 


Die Tuberkulose des Rindes ist in Deutschland die verbreitetste 
Tierseuche. Bis jetzt hat eine zahlenmäßige Abnahme der Tuber¬ 
kulose von der Fleischbeschaustatistik nicht nachgewiesen werden 
können, obwohl schon seit Jahren die Tuberkulosebekämpfung mit 
Nachdruck in die Hand genommen worden ist und die verschiedensten 
Methoden der Tuberkulosetilgung vorgeschlagen und zum Teil auch 
praktisch durchgeführt worden sind. Abgesehen von dem beständigen 
Verlust an Nationalvermögen, den die Rindertuberkulose im Gefolge 
hat, ist ihre erfolgreiche Bekämpfung und Ausrottung auch deshalb 
dringend geboten, weil sie einen nicht unwichtigen Faktor der Volks¬ 
gesundheit darstellt, da sie durch ihre nahe Verwandtschaft mit 
der Tuberkulose des Menschen auch diesem gefährlich werden kann. 

Die große Aufgabe, die der Immunitätsforschung gestellt ist, eine 
tuberkulosefreie Nachzucht des Rindes zu gewährleisten, ist trotz 
der vielen Anläufe in den letzten Jahren noch nicht gelöst. Wenn 
auch die Ergebnisse der hierhin zielenden Versuche teilweise ermutigend 
ausgefallen sind, so kann wegen des Zeitaufwandes, den derartige 
Experimente erfordern und wegen der widersprechenden Resultate der 
einzelnen Forscher ein positives Urteil über den Wert einer Immuni¬ 
sierung gegen die Rindertuberkulose noch nicht abgegeben werden. 

Zur Zeit sind wir noch auf die Bekämpfung der Tuber¬ 
kulose der erwachsenen Tiere angewiesen, die naturgemäß um 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Kindes. 109 

vieles langsamer zum gesteckten Ziele führen muß, da die Ausrottung 
der Infektionsquellen in den einzelnen Rinderbeständen mit großen 
Schwierigkeiten verknüpft ist, und die Tuberkulose vermöge ihrer 
hervorragenden Kontagiosität die Tendenz hat, wenn auch langsam, 
so doch stetig um sich zu greifen. 

Zwei Hauptprinzipien kamen in Frage, um das dauernde An¬ 
schwellen der Rindertuberkulose allmählich einzudämmen: Der von 
Bang (5) ausgehende Vorschlag der Tuberkulinisierung der 
Rinderbeständc und das sogenannte Ostertagsche Verfahren 
der klinischen Untersuchung der Rinder auf Tuberkulose. 
Die erste Methode mußte in Deutschland wegen ihrer praktischen 
Undurchführbarkeit bald fallen gelassen werden. Dagegen hat das 
von Ostertag (78) angegebene Tilgungsverfahren in den meisten 
Provinzen Preußens Eingang gefunden. 

Siedamgrotzky (102) entwickelte auf dem VII. internationalen 
tierärztlichen Kongreß in Baden-Baden 1899 seine Gedanken über 
eine Tuberkulosetilgung und zeigte einen Weg, auf dem ein wirksames 
Einschreiten gegen die Tuberkulose möglich wäre. Er empfahl ein 
frühzeitiges Abschlachten der gefährlich tuberkulösen Tiere und eine 
sorgfältige Vermeidung der Ansteckung der Kälber und der gesunden 
Tiere. Als „gefährlich“ sah er die Tiere an, die mit Lungen-, Darm-, 
Euter-, Gebärmutter- und Hoden tuberkulöse behaftet sind. 

Ostertag machte diese Gedanken zur Grundlage eines neuen 
Tilgungsverfahrens, dessen Durchführung er am 22. Mai 1900 in der 
XIV. Jahresversammlung des Ostpreußischen landwirtschaftlichen 
Zentralvereins darlegte und das seit dieser Zeit als Ostertagsches 
Tuberkulosetilgungsverfahren bezeichnet und in größtem Maßstabe von 
der Ostpreußischen Holländer Herdbuchgesellschaft durchgeführt wird. 
Dieses Ostertagsche Tilgungsverfahren beruht im Prinzip bekannt¬ 
lich darauf, daß durch klinische Untersuchung in bestimmten Zeit¬ 
abschnitten die klinisch nachweisbar tuberkulösen Rinder der einzelnen 
Bestände aus der Herde ausgemerzt und die der Tuberkulose ver¬ 
dächtigen Tiere bis zum nächsten Untersuchungstermin derart isoliert 
werden, daß eine Ansteckung der gesunden Tiere durch sie ausge¬ 
schlossen wird. Gleichzeitig wird eine tuberkulosefreie Aufzucht der 
Kälber angestrebt. 

Bei der großen Bedeutung, die dieses Verfahren heute besitzt, 
erschien es nicht unwichtig, einige Punkte desselben näher zu prüfen 
und nach neuen Mitteln zu suchen oder alte zu verbessern, die als 



110 


1UERONYMI, 


wirksame Waffen im Kampfe gegen die Tuberkulose gebraucht werden 
können. Ich folgte daher der Anregung des Herrn Prof. Dr. Casper, 
meines hochverehrten Chefs, das große Material, das mir im Veterinär¬ 
institut der Universität Breslau zur V erfügung stand, daraufhin durch¬ 
zuprüfen und zwar meine Untersuchungen, deren Ergebnisse im 
folgenden mitgeteilt werden, besonders auf die bakteriologische 
Seite des Ostertagschcn Verfahrens auszudehnen. 

Für das Interesse und die liebenswürdige Unterstützung bei der 
Anfertigung dieser Arbeit drängt es mich, meinem hochverehrten 
Chef, Herrn Prof. Dr. Casper auch an dieser Stelle meinen ver¬ 
bindlichsten Dank auszusprechen. Ebenso bin ich Herrn Dr. Schmidt 
und Herrn Dr. Wülfel für die gütige Ueberlassung des Materials zu 
großem Dank verpflichtet. 

Hauptsächlich sind es vier Formen der Tuberkulose des Kindes, 
die als Angriffspunkte bei der wirksamen Bekämpfung der Tuberkulose 
in Betracht kommen können: 

1. die Lungentuberkulose, und zwar deren offene Formen, 

2. die Darmtuberkulose, 

3. die Gebärmuttertuberkulosc. 

4. die Eutertuberkulose. 

liier beschäftigt uns nur die wichtigste und zugleich verbreitetste 
und gefährlichste Form, die Lungentuberkulose. 

Die Genese der Lungentuberkulose ist besonders in der 
Humanmedizin in den letzten Jahren der Gegenstand der eifrigsten 
Forschung gewesen, und die widersprechendsten Ansichten sind auf 
Grund ausgedehnter Experimente in der Literatur niedergelegt. Ob¬ 
wohl zur Zeit noch keine vollständige Uebereinstimmung unter den 
einzelnen Autoren über die Pathogenese der Lungentuberkulose be¬ 
steht, so haben sich die Kontroversen doch so weit geklärt, daß 
folgende Theorien über die Entstehung der Lungentuberkulose als fest¬ 
stehend angenommen werden können: 

1. Die Tuberkelbaziilen können mit der Atemluft, ähnlich wie feiner Kohlen¬ 
staub, in die feineren Bronchialästc und in die Alveolen eind ringen. Die Bazillen 
siedeln sich entweder hier an und rufen direkt ihre spezifischen Veränderungen 
hervor. Es ist aber auch möglich, daß sie zunächst in die Bronchialdriiscn ver¬ 
schleppt werden. Erst nachdem diese tuberkulös erkrankt sind, infizieren die 
Tuberkelbazillen von hier aus auf dem Wege der Blut- oder Lymphbalm die 
Lungen oder sie gelangen durch direkten Einbruch aus den Bronchiallymphknoten 
in die Lungen. Beide Infektionsarten der Lungen fallen unter den Begriff der 
Inhalationstuberkulosc, die also primär oder aerogen entstanden ist. 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 111 

Die Inhalationstuberkulose entsteht dann, wenn Rinder, besonders 
ältere, in der Nähe hustender tuberkulöser Nachbartiere aufgestellt und so ge¬ 
zwungen sind, die mit tuberkelbazillenhaltigen Tröpfchen erfüllte Ausatmungsluft 
bei Hustenstößen einzuatmen. Durch die Untersuchungen von Mazyk Ravenei 

(88) und Kasselmann (59) ist erwiesen, daß auch das Rind, ebenso wie der 
tuberkulöse Mensch, virulente Tuberkelbazillen enthaltende Tröpfchen beim Husten 
verspritzt, während die Staubinfektion bei der Entstehung der Lungentuberkulose 
keine Rolle spielt. 

2. Auch von der Maul- bzw. Rachenhöhle aus, also durch die oberen Wege 
des Respirations- und Digestionstraktus vermögen die Tuberkelbazillen die Lungen 
zu infizieren, wenn sie nämlich mit der Inspirationsluft oder durch die Nahrung 
hierher, dann in die regionären Lymphdrüsen gelangen und von diesen aus auf 
lymphogenem oder hämatogenem Wege in die Bronchialdrüsen und Lungen ver¬ 
schleppt werden. Man bezeichnet diese Form des Infektionsweges als Aspirations¬ 
tuberkulose im engeren Sinn. Sie hat zwar dasselbe Endresultat wie die In¬ 
halationstuberkulose, nämlich eine Infektion der Lungen im Gefolge, besitzt aber 
bei der Verbreitung der Tuberkulose unter den erwachsenen Rindern keine große 
Bedeutung. 

3. Ferner kann nach Weichsel bäum (113) auch vom unteren Teil des 
Digestionstraktus, also vom Magen und Darm aus, ein Transport der Tuberkel¬ 
bazillen in die Lungen statthaben. 

Entweder gelangen die Bazillen mit der Nahrung direkt in den Darm, oder 
sie werden vorher in der Rachenhöhle abgelagert und erst später verschluckt. Die 
Tuberkelbazillen vermögen, ohne „scheinbar" das Deckepithel des Darmes zu 
schädigen [Bartel (6)] die Darmwand zu passieren. Sie infizieren aber sicher die 
regionären Lymphdrüsen, von denen aus sie auf lymphhämatogenem Wege in die 
Bronchiaidrüsen und von hier aus in die Lungen, oder direkt in die Lungen trans¬ 
portiert werden können. Man hat diese Form der tuberkulösen Erkrankung der 
Lungen mit dem Namen Dcglutitionstuberkulose oder Intestinaltuber- 
k ul ose belegt. Die Deglutitionstuberkulose ist vorwiegend eine Erkrankung der 
Kälber, die mit Milch tuberkulöser Kühe aufgezogen werden. Erwachsene Tiere 
infizieren sich auf diese Weise viel seltener, einmal, weil nach Flügge (32) bei 
der intestinalen Infektion eine millionenfach größere Menge von Tuberkclbazillen 
erforderlich ist, um manifeste Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Zweitens 
spielt aber nach Weber (111) bei älteren Tieren neben der Art der Aufstallung 
vielleicht noch der Umstand mit, daß nur ältere Tiere Wiederkauen und so der 
Aspirationstuberkulose mehr ausgesetzt sind, als die jüngeren, die noch nicht 
Wiederkauen. 

Einige Autoren, unter ihnen besonders von Behring, behaupten, daß dieser 
letzterwähnte Infektionsmodus, die infantile Infektion des Organismus, das Haupt¬ 
moment der tuberkulösen Erkrankung darstelle. Diese Auffassung gründet sich 
auf die Versuche Calmettcs und seiner Schüler Vansteenberghe und Grysez 
(17), die festgestcllt zu haben glaubten, daß Kohle oder Tuschepartikcl, die mit 
der Nahrung Versuchstieren einverlcibt oder die direkt in eine Darmschlinge oder 
in die Bauchhöhle injiziert wurden, zuerst sich in den Lungen deponierten. Nach¬ 
prüfungen von Basset (17), Hoche und Funck (50), Rcmlinger (90), Ravenna 

(89) und Tsunoda (108), ergaben aber, daß die Anthrakosis der Lungen meistens 



112 


HIERONYMI, 

und hauptsächlich auf dem Inhalationswege stattfindet. «Was den Kohlenstäubchen 
recht ist“, sagt Orth (79). «muß den Tuberkelbazillen billig sein*. Und in der 
Tat wurde dieser Satz auch von Flügge und seinen Schülern experimentell be¬ 
wiesen. Flügge (32) gelang es schon durch 50 aspirierte Tuberkelbazillen beim 
Meerschweinchen regelmäßig eine Lungentuberkulose zu erzielen, während bei der 
Fütterung zur Erzielung dieses Resultates etwa 8 Millionen Tuberkelbazillen mehr 
erforderlich waren. Zu denselben Ergebnissen kamen Orth (80) und Weber (111). 
Ebenso wurde durch die anatomische Untersuchung des Lymphapparates von Most 
(93) und Weleminsky (114) die Inhalationstheorie der Lungentuberkulose ge¬ 
sichert. Ja, Albrccht (1) erklärt sogar, «eine Frage in Hinsicht auf die In¬ 
fektionswege der Tuberkulose existiert längst nicht mehr. Die Versuche, welche 
zur Aufdeckung dieser Infektionswege immer von neuem angestellt werden, sind 
vollständig überflüssig. Die pathologische Anatomie, und zwar im wesentlichen 
schon die makroskopische Anatomie, gibt für die weitaus größte Zahl der Fälle 
menschlicher Tuberkulose ein völlig klares und einwandsfreies Bild ihrer Entstehung 
und Verbreitung*. 

4. Die Irapftuberkulose und kongenitale Tuberkulose kommen beim 
Rinde für die Entstehung der Lungentuberkulose nicht in Frage. 

Es gibt, wie wir gesehen haben, viele Wege, die zu einer tuber¬ 
kulösen Infektion der Lungen führen können und die Entscheidung 
darüber ist im konkreten Fall häufig schwierig. „Die Verdauungs¬ 
und Atmungswege kreuzen sich,“ sagt Ficker (28),' „sie anasto- 
mosieren, und am Ende des Weges können wir gar nicht mehr sagen, 
aus welcher Richtung vor der Kreuzungsstelle der Keim gekommen 
ist.“ Wie ßeitzke (8) richtig betont, sind Inhalations- und Lungen¬ 
tuberkulose einerseits, Fütterungs- und Darmtuberkulose andererseits 
keineswegs identische Begriffe und es ist zweckmäßig, die Ausdrücke 
Fütterungs- und Inhalationstuberkulose gänzlich fallen zu lassen und 
statt dessen Begriffe zu setzen, die den wirklich von den Bazillen 
zurückgelegten Weg bezeichnen, nämlich Aspirations- und Deglutitions- 
tuberkulose. 

Ebenso mannigfaltig wie die Wege, auf denen der Tuberkel¬ 
bazillus in die Lungen gelangen kann, sind die Veränderungen patho¬ 
logisch-anatomischer Art, die er an diesem Ort der Infektion hervor¬ 
zurufen imstande ist. 

Die inhalierten Tuberkelbazillen siedeln sich in der Schleimhaut 
der Wände der Bronchiolen oder in den Wänden der Alveolargänge 
und Alveolen an und rufen hier ihre spezifischen Veränderungen 
hervor. Zunächst Knötchen, die der Krankheit ihren Xamen gegeben 
haben. Die Knötchen haben die Tendenz, regressiven Veränderungen 
anheim zu fallen, die durch die Einwirkung des Tuberkelbazillus ein¬ 
geleitet werden. Es bildet sich eine käsige Masse, die erweicht und 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 113 

durch eine Art von Autodigestion, die ihrerseits auf ein beim Zerfall 
der Tuberkelbazillen frei werdendes Ferment zu beziehen ist [Bongert, 
(14)] verflüssigt wird. Auf diese Weise kann auf der Schleimhaut 
der Bronchiolen ein tuberkulöses Geschwür entstehen. Durch Disse¬ 
mination auf dem Wege der Lymphspalten und durch den Transport 
mittels Leukozyten bilden sich im Lungengewebe größere Herde, die 
zuerst maulbeerförmig gruppiert sind [Schmauß (96)]. Durch fort¬ 
schreitende Verkäsung und Erweichung des erkrankten Gewebes ent¬ 
stehen häufig, beim Rinde weniger häufig als beim Menschen, Kavernen, 
die mit eiterähnlichem, kleine Käsebröckel enthaltendem Inhalt an¬ 
gefüllt sind. Die mit solchen Kavernen kommunizierenden Bronchien 
brauchen nicht ausgesprochen tuberkulös verändert zu sein. Meist 
findet sich eine Bronchitis und Peribronchitis und ihr Lumen ist mit 
schleimig-eiterähnlichera Inhalt gefüllt, der teils den tuberkulösen 
Kavernen entstammt, teils ein Absonderungsprodukt der entzündeten 
Bronchialschleimhaut darstellt. 

So ist den Tuberkelbazillen wieder durch Kommunikation zwischen 
Kaverne und Bronchus der Weg ins Freie gebahnt und sie können 
durch Hustenstöße aus den Lungen in die Außenwelt projiziert 
werden. 

Man bezeichnet diese Form der Lungentuberkulose als primäre 
Lungentuberkulose oder als offene Lungentuberkulose. 

Ganz anders gestaltet sich der Verlauf der Lungentuberkulose, 
wenn der Transport der Tuberkelbazillen nicht aerogen, sondern 
lymphhämatogen stattgefunden hat. Die Erreger erzeugen bei dieser 
metastatischen, hämatogenen oder sekundären Lungentuber¬ 
kulose an ihren durch die Blut- und Lymphbahnen vorgezeichneten 
Depositionspunkten einzelne Knötchen, die teils im eigentlichen Lungen¬ 
parenchym d. h. in den Alveolarsepten, teils im interstitiellen Binde¬ 
gewebe zwischen den Lobuli und in der Umgebung der Bronchien und 
Blutgefäße angeordnet sind. Sie unterscheiden sich wesentlich von 
den vorher beschriebenen, sind zirkumskript und weisen eine mehr 
graue, derbe, häufig sogar schwielige Beschaffenheit auf. Die Bronchial- 
schleirahaut bleibt infolge des fehlenden Reizes frei von katarrhalischen 
Affektionen. Allerdings kann die ractastatische Tuberkulose auch auf 
die Bronchien übergreifen. Nach Orth (80) kann aus dem Ergriffen¬ 
sein von Bronchien bei Initialveränderungen ein Schluß auf aerogeno 
oder hämatogene Lungeninfektion nicht gezogen werden. 

Diese embolische Form der Lungentuberkulose führt auch den 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Baml. £ 



114 


IIIER0NYM1, 

Namen geschlossene Lungentuberkulose, der streng theoretisch, 
nach den Angaben Orths betrachtet, nicht ganz den Tatsachen 
entspricht. 

Bei der geschlossenen Lungentuberkulose fällt die Ansteckungs¬ 
gefahr für andere Rinder fort, da eine Ausscheidung von Bazillen 
nicht, oder nur äußerst selten erfolgen kann. Sie ist deshalb für 
die Bekämpfung der Tuberkulose bedeutungslos. 

Der pathologisch-anatomische Endeffekt der tuberkulösen Infek¬ 
tion muß also intra vitam klinisch zwei vollkommen verschiedene Er¬ 
scheinungen zeitigen, die bei der Tuberkulosetilgung auch verschieden 
bewertet werden müssen. 

Die große Fehlerquelle der von Bang angegebenen Tuberkulini- 
sierung der Rinderbestände lag darin, daß das Tuberkulin auch ein 
Indikator für die geschlossenen Formen der Tuberkulose ist, die doch 
als Infektionsquellen nicht in Frage kommen. 

Dagegen leuchtet sofort die große Bedeutung des Ostertagschen 
Tilgungsverfahrens ein, das sich zur Aufgabe gestellt hat, die gefähr¬ 
lichen offenen Tuberkuloseforiuen zu ermitteln und unschädlich zu 
machen, und so durch Verstopfung der Infektionsquellen ein geome¬ 
trisches Absinken der Tuberkulose in der Statistik zu ermöglichen. 

Bei der klinischen Durchführung des Ostertagschen Verfahrens 
war eine der aktuellsten Fragen die: 

Bietet die offene Lungentuberkulose des Rindes einen so scharf 
umrissenen Symptomenkomplex dar, daß ihre Erkennung und Dilfc- 
rentialdiagnose intra vitam keine Schwierigkeiten bietet, und daß 
Fehldiagnosen nach Möglichkeit vermieden werden können? 

Die Antworten hierauf fielen verschieden aus. Vor allen stand 
M. Fadyean (65) der klinischen Erkennbarkeit der Lungentuber¬ 
kulose skeptisch gegenüber. Seine Angaben in der Literatur, daß er 
bei 1600 Kühen nur etwa 13mal mit einiger Sicherheit Tuberkulose 
habe konstatieren können, wurden durch die statistischen Mitteilungen 
Roeckels (91) widerlegt. Ebenso bewiesen die ausgedehnten 
klinischen Untersuchungen in der Ostpreußischen Holländer Herdbuch¬ 
gesellschaft, ausgeführt von Müller, Lindenau und Lange (72) die 
Möglichkeit einer klinischen Erkennbarkeit der Lungentuberkulose. 
Und in der Tat ist es uns heute möglich, ein an etwas vorgeschrittener 
Lungentuberkulose leidendes Rind mit großer Sicherheit klinisch zu 
erkennen. Es kommen, wie 0. Müller richtig bemerkt, Fehlresul¬ 
tate bei der klinischen Untersuchung nur in verschwindend 



Bakteriologische Sputumuntersoohang bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 115 


kleiner Zahl vor. Auch unsere Untersuchungen können diesen 
Satz voll und ganz bestätigen. 

Neben diesen klinisch sicher erkennbaren Formen der Lungen¬ 
tuberkulose, die die Tiere als „gemeingefährlich“ im Sinne des 
Ostertagschen Verfahrens stempeln, steht aber noch eine große 
Gruppe von solchen Tieren, die wohl einzelne Symptome der Lungen¬ 
tuberkulose aufweisen, die jedoch in ihrer Gesamtheit nicht aus¬ 
reichen, um den Komplex der gemeingefährlichen offenen Lungen¬ 
tuberkulose zu konstruieren. Man bezeichnet diese Gruppe praktisch 
als der Lungentuberkulose verdächtig. 

Um aber auch von diesen der Lungentuberkulose verdächtigen 
Tieren, bei denen die klinische Diagnose schwankt und im Stich läßt, 
eine möglichst hohe Prozentzahl als tuberkulös bezeichnen zu können, 
kommt der versagenden klinischen Diagnostik die bakteriologische 
Diagnostik der Lungentuberkulose zu Hilfe. 

Sie beruht im wesentlichen auf der Feststellung von 
Tuberkelbazillen im Auswurf oder Sputum. Der Vorschlag der 
bakteriologischen Untersuchung des Sputums bei Tuberkulose auf den 
spezifischen Erreger derselben ist zuerst von R. Koch (61) gemacht 
und praktisch durchgeführt worden. Ein positiver Bazillenbefund im 
phthisischen Sputum ist absolut entscheidend für die Diagnose der 
Lungentuberkulose, ln der Humanmedizin wird neben der bak- 
terioskopischen Untersuchung auch die Histologie des Sputums ge¬ 
würdigt. Elastische Fasern, Alveolarepithel, Lymphozyten, eosino¬ 
phile Zellen können hier einen negativen Ausfall des Bazillenbefundes 
ersetzen. Man war in der Veterinärmedizin bemüht, die Verhältnisse 
der Sputurauntersuchung beim tuberkulösen Menschen auf das tuber¬ 
kulöse Rind zu übertragen, stieß dabei aber auf große Hindernisse. 
Während beim Menschen das Tagessputum mühelos gesammelt und 
zur Untersuchung konserviert werden kann, ist es beim Rinde schon 
in den weitaus meisten Fällen unmöglich, das ausgehustete Sputum 
aufzufangen, da das Rind nach jedem Hustenstoß eine Kaubewegung 
macht und das Expektorat abschluckt. Infolgedessen ist auch die 
makroskopische Betrachtung des Sputums, die in der Humanmedizin 
schon einen bedeutsamen Rückschluß auf eine etwa vorhandene Lungen¬ 
tuberkulose erlaubt, nur in wenigen Fällen in der Veterinärmedizin 
möglich. 

Czaplewski (21) definiert den Sputumbegriff dahin, daß man 
unter dem Namen Sputum, Auswurf, die gesamten Sekrete des Respi- 

8* 



116 


HIERONYMI, 


rationstraktus versteht, samt ihren Beimengungen und Verunreinigungen, 
soweit dieselben durch den Mund entleert, „ausgeworfen“ werden, 
gleichgültig, aus welchem Teil des Respirationstraktus dieselben stammen. 

Beim Menschen ist die Beschaffenheit des tuberkulösen Sputums 
nach v. Strümpell (106) größtenteils schleimigeitriger Natur und 
unterscheidet sich als solches nur wenig von dem Auswurf bei ein¬ 
facher Bronchitis. Und in der Tat entstammt auch ein großer Teil 
des phthisischen Auswurfes, wie wir oben gesehen haben, der katarrha¬ 
lisch entzündeten Bronchialschleimhaut. Indessen tritt doch der 
Schleimgehalt der phthisischen Sputa gegenüber dem Eitergehalt 
weniger stark hervor als bei der einfachen Bronchitis. Die Sputa 
sind daher weniger zähe und zerfließen leichter. Der aus den Ka¬ 
vernen stammende Auswurf ist von fast rein eiteriger Beschaffenheit. 
Solcher Auswurf besteht häufig aus einzelnen größeren Klumpen oder 
Ballen, die wie angenagt erscheinen, mit Schleim umgeben sind und 
im Wasser untersinken. Man bezeichnet dieses Sputum als Sputum 
globosum, nummosum et fundum petens. Im Wasser tritt die un¬ 
regelmäßige höckrige Oberfläche der geballten Sputa oft deutlicher 
hervor, ein Umstand, der auf Bildung des Sputums in den zerklüf¬ 
teten Kavernen hinweist. 

Betrachtet man im Gegensatz hierzu die Expektoratproben vom 
tuberkulösen Rind, so fällt der große Unterschied der Sputa, der 
menschlichen und der tierischen, sofort in die Augen. Zunächst ist 
der Ausdruck Sputum, auf die Verhältnisse in der Tierheilkunde an¬ 
gewendet, nicht ganz korrekt, da es sich in den seltensten Fällen 
um wirklich „ausgeworfenes“ Material handelt. Es ist Rachenschleim 
und Schleim aus dem Kehlkopf, der auf eine später zu erörternde 
Methode gewonnen wird und zur Untersuchung gelangt. Im folgenden 
wird der Ausdruck Sputum anstelle des schwerfälligen Wortes Rachen¬ 
schleim beibehalten. 

Schon die Sputummenge, die zur Untersuchung gelangt, unter¬ 
scheidet sich naturgemäß beträchtlich von der, die beim phthisischen 
Menschen zur Verfügung steht und legt den Methoden der Unter¬ 
suchung wesentliche Beschränkungen auf. Die Sputummenge betrug 
nie mehr als 5 ccm, ging aber in einigen Fällen sogar bis auf 1 ccm 
herunter. 

Der Geruch war in den meisten Fällen fade, häufig ließen sich 
gar keine Geruchsunterschiede erkennen. 

Die Konsistenz der untersuchten Sputa war zähe, meist 



Bakteriologisofae Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 117 


schleimig, häufig ein am Glasrande hartnäckig adhärierender Belag. 
Es wurde die Beobachtung gemacht, daß die Sputa, die 24 bis 48 
Stunden bis zur Untersuchung aufgehoben worden waren, ihre faden¬ 
ziehende, schleimige Konsistenz verloren hatten, ein Umstand, auf 
den später noch zurückzugreifen sein wird. Es resultierte schließlich 
eine dünnflüssige, leicht bewegliche Flüssigkeit, in der die korpus- 
kulären Elemente nicht mehr suspendiert waren, sondern sich zu 
Boden gesenkt hatten. Die Konsistenz des Sputums besitzt in der 
Humanmedizin eine große Bedeutung, da schon sie diagnostische Rück¬ 
schlüsse auf eine etwa vorhandene phthisische Lungenerkrankung zu¬ 
läßt. In die zähe, glasige Sputumhülle, die aus der Rachen- und 
Mundhöhle stammt, sind bei vorhandener Tuberkulose die sogenannten 
Sputumkerne oder Sputumlinsen eingebettet. Die Sputumkerne mit 
ihrem rein eiterigen Substrat kommen als Träger der Tuberkelbazillen 
bei der bakteriologischen Prüfung hauptsächlich in Betracht. Man 
sucht sie durch Waschen in steriler Kochsalzlösung nach Möglichkeit 
von ihren schleimigen Hüllen und den darin enthaltenen Begleit¬ 
bakterien gemäß der Koch-Kitasatoschen Vorschrift zu befreien. 
Bei meinen Untersuchungen kamen derartige wohlcharakterisierte 
Sputumformen nur vereinzelt zur Beobachtung, wie sich aus der 
Kasuistik ergibt, und auch in diesen Fällen entsprach der bakteriolo¬ 
gische Befund nicht den Erwartungen. 

Diese Postulate für das menschliche Sputum wurden in die Tier¬ 
heilkunde übertragen, ohne daß jedoch eine Berechtigung dazu vor¬ 
lag. Ostertag fordert in seiner Monographie (77) eine sorgfältige 
Auswahl nur solcher Proben, die einen Sputumkern enthalten. 
Ebenso will Bugge verfahren wissen (priv. Mitt.). Nach meinen 
Untersuchungen, bei denen gerade diese Fragen eingehend berücksichtigt 
wurden, treffen die oben gemachten Angaben, angewandt in der Tier¬ 
heilkunde, nicht zu. So wurden unter 50 untersuchten Proben 13mal 
solche gefunden, die Eiterflöckchen oder Analoga der Sputumkerne 
zeigten. In ihnen wurden mikroskopisch und durch Impfung 3 mal 
Tuberkelbazillen nachgewiesen, während 10 Proben keine Tuberkel¬ 
bazillen enthielten. Es waren also 23 pCt. dieser untersuchten 
Sputumproben positiv bezüglich des Bazillenbefundes, und 77 pCt. 
negativ. 37 Sputumproben enthielten dagegen keine Andeutung von 
Flocken- oder Kernbildung, die für das tuberkulöse Expektorat als 
typisch beschrieben wurden. In diesen Proben wurden 14 mal mikro¬ 
skopisch oder durch Impfung Tuberkelbazillen ermittelt, während 



118 HIERONYMI, 

23 mal die Untersuchung resultatlos blieb. In Prozentzahlen ausge¬ 
drückt waren also 37,8 pCt. der untersuchten Proben positiv, bei 
62,2 pCt. blieb der Befund negativ. Den 37,8 pCt. positiven Bazillen¬ 
befunden im nicht charakteristischen Sputum stehen also nur 23 pCt. 
des „kernhaltigen“ Sputums gegenüber. Daß die rein eiterigen Partien 
des Sputums durchaus nicht immer die Träger der Tuberkelbazillen 
darzustellen brauchen, erhellt auch aus den neuerdings in der Human¬ 
medizin gemachten Angaben von C. A. Blume (13). Nach dessen 
Vorschlag werden Schleimpartikel aus dem Cavum laryngis bei be¬ 
ginnender Lungenerkrankung, bei der noch kein Auswurf besteht, aus¬ 
gewischt und mikroskopisch auf Tuberkelbazillen untersucht. Blume 
ist es auf diese Weise geglückt, Tuberkulose der Lungen im Initial¬ 
stadium zu diagnostizieren. 

In einem Falle No. 14, Kuh No. 6, wurde eine Sputumprobe ge¬ 
wonnen und untersucht, die in ihrem Aussehen dem als typisch be¬ 
schriebenen menschlichen tuberkulösen Sputum, dem Sputum globosum, 
nummosum et fundum petens entsprach. Die Menge betrug 5 ccm. 
Die Farbe war grau, trübe. In eine zähschleimige Hülle war ein 
kirschkerngroßer Sputumkern eingebettet, der gelblich gefärbt war und 
einen weißlichen ausgefaserten Saum besaß. Im Wasser sank die 
Probe unter. In ihm konnten jedoch weder durch die mikroskopische 
Untersuchung noch durch Impfung von zwei Meerschweinchen Tuberkel¬ 
bazillen nachgewiesen werden. Das Tier, dem die Probe entstammte, 
war klinisch als stark verdächtig zu bezeichnen. 

Schließlich sei noch kurz die Farbennuanzierung der zur 
Untersuchung gekommenen Sputa charakterisiert: sie bot in den 
meisten Fällen nichts, was für die Differentialdiagnose der Tuberku¬ 
lose ins Gewicht fiele. Die Farbe war hauptsächlich grau, grauweiß, 
zu der bisweilen kleine gelbe oder gelblichweiße Eiterpartikel kon¬ 
trastierten. Häufig war auch durch pflanzliche Beimischungen, die 
aus dem Futter stammten, eine bräunliche oder grünliche Tönung 
gegeben. 

Wie schon oben berührt, stellen sich der Gewinnung des 
Sputums, des Rachenschleimes, zwecks bakteriologischer Prüfung, 
bei den tuberkuloseverdächtigen Rindern große Hindernisse in den Weg. 

Es ist das große Verdienst Oster tags und seiner -Mitarbeiter 
in die bisher unklaren Verhältnisse über die diagnostizierbare Lungen¬ 
tuberkulose des Rindes Klarheit gebracht haben. Ostertags groß 
angelegte Versuche prüften teils die Angaben älterer Autoren auf ihre 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 119 


Brauchbarkeit nach, teils stellten sie vollkommen neue Methoden der 
bakteriologischen Diagnose der Lungentuberkulose auf. Die Resultate 
dieser Versuche sind für die praktische Verwertbarkeit der Bakterio¬ 
logie in der Tuberkulosebekämpfung des Rindes nicht gerade er¬ 
mutigend. Große Schwierigkeiten bietet hauptsächlich die Technik 
der Entnahme des Rachenschleimes. 

Nach vergeblichen Versuchen, mit Hilfe von Schwämmchen, die an einer 
Pinzette oder einem langen Draht befestigt waren, Lungenauswurf zu erlangen, 
kam Ostertag zu dem Gebrauch eines Rachenlöffels, der sich ihm gut bewährte. 
Er ist dem Linden au sehen Scheidenlöffel nachgebildet und besteht ganz aus 
Metall, hat also den Vorzug, sich vollkommen einwandfrei sterilisieren zu lassen. 
Ostertag folgte dabei dem Gedankengange Nocards (75). Das Rind macht be¬ 
kanntlich nach jedem Hustenstoß eine Kaubewegung nach Nocard u. Leclainche 
und schluckt das in den Kehlkopf, bzw. die Rachenhöhle geworfene Sputum ab, 
ohne es in die Außenwelt zu projizieren. Nocard war der erste, der auf den 
Gedanken kam, der später erfolgreich ausgebaut wurde, durch in die Rachenhöhle 
eingeführte geeignete Instrumente oder mittels der Hand den Rachenschleim zu 
entnehmen, um ihn der bakteriologischen Untersuchung zugänglich zu machen. Er 
berichtet jedoch nicht über praktische Prüfungen seines Vorschlages. Erst 
M’Fadyean versuchte experimentell Nocards Theorie in die Praxis umzusetzen. 
Es gelang ihm auch, aus der Rachenhöhle mit einem Schwämmchen Schleim zu 
gewinnen, der sich bei der bakteriologischen Untersuchung als tuberkelbazillenhaltig 
erwies. Allerdings gelang der bakteriologische Nachweis der Bazillen nicht mit 
Sicherheit, doch wurde durch das Tierexperiment die tuberkulöse Natur des 
Schleimes sichergestelit. 

Auch Greffier (40) beschäftigte sich mit der Nachprüfung des Nocardsehen 
Vorschlages. Die Ergebnisse seiner Versuche sind aber insofern nicht beweiskräftig 
und auf unsere Verhältnisse übertragbar, da er am geschlachteten Tier experimen¬ 
tierte. Auch er gewann den Schleim durch Abwischen der Rachenwand mit einem 
Schwämmchen, das er in sterilem Wasser ausdrückte. Schleim und Wasser be¬ 
nutzte er als Impfmaterial. 

Die Versuche der Amerikaner Riddoch und Ravenei, das ausgehustete 
Sputum des Rindes aufzufangen, haben fast nur noch historischen Wert. 

Ravenei (88) band den tuberkulösen Versuchstieren für mehrere Stunden 
einen Beutel um, auf dessen Boden ein steriles Brettchen aus weichem Holz gelegt 
wurde. Die flüssigen Bestandteile des Sputums wurden von dem weichen Holz 
aufgesaugt, während Schleim- und Eiterklümpchen der mikroskopischen Unter¬ 
suchung und dem Tierexperiment zugänglich gemacht werden konnten. 

Riddoch (93) hatte beobachtet, daß Rinder, die gegenüber einer Mauer auf¬ 
gestellt waren, beim Husten ihr Sputum gegen die Wand warfen. Er untersuchte 
die an der Wand haftenden Sputumballen mikroskopisch und fand in ihnen auch 
Tuberkelbazillen. Sein Befund wurde jedesmal durch Schlachtung des betreffenden 
Tieres kontrolliert und bestätigt. Bei nicht tuberkulösen Bronchialkatarrhen will 
Riddoch Epithelzellen in reichlicher Menge gefunden haben, ein Befund, der nach 
meinen Untersuchungen absolut keinen diagnostischen oder diffcrentialdiagnostischen 



120 


HIERONYMI, 


Wert haben kann. Das Verfahren ist für die praktische Diagnosestellung nicht 
brauchbar, einmal, weil im Stall eben nur die wenigsten Tiere einer Wand gegen¬ 
überstehen, — wenn auch, wie es bei den Untersuchungen zum Teil geschieht, 
das Sputum von den Futtertischen gesammelt werden könnte — zweitens, weil bei 
einem derartig starken Auswurf und Husten hochgradige Lungentuberkulose Vor¬ 
aussetzung ist, die schon klinisch diagnostiziert werden kann. Auch kann drittens 
eine Verwechselung des Sputums mit dem einer Nachbarkuh bei enger Aufstallung 
zu Fehldiagnosen Anlaß geben. Schon vor diesen Versuchen von Ravenel und 
Riddoch hatte Nocard (1. c.) empfohlen, den tuberkuloseverdächtigen Tieren die 
Luftröhre wie den Kehlkopf stark zu komprimieren. Gleichzeitig sollte der Unter¬ 
sucher die Zunge des Tieres möglichst weit aus dem Maul hervorziehen. Durch 
den Druck sollte einmal Husten ausgelöst, durch das Fixieren der Zunge aber das 
Abschlucken der expektoricrten Sputa verhindert werden. Nocard hat keine An¬ 
gaben über die Ergebnisse seines Vorschlages gemacht. 

Heß (47) konnte bei der Nachprüfung dieser Methode nur ausnahmsweise 
bei tuberkulösen Tieren Husten erzeugen, noch weniger konnte auf diese Weise 
Auswurf erhalten werden. 

Gleichzeitig empfahl Nocard Veratrin- und Eserininjektionen bei tuberkulose¬ 
verdächtigen Rindern, um mehr Schleim durch Ilypcrsekretion aus den Bronchien 
zu erhalten. Heß, ebenso wie Ostertag (l. c), sprechen diesem Verfahren jeden 
praktischen Wert ab. 

Poels (86) veröffentlichte einen Weg zur Gewinnung von Luftröhren sch leim 
bei Rindern, die der Tuberkulose verdächtig sind, bei dem sogar die Troikarierung 
der Trachea nötig ist. Durch die cingeführte Troikarhülse wird ein Pinsel oder 
ein an einem Neusilberdraht befestigtes Schwämmchen in die Luftröhre geleitet 
und der so gewonnene Schleim bakteriologisch untersucht. Poels schlägt seine 
Methode allerdings nicht zur Tubcrkulosetilgung vor, sondern will sie nur ange¬ 
wendet wissen, wenn z. B. die Tuberkulose als Gewährsmangel diagnostiziert 
werden soll, ferner zur Untersuchung von Rindern in Milchkuranstaltcn und Kälbern, 
die zur Vakzineproduktion benutzt werden sollen. Oster tag gelang es nicht, bei 
einer mit klinisch nachweisbarer offener Lungentuberkulose behafteten Kuh auf 
diese Weise trotz wiederholter Versuche, Tuberkelbazillen nachzuweisen. 

Peterssen (83) brachte, basierend auf der Flüggesehen Tröpfcheninfektions¬ 
theorie der Tuberkulose Nährplatten, auf Spiegelplatten befestigt, vor den Mund 
tuberkulöser Menschen. Die Platten wurden in 92 pCt., 23 von 25, durch die 
lediglich durch Husten ausgeworfenen Partikel mit Tuberkelbazillen infiziert. Hier¬ 
auf gründete sich wohl das am Berliner Untersuchungsamt bei der praktischen 
Tuberkulosetilgung geübte Verfahren, die verdächtigen Tiere gegen Glasplatten 
husten zu lassen. Die anhaftenden Sputumtröpfchen werden färberisch auf Tuberkel¬ 
bazillen untersucht. 

Schon aus der Vielheit der Methoden, die angevvendet worden 
sind und werden, um Sputum von tuberkuloseverdächtigen Rindern 
zwecks bakteriologischer Prüfung zu gewinnen, läßt sich der Schluß 
ziehen, daß noch kein Idealverfahren für diesen Zweck ge¬ 
funden ist. 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 121 

Die Entnahme von Lungenauswurf für unsere Untersuchungen 
geschah folgendermaßen: 

Das zu untersuchende Tier wird gut fixiert. Ein Gehilfe zieht 
die Zunge des Tieres nach der linken Seite aus der Maulspalte her¬ 
vor. Zwischen die rechten Ober- und Unterkieferbackzahnreihen wird 
ein Maulkeil aus Metall, den Bayer beschrieben und Ostertag abge- 
hildet hat, geschoben. In das so geöffnete Maul führt der Unter¬ 
sucher seine mit Alkohol desinfizierte rechte Hand ein und zwar mit 
der Volarseite nach oben, während die linke Hand den Griff des 
Maulkeiles umspannt, bis er mit den Fingerspitzen die hintere Rachen¬ 
wand berührt. Bei einiger Uebung gelingt es leicht, die Finger so¬ 
gar bis in das Cavum laryngis gelangen zu lassen. Jetzt werden 
die Finger in einem flachen Bogen nach oben gekrümmt und man 
sucht so von den oberen Wandungen des Pharynx und Larynx den 
dort haftenden Schleim abzulösen. Häufig gelingt es nicht beim 
ersten Mal, die genügende Quantität des Sputums zn erlangen. In 
diesen Fällen muß man die Hand öfter in den Pharynx schieben. 
Alles Material, das auf diese Weise gewonnen ist, wird in ein steriles 
Fläschchen gebracht und kann dann bakteriologisch verarbeitet werden. 
Bei diesem Verfahren wird also einmal auf einen vorangehenden 
Hustenstoß kein Gewicht gelegt, zweitens werden bei der Probeentnahme 
auch solche Sputa berücksichtigt, die nur aus glasigem, grauem Schleim 
bestehen und keine eiterähnlichen trüben Flöckchen und Kerne zeigen 
Es wurde schon oben die Berechtigung dieser Methode aus Literatur 
und Statistik nachgewiesen. 

Anschließend an die Gewinnung des Sputums, das, wie gezeigt, 
sich in fast allen Kriterien vom menschlichen tuberkulösen Auswurf 
unterscheidet, ist der zweite Teil, die Methoden der bakteriologischen 
Untersuchung abzuhandeln. 

Zunächst war in Erfahrung zu bringen, in wie weit sich die bak¬ 
teriologische Diagnostik, die in der Humanmedizin so glänzende 
Triumphe feiert, auf die Verhältnisse in der Tierheilkunde in An¬ 
wendung bringen läßt. 

Bekanntlich bedient sich die bakteriologische Technik dreier 
Methoden, um einen Krankheitserreger außerhalb des tierischen Organis¬ 
mus als das spezifisch krankmachende Agens zu identifizieren, näm¬ 
lich der Färbung, der Kultur und der Tierimpfung. 

Es existiert für die differentialdiagnostische Färbung der 
Tuberkelbazillen im mikroskopischen Bild eine außerordentlich große 



122 


MERONYMI, 


Anzahl von Färbungsmethoden, deren Brauchbarkeit jedoch für die 
Sputumuntersuchungen ziemlich beschränkt ist. 

Alle Färbungsmethoden für Tuberkelbazillen beruhen im wesent¬ 
lichen auf der Eigenschaft derselben, daß sie den Farbstoff schwer 
aufnehmen, dann aber zäh festhalten, sodaß selbst verdünnte Säuren 
und Alkohol ihn nur langsam entziehen. Sie sind also säure- und 
alkoholfest und wie in jüngster Zeit Demetrius Gasis (38) mitteilt, 
auch alkalifest. Schien hiermit schon eine enge Abgrenzung der 
Tuberkelbazillen tinktoriell gegeben, so komplizierten sich die Ver¬ 
hältnisse doch durch die Entdeckung von Bakterien, denen dasselbe 
Vermögen zukommt. Schon 1885 entdeckten Alvarez und Tavel (2) 
und Matterstock (66) bei der Nachprüfung des säurefesten Lust¬ 
garten sehen Syphilisbazillus die Sraegmabazillen, die sich in ihrer 
färberischen Eigenschaft den Tuberkelbazillen an die Seite stellen. 
Petri und Rabinowitsoh (84) fanden bei der Injektion von Markt- 
railch und Butter in die Bauchhöhle von Meerschweinchen tuberkel¬ 
bazillenähnliche Stäbchen, und gleichzeitig entdeckte A. Möller ähn¬ 
liche Bakterien auf Timothcegras, anderen Futtergräsern und in den 
Darmentleerungen von Kühen, Pferden, Schweinen und Mauleseln und 
unterschied so die Timothee- und Mistbazillen. F. Herr fand der¬ 
artige Stäbchen auf Getreidekörnern, im Heustaub und in der Garten¬ 
erde. Aehnliche Stäbchen wurden in den Organen von Kaltblütern 
gefunden. Alle diese Bakterien sind zwar säure- aber weniger akohol- 
fest, doch sind sie hierdurch nicht mit positiver Sicherheit von den 
Tuberkelbazillen zu unterscheiden. Ferner besitzen sie meist eine 
plumpere Gestalt. 

Bei meinen Untersuchungen kamen folgende Färbemethoden 
zur Anwendung. 

1. Die Färbung nach Ziel-Neelscn (117, 13) mit der von E. v. Rind¬ 
fleisch eingeführten Erwärmung wälirend der Einwirkung der Lösung. 

2. Die Färbung nach B. Fränkcl-Gabbet (33, 33), bei der Entfärbung und 
Gegenfärbung in einen Akt zusaramengezogen sind. 

3. Die Färbung nach Spengler (99), die folgendermaßen ausgeführt wird: 

a) Färbung mit kaltem Karbolfuehsin 1—5 Minuten lang. 

b) Vollkommenes Abspülen mit 60proz. Alkohol ohne Zwischenschaltung von 
Säuren. 

c) Auf das mit Alkohol bedeckte Deckglas einen Tropfen Löfflers Blau, über 
kleiner Flamme entzünden, etwa 2—3 Sekunden lang den Farbstoff einwirken 
lassen. 

d) Wasserspülung und Trocknen. 

4. Die Färbung nach Czaplewski (22), zu der statt der Säure die stark 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 123 

lösende und allsziehende Kraft des Fluoreszeins in Verbindung mit Methylenblau 
gegenüber dem Fuchsin benutzt wird. Diese und die vorige Methode verdanken 
ihre Entstehung der Befürchtung, daß durch die Säure einzelne Tuberkelbazillen 
entfärbt werden könnten, was bei dem spärlichen Vorkommen derselben im Sputum 
schwer ins Gewicht fallen kann. Die Ausführung der Methode nach Czaplewski 
gestaltet sich so: 

a) Gelbes Fluoreszein 1,0 in Alkohol 100,0, bleibt 1—2 Tage lang stehen. 
Die Flüssigkeit wird vom Bodensatz dekantiert. Dann erfolgt Zugabe von 5,0 Me¬ 
thylenblau. Schütteln. Einen Tag stehen lassen und vom Bodensatz abgiessen. 

b) öproz. alkoholische Methylenblaulösung. 

Färbung mit warmer Karbolfuchsinlösung. 

Abtropfen ohne Wasserspülung. Eintauchen in Lösung a G—10 mal. Ein¬ 
tauchen in Lösung b 10—12 mal. Abspülen mit Wasser. 

5. Die Sp engl ersehe Pikrinsäuremethode (100): 

a) Färbung mit Karbolfuchsin unter Erwärmen. Brüskes Erhitzen und Auf¬ 
kochen sind zu vermeiden. 

b) Nach Abgießen des Fuchsins Pikrinsäurealkohol 2—3 Sekunden einwirken 
lassen, dazu 3—4 Tropfen einer l5proz. Salpetersäurelösung. Pikrinsäurealkohol 
besteht aus einer gesättigten wässerigen Pikrinsäurelösung und absolutem Alkohol 
zu gleichen Teilen. 

c) Wieder Einwirken von Pikrinsäurealkohol bis zur leichten Gelbfärbung 
des Präparates etwa 5—10 Sekunden lang. Nach der ersten Pikrinsäureeinwirkung 
kann auch mit 60proz. Alkohol abgespült werden. Aufgießen von 15proz. Sal¬ 
petersäurelösung einige Sekunden und wieder Abspülen mit 60proz. Alkohol. 
Schließlich Kontrastfärbung mit Pikrinsäure bis zur Gelbfärbung. 

6. Färbung nach Andrejew (4). Ausführung: 

a) Heiße lOproz. Kalichlorikumlösung 100,0 

b) Säuregrün (Grübler). 1,0 

c) 25proz. Schwefelsäure.15,0 

Nach Schütteln der Mischung wird filtriert, das mit Sputum bestrichene und 
mit Karbolfuchsin vorgefärbte Deckglas eingetaucht bis der Grund gleichmäßig grün 
ist Die Färbung soll das Aufsuchen der roten Tuberkelbazillen auf grünem 
Grunde erleichtern, da das Auge zur Aufnahme von Komplementärfarben besonders 
geeignet ist 

7. Die Färbung nach Hauser (44): 

Hauser verwendet keine mineralischen Säuren zur Entfärbung, sondern eine 
5proz. alkoholische Milchsäurelösung, die in wenigen Minuten differenziert. 

8. Die Färbung nach Weichselbaum, von Grethe (44) empfohlen: 

Die Färbung erfolgt wie gewöhnlich. Das Abspülen und Nachfärben geschieht 
mit konzentrierter alkoholischer Methylenblaulösung. 

9. Die Färbung nach A. Müller (71): 

Müller empfiehlt anstelle der Säuren das Kaliumperkarbonat und das 
Wasserstoffsuperoxyd. Schneller als das erste wirkt das Hydrogenium peroxydatum. 
Die mit Fuchsin hergestellten Ausstrichpräparate werden in Wasserstoffsuperoxyd, 
das mit Natriumkarbonat alkalisch gemacht ist, entfärbt. Die Alkalisierung hat 
unmittelbar vor dem Gebrauch der Lösung zu erfolgen. 



124 HIERONYMI, 

10. Die Färbung nach v. Betegh, b — Tolinfärbung (10). 

a) Beizen der lufttrockenen Ausstriche mit 2—3 Tropfen einer 15 proz. 
Salpetersäurelösung. Erhitzen über der Flamme bis zum Aufsteigen leichter 
Dämpfe. 

b) Abspülen in Wasser. 

c) Auftropfen von einem Tropfen Löfflers Methylenblau mit 2—3 Tropfen 
Karbolfuchsin oder beide Farben zu gleichen Teilen. Wieder bis zum Entstehen 
leichter Dämpfe erhitzen. 

d) Abwaschen, Entfärben mit 60proz. Alkohol. Wasserspülung. Trocknen. 

Auf die neue Grammethode II, die Much (69) kürzlich beschrieben hat, 

mittels deren man die nicht säurefesten Formen des Tuberkelbazillus, seine granu¬ 
läre Form darzustellen imstande ist, wurde nicht experimentell eingegangen, da zu 
erwarten stand, daß unter den zahllosen Bakterienarten und fremden Beimischungen 
im Rindersputum eine einwandfreie Darstellung der Much sehen Granula nicht 
erzielt werden könne. 

Dorset (24) gab eine Färbung der Tuberkelbazillen mit Sudan III an, die 
besonders von Co wie (20) nachgeprüft wurde. Co wie konnte damit jedoch eine 
Färbung nicht erzielen und schreibt seine Mißerfolge der Ungleichartigkeit der im 
Handel befindlichen Sudanpräparate zu. Auch diese Methode eignete sich für 
unsere Untersuchungen nicht. 

Die Darstellung der Präparate nach den genannten Färbe¬ 
methoden gestaltete sich folgendermaßen: 

Von jeder zur Untersuchung kommenden Sputumprobe wurden 
Deckglasausstriche angefertigt, mindestens drei. War das Material 
der klinischen Untersuchung nach stark verdächtig, so wurden fünf 
und mehr Präparate hergestellt. Besondere Sorgfalt wurde auch den 
wenigen Proben gewidmet, die Eiterflöckchen zeigten. Im ganzen 
kamen 50 Proben zur Verarbeitung. Von jeder Probe wurde zunächst 
ein Präparat nach Ziehl-Neelsen gefertigt. Bevor eine neue 
Färbungsreaktion zur Anwendung kam, wurde sie an tuberkelbazillen¬ 
haltigen Kontrollpräparaten und an Ausstrichen von Reinkulturen des 
Typus humanus und bovinus vorgeprüft. 

Die Zahl der im einzelnen Präparat gefundenen Tuberkelbazillen 
schwankte nur in engen Grenzen. Die Höchstzahl der in einem 
Präparat gefundenen Tuberkelbazillen betrug 11, die niedrigste Zahl 4. 
In jedem Gesichtsfeld lag meist nur ein Bazillus, nur einmal wurden 
mehrere zusammengelagerte gefunden. Häufchenbildung fehlte stets. 
Häufig wurde festgestellt, daß sich die Tuberkelbazillen an abgestoßene 
Epithelzellen oder Leukozyten verankert hatten oder auf ihnen lagen. 
Eine intrazelluläre Lagerung der Tubcrkelbazillen wurde nie gesehen. 
Die zuerst von v. Niessen (74) gesehenen, ganz kurzen influenza¬ 
bazillenähnlichen Formen der Tuberkelbazillen, oder kugelrunden oder 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Kindes. 125 

ovalen Gebilde, die von Spengler als Tuberkelbazillensplitter, Speng¬ 
lers sporoide Körper, beschrieben wurden, konnten nie gefunden 
werden. Dagegen wurde in etwa einem Drittel der Fälle die unter¬ 
brochene Färbung, die Gliederung in gefärbte und ungefärbte Ab¬ 
schnitte, die sog. Streptothrixform, gefunden. In einem Falle Nr. 23 
wurden bei der Anwendung der b - Tolinfärbung nach v. Betegli (1. c.) 
dunkelblaue Polkörperchen innerhalb des Bazillenleibes gefunden, die 
bekanntlich nach Spenglers Ansicht Sporen darstellen sollen. Die 
„arterielle“ Färbung der Bazillen des Typus bovinus gegenüber der 
„venösen“ des Typus humanus konnte übrigens niemals konstatiert 
werden. Die Form der Tuberkelbazillen war die als typisch be¬ 
schriebene. Sie stellten meist gerade schlanke Stäbchen dar und 
konnten als solche leicht von den erheblich plumperen anderen 
säurefesten Bakterien unterschieden werden. 

Es wurden nun unter 50 Sputumproben, von denen sich 
16 durch den Tierversuch als sicher tuberkulös erwiesen, 
10 tinktoriell als tuberkelbazillenhaltig erkannt, also 
62,5 pCt., während 37,5 pCt. mikroskopisch ein negatives 
Resultat lieferten. 

Von den oben genannten 10 Färbemethoden schieden bei näherer 
Prüfung einige wegen Unbrauchbarkeit aus, da sie keine wesentlichen 
Verbesserungen der Technik darstellten, sondern im großen und 
ganzen nur unwesentliche Abweichungen von den altbewährten Me¬ 
thoden sind. So z. B. die Färbung nach Andrejew, bei der der 
grüne Untergrund vor dem blauen keinen Vorteil zu bieten schien. 
Auch die Färbung nach Hauser, nach Weichsel bäum und ebenso 
die „einfache Methode“ nach Spengler Nr. 3, wie ich sie nennen 
möchte, haben für die Sputumuntersuchungen keine Bedeutung. Auch 
die Entfärbung mit Wasserstoffsuperoxyd bewährte sich nicht. Die 
b-Tolinfärbung nach v. Betegh eignet sich mehr dazu, um Struktur¬ 
bilder der Tuberkelbazillen darzustellen. Ganz für die Sputum¬ 
untersuchungen zu verwerfen ist die Färbung nach Fränkel-Gabbet. 
Es gelang mit ihr öfter nicht, auch in sicher tuberkelbazillenhaltigem 
Material, Tuberkelbazillen zu färben. Man muß sich dem Urteil von 
P. Guttmann, Czaplewski und Heim (1. c.) anschließen, daß 
durch diese Färbung viele Tuberkelbazillen dem Nachweis entgehen, 
dagegen andere säurefeste Bakterien zur Darstellung kommen, da ja 
die Alkoholdifferenzierung fehlt, gegen welche diese Bakterien wenig 
widerstandsfähig sind. Wo die Z i eh 1-Nceisen sehe Methode ver- 



126 


HIERONYMI, 


sagte, wurden noch gute Resultate erzielt mit der Färbung nach 
Czaplewski, die in ihrem Fluoreszein ein außerordentlich schonendes 
Entfärbungsmittel besitzt und jedesmal gute Bilder gab. Besonders 
zahlreich und gut dargestellt erschienen die Tuberkelbazillen auch in 
Kontrollpräparaten bei der Spengler sehen Pikrinsäuremethode, 
die zwar etwas umständlich ist, aber absolut sicher zu sein scheint. 

Bemerkenswert ist noch, daß in keinem der zahlreichen 
Präparate Elemente gefunden wurden, die aus den Lungen 
herstammen konnten, keine Alveolarepithelien, keine elastischen 
Fasern, keine Fettkristalle, keine Staubzellen der Lungen, Zellen und 
Elemente, die Czaplewski (1. c.) unter dem Namen „Leitzellen“ 
zusammengefaßt hat. Lymphozyten w r aren ebenfalls spärlich; beim 
Menschen sollen sie nach Wolff-Eisner (116), wenn sie zu etwa 
58 pCt. im Sputum zu finden sind, einen diagnostischen Rückschluß 
auf Tuberkulose zulassen. Eiterige Sputa wurden auch auf 
eosinophile Zellen gefärbt, deren Vorhandensein die Diagnose Tuber¬ 
kulose sichern soll, ohne daß jedoch deren Nachweis gelang. 

Da bei dem üblichen Ausstreichen von Sputum auf Deckgläschen 
immer nur ein äußerst geringer Bruchteil desselben zur Untersuchung 
kommen konnte, und somit dem Auffinden der Tuberkelbazillen über¬ 
haupt eine Grenze gezogen war, lag der Gedanke nahe, Methoden 
nachzuprüfen, die in der Humanmedizin für den Zweck in Gebrauch 
stehen, die Tuberkelbazillen auf einen möglichst engen Raum zu- 
samraenzudrängen und so im mikroskopischen Bilde leichter dar¬ 
zustellen. 

Von diesen sogenannten Sedimentierungs- und Anreiche¬ 
rungsverfahren stand eine große Anzahl zur Verfügung. Durch 
hpide Verfahren, die einzeln oder kombiniert zur Anwendung kommen 
können, soll das Sputum zunächst homogenisiert, d. h. in eine gleich¬ 
mäßig dünne Flüssigkeit verwandelt werden. 

Die Homogenisierung des Sputums kann auf verschiedenen 
Wegen erzielt werden. Die eine Richtung erstrebt eine Auflösung 
des Schleimes durch chemische Mittel. Verdünnte heiße Natronlauge 
z. B. soll das Eiweiß in lösliches Alkalialbuminat uud den Schleim 
in eine noch unbekannte ebenfalls lösliche Verbindung überführen. 

Biedert (11) gab zuerst eine derartige Methode an, bei der ein Eßlöffel 
Sputum kalt mit zwei Eßlöffeln Wasser und 4—8 Tropfen Natronlauge tüchtig ver¬ 
mischt wird. Dann läßt man das Gemisch 5 Minuten stehen, vermischt nochmals, 
setzt weitere 4—6 Eßlöffel Wasser hinzu und kocht bis zur Dünnflüssigkeit des 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 127 

Gemisches. Die Masse wird schließlich in ein Spitzglas gegossen und der Boden¬ 
satz verarbeitet. 

Nach Mühlhäuser (70) wird durch dieses Verfahren die Färbbarkeit der 
Tuberkelbazillen in erheblichem Maße durch die Behandlung mit Lauge geschädigt. 

Um den schädigenden Einfluß der Lauge hintanzuhalten, empfahl Czaplewski 
(22) nach dem Kochen das homogenisierte Sputum mit verdünnter Essigsäure und 
Phenolphthalein als Indikator zu neutralisieren. Stroschein (105) verwendete 
die von Wendriner (115) zuerst für Konservierung und Sedimentierung von Harn 
angegebene Boraxborsäurelösung. 

De Lannoise und Girard (64) verwandten Chlor in statu nascendi, indem 
sie das Sputum mit dreifach verdünnter Lösung von Eau de Javclle mischten. 
Das sich bildende Chlor bringt Schleim und Eiterkörperchen in kurzer Zeit zur 
Auflösung. 

Van Keteis (60) Prinzip der Homogenisierung des Sputums beruht auf der 
Verwendung konzentrierter Karbolsäure. Nach Beitzkes (9) Erfahrungen wird 
hierbei der Schleim nur zum Teil zerstört, hauptsächlich mechanisch zerrissen. 
Die Präparate müssen vor der Färbung in Aetheralkohol — zu gleichen Teilen — 
abgespült werden. 

Quenscl (87) benutzt zum Homogenisieren des Sputums Formalin und 
Alkohol. Alle drei Teile werden geschüttelt, dann zentrifugiert. Der Bodensatz 
wird untersucht 

Kamen (58) hat die Sedimentierung oder das Ausschleudern dadurch be¬ 
schleunigt, daß er das spezifische Gewicht der Flüssigkeit durch Zusatz von Alkohol 
verringerte. 

Strasburger (104) führt das Sedimentieren beim Zentrifugieren durch 
Alkoholzusatz zum Sputum im Verhältnis 2 :1 herbei. 

Hempel (46) schüttelt das Sputum beim Erhitzen, zentrifugiert oder setzt 
dem homogenisierten Sputum Karbolsäure oder Salzsäure zu; hierauf wird es mit 
dem Brück eschen Reagens gefällt. Das feine staubförmige Sediment soll alle 
Tuberkelbazillen enthalten. 

Ellermann und Erlandsen (25) erzielten die besten Resultate bei der 
Homogenisierung und Sedimentierung des Exspektorates durch ein von ihnen als 
Doppelmethode angegebenes Verfahren. Es besteht einmal in einer Autodigestion 
des Sputums, dann in einem Aufkochen mit Natronlauge, von der die Mischung 
0.2 pCt. enthält. Gleichzeitig prüften sie andere Methoden nach, wobei sie folgende 
Brauchbarkeitsskala aufstellen konnten: 

1. „Doppelmethode*, 2. Autodigestion nach der Methode von Philipp, 
3. Methode von Hempel, 4. Methode von Spengler, 5. Methode von 
Mü hlhäuser. 

Lange und Nits che (63) versetzten Sputum mit Normalkalilauge und 
Leitungswasser zu gleichen Teilen. Nach starkem Schütteln erfolgt ein Zusatz von 
2 ccm Ligroin, kräftig schütteln. Abscheidenlassen bei Temperaturen von 60 bis 
65°. Das Ligroin strebt der Oberfläche zu und reißt die Tuberkelbazillen mit 
sich. Man findet sie in der Grenzschicht zwischen Ligroin und Sputum. 

Sachs-Müke (95) versetzt das Sputum mit Wasserstoffsuperoxyd und rührt 
das Gemisch gut um. Im Sediment finden sich die Tuberkelbazillen, aber auch in 



128 HIERONYMI, 

dem aufsteigenden Sauerstoffschaum, der durch explosionsartiges Aufbrausen des 
Sputums entsteht. 

Uhlenhuth und Xylander (109) studierten die auflösende Wirkung des 
Antiformins und fanden, daß im tuberkulösen Sputum von allen Bestandteilen nur 
die Tuberkelbazillen nicht geschädigt werden, die nach dem Zentrifugieren des 
dünnflüssig gewordenen Sputums mikroskopisch dargestellt werden können. 

Heim (45) filtrierte verflüssigtes Sputum durch Asbest unter etwa 2 Atmo¬ 
sphären Druck. Er erzielte auf diese Weise noch gute Resultate, wo auch nach 
Homogenisierung keine Tuberkelbazillen gefunden werden konnten. 

An diese chemischen Verfahren gliedert sich die zweite große Gruppe, das 
mechanische Verfahren. 

Dahmen (23) fällt Schleim und Eiweißsubstanzen durch Hitze aus und 
schüttelt das Gemisch um. Nach dem Erkalten und Absetzen erfolgt die Zer- 
reibung des Rückstandes im Achatmörser. Von dem so erhaltenen Material werden 
Ausstriche gemacht. 

Ilkewitsch (53) zerreibt zunächst 1 ccm Sputum im Mörser unter Zusatz 
von 20 ccm W T asser und koaguliert dann den Schleim. 

Aman (3) sorgt nur für mechanische Zerreißung des Schleims durch Blei¬ 
schrot und Chloroform. 

Eine dritte Gruppe strebt eine Zerstörung des Schleims auf fermentativem 
Wege an, wobei sich Homogenisierung *und Sedimentierung nebeneinander voll¬ 
ziehen. 

Philipp (85) läßt das Sputum, das in 24 Stunden gesammelt ist, einen Tag 
lang in einer feuchten Atmosphäre von 36—39° C. stehen, wobei eine Schleim¬ 
lösung durch peptonisierende Bakterien hervorgerufen wird. 

Spengler (101) läßt das Sputum, das er zu gleichen Teilen mit warmem, 
durch Soda alkalisiertem Wasser mischt, durch 0,1—1,0 g Pankreatinpulver bei 
Körperwärme im Brutschrank verdauen. Um Fäulnis zu verhindern, wird nach 
2—3 Stunden oder sofort ein Karbolkristall von 0,1—1,0 hinzugefügt. Sobald sich 
ein Bodensatz gebildet hat, kann untersucht werden. 

Von Joch mann (55) wurde eine vierte Gruppe in die Sedimentierungs- 
methoden eingefügt, das biologische Verfahren. Er verfolgt dabei nicht das 
Prinzip wie die vorigen, die in der Probe vorhandenen Tuberkelbazillen auf einen 
engen Raum zusammenzudrängen, nachdem sie von dem umhüllenden Schleim be¬ 
freit sind, sondern er will die vorhandenen Tuberkelbazillen im Sputum anreichern, 
zur Vermehrung zwingen. Dazu mischt er 10 ccin Sputum mit 20 ccm Nährlösung 
und läßt das Gemisch 24 Stunden im Spitzglas bei Brutwärme stehen. Die Nähr¬ 
lösung besteht aus 5,0 g Nährstoff Heyden, 5,0 g Kochsalz, 30,0 g Glyzerin, 
1000,0 g destillierten Wassers und 5,0 Kristallsodanormallösung 1,0 : 120,0 g. Nach 
24ständigem Aufenthalt der Proben im Brutschrank kann man annehmen, daß eine 
Vermehrung der Bakterien stattgefunden hat und man unterwirft dann das Gemisch 
einer der oben genannten Homogenisierungsprozeduren, nach Jochmann am besten 
der van K etc Ischen Methode. 

Beitzke (9) hat nun alle vorstehend beschriebenen Methoden einer genauen 
quantitativen Analyse unterworfen. Die von Biedert und Mühlhäuser ange¬ 
gebenen Wege schieden bei seiner Prüfung aus. Die Czaplewskisehe Modifikation 
bewährte sich dagegen. Ferner wurden aus der chemischen Gruppe die Verfahren 



Bakteriologische Sputamuntersucbung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 129 

von de Lannoise und Girard verlassen, ebenso die aus der mechanischen von 
Dahmen, Ilkewitsch und Aman. Philipps fermentative Methode erschien zu 
wenig durchgreifend. Bei der Spenglerschen Versuchsanordnung haftete der 
Schleim schlecht auf den Deckgläschen, außerdem störten im mikroskopischen Bilde 
die Pankreatinkörnchen. Auch die .Tochmannsche biologische Anreicherungs¬ 
methode mittels Heydenbouillon führte nach seiner Angabe wohl deshalb nicht 
zum gewünschten Ziel, weil eine stark saure Reaktion des Nährsubstrates, wahr¬ 
scheinlich durch die Begleitbakterien bedingt, nach seiner Vermutung dem Wachs¬ 
tum der Tuberkelbazillen Einhalt getan hatte. Das Resümee der Untersuchungen 
von Beitzke ist, daß die Methode van Ketcls und die Mühlhäusersche, modi¬ 
fiziert nach Czaplewski in Verbindung mit Jochmanns biologischer Anreiche¬ 
rung, die besten Resultate gezeitigt hat. 

Wie wir gesehen haben, stand für unsere Untersuchungen eine 
große Anzahl der verschiedensten Methoden zu Gebote. Es war aber 
bei unseren Versuchen von vornherein klar, daß die meisten Methoden 
in der praktischen Durchführung versagen mußten. Sind wir doch 
schon nicht in der Lage, den Auswurf in der genügenden Quantität 
zu erhalten. Einer Nachprüfung wurden daher nur die Methoden von 
von van Ketel, Jochmann, Philipp und Sachs-Müke unter¬ 
zogen. Die Antiforrainbehandlung des Sputums nach Uhlenhuth, 
die sich dem Verfahren von de Lannoise und Girard im Prinzip 
anlehnt und die unserer Ansicht nach den größten Anspruch auf 
Erfolg haben dürfte, konnte, da sie erst nach Abschluß unserer Ver¬ 
suche publiziert wurde, leider nicht mehr berücksichtigt werden. 

Bei dem äußerst geringen Mengenverhältnis der Sputumproben 
war auch die regelrechte Durchführung der van KeteIschen und 
Jochmannschen Methoden sehr schwierig und erfolglos. Dagegen 
gelang es bei 2 unter 4 Proben, die nach dem Sachs-Mükeschen 
Verfahren untersucht wurden, im Sauerstoffschaum Tuberkelbazillen 
färberisch darzustellen. Am besten gelang der Nachweis der Tuberkel¬ 
bazillen mittels des Philippschen Sedimentierungsverfahrens, das auf 
der Autodigestion des Sputums beruht. Schon bei Inangriffnahme 
der Untersuchungen war es aufgefallen, daß das Sputum, das friscli 
dem Rachenraum oder dem Kehlkopf entnommen war, eine äußerst 
zähe Konsistenz besaß und in Klumpen dem Glase adhärierte. Nacli 
etwa 24—48 Stunden hatte sich das Bild dahin verändert, daß das 
Sputum seine zähe, schleimige Beschaffenheit verloren hatte. .Meist 
entstand daraus eine leicht bewegliche Flüssigkeit, auf deren Grund 
sich korpuskuläre Elemente gesenkt hatten. Beschleunigt wurde diese 
ganze Umwandlung, wenn man das Sputum nach dem Vorgang!“ 
Philipps 24 Stunden bei 37° der Autodigestion überließ. Es nahm 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd.36. Suppl.-Band. <j 



130 


H1EKONYMI, 


dann eine fast wässerige Beschaffenheit an. Durch nachfolgendes 
Zentrifugieren wurde eine ziemlich vollkommene Sedimentierung er¬ 
reicht. Aus dem Bodensatz wurden Ausstriche gemacht, die in 
10 Fällen 6 mal Tuberkelbazillen unter dem Mikroskop erkennen 
Hessen. Diese Methode kann auch insofern empfohlen werden, als 
durch sie die Tuberkelbazillen in ihren vitalen Eigenschaften nicht 
geschädigt werden, wie bei allen anderen Verfahren, sondern das Sedi¬ 
ment kann zur Sicherstellung der Diagnose noch Meerschweinchen in¬ 
jiziert werden. Auf diese Weise wurden auch die oben erwähnten 
positiven Bazillenbcfunde kontrolliert. 

Führte die mikroskopische Sputumuntersuchung nicht absolut sicher 
zum Ziel, so war, wie oben dargetan, eine zweite Möglichkeit ge¬ 
geben, die Tuberkelbazillen im Expektorat nachzuweisen, die Kultur. 

Die Humanmedizin bedient sich für die direkte Züchtung von 
Tuberkelbazillen aus pathologischen Produkten, besonders aber aus 
Sputum, des von Hesse (48) in die Bakteriologie eingeführten Heyden¬ 
nährstoffagars. Es gliedert sich sein Verfahren also ziemlich eng an 
die Joch mann sehe biologische Anreicherung an. Im Prinzip beruht 
die Eigentümlichkeit des Hesseschen Nährbodens darauf, daß er in 
dem Maße, wie er die Wachstumsgeschwindigkeit der Tubcrkelbazillen 
fördert, die Entwicklung der Begleitbaktcricn im Sputum hemmt, so 
daß sich in vielen Fällen der Tierversuch erübrigt. Bestätigt wurden 
diese Angaben Hesses durch zahlreiche Nachprüfungen. 

Der erste war Bronstein (15), der über günstige Erfolge berichtete. Dann 
folgten die Veröffentlichungen von Joch mann, der nicht nur beim tuberkulösen 
Sputum, sondern auch bei tuberkulösem Urin gute Resultate erzielte. Weitere 
Arbeiten stammen aus der Feder von Römer (1)4), der eine Mittelstellung ein- 
ninmit, da bei seinen Versuchen die Tuberkelbacillen auf dem Hess eschen Nähr¬ 
boden und auf den Kontrollplatten der üblichen Nährsubstrate gleich gut ge¬ 
diehen. Mit Römer stimmt C. Frankel (34) darin überein, daß nicht sämtliche 
im Sputum enthaltenen Tubcrkelbazillen vermehrungsfähig sind. Ebenso Menzi (f»7), 
der bei spärlichem Gehalt des Sputums an Tubcrkelbazillen ein Auswachsen der¬ 
selben zu Kolonien auf Hesses Platten nicht beobachten konnte. 

Hesse hatte schon bei seinen bakteriologischen Wasseruntersuchungen mit 
dem Heydenagar gearbeitet und kam auf den Gedanken, ihn bei der diagnostischen 
Züchtung der Tuberkelbazillcn aus pathologischen Produkten zu benutzen. Die 
Eigentümlichkeit der Zusammensetzung des Nährbodens besteht darin, daß die 
Bouillon bei der Bereitung des Nährsubstrates ausgcschaltct und das Pepton durch 
den Nährstoff Heyden, ein Gemisch wasserlöslicher Albumosen ersetzt wird. 
Hesse alkalisierte den mit öpCl. Glyzerin versetzten Nährboden mit 5 ccm einer 
Xormalsodalösimg. Die Tubcrkelbazillen sollen sich auf ihm in rapider Weise ver¬ 
mehren und schon nach b—8 .Stunden an Klatschpräparaten nachzuweisen sein. 



Bakteriologische Sputumuntersuohung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 131 


Nach 2—3 Tagen sind die Kulturen der Tuberkelbazillen schon mit schwacher 
Vergrößerung erkennbar. Die Kolonien zeigen von den ausgesäten Partikeln aus- 
laufende wellenförmige Schleifen und Schnörkel. Das anfänglich schnelle Wachs¬ 
tum sistiert aber nach der angegebenen Zeit, wie Joch mann (1. c.) zeigte, und 
der Ertrag einer auf Heydenagar gewachsenen Kultur ist nach 20 Tagen nicht 
dem auf Glyzerinagar oder Gehirnserum erhaltenen zu vergleichen. Nach Joch- 
mann besitzen wir also im Heydennähragar keinen optimalen Nährboden für 
Tuberkelbazillen. Die Tatsache wäre aber für die bakteriologische Schnelldiagnose 
irrelevant und bedeutungslos. Hier ist allein die Schnelligkeit und Sicherheit des 
Auswachsens maßgebend. Der Nährboden hat dagegen nach C. Fraenkel 0. c.) 
clektive Eigenschaften, d. h. er ist imstande, Begleitbakterien im Wachstum 
zurückzuhaltcn. Givelli (39) spricht sogar von einem „Arretieren* der Ent¬ 
wickelung derselben. Eine rasche und üppige Wucherung der Begleitbakterien hat 
Königstein (G2) nur dann beobachtet, wenn die Mundhöhle und das Sputum vor¬ 
her nicht sorgfältig gewaschen wurden. 

Die Frage, welcher Bestandteil des Heydennährbodens die gün¬ 
stigen Bedingungen für das schnei lc Wachs tum der Tuberkclbazil len 
bildet, ist von Jochmann, C. Fraenkel, Römer und Ficker dahin beant¬ 
wortet worden, daß der mitausgestrichene Schleim, der muzinöse Bestandteil des 
Sputums, die Hauptnahrungsquelle für den Tuberkelbazillus abgibt. Ficker (29) 
wies nach, daß auch auf glyzerinfreiem Agar ausgestrichenes Sputum eine deut¬ 
liche Vermehrung der Tuberkelbazillcn erkennen läßt. Römer bestrich Platten 
mit nicht tuberkulösem Sputum und impfte sie mit Reinkulturen von Tubcrkcl- 
bazillen; er konnte dann eine raschere Vermehrung konstatieren als ohne Sputum. 
Jochmann beobachtete sogar durch einfaches Stchenlassen des Sputums bei 37° 
eine Anreicherung der Tuberkelbazillen. Eine diesbezügliche Bestätigung brachten 
auch Königstein und Gurcwitsch-Franzmann (42), die im übrigen dem 
Hcsscschen Nährboden keine diagnostische Bedeutung zuerkennen. Gühtgens (37) 
konnte eine Anreicherung der Tuberkelbazillcn feststcllen, w’cnn er das Sputum in 
einer Petrischale unter Verhinderung der Verdunstung 6—8 Stunden stehen ließ. 
Absolut sicher wurde die Bedeutung des Schleimes beiin Hess eschen Nährboden 
durch die Untersuchungen Hess es selbst über die Rolle des Luftröhrcnschleimes 
Tuberkulöser als Nährboden für die darin enthaltenen Tuberkelbazillcn. 

Pane (81) ist der einzige, der den Schleim für die Entwickelung der 
Tubcrkelbazitlcnkolonien als entbehrlich, ja hinderlich betrachtet. 

Jochmann (1. c.) brachte, ihm folgte C. Fraenkel (I. c.). eine kleine 
Aenderung in der Konsistenz des Hesse sehen Agars dadurch an, daß er den 
Agarprozentsatz von 1 pCt. auf 2 pCt. erhöhte. Das Arbeiten mit dem weichen 
originären Hessonährboden ist, wie von Huellen (öl) erwähnt, und wir be¬ 
stätigen können, mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Joch mann fand weiter, 
daß ein Säurczusatz für die Entwickelung der Tuberkelbazillcn dienlich sei. Er 
alkalisierte daher nicht, sondern setzte sogar noch einige Tropfen einer lproz. 
Milchsäurelösung hinzu. C. Fraenkel benutzte zur Erzielung der Azidität des 
Nährbodens lproz. Essigsäure und fand, daß selbst nach Zusatz von 20 Tropfen 
pro Liter Nährboden- das Wachstum der Tuberkelbazillcn noch kräftig war. 

Aelteres Sputum, das 1—2 Tage lang gestanden hat, eignet sich nach 
U. Frankel nicht besonders zur Züchtung von Tuberkelbazillcn. Ebenso vermag 

9* 



132 


HIEKONYMI, 


das Alter des Nährsubstrates die Wachstumfähigkeit der Tuberkelbazillen erheblich 
zu beeinträchtigen. Gleichzeitig darf ein Schutz des Nährbodens gegen Aus¬ 
trocknung nicht außer Acht gelassen werden. Hesse umgibt die Petrischalen mit 
Kofferdam, Ficker benutzt Glaskästen. Römer feuchte Kammern. 

Neuestens prüfte Feruccio (27) die Brauchbarkeit des Ilcsseschen Nähr¬ 
bodens nach und kam zu dem Schluß, daß der Hesse sehe Agar weder die Ent¬ 
wickelung der Tuberkelbazillen begünstigt, noch die Vermehrung anderer Bakterien 
hemmt. Nach seiner Ansicht hängt das Wachstum der Tuberkelbazillen im wesent¬ 
lichen von den im Sputum enthaltenen Stoffen ab. 

Soweit mir die tierärztliche Literatur zugänglich war, habe ich 
in ihr nur eine Arbeit gegenüber den äußerst zahlreichen in der 
Humanmedizin gefunden, die sich mit der Nachprüfung des Hesse¬ 
schen Nährbodens beschäftigt. 

Emeljanow (26) stellte Versuche mit dem Nährboden an und 
kam zu folgenden Schlüssen: 

1. Der Hesseschc Nährboden ist zur Erlangung von Tuberkulosckuliuren 
direkt aus pathologischen Produkten sehr geeignet. 

2. Der H essesehe Nährboden ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel für die 
Diagnose der Tuberkulose, wenn die pathologischen Produkte eine geringe Anzahl 
von Tuberkelbazillen enthalten, z. B. Sputum, Milch, Lvmphdrüsen. 

3. Der Hessesehe Nährboden steht dem Glyzerinagar zur Züchtung von 
Tuberkelbazillen aus Reinkulturen nicht nach. 

4. Die Steigerung des Gehaltes an Glyzerin von 3 pH. auf fi ptt. beschleunigt 
augenscheinlich das Wachsen des Tuberkelbazillus. Hesse gab übrigens einen 
Gehalt von 5 pCt. Glyzerin in seinen Vorschriften an. 

Diese sehr optimistischen Angaben setzen sich zum Teil in 
direkten Widerspruch mit den Erfahrungen, die, wie wir oben ge¬ 
sehen haben, in der Humanmedizin gesammelt wurden. Trotz Ein¬ 
haltens aller Vorschriften ist es in unseren Versuchen nicht möglich 
gewesen, dieselben günstigen Resultate zu erzielen. 

Die Nährböden wurden genau nach Hess es Angaben oder nach 
den Modifikationen von Jochmann und Fraenkel bereitet. Besonders 
schwer war der integrierende Bestandteil des Nährsubstrates, der 
Schleim zu beschaffen. Eine Zugabe von sterilisiertem Schleim war 
in allen Fällen erfolglos. Auch erschien das Einstellen der Platten 
in feuchte Kammern nach Römer unzweckmäßig, da in dieser feuchten 
Atmosphäre ein schnelleres Wachsen der Begleitbakterien beobachtet 
wurde. Ein Verdunsten der Feuchtigkeit wurde durch Einstellcn der 
Platten in trockene Deckelschalen verhindert, die am Schließungs¬ 
rande von Deckel und Schale mit einem breiten (Jummibande um¬ 
geben wurden. Ein dem Wachstum der Tuberkelbazillen hinderlicher 
Mangel an Sauerstoff stand dadurch nicht zu befürchten: nach 



Bakteriologische Sputumuntersuclnuig bei il. Lungentuberkulose d. Rindes. 133 

A. Weber (110) ist die Ansicht, daß Tuberkelbazillen zum Wachstum 
möglichst viel Sauerstoff brauchen, irrig. Selbst in Röhrchen, die 
sofort nach Anlegen der Kultur zugeschmolzen werden, erfolgt 
Wachstum. 

Die Kolonien der Begleitbakterien entwickelten sich auf den 
Heydenagarplatten langsamer, dann aber in einer ganz uncharak¬ 
teristischen Weise, wie die Kon troll platten zeigten. 

Die Kolonien hatten die Tendenz zu konfluieren, sie wuchsen 
sehr flach, schleierartig, und ihre Farbe war meist ein unbestimmtes 
schmutziges Grau. Zum Teil wird man dieses veränderte biologische 
Verhalten der Begleitbakterien in der Kultur, die größtenteils für 
Mäuse apathogene Kokken darstellten, auf die Zusammensetzung des 
Nährbodens zurückführen müssen, zum Teil dürfte auch der mitaus- 
gesäte Speichelschleim eine hemmende und urastimmende Wirkung 
ausgeübt haben, wie Clairmont-Wiep (18) für Staphylokokken und 
Streptokokken festgestellt hat. Das Wachstum von Tuberkelbazillen 
blieb in allen Fällen aus. Es wurde unter den Proben, die zu Heyden¬ 
agarplatten verarbeitet wurden, nicht ein einziges Mal eine 
Koloniebildung von Tubcrkelbazillen beobachtet. Ferner 
konnte ebensowenig auch nur eine Anreicherung von Tuberkelbazillen 
im Schleim an Klatschpräparaten nachgewiesen werden. Die Platten 
wurden frühestens 7 Stunden nach der Aussaat daraufhin kontrolliert 
und mindestens 5 Tage lang beobachtet. 

Im Grunde genommen durfte dieser gänzlich negative Ausfall 
unserer kulturellen Untersuchungen gar nicht allzu sehr enttäuschen, 
da wir mit dem denkbar ungünstigsten Material arbeiteten. Einmal 
fordert Königstein (62) ein sorgfältiges Auswaschen der Mundhöhle, 
eine Forderung, die unmöglich auf unsere Verhältnisse anzuwenden 
war. Sodann kam Sputum zur Verarbeitung, das wenigstens 24 bis 
48 Stunden alt war, das also schon ab initio sich nicht besonders 
gut zur Kultur nach Römer und Fraenke! eignet. Infolge der ge¬ 
ringen Quantität der einzelnen Proben war auch deren Gehalt an 
Tuberkelbazillen gering, und nach Menzi kann bei spärlichem Vor¬ 
handensein derselben ihre Weiterentwicklung auf Hesses Agar nicht 
verfolgt werden. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, daß die 
Bazillen des Typus bovinus schwerer zu züchten sind als die des 
Typus humanus (Weber 1. c.). 

Es blieb nur noch ein dritter Weg übrig, die Tuberkelbazillen 
aus dem Schleim zu isolieren, der Tierversuch, der zwar langsamer 



134 


MERONYMI, 


zam Ziele führt, aber ein absolut sicheres Reagens auf etwa vor¬ 
handene Tuberkelbazillen abgibt. 

Mit jeder Probe wurden Meerschweinchen injiziert. Die Impfung 
geschah subkutan an der seitlichen Bauchwand oder intramuskulär 
nach Oster tag in die Muskulatur des Hinterschenkels. Die Tiere 
wurden vor der Impfung und nach der Tötung, bezw. nach dem 
natürlichen Tode gewogen; dabei stellte sich heraus, daß auch bei 
ausgebreiteter Tuberkulose keine Gewichtsabnahme vorhanden zu sein 
braucht. Jedes Tier wurde alle 3 Tage auf Schwellung der regio¬ 
nären Lymphdrüsen geprüft, und schon nach durchschnittlich 12 Tagen 
konnten bei den tuberkulösen Meerschweinchen deutlich vergrößerte 
Lymphdrüsen gefühlt werden, ohne daß diese durch mechanische In¬ 
sulte nach Bloch (12) geschädigt waren. Haben doch auch Joan- 
novisc und Kapsammer (54), ebenso Fligg (31) gezeigt, daß der 
Wert der Lymphdrüsenquetschung für eine frühzeitige Diagnose der 
Tuberkulose an lebenden Meerschweinchen kein allzu großer ist. 

Kommen wir zum Resnme, so läßt sich das Ergebnis unserer 
Untersuchungen in zusammenfassenden Worten dahin ausdrücken, daß 
die versagende klinische Diagnose der Lungentuberkulose 
des Rindes durch die Sputumuntersuchungen eine wesent¬ 
liche und wertvolle Unterstützung erhält. In etwa 62 pCt. 
aller Fälle lassen sich die Tuberkelbazillen mikroskopisch 
durch geeignete llomogenisierungs- und Färbungsmethoden 
zur Darstellung bringen, während die Anreichcrungs- und 
Züchtungsverfahren, wie sie in der Humanmedizin erfolg¬ 
reich angewendet werden, in der Tierheilkunde keine Be¬ 
deutung besitzen. Das feinste Reagens für tuberkulose- 
verdächtiges Sputum bleibt der Tierversuch. 

Kasnistik. 

In den vorigen Abschnitten wurde die Literatur der Sputum¬ 
untersuchungsmethoden behandelt und die Anwendung derselben auf 
das Sputum des tuberkulösen Rindes. Ferner wurden zusammen¬ 
fassend die Ergebnisse der Nachprüfungen der Besprechung der ein¬ 
zelnen Methoden angereiht. Im folgenden Abschnitt soll in Kürze 
die Kasuistik angegliedert werden. 

Nr. 1. Kuh Gerda, 4 1 / 2 Jahre alt. K 1 i n i s c her Befu n d: Husten, giemendc 
Atmungsgeräusche rechts- und im Kehlkopf. 

Das Sputum ist grau-glasig, fadenziehend. An korpuskularen Beimengungen 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Kindes. 135 

finden sich außer Futterpartikelchen einzelne gelblich-weiße stecknadelkopf- bis 
pfefferkorngroße Flocken, die flach sind und ausgebuchtete Ränder besitzen. Sie 
sind in Schleimmassen eingebettet. Die Menge des Sputums beträgt etwa 5 ccm. 
Der Geruch ist fade. Nach 24 stündiger Autodigestion wird die Probe zentrifugiert. 
Im vierten Präparat finden sich fünf Tuberkelbazillen, gefärbt nach Czaplewski. 
Viel polynukleäre Leukozyten und sehr zahlreiches Plattenepithel der Maulschleim¬ 
haut in diffus gefärbtes Schleimlager eingebettet. Viel dicke Streptokokken, wenig 
Stäbchen. Die Aussaat auf Heydenagar bleibt negativ. Die subkutane Impfung 
von Mee 100, Gewicht 390 g am 10. 3. verläuft positiv. Die Lymphdrüsen sind 
nach 9 Tagen palpabel. Das Tier wird getötet am 25. 4. Gewicht 450 g. 

Sektionsbefund: Tuberkulose der Milz und der Achseldrüsen. Im Ziehl- 
präparat Tuberkelbazillen. 

Nr. 2. Kuh Nr. 8, 3 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemendc 
Geräusche links und im Kehlkopf. Kehlgangslymphdrüsen geschwollen. 

Das Sputum ist leicht gelblich gefärbt, durchscheinend und ohne jeden 
korpuskulären Anteil. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Der mikroskopische Nach¬ 
weis der Tuberkelbazillen verläuft negativ. Wenig Plattenepithelzellen. Heyden¬ 
agarplatten bleiben steril. Die subkutane Impfung von Mee 1, Gewicht 400 g am 
15. 3., verläuft negativ. Getötet am 18. 4. Gewicht 420 g. 

Sektionsbefund negativ. 

Np. 3. Kuh Nr. 7, 2 1 / 2 Jahre alt. Klinischer Befund: Giemendc Atmung 
links. Unbestimmtes, giemendes Atmen im Kehlkopf. 

Das Sputum ist rötlichgrau durch Blutbeimisehung gefärbt. Die Konsistenz 
ist fadenziehend, das Aussehen glasig. Im Kern ein etwa erbsengroßes, gelblich¬ 
graues Eiterklümpchen mit zernagter Oberfläche. Außerdem finden sich mehrere 
kleine, hirsekorngroße Flöckchen. Der Geruch ist süßlichfade. Die Menge beträgt 
etwa 2 ccm. Nach 24 ständigem Aufenthalt im Brutschrank bei 37° ist das Sputum 
dünnflüssig und läßt sich gut zentrifugieren. Die bakteriologische Untersuchung 
des Bodensatzes zeigt keine Tuberkelbazillen. Im Gesichtsfeld zahlreiche Erythro¬ 
zyten und Plattenepithelien in zusammenhängenden Lagen. Ziemlich zahlreich 
sind Leukozyten vertreten. Einzelne Tetrakokken und Stäbchen. Heydenagar¬ 
platten bleiben steril. Die subkutane Impfung von Mee 2, Gewicht 290 g am 
15. 3., verläuft negativ. Das Tier stirbt interkurrent am 29. 3., Gewicht 290 g. 
Sektionsbefund und Drüsenausstriche negativ. 

Np. 4. Kuh Nr. 5, 2 ! / 2 Jahre alt. Klinischer Befund: Giemen links. 
Atemgeräusche im Kehlkopf unbestimmt. 

Das Sputum kommt zwei Tage nach der Entnahme zur Untersuchung, be¬ 
sitzt eine wässerige Beschaffenheit und fließt leicht aus dem Fläschchen. In einer 
kleinen feinblasigen Schauminsel befindet sich ein weißlich graues, etwa sagokorn¬ 
großes Zentrum. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Im Zentrifugat, das sich ohne 
weitere Behandlung leicht gewinnen läßt, finden sich keine Tuberkelbazillen. Da¬ 
gegen sieht man viel mehrkernige Leukozyten und Plattenzellen. Wenig Stäbchen. 
Heydenagarplatten bleiben steril. Intramuskuläre Impfung von Mee 3, Gewicht 
300 g am 13. 3., verläuft negativ. Getötet am 14. 4. Gewicht 400 g. Sektions¬ 
ergebnis negativ. 

Np. 5. Kuh Winter, G Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, keine 
abnormen Atmungsgeräusche. 



136 


HIERONYMl, 


Das Sputum ist 3 Tage alt, als es zur Untersuchung kommt. Es besitzt 
eine rötlichgelbe Farbe. Die Konsistenz ist rein wässerig, fließend. An der Ober¬ 
fläche befindet sich Schaum. Formelemente sind nicht nachweisbar. Die Menge 
beträgt etwa 2 ccm. Im Zentrifugat finden sich mikroskopisch keine Tuberkei- 
bazillen, wenig Plattcnepithelien und viel Kokken. Auf Agar wächst ein gelber 
Staphylokokkcnstaram, der nicht mäusepathogen ist. Die Aussaat auf Hevdenagar 
bleibt steril. Intramuskuläre Impfung von Mee 15, Gewicht 108 g am 14. 3. Tod 
am 30.3., Gewicht 190 g. Sektionsbefund negativ. 

Xr. 6. Kuh Nr. 106. 7 Jahre alt. Klinischer Befund: Spontaner 

Husten, Giemen rechts und im Kehlkopf. Eine etwa bohnengroße Neubildung an 
der rechten Pharynxwand. 

Drei Sputumproben, deren Farbe grau ist, und die undurchsichtig und 
trübe sind, kommen zur Untersuchung. Die Konsistenz ist fadenziehend, es be¬ 
finden sich nur geringe Futterbeimengungen im Schleim. Die Menge jeder Probe 
beträgt etwa 5 ccm. Probe! wird mit negativem Ergebnis nach van Ketels 
Methode verarbeitet: Probell wird nach der J ochmann sehen biologischen Methode 
untersucht. Im Ausstrich keine Tuberkelbazillen, nur Kokken in Haufen. Sub¬ 
kutanimpfung von Probe III, an Mee 13, Gewicht 190 g am 14.3.; getötet am 
14.4. Gewicht 210 g. Sektionsbefund negativ. 

Nr. 7. Kuh Nr. 11, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Bei der vorjährigen 
klinischen Untersuchung wurde die Kuh für verdächtig erklärt. Sie zeigt spontanen 
Husten und ein rauhes, glanzloses Haarkleid. 

Das Sputum ist stark schleimig und fadenziehend. Es haftet an der Wand 
des Fläschchens. Im ganzen ist es grau gefärbt und trübe. Mitten im Schleim- 
zentrum sieht man zwei weißlichgolbe Flocken, zusammen von der Größe einer 
Linse. Sie sind flach und zeigen angenagte Ränder. An Menge stellt die Probe 
etwa 3 ccm Sputum dar. Der Geruch ist fade. Das Sputum wird 24 Stunden 
lang der Philippschen Autodigestion bei 37° überlassen. Es resultiert eine leicht 
bewegliche Flüssigkeit, die nach dem Zentrifugieren einen gelblichen Bodensatz 
zeigt, lrn Ausstrich, nach Ziehl-Neelscn gefärbt, finden sich zwei rote Stäbchen, 
die aber wegen ihrer plumpen geraden Gestalt nicht als Tuberkelbazillen ange- 
sprochen werden können. In weiteren Präparaten, die nach Czaplewski und 
Spengler gefärbt w r erden, finden sich keine weiteren rot fingierten Bakterien. 
Neben zahlreichen Diplokokken zeigen sich im mikroskopischen Bild polymorph¬ 
kernige Leukozyten und ganz vereinzelte Zylinderepithelzellen, die wahrscheinlich 
aus dem Kehlkopf stammen. Auf Heydennährstoffplatten ist kein Wachstum von 
Tuberkelbazillen zu konstatieren. Mit dem Zentrifugat wird Mee 13 am 14. 3. 
subkutan geimpft. Gewicht 190 g. Am 15. 4. wird das Tier getötet. Gewicht 
250 g. Sektionsbefund negativ. 

Nr. 8. Kuh Nr. 72, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und 
struppiges Haarkleid, keine abnormen Atmungsgeräusche. 

Das Sputum ist wässerig, da es erst zwei Tage nach der Entnahme zur 
Untersuchung kommt. Die Farbe ist grau: zerstreut durch die ganze Probe finden 
sich fünf kleine graue, etwas gelblich gefärbte, ungefähr hirsekorngroße Eiter¬ 
körnchen. Die Menge beträgt 4 ccm. Im Zentrifugat sind keine Tuberkelbazillen 
wahrzunehmen. Auch andere morphotische Elemente sind nur spärlich vertreten. 
Auf Hesses Agar hat kein Wachstum von Tubcrkelbazillen statt. Mee 8 wird 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 137 

subkutan mit der Probe am 14. 3. geimpft. Gewicht 330 g. Tod am 16. 4. Ge¬ 
wicht 440 g. Sektionsergebnis negativ. 

Nr. 9. Kuh Nr. 18, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, ver¬ 
schärftes Vesikuläratmen auf beiden Lungenseiten. 

Das Sputum ist flüssig, gelblichbraun gefärbt. Suspendiert sind in ihm ge¬ 
ringe Futterbeimengungen bei sonst durchsichtiger Beschaffenheit des Sputums. 
Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Der Geruch ist fade. Da zwei Proben entnommen 
sind, wird die eine mit negativem Ergebnis der Sachs-Miikeschen Wasserstoff¬ 
superoxydprobe unterworfen. Die Hesseplatten lassen kein Wachstum erkennen. 
Mee wird am 14. 3. subkutan geimpft. Gewicht 140 g. Tötung am 14. 4. Ge¬ 
wicht 350 g. Sektionsbefund negativ. 

Np. 10. Kuh Nr. 128, 6 Jahre alt. Klinischer Befund: Brummende 
Atmungsgeräusche auf beiden Lungenseiten. Husten. 

Das Sputum ist stark mit Schaumperlen durchsetzt. Die Konsistenz ist 
sehr zähe, fadenziehend. Die Farbe ist grau, trübe, das Ganze ist undurchsichtig. 
Zerstreut durch die Schleimmasse bemerkt man einige kleine graue Epithelfetzen. 
Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Das Sputum bleibt nach Philipp bei 37° 
24 Stunden der Autodigestion überlassen und wird dann zentrifugiert. Im Aus¬ 
strich lassen sich keine Tuberkelbazillen nachweisen, ebenso bleiben die Hesse¬ 
platten steril. Außer geringen Mengen Leukozyten finden sich keine zeitigen Ele¬ 
mente. Mee 17 wird am 4. 3. subkutan infiziert. Gewicht 270 g. Nach 10 Tagen 
ist eine linsengroße harte Schwellung der Achseilymphdrüsen zu fühlen. Am 
15.4. wird das Tier getötet. Gewicht 250 g. Sektionsbefund: Schwellung der 
Achsel- und Kniefaltenlymphdrüsen einer Seite mit käsigem Zerfall im Zentrum. 
Tuberkulose der Milz. Tuberkulose der Leber. Im Ausstrichpräparat zahlreiche 
Tuberkelbazillen. 

Np. 11. Kuh Nr. 94, 7 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende 
Atmungsgeräusche beiderseits. 

Das Sputum besitzt eine zähe, stark schleimige Konsistenz. Seine Farbe 
ist gelblichweiß. In seinem Innern befinden sich einige kleine, etwa hirsekorn- 
große, weißgelbe kompakte Formelemente. Die Sputummenge beträgt etwa 2 ccm. 
Das Sputum wird zentrifugiert, nachdem es 24 Stunden bei 37 0 im Brutschrank 
gestanden hat. Im Bodensatz lassen sich keine Tuberkelbazillcn färberisch dar¬ 
steilen. An Zellelemcntcn finden sich zahlreiche Leukozyten, die in einigen Präpa¬ 
raten mit Ehrlichs Triazidlösung gefärbt werden. Eosinophile Zellen können 
dadurch nicht dargestellt werden. Ferner sind im Präparat einige dickbauchige 
Schleimzellen zu sehen. Die Hesseplatten zeigen kein Wachstum von Tuberkel¬ 
bazillen. Die Probe wird am 23. 3. Mee 31, Gewicht 310 g subkutan injiziert. 
Am 4.4. stirbt das Tier interkurrent. Gewicht 310 g. Sektionsbefund: 
Schwellung und Verkäsung der Achsel- und Kniefaltenlymphdrüsen auf der In¬ 
jektionsseite. 

Im Ausstrich Tuberkelbazillen. 

Np. 12. Kuh Nr. 48, 6 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, ver¬ 
schärftes vesikuläres Atmen rechts. 

Das Sputum zeigt eine gleichmäßig wässerige, leichtflüssige Konsistenz. 
Beim Schütteln wirbeln ziemlich reichlich Futterbestandteile auf, die sich zu Boden 
gesenkt hatten. Die Farbe des Sputums ist graugelb und trübe. Die Menge be- 



138 


HIERONYMI, 


trägt etwa 2 1 / 2 ccm. Im Zentrifugal sind bakterioskopisch keine Tuberkelbazillen 
zu finden, nur spärliche Diplokokken und dicke Streptokokken neben einigen 
Plattenepithelien. Leukozyten fehlen. Auf Hesseplatten erfolgt kein Wachstum 
von Keimen. Am 23. 3. subkutane Impfung von Mee 16, Gewicht 300 g. Am 
23. 4. Tötung des Tieres. Gewicht 400 g. Sektionsbefund negativ. 

Np. 13. Kuh Nr. 2, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, brummende 
Atmungsgeräusche auf der linken Seite. 

Die Konsistenz von zwei entnommenen Sputumproben ist flüssig. Nur 
einige Schleimzüge befinden sich darin, in denen zwei etwa pfeflferkorngroße, gelb¬ 
lichweiße, rundliche Eiterflocken eingebettet sind. Außerdem finden sich zahlreiche 
Futterpartikel. Die Menge jeder Probe beträgt etwa 4 ccm. Der Geruch ist sü߬ 
lich. Im Zentrifugat lassen sich in 5 Präparaten nach der Pikrinsäuremethode 
8 Tuberkelbazillen zerstreut, Leukozyten anliegend, nachweisen. Auch hier finden 
sich Becherzellen. Das zweite Sputum wird nach Saehs-Müke mit Wasserstoff¬ 
superoxyd behandelt. Im Sauerstoffschaum, der auf Objektträger aufgetragen wird, 
lassen sich in zwei Präparaten Tuberkelbazillen färben. Die Hesscplatten bleiben 
steril. Mee 32 wird am 22. 3. mit Probe I intramuskulär geimpft. Gewicht 320 g. 
Nach 13 Tagen sind die Achseldrüsen hart und geschwollen. Der Tod des Tieres 
erfolgt am 4. 4. Gewicht 290 g; der einzige Fall, bei dem ein Gewichtsverlust am 
tuberkulösen Meerschweinchen festgcstellt werden konnte. Sektionsbefund: 
Verkäsung der geschwollenen Axillardrüsen. Tuberkulose der Milz. Tuberkulose 
der Leber. Im Ausstrich aus den tuberkulösen Herden zahlreiche Tuberkelbazillcn. 

Nr. 14. Kuh Nr. 6, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, Giemen 
rechts und im Kehlkopf. 

Die Konsistenz des Sputums ist zähschleimig, es haftet am Glase. Man er¬ 
kennt eine deutliche Schichtung. In einen glasigen, durchscheinenden Mantel von 
trübgrauer Farbe ist ein Sputumkern eingebettet, der etwa kirschkerngroß ist. Die 
Sputumlinse ist gelblich und besitzt einen weißen ausgefaserten Saum. Im Wasser 
sinkt das Sputum unter. Es entspricht also diese Probe dem Sputum giobosum 
nummosum et fundum petens. wie es für tuberkulöse Kavernen als typisch ange¬ 
sehen wird. In keinem der zahlreichen Präparate, die nach den verschiedensten 
Methoden gefärbt wurden, konnten aber Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. 
Neben vielen Leukozyten, unter denen sich jedoch keine eosinophilen befinden, sind 
auch Lymphozyten vertreten. Die Hesscplatten bleiben steril. Mee 34 wird am 
23. 3. mit der Probe intramuskulär geimpft, Gewicht 240 g. Die Tötung erfolgt 
am 28. 4. Gewicht 410g. Sektionsbefund negativ. 

Nr. 15. Kuh Klara, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, Abmage¬ 
rung, verschärftes vesikuläres Atmen rechts. 

Die Konsistenz des Sputums ist zäh-schleimig. Die Farbe ist bernsteingelb, 
vollkommen durchsichtig und leicht irisierend. Es sind keine Formeleraente nach¬ 
zuweisen. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Nach Autodigestion bei 37° wird es 
flüssig und läßt sich leicht zentrifugieren. Im Zentrifugat finden sich keine Tu¬ 
berkelbazillcn, außer einigen Kokken und Epithelien keine weiteren morphotischen 
Elemente. Die Hcsseplatten bleiben steril. Impfung von Mee 36 am 23. 3. sub¬ 
kutan. Gewicht 240 g. Tötung am 4. 4. Gewicht 350 g. Sektionsbefund 
negativ. 



Bakteriologische Sputnmuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 139 

Nr. 16. Kuh Dowle, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, starke 
Abmagerung, keine krankhaften Atmungsgeräusche. 

Die Sputunikonsistenz ist ziemlich flüssig, die Farbe ist leicht gelblich, 
durchsichtig. Futterbeimengungen sind in geringer Menge vorhanden, aber staub¬ 
förmig verteilt. Die Menge jeder Probe — cs wurden zwei entnommen — beträgt 
5 ccm. Probe I wird dem van Ketclschcn Verfahren unterworfen. Im Ausstrich 
lassen sich keine Tuberkelbazillen nachweisen. Auch die zweite Probe wird mikro¬ 
skopisch ohne Erfolg auf Tuberkelbazillen untersucht. Neben einzelnen Leukozyten 
sind auch Erythrozyten vorhanden. Die Probe II wird am 23. 3. Mee 35 intra¬ 
muskulär injiziert. Gewicht 250 g. Nach 9 Tagen sind die Kniefaltendrüsen ge¬ 
schwollen. Tötung des Tieres am 9. 5. Gewicht 380 g. Sektionsbefund: 
käsige Herde in den Lymphdrüsen der geimpften Seite. Tuberkulose der Milz. 
In Ausstrichpräparaten Tuberkelbazillen. 

Nr. 17. Kuh Birne, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, Giemen 
rechts und im Kehlkopf, leichte Abmagerung. 

Das Sputum ist schleimig, es ist leicht gelblich gefärbt und enthält einige 
Futterpartikelchen. Die Menge beträgt etwa 2 ccm, Eiterflöckchen sind nicht nach¬ 
weisbar. Im Ausstrich des der Philipp sehen Autodigestion unterworfenen Sputums 
lassen sich tinktoriell keine Tuberkelbazillen nachweisen. Zellelemente sind sehr 
spärlich. Die Aussaat auf Hesseplatten bleibt steril. Am 23. 3. wird die Probe 
subkutan an Mee 17 verimpft. Gewicht 200 g. Tötung des Tieres am 22. 4. Ge¬ 
wicht 410 g. Sektionsbefund negativ. 

Nr. 18. Kuh Elise, 8 Jahre alt. Klin ischer Befund: Husten, giemende 
Geräusche beiderseits, auch im Kehlkopf. Die Kuh w T urde schon bei der klinischen 
Untersuchung im Voijahre für verdächtig erklärt. 

Das Sputum kommt vollkommen dünnflüssig zur Untersuchung. Durch 
zahlreiche staubförmige Beimengungen von schwarzbrauner Farbe ist das Sputum 
in toto getrübt, außerdem enthält es einen ziemlich erheblichen braunen Bodensatz. 
Seine Menge ist gering und beträgt nicht mehr als 1 1 / 2 eem. Im Zentrifugal 
können durch die Pikrinsäuremethode Tuberkelbazillen, 5 an der Zahl, nachge¬ 
wiesen werden. Ferner sieht man zahlreiche Pflanzenzellen, einige Leukozyten und 
viel Kokken. Eine Aussaat auf Heydenagar unterbleibt wegen der zur Kultur¬ 
verarbeitung äußerst ungeeigneten Probe. Sie wird am 9. 4. an Mee 46, Gewicht 
200 g, subkutan verimpft. Nach 12 Tagen läßt sich eine Schwellung der Aehsel- 
lymphdFüsen konstatieren. Am 9. 5. wird das Tier getötet. Gewicht 260 g. 
Sektionsbefund: Schwellung der Achseldrüsen und Kniefaltendrüsen mit einem 
pfefferkorngroßen käsigen Zentrum. Tuberkulose der Milz, Tuberkulose der Leber. 
Im Ausstrich aus den Lymphdrüsen mäßig viel Tuberkelbazillcn. 

Nr. 19. Kuh Elbe, 9 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, schnar¬ 
chende Atmung. Von der Rachenhöhle aus ist eine faustgroße Schwellung der 
retropharyngealen Lymphknoten zu fühlen. 

Das Sputum, dessen Menge nur 1 ccm beträgt, ist flüssig. Die Farbe ist 
rötlichbraun. Die Durchsichtigkeit ist durch Futterbestandteile gänzlich aufgehoben. 
Im Zentrifugat können keine Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Leukozyten 
fehlen ebenfalls. Nur einige platte Epithelzellen und spärliche Kokken neben 
zahlreichen pflanzlichen Zellen präsentieren sich. Eine Verarbeitung der Probe zu 
Platten unterbleibt auch hier, da das Material hierzu gänzlich ungeeignet erscheint. 



140 


HIKKONYMf, 


Verimpfung der Probe an Met* 45. Gewicht 230 g. subkutan am 11. 4. Inter¬ 
kurrenter Tod des Tieres am 3. 5. Gewicht 350 g. Sektionsbefund negativ. 

Nr. 20. Kuh Knospe, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, brum¬ 
mende Atmungsgeräusehe beiderseits. Die Kuh wurde schon im Vorjahre als der 
Lungentuberkulose verdächtig bezeichnet. 

Das ganz dünnflüssige Sputum enthält viele pflanzliche Kletnente. die beim 
Stehen einen schwärzlichen Bodensatz bilden. Die überstchcnde Flüssigkeit er¬ 
scheint klar, leicht gelblich. Die Menge beträgt etwa 2 ccm. Im Ausstrich aus 
dem Zentrifugat lassen sieh keine Tuberkel bazil len nach weisen. Auch andere 
morphotischc Elemente, außer pflanzlichen, sind nur äußerst spärlich vorhanden. 
Die Beschickung von Hesseplatten unterbleibt auch in diesem Falle. Impfung von 
Mee 44, Gewicht 105 g, am 9. 4. subkutan Nach 8 Tagen sind die Achseldrüsen 
vergrößert und derber. Die Tötung des Tieres erfolgt am 21. 5. Das Gewicht 
beträgt 230 g. Sektionsbefund: Schwellung der Achseldrüsen mit Stecknadel- 
kopfgroßer verkäster Bandpartie. Tuberkulose der Milz. Im Ausstrichpräparat 
spärliche Tuberkelbazillen. 

Nr. 21. Kuh Kante. 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und Ab¬ 
magerung. 

Die Sputumkonsistenz ist dünnflüssig. Die Farbe ist gelblich. Ein bräun¬ 
licher Bodensatz wirbelt beim Schütteln der Probe auf und färbt diese. Die Menge 
ist sehr spärlich und beträgt nur ca. 1 ccm. Im Zentrifugatausstrieh sind keine 
Tuberkelbazillen vorhanden, einzelne polymorphkernige Leukozyten, Kokken und 
Hefen sind vertreten. Eine Aussaat auf Hesseplatten unterbleibt. Am 9. 4. wird 
Mee 43, Gewicht 240 g, mit der Probe subkutan geimpft. Tötung ries Tieres am 
21. 5. Gewicht 340 g. Sektionsbefund negativ. 

Die letzten 4 Proben zeichneten sieh durch ihren reichlichen Gehalt an 
fremden Beimengungen, Pflanzcuteilen aus. Die Erklärung ist darin zu suchen, 
daß sie von Kühen eines Dominiums stammten und wohl nach der Fütterung ent¬ 
nommen worden sind. Trotz der vollkommenen Atypie des Sputums bezüglich der 
Konsistenz, des Flockengehalts und der (Quantität ist es bemerkenswert, daß in 
zwei der Proben der Nachweis von Tuberkelbazillen gelungen ist, einmal, sogar 
durch das Mikroskop. Es ist also nicht unbedingt notwendig, wie oben schon 
betont wurde, daß die Proben unmittelbar nach einem Huslenstoß entnommen 
werden, da die Anwesenheit von Tuberkelbazillen auf der Schleimhaut der Rachen- 
höhle nicht immer in ursächlichen Zusammenhang mit dem Husten ries Tieres ge¬ 
bracht zu werden braucht. Aus demselben Grunde ist auch das Vorhandensein 
der Tuberkelbazillen durchaus nicht immer an Eiterflöckchen im Sputum geknüpft. 

Np. 22. Kuh Nr. 100, 4’/ 2 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und 
giemende Atmungsgeräusche beiderseits. Die Kuh wurde schon in zwei Unter¬ 
suchungsprotokollen als der Lungentuberkulose verdächtig geführt. 

Das Sputum ist vollkommen flüssig und homogen. Die Farbe ist gelblich. 
Es sind zwei Proben genommen worden. Die Menge beträgt 3 ccm. Das Ganze 
ist durch korpuskulare Elemente getrübt. Nach der Sachs-Mükeschen Methode 
und im Zentrifugat können Tuberkelbazillen nicht nachgewiesen werden. Dagegen 
finden sich in einem Präparat säurefeste Stäbchen, die ihrer Form nach Pseudo¬ 
tuberkelbazillen darstellen. Ferner sieht man im Gesichtsfeld zusammenhängende 
Lagen von Plattenepithelien und ziemlich zahlreiche Lymphozyten. An Bakterien 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 141 


sind Kokken und Pakete von Sarzinen vorhanden. Die Aussaat auf Hesseplatten 
bleibt negativ. Am 9. 4. wird Mee 51, Gewicht 208 g, intramuskulär mit einer 
Probe geimpft. Der Tod erfolgt aui 8. 5. interkurrent. Gewicht 410 g. Sek¬ 
tionsbefund negativ. 

Nr, 23. Kuh Nr. 1033, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, 
sonst keine klinischen Symptome der Tuberkulose. Es werden zwei Proben unter¬ 
sucht. Das Sputum besitzt eine dünnflüssige Konsistenz, es ist grau gefärbt und 
trübe. Nach der Sachs-Mükeschen Wasserstoffsuperoxydbehandlung schäumt es 
stark auf. Die Schaumblasen werden ausgestrischen und bei der Czaplewski- 
färbung zeigen sich im zweiten Präparat vier Tuberkelbazillen. Auch im Zentri- 
fugat der zweiten Probe können Tuberkelbazillen bei Anwendung der Pikrinsäure¬ 
methode und nach v. Betegh nachgewiesen werden, ln den Bazillenleibem zeigen 
sich nach der letzten Methode dunkelblau gefärbte Polkörperchen. Aßerdem sieht 
man im Präparat vielzelliges Material, Plattenzellen und Leukozyten. Die Hesse- 
platten bleiben steril. Mee 58 wird am 23. 4. mit dem Rest von Probe II intra¬ 
muskulär geimpft. Gewicht 330 g. 14 Tage nach der Impfung tritt eine Schwel¬ 
lung und Verhärtung der Achseldrüsen auf. Tötung des Tieres am 21. 5. Ge¬ 
wicht 470 g. Sektionsbefund: Schwellung und Verkäsung der Achscldrüsen. 
Tuberkulose der Milz. Im Ausstrichpräparat Tuberkelbazillen. 

Np. 24. Kuh Nr. 1490, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, 
giemende Atmung links. Das Tier wurde schon bei der vorjährigen klinischen 
Untersuchung für verdächtig erklärt. 

Das Sputum ist fast dünnflüssig, da es, wie die vorigen Proben, erst drei 
Tage nach der Entnahme zur Untersuchung kam. Es ist leicht gelblich gefärbt 
und ziemlich klar. Suspendiert sind in ihm neben den spärlichen Futterpartikeln 
zwei zähe, graugelbe, etwa pfefferkorngroße Eiterflocken. Die Menge des Sputums 
beträgt 2 ccm. Der Geruch ist fade. Im Ausstrich aus dem Zentrifugat können 
nach der Pikrinsäuremethode 11 Tuberkelbazillen in einem Präparat nachgewiesen 
werden. Ferner sind viele polygonale Zellen zu sehen und mehr Lymphozyten als 
Leukozyten. Die Plattenaussaat auf Hesse platte "bleibt steril. Am 23. 4. wird 
Mee 39, Gewicht 209 g subkutan geimpft. Nach 13 Tagen ist eine Lymphdrüscn- 
schwellung palpabel. Das Tier wird am 21. 5. getötet. Gewicht 230 g. 
Sektionsbefund: Schwellung und Verkäsung der Achsel- und KniefaltenLymph- 
driisen. Tuberkulose der Milz und Leber. Im Ausstrich präparat Tuberkel- 
bazillen. 

Nf. 25. Kuh Nr. 40, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, gie¬ 
mende Atmungsgeräusche auf der rechten Lungenseite und im Kehlkopf. 

Die Sputumkonsistenz ist schleimig und fadenziehend. Die Farbe ist grau- 
gelb, hübe, im Licht leicht opalisierend. Im Schleim ist ein etwa pfefferkorn- 
großer, gelblicher Eiterherd eingebettet, der zackige Ränder besitzt. Das Sputum 
bleibt zur Homogenisierung 24 Stunden bei 37° im Brutschrank. Im Zentrifugat 
lassen sich keine Tuberkelbazillen naehweisen. 

Das zeitige Material ist spärlich vertreten, reichlich dagegen eine üppige 
Bakterienflora. Auf Heydcnnährstoffplatten erfolgt kein Wachstum von Tuberkel¬ 
bazillen. Am 24. 4. wird Mee 5(5, Gewicht 225 g, subkutan geimpft. Am 20. 5. 
stirbt das Tier interkurrent. Gewieht 340 g. Sektionsc rg e b n i s: negativ. 



142 


HIEKONYMl, 

Nr. 26. Kuh Nr. 22, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und Ab¬ 
magerung. 

Das Sputum ist dünnflüssig, durchsichtig und bernsteingelb gefärbt. Es hat 
einen ziemlich starken Bodensatz aus Futterpartikeln. Ein kleiner hirsekorngroßer 
gclblichwcißer Eiterherd schwebt in der Mitte. Die Sputummengc beträgt etwa 
2 ccm. Im Zentrifugal lassen sieh keine Tuberkelbazillen nachweisen. auch nur 
vereinzelte Zellen. Die Hesse platten bleiben steril. Impfung von Mce 55, Ge¬ 
wicht 238 g am 24. 4. subkutan. Tötung am 23. 5. Gewicht 3G5 g. Sektions¬ 
befund negativ. 

Np. 27. Kuh Nr. 23, 10Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende 
Atmungsgeräusche links und rechts und im Kehlkopf. 

Das Sputum ist dünnflüssig. Es ist undurchsichtig und graugrün gefärbt 
durch reichliche pflanzliche Beimengungen. Eine hirsekorngroße Eiterflocke ist 
zu bemerken. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Der Nachweis von Tuberkclbazillcn 
im Zentrifugat gelingt mikroskopisch nicht. Man sieht im mikroskopischen Bild 
wenig Zellen und reichlich pflanzliche Elemente. Die Aussaat auf Heydennähr- 
stolTagar bleibt negativ. Mee 57, Gewicht 250 g, wird am 24. 4. subkutan infiziert. 
Nach 14 Tagen ist eine Lymphdrüsenschwellung zu fühlen. 

Am 21. 5. wird das Tier getötet. Gewicht 340 g. Sek tions befund: 
Schwellung und Verkäsung der Achsellymphdrüscn. Tuberkulose der Milz. Tuber¬ 
kulose der Leber. Iin Ausstrich Tuberkelbazillen. 

Np. 28. Kuh Nr. 24, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende 
Atmungsgeräusche beiderseits und im Kehlkopf. 

Die Sputumkonsistenz ist dünnflüssig. Die Farbe, die dem Sputum durch 
reichliche Futterpartikelchen mitgeteilt wird, ist bräunlich. Die Menge beträgt 
etwa 2 ccm. Im Zcntrifugatausstrieh sind nach Ziohl-Neelsens und Captcwskis 
Färbung Tuberkclbazillcn nachzuweisen. Ferner ist ein dichter Zcllrasen von poly¬ 
gonalen Plattcncpithclien zu sehen, auch reichliche polynukleäre Leukozyten. Die 
Aussaat auf II esse platten bleibt steril. Mce 72 wird am 24. 4. subkutan geimpft. 
Gewicht 200 g. Nach 10 Tagen tritt eine Lymphdrüsenschwellung und-Verhärtung 
auf. Tod des Tieres am 10. 5. interkurrent. Gewicht 370 g. Sektionsbefund: 
Schwellung und Verkäsung der Achsellymphdrüscn der geimpften Seite. Im Aus¬ 
strich Tuberkclbazillcn. 

Np. 29. Kuh Nr. 104, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, sonst 
keine klinischen Symptome der Lungentuberkulose. 

Das Sputum hat eine zähschleimige Konsistenz. In den Schleimzügen sind 
einige pfefferkorngroße, gelbliche Eiterflöckchen eingebettet, die wie ausgefasert aus- 
sehen. Die Gesamtfarbe ist ein trübes Graugelb. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. 
Der Geruch ist fade. Nach 24 ständiger Autodigestion bei 37° wird die Probe 
zentrifugiert. Im Bodensatz sind nach Caplewskis Methode Tuberkelbazillen 
nachzuweisen, die zu vier oder mehr zusammenliegen. Auch finden sich einzelne 
blaßrote dicke plumpe Stäbchen, die isoliert liegen und als Pseudotuberkelbazillen 
anzusprechen sind. Neben zahlreichen polynukleären Leukozyten kommen auch 
Lymphozyten und Plattenepithelien zur Darstellung. Die Aussaat der Hesse- 
platten bleibt steril, Mee 11 wird am 2Ö. 4. mit dem Best der Probe subkutan 
geimpft. Gewicht 215 g. Am 12. 5. stirbt das Tier interkurrent. Gewicht 250 g. 
Sektionsergebnis: die Achsellymphdrüscn w r enig geschwollen, doch enthält eine 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 143 


von ihnen einen stecknadclkopfgroßen Käseherd, in dem Tubcrkeibaziilcn naehzu- 
weisen sind. Ebenso finden sich Tuberkelbazillen im Sekret eines Geschwüres, das 
auf dem Boden der indurierten Impfstelle aufgebrochen ist. 

Nr. 30. Kuh Nr. 283, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, sonst 
kein klinisch nachweisbares Symptom der Lungentuberkulose. 

Das Sputum ist flüssig. Die Farbe ist bräunlich, bedingt durch Futter¬ 
beimengungen, die beim Stehen einen dunkelbraunen Bodensatz bilden. Der über¬ 
stehende Teil der Sputumflüssigkeit ist klar. Die Menge beträgt 2 ccm. Der Ge¬ 
ruch ist fade. Im Ausstrich aus dem Zentrifugat markieren sich nach der Fär¬ 
bung von Andrejew zwei rote plumpe, säurefeste Pseudotuberkelbazillen auf 
grünem Grunde. Die mit Sputum besäten Hesse platten bleiben steril. Am 26. 6. 
wird Mec 13, Gewicht 220 g, intramuskulär mit dem Rest der Probe geimpft. Die 
Tötung des Tieres erfolgt am 28. 7., Gewicht 225 g. Sektionsbefund negativ. 

Np. 31. Kuh Nr. 35, 4 Jahre alt. Klini scher Befund: Außer Husten 
keine Symptome der Lungentuberkulose. 

Das fast wässerige Sputum ist farblos und undurchsichtig. Beim Schütteln 
machen sich einige kleine Eitcrflöckehen bemerkbar. Die Menge beträgt etwa 
1 */ 2 ccm. Im Zentrifugat werden in Ausstrichpräparaten nach der Zichl-Neelscn- 
schen Methode und nach der Spenglerschen Pikrinsäurefärbung Tuberkclbazillen 
dargestellt, die vereinzelt liegen, acht in einem Präparat. Außerdem finden sich 
Plattenepithelien und wenig Leukozyten. Hesse platten, mit Sputum beschickt, 
bleiben steril. Mee 5, Gewicht 195 g, wird am 26. 6. subkutan mit dem Rest der 
Probe geimpft. Nach 10 Tagen sind die AchseUymphdrüsen hart und geschwollen. 
Am 27. 7. wird das Tier getötet, Gewicht 225 g. Sektionsbefund: Große Käsc- 
herde in den Achsel- und Knicfaltcndriisen. Tuberkulose der Milz und der Leber. 
In Ausstrichen zahlreiche Tuberkelbazillen. 

Np. 33. Kuh Karola, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende 
Atmungsgeräuschc auf der linken Seite. 

Die Konsistenz des Sputums ist wässerig, die Farbe bräunlich. Das ganze 
Sputum ist undurchsichtig, getrübt durch starke Beimischung von Futterresten. 
Die Menge des Sputums beträgt etwa 2 ccm. Im Zentrifugat können bakterio- 
skopisch keine Tuberkclbazillen nachgewiesen werden. Ebenso bleiben die Hesse¬ 
platten steril. Mee 19 wird am 30. 6. mit der Probe subkutan geimpft. Ge¬ 
wicht 195 g. Tötung des Tieres am 30. 7. Gewicht 230 g. Sektionsergebnis 
negativ. 

Np. 34. Kuh Birke, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, unbe¬ 
stimmte, giemende Atmungsgeräusche auf der linken Seite. 

Das Sputum ist von zäher, schleimiger, fadenziehender Beschaffenheit und 
läßt sich nur schwer aus dem Glase entfernen. Die Farbe des Sputums ist gelblich 
und undurchsichtig. Die Trübung rührt von vielen kleinen Futterbestandteilen 
her. Der Geruch ist fade. Die Menge jeder Probe, es kommen zwei zur Unter¬ 
suchung, beträgt etwa 4 ccm. Die eine Probe wird dem van Ketelsehen Ver¬ 
fahren unterworfen, die andere bleibt 24 Stunden der Autodigestion überlassen 
Im Zentrifugat beider Proben können mikroskopisch keine Tuberkclbazillen nach¬ 
gewiesen werden. Dagegen sind im mikroskopischen Bild zahlreiche Mengen von 
Pflanzenzeilen zugegen, ebenso Zellkomplexe \on Plattenepithelien. die mit Kokken 
wie gepflastert erscheinen. Die Leukozytenzahl ist gering. Die 11 esseplatten 



144 HlERONYMl, 

bleiben steril. Mee 21, Gewicht 215 g, wird am 30. ß. mit einer Probe subkutan 
geimpft. Am 30. 7. erfolgt die Tötung des Tieres, dessen Gewicht 270 g beträgt. 
Sektionsbefund negativ. 

Np. 35. Kuli Korona, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, sonst 
kein Symptom der Lungentuberkulose. 

Das dünnflüssige Sputum ist leicht gelblich gefärbt. Durch körnige Futter¬ 
partikel ist es getrübt. Die Menge beträgt 2 ccm. Im Zentrifugat sind keine 
Tuberkelbazillen enthalten, wenig Leukozyten und Epithelzellen, viel Diplokokken 
und lange dicke Streptokokken. Die Hesse platten bleiben steril. Mee 24, Ge¬ 
wicht 175 g, wird am 30. 6. subkutan infiziert. Die Tötung erfolgt am 30. 7. 
Gewicht 200 g. Sektionsbefund: negativ. 

Np. 36. Kuh Dose, 7 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende 
Atmungsgeräusche beiderseits. 

Die Konsistenz des Sputums ist zähflüssig. In einigen Schleimdrüsen sind 
kleine graue Epithelfetzen eingebettet. Die Farbe ist ein gelbliches Grau, das im 
Licht leicht opalisiert. Im Ausstrich aus dem Zentrifugat, das nach 24stündiger 
Autodigestion erhalten wird, sind tinktoriell keine Tuberkelbazillen nachzuweisen. 
Der Leukozytengehalt ist ziemlich stark, Plattenepithelien sind in großer Anzahl 
vorhanden. Die Heydennährstoffplattcn bleiben steril. Mee 23, Gewicht 175 g. 
wird am 30. 6. subkutan geimpft. Nach 15 Tagen sind die Achseldrüsen als 
erbsengroße harte Knötchen zu fühlen. Tötung des Tieres am 30. 7. Gewicht 
205 g. Sektionsbefund: Schwellung und Verkäsung der Achsel- und Kniefalten- 
lymphdrüsen, Tuberkulose der Milz. In Ausstrichpräparaten zahlreiche Tubcrkel- 
bazillen. 

Np. 37. Kuh Nr. 11, 9 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. 

Das Sputum ist ziemlich dünnflüssig. Durch Grünfutterbeimengungen hat 
die Flüssigkeit eine grasgrüne Färbung angenommen. Es besteht eii* geringer 
Bodensatz von Futterbestandteilen, die überstehende Flüssigkeit ist trübe. Die 
Menge beträgt etwa 3 ccm. Der Geruch ist süßlich fade. Im Zentrifugat können 
Tubcrkelbazillen nicht nachgewiesen werden. Der Ucberblick über die Ausstrich¬ 
präparate ist durch die Verunreinigungen mit Pflanzenzellen, die ira Bilde domi¬ 
nieren, stark gestört. Plattenzellen sind nur spärlich vorhanden. Eine Aussaat 
auf Hesseplatten unterbleibt. Mee 50, Gewicht 215 g wird am 30. 3. subkutan 
geimpft. An der Impfstelle entsteht auf dem indurierten Gewebe ein Geschwür, 
das keine Heiltendenz zeigt. Nach 10 Tagen sind die Achsel- und Kniefaltcndriiscn 
als harte geschwollene Knötchen fühlbar. Die Tötung erfolgt am 30. 7. Gewicht 

220 g. 

Sektionsbefund: Geschwür an der Impfstelle, Induration des Unterhaut¬ 
gewebes mit eingestreuten käsigen Herden. Verkäsung der Achsellymphdrüsen und 
Knicfaltenlymphdrüsen. Tuberkulose der Milz. Tuberkulose der Leber. Im Aus¬ 
strich Tuberkelbazillen. 

Nr. 38. Kuh Nr. 28, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Außer Husten 
kein Symptom der Lungentuberkulose. 

Das Sputum stellt eine zähe, lädenziehende Masse dar. Die Farbe ist 
graugrün, getrübt durch Spuren von Futterresten, die einen geringen Bodensatz 
bilden. Die Menge beträgt etwa 2 ccm. Im Zentrifugat, das nach 24 stündiger 
Autodigestion erhalten wird, lassen sich nach CzapLewski Tuberkelbazillen nach- 



Bakteriologische Sputumuntersuohung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 145 

weisen. Chlorophyllhaltige Pflanzenzellen sind in größeren Mengen vorhanden. 
Hesseplatten werden nicht angelegt. Mee 51, Gewicht 180 g wird mit der Probe 
intramuskulär am 2. 7. infiziert. Nach 12 Tagen ist eine erbsengroße Schwellung 
der Kniefaltendrüsen zu fühlen. Tötung des Tieres am 8. 8. Gewicht 230 g. 
Sektionsbefund: Verkäste Herde in den Kniefaltendrüsen. Tuberkulose der 
Milz. In Ausstrichpräparaten spärliche Tuberkelbazillen. 

Np. 39. Kuh 990, 6 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. Im Vor¬ 
jahre und vor zwei Jahren war das Tier schon als der Lungentuberkulose ver¬ 
dächtig erklärt worden. 

Das Sputum ist dünnflüssig. Die Farbe ist hellgelb, die Flüssigkeit fast 
klar. Die Menge beträgt etwa 3 ccm. Im Zentrifugat können durch die mikro¬ 
skopische Untersuchung keine Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Im übrigen 
findet sich viel zelliges Material, Leukozyten und Plattenzellen. Auf Hesseplatten 
erfolgt kein Wachstum von Tuberkelbazillen. Mee 46 wird am 11. 7. subkutan 
geimpft. Gewicht 200 g. Nach 9 Tagen ist eine deutliche Vergrößerung der 
Achscldrüsen zu palpieren. Tötung des Tieres am 12. 8. Gewicht 230 g. Sektions¬ 
befund: Schwellung und Verkäsung der Achsellymphdrüsen. Tuberkulose der 
Milz. Im Ausstrich spärliche Tuberkelbazillen. 

Np. 40. Kuh Nr. 934, 10 Jahre alt Klinischer Befund: Husten. 

Das Sputum stellt eine leicht bewegliche Flüssigkeit dar. Es besitzt eine 
braunschwarze Farbe und ist vollkommen undurchsichtig. Die Menge beträgt ca. 
2 ccm. Der Geruch ist süßlich. Im Zentrifugat lassen sich keine Tuberkelbazillen 
darstellen. Durch strukturlose braune Partikelchen wird die Durchmusterung der 
Präparate erheblich gestört. Hesseplatten werden nicht geimpft. Mee 47, Gewicht 
180 g wird am 11. 3. subkutan geimpft. Tötung des Tieres am 9. S. Gewicht 
247 g. Sektionsergebnis negativ. 

Np. 41. Kuh Nr. 79, 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. 

Die Sputumkonsistenz ist flüssig. Die Farbe ist braungelb. Durch zahl¬ 
reiche kleine körnige Partikel, die in der Flüssigkeit suspendiert sind, wird eine 
Trübung des Sputums bedingt und ein geringgradiger Bodensatz hervorgerufen. 
Die Menge des Sputums beträgt etwa 2 ccm. In den Ausstrichpräparaten, die un¬ 
übersichtlich sind, befinden sich nur wenig zellige Bestandteile. Hesseplatten 
nicht angelegt. Mee 48, Gewicht 190 g, wird am 11.7. subkutan infiziert. Am 
9. 8. wird es getötet. Gewicht 205 g. Sektionsbefund negativ. 

Np. 42. Kuh Nr. 1689, 9 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende 
Atmungsgeräusche auf beiden Lungenseiten, ebenso im Kehlkopf. 

Das Sputum ist schleimig und fadenziehend, im ganzen trübe. Die Farbe 
ist leicht gelblich. Auf dem Grunde des Glases befindet sich ein feiner Bodensatz. 
Die Menge beträgt etwa 2 ccm. Das Sputum wird zentrifugiert, nachdem es 
24 Stunden im Brutschrank gestanden hat. Im Ausstrich sind keine Tuberkel¬ 
bazillen vorhanden. Auch in diesen Präparaten machen amorphe dunkle Bei¬ 
mengungen das Präparat undurchsichtig. Hesseplatten werden nicht mit diesem 
Sputum beschickt. Mee 49, Gewicht 220 g wird am 11. 7. intramuskulär geimpft. 
Am 9.7. wird das Tier getötet. Gewicht 230 g. Sektionsbefund negativ. 

Np. 43. Kuh Wonne, 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten und 
glanzloses struppiges Haarkleid. 

Die Sputumkonsistenz ist zähschleimig. Die Farbe ist graugelb. Die 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 10 



146 


HIERONYMI, 


Menge beträgt ungefähr 3 ccm. Nach 24 ständiger Autodigestion wird die Probe 
zentrifugiert. In Ausstrichpräparaten aus dem Zentrifugal sieht man Tuberkel¬ 
bazillen. gefärbt nach Ziehl und Czaplewski. An anderen Zellbestandteilen 
des Sputums sind wenig Leukozyten, einige Lymphozyten und rote Blutkörperchen, 
Kokken und Stäbchen zu erkennen. Auf Hesseplatten kann keine Vermehrung 
von Tuberkelbazillen konstatiert werden. Mee 2, Gewicht 220 g, wird am 2. 8. 
subkutan geimpft. Nach 10 Tagen kann eine deutliche Vergrößerung der Achsel¬ 
drüsen palpiert werden. Am 3. 9. wird das Tier getötet. Gewicht 280 g. Sektions¬ 
befund: Trockene käsige Herde im Zentrum der bohnengroßen Achsellymphknoten. 
Tuberkulose der Milz. In Ausstrichpräparaten zahlreiche Tuberkelbazillen. 

Xr. 44. Kuh Nr. 172, 6 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten, giemende 
Atmungsgeräusche auf beiden Lungenseiten, ebenso im Kehlkopf. 

Die Sputumkonsistenz ist schleimig, die Gesamtmasse ist trübe, graugelb 
gefärbt. Die Menge beträgt 3 ccm. Der Geruch ist fade. Die Probe bleibt 
24 Stunden bei 37° der Autodigestion überlassen und wird dann zentrifugiert. Im 
Ausstrich lassen sich link torieil keine Tuberkelbazillen nach weisen. Außer Platten- 
epithelien sind andere morphotisehe Elemente, auch Bakterien, nur äußerst spär¬ 
lich vertreten. Die Aussaat auf Heydennährstoffagar bleibt ergebnislos. 73, Ge¬ 
wicht 230 g wird am 2. 8. mit der Probe subkutan infiziert. Am 3. 9. wird das 
Tier getötet. Gewicht 230 g. Sektionsbefund negativ. 

Xr. 45. Kuh Karoline. 5 Jahre alt. Klinischer Befund: Giemende 
Atmungsgeräusche auf beiden Lungen. 

Das Sputum ist ziemlich dünnflüssig und enthält einige gröbere Futterbei¬ 
mengungen. Die Farbe ist grau, das Ganze trübe, von einzelnen Schleimfäden 
durchzogen. Die Menge beträgt 3 ccm. Im Zentrifugat können keine Tuberkel- 
bazillcn gefunden werden. Im Gesichtsfeld herrschen polynukleäre Leukozyten vor, 
daneben finden sich Pflanzenzellen, Plattenzellen, Kokken. Eine Aussaat auf 
Hesseplatten unterbleibt. Mee 00, Gewicht 240 g wird am 3. 8. intramuskulär ge¬ 
impft. Am 2. 10. wird es getötet. Gewicht 280 g. Sektionsbefund negativ. 

Xr. 46. Kuh Kupfermaul, 8 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. 

Das Sputum ist fadenziehend und schleimig. Einzelne Schleimzüge sind 
von grauen Epithelfetzen durchsetzt, sonst fehlen morphotisehe Elemente. Die 
Farbe ist ein trübes Grau. Die Menge beträgt etwa 4 ccm. Die Probe wird nach 
24 ständiger Autodigestion zentrifugiert. Im Zentrifugat befinden sich bakterio- 
skopisch keine Tuberkelbazillen. Lymphozyten sind zahlreicher als Leukozyten 
vorhanden. Die polygonalen Plattenzellen sind dicht mit Kokken besät. Die 
Hesseplatten bleiben steril. Mee 05 wird am 2. 8. mit dem Best der Probe sub¬ 
kutan geimpft. Gewicht 240 g. Am 3. 9. würd das Tier getötet. Gewicht 280 g. 
S e k t i o n s b e f u n d negativ. 

Xr. 47. Kuh Nr. 300. 10 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. Die 
Kuh war schon bei der vorjährigen klinischen l'ntersuchung der Lungentuberkulose 
verdächtig. 

Das Sputum ist flüssig. Auf dem Boden der Flüssigkeit haben sich kleinste 
Futterpartikel gesenkt. Die Farbe ist ein trübes Graugelb, die Menge beträgt 
2 ccm. Im Zentrifugat können mikroskopisch keine Tuberkelbazillen gefunden 
werden. Der Leukozytengehalt ist spärlich. Plattenzellen, Kokken und Tetra¬ 
kokken sind reichlich vorhanden. Auf Hesseplatten findet kein Wachstum statt. 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 147 


Mee 69, Gewicht 230 g wird am 3. 8. subkutan geimpft. Tötung des Tieres am 

2. 9. Gewicht 280 g. Sektionsbefund negativ. 

Nr. 48. Kuh Nr. 26, 3 Jahre alt. Klinischer Befund: Außer Husten 
kein Symptom der Lungentuberkulose. 

Das Sputum ist zähschleimig. In den schleimigen, trüben Sputumballen 
sind kleine gelbgraue Eiterflöckchen eingesprengt, die ungefähr pfefferkorngroß sind. 
Die Menge des Sputums beträgt etwa 5 ccm. Das Sputum bleibt 24 Stunden im 
Brutschrank und ist dann leicht zu zentrifugieren. Im Zentrifugat können mikro¬ 
skopisch keine Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Leukozyten finden sich 
reichlich, Lymphozyten spärlich. Auf Heydennährstoffplatten wachsen keine 
Tuberkelbazillen. Mee 58, Gewicht 180 g wird am 2. 8. subkutan geimpft. Am 

3. 9. wird das Tier getötet. Gewicht 210 g. Sektionsbefund negativ. 

Np. 49. Kuh Nr. 46, 9 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. 

Das Sputum ist dünnflüssig und besitzt einen kopiösen grauen Bodensatz. 
Beim Schütteln erweist er sich als aus pfefferkorngroßen Eiterflöckchen bestehend, 
die mit grauen Epithelfetzen untermischt sind. Dio Menge des Sputums beträgt 
etwa 3 ccm. Im Zentrifugat sind bakterioskopisch keine Tuberkelbazillen nachzu¬ 
weisen, Lymphozyten sind reichlich vorhanden; ebenso bleiben die Hesseplatten 
steril. Mee 59, Gewicht 190 g wird am 7. 8. subkutan geimpft. Tötung des Tieres 
am 3. 9. Gewicht 230 g. Sektionsbefund negativ. 

Nr. 50. Kuh Nr. 32, 11 Jahre alt. Klinischer Befund: Husten. Die 
Kuh wurde schon bei der letzten Untersuchung als der Lungentuberkulose ver¬ 
dächtig erklärt. 

Die Sputumkonsistenz ist flüssig. Die Farbe ist hellgelb; im Licht ist ein 
leichtes Opalisieren bemerkbar. Korpuskuläre Elemente sind nicht vorhanden. Die 
Menge beträgt etwa 3 ccm. Im Zentrifugat sind mikroskopisch keine Tuberkel¬ 
bazillen nachweisbar. Zellige Elemente sind spärlich. Die Hesseplatten bleiben 
steril. Mee 37, Gewicht 190 g wird am 5. 8. subkutan geimpft, am 5. 9. erfolgt 
die Tötung des Tieres. Gewicht 230 g. Sektionsbefund negativ. 


Literatm*. 

1) Alb recht, Entstehung der Lungentuberkulose. Frankf. Zeitschr. f. Path. 
1907. Bd. I. S. 214. 

2) Alvarez et Tavel, Recherches sur le bac. de Lustgarten. Arch. de phys. 
Bd. 17. Zit. nach Heim und Schmorl. 

3) Aman, Nachweis der Tuberkelbazillen im Sputum. Zentralbl. f. Bakt. etc. 
Abt. I. Bd. 17. S. 513. 

4) Andrejew. Rasche Färbung von tuberkulösen Sputis. Ebendas. Bd. 22. 
1897. S. 515. 

5) Bang, Referat zur Bekämpfung der Tuberkulose unter den Haustieren. Ber. 
über den VII. internat. tierärztl. Kongreß. Baden-Baden 1899. 

6; Bartel, Die Infektionswege der Tuberkulose. Internat. Tuberkulosekonferenz 
1907. Wien. In Zentralbl. f. Bakt. etc. Bd. 41. Referate Nr. 13. S. 9 
7) Basset, A propos de la pathogenie de l’anthracose pulrnonaire par inhalation. 
Compt. rend. hebd. de la soc. biol. T. 61. 1906. Nr. 34. 


10 



148 


HIERONYMl, 


8) H. Beitzke, Neuere Arbeiten über die Infektionswege der Tuberkulose. Berl. 
klin. Wochenschr. 1908. Nr. 26. S. 1233. 

9) Derselbe, Die Anreicherungsverfahren zum Nachweis der Tuberkelbazillen 
im Sputum. Hygien. Rundschau. 1902. Bd. 12. • No. 1. S. 1—12. 

10) L. v. Betegh, Neue differentialdiagnostische Färbemethode für Tuberkel-, 
Perlsucht- und andere säurefeste Bazillen. Zentralbl. f. Bakt. etc. 1908. 
Abt. I. Bd. 57. H. 5. S. 654. 

11) Biedert, Ueber ein Verfahren, den Nachweis vereinzelter Tuberkelbazillen zu 
sichern. Deutsche med. Ztg. 1891, auch Deutsche med. Wochenschr. 1886. 
Zit. nach Pertik. 

12) A. Bloch, Zit. nach Fligg. Berl. klin. Wochenschr. 1907. Nr. 17. 

13) C. A. Blume, Zit. nach Jamin, Fortschritte in der Diagnose der Lungen¬ 
krankheiten. Deutsche med. Wochenschr. 1908. Nr. 27. 

14) Bongert, Bakteriologische Diagnostik der Tierseuchen. II. Aufl. 1909. 

15) Bronstein, Neuer Nährboden für Tuberkelbazillen. Medizinskoje Obosrenie 
1899. Bd. 2. S. 893. Zit. nach Pertik. 

16) Calmette et Guerin, Origine intestinale de la tuberculose pulraonaire et 
mecanisme de l’infcction. Annal. de Tinstitut Pasteur. 1906. T. 25. p. 353. 

17) Calmette, Vansteenberghe et Grysez, Sur Tanthracose pulmonaire d'origine 

intestinale. Compt. rend. hebd. de la soc. biol. 61. 1906. No. 34. 

18) Clairmont-Wiep, Ueber das Verhalten des Speichels gegenüber Bakterien. 
Wiener klin. Wochenschr. 1906. Nr. 47. Ref. in Jahresber. über die Ergehn, 
d. Immunitätsforsch. 1906. Bd. 2. S. 119. 

19) Cornet und Meyer, Tuberkulose. Kolle-Wassermann, Handb. d. pathol. 
Mikroorganismen. 1903. Bd. 2. 

20) Cowie, The Sudan III stain for the tubercle bacillus. New York med. journ. 
1899. No. 1. p. 16. Zitiert nach Pertik. 

21) Czaplewski, Die bakteriologische Untersuchung des Sputums. Lehrb. der 
klin. Untersuchungsmeth. etc. von Eulenburg, Rolle und Weintraud. 1906. 

22) Derselbe, Zum Nachweis der Tuberkelbazillen im Sputum. Zeitschr. f. 
Tuberk. 1900. Bd. I. H. 5. S. 387. 

23) Dahmen, Neues Verfahren zur Auffindung der Tuberkelbazillen im Sputum. 
Münch, med. Wochenschr. 1891. S. 667. 

24) Dorset, A new stain for tubercle bacill. Reports and papers of the amer. 
publ. healthy assoc. Vol. XXIV. 1898. p. 157. Ref. in Lubarsch-Ostertag. 
Ergehn. Bd. 6. S. 290. 

25) Ellermann u. Erlandsen, Nachweis von Tuberkelbazillen im Expektorat. 
Hospitalstid. 1908. Nr. 17 und 18: Ref. Deutsche med. Wochenschr. 1908. 
Nr. 24. 

26) Emeljanow, Zur Frage über die Diagnostik der Tuberkulose des Rindes. 
Magister-Diss. Jurjew. (Russisch.) Ref. in Ellenberger-Schütz, Jahresberichte 
1903. S. 52. 

27) Feruccio, Tubcrkulosckulturen. Reform, med. 1908. No. 30. Ref. Deutsche 
med. Wochenschr. 1908. Nr. 33. 

28) Ficker, Wachstum der Tuberkelbazillen auf sauren Gehirnnährböden. Zen¬ 
tralbl. f. Bakt. etc. 1900. Bd. 27. Nr. 14—17. S. 504—591. 

29) Derselbe, Zit. nach Beitzke. Berl. klin. Wochenschr. 1908. Nr. 26. S. 1235. 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 149 


30) Findel, Vergleichende Untersuchungen über Inhalations- und Fütterungs¬ 
tuberkulose. Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh. 1907. Bd. 57. H. 1. 
S. 104. 

31) Fligg, Ueber den Wert der Lymphdrüsenquetschung nach Bloch. Zeitschr. 
f. Fleisch- u. Milchhygiene. 1908. H. 11. S. 843. 

32) Flügge, Aetiologie der Tuberkulose. Internationale Tuberkulosekonferenz 
Wien 1907. Ref. v. Rabinowitsch. 

33) B. Fraenkel, Zit. nach Cornet (1. c.). Berl. klin. Wochenschr. 1887. S. 757. 

34) C. Fraenkel, Beiträge zur Frage der Züchtung der Tuberkelbazillen. Hyg. 
Rundschau. 1900. Nr. 13. S. 617. 

35) Friedberger-Fröhner, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie 
für Tierärzte. 1908. 6. Aufl. 

36) Gabbet, Lancet. 1887. p. 757. Zit. n. Cornet in Kolle-Wassermann (1. c.) 

37) Gaethgens, Ueber die Vermehrungsfähigkeit der Tuberkelbazillen im ent¬ 
leerten Sputum nebst Bemerkungen über das Hessesche Züchtungsverfahren. 
Zeitschr. f. Tuberkulose. 1900. Bd. I. H. 5. S. 409. 

38) Gasis, Demetrius, Ueber eine neue Reaktion der Tuberkelbazillen und eine 
darauf begründete differentialdiagnostische Färbungsmethode derselben. Zen- 
tralbl. f. Bakt. etc. Abt. I. Bd. 50. H. 1. S. 111. 

39) Givelli, Zit. nach Pertik (1. c.). 

40) Greffier, Du diagnostic de la tuberculose bovine par Tinoculation du mucus 
pharyngien. Rec. bullet. 1890. p. 445. 

41) Grethe, Smegma und Tuberkelbazillen. Fortschritte d. Medizin. Bd. XIV. 
Zit. nach Schmorl. 

42) Gurewitsch und E. Franzmann, Ueber Tuberkelbazillenkulturen nach der 
Methode Hesse. Medizinskoje Obosrenje. 1900. No. 9. (Russ.). Zit. nach 
Pertik. 

43) Hart, Zur Frage der Genese der tuberkulösen Lungenphthise. Deutsche med. 
Wochenschr. 1907. S. 1774. 

44) Hauser, Sur la coloration du bacille de la tuberculose. Compt. rend. de la 
soc. biol. 1898. p. 1003. 

45) Heim, Lehrbuch d. Bakteriologie. HI. Aufl. 1906. 

46) Hempel, Untersuchungen über den Nachweis von Tuberkelbazillen und ihre 
Zählung im Sputum. Inaug.-Dissert. Leipzig 1902. Zit. nach Pertik. 

47) Hess, Die Symptomatologie der Tuberkulose des Rindes. Schweiz. Arch. f. 
Tierheilk. 1889. Bd. 31. H. 4 u. 5. S. 153. 

48) Hesse, Ein neuer Nährboden zur Züchtung des Tuberkelbazillus. Zeitschr. f. 
Hygiene u. Infektionskrankh. 1899. Bd. 21. H. 3. 

49) Derselbe, Ein neues Verfahren zur Züchtung des Tuberkelbazillus im mensch¬ 
lichen Luftröhrenschleim. Münch, med. Wochenschr. 1902. S. 2100. 

50) Hoche et Funck, Des premiers stades de Tanthracose pulmonaire par inha- 

lation. Compt. rend. hebd. de la soc. de biol. T. 61. 1906. Nr. 38. 

51) v. Huellen, Ein Beitrag zur Biologie des Tuberkelbazillus mit besonderer Be¬ 
rücksichtigung der Hesseschen Angaben. Inaug.-Dissert. Königsberg 1901. 

52) Hutyra u. Marek, Spezielle Pathologie und Therapie der Haustiere. II. Aufl. 
Jena 1901. Bd. I. 



150 


HIERONYMI, 


53) Ilkewitsch, Eine neue Methode zur Entdeckung von Tubcrkelbazillen im 

Sputum Schwindsüchtiger. Baumgartens Jahresberichte. Bd. 8 und Zentralbl. 
f. Bakt. etc. Bd. 15. 1894. S. 1G2. 

54) Joannovisc und Kapsammer, Diagnose der Tuberkulose im Tierversuch. 
Münch, med. Wochenscbr. 1907. S. 2347. 

55) Jochmann, Das biologische Anreicherungs verfahren bei der Untersuchung auf 
Tuberkelbazillen. Hygienische Rundschau. 1902. Nr. 11. S. 524—27. 

56) Derselbe, Ueber ein neues Anreicherungsverfahren bei der Untersuchung auf 
Tuberkelbazillen. Münch, med. Wochenschr. 1900. Nr. 22. 

57) Derselbe, Ueber neuere Nährböden zur Züchtung des Tuberkuloseerregers. 
sowie über ein neues Anreicherungsverfahren bei der Untersuchung auf Tuberkel¬ 
bazillen. Hygien. Rundschau. 1900. Nr. 20. S. 969 und 1901. Nr. 1. 

58) Kamen, Thor Stenbecks Centrifuge. Zentralbl. f. Bakt. etc. Referate. Bd. 73. 
S. 733. 

59) Kasselmann, Ueber die Bedeutung der Luftinfektion bei den wichtigsten 
Tierseuchen und über Maßregeln gegen die Gefahr dieser Infektion. Zeitschr. 
f. Tiermedizin. 1900. Bd. 3. H. 2—5. 

60) van Ketel, Zit. nach Pertik. Arch. f. Hyg. 1892. Bd. 15. 

61) R. Koch, Aetiologie der Tuberkulose. Mitteii. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt. 
1884. Bd. 2. S. 32. 

62) Königstein, Ueber Anreicherung der Tuberkelbazillen im Sputum. Wiener 
klin. Wochenschr. 1902. Nr. 43. S. 839. 

63) Lange und Nits che, Eine neue Methode des Tuberkelbazillennachweises. 
Deutsche med. Wochenschr. 1909. S. 435. Nr. 10. 

64) De Lannoise et Girard, Nouvelle methode pour la recherche du bacille de 
Koch dans crachats et le pus des tuberculeux. La Presse med. Mai 1900. 

65) M’Fadyean, Ref. von Petri. Royal coramission on tuberculosis. Part IJI. 
Append. Spec. Inquiries. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1897. Nr. 35. 

66) Matterstock, Zit. nach L. Heim. Mitteil. a. d. med. Klinik. Würzburg 1885. 
Bd. 6. 

67) Menzi, Beitrag zur Züchtung und zur Biologie des Tuberkelbazillus. Zeitschr. 
f. Hygiene u- Infektionskrankh. 1902. Bd. 9. H. 3. S. 407. 

68) Most, Die Topographie der für die Infektionswege der Lungentuberkulose ma߬ 
gebenden Lymphbahnen. Internat. Tuberkulosekonferenz. 1907 und Habilita¬ 
tionsschrift. 1909. Breslau. 

69) Much, Ueber die granuläre, nach Ziel nicht färbbare Form des Tuberkulose¬ 
virus. Beiträge z. Klinik d. Tuberk. 1907. Bd. 8. S. 85. 

70) Mühlhauser, Zit. nach Pertik. Deutsche med. Wochenschr. 1891. Nr. 30. 

71) Müller, A., Ueber Tuberkelbazillen- und Sporenfärbung unter Anwendung 
von Kaliumperkarbonat und Wasserstoffsuperoxyd. Zentralbl. f. Bakter. etc* 
1901. Nr. 20. S. 791. 

72) Müller, Lindenau und Lange, Bericht über die Maßnahmen d. Ostpr. Holl. 
Herdbuchges. zur Bekämpfung der Rindertuberkulose vom 22. Mai 1900 bis 
30. September 1902. Monographie. 

73) Neelsen, Zit. nach Schmort. Fortsehr. d. Medizin. 1885. 

74) v. Ni essen, Zit. nach Heim. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 540. 



Bakteriologische Sputumuntersuchung bei d. Lungentuberkulose d. Rindes. 151 

75) Nocard, Zit. nach Ostertag. Arch. veter. 1884. p. 441. 

76) Nocard et Leclainche, Les maladies microbiennes des animaux domestiques. 
III. Mit Paris 1903. 

77) Ostertag, Brädert, Kaestner und Krautstrunk, Untersuchungen über 
die klinische und bakteriologische Feststellung der Tuberkulose des Rindes. 
Berlin 1905. 

78) Ostertag, Ein Versuch zur Bekämpfung der Eutertuberkulose und der übrigen 
Formen der klinischen Tuberkulose des Rindes. Zcitschr. f. Fleisch- u. Milch¬ 
hygiene. 1900. S. 121. 

79) Orth, Zit nach Beitzke (1. c.). 

80) Derselbe, Zur Frage der Infektionswege der Tuberkulose. Intern. Tuber¬ 
kulosekonferenz. Wien 1907. 

81) Pane, Un metodo semplice per la dimonstratione de bazillo di Koch nei pro- 
dotti tubercolari in putrefazione. Riform med. 1900. Nr. 230. p. 56. 

82) Pertik, Pathologie der Tuberkulose. Ergebnisse d. allgem. Pathol. u. pathol. 
Anatomie d. Menschen u. Tiere. Jahrg. 8. II. Abt. 1902. Wiesbaden 1904. 

83) Petersson, Ueber die Ansteckungsgefahr bei Lungentuberkulose. III. Nord. 
Kongr. d. inn. Med. Nord. med. Ark. 1901. Abt. II. Anhang, p. 163—173. 

84) Petri und Rabinowitsch, Zit. nach Heim. 

85) Philipp, Zit. nach Pertik, Pathologie der Tuberkulose. 

86) Poels, Beitrag zur Diagnose der Tuberkulose des Rindes. Deutsche Zcitschr. 
f. Tiermedizin. 1886. Bd. 12. S. 70. 

87) Quensel, Ein neues Sediraentierungsverfahren zur Untersuchung von Sputum. 
Nord. med. Ark. 1901. Abt. II. H. 4. Nr. 22. Zit. nach Pertik. 

88) Ravenei, The dissemination of tubercle bacilli by cows in couhing a possible 
source of contagion. Journ. of comp. med. and veterin. arch. 1901. Nr. I. 
p. 15. Zit. nach Ostertag. 

89) Ravenna, Sulla genesi dell'antracosi polmonare. Gazz. ospit. 1907. Nr. 18. 

90) Remlinger, L'anthracose pulmonaire n'est pas d'origine intestinale. Compt. 

rend. hebd. de la soc. de biol. T. 61. 1906. Nr. 38. 

91) Roeckl, Bericht über die Verbreitung der Tuberculose unter dem Rindvieh 
im Deutschen Reich vom 1. Oktober 1888 bis 30. September 1889. Berlin* 

92) Ribbert, Allgem. Pathologie und pathol. Anatomie. Leipzig 1908. 3. Aufl. 

93) Riddoch, Mikroskopischer Nachweis der Lungentuberkulose. The journ. of 
comp. path. and therap. Vol. XXVI. p. 357. Nach Oster tag. 

94) Römer, Ein Beitrag zur Frage der Wachstumsgeschwindigkeit des Tuberkel¬ 
bazillus. Zentralbl. f. Bakt. etc. 1900. Bd. 27. Nr. 20/21. S. 705. 

95) Sachs-Müke, Ein Sedimentierungsverfahren des Auswmrfs mit Wasserstoff¬ 
superoxyd. Münch, med. Wochenschr. 1906. Nr, 34. S. 1000. 

96) Schmaus, Grundriß der pathologischen Anatomie. 3. Aufl. 1907. 

97) Schmorl, Die pathologisch-histologischen Untersuchungsmethoden. Leipzig 
1897. 

98) Sterling, Ein Beitrag zum Nachweis der Tuberkelbazillen im Sputum. Zen- 
tralbl. f. Bakt. etc. Bd. 17. S. 874. 

99) Spengler, Eine differentialdiagnostische Färbungsmethode der Perlsucht¬ 
bazillen. Deutsche med. Wochenschr. 1905. S. 1228. 



152 


H1ER0NYMI, Bakteriologische Sputunmntersuchung usw. 


100) Derselbe, Neue Färbemethoden für Perlsucht- und Tuberkelbazilien und 
deren Differentialdiagnose. Ebendas. 1907. Nr. 9. S. 337. 

101) Derselbe, Pankreatinverdauung des Sputums zum Sedimentieren der Tubcrkel- 
bazillen. Ebendas. 1895. No. 15. 

102) Siedamgrotzky, Referat zur Bekämpfung der Tuberkulose unter den Haus¬ 
tieren. Bericht über den VIII. intemat. tierärztl. Kongreß Baden-Baden 1899. 

103) Smith, A comparative study of bovin tubercle bacilU and of human baeilli 
from sputum. The journ. of exp. med. Vol. III. 1898. Zit. nach Ostertag. 

104) Strasburger, Ein verändertes Sedimentierungsverfahren zum mikroskopischen 
Nachweis von Bakterien. Münch, med. Wochenschr. 1900. Nr. 16. S. 533. 

105) Stroschein, Zur Untersuchung des tuberkulösen Sputums. Mitt. aus Dr. 
Brehmers Heilanstalt. 1898. S. 285. Bergmann, Wiesbaden. Zit. nach 
Pertik. 

106) v. Strümpell, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie der inneren 
Krankheiten. 15. Aufl. Leipzig 1904. 

107) Thilenius, lieber den Nachweis von Mikroparasiten in Sekreten undExkreten 
mittels der Antiforminmethode. Berliner klin. Wochenschr. 1909. Nr. 25. 
S. 1169. 

108) Tsunoda, Zur Frage der intestinalen Lungenanthrakose. Deutsche med. 
Wochenschr. 1909. Nr. 26. S. 1131. 

109) Uhlenhuth u. Xylander, Antiformin, ein bakterienauf lösendes Desinfektions¬ 
mittel. Berl. klin. Wochenschr. 1908. Nr. 29. S. 1346 und Zentralbl. f. 
Bakt. etc. Abt. I. Bd. 52. Beiheft. 

110) A. Weber, Tuberkulose des Menschen und der Tiere. Kolle-Wassermann. 
Ergänzungsband. H. 1. 

111) Weber, Zur Frage der Infektionswege der Tuberkulose. Internat. Tuber- 
kulosekonf. Wien 1907. 

112) Weichselbaum, Nachweis der Tuberkelbazillen. Fortschr. der Med. 1898. 
Nr. 9. 

113) Derselbe, Die Infektionswege der Tuberkulose. Internat. Tuberkulosekonfer. 
Wien 1907. 

114) Weleminsky, Dasselbe. Ebendas. 

115) Wendriner, Zit. nach Pertik, Allg. med. Zentralzeitung. 1889. 

116) Wolff-Eisner, Frühdiagnose und Tuberkuloseimmunität. 2. Aufl. Würz¬ 
burg 1909. 

117) Ziehl, Bedeutung der Tuberkelbazillen. Deutsche med. Wochenschr. 1883. 



VIII. 


Aus dem pathologisch-anatomischen Institute der Tierärztlichen Hochschule 
zu Berlin. Leiter: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Schütz. 

Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillen¬ 
extraktes. 

Von 

Dr. Hobstetter, Oberveterinär und Assistent am Institute. 


Nachdem Angeloff (1) im pathologischen Institute der tierärzt¬ 
lichen Hochschule zu Berlin sich die Beantwortung der Frage hatte 
angelegen sein lassen: „Was für Knötchen kommen in den Pferde¬ 
lungen vor?“, und gefunden hatte, daß die grauen durchscheinenden 
Knötchen sich im Gegensätze zu den Rotzknoten dadurch auszeichnen, 
daß sich vom entzündlichen Knötchenanteil die Emigration fast aus¬ 
schließlich auf die eosinophilen weißen Blutkörperchen beschränkt, 
einen Befund, den Hummel (2) in der tierhygienischen Abteilung des 
Kaiser Wilhelms-Institutes zu Bromberg auch für die meisten der im 
Darme der Pferde vorkommenden Knoten erhob, suchte Geheimrat 
Schütz die von beiden ermittelten Tatsachen noch dadurch zu stützen, 
daß er untersuchen ließ, welcher Art die chemotaktische 
Wirkung der Toxine 1. des Sclerostomum bidentatum und 
2. der Rotzbazillen im Tierversuche ist. 

Nach der einen Seite bewies nun Vallillo (3), daß „das Toxin 
des Sclerostomum bidentatum und seiner Larven einen positiven 
Chemotropismus hauptsächlich auf die polynukleären eosinophilen 
Leukozyten besitzt“. Mit der Untersuchung, wie es in dieser Hinsicht 
mit dem Rotzbazillenextrakte steht, wurde ich beauftragt. 

Die Veranlassung, nach genaueren Unterscheidungsmerkmalen für 
die einzelnen in den Lungen der Pferde vorkommenden Knötchen zu 
suchen, war die Opposition, die Schütz mit seiner Lehre fand, daß 
die grauen durchscheinenden Knötchen in den Pferdelungen parasi- 



154 


HOBSTETTER, 


tären Ursprungs wären und mit der Rotzkrankheit nicht das geringste 
zu tun hätten. Die hauptsächlichsten dieser Opponenten waren 
Nocard, Wladimiroff, Coreman, Preisz, Hutyra, Johne T 
Schlegel, während Schütz durch Olt, Lüpke, Sticker, Willach, 
Casper, Künneraann Unterstützung fand. Die diesbezügliche 
Literatur ist ausführlich zusammengestellt bei Angeloff (1), auf den 
ich verweise. 

Angeloff fand bei seinen Untersuchungen, daß in den Pferdelungen graue 
durchscheinende, fibröse, kalkige und rotzige Knötchen Vorkommen. Die grauen 
durchscheinenden waren meist parasitäre Knötchen, seltener Lymph¬ 
knötchen. Den von Angeloff angegebenen Knötchen ließen sich noch anreihen: 
Tuberkel, mykotische Knötchen und Blastommetastasen, ferner bronchiektatische und 
peribronchitische Knoten. Betreffs der von ihm beschriebenen Gruppen gelangt 
Angeloff unter anderen zu folgenden Schlußfolgerungen: 

*3. Die Knötchen, die lebende oder abgestorbene und degenerierte Parasiten 
enthalten, sind durch die Anwesenheit von eosinophilen Leukozyten ausgezeichnet. 
Hierdurch sind sie mit Leichtigkeit von anderen Knötchen, hauptsächlich von 
Rotzknötchen zu unterscheiden, in denen keine eosinophilen Zellen nachzu¬ 
weisen sind. 

7. Die Rotzknötchen sind von den anderen in den Pferdelungen vor¬ 
kommenden Knötchen auch dadurch zu unterscheiden, daß sie keine eosinophilen 
Leukozyten aufweisen und nicht verkalken.“ 

Zweifelsohne übertreibt Angeloff etwas, wenn er von den Rotzknötchen 
behauptet, daß in ihnen keine eosinophilen Zellen Vorkommen; man findet auch in 
Rotzknoten, namentlich in Hautknoten, hin und wieder solche. Dieser Befund ist 
aber ein so seltener und die Zahl der eosinophilen Zellen eine so geringe, daß 
man sie füglich vernachlässigen kann. 

Hummel (2) stellt u. a. folgende Sätze auf: 

„1. Die im Darme der Pferde vorkommenden Knoten und geschwürsartigen 
Veränderungen sind in der Mehrzahl parasitärer Natur. 

2. Die durch Entozoen veranlaßten Veränderungen der Darmwand sind stets 
durch das Auftreten eosinophiler Zellen gekennzeichnet. 

3. Die auf andere Ursachen zurückzuführenden, ähnlichen Veränderungen des 
Darmes sind durch ihren makroskopischen und mikroskopischen Bau, insbesondere 
durch das Fehlen eosinophiler Zellen leicht kenntlich.“ 

Vallilo (3) kommt zu folgenden Resultaten: 

„1. Das Sclerostomum bidentatum Sticker und dessen Larven sondern ein 
Toxin ab. 

2. Dieses Toxin besitzt einen positiven Chemotropismus auf die polynukleären 
eosinophilen Leukozyten. 

3. Dasselbe hat keine chemische Beziehung zu dem Rotzbazillentoxin, weil 
letzteres die Chemotaxe hauptsächlich auf die neutrophilen Leukozyten ausübt. 

4. Die grauen durchscheinenden Knötchen in der Lunge des Pferdes sind 
keine Produkte der Rotzkrankbeit, sondern ausschließlich die eines parasitischen 
Toxins, des Toxins, geliefert vom Sclerostomum bidentatum.“ 



Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillenextraktes. 155 

Für meine Untersuchungen wählte ich als Versuchstiere Meer¬ 
schweinchen, teils weil diese Tierchen gegen das Rotzgift sehr 
empfindlich sind, teils auch, um nicht von Vallillos Versuchstieren 
abzugehen. Da die Auswanderung der Leukozyten einen Teil der 
Entzündung darstellt, diese aber nicht direkt durch die Hotzbazillen 
bedingt, sondern durch die von den Körpersäften aus den Rotzbazillen 
ausgelaugte toxisch wirkende Substanz, das Mallein, veranlaßt wird, 
schien es aus verschiedenen Gründen vorteilhafter zu sein, nicht mit 
Rotzbazillenkulturen zu arbeiten, sondern mit Extrakten von solchen, 
welche das entzündungserregende Toxin enthielten. So stellte ich mir 
zunächst nach den Angaben vou E. Pick ein 4tägiges Kochsalz¬ 
schüttelextrakt aus 36 ständigen Glyzerinagarkulturen sehr virulenter 
Rotzbazillen her, die zum Zwecke der Abtötung während zweier 
Stunden auf 60° C. erhitzt worden waren. 

Durch einstündiges Zentrifugieren und nachfolgendes vorsichtiges 
Abpipettieren wurde dann das Extrakt von den Bazillenresten getrennt, 

Dieses Extrakt reagiert neutral oder schwach alkalisch. Von 
einem Zusatz von Karbolsäure sah ich ab, weil ich die Erfahrung ge¬ 
macht zu haben glaube, daß der Unterschied in der Chemotaxe ver¬ 
schiedener Substanzen nicht zum geringsten in der Reaktion derselben 
begründet ist. Denn das genau in derselben Weise hergestellte Ex¬ 
trakt von Sclerostoraum bidentatum (auch das von Ascaris megalo- 
cephala) reagiert sauer und erzeugt Eosinophilie, während z. B. das 
Extrakt von Filaria papillosa genau wie das Rotzbazillenextrakt neutral 
bis schwach alkalisch reagiert und Neutrophilie erzeugt. 

Anstelle der Kochsalzlösung verwandte ich bei den ersten Ver¬ 
suchen noch zwei Extrakte, von denen das eine mit schwacher Gly¬ 
zerinlösung, das andere mit schwachem Alkohol hergcstellt war. Da 
ich jedoch keinen Unterschied in der Wirkung der verschiedenen Ex¬ 
trakte feststellen konnte, verwandte ich bei den beiden anderen Ver¬ 
suchsreihen nur das mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellte. 

Um über die normale Beschaffenheit der Bauchhöhlenflüssigkeit 
und über die Einrichtung der Haut und Unterhaut und der Lymph¬ 
knoten des Meerschweinchens unterrichtet zu sein, untersuchte ich die 
genannten Flüssigkeiten und Organe bei einer ganzen Reihe (etwa 20) 
solcher Tierchen, die zur Komplementgewinnung getötet worden 
waren. Dabei fand ich, daß in der Haut und Unterhaut, auch 
in den Lymphknoten eosinophile Leukozyten nur sehr spärlich Vor¬ 
kommen, daß dagegen in der Bauchhöhlenflüssigkeit an Zellen neben 



156 HOBSTETTER, 

Lymphozyten und Epithelien fast nur eosinophile Leukozyten Vor¬ 
kommen, zwar nie sehr viele, aber in einem Gesichtsfelde — Zeiß 
homog. Immers. 2,0 mm, Apart. 1,30; Kompens.-Okular 4 — doch 
bis zu 6 Stück. Mit diesem normalen Vorkommen der eosinophilen 
Zellen war demnach bei den Versuchen zu rechnen. 

Bei der ersten Versuchsreihe wurden je drei Meerschweinchen, 
also zusammen neun Tierchen, sowohl in die Bauchhöhle wie in die 
Unterhaut (in der Leistengegend) je 1,5 cm eines der drei Rotzbazillen¬ 
extrakte eingespritzt. In der zweiten und dritten Reihe wurden die¬ 
selben Mengen Extrakt in der gleichen Weise ein verleibt, aber nur 
Kochsalzlösungextrakt verwandt. 

In der ersten Reihe wurden die Tiere nach 1, 2 und 3 Tagen, 
in der zweiten nach 4, 5 und 6 Tagen, in der dritten nach 7, 14 
und 21 Tagen getötet. Störungen im Allgemeinbefinden habe ich bei 
keinem der Impftiere wahrgenommen. 

Von der Bauchhöhlenflüssigkeit eines jeden Tieres wurden Aus¬ 
striche gemacht, fixiert und gefärbt, (meist nach Assmann); aus der 
Haut und Unterhaut wurden in der Nähe der Einstichstelle kleine 
Stückchen herausgeschnitten, fixiert, gehärtet und in Paraffin einge¬ 
bettet. Die dann hergestellten 5—10 [i dicken Schnitte färbte ich 
ebenfalls nach Assmann oder mit Hämatoxylin-Eosin. 

V ersuchsergebnisse. 

Wie bereits früher erwähnt, war der Befund in der ersten Reihe 
stets der gleiche, ob das Extrakt mit Kochsalzlösung, Glyzerinlösung 
oder schwachem Alkohol hergestellt worden war. Die angegebenen 
Zahlen beziehen sich stets auf das bei Benutzung des oben erwähnten 
optischen Systems sich ergebende Gesichtsfeld. 

a) Bauchhöhlenflüssigkeit. 

1. 24 Stunden nach der Einspritzung: In großer Menge 

neutrophile Leukozyten mit gelappten, vielfachen resp. vielgestaltigen 
Kernen und feinster eosinophiler Körnelung. In einem Gesichtsfelde 
bis zu 120. Die genannten Zellen haben einen Durchmesser von 5,9 
bis 8,5 / 1 ; sie weisen scheinbar bis 8 Kerne auf. Daneben von 
kleineren Rundzellen (Lymphozyten) durchschnittlich 5, von großen 
bis 8, von eosinophilen Leukozyten bis 4. Außerdem 2—7 größten¬ 
teils gut erhaltene Epithelzellen und ab und zu einige rote Blut¬ 
körperchen. 



Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillenextraktes. 157 

2. 48 Stunden nach der Einspritzung: Neutrophile Leuko¬ 
zyten etwa in derselben Menge. Zahl der Epithelien größer (bis 30 
im Gesichtsfeld). Die neutrophilen Zellen liegen vielfach in den 
Epithelien resp. dicht um dieselben (Phagozytosen). In einer Epithel¬ 
zelle bis zu 3 Leukozyten. Zahl der Lymphozyten geringer, keine 
oder bis zu 3 eosinophile Zellen; bis zu 20 rote Blutkörperchen. 

3. 72 Stunden nach der Einspritzung: Zahl der neutrophilen 
Zellen dieselbe, desgl. die der Epithelien und der Phagazytosen. Die 
Epithelienkeme färben sich nur blaß und Zelleib und Kern er¬ 
scheinen häufig in feinste eosinophile Körnchen zerfallen, wie sie sich 
in den neutrophilen Zellen finden, so daß es den Anschein hat, als 
ob diese feinste Kömelung der Leukozyten durch Aufnahme der ge¬ 
nannten Zerfallsteilchen der Epithelien zu Stande kommt; deutlich 
unterscheiden sich davon die grob gekörnten eosinophilen Leukozyten, 
deren Zahl ebenfalls dieselbe geblieben ist; desgl. die der Lymphozyten 
und der Erythrozyten. 

4. 4 Tage nach der Einspritzung: die Zahl aller zelligen 
Bestandteile ist in der Abnahme begriffen. Neutrophile Leukozyten 
zählte ich in einem Gesichtsfeld höchstens 35, Lymphozyten 2—6, 
eosinophile Leukozyten 0 — 3, Epithelien 2 — 10. Phagozytosen 
seltener. Viele (bis 12) zerfallende Erythrozyten. 

5. 5 Tage nach der Einspritzung: Zahl der neutrophilen 
Leukozyten noch geringer, desgl. die der Epithelien. Von ersteren 
bis 15, von letzteren bis 5 im Gesichtsfeld. Zahl der eosinophilen 
Leukozyten und der Rundzellen dieselbe; desgl. die der zerfallenden 
Erythrozyten. 

6. 6 Tage nach der Einspritzung: Zahlen Verhältnis im All¬ 
gemeinen wie nach dem 5. Tage. Zahl der roten Blutkörperchen 
geringer (3—4). 

7. 7 Tage nach der Einspritzung: Neutrophile 3-—5, Epi¬ 
thelien bis 3, Lymphozyten bis 5, eosinophile Leukozyten 0—3, 
Erythrozyten selten. 

8. 14 Tage nach der Einspritzung: Zahlenverhältnis der 
Zellen normal. 

9. 21 Tage nach der Einspritzung: normal. 

Vergleicht man die Resultate der einzelnen Untersuchungen mit 
einander, so ergibt sich, daß nach der Einspritzung des Rotzbazillen¬ 
extraktes schnell eine Auswanderung der neutrophilen Leukozyten 
in riesiger Menge erfolgt, desgl. eine geringere Vermehrung der Lym- 



158 


HOBSTETTER, 


phozyten. Am zweiten Tage finden sich viele Epithelien, die an¬ 
scheinend durch die Wirkung des Extraktes abgetötet, sich losgelöst 
haben und zerfallen. Ihre Zerfallsmassen sind, wie der Zelleib fast 
aller Zellen, azidophil und werden von den Leukozyten aufgenoromen. 
Ein Zugrundegehen der Leukozyten habe ich nicht feststellen können 
und ich befinde mich hier im Gegensatz zu Vallillo, der die erwähnten 
feinsten Körnchen als Zerfallsmassen der eosinophilen Zellen ansieht. 
(Vallilo. S. 521.) Die Zahl der roten Blutkörperchen ist vermehrt. 
Vom 4 Tage an nehmen die zelligen Bestandteile in der Bauchhöhlen¬ 
flüssigkeit langsam an Zahl ab und zwischen dem 7. und 14. Tage 
treten wieder normale Verhältnisse ein. Die Zahl der eosinophilen 
Zellen wird durch das Rotzbazillenextrakt nicht verändert. 


b) Haut und Unterhaus 

In Haut und Unterhaut kann man die entzündungserregende 
Wirkung des Rotzbazillenextraktes des genaueren beobachten. Dem 
bloßen Auge bietet sich in der Unterhaut das Bild eines leichten 
entzündlichen Oedcms; an der Haut sind krankhafte Veränderungen 
nicht nachzuweisen. Das mikroskopische Bild entspricht genau dem, 
das uns die pathologischen Anatomen für die einzelnen Phasen der 
Entzündung entwerfen. 

1. 24 Stunden nach der Einspritzung: Arterien, Venen 
und Kapillaren erscheinen weit und sind mit roten und weißen Blut¬ 
körperchen prall gefüllt. Letztere lassen sich deutlich als aus¬ 
schließlich polymorphkernige neutrophile erkennen und liegen der 
Innenhaut der Gefäße zum größten Teil fest an. Einige Kapillaren 
enthalten fast nur diese Leukozyten, während die roten Zellen in ganz 
geringer Zahl darin Vorkommen. Aber auch in der Gefäßwand und 
in ihrer nächsten Nachbarschaft liegen die genannten weißen Blutzellen. 

2. 48 Stunden nach der Einspritzung: Im Allgemeinen 
dasselbe Bild. Viels Leukozyten sind jetzt in das Gewebe vor¬ 
gedrungen, wobei sie anscheinend den Saftlücken gefolgt sind: Man 
sieht im Unterhautbindegewebe wahre Straßen winklig und senkrecht 
zu den Gefäßen mit ihnen angefüllt, in einem Gesichtsfeld bis zu 
70 Stück. An einigen Stellen trifft man sie auch zwischen den 
Muskelfasern und in der Lederhaut einzeln und nesterartig zusammen¬ 
gelagert. Die Maschen der Unterhaut enthalten vielfach auch eine 
gleichförmige sich mit Eosin färbende Masse, welche ich als geronnene 



Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillenextraktes. 


159 


Blutflüssigkeit deuten möchte. Daneben sind den Leukozyten an 
vielen Stellen Erythrozyten gefolgt. 

3. 72 Stunden nach der Einspritzung. Außer den bis¬ 
herigen Veränderungen scheint es, als ob die Bindegewebszellen 
nunmehr ebenfalls beteiligt sind. Ihre Kerne erscheinen größer, rund 
bis oval. In den Gefäßen ist die Menge der Leukozyten wesentlich 
geringer geworden. 

4. 4—7 Tage nach der Einspritzung: Auch jetzt besteht 
noch die Infiltration der Unterhaut mit den neutrophilen Leukozyten; 
daneben finden sich einige Rundzellen. 

5. 14 Tage nach der Einspritzung: Die Zahl der Leuko¬ 
zyten ist wesentlich geringer geworden; die Maschen der Unterhaut 
erscheinen kleiner, die Bindegewebszellen sind jedoch vielfach noch groß 
mit rundlichem Kern. 

6. 21 Tage nach der Einspritzung: Haut und Unterhaut 
haben an den Schnitten normale Dicke und Aussehen. 

Was nun die Anwesenheit von eosinophilen Leukozyten in den 
untersuchten Hautstückchen anlangt, so fand ich darin so gut wie 
gar keine, obwohl ich darauf natürlich mein besonderes Augenmerk 
richtete. Die polynukleären Leukozyten haben in der Unterbaut bei 
derselben Färbung genau dasselbe Aussehen wie die in der Bauch¬ 
höhle beobachteten. Auch bei dieser Art der Einspritzung des 
Extraktes war demnach ein rasches Anschwellen der Wirkung fest¬ 
zustellen, die nach 24—48 Stunden hinsichtlich der Chemotaxe 
den Höhepunkt erreichte, einige Tage anhielt, um dann allmählich 
wieder nachzulassen, worauf die restitutio ad integrum erfolgte. Wie 
diese zustande kommt, und wie groß der Anteil der Bindegewebs¬ 
zellen, des Fibrins etc. dabei ist, wie die Leukozyten wieder ver¬ 
schwinden, das zu untersuchen lag abseits von meiner Aufgabe. 

c) Blut, Milz und nachbarliche Lymphknoten 

zeigten nie nennenswerte Veränderungen. 

Fasse ich nunmehr die gewonnenen Resultate zusammen, so 
lassen sich folgende Sätze aufstellen: 

1. Das wie angegeben hergestellte Rotzbazillenextrakt 
enthält die Substanz, welche den entzündlichen Anteil der 
Rotzknoten bedingt. 

2. Diese Substanz wirkt chemotaktisch nur auf die 
polymorphkernigen neutrophilen Leukozyten. 



160 HOBSTETTER, Ueber die chemotaktische Wirkung des Rotzbazillenextraktes. 

3. Finden sieh in Rotzknoten eosinophile Zellen, so ist 
deren Anwesenheit nicht auf den chemotaktischen Einfluß 
des Malleins zurückzuführen, sondern normal oder durch 
andere Stoffe bedingt. 

4. Findet kein Nachschub von Rotzgift statt, so 
schwinden dje entzündlichen Veränderungen in 2—3 Wochen. 


Literatur. 

1) Angeloff, Die grauen, durchscheinenden Knötchen in den Pferdelungen und 
ihre Beziehung zu der Rotzkrankheit. Arch. f. w. u. prakt. Tierheilkunde. 
1908. S. 41. 

2) Hummel, Vergleichende Untersuchungen über die im Darme der Pferde vor¬ 
kommenden Knoten und geschwürsartigen Veränderungen mit besonderer Be¬ 
rücksichtigung der Botzkrankheit. Ebenda. 1908. S. 550. 

3) Vallillo, Die positiv-chemotaktische "Wirkung des Extraktes von Sclerostomum 
bidentatum und dessen Larven auf die polymorphkernigen eosinophilen Leuko¬ 
zyten. Ebenda. 1908. S. 505. 

4) Schütz und Schubert, Die Ermittelung der Rotzkrankheit mit Hilfe der 
Komplementablenkungsmethode. Ebenda. 1909. S. 44. 



IX. 

Aus dem Institut für Tierzucht der Kgl. Tierärztl. Hochschule zu Hannover. 

Forschungsziele und Forschungsergebnisse 
auf dem Gebiete der Haustierzucht. 

Von 

(ieh. tteg.-Rat l'rof. Dr. Kaiser. 

An dem Ausbau aller Zweige der Naturwissenschaften wird rast¬ 
los und mit größter Energie gearbeitet, ganz besonders betrifft dies 
den Zweig, welcher sich Biologie nennt. Dabei haben aber nicht nur 
die Embryologen und Morphologen, die Physiologen und die Zoologen 
die Pflicht mitzuarbeiten, sondern auch die praktischen Tierzüchter sollen 
und wollen gern mitwirken, um die Züchtungsbiologie zu fördern. 

Die Biologie ist die Lehre vom Leben überhaupt, von den 
Lebewesen und den Lebensbedingungen, sie beschäftigt sich mit allen 
Erscheinungen, welche sich aus den Verhältnissen des lebenden Tieres 
und der Pflanze ergeben und im weiteren auch mit den Beziehungen, 
in welchen sie zu anderen Tieren oder Pflanzen und überhaupt zur 
belebten Außenwelt stehen. 

Eine besondere Bedeutung für die Biologie hat die immer weiter 
sich ausdehnende und immer intimer werdende Bekanntschaft mit 
den kleinsten Lebewesen, den Mikrobien tierischer und pflanzlicher 
Natur; ich darf hier wohl nur darauf hinweisen, von welcher großen 
Bedeutung die Protozoen, die Bakterien und die Kokken und andere 
Formen nicht nur bei vielen Arbeiten der Technik und der Industrie 
sind,- sondern (und was für unsere Wissenschaft von größerer Be¬ 
deutung ist) welche Rolle sie bei der Entstehung von Menschen- 
und Tierkrankheiten spielen; dort werden sie oft absichtlich gezüchtet, 
hier sollen sie möglichst vernichtet werden. 

Die Biologie ist keine neue Wissenschaft, wohl aber ist sie jetzt 
mehr als früher die angewandte Physiologie und Embryologie, sic 

Archi? f. wissen sch. u.prakt. Tierbeilk. Bd. 36. Sappl-Band. 



162 


KAISER, 


will auch das Leben der Haustiere vom ersten Moment ihrer Lebens¬ 
tätigkeit, das Leben in allen seinen Phasen bis zu seinem Erlöschen, 
selbstredend auch die möglichste Höhe der wirtschaftlichen Leistungs¬ 
fähigkeit des Organismus erforschen und bewerten. 

Die Biologie ist berufen, uns Aufschluss über manches scheinbar 
Rätselhafte zu verschaffen. Ich will hier nicht auf die Entstehung 
der Arten im Tier- und Pflanzenreich eingehen, auch nicht der Frage 
nähertreten, ob der Naturforscher Recht hat, welcher sagte, dass der 
Mensch und der Affe dieselben Stammeltern haben, dann würde ich 
in das Labyrinth der spekulativen Biologie geraten, ich will nur auf 
die praktische Biologie, speziell 1. auf Variabilität, auf die Ver¬ 
änderungsfähigkeit und die Variation, 2. auf die Anpassung 
oder Akkommodation und 3. auf die Vorgänge bei der Ver¬ 
erbung der Zuchttiere hinweisen. 

Das Gebiet, auf welches ich mich damit begebe, ist gerade kein 
uferloses, aber doch ein riesig großes und deshalb noch nicht: 
genau erforschtes, es wird auch bei rastlosester Arbeit noch längere 
Zeit dauern, bis die Fackel der positiven Wissenschaft die vielen 
noch recht dunklen Punkte erleuchtet haben wird. Auch meine Aus¬ 
führungen können nur aphoristisch sein. 

„Die heutige Naturforschung ist als eine Wissenschaft der un¬ 
begrenzten Möglichkeiten zu bezeichnen.“ Immer neue Gebiete er¬ 
öffnen sich der Forschung. Unbegrenzt ist ihr Einfluß auf unser 
kulturelles und materielles Leben. 

Linne war der erste Begründer der systematischen Natur¬ 
geschichte, er lehrte, daß alle Tier- und Pflanzenarten, so wie sie 
sind, aus des Schöpfers Hand hervorgegangen und in ihrer Art, in 
ihren anatomischen und physiologischen Eigenschaften unveränderlich 
seien, sich nur mit ihresgleichen fruchtbar vermischen könnten und 
dann in ihren Nachkommen ihre körperlichen Formen und Lebens- 
erseheinungen unverändert wieder zutage treten lassen. 

Dieser Lehrsatz hat sich aber sehr bald als viel zu eng begrenzt 
erwiesen; schon die Betrachtung des Pflanzenreiches zwang zu anderen 
Anschauungen, — ich will hier nur auf einige Pflanzen: Rosa, Salix, 
Hieracium und Chrysanthemum als Paradigma hinweisen; fast un¬ 
zählig sind die Varietäten derselben, welche sogar in verhältnismäßig 
sehr kurzer Zeit aus den einzelnen Stamrapflanzen herangezüchtet 
wmrden sind. 

Nach dem Schweden Linne kam der Franzose Lamarek. der 



Forschungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 163 


Vorläufer des Engländers Darwin. Lamarck bewies im Jahre 
1809 in seiner Transmutationslehre, dass die vorhandenen Arten 
in sich nicht abgeschlossen seien, daß vielmehr im Laufe der Zeiten 
allmählich sehr erhebliche Veränderungen durch Umbildung der Körper¬ 
formen entstanden seien und zwar durch die Fähigkeit der Organismen 
sich neuen Verhältnissen, und zwar dem Klima und dem Boden, der 
Ernährung, der Haltung und Pflege anzupassen, auch der verstärkte 
oder verminderte Gebrauch einzelner Körperteile könne Veränderungen 
herbeiführen (Umformung, funktionelle Anpassung). 

Lamarck sagte wie Linnö: Eine Art besteht aus Geschöpfen, 
welche untereinander sich vollkommen gleichen, sich fruchtbar mit¬ 
einander vermischen und in ihren Nachkommen sich gleich bleiben; 
aber nun kommt der so sehr bedeutungsvolle Zusatz von Lamarck: 
„so lange die äußeren Verhältnisse keine Umstände erleiden, welche 
hinreichen, um ihre Form, ihre Beschaffenheit und ihren Charakter 
abzuändern.“ 

Im weiteren sei es besonders der Gebrauch oder Nichtgebrauch 
der Organe, der auf die Formgestaltung des tierischen Körpers einen 
bestimmenden Einfluß ausübe (funktionelle Anpassung), ferner, 
daß die Geschöpfe nach und nach eine Anpassung an neue Verhält¬ 
nisse ermöglichen, weil der Körper eine sehr große Plastizität be¬ 
sitze. 

Darwin sagt, daß im Kampfe ums Dasein, bei der natürlichen 
Zuchtwahl, nur das vollkommenste, das am besten ausgerüstete Ge¬ 
schöpf sich und seine Art erhalten könne, das ungenügend entwickelte 
aber könne sich nicht genügend vererben, es gehe zugrunde, werde 
ausgemerzt. Darwin illustrierte die natürliche Zuchtwahl, die 
Selektionstheorie in ihrem Gegensätze zur künstlichen Wahlzucht, 
wie solche tatsächlich von Tier- und Pflanzenzüchtern mit so großen 
Erfolgen gehandhabt wird. 

Diese Lehre, die man als die Abstammungs- oder die Dcs- 
zendenzlehrc, die Selektionstheorie oder kurzweg als Darwi¬ 
nismus bezeichnet, hat manche Gegner und deshalb auch vielfach 
Angriffe erfahren, sie war von Zeloten anfangs auch wohl in ihrem 
Werte sehr überschätzt worden, deswegen ist aber doch die Behauptung, 
der Darwinismus sei ein überwundener Standpunkt, gänzlich un¬ 
berechtigt. 

Darwins Lehren sind auch heute noch im allgemeinen zutreffend; 
durch die glückliche Kombination mit den von Lamarck gelieferten, 

11* 



164 


KAISER, 


vortrefflichen Grundlagen werden sic noch lange die Grundpfeiler der 
biologischen Forschung bleiben. 

In der Botanik ist die Biologie am meisten kultiviert, — ich 
will nur andeuten, was man durch Pfropfen, Okulieren und Kopulieren 
erreicht hat, wie ganz besonders durch die künstliche Bestäubung 
und Befruchtung fortgesetzt erwünschte Kreuzungen, Hybriden und 
Bastarde erzeugt worden sind, wie deshalb auch die Landwirtschaft 
jetzt über fast unzählige Sorten der einzelnen Getreidevarietäten ver¬ 
fügt, die fast alle Produkte der Neuzeit, der künstlichen Zucht, der 
Wahlzucht, nicht der natürlichen Zuchtwahl sind. 

Soll die praktische Biologie auch in der Tierzucht zu einer 
fruchtbringenden Tätigkeit gelangen, dann muß sie auch gleichsam 
gärtnerische Arbeitsstätten und geeignete Arbeitskräfte in ihren Dienst 
stellen, es müssen sachgemäß organisierte Versuchsstätten errichtet 
werden, wo Theoretiker und Praktiker sich in die Hände arbeiten. 

Auf dieser Basis hat sich die Deutsche Gesellschaft für 
Züchtungskunde aufgebaut, welche zu einer wissenschaftlichen 
Beraterin der deutschen Viehzüchter sich auswachsen will. 

Diese Gesellschaft hat 3 Ausschüsse gebildet und zwar 

1. den biologischen Ausschuß, 

2. den Ausschuß für Rassenforschung und 

3. den Ausschuß für die Sammlung züchterisch prak¬ 
tischer Erfahrungen. 

In diesen Ausschüssen sollen zunächst die Beobachtungen über 
Variation und Anpassung und Vererbung fruktifiziert werden. 

lieber diese Punkte möchte ich hier etwas sagen und wende 
mich zunächst zu einer kurzen Betrachtung des Abschnittes Variation. 

Hier soll vor allem die gewaltige Macht der äußeren Verhält¬ 
nisse gewürdigt und nachgewiesen werden, inwiefern das Geschöpf 
ein Produkt der heimatlichen Scholle ist. 

Zum Glück für unsere modernen Viehzüchter sind die Haustiere 
ganz besonders zur Variation befähigt. Damit soll nicht gesagt 
sein, daß jede neue äußere Einwirkung sofort eine offensichtliche 
Reaktion im Gefolge habe, nein, im Gegenteil, es geht oft recht 
langsam. 

In der freien Natur gehören dazu wohl Jahrhunderte, bei den 
domestizierten Tieren, deren Urwüchsigkeit ja so gewaltig alteriert 
ist, bei denen manche Lebensäußerungen, wie z. B. der Instinkt, ganz 
zurückgedrängt sind, da ist die Veränderungsfähigkeit, die Biegsam- 



Forscbungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 165 

keit, die Flexibilität eine sehr große geworden, auch sind und werden 
die veränderten äußeren Verhältnisse besonders in der Fütterung und 
Haltung immer zahlreicher und einschneidender. 

Tatsache ist, daß wir schon durch die Fütterung und Pflege des 
Muttertieres einen Einfluß auf die Entwickelung des Fötus auszuüben 
vermögen. Von den mancherlei Maßnahmen will ich hier nur er¬ 
wähnen, daß durch ein längeres Trockenstehen der hochträchtigen 
Kühe die Entwickelung sehr großer und sehr schwerer Leibesfrüchte 
begünstigt werden kann. Aber nicht nur die Art der Ernährung und 
der Pflege, sondern auch das Klima spielt eine Hauptrolle, und 
zwar, ob es kalt oder warm, feucht oder trocken ist, ferner die 
Richtung der vorherrschenden Windströmung, nicht minder aber auch 
die Bodenbeschaffenheit und der Einfluß des Bodens auf die 
Quantität und die Qualität der Vegetation und nicht zu vergessen: 
auf das Trinkwasser. 

Darwin meint, daß ein Uebermaß von gehaltreicher Nahrung das 
wirksamste Umwandlungsmittel sei, wie das Beakwell und andere 
durch die Züchtung der englischen Kulturrassen bei Rindern, Schafen 
und Schweinen eklatant bewiesen haben. 

Auch der deutsche Züchter sagt: Der beste Teil, die größere 
Hälfte der Rasse kommt durch das Maul in den Körper. 

Häckel ist der Meinung, daß vorzugsweise das Klima und die 
dadurch bedingte Lebensweise eine sehr große Umwandlungskraft zu 
entwickeln vermögen. 

Bekannt ist: wenn das Klima, die Luft, der Boden und das 
Futter trocken sind, dann entwickelt sich ein kleineres, aber kräftiges, 
festgefasertes, zähes, flüchtiges, also ein recht gesundes Tier, geringere 
Rassen werden hier lebenskräftiger; umgekehrt begünstigt feuchtes 
Klima und feuchter Boden die Entwickelung größerer Rassen, aber 
auch schlaffe Gewebsbildung, poröse Knochen, mehr träge, schlaffe 
und weichliche Tiere. 

Auch die Temperatur hat besonders bei Pferden einen großen 
Einfluß — sowohl große Hitze als große Kälte wirken entwickelungs¬ 
hemmend, im heißen Afrika und Asien sowohl als im hohen kalten 
Norden Europas finden sich die kleinsten Pferde. 

Aehnliches sehen wir auch in Deutschland. Die Füllen aus dem 
mehr feuchten Klima und den üppigen Fettweiden unseres norddeutschen 
Küstenlandes werden das nicht, wenn ihre Aufzucht in hohen, trockenen, 
sandigen, mageren Geest- oder Gebirgsgegenden stattfindet, was ihre 



166 


KAISER, 


in der Heimat verbliebenen Altersgenossen werden; umgekehrt werden 
die hochedlen Füllen aus den hannoverschen mageren Geestgegenden 
bei ihrer Aufzucht in den fetten Elb- und Wesermarschen, Ostfries¬ 
lands, Oldenburgs und Mecklenburgs erheblich schwerer; die Belgier 
entwickeln sich in der Rheinprovinz auch etwas anders als in ihrer 
Heimat, hier vielleicht weniger wegen der Verwendung anderer Futter¬ 
mittel als wegen der andersartigen Fütterung; das Simmentaler 
Rind vermag in Norddeutschland nur sehr schw r er, oft gar nicht boden¬ 
ständig zu werden, mindestens muß hier eine öftere Blutauffrischung 
eintreten, wenn die typischen Formen seiner Rasse erhalten werden 
sollen. Die kalkreichen, mehr trockenen Höhen Süddeutschlands und 
der Schweiz stehen im direkten Gegensatz zu den im allgemeinen 
kalkarmeren feuchten Niederungen des Nordens, schon in der nächsten 
Generation sah ich deutliche Veränderungen in der Formgestaltung 
bei den Nachkommen der rassereinsten Originalzuchtticre auftreten. 

Recht bedenklich, ja wohl sogar direkt gefährlich, kann die Nicht¬ 
beachtung des richtigen Nährstoffverhältnisses werden, wenn man 
auch nicht die schlimmsten Folgen als Sehreckgebildc kennzeichnen 
will, wie z. B. die Krüschkrankheit der Pferde, die Schnitzelkrankheit 
der Rinder und Schafe, der Schlempeausschlag der Binder, die Kartoffel¬ 
rachitis der Schweine. 

Die Art der Ernährung spielt ganz unbestreitbar eine sehr 
große Rolle; die Art der Futterpflanzen, die Zeit, und die Methoden 
ihrer Gewinnung, der Gehalt an Nährstoffen leichterer oder schwererer 
verdaulicher Art, der Gehalt an anorganischen Stoffen — alles dieses 
verlangt Beachtung, ferner ebenso auch ob natürliche oder künstliche 
hezw. fremde Futterstoffe verwendet werden; es ist Tatsache, daß 
letztere bei allen wirtschaftlichen Vorteilen doch öfter eine unerwartete 
recht unliebsame Reaktion des Sexualapparates veranlassen, wie z. B. 
die Derivate der Baumwollpflanze. 

Es ist auch nicht einerlei, ob das Futter ständig kalt oder warm, 
naß oder trocken gereicht wird, wie durch die Konstitution der ost¬ 
preußischen und der belgischen Pferde bewiesen werden kann. Es 
fragt sich ferner, ob absolute Stallhaltung oder auch Weidegang statt¬ 
findet, auch wie der Stall und wie die Weide ist. Es ist doch 
ein sehr großer Unterschied, ob der Stall luftig und sonnig oder dumpf 
ist, ob er zu kalt oder zu warm ist, ob das sich entwickelnde Tier 
— wenn auch nicht auf einer passenden Weide, so doch in einem 
Laufstall — nach Belieben sich bewegen kann oder ob es wie ein 



Forschungsziele und -ergehnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. Iß? 

schwerer Verbrecher straff an eine kurze Kette gebunden ist und sich 
kaum bewegen, also auch nur eine ungenügende Bewegungsfähigkeit 
erlangen kann, ob die Krippen und die zumeist ganz überflüssigen 
Raufen nicht zu hoch angebracht sind; besonders auffällig ist die viel¬ 
fach noch ganz unbekannte Gestaltsentwickelung der Schweine, wenn 
sie an einer kurzen Kette liegend statt freiumherlaufend aufgezogen 
werden. 

Daß die Weiden so seht verschieden sind und deshalb auch von 
sehr großer Bedeutung für die Entwickelung des Jungviehes sein 
können, möchte ich nochmals hervorheben. 

Von Bedeutung ist auch die Art des Stallbodens, ob er durch¬ 
lassend oder undurchlassend, ob das Lager trocken, weich und w r arm 
oder naß, hart und kalt ist (Zementställe). 

Auch die Hautpflege ist für den gesammten Stoffwechsel der 
Haustiere von sehr großer Bedeutung: Bürsten, Striegeln, Baden, 
Scheren, Sengen. 

Im weiteren beeinflußt der ausschließliche Gebrauch der Tiere 
zu bestimmten Zwecken die Formgestaltung im allgemeinen oder 
auch nur einzelner Organe sehr deutlich. Das hierdurch veränderte 
Bild zeigt sich Dank der progressiven Vererbungskraft auch bei den 
Nachkommen mehr oder weniger scharf, man denke nur an Lauf- und 
Schrittpferde, an Renn- und Lastpferde, an Milch- und Fleischrinder, 
wo Hyperplasie und Aplasie, auch Panmyxie beobachtet werden. Wer 
möchte bestreiten, daß dieses so mannigfaltige Heer äußerer Ein¬ 
wirkungen von sehr großem, ja entscheidendem Einflüsse auf die 
normale oder erhoffte spezifische Entwickelung des Jungviehes, auf 
die exogene Variation in der Formgestaltung, überhaupt auf alle Lebens¬ 
prozesse, also auch auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit aller Haus¬ 
tiere sei? 

Ein gewaltiger Faktor für die exogene und die endogene 
Variation ist auch die genau kalkulierte, zielbewußte Paarung. Nur 
von normal gebauten, typisch geformten und harmonisch funktionierenden 
Eltern kann man mit einiger Sicherheit gleichgeartete Kinder erwarten. 
Heterogene Zuchttiere können sehr leicht kümmerliche Karrikaturcn 
oder Mißbildungen der verschiedensten Art produzieren. 

Die Variation unserer Haustiere wird, wie aus dem Gesagten er¬ 
sichtlich ist, ganz besonders ermöglicht durch die Anpassung der 
Tiere an besondere oder ganz neue Verhältnisse. 

Die Anpassungsfähigkeit an neue Verhältnisse ist bei den 



168 


KAISER, 


verschiedenen Haustierarten und auch bei den einzelnen Haustieren 
sehr verschieden. Manche Tiere zeigen eine sehr große Biegsamkeit, 
Schmiegsamkeit, Flexibilität, andere aber zeigen einen hartnäckigen 
Widerstand. 

Sehr interessante Beobachtungen sind in dem Jardin d’acclimati- 
sation zu Paris, im zoologischen Garten zu Amsterdam und neuer¬ 
dings auch in dem Hagenbeckschen Tierpark zu Stellingen gemacht 
worden. 

Sehr oft wird weniger die äußere Formgestaltung, als vielmehr 
die Leistungsfähigkeit durch die neuen äußeren Verhältnisse be¬ 
troffen werden. De Vries nennt das Mutation, Wandlung der Arten 
durch physiologische Veränderungsfähigkeit. 

Man soll von einem Zuchttier, das aus einer ganz anders sich 
verhaltenden Gegend eingeführt ist. nicht sofort eine große Fruchtbar¬ 
keit oder eine durchschlagende Vererbungskraft verlangen, denn das 
Tier muß sich erst akklimatisieren, was manchem nicht sehr schnell, 
manchem vielleicht gar nicht gelingt. Ich habe beobachtet, daß Olden¬ 
burger Bullen im ersten Halbjahr nach ihrer Ankunft in Heidedistrikten 
der Umgebung Hannovers geschlechtsunlustig und wenig fruchtbar 
waren, sie wurden deshalb verkauft und später zeigten sie* bei dem 
neuen Besitzer eine üppige Fruchtbarkeit und eine vorzügliche Ver¬ 
erbung, sie hatten sich nun an die neuen Verhältnisse gewöhnt, akkli¬ 
matisiert. 

Die norddeutschen Ticflandrinder stehen bei den süddeutschen 
Tierzüchtern, besonders den Alpenbewohnern, und umgekehrt die 
Simmentaler Rinder bei den norddeutschen Züchtern in dem Verdacht, 
sehr leicht tuberkulös zu werden; dieser Verdacht ist beiderseits nicht 
unbegründet — und weshalb? Weil die eingeführten Tiere gegen die 
neuen andersartigen Einflüsse nicht widerstandsfähig genug sind und 
deshalb leichter einer Infektion unterliegen. 

Wenn wir auch zugeben müssen, wie gewaltig das werdende Tier 
durch die Macht der äußeren Verhältnisse, durch die Scholle beeinflußt 
wird, so hat die praktische Biologie aber noch die Aufgabe, auch die 
Vererbungserscheinungen zu sichten. Und das ist ein Kapitel, das bald 
als Schoßkind, bald als Stiefkind behandelt worden ist. 

Was ist die Grundlage der Vererbung? Soviel steht fest, 
daß es keine starren Vererbungsgesetze gibt, sondern nur Ver¬ 
erbungsregeln. 

Ich will hier nicht auf die Kontroverse zwischen den Verteidigern 



Forschungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 1H9 


der strikten Konstanztheorie und den Anhängern der Individualpotenz 
eingehen, obwohl ich schon vor 30 .Jahren zu dieser Frage öffentlich 
Stellung genommen habe. Beide Parteien stützen ihre Beweisführung 
auf die exorbitant durchschlagende Vererbungskraft einzelner Individuen, 
manche haben es meisterhaft verstanden, diese dogmatischen An¬ 
schauungen „flexibel“ zu gestalten und die Richtigkeit ihrer Behauptungen 
sehr stark beweisend darzustellen. 

Inzwischen aber haben sich die Wogen des heftigen Streites 
etwas geglättet, man gibt jetzt zu, daß die Individualpotenz die Kon¬ 
stanz der Rasse nicht überwindet, wohl aber mächtig unterstützt. 

Was ist Vererbung? Unter Vererbung versteht man allgemein 
die Tatsache, daß lebende Geschöpfe Nachkommen hervorbringen, die 
ihnen nicht nur in der äußeren Form gleichen, sondern auch ihr ge¬ 
samtes Naturell, d. h. ihre Konstitution, ihre Lebensäußerungen und 
auch ihre praktische Leistungsfähigkeit als ein mehr oder weniger 
volles Erbteil (richtiger nur als Anlagen) erhalten. 

Wenn wir die Kinder desselben Elternpaares vergleichen, dann 
stellt sich oft heraus, daß sie wohl eine unverkennbare Familien¬ 
ähnlichkeit aufweisen, daß sie aber doch nicht in allem sich völlig 
gleichen, sondern daß sie variieren. 

Die Ursachen dieser Variation sind schwer zu ergründen; teilweise* 
wurden sie schon kurz erörtert. Wir wissen, daß äußere Einflüsse 
schon auf die fötale Entwicklung, noch einschneidender aber in dem 
frühesten selbstständigen Leben sich geltend machen, die Geschöpfe 
aber nicht gleichmäßig treffen. Darwin spricht hier von „single 
Variation“, de Vries nennt das „Mutation“, eine sprunghaft auf¬ 
tretende erbliche Abänderung. 

Diese Vielförmigkeit beruht darauf, daß das väterliche und das 
mütterliche Keimplasma differieren^ daß die Keimzellen, durch deren 
Vereinigung die Fruchtbarkeit überhaupt bedingt ist, von Hause aus 
nicht alle die gleichen erblichen Anlagen besessen haben. Und diese 
Unterschiede sind erblich! 

Die Variabilität der Nachkommen bedingt mit den später ein¬ 
tretenden äußeren Einwirkungen die sog. individuelle oder fluk¬ 
tuierende Variation. 

Im Keimplasma sind nur die Keime, nur die Anlagen vorhanden, 
von deren weiteren Entwicklung der Aufbau des Organismus abhängig 
ist, je nachdem derselbe unter günstige oder ungünstige Verhältnisse 
gerät. 



170 KAISKR, 

Man unterscheidet eine väterliche und eine mütterliche Ver¬ 
erbungssubstanz. Die Anlage der Keimzelle des Mannes dominiert 
vielleicht über die Keimzelle des Weibes, die regressiv ist; man hat 
dies die Prävalenzregel genannt. 

Die Möglichkeit der Neubildung von Rassen beruht in der Eigen¬ 
tümlichkeit der Vererbungssubstanz, welche in dem Zellkerne der Zelle 
liegt und von Xägeli als „Idioplasma“ bezeichnet worden ist. 

Wenn der bis dahin ruhende Zellkern in Bewegung kommt, wenn 
er erweckt wurde, dann entwickelt er eine kolloidale netzartige oder 
seifenschaumartige Masse, welche man Chromatinsubstanz nennt, weil 
sie sich mit Anilinfarbstoffen färben läßt; diese schaumige Masse ballt 
sich zusammen, es entsteht ein fadenartiges Knäuel oder einzelnen ab¬ 
gerissenen Fäden gleichende Konglomerate, welche Chromosomen ge¬ 
nannt werden. Man nimmt an, daß die Hälfte dieser Chromosomen 
von dem väterlichen, zur Hälfte von dem mütterlichen Elter stamme. 
Die individuell verschiedenen Chromosomen werden als die Träger der 
Vererbung betrachtet. 

Hat sich unter der Herrschaft der Chromosomen die Zelle geteilt, 
dann sind in jeder dieser neuen Zelle auch wieder gleichvielc Chromo¬ 
somen entstanden, was man Karvokinese oder Mitose nennt. 

Bei der Kopulation dringt im Samenfaden eine Spermazelle durch 
die Mikropyle in das Ei, es findet die Amphimixis statt, es entsteht 
weiter der Furchungskern, dieser teilt sich wiederum in zwei gleich¬ 
große Tochterzellen, die ersten Blastomeren, jede Tochterzellc enthält 
eine gleiche Anzahl von Chromosomen und in jedem findet sich väter¬ 
liche und mütterliche Vererbungssubstanz je zur Hälfte. 

Die Vererbungssubstanz in den Fortpflanzungszcllen erhält sich in 
diesen unverändert, ihre Anlagen kommen erst zur Entwicklung, wenn 
die Zellen als Ei- oder Samenzellen an der Grundlegung zu einem 
neuen Individuum teilgcnommen haben. Von den Elterntieren können 
daher nur solche Eigenschaften auf das Junge vererbt werden, deren 
Anlagen schon in einem der beiden befruchteten Eier enthalten waren, 
aus denen die Eltemtierc sich entwickelten. 

Nun wird aber durch jede Teilung einer von dem befruchteten 
Ei stammenden Zelle die in ihr vorhandene Vererbungssubstanz hal¬ 
biert, und diese würde bald durch die vielen aufeinander folgenden 
'Peilungen zu einer verschwindend geringen Masse werden, wenn sie 
nicht durch Aufnahme von Nährstoffen wüchse. Da ist es wohl 
denkbar, daß bei dieser Assimilation Momente von Einfluß sind, die 



Forschungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 171 

die Beschaffenheit der Vererbungssubstanz vorändern, wodurch dann 
das aus der Fortpflanzungszelle hervorgehende Produkt beeinflußt 
wird. Eiweißhaltige und würzige Nährstoffe stehen hiermit an 
erster Stelle. 

Die in den Vererbungssubstanzen ruhenden Anlagen haben mehr 
Aussichten auf die Nachkommenschaft übertragen zu werden, je größer 
ihre Entwicklungsenergie ist. — Diese Aussichten stützen sieh auf 
das Vorhandensein leistungsfähigerer Geschlechtsdrüsen, denn aus 
solchen werden sich Keimzellen bilden, die eine größere Wachstums¬ 
energie die Vererbungssubstanzen enthalten. 

Unsere Kenntnisse über die Ursachen, durch welche die lebenden 
Zellen verändert werden, sind noch gering, vor allem wissen wir noch 
sehr wenig von den Variationen der Vererbungssubstanz, die allein 
maßgebend dafür sind, ob eine Eigenschaft zum vererbbaren Artmerk¬ 
mal wird oder auf das Individuum beschränkt bleibt, bei dem sie auf¬ 
getreten ist. 

Die rationelle Kreuzung ist eine der schwierigsten Aufgaben des 
Tierzüchters, er kann Fiasko erleben, er kann aber auch die herr¬ 
lichsten Triumphe feiern, wie Beakwcll, Colin und andere gezeigt 
haben. 

Die Messung und Wägung der Nachzucht sind regelmäßig vorzu¬ 
nehmen und die Resultate objektiv zu würdigen. 

Die selbständigen Erbanlagen hat Weismann die Determi¬ 
nanten genannt. 

Die aufgestellte Behauptung, daß in den Zellen ganz bestimmte 
Anlagen vorhanden sind, um bestimmte Körperteile in ihrer Aus¬ 
bildung zu beeinflussen, wird als zutreffend angenommen. 

Hier sind besonders die Färbung der Haut und der Haare unserer 
Haustiere als Belege anzuführen 1 ). Daraus läßt sich auch der manch¬ 
mal unvermutet eintretende Rückschlag auf die Färbung der Gro߬ 
eltern und Urgroßeltern erklären. 

In einigen Züchtervereinigungen legt man sehr großes Gewicht auf 
„Hautrein“ und „Haarrein“. Von dem einwandfreiest gefärbten 
Zuchtstier fallen zuweilen Nachkommen mit unerwarteter Pigmen¬ 
tierung der Haare auf der pigmentfreien Haut (Leucismus), dann 


1) In wie weit die eintretende Schutzfärbung (Mimikry) als Stüt/.o für die 
Lehre der allmählichen Anpassung der Organismen und dadurch als Sicherung 
der Arterhaltung anzusehen ist, soll hier nicht erörtert werden. 



172 


KAISER, 


wieder ist die Haut pigmentiert, nicht aber die auf derselben stehen¬ 
den Haare (Melanismus), solche Tiere werden eventuell in das Herd¬ 
buch nicht aufgenommen, auch vom Wettbewerb ausgeschlossen. 

Bei der Wahlzucht sollen nun 

1. ungeeignete Eigenschaften der Individuen möglichst ausgemerzt 
werden, das ist die Personalselektion; 

2. sollen die zur Entwickelung der Formen und der Leistung des 
Tieres erforderlichen äußeren Lebensverhältnisse sorgfältig be¬ 
achtet werden und das führt zur Histonalselektion oder Ge¬ 
webeauslese, denn wir wissen, daß von dem Keimplasma aus 
individuelle Abänderungen vererbt werden können, daß aber vor 
allem eine passende Ernährung stattfinden muß, um den vor¬ 
handenen Keimen ihre Entwickelung auch zu ermöglichen, so¬ 
dann müssen 

3. auch diejenigen Organe bei der Aufzucht geübt werden, welche 
eine besondere Leistung zu entwickeln haben. 

Nun wurde die Frage aufgeworfen, ob diese von den Tieren durch 
raffinierte Züchtung erworbenen Eigenschaften auch vererbt werden bzw. 
ob man mit Sicherlveit auf deren erbliche Uebertragung rechnen dürfe. 

Weismann und seine Anhänger bestreiten dies, Lamarck bzw. 
die Neulamarckianer aber geben diese Möglichkeit zu, deshalb 
könne durch systematische Erziehung und Hebung verbunden mit 
zielbewußter Auslese die Haustierzucht sehr erheblich vorwärts ge¬ 
bracht werden. 

Daraus erkläre sich auch die Vererblichkeit der auftretenden 
Naturspiele wie z. B. die Hornlosigkeit der Rinder, der merkwürdige 
Wollcharakter des Mauchamp-Schafes etc; in auffallender Weise vererben 
sich solche Naturspiele sehr leicht und wenn sie durch Wahlzucht fest¬ 
gehalten werden, dann können neue Rassen oder Schläge entstehen. 
Daß dein so ist, müssen auch die überzeugtesten Doktrinäre zugeben, 
die Samenzüchter wissen ganz genau, daß die Bestäubung durch 
fremde Sämlinge energischer ist, als durch die heimatlichen 
Kameraden. 

Die Vererbung angeborener Eigenschaften ist in der konserva¬ 
tiven Vererbungskraft, die Vererbung der erworbenen Eigenschaften 
ist in der progressiven Vererbungskraft begründet. 

Manche Eigenschaften des Idioplasmas können auch kürzere oder 
längere Zeit latent bleiben, dann aber können die Vererbungssubstanzen 
wieder einmal akkumulativ wirken, z. B. die Milchergiebigkeit. 



Forschungsziele und -ergebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 173 

Je reiner die Rasse, desto sicherer ist die Vererbung. „An ihren 
Früchten sollt Ihr sie erkennen.“ 

Der Stammbaum liefert wertvolle Anhaltspunkte über die dem 
Besitzer desselben etwa eigentümliche Schnelligkeit, Ausdauer, Zähig¬ 
keit, Widerstandsfähigkeit gegen krankmachende Einflüsse, Langlebig¬ 
keit, Temperament, Charakter, Naturell, Frühreife, Mastfähigkeit, 
Körperschwere, Fruchtbarkeit, Höhe und Dauer der Laktation, Woll- 
charakter, Spürsinn etc. Aber der sehr lange Stammbaum darf 
doch nicht allein bei der Wahlzucht entscheidend sein, sondern jedes 
Individuum muß auch auf seinen persönlichen Wert geprüft werden. 
Auch die Attribute des Patrimoniums und des Matrimoniums sind zu 
beachten. 

Uebrigens darf man nicht ohne weiteres bestreiten, daß auch die 
Produkte von Mesalliancen übertragbare Eigenschaften und manchmal 
sogar in reichem Maße besitzen können, man muß deshalb auch dem 
Mischling, dem Parvenü ein Vererbungsrecht gegenüber dem hoch¬ 
gezogenen Sprößling eines alten Patriziergeschlechtes zugestehen. 

Die Vererbungskraft ist bei den Tieren, abgesehen von ihrer 
vollen Gesundheit, im mittleren Lebensalter sicherer als bei sehr 
jungen und sehr alten Tieren. 

Manche Tiere vererben sich durchschlagender in ihren Söhnen, 
andere mehr in ihren Töchtern. 

Vollblut soll vorzugsweise den Rumpf, den Leist, die Muskulatur, 
den sogen. Schneid vererben, Halbblut mehr die Extremitäten, das 
Vatertier soll sein Vorderteil, das Muttertier die posteriora leichter 
vererben. 

Erörtert man die Vererbungserscheinungen, dann kann man die 
sogenannten Erbfehler und die Erbkrankheiten nicht ignorieren. 

Aus den Deduktionen Weismanns und aus der Erfahrung 
praktischer Viehzüchter folgt, daß diese Schreckbilder älterer Zeit 
ganz erheblich verblaßt sind. 

Weismann meint, daß eine Vererbung von Krankheiten über¬ 
haupt unmöglich sei. „Wenn Krankheiten während des Einzellebens 
entstehen, so stelle dieses einen abnormen Vorgang, nicht aber ein 
Wesen dar; es gibt nur eine Vererbung von Krankheitsanlagen 
und diese finden sich im Keimplasma, sie sind aber nicht die Folge 
einer gleichsinnigen Uebertragung lokaler, während des Einzellebens 
erworbener krankhafter Veränderungen auf die Determinanten des 
Keimplasmas.“ 



174 


KAISER, 

Bis in die Neuzeit suchte man die hereditäre Belastung auf 
solche pathologische Gewebsveränderungen zurückzuführen, welche 
durch sogenannte innere Reize bedingt, langsam sich heranbildeten 
und nach längerem Bestehen sozusagen konstitutionell wurden und 
damit die Eigenschaft erlangten als Anlage mit besonderer Sicherheit 
sich zu vererben, während durch äußere, traumatische Einwirkungen 
hervorgerufene Zustände in den Kindern nicht wieder erscheinen. 

Diese Erklärung ist in ihrer ersten Hälfte nicht richtig. Ich 
sage: Erbfehler sind begründet in einer Schwäche des Neu¬ 
geborenen, dessen Vater oder Mutter oder beide eine chro¬ 
nische Erkrankung oder Aplasie, Atrophie oder Panmyxie 
desselben Organes besaßen — dann haben diese Organe des 
Kindes sehr oft eine geringere Widerstandskraft gegen an sich nicht 
übermäßige Reize, sie verfallen leichter in die Krankheiten ihrer 
Eltern. 

Koller, Kehlkopfpfeifen, Dämpfigkeit und manche Augenfehlcr 
verdanken ihre Entstehung zum Teil allerdings einer oft recht stark 
entwickelten Anlage und ererbten Konstitution; allbekannt ist ja, daß 
in manchen Familien geistige Störungen, Atmungsfehler, Sehschwache, 
usw. scheinbar erblich auftreten. 

Manche Krankheiten aber, die man früher als direkt vererblich 
ansah, sind jetzt als einfache Infektionskrankheiten erkannt, z. B. 
Mondblindheit, Tuberkulose usw. 

Bei Kälbern sieht man allerdings nicht selten angeborene Tuber¬ 
kulose, doch ist auch diese nur eine germinative oder plazen¬ 
tare Infektion durch den Tuberkelbazillus, wobei naturgemäß die 
plazentare, also mütterlicherseits veranlaßte Erkrankung fast nur allein 
in Frage kommt. 

Auch die durch das Feberstehen einer Krankheit erworbene 
Immunität ist nicht vererblich, z. B. Pocken, Maul- und Klauenseuche, 
Druse, Brustseuche usw. 

Ebensowenig ist auch der durch Impfung erlangte persönliche 
Schutz vererbbar. Theoretisch zweifelt man nicht, daß bei aktiver 
Immunisierung, durch künstliche Infektion die Bildung von Schutz- 
stoffen im mütterlichen Blute erfolgen könne und — wenn sie in 
der Plazenta passierbar sind — dann auch eine Immunisierung des 
Fötus zu ermöglichen vermöchten. 

Die durch äußere Einwirkungen hervorgerufenen Krankheits¬ 
zustände zeigen noch weniger Neigung zur erblichen Febertragung. 



Forschungszielc und -orgebnisse auf dem Gebiete der Haustierzucht. 175 

Gefürchtet ist bei Pferdezüchtern Spat und Schale. Wenn ein 
ganz normales, vielleicht sogar herkulisch gebautes Spmnggelenk 
deshalb spatig wird, weil es fortgesetzt überanstrengt wurde, so 
ist dieser Spat nicht vererblich, ein vom Mutterleibe aus mit 
mangelhafter Konstruktion oder großer Schwäche versehenes Gelenk 
kann dagegen schon nach einer keineswegs übermäßigen Anstrengung 
spatig werden, man kann hier also auch nur von einer Anlage reden. 

Daß die durch äußere Einwirkungen erworbenen Eigenschaften 
nicht vererblich sind, wird bewiesen durch das Kupieren der Ohren 
und des Schwanzes bei Hunden bezw. Pferden, durch die seit 
5000 Jahren übliche Zirkumzision der Juden, die Perforation des 

Hymens, die verkrüppelten Füße der Chinesen, die durch schlechten 
Beschlag deformierten Hufe der Pferde. 

Zu den Fehlern und Mängeln im engeren Sinne rechnet man 

für gewöhnlich die Formfehler bei der Kritik eines Tieres nicht 
und doch sind diese sog. Schönheitsfehler oft von sehr großer 
Bedeutung; ich erinnere nur an die mangelhaft geformte Wirbelsäule, 
die Länge und die abnorme Stellung einzelner Knochen der Extremi¬ 
täten, wozu auch die mangelhafte Einschienung des Tarsalgelenkes 
gehört. All diesen Mißständen liegt wohl eine erbliche Anlage 

zugrunde, je nachdem aber müssen doch noch besondere Reize ein¬ 

wirken, welche die schlummernde Krankheitsanlage zur Entwickelung 
bringen oder aber die fraglichen Körperteile waren vom Mutterleibe 
aus nicht kräftig genug, um den gewöhnlichen Reizen erfolgreich zu 
widerstehen. 

Als Korrektiv kann hier nur die mit größter Subjektivität be¬ 
wirkte Zuchtwahl, die Sachgemäßeste Aufzucht, Haltung, Pflege und 
Benutzung in Frage kommen, es ist dafür zu sorgen, daß die Ent¬ 
wickelung der in der Anlage vorhandenen Unregelmäßigkeit 
oder Krankheit erschwert oder gänzlich verhütet werde; 
das ist auch eine Aufgabe der Hygiene, aber auch der Konstitutions- 
Pathologie und Therapie und nicht zuletzt auch der praktischen Bio¬ 
logie. Die künstliche Zuchtwahl, nicht die natürliche Wahlzucht, 
muß hier besonders vorsichtig gehandhabt werden. Passendes mit 
Passendem gepaart gibt Passendes, Gutes mit Besserem gepaart gibt 
Besseres, Gleiches mit Gleichem gepaart gibt Gleiches, dagegen führen 
diametrale Extreme nicht zum Ausgleich, wohl aber zu Karrikaturen, 
denn Krankes mit Krankem gepaart kann etwas Gesundes nicht 
geben; Hecht- und Ramskopf, Mäuse- und Kuhohren, Senkrücken 



176 


KAISER, Forschungsziele und Forschungsergebnisse usw. 


und Spannrücken, Bockbeinigkeit und Kalbbeinigkeit, überbogigc und 
ungebogene Wolle pp. können hier als Beweise gelten. 

Ob die Stärke oder Dicke der Vordermittelfußknochen, der Röhre 
der Pferde, vererblich ist, muß noch bewiesen werden. 

Versuchen wir es nun, alle die erwähnten Anschauungen und 
Behauptungen, alle sogenannte Erfahrungsgrundsätze und Axiome 
jedes Beiwerkes zu entkleiden, stellen wir uns auf eine rein objektive 
Basis, dann müssen wir zugestehen, daß der Schöpfer seine Geschöpfe 
nicht unter starre, unbeugsame Vererbungsgesetze gestellt hat, er hat 
ihnen vielmehr einen sehr großen Spielraum zu ihrer Entwickelung, 
zu ihrer Anpassung, zu ihrer Variation gegeben, er läßt sogar 
Bastardierungen zu, aber er hat auch dafür gesorgt, daß keine Ent¬ 
artungen eintreten, indem er den Tierbastarden ein Vererbungsrecht 
nicht verliehen hat. 

Wir wünschen und hoffen, daß es der Deutschen Gesellschaft 
für Züchtungskunde gelingen möge, aus der Fülle der Abstraktionen 
und Deduktionen autorative Lehrsätze — sine ira et studio — zu 
formulieren, welche sich auf objektive, wahrheitsgetreue Beobachtungen 
stützen, manches Rätsel wird dann seine Lösung finden: zum Segen 
der landwirtschaftlichen Tierzucht. 



X. 

Aus dem pathol.-anatom. Institut der Kgl. Tierärztl. Hochschule iu München. 

Knochensequestration am Vorarm eines Fohlens. 

Von 

Prof. Dr. Kitt. 

(Mit 3 Textfiguren.) 

Eine der interessantesten Heilreaktionen, die im Körper des Men¬ 
schen und der Tiere bei Gewebsläsionen sich einstellen, ist die natür¬ 
liche Reparatur solcher Knochendefekte, bei welchen ein abgestorbenes 
größeres Knochenstück durch eine ringsum sich entwickelnde Knochen¬ 
lade sowohl abgekapselt, wie der Funktion nach wieder ersetzt wird. 

Der Vorgang dieser Sequestration und der Bildung des 
neuen Knochens ist in der Chirurgie des Menschen viel bekannt, 
besonders bei Knochenbrüchen und eitrigen Periostitiden beobachtet, 
wo größere nicht resorbierbare tote Fragmente im Kallusgewebe zum 
Einschluß kommen oder ein vom Periost entblößtes Knochenstück 
nekrotisch wird. 

Bei den Haustieren sind solche Frakturen und Knochennekrosen 
zwar auch häufig, aber der volle Ausbau einer Totenlade wird selten 
beobachtet, weil er wegen der Langwierigkeit des Heilvorganges ge¬ 
wöhnlich nicht abgewartet wird, sondern der Tierbesitzer es vorzieht, 
der Unkosten und Kurschwierigkeiten halber, das kranke Tier töten 
zu lassen. 

Nur die kleinen umschriebenen partiellen Nekrosen, wie sie an 
den Hals-, Rücken- und Schweifwirbeln, an der Kieferlade, am Strahl- 
und Hufbein nach traumatischen Läsionen und Eiterungsprozessen zu¬ 
stande kommen, sind häufiger Gegenstand der Behandlung, weil hier 
durch operative Eingriffe der nekrotische Teil eher zu beseitigen und 
eher ein Abschluß der Eiter- und Fistelbildung zu bewerk¬ 
stelligen ist. 

Archiv f. wissenseb. u. prakt. Tieibeilk. Bd. 36. Sappl.-Band. 


12 



178 


KITT, 


Abkapselung fingerlanger Knochenstücke bei großen Splitter- 
frakturen ist vornehmlich beim Wilde als Beispiel der großen vis 
raedicatrix naturae anzutreffen, wo gelegentlich eine mächtige Kallus¬ 
masse das ganze doppelt abgebrochene Röhrenstück des Unterschenkels 
von den gesunden Epiphysen aus umwächst, verknöchert und so dem 
Fuße wieder Halt gibt. 1 ) 

Totalnekrosen sind am öftesten am Vorarm des Hundes bei trau¬ 
matischer eitriger Periostitis zu sehen, wo neben der Eiterung eine 
gleichzeitig von der gesunden Ulna oder den Epiphysen des Radius 
ausgehende Osteophytenwucherung das nekrotische Stück mantelartig 
umgibt und bis zu einem gewissen Grade den Defekt ausgleicht, hier 
jedoch zu keiner vollständigen Heilung führend, weil die monatclange 
Eiterung und Fistelbildung das Tier kachoktisch werden läßt und der 
lokale Zustand nie eiterungsfrei wird. 2 ) 

Bei der Seltenheit typischer Totenladen-Sequestration größeren 
Umfangs beim Pferde dürfte die nebenstehende Abbildung eines 
solchen Falles interessant erscheinen; ich verdanke das seltene Prä¬ 
parat der Gefälligkeit des Herrn Distriktstierarztes Wöhner (Hornbach 
in Lothr.). Es handelt sich um die traumatische Nekrose der 
ganzen Voramdiaphyse der linken Vorderextremität eines 
Fohlens, bei dem ein vollständig neuer Vorarmknochen in der 
Fonn einer Totenlade entstand, welche den alten Radius total seque¬ 
strierte und ihren Hohlraum eingeschlossen hat. Das Fohlen kam im 
Februar 1904 zur Welt und war von der Stute, welcher die Eisen 
nicht abgenommen worden waren, getreten worden. Als Einsender 
das Fohlen zur Behandlung bekam (erst Mitte April) zeigte es den 
bis zum Karpus mächtig angeschwollen und aus mehr als einem 
halben Dutzend Fistelöffnungen eiternd. Von der Schulter ab ließ 
das Tier den kranken linken Fuß herabhängen, ohne sieh irgend wie 
darauf zu stützen. Da die Eiterung aus den vielen Fistelöffnungen 
bei einem Behandlungsversuch nicht nachließ, wurde die Diagnose auf 
die Anwesenheit eines großen Knochensequesters gestellt und bei den 
geringen Aussichten für baldige Heilung das Tier im Juni getötet. Es 
hat sonach 3—4 Monate an dem Leiden laboriert. An den mir in 
bereits mazeriertem Zustande übermittelten, nebenstehend photo¬ 
graphisch abgebildeten Knochen der Vorarme beider Extremitäten ist 

1) Abbildung s. in meinem Lehrbuch der pathol. Anatomie der Haustiere, 
111. Aufl. Stuttgart, F. Enke, 1906. 

’l) Abbildung, loc. cit. 




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180 


KITT, 

Der kranke Vorarm präsentiert sich äußerlich als stark verdickter 
Radius. Die Epiphysen sind ebenso scharf abgegrenzt wie beim ge¬ 
sunden, die obere ist 7 cm breit und 1 cm hoch, die untere 7,5 cm 
breit und 3 cm hoch; letztere ist also nach der distalen Fläche zu 
dicker, auch an der äußeren Oberfläche etwas durch ossifizierende 
Periostitis rauhwarzig. Die Diaphyse ist 21 cm lang und durchaus 
nicht unter 5 cm breit; sie erscheint also im mittleren Korpusteil 
nicht schlanker, sondern das ganze Corpus radii hat eine dicke plumpe 
Form; sein Umfang bemißt sich in der Mitte auf 15,5 cm im 
unteren Drittel auf 16—17 cm, im oberen am collum radii ebenfalls 
auf 17 cm. Das Spatium interosseum ist erhalten. Die Facies 
articularis carpea des Radius ist etwas rauh, angefressen, ebenso zeigen 
die Ossa carpi superiora usurierte Gelenkflächen und periostale Rauhig¬ 
keiten. 

Der neu zugebildete verdickte Radius ist auf der Oberfläche nicht 
so glatt wie der normale, sondern mehr sammetartig, auf der hinteren 
dem Muskelansatz dienenden Fläche ziemlich rauh; am unteren und 
oberen Ende läßt er gerade so wie der normale Radius des anderen 
Fußes die der Architektur entsprechende Längsrichtung der Knochen- 
bälkchen erkennen. 

Verstreut über die ganze Diaphyse finden sich Oeffnungen von 
Hirsekorn- bis Erbsengroße, 1—10 mm breit, durch welche man 
mit ebenso dicken Sonden eindringen kann; die größeren Löcher sind 
namentlich auf der medialen und lateralen Seite, auf der vorderen 
Fläche die kleineren. Diese Ausflußlöcher des Eiters sind rundlich 
wie ausgebohrt, teilweise etwas unregelmäßig rundlich ausgebuchtet, 
einzelne mit niedrigem, rauhem, osteophytärem Randwulst umgeben. 

Beim Schütteln des Knochens hört und spürt man, daß im Inneren 
»‘in Sequester hin und her schlottert, ähnlich wie in einer Schublade 
ein loses Holzstück bei Bewegung sich bemerkbar macht. 

Beim Aufsägen des Knochens, welches so vorgenommen wurde, 
daß eine förmliche Türöffnung entstand, erblickte man den Sequester 
als ein Knochenstück von 17Y2 cm Länge, 2— 2 V 2 cm Breite, das 
offenbar den ganzen Radius vorstellt, in der Totenlade ruhend. 

Dieser Sequester hat eine braungraue, poröse, bimssteinähnliche 
und zerfressen aussehende Oberfläche und ist knochenhart. 

Die Totenlade liegt dem Sequester nicht dicht auf, sondern dieser 
liegt ganz lose darin, wie in einer Truhe, so daß ringsum ein 
Zwischenraum von ungefähr 1 cm gegeben ist. Die Wände der 




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182 


KITT, Knochensequestration am Vorarm eines Fohlens. 


Tiefe etwas spongiös aber rauh und furchig uneben. Die Totenlade 
ist somit derart dickwandig und auch in der anatomischen Form so 
der Diaphyse des Radius nachgebildet, daß sie einen vollkommenen 
knöchernen Wiederersatz des abgestorbenen Röhrenknochens hinsicht¬ 
lich der Gestalt und Tragfähigkeit repräsentiert, indes die andauernde 
Eiterung die Heilung unvollkommen erscheinen läßt. 

Theoretisch könnte man denken, daß durch Scquestrotomie (die 
aber in einem solchen Falle beim Tier sehr schwierig ist und bis 
zur Sistierung der Eiterung vielwöchige Wartezeit bedingen würde) 
eine Heilung vielleicht möglich gewesen wäre, aber der kachektische 
Zustand und die Komplikationen der Eiterung in den Weichteilen 
wären auch noch in Betracht gekommen. 

Da es sich um eine Totalnekrose der ganzen Diaphyse handelt, 
muß man annehmen, daß durch den schweren Tritt, welchen die 
Stute mit eisenbeschlagenem Fuße dem Fohlen zugefügt hat, entweder 
die Diaphyse an ihren beiden Enden von den Epiphysen losgetrennt 
wurde, ohne aus der Lage zu kommen, oder daß die schwere trauma¬ 
tische Verletzung eine derart umfangreiche Abtrennung und Vereite¬ 
rung des Periosts bedingte, daß das ganze Mittelstück des Vorarms 
nekrotisch wurde, oder es war beides zusammentretfend. Bei Fraktur 
erwartet man in der Regel eine Dislokation der Fragmente, doch tritt 
solche Verschiebung nicht jedesmal ein. 

Es ist ganz gut denkbar, daß in vorliegendem Falle die Diaphyse 
zwar an beiden Enden abgebrochen ist, aber die starken Gelcnks- 
bänder und das Ellenbogenbein soviel Halt gaben, daß die Diaphyse 
den Epiphysen adaptiert blieb, worauf sowohl von den Epiphysen aus, 
wie von der osteogenen Schicht des mehr oder minder abgerissenen 
Periosts, welche beide bekanntlich eine erstaunliche Reproduktions¬ 
kraft namentlich am jugendlichen Individuum besitzen, die starke und 
große Totenlade erbaut wurde, welche, da keine Dislokation bestand, 
die Form und Längenausdehnung des Radius erhielt. 



XI. 


Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin 
(Vorstand: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Schütz). 

Untersuchungen über die Einwirkung der Kastration auf 
die Hypophyse bei Pferden. 

Von 

Dr. H. Kühn, Stabsveterinär. 


Im Jahre 1905 veröffentlichte Fichera im Arch. ital. d. ßioiog. 
in der Arbeit: „Sur l’hypertrophie de la glande pituitaire consecu- 
tive a la castration“ Versuche, aus denen er folgerte, daß die Hypo¬ 
physe kastrierter Tiere ein größeres Volumen und schwereres Gewicht 
hat als die der normalen Tiere derselben Art und eine auffällige 
Vermehrung der eosinophilen Zellen zeigt. 

Auf Anregung des Herrn Geheim rat Schütz übernahm* ich es 
an dem in seinem Institut zur Verfügung stehenden Material zu 
prüfen, ob die von Fichera besonders bei dem Geflügel, den Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen, aber auch bei Büffeln und Rindern be¬ 
obachteten Erscheinungen bei Pferden zuträfen, d. h. festz’ustellen, ob 
auch bei diesen die Kastration einen Einfluß auf die Größe 
der Hypophyse ausübe. 

Obwohl Embryologen, Histologen, Physiologen und Pathologen 
nach den verschiedenen Richtungen hin über Bau und Funktion der 
Hypophyse Klarheit zu schaffen suchten, müssen wir doch bekennen, 
daß unser Wissen bisher nicht wesentlich gefördert ist. 

Bekanntlich ist der Gehirnanhang aus 2 Teilen zusammengesetzt, 
deren Heterogenität sowohl in Bau wie Genese festgestellt ist; der 
Hinterlappen (beim Menschen, denn bei den Tieren ist z. T. eine 
andere Lagerung vorhanden) ist ein Hirnteil, der Vorderlappen eine 
vom Ektoderm stammende Drüse. 

Virchow nennt den Hinterlappen Filum terminale anterius und nach 
Ben da ist die primäre Endigung des Medullarrohrs in der Gegend des Hypophysen¬ 
lappens zu suchen. Der Hinterlappen besteht vorwiegend aus Neuroglia, die 
allerdings weniger entwickelt ist, als die des Gehirns; es fehlen ihm die nach 
Weigert für das Gehirn und Rückenmark charakteristischen Fasern, dagegen 



184 KUEHN, 

findet sich darin weit mehr echtes kollagenes Bindegewebe als sonst im Gehirn. 
Er'enthält ferner Nerven und Ganglienzellen, aber keine markhaltigen Nervenfasern. 
Alle Gebilde erscheinen rudimentär, die Ganglienzellen sind stark pigmentiert und 
enthalten nicht die basophilen Nisslkörperchen. 

Der vordere, drüsige Teil des Gehirnanhangs hat sich, wie die Untersuchungen 
von W. Müller, Mihalkovicz (40) und Anderen gezeigt haben, aus der primi¬ 
tiven Mundhöhle gebildet und repräsentiert nichts anderes als das Homologon 
einer Ausstülpung dieser Höhle im embryonalen Stadium (Rathkesche 
Tasche). Um die Zeit der Bildung der Schädelbasis schnürt sich diese Aus¬ 
stülpung von der Mundhöhle ab, obwohl sie mit der letzteren noch eine gewisse 
Zeit lang durch einen Kanal, den sog. Hypophysengang, im Zusammenhang 
steht, welcher später vollständig obliteriert. Vor dem gänzlichen Verschluß dieses 
Kanals beginnt das Epithel am unteren Teile des ausgestülpten Säckchens, an der 
Stelle, wo es sich mit dem Gang verbindet, zu wuchern und zu einem soliden Fort¬ 
satz nach vorn und oben auszuwachsen. Das Lumen des Hypophysensäckchens 
entsendet in den soliden Fortsatz eine kleine Bucht. Der Hypophysengang verliert 
sein Lumen und stellt einen dünnen soliden Epithelstrang dar, der das Epithel des 
Schlundes mit dem soliden Fortsatz des nypophysensäckchens verbindet und 
zwischen beiden Keilbeinknorpeln verläuft. 

Peremeschko (44) sah auf Querschnitten der menschlichen und tierischen 
Drüse spaltförmige Zwischenräume, welche scheinbar einen Teil der Drüse 
von dem andern trennen. Auf dem durch die Mitte gehenden Horizontalschnitt 
einer in Alkohol oder Müllerscher Flüssigkeit gehärteten Hypophysis unter¬ 
scheidet er: 

1. den vorderen drüsigen Teil von grauroter Farbe, 3 / 4 des Schnittes 
einnehmend: die Korkschicht, 

2. den Kanal mit einem in diesem Teil sichelförmigen Verlauf von rechts 
nach links, 

3. einen schmalen, den hinteren Teil der Drüse halbkreisförmig umgebenden 
Streif, der sich durch die weiße Farbe von dem vorderen Teil unterscheidet: Mark- 
Schicht, 

4. den hinteren Teil der Drüse von grauweißer Farbe, 

o. eine schmale Schicht von schwammiger Substanz, welche den 
hinteren Teil mit der Kapsel verbindet, 

l». eine weiße Schicht von glänzender Farbe, welche ungefähr Vs des 
ganzen Schnittes cinnimmt und als eine Verdickung der Kapsel erscheint. 

Flesch (21) machte zuerst auf die differente mikrochemische Re¬ 
aktion der beiden Zellarten der Hypophysis aufmerksam, welche nach der Färbung 
mit Weigertschem Eisen-Hämatoxylin oder nach der Merke Ischen Indigo-Borax¬ 
karminfärbung mit den beiden Zellarten der Labdriisen des Magens so sehr über- 
cinstimmen, daß die Bilder fast zum Verwechseln ähnlich sind. 

Lothringer (88) hat unter Fleschs Leitung weitere Untersuchungen aus¬ 
geführt. An den nach Merkel gefärbten Schnitten einer Hypophysis des Hundes 
sieht man zwischen den grasgrünen Gefäßstrecken tief dunkelblaue und rote Zell¬ 
inseln erscheinen. Die dunkle Färbung rührt von der Existenz chromophiler 
Zellen her, die im Epitbelsaum fehlen. Die Zellen in den Zwischenräumen des 
Gefäßmaschenwerks sind meist in Ketten angeordnet, welche 2—3 Zellkörper in der 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d.Hypophyse b. Pferden. 185 

Querrichtung gleichzeitig erkennen lassen; dort, wo sie im Querschnitt getroffen 
sind, sicht man einen ganz engen, von den Zellen umgrenzten Hohlraum, etwa dem 
Durchmesser einer Zelle gleich. An feinen Schnitten tritt sehr deutlich eine Be¬ 
ziehung der Zellen zu den Gefäßen hervor, sie sind denselben wie ein Epithelbelag 
angelagert und zwar ist es meist die größere von den beiden Zellformen, welche 
der Endothelwand der Gefäße unmittelbar angelagert erscheint. Die das Lumen 
des Schlauches begrenzenden Epithelion sind gebildet aus ein wenig langgestreckten, 
oft zylindrischen Zeilen, deren freie Fläche scharfkantig abgestutzt erscheint. An 
manchen Stellen zeigen sich unmittelbar unter den zylindrischen (die Schläuche 
begrenzenden Zellen) zuweilen sich eindrängend größere, bei Karmintinktion un¬ 
gefärbte Zellen, welche durch ihr homogenes Aussehen an Becherzellen erinnern. 
Beim Pferde hat L. eine Hypophysenspalte nicht gefunden, gleichwohl ist färbe¬ 
risch die Abgrenzung eines epithelialen Körpers in sehr differenter Weise zu be¬ 
obachten. Es sind auch hier die Zellformen, welche sich für oben genannte Farb¬ 
stoffe auszeichnen, im Epithelkörper so angehäuft, daß dessen Färbung bei An¬ 
wendung geeigneter Reagentien dunkler erscheint als die des von solchen Zellen 
freien Gebietes. Nun ist leicht die Existenz einer schmalen, dem Hirnteile sich 
anschließenden Zone zu erkennen, sie entspricht dem Epithelsaum des Hundes. 
Sie entbehrt gleich diesem der chromophilen Zellen, enthält Zysten, deren Inhalt 
in höchst auffälliger Weise in seinem Tinktionsvermögen mit den großen Zellen 
übereinstimmt; Eosin, Hämatoxylin-Indigo und Osmiumsäure zeigen die gleiche 
Prädilektion für den Inhalt jener Zysten, sodaß man auf eine Beziehung zwischen 
beiden zu schließen geneigt ist. 

Die Verteilung der Zellformen scheint sich so zu gestalten, daß die chromo¬ 
philen Zellen an der Oberfläche in einer schmalen Zone, die dem Piaüberzuge fest 
anhaftet, angehäuft sind und sodann in dem dem Epithelsaum des Körpers an¬ 
grenzenden Teil sich in größerer Menge finden. 

In diesen beiden Gebieten finden sich an Hämatoxylin-Präparaten oft ganze 
Schläuche von tief schwarzer Farbe, während in dem von ihm umfaßten, schon 
makroskopisch helleren Teil die Zellen zerstreut liegen, den einzelnen Schläuchen 
angefügt, etwa wie die Labzellen den Magendrüsen der Hauptzellen. Die Gefäße 
sind da am reichlichsten verteilt, wo sich die meisten chromophilen Zellen finden. 
Durch die Untersuchungsergebnisse wurde L. darauf geführt, daß in der Hvpo- 
physis Bestandteile enthalten sind, welchen eine aktive chemische Funktion zu¬ 
kommt. Die Reaktionen der chromophilen Zellen sind die gleichen, wie die der 
Belegzellen der Magendrüsen, deren chemische Aktivität unbezweifelt ist. Schwierig 
ist allerdings die Frage zu beantworten, welcher Art die Tätigkeit der Hypophysis 
sein könnte. Hier scheint L. aber durch das Verhalten der Kolloidsubstanz ein 
positiver Hinweis auf eine sekretorische Tätigkeit, wie sie von den meisten Seiten 
dem Vorderlappen der Hypophysis zugeschrieben wird, gegeben zu sein. Wenn 
auch eine absolute Identität nicht bestehe, so fehle es ja nicht an Analogien aus 
der Physiologie des Pankreas und der Magendrüsen, welche dafür sprechen, daß 
das Sekret in den Driiscnzcllen nicht in seiner fertigen Zusammensetzung enthalten 
sei. Dann müssen wir freilich annehmen, da ein Abfluß jenes hypothetischen 
Sekretes auf freie Flächen nicht denkbar ist, daß cs der Resorption in den Hohl¬ 
räumen des Organs anheimfalle. Die Durehflechtung der epithelialen Elemente mit 



186 Kl'EHN, 

weilen dünnwandigen Gefäßschlingcn wäre damit vielleicht in Zusammenhang zu 
bri ngen. 

Nach Dostoicwsky (17). der gleichzeitig niitFlesch seine Pntersuchungen 
vorgenommen hatte, besteht das Parenchym ausschließlich aus in Drüsenbläschen 
gelagerten Zellen: Die körnige Masse und die freien Kerne, welche von manchen 
Autoren beschrieben werden, sind Zerfallsprodukte der Zellen. Die Zellen sind 
nicht gleich, sondern zweierlei Art, die einen sind grobkörnig, messen 0,015 bis 
0.025 mm und besitzen eine dunkle Farbe, die anderen sind viel kleiner, voll¬ 
kommen homogen, klar und hell. Bei Hämatoxylin-Eosin färben sich die körnigen 
Zellen tief rosa, die Zellen der zweiten Art nehmen an dieser Färbung fast gar keinen 
Anteil. Nach Färbung in */ 4 —'/ 2 proz. Lösung in Ueberosmiumsäure und Färbung 
in Pikrokarmin sind die körnigen Zellen dunkelbraun, die übrigen blaßgelblich. 
Die körnigen Zellen sind größer als die homogenen und resistenter gegen Säuren 
und Alkalien, während die hellen Zellen dabei aufquellen und zerfallen. 

Rogowitsch (49) beschreibt außer den bisherigen beiden Zellsorten noch 
eine dritte, die er Kernhaufen nennt: Reichliches, unfertiges, unbegrenztes Gewebe: 
Kern an Kern in mehr oder weniger gleichmäßiger spärlicher, nicht differenzierter 
Grundsubstanz, die sich beim Färben wie das Protoplasma der Hauptzellen verhält. 

In dem von chromophilen Zellen freien dreieckigen Raum, welcher die vor¬ 
deren. mittleren Partien der Drüsenschicht cinnimmt und nach vorn allmählich in 
ein der Markschicht ähnlich gebautes Gewebe übergebt, sieht man nur Kernhaufen: 
deutliche Hauptzellen sind kaum nachzuweisen. Tn der die Kerne umgebenden 
(nach Merkel bläulich gefärbten) Substanz finden sich ziemlich selten scharf be¬ 
grenzte kleine runde Löcher (Vakuolen). 

Funktionell zerfällt der ganze epitheliale Teil der Drüse nach Rogowitsch 
in zwei Abschnitte: 

a) Die Zellen der Markschicht und Mantelschicht liefern freies 

Kolloid, welches entweder unmittelbar dem Blutstrom übergeben wird oder sich in 
kleineren und größeren Zysten ansammclt, 

b) In den chromophilen Zellen wird das Kolloid gewissermaßen ge¬ 

bunden in ihrem Protoplasma angetroffen, um aller Wahrscheinlichkeit nach eben¬ 
falls in den Säftestrom aufgenommen zu werden. 

Stieda (57). der die Versuche Rogowitschs nachprüfte, konnte die Be¬ 
hauptung desselben inbetreff der Kernhaufen nicht als zutreffend ansehen. Dagegen 

kann er den neuen Befund Rogowitschs über das Vorhandensein der Vakuolen 

bestätigen, er findet sie in dem hellen feingranulierten Protoplasma der Haupt¬ 
zellen des dreieckigen Raumes, aber nicht mit so scharfen Rändern: er hat den 
Eindruck, als ob sich das zarte Protoplasma stellenweise verflüchtigt hätte. Selten 
findet sich die Vakuolenbildung auch an den Hauptzellcn der übrigen Driisenab- 
schnitte, nicht aber an den chromophilen Zellen. 

Die von Stieda beobachtete Vergrößerung der Hvpophvsis nach Entfernung 
der Schilddrüse beim Kaninchen beruht nach seinen Präparaten im Wesentlichen 
auf einer Hypertrophie, besonders der Hauptzellen des dreieckigen Raumes, ver¬ 
bunden mit erhöhter Vakuolisierung. 

Mit Rogowitsch nimmt er an, daß diese schnell auftretende Hypertrophie 
der Ausdruck einer erhöhten Tätigkeit der Hypophysis sei. welche fiir den Ausfall 
der Schilddrüse cintritt. Welcher Art diese Funktion sei, vermag er nicht zu 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b.Pferden. 187 

sagen. Dieselbe als vermehrte Kolloidbildung aufzufassen, erscheint deshalb nicht 
zulässig, weil weder er noch R. eine stärkere Ansammlung von Kolloid in den 
Follikeln der Hvpophysis hat nachweisen können. 

Schocnemann (54) findet, daß der Zell leib der chromophilen Zellen Loth¬ 
ringens bald mehr Kosin. bald mehr Hämatoxvlin annimmt und stellt somit die 
eosinophilen den blauen oder zyanophilen gegenüber, erstere sind bei manchen 
Drüsen im Uebergewioht vorhanden. Sodann erwähnt er besonders 2 Kernformen 
einmal vereinzelte, besonders große, bläschenförmige Kerne von doppeltem Durch¬ 
messer der anderen, die Chromatinkörper in weiten Distanzen, der ganze Kern wie 
aufgebläht, und im Gegensatz hierzu an dem gleichen Objekt auffallend kleine 
Kerne rund, und sehr dunkelgefärbt, entweder ganz gleichmäßig, oder die Chroma¬ 
tinkörner sehr dicht gelagert. Es ist ihm nicht unwahrscheinlich, daß bei der Um¬ 
wandlung der kernreichen Protoplasmastränge der normalen Hypophyse zu den 
Haufen der chromophilen Zellen zellige Elemente zu Grunde gehen; denn im 
Durchmesser der normalen Stränge sind 8—10 Kerne, während bei den dichten 
Haufen chromophiler Zeilen durchschnittlich 5 Kerne vorhanden sind. Außerdem 
sind diese chromophilen Zellen oft in Form eines einschichtigen Epithels um ein 
Bläschen angeordnet, das bald mit einer mehrkörnigen bald transparenten kollo¬ 
iden Masse ausgefüllt ist, in der ebenfalls manchmal Kernreste nachzuweisen sind, 
sodaß möglicherweise dieser Inhalt aus umgewandelten chromophilen Zellen hervor¬ 
gegangen ist. 

Es ist zweifelhaft, ob das Kolloid aus Drüsenzellen durch Umwandlung des 
Protoplasmas oder durch Koagulation eines von den Zellen gebildeten flüssigen 
Sekretes entsteht. Schoenemann glaubt ersteres annehmen zu müssen. Manches 
deutet auf chromophile Zellen hin, deren Protoplasma ganz oder teilweise homogen, 
stark glänzend mit Eosin intensiv gefärbt ist, sodaß man sie, wenn nicht der un¬ 
veränderte Kern da wäre, für Kolloidkugeln halten würde. 

Schoenemann ist ferner im Gegensatz zu Lothringer der Ansicht, daß 
die chromophilen Zellen einen nur ganz geringen Bestandteil der normalen mensch¬ 
lichen Hypophyse bilden, und glaubt, daß letzterer seine Versuche hauptsächlich 
an strumösen Individuen gemacht habe, ohne hierauf sein besonderes Augenmerk 
zu richten. Er sagt, man könne annehmen, daß die Entwicklung der chromo¬ 
philen Zellen ein kompensatorischer Prozeß sei, bedingt durch Ausfall der Funktion 
einiger Teile der Thyreoidea. Dann wären konsequenterweise die Chromophilen 
die funktionierenden Elemente der normalen Hypophyse und das kernreiche Proto¬ 
plasma ein mehr indifferentes, physiologisch nicht aktives Gewebe. Aber bei ihrer 
geringen Anzahl ist das nicht wahrscheinlich, besonders weil man keinen Grund 
hat, die Hypophyse von vorn herein als nicht funktionierendes Organ aufzufassen. 
Aus Unkenntnis der Funktion auf Funktionslosigkeit zu schließen, wäre, wie die 
Schilddrüse gezeigt hat, ein Irrtum. Es ist wahrscheinlicher, die Entwickelung der 
chromophilen Zellen als Degenerationserscheinungen aufzufassen, welche Hypophyse 
und Schilddrüse gleichzeitig erfaßt, da beide genetisch sehr nahe verwandte 
Organe sind. 

Ben da (3) findet als augenfälligsten Befund die chromophilen Zellen Fleschs, 
die sich bei Alizarinpräparaten durch intensiv blaue Färbung, bei Hämatoxvlin- 
Eosinfärbung durch hellrote und bei Triazid durch leuchtend rote Farbe aus¬ 
zeichnen. Bei starker Vergrößerung haben sie einen fast kugelrunden chromatin- 



188 


KUEHN, 


reichen Kern (mitunter zweikernig, selten mehrkernig), Zcllleib meist völlig gleich¬ 
mäßig mit gleich großen Körnchen ausgefüllt, die an Größe und Reaktion den 
eosinophilen Körnchen gleichen; häufig ist außer den Körnchen keine andere Grund¬ 
substanz erkennbar. 

Die Hauptmasse der übrigen Zellen des Vorderlappens sind kleine, Unregel¬ 
mäßige, zylindrische Zellen, die zwar ebensowenig wie die chromophilen eine mem- 
branöse Begrenzung zeigen und häufig in feine Fortsätze wie zerschlissen auslaufen. 
aber doch stets um den großen mehr ellipsoiden, häufig etwas gelappten, reichliche 
Chromatinmassen enthaltenden Kern einen wohlumschricbenen Zellleib besitzen. 
Letzterer färbt sich nur leicht, vorwiegend mit basischen Farben. Bei Färbung 
mit Methylcnblau-Eosin trifft man einzelne basophile Brocken, ähnlich den baso¬ 
philen Leukozyten. Dies sind die Fl es ch sehen chromophoben Zellen. 

Eine dritte wohl charakterisierte Zellform bilden Elemente, die größer als die 
chromophilen Zellen sind. Die im Ganzen blasse Färbbarkeit des Zellleibcs be¬ 
dingt es, daß, wenn mehrere Zeilen aneinanderliegen, ihre Zellgrenzen undeutlich 
und den Zellhaufen Rogowitschs identisch sein werden. Wo die Zellen allein 
zwischen den anderen liegen, ist ihre Begrenzung ohne weiteres zu erkennen, bei 
scharfen Systemen auch dann, wenn sie zusammenliegen. Die Zellen haben einen 
bläschenförmigen Kern mit meist einem großen Nukleolus; der Zellleib eine gleich¬ 
mäßige, äußerst feine, staubartige Körnung, die morphologisch etwa der der neutro¬ 
philen der Leukozyten entspricht, aber keine so ausgesprochene Farbenreaktion 
besitzt. Die Zellleiber färben sich überhaupt sehr blaß, bisweilen mehr mit den 
sauren, bisweilen mehr mit den basischen Farben, in Alizarinpräparaten stets röt¬ 
lich, in Triazid bald rötlich, bald grünlich. 

Während die früheren Beobachter die Zellformen für verschiedene Zellarten 
erklären, muß Benda dieselben nach den erkennbaren Uebergangsformen durchaus 
als verschiedene Formen oder Funktionsstadien ein und derselben Zellart anseben. 

In den kleinen chromophoben Zellen treten die azidophilen Granula zuerst 
vereinzelt auf. Durch Ansammlung dieser Elemente bilden sie sich in chromo- 
phile um, indem zunächst kleinere Zellen, die zwischen den Körnern noch baso¬ 
phile Substanzportionen erkennen lassen, die Uebergangsformen bilden. Ebenso 
erkennt man, daß die azidophilen Zellen alle Uebergänge zu den großen feinge¬ 
körnten Zellen zeigen. Zuerst treten hellere Inseln auf, die bei Bendas Färbung 
keineswegs Vakuolen, sondern Haufen der feinen amphophilcn Körner darstellcn. 
Später werden die azidophilen Körner immer seltener und sind dann nur noch 
vereinzelt innerhalb des feingekörnten Leibes zu sehen. Vakuolisation tritt unab¬ 
hängig von diesem Vorgänge auf. 

Diese Uebergänge sind bei Bendas Untersuchungsmethode nur im morpho¬ 
logischen Sinne zu verstehen, ob die dargestellte Reihenfolge der Wirklichkeit des 
Sekretionsvorganges entspricht, ist nicht ohne weiteres aus der histologischen 
Untersuchung zu folgern, sondern nur aus einigen Betrachtungen wahrscheinlich zu 
machen. Die kleinen chromophoben Zellen bilden nämlich die Hauptmasse in der¬ 
jenigen Region der Drüse, die den Ausgangspunkt der Entwickelung darstellt, der 
mittleren = Percmeschkos Marksubstanz. Diese Region, in der B. in Ueberein- 
stimmung mit den Voruntersuchern hohle Drüsenschläuche findet, enthält offenbar 
die Reste der primären Hypophysenhöhle, von deren Epithel die embryonale Aus¬ 
wucherung der Driisenschläuche des Vorderlappens hervorgegangen ist. Bei älteren 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 185) 


Individuen finden sich hier rundliche oder unregelmäßige, mit einfacher Epithel¬ 
schicht ausgekleidete, oft mit Kolloid ausgefüllte Alveolen, deren Aehnlichkcit mit 
der Schilddrüse stets betont worden ist. Hier sind in der Hypophyse stets einige 
der charakteristischen azidophilen Zellen zu finden, die Mehrzahl der Zellen ähnelt 
allerdings den Haupt- oder chromophoben Zellen, die hier in echt epithelartiger 
Anordnung meist einzeilig auftreten. Das überwältigende Ueberwiegen der kleinen 
chromophoben Zellen hier ist in die Augen fallend und dürfte für die Deutung 
derselben als Grundform sprechen. Daß andererseits die großen amphophilen 
durch Verlust der azidophilen Körnchen aus den ehromophilen hervorgehen, wird 
besonders durch ihr Vorherrschen in Greisenhypophyscn belegt. Dazu kommen 
noch andere Degenerationserscheinungen, so die Vakuolisation, ferner werden die 
Zellen unregelmäßig, erscheinen zusammengedrückt usw. Ebenso hält B. das 
Kolloid für eine Degenerationserscheinung, nicht aber für Sekret der Drüse. 

Auch Saint-Remy (48), der die feine Struktur der Hypophysiszellen unter¬ 
suchte, kommt zu dem Schlüsse, daß Haupt- und chromophile Zellen nicht ver¬ 
schiedene Zellarten, sondern verschiedene Sekretionsstadien seien, wobei die grob¬ 
granulierten sich auf der Höhe der Sekretion befinden. Die Granula sollen in ge¬ 
löster Form direkt in die Blutbahn sezerniert werden. 

Als Ergebnis seiner Untersuchungen gibt Erdheim (151) an: 

1. Die ehromophilen Zellen der Hypophyse finden sich schon bei Föten, 
wo sie noch klein und spärlich sind. Am Ende des ersten Dezenniums gleichen 
sie in bezug auf ihre Zahl den Hauptzellen, im mittleren Lebensalter sind sie in 
der Majorität und werden im Grcisenalter wieder seltener. 

2. Im Anfänge des postfötalen Lebens boginnen im vorderen Lappen der 
Hypophyse zunächst ganz feine Fettkörnchen aufzutreten, die bis ins höchste 
Greisenalter kontinuierlich an Größe zunehmen, bis sie über kerngroß werden. 

3. Die Formen der Körnchen sind sehr mannigfaltig. Es kommen Voll- und 
Kingkörner und die verschiedensten vakuolären Formen vor. Die violetten 
ehromophilen Zellen enthalten im späteren Alter wenige aber sehr große, die an¬ 
deren Zellen zahlreiche sehr kleine Fcttkürncr. 

4. In der epithelialen Auskleidung der zwischen Vorder- und Hinterlappen 
liegenden Cysten finden sich ebenfalls Fettkörner, die aber regellos in den Zellen 
liegen. 

5. In höherem Alter wachsen fettarme somit neugebildete Gcwebspartien des 
Vorderlappens in den Hinterlappen hinein. 

Thom (60) bestätigt nach seinen Untersuchungen den von Schoencmann 
hervorgehobenon Unterschied zwischen zyanophilen und azidophilen Zellen, hält 
sic aber, entgegen Sch., für normale Bestandteile und zwar so, daß Va sämtlicher 
Yorderlappenepitbelien eosinophil ist, während die Menge der zyanophilen Elemente 
einen bedeutend kleineren Teil ausmacht. Der dreieckige Kaum Kogowitschs ist 
beim Menschen ebenfalls vorhanden. Zwischen den nach vorn divergierenden 
Hauptbindcgewebsbalken gelegen, enthält er jedoch, entgegen den Angaben jenes 
Autors, stets zyanophile Zellen, während die seitlichen Gebiete wesentlich aus 
eosinophilen Elementen bestehen. Die früher als HauptzeJlen benannten Gebilde 
bezeichnet Thom als schwach zyanophile, schwach eosinophile und ungefärbte 
oder chromophobe Zellen. Ihr Protoplasma färbt sich offenbar infolge einer wenig 
ausgeprochenen Filarmasse bei keiner \on Th. angewendeten Methode. 



190 


KUEHN, 

Die gleiche. Unfähigkeit der Färbung zeigen .stellenweise die Interfollikularräume. 
Daß letztere kein Produkt der Schrumpfung sind, dafür spricht ihr häufiger, fein¬ 
körniger Inhalt sowie der gleiche Befund an Flemmingpräparaten. Chromophobe 
Zellen und Interfollikularräume erscheinen somit chemisch verwandt, allein nicht 
völlig homolog, denn die Interfollikularräume enthalten noch zahlreiche feine Gra¬ 
nula, welche intensiv gefärbt und daher als chroinophil zu bezeichnen sind. Wenn 
nun die starke Tinktion der chromophilen Elemente eine reiche Anhäufung chemi¬ 
scher konzentrierter Substanzen bedeutet, so erscheint die Annahme einer Ver¬ 
dünnung ihrer Sekretstoffe durch ehromophobes Sekret nicht allzu gezwungen. 
Letzteres ist von van der Stricht und ltothstein fiir das Nieren- und von 
Andersson für das Schilddrüsencpithel nachgewiesen. (O. Anderson. Zur 
Kenntnis der Morphologie der Schilddrüse. Arch. f. Anal. 1894.) 

Thom stellt die Hypothese auf: 

Die stark chromophilen Zellen der Hypophyse erzeugen ein chromophiles 
Sekret in Form feiner Granula. Die Zellgrenzen werden undeutlich, der Kern 
rückt zur Peripherie, hier treten die Granula aus und mischen sich mit einem von 
tlen chromophobcn Elementen gelieferten unfärbbaren Sekretstoffe. Entweder diffun¬ 
diert dieses Gemisch durch die Membrana propria, wie es für die perifollikuläre 
Lymphe ebenfalls gilt, oder aber es kommt zu einer Degeneration, einer Schmelzung 
einer Randzelle mit umschriebenem Schwund der Membrana propria. Damit ist 
die freie Kommunikation mit dem interfollikulären Lymphraum gegeben. Eine 
solche ist durch Biondi und Laugendorf für die Schilddrüse bewiesen. 

Es wäre zu unterscheiden: 1. ein in traf ol likul ä res meist konzen¬ 
triertes Kolloid, 2. ein peri- oder interfollikuläres, sehr dünnes Kol¬ 
loid, 8. ein Cystenkolloid in der Höhle und in Cysten von wechselnder Kon¬ 
zentration. 

Außer auf histologischem Wege suchte man gleichzeitig oder 
etwas später durch physiologischen Tierversuch oder Beob¬ 
achtung an Kranken das Rätsel des Zwecks und der Funk¬ 
tion der Hypophyse zu lösen, besonders nachdem Brown- 
Sequard auf seine Versuche hin gegen Ende der achtziger Jahre 
des vorigen Jahrhunderts die Lehre von der inneren Sekretion 
begründet hatte. Durch Blut und Lymphe werden den Gew r eben und 
Organen die erforderlichen Nährstoffe zugeführt, von den Zellen 
assimiliert und die entstehenden Stoffwechselprodukte teils durch die 
Gewebsflüssigkeiten nach außen transportiert, teils direkt oder umge¬ 
staltet in bestimmten Geweben aufgespeichert. Der Stoffwechsel der 
Verdauungsdrüsen z. B. liefert Produkte, die mittels der Ausführungs¬ 
gänge in den Verdauungskanal gelangen, wo sie dem Interesse des 
ganzen Organismus dienen. Als „spezifische Sekretion“ wird die 
Produktion von bestimmten charakteristischen Substanzen aufgefaßt, 
und da diese spezifische Eigenschaft nicht nur den Drüsen im engeren 
Sinne zukommt, sondern eine Eigentümlichkeit sämtlicher Gewebe ist. 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 191 

also die Funktion der Zelle darstellt, so hat man besonders von 
französischer Seite her den gesamten Stoffwechsel als innere Sekretion 
bezeichnen wollen. 

Abgesehen von diesem allgemeinen Standpunkt sind wir gewöhnt, 
unter dem Begriff der inneren Sekretion nur die Vorgänge in den 
Drüsen ohne Ausführungsgang zu gebrauchen, die den Anatomen 
schon lange bekannt sind und wegen ihres ßlutgefäßreichtums und 
drüsenähnlichen Baues als Blut- oder Blutgefäßdrüsen bezeichnet 
werden. Man rechnet hierher die Schilddrüse, Epithelkörperchen, 
Hypophyse, Zirbeldrüse, Nebennieren und Thymus. 

Der Gedanke, daß die Keimdrüsen außer der Bedeutung 
für die Fortpflanzung noch andere für den Gesamtorganis- 
mus wichtige Funktionen haben müssen, wie das die Er¬ 
scheinungen der Pubertätszeit und die Veränderungen nach Ausfall 
oder Zerstörung ihrer Tätigkeit zeigen, veranlaßten ßrown-Sequard, 
seine dahinzielenden Versuche anzustellen. Nach subkutaner Injektion 
von Hodenextrakt beobachtete er eine Steigerung der geistigen Fähig¬ 
keiten, eine größere Widerstandsfähigkeit in geistiger und physischer 
Arbeit, Besserung der Verdauungstätigkeit und andere ähnliche Er¬ 
scheinungen. 

Diese Beobachtungen begegneten zunächst großem Zweifel, aber 
weitere Untersuchungen bestätigten teilweise den Befund, und die 
Theorie der inneren Sekretion erwarb viele Anhänger. Wenn man 
nun auch der Ansicht zuneigt, daß diese Tätigkeit eine Eigenschaft 
aller Organe ist, so ist darüber doch noch sehr vieles unklar und so 
vor allem auch was die Hypophyse anbetrifft. 

Um aus den sichtbaren Folgen einer Operation — Exstirpation 
der ganzen Drüse — auch nur annähernd verwendbare Schlüsse 
ziehen zu können, ist es erforderlich, schon irgendwelche sicheren 
Anzeichen über die Natur der festzustellenden Verrichtungen zu be¬ 
sitzen. Bei den Organen aber wie den Gefäßdrüsen, wo solche An¬ 
zeichen meist fehlen oder höchst lückenhaft sind, muß die Deutung 
der Erscheinungen, welche nach deren Entfernung zur Beobachtung 
kommen, ganz willkürlich ausfallen. Bei der Hypophyse ist dies 
umsomehr der Fall, als wegen ihrer anatomischen Lage Exstirpationen 
ohne Mitverletzung wichtiger benachbarter Organe höchst schwierig sind. 

Von Horsley wurden im Jahre 188t> und nach ihm \on Dastre und ('üev 
die ersten Versuche gemacht, die Hypophyse zu exstirpieren. welche aber völlig 
mißlangen. Die Tiere gingen kurz .nach der Operation zu gründe. Marinesco 



192 KUEHN, 

machte an Katzen im Jahre 1892 ähnliche Versuche, die operierten Tiere starben 
z. T. sofort, z. T. in den ersten 4—5 Tagen, nur eins blieb bis zum 18. Tage 
leben. Es trat hochgradige Abmagerung und Tod ein, ohne daß eine Infektion der 
Wunde festzustellen war. 

Vassale und Sacchi operierten an Hunden und Katzen; bei 6 Hunden 
gelang die völlige Entfernung der Hypophyse, die längste Lebensdauer betrug 
14 Tage nach der Operation; andere, denen die Drüse nur teilweise entfernt 
worden war, blieben längere Zeit am Leben, ein Hund wurde nach 64 Tagen ge¬ 
tötet. Die Tiere zeigten stets die gleichen Symptome: Apathie, Somnolenz, schwan¬ 
kenden Gang. Appetitmangel, mitunter aber auch Anfälle von Heißhunger, Ab¬ 
magerung, Polyurie, oft tonische und klonische Krämpfe und fibrilläre Zuckungen. 
Tiere, denen die Drüse vollständig entfernt war, starben im Koma. Die Autoren 
ziehen aus diesen Beobachtungen den Schluß, daß die Hypophyse als eine Drüse 
anzusehen sei, deren Funktion ebenso wie die der Schilddrüse für den Haushalt 
des Organismus notwendig sei. Bei der teilweisen Entfernung könne das Leben 
zwar erhalten bleiben; es trete aber eine funktionelle Insuffizienz der Drüse 
auf, die sich nur allmählich ausgleicht. 

Caselli hat die Operation an 56 Hunden und Katzen ausgeführt, die alle 
bis auf 3 in der ersten Woche nach der Operation zu gründe gingen. Letztere 
starben am 16., 21. und 22. Tage. Er kommt zu dem Schluß, daß die Hypo¬ 
physe als ein Hilfsorgan der Schilddrüse anzusehen sei. 

Während die bisherigen Untersucher vom Munde aus an die Hypophyse 
hcranzukommen versuchten, schlugen Lomonaco und v. Rymbern (42) einen 
anderen Weg ein. Sie gingen vom Scheitel aus in den Schädel hinein, durch¬ 
bohrten mit einem feinen an der Spitze löffelförmigen Instrument senkrecht das 
Corpus callosum und Infundibulum und kamen so auf die Sella turcica. Nun wurde 
mit dem Löffel die Hypophyse möglichst vollständig zerstört. Die Operation wurde 
an 44 Hunden und Katzen ausgeführt und gelang in 63 pCt. der Fälle. Bei 
1) Tieren, welche den 20. Tag überlebten, hat die Sektion völlige Zerstörung der 
Hypophyse ergeben. Die Symptome, welche die Tiere darboten, waren ganz ver¬ 
schieden: so zeigte ein Hund z. B. einen dem Vassale-Sacchi sehen ähnlichen 
Symptomenkomplex; die Sektion ergab, daß die Hypophyse intakt war. Bei einem 
anderen Hunde dagegen, dessen Allgemeinbefinden gar nicht getrübt war, war die 
Hypophyse vollständig zerstört. 4 Tiere überlebten die Operation sehr lange und 
bewiesen nach Lomonaco. daß die Hypophyse keine lebenswichtige 
Funktion hat, ja daß sie ein rudimentäres Organ ohne allgemeine oder spezielle 
Bedeutung sei. 

Friedmann u. Maas (24) operierten wieder von der Mundhöhle aus und ex- 
stirpierten die Drüse, nachdem sie völlig freigelegt war. Von den operierten Tieren 
gingen einige an Eiterung und Nachblutung, einige nach einigen Wochen ohne er¬ 
kennbare Ursache zugrunde, andere blieben am Leben und wurden nach mehreren 
Monaten bei bester Gesundheit getötet. Die Sektion ergab völliges Fehlen der 
Hypophyse und keine Veränderungen an irgend einem Organe, insbesondere nicht 
an der Thyreoidea und dem Knochensystem. Im Urin war kein Eiweiß, dagegen 
in der ersten Zeit bei allen Tieren Zucker nachzuweisen. Da die Glykosurie nach 
kurzer Zeit wieder verschwand, so glauben die Autoren, daß es vielleicht die Wir¬ 
kung der Aethernarkose gewesen sei. Friedmann schließt, daß die Hypophyse 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 11)3 

weder für den erwachsenen Organismus noch für den wachsenden ein lebenswich¬ 
tiges Organ darstellt. 

Ausführliche Versuche hat de Cvon (14) angestellt. Von der Ucberlegung 
ausgehend, daß es zu schwierig sei, nach der Exstirpation der Hypophyse auf ihre 
Funktion zu schließen, suchte er die Drüse zu erhalten und durch Ausübung ver¬ 
schiedenartiger Reize an dem funktionsfähigen Organ die eintretenden Wirkungen 
unter möglichst normalen Bedingungen zu beobachten, uild durch Aenderungen in 
der Anordnung des Experimentes die Einzelheiten der Funktion festzustellen. 

Er nahm Versuche an Kaninchen und Hunden vor. Nach Durchtrennung 
des Pharynx wurde mit einem Trepan vorsichtig die Hypophysenhöhlc angebohrt, 
ohne die Hypophyse selbst zu verletzen. Durch einen leichten Druck mittels eines 
Wattebausches oder Anwendung eines ganz schwachen elektrischen Stromes wurde 
die Reizung vorgenommen. Mitunter genügte schon der Druck des Trepans auf 
den Boden der Hypophysenhöhle, um bedeutende Verstärkung und Verlangsamung 
der Herzschläge zu erzeugen. In anderen Fällen bewirkte die Eröffnung der Hypo¬ 
physenhöhlc eine sofortige Beschleunigung der verkleinerten Pulse. Nach Cyons 
Beobachtungen sind die Funktionen folgende: Der Hirnanhang erfüllt eine doppelte 
Bestimmung: 

1. er dient als autoregulatorischer Apparat für den intra¬ 
kraniellen Blutdruck, 

2. er reguliert den Stoffwechsel. 

1. Die Hypophyse reguliert den llimdruck in zweifacher Weise: 

a) auf mechanischem W 7 ege, indem jede Erhöhung dieses Druckes eine 
Erregung der Hypophyse erzeugt, die eine Verstärkung und Verlang¬ 
samung der Herzschläge mit leichter Steigerung des extrakraniellen 
Drucks zur Folge hat. Diese seltenen imd starken Herzschläge, die V. 
als Aktionspulse bezeichnet, erhöhen die Geschwindigkeit des venösen 
Blutstromes, besonders in den A r enen der Schilddrüse und befreien da¬ 
durch das Gehirn von der anormalen Blutfülle; 

b) auf chemischem W r ege, indem die Hypophyse wahrscheinlich zwei Sub¬ 
stanzen produziert, von denen die eine anhaltend die Vaguszentra. die 
andere die Zentra der Accclerantes erregt. Die durch diese gleichzeitige 
harmonische Erregung der Antagonisten hervorgerufenen Aktionsschläge 
sind für die Geschwindigkeit des venösen Blutstroms in hohem Grade 
günstig. 

2. Die Beeinflussung des Stoffwechsels durch die Hypophyse und ihre wirk¬ 
samen Substanzen geschieht höchstwahrscheinlich durch eine ähnliche Beeinflussung 
der Vagi und Sympathici, sic äußert sich in der gesteigerten Oxydation und einer 
Abnahme des Körpergewichts. 

3. Die tonische Erregung der Vagi beruht auf einer Erregung dm- Hypophyse, 
erzeugt durch den auf sic ausgeübten Druck. 

4. Anhaltende Erregungen der Hypophyse, besonders durch den elektrischen 
Strom erzeugen als Nachwirkung heftige epilcptiforme Krämpfe, die am leichtesten 
durch Störungen des Blutlaufs in gewissen Hirnpartien erklärt werden können. 

Außerdem wurden noch gelegentlich andere Beobachtungen ge¬ 
macht so beim Kaninchenbock nach länger anhaltenden elektrischen 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. j;j 



lt>4 KUEHN, 

Reizungen der Hypophyse sehr ausgesprochene Erektionen, welche 
die Reizungen bei weitem überdauerten. Dieselben waren unabhängig 
von den auftretenden Krämpfen, da sie auch ohne dieselben zur Be¬ 
obachtung kamen. 

Bei allen Kaninchen, gleichgiltig ob mechanisch oder elektrisch 
gereizt, war häufige und reichliche Harnabsonderung zu beob¬ 
achten. Die Mengen waren zu bedeutend, um von einer bloßen Ent¬ 
leerung der gefüllten Blase herrühren zu können. Durch Einspritzungen 
von Hypophysenextrakt wurde bei Hund und Kaninchen ebenfalls 
eine enorme Vermehrung des Harns beobachtet, ebenso bei einem 
akromegalischen Knaben. Durch diese beiden Beobachtungen wird 
der innige Zusammenhang zwischen mechanischer und chemischer 
Wirkung der Hypophyse bewiesen, wie sie Cyon auch von der Schild¬ 
drüse experimentell demonstriert hat. 

Erwägt man einerseits die mächtige Beeinflussung der Vagi und 
Sympathici durch die wirksamen Substanzen der Hypophyse und 
Schilddrüse, andererseits den Einfluß, welchen diese Nerven besonders 
der Vagus auf die Tätigkeit der Magendrüsen, Pankreas, Leber und 
anderer für die Ernährung und den Stoffwechsel in Betracht kommen¬ 
der Abdominalorgane ausüben, so erkennt man auch leicht die Wege, 
auf denen die genannten Substanzen den Stoffwechsel regulieren 
können. 

Die Tätigkeit der Hvpophysis als Regulator des intrakraniellen 
Blutdruckes sucht Cyon durch ihre Beziehungen zur Schilddrüse zu 
erklären. Durch Druckerhöhung in der Schädelhöhle wird die Hypo¬ 
physe in Erregung versetzt und von ihr in irgend einer Weise die 
Tätigkeit des Vagus ausgelöst. Da nun die gefäßerweiternden Nerven 
für die Schilddrüse in den Nervis laryngeis verlaufen, tritt hier Ge¬ 
fäßerweiterung ein und der Abfluß des Blutes aus den Gehirnvenen 
nach der Schilddrüse wird sehr erleichtert. Es fragt sich nun, 
ob Hypophyse und Schilddrüse die alleinigen autoregulatorischen Vor¬ 
richtungen für den intrakraniellen Druck sind. Nach C. scheint 
auch die Zirbeldrüse eine solche Rolle zu spielen, indem sie auf rein 
mechanischem Wege die Menge der Zerebrospinalflüssigkeit in den 
Hirn Ventrikeln reguliert. Soviel steht jedenfalls fest, daß der Ausfall 
der schon bekannten Verrichtungen der Hypophyse das Gehirn nicht 
ganz schutzlos gegen geringe Schwankungen des intrakraniellen 
Druckes läßt. Gehen die Tiere zu Grunde, so ist meist Nebenver¬ 
letzung der Gehirntcilc bei der Operation die Ursache, seltener wohl 



Untersuchangen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d.Hypophyse b.Pferden. 11)5 

zu große Steigerung des intrakraniellen Druckes. Der Tod tritt bei 
Tieren nach Entfernung der Drüse ebenso wie bei Menschen mit 
schweren Leiden derselben unter den Erscheinungen von Koma und 
Sopor ein. Die anderen im Gehirn vorhandenen Regulatoren sind 
auf die Dauer nicht imstande, vollständigen Ersatz für den Ausfall 
der Hypophysenfunktion zu bieten. 

Die Versuche Cyons sind von anderen Forschern nachgeprüft 
und haben zum Teil zu anderen Ergebnissen und Schlußfolgerungen 
geführt. So haben ßiedl und Reiner (4) bei Anwendung mechani¬ 
scher Reize fast nie eine Aenderung des Blutdrucks und Pulsverlang- 
sarnung gesehen; elektrische Reize hatten sehr häufig Störung des 
Blutdrucks zur Folge, ebenso auch die elektrische Reizung der meisten 
Stellen der Hirnrinde und des Hirnstammes, ln der Pulsfrequenz 
waren keine konstanten typischen Erscheinungen festzustellen. Die 
Autoren nehmen nach ihren Versuchen an, daß die Hypophyse mit 
der zentralen Erregung der Vagi bei hohem Blutdruck in keinerlei 
direkter oder indirekter Beziehung stehe. Auch Lomonaco und 
van Rymbern äußern sich dahin, daß die Versuchsresultate Cyons 
wahrscheinlich traumatischen Ursprungs sind und daß das Organ den 
Blutdruck nicht reguliert. 

Einen Einfluß der Hypophyse auf den Gesamtstoffwcchsel des 
Organismus glaubt Guerrini (27) aus seinen Versuchen herauslesen 
zu können. Nach seinen histologischen Untersuchungen erklärt er, 
daß es in dem epithelialen Teil der Drüse nur eine Art Zellen mit 
deutlich sekretorischer Befähigung gibt; die sogenannten chromo- 
philen, chromophoben, eosinophilen, zyanophilen, alizarinophilen, 
siderophilen Zellen sind nur gleiche Zellen in verschiedenen Stadien 
ihrer Funktion. Die Zellen bereiten 2 Arten Sekret, ein plasmatisches 
von homogener oder nur wenig granulierter Beschaffenheit: das 
Kolloid und ein anderes, welches seine elementärc, zellige Beschaffen¬ 
heit beibehält: die Körnchcnzcllen. Nach einer Reihe von Versuchen 
an hungernden Tieren schließt er den Einfluß der Drüse auf die all¬ 
gemeine Ernährung aus und hat die Wirkung der akuten und chro¬ 
nischen Vergiftung auf die Sekretion der Drüse studiert. Endogene 
Vergiftung wurde durch unvollständige Unterbindung des Darmes, 
der Ureteren und des Ductus cholcdochus, exogene durch stdbkutane, 
intravenöse und intraperitoneale Injektion von Diphtheriegift und Aal¬ 
blut hervorgerufen. Er kommt bei den akuten Vergiftungen zu fol¬ 
genden Schlußfolgerungen: 



196 


KUKHN, 

a) Mit Beginn der Vergiftung tritt stets eine Steigerung der Sekre¬ 
tion in der Drüse ein. 

b) Diese Sekretionssteigerung wächst bis zu einem Maximum, das 
dem Auftreten prämortaler Symptome entspricht. 

c) Von diesem Moment ain beginnen in den Zellen die Erscheinungen 
der Erschöpfung, welche ihr Maxiraum in der Hypophyse bei 
den infolge der Intoxikation verstorbenen Tieren findet. 

Bei den Formen der chronischen Vergiftung, wo die Tiere nach 
28—33—60—90 Tagen getötet wurden, findet sich nicht nur Hyper¬ 
trophie, sondern auch Hyperplasie am Parenchym der Drüse, be¬ 
wiesen durch direkte Zellteilung und Karyokinese. 

Guerrini schließt daraus, daß die Hypophyse kein rudimentäres 
Organ sei, sondern eine bestimmte Funktion: die Sekretion anti¬ 
toxischer Stoffe besitze. 

Eine Reihe von Versuchen ist dann derart unternommen worden, 
daß teils Drüse in Substanz verabreicht, oder das Extrakt 
subkutan oder intravenös den Tieren einverleibt wurde. 

Magnus und Schäfer (Pflügers Archiv, ßd. 84) sahen nach intravenöser 
Injektion von wässerigem Hypophysenextrakt ein Ansteigen des Blutdrucks auf 
ziemlich gleiche Weise wie bei Nebennierenextrakt. Im Gegensatz zu diesem folgt 
liier eine deutliche Volumenzunahme der Nieren mit lang anhaltender Diurese, 
letztere hörte früher auf als erstere. Die wirksame Substanz ist nur im Infundi- 
bularteil enthalten, alkoholische Extrakte bewirkten Fallen des Blutdrucks oder 
Volumenverringerung der Niere und Auf hören der Harnsekretion. 

Die Untersuchungen von A. Schiff (51) haben ergeben, daß unter bestimmten 
Bedingungen der Stoffwechsel durch Einführung von Hvpophysispräparaten — 
Ilypophysin — beeinflußt werden kann. Beim gesunden jungen Menschen wird 
hierdurch der Stoffwechsel allerdings nicht gestört, während bei einem älteren 
Manne und einem Akromegaliekranken durch Hypophysisdarreichung eine sehr hoch¬ 
gradige Steigerung der Gesamtphosphorsäureausscheidung stattfand, die jedoch, wie 
die Stickstoffausfuhr beweist, nicht auf gesteigerten Eiweiß zerfall zurückzuführen 
ist. Es wäre somit bei der Hypophysiswirkung an Zerfall eines sehr phosphor¬ 
reichen und relativ stickstoffarmen Gewebes — Knochengewebe — zu denken. 

Salvioli und Carraro konnten aus dem hinteren Teile der nervösen Be¬ 
standteile ein Extrakt gewinnen, das auf den Blutdruck erst herabsetzend, dann 
steigernd wirkt. Bei wiederholter Einspritzung tritt Gewöhnung ein. Die Druck¬ 
steigerung hängt von der Wirkung auf die Gefäßwände ab, zugleich tritt Herzvcr- 
langsamung ein. Entfernung der Schilddrüse war ohne Einfluß auf die Wirksam¬ 
keit des Hypophysenextraktes. 

Herring (81) nimmt an. daß der vordere Teil der Drüse das Sekret liefert, 
der hintere Teil es aktiviert und wirksam macht, daß bei Tumorbildung die 
Sekretion vermehrt wird und durch den dritten Ventrikel in den Liquor cerebro¬ 
spinalis gelangt. 



Untersuchungen üb. d.Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 19? 

Weiteren Aufschluß über Wert und Tätigkeit der Hypophyse suchte 
man aus der Pathologie zu gewinnen. Aber auch hier stimmen die 
Meinungen der einzelnen Forscher über die Bedeutung der einzelnen 
Symptome und den Zusammenhang mit der Hypophyse wenig überein. 
So hat man schon seit langer Zeit Wechselbeziehungen zwischen 
Schilddrüse und Hypophyse angenommen. 

Schoenemann fand bei zwölf Kropfleidenden Entartungen der Hypophysis, 
wobei er annimmt, daß eine degenerative Umbildung der normalen Hypophysen¬ 
zellen in chromophile und schließlich in Kolloid erfolgt. Daß dabei eine Wuche¬ 
rung von Bindegewebe und Sprossung von Blutgefäßen einhergeht, ist von vielen 
anderen Organen bekannt. Hiermit stimmen nach Sch.s Ansicht auch die Ergeb¬ 
nisse von Rogowitsch und Stieda überein. Bei der bedeutenden kompensa¬ 
torischen Hypertrophie der Hypophysis nach Exstirpation der Thyreoidea sind nur 
die Hauptzellen Stiedas, d. h. das, was Schoenemann als kernreiches Proto¬ 
plasma bezeichnet hat, beteiligt, nicht die chromophilen Zellen. Die Ansicht 
Schoenemanns wird von Coulon unterstützt; auch er fand in mehreren Fällen 
von Struma die Hypophysis vergrößert. Bei der makroskopischen Untersuchung 
zeigten sich Bindegewebszügc und Blutgefäße so verbreitert, daß Coulon die 
Ueberzeugung gewann, daß die Vergrößerung und Gewichtszunahme hierdurch be¬ 
dingt sei, daß das Drüsengewebe aber nun eine Atrophie erleide. 

Comte dagegen fand in Fällen von Schilddrüsendegeneration eine Vergröße¬ 
rung des Gehirnanhangs, dabei sehr zahlreiche Vermehrung der chromophilen 
Zellen und reichliche Vaskularisation sowie in mehreren Fällen reichliche Kolloid¬ 
substanz. Da er diese Erscheinungen aber als Zeichen gesteigerter Tätigkeit deutet, 
betrachtet er den Prozeß als kompensatorische Hypertrophie und schließt daraus, 
daß die Hypophyse vikariierend in den Fällen eintritt, in welchen die Funktion 
der Schüddrüse gestört ist. 

Schon vielfach war bei Degeneration der Schilddrüse neben der 
Vergrößerung der Hypophyse eine schwere Veränderung am 
Knochensystem beobachtet, als im Jahre 1888 Marie sie direkt 
als Ursache der Akromegalie bezeiehnete. 

Als Symptom dieser Krankheit ist zunächst die auffallende Ab¬ 
weichung in der Gesichtsformation anzusehen, die in erster Linie 
durch eine Gestaltsveränderung des Unterkiefers bedingt wird, sodann 
ist konstant eine Erweiterung der pneumatischen Räume, der Stirn-, 
Keilbein-, Oberkiefer-Höhlen und der Cella raastoidea vorhanden. Die 
Vergrößerung der Sella turcica beruht wahrscheinlich auf mechani¬ 
schen Einflüssen der Hypophysenvergrößerung, die zu Druckusur an 
den Wandungen, nicht selten zur Eröffnung der Keilbeinhöhle führt. 
Ferner kommt es zur Vergrößerung der Nase, der Lippen, besonders 
der Unterlippe, der Ohren, der Zunge, Vergrößerung der Hände 
und Füße zur Tatzenform und Krümmung des Rückens. Eigentum- 



198 


KUEHN, 


lieh sind auch die Beziehungen zu den Geschlechtsorganen, die sich 
bei Frauen zunächst durch Ausbleiben der Menstruation bemerkbar 
machen. Marie ist geneigt vom Auftreten dieses phenomene precoce 
den Beginn der Krankheit zu rechnen; sodann kommt es zu Atrophien 
des Uterus, der Ovarien und Mammae; bei Männern ist Impotenz die 
Regel. Dazu kommen Allgemeinerscheinungen, Kopfschmerzen, psychi¬ 
sche Depressionen, epileptische Krämpfe, Tobsucht, Wahnsinn, die 
mannigfaltigsten Ernährungsstörungen, endlich Koma und Tod. 

Ueber die Pathogenese dieser merkwürdigen Erkrankung sind 
verschiedene Theorien aufgestellt, so 

1. die nervöse Theorie von Magendie, v. Recklinghausen, 
Panas. Die Krankheit sollte im zentralen Nervensystem ihren Ur¬ 
sprung haben, doch wird diese Annahme heut kaum noch vertreten. 

2. Die Theorie der atavistischen Wachstumsanömalie. 
Aus der Tierähnlichkeit des Akromegalenschädes, die schon älteren 
Beobachtern wie Brigidi undCuningham aufgefallen war, und dem 
ganzen Aussehen des Kranken wurden eine Rückkehr zum Typus des 
anthropoiden Affen deduziert. Freund bringt auch die sexuellen 
Störungen mit den Wachstumsveränderungen in ursächlichen Zu¬ 
sammenhang. 

3. Die Thymustheorie (Klebs). In der großen Thymus sind 
die Blutgefäßnetze der Follikel eine Bildungsstätte von Gefäßendothelien. 
Diese werden von dem Blutstrome fortgeschwemmt und regen als 
Angioblasten eine allgemeine Wucherung der Gefäßkeime an, welche 
zum Riesenwuchs und zur Akromegalie führt. — Da die Persistenz 
und Vergrößerung der Thymus nicht konstant ist, ist diese Lehre 
nicht aufrecht zu erhalten. 

4. Die Hypophysentheorie. Marie hat zuerst die Annahme 
ausgesprochen, daß die Akromegalie eine allgemeine Dystrophie sei 
die ebenso von der Erkrankung der Hypophyse abhängig wäre, wie 
das Myxödem von der der Thyreoidea. Diese Theorie stützte er 
zunächst auf die konstante Erkrankung jener Drüse; sie ist seitdem 
vielfach ausgebaut und modifiziert worden, ohne daß wesentliche Tat¬ 
sachen zu ihrer Begründung beigebracht wären. Es ist zuzugeben, 
daß in der überwiegenden Anzahl der sezierten Fälle eine Ver¬ 
größerung der Glandula pituitaria gefunden worden ist, in zahlreichen 
anderen Fällen aber bestand eine in Größe, Aussehen und innerer 
Einrichtung normale Hypophyse. Solche Fälle sind von Waldo, 
Linsmayer, Hunter, Bonardi, Dallemagnes, Fraentzel, 



Untersuchungen üb. d.Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b.Pferden. 199 

Pel, Marcuse und anderen in der Literatur beschrieben. Die 
Konstanz des ausgesprochenen Hypophysentumors ist also keine so 
absolute, wie es nach den Angaben Maries und seiner direkten An¬ 
hänger erscheinen mußte, und der Vorschlag Arnolds, eine pituitäre 
und nicht pituitäre Form der Akromegalie zu unterscheiden, hin¬ 
reichend begründet. Ebensowenig sind die Anschauungen geklärt, ob 
das Leiden auf eine gesteigerte oder verringerte und aufgehobene Tätig¬ 
keit der Drüse zurückzuführen sei, da die Deutung der verschiedenen 
Tumoren durchaus nicht einheitlich ist. An Häufigkeit überwiegen 
echte Hyperplasien des drüsigen Teils = Adenome, oft mit ausgedehnter 
Degeneration im Innern, ferner Cystenbildung (Fratenich, Furni- 
vall), echte Rundzellen- oder Spindelzellensarkome (Rolleston, 
Caton und Paul, Spiller-Mosse, Daunion), bald als abge¬ 
schlossener Knoten in der Sella turcica oder nach Usur ihres Bodens 
in der Keilbeinhöhle liegend, oder in den Knochen hineinwachsend. 

Mit vielen anderen nimmt Hansemann (29) an, daß die Akromegalie auf 
vermehrter Sekretionstätigkeit der Hypophyse beruht. Nach ihm muß auf dem 
gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis der Zellen begründet, die progressive Ent¬ 
wickelung eines Organs die progressive Entwickelung anderer Organe zur Folge 
haben: altruistische Hyperplasie. So entwickeln sich bei der progressiven Ent¬ 
wickelung der Geschlechtsorgane bei der Frau die Mammae, beim Manne Kehlkopf 
und Barthaare, bei beiden Geschlechtern Scham- und Achselhaare. In gleicher 
Weise faßt Hansemann die Akromegalie als Ausdruck der altruistischen Hyper¬ 
plasie auf, indem die Geschwulstbildung der Hypophyse die Vermehrung des 
Knochen- und Bindegewebes an verschiedenen Körpcrstellen erzeugt. 

Tamburini (59) sagt, die Akromegalie sei an eine Veränderung der Hypo¬ 
physe gebunden, von welcher wegen llyperfunktion Substanzen in dem Organismus 
aufgespeichert werden, welche das elementare Gleichgewicht desselben, besonders 
im Knochengewcbe ändern. 

Auch Thumim (61) glaubt auf Grund einiger Beobachtungen für besondere 
spezifische Beziehungen nicht nur der Nebennieren, sondern der Blutdrüsen über¬ 
haupt, besonders der Schilddrüse und Hypophyse, zu den Keimdrüsenfunktionen 
ein treten zu können. Er demonstriert einen Fall, wo durch Röntgenaufnahmen 
Veränderungen am Türkensattel wahrscheinlich gemacht und die Diagnose eines 
Hypophysentumors gestellt wurde. Bei der Patientin waren vor 14 Monaten die 
Menses unregelmäßig geworden und ausgeblieben, eine längere Zeit andauernde 
Heiserkeit wieder spontan verschwunden, gelegentlich wurde eine noch vorhandene 
Abnahme des Sehvermögens des rechten Auges wahrgenommen, und verhältnismäßig 
stark akromegalische Veränderungen an Gesicht und Extremitäten kamen zur 
Entwickelung. Die Untersuchung des Kehlkopfes ergab, daß er in toto verlängert, 
dem eines jungen Mannes ähnlich geworden war. Indem die Stimmbänder allmählich 
mitwuchsen und sich dem Schildknorpel anpaßten, wurde die Stimme wieder nor¬ 
mal. Da Uterus auffallend klein, Korpus atrophisch ist und die Ovarien nicht zu 



200 


KUEHN, 


fühlen sind, nimmt Thum im mit Bezugnahme auf den Hypophysentumor auch 
Atrophie der Ovarien an. Er glaubt, daß dieselben Schädlichkeiten: Hyper¬ 
sekretion der Hypophyse, welche die akromegalischen Wucherungen bedingten, auch 
die Atrophie und Funktionsstörung der Genitalien verursachten und dies um so 
mehr, als längere Darreichung von Hypophysistabletten den Zustand nicht besserten, 
sondern eher verschlechterten, was natürlich aus der dadurch vermehrten Zufuhr 
üer Noxen erklärlich i.->t. ln seiner Annahme wird er bestärkt durch eine Beob¬ 
achtung v. Eiseibergs, wo nach operativer Entfernung eines Hypophysentumors 
eine Besserung des Sehvermögens. Schwinden der Kopfschmerzen und Wiederkehr 
der Menstruation eintrat. 

Andere Autoren suchen die Entstehung der Akromegalie auf den Ausfall der 
Hypophysensekretion zurückzuführen, da bei vielen Tumoren die funktionierende 
Substanz völlig zugrunde gegangen ist. 

Cyon möchte der Hypophyse einen hemmenden Einfluß auf die Ernährung 
zuschreiben, da verschiedene Hunde mit exstirpierter Hypophyse trotz der Schwere 
der Operation eine erhebliche Gewichtszunahme zeigten. Die außerordentliche 
Entwickelung des Knochensystems bei der Akromegalie könnte auf den Mangel 
dieser hemmenden Einflüsse zurückgeführt werden. Damit würden die Beobach¬ 
tungen übereinstimmen über die Wirkung der Hypophysensubstanz bei Akromegalie, 
wo Cyon eine eanz gewaltige Gewichtsabnahme konstatiert hat. Die Ernährung 
bei thyreodektomierten Kaninchen mit Hypertrophie der Hypophyse stehen damit 
aber nicht ganz in Einklang, sodaß er die Ansicht ausspricht, daß irgend eine 
Störung in ihrer Funktionsweise oder der Zusammensetzung ihrer Produkte eine 
Verminderung ihrer trophischen Funktionen hervorruft. 

Taraburini und Massolongo suchen die Widersprüche dadurch zu erklären, 
daß bei Tumorenbildung zuerst durchweg eine Phase der Hyperplasie des drüsigen 
Lappens mit Uyperaktivität existiert und die Ursache der allgemeinen akromega¬ 
lischen Veränderungen sei, und dann erst häufig die Degencrationsphase folge. 
Mehrfache Beobachtungen aber, wo der Tumor als Gliom beschrieben, die Geschwulst 
also lediglich aus dem nervösen Anteil hervorgegangen ist, lassen auch diesen 
Deutungsversuch nicht ganz einwandsfrei erscheinen. 

Da das Sekret der Hypophysis gleich dem Adrenalin zu Blut- 
drueksteigerung und Veränderungen an Herz und Gefäßen 
führen kann, so stellt Philipps (45) diese in den Vordergrund bei 
der Akromegalie und die Knochenveränderung sowohl als eine Folge 
der Ueberdehnung der Gefäße als auch der Uebcrcrnährung hin. 

Indes liegen nicht wenige Beobachtungen von hyperplastischen 
Tumoren wie Destruktion der Drüse ohne jede akromegalischc Ver¬ 
änderung des Körpers vor. 

Betrachtet man nun die Ergebnisse der vorliegenden Forschungen, 
so sehen wir, daß sie nach keiner Richtung hin zu einem be¬ 
stimmten, einheitlichen und allseitig anerkannten Ergebnis 
geführt haben. Die histologischen Untersuchungen haben zwar 
das Vorhandensein bestimmter, färberisch zu differenzierender Zell- 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 201 

Elemente nahezu einheitlich festeresteilt, aber über die Deutung der¬ 
selben, ob verschiedene Zellformen oder nur verschiedene Funktions¬ 
stadien einer Zellart, herrscht keine Einigkeit. Ebenso ist die Frage 
der Kolloidbildung, ob sie Produkt der aktiven Tätigkeit oder des 
Zerfalls der Zellen sei, durchaus unentschieden. Man kann daher 
Scaffidi (50) nur zustimmen, wenn er sagt, daß es kaum tunlich 
erscheint, diese Frage nach dem histologischen Befund zu lösen und 
ein Urteil über die Beschaffenheit einer Substanz zu fällen, die nicht 
gesammelt und in vitro untersucht werden kann. 

Dieselbe Unsicherheit herrscht in der physiologischen Beur¬ 
teilung der Stellung des Gehirnanhangs, da dieselben Versuche von 
anderen Autoren angestellt, oft zu dem entgegengesetzten Ergebnis 
oder wenigstens zu anderer Deutung führten. Während die einen 
Forscher auf Grund ihrer Experimente die Hypophysis für ein rudi¬ 
mentäres Organ halten, welches keine wichtige funktionelle Bedeutung 
habe und ohne Schaden für den Körper eliminiert werden könne, be¬ 
haupten andere, daß sie ein gut differenziertes Organ und ihre Funk¬ 
tion für die Erhaltung des Lebens unentbehrlich sei. 

Wenn ferner die Hypophyse von Liögois für ein hämato- 
poetischös, von Wolff für ein hämatolytisches Organ, von Cyon 
und anderen als Regulator des Blutdrucks und von den meisten 
Autoren als Drüse mit innerer Sekretion erklärt wird, deren 
Produkt bald auf die roten Blutkörperchen, bald auf die Ernährung 
einwirken, oder endlich auf die im Körper gebildeten schädlichen Sub¬ 
stanzen einen entgiftenden Einfluß ausüben sollte, so haben doch 
weder die Tierversuche noch die Beobachtung an Kranken 
eine überzeugende Klarheit über die Richtigkeit der einen 
oder anderen der aufgestellten Hypothesen gebracht. 

Da jedoch aus verschiedenen, besonders bei pathologischen Ver¬ 
hältnissen gemachten Beobachtungen ein gewisser Einfluß der Hypo¬ 
physe auf die Geschlechtsorgane hervorzugehen schien, unternahm es 
Fichera (20), dieser Frage experimentell näher zu treten. Er hat 
zahlreiche Kastrationen an Hähnen vorgenommen, bei weiblichen Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen die Ovariotomie ausgeführt und auch 
größere Tiere in den Bereich seiner Betrachtungen gezogen. Die 
festgestellten Durchschnittsgewichte der Hypophyse waren folgende: 


raax. min. 

50 Hähne.1,33 cg 1,45 cg — 1,20 ctg 

50 Kapaune.2,07 - 2.75 « — 2.48 .. 





202 


KUEHN, 




raax. 

mm. 

5 Stiere. 

3,35 g 

4.10 g 

— 3,00 g 

5 Ochsen. 

4.4H „ 

5.12 „ 

— 4,15 „ 

5 nicht kastrierte Büffel 

1.8 . 

1,90 „ 

- uo * 

5 kastrierte Büffel . . 

3.45 . 

3.90 . 

3.10 „ 


Die vergleichenden Betrachtungen ergaben, daß die Schwankungen 
zwischen den Maximal- und Minimalgewichten bei Kapaunen und 
Hähnen nur gering sind und dem Durchschnittsgewicht sehr nahe 
stehen, während der Unterschied zwischen dem Durchschnittsgewicht 
der Hypophyse des Hahns und der des Kapauns etwa 1 : 2 ist. Auch 
beim Büffel herrscht ungefähr dasselbe Ziffernverhältnis, während 
beim Ochsen der Unterschied nicht ganz so groß, aber immerhin doch 
beträchtlich ist. Bei den weiblichen Tieren erhielt Fichcra fol¬ 


gende Resultate: 

2 Meerschweinchen normal.1,50 cg 1,35 

3 ^ ovariotomiert -f- a 10, 20 u. 30 Tage 1,50 1,80 2,20 

3 Kaninchen normal.1,60 — 1,80 

3 „ ovariotomiert -f a 10, 20 u. 30 Tage . . 2,0 2.35 3,00 


Die Richtigkeit der allgemeinen Annahme, daß die Organe der 
kastrierten Tiere von denen der nicht kastrierten nicht wesentlich 
verschieden seien, wurde bezüglich des Gehirns nochmals speziell fest¬ 
gestellt und das Durchschnittsgewicht 

beim Hahn mit 3,32 g 

„ Kapaun mit 3,34 g 

ermittelt, so daß die Differenz bei 3,32 g nur 2 cg betrug. Diese 
geringe Zahl konnte als ohne jede Bedeutung außer Acht gelassen 
werden, und Fichera zog aus dem Umstande, daß die Gewichts¬ 
zunahme der Hypophyse bei den kastrierten Tieren im Vergleich zu 
dem allgemeinen Wachstum derselben unverhältnismäßig groß ist, die 
Schlußfolgerung, daß die Hypophyse dieser Tiere ein größeres Vo¬ 
lumen und größeres Gewicht hat, als die der normalen Tiere derselben 
Art. Die Ergebnisse der histologischen Untersuchung standen mit den 
durch Gewicht erhaltenen Tatsachen in voller Uebereinstimmung, er 
fand eine auffällige Vermehrung der eosinophilen Zellen und somit 
eine bemerkenswerte wirkliche Hypertrophie der Glandula pituitaria. 

Da Fichera aus der Literatur über die betreffs der inneren 
Sekretion der Geschlechtsdrüsen unternommenen Versuche keinen Auf¬ 
schluß fand, der eine Erklärung für die von ihm beobachtete Hyper¬ 
trophie der Hypophyse nach der Kastration ermöglichte, so unternahm 
er eine zweite Reihe von Versuchen, um festzustellen, in weicher Zeit 






Untersuchungen üb. d.Einwirkung d.Kastration auf d.Hypophyse b. Pferden. 203 

die beobachtete Veränderung einträle und ob sie durch Injektionen 
von Hodenextrakt beeinflußt werden könne. 

Frisch kastrierte junge Hähne wurden am 5., 20. und 25. Tage 
nach der Operation getötet. Während bei ersterem weder Gewicht 
noch histologische Untersuchung eine Abweichung zeigte, waren bei 
den anderen die Gewichte auf 2 bzw. 2,28 cg wie bei alten Kapaunen 
gestiegen und auch der histologische Befund durch überreiche Anzahl 
eosinophiler Zellen ausgezeichnet. 

Andererseits wurde alten Kapaunen je 3 ccm in physiologischer 
Kochsalzlösung frisch bereiteter Tcstikelsaft injiziert. Die Untersuchung 
der Hypophysen zeigte, daß nur 1 oder 2 Einspritzungen genügten, 
um das Aussehen derart zu ändern, daß es sich ganz dem Aussehen 
der normalen Drüse nähert. Die Veränderung beginnt sofort nach 
der Injektion und geht um so schneller vor sich, je mehr Extrakt 
eingespritzt wird. 

Wenn somit die Modifikation der Struktur, welche die Glandula 
pituitaria infolge der Kastration erwirbt und die durch Zeichen er¬ 
höhter funktioneller Tätigkeit ausgezeichnet ist, stark abgeschwächt 
wird oder verschwindet, sobald der Saft von den Organen eingespritzt 
wird, deren Fehlen jene Strukturveränderung hervorgerufen hat, so ist 
man nach Fichera zu der Annahme berechtigt, daß der Ausfall des 
Produktes der inneren Sekretion der Geschlechtsdrüsen die Ursache 
der Vergrößerung der Hypophyse ist, und daß dadurch die direkten 
Beziehungen zwischen Testikeln und Hypophyse bewiesen sind. 

Um die Bedeutung und die Art des Einflusses der Keim¬ 
drüsen auf den übrigen Körper festzustellen, kann man auf verschie¬ 
dene Weise Vorgehen, indem man einmal am unversehrten Organismus 
die Veränderungen beobachtet, die bei der Reifung der Keimdrüsen, 
der Pubertät und bei der Zurückbildung im Alter auftreten, ein 
andermal feststellt, welche Erscheinungen unter pathologischen Ver¬ 
hältnissen bei Verkümmerung oder Erkrankungen dieser Drüsen wahr¬ 
nehmbar sind. Vielleicht lassen sich gerade hier aus dem negativen 
Befunde, aus dem Fehlen bestimmter Veränderungen trotz der Ver¬ 
kümmerung der Keimdrüsen wichtige Schlüsse ziehen. Den sichersten 
Aufschluß aber ergibt der Versuch, die operative Entfernung der Ge¬ 
schlechtsdrüsen, die - Kastration. 

Schon in den ältesten Zeiten wurde die Kastration vielfach, und 
zwar zunächst ausschließlich am Menschen ausgeführt. So wurden 
dem besiegten Feinde die Geschlechtsteile abgeschnitten und sic selbst 



204 


KL’EHN 


zu Sklaven gemacht. Da aber bei diesem Verfahren zu viele zu 
Grunde gingen, die Sklaven auch einen erheblichen Wertgegenstand 
darstellten, beschränkte man sich später auf die Entfernung der 
Hoden. 

Trotzdem also die Kastration so ungeheuer oft ausgeführt wurde, 
ist unser Wissen über die Einwirkung derselben auf den Körper sehr 
mangelhaft, weil die Menschen meist nicht auf das geachtet haben, 
was von wirklicher Bedeutung ist, heute aber das Beobachtungsmaterial 
nur selten oder schwierig zu erreichen ist. 

Die ersten Kenntnisse über die Körperbeschaffenheit von 
kastrierten Männern verdanken wir mehrfachen Berichten von 
Reisenden, v. Krem er nennt ihre Erscheinung widerlich, die Gestalt 
hager und eckig, ihre ganze Entwickelung verkümmert. Bilharz 
schildert sie als abschreckend dick und mißgestaltet, wenn es sich 
um verschnittene Nubier und Negerrassen handelt, während die 
Abessinier angenehme Gesichtsbildung und gute Formen haben sollen. 
Hervorzuheben ist, daß fast in allen Berichten eine Annäherung an 
den entgegengesetzten weiblichen Typus als Begleiterscheinung der 
Kastration angegeben wird. 

Man sieht, daß aus diesen allgemeinen x\ngaben sich keine 
nennenswerten Schlüsse ziehen lassen, dennoch haben die tiefer ein¬ 
dringenden Untersuchungen der neueren Zeit, besonders auch die unter 
Berücksichtigung pathologischer Verhältnisse und die mittels Experi¬ 
mentes erhaltenen Aufschlüsse unsere Kenntnisse etwas erweitert. Im 
allgemeinen ist festgestellt, daß nach der Kastration Veränderungen 
an der Haut und ihren Anhängen, im Knochensystem, an Muskeln. 
Fettpolster, inneren und äußeren Geschlechtsorganen und ihren Ad¬ 
nexen, am Kehlkopf und anderen Organen entstehen. 

Die meisten Angaben über Kastration verdanken wir den Er¬ 
fahrungen von Hühnerzüchtern. 

So berichtet Yareil: „Nach der Kastration kräht der Hahn nimmermehr 
Kamm und Bartläppehen erreichen kaum die Grüße wie bei anderen männlichen 
Tieren. Die Sporen erscheinen, bleiben jedoch nur kurz und stumpf, die langen 
schmalen Federn am Hals und den hinteren Partien des Rückens nehmen ein Aus¬ 
sehen an, welches zwischen den Halsfedern des Hahnes und dem gewöhnlichen 
Federkleid des Huhnes steht. Der Kapaun pflegt sich zu den Küchlein zu halten, 
sie beim Suchen nach Nahrung zu begleiten und sie unter seine Schwingen zu 
nehmen, wenn sie müde sind. So groß ist die Aehnlichkcit im Alter von 10 bis 
12 Monaten zwischen manchen der kastrierten Hähne und den Hennen, daß es oft 
schwer ist, das Geschlecht durch die Testierenden äußeren Charaktere zu be¬ 
stimmen. Auf diese Weise bekommen männliche und weibliehe Tiere, die durch 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 205 

Verlust der Sexualorgane sozusagen Neutra werden, ein entsprechendes Aussehen 
und beide nehmen Charaktere an, die entschieden zwischen beiden Geschlechtern 
liegen**. 

Von anderen Beobachtern berichtet Samuel noch: Die Mauserung, die zur 
Begattungszeit eintritt, fällt nach Angaben aller Ornithologen bei Kastraten, 
Kapaunen und Poularden völlig fort. Kastrierte Vögel mausern nicht. 

K. Römer sagt: „Die Kastration hat eine raschere Ausbildung der Tiere 
zur Folge, und dabei entwickelt sich bei ihnen eine größere Neigung zum Fett¬ 
werden. Die Kapaunen sind meist friedfertige, nicht zum Streite geneigte, emsig 
nach Futter suchende Tiere, sie lassen zuweilen einen klanglosen Hahnruf er¬ 
schallen, tragen den Steiß gesenkt. Einige Kapaunen versuchen zu treten“. Um 
diese literarischen Angaben auf ihren wahren Wert zu prüfen, nahm Seil heim (55) 
ergiebige Versuche vor und beobachtete bei völlig kastrierten Hähnen folgendes: 

Kapaunen krähen für gewöhnlich nicht, doch wurde bei Erwachen des Früh¬ 
lings mehrfach ausgesprochenes Krähen gehört, Stimme etwas leiser und heiser. 
Tretversuche vereinzelt beobachtet, in einem Falle nach 1 Jahre regelrecht aus- 
geübt. Von Friedfertigkeit und Feigheit nichts beobachtet. Die Kapaunen 
kämpften noch 1 Jahr nach der Operation untereinander, mit Hähnen und Hühnern 
häufig, mutig und ausdauernd, ergriffen oft die Offensive und richteten den Kontroll- 
hahn übel zu. Entwickelung von Mutterliebe und Fürsorge für die Küchlein nicht 
beobachtet, beim Fressen Benehmen nicht auffällig emsiger als Hähne und Hennen. 
Kämme entwickelten sich nur wenig: schrumpften sogar unter die Dimension, die 
sie vor der Operation hatten; auch Bartläppchen nahmen an Länge und Breite ab. 
Ohrscheiben sind beim Kapaun am wenigsten entwickelt, stellen nur einen weißen 
kahlen, runzeligen Fleck dar, der fast völlig in das Niveau der Haut fällt. Der 
Sporn nimmt entgegen den seitherigen Beobachtungen fast stärker als beim Hahn 
zu. Ebenso behielt das Gefieder durchaus den Charakter des männlichen Tieres. 
Steiß-, Halsfedern, sowie Farbenpracht des Federkleides waren besser ausgebildet 
als bei nichtoperierten Tieren. Der Körperbau des Kapauns erscheint etwas 
schlanker. Entgegen den Angaben Samuels wurde die Mauserung deutlich wahr¬ 
genommen. 

Die Kastration beeinflußt also die sekundären Geschlechtscharak¬ 
tere in ganz verschiedener Weise, die einen (Kämme, Bartläppchen, 
Ohrscheiben) regressiv, die anderen (Sporen) progressiv. 

Inbetreff der Kastration der Hennen kommt Seilheim zu der 
Ueberzcugung, daß früher die Entfernung ganzer Eierstöcke wohl nie 
ausgeführt wurde, da die Operation sehr schwierig ist und die Tiere 
kaum mit dem Leben davonkommen. Man hat oft nur einen Haut¬ 
schnitt gemacht und die Bürzeldrüse (Glandula uropygii) oder die 
Bursa Fabricii, die man für Eierstock oder gar die Mutter hielt, ent¬ 
fernt; aber beide Organe stehen zu den Geschlechtsteilen in gar keiner 
Beziehung. 

Man übte an Stelle der Kastration die Durchschneidung bzw. 
Resektion des Legrohrs, und auf solche Tiere beziehen sich die An- 



20« 


KliEHN, 

gaben YarelTs, ßland-Sutton’s und anderer. Yarell sagt dar¬ 
über: Die Follikel werden dann nicht mehr größer und der Zu¬ 
sammenhang zwischen den Geschlechtsorganen und der Stimme tritt 
bei der Henne nicht weniger in Erscheinung wie bei dem männlichen 
Tier. Sie macht einen unvollkommenen Versuch zu krähen. Es er¬ 
folgt eine Zunahme an Größe des Kammes, Sporne kommen hervor, 
'bleiben jedoch kurz und stumpf. Das Gefieder unterliegt einer Alte¬ 
ration, welche der Züchter schmutzig federig nennt, indem die Form 
gekräuselt wird und die Farbe sich ändert. Besonders bemerkenswert 
ist das Ausbleiben der Vergrößerung an der hinteren Partie des 
Rückens, die bei allen wahren weiblichen Individuen beobachtet wird 
und zur Passage der ausgebildeten Eier nötig ist. 

Seilheim gibt aus seinen Beobachtungen an 7 operierten Hennen, 
die z. T. während der nächsten Legepause, z. T. kurz vor der 
nächsten Legeperiode (7 Monate post operationem) und auf der Höhe 
der nächsten Legezeit (11—13 Monate p. oper.) mit Kontrolltieren 
geschlachtet waren, folgendes an: 

Während der Legepause schrumpften die Eierstücke bei beiden Arten der 
Hühner bis auf Mandelgröße zusammen. Beim Herannahcn der Legezeit und während 
der nächsten Legeperiode machten die Eierstöcke und teilweise auch die Legerohre 
dieselben physiologischen Wandlungen mit, wie beim niehtoperierten Huhn. 
Ovarien und (in einem Falle) auch Ovidukt traten in Tätigkeit und stießen ihre 
Erzeugnisse in die freie Bauchhöhle aus, wo sie teilweise der Resorption anheim¬ 
fielen. Jedenfalls ist nach diesen Untersuchungen zu sagen, daß der supponierte 
lokale Einfluß der Resektion des Ovidukts auf den Eierstock nicht eintritt. 

Von einer Kastration der Hennen spricht man daher mit Unrecht. Daß die 
sekundären (reschlcehtscharaktere durch die beschriebene Operation eine Alteration 
erfahren, ist reines Phantasiestück. 

Auch im übrigen traten im Fcderkleid und Benehmen bei den operierten 
Tieren keine bemerkenswerten Verschiedenheiten von den Kontrollhennen in Er¬ 
scheinung. Sie ließen sich treten wie die anderen, insbesondere wurden Krähvcr- 
versuchc nicht gemacht. Von einer Beckenverengerung war beim Vergleich der 
Durchschnittszahlen ebenfalls nichts zu bemerken, die Zahl betrug bei den ope¬ 
rierten 4,17 cm gegen 3,7 der normalen, also sogar ein durch den Zufall bedingtes 
kleines Plus. 

Wenden wir uns nun weiter den einzelnen Veränderungen zu, 
welche beim Menschen oder den anderen Haustieren als Folgezustände 
der Kastration aufgefaßt werden, so ist, wenn wir zunächst die Ge¬ 
schlechtsorgane berücksichtigen, von Gr über und Steinach beob¬ 
achtet, daß bei Kastrierten die Saracnblasen rudimentär sind. 
Andere Versuche haben ergeben, daß bei Tieren mit Entfernung der 
Hoden eine Atrophie der Prostata einhergeht. Steinach hat 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b.Pferden. 207 

dies bei Ratten, Kirby, Guyon und Legueu bei Hunden, die 5 und 
2Vs Monate nach der Operation getötet wurden, gesehen, und 
Al bar ran, der dasselbe Experiment mit Hunden anstellte, konnte 
die Atrophie schon nach Monaten feststellen. Eine große An¬ 
zahl Chirurgen hat deshalb die Entfernung der Hoden vorgenommen, 
um bei Hypertrophie der Prostata eine Vergrößerung der Drüse auf¬ 
zuhalten, und viele versichern, mit Erfolg. Del bet faßt die Ergeb¬ 
nisse etwa folgendermaßen zusammen: Wegnahme der Hoden bewirkt 
Schwund der Prostata auch im reifen Alter. Einseitige Kastration 
bewirkt einseitigen Prostataschwund, wirkt aber weniger energisch 
und weniger zuverlässig als die doppelseitige Operation. Alle Wider¬ 
sprüche zwischen den Autoren sind bis jetzt noch nicht auszugleichen. 

Zu den merkwürdigsten Veränderungen gehören die der Brust¬ 
drüsen. Wie Delbet sagt, ist das Verhalten der Brüste schwer zu 
verstehen. Die Pubertät wirkt befördernd auf ihr Wachstum, aber 
auch die Unterbrechung der Tätigkeit des Keimgewebes wirkt in 
gleichem Sinne, denn nach der Porro’sehen Operation hat man be¬ 
sonders starke Milchabsonderungen beobachtet, und während des 
Stillens hört die Menstruation auf; besonders aber kann durch die 
Kastration beim Manne das Wachstum der Brüste angeregt werden. 
Auffallenderweise wird zwar in den Berichten über nichtmedizinische 
Kastrationen die Hypertrophie der Brustdrüsen nicht erwähnt, aber 
die medizinische Beobachtung erwähnt einmal die angeborene Gynä¬ 
komastie, sowie einige, wenn auph seltene Fälle, erworbener d. h. 
das Entstehen von Weiberbrüsten nach Zerstörung der Hoden bei ge¬ 
schlechtlich Reifen. So beschreiben Lereboullet und Coffin das 
Auftreten nach durch Hodenentzündung bedingtem Schwund beider 
Hoden; Lacassagne nach Zugrundegehen auch nur eines 
Hodens, und Le Dentu die einseitige Hypertrophie der Brustdrüse 
bei einseitigem Fehlen des Hodens der gleichen Seite. 

Ueber die Exstirpation der weiblichen Keimdrüsen beim 
Menschen aus früherer Zeit fehlen fast alle Berichte. Dr. Roberts 
will in Indien weibliche Kastraten gesehen haben; die von ihm unter¬ 
suchten Personen waren etwa 25 Jahre alt, groß, vollkommen ge¬ 
sund und muskulös, hatten keinen Busen und keine Warze, der 
Scharabogen war so eng, daß sich die aufsteigenden Aeste der Sitz¬ 
beine und die absteigenden der Schambeine fast berührten. Die 
ganze Gegend der Schamteile zeigte keine Fettablagcrung, die Hinter¬ 
backen waren nicht mehr entwickelt wie bei Männern. Menstrual- 



20« 


KUEHN, 


blutung und Gesehlechstrieb nicht vorhanden. Da in neuerer Zeit die 
operative Entfernung der Eierstöcke verhältnismäßig häufig vorge¬ 
nommen wurde, sind die darnach eintretenden Veränderungen ziemlich 
genau beobachtet und herrscht darüber in vielen Punkten nahezu Ueber- 
einstimraung. 

Nach der Kastration hört die Menstruation auf; sind Reste der Eierstöeke 
zurückgeblieben, kann sie fortdauern, die Menopause trat in der Regel in 55,5 p( 't. 
sofort, in 25,8 pUt. erst nach langer Zeit und in 18,7 pCt. gar nicht ein. Von 
manchen Seiten. Daucourt, wird auf vikariierende Blutungen aus Scheide. 
Urethra, Rektum, Nase und Lunge großes Gewicht gelegt, aber andere, z. B. 
Fehling, sagen, es sei übertrieben, und Alterthum (1) und Glaeveck kon¬ 
statieren, daß sie nur selten Veranlassung zu vikariierenden Blutungen gibt. 

Man hatte geglaubt, daß das Weib durch die Kastration zu einem geschlechts¬ 
losen Individuum werde und die Charakteristika des weiblichen Geschlechts ver¬ 
loren gehen. Man hatte das Schwinden der Brüste, des langen Haupthaars, de> 
breiten Beckens behauptet, ja sogar, daß sie positive männliche Charaktere an¬ 
nehmen, als: tiefe Stimme, starke Behaarung. Dies ist nicht der Fall. Von Alter¬ 
thum ist nie eine Schrumpfung der Brüste, in manchen Fällen sogar eine Ver¬ 
mehrung durch Zunahme von Fettgewebe, in 5 Fällen kolostrumähnliche Flüssig¬ 
keit beobachtet. Konstant ist Rückbildung des Uterus, wie beim natürlichen AIt- 
werden, ähnlich am Introitus und der Scheide. Nach histologischen Untersuchungen 
von Jentzer und Beult ner, von Buys und Vandervelde beruht das Kleiner¬ 
werden des Uterus auf einfacher Atrophie der Muskelfibrillen ohne fettige Degene¬ 
ration, auf einer Wucherung des interstitiellen Gewebes, welches später fibrös wird, 
und auf einer Degeneration und Desquamation der Fpithelien der Uterusdrüsen. 

Leber die Veränderungen an den äußeren Geschlechtsteilen 
männlicher Tiere nach der Kastration ist wenig bekannt. Kichon 
und Fandelize (Fichera) fanden bei früh kastrierten Lapins die 
äußeren Genitalien so mangelhaft entwickelt, daß ein Irrtum über das 
Geschlecht möglich wurde. Sellheim stellte nach Beobachtung beim 
Kinde fest, daß die Durchschnittsmaße der Zitzen bei gleichaltrigen 
Stieren und Ochsen das unverhältnismäßig starke Wachstum dieser 
Gebilde bei Kastraten anzeigen, im Gegensatz zur minimalen Ver¬ 
größerung bei unverschnittenen Tieren im Laufe der ersten 6 Lebens¬ 
jahre. Der Durchschnitt durch durch Zitze und das darunterliegende 
Drüsengewebe zeigt auch beim Ochsen eine etwas reichlichere Ent¬ 
wicklung des letzteren als beim Stier. 

Bei weiblichen Tieren, die früh kastriert worden sind, 
schrumpfen Gebärmutter, Eileiter und Bänder, die Brunst hört auf. 
Die Milch kastrierter Kühe soll fett- und kascinrcicher, nach Leblanc 
die Fettmenge um ein Drittel vermehrt sein. Oharlier behauptete 
auch, daß der Geschmack der Milch ein angenehmerer würde. Falk 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 209 

gibt an, daß eine kastrierte, nicht besonders gute Kuh im Jahre 
auf ca. 3500 1, eine bessere auf 5—6000 1 im ersten Jahre nach 
der Kastration kommt, während sonst eine mittlere Kuh im Durch¬ 
schnitt 2000—2600 1 gibt. Bei besseren Milchkühen, die über 20 1 
täglich geben, hält dieser hohe Milchertrag nicht länger als bei nicht- 
kastrierten an. Die Vermehrung der Milchmenge tritt nach Falk 
weniger durch Steigerung der täglichen Milchmenge als durch Ver¬ 
längerung der Dauer der Laktation von etwa 9 auf 18—20 Monate 
hervor. Bertschy in Düdingen führt an, daß Kühe, welche an 
Stiersucht leiden, öfters rinderig werden, unbefruchtet bleiben, und 
auf der Weide die ganze Herde belästigen, sowie Kühe, die zur Zucht 
untauglich wurden, durch die Ovariotomie zu sehr nutzbarem Milch-, 
Arbeits- und Mastvieh umgeändert werden. 

Ueber den Erfolg der Operation in betreff der größeren Milch¬ 
ergiebigkeit sind die Ansichten sehr geteilt; in großen Milchwirt¬ 
schaften hat man gefunden, daß die Kühe durch die Kastration zu 
rasch fett werden und daß damit eine Verminderung der Milch¬ 
quantität eintritt. Liebner, Friedrich, Hofbauer und Sickert 
erklären, daß die Erfolge der Ovariotomie in keinem Verhältnis zu 
den eventl. Gefahren stehen. (Bayer, Operationslehre 1906). 

Die bekannteste Wirkung der Jugendkastration beim Menschen 
ist das Ausbleiben des Stimmwechsels, d. h. der Knabe be¬ 
kommt nicht, wie der gesunde, zur Zeit der Reife eine tiefe Stimme, 
so daß die Operation früher sehr häufig ausgeführt wurde, um für 
Männerchöre Sopranstimmen zu erhalten. Da die Tiefe der Stimme 
von der Größe des Kehlkopfes abhängt, muß die Kastration die 
Weiterentwicklung desselben verhindern. 

Dupuytren (18) beschreibt einen Kehlkopf eines menschlichen Kastraten, 
er war ein Drittel kleiner als der von Männern gleichen Alters und gleicher Statur: 
er ähnelte dem eines Kindes oder Weibes und die Stimmritze war eng. Gr über (2(0 
fand beim Vergleichen des Kehlkopfes eines 65jährigen Eunuchen mit dem eines 
Mannes bzw. eines Weibes 

1. daß der Kehlkopf des Mannes um ty 4 größer ist als der des Kastraten: 

2. daß die Größe des Kehlkopfes des Kastraten den des Weibes bloß um 
V 7 im Umfange übertrifft; 

3. daß sonach die Größe des Kehlkopfes der Kastraten in Beziehung seines 
allgemeinen Umfanges auffallend zu der des Weibes sich hinneigt. 

Nach Angabe von Huschkc. Krause und Müller steht die Stimmritze 
der Kastraten gleichsam in der Mitte zwischen der des Weibes und jener des 
Mannes, wenigstens was die Pars vocalis betrifft, die Pars respiratoria nähert sich 
der des Mannes. 

Arehii f. wissenseb. u. prallt. Tierheilk. Bd. 36. -Sappl.-Baud. 


14 



210 


KUKHN, 

Bei Tieren scheint der Stimmwechsel nicht vorzukommen, ist 
wenigstens nicht so auffällig; man nimmt im allgemeinen an, daß die 
Stimme des Männchens tiefer ist und die des kastrierten Tieres diese 
Eigenschaft verliert. Von Kapaunen hat Seil he im festgestellt, daß 
der Kehlkopf an Größe in allen Dimensionen zwischen denen des aus¬ 
gebildeten männlichen und weiblichen Tieres steht, von einer aktiven 
Annäherung an das weibliche Geschlecht aber nichts zu merken sei. 

Als eine ferner allgemein beobachtete Veränderung nach der 
Kastration dürfte der Einfluß auf das Knochensystem anzusehen 
sein. Fast überall, wo eine Beschreibung der Eunuchen gegeben 
wird, weist man auf ihre Größe hin. 

Tourncs sagt: „Die meisten der vielen Eunuchen in Kairo sind lang, schlank 
und sehr mager: Arme und besonders Beine sind von einer unvernünftigen hänge." 
Fast das (ileiche berichtet Godard: „Die Eunuchen sind mager, lang gewachsen, 
stumpfsinnig, ihre Beine sind durch ihre Länge monströs. Auch die Neger 
können sehr groß werden, aber in normalen Proportionen. Das abnorme Wachs¬ 
tum soll zur Zeit der Pubertät eintreten." Mersch ejewsky untersuchte in den 
Petersburger Gefängnissen 22 männliche kastrierte Skopzen und stellte die genauen 
Maße fest, wobei eine größere Körperlänge, große Länge der Arme und besonders der 
Unterschenkel, und vor allem bedeutendere Breite des Beckens gefunden wurde. 
Er betont übrigens, daß die Beckenbreite nicht proportional der Körperlänge sei, 
daß man die Breite des Skopzenbcckens nicht durch die langen Glieder erklären 
könne. 

Pittard (4b) fand ebenfalls durch Beobachtung an Skopzcn. daß durch 
Kastration das absolute und relative Wachstum der Brust, des Kopfes und des 
knöchernen Schädels in seinen 3 Hauptdurchmessern eingeschränkt würde, dagegen 
das absolute und relative Wachstum des Körpers im ganzen, das der Extremitäten 
und wahrscheinlich des äußeren Ohrs erhöht und beschleunigt wird. 

Bei Tieren wird allgemein die Annäherung an den Typus des 
weiblichen Geschlechts behauptet, ohne daß die Annahme durch 
Messungen direkt bewiesen wird. 

Nach Hering und }foffmann nehmen die hinteren Körperteile au Masse 
zu, während die vorderen schlanker werden. Bullenschädel und Stiernacken des 
männlichen Kindes kommen garnicht zur Entwickelung, ebensowenig der Hengstkopf 
und Speckhals des männlichen Pferdes. Aehnlielier Einfluß macht sich bei sämt¬ 
lichen anderen Haustieren bemerkbar. Settegast hat bemerkt, daß Ochsen größer 
als Stiere und Kühe der gleichen Kasse sind. Xathusius hat beim Vergleiche 
der morgen- und abendländischen Pferdegruppei] zahlreiche Messungen vorgenommen 
und bei Kastraten ein größeres Maß der Widerristhöhe. Hüftknochenhöhe und der 
\ orderen Extremitäten gefunden, während die Kumpf länge bei beiden fast gleich 
war. Nach Frank soll das Wallachcnhccken dem Stillenhecken ähnlicher werden, 
da der starke Knochenwulst am vorderen Ende der Beckenfuge verschwindet. 

Ein richtiges Verständnis über die Ursache dieser Ab¬ 
weichungen haben uns die Untersuchungen Seilheims gebracht. 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 211 

Er untersuchte die Skeletteile von Schlachttieren, also Tieren, die in 
der Jugend aus wirtschaftlichen Gründen kastriert waren. Er fand 
beim Ochsen von 3 s / 4 Jahr am unteren Ende der Oberschenkel auf 
Sägeschuitten eine noch 2 mm breite, ununterbrochene, knorpelige 
Epiphysenscheibe erhalten, beim Stiere ganz verknöchert. Die An¬ 
nahme, daß das Rind mit 4 Jahren ausgewachsen ist, findet hiermit 
volle Bestätigung. Bei älteren Wallachen war alles verknöchert, 
also ein Beweis, daß bei alten Kastraten die Knorpelzonen auch ver¬ 
kalken. Er verglich die Skelette vom Hahn und Kapaun und fand 
letzteren höher und schmalbrüstiger als den Hahn, das Becken war 
hier enger, dort breiter, aber nicht dem der Henne ähnlich. Sodann 
stellte er Versuche mit 2 Hündinnen großer Rasse an. Beim Ver¬ 
gleich ergab sich, daß besonders die Hinterbeine des kastrierten 
Tieres, aber auch durchweg die großen Gliederknochen länger und 
schlanker waren, daß am Becken die absoluten Maße größer, die 
relativen kleiner waren, und daß das Knochenwachstum bei der nicht 
kastrierten Hündin abgeschlossen war, während bei der kastrierten 
Epiphysenscheiben und knorpelige Nähte noch vorhanden waren. 

Es bestehen sonach sehr auffällige Störungen im Wachstum der 
Knochen im Anschluß an die in jugendlichem Alter ausgeführte 
Kastration beim männlichen wie weiblichen Tier. Die Abweichungen 
von der Norm bestehen in einer Retardation der Verknöcherung 
knorpeliger Skelettabschnitte, besonders der Epiphysenscheiben an 
den Knochen der Extremitäten und den Knochensuturen. 

Die Folgen sind sehr beträchtliche Veränderungen in den Pro¬ 
portionen der Extremitäten, des Schädels, des Beckens und auch des 
Brustkorbes. 

Daß Kastrationen nach Vollendung des Wachstums einen solchen 
Einfluß auf das Knochensystem nicht mehr ausüben, ist begreiflich, 
es sind solche Knochenveränderungen wenigstens bei den zahlreichen 
operierten Frauen nicht beobachtet worden, eine Verkleinerung des 
Beckens kommt nicht vor. Zu erw'ähnen ist hier aber die Wirkung 
der Kastration auf die Osteomalazie. Nach Entfernung der Eierstöcke 
hört die Krankheit auf und wenn auch die Heilung nicht immer 
dauernd ist, so scheinen doch die Beziehungen zwischen den 
Keimdrüsen und dem Knochensystem vorhanden zu sein. 

Im Hinblick auf die günstigen Erfolge hat Fehling die Hypothese aufgestelit. 
es handle sieh bei diesen Erkrankungen um eine von den Ovarien ausgehende 

14* 



212 


KUEHK, 


Trophoneurose der Knochen. Man fand in den exstirpierten Ovarien starken Ge¬ 
fäßreichtum, hyaline Degeneration der Gefäß Wandungen und Veröden bzw. Degene¬ 
ration der Follikel. Die Fehlingschc Theorie würde nun durch das Auffinden 
konstanter Veränderungen in den Ovarien, sei es im ganzen Organ oder nur in 
einzelnen Bestandteilen, gestützt werden. Nach den Untersuchungen von 
Bulius (8) ist es zu bezweifeln, ob cs je gelingen wird; auch Schottländer 
gibt zu, daß es anatomisch nicht möglich, vielleicht auf chemischem Wege zu er¬ 
reichen sein wird. 

Kehrer hat folgende Hypothese aufgestellt: 

1. Die Eierstucke bilden pathologischerwcisc einen chemischen Körper, der 
fortwährend ins Blut übergehend, die Knochenphosphatc und -karbonate 
löst und zwar nach Maßgabe der inneren Angriffsfläche, die in den spon¬ 
giösen Knochen ausgedehnter ist als in den Röhrenknochen. 

2. Der hypothetische chemische Körper wird auch in der Norm in geringen 
Mengen, bei Osteomalazie reichlich gebildet. Er hemmt in der Norm 
bloß die Knochenneubildung, so daß das" weibliche Skelett dünner und 
graziler wird als das männliche. Seine Hypersekretion erzeugt Osteo¬ 
malazie. 

Diese Theorie hat eine ganze Reihe von Dingen zu Voraus¬ 
setzungen, von denen bisher noch nichts auch nur einigermaßen sicher 
erwiesen ist: die sogenannte innere Sekretion der Eierstöcke, 
ihre Störungen, ihr Einfluß auf den Gesamtorganismus und 
auf einzelne Körperteile bei normalem oder abnormem Verhalten. 

Zur ihrer Stütze lassen sich höchstens die Versuche von Tarulli und Pa¬ 
ra tu lo anführen. Sie beobachteten den Stoffwechsel bei Hunden und ovario- 
tomierten weiblichen Mäusen und stellten nach Entfernung der Keimdrüsen eine 
ansehnliche und dauernde Verminderung in der Ausscheidung der Phosphate und 
ausgeatmeten Kohlensäure fest, die sofort wieder zunahm, wenn Ovarialsaft 
subkutan eingespritzt wurde. Tarulli und Caratulo folgerten hieraus, daß die 
Ovarien dauernd an das Blut ein Produkt der inneren Sekretion abgäben, welches 
die Oxydation von organischen Phosphorverbindungen. Kohlehydraten und Fetten 
begünstige. Pinz uni, Loe wy und Rieh t er . welche die gleichen Versuche 
machten, bestätigten oben gemachte Behauptungen, während Schultz und Falk, 
Lüthje und andere sie verneinten. Messe und Oulie und Hey mann sogar in 
einigen Fällen eine vermehrte Ausscheidung der Phosphate gefunden haben. 

Nach dem jetzigen Stande ist es nicht möglich, über die Wirkung 
der Kastration bei der Osteomalazie und die Entstehung dieser 
Knoehenerkrankung befriedigende Erklärungen abzugeben. 

Treten wir jetzt den Veränderungen des Schädels noch 
etwas näher, so sollte man annehmen, daß der Kastratenschädel 
größer sein müsse, da seine Nähte später verknöchern, somit Ge¬ 
legenheit zu längerem Wachstum gegeben isl. 

Vom menschlichen Kastraten ist in alten Beobachtungen die Größe des 
Kopfiiinläntre" nicht angegeben. Merschejcwsky säet von seinen Skopzen. daß 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 213 

die Kopfmaße nicht wesentlich anders als von Männern gewesen seien; war der 
Kopfumfang aber gleich, so waren die Skopzenköpfe verhältnismäßig kleiner wegen 
der vermehrten Körperlänge. Auch nach den Betrachtungen von Ecker und 
Becker an Negerskeletten waren die normalen Negerköpfe größer als die der 
Eunuchen. 

Nun hat aber Gail (zitiert von Möbius) behauptet, daß beim Kastraten die 
Hinterhauptschuppe weniger gewölbt, ja geradezu flach sei, und führt dies auf die 
seiner Ansicht nach wichtigste Veränderung nach der Kastration, auf die Entwicke¬ 
lungshemmung des Kleinhirns zurück, das bei weitem nicht die Größe erreicht, als 
wenn die Operation nicht vorgenommen worden wäre. Nach seiner Ueberzeugung ist 
das Kleinhirn der Sitz des Geschlechtstriebes. Wird die Kastration erst nach Be¬ 
endigung des Wachstums vorgenommen, oder wenigstens zu einer Zeit, wo in der 
Hauptsache das Kleinhirn schon entwickelt ist, so verhindert sie weder die Kund¬ 
gebungen des Fortpflanzungstriebes, noch die Möglichkeit die Begattung auszuüben. 
Den besten Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung sieht Gail in der Wir¬ 
kung der einseitigen Kastration auf die Entwickelung des Kleinhirns. Wie mehr¬ 
fache Beobachtungen an Kranken, verschiedene Sektionsbefunde und Tierexperi¬ 
mente zeigten, hatte stets der Verlust nur eines Hodens Atrophie der gegenüber¬ 
liegenden Kleinhirnhemisphäre und im Anschluß daran auch Abflachung der Hinter¬ 
hauptswölbung zur Folge. 

Möbius (41), der warm für die Ga 11 sehen Anschauungen eintritt, glaubt 
nach seinen Messungen an Schädeln verschiedener Tierarten mit großer Wahr¬ 
scheinlichkeit sagen zu dürfen, daß durch die Kastration die Form des Schädels 
verändert wird, daß er im ganzen größer wird, und daß sein hinteres Ende in 
einer nach der Tierart verschiedenen Weise verunstaltet wird. Am Wallachenschädel 
will Möb ius ein engeres Hinterhauptsloch und eine rauhe, gleichsam verwitterte 
Oberfläche des außerdem kleineren und weniger gewölbten Hinterhauptbeins ge¬ 
funden haben. 

Sellheim stellte bei seinen Versuchen fest, daß der Kapaunenschädel zier¬ 
licher, weniger massig und mit weniger ausgeprägten Muskelansätzen versehen war. 
Der Schädelinnenraum war etwas vermindert, der Höhendurchmesser kleiner. Auch 
der Schädel der kastrierten Hündin war länger und breiter, aber niedriger als der 
des Kontrolltieres. Christiani (11) hat zahlreiche Messungen an den Hinter¬ 
hauptsbeinen von Pferden vorgenominen, ohne einen durchgreifenden und außer 
allem Zweifel stehenden Unterschied in Größe, Gestalt und Wölbung der Hinter¬ 
hauptsbeine bei Wallachen und nicht kastrierten Pferden nachweisen zu können. 

Daß die Kastration tatsächlich einen Einfluß auf die Schädel¬ 
beschaffenheit ausübt, lehrt die allgemein bekannte stärkere Ent¬ 
wickelung der Hörner der Ochsen, der Unterschied betrug nach 
Seilheim in 5 Jahren 15 cm. Bei Ziegen ist es vielleicht ebenso; 
Tschudi erwähnt, er habe einen kastrierten Bock gesehen, dessen 
Hörner im Bogen 2y 2 Fuß maßen. Bei Widdern sollen in der Regel 
die Hörner mehr oder weniger kümmerlich ausfallen, bei manchen 
Rassen ganz ausbleiben. Rörig hat beim Wild diese Frage sorg¬ 
fältig studiert und gefunden, daß angeborene völlige Atrophie der 



214 


KÜEHN, 


Zeugungsorgane vollständige Geweihlosigkeit zur Folge hat. Ein¬ 
seitige Atrophie derTestikel bedingt einseitige Verkümmerung der Geweih¬ 
stangen auf der entgegengesetzten Seite. Erworbene völlige Atrophie der 
Hoden hat Entwickelung eines Perückengeweihes zur Folge. TotaleKastra- 
tion eines jugendlichen Tieres bewirkt, daß weder Stirnzapfen noch 
Geweih entwickelt werden, die gleiche Operation zur Zeit des völlig 
ausgereiften Geweihes verursacht, daß das Geweih vorzeitig abfällt 
und nie wieder ein ausreifendes Geweih entsteht. 

Ueber Größe und Beschaffenheit des Kastratengehirns 
finden sich mit der Ausnahme der Gal Ischen Beobachtungen keine 
Angaben vor. An Pferdegehirnen hat Lauret Wägungen vornehmen 
lassen, die für Hengste ein Gewicht von 534,8, Stuten 507 und 
Wallache 519,62 g, somit für die kastrierten Tiere ein geringeres Ge¬ 
wicht ergaben. Golin hat in 15 Wägungen nur eine geringe Differenz 
festgestellt, die er auf eine Vergrößerung des Kleinhirns schiebt. 

Ueber die Beeinflussung der seelischen Tätigkeit und Charak¬ 
tereigenschaften durch die Kastration liegen die widersprechendsten 
Urteile vor. So heißt es im allgemeinen von den Kastraten, sie seien 
feige, boshaft, neugierig, fanatisch, grausam, hinterlistig, eitel, aber 
alle diese Eigenschaften sind überhaupt häufiger als ihr Gegenteil und 
kaum auf direkten Verlust der Keimdrüsen, sondern auf verschiedene 
andere Umstände und wirtschaftliche Verhältnisse zurückzuführen, 
andererseits werden Eunuchen als anhänglich und kinderfreundlich be¬ 
zeichnet. 

Sodann ist vielfach die Entstehung von Geistesstörungen be¬ 
hauptet worden. Dupuytren, Demarquay, Vidal und andere 
sagen, es könne Melancholie auftreten, die zuweilen tödlich sei oder 
zum Selbstmord führe. Auch in neuerer Zeit sind bei Behandlung 
von Prostatavergrößerung durch Kastration unangenehme Geistes¬ 
zustände beobachtet worden; so starben von 6 Kranken Faulds 4 
an akuter Manie kurze Zeit nach der Operation. Wenn hier gewisse 
ursächliche Beziehungen zwischen Operation und Geisteskrankheit 
augenscheinlich sind, so ist der nähere Zusammenhang doch völlig 
ungeklärt, und müssen ganz andere Ursachen und Gemütsstimmungen 
mitgewirkt haben. In manchen Fällen mögen die Patienten schon 
vorher geistig etwas abnorm gewesen sein. Nach Ausführung der 
Operation im jugendlichen Alter hat man Geistesstörungen nicht be¬ 
obachtet. 

Auch die Erfahrungen an Frauen haben nicht, zu einer einheit- 



Untersuchungen üb. d.Einwirkung d. Kastration auf d.Hypophyse b. Pferden. 21 •*> 

liehen Deutung geführt. So wird von Glaevecke ein schädigender 
Einfluß auf den Geisteszustand behauptet, Vs aller Fälle war melan¬ 
cholisch, gedrückt. Pfister nennt von 116 Fällen 50 gedrückt. 
Schmitz beschreibt 3 Fälle schwerer psychischer Störung, er zieht 
wie Routh die Theorie der inneren Sekretion der Ovarien heran und 
stellt die Folgen des Verlustes der Keimdrüsen in Analogie mit Ver¬ 
lust der Schilddrüse. Alterthum sagt aber, eine Cachexia ovario- 
priva gibt es nicht, er stellt 111 Fälle zusammen, von denen 47 keine 
Aenderungen der Gemütsstimmung zeigten, 45 waren heiter, froh, 
8 gereizt erregt und nur 7 waren traurig, aber auch dazu gaben 
andere familiäre Gründe die Veranlassung ab. Ueber die Abnahme 
des Gedächtnisses gaben von 97 Frauen 28 eine Abnahme an, aber 
nur 1 hochgradig. 

Bei Tieren wird im allgemeinen der Charakter durch die 
Kastration geändert, Kraft und Lebhaftigkeit vermindert und zwar 
umsomehr, je später die Operation vorgenommen wird, alte Hengste 
werden nach der Kastration ruhiger und träger als junge. Von 
Kapaunen wird angegeben, sie seien feige und bemutterten die Jungen, 
Seilheim hat das Gegenteil beobachtet. 

Uebersehen wir nun noch einmal die Veränderungen, welche 
direkt durch die Kastration, durch den Ausfall des Einflusses der 
Keimdrüsen auf den Körper hervorgerufen werden, so kommen wir 
zu der Ueberzeugung, daß die früheren Annahmen zum großen Teil 
übertrieben sind, daß die alte und noch heute vielfach verbreitete 
Anschauung, daß durch diese Operation die Geschlechter gewisser- 
raassen umgekehrt, daß der Mann zum Weibe, das Weib zum Manne 
würde, nicht den Tatsachen entspricht. Es ergibt sich aber, daß die 
Kastration im jugendlichen Alter die Ausbildung der sekundären Ge¬ 
schlechtscharaktere hemmt, aber nicht aufhebt, im späteren Alter 
zwar nur geringeren Einfluß äußert, aber doch nicht ganz ohne Ein¬ 
wirkung bleibt. 

Es werden auch nicht alle Gcschlechtscharaktere in gleicher 
Weise, sondern die einen regressiv, die anderen progressiv beeinflußt. 
Während von den Geschlechtsorganen Samenblasen, Prostata und 
Uterus sich zurückbilden, wird die Mamma mitunter zum Wachstum 
oder erhöhter Tätigkeit angeregt. Der Kehlkopf bleibt in der Ent¬ 
wickelung zurück. Epiphysenknorpel und Nähte verknöchern nicht 
rechtzeitig, so daß aus dieser Hemmung ein stärkeres Wachstum hervor¬ 
geht. Die Einwirkung auf die nervösen Zentralorgane, die Haut und 



216 


KUEHN, 


ihre Anhänge ist zwar nicht zu leugnen, aber bei weitem nicht in 
dem Maße zu beobachten, wie immer angenommen wird. 

Daß die Entfernung der Keimdrüsen aber wirklich als die Ur¬ 
sache genannter Veränderungen zu betrachten ist, dürfte durch die 
Tatsache gestützt sein, daß sie nicht eintreten, wenn die Testikel 
bzw. Ovarien nicht vollständig entfernt, sondern Teile davon im Körper 
zurückgeblieben sind. Knauer und Haibau haben gezeigt, daß die 
aus ihren nervösen Verbindungen vollständig gelösten und an irgend 
einer Stelle des Körpers eingepflanzten Eierstöcke den Schwund der 
übrigen Geschlechtsteile und der Brustdrüse verhindern. 

Alle diese Tatsachen machen es wahrscheinlich, daß 
eine innere Sekretion der Geschlechtsdrüsen vorhanden ist, 
daß irgend welche Stoffe aus den Keimdrüsen in den Kreislauf ein¬ 
treten müssen, die dann auf die einzelnen Organe hemmend, fördernd 
oder umgestaltend wirken. 

Fichera glaubt nun durch seine Versuche den Beweis erbracht 
zu haben, daß direkte Beziehungen zwischen den Geschlechtsdrüsen 
und der Hypophyse bestehen. Die Richtigkeit dieser Behauptung vor¬ 
ausgesetzt, würden darnach manche Hypothesen aus dem Bereich der 
bloßen Wahrscheinlichkeit herausgerückt werden. Bei der Akromegalie 
wird die Hypertrophie und vermehrte Tätigkeit der Hypophyse als 
Ursache der Steigerung des Knochenwachstums angesehen, auch bei 
der Kastration wird, wenigstens bei jungen Tieren, eine Steigerung 
des Knochenwachstums und eine Vergrößerung der Hypophyse beob¬ 
achtet. Da diese Vergrößerung und die durch Eosinophilie gekenn¬ 
zeichnete vermehrte Tätigkeit sehr schnell eintritt, ließe sich das 
Knochenwachstum vielleicht auf die Hyperfunktion des Gehirnanhangs 
zurückführen. 

Man müßte hieraus folgern, daß das Produkt der inneren Se¬ 
kretion der Keimdrüsen die entgegengesetzte Wirkung habe, als das 
der Hypophyse, daß es Antagonist der letzteren sei und auf das 
Knochenwachstum hemmend wirke. Die verminderte Ausscheidung 
der Phosphate nach der Kastration, wie sie Tarulli und Caratulo 
beobachtet haben, müßte dann ebenfalls als Wirkung der vermehrten 
Hypophysenfunktion gedeutet werden. Eine größere Sicherheit in der 
Beurteilung dieses Punktes würde man erhalten, wenn nach Kastra¬ 
tion von Tieren ohne Hypophyse das vermehrte Knochenwachstum 
ausbliebe. 

Auch für die Annahme der Reziprozität, daß umgekehrt auch ein 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 217 

hemmender Einfluß der Hypophyse auf die Keimdrüsen vorhanden sei. 
könnten Beobachtungen bei der Akromegalie herangezogen werden, 
wo sie in Form von Funktionsstörungen (Menopause) und Atrophie 
der Geschlechtsorgane teilweise zum Ausdruck kommt. 

Auch die Kehrersche Hypothese der Osteomalazie würde hier¬ 
durch eine gewisse Stütze finden. Sie setzt bekanntlich seitens der 
Eierstöcke eine in diesem Falle gesteigerte Sekretion eines Stoffes 
voraus, der die Knochenphosphate und -karbonatc löst, in der Norm 
nur in geringen Mengen gebildet wird, um die Knochenneubildung zu 
hemmen. Die ausfallende Tätigkeit der Hypophyse würde dem Pro¬ 
dukt der Ovarien eine gesteigerte Wirkung ermöglichen. Von Inter¬ 
esse würde es sein zu wissen, ob bei Osteomalazie Verkleinerung der 
Hypophyse bzw. verminderte Funktion zu beobachten ist, da dies ein 
weiterer Beweis für die wechselseitigen Beziehungen genannter Organe 
sein würde; ich habe in der mir vorliegenden Literatur keine darauf 
bezügliche Notiz gefunden. 

Beim Fehlen der Hypophyse müßte als Ausdruck des Mangels 
ihrer hemmenden Tätigkeit eine Hypertrophie der Geschlechtsorgane 
oder Steigerung ihrer Funktion eintreten. Beobachtungen dieser Art 
sind nirgends verzeichnet. Friedmann und Maas haben bei ihrem 
Versuchstier, das lange Zeit nach völliger Entfernung der Hypophyse 
lebte und sich des besten Wohlseins erfreute, ausdrücklich hervor¬ 
gehoben, daß keine Abweichung an irgend welchen Organen vorhanden 
war, auch von gesteigertem Geschlechtstrieb nichts erwähnt. 

Für uns war es nun von größter Wichtigkeit, festzustellen, ob 
die von Fichera gefundene Vergrößerung der Hypophyse 
nach der Kastration auch beim Pferde vorhanden ist. Das 
müßte-eigentlich der Fall sein, da auch Osborne-Vincent die An¬ 
sicht ausgesprochen haben, daß die Funktion der Hypophyse im 
ganzen Tierreich die gleiche sei, da selbst mit dem Extrakt von 
Fischhypophysen ähnliche Reaktionen hervorzurufen waren, wie mit 
dem von Säugetieren. Auch Kon (34) glaubt die Beobachtungen 
Fichera’s bestätigen zu können. 

Da nach Landessitte nur sehr wenig Hengste gebraucht werden, 
somit diese selten zur Sektion kommen, wäre das Vergleichsmaterial 
nur ein sehr mangelhaftes gewesen, und es wurden daher die Hypo¬ 
physen von Stuten mit herangezogen. Es war dabei die Ueberlegung 
maßgebend, daß sie in geschlechtlicher Beziehung als unversehrt zu 
betrachten und somit den Hengsten gleichzustellen seien, ferner auch 



218 


KUEHN, 


deshalb, weil der Einfluß der Ovarien auf die Hypophyse der gleiche 
wie der der Testikel sein soll, wie Fichera ja bei den ovariotomierten 
Tieren festgestellt hat. Von allen zur Sektion kommenden Tieren 
wurde nach Herausnahme des Gehirns das Gewicht desselben und der 
Hypophyse, später auch das des Kleinhirns festgestellt. Von der 
Hypophyse wurde die der unteren Fläche ziemlich fest anhaftende 
Dura entfernt, indem mit scharfem Messer an der Verwachsungsstelle 
am unteren Rande vorsichtig ein Einschnitt gemacht und dann durch 
leichten Zug, unterstützt von weiterem Präparieren mit dem Messer, 
die feinen Fasern, welche Dura und Hypophyse innig verbinden, ge¬ 
trennt wurden. 

Es gelangten zur Untersuchung 70 Wallache, 40 Stuten und 
2 Hengste. Die festgestellten Gewichte waren folgende: 

Hypophysen. 



Durchschnitt 

Minim. 

Maxim. 

Wallach 

. . . 2,432 g 

1,115 g 

3.681 g 

Stute 

2,645 g 

1,524 g 

3,1)85 g 

Hengst . 

. . . 2,701 g 

2.427 g 

2.975 g 


Gehirn. 



Wallach 

. . . 632,08 g 

498.47 g 

735.00 g 

Stute 

. . . 634,18 g 

528,50 g 

729,00 g 

Hengst . 

. . . 683,00 g 

r, 78,00 g 

688.00 g 


Kleinhirn. 


Wallach 

• ■ • 77,08 g 

(5(1,(10 g 

88,30 g 

Stute 

. . . 75,34 g 

65,20 g 

84,40 g 


Die vergleichende Untersuchung ergibt zunächst die überraschende 
Tatsache, daß die Hypophyse der Wallache die leichteste der 
aufgeführten Geschlechter ist, sie ist mit 2,432 g um 0,213 g 
kleiner als die der Stuten, welche wiederum ein aber nur um 0,056 g 
geringeres Gewicht besitzt als der Hengst. Die Differenz der letzten 
beiden ist so gering, daß sie ganz außer Acht gelassen werden kann. 
Freilich ist die Zahl der herangezogenen Hengste so klein, daß daraus 
ein sicherer Schluß nicht gezogen werden kann; bei einer größeren 
Anzahl könnte die Differenz im Durchschnittsgewicht erheblich steigen, 
oder aber auch sich ins Gegenteil verkehren. Aus dem geringen 
Unterschied von 0,243 g zwischen Wallach und unversehrten Ge¬ 
schlechtern aber überhaupt auf einen Einfluß der Kastration auf die 
Schwere der Hypophyse schließen zu wollen, dürfte mehr als gewagt 
erscheinen, da die Gewichtsschwankungen bei den gleichen Ge¬ 
schlechtern unendlich viel größer sind, jene kleine Differenz als ab¬ 
solut belanglos zu betrachten ist. So beträgt namentlich beim 






Untersuchungen üb. d.Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 219 

Wallach, wo die leichteste Hypophyse 1,115 g und die schwerste 
3.681 g wiegt, die Spannung 2,566 g oder mit anderen Worten: die 
leichteste verhält sich zur schwersten wie 1: 3,31. 

Auch bei Stuten ist die Sachlage ungefähr die gleiche, die 
leichteste mit 1,524 g ist gegen die schwerste von 3,985 g um 2,461 g 
leichter oder verhält sich zu ihr wie 1 : 2,61. Von einem speziellen 
Vergleich der beiden Hengsthypophysen kann wohl abgesehen werden, 
da auch schon unter den beiden größere Differenzen vorhanden sind, 
als zwischen Hengsten und Wallachen. 

Betrachten wir nun das Gewicht der Hypophyse im Verhältnis 
zu dem des Gehirns, so läßt sich absolut kein bestimmtes wechsel¬ 
seitiges Abhängigkeitsverhältnis erkennen. Bei Wallachen wurde aller¬ 
dings bei der kleinsten Hypophyse (1,115 g) das kleinste Gehirngewicht 
498,47 g gefunden, die schwerste (3,681 g) aber bei einem Gehirn von 
nur 632,50 g, während eine fast halb so schwere Hypophyse von 2,00 g 
bei einem Gehirngewicht von 666,30 g vorhanden war. Das schwerste 
Gehirn andererseits mit 735,00 g hatte allerdings auch eine schwere 
Hypophyse von 3,180 g, aber ein fast gleiches Gehirn von 726 g hatte 
nur eine Hypophyse von 1,848 g aufzuweisen. Bei den Stuten ist die¬ 
selbe Beobachtung fast noch auffälliger zu machen, die leichteste 
Hypophyse von 1,524 g und die schwerste von 3,985 g kommen bei 
gleichem Gehirngewicht vor. nämlich bei 677,10 bzw. 677,78 g, die 
Differenz von 0,68 g entbehrt wohl jeder Bedeutung. Wir sehen also 
ganz regellos schwere Hypophysen bei leichten Gehirnen und umge¬ 
kehrt Vorkommen, ohne daß auch das Geschlecht irgend welchen Ein¬ 
fluß bemerkbar macht. Auch der Größe und dem Gewicht der Pferde 
kann nach meiner Beobachtung kein irgendwie bestimmender Einfluß 
auf Größe des Gehirns oder der Hypophyse beigemessen werden, da 
bei kleinen Pferden große Gehirne und bei großen leichte Gehirne 
gefunden wurden. Es wäre vielleicht der Rasse ein gewisser Einfluß 
zuzuschrciben, allein die Versuchsanordnung und das Material waren 
nicht geeignet, um daraus bindende Schlüsse ziehen zu können, und 
müßte diese Frage durch eine besondere Versuchsreihe gelöst werden. 

Was nun die Gehirngröße bei den verschiedenen Geschlechtern 
anbetrifft, so zeigt sich, daß das Hengstgehirn mit 683 g gegen 
634,18 g der Stute und 632,98 g des Wallachs um rund 50 g schwerer 
ist. Man könnte daraus schließen, daß das Gehirn des männlichen 
Geschlechts — wie beim Menschen — größer ist als das des weib¬ 
lichen, und daß beim Wallach infolge der Kastration ein Zurückbleiben 



220 


KUEHN, 


der Gehirnentwicklung stattgefunden hat. Es würde hierdurch die 
Beobachtung Seilheims bestätigt, der nach der Kastration eine Ver¬ 
änderung des Schädels festgestcllt hat in der Richtung, daß der Kopf 
länger, aber niedriger wird. Da das Wachstum des Schädels von der 
Entwicklung des Gehirns abhängig ist, würde beim Wallach eine 
kleinere Schädelhöhle vorhanden sein müssen als beim Hengst. Ein 
ähnliches Resultat hatte Leuret erhalten, der auch festgestellt hatte, 
daß das Gehirn des Hengstes schwerer sei als das der Stuten und 
Wallache. 

Da ich erst später, nachdem schon eine ganze Reihe von 
Wägungen vorgenommen waren, durch die Literatur an die Behauptung 
Gall’s erinnert wurde, daß durch die Kastration die Entwickelung 
des Kleinhirns aufgehalten wird, suchte ich auch dieser Frage gleich¬ 
zeitig näherzutreten. Da die Pferde alle oder mindestens zum größten 
Teil in früher Jugend, jedenfalls vor völliger Entwickelung kastriert 
werden, müßte die Abweichung leicht festzustellen sein. Das Gewicht 
des Kleinhirns wurde ermittelt, nachdem stets die Kleinhirnschenkel 
in gleicher Weise durchschnitten waren. Das Durchschnittsgewicht 
bei Wallachen ergab 77,08 g, bei Stuten 75,34 g, bei gleichem Gesamt¬ 
gewicht des Gehirns, so daß beim Pferde die behauptete Verkleinerung 
des Kleinhirns nicht beobachtet werden kann. 

Um die Größe der Hypophyse festzustellen, wurde die Be¬ 
stimmung der verdrängten Wassermenge benutzt, da die einfache Auf¬ 
nahme der drei dimensionalen Durchmesser keinen genauen Aufschluß 
über den wirklichen Kubikinhalt abgeben kann. Die ermittelten 
Maße betrugen beim 


Durchschnitt Minim. 

Wallach . . 2,302 ccm 1,004 ccm 

Stute .... 2,508 . 1,432 „ 

Hengst . . . 2,568 „ 2,300 . 


Maxim. 
3,475 ccm 
3,700 . 
2,820 . 


Der Vergleich ergibt, daß die Größe der Hypophyse eben¬ 
sowenig wie das Gewicht durch die Kastration beeinfluß.t wird. 

Die Gestalt der Hypophyse ist nicht ganz leicht zu bestimmen: 
Lothringer nennt sie kastanienförmig, welcher Vergleich noch am 
besten, aber nicht völlig zutrifft. Von oben gesehen ist die Form fast kreis¬ 
förmig, in der Regel etwas von vorn nach hinten zusammengedrückt, 
sodaß der (juerdurchmesser etwas größer ist. Am hinteren Ende 
macht sich mitunter eine kleine spitzrunde Ausbuchtung bemerkbar, 
die dann auf der etwas hervortretenden Partie des Hirnteils beruht, in 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 221 


der Regel aber nicht sichtbar in Erscheinung tritt. An der oberen 
Fläche pflanzt sich am Uebergang des ersten in das zweite Drittel 
das Infundibulum in die Hypophyse ein, im übrigen ist sie flach ge¬ 
wölbt. an der hinteren Partie öfter je ein seitliches etwas stärkeres 
Hügelchen zeigend, und geht ohne besondere Grenze in die Seiten- 
und Hinterfläche über. Die untere Fläche ist mehr eben, zeigt, eine 
flache konkave Ausbuchtung, welche vorn am breitesten und tiefsten 
ist, nach hinten schmaler und flacher wird, gut 2 / 3 des Längsdurch¬ 
messers einnimmt und eine dreieckige Gestalt mit nach hinten abge¬ 
rundeter Spitze hat. Die Höhlung entspricht natürlich genau dem 
gewölbten Teil des Türkensattels, dem sie vermittels der Dura fest 
anhaftet. Untere und obere Fläche konvergieren vorn, sodaß die 
Hypophyse hinten am dicksten ist und die beiden Flächen sich vorn in 
einem nahezu scharfen Rande berühren; an den Seiten und dem hinteren 
Teile gehen untere und Seitenflächen in einer deutlich markierten Linie 
in einander über, mitunter ist die Kante auch so abgerundet, daß die 
deutliche Grenze verschwindet. 

Die Farbe der Hypophyse ist fleckig oder flammig gelblich, 
braunrot in verschiedener Schattierung; die Oberfläche, die von einer 
zarten, durchsichtigen Kapsel überzogen ist, etwas grauer, die untere 
Fläche nach Ablösen der Dura mehr dunkel, braunrot gefärbt. Die 
Durchschnittsfläche zeigt, je nach der Richtung, in der sie angelegt 
wird, eine verschiedene Verteilung der Farben und Beschaffenheit; 
die beiden Bestandteile des Organs, Gehirn- und Drüsenteil, sind 
scharf und deutlich von einander zu unterscheiden. 

Der rötlich grau gefärbte Gehirnteil zieht sich auf einem 
mittleren Sagittalschnitt in schräg von oben und vorn nach unten und 
hinten verlaufender Richtung und in der Regel in einem leicht S-förmig 
gekrümmten Bogen durch die ganze Drüse. Anfangs schmal nimmt 
er mehr oder weniger schnell an Breite zu und endet kolbenförmig 
abgerundet am hinteren Rande, diesen mitunter spitzrund ausbuchtend. 
Der ganze Teil ist von einem scharf abgesetzten, etwa 1 mm breiten 
weißlichen Streifen begrenzt, von der braunroten, vorn und unten in 
der Regel etwas dunkleren Drüsenpartie getrennt und nimmt etwa 
y 3 der Schnittfläche ein. Auf einem mittleren Frontal- oder Horizontal¬ 
schnitt ist die periphere Drüsensubstanz in viel größerer Mächtigkeit 
vorhanden, der Gehirnteil stellt sich als ein mehr oder weniger großer, 
rundlicher oder länglicher heller Fleck dar, der auch am oberen, be¬ 
züglich hinteren Rande von einem Streifen des Drii senge wehes umfaßt 



222 


KUEHN, 


wird, oder schiebt sich /ungenförmig vom hinteren Rande in den 
Drüsenlappen ein; auch hier ist er allseitig von dem scharf abge- 
set/.ten Band des Epithelsaumes umgeben. 

Zur mikroskopischen Untersuchung wurde die Fixierung in Formalin. 
Sublimat, Müllerscher Flüssigkeit, und nach Ben da mit Forraalin 
und Chromsäure vorgenommen, in der Alkoholreihe gehärtet, und nach 
Xylol- resp. Chloroformbehandlung in Paraffin eingebettet. Die Schnitte 
wurden nach den bekannten Methoden gefärbt, mit Woigertschem 
Eisenhämatoxylin, dem Biondi-Heidenhainschen Gemisch, nach 
Assmann, mit Hämatoxylin-Eosin und anderen. 

Das mikroskopische Bild entspricht den von den verschiedenen 
Autoren gemachten Schilderungen. Der dem Gehirnteil unmittelbar 
anliegende, makroskopisch etwa 1 mm, auf Frontal- oder Horizontal¬ 
schnitten im vorderen Teil breitere Streifen des drüsigen Anteils, der 
von Peremeschko als Markschicht, von Lothringer als Epithelsaum 
bezeichnet worden ist, hat einen ganz bestimmten, mehr einfachen Bau, 
wodurch er sehr scharf und deutlich von dem übrigen zu unterscheiden 
ist. Zarte Bindegewebsfasern bilden ein feines Netzwerk ungleicher, 
vielgestaltiger Maschen, die dicht mit gleichartigen kleinen Zellen an¬ 
gefüllt sind. Im übrigen peripheren Drüsenteile ist die Anordnung 
eine ganz andere und je nach der Schnittrichtung verschiedene. Eine 
außerordentlich reiche Entwickelung der Blutgefäße beherrscht das 
Bild. Während in der Grenzschicht nur sehr wenig und dann äußerst 
feine, kaum sichtbare Kapillaren das bindegewebige Stroma begleiten, 
sind sie hier so breit, daß an vielen Stellen das begleitende Bindege¬ 
webe völlig in den Hintergrund tritt. Auf Sagittalschnitten sieht man 
die Gefäße vielfach in Längsrichtung getroffen, zum Teil nahezu 
parallelen, aber auch ganz verschiedenen Lauf nehmend, sich vielfach 
verzweigend und verbindend. Dazwischen erscheinen die /.eiligen Be¬ 
standteile in Form kompakter Stränge oder Schläuche angeordnet. 
Auf Frontalschnitten zeigen sich die Gefäße fast ausschließlich im 
Querschnitt getrofTen, die Zellen in einer mehr alveolären v\nordnung 
von feinen Bindegewebsmassen zusammengehalten. Auf Horizontal¬ 
schnitten sind die Gefäße und Zellschläuche in verschiedener Richtung 
erfaßt und entstehen Bilder, die als eine Mischung obiger beiden zu 
betrachten sind. 

Die Entwickelung der Blutgefäße ist in den verschiedenen 
Hypophysen durchaus nicht die gleiche; während sie bei den einen 
außerordentlich zahlreich, weit und stark gefüllt sind, erscheinen sie 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 223 

bei anderen spärlicher, enger und wenig gefüllt. Ein besonderer Ein¬ 
fluß des Geschlechtes konnte nicht festgestellt werden, da sich so¬ 
wohl bei Wallachen wie bei Stuten Hypophysen mit allen Ueber- 
gängen von geringem zu reichlichstem Vorhandensein der Gefäße fanden. 
Es machte fast den Eindruck, als ob die jeweilige Blutmenge für die 
Größe des Organs von bestimmender Bedeutung sei, da große Hypo¬ 
physen in der Regel durch starke Blutfülle und dementsprechend Ge¬ 
fäßerweiterung ausgezeichnet waren. Es soll damit aber nicht be¬ 
hauptet werden, daß das größere Volumen einer Hypophyse aus¬ 
schließlich durch die Hyperämie bedingt sei. 

Was nun die /.eiligen Elemente anbetrifft, so sind zunächst 
die chromophoben oder Hauptzellen Fleschs zu unterscheiden: 
Kleine Zellen mit sehr gut entwickeltem, großem, rundlichem oder 
ovalem Kern mit deutlichem Kernkörperchen und einem reichlichen 
Chromatingerüst, umgeben von einem schmalen, strukturlosen Proto¬ 
plasmastreifen, der immerhin eine mehr oder weniger deutliche Be¬ 
grenzung in unregelmäßiger, vielfach zackiger Form erkennen läßt, 
und sich bei Hämatoxylin-Eosintinktion sehr schwach bläulich oder 
rötlich, meist aber garnicht färbt. 

Die andere Gruppe der Zellen sind die chromophilen oder Be- 
lcgzellen Fleschs; größere Zellen mit deutlich granuliertem Proto¬ 
plasmaleib, der eine scharfe Begrenzung und meist rundliche Form 
zeigt, sich aber an Berührungsstellen mit anderen chromophilen ab¬ 
plattet. Zwischen je zwei solcher Zellen macht sich dann gewöhnlich 
ein ganz feiner Zwischenraum bemerkbar. Bei oben genannter Färbung 
nimmt das Protoplasma zum größten Teil eine hellrote Farbe, bei 
einzelnen auch einen bläulich-violetten Farbenton an, sodaß darnach 
eosino- und cvanophile unterschieden werden können. Die Zellen 
haben ebenfalls einen großen rundlichen, vielfach eckigen Kern mit 
deutlichem Kernkörperchen und zahlreichen Chromatinmassen, welche 
den Farbstoff intensiv aufnehmen und dadurch vielfach dunkler ge¬ 
färbt erscheinen. 

Diese chromophilen Zellen bilden die Ueberzahl. Die chromo¬ 
phoben füllen zwar ausschließlich die Maschen der Markschicht aus, 
wo nur äußerst selten eine eosinophile auftaucht: anders ist es aber 
in dem übrigen peripheren Teile, wo die letzteren bei weitem das 
Uebergcwieht haben. Die Verteilung ist eine ganz regellose, manche 
Stränge bestehen nur aus Haupt- andere nur aus Belegzellen, in noch 
anderen sind sie gemischt, bald diese bald jene Art vorherrschend. 



224 KUEHN, 

Auch an der regionären Verteilung, ob nahe dem äußeren, nahe 
dem inneren Rande oder in der Mitte diese oder jene Zellart mit be¬ 
sonderer Vorliebe oder Regelmäßigkeit vertreten wäre, läßt sich keine 
Gesetzmäßigkeit erkennen. Durchschnittlich sind die kleinen chromo- 
phoben etwa zu Vs vorhanden; es gibt aber Schnittflächen, wo nahe¬ 
zu das ganze Gesichtsfeld mit eosinophilen Zellen bedeckt und nur 
selten eine Hauptzelle zu finden ist, während in anderen Schnittpartien 
die Hauptzellen überwiegen. Ebenso wie die einzelnen Schnitte ver¬ 
halten sich die ganzen Hypophysen, auch hier zeichnen sich einzelne 
durch besondere Reichhaltigkeit der einen oder anderen Zellart aus. 

Außer den zelligen Elementen finden sich im Drüsenlappen in 
der Regel mehr oder weniger zahlreiche Hohlräume vor und zwar 
nicht nur in der Markschicht und den angrenzenden Teilen der peri¬ 
pheren Schicht, sondern überall in dieser zerstreut, die mit Kolloid 
angefüllt sind. Es färbt sich verwaschen mit den Farben, zu welchen 
auch die chromophilen Zellen nähere Beziehungen haben. Diese Hohl¬ 
räume haben in der Markschicht eine mehr kugelige Form, und sind 
mit einer einfachen Schicht anscheinend durch Druck etwas abge¬ 
platteter Hauptzellen umgeben, während sie in dem anderen Teil 
außerdem auch langgestreckte, unregelmäßige Gestalt und nicht so 
scharfe /.eilige Begrenzung zeigen. 

Unser Hauptaugenmerk bei der mikroskopischen Untersuchung 
war natürlich darauf gerichtet, ob in den Hypophysen der Wallache 
stets ein größerer Reichtum an eosinophilen Zellen vorhanden war, 
als bei den anderen Geschlechtern. Die Untersuchung ergab aber, 
daß dies nicht der Fall ist, daß die Hypophysen der Stuten 
wie der Hengste denselben Gehalt an eosinophilen Zellen 
aufwiesen, daß die vorkommenden Schwankungen bei allen Ge¬ 
schlechtern gleichartig zu beobachten waren. 

An vom Schlachthof bezogenem Material wurde vergleichsweise 
das Gewicht von Bullen- und Uchsenhypo ph ysen festgestellt; erstere 
hatten ein Durchschnittsgewicht von 2,409 g, letztere von 2,622 g. 
Da die Schwankungen auch hier zwischen den Hypophysen derselben 
Art viel größer waren, läßt sieh auch hier dieser geringe Unterschied 
nicht auf die Entfernung der Keimdrüsen zurückführen, dürfte viel¬ 
mehr auf die allgemein gesteigerte körperliche Entwickelung der etwas 
älteren Ochsen zurückzuführen sein. 

Aus allen obigen Untersuchungen geht also hervor, daß 
beim Pferde ein Einfluß der Kastration auf das Gewicht und 



Untersuchungen üb. d. Einwirkung d. Kastration auf d. Hypophyse b. Pferden. 225 


die Größe der Hypophyse und die Kosinophilie ihrer Zellen 
nicht zu beobachten ist. 

Zum Schluß erfülle ich die angenehme Pflicht, meinem hochver¬ 
ehrten Lehrer, Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Dr. Schütz, 
für die Anregung zu dieser Arbeit, Ucbcrlassung des Materials und 
das lebhafte Interesse, mit dem er die Sache unterstützte, an dieser 
Stelle meinen besten Dank auszusprechen. 


Literatur- 

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dären Gcschlechtscharakterc. Beiträge z. Geburtsh. u. Gynäk. Bd. II. S. 13. 

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15 



KUEHN, 


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15* 



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XII. 


Aus der Klinik für kleine Haustiere der Kgl. Tierärztlichen Hochschule zu 

Hannover. 

Ueber Hodentumoren beim Hunde. 

Von 

Prof. Dr. 0. Künnemann. 

(Mit 7 Abbildungen auf Tafel VI.) 


Die medizinische Literatur über Hodengeschwülste ist ver¬ 
hältnismässig groß und haben sich namentlich neuere Arbeiten mit 
eingehenderen Untersuchungen über die morphologische und histogene- 
tische Natur der in den Hoden Vorgefundenen Neubildungen be¬ 
schäftigt. Dadurch sind die Kenntnisse über die eigenartigen Neu¬ 
bildungen der Hoden wesentlich gefördert, wenn auch über die Genese 
derselben noch keine völlige Uebereinstimmung in den Ansichten er¬ 
zielt zu sein scheint. Die Veterinärliteratur enthält ziemlich 
häufige kasuistische Mitteilungen über Hodenerkrankungen. Manche 
dieser Mitteilungen beschränken sich aber nur auf kurze Angaben 
über das Vorkommen, in seltenen Fällen scheinen genaue Unter¬ 
suchungen über die Art der Neubildungen ausgeführt zu sein, so daß 
die Kenntnisse über die llodcngeschwülste unserer Haustiere noch 
lückenhaft sind. 

Bruckmüller unterscheidet in seinem Lehrbuch der pathologischen 
Zootomie der Haustiere unter den Neubildungen im Hoden Chondrome, die in 
Form einer selbständigen Gesohwulst wiederholt bei Pferden gefunden seien; 
Zysten, die sich offenbar aus verstopften Samenkanälchen entwickelten und bei 
Hunden und Pferden zuweilen Vorkommen sollen; Lederhautzysten mit einem aus 
Haaren nnd Zahnsubstanz gebildeten Inhalte, sowie sarkomatöse und krebsige 
Wucherungen des Hodens. Die sarkomatöse Wucherung verändert nach Bruck¬ 
müller den ganzen Hoden, der bcträohtlich sich vergrößert, uneben und höckerig 
wird und durch breite Faserbündel gefächert ist, mit einem saftigen, weichen, 
markähnliohen Inhalt der Fächer, in dem auch kleine mit gallertigen Massen 



230 


KÜNNEMANN, 


gefällte Zysten in großen Mengen Vorkommen. Ueber den Krebs des Hodens gibt 
Bruckmüller an, daß er als Markschwamm erscheint, den Hoden stark ver¬ 
größert und mit der Scheidenhaut verwächst, bei Pferden häufig längs des 
Samenstranges in die Bauchhöhle wächst und am Bauchfell enorme Ausdehnung 
erlangen kann, bei Hunden meist aber auf den Hoden beschränkt bleibt. Die 
Schnittfläche der krebsartig entarteten Hoden zeigt dicke fibröse Balken, welche 
sich netzartig verbinden und ein feines Netzwerk bilden, dessen hirse- oder hanf¬ 
korngroßen Maschen von einer sehr weichen, ungemein saftigen, hirnmarkähnlichen, 
oft auch mit fast schleimartigen Massen ausgefüllt sind. Ueber eine mikroskopische 
Unterscheidung der verschiedenen Neubildungen des Hodens konnte Bruck- 
müller noch keine Angaben machen, die makroskopische Unterscheidung der 
sarkomatösen und krebsigen Veränderungen ist nach Bruckmüllers Angaben 
sicher nicht möglich. Die Beschreibung der beiden Geschwulstarten zeigt so 
viel Uebereinstimmendes, daß nicht zu erkennen ist, naoh welchen Voraus¬ 
setzungen eine Differenzierung angängig werden möchte. 

Kitt erwähnt in dem Kapitel über Geschwülste des Hodens den Krebs nicht. Nach 
ihm kommen als Hodenneubildunden Sarkome und Fibrome vor als wallnuß- bis 
eigroße, scharf berandete Geschwülste mit einzelnen Knoteneinlagerungen von 
markiger, speckiger oder derbfaseriger, sehniger Beschaffenheit, ferner 
Leiomyome von der glatten Muskulatur des Hodenstromas Ausgang nehmend, 
Chondrome, Lederhautzysten und ferner Zysten, die teils aus einer Verstopfung 
der Drüsengänge resultieren und dann einen milchigen, Samenfäden bergenden 
Inhalt besitzen, teils aus embryonalen Kanalanlagen oder aus kleinen Blutergüssen 
herrühren und dann einen klaren, wässerigen oder bräunlichgelben, kolloiden 
Inhalt zeigen, teils auch in Adenosarkomen und Mischgeschwülsten sich als 
Hetentions- und Erweichungszysten ausbilden. Nach Kitt kommen als diffuse 
Vergrößerung eines oder beider Hoden bei Pferden und Hunden nicht seiten Ge¬ 
schwülste in ganz enormen Dimensionen vor, die in Gestalt des Hodens als kom¬ 
pakte Klumpen, sog. Sarkocele, Fleischbruch des Hodensackes den letzteren er¬ 
füllen. Diese Geschwülste zeigen in der Schnittfläche einen lappigen Bau und 
drüsenähnliches Aussehen mit bindegewebigen Fächern dazwischen. Sie sind bald 
grau, bald weißrötlich, markig wie Fettmark oder Lymphdrüsengewebe, bald fest, 
bald weich, gallertig oder blutig infiltriert, also nach Farbe, Konsistenz, Binde- 
gewebsreichtum ziemlich variabel, so daß nach dem grobanatomischen Aussehen 
keine Anhaltspunkte für die Gruppierung sich ergeben, aber auch nach dem mikro¬ 
skopischen Verhalten keine bestimmte Richtung sich bietet, welcher Kategorie 
diese Geschwülste einzureihen sind, da die Zellen so embryonale Formen haben, 
daß cs schwer ist zu entscheiden, ob es sich um Epithelien oder Sarkomzellen 
handelt. Kitt bezeichnet diese Geschwülste, weil sie embryonalen Charakter 
haben, als Orchidoma und unterscheidet diffuse, hyperplastische und maligne. Da 
Kitt das Hodenkarzinom nicht erwähnt, so könnte man meinen, daß er solche 
nicht gesehen hat und die in der Literatur verstreuten Angaben über Befunde von 
karzinomatösen Geschwülsten des Hodens bezweifelt und ihr Vorkommen leugnet. 
Die in der Literatur verzeichneten Fälle von Hodengeschwülsten sind in der Tat 
häufig wenig genau mitgeteilt, so daß eine Beurteilung schwer möglich wird. 
Gurlt katalogisiert unter den Präparaten des zootomischen Museums der KÖnigl. 
Tierarzneischule zu Berlin einen verhärteten Hoden aus der Bauchhöhle des 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


231 


Hundes, einen platten Hoden vom Pferde, welcher am Zwerchfell befestigt war, 
einen großen Hoden eines kleinen Hundes und durch Sarkom vergrößerten Hoden 
eines 18jährigen Hengstes und eines Hundes. Siedamgrotzky fand bei einem 
17 Jahre alten Hunde neben dem vergrößerten rechten Hoden noch einen Tumor 
in der oberen Wand der Bauchhöhle. Der rechte Hoden hatte 7 bzw. 5 cm Durch¬ 
messer, war glatt und an wenigen Stellen mit der Scheidenhaut verwachsen, 
Nebenhoden deutlich, Vas deferens oblitoriert. Auf der Schnittfläche zeigte die 
Geschwulst einen lappigen Bau. Die einzelnen Lappen waren von festem Binde¬ 
gewebe umschlossen, rundlich, weißrötlich, teils breiig, teils fester, alle entleerten 
eine rahmartige oder rötlich schmierige Flüssigkeit. In derselben fanden sich 
mikroskopisch neben Fetttröpfchen und Körnchen kugeln große meist runde, selten 
ovale Kerne mit stets sehr deutlichem Kernkörperchen. Die Zellen waren sehr 
groß und hatten ein schwach granuliertes, zuweilen mit Fetttröpfchen versehenes 
Protoplasma. An ausgepinselten Schnitten ergibt sich, daß die Zellen durch eine 
geringe, netzartig verbundene Zwischensubstanz, ohne größere Gruppen zu bilden, 
verbunden sind. Außer diesem retikulären Zwischengewebe trugen zur Gerüst¬ 
bildung noch einzelne stärkere fibrilläre Bindegewebszüge und ziemlich zahlreiche 
Kapillaren bei. ln der Bauchhöhle fand sich noch ein knolliger Tumor, welcher 
unter der Wirbelsäule lag und vom Beckeneingang bis zum Zwerchfell reichte 
und deu gleichen Bau zeigte wie die Hodengesohwulst. Siedamgrotzky be¬ 
zeichnet die Geschwulst als ein Hedullarsarkom des Hodens mit Metastasen in den 
retroperitonealen Lymphdrüsen. Siedamgrotzky ermittelte bei einem Pferde 
dicht hinter dem Kopfe des Nebenhodens einige von der Albuginea überzogene, 
mit derselben an der oberen Fläche innig verbundene Geschwülste, die nach der 
mikroskopischen Untersuchung aus glatten Muskelfasern bestanden, die sich nach 
verschiedenen Richtungen durchkreuzten, während Bindegewebe nur sparsam vor¬ 
handen war. Ueber den Entwicklungsmodus stellte Siedamgrotzky soviel fest, 
daß in dem weioheren Gewebe in der Umgebung der Kapillaren Zellen gefunden 
wurden, deren Kerne allmähliche Uebergänge vom ovalen Kern zum stäbchen¬ 
förmigen der kontraktilen Faserzelle nebeneinander zeigten. Kurze Angaben über 
Geschwulstbefunde im Hoden unserer Haustiere finden sich mehr, so berichtet 
Appenrodt über ein Karzinom des Hodens bei einem Pferde; Fröhner über 
die Exstirpation eines krebsigen Hodentumors bei einem Spitzhengst, bei dem sich 
gleichzeitig ein mannskopfgroßer Medullarkrebs in der Nierengegend fand; Popow 
berichtet über die kindskopfgroße Entartung des rechten Hodens bei einem Hengst; 
Gosswell über zwei Hoden bei Kryptorchiden, von denen der eine 1980 g wog 
und in seiner Mitte eine hühnereigroße Höhle mit käsigem Eiter und Rundwürmern 
enthielt, der andere 573 g schwer, bindegewebig und fettig entartet war. 
Trasbot berichtet in einem Vortrag über einen karzinomatösen Hoden von einem 
9—10 Jahre alten Pferde. Das Pferd war linkerseits kastriert, indes ließ das 
Verhalten des Pferdes nicht vermuten, daß der andere Hoden in der Bauchhöhle 
zurückgeblieben war. Das Pferd zeigte seit 2y 2 Jahren einen kleinen Tumor in 
der Skrotalgegend, der sich unaufhörlich bis zu der Größe eines Kindskopfs ver¬ 
größerte. Der Tumor war oval, auf Druck wenig empfindlich, gleichmäßig dicht 
und fest und nur stellenweise etwas nachgiebig und elastisch. Haut und Samen¬ 
strang waren intakt. Der exstirpierte Tumor wog 3,2 kg. Die Albuginea war 
verdickt; von dem Hodengewebe bemerkte man nur Spuren in der Peripherie, der 



232 


KÜNNEMANN, 


Nebenhoden hingegen war völlig normal. Die Schnittfläche erschien graurötlich 
und war durch fibröse Züge gelappt. Auf Druck floß ein milchiger Saft ab, der 
ungemein viele Zellen enthielt und zwar kleinere runde mit nur einem Kern und 
große unregelmäßig gestaltete, die zwei und mehrere Kerne enthielten. In Schnitten 
sah man Hohlräume bzw. Alveolen, die miteinander in Verbindung standen und 
durch ein sehr dichtes schwammiges, fibröses Gewebe gebildet wurden, in dem 
die kleinen runden Zellen lagen, während die großen in den Höhlen steckten. 
Trasbot bezeichnet die Neubildung als cancer encöphaloide. In der Diskussion 
bemerkte Barrier, daß er Krebs in den Hoden des Pferdes ziemlich häufig ge¬ 
funden aber nicht mikroskropisch untersucht habe, während Nocard hervorhebt, 
daß nur die mikroskopische Untersuchung über die Natur der Geschwülste Auf¬ 
schluß geben kann, da das makroskopische Verhalten zu Irrtümern Anlaß gäbe. 
Er habe zwei Pferde kastriert, mit karzinomatös entarteten Hoden, eine Generali- 
sation sei nicht eingetreten. Heß stellte bei einem Zuchtstier einen stark ver¬ 
größerten Hoden fest, der nach der Schlachtung des Tieres eine halbkugelige 5 cm 
breite Geschwulst erkennen ließ, die eine gelblich-weiße Masse entleerte, die einem 
Fibringerinnsel ähnelte. Die Höhle, die diesen Inhalt besaß, hatte eine warzige, 
gelblich-weiße Oberfläche. Der gelblich weiße Inhalt erwies sich bei der mikro¬ 
skopischen Untersuchung amorph mit ziemlich viel gelben Trümmern, roten Blut¬ 
körperchen und einigen Kristallen. Heß bezeichnet die Veränderung als Hämato- 
cele. Zystoide Degenerationen eines Hodens wurden bei jüngeren und älteren 
Pferden gefunden, ohne daß aus den Mitteilungen ersichtlich ist, aus welchen 
Ursachen sie sich erklären ließen. Lothian und Clark fanden in einem Pferde¬ 
hoden eine Dermoidzyste. Pierrot eine solche in denHoden einesKryptorchiden. 
Bossi fand ein hühnereigroßes Fibrom an der Innenfläche der Albuginea des 
Hodens eines Esels. Gooch und Hobday konstatierten ein Lipom in dem Hoden 
eines kryptorchidischen Pferdes. Turtill stellte ein Teratom des Hodens fest. 

Pauer fand bei einem 9 Jahre alten Hunde den rechten Hoden, der in der 
Bauchhöhle lag, karzinomatös entartet und den Samenstrang mehrere Male gedreht. 
Karzinome in kryptorchidischen Hoden fanden bei Pferden Coquot und Lecap- 
lain und Petit et Dumond. Calve beschreibt einen Fall von primärem Karzinom 
des Hodens mit sekundärer Erkrankung der Leber bei einem Hunde. Er äußert 
sich dabei dahin, daß die moderne pathologische Anatomie darauf hinzielt Epithe¬ 
liom und Karzinom mit einander zu verschmelzen und* daß in dem beobachteten 
Falle das karzinomatöse Stadium durch die testikuläre Form, das epitheliomatöse 
durch die Neubildung in der Lober gut angedeutet seien. Peuch und Ball beob¬ 
achteten bei einem 11jährigen Hengste eine kindskopfgroße, derbe Geschwulst des 
linken Hodens, die sich als sarkomatös erwies. Besnoit kastrierte einen Ochsen 
mit einer großen Geschwulst des rechten Hodens. Die Geschwulst wog 8 l /<> kg 
und erwies sich von bindegewebiger Natur. Rieh lein berichtet über Hoden¬ 
tumoren von zwei älteren Pferden, die in der chirurgischen Klinik der Münchener 
tierärztlichen Hochschule kastriert wurden. Der entfernte Hoden des einen Tieres 
hatte die Größe einer schweren Pferdeniere und zeigte in der Schnittfläche wall- 
nuß- bis kindsfaustgroße grau- bis gelblich-weiße Herde von birnmarkähnlicher 
Konsistenz, die mikroskopisch als Endotheliom festgestellt wurden. Das andere 
Pferd zeigte eine enorme Vergrößerung des Skrotums mit einer kleinen OefFnung, 
aus der Eiter abfloß und die schon jahrelang bestanden haben sollte. Der entfernte 



Ueber Hodenturnoren beim Hunde. 


233 


Hoden wog 6y 2 kg, war von der Größe eines mäßig gefüllten Pferdemagens und 
maß in der Länge 84 cm, in der Breite 60 cm Die Schnittfläche zeigte eine gleich¬ 
mäßige Lappenzeichnung, war lehmfarbig, ohne Knotenbildung und Erweichungs¬ 
herde. Die mikroskopische Untersuchung ergab viele unregelmäßig angeordnete 
epitheliale Zellen ohne Strangbildung und w f urde als Orchidoblastom bezeichnet. 
Der linke Hoden war eitrig eingeschmolzen. Schuemacher kastrierte einen 15 
Jahre alten Zuchthengst, der seit s / 4 Jahren eine erhebliche, anfangs entzündliche 
Geschwulst des rechten Hodens gezeigt hatte. Der Hoden wog 1450 g, hatte eine 
Länge von 19 cm, eine Höhe von 13 cm und eine größte Tiefe von 9 l j 2 cm, eine 
unregelmäßig bohnenförmige Gestalt. Der Nebenhoden hob sich deutlich ab und 
machte reichlich ein Drittel der ganzen Geschwulst, er fühlte sich im Gegensatz 
zum Hoden, der weich und schwappend war, ziemlich fest an. In der Schnitt¬ 
fläche traten im interstitiellen Gewebe zahlreiche Blutgefäße hervor. Das inter¬ 
stitielle Gewebe war wenig verbreitert, in den Maschen lagen feuchte, weißgraue 
hervorstehende Drüsenpakete, welche durch Bindegewebszüge von einander getrennt 
waren. Nach der im pathologischen Institut der tierärztlichen Hochschule zu Stutt¬ 
gart ausgeführten mikroskopischen Untersuchung handelte es sich bei der fraglichen 
Hodengeschwulst um ein Sarkom, in welchem Rundzellen vorherrschten. Frohner 
beobachtete zwei Fälle von Hodensarkom bei je 14jährigen Hengsten. Im ersten 
Falle war der rechte Hoden seit einem Jahr vergrößert, er war kindskopfgroß, 
schmerzlos und derb. Auch der rechte Samenstrang war sehr stark verdickt. Nach 
der Entfernung wog der Hoden 1750 g. Die mikroskopische Untersuchung ergab 
ein kleinzelliges Rundzcllensarkom. In dem anderen Falle zeigte der Hengst seit 
einem halben Jahre eine allmählich zunehmende Vergrößerung des linken Hodens. 
An Stelle desselben fand sich eine kindskopfgroße rundliche, derbe, schmerzlose 
an der Oberfläche glatte Geschwulst mit starker Verdickung des Samenstranges. 
Die regionären Lympbdrüsen waren nicht geschwollen. Das Gewicht des entfernten 
Hodens betrug 1065 g. Bei der mikroskopischen Untersuchung w T urae ein klein¬ 
zelliges Rundzellensarkom festgestellt, da sich eine große Menge kleiner, runder, 
ziemlich regelmäßig angeordneter Zellen mit dazwischen liegenden Bindegewebs- 
strängen fanden. Duschanek beschreibt einen Fall von Kryptorchismus und 
sarkomatöser Entartung der Hoden bei einem 10—11 Jahre alten Hunde. Der 
Hund worde wegen zunehmender Abmagerung und stetig wachsender Umfangs¬ 
vermehrung des Hinterleibes getötet. Die Sektion ergab zwei die verlagerten 
Hoden darstellende Tumoren in der Bauchhöhle, die durch ein breites Band mit 
der Lendenwirbelsäule befestigt waren. Der linke Testikel war mannsfaustgroß, 
eiförmig und hatte 15 :10 cm Durchmesser, der rechte Testikel 6 : 4 cm Durch¬ 
messer. Beide Tumoren hatten eine rötliche Farbe, waren an der Oberfläche höckerig 
und von markiger Konsistenz, auf der Schnittfläche weißlich-grau und stellenweise 
verkäst. Die Milz enthielt einen nußgroßen und mehrere bohnengroße Knoten, 
ebenso die mäßig hydronephrotische linke Niere einen nußgroßen und außerdem 
hatten zwei Lymphdrüsen des Mediastinums nußgroße Knoten. Die im patholo¬ 
gischen Institut der Universität Prag ausgeführte mikroskopische Untersuchung er¬ 
gab in sämtlichen Tumoren den gleichen Bau und zwar den eines ziemlich gro߬ 
zelligen alveolären Sarkoms. Mayr untersuchte eine größere Anzahl Hodentumoren 
besonders zwecks Prüfung der Frage, ob die Zw r ischenzellen des Hodens, 
die er bei sonst normalen retinierten Hoden in Gruppen und Strängen antraf, 



234 


KINNEMANN, 


vielleicht bei den Hodentumoren irgendwelche Rolle spielen sollten. Dabei fand 
sich, daß bei einer größeren Zahl von Sarkomen und Karzinomen die Zellen nicht 
mit Sicherheit nachgewiesen werden konnten, so besonders auch nicht bei einem 
gewaltigen Tumor eines retinierten Pferdehodens. Es fanden sich aber auch ein 
Hodensarkom vom Hunde, eine Hodenhypertrophie vom Pferde und eine käsige 
Nekrose vom Schwein, in welchen Zellen in solcher Zahl sich zeigten, daß Mayr 
ihnen eine besondere Bedeutung bei den betreffenden Erkrankungen beizumessen 
geneigt ist. Ueber die Häufigkeit des Karzinoms des Hodens gibt Fröhner an, 
daß es seltener bei Hunden vorkommt, und bemerkt, daß eine besondere Disposition 
für die krebsige Entartung die beim Hunde zuweilen vorkommende Verlagerung 
eines oder beider Hoden nach vorne oder hitften bedinge, da die dislozierten Hoden 
in der Regel krebsig vergrößert seien. Nach Fröhner kennzeichnet sich der 
Hodenkrebs durch eine Vergrößerung des Organs mit gleichzeitiger Infiltration des 
Samenstranges. 

Soweit mir die Literatur zugänglich war, habe ich in dem Vor¬ 
stehenden eine kurze Uebersicht der verstreut beschriebenen oder er¬ 
wähnten Hodentumoren gegeben, um soweit möglich einen Ueberblick 
zu gewinnen über das Vorkommen und die Häufigkeit von 
Hodentumoren bei den verschiedenen Haustiergattungen 
überhaupt, sowie auch über die Art der Neubildungen, das 
Alter der Tiere, bei denen sie gefunden wurden, die Bös¬ 
artigkeit der Geschwülste und eventl. andere sichergebende 
Verhältnisse über Entstehung und Verlauf. Die Zusammen¬ 
stellung soll keinen Anspruch machen auf Vollständigkeit und ich 
gebe gern zu, daß besonders in der ausländischen Literatur dies¬ 
bezügliche Mitteilungen übersehen wurden. Es handelt sich bei den 
vorstehenden Mitteilungen um 32 Hodentumoren und zwar von 
22 Pferden, 7 Hunden, 1 Esel und 2 Stieren. Soweit das Alter 
der erkrankten Tiere angegeben ist, waren es durchweg ältere bezw. 
alte Tiere; bei 6 Pferden schwankte es zwischen 10 und 18 Jahren, 
bei 3 Hunden betrug cs 9, 10—11 und 17 Jahre. Es läßt sich hier¬ 
nach wohl die Behauptung aufstellen, daß Neubildungen in den Hoden 
vornehmlich bei älteren Tieren auftreten und daß das zunehmende 
Alter eine gewisse Disposition für die Entstehung der Hodentumoren 
in sich birgt. In 12 Fällen wurde die Geschwulstbildung an retinierten 
Hoden beobachtet, also bei 38 pCt. aller Tiere, oder für die einzelnen 
Tiergattungen berechnet, bei Pferden und Hunden zu je etwa 41 pCt. 
Der Prozentsatz der geschwulstartigen Veränderung der retinierten 
Hoden ist demnach ein außerordentlich hoher und steht ganz mit der 
allgemeinen Auffassung von dem Vorhandensein einer besonderen Dis¬ 
position für die Erkrankung der retinierten Hoden im Einklang. Was 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


235 


die Geschwulstarten anlangt, so wurden die Neubildungen bei 
2 Hunden als Karzinome (28 pCt.), bei dreien als Sarkome (41 pCt.) 
gedeutet, in 2 Fällen ist die Geschwulst nicht genau untersucht. Bei 
Pferden fand sich fünfmal ein Karzinom (23 pCt.), sechsmal ein Sarkom 
(27 pCt.), dreimal wurden Dermoidzysten ermittelt, einmal eine Zyste, 
die Rundwürmer enthielt, je zweimal ein Myom, Lipom, Teratom und 
ein Orchidoblastora. Bei einem Esel fand sich ein Fibrom, ebenso 
bei einem Ochsen und bei einem anderen ein Hämatozele. Bei den 
drei sarkomatösen Hodcnturaoren der Hunde fanden sich auch Meta¬ 
stasen in Organen der Bauchhöhle. Bei Pferden wurden nur einmal 
bei einem Medullarkrebs des Hodens gleichzeitig Tumoren in der 
Nierengegend gefunden. Als besonders bösartige Geschwülste mit der 
Neigung zur Metastasenbildung und Ausbreitung zeigten sich die sarko¬ 
matösen Geschwülste des Hundes, während sowohl die sarkomatösen 
als auch die karzinomatösen Hodentumoren des Pferdes als weniger 
maligne Geschwülste vorkamen, in der Regel lokale Erkrankungen 
der Hoden darstellten und mit Erfolg chirurgisch behandelt werden 
konnten, selbst in den Fällen,, wo eine Infiltration des Samenstranges 
festgestellt wurde. Ueber das Alter der Geschwülste bezw. die Dauer 
ihrer Entwickelung sind nur vereinzelte Angaben vorhanden. Bei 
einem Pferde wurden die ersten Zeichen der Geschwulstbildung 
2 V 2 Jahre vor der operativen Entfernung gesehen; bei drei Pferden 
mit sarkomatösen Hodentumoren hatte man die Entstehung seit ein 
V 2 ) 8 A und 1 Jahr beobachtet. Bezüglich der Diagnose der 
Geschwülste bemerkt Nocard mit Recht, daß nur die mikroskopische 
Untersuchung über die Natur Aufschluß geben könne, da das 
makroskopische Verhalten zu Irrtümern Anlaß gebe. Nach Fröhner 
kennzeichnet sich der Hodenkrebs durch eine Vergrößerung des 
Organs mit gleichzeitiger Infiltration des Samenstranges. In den 
beiden oben erwähnten Fällen erwies sich dieses Kennzeichen als 
trügerisch, denn nach der späteren mikroskopischen Untersuchung be¬ 
stand nicht Krebs, sondern die Hodengeschwulst ergab sich als eine 
sarkomatöse. Nach Kitt stellen sich die Fibrome und Sarkome als 
scharf berandete walnuß- bis eigroße Geschwülste dar von markiger, 
speckiger, oder derbfasriger, sehniger Beschaffenheit. Soweit die 
mitgeteilten Fälle eine Beurteilung zulassen, sind die von Kitt an¬ 
gegebenen Eigenschaften keine diagnostisch charakteristischen Merk¬ 
male, sondern neben anderen nur einige Erscheinungsformen, besonders 
wurde das Sarkom auch als eine mehr diffuse Hodengeschwulst vor- 



236 


KINNEMANN, 


gefunden. Hiernach muß man vorläufig sich damit abfinden, daß es 
charakteristische Kennzeichen für die Diagnose der einen oder anderen 
Geschwulstart nach den klinischen Beobachtungen nicht gibt und daß 
auch das mikroskopische Verhalten der Geschwülste nach Ausbreitung, 
Konsistenz und Aussehen speziell für die karzinomatösen und sarko- 
raatösen Neubildungen keine ausreichenden Merkmale für die Diagnose 
bietet. 

Bei Durchsicht der medizinischen Literatur über Hodengeschwülste 
findet man zahlreiche Arbeiten, die sich mit Untersuchungen über die malignen 
Tumoren des Hodens beschäftigen, daß aber die Ergebnisse dieser Untersuchungen 
vielfach von einander abweichen und die Ansichten über die Deutung der Befunde 
und die Benennung der Geschüwlste noch nicht völlig geklärt sind. Nachdem 
Virchow zuerst darauf hingewiesen batte, daß eine Unterscheidung der Hodenge¬ 
schwülste nach äußeren Kennzeichen mangels ausreichend sicherer Merkmale nicht 
möglich sei und eine difTerentialdiagnostische Sonderung nur auf Grund mikro¬ 
skopischer Eigenschaften durchführbar sei, wies Birch-Hirschfeld in einer 
grundlegenden Arbeit über die Entwicklung des Hodenkrebses die Abstammung 
der Krebszellen von den Epithelzellen der Samenkanälchen nach. Hiernach wurde 
für die Diagnose Krebs bestimmend der Nachweis der Herkunft der Krebszellen von 
den Epithelien der Samenkanälchen. Waldeyer weist demgegenüber darauf hin, 
daß, wenn irgendwo, gerade in den Hoden die Entwickelung der Krebstumoren 
schwer zu verfolgen sei, besonders wegen des Reichtums des Hodenparenchyms an 
Lymphbahnen und wegen der eigentümlichen Beschaffenheit des Gefäßperithels im 
Hoden. Wenn Waldeyer in vier von ihm untersuchten Fällen zwar ein so klarer 
Nachweis des Ausgangs der Krebskörper von den Epithelien der Samenkanälchen 
nicht gelungen war, so tritt er doch der Ansicht von Birch-Hirschfeld bei und 
nimmt den Ausgang der Krebszellen von den Inhaltszellen der Samenkanälchen 
an. Demgegenüber hebt er aber besonders hervor, daß eine Verwechselung des 
Karzinoms gerade beim Hoden mit Neubildungen, die er plexiforme Angiosarkome 
nennt, besonders leicht begangen werden könnte. Diese Geschwülste sollen von 
eigentümlichen Zellen ausgehen, die mitunter recht große, dunkelkörnige, kern¬ 
haltige Protoplasmakörper mit zahlreichen feinen Fortsätzen bilden und der Ge¬ 
fäßwand außen auf liegen. Hansemann machte demgegenüber darauf aufmerksam, 
daß die enge Beziehung, welche nach Waldeyer diese Zellen zu den Gefäßen haben 
sollen, nicht vorhanden sei und daß daher die Geschwülste, welche von diesen 
Zellen ausgehen, in eine engere genetische Beziehung zu den Gefäßen, wie es andere 
Geschwülste verdienen, nicht gebracht werden könnten. Hansemann wies nach, 
daß es sich bei den fraglichen Zellen um die sogenannten von Leydig entdeckten 
und von He nie zuerst genauer beschriebenen Zwischenzellen handelt, die ein 
biologisch merkwürdiges Verhalten zeigen und deren Bedeutung für die Bildung 
von Geschwülsten er mit Waldeyer anerkennt und ganz besonders betont. Die 
Geschwülste, die von den Zwischenzellen ausgehen, stellen sich nach Hansemann 
bald mehr als großzelliges Sarkom, bald mehr als Karzinom dar, die aber in Wirk¬ 
lichkeit stets Sarkome seien, nie Karzinome, deren Formen sich nur durch das mehr 
oder weniger ausgebildete Stroma unterscheiden und von den übrigen Sarkomen, 



Heber Hodentumoren beim Hunde. 


237 


die eine mehr gleichmäßige Zusammensetzung aus kleineren Rund- oder Spindel¬ 
zellen erkennen lassen, durch die Aehnlichkeit ihrer Zellen mit den großen Zwischen¬ 
zellen. Auch von den Endotheliomen seien sie leicht zu unterscheiden durch die 
reihenförmige Anordnung der Zellen des Endothelioms in Zügen, wie schließlich 
von den wirklichen Karzinomen durch die lnterzellularsubstanz. Nach Eberth ist 
die lange strittige Frage nach der Natur der Zwischenzellen, die teils als epithe¬ 
lialen Ursprungs angesprochen wurden, teils als Reste eines rudimentären Organs, 
vielleicht des Wolffschen Körpers, im Sinne der Mehrzahl der Forscher, die sie 
für protoplasmareiche Bindegewebszellen halten, zu Gunsten des bindegewebigen 
Ursprungs entschieden. Hiernach würden die Geschwülste, die ihren Ursprung von 
den Zwischenzellen herleiten lassen, wie Hansemann nachwies, nur als Sarkome 
bezeichnet werden können. Kyrie spricht sich im Sinne Platos dahin aus, daß 
die Zwischenzeiten vielleicht als trophische Hilfsorgane aufzufassen seien, die für 
die Reifung der Hodenepithelien von Bedeutung seien. Er fand nämlich in den 
Hoden eines vieljährigen Kindes eine kugelförmige tumorartige Anhäufung von 
Zwischenzellen, während die Hoden im übrigen arm an Zwischenzellen, und völlig 
unentwickelt waren. In der Peripherie dieses Zwischenzellenhaufens waren nun 
in einer nioht allzu breiten Zone die Hodenkanälchen bedeutend weiter entwickelt, 
als im übrigen Hoden und zeigten stellenweise deutliche Ansätze zur Spermatoge- 
nese. Aus der innigen Lagebeziehung der Zwischenzellen zu den weitentwickelten 
Hodenkanälchen glaubt Kyrie schließen zu müssen, daß die Reifung und Aus¬ 
bildung der Kanälchenepithelien bis zur vollen funktionellen Höhe in innigem Zu¬ 
sammenhang Stande mit den Zwischenzellen. Dürck beobachtete mehrere Fälle, 
in denen neben einer Hodenatrophie eine enorme Vermehrung der Zwischenzellen 
bestand. Die Zwischenzellenhyperplasie hatte durchaus den Charakter eines Tu¬ 
mors. Dafür sprach auch die starke Variabilität der Zellformen und die Neigung 
zur Bildung uncharakteristischer und undifferenzierter Zellen und das Vorkommen 
atypischer Mitosen. Der Zwischenzellentumor war verbunden mit einer Atrophie der 
Samenkanälchen und hatte gewöhnlich eine Verkleinerung, seltener eine Ver- 
größeruug des Organs zur Folge. Kaufmann fand beide Hoden eines Mannes 
in gleicher Weise in Folge einer Wucherung der Zwischenzellen vergrößert. Das 
Hodengewebe war bis auf geringe Reste verschwunden. Das Tumorgewebe bestand 
im wesentlichen aus ziemlich großen epithelähnlichen Zellen, die haufenweise 
oder in netzförmigen oder beiderseits spitz auslaufenden Strängen angeordnet waren. 

Wo die Zellen in großen Massen zusammenlagen, waren die Zellhaufen durch 
zahllose, meist kapillare Gefäße in kleinere Komplexe zerlegt. Die Zellen waren 
ziemlich polymorph und meist polyedrisch und durch zartere und dickere Fort¬ 
sätze miteinander verbunden. Der oft peripherwärts gelagerte, rundliche oder 
ellipsoide Kern besaß meist ein oder zwei große Kernkörperchen. Das Protoplasma 
der Zellen war grobkörnig und hatte viele Vakuolen, ferner feinste rundliche, 
gelbbräunliche Pigmentkörnchen und reichlich Fett, das in kleineren oder größeren 
Tröpfchen auftrat. Kaufmann möchte die fragliche Geschwulst nioht als Sarkom 
bezeichnen, obgleich nach der bindegewebigen Natur der Zwischenzellen prinzipiell 
nichts gegen diese Bezeichnung zu sagen sei, und zwar deshalb, weil der Ge¬ 
schwulst der maligne Charakter zu fehlen scheint. Denn es ließ sich nicht er¬ 
weisen, daß die Hodenkanälchen durch die Zwischenzellengeschwulst destruiert 
waren, wenn auch immerhin die Polymorphie der Geschwulstzellen auf Malignität 



238 


Kl NNEMANN, 


verdächtig schien. Hiernaoh schlägt Kaufmann die Bezeichnung Zwischenzellen¬ 
geschwulst des Hodens vor. Bezüglich der Entstehung der fraglichen Geschwulst 
glaubt Kaufmann eine hereditäre Anlage annehmen zu müssen, zumal auch der 
Bruder des Mannes, von welchem der fragliche Hoden stammt, große Hoden hatte, 
von denen der eine entfernt wurde und eine ganz übereinstimmende Zwischen¬ 
zellengeschwulst aufwies. Die Abstammung großzeiliger Geschwülste von den 
Zwischenzcllen, wie sie auch Borst mit Hansemann für wahrscheinlich hielt, 
ist nach den Untersuchungen von Dürck und Kaufmann sicher erwiesen, nur 
bleibt es fraglich, ob man diese Geschwülste zu den malignen, speziell den 
Sarkomen stellen soll oder als eine Neubildung sui generis betrachten muß. 
Außer diesen großzelligen Tumoren, die einen alveolären oder karzinomatösen Bau 
Vortäuschen können, kommen auch noch andere großzellige Geschwülste vor, die 
sicher nicht von den Zwischenzellen abstammen und eine verschiedene Be¬ 
urteilung erfahren haben. Diese großzelligen Tumoren sind bald als Sarkome, 
bald als Karzinome angesprochen, was sich aus der Schwierigkeit erklärt, den 
histogenetischen Ursprung der Geschwulstzellen nachzuweisen. Ehrendorfer 
konnte bei einer größeren Zahl großzelliger Hodentumoren eine Beteiligung des 
Epithels der Hodenkanälchen nicht nachweisen und rechnet dieselben daher nicht 
zu den Karzinomen, sondern bezeichnet sie wegen ihres alveolären Baues als 
Alveolärsarkome, wobei er besonders das Vorhandensein einer fibrillären Zwischen¬ 
substanz in Anschlag bringt. Klebs hält die großzelligen Hodentumoren wegen 
des Mangels einer Zwischensubstanz und der Aehnlichkelt der Geschwulstzellen 
mit den Epithelien der Samenkanälchen für Karzinome. Ebenso Tizzoni, 
Monod und Terrillon, sowie Kocher und Langhans. Langhans stützt 
sich auf die große Aehnlichkeit der Geschwulstzellen mit den Keimzellen und den 
beiderseitigen Gehalt an Glykogen. Krompecher tritt der Ansicht von Lang¬ 
hans entgegen, der die Alveolärsarkome Ehrendorfers als Karzinome deutet 
und spricht sich dahin aus, daß Langhans bei seinerAeußerung über denVerlauf 
von vaskularisiertem Bindegewebe innerhalb von Krebszellsträngen mit der heutigen 
Karzinomhistologie in Widerspruch gerät und die histologische Grenze des 
Karzinoms entschieden zu weit zieht. Er betont, daß als Grundlage für eine 
differentialdiagnostische Beurteilung als Merkmale der Sarkome gegenüber den 
Karzinomen daran festzuhalten sei, daß „beim Sarkom a) meist reiohvaskularisiertes 
Bindegewebe zwischen den Geschwulstzellen anzutreffen ist, daß b) die Ge- 
Schwulstzellen bei alveolärartiger, den Krebszellnestern ähnlicher Anordnung, 
stellenweise unscharf in das begrenzende Bindegewebe übergehen und daß o) die 
Samenkanälchen und sonstige epitheliale Elemente an der Geschwulstbildung 
nicht beteiligt sind. — Zellformation und sonstige Unterschiede weniger be¬ 
deutungsvoll sind und mehr sekundär in Betracht kommen . 41 — Nach Krom- 
pecher^ Untersuchungen sind die großzelligen Rundzellensarkome, sowohl die 
mit diffuser Anordnung, entsprechend dem Lympbadenom der Franzosen, als auch 
die Alveolärsarkome Ehrendorfers histogenetisch als Abkömmlinge des Ly mph- 
endothels zu betrachten. Nach Krompechers Untersuchungen ist das Alveolär¬ 
sarkom oder, wie er es nennt, das Endotheliom mit alveolärem Bau die häufigste 
maligne Geschwulst des Hodens. Most berichtet über sechs Hodentumoren, von 
denen ihm aber nur ein Teil der Geschwülste zur eigenen Untersuchung vorlag, 
deren Resultat er in Einklang bringt mit den Ergebnissen von Ehrendorfer und 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


235) 


Krompecher, wonach gegenüber Langhans die überwiegende Mehrzahl der 
großzelligen Hodentumorerr zu den Sarkomen zu rechnen sind. Most konnte bei 
der einen Geschwulst den direkten Nachweis der Entstehung der Tumorzellen aus 
dem Endothelbelag der Blutgefäße nachweisen, weil in den Alveolen und in den 
Hohlräumen, in denen sich die Geschwulstbildung zeigte, stets Blut vorhanden 
war und die Wucherung sich bis in die Kapillarlumina zurück verfolgen ließ. Es 
handelte sich bei diesem Alveolärsarkom um ein hämangiotisches Endotheliom. Die 
letzte größere Arbeit über Hodentumoren stammt von Lorenzo Debernardi, 
der mehrere Tumoren untersuchte und eine kritische Literaturzusammenstellung 
der einschlägigen Arbeiten gibt. Debernardi beschreibt vier großzellige Hoden¬ 
tumoren, deren mikroskopische Struktur gekennzeichnet war duroh große epithel¬ 
artige, in der Form, Struktur, Anordnung den epithelialen Zellen der Samen¬ 
kanälchen vollkommen ähnliche Zellen, die in einem bindegewebigen, bald 
alveolären, bald mehr diffusen Stroma eingelagert waren. Da andere Gewebe nicht 
zugegen waren, müßte dio Möglichkeit des Vorhandenseins einer Mischgeschwulst 
ausgeschlossen werden. Debernardi hält auf Grund seiner Untersuchungen die 
großzelligen Hodentumoren für Karzinome. Die Abstammung der Geschwulstzellen 
aus den Zwischenzellen mußte ausgeschlossen werden, weil sich solcheZellen selbst 
in der in den erhaltenen Hodenabschnitten vorhandenen Zwischensubstanz nicht 
vorfanden, die Kernteilungsßguren der Geschwulstzellen mit denen der Epithelien 
der Samenkanälchen übereinstimmten und die Zellen den Kanälchenepithelien 
nach ihrer Gestalt und Struktur durchaus ähnelten, und weil in beiden Zellarten 
Glykogen nachgewiesen wurde, worauf zuerst Langhans hingewiesen hatte. Für 
ganz unwahrscheinlich hält Debernardi die Abstammung der großzelligen 
Tumoren von Endothelien, wie von Krompecher angenommen wird, und erkennt 
mit Ribbert und Oberndorfer die Gründe, auf die Krompecher bei Geltend¬ 
machung seiner Ansicht sich stützt, nicht an, vielmehr spricht nach Debernardi 
alles und besonders die Morphologie der Gescbwulstzellen, der Bau und das 
Wachstum der Geschwülste dafür, daß die Geschwulstzellen mit den Epithelien 
der Samenkanälchen in genetischer Verbindung stehen und epithelialer Natur sind. 
Den histogenetischen Nachweis der Abstammung der Geschwulstzellen von den 
Kanälchenepithelien konnte Debernardi allerdings nicht erbringen, glaubt aber 
aus dem Vorhandensein zellerfüllter Kanälchen und kanälchenartiger Hohlräume 
bei ihrer großen Aehnlichkeit mit den gewundenen Hodenkanälchen die Wahr¬ 
scheinlichkeit der Herkunft annehmen zu dürfen. 

Hiernach nimmt wohl die größere Mehrzahl der Autoren an, daß die gro߬ 
zelligen Hodentumoren, speziell diejenigen mit alveolärem Bau als Karzinome auf- 
zufassen sind, deren Zellen von den Epithelien der Samenkanälchen stammen, und 
daß die Annahme Krompechers, wonach sie Endotheliome mit vornehmlichem 
AusgaDg von den Lymphgefäßen sind, wenig wahrscheinlich ist, während die 
Möglichkeit der Entstehung großzelliger Geschwülste von den Zwischenzellen der 
Interzellularsubstanz, also großzelliger Sarkome nach der Annahme Waldeycrs 
und Hansemanns bestehen bleibt und auch von Borst ohne Einschränkung an¬ 
erkannt wird. 

Gegenüber diesen nach ihrem morphologischen Verhalten bezüglich ihrer Zu¬ 
ordnung zweifelhaften Geschwülsten, die bald als Karzinome bald als Sarkome 
angesprochen wurden, sind die kleinzelligen Geschwülste allseitig als Sarkome ge- 



240 


KINNEMANN, 


deutet und werden nach der Gestalt der Zellen in Spindelzel.’en- und Rundzellen¬ 
sarkome geschieden. Es kommen im Hoden aber auch Riesenzellensarkpme vor, 
Krompecher beschreibt ein solches. Einige Zweifel in der Beurteilung hat eine 
kleinzellige Geschwulst erfahren, die wegen einiger Besonderheiten im morpholo¬ 
gischen Verhalten von den Franzosen, besonders Malassez, sowie Monod und 
Terrillon als Lymphadenom bezeichnet wurde, weil bei diesen Geschwülsten im 
Gegensatz zu dem eigentlichen Sarkom die in ein feines Retikulum eingebetteten 
Zellen gleichmäßig groß und rund sind, wenig Protoplasma und einen großen 
Kern enthalten und die Blutgefäße eine eigene gegen das Geschwulstgewebe scharf 
abgesetzte Wand besitzen. Krompecher faßt sie als Lymphendotheliome mit 
diffusem Bau auf. Debernardi hält die Begründung dieser Ansicht nicht für ge¬ 
lungen und reohnet sie zu den Rundzellensarkomen, deren Uebereinstimmung mit 
dem Lymphadenom der Franzosen durch Birch-Hirschfeld und Kocher voll¬ 
kommen bewiesen sei. Eine besondere Stellung nimmt ein von Malassez und 
Monod beschriebenes Riesenzellensarkom ein, das von den Forschern als „Sar- 
come angioplastique“ beschrieben wurde. Bei dieser Geschwulst fanden sich außer 
verschieden großen Riesenzellen auch noch anastomosierende, protoplasmatische 
Massen vor, von eigenartigen Formen, die durch Schlingen und Balken in Ver¬ 
bindung standen und ein regelloses Protoplasmanetz bildeten. In den protoplasma¬ 
tischen vielkernigen Riesenzellen fanden sich Vakuolen, die entweder eine helle 
körnige Masse oder rote Blutkörperchen enthielten. Malassez und Monod haben 
die Ansicht, daß die zu einem Netzwerk verschmolzenen Riesenzellen als unent¬ 
wickelte Gefäßanlagen zu betrachten seien, bzw. die Zellen als vasoformative, 
woraus sich die Bezeichnung Sarcome angioplastique erklärt. Aehnliche Ge¬ 
schwülste mit der gleichen Auffassung der Befunde wurden noch von Carnot und 
Marie und von Dopter beschrieben, während Wlassow auf Grund seiner Unter¬ 
suchungen eine ganz abweichende Ansicht vertritt. Die Aehnlicbkeit und stellen¬ 
weise vollständige Identität mit dem Chorionepitheliom ließ bei ihm die Vermutung 
der Entstehung aus dem Keimepithel aufkommen und er sieht die Riesenzellen 
nicht als vasoformative Zellen an, sondern hält sie nach ihren morphologischen 
Eigenschaften für identisch mit den synzytialen Zellen des Chorions. In drei unter¬ 
suchten Fällen erwiesen sich die Tumoren als Mischgeschwülste, denn es fanden 
sich stellenweise embryonale Drüsenkanälchen, sowie Bindegewebe und glatte 
Muskelfasern embryonalen Charakters. Da sich aber eine Beteiligung auch des 
dritten Keimblattes an der Bildung der Geschwulst nicht erbringen ließ, so hält 
W. den genetischen Zusammenhang der Geschwulst mit dem Epithel eines bei der 
Entwickelung eines Embryoms hypothetisch vorausgesetzten Chorions für proble¬ 
matisch und bezeichnet den Tumor zum Unterschied von anderen epithelialen als 
Epithelioma syncytiomatodes testiculi. Oberndorfer gibt eine Zusammenstellung 
der einschlägigen Literatur und weist daraufhin, daß Schlagenhaufer zuerst auf 
die frappante Aehnlichkeit'dieser Geschwülste mit den chorionepitbeliomatösen 
aufmerksam machte und den Schluß zog, daß dieses Geschwulstgewebe ebenfalls 
vom Epithelüberzugc der Chorionzotten abzuleiten sei; nach Riesel seien sie in¬ 
des nichts anderes, als eine besondere Erscheinungsform des fötalen Ektoderms. 
Wesentliche Fortschritte in der Beurteilung der Hodengeschwülste haben die neueren 
Untersuchungen und namentlich die von Wilms geliefert über die Mischgeschwülste 
des Hodens. Hiernach ist zu unterscheiden zwischen Teratomen bzw. Embryomen 



lieber Hodontumoren beirr. Hunde. 


241 


und teratoiden bzw. embryoiden Tumoren der Geschlechtsdrüsen. Zu den ersteren 
gehören die Dermoidzysten, die ans einer abgeschlossenen Zyste bestehen, welche 
Haare und eine fettige Grütze enthalten und deren Wand aus Haut mit Haaren, 
Talg- und Schweißdrüsen gebildet wird. Außerdem findet sich ein von behaarter 
Kutis überzogener polypöser Körper, eine Zotte, die nach ihrem komplizierten Bau 
und der Formation der Gewebe, als Derivate aller drei Keimblätter, eine rudimen¬ 
täre Embryonalanlage repräsentiert. Nach Wilras sind die Teratome bzw.Embryome 
und dieHodenteratoide nicht wesentlich verschiedene Gebilde, sondern dadurch unter- 
chieden, daßdiedrei Keimblätter bei den Teratomen zur Bildung eines rudimentären 
Embryo führen, während sie bei den teratoiden Geschwülsten regellos durchein¬ 
ander wachsen. Zu diesen teratoiden Geschwülsten sind viele als Hodenzystoide, 
Enchondrome, Zystokarzinome Zystosarkome und Endotheliome beschriebene Ge¬ 
schwülste zu rechnen. Nach Borst sind die Forschungsergebnisse bezüglich der 
Teratome und teratoiden Tumoren, soweit sie sich auf den Bau derselben beziehen, 
von Hanau, Pfannenstiel, Kockel u. a. größtenteils bestätigt. Manche Ge¬ 
schwülste, die nach ihrem wechselnden Aussehen von den verschiedenen Beob¬ 
achtern bald als sarkomatöse, bald als karzinomatöse gedeutet wurden, sind nach 
Kibberts Ansicht zum Teil einseitig entwickelte Misohgeschwülste, in denen die 
sonstigen embryonalen Gewebe übersehen werden oder auch zu Grunde gegangen 
sind. Ueber die Entstehung der hier fraglichen Geschwülste sind die Meinungen 
verschiedenartig gewesen und auch wohl noch heute nicht ganz übereinstimmend. 
Wilms glaubte anfänglich ihre Entstehung auf die Samenzellen zurückführen zu 
müssen, die entweder in einem embryonalen Zustand verharrten oder später patho¬ 
logisch wucherten, welche Ansicht von anderen geteilt wurde, und an der Borst 
teils festhält, indem er sich dahin ausspricht, daß die Entstehung aus in fehler¬ 
hafte Entwickelung geratenen primären Geschlechtszellen sehr diskutabel sei. Nach 
einer anderen Anschauung, die von Bonnet und Marchand vertreten wird, sollen 
sie versprengten Blastomeren ihre Entstehung verdanken, wie solche Verlagerungen 
im Blastulastadium bei Tieren beobachtet wurden, oder auch auf eine befruchtete 
Polzelle zurückzuführen sein, die sich zwischen den Blastomeren weiter entwickelte. 
Welche von diesen Anschauungen zu Recht besteht, ist fraglich, jedenfalls herrscht 
darin Uebereinstimmung, daß es sich bei den fraglichen Mischgeschwülsten bei 
ihrer Entstehung um versprengte embryonale Zellen handelt mit einem großen 
Differenzierungsvermögen und daß sich in den Tumoren Derivate aller drei Keim¬ 
blätter in wechselvollem Durcheinander vorfinden, häufig mit überwiegender Be¬ 
teiligung der ektodermalen Anlage. 

Bei den Hodengeschwülsten hat man demnach zu unterscheiden 
zwischen Karzinomen, Sarkomen, die als Riesenzellensarkome oder 
als kleinzellige Spindel- oder Rundzellensarkome Vorkommen; 
Fibromen, Myomen, Zwischen zellen ge sch wülsten, großzelligen 
Tumoren, die meist als Karzinome, teils als Sarkome, teils als Endo¬ 
theliome aufgefaßt werden; den chorionepitheliomartigen Neubildungen 
und den Mischgeschwülsten, die entweder als Teratome (Dermoid¬ 
zysten) oder als Teratoide auftreten, in denen häufig Zysten und 

Archiv f. wisscnsch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. i g 



242 


KlNNKMANN 


Knorpelroassen sich finden und die nach ihrem wechselvollen Bau 
und der morphologischen Anordnung ihrer Bestandteile zur Verwechselung 
mit einfachen Geschwülsten leicht Anlaß geben können. So sehr die 
Erforschung der Hodentumoren das Dunkel, das in der Beurteilung 
der mannigfachen und eigenartigen Hodengeschwülste herrschte, zu 
lichten vermochte, so daß eine teilweise Sonderung derselben auf 
histogenetischer Grundlage ermöglicht wurde, so sehr darf anderseits 
die Schwierigkeit der jedesmaligen genetischen Bestimmung nicht ver¬ 
kannt werden. Die noch bestehenden Zweifel in der Deutung mancher 
Hodentumoren beweisen, daß ein sicherer Nachweis über die Ab¬ 
stammung der Geschwulstzellen selten einwandsfrei möglich wurde 
und daß zur Klärung der bestehenden Zweifel noch weitere Unter¬ 
suchungen erforderlich sein werden. So lange aber eine sichere 
Trennung auf genetischer Grundlage nicht möglich ist, werden die 
morphologischen Eigenschaften für die Deutung und Klassifikation der 
Geschwülste maßgebend bleiben müssen. Hierbei werden gewiß 
Irrtümer nicht ausbleiben, da besonders die Unterschiede zwischen 
Karzinom und alveolärem Sarkom nicht scharf genug sind, um eine 
sichere Entscheidung für das eine oder andere treffen zu können. 

Die nach Kitt bei Pferden und Hunden nicht selten vor¬ 
kommenden, enormen Geschwülste, die in Gestalt des Hodens als 
kompakte Klumpen — sog. Sarkocele, Fleischbruch des Hodensackes — 
gefunden werden und die derselbe, da die Zellen so embryonale 
Formen haben, daß es schwer ist zu unterscheiden, ob es sich um 
Epithelien oder Sarkomzellen handelt, wegen ihres embryonalen 
Charakters als Orchidom oder Orchidoblastom bezeichnet, ge¬ 
hören sicher zu den teratoiden Mischgeschwülsten. Kitt gebührt das 
Verdienst, die Natur dieser Geschwülste bei Tieren zuerst erkannt 
und durch eine ihrem Wesen entsprechende Bezeichnung von den 
übrigen Geschwülsten gesondert zu haben. Es erscheint mir indessen 
nicht zweckmäßig, diese Bezeichnung in der Veterinärliteratur beizu¬ 
behalten, nachdem in der medizinischen Literatur die Bezeichnungen 
Teratoide und Teratome der Geschlechtsdrüsen gebräuchlich sind. 
Turtill hat mit der Beschreibung eines Hodenteratoms sich der 
medizinischen Bezeichnung angeschlossen. Im Interesse einer möglichst 
einheitlichen Nomenklatur halte ich es für empfehlenswert, die 
zystischen Dermoide, die nach Wilms in ihren Zotten eine rudimen¬ 
täre Embryoanlage darstellen, als Teratome und die hier in Frage 
kommenden Mischgeschwülste, welche Derivate aller drei Keimblätter 



lieber Hodentumoren beim Hunde. 


243 


im bunten Durcheinander enthalten, als Teratoide des Hodens zu 
bezeichnen. 

In dem Spital für kleine Haustiere habe ich verschiedentlich 
Gelegenheit gehabt, Hodenerkrankungen bei Hunden zu behandeln, 
darunter kamen auch hin und wieder geschwulstartig vergrößerte 
Hoden vor. In sieben Jahren wurden neunmal derartige Hoden ent¬ 
fernt und untersucht. Es handelte sich nicht immer um Neubildungen, 
wenn auch die klinischen Erscheinungen das Vorhandensein solcher 
nicht ausschließen ließ. In dem folgenden habe ich diese neun 
Fälle zusammengestellt. 

1. Fall. Hoden von einem 9 Jahre alten Pinscher, der der 
Klinik wegen einer sich allmählich vergrößernden Geschwulst in der 
linken Leistengegend zugeführt wurde. Genauere Angaben über die 
ersten Beobachtungen und die Entstehung der Geschwulst ließen sich 
nicht ermitteln. In der linken Leistengegend fand sich ein fast 
mannesfaustgroßer Tumor, über dem die Haut leicht verschiebbar 
war. Die Oberfläche der Geschwulst war glatt und am hinteren Ende 
stand dieselbe mit einem fast kleinfingerdicken Strange in Verbindung, 
der nach dem Leistenkanal zu verlief. Die Geschwulst fühlte sich 
in allen Teilen ziemlich derb an und war auf Druck nicht schmerz¬ 
haft. Hiernach handelte es sich um einen nach vorn verlagerten 
großen Hoden, der durch Kastration entfernt wurde. Die Wund¬ 
heilung verlief ohne Zwischenfälle und wurde das Tier bald als geheilt 
entlassen. Ueber das spätere Schicksal des Tieres ist nichts bekannt 
geworden. Samenstrang und Scheidenhäute waren verdickt, nicht 
verwachsen. Nebenhoden deutlich abgesetzt und klein. Hoden 122 g 
schwer, 7y 2 cm lang, 5 cm breit. 

Schnittfläche gelblicbgrau, zeigte einzelne unregelmäßig verlaufende, dicke, 
weiße Stränge und ein vielfach verzweigtes unregelmäßiges Netzwerk aus feineren 
Bindegewebszügen, die ein gleichmäßiges, markiges, graaweißes Gewebe um¬ 
schließen. Bei Druck tritt über die Oberfläche eine trübe, milchweiße Flüssigkeit. 
In derselben befinden sich mäßiggroße Zellen mit rundlichem, oder ovalem Kern, 
Zelltrümmer und kleine Fetttröpfchen. Die Zellen sind vielgestaltig, sie haben 
häufig eine unregelmäßig spindelförmige Gestalt mit einem oder zwei feinen Aus¬ 
läufern, odor sind mehr oval oder auch kantig und mehreokig. Der Zellleib ist 
im Vergleich zum Kern nur klein, trübe und gekörnt. In Schnitten, die mit dem 
Gefriermikrotom hergestellt wurden, fanden sich in einem Bindegewebsgerüst 
Hoblräume mit glatten Wänden, aus denen die Zellen völlig ausgewaschen sind, 
oder in den kleineren der wechselnd großen Hohlräume noch Zellen, die nach 
Färbung mit Sudan Hl eino teilweise rotgclbe Farbe angenommen haben in Form 

16 * 



244 


KINNEMAMN, 


kleiner rotgelber Körnchen oder Einlagerungen, ln Schnitton, die aus dem in 
Formalin konservierten Hoden angefertigt wurden, sieht man bei schwacher Ver¬ 
größerung nach Färbung nach van Gieson ein massiges bindegewebiges Stroma 
mit alveolären Hohlräumen, die von Zellen erfüllt sind (Fig. 1). Das Bindegewebe 
ist besonders in der Nähe der stark verdickten Albuginea reichlich und bildet 
mehr oder weniger breite Stränge oder dicke Balken, die sich teilweise zu gleich¬ 
mäßigen Platten vereinigen. In Schnitten aus den zentralen Partien der Geschwulst 
ist es weniger reichlich und bildet dünnere Stränge mit regelmäßigem Verlauf, 
die sich in mannigfachster Weise verbinden, Knickungen zeigen und bald unter 
spitzem, bald unter stumpfem Winkel zusammentreten oder auch von einem 
Knotenpunkt in unregelmäßig strahliger Anordnung ihren Ursprung nehmen, ln 
dem buntmaschigen Gefüge des Bindegewebsgerüstes liegen Hohlräume von 
mannigfaltiger Gestalt und Größe. Sie sind teils auffällig groß und von mehr 
länglich ovaler Gestalt, aber durch Knickung der Bindegewebsstränge oder vor¬ 
stehende Zapfen derselben, die bald mehr, bald weniger weit in die Höhlen hinein¬ 
ragen, eigenartig geformt. Häufig sind die Balken durchbrochen, so daß durch 
schmale oder breitere Spalten eine Vereinigung zweier oder mehrerer Hohlräume 
stattgefunden hat. Manchmal sind die Hohlräume mehr schmal und langgestreckt 
und in das Stroma spaltförmig eingeschoben. Hin und wieder findet man nur 
kleine Hohlräume eingesprengt in das derbe Stroma oder inselförmig in der knoten¬ 
förmigen Vereinigung des Gerüstes. Das Verhältnis des Stromas zu den Hohl¬ 
räumen ist ein wechselndes, mehr nach der Albuginea zu iiberwiegt das Stroma, 
zentralwarts die Hohlräume. Die Hohlräume sind glattwaudig und überall von 
Zellen erfüllt. Nirgends sieht man eine Verbindung des Stromas mit den Zellen 
bzw. von der Oberfläche der Wand ausgehende Fibrillen, die sich zwischen die 
Zellen verteilen. Die Zellen sind vielgestaltig, größer und kleiner, mehr rund 
oder eckig, länglich oval und kantig, oft auch langgestreckt und mehr spindel¬ 
förmig. Der Kern ist stark gefärbt und groß, der Zelleib verhältnismäßig klein. 
An manchen Stellen sind die Umrisse der Zellen schlecht oder gar nicht zu er¬ 
kennen oder findet man nur Kerne, die in einem feinkörnigen Detritus liegen. 
Samenkanälchen oder Reste derselben konnten als solche nicht aufgefunden 
werden. 

Die fragliche Geschwulst kennzeichnet sich hinsichtlich ihres 
mikroskopischen Verhaltens durch ein derbes, mit Lücken und Hohl¬ 
räumen ausgestattetes Stroma, durch ihren alveolären Bau, anderseits 
durch die in die Alveolen eingelagerten, vielgestaltigen Zellen. Die 
Lücken und Hohlräume können als veränderte Samenkanälchen nicht 
gedeutet werden, dagegen spricht die Unregelmäßigkeit in Gestalt und 
Verlauf und die Konfluenz zu verschiedenartig gestalteten Räumen. 
Nach dem alveolären Bau und der Polymorphie der Zellen kann es 
sich nur um ein Karzinom handeln. Man könnte noch daran denken, 
daß ein alveoläres Sarkom vorläge. Indessen spricht die scharfe Ab¬ 
grenzung des bindegewebigen Stromas gegen die Zellnester gegen 
Sarkom. Nirgends trat ein Zusammenhang zwischen Gerüst und 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


245 


Zellen hervor oder war ein Uebcrgang des bindegewebigen Stromas 
in die Zellager bemerkbar. Als Unterscheidungsmerkmal des Karzinoms 
von dem Sarkom bezeichnet Krompecher die Tatsache, daß bei 
letzterem die Geschwulstzellen bei alveolartiger, den Krebszellnestern 
ähnlicher Anordnung stellenweise unscharf in das begrenzende Binde¬ 
gewebe übergehen. Auch Borst spricht sich dahin aus, daß in den 
alveolären Karzinomen immer ein strengerer Gegensatz zwischen der 
epithelialen Einlagerung und dem bindegewebigen Stroma vorhanden 
ist, während in den alveolären Sarkomen das Parenchym oft vielfach 
durch Bildung von Interzellularsubstanzon sich als Abkömmling der 
Bindegewebssubstanz kennzeichnet. Was die Größe und das Aussehen 
der Zellen in den Nestern anlangt, so handelt es sich um Zellen von 
etwa der Größe des Kanälchenepithels, sie zeigten auch eine gewisse 
Aehnlichkeit mit demselben, ob sie aber von demselben abstammen, 
ließ sich bei Durchforschung der Geschwulst nicht ermitteln, da Reste 
von Samenkanälchen nicht vorgefunden wurden. 

2 . Fall. Rechter Hoden von einem ca. 11 Jahre alten Setter¬ 
hund. Seit einem halben Jahre wurde eine Vergrößerung des Hodens 
bemerkt, die seit jener Zeit an Umfang fortwährend zunahm. Im 
Allgemeinbefinden des Tieres keine Störung, beim Gehen und Palpieren 
keine Schmerzen. Hoden faustgroß, nur wenig verschiebbar, Skrotal- 
haut straffgespaunt aber nirgends mit dem Hoden verwachsen. Kon¬ 
sistenz gleichmäßig fest, fast derb; Nebenhoden deutlich fühlbar; 
Saraenstrang bleistift dick, überall glatt. Kastration. Der entfernte 
Tumor hat die ungefähre Gestalt eines Testikcls, wiegt 161 g und 
hat eine Länge von 10 cm, eine Breite von 6 cm. Die Schnittfläche 
zeigt in den mittleren Abschnitten eine rötlich-graue Farbe, in allen übrigen 
Teilen ist sie gelblich-grau. Die Tumormasse quillt beim Durch¬ 
schneiden etwas über die Schnittfläche vor und hat eine festweiche, 
markige Konsistenz. In der Schnittfläche lassen sich drei verschiedene, 
ungleich große und unregelmäßig gestaltete Abschnitte unterscheiden, 
ein mittlerer mehr rötlich gefärbter größerer und zwei kleinere, die 
schalenartig übereinander gelagert, den größeren umfassen. Die 
einzelnen Abschnitte sind teils durch straffes, teils durch lockeres 
Bindegewebe getrennt, so daß sie sich stellenweise gegen einander 
verschieben lassen. 

In Schnitten (van Gieson-Färbung) scheint die Geschwulst auf den ersten 
Blick nur aus Zellen zu bestehen, nur vereinzelt treten bei der Durchmusterung 
Bindegewebszüge hervor (Fig. 2). Von den stärkeren Zügen ausgehend, finden 



246 


KTNNEMANN, 


sieb weiterhin aber noch zarte feine Faserböndel, die in ihrem Verlauf spindel¬ 
förmige, schmale, stärker gefärbte Kerne erkennen lassen. Diese Fasern lösen sich 
in feine Fibrillen auf, die sich zwischen den Zellen verteilen. An diesen Stellen 
zeigen die Zellen wohl eine gewisse Anordnung in ihrer Lagerung, indem sie sich 
börsten- oder fiederförmig um sie gruppieren. Hier haben die Zellen durchweg 
eine mehr oder weniger deutlich ausgeprägte spindelförmige Gestalt und einen 
gut tingiorten länglich-runden Kern, der den blassen Zellenleib größtenteils 
einnimmt. Die Zellen lagern sich mit dem einen verjüngten Ende an die Fibrillen 
an, während sie mit dem anderen sioh zwischen die dicht gedrängt liegenden 
freien Zellmassen einschieben. Diese Zellen haben einen mehr runden, stark ge- 
gelarbten Kern von etwa gleicher Größe wie bei den Spindelzellen. Der Zellkörper 
ist im Vergleich zum Kern nur klein, meist von rundlicher Gestalt, oder auch 
kantig und läuft hier und da in eine kurze Zacke aus. Stellenweise und besonders 
in der Nähe der Gefäße finden sich kleine lymphoide Zellen, die zuweilen in 
größeren Mengen angebäuft sind. 

Die Geschwulst besteht also aus einem spärlichen, bindegewebigen 
Stroma und vornehmlich aus Zellen, die hauptsächlich aus Rund- 
und Spindelzellen bestehen. 

3. Fall. Hoden von einem ca. 1 Jahr alten Dalmatiner. 
Genaue Angaben über die Entstehung konnten nicht gemacht werden; 
es wurde nur beobachtet, daß seit einiger Zeit der linke Hoden größer 
war und in kurzer Zeit schnell sich vergrößert habe. Linker Hoden 
des munteren Tieres fast gänseeigroß, auf Druck ganz ohne Schmerz. 
Skrotalhaut gespannt, aber überall von dem Hoden abhebbar, Samenstrang 
deutlich fühlbar und glatt. Lymphdrüsen nicht vergrößert. Kastration. 
Scheidenhautblätter etwas dick, nicht verwachsen. Nebenhoden deut¬ 
lich abgesetzt und kleiner. Der etwa gänseeigroße Hoden hat im 
ganzen die Gestalt des normalen Organs, wiegt 252 g und hat 8 cm 
Breite und 12 cm Länge und eine gleichmäßig derbe Konsistenz. 
Schnittfläche gelblichgrau oder gelblichrötlich, in der Mitte etwas 
dunkler, weicher und leicht vorquellend. Am vorderen Ende ent¬ 
springen von der Albuginea im Winkel von etwa 45° zwei weiße, 
derbe Stränge von 1 / i cm Breite, die sich vereinigen und vom Ver¬ 
bindungspunkt zahlreiche dünne Züge abgehen lassen, die sich teils 
wieder verbinden oder mit dünnen, von der Albuginea stammenden 
Strängen zusammentreten. Dadurch zeigt die Schnittfläche ein lappiges 
Aussehen, wobei die Läppchen nach Größe und Gestalt vollkommen 
variieren. Ein Abstrich läßt mittelgroße runde und eckige Zellen mit 
großem Kern erkennen und vereinzelt kleine Rundzellen. 

Bei schwacher Vergrößerung sieht man in den nach van Gieson gefärbten 
Schnitten nur vereinzelte, unregelmäßig verlaufende Bindegewebsstränge und 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


247 


wenige feinere Bündel. Nur hin und wieder trifft man Stellen an, wo ein 
inaschiges, aus stärkeren Fasern bestehendes Gerüst vorhanden ist. ln der Haupt¬ 
sache besteht die Geschwulst aus mäßig großen Zellen mit intensiv gefärbtem Kern 
von annähernd gleicher Größe. Der Kern ist im Vergleich zum Protoplasmasleib 
groß und hat eine rundliche oder ovale Gestalt. Einzelne größere Zellen besitzen 
zwei Kerne. Die Zellen sind rund oder unregelmäßig polygonal, manchmal 
spindelförmig und zwar dann gewöhnlich, wenn sie mit einzelnen mehr regel¬ 
mäßig gelagerten Reihen eine Art Zapfen bilden, der um eine Bindegewebsfaser 
formiert ist. 

4. Fall. Rechter Hoden von einem ca. 10 Jahre alten Spitz, 
der seit 8 Tagen eine größere Geschwulst in der Leistengegend ge¬ 
zeigt hatte. Ursprünglich war der Hund ein einseitiger Kryptorchide. 
Nur der linke Hoden war vorhanden. Einige Jahre später entdeckte 
man in der rechten Leistengegend neben dem Penis eine kleine An¬ 
schwellung. Ein Tierarzt stellte fest, daß diese Anschwellung durch 
den rechten Hoden bedingt sei, der verspätet ausgetreten sei und eine 
anormale Lage habe. Seit etwa 8 Tagen begann der Hund ungemein 
steif zu gehen und jegliches Springen zu vermeiden; er getraute sich 
nicht einmal mehr vom Stuhle zu springen. Bei der Untersuchung 
fand sich in der rechten Schamgegend eine hühnereigroße Geschwulst, 
über der die Haut leicht verschiebbar war, ebenso ließ sich zwischen 
Geschwulst und ßauchdecken der Finger vorschieben, wobei man auf 
einen nach dem Leistenkanal zu verlaufenden dünnen glatten Strang 
stieß. Die Konsistenz der Geschwulst war im allgemeinen derb, an 
einzelnen Stellen weicher. Beim Palpieren äußerte der Hund Schmerzen. 
Kastration. Normaler Wundheilungsverlauf. Tumor etwa apfelrund 
und -groß, 5 cm breit, 57* cm lang, 63 g schwer. Albuginea glatt 
und durchsichtig; Nebenhoden deutlich abgesetzt und klein. Scheiden¬ 
häute dünn und glatt, nicht verwachsen, Samenstrang glatt. Konsistenz 
der Geschwulst ziemlich derb. Schnittfläche grauweiß, an einzelnen Stellen 
rötlich grau bis bräunlich grau, hier ist die Geschwulstmasse weicher 
und quillt etwas vor. Einige kleine linsen- bis erbsengroße glatt- 
wandige Höhlen sind bemerkbar, von denen eine durch ein weißes 
sehniges Septum in zwei Kammern geschieden ist. Von der Albuginea 
auslaufend treten einzelne kurze, dünne Bindegewebszüge hervor, sonst 
erscheint die Schnittfläche von gleichmäßig homogener Beschaffenheit. Ein 
Abstrich ergibt hauptsächlich großkernige, verschiedengestaltige Zellen 
und rote und weiße Blutkörperchen. 

An Schnitten aus verschiedenen Teilen der Geschwulst ergibt sich ein im 
ganzen übereinstimmender Bau und zwar findet sich ein spärliches bindegewebiges 



248 


KUNNEMANN, 


Stroma und hauptsächlich Zellen (Fig 3). Das Stroma wird gebildet aus einem 
feinen Bindegewebsgerüst, das nur vereinzelt sich zu etwas dickeren Strängen ver¬ 
einigt und mit ganz unregelmäßigem, vielfach geschlängeltem Verlauf die Ge¬ 
schwulst durchzieht und häufig unter spitzem oder stumpfem Winkel sich ver¬ 
bindet und ein Netzwerk bildet, in dessen unregelmäßigen und verschieden großen 
Haschen die Zellen gelagert sind, häufig stehen die Maschen miteinander in Ver¬ 
bindung. An anderen Stellen tritt das Maschenwerk nicht so ausgeprägt auf und 
findet man nur Zellen in dicht gedrängter Lagerung, zwischen denen hin und 
wieder einige Bindegewebsfasern verlaufen. Das Bindegewebsgerüst zeigt bei 
starker Vergrößerung spärliche, kleine spindelförmige Zellen, manchmal finden 
sich aber, besonders in der Nähe von Gefäßdurchschnitten entlang dem Stroma 
kleine lymphoide Zellen, die stellenweise in Haufen liegen oder eine dichtj£fn- 
filtration bilden. Die Geschwulstzellen sind ziemlich groß und haben eineif runden, 
höchstens ovalen Kern, der den Zellkörper zum größten Teil erfüllt. Selten findet 
man Zellen mit zwei kleineren Kernen. Die Zellen sind polyedrisch mit stumpfen, 
schwach angedeuteten Ecken. 

Die letzten 3 Fälle zeigen in der mikroskopischen Struktur der 
Geschwülste große Aehnlichkeit, aber auch in ihrem sonstigen Ver¬ 
halten. Es handelt sich um Geschwülste, die seit der ersten Be¬ 
obachtung an Umfang ziemlich schnell Zunahmen. In dem letzten 
Falle vergrößerte sich die Geschwulst innerhalb 8 Tagen auffällig, in 
den anderen innerhalb eines halben Jahres und in dem zweiten ohne 
genauere Zeitangabe seit einiger Zeit ziemlich schnell, ln dem letzten 
Falle, wo sich derTumor als außerordentlich schnellwüchsig kennzeichnet, 
bestand eine Behinderung in der Bewegung und Abneigung zum 
Springen, was wohl auf eine geringe Schmerzhaftigkeit, wie sie auch 
beim Pal pieren sich äußerte, zurückzu führen war. In den beiden an¬ 
deren Fällen waren aber selbst bei Druck auf die Geschwulst 
Schmerzen nicht auszulösen. Die Geschwülste waren auf die Hoden 
lokalisiert, Metastasen nicht nachzuweisen und trat nach der Kastration 
ohne Störungen in der Wundheilung schnell Heilung ein. Das mikro¬ 
skopische Verhalten der Geschwülste war ein übereinstimmendes. 
Ohne Mitbeteiligung des Nebenhodens oder der Scheidenhäute waren 
die Hoden unter Erhaltung ihrer äußeren Form im ganzen zu ziemlich 
umfangreichen Tumoren vergrößert, einmal in einem anfangs retinierten, 
später nach vorn verlagerten Hoden. Die Hoden waren in toto ver¬ 
ändert, mehr oder weniger derb und in der Schnittfläche graugelblich 
oder graurötlich gefärbt, unregelmäßig und undeutlich gelappt und 
von gleichmäßiger festweicher oder markiger Konsistenz. Nach der 
mikroskopischen Struktur handelte es sich um zellenreiche Geschwülste, 
deren Zellen verhältnismäßig groß und in einem diffusen Stroma ein- 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


249 


gelagert waren. Nur in dem letzten Falle zeigte das Stroma stellen¬ 
weise eine deutliche Anordnung zu einem unregelmäßig geformten Netz¬ 
werk mit verschiedenartigen, teils ineinander übergehenden Lücken 
und zellerfüllten Maschen, also eine Andeutung eines alveolären Baues. 
Die Zellen waren ziemlich groß, hatten etwa die Größe der normalen 
Kanälchenepithelien. Ihr Kern war groß, gewöhnlich rund oder oval, 
der Zellkörper im Vergleich zum Kern klein. Abgesehen von stellen¬ 
weise auftretenden kleinen lyrophoiden Zellen waren andere Bestand¬ 
teile, weder Samenkanälchen noch Zwischenzellen nachweisbar. Die 
rastalt der Geschwulstzellen, deren Größe keine nennenswerten Unter¬ 
schiede erkennen ließ, war eine wechselnde, neben Spindelzellen, die 
besonders entlang den Fibrillenbündeln auftraten, fanden sich kantige 
und mehr eckige entsprechend der dichtgepreßten Lagerung der Zellen. 
Der überwiegende Gehalt* der Geschwülste an Zellen gegenüber dem 
spärlichen Stroma, das meist in diffuser Anordnung die Zellen in Form 
feiner Fibrillen durchsetzt und dem zum Teil die spindelförmigen 
Zellen geradezu anliegen oder bürstenförmig aufsitzen, als wenn sie 
aus ihnen hervorgesproßt wären, berechtigen zur Annahme, daß es sich 
bei diesen Geschwülsten um Sarkome handelt. 

Herrn Prof. Dr. Rievel verdanke ich einige Schnitte aus einer 
Hodengeschwulst vom Pferde, die als Sarkom diagnostiziert wurde. 
Die Schnitte sind mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt und lassen folgende 
Einzelheiten erkennen. In den Maschen eines spärlichen binde¬ 
gewebigen Stromas liegen dicht gedrängt gleichartige Zellen. Das 
Stroma wird aus feinen Faserbündeln oder Fibrillen gebildet, die 
höchstens an den Vereinigungsstellen ein stärkeres Gerüst bilden. Der 
Verlauf der Fasern zeigt keine regelmäßige Anordnung, vielmehr 
durchkreuzen und verflechten sich dieselben und verbinden sich in 
verschiedener Richtung zu einem feinen Netzwerk mit vielgestaltigen 
Maschen. Das Stroma tritt im Vergleich zu der Anzahl der Zellen 
völlig in den Hintergrund, so daß die Schnitte auf den ersten Blick 
nur Zellen zu enthalten scheinen. Die dicht gelagerten Zellen sind 
von annähernd gleicher Größe, verhältnismäßig klein. Der Kern ist 
intensiv gefärbt und rund, im Verhältnis zum Zellkörper groß. Die 
Zellen haben durchweg eine mehr runde Gestalt, sind offenbar 
wegen der gepreßten Aneinanderlagerung gegen einander abge¬ 
plattet und erscheinen daher meist kantig und eckig. Die mikro¬ 
skopische Struktur ähnelt demnach ganz den vorher beschriebenen 
Hodengeschwülsten von Hunden, besonders durch den Reichtum 



250 Kl NNEMÄNN, 

gleichartiger runder Zellen, die einem spärlichen diffusen Stroma ein¬ 
gelagert sind. 

5. Fall. Hoden von einem Terrier, der seit längerer Zeit eine 
Vergrößerung des rechten Hoden besaß. Seit einigen Tagen äußerte 
der Hund Schmerzen und ging ungern und gespannt, die Schwellung 
des Hodens hatte sich vergrößert. Hodensack teigig geschwollen, 
auf Druck schmerzhaft. Kastration. Hoden dunkelrot, Gefäße stark 
gefüllt. Samenstrang hinter dem Hoden um seine Längsachse gedreht 
und eingeschnürt. Drehungsstelle blaß. Schnittfläche blutreich, dunkel¬ 
rot, an einzelnen Stellen mehr gelbrot. Gefäße weit, in einzelnen 
schwarzrote Gerinnsel. 

Bei schwacher Vergrößerung nach van Gieson gefärbter Schnitte lassen sich 
Hodenkanälchen nicht ermitteln. (Jeberall tritt ein ziemlich massiges Stroma 
hervor, das aus einem derben fibrillären Bindegewebe besteht, in dessen Faser¬ 
verlauf viele Spalten und Hohlräume angetroffen werden, die von einem feinkörnigen 
Inhalt erfüllt sind. Zwischen den Bindegewebszügen liegen Zeilhaufen oder auch 
Zellstränge von geschlängeltem Verlauf, deren kleine Zellen einen spindelförmigen 
oder länglichovalen Kern besitzen. An einzelnen Stellen finden sich Herde, die 
aus diffus und schlecht gefärbten scholligen Massen bestehen und eine Struktur 
nicht erkennen lassen (Nekrose). Die Zellhaufen und Zellstränge erscheinen 
manchmal unvermittelt in Hohlräume des Bindegewebsgerüstes eingesprengt zu 
sein, da eine Verbindung mit demselben nicht zu erkennen ist; an anderen Stellen 
sitzen die Spindelzellcn pallisadenartig der Wand der Hohlräume auf. An manchen 
Stellen lassen sich feine Fibrillenbündel verfolgen, die von den stärkeren Strängen 
des Stroma ausgehen, sich netzartig verschlingen und ein feines Maschenwerk 
bilden, in dessen Lücken die Zellen ihre Lage haben. 

Es handelt sich in dem vorliegenden Falle um einen Hoden, der 
nach dem Vorbericht seit längerer Zeit schon geschwollen erschien, 
der sich aber seit einigen Tagen noch vergrößert hatte, wobei gleich¬ 
zeitig eine teigige schmerzhafte Schwellung des Skrotums auftrat. 
Als Ursache hierfür fand sich eine Verdrehung des Samenstrangs 
um seine Längsachse, woraus sich die Stauungserscheinungen im 
Skrotum und Hoden erklären, ebenso die im mikroskopischen Bilde 
sich geltend machende Erweiterung der Blutgefäße und Lymphspalten 
und wahrscheinlich auch die herdweise auftretende Nekrose. Unab¬ 
hängig hiervon bestand eine geschwulstartige Veränderung des Hodens, 
die nach dem Vorbericht schon längere Zeit bestanden hatte. Hoden¬ 
kanälchen wurden nicht aufgefunden. Dagegen ein zum größten Teil 
aus derbem, fibrillären, teils auch aus netzförmig geordnetem Binde¬ 
gewebe bestehendes Stroma, in dessen Maschen, Spalten und Hohl- 



lieber Hodentumoren beim Hunde. 


251 


räumen Zellen mit spindelförmigem oder länglichovalera Kern gelagert 
waren. Hiernach handelt es sich um eine zellenreichc Bindegewebs- 
geschwulst, deren in unregelmäßigen Haufen oder in schlauchartiger 
Anordnung gelagerte kleine Zellen zum größten Teil einen spindel¬ 
förmigen Kern hatten. Man kann demnach die Geschwulst als ein 
kleinzelliges Spindelzellensarkom deuten oder mit Rücksicht 
auf das verhältnismäßig massige Bindegewebsgerüst als ein Fibro- 
sarkom. 

lieber den mikroskopischen Befund einiger Schnitte aus einem 
großen Hodentumor von einem Pferde, die mir von Herrn 
Prof. Dr. Rievel zur Verfügung gestellt wurden, möchte ich hier noch 
berichten. Der Tumor steht leider nicht mehr zur Verfügung und 
sind auch Einzelheiten über den Fall nicht bekannt. Die Geschwulst 
wurde von einem Tierarzt wegen der auffälligen Veränderung des 
Hodens zur Untersuchung an das pathologische Institut eingeschickt. 

Die daraus hergestellten Schnitte sind mit Eosin-Hämatoxylin gefärbt und 
lassen bei schwacher Vergrößerung (Fig. 4) die quer oder schräg getroffenen 
Kanälchen deutlich erkennen und je nach den Stellen ein im Aussehen ver¬ 
schiedenes Zwischengewebe, das überall sehr reichlich vorhanden ist. Die Hoden¬ 
kanälchen sind deutlich durch ihre feine Eigenmembran abgegrenzt, die innen ge¬ 
wöhnlich nur eine durch die gutgefärbten Kerne kenntliche Epithellage trägt, 
während die Kanälchen im Uebrigen von einem feinen Netzwerk erfüllt sind. An 
manchen fehlt auch die innere Zelllage und man sieht nur ein feines Maschen¬ 
werk. Die Zwisoheusubstanz besteht stellenweise der Hauptsache nach aus großen 
blassen Zellen mit kleinem runden Kern (Fig. 4a). Zwischen den Zellen sieht 
man ein reiches, mit roten Blutkörperchen gefülltes Kapillarnetz (Fig. 4b). An 
anderen Stellen läßt das breite Zwischengewebe die großen Zellen vermissen. 
Statt dessen treten hier vereinzelte kleine runde oder ovale Kerne auf und große 
verschieden gestaltete, bald mehr runde, bald ovale oder längliche, manchmal 
etwas verjüngte oder mit zapfenartigen Fortsätzen versehene gut konturierte, 
schwach gefärbte Protoplasmahaufen, die teils die Größe etwa der anderenorts 
befindlichen großen Zellen haben und auch hin und wieder hellere Stellen oder 
eine Vakuole besitzen. Bei starker Vergrößerung erscheint das Bindegewebe in der 
Umgebung der Kanälchen etwas vermehrt. Die Zollgrenzen der einschichtigen 
Epithellage sind nicht deutlich zu erkennen. Die Kanälchen besitzen außer diesen 
wandständigen Zeilen nur einen feinkörnigen Inhalt, der besonders nach der 
Peripherie hin dichter ist, naoh der Mitte zu häufig ganz fehlt. Außerdem erkennt 
man ein feines Netzwerk, das in den peripheren Abschnitten besonders da deutlich 
wird, wo die körnigen Massen mehr fehlen. Die großen Zellen des Zwischen¬ 
gewebes besitzen einen runden oder .ovalen verhältnismäßig kleinen Kern. Der 
Kern liegt vielfach mehr seitlich in den Zellen und zeigt gewöhnlich ein deut¬ 
liches Kernkörperchen. Das Protoplasma der Zellen ist schwach gefärbt, wenig 
dicht und fein gekörnt, ist manchmal in der Mitte der Zelle oder um den Kern 



252 


KTNNEMANN, 

herum dichter, so daß die Peripherie der Zellen ganz hell ist. Die Zellen sind 
meist rundlich oder oval, wo sie dichter liegen, sind sie unregelmäßig kantig und 
eckig und zuweilen macht es den Eindruck, als wären sie in einen kurzen mehr 
breiten oder auch feinen Fortsatz ausgezogen. Zwischen diesen Zellen sieht man 
vereinzelt kleinere ovale oder mehr spindelförmige Kerne. An anderen Stellen 
sieht man zwischen den großen Zellen ein Kapillarnetz auftreten. Die Wand der 
Kapillaren ist manchmal als deutliche Kontur zu erkennen, die hier und da durch 
einen spindelförmigen Kern unterbrochen w r ird. Auch an Querschnitten der Gefäße 
ist die Wand deutlich abgesetzt und zeigt auch hier und da einen dieselbe sichel¬ 
förmig umgreifenden Kern. An anderen Stellen ist die Kapillarwand nicht zu er¬ 
kennen und gewinnt es den Eindruck, als lägen die roten Blutkörperchen reihen¬ 
förmig zwischen den Zellen. An manchen Stellen, wo die roten Blutkörperchen 
diffus zerstreut gefunden werden, ist das sicher der Fall. Wo die Kapillaren 
reichlicher auftreten, ist die Zahl der großen Zellen vermindert, dagegen treten 
mehr kleinere Kerne auf. An anderen Stellen sieht man die blassen großen Zellen 
nur ganz vereinzelt, dagegen strangförmig gleichmäßig gefärbte Protoplasmabänder, 
die bald schmäler bald breiter sind und auch mit zapfenartigen Fortsätzen oder 
breiteren Balken zu einem Netzwerk sich verbinden, stellenweise nur vereinzelt 
einen rundlichen oder ovalen Kern, stellenweise auch mehrere Kerne erkennen 
lassen, hin und wieder auch wohl bei geeigneter Einstellung eine hellere Kontur 
als eine Andeutung einer Zellgrenze (Fig. 5). Zwischen den Protoplasmabändern 
finden sich kleinere ovale oder längliche Kerne und vielfach deutlich verzweigte 
Kapillaren mit reihenförmig gelagerten roten Blutkörperchen, hin und wieder aber 
auch Stellen, wo die roten Blutkörperchen zerstreut in den Lücken liegen (Fig. 5). 
An anderen Stellen zeigt das Protoplasma der Stränge weniger eine gleichmäßige 
Beschaffenheit, sondern ist feiner oder grober gekörnt und aufgelockert. An 
wiederum anderen Stellen besteht die Zwischensubstanz aus einem äußerst feinen 
Gitterwerk mit spärlichen Kernen und einzelnen unregelmäßig runden ovalen, 
manchmal einerseits mehr verjüngten oder auch lang gestreckten, schmäleren und 
breiteren ziemlich grobkörnigen oder scholligen Protoplasmahaufen, die manchmal 
noch einen runden undeutlichen Kern erkennen lassen, zuweilen auch eino Vakuole 
(Fig. 6). Die Lücken des feinen Gitterwerks sind verschieden gestaltet und auch 
von wechselnder Größe. Meist sind sie leer, hin und wider findet sich auch in 
ihnen eine feinkörnige Masse oder es liegen in ihnen einzelne rote Blutkörperchen. 
Schließlich findet man Stellen, wo das feinfaserige Gerüst vorherrscht und nur 
ganz selten körnige Protoplasmamassen vorhanden sind. Das Gerüst zeigt hier 
auch nur selten größere Maschen, meist sind sie klein und spaltförmig und die 
feinfaserige Substanz zeigt mehr einen gestreckt welligen Verlauf und weist häufiger 
Kerne von länglich ovaler Gestalt auf. 

Leider stand die Hodengeschwulst selbst nicht mehr zur Ver¬ 
fügung und es war auch kein Material vorhanden, um die Unter¬ 
suchung zu vervollständigen, was bei der Eigenartigkeit des mikrosko¬ 
pischen Befundes der vorliegenden Schnitte zur sicheren Deutung der 
Geschwulstart recht wünschenswert gewesen wäre. Immerhin kann 
zunächst kein Zweifel darüber bestehen, daß an den Hodenkanälchen 



Ueber llodentumoren beim Hunde. 


253 


ein degenerierender Prozeß bestand mit Zerfall des Epithels bis auf 
eine teilweise erhaltene wandständige Schicht. Bemerkenswert in dem 
mikroskopischen Befunde ist das verschiedene Verhalten des zwischen 
den Kanälchen gelegenen Geschwulstgewebes. In erster Linie ver¬ 
dienen die in größeren oder kleineren Gruppen und Haufen vor¬ 
herrschenden einkernigen, epithelähnlichen Zellen neben dem auf¬ 
fälligen Reichtum an Kapillaren, Beachtung. Es sind polymorphe, 
mehreckige Zellen mit einem leidlich großen, manchmal mehr peripher- 
wärts gelagerten runden oder ovalen Kern, der ein deutliches Kern¬ 
körperchen erkennen läßt. Das Protoplasma der Zellen ist meist 
licht und mehr grobkörnig, seltener gleichmäßig und mehr dicht. Die 
Zellen zeigen manchmal breitere oder schmälere zapfenartige Fort¬ 
sätze, mit denen sie in Verbindung stehen und sind häufig in strang¬ 
förmigen oder netzartigen Verbänden angeordnet. In den Strängen 
macht sich nur hin und wieder ein hellerer Streifen als Andeutung 
einer Zellgrenze bemerkbar, im übrigen sind Zellgrenzen nicht vor¬ 
handen, sondern nur Kerne, die dichter oder weiter gelagert sind, 
häufig aber in Abständen wie sie den Größen Verhältnissen der Einzel¬ 
zellen wohl entsprechen. Jedenfalls gewinnt man den Eindruck, daß 
die Stränge aus einer Konfluenz der Zellen entstanden sind und eine 
zusammenhängende Protoplasmamasse bilden, zumal die Größen¬ 
verhältnisse der Kerne übereinstiramen und das Protoplasma eine 
ähnliche körnige Beschaffenheit zeigt, wie bei den Einzelzellen. Gleich¬ 
zeitig sind diese Stellen ausgezeichnet durch einen Reichtum kapillarer 
Gefäße, die zwischen den Zellen und Strängen sich bunt verflechten. 
Anderseits finden sich auch Reihen von roten Blutkörperchen, die in 
wandungslosen Rinnen zwischen den Zellen und Balken oder auch in 
Lücken verstreut liegen, hin und wieder sind auch kleine Höhlen von 
Haufen roter Blutkörperchen erfüllt. Dieses mikroskopische Verhalten 
erinnert an die von Mallassez und Mono’d zuerst beschriebene und 
als Sarcome angioplastique bezeichnete Geschwulst, die später von 
Schlagenhaufer und Wlassow als chorionepitheloraartige Bildung 
erkannt wurde. Hier wie dort sind als charakteristische Eigentüm¬ 
lichkeit große Zellen vorhanden und protoplasmatische Massen, die 
durch Schlingen und Balken zu Netzen verbunden sind, sowie von 
Blutkörperchen erfüllte Lücken. Auch hier zeigte sich stellenweise 
eine körnige und schollige Auflockerung des Protoplasmas mit Bildung 
von Lücken und Vakuolen. Trotz dieser Aehnlichkeit glaube ich 
doch nicht annehmen zu können, daß es sich bei der hier fraglichen 



254 


KÜNNEMANN, 

Geschwulst um eine chorionepitheliomatösc Neubildung handelt. Die 
großen, epithelähnlichen einkernigen Zellen mit körnigem Protoplasma 
müßten hiernach als Langhanssche Zellen gedeutet werden, aus 
denen durch Konfluenz, wie auch Wlassow beobachtete, die Proto¬ 
plasmastränge sich gebildet hatten. Die vergleichsweise festgestellten 
Größenverhältnisse dieser Zellen mit den Langhansschen ergaben 
aber abweichende Resultate. Die hier inbetracht kommenden Zellen 
sind offenbar kleiner, so daß sie kaum mit den Langhansschen 
Zellen identifiziert werden können. Man wird sie dann nur als 
Zwischenzellen deuten können. Ihre Eigentümlichkeiten sprechen nicht 
dagegen. Große epithelähnlichc Zellen mit Fortsätzen, rundlichem, 
häufiger etwas peripherwärts gelegenem Kern und einem körnigen 
Protoplasma sind Kennzeichen, die für die Zwischenzellen zutreffen. 
Das lichte Aussehen mancher dieser Zellen und das Vorhandensein 
von Vakuolen erklärt sich ungezwungen aus dem Fettgehalt dieser 
Zellen. Kaufmann fand einen reichlichen Fettgehalt in Form von 
kleineren und größeren Tröpfchen, wodurch die Zelleu nach dem Aus¬ 
ziehen des Fettes viele rundliche Lücken und ein wabenartiges 
Aussehen erhielten. Nach den Zellen würde die Neubildung demnach 
als eine Zwischenzellengeschwulst zu deuten sein. Aber auch die 
zweite Eigentümlichkeit der Geschwulst, der Reichtum von kapillaren 
Gefäßen spricht nicht für eine chorionepitheliomatöse Neubildung, 
wohl aber das Vorhandensein von Blutkörperchen in wandungslosen 
Lücken und Höhlen zwischen den Zellen und netzförmigen Zellsträngen. 
Gerade in dieser Hinsicht wäre eine weitergehende Untersuchung von 
Geschwulstmaterial wünschenswert gewesen, wodurch auch dieser 
Befund Aufklärung gefunden hätte. Jedenfalls fand Kaufmann in 
der Zwischenzellengeschwulst ein inniges Nebeneinander von Geschwulst¬ 
zellen und Gefäßen, die die zu einem lockeren, netzförmig-balkigen 
System angeordneten Geschwulstzellen gleichmäßig begleiteten und 
durchsetzten. Auch die Uebereinstimmung dieser Geschwulst in der 
Verbindung der Zellen zu Strängen und Balken in netzartigem Ver¬ 
bände spricht ganz für die Gleichartigkeit beider Geschwülste. Nach 
einer Bemerkung Albrechts im Anschluß an die Kaufmannschc 
Mitteilung über Zwischenzellengeschwülste des Hodens sind Zwischen- 
zellenturaoren beim Pferde von Mayr häufig beobachtet und be¬ 
schrieben, wobei namentlich auch die Einwucherung in Samenkanälchen 
gesehen wurde. Die fragliche Veröffentlichung Mayrs ist mir nicht be¬ 
kannt, sondern nur ein Referat über einen Vortrag desselben. Hier- 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


255 


nach fand derselbe in einem flodensarkom vom Hunde, bei einer 
Hodenhypertrophie vom Pferde und bei einer käsigen Nekrose beim 
Schwein Zwischenzellen in solcher Zahl, daß er denselben eine besondere 
Bedeutung beim Zustandekommen der fraglichen Erkrankungen beimessen 
möchte. Nach der Albrechtschen Aeußerung ist aber anzunehmen, 
daß beim Pferde Zwischenzellengeschwülste häufiger Vorkommen. Die 
hier beschriebenen Schnitte zeigen nach ihrem mikroskopischen Ver¬ 
halten jedenfalls in vieler Hinsicht so große Aehnlichkeit mit der 
Kaufmannschen Zwischenzellengeschwulst, daß ich glaube nicht fehl¬ 
zugehen, wenn ich die Geschwulst als eine Zwischenzellen¬ 
geschwulst deute. Eigenartig und abweichend verhielt sich dieselbe 
insofern, als das Zwischengewebe nicht überall gleichmäßig dieselbe 
Struktur zeigte. Denn an manchen Stellen fanden sich weder Zellen 
noch Gefäße, sondern neben vereinzelten verschieden gestalteten 
Protoplasmahaufen mit körnigem Inhalt, nur ein feingitteriges Gerüst¬ 
werk mit wenigen ovalen oder länglichen Kernen, wodurch es den 
Eindruck machte, als wenn hier die Zellen und Zellverbände unter¬ 
gegangen sejen, zumal die Lücken in dem Gitterwerk manchmal in 
Größe und Gestalt den Zellen glichen, manchmal auch eine fein¬ 
körnige Masse enthielten als eventuellen Rest der untergegangenen 
Zellen, sodaß das Gitterwerk größtenteils als Testierende Interzellular¬ 
substanz gedeutet werden möchte. 

6. Fall. Linker Hoden von einem sechsjährigen Teckel. 
Ueber die Entstehung wurde ermittelt, daß der Hund seit einiger 
Zeit, vielleicht einem halben Jahr, eine Schwellung gezeigt habe, die 
allmählich sich etwas vergrößert habe. Linker Hoden taubeneigroß, 
hart und auf Druck nicht schmerzhaft. Allgemeinbefinden gut. Kastra¬ 
tion. Scheidenhäute dick und teilweise verwachsen. Albuginea 2 mm 
dick, sehnig. Schnittfläche gelblich-weiß mit breiten, weißen, sehnigen 
Bindcgewebsbalken durchsetzt, die nächst der Albuginea am dicksten 
sind und sich von hier in das Hodengewebe verzweigen und in der 
Mitte ein feines Netzwerk bilden, in dem das Gewebe von gelblicher 
Farbe liegt. 

Bei schwacher Vergrößerung der mit Delafieldschem Hämatoxylin vor¬ 
gefärbten und nach van Gieson weiter behandelten Schnitte ergibt sich ein 
dichtes bindegewebiges Stroma, mit vielfach breiten Faserziigen, von denen 
schmälere Stränge abgehen, die unregelmäßig verlaufen, sich durchflechten und 
ein teils mehr dichtes, teils etwas mehr lockeres Geflecht bilden mit spärlichen 
kleinen ovalen oder länglichen Kernen, ln diesem Bindegewebsgeriist liegen 
kleinere und größere Hohlräume von meist rundlicher oder länglich ovaler Gestalt, 



25« KÜNNEMANN, 

die manchmal eine Lage wandständiger Kerne erkennen lassen, manchmal auch 
nur vereinzelte wandständige Kerne, oft aber nur einen feinkörnigen Inhalt be¬ 
sitzen, der meist eine feine netzartige Anordnung zeigt. Zentral sind die Hohl¬ 
räume durchweg leer. Bei starker Vergrößerung sieht man zwisohen den wellig 
geschlängelten Fibrillen der Bindegewobsstränge schmale spindelförmige Kerne 
und in dem lockeren, netzartigen Gerüst häufiger ovale Kerne, an einzelnen Stellen 
auch kleine lymphoide Zellen, die manchmal dicht gedrängt das lockore Gewebe 
durchsetzen. An den Hohlräumen zeigt das Bindegewebe meist eine zirkuläre An¬ 
ordnung, indem einige Schichten Faserbündel mit unregelmäßig welligem Verlauf 
den Hohlraum kapselartig umschließen und nach außen sich durch ein lockeres 
Gewebe mit den breiten Bindegewcbszügen verbindet. Nicht immer bilden die 
zirkulären Faserbündel eine völlig geschlossene Kapsel, häufig erscheint sie auf¬ 
gefasert oder zapfenartige und büschelförmige Fortsätze ragen in das Lumen. An 
den Stellen, wo die Kapsel zerklüftet und aufgefasert ist, findet man gewöhnlich 
zwischen den Fasern blasse epitheloide Zellen mit rundlichem Kern vom Aussehen 
des Kanälchenepithels. In den Hohlräumen findet sich ein feinkörniger Inhalt, der 
entweder ziemlich gleichmäßig den Hohlraum ausfüllt oder meist ein feines zier¬ 
liches Netzwerk erkennen läßt. Nur ganz vereinzelt liegen in diesem feinkörnigen 
Inhalt blasse runde oder ovale Zellkerne, die häufig ein Kernkörperchen besitzen, 
deren Zellleib und Zollgrenzen nicht zu erkennen sind. Nur ausnahmsweise findet 
man Hohlräume, deren Wänden eine Reihe blasser runder Kerne anliegt, ohne 
daß auch hier die Zollgrenzen deutlich wären. 

Die Geschwulst ist demnach ausgezeichnet durch eine massige 
Wucherung des Bindegewebes mit gleichzeitiger Degeneration 
des Kanälchenepithels und Atrophie der Kanälchen, die 
manchmal im Querschnitt nur noch als kleine unregelmäßige Hohl¬ 
räume sich zu erkennen gaben. 

7 . Fall. Hoden von einem ca. 8 Jahre alten Pinscher. Seit 
einigen Monaten vor der Einstellung in die Klinik wurde eine 
Schwellung des rechten Hodens bemerkt, der seither allmählich größer 
geworden sei. Rechter Hoden fast hühnereigroß, etwa doppelt so 
groß als der linke. Haut überall über der Geschwulst verschiebbar, 
Hoden derb, fast hart und schmerzlos. Kastration. Scheidenhäute 
mit der Tunica albuginea zum größten Teil verwachsen. Schnitt¬ 
fläche gelblichweiß. Albuginea dick. Von ihr gehen weiße derbe 
Stränge aus, die teils schräg zur Oberfläche verlaufen, teils sich durch¬ 
kreuzen. Dazwischen ist das Hodengewebe gelblichweiß gefärbt. 

An Schnitten, die mit dem Gefriermikrotom hergestellt waren, erscheint die 
Struktur des Hodens teilweise erhalten, das interstitielle Bindegewebe stark ver¬ 
mehrt, die Hodenkanälchen degeneriert, so daß vielfach nur noch Reste der 
Kanälchen in dem Bindegewebsstroma zu erkennen sind. Bei Färbung mit Sudan III 
machen sich reichlich Fetteinlagerungen bemerkbar. Das Fett tritt in Form meist 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


257 


kleiner Tröpfchen auf und liegt besonders in den Epithelien der Kanälchen, die 
der Wand aufliegen. Bei Färbung naoh van Gieson fällt das massige Binde* 
gewebsgejüst auf, das aus dicken Strängen besteht und einem vielfach verflochtenen, 
engmaschigen unregelmäßigen Netzwerk, in dem verschieden große und mannig¬ 
fach gestaltete Hohlräume liegen, die teils von einem feinkörnigen Inhalt erfüllt 
sind, teils einzelne Zellkerne erkennen lassen. Bei starker Vergrößerung fällt in 
manchen Hohlräumen eine wandständige Zellenlage auf, deren rundliche Kerne 
nnr schwach gefärbt sind. Im Uebrigen enthalten die Hohlräume nur eine fein¬ 
körnige Masse, die naoh der Peripherie mehr gleichmäßig gelagert ist und nur bin 
und wieder kleine oder größere Vakuolen besitzt, naoh der Mitte des Kanälchens 
zu aber regelmäßig ein sehr feines zartes Netzwerk bildet, das nur selten einen 
blassen rundlichen Kern in sich birgt. Wo das Bindegewebe zwischen den 
Kanälchen dichter ist, sind dieselben gegen das Lumen vielfach flach eingebuchtet 
oder durch keilförmig vorgeschobene Zapfen wellig gebogen oder scharf geknickt. 
An manchen Stellen sind die Kanälchen nur durch kleine unregelmäßige Hohl¬ 
räume angedeutet, die durch den feinkörnigen, gittrig formierten Inhalt und ge¬ 
legentlich durch einen blassen Zellkern sich kennzeichnen. In dem Bindegewebe 
treten überall spindelförmige und ovale Kerne auf. 

Es handelt sich demnach bei dieser Hodengeschwulst wiederum 
um eine Wucherung im interstitiellen Bindegewebe mit gleich¬ 
zeitigem Schwund der Hodenkanälchen. 

8. Fall. Hoden von einem älteren Pudel. Der rechte Hoden 
soll allmählich größer geworden sein, ohne daß der Hund jemals irgend¬ 
welche Beschwerden davon gehabt habe. Da die Geschwulst nun 
doch sehr groß geworden sei, sollte sie evtl, entfernt werden. Der 
rechte Hoden hängt ziemlich stark herunter, ist fast gänseeigroß, hart 
und schmerzlos. Kastration. Samenstrang glatt, Scheidenhäute normal 
dick und nicht verwachsen. Nebenhoden deutlich abgesetzt. Hoden 
wiegt 141 g, hat die Gestalt eines normalen Hodens und ist 5 cm 
breit, 8 cm lang. Schnittfläche gelblichweiß, fettigglänzend. Durch¬ 
weg zeigt die Schnittfläche einen lappigen Bau, indem weiße Züge in 
unregelmäßigem Verlauf gelblichweiße, unregelmäßig gestaltete und 
verschieden große Felder abgrenzen. Einzelne mehr weiße Partien 
zeigen ein mehr strahliges Gefüge und lassen nur kleine, ziemlich 
zahlreich eingesprengte gelbliche Herde erkennen. 

ln Schnitten, die mit dem Gefriermikrotom hergestellt waren, sieht man ein 
Bindegewebsgerüst mit verschieden großen Maschen, in denen traubig ungeordnete 
große und kleine Fetttropfen liegen. Bei Färbung mit Sudan III zeigen die Schnitte 
an vielen Stellen eine gelbbraune Färbung und zwar sowohl an länglichrunden 
größeren Hänfen mit drusenartiger Anordnung, als auch an großtraubigen kleineren 
und längeren Strängen, die von ungefärbten Bindegewebssträngen umschlossen 
werden. An nach van Gieson gefärbten Schnitten fallt zunächst ein derbes Binde- 

Archiv f. wissenscb. u. pinkt. Tierbeilk. Bd. Suppl.-Band. ]y 



258 


Kf'NNEMANN, 

gewebsgerüst auf, das überall in ziemlich dicken Strängen mit welligem Faserver¬ 
lauf aufiritt und ein buntes Netzwerk bildet mit mannigfach gestalteten und ver¬ 
schieden großen Maschen, die von großen kugelförmigen mit schmalem Protoplasma¬ 
saum versehenen Zellon erfüllt sind (Figur 7). Bei starker Vergrößerung zeigt 
das aus wellenförmig verlaufenden Fibrillen bestehende Bindegowebe nur vereinzelt 
spindelförmige oder ovale Kerne, oft aber kleine Spalten und Lücken, in denen 
ebenfalls große kugelförmige Fettzellen gelagert sind. Der Regel nach finden sich 
aber größere ovale oder beiderseits etwas verjüngte oder längere spaltförmige Hohl¬ 
räume, die mit großen kugelförmigen Zellen völlig erfüllt sind. Diese Zellen haben 
nur einen sehr schmalen Protoplasmasaum und einen ovalen oder sichelförmigen 
wandständigen Kern, der gewöhnlich ein Kernkörperchen erkennen läßt. 

Die drei zuletzt beschriebenen Fälle haben in ihrem Verhalten 
sehr viel Aehnlichkeit. Es handelt sich um harte große Hoden, die 
nach den Angaben der Besitzer der Tiere allmählich, in etwa 1 / 2 Jahr, 
größer geworden waren, ohne daß die Tiere Beschwerden daran ge¬ 
äußert hatten und auch beim Betasten keine Schmerzen zeigten. Alle 
drei Hoden sind durch eine starke Vermehrung des interstitiellen 
Bindegewebes ausgezeichnet, während gleichzeitig das Epithel der 
Samenkanälchen zum größten Teil oder vollständig degeneriert, war, 
derart, daß entweder nur einzelne Kerne gefunden wurden oder 
höchstens nur noch eine Epithelschicht, deren Zellgrenzen nicht zn 
erkennen waren, und deren Zellkerne nur schwach gefärbt waren. In¬ 
folge der massigen Zunahme des Bindegewebes zeigten die Kanälchen 
vielfache Gestaltveränderungen. Sie waren unregelmäßig in ihrer 
Form, bald geknickt oder eingebuchtet, bald zusammengedrückt und 
schmal oder zeigten nur ein kleines unregelmäßiges Lumen. Oefter 
fanden sich auch Kanälchen, an denen eine Verkleinerung und Gestalts¬ 
veränderung durch Einbruch und Einwuchern des Bindegewebes sich 
zu erkennen gab. Das in den Epithelien der Kanälchen Vorgefundene 
Fett, das in feinen Tröpfchen auftrat, ist offenbar auf degenerative 
Prozesse an den Epithelien zu beziehen. In dem letzten Falle aller¬ 
dings zweifellos nicht, denn hier haftete das Fett nicht an den 
Kanälchenepithelien, sondern an ausgesprochenen Fettzellen. Kanälchen¬ 
epithel war überhaupt nicht nachweisbar, sondern in verschiedenartig 
gestalteten Räumen und Höhlen des Bindegewebes lagen in drusen- 
und traubenförmiger Anordnung große fetterfüllte Fettzellen. Es han¬ 
delt sich also in diesem Falle um eine Neubildung von Binde- und 
Fettgewebe. Hansemann und Cordes weisen nach, daß mit der 
Geschlechtsreife des Menschen regelmäßig in den Hoden Fett auftritt, 
das niemals wieder verschwindet. Das Fett findet sich in Form 



lieber Hodentumoren beim Hunde. 


259 


kleinster und größerer Tröpfchen in den Epithelien der Kanälchen, 
am reichlichsten in den Zellen, die der Wand der Kanälchen aufliegern 
während es spärlicher und in kleineren Tröpfchen auftritt, je mehr die 
Zellen nach dem Lumen der Kanälchen zu gelagert sind. Auch bei 
Tieren fand Cordes ähnliche Verhältnisse und spricht sich dahin aus, 
daß bei der Konstanz des Befundes der größte Teil des Fettes, neben 
einer vielleicht vorhandenen fettigen Degeneration der Zellen, einer 
physiologischen Eigentümlichkeit des Hodenparenchyms zuzuschreiben 
sei. Mit dieser Anschauung tritt Cordes der Ansicht Lubarschs 
entgegen, der das Vorkommen von Fett in den Hodenepithelien nicht 
auf einen physiologischen, sondern regressiven Vorgang beziehen 
möchte. Engel mann gibt in einer Arbeit über das Vorkommen von 
Fett im kryptorchidischen und normalen Hoden eine Literatur¬ 
zusammenstellung der einschlägigen Mitteilungen, woraus hervorgeht, 
daß das Vorkommen von Fett besonders in der Zwischensubstanz ver¬ 
schiedentlich beobachtet und gedeutet wurde. Engelmann fand mit 
Ausnahme von Rindern unter 14 Tagen in den Hoden ausnahmslos 
Fett bei jungen und alten Tieren ohne Unterschied und nimmt an, 
daß das Fett ein physiologischer Bestandteil des normalen Hodens 
ist. Bei jugendlichen Tieren findet sich das Fett in bei weitem 
größeren Mengen im interstitiellen Gewebe, während die Samenkanälchen 
einen größeren Fettgehalt erst zur Zeit der Geschlechtsreife erhalten, 
wobei die Epithelien der‘Samenkanälchen keinerlei Anzeichen einer 
Degeneration erkennen ließen. Auch in den degenerierten Epithelien 
von Hoden älterer Kryptorchiden fand Engelmann einen außer¬ 
ordentlich großen Fettgehalt. Nielsen fand in den retinierten 
Hoden von Pferden dagegen in den Kanälchen kein Fett, wohl 
aber in den Plasmazellen des Zwischengewebes. Man kann 
hiernach annehmen, daß normalmäßig konstant in den Hoden, sowohl 
in den Zwischenzellen, als auch in dem Kanälchenepithel Fett als 
physiologischer Bestandteil vorkommt, daß aber auch eine fettige 
Degeneration des Kanälchenepithels nicht wohl abgewiesen werden kann, 
wenn anderweitige Anzeichen für degenerative Vorgänge an demselben 
sprechen. Es ist deshalb anzunehmen, daß der Fettgehalt der Epi¬ 
thelien in dem einen der hier in Frage kommenden Fälle mindestens 
zum Teil auf eine fettige Degeneration der Zellen zu beziehen ist. 
Anders ist der Fettgehalt des Hodens im letzten Falle zu beurteilen. 
Hier kann es sich weder um eine physiologische Aufspeicherung von 
Fett in den Epithelien handeln noch um eine fettige Degeneration 

17* 



260 


KUNNEMANN, 

derselben, denn das Fett fand sich nicht in Epithelien der Kanälchen, 
sondern in großen, kugelförmigen Zellen mit schmalem Protoplasma¬ 
saum und randständigem abgeplatteten Kern, also in Fettzellen, die 
in drusenartiger oder traubenförmiger Anordnung in verschieden großen 
und verschiedenartig gestalteten Spalten und Hohlräuroen gelagert 
waren. Es ist möglich, daß das Fettgewebe teils in den Hoden¬ 
kanälchen gelagert war, indessen ließ sich darüber ein sicheres Urteil 
nicht gewinnen, da weder die Räume, in denen das Fett sich fand, 
einen Anhalt dafür boten, noch irgendwo Reste von Kanälchenepithel 
nachzuweisen waren, wie überhaupt Hodenkanälchen oder Reste solcher 
nicht gefunden wurden. Engelmann gibt an, daß Waldeyer erwähnt, 
daß die Plasmazellen gern Fett aufnehmen und sich hierbei in echte 
Fettzellen umwandeln können. Es könnte hiernach daran gedacht 
werden, daß es sich im vorliegenden Falle um eine derartige Um¬ 
wandlung von Plasmazellen in Fettzellen handeln möchte, aber auch 
das erscheint nicht wahrscheinlich, da Plasmazellen in Hundehoden 
normalmäßig immer nur spärlich Vorkommen und eine abnorme Ver¬ 
mehrung und spätere Umwandlung dieser Zellen in Fettzellen nicht 
wohl vermutet werden kann, da anderenfalls hier und dort noch 
Zellen gefunden werden mochten, die einen solchen Uebergang erkennen 
ließen oder als Plasmazellen gedeutet werden konnten. Es muß also 
angenommen werden, daß im fraglichen Falle eine teilweise Um¬ 
bildung des massenhaft gewucherten Bindegewebes in Fettgewebe 
stattgefunden hat. 

Die geschwulstartige Vergrößerung in den 3 letzten Fällen beruht 
also auf einer Produktion von Bindegewebe mit gleichzeitigem 
Schwund des Hodenparenchyms. 

9. Fall. Hoden von einer ca. 3 Jahre alten Dogge, die der 
Klinik mit dem Bericht zugeführt wurde, daß seit etwa 3 Monaten 
eine Schwellung des linken Hodens bemerkt wurde. Seit etwa drei 
Wochen zeige die Geschwulst eine kleine Oeffnung und seitdem hätte 
die Schwellung stark zugenommen und die Munterkeit und der Appetit 
abgenoraraen. Bei der Untersuchung war das Skrotum besonders in 
den vorderen Abschnitten teigig geschwollen. Inmitten dieser Stelle 
lag eine kleine Fistelöffnung, die in einen etwa 2 cm langen Kanal 
führte. Aus dem Kanal entleerte sich etwas rötlich-eitrige Flüssigkeit. 
Hoden stark vergrößert, etwa kinderfaustgroß, derb, bei Druck wenig 
oder gar nicht schmerzhaft. Kastration. Hoden 143 g schwer, 9 cm 
lang, 6 cm breit. Ueber die Schnittfläche entleert sich eine geringe 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


261 


Menge grauweißer trüber Flüssigkeit. Ziemlich zentral liegt ein 3 cm 
langer und 2 cm breiter grauer Herd, an welchem das Gewebe erweicht 
ist und von welchem sich eine grauweiße eitrige Flüssigkeit abstreifen 
läßt. Dieser Herd reicht seitwärts fast bis zur Albuginea und steht 
hier mit dem Fistelkanal in Verbindung. Der Herd wird von einer 
weißen Bindegewebszone begrenzt, die nach vorne in ein weißes, 
strahliges derbes Gewebe übergeht, das nur einzelne kleine gelbliche 
Herde einschließt, ln den übrigen Abschnitten gehen von der weißen 
Randzone des zentralen Herdes radiär verlaufende weiße Züge aus, 
die sich mit der stark verdickten Albuginea verbinden, auch unterein¬ 
ander sich vereinigen und in ihren Maschen gelblichweiße Herde bergen, 
die etwas über die Schnittfläche vorquellen. In dem Abstrich fanden 
sich vornehmlich Leukozyten und einzelne stäbchenförmige Bakterien. 

ln Schnitten, die nach van Gieson gefärbt worden, sieht man hauptsächlich 
dicke Biudegewebsstränge und ein dichtes engmaschiges Bindegewebsgerüst mit 
vielfach verschlungenem Verlauf der Fibrillenbändel. Ueberall in den Maschen des 
Bindegewebes liegen kleine Rundzellen, die stellenweise in dichten Haufen zu¬ 
sammenliegen und das Gewebe mehr oder weniger durchsetzen. Außerdem sieht 
man kleinere nnd größere Hohlräume, die teils rund, teils langoval, teils auch ver¬ 
schiedenartig gebuchtet erscheinen. Diese Hohhäume sind zum größten Teile von 
Leukozyten erfüllt, zeigen aber meist auch noch auf ihrer Innenwand eine ein- oder 
zweischichtige Zellentage, deren Zellen einen ovalen, blassen Kern besitzen. An 
manchen Hohlräumen sieht man nur an kleinen Stellen große, ovale, blasse Kerne 
der Wand anliegen, während an anderen Stellen der kleinzellige Inhalt ohne Grenze 
in das kleinzellig infiltrierte Bindegewebe übergeht. Der ovale Kern der wand¬ 
ständigen Zellenlage ist schlecht gefärbt, läßt aber meist ein deutliches Kern¬ 
körperchen erkennen. Die Zellgrenzen sind nicht zu erkennen, das Protoplasma 
ist feingekörnt und geht unbegrenzt in das Lumen des Hohlraumes über. Hin und 
wieder ist die ganze Lage von der Wand bandartig abgehoben und es macht dann 
den Eindruck als wenn die ovalen Kerne in einer zusammenhängenden feinkörnigen 
Protoplasmamasse gelagert wären. Neben der kleinzelligen Infiltration zeigt das 
Bindegewebe, namentlich an den Stellen, wo die Infiltration geringer ist, noch 
größere ovale und spindelförmige Kerne. 

Es handelt sieh in dem vorliegenden Falle zweifellos um einen 
chronischen abszedierenden Prozeß mit Durchbruch und Fistel¬ 
bildung. Leider hat eine genaue Untersuchung der Infektionserreger 
nicht stattgefunden, und es muß zweifelhaft bleiben, ob die Vorge¬ 
fundenen stäbchenförmigen Bakterien als alleinige Ursache zu be¬ 
schuldigen sind, oder ob noch andere Eitererreger Anteil hatten. 
Jedenfalls hatte der Prozeß einen wenig akuten Charakter, denn einige 
Monate lang bestand nur eine geringe Schwellung ohne Störung des 



262 


Kl'NNEMANN, 


Allgemeinbefindens und erst nach dem Durchbruch trat eine stärkere 
Entzündung mit Abnahme der Munterkeit und des Appetits auf. Die 
weiße ßindegewebszone, welche den zentralen Herd kapselartig ein¬ 
schloß, sowie die reichliche von der Kapsel sich strahlenartig aus¬ 
breitende Bindegewebswucherung in Verbindung mit der starken Ver¬ 
dickung der Albuginea beweisen ebenfalls einen langsamen Verlauf bis 
zu dem Augenblick, wo mit dem Durchbruch des Abszesses der 
Prozeß um sich griff und die akuten Erscheinungen erzeugte mit klein¬ 
zelliger Infiltration des Bindegewebes und eiteriger Einschmelzung des 
Kanälchenepithels. Jedenfalls lehrt der Fall, daß die abszedierenden 
Hodenentzündungen sehr lange auf den Hoden lokalisiert bleiben können, 
ohne zur Allgemeinerkrankung zu führen. 

Außer den neun Fällen geschwulstartiger Erkrankungen von 
Hundehoden habe ich noch die histologischen Befunde einiger Schnitte 
angeführt, die aus Hodentumoren vom Pferde angefertigt waren. 
Der histologische Befund des als Sarkom diagnostizierten Tumors zeigte 
mit den Sarkomen vom Hunde große Aehnlichkeit und bot insofern 
vergleichsweise ein gewisses Interesse. Der histologische Befund der 
Schnitte aus einer anderen Hodengeschwulst von einem Pferde bot so 
mancherlei charakteristische Eigentümlichkeiten, daß ich gern die Ge¬ 
legenheit benutzte, diese an sich selten beobachtete und auch bei 
Pferden nur wenig bekannte Geschwulst, soweit das nach dem vor¬ 
handenen Material möglich war, zu beschreiben. Es handelte sich bei 
dieser Neubildung um eine Geschwulst, die nach ihren histologischen 
Kennzeichen ungemein viel Aehnlichkeit zeigte mit der von Dürck 
und Kaufmann neuerdings beschriebenen Zwischenzcllenge- 
schwulst. Auf das Vorkommen von Geschwülsten, die ihren Ur¬ 
sprung von den Zwischenzellen nehmen, hatte zuerst Waldevcr und 
besonders Hansemann hingewiesen, ohne daß bisher in der Literatur 
Mitteilungen über derartige Tumoren bekannt geworden sind. Erst die 
Fälle Dürcks und Kaufmanns bestätigen das Vorkommen und lenken 
von neuem die Aufmerksamkeit auf diese Geschwulstform. In den 
Dürckschen Fällen bestand mit der Zwischenzellenwucherung gleich¬ 
zeitig eine Verkleinerung des Organs, in den Kaufmannseben eine 
geschwulstartige Vergrößerung. Mayr hat angeblich bei Pferden 
häufiger Zwischenzellengeschwülste beobachtet, jedenfalls darauf auf¬ 
merksam gemacht, daß bei Tieren die Zwischenzellen für Geschwulst¬ 
bildungen bedeutungsvoll werden können. Ob diese eigenartige Ge¬ 
schwulst malignen Charakter hat und den Sarkomen zuzurcchnen sein 



Ueber Modentumoren beim Munde. 


263 


wird und ob eine besondere hereditäre Anlage, wie Kaufmann glaubt 
annehmen zu können, für die Entstehung in Betracht kommt, sind 
Fragen, die noch der. Klärung bedürfen. Jedenfalls möchte ich durch 
diese Mitteilung die Aufmerksamkeit auf die Zwischenzellengeschwulst 
gelenkt haben, damit bei gelegentlich vorkommenden Hodentumoren 
weitergehende Untersuchungen über diese Geschwulstform des Hodens 
angestellt werden möchten. 

In den übrigen Fällen stammten die Hoden von Hunden und 
waren wegen geschwulstartiger Vergrößerung durch Kastration ent¬ 
fernt worden. Nach dem klinischen Verhalten zeigten die krankhaften 
Hodenveränderungen eine große Aehnlichkcit. Durchweg hatte man 
bei den fraglichen Tieren eine sich allmählich entwickelnde und zu¬ 
nehmende Vergrößerung des Hodens beobachtet, ohne daß die Tiere 
sonst Krankheitserscheinungen zeigten, weder Schmerzen noch Störungen 
im Allgemeinbefinden. Nur in zwei Fällen traten nach einer längeren 
Beobachtungszeit derartige Störungen auf, die aber in besonderen Um¬ 
ständen ihre Erklärung fanden. Abgesehen von diesen Fällen ließen 
die großen meist derb oder gar hart sich anfühlenden Hoden bei dem 
Fehlen von Drüsenschwellung und Tumoren an anderen Körperorganen 
keine Grundlage finden für eine genauere Diagnose und zur Beurteilung 
des Charakters der Geschwülste. Auch die makroskopische Besichti¬ 
gung der exstirpierten Hoden bot keine sicheren Merkmale für die 
Diagnose und ließ höchstens bei den mehr markigen Geschwülsten mit 
spärlichem Bindegewebsgcrüst eine sarkomatöse Entartung des Organs 
vermuten, obgleich auch diese Anzeichen als charakteristische Kenn¬ 
zeichen nicht gelten können und ähnlich auch bei Karzinomen beob¬ 
achtet werden. Erst die histologische Untersuchung konnte über die 
Natur der Hodengeschwülste Aufschluß bringen, indessen ließen sich 
auch hierbei von vorneherein Schwierigkeiten erwarten, zumal über die 
morphologisch-histologische Deutung gewisser Hodentumoren die Mei¬ 
nungen geteilt sind und für die Diagnose Karzinom die Mitbeteiligung 
des Epithels der Samenkanälchen als maßgebende Grundlage erachtet 
wird. Da aber diese Forderung den größten Schwierigkeiten begegnet 
und der histogenetische Nachweis über die Abstammung der Geschwulst¬ 
zellen selten mit Sicherheit sich erbringen läßt, so besteht in der Dia¬ 
gnose der großzelligen Hodentumoren und teils auch der Mischge¬ 
schwülste eine Unsicherheit, die auch weiterhin bestehen bleiben wird, 
so lange nicht die morphologischen Eigentümlichkeiten des histologi¬ 
schen Befundes eine einheitliche Deutung zulassen. Für die Diagnose 



264 


KÜNNEMANN, 


der hier in Betracht kommenden Hodentumoren sind die morphologi¬ 
schen Kennzeichen des histologischen Bildes grundlegend gewesen und 
sie haben jedenfalls in den neun untersuchten Hodengeschwülsten in¬ 
soweit eine begründete Unterlage gegeben, als sich dieselben in zwei 
Gruppen scheiden lassen und zwar in echte Neubildungen und in 
Bindegewebswucherungen mit geschwulstartigem Charakter. In die 
erste Gruppe gehören 5 Hoden und zwar 1 karzinomatös und 4 sarko- 
matös veränderte Organe. In allen Fällen war die Erkrankung auf 
den Hoden lokalisiert, Lymphdrüsenschwellungen und Tumoren in 
anderen Organen fanden sich nicht, so daß mit Entfernung der Hoden 
Heilung eintrat. Jedenfalls ist in keinem Falle über eine spätere Er¬ 
krankung der Tiere etwas bekannt geworden. Wenn man berück¬ 
sichtigt, daß nach den Beobachtungen der Tierbesitzer die Erkrankung 
bis zur Kastration schon monatelang bestanden hatte, so muß man 
zugeben, daß die Hodentumoren lange Zeit sich auf das Organ loka¬ 
lisieren. Mit dieser Beobachtung stehen allerdings die in der Ein¬ 
leitung gegebenen statistischen Ergebnisse, was den Hund anlangt, 
nicht ganz im Einklang, denn die 3 sarkomatösen Hodenerkrankungen 
beim Hunde, die dort angegeben sind, hatten einen recht malignen 
Charakter und in allen Fällen bestanden gleichzeitig auch Metastasen 
in anderen Organen. Dagegen waren die Hodentumoren beim Pferde 
durchweg selbst nach jahrelanger Krankheitsdauer lokalisierte Erkran¬ 
kungen und konnten selbst noch in den Fällen erfolgreich chirurgisch 
behandelt werden, bei denen bereits eine Infiltration des Samenstranges 
ermittelt wurde. Es wird sieh immerhin als zweckmäßig empfehlen, 
die Exstirpation des erkrankten Organs möglichst frühzeitig vorzu¬ 
nehmen. In Uebereinstimmung mit den früheren Beobachtungen haben 
auch meine Befunde ergeben, daß bei Hunden häufiger das 
Hodensarkom beobachtet wird, als das Karzinom. Legt man 
für die Berechnung des prozentualen Verhältnisses die Gesamtzahl der 
geschwulstbildenden Prozesse zugrunde, so berechnet sich das Ver¬ 
hältnis für das Karzinom mit 11 Prozent, für das Sarkom mit 44 Pro¬ 
zent, wobei 55 Prozent aller Geschwülste als echte Neubildungen auf¬ 
zufassen sind. Hiervon hatten sich die Geschwülste in zwei Fällen in 
einem retinierten bzw. verlagerten Hoden entwickelt, also in 22 Pro¬ 
zent aller erkrankten Hoden, oder in 40 Prozent der mit echten 
Tumoren behafteten Organe. Es ergibt sich also auch aus dieser 
Vergleichung, daß entsprechend der allgemein gültigen Auffassung die 
retinierten Hoden eine besondere Disposition besitzen für eine ge- 



lieber Hodentumoren beim Hunde. 


265 


schwülstige Entartung. Im ganzen kommen Hodentumoren bei Hunden 
relativ häufig vor. 

Bei einer Gesamtzahl von etwa 32 000 im hiesigen Spital inner¬ 
halb 7 Jahre behandelten Hunden fanden sich 9 geschwulstartig ver¬ 
änderte Hoden, also etwa 0,03 pCt. oder unter 1000 kranken Hunden 
waren 3 mit Hodentumoren. Was das Alter der betroffenen Tiere 
anbelangt, so waren mit Ausnahme von einem einjährigen Hunde, bei 
welchem ein großer sarkomatöser Tumor festgestellt wurde, sämtliche 
Tiere älter, soweit bestimmte Altersangaben vorhanden sind, schwankte 
das Alter zwischen 6 und 11 Jahren. Bei jungen Hunden kommen 
hiernach Hodentumoren relativ selten vor, mit zunehmendem Alter 
aber wächst die Disposition für die Ausbildung von Hodengeschwülsten. 
Ueber die Entstehung und erste Entwicklung ließ sich bei den von 
mir untersuchten Fällen kein Anhalt gewinnen. In allen Fällen 
hatten die Geschwülste schon längere Zeit bestanden und war das 
Organ gleichmäßig degeneriert. Kitt unterscheidet zwischen diffusen 
und zirkumskripten Hodengeschwülsten und stellt in die erste Gruppe 
nur das Orchidoblastora und sagt, daß die Sarkome und Fibrome in 
Form scharfberandeter, wallnuß- bis eigroßer Geschwülste mit einzelnen 
Knoteneinlagerungen Vorkommen. Es mag richtig sein, daß manche 
diffuse Hodentumoren, die als Karzinom oder Sarkom gedeutet wurden, 
bei genauerer Untersuchung sich als teratoide Mischgeschwülste heraus¬ 
gestellt hätten, zumal, wie Kitt hervorhebt, bei diesen Geschwülsten 
schwer zu entscheiden ist, ob es sich um Epithelien oder Sarkom¬ 
zellen handelt. Diese Entscheidung wird ganz besonders dann noch 
schwierig sein, wenn in den fraglichen Tumoren eine mehr einseitige 
Entwicklung eines Gewebes statthatte. Bei Anerkennung dieser 
Schwierigkeit und der daraus sich ergebenden Irrtümer in der Diagnose 
darf doch anderseits ein diffuses Auftreten von Sarkomen und Kar¬ 
zinomen nicht bestritten werden. Meine Befunde sprechen dafür, daß 
sie bei Hunden häufiger Vorkommen, und das erscheint meines Er¬ 
achtens auch ganz erklärlich, wenn man berücksichtigt, daß die 
Geschwülste erst spät beachtet werden und erst die Aufmerksamkeit 
auf sich lenken, wenn bereits eine augenfällige Vergrößerung des 
Organs besteht. Diese wird aber erst dann recht bemerkbar werden, 
wenn schon das weniger widerstandsfähige Parenchym durchsetzt ist 
und die Albuginea nicht mehr der Wachstumsenergie genügend Wider¬ 
stand bietet und zu einer allgemeinen Vergrößerung des Organs 
Raum schafft. Daher wird es auch erklärlich, daß mit einer gleich- 



266 


KTNNEMANN, 

mäßigen Veränderung des Organs eine ziemlich gleichmäßige Ver¬ 
größerung desselben zustandekommt unter ungefährer Erhaltung der 
Form und Gestalt, wie die Hodentumoren bei der Exstirpation meist 
sich repräsentieren. Das einzige Karzinom, das von mir gefunden 
wurde, bestand in einem nach vorn verlagerten Hoden. Nach 
Fröhners Erfahrung werden die verlagerten Hoden der Regel nach 
krebsig entartet vorgefunden und es besteht für diese Hoden eine be¬ 
sondere Disposition für Karzinom. Wenn man die retinierten Hoden 
zu den verlagerten rechnet, so ist diese Annahme Fröhners nicht 
zutreffend, denn nach meinen Untersuchungen war der eine der beiden 
verlagerten Hoden karzinomatös, der andere sarkoraatös erkrankt. 
In dem Falle von Duschanek waren beide retinierte Hoden sarko- 
matös verändert. Es wurde ein großzelliges, alveoläres Sarkom fest¬ 
gestellt. Duschanek gibt zwar keine Schilderung des histologischen 
Befundes, da er aber von einem großzelligen Alveolärsarkom spricht, 
ist es nicht unwahrscheinlich, daß es sich um ein Karzinom gehandelt 
hat. Die großzelligen alveolären Hodengeschwülste sind allerdings 
Gegenstand verschiedenster Beurteilung geworden, bald für Sarkome, 
bald für Karzinome gehalten. Ehrendorfer hielt sie wegen der 
Nichtbeteiligung der Samenkanälchen und wegen des Vorhandenseins 
einer fibrillären Zwischensubstanz für Sarkome, Langhans für Karzi¬ 
nome und Krompecher suchte den Beweis zu erbringen, daß es 
sich um Endotheliome handele. Debernardi spricht sich auf Grund 
eigener Untersuchungen und einer kritischen Zusammenstellung der 
einschlägigen Literatur entschieden dahin aus, daß die großzelligen, 
alveolären Hodentumoren als Karzinome gedeutet werden müßten. 
Die Ansichten über diese großzelligen Geschwülste sind jedenfalls ge¬ 
teilt, immerhin scheint es, als wenn die größere Mehrzahl der Autoren 
geneigt ist, dieselben für Karzinome zu halten. Wenn man aber auch 
den Duschanekschen Fall zu den Karzinomen rechnet, so scheint 
mir doch der Fröhnerschc Satz von der besonderen Disposition der 
verlagerten Hoden für Karzinom zu weitgehend und es richtiger zu 
sein, ganz allgemein nur von einer besonderen Disposition für ge- 
schwulstige Entartung zu sprechen, die jeden Falls besteht. Riesel 
(cit. nach Oberndorfer) bezweifelt, daß beim Menschen die Leisten¬ 
hoden, wie in chirurgischen Lehrbüchern ausnahmslos hervorgehoben 
wurde, besonders prädisponiert sind für blastomatöse Entartung. 
Gegenüber den zahllosen Fällen von Geschwulstbildung in normalen 
Hoden spreche die Statistik jedenfalls nicht für jene Behauptung, so 



Ueber Hodentomoren beim Hunde. 


267 


daß eine statistische Zusammenstellung wahrscheinlich die Unrichtigkeit 
jener alten Anschauung erweisen würde. Auch in der Tierheilkunde 
findet sich allgemein die Anschauung, daß die retinierten oder ver¬ 
lagerten Hoden eine Prädisposition besitzen für Geschwulstbildung. 
Nach meiner Zusammenstellung der in der Literatur verzeichneten 
Hodentumoren und nach meinen eigenen Befunden mit Recht. Etwa 
40 Prozent aller Hodentumoren fand sich in retinierten oder verlagerten 
Hoden. Berücksichtigt man dabei, daß mindestens bei Hunden ver¬ 
lagerte Hoden verhältnismäßig selten Vorkommen, so erscheint die 
Annahme von einer besonderen Disposition für geschwulstige Ent¬ 
artung der verlagerten bzw. retinierten Hoden ganz berechtigt. Die 
sarkomatösen Hodentumoren von Hunden und auch das angeführte 
Sarkom vom Pferde kennzeichneten sich durch ihren überwiegenden 
Reichtum an Zellen. Nur in dem einen Falle fand sich neben kleinen 
Spindelzellen noch ein reichliches Bindegewebsgerüst. Im übrigen 
schienen die Geschwülste auf den ersten Blick, abgesehen von einzelnen 
Bindegewebssträngen, ausschließlich aus Zellen zu bestehen. In dem 
einen Falle fanden sich indessen auch Stellen, wo das Bindegewebe 
reichlicher vorhanden war und eine alveoläre Struktur andeutete. 
Diese war aber jedenfalls nur stellenweise nachzuweisen, auch nicht 
deutlich ausgesprochen, so daß von einem Alveolarsarkom kaum die 
Rede sein konnte. 

Nach den Beschreibungen über das Alveolarsarkom ließ sich 
eine hinreichende Uebereinstimmung nicht finden, so daß jedenfalls 
diese Geschwulst zu den zweifelhaften Alveolarsarkomen nicht gestellt 
werden konnte, und kein Zweifel darüber bestehen konnte, daß es 
sich nicht um Karzinom, sondern um Sarkom haudelte. Nach der 
Zellart, die sich vorwiegend in den sarkomatösen Neubildungen der 
Hunde fanden, waren drei als Rundzellensarkome, eins als Spindel- 
zellensarkora zu bezeichnen. Von den übrigen geschwulstartigen Er¬ 
krankungen der Hoden erwies sich die eine als schleichend verlaufende 
abszedierende Hodenentzündung. Offenbar hatte sich allmählich ein 
zentral gelegener Abszeß gebildet, der schließlich zum Durchbruch 
kam und zur Entstehung einer Fistel Anlaß gab; weiterhin wurde 
dann auch das übrige Hodengewebe ergriffen, eitrig infiltriert und das 
Epithel der Samenkanälchen zum größten Teil eingeschmolzen. In 
dem Eiter wurden stäbchenförmige Bakterien gefunden, die vermutlich 
die Ursache der abszedierenden Orchitis waren. Derartige Orchitiden 
werden sicher nicht häufig beobachtet bei Hunden, es ist daher über 



268 Kf'NNEMANN, 

sie in der Literatur nichts zu finden. Beim Menschen scheinen sie 
häufiger im Anschluß an Gonorrhoe aufzutreten, es wurden aber auch 
Orchitiden mit Abszedierung durch Bacteriura coli veranlaßt, beobachtet, 
■die ohne begleitende Allgemeinerkrankung sich auf den Hoden lokali¬ 
sierten. Da infektiöse Harnröhrenerkrankungen bei Hunden kaum Vor¬ 
kommen und der bei Hunden häufige eitrige Präputialkatarrh nach 
meinen Beobachtungen nicht auf die Harnröhre übergreift, so ist es 
zweifelhaft, von woher die Infektion ihren Ursprung nahm. 

Bei den drei anderen Hoden beruhte die geschwulstartige Ver¬ 
größerung auf einer interstitiellen Bindegewebsproduktion bei gleich¬ 
zeitiger Atrophie der Hodenkanälchen. Mit der Atrophie der Hoden, 
wie sie bei Kryptorchiden regelmäßig besteht, kann diese nicht ver¬ 
glichen werden. Zwar gibt es bei diesen Hoden, wie Nielsen an 
einer Reihe Pferdehoden nachgewiesen hat, verschiedene Stadien der 
Atrophie der Samenkanälchen und der Neubildung von Bindegewebe, 
aber auch dann, wenn die Hoden ganz zu ßindegewebsmasse verbildet 
waren, war eine Vergrößerung nicht vorhanden, im Gegenteil, die 
Hoden waren auffällig klein. Nach Spangaro (cit. nach Oberndorfer) 
charakterisiert sich die eigentliche Hodenatrophie des Menschen durch 
drei verschiedene Grade des Schwundes des Epithels der Kanälchen 
mit allmählicher Verengerung derselben, bis mit dem schließlichen 
Zugrundegehen der Sertolischen Zellen nur noch die stark verdickte 
Wand der Samenkanälchen mit aneinander gelagerten Flächen und 
Verengerung des Lumens auf einen schmalen Spalt übrig bleibt. In 
den obigen Fällen beschränkte sich die Bindegewebsbildung nicht auf 
die Wand der Samenkanälchen, sondern stellte vielmehr eine diffuse 
Wucherung im interstitiellen Gewebe dar, wobei nur hin und wieder 
gleichzeitig eine kapselartige Verdickung der Wand sich geltend 
machte, vielmehr manchmal die Wand der Kanälchen sogar durch¬ 
brochen schien, so daß das Lumen durch büschel- und zapfenartige 
Fortsätze des Bindegewebes teilweise verengt war. In jedem Falle 
hatte der Prozeß nicht zu einer Verkleinerung des Organs geführt, 
sondern regelmäßig mit dem Schwund der Kanälchen infolge der 
massigen Bildung von Bindegewebe zu einer auffälligen Vergrößerung. 
In einem Falle ließen sich deutliche Reste der Samenkanälchen nicht 
nachweisen. Dagegen fanden sich Nester von Fettgewebe. Möglich, 
daß dasselbe sich in den verödeten Samenkanälchen etabliert hatte, 
zumal es manchmal in Nestern auftrat, die von einer Art Binde- 
gewebskapsel umschlossen waren. Bestimmt erweisen ließ sich das 



Ueber Hodentumoren beim Hunde. 


269 


allerdings nicht, zumal auch kleine Haufen von Fettzellen im Verlauf 
der Bindegewebsfasern nicht selten gefunden wurden und eine Meta¬ 
plasie des Bindegewebes in Fettgewebe wahrscheinlich machten. In 
letzterem Falle könnte man vielleicht von einem Fibrolipom sprechen, 
während in den anderen der Prozeß als eine chronische interstitielle 
Orchitis mit Atrophie der Samenkanälchen bezeichnet werden möchte. 


Literator. 

1. Bruckmüller, Lebrbuch der pathologischen Zootomie der Haustiere. 1869. 

2. Kitt, Lebrbuch der pathologischen Anatomie der Haustiere. 1901. 

3. Gurlt, Dritte Fortsetzung des Katalogs des zootomischen Museums der 
Königl. Tierarzneischule in Berlin. Magazin für die gesamte Tierheilkunde. 
XXII. 1856. 

4. Siedamgrotzky, Medullarsarkom des Hodens mit Metastasen in den retro- 
peritonealen Lymphdrüsen. Bericht über das Veterinärwesen im Königreich 
Sachsen. 1871. 

5. Derselbe, Myom der Albuginea des Hodens bei einem Pferde. Ebenda. 1873. 

6. Appenrodt, Karzinom des Hodens bei einem Pferde. Preuß. Mitteil. 1883. 

7. Fröhner, Exstirpation eines krebsigen Hodentumors beim Pferde mit tödlichem 
Ausgang. Report, d. Tierheilkunde. H. IV. 1883. Ref. Jahresbericht von 
Ellenbergor u. Schütz. 

8. Popow, Vergrößerung und Entartung des rechten Hodens bei einem Hengst. 
Ref. Jahresbericht von Ellenberger u. Schütz. 1884. 

9. Gosswell, On certain pathological conditions met within the testicules of 
horses. The vet. journal. Bd. XXII., S. 86. Ref. Jahresbericht von Ellen¬ 
berger u. Schütz. 1886. 

10. Trasbot, Sur le caroinome du testicule. Bulletin et M£moires de la socieiö 
centrale de medecine vötörinaire. 1885. S. 178. 

11. Heß, Hämatozele bei einem Zuchtstier. Schweizer Archiv für Tierheil¬ 
kunde. 1888. 

12. Lothian, The Veterinary Journal. Ref. Jahresbericht von Ellenberger und 
Schütz. 1894. 

13. Bossi, Fibroma dell’albuginea dell testicolo di un asino. Giorn. di Vet. milit. 
VI. Ref. Jahresbericht von Ellenberger u. Schütz. 1893. 

14. Pierrot et Petit, Dermoidzyste des Hodens bei einem kryptorcbidischen 
Pferde. Bull, de la soc. centr. 1904. Ref. Jahresbericht v. Ellenberger und 
Schütz. 1904. 

15. *Gooch u. Hobday, Außergewöhnlicher Tumor eines kryptorchiden Testikcls 
(Lipom). The vet. journal. 1906. Ref. Jahresbericht von Ellenberger und 
Schütz. 1906. 

16. Turtill, Ein interessantes Teratom des Hodens. The vet. journal. 1906. 
Ref. Jahresbericht von Ellenberger u. Schütz. 1906. 

17. Pauer, The vet. rec. Vol. XII. p. 88. Ref. Ellenberger u. Schütz. 1905. 



270 Kl NNEMANN, 

18. Coquot u. Lecaplain, Rec. de m£d. vet. 81. lief. Ellenberger u. Schütz. 
1904. 

19. Petit et Dumond, Ball, de la soc. centr. 81. Ref. Jahresber. v. Ellenberger 
u. Schütz. 1904. 

20. Calvd, Rec. de med. vet. 1900. Ref. Ellenberger u. Schütz. 1900. 

21. Ball, Journ. de m6d. x6t. 1903. Ref. Ellenberger u. Schütz. 1903. 

22. Besnoit, Enorme Testikelgeschwulst bei einem durch Umdrehung kastrierten 
Ochsen. Revue vet. Nr. 12. 1902. Ref. Schweizer Archiv für Tierheilkunde. 
Bd. 45. 1903. S. 128. 

23. Riehloin, Zwei Fälle von Hodentumoren beim Pferde. Wochenschrift für 
Tierheilkunde und Viehzucht Nr. 16. 1903. Ref. Schweizer Archiv für Tier¬ 
heilkunde. Bd. 46. 1904. S. 41. 

24. Schuemacher, Rundzellensarkom im Hoden eines Hengstes. Deutsche tier¬ 
ärztliche Wochenschrift. IV. 1896. S. 408. 

25. Frohner, Statistische und kasuistische Mitteilungen über das Vorkommen und 
die chirurgische Behandlung der Geschwülste beim Hunde. Monatshefte für 
prakt. Tierheilkunde. VI. 1895. S. 87. 

26. Froh ner, Ein Fall von Hodensarkom beim Pferde. Ebenda. IX. 1898. S. 200. 

27. Fröhner, Hodensarkom bei einem Deckhengst. Ebenda. XIII. 1902. S. 521. 

28. Duschaneck, Kryptorchismus und Sarkom der Hoden bei einem Hunde. 
Tierärztliches Zentralblatt. 1897. S. 303. 

29. Mayr, Zur Histologie der retinierten Hoden beim Pferde und einiger Hoden¬ 
tumoren. Deutsche tierärztliche Wochenschrift. IX. 1901. S. 414. 

30. Nielsen, Histologische Untersuchungen über retinierte Hoden beim Klopf¬ 
hengst. Monatshefte für prakt. Tierheilkunde. XVII. 1906. S. 385. 

31. Engelmann, Ueber das Vorkommen von Fett im kryptorchidischen und nor¬ 
malen Hoden. Inaugural-Dissertation der vet. med. Fakultät der Universität 
Bern. 1902. 

32. Waldeyer, Die Entwickelung der Karziuome. Archiv für patholog. Anatomie 
und Physiologie und für klinische Medizin. Bd. 55. 1872. S. 131. 

33. Hansemann, Ueber die sogenannten Zwischenzellen des Hodens und deren 
Bedeutung bei pathologischen Veränderungen. Ebenda. Bd. 142. 1895. S. 538. 

34. Eberth, Die männlichen Geschlechtsorgane, Handbuch der Anatomie des 
Menschen. Bd. VII. 112. 1904. 

35. Borst, Die Lehre von den Geschwülsten. Wiesbaden. 1902. 

36. Krompecher, Ueber die Geschwülste, insbesondere die Endotheliome des 
Hodens. Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie usw. Supplement¬ 
heft zum 151. Bd. 

37. Most, Ueber maligne Hodengeschwülste und ihre Metastasen. Ebenda. Bd. 
154. 1898. S. 138. 

38. Wlassow, Ueber Patlio- und Histogenese des sogenannten „Sarcome angio- 
plastique“. Ebenda. Bd. 169. 1902. S. 220. 

39. Debernardi, Beiträge zur Kenntnis der maglinen Hodengeschwulst. Bei¬ 
träge zur pathologischen Anatomie und zur allgemeinen Pathologie. Bd. 40. 
1907. S. 534. 



lieber Hodentumoren beim Hunde. 


271 


40. Oberndorfer, Pathologie der männlichen Geschlechtsorgane. Ergebnisse der 
allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie des Menschen und der 
Tiere von 0. Lubarsch u. R. Ostertag. 9. Jahrg. 1. Abt. 1903. S. 1168. 

41. Dürck, lieber die Zwischenzellenhyperplasie des Hodens. Verhandlungen der 
Deutschen pathologischen Gesellschaft. 1907. Ergänzungsheft zum XVIII. Bd. 
des Zentralblatts für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 1908. 
S. 130. 

42. Kaufmann, Ueber Zwischenzellengesohwülste des Hodens. Ebenda. S. 237. 

43. Kyrie, Beitrag zur Kenntnis der Zwischenzellen des menschlichen Hodens. 
Zentralblatt für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie. 21. Bd. 
1910. S. 54. 



XIII. 

Beobachtungen über Nagana und Glossinen 
in Deutsch-Ostafrika. 

Von 

Dr. Georg Lichtenheld, 

Kogimuii^-Ticrarzt in Daros-Salam (DenisHi Ostafrika). 

(Hierzu eine Karte über das Vorkommen der Glossinen [Tafel VII].) 


Die Nagana ist eine spezifisch afrikanische Trypanoso- 
miasis, die durch Glossinen und zwar höchst wahrschein¬ 
lich durch sämtliche Arten übertragen wird. Die Seuche kann 
alle größeren Haustiere und auch einen Teil des Wildes befallen. Am 
empfänglichsten sind europäische Schweine- und Hunderassen, weniger 
empfänglich sind Pferde, Maultiere, Esel, Rinder und einheimische 
Hunderassen. Erkrankungen bei einheimischen Schafen und Ziegen 
sowie Wildschweinen und Großwild sind nur selten, bei kleinen Wild¬ 
arten noch nicht festgestellt worden. Ueber das Verhalten europäischer 
Ziegen und Schafe gegenüber der Tsetse konnten im Schutzgebiet 
keine Beobachtungen gemacht werden. Die hochempfänglichen Tier¬ 
arten erliegen einer Infektion mit seltenen Ausnahmen, die weniger 
empfänglichen genesen zu einem ziemlich großen Prozentsätze, trotz¬ 
dem können sie sich im allgemeinen nicht dauernd in Tsetse-Gegendcn 
halten. Ich habe nur in einem Orte (am Kwarebach in Unyamwezi), 
wo Tsetsefliegen (Gloss. morsitans) vorkamen, eine seit mehreren 
Jahren vorhandene Rinderherde getroffen. Hingegen kommt das Klein¬ 
vieh, vor allem die Ziege, in Tsetse-Gegenden sehr zahlreich vor, 
ohne daß im allgemeinen Trypanosomen bei ihnen gefunden werden 
oder ein schädigender Einfluß festzustellen ist. Ebenso widerstands¬ 
fähig scheint auch das Großwild und das Wildschwein zu sein. In 
den zahlreich cingesandten Blutpräparaten dieser Tiere wurden nur 
dreimal, und zwar bei großen Antilopen Trypanosomen gefunden. Bei 
einem dieser Tiere, das zu Lebzeiten einen schwerkranken Eindruck 



Beobachtungen über Nagana und Glossinen in Deutsch-Ostafrika. 


273 


gemacht hätte (Grothusen), waren zahlreiche, bei anderen nur ganz 
vereinzelte Trypanosomen nachzuweisen. 

Der Verlauf sowie der klinische und pathologisch-anato¬ 
mische Befund der Nagana ist außerordentlich verschieden. Es er¬ 
scheint angebracht, eine akute und eine chronische Form zu unter¬ 
scheiden. Europäische Hunde und Schweine erkranken meist an der 
akuten, die übrigen Tierarten öfter an der chronischen Form. Bei 
der akuten Erkrankung treten hohe, meist intermittierende Fieber 
auf. Im Blute, das bald nach dem Auftreten der Krankheit eine 
wässerige Beschaffenheit annimmt, sind auf der Höhe des Fiebers sehr 
viele, während dessen Tiefstand nur wenige Trypanosomen nachzu¬ 
weisen. Die Tiere magern sehr schnell ab. Die Futteraufnahme ist, 
zumal auf der Höhe des Fiebers, schlecht. Außerdem treten die all¬ 
gemeinen Erscheinungen fieberhafter Erkrankungen wie gesträubtes 
Haarkleid, erhöhter Puls usw. auf. 

Bei der Sektion findet man das subkutane und intermuskuläre 
Bindegewebe des Körpers stark wässerig durchtränkt; die seröse 
Flüssigkeit in dem Herzbeutel, in den Brustfellsäcken und der Bauch¬ 
höhle ist vermehrt. Die Leber und die Nieren befinden sich im 
Stadium der trüben Schwellung. Die Milz ist gleichfalls geschwollen 
und sehr blutreich. An den Lymphdrüsen ist eine bedeutende wässerige 
Durchtränkung, mitunter auch markige Schwellung nachzuweisen. 

Bei den Einhufern sind meist schon zu Lebzeiten große Oedeme 
an der Brust, dem Schlauche und den Extremitäten zu beobachten, 
bei Hunden tritt manchmal eine diffuse Trübung der Hornhaut auf. 

Bei der chronischen Form ist das Fieber niedriger und gleich¬ 
mäßiger. Die Wässerigkeit des Blutes und die Abmagerung nehmen 
nur langsam zu. Trypanosomen treten in geringerer Anzahl und 
weniger schwankender Menge auf. Die Oedeme der Einhufer sind 
auch hierbei meist vorhanden, sie fehlen nur bei sehr protrahiertem 
Verlaufe. Nach längerer Krankheitsdauer knicken speziell Einhufer in 
den Fesseln der Hinterbeine über und bekommen in der Nachhand 
einen eigentümlichen steifen Gang. Bei Rindern tritt nicht selten 
Nekrose der Schwanzspitze auf. Die Futteraufnahme ist gut, meisten¬ 
teils sogar gesteigert. 

An der Leiche fallen außer der bedeutenden Abmagerung und 
der Wässerigkeit des Blutes starke parenchymatöse Schwellung der 
Lymphdrüsen auf. Ira Vergleich zu dem starken Muskelschwund ist 
das Kadaver relativ reich an Fettgewebe. 

Arehir f. wissenscli. u prakt. TierliPilk. Bd. 3fi. Suppl.-Baud. 


18 



274 


LICHTENHELD, 


Bei einem Maultier und mehreren Rindern fanden sich Trypano¬ 
somen, ohne daß bei diesen Tieren trotz mehrmonatiger Beobachtung 
irgend welche Krankheitssymptome nachzuweisen gewesen wären. 

Wodurch ist nun der verschiedenartige Verlauf der 
Trypanosoraiasis zu erklären? Wenn man auch den großen 
Unterschied im Verhalten der einzelnen Tierarten gegenüber der 
Trypanosomiasis hauptsächlich auf die verschiedene Resistenz zurück¬ 
führen kann, so dürfte diese Erklärung für den sehr abweichenden 
Verlauf bei den verschiedenen Individuen derselben Art wohl nicht 
genügen. Folgende Versuche geben hierüber näheren Aufschluß. Die 
Uebertragung von Trypanosomen eines erkrankten Individuums auf 
Tiere der gleichen Art verursachte einen fast gleichen Verlauf wie bei 
dem ersten Tiere; starb dieses in kurzer Zeit, so erlagen auch die 
Versuchstiere in ebenso kurzer Zeit der Infektion. Wurde das Blut 
eines an chronischer Tsetse leidenden Tieres übertragen, so erkrankten 
auch die Versuchstiere an der chronischen Form. Es dürfte also in 
diesen Fällen der Virulenzgrad der Trypanosomen als ausschlaggebend 
anzusehen sein. Ungefähr ebenso ist das Resultat bei der Ueber¬ 
tragung der Trypanosomen von einem Individuum auf ein solches einer 
nahe verwandten Spezies. Bei der Uebertragung auf Individuen einer 
entfernteren Art ist jedoch oft ein abweichendes Verhalten festzu¬ 
stellen. Werden z. B. Ziegen mit dem Blute eines an akuter Trypa¬ 
nosomiasis leidenden Rindes infiziert, so tritt bei ihnen chronische 
Trypanosomiasis auf. Mit der Weiterzüchtung dieser Trypanosomen 
von Ziege auf Ziege erfolgt eine Steigerung der Virulenz, während sie 
für Rinder zugleich weniger virulent werden. Das Trypanosoma hat 
also die Fähigkeit, sich dem Blute einer Tierart anzupassen. Der 
verschiedenartige Verlauf ist demnach neben der Resistenz der Tiere 
der schwankenden Virulenz der Trypanosomen zuzuschreiben, die nach 
Ansicht von R. Koch ebenso wie bei der künstlichen Uebertragung 
auch . bei der natürlichen Infektion wenigstens zum Teil durch den 
Grad der Angewöhnung an eine Tierart bedingt wird. 

Auf Grund dieser Beobachtung versuchten Schilling und Panse 
Rinder zu immunisieren, indem sie zunächst die durch Ziegen- 
bzw. Hunde- und Gänsepassage am meisten abgeschwächten und 
später die für Rinder virulenteren Trypanosomen überirapften. Auf 
diese Weise gelang es ihnen bei den Rindern eine Immunität zu 
erzielen. 

Dieser Methode haften jedoch bedeutende Mängel an. Zunächst 



Beobachtungen über Nagana und Glossinen in Deutsch-Ostafrika. 275 

ist zu bedenken, daß das immunisierte Tier sehr lange, mitunter 
lebenslänglich Träger des Infektionsstoffes bleibt und infolgedessen 
zur Verbreitung der Seuche beitragen kann, außerdem können diese 
Tiere der Trypanosomiasis erliegen, sobald ihre Resistenz durch 
Krankheiten oder Anstrengung herabgesetzt wird. Mehrere Ochsen z. B., 
die an Tsetse erkrankt gewesen waren und sich bei guter Haltung 
soweit erholt hatten, daß sie einen vollständig gesunden Eindruck 
machten, erkrankten wieder, als sie zu schwerem Zug verwandt 
wurden. Dieser schädigende Einfluß schwerer Arbeit konnte auch auf 
einer Plantage bei Dar-es-Salam, wo nur ganz vereinzelte Tsetseflliegen 
vorkamen, öfter beobachtet werden. Von den dortigen Zugochsen, 
die auf demselben Terrain wie die Weiderinder lebten, starben viele, 
von den letzteren nur wenige an Trypanosomiasis. Wurden die er¬ 
krankten Zugtiere bei dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome 
nicht mehr angespannt, so erholten sie sich meist wieder, andernfalls 
erlagen sie der Krankheit. 

Außerdem erliegt auch noch ein Teil der immunisierten Tiere 
einer spontanen Infektion mit hochvirulenten Trypanosomen. 

Die beiden erst erwähnten Nachteile könnten durch die Abtötung 
der Trypanosomen nach erfolgter Immunisierung beseitigt werden. 
Es erscheint aber fraglich, ob die nach erfolgter Abtötung der Trypa¬ 
nosomen vorhandenen Schutzstoffe oder die Fähigkeit solche in aus¬ 
reichender Menge zu bilden, zur Verhütung einer Neuerkrankung 
genügen, da nach Kleine und Möllers Schutzstoffe nur in verhältnis¬ 
mäßig geringer Menge gebildet werden. So starb z. B. ein Maultier» 
das eine schwere Trypanosomiasis überstanden hatte und über ein 
Jahr lang gesund erschienen war, als es wieder in Tsetsegegenden 
gebracht wurde. Im vorliegenden Falle ist es allerdings schwer zu ent¬ 
scheiden, ob das Tier seine Immunität verloren hatte, oder ob es der 
Infektion mit einem virulenteren Trypanosoma erlegen ist. Die bishe¬ 
rigen Resultate lassen es jedenfalls zweifelhaft erscheinen, ob die bisherige 
Immunisierungsmethode für die Praxis nennenswerte Vorteile bietet. 

Nach den Erfolgen von R. Koch in der Behandlung der Schlaf¬ 
krankheit mit Atoxyl hat man sich auch im Kampfe gegen die 
Nagana der medikamentösen Behandlung kranker Tiere zugewandt. 
Auf eine subkutane Einspritzung von 5—8 Gramm Atoxyl verschwinden 
bei Eseln, Maultieren und Rindern sämtliche Trypanosomen aus dem 
Blute, das Fieber, die ödematösen Schwellungen gehen zurück und 
das Allgemeinbefinden des Patienten bessert sich. Nach ca. 12 Tagen 

18* 



27« 


LICHTEN HELD, 

— in vielen Fällen auch bedeutend später — treten aber die Trypa¬ 
nosomen wieder im Blute auf. Ein weiterer Einfluß des Medikaments 
auf den Verlauf der Krankheit ist dann nicht mehr zu konstatieren. 
Wesentlich besser sind die Resultate, wenn analog der Behandlungs¬ 
methode der Schlafkrankheit die Einspritzung an zwei aufeinander¬ 
folgenden Tagen (am 10. und 11. Tage) und zwar wiederholt aus¬ 
geführt wird. Mehrere so behandelte Tiere wurden geheilt; es ist 
jedoch eine frühzeitige Anwendung des Mittels notwendig. Bei sehr 
akut verlaufenden Fällen konnte, trotzdem auch hier die Trypanosomen 
nach der Einspritzung im Blute nicht mehr nachzuweisen waren, eine 
Heilung nicht erzielt werden. Aehnliche Wirkung hatte auch die 
„Neue Lösung“ Löfflers. Ein wertvoller, schwer an chronischer 
Trypanosoraiasis erkrankter Bulle europäischer Kreuzung konnte durch 
abwechselnde Injektionen von Atoxyl und „Neuer Lösung“ vollständig 
geheilt werden. Es ist bei Beurteilung der Wirksamkeit eines Mittels 
jedoch in betracht zu ziehen, daß auch ohne Behandlung ein Teil der 
Tiere bei guter Haltung genesen sein könnte. Ein abschließendes 
Urteil über den Erfolg ist daher zur Zeit noch nicht möglich, zumal 
das Verschwinden der Trypanosomen aus dem Blute nach der Ein¬ 
verleibung des Medikaments, auch für mehrere Wochen, nicht gleich¬ 
bedeutend mit Heilung ist. Berücksichtigt man die Notwendigkeit der 
wiederholten Anwendung der Mittel und die teilweise ungenügenden 
Erfolge, so kommt man zu dem Schluß, daß auch sie ebenso wie das 
Trypanrot und Malachitgrün im Kampfe gegen die Tsetse vorläufig 
nur unvollkommene Waffen darstellen. Immerhin ist nach den 
bisherigen Resultaten der medikamentösen Behandlung eine 
gewisse Bedeutung beizumessen. 

Mangels einer in der Praxis bewährten Immunisierung und einer 
sicher wirksamen Behandlungsmethode sind wir im wesentlichen noch 
auf den Schutz gegen die Tsetsefliege angewiesen. Zu diesem 
Zwecke ist in erster Linie die Kenntnis über das Vorkommen 
der Glossinen von besonderem Wert. Die auf Grund der Fest¬ 
stellung von R. Koch, Meixner, Feldmann, mir und anderen an¬ 
gefertigte Tsetsckarte (Tafel VII) gibt uns hierüber Aufschluß. Man 
ersieht aus ihr, daß die Glossinen im Hinterlande des Tanganyika- 
und Viktoriasees sowie der südlichen Hälfte der ozeanischen Küste in 
großer Verbreitung, in den übrigen Gebieten nur in geringer Aus¬ 
dehnung Vorkommen und daß im ersten Tsetsegebiet hauptsächlich 
tiloss. morsitans, im anderen Gloss. pallidipes vorkommt. 



Beobachtungen über Nagana und Glossinen in Deutsoh-Ostal'rika. 277 

Diese Karte hat eine große allgemeine Bedeutung für das Schutz¬ 
gebiet. Der Händler kann mit Hilfe derselben für seine Viehtransporte 
eine möglichst glossinenfreie Marschroute auswählen und sich 
so vor Verlusten schützen. Die Tatsache, daß bei einem Rinder¬ 
transporte vom Hinterland von Muanza über Tabora, Kilimantinde, 
Morogoro, Dar-es-Salam der größte Teil der Rinder auf dem Marsche 
verendet und der Rest schwer krank am Bestimmungsort ankommt, 
während bei einem Transporte über Mkalama, Kondoa-Irangi, Mgera, 
Korogwe nur geringe Verluste zu verzeichnen sind, findet bei einem 
Blicke auf die Tsetsekarte ohne weiteres ihre Erklärung in dem aus¬ 
gedehnten Vorkommen von Tsetsefliegen auf der ersten und im Fehlen 
derselben auf der zweiten Strecke. Dem Viehzüchter, der natürlich 
nur prosperieren kann, wenn er sich in einer tsetsefreien Gegend mit 
tsetsefreiem Absatzwege niederläßt, zeigt die Karte, welche Gebiete 
für sein Vorhaben in betracht kommen. Die Kenntnis der Verbreitungs¬ 
gebiete der Glossinen ist auch unbedingt notwendig bei der Anlage 
von Fahrstraßen für den Verkehr mit Zugtieren, ohne sie läuft man 
Gefahr Straßen zu bauen, die sich für ihren Zweck später als un¬ 
brauchbar herausstellen. Die Karte bildet außerdem eine Grundlage 
für eine eventuelle Bekämpfung der Tsetse durch Ausrottung der 
Fliegen, indem sie durch Darstellung der Größe der Seuchengebiete 
über die Unkosten eines solchen Verfahrens einen Anhalt gibt. 

Eine Vervollständigung der Karte durch Eintragung jeder neuen ein¬ 
wandsfreien Feststellung von Glossinen ist natürlich dauernd notwendig. 

Diese Aufzeichnungen können nur dann den angedeuteten großen 
Wert haben, wenn das Vorkommen der Glossinen an bestimmte 
Gegenden gebunden ist, ein Wandern derselben, wie vielfach an¬ 
genommen worden ist, also nicht stattfindet. Nach unseren bisherigen 
Beobachtungen erscheint eine solche Voraussetzung berechtigt. Von 
wenigen noch zu erwähnenden, durch besondere Umstände bedingten 
Ausnahmen abgesehen, ist eine Ausbreitung der Glossinen auf bisher 
freie Gebiete noch nicht beobachtet worden. Außerdem ist nach den 
Angaben von Eingeborenen in den Tsetsegegenden auch früher eine 
Rinderhaltung nicht möglich gewesen, während in den glossinenfreien 
Gebieten früher Rinder ebenfalls, abgesehen von periodischen Epizootieen 
anderen Ursprungs, gut gediehen sind. In dem einen Falle werden 
also Glossinen ständig gefehlt und im andern immer vorhanden gewesen 
sein. Auch ein Einnisten der Glossinen in tsetsefreie Gebiete durch 
eingewandertes Großwild ist bisher noch nicht festgestellt worden. 



278 


LICHTENHELD, 


Es erscheint überhaupt, abgesehen von der gegenseitigen Infektions¬ 
möglichkeit, irgend ein Zusammenhang zwischen den beiden nicht zu 
bestehen. Es gibt im Schutzgebiete außerordentlich wildreiche Gegenden 
ohne irgend welche Glossinen und sehr glossinenreiche Gegenden ohne 
Großwild. 

Nicht unerwähnt möchte ich die wenigen Beobachtungen lassen, 
die anscheinend für ein Wandern der Glossinen sprechen. Auf der 
Missionsstation Kissirawe drangen die Glossinen* während der Regen¬ 
zeit bis in die Wohnungen vor und verschwanden in der Trockenzeit 
wieder. Auf der Straße Moschi-Arusha fand ich während der Regen¬ 
zeit Glossina fusca zahlreich, obgleich ich bei drei früheren Durch¬ 
reisen während der Trockenzeit trotz größter Aufmerksamkeit nicht 
eine einzige Glossina gesehen hatte. Dieselbe Beobachtung machte 
auf dieser Strecke einige Jahre später Allbory. Es ist daher der 
Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß bei mehreren aufein¬ 
anderfolgenden ausgedehnten und starken Regenzeiten ein Wandern 
der Tsetsefliegen in bisher freie Gegenden, wenn auch nur in be¬ 
schränktem Maße, möglich ist. 

Gerade entgegengesetzt schienen diese Verhältnisse auf der Kaffee¬ 
plantage Bulwa im Usambara-Gebirge zu liegen; dort traten in den 
trockensten Monaten (Dezember bis Februar) Glossinen und Trypa- 
nosomiasis unter den Rindern alljährlich auf, während der übrigen 
Monate, vor allem in der Regenzeit, fehlten sie. Diese eigenartige 
Erscheinung, die ich während meines dortigen Aufenthalts bestätigen 
konnte, ist unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse leicht zu 
erklären. Während der heißen und trockenen Monate finden die 
Glossinen in den abgebrannten Steppen und Abhängen des Gebirges 
infolge der Trockenheit nicht mehr die für sie notwendigen Existenz¬ 
bedingungen, sie wandern dann in die feuchteren, hochgelegenen Teile 
des Gebirges, in denen Bulwa liegt. Sobald der Regen einsetzt, finden 
sie am Abhange wieder günstigere Bedingungen als in den kalten 
Höhen und wandern wieder abwärts. 

Im Jahre 1906 fand ich Glossina fusca und Trypanosomiasis 
unter den Rindern bei Sadani, wo beide bisher nicht aufgetreten 
waren. In diesem Falle war das Verbot, die Steppen zu brennen, 
strikte durchgeführt worden, infolgedessen war der Busch dermaßen 
herangewachsen, daß er den Glossinen die notwendigen Existenz¬ 
bedingungen bot. Die Fliegen verschwanden jedenfalls, nachdem der 
Busch teilweise abgehauen worden war. 



Beobachtungen über Nagana und Gtossinen in Deutsch-Ostafrika. 279 


In demselhen Jahre stellte ich im Tabora-Bezirk Glossina morsitans 
an einem Orte fest, wo vor vielen Jahren große Rinderherden ge¬ 
weidet batten. Vom Dorfältesten erfuhr ich, daß in jener Zeit zahl¬ 
reiche Leute ansässig gewesen wären, die in weitem Umkreis die 
Felder bestellt hätten. Als diese nicht mehr ertragreich waren, hätten 
die Einwohner allmählich andere Wohnsitze aufgesucht, auf den ver¬ 
nachlässigten Feldern sei der Busch allmählich wieder herangewachsen. 
Daraufhin sollen sich die Stechfliegen und Krankheiten unter den 
wenigen noch vorhandenen Rindern eingestellt haben. Auch in diesem 
Falle scheint durch das Emporwachsen des Busches das Ein¬ 
nisten der Glossinen ermöglicht worden zu sein. 

Diese Beobachtungen sprechen also dafür, daß durch Veränderung 
des Klimas oder der Vegetation beschränkte Verschiebungen in der 
Lokalisation der Glossinen möglich sind. 

Bei der Betrachtung der Lokalisation verdient das verschiedene 
Verhalten der einzelnen Glossinenarten erwähnt zu werden. Bisher 
hat man in dieser Hinsicht nur zwischen der Glossina palpalis und 
den übrigen Tsetsefliegen unterschieden, indem man daraut hinwies, 
daß erstere nur an beschatteten Ufern von Süßwasser dauernd zu 
existieren vermöge, während die anderen Glossinen eine weitere Ver¬ 
breitungsfähigkeit besäßen. Aber auch ihre Existenzbedingungen sind 
wesentlich verschieden. Glossina fusca kommt nur in feuchten, mit 
dichtem Busche oder Schilfe bstandenen Gegenden in der Nähe von 
Wasser vor. Das größte Verbreitungsgebiet der Glossina morsitans 
hingegen ist ein lichter, relativ hochstämmiger Laubwald (Myombowald), 
in dem nur stellenweise etwas Oberflächenwasser auftritt. Glossina 
tachinoides habe ich speziell in dichten, inmitten lichter Wälder ge¬ 
legenen Buschinseln getroffen. Am anspruchslosesten ist jedenfalls 
Glossina pallidipes, die ich teilweise an ganz trockenen, mit sehr 
dürftigem Busch bestandenen Gebirgsabhängen gefunden habe. Natür¬ 
lich können auch mehrere Glossinenarten an einem Orte Vorkommen, 
wie aus der Karte zu ersehen ist. 

Der Unterschied in den Existenzbedingungen der Glossinenarten 
ist für deren Ausrottung von Bedeutung. R. Koch hat nachgewiesen, 
daß man durch Abhauen des Busches oder Schilfes ein Gebiet 
glossinenfrei machen kann. Daraufhin vorgenommene Abholzungen 
ergaben ein günstiges Resultat, das allerdings je nach der Glossinen- 
art Schwankungen aufwies. Während die Beseitigung der Glossina 
fusca leicht zu sein scheint, ist Glossina pallidipes nur schwer aus- 



280 LICHTENHELD, 

zurotten. So fand ich sie beispielsweise noch auf einer Plantage von 
Kokuspalmen bei Dar-es-Salam, auf der kein Busch mehr vorhanden 
war, und in deren Nachbarschaft nur vereinzelte Hecken standen. 

Eine allgemeine Ausrottung der Glossinen auf dem oben be¬ 
schriebenen Wege kommt wegen der damit verbundenen hohen Kosten 
zur Zeit nicht in Frage, zumal bei der tropischen Vegetation sehr 
schnell ein neuer Busch heranwächst, in dem Glossinen sich wieder 
zu halten vermögen. Dies Verfahren wird immer nur in engbegrenzten 
Gebieten Anwendung finden können. Für die Viehhaltung auf großen 
Plantagen, die in Tsetsegegenden angelegt werden, hat der Versuch 
von R. Koch eine große Bedeutung. Man kann als sicher annehmen, 
daß solche Gebiete infolge der periodischen Bearbeitung des Bodens 
tsetsefrei werden und eine Haltung von Vieh möglich sein wird. Es 
ist allerdings fraglich, ob nicht unter Umständen einzelne Kulturen 
später ein Wieder-Einnisten der Fliegen ermöglichen. In der Tat 
habe ich auf einer alten Plantage von Manihot Glaziowii (in Lewa) 
Glossina fusca ziemlich zahlreich gefunden. Auf Plantagen von Baum¬ 
wolle, Sisalagaven und Kaffee scheint, sofern diese von sehr großer 
Ausdehnung sind, die Tsetsefliege nicht vorzukommen. 

Da die Ausrottung der Tsetsefliegen infolge der erheblichen Un¬ 
kosten in größerem Maßstabe nicht möglich ist, so muß man ver¬ 
suchen, Tiere bei unvermeidbarem Passieren von Tsetsegegenden zu 
schützen. Man hat zu diesem Zweck durch mannigfaltige Mittel — 
Einreiben von Petroleum, Nelkenöl und andere stark riechende 
Ingredienzien — die Fliegen abzuhalten versucht. Auch mit dem 
tellursauren Kalium, das nach innerlicher Verabreichung bei den Tieren 
eine widerliche knoblauchartige Ausdünstung bewirkt, konnte ein ein¬ 
wandsfreier Erfolg nicht erzielt werden. So erkrankte z. ß. ein Maul¬ 
tier, das 24 Stunden vor dem Passieren eines Tsetseherdes 3 g Kalium 
telluricum erhalten hatte und stark nach Knoblauch roch, an 
Trypanomiasis. 

Erfolgreicher scheint der mechanische Schutz zu sein, der aller¬ 
dings im allgemeinen nur bei dem Transporte von hochwertigen Zucht¬ 
tieren vollkommen durchgeführt werden kann. Zunächst ist für die 
Bahnfahrt die Einstellung in solche Wagen notwendig, deren sämtliche 
Oeffnungen mit einem großmaschigen Drahtgeflecht versehen sind. 
Beim Transporte über Land sind für kleinere Tiere durch Drahtnetze 
geschützte Käfige herzustellen, in denen sie untergebracht und ge¬ 
tragen werden können. Ein auf diese Weise nach Iringa transpor- 



Beobachtungen über Nagana und Glossinen in Deutsch-Ostafrika. 281 


tierter deutscher Schaf bock kam dort gesund an. Für größere Tiere 
kann man Anzüge anfertigen lassen, oder sofern es sich, um den 
Transport durch Gegenden mit vereinzelten Tsetsefliegen handelt (wie 
es die Regel ist), auch ohne einen solchen Anzug auskommen, wenn 
man zu beiden Seiten eines Tieres je einen Eingeborenen marschieren 
läßt, der die Tsetsefliege kennt und ihn mittelst eines Wedels etwa 
ankommende Fliegen verscheuchen läßt. Dies gelingt leicht, da be¬ 
kanntlich die Tsetsefliegen sehr scheu sind. Es ist natürlich hierbei 
eine große Aufmerksamkeit erforderlich, die ohne Anwesenheit eines 
Europäers bei den Eingeborenen wohl vermißt werden dürfte. Während 
der Nacht ist die Einstellung der Tiere in gut geschlossene Räume nötig. 

Die noch vielfach verbreitete Annahme, daß Glossinen nachts 
nicht stechen sollen, ist irrig. Auf verschiedenen Nachtmärschen, 
die ich mit Oberstabsarzt Dr. Meixner ausführte, sind unsere Reit¬ 
tiere von Glossinen stark belästigt worden. Von den eingefangenen 
Exemplaren hatten sich einige mit Blut vollgesogen. Allerdings 
scheint bei kühlen Nächten die Gefahr, von Tsetsefliegen gestochen zu 
werden, geringer als am Tage zu sein. Auch während der kühlen 
Morgenstunden zeigten sich in Tsetsegegenden relativ wenige Fliegen. 
Am zahlreichsten und stechlustigsten haben wir sie während der 
schwülen Nachmittagsstunden bei ganz oder teilweise bedecktem Himmel 
gefunden. 

Auch konnten wir die Beobachtung machen, daß Reittiere am 
Ende der Karawane weniger belästigt wurden als an der Spitze, weil 
die Glossinen mit den ersten Leuten weiter flogen, um an ihnen ihren 
Blutdurst zu stillen. Wurden sie dabei gestört, so verschwanden sie 
teilweise wieder, ohne sich gesättigt zu haben. 

Ueber den zweckmäßigsten Schutz gegen Glossinen werden zurzeit 
spezielle Untersuchungen ausgeführt. 

Die wichtigsten Ergebnisse vorstehender Ausführungen lassen sich 
in folgenden Sätzen zusammenfassen: 

1. Sowohl die Resistenz der einzelnen Tierarten gegen 
Nagana als auch die Virulenz der Trypanosomen ist sehr 
verschieden. 

In Tsetsegegenden gedeihen von den Haustieren nur 
Ziegen und Schafe, die anderen Arten erliegen bei dau¬ 
erndem Aufenthalt mit Ausnahme weniger Individuen der 
Seuche. 



282 LICHTENHELD, Beobachtungen über Nagana und Glossinen usw. 

2 . Eine Immunisierung der Haustiere nach den jetzigen 
Methoden erscheint nicht ratsam. 

3. Die Behandlung der Trypanosomiasis mit Arznei¬ 
mitteln ist in vielen Fällen erfolgreich, während derselben 
dürfen die Tiere nicht zur Arbeit verwendet werden. 

Am wirksamsten hat sich das Atoxyl erwiesen. 

4. Die Glossinen sind an bestimmte Plätze gebunden, 
eine Verschiebung in der Lokalisation ist bisher nur in be¬ 
schränktem Masse und dann infolge Veränderungen der 
klimatischen Verhältnisse oder der Vegetation beobachtet 
worden. 

Die verschiedenen Glossinenarten weichen in ihren 
Existenzbedingungen von einander ab. 

5. Es gelingt im allgemeinen durch Abhauen des Busches 
oder Schilfes Gebiete von Glossinen zu befreien. 

Diese Methode ist jedoch wegen der damit verbundenen 
hohen Kosten in grossem Umfange nicht durchführbar. 

6 . Beim Transport von Tieren durch Tsetsegegenden 
hat sich der mechanische Schutz zur Abhaltung der Fliegen 
am besten bewährt. 

7. Den größten Nutzen zur Vermeidung von Verlusten 
durch Tsetse haben bisher die Feststellungen über das Vor¬ 
kommen der Glossinen gebracht. 



XIV. 


1^*Institut National de Bacteriologie, Professeur des maladies contagieuses 
et de bacteriologie a la Faculte Veterinaire de Buenos Aires. 

Quelques notes k propos du Streptocoque de Schütz. 

Considerations generales sur la qualite pathogene 
et la difTerenciation des microbes d’un mime groupe. 

Par 

Prof. J. Lignieres. 

L’une des maladies du cheval les plus universellement repandues 
c’est la gourme. 

Quoique cette affection evolue souvent sous une forme relative- 
ment benigne, eile est 6conomiquement des plus graves parce 
qu’elle frappe tot ou tard presque tous les cheveaux, surtout les 
jeunes et aussi, parce qu’elle sc presente assez fröquemraent sous des 
form es graves. 

La pathologie de la gourme est aussi des plus coraplexes, toutes 
les formes, toutes les localisations sont possibles; et bien que son type 
soit essentiellement suppuratif, on peut voir aussi des formes aigues 
septic6miques. 

Longtemps on a discutfi sur la nature de la gourme et ce n’est 
qu’en 1888 que le Dr. Schütz fit connaitre son microbe specifique: 
le Streptococcus equi. 

Peu apres Sand et Jensen d’une part, Poels de l’autre 
apportaient aussi leur importante contribution a l’etude du microbe 
de la gourme. 

Une question se pose qui a ete fort discutöe et sur laquelle 
l’accord n’est pas encore complet, c’est de savoir si le Strepto¬ 
coccus equi est identique au Streptococcus pyogenes de 
l’homme. 

Pour rösoudre ce problerae, il faut non seulement comparer les 
deux streptocoques en question, mais aussi etudier le plus grand 



2S4 


UGN1KRES, 


nombre possible de ceux qu’on rencontre soit chez l’homme, soit chez 
les animaux, soit dans le railieu exterieur. 

Or, on s’aper^oit immediateraent que si l’aspect de tous ces 
streptocoques est plus ou raoins identique, que los memes milieux 
de culture leur conviennent souvent, qu’ils se colorent de )a meme 
fa<*on, ils sont cependant capables de presenter des variantes im¬ 
portantes. 

Ainsi, le meme streptocoque peut, suivant le railieu de culture 
se montrer en chaines longues ou en chaines tres courtes parfois raeme 
rGduites a deux coccus: le meme streptocoque peut faire des lesions 
suppuratives ou des lesions septicemiques: le raeme streptocoque peut 
etre ou non virulent pour la m^me espece animale. 

Toutes ces constatations ne pcuvent Svidemment que plaider en 
faveur de l’identit6 des streptocoques et il faut reconnaitre que les 
unicistes sont les plus norabreux. 

Toutefois, rien n’est plus sur que la dualite des streptocoques 
ct rien non plus n’est plus utile a connaitre pour la prophylaxie. 

Si on s’appuio sur la qualite pathogene des microbes, qualite qui 
en somme est preponderante en pratique, on est absolument oblige 
de reconnaitre des differences fondamentales entre les streptocoques; 
par exemple, le streptocoque de la raammite des vaches n’a aucune 
des qualites pathogenes des streptocoques equi ou pyogene quelles 
que soient les doses ou les modes d’inoculation. Les streptocoques 
qu’on rencontre en abondance sur les fourrages, dans le contenu in¬ 
testinal et meme dans les tissus des animaux sains ou malades, 
notarament les ganglions lymphatiques, sont aussi essentiellement 
differents au point de vue de leur qualite pathogene presque nule 
comparativement avec les streptocoques gourmeux et pyogene. 

Enfin, si nous arrivons ä comparer ces deux derniers strepto¬ 
coques cependant plus voisins, nous constatons encore des differences 
dans leurs qualites pathogenes. 

Avant d’aller plus loin, je dois une nouvelle fois repßter ce que 
j’entende par qualite pathogene, qu’il ne faut pas confondre avec ce 
qu’on a coutume d’appeler la virulence. 

La qualite pathogene et la propriete qu’a un raicrobe d’attaquer 
teile ou teile espece animale. 

La virulence est l’exaltation plus ou moins prononcee de cette 
qualite pathogene. Tandis que la virulence est essentiellement variable 
et ne peut servir ä une Classification, la qualite pathogene, beaucoup 



Quelques noles a propos du Streplocoque de Schütz. 


285 


plus fixe est, au contraire, des plus utiles ä la Classification des 
raicrobes et surtout des Varietes. 

Les exemples sont aussi nombreux que sont nombreux les 
microbes avec leurs varietes obligees et si les bacteriologistes vou- 
laient bien les envisager de pres, maintes discussions interminables 
sur l’identite ou la non identite de certains microbes seraient desor- 
mais rendues inutiles. 

Prenons les streptocoques eux-raemes: on se rapelle que Mar- 
morek a pu exalter la virulence de son streptocoque jusqu’au point 
que Yiooooo oooooo de centimetre cube tuait le lapin en moins de 
24 heures. Or, malgre son extreme virulence, ce streptocoque d’ori- 
gine humaine n’avait pas acquis pour le jeune cheval la qualitü patho¬ 
gene du streptocoque gourmeux de Schütz meme non exalte. En 
effet, tandis que le premier produisait a faible dose sous la peau une 
reaction inflammatoire assez intensc mais se resorbant vite, le segond 
produit un phlegmon suivi d’un volumineux abces ä pus blanc homo¬ 
gene renfermant de longues chainettes de coccus. 

De plus, avec ce streptocoque de Marmorek si exaltü on a pu 
obtenir un serum de cheval tres actif contre ce streptocoque et ceux 
du meme type, mais toujours inefficace contre le streptocoque 
equi cependant extremement moins virulent. 

De meme la vaccination du lapin avec le streptocoque de Mar¬ 
morek ne tenait pas contre le streptocoque equi de Schütz. 

Les Pasteurelia offrent aussi un bei exemple de la diffürence 
qui existe entre le degre de virulence et la qualite pathogene. 

La Pasteurella du cholera des poules tue le lapin en 10—12 heures 
avec une trace de culture inoculüe sous la peau; malgre cette enorme 
virulence la qualite pathogene de la Pasteurella aviaire ne varie pas 
pour le boeuf qu’elle n’influence guere en injection sous-cutanee de 
doses relativement clevres. De meme, une Pasteurella bovis type 
Rinderseuche toujours mortelle pour les bovides en injection d’unc 
seule goutte de culture en bouillon sous la peau. laisse la poule in¬ 
differente dans les meines conditions et ne la vaccine meme pas 
contre la Pasteurella aviaire. 

C’est donc que le degre de virulence est different de la qualite 
pathogene. 

Le charbon symptomatique et la scptieemie sont des microbes 
du meme groupe qui different essentielleraent par leur qualite patho¬ 
gene vis-a-vis du boeuf: tandis que le bacillus chauvei tue facile- 



UGNIKKES, 


28(5 

ment le boeuf sous la peau ou mieux dans le musclc, le vibrion 
septique ou bacille de l’oedeme malin de Koch, dans les memes con- 
ditions et quel que soit son degre de virulence pour les autres especes, 
laisse le boeuf ä peu pres indifferent. 

Je pourrais multiplier beaucoup les exemples, je citerai seulement 
encore le bacille tuberculeux. En d£pit de tout ce qu’on a pu 
soutenir, c’est encore la qualite pathogene des difterents types mammi- 
fcre, aviaire, pisciaire qui les separe lc plus sürement et le plus 
utilement peut on dire. 

On peut augraenter tant qu’on voudra la virulence du bacille 
aviaire pour la poule, il n’en gardera pas moins sa qualite pathogene 
pour les mammiferes notamment le cobaye qu’il infectera peu ou 
point sous la peau. 

Nous pouvons comparer des bacilles de Koch beaucoup plus 
voisins comme ceux de la tuberculose humaine et de la tuberculose 
bovine et trouver en dehors de la question virulence, une qualite 
pathogene differente: on aura beau dire, le bacille tuberculeux qu’on 
retire generalement des tesions de l’homme produit en injection 
souscutanee chez le veau des tesions locales le plus souvent spon- 
tanement curables. Par contre, dans les ntemes conditions les bacilles 
tuberculeux d’origine bovine determinent chez le veau des lesions en- 
vahissantes generalement mortelles. 

Ces differences dans la qualite pathogene empeche-t-elle l’infection 
possible plus ou moins accidentelle du veau par le bacille humain, 
soit en choissisant une voie plus s6vere d’inoculation, soit en aug- 
mentant la quantite des bacilles, soit en afaiblissant la resistance 
naturelle de l’organisme ä inoculer? Certes non; mais quand dans 
ces conditions on a pu infecter le veau avec des bacilles humains 
on n’a pas change la qualite pathogene de ces bacilles que j’ai re- 
trouvee intacte apres une Station de deux ans dans l’organisme bovin. 

On n’aura pas change davantage la qualite pathogene du 
streptocoque pyogene pour en faire un streptocoque equi parce qu’on 
aura tue des ehevaux; on n’aura pas davantage transforme en pasteu- 
rella aviaire une pasteurella bovis parce qu’on aura tue successivement 
plusieurs poules; ni, vice versa, fait une pasteurella bovis avec une 
pasteurella aviaire qui aura tue plusieurs bovides par injection intra- 
veineuse. Non plus qu’on n’aura transforme en bacillus chauvei 
un vibrion septique qui aura pu tuer un ou plusieurs veaux. 

Chez les hematozoaires, rien ne les differentie mieux que la 



Quelques notes ä propos du Streptocoque de Schütz. '287 

qualite pathogene parfois absolument radicale comme pour les Piro- 
plasma. 

Cette conception generale de la qualite pathogene a, a mon sens 
une importance pratique e.onsiderable parceque si eile nous permet 
d’envisager le possible danger du streptocoque equi pour l’homme de 
la pasteurella aviaire pour le boeuf, du vibrion septique pour le boeuf, 
du bacille tuberculeux aviaire pour les mammiferes et celui du boeuf 
pour l’hoinme; eile nous indique que le plus grand danger reside 
dans le streptocoque equi pour le chevai, la pasteurella aviaire pour 
la poule, le bacillus chauvei pour le boeuf, le bacille aviaire pour 
les oiseaux, le bacille bovin pour le boeuf, le bacille humain pour 
l’homme. 

La prophylaxie generale doit forcement etre influencee par ces 
considerations essentielleraent pratiques et dans la fabrication des 
vaccins et des serums on doit en tenir le plus grand compte si Ton 
vcut obtenir le maximum d’effet utile. 

Donc, les streptocoques, comme tous los autres microbes, peuvent 
presenter en dehors de caracteres communs qui les resserablent dans 
un meme groupe, un certain nombre de proprietes secondaires assez 
fixes cependant pour crßer des variötes ou types: la qualite pathogene 
est peut-etrc parmi ces caracteres secondaires, le plus important de tous. 

Et en effet, pratiquement, que diflferentie le mieux le streptocoque 
pyogene du streptocoque de Schütz, si non sa qualite pathogene 
vis-ä-vis de la souris, du lapin et surtout du chevai? Que diflferentie 
le mieux lös pasteurella bovis et aviaire par exemple? encore leur 
qualite pathogene differente pour le boeuf et les oiseaux. De meme, 
c’est la qualite pathogene vis-a-vis du boeuf qui separe incontestable- 
ment le charbon symptomatique de la septicemie et c’est encore le 
bovide le meilleur reactif par la voie sous-cutanee pour rendre tan- 
gible la diff&rence pathogene des types tuberculeux humains et bovins. 

En confondant comme on l’a fait tres generalement la qualite 
pathogene et la virulence on n’a pas pu dans la Classification tirer 
partie de la prcraiere car si celle-ci est assez fixe, la seconde est au 
contraire, essentiellement variables aussi bien dans sa forme que dans 
son intensite. 

II n’est pas jusqu’aux caracteres morphologiques et eulturaux qui 
n’aient subi une depreciation prejudiciable sous l’influence de variations 
obtenues pour un meme microbe observe dans des conditions variables. 

Quoi de plus suggestif que cet admirable travail de Charrin sur 



288 UGN1ERES, Quelques notes a propos du Streptocoque de Schütz. 

le pyocyaneus qu’il montre capable de subir des variations enormes 
de formes, d’aspect et de qualite des cultures suivant les milieux 
employes. 

Ces constatations ont jete un trouble Enorme en bactöriologie et 
les pr6ceptes si purs et si sure de son debut ont et6 fausses: des 
lors on n’a plus attach6 qu’une importance tout-a-fait secondaire ä 
la forme et meme ä l’aspect et aux qualites des cultures, non plus 
qu’ä l’action pathogene. 

Je ne suis pas du tout de cet avis: une pratique de 20 ans 
m’a au contraire, prouvö et de plus en plus, qu’en se playant dans des 
conditions identiques, les raicrobes presentent des caracteres morpho- 
logiques, culturaux, biologiques et pathogenes d’une fixite süffisante 
pour les reconnaitre toujoure, les identifier ou les separer. 

Et voilä pourquoi j’ai pu ecrire ä propos de la Classification des 
raicrobes: 

Les raicrobes appartenant ä la meme espece presentent toujoure 
un certain nombre de caracteres fixes et coramuns dits specifiques 
qui servent a les placer dans le meme groupe, et un faisceau de pro- 
pri6t6s morphologiques ou biologiques distinctes, qui eräent des Varietes. 

Si on tient corapte de toutes les observations que je viens de 
faire et qu’on les applique a l’ötude du streptocoque equi, on acquiert 
immediatement la conviction que ce streptocoque est le prototype, 
d’une vari^te tres nette et tres fixe de streptocoques. On s’apercoit 
de la sorte que son r<Me dans la nature est beaucoup plus important 
qu’on ne l’avait pense; on le retrouve non seuleraent et avec une 
extreme frequence chez les equides, mais aussi chez d’autres especes 
animales et aussi chez l’homme notamment dans la scarlatine. 

En le decouvrant Schütz n’a donc pas seulement fait connaitre 
la cause de la gourme, il a permis aussi de mettre en relief un type 
nouveau de streptocoque dont l’importance pathologique est tres grande 
dans les deux medecines. 

Le travail du Prof. Dr. Schütz sur le streptocoque de 
la gourme est un des fleurons de sa belle couronne scienti- 
fique ä laquelle nous rendons un bien sincere et bien le¬ 
gitime hommage d’admiration. 



XV. 

Aus dem hygienischen Institute der Universität Greifswald. 

lieber eine im Jahre 1904 in Klein-Kiesow bei Greifswald 
beobachtete Gänseseuche. 

Von 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. F. Loeffler. 

(Hierzu Tafel VIII.) 

Im Juli 1904 brach unter den Gänsen in Klein-Kiesow bei 
Greifswald eine mörderische Seuche aus, um deren nähere Unter¬ 
suchung der damalige Kreistierarzt Herr Braß das hygienische In¬ 
stitut ersuchte. Nach den Ermittelungen des Herrn Braß waren in 
Klein-Kiesow 346 Gänse vorhanden, die 14 Besitzern gehörten, 
43 waren alt und 313 jung. Zuerst starben ganz junge, dann auch 
ältere Tiere. Von den 346 Gänsen sind erkrankt 191 und zwar 
5 alte und 186 junge, und verendet 1 alte und 159 junge. Es sind 
mithin 14pCt. der alten und 60pCt. der jungen Gänse erkrankt. Von 
den Gantern ist keiner erkrankt. Die Mortalität der erkrankten Alten 
betrug 20pCt., die der erkrankten Jungen 85,5 pCt. Enten, Hühner 
und Tauben sind nicht erkrankt. Ebensowenig sind Erkrankungen 
unter den Sperlingen, Krähen und anderen Vögeln beobachtet worden. 

Am 7. Juli 1904 wurde dem hygienischen Institute von Herrn 
Braß eine frisch gestorbene und eine schwerkranke Gans übermittelt. 
Die erkrankte Gans starb am 8. Juli. Die Sektion der am 7. Juli 
tot überbrachten Gans ergab folgenden Befund: 

Junges Tier. Hautgefäße stark gefüllt. In der Bauchhöhle eine mäßige Menge 
eines zellenreichen Exsudates. Leichter fibrinöser Belag auf der Konvexität der 
Leber. Im Herzbeutel ebenfalls etwas Exsudat. Die Gefäße des Perikards stark 
erweitert. Im übrigen nichts Besonderes. In den mit alkalischem Methylenblau 
bzw. verdünntem Karbolfuchsin gefärbten Ausstrichen des Peritoneal- und Peri- 
kardial-Exsudates fanden sich massenhaft kleinste, gerade, bisweilen 
leicht gekrümmte Stäbchen, die an Influenzabazillen erinnerten. 

Archiv f. wissenscb. u. prakt. Tierlieilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 



290 


LOEFFLER. 


Gleiche Stäbchen fanden sioh auch im Herzblut. Der Gramschen Färbung gegen¬ 
über verhielten sie sich negativ. Im hängenden Tropfen nntersucht erschienen sie 
unbeweglich. 

Der Befund bei der zweiten, am 8. Juli früh tot aufgefundenen 
Gans war folgender: 

Starkes trübes Exsudat in der Bauchhöhle. Fibrinöser Belag auf der Leber 
und auf den Därmen. Exsudat in der Brusthöhle und im Herzbeutel. Frische 
fibrinöse Auflagerungen auf dem Herzen und auf den Wandungen des Herzbeutels. 
In gefärbten Ausstrichen der Exsudatmassen fanden sich wiederum sehr zahl¬ 
reiche Stäbchen von derselben Form wie bei der ersten Gans. 
Vereinzelte Stäbchen ließen sich auch im Ausstrich des Blutes aus einer Hautvene 
nachweisen. Die Stäbchen erwiesen sich Gram-negativ und bei der Untersuchung 
im hängenden Tropfen ebenso wie die Stäbchen der ersten Gans unbeweglich. 

Nach diesen bei den beiden Gänsen übereinstimmenden 
Befunden lag unzweifelhaft eine bakterielle Infektions¬ 
krankheit der Gänse vor. Um Geflügel-Cholera handelte es sich 
bestimmt nicht, da die Stäbchen durchaus verschieden waren von den 
Erregern dieser Krankheit. Das Studium der Literatur ergab keinen 
bestimmten Anhaltspunkt. Fiorentini hatte bei Schwänen und 
ägyptischen Gänsen eine Septikäraie beschrieben, die durch ein 
bewegliches, koliartiges Stäbchen bedingt war. Diese Krankheit konnte 
nicht vorliegen. In der „Deutschen tierärztlichen Wochenschrift“ vom 
Jahre 1903 fand ich ein kurzes Referat über eine von Mc Fadyean 
beobachtete Gänse-Septikämie, bei der kleine Stäbchen, die dem 
Rotlaufbazillus an Gestalt und Größe glichen, als Erreger gefunden 
waren. Vielleicht konnte es sich bei der Epidemie in Klein-Kiesow 
um die gleichen Erreger handeln. Jedenfalls erschien es von großem 
Interesse, die gefundenen Stäbchen einer näheren Untersuchung zu 
unterziehen. 

Zur Ermittelung der biologischen Eigenschaften der Stäbchen 
wurde von mir in Gemeinschaft mit meinem damaligen ersten Assi¬ 
stenten, Herrn Dr. Gehrke, eine Reihe von Uebertragungs- und 
Kulturvcrsuchen angestellt. 

Zunächst war es von Wichtigkeit, das Verhalten der Gänse-Stäb- 
chcn gegenüber möglichst zahlreichen Tierspezies klar zu stellen, um 
womöglich ein für die Fortzüchtung der Stäbchen im Tierkörper ge¬ 
eignetes und bequemes Versuchstier zu finden. Es wurden deshalb 
am 7. Juli von einer Aufschwemmung des Herzblutes der ersten Gans 
in physiologischer Kochsalzlösung gespritzt subkutan: 2 Hühner, 



lieber eine in Klein-Kiesnw bei Greifswald beobachtete Gänseseuche. 291 


4 Kaninchen, 2 Meerschweinchen, 1 weiße Maus, 1 graue 
Hausmaus, 1 Feldmaus und 2 Ratten, ferner in den Brustmuskel 
1 ausgewachsenes Huhn, 1 Küken, 2 Tauben und 1 Ente. Die 
Menge der injizierten Flüssigkeit betrug 0,5 ccm bei den kleineren, 

1 ccm bei den größeren Tieren. Alle diese Tiere blieben gesund 
bis auf die Ente, die am 10. Juli Mittags verendete. Der 
Befund war ein ganz charakteristischer. Ebenso wie bei den Gänsen 
fand sich etwas trübes Exsudat in der Bauchhöhle; ferner waren vor¬ 
handen fibrinöse Auflagerungen auf der Leber und außerdem eine 
frische Perikarditis, ein sog. Cor villosura. In den Exsudaten waren 
die Stäbchen in großen Mengen vorhanden; im Herzblut und im peri¬ 
pherischen Blute fanden sie sich ebenfalls, aber in geringerer Zahl. 

Von einer Kultur aus dem Herzblute der Ente wurden am 11. Juli 

2 ganz junge Enten (No. 2 und 3), die noch mit Flaum bedeckt waren, 
in den Brustmuskel geimpft, ebenso 1 Sperling. 

Ente No. 2 wurde am 13. Juli bereits tot gefunden. Die Impf¬ 
stelle war nicht auffällig verändert. Dagegen aber fand sich wiederum 
eine fibrinöse Peritonitis und eine starke fibrinöse Perikarditis mit 
massenhaften Stäbchen in dem Exsudat. Auch das Blut enthielt 
zahlreiche Stäbchen. 

Ente No. 3 war am 13. Juli bereits sehr krank, am 14. taumelte 
das Tier bei den Versuchen, sich zu erheben, und fiel immer um. Am 
15. Juli früh wurde die Ente tot gefunden. Der Befund war wieder 
der gleiche: starke fibrinöse Peritonitis und Perikarditis mit massen¬ 
haften Stäbchen, im Blut relativ wenig Stäbchen. Von der Impfstelle 
ausgehend ein über die ganze Brustseite ausgebreitetes gelbes Exsudat 
mit mäßig zahlreichen Stäbchen. 

Der Sperling starb stark abgemagert am 18. Juli mit negativem 
pathologischen Befund. Stäbchen konnten in ihm weder mikroskopisch 
noch kulturell nachgewiesen werden. Er ist jedenfalls nicht einer 
Infektion erlegen. 

Mit einer Kultur aus dem Herzblute von Ente No. 3 wurde eine 
alte Ente No. 4 geimpft. Dieselbe erkrankte indessen nicht. 

Von einer Kultur aus dem Blute der Gans No. 1 und von einer 
Kultur aus dem Herzblute von Ente No. 3 wurde am 21. Juli je eine 
junge Ente, No. 5 und 6, geimpft. Beide Tiere erkrankten nicht. 

Da die Uebertragung der 'Stäbchen auf Enten Schwierigkeiten 
machte, und da andere Versuchstiere, wie es schien, nicht für sie 

19* 



292 LOEFFLER, 

empfänglich waren, wurde die Uebcrtragung auf junge Gänse vor- 
genoramen. 

Am 25. Juli wurde eine junge Gans, No. 3, von 5000 g Ge¬ 
wicht, mit einer Kultur aus dem Blute von Gans No. 1 subkutan 
rechts an der Brust geimpft. Am 26. Juli nachmittags war das Tier 
bereits deutlich krank. Es vermochte nicht mehr zu stehen und ließ 
sich ohne weiteres anfassen. Abends gegen 9 Uhr wurde es tot ge¬ 
funden in zusammengekauerter Stellung. Sektion am 27. Juli: An 
der Injektionsstelle das Gewebe stark ödematös, die Muskelbündel 
aufgelockert und von Blutungen durchsetzt. In der Bauchhöhle keine 
Veränderungen. Im Herzbeutel eine geringe Menge klarer Flüssigkeit. 
Auf dem Perikard in Gruppen beieinanderliegende Blutungen. An 
der Impfstelle massenhafte Stäbchen. Ina Herzblute mäßig zahl¬ 
reiche Stäbchen. 

Um zu sehen, ob schon eine relativ kleine Menge der Stäbchen 
zur Infektion einer Gans genügen würde, wurde eine Platinöse des 
Herzblutes von Gans No. 3 in den rechten Brustmuskel einer jungen, 
der gleichen Zucht wie Gans No. 3 entstammenden Gans, No. 4, 
geimpft. Die kleine Wunde wurde mit Kollodium verklebt. Das 
Tier blieb gesund. 

Am 19. August erhielten Gans No. 4 und zugleich die beiden 
am 21. Juli vergeblich geimpften Enten No. 5 und No. 6 je eine 
viertel Kultur aus der Gans No. 3 in die Brustmuskulatur eingespritzt. 

Die Gans No. 4 wurde am 25. August vormittags zwischen 9 
und 10 Uhr tot aufgefunden. Ihr Gewicht war von 4100 g auf 
3200 g zurückgegangen, das Tier war stark abgemagert. An der 
Impfstelle nichts Besonderes. Im Herzbeutel etwas klare, gelbliche 
Flüssigkeit, ln der Muskulatur des Herzens, besonders an der Spitze 
zahlreiche gelbliche, strichartige Vcrfettungsherdchen. Am Rande der 
Leber, da, wo sie dem Magen auflag, markierte sich eine Partie 
durch eine auffallende braune Färbung. Auf dem Durchschnitt erwies 
sich diese Partie als trocken nekrotisch. In dem Blute und in der 
Perikardialflüssigkeit konnten mikroskopisch Stäbchen nicht nachge¬ 
wiesen werden. Wohl aber gelang deren Nachweis aus dem Blute 
sowohl wie aus der Perikardialflüssigkeit wie auch aus der nekrotischen 
Leberpartie mit Hilfe der Kultur. 

Die Ente No. 5 starb am 21. August, 2 Tage nach der In¬ 
fektion, stark abgemagert. Es fand sich ein fibrinöses Exsudat in 
der Bauchhöhle, das besonders die Leber bedeckte. Auf dem Perikard 



Ueber eine in Klein-Kiesow bei Greifswald beobachtete Gänseseuche. 293 


lag eine ganz frische, weiche fibrinöse Haut. In den Exsudaten sehr 
zahlreiche Stäbchen. 

Die Ente No. 6 zeigte nach der Impfung eigentümliche Gleich¬ 
gewichtsstörungen. Das Tier taumelte, hielt den Kopf schief und 
blieb in einer Ecke sitzen. Es starb hochgradig abgemagert am 
6. Dezember. Bei der Sektion waren Veränderungen an den Organen 
nicht zu konstatieren. Weder durch Färbung noch durch Kultur 
konnten Stäbchen nachgewiesen werden. 

Am 6. August wurde noch ein Uebertragungsversuch auf eine 
Gans vorgenommen. Eine junge Gans, No. 5, von 4120 g Gewicht 
erhielt eine halbe Kultur, von der Gans No. 3 herrührend, rechts in 
die Brust. Am 7. August war das Tier bereits deutlich krank. Es 
hatte seine Munterkeit verloren und ließ sich ruhig anfassen und zur 
Seite schieben. Am 8. August saß es traurig da und taumelte. 
Gegen 11 Uhr verendete die Gans. Die Sektion ergab folgenden 
Befund: Die ganze rechte Brustseite ist stark geschwollen. Beim 
Durchschnitt durch die Muskulatur sieht man, daß dieselbe bis auf 
den Knochen gelb verfärbt ist. Die Schwellung erstreckt sich bis 
auf den Bauch. Hier sind die Gewebe sulzig, gelblich. Im Perikardial¬ 
sack findet sich etwas klare seröse Flüssigkeit. In der Bauchhöhle 
keine auffallenden Veränderungen. In Ausstrichen von der Impfstelle 
der Perikardialflüssigkeit und des Herzblutes finden sich massenhafte 
Stäbchen. Aussaaten aus Perikardial- und Peritonealilüssigkeit, 
Leber, Herzblut und Lungen lieferten reichliche und üppige Kulturen. 

Da junge Gänse nicht zu beschaffen waren, mußte von weiteren 
Uebertragungsversuchen Abstand genommen werden. Die angestellten 
Versuche beweisen zur Genüge, daß die in den beiden aus der 
Epidemie stammenden Gänsen gefundenen Stäbchen Organismen waren, 
die für Gänse und Enten spezifisch pathogene Eigenschaften besaßen, 
während sie für andere Tierspezies nicht pathogen waren. Sie mußten 
daher als Erreger der Gänseseuche angesehen werden. 

Sehr interessant war das kulturelle Verhalten der Stäbchen. 
Sie wuchsen nicht in der gebräuchlichen Fleischwasserpeptongelatine, 
in Hühnerblutgelatine und in Hammelserumgelatine. Sehr kümmerlich 
gediehen sie auf schwach alkalischem Fleischwasserpepton-Agar. Da¬ 
gegen aber zeigte es sich, daß das von mir für die Kultur der 
Diphtherie-Bazillen angegebene Pepton-Zuckerbouillon-Serum ein guter 
Nährboden für sie war. Die große Aehnlichkeit der Stäbchen mit 
den von Pfeiffer bei der menschlichen Influenza und mit den von 



294 


LOEFFLER, 

Koch bei der katarrhalischen ägyptischen Bindehautentzündung ge¬ 
fundenen kleinen Stäbchen legte den Gedanken nahe, daß sie auch 
wie jene Stäbchen auf hämoglobinhaltigen Nährsubstraten bei Brut¬ 
temperatur gut gedeihen würden. Und in der Tat es zeigte sich, daß 
sie ganz ausgezeichnet wuchsen auf Hammelblut- undHühnerblut-Fleisch- 
wasserpepton-Agar. Bei den Untersuchungen, die seiner Zeit von Sick 
in meinem Institut über Kultur der Influenza-Bazillen angestellt waren, 
hatte sich ergeben, daß der optimale Nährboden für diese Bazillen er¬ 
zielt wurde, wenn frisches Blut mit der vierfachen Menge destillierten 
Wassers lackfarben gemacht und davon 2 ccm mit 8 ccm gewöhnlichen 
Fleischwasserpeptonagars vermischt wurden. Auf einem in dieser 
Weise mit Hühnerblut und auch mit Hammelblut hergestellten Agar 
wuchsen die Gänse-Stäbchen als kleine, rundliche, feuchtglänzende, 
tautropfenähnliche, später grau werdende Kolonien, die da, wo sie 
isoliert lagen, bis zu 1 mm groß wurden. Besondere Zeichnungen 
boten die Kolonien nicht dar. Sie enthielten kurze, bisweilen etwas 
gebogene Stäbchen, die ebenso wie die Influenza-Bazillen hie und da 
lange fädige Verbände bildeten. Die von Herrn Dr. Stempell von 
Präparaten, die mit verdünntem Karbolfuchsin intensiv gefärbt waren, 
bei lOOOfacher und 1600facher Vergrößerung angefertigten Photo¬ 
gramme (Tafel VIII) geben ein getreues Bild der Stäbchen im Blute der 
Gänse und in den Reinkulturen. 

Die Lebensfähigkeit der Stäbchen erhielt sich auf den Blutnähr¬ 
böden sehr lange. Von einer Kultur aus dem Herzblut von Gans 
Nr. 2 vom 8. Juli gelang die Uebertragung auf frisches Nährsubstrat 
noch am 8. November, also nach 4 Monaten. Eine Kultur aus der 
Lunge von Gans Nr. 3 am 22. Juli erwies sich dagegen bei der 
Ueberimpfung am 8. November als abgestorben. Zwei Kulturen aus 
dem Perikard und aus dem Peritoneum von Gans Nr. 5 vom 8. August 
gingen am 8. November, also nach 3 Monaten, glatt an. Kulturen 
auf Hammelblutagar von Gans Nr. 2 und von Gans Nr. 4, die seit 
dem 1. September bei Zimmertemperatur gestanden hatten, lieferten 
ebenfalls am 8. November üppige Kulturrasen. 

Als die vorstehend mitgeteilten Untersuchungen bereits vollständig 
abgeschlossen waren, erschien gegen Ende des Jahres 1904 im 5. Hefte 
des 37. Bandes des Zentralblattes für Bakteriologie, Parasitenkunde 
und Infektionskrankheiten, Originale, eine Arbeit von Riemer: „Kurze 
Mitteilung über eine bei Gänsen beobachtete exsudative Septikämie 
und deren Erreger.“ Im Mai 1904 in der Nähe von Doberan und 



Ueber eine in Klein-Kiesow bei Greifswald beobachtete Gänseseuche. 295 

im September 1904 in der Nähe von Parchim war epidemisches 
Sterben unter den Gänsen aufgetreten. Die Epidemie in Klein- 
Kiesow fällt somit zeitlich zwischen die beiden mecklenburgischen 
Epidemien. Vermutlich sind sie Teilglieder eines und desselben 
Seuchenganges. Vorzugsweise sind in allen drei Epidemien die jungen 
Tiere erkrankt und gestorben. Die pathologisch-anatomischen Ver¬ 
änderungen, Perikarditis und Peritonitis, besonders auf der oberen 
Fläche der Leber, sind die gleichen gewesen. Die Beschreibung der 
Erreger, die Riemer gibt, stimmt genau mit den von uns erhobenen 
Befunden überein, was die Größe, Mangel an Beweglichkeit und Gram¬ 
negatives Verhalten anlangt. Kulturell verhielten sich die Riemer- 
schen Stäbchen ähnlich wie die unsrigen. Sie wuchsen am besten 
auf Blutserum, namentlich dem von mir angegebenen, nur schwach 
auf gewöhnlichem Agar. Abweichend ist nur, dass die Riem ersehen 
Stäbchen, wenn auch kümmerlich, auf Nährgelatine wuchsen, unter 
langsamer Verflüssigung der letzteren. Vielleicht haben wir das 
kümmerliche Wachsen in Nährgelatinen übersehen, weil unser Inter¬ 
esse ganz von dem üppigen Wachstum auf den häraoglobinhaltigen 
Nährböden in Anspruch genommen war, die Riemer nicht versucht 
hat. Auch in ihrem pathogenen Verhalten waren die Riem ersehen 
Stäbchen den unserigen gleich. Sie waren pathogen für Gänse und 
Enten, nicht pathogen für Hühner und Tauben und die kleineren 
Versuchstiere. 

Ganz neuerdings ist von Frosch und Bier bäum eine Epidemie 
studiert, die im Mai 1908 in dem Gänsebestand auf einem Ritter¬ 
gute im Kreise Franzburg, unfern von Greifswald ausgebrochen war. 
Der Bericht ist im 4. Heft des 52. Bandes des Zentralblattes für 
Bakteriologie, Originale, am 1. Dezember 1909 erschienen. Auch 
diese Epidemie hat dasselbe Bild gezeigt wie die im Jahre 1904 von 
Riemer in Mecklenburg und von uns im Kreise Greifswald beob¬ 
achteten Epidemien. Die pathologisch-anatomischen Veränderungen 
bei den verendeten Tieren, das morphologische, tinktorielle, kulturelle 
und pathogene Verhalten der gefundenen Stäbchen stimmt genau mit 
den von uns erhobenen Befunden überein. Interessant ist, daß 
Frosch und Bierbaum ebenso wie wir durch das influenzabazillen- 
äholiche Aussehen der Stäbchen veranlaßt worden sind, hämoglobin¬ 
haltige Nährsubstrate für die Kultur zu verwenden, und daß sie diese 
als ausgezeichnet brauchbar gefunden haben. Wenn die genannten 
Autoren, was das pathogene Verhalten ihrer Stäbchen anlangt, Enten 



296 


T.OEPPLER, 


damit nicht za infizieren vermocht haben, so ist der Grund, wie sie 
auch selbst annehmen, wohl darin zu suchen, daß ihnen, jugendliche 
Tiere, die allein sich uns als empfänglich erwiesen haben, nicht zur 
Verfügung gestanden hatten. 

Es kann nach allen diesen Beobachtungen keinem Zweifel unter¬ 
liegen, daß in Pommern und Mecklenburg eine Gänseseuche eigener 
Art vorkommt, die durch ein den Influenzabazillen ähnliches Stäbchen 
bedingt ist. Man könnte sie, um damit zugleich die Zugehörigkeit 
ihres Erregers zur Gruppe der Influenzabazillen zu kennzeichnen, mit 
dem Namen Gänse-Influenza bezeichnen. Für die Differentialdia¬ 
gnose wäre es von größtem Interesse, zu ermitteln, wie sich der 
Pfeiffersche Influenzabazillus des Menschen bei der Uebertragung 
auf Gänse und Enten verhält. Diesbezügliche Versuche sind, soviel 
mir bekannt, bisher nicht angestellt worden. Mit den in die gleiche 
Gruppe gehörenden feinen Stäbchen der egyptischcn katarrhalischen 
Konjunktivitis hat Reinhard Hoffmann im Jahre 1900 in meinem 
Institute eine Uebertragung auf eine Gans vorgenomraen. Bei einer 
Anzahl von russischen Schnittern, die auf einem Gute in der Nähe 
von Greifswald an typischer egyptischer katarrhalischer Konjunk¬ 
tivitis erkrankt waren, war es ihm gelungen (s. Zeitschr. f. Hygiene, 
Bd. 33, S. 109) auf einem Nährboden, bestehend aus schwach alka¬ 
lischem Glyzerin-Peptonagar zu zwei Teilen und aus einem Teil 
menschlicher Aszitesflüssigkeit, der steril aufgefangenes Hammel- oder 
Menschenblut im Verhältnis von 1: 2 beigemischt war, Reinkulturen 
der Stäbchen zu erzielen. Eine solche Reinkultur, die bei Menschen 
die typische Konjunktivitis erzeugte, hat er unter anderen auch einer 
Gans in den Konjunktivalsack gestrichen — aber ohne Erfolg. Ob 
durch eine anderweitige Beibringung der Bazillen eine Erkrankung von 
Gänsen herbeigeführt werden könnte, wäre noch zu ermitteln. Jeden¬ 
falls muß das Verhalten der zahlreichen bei Menschen und Tieren ge¬ 
fundenen hämoglobinophilen, morphologisch einander sehr ähnlichen 
Mikroorganismen noch genauer untersucht werden. 

lieber die Art und Weise, wie die Infektion der Gänse 
bei der Gänse-Influenza erfolgt, haben die bisherigen Unter¬ 
suchungen einen Aufschluß noch nicht gegeben. Es liegt dies im 
wesentlichen an der Schwierigkeit der Beschaffung der geeigneten 
Versuchstiere, junger Gänse. Die Befunde von entzündlichen Erschei¬ 
nungen im Digestionstraktus deuten auf eine Infektion per os, die 
Befunde von Bugge (Zeitschr. f. Infektionskrankh. d. Haustiere Bd. 3, 



Ueber eine in Klein-Kiesow bei Greifswald beobachtete Gänseseuche. 297 


Heft 5), wenn der von ihm bei einer ansteckenden Luftsackentzündung 
der Gänse in Schleswig-Holstein gefundene Erreger identisch ist mit 
dem Bacillus septicaemiae anserum exsudativae Riemer, auf eine In¬ 
fektion durch die Luftwege. Vielleicht sind beide Infektionswege 
gangbar wie bei der menschlichen Influenza. 

Von wesentlicher Bedeutung für die epidemische Verbreitung eines 
Erregers ist ohne Zweifel seine Virulenz. In allen Gänse-Epidemien, 
die durch den Bazillus Riemer bedingt sind, ist beobachtet, daß 
zuerst die ganz jungen Tiere und dann schließlich auch die älteren 
erkrankt sind. Man wird durch diese Beobachtung erinnert an die 
Versuche Pasteurs, die Virulenz der Milzbrandbazillen künstlich zu 
erhöhen. Pasteur war es, wie bekannt, gelungen, virulente Milz¬ 
brandbazillen durch Züchten bei 42—43° so in ihrer Virulenz abzu¬ 
schwächen, daß sie Meerschweinchen nicht mehr töteten. Uebertrug 
er nun aber diesen Stamm auf ein neugeborenes Meerschweinchen, 
von diesem auf ein 1 Tag altes, dann weiter auf ein 2 Tage altes, 
auf ein 3 Tage altes und so fort, so gelang es ihm, den Stamm 
wieder so virulent zu machen, daß er auch ausgewachsene Meer¬ 
schweinchen tötete. Bei der Entstehung der Gänse-Epidemien hat 
man den Eindruck, als ob der Erreger zunächst den Körper ganz 
junger, wenig widerstandsfähiger Individuen passiert haben und dadurch 
zu einer erhöhten Virulenz herangezüchtet sein muß, damit er infektions¬ 
tüchtig wird auch für ältere Tiere. 

Die Frage, ob die G änse-Influenza in Pommern ein¬ 
heimisch ist, oder ob sie, wie so manche menschlichen Infektions¬ 
krankheiten durch russische Schnitter, so durch russische Gänse 
eingeschleppt ist, hat sich nicht entscheiden lassen. In Klein- 
Kiesow konnte nur ermittelt werden, daß drei Jahre vorher, im Jahre 
1901, 20—30 russische Gänse als Stoppelgänse eingeführt worden 
waren, die zum Teil als Zuchtgänse weitere Verwendung gefunden 
hatten. Zwei Jahre vorher, 1902, war dann ein großes Sterben unter 
den jungen Gänsen beobachtet worden, und auch im Vorjahre, 1903 
waren einige, aber nur wenige junge Gänse gestorben. Ob der Bazillus 
durch die ersten russischen Gänse mitgebracht und an dem Sterben 
der jungen Gänse in den Jahren 1902 und 1903 beteiligt gewesen 
ist, läßt sich natürlich nicht mehr sagen. Man müßte dann schon 
annehmen, daß unter den eingeführten russischen Gänsen eine Bazillen¬ 
trägerin gewesen wäre. Man würde sich damit aber ganz in das 
Gebiet der Hypothesen begeben. Notwendig dürfte es jedenfalls sein, 



298 LOEFFLER, Ueber eine in Klein-Kiesow beobachtete Gänseseuche. 

bei dem Vorkommen von Erkrankungen und von Todesfällen unter 
den zur Mästung importierten russischen Gänsen ein besonderes Augen¬ 
merk zu richten auf den Bacillus septicaemiae anserum exsudativac 
Riemer. 

Was nun endlich die Bekämpfung der Seuche anlangt, so 
kann von Maßnahmen, die auf die Biologie des Erregers basiert wären, 
noch nicht die Rede sein. Serologische Untersuchungen und Immuni¬ 
sierungsversuche fehlen bisher noch vollständig. In Klein-Kiesow hat 
sich für die Bekämpfung der Seuche ein Verfahren bewährt, das ich 
in meinem Institute bei der Bekämpfung der mehrfach unter meinen 
Vorrats-Mäusen beobachteten Epidemieen von Mäusetyphus mit bestem 
Erfolge zur Anwendung gebracht habe. Sobald in einem Mäusebestande 
ein Fall von Mäusetyphus festgestellt war, wurden sofort die Mäuse, 
jede für sich oder in kleinen Gruppen von 2 und 3 Tieren in besonderen 
Gläsern isoliert. Die bereits infizierten Tiere starben dann, aber die 
noch nicht infizierten blieben vor der Infektion bewahrt. In analoger 
Weise wurde von Herrn Kreistierarzt Braß in Klein-Kiesow ver¬ 
fahren. Das gemeinsame Hüten der Gänse wurde inhibiert, und die 
verschiedenen Besitzer, 14, wurden angewiesen, womöglich auch ihre 
Gänse von einander zu trennen und isoliert zu halten in sorgfältig 
gereinigten und desinfizierten Behältern. Mit der Durchführung 
dieser strengen Isolierung erlosch die Epidemie. 

Es dürfte daher nach der Feststellung des Bazillus Riemer bei 
Todesfällen in Gänseherden als erste und wichtigste Bekärapfungs- 
maßnahme die Stallsperre der Gänse und die Isolierung der 
einzelnen Tiere oder, falls dies nicht angängig, möglichst kleiner 
Gruppen derselben anzuordnen sein. 



XVI. 


Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in 

den Ställen. 

Von 

Oberstabsveterinär Lndewig, Altona. 

Zu den vornehmsten Zielen der Gesundheitspflege der Haustiere 
gehört es, diesen Lebensbedingungen zu bieten, die nicht nur deren 
Wohlbefinden, sondern auch höchste Leistungsfähigkeit ermöglichen. 
Die Mittel zur Erreichung dieser Ziele sind so mannigfaltig, daß es 
eines besonderen Studiums bedarf, um diese unter den verschieden¬ 
artigen Verhältnissen richtig an wenden und bei den wechselnden 
Leistungen der Haustiere zweckmäßig benutzen zu können. 

Nicht Zweck dieser Zeilen soll es sein, auf die verschiedenen 
Mittel der Gesundheitspflege, auf spezielle Krankheitsursachen, auf 
Schutz- und .Abwehrvorrichtungen des Tierkörpers, Immunität und 
Disposition, die verschiedenen mechanischen und physikalischen ätio¬ 
logischen Momente der Störungen des Wohlbefindens einzugehen, 
sondern es soll nur ein Umstand gewürdigt werden, welcher die Ver¬ 
sorgung der Haustiere mit Luft betrifft. Insonderheit werden 
hierbei die Verhältnisse berücksichtigt werden, welche auf unser Pferd 
zutreffen. ' 

Es ist ja allgemein bekannt, daß gerade bei denjenigen Pferden, 
die am besten gehalten werden wie die Kenn- und Soldatenpferde, 
häufig Krankheiten auftreten, die ihre Gebrauchsfähigkeit in erheb¬ 
lichem Grade für längere oder kurze Zeit aufheben oder doch sehr 
beeinträchtigen. Ich erinnere nur an den seuchenartigen Husten, der 
nicht selten in den Rennställen beobachtet werden kann, wo er 
mit Recht so gefürchtet wird, weil er die Erfolge langer und schwerer 
Arbeit raubt und die Zuchterfolge in hohem Grade nachteilig be¬ 
einflußt. 

Wer kennt nicht die schweren dienstlichen Nachteile, die der 
eben erwähnte Husten auch beim Soldatenpferde herbeiführt, dessen 
vorzügliche Pflege und Haltung von Niemand bezweifelt wird. Und 
doch spielt hierbei die Luftversorgung oder richtiger die Lufterneue- 



300 


LUDEWIG, 


rung in den Ställen eine wichtige, vielleicht die wichtigste Rolle. Und 
zwar sowohl bezüglich der Entstehung als auch der Bekämpfung dieses 
seuchenartigen Katarrhs, der ja bekanntlich keine Todesfälle bedingt, 
sondern wegen der Störung in der Benutzung, beim Militär wegen der 
vorübergehenden Uebungsunfähigkeit der betreffenden Truppe so große 
Nachteile mit sich bringt. 

Nicht viel anders verhält es sich mit der Brustseuche der Pferde. 
Es soll nicht etwa behauptet werden, daß diese Krankheit durch 
mangelhaften Luftwechsel in den Ställen entsteht. Wohl aber unter¬ 
liegt es keinem Zweifel, daß der Ansteckungsstoflf in warmen und 
dunstigen Ställen besonders günstige Bedingungen für seine Ent¬ 
wickelung und Fortzüchtung findet. Wenngleich trotz langer und 
mühsamer Arbeit das Wesen des Erregers dieser Infektionskrankheit 
noch nicht klargestellt ist, so werden doch für ihre Bekämpfung die 
in der Hygiene begründeten Gesichtspunkte geltend bleiben, die bei 
anderen Infektionskrankheiten als richtig erkannt sind. Denn wie bei 
anderen Infektionskrankheiten sehen wir auch bei der Brustseuche 
nach dem Ueberstehen derselben eine Immunität, während andererseits 
gewisse Umstände eine Disposition zu dieser Krankheit hervorrufen. 
Mit diesen beiden Eigenschaften hat sich die Gesundheitspflege bei 
der Brustseuche nicht nur immer beschäftigt, sondern sie bleiben auch 
jetzt noch dauernd Gegenstand der Forschung. Leider haben bisher 
alle Versuche, welche zur Aufgabe hatten, durch Schutzimpfungen 
Immunität herbeizuführen, ein befriedigendes Ergebnis nicht gezeitigt. 
Nun aber scheint es besonders bei der Brustseuche, daß nicht die 
äußeren Krankheitsursachen allein für die Entstehung der Krankheit 
ausschlaggebend sind, denn wir wissen, daß es schwer, vielleicht nur 
vom Zufall abhängig ist, ein der Infektion ausgesetztes Pferd will¬ 
kürlich zur spezifischen Erkrankung zu bringen. Es müssen deshalb 
im Pferdekörper gewisse Schutzvorrichtungen gegeben und vorhanden 
sein. Eine besondere Aufgabe der Gesundheitspflege muß es nun sein, 
die dem Körper innewohnenden Abwehrvorrichtungen in ihrer Wirkung 
zu erhöhen, um die Pferde vor Erkrankungen zu schützen bzw. bei 
eingetretener Gesundheitsstörung einen schnellen und leichten Ablauf 
derselben herbeizuführen. Dies dürfte möglich und erreichbar sein 
durch Steigerung der Widerstandskraft gegen die äußeren Schädlich¬ 
keiten und dadurch bedingter Fähigkeit die etwa in den Körper ein¬ 
gedrungenen Infektionserreger abzutöten bzw. unschädlich zu machen. 
Diese natürlichen Waffen des Körpers können nun ungünstig und 



Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in den Ställen. 301 

günstig beeinflußt werden. Erfahrungsgemäß bilden ungünstige Um¬ 
stände mangelhafte Ernährung, Anstrengung und Erkältung, günstige 
werden geschaffen durch naturgemäße Haltung, Abhärtung und der 
Leistungsfähigkeit entsprechende Arbeit. 

Da wir nun gezwungen sind, die zur Arbeit bestimmten Pferde 
in Ställen zu halten und zu verpflegen, wird der Aufenthalt in den¬ 
selben so gestaltet werden müssen, daß alle nachteiligen Folgen dieser 
nicht naturgemäßen Haltung möglichst abgeschwächt werden. Deshalb 
werden auch in den Ställen alle diejenigen Vorrichtungen getroffen, 
die Technik und Wissenschaft als zweckdienlich befunden haben, 
namentlich wird durch besondere Ventilationsanlagen auf Herbei¬ 
führung und Erhaltung einer frischen, gesunden Stallluft abgezielt, 
ohne daß die Stalltemperatur unter eine gewisse Grenze sinkt. Als 
letztere gilt gewöhnlich in Pferdeställen eine Temperatur von ca. 10° C. 
Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß eine niedrigere Temperatur 
das Wohlbefinden der Pferde weniger beeinträchtigt als eine höhere, 
und daß die Pferde gesundheitlich am meisten leiden, wenn die Stall¬ 
luft mit Wasserdampf nahezu gesättigt ist. 

Man hört nun aber recht oft die Klage — nicht nur von mili¬ 
tärischer, sondern besonders von landwirtschaftlicher Seite —, daß in 
den alten früher benutzten Ställen weniger Seuchen vorgekommen seien, 
als in den neuen, nach allen Regeln der Kunst erbauten Unterkunfts¬ 
räumen. Zweifellos hat diese richtige Beobachtung ihren Grund teil¬ 
weise in den veränderten Verkehrsverhältnissen, dem leichteren und 
häufigeren Wechsel des Viehstandes und dem durch die Eisenbahnver¬ 
bindungen beschleunigten Verkehr und erleichterten Handel, durch den 
von weither Seuchen eingeschleppt werden können. Infolge der vor¬ 
züglichen Seuchen-Vorschriften spielt aber beim Militär dieser Umstand 
eine mehr oder weniger untergeordnete Rolle, obgleich durch Neuankäufe 
und besonders bei Einquartierung eine Aufnahme und Einschleppung von 
Ansteckungsstoffen nicht gerade zu den Seltenheiten gehört. Aber 
diese Momente kamen auch früher schon in Betracht und können nicht 
den Grund für die häufigeren Seuchenausbrüche in der neueren Zeit 
allein abgeben. Dieser liegt vielmehr in den heutigen massiven Ställen 
selbst, die architektonisch sehr schön doch vielfach zweckmäßiger 
hygienischer Einrichtungen entbehren oder solche Fehler im Bau, Bau¬ 
material, Anlage der Mauern und Decken aufweisen, daß gut angelegte 
Vorrichtungen nicht zur Wirkung kommen können. Besonders bezieht 
sich dies auf die Vorkehrungen, die der Lufterneuerung dienen sollen. 



302 


LUDEWIG, 


Diese können vorzüglich in der Konstruktion sein und nicht funk¬ 
tionieren, weil sie willkürlich nicht in Betrieb gesetzt werden, oder weil 
sie für die gegebenen Verhältnisse nach keiner Richtung hin passen. 
Besonders bei den VentilationsVorrichtungen bedingen oft kleine 
Mängel große Störungen und Fehler, weil Konstruktion und Material 
nicht nach einem Schema, sondern nach den gegebenen lokalen Ver¬ 
hältnissen gewählt werden müssen. Naturgemäß ist beim Architekten 
nicht diejenige Kenntnis der Hygiene vorauszusetzen, die beim Tier¬ 
arzt gesucht werden muß, und es werden dann Anlagen geschaffen, 
die sich später als ungenügend erweisen, weil der Rat eines sachver¬ 
ständigen Hygienikers nicht eingeholt oder nicht befolgt wird, ln 
anderen Veröffentlichungen habe ich hierauf bereits hingewiesen und 
der wünschenswerten Zusammenarbeit Erwähnung getan. 

Die ergiebigste und bequemste Weise schlechte Luft aus den 
Ställen weg und gute frische Luft zuzuführen, geschieht durch die 
Fenster, die aber der Regel nach mehr geschlossen gehalten werden 
als der Stallluft und den Stallinsassen gut ist. Wirken nun auch die 
Lüftungseinrichtungen wenig oder gar nicht, so häufen sich übel¬ 
riechende Gase und Feuchtigkeit dermaßen an, daß der Aufenthalt in 
einem solchen Stalle sich zu einer Qual für die Tiere gestaltet. Es 
treten nicht nur Schäden der Gesundheit durch mangelhafte und ver¬ 
hinderte Wärmeabgabe ein, sondern der ganze Körper wird verweich¬ 
licht und anfällig gegen jeden Luftzug und Abkühlung und disponiert 
zu Infektionskrankheiten. Die Ueberlegung, daß das dienende Per¬ 
sonal nur schwer von der Fehlerhaftigkeit der beliebten Warmhaltung 
der Stallungen zu überzeugen ist und der Umstand, daß der Schaden 
die Besitzer und die die Verantwortung tragenden Personen trifft, deren 
Einsicht sich gegen die Folgen der angegebenen Mängel nicht ver¬ 
schließt, waren die Veranlassung, daß ich bereits vor 25 Jahren 
empfahl die üblen Folgen des willkürlichen Schließens der Fenster 
dadurch zu verhüten, daß dieselben durch feste Gazefenster ersetzt 
würden. Die beobachteten ausgezeichneten Erfolge in Rindviehställen 
legten es nahe, auch für Pferdeställe derartige Vorrichtungen dort zu 
empfehlen, wo nur ein mangelhafter Luftwechsel herbeizuführen ist. 
Es fehlte aber an einer wissenschaftlich begründeten Grundlage und 
an Versuchen, die über die Größe des Widerstandes Aufschluß gaben, 
welche der Luftzug durch Gazen verschiedener Maschenweite erfährt. 

Durch die liebenswürdige Unterstützung des Herrn Oberstabsvete¬ 
rinär Troestcr und das dankenswerte Entgegenkommen des Herrn 



Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in den Ställen. 303 


Lautenschläger war es mir ermöglicht, einige Untersuchungen in 
dieser Richtung auszuführen, die zur Klärung dieser Frage beizutragen 
geeignet sind. 

Die einfache Versuchsanordnung war folgende: 

Ein Luftstrom von bestimmter Stärke — 5m— wurde durch 
eine Röhre von 8 qcm lichter Oeffnung geleitet, in welche Gaze von 
verschiedener Maschenweite als einfaches oder doppeltes Sieb einge¬ 
setzt werden konnte. Vor und hinter den Gazeplättchen waren U förmig 
gekrümmte Röhren eingesetzt, die bis zu einer gewissen Höhe mit 
gefärbtem Wasser gefüllt waren und dessen Niveauveränderung in dem 
Schenkel einen Schluß auf die ansaugende bzw. Druckwirkung des 
durchstreichenden Luitstroms zuließ. Die gewählten Gazen waren 
Siebgazen mit vier verschiedenen Drahtstärken und Maschenweiten. 


Sieb Drahtstärke 

1 1 mm 

2 0,66 mm 

3 0,44 mm 

4 0,1 mm 


Maschenweite 
2 mm 
1 mm 
0,88 mm 
0,33 mm 


In der lichten Oeffnung des Rohres von 8 qcm bot 


Sieb 

1 

2 

3 

4 


Maschen 

81 

256 

576 

5184 


Die freie Oeffnung von 8 qcm entspricht einer quadratischen Oeff¬ 
nung von 2,9 cm Seitenläüge. 

Auf diese kommen bei Sieb 1 (weit) ca. 9 Drähte 

r> n 2 n 16 n 

n - 3 ü 24 

« A 4 (eng) „ 72 „ 

Versuch 1. Wurde nun der Luftstrom durch die offene Röhre 
geleitet, so übte derselbe auf das Manometer der Eingangsöffnung der¬ 
artig saugend, daß das Wasser im langen Schenkel um 43 cm in die 
Höhe stieg, an der Ausgangsöffnung aber keine Veränderung eintrat, 
auch die Stromstärke zeigte keine Schwächung der Geschwindigkeit. 

Versuch 2. Sieb 1. Eingangsöffnung, Druckabnahme im Ein- 
gangsmanoroetcr 32 mm, Druckabnahme im Ausgangsmanometer 0 mm. 



304 LUDEWIG, 

Versuch 3. Je 1 Sieb Nr. 1 an Eingangs- und Ausgangsöffnung, 
Druckabnahme im Eingangsmanometer 23 mm, Drucksteigerung im 
Ausgangsmanometer 8 mm. 

Versuch 4. Je 1 Sieb Nr. 2 wie bei Versuch 3, Druckabnahmc 
im Eingangsmanometer 21 mm, Drucksteigerung im Ausgangsmano- 
raeter 10 mm. 

Versuch 5. 1 Sieb Nr. 3 an der Eingangsöffnung, Druckab¬ 

nahme an dem Eingangsmanometer 30 mm, Drucksteigerung an dem 
Ausgangsmanometer 2 mm. 

Versuch 6. 1 Sieb Nr. 3 an der Ausgangsöffnung, Druckab¬ 

nahme an dem Eingangsmanometer 30 mm, Drucksteigerung an dem 
Ausgangsmanometer 8 mm. 

Versuch 7. 1 Sieb Nr. 4 an der Eingangsöffnung, Druckab¬ 

nahme an dem Eingangsraanometcr 21 mm, Drucksteigerung an dem 
Ausgangsmanometer 0 mm. 

Versuch 8. 1 Sieb Nr. 4 an der Ausgangsöffnung, Druckab¬ 

nahme au dem Eingangsmanometer 23 mm, Drucksteigerung an dem 
Ausgangsmanometer 17 mm. 

Versuch 9. Sieb Nr. 3 an der Eingangs- Sieb Nr. 1 an der Aus¬ 
gangsöffnung, Druckabnahme an dem Eingangsmanometer 27 mm, 
Drucksteigerung an dem Ausgangsraanometer 15 mm. 

Versuch 10. Sieb Nr. 1 an der Eingangs- Sieb Nr. 4 an der 
Ausgangsöffnung, Druckabnahme in dem Eingangsmanometer 12 mm, 
Drucksteigerung an dem Ausgangsmanometer 20 mm. 

Versuch 11. Sieb Nr. 4 an der Eingangsöffnung, Sieb Nr. 3 an 
derAusgangsöffnung, Druckabnahme an dem Eingangsmanometer 12 mm, 
Drucksteigerung an dem Ausgangsmanoraeter 12 mm. 

Versuch 12. Sieb Nr. 3 an der Eingangsöffnung, Sieb Nr. 4 an 
derAusgangsöffnung, Druckabnahrae an dem Eingangsmanometer 13 mm, 
Drucksteigerung an dem Ausgangsmanometer 20 mm. 

Bezüglich der Luftgeschwindigkeit wurde in den Versuchen 1 und 
2 keine nennenswerte Abnahme derselben beobachtet, ln den folgenden 
Versuchen verhielt sich die Luftgeschwindigkeit an der Ausgangsöff¬ 
nung in folgender Weise: 


Versuch 3 . . 

. 3 ni 

Versuch 8 . 

. 3 m 

n 4 

. . 3—4 m 

* 9 • • 

. 3 m 

n 3 ■ 

. . 4 m 

„ 10 . . 

. 2—3 

n 6 . , 

. . 4 m 

» 11 • • 

. 2 m 

r? 

t. 

4 

. . 3—4 m 

» 12 • • 

. 1—2 m. 




Die Bedeutung der Gazefenster für den Luftwechsel in den Ställen. 305 

Es ergibt sich also, daß eine Verringerung der Geschwindigkeit 
des Luftstroms (5 in bedeutet Wind, 3 m der gewöhnliche Luftstrom, 
welcher für das Gefühl den Eindruck der Erfrischung macht) nicht 
einfach eine Funktion der Beschränkung der freien Oeffnung ist, denn 
Siebweite 4 läßt absolut die meiste freie Oeffnung, sondern bedingt 
wird durch Reibungswiderstände, die durch die Maschenweite und die 
Drahtstärke gegeben werden. 

Für die Praxis dürfte aus den Versuchen zu folgern sein, daß 
Fenster aus Drahtgaze von etwa 0,6 mm Drahtstärke und 
einer Maschenweite 0,5—1,0 mm besonders dann auch bei 
lebhafter Luftbewegung eine erhebliche Abschwächung der 
Luftgeschwindigkeit und einen ergiebigen Luftwechsel her¬ 
beizuführen vermögen, wenn sie als Doppelfenster kon¬ 
struiert, an der Windseite der Ställe angebracht sind. Eine 
wesentlich größere Maschenweite der Gazefenster aber wird notwendig 
sein (bis zu 5 mm) an den windabgelegenen Seiten um eine genügende 
Saugwirkung zu erzielen, wobei zu berücksichtigen bleibt, daß all¬ 
mählich durch Staub eine Verkleinerung der Maschenweite eintritt. 
Es bedarf wohl kaum des Hinweises, daß eine derartige Anlage nicht 
schematisch ausgeführt werden darf, sondern ein großes Verständnis 
für hygienische Einrichtungen voraussetzt. Auch ist die Kenntnis 
solcher Verhältnisse notwendig, welche je nach Umständen eine kleinere 
oder größere Maschenweite oder die Benutzung anderer VentilationsVor¬ 
richtungen wünschenswert machen oder angezeigt erscheinen lassen. 

Wenn der Einrichtung der Ställe für unsere Haustiere eine noch 
größere, verständnisvollere Aufmerksamkeit geschenkt werden wird, 
und wenn besonders die Anlagen für Lufterneuerung und Luftwechsel 
den gegebenen örtlichen Verhältnissen entsprechend und nicht schema¬ 
tisch vorgesehen werden, sodaß den Tieren zu jeder Tages- und Jahres¬ 
zeit frische, reine Luft zur Verfügung steht, und wenn endlich die 
Sympathie für Wärme auf die Stufe gebracht sein wird, die ihr zu¬ 
kommt, so werden für die Tiere so günstige Lebensbedingungen ge¬ 
boten, als dies überhaupt in Ställen möglich ist. Die Tiere werden 
sich dann gut und kräftig entwickeln und die Resistenzfähigkeit er¬ 
werben, die zur Erhaltung der Gesundheit und zum natürlichen Schutz 
gegen Seuchenkrankheiten notwendig ist. 


Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd.36. Suppl.-Band. 


20 



XVII. 


Aus der Abteilung für Tierhygiene des Kaiser Wilhelm Instituts für 
Landwirtschaft zu Bromberg. 

Untersuchungen Ober die ostpreußische Beschälseuche 
und ihre Beziehungen zur algerischen Dourine. 

Von 

Prof. Dr. H. Mießner, und Dr. K.-B. launisch, 

Vorsteher der Abteilung Wissenschaft!. Hilfsarbeiter an d. Abteilung. 

(Mit 6 Abbildungen im Tcit.) 

Die Beschälseuche hat für Deutschland in neuerer Zeit dadurch 
an Interesse gewonnen, daß sie ira Herbst des Jahres 1908 in den 
östlichen Provinzen erneut durch die Veterinärräte Lorenz (28) und 
Kleinpaul (24) festgestellt worden ist. Nach deren Ermittelungen 
soll, wie Fröhner(19) angibt, im Herbst 1906 eine beschälseuche¬ 
kranke Stute von Rußland nach dem Kreise Lötzen in Ostpreußen 
importiert worden sein. Diese ist dann von einem Privathengst ge¬ 
deckt worden, welcher wieder andere Stuten infizierte und endlich die 
Veranlassung dazu gab, daß auch vier königliche Hengste aus den 
Kreisen Johannisburg und Lyck im März 1908 an Beschälseuche er¬ 
krankten und diese Krankheit auf die in den genannten Bezirken ge¬ 
deckten Stuten übertrugen. 

A. Die ostpreoßische Beschälseuche. 

I. Untersuchungen im Seuchenbezirk. 

Am 26. Oktober 1908 trafen in der Abteilung für Tierhygiene 
des Kaiser Wilhelm Instituts aus Johannisburg zur Untersuchung auf 
Trypanosomen zwei tote Mäuse ein, welche von Veterinärrat Kl ein- 
paul bzw. seinem Assistenten Dr. Neu mann mit Nasendejckt von 
beschälseuchekranken Stuten infiziert worden waren. Außer ver¬ 
schiedenen Kokken ließ sich bei diesen Tieren nichts nachweisen, ins¬ 
besondere konnten Trypanosomen nicht ermittelt werden. 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 


307 


Mit dem Herzblut dieser Mäuse wurde ein Kaninchen, zwei Ratten 
und vier Mäuse infiziert, die sämtlich am Leben blieben. 

Am gleichen Tage traf defibriniertes Blut von vier beschäl¬ 
seuchekranken Pferden der Besitzer Herrmann, Skowronek, 
Kozlowski und Morsa ein. Das Blut wurde sowohl im hängenden 
Tropfen als auch nach Giemsa gefärbt auf die Anwesenheit von Try¬ 
panosomen untersucht, jedoch stets ohne Erfolg. Mit dem Blute eines 
jeden Tieres wurden je ein Kaninchen intraperitoneal, zwei Ratten so¬ 
wie eine Maus subkutan infiziert. Keines der Tiere wies jemals Try¬ 
panosomen auf. 

Am 27. Oktober 1908 traf eine tote Maus in der tierhygie¬ 
nischen Abteilung ein, die ebenfalls mit Nasendejekt beschälseuche¬ 
kranker Pferde infiziert worden war; auch bei ihr konnten Try¬ 
panosomen nicht nachgewiesen werden. 

Am 9. November 1908 wurden einige beschälseuchekranke 
Stuten und zwei Hengste aus den Kreisen Johannisburg und Lyck 
an Ort und Stelle einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Wir 
möchten nicht verfehlen, für die liebenswürdige Unterstützung der 
Herren Kleinpaul, Lorenz und Neuraann unseren besten Dank 
zum Ausdruck zu bringen. 

Zur Untersuchung gelangten folgende Tiere: 

Stute l, 

dem Besitzer Kozlowski aus Osranken gehörig, ca. 4 Jahre alt. 

Die Stute sollte häufig urinieren. Das abgemagerte Tier zeigte eine Rektal¬ 
temperatur von 38,4° C. Das Deckhaar war glanzlos. Geringer glasiger Ausfluß 
aus der Nase machto sich bemerkbar. Auf den Schleimhäuten beider Nasen- 
öffnungen fanden sich mehrere, ungefähr pfennigstückgroße gelbe Schorfe. Die 
Gefäße der Nasenschleimhäute und Lidbindehäute waren ramiform injiziert. Die 
weitere Untersuchung der Augen führte nur zur Feststellung des Bestehens ge¬ 
ringer Lichtscheu. Die Kehlgangslymphknoten waren rechterseits bis zur Größe 
einer Haselnuß geschwollen, aber nicht mit denen der anderen Seite verwachsen. 
Die normaliter schwarz pigmentierte Haut der Schamlippen und der unmittelbar be¬ 
nachbarten Schenkelpartieen zeigte mehrere pfennig- bis markstückgroße pigment¬ 
freie Stellen. Die Labien waren stark geschwollen, weshalb der Scheidenspalt 
gering geöffnet war. Aus ihm flössen spärliche Mengen zähflüssigen, glasigen 
Schleimes. Die Schamlippen waren in unmittelbarer Nähe des Scheidenspaltes 
von zahlreichen gelben abhebbaren Blättchen bedeckt, die von Harnsedimenten 
herrührten, ein Befund, den auch die rosarote Seheidenschleimheit aufzuweisen 
hatte. Der Kitzler war etwa haselnußgroß. Nach mehrmaligem Herumführen 
stellten sich die Symptome der Kreuzlahmheit ein. Die Stute atmete schon nach 
8 Minuten währender Bewegung im Trabe sehr angestrengt und unter lautem 


20* 




M1ESSKEH üvä 


brwniwenäen ^töhriert. Be» der Auskultation waren pteifcmie und schwebende 

uetiiui' be ih iifiien. 

Eine sofort mit Scheidepscfrtmtft dieses; Pferdes subkutan infizierte Msu? 
biiü-b gt-niid, ebenso wie zwei *oh' t'r. Nedmana einige Tage vorher mit dem 
tusch »ätooa)ß'v>tton Blute dieser Suste »p Ctrl, rind Sielte ipiraiertö Mäuse, Desr 


Scham der IwsHiälscuebeL-ranktm Sntie M"rsa 


aie'.-licu waren ein 'lünineheit und *woi RhUen,- wel-'t, 
®m* : dtflSfeE-i5e?es infi^ielt wtt«:'»iftejr, nMi i ix kr»okt 


Rappstute 2, 

dem Besitzer Iwanow ski aus Usnmk^j «rhüv;e, ca, 4 Uhre a.B. 

Dem Vor bericht des HestwerÄ /nfulcv war sin um 21 AprilJltOStge<ieckt. 
ftic HektaKemperatür der-s^lir äb^.iftages;e«i ine Schain- 




Untersuchungen über die ostpreußiscbe Beschälseuche etc. 309 

lippen wiesen pigmentlose Flecke auf, waren geschwollen und demzufolge war der 
Scheidenspalt leicht geöffnet. 

Puchsstute 3, 

dem Besitzer Morsa aus Kotten gehörig, 10 Jahre alt. 

Sie war am 1. Mai und 10. Juni 1908 von einem besohälseuchekranken 
Hengst gedeckt worden. Der Ausfluß aus der Scheide und die beginnende Ab¬ 
magerung wurden 14 Tage nach dem zweiten Deckakt bemerkt. Rektaltemperatur 
38,9° C. Das Euter war stark geschwollen, schmerzhaft und warm, trotzdem die 
Stute zwei Jahre lang nicht trächtig gewesen ist. Sowohl die Haut der Scham¬ 
lippen als die des Afters wies (conf. Fig. 1) pigmentlose Flecke auf. Die Scham¬ 
lippen waren verdickt und der Scheidenspalt war geöffnet. Die Schleimhaut der 
Scheide war mäßig geschwollen. 

An Ort und Stelle wurde eine Maus, 24 Stunden später wurden ein 
Kaninchen und eine Ratte mit Scheidenschleim und mit Blut infiziert. Keines der 
Tiere erkrankte. 

Braune Stute 4, 

dem Besitzer Dzinziol aus Osranken gehörig, ca. 12 Jahre alt. 

Sie war stark abgemagert. Die mit pigmentlosen Stellen bedeckten Scham¬ 
lippen waren gesohwollen, die Schamspalte war geöffnet. Beim Laufen schwankte 
die Stute. 

Fuchsstute 5, 

dem Besitzer Witte aus Rakowen gehörig. 

Sie war gut genährt. In der rechten Sattellage befand sich ein Talerfleck. 
Die Scheidenschleimhaut war geschwollen. Es bestand ein eiterähnlicher Ausfluß 
aus der Scheide. 

Eiue mit Scheidenschleim sofort infizierte Maus starb nach drei Tagen inter¬ 
kurrent. 

Fuchsstute 6, 

desselben Besitzers. 

Sie war gut genährt. Am Bauche bestand, vom Euter ausgehend, starke 
Schwellung. 

Eine mit Scheidenschleim subkutan infizierte Maus blieb gesund. 

Fuchshengst 7, 

dem Besitzer Erdt aus Monken gehörig. 

Das Tier, belgischer Abstammung, war am 7. Juni 1908 offensichtlich er¬ 
krankt und zeigte seit dem Juli 1908 vollständige Penislähmung. Bei dem sehr 
stark abgemagerten Hengst hing der ausgesohachtete Penis in Länge von x / 4 m 
schlaff herunter. Durch das Schlagen des männlichen Gliedes gegen die Innen¬ 
fläche der Schenkel beim Laufen hatten sich auf der Haut des Penis zahlreiche 
Wunden gebildet, die zum Teil mit Schorfen bedeckt waren. 

Mit Blut dieses Tieres wurden an Ort und Stelle und an dem folgenden 
Tage je ein Kaninchen und eine Ratte infiziert, ohne daß die Tiere erkrankten. 

Brauner Hengst 8, 

demselben Besitzer gehörig. 

Der Hengst, ebenfalls belgischer Abstammung, hatte am 8. Juli 1908 eine 



310 


MIESSNER und IMMISCH, 


Stute gedeckt, die am 28. Mai 1908 von einem beschälseuchekranken Hengst er¬ 
folglos gedeckt worden war. Am 7. Oktober 1908 wurden die ersten Krankheits¬ 
erscheinungen, Quaddeln, Talerflecke und Sohwellung des Schlauches, beobachtet. 

Mit 24 Stunden altem Blut wurden ein Kaninchen und eine Ratte in¬ 
traperitoneal infiziert, ohne zu erkranken. 

Die beiden Hengste des Erdt-Monken sind in der Arbeit von Lorenz (28) 
und Kleinpaul (24) abgebildet. 


Stute 9, 

aus Sareiken. 

Am 8. und 15. Juli 1908 sowie am 21. September 1908 war die Stute von 
einem beschälseuchekranken Hengst gedeckt worden. Die ersten Veränderungen 
wurden Mitte Oktober beobachtet. Zur Zeit der Untersuchung lag die Stute hilf¬ 
los am Boden, sie war nicht imstande, sich zu erheben. Drei Tage später soll 
sie zugrunde gegangen sein. 

Ein mit 24 Stunden altem Bluto infiziertes Kaninchen bzw. eine Ratte er¬ 
krankten nicht. 


II. Untersuchungen im Institut. 

Mit je 20 ccm Mischblut der Pferde 1, 3, 7, 8 und 9 wurden 
etwa 24 Stunden nach der Entnahme in der Abteilung für Tierhygiene 
zu Bromberg ein Hund und ein Pferd subkutan infiziert. Außerdem 
wurden die an Ort und Stelle vom Blut und Scheidenschleim sämt¬ 
licher untersuchter Stuten bzw. vom Harnröhrensekret der beiden 
Hengste und von der Gewebsflüssigkeit der Talerflecke der Stute 5 
angefertigten Ausstrichpräparate einer mikroskopischen Untersuchung 
unterworfen. Diese fiel mit Ausnahme der mit Scheidensekret be¬ 
schickten Präparate der Stute Morsa negativ aus. In dem Scheiden¬ 
sekret dieses Tieres konnten vereinzelte Trypanosomen 
nachgewiesen werden, die mit Scheidenschleim dieser Stute an 
Ort und Stelle infizierte Maus zeigte jedoch keine Trypanosomen. Der 
Nachweis von Trypanosomen in dem Scheidensekret der Stute Morsa 
gab die Veranlassung dazu, daß die Abteilung dieses Tier ankaufte 
und am 1. Dezember 1908 in den Besitz der Fuchsstute gelangte. 

1. Beschälseuchekranke Stute Morsa. 

Am Tage der Einlieferung der Stute in die tierhygienische Ab¬ 
teilung konnten im Scheidenschleim keine Trypanosomen nachgewiesen 
werden. Ebensowenig gelang dies auch in den folgenden 16 Tagen, 
trotzdem der Scheidenschleim täglich und in mehreren Präparaten 
untersucht wurde. Die Temperatur des Tieres hielt sich dauernd auf 
normaler Höhe. Der Appetit war gut. Die Atmung war im Stande 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 


311 


der Ruhe normal. Die rechte Euterhälfte war stärker angeschwollen 
als die linke. Die Untersuchung des Blutes aus der Scheide und dem 
Euter verlief stets negativ. 

Am 15. Dezember 1908 wurden zwei Hunde und zwei Kaninchen mit je 
10 bzw. 1 ccm frisch aus dem Euter entnommenen Blutes subkutan infiziert. 
Auch diese Tiere blieben gesund und zeigten selbst nach ein Jahr langer Be¬ 
obachtung nicht die geringsten Veränderungen, ebensowenig konnten in dem 
Blute derselben jemals Trypanosomen nachgewiesen werden. 

Am 17. Dezember 1908 traten plötzlich wieder vereinzelte Trypanosomen im 
Scheidenschleim auf, die an den folgenden Tagen an Menge derart Zunahmen, 
daß sie mit Leichtigkeit im hängenden Tropfen nachgewiesen werden konnten. 
Die Trypanosomen verschwanden jedoch nach einigen Tagen und ließen sich am 
23. Dezember 1908 nieht mehr nachweisen. Am 19. Dezember 1908, dem Tage, 
an welchem die meisten Trypanosomen im Scheidenschleim vorhanden waren, die 
sich durch ihre lebhafte Beweglichkeit auszeichneten, wurde mit dem Scheiden¬ 
schleim eine größere Anzahl von Tieren, sowie einige mit Blut infiziert. Das 
Material gewannen wir mit Hilfe eines Scheidenlöffels aus der Scheide; dieses 
wurde dann mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt und wenige Minuten 
nach der Entnahme sofort den betreffenden Tieren eingespritzt. Infiziert wurden 
a) mit Scheidenschleim: vier Kaninchen intraperitoneal, zwei Kaninchen subkutan, 
zwei Kaninchen intravaginal, zwei Ratten intraperitoneal, sechs Mäuse subkutan, 
ein Hund intraperitoneal, eine Hündin intravaginal, ein Hengst subkutan und 
intravenös, b) mit Blut: ein Kaninchen intraperitonoal, zwei Mäuse subkutan. 

Sämtliche Tiere sind in kurzen Zwischenräumen auf Trypanosomen unter¬ 
sucht worden, ohne daß es bis heute gelungen wäre, bei ihnen solche nach¬ 
zuweisen. 

In der Folgezeit zeigte die Stute Morsa eine Zunahme der Schwellung am 
Euter und an dor rechten Hintergliedmaße; diese dehnte sich zunächst auf die 
oberen, später aber auch auf die unteren Partien des rechten Hinterfußes aus, 
sodaß dieser an Umfang stark vermehrt war. Der Zustand der Stute verschlechterte 
sich, die Abmagerung nahm weiterhin zu, desgleichen auch die Kreuzscbwäche. 
Am 21. Februar 1909 war die Stute nicht imstande, sich ohne Hilfe vom Lager 
zu erheben, die Folge davon war, daß sich das Tier seit dieser Zeit nicht mehr 
legte. Die Schwellung am Euter schritt bis zum Brustbein fort, war schmerzhaft 
und fühlte sich ziemlich fest an. Das Gewicht der Fuchsstute Morsa betrug: 


am 14. 12. 1908 . . . 375 kg 
„ 31. 12. 1908 .. . 3G0 
. 2. 2. 1909 . . . 334 

„ 23. 2. 1909 . . . 335 

„ 22. 3. 1909 ... 350 
„ 5. 4. 1909 .. . 348 

„ 24. 4. 1909 . . . 370 

„ 4. 5. 1909 ... 370 
„ 14, 5. 1909 .. . 370 


am 

4. 

6. 1909 . 

. . 368 kg 

77 

3. 

7. 

1909 . 

. . 396 „ 

17 

4. 

8. 

1909 . 

. . 413 „ 

17 

4. 

9. 

1909 . 

. . 420 „ 

11 

4. 

10. 

1909 . 

. . 430 „ 

11 

4. 

11. 

1909 . 

. . 420 „ 

11 

4. 

12. 

1909 . 

. . 416 „ 

71 

4. 

1. 

1910 . 

. . 409 „ 

17 

4. 

2. 

1910 . 

, . . 392 ,. 

7 1 

14. 

3. 

1910 . 

. . . 400 „ 


71 





312 


MIESSNER und IMMISCH, 


Die Untersuchung des Blutes aus den ödematösen Teilen ist stets negativ 
verlaufen. 

Euterblut der Stute Morsa wurde am 1. März 1909 subkutan injiziert in 
Mengen von 80 ccm dem Versuchspferd 809, von je 20 ccm zwei Hunden, 
von denen der eine bereits am 15. September eine Injektion von Blut der Stute 
Morsa erhalten hatte. Ueber den weiteren Verlauf des Versuches mit Pferd 809 
ist auf Seite 317 berichtet. Die in der Folgezeit sich zeigenden Veränderungen des 
Gesundheitszustandes der Stute Morsa sollen auf Seite 333 bei Besprechung der 
chemotherapeutischen Versuche Erwähnung finden. 

Der eine zum ersten Male mit Euterblut infizierte Hund erkrankte nach 
10 Monaten unter Lähmungserscheinungen und ging vier Tage darauf am 6. Januar 
1910 zugrunde. Bei der Obduktion wurde eine Schwellung der Leber, Milz und 
Nieren beobachtet und ikterische Verfärbung der Organe. 

Mit Blut von diesem Hunde, welches kurz vor dem Tode entnommen worden 
war, sind am 6. Januar 1910 fünf Mäuse infiziert worden. Von diesen Mäusen 
erkrankten drei nach 14 bzw. 23 Tagen und zeigten zahlreiche Trypanosomen im 
Blute. Auf diesen Fall, welcher deswegen besonders beachtenswert ist, weil die 
Uebertragung von Trypanosomen der Beschälseuche auf kleine Versuchstiere ge¬ 
lungen ist, kommen wir auf Seite 331 noch zurück. 

2. Beschälseuchekranke Mutterstute. 

Ara 3. Februar 1909 trafen auf ministerielle Anordnung zwei 
beschälseuchekranke Stuten aus dem Kreise Lyck hierselbst ein. 
Das eine der Tiere, eine 7 Jahre alte, gut genährte Fuchsstute, ist 
am 29. Mai 1908 sowie am 28. und 29. Juni 1908 von dem beschäl¬ 
seuchekranken Königlichen Landbeschäler Ali (43) gedeckt worden. 
Die ersten Symptome der Seuche zeigten sich nach den brieflichen 
Mitteilungen von Lorenz an dieser Stute am 4. November 1908 in 
Schwellung und Rötung der Scheidenschleimhaut. 

Bei der Ankunft hierselbst waren an dem Pferde außer einer geringgradigen 
einseitigen Fazialislähmung, infolge deren die Oberlippe nach rechts gezogen war, 
Veränderungen nicht zu bemerken. Das Pferd war sehr munter, hatte glänzendes 
Deckhaar, keine erhöhte Temperatur, gute Freßlust und nahm auch an Gewicht 
zu. Schamlippen und Scheide waren nicht geschwollen. Auf Grund einer dies¬ 
bezüglichen Untersuchung schien die Stute im letzten Drittel der Trächtigkeits- 
periode zu stehen. Mikroskopisch ließen sich bei den periodischen Untersuchungen 
niemals Trypanosomen nachweisen. 

Zehn Mäuse wurden mit je 0,2 ccm defibriniertem Blut dieses Pferdes in¬ 
fiziert und blieben gesund. 

Am 24. Mai 1909 wurde ein gut entwickeltes Stutfohlen geboren, das in der 
Folgezeit gleichmäßig an Gewicht zunahm. Die Fohlenstute selbst magerte im 
Laufe der Zeit nur unwesentlich ab. Außer der Fazialislähmung trat auch eine 
Lähmung des Nervus mentalis durch anfänglich geringgradiges, später aber 
stärkeres Herunterhängen der Unterlippe in Erscheinung, so daß eine Schließung 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 313 

der Mundspalte unmöglich war. Die Stute mußte am 25. August 1909 infolge 
eines Bruches des Femurs getötet werden. Besondere pathologische Veränderungen 
konnten bei der Obduktion der Stute nioht ermittelt werden. 

3. Beschälseuchekranke Rappstute. 

Das zweite Tier, eine 4 Jahre alte Rappstute war am 28. Mai 
und 25. Juni 1908 gleichfalls von dem Hengst Ali gedeckt worden. 
Die Seuche wurde bei ihr am 30. Oktober 1908 festgestellt. Die 
Stute war damals mager, fraß schlecht, hatte eitrigen Nasenausfluß 
und ein schniebendes Atemgeräusch. Die Schamlippen und Scheiden¬ 
schleimhaut waren geschwollen. Da durch die beiden ersten Deck¬ 
akte eine Befruchtung nicht eintrat, so wurde die Stute am 8. Juli 
von einem Privathengst des Besitzers Erdt nochmals gedeckt. Der 
von dieser Stute angesteckte Hengst war typisch an Beschälseuche 
erkrankt und entspricht dem oben auf Seite 309 unter Nr. 8 beschriebenen. 

Klinischer Befund. Die Stute war bei ihrer Aufnahme in die Instituts¬ 
stallungen sehr abgemagert und hatte struppiges Deckhaar. Der Appetit war gut. 
Das gelegentlich der Anamnese erwähnte schniebende Atemgeräusch war stets in 
gleichem Maße vorhanden; selbst nach vorheriger Bewegung konnte keine wesent¬ 
liche Vermehrung beobachtet werden. Aus den Nasenöffnungen ergoß sich eine 
geringe Menge eines ziemlich dünnflüssigen, schwach geblich gefärbten Sekretes, 
linkerseits war der Ausfluß etwas stärker. Die Oberlippe zeigte eine Verschiebung 
nach links, was auf eine einseitige Fazialislähmung hindeutete. Schwellungen 
von Lymphknoten, insbesondere der des Kehlganges, konnten nicht festgestellt 
werden. Die mit pigmentlosen Stellen bedeckten Schamlippen waren verdickt. 
Die Schamspalte stand offen. Die Schleimhaut der Scheide erschien gerötet und 
war leicht geschwollen. Bei Bewegung der Stute konnte ein unsicherer Gang be¬ 
obachtet werden. Während der Gesundheitszustand der Stute vom Tage ihrer 
Einlieferung an bis zum 1. März keineswegs bedenklich erschien, zeigte sie an 
diesem Tage eine derartige Schwäche, daß sie kaum imstande war, sich stehend 
zu erhalten. Sie fiel in der Nacht vom 1. zum 2. März um. Mit Hilfe des Hänge¬ 
zeugs wurde sie einige Tage stehend erhalten. Da sich trotzdem der Zustand 
nicht besserte, so wurde die Stute am 5. März 1909 getötet (conf. Fig. 2). 

Obduktionsbefund. Der Kadaver war stark abgemagert. Die äußere 
Besichtigung ergab außer einigen Defekten der Haut am Kopfe, an dem Jochbogen 
und der Angesichtsleiste, die mit blutigen Schorfen bedeckt waren, keine patho¬ 
logischen Veränderungen; die Haut war an allen Stellen weich und konnte von 
ihrer Unterlage abgehoben werden. Irgendwelche dekubitalen Veränderungen be¬ 
standen nicht. Die Kornea war von Trübungen vollkommen frei. Die Lidbinde- 
bäute erschienen rosarot, ebenso die Schleimhaut der geschlossenen Mundhöhle. 
Die sichtbaren Schleimhäute der Nase waren ebenfalls rosarot gefärbt und mit 
einem schwach gelblichen Sekret bedeckt. 

Die Serosa des Magendarmkanals war überall glatt und glänzend, in der 
Schleimhaut der Kardiadrüsenregion und des Anfangsteils des Zwölffingerdarms 




imd UfWSOH 


saiten G;i>tropfiUw$lar^fü Dpt Öimrjdanä über 180 Askariden 

von■ -v.*>?'■ vch<e*1 *s*^» hiiivit. d.«e SehleiQibaut war *n euizeinen Stellen schwach ,ge- 
iiiiH.1..-. \m rengioti den Beginn einer trüben Schwellung. Uie übrigen 

Organe lief ibvuehkuhie *owie die der Brusthöhle ließen Weder äußerlich noch 
n^ofe : Ädio^bfe' vtfn Scljtn[t;tlläf'hen irgendwelche^^ piiüvotogbstfhen Prozesse erkennen. 
Die weih Heben DeschJedvt^nr^äh’e wiesen AuGf-r einer geringen •Bötling der 
.ScbeidenschlBtmhHül keine Verifiiieuingetj m( t insonderheit mr die Sehleimhaut 
der tiebarinutUr ohne entzündliche Prozesse, Die Ovarien waren von Hiihnerei- 
groüe, auf der Schnittfläche ziemlich detb .und Helten versdiirdene erbsen- bis 


B (aifcoy ei Ra pps hi.j «\ 

hascinuLS^robe Hühl er* erkennen, die .not - einer Kh\m\. w/Uvntien jnn.ssigkdiftit- 
gtfi'ütU waren. 

Bei der Kxernemion des ilßhrrivs ergaben $ich M*»ne Br Sonderheiten. 1)0 
Rnekerirnark erschien uieiehlalis unverandnt «ml lieh auf forsch «Bien ciftttHfcfc' 
die dorsalen und ventralen Hörner eittennen. 4# Eintel 1 des Hiu^keronarkkane)^ 
dort, wo das Rückenmark sich, in eine Anzah.J/IYdc >1 1 <v iO.vJih r-,u'na), fand 
sieh eine klare, leicht gelblich gri/uld? pl ossig Indi. Der Pie tos brachial 1-5 ond 
ß&cralte sowie die von ihren ai^gehfndort grüßeren und klyin^cn Nerrenäsfe 
lagen in eine gfillertige, gelbtv ’M Ag&r* .gi.itg'efenl^lV'"' : ibtdurfK : w$rm 

di«- umgebe.tuten MnskelwassKn, die von me*- Käthe und troctemir .{von/isvvnz 
waren. deutlich von dem ner^oven Gelobe gen^rmf \md Yeibst die. feineren Mü^od* 





Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 315 

äste ließen sich bis zu den Enden der Extremitäten leicht verfolgen. Die über 
den größeren, oberflächlicheren Nervenstämmen befindliche Unterhaut war trocken. 

Histologischer Befund. Am Gehirn konnten keine pathologischen 
Prozesse ermittelt werden. 

Das Rückenmark zeigte ebenfalls keine Veränderungen. 

Wesentlich verschieden hiervon waren die Befunde an den peripheren 
Nerven. Entsprechend den gallertigen die Nervon umgebenden Massen wies auch 
das mikroskopische Bild nicht jenen einheitlichen Bau auf, wie wir ihn bei Quer¬ 
schnitten durch normales Nervengewebe zu sehen gewohnt sind. Das den ganzen 
Nervenstrang umgebende Bindegewebe war aufgelockert. An Stelle der Fettzellen 
war die gallertige Masse getreten, zwischen der sich einzelne spärliche, zellarme 
Bindegewebsfaserstränge hinzogen. Das Perineurium zeigte eine Verdickung von 
wechselnder Stärke. An seiner dem Nerven zugekehrten Seite fanden sich bis¬ 
weilen einzelne Rundzellen, zumeist aber waren auf dem Querschnitte halbmond¬ 
förmig erscheinende freie Stellen vorhanden, in denen sich ebenfalls jene die 
Nervenzüge von außen umgebenden gallertigen Massen befunden hatten. Das 
beim normalen Nervengewebe nur in Form feinster Septen zu erkennende Endo- 
neurium zeigte einen erheblichen Schwund und war durch die gallertigen Massen 
ersetzt worden. In analoger Weise waren auch die Nervenfasern selbst in 
wechselnder Zahl zum Schwinden gebracht. In der Umgebung der zu den Nerven 
führenden Gefäße machte sich eine kleinzellige Infiltration geltend. 

Am Herzen waren eigenartige Veränderungen der Purkineschen Fäden zu 
beobachten. Diese Fäden werden von Lungwitz (14) „als unter dem Endokard 
gelegene Fasern bezeichnet“, die mit den Herzmuskelfasern Zusammenhängen und 
von einer bindegewebigen, „elastische Fasern enthaltenden Scheide umgeben sind“. 
Diese Fäden sind aus einer oder mehreren Reihen von polyedrischen Zellen zu¬ 
sammengesetzt, „die aus einer quergestreiften, Fibrillen enthaltenden Wandsohicht 
und aus einer zentralen hellen Sarkoplasmazone bestehen“. „Zwischen beiden 
befindet sich oft eine feingranulierte Protoplasmamasse mit einigen feinen, schein¬ 
bar unvollkommen entwickelten Fibrillen. Die helle zentrale Zone, welche in 
ihren Randpartien reich an Pigmentkörnchen sein kann, schließt die bläschen¬ 
artigen Zellkerne ein, von denen in der Regel einer oder zwei, selten mehr (bis 
vier) mit einem oder zwei Kernkörperchen vorhanden sind. Kittstreifen bzw. 
Schaltstücke, wie bei den Herzmuskelfasern, sind zwischen den Zellen nicht vor¬ 
handen. Die Verbindung derselben untereinander besorgen die Fibrillen der 
peripheren Zone, welche von einer Zelle ohne Unterbrechung in die andere 
übergehen.“ 

In unserem Falle liegen die Purkin eschen Zellen zu einem erheblichen 
Prozentsatz unter dem Endokard, doch fanden sich auch Stellen, wo die 
Purkineschen Fäden vom Endokard durch Herzmuskelfaserzüge getrennt waren. 
In den weitaus meisten Fällen konnte man eine dunkle periphere und eine 
zentrale helle Zone deutlich unterscheiden, es wurden auch Zellen beobachtet, 
bei denen dieser Unterschied vollkommen verwischt war. Bei diesen gingen durch 
die zentralen Parteien zahlreiche fein granulierte Fäden in den verschiedensten 
Richtungen durcheinander. Kerne wurden meistens an den Purkin eschen Zellen 
vermißt. 



316 


MIESSNER und IMMISCH, 


Auf dem mikroskopischen Längsschnitt der Niere sah man neben gut 
erhaltenen und gefärbten Zellen und Zellkernen fleckweise Partien, in denen die 
Struktur der Nierensubstanz verschwommen erschien. Solche Stellen ließen sich in 
gleicher Weise an den gewundenen wie auch an den geraden Harnkanälchen be¬ 
obachten. Die Kerne der Zellen waren daselbst schwach gefärbt, eventuell fehlten 
sie gänzlich. Die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen waren verwischt. Das 
Protoplasma selbst wies feinste Körnelung auf. Einzelne Epithelien der Harn¬ 
kanälchen waren von ihrer Unterlage losgelöst und wurden im Lumen der Harn¬ 
kanälchen angetroffen. 

Die Ovarien zeigten entsprechend dem makroskopischen Befunde zahlreiche 
hasel- bis walnußgroße Follikelzysten. Das Stroma ließ nicht eine gleichmäßig 
derbe bindegewebige Beschaffenheit erkennen, sondern das Bindegewebe war zu 
einzelnen Strängen angeordnet, die ein regelloses Geflechtwerk bildeten. Das 
Bindegewebe zeichnete sich durch einen außerordentlichen Reichtum an Kernen 
aus. Auch das die Follikelzysten umgebende Bindegewebe war vermehrt. An 
diese schloß sich die gut sichtbare Theca interna an. Auf diese folgten in sehr 
unregelmäßiger Anordnung Zellen von bindegewebigem Charakter, untermischt mit 
Zelltrümmern. Der Hohlraum der Zysten war mit einer feinkörnigen und fadigen 
Masse angefüllt. In dieser Masse fanden sich in geringer Zahl zellige Elemente 
eingelagert, insonderheit Bindegewebszellen, auch einige Zelltrümmer konnten er¬ 
mittelt werden, die sich mit Eosin gut gefärbt hatten und sich hinsichtlich ihrer 
Größe und Form als Luteinzellen erwiesen. 

Das Corpus cavernosum clitoridis zeigte bei schwacher Vergrößerung das 
diesem Organ charakteristische Maschen- bzw. Balkenwerk, das Hohlräume von 
verschiedener Form und Größe beherbergte. Bei starker Vergrößerung beobachtete 
man, daß das Balkengerüst sich nicht aus soliden bindegewebigen Strängen zu¬ 
sammensetzte, sondern durch Einlagerung von strukturlosen Massen sowie degene¬ 
rierten Bindegewebszellen und Leuko- bzw. Lymphozyten aufgelockert erschien 
und ein netzförmiges Ansehen erhielt. 

Die Epithelien der Labia pudendi waren entsprechend den fleckweise zu be¬ 
obachtenden pigmentlosen Stellen frei von Pigmenteinlagerungcn. An einzelnen 
Stellen enthielt die Keimschicht zwar kein Pigment, während dieses sich an den. 
weiter oberflächenwärts gelegenen Epithelschichten mehr oder weniger deutlich 
zeigte, ein Beweis für den Beginn der Depigmentation. 

Zu Lebzeiten der Stute wurden Blut und Scheidenschleim in zwei- bis drei¬ 
tägigen Intervallen untersucht, ohne daß jemals die Ermittelung von Trypanosomen 
gelungen wäre. 

Infektionsversuche. Mit der Gebärmutter und dem frisch exstirpierten 
Lendenmark des moribund getöteten Tieres wurden Uebertragungsversuche aus¬ 
geführt. Die genannten Teile wurden sofort nach dem Tode der Stute in einem 
Mörser zerrieben und mit physiologischer Kochsalzlösung zu einer Emulsion an¬ 
gerührt. Mit Gebärmutteremulsion wurden infiziert zwei Mäuse, zwei Ratten, zwei 
Kaninchen und ein Hund. Mit Lendenmark wurden infiziert zwei Mäuse, zwei 
Ratten, zwei Kaninchen und ein Hund. Ferner erhielt ein Esel 30 ccm Gebärmutter¬ 
emulsion, 30 ccm Lendenmark und Lendenmarkflüssigkeit getrennt an beiden Seiten 
des Halses unter die Haut gespritzt. Keines der angeführten Versuchstiere ist 




Untersuchungen über die oslprentSisc.br> Be?chölseuche etc 


bisher erkrankt und. bet keiftet» Untersnchungen xu 

irgendeiner y.#it Trypannsönjini i«nctv«:«is«n, Aiit^ttUua «brdon mit 10 cc.w des 
noch xu 'Lebzeiten der : Stute omnaniaüsöfc'n Biui.es 'infiziert: «in 8 Wochen alter 
Hund, .weicher bis xum Abschintt der UntersuChungeii gesund blieb und die StuteSOS«, 

4. Künstlich infizierte Stute 809, 

Dieses Tic-f erhielt-am 2. März H)09 20 ccm fSlui der vorstehend*». 
beschSe^u^tikr^ilten Rapp$ltt.tn und 80 ccm Blht aus dem Katter der 

Morsa u \ H'ierjaarifif'r.^jjedetr' itn BefimifiTi 


ücschä1#ueh^r4siifee}i Stute 


Kiiai-vi;.;b inl'i/icru ,*Uuu §09. 

des Tiere« in den 'folgenden drei Monaten ircomlweiebe Veränderungen 
nicht beobachte!. Oaaegeti -machte. s‘icH im Monat .hm eine gewisse 
Müdigkeit beim Fahrdienst - bemerkbar,, Auch wurden . zeit weist 
«^wankende,- Bewegungen der Nachhsnd beabaejuet- 

An» 15 Juni traten piützheh *0 der Uriierfläob?' des Bauches in einer Aus¬ 
breitung ton je I& om i&eiiiibh diH Mediftnltnro torseliiedelri« Anschwellungen auf, 
dje-weniger bceurtig als hügelfuitoig erschienen. Am Vormblog des folgenden 

der Mittei ries ersten .Drittels riet Hippen, 


Tages zeigte sich auf d«r TechienvSolte 
etwa zwei Handbreiten ißn ».ihm UiuVranon entfernt., ein Talerfleck, der nach ,Ab 


■ 

M 

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318 


MIESSNER und IMMISCH, 

rasieren der Haut siob als beetartige Erhebung erwies. Am 19. Juni zeigte die 
Stute an den Vorderextremitäten eine ziemlich erhebliche Anschwellung, so daß 
das Kronen* sowie das Fesselgelenk nur undeutlich abgesetzt waren. Am 21. Juni 
war diese Schwellung wesentlich zurückgegangen, insonderheit am rechten Vorder¬ 
fuß. Am Beginn des Monats Juli wies die Stute abermals einige, wenn auch 
geringere Anschwellungen auf, die bis zum 12. Juli verschwanden, bis auf eine 
Anschwellung an der linken Seite des Halses, ungefähr am Uebergang des oberen 
in das mittlere Drittel. Von Ende Juli machte sich eine fortschreitende Ab¬ 
magerung geltend, so daß die Rippen der früher in sehr gutem Nährzustande be¬ 
findlichen Stute deutlich hervortraten. In den ersten Tagen des Monats September 
konnten wir eine Lähmung der linken Hintergliedmaßen beobachten. Die Stute 
vermochte den Fuß nicht regelmäßig vorzuführen und schleifte mit der Zehon- 
spitze beim Vorwärtsgehon auf dem Erdboden entlang. Infolge zunehmender 
Schwäohe war schließlich das Pferd nicht mehr imstande sich zu erheben und 
verendete am 6. Oktober 1909 (conf. Fig. 3). 

Bei der Obduktion ließen sich außer einer geringen gallertigen Durch- 
trankung des den Nervus ischiadicus umgebenden Gewebes Veränderungen nicht 
feststellen. 


5. Beschälseuchekranke Stutbuchstute 119. 

Ara 2. Juni 1909 langte durch Vermittelung von Veterinärrat 
Lorenz in Lvck eine Fuchsstute Nr. 119 des Gutes Baitkowcn an. 
Diese Stute war am 23. März 1908 von dem Hengst Trepow gedeckt 
worden und hatte sich laut schriftlicher Mitteilung von Lorenz vom 
30. Mai 1909 bei den wiederholt vorgenommenen Untersuchungen stets 
frei von irgendwelchen verdächtigen Erscheinungen gezeigt. Am 
25. April 1909 war sie sichtbar erkrankt, also erst am Ende des 
13. Monats. Sie zeigte plötzlich die „schönsten“ Quaddeln und Taler¬ 
flecke in größerer Anzahl auf den Brustwandungen, den Flanken, dem 
Rücken, am Halse und am Bauche. Dieselben waren zur Zeit der 
Feststellung der Krankheit fünfraarkstück- bis handgroß, rund, sichel-, 
nieren- oder t- förmig. Außerdem bestand starke Schwellung der 
Kehlgangslymphknoten bis fast zur Größe eines Hühnereies, Konjunk¬ 
tivitis, Anschwellung der Vulva und sulzige Schwellung der Vaginal¬ 
schleimhaut; Knoten und Geschwüre waren nicht vorhanden, ebenso 
bestand kein Scheidenausfluß. Die Talcrfleckc hatten während des 
Zeitraumes von 5 Wochen d. i. von der Feststellung der Krankheit 
bis zur Einlieferung in die Abteilung für Tierhygiene des Kaiser 
Wilhelm Instituts in abwechselnder Zahl bestanden, sie waren zum 
Teil verschwunden, zum Teil aber waren neue aufgetreten. Seit dem 
1. Juni 1909 machte sich eine rechtsseitige Lähmung der Unterlippe 
bemerkbar. 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 319 

Lorenz (28) konnte weder in dem Scheidensekret noch in der 
Quaddelflüssigkeit Trypanosomen nachweisen. 

Der in der Abteilung für Tierhygiene bei Einlieferung der Stute 
aufgenommene Status praesens ergab folgende Einzelheiten: 

Das Allgemeinbefinden der Stute war gut, wenngleich die Ausführung 
lokomotorisoher Funktionen eine gewisse Abgeschlagenheit unzweifelhaft erkennen 
ließen. An dem Atmungs- und Verdauungsapparat waren Störungen irgendwelcher 
Art nicht wahrzunehmen. Die Soheidenschleimhaut war leicht geschwollen und 
hatte ein glasiges Aussehen. Die linksseitigen Kehlgangslymphknoten waren 
taubeneigroß. Die einzelnen Knoten waren fest miteinander verwachsen. Die 
darüberliegende Haut ließ sich nicht verschieben. Schmerzhaftigkeit bestand 
nicht. Die Oberfläche von Thorax und Abdomen zeigte mehrere Talerfleoke, die 
nur wenige Millimeter über die übrige Oberfläche prominierten, wie sich nach 
Abrasieren der Haare ergab. Vor Vornahme dieser Manipulation waren die Taler¬ 
flecke nicht durch ihr Prominieren zu erkennen, sondern durch das an dem Rande 
der Flecke gesträubte Haar. 

Mit Material von Stute 119 wurden am 2. Juni 1909 10 Mäuse subkutan in¬ 
fiziert, welche nicht erkrankten. 

Am 3. Juni 1909 wurden von der Stute Präparate von Blut und von Scheiden¬ 
schleim angefertigt. Dio Untersuchung des Blutes lieferte einen negativen Befund, 
hingegen fanden sich in dem Scheidenmaterial Trypanosomen, fünf an 
Zahl, vor. In der Folgezeit konnten weder in dem Scheidenschleim noch in der 
Flüssigkeit der Talerflecke Trypanosomen nachgewiesen werden. 

Um festzustellen, ob etwa in den geschwollenen linken Submaxillarlymph- 
knoten Trypanosomen vorhanden waren, wurde ein Teil dieses Organs exstirpiert 
und von seiner Schnittfläche sofort Ausstriche gemacht, und mit zerriebenen 
Teilen der Lymphknoten verschiedene Tiere infiziert. In keinem Falle gelang der 
Nachweis von Trypanosomen. Die Schnittfläche selbst hatte ein graues Aussehen 
und war ziemlich feucht. Bei der histologischen Untersuchung zeigten sich auf¬ 
fallend viele aus Lymphozyten bestehende herdförmige Zellanhäufungen (Keim¬ 
zentren). Das perivaskuläre Gewebe enthielt an mehreren Stellen zahlreiche 
eosinophile Zellen, welches Phänomen mit für den zooparasitären Charakter der 
Beschälseuche sprechen dürfte. 

In der Folgezeit verschlechterte sich das Befinden der Stute ständig. In¬ 
folgedessen haben wir zu Beginn des Jahres 1910 an ihr einen Heilversuch mit 
Arsenophenylglyzin angestellt, auf den wir bei den diesbezüglichen Versuchen 
näher eingehen werden. 

6. Künstlich infiziertes Fohlen 164. 

Die beschäleseuchekranke Mutterstute hatte am 24. Mai 1909 ein 
gesundes und kräftiges Fohlen geboren (cf. Seite 312), welchem am 
24. August 1909 10 ccm Blutaufschwemraung unter die Haut gespritzt 
wurde. Dieses Blut stammte aus der Scheide der beschäleseuche¬ 
kranken Stutbuehstutc 119 und war durch Skarifikation der Scheiden- 



320 


MIESSNER und IMMISCH, 


Schleimhaut gewonnen. Außerdem erhielt das Fohlen noch 1 ccm 
Scheidenschleim derselben Stute auf der linken Halsseite eingespritzt. 
Irgendeine Erhöhung der Körpertemperatur trat in der Folgezeit nicht 
ein, auch waren im sonstigen Befinden Veränderungen nicht zu beob¬ 
achten. Trypanosomen wurden bis jetzt nicht nachgewiesen. Das 
Gewicht hat von 110 kg am 24. August 1909 auf 170 kg am 4. März 
1910 zugenomraen. 

Vom 8. März 1910 an wurden dem Fohlen in 2 tägigen Zwischen¬ 
räumen im ganzen zehnmal Injektionen von dem Zentrifugat von je 
200 ccm frisch entnommenen und defibrinierten Blutes der Stutbuch- 
stutc 119 eingespritzt. Das Ergebnis dieses Versuches steht noch aus. 

7. Untersuchung eingesandter Organe und Präparate. 

Auf Grund eines Ministerialerlasses wurde die Tötung der im 
Regierungsbezirk Allenstein an Beschälseuche erkrankten Pferde an- 
geordnet und gleichzeitig die Einsendung von Schcidenschleimhaut-, 
Blut- und Rückenmarkausstrichen sowie von Teilen des Rückenmarkes 
an die Tierhygienische Abteilung verfügt. Die Untersuchung der bc- 
zeichneten Präparate geschah einmal zu dem Zweck, um festzustellen, 
ob bei den betreffenden Tieren Trypanosomen ermittelt werden konnten; 
sie sollten ferner Gelegenheit geben, eine größere Anzahl von Lenden¬ 
markstücken verschiedener beschälseuchekranker Tiere einer genauen 
mikroskopischen und tierexperimenteilen Prüfung zu unterziehen. Da 
mit der Beschälseuche in den meisten Fällen eine beiderseitige Lähmung 
der Nachhand verbunden war, so bestand die Möglichkeit, daß speziell 
im Lendenmark wesentliche Veränderungen durch die histologische 
Untersuchung sowie die Erreger der Beschälseuche zu finden waren. 
Außerdem lagen mehrere Untersuchungen Kerns vor, in welchen 
dieser Autor das Lendenmark beschälscuchekranker Tiere auf Kaninchen 
verimpft hatte und bei einer größeren Anzahl der Versuchstiere gleich¬ 
falls Lähmungserscheinungen der Nachhaud beobachten konnte. 

Das Institut kam in den Besitz folgender Präparate: Eines Harn- 
und Geschlechtsapparates einer Stute, dreier Eierstöcke, der Hoden 
eines Hengstes, des Lendenmarkes von elf Pferden, ferner des 
Seheidcnschlciraes und Blutes von 26 Tieren auf Objektträgern 
frisch ausgestrichen. 

Sämtliche Objektträgerpräparate wurden nach Giemsa gefärbt 
und einer eingehenden mikroskopischen Untersuchung unterzogen. In 
keinem Falle konnten Trypanosomen ermittelt werden. 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuohe eto. 


321 


Das Lehdenmark wurde in einem sterilen Mörser zerrieben und 
mit physiologischer Kochsalzlösung zu einer Emulsion angeröhrt, welche 
Kaninchen und Mäuse teils subkutan teils intraperitoneal eingespritzt 
erhielten. Ferner wurden mit dem Lendenmark acht Kaninchen und 
sieben Mäuse und mit Hodengewebsaufschwemmung ein Kaninchen und 
zwei Mäuse geimpft. Einige der infizierten Tiere gingen interkurrent 
zugrunde, die übrigen blieben gesund und zeigten niemals Lähmungs- 
.erscbeinungen. 

Die makroskopische Untersuchung ergab an dem eingesandten 
Harn- und Geschlechtsapparat einer Stute außer einer fleckigen Rötung 
auf der Uterus- und Scheidenschleimhaut, von denen erstere mit einem 
zähen, glasigen Schleim gleichmäßig überzogen war, und einer zystischen 
Entartung der Ovarien, wie sie bereits bei Schilderung des Obduktions¬ 
befundes auf Seite 316 niedergelegt ist, keine weiteren pathologischen 
Befunde. Die eingesandten drei Eierstöcke wiesen ausnahmslos zystöse 
Degeneration auf. An den Hoden und am Rückenmark ließen sich 
Veränderungen nicht nachweisen. 

IIL Untersuchungen über den Erreger der ostpreußischen 

Beschälseuche. 

Durch unsere eigenen Untersuchungen sowie die von Marek (35) 
in Ungarn, Watson (59) in Amerika, Lorenz (28) und Kleinpaul (24), 
FrÖhner (19) und die von Zwick und Fischer (66) ist in vielen 
Fällen von Beschälseuche ein Trypanosom nachgewiesen worden. 
Diesem Umstande sowie den diesen Autoren gelungenen Uebcrtragungs- 
versuchen zufolge ist dieses Trypanosom für die Beschälseuche als 
ätiologisches Moment erkannt worden. Der Nachweis des Erregers 
bereitet in vielen Fällen außerordentliche Schwierigkeiten. Damit 
hängt es zusammen, daß dieser den meisten Forschern erst nach 
längeren Untersuchungen gelang. Wir müssen demnach annehmen, daß 
das Trypanosom nur äußerst spärlich im Organismus der erkrankten 
Tiere vorkommt. Es findet sich am leichtesten in der serösen Flüssig¬ 
keit bzw. im Blute frisch entstandener Quaddeln und Schwellungen, 
ferner im Harnröhrensekret und Scheidenschleim sowie in dem Blute 
der skarifizierten Scheidenschleimhaut. Im peripheren Venenblute ist 
der mikroskopische Nachweis bisher nur in den seltensten Fällen ge¬ 
lungen. In den Organen, besonders im zentralen und peripheren 
Nervensystem sind die Trypanosomen der Beschälseuche nicht näch- 
gewiesen worden. 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 


21 



322 


MIESSNER und IMMISCH, 


Die Uebertragung auf Pferde gelingt mit demjenigen Material, 
in dem mikroskopisch die Erreger nachzuweisen sind; am meisten 
eignet sich hierzu die Flüssigkeit aus Quaddeln. 

Kleinpaul (24) und Fröhner (19) berichten von Uebertragung 
der Trypanosomen der Beschälseuche auf je eine Maus, weitere Fort¬ 
züchtungsversuche sind aber von ihnen nicht angestellt. 

Zwick und Fischer (66) ist die direkte Uebertragung auf Rind, 
Ziege, Hund und Kaninchen, nicht aber auf Huhn und Taube gelungen. 

Wir selbst vermochten den Erreger vom Pferde nach Hunde- 
passage auf Mäuse zu übertragen und in diesen Tieren fortzuzüchten. 
Weitere diesbezügliche Untersuchungen sind im Gange. 

Die morphologischen Betrachtungen ergaben, daß die bei Fällen 
der ostpreußischen Beschälseuche in dem Scheidenschleim gefundenen 
Trypanosomen sowie die bei den Weiterzüchtungen in dem Blute der 
Maus beobachteten einen langgestreckten, spindelförmigen Zellkörper 
aufwiesen. Im gefärbten Präparat kann man an jedem Individuum 
zwei verschieden große Kerne, eine längs des Zelleibes hinlaufende 
undulierende Membran und eine mit dieser im Zusammenhang stehende 
Geißel erkennen. 

Das Protoplasma erscheint bei Färbung nach Gierasa gleich¬ 
mäßig mittelstark blau gefärbt, dem ein ganz zarter rötlicher Ton 
beigemischt ist. 

Der Kern ist ungefähr in der Mitte gelegen, vielfach liegt er dem 
geißelfreien Ende etwas näher. In dieser Hinsicht unterscheidet sich 
das Trypanosom der Beschälseuche wesentlich von dem Trypanosoma 
Lewisi, bei dem der Kern im ersten Drittel, also verhältnismäßig 
nahe dem geißeltragenden Ende liegt, und ähnelt dem von Frank (15) bei 
einem in Stein-Wingert (Westerwald, Regierungsbezirk Wiesbaden) ver¬ 
endeten Rinde gefundenen und von Frosch(16) beschriebenen Trypanosom. 
Sein Umfang entspricht dem des Trypanosomes. Bei genauer Be¬ 
trachtung sieht man, daß der Kern aus einzelnen verschieden großen 
Granula zusammengesetzt ist, die bei Färbung des Präparats nach 
Giemsa intensiv rot erscheinen. 

Der zweite Kern, der sogenannte Blepharoblast, der um ein Viel¬ 
faches kleiner ist als der soeben besprochene, liegt nahe dem geißel¬ 
freien Ende. Er ist von rundlicher, zuweilen aber querovaler Form 
und entspricht hinsichtlich seiner Größe nicht immer der Stärke des 
geißelfreien Endes. Auch dieser zweite Kern zeichnet sich bei Giemsa¬ 
färbung durch seine intensive rote Farbe aus. 



Untersuchungen über die ostprenßische Beschälseuche etc. 


323 


Die längs des Zellkörpers verlaufende undulierende Membran, 
welche hinsichtlich ihrer Tinktionsfähigkeit mit dem Protoplasma 
identisch ist, ist zumeist gegenüber der der algerischen Dourinetrypa- 
nosomen von geringerer Höhe. Das auf der Höhe der Membran ver¬ 
laufende Sauraband sowie die daraus hervorgehende Geißel erscheinen 
zarter als die entsprechenden Teile bei der algerischen Dourine. 

Bezüglich des Verhaltens gegenüber der Giemsafärbung scheinen 
gewisse Unterschiede zwischen unserem Trypanosom der Beschälseuche 
und demjenigen der algerischen Dourine zu bestehen. Hierbei sei 
darauf hingewiesen, daß wir bei diesen vergleichenden Untersuchungen 
stets Blutpräparate benutzten, die an demselben Tage hergestellt 
worden waren und von gleichzeitig infizierten Tieren stammten. Zur 
Färbung wurden die Präparate nebeneinander glcichlange in dieselbe 
Farbkuvette gelegt. Auf diese Weise gingen wir sicher, daß die fest- 
gestellten Differenzen nicht auf etwaige äußere Einflüsse zurückgeführt 
werden konnten und Kunstprodukte darstellten. Bei dieser gleich¬ 
artigen Behandlung der Präparate konnten wir stets beobachten, daß 
die Trypanosomen der Beschälseuche den Farbstoff schlechter annahmen 
als diejenigen der Dourine. Während der Kern und Blepharoblast 
des algerischen Dourinetrypanosoms sich dunkelviolett färbten, wiesen 
die gleichen Teile des Beschälseucheerregers lebhaft rote Färbung auf. 

B. Die algerische Dourine. 

Weiterhin sind Untersuchungen an künstlich mit Dourine- 
trypanosomen infizierten Pferden angestellt worden, um den Ver¬ 
lauf dieser Krankheit näher zu studieren. Der zu den Versuchen be¬ 
nutzte Trypanosoraenstamm ist uns von Herrn Prof. Schilling zu 
Berlin in liebenswürdiger Weise überlassen worden, wofür wir ihm an 
dieser Stelle unseren verbindlichsten Dank sagen. Um den Infektions¬ 
modus möglichst nachzuahmen, wie er unter natürlichen Verhältnissen 
bei der Dourine bzw. Beschälseuche beobachtet wird, haben wir die 
Infektion bei der Versuchsstute Nr. 71 per vaginara ausgeführt 
und zwar wurde am 31. März 1909 bzw. 1. April 1909 Kochsalz¬ 
aufschwemmung von Blut einer Dourinemaus in Mengen von 2 V 2 bzw. 
5 ccm vermittelst einer Glaspipette mit vollkommen stumpfer Spitze 
in die Scheide gebracht. Die im Anschluß an beide Infektionen vor¬ 
genommenen Untersuchungen des Scheidenschleims verliefen trotz 
systematischer Durchmusterung unter Anwendung des Kreuztisches 
jederzeit ergebnislos. Im Blute jedoch konnten 8 Tage nach der In- 

21 * 



324 


MIESSNER und IMMISCH, 


fektion mikroskopisch vereinzelte Trypanosomen nachgewiesen werden. 
In der folgenden einhunderttägigen Beobachtungszeit sind Scheiden¬ 
schleim und Blut in Zwischenräumen von durchschnittlich zwei bis 
drei Tagen untersucht worden. Im Scheidenschleim vermochten wir 
niemals mikroskopisch Trypanosomen nachzuweisen, dagegen wurden 
im Blute in den meisten Fällen mikroskopisch Trypanosomen in mehr 
oder weniger großer Anzahl ermittelt. In den Fällen, wo mikro¬ 
skopisch keine Trypanosomen gefunden wurden, haben wir ihre An¬ 
wesenheit stets in gleicher Weise wie Dausei (6), nämlich durch den 
Tierversuch an Mäusen feststellen können. 

Irgendwelche Schwellung oder Rötung der Scheidenschleimhaut, 
vermehrter Scheidenausfluß, Schwellung der Schamlippen, Krötenflecke 
auf den letzteren sowie Talerflecke und Quaddeln wurden nicht be¬ 
obachtet. Der Nährzustand der Stute verschlechterte sich allmählich, 
gleichzeitig stellte sich allgemeine Schwäche ein. Drei Monate nach 
der Infektion vermochte das Tier nicht mehr, sich selbständig zu er¬ 
heben, es wurde dann noch kurze Zeit ira Hängezeug lebend erhalten 
und am 19. Juli 1909 getötet. 

Irgendwelche makroskopische Veränderungen außer den Zeichen 
vorgeschrittener Abmagerung waren bei dem Pferde nicht festzustellen, 
insbesondere lagen die Nervenstränge in dem trockenen Bindegewebe 
zwischen den Muskeln, sodaß von einer sulzigen Beschaffenheit desselben, 
wie wir sie bei der Beschälseuche zu beobachten gewohnt sind, nichts 
zu sehen war. 

Es sind im ganzen zu verschiedenen Zeiten zehn Mäuse mit 
Blut des Pferdes infiziert worden. Die Mäuse starben in allen Fällen 
nach durchschnittlich 8 Tagen. Die ersten Trypanosomen wurden in 
der Regel am fünften Tage nach der Infektion ermittelt. Am 2. Juli 
1909 sind mit je 10 ccm Blut ferner infiziert worden der Hund 
Nr. 808, welcher bereits am 2. März 1909 10 ccm Blut von der 
Stute „Morsa“ erhalten hatte, ferner Hund Nr. 854 und Hund Nr. 132, 
die noch nicht vorbehandelt waren. Hund Nr. 808 starb am 25. Juli 
1909, Hnnd Nr. 854 am 20. August 1909, Hund Nr. 132 am 
16. August 1909, also nach 3, 6 und 7 Wochen, an Trypanosomiasis. 

Aus den Dourineversuchen geht einmal hervor, daß es gelingt, 
eine Stute nach Infektion durch die unverletzte Scheiden- 
schlcimhaut an Dourine krank zu machen. Erwähnt sei an 
dieser Stelle, daß Yakimoff und Schiller (65) Trypanosomen¬ 
infektionen durch denVerdauungsstraktus gelangen. Es ist dadurch derWeg 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 


325 


nachgeahmt, welchen der Infektionsstoff unter natürlichen Verhält¬ 
nissen wählt, und ein experimenteller Beweis dafür erbracht, daß tat¬ 
sächlich dieser Weg gangbar ist. Ferner zeigen die Versuche in 
Uebereinstimraung mit den Arbeiten von Schneider und Buffard (53) 
sowie von Marek (33), daß bei der Dourine der Nachweis von 
Trypanosomen, sei es mikroskopisch sei es durch den Tierversuch, 
an Mäusen und Hunden leicht gelingt. 

Das für die Beschälseuche typische klinische Bild, Auftreten von 
Quaddeln und Krötenflecken sowie Schwellung der Geschlechtsteile 
haben wir nicht beobachtet, indes muß zugegeben werden, daß diese 
Veränderungen auch bei der Beschälseuche gelegentlich fehlen können. 
Beachtenswert ist aber, daß Hunde wie Pferde, welche bereits mit 
Beschälseuchematerial infiziert worden waren, nach Infektion mit 
Dourinematerial des Pferdes genau so schnell und schwer erkrankten, 
wie gleichzeitig infizierte, aber nicht mit Beschälseuchematerial vor¬ 
behandelte Tiere. 


C. Chemotherapeutische Versuche. 

I. Literatur. 

Zur wirksamen Bekämpfung der Protozoenkrankheiten, insbesondere 
der Trypanosomiasen, wird allenthalben seit der Begründung der Chemo¬ 
therapie durch Paul Ehrlich, insbesondere aber seit ungefähr vier 
Jahren, mit fieberhaftem Eifer nach neuen Mitteln geforscht. 

Ehe wir auf die von uns angcstellten therapeutischen Versuche 
mit Arsenophenylglyzin, dem zuletzt von Ehrlich (9, 10) in die 
Medizin eingeführten und wohl auch wirksamsten Präparate aus der 
großen Klasse der Trypanoziden, eingehen, wollen wir die mit den 
verschiedelnen zur Bekämpfung von Trypanosomiasen empfohlenen 
Mitteln erzielten Resultate‘einer näheren Betrachtung unterziehen. 

Zu den wirksamsten Präparaten gehören zweifellos die Arsenikalien. Das 
älteste Medikament dieser Gruppe ist die arsenige Säure, die zuerst von 
Lin gar d (27) an surrakranken Pferden mit Erfolg angewendet worden ist. In 
einer ausführlichen Arbeit stellten alsdann Laveran und Mcsnil (21) an experi¬ 
mentell infizierten kleinen Versuchstieren den Heilwert der arsenigen Säure fest. 

In denj Trypanrot, einem Farbstoff aus der Benzopurpurinreihe, fanden 
hiernach Ehrlich und Sbiga (13) ein Mittel, mit dem ihnen duroh eine einzige 
Injektion die dauernde Heilung von Mäusen gelang, die in ihrem Blute Trypa¬ 
nosomen des Mal de Caderas aufwiesen. Auch Schilling (52) hat durch wieder¬ 
holte Injektion von Trypanrot die Cadorasinfektion der Mäuse zu heilen vermocht. 
Die vod Laveran und Mesnil (26) mit Trypanrot angestellten Heilversuche bei 



326 


MIESSNER und IMMISCH, 


Trypanosoma Lewisi ergaben keine therapeutischen Erfolge. In Hinsicht auf die 
prophylaktische Wirkung hat sich das Trypanrot sowohl auf Grund der Versuche 
von Ehrlich und Shiga (13) als auch der von Schilling (52) als ein wenig 
wirksames Mittel erwiesen. Die Versuche, mit Trypanrot dauernde Heilung zu er¬ 
zielen, scheiterten insbesondere bei der Nagana daran , daß die Trypanosomen 
dieser Krankheit nicht mit Sicherheit abgetötet werden konnten, so daß immer mit 
Rezidiven und weiterhin mit der allmählichen Ausbildung von try pan rotfesten 
Stämmen gerechnet werden mußte. 

Nach den Forschungen von Nicolle und Mesnil (44) haben sich auch 
blaue und violette Benzidinfarbstoffe wirksam gegen Trypanosomen erwiesen, 
zum Teil sogar wirksamer als Trypanrot. Gegenüber dem Trypanosoma Lewisi 
zeigen allerdings die besten Benzidinfarben den Beobachtungen von Mesnil (36) 
zufolge in gleicher Weise wie das Trypanrot nur mangelhafte Wirkung. 

Auf eine neue Gruppe von Bekämpfungsmitteln der Trypanosomen, die 
Farbstoffe der Triphenylmethanreihe, hat in der Folgezeit Wendelstadt (61) 
hingewiesen, insofern, als er in dem Malachitgrün ein wenn auch nur geringgradig 
trypanozides Präparat entdeckte. Durch Franke (18) wurden in dieser Richtung 
weitere Untersuchungen vorgenommen. 

Das von Ehrlich und Franke (12) alsdann aufgefundene Parafuchsin, 
welches gleichfalls den Farbstoffen der Triphenylmethanreihe angehört, hat sich 
als etwas wirksamer erwiesen gleich dem von Weber und Krause (60) als 
trypanozid ermittelten Fuchsin. Mit Parafuchsin gelingt nach Angabe von 
Roehl (47) selbst bei Verabreichung in den höchst ertragenen Dosen nur ganz 
ausnahmsweise die Heilung von Trypanosomiasen, ein Befund, der durch Marks 
(35) Bestätigung gefunden hat. Diesem gelang bei intrastomachaler Behandlung 
vier trypanosomenkranker Mäuse mittelst Magensonde (34) die dauernde Heilung 
nur eines Tieres. Während Roehl (47) bei Applikation per os durch Verbitterung 
von Parafucbsinkakes einige Tage vor der Infektion in der Regel eine prophy¬ 
laktische Wirkung zu beobachten Gelegenheit hatte, ergaben die betreffenden Ver¬ 
suche von Marks (35) selbst bei intrastomachaler Anwendung sofort nach der 
Infektion und bei Konzentrationen von 1 : 200, der höchsten Dosis, keine positiven 
Resultate. Nicht unerwähnt darf an dieser Stelle ein eigenartiger Befund 
Brownings (2, 3) sein; dieser hat durch Behandlung von Trypanosomen in vitro 
mit Parafuchsin eine Mitigation erzielt, so daß die mit diesem Trypanosomenstamm 
infizierten Mäuse chronisch erkrankten. 

Die von Marks (35) mit Fuchsin D. T. angestellten Versuche haben weder 
bei mehrmaliger Injektion kleinerer Mengen noch bei einmaliger Applikation der 
höchst erträglichen Dosis Heilung trypanosomenkranker Mäuse ergeben. 

Noch nicht halb so giftig für den Organismus des Parasitenträgers als das 
Parafuchsin ist dessen Derivat, das von Ben da durch Einführung von Halogen¬ 
resten speziell des Chlors in das Parafuchsinmolekül erhaltene Tryparosan. 
Nach den Angaben von Roehl (47) und Marks (35) hat Tryparosan dauernde 
Heilung erzielt. Bei unmittelbar an die Infektion sich anschließender Behandlung 
mit Tryparosan sowohl intrastomachal als auch nach der Kakesmethode erwies 
sich den Berichten von Marks und den von Roehl zufolge dieses Chemikale auch 
als präventiv wirksam. 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 327 

Die von La v er an und Mesnil (26) angestrebte Bekämpfung des Trypa¬ 
nosoma Lewisi mitarsenigsaurem Natron hat keine Erfolge gehabt. 

Nach den Versuchen von Browning (2, 3) besitzt Paroxybenziliden- 
arsanilsäure eine ausgezeichnete Heilwirkung bei trypanosomenkranken Hausen. 
Wendelstadt (61) hat keine dauernden Heilungen erzielen können, vielmehr 
machte sich bei Behandlung der Rezidive eine Gewöhnung der Parasiten an dieses 
Chemikale geltend. 

Die ebenfalls von Wendelstadt (61) auf seine trypanozide Wirkung ge¬ 
prüfte Trioxybenzylidenarsanilsäure zeigte bei den Versuchen an Ratten 
nur eine lebensverlängernde Wirkung. 

Mit Arsacetin, d. i. acetylparamidphenylarsinsaures Natron, haben die 
Forscher zwar keine Heilungen hervorzubringen vermocht, wohl aber hat es sich 
bei den diesbezüglichen Versuchen von Wendelstadt (61) präventiv wirksam er¬ 
wiesen, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Behandlung sofort nach der 
Infektion mit genügend hohen Dosen einsetzte. Waren diese zu gering, dann trat 
eine Verzögerung des Krankheitsverlaufes ein. Roehl (48) hat ähnliche Resultate 
erhalten; eine prophylaktische Wirkung bestand nicht. 

Die nach Roehls (48) Angaben bei trypanosomenkranken Mäusen so aus¬ 
gezeichnet wirksamen Harnstoffderivate der Phenylarsinsäure erwiesen sich 
prophylaktisch in der Therapie der Trypanosen ohne Erfolg, wie aus seinen Ver¬ 
suchen mit Methylharnstoffphenylarsinsäure hervorgeht. 

Eine Reihe von Versuchen mit Arsanilat ergab für den von Roehl (48) 
verwendeten Naganastamm eine größere Beeinflussungsfähigkeit gegenüber dem 
von Browning (2, 3) zwei Jahre vorher benutzten. Beim Arsanilat besitzt man 
jedoch überhaupt keine Dosis, die mit Sicherheit heilt und für den Durchschnitt 
der Mäuse ungefährlich ist. Bei Kaninchen ist Arsanilat nur ausnahmsweise im¬ 
stande, nach einer Injektion Heilung zu bewirken. Eine prophylaktische Wirkung 
kommt dem einfachen Arsanilat, wie aus den Arbeiten aller Untersucher und ins¬ 
besondere aus den Versuchen von Uhlenhuth hervorgeht, nicht zu. 

Das weiterhin von Roehl (48) untersuchte Trioxybenzylidenarsanilat 
hat bei trypanosomenkranken Mäusen nach mehrmaliger Injektion eine verhältnis¬ 
mäßig gute Heilwirkung gezeigt, weshalb es verwundert, daß es nicht einmal 
24 Stunden lang Mäuse gegen eine Infektion zu schützen vermag. 

Durch Thomas (55) wurde zunächst die heilende Wirkung des Atoxyls ent¬ 
deckt. Nach der Auffindung der Konstitution desselben durch Ehrlich und 
Bertheim (11) wurde dieses Präparat insbesondere von Uhlenhuth (58) auf 
seine trypanozide Wirkung in weitgehendster Weise geprüft. Für Dourineratten 
haben die Versuche die Möglichkeit einer Dauerheilung ergeben, ein Befund, der 
mit dem Schillings (45) übereinstimmt. Dieser Forscher hat aber Nagana- 
infektionen nicht mit Sicherheit zu heilen vermocht, nur bei einzelnen Ratten und 
Mäusen gelang durch Atoxyldosen, die nahe an die Dosis letalis gingen, die 
Heilung. Mesnil (36) berichtet über mangelnde Wirkung des Atoxyls gegenüber 
dem Trypanosoma Lewisi. Bei Kaninchen vermochte Uhlenhuth (57) einmal 
die klinischen Symptome der Dourine mehr oder weniger schnell zum Schwinden 
zu bringen, zum anderen aber auch die Parasiten selbst und zwar dauernd. 
Durch eine so zeitig als möglich einsetzende Präventivbehandlung mit Atoxyl selbst 



328 


MIESSNEK uud IMMISCH, 


schon in geringen Mengen hat Uhlenhuth (57) den Ausbruch der Dourine bei 
Kaninchen völlig verhindert. An Stelle von den üblichen intravenösen Appli¬ 
kationen hat dieser Autor Salbeneinreibungen an Kaninchen vorgenommeri und 
trotz des Bestehens von tiefgreifenden Veränderungen Heilerfolge erzielt. Die 
Salbeneinreibung gestattet die Applikation besonders großer Atoxylmengen und 
bürgt infolge der langsamen Resorption für eine gleichmäßige protrahierte Wirkung 
während längerer Zeit. Die weiteren von Uhlenhuth und Woithe (58) an 
Pferden vorgenommenen Atoxylversuche haben zwar keine dauernde Heilung ge¬ 
zeitigt, vielmehr traten Rezidive auf; die sich an diese anschließende Behandlung 
führte zu einer Abnahme der Virulenz. Eine dauernde Heilung trat nicht ein, 
immerhin überlebte dieses Versuchspferd das Kontrollpferd, das bereits 4 Monate 
nach der Infektion starb, um 8 Monate, starb also erst ein Jahr nach der In¬ 
fektion. Auch bei Hunden ist Uhlenhuth und Woithe (58) die Heilung der 
experimentellen Dourine mittels Atoxyls nicht gelungen. 

Mit Atoxyl kombiniert mit Arsentrisulfid nach Laveran erzielte Schilling 
(52) bei einem Heilversuch an einem mit Nagana infizierten Hund ebenfalls nur 
ein negatives Resultat. 

Durch eine weitere Kombination von Atoxyl mit Acidum arsenicosum 
haben Löffler und Rühs (29) gegenüber einem für Meerschweinchen hochpatho¬ 
genen Trypanosomenstamm durch mehrfache Einverleibungen Heilungen erzielt. 
Die von Schilling (52) nach dieser Löffler-Rühsschen Methode an Meer¬ 
schweinchen vorgenommenen Heilversuche haben wegen der geringen Virulenz des 
zu den Versuchen verwendeten Naganastammes für Meerschweinchen zu keinem 
einwandfreien und völlig aufklärenden Resultat geführt. Bei Versuchen an Ratten 
mit vollvirulentem Naganamaterial mit der Kombination von Atoxyl mit Acidum 
arsenicosum waren die Resultate außerordentlich variabel. 

Das von Mesnil (36) zur Bekämpfung des Trypanosoma Lewisi erprobte 
Azetylatoxyl hat sich seinen Versuchsergebnissen zufolge als unwirksam er¬ 
wiesen. 

Nächst dem Atoxyl dürfte das erst seit kurzer Zeit in therapeutischer An¬ 
wendung befindliche Arsenophenylglyzin Ehrlichs das für eine wirksame 
Bekämpfung der Trypanosomiasen am meisten Gewähr bietende Mittel sein. Die 
glänzenden Ergebnisse der mit Arsenophenylglyzin angestellten Versuche haben 
Ehrlich (9, 10) zu der Schlußfolgerung geführt, daß „wir in dem Arsenophenyl¬ 
glyzin einen Stoff ausfindig gemacht haben, der im Tierversuche geradezu Ideales 
leistet, da es, genau genommen, gelingt, bei jedem Versuchstier und bei jeder ver¬ 
wandten Trypanosomenart mit einer einzigen Injektion Heilung herbeizuführen“. 

Dauerheilungen sind allen Forschern mit Arsenophenylglyzin gelungen. 

Am eklatantesten dürften die bei trypanosomenkranken Mäusen erzielten 
Heilerfolge sein. Am ersten Tage nach der Infektion, also bei bereits manifester 
Blutinfektion gelang es Roehl (41) leicht die Mäuse mit einer einzigen Injektion 
dauernd zu heilen und zwar genügte hierfür schon der 5. bis 7. Teil der höchst 
ertragenen Dosis. 

Am zweiten Tage nach der Infektion konnte Roehl (48) mit 1 ccm einer 
Lösung von 1 : 150 bis 1 : 250 von 19 Mäusen 18 dauernd heilen; bei der einen 
Maus muß es zweifelhaft bleiben, ob sie einer Vergiftung erlag, oder ob nicht die 
lebensrettende Intervention zu spät erfolgte. 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 329 

Roehl (48) berichtet ferner noch, daß es gelang, schon schlaffe und sich 
kühl anfühlende Tiere ,,selbst durch Dosen von 1 : 600 wieder munter und vor¬ 
übergehend parasitenfrei zu machen, sodaß sie erst dem später eintretenden Rezidiv 
erlagen“. Durch Lösungen von 1: 250 d. i. dem dritten Teil der vom gesunden 
Tier ertragenen Dosis konnte dieser Autor noch schwer kranke Tiere mit einem 
Schlage dauernd heilen. 

Wesentliche Differenzen in den Versuohsergebnissen lieferten die an Ratten 
vorgenommenen Heilversuche mit Arsenophenylglyzin. Den günstigen Resultaten 
Roehls (48), der bei Ratten eine Dosis von 0,4 g pro kg Tier empfiehlt, und denen 
Schillings (52), der als Dosis efficax 1 mg pro 10 g Tier fand und mit Aus¬ 
nahme von einer Ratte stets sichere Heilung erzielte, stehen die wenig ermutigenden 
von Breinl und Nierenstein (1) gegenüber. Von 20 Ratten, die teils mit der 
von Roehl angegebenen Dosis teils mit geringeren Mengen behandelt worden 
waren, starben alle bis auf eine an Vergiftung. 

Bei Meerschweinchen ist, wie Roehl (48) berichtet, die Heilung mit einer 
Injektion von Arsenophenylglyzin zwar möglich, aber nicht sicher. Bei den von 
Breinl und Nierenstein mit Arsenophenylglyzin vorgenommenen Heilversuchen 
an Meerschweinchen, die teils mit Trypanosoma equinum teils mit Trypanosoma 
gambiense teils mit Trypanosoma Brucei infiziert waren, zeigte von fünf Tieren 
nur eins 22 Tage nach der Behandlung ein Rezidiv, das erst nach Verlauf von 
11 weiteren Tagen mit 0,1 g Arsenophenylglyzin (Körpergewicht des Versuchs¬ 
tieres 495 g) behandelt wurde, aber am folgenden Tage schon an Vergiftung starb. 
Von den übrigen vier Tieren sind zwei noch am 240. Tage am Leben. 

Bereits mit dem dritten bis vierten Teile der Dosis letalis des Arsenophenyl- 
glyzins vermochte Roehl (48) bei Kaninchen mit einer einmaligen Applikation 
Heilung zu erreichen, selbst der sechste Teil hat in der Regel, wenn auch nicht 
immer, heilende Wirkung gehabt. Wiederholte Injektionen kleiner Dosen von 
Arsenophenylglyzin bei Naganakaninchen haben Heilungen zur Folge gehabt. Re¬ 
zidive nach ungenügenden Dosen von Arsenophenylglyzin oder anderen Arseni¬ 
kalien konnte Roehl (48) mit einer einmaligen Injektion von Arsenophenylglyzin 
dauernd heilen, ebenso war es möglich Dourine- und Mal de Cad^raskaninchen 
mit einmaliger Injektion von Arsenophenylglyzin vor Rezidiven zu bewahren. Das 
den übrigen trypanoziden Agentien gegenüber sehr resistente Trypanosoma Lewisi 
gelang Wendelstadt (61) schon mit relativ kleinen Mengen von Arsenophenyl¬ 
glyzin (0,05 g pro kg Ratte) innerhalb 24 Stunden aus dem Blute zum Ver¬ 
schwinden zu bringen. Im gleichen Sinne berichtet Schilling (52). 

Mesnil und Kerandel (37) haben Versuche mit Arsenophenylglyzin an 
Affen (Macaous rhesus) angestellt, die mit Trypanosoma gambiense infiziert worden 
waren. In Dosen von 10 cg pro kg Körpergewicht haben sie bei zwei Affen Heilung 
erzielt, während ein dritter nach Auftreten eines Rezidives erst nach Injektion von 
weiteren 12 cg pro kg Körpergewicht endgültig geheilt wurde. Breinl und 
Nierenstein (1) erzielten ebenfalls günstige Resultate an Affen, die mit Trypa¬ 
nosoma gambiense infiziert worden waren. Wendelstädt (61) hat von zwei 
naganakranken Affen den einen mit dem ,,Flaschenpräparat“ des Arsenophenyl- 
glyzins durch zweimalige Injektion von je 0,015 g, den anderen mit dem Vakuum¬ 
präparat durch zwei Gaben von je 0,0025 g dauernd geheilt. 



330 


MIESSNER and IMMISCH, 


Die an Händen vorgenommenen Heilversache zeitigten bei allen Forschern 
günstige Resultate, jedoch vermochten Breinl und Nierenstein (1) nur in den 
Fällen, wo die Behandlung frühzeitig einsetzte, Rezidive zu verhindern. Bei Be¬ 
ginn der Behandlung in bereits vorgeschrittenem Stadium der Krankheit traten im 
Verlauf der Behandlung Rückfälle ein, doch erzielten die beiden Autoren durch 
wiederholte Injektionen von Arsenophenylglyzin Heilung, ausgenommen einen Fall, 
wo Exitus letalis durch Vergiftung eintrat. 

Während Schilling (52) bei Anwendung von Arsenophenylglyzin an einem 
trypanosomenkranken Pferde schon am Tage darauf durch den Tierversuch im 
peripheren Blute das Fehlen von Trypanosomen feststellen konnte, starben bei den 
Versuchen von Breinl und Nierenstein (1) an vier Eseln und einem Pony zwei 
Esel, der eine nach Injektion von 0,1 g Arsenophenylglyzin pro kg Körpergewicht 
schon nach Verlauf von 5 Stunden, der andere am dreizehnten Tage nach einer 
intramuskulären Injektion in der Glutäalregion an einer jauchigen Gangrän dieser 
Muskeln, die beiden anderen Esel und der Pony zeigten trotz Einverleibung hoher 
Dosen von Arsenophenylglyzin Rezidive. 


II. Eigene Arsenophenylglyzinversuche. 

Wie aus den bisherigen Angaben in der Literatur hervorgeht, 
haben insbesondere verschiedene Arsenpräparate eine ausgezeichnete 
trypanozide Wirkung entfaltet, weshalb wir selbst in die Untersuchung 
eines derartigen Präparates eingetreten sind. 

Da Herr Geheimrat Ehrlich uns in liebenswürdigster Weise das 
neueste von ihm untersuchte Präparat, das Arsenophenylglyzin, 
zur Verfügung stellte, so haben wir mit diesem Präparat eine größere 
Anzahl von Untersuchungen vorgenommen und zwar sind diese Unter¬ 
suchungen teils an Tieren ausgeführt worden, welche mit Dourine- 
trypanosomen infiziert worden waren, teils an solchen, bei welchen wir 
zur Infektion den in neuerer Zeit von uns gezüchteten Beschälseuche¬ 
stamm „Morsa u verwendeten. Als Versuchstiere wurden weiße Mäuse, 
ferner Hunde und endlich Pferde benutzt. 

Um zunächst zu ermitteln, ob das Arsenophenylglyzin irgend einen 
schädigenden Einfluß auf die mit dem Präparat behandelten Tiere aus¬ 
übt, sind die zu Heilzwecken verwendeten Mengen verschiedentlich 
gesunden Tieren subkutan bzw. intravenös eingespritzt worden. Eine 
Veränderung im Gesundheitszustände der betreffenden Tiere hat sich 
hierbei nicht ergeben. Auch sind Zählungen der roten Blutkörperchen 
vorgenommen worden, ohne daß es gelang, einen Einfluß des Arseno- 
phenylglyzins auf die Zahl der Blutkörperchen festzustellen. 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 


331 


1. Versuche mit Arsenophenylglyzin an mit Donrinestamm Schilling infizierten 

Tieren. 

a) Mäuse. 

Bei den Untersuchungen beschränkten wir uns nicht allein darauf, 
den Heileffekt des Präparates festzustellen, sondern wir suchten auch 
zu ermitteln, ob die Krankheit durch prophylaktische Impfungen 
verhütet werden kann. Es sind infolgedessen einmal Tiere mit Arseno¬ 
phenylglyzin behandelt worden, bevor man sie mit Trypanosomen 
infizierte, dann gleichzeitig mit der Trypanosomeninfektion, endlich 
ein bis mehrere Tage hinterher. Auf diese Weise war es möglich, 
die Wirksamkeit des Arsenophenylglyzins bei verschiedener Anwendung 
zu studieren. 


1. Prophylaktische Versuche mit Arsenophenylglyzin an Mäusen. 


Arsenophenylglyzinein- 
spritzung* Zahl der Tage 
vor der Infektion 

Zahl der 

Mäuse 

Zahl der erkrankten 

Mäuse 

Wieviel Tage 
nach der 

Infektion erkrankt? 

3 Tage 

3 

_ 

_ 

2 Tage 

3 

— 

— 

1 Tag 

3 

— 

— 

0 Tage 

3 

2 

10 Tage 


Aus der Tabelle ergibt sich, daß man eine Erkrankung an 
Trypanosomiasis zu verhüten imstande ist, wenn das Arsenophenylglyzin 
ein bis drei Tage vor der Infektion eingespritzt wird. Dagegen kann 
durch die Siraultaneinspritzung von Trypanosomen und Arsenophenyl¬ 
glyzin nicht in allen Fällen einer Erkrankung an Trypanosomiasis 
vorgebeugt werden. 


2. Präventivimpfung mit Arsenophenylglyzin. 


Arsenopbenylglyzinein- 
spritzung. Zahl der Tage 
nach der Infektion 

■ 

■ 

Zahl der erkrankten 

Mäuse 

Wieviel Tage 
nach der 

Infektion erkrankt? 

2 Tage 

3 

2 

10 

3 Tage 

3 

1 interkurrent 

— 

4 Tage 

5 

2 

15 

Kontrolle 

1 

l 

4 


Aus der Tabelle erhellt, daß eine Arsenophenylglyzinbehandlung 
nach der Trypanosomeninfektion in den meisten Fällen eine Erkran- 











332 


MIESSNER and IMMISCB, 


kung an Trypanosomiasis nicht verhindern kann, wenn auch die In¬ 
kubationszeit dadurch wesentlich verlängert wird. 


3. Mehrmalige Einspritzung von Arsenophenylglyzin. 


Zahl der Arsenophenyl- 
glyzineinspritzungen 

Zahl der 
Mäuse 

Zahl der Tage nach 
der Infektion 

Ist eine spätere Er¬ 
krankung cingctreten? 

3 

2 

8 Tage 

10 Tage 

12 Tage 

— 

2 

2 

8 Tage 

10 Tage 

— 

Kontrolle 

1 

10 Tage 

gestorben 


Die in der Tabelle zusamraengestellten Versuche sind derart aus¬ 
geführt, daß die erste Arsenophenylglyzineinspritzung sofort nach dem 
ersten Auftreten der Trypanosomen vorgcnomroen wurde, und daß darauf 
in Zwischenräumen von zwei Tagen weitere Injektionen folgten. Die 
in dieser Weise behandelten Tiere sind nicht weiter erkrankt. 

4. Heil versuche mit Arsenophenylglyzin. 

Endlich haben wir an einer größeren Anzahl von Mäusen Heil¬ 
versuche angestellt, indem wir das Arsenophenylglyzin zu einer Zeit 
einspritzten, zu welchem bereits eine größere Anzahl von Trypano¬ 
somen im Blute der Mäuse nachzuweisen waren. 


Zahl der 
Mäuse 

Zahl der trotz 
Arsenophenyl¬ 
glyzin ge¬ 
storbenen 
Mäuse 

Zahl der 

ersten 

Rezidive 

Zahl der Tage nach 
der ersten Arseno¬ 
phenylglyzin¬ 
einspritzung 

i 

Zahl der zwei¬ 
ten Rezidive 

Zahl der Tage nach 
der zweiten Arseno¬ 
phenylglyzinein¬ 
spritzung 

15 

3 

4 

1 nach 10 Tagen 

2 nach 11 Tagen 

1 nach 17 Tagen 

i 

24 


Wie die Tabelle ergibt, sind von 15 Mäusen 3 trotz Einspritzung 
des Arsenophenylglyzins kurze Zeit hinterher gestorben. Bei diesen 
war offenbar die Infektion schon zu weit vorgeschritten, so daß die 
Arsenophenylglyzininjektion zu spät kam. Man konnte zwar das Ver¬ 
schwinden der Trypanosomen bei diesen Tieren noch feststellen, der 
durch die starke Invasion der Trypanosomen geschädigte Körper 
vermochte sich aber nicht mehr zu erholen. Von den übrigen 11 
Tieren bekamen 4 Rezidive verschiedene Zeit nach der Behandlung 
und von diesen wieder 1 ein zweites Rezidiv. 









Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 


333 


b) Hunde. 

Zwei Hunde wurden am 2. August 1909 mit Dourinetrypanosomen 
infiziert. Schon nach 8 Tagen ließen sich Trypanosomen im Blute 
nachweisen. Das Befinden der Tiere verschlechterte sich dann zu¬ 
sehends, sie wurden mager, sehr matt, fraßen schlecht, bei dem einen 
Hunde stellte sich in der vorderen Augenkammer ein trübes Exsudat 
ein. Am 27. August 1909 waren sehr viele Trypanosomen im Blute 
der Hunde nachzuweisen und das Befinden beider Tiere war schlecht. 
Dem Hunde mit dem Exsudat in der vorderen Augenkammer, bei dem 
sich mikroskopisch am meisten Trypanosomen nachweisen ließen, 
wurde 0,5 g Arsenophenylglyzin in die Vene gespritzt. Der nicht be¬ 
handelte Hund verendete 8 Tage darauf an Trypanosomiasis, während 
der behandelte Hund sich besserte. Trypanosomen waren nicht zu 
ermitteln und konnten auch in den folgenden sieben Monaten nicht 
mehr gefunden werden, trotzdem periodisch Mäusen Blut dieses Hundes 
injiziert wurde. Das Exsudat in der Augenkammer trat nach einigen 
Monaten wieder auf, verschwand jedoch nach kurzer Dauer; aber auch 
zu dieser Zeit ließen sich Trypanosomen nicht nachweisen. 

2. Arsenophenylglyzinversuche an besehälsenchekranken Tieren. 

a) Mäuse. 

Nachdem es geglückt war, nach Hundepassage die Trypanosomen 
aus der beschälseuchekranken Stute Morsa in Mäusen nachzuweisen, 
haben wir unsere Arsenophenylglyzinstudien auf Mäuse ausgedehnt, 
die mit diesen Trypanosomen infiziert worden waren. Unsere Unter¬ 
suchungen beschränkten sich lediglich auf Heilversuche. Bis jetzt sind 
20 mit Beschälseuchetrypanosomen mit Arsenophenylglyzin behandelt 
worden. Bei keinem dieser Mäuse sind bis zum Abschluß vorliegender 
Arbeit (etwa 2 Monate nach der Behandlung) Rezidive aufgetreten. 

b) Beschälseuchekranke Pferde. 

Das Befinden der am 1. Dezember 1908 in die tierhygienische 
Abteilung eingestellten Stute Morsa verschlechterte sich zusehends. 
Anfang Februar 1909 war die Stute nicht mehr imstande, sich allein 
vom Lager zu erheben und legte sich deswegen nicht mehr nieder. Die 
Schwellung am Euter dehnte sich nach vorn bis zum Schaufelknorpel 
aus (cfr. Fig. 4), das Gewicht nahm ständig ab (cfr. S. 311). Temperatur¬ 
schwankungen waren nicht zu beobachten. Mitte Februar 1909 wurden 
der Stute 20 g Arsenophenylglyzin in die Vene gespritzt. Hiernach trat 




MIESSNBR uori 1MMISCH 


noch ^iö, es folgt« infolgedessen Anfang 

Marr-!9Ö9 ; eine noehnmjig»'' .Injektion .von Arseriophenylglyziii. .Auf 
iweitc hin besserte sich das Boßnden ««£ebendy, 

die Schwelungen »o dcr 'üntcrbntsf und am Euter nahmen allmählich 
ab, die i\ep!>.fBe?H.iernngeii auf den Schamlippen eersthsvänden (coftf. 
Fig. 5} im Laufe der Zeit vollkommen ebenso wie di«? Schwellung der 
Schamlippen. Der in Figur 5 an der Scham der Stute Morsa steht* 


Bc§chäl6euchelsrapke(Slr)t£ Morse .Vor dec ..L . o 

bare heile Pieck, der auf der .rechten Tabin . nahe. demunterm» Winke! 
sich, höfttidet, ist eine Narbe, die von 4$r- 

•Ciiiidces SehAini'ppe zu hDin'o.givdii.n l;Titi'r>iu-hur>g.cn iierriihrt. Die 
Stute vermocht«'sich htawlegen und ..hrm iJilie nolrustebeo. Ir« der 
Folgezeit hielt die Besscrtrhg an. Die Sime, v\fj«hi ; h«-i Liriltefenmc 
in das Institut nicht imstande war. wenicr Minuten lang im Trabt- her- 
utnzuiaufe», hielt. ein? SO Minuten langt?g ßewegtiog frtf Trabe aus, 
ohne hierbei mehr zu ermüden als gesunde, Pferde Sic wurde dauernd 


















tftitmoü&ttrigfrt ’ubftr '»Up o&iprPütiiselip ßescbäisebofe «ie. 335 

'. ' .• ; ••’':- •■ i •*•'V i ;'“ve>-^v -/••• \ •’.?:.»/* ’•*!.- : - v, -\- 

. 

zum Fahrdienst, im Institut benutzt und dadurch nicht merkbar ange¬ 
strengt. Lbe ursprüngliche Lähmung der Nachhaud hatte sich vei* 
iorcii ... -Trypanosomen wäre« bei. dem Tiere, bißht uachzuweweri. Es 
h.a£;jS^2tät' d$s gute Befinden der Stute etwa ein didrr dirigf gedauört^ 
und wenn' nielii unerwartet Rezidive eintrete« solltet), so muß reu 
einer Heilung gesprochen- werden (cool Figur 6). Da der Besscrnngs- 

Kig. 5. 


Schani .der besc.tui.seut'Jiekranketi Stifte .Morsa nach der Behandlung. 

zustaod unmittelbarder zweiten ArsenophenylgDininjekuon folgte, su 
Scheint die Armshme yid% berechtigt, daß die Besserung dwf da« 
•Ami»opb<‘n.yfg.lyi:in bezöge« werden muß. 

| Fuchsstute' U\). 

Üä.v Befinde« der am .2,. dom Hf03 eitigelieferteft typisch beschai- 
seuehekranken Fuchs.slute lljt aus iinifkoWem verscblechtefite-V^ich rm 




M1ESSNER und IMMfSOR 


■Laufe des Winters zusehends,. fio Monat Dezenaher legte- sich das 
T»er nur seiten Im», weil ihd» yernroiligh das Aufsiehen Schwierig- 
ketten machte. Eine ständige Gewichtsabnahme, von 470 kg im Monat., 
Juni 1909 »af^ kg jtn Monat Januar 1910 war sn beobachten, Am 

8. Januar ISt0 würden dieser Stute- *20 g Arsenophenvigb/Äin mtravehäsr 
injiziert. Näch dieser Zeit eryvee-kte es den Eindruck, als ob sieh der 
Zustand besserte. Die Stute legte sich regelmäßiger hin, fraß besser und 


15e^c^f>encbekranke 5lutö Mam nach der HehaDiijurv^. 


zeigte ein. munteres, Wesen. Die Zeitnach der Einsprilzting ist noch zu 
kurz, uro ein endgültiges Urteil zu fallen, ob das ArsenophetiyIglvzin in 
diesem Falle tatsärhlihh nitife« Besserung oder gar Heilung erzielt hat. 


A. Fu< !t - he.l£rSV. 

Der am 21. Dezember '190$ rmi Sclieideniehleimaufednvemmung 
von Stute Mor^a (cont. S. 211; -unkmunutui n uns venös itdiziortc Fuohs- 
.iiengNt 851 ging in der /.weiten Hälfte des. Jahres 1909 ständig im 










Untersuchungen über die ostpreuliische Beschälseuche etc. 


337 


Nährzustande zurück, sodaß sein Gewicht von 469 kg im Juni 1909 
auf 293 im Dezember des gleichen Jahres gesunken war. Seit Mitte 
November fraß der Hengst schlecht und vermochte nur mit Unter¬ 
stützung aufzustehen. Auch bei diesem Tiere schien nach intravenöser 
Applikation von 15 g Arsenophenylglyzin am Ende November 1909 
eine wesentliche Besserung einzutreten. Ob dieselbe aber anhaltend 
ist, soll erst die Folgezeit lehren. Jedenfalls ließ sich im Monat 
Februar eine Gewichtszunahme von 284 auf 292 kg feststellen. 

Aus den Versuchen ergibt sich, daß es mit Hilfe des Arsenophenyl- 
glyzins gelingt, stark mit Trypanosomen infizierte Mäuse zu 
heilen, sowie durch prophylaktische Behandlung mit dem Präparat 
eine Trypanosomiasis zu verhüten. Auch die Heilversuche an Hunden, 
welche noch im größeren Umfange fortgesetzt werden sollen, lassen 
deutlich die spezifische trypanozide Wirkung des Arsenophenylglyzins 
erkennen. 

Was die Versuche an Pferden anbetrifft, so verfügen wir leider 
zur Zeit nur über einen positiven Heilversuch, während eine größere 
Anzahl von diesbezüglichen Untersuchungen noch nicht beendet ist. 
Es wird ohne weiteres zugegeben werden, daß gelegentlich spontane 
Heilungen von beschälseuchekranken Tieren beobachtet werden, die 
Erkrankung der Stute Morsa erschien aber so schwer, daß an eine 
Besserung kaum zu denken war. Der Umstand, daß diese im An¬ 
schluß an die Verabreichung von Arsenophenylglyzin eintrat, läßt es 
als berechtigt erscheinen, die vorläufige Heilung der Stute Morsa ledig¬ 
lich der Einwirkung des Arsenophenylglyzins zuzuschreiben. 

Ob derartige Frfolge dauernd oder wenigstens in der Mehrzahl 
der Fälle beobachtet werden, darüber können natürlich erst größere 
Versuchsreihen ein endgültiges Urteil gestatten. 

Auf die mit den Trypanosomen der ostpreußischen Beschälseuche 
angestellten Reagenzglasversuche zum Studium des Verhaltens der¬ 
selben gegenüber dem Arsenophenylglyzin sowie den übrigen trypa- 
noziden Agentien wird späterhin berichtet werden, da wir zur Zeit noch 
nicht über eine genügende Zahl von Versuchsreihen verfügen. 

D. Agglutinationsversuche. 

Zur Feststellung der Identität bzw. Nichtidentität der europäischen 
Beschälseuche und algerischen Dourine hatten wir versucht, die 
Agglutination zu verwenden, in der Annahme, daß es evtl, gelingen 

Archiv f. wissenseb. u. prakt. Tierheilfc. Bd. 36 Suppl.-Band. 



MIESSNKR und IMMISCH, 


33 S 

könnte, durch spezifische Zusammenballungen einen Rückschluß auf 
die Art bzw. Herkunft der agglutinierten Trypanosomen zu machen. 

Als Versuchsstämme benutzten wir einmal den Dourinestamm 
Schilling, ferner einen von Ehrlich überlassenen Tsetsestamm und 
endlich den aus unseren Mäusen gewonnenen Bcschälseuchestamm. 
Zu verschiedenen Zeiten nach der Infektion wurde den Mäusen try¬ 
panosomenhaltiges Blut entnommen und dieses mit dem Serum von 
teils beschälseuche- teils dourinekranken teils gesunden Pferden zu¬ 
sammengebracht. Bei den Vorversuchen hatte sich ergeben, daß 
Serumverdünnungen von 1 : 10 die besten Resultate lieferten, weshalb 
wir bei unseren Untersuchungen ausschließlich diese Verdünnungen 
benutzten. Auch verwendeten wir ursprünglich neben der normalen 
Serumkontrolle eine Kontrolle, bei der die Trypanosomen mit physio¬ 
logischer Kochsalzlösung verdünnt wurden. Es ergab sich aber sehr 
bald, daß die physiologische Kochsalzlösung häufig auf die Beweg¬ 
lichkeit der Parasiten einen hemmenden Einfluß ausübte. Neven(42) 
beobachtete, daß seine als Kontrolle dienenden Trypanosomen in phy¬ 
siologischer Kochsalzlösung in der Regel nach einer Stunde nicht mehr 
die ursprüngliche Beweglichkeit zeigten. Wir kamen infolgedessen 
bald von dieser Kontrolle ab und beschränkten uns lediglich auf die 
Kontrolle mit normalem Serum. 

Bei unseren Versuchen mußten wir zwischen zwei vollkommen 
differenten Phänomenen unterscheiden: einmal erhielten wir regellose 
Zusammenklumpungen der Trypanosomen, das andere Mal aber regel¬ 
mäßige stem- bzw. rosettenförmige Gebilde, bei denen alle daran be¬ 
teiligten Trypanosomen in einem zentral gelegenen Punkte mit dem 
einen geißelfreien Ende zusammentrafen. Auch Laveran und 
Mesnil (26) sowie Düring (7) berichten über den Erhalt von Ro¬ 
setten bei ihren Agglomerationsversuchen. 

Vergleichende Betrachtungen ergaben, daß bei diesen letztgenannten 
Bildungen, die sich bei den Versuchen meist sehr schnell, man darf 
wohl sagen zusehends, etwa im Verlauf von 10 bis 15 Minuten, ent¬ 
wickelten, jedes einzelne beteiligte Trypanosom noch im Vollbesitze 
seiner lebhaften Beweglichkeit war. Bei den regellosen Zusammen¬ 
klumpungen, die ganz allmählich zustande kamen, ließen sich an den 
Trypanosomen nur noch schwache Bewegungen erkennen und im 
Laufe der Zeit konnten wir aus unseren Versuchen schließen, daß nur 
die Bildung der sternförmigen Gebilde etwas Typisches darstellt. 
Jene regellosen Zusammenklumpungen erfolgten bei allen Versuchen, 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 


389 


bei denen die Trypanosomensternbildungen nicht eintraten, mit Ab¬ 
nahme der Beweglichkeit aller in dem betreffenden hängenden Tropfen 
befindlichen Trypanosomen und haben mithin nichts Charakteristisches. 
Tsetseparasiten mit Dourineserum ergab diese regellose Zusaromen- 
klumpung zumeist schon nach kurzer Zeit. 

Nach Rabinowitsch und Kempner(46) zeigt das Trypanosomen¬ 
serum in keiner Weise irgendwelche agglutinierenden oder entwicklungs¬ 
hemmenden Eigenschaften. 

Die Versuche wurden in größerem Maßstabe ausgeführt und es 
war zuweilen eine gewisse Spezifität der Agglutination nicht zu ver¬ 
kennen. Wir konnten beispielsweise beobachten, daß das Serum un¬ 
seres dourinekranken Pferdes lediglich auf Dourinetrypanosomen 
zusammenballend wirkte, ein Befund, der stets in prägnanter Weise 
zum Ausdruck kam, nicht aber auf Trypanosomen der Tsetse- oder 
Beschälseuche, ebenso wie wir zuweilen einen spezifischen Einfluß des 
Serums unserer beschälseuchekranken Tiere auf Beschälseuchetrypano¬ 
somen feststellten. Diese Resultate waren aber nicht konstant und 
wir konnten zuweilen selbst einen zusammenballenden Einfluß des 
Serums von beschälseuchekranken Pferden auf Tsetseparasiten be¬ 
obachten. Wegen dieser Unbeständigkeit in den Resultaten gelangten 
wir zu der Ueberzeugung, daß es mit Hilfe der Agglutination nicht ge¬ 
lingt, einen Rückschluß auf die Herkunft der Trypanosomen zu machen. 
Es eignet sich mithin die Agglutination nicht zur Diffe¬ 
renzierung der verschiedenen von uns verwendeten Try¬ 
panosomenarten. 


E. Schiaßbetrachtung. 

Bei der Aehnlichkeit der europäischen Beschälseuche und der in 
Algerien zuerst beobachteten Dourine sowohl bezüglich der zu Lebzeiten 
auftretenden Veränderungen als auch in ätiologischer Hinsicht war es 
von Wichtigkeit, einer eingehenden Prüfung der Frage näherzutreten, 
ob diese Krankheiten tatsächlich identisch sind. 

Der erste, welcher in Algerien eine Trypanosomiasis nachwies, war 
Chauvrat (4). Nach Ansicht von Raillet, der den Befand von Chauvrat (4) 
prüfte, lag in diesem Falle eine Krankheit vor, welche in Indien mit dem Namen 
Snrra bezeichnet wird, und die sich vornehmlich durch intermittierendes Fieber, 
dauernd zunehmende Abmagerung und Schwellung der Glieder kennzeichnete, 
Diese Veränderungen sind von Chauvrat bei dem Pferde beobachtet worden, 
von welchem die ermittelten Trypanosomen herstammten. Vier Jahre später ent¬ 
deckte dann Rouget (ÖO) abermals Trypanosomen bei einem algerischen Hengste 



340 


MIESSNER und IMMISCH 


in Constantine. ’ Die Krankheit des betreffenden Tieres unterschied sioh in¬ 
sofern von der Surra, als sie sich vornehmlich auf die Geschlechtsorgane be¬ 
schränkte, Wie schon damals richtig erkannt war, kam die Uebertragung des 
Krankheitserregers von Tier zu Tier lediglich durch den Geschlechtsakt zustande 
und man bezeichnete die Krankheit als Dourine = unreine Begattung. Der Er¬ 
reger wurde zu Ehren seines Entdeckers mit dem Namen Trypanosoma 
Rougeti belegt. 

Ausführliche Untersuchungen über diese Krankheit haben dann Schneider 
und Buffard (53) gemacht. Diesen Forschern gelang bei der Dourine, welche 
mit Schwellung der Hoden, Lähmung des Penis, Auftreten von Quaddeln und 
Talerflecken verlaufen soll, stets der Nachweis von Trypanosomen. In den Fällen, 
in denen der mikroskopische Nachweis Schwierigkeiten bereitete, war es möglich, 
durch das Tierexperiment und zwar durch die Verimpfung von Blut auf Hunde, 
die Anwesenheit von Trypanosomen festzustellen. Die infizierten Hunde gingen 
ohne Ausnahme innerhalb ein bis zwei Monaten an Trypanosomiasis zugrunde. 

Da bei der aus ihrem früheren Auftreten in Deutschland bekannten Beschäl¬ 
seuche ähnliche Veränderungen wie bei der Dourine ermittelt worden waren und 
diese Krankheit sich auch durch den Geschlechtsakt übertrug, so neigte man der 
Ansicht zu, daß die Beschälseuche durch das Trypanosoma equiperdum s. 
Rougeti erzeugt werde. Aber schon die ersten Untersuchungen, die man nach 
dem Bekanntwerden der Trypanosomenbefunde bei der algerischen Dourine an¬ 
läßlich neuer Ausbrüche von Beschälseuche in Ungarn machte, ließen diese An¬ 
schauungen als zweifelhaft erscheinen. Marek (31, 32) sowohl wie Kern (23), 
die Gelegenheit hatten, eine größere Anzahl von beschälseuchekranken Pferden zu 
untersuchen, vermißten Trypanosomen und neigten daher der Ansicht zu, daß 
entweder die europäische Beschälseuche eine andere Krankheit sei, oder daß auch 
die Trypanosomenbefunde bei der Dourine in Algerien nur Zufallsergebnisse dar¬ 
stellten, die sich in keinem ätiologischen Zusammenhänge mit dieser Krankheit 
befänden. Der eigenartige Umstand, daß Trypanosomen häufig bei algerischen 
Pferden gefunden wurden, die niemals zur Begattung zugelassen worden waren, 
bestärkte die beiden Autoren in ihrer Ansicht. 

Nicht ohne Bedeutung für die von Rouget erhobenen Trypanosomenbefunde 
dürfte ferner die Feststellung einer Trypanosomiasis durch Edmond und 
Sergent (5) unter den Dromedaren sein, mit welchen der Verkehr auf der 
Karawanenstraße zwischen Constantine und dem Innern Nordafrikas (Biskra, 
Tugurt) aufrecht erhalten wurde. Ein mit diesen Trypanosomen infiziertes Pferd 
erkrankte unter den typischen Erscheinungen der Surra. Da Constantine den 
Ausgangspunkt der Karawane darstellt und gleichzeitig Sitz eines Gestütes ist, so 
war die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß in dem Gestüt befindliche 
Pferde gelegentlich mit Trypanosomen der Surra infiziert wurden. Aus Con¬ 
stantine stammte aber auch der von Rouget im Jahre 1896 untersuchte und mit 
Trypanosomen behaftete Hengst. 

Die Dourine ist außer in Afrika noch in Asien und in Amerika beobachtet 
worden. Speziell über das Auftreten in Amerika besitzen wir neuerdinds sehr 
schöne Arbeiten. In seiner Reisestudie widmet Ostertag (45) den in den Ver¬ 
einigten Staaten erfolgten Seuchenausbrüchen einige Worte. Nach Rutherford 



Untersuchungen über die ostpreußischo Beschälseuche etc. 341 

(51) war diese Krankheit im Jahre 1882 in den Staat Illinois durch einen fran¬ 
zösischen Hengst eingeführt und im Staate Kanada im Jahre 1904 zum ersten 
Male durch Burnett beobachtet worden. Higgins (20) gibt einige ausführliche 
Obduktionsberichte über dourinekranke Pferde. Er glaubt, da er im Blutserum von 
mit Trypanosoma gambiense (Schlafkrankheit) behafteten Menschen Toxine ge¬ 
funden hat, auch auf solche die schweren durch das Trypanosoma equiperdum 
veranlaßten Schädigungen zurückführen zu müssen. Einen besonderen Anteil an 
der Erforschung der Krankheit hat Watson (59), da es ihm gelungen war, bei 
der amerikanischen Dourine Trypanosomen nachzuweisen. Er fand diese Parasiten 
stets nur in den oberflächlichen Schichten der Schleimhaut, niemals in tieferen 
Blutgefäßen. Watson empßehlt, die Scheide mit 5 g Kochsalz und 5 g Kalium¬ 
zitrat gelöst in 1000 ccm Wasser auszuspülen und dann zu skarifizieren. Es ge¬ 
lang diesem Forscher teils mit Scheidenschleim, teils mit Blut (vornehmlich aus 
der Scheidenschleimhaut) mehrere Pferde zu infizieren. Eine Uebertragung auf 
Hunde, Ratten, Kaninchen, Mäuse blieb stets erfolglos. Einen angeblich positiven 
Uebertragungsversuch bei der Maus (conf. S. 44) deutete Watson nach einer 
brieflichen Mitteilung neuerdings dahin, daß es sich nicht um Trypanosoma 
equiperdum sondern um ein dem Trypanosoma Lewisi ähnliches Rattentrypanosom 
gehandelt habe. Watson hatte ferner die Liebenswürdigkeit, uns über seine 
neueren noch nicht veröffentlichten Arbeiten zu informieren. Hiernach ist ihm in 
der Folgezeit die Uebertragung auf Pferde ständig geglückt, während die gleich¬ 
zeitige Impfung mit dem gleichen Material bei Hunden, Ratten, Mäusen, 
Kaninchen stets negativ verlief. Die Virulenz der Trypanosomen hatte durch diese 
Pferdepassagen offensichtlich zugenommen, so daß die Uebertragungen auf 2 bis 
3 Monate alte Fohlen jetzt in kurzer Zeit den Tod dieser Tiere herbeiführte, 
während die im Jahre 1906/07 infizierten Tiere heute noch leben und sich bester 
Gesundheit erfreuen. Aber die kleinen Versuchstiere erscheinen auch diesen 
virulenteren Protozoen gegenüber genau so widerstandsfähig wie vorher. 

Schneider und Buffard (54) fanden bei zwei Stuten Trypanosomen im 
Ohr- und Scheidenblut. Diese Tiere waren von dem Nationalhengst Lusignan ge¬ 
deckt worden, der wegen Dourineverdachtes der Veterinärschule zu Toulouse über¬ 
sandt und daselbst lange Zeit vergeblich auf Trypanosomen untersuoht worden 
war. Ein mit 50 ccm Jugularisblut infizierter Hund wies am siebenten Tage 
Parasiten auf, welcher Befund durch Leclainche und La voran bestätigt 
worden ist. 

Weiterhin berichtet Kleinpaul (24), daß ihm die Uebertragung der Try¬ 
panosomen mit Hilfe von Scheidenschleim einer beschälseuchekranken Stute ge¬ 
lungen ist. 

Miessner (39, 40) und Im misch (22) haben im Scheidenschleim zweier 
besobälseuchekranker Stuten Trypanosomen nachweisen können. Wie aus vor¬ 
stehenden Untersuchungen hervorgeht, ist uns ferner die Uebertragung von Be¬ 
schälseuchetrypanosomen nach Hundepassage auf die Maus geglückt. 

Fröhner (19) hat zweimal im Blute bzw. in der Quaddelflüssigkeit von be¬ 
schälseuchekranken Pferden Trypanosomen gesehen. Der Uebertragungsversuch 
mit Blut auf eine Maus ist insofern abweichend von den Forschungsergebnissen 
anderer, als bei dieser die Trypanosomen schon am dritten Tage im Blute auftraten 
und nur einmal nachgewiesen wurden. 



342 


MIESSNER und 1MM1SCH, 


Wie sohwierig der Trypanosomennachweis ist, geht auch aus den umfang¬ 
reichen Untersuchungen von Zwick und Fischer (66) im Kaiserlichen Gesund¬ 
heitsamt hervor. Drei Monate lang wurden daselbst drei beschälseuchekranke 
Pferde auf das sorgfältigste vergeblich auf die Anwesenheit von Trypanosomen 
untersuoht und Uebertragungsversuche ausgeföhrt. Im vierten Monat gelang es 
endlich in einer frischen Quaddel Trypanosomen zu ermitteln. In der Folgezeit 
ist den genannten Autoren als ersten geglückt, die Beschälseuohetrypanosomen 
auf kloine Versuchstiere und auf Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde zu übertragen. 

Aus den vorstehenden literarischen Zusammenstellungen ergibt 
sich, wie bereits bei Besprechung des Erregers der Beschälseuche 
auseinandergesetzt worden ist, daß es in neuerer Zeit in vielen Fällen 
von europäischer Beschälseuche gelungen ist Trypanosomen nach¬ 
zuweisen, sodaß ein Zweifel über die ätiologische Bedeutung der 
genannten Protozoen uicht bestehen dürfte. 

Schwieriger stellt sich dagegen die Frage, ob die algerische 
Dourine und die europäische bzw. die amerikanische Beschäl¬ 
seuche durch denselben Erreger erzeugt werden. Wie bereits 
an anderer Stelle betont worden ist, besteht eine Differenz zwischen 
beiden Krankheiten darin, daß der Nachweis von Trypanosomen bei 
der Dourine leicht, bei der Beschälseuche nur äußerst schwer gelingt. 
Auch gehen, wie von Marek (33) und uns nachgewiesen worden ist, 
an Beschälseuche erkrankte Tiere nach Einverleibung von Dourine- 
trypanosoraen ebenso schnell an Trypanosomiasis zugrunde wie nicht 
beschälseuchckranke mit Dourinetrypanosomen infizierte Tiere. Man 
sollte wenigstens eine gewisse Verzögerung der Erkrankung und Ver¬ 
längerung der Inkubationszeit beobachten, falls beide Erkrankungen 
auf den gleichen Erreger zu beziehen wären. 

Was ferner den Erreger der algerischen Dourine anbetriflft, 
so ist zu berücksichtigen, daß er zuerst bei Pferden festgestellt wurde, 
die an Orten untergebracht worden waren, wo nachweislich auch 
die Surra herrschte (Constantine). Es lassen sich daher gewisse 
Zweifel nicht beheben, daß die bei den algerischen beschälseuche¬ 
kranken Plerden als Erreger nachgewiesenen Trypanosomen zur Klasse 
der Surratrypanosomen gerechnet werden könnten. Damit würde in 
Einklang zu bringen sein, daß der Nachweis und die Uebertragung auf 
kleine Versuchstiere leicht gelang. 

Unsere früher an anderer Stelle (22, 39) zum Ausdruck gebrachte 
Ansicht von der Nichtidentität der Dourine und Beschälseuche 
stützte sich zum Teil auf den Umstand, daß eine Uebertragung der euro¬ 
päischen und der amerikanischen Beschälseuche auf andere Tiere als 



Untersuchungen über die ostpreutiisclie Beschälseuche etc. 343 

Pferde bisher trotz vielfacher dahin zielender Versuche nicht gelungen 
ist. Wenn auch die in neuerer Zeit sowohl Zwick und Fischer (66) 
als auch uns gelungenen Fortzüchtungsversuche noch keinen endgül¬ 
tigen Beweis für die ätiologische Gleichartigkeit beider Seuchen liefern, 
so ist doch dadurch zum mindesten ein Parallelisraus beider Seuchen 
zu Tage getreten. 

Wir geben ohne weiteres zu, daß die oben gemachten Einwände 
eine absolute Beweiskraft nicht besitzen, immerhin hielten wir uns 
für verpflichtet, unsere Bedenken zum Ausdruck zu bringen, weil heute 
vielfach die Ansicht vertreten ist, daß die Identität der europäischen 
bzw. amerikanischen Beschälseuche einerseits und der algerischen 
Dourine andererseits außer Frage steht. 

Bevor man über die Unität bzw. den Dualismus der ge¬ 
nannten Seuchen ein endgültiges Urteil auszusprechen wagt, 
bedarf es ausgedehnter vergleichender Untersuchungen mit 
den beiden Erregern. Die Möglichkeit zu diesen Untersuchungen 
war erst gegeben, als es durch neue Forschungen gelang, den Erreger 
der Beschälseuche im Körper kleiner Versuchstiere fortzuzüchten. 


Literatur. 

1. Breinl, A., und Nierenstein, M., Beitrag zur Kenntnis des Arsenophenyl- 
glyzins. Aus den Runcorn Research Laboratories der Liverpool School of 
Tropical Medicine. 

2. Browning, Brit. med. journ. 16. Nov. 1907. 

3. Derselbe, Journ. of path. and bact. 1908. Vol. XII. p. 166. 

4. Cbauvrat, Un cas d’anämie pernioieuse du cheval en Algorie, causee par un 
Trypanosoma. Recueil de müdeoine veterinaire. Vol. VII. 18%. p. 344. 

5. Edmond et Sergent, Trypanosiase des dromadaires de l’Afrique du Nord. 
El. Debab. Annales de l’Institut Pasteur. Vol. XIX. 

6. Dausei, F., Beitrag zur Kasuistik der ,,Dourine“ (Beschälseuohe). Zeitschr. 
f. Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere. 
5. Bd. 1908/09. S. 448. 

7. Düring, Arthur, Studien*über Agglomeration und Immunität bei Trypano¬ 
soma Lewisi. Inaug.-Diss. Bern. 1908. 

8. Ehrlich, Berliner klinische Wochenschrift. 1907. 

9. Derselbe, Bericht der Deutschen Chemischen Gesellschaft. 42. Jahrg. Heft 1. 

10. Derselbe, Verhandlungen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. 10. 
Kongreß. Juni 1908. 

11. Ehrlich und Bertheim, Bericht der Deutschen Chemischen Gesellschaft. 
1907. Bd. 40. S. 32. 



344 


MIESSNER und IMMISCH, 


12. Ehrlich und Frank e, Berliner klinisohe Wochenschr. 1907. S. 233, 280, 
310, 341. 

13. Ehrlich und Shiga, Berliner klinische Wochenschr. 1904. 

14. Ellenberger, W., Handbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie 
der Haussäugetiere. Bd. 1. 1906. S. 75. Die Bewegungsorgane mit Ein¬ 
schluß der Grundsubstanzgewebe und des Muskelgewebes von M. Lungwitz. 

15. Frank, G., Ueber den Befund von Trypanosomen bei einem in Stein-Wingert 
(Westerwald, Regierungsbezirk Wiesbaden) verendeten Rinde. Zeitsohr. für 
Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere. Bd.5. 
1908/09. S. 313. 

16. Frosch, P., Aetiologische Ermittelungen über das Trypanosoma Frank. Zeit¬ 
schrift für Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haus¬ 
tiere. Bd. 5. 1908/09. S. 316. 

17. Fra nk, G., und Frosch, P., Ueber die Bedeutung des Befundes rinder¬ 
pathogener Trypanosomen in Deutschland. Zeitschr. für Infektionskrankheiten, 
parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere. Bd. 5. 1908/09. S. 330. 

18. Franke, Inaug.-Di9S. 1905. 

19. Fröhner, Untersuchungen über die Beschälseuche in Ostpreußen. Monats¬ 
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21. Hu tyra und Marek, Spezielle Pathologie und Therapie. 2. Aufl. 1909. Bd. 1. 

22. Im misch, K.-B., Untersuchungen über die Beschälseucho der Pferde. Ver¬ 
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Deutsche tierärztliche Wochenschr. 1909. 17. Jahrg. 

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24. Kleinpaul, Die Beschälseuche in den Kreisen Lyck und .Johannisburg. Ber¬ 
liner tierärztliche Wochenschr. 1908. 

25. La voran und Mesnil, Annales de Plnstitut Pasteur. 1902. 

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27. Lingard, Report on Surra. Bombay. 1899. 

28. Lorenz, Die Beschälseuche in den Kreisen Lyck und Johannisburg. Berliner 
tierärztl. Wochenschr. 1908. S. 915. 

29. Löffler und Rühs, Die Heilung der experimentellen Nagana (Tsetsekrank¬ 
heit). Deutsche medizin. Wochenschr. 1908. Nr. 1. S. 5. 

30. Löwen stein, E., Zur Pathologie und Therapie der Mäusenagana. Zeitschr. 
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32. Derselbe, Weitere Beiträge zur Kenntnis der Beschälseuche. Zeitschr. für 
Tiermedizin. Bd. 8. 1904. S. 11. 

33. Derselbe, Untersuchungen über die Beschälseuche. Deutsche tierärztliche 
Wochenschr. 17. Jahrg. 1909. Nr. 9 und 10. 

34. Marks, Fütterung von Mäusen mittelst Magensonde. The journ. of experim. 
Med. 1908. Nr. 1, und Arbeiten aus dem Kgl. Institut für experimentelle The¬ 
rapie zu Frankfurt a. M. 1908. Heft 4. 



Untersuchungen über die ostpreußische Beschälseuche etc. 345 

35. Derselbe, Ueber intrastomachale Behandlung trypanosomeninfizierter Mäuse. 
Zeitschr. für Immunitätsforschung. Bd. 2. 1909. Heft 3. 

36. Mesnil, Annales de PInstitut Pasteur. Oktober 1907. Bd. 21. S. 823. 

37. Mesnil et Kerandel, Sur Paction präventive et curative de Parsenophenyl¬ 
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38. Mesnil und Rouget, Annales de PInstitut Pasteur. 1906. 

39. Miessner, Die Beschälseuche. Berliner tierärztliche Wochenschr. 1909. S. 634. 

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ciätd centrale de mödecine veterinaire. 1907. p. 448. 

42. Neven, Ueber die Wirkungsweise der Arzneimittel bei Trypanosomiasis. In- 
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43. Nevermann, Zur Beschälseuche in Ostpreußen. Berl. tierärztl. Wochenschr. 
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44. Nicoile und Mesnil, Annales de PInstitut Pasteur. T. 20. 1906. p. 417 
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45. Ostertag, R., Das Veterinärwesen der Vereinigten Staaten von Nordamerika 
einschließlich des Vieh- und Schlachthofwesens, der Fleischverarbeitung, der 
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Berlin 1906. 

46. Rabinowitsch, Lydia, und Kempner, Walter, Ein Beitrag zur Kenntnis 
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Infektionskrankh. 30. Bd. 1899. S. 251. 

47. Roehl, W., Ueber Trypanosan. Zeitschr. f. Immunitätsforschung u. experim. 
Therapie. 1. Bd. 1908. Heft 1. 

48. Derselbe, Heilversuche mit Arsenophenylglyzin bei Trypanosomiasis. Zeit¬ 
schrift f. Immunitätsforschung u. experim. Therapie. Bd. 1. Teil 1. 1909. 

49. Derselbe, Paraminophenylarsenoxyd contra Trypanotoxyl. Zeitschr. f. Im¬ 
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50. Rouget, Contribution a l’etude du trypanosome des Mammiferes. Annales de 
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Dourine mit besonderer Berücksichtigung der Atoxylbehandlung. Arbeiten aus 
dem Kaiserl. Gesundheitsamte. Berlin. 27. Bd. 1907. S. 256. 



346 MIESSNER. u. IMMISCH, Unters, übor die ostpreußisohe Beschälseuche etc. 


57. Uhlenhuth und Manteufel, Chemotherapeutische Versuche mit einigen 
neueren Atoxylpräparaten bei Spirochätenkrankheiten mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der experimentellen Syphilis. Zeitschr. f. Immunitätsforschung u. 
experim. Therapie. 1. Bd. 1. Heft. 1908. 

58. Uhlenhuth und Woithe, Experimentelle Untersuchungen über Dourine 
mit besonderer Berücksichtigung der Atoxylbehandlung. Arbeiten a. d. Kaiserl. 
Gesundheitsamt. 1908. Bd. 29. Heft 2. 

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miscellaneous notes on its symptomatology and diagnoses. Department of 
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60. Weber und Krause, Berl. klin. Wochenschr. 1907. Nr. 7. 

61. Wendelstadt, Ueber Versuche mit neuen Arsenverbindungen gegen Try¬ 
panosomen bei Ratten und dabei beobachtete Erblindungen. Berl. klin. 
Wochenschr. 1908. No. 51. 

62. Wrublewski, Ein Trypanosoma des Wisent von Bielowesch. Zentralbl. f. 
Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten. 48. Bd. 1909. Erste 
Abteilung. S. 162. 

63. Yakimoff, W. L., Zur Atoxylbehandlung der experimentellen Dourine. 
Deutsche raed. Wochenschr. 1907. No. 16. S. 641. 

64. Yakimoff, W. L. und Kohl, Nina, Zur Infektionsmöglichkeit der Hühner 
mit Dourinetrypanosomen. Zentralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenkd. 1908. 
47. Bd. 1909. Erste Abt. S. 483. 

65. Yakimoff, W. L. und Schiller, Nadeshda, Zur Trypanosomeninfektion 
durch die Schleimhaut des Verdauungstraktus. Zentralbl. f. Bakteriol., 
Parasitenkd. u. Infektionskrankh. 43. Bd. 1907. Heft 7. 

66. Zwick und Fischer, Zur Aetiologie der Beschälseuche. Berl. tierärztl. 
Wochenschr. 1909. S. 683. 



XVIII. 

Lieber Tuberkulosepräzipitine. 

Von 

Prof. F. Neufeld. 

R. Koch hat bei der Veröffentlichung seiner Untersuchungen über 
die Agglutination der Tuberkelbazillen 1 ) gleichzeitig das Phänomen 
der spezifischen Präzipitation beschrieben, d. h. die Niederschlags¬ 
bildung, welche bei Zusatz des Serums immunisierter Tiere zu dem 
klaren Filtrat einerTuberkelbazillenkultur eintritt. Er gibt an, daß hoch¬ 
wertige agglutinierende Sera in kurzer Zeit eine derartige Niederschlags¬ 
bildung hervorrufen, daß man jedoch dazu stärkerer Konzentrationen 
bedarf, als beim gleichen Serum zur Agglutination, weil offenbar das 
fällbare Material nur in geringer Menge in der Flüssigkeit enthalten 
sei. Dies entspricht ja auch dem, was zuerst von Kraus bei der 
Präzipitation in Filtraten anderer Bakterienkulturen (Typhus, Pest) 
beobachtet worden ist; die Präzipitation tritt langsamer wie die Agglu¬ 
tination und nur bei Zusatz stärkerer Serummengen ein. Die Präzipi¬ 
tation wurde von Koch in der wasserklaren Flüssigkeit beobachtet, 
die man erhält, wenn man Tuberkelbazillenkülturen, die auf dem 
eiweißfreien Nährboden von Proskauer und Beck gewachsen sind, 
durch Papier filtriert; die Reaktion war streng spezifisch, mit andern 
Sera trat sie nicht auf. Koch fügt hinzu: „Ob die fällbare Substanz 
in der klaren Nährflüssigkeit dieselbe ist, welche auch die Fällbarkeit 
der aus der Kultur hergestellten Präparate (d. h. der zur Agglu¬ 
tination benutzten Aufschwemmungen) bedingt, muß noch untersucht 
werden.“ 

Die von Koch mitgeteilte Beobachtung scheint etwas in Ver¬ 
gessenheit geraten zu sein; wenigstens wurde die spezifische Präzipi- 

1) Deutsche mediz. Wochenschr. 1901. S. 832. 



348 


NEIJFEUP, 

tation bei Tuberkulose von Bonome im Jahre 1907 als etwas Neues 
beschrieben und ganz kürzlich hat Finzi angegeben, daß die Reaktion 
weit besser als mit den von Bonome u. a. benutzten Bazillenextrakten 
mit der filtrierten Nährflüssigkeit, auf der Tuberkelbazillen gewachsen 
sind, gelingt, offenbar ohne Kenntnis davon zu haben, daß die Präzipi¬ 
tation gerade in dieser Form zuerst beschrieben worden ist. 

Da nun die Präzipitationserscheinungen bei Tuberkulose gerade 
in jüngster Zeit besonderes Interesse gefunden haben, so möchte ich 
hier mit Genehmigung von Exzellenz Koch einige ältere Beobachtungen 
mitteilen, die ich im Jahre 1901 im Anschluß an die oben er¬ 
wähnten Versuche Kochs gemacht habe. Zuvor seien jedoch einige 
Angaben aus der Literatur erwähnt. 

Sobernheim 1 ) hat im Anschluß an die Publikation Kochs Untersuchungen 
über die Agglutination der Tuberkelbazillen angestellt, er teilt dabei kurz mit, 
daß er mit einem Immunpferdeserum unter Verwendung von Alttuberkulin und 
Tuberkulol als Antigen noch bis zu Verdünnungen von 1 : 10000 auch eine Präzi¬ 
pitation erhielt, während normales Serum nur sehr schwache Wirkung hatte. Von 
großem Interesse ist seine Beobachtung, daß dieses Serum, das zugleich sehr stark 
agglutinierte, bei vielfach variierter Versuchsanordnung gar keine Komplement¬ 
ablenkung bewirkte, weder mit Tuberkelbazillen, noch mit Tuberkulin, noch mit 
keimfrei filtrierter Kulturflüssigkeit von älteren Tuberkelbazillenkulturen. 

Bonome 2 ) untersuchte die präzipitierende Wirkung des Serums von tuber¬ 
kulösen Patienten und perlsüchtigen Kindern, sowie von künstlich infizierton Tieren 
(Meerschweinchen und Kaninchen) auf Extrakte von Tuberkelbazillen und von 
tuberkulösem Gewebe. Er empfahl die Präzipitation zur Diagnose der Rinder¬ 
tuberkulose zu verwerten, da er bei perlsüchtigen Rindern positive, bei normalen 
negative Ausschläge erhielt. Außerdem glaubt Bonome in der Präzipitation ein 
Mittel zur Unterscheidung des typus humanus und typus bovinus gefunden zu 
haben, indem die Sera ausschließlich oder doch vorwiegend mit Extrakten des 
homologen Typus reagieren sollen. 

Kurz hingewiesen sei auch auf die Untersuchungen von Stork 3 ) und von 
Porter 4 ) über Präzipitationsreaktionen im Serum von Phthisikern, obwohl es 
zweifelhaft erscheint, inwieweit dabei spezifische antibakterielle Antikörper be¬ 
teiligt sind. Danach entsteht bei Zusatz des Serums von Phthisikern zu Extrakten 
aus verriebenen Tuberkelbazillen häufig eine Präzipitation; Porter sah eine solche 
unter 381 tuberkulösen Patienten bei 68pCt., unter 301 Kontrollfällen nur bei 
15pCt., fast stets aber trat eine Niederschlagsbildung auch dann auf, wenn das 
Serum einfach mit Karbolkochsalzlösung versetzt wurde anstatt mit dem klaren 


1) Sobernheim, Vortrag in der mikrologisohen Gesellschaft 1906. Zentral¬ 
blatt f. Bakt. Ref. Bd. 38. S. 114. 

2) Bonome, Zentralbl. f. Bakteriol. Orig. Bd. 43. S. 91. 1907. 

3) Störk, Wiener klin. Woch. 1908. No. 9 u. 11. 1909. S. 325. 

4) Porter, Journal of infect. diseases. VII. No. 1. p. 87. 1910. 



Ueber Tuberku 1 osepräzi pi 1 inc. 


34!) 


Filtrat der in Karbolkoohsatzlösung extrahierten Bazillen. Störk erhielt in etwa 
60pCt. der untersuchten Fälle von Lungentuberkulose bei einfachem Verdünnen 
des Serums mit Karbolkochsalzlösung (im Verhältnis von 1 : 2) eine Ausflockung, 
während mit einem Aetherextrakt aus Tuberkelbazillen die Reaktion in 75pCt. ein¬ 
trat. Außer bei Tuberkulose sah Störk diese Präzipitation noch bei Patienten mit 
akuten Infektionen, Diabetes, Tumoren. 

Szaboky 1 ) fand, daß das Blutserum tuberkulöser Menschen, Rinder und 
Kaninchen mit Extrakten aus tuberkulösen Organen und aus Tuberkelbazillen eine 
Präzipitation ergab, die mit normalen Kontrollsera ausblieb oder doch wenigstens 
erheblich schwächer ausfiel. Szaboky glaubt daher, das Auftreten einer stär¬ 
keren Präzipitation diagnostisch verwerten zu können; er bestätigt jedooh das 
häufige Vorkommen von Präzipitation mit Lipoidaufschwemmungen oder einfacher 
Karbolkochsalzlösung. Bei Verwendung von Extrakten aus humanem und bovinem 
Material fand Szaboky gewisse Unterschiede, die er aber nicht für durch¬ 
greifend hält. 

Gute diagnostische Resultate erhielt in jüngster Zeit Finzi 2 ) mit der Präzi¬ 
pitationsprobe bei Rindern; er versetzte 4 Teile Serum mit 1 Teil einer filtrierten 
Bouillonkultur von Tuberkelbazillen und sah nach 1—2stündigem Stehen bei 38° 
einen Niederschlag auftreten, sobald das Serum von natürlich erkrankten oder 
künstlich tuberkulös infizierten Rindern stammte, nicht aber mit dem Serum ge¬ 
sunder Rinder. Finzi empfiehlt, diese Reaktion neben der Ophthalmoreaktion zur 
Erkennung der Rindertuberkulose heranzuziehen. 

Calmette u. Massol 3 ) untersuchten das Serum eines Kalbes, das mit 
intravenösen Injektionen auf Glyzeringalle gezüchteter Perlsuchtbazilleu vor- 
bchandelt war, auf Präzipitinwirkung mit verschiedenen Antigenen (Tuberkulin, 
Extrakt aus menschlichen und Rindertuberkolbazillen, sowie aus Tbimothee- 
bazillen), indem sie 2 Teile Serum mit 3 Teilen Tuberkulin mischten; sie fanden 
stets Niederschlagsbildung, die allerdings bei den letztgenannten säurefesten 
Stäbchen geringer war, als bei Tuberkelbazillen. 

Calmette und Massol bestätigten dabei die interessante Beobachtung 
Sobernheims, daß bei diesen Präzipitationsvorgängen keine Komplementab¬ 
lenkung stattfindet. In weiteren Versuchen gelang es Calmette u. Massol 4 ) 
durch intravenöse Injektionen von Pferden mit Bazillenextrakten Sera zu gewinnen, 
die sehr stark Komplement ablenkten, aber keine Präzipitation bewirkten. Damit 
stimmen auch die Versuche Pojrters mit menschlichen Sera überein, die keine 
Parallelität zwischen Präzipitation und Komplementablenkung ergaben; diejenigen 
Sera, welche die (allerdings, wie oben erwähnt, nicht spezifische) Präzipitation 
zeigten, lenkten nicht Komplement ab, während umgekehrt Sera, welche eine 
spezifische Komplementablenkung zeigten, nicht präzipitierten. 

Dagegen zeigte das sehr stark kompiementabienkende Serum der von Vallee 5 ) 

1) Szaboky, Zeitschr. f. Tuberkulose. Bd. 14. H. 3. S. 169. 1901). 

2) Finzi, C. r. soc. biol. 1910. No. 3. p. 127. 

3) Calmette u. Massol, referiert Bull. Pasteur. 1909. S. 1070. 

4) Dieselben, C. R. soc. biol. 1909, No. 32, S. 528 u. 1910, No. 2, S. 48. 

5) Vallöe, Ann. Pasteur, September 1909: Derselbe, C. r. soc. biol. 
Bd. 67. No. 36. S. 700. 1909. 



350 


NEUFELD. 


mit lebenden, abgeschwächten Tuberkelbazillen immunisierten Pferde daneben auch 
eine beträchtliche Präzipitationswirkung; es ergab noch in der Verdünnung 1 :40 
mit 1 : 10 verdünntem Tuberkulin versetzt deutlichen Niederschlag. 

Die Tatsache, daß in bestimmten Fällen die Präzi pitin - 
und die Bordetsche Reaktion mit Tuberkuloseimmunserum 
ganz verschiedene Resultate zu ergeben scheinen, dürfte im 
Hinblick auf die neueren Diskussionen über die Identität 
oder Verschiedenheit der dabei beteiligten Antikörper von 
großem theoretischen Interesse sein und daher weitere 
Untersuchung verdienen. 

Die im folgenden mitgeteilten Versuche sind im Gegensatz zu 
der Mehrzahl der soeben zitierten Beobachtungen mit stark aggluti¬ 
nierenden Sera von hoch immunisierten Tieren angestellt. Zunächst sei 
ein Beispiel für eine quantitative Bestimmung des Präzipitingehaltes 
eines Serums gegeben; für weitere Versuche ist wohl ein genaues quan¬ 
titatives Arbeiten unerläßlich. 

Nachdem durch Vorversuche festgestellt war, daß stark agglutinie¬ 
rende Sera mit dem Filtrat von Tuberkebazillenkulturen, die entweder auf 
Glyzerinbouillon oder auf den Nährböden von Proskauer und Beck 
gewachsen waren, zu gleichen Teilen versetzt, in kurzer Zeit einen 
spezifischen voluminösen Niederschlag ergaben, wurde mit dem Serum 
des Esels I, der zwei intravenöse Injektionen von lebenden Tuberkel¬ 
bazillen erhalten hatte, der folgende quantitative Versuch ausgeführt. 

Es wurden 3 Kulturen des menschlichen Tuberkulosestamms KK, 
die verschieden lange Zeit auf Proskauer-Beckscher Nährflüssigkeit 
gewachsen waren, durch Papier filtriert, das klare Filtrat mit y 2 proz. 
Karbol versetzt und alsdann das Serum in abgestuften Mengen zugefügt. 
Das Ergebnis, nach 48 stündigem Stehen bei 37° abgelesen, war 
folgendes: 

Versuch 1. 


Serum- 


Filtrat 


Verdünnung: 

einer 28 tag. Kultur 

einer 32 tag. Kultur 

einer 50 tag. Kultur 

1 : 25 

starker Niederschlag 

starker Niederschlag 

feiner Niederschlag 

1 : 50 

desgl. 

desgl. 

desgl. 

1 : 100 

desgl. 

desgl. 

ganz schwache Trübg. 

1 : 250 

klar 

klar 

klar 


Kontrolle mit Normalserum 1 : 10 klar. 


Gleichzeitig wurde der gleiche Versuch mit denselben Filtraten 
ohne Karbolzusatz angestellt: hier entstanden etwas stärkere Nieder- 





Ueber Tuberkulosepräzipitine. 


351 


schlage, als in den karbolhaltigen Röhrchen, doch konnte eine quanti¬ 
tative Bcstimmnng nicht vorgenoraxnen werden, da die meisten Röhrchen 
bakterell verunreinigt waren. Danach scheint also der Karbolzusatz 
die Reaktion etwas abzuschwächen; hiermit stimmt ein Versuch über¬ 
ein , der 2 Tage später mit einem der 3 Filtrate ausgeführt wurde, 
nachdem dasselbe inzwischen mit Karbol versetzt im Eisschrank ge¬ 
standen hatte. Die Präzipitation trat noch in den gleichen Ver¬ 
dünnungen ein, die Flocken waren jedoch viel feiner als beim vorigen 
Versuch. 

Dasselbe Eselserum wurde ferner mit altem Tuberkulin, das mit 
Kochsalzlösung 5 fach verdünnt war, versetzt; auch hier erfolgte eine 
Präzipitation, jedoch nicht in so starken Verdünnungen, wie mit dem 
Filtrat. 

Versuch 2. 

Präzipitation desSerums von Esel l und Alttuberkulin (1:5 verdünnt). 

Serum Verdünnung: 

1 : 1 (unverdünnt): schnelle Präzipitation, 

1 : 5 nach 24 Stunden dicker Niederschlag, 

1 : 10 desgl. 

Auch diese Reaktion wurde durch Karbolzusatz etwas gehemmt, 
wie das folgende Protokoll zeigt, bei dem gleichzeitig das etwas stärker 
wirksame Serum des ähnlich vorbehandelten Esels II benutzt wurde. 

Versuch 3. 

Präzipitation der Tuberkulinverdünnung 1 : 5 nach Zusatz von 

V 2 proz. Karbol. 


Serum- 

Verdünnung 

Serum Esel I 

Serum Esel 11 

1 : 5 

Niederschlag ' 

Niederschlag 

1 : 10 

? ganz feine Körnchen 1 

desgl. 

1 : 25 

— 

— 

1 : 50 

— 

— 


Auch eines der im ersten Versuch benutzten Filtrate wurde mit 
Kochsalzlösung 1 : 5 verdünnt und dann mit spezifischem Serum ver¬ 
setzt; es zeigte sich, daß die verdünnte Flüssigkeit etwa ebenso stark 
präzipitiert wurde, wie die konzentrierte. Weitere Versuche mit 
stärker verdünntem Filtrat oder Tuberkulin, etwa in der bei der 
Titrierung präzipitierender Antieiweißsera üblichen Weise, wurden nicht 
angestellt. 



352 


N KU FELD, 

lm Agglutinationsversuch nach der von Koch ausgebildeten 
Methode ergab das in den vorigen Versuchen benutzte Eselserum I 
mit der 1 : 10000 verdünnten Testfähigkeit folgenden Titer: 

1 : 400 nach 24 Std. +> 

1 : 600 „ 24 „ —, nach 48 Std. 

Das Serum einer immunisierten Ziege (Ziege XU) zeigte bei Beob¬ 
achtung nach 24 Stunden folgende Werte für Agglutination und Prä¬ 
zipitation. 

Agglutination Präzipitation 

mit 1 : 10000 Testflüssigkeit: mit dem Filtrat einer 13täg. Kultur: 

1 : 1200 + 1 : 20 + + 

1 : 1500 — 1 : 50 + 

1 : 100 —. 

Dasselbe, sowie ein zweites Ziegenserum wurde in gleicher Weise 
mit dem Filtrat einer 16 tägigen Perlsuchtkultur geprüft; auch hier 
zeigte sich eine, wenn auch schwächere Präzipitation. Die verschiedene 
Stärke der Reaktion hängt aber vielleicht nur davon ab, daß die 
Quantität des reaktionsfähigen Materials in den Filtraten schwankt; 
auch bei verschiedenen Kulturen desselben Bazillenstammes ergaben 
sich oft beträchtliche quantitative Unterschiede der Präzipitation. 

Der folgende Versuch betrifft hauptsächlich die Frage nach den 
Beziehungen zwischen der Agglutination und der Präzipitation bei 
Tuberkulose. Hierzu ist jedoch zu bemerken, daß die Agglutination 
in der von Koch angegebenen Ausführung, nämlich mit im Exsikkator 
getrockneten, sodann zu Pulver verriebenen und in Karbolkochsalz¬ 
lösung aufgeschwemmten Tuberkelbazillen insofern bereits ein Mittel¬ 
ding zwischen Agglutination und Präzipitation darstellt, als die 
Bakterien dabei nicht mehr in der Form erhalten, sondern in eine 
Suspension von groben und feineren Bazillentrümmern verwandelt sind, 
wobei sicherlich auch Teile der Bakteriensubstanz in Lösung gehen. 
Nun zeigten aber einige vergleichende Versuche, daß die aus diesen 
verriebenen Bazillen erhaltene Koch sehe „Testflüssigkeit“ beim Ver¬ 
setzen mit spezifischem Serum fast völlig dieselben Ausschläge, sowohl 
in bezug auf den Titer, als auch in bezug auf den zeitlichen Verlauf 
der Reaktion, ergab, wie eine Aufschwemmung von lebenden, in der 
Form erhaltenen Tuberkelbazillen, die durch Verreiben mit schwacher 
Lauge fein suspendiert worden waren. Hiernach darf man die mit 
der Testflüssigkeit (deren Herstellung weit einfacher ist als die einer 



(Jeber Tuberkulosepräzipitine. 


353 


Agglutinationsflüssigkeit aus lebenden Tuberkeibazillen) erhaltenen 
Titer wohl als die Agglutinationstiter bezeichnen. Im übrigen 
nehmen wohl die meisten Autoren an, daß Präzipitation und Ag¬ 
glutination im Grunde auf den gleichen Vorgängen beruhen, und 
daß die dabei in Wirksamkeit tretenden Serumantistoffe identisch sind. 
Mit dieser Annahme stimmt auch das Ergebnis des folgenden Ver¬ 
suches überein; aus demselben geht wohl hervor, daß die bei der 
agglutination und Tuberkulose-Präzipitation beteiligten Antikörper minde¬ 
stens zum großen Teil identisch sind. 


Versuch vom 13. November 1901. 

Versuch über die im Serum Ziege 23 (Agglutinationstiter, mit Test- 

lüVAA/ 


flüssigkeit, nach 24 Stunden 1 : 800 stark —, 1 : 1000 schwach -[-) enthaltenen 
Agglutinine und Präzipitine. 

Folgende 4 Röhrchen kommen auf 24 Stunden in den Brutschrank: 

I. 0,4 Serum -f- 4,0 Testflüssigkeit (konzentriert j 

II. 0,4 Serum -f- 4,0 klares Filtrat einer 16tägigen Kultur f Ueberall starker 

III- 0,25 Serum + 5,0 Testflüssigkeit (l Niederschlag. 

IV. 0,25 Serum -j- 5,0 Filtrat ] 


Dazu zwei Kontrollen ebenfalls 24 Stunden bei 38°: 

Kontrolle a (0,4 Serum -f- 4,0 Karbolkochsalzlösung 1 kein Nieder- 
Kontrolle b 0,35 Serum -f- 5,0 Karbolkochsalzlösung J schlag. 

Die entstandenen Niederschläge, die in den mit Testflüssigkeit 
versetzten Röhrchen massiger sind als in den Filtraten, werden ab¬ 
zentrifugiert, mit der überstehenden Flüssigkeit folgende Proben an¬ 
gestellt: 

A) Ist bei 24stündiger Einwirkung des Serums alles reak¬ 
tionsfähige Material in der Test-resp. Filtratflüssigkeit auf¬ 
gebraucht worden? 

Zu der überstehenden Flüssigkeit aller 4 Röhrchen wird frisches 
Serum im Verhältnis 1 : 10 zugesetzt. In allen tritt ein reichlicher 
Niederschlag auf; das fällbare Material ist also nirgends aufgebraucht. 


ß) Sind die Agglutinine und Präzipitine, die das Serum ent¬ 
hielt, bei dem Versuche ganz oder teilweise aufgebraucht 

worden? 

1. Je 0,5 klarer Flüssigkeit aus den 4 Röhrchen sowie den 
beiden Kontrollen werden mit je 0,5 Filtratflüssigkeit einer Tuberkel¬ 
bazillenkultur versetzt (Prüfung auf Vorhandensein des Präzipitins): 

Archiv f. wisseusch. u.prakt. Tierheilk. Bd.36. Sappl-Band. 93 



354 


NEUFELD, Ueber Tuberkulosepräzipitine. 


I. nach 24 Stunden — (nach 3 Tagen schwacher Niederschlag), 

II. nach 24 Stunden -f» 

III. nach 24 Stunden — (nach 3 Tagen schwacher Niederschlag), 

IV. nach 24 Stunden -|-. 

Kontrolle a und b -f. 

Schlußfolgerung: Auch bei der Agglutination werden also die 
Präzipitine gebunden, bei obiger Versuchsanordnung sogar fast voll¬ 
ständig und jedenfalls in viel höherem Maße als bei der Präzipitation. 

2. Prüfung der 6 Röhrchen auf Gehalt an Agglutinin: 

a) mit ■ ^ Testflüssigkeit geben II und IV schneller, I und III 
erheblich langsamer den Niederschlag, 

b) mit erhält man nach 24 Stunden folgende Werte: 

I. 1 : 100 stark, 111. 1:100 schwach, 

II. 1 : 600, IV. 1: 400. 

Kontrolle a 1 : 800 stark, b 1 : 800 schwach. 

Schlußfolgerung: Bei der Präzipitation werden ebenfalls die 
Agglutinine gebunden; bei den gewählten Versuchsbedingungen aller¬ 
dings quantitativ weniger stark als bei der Agglutination. 

Hiernach scheinen bei unseren Präzipitations- und Agglutinations¬ 
versuchen wenigstens zum größten Teil die gleichen Stoße in Reaktion 
zu treten. 



XIX. 


Aus dem veterinttr-pathologisch-anatoniischen Institut d. Universität Gießen. 

Ueber die durch Strongyüden bei Pferden verursachten 
Abweichungen und deren Beziehungen zur Rotzkrankheit. 

Von 

Prof. Dr. Olt. 

Mit 5 Abbildungen auf Tafel IX—XI. 

Die beim Pferde durch Strongyüden verursachten Schädigungen 
sind je nach ihrem Sitz und der Zahl der Parasiten sehr vielgestaltige. 
Eine besondere Beachtung haben sie in der Veterinärpathologie erst 
gefunden, nachdem von Bollinger (34) im Jahre 1870 die Beziehungen 
des Aneurysmas der vorderen Gekrösarterie zur Kolik des Pferdes 
geklärt worden waren. In jüngerer Zeit sind weitere Abweichungen 
als Folgezustände des Parasitismus der Strongylidenlarvcn erkannt 
worden, so die in den Lungen des Pferdes vorkommenden grauen 
durchscheinenden und verkalkten Knötchen, und eigenartige Knoten 
und Geschwüre im Darme. Alle diese fraglichen Produkte erheischen 
hinsichtlich ihrer Verwechselung mit Zuständen rotziger Natur ein her¬ 
vorragendes Interesse in der Veterinärpathologie. Ferner darf man 
sich durch das Studium des in Rede stehenden Parasitismus mancher¬ 
lei Aufklärung über noch dunkele Punkte hinsichtlich der Naturge¬ 
schichte der Strongyüden des Pferdes versprechen; harren doch noch 
verschiedene strittige Fragen über die Wanderung dieser Parasiten 
ihrer endgültigen Lösung. In mehrfacher Beziehung sind die Ansichten 
der Autoren auf dem durch das Thema berührten Gebiete so ge¬ 
teilte, daß das Ende der Diskussion hierüber noch nicht abzusehen ist. 

Als Schüler unseres Altmeisters Schütz halte ich es für eine 
angenehme Pflicht, in dieser Festschrift einen Beitrag zu dem beregten 
Gegenstand zu liefern. Ich tue das eingedenk früherer gemeinsamer 
Arbeit auf diesem Gebiete und unter Beachtung der Tatsache, daß 

23* 




356 


OLT, 

kein zweiter Forscher sich für alle die Lehre vom Rotz berührenden 
Fragen stets so hervorragend interessiert hat wie Schütz. Wenn 
ich ferner sage, Schütz .ist es, dem wir die Lehre vom Rotz 
verdanken, so spreche ich heute nur aus, was in objektiver Würdi¬ 
gung seiner Arbeiten sicherlich in der Geschichte einmal uneinge¬ 
schränkt anerkannt werden wird. 

Bevor ich jene den Produkten des Rotzes ähnlichen entozoischen 
Gebilde bespreche, halte ich es für angebracht, auf die Naturge¬ 
schichte der Strongyliden des Pferdes zurückzukoraraen. 

Raillet(35) und Neumann (23) haben zuerst darauf hingewiesen, daß 
Strongylus armatus Rudolphi (Sclerostomum armatum Dujardin) im Darm des 
Pferdes in einer kleinen und einer großen Spielart auftrelen. Später hat Poppel 
Unterschiede im Nahrungsschlauch, im Geschlechtsapparat, im Gefäß- und Muskel¬ 
system nachgewiesen, die große Art mit dem Namen Strongylus neglectus belegt 
und die kleinere Strongylus armatus genannt. Im Jahre 1900 wies Looß (25) 
eine dritte Strongylidenart im Pferdedarme nach, die er als Sclerostomum eden- 
tatum bezeichnete. In der Folge hat Sticker eine nähere Untersuchung der drei 
Arten vorgenommen und mit Rücksicht auf das beste mikroskopische Unterschei¬ 
dungsmerkmal, die zahnähnlichen Gebilde am Boden der Mundkapsel, empfohlen, 
die fraglichen Würmer zu benennen als zahnlosen, zweizähnigen und vierzähni- 
gen — Sclerostomum edentatum, Sei. bidentatum, Sei. quadriden- 
tatum —. 

In folgendem gebe ich eine kurze Beschreibung nach Stickers (31) Angaben: 

1. Sclerostomum edentatum Looß, zahnloser Palissadenwurm = 
Strongylus armatus Rud. part. = Palissadenwurm Goeze. 

j 23—26 mm lang, 1,5 mm dick, 

2 33—36 mm lang, 2 mm dick. Kommt im Grimm- und Blinddarm des 
Pferdes vor, hier der Schleimhaut anhaftend. Verirrt ist er in verschiedenen 
Körperregionen gefunden worden, z. B. in der Bauchhöhle, dem Hodensack, den 
Hoden, der Leber, der Subserosa der Bauchhöhle. 

Der vordere Körperpol setzt sich durch einen Zirkelschnitt wie ein rundes 
Knöpfchen ab, welches frontal abgeflaebt und eine von zahlreichen Lippenfransen 
umgebene Mundöffnung besitzt. Die Mundkapsel becherförmig mit weiter Oeffnung. 
Der Querschnitt der Dorsalrinne dreieckig mit umgebogener Spitze. Am Boden 
der Mundkapsel keine Erhebungen. 

Der Oesophagus am unteren Ende bimförmig geschwollen. Exkretionsporus 
in der Nähe des Mundkapselrandes. Die Vulva 9—10 mm vom Schwanzende ent¬ 
fernt. Letzteres am After leicht eingezogen und mit stumpfer Spitze endend. 

2. Sclerostomum bidentatum Sticker, zweizähniger Palissadenwurm 
= Sclerostomum vulgare Looß = Strongylus armatus Rud. part. 

$ 14—16 mm lang, 0,7 mm dick, 

J 23—24 mm lang, 1 mm dick. 

Larve in der Submukosa des Pferdedarmes und in Blutgefäßen (vordere Ge- 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 357 

krösarterie); der geschlechtsreife Wurm haftet an der Schleimhaut des Blind- und 
Grimmdarmes. 

Vorderer Körperpol abgeflacht und mit einer kreisrunden von zahlreichen 
Lippenfransen umgebenen Mundöffnung versehen. Mundkapsel kugelig mit weiter 
vorderer Oeffnung; dorsal etwas mehr gebogen als ventral; an ihrer Rückenwand 
eine vom Boden bis zum vorderen Rand aufsteigende Rinne, deren Querschnitt 
halbrund ist; an ihrem Grunde zwei buckelförmige Auftreibungen, 
sogenannte Zähne, und eine dreäsohlitzige Oeffnung, welche in den Schlund führt. 
Der Oesophagus am unteren Ende leicht birnenförmig geschwollen. Die Vulva ist 
7 mm vom Schwanzende entfernt. Der Schwanz läuft allmählich spitz zu. 

3. Sclerostomum quadridentatum Sticker, vierzähniger Palissaden- 
wurm = Strongylus neglectus Poppel = Strongylus armatusRud. part. = Stron- 
gylus equinus Müll. 

33—35 mm lang, 1,25 mm dick, 

$ 45 mm lang, 2,25 mm dick. 

Auf der Schleimhaut des Grimmdarmes des Pferdes. 

Der vordere Körperpol wenig abgeflacht mit einer kleinen kreisrunden, von 
zahlreichen Lippenfransen umgebenen Mundöffnung. Die Mundkapsel elipsoidisch, 
1 mm lang, 0,65 mm breit; Dorsalrinne auf dem Querschnitt rundlich; am Boden 
der Kapsel 4 buckelförmige Erhebungen; die beiden ventralen scharf zu¬ 
gespitzt, 285 /< lang, 90 fi breit, die beiden dorsalen abgerundet, 340 /i lang, 
115 ju breit. Der Oesophagus am unteren Ende nur wenig verbreitert. Die Vulva 
14 mm vom Schwanzende entfernt. Letzteres am After leicht eingezogen und mit 
stumpfer Spitze endend. 

Sticker (31) hat ferner noch die Unterscheidungsmerkmale hinsichtlich der 
Anordnung des Gefäßsystems und der Beschaffenheit der Bursa angegeben. 

Besonderes Interesse erheisoht das Schmarotzertum der Strongyliden 
im Blutgefäßsystem des Pferdes. Schon im Jahre 1691 hat Ruyisch (22) 
dcnWurm des Aneurysmas beschrieben und Rudolphi(72) unterschied einen Stron¬ 
gylus armatus ct major intestinalis und Str. ß minor, aneurysmaticus. Später 
wurde letzterer als Entwickelungsform des ersterenangesehen. Sticker fand, daß das 
Aneurysma duroh die Jugendform des Sclerostomum bidentatum verursacht wird. 
Diese Angabe kann ich bestätigen, und habe ich Vertreter der anderen beiden 
Arten in der Arteria ileo-coeco-colica noch nicht angetroffen. 

Verschiedene Autoren haben über das Vorkommen von Strongyliden in der 
Bauchspeicheldrüse, in den Nieren, den Hoden, der Hodenscheidenhaut, in den 
Lungen und im Gehirn berichtet. Ich hatte Gelegenheit, ihn in zertrümmertem 
und*durchblutetem Parenchym der Leber, der Hoden und zweimal unter der Serosa 
des Zwerchfells und der Bauchdecken in mehr als je 20 Exemplaren zu finden, ln 
letzteren Fällen lag Strongylus edentatus vor; die Männchen waren 14 mm, die 
Weibchen 34 mm lang. Sie hatten fingerbreite, blutige Straßen hinter sich und 
waren von unregelmäßigen, hochroten, fleckigen Blutungen umgeben. Die darüber¬ 
gelegene Serosa war tauähnlich mit Fibrin beschlagen. 

Stioker teilt mit, in der alten Gurltsohen Sammlung seien mehrere Stron¬ 
gyliden aus der Scheidenhaut der Hoden eines Hengstes und mehrere 
zwischen Bauchhaut und Bauchmuskeln eines Pferdes aufgefunden, 



358 OLT, 

die der zahnlosen Art des bewaffneten Palissadenwurmes angehören, ln der 
Helminthensammlung des zoologischen Museums hatten sich Strongyliden aus der 
Lunge eines Pferdes und ebensolche aus der Bauchhöhle eines Fohlens ge¬ 
funden, die gleichfalls als Sclerostomum edentatum erkannt wurden. Wahrschein¬ 
lich handelt es sich bei zwei von Kitt in der Bauchhöhle des Pferden gemachten 
Funden gleichfalls um diese Art. An verschiedenen Stellen waren Blutungen unter 
der Serosa durch 4—5 cm lange Strongyliden verursacht worden, wovon ein 
Exemplar unter der Nierenkapsel an einer blutig«sugillierten Stelle lag. 

Nach diesen Beobachtungen will es erscheinen, als seien die 
im Parchenym von Organen und subscrös oder in der Unter¬ 
baut gelegentlich vorkommenden Strongyliden der Art 
Sclerostomum edentatum zuzuzählen. 

Das Auftreten von Würmern in der Darm wand des Pferdes hat 
zuerst Raillet beobachtet und nach ihm Kitt mit den Worten er¬ 
wähnt: „Man findet die Parasiten auch in der Wand unter der 
Schleimhaut des Darmes, wo ihre Nester als flachhügelige, knotige 
Verdickungen von Hirse- bis Hanfkorn-, bis Nuß oder bis Mandel¬ 
größe sichtbar und fühlbar werden. Die Schleimhaut zieht über die 
Stelle weg; wenn man einschneidet, gewahrt man eine Höhlung mit 
trüb rötlichem, eitrig blutigem Inhalt, milchiger, weißlich oder 
schieferig gefärbter Wand. Der darinliegende Wurm ist eingerollt 
und nähert sich in Größe und Gestalt den geschlechtsreifcn Exemplaren“. 

Im Jahre 1900 berichtete ich (12) näher über das Vorkommen der 
Strongyliden in der Darmwand und erwähnte, daß man bei sorg¬ 
fältiger Prüfung der Blind- und Grimmdarmschleimhaut fast immer 
Würmer oder Residuen ihrer Lagerstätte bestätigen könne. In einem 
Falle waren ca. 150 Wurm knoten zu ermitteln. Jeder Knoten bestand 
aus einer bindegewebigen Kapsel und einer glattwandigen einfachen 
oder gefächerten Höhle, in der je eine Strongylidenlarvc und ein grau¬ 
brauner breiiger Pfropf saßen. Die Mehrzahl der Würmer hatte eine 
Länge von 12—18 mm, einige geschlechtsreife Exemplare maßen über 
20 mm. Auch Wurmlager mit einer 1 mm weiten Oeffnung, die der 
Parasit bereits verlassen hatte, fanden sich vor. Ferner sah mair bei 
straff angespannter Schleimhaut stippchenförmge Rötungen und soeben 
erkennbare Ringelchen von 1—3 mm Durchmesser. Mit der Nadel 
konnten an diesen Stellen 3—10 mm lange Wurmlarven herausgezogen 
werden, deren Länge 0,8—1,5 mm betrug. Bei 4 mm langen Männchen 
waren schon beide Spiculae und eine enge trichterförmige Bursa zu 
erkennen. Die Zahl dieser Wurmlarven war auf einige Hunderte zu 
schätzen. 



lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 359 

Es steht fest, daß die in der Darmwand des Pferdes einge¬ 
kapselten Strongyliden, abgesehen von Sclerostomum tetracanthum, 
das als 1—10 mm langer Wurm gleichfalls in der Darmwand ge¬ 
funden wird, mit der im Aneurysma vorkomraenden Art, Sclerostomum 
bidentatum identisch sind. Das hat Sticker festgestellt, meine Be¬ 
obachtungen und die Hummel’s (27) stimmen damit überein. 

Es fragt sich nun, sind die zur Art Sclerostomum bidentatum 
gehörigen Würmer, welche in den Knoten der Darmwand gefunden 
werden, vom Aneurysma heruntergewandert, wie nach der An¬ 
sicht von Rai 1)et (35 und 36), Leuckart (37) und anderen Autoren 
bisher angenommen wurde, oder sind sie von dem Darmluraen her 
nach der Submukosa vorgedrungen, um hier die Entwickelung 
bis zur Geschlechtsreife durchzumachen. Diese letzte Ansicht habe 
ich auf Grund histologischer Merkmale bei der Untersuchung der 
Wurmknoten vor 10 Jahren ausgesprochen, und weitere Beobachtungen 
bestärkten mich in meiner Annahme. 

Sclerostomum tetracanthum sowohl wie Sclerostomum bidentatum 
liegen, wenn in der Darmwand parasitierend, in der Submukosa, un¬ 
mittelbar unter der Muscularis mucosae. Solange die Schleimhaut über 
dem Wurmknoten erhalten ist, läßt sich ein mit unbewaffnetem Auge 
kaum sichtbarer Defekt nachweisen, der an mikroskopischen Schnitten 
durch die Muscularis mucosae als ein mit Detritusmassen und emi¬ 
grierten Zellen verstopfter Kanal bis in das Wurmlager zu verfolgen 
ist. Aus diesem regelmäßigen Befunde ist auf eine Zuwanderung des 
Parasiten vom Darmlumen her zu folgern. 

Die in der Blutbahn vorkommenden Strongylidenlarven halte ich 
auch heute noch für verirrte Exemplare, die vielleicht von den Darm¬ 
arterien zum Teil den Weg zurück in den Darm finden können, für 
die Erhaltung der Art meines Erachtens aber nicht nennenswert in¬ 
betracht kommen. Sichere Beweise, daß diese Würmer Arterien¬ 
wände perforieren und hierauf den Weg bis in das Darmlumen des 
Pferdes einschlagen, fehlen heute noch. 

Hummel, der in jüngster Zeit in einer sehr schätzenswerten 
Abhandlung diese Frage berührte und viele Wurmknoten der Darra- 
wand des Pferdes in Schnittserien zerlegt und eingehend untersucht 
hat, sagt: „Zweifellos spielt sich die Entwickelung des Sclerostomum 
bidentatum in einer sehr großen Anzahl von Fällen in der von Olt be¬ 
schriebenen Weise ab, und geht auch eine große Zahl der in die Blut¬ 
bahn eingedrungenen Larven in den verschiedensten Organen zugrunde.“ 



360 


OLT, 

Sticker hält streng an der früheren Auffassung fest und sagt 
über den in der Art. mesent. anterior parasitierenden Strongylus: 

„Die Ueberwanderung der jungen Würmer aus dem Aneurysma in den Darm 
geht in folgender Weise vor sich: So lange die Larven in der Blutader verweilen, 
werden sie durch die geronnenen Fibrinmassen dort festgehalten. Nur ihr vor¬ 
deres Ende, bisweilen auch das hintere, ragt ein wenig hervor und ist imstande, 
sich zu bewegen. Zu einer Ansaugung an die Wand der Blutader, nach Art der 
Gesohlechtstiere an der Schleimhaut des Darmes, ist weder die Larve mit ihrer 
Mundrosette, noch der in der Larvenhaut sitzende Wurm befähigt. Wird die 
Larvenhaut zerrissen, so treibt die Blutwelle die Würmer willenlos nach den End¬ 
verzweigungen der Gekrösarterie. Hier verweilen sie in flachhügeligen, knotigen 
Verdickungen von Bohnen- bis Haselnuß- oder Mandelgröße und wachsen zu der 
Länge und Gestalt der Geschlechtstiere heran. Niemals habe ich in diesen Darm¬ 
wandknoten Larven, sondern stets junge Würmer des Aneurysma gefunden. Aus 
der Darmwand gelangen die Würmer durch eine kraterförmige Oeffnung der 
Schleimhaut in das Lumen des Darmes, saugen sich fest, erlangen dort ihre voll¬ 
ständige Geschlechtsreife und begatten sich endlich, worauf der Kreislauf des 
Lebens von neuem beginnt.“ 

Im Jahre 1890 hat Willach die Ansicht ausgesprochen: „Daß 
der Durchgang durch die Blutbahn notwendigerweise zur Entwickelung 
unserer Parasiten gehört, möchte ich aus dem Grunde verneinen, weil 
die geschlechtsreifen Exemplare in so großer Anzahl im Darme ge¬ 
funden werden, daß sie unmöglich alle die Blutbahn passiert haben 
können, ohne viel gewaltigere Störungen hervorzurufen, als wir in der 
Kegel zu sehen gewohnt sind.“ Diese Ansicht habe ich vollkommen 
geteilt, seit sie mir bekannt geworden ist. Bei Sektionen habe ich 
stets auf das Verhältnis der im Darm ermittelten Strongyliden zu den 
in der Arteria ileo-coeco-colica sitzenden geachtet. Wenn wir die 
Anzahl des im Darme vorkommenden Sei. bidentatum mit den im 
Aneurysma schmarotzenden Exemplaren vergleichen, muß auffallen, 
daß letztere in einer unverhältnismäßig geringen Zahl gegenüber den 
geschlechtsreifen im Zökum und Kolon vertreten sind. Wir können 
bei dem auffallend großen Zahlenunterschied nicht folge¬ 
richtig annehmen, daß alle geschlechtsreifen Exemplare ein¬ 
mal in der Gekrösarterie schmarotzt haben, auch wenn die 
Entwickelung des Wurmes im Blutgefäß wesentlich rascher 
ablaufen sollte, als die Zeit des Geschlechtslebens. Eine 
richtige Vorstellung über die Zahl der im Pferdedarm schmarotzenden 
Strongyliden gewinnt man nur, wenn Zökum und Kolon noch lebens¬ 
warm aufgeschnitten werden, da in diesem Falle die Würmer an der 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 361 

Schleimhaut halten und nicht wie bei erkalteten Kadavern sich unter 
dem Darminhalt der Beachtung entziehen. Chabcrt fand auf einer 
zwei Hände großen Fläche mehr als 1000 Stück und schätzte die 
Gesamtmenge der im Darme vorhandenen Würmer auf mehr als eine 
Million. Allerdings ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis Sei. 
bidentatum darunter vertreten war. Auf einer 20 qcm großen Schleiro- 
hautfläche sah ich in einem Fall 63 geschlechtsreife Strongyliden, auf¬ 
fallend war aber, daß in der Gekröswurzel nur 4 kleine Larven er¬ 
mittelt werden konnten. Allenfalls kann nach dieser Sachlage ange¬ 
nommen werden, daß ein kleiner Teil der geschlechtsreifen Exemplare 
des Sei. bidentatum von den Arterien des Darmes heruntergewandert 
ist. Aber auch das trifft meines Erachtens wohl kaum zu. 

Ungemein häufig finden sich am Gekröse des Blind- und Grimra- 
darmes, und nicht selten auch an den übrigen Darmteilen kleine 
reiserähnliche Gefäßverkalkungen oder grieskorn- bis pfefferkorn¬ 
große graue bis hellgelbe, kalkige Knötchen, die in einer 
straffen bindegewebigen Hülle liegen. Daß sie auf Emboli der 
vorderen Gekröswurzel zu beziehen sind, ist zweifellos. Denn in 
den entkalkten und mikrotomierten Gebilden findet man regelmäßig 
untergegangene Wurmlarven, und zwar in der Regel mehrere hinter¬ 
einander. Aus diesem Befund geht hervor, daß Würmer des An¬ 
eurysmas in den peripheren Gefäßverzweigungen absterben und ver¬ 
kalken. Sicher werden auch viele Wurralarven auf ähnliche Weise zu¬ 
grunde gehen, ohne sich mit Kalkknoten zu umgeben. Die Menge 
etwa gleichzeitig mitgeschwemmter Gerinnsel und das Verhalten 
des verletzten Gefäßrohres werden entscheiden, ob später Reste des 
Embolus und Abweichungen an den Arterien sich bemerkbar machen 
oder nicht. 

In all den fraglichen Kalkkörperchen habe ich niemals Wurm¬ 
larven vermißt, woraus ich folgere, daß sic an dem Orte, wo das 
Gefäß infolge seiner Enge ein weiteres Absteigen nicht zuläßt, liegen 
bleiben und die Arterienwand nicht zu durchbrechen vermögen. Aller¬ 
dings handelte es sich hier mit sehr seltenen Ausnahmen um kleine 
Wurmlarven, die den Entwickelungsgrad der Häutung, welcher nach 
Sticker dem Verlassen des Aneurysma vorausgeht, noch nicht erreicht 
hatten, ln größeren, erbsengroßen und umfangreicheren kalkig inkrustierten 
Knoten der Submukosa des Kolons fand ich aber auch solche Würmer, 
die verschrumpft und teilweise verkalkt waren und nach den Größen¬ 
verhältnissen den ausgewachsenen Exemplaren des Aneurysma gleich- 



362 


OLT, 

kamen. Es ist mir allerdings nicht gelungen, an den Schnitten nach¬ 
zuweisen, ob die definitive Wandkapsel schon gebildet war. 

Nach Abzug aller in der gedachten Weise zugrundegegangener 
Wurmlarven müßten, die Richtigkeit der früheren Anschauung voraus¬ 
gesetzt, noch soviele bis zum Stadium der Häutung gelangte Würmer 
übrigbleiben, um die Zahl der im Darm sich vorfindenden Reprä¬ 
sentanten der Art Sei. bidentatum zu liefern. 

Wo sind diese durch die Arterien herabsteigenden Arten 
zu suchen? Am Gekrösansatz verzweigen sich die Darraarterien 
plötzlich in ein kleinkalibriges Gefäßnetz; hier finden wir auch fast 
ausschließlich die kalkigen Knoten mit den zentral gelegenen Würmern. 
Die Knoten mit den lebenden Würmern der Submukosa sind 
aber gleichmäßig über die ganze Oberfläche der Darm¬ 
schleimhaut verteilt. Diese Tatsache läßt sich meines Er¬ 
achtens nicht mit der Annahme einer Zuwanderung der 
Würmer durch die Darmarterien in Einklang bringen. Nur 
einen einzigen mir bekannten Fall muß ich als Ausnahme betrachten, 
er betrifft zahlreiche Wurmknoten in der Spitze des Blinddarmes, die 
sich auf einen verhältnismäßig kleinen Bezirk beschränkten; ich komme 
unten auf den Fall zurück. 

Hummel (27) folgert auf Grund seiner Untersuchungen an frag¬ 
lichen Wurmknoten des Pferdedarmes: „Die Sklerostomenlarven und 
geschlechtsreifen Individuen gelangen nicht nur vom Darme aus, 
sondern auch auf dem Wege der Gefäßbahn in den Dünn- und Dick¬ 
darm.“ Er nimmt sonach eine Mittelstellung zwischen der von 
Lcuckart, Raillet (22), Sticker u. a. vertretenen Ansicht, wonach 
die Strongyliden (Sei. bidentatum) vom Blutgefäßsystem nach dem 
Darme gelangen, und meiner Auffassung, nach welcher die in Gefäßen 
vorkommenden Strongyliden als verirrte Exemplare anzusehen sind, 
die nur durch die Gunst des Zufalls den Weg zurück ins Darmlumen 
wieder finden. Die Beobachtung Hümmels, daß in den feinen 
Gefäß Verästelungen der Submukosa namentlich des Dünndarmes die 
Würmer sich festkeilen und in den periarteriellen nekrotischen Herden, 
aus denen pfefferkorngroße bis erbsengroße Knoten hervorgehen, völlig 
zugrundegehen, kann ich durchaus bestätigen. 

Die Wurmknoten des Pferdedarmes hat Hummel nach ihrer 
Einrichtung in Gruppen gesondert. Einen besonders bemerkenswerten 
Befund teilte er über einen vollständig in eine Serie mikroskopischer 
Schnitte zerlegten Wurmknoten mit, der beweisend für die Zuwanderung 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 3t>3 

der Parasiten aus einer Arterie sein sollte. Ein Schnitt (Fig. 5) zeigt 
die Muskularis einer zerstörten Arterienwand inmitten von roten Blut¬ 
körperchen und Gerinnungsmassen. „Hier befand sich das große, mit 
weiten Ausbuchtungen versehene Wurmlager, in deren vorderster der 
Parasit sich noch vorfand, durch breite, mit starken Streifen roter 
Blutzellen durchsetzte Züge direkt mit dem Innern einer Arterie in 
Verbindung. Die allmähliche Thrombosierung und Einschmelzung der 
Arterienwand und die spätere Regeneration des Gefäßlumens konnte 
in einer Reihe von Schnitten genau verfolgt werden. Ein Zweifel 
daran, daß der vorliegende Wurm seinen Weg aus dieser 
Arterie in das Wurmlager hineingenommen hatte, war 
schlechterdings nicht möglich.“ Herr Hummel hatte die Liebens¬ 
würdigkeit, mir seine mikroskopischen Präparate zur Durchsicht zu 
überlassen, und kann ich mich seinen Folgerungen nicht anschließen, lra 
Bereiche der Blutung gewinnt man den Eindruck, als sei hier die 
Zerstörung des Blutgefäßes durch den in der Nähe gelegenen Wurm 
verursacht. Nun lehren aber die vielen Schnitte der Serie, daß sich 
die jüngsten Abweichungen auf die Blutung um das zerstörte Gefäß 
beziehen; denn die Blutkörperchen sind noch gut erhalten, während 
in weiterer Entfernung alter Detritus liegt. Vor allen Dingen aber 
findet sich im Bereiche der ältesten Abweichungen des Wurmlagers 
der Defekt in der Mukosa und Muscularis mucosae, der für die Zu¬ 
wanderung des Wurmes vom Darmlumen her spricht. Bei dem 
weiteren Vordringen ist der Parasit mit der Adventitia des Arterien¬ 
rohres zuerst in Berührung gekommen und der Gewebszerfall ging 
soweit, daß sich die Blutung angeschlossen hat. Ich will keineswegs 
behaupten, daß Hummel unter den vielen von ihm untersuchten 
Wurmknoten nicht auch solche ermittelt hat, die seine Folgerungen 
mit Recht stützen; die fragliche Serie lehrt aber, wie leicht Bilder 
entstehen, die zu Täuschungen führen. 

An Arterien wie auch an Venen der Darmwand, welche durch 
den Parasitismus der Strongyliden in Mitleidenschaft gezogen werden, 
entstehen gar vielgestaltige Abweichungen. Die jüngsten Veränderungen 
treten in Form von zelligen an Eosinophilen reichen Exsudaten 
in den adventitiellen Gewebszügen auf. Bald lockern sich die glatten 
Muskelfasern der Media, ihre Kerne nehmen unregelmäßige Gestalt, 
z. B. wellige Schlängelungen an, und lösen sich zuletzt in Trümmer 
auf. In der Regel tritt eine ausgiebige Kontraktion des Gefäßes ohne 
Blutung ein. In dem Erweichungsherd des Wurrasitzes widerstehen 



364 


OLT, 


die Arterienwände ebenso wie bei anderen Einschmelzungen in lockerem 
Gewebe am längsten dem Zerfall. Ja manchmal sieht man dick¬ 
wandige kontrahierte Arterien mitten in feinkörnigem Detritus des 
Wurmknotens noch liegen, wenn längst der Parasit seinen Weg nach 
dem Darmlumen gefunden hat. Beim Studium solcher Bilder habe 
ich nie ein sicheres Urteil gewinnen können, ob der Wurm durch die 
Arterie oder von der Glandularis her in die Submukosa ursprünglich 
eingewandert war, da die Schleimhaut in diesem Stadium sekundäre 
Abweichungen aufweist, die eine Folgerung nicht mehr oder nur 
ausnahmsweise zulassen. 

Die zum Schlüsse sich einstellende Regeneration im Bereiche des 
Wurmlagers vollzieht sich unter Ausstoßung des Pfropfes nach dem 
Darmlumen und einer epithelialen Ueberkleidung des Defektes. Diese 
entwickelt sich vom Rand des Geschwüres her und dringt schon in 
die Tiefe vor, ehe sich hier die oft kalkig inkrustierten Massen lockern. 
Im Grunde des Defektes bleibt eine geringe Menge Granulationsgewebe 
zurück, in das von der gebildeten Epitheldecke einzelne Drüsenschläuche 
Vordringen, die nicht ganz die Länge der Liberkühnschen Drüsen 
erreichen und auch nicht das regelmäßige Anordnungsverhältnis auf¬ 
weisen. Der Defekt in der Museularis mucosae bleibt bestehen. Diese 
Abweichungen sind makroskopisch nicht sichtbar, bei histologischen 
Untersuchungen begegnet mancher gelegentlich Zuständen, die auf 
frühere Geschwüre schließen lassen und große Uebereinstimmung mit 
den vernarbten entozoischen Follikulargeschwüren (Strongylus dentatus) 
des Schweinedarmes aufweisen. Aus diesem Befund geht hervor, 
daß die zahlreichen Follikulargeschwüre der Darmschleim¬ 
haut und die Erkrankungen der Lymphdrüsen durch Wurm¬ 
larven verursacht worden sind. Diese waren von der Ober¬ 
fläche der Schleimhaut eingedrungen und sind in der Tiefe 
der Geschwüre zugrunde gegangen. Ein Teil ist bis zu den 
Lymphdrüsen gewandert und dort abgestorben. Wie der 
Untergang der Wurmlarven zu erklären ist und welcher Art sie an¬ 
gehören, läßt sich nicht entscheiden. 

Der Nachweis mehr oder weniger gut erhaltener Blut¬ 
gefäße inmitten nekrotischer Herde beweist für sich allein 
nicht, daß die Parasiten durch die Darmarterien zugewandert 
sind und vorher im Aneurysma gesessen hatten. Ira frag¬ 
lichen Falle ist diese Art der Zufuhr als ausgeschlossen an¬ 
zusehen. 



lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 365 

Schipp (private Mitteilung) hat bei allen Obduktionen, die er 
an Pferden in Ostpreußen vornahm, der Beschaffenheit des Darmes 
besondere Aufmerksamkeit geschenkt und stets reichlich geschwürige 
Zustände und Knoten mit Strongyliden ermittelt, die ein vielgestaltiges 
Aussehen hatten. In einem Falle, der verdient mitgeteilt zu werden, 
hatte Schipp die Liebenswürdigkeit, mir Darmteile eines an Druse 
verendeten Fohlens zugehen zu lassen. 

Bei der Obduktion fielen an der Serosa des ganzen Dünndarmes geldstück- 
große, beetartige, erhabene, dunkelrote bis sohwarze Flecken auf, ähnlioh wie sie 
von der Serosa des Hüftdarmes bekannt sind. Nach der Eröffnung des Darmes 
zeigte sich, daß diese Fleoken genau dem Sitze der Peyersehen Plaques ent« 
sprachen. Hier ragten pfefferkorn- bis erbsengroße graugelbe und dunkelbraune 
Pfropfe über die Oberfläche, die aus einer krümeligen oder dickbreiigen Masse be¬ 
standen. Die Pfropfe setzten sich mit dünnen Ausläufern bis zur Muskularis fort. 
Auffallend war, daß immer nur im Bereiche der Follikelanhäufungen diese Ab¬ 
weichung ihren Sitz batte, vielfach lagen 6 bis 8 solcher Pfropfe nebeneinander. 
Ein Teil derselben war mit Hinterlassung einer entsprechenden Vertiefung heraus¬ 
gefallen, andere saßen so locker, daß man sie leicht herausheben konnte. Auch 
im Kolon und Zökum beschränkten sich diese Knoten hauptsächlich auf die an 
lymphatisohem Gewebe reichen Stellen; so war die Schleimhaut in der Spitze des 
Blinddarmes übersät mit Geschwüren, die den erwähnten Pfropf aufwiesen oder 
sich bereits gereinigt hatten. Neben 1—3 mm weiten, tiefgehenden Defekten mit 
höher geröteter Umgebung fielen glatte, Senfkorn- bis erbsengroße, halbkugelige 
Vertiefungen auf, die als leicht abgeheilte Geschwüre alle Uebergänge bis zn den 
mit Pfropfen ausgestatteten Zuständen verfolgen ließen. 

Ferner fiel die Vergrößerung der mesenterialen Lymphdrüsen auf. An der 
Blinddarmspitze lagen sie in haselnuß- bis taubeneigroßen derben Knoten, die 
außen eine gefäßreiche Bindegewebsschicht und innen graues lymphatisches Ge¬ 
webe aufwiesen. In diesem fielen auf dem Schnitt zahlreiche Senfkorn- bis pfeffer¬ 
korngroße, graugelbliche, trübe Erweichungsherde auf, die sich scharf gegen die 
durchscheinende Nachbarschaft abhoben. 

Dieser Befund ist in verschiedener Hinsicht interessant; zufällig bei einem 
rotzkranken Pferde ermittelt, würde er zweifellos von gar manchem Obduzenten 
als Darmrotz gedeutet werden; sicherlich sind die Berichterstattungen über spon¬ 
tanen Darmrotz auch auf diese Weise zu erklären. Mit Rücksicht auf die Wichtig¬ 
keit dieser Frage erlaube ich mir das Ergebnis der histologischen Untersuchung 
in kurzen Zügen hier anzuführen. 

Bei den Knoten in den Peyerschen Haufen wird der Pfropf von dem Ge¬ 
schwürsrande bis hinunter zur Muskularis von zellreichem Granulationsgewebe 
scharf begrenzt. Dieses ist mit zahlreichen Kapillaren und einem vielmaschigen, 
zarten Fibrillennetz ausgestattet, das sich nur nach kräftiger Säurefuchsinfärbung 
feststellen läßt und sich mit feinsten abgestorbenen Re iserohen hinei n in den Pfropf fort¬ 
setzt. Im übrigen besteht der Pfropf aus einem feinkörnigen Detritus, dessen Ge¬ 
halt an Kern fragmen ten sich nur andeutungsweise färbt, während die ganze Grund¬ 
substanz große Affinität zu Eosin hat. In der Nachbarschaft des Pfropfes liegen 



3H6 OLT, 

scharenweise eosinophile Zellen. Verfolgt man den über das Niveau der Mukosa 
hervorragenden Pfropf nach der Tiefe, wo er sich konisch verjüngt, dann findet 
sich, daß er in einen dünnen nekrotischen Strang gleicher Zusammensetzung auf 
eine größere Strecke ausläuft und am Ende Sitz einer abgestorbenen Wurmlarve 
ist, die nicht ganz den Umfang einer Trichine hat. Der dünne Strang und das 
Wurmlager werden von radiär geordneten Fibroblasten, eosinophilen Zellen, baso¬ 
philen Rundzellen und hier und da von Riesenzellen umlagert; von letzteren 
finden sich manchmal 20 und mehr. Die Masse des Pfropfes ist so plastisch, daß 
die Straße der Parasiten bei vielen Knoten als glattwandiger Kanal vom Sitze des 
Wunnes eine größere Strecke rückwärts verfolgt werden kann. 

Bei einem Knoten liegt in dem strangförmigen Ausläufer des Pfropfes ein 
arterielles, bis auf die Media geschwundenes Blutgefäß, das schwach gefärbt ist 
und allseitig von Detritus umgeben wird. Die Schnittserie lehrt aber, daß der Strang 
oder sagen wir die Straße der Parasiten von außen her auf das Gefäß zuführt und 
eine kleine Strecke weiter von ihm wieder abbiegt. Sonach ist die Einwanderung 
des Wurmes nicht durch das nekrotische Blutgefäß erfolgt, sondern dieser ist an 
der betreffenden Stelle abgestorben, weil es von dem Wurmkanal tangiert wurde. 

An den vergrößerten und auf dem Schnitt mit miliaren und pfefferkorngroßen 
Zorfallsherden ausgestatteten Lymphdrüsen fällt bei der histologischen Unter¬ 
suchung eine starke Vaskularisation auf, die vom Hilus an sich wie das Gerüst 
der Lymphdrüsen bis zu den Follikeln der Rinde ausbreitet. Die Follikel sind 
hyperplastisch und reichlich von Kapillaren durchsetzt. Das periadenoide und 
subseröse Bindegewebe ist um den 5—8fachen Umfang normaler Verhältnisse ver¬ 
dickt. Die Zerfailsherde sitzen hauptsächlich im periadenoiden Bindegewebe, sie 
durchqueren aber auch lympbadenoides Gewebe und bestehon aus der gleichen 
Masse wie die Pfropfe der oben beschriebenen Wurmknoten des Darmes. Sie 
lassen sich auf Schnittserien als vielfach gewundene Gänge deuten und sind Sitz 
der kleinen Rundwürmer, die übrigens in mehreren Exemplaren gefunden werden 
und gleichfalls abgestorben sind. Auch hier sind die Eosinophilen in der mit 
vielen Fibrillenzügen ausgestatteten Nachbarschaft massenhaft vertreten. Ab¬ 
gestorbene Blutgefäße werden hier mehrfach von den nekrotischen Zügen tangiert, 
ohne daß Anhaltspunkte für eine arterielle Zuwanderung der Parasiten zu er¬ 
mitteln sind. 

Sclerostoraura bidentatum verursacht zwei ganz verschiedenartige 
gewebliche Abweichungen, je nach dem es im Blutgefäß oder frei im 
Gewebe sitzt. Im ersten Falle gesellt sich zur Thrombose stets 
Gewebsproliferation mit starker Verdickung der Intima und Media 
sowohl bei kleinen wie großen Arterien, während die extravaskulärc 
Ansiedelung des Wurmes zur Entstehung einer Zerfallshöhle führt, 
welche die bekannten Wandlungen bis zur Verkalkung ihres Inhalts 
oder zur Geschwürsbildung erfahren kann. Extravaskulär ist Scle- 
rostomum bidentatum mit Sicherheit immer nur in den fraglichen 
Knoten des Darmes und an der Darraschleimhaut haftend gefunden 
worden. Wäre dieser Parasit imstande, sich durch Blutgefäße nach 



lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 3H7 

außen zu bohren, dann müßte man ihn doch recht oft in der nahezu 
geschiechtsreifen Form außer in der Darmwand auch im Gekröse, 
in den' Lyraphdrüsen und retroperitoneal an anderen Stellen be¬ 
gegnen. 

Manchmal findet man einen leeren oder schon fast vollständig 
zurückgebildeten Wurraknoten und in einiger Entfernung Oedem der 
Submukosa um ein nahezu geschlechtsreifes Sklerostomum. Die 
Schleimhaut ist über dem ödematösen Bezirk vollkommen intakt, und 
dürlte unter diesen Umständen der Parasit den Weg nach dem Darm¬ 
lumen endgültig verfehlt haben. Würden alle Artgenossen durch die 
Arterien nach dem Darme heruntergespült und in die Nachbarschaft 
eindringen, dann müßte man doch wohl dergleichen Oedemen auf den 
Straßen, welche die Würmer noch in der Darmwand zurückzulegen 
hätten, recht oft begegnen. Die Beobachtung lehrt aber, daß fragliche 
Funde äußerst selten zu verzeichnen sind. Am Aneurysma verur¬ 
sacht Sclerostomum bidentatum keinerlei mechanische Gewebsläsionen, 
wenn es sich im Thrombus angesiedelt hat. In der Regel liegt der 
Parasit mit dem Kopfende zwischen dem Thrombus und der Intima, 
während das Schwanzende frei in das Gefäßlumen ragen kann. 
Mikroskopische Schnitte durch die Aneurysmawand weisen selbst an 
dem zartesten Granulationsgewebe keinerlei Zerstörungen auf. In 
Schnitten von Gewebsstückchen, die in Formolagargemisch eingebettet 
und wegen der Erhaltung des Fettes unter Anwendung nur schwacher 
Alkohollösungen mikrotomiert worden waren, ließ sich nach zweck¬ 
entsprechender Färbung Fett in 4—20 /* großen Tröpfchen in den 
thrombotischen Massen, im Mundbecher und in dem Darmepithel der 
Würmer nachweisen. Auch die Zerfallprodukte emigrierter Zellen 
fanden sich neben Massen des Thrombus im Mundbecher, nicht aber 
fixe Gewebszellen. Der Wurm des Aneurysmas ist offenbar nicht im¬ 
stande, mit dem dicken abgestutzten Kopfende, das den feinen Kranz 
von Fransen trägt, in die Wand eines Blutgefäßes einzudringen und 
nicht befähigt, Arterienwände zu perforieren; nur durch Zerfall an 
letzteren könnte die Möglichkeit für eine Auswanderung des Parasiten 
gegeben sein. 

Nun ist aber bekannt, daß bei seiner Anwesenheit im Gefäßlumen 
ein Gewebszerfall nicht eintritt, sondern ira Gegenteil, eine Endo- 
arteriitis mit Thrombose und bindegewebiger Verdickung spielt sich 
ab. Je nach der Größe des Gefäßes gestalten sich die Zustände ver¬ 
schieden. Wir sehen da alle Uebergänge von den einfachsten skle* 



368 


OLT, 


rotischen Veränderungen bis zu der zur Verkalkung neigenden knötchen¬ 
förmigen Gefäßverdickung und dem Aneurysma verminosum. 

Histologisch läßt sich am Aneurysma Folgendes feststellen: 

Die Verdickungen der Arterienwand erstrecken sich hauptsächlich 
auf die Media, sie sind aber manchmal auch in recht beträchtlichem 
Maße auf die Intima zu beziehen. Die genaue Grenze kann nur durch 
eine Färbung der elastischen Fasern ermittelt werden. In manchen 
Fällen, so bei der Erkrankung der Art. colica inferior, habe ich 
die stärksten geweblichen Wucherungen in der Intima, bis 2,5 mm 
gegenüber einer Dicke der Media von 1,7 mm gefunden. Die sehr 
dickwandigen Aneurysmen weisen die stärkste Gewebszunahme immer 
in der Media auf. Wir sehen hier zwischen auseinandergedrängten 
Zügen der glatten Muskulatur Fibroblastenanhäufungen, die sich dem 
Faserverlauf der Media anpassen. Je nach dem Alter der Zustände 
liegen neben den erwähnten Elementen lange feinwellige Fibrillen¬ 
stränge, welche bei der Giesonfärbung in roter Farbe scharf zu den 
dicht anliegenden gelben und gradlinigen Muskelfaserzügen kontrastieren. 
Diese erfahren eine Abnahme ihrer Elemente, viele Muskelfasern 
weisen einen außergewöhnlich schmalen Protoplasraaleib auf, und 
deuten auch die Kerne solcher auf einen Untergang von Zellen hin. 
Mit dieser Aenderung der Textur, die übrigens auch das elastische 
Gewebe in Mitleidenschaft zieht, nimmt trotz der Dickenzunahme der 
Wand die Widerstandskraft gegen den Innendruck ab, daher stellt 
sich die aneurysmatische Erweiterung des erkrankten Rohres ein. In 
den inneren Lagen der Media bis hinein in die gewucherte Intima 
finden sich Nester und Straßen junger Fibroblasten und zahlreicher 
Lymphozyten neben eosinophilen Zellen. 

Das junge Granulationsgewebe der Intima zeigt vielfach deutlich 
ausgeprägten radiären Verlauf der Gewebselemente, besonders der oft 
reichlich vorhandenen Kapillargefäße. Auf der mit Endothel über¬ 

kleideten Oberfläche machen sich zwischen halbkugeligen Prominenzen 
enge Einziehungen mikroskopisch feiner Narbenretraktionen bemerkbar. 
Hier liegen fibrilläre Bindcgewebszüge in dem einer solchen Ein¬ 

ziehung entsprechenden Anordnungsverhältnis: Das fibrilläre Binde¬ 
gewebe der Intima ist nicht so geregelt angeordnet wie das der 

Media und zeigt auch eine größere Mannigfaltigkeit hinsichtlich der 
Beschaffenheit seiner Bündel. Man sieht im Maschenwerk feine 

Reiserchen die jüngsten Granulationen durchziehen, nebenan rankt es 
in Bogen und Durchflechtungen, und besonders fallen an vielen Stellen 



Lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 3(W 


unmittelbar unter dem Endothel sehr zellarme Bezirke auf, die von 
dicken, an die kollagenen Gewebszüge des Kutiskörpers erinnernden 
Fibrillenbändeln belagert werden. 

Da, wo die Intima mit Thromben beschlagen ist, begegnet man 
ganz allmählichen Uebergängen von lockeren, sehr zellreichen Granu* 
lationen in das Gerinnsel. Die emigrierten mononukleären Zellen, 
wovon ein kleiner Bruchteil auf eosinophile kommt, lassen sich in 
dichten Schwärmen, bis hinein in die Gerinnungsmasse verfolgen. Hier 
gehen die Wanderzellen massenhaft zu Grunde und Kernfragmente 
neben den rotgefärbten Körnern der Eosinophilen häufen sich an, den 
Strongyliden einen Teil der Nahrung liefernd. 

An den von Thromben freien Stellen trägt die Intima guterhaltenes 
Endothel, das stellenweise durch Vergrößerung der Kerne und eines 
mehr abgerundeten Protoplasmaleibes an epitheliale Auskleidungen 
erinnert. 

Die Strongyli liegen im Thrombus, und stehen in der Regel mit 
der Intima in direkter Berührung, ohne jedoch in sie einzudringen. 
Oberflächendefekte mechanischen Ursprunges habe ich hier nicht finden 
können. Kleine in dem Granulationsgewebe ablaufende Blutungen sind 
nicht mit Gewebszertrümraerung vergesellschaftet. Die ausgetretenen 
Erythrozyten beschränken sich auf enge Bezirke und hinterlassen die 
verschiedenen Derivate bis zu den Testierenden Narbenpigmenten, die 
der Intima jene bekannten schiefergrauen Flecken verleihen. 

Gelegentlich findet man auch in mikroskopischen Schnitten die 
Kutikula, die der Wurm bei der Häutung zurückgelassen hat. Als 
gefaltetes, homogenes, in sich geschlossenes Band liegen die Schnitte 
der Kutikula im Thrombus und in den Nischen der Intimawucherungen, 
bisweilen von diesen vollkommen eingehüllt. Es fiel mir auf, daß 
diese Haut nicht eine Eosinophilie der nächsten Nachbarschaft unter¬ 
hält, wie das bei den Würmern und selbst den kleinsten abgestorbenen 
Larven der Fall ist. 

Die adventitiellen Wucherungen sind von anscheinend unter¬ 
geordneter Bedeutung; sic bestehen hauptsächlich aus lockerem gefä߬ 
reichen Bindegewebe. Aber auch straffe fibrillenreiche Züge neben 
zeitigen, an Eosinophilen reiche Infiltrate entwickeln sich nicht selten 
in erheblichem Maße. Meines Erachtens sind diese Abweichungen von 
großer Tragweite, da der Plexus coeliacus im Bereiche der vorderen 
Gekrösarterie seinen Sitz hat, und seine Nerven längs der Blutgefäße 
ihren weiteren Verlauf nach den verschiedenen Darrateilen nehmen. 

ArchiT f. wisjensch. u. prakt. Tierlieilk. J(il 30. Suppl.-Itand. 


24 



370 


OLT, 


Hier liegen im adventitiellen Bindegewebe der Darmarterien vasomo¬ 
torische Nerven und solche die teils hemmend und teils verstärkend 
auf die Darmperistaltik einwirken. Die Darmwand hat zwar ihre 
eigenen Nerven, welche die Peristaltik unabhängig vom Zentralnerven¬ 
system unterhalten; daß aber der Plexus coeliacus eine hervorragende 
Rolle inbezug auf die Innervation der Darmgefäße und die Regulation 
der Darmperistaltik zukomrat, steht außer Zweifel. Die hohe Be¬ 
deutung hinsichtlich der vasomotorischen Funktionen hat Popielski (82) 
durch Exstirpation des Plexus coeliacus bei zahlreichen Versuchen an 
Hunden dargetan. Ich möchte hier nur nachdrücklich hervor¬ 
heben, daß der Plexus coeliacus durch das Aneurysma ver- 
minosum oft recht erheblich in Mitleidenschaft gezogen 
wird; er erfährt den Druck der Gefäßerweiterung, und die 
Nervenbahnen werden bei den adventitiellen Gewebs¬ 
wucherungen so umsponnen, daß Zustände, wie sie von der 
Perineuritis bekannt sind, zur Entwickelung kommen. Ueber 
die an den Nerven sich einstellenden Abweichungen werde ich bei 
späterer Gelegenheit berichten. Eine nähere Prüfung der Frage wird 
ergeben, daß die Kolikanfälle, denen manche Pferde so ungemein 
häufig ausgesetzt sind, ihre Erklärung in den Abweichungen an den 
Nerven des Plexus coeliacus finden. Bei keiner zweiten Tierart kommen 
so häufig Störungen in der Darmperistaltik vor, wie beim Pferde, und 
die geringsten Diätfehler führen bekanntlich bei manchen Tieren zu 
immer wiederkehrenden, eines Tages tödlich endenden Unterdrückungen 
der Darmtätigkeit. In den allermeisten Fällen dürften die Achsen¬ 
drehungen des Darmes als die Folgen vorausgegangener Darmparese 
angesehen werden. Tritt durch Innervationsstörungen oder das Wälzen 
der Tiefe Volvulus ein, und der erlahmte Darm kann nicht aus eigener 
Kraft die normale Lage wieder herstellen, dann folgt letaler Ausgang. 
Rechnet man die häufigen Todesarten durch Fäkalstase in der magen- 
ähnlichen Erweiterung hinzu, so muß man sich fragen, haben wir eine 
befriedigende Erklärung für die beim Pferde so ungemein oft beob¬ 
achtete Darmparese? Was abgesehen von der anatomischen Disposition 
an Ursachen für Kolik angegeben wird, kommt doch auch bei anderen 
Tieren in Frage, wie: Ueberfütterung, verdorbenes Futter, Gährung 
des Magen- und Darminhalts, Erkältung, Aufnahme kalten Wassers, 
Hungern, Ermüdung usw. Zweifelsohne kommt noch ein Faktor für 
die häufigen Kolikanfälle des Pferdes in Frage, der noch nicht auf¬ 
geklärt ist. 



lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 371 


Als v. Bollinger (34) die Beziehungen desAneurysma verminosuni 
zur Kolik des Pferdes geklärt hatte, wurde zunächst die Bedeutung 
der Thrombose in der Arteria ileo-coeco-colica überschätzt, und die 
Erfahrung hat gelehrt, daß tödliche Embolien von dieser Seite immer¬ 
hin zu den Seltenheiten gehören. Für die Folge wird die Frage, welche 
Störungen das Aneurysma verminosum durch die Mitleidenschaft des 
Plexus coeliacus verursacht, zu klären sein. Die Lösung dieser Frage 
ist ungemein schwierig, da unsere Kenntnisse über die physiologische 
Bedeutung des Plexus coeliacus noch recht dürftige sind. 

Von weiteren Abweichungen, die namentlich mit dem Parasitismus 
der Strongyliden Zusammenhängen, erlaube ich mir noch Gefä߬ 
erkrankungen in der Wand des Magens und Darmes zu erwähnen. Un- 
gemein häufig fielen mir an diesen Stellen kleine Arterien mit verdickter 
Media und Kalkkörnern unter dem Endothel der Intima auf. Manchmal 
war diese bei geschlossenem Gefäßlumen vollständig in Kalkschollen 
umgewandelt. Ob diese Gefäßerkrankungen durch Strongyliden ver¬ 
ursacht werden, läßt sich nicht entscheiden, da Reste ihres Leibes und 
und auch thrombotische Massen nicht nachzuweisen sind. Es finden 
sich aber alle Uebergänge von diesen einfachen Gefäßerkrankungen 
bis zu jenen embolischen kugeligen oder geschlängelten, kalkigen 
Körperchen, die im Zentrum die Wurmlarve, ja manchmal mehrere 
solcher in kleinen Abständen hintereinander bergen. Die Parasiten 
sind längst abgestorben und nebst ihrer nächsten Umgebung verkalkt, 
sie haben aber ihre äußere Form so unverkennbar beibehalten, daß 
die Deutung bei zweckentsprechender technischer Bearbeitung der ver¬ 
kalkten Gefäßteile auf keinerlei Schwierigkeit stößt. Die bei ver¬ 
kalkten Knötchen und Gefäßen angewandte Technik ist am Schlüsse 
der Abhandlung mitgeteilt. 

Die Frage, wie die Strongyliden in die Arterien gelangen 
und wie die hauptsächliche Ansiedelung an der Arteria 
mesenterica anterior zu erklären ist, hat eine befriedigende 
Lösung kaum gefunden. Vielfach ist die Ansicht geäußert worden, 
die jungen Larven würden durch die Darmarterien heraufwandern. 
Das ist bei der Stromgeschwindigkeit des Blutes und dem Bau der 
Larven unmöglich. Auch kann nicht gut angenommen werden, daß 
sich die jungen Parasiten, auf Umwegen in den großen Kreislauf ge¬ 
langt, auf der Intima größerer Arterien und besonders in der Art. 
mensent. anterior ablagern. Wie sollten sie plötzlich hier haften und 
sich der passiven Weiterbeförderung entziehen können? 


24 ’ 



372 


OLT, 

Sticker gibt eine Erklärung, die auch ich auf Grund eigener 
Beobachtungen teile. Er sah ein Sklerostomum „auf dem Wege von 
der Bauchhöhle durch die Arterienwand hindurch nach dem Lumen 
des Gefäßes“ Vordringen. „Der schon gehäutete Wurm war an¬ 
scheinend auf diesem Wege Hindernissen begegnet, bestehend in derben 
Bindegewebswucherungen, welche andere vor ihm gewanderte Würmer 
verursacht hatten.“ Ferner fand Sticker (31) in der äußeren 
Schicht einer Ancurysmenwand, die in eine derbe Geschwulstmasse 
umgewandelt war, „vier erbsengroße Erweichungsherde, ln einem 
derselben befand sich ein 15 cm langer, 1 mm dicker junger weib¬ 
licher Wurm von Sclerostomum bidentatum, dessen Kopf in einem 
vom Herde ausgehenden blind endigenden Gange steckte.“ 

Aehnliche Beobachtungen an viel kleineren Würmern hatte auch 
ich zu machen Gelegenheit, und will ich einen Befund anführen, der 
sich auf Abweichungen an der Arteria colica inferior bezieht. Das 
Gefäß ist 15 cm unterhalb des Ursprunges Sitz einer knochenharten 
haselnußgroßen Verdickung. Auf der einen Seite ist ein schmaler 
Saum des Arterienrohres mit der Schere noch ohne Widerstand zu 
spalten. Die Intima des ganzen Gefäßes ist frei von Abweichungen. 
Die knochenharte Partie der Arterie wird entkalkt, in Celloidin ein¬ 
gebettet und mikrotomiert. Die mikroskopische Untersuchung ergibt 
die Anwesenheit eines abgestorbenen strukturlosen Herdes der einseitig 
verdickten Arterienwand. Danach lag nicht Verknöcherung, sondern 
Verkalkung vor. 

Der abgestorbene Teil zieht sich als dünner gewundener 0,7 bis 
1,5 mm dicker Strang durch die Gefäßwand und fällt schon bei makro¬ 
skopischer Besichtigung der mit Weigerts Eisenlack behandelten 
Schnitte durch dunkele Färbung auf. Der Rand des Stranges er¬ 
scheint unter schwacher Vergrößerung achatähnlich von helleren und 
dunkleren Bändern umsäumt. Nach Anwendung der Elastinfärbung 
kann man elastische Fasern in mehr oder weniger gut erhaltener 
Form von der mit fibrillären Bindegewebszügen und Fibroblasten 
durchsetzten Media bis hinein in den Strang abgestorbenen Ge¬ 
webes verfolgen. An verschiedenen Stellen fällt ein überall gleich- 
weiter glattwandiger Kanal von 55 fi Quere auf, der auf senkrechtem 
Schnitt genau kreisrund erscheint und an seinem nahe der Intima ge¬ 
legenen Ende einen in seinen äußeren Formen noch guterhaltenen, 
aber abgestorbenen Rundwurm birgt. Den Weg hatte dieser von der 
Advcntitia her eingesehlagen. Eine kleine Strecke weiterer Wanderung 



Ucbor die durch Strongylidcn bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 373 

hätte ihn mit der Intima in Berührung gebracht, die sich dann wohl 
vor Ankunft des Wurmes im Gefäßlumen mit einem kleinen Thrombus 
bedeckt hätte, der zur Ansiedelung des Parasiten im Gefäßrohr ge¬ 
nügen konnte. 

Es ist denkbar, daß derjenige Teil der jüngsten Larven, welcher 
über die Grenzen der Darmwand vordringt, zwischen den serösen 
Blättern des Gekröses hauptsächlich im Verlaufe der Lymphbahnen 
weiterwandert. An der Gekröswurzel vereinigen sich die Straßen auf 
das enge Gebiet, wo neben anderen geweblichen Hindernissen die 
vielen Gefäßverzweigungen den meisten Parasiten den Weg verlegen. 
Auf der Strecke, wo die Arteria raesenterica anterior dicht neben¬ 
einander die durchschnittlich 21 Aestc für das Jejunum abgibt, 
finden sich ja auch regelmäßig erhebliche Abweichungen an der Ge¬ 
fäßwand, wenn ein Aneurysma besteht. 

Von allen Theorien hat diejenige, welche die Zuwan¬ 
derung der Strongylidenlarven von der Adventitia durch die 
Media nach der Intima in den sich hier bildenden Thrombus 
annimrat, die größte Wahrscheinlichkeit für sich; es wäre 
aber verfrüht, wollte man die dürftigen Beobachtungen von 
Sticker und mir als zwingende Beweise für die Annahme 
eines solchen Vordringens des Sclerostomum aneurysma- 
ticum (bidentatum) bewerten. 

An dieser Stelle will ich noch eine durch Wurmknötchen ge¬ 
kennzeichnete Hauterkrankung erwähnen, die wohl ebenfalls durch 
die in Geweben untergehenden Wurmlarven verursacht wird und nach 
ihren klinischen Erscheinungen und dem Verlauf nichts gemein hat 
mit der von Rivolta zuerst erwähnten Dermatitis pruriginosa s. 
Dermatitis granulosa Laulanie, welchem Leiden bekanntlich Filaria 
haemorrhagica s. raultipapillosa zugrunde liegt, welcher Wurm in 
einer Länge bis zu 6 und 7 cm gesehen worden ist (v. Ratz, Con- 
tamine und Drouilly). 

ln dem hier fraglichen Falle fand ich im Juni 1907 bei einem 
Pferde linsengroße derbe Knötchen der Haut, besonders am Halse und 
der Brust. Die Haare waren über den Knötchen etwas gesträubt. 
Nach dem Rasieren traten die Knötchen sehr auffallend und viel zahl¬ 
reicher in die Erscheinung als vorher, da viele nur andeutungsweise 
zur Entwickelung gekommen waren und andere 2—3 mm prominierten. 
Auf handgroßer Fläche saßen 10—15 Stück, von denen das größte 
herausgeschnitten und mikrotomiert wurde. Nach 14 Tagen waren 



374 


OLT, 


alle Knötchen abgeschwollen und nur noch leichte Schuppenbildung 
bemerkbar geblieben. 

Die mikroskopische Untersuchung hat folgendes ergeben: die Cutis vas- 
culosa ist beetartig verdickt, zeigt starke Füllung der Kapillaren und in den Ge- 
websspalten eine Durchtränkung bis hinauf zwischen die letzten Reiserchen des 
kollagenen Bindegewebes zwischen den Haarfollikeln. Basal ist das Infiltrat eine 
kleine Strecke bis in die Cutis propria zu verfolgen. Die interepilhelialen Lymph¬ 
spalten im Stratum germinativum sind an den Follikeln und dem Oberfläcbenepithel 
leicht erweitert und hie und da Sitz eingedrungener Leukozyten, ln der oberen 
Region der Cutis propria fällt der Querschnitt eines Rundwurmes auf, der wenig 
größer als eine Trichine ist und deutlich den Darm, Muskelzellen und einen Kuti- 
kularsaum erkennen läßt. Umgeben wird der Parasit von kollagenem Bindegewebe, 
dessen Züge auseinandergedrängt sind und in den Lücken neben mono- und poly¬ 
nukleären Zellen spärlich eosinophile Zellen und Zerfallsprodukte roter Blut¬ 
körperchen einschließen. 

Drei Wochen später waren die Knötchen der Haut so spurlos zurückgebildet, 
daß weiteres zur Untersuchung geeignetes Material nicht mehr gewonnen werden 
konnte. Wahrscheinlich waren die Würmer abgestorben und resorbiert worden. 
Bei der im November vorgenommenen Obduktion ließen sich außer einigen grauen 
durchscheinenden und verkalkten entozoischen Knötchen in den Lungen Anhalts¬ 
punkte für die Wurminvasion nicht ermitteln. 

Ein besonderes Interesse haben, abgesehen vom Aneurysma vermi- 
nosam, die durch Entozocn verursachten Abweichungen erst erfahren, 
als auf die Verwechselungen mit rotzigen Zuständen nachdrücklich 
hingewiesen wurde. Neben den entozoischen Knötchen in den Lungen 
haben in jüngster Zeit Geschwüre des Darmes hinsichtlich 
der Rotzdiagnose eine größere Beachtung erfahren. 

Die Italiener Boschctti, Benedetto, Vecchi (77) und andere 
Tierärzte wollen in mehreren Fällen spontanen Darmrotz beobachtet 
haben, hauptsächlich sollten sich in der mit Lymphfollikeln besetzten 
Schleimhaut des Blinddarmes, sowie in der Serosa ltotzknötchen mit 
käsigem Zentrum, auch manchmal verkalkte Knötchen finden lassen. 
Rotzgeschwüre sassen namentlich in der Spitze des Blinddarmes. 

Hummel sagt m. E. sehr zutreffend: „Für die Unterscheidung der 
entozoischen Knoten des Darmes von denen des Rotzes können 
Schwierigkeiten dadurch erwachsen, daß die entozoischen Knoten fast 
bei keinem Pferde fehlen, andererseits reaktive Prozesse in der Darm¬ 
wand hervorrufen, die denen bei der Rotzkrankheit unter Umständen 
ähnlich sehen können. Bei den Veränderungen verminösen Ursprungs 
kann eine reiche Ansammlung von Rundzellen und Leukozyten statt¬ 
finden, die Gefäße in der Umgebung können stärker gefüllt und der- 



Ueber die durch Strongylidcn bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 375 

artig alteriert sein, daß es zum Austritt von serösem und sogar fibri¬ 
nösem Materiale kommt. Schließlich kann der Parasit, namentlich ein 
solcher in jugendlichem Zustande derartig zerfallen, daß von seinem 
Körper keine Spuren mehr nachzuweisen sind und eine nekrotische Masse 
zurückbleibt. Es kann sogar zur Bildung kleinster Abszesse in oder 
in der Nähe solcher Wurmlager kommen, wie in einem Falle nach¬ 
gewiesen werden konnte. Da nun vielfach ein solcher nekrotischer 
Herd nach der Oberfläche durchbricht, so kann eine solche Stelle den 
Eindruck eines mehr oder weniger kraterförmigen Geschwüres hervor- 
rufen und leicht zu einer falschen Diagnose Veranlassung geben.“ 

Alle diese Angaben vermag ich auf Grund eigener Beobachtungen 
mit der Ergänzung zu bestätigen, daß auch die Lymphdrüsen gelegent¬ 
lich infolge von Entozoenansiedelungen anschwellen und Zerfallsherde 
aufweisen, die sich makroskopisch nicht in allen Fällen sofort von 
rotzigen unterscheiden lassen, ln den weiteren Ausführungen erklärt 
Hummel die eosinophilen Zellen als ein Charakteristikum für Wurm¬ 
knoten im Darme, ohne indes Rotzgeschwüre des Darmes, wie sie 
schon experimentell erzeugt worden sind, als Vergleichsobjekte heran¬ 
gezogen zu haben. Hummel „erscheint es zum mindesten zweifel¬ 
haft“, daß es sich in dem einen Falle der von Schütz beschriebenen 
künstlich erzeugten Darmgeschwüre um Rotz gehandelt habe, ferner 
wäre noch nicht einwandsfrei bewiesen, „daß auch im zweiten Falle 
die beiden Knoten tatsächlich rotziger Natur gewesen sind.“ Die 
Zweifel stützen sich auf Analogieschlüsse, wobei die Frage der Eosino¬ 
philie entscheiden soll. In den fraglichen Geschwüren und Knoten 
fanden sich nämlich eosinophile Zellen. 

Schütz und Angeloff haben bekanntlich betont, daß in den 
Lungenknoten verminösen Ursprunges stets eosinophile Zellen ge¬ 
funden werden, die jedoch niemals in Rotzknoten der Lungen zugegen 
sind. Diese Angaben kann ich auf Grund früherer und jüngster Unter¬ 
suchungen bestätigen, sie stehen auch im Einklang mit den Beobach¬ 
tungen von Ebhardt(40). Hummel sagt nun von den eosinophilen 
Zellen „ebenso scheint das Vorhandensein derselben im Darme auf die 
Anwesenheit von Würmern einen Rückschluß zu gestatten. Daß die 
eosinophilen Zellen wirklich nur durch die Parasiten angelockt werden, 
bezeugt auch der Umstand, daß ich dieselben in Darmstückchen von 
gesunden Pferden, die frei von Parasiten waren, niemals gefunden 
habe, und daß sie auch in der Nähe von polypösen Wucherungen und 
autonomen Neubildungen, soweit ich zu beobachten Gelegenheit hatte, 



376 


OLT, 

nicht Vorkommen. Man muß hiernach die eosinophilen Zellen als ein 
Charakteristikum der Wurmknoten im Darme ansehen.“ 

Die hier angeführten Gründe vermag ich nicht als zwingende Be¬ 
weise für die Folgerungen Hümmels anzuerkennen, der ferner sagt: 
„Wenn man das von Schütz und Angeloff zuerst nachgewiesene 
Fehlen der eosinophilen Zellen bei rotzigen Lungenveränderungen des 
Pferdes auf den Darm überträgt, so muß man annehmen, daß auch 
in rotzigen Darmveränderungen diese Zellen nicht Vorkommen “ 

Daß lokale Eosinophilie auch im Anschluß an saprophytische In¬ 
fektionen vorkoromt, ist durch die Untersuchungen von Joest und 
Ebhard dargetan. Joest fand lokale Eosinophilie zweimal in tuber¬ 
kulösen Herden der Niere eines Schweines, in einem Falle von Enteritis 
chronica bovis pseudotuberculosae, in schwacher Form bei einem Spindel¬ 
zellensarkom am Perikard eines Schafes, bei einer Mischgeschwulst 
von Adenokarzinom und Leiomyom vom Uterus des Rindes, bei einem 
Leberadenom vom Rinde, sowie in starker Form bei einem Karzinom 
der Milchdrüse des Rindes und den Metastasen in den Lungen und 
Nieren, ferner in mäßiger Stärke bei Elephantiasis des Ohres eines 
Schweines und einer Schrumpfniere eines Schweines. Ebhard er¬ 
mittelte in mehreren Fällen von Tuberkulose und auch bei Schweine¬ 
pest eine ausgesprochene Vermehrung der eosinophilen Zellen. In der 
Schilderung eines auf der Oberfläche zerklüfteten Schweinepestge¬ 
schwüres wird gesagt: „Am stärksten war die zellige Infiltration an 
der Grenze der inneren Muskelschicht und der abgestorbenen Submu¬ 
kosa. Es fanden sich polymorphkernige Leukozyten, eosinophile Zellen 
und Lymphozyten. Vereinzelt kamen auch epithelioide Zellen zu Ge¬ 
sicht. Zumeist hatten die eosinophilen Leukozyten das Ueber- 
gewicht.“ 

Lehren die Untersuchungen von Schütz, Angeloff, Hummel, 
Folger, Joest, Felber, Ebhard und vieler anderer Forscher, daß 
Eosinophilie zu charakteristischen Begleiterscheinungen zooparasitärer 
Erkrankungen gehört, so ist andererseits zu beachten, daß lokale 
Eosinophilie auch bei anderen Prozessen vorkommt, und gelegentlich 
durch bakterielle Infektionen angeregt wird. Nach meinen Beobach¬ 
tungen stellt sich lokale Eosinophilie am Darme bei sehr verschieden¬ 
artigen Abweichungen ein, so abgesehen von den entozoischen Ge¬ 
schwüren bei Schweinepest in denjenigen Fällen, die durch Hyper¬ 
plasie des lymphatischen Gewebes in der Nachbarschaft der Ver¬ 
schorfungen besonders ausgezeichnet sind und fast allgemein bei chro- 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 377 

nischen Ulzerationen. In älteren tuberkulösen Darmgeschwüren des 
Rindes finden sich gleichfalls eosinophile Zellen, wenn oft auch in 
verschwindender Zahl gegenüber den vielen neutro- und basophilen 
Rundzellen. Bei einem Sarkom und einem Adenom im Darme des 
Rindes bzw. Pferdes und in einem ulzerierenden Karzinom, das seinen 
Sitz im Rektum eines Pferdes hatte, konnten ebenfalls eosinophile 
Zellen nachgewiesen werden. 

Chronisch verlaufende Entzündungsprozesse mit Bindegewebs¬ 
wucherungen und Hyperplasie des lymphatischen Gewebes, — die 
Leukämie ausgeschlossen —, sind besonders am Darme durch die 
Anwesenheit eosinophiler Zellen ausgezeichnet. 

Die häufige und bisweilen stark ausgeprägte Eosinophilie bei nicht 
entozoischen Ulzerationen des Darmes erklärt sich vielleicht aus der 
gleichzeitigen Gegenwart tierischer Parasiten im Darme und ihrer in¬ 
direkten Einwirkung auf die Geschwürsflächen, da die Stoffwechselpro¬ 
dukte der Schmarotzer an diesen Stellen direkt in die Gewebe ein- 
dringen können. 

Schütz bat auf Grund seiner Beobachtungen an Trichinen in den Muskeln 
und des Studiums der Eosinophilie bei entozoischen Knötchen der Lungen des 
Pferdes im Sinne Ehrlichs (80) gefolgert „daß besonders tierische Parasiten (Hel¬ 
minthen) auf eosinophile Leukozyten chemotaktisch wirkende Stoffe bilden“, und 
alle Forscher, die sich früher und in der Folge mit dieser Frage befaßt haben, 
kamen zu gleichem Ergebnis. Daß diese chemotaktisch wirkenden Stoffe bei An¬ 
wesenheit von Askariden, Strongyliden oder l'änien im Darminhalte Vorkommen 
und einen Einfluß auf geschwürige Zustände der Darmschleimhaut entfalten, ist 
zum mindesten wahrscheinlich, steht doch auch fest, daß Eosinophilie des Blutes 
bei Helminthiasis vorkommt, die nicht anders als durch Resorption spezifischer von 
den Parasiten abgeschiedener Stoffe erklärt wird. Vielleicht kommen beim Darme 
auch noch andere Faktoren, wie histologische Verhältnisse, z. B. das reichlich 
vorhandene lymphatische Gewebe inbetracht. Der Einfluß der Inhaltsmassen auf 
Ulcera des Darmes ist aber in jedem Fall gegeben und abhängig von der Zu¬ 
sammensetzung der Kontenta. Es ist mir auch vielfaoh aufgefallen, daß die Eosino¬ 
philie bei Wurmlagern mit ziemlich intakter Glandularis nicht so stark ausge¬ 
prägt ist, wie bei zerstörter Decke. Noch lange nach der Auswanderung der 
Strongyliden besteht starke Eosinophilie in den Wurmnestern des Pferdedarmes, 
besonders wenn der Pfropf teilweise verkalkt ist und nicht vollständig von der 
Glandularis bedeokt wird; ja ich habe an solch alten Wurmnestern die Eosino¬ 
philen manchmal in einer Reichhaltigkeit gesehen, wie in keinem anderen Falle. 

Auch in der Nachbarschaft abgestorbener Entozoen pflegt die lokale Eosino¬ 
philie,wie leicht erklärlich, lange anzuhalten. SolcbeBefunde weisen mit zahlreichen 
kalkig inkrustierten Pfropfen ausgestattete Darmgeschwüre auf, die ich nach und 
nach gesammelt habe, und bis in das Jahr 1901 zurückverfolgen kann. Die eosino¬ 
philen Zellen und die Pfropfe, welchen sich Zerfallsprodukte dieser Zellen beige- 



378 


OLT, 


mischt hatten, haben die intensiv rote Farbe so gut konserviert, daß die Schnitte 
heute noch wie frisch angefertigte aussehen. 

Die Entscheidung, ob in dem Pfropf, nachdem der Parasit ausgewaniert ist, seine 
auf die Eosinophilen chemotaktisch wirkenden Stoffe noch lange zurückgeblieben sind 
oder die analoge Wirkung von Bestandteilen des üarminhaltes ausgeht, lasse ich da¬ 
hingestellt. Für die erste Annahme sprechen Befunde, die ich aufder von Onkosphären 
des Cysticercus tenuicoliis erzeugten Straße zu machen Gelegenheit hatte. Dieser Para¬ 
sit legt unter der Leberkapsel des Kalbes manchmal Strecken von 10 cm und mehr 
zurück. EinStrang nekrotischen Gewebes mit körnigem und scholligem Detritus, um¬ 
geben von zölligen Infiltraten der Nachbarschaft markiert bekanntlich die Straße des 
Parasiten, der an dem sich verjüngenden Ende sitzt, wo sich gleichzeitig Hyperämie 
des angrenzenden Gewebes ausprägt. Hier ist die Zahl der Eosinophilen geringer 
als an dem Anfangsteil des Ganges, ein Beweis, daß nach der Abwanderung der 
Zystizerken das Zuströmen der Eosinophilen angebalten hat, und der Befund lehrt, 
daß die Leiber untergehender säurephiler Zellen wesentlich zur Anreicherung des 
sich mit Eosin intensiv rot färbenden Detritus beitragen. Analog gestalten sich 
auch die Vorgänge bei Wanderungen der Onkosphären des Echinokokkus in der 
Pferdeleber. Wenn später die Umwandelung der auf der Straße liegenden Detritus¬ 
massen in ein kalkiges Reiserchen erfolgt ist, finden sich noch längere Zeit in den 
peripheren Spalten der bindegewebigen Kapsel neben mononukleären Lymphozyten 
Eosinophile nesterweise, in Zügen und hier und da einzeln. Bei ganz alten kal¬ 
kigen Gebilden dieser Art fehlen sie. 

Auch bei den Wanderungen der Distomeen außerhalb der Gallengänge spielen 
sich bei der Schaf leber anloge Vorgänge lokaler Eosinophilie ab. Hinzu kommen 
hier noch regelmäßig Riesenzellen und Plasmazellen, welche die nekrotischen 
Massen oft wie ein dichter Mantel neben mono- und polynukleären Leukozyten um¬ 
lagern. 

Eosinophilie des Blutes und lokale Ansammlungen von Eosinophilen ist bei 
vielgestaltigen parasitären Leiden festgestellt worden. Brown (42) fand bei der 
Trichinose Eosinophilie des Blutes und der Stellen stärkster Muskeldegeneration, 
und Osler (43) und Gordonier bestätigten diese Angaben. Schleip verzeiohnete 
gleichen Befund in 56 von 60 Fällen, und Gwyn (46) berechnete in einem Falle 
die Eosinophilie auf 56,9 pCt. Anchylostomum duodenale verursacht nach 
Cabot (47), Bloch (48), Patzelt (49) und von Linstow (50) Eosinophilie und 
Grünberger (51) fand bei einem Anchylostomapatienten haufenweise Eosinophilen 
in Schleimflocken des Stuhles. Bückler (52) und Limmasset (53) stellten 
Eosinophilie des Blutes beim Menschen fest, die Träger von Askariden, Oxyuris 
vermicularis, Taenia solium und Taenia saginata waren, Schaumann (54) beim 
Parasitismus des Bothriocephalus latus und von Linstow bei Hunden, welche die 
Taenia coenurus bewirteten. Dobbertin (50) fand bei Hunden mit der Taenia 
marginata eine Abnahme der basophilen und Zunahme der eosinophilen Zellen. 
Bei Gegenwart von Strongyliden im Magen und Darme des Rindes ermittelte 
Blunschy in den benachbarten zelligen Infiltraten der Wurmsitze Eosinophilen, 
deren Menge mit dem Umfange der Zerfallsvorgänge wuchs. Nach Bill et (57 und 
58) rufen auch Amoeba coli und Filaria medinensis beim Menschen Eosinophilie 
des Blutes hervor. Ferner fanden Billet und Fayet (59) analoge Begleiterschei- 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 379 

nungen bei Gegenwart der Filaria reticulata im Aufhängeband der Köte des Pferdes. 
Aehnliche Beobachtungen sind über Filaria loa beim Menschen durch Billet (60), 
Wurtz und Clerc (61) und über Filaria Bankrofti durch von Linstow und Bil- 
harzia haematobia durch Kautzky-Bey (62) und Coles gemacht worden. 

Im Jahre 1898 habe ich auf das Vorkommen eosinophiler Zellen in den durch 
Strongylus ptaradoxus bei Schweinelungen verursachten entozoischen Knötchen hin¬ 
gewiesen, die ,,in nächster Umgebung der Parasiten liegen 11 . 

Lokale Eosinophilie ist ferner als Begleiterscheinung verschiedenartiger 
Entozoeninvasionen gesehen worden, vonSchütz (41) bei derTrichinose, vonD6v<5 

(63) bei Echinokokken des Kindes und Schafes (Einspritzungen von Echinokokken¬ 
flüssigkeit erzeugte bei Kaninchen Eosinophilie des Blutes), von Schütz (41) und 
Angeloff (28) in den entozoischen Knötchen der Lungen des Pferdes, von Fölger 

(64) bei der Myositis sarcosporidica, der Distomatose und in der Leber des Schweines 
als Folge der Einwanderung von Cysticercus tenuicollis. Joest und Felber (38) 
ermittelten lokale Eosinophilie der Leber bei Echinokokken, Cysticercustenui- 
collis, Distomen, ferner bei der Hepatitis interstitialis chronica multiplex des 
Schweines und Strongylose der Rehlunge. Alle nicht durch Parasiten an der 
Leber entstandenen Abweichungen waren frei vpn lokaler Eosinophilie. Ebhard 
(40) stellte lokale Eosinophilie fest bei Echinokokken und frischer Einwanderung 
des Cysticercus tenuicollis in der Leber des Schweines, bei der Distomatose des 
Schafes, in den durch Spiroptera megastoma und Strongylus armatus am Digestions¬ 
apparat des Pferdes verursachten Abweichungen, ferner in den entozoischen Folli- 
kulargeschwüren des Darmes des Schweines, in den entozoischen Knötchen der 
Lungen des Pferdes und Schafes (Strongylus capillaris) und bei Strongylose der 
Lungen des Rehes in 2 von 5 Fällen. 

Nach dem ich in knapper literarischer Uebersicht der lokalen 
Eosinophilie gedacht habe, komme ich zur Frage der Eosinophilie jener 
Darmgeschwüre und Knoten zurück, die Schütz bei drei Pferden nach 
dem Verfüttern hochvirulenter Rotzbazillenkulturen ermittelt hat. Die 
am Darme über lokale Eosinophilie gemachten Beobachtungen bei Ab¬ 
weichungen nicht entozoischer Natur kommen hier besonders in betracht. 

In dieser Frage muß zunächst von Fall zu Fall entschieden 
werden, da die bisher gesammelten Tatsachen noch zu dürftige sind, 
um weitgehende Analogieschlüsse zuzulassen. Daß Eosinophilie die 
entozoischen Knötchen von jenen rotziger Natur unterscheidet, darf 
auf Grund der von Schütz und Angeloff ermittelten Ergebnisse, die 
Eberth und ich bestätigen konnten, als sicher angenommen werden. 
Daraus läßt sich aber noch keineswegs mit Hummel folgern, ge- 
schwürige Zustände am Darme seien nichtrotzige, wenn sich Eeosino- 
philie an ihnen eingestellt habe. 

Wer nicht aus eigener Anschauung kennt, mit welcher Sorgfalt 
und Prüfung aller Faktoren Schütz an den 5 Pferden im Jahre 1897 



380 


OLT, 


die Fütterungsversuche mit Rotzkulturen anstellte, mag die Annahme 
Hummelsteilen, für mich besteht nicht der geringste Zweifel, daß tat¬ 
sächlich eine rotzige Infektion der Darmschleimhaut vergesellschaftet 
mit Eosinophilie Vorgelegen hat. Welch große Menge von Rotz¬ 
bazillenkulturen erforderlich sind, um Geschwüre der Darmschleimhaut 
zu erzeugen, haben die Versuche gezeigt, ln drei Fällen sind den 
Pferden die Bazillen von 22 und 24, bzw. 40 hochvirulenten Kulturen 
in den Magen gebracht worden, worauf nur einige wenige erbsengroße, 
grauweiße, auf der Höhe hellrote Knoten entstanden, wovon einer mit 
einer hanfkorngroßen Vertiefung ausgestattet war, die graugelbe Zer¬ 
fallsmassen enthielt. Alle Abweichungen waren frische, und keine 
erinnerte makroskopisch an Wurmknoten. Sämtliche Knoten und Ge¬ 
schwüre sind damals eingebettet und in ihrem ganzen Umfange mikro- 
tomiert worden. In keiner der Abweichungen waren Würmer oder 
Andeutungen solcher nachzuweisen.- Ich war damals mit der techni¬ 
schen Bearbeitung des Materials betraut und entsinne mich noch genau, 
daß in Schnitten aller Knoten und Geschwüre Stäbchen von den mor¬ 
phologischen Eigenschaften des Rotzbazillus lagen, und zwar auch in 
der Tiefe der noch nicht ulzerierten Knoten der Mukosa. Schütz 
hat das nicht besonders in seiner Arbeit erwähnt. 

Einige der damals angefertigten Schnitte befinden sich in meinem 
Besitze, und hatte ich Gelegenheit, sie Herrn Hummel vorzulegen, 
der mir unumwunden erklärte, daß er entsprechende Bilder bei seinen 
umfangreichen Untersuchungen an entozoischen Wurmknoten und Ge¬ 
schwüren des Darmes niemals gesehen habe. 

Da Herr Geheimrat Schütz mir gestattete, auf die Histologie 
fraglicher Abweichungen an der Schleimhaut seiner Versuchspferde 
zurückzukommen, verfehle ich nicht, die Unterschiedsmerkrnale gegen¬ 
über den durch Entozoen verursachten Darmerkrankungen besonders 
hervorzuheben. 

1. Die erbsengroßen Knoten in der Mukosa kennzeichnen sich durch 
starke Füllnng dor Kapillaren, Degenerationsvorgänge an den Epithelien der 
Grandularis und zellige Infiltrate im ganzen Bereiche der Anschwellung. 

Die tubulösen Drüsen sind durch interglanduläre Exsudation auseinander¬ 
gedrängt, und zwischen den Epithelien wie auch im Drüsenlumen liegen mono- 
und polynukleäre Leukozyten. Die Epithelien verschiedener Drüsenschläuche haben 
sich basal gelockert und aus ihren Verbänden gelöst. Im Bereiche der zeitigen 
Dissoziation sind an den Epithelkemen eigenartige Degenerationsformen abgelaufen 
in Gestalt unregelmäßiger Verzerrungen mit der Bildung kleiner spitzer Fortsätze, 
die teils in Köpfchen enden oder mit anderen bizarren Gebilden zusammengesintert 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 381 

sind. Es ist also hier das Bild der Chromatotexis — Unna —, das Schütz vom 
Rotzknötchen zuerst geschildert hat, in besonders prägnanter Weise abgelaufen. 

Die interglandulären Leukozytenanhäufungen sind mit Zelltrümmern aus¬ 
gestattet, deren Kernreste in Form stark tingibler Körner angehäuft sind, wie das 
vom Rotz bekannt ist. 

Die Fibrillenzüge der Submukosa sind in ihrer Struktur verwischt, so daß 
man den Eindruck einer Verquellung dieser Teile bekommt, ln den tieferen 
Schichten der Submukosa sind die Gewebe besser erhalten. 

Eosinophile Zellen finden sich vereinzelt in der Glandularis, nur spärlich in 
Spalten der Muscularis mucosae und reichlicher, stellenweise sogar in straßenähn¬ 
lichen Ansammlungen zwischen den Bindegewebszügen der Submukosa, nirgends 
aber in einer Reichhaltigkeit wie bei Wurmknoten. 

Die ganzen Abweichungen machen den Eindruck ganz frischer Exsudation, 
die noch nicht zur geweblichen Einschmelzung geführt hat, aber die Anzeichen 
des Beginnes einer solchen unverkennbar in der Glandularis aufweist. 

2. Die Darmgeschwüre der fraglichen Versuchspferde zeigen histologisch 
unter sich vollkommene Uebereinstimmung. Ein ziemlich scbarfrandiger 
glandulärer Defekt reicht bis zur Muscularis mucosae, die bis unter die gleichfalls 
verdickten Geschwürsränder eine Quellung erfahren hat. 

Die Drüsen in den seitlichen Begrenzungen der Geschwüre sind in der Auf¬ 
lösung begriffen oder haften nur noch in Resten an den benachbarten. Hier haben 
sich die Epithelien in ganzen Komplexen von der Membrana propria losgestoßen, 
und charakterisiert sich der Zerfall der Epithelkerne in noch prägnanteren 
Formen als bei den oben beschriebenen Knoten. Auch die zellige Exsudation und 
der Leukozytenzerfall haben hier höhere Grade erreicht, so daß die Struktur der 
Glandularis vielfach bis auf Reste der Drüsenschläuche verwischt ist. In der 
nächsten Umgebung nimmt das zellige Infiltrat ab und die Hyperämie zu, weiter 
in der Nachbarschaft kommt intaktes Gewebe. 

Der Geschwürsgrund ist mit gut erhaltenen polynukleären Zellen neben Zell¬ 
trümmern und mononukleären Leukozyten ausgestattet, von denen ein kleiner Teil 
einen gewissen Grad der Eosinophilie aufweist. Typische Eosinophilen liegen in 
Gewebsspalten der Submukosa hauptsächlich bei kleinen Blutgefäßen, sie sind aber 
an keiner Stelle in Anhäufungen wie bei entozoischen Geschwüren des Darmes zu 
finden. In einem arteriellen Gefäß mit zellreichem Thrombus liegen sehr vereinzelt 
eosinophile Zellen an der Intima und in der Adventitia. 

Besonders charakteristisch erweisen sich Lymphgefäße, die mit wohlerhaltenen 
Lymphozyten so dicht gefüllt sind, daß für andere Elemente kein Raum bleibt. 
In Schräg- und Querschnitten heben sie sich unmittelbar unter der Muscularis 
mucosae scbarfbegrenzt gegen die viel zellärmere mit Flüssigkeit durchtränkte 
Nachbarschaft ab. In diesen Lymphgefäßen finden sich eosinophile Zellen nur 
sehr spärlich, hier und da liegt eine solche der endothelialen Auskleidung an. 

Bilder der geschilderten Art, hauptsächlich die an den Lymph¬ 
gefäßen auffallenden Abweichungen kommen bei entozoischen Knoten 
und Geschwüren des Darmes nicht vor. Auch ist die Eosinophilie 
bei letzteren stets in einem viel stärkeren Grade ausgeprägt. Hier 



382 


OLT, 

finden sie sich in dichten Schwärmen und ununterbrochenen Straßen 
besonders stark um den Parasiten, aber auch auf weite Strecken 
lassen sie sich vom ganzen Bereiche des Defektes bis hinein in die 
sonst intakte Nachbarschaft verfolgen. Auch die von Unna (81) als 
Chromatotexis bezeichnete Kerndegeneration an den Epithelien der 
Glandularis und den Trümmern zerfallener zelliger Exsudate wird bei 
den entozoischen Erkrankungen des Pferdedarraes nicht beobachtet. 

Die charakteristischen histologischen Merkmale entozoischer Ge¬ 
schwüre lassen sich kurz dahin zusammen fassen: 

Die Wurmlager sind von Unsummen eosinophiler Zellen umgeben, 
man begegnet ihnen in Scharen und Nestern innerhalb der Submukosa 
bis hinein in das interglanduläre Gewebe, und vereinzelt sitzen sie 
zwischen Epithelien der Drüsenschläuche sowie frei im Lumen dieser. 
Auch an alten Strongylidenknoten ist die Glandularis verhältnismäßig 
gut über dem Wurmfortsatz erhalten. Ist die Perforation durch die 
Schleimhaut erfolgt, so sieht man an den Geschwürsrändern haupt¬ 
sächlich Hyperplasie des lymphatischen Gewebes ausgeprägt. Durch 
Fibroblastenwucherung und geringfügige zellige Infiltrate geht ein 
kleiner Teil von Drüsenschläuchen zugrunde, doch überwiegt die Rege¬ 
neration schon vor vollständiger Beseitigung der Zerfallsmassen, welche 
durch Granulation in der Tiefe und Retraktion des Geschwürsrandes 
aus dem Wurralager in das Darmlumen geschoben werden. Die Kern¬ 
reste des Detritus nehmen im Gegensatz zu rotzigen Zerfallsprodukten 
Chroraatinfarben nur in geringem Maße auf, dagegen werden Plasma¬ 
farben, besonders Eosin energisch absorbiert. Die Zerfallserscheinungcn 
an den Zellkernen gleichen nicht denen des Rotzes, die Kerne gehen 
auch zum Teile in Trümmer, die allergrößte Zahl färbt sich aber 
schon schwach, wenn die äußere Form noch vollkommen erhalten ist. 
Auch die bei den Rotzgeschwüren beobachtete Rundzellenanschoppung 
in den Lymphgefäßen der Submukosa werden bei entozoischen Ulze- 
rationen niemals gesehen. Die Zustände lassen nicht auf stürmische 
Entwickelung schließen und Dissoziation der Epithelien in der Glan¬ 
dularis mit den typischen Bildern der Kernschmelze fehlen vollständig. 

Die Zahl der rotzigen Stellen in der Schleimhaut fraglicher 
Versuchspferde war eine verschwindend geringe im Verhältnis zu den 
vielen erkrankten mesenterialen Lymphdrüsen. Es ist daher anzu¬ 
nehmen, daß Rotzbazillen vom Darme aus bis zu den Lymph¬ 
drüsen Vordringen können, ohne Abweichungen an der 
Schleimhaut zu hinterlassen. Das lehren auch Versuche 



Ucber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 383 

und die Ergebnisse anderer Autoren stehen damit im Ein¬ 
klang, nur mit dem Unterschiede, daß Schütz experimentell 
vom Magen und Darme aus Lungenrotz in keinem Fall ohne 
primäre Erkrankung an Gekröslymphdrüsen erzeugen konnte. 
Hier haben sich die Gekröslymphdrüsen gegen Rotzbazillen 
genau so verhalten, wie das für alle übrigen Lyraphdrüsen 
des Körpers ohne Ausnahme der Fall ist. 

Bei dem einen Versuchspferd, dem 14 Tage hindurch je der zehnte 
Teil einer Oese Rotzbazillen gegeben worden war, fand sich neben 
metastatischem Lungenrotz, nur eine rotzige Lymphdrüse auf der 
Außenfläche des Pylorus vom Magen, aber sie war doch da. 

Die Möglichkeit der experimentellen Erzeugung des Lungenrotzes 
vom Digestionsapparat aus wurde von den verschiedenen Verteidigern 
des primären Lungenrotzes aufgegriffen, nach deren Ansicht Rotz¬ 
bazillen durch die Aufnahme per os Gelegenheit finden sollen, vom 
Darme aus ohne Hinterlassung irgend welcher Abweichungen an der 
Schleimhaut! oder den mesenterialen Lymphdrüsen in die Lungen zu 
gelangen und hier die Infektion einzuleiten. Diese Ansicht ist von 
Nocard zuerst ausgesprochen worden; ihre Richtigkeit würde voraus¬ 
setzen, daß vielfach Knötchenrotz der Lungen ohne jegliche Ab¬ 
weichungen an anderen Körperteilen vorkommt. Dem widersprechen 
aber die von Virchow und Schütz bei der Nachprüfung solcher 
Fälle gemachten Erfahrungen. Diese Frage soll unten eingehender 
behandelt werden. 

Schütz hat von jeher betont, daß ihm noch kein Fall primären 
Lungenrotzes zu Gesicht gekommen ist. Die Erfahrung lehrt, daß 
die ersten Abweichungen an den Lungen stets in Form von Knötchen 
auftreten, die im allgemeinen gleichmäßig auf das Gewebe verteilt 
sind und nicht von den Endbronchien ausgehen, sondern ihren Sitz im 
Lungengewebe haben. Alle unter solchem Bilde einsetzenden Krank¬ 
heitsprozesse sind metastatischer Natur, seien sie auf Rotz¬ 
bazillen, Tuberkelbazillen, Kokken, irgend welche andere Krankheits¬ 
erreger oder auf autonome Nachbildungen zu beziehen 1 ). 

1) tn der Veterinärliteratur werden metastatisebe Prozesse fast durchweg in 
inkorrekter Weise als „embolische“ bezeichnet. Schritt für Schritt begegnet man 
Angaben über „embolischen Hotz“, „embolische Tuberkulose“ usw. Nach diesen 
Bezeichnungen müssten in allen solchen Fällen die Emboli Träger von Rotzbazillen, 
bzw. Tuberkelbazillen usw. gewesen sein und an jeweiligen Stellen ein Blut¬ 
gefäß verstopft haben. Solche Ereignisse kommen zwar vor, aber doch sehr 



384 


OLT, 

Für die anatomische Diagnose ist diese Tatsache von allergrößter 
Wichtigkeit, da ihre korrekte Beachtung vor Irrtümern schützt. Als 
das Mallein zur Anwendung kam und von verschiedenen Seiten als 
unfehlbares Mittel zum Nachweis des Rotzes gepriesen wurde, und 
viele Obduzenten sich mit dem Nachweis einiger Knötchen in den 
Lungen begnügten, um die Diagnose als gesichert zu betrachten, hat 
es sich gezeigt, wohin es führt, wenn die sorgfältige anatomische 
Beurteilung des ganzen Falles und die Erfahrungen mühseliger For¬ 
schungen außer acht gelassen werden. 1 

Die Frage, ob Rotzknötchen überhaupt verkalken, ist vielfach in 
der Literatur aufgeworfen und verschieden beantwortet worden. Wenn 
nur verkalkte Knötchen in den Lungen des Pferdes vor- 
licgen, sind sie sicher nicht rotziger Natur, da bei Rotz 
immer wieder jüngere Nachschübe entstehen, und daher 
nach einem Zeitbestande, die Verkalkung voraussetzt, auf 
alle Fälle Rotzknötchen bis zu den jüngsten Stadien ver¬ 
treten sind. Trotz dieses sicheren Ausweges, der bei der Beurteilung 
verkalkter Knötchen gegeben ist, erscheint die Entscheidung obiger 
Frage wichtig genug, um eingehend geprüft zu werden. Bei einer 
großen Anzahl rotziger Lungen habe ich immer wieder Knötchen 
mikrotomiert und daraufhin untersucht. Verkalkte Knötchen wurden 
stets als zufällige entozoische erkannt. Ich vertrat daher die Ansicht, 
Rotzknötchen würden nicht verkalken. Vor drei Jahren hatte ich 
jedoch Gelegenheit, Teile der Lungen eines nach dem Obduktions¬ 
ergebnis und auf Grund bakteriologischer Untersuchung als zweifellos 
rotzig erkannten Pferdes für wissenschaftliche Zwecke zu verwerten. 
Neben Knötchen, die makroskopisch und mikroskopisch für Rotz 
typisch waren, fanden sich ältere mit leicht verkalktem Zentrum. 
Man konnte sie gerade noch mit dem Messer spalten. Die Kapsel 
bestand aus grauem Bindegewebe, war aber nicht so geschichtet wie 

selten. Bazillen für sich allein figurieren nicht als Emboli, da ihre Leiber bei der 
Zirkulation unmöglich Gefäßlumina plötzlich verstopfen können. Verschleppt 
durch die Blutbahn verursachen pathogene Bakterien nach Ansiedlung in Ge¬ 
weben Metastasen, wobei es für die Bezeichnung gleichgültig ist, ob die 
Prozesse von Blutgefäßwänden, Kapillaren oder anderen Stellen ausgehen. Die 
Embolie (f-fifin/J.iir hineinwerfen) ob mit oder ohne Infektion zeitigt auch 
ganz andere Zustände als Metastasen, da sie unmittelbar nach der plötzlichen Ent¬ 
stehung mehr oder weniger schwere Zirkulationsstörungen für das betroffene Gebiet 
zu Folge hat. 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 385 

bei den kalkigen Knötchen entozoischen Ursprunges. Die Entscheidung 
über ihre Natur konnte nur durch die histologische Untersuchung ge¬ 
troffen werden, da auch eine Inokulation entozoischer Knötchen aus 
rotziger Lunge beim Versuchstier unter Umständen Impfrotz ergeben 
kann. Unversehrt eingebetteten Knötchen war nicht anzusehen, 
ob sio zentral verkalkt waren oder nicht. Ich bettete daher eine 
größere Zahl in Zelloidin ein. Beim Schneiden fiel es sofort auf, 
wenn die Klinge die Zone des Kalkherdes herührte. Der erste Schnitt 
wurde nun auf die Kalkkörner im Mikroskop geprüft. Diese lagen 
zu kleinen teils dunklen, teils stark lichtbrechenden scholligen Massen 
im Zentrum des Herdes und schwanden auf Säurezusatz unter Gas¬ 
bildung. Den noch nicht in Schnitte zerlegten größeren Teil des 
Knötchens brachte ich so wie er in der Zelloidinmasse lag und 
noch mit dem Block anhaftend 5 Stunden in konzentrierte Lösung 
schwefliger Säure und hierauf 10 Stunden in fließendes Wasser. Die 
weitere Bearbeitung auf dem Mikrotom zeigte, daß aller Kalk gelöst war. 1 ) 

Sämtliche Schnitte sind in ununterbrochener Serie aufgeklebt und 
nach verschiedenen Methoden gefärbt worden. Die mikroskopische 
Besichtigung hat bei einer größeren Anzahl von solchen Knötchen er¬ 
geben, daß keinerlei Wurmlarven zugegen waren. Ich bemerke aus¬ 
drücklich, daß bei Anwendung dieser Technik in entozoischen Knötchen 
mit absoluter Sicherheit unverkennbare Einschlüsse eines Rundwurmes 
zu finden sind, während die Einbettung in Paraffin weniger zuverlässig 
ist, da hierbei gerade das spröde Wurmlager den meisten Artefakten 
ausgesetzt ist. 

Auch die Histologie entschied bei den Knötchen für die rotzige 
Natur. Der Befund war folgender: 

Die zentrale Partie besteht aus feinkörnigen Massen, die Hämatoxylin, 
Weigertschen Eisenlack und andere kernfärbende Mittel so intensiv aufnehmen, 
wie das von den Zerfallsprodukten der Rotzknötchen allgemein bekannt ist. Die 
ganze Fläche wird durch schmale hellere, die ursprünglichen Alveolarsepten an¬ 
deutende Züge in Felder gegliedert, welch letztere den Schnitten durch die ge- 


1) Diesen Vorzug nachträglicher Entkalkung eines bereits eingebetteten Ob¬ 
jektes gewährt nur die Zelloidineinbettung. Auch aktinomykotisches und tuber¬ 
kulöses Gewebe, sowie jedes andere in gewissen Stadien mit Kalksalzen aus¬ 
gestattetes Objekt ist vorteilhaft nach dieser Methode zu behandeln. Da man nicht 
in allen Fällen durch direkte Besichtigung voraussehen kann, ob eine Entkalkung 
geboten ist, läßt sich die Entscheidung über deren Vornahme nachträglich beim 
Mikrotomieren noch treffen. 


Archiv f. wissenseb. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 


25 



386 


OLT, 


füllten Alveolarlumina entsprechen. Die bindegewebige, bereits aus reichlich ent¬ 
wickelten Fibrillenzügen bestehende Kapsel grenzt sich ziemlich scharf gegen das 
nekrotische Zentrum ab. Die Peripherie der Kapsel wird allmählich zellreicher, 
ärmer an fibrillärem Gewebe und geht in Lungengewebe mit zunächst verdickten 
Alveolarsepten über, ln den Spalten des peripheren Kapselgebietes lagern mono¬ 
nukleäre basophile Lymphozyten und Fibroblasten. Eosinophile Zellen sind nicht 
zugegen. 

Der feinere Bau stimmt sonach mit dem alter Rotzknötchen genau überein. 

Zur Sicherung der Deutung wurde noch eine weitere Untersuchung 
vorgenommen, die Färbung auf elastische Fasern. Schon länger ist 
mir bekannt, daß letztere ihre Tingibilität in Rotzknötchen lange be¬ 
wahren, so daß sie auch im Zentrum derselben zu veranschaulichen 
sind. Ja an den mit Resorzinfuchsin behandelten Rotzknötchen kann 
man das ganze Gerüst der elastischen Fasern hauptsächlich auch 
durch die bindegewebige Kapsel, an welcher doch sonst jede Andeu¬ 
tung des ursprünglichen Lungengewebes geschwunden ist, ausgezeichnet 
verfolgen. Ueberall wo ursprünglich Alveolarsepten lagen, finden sich 
die Züge elastischer Fasern, so daß man das ganze Anordnungsver¬ 
hältnis der längst durch Bindegewebswucherung verstrichenen Alveolen 
rekonstruieren kann. Das ganze Gerüst der elastischen Fasern ist in 
den zentral leicht verkalkten Knötchen in ununterbrochenem Zusammen¬ 
hang erhalten geblieben; ein Befund, der in vielen Fällen beweist, ob 
eine Abweichung an alveolärem oder anderem Gewebe abgelaufen ist 1 ). 

1) Auch an alten Rotzknötchen läßt sich durch die Elastinfärbung nach- 
weisen, ob das Knötchen das Produkt einer miliaren Hepatisation (Schütz) 
oder einer Vasculitis und Pcrivasculitis malleosa (Hutyra) ist. Wie lange voll¬ 
ständig außer Funktion gesetzte elastische Fasern ihre morphologische Beschaffen¬ 
heit behalten, beweisen nachstehende Fälle. 

Bei einem dreijährigen Rinde fand sich in der Bauchhöhle hinter dem 
Zwerchfellschlitz ein kugeliger, 15 cm dicker Lungenlappen mit oben verschlossenem 
schleimhaltigen Bronchus. Dieser Lappen war infolge seiner abnormen Lage und 
und Beschaffenheit im fötalen Zustande geblieben. Das elastische und alles 
übrige Gewebe unterschieden sich nicht von dem anderer fötaler gutentwickelter 
Lungen. 

In den Lungen des Hundes finden sich gelegentlich grieskorn bis senfkorn- 
große, harte Knötchen. Entkalkt und mikrotomiert erweisen sie sich als Knochen¬ 
körperchen, die sich aus dünnen lamellösen Schichten und typischen Knochen¬ 
zellen ohne jegliche Kanälchen oder Markräume aufbauen und drusenähnlich wie 
Botryomycesrasen mit halbkugeligen Vorsprüngen ausgestattet sind. Durch die 
Färbung mit Resorcin-Fuchsin fand ich, daß elastische Fasern die Knochen¬ 
körperchen genau im Anordnungsverhältnis der Alveolarsepten durchziehen, woraus 
hervorgeht, daß diese Körperchen ihre Entwicklung vom alveolären Gewebe 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen otc. 387 

An jungen entozoischen Knötchen läßt sich gleichfalls elastisches 
Gewebe des ursprünglichen Mutterbodens nachweisen, aber Unterschei¬ 
dungsmerkmale gegenüber den Rotzknötchen können auch in dieser 
Beziehung ermittelt werden. Hierbei kommen jedoch verschiedene 
Verhältnisse je nach dom Alter und dem Mutterboden, aus dem das 
Knötchen hervorgegangen ist, in betracht. In dieser Hinsicht sind zu 
unterscheiden: 

a) Die grauen durchscheinenden, von Schütz zuerst geschilderten 
Knötchen der Pferdelungen. 

Sie sind aus Lungenparenchym infolge des durch die Wurmlarve 
unterhaltenen chronischen Reizes entstanden und haben eine auffallende 
Uebereinstimmung mit lymphatischem Gewebe. Im Zentrum liegt um 
den Wurm ein körniger, aus zerfallenen Zellen hervorgegangener 
Detritus, der von Leukozyten, besonders eosinophilen Zellen umlagert 
wird. Die ursprünglichen Alveolarsepten verbreitern sich nach und 
nach etwas infolge Vermehrung von Bindegewebszellen und Kapillar¬ 
gefäßen, so daß ein mit der peripher sich bildenden dünnen binde¬ 
gewebigen Kapsel in innigem Zusammenhang stehendes Gerüst das 
Knötchen durchzieht. Die das Parenchym der letzteren repräsen¬ 
tierenden Zellen sind aus lymphatischem Gewebe, das in spärlichen 
Zellen ursprünglich zugegen war, hervorgegangen. Dieser Vorgang 
lymphatischer Hyperplasie läßt sich übrigens nach Wurrainvasionen in 
den Lungen verschiedener Tiere verfolgen, so z. B. um Strongylus para- 
doxus beim Schweine [Olt (67)]. Hier nimmt die Hyperplasie des 
normal schon reichlich vorhandenen lymphatischen Gewebes wesentlich 
größere Dimensionen an als in den Pferdelungen. 

Behandelt man die grauen durchscheinenden Knötchen mit Re¬ 
sorzinfuchsin, dann lassen sich die elastischen Fasern der ursprüng¬ 
lichen Alveolarsepten ausgezeichnet nachweisen; nur in dem zentralen 
Teile, wo der Wurm seinen Sitz hat, sind sie in einem kleinen Bezirk 
zerstört. Die histologische Untersuchung der Knötchen setzt das serien¬ 
weise Zerlegen in Schnitte voraus. Hierbei entzieht sich aber auch 
leicht der Wurm der Beobachtung, da sein Lager unter der Klinge 
oft in Trümmer geht, besonders wenn Paraffin zur Einbettung be¬ 
nutzt wird. Zelloidin ist daher vorzuziehen. Da man nicht voraus- 

durch Metaplasie des Bindegewebes genommen haben, wobei sich die elastischen 
Fasern vollkommen passiv verhielten und keinerlei Einbuße in ihren morpho- 
Jogischen Eigenschaften erfahren haben. 



388 


OLT, 

sehen kann, ob das Warmlager schon von Kalksalzen durchsetzt ist, 
empfiehlt sich eine der Einbettung vorausgehende sechs- bis zehn¬ 
stündige Behandlung mit schwefliger Säure, die hierauf in fließendem 
Wasser ausgewaschen wird. 

Alle die in der Literatur angegebenen Untersuchungen grauer 
durchscheinender oder verkalkter Knötchen, wobei Bazillen vom 
morphologischen Aussehen der Erreger des Rotzes gesehen worden 
sind, ohne daß diese Krankheit durch Verimpfen erzeugt werden konnte, 
beweisen nichts für die rotzige Natur fraglicher Gebilde. 

Denn zum Nachweis der Rotzbazillen gehört mehr als die Er¬ 
mittelung der morphologischen Eigenschaften, da verschiedene Bak¬ 
terienarten das Aussehen der Rotzbazillen besitzen. 

Im Jahre 1903 habe ich abgeschabte Teile der Nasenschleimhaut 
eines Deckhengstes, der an Rotz erinnernde Geschwüre in der Nasen- 
schleirahaut aufwies, auf Meerschweinchen übertragen und in der Impf¬ 
tasche nach einigen Tagen vorwiegend Bakterien gefunden, die morpho¬ 
logisch mit dem Rotzbazillus übereinstiramten; sie wuchsen auf Nähragar 
allerdings auffallend üppig und waren rein gezüchtet nicht pathogen. 
Die weitere Untersuchung ergab, daß die Abweichungen an der Nasen¬ 
schleimhaut tuberkulöser Herkunft waren. (Der Fall ist von Ger- 
spach(68) bearbeitet worden). 

b) Kalkige Knötchen, die aus durchscheinenden entozoischen 

hervorgegangen sind. 

In vielen Fällen ist es möglich, an den bis auf die äußere fibröse 
Hülle verkalkten Knötchen noch festzustellen, ob sie aus embolischen 
oder den grauen durchscheinenden hervorgeganger, sind. Sie werden 
nach gründlicher Entkalkung in Zelloidin eingebettet, mikrotoraiert 
und teilsauf elastische Fasern, teils nach den sonst üblichen Methoden 
gefärbt. Im mikroskopischen Bilde sieht man eine pfropfähnliche, 
körnige Masse scharf gegen die Kapsel abgegrenzt. Der Pfropf ist 
aber nicht selten so gefeldert, daß die ursprünglichen Alveolarsepten 
angedeutet sind, ähnlich wie das bei alten Rotzknötchen der Lungen 
der Fall ist. Um die längst abgestorbene Wurmlarve fehlt das Ge¬ 
präge früherer alveolärer Einrichtung des Mutterbodens, aus dem das 
Knötchen hervorgegangen ist. Manchmal sind nur noch auf einer 
Seite des abgestorbenen Bezirkes Andeutungen der fraglichen Struktur 
zu erkennen. Auffallend ist aber, wie lange elastische Fasern in den 
steinharten Gebilden nachgewiesen werden können. Diese Fasern sind 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 389 

bei gleichzeitiger Anwesenheit des Wurmes der sicherste Beweis, daß 
sich das Kalkknötchen in alveolärem Gewebe entwickelt hat und aus 
einem grauen, durchscheinenden Knötchen hervorgegangen ist. Von 
diesem lassen sich auch alle Stadien bis zu den vollkommen verstei¬ 
nerten verfolgen. 

Die durchscheinende Beschaffenheit kann offenbar lange bei¬ 
behalten werden, da oft der Wurm im Zentrum längst abgestorben 
und verkalkt ist, wenn der periphere Teil des Knötchens noch seine 
glasige Beschaffenheit besitzt. Diese Möglichkeit ist gegeben, weil 
hier nicht zeitiges Exsudat, sondern fixe Zellen des lymphatischen 
Gewebes die Alveolen füllen. Nach und nach gehen aber auch diese 
durch die vom Zentrum her vorschreitende Verkalkung zugrunde. 

Das Endprodukt des Vorgangs sind die miliaren bis pfefferkorn- 
großen, kugeligen, oft aber auch unregelmäßig gestalteten, eckigen 
mit scharfen Kanten versehenen hellgrauen, enukleierbaren kalkigen 
Knötchen, deren fibröse Kapsel ziemlich dünn und nur wenig ge¬ 
schichtet ist. 

c) Die embolischen fibrösen Knötchen der Pferdelungen. 

Diese liegen ebenfalls subpleural oder in der Ticfa des Lungen¬ 
parenchyms als kugelige bis pfefferkorn- und umfangreichere hellgraue 
und weiße Gebilde, die aus straffem Bindegewebe bestehen und im 
Zentrum einen stecknadelkopfgroßen Pfropf mit der Wurmlarve ent¬ 
halten. In diesem übrigens durch massenhafte Anwesenheit eosino¬ 
philer Zeller ausgezeichneten Stadium findet man die Knötchen nur 
selten. Offenbar spielt sich an ihnen die Verkalkung viel rascher ab 
als bei den grauen, durchscheinenden Knötchen. 

Für die embolische Natur ist die Gewebsstruktur, wie ich bereits 
früher dargetan habe, beweisend. Die dicke, sphärisch geschichtete 
fibröse Kapsel steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem kleinen 
o'bliterierten Blutgefäß, das manchmal noch fibrinhaltige, mit Granu¬ 
lationsgewebe durchzogene Thromben aufweist, wenn das angrenzende 
Knötchen bereits zentral verkalkt ist. Die Schnittserie beweist, daß 
der Pfropf des Wurmlagers in ununterbrochener Verbindung mit der 
thrombotischen Masse des herantretenden Gefäßes steht. 

Ein weiterer Beweis für die embolische Natur kann durch die 
Färbung auf elastische Fasern erbracht werden, die ergibt, daß hier 
das Strukturverhältnis elastischer Elemente so wie in Blutgefäßwänden 
vorliegt. 



390 


OLT, 


d) Die embolischen verkalkten Knötchen 

gehen aus den eben geschilderten durch Inkrustation mit Kalksalzen 
hervor und besitzen deren Form und lamellöse Kapselschichtung. 
Schliffe, die sich von solchen Knötchen anfertigen lassen, (die Technik 
des Schleifens solcher Knötchen habe ich im Archiv f. wissensch. u. 
prakt. Tierheilkunde, Bd. 21 raitgeteilt), zeigen auch sphärische An¬ 
ordnung der Kalkmassen und im Zentrum einen strukturlosen körnigen, 
ebenfalls verkalkten Pfropf, der bei gutem Gelingen des Schliffes 
Teile eines glattwandigen Kanales von der Form eines geringelten 
oder geschlängelten Rundwurmes erkennen läßt. An entkalkten und 
in Zelloidin eingebetteten Knötchen lassen sich absolut beweiskräftige 
Strukturverhältnisse ermitteln, die für den entozoischen Charakter der 
Knötchen sprechen und genau wie die sub c beschriebenen den Zu¬ 
sammenhang mit einem kleinen obliterierten Blutgefäß erkennen lassen. 
Figur 3 und 4 veranschaulichen solche Knötchen, die vor der Ent¬ 
kalkung steinhart und von weißer Hülle umgeben waren. (Ueber die 
Natur dieser Knötchen habe ich schon im Jahre 1894 in Greifswald 
im Verein pomraerscher Tierärzte berichtet.) 

Die Ansicht, daß in den Lungen des Pferdes Knötchen 
embolischen Ursprunges Vorkommen, haben Csokor (5) im Jahre 1880 
und Kitt (6) im Jahre 1891 geäußert. Dieser sagt, der Mangel an 
Knorpel in und an den Knötchen und die Lage neben den Bronchien 
spräche dafür, daß die Knötchen verstopfte Gefäße seien, deren 
Wandung die ßindegewebskapsel hersteilen helfe. Kitt vertritt aber 
an einer anderen Stelle in der im Jahre 1906 erschienenen Auflage 
der pathologischen Anatomie der Haustiere die Ansicht, die Frage, 
ob kalkig gewordene Knötchen in der Lunge der Rotzkrankheit an¬ 
gehören bzw. abgeheilten Knötchenrotz (Malleosis inveterata chalicotica) 
repräsentieren, könne trotz der vielen autoritativen Aussprüche, welche 
auf „Nein“ lauten, noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden. 

Hinsichtlich der Frage, ob Rotz abheilt oder nicht, sind die 
Ansichten geteilt. Es sei mir gestattet, zunächst auf die von Nocard 
vertretene Auffassung zurückzukoramen. 

Nocard hat sich auf dem VIII. internationalen Kongreß für Hygiene und 
Demographie zu Budapest dahin ausgesprochen: „Wenn bei einer Malleininjek- 
tion typische Reaktion eingetreten ist, dann findet man stets rotzige Verände¬ 
rungen in den Lungen, welche aber nicht immer auflällig zu sein brauchen, son¬ 
dern oft nur aus einigen kleinen durchscheinenden Knötchen bestehen.“ Nocard 
hielt diese Knötchen für abgeheilte rotzige, und folgert das aus ihrem Vorkommen 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 391 


bei Pferden, die nach mehreren Malleineinspritzungen zu reagieren aufgehört 
haben. Der Lungenrotz sollte duroh den Aufenthalt in freier Luft, und weil die 
Tiere keine Arbeit zu leisten hatten, abgeheilt sein. Später hat Nocard (18) eine 
andere Deutung gegeben. Er sagt: „Tötet man die gesund erscheinenden, auf 
Mallein reagierenden Pferde eines Stalles, so findet man in ihren Lungen Knöt¬ 
chen, von denen viele durchscheinend sind, also die Merkmale frischen Rotzes 
erkennen lassen; bei manchen Pferden findet man nur eine geringe Anzahl dieser 
Knötchen; ja noch mehr, wenn diese zuerst getöteten, rotzigen Pferde eines solchen 
Stalles schon längere Zeit krank waren, dann findet man diese Knötchen auch bei 
einer gewissen Anzahl von Pferden, die auf die Einspritzung von Mallein nicht 
reagiert hatten. Wenn man diese Knötchen Meerschweinchen oder Eseln einimpft, 
so bleiben letztere in der Regel gesund, und wenn man diese Knötchen auf Nähr¬ 
böden aussät, die für die Entwickelung der Rotzbazillen geeignet sind, so bleiben 
die Nährböden in der Regel steril.“ 

Nooard gibt für dieses inkonstante Verhalten eine Erklärung dahin: „Die 
Knötchen können nur durchscheinend sein, wenn die Zellen, die um die Rotz¬ 
bazillen liegen, leben, wenn sie in dem Kampfe mit den Bazillen nicht unter¬ 
liegen; in diesem Falle behält das Knötchen lange Zeit sein durchscheinendes 
Aussehen. Später wird das Knötchen fibrös und schließlich verliert es seine Durch¬ 
sichtigkeit, indem es sich nach Art einerNarbemehrundmehr zusammenzieht. Wenn 
aber die Zellen in dem Kampfe mit den Bazillen unterliegen, so sterben die Zellen 
ab und verkäsen. Die abgestorbenen Zellen bilden im Zentrum des Knötchens 
einen weißen Punkt, der an Umfang in dem Maße wächst, als neue Rotzbazillen 
in den abgestorbenen Zellmassen entstehen. Hierdurch erklärt es sich, daß die 
Impfung und Aussaat der durchscheinenden Knötchen in der Regel kein positives 
Resultat ergibt, und daß Pferde, die mit derartigen Knötchen in den Lungen be¬ 
haftet sind, auf Mallein nicht mehr reagieren, wenn die Bazillen, die in den 
Knötchen liegen, abgestorben sind. u 

Diese Ansicht hat gar manche Anhänger gefunden; sie ist aber de facto eine 
irrige, wie sich an der Hand der Schilderung, die Nocard (18) über die Be¬ 
schaffenheit und Histogenese der in Frage stehenden Knötchen gibt, nachweisen 
läßt. Er sagt: „Das Aussehen des Rotzknötchens wechselt mit dem Alter des¬ 
selben. Die frischen Rotzknötchen sind gelblich, grau oder rötlich, fast durch¬ 
sichtig, leicht zu zerdrücken, homogen, d. h. ohne zentrale Erweichung und 
ohne Veränderung in der Umgebung. 44 

Dio in dem letzten Satz gegebene Schilderung paßt nur auf die grauen 
durchscheinenden entozoischen Knötchen, keinesfalls aber auf rotzige. Wer 
die durch intravenöse Injektion von Rotzbazillen hervorgerufenen Knötchen und 
solche anderer frischer Rotzfälle genau makroskopisch und mikroskopisch studiert 
hat, wird das zugeben. Nocard fährt fort: „Man kann das Rotzknötchen für ein 
frisches Fleischwärzchen halten, denn es hat dieselbe Konsistenz und Durchsich¬ 
tigkeit (Das trifft doch ebenfalls nur für die entozoischen Knötchen — Schütz — 
zu. Der Verf.), denselben Bau und besteht aus einer Anzahl weißer Blutkörper¬ 
chen. Später bemerkt man im Zentrum der Knötchen einen weißen, trüben Punkt, 
in welchem die Zellen abgestorben und käsig geworden sind. 44 

Diese letzte Schilderung paßt auf pneumonische Rotzknötchen, bei denen die 



392 


OLT, 

rote Hepatisationszone bereits in Granulationsgewebe umgewandelt ist. Auch die 
folgenden Sätze sprechen für Beobachtungen an älteren Rotzknötohen: „Der trübe 
Punkt im Zentrum des Knötchens vergrößert sioh allmählich, und in demselben 
Maße nimmt die Dicke der noch durchscheinenden peripherischen Schicht des 
Knötchens ab. Der Rest dieser Schicht wird später fibrös.“ 

Nocard hat, wie aus der Schilderung hervorgeht, graue durch¬ 
scheinende entozoische Knötchen mit Jugendstadien der Rotzknötchen 
verwechselt, und kam daher zur Ansicht, die Zellen könnten im 
Kampfe mit den Bazillen siegen, „in welchem Falle das Knötchen 
lange Zeit sein durchscheinendes Aussehen behält.“ Auf diesem Irr¬ 
tum basiert weiter die Folgerung, Rotz könne bei guter Haltung der 
Pferde in frischer Luft abhcilen. 

Ein einwandsfreier wissenschaftlicher Beweis von abgeheiltem Rotz 
ist bis heute noch für keinen einzigen Fall erbracht worden. Kein 
Zweiter hat so viele rotzige Pferde untersucht wie Schütz. Käme 
gelegentlich Heilung dieser Krankheit vor, dann wären ihm doch Fälle 
mit Anzeichen der Heilung sicher nicht entgangen, ln seinen Be¬ 
lehrungen über die Rotzkrankheit wird stets das verschiedene Alter 
der rotzigen Zustände, insbesondere das der Rotzknötchen in den 
Lungen betont. Mir war Gelegenheit gegeben, gemeinschaftlich mit 
Schütz eine große Zahl amtlich eingesandter Teile rotziger oder rotz¬ 
verdächtiger Pferde zu untersuchen. Hierbei wurden an rotzigen 
Lungen niemals junge Rotzknötchen vermißt. Waren nur Knötchen 
vorhanden, die den angeblich abgeheilten entsprechen, dann gab die 
jedesmalige histologische Untersuchung Aufschluß über die wahre 
Natur; es fand sich hierbei regelmäßig die Wurmlarve, auch alle meine 
inzwischen bei jeweiligen Gelegenheiten immer wieder vorgenommenen 
diesbezüglichen Prüfungen stimmten mit diesem Ergebnis überein. 

Ginge Rotz der Lungen gelegentlich in Heilung über, dann müßten 
doch auch Fälle Vorkommen, in denen neben ganz alten, von Entozoen 
freien Knötchen junge Rotzknötchen gänzlich fehlen. 

Die Behauptung Semmers (15), in Südrußland komme gutartiger 
heilbarer Rotz unter Pferden häufig vor, ist meines Wissens in keinem 
Falle auf Grund bakteriologischer und gleichzeitig histologischer Unter¬ 
suchungen gestützt worden. Man wird sich schwerlich der Anschauung 
hingeben können, die Pferde möchten sich in dortiger Gegend anders 
gegen Rotz verhalten als in Deutschland. 

Von einer Ziege ist mir ein Fall bekannt, der als geheilter Impf¬ 
rotz der Lungen gedeutet werden könnte; hier kommt aber ein Tier 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 393 

in Frage, das spontan überhaupt nicht an Rotz erkrankt. Dem 
3 Jahre alten Tiere hatte ich die Aufschwemmung einer Oese von 
einem Pferde gezüchteter Rotzbazillenkultur unter die Haut der Bauch¬ 
decke gespritzt. Zwei mit gleichem Material geimpfte Meerschweinchen 
sind an Rotz verendet. Die Ziege zeigte nach der Impfung keinerlei 
Störungen des Allgemeinbefindens. Am zweiten Tage war die linke 
Kniefaltendrüse um das Doppelte und am folgenden Tage um das 
Dreifache verdickt. Nach 14 Tagen war die Schwellung nahezu und 
bald darauf fast vollständig geschwunden. 

Obduktionsergebnis 11 Wochen nach der Impfung: 

Die Lungen sind nach der Herausnahme gut retrahiert, rosarot, elastisch 
und wegsam für Luft. Im Parenchym sitzen gleichmäßig auf die Lappen verteilt 
60 bis 80 pfefferkorn- bis erbsengroße derbe Knoten, die aus einer mörtelartigen 
mit Kalksalzen spärlich durchsetzten graugelben, trockenen Masse bestehen und von 
einer bindegewebigen, 1 bis 2 mm dicken Kapsel umgeben werden. Merkmale, woraus 
auf untergegangene tierische Parasiten gefolgert werden könnte, sind auch durch 
die mikroskopische Untersuchung nicht zu ermitteln und Aussaaten auf Nähr¬ 
substrate bleiben steril. Die linke Kniefaltenlymphdrüse ist nur wenig hyper¬ 
plastisch. An allen übrigen Körperteilen finden sich keinerlei Abweichungen, die 
mit einer Rotzinfektion in Zusammenhang gebracht werden könnten. 

Daß in diesem Falle die Knoten in den Lungen auf abgeheilte 
metastatische Rotzknoten zu beziehen waren, ist nicht erwiesen, 
aber rücksichtlich des ferneren Umstandes, daß solche oder ähn¬ 
liche Knoten von den Lungen der Ziege nicht bekannt sind, wahr¬ 
scheinlich. 

Eine weitere Frage kommt noch in Betracht: Können beim 
Pferde, wenn auch die Krankheit nicht zum Stillstand 
kommt, einzelne Herde abheilen? 

Diese Frage ist entschieden zu bejahen. Jede auf Oberflächen 
sitzende, mit Epithel überkleidete Rotznarbe, in deren Bereich sich 
weder Gewebszerfall noch Exsudationsvorgänge abspielen, kann als 
abgeheilter Herd betrachtet werden; ebenso ist jedes alte von fibröser 
Kapsel umgebenes, ira Innern vollständig zerfallenes Rotzknötchen zu 
beurteilen, wenn alle Entzündungsprozesse und reaktiven Reizerschei¬ 
nungen zum Stillstand gekommen sind. Eine vollkommen abgeheilte 
Rotznarbe der Haut veranschaulicht Figur 2; sie sass in der Nachbar¬ 
schaft verschiedenalteriger Ulzerationen. 

Das wichtigste Merkmal für die anatomische Diagnose bietet die 
Tatsache, daß abgehciltc rotzige Herde für sich allein niemals ein¬ 
wandsfrei nachgewiesen worden sind. 



394 


OLT, 

Primäre Rotzherde gewinnen in der Regel örtliche Ausbreitung, 
der je nach dem Sitz, der Menge und Virulenz der Bazillen engere 
oder weitere Grenzen gezogen sind. Hierzu kommt das Fortschreiten 
der Prozesse durch die Lymphbahnen zu den nächstgelegenen Lymph¬ 
drüsen und die Verschleppung der Bazillen durch die Blutbahn, die 
Metastasenbildung. 

Durch Fütterungsversuche an Pferden hat Schütz dargetan, daß 
Rotzbazillen vom Darme aus eine rotzige Erkrankung an mesente¬ 
rialen Lymphdrüsen verursachen und metastatischen Lungenrotz im 
Gefolge haben. Nocard, Hutyra u. a. erzeugten durch Fütterungs¬ 
versuche mit Rotzbazillen Lungenrotz und führen Fälle an, in denen 
rotzige mesenteriale Lymphdrüsen nicht gefunden wurden. Wie die 
Widersprüche zu erklären sind, läßt sich nicht entscheiden; die Ver¬ 
suche wurden allerdings nicht nach einheitlichem Modus und größten¬ 
teils so angestellt, daß der Lungenrotz auch durch Eindringen der 
Bazillen von der Rachenhöhle her bei einigen Versuchen entstanden 
sein kann. 

Hutyra fand in den Lungen seiner mit Rotzbazillenkultur ge¬ 
fütterten Versuchspferde zweierlei Knötchen; größere graurote mit 
granulierter Schnittfläche und feinem weißlichen oder gelblichen ira 
Zentrum neben ganz kleinen, „teils glasig durchscheinenden, grauen, 
kugeligen, teils bei sonst ähnlicher Beschaffenheit nur im Zentrum 
oder auch durchwegs weißlichen, übrigens aber ebenfalls den miliaren 
Tuberkeln ganz ähnlichen Gebilden. Während außerdem die ersten 
vom lufthaltigen Lungengewebe undeutlich begrenz! erschienen, hoben 
sich die letzteren von dem Lungengewebe scharf ab oder waren sie 
nur von einem sehr schmalen grauroten Hof umgeben.“ Mikroskopisch 
wurden die Knötchen der ersten Gruppe als die bekannten Hepati¬ 
sationsherde erkannt; intraalveolär lag zelliges Exsudat. 

Von der Gruppe der „grauen, durchscheinenden Knötchen“ hat 
Hutyra unter Beigabe von Abbildungen eine genaue histologische 
Schilderung gegeben. Hiernach hatten diese Knötchen ihren Sitz im 
interlobulären und im peribronchialen Bindegewebe und waren von 
Blutgefäßen ausgegangen. Zeitige Thrombose und perivaskuläre zellige 
Infiltrate werden geschildert und ähnliche Zustände von den Lungen 
der Meerschweinchen angeführt. Die geschilderten Abweichungen sind 
mir aus histologischen Studien bekannt. Bei einem bereits rotzigen 
Pferde, dem ich 5 Tage vor der Tötung Rotzbazillen in die Vena 
jugularis gespritzt hatte, fand ich dergleichen rotzige Zustände an kleinen 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 395 

Blutgefäßen der Lungen besonders reichlich. Die von Hutyra ge¬ 
brachten histologischen Schilderungen und Abbildungen muß ich als 
rotzigen Zuständen entsprechende anerkennen. Anderseits verfehle ich 
aber nicht zu erwähnen, daß ich solche histologischen Bilder in der 
Regel nur von Knötchen oder miliaren Herden mit frischer Entzündungs¬ 
röte oder rotem Hofe gewinnen konnte; ausnahmsweise gelang es mir 
an seltenen grauen Knötchen den gleichen Ursprung fcstzustellen. 
Diese waren aber sehr wesentlich verschieden von den cntozoischen 
grauen, durchscheinenden Knötchen — Schütz. Die rotzigen grauen 
Knötchen sind nicht so durchscheinend und glasig wie letztere, dabei 
etwas durchfeuchtet und nicht scharf gegen vollkommen intaktes 
Lungengewebe abgegrenzt. Ein Vergleich der Abbildungen, die Schütz 
und Hutyra von den Knötchen beider Arten gegeben haben, weist 
auch auf sehr auffallende histologische Unterschiede hin. Die grauen 
Knötchen, welche Nocard mit einem Fleischwärzchen ver¬ 
glichen hat, hatten ihren Sitz im alveolären Gewebe und 
sind nicht mit denen Hutyras identisch. 

Hutyra hat an einer Figur den Uebertritt rotziger Exsudations¬ 
prozesse von einem kleinen Blutgefäß der Lungen auf alveoläres 
Gewebe veranschaulicht. Aus solchen Vorgängen können, wie ich an 
älteren Zuständen ermittelt habe, Rotzknötchen entstehen, denen man 
makroskopisch und auch bei gewöhnlicher Färbung, z. B. mit Häma- 
toxylin und Kontrastfarben mikroskopisch nicht ansieht, daß der Aus¬ 
gang von einem Blutgefäß erfolgte, da von letzterem keine Spur zu 
erkennen ist. Behandelt man aber solche Schnitte einer größeren 
Anzahl von Rotzknötchen mit Resorzinfuchsin zur Färbung der 
elastischen Fasern, dann werden einzelne Präparate ermittelt, bei 
denen sich neben dem elastischen Gerüst der untergegangenen Alveo- 
larsepten in einem sonst strukturlosen Bezirk des körnigen Detritus 
die wohlerhaltenen elastischen Fasern eines kleinen Blutgefäßes so 
deutlich abheben, daß selbst ein Rückschluß auf die Größe und den 
Verlauf des Gefäßes zulässig ist. In dieser Hinsicht verhält sich das 
elastische Gewebe der Haut ganz anders; dieses löst sich, wie ich 
unten ausführen werde, bei rotzigen Exsudationsprozessen ungemein 
sehnell auf und ermöglicht demgemäß die rasche Einschmelzung des 
Kutiskörpers. 

Wenn in dem Streite um die Natur der grauen Knötchen stets 
so klare histologische Schilderungen und so instruktive Abbildungen 
geliefert worden wären, wie sie Schütz und Hutyra brachten, 



396 


OLT, 

dann hätten manche Mißverständnisse und Irrtümer vermieden werden 
können. 

Besondere Beachtung verdient, daß Hutyra neben seinen histo¬ 
logisch eingehend geschilderten grauen Knötchen, die aus einer Peri- 
vasculitis malleosa hervorgegangen sind, eine zweite Art von Rotz¬ 
knötchen erwähnt, die den miliaren Hepatisationen Schütz’ entspricht. 
Diese Knötchen werden bei Lungenrotz nie vermißt, sie 
überwiegen stets an Zahl, finden sich in verschiedenen 
Altersstadien und bieten charakteristische Merkmale für die 
makroskopische Diagnostik. Dagegen sprechen Funde, in 
denen nur graue, durchscheinende Knötchen oder auch noch 
kalkige in den Lungen ermittelt werden, nicht für Rotz. 

Neuerdings publizierte Lothes (69) Beobachtungen, die er bei 
zwei Rotzepidemien in Köln gemacht hat. Er weist auf die im 18. Jahr¬ 
hundert von französischen Autoren vertretene Ansicht der Infektion 
vom Verdauungstraktus hin, die in neuerer Zeit durch Nocard und 
die Anhänger seiner Lehren in modernem Gewände wieder aulgetaucht 
ist. Lothes richtete bei den Obduktionen rotziger Pferde sein Haupt¬ 
augenmerk auf den Verdauungsapparat, „dabei fiel es auf, daß der 
Darm nur vereinzelt und die Gekröslymphdrüsen sogar nur in einem 
einzigen von den zahlreichen Fällen rotzkrank befunden wurden.“ 
Auf einige in seiner vorläufigen Mitteilung berührte Fragen möchte 
ich schon jetzt eingehen. 

Zunächst vertritt Lothes die Meinung, die Praxis habe sich viel 
zu viel mit Fragen beschäftigt, die für sie von untergeordneter Be¬ 
deutung wären und fährt fort: „Ich erwähne in dieser Hinsicht nur 
den Streit um den primären Lungenrotz. Durch den Streit um diese 
Rotzform, dessen Umfang auch in keinem Verhältnis zu der nicht 
wegzuleugnenden wissenschaftlichen Bedeutung dieser Frage steht, 
wurden die Tierärzte veranlaßt, bei den Rotzobduktionen ihr Augen¬ 
merk fast ausschließlich auf die Atmungsorgane zu richten und an 
anderen, für die Pathogenese des Rotzes nicht minder wichtigen 
Organen achtlos vorüberzugehen.“ 

Das ist eine Verkennung der Tatsachen. Gerade weil die Tier¬ 
ärzte vielfach glaubten, lediglich auf Grund zweifelhafter Befunde an 
den Lungen Rotz diagnostizieren zu können und hauptsächlich von 
ihnen die Ansicht vertreten wurde, es gäbe einen primären Lungen¬ 
rotz, sah sich Schütz genötigt, immer wieder zu betonen, daß der 
Knötchenrotz der Lungen ein sekundärer, metastatischer sei, und außer 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen eto. 397 

den Lungen auch regelmäßig andere Körperteile erkrankt sein müßten. 
Auf Grund einer Verfügung des Königl. Preuß. Landwirtschaftsministers 
wurden in derZeit vom 24. Februar bis 10. Oktober 1892 die Lungen 
von 127 Pferden, bei denen primärer Lungenrotz diagnostiziert worden 
war, nach Berlin zur Nachprüfung durch Virchow und Schütz ein- 
gesandt. Von den Lungen haben sich 92 als rotzig und 35 als nicht¬ 
rotzig erwiesen. Die Lehren, welche sich aus den fraglichen Unter¬ 
suchungen ergeben haben, sind von Schütz (5) in einer Abhandlung 
niedergelegt worden, in welcher am Schlusso betont wird, „daß der 
Nachweis des rotzigen Ursprungs der einfach entzündlichen Verände¬ 
rungen nur geführt werden kann durch die Geschichte des Falles. 
Man muß ihrer Entstehung nachgehen und aus anderen Tatsachen, die 
sich an demselben Kadaver vorfinden, aus dem Vorhandensein von 
Rotzgeschwüren, Narben usw. die Beweise beibringen, daß sie als 
Erscheinungen der Rotzkrankheit anzusehen sind. Diese Entscheidung 
ist aber nur nach Kenntnisnahme des ganzen Befundes möglich, und 
je vollständiger die Obduktionen ausgeführt und je sorg¬ 
fältiger alle Organe geprüft werden, um so schneller wird 
man das Sachverhältnis kennen.“ 

Befremden muß es ferner, wie Lothes die Versuchsanordnung 
bei der Fütterung mit Rotzbazillen bewertet. 

Nocard gab die Rotzbazillenkulturen zwischen Brot und Rüben¬ 
schnitten an Pferde, Maultiere und Esel und verabreichte dann Wasser, 
um einer Infektion der oberen Teile des Verdauungstraktus 
vorzubeugen. Schütz hatte die Bazillen nach einem besonderen 
Verfahren in eigroße leichtverdauliche Gelatinepillen so eingeschlossen, 
daß beim Eingeben derselben Rotzbazillen nicht in Berührung mit der 
Schleimhaut der Maul- und Rachenhöhle des Pferdes kommen konnten, 
und der Weg, den die Bazillen bei einer Infektion einschlagen würden, 
ganz genau bekannt sein mußte. Dazu sagt aber Lothes: „Die 
sämtlichen Versuche litten insofern an einer gewissen Einseitigkeit, 
als sie in erster Linie wieder der Klärung der vorhin beleuchteten 
Frage nach dem primären Lungenrotz galten.“ Entschieden wird hier 
der Wert exakter wissenschaftlicher Versuchsanordnung verkannt. Ich 
entsinne mich noch sehr genau der den Schützschen Versuchen vor¬ 
ausgegangenen Beratungen über die technische Durchführung der Ex¬ 
perimente, wobei ganz besonders darauf Bedacht gelegt wurde, die 
Rotzbazillen so in den Magen zu bringen, daß das Versuchsergebnis 
durch Nebenfaktoren nicht gestört werden könne; denn darüber 



398 


OLT, 


konnte nicht der geringste Zweifel gjehegt werden, daßgleich- 
zeitig auch an den Tonsillen und der Pharyngealschleim¬ 
haut, oder auch an noch ganz anderen Stellen wie an den 
Lippen, der Nase usw. eine Infektion einsetzen müsse, so¬ 
fern die Rotzbazillen teilweise in der Maulhöhle abgelagert 
werden würden. Schütz (4) hat auch in seiner Abhandlung „Zur 
Lehre vom Rotz“ erwähnt (S. 18), daß bei der von Nocard ge¬ 
wählten Versuchsanordnung die Rotzbazillen, zwischen den Zähnen 
oder in den zahlreichen Vertiefungen liegen bleiben, welche in der 
Schleimhaut der oberen Abschnitte des Digestionsapparates nachzu¬ 
weisen sind, und sagt weiter: Ich will nur an die Tonsillen und die 
pharyngealen Follikeln erinnern, in denen fremde Körper häufig ge¬ 
funden werden. 

Aus Nocards Versuchsergebnissen ging ja auch hervor, und 
Schütz hat später darauf hingewiesen, daß „bei fast allen“ Versuchs¬ 
tieren der Schlundkopf usw. rotzig erkrankt war; ja Nocard hat 
selbst eingeräumt, daß bei fast allen Versuchspferden nach einer be¬ 
stimmten Zeit Anschwellungen der Lymphdrüsen beobachtet werden 
konnten, welche bei der Obduktion als rotzig befunden wurden. Ferner 
ist ein Versuch unter den fünf von Schütz angestellten unabsichtlich 
so ausgefallen, wie die Experimente Nocards. Eine Pille von zwei 
verabreichten wurde auf dem Zungengrunde zerdrückt, so daß die Rotz¬ 
bazillen mit der Maul- und Rachenhöhle des Pferdes in Berührung 
kamen. Trotzdem das Tier hierauf getränkt wurde, stellten sich 
Ulcera am Pharynx und einer aryepiglottischen Falte neben den Ab¬ 
weichungen in der Bauch- und Brusthöhle ein. 

Welchen hervorragenden Wert die von Schütz angestellten Fütte¬ 
rungsversuche mit Rotzbazillen haben, geht aus seiner Besprechung 
der Ergebnisse hervor, welche auf die damals schwebenden Streitfragen 
gerichtet waren. Ich werde aber an der Hand der von Schütz mit- 
gcteilten Versuchsergebnisse dartun, daß die Experimente auch für 
Fragen, wie sie neuerdings durch Lothes aufgeworfen wurden, 
zwingende Beweise liefern. 

Kurzer Auszug aus den Mitteilungen über die von Schütz mit 
Rotzbazillen angestellten Fütterungsversuche: 

Versuch 1. 18—20 Jahre alter Wallach erhält per os die Bazillen von 
22 hochvirulenten Kulturen so, daß die Rotzbazillen mit der Maul- und Rachen¬ 
höhle nicht in Berührung kommen. Nach 14 Tagen Tötung. 



lieber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 399 

Befund: Ueber einem Peyerschen Haufen ein erbsengroßer, ziemlich derber, 
grauweißer, abgeflachter Knoten, welcher auf der Höhe hellrot ist. In der 
Schleimhaut des Grimmdarmes zwei erbsengroße Knoten; der eine hat eine hanf¬ 
korngroße, kraterförmige, unebene Vertiefung, welche eine graugelbe Zerfallsmasse 
enthält. Sämtliche Gekröslymphdrüsen bedeutend vergrößert, vielfach wallnuß- 
bis hühnereigroß. Am Blind- und Grimmdarm stellen die Lymphdrüsen dicke, 
knotige, 4 cm breite und 2 cm dicke Stränge dar, deren Zwischengewebe mit einer 
bernsteingelben Flüssigkeit getränkt ist. Auf dem Durchschnitt graugelbe, trübe, 
trockene, ca. erbsengroße Zerfallsherde. Lymphdrüsen der Gekröswurzeln hühner¬ 
eigroß; hier noch keine Zerfallsherde. — In der Leber zahlreiche grieskorngroße, 
grauweiße Knötchen. Außerdem einige größere, zentral erweichte Knoten. — Unter 
der Milzkapsel zentral zerfallene Knötchen, Leisten-, Scham-, Darmbein- und 
Kreuzbeinlymphdrüsen gesohwollen und durchfeuchtet. 

In den Lungen Knötchen, die nach der Schilderung als Rotzmetastasen zu 
deuten sind. Die bronchialen und mediastinalen Lymphdrüsen gesohwollen und 
.durchfeuchtet. „Die Schleimhaut der Nase, des Schlund- und Kehl¬ 
kopfes, der Luftröhre und Bronchien ist nicht verändert.“ 

Die bakteriologische und histologische Untersuchung haben ergeben, daß die 
erwähnten Abweichungen rotziger Natur waren. 

Versuch II. 12 Jahre alter Wallach erhält wie bei Versuch I in einer Pille 
eingeschlossen die Rotzbazillen von 24 Kulturen. Nach 14 Tagen Tötung. 

Befund: Die Abweichungen stimmen im Wesen mit denen des Versuches I 
überein. Auch in diesem Falle waren „die Schleimhaut der Nase, des 
Schlund- und Kehlkopfes, der Luftröhre und Bronchien normal.“ 

Die bakteriologischen und die histologischen Untersuchungen haben das Gleiche 
wie bei Versuch I ergeben. 

Versuch III. 14 Jahre alte Stute erhält in zwei Pillen die Rotzbazillen von 
40 Kulturen. Eine Pille platzt auf dem Zungengrunde beim Hineinschieben, so 
daß Rotzbazillen mit der Maul- und Rachenschleimhaut in Berührung kommen. 
Das Pferd nimmt hierauf eine größere Menge angebotenen Wassers auf. Nach 
14 Tagen Tötung. 

Befund: Die Abweichungen am Darme und den Gekrösdrüsen und der 
Leber nicht so stark wie bei Versuch I und II, aber von gleichem Charakter. Milz 
intakt, an den Lungen Zustände wie bei Versuch 1 und II. 

ln der Schleimhaut des Schlundkopfes acht linsengroße Geschwüre mit wall- 
artigen Rändern, am linken Kehldeckel-Gießkannenbande ein ähnliches Geschwür. 
Lymphdrüsen im Kehlgang und hinter dem Schlundkopf bohnen- bis haselnu߬ 
groß, feucht und von stecknadelkopfgroßen, graugelben Herden durchsetzt. 

Die bakteriologischen und die histologischen Untersuchungen haben ergeben, 
daß die Abweichungen rotziger Natur waren. 

Die Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre blaß. Ueber die Be¬ 
schaffenheit der Nasenschleimhaut ist nichts mitgeteilt, ich weiß 
aber, daß trotz sorgfältiger Untersuchung an ihr Abweichungen 
nicht ermittelt werden konnten. 

Versuch IV. 20 Jahre alter Wallach erhält per os den zehnten Teil einer 
Oese voll der aus Lymphdrüsen des Versuchspferdes No. 1 gezüchteten und auf 



400 


OLT, 


ihre Virulenz geprüften Rotzbazillen, die sorgfältig so von Gelatinemasse um¬ 
gossen worden waren, daß sie im Zentrum einer hühnereigroßen Pille lagen. 
Tötung nach 27 Tagen. 

Befund: Magen, Darm, Milz und Gokrösdrüsen zeigen keine Veränderungen. 
In der Leber verkalkte, in der Peripherie geschichtete Knötchen. Unter dem 
Ueberzug der rechten Lunge zwei hanfkorngroße, gelbe Knötchen, deren Zentrum 
verkalkt ist, und welche von einer zarten bindegewebigen und an der Innenfläche 
glatten Kapsel umgeben sind. Unter dem Ueberzug der linken Lunge drei hanf¬ 
korngroße graue, durchscheinende Knötchen, welche scharf begrenzt und von 
gesundem Lungengewebe umschlossen sind. In diesen Knötchen wurde durch die 
histologische Untersuchung je ein Rundwurm ermittelt. Alle Abweichungen waren 
nicht rotziger Natur. 

Ueber die Beschaffenheit der Schleimhaut der Nase und der 
übrigen Luftwege ist nichts mitgeteilt, ich weiß aber, daß diese 
Teile intakt waren. 

Versuch V. Eine 18—20 Jahre alte Stute erhält vom 17.—30. August täg¬ 
lich den zehnten Teil einer Oese voll Rotzbazillen in der Form wie bei Versuch IV. 
Tötnng nach 55 Tagen. 

Befund: Magen- und Darmschleimhaut intakt. Außen am Pylorus eine 
wallnußgroße, erkrankte Lymphdrüse. Im Innern derselben drei erbsengroße 
Herde mit grauer Zerfallsmasse. Die übrigen Teile des Knotens sind weiß und 
derb. Am Zwölffingerdarm ein haselnußgroßer Lymphdrüsenknoten von ähnlicher 
Beschaffenheit. Im Mastdarmgekröse ein hühnereigroßes Lymphdrüsenpaket; in 
den einzelnen Knoten zahlreiche stecknadelkopfgroße, gelbe Zerfallsherde. Am 
Zwerchfell fünf beetartige Erhebungen, welche 1 cm dick sind und deren Zentrum 
aus einer graugelben Erweichungsmasse besteht. 

In der Leber und Milz Knötchen und Knoten vom Aussehen der rotzigen, 
ln den Lungen 14 stecknadelkopfgroße bis erbsengroße Knötchen, welche im 
Zentrum graugelb und trüb, in der Peripherie grauweiß und von einem roten Hof 
umgeben sind. Außerdem in den Lungen vier graue durchscheinende, scharf¬ 
begrenzte Knötchen. 

Letztere wurden mikrotomiert und ließen im Inneren einen Rundwurm nach- 
weisen. Die übrigen Abweichungen rotziger Herkunft. 

In allen übrigen Organen sind trotz der genauesten Unter¬ 
suchung keine Veränderungen festzustellen. 

Bei der Dosierung der Rotzbazillen in den Versuchen IV und V ist eine Oese 
voll mit 10 g Kartoffelbrei innig zerrieben und 1 g der Mischung abgewogen 
worden. Ich darf ergänzend hinzufügen, daß in mikroskopischen Ausstrichen 
dieses Kartoffelbreies die Rotzbazillen mit Leichtigkeit und in Mengen festzustellen 
waren, wie ich sie in rotzigen Dejekten niemals nachzuweisen vermochte. Der 
zehnte Teil einer Oese bedeutet eine so große Bazillenmenge,, wie sie bei Spontan¬ 
infektionen niemals in Betracht kommen kann. 

Die auf den Streit um den Wert des Malleins bezüglichen An¬ 
gaben habe ich hier nicht wiederholt; es galt mir nur diejenigen Tat¬ 
sachen zu erwähnen, welche von Bedeutung sind für die Beantwortung 
der Frage: 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 401 

Was beweisen sonst noch die von Schütz angestcllten 
Fütterungsversuche mit Rotzbazillen hinsichtlich der von 
Lothes vertretenen Anschaungen über die Pathogenese des 
Rotzes? 

Bei einem Falle hatten die Rotzbazillen, der zehnte Teil einer 
Oese, nicht ausgereicht, vom Magen oder Darme aus eine Infektion 
einzuleiten. Das Pferd war vollkommen gesund geblieben, trotzdem 
es hochvirulente Rotzbazillen in einer so großen Menge aufgenommen 
hatte, wie sic unter natürlichen Verhältnissen sicher niemals in Frage 
kommt. Ein Pferd, das 14 Tage hintereinander solche Bazillenmengen 
erhalten hatte, war allerdings rotzkrank geworden. 

Alle vom Darme aus infizierten Pferde waren mit Rotz 
der mesenterialen Lymphdrüsen behaftet. Drei Pferde, denen 
die großen Mengen von Rotzbazillen in den Magen gebracht worden 
waren, wiesen primären Darmrotz in Form weniger Geschwüre der 
Mukosa auf. 

Metastasen fanden sich in allen vier Fällen in den Lungen — 
sekundärer Lungenrotz —, in der Leber und dreimal in der Milz. 
Einmal war infolge des Platzens der Pille primärer Rotz des Pharynx 
und der zugehörigen Lymphdrüsen eingetreten. 

In keinem der Fälle erkrankte die Schleimhaut der Nase, 
des Kehlkopfes oder der Bronchien, trotzdem doch jedesmal, 
wenn die Infektion haftete, auch Metastasen in den Lungen 
und an anderen Organen nachzuweisen waren. 

Da auch die Milz dreimal mit Rotzmetastasen ausgestattet war, 
sonach Rotzbazillen auch in den großen Kreislauf gelangt sein mußten, 
wird Herr Lothes doch wohl einräumen, daß der mit Blutzufluß so 
reichlich versorgten Nasenschleimhaut sicher Gelegenheit zur sekun¬ 
dären Infektion gegeben war. Dabei ist zu bedenken, daß in drei 
Fällen die Bazillen von 22, 24, bzw. 40 Kulturen verfüttert worden 
waren. Die schweren rotzigen Zustände an den Lungen haben ferner 
stets durch Abgabe von Rotzbazillen an die Blutbahn die Nase in 
hohem Grade gefährdet, aber der metastatische Nasenrotz, für den das 
Pferd nach Lothes ganz besonders disponiert sein soll, ist ausgc- 
blieben, trotzdem ein Pferd erst 55 Tage nach dem Beginne des Ver¬ 
suches getötet wurde. 

Die Erfahrung lehrt, daß spontaner Rotz der Lungen, der in 
Knötchenform nach den pathologisch-anatomischen Merkmalen als ein 
metastatischer Prozess angesehen werden muß, in der Regel mit Nasen- 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Bund. 2G 



402 


OLT, 


rotz vergesellschaftet ist, und zwar auch bei ganz jungen Rotzfällen. 
Mit dieser Tatsache und den Versuchsergebnissen, denen, wie wir unten 
finden werden, sich noch andere anreihen lassen, steht die von Lothes 
vertretene Anschauung in Widerspruch. Die Annahme, eine Verletzung 
der Schleimhaut müsse der Spontaninfektion vorausgehen, und deshalb 
gehöre primärer spontaner Nasenrotz des Pferdes „zweifelsohne zu 
seltenen Ereignissen“ beruht auf willkürlicher Annahme. Die Infektion 
mit zerstäubter Kultur erfolgt doch auch ohne verletzte Schleimhaut, 
und ein von Hutyra angestellter Versuch beweist, daß die Infektion 
an der Nase auch dann eintritt, wenn in der Trachea Rotzbazillen¬ 
kultur zerstäubt wird. Hierbei wird doch sicher nicht der entstehende 
Luftwirbel „die schützende Schleimschicht zerstört“ haben. 

Lothes bat auf die Tuberkulose der Nasenschleimhaut exempli¬ 
fiziert, die bei tuberkulösen Pferden oft als sekundäre Begleiterschei¬ 
nung zur Beobachtung kommt. Derartige Fälle habe ich wiederholt 
genauer untersucht, und Gcrspach (68) hat einen solchen unter meiner 
Leitung histologisch bearbeitet. Als Gegensatz zu frischen rotzigen 
Zuständen ist hervorgehoben worden, daß die Tuberkeln in der Tiefe 
der Nasenschleimhaut zur Entwickelung kommen, hier allmählich eine 
Vermehrung bis zu beetartigen subepithelialen Wucherungen erfahren, 
welche den Geschwüren vorausgehen (Fig. 5). 

Im Gegensatz hierzu ist mir bei ganz frischem Nasenrotz stets 
der kaum sichtbare Oberflächendefekt aufgefallen, und niemals habe 
ich an solchen Stellen Knötchen bei erhaltener Epitheldecke so tief 
in der Schleimhaut sitzen sehen, wie das bei altem Nasenrotz der 
Fall ist; ja an den soeben beginnenden Defekten sieht man noch gar 
keine Knötchen, und nur geeignete Beleuchtung verrät die Stellen, an 
denen die mallöse Ulzeration einsetzt. Solche Bilder sprechen unter 
Berücksichtigung der Geschichte des Falles nicht für metastatischen 
Ursprung der Abweichungen. 

Das Ergebnis des Versuches II, wobei die Pille beim Einschieben 
in die Rachenhöhle platzte und Rotzbazillen mit dieser in Berührung 
kamen, hat die von Schütz gehegte Befürchtung eine Infektion von 
den Tonsillen oder dem Pharynx bestätigt und gezeigt, daß die von 
Nocard gewählte Versuchsanordnung als exakte Beweisführung für 
Lungeninfektion vom Darme her nicht genügt, auch wenn nach der 
Fütterung mit Kultur den Tieren hinterher Wasser gereicht wird. 

Ferner haben die fraglichen Versuche gelehrt, daß die Rotzbazillen 
vom Darme nicht direkt in die Lungen gelangen, auch wenn sich 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweiwungen etc. 403 

rotzige Zustände an der Schleimhaut nicht einstellen; sondern es 
zeigte sich, daß Rotz der Gekrösdrüsen den Metastasen vorausgeht. 
Das entspricht auch allen sonstigen Tatsachen, die über die Patho¬ 
genese des Rotzes bisher bekannt waren, und hätte es auffallen müssen, 
wenn sich die mesenterialen Lymphdrüsen anders verhalten würden, 
als alle übrigen des Körpers. Sonach ist auch der experimen¬ 
telle Fütterungsrotz der Lungen ein sekundärer. 

Diese Versuche litten durchaus nicht an einer gewissen Einseitig¬ 
keit, wie Lothes meint, im Gegenteil, sie enthalten überraschend 
viele wertvolle Ergebnisse, die übrigens noch gar nicht alle besprochen 
sind. Zur Zeit, als die Experimente angestellt würden, standen andere 
Fragen im Vordergründe, so der Streit um den Wert des Malleins, 
um den Charakter der grauen durchscheinenden Knötchen und um die 
von Vielen noch heute vertretene Annahme eines primären Lungen¬ 
rotzes, denen die Besprechung der Versuchsergebnisse galt. 

Lothes verallgemeinert die Schlüsse, welche er aus seinen in 
Köln vorgenommenen Obduktionen gezogen hat, dahin: „Es ist anzu¬ 
nehmen, daß entgegen der bisher vorherrschenden Ansicht der Ein¬ 
tritt des Rotzgiftes in den Körper beim Pferde gewöhnlich vom Ver- 
dauungstraktus und zwar häufig bereits vom unteren Teile der Rachen¬ 
höhle stattfindet. 

Daß gelegentlich einmal die Rotzinfektion von den Tonsillen und 
der Pharyngealschleimhaut ausgeht, wird kein Kenner des Rotzbazillus 
bestreiten. Verabreichung von Rotzbazillenkulturen per os nach dem 
von Nocard, Hutyra und anderen gewählten Modus sind dafür ja 
auch beweisend. Daß diese Experimente den natürlichen Gefahren 
einer Infektion durch die Maulhöhle gleichwertige sind, wird wohl 
niemand ernstlich behaupten wollen, das hat auch Lothes nicht un¬ 
eingeschränkt getan. 

Nun lehrt aber die Erfahrung, daß höchst selten die Geschichte 
eines Rotzfalles, ich denke hier in erster Linie an das Obduktions¬ 
ergebnis, für eine Infektion von der Rachenhöhle spricht. Ein ge¬ 
schulter Obduzent gibt sich doch über jede Lymphdrusenerkrankung 
Rechenschaft und fragt nach den Zuständen in ihrem Wurzelgebiet. 
Wenn Lothes von einseitiger Berücksichtigung des Respirationsapparates 
bei Rotzobduktionen spricht, dann will er damit doch wohl sicherlich 
nicht sagen, daß auch Virchow und Schütz beim Studium der Rotz¬ 
krankheit befangen vorgegangen sind. 

Die Belehrung über den Rotz, welche besonders auf den Respi- 



404 


OLT, 


rationsapparat verweist, basiert doch auf dem Ergebnis der Forschung 
dieser Männer und nicht auf vorgefaßter Meinung. 

In keinem Institut der Welt ist soviel Rotz untersucht worden 
wie in dem pathologischen Institut der tierärztlichen Hochschule in 
Berlin, und kein Unbefangener wird annehmen, daß bei der Prüfung 
des Riesenmateriales, das aus den Provinzen nach Berlin gesandt 
worden ist, und bei den vielen Rotzobduktionen, die dort zur Aus¬ 
führung kamen, Virchow und Schütz die von Lothes allgemein 
behaupteten Tatsachen könnten entgangen sein, wenn sie zuträfen. 

Den Tonsillen habe ich von jeher bei verschiedenen Infektions¬ 
krankheiten ein besonderes Augenmerk geschenkt, das geht auch aus 
Arbeiten, die von mir oder unter meiner Leitung angefertigt wurden, 
hervor. Es war mir aber bisher nicht möglich, die Tonsillen als Ein¬ 
gangspforten für Rotz zu ermitteln, trotzdem ich im pathologischen 
Institute in Berlin an einer großen Zahl von Fällen und auch später 
auf die genaue Untersuchung der Halsorgane stets bedacht war. 

Auch habe ich seit 18y2 mit besonderer Vorliebe den Magen und 
Darm des Pferdes auf Geschwüre und deren Ursprung geprüft und 
entsprechendes Material methodisch gesammelt. Die Suche nach 
spontanen Rotzgeschwüren blieb erfolglos und zwar auch bei Sektionen 
rotziger Pferde. Mit Herrn Professor Dr. Peter in Hamburg, da¬ 
maligem Repetitor tier Dieckerhoffschen Klinik, den ich auch als 
Kenner der italienischen Literatur persönlich hochschätzte, habe ich 
mich wiederholt über die Frage des von Italienern diagnostizierten 
Darmrotzes unterhalten, es ist mir aber bei Obduktionen in keinem 
Falle möglich gewesen, die Richtigkeit fraglicher Behauptungen zu 
bestätigen. 

Wahrscheinlich sind die Angaben über spontanen primären Rotz 
des Darmes und der Gekrösdrüsen auf die von Kitt (7), mir (12) 
und später von Sticker (30) und Hummel (27) beschriebenen Ge¬ 
schwüre zu beziehen, denen bekanntlich ursächlich Strongyliden zu¬ 
grunde liegen. 

Hutyra sagt in den Schlußfolgerungen zu seinen Versuchen: 
„Der Nasenrotz pflegt sich ebenso wie der Hautrotz als sekundärer 
Prozeß der primären Erkrankung innerer Organe und insbesondere der 
Lungen anzuschließen.“ Seine Versuchsergebnisse sind meines Er¬ 
achtens hierfür keinesfalls beweisend. Denn bei acht Pferden (Ver¬ 
suche 6—13), denen Rotzbazillenkulturen per os auf verschiedene 
Weise beigebracht worden waren, sind jedesmal Metastasen in den 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 405 

Lungen und rotzige Erkrankungen an Lymphdrüsen beobachtet worden, 
ohne daß auch nur einmal rotzige Prozesse an der Nase hinzu¬ 
gekommen waren. 

Dagegen entstand primärer Nasenrotz in zwei Fällen nach der 
Inhalation von Bouillonkultur (Versuch 1 und 2) und in einem weiteren 
Falle (Versuch 5) durch Zerstäuben von Rotzbazillenkultur in der 
Trachea. Wenn in den zwei weiteren Fällen (Versuch 3 und 4) 
virulenter Nasenausfluß, der einmal bei Tageslicht und das andere 
Mal im Dunkeln getrocknet worden war, nach dem Zerstäuben die 
Infektion der Nasenschleimhaut nicht herbeiführte, dann kann daraus 
noch nicht der weitgehende Schluß, die Nasenschleimhaut sei für 
Primärrotz wenig disponiert, gezogen werden, zumal die übrigen Ver¬ 
suche hiermit im Widerspruch stehen. Daß den Bazillen in ein- 
getrocknctem Schleim der Kontakt mit der Nasenschleimhaut ganz 
besonders erschwert wird, ist zweifellos, selbst nach dem Verquellen 
bildet Schleim noch eine schützende Hülle um Mikroorganismen, die 
sehr wohl eine Infektion verhindern kann. Feuchter, rotzbazillen¬ 
haltiger Nasenausfluß wird sicher bei der Aspiration viel gefährlicher 
sein, als das verwandte Impfmaterial. Solche Gefahren bestehen be¬ 
kanntlich für Pferde, die mit rotzkranken in Berührung kommen, und 
wenn sich auch nur in einem Bruchteil der Uebertragungsgelegenheiten 
die Bazillen auf der Nasenschleimhaut der angepusteten Pferde ver¬ 
mehren, ist genügend Gelegenheit für die Ausbreitung der Seuche 
gegeben. 

Analog wie die Nasenschleimhaut hat sich die äußere Haut bei 
den 13 Versuchen Hutyras verhalten. Dreimal waren Geschwüre 
an den Lippen entstanden, die offenbar als primäre Erkrankungen zu 
deuten sind, denn in dem einen Falle wurde Kultur unter der Maske 
zerstäubt (Versuch 2), und bei den anderen Versuchen ist die Kultur 
per os mit Trinkwasser, bzw. in Pillenform beigebracht worden. 

Auch bei drei nach besonderen Vorsichtsmaßregeln mit Rotz¬ 
kultur gefütterten Pferden, die Hummel erwähnt, sind Metastasen in 
den Lungen entstanden, ohne daß Nasen- und Hautrotz hinzu¬ 
gekommen war. 

Mac Faydean verfütterte Rotzbazillen in Rüben an vier Pferde 
und erzeugte Rotz des Darmes, der Milz, der Lungen und einmal der 
Nasenschleimhaut. Bei der Versuchsanordnung läßt sich nicht ent¬ 
scheiden, ob die Nase sekundär oder primär infiziert wurde. 

Bonome hat bei fünf Pferden Fütterungsversuche mit Rotz- 



406 


OLT, 

bazillenkulturen angestellt. Ein Pferd, das viele Monate beobachtet 
wurde und wiederholt große Kulturmengen erhalten hatte, war sehr 
erklärlicherweise auch an Rotz der Nase und der Haut erkrankt. 

Von einem zweiten Pferde, das zuerst eine auf 48—50° erwärmte 
Agarkultur, drei Monate später zehn und eine Woche darauf acht 
Agarkulturen erhalten hatte, wird im Obduktionsbefund nichts über 
Nasen- und Hautrotz erwähnt. Das Pferd wurde erst 13 Monate 
nach Beginn des Versuchs getötet und hatte in beiden Lungen mehrere 
hühnereigroße, bakteriologisch als rotzig erkannte Knoten. Auch bei 
drei weiteren Fütterungsversuchen waren die 14, 24 bzw. 19 Tage 
später getöteten Pferde frei von Nasen- und Hautrotz, trotzdem rotzige 
Abweichungen am Darme, den mesenterialen Lymphdrüsen und den 
Lungen Vorlagen. 

Fast allgemein wird die Ansicht vertreten, einer kutanen In¬ 
fektion der Haut müsse eine Wunde oder mindestens eine Epithel¬ 
verletzung vorausgehen. Die Richtigkeit dieser Voraussetzung würde 
allerdings für die Wahrscheinlichkeit höcht seltenen primären Haut¬ 
rotzes sprechen. Die absolute Voraussetzung einer Hautwunde oder 
eines Epitheldefektcs für das Zustandekommen des primären Haut¬ 
rotzes ist aber keinesfalls bewiesen. Es ist sehr wohl denkbar, daß 
der Rotzbazillus auch bei intakter Haut eine Infektion einleiten kann, 
wenn er sich in Haarfollikeln angesiedelt hat. 

Babes (78) gelang es, durch Einreiben von Rotzkultur an in¬ 
takter Haut eine Infektion zu erzielen. Andere behaupten, hierbei 
müsse eine Epithelschädigung Vorgelegen haben oder dazugekommen 
sein. Die vom Menschen bekannten Infektionen sind mit wenigen 
Ausnahmen von der Haut ausgegangen. Aus eigener Anschauung 
kenne ich einen Fall, der an intakter Haut in der Nähe des Fu߬ 
gelenkes eingesetzt hat und tödlich endete. Der Patient hatte bei 
der Sektion Halbschuhe getragen und wahrscheinlich die Strümpfe mit 
infektiösem Material besudelt. 

In dem zweiten Falle hatte ich mir gelegentlich der von Schütz 
angestellten Fütterungsversuche eine rotzige Infektion auf dem rechten 
Handrücken an unverletzter Haut zugezogen. Beim Eingeben der mit 
Rotzkultur gefüllten Pille, die auf dem Zungenrücken des Pferdes 
platzte (Versuch III), waren die Bazillen mit meiner Hand in Be¬ 
rührung gekommen. Sofort wurde eine vermeintlich gründliche Des¬ 
infektion mit Sublimatlösung 1 pM. vorgenomraen. Zum Schlüsse 
tauchte ich die Hand noch in öprozentiges Phenolwasser. Ich achtete 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 407 

dabei besonders auf Wunden und hätte bei Gegenwart der geringsten 
Verletzung das durch Schinerzenapfindung merken müssen, als ich 
die starke Phenollösung anwandte. Am 4. Tage nach der Berührung 
mit den Rotzbazillen machte sich auf dem Handrücken eine Papel 
bemerkbar, die, wie an ausgeschabten Massen mikroskopisch nach¬ 
weisbar, zweifellos durch Rotzbazillen verursacht worden war. An 
einer Stelle des Gesichtsfeldes lagen fünf Stäbchen, die morphologisch 
vollkommen mit Rotzbazillen übereinstimmten, und auch von Schütz 
als solche angesprochen wurden. Andere Mikroorganismen waren in 
der Papel nicht zugegen. 

Da das erkrankte Hautstück sofort herausgeätzt und chirurgische 
Behandlung eingeleitet wurde, konnte noch schlimmeren Folgen vor¬ 
gebeugt werden. Offenbar hatten sich Rotzbazillen in einem Haar¬ 
trichter der Einwirkung der Desinfektionsmittel entzogen und das 
erste Stadium der Infektion herbeigeführt. 

Daß gelegentlich auch beim Pferde, welches für Rotz doch viel 
empfänglicher ist als der Mensch, solche Ereignisse mit primärem 
Hautrotz im Gefolge, eintreten, dürfte nicht zu bezweifeln sein. 

Vielfach wird betont, Nocard (83) sei es nicht gelungen, durch 
Einreibung von Rotzbazillenkultur eine Infektion der Haut herbeizu¬ 
führen. Nun ist aber die Frage aufzuwerfen, ob der Versuch den 
natürlichen Verhältnissen Rechnung getragen hat. Das muß verneint 
werden, denn die Bazillen wurden mit Paraffinsalbe gemischt und 
mit diesem nicht wasserlöslichen Mittel 3 Eseln und bei 5 Meer¬ 
schweinchen aufgetragen; von letzteren gingen 2 Stück ein. 

Ein besseres mechanisches Schutzmittel gegen die In¬ 
fektion hätte wohl kaum gewählt werden können. Bekannt¬ 
lich verwendet man die Paraffinsalbe auch zum Einfetten der Hände 
bei der Vornahme gefährlicher Obduktionen, da dieses Deckmittel 
Keime einhüllt und so unschädlich macht. Wasser und Gewebssäfte 
machen die in der Paraffinsalbe eingeschlossenen Bazillen nicht flott, 
ja selbst die oszillierenden Bewegungen der Pilze hören, wie der Ver¬ 
such unter dem Mikroskop beweist, schon sofort auf, wenn sie auch 
auch nur in Paraffinum liquidum suspendiert sind. 

Befinden sich dagegen die Pilze in wässerigen und wasserlöslichen 
Medien, in Nasensekret, Exsudaten oder in Kulturflüssigkeit, dann ist 
für sie die Möglichkeit des Eindringens in die Tiefe der Haartrichter 
gegeben, wo sie vielleicht ebenso wie andere dort vorkommende patho- 



408 


OLT, 

genc Pilze (Kokken) bereits eine Vermehrung erfahren und ihre Gifte 
den Weg für ein weiteres Vordringen vorbereiten. 

Es ist eine altbekannte Erfahrung, daß nach Schweißausbruch die 
kutane Infektion leichter haftet als sonst. Neben Verquellungen und 
Lockerungen im Stratum corneum spielt wohl die Kapillarattraktion 
beim Entstehen und Eintrocknen des Schweißes noch eine besondere 
Rolle. Durch diesen Vorgang werden die Bazillen in die feinsten 
Spalten und in die Tiefe der Haarfollikel getragen, wo sie durch die 
gleichzeitigen oszillierenden Bewegungen in die mikroskopisch feinsten 
Nischen Vordringen. Gelingt einem einzigen Stäbchen der Kontakt 
mit den intcrepithelialcn Lymphspalten, dann sind hinreichende Be¬ 
dingungen für die Infektion gegeben. 

Wenn experimentell über die Frage, ob primärer Hautrotz spontan 
leicht entstehen kann, entschieden werden soll, dann müssen die Ver¬ 
suche den natürlichen Verhältnissen angepaßt werden. Das Kontagium 
ist bei Pferden in wasserlöslicher Form auf die Haut zu bringen, sei 
es Nasendejekt, Rotzeiter oder Kultur. Die Versuchstiere müßten, 
wie Pferde allgemein, mit dem Putzgeschirr bearbeitet werden, und 
zwar auch an den mit Kontagium beschickten Stellen, und wären so 
zu bewegen, daß Schweißausbruch wie bei der Arbeit unter natürlichen 
Verhältnissen cintritt. 

Die von der Oberfläche der Haut ausgehende Infektion setzt mit 
einer Erkrankung des Haarbalges — Folliculitis mallcosa — ein. 
Eine Gruppe von Haarfollikeln unterliegt einem Exsudationsprozeß, 
der durch die Cutis vasculosa (Papillarkörper) unterhalten wird. Der 
starken Hyperämie und Bildung einer Papel folgt rasch der Austritt 
hauptsächlich mono- aber auch polynukleärer Leukozyten in die Ge- 
websspalten der Cutis vasculosa. Die kollagenen Bindcgewebszüge 
verlieren ihre Tingibilität und lösen sich spurlos auf. Fast ebenso 
rasch schwindet auch das Gerüst elastischer Fasern. An den mit 
Resorzinfuchsin behandelten Schnitten fällt eine scharfe Grenze zwischen 
den noch erhaltenen elastischen Fasern der benachbarten Bezirke und 
den eingeschmolzenen Partien auf, wo manchmal nur noch Tröpfchen 
und Bruchstücke der untergegangenen elastischen Fasern zu ermitteln 
sind. Hier und da sitzen an den in den Rotzherd hineinragenden 
Fasern kleine kugelige Anschwellungen. Die Epithelschicht kann sich 
pustelähnlich durch Lockerung über dem Exsudat abheben, oder, was 
die Regel ist, sie bleibt in Verbindung mit der nun abgestorbenen 
Follikelgruppe, die im Zusammenhang mit einem kleinen Bezirk der 



Ucbcr die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 409 

Kutis durch eitrige Dissektion losgestoßen wird. Auf diese Weise 
entsteht ein rotziger Furunkel (Figur 1). 

Die beiden Ausgänge epidermoidaler Infektion gestalten sich im 
Bilde verschieden. Pustelbildung mit raschem Verluste der Decke 
und nachfolgender Ausbreitung des lentikulären Ulkus in die Fläche 
und die Tiefe entwickelt sich meist nur an schwachbehaarten Stellen, 
z. B. an den Lippen. 

Da, wo Hautpartien sich gegenseitig reiben, kann die Folliculitis 
malleosa in größerer Ausbreitung mit Verlust der ganzen Epidermis 
und Haarbälge auftreten, so daß der Papillarkörper in hochroter 
erodierter Fläche freiliegt. Eine solche Stelle sah ich z. B. am Ellen¬ 
bogen, wo sich bei der Bewegung Hautfalten gegenseitig gerieben hatten. 

Die Dissektion bei der Entwicklung des rotzigen Furunkels geht 
in geringem Grade über die Grenzen des Bodens der Follikel hinaus, 
so daß dem ausfallenden Hautstückchen etwas Kutisgewebe anhaftet. 
Bei der makroskopischen Betrachtung sieht man an der betroffenen 
Stelle eine Gruppe von Haaren in unregelmäßiger Stellung und das 
sequestrierte Hautstückchen vom Rande teilweise losgestoßen, so daß 
etwas Exsudat aus dem feinen Spalt dringt; an anderen Stellen ist 
das abgestorbene Gewebsstück in der Tiefe abgehoben und eine Stelle 
am Rande hält es noch einigermaßen fest, so daß es mit der Pinzette 
leicht losgezogen werden kann. Das entstandene Geschwür ist zu¬ 
nächst scharfrandig und mit gelbem Exsudat bedeckt. 

In der Folge gestaltet sich der Zustand verschieden, je nachdem 
die Ulzeration oder die Regenerationsbestrebung überwiegt. Das Ge¬ 
schwür wird durch weiteren Gewebszerfall in der Tiefe und am Rande 
entweder größer, oder was häufiger der Fall ist, Granulationsgewebe 
füllt in wenigen Tagen den Defekt aus und wuchert meist über das 
Niveau der Haut, immerzu Material für anhaltenden Zerfall liefernd. 

Vielfach geht aus dem Granulationsgewebe dieses raalleösen Ge¬ 
schwüres eine mit schützender Epidermis überkleidete Narbe hervor, 
die eine scharfrandige Einziehung annimmt und unmittelbar an guter¬ 
haltene Haarfollikel grenzt. 

Solcher Ausgang bedeutet definitive Heilung des rotzigen Furunkels, 
und wäre theoretisch in diesem Sinne eine Heilung des lokalen Haut¬ 
rotzes denkbar. Die Erfahrung lehrt aber, daß mit diesem Vorgang 
die Infektion nicht erloschen ist; neue Herde in der Nachbarschaft 
entstehen, und geben mikroskopische Schnitte Aufschluß über die 
weitere Ausbreitung der Prozesse. Vom Boden der Haarfollikel werden 



410 


OLT, 

die Rotzbazillen auf Straßen fortgetragen, die sich durch zeitige In¬ 
filtrate in auffallender Weise markieren und die ersten Stadien des 
Kutisrotzes darstellen. Es sind die Spalträume, wo sich die kolla- 
genen Gewebsbündel in verschiedenen Lagen spitzwinkelig kreuzen. 
Hier durchschrägen neben Arterien und Venen herziehend die Lymph¬ 
gefäße den Kutiskörper. In diesem Gefäßgebiete liegen nach allen 
Richtungen vom Rotzgeschwür ausgehend Züge zelliger Infiltrate aus 
hauptsächlich mononukleären Leukozyten bestehend. Die adventitiellcn 
Gefäßscbeiden sind besonders mit emigrierten Zellen überladen, die 
Lymphgefäße erweitert und in der Wand gleichfalls mit zelligen In¬ 
filtraten ausgestattet. Hier und da schließt sich der lokalen Leuko¬ 
zytose Gewebszerfall der Lymphgefäße an. Chromatinreicher körniger 
Detritus des Exsudates mit zelliger Thrombose der Blutgefäße folgen, 
und ein kleiner Erweichungsherd im Kutiskörper ist da 1 ). Die starke 
Hyperämie der Nachbarschaft mit dem zelligflüssigen Exsudat in den 
vielen Gewebsspalten verleiht dem angeschwollenen Bezirk die derbe 
Konsistenz des kutanen Rotzknotens. 

Die kleinen Erweichungsherde koufluieren bald mit benachbarten, 
wobei sich die oben geschilderte Einschmelzung des kollagenen Binde¬ 
gewebes und der elastischen Fasern wiederholt, und ein Durchbruch 
nach der Oberfläche mit Hinterlassung eines sinuösen Geschwüres er¬ 
folgt. Letzteres verhält sich ähnlich wie das furunkulöse nur mit 
dem Unterschiede, daß bei endgiltiger Vernarbung die Nachbarschaft 
eine beträchtliche schwielige Verdickung erfährt. 

Bei den Einschmelzungen bleibt die Form der Talgdrüsen gut er¬ 
halten, im Zusammenhang mit den Haarfollikeln werden sie über der 
unterminierten Stelle losgestoßen. Die Schweißdrüsen sind anfangs 
von zelligem Exsudat umgeben, die Epithelien degenerieren und zer¬ 
fallen in Gesellschaft mit eingedrungenen Leukozyten zu dem bekannten 
chromatinreichen Detritus. 

Multiplizität der kutanen Rotzknoten in enger begrenztem Bezirk 
verleiht nach den Perforationen der Haut gelegentlich das Aussehen 
siebartiger Durchlochungen, denen sich verschiedenartig gestaltete Ge¬ 
schwüre und Haarausfall mit all den erwähnten Begleiterscheinungen 
hinzugesellen. 

1) Die von den Alten hierfür gebrauchte Bezeichnung Wurm oder Wurmknoten 
der Haut dürfte endgiltig aufgegeben werden, zumal auch durch Würmer erzeugte, 
also wirkliche Wurmknoten in der Haut des Pferdes Vorkommen, die mit Rotz 
nichts gemein haben. 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden rerursacbten Abweichungen etc. 411 

Von der Cutis propria schreitet der Prozeß auf den vielen kleinen 
Lymphbahnen weiter in die großen Stromgebiete der Unterhaut. Was 
zunächst entsteht, ist streng genommen nicht mehr Hautrotz, sondern 
eine Lymphangitis und Perilymphangitis malleosa; sie kann 
aus primärem Hautrotz hervorgehen oder auch metastatisch entstehen 
und schreitet unter steter Gefährdung der Haut längs des Laufes der 
betroffenen Lymphgefäße weiter. 

Bei den größeren Lymphgefäßen setzen rotzige Eiterungen in der 
Regel an den seitlichen Spalten gefalteter Wandpartien ein. Vielleicht 
sind das aus rein mechanischen Umständen Prädilektionsstellen für 
die Ansiedelung der Bazillen. Hier geht das Endothel zu Grunde, 
die Wand wird mit Leukozyten überschwemmt, so daß bald die Ge- 
websstruktur verdeckt ist. Die Einschmelzung erfolgt in der Regel 
von innen her und breitet sich von der erodierten Nische über die 
ganze Innenfläche eines kleinen Gefäßabschnittes aus, worauf sich 
Eiter anschoppt. Der eiterigen Aussackung des Lymphgefäßes gesellt 
sich Eiterung in der Umgebung hinzu. Mit dem nun folgenden Unter¬ 
gang der Gefäßwand vollzieht sich die Konfluenz zu einem kleinen 
Abszeß, in dessen Nachbarschaft Granulationsgewebe und schließlich 
Narbengewebe entsteht, das den Eiterherd abkapselt, wenn sich das 
Exsudat nicht durch Deckeneinschmelzung Abfluß nach außen verschafft. 

Den von Lymphgefäßen ausgehenden Eiterungen gesellen sich 
immer neue in etagenartiger Anordnung zu. Sie sind vielfach um¬ 
schrieben knotenförmig, so daß die bekannten rosenkranzähnlichen 
Anschwellungen oder strangartige Verdickungen längs der Lymph¬ 
bahnen zur Entwickelung kommen. 

Der Durchbruch dieser subkutan gelegenen Knoten vollzieht sich mit 
Hinterlassung sinuöser Geschwüre, die durch eine enge Oeffnung ein 
Exsudat wie Gemisch aus Leinöl und Rahm entleeren. Der kessel¬ 
artig weite Grund verengert sich in wenigen Tagen durch Granulations¬ 
gewebe, das über das Hautniveau hervorwuchert, wenn nicht aus¬ 
nahmsweise die Ulzeration überwiegt. Vielfach konkurrieren beide 
Prozesse derart, daß immer wieder Gewebszerfall an den rotzigen 
Granulationen einsetzt. Hierbei stellen sich in der Nachbarschaft 
starke Schwielenbildung und neue Durchbrüche der Eiterungen ein, die 
sich nun durch chronischen Charakter auszeichnen — Chronischer 
Hautrotz —. Konfluenz der Ulzera, wucherndes Granulationsgewebe, 
Narben und Haarausfall verleihen den betroffenen Hautbezirken ein 
vielgestaltiges Bild. 



412 


OLT, 


In der Nachbarschaft der Geschwüre besteht starke Proliferation 
der Epidermis, die Zellen im Stratum corneum verhornen nur mangel¬ 
haft und die Zellkerne bleiben andeutungsweise erhalten — Para- 
keratose —. Die hierbei entstehenden Borken verkleben durch 
Exsudate mit den Haaren, so dass allenthalben Krusten die Geschwüre 
und ihre Umgebung bedecken. 

Die auffallend rasche Entstehung und die ebenso schnelle Ein¬ 
schmelzung der Knoten bei gleichzeitiger Affektion der Lymphgefäße 
und der regionären Lymphdrüsen gehören zu den charakteristischen 
Erscheinungen des Hautrotzes. 

Als diffuser Hautrotz sind die seltener beobachteten erysipe- 
latösen Erkrankungen bezeichnet worden [Schindclka (84)], welche 
mit Phlegmone der Unterhaut und angrenzender Teile, z. B. der 
Muskulatur und des intermuskulären Bindegewebes vergesellschaftet 
sind. Der Verlauf ist ein akuter und führt unter stürmischen Eite¬ 
rungen in kurzer Zeit zu ausgedehnten geweblichen Zerstörungen. 
Unterminierung und Gangrän der Haut geht in der Regel tiefgehenden 
und umfangreichen Ulzerationen voraus. 

Metastatischer Hautrotz kann in der Unterhaut oder der Kutis ' 
einsetzen und sich rückläufig auf die Haarfollikel fortsetzen oder 
auch gleich hier wie primärer Hautrotz beginnen. Hierüber entscheidet 
der Ort, an welchem die Rotzbazillen seitens der Blutbahn abgelagert 
worden sind. Es ist daher in konkreten Fällen sehr schwierig zu 
entscheiden, ob primärer oder sekundärer Hautrotz vorliegt, wenn 
nicht die Geschichte des Falles, in erster Linie der pathologisch ana¬ 
tomische Befund in seiner Gesamtheit hinreichende Anhaltspunkte 
hierfür gibt. 


Technik. 

Die mikroskopische Bearbeitung verkalkter Knötchen der Lungen, des Darmes 
und ähnlicher kalkhaltiger Gebilde erfordert eine vorausgegangene Lösung der 
Calziumsalze. Vorzügliche Dienste leistet schwefelige Säure, da sie erst nach 
mehrtägiger Einwirkung die Tinktion der Zellkerne und Gewebe störend beeinflußt. 
Nach der Fixierung bringe ich die Objekte unter dichten Verschluß in konzen¬ 
trierte Lösung schwefeliger Säure. Steinharte Kalkknötchen von der Größe eines 
Pfefferkornes sind nach zwei Tagen entkalkt. Wurmknoten des Darmes mit kalk¬ 
haltigen Pfropfen verbleiben auf 3 bis 5 Stunden in der Säure. Die Objekte 
werden hierauf 12 Stunden in fließendem Wasser belassen, alsdann in Zelloidin 
eingebettet und mikrotomiert. Paraffin empfiehlt sich für die an fibrillärem Binde¬ 
gewebe reichen Knötchen nicht, auch wird hierbei der nekrotische Kern so spröde, 
daß die Schnitte leicht Risse annehmen und krümeln. Die Zelloidiosohnitte klebe 



Ueber die duroh Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 413 

ich nach dem von mir in Vorschlag gebrachten Verfahren auf. (Deutsche Tierarzt. 
Wochenschr. 1906. No. 33.) 

Hinsichtlich einiger Verbesserungen der Methode erlaube ich mir folgendes 
mitzuteilen: 

Als Klebemittel wird lOproz. Gelatinelösung benutzt, die durch Phenolzusatz 
gegen Fäulnis zu schützen ist. 8 Teile Gelatine werden in 72 Teilen destillierten 
Wassers gelöst, durch Kochen mit beigemischtem Eiweiß geklärt und filtriert. 
Dem Filtrat sind 20 Teile einer 5proz. wässerigen Phenollösung zuzusetzen. Die 
Masse wird mit destilliertem Wasser auf 100 Teile ergänzt, erhitzt und in ein 
gegen Staub zu schützendes verschließbares Gefäß auf Vorrat filtriert. Die zum 
Kleben nötigen Mengen werden mit der Messerspitze herausgeholt und auf dieser, 
nicht auf dem Objektträger, erwärmt und über letzteren gestrichen. Mit der Finger¬ 
beere verteilt man die flüssige Gelatine, hierauf wird alle überflüssige Klebemasse 
durch Ueberstreichen mit dem Daumenballen abgestreift. Die Gelatine darf nur 
in äußerst dünner Schicht den Objektträger bedecken und trocknet sofort. 

Die Zelloidinschnitte werden aus 50 bis TOproz. oder beliebig stärkerem 
Alkohol aufgelegt und mit Leinewand, nioht mit Fließpapier, von Alkohol durch 
Tupfen befreit und so angedrückt, daß sie glatt und trocken ausgebreitet sind. 
Ohne Zeitverlust werden 2 bis 3 Tropfen lOproz. Formollösung (4 Aqu. dest. -f- 
1 Formalin) auf die Schnitte gebracht, die durch rasches Andrücken eines leeren 
Objektträgers und Beschwerung in ihrer Lage zu halten sind. Nach 10 bis 
20 Minuten werden die beiden Objektträger in ein Standgefäß mit lOproz. Formol¬ 
lösung gebracht, wo die Schnitte eine Stunde oder beliebig länger verweilen. Sie 
haften jetzt der Unterlage an und kann nun mit dem Färben begonnen werden. 


Erläuterung der Abbildungen auf Tafel IX—XI. 

Figur 1. Rotziger Furunkel, a = intakte Epidermis, b = Epidermis im 
Zusammenhang mit dem Papillarkörper und einem kleinen Teile der 
obersten Kutisschicht bis auf schmale Brücken durch eitrige Dissektion 
losgestoßen, c = Granulationsgevvebe aus der Demarkationszone, 
d = Granulationsgewebe unterhalb der Demarkationszone, e = zellig 
infiltriertes Kutisgewebe. f = Reste zerstörter kollagener Bindegewebs- 
züge. g = Talgdrüse, h = Schweißdrüse. 

Figur2. Narbe eines abgoheilten rotzigen Furunkels, a = Papillar¬ 
körper in der Randzone der kesselartig vertieften Narbe, die auf dem 
Schnitt makroskopisch noch zu sehen ist. b = intakte Epidermis am 
Rande der Narbe, in der Tiefe ist sie abgeflacht, c, c = Narbengewebe 
reich an Fibroblasten, deren Züge sich nach verschiedenen Richtungen 
kreuzen, d, d = Haarfollikel in nächster Nähe der Narbe, e = Kutis- 
gewebc mit Fibroblasten zwischen den kollagenen Faserzügen. Leuko¬ 
zyten sind nicht mehr zugegen. f = Schweißdrüse in unmittelbarer 
Nähe der Narbe, g = Arrector pili. h = Talgdrüse an Narbengewebe 
grenzend. 

Figur3. Zentrum eines entozoischen verkalkten Knötchens. Peripher 
sind Teile der verdickten Wand eines Blutgefäßes zu sehen, die kalkig 



414 OLT, 

inkrustiert waren. In dem zentralen dunklen Pfropf liegt ein geschlän¬ 
gelter Hundwurm. Durch Schrumpfung hat sich zwischen dem glatt- 
wandigen Kanal und dem Wurm ein schmaler Spalt gebildet. Oben 
rechts ist ein Körperende der Parasiten auf dem Querschnitt zu sehen. 
Retusche ist vermieden worden. 

Figur4. Subpleural gelegenes entozoisches Knötchen, das bis auf die 
bindegewebige Kapsel verkalkt war. In dem größeren dunklen Feld 
liegt eingeringelt ein Rundwurm, der an 5 Stellen durchschnitten ist. 
Die schwarzen Bezirke sind aus dem Lumen eines Blutgefäßes hervor¬ 
gegangen, dessen geschlängelte Fortsetzung links und rechts in der 
Serosa auf Querschnitten zu sehen ist. Die helle Begrenzung der 
schwarzen Felder entspricht der verdickten Gefäßwand, die nebst 
Pfropf verkalkt war. 

Figur5. Septum nasale einesPferdes mit tuberkulöser Schleimhaut. 

a = subepitheliale tuberkulöse Wucherungen, b = angenagter Ge¬ 
schwürsrand. c = strahlige tuberkulöse Narben, d = warzenähn¬ 
liches derbes tuberkulöses Granulationsgewebe, das mit graubraunen 
Borken bedeckt war. 


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unter besonderer Berücksichtigung der Bandwurm- und Trichinenkrankheit. 
Diss. Leipzig 1907. 

57. Billet, Eosinophilie dans la dysenterie amebienne. Comptes rendus de la 
societe de biologie. 1905. LXIII. p. 874. 

58. Derselbe, Eosinophilie dans un cas de filariose. 

59. Billet et Fayet, Revue veter. 1907. No. 10 u. 11. 



Ueber die durch Strongyliden bei Pferden verursachten Abweichungen etc. 417 


60. Billet, Filaria loa avec oedemes intermitt. hdmomicrofilaires et cosinophilie 
accentude. Compt. rend. de la societe de biologie. T. LX. No. 24. 1906. 

61. Wurtz und Clerc, Nouvelle Observation de Filaria loa ect. Arch. exper. 
mdd. anatom. pathol. 1. Sdr. T. XVII. 1906. 

62. Kantzky-Bey, Blutuntersuchungen bei der Bilharziakrankheit. Zeitschr. f. 
klin. Medizin. 1904. II. H. 3 u. 4. 

63. Devd, L’dosinophilie locale des cystes hydatiques. Compt. rend. de la societe 
de biol. 1905. II. p. 49. 

64. Folger, Ueber lokale Eosinophilie (Gewebseosinophilie) bei zooparasitären 
Leiden. Zeitschr. f. Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten etc. Bd. IV. 
H. 1 u. 2. 

65. Gordonier, Medical News. 1900. 

66. Coles, The blood in cases affected with filarious and bilharzia haematobia. 
British med. Journal. 1902. 10. May. 

67. Olt, Strongylus paradoxus in den Lungen des Schweines. Deutsche tierärztl. 
Wochenschr. 1898. No. 9. 

68. Gerspacb, Tuberkulose eines Pferdes mit rotzähnlichen Geschwüren der 
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69. Lothes, Zur Pathogenese und Diagnose der Rotzkrankheit. Berliner tier¬ 
ärztliche Wochenschr. 1909. No. 33. 

70. MasFadyean, The journal of comp. Pathology and Therapeutics. 1904. 
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71. Bonome, Pathogenesi e trasmissibilitä della morva chinsa. Padova 1905. 

72. Rudolphi, Carl Asmund, Entozoorum Synopis. 

73. Rivolta, 11 Medico veterinario. 1868. p. 300. 

74. Laulanie, Revue vdsdrinaire. 1884. p. 166. 

75. v. Ratz, Veterinarius. 1898. 

76. Constanine und Drouilly, Rec. de mdd. vet. 1878. 

77. Vecchi, Sulla morva della puntata del ceco. Torino 1896 (zit. nach Kitt). 

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79. Csokor, Zur Differentialdiagnose der Rotzknoten in den Lungen des Pferdes. 
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80. Ehrlich, P., Farbenanalytische Untersuchungen zur Histogenese und Klinik 
des Blutes. Berlin 1891. 

81. Unna, Histopathologie der Hautkrankheiten. Berlin 1904. S. 549. 

82. Popielski, Zur Physiologie des Plexus iliacus. Archiv f. Anatomie u. Phy¬ 
siologie. 1903. S. 338. 

83. Nocard, Bulletin de la Societd centrale de medicino vetcrin. 1890. p. 322. 

84. Schindelka, Hautkrankheiten. 1903. S. 309. 


Archiv f. wissßnseh. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 



XX. 


Institut <l'Anatomie pathologique ä l'Ecole nationale veterinaire d’Alfort. 

Pseudo-tuberculose vermineuse du rein, chez le cheval. 

l’ar 

Prof. M. Gabriel Petit. 

(Avec 4 ligures n tables XII et XIII.) 

J’ai eu l’occasion d’etudier, avec mes eollaboratcurs MM. H. Henry 
et R. Germain, chef de travaux ä l’Ecole d’Alfort, un rein de cheval 
offrant de tres curieuses lesions de pseudo-tuberculose, que nous 
n’avions jusqu’a, present jamais observees. II provenait d’un cheval 
de quatorze ans, mort d’ureraie. L’autre rein, que nous n’avons pas 
vu, car la piccc nous fut Offerte, devait presenter des lesions idcntiques, 
quoique moins accusees sans doute, puisqu’elles n’ont pas attire 
l’attention au moment de l’autopsie. 

A l’ocil nu, ces lesions, parfaitcracnt evidentes pour l’organc qui 
nous occupc, consistent en son hypertrophie et en Texistence de 
marbrures blanchätres ressemblant a des foycrs de nccrosc 
ct presque exclusiveraent reparties dans la zone corticale, sous la 
capsule raodcrement adherente et peu epaissie. Elle affectcnt une dis- 
position nodulaire assez particuliere (fig. 1), qui nc s’obscrvc pas dans 
lcs nephrites banales et frequentes. 

En les examinant ä la loupe (fig. 2), on constatc qu’elles sont 
systematiquement orientees, ce qui permet de soupeonner qu’elles ont 
pour point de depart les arterioles dichotomiqucment ramifi6es de la 
eorticalite. 

L’examen histologique demontre qu’il s’agit d’une agglomeration 
de tu bereu les, semblables ä celui de la fig. 3. Ils sont fort richcs 
en cellules geantes, et, a moins d’ctre coupes tangentiellement, offrent 
tous en leur centre une arteriole a lumiere generalement comblee 
par l’endarteritc obliterantc. Les arterioles du rein constituent donc 



Pseudo-tuberculose vermineuse du rein, chez le cheval. 


419 


le point de depart de ces formations nodulaires, ce qui permet de 
supposer, d’affirmer raeme que l’agent provocateur a ete apporte par 
le sang. 

En examinant ä un fort grossissement la zone centrale, degenercc, 
des pseudo-tubercules, on d^couvre, en pleines parois arterielles, de 
petits tron^ons difficilement colorables et assez enigmatiques, qui 
correspondent a la coupe de Vers. Du raoment que ces vers, qui ne 
sont que des larves, sont loges dans l’endartere et la mesartere, il a 
fallu qu’apportes par le sang, ils perforent, de dedans en d6hors, ces 
deux tuniques, fait extremement interessant et qui n’avait pas ete 
dccrit, du moins ä notre connaissance. L’irritation intense provoquee 
par leur präsence s’est traduite par la forraation des pseudo-tubercules. 

II est tres difficile de determiner exactement la nature de ces 
parasites. S’agit-il d’embryons de Strongles, de Sclerostomes, de 
Filaires? 

Nous avons reussi a les isoler, par dissociation, en raclant 
legerement, avec un scalpel, la surfacc de nos fragracnts conserves 
dans le forraol. Colores en brun par l’iode et examines dans l’eau, 
ils se montrcnt cornrae autant des petitcs larves fusifoinaes de Nema¬ 
todes, mesurant 280/* de long ou 15 /* de large des leur plus grande 
cpaisseur. Le corps est tronquc en avant par l’orifice buccal; en 
arriere, il s’effile en une pointe fine souvent retroussee. La cuticule 
est striee en travers. La bouche est formee de trois petites levres 
nodulaires; le long vestibule pharyngien est regulierement cylindrique, 
l’oesophage a deux bulbes accuses, reunis par un long col intercalaire. 
Le bulbe oesophagien posterieur est muni int6rieurement d’un appareil 
en Y bien visible. L’ensemble du vestibule pharyngien et de l’oeso- 
phage mesure 90 ft, c’est ä dire le Vs environ de la lonqueur du Ver. 

L’intestin, Charge de granulations, occupe a peu pres le reste du 
corps; il se prolonge par un court rectum chitineux qui s’ouvrc 
l’anus, situe ä environ 40 /* de la pointe caudale. 

Sur la ligne mediane ventrale, un peu en arriere du milieu du 
corps, nous avons observe un orifice transversal borde de deux levres 
legerement saillantes, et qui ne peut etre qu’une vulve. A son niveau, 
se trouvait une esquisse genitale femelle, assez developpee pour qu’on 
puisse parfois y reconnaitre une anse anterieure et une anse posterieurc. 
Dans une preparation, nous avons mcme observe, au voisinage de la 
vulve, un corps ovoide, long de 15 /*, que nous considerons comme 
un oeuf en voie de formation. 


27 * 



420 


PETIT, 


La presence d’un Organe genital chez des larvcs si jeunes est un 
fait biologique d’un extröme interdt, qu’aucun observateur, pensons- 
nous, n’avait jusqu’ä present Signale! C’est l’indice d’uue multi- 
plication rapide des larves pour elles-memes, qui nous donne 
peut etre l’explication du groupement en grand nombre de ces larves 
les unes contre les autres, dans l’int^rieur des tubercules? 

Les Sclörostoroes sont si frcquemment erratiques chez le Cheval 
que la premiere id6e qui vient a l’esprit est que nos larves pourraient 
bien se rapporter ä ces parasites. 

Cependant, il ne nous parait pas probable qu’il s’agissc de 
Sclerostomes, ni de tout autre Strongilidac. En effet, le premier 
bulbe oesophagien de nos parasites est bien devcloppc et tres nette- 
ment liroite cn arriere, tandis que les embryons de Strongylides ont 
leur bulbe plus attcnue et se prolongeant progressivem ent avec le col 
intercalaire. 

L’oesophage de nos larves est identique a celui des larves de 
Rhabditis vrais; est c’est plutöt de ce cote qui nous serions tentes 
de faire pencher nos conclusions sur l’identite du parasite. 

II faut espfrer que de nouveaux travaux mettront au point ccttc 
interessante question, ä la connaissauce de laquelle la presente note 
n’apporte qu’unc premiere contribution. 


Fignres ä table XII et XIII. 

Fig. 1. Caracteres macroscopiques. Les lesions blanohätres, nodulaires, 
confluentes, siegent dans la zone corticale, du rein, qu’elles detruisent 
profonddment. 

Fig. 2. Vue ä la loupe des pseudo-tubercules vermineux (Pr6paration 
microscopique ooloree et dessinöe par transparence). On voit ici, en 
outre de la localisation des lesions dans la couche corticale, leur 
systematisation par rapport aux art^rioles renales dichotomiques, qui 
en representent le point de depart. Entre les pseudo-tubercules, des 
bandes etroites de scl£rose. Dans la zone medullaire, quelques rares 
nodules. Sur la limite des deux zones corticale et medullaire, la section 
d’arterioles assez importantes, montrant leur lumiere beante. Enfio, tout 
ä fait en bas, la section de vaisseaux plus gros, appartenant ä la sub- 
stance medullaire, dans un point voisin du hile. La capsule fibreuse du 
rein n’est pas sensiblement epaissie ii la surface des lesions qui la 
refoulent legerement. 



Pseudo-tuberculose vermineuse du rein, chez le cheval. 421 

Fig. 3. Details de structure d’un pseudo-tubercule vermineux a un 
grossissement de 165 diametres. Au centre, lumiere oblit^e 
d’une artöriole. Autour de cette lumiere, une zone claire, d£g4n<5ree, 
resultant de l’action nßcrosante directe des parasites. On voit, a la 
limite de cette zone, les tron^ons de ces derniers. Autour de cette zone 
parasitaire et d£g6ncrative, une zone franchement r^actionelle, caracterisäe 
par une multitude de petites cellules, ainsi que par un grand nombre de 
cellules geantes inilammatoires. Dans certains points du pseudo-tuber¬ 
cule peuvent se decouvrir des fibres musculaires lisses, appartenant a la 
tunique moyenne de l’arteriole. Enfin, une Organisation fibreuse p6ri- 
pherique termino l’architecture du tubercule sans aller toutefois, au 
moins ä ce stade, jusqu’a la Constitution d’une coque resistante, comme 
dans la plupart des pseudo-tubercules parasitaires du cheval. 

Fig. 4. Une larve isol£e par dissociation et dessin^e ä un grossisse¬ 
ment de 300 diametres (longeur reelle 280/i, largeur 15 /j). En haut, 
l’extrtfmitö anttfrieuro, avec l’orifice buccal; en bas,l’extr6mite posterieure, 
effilfo. Le tube digestif so devine. L’anus se voit ä peu de distance de 
Pextremite caudale. On observe meine, a gauche et au y 3 införieur, une 
vulve avec, ä son voisinage, un oeuf, semble-t-il, en voie de formation. 



XXI. 

Aus dem pathologischen Institut der Kgl. Tierftrztl. Hochschule zu Berlin. 

Die Ausführung der Komplementablenkungsreaktion bei 

Brustseuche. 

Von 

Dr. Willy Pfeiler, 

wissenschaftlichem Hilfsarbeiter am Institut. 

Im 1. Heft des 6. Bandes der Zeitschrift für Infektionskrank¬ 
heiten der Haustiere haben Hempcl und ich (1) über Kompleraent- 
ablenkungsversuche mit dem Diplococcus pleuropneumoniae 
Schütz und der Pasteurelia equina Lignieres berichtet. Bei der von 
uns gewählten Versuchsanordnung (fallende Mengen Serum, konstante 
Mengen der Antigene und des Komplements — konstante Mengen 
der Antigene und der Sera und fallende Mengen des Komplements — 
konstante Menge der Antigene, fallende Menge der Sera und des 
Komplements) war es nicht gelungen zu ermitteln, ob die Schützschen 
Streptokokken oder die Pasteurelia equina Beziehungen zur Brust- 
seuche der Pferde hätten oder nicht. 

Diese Versuche sind von mir später fortgesetzt worden, indem 
ich die von Schütz und Schubert (2) für die Ermittelung der Rotz¬ 
krankheit ausgearbeitete Modifikation des Koraplementablenkungsver- 
fahrens zur Anwendung brachte (B). Das Wesen dieser Modifikation 
besteht darin, daß Schütz und Schubert nach dem Vorgänge von 
Ehrlich, Sachs und Neißer (4), Bauer (5) und anderen zunächst 
die kleinste Menge Komplement, die eine vollständige Lösung der 
roten Blutkörperchen bei doppelter hämolytischer Ambozeptordosis 
herbeiführt, durch einen Vorversuch ermitteln und die so gefundene 
Komplementmenge dann auch tatsächlich für die Ausführung des 
Komplementablenkungsversuches benutzen. Bekanntlich haben Sachs 
und Neißer, sowie Bauer und die übrigen Autoren diese letzte 
Konsequenz aus ihren Feststellungen nicht gezogen und nach Er- 



Die Ausführung der Komplementablenkungsreaktion bei Brustseuche. 423 

mittelung der minimalen komplettlösenden Dosis das anderthalb- bis 
zweifache Multiplum für die Ausführung des eigentlichen Komplement¬ 
ablenkungsversuches benutzt. 

Aber auch bei Verwendung dieser Modifikation war es mir nicht 
gelungen, positive Versuchsergebnisse mit dem Serum brustseuche¬ 
kranker Tiere zu erzielen. Es gelang mir jedoch zu zeigen, daß bei 
Benützung des Serums von mit Pasteurelia equina immunisierten 
Pferden und Pasteurella-Antigen regelmäßig Ablenkung des Kom¬ 
plements eintrat. So lenkte beispielsweise die am 10. Tage nach der 
Infektion entnommene Serumprobe eines Pferdes (0,1 ccm) voll¬ 
ständig ab. Ich habe diese Feststellung benützt, um darzutun, daß 
die Pasteurella equina nicht, wie Lignieres (6) und andere 
Forscher behauptet haben, der Erreger der Brustseuche ist. Denn 
wäre sie das ursächliche Agens der Brustseuche, so müßten bei dem 
hohen Fieber, mit dem die Brustseuche einzusetzen pflegt, Antikörper 
gegen dieses Bakterium, insbesondere komplementablenkende Sub¬ 
stanzen, auftreten. Da nun an den zahlreichen von mir untersuchten 
Seris brustseuchekranker Pferde niemals das Phänomen der Kom¬ 
plementablenkung zu beobachten war, so habe ich mit Rücksicht auf 
den positiven Ausfall des Versuches bei künstlich infizierten Pferden 
diese Tatsache als den indirekten Beweis dafür angesehen, daß die 
Pasteurella equina für die Entstehung der Brustseuche ohne Be¬ 
lang ist. 

Da meine Versuche auch bei Anwendung der Schütz- 
Schubertschen Modifikation des Komplementablenkungsverfahrens 
für die Brustseuchestreptokokken negativ ausgefallen waren, so konnte 
als letzter Grund für das Versagen der Reaktion nur noch die un¬ 
zweckmäßige Beschaffenheit der Antigene in Frage kommen. Meine 
ersten Extrakte waren nach den Angaben von Wassermann und 
seinen Schülern durch einfaches Extrahieren mit physiologischer 
Kochsalzlösung hergcstellt worden. Bei den späteren Versuchen 
benutzte ich alkoholische, Glyzerin-, Chloroform- und bei 60 0 dige¬ 
rierte Streptokokken-Schüttelextrakte, strcptokokkentoxinhaltige Bouil¬ 
lon und Vollbakterien. Im allgemeinen aber erwiesen sich diese 
Antigene nicht wirksamer als die Kochsalzschüttelextrakte. Insbe¬ 
sondere zeigte sich hierbei, daß es nicht genügt, wenn ein Antigen 
an sich hemmt und eine der hemmenden Dosis naheliegende, allein 
nicht mehr hemmende Antigenkonzentration für den Ablenkungsver¬ 
such verwandt wird. Wichtig für die Herstellung eines ge- 



424 PFEILER, 

eigneten Antigens ist, daß in ihm der Anteil enthalten ist, 
der im Tierkörper die Bildung der komplementablenkenden 
Substanzen hervorruft. 

Es ist mir nun nach zahlreichen Versuchen gelungen, ein solches 
Antigen zu gewinnen, dessen Herstcllungswcise ich hiermit bekannt 
gebe. Gut bewachsene Bouillon- oder Serumbouillonkulturen werden 
durch Zentrifugieren geklärt und die überstehende Nährflüssigkeit ab¬ 
gehebert. Der Rest der Nährflüssigkeit wird durch Fließpapier abge¬ 
saugt und der Bodensatz mit soviel destilliertem Wasser übergossen, 
daß die noch zwischen den Bakterienleibern befindliche Nährbouillon 
für den Salzgehalt der Aufschwemmungsflüssigkeit nicht mehr in 
Frage kommt. Nach dem Gesetz vom osmotischen Druck geben die 
Bakterien bei dieser Art der Behandlung einen Teil der in ihrem 
Leibe befindlichen Salze an das sie umgebende salzfreie destillierte 
Wasser ab, bezw. sie selbst nehmen Wasser auf, sic quellen. Bei 
diesem Vorgänge, der als Plasmolyse bezeichnet worden ist, wird die 
Leibessubstanz der Bakterien so stark geschädigt, daß sie gewöhn¬ 
lich nicht mehr lebensfähig sind. Nachdem die Bakterien so 
„plasroolysiert“ worden sind, werden sie 3 Tage, in destilliertem 
Wasser aufgeschwemmt, bei 37 0 C. im Brutschrank „digeriert“ und 
dann noch einen Tag bei 60 0 C. gehalten. Hierauf werden die Bak¬ 
terien abzentrifugiert. 

Das auf diese Weise gewonnene Schüttelextrakt zeichnet sich 
vor den nach dem gewöhnlichen Modus hcrgestelltcn dadurch aus, 
daß es selbst nach stundenlangem Zentrifugieren nicht klar wird. 
Mithin muß in ihm eine große Anzahl wasserlöslicher Substanzen des 
Bakterienkörpers enthalten sein, die bei der gewöhnlichen Extraktions¬ 
weise mit physiologischer Kochsalzlösung, Alkohol, Glyzerin, Chloro¬ 
form usw. nicht in Lösung gehen. 

Es ist vorteilhaft, wenn die Extrakte, che sie austitriert und ver¬ 
wandt werden, längere Zeit (bis zu 10 Tagen) auf Eis stehen. Ihre 
ablenkende Kraft ist dann eine viel ausgesprochenere und gleich¬ 
mäßigere, eine Erscheinung die wir auch von anderen Extrakten, z. B. 
denen der Rotzbazillen, kennen. Während bei einem Rotzablenkungs¬ 
versuch die Prüfungsröhrchen unbeschadet des Ausfalles der Reaktion 
die Nacht über im Brutschrank verweilen können, empfiehlt es sich, 
bei den Komplementablenkungsversuchen mit Streptokokkenantigen, 
die Versuchsreihen 2 Stunden, nachdem der hämolytische Ambozeptor 
zugesetzt ist, aus dem Brutschrank zu entfernen und das Absetzen 




Die Ausführung der Komplementableriküt'gsi^Akiion lis* ßnistseuebe, 42f» 

der roten Blutkörperchen sieh im Eissöhrank vollseichen ?.p ,lassen. 
Dies ist deshalbangezeigt, weil an einzelnen Seris brüstsimehekrruiker 
l’leuie bei Jüngeren« Verweilen i,m Brutschrank noch nachträglich flü- 
molvsc tißireien kann, An Be idem sei bfmieikt, dal* die Versnobe 
unter Verwendung der intitiroulen ktuopleülöseriden IvoitiplemenÜuengo 
ausgcfiihrt worden sind. 

Die Titration der Extrakte nehme ich neuerdings so vor, drei ich 
gieicho Meegen e0. v > ccm. eures lrumunsenmis iPferd -Nr. • 11h mit je 
lecm der. Ext.rakf.Verdünnungen von 1 : L, 12. usw. zur Bindung 
bringe. Zur Kontrolle wird die gleiche und die doppelte Scrom- 
triertge allein iind die einzelnen ExtraklytTdiiiuiiiitgen ohne Serum- 
ssdsätz auf ihre h'ommertden Eigenschaften geprüft. Hierbei zeigt, sich, 
d»M die Extrakte allein in ktmzentriencr Form tmd auch in Ver¬ 
dünnungen von 1:1, 1:2' ond 1 : 2. gewöhnlich noch hemmen Hei 


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426 


PFEILER, 

einer Verdünnung der Extrakte von 1:4 an war dies jedoch nicht 
mehr der Fall. Eine Ablenkung des Komplements war bei 
gleichzeitiger Verwendung des Immunserums des Pferdes 
Nr. 19 bei einigen Extrakten noch bei einer Antigenver¬ 
dünnung von 1:20 festzustellen. Es empfiehlt sich jedoch, die 
Extrakte möglichst in konzentrierterer Form anzuwenden und zwar 
in der Konzentration, die der an sich, d. h. ohne Serumzusatz, ge¬ 
rade nicht mehr hemmenden Dosis entspricht oder ihr nahe liegt: 
das heißt Verdünnungen des Extraktes von 1:3 —1:6. Lieber den 
Ausfall eines solchen Extrakttitrationsversuches gibt vorstehende Ta¬ 
belle (1) Aufschluß. 

Aus der Prüfung des Extraktes ergibt sich, daß es in kon¬ 
zentrierter Form und in einer Verdünnung von 1 : 2 nicht brauchbar 
ist für die Ausführung von Komplementablenkungsversuchen. Bei 
einer Verdünnung des Extraktes von 1 :3 tritt Lösung ein, bei Zusatz 
von 0,2 ccm des Iramunserums von Pferd No. 19 vollständige 
Hemmung. Da das Serum dieses Pferdes allein bei 0,2 ccm Lösung, 
bei 0,4 ccm fast vollständige Lösung zeigt, ist die ermittelte Extrakt¬ 
dosis von 1 : 3, ebenso wie die ihr naheliegenden bis 1:6 für die 
Ausführung der Komplementablenkung geeignet. 

Um die Spezifität der ermittelten Reaktion zu prüfen, werden 
nun das Serum des Immunpferdes No. 19 in fallenden Mengen und 
gleichzeitig die Sera zweier Pferde, die unter Rotzansteckungsverdacht 
standen und zur Zeit der Blutentnahme fieberfrei gewesen waren, zur 
Kontrolle untersucht (s. Tab. 2). 

Durch den Ausfall dieses Versuches ist die Spezifität der Reaktion 
erwiesen. Bei 0,01 ccm Serum des Immunpferdes No. 19 ist die 
Hemmung eine schwache, bei 0,02 ccm wird sie mittelstark, um bei 
0,05 fast vollständig und bei 0,1 ccm vollständig zu sein. Bei 0,2 ccm 
Serum ohne Extraktzusatz ist Lösung eingetreten, bei 0,4 ccm Serum 
allein nur ganz schwache Hemmung, die auf die große Quantität des 
Serums zurückzuführen ist und füglich vernachlässigt werden kann. 
Da bei Verwendung der gleichen Seruramengen zweier rotzansteckungs¬ 
verdächtiger, nicht fiebernder Pferde immer Lösung zu verzeichnen 
ist und die angewandten Extraktmengen an sich nicht hemmend 
wirken, ist die Möglichkeit der Ausführung eines Kom¬ 
plementablenkungsversuches mit Streptokokkenantigen und 
Streptokokkenimmunserum dargetan. 

Es galt nun nachzuweisen, ob die bei Verwendung eines 



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Immiiiiji'riims aul’gctr'cr.ssttp Reaktion' sich aiu-b an dp» 'Seren 
von an Brustsewehr erkrankten Herden zeigen wurde Zn 
dem Zweck sind die Sera einer größere»! Zahl von Pf erden, die in 
die Berliner medizinWSjie Klnuk nv|f der Diagnose. Buen^e he emz 
gestellt war-on, mUersnehr Wörde« Die Tiere befanden sieh zur Zeit 
der- Biutent'nkbm-e aiei^tvauf der tiöliV d«« Krankheit oder . inZder 
llekonval'/iiaerrÄ Zur Kontrojle würden die Sera von einigen an 
anderen fieberhaften Krankheiten leidenden Pferden | Petechialfieber, 
Druse und (ntluenia.i' sowie eine große Anzahl von Pferden de-- m 
Steif« i. PotYun, stehende« Husarcnregiroents No» ö, sowie von >enh-. 
Zierden ein« Berliner Bestandes ( Mispel), deren Sera um Zweck der 
Blutöfdersuchjmg für die Diagnose der Roizkränkheit 
waren; mVtg/jprtHt. Die HusarenpiWde waren 'ebenso wie die Sechs 

Pferde de«'.Berliner Bestandes zur Zeit der Blutentnahme ifeberfm. 

. ' ■ • 

aiso voräussfehtlich nicht an Prustseuche erkrankt. Außerdni- ist 


«,y\^ Ny?' 








428 PFEILER, 

noch das Untersuchungsergebnis des Serums mehrerer gegen die 
Streptokokken der Druse immunisierter Fohlen, eines gegen die 
Pasteurelia equina immunisierten Pferdes, einer Höchster Antistrepto- 
kokkenseruraprobe und des Römersehen Pneuraokokkenserums mit¬ 
geteilt. In der nebenstehenden Tabelle ist nur der Ablenkungswert bei 
0,1 und 0,2 ccm Serum vermerkt worden. Diejenigen Sera, welche noch 
bei Verwendung von weniger als 0,1 ccm ablenkend wirkten, sind 
weiterhin austitriert worden. Das Ergebnis dieser Titration ist in der 
Tabelle 4 verzeichnet. Bemerkt sei noch, daß die Tabellen nur eine 
summarische Wiedergabe vieler und annähernd gleichmäßig aus¬ 
gefallener Versuche darstellen. Eine Reproduktion sämtlicher Vcr- 
suchsprotokolle mußte der Raumersparnis wegen unterbleiben. 

Das Studium dieser Tabellen zeigt, daß bei Verwendung 
von 0,2 ccm Serum brustseuchekranker Pferde eine Ab¬ 
lenkung des Komplements in Form mittelstarker bis voll¬ 
ständiger Hemmung eintritt. Wenn die Hemmung nicht bei allen 
Pferden eine vollständige ist, so dürfte als Erklärung hierfür sich der 
Umstand heranziehen lassen, daß die Blutentnahmen nicht immer am 
Ende der Erkrankung erfolgen konnten. Die Antikörperbildung ist 
bei diesen Pferden zur Zeit der Blutentnahme noch nicht vollendet 
gewesen. War den Patienten das Blut längere Zeit nach der Ent¬ 
fieberung entnommen worden, so zeigte das Serum auch vollständig 
ablenkende Eigenschaften (vergl. die Sera Gleinitz, Hintze, 

X-Brustscuche überstanden). Das Serum der beiden Petechialfieber¬ 
pferde und von vier natürlich an Druse erkrankten Pferden sowie 
eines gegen Drusestreptokokken immunisierten Fohlens lenkte nicht 
ab. Anders verhielt sich das Blut der gegen die Drusestreptokokken 
immunisierten Fohlen 2, 3 und 5. Bei Fohlen 2 war eine schwache 
Hemmung bei 0,2 ccm zu verzeichnen, die vielleicht unberücksichtigt 
bleiben darf. Das Serum des Fohlens 5 aber ergab die gleicho 
Reaktion wie das eines Brustseuchepferdes. Diese an sich auffallende 
Erscheinung ist im Sinne einer Verwandtschaftsreaktion erklärlich 

(das Fohlen war monatelang mit Drusestreptokokken behandelt worden!). 
Die Hemmung bei Serum von Fohlen 3 ist eine sogenannte nicht 

spezifische. Sic tritt auch ohne Zusatz von Extrakt auf. Ich habe 

auf diese Erscheinung schon an anderer Stelle aufmerksam gemacht 
und sie mit dem großen Gehalt der Antisera und der Sera einzelner 
hochfieberhaft erkrankter Pferde an Immunkörpern erklärt. Ihre 
Menge bewirkt bei Verwendung der kleinsten lösenden Dosis von 



Die Ausführung der Komplomentablenkungsreaktion bei Brustseuche. 429 


Tabelle 3. 


Serum- 

o 

bO 

□ 

© 

Extrakt 

Komplement 

Hämolytisch. 

Ambozeptor 

Rote Blut¬ 
körperchen 

Prüfungsröhrchen 

Kontrollen: 

Serum ohne Extrakt 

des Immunpferdes 

0,1 

1 :5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Vollständ. Hemmung 

_ 

Nr. 19 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

Lösung 

des Brustseuche- 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

— 

pferdes Johne 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Starke Hemmung 

do. 

des Brustseuche- 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

— 

pferdes Stocken 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Fast vollst. Hemmung 

do. 

des Brustseuche- 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

— 

pferdes Reins 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Fast vollst. Hemmung 

do. 

des Brustseuche- 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Sehr starke Hemmung 

— 

pferdes Andersen 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Fast vollst. Hemmung 

do. 

des Brustseuche- 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Schwache Hemmung 

— 

pferdes Ziedrich 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

do. 

des Brustseuche- 

0,1 

1 : 5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Starke Hemmung 

—' 

pferdes Schultze 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Sehr starke Hemmung 

do. 

des Brustseuche- 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Vollständ. Hemmung 

— 

pferdes Gleinitz 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

des Brustseuche¬ 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Starke Hemmung 

— 

pferdes Klette 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Sehr starke Hemmung 

do. 

des Brustseuche¬ 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Schwache Hemmung 

— 

pferdes Kramsta 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

do. 

des Brustseucbe- 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Lösung 

— 

pferdes Steinbrück 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

du. 

des Brustseuche¬ 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Sehr starke Hemmung 

— 

pferdes Landsberg 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Vollständ. Hemmung 

do. 

des Brustseuche¬ 

0,1 

1:5 

0,03 

0.0025 

0,05 

do. 

— 

pferdes Hintze 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

d. Brustseuchepferdes 

0,1 

1 :5 

0,03 

0,0025 

0,05 

du. 

— 

X. Brustseuche über¬ 
standen 

0,2 

1 : 5 

0,08 

0,0025 

0,05 

do. 

du. 

des Petechialfieber¬ 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Lösung 

— 

pferdes Behren 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. Rotzverdacht 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 


0,2 

1 : 5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

des Drusepferdes 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0.05 

do. 

— 

Cyliax 

0,2 

1 : 5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

des Drusepferdes 

0.1 

1:5 

0.03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 

Rubinger 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

des Drusepferdes 

0,1 

1:5 

0,03 

[ 0,0025 

0,05 

do. 

— 

Gutzeit 

0,2 

1:5 

0,03 

! 0,0025 | 0,05 

do. 

do. 







430 


PFEILER, 


Serum- 

CU 

hO 

a 

a> 

S 

Extrakt 

Komplement 

Hämolytisch. 

Ambozeptor 

Rote Blut¬ 
körperchen 

Prüfungsröhrchen 

Kontrollen: 

Serum ohne Extrakt 

des Drusepferdes 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Lösung 


Schmidt 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

Lösung 

Druseimmunticr 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 

Fohlen 2 

0,2 

1 : 5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Schwache HemmuDg 

do. 

Druseimrauntier 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Fast vollst. Hemmung 

— 

Fohlen 3 

0,2 

, 1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

Fast vollst. Hemmung 

Dniseimmuntier 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Lösung 

— 

Fohlen 4 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

Lösung 

Druseimmunticr 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Starke Hemmung 

— 

Fohlen 5 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Fast vollst. Hemmung 

do. 

des Iofluenzapferdes 

0,1 | 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Schwache Hemmung 

— 

Hans 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

do. 

des Influenzapferdes 

0,1 j 

1 • 

0,03 

0.0025 

0,05 

Schwache Hemmung 

— 

pfiffig 

0,2 1 

1:5 

0,03 

0,0025 0,05 

Mittelst. Hemmung 

do. 

des Influenzapferdes 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 1 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

— 

Weber 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 j 

0,05 

Starke Hemmung 

do. 

des Influenzapferdes 

0,1 1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Fast vollst. Hemmung 

— 

Schimmel 

0,2 

1 : 5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Vollständ. Hemmung 

Vollständ. Hemmung 

des Pasteurelia- 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Fast vollst. Hemmung 

— 

Immunpferdes Nr. 25 

0.2 

! 1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Vollständ. Hemmung 

Lösung 

Höchster Antistrepto¬ 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Schwache Hemmung 

— 

kokkenserum 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

do. 

Rümorsches Pneumo¬ 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Vollständ. Hemmung 

— 

kokkenserum 

0,2 

1 :5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

d. Pferdes Hus.-Rgt. V 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Lösung 

— 

Nr. 2 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. Nr. 3 

0,1 

1 :5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 


0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. Nr. 4 

0,1 

1 : 5 j 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 


0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. Nr. 5 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 


0,2 

1 :5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. Nr. 6 

0,1 

1 :5 ! 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

_ 


0,2 

1:5 

0,03 

0.0025 

0,05 

do. 

do. 

du. Nr. 7 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 


0,2 

1 : 5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. Nr. 9 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 


0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. Nr. 13 

0.1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 


0.2 

' i 

1:5 

i 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 








Die Ausführung der KomplementablenkungsreakÜon bei Brustseuclic. 431 


Serum- 

Menge ' 

Extrakt 

Komplement J 

Hämolytisch. ! 
Ambozeptor ! 

Rote Blut¬ 
körperchen 

Prüfungsröhrcl.en 

Kontrollen: 

Serum ohne Extrakt 

d. Pferdes Hus.-Rgt. V 

0,1 

! 1.5 

i 

0,03 

0,0025 : 0,05 

Lösung 



Nr. 14 

0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

Lösung 

do. 

Nr. 15 

0,1 

1 : 5 

0,03 

1 0,0025 

0,05 

do. 

— 



0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. 

Nr. 16 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Vollständ. Hemmung 

— 



0,2 

1:51 0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. 

Nr. 17 

0,1 

1:5 

0,03 

| 0,0025 

0,05 

Schwache Hemmung 

— 



0,2 

1:5 

0,03 i 0,0025 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

do. 

do. 

Nr. 18 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

Lösung 

. - 



0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

du. 

Nr. 19 

0,1 

1:5 

0,03 ; 0.0025 

0,05 

do. 

.— 



0,2 

1 : 5 l 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. 

Nr. 20 

0,1 

1:5 

0,03 

10,0025 

! 0,05 

do. 




0,2 

1 1 : 5 i 0,03 

0.0025 

0,05 

du. 

do. 

d. Pferdes 

► Mispel Nr. 4 

0,1 

1 : 5 

0,03 

1 0,0025 

0,05 

do. 

— 



0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. 

Nr. 5 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

-— 



0,2 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. 

Nr. 6 

0,1 

1 :5 i 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

— 



0,2 

1:5; 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. 

Nr. 7 

0,1 

1.5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

___ 



0,2 

1:5 

0,03 | 0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. 

Nr. 8 

0,1 

1:51 

0,03 

; 0,0025 

0,05 

do. 

--- 



0,2 j 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

do. 

do. 

Nr. 10 

0,1 

1:5 

0,03 

0,0025 

0,05 

do. 

- - 



0,2 

1:5 

0,03 

0,0025,0,0 5 

do. 

do. 



- , 

1:5 

0,03 

0,0025 

! 0,05 

— 

do. 



j 

1 : 2,0 

0,03 

0,0025 

0,05 

— 

do. 



— 

j 

0,03 

0,0025 

0,05 

— 

do. 



— 


0,03 

— 

0,05 

— 

Volls'änd. Hemmung 



-- 

— 

— 

0,0025 

0,05 

■— 

do. 



— 

— 

— 

— 

0,05 

— 

do. 


Komplement auch ohne Gegenwart von Antigen die vollständige 
Absorption des Komplements, so daß eine Hämolyse nachträglich 
nicht cintrcten kann (3, S. 126). Ebenso ist als nicht spezifische 
Reaktion die Hemmung am Serum des Influenzapferdes Schimmel 
aufzufassen. Die Sera der übrigen drei Influenzapferde lenken gleich¬ 
falls ab, das des Pferdes Weber sogar ziemlich stark. Dieses Tier 
war gleichzeitig an Lungenentzündung erkrankt. Sehr auffällig er- 








432 


PFEILER, 


scheint zunächst der Befund am Serum des Pastcurella-Immunpferdcs 
No. 25. Dieses Tier ist lange Zeit mit Reinkulturen der Pasteurella 
cquina behandelt worden, es hat aber außerdem zu verschiedenen 
Zeiten Injektionen von Serum brustseuchekranker Pferde erhalten. 
Dazu kommt, daß das Tier im Januar des Jahres 1909 für einen 
Infektionsversuch mit den Streptokokken der Brustseuche gedient 
hatte, nachdem es im November 1908 an Druse erkrankt war. Es 
hat während des Jahres 1909 unausgesetzt neben dem Brustseuche- 
streptokokken-Immunpferd No. 19 gestanden und so fortwährend 
Gelegenheit zur Aufnahme dieser Bakterien gehabt. Auf diese Weise 
wird das Vorhandensein der komplementablenkenden Substanzen bei 
diesem Pferde erklärlich. Die Reaktion am Höchster Antistrepto¬ 
kokkenserum ist gleichfalls im Sinne einer Verwandtschaftsreaktion 
zu deuten, ebenso die am Römerschen Antipneumokokkenserum. Auf¬ 
fällig ist, daß dieses um soviel stärker ablenkend wirkte als das 
Höchster Antistreptokokkenserum (siehe Tabelle 4). Die zur Kontrolle 


Tabelle 4. 


Serum- 

Menge 

i 

Extrakt 

Komplement j 

Hämolytisch. 

Ambozeptor 

Rote Blut¬ 
körperchen 

Prüfungsröhrchen 

Kontrollen: 

Serum ohne Extrakt 

des Brustseuche- 

0,01 

1:5 

0,03 

0.002 

0,05 

Schwache Hemmung 

Lösung 

pferdes Gleinitz 

0,02 

1:5 

0,03 

0,002 

0,05 

Starke Hemmung 

do. 


0,05 

1:5 

0,03 

0.002 

0,05 

Fast vollst. Hemmung 

do. 


0,1 

1:5 

0,03 

0,002 

0,05 

Vollständ. Hemmupg 

do. 

des Brustscuche- 

0,01 

1 : 5 

0,03 

0,002 

0,05 

Schwache Hemmung 

do. 

pferdes Hintze 

0,02 

1:5 

0,03 

0,002 

0,05 

do. 

do. 


0,05 

1:5 

0,03 

0,002 

0.05 

Starke Hemmung 

do. 


0,1 

1 : 5 

0,03 

0,002 

0,05 

Vollständ. Hemmung 

do. 

des Pasteurella- 

0,01 

1:5 

0,03 

0,002 

0,05 

Lösung 

do. 

Immunpferdes Nr. 25 

0,02 

1 : 5 

0.03 

0,002 

0,05 

Schwache Hemmung 

do. 


0,05 

1:5 

0.03 

0,002 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

do. 


0,1 

1 : 5 

0,03 

0,002 

0,05 

Fast vollst. Hemmung 

do. 

Römcrselies Anti- 

0,01 

1:5 

0,03 

0,002 

0,05 

Schwache Hemmung 

do. 

pneumokokkenscrum 

0,02 

1:5 

0,03 

0,002 

0,05 

Mittelst. Hemmung 

do. 


0,05 

1:5 

0,03 

0,002 

0,05 

Fast vollst. HemmuDg 

do. 


0,1 

1:5 

j 0,03 

0,002 

0,05 

Vollständ. Hemmung 

do. 


— 

1:5 

0.03 

0,002 

0,05 

— j 

do. 


— 

1:2,5 

0,03 

0,002 

0,05 

! 

do. 


— 

1 - 

0,03 

0,002 

0,05 

— 

do. 


— 

1 

0,03 

— 

0,05 

— 

Vollständ. Hemmung 


- 


— 

0,002 

0,05 

— 

do. 


—: 

i - 

1 — 

l __ 

i 

i 0,05 

— 

do. 









Die Ausführung der Komplementablenkungsreaktion bei Brustseuchc. 433 

untersuchten, rotzansteckungsverdächtigen Pferde des Husarenregiraents 
No. 5 in Stolp und des Bestandes Mispel-Berlin zeigen bis auf zwei 
Fälle keine Ablenkung, sie stützen infolge ihres negativen Ausfalles 
das Ergebnis der Versuche bei den brustseuchekranken Pferden. 
Wenn am Serum des Pferdes 17 bei 0,2 ccm eine mittelstarke, bei 
Pferd 16 bei 0,1 ccm vollständige Hemmung zu verzeichnen ist, so 
dürfte dies auf eine frühere Erkrankung der Pferde an Brustseuche 
oder eine Streptokokkeninfektion zurückzuführen sein. Auffällig ist 
eine solche Erscheinung nicht.. Leider war ich nicht in der Lage, in 
Erfahrung zu bringen, ob diese Pferde vor einiger Zeit tatsächlich an 
Brustseuche erkrankt waren. 

Aus den Aufzeichnungen in Tabelle 4 geht hervor, daß die in 
Tabelle 3 verzeichneten Ablenkungen spezifischer Natur sind. Denn 
die Hemmungen nehmen bei Verwendung steigender Mengen der Sera zu. 

Durch die vorstehend mitgeteilten Versuche ist dargotan, daß es 
unter Benutzung der nach meinen Angaben hergestollten 
Extrakte gelingt, die Komplementablenkungsreaktion auch 
für den Diplostrcptococcus pleuropneumoniae Schütz aus¬ 
zuführen. Es fragt sich nun, welche Schlußfolgerungen wir 
aus einer solchen Feststellung zu ziehen berechtigt sind. 

Zunächst scheint es mir wichtig, daß die allgemeine Frage, ob 
es überhaupt gelingt, den Komplementablenkungsversuch bei Strepto¬ 
kokkenerkrankungen für die Diagnose zu verwenden, im Prinzip ge¬ 
löst ist. Dies kann insofern von Bedeutung werden, als wir bislang 
kein geeignetes sicheres Verfahren zur Wertbemessung von Strepto- 
kokken-Antiseris haben. Vielleicht läßt sich, ähnlich der Wert¬ 
bemessung der Meningokokkensera, die Koraplementablenkungsmethodc 
auch für Streptokokkensera verwenden. Mir selbst fehlen hierüber 
die nötigen Erfahrungen, da ich praktische Versuche mit den von 
mir an einem Pferde hergestellten Brustsouchestreptokokkcnimmun- 
serum nicht habe anstellen können. 

Des weiteren geht aus meinen Versuchen hervor, daß in den auf 
die angegebene Weise hergestellten Extrakten Substanzen vorhanden 
sind, die in engster Beziehung zu den im Verlaufe der Brustseuche¬ 
erkrankung gebildeten Antikörpern stehen. Die Wahrscheinlichkeit 
liegt nahe, daß die auf diese Weise extrahierten Stoffe infolge der er¬ 
wiesenen nahen Beziehungen zu Antikörpern des lmmunseruras sich 
auch für die Immunisierung besser eignen werden als auf die ge¬ 
wöhnliche Weise hcrgestclltc Extrakte oder vielleicht auch die Bakterien 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 



434 


PFEILER, 


selbst. Die von mir angestellten Serumprüfnngsversuche an kleinen 
Versuchstieren bestätigen diese Vermutung. 

Die spezielle und bedeutende Frage, ob wir berechtigt sind, den 
positiven Ausfall der Komplementablenkungsversuche mit 
den Brustseuchestreptokokken im modernen Sinne aufzu¬ 
fassen, wage ich auf Grund der vorliegenden Versuche allein nicht 
zu beantworten. Denn einwandfrei ist mit dem Gelingen der Kom¬ 
plementablenkungsreaktion die ätiologische Bedeutung der als Antigen 
verwandten Bakterien nicht bewiesen. Es kann hier mit nur zu großer 
Berechtigung der Einwurf gemacht werden, daß auch eine sekundär 
angesiedelte Bakterie zur Bildung von Substanzen im Blutserum Ver¬ 
anlassung geben kann, die dann mittels der Komplementablenkungs¬ 
methode nachzuweisen sind. 

Nun ist aber der Beweis, daß die Brustseuchestreptokokken nicht 
die Erreger der Krankheit seien, bisher nicht erbracht worden. Vieles 
aber spricht dafür, daß sie es sind, die unter besonderen Bedingungen 
die Krankheit erzeugen. Hat doch die Anwendung sämtlicher in der 
Bakteriologie üblichen Untersuchungsmethoden zu keiner anderen Fest¬ 
stellung als der der Schützschen Streptokokken und einiger anderer 
zweifellos sekundär angesiedelter Bakterien geführt. -Ich glaubte, 
gleichfalls unter Anwendung des Komplementablenküngsverfahrens, 
etwas über das Wesen des Erregers ermitteln zu können, indem ich 
Extrakte aus Organen wie frisch hepatisierten oder nekrotischen 
Lungenteilen, Pleurabelag usw. herstellte und diese mit dem Serum 
brustseuchekranker Pferde zur Bindung brachte. Diese Versuche sind 
negativ ausgefallen. Dies spricht nicht dafür, daß etwa ein ultra- 
visibles, uns bisher verborgen gebliebenes Virus die Ursache der Krank¬ 
heit ist. 

Mit Rücksicht auf das Ergebnis der von mir früher mitgeteilten 
Infektionsversuche und anderer serologischer Feststellungen (7), über 
die ich demnächst in der Zeitschrift für Infektionskrankheiten usw. 
der Haustiere eingehend berichten werde, möchte ich die bei meinen 
Komplementablenkungsversuchen gemachten Feststellungen 
als eine weitere Stütze ansehen für die Behauptung, die 
Brustseuchestreptokokken seien die ursächlichen Erreger 
der ansteckenden Lungenbrustfellentzündung der Pferde. 
Daß die Komplemcntablenkungsversuche allein nicht ausreichend sind, 
dies zu beweisen, habe ich betont. 



Die Ausführung der Komplementablenkungsreaktion bei Brustseuche. 435 


Literatur. 

1) Hempel, J., und W. Pfeiler, Ueber Komplementbindungsversuche mit dem 

Diploooccus pleuropneumoniae Schütz und der Pasteurella equina Lignieres. 
Zeitschr. f. Infektionskrankh. usw. d. Haustiere. 1909. Bd.6. H. 1. S.28—38. 

2) Schütz, J. W. und B. Schubert, Die Ermittelung der Rotzkrankheit mit 

Hilfe der Komplementablenkungsmethode. Aroh. f. wissenschaftl. u. prakt. 
Tierheilk. 1909. Bd. 35. H. 1—2. S. 44-82. 

3) Pfeiler, W., Weitere Komplementbindungsversuche mit dem Diplococcus 

pleuropneumoniae Schütz usw. Zeitschr. f. Infektionskrankh. usw. d. Haustiere. 
1909. Bd.6. H.2. S. 117-136. 

4) Ehrlich, P., Neißer, M. und H. Saohs, Untersuchungen über das Verfahren 

von M. Neißer und H. Sachs zur forensischen Unterscheidung von Menschen- 
und Tierblut. Abdruck aus d. klin. Jahrbuch. Jena bei Gust. Fischer. 1908. 
S. 28-49. 

5) Bauer, J., Ueber die Spezifität der biologischen Eiweißdifferenzierung. Arb. 
aus d. kgl. Inst. f. experim. Therapie z. Frankfurt a. M. 1907. H.3. S. 71—82. 
Gustav Fischer, Jena. 

6) Lignieres, Etiologie de la fievre typhoide du cheval. Bulletin de la Soc. 

centr. de medec. v^terin. 1897. Vol. 15. p. 437—449. 

7) Pfeiler, W., Infektionsversuohe mit dem Diplococcus pleuropneumoniae Schütz 

und der Pasteurella equina Lignieres an Pferden usw. Zeitschr. f. Infektions¬ 
krankh. usw. der Haustiere. 1908. Bd. 4. S. 250—264. 



XXII. 


Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin. 
Vorstand: Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Schütz. 

Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 

Von 

F. Pilwat, 

Kreistierarzt und ehemaligem Assistenten am Institute. 

(Mit 3 Abbildungen im Text.) 


Die nachstehende Arbeit gründet sich auf Beobachtungen, die an 
dem Sektionsmaterial des Pathologischen Instituts während eines Zeit¬ 
raums von drei Jahren, vom 1. April 1903 bis 31. März 1906, ge¬ 
sammelt worden sind. 

Geschichtliches. 

Die Kolik gehört zu den am längsten bekannten Pferdekrank¬ 
heiten; sie wird bereits von den tierärztlichen Schriftstellern des 
Altertums, Coluraclla, Eumelus, Vegetius, Apsyrtus und 
Hieroklcs genau beschrieben. In der tierärztlichen Literatur des 
Mittelalters findet sich bei Jordanus Ruffus eine ziemlich ausführ¬ 
liche Abhandlung über die Kolik. Mit dem Aufblühen der tierärzt¬ 
lichen Wissenschaft, besonders seit Gründung der tierärztlichen Lehr¬ 
anstalten, ist die Zahl der tierärztlichen Autoren, die ihre Erfahrungen 
und Beobachtungen über die Kolik des Pferdes in der Literatur 
niedergelegt haben, eine so große geworden, daß es den Rahmen 
dieser Abhandlung bei weitem übersteigen würde, wenn alle Arbeiten 
über diese Krankheit des Pferdes aufgezählt werden sollten. Alle 
Lehrbücher der speziellen Pathologie und Therapie der Haustiere, 
namentlich diejenigen von Dieterichs, Haubner, Veith, Hering, 
Röll, Spinola, Friedberger und Fröhner, Dieckerhoff, Hutyra 
und Marek haben das klinische Bild der Kolik eingehend be¬ 
sprochen. Auch über die der Krankheit zu Grunde liegenden patho- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


437 


logisch-anatomischen Veränderungen an den Organen der Bauchhöhle 
finden sich bei den genannten Autoren kurze Angaben. Eine ein¬ 
gehendere Bearbeitung hat die pathologische Anatomie der Kolik von 
Ullrich (Magazin für die gesamte Tierheilkunde, Band 16), von 
Bruckmüller (Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Veterinär¬ 
medizin, Band 2), Friedberger und insbesondere von Bollingcr 
(Die Kolik der Pferde und das Wurmaneurysma der Eingeweidearterien, 
München 1870) erfahren. Ferner hat Kitt in seinem Lehrbuche der 
pathologischen Anatomie der Haustiere die anatomischen Verände¬ 
rungen an den Organen der Bauchhöhle des Pferdes beschrieben und 
dadurch gleichfalls Beiträge zur pathologischen Anatomie der Kolik 
geliefert. 

Leider sind ausführliche Obduktionsberichte in der Literatur nur 
spärlich mitgeteilt worden, so daß ein bestimmtes Urteil über die 
anatomischen Veränderungen, die den Tod der Tiere herbeigeführt 
haben, nicht immer mit Sicherheit ausgesprochen werden kann. 

Wesen nnd Begriff. 

Mit dem Namen Kolik hat man seit alters her die Schmerz¬ 
empfindung eines Tieres bezeichnet, die durch Erkrankung der in der 
Bauchhöhle gelegenen Organe bedingt wird. Mithin ist die „Kolik“ 
nur ein Symptom, aber allerdings ein besonders auffallendes Symptom 
einer Gruppe von Krankheiten. Da nun in der Bauchhöhle des 
Pferdes zahlreiche Organe ihre Lage haben, an denen die verschieden¬ 
artigsten schmerzhaften Krankheitsprozesse auftreten können, so er¬ 
scheint es zunächst wunderbar, daß alle jene Krankheiten unter der 
Bezeichnung „Kolik“ zusammengefaßt worden sind. Diese eigen¬ 
artige Erscheinung erklärt sich nur durch eine gewisse Verlegenheit, 
nämlich dadurch, daß die Hilfsmittel der klinischen Diagnostik in der 
Regel nicht ausreichen, um die einzelnen zur Gruppe der Kolik ge¬ 
hörenden Krankheiten mit Sicherheit von einander trennen zu können. 
Dieckerhoff (Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie, 
2. Auflage, S. 889) sagt: „Die Pathologie der Kolik gestaltet sich 
bei Pferden so kompliziert, daß die sichere und vollständige Differen¬ 
zierung der Krankheitsgruppe für die praktische Diagnostik nicht er¬ 
reichbar ist.“ Auch in den neuesten Veröffentlichungen aus der 
medizinischen Klinik der Berliner Tierärztlichen Hochschule (Nitzschke, 
Monatshefte für praktische Tierheilkunde, Band 16) heißt es, daß 
die Spezialdiagnose der einzelnen Kolikarten ein sehr schwieriges 



438 PILWAT, 

Problem sei, und daß durch die Sektion vielfach erst eine genauere 
Aufklärung zu erreichen ist.“ Hutyra und Marek haben allerdings 
in ihrem jüngst in deutscher Sprache erschienenen Lehrbuche der 
speziellen Pathologie und Therapie der Haustiere den Versuch ge¬ 
macht, den Begriff der Kolik fallen zu lassen, und diese Krankheits¬ 
gruppe in die einzelnen Krankheiten aufzulösen. Ob dieser Versuch 
gelungen ist, kann natürlich von dieser Stelle aus nicht entschieden 
werden. In jedem Falle befindet sich die pathologische Anatomie bei 
der Differenzierung der Kolik den klinischen Methoden gegenüber im 
Vorteil, weil die Organe der Bauchhöhle der anatomischen Unter¬ 
suchung viel leichter zugänglich sind, und die Krankheiten dieser 
Organe der Regel nach offensichtliche Veränderungen zurücklassen. 
Daher wird auch das Obduktionsbild des an der Kolik gestorbenen 
Pferdes für die praktischen Tierärzte stets eine Quelle der Belehrung 
sein; man wird den anatomischen Befund mit den zu Lebzeiten des 
Pferdes beobachteten Krankheitserscheinungen vergleichen, seine Diag¬ 
nose kontrollieren, vielleicht stillschweigend korrigieren und nicht 
unwesentliche Schlüsse daraus für die Therapie dieser Krankheit ziehen. 
Namentlich aber für die Beurteilung gerichtlicher Fälle gibt die patho¬ 
logische Anatomie die wichtigsten Anhaltspunkte. 

Schon seit langer Zeit findet sich in der Literatur die Einteilung 
in eine symptomatische oder falsche und eine wahre Kolik. Die 
symptomatische Kolik wird bei mehreren Infektions- und Intoxikations¬ 
krankheiten, z. B. beim Milzbrände, dem Pferdetyphus, der Bleiver¬ 
giftung und anderen Krankheiten beobachtet. Diese Krankheiten zeigen 
jedoch noch andere Erscheinungen, so daß ihre Erkennung in der 
Regel keine Schwierigkeiten bietet und sind demnach aus der großen 
Gruppe der „Kolik“ leicht auszuscheiden. Die falsche Kolik soll 
durch Krankheitsprozesse in den Organen der Bauch- und Becken¬ 
höhle mit Ausnahme des Magens und Darms hervorgerufen werden. 
Dieckerhoff (Spezielle Pathologie und Therapie, 2. Auflage) glaubt, 
daß mit Sicherheit nur die entzündlichen Prozesse am Bauchfelle eine 
sogenannte falsche Kolik erzeugen können, und nennt diese Kolik 
daher die „Bauchfellkolik“. Berücksichtigt man, daß primäre Bauch¬ 
fellentzündungen des Pferdes sehr selten sind, so dürfte diese Kolik 
ein großes praktisches Interesse nicht besitzen. Die sekundären Ent¬ 
zündungen des Bauchfells sind beim Pferde allerdings ziemlich häufig; 
sie gehen aber der Regel nach aus primären Krankheiten des Magens 
und Darmes hervor und müssen daher als Komplikationen derselben 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


439 


betrachtet werden. Alle selbständigen Krankheiten des Magens und 
Darms sind von den Autoren als wahre Kolik bezeichnet worden. 
Diese Erkrankungen haben für die praktische Tierheilkunde die aller¬ 
größte Wichtigkeit, da ihnen fast die Hälfte aller Pferde zum Opfer 
fällt. Bollinger (Die Kolik der Pferde und das Wurmaneurysma der 
Eingeweidearterien, München 1870) gibt an, daß unter 100 innerlich 
kranken Pferden 40 an Kolik leiden, daß unter 100 Fällen von Kolik 
13 tödlich endigen, und daß unter 100 umgestandenen Pferden 40 an 
Kolik gelitten haben. Gestützt auf obige Statistik konnte Bollinger 
mit Recht sagen, daß es weder unter den epizootischen noch unter 
den sporadischen Krankheiten des Pferdes eine Krankheit gibt, die 
nur annähernd ähnliche Opfer fordert, wie die sogenannte Kolik. 

In der nachstehenden Abhandlung sind nur die Fälle von primärer 
Erkrankung des Magens und Darms, die in einem dreijährigen Zeit¬ 
räume, vom 1. April 1903 bis 31. März 1906, im Pathologischen 
Institute der Berliner tierärztlichen Hochschule zur Obduktion ge¬ 
kommen sind, berücksichtigt worden. 

In dem genannten Zeiträume wurden im Pathologischen Institute 
837 Pferde seziert. Darunter befanden sich 428 = 51,14 pCt. aller 
in den Kliniken der Berliner Hochschule gestorbenen Pferde, die an 
selbständigen Krankheiten des Magens und Darms gelitten hatten, 
also während des Lebens Kolikerscheinungen gezeigt hatten. Die bei 
diesen Sektionen ermittelten Krankheiten lassen sich in folgende 
Gruppen zerlegen. 

I. Primäre Magen-Darmentzündung. 

Bei 29 Pferden = 6,78 pCt. aller an Kolik gestorbenen Pferde 
wurde als Todesursache eine primäre Entzündung der Schleimhaut 
des Magens und Darmes gefunden, die alle Formen vom einfachen 
Katarrh bis zur schwersten Diphtherie oder zur Gangrän zeigte. Die 
Lehrbücher der speziellen Pathologie und Therapie beschreiben diese 
Erkrankungen teils als akute Magendarmkatarrhe, teils als einfache, 
toxische und infektiöse oder mykotische Magendarraentzündungen. 
Bevor auf die pathologisch-anatomischen Veränderungen dieser Magen¬ 
darmaffektionen näher eingegangen werden soll, mag es gestattet sein, 
die Obduktionsbefunde mehrerer an den genannten Prozessen zugrunde 
gegangener Pferde mitzuteilen. 

1. Braune Stute, Stern, Druckflecke in der Sattellage, linke Vorderkrone 
und Ballen, linke Hinterfessel, Krone und Ballen weiß, ca. 15 Jahre alt. 



440 


PILWAT, 


Gestorben und obduziert am 14. 3. 1906. 

Der Kadaver befindet sich in gutem Nährzustande, ln der Unterbaut^ über 
dem Euter, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt dickes 
weißlich-graues, mit einem Stioh ins Gelbliche schimmernde Fettgewebe, das auf 
dem Durchschnitto einen lappigen Bau erkennen läßt. Die Körpermuskeln zeigen 
Totenstarre und erscheinen auf dem Durchschnitte graubraunrot, etwas trocken 
und trübe. Die Unterhaut ist in der Gegend des Brustbeins und in der vorderen 
und mittleren Bauchgegend dick, gelblich-grau, gallertartig und auf dem Durch¬ 
schnitte feucht. 

Der Bauch ist etwas eingefallen. Im freien Raume der Bauchhöhle kein 
fremder Inhalt. Das den Darm und die Bauchwände überziehende Bauchfell ist 
blaßgrau, zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. An 
der Lage des Darms findet sich keine Abweichung, Der Zwölffinger-, Leer- und 
Hüftdarm sind mäßig zusammengezogen und enthalten etwas gelblich-graubraune, 
trübe, mehlsuppenartige Flüssigkeit. Die Schleimhaut der Dünndarmabteilungen 
liegt in Längs- und Querfalten, die auf ihrer Höhe gerötet sind. Sonst erscheint 
diese Schleimhaut grau, trübe, etwas dick, aufgelockert und auf dem Durchschnitt 
feucht. Der Blinddarm enthält mehrere Liter graubraune flüssige, der Grimmdarm 
flüssige bis dünnbreiige Massen. Im Mastdarme wenig breiiger grünlich-brauner 
Kot. Die Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarms ist in großer Aus¬ 
dehnung diffus gerötet, etwas dick, aufgelockert und auf dem Durchschnitte feucht. 
Im Magen finden sich 3 Liter bräunliche dünnbreiige bis flüssige Inhaltsmassen, 
die einen schwach-säuerlichen Geruch besitzen. Der Magen ist klein und etwas 
zusammengezogen; die Schleimhaut der Pförtnerhälfte bildet zahlreiche, der Mehr¬ 
zahl nach in der Längsrichtung verlaufende Falten, deren Gipfel diffus gerötet und 
mit zahlreichen braunroten Flecken besetzt sind. Gegen den Pförtner hin liegt auf 
der Oberfläche der Schleimhaut ein grauer, zäher, glasig durchscheinender Belag, 
der sich schwer von der Schleimhaut abspülen läßt. In der linken Magenhälfte 
ist die Schleimhaut grauweiß, an der Oberfläche glatt und läßt keine Abweichungen 
erkennen. 

Die im Gekröse des Darmes liegenden Lymphdrüsenpakete sind bis bohnen¬ 
groß, sehen außen grau bis rötlich-grau aus, besitzen eine etwas weiche Be¬ 
schaffenheit und erscheinen auf dem Durchschnitte graurot und feucht. Die Milz 
mißt 48 cm in der Länge, 26cm in der größten Breite und 3,5 cm in der mittleren 
Dicke; das Gewicht derselben beträgt 2300 g. Oberfläche der Milz glatt und grau¬ 
blau; Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in der Milz 
nicht sichtbar. Die Pulpa hat an Masse erheblich zugenommen, ist dunkelrot und 
fast flüssig, sodaß die Schnittfläche der Milz dadurch ein glattes und feucht¬ 
glänzendes Aussehen erhält. Die Leber wiegt 8000g; ihre Ränder sind abgerundet. 
Auf der Zwerchfellsfläche, besonders des rechten Leberlappens, sitzen zahlreiche 
grauweiße bindegewebige Zotten; sonst ist die Oberfläche der Leberkapsel glatt. 
Konsistenz der Leber etwas brüchig. Ueber die Schnittfläche der Leber fließt viel 
dunkelrotes Blut. Das Lebergewebe erscheint auf dem Durchschnitte rötlich-grau- 
braun mit einem Stich ins Gelbliche und ist trübe. Zeichnung der Leberläppchen 
ziemlich gut erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind hirsekorn- bis reiskorngroß, 
in der Mitte dunkelrot. am Rande in breiter Zone gelblichgrau. Dio bindegewebigen 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


441 


Kapseln der Nieren sind dünn und reißen leicht beim Abziehen. Die Nieren sehen 
außen rötlich-grau aus und zeigen an ihrer Oberfläche mehrere Risse, die beim 
Abtrennen der Kapseln in dem brüchigen Rindengewebe entstanden sind. Linke 
Niere 19 om lang, 17 cm breit und 5,3 cm dick, reohte Niere 18,5 cm lang, 19 cm 
breit und 6 cm dick. Die Rindenschicht besitzt auf dem Durchschnitte eine Breite 
von 2 cm, sieht rötlich-grau aus, ist trübe, etwas trocken und von zahlreichen, 
breiten, grauen, radiär verlaufenden Streifen durchzogen. Marksubstanz gestreift 
und graurot, an der Grenze der Rinde in breiter Zone dunkelrot. Beim Streichen 
mit dem Messerrücken von der Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den 
großen Sammelröhren eine gelblich-graue, trübe rahmartige Flüssigkeit. 

Das Zwerchfell steht im 7. Zwischenrippenraume. Die Brustfellsäcke sind 
leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt 
und mattglänzend. Unter den Blättern der Brusthaut liegen zahlreiche dunkelrote 
bis schwarzrote Punkte und Flecke. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, 
haben sich von den Rippenwänden zurückgezogen und sind klein. Das Gewebe 
beider Lungen ist weich, elastisch und knistert beim Durchschneiden. Im Herz¬ 
beutel 50 ccm einer rötlichen wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich be¬ 
rührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Unter dem inneren Blatte des 
Herzbeutels finden sich zahlreiche fleckenförmige Blutungen. Der Umfang des 
Herzens beträgt an der Herzbasis 62 cm. Rechte Kammer 18 cm hoch, stark ge¬ 
wölbt und mit dunkelrotem geronnenen und flüssigen Blute prall gefüllt. Die 
linke Kammer ist 19 cm hoch, mehr abgeflacht und enthält neben etwas flüssigem 
Blute kleinere dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Seitenwand des rechten 
Ventrikels 1,9 cm, die des linken 3,5 cm dick. Durch die beiderseitigen Atrio- 
Ventrikularöffnungen läßt sich die länglich zusammengelegte Hand bequem hin¬ 
durchführen. Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind zart. Unter 
dem wandständigen Endokard, besonders des linken Ventrikels, liegen auf der 
Höhe der Papillarmuskeln große flächenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur 
erscheint auf dem Durchschnitt graurot, fleckweise gelblich-grau, trooken und 
trübe; ihre Konsistenz ist brüchig. Die venösen Gefäßnetze der Sohleimhaut des 
Kehlkopfes und der Luftröhre sind stark gefüllt; daneben liegen in dieser Schleim¬ 
haut mehrere punkt- und fleckenförmige Blutungen. Die Schleimhaut der Raohen- 
höhle, der Kehldeckel-Gießkannenbänder und des Zungengrundes erscheint mehr 
gleichmäßig bläulich-rot. Die harte Hirnhaut ist grau und durchscheinend. Die 
venösen Gefäße der weichen Hirnhaut sind stark gefüllt. An der Hirnsubstanz 
bestehen keine nachweisbaren Veränderungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie 
ist 4 cm lang und spindelförmig erweitert. Die Wände des erweiterten Gefäßes 
sind 2—3 mm dick, an der Innenfläche rauh und mit rötlich-grauen, ziemlich 
trockenen Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand fest anhaften. Unter den Auf¬ 
lagerungen ist die Gefaßinnenhaut fetzig und fehlt teilweise ganz. Die Abgangs¬ 
stellen aller aus dem Stamm der vorderen Gekrösarterie und aus der Hüft-Blind- 
Grimmdarmarterie entspringenden Arterien sind unverändert. Die Darmarterien 
sind wegsam; Pfropfe fehlen in ihnen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Einfache katarrhalische Ent¬ 
zündung der Drüsenschleimhaut des Magens und der Schleimhaut des gesamten 
Darmes. Akute Schwellung der Gekröslymphdrüsen und der Milz. Trübe Schwel- 



442 


PILWAT, 


lung und Fettinfiltration der Leber. Trübe Schwellung der Körpermuskeln. 
Schwere trübe Schwellung und beginnende Fettmetamorphose des Herzmuskels. 
Katarrhalische Nierenentzündung. Blutungen unter dem Brustfelle, unter dem 
inneren Blatte des Herzbeutels und unter der Herzinnenhaut. Erweiterung und 
wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

2. Fuchswallach, durchgehende Blässe, vier Füße weiß, 7—8 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 13. 1. 1906. 

Der Kadaver ist gut genährt; in der Unterhaut, in der Umgebung des 
Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt ziemlich dickes, grau¬ 
weißes, lappiges Fettgewebe. Die Körpermuskeln sind noch warm und zeigen erst 
am Kopfe und Halse beginnende Totenstarre. Auf dem Durchschnitte erscheinen 
die Muskeln graurot und trübe. Gefäße der Unterhaut stark gefüllt. 

Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle kein fremder 
Inhalt. An der Lago des Darms zeigt sich keine Abweichung. Der Blind- und 
Grimmdarm sind lang und weit und hauptsächlich durch Gase stark ausgedehnt. 
Die Blätter des Bauchfells sind zart und durchscheinend, an der Oberfläche matt¬ 
glänzend. Der Leerdarm sieht außen bläulich-grau aus, ist in seinem vorderen Ab¬ 
schnitte etwas zusammengezogen und enthält hier wenig gelbrote dickschleimige 
Flüssigkeit. Gegen den Hüftdarm hin nimmt der flüssige Inhalt, der hier mit festen 
Bestandteilen vermischt ist, erheblich an Menge zu; auch enthält dieser Darmteil 
Gase. Die Schleimhaut des vorderen Leerdarmabschnittes und des Zwölffinger¬ 
darmes ist gleichmäßig dunkolrot, etwas dick und locker. Im hinteren Teile des 
Leerdarmes und im Hüftdarme erscheint die Schleimhaut nur auf der Höhe der 
Längs- und Ringfalten stark gerötet, sonst grau-rot und trübe. Auf der Oberfläche 
der einzelnen Diinndarmabscbnitte findet sich stellenweise in großer Ausdehnung 
ein grauer, etw^as durchscheinender, zäher, schwer abspülbarer Belag. Im Blind- 
und Grimmdarme viel Gas und bräunlicher flüssiger bis dünnbreiiger Inhalt in 
reichlicher Menge. Die rechte obere Lage und die magenähnliche Erweiterung des 
Grimmdarmes sowie der Mastdarm sind fast leer. Schleimhaut des Blind-, Grimm- 
und Mastdarmes auf der Höhe der Bandstreifen und Ringfalten gerötet, sonst grünlich¬ 
grau, etwas dick und trübe. Der Magen enthält etwas Gas und 15 Liter flüssige, 
mit breiigen Bestandteilen vermischte graugrüne Massen. Die mit Drüsen besetzte 
Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist fleckig und streifig gerötet, in der Gegend 
der Fundusdrüsen dick, trübe und grob gekörnt. Auf der Höhe zahlreicher Schleim¬ 
hautläppchen finden sich punkt- und fleckenförmige schwarzrote Blutungen. Gegen 
den Pförtner hin wird die Oberfläche der Schleimhaut mehr glatt. Die im Gekröse 
liegenden Lymphdrüsenpakete sind über bohnengroß, auf dem Durchschnitte rötlich- 
grau und saftreich. Die Milz wiegt 7500 g; sie mißt 78 cm in der Länge, 33 cm 
in der größten Breite und 5 cm in der mittleren Dicke. Die Oberfläche der Milz 
erscheint dunkelblau und flach gekörnt. Unter der stark gespannten und dünnen 
Milzkapsel liegen zahlreiche, etwa linsengroße, schwarzblaue Hügel dicht neben¬ 
einander. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balken¬ 
gewebe nicht sichtbar. Die schwarzrote, sehr reichliche Pulpa ist fast flüssig und 
quillt in Form von dicklichen Tropfen über die Schnittfläche hervor, letztere er¬ 
scheint feucht und stark glänzend. Das Gewicht der Leber beträgt 10 1 / 2 kg. Die 
Leber ist außen glatt, mattglänzend, besitzt abgerundete Ränder und sieht rötlich- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


443 


graugelb aus. Das Lebergewebe ist trübe, brüchig und blutreich. Schnittfläche 
der Leber gelblich-graurot und fettig glänzend. Die Zeichnung der Leberläppchen 
ist ziomlich gut sichtbar. Die einzelnen Läppchen haben etwa die Größe eines 
Reiskorns, sind in der Mitte gelblich-rot, am Rande in breiter Zone graugelb. Die 
fibrösen Kapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Linke Niere 19 cm 
lang, 16 cra breit und 5 cm dick, rechte Niere 18 cm lang, 18 cm breit und 5,3 cm 
dick. Beide Nieren besitzen eine glatte, mattglänzende Oberfläche, sehen außen 
rötlich-grau aus und sind etwas brüchig. Die Rindenschicht zeigt auf dem Durch¬ 
schnitte eine Breite von 2—3 cm, ist grau bis rötlich-grau, trocken, trübe und 
stellenweise von grauen, radiär verlaufenden Streifen durchzogen. Marksubstanz 
dunkelgraurot und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durch¬ 
scheinend, an der Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei in 
den Brustfellsäcken, sind retrahiert, sehen bläulich-rot aus und knistern beim 
Hinüberstreichen. An den scharfen Rändern beider Lungen sitzen einzelne weißlich¬ 
graue bindegewebige Fäden. Ueber die Schnittfläche der Lungen fließt etwas 
dunkelrotes Blut. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll einer gelbroten klaren Flüssig¬ 
keit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. 
Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 63 cm. Die rechte Kammer ist 
17 cm hoch und mit dunkelrotem flüssigen und geronnenen Blute prall gefüllt; 
ihre Seitenwand ist 1,9 cm dick. Linke Kammer 19 cm hoch, fast leer und zu¬ 
sammengezogen; diese Kammer enthält kleine dunkelrote und speckhäutige Ge¬ 
rinnsel; ihre Seitenwand ist 3,5 cm dick. Durch die zwischen den Vor- und Herz¬ 
kammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand 
bequem hindurchführen. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Unter dem 
wandständigen Endokard, hauptsächlich des linken Ventrikels, liegen größere strich- 
und fleckenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte 
graurot, trocken und trübe; ihre Konsistenz brüchig. Das Gewicht des leeren 
Herzens beträgt 6 kg. In der Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre liegen 
stark gefüllte venöse Netze. Die Schleimhaut des Zungengrundes, der vorderen 
Fläche des Kehldeckels, der Kehldeckelgießkannenbänder und der Rachenhöhle ist 
bläulich-rot. Die Hüft-Blind -Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und zylindrisch 
erweitert; ihre Wände sind 2 bis 4 mm dick, an der Innenfläche bis auf mehrere 
in der Längsrichtung verlaufende strichförmige Narben glatt. Wandständige Ge¬ 
rinnsel fehlen. Die Darmarterien sind wegsam und ohne Veränderungen. Am 
Gehirne und an den Häuten desselben lassen sich gleichfalls keine Abweichungen 
feststellen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Allgemeine akute katarrhalische 
Magen-Darmentzündung mit hauptsächlicher Lokalisation im Zwölffinger- und Leer¬ 
darme. Tympanitis desBlind-und Grimmdarmes. Hochgradige akute Milzschwellung. 
Trübe Schwellung, Fettinfiltration und geringgradige Gelbsucht der Leber. Trübe 
Schwollung der Nieren, der Körpermuskeln und des Herzens. Blutungen unter der 
Innenhaut dos Herzens. Erweiterung der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

3. Rappstute mit Flocke. 

Gestorben und obduziert am 28. 7. 1907. 

Der Kadaver befindet sich in der Rückenlage und ist schlecht genährt, ln der 



444 


PILWAT, 


Unterbaut, über dem Euter, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauch¬ 
felle liegt etwas rötlich-gelbes Fettgewebe von schleimiger Beschaffenheit. Gefäße 
der Unterhaut gefüllt. Die Körpermuskeln sind schlecht entwickelt, zeigen Toten¬ 
starre, sehen außen und auf dem Durchschnitte braunrot und etwas feucht aus. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle findet 
sich ein Liter einer bräunlich-roten wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche des 
Bauchfells ist mit zahlreichen grauweißen bindegewebigen Zotten besetzt; sonst 
ist das Bauchfell zart und schwach durchscheinend. Die Zwerchfellskrümmungen 
und die linken Lagen des sehr langen und weiten Grimmdarms sind zum Teil 
durch eine große Oeffnung des Zwerchfells in den linken Brustfellsack hinein¬ 
getreten. Die Beckenkrümmung des Grimmdarms befindet sich in der linken Leisten¬ 
gegend. Der Blind- und Leerdarm liegen mehr auf der rechten Seite der Bauch¬ 
höhle, die Schlingen des kleinen Kolons in der linken Leisten- und Flankengegend. 
Alle sichtbaren Darmteile sind durch Gas beträchtlich ausgedehnt. Unter dem 
serösen Ueberzuge besonders des Blind- und Grimmdarms finden sich zahlreiche 
dunkelrote Punkte, Flecke und Striche. Die Mehrzahl der Leerdarmschlingen sieht 
außen bläulichgrau aus. Der Inhalt des Leerdarms besteht aus etwas bräunlicher, 
trüber schleimiger Flüssigkeit und Gas. Die Schleimhaut des Zwölffinger-, Leer- 
und Hüftdarms ist in großer Ausdehnung stark diffus gerötet, etwas dick, trübe 
und aufgelockert. Auf der Höhe der Scbleimhautfalten liegen schwarzrote Punkte 
und Flecke. Im Blind- und Grimmdarme viel Gas und dünnbreiige, grünlichgraue 
Massen in mittlerer Menge. Der Mastdarm enthält nur sehr wenig breiigen Kot. 
Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarms fleckweise, besonders auf der 
Höhe der Falten gerötet, sonst grünlichgrau und etwas trübe. Die mesenterialen 
Lymphdrüsenknoten sind etwa erbsengroß, rötlichgrau, etwas weich und auf dem 
Durchschnitte feucht. Der Magen enthält außer Gas 10 Liter dünnbreiige bis 
flüssige bräunlich-grüne Massen, die einen säuerlichen Geruch besitzen. Die 
Schleimhaut der linken Magenhälfte ist rötlichgrau, ihre Oberfläche glatt. Der 
gefranzte Rand dieser Schleimhaut ist zwischen den Schenkeln der hufeisenförmigen 
Muskelschleife mit zahlreichen bis erbsengroßen grauen Warzen besetzt. Die 
Schleimhaut der drüsentragenden rechten Magenhälfte erscheint in der Gegend der 
Fundusdrüsen dunkelblaurot, trübe, etwas dick und gallertartig, ihre Oberfläche 
fast glatt. Gegen den Pförtner hin zeigt die Schleimhaut fleckige und streifige 
Rötung. Die Milz mißt 48 cm in der Länge, 25 cm in der größten Breite und 4 cm 
in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt und graublau; Konsistenz weich. 
Das Balkengewebe ist auf dem Durchschnitte der Milz nicht deutlich sichtbar. 
Pulpa sehr reichlich, dunkelrot und über die Schnittfläche hervorquellend. Das 
Gewicht der Leber beträgt 3600 g. Außen sieht die Leber braunrot aus; auf der 
Zwerchfellsfläche ist die Leberkapsel mit zahlreichen grauweißen bindegewebigen 
Zotten besetzt, au mehreren Stellen plattenförmig verdickt, grauweiß und undurch¬ 
sichtig. Das Lebergewebe besitzt eine derbe Konsistenz und ist sehr blutreich. 
Auf dem Durchschnitte ist die Läppchenzeichnung in der Leber ziemlich deutlich 
sichtbar. Die einzelnen Läppchen sind etwa hirsekorngroß, in der Mitte braunrot, 
am Rande in schmaler Zone graubraun. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von 
den Nieren abtrennen. Linke Niere 15 cm lang, 12 cm breit und 3,8 cm dick, 
rechte Niere 14 cm lang, 14 cm breit und 4,2 cm dick. Die Nieren sehen rotbraun 
aus und fühlen sich derb an. Oberfläche beider Nieren glatt und mattglänzend. 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


445 


Die Rindenschicht ist auf dem Durchsohnitte 1,5 cm breit, rötlichbraun und 
schwach durchscheinend. Die Knäuel sind in der Rinde als rote Pünktchen er¬ 
kennbar. Marksubstanz graurot und streifig, an der Grenze der Rindenschicht 
dunkelrot. 

In der muskulösen Rippen- und Lendenpartie der linken Zwerchfellshälfte 
findet sich ein fast vertikal verlaufender 43 cm langer Riß, dessen Ränder an ein¬ 
zelnen Stellen etwas zackig, sonst glatt, scharf, blaß und frei von Blutgerinnseln 
sind. Die Brustfellsäcke enthalten etwa ein Liter einer rötlichen wässerigen 
Flüssigkeit. Die Brustfellblätter sind zart und durchscheinend, ihre Oberfläche ist 
glatt und glänzend. Unter dom Rippen- und Lungenfelle liegen stellenweise 
dunkelrote Punkte und Flecke. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind 
klein, retrahiert, sehen in ihren oberen Teilen bläulichrot aus und knistern 
schwach beim Durchschneiden. Ueber die glatte Durchschnittsfläche fließt be¬ 
sonders in den oberen Teilen beider Lungenkörper viel dunkelrothes Blut. Im 
Herzbeutel 200 ccm einer gelbroten klaren wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche 
der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. In den Herzfurohen 
Hegt wenig gelbliches gallertartiges Fettgewebe. Der Umfang des Herzens beträgt 
an der Herzbasis 56 cm. Die rechte Herzkammer ist 15, die linke 17 cm hoch. 
Seitenwand des rechten Ventrikels 1,5, die des linken 3 cm dick. Die rechte Herz¬ 
hälfte ist mit flüssigem und geronnenem Blute ziemlich stark gefüllt. In den linken 
Herzhöhlen finden sich kleinere dunkelrote und speokhäutige Gerinnsel. Durch die 
zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine läng¬ 
lich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die am Ostium aorticum 
stehenden halbmondförmigen Klappen sind in ihren Randteilen dick, grauweiß und 
undurchsichtig. Das wandständige Blatt der Herzinnenhaut, besonders der linken 
Herzhälfte, ist fleckweise schwielenartig verdickt. Unter der Herzinnenhaut finden 
sich auf der Höhe der Papillarmuskeln große flächenförmige Blutungen. Die Herz¬ 
muskulatur erscheint auf dem Durchschnitte braunrot und etwas trübe. Die Schleim, 
haut des Zungengrundes, der Rachenhöhle, der vorderen Fläche des Kehldeckels 
und der Kehldeckelgießkannenbänder ist bläulichrot und etwas dick. In der 
Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre liegen gefüllte Venennetze. Der 
Kehldeckel besizt eine kahnförmige Gestalt. Die retropharyngealen und sub- 
maxillaren Lymphdrüsenknoten sind linsen- bis erbsengroß gegen einander ver¬ 
schiebbar und auf dem Durchschnitte rötlicbgrau. Stellenweise sind in dem Drüsen¬ 
gewebe schwarze Partikelchen eingelagert. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie 
ist 4 cm lang und gleichmäßig zylindrisch erweitert; ihre Wände sind 2—3 mm 
dick, an der Innenfläche rauh und mit mehreren erbsen- bis bohnengroßen, etwas 
platten rötlichgrauen Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand ziemlioh fest anhaiten. 
In der Tiefe der Gerinnselmassen liegen zwei drehrunde, 12—14 mm lange Wurm¬ 
larven. Unter den Auflagerungen ist die Gefäßinnenhaut fetzig und fehlt stellen¬ 
weise ganz. Die Abgangsstellen der aus der vorderen Gekrösarterie und aus der 
Hüftblinddarmarterie entspringenden Darmgefäße sind ohne Veränderungen. Die 
Darmarterien sind in ihrem ganzen Verlaufe wegsara und frei von Pfropfen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Starke Ansammlung von 
Gasen im Leer-, Blind- und Grimmdarme. Blutiger Katarrh der Magen- und 
Darmschleimhaut. Beginnende kadaveröse Erweichung der Magenschleimhaut. 
Blutungen unter dem Bauchfelle, Brustfelle und der Innenhaut des Herzens. 



446 


PILWAT, 

Akute Milzschwellung. Braune Atrophie der Leber. Leichte trübe Schwellung 
der Körper- und Herzmuskulatur. Chronische Entzündung der Herzinnenhaut. Er¬ 
weiterung und wandständige Thrombose der Hüft-, Blind-, Grimmdarmarterie. 
Postmortale Zerreißung des Zwerchfells. 

4. Schimmelstute, ca. 9 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 16. 5. 1903. 

Der Kadaver befindet sich in Rückenlage und zeigt einen guten Nährzustand. 
Das Unterhautfettgewebe ist reichlich entwickelt und auf dem Durchschnitte lappig. 
Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitte graurot, etwas trocken 
und trübo. Die Bauchdecken sind mäßig gespannt. 

Im freien Raume der Bauchhöhle ungefähr zwei Liter einer gelblichen, etwas 
trüben Flüssigkeit. Der Darm ist normal gelagert. Blind- und Grimmdarm mäßig 
gefüllt, Leerdarm zusammengezogon. Duroh den serösen Ueberzug des Leer- und 
Hüftdarmes schimmern mehrere längliche, etwa markstückgroße bläulich-rote Herde 
hindurch. Sonst ist das Bauchfell grau und etwas trübe, seine Oberfläche glatt 
und mattglänzend. Der Inhalt des Leer- und Hüftdarmos besteht aus einer geringen 
Menge einer grauroten, trüben, schleimigen Flüssigkeit. Die Schleimhaut des 
Leer- und Hüftdarmes ist dick, dunkelgraurot, aufgelockert und bildet zahlreiche 
unregelmäßig verlaufende Falten, die auf ihren Gipfeln dunkelrot und an einzelnen 
Stellen schwarzrot gefleckt sind. Die Peyerschen Haufen ragen als dunkelrote 
bis schwarzrote Beete über die Schleimhautoberfläche hervor. Blind- und Grimm¬ 
darm enthalten eine mäßige Menge breiiger graurot gefärbter Massen. Der Mast¬ 
darm ist fast leer. Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarmes graurot, etwas 
dick und besonders auf der Höhe der zahlreichen ringförmig verlaufenden Falten 
gerötet. Der Magen enthält 6 Liter dünnbreiige, graubraune, schwach säuerlich 
riechende Massen. Die Schleimhaut der linken Magenhälfte ist weißlich-grau, ihre 
Oberfläche glatt. Die Drüsen tragende Sohleimhaut der rechten Hälfte des Magens 
ist durchgehend diffus gerötet, etwas dick, aufgelockert und mit schwarzroten und 
sohwarzbraunen etwas prominierenden Flecken in der Größe eines Pfennigs bis 
Markstückes durchsetzt, die stellenweise eine etwas fetzige Oberfläche erkennen 
lassen und sich in Geschwüre umzuwandeln beginnen. In der Gegend der Fun¬ 
dusdrüsen erscheint diese Schleimhaut an der Oberfläche flach gekörnt, gegen den 
Pförtner hin mehr glatt. Der Zwölffingerdarm ist außen streifig blaurot gefärbt, 
seine Schleimhaut wie die des Leerdarmes graurot, dick und besonders auf der 
Höhe der Falten stark gerötet. Die im Gekröse des Darmes liegenden Lymphknoten 
sind über bohnengroß, graurot, etwas weich, auf dem Durchschnitte feucht und mit 
dunkelroten Flecken durchsetzt. Die Milz mißt 59 cm in der Länge, 25 cm in der 
größten Breite, und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt 
und stahlblau; Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in 
der Milz nicht sichtbar. Die Pulpa ist schwarzrot, fast flüssig, hat an Menge be¬ 
trächtlich zugenommen und quillt über die Schnittfläche stark hervor. Letztere 
erscheint dadurch feucht und spiegelnd gänzend. Das Gewicht der Leber beträgt 
9 kg. Auf der Zwerchfellsfläche besonders des rechten Leberlappens sitzen mehrere 
grauweiße Zotten. Die Leberkapsel ist sonst dünn, durchscheinend und an der 
Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Ränder der Leber sind abgerundet. Farbe 
der Leber gelblich-braunrot. Konsistenz des Lebergewebes etwas brüchig. Auf 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


447 


dem Durchschnitte ist das Lebergewebe mäßig blutreich, etwas trübe and läßt die 
Läppchenzeichnung ziemlich gut erkennen. Die einzelnen Läppchen sind reiskorn- 
bis linsengroß und gelbbraun gefärbt. Schnittfläche der Leber etwas fettig. Die 
Nierenkapseln lassen sich leioht von den Nieren abtrennen. Linke Niere 18 cm 
lang, 13 cm breit, und 6 cm dick; rechte Niere 15 cm lang, 16 cm breit und 5,5 cm 
dick. Die Nieren sehen graubraun aus und sind brüchig. An der Oberfläche beider 
Nieren liegen mehrere Risse, die beim Abtrennen der Kapseln in der mürbenRinden- 
substanz entstanden sind. Auf dem Durchschnitte ist die Rindenschicht trübe, hell¬ 
graubraun gefärbt und 2 bis 2,5 cm breit. Markschicht gestreift und stark gerötet. 

Die Brustfellsäcke sind leer, das Brustfell ist zart, durchscheinend, seine 
Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind 
oiheblich größer und schwerer wie im Retraktionszustande. Farbe der Lungen hell¬ 
rot, Oberfläche glatt und glänzend. Beim Hinüberstreichen mit den Fingerspitzen 
fühlt sich das Lungengewebe weich und elastisch, jedoch etwas derber als nor¬ 
males lufthaltiges Lungengewobe an und knistert undeutlich, stellenweise über¬ 
haupt nicht. Die Schnittfläche der Lungen ist glatt und feucht, über dieselbe quillt 
aus den Bronchien ein rötlicher, dichter, feinblasiger Schaum, der sich in größerer 
Menge in der Luftröhre und in ihren Aesten vorfindet. Die Schleimhaut der Bron¬ 
chien, der Luftröhre und des Kehlkopfes zeigt fleckige und verästelte Rötung. Die 
Kohldeckelgießkannenbänder sind bläulich-rot, glasig durchscheinend und gering¬ 
gradig verdickt. In der Gegend des Zungengrundes sieht die Schleimhaut blaurot 
aus. Die an den Halsorganen gelegenen Lymphdrüsen zeigen keine Veränderungen. 
Der Herzbeutel enthält 60 ccm einer bernsteingelben fast klaren Flüssigkeit. Die 
Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Um¬ 
fang des Herzens beträgt an der Herzbasis 60 cm. Rechte Kammer 16 cm hoch, 
ihre Seitenwand etwas gewölbt und 2 cm dick. Linke Kammer 19 cm hoch; ihre 
Seitenwand 3,5 cm dick. Das rechte Herz ist mit geronnenem und flüssigen dunkel¬ 
roten Blute stark gefüllt. In den linken Herzhöhlen finden sich kleine dunkelrote 
und speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen 
Oeffnungen sind so weit, daß sich eine länglich zusammengelegte Hand bequem 
durch dieselben hindurchschieben läßt. Die Herzklappen und die Innenhaut des 
Herzens sind zart. Unter der Innenhaut liegen auf der Höhe der Papillarmuskeln 
und der Herzbalken große dunkelrote flächenförmige Blutungen. Die Herzmusku¬ 
latur erscheint auf dem Durchschnitt graurot, trooken und trübe. Konsistenz 
brüchig. Die Hüft- Blind- Grimmdarmarterie ist 4 cm lang, zylindrisch erweitert 
und an der kraniellen Seite sackförmig ausgebuohtet. Die Wände des Gefäßes sind 
2 bis 4 mm dick und an der Innenfläche rauh. Die sackförmige Ausbuchtung ist 
mit einer bohnengroßen, rötlich-grauen, trookenen Gerinnselmasse gefüllt. Die 
Darmarterien sind sonst in ihrem ganzen Verlaufe wegsam und frei von Pfropfen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Blutige Entzündung der 
Schleimhaut des Magens und Darms. Schwellung der Peyerschen Haufen und 
Gekröslymphdrüsen. Leichte seröse Entzündung des Bauchfells. Akute Schwellung 
der Milz. Fettinfiltration und trübe Schwellung der Leber. Trübe Schwellung der 
Nieren, der Körpermuskeln und des Herzens. Blutungen unter der Innenhaut des 
Herzens. Oedem der Lungen. Erweiterung und wandständige Thrombose der 
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 



448 PILWAT, 

5. Apfelschimmelwallach, ca. 7 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 1. 8. 1905. 

Der Kadaver befindet sich in der Rückenlage und zeigt einen guten Nähr¬ 
zustand. Das Unterhautfettgewebe ist gut entwickelt, gelblich-grauweiß und von 
lappigem Bau. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitt grau¬ 
braunrot, etwas trocken und trübe. Gefäße der Unterhaut mäßig gefüllt. Der 
Bauch ist etwas ausgedehnt. 

Im freien Raum der Bauchhöhle finden sich etwa 4 Liter einer gelblichen, 
leicht getrübten Flüssigkeit. Das Bauchfell ist grau und etwas trübe, seine Ober¬ 
fläche glatt und mattglänzend. An der Lage des Darmes läßt sich keine Ab¬ 
weichung feststellen. Der Leerdarro ist mäßig zusammengezogen, sieht außen 
stellenweise bläulich-rot aus, enthält Gase und etwas graubraune, trübe, schlei¬ 
mige Flüssigkeit. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarmes ist graurot, dick 
und trübe. Im Leerdarm bildet dieselbe hauptsächlich Ring-, im Hüftdarm Längs¬ 
falten, die eine dunkelrote Farbe zeigen und auf ihren Gipfeln mit einer grauen, 
etwas fetzigen Membran bedeckt sind. Im Blind- und Grimmdarm viel Gas und 
dünnbreiige braungrüne Massen. Unter der Serosa des Blind- und Grimmdarmes 
finden sich zahlreiche dunkelrote bis schwarzrote fleckenförmige Blutungen. Die 
Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes ist dunkolbraunrot, dick und trübe. 
Die Submukosa erscheint auf dem Durchschnitt sehr feucht, gelblich und gallert¬ 
artig. Die oberflächlichen Schichten der Schleimhaut sind in großer Ausdehnung, 
hauptsächlich jedoch auf der Höhe der Bandstreifen und Falten, abgestorben und 
bilden einen grauen, stellenweise fetzigen, hautartigen Belag, der sich schwer ab¬ 
heben läßt. Im Mastdarm befindet sich etwas Gas und sehr wenig grünlich¬ 
brauner, dünnbreiiger Kot. Die Schleimhaut des Mastdarmes ist grünlich-braun, 
auf der Höhe der Falten gerötet. Der Magen enthält 10 Liter einer graubraunen 
schleimigen Flüssigkeit, die mit breiigen Bestandteilen vermischt ist. Die Schleim¬ 
haut der Schlundhälfte ist rötlich-weiß und an der Oberfläche glatt. Der gefranste 
Rand dieser Schleimhaut ist zwischen den Schenkeln der hufeisenförmigen Muskel¬ 
schleife mit zahlreichen weißlich-grauen, warzenartigen Hervorragungen besetzt, 
die etwa die Größe einer Linse bis Erbse besitzen. Schleimhaut der rechten 
Magenhälfte graurot, mit roten Flecken und Streifen durchsetzt, dick und trübe, 
ln der Gegend der Fundusdrüsen erscheint die Schleimhaut an der Oberfläche ge¬ 
körnt, gegen den Pförtner hin fast glatt und trägt hier einen grauen, etwas trüben, 
schleimigen Belag, der sioh schwer abspülen läßt. Die Schleimhaut des Zwölf¬ 
fingerdarmes ist besonders auf der Höhe der Falten gerötet, sonst graurot, etwas 
dick und trübe. Die im Gekröse des Darmes liegenden Lymphknoten sind bis 
bohnengroß, graurot, etwas weich und auf dem Durchschnitt feucht. Die Milz 
mißt 51 cm in der Länge, 30 cm in der größten Breite und 4 cm in der mittleren 
Dicke. Die Milzkapsel ist gespannt, dünn und durchscheinend. Oberfläohe der 
Milz glatt. Auf dem Durchschnitt ist das Balkengewebe in der Milz nicht sichtbar. 
Die Pulpa hat an Menge beträchtlich zugenommen, sieht dunkelrot aus, ist fast 
flüssig und quillt in Form von dicklichen Tropfen über die Schnittfläche, letztere 
erscheint feucht und spiegelnd glänzend. Das Gewicht der Leber beträgt 9 kg; 
Leberränder abgerundet. Die Zwerchfellsfläche der Leber ist mit mehreren wei߬ 
lich-grauen Zotten besetzt; sonst erscheint die Oberfläche der Leber glatt und 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


449 


mattglänzend. Farbe der Leber außen gelblich-graurot. Konsistenz brüchig. Das 
Lebergewebe ist auf dem Durchschnitt mäßig blutreich, gelblich-graubraun und 
trübe. Schnittfläche etwas fettig. Die Läppchenzeichnung ist undeutlich. Die 
einzelnen Leberläppchen sind etwa reiskorngroß (und gelblich-graubraun, in der 
Mitte rötlich-braun. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren ab¬ 
trennen. Linke Niere 21 cm lang, 18 om breit und 6 cm dick, rechte Niere 19 cm 
lang, 20 cm breit und 5,5 cm dick. Die Nieren sehen außen rötlich-graubraun, 
an der Oberfläche glatt und mattglänzend aus. Konsistenz brüchig. Auf dem 
Durchschnitt ist die Rindenschicht bis 2 l / 2 cm breit, graubraun und trübe. Die 
Knäuel sind in der Rinde stellenweise als rote Punkte erkennbar. Marksubstanz 
gestreift und stark gerötet. 

ln den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und 
durchscheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei 
in den Brustfellsäcken, befinden sich im Retraktionszustande und sehen blaßrot 
aus. Ihre Oberfläche ist glatt und glänzend. Das Lungengewebe ist weich, 
elastisch und knistert beim Durchschneiden. Schnittfläche ziemlich trocken und 
glatt. Im Herzbeutel findet sich etwa 1 Eßlöffel voll einer klaren gelblichen 
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und 
glänzend. Das Herz hat an der Basis einen Umfang von 61 cm. Die rechte 
Kammer ist 16y 2 , die linke 18 cm hoch. Seitenwand des linken Ventrikels 3,3 em, 
die des rechten 2 cm dick. Die rechte Herzhälfte ist mit dunkelrotem flüssigen 
Blut und mit weichen roten Gerinnselmassen ziemlich stark gefüllt, ln den linken 
Herzhöhlen finden sich große dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel neben etwas 
flüssigem Blute. Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeff- 
nungen läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchschieben. 
Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind zart. Herzmuskulatur auf 
dem Durchschnitt graurot, trocken und trübe. Konsistenz brüchig. Unter der 
Innenhaut des Herzens finden sich zahlreiche punkt- und fleckenförmige Blutungen. 
Die Schleimhaut des Zungengrundes, des Schlundkopfes und der Kehldeckelgie߬ 
kannenbänder ist bläulich-rot und etwas dick. Schleimhaut des Kehlkopfes und 
der Luftröhre blaß. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und fast 
gleichmäßig zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind 2—3 mm dick. 
Auf der Innenfläche des Gefäßes sieht man mehrere in der Längsrichtung ver¬ 
laufende strichförmige Narben; sonst ist die innere Fläche der Arterie glatt und 
frei von Auflagerungen. Alle von der vorderen Gekrösarterie an den Darm gehen¬ 
den Gefäße sind wegsam und frei von Veränderungen. 

Pathologisch- anatomische Diagnose: Blutig-diphtherische Entzün¬ 
dung der Magen- und Darmschleimhaut. Leichte seröse Bauchfellentzündung. 
Trübe Schwellung der Körpermuskeln, des Herzens, der Leber und der Nieren. 
Blutungen unter der Innenhaut des Herzens. Akute Milzschwellung. Erweiterung 
und Narbenbildung in der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

6. Brauner Wallach, ca. 7 Jahre alt, Druckflecke in der Geschirrlage. 

Gestorben und obduziert am 10. August 1904. 

Der Kadaver ist gut genährt. Totenstarre noch nicht eingetreten. Das in 
der Unterhaut und unter dem Bauchfell gelegene Fettgewebe ist reichlich ent¬ 
wickelt, sieht gelblich grauweiß aus und zeigt auf dem Durchschnitte einen lappi- 

Archi? f. wissenscb. u. prakt. Tierlieilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 9<j 



450 


PILWAT, 

gen Bau. Die Körpermuskeln sehen auf dem Durchschnitte graurot aus, sind 
trübe und trocken. 

Der Bauoh ist mäßig ausgedehnt. Im freien Raum der Bauchhöhle etwa 
5 Liter einer graugelben, trüben, wässerigen Flüssigkeit. Das die Bauchwände, 
hauptsächlich aber das den Darm überziehende Bauchfell, ist grau und trübe, 
stellenweise durch gefüllte, fein verästelte Gefäßnetze gerötet, seine Oberfläche 
mattglänzend. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Leerdarm zusammengezogen, 
Blind- und Grimmdarm stärker gefüllt. Die vorliegenden Leerdarmschlingen sehen 
außen grau, stellenweise rötlichgrau aus. Der Blinddarm und die unteren Lagen 
des Grimmdarmes besitzen eine bläulichrote Farbe. Unter der Serosa dieser 
Darmabteilungen liegen viele punkt-, flecken- und strichförmige Blutungen. Die 
venösen Netze sind stark gelullt. Der Inhalt des Zwölffinger-, Leer- und Hüft- 
darmes besteht aus einer goldgelben bis bräunlichroten, trüben, schleimigen 
Flüssigkeit in geringer Menge. Die Schleimhaut dieser Darmabteilungen ist dick, 
trübe, rötlichgrau und bildet viele Ring- und Längsfalten, die auf ihrer Höhe dnnkel- 
rot und schwarzrot gefleckt erscheinen. Gegen den Hüftdarm hin sind die oberfläch¬ 
lichen Schichten derSohleimhaut auf denGipfeln der Falten gelblichgrau, trübe und 
etwas fetzig. Blind- und Grimmdarm enthalten viel Gas und grünlichbraune, 
dünnbreiige Massen in mittlerer Menge. Im Mastdarm etwas Gas und wenig dünn- 
breiiger Kot. Die Schleimhaut des Blinddarms und die der unteren Lagen des Grimm¬ 
darms ist in ganzer Ausdehnung mit fetzigen, gelblichgrauen Massen bedeckt, die 
der Schleimhaut fest anhaften. Unter diesen abgestorbenen Teilen ist die Schleim¬ 
haut dick, trübe, aufgelockert und stellenweise diffus gerötet. Die Schleimhaut 
der oberen Grimmdarmlagen ist dick, etwas glasig, gleichmäßig dunkelrot und 
mit zahlreichen hanfkorngroßen schwarzroten Flecken durchsetzt. Die Schleimhaut 
des Mastdarmes erscheint nur auf der Höhe der Falten gerötet, sonst grau und 
etwas trübe. Der Magen enthält viel Gas und graugrüne breiige Massen. Schleim¬ 
haut der Schiundhälfte weißlichgrau und an der Oberfläche glatt. In der Gegend 
der Fundusdrüsen ist die Schleimhaut bis 7 mm dick, graurot, trübe und an der 
Oberfläche hügelig. Die Hügel zeigen eine mehr graurote, die Vertiefungen 
zwischen denselben eine mehr dunkelrote Farbe. Gegen den Pförtner hin wird 
die Schleimhaut grau und ist von mehreren roten Streifen und Flecken durchsetzt; 
ihre Oberfläche erscheint hier fast glatt. Die Milz mißt 48 cm in der Länge, 19 cm 
in der größten Breite und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz 
graublau und hügelig. Konsistenz weich, schlaff. Die einzelnen Erhebungen sind 
halbhaselnuß- bis halbwallnußgroß, sehen außen dunkelblau aus und lassen aaf 
dem Durchschnitte das Balkengerüst nicht erkennen. Die Pulpa ist hier sehr 
reichlich, dunkelrot bis schwarzrot und zerfließlich. Die übrigen Abschnitte der 
Milz sehen außen mohr graublau aus; auf dem Durchschnitte ist das Balken¬ 
gewebe in denselben noch sichtbar. Die Pulpa ist etwas reichlicher und von braun¬ 
roter Farbe. Das Gewicht der Leber beträgt 11 kg. Leberränder stark abgerundet. 
Oberfläche der Leber an der Zwerchfellsseite mit einigen grauen Zotten besetzt, 
sonst glatt. Farbe der Leber außen rötlich-graugelb, Konsistenz brüchig. Das 
Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte mäßig blutreich und sieht gelbgrau aus. 
Schnittfläche der Leber fettig glänzend. Die Läppchenzeichnung ist erkennbar. 
Die einzelnen Leberläppchen sind bis linsengroß, in der Mitte goldgelb, am Rande 
in breiter Zone grau. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren ab- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 451 

trennen. Linke Niere 19,5 cm lang, 16 cm breit und 4,8 cm dick, rechte Niere 
19 cm lang, 19,2 cm breit und 5 cm dick. Die Nieren sehen außen rötlichgrau, 
glatt und mattglänzend aus. Konsistenz etwas brüchig. Auf dem Durchschnitt 
ist die Rindenschicht bis 2,3 cm breit, grau, trocken und etwas trübe. Die Gefä߬ 
knäuel sind als große dunkelrote Punkte sichtbar. Marksubstanz gestreift und 
stärker gerötet. 

In den Brustfellsäoken findet sich kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist 
grau, zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die 
Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind klein, gut retrahiert, an der Ober¬ 
fläche glatt, glänzend und sehen rosarot aus. Das Lungengewebe ist weich, 
elastisch und knistert beim Durchschneiden. Schnittfläche glatt und etwas feucht. 
Aus den durchschnittenen Luftröhrenästen quillt etwas dichter, feinblasiger 
Schaum. Der Herzbeutel enthält 30 ccm einer bernsteingelben, wasserklaren 
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und 
glänzend. Unter dem Epikard liegen namentlich in den Herzfurchen mehrere bis 
pfennigstückgroße schwarzrote Blutungen. Der Umfang des Herzens beträgt an 
-der Herzbasis 62 cm. Rechte Kammer 17 cm hoch; ihre Seitenwand gewölbt und 
1,9 cm dick. Linke Kammer 19 cm hoch; ihre Seitenwand flach und 3,5 cm dick. 
Die rechte Herzhälfte ist mit großen, weichen, dunkelroten bis schwarzroten Blut¬ 
gerinnseln und mit flüssigem Blute stark gefüllt. Die linken Herzhöhlen enthalten 
kleinere speckhäutige Gerinnsel und etwas flüssiges Blut. Durch die zwischen den 
Vor- und Herzkammern gelegenen OefTnungen läßt sich die länglich zusammen¬ 
gelegte Hand bequem hindurchschieben. Die Herzklappen und die Innenhaut des 
Herzens sind zart. Unter der Innenhaut, besonders der linken Kammer finden 
sich mehrere flächenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durch¬ 
schnitte graurot, fleckweise graugelb, trocken und trübe; ihre Konsistenz sehr 
brüchig. Die Halsorgane zeigen außer mäßiger Füllung der venösen Gefäße in der 
Schleimhaut der Rachenhöhle und des Kehlkopfes keine Veränderungen. Der 
Stamm der IIüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und spindelförmig er¬ 
weitert. Die Gefäßwand ist etwa 3 mm dick, an der Innenfläche rauh und mit 
einer mandelkerngroßen, rötlichgrauen, etwas brökligen Masse bedeckt, die der 
Gefäßwand fest anhaftet. Unter der Auflagerung ist die Innenhaut fetzig und fehlt 
stellenweise ganz. Die übrigen aus der vorderen Gekrösarterie hervorgehenden 
Gefäße des Darmes sind wegsam und ohne Abweichungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Blutige und diphtherisch¬ 
brandige Entzündung der Magen- und Darmschleimhaut, hauptsächlich im Blind¬ 
darm und in den unteren Lagen des Grimmdarmes. Seröse Bauchfellentzündung. 
Akute multiple Milzschwellung. Gelbsucht und Pettinßltration der Leber. Trübe 
Schwellung der Nieren und der Körpermuskeln. Schwere trübe Schwellung und 
beginnende Fettmetamorphose des Herzmuskels. Blutungen unter dem viszeralen 
Blatte des Herzbeutels und der Innenhaut des Herzens. Geringgradiges Oedem 
der Lungen. Erweiterung und wandständige Thrombose in der Hüft-Blind-Grimm- 
-darmartcrie. 

7. Falbstute, Stern, ca. 15 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 22. 5. 1904. 

Der Kadaver befindet sich in gutem Nährzustande und ist noch nicht erkaltet. 

29 * 



452 


PILWAT, 


Totenstarre noch nicht eingetreten. Das Unterhautfettgewebe ist reichlich ent¬ 
wickelt, gelblioh grau und von lappigem Bau. Die Muskeln sehen auf dem Durch¬ 
schnitte grau-braunrot und etwas trübe aus. Der Bauch ist mäßig ausgedehnt. 
Im freien Raum der Bauchhöhle finden sich etwa 10 Liter einer gelblichen, leicht 
getrübten wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist grau, stellenweise fleckig und 
ramiform gerötet, etwas trübe und an der Oberfläche mattglänzend. Der Darm 
liegt regelmäßig; Leerdarm mäßig, Blind- und Grimmdarm stark ausgedehnt. Der 
Leerdarm sieht außen graurot aus; seine in und unter der Serosa gelegenerv 
Venennetze sind streckenweise stark gefüllt. Der Inhalt des Zwölffinger-, Leer- 
und Hüftdarmes besteht aus einer rötlich-grauen trüben zähschleimigen Masse, die 
sich schwer von der Oberfläche der Schleimhaut abspülen läßt. Die Schleimhaut 
dieser Darmabteilungen ist in großer Ausdehnung diffus gerötet, etwas dick und 
glasig. Blind- und Grimmdarm enthalten viel Gas und breiige braunrote Massen, 
die mit Sand vermischt sind. Besonders reichlich und auffallend ist die Sand- 
beimischung im Blinddärme und in der magenähnlichen Erweiterung des Grimm¬ 
darmes. Aus diesen Dannabteilungen lassen sich 8 Kilo Sand herausheben. Die* 
Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes ist durchgehend stark diffus gerötet, 
auf der Höhe der Falten mit Blutungen durchsetzt, dick und aufgelockert. Im. 
Mastdarme etwas bräunlicher flüssiger, mit festen Bestandteilen vermischter Inhalt. 
Die Schleimhaut des Mastdarms erscheint grünlich-graubraun und etwas trübe. 
Der Magen enthält Gas und viel grünliche dünnbreiige bis festweiche Massen. Die 
Schleimhaut der Fundusdrüsengegend ist bräunlich-grau, fleckweise gerötet und 
an der Oberfläche glatt. Die Milz mißt 40 cm in der Länge, 22 cm in der größtem 
Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz graublau und mit 
zahlreichen flachen dunkelblauen Hervorwölbungen bedeckt. Konsistenz der Milz 
schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den hügelartig über die 
Oberfläche hervortretenden Teilen der Milz nicht sichtbar. Pulpa hier dunkelrot, 
sehr reichlich und fast flüssig. In den übrigen Abschnitten der Milz ist das trabe¬ 
kuläre Gewebe auf dem Durchschnitte noch deutlich erkennbar, die Pulpa braun¬ 
rot und breiig. Die Leber wiegt 3y 2 kg. Der rechte Leberlappen ist gänzlich 
geschwunden und stellt einen grauen hautartigen Anhang dar, der nur aus den 
dicht aneinanderliegenden Blättern der Leberkapseln zu bestehen scheint. An der 
Zwerchfellsfläche ist die Lebor mit zahlreichen grauweißen Zotten besetzt. Die 
Leberkapsel ist etwa auf der Mitte des linken Leberlappens an einer halbhand¬ 
großen Stelle plattenartig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Die Konsistenz 
der Leber ist etwas brüchig. Lebergewebe auf dem Durchschnitte mäßig blut¬ 
reich, gelblich-graubraun und trübe. Läppchenzeichnung undeutlich. Die Nieren¬ 
kapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Linke Niere 13 cm lang, 
12 cm breit und 3,4 cm dick, rechte Niere 14 cm lang, 13 cm breit und 2 cm dick. 
Oberfläche der Nieren graubraun und fein gekörnt. Die Nieren fühlen sich derk 
an und schneiden sich schwer. Auf dem Durchschnitte liegen in der hellgrau- 
braunen Rindenschicht zahlreiche unregelmäßig verlaufende weißlicheZüge. Mark¬ 
substanz radiär gestreift und etwas gerötet. 

In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und 
durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in 
den Brustfellsäcken, sind klein, gut relrahiert, sehen hellrot aus und sind an der 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


453 


Oberfläche glatt. Das Lungengewebe ist weich, elastisch und knistert beim Hin¬ 
überstreichen. Schnittfläche glatt und fast trocken. Der Herzbeutel enthält 20 ccm 
einer bernsteingelben klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden 
Herzbeateiblälter ist glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der 
Herzbasis 60 cm. Rechte Kammer 17 cm, linke 19 cm hoch. Die Seitenwand des 
rechten Ventrikels ist 2, die des linken 3,5 cm dick. Die rechte Vor- und Herz¬ 
kammer sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute stark gefüllt. In 
den linken Herzhöhlen finden sich kleine dunkelrote und speckhäatige Gerinnsel. 
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich 
eine länglich zusammengelegte Hand beqaem hindurchschieben. Herzklappen zart. 
Die Innenhaut besonders der linken Herzhälfte ist fleckweise verdickt, grauweiß 
und undurchsichtig. Unter der Innenhaut des Herzens liegen viele punkt- und 
fleckenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graurot, 
trocken und trübe. Konsistenz brüchig. An den Halsorganen keine Veränderungen. 
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,6 cm lang und zylindrisch erweitert. Die 
Gefäßwand besitzt eine mittlere Dicke von 2—3 mm, ist an der Innenfläche rauh, 
und mit mehreren, etwas platten, fetzigen grauroten Gerinnselmassen bedeckt, die 
■der Gefäßwand fest anhaften. Sonst sind die aus der vorderen Gekrösarterie her¬ 
vorgehenden Gefäße wegsam und frei von Veränderungen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Blutige Entzündung der 
Magen-Darmschleimhaut infolge von Sandaufnahme. Akute seröse Bauchfell¬ 
entzündung. Trübe Schwellung der Körpermuskeln, des Herzens und der Leber. 
Blutungen unter der Innenhaut des Herzens. Granularatrophie der Nieren. Akute 
multiple Milzschwellung. Erweiterung und wandständigo Thrombose der Hüft- 
Blind-Grimmdarmarterie. 

8. Brauner Wallach, Stern, 5 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 18. 11. 1903. 

Der Kadaver befindet sich in der Rückenlage und zeigt einen schlechten Nähr¬ 
zustand. Totenstarre noch nicht eingetreten, ln der Unterbaut und unter dem 
Bauchfello liegt wenig gelbliches Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte eine 
sch leimig-gallertartige Beschaffenheit zeigt. Die Körpermuskeln erscheinen auf 
•dem Durchschnitte graubraunrot umd trübe. Der Bauch ist mäßig ausgedehnt. Im 
dreien Raume der Bauchhöhle etwa 1 Liter einer gelblichen, fast klaren Flüssigkeit. 
Das Bauchfell ist grau, zart und durchscheinend, seineOberfläcbe glatt und glänzend. 
Der Darm ist regelmäßig gelagert. Leerdarm außen bläulich-grau gefärbt. Unter 
dem serösen Ueberzuge dieses Darmes liegen zahlreiche dunkelrote Punkte und 
Flecke. Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarm enthalten erhebliche Mengen einer grau- 
roten trüben Flüssigkeit und zahlreiche mannsfaustgroße Wurmknäuel des Ascaris 
megalocephala. Fast die ganze Schleimhaut der einzelnen Dünndarmabteilungen 
ist stark gerötet, dick und in unregelmäßig verlaufende Falten gelegt. Der Blind- 
und Grimmdarm enthalten außer Gas viel dünnbreiige Massen. Im Mastdarme 
etwas dickbreiiger Kot. Die Schleimhaut des Blinddarmes und der unteren Lagen 
des Grimmdarmes ist gleichmäßig intensiv gerötet, dick und aufgelookert. In den 
oberen Lagen des Grimmdarmes und im Mastdarme zeigt sich die Schleimhaut nur 
auf der Höhe der Falten gerötet und ist sonst grau und trübe. Der Magen ist mit 
Gasen und dünnbreiigen grünlich-grauen Massen stark gefüllt; seine Drüsenschleim- 



454 


PILWAT, 


haut erscheint graurot, dick und zeigt mehrere rote Flecke und Streifen. In der 
Gegend der Fundusdrüsen ist die Schleimhaut an der Oberfläche gekörnt, gegen 
den Pförtner hin mehr glatt. Die Milz mißt 57 cm in der Länge, 26 cm in der 
größten Breite und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Die Milzoberfläche ist glatt und 
graublau. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitt ist das Balkengewebe 
in der Milz schwer erkennbar. Die Pulpa ist erheblich vermehrt, rotbraun und 
besitzt eine breiig-weiche Konsistenz. Die Leber wiegt 5,2 kg, sieht außen gelblich- 
braunrot, glatt, mattglänzend aus und besitzt scharfe Ränder. Konsistenz* der Leber 
etwas brüchig. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte ziemlich blutreich, 
gelblich-rotbraun und trübe. Zeichnung der Loberläppchen nicht deutlich. Die 
einzelnen Läppchen sind in der Mitte gelblich-braunrot, am Rande in ganz schmaler 
Zone gelblich-graubraun gefärbt und haben etwa die Größe eines Hirsekorns. Die 
Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Linke Niere 19 cm 
lang, 17 cm breit und 6 cm dick, rechte Niere 16 cm lang, 17 cm breit und 5,5 cm 
dick. Die Oberfläche der Nieren ist glatt, ihre Farbe graubraunrot. Konsistenz der 
Nieren etwas brüchig. Auf dem Durchschnitte ist die Rindenschicht 2—3 cm breit, 
graurot und trübe. Die Markstrahlen treten als breite, graue, radiär verlaufende 
Streifen deutlich hervor. Marksubstanz graurot und gestreift, an der Grenze der 
Rinde dunkelrot. 

In den ßrustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist blaßgrau, zart 
und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei 
in den Brustfellsäcken, sind etwas größer als im Retraktionszustande und sehen 
hellrot aus. Das Lungenfell beider Lungen ist an mehreren, bis fünfmarkstück¬ 
großen Stellen plattenförmig und schwielig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. 
Das Gewebe beider Lungen ist weich, elastisch und knistert ganz schwach beim 
Durchschneiden. Schnittfläche glatt und etwas feucht. Der Herzbeutel enthält 
60 ccm einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden 
Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der 
Herzbasis 55 cm. Die rechte Kammer ist 13 ein, die linke 16 cm hoch. Seitenwand 
des rechten Ventrikels 1,8, die des linken 3 cm dick. Die rechten Herzhöhlen ent¬ 
halten etwas flüssiges und geronnenes dunkelrotes Blut. Linke Herzhälfte fast 
leer. Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen OefTnungen laßt 
sich eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchschieben. Die Herz¬ 
klappen und die Innenhaut dos Herzens sind zart. Unter der Innenhaut der linken 
Herzkammer liegen auf den Gipfeln der Papillarmuskeln und Herzbalken mehrere 
fleckige und streifige Blutungen. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durch¬ 
schnitte graubraunrot, etwas trocken und trübe; Konsistenz etwas brüchig. Die 
Schleimhaut des Zungengrundes und der Rachenhöhle ist bläulich-rot und etwas 
dick. Kehlkopf- und Luftröhrenschleimhaut blaß. Die retropharyngealen und 
submaxillaren Lymphdriisen sind unverändert. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie 
ist 3,8 cm lang und zylindrisch erweitert; ihre Wände sind 2—3 mm dick, an der 
Innenfläche rauh und mit mehreren platten, erbsen- bis bohnengroßen, rötlich¬ 
grauen Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand fest anhaften. In den Gerinnseln 
finden sich fünf drehrunde Wurmlarven. Die Innenhaut ist unter den Auflago¬ 
rungen fetzig. An den übrigen Gefäßen des Darmes bestehen keine Abweichungen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Blutiger Katarrh der Magen- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 455 

und Darmschleimhaut, bedingt durch den Parasitismus von Ascaris megalocephala. 
Akute Schwellung der Uilz. Trübe Schwellung der Körpermuskeln, der Leber und 
des Herzens. Blutungen unter der Innenhaut des Herzens. Katarrhalische Nieren¬ 
entzündung. Geringgradiges Oedem der Lungen. Schwielige Verdickungen des 
Lungenfells. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm- 
darmarter ie. 

Die Ursache der Magen-Darmentzündungen konnte durch die 
Obduktion mit Sicherheit nur in zwei Fällen (Befund No. 7 und 8) 
ermittelt werden. Aus dem unter No. 7 mitgeteilten Obduktions¬ 
befunde geht hervor, daß die tödliche Magen-Darmentzündung durch 
die Einwirkung von großen verschluckten Sandmassen auf die Schleim¬ 
haut des Verdauungskanals entstanden war. Im Falle No. 8 fanden 
sich Spulwürmer (Ascaris megalocephala) in so großer Anzahl im 
Dünndarm des Pferdes vor, daß sie in Form von Knäueln diesen 
Darm stellenweise gänzlich verstopften. Wenn uns auch zurzeit noch 
genaue Kenntnisse über die Wirkung dieses Parasiten fehlen, so wird 
doch die Annahme zulässig sein, daß das massenhafte Auftreten des¬ 
selben im Darme des Pferdes eine Darmentzündung hervorrufen kann. 
Unter 428 an der Kolik gestorbenen Pferden befand sich also nur 
eins, das an den Folgen der Sandaufnahme und ebenfalls nur eins, 
das infolge des Parasitismus von Spulwürmern zugrunde gegangen 
war. Diese Tatsache erscheint beachtenswert, weil in der Literatur 
über das Vorkommen der sog. Sand- und Wurmkolik weit höhere 
Zahlen angegeben werden. Nach den Obduktionsergebnissen des 
pathologischen Instituts muß jedoch angenommen werden, daß diese 
beiden Kolikursachen eine tödliche Krankheit nur selten veranlassen 
können. 

In den übrigen Fällen ließ sich durch die Obduktion die Ursache 
der primären tödlichen Magen-Darmentzündung nicht mit Sicherheit 
aufklären. Stets war die Digestionsschleimhaut in den oberflächlichen 
Schichten am stärksten betroffen und zwar litten am meisten die¬ 
jenigen Teile derselben, die über die Oberfläche hervorragen, das sind 
die Gipfel der Schleimhautfaltcn, die Peyerschen Haufen, die Darm¬ 
zotten und die in Höhe der Bandstreifen gelegenen Schleirahaut- 
partien besonders im Blind- und Grimmdarme. Der Reiz, der die 
Entzündung der Schleimhaut hervorgerufen hat, muß daher auf deren 
Oberfläche eingewirkt, oder über die Oberfläche derselben fortgegangen 
sein. Dieser Reiz kann aber nur als am Inhalte des Magens und 
Darmes haftend gedacht werden; seine Wirkung ist entweder eine rein 



456 PILVVAT, 

chemische oder eine infektiöse. Daß Mikroorganismen in die Schleim¬ 
haut eindringen und von hier in die regionären Lymphdrösen und dann 
in die Blutbahn gelangen können, dafür sprechen die bei diesen 
Magen-Darmentzündungen sehr häufig auftretende trübe Schwellung 
oder parenchymatöse Entzündung der großen Körperorgane, Muskeln, 
Herz, Leber, Nieren, und die zuweilen sehr bedeutende Schwellung 
der Milz, die regelmäßig bei den typischen Infektionskrankheiten be¬ 
obachtet werden können. Ferner scheinen am Inhalte des Magens 
und Darms nicht selten rasche Umsetzungen nach Art der Gärung 
einzutreten. Bei diesen Vorgängen findet wahrscheinlich eine Bildung 
von giftigen Stoffen statt, deren Resorption sehr schnell erfolgt und 
zu einer Vergiftung führt. An der Magen- und Darmschleimhaut 
finden sich stellenweise die Merkmale des Katarrhs, Rötung, Schwellung 
und leichte Auflockerung, während die großen Körperorgane gar keine 
Veränderungen oder nur eine geringfügige Trübung erkennen lassen, 
ln anderen Fällen bilden sich durch die Umsetzungen des Magen- 
Darminhaltes sehr schnell große Mengen von Gas, die den Magen 
und Darm stark ausdehnen, die Tätigkeit des Zwerchfells bei dem 
Akte der Einatmung behindern und dadurch eine Erstickung herbei¬ 
führen. Bei der Obduktion solcher Pferde konnten stets die 
anatomischen Zeichen des Erstickungstodes: starke Füllung der rechten 
Herzhöhlen und der venösen Gefäße, Blutungen unter dem Brustfelle, 
Herzbeutel und unter der Innenhaut des Herzens, Lungenödem und 
oft kahnförmige Stellung des Kehldeckels, nachgewiesen werden (No. 3). 
Die ausgedehnten Darmteile üben gleichzeitig auch auf den Stamm 
oder doch wenigstens auf einzelne Aeste der Pfortader einen Druck 
aus und veranlassen dadurch Blutungen unter dem serösen Ueberzugc 
des Darms oder im Gekröse desselben. 

Anatomisch lassen sich die primären Magen-Darmentzündungen 
in folgende Unterabteilungen zerlegen: 

1. Die einfache katarrhalische Entzündung der Magen- 

Darm schleim haut. 

Bei dieser Form ist die Schleimhaut in großer Ausdehnung oder 
stellenweise Sitz eines geringgradigen Entzündungsprozesses. Vor¬ 
nehmlich leiden die oberflächlichen Schichten der Schleimhaut; letztere 
ist gerötet, etwas dicker wie gewöhnlich und trübe. In der Be¬ 
zeichnung Katarrh liegt der Begriff des Fließens. Die entzündete 
Schleimhaut liefert ein Absonderungsprodukt, das über die Schleim- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 457 

hautoberfläche fließt. Da sich aber das Abgesonderte, zumal wenn 
es in flüssiger Form auftritt, rasch mit dem Inhalte des Magens und 
Darmes mischt, ist cs sehr schwierig, über die Menge und Art der 
flüssigen Absonderungsprodukte ein Urteil auszusprechen. Wie bei 
den serösen Katarrhen der übrigen Schleimhäute findet auch im Darm 
eine Abstoßung der Darmepithelien und Bildung von Erosionen statt. 
Es ist jedoch zu beachten, daß die Magen-Darmschleimhaut, mit Aus¬ 
nahme der linken Magenhälfte ein einschichtiges Zylinderepithel trägt, 
<las mit bloßem, unbewaffneten Auge nicht wahrgenommen werden 
kann. Ebensowenig läßt sich auch der Verlust dieses Epithels mit 
bloßem Auge erkennen. Daher muß den in der Literatur oft wieder¬ 
holten Behauptungen mit Entschiedenheit widersprochen werden, daß 
Schleirahauterosionen bei der Obduktion von Pferden, die an Magen- 
Darmkatarrh gelitten haben, zu dem gewöhnlichsten Befunde gehören. 
Regelmäßig handelt es sich in solchen Fällen nicht nur um einfache 
Epitheldefekte, sondern gleichzeitig um tiefere Verluste der oberfläch¬ 
lichen Schleimhautschichten, die in der wissenschaftlichen Medizin 
nicht als Erosionen, sondern als Ulzerationen bezeichnet werden. 

Auch feste Absonderungsprodukte werden bei dem Katarrh der 
Magen-Darmschleimhaut von derselben geliefert. Zwischen den Epi- 
thelien, besonders an den Mündungen der Drüsenausführungsgänge, 
liegen beim Pferde zahlreiche Becherzellen, die Schleim produzieren. 
Diese Zellen werden häufig durch Reize, welche über die Oberfläche 
der Schleimhaut hinziehen, getroffen; sie vermehren sich, bilden mehr 
Schleim und werden zum Teil desquamiert. Der produzierte Schleim 
steht mit den Becherzellen in innigem Zusammenhänge, daher bildet 
er auf der Oberfläche der Schleimhaut einen festhaftenden, schwer 
abspülbaren, weißlichen, durchscheinenden Belag, der keine fremden 
Beimischungen, insbesondere keine Luftblasen enthält. Diese Auf¬ 
lagerung besteht aus proliferierten Epithelien und Schleim. Unter 
dem Belage zeigt sich die Schleimhaut meist gerötet und etwas ver¬ 
dickt, weil die Blutgefäße gleichfalls durch den Reiz getroffen werden. 
Ziemlich häufig findet sich der schleimig-epitheliale Katarrh an der 
Schleimhaut der rechten Magenhälfte, besonders in der Gegend der 
Pylorusdrüsen und an der ganzen Dünndarmschleimhaut (Nr. 7). 

Die fibrinöse Absonderung, die z. B. an der Darmschleimhaut 
des Rindes oft auftritt, ist bei der Obduktion von Pferden im patho¬ 
logischen Institute nicht beobachtet worden. 



458 P1LWAT, 

*2. Die blutige Entzündung der Magen-Darmschleimhaut. 

Diese Form der Entzündung wird durch stärker auf die Magen- 
Darmschleimhaut einwirkende Reize erzeugt. Die Schleimhaut er¬ 
scheint hierbei stark gerötet, dick, trübe und ist hauptsächlich in den 
über die Oberfläche hervorragenden Teilen von schwarzroten Punkten 
und Flecken durchsetzt. An diesen Stellen ist die Blutung ein¬ 
getreten. In der Schleimhaut des Magens wandeln sich die blutigen 
Herde ziemlich schnell in Geschwüre um, weil die mit Blut durch¬ 
tränkte Schleimhaut sich gegen die Einwirkung des Magensaftes nicht 
mehr genügend schützen kann und verdaut wird. Die auf diese 

Weise entstandenen Schleimhautdefektc, die gewöhnlich einen schwarz¬ 
braunen kaffeesatzähnlichen Grund besitzen, sind fälschlich als „hämor¬ 
rhagische Erosionen“ bezeichnet worden, obwohl hierbei nicht nur das 
Epithel, sondern gleichzeitig ein Teil des Schleimhautkörpers verloren 
gegangen ist. Besser wäre die Benennung „hämorrhagische Ulzera- 
tionen“. Sind die Darmzotten Sitz der Blutung gewesen, so erscheint 
die Schleimhaut des geöffneten und abgespülten Dünndarms meist 

schwarzgrau, wie eine Aalhaut. Bei genauer Betrachtung der Schleim¬ 
hautoberfläche läßt sich nachweisen, daß diese Färbung durch zahl¬ 
reiche dicht nebeneinander liegende schwarzbraune Punkte zustande 
gekommen ist, die den Spitzen der Darmzotten entsprechen. Aus 

dem Blutfarbstoffe hat sich hier durch Einwirkung des aus dem Darm¬ 
inhalte entstandenen Schwefelwasserstoffs ein Pigment gebildet, das 
seiner chemischen Zusammensetzung nach hauptsächlich aus Schwefel¬ 
eisen besteht und in Alkohol löslich ist (Nr. 3, 4, 7 und 8). 

3. Die diphtherische Entzündung der Magen- 
Darm sch leim haut. 

Nach der seit einer Reihe von Jahren in der pathologischen 

Anatomie üblich gewordenen Nomenklatur bezeichnet man als Diph¬ 
therie das rasche Absterben der oberflächlichen Schichten einer Schleim¬ 
haut. Die abgestorbenen Schleimhautteile bilden eine zusammen¬ 
hängende oder etwas fetzige Haut (jy diylHoa), die als Belag erscheint, 
in Wahrheit aber einen Teil der Schleimhaut selbst darstellt, welcher 
der Nekrose anheirogefallen ist. Die abgestorbenen Teile sind trübe, 
durch Koagulation des Zelleiweißes trocken und nehmen durch die 
ziemlich rasch eintretende Entfärbung einen weißlich-grauen oder 
gelblich-grauen Farbenton an. Nach Entfernung der abgestorbenen 
Schleimhautschichten erscheint der restierende Schleimhautkörper dick, 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 459 

dunkelrot, zuweilen infolge starker Infiltration mehr graurot; seine 
Oberfläche ist rauh. In den dieser Bearbeitung zu Grunde liegenden 
Fällen ist die primäre Diphtherie im Verdauungsapparate des Pferdes 
mehrmals an der Schleimhaut des Leer-, Hüft-, Blind- und Grimm¬ 
darms beobachtet worden. Eine nekrotisierende Entzündung kann nur 
durch schwere Reize hervorgerufen werden, die auch in diesen Fällen 
am Inhalte des Darms gehaftet und auf die Oberfläche der Schleim¬ 
haut in intensivster Weise eingewirkt haben müssen. Denn diejenigen 
Teile der Schleimhaut, welche am meisten über die Oberfläche hervor¬ 
ragen, die Gipfel der Darmfalten, die Schleimhaut in Höhe der Tänien, 
die Peyersehen Haufen, waren stets am stärksten betroffen. Ge¬ 
wöhnlich setzt sich der Entzündungsprozeß durch die Darmwand auf 
das viszerale Blatt des Bauchfells fort; es entsteht eine sekundäre 
Peritonitis (Nr. 5). 

4. Die brandige Entzündung der Magen-Darmschleimhaut 
wurde nur bei einem an der Kolik gestorbenen Pferde als primäre 
Krankheit beobachtet (Bericht Nr. 6). Das Absterben der Schleimhaut 
vollzieht sich ähnlich wie bei der Diphtherie, reicht aber hier mehr 
in die Tiefe bis in die Submukosa hinein. Die Schleimhaut ist dick, 
trübe und schmutzig graubraun. Die abgestorbenen Teile derselben 
sitzen noch zum Teil an der Grundlage fest und bilden dadurch 
gelblich-graue Fetzen, die durch einen auffallenden Wasserstrahl hin 
und her bewegt werden können. Diese Form der Magen-Darm¬ 
entzündung muß als die schwerste bezeichnet werden. Auch in diesem 
Falle hatte sich der Entzündungsprozeß durch die Darmwand hindurch 
auf das Bauchfell fortgesetzt und eine allgemeine akute Bauchfell¬ 
entzündung hervorgerufen. 

H. Verstopfung des Darms. 

1. Einfache Verstopfung des Darms, Fäkalstase. 

Als einfache Verstopfung ist im Gegensätze zu den Verstopfungen 
durch Kotsteine und zu denjenigen infolge von Verengerungen des 
Darmrohrs nur die Fäkalstase bezeichnet worden, die ohne erhebliche 
Veränderung des Darminhaltes und der Darmwände auftritt. Beim 
Pferde bilden die einfachen Verstopfungen des Darrarohrs die häufigste 
Ursache der Kolik. Die meisten tödlichen Kolikfälle beginnen, wie 
die Untersuchungen ira pathologischen Institute ergeben haben, mit 
einer Verstopfung des Darms. Diese Verstopfung kann ohne Kom- 



■460 


PILWAT, 


.plikationen bleiben und für sich allein tödlich werden, ödes es bildet 
sich im Anschlüsse an die Verstopfung eine Verlagerung des Darms 
aus. Nicht selten zerreißt auch der Magen oder der Darm vor oder 
im Bereiche der verlegten Stelle. 

Die einfache Verstopfung des Darms wurde im pathologischen 
Institute unter 428 an der Kolik gestorbenen Pferden in 76 Fällen 
als Todesursache ermittelt. Mithin starben 17,76 pCt. dieser Pferde 
an einfachen Verstopfungen des Darmrohrs. Auf die einzelnen Darm¬ 
abschnitte verteilen sich die Verstopfungen wie folgt: 

1. Zwölffingerdarm 2 Fälle = 0,47 pCt. aller tödlichen Koliken = 
2,63 pCt. aller einfachen Verstopfungen. 2. Leerdarm 3 Fälle = 
0,70 pCt. aller tödlichen Koliken = 3,95 pCt. aller einfachen Ver¬ 
stopfungen. 3. Hüftdarm 3 Fälle = 0,70 pCt. aller tödlichen Koliken 
= 3,95 pCt. aller einfachen Verstopfungen. 4. Blinddarm 12 Fälle = 
2,80 pCt. aller tödlichen Koliken = 15,79 pCt. der einfachen Ver¬ 
stopfungen. 5. Grimradarm 53 Fälle = 12,38 pCt. aller tödlichen 
Koliken = 69,74 pCt. der einfachen Verstopfungen. 6. Mastdarm 
0 Fälle = 0,70 pCt. aller tödlichen Koliken = 3,95 pCt. der einfachen 
Verstopfungen. Eine primäre Verstopfung des Magens ist bei den 
Obduktionen im pathologischen Institute nicht beobachtet worden. 
Folgende Obduktionsbefunde dienen zur Erläuterung der einzelnen Ver¬ 
stopfungen : 

9. Hellbraune Stute, ca. 10 Jahre alt, 160 cm groß. 

Gestorben und obduziert am 5. November 1904. 

Der Kadaver ist schlecht genährt, ln der Unterhaut, in der Umgebung der 
Gelenke und unter demßauchfello liegt wenig intensiv gelbrot gefärbtes Fettgewebe, 
•das auf dem Durschschnitte eine schleimige Beschaffenheit zeigt. Die Gefäße der 
Unterhaut sind auffallend blutleer, nur im Bereiche des Kopfes, Halses und Rückens 
stärker gefüllt. Die Körpermuskeln befinden sich in der Totenstarre und sehen 
außen und auf dem Durchschnitte tief rotbraun und etwas trübe aus. Der Bauch 
ist stark aufgetrieben. 

Im freien Raume der Bauchhöhle etwa 200 ccm einer rötlichgelben fast 
klaren wässerigen Flüssigkeit. Die hervorquellenden Dünn* und Dickdarmteile 
sind durch Gase stark ausgedehnt und sehen blaß aus, nur die größeren Venen 
treten als gefüllte Gefäßstränge deutlich hervor. Das Bauchfell ist zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Der Leerdarm bedeckt mit einem 
Teile seiner Schlingen die linken Grimmdarmlagen von unten her und ist in seinem 
hinteren Teile stärker erweitert als im vorderen. Die großen Gokrösvenen sind ge¬ 
füllt. Sonst bestehen an der Lage des Darms keine Abweichungen. Der Leerdarm 
enthält außer Gas eine trübe, rotbraune, wässerige Flüssigkeit, deren Menge gegen 
den Hüftdarm hin allmählich zunimmt. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarms 
ist fleckweise, besonders auf der Höhe der Falten gerötet, etwas diok, aufgelockert 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


461- 


und trübe. Die Peyerschen Haufen bilden deutlich hervortretende beetartige Er¬ 
habenheiten, deren Follikel zum größten Teile ausgefallen sind. Dadurch er-, 
scheint die Schleimhaut auf der Höhe der Peyerschen Haufen siebartig durch¬ 
löchert. Der Umfang der Hüftblinddarmöffnung beträgt 11 cm. In der Nähe der. 
Gekrösanheftungsstellen finden sich in und unter der Serosa des Blind- und 
Grimmdarms zahlreiche bis bohnengroße blutige Flecke. Blind- und Grimmdarm 
enthalten viel Gas und dünnbreiige, gegen den Mastdarm bin mehr dickbreiige. 
Massen in erheblicher Menge. Im Mastdarme etwas geformter Inhalt. Die Schleim¬ 
haut des Blind-, Grimm- und Mastdarms ist grünlichgrau und etwas trübe. Das. 
zwischen den Gekröswurzeln dicht unter der Wirbelsäule liegende Stück des. 
Zwölffingerdarms sieht außen dunkelrot aus und erscheint wurstförmig angefüllt. 
In diesem Teile des Zwölffingerdarms findet sich ein 20 cm langer Kotpfropf, der 
aus zerkleinertem Rauhfutter und Maisschrot hesteht. Vor dem beschriebenen Kot¬ 
pfropfe ist der Zwölffingerdarm mit Gasen und dünnbreiigen bis flüssigen Massen, 
gefüllt. Die Schleimhaut des Zwölffingerdarms ist im Bereiche der festen An¬ 
schoppung stark gerötet und schwarzrot gefleckt, sonst mehr graurot, etwas dick v 
und trübe. Der Magen ist sehr groß, soine Wände sind dünn und stark ausge¬ 
dehnt. Der Inhalt des Magens besteht aus Gasen und 12 Litor dünnbreiigen, 
graugrünen, sauren Massen. Die Schleimhaut der linken Magenhälfte sieht rötlich-, 
grauweiß aus und ist an der Oberfläche fast glatt. Die mit Drüsen ausgestattete 
Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist trübe, dick, gallertartig, wie zerflossen, 
in der Gegend der Fundusdrüsen rotbraun, sonst mehr graurot gefärbt. Die Ober¬ 
fläche dieser Schleimhaut ist glatt und besitzt einen starken Glanz. Die Milz mißt: 
48 cm in der Länge, 18 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. 
Die Oberfläche der Milz ist fast glatt und grau; Konsistenz schlaff. Etwa auf der* 
Mitte der lateralen Fläche ist die Milzkapsel in der Größe eines Dreimarkstückes 
schwielig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Am vorderen Rande der Milz 
in der Nähe ihres unteren Endes findet sich eine bohnengroße, die ganze Dicke 
der Milz durchsetzende Narbe. Auf dem Durchschnitte erscheint die Milz rotbraun, 
und trocken; Schnittfläche glatt. Das Balkengewebe ist deutlich sichtbar. Die. 
Leber wiegt 4500 g, sieht rötlich braun aus, besitzt scharfe Ränder und fühlt sich 
derb an. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte fast blutleer. Die Zeichnung 
der Leberläppchen läßt sich bequem erkennen. Die einzelnen Läppchen sind etwa 
hirsekorngroß, sehen rotbraun aus und besitzen am Rande einen schmalen grau-, 
braunen Saum. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abziehen. 
Linke Niere 18 cm lang, 14 cm breit und 4,8 cm dick. Rechte Niere 18 cm lang, 
17 cm breit und 5 cm dick. Die Nieren sehen außen rotbraun, glatt und matt-, 
glänzend aus. Konsistenz ziemlich derb. Die Rindenschicht ist 1,5—2 cm breit, 
trübe und von einzelnen grauweißen, radiär verlaufenden Streifen durchzogen. 
Marksubstanz gestreift und grau, an der Grenze der Rinde dunkelrot. Beim. 
Streichen mit dem Messerrücken von der Rinde gegen die Papille hin entleert sich 
aus den großen Sammelröhren etwas gelblich-grauweiße trübe, rahmartige Flüssig¬ 
keit, die sich auch im Nierenbecken vorfindet. 

Die Pleurasäcke sind leer. Beide Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, 
sind stark retrahiert, klein und in allen Teilen lufthaltig. Der seröse Ueberzug 
der Lungen ist an mehreren Stellen bis zur Größe eines Markstücks schwielig ver¬ 
dickt, grauweiß und undurchsichtig. An den scharfen unteren Rändern der Lungen, 



462 


P1LWAT, 

sitzen zahlreiche grauweiße derbe Fäden. Unter dem Lungen- und Rippenfelle 
liegen mehrere bis bohnengroße, schwarzrote Flecke. Das Lungengewebe ist auf 
dem Durchschnitte etwas stärker gerötet, seine Schnittfläche glatt und feucht. Der 
Herzbeutel enthält 70 ccm einer gelbroten, fast klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche 
der sich berührenden Herzbeutclblätter ist glatt und spiegelnd, glänzend. Unter 
dem inneren Blatte des Herzbeutels finden sich besonders in den Herzfurchen 
zahlreiche Blutungen. Das rechte Herz ist mit flüssigem und geronnenen dunkel¬ 
roten Blute ziemlich stark gefüllt. Linkes Herz fast leer. Der Umfang des Herzens 
beträgt an der Basis 59 cm, die Höhe des rechten Ventrikels 18 cm, die des linken 
19 cm. Die Seitenwand der rechten Kammer ist 1,8, die der linken 3,2 cm dick. 
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen OefTnungen läßt sich 
eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herzklappen 
sind zart und zeigen keine Abweichungen. Die Innenhaut, hauptsächlich der 
linken Herzhöhlen, ist stellenweise dick, grauweiß und undurchsichtig. Unter der 
Innenhaut liegen mehrere flächenförmige Blutungen. Herzrauskulatur auf dem 
Durchschnitte graurot, trocken und trübe, Konsistenz brüchig. Die Schleimhaut 
der Luftröhre und des Kehlkopfes zeigt nur vereinzelte gefüllte Venenstämme und 
ist sonst blaß. In der Gegend des Zungengrundes, der Kehldeckelgießkannen¬ 
bänder und an der vorderen Fläche des Kehldeckels sieht die Schleimhaut blaurot 
aus und ist etwas dick. An den Muskeln des Kehlkopfes und an den Lymphdrüsen 
der Halsorgane finden sich keine Abweichungen. 

Die IIüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,9 cm lang und fast gleichmäßig 
zylindrisch erweitert. Die Wände des Gefäßes sind bis 2 mm dick, an der Innen¬ 
fläche rauh und mit grauroten, etwas bröckligen Gerinnseln bedeckt, die der Ge¬ 
fäßwand fest anhaften. Unter den Auflagerungen ist die Innenhaut der Arterie 
fetzig und fehlt stellenweise ganz. Die von dieser Arterie zum Darm gehenden 
Gefäße zeigen keine Veränderungen und sind w T egsam. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung 
des Zwölffingerdarms. Leichte katarrhalische Entzündung des Leer- und Hüft- 
darms. Starke Ausdehnung des Magens und postmortale saure Erweichung der 
Magenschleimhaut. Geringgradige Schwellung der Milz. Geringgradige katar¬ 
rhalische Entzündung der Nieren. Braune Atrophie der Leber und der Korper- 
muskeln. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Blutungen unter dem inneren 
Blatte des Herzbeutels, unter der Innenhaut des Herzens und unter den Blättern 
des Brustfells. Geringgradiges Stauungsödem im Bereiche der Kehldeckel-Gie߬ 
kannenbänder. Erweiterung und wandständige Thrombose in derHüft-Blind-Grimm- 
darmarterie. 

10. Brauner Wallach, kleiner Stern, beide Hinterkronen und Fesseln gefleckt 
w eiß, 7—8 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 21. 11. 1905. 

Der Kadaver ist gut genährt. In der Unterhaut in der Umgebung des 
Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt dickes gelblich-weißes 
Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau erkennen läßt. Die 
Körpermuskeln zeigen Totenstarre, sehen rot und auf dem Durchschnitte etwas 
trübe aus. Gefäße der Unterhaut stark gefüllt. Der Bauch ist aufgetrieben. 

Im freien Raume der Bauchhöhle etwa ein Liter einer rötlichen wässerigen 
Flüssigkeit. Das den Darm und die Bauchwände überziehende Bauchfell ist zart 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


463 


und durchscheinend, seine Oberfläche glatt uad glänzend. Der Blinddarm und die 
rechten Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten Seite der Bauchhöhle. Die 
Beckenkrümmung und die linken Lagen des Grimmdarmes liegen vorn dicht hinter 
dem Zwerchfelle. Die stark ausgedehnten Leerdarmschlingen haben links und hinten 
ihre Lage. Die vorliegenden Darmteile sehen blaßgrau aus, nur im vorderen Ab¬ 
schnitte des Leerdarmes finden sich in und unter der Serosa zahlreiche flecken- 
und strichförmige Blutungen. Der Inhalt des Leerdarmes besteht aus Gasen und 
einer grauen, trüben, mehlsuppenartigen Flüssigkeit, die gegen den Hüftdarm hin 
an Menge zunimmt. Im vorderen Abschnitte des Leerdarmes sieht die Schleimhaut 
schwatz-grau aus. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, daß diese Färbung durch 
zahlreiche dicht nebeneinander liegende schwarze Punkte bedingt ist, die den 
Zottenspitzen entsprechen. In den übrigen Teilen des Leerdarmes und im Hüft- 
darme sind die Zotten der Schleimhaut in eine weißliche, trübe, schmierige Masse 
umgewandelt, die sich abstreichen läßt. Die Schleimhaut ist hier sehr trübe. Blind-, 
Grimm- und Mastdarm enthalten Gase und wenig breiige bis festweiche Massen. 
Die Schleimhaut dieser Darmabteilungen ist grünlich-grau bis bräunlich-grau und 
etwas trübe, an der Oberfläche glatt. Der Magen und Zwölffingerdarm sind sehr 
groß; sie enthalten 30 Liter braune dünnbreiige bis flüssige Massen und Gas. Der 
zwischen den GekrösWurzeln gelegene Teil des Zwölffingerdarms ist durch einen 
länglichen Kotpfropf, der aus gekautem Häcksel und Heu besteht, verlegt. Die 
Schleimhaut dieses Abschnittes ist fleckweise gerötet und etwas verdickt. Unter 
der Serosa des Zwölffingerdarmes finden sich zahlreiche Blutungen. Der Umfang 
des Zwölffingerdarmes vor der verlegten Stelle beträgt 29 cm, die Dicke seiner 
Muskolhaut 2,5 mm. Die Muskelschicht der Magenwände ist 3—5 mm dick. Die 
Schleimhaut der Fundusdrüsengegend erscheint bräunlich-grau, flach gekörnt und 
-etwas trübe; gegen den Pförtner hin wird die Schleimhaut mehr blaßgrau, ihre 
Oberfläche fast glatt. Die gesamte mit Drüsen besetzte Schleimhaut der rechten 
Magenhälfte ist erheblich dicker wie gewöhnlich. Messungen ergaben eine Dicke 
von 1—3 mm. An der Schleimhaut der linken Magenhälfte lassen sich keine Ab¬ 
weichungen nachweisen. Die Milz mißt 49 cm in der Länge, 25 cm in der größten 
Breite und 4 cm in der mittleren Dicke. Die Milz sieht außen graublau aus und 
besitzt eine hügelige Oberfläche, Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist nur 
<lie dunkelrotbraune Pulpe sichtbar. Die Schnittfläche erscheint spiegelnd glänzend. 
Das Gewicht der Leber beträgt 6300 g. Die Leberränder sind abgerundet. Außen 
sieht die Leber gelblich-graubraun, an der Oberfläche glatt aus; nur auf der 
Zwerchfellsfläche des rechten Leberlappens sitzen einzelne grauweiße bindegewebige 
Zotten. Konsistenz der Leber etwas weich. Ueber die Durchschnittsfläche fließt 
aus den Lebergefäßen eine blasige dunkelrote Flüssigkeit. Das Lebergewebe ist 
trübe, verwaschen gelbrot und läßt die Zeichnung der Läppchen nur undeutlich 
erkennen. Die einzelnen Läppchen sehen in der Mitte graurot, am Rande mehr 
grau aus. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide 
Nieren sind außen graubraun, an der Oberfläche glatt und mattglänzend. Rechte 
Niere 19,5 cm lang, 19 cm breit und 5,3 cm dick. Linke Niere 20 cm lang, 16 cm 
breit und 6 cm dick. Konsistenz der Nieren etwas brüchig. Auf dem Durchschnitte 
sind beide Nieren blutreioh. Die Rindenschicht ist 1,5—2 cm breit, trübe, graurot 
und von zahlreichen grauweißen radiär verlaufenden Stroifen durchzogen. Mark- 
substanz dunkelgraurot und gestreift. Beim Streichen mit dem Messerrücken von 



464 PILWAT, 

der Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den großen Sammelröhren ein* 
trübe gelblich-graue rahmartige Flüssigkeit. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das die Brustwände und die Lungen über¬ 
ziehende Brustfell ist blaß graurot, zart und durchscheinend. Unter dieser serösen 
Haut finden sich zahlreiche fleckenförmige Blutungen. Die Lungen liegen frei in 
den Brustfellsäcken, sind klein, sehen in den unteren Teilen blaßrot, in den oberen 
mehr dunkelrot aus, fühlen sich weich, elastisch an und knistern schwach beim 
Hinüberstreichen. Die Durchschnittsfläche der Lungen ist glatt und etwas feucht. 
Im Herzbeutel 30 ccm einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich 
berührenden Herzbeutelblätter ist glatt’und glänzend. Unter dem inneron Blatte 
des Herzbeutels liegen besonders in den Herzfurchen größere fleckenförmige Blu¬ 
tungen. Der Umfang des Herzens beträgt an der Basis 62 cm. Rechte Herzkammer 
17 cm hoch und stark gewölbt. Die Seitenwand dieser Kammer ist 2 cm dick. Der 
linke Ventrikel ist mehr abgeflacht und 19 cm hoch, die Dicke seiner Seitenwand 
beträgt 3,4 cm. Die rechten Herzhöhlen sind mit dunkelrotem flüssigen und ge¬ 
ronnenen Blute prall gefüllt. In der linken Vor- und Herzkammer finden sich 
kleine speckhäutige und dunkelrote Gerinnsel neben etwas flüssigem Blute. Durch 
die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine läng¬ 
lich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herzklappen und difr 
Innenhaut des Herzens sind zart. Unter der Innenhaut, hauptsächlich des linken 
Ventrikels, liegen auf den Gipfeln der Papillarmuskeln große flächenförmige Blu¬ 
tungen. Die Herzmuskulatur sieht auf dem Durchschnitte graurot, trocken und 
trübe aus; Konsistenz brüchig. Die Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfes 
ist durch gefüllte Venennetze gerötet. In der Schleimhaut der vorderen Kehldeckel- 
fläche finden sich mehrere punkt- und fleckenförmige Blutungen. Der Kehldeckel 
zeigt eine etwas kahnförmige Gestalt. Die Schleimhaut des Zungengrundes und 
der Kehldeckelgießkannenbänder ist bläulich-rot und etwas dick. An den Muskeln 
des Kehlkopfes, an den Lyraphdrüsenpaketen in der Nachbarschaft des Schlund¬ 
kopfes und im Kehlgange finden sich keine Abweichungen. Die Hüft- Blind- 
Grimmdarmarterie ist 4 cm lang, zylindrisch erweitert und an der vorderen Seite 
sackförmig ausgebuchtet. Die Wände der Arterie sind bis 3 mm dick, ihre Innen¬ 
flächen rauh und mit kleinen grauen Gerinnseln bedeckt, die den Gefäßwänden 
ziemlich fest anhaften. Die sackförmige Ausbuchtung der Arterie ist mit einem 
grauroten ziemlich trocknen Gerinnsel vollkommen angefüllt. Die Gefäßinnenhaut 
ist fetzig. Die aus dieser Arterie abgehenden Gefäße zeigen keine Veränderungen 
und sind frei von Pfropfen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung des Zwölffinger¬ 
darmes. Erweiterung und Hypertrophie des Magens und Zwölffingerdarmes. Ent¬ 
zündung des Zwölffingerdarmes und des vorderen Leerdarmabschnittes. Mazera¬ 
tionserweichung der Leer- und Hüftdarmschleimhaut. Fäulnis der Leber. Akute 
Milzschwellung. Katarrhalische Entzündung der Nieren. Trübe Schwellung des 
Herzmuskels. Blutungen unter der inneren Brusthaut, unter dem inneren Blatt 
des Herzbeutels und unter der Innenhaut des Herzens. Stauungsödem in der 
Nachbarschaft der Glottis. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft- 
Bli nd-Griramdarmarterie. 

11. Schimmelstute, ca. 10 .Jahre alt. 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


4(55 


Gestorben am 7. 3., obduziert am 8. 3. 1906. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande, ln der Unterhaut, 
über dem Euter, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfell liegt 
etwas gelblich-graues Fettgewebe, das auf dem Durchschnitt einen lappigen Bau 
erkennen läßt. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitt schwach 
graurot, etwas trocken und trübe. Die Gefäße der Unterhaut sind stark gefüllt. 

Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raum der Bauchhöhle finden sich 
2 Liter einer rötlichen wässerigen Flüssigkeit. Der Blinddarm und die rechten 
Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten, die linken Grimmdarmlagen auf 
der linken Seite der Bauchhöhle und sind zum Teil von prall gefüllten Leerdarm¬ 
schlingen bedeckt. Der Leerdarm nimmt den größten Raum in der Bauchhöhle 
ein. Außen zeigt dieser Darm zahlreiche dunkelrote Flecke und Striche. Die 
übrigen Darmteile sehen grau aus. Das Bauchfell ist zart und durchscheinend, 
seine Oberfläche glatt und glänzend. Bei der Herausnahme und Eröffnung des 
Leerdarmes zeigt sich, daß derselbe in seinem hinteren Abschnitt, etwa 4 m vor 
der Einpflanzung des Hüftdarmes in den Blinddarm, durch einen 30 cm langen 
graugrünen, ziemlich festen Kotpfropf vollkommen verlegt ist. Der vor dem Kot¬ 
pfropf gelegene Teil des Leerdarmes und der Zwölffingerdarm sind sehr lang und 
weit, mit flüssigen und dünnbreiigen Massen prall gefüllt. Der hintere Teil des 
Leerdarmes und der Hüftdarm sind leer, im Bereiche der Anschoppung ist die 
Schleimhaut des Leerdarmes stark gerötet und mit Blutungen durchsetzt. Unter 
der Serosa dieses Darmstückes finden sich gleichfalls fleckenförmige Blutungen. 
Die Schleimhaut des vorderen Leerdarmabschnities und des Zwölffingerdarmes ist 
fleckenweise stark gerötet, etwas dick und aufgelockert, die des hinteren Leer¬ 
darmabschnittes und des Hüftdarmes blaßgrau und etwas trübe. Der Blinddarm 
enthält flüssige und dünnbreiige, der Grimmdarm fest-weiche Massen, die gegen 
den Mastdarm hin etwas fester werden. Im Mastdarm wenig geformter Inhalt. 
Die Schleimhaut der Dickdarmabteilungen ist graugrün bis bräunlichgrau und 
etwas trübe. Der Magen ist sehr groß; seine Wände sehr dünn; er enthält viel 
Gas und 18 Liter dünnbreiige bis flüssige saure Massen. Die Schleimhaut der 
Pförtnerhälfte ist dick, trübe, gallertartig, in der Gegend der Fundusdrüsen grau¬ 
braun, gegen den Pförtner hin blaßgrau. Die Oberfläche dieser Schleimhaut ist 
glatt und stärk glänzend, ln der linken Magenhälfte sieht die Schleimhaut rot- 
lich-weiß aus und zeigt keine Veränderungen. Am gefransten Rande des Magens 
finden sich zwischen den Schenkeln der hufeisenförmigen Muskelschleife zahlreiche 
linsen- bis erbsengroße Warzen. Die Milz mißt 49 cm in der Länge, 28 cm in der 
größten Breite und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz graublau 
und hügelig; Konsistenz weich. Die Erhebungen erscheinen auf dem Durchschnitt 
dunkelrot bis schwarzrot und lassen das Balkengerüst nicht erkennen; die Pulpa 
ist hier sehr reichlich und zerfließlich. In den übrigen Abschnitten der Milz ist 
das Balkengewebe noch sichtbar, die Pulpa rotbraun. Das Gewicht der Leber 
beträgt 7500 g. Leberränder abgerundet. An der Zwerchfellsfläche zeigt die Leber¬ 
kapsel mehrere grauweiße plattenförmige Verdickungen und zahlreiche bindegewebige 
Zotten. Sonst sieht die Leber an der Oberfläche graubraun aus und besitzt eine 
brüchige Konsistenz. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitt w*enig blutreich 
und graubraun. Die Leberläppchen sind etwa hirsekorngroß, ihre Grenzen deut- 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierlieilk. Bd. 30 . Suppl.-Band. 


30 



466 


PILWAT, 


lieh sichtbar. In der Mitte sehen die einzelnen Läppchen braun, am Rande grau 
aus. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abziehen. Die Nieren 
sind außen graubraun, an der Oberfläche glatt und mattglänzend. Konsistenz 
etwas brüchig. Rechte Niere 18 cm lang, 18,3 cm breit und 5,2 cm dick. Linke 
Niere 20,5 cm lang, 16 om breit und 6 cm dick. Auf dem Durchschnitt ist das 
Gewebe beider Nieren blutreich. Die Rindenschioht ist 1,5—2 cm breit, trübe, 
graubraun und von zahlreichen breiten, grauweißen, radiär verlaufenden Streifen 
durchzogen. Die Marksubstanz ist graurot bis dunkelrot und gestreift. Beim 
Streichen von der Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den großen 
Sammelröhren eine trübe grauweiße, rahmartige Masse, die sich auch im Nieren¬ 
becken in beträchtlicher Menge vorfindet. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, 
seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬ 
säcken, sind klein, blaßrot, weich, elastisch und knistern überall beim Hinüber¬ 
streichen. Ihre Durchschnittsfläche ist glatt und fast trocken. Im Herzbeutel 
finden sich 35 ccm einer gelbroten, fast klaren wässerigen Flüssigkeit. Die Ober¬ 
fläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang 
des Herzens beträgt an der Herzbasis 61 cm. Rechte Kammer 17,5 cm, linke 
Kammer 18,5 cm hoch. Die Seitenwand der rechten Kammer ist stark gewölbt 
und 2 cm dick, die der linken Kammer mehr abgeflacht und 3,5 cm dick. Die 
rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenem dunkelroten Blut stark 
gefüllt. In den linken Herzhöhlen finden sich kleinere speckhäutige Gerinnsel. 
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich 
eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die halbmond¬ 
förmigen und zweizipfeligen Klappen der linken Herzhälfte sind besonders in ihren 
Randteilen etwas verdickt. Die Innenhaut dieser Herzhälfte zeigt ebenfalls mehrere 
plattenförmige Verdickungen, ist hier grauweiß und undurchsichtig. Die Herz¬ 
muskulatur erscheint auf dem Durchschnitt graurot, trocken und trübe; Konsistenz 
brüchig. In der Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfes liegen nur ver¬ 
einzelte gefüllte Gefäßnetze. Die Schleimhaut der Kehldeckelgießkannenbänder 
und des Pharynx ist rötlich-blaugrau und etwas dicker wie gewöhnlich. An den 
Muskeln des Kehlkopfes sowie an den Lymphdrüsen der Halsorgane zeigen sich 
keine Abweichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3y 2 cm lang und fast 
gleichmäßig zylindrisch erweitert; ihre Wände sind ungleichmäßig verdickt und 
zeigen auf der Innenfläche mehrere Längs- und Querrisse. Thrombenbildung fehlt. 
Die an den Leer-, Hüft-, Blind- und Grimmdarm herantretenden Gefäße zeigen 
keine Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung 
des Leerdarmes. Starke Dilatation und saure Erweichung des Magens. Akute 
multiple Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Leichte Trübung der 
Körpermuskeln. Schwere trübe Schwellung des Herzmuskels. Chronische Ent¬ 
zündung der Herzinnenhaut. Erweiterung der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

12. Apfelschimmelstute, ca. 9 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 10. 8. 1905. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande; in der Unterhaut, in 
der Umgebung der Gelenke, über dem Euter und hinter dem Brustfell liegt ziem- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


467 


lieh viel gelblichgrauweißes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitt einen lappigen 
Bau erkennen läßt. Die Körpermuskeln sind -totenstarr, graubraunrot, auf dem 
Durchschnitt etwas trübe und trocken. Gefäße der Unterbaut ziemlich stark ge¬ 
füllt. Der Bauch ist aufgetrieben. 

Im freien Raum der Bauchhöhle etwa V 2 Liter einer gelbliohen, leicht ge¬ 
trübten Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart und durchscheinend, seine Oberfläche 
glatt. An einzelnen Stellen, besonders an dem wandständigen Blatte des Bauch¬ 
fells, finden sich grauweiße bindegewebige Zotten. Der Blinddarm und die rechten 
Lagen des Grimmdarms liegen auf der reohten, die linken Grimmdarmlagen auf der 
linken Seite der Bauchhöhle und sind fast vollkommen von den starkgefüllten und 
-ausgedehnten Leerdarmschlingen bedeckt. Der Leerdarm ist sehr lang und weit 
und nimmt den grössten Raum in der Bauchhöhle ein. Unter der Serosa desselben 
finden sich mehrere fleckenförmige Blutungen. Der Leerdarm ist mit flüssigen, 
gegen den Hüftdarm hin mehr breiig werdenden Massen stark gefüllt und enthält 
außerdem viel Gas. Der Hüftdarm zeigt eine wurstförmige Gestalt, ist lang, weit 
und mit festen trockenen Massen angefüllt, die einen s / 4 m langen zusammen¬ 
hängenden Pfropf bilden, der bis zur Hüft-Blinddarmöffnung reicht. Der Umfang 
■dieser Oeffnung beträgt 12 cm, die ganze Dicke der Hüftdarmwand 1—2 mm. Die 
Längsmuskelschicht der Hüftdarmwand ist 0,2 mm, die Ringfaserschicht bis 1 mm 
■dick. Die Schleimhaut des Hüftdarms ist fleckweise gerötet, mit kleinen Blutungen 
durchsetzt, etwas dick und aufgelockert. Unmittelbar vor der Hüft-Blinddarra- 
■öffnung, am Ende des Kotpfropfes, findet sich in der Schleimhaut eine ungleich¬ 
mäßige, zirkulär verlaufende Rötung. Die Schleimhaut des Leerdarms ist strecken¬ 
weise dunkelrot gefärbt, sonst mehr graurot, etwas dick und aufgelockert. Im 
Zwölffingerdarm erscheint die Schleimhaut grau und zart. Der Blinddarm enthält 
flüssige, der Griramdarm mehr breiige Massen in mittlerer Menge. Im Mastdarm 
findet sieb etwas weicher geballter Kot. Die Schleimhaut des Blinddarms ist 
■dunkelgrau, die des Grimm- und Mastdarms schwach grünlichgrau und durch¬ 
scheinend. Die Oberfläche dieser Schleimhaut besitzt einen sammetartigen Glanz. 
Der Magen enthält 15 Liter braungrüne dünnbreiige Massen und Gas. Die Magen¬ 
wände sind dünn. Die Schleimhaut der linken Magenhälfte ist rötlichgrau und 
zeigt zahlreiche bis linsengroße Epitheldefekte, die von wallartigen, ringförmigen 
Epithelwucherungen umgeben sind. Der Grund der zentralen Vertiefungen sieht 
dunkelbraun aus. Die Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist etwas glasig- 
gallertartig, wie zerflossen und trübe. In der graubraun gefärbten Fundusdrüsen¬ 
gegend liegen an der Schleimhautoberfläche noch ganz flache Hügel. Gegen den 
Pförtner hin wird die Oberfläche der Schleimhaut ganz glatt. Die Milz mißt 57 cm 
in der Länge, 24 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke; ihr 
Gewicht beträgt 2000 g. Die Oberfläche der Milz ist graublau und hügelig. Die 
einzelnen Erhebungen sind bis walnussgroß und dunkelblau gefärbt. Konsistenz 
■der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den Erhebungen 
<ler Milz nicht sichtbar; die Pulpe ist hier dunkelrot bis schwarzrot, sehr reichlich 
•und zerfließlich. In den übrigen Teilen der Milz sind die Trabekel schwer, aber 
noch sichtbar; die Pulpe ist hier mehr braunrot und sehr weich, so dass die 
Schnittfläche der Milz ein feuchtglänzendes Aussehen erhält. Das Gewicht der 
-Leber beträgt 5000 g. Die Leberränder sind etwas abgerundet. Farbe der Leber 


30 



468 PILWAT, 

graubraun, Oberfläche glatt und mattglänzend, Konsistenz etwas brüchig. Auf 
dem Durchsohnitte ist das Lebergewebe ziemlich blutreich, trübe und graurot. Die 
Läppchenzeichnung ist etwas undeutlich; die Grenzen der Läppchen sind aber 
noch erkennbar, letztere haben die Größe eines Hirsekorns bis Reiskorns, sind in 
der Mitte graurot, am Rande in breiter Zone grau. Die Nierenkapseln lassen sich 
leicht von den Nieren abtrennen. Die Nieren sehen graubraunrot aus; ihre Ober¬ 
fläche ist glatt und mattglänzend. Konsistenz etwas brüchig. Rechte Niere 
18,3 cm lang, 19 cm breit und 5,6 cm dick, linke Niere 21 cm lang, 15,8 cm breit 
und 6 cm dick. Auf dem Durchschnitte ist das Nierengewebe blutreich. Die 
Rindenschicht ist 1—2 cm breit, trübe, graubraun und von zahlreichen breiten 
grauen, radiär verlaufenden Strahlen durchzogen. Marksubstanz dunkelgraurot 
und gestreift. 

ln den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Unter dem wandständigen Blatte 
der Pleura fiuden sich zahlreiche punkt- und fleckenförmige Blutungen. Die 
Lungen liegen frei in den Brustfellsäoken, sind etwas größer als im Retraktions¬ 
zustande und sehen hellrot aus. Unter dem Lungenfelle liegen einzelne kleine 
Blutungen. Das Gewebe beider Lungen ist weich, elastisch und knistert schwach 
beim Hinüberstreichen. Die Schnittfläche der Lungen ist glatt und feucht. Bei 
leichtem seitlichen Drucke auf das Lungengewebe quillt aus den durchschnittenen 
Luftröhrenästen und Lungenbläschen eine feinblasige schaumige Flüssigkeit. Der 
Herzbeutel enthält einen Eßlöffel voll einer gelblichen, fast klaren wässerigen 
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und 
glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 60 cm. Die rechte 
Kammer ist 16,5 cm, die linke 18,5 cm hoch. Die Seitenwand des rechten Ven¬ 
trikels ist stark gewölbt und 2 cm dick, die des linken Ventrikels mehr abgeflacht 
und 3,4 cm dick. Die rechte Herzhälfte ist mit flüssigem und geronnenen dunkel¬ 
rotem Blute prall gefüllt, ln den linken Herzhöhlen findet sich etwas flüssiges 
Blut und kleinere speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herz¬ 
kammern gelegenen Oeffnungen sind so gross, dass sich eine länglich zusammen¬ 
gelegte Hand bequem durch dieselben hindurchführen läßt. Die Innenhaut des 
Herzens und die Herzklappen sind dünn, zart und durchscheinend. Unter der 
Innenhaut des linken Ventrikels finden sich mehrere punkt- und fleckenförmige 
Blutungen. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durchschnitte graurot, trocken 
und trübe; Konsistenz brüchig. Die Schleimhaut des Zungengrundes, Schlund¬ 
kopfes und der Kehldeckel-Gießkannenbänder ist blaurot und etwas dick, ln der 
Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfes finden sich einzelne gefüllte Venen¬ 
netze. Der Kehldeckel zeigt eine kahnförmige Gestalt. Die Muskeln des Kehl¬ 
kopfes sowie die Lymphdrüsen der Halsorgane sind frei von Veränderungen. Die 
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang, zylindrisch erweitert und an zwei 
Stellen sackförmig ausgebuchtet. Die Wände der Arterie sind ungleichmäßig ver¬ 
dickt, ihre grüßte Dicke beträgt 4 mm. An der Innenfläche sind die Gefäßwände 
rauh und mit grauroten, zusammenhängenden, etwas bröckligen geronnenen 
Massen bedeckt, die der Gefäßwand ziemlich fest anhaften. Unter diesen Auf¬ 
lagerungen ist die Gefäßinnenhaut fetzig und fehlt stellenweise. Die aus der 
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie abgehenden Gefäße sind wegsam und frei von Ver¬ 
änderungen. 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


469 


Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und Dilatation des 
Hüftdarms. Entzündung der Leer- und Hüftdarmschleimhaut. Saure Erweichung 
der Magenschleimhaut. Akute multiple Milzschwellung. Leichte Trübung der 
Leber. Katarrhalische Nierenentzündung. Oedem der Lungen. Trübe Schwellung 
der Körper- und Heizmuskulatur. Blutungen unter der Innenhaut des Herzens. 
Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

13« Brauner Wallach, ca. 12 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 11. September 1905. 

Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut, in der Umgebung 
der Gelenke, des Schlauches und unter dem Bauchfell liegt wenig gelbrotes Fett¬ 
gewebe, das auf dem Durchschnitte eine schleimig-gallertige Beschaffenheit zeigt. 
Die Körpermuskeln sind unvollkommen totenstarr, sehen dunkclbraunrot aus und 
sind auf dem Durchschnitte etwas feucht. Gefäße der Unterhaut leer. 

Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle findet sich 
etwa y 2 Liter einer gelblichen, fast klaren, leicht beweglichen Flüssigkeit. Die 
Blätter des Bauchfells sind an mehreren Stellen mit weißlichen bindegewebigen 
Zotten besetzt; sonst ist das Bauchfell zart und durchscheinend, seine Oberfläche 
glatt und glänzend. Der Blinddarm ist sehr groß und nimmt den größten Raum 
in der Bauchhöhle ein; er liegt mehr auf der rechten Seite und ragt über die 
Mitte der Bauchhöhle weit in die linke Hälfte derselben hinein. Die rechten 
Grimmdarmlagen liegen auf der rechten, die linken Lagen des Grimmdarms, der 
Leer- und Mastdarm auf der linken Seite der Bauchhöhle. Diese Darmteile sind 
durch den erweiterten Blinddarm größtenteils von unten her bedeckt und sehen 
außen grau aus. Der Leerdarm enthält etwas Gas und graugelbe, trübe Flüssig¬ 
keit, die gegen den Hüftdarm hin an Menge zunimmt und mit viel festen Bestand¬ 
teilen vermischt ist. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarms ist stellenweise 
schwach gerötet, sonst grau und trübe. Der Blinddarm sieht außen rötlichgrau 
aus; er ist mit festen trockenen Massen im Gewichte von 41 kg prall gefüllt. Die 
Blinddarmwände sind dünn. Die Schleimhaut des Blinddarms ist stellenweise ge¬ 
rötet. Die zwischen Blind- und Griramdarm gelegene Oeffnung ist so weit, daß 
sich eine Faust bequem durch dieselbe hindurchführen läßt. Im Grimmdarm findet 
sich breiiger Inhalt, der in der magenähnlichen Erweiterung eine mehr festweiche 
Konsistenz annimmt. Der Mastdarm ist leer. Die Schleimhaut des Grimm- und 
Mastdarms ist grünlichgrau bis bräunlichgrau, blaß und durchscheinend. Der 
Magen enthält 8 Liter dünnbreiige, graubraune, saure Massen. Die Schleimhaut 
der linken Magenhälfte ist rötlichgrauweiß, ihre Oberfläche fast glatt. Die 
Schleimhaut der Pförtnerhälfte erscheint grau, in der Gegend der Fundusdrüsen 
graunbraun, etwas dick, gallertartig und trübe. Oberfläche dieser Schleimhaut 
glatt und stark glänzend. Die Milz mißt 39 cm in der Länge, 18 cm in der 
größten Breite und 2,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt, 
Farbe grau, Konsistenz festweich, wie die des erektilen Gewebes. Auf dem Durch¬ 
schnitte ist das Balkengerüst bequem sichtbar. Pulpa braunrot, mit einem Stich 
ins Gelbliche. Schnittfläche der Milz glatt und trocken. Das Gewicht der Leber be¬ 
trägt 3500g. Die Leberränder sind scharf. Auf der Zwerchfellsfläche, hauptsächlich 
des rechten Leberlappens, sitzen an der Leberkapsel zahlreiche weißlichgraue 
Zotten. Die Leber sieht dunkelrotbraun aus und fühlt sich derb an. Das Leber- 



470 


P1LWAT, 

gewebe ist auf dem Durchschnitte rotbraun und blutreich. Läppchenzeichnung 
bequem erkennbar. Die einzelnen Leberläppchen sind bis hirsekorngroß und sehen 
rotbraun bis dunkelbraun aus. Die Nierenkapseln sind an mehreren Stellen mit 
den Nieren verwachsen. Beide Nieren sehen außen rötliohbraun aus und besitzen 
an ihrer Oberfläche einen matten Glanz. An der Oberfläche der rechten Niere 
finden sich vier, an der der linken Niere zwei weißliche Narben von der Größe einer 
Linse bis zu der eines halben Pfennigstückes. Rechte Niere 16 cm lang, 17 cm 
breit und 4,6 cm dick. Linke Niere 18 cm lang, 15 cm breit und 5 cm dick. Die 
Konsistenz der Nieren ist derb. Das Nierengewebe ist auf dem Durchschnitte blut¬ 
reich. Rindenschicht 1— \ l j 2 cm breit und rötlichbraun. Die Knäuel sind in der 
Rinde als große, rote Punkte sichtbar. Stellenweise treten die Markstrahlen als 
breite, grauweiße, radiär verlaufende Züge deutlich hervor. Die Marksubstanz ist 
gestreift und an der Grenze der Rinde stark gerötet. 

Die Brustfellsäcke enthalten 1 Liter einer gelbroten, klaren Flüssigkeit. Das 
Brustfell ist zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Unter 
dem Rippenteile des Brustfells liegen einzelne fleokenförmige Blutungen. Die 
Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind größer und schwerer wie gewöhn¬ 
lich. Das Lungenfell der linken Lunge ist an zwei Stellen in derGröße eines Fünf¬ 
markstücks verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Aus den scharfen Rändern 
beider Lungen sitzen zahlreiche weißlichgraue, bindegewebige Zotten. Das Lungen¬ 
gewebe ist hellrot, fühlt sich weich, elastisch an und knistert beim Hinüber¬ 
streichen, es ist jedoch etwas derber als normales lufthaltiges Lungengewebe. 
Die Schnittfläche der Lungen ist glatt und sehr feucht. An den durchschnittenen 
Luftröhrenästen quillt ein dichter feinblasiger Schaum, der nach einiger Zeit fast 
die ganze Schnittfläche der Lungen bedeckt. Die großen Bronchien, die Luftröhre 
und der Kehlkopf enthalten eine feinblasig-schaumige Flüssigkeit. Die Schleim¬ 
haut der Luftröhre und des Kehlkopfes zeigt vereinzelte, stärker gefüllte Venen¬ 
netze und ist sonst blaß. Der Kehldeckel besitzt eine kahnförmige Gestalt. An 
den Muskeln des Kehlkopfes und an den Lymphdrüsen der Halsorgane finden sich 
keine Abweichungen. Der Herzbeutel enthält 200 ccm einer gelblichen, klaren 
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und 
glänzend. In den Herzfurchen findet sich wenig rötlichgelbes, schleimiges Fett¬ 
gewebe. Die Kranzarterien des Herzens sind lang, weit und verlaufen geschlän¬ 
gelt. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 56 cm. Rechte Kammer 
14 cm, linke 17 cm hoch. Die Seitenwand des rechten Ventrikels ist stark gewölbt 
und auf dem Durchschnitte 1,5 cm dick, die des linken Ventrikels abgeflacht und 
3 cm dick. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenen dunkel¬ 
roten Blute stark gefüllt, die linken Herzhöhlen leer und zusammengezogen. 
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich 
eine länglich zusaramengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herzklappen 
und die Innenhaut, besonders der linken Herzhälfte sind grauweiß, dick und un¬ 
durchsichtig. Herzmuskulatur auf dem Durchschnitte dunkelgraurot, etwas trocken 
und trübe. Konsistenz ziemlich derb. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylinderförmig erwei¬ 
tert. Die Gefäßwände sind bis 3 mm dick, an der Innenfläche etwas rauh und 
weisen mehrere strichförmige Narben auf, die in der Längsrichtung des Gefäßes 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


471 


verlaufen. Thrombenbildung fehlt. An den Gefäßen des Blind- und Grimmdarmes 
keine Abweichungen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung, Erweiterung und 
Entzündung des Blinddarms. Leichte katarrhalische Entzündung der Leerdarm¬ 
schleimhaut. Saure Erweichung des Magens. Schwund und Braunfärbung der 
Leber. Leichter Katarrh der Nieren. Oedem der Lungen. Leichte Trübung der 
Herzmuskulatur. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des 
Herzens. Erweiterung und Narbenbildung in der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

14 . Fuchsstute mit Stern, ca. 10 Jahre alt. 

Gestorben am 22. 8. 1904, obduziert am 23. 8. 1904. 

Der Kadaver ist schlecht genähTt: in der Unterbaut, in der Umgebung der 
Gelenke, über dem Euter und hinter dem Bauchfelle liegt wenig gelbliches Fett¬ 
gewebe, das auf dem Durchschnitte eine schleimig-gallertige Beschaffenheit zeigt. 
Die Muskeln sehen braunrot aus und befinden sich in der Totenstarre. Auf dem 
Durchschnitte erscheinen die Muskeln feucht. Gefäße der Unterhaut mäßig gefüllt. 

Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich 
3 Liter einer rötlichgelbbraunen wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart 
und durchscheinend, seine Oberfläche stellenweise mit weißlichen Zotten besetzt, 
sonst glatt und glänzend. Der Blinddarm und die rechten Tagen des Grimmdarmes 
liegen auf der rechten, die linken Grimmdarmlagen, der Leer- und Mastdarm mehr 
auf der linken Seite der Bauchhöhle. Die vorliegenden Leerdarmschiingen sind 
durch Gase ausgedehnt und sehen grau aus. Einzelne Leerdarmschlingen haben 
eine bläulich-graurote Farbe. Der Leerdarm enthält außer Gas eine trübe, schleimige 
Flüssigkeit, die gegen das Endo des Darmes erheblich an Menge zunimmt und mit 
breiigen Teilen vermischt ist. Im Hüftdarme dünnbreiiger Inhalt. Die Schleimhaut 
des Leerdarmes ist grau und trübe, streckenweise in größerer Ausdehnung stark 
gerötet und an der Oberfläche mit einem grauen, zähen, schleimigen, schwer ab- 
spülbaren Belage versehen. Die Hüftdarmschleimhaut ist besonders auf der Höhe 
der in der Längsrichtung des Darmes verlaufenden Falten gerötet. Der Blinddarm 
sieht außen grau aus, ist durch Gase beträchtlich ausgedehnt und enthält außer¬ 
dem viel dünnbreiige und flüssige Massen. Die Schleimhaut des Blinddarmes ist 
blaßgrau und durchscheinend, stellenweise schwach gerötet. Die rechte untere 
Lage und die untere Querlage des Grimmdarmes sehen außen bläulichrot aus und 
sind mit festen, ziemlich trockenen Massen prall gefüllt. Die Darmwände dieser 
Teile sind dünn. In den übrigen Teilen des Grimmdarmes ist der Inhalt spärlich 
und breiig. Der Mastdarm ist fast leer. Die Schleimhaut des Grimmdarmes ist 
im Bereiche der festen Anschoppung diffus gerötet und etwas dick, in den übrigen 
Teilen schiefriggraublau. Mastdarmschleimhaut weißlichgrau und durchscheinend. 
Der Magen ist erheblich ausgedehnt, enthält Gase und 12 1 / 2 kg feste, ziemlich 
trockene Massen, die aus gekautem Heu, Häcksel und etwas Hafer bestehen. Die 
Magenwände sind dünn. Die Schleimhaut der Schlundhälfte ist weißlichgrau und 
zeigt keine Abweichungen. Schleimhaut der Pförtnerhälfte etwas gallertig, trübe 
und an der Oberfläche fast glatt. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese 
Schleimhaut braun, gegen den Pförtner hin mehr grau aus. Die Milz mißt 43 cm 
in der Länge, 21 cm in der größten Breite und 2,5 cm in der mittleren Dicke. 
Oberfläche der Milz glatt, Farbe grau, Konsistenz schlaff. Das Balkengewebe ist 



472 


PI L WAT, 


auf dem Durchschnitte ziemlich gut sichtbar. Pulpa braunrot, Schnittfläche der 
Milz glatt und etwas feucht. Das Gewicht der Leber beträgt 4400 g. Die Leber¬ 
ränder sind scharf. Auf der Zwerchfellsfläche ist die Leberkapsel des rechten Leber¬ 
lappens an einer fast handgroßen Stelle schwielig verdickt, grauweiß und undurch¬ 
sichtig. Die gesamte Zwerch fellsfläche der Leber ist mit zahlreichen bindegewebigen 
Zotten besetzt. Konsistenz der Leber derb. Das Lebergewebe ist auf dem Durch¬ 
schnitte mäßig blutreich, braunrot und etwas trübe. Läppchenzeichnung noch gut 
sichtbar. Die einzelnen Läppchen sind bis hirsekorngroß und braunrot. Am Rande 
der Läppchen zeigt sich ein schmaler grauer Saum. Die Nierenkapseln lassen sich 
leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren sehen außen hellbraun, an der 
Oberfläche glatt und mattglänzend aus. Konsistenz der Nieren derb. Rechte Niere 
16,5 cm lang, 17 cm breit und 4,8 cm dick. Linke Niere 18 cm lang, 15 cm breit 
und 5 cm dick. Auf dem Durchschnitte ist das Nierengewebe blutreich. Die Rinden¬ 
schicht ist 1—2 cm breit, blaßbraun und schwach durchscheinend. Die Knäuel 
sind als feine rote Pünktchen deutlich sichtbar. Marksubstanz gestreift und etwas 
gerötet. 

In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den 
Brustfellsäcken, sind klein, hellrot, weich und elastisch. Oberfläche der Lungen 
glatt. Die Schnittfläche ist glatt und mäßig feucht. Im Herzbeutel etwa 10 ccm 
einer gelbroten, fast klaren wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich be¬ 
rührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Unter dem inneren Blatte des 
Herzbeutels finden sich in den Herzforchen kleine fleckenförmige Blutungen. Das 
in den Herzfurchen gelegene Fettgewebe ist spärlich, sieht gelbrot aus und zeigt 
eine schleimig-gallertige Beschaffenheit. Der Umfang des Herzens beträgt an der 
Herzbasis 55 cm. Die rechte Kammer ist 13 cm hoch, ihre Seitenwand mäßig ge¬ 
wölbt und 1,5 cm dick. Die linke Kammer besitzt eine Höhe von 17 cm und ist 
gleichfalls gewölbt. Die Dicke der Seitenwand dieser Kammer beträgt 3 cm. Die 
linke Herzhälfte ist mit großen Blutgerinnseln ziemlich stark gefüllt. In den 
rechten Herzhöhlen finden sich größere dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel und 
flüssiges dunkelrotes Blut. Atrioventrikularöffnungen normal weit. Die Herzklappen 
und die Innenhaut der linken Herzhälfte sind etwas verdickt, grauweiß und undurch¬ 
sichtig. Die Herzmuskulatur erscheint auf dom Durchschnitte graurot, stellenweise 
ganz grau, trocken und trübe. Konsistenz sehr brüchig. Die Schleimhaut des 
Kehlkopfes und der Luftröhre ist blaß und zeigt keine Abweichung. An den 
Muskeln des Kehlkopfes und an den Lymphdrüsen der Halsorgane findet sich nichts 
Abnormes. 

Der Stamm der Hüft-Blind - Grimmdarmarterie fehlt. Alle sonst aus dieser 
Arterie hervorgehenden Gefäße entspringen direkt aus der Aorta. Die obere Grimm¬ 
darmarterie, welche gleichfalls aus der Aorta hervorgeht, zeigt an ihrer Ursprungs¬ 
stelle eine kleine, etwa erbsengroße sackartige Erweiterung. Die Wände des Ge¬ 
fäßes sind hier etwas verdickt, ihre Innenfläche ist rauh und mit einer ziemlich 
fest haftenden rötlichgrauen, bröckligen Auflagerung versehen. Die übrigen Ge¬ 
fäße des Darmes sind wegsam und frei von Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung 
der unteren Querlage und der rechten unteren Lage des Grimmdarmes. Blutig- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


473 


schleimiger Katarrh des Leerdarmes. Saure Erweichung der Magenschleimhaut. 
Leichte Trübung der Leber. Geringgradige Schwellung der Milz. Katarrh der 
Nieren. Schwere parenchymatöse Entzündung der Herzmuskulatur. Chronische 
Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des linken Herzens. Erweiterung 
und wandständige Thrombose in der oberen Grimmdarmarterie. 

15 . Braune Stute, 1,69 m groß, 6—7 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 23. 7. 1904. 

Der Kadaver befindet sich im mittleren Nährzustande. In der Unterbaut, 
über dem Euter und unter dem Bauchfelle liegt etwas gelblichgraues Fettgewebe, 
das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau erkennen läßt. Die Körpermuskeln 
zeigen Totenstarre, sind graurot, auf dem Durchschnitte trocken und trübe. Ge¬ 
fäße der Unterhaut mäßig gefüllt. Der Bauch ist etwas aufgetrieben. 

Im freien Raume der Bauchhöhle findet sich 1 Liter einer grauroten wässe¬ 
rigen, leicht getrübten Flüssigkeit, Das Bauchfell ist grau, an mehreren Stellen 
durch gefüllte fein verzweigte Gefäßnetze gerötet, seine Oberfläche glatt und matt¬ 
glänzend. Der Blinddarm liegt rechts von der Mitte und ragt in die linke Hälfte der 
Bauchhöhle hinein, er sieht außen grau aus und ist hauptsächlich durch Gase 
stark ausgedehnt. Die rechten Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten, die 
linken Lagen desselben auf der linken Seite der Bauchhöhle; Beckenflexur in der 
linken Leistengegend. Die Leerdarmschlingen liegen mehr auf der linken Seite der 
Bauchhöhle, sind durch Gase mäßig ausgedehnt und sehen außen bläulichgrau 
aus. Der Mastdarm liegt in der linken Leistengegend. Der Inhalt des Leerdarmes 
besteht aus Gas und aus einer bräunlichgrauen trüben schleimigen Flüssigkeit, 
die nach dem Hüftdarme hin an Menge zunimmt. Die Schleimhaut des Leerdarmes 
ist streckenweise stark gerötet, sonst bräunlichgrau und trübe. Die Hüftdarm- 
schleimhaut bildet zum großen Teil Längsfalten, die auf ihrer Höhe gerötet sind. 
Im Blinddärme viel Gas und graubraune dünnbreiige Massen in reichlicher Menge. 
Blinddarmschleimhaut bräunlichgrau. Unter der Serosa der unteren Grimmdarm¬ 
lagen finden sich mehrere punkt- und flecken förmige Blutungen, sodaß diese Darm¬ 
lagen stellenweise rot gesprenkelt aussehen. Die Beckenflexur und die linke untere 
Lage des Grimmdarmes sind mit festen trockenen Massen, die hauptsächlich aus 
Häcksel und zerkleinerten Maiskörnern bestehen, prall angefüllt. In der rechten 
unteren Lage des Grimmdarmes ist der Inhalt mehr dickbreiig; außerdem enthält 
diese Lage viel Gas. Die oberen Lagen des Grimmdarmes sind fast leer und zu¬ 
sammengezogen. In der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarms und im 
Mastdarme findet sich wenig breiiger Inhalt. Die Schleimhaut der unteren Grimm¬ 
darmlagen, ist stark diffus gerötet, stellenweise abgestorben, grau und fetzig. 
Nach Entfernung der Fetzen bleiben flache Vertiefungen in der Schleimhaut zu¬ 
rück. In den übrigen Grimmdarmteilen und im Mastdarme sieht die Schleimhaut 
blaß graubraun, zart und schwach durchscheinend aus. An der Wand desGrimm- 
darmes und an den Gefäßen desselben finden sich keine Abweichungen; insbe¬ 
sondere sind seine Arterien wegsam. Der Magen enthält Gas und 15 Liter saure, 
breiige, grünlich gefärbte Massen. An der Schleimhaut der Schlundhälfte zeigen 
sich keine Abweichungen. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist etwas dick, 
trübe und besitzt eine gallertartige Beschaffenheit. In der Gegend der Fundus¬ 
drüsen sieht diese Schleimhaut braun aus und läßt an der Oberfläche noch flache 



474 


PILWAT, 


Hügel erkennen; gegen den Pförtner bin wird die Schleimhaut hellgrau, ihre 
Oberfläche ganz glatt und glänzend. Die Milz mißt 56 cm in der Länge, 22 cm in 
der größten Breite und 3,5 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt 
und dunkelblau. Die Milzkapsel ist dünn und stark gespannt. Milzränder abge¬ 
rundet. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe 
in der Milz nicht sichtbar, es wird vollständig durch die reichliche dunkelrote und 
zerfließliche Pulpa verdeckt. Die Schnittfläche der Milz erscheint glatt, feucht 
und stark glänzend. Das Gewicht der Leber beträgt 5000 g. An der Zwerchfells¬ 
fläche des rechten Leberlappens finden sich mehrere grauweiße Zotten, sonst ist 
die Oberfläche der Leber glatt und schmutzig graubraun. Konsistenz der Leber 
brüchig. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebo trocken, trübe, gelb¬ 
lichgraubraun, lehmfarben und läßt die Läppchenzeichnung schwer erkennen. 
Die Nierenkapseln sind dünn und reißen leicht beim Abtrennen. An der Ober¬ 
fläche beider Nieren finden sich einzelne Längs- und Querrisse, die durch das Ab¬ 
ziehen der Kapseln in dem brüchigen Nierengewebe entstanden sind. Sonst sehen 
die Nieren an der Oberfläche glatt und graubraun aus. Rechte Niere 19 cm lang, 
20 cm breit und 6 cm dick, linke Niere 20 cm lang, 17,5 cm breit und 6,2 cm 
dick. Die Rindenschicht ist auf dem Durchschnitt bis2 1 / 2 cm breit, trocken, trübe 
und fleckiggrau; ihre Struktur ist nicht mehr erkennbar. Marksubstanz gestreift 
und graurot, an der Grenze der Rinde dunkelrot. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, seine 
Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, 
sind in den unteren Teilen hellrot, in ihren oberen dunkelrot, klein und in allen 
Teilen lufthaltig. Schnittfläche der Lungen glatt und feucht. Der Herzbeutel 
enthält etwa 100 ccm einer gelbroten, fast klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der 
sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang des 
Herzens beträgt an der Herzbasis 58,5 cm. Die rechte Kammer ist 16 cm hoch; 
Seitenwand dieser Kammer stark gewölbt und 1,8 cm dick. Die rechten Herz¬ 
höhlen sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute stark gefüllt. Die 
linke Kammer ist 18 cm hoch; ihre Seitenwand abgeflacht und 3cm dick. Das 
linke Herz ist zusammengezogen und enthält neben etwas flüssigem Blute kleine 
speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen OefT- 
nungen besitzen die gewöhnliche Weite. Die Herzklappen der linken Herzhälfte 
sind besonders in den marginalen Teilen etwas verdickt. Das wandständige Endo¬ 
kard ist an mehreren Stellen plattenförmig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. 
Herzmuskulatur auf dem Durchschnitt fleckig-graurot bis grau, trocken und trübe; 
Konsistenz brüchig. An den Halsorganen finden sich keine Abweichungen. Die 
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,6 cm lang, zylindrisch erweitert und an zwei 
Stellen flach ausgebuchtet. Die Wände der Arterie sind bis 4 mm dick; ihre 
Innenfläche ist rauh und mit mehreren grauroten, zusammenhängenden, fest an¬ 
haftenden Gerinnseln bedeckt, die besonders in ihren tieferen Schichten zahl¬ 
reiche drehrunde bis 1,6 cm lange Wurmlarven einschließen. Die Innenhaut des 
Gefäßes ist stellenweise narbig verdickt, an anderen Stellen fetzig zerfallen. Die 
aus der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie abgehenden Gefäße sind wegsam und frei 
von Pfropfen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Schwere Verstopfung und 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


475 


blutige, diphtherische Entzündung der Beckenflexur und der unteren Lagen des 
Grimmdarmes. Entzündung der Leer- und Hiiftdarmschleimhaut. Saure Magen¬ 
erweichung. Allgemeine akute Milzschwellung. Trübe Schwellung der Körper¬ 
muskeln, des Herzens, der Leber und der Nieren. Chronische Entzündung der 
Herzinnenhaut. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm- 
darmarterie. 

16 . Brauner Wallach, ca. 10 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 19. 3. 1906. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in 
der Umgebung des Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas 
gelblich-graues Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau er¬ 
kennen läßt. Die Körpermuskeln sind totenstarr, graubraun, etwas trocken und 
trübe. Gefäße der Unterhaut stark gefüllt. Der Bauch ist aufgetrieben. 

Im freien Raume der Bauchhöhle kein fremder Inhalt. Das Bauchfell ist 
blaßgrau, zart und durchscheinend, an der Oberfläche glatt und glänzend. Blind- 
und Grimmdarm sind sehr lang und weit, nehmen den größten Teil der Bauch¬ 
höhle ein und sehen außen grau aus. Ganz vereinzelt finden sich kleine schwarz¬ 
rote Blutungen unter der Serosa dieser Darmabteilungen. Der Blinddarm liegt 
rechts und in der Mitte, die rechten Grimmdarmlagen auf der rechten, die linken 
Lagen des Grimmdarmes auf der linken Seite der Bauchhöhle übereinander, wie 
gewöhnlich. Die Leerdarmschlingen liegen auf der linken Seite der Bauchhöhle 
und in der Mitte derselben. DerMastdarm liegt in der linken Leisten- und Flanken¬ 
gegend. Beide Darmabschnitte werden vom Blind- und Grimmdarm größtenteils 
bedeckt. Der Leerdarm enthält etwas Gas und gelblichgraue, trübe, wässerige 
Flüssigkeit, die nach dem Hüftdarme zu mit breiigen Bestandteilen vermischt ist. 
DieSchleimhaut der Dünndarmabteilungen ist streckenweise stark gerötet,sonst grau 
und trübe. Im Blinddärme viel Gas und dünnbreiige Massen. Blinddarmschleim¬ 
haut grünlichgrau und etwas trübe. Die magenähnliche Erweiterung des Grimm¬ 
darmes ist mit festen, trockenen Massen, die aus Häcksel, Heu und zerkleinerten 
Haferkörnern bestehen, stark angefüllt. Die Inhaltsmassen bilden in diesem Darm¬ 
teile einen zusammenhängenden kegelförmigen Körper, dessen Form ein ziemlich 
genauer Abdruck der Darmlichtung darstellt. Die vor dem Kotpfropfe gelegenen 
Grimmdarmabschnitte sind mit dickbreiigen, nach vorn hin mehr dünnbreiigeu 
Massen und mit Gasen stark gefüllt. Die Schleimhaut des Grimmdarmes ist fleck¬ 
weise gerötet, etwas dick und aufgelockert. Der Mastdarm ist leer, seine Schleim¬ 
haut blaßgraubraun, zart und schwach durchscheinend. Der Magen enthält 
18 Liter dünnbreiige bis flüssige, graugrüne, saure Massen und etwas Gas. Die 
Schleimhaut der Pförtnerhälfie ist dick, trübe und von gallertartiger Beschaffen¬ 
heit. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese Schleimhaut braun, gegen den 
Pförtner hin mehr grau aus. Oberfläche der Schleimhaut glatt und stark glänzend. 
In der Gegend des Pförtners sitzen an der Schleimhaut wenige, in der linken 
Magenhälfte, nahe dem gefranzten Rande, Scharen von Gastruslarven. Die Milz 
mißt 53 cm in der Länge, 31 cm in der größten Breite und 4 cm in der mittleren 
Dicke. Die Milzkapsel ist stark gespannt, dünn und durchscheinend. Oberfläche 
der Milz glatt, Farbe dunkelblau; Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist 
das Balkengewebe in der Milz nicht sichtbar. Pulpa reichlich, dunkelrot und fast 



476 


P1LWAT, 


flüssig. Schnittfläche derMilz feucht und stark glänzend. Das Gewicht der Leber 
beträgt 7000 g. An der Zwerchfellsfläche ist die Leberkapsel stellenweise platten¬ 
förmig verdickt, grauweiß, undurchsichtig und in großer Ausdehnung mit binde¬ 
gewebigen Zotten besetzt. Konsistenz der Leber derb. Das Lebergewebe ist auf 
dem Durchschnitte sehr blutreich und rötlichgraubraun. Läppohenzeichnung 
ziemlioh gut sichtbar. Die einzelnen Läppchen sind etwa hirsekorn- bis reiskorn¬ 
groß, in der Mitte dunkelrot, am Rande graubraun. Die Nierenkapseln lassen 
sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren sehen außen rötlichgraubraun, 
an der Oberfläche glatt und mattglänzend aus. Konsistenz des Nierengewebes 
etwas brüchig. Rechte Niere 17 cm lang, 18 cm breit und 5 cm dick, linke Niere 
19,5 cm lang, 16 cm breit und 4,5 cm dick. Auf dem Durchschnitte erscheinen 
beide Nieren blutreich, ln der graubraunen, 1—2cm breiten, etwas trüben Rinden¬ 
schicht liegen zahlreiche graue, radiär verlaufende Streifen, die den verbreiterten 
Markstrahlen entsprechen. Die Marksubstanz ist rötlich-grau und gestreift, an der 
Grenze der Rinde dunkelrot. Beim Streichen mit dem Messerrücken von der 
Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den großen Sammelröhren eine trübe, 
gelblichgraue, rahmartige Masse. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgraurot, zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den 
Brustfellsäcken, sind klein, hellrot, weich, elastisch und knistern leicht beim Hin¬ 
überstreichen. Unter dem Rippen- und Lungenfelle finden sich zahlreiche flecken¬ 
förmige Blutungen. Der Herzbeutel enthält einen Eßlöffel voll einer gelblichen, 
klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutolblätter ist glatt 
und glänzend. Unter dom inneren Blatte des Herzbeutels liegen punkt- und 
fleckenförmige Blutungen. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 
61 cm. Rechte Kammer 16 cm hoch, ihre Seitenwand stark gewölbt und 2 cm 
dick. Linke Kammer 19 cm hoch. Die Seitenwand dieser Kammer ist abgeflacht 
und 3,5 cm dick. Die linken Herzhöhlen enthalten wenig flüssiges Blut und kleine 
dunkelrote und speckhäutigeGerinnsel. RechteHerz- und Vorkammer mit flüssigem 
und geronnenen Blute prall gefüllt. Durch die zwischen den Herz- und Vor¬ 
kammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand 
bequem hindurchführen. Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind 
zart. Unter der Innenhaut des Herzens finden sich besonders auf der Höhe der 
Papillarmuskeln große flächenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur erscheint 
auf dem Durchschnitte schwach graurot, trocken und trübe; ihre Konsistenz etwas 
brüchig. Die Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfes ist stellenweise 
durch gefüllte venöse Netze gerötet. In der Schleimhaut der vorderen Fläche des 
Kehldeckels finden sich mehrere fleckenförraige Blutungen. Die Schleimhaut des 
Zungengrundes und der Kehldeckelgießkannenbänder sieht bläulichrot aus und 
ist etwas verdickt. Der Kehldeckel besitzt eine schwach kahnförmige Gestalt. Der 
linke Gießkannenknorpel ist etwas eingesunken. Die linke Hälfte des Quergie߬ 
kannen-, der linke hintere Ringgießkannen-, der linke seitliche Ringgießkannen-, 
der linke Stimmband- und Taschenbandmuskel sind stark abgeplattet, bandartig 
dünn und sehen weißlichgrau aus. An den Lymphdrüsen der Halsorgane finden 
sich keine Abweichungen. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3 cm lang und in geringem Grade 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


477 


zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind 2—3 mm dick. In der Intima 
des Gefäßes finden sich mehrere in der Längsriohtung verlaufende große Narben 
und eine querverlaufende kleine Narbe. Thrombenbildung fehlt. Die aus dieser 
Arterie hervorgehenden Darmarterien sind wegsam und frei von Veränderungen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Einfache Verstopfung der 
magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarms. Entzündung der Schleimhaut des 
Grimm- und Leerdarms. Saure Magenerweichung. Allgemeine akute Milzschwel¬ 
lung. Katarrhalische Nierenentzündung. Geringgradige Fettleber. Trübe Schwel¬ 
lung der Herz- und Körpermuskulatur. Blutungen unter dem Brustfelle, inneren 
Blatte des Herzbeutels und unter der Inuenhaut des Herzens. Venöse Hyperämie 
der Halsorgane. Starker Schwund der an der linken Seite des Kehlkopfes ge¬ 
legenen Muskeln. Geringgradige Erweiterung und Narbenbildung in der Hüft- 
Blind-Grimmdarmartcrie. 

17 , Fuchswallach, 8 bis 9 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 3. Oktober 1905. 

Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut, in der Umgebung des 
Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt wenig schmutziggelb¬ 
braunes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte eine schleimige Beschaffenheit 
zeigt. Die kräftig entwickelten Körpermuskeln befinden sich in der Totenstarre 
und sind auf dem Durchschnitte mäßig feucht, schwach durchscheinend und 
braunrot. Die venösen Gefäße der Unterhaut enthalten wenig Blut. Der Bauch ist 
ausgedehnt. 

Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich 3 Liter einer wässerigen, leicht 
getrübten gelblichen. Flüssigkeit. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Das 
Bauchfell ist blaßgrau, zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und 
glänzend. Der Leer- und Hüftdarm enthalten etwas schleimige, grauweiße mehl¬ 
suppenartige Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser Darmabschnitte ist blaß und 
sammetartig glänzend; vereinzelt finden sich in ihr bis linsengroße Blutungen. 
Blind- und Grimmdarm sind sehr lang und weit, durch Gas stark ausgedehnt und 
außen dunkelgrau gefärbt. Außer Gasen finden sich in diesen Darmabteilungen 
viel w T eichbreiige braune Massen. Die Schleimhaut des Blind- und Griramdarmes 
ist dunkelgraugrün und trübe, stellenweise schwach gerötet. Der Mastdarm sieht 
außen grau bis rötlichgrau aus und weist unter seiner Serosa viele bis linsengroße, 
einzeln und gehäuft liegende Blutungen auf. 80 cm vor der Afteröffnung ist der 
Mastdarm auf einer Strecke von 40 cm sehr stark und gleichmäßig ausgedehnt. 
Seine Außenfläche hat hier eine rote bis dunkelrote Farbe und zeigt mehrere bis 
markstückgroße schwarzrote Blutungen. In diesem erweiterten Teile ist der Mast¬ 
darm mit festen trockenen Inhaltsmassen prall gefüllt. Letztere bilden einen 30 cm 
langen, zusammenhängenden Kotpfropf, der die Lichtung des Darmes vollkommen 
verlegt. Der vordere Teil des Mastdarmes enthält viel festen bis festweichen ge¬ 
formten Kot. Die Schleimhaut des Mastdarmes ist besonders in der Gegend des 
Kotpfropfes mit weißlichgrauen, zähen, schleimigen Massen bedeckt, die sich nur 
schwer von der Schleimhaut abspülen lassen. Unter diesen Auflagerungen ist die 
Schleimhaut stark gerötet, sonst graurot und von zahlreichen Blutungen durch¬ 
setzt. Der Magen enthält 5 Liter bräunliche, etwas schleimige Flüssigkeit, der 
feste Bestandteile beigemischt sind. An der Schleimhaut der Schlundhälfie zeigen 



478 


PILWAT, 


sich keine Abweichungen. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist bräunlich-grau¬ 
grün, schwach durchscheinend, in der Gegend der Fundusdrüsen an der Oberfläche 
gekörnt, gegen den Pförtner hin mehr glatt. Die Milz mißt 47 cm in der Länge, 
21 cm in der größten Breite und 3,5 cm in der größten Dicke. Ueber die sonst 
glatte bläulichgraue Milzoberfläche erheben sich beetartig einige flache dunkel¬ 
blaue Hügel, in denen die Pulpe reichlich, fast flüssig und dunkel- bis schwarzrot 
ist. Das ßalkengerüst ist hier nicht sichtbar. In den übrigen Abschnitten der 
Milz ist die Pulpe dickbreiig und braunrot. Die Trabekel sind zu erkennen. Die 
Leber wiegt 6000 g, besitzt ziemlich scharfe Ränder, ist außen glatt, mattglänzend 
und bläulichrotbraun. Konsistenz der Leber ziemlich derb Das Lebergewebe ist 
auf dem Durchschnitte stark blutreich, braunrot und schwach durchscheinend. 
Läppchenzeichnung bequem erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind hirsekorn- 
groß, in der Mitte dunkelrot, am Rande graubraun. Die Nierenkapseln lassen sich 
leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren sehen an der Oberfläche glatt, 
mattglänzend aus und besitzen eine rotbraune Farbe. Konsistenz etwas derb. 
Rechte Niere 17 cm lang, 18 cm breit und 4,8 cm dick. Linke Niere 19 cm lang, 
15 cm breit und 5,5 cm dick. Das Nierengewobe zeigt sich auf dem Durchschnitte 
blutreich. Rindenschicht 1—2 cm breit, schwach durchscheinend und rötlich¬ 
braun. Die Gefäßknäuel sind in der Rinde als rote Punkte erkennbar. Marksubstanz 
hellrot und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot. 

Das Zwerchfell ist durch den ausgedehnten Blind- und Grimmdarm stark 
nach vorn gewölbt, sein höchstcrWölbungspunkt liegt im 4. Zwischenrippenraume. 
In dem linken muskulösen Teile des Zwerchfells findet sich ein fast vertikal ver¬ 
laufender, das Zwerchfell in seiner ganzen Dicke durchdringender, 17 cm langer 
Riß, dessen Ränder glatt und blaß sind. Blutgerinnsel in der Nachbarschaft des 
Risses sind nicht nachzuweisen. Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist 
zart und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Unter dem Rippen- 
und Lungenfelle liegen zahlreiche fleckenformige Blutungen. Die Lungen liegen 
frei in den Brustfellsäcken, sind klein, weich, elastisch und knistern ganz schwach 
beim Hinüberstreichen. Das Lungengewebe ist auf dem Durchschnitte etwas ge¬ 
rötet. Schnittfläche glatt und feucht. Der Herzbeutel enthält 100 ccm einer gelb¬ 
lichen, wäßrigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutel¬ 
blätter ist glatt und glänzend. Die rechte Herzhälfte ist stark gefüllt, die linke 
leer und zusammengezogen. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 
60 cm. Die rechte Herzkammer ist 16 cm, die linke 18 cm hoch. Seitenwand des 
rechten Ventrikels 1,9, die des linken 3 cm dick. Die zwischen den Vor- und 
Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Die Herz¬ 
klappen der linken Herzhälfte sind in den marginalen Teilen etwas verdickt. Das 
wandständige Endokard ist stellenweise plattenförmig verdickt, grauweiß und un¬ 
durchsichtig. Unter der Innenhaut des Herzens und unter dem viszeralen Blatte 
des Perikards finden sich zahlreiche punkt- und fleckenformige Blutungen. Der 
Herzmuskel ist auf dem Durchschnitte graurot, etwas trocken und trübe. Kon¬ 
sistenz brüchig. Die linke Hälfte des Quergießkannen- und der linke hintere Ring¬ 
gießkannenmuskel sind sehr stark abgellacht und von rötlichgraugelber Farbe. 
Durch die Muskelzüge schimmert die Platte des Ringknorpels hindurch. In gleicher 
Weise sind der linke seitliche Ringgießkannen-, der linke Stimmband- und Taschen¬ 
bandmuskel erheblich geschwunden und abgeplattet. Sie erscheinen als dünne, 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


479 


bandartige Muskelzüge von graugelber Farbe. Der linke Gießkannenknorpel liegt 
etwas tiefer als der rechte. Die Schleimhaut der Laftröhre und des Kehlkopfes 
läßt stellenweise gefüllte Venennetze erkennen. In der Gegend des Zungongrundes 
und der Kehldeokelgießkannenbänder ist die Schleimhaut bläulich-rot und etwas 
dick. Der Kehldeckel besitzt eine kahnförmige Gestalt. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und spindelförmig erweitert. 
Die Wände der Arterie sind ungleichmäßig verdickt, an der Innenfläche rauh und 
mit mehreren bis bohnengroßen grauroten etwas bröckeligen Gerinnseln bedeckt, 
die der Gefäßwand ziemlich fest anhaften. Unter diesen Auflagerungen ist die 
Innenhaut fetzig. Die aus der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie an den Darm tretenden 
Arterien sind wegsam, frei von Pfropfen und sonstigen Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Einfache Verstopfung und Ent¬ 
zündung des Mastdarms. Starke Gasanhäufung im Blind- und Grimmdarme. Akute 
multiple Milzschwellung. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Chronische Ent¬ 
zündung der Herzklappen und der Innenhaut des Herzens. Blutungen unter dem 
Brustfelle, dem inneren Blatte des Herzbeutels und unter der Innenhaut des Herzens. 
Postmortale Zerreißung des Zwerchfells. Starker Schwund der linksseitigen Kehl¬ 
kopfmuskeln. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm- 
darmarterie. 

Zur Erklärung des Zustandekommens der einfachen Verstopfungen 
im Darme des Pferdes ist es wichtig, diejenigen Faktoren genauer zu 
betrachten, die unter physiologischen Verhältnissen die Fortbewegung 
des Darroinhaltes bewirken. 

Der Inhalt des Zwölffinger- und Leerdarms ist beim Pferde fast 
flüssig. Die Ingesta dieser Darmabteilungen haben etwa die Konsistenz 
einer Mehlsuppe. Im Hüftdarme wird der Inhalt reicher an breiigen 
Bestandteilen, weil er vor der engen Hüft-Blinddarmöffnung länger 
verweilt als in den übrigen Teilen des Dünndarmes. Der Blinddarra- 
inhalt kann als dünnbreiig bezeichnet werden. Im Grimmdarme wird 
der Inhalt mehr dickbreiig und am Ende dieses Darms, in der soge¬ 
nannten magenähnlichen Erweiterung, festweich. Da unter normalen 
Verhältnissen im Blind- und Grimmdarme Gärungsvorgänge ablaufen, 
so findet sich auch stets etwas Gas in diesen Darmabschnitten vor. 
Im kleinen Kolon nehmen die Ingesta eine geballte Form an, sind 
also hier am wasserärmsten. Der Gehalt an Wasser, der über die 
Konsistenz des Inhalts entscheidet, ist für seine Fortbewegung zunächst 
von Wichtigkeit. Mithin liegt der erste Faktor, der die Ursache für 
die Inhaltsbewegung abgibt, an der Beschaffenheit des Inhaltes selbst. 
Ferner wissen wir, daß durch die Sekretion der Schleimhautdrüsen 
und durch die Schleimproduktion der Becherzellen die Oberfläche der 
Schleimhaut schlüpfrig erhalten wird, damit der Inhalt über die 



480 


P1LWAT, 


schlüpfrige Schleimhautoberfläche leicht fortgleiten kann. Das zweite 
Moment haftet also an der Schleimhaut, oder an ihrer Oberfläche. 
Ob die Sekretion der großen Anhangsdrüsen, der Leber und der 
Bauchspeicheldrüse, auch ein ursächliches Moment für die Fortbe¬ 
wegung des Inhaltes darstellt, ist nicht sicher bekannt, ihre Möglich¬ 
keit jedoch nicht zu leugnen. Endlich liegt das dritte und wichtigste 
Moment für die Fortbewegung der Inhaltsraassen in den regelmäßigen 
Kontraktionen der Darmmuskulatur. Die Darmperistaltik ist die 
hauptsächlichste fortbewegende Kraft. Alle drei Faktoren stehen aber 
in Wechselwirkung mit einander, so daß z. B. das Versagen des einen 
auch verschlechternd auf die andern einwirkt. 

Unter pathologischen Verhältnissen gestaltet sich die Entstehung 
der einfachen Verstopfung wahrscheinlich meist so, daß sich zunächst 
die Darmperistaltik im ganzen oder teilweise verschlechtert. Durch 
die Verminderung der Darmperistaltik muß der Inhalt länger im 
Darme verweilen und gibt durch Resorption der Schleimhaut Wasser 
ab, wird also trocken. Dadurch erhöhen sich die Reibungswider¬ 
stände. Die Darmbewegungen stehen unter dem Einflüsse zweier 
Nervenbahnen. Der Nervus splanchnicus hemmt die Darmtätigkeit, 
während die in der Wand des Darms gelegenen Meißner-Auer- 
bachschen Plexus die Darmperistaltik steigern. Nun sind uns zahl¬ 
reiche Reize bekannt, die auf die Meißner-Auerbachschen Plexus 
einwirken und eine erhöhte Darmperistaltik auslösen. Auf diese 
Weise wirken z. B. viele Abführmittel. Durch die Erhöhung der Darm¬ 
peristaltik entsteht Durchfall, weil der Darminhalt zu schnell fort¬ 
bewegt wird, und für die Resorption des Wassers nicht genügend 
Zeit übrig läßt. Andererseits wissen wir, daß es auch Ursachen gibt, 
die eine Verringerung der Darmperistaltik und dadurch eine lang¬ 
samere Fortbewegung des Inhaltes herbeiführen. Neben den soge¬ 
nannten stopfenden Arzneimitteln, Opium, Morphium und anderen, 
scheinen starke Ermüdung und plötzliche Abkühlung des Bauches in 
diesem Sinne zu wirken. Ob nun bei Verlangsamung der Darm¬ 
peristaltik eine Verstopfung eintretcn wird, darüber entscheidet erstens 
der Grad und die Dauer der Herabsetzung der Darmtätigkeit. Man 
wird mit Recht annehraen können, daß eine geringfügige nur kurze 
Zeit andauernde Unterdrückung der Peristaltik keine unlösbare Ver¬ 
stopfung erzeugt, während eine längere Zeit anhaltende hochgradige 
Herabsetzung oder das vollständige Aufhören der Peristaltik den 
Darminhalt durch die verlängerte Resorptionsmöglichkeit vollkommen 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


481 


austrocknen und ihn in einen festen harten Kotpfropf umwandeln wird, 
der durch die natürlichen Mittel des Organismus nicht mehr vor¬ 
wärts bewegt werden kann. Zweitens wird es nicht gleichgültig sein, 
von welcher Zusammensetzung der langsamer fortbewegte oder stag¬ 
nierende Darminhalt ist, oder in welchem Zustande er sich bereits 
befindet. Ein aus mehr festen und unverdaulichen Futterstoffen be¬ 
stehender Inhalt wird leichter eintrocknen und einen Pfropf bilden 
als flüssige oder dünnbreiige Massen. 

Der zweite Faktor, der für das Zustandekommen der einfachen 
Verstopfung von Bedeutung ist, ist die Beschaffenheit, bezw. Tätigkeit 
der Darmschleimhaut. Diese Schleimhaut hat neben dem wichtigen 
Geschäfte der Digestion und Resorption auch die Aufgabe, die leichte 
Fortbewegung der lngesta zu ermöglichen. Dazu muß die Oberfläche 
derselben durch Absonderungsprodukte schlüpfrig erhalten werden. 
Verschlechterungen in der Sekretion der Darmschlcimhaut werden 
durch mannigfache Ursachen erzeugt. Letztere können entweder die 
sezernierenden Zellen oder die der Sekretion vorstehenden Nerven 
treffen. Wir wissen, daß bei den Infektionskrankheiten die Toxine der 
Infektionserreger hauptsächlich auf die funktionierenden oder Paren¬ 
chymzellen der Organe einwirken und ihre Einrichtung und damit 
auch ihre Funktion verschlechtern. Dadurch würde es sich erklären, 
daß bei manchen Infektionskrankheiten die Vcrdauungsschleimhaut 
eine mehr trockene Beschaffenheit an ihrer Oberfläche zeigt. Allge¬ 
mein bekannt ist jedenfalls die Tatsache, daß bei einigen Infektions¬ 
krankheiten der Pferde, z. B. bei der Brustseuche, der Darminhalt 
bald eine trockene, feste Beschaffenheit annimrat, der die Therapie seit 
alters her durch die Applikation von Abführmitteln zu begegnen 
trachtet. Es kann allerdings dahingestellt bleiben, ob hier die Ver¬ 
zögerung der Defäkation allein durch die Veränderung der Verdauungs¬ 
schleimhaut, oder auch durch die Konkurrenz der verminderten Darm¬ 
peristaltik bedingt wird. Ferner ist es den Tierärzten bekannt, daß 
bei der Kolik die Maulschleimhaut der Pferde sehr oft eine gewisse 
Trockenheit erkennen läßt, die nur durch eine verminderte Sekretion 
von Speichel erklärt werden kann. Hier scheint ein hemmender Ein¬ 
fluß auf die sekretorischen Nerven ausgeübt zu werden. 

Betrachten wir noch einmal die bereits erwähnte Lokalisation der 
einfachen Verstopfung in den einzelnen Darmabschnitten, so ergibt 
sich, daß der Dünndarm verhältnismäßig selten, der Blind- und Grimm¬ 
darm dagegen viel öfter Sitz einer tödlichen Fäkalstase ist. Diese 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. qj 



482 


PILWAT, 


Tatsache erklärt sich dadurch, daß in den Dünndarmabteilungen der 
Inhalt flüssig ist und daher weniger leicht in einen festen Eotpfropf 
uragewandelt werden kann als in den Dickdarmabschnitten, wo er 
bereits durch Resorption des Wassers mehr eingedickt ist. Im Mast¬ 
darm erreicht die Austrocknung des Inhalts den höchsten Grad, und 
doch wurde in ihm nur 3 mal eine tödliche Verstopfung beobachtet. 
Hier darf nicht übersehen werden, daß dieser Darm den therapeu¬ 
tischen Eingriffen viel leichter zugänglich ist als die übrigen Dick¬ 
darmabschnitte, und daß sich insbesondere durch die bei kolikkranken 
Pferden sehr oft angewandten Klystiere Mastdarmverstopfungen 
meistens beseitigen lassen. Ferner sehen wir, daß die Verstopfung 
gewisse Stellen des Darms regelmäßig befällt, während andere fast 
niemals oder nur sehr selten betroffen werden. Diese Tatsache läßt 
sich nur durch die anatomische Einrichtung und Lage des Darms aus¬ 
reichend erklären. 

Der Zwölffingerdarm geht aus der rechten Hälfte des Magens 
hervor, verläuft also zunächst auf der rechten Seite der Bauchhöhle 
und tritt dann, die Wirbelsäule fast senkrecht kreuzend, dicht unter 
derselben nach links herüber. An der Kreuzungsstelle ist das Gekröse 
des Darmes sehr kurz. Ein kurzes Gekröse ist aber für die peristai- 
tischen Bewegungen des Darms weniger günstig, als ein langes, das 
dem Darm mehr Spielraum gewährt. Dazu kommt, daß sich unmittelbar 
vor dem Zwölffingerdärme die vordere und unmittelbar hinter ihm die 
hintere Gekröswurzel an der Wirbelsäule anheftet. Der Darm zieht 
also zwischen den Gekröswurzeln von rechts nach links herüber und 
erleidet an dieser Stelle eine gewissermaßen natürliche Einklemmung. 
Daher beobachtet man, daß die Verstopfungen des Zwölffingerdarms 
sich regelmäßig an dieser Stelle ausbilden (Obduktionsbefund Nr. 9). 
Der unter Nr. 10 mitgeteilte Obduktionsbefund zeigt, daß sich bei 
diesem Pferde eine Hypertrophie und Dilatation des Magens und 
Zwölffingerdarms ausgebildet hatte, die bis zu der durch einen Kot¬ 
pfropf verlegten Kreuzungsstelle der Wirbelsäule des Zwölffingerdarms 
rcichto. Die Entstehung der Dilatation und Hypertrophie ist hier 
wahrscheinlich durch ein andauerndes oder öfter wiederkehrendes 
Hindernis an der Kreuzungsstelle des Darms zu erklären. Schließlich 
gelang die natürliche Regulation nicht mehr und die Verstopfung 
wurde tödlich. 

Ueber die Lokalisation der Verstopfung im Leerdarme (Obduktions¬ 
befund Nr. 11) kann aus den drei beobachteten Fällen keine Regel 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


483 


abgeleitet werden, da die Fäkalstase jedesmal in einem andern Teil 
des Leerdarms ihren Sitz hatte. Dieser Darm zeigt auch in seiner 
gesamten Länge eine fast gleichmäßige anatomische Einrichtung. 
Bemerkenswert ist nur, daß das Gekröse des Leerdarms in seinem 
hinteren Teil erheblich länger ist als im vorderen. 

Im flüftdarrae (Obduktionsbefund Nr. 12) zeigt sich die Ver¬ 
stopfung stets unmittelbar vor der Einmündung desselben in den Blind¬ 
darm. An dieser Stelle hat der Darminhalt ein dauerndes Hindernis 
zu überwinden, so daß er vor demselben stets längere Zeit im Darme 
verweilt, ln die Hüft-Blinddarraöffnung ragt ein großer Schleimhaut¬ 
wulst, die Bauhinsche Klappe hinein, und ferner ist der Umkreis der 
Hüft-Blinddarmöffnung erheblich kleiner als der der vor derselben 
gelegenen Darmabschnitte; er beträgt beim Pferde im Mittel 10 cm. 
Dazu kommt noch, daß der Hüftdarm mit dem Blinddarm durch ein 
■breites Band verwachsen und dadurch in seinen peristaltischen Be¬ 
wegungen erheblich behindert ist. Die Natur hat den Hüftdarm daher 
auch mit einer viel stärkeren Muskulatur ausgestattet als den Leerdarm. 

Der Blinddarm (Obduktionsbefund Nr. 13) ist beim Pferde ziemlich 
häufig Sitz der Verstopfung. Gewöhnlich ist der ganze Darm prall 
mit trockenen, harten Kotmassen angefüllt und stark ausgedehnt. Das 
Gewicht seines Inhalts beträgt dann nicht selten 50 Kilo und mehr. 
Die hier beobachteten 12 Fälle waren alle dadurch ausgezeichnet, daß 
der Darm gleichzeitig stark ausgedehnt und daß die Wände desselben 
■dünn waren. Mithin müssen diese Verstopfungen als akute angesehen 
werden. Es ist bereits erwähnt, daß der Inhalt im Blinddärme schon 
■unter normalen Verhältnissen durch Wasserabgabe etwas fester wird. 
Dazu kommt, daß die Fortbewegung der Ingesta im Blinddärme des 
Pferdes sehr ungünstig ist. Wie aus der umstehenden schematischen 
Zeichnung ersichtlich ist, liegt die Hüft-Blinddarmöffnung an der kleinen 
Kurvatur des Blinddarms brustwärts, die Blind-Grimmdarmöffnung 
■dicht dahinter, beckenwärts. Die Ingesta, die durch die Hüft-Blind¬ 
darmöffnung in den Blinddarm eintreten, müssen in diesem großen, 
weiten Sacke zunächst gegen die Biinddarmspitze, also nach vorn und 
unten gegen die Brusthöhle hin bewegt werden. Von hier muß der 
Strom im entgegengesetzten Sinne nach rückwärts und gleichzeitig 
nach oben zum Grunde des Blinddarms hin gerichtet sein. Der Grund 
des Blinddarms ist mit der rechten Niere und mit der Bauchwand 
dicht unterhalb der Wirbelsäule verwachsen, liegt also höher als die 
Spitze und der Körper des Blinddarms. Durch die Blind-Grimmdarm- 

31 * 



484 


PILWAT, 


Öffnung tritt der Inhalt schließlich in den Grimmdarm ein. Die Be¬ 
wegung des gewöhnlich ziemlich massigen Blinddarminhalts von der 
Blinddarmspitze zum Grunde und dann zur Blind-Grimmdarmöffnung 
hin erfolgt also dem Gesetze der Schwere entgegen. 

Dazu kommt, daß diese Inhaltsströmung noch gehemmt sein kann 
durch die gleichzeitig erfolgende Bewegung des Inhalts von der Hüft- 
Blinddarmöffnung zur Blinddarmspitze hin. Die eingezeichneten Pfeile 
geben die ßewegungsrichtung des Blinddarminhalts an. Es ist daher 
klar, daß der ohnehin schwierige Abfluß des Blinddarminhalts schon 
durch geringfügige Ursachen, die in anderen Darmteilen vielleicht noch 

Fig. 1. 



keine Stase erzeugen, gehemmt werden kann. Durch die Hüft-Blind- 
darmöffnung wird noch eine zeitlang Inhalt zufließen, während der Ab¬ 
fluß durch die Blinddarmöffnung nicht mehr von statten gehen kann. 
Infolgedessen muß sich der Blinddarm mit Inhalt stark anfüllen, und 
müssen seine Wände stark gedehnt, also dünner werden. Diese Ver¬ 
dünnung der Blinddarmwände bezieht sich oft nur auf die Muskel¬ 
schicht. Denn die Schleimhaut kann durch die Umsetzungsprodukte 
des stagnierenden Inhalts entzündet und durch Infiltration mit den 
Entzündungsprodukten dicker erscheinen. Die Verdickung der Schleim¬ 
haut ist hier aber stets durch die Produkte der akuten Entzündung 
bedingt. Dieser Zustand ist von großer Wichtigkeit, weil er von den 
durch eine chronische Entzündung entstandenen Verdickungen der 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


485 


Blinddarmwand unterschieden werden muß. Diese einfache akute 
Verstopfung des Blinddarms kann für sich allein tödlich werden, wie 
die beobachteten 12 Fälle zeigen, oder sie kann zur Zerreißung des 
Blinddarms führen (Obduktionsbefund Nr. 30). ln zahlreichen Fällen 
wird aber die einfache akute Verstopfung durch die natürlichen Mittel 
des Körpers oder vielleicht auch durch Anwendung von Kunsthilfe 
gehoben, um nach einiger Zeit wiederzukehren. Die Verstopfung wird 
habituell oder chronisch. Hier hat die Muskulatur des Blinddarms, 
die den massigen, harten und trockenen Inhalt fortbewegen muß, eine 
erheblich größere Arbeit zu verrichten, als unter gewöhnlichen Ver¬ 
hältnissen, sie wird hypertrophisch und verdickt sich. Am stärksten 
ist von der Verdickung die Ringfaserschicht betroffen. Die im Patho¬ 
logischen Institute ausgeführten Messungen haben ergeben, daß die 
normale Ringfaserschicht des Blinddarmgrundes eine Dicke von etwa 
3 mm und die Längsfaserschicht eine solche von 1 mm aufweist. Die 
hypertrophische Verdickung der Muskelschichten beträgt das Doppelte 
und Dreifache ihrer gewöhnlichen Dicke. Gleichzeitig verdickt sich 
auch die Schleimhaut durch Zunahme des Bindegewebes in ihr. Sie 
wird grau oder weißlich grau und lederartig derb. Diese Verdickung 
ist so zu erklären, daß die Entzündung der Schleimhaut zunächst 
akut ist und nach einiger Zeit chronisch wird. Das Produkt der 
chronischen Entzündung ist Neubildung von Bindegewebe. Hier be¬ 
stehen also am Blinddärme gleichzeitig Verstopfung, Dilatation, Hyper¬ 
trophie seiner Muskelhaut und meist auch chronische Entzündung der 
Schleimhaut desselben. Die bloße Verdickung der Blinddarmwände 
genügt noch nicht, um damit die Bezeichnung „chronische Blinddarm¬ 
kolik“ zu begründen. Das wichtigste Kennzeichen liegt vielmehr in 
der Art der Verdickung der Blinddarmwände. Die Regel ist, daß 
schließlich eine Ruptur der Biinddarmwand und dadurch der tödliche 
Ausgang erfolgt (Obduktionsbefund Nr. 31). 

Im Grimmdarme tritt die einfache Verstopfung regelmäßig an 
gewissen Lieblingsstellen dieses Darms auf. Unter 53 einfachen Ver¬ 
stopfungen war einmal das untere Querkolon und die rechte untere 
Lage, in 4 Fällen die Beckenflexur und die linke untere Lage und in 
48 Fällen die magenähnliche Erweiterung Sitz der Verstopfung. Für 
das untere Querkolon (Obduktionsbericht Nr. 14) kann als anatomische 
Ursache nur die Knickung des Darms bezeichnet werden. Die anato¬ 
mischen Verhältnisse liegen in diesem Darmteile aber noch ziemlich 
gut, sonst würde die Verstopfung hier häufiger beobachtet werden. 



486 


PILWAT, 

In der Bcckenflexur (Obduktionsbefund Nr. 15) stellen sich der Fort¬ 
bewegung des Inhalts von Natur schon größere Schwierigkeiten ent¬ 
gegen. Erstens ist die Knickung des Darms in der Beckenflexur eine 
sehr scharfe; zweitens muß der Inhalt hier dem Gesetze der Schwere 
entgegen von den unteren zu den oberen Lagen aufsteigen, und drittens 
endlich verjüngt sich das Lumen des Darms in der Beckenflexur. Diese 
natürlichen Hindernisse reichen oft aus, um die Bewegung des Inhalts 
in der Beckenflexur zu stören. Am ungünstigsten ist die Passage des 
Inhalts in der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarms(Obduktions- 
befund Nr. 16). Diese Stelle ist beim Pferde überhaupt in bezug auf 
Lage und anatomische Einrichtung die ungünstigste des ganzen Darm¬ 
rohrs. Der Darm erweitert sich hier ad maximum, um sich dann 
rasch und unvermittelt beim Uebergange in den Mastdarm zu ver¬ 
jüngen. Zweitens macht der Darm an dieser Stelle einen ziemlich 
scharfen Knick. Die magenähnliche Erweiterung liegt beim Pferde 
weit nach vorne dicht unter der Wirbelsäule und zieht fast senkrecht 
zu ihr, sie kreuzend von rechts nach links herüber, um in der linken 
Unterrippengegend in den Mastdarm überzugehen. Drittens ist der 
Anfangsteil des Mastdarms durch ein breites Band, das auch auf die 
raagenähnliche Erweiterung hinübergreift, mit dem Zwölffingerdarm 
verbunden. Die magenähnliche Erweiterung selbst ist mit der Bauch¬ 
speicheldrüse und mit der Bauchwand verwachsen, sie ist also voll¬ 
kommen festgelegt und in ihren peristaltischen Bewegungen stark be¬ 
hindert. Dazu kommt viertens, daß der Inhalt in der magenähnlichen 
Erweiterung bereits physiologisch eine mehr feste Beschaffenheit an¬ 
nimmt und dadurch unbeweglicher wird. Fünftens könnte noch er¬ 
wähnt werden, daß dieser Darmteil so weit nach vorn gelegen ist, 
daß er durch therapeutische Eingriffe, z. B. durch Klystiere, schwer 
beeinflußt werden kann. So haben wir Ursachen genug, die gerade 
das ungemein häufige Befallensein der magenähnlichen Erweiterung des 
Grimmdarms beim Pferde von einfachen Verstopfungen hinreichend 
erklären. 

Im Mastdarm oder kleinen Kolon (Obduktionsbefund Nr. 17) läßt 
sich über Lokalisation der einfachen Verstopfung an bestimmten Stellen 
dieses Darms nichts Sicheres aussagen. Der anatomische Bau und 
die Lage dieses Darms sind nicht ungünstig. Erwähnt wurde bereits, 
daß der Inhalt im Mastdarra die größte Trockenheit besitzt, und daß 
wahrscheinlich eine Verstopfung des Mastdarros aus diesem Grunde 
nicht selten ist. Dieser Darm ist aber seiner Lage wegen den direkten 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


487 


therapeutischen Eingriffen leicht zugänglich, und daher kommen tödliche 
Verstopfungen in ihm nur verhältnismäßig selten zur Beobachtung. 

Der Tod erfolgt bei den einfachen Verstopfungen teils durch die 
Ausbildung einer Darmentzündung, die alle Grade vom einfachen 
Katarrh bis zur schwersten diphtherisch-gangranösen Entzündung zeigen 
kann. Die Darmentzündungen sind im ersten Teile dieser Abhandlung 
eingehend besprochen worden, so daß auf jene Ausführungen verwiesen 
werden kann. Nur eine Erscheinung verdient ihrer Häufigkeit und 
Wichtigkeit wegen hier noch besonders hervorgehoben zu werden. Der 
verstopfende Kotpfropf hindert die Fortbewegung des Darrainhalts in 
den vor ihm gelegenen Darmabschnitten. Wir haben nun gesehen, 
daß sich die meisten Verstopfungen in den Dickdarmabteilungen aus¬ 
bilden. Der Inhalt des Leerdarms wird daher nicht abfließen können 
und muß sich in diesem Darme ansammeln. Nun bildet der Leerdarm 
zahlreiche Schlingen, die an der vorderen Gekröswurzel befestigt sind 
und in die Bauchhöhle herabhängen. Der sich anstauende Inhalt wird 
daher, dem Gesetze der Schwere folgend, sich an den tiefsten Stellen 
der herabhängenden Leerdarmschlingen ansammeln, sich hier umsetzen 
und die Schleimhaut reizen. Wir finden daher nach der Eröffnung des 
Leerdarms in der Regel die Schleimhaut desselben nicht gleichmäßig, 
sondern nur streckenweise gerötet, verdickt und aufgelockert. Diese 
Rötungen entsprechen den tiefsten Stellen der Leerdarmschlingen. 
Ferner kann der Tod durch die Resorption giftiger Umsetzungsprodukte 
des sich anstauenden Inhalts eintreten, ohne daß die Schleimhaut 
hierbei erhebliche Veränderungen aufweist. Endlich üben die sich im 
Darm zuweilen sehr schnell bildenden und den Darm stark ausdehnenden 
Gase einen Druck auf das Zwerchfell aus und führen zur Atmungs- 
lähraung, also zur Erstickung. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß 
diese Momente der Regel nach Zusammenwirken, wie sich aus der 
Durchsicht der mitgeteilten Obduktionsbefunde ergibt. 

2. Verstopfung des Darms durch eingeklemmte Kotsteine. 

Unter 428 an der Kolik gestorbenen und im Pathologischen 
Institute obduzierten Pferden wurde 5 mal als Todesursache die Ver¬ 
stopfung des Darms durch einen Kotstein gefunden. Mithin waren 
1,17 pCt. dieser Pferde an Darmkonkrementen gestorben. Bei zwei 
Pferden hatte sich der Kotstein am Uebergange der magenähnlichen 
Erweiterung des Grimmdarms in den Mastdarm und bei drei Pferden 
im Anfangsteile des Mastdarms eingeklemmt. Die pathologisch-anato- 



488 


PILWAT, 


mische Veränderungen waren in allen 5 Fällen einander sehr ähnlich 
und können aus folgendem Obduktionsbefunde ersehen werden. 

18 . Brauner Wallach, Stern, Druckflecke, hinten rechts halbgestiefelt, hinten 
links gekrönt, 7 bis 8 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 7. 3. 1905. 

Der Kadaver befindet sich in ziemlich gutem Nährzustande. Das Fettpolster 
der Unterbaut hat einen lappigen Bau und eine gelblich-weiße Farbe. Die Venen 
der Unterhaut sind fast leer. Die Körpermuskeln sind kräftig entwickelt und toten¬ 
starr. Sie erscheinen auf dem Durchschnitte graurot, trübe und trocken; ihre Kon¬ 
sistenz ist brüchig. Der Bauch ist etwas ausgedehnt. 

ln der Bauchhöhle etwa 15 Liter einer trüben graubraunen Flüssigkeit, in 
welcher flockige, gelbweiße Gerinnsel schwimmen. Die Oberfläche des Bauchfells 
ist mit einem gelblich-weißen zusammenhängenden und weichen, schmierigen Be¬ 
lage bedeckt, der sich abheben läßt. Unter dieser Auflagerung erscheint das Bauch¬ 
fell trübe, fleckig gerötet und an der Oberfläche rauh. Die Lage des Darmes zeigt 
keine Abweichung. Der Leerdarm ist stark zusammengezogen, außen graurot und 
zeigt injizierte Venennetze. Sein spärlicher Inhalt ist trübe, graugelb und etwas 
schleimig. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarmes ist blaß, trübe und von 
punktförmigen Blutungen durchsetzt. Der Blinddarm enthält breiige braune Massen 
in erheblicher Menge, seine Schleimhaut ist bräunlich-grau und etwas trübe. Am 
Uebergange des Grimmdarmes in den Mastdarm zeigen sich außen handtellergroße, 
scharf abgesetzte trübe, graugelbe Flecke, deren Nachbarschaft schwarzrot gefärbt 
ist. Die magenähnliche Erweiterung des Grimmdarmes ist mit dickbreiigen bis 
festen, die vorderen Abschnitte desselben sind mit mehr weichbreiigen bräunlichen 
Massen stark gefüllt. Die Uebergangsstelle des Grimmdarmes in den Mastdarm ist 
durch ein hartes Konkrement verlegt, das 4 l / 2 kg wiegt. Das Konkrement ist außen 
uneben. Auf dem Durchschnitte zeigt sich, daß es aus faustgroßen steinharten 
Knollen zusammengesetzt ist. An denjenigen Stellen der Darmwand, die außen 
trübe und grau gefärbt erscheinen, sind Schleimhaut und Muskelhaut zum Teil 
gänzlich abgestorben. In der Nachbarschaft dieser Stellen sind die genannten 
Häute mit einem blutigen Exsudate durchtränkt. Die Schleimhaut der vorderen 
Grimmdarmabschnitte ist bräunlich-grau und etwas trübe. Der Mastdarm ist außen 
graurot und zeigt injizierte Venennetze; sein spärlicher Inhalt ist breiig. Die 
Schleimhaut des vorderen Mastdarmabschnittes ist dick, rot und von Blutungen 
durchsetzt. Im Magen graugelbe Flüssigkeit in spärlicher Menge. An der Schleim¬ 
haut der linken Magenhälfte nichts Abweichendes. Die Schleimhaut der mit Drüsen 
ausgestatteten Magenhälfte ist dick, trübe und graurot. In der Gegend der Fundus¬ 
drüsen trägt diese Schleimhaut auf ihrer Oberfläche einen grauen, zähen, schlei¬ 
migen Belag, der sich schwer abspülen läßt. Unter dieser Auflagerung erscheint 
die Schleimhaut lebhaft gerötet. Die Milz mißt 61 cm in der Länge, 25 cm in der 
größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Oberfläche der Milz ist hügelig 
und mit grauweißen zottigen Anhängseln versehen. Der Durchschnitt ist braunrot 
und läßt das Balkengerüst bequem erkennen. Die Pulpe ist weich. Nur an den¬ 
jenigen Steilen, die außen in Form von Hügeln hervortreten, ist die Pulpe reichlich, 
schwarzrot und bedeckt das Balkengewebe. Das Gewicht der Leber beträgt 5500 g. 
Die Leber ist außen glatt und glänzend; ihre Konsistenz brüchig. Auf dem Durch- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


489 


schnitte ist das Lebergewebe gleichmäßig graugelb, lebmfarben und trübe. Die 
Läppchenzeichnung ist schwer erkennbar. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von 
den Nieren abtrennen. Die Nieren sehen außen rötlich-grau, an der Oberfläche 
glatt, mattglänzend aus und brechen leicht. Rechte Niere 18,8 cm lang, 19 cm 
breit und 6 cm dick. Linke Niere 21 cm lang, 16 cm breit und 5,8 cm dick. Die 
Rindenschicht ist auf dem Durchschnitte gelblich-grau, trübe und läßt ihre feine 
Struktur nicht mehr erkennen. Grenzschicht dunkelbraunrot, Markschicht mehr 
hellrot und gestreift. 

ln den Brustfellsäcken findet sich kein fremder Inhalt. Die Oberfläche des 
Brustfells ist glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken 
und sind klein. Das Lungengewebe ist weich, elastisch, hellrot und knistert 
schwach beim Hinüberstreiohen. Die Durchschnittsfläche ist glatt und ziemlich 
trocken. Im Herzbeutel findet sich etwa ein Eßlöffel voll einer rötlich-gelben fast 
klaren wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutel¬ 
blätter hat einen spiegelnden Glanz. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herz¬ 
basis 62 cm. Rechte Kammer 16 cm hoch, linke 19 cm hoch. Die Seitenwand des 
rechten Ventrikels ist 2 cm, die des linken 3,3 cm dick. Die rechten Herzhöhlen 
sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute ziemlich stark gefüllt. In 
der linken Kammer und Vorkammer finden sich größere dunkelrote und speckhäutige 
Gerinnsel. Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen 
läßt sich eine länglich zusaramengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herz¬ 
klappen und die Innenhaut des Herzens sind zart. Unter der Innenhaut finden sich 
hauptsächlich im linken Ventrikel mehrere punkt- und fleckenförmige Blutungen. 
Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graurot, trocken und trübe; ihre 
Konsistenz brüchig. An den Halsorganen zeigen sich keine krankhaften Verände¬ 
rungen. Die Hüft- Blind- Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und fast gleichmäßig 
zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind bis 3 mm dick, an der Innen¬ 
fläche rauh und an einer Stelle, an der das Gefäß eine geringe Ausbuchtung zeigt, 
mit einem bohnengroßen grauroten, trockenen und bröckligen Gerinnsel bedeckt, 
das der Gelaßwand adhäriert. Unter dieser Auflagerung ist die Innenhaut fetzig. 
An anderen Stellen zeigt diese Haut in der Längs- und Querrichtung verlaufende 
Narben. Die von der Hüft- Blind- Grimmdarmarterie zum Darm gehenden Gefäße 
sind wegsam und frei von Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung und brandige Ent¬ 
zündung in der Wand der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes infolge 
eines eingeklemmten Kotsteins. Akute Bauchfellentzündung. Akute multiple Milz¬ 
schwellung. Trübe Schwellung des Herzmuskels, der Leber, der Nieren und der 
Körpormuskeln. Schleimiger Katarrh des Magens. Erweiterung und wandständige 
Thrombose der Hüft- Blind- Grimmdarmarterie. 

Die eingeklemmten Kotsteine üben auf die ihnen anliegenden 
Teile der Darrawand einen anhaltenden Druck aus und erzeugen wahr¬ 
scheinlich auch kleine Wunden jn der Darmschleimhaut, in die vom 
stagnierenden Darminhalte aus leicht Spaltpilze eindringen. Dadurch 
entsteht der Regel nach eine umschriebene Darmgangrän. Der Ent¬ 
zündungsprozeß setzt sich auf das Bauchfell fort und führt zur Aus- 



490 


PILWAT, 


bildung einer akuten allgemeinen Bauchfellentzündung, die tötlich ist. 
Dieser brandige Prozeß am Darm ist am besten zu vergleichen mit 
dem Hautbrande, der durch den Druck des Körpergewichts infolge 
des anhaltenden Liegens der Tiere an gewissen Stellen der äußeren 
Haut entsteht. 

Sämtliche Kotsteine oder Konkremente bestanden aus harten, ein¬ 
getrockneten Fäkalmassen, die sich zum Teil knollenartig aneinander 
gelagert und Kalksalze aufgenomraen hatten. Die Bildung solcher 
Konkremente findet im Blind- und Grimradarm wahrscheinlich ganz 
allmählich statt. Von hier aus rücken dieselben, sich stetig ver¬ 
größernd, nach hinten fort. Beim Uebergange der magenähnlichen 
Erweiterung des Griramdarms in den Mastdarm verengt sich der 
Darmkanal plötzlich, so daß an dieser Stelle bereits die Einklemmung 
größerer Steine im Darme erfolgen kann. Kleine Konkremente können 
diese Enge noch passieren und klemmen sich später ira Mastdarme ein. 

3. Verstopfung des Darms infolge von Narbenstrikturen. 

Narbige Verengerung des Darmrohrs und Verstopfung vor den 
verengten Stellen wurde nur am Leer- und Hüftdarme beobachtet. 
Der Leerdarm war in 4 Fällen Sitz einer tödlichen Striktur; letztere 
war an keine bestimmte Stelle dieses Darms gebunden, sondern wurde 
ganz regellos an verschiedenen Abschnitten des Darms ermittelt. Am 
Hüftdarm wurde ‘27mal eine Striktur als Todesursache gefunden, und 
zwar war in allen Fällen die Hüft-Blinddarmöffnung Sitz der narbigen 
Verengerung. Es waren unter 428 an Kolik gestorbenen und obduzierten 
Pferden 31 = 7,24 pCt. mit Verstopfungen des Darms infolge von 
Strikturen desselben behaftet. Die folgenden Obduktionsbefunde dienen 
zur Erläuterung der hier in Rede stehenden Fälle. 

19. Schimmelstute, ca. 12 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 23. 1. 1903. 

Der Kadaver ist gut genährt, ln der Unterbaut, in der Umgebung der Ge¬ 
lenke, über dem Euter und hinter dem Bauchfell liegt dickes gelblich-weißes Fett¬ 
gewebe, das auf dem Durchschnitt einen lappigen Bau erkennen läßt. Die Körper¬ 
muskeln sind totenstarr und sehen rotbraun aus. Der Bauch ist ausgedehnt. 

Im freien Raum der Bauchhöhle etwa 1 Liter einer graubraunroten trüben 
Flüssigkeit. An den Blättern des Bauchfells sitzen zahlreiche grauweiße Binde- 
gewebszotten; sonst ist das Bauchfell mattgrau, zart, schwach durchscheinend 
und an der Oberfläche glänzend. Der Blinddarm und die linken Lagen des Grimm¬ 
darmes liegen auf der rechten Seite der Bauchhöhle und bedecken die rechten 
Grimmdarmlagen. Diese Darmteile sehen grau, ihre Oberfläche glatt und glänzend 
aus. Der prall gefüllte Leerdarm liegt links und nimmt den größten Raum in der 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


491 


Bauchhöhle ein. Zahlreiche Leerdarmschlingen sehen außen bläulichrot aus und 
lassen an der Oberfläche gefüllte, fein verzweigte Venennetze erkennen. Der vor¬ 
dere Abschnitt des Leerdarmes enthält viel braunrote Flüssigkeit, die mit festen 
Bestandteilen vermisoht ist. Gegen das hintere Drittel des Leerdarmes wird sein 
Inhalt dickbreiiger und bildet schließlich einen trockenen, das Darmlumen voll¬ 
ständig anfüllenden Pfropf von 20 cm Länge. Hinter diesem Kotpfropf sind Leer- 
und Hüftdarm leer und zusammengezogen, vor demselben ist der Leerdarm stark 
erweitert. Im Bereich der festen Anschoppung der Inhaltsmassen sieht die Schleim¬ 
haut diffus dunkelrot aus. An der hinteren Grenze dieser Zone findet sich in der 
Darmwand ein bohnengroßer, aus derbem Gewebe bestehender bräunlich-grauer 
Knoten, der gegen die Darmlichtung hin eine Oeffnung zeigt. Von dem genannten 
Knoten geht eine strangartige ringförmige Narbe aus, welche dem Verlaufe einer 
in der Darmwand gelegenen kleinen Arterie entspricht und den Darm halbkreis¬ 
förmig umfaßt. Der Umfang des Leerdarms beträgt an dieser Stelle 7 cm. Vor 
der Verengung ist der Darm sehr weit; sein Umfang beträgt hier bis 20 cm. Auf 
der Höhe des Knotens fehlt die Schleimhaut; es besteht hier ein tiefer Defekt, in 
dessen Grunde eine graue, trockene, bröckelige Masse liegt, bei genauer Unter¬ 
suchung derselben läßt sich in ihr ein verkäster Kundwurm nachweisen. Im vor¬ 
deren und mittleren Teil des Leerdarmes erscheint die Schleimhaut streckenweise 
diffus gerötet und mit Blutungen durchsetzt. Das hintere Drittel der Leerdarm- 
sowie die Hüftdarmschleimhaut sind blaßgrau und schwach durchscheinend, an 
der Oberfläche sammetartig. Im Blinddarm wenig festweicher Inhalt; seine 
Schleimhaut ist bräunlich-grau und durchscheinend. Der Grimmdarm enthält 
wenig breiigen, in der magenäbnlichen Erweiterung mehr trockenen Inhalt. Die 
Grimmdarmschleimhaut ist stellenweise gerötet. Im Mastdarm sehr wenig ge¬ 
formter Inhalt. Mastdarmschleimhaut blaßgrau und durchscheinend. Der Magen 
ist mit Gasen und dünnbreiigen braunen Massen stark angefüllt. Die Magenwände 
sind dünn. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte erscheint diffus gerötet und etwas 
dick. Stellenweise liegen in derselben braunrote beetartige flache Erhebungen, 
auf deren Höhe das Epithel und die oberen Schichten der Schleimhaut fehlen. In 
der Gegend der Fundusdrüsen erscheint die Schleimhaut an der Oberfläche im 
allgemeinen flach gekörnt, gegen den Pförtner hin wird sie mehr glatt. Die 
Schleimhaut der Schlundhälfte des Magens ist frei von Veränderungen. Die Milz 
mißt 42 cm in der Länge, 19 cm in der größten Breite und 2,5 cm in der mittleren 
Dicke. Die Milz sieht außen bläulich-grau aus. Die Milzkapsel ist mit mehreren 
weißlich-grauen Zotten besetzt. Konsistenz der Milz fest-weich. Auf dem Durch¬ 
schnitt ist das Balkengewebe noch sichtbar. Pulpa etwas reichlicher, weich und 
rotbraun. Durchschnittsfläche der Milz glatt und etwas feucht. Das Gewicht der 
Leber beträgt 4000 g. Der rechte Leberlappen ist fast vollkommen geschwunden 
und stellt einen grauweißen hautartigen Anhang dar. Der linke Lappen ist halb- 
kugelähnlioh gewölbt; seine Ränder sind stark abgerundet. Die Leberkapsel ist 
auf der Zwerchfellfläche mit zahlreichen bindegewebigen Zotten besetzt. Konsistenz 
der Leber derb. Das Lebergewebe erscheint auf dem Durchschnitt wenig blutreich 
uDd graubraun. Zeichnung der Leberläppchen bequem erkennbar. Die einzelnen 
Läppchen sind bis linsengroß, in der Mitte rötlich-graubraun, am Rande in breiter 
Zone grau. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die 
Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form und Größe, sind an ihrer Oberfläche glatt, 



492 


PILWAT, 


mattglänzend und hellbraun. Die Rindenschicht ist auf dem Durchschnitt blaß- 
braun und schwach durchscheinend. Die Gefäßknäuel sind in ihr als rote Pünkt¬ 
chen sichtbar. Die Grenzschicht ist dunkelrot, die Markschicht blaßrot. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den 
Brustfellsäcken. Der untere mittlere 'feil der rechten Lunge ist groß, schwer, 
dunkelrot und fühlt sich etwas derbe an. Beim Hinüberstreichen mit den Finger¬ 
spitzen fühlt man in diesem Lungenteil verschieden große, ziemlich dicht anein¬ 
ander liegende derbe Knoten, die auf dem Durchschnitt dunkelrot bis schwurzrot 
erscheinen und in der Mitte einen kleinen mit Mageninhalt gefüllten Luftröhrenast 
erkennen lassen. Das zwischen den verdichteten Stellen gelegene Gewebe ist noch 
zum Teil lufthaltig. Die Schnittfläche desselben sowie die der übrigen Lungen¬ 
teile ist feucht und bedeckt sich nach kurzer Zeit mit einem dichten feinblasigen 
Schaum. Die nicht von Knoten durchsetzten Lungenabschnitte sehen mehr hellrot 
aus, fühlen sich weich, etwas elastisch an und knistern sehr schwaoh beim Hin¬ 
überstreichen. Die Schleimhaut der Bronchien und des Kehlkopfes ist schmutzig- 
graubraun, dick und trübe. Auf der Oberfläche dieser Schleimhaut liegen zahl¬ 
reiche aus dem Mageninhalt stammende Teilchen und dichter feinblasiger Schaum. 
Sonst finden sich an den Halsorganen keine Veränderungen. Im Herzbeutel 1 E߬ 
löffel voll einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden 
Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der 
Herzbasis 62 cm. Rechte Herzkammer 17 cm hoch, linke 19 cm hoch. Die Seiten¬ 
wand der rechten Kammer ist 2 cm, die der linken 3,5 cm dick. Die rechten 
Herzhöhlen enthalten viel dunkelrotes flüssiges Blut und große dunkelrote und 
speckhäutige Gerinnsel, ln den linken Herzhöhlen neben etwas flüssigem Blut 
kleine dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Durch die zwischen den Vor- und 
Herzkammern gelegenen Oeffnungen läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand 
bequem hindurchführen. Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind 
zart. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durchschnitt graurot, trocken und 
trübe; ihre Konsistenz ist brüchig. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,2 cm 
lang und zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind bis 3 cm dick, an 
der Innenfläche rauh und mit mehreren linsengroßen grauen bröckligen Gerinnseln 
bedeckt, die der Gekröswand ziemlich fest anhaften und sich bis zur Aorta hin 
fortsetzen. Unter diesen Auflagerungen fehlt die Innenhaut zum Teil. Am Grunde 
der Auflagerungen 6 Wurmlarven. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Wurmknoten und ringförmig- 
stenosierende Narbe in der Lcerdarmwand. Verstopfung, Erweiterung und blutige 
Entzündung des Leerdarras. Blutiger Katarrh der Magenschleimhaut. Akute 
rechtsseitige blutig-fibrinöse Bronchopneumonie. Oedem der Lungen. Trübe 
Schwellung des Herzmuskels. Druckatrophie des rechten und kompensatorische 
Hypertrophie des linken Leberlappens. Geringgradige Schwellung der Milz. Er¬ 
weiterung und wandständige Thrombose in der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

20. Schimmelhengst, ca. 15 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 24. März 1906. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in 
der Umgebung des Schlauches und unter dem Bauchfell liegt etwas gelblichgraues 
Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau zeigt. Die Körper- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


493 


muskeln sind totenstarr, braunrot und etwas trübe. Die Gefäße der Unterhaut 
sind mäßig gefüllt. 

Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raum der Bauchhöhle mehrere Liter 
einer gelblichen, fast klaren Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart und durchschei¬ 
nend, seine Oberfläche mit mehreren grauweißen bindegewebigen Zotten besetzt, 
sonst glatt und glänzend. Der Blinddarm und die rechten Lagen des Grimmdarms 
liegen auf der rechten, dio fast ganz von Leerdarmschlingen bedeckten linken 
Grimmdarmschlingen auf der linken Seite der Bauchhöhle. Diese Darmteile sehen 
außen grau aus. Der prall gefüllte Leerdarm liegt links und nimmt den größten 
Raum in der Bauchhöhle ein. Die Leerdarmschlingen sehen außen bläulichgrau 
aus. Der vordere und mittlere Teil des Leerdarms ist mit einer graubraunen 
Flüssigkeit gefüllt, die nur wenig feste Bestandteile enthält. Gegen den Hüftdarm 
hin nehmen die festen Bestandteile an Menge zu. Der Inhalt wird mehr breiig und 
bildet vor der Hüft-Blinddarmöffnung einen 30 cm langen, festen, trockenen 
Pfropf, der das Lumen des Hüftdarmes vollständig ausfüllt. Die Hüft-Blinddarm¬ 
öffnung ist narbig zusammengezogen und besitzt einen Umfang von l l j 2 cm. Der 
Hüftdarm und der hintere Abschnitt des Leerdarms sind sehr weit; die Ring¬ 
muskelschicht des Hüftdarms ist 2mm, die Längsfaserschicht x / 2 mm, die Schleim¬ 
haut 1—2 mm dick. Unmittelbar vor der Hüft-Blinddarmöffnung findet sich in 
der Schleimhaut des Hüftdarms ein 2 cm breiter, dunkelroter bis schwarzroter 
ringförmiger Streifen. An einzelnen Stellen liegen in der schwarzroten Schleim¬ 
haut gelblicbgraue, linsengroße, fetzige Herde. Vor der ringförmigen Rötung sieht 
die Schleimhaut des Hüftdarms grau bis bräunlichgrau aus, ist dick und lederartig 
derb. Die Schleimhaut des Leer- und Zwölffingerdarms ist in großer Ausdehnung 
diffus gerötet, in der Gegend der Peyersehen Haufen mit schwarzroten Flecken 
durchsetzt; stellenweise sind die oberflächlichen Schichten dieser Schleimhant ab¬ 
gestorben, gelblichgrau und fetzig. Der Magen enthält 15 Liter dünnbreiige grau¬ 
grüne Massen. Schleimhaut der Pfortnerhälfte gleichmäßig gerötet, etw T as dick, 
trübe und gallertartig. Oberfläche dieser Schleimhaut glatt und glänzend. An der 
Schleimhaut der Schlundhälfte keine Abweichungen. Im Blinddarm wenig breiiger, 
im Grimmdarm etwas fcstweicher bis trockener Inhalt. Der Mastdarm ist fast leer. 
Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarms fleckweise schwach gerötet, sonst 
grünlichgrau bis bräunlichgrau. Die Milz mißt 53 cm in der Länge, 26 cm in der 
größten Breite und 4 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz graublau und 
hügelig. Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den 
Erhebungen der Milz nicht sichtbar. Pulpa hier dunkelrot, reichlich und zerfließ- 
lich. In den übrigen Abschnitten der Milz lassen sich die Trabekel noch er¬ 
kennen. Pulpa rotbraun und reichlich. Das Gewicht der Leber beträgt 7000 g. 
Die Leberränder sind etwas abgerundet. An der Zwerchfellfläche ist die Leber¬ 
kapsel, besonders des rechten Leberlappens, mit zahlreichen weißlichgrauen Zotten 
besetzt und an einer fünfmarkstückgroßen Stelle plattenförmig verdickt, grauweiß 
und undurchsichtig. Konsistenz der Leber etwas brüchig. Das Lebergewebe ist 
auf dem Durchschnitte blutreich und rötlich-graubraun. Schnittfläche etwas fettig. 
Läppchenzeichnung deutlich sichtbar. Die einzelnen Läppchen sind hirsekorn- bis 
reiskorngroß, in der Mitte dunkelrot, am Rande in breiter Zone bräunlicbgrau. Die 
Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren besitzen 
die gewöhnliche Gestalt und Größe, sehen außen graubraun, glatt und matt- 



494 


PILWAT, 


glänzend ans. Konsistenz etwas brüchig. Auf dem Durchschnitte liegen in der 
graubraunen, trüben Rindenschicht zahlreiche grauweiße, breite, radiär verlau¬ 
fende Streifen, die den Markstrahlen entsprechen. Die Marksubstanz ist graurot 
und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, 
seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬ 
säcken, sind klein, blaßrot, weich, elastisch und knistern beim Durchschneiden. 
Schnittfläche der Lungen glatt und etwas feucht. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll 
einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herz¬ 
beutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz ist mit dunkelrotem, flüssi¬ 
gen und geronnenen Bluto ziemlich stark gefüllt, ln den linken Herzhöhlen klei¬ 
nere dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Der Umfang des Herzens beträgt an 
der Herzbasis 61 cm. Rechte Kammer 16 cm hoch, linke 19 cm hoch. Die Seiten¬ 
wand des rechten Ventrikels ist 2 cm, die des linken 3,3 cm dick. Atrio-Ventri- 
kularöffnungen von gewöhnlicher Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens 
zart. Unter der Innenhaut, hauptsächlich des linken Ventrikels, finden sich große 
flächenförmige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graurot. 
trocken und trübe, ihre Konsistenz brüchig. Die Halsorgane zeigen keine Ab¬ 
weichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und spindelförmig 
erweitert. Die Wände der Arterie sind unregelmäßig dick, 0,8 bis 3 mm. Fast 
die ganze Innenfläche des Gefäßes ist mit einem platten, etwa walnußgroßen, 
grauroten, trockenen Gerinnsel bedeckt, das der Gefäßwand ziemlich fest anhaftet 
und das Lumen der Arterie stark verengt. Unter dieser Auflagerung ist die Gefäß- 
innenhaut fetzig und fehlt stellenweise ganz. Die aus der Hüft-Blind-Grimmdarm- 
arterio hervorgehenden Gefäße erweisen sich bei genauer Untersuchung wegsam 
und frei von Pfropfen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Narbige Verengerung der Hüft- 
Blinddarmöffnung. Verstopfung, Erweiterung, Hypertrophie und Druckbrand am 
Hüftdarme. Allgemeine blutige, diphtherische Entzündung der Leerdarmschleim¬ 
haut. Katarrh und saure Magenerweichung. Geringgradige Fettinfiltration der 
Leber. Akute multiple Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Trübe 
Schwellung des Herzmuskels und Blutungen unter der Innenhaut des Herzens. 
Leichte Trübung der Körpermuskeln. Erweiterung und wandständige Thrombose 
der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

21. Rappstute, ca. 15 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 12. 10. 1905. 

Der Kadaver befindet sich in schlechtem Nährzustande. In der Unterhaut, 
um die Gelenke und unter dem Bauchfelle zeigt das spärliche Fettgewebe eine 
schleimige Beschaffenheit und schmutzig-dunkelgelbe Farbe. Die Körpermuskeln 
sind schlecht entwickelt, totenstarr, braunrot und auf dem Durchschnitte feucht. 
Der Bauch ist stark ausgedehnt. 

Im freien Raume der Bauchhöhle Gas und 10 Liter einer sauren, wässerigen, 
trüben, graugrünen Flüssigkeit, die mit festen, aus dem Magen stammenden Teilchen 
vermischt ist. Das Bauchfell ist grau und trübe, seine Oberfläche etwas rauh und 
besonders im vorderen Teile der Bauchhöhle mit breiigen, aus dem Magen stammen¬ 
den Massen bedeckt. Letztere finden sich auch zwischen den Blättern des großen 
Netzes und im freien Raume des Netzbeutels. Blind- und Grimmdarm haben die 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


495 


gewöhnliche Lage, sind fast leer und stark zusammengezogen. Den größten Teil 
der Bauchhöhle nimmt der stark ausgedehnte und prall gefüllte Leer- und Hüft- 
darm ein. Die Leerdarmschlingen sehen außen bläulioh-rot aus und zeigen gefüllte 
venöse Netze. Der Inhalt des Leerdarmes besteht aus großen Mengen einer gelblich¬ 
grauen, trüben Flüssigkeit, die nach dem hinteren Ende des Darmes zu mit festen 
Bestandteilen vermischt ist. Im hintersten Abschnitte des Leerdarmes und im An¬ 
fangsteile des Hüftdarmes ist der Inhalt dickbreiig und bildet schließlich am Ende 
des Hüftdarmes einen 50 cm langen festen Kotpfropf, der bis zur Hüft-Blinddarm¬ 
öffnung reicht und die Darmlichtung vollkommen anfüllt. In den Rändern der 
Hüft-Blinddarmöffnung finden sich zwei weißliche Narben. Diese Oeffnung ist 
stark zusammengezogen und besitzt einen Umfang von nur 5,5 cm. Der Hüftdarm 
ist stark erweitert. Die weiteste Stelle desselben ist 21 cm von der Hüft-Blind¬ 
darmöffnung entfernt; hier beträgt der Umfang des Darmes 26 cm. Der hintere 
Abschnitt des Leerdarmes ist gleichfalls stark erweitert. Die größte Dicke der 
ringförmig verlaufenden Muskelschicht des Hüftdarmes beträgt 10mm, die der Längs- 
faserschioht 2 mm. Die Verdickung in der Muskelhaut des Leerdarmes ist gleich¬ 
falls sehr auffallend und bis auf 9 m vor der Hüft-Blinddarmöffnung noch wahr¬ 
nehmbar. Hier beträgt die Dicke der Muskelhaut noch 3 mm. Die Schleimhaut 
des Hüftdarmes und des hinteren Leerdarmabschnittes ist grau bis bräunlich-grau, 
lederartig derb und bis 2 mm dick. Unmittelbar vor der Hüft-Blinddarmöffnung 
ist die Schleimhaut dunkelrot, an zwei Stellen in Bohnengröße abgestorben, grau¬ 
grün und fetzig. Im vorderen und mittleren Teile des Leerdarmes, sowie im Zwölf¬ 
fingerdärme sieht die Schleimhaut graurot, streckenweise dunkelrot aus, ist etwas 
dick, trübe, aufgelockert und mit linsengroßen Blutungen durchsetzt. Blind- und 
Grimmdarm sehen außen grau aus und enthalten wenig flüssige und breiige grau¬ 
grüne Massen. Die Schleimhaut dieser Darmteile ist etwas trübe und dunkelgrau¬ 
grün. Im Mastdarme wenig geformter, locker geballter Kot. Mastdarmschleimhaut 
grau und schwach durchscheinend. Der Magen ist zusammengefallen und enthält 
wenig dickbreiigen Inhalt. An der großen Krümmung des Magens findet sich in 
der Serosa und Muskelhaut ein 26 cm langer Riß. Die Schleimhaut ist in einer 
Länge von 16 cm zerrissen, die Rißränder sind blaß, dünn und frei von Blut¬ 
gerinnseln. Die mit Drüsen besetzte Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist dick, 
trübe und gallertartig. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese Schleimhaut 
braunrot, gegen den Pförtner hin mehr grau aus. An der Schleimhaut der Schlund¬ 
hälfte keine krankhaften Veränderungen. Die Milz mißt 47 cm in der Länge, 19 cm 
in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Stellenweise erheben sich 
über die sonst glatte graublaue Milzoberfläche bis halbwallnußgroße flache dunkel¬ 
blaue Hügel, in denen die Pulpa reichlich, zerfließlich und schwarzrot ist. Das 
Balkengerüst ist hier nicht sichtbar. In den übrigen Teilen der Milz ist die Pulpa 
braunrot und dickbreiig; die Trabekel sind noch erkennbar. Das Gewicht der 
Leber beträgt 4000 g. Der rechte Leberlappen ist auffallend dünn, Oberfläche der 
Leber glatt und glänzend. Ränder scharf. Farbe der Leber außen bläulich-braun- 
rot. Konsistenz derb. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe sehr blutreich 
und braun bis braunrot. Läppchenzeichnung deutlich erkennbar. Die einzelnen 
Leberläppchen sind hirsekorngroß und braun; zwischen denselben liegen schmale 
graue Züge. Die Nierenkapseln sind stellenweise mit den Nieren fest verwachsen. 
An der Oberfläche beider Nieren, besonders aber an der linken Niere finden sich 



496 


PILWAT, 


mehrere weißlich-graue, etwas eingezogene Narben. Sonst sieht das Nierengewebe 
außen rötlich-graubraun aus und ist etwas brüchig. Rechte Niere 15 cm lang, 
14,6 cm breit und 4,3 cm dick. Linke Niere 17 cm lang/ 13 cm breit und 5 cm 
dick. Auf dem Durchschnitte zeigt sich das Nierengewebe ziemlich blutreich. Die 
Rindenschicht ist trübe und von zahlreichen grauweißen, breiten, radiär verlaufen¬ 
den Streifen durchzogen. Marksubstanz dunkelgraurot und gestreift, an der Grenze 
der Rinde dünkelrot. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, 
seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬ 
säcken, haben sich von den Brustwänden gut zurückgezogen, sind klein, weich, 
elastisch und knistern beim Hinüberstreichen. Außen und auf dem Durchschnitte 
sieht das Lungengewebe blaßrot aus. Schnittfläche der Lungen glatt und etwas 
feucht. Der Herzbeutel enthält etwa 100 ccm einer gelblichen, leicht beweglichen, 
klaren, wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutel¬ 
blätter ist glatt und spiegelnd glänzend. Die Kranzarterien des Herzens sind lang, 
weit und verlaufen geschlängelt. Das in den Herzfurchen gelegene spärliche Fett¬ 
gewebe sieht schmutzig gelb aus und besitzt eine schleimig-gallertige Beschaffen¬ 
heit. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 53 cm. Rechte Kammer 
15 cm, linke 17 cm hoch. Die Seitenwand des rechten Ventrikels ist gewölbt und 
1,5 cm dick, die des linken abgeflacht und 2,9 cm dick. Die rechten Herzhöhlen 
enthalten ziemlich viel flüssiges und geronnenes Blut. In den linken Herzhöhlen 
Anden sich neben etwas flüssigem Blut mäßig große speckhäutige Gerinnsel. Die 
zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind für eine länglich 
zusammengelegte Hand bequem passierbar. Die Herzklappen der linken Herzhälfte 
sind besonders in ihren marginalen Teilen verdickt und derb. Die Innenhaut 
dieser Herzhälfte ist in großer Ausdehnung gleichmäßig dick, grauweiß und un¬ 
durchsichtig. In den rechten Herzhöhlen ist die Innenhaut stellenweise in Form 
von Platten schwach verdickt. Unter der Innenhaut des Herzens, namentlich auf 
der Höhe der Papillarmuskeln, finden sich bis markstückgroße schwarzrote Blu¬ 
tungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitt graubraunrot, trocken und 
trübe, ihre Konsistenz brüchig. Die Schleimhaut des Zungengrundes, des Schlund¬ 
kopfes und der Kehldeckel-Gießkannenbänder ist blaurot und etwas dick, ln der 
Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre finden sich stellenweise gefüllte 
Venennetze. Der Kehldeckel zeigt eine kahnförmige Gestalt. Sonst bestehen an 
den Halsorganen keine Abweichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm 
lang und zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind bis 3 mm dick, an 
der Innenfläche rauh und mit mehreren hanfkorngroßen grauroten bröckligen 
Massen bedeckt. Außerdem zeigen sich in der Innenhaut des Gefäßes mehrere 
längs- und querlaufende Narben. Die aus dieser Arterie an den Darm gehenden 
Gefäße sind wegsam und ohne Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Narbige Verengerung der Hüft- 
Blinddarmöffnung. Verstopfung, Erweiterung und Hypertrophie des Hüft- und 
Leerdarms. Dekubitalgangrän in der Schleimhaut des Hüftdarmes. Akute und 
chronische Entzündung der Hüft- und Leerdarmschleimhaut. Postmortale Magen¬ 
zerreißung und saure Erweichung der Magenschleimhaut. Akute multiple Milz- 
schwcllung. Embolische Narben in den Nieren und katarrhalische Nierenentzün- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


497 


düng. Braune Atrophie der Leber. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Blutungen 
unter der Innenhaut des Herzens. Chronische Entzündung der linksseitigen Herz¬ 
klappen und der Innenhaut des Herzens. Erweiterung und wandständige Throm¬ 
bose der Hüft-BIind-Grimmdarmarterie. 

Die Striktnren des Leerdarms waren sämtlich durch die Ein¬ 
wanderung der Larven des Strongylus armatus in die Leerdarrawand 
verursacht. Nach den Untersuchungen von Sticker, die dieser Autor 
im Pathologischen Institute ausgeführt hat (Archiv für wissenschaft¬ 
liche und praktische Tierheilkunde, Bd. 27), schmarotzen die Larven 
des Strongylus armatus in der vorderen Gekrösarterie bzw. Hüft- 
BIind-Grimmdarmarterie des Pferdes nur eine gewisse Zeit und ver¬ 
lassen dann ihren Wohnsitz, um durch die Aeste der Hüft-BIind- 
Grimmdarmarterie in den Blind- oder Grimmdarm zu wandern. Diese 
reifen Larven sind bis 18 mm lang. Im Darme erfolgt die weitere 
Entwickelung des Wurms bis zur Geschlechtsreife. Reicht ausnahms¬ 
weise das Aneurysma und die Thrombose der Arteria ilio-coeco-colica 
weiter nach oben bis in die Abgangsstellen der 19—21 Dünndarm¬ 
arterien hinein, so können die Wurmlarven mit dem Blutstrome auch 
in diese Gefäße hineingespült und in die Wand des Leerdarms ge¬ 
bracht werden, ln einem kleinen Arterien zwei ge dringen die Wurra- 
larven allmählich langsam gegen die Darmschleimhaut vor, reizen 
gleichsam als Fremdkörper und wahrscheinlich auch durch giftige Ab¬ 
sonderungsprodukte und erzeugen eine chronische Entzündung der 
Arterie und ihres nachbarlichen Gewebes. Das Produkt dieser Ent¬ 
zündung ist ein bindegewebiger Strang, welcher der Lage der Arterie 
in der Darmwand entsprechend ringförmig verläuft. Schließlich bleibt 
die Wurmlarve liegen, erzeugt durch Reizung ihrer Umgebung einen 
derben Knoten, dessen zentraler Teil der Verkäsung anheimfällt. 
Durch Erweichung des Käses öffnet sich der Knoten gegen die Darm¬ 
lichtung und gestattet dem Parasiten den Austritt in das Darmluraen. 
In manchen Fällen erreicht die Wurmlarve die Darralichtung nicht, 
sondern bleibt in der Darrawand liegen und fällt gleichfalls der Ver¬ 
käsung anheim. So konnten von den beobachteten 4 Fällen der durch 
Strongylus armatus in der Leerdarmwand erzeugten Knoten 3 mal 
verkäste Parasitenreste in der zentralen Knotenmasse nachgewiesen 
werden. Der in der Darmwand liegende bindegewebige Strang ver¬ 
kürzt sich durch Narbenretraktion und erzeugt dadurch eine Ver¬ 
engerung des Darmlumens. 

Die Narbenstenose der Hüft-Blinddarmöffnung ist, wie aus der 

Archiv f. wissensch. u prakt. Tierbeilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 32 



498 


PILWAT, 


Zahl der beobachteten Fälle (27) hervorgeht, beim Pferde sehr häufig. 
Diese Stenosen besitzen alle Eigenschaften einer chronischen Krank¬ 
heit und sind daher besonders für die gerichtliche Tierheilkunde von 
großer Wichtigkeit. Wem> auch die Ursachen der an der Hüft-Blind- 
darmöffnung auftretenden Stenosen leider nicht mit Sicherheit ange¬ 
geben werden können, so dürfte doch folgende Erwägung viel Wahr¬ 
scheinlichkeit besitzen. Die Hüft-Blinddarraöffnung ist eine verhältnis¬ 
mäßig sehr enge Oeffnung, sie ist überhaupt die engste Stelle des 
ganzen Darrarohrs beim Pferde. Nach den im Pathologischen Institute 
ausgeführten Messungen beträgt ihr Umfang, wie schon angegeben ist, 
etwa 10 cm. Dazu kommt, daß diese Oeffnung infolge der dicken 
Ringmuskulatur des Hüftdarms gewöhnlich geschlossen ist und sich 
nur bei dem periodischen Durchtritte des Hüftdarminhalts in den 
Blinddarm öffnet. Befinden sich nun im Darminhalte scharfe Gegen¬ 
stände, z. B. Glassplitter, die auf mechanische Weise eine Verwundung 
der Darmschleimhaut erzeugen können, so sind die Ränder der Hüft- 
Blinddarmöffnung für Verletzungen dieser Art geradezu prädisponiert. 
In vielen Fällen ließen sich noch Schleimhautnarben an den Rändern 
der stark verengten Hüft-Blinddarmöffnung nach weisen. 

Jede erhebliche Verengerung des Darmrohrs bildet für die Fort¬ 
bewegung des Inhalts ein Hindernis und muß daher eine Anstauung 
desselben und dadurch die Erweiterung des vor der verengten Stelle 
gelegenen Darmabschnitts zur Folge haben. Der vor der Striktur 
verweilende Inhalt verliert durch Resorption der Darmschleimhaut 
leicht Flüssigkeit, wird trocken und verwandelt sich schließlich in 
einen harten, schwer beweglichen Kotpfropf. Ob nun die Bildung des 
tödlichen Kotpfropfs rasch oder langsam erfolgt, darüber entscheidet 
1. die Art der Entstehung und der Grad der Striktur und 2. die 
Leistungsfähigkeit der Darmmuskulatur vor der verengten Stelle. Es 
ist klar, daß eine rasch entstehende hochgradige Verengerung des 
Darmrohrs schneller zu einer tödlichen Verstopfung führen muß, als 
die sich allmählich ausbildendc Stenose. 

Ferner wird eine verhältnismäßig kräftige Muskulatur, wie sie 
z. B. der Hüftdarm im Gegensätze zum Leerdarm besitzt, das Hinder¬ 
nis leichter überwinden als eine schwache. Die Darmmuskulatur hat 
vor der engen Stelle eine größere Arbeitsleistung zu verrichten, weil 
der Darminhalt durch den Engpaß gewissermaßen hindurchgepreßt 
werden muß. Diese vermehrte Arbeitsleistung der Darramuskulatur 
führt nach einiger Zeit zur hypertrophischen Verdickung derselben. 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 499 

An der Hypertrophie nimmt die Ringmuskulatur stets den größten 
Anteil. 

Am Leerdarm fand sich vor der Narbenstenose nur Erweiterung 
und keine Hypertrophie. Das Fehlen derselben ist wahrscheinlich so 
zu erklären, daß die Verengerung dieses Darms infolge der Wande¬ 
rung der Wurmlarven rasch entsteht und verhältnismäßig hochgradig 
ist. Die Verengerung und nachfolgende tödliche Verstopfung müssen 
jedenfalls schneller entstehen, als Zeit zur Ausbildung der Darmhyper- 
tropbie erforderlich ist. Daß die Muskulatur des Leerdarms auch 
hypertrophisch werden kann, zeigt der unter Nr. 21 raitgeteilte Ob¬ 
duktionsbefund. In diesem Falle war die Ursache der Hypertrophie 
eine Stenose der Hüft-Blinddarmöffnung. 

Anders verhält sich der Hüftdarm, dessen Muskulatur viel 
kräftiger als die des Leerdarms ist. Dieser Darm vermag noch 
längere Zeit das Hindernis, das in der narbigen Verengerung der Hüft- 
Blinddarmöffnung liegt, zu überwinden. Der Hüftdarm erweitert sich 
vor der verengten Oeffnung infolge der Ansammlung des Inhalts gleich¬ 
falls, aber seine Muskulatur wird durch die vermehrte Arbeitsleistung 
allmählich hypertrophisch und verdickt sich. Die Schleimhaut des 
Hüftdarms ist durch den stagnierenden Inhalt einem andauernden 
Reize ausgesetzt. Dadurch entsteht in derselben eine chronische Ent¬ 
zündung, deren Produkt Verdickung der Schleimhaut durch Binde¬ 
gewebsneubildung ist. Bei diesem Prozesse gehen die Drüsen in der 
Schleimhaut zu Grunde; letztere wird lederartig derb, dick, undurch¬ 
sichtig, ihre Farbe ist meist grau oder bräunlich-grau. Manchmal 
sind schwarzbraune Punkte in der Schleimhaut nachzuweisen, die als 
die Produkte der Pigmcntbildung aufzufassen sind; an diesen Stellen 
war Blutung erfolgt. Durch zahlreiche Messungen am hypertrophischen 
Hüftdarme konnte festgestcllt werden, daß die ringförmig angeordnete 
Muskelschicht im Mittel 3 mm, die Längsfaserschicht 1 mm dick ist. 
In einem Falle (Obduktionsbefund Nr. 21) betrug die Dicke der hyper¬ 
trophischen Ringschicht sogar 10 mm und die der Längsfaserschicht 
2 mm. Die Schleimhaut des Hüftdarms erreicht nicht selten eine 
Dicke von 2 mm. Auch bei den akuten Entzündungen kann sich die 
Schleimhaut durch das in sie ergossene Exsudat und durch die 
in ihre Gewebsspalten gelangten Zellen bedeutend verdicken. Im Be¬ 
ginne der akuten Entzündung läßt sich aber stets infolge der stärker 
gefüllten und ausgedehnten Kapillaren und Venen wurzeln eine lebhafte 
Rötung an der Schleimhaut nachweisen. Wird später durch die nach- 



500 


PI L WAT, 


folgende entzündliche Infiltration die Rötung verdeckt, so sieht die 
verdickte Schleimhaut trübe aus, ist dick und bildet bei erheblicher 
Schwellung unregelmäßige Falten. Denn die Schleimhaut hat sich 
nach jeder Richtung vergrößert; sie ist nicht nur dicker, sondern 
gleichzeitig länger und breiter geworden, daher findet sie auf ihrer 
Unterlage nicht mehr genügend Platz und muß sich in Falten legen. 
An der Hüft-Darmschleimhaut finden sich nicht selten beide Formen 
der Entzündung vor. Denn schließlich vermag auch die hyper¬ 
trophische Muskulatur das sich allmählich vergrößernde Hindernis, die 
zunehmende Stenose der Hüft-Blinddarmöffnung, nicht mehr zu über¬ 
winden. Es bildet sich vor dieser Oeffnung, wahrscheinlich ganz all¬ 
mählich, ein harter Kotpfropf, der die Schleimhaut reizt und meist 
eine akute gangränöse Entzündung in ihr hervorruft. Die haupt¬ 
sächlichste Ursache des brandigen Absterbens liegt aber in dem an¬ 
dauernden Drucke, den der Kotpfropf auf die Schleimhaut ausübt. 
Die gedrückte Schleimhaut wird anämisch, daher „anämische Nekrose“. 
Der Verschluß des Darmrohrs, der hier durch die Bildung eines Kot¬ 
pfropfs herbeigeführt ist, führt zur Ansammlung und nachfolgenden 
Umsetzung des Darminhalts. Durch die Einwirkung dieser Um¬ 
setzungsprodukte auf die Schleimhaut und durch die Resorption der¬ 
selben entstehen jene Veränderungen an der Darmschleimhaut und an 
den übrigen Organen, die bereits bei der einfachen Verstopfung er¬ 
örtert sind und auf die hier verwiesen werden kann. 

An den durch Hypertrophie der Muskelhäute und chronische 
Entzündung der Schleimhaut verdickten Hüftdarmwänden sind eine 
Reihe von mikroskopischen Untersuchungen vorgenommen worden, die 
zwar noch nicht abgeschlossen werden konnten, deren vorläufige Er¬ 
gebnisse jedoch hier mitgeteilt werden sollen. Es wurden kleine 
Stückchen der Hüftdarmwand nach verschiedenen Methoden gehärtet 
und in Paraffin eingebettet. Von diesen Stückchen wurden zahl¬ 
reiche Längs- und Querschnitte in der Dicke von 5—10 (j angefertigt 
Die von Paraffin befreiten Schnitte wurden dann gefärbt. Die besten 
Färberesultate ergab die Doppelfärbung mit Hämatoxylin-Eosin. Hier¬ 
auf folgte die Entwässerung der Präparate und das Einlegen derselben 
in Xylol-Kanadabalsam. Die so vorbereiteten Darmschnitte wurden 
nun unter dem Mikroskop genau untersucht. Hierbei zeigte sich, daß 
die einzelnen Muskelzellen der glatten Darmmuskulatur länger, breiter 
und dicker waren, als die zur Kontrolle hergestellten Schnitte aus 
einem normalen Darme. Aber nicht nur die Größe der Zellen, sondern 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 501 

auch die Zahl derselben hatte bedeutend zugenommen. Mithin ist die 
Verdickung der Muskelschicht nicht allein das Produkt der Hyper¬ 
trophie, sondern gleichzeitig auch das der Hyperplasie. Die Muskel¬ 
zellen wachsen und vermehren sich gleichzeitig. Die zwischen' den 
einzelnen Lagen der Muskelzellen befindlichen Bindegewebszüge hatten 
keine Veränderung erfahren. Die Verdickung der Schleimhaut war, 
wie das mikroskopische Bild zeigte, lediglich durch Zunahme des 
Bindegewebes im Schleimhautkörper entstanden. Die Drüsen hatten 
sich an diesem Prozesse nicht beteiligt, sie waren vielmehr fast voll¬ 
ständig untergegangen. 

UL Zerreißung des Magens und Darms. 

1. Zerreißung des Magens. 

In dem oben genannten dreijährigen Zeiträume wurde bei der 
Obduktion von 428 kolikkranken Pferden in 63 Fällen eine tödliche 
Magenzerreißung ermittelt. Von den an Kolik gestorbenen Pferden 
waren demnach 63 = 14,72 pCt. an der Zerreißung des Magens zu 
Grunde gegangen. Diese Zahlen zeigen, wie häufig Magenzerreißungen 
beim Pferde Vorkommen, und schon aus diesem Grunde beanspruchen 
sie für die praktische Tierheilkunde ein erhöhtes Interesse. Aus den 
folgenden Obduktionsbefunden dürften sich wichtige Schlüsse für die 
Erklärung des Zustandekommens der Magen Zerreißung ergeben. 

22. Braune Stute, Flocke, linke Hinterkrone und Ballen weiß, ca. 9 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 6. 6. 1904. 

Der Kadaver befindet sich in schlechtem Nährzustande. In der Unterhaut, 
über dem Euter und hinter dem Bauchfelle liegt wenig golbrotes, schleimiges 
Fettgewebe. Die Körpermuskeln zeigen Totenstarre, sehen braunrot und auf dem 
Durchschnitte etwas feucht aus. Gefäße der Unterhaut fast leer. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬ 
weichen aus derselben viel Gaso. Der freie Raum der Bauchhöhle enthält außer¬ 
dem 15 Liter einer trüben, sohmutzig grauroten Flüssigkeit, in der einzelne feste 
Teilohen, die aus dem Mageninhalte stammen, nachzuweisen sind. Das Bauchfell 
ist stellenweise gerötet, sonst grau und trübe. Der Darm liegt regelmäßig. Leer¬ 
darm zusammengezogen. Blind- und Grimmdarm hauptsächlich durch Gase stark 
ausgedehnt. Im Anfangsteile des Leerdarmes wenig graue, mehlsuppenartige 
Flüssigkeit. Gegen den Hüftdarm hin nimmt der Inhalt etwas an Menge zu und 
enthält mehr feste Bestandteile. Die Hüft-BlinddarmöfTnung besitzt einen Umfang 
von 10 cm. Die Schleimhaut des Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarmes bildet viele 
regelmäßig verlaufende Falten, die teils ringförmig, teils in der Längsrichtung an¬ 
geordnet sind. Auf der Höhe der Falten ist die Schleimhaut schwach gerötet, 
sonst grau und etwas trübe. Blind- und Grimmdarm enthalten außer Gas breiige 
Massen in mäßiger Menge; in der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes 



502 


PILWAT, 

wird der Inhalt mehr festweich. Im Mastdarm wenig geformter Inhalt. In der 
Gegend der Blinddarmspitze und der Beckenkrümmung des Grimmdarmes erscheint 
die Schleimhaut schwach gerötet, sonst sieht die Schleimhaut des gesamten Dick¬ 
darmes grau aus und weist keine Abweichungen auf. Der Magen enthält 10 kg 
dickbreiige, hauptsächlich aus zerkleinerten Maiskörnern bestehende Massen. In 
der Wand der kleinen Kurvatur, dicht hinter der Einmündungsstelle des Schlundes 
findet sich ein 3 cm langer und 1—2 cm breiter Riß, der in der Richtung der 
Speiseröhre verläuft und die ganze Magenwand durchdringt. Die Rißränder sind 
bis zu einer Tiefe von 5 mm blutig durchtränkt. Schleimhaut der Schlundhälfte 
grauweiß, ohne Abweichung. Die drüsentragende Schleimhaut der rechten Magen¬ 
hälfte ist trübe, etwas dick und fleckweise schwach gerötet, ln der Gegend der 
Fundusdrüsen erscheint die Oberfläche dieser Schleimhaut schwach gekörnt. Die 
Milz mißt 40 cm in der Länge, 20 cm in der größten Breite und 3 cm in der 
mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt und graublau. Konsistenz festweich. 
Auf der glatten, ziemlich trockenen Schnittfläohe ist das Balkengewebe deutlich 
erkennbar. Pulpa rotbraun. Das Gewicht der Leber beträgt 5500 g. Leberränder 
scharf. Die Leberkapsel ist an der Zwerchfellfläche der Leber mit mehreren grau¬ 
weißen Zotten besetzt, die hintere Fläche der Leber erscheint glatt. Auf dem 
Durchschnitte ist das Lebergewebe wenig blutreich und gelblich-braun. Zeichnung 
der Leberläppchen gut erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind etwa hirsekorn¬ 
groß und gelblich-braun. Konsistenz der Leber etwas brüchig. Die Nierenkapseln 
lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die Oberfläche beider Nieren ist glatt 
und glänzend. Rechte Niere 14 cm lang, 18 cm breit und 4 cm dick. Linke Niere 
18 cm lang, 15 cm breit und 4,2 cm dick. Kousistenz der Niere etwas brüchig. 
Die Rindenschicht erscheint auf dem Durchschnitte trübe und graubraun. Gefä߬ 
knäuel schwer erkennbar. Die Marksubstanz ist gestreift, an der Grenze der Rinde 
stark gerötet, nach der Papille hin mehr graurot. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, 
seine Oberfläche glatt und raattglänzend. Die Lungen liegen frei in den Brust¬ 
fellsäcken, sind klein und sehen blaßrot aus. Das Lungengewebe ist weich, 
elastisch und in allen Teilen lufthaltig. Im Herzbeutel 1 Eßlöffel voll einer gelb¬ 
lichen wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutel¬ 
blätter ist glatt und glänzend. Die rechten Herzhöhlen enthalten ziemlich viel 
flüssiges und geronnenes, dunkelrotes Blut. Das linke Herz ist fast leer und zu¬ 
sammengezogen. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 56 cm. Rechte 
Kammer 15 cm, linke 17 cm hoch. Die Seitenwand des rechten Ventrikels ist 
1,5, die des linken 3 cm dick. Innenhaut und Herzklappen zart. Atrio-Ventrikular- 
öffnungen normal weit. Herzmuskulatur auf dem Durchschnitte graurot, etwas 
trocken und trübe. Konsistenz brüchig. An den Halsorganen lassen sich keine 
Abweichungen nachweisen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,1 cm lang, 
zylindrisch erweitert und in ihrem Anfangsteile sackförmig ausgebuchtet. Die 
Inuenhaut der ausgebuchteten Stelle trägt auf ihrer Oberfläche eine haselnuss¬ 
große, graurote, etwas bröcklige Gerinnselmasse, die auf ihrer Grundlage ziemlich 
fest haftet. In der Tiefe des Gerinnsels liegen mehrere drehrunde Wurmlarven. 
Die Gefäßinnenhaut ist stellenweise rissig. An allen übrigen zum Darme tretenden 
arteriellen Gefäßen finden sich keine Abweichungen. 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 503 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Zerreißung der Magenwand an 
der kleinen Kurvatur des Magens. Verdauung und beginnende Entzündung des 
Bauchfells. Einfacher Katarrh der Schleimhaut des Magens und Darmes. Gering¬ 
gradige Trübung des Herzmuskels, der Leber und der Nieren. Erweiterung und 
wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

23. Blausohimmelstute, Stern, ca. 18 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 24. 10. 1905. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande, ln der Unterhaut, in 
der Umgebung der Gelenke und hinter dem Bauchfelle liegt etwas gelblich-graues 
Fettgewebe von lappigem Bau. Die Körpermuskeln sind gut entwickelt und zeigen 
noch keine Totenstarre; sie fühlen sich weich und lebenswarm an. Das Muskel¬ 
gewebe ist auf dem Durchschnitte blaßbraun-rot und schwach durchscheinend. 
Gefäße der Unterhaut leer. 

Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle Gase und 
30 Liter einer graubraunroten, trüben, sauer riechenden Flüssigkeit, die mit festen, 
aus zerkleinerten Hafer- und Maiskörnern und Strohteilchen bestehenden Massen 
vermischt ist. Die beschriebenen festen Massen liegen hauptsächlich im vorderen 
Teile der Bauchhöhle, zwischen den Blättern des Netzbeutels und im freien Raume 
desselben. Das Bauchtell ist grau und trübe, an seiner Oberfläche rauh, wie eine 
mit feinem Sande bestreute Milchglasplattte. Lage der Bauchoingcweide ohne 
Abweichung. Der Leerdarm ist in seinem vorderen Abschnitte zusammengezogen 
und fast leer, gegen den Hüftdarm hin mit flüssigem graubraunen Inhalte mäßig 
gefüllt. Schleimhaut des Leer- und Hüftdarms streckenweise stark diffus gerötet, 
sonst grau und trübe. Im Blind- und Grimmdarm Gase und dünnbreiige, gegen 
den Mastdarm hin etwas fester werdende Massen in mittlerer Menge. Der Mast¬ 
darm ist leer. Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarmes graugrün und 
schwach durchscheinend. Der Magen ist leer und zusammengezogen; an seiner 
großen Krümmung findet sich ein 38 cm langer Riß der Serosa und Muskelhaut. 
Die Schleimhaut ist durch die Rißöffnung vorgewölbt und in einer Länge von 
26 cm zerrissen. Die Rißränder sind gezackt, etwas dick, blutig durchtränkt und 
mit kleinen Blutgerinnseln bedeckt. Die Kardia ist geschlossen. An der Schleim¬ 
haut der Schlundhälfte keine Abweichung. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfto 
erscheint diffus gerötet und trägt stellenweise auf ihrer Oberfläche einen glasig 
durchscheinenden zähen Belag, der sich schwer abspülen läßt. Der Zwölffinger¬ 
darm zeigt an seiner äußeren Fläche, besonders im hinteren Abschnitte, mehrere 
dunkelrote Flecke. Das Gewebe ties Mastdarm-Zwölffingerdarmbandes ist dick, 
trübe und erscheint wie eine gelbliche, gallertartige Masse. In seinem mittleren 
Teile enthält der Zwölffingerdarm einen länglichen, aus festen Massen bestehenden 
Kotpfropf. Die Schleimhaut erscheint hier grau und trübe, ihre Zotten bilden 
eine graue, schleimige, abstreif bare Masse. Das Gewicht der Leber beträgt 5*/okg. 
Die Zwerchfellfläche der Leber ist mit zahlreichen Zotten besetzt. Sonst sieht die 
Leber außen grau aus. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebe rot¬ 
braun, etwas trübe und besitzt eine weiche Beschaffenheit. Zeichnung der Leber¬ 
läppchen erkennbar. In der Mitte sehen die einzelnen Läppchen rotbraun, am 
Rande in einer schmalen Zone graubraun aus. Die Milz mißt 43 cm in der Länge, 
25 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der 



504 


PILWAT, 


Milz glatt und grau. Konsistenz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balken¬ 
gewebe noch sichtbar, Pulpa braunrot, reichlich und weich. Die Nierenkapseln 
lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren besitzen die gewöhn¬ 
liche Form und Größe. Oberfläche derNieren glatt und mattglänzend. Konsistenz 
der Nieren etwas brüchig. Die Rindenschicht erscheint auf dem Durchschnitte 
etwas trübe und graubraun. Die Gefäßknäuel sind stellenweise als rote Punkte 
erkennbar. Marksubstanz gestreift und blaßrot, an der Grenze der Rinde dunkelrot. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an 
seiner Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬ 
säcken, sehen blaßrot aus, sind klein und enthalten in allen Teilen Luft. Im 
Herzbeutel ein Eßlöffel voll einer gelblichen, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche 
der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz 
ist mäßig gefüllt; linkes Herz leer und zusammengezogen. Der Umfang des 
Herzens beträgt an der Herzbasis 59 cm. Die Höhe der rechten Kammer 15 cm, 
die der linken 18 cm. Seitenwand des rechten Ventrikels 1,8 cm, die des linken 
3,2 cm dick. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen 
besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart 
Herzmuskulatur auf dem Durchschnitte trübe, graurot und trocken. Konsistenz 
etwas brüchig. Die Schleimhaut der Rachenhöhle des Kehlkopfes und der Luft¬ 
röhre ist auffallend blaß. Der linke hintere Ring-Gießkannen, der linke seitliche 
Ring-Gießkannen-, der linke Taschenband-, der linke Stimmbandmuskel und die 
linke Hälfte des Quergießkannenmuskels sind etwas abgeplattet und sehen rötlich- 
grau aus. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylindrisch er¬ 
weitert; ihre Wände sind ungleichmäßig verdickt. Die Innenfläche des Gefäßes 
ist mit mehreren bis bohnengroßen, grauroten, trockenen, ziemlich adhärenten 
Gerinnselmassen bedeckt, in deren Tiefe einzelne drehrunde Wurmlarven liegen. 
Unter den Gerinnseln ist die Innenhaut rauh und fetzig. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung 
des Zwölffingerdarmes. Entzündung des lockeren Gewebes im Mastdarm - Zwölf¬ 
fingerdarmbande. Entzündung der Leer- und Hüftdarmschleimhaut. Zerreißung 
des Magens und blutig-schleimiger Katarrh der drüsenhaltigen Magenschleimhaut. 
Verdauung des Bauchfells, der oberflächlichen Schichten der Leber und der Milz. 
Geringgradige akute Milzschwellung. Trübung des Herzmuskels und der Nieren. 
Schwund der linksseitigen Kehlkopfmuskeln. Erweiterungund wandständigeThrom- 
bose in der Hült-Blind-Grimmdarmarterie. 

24. Apfelschimmelstute, 8 bis 9 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 21. 9. 1905. 

Der Kadaver ist gut genährt. In der Unterhaut und unter dem Bauchfelle 
liegt dickes gelblich-weißes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen 
Bau zeigt. Totenstarre vorhanden. Die Körpermuskeln erscheinen auf dem Durch¬ 
schnitte bräunlich-rot, etwas trocken und trübe. 

Der Bauch ist mäßig stark aufgetrieben. Aus der Bauchhöhle entweichen bei 
ihrer Eröffnung reichliche Mengen von Gas. Im freien Raume der Bauchhöhle be¬ 
finden sich außerdem 12 Liter einer graubraunen trüben sauer riechenden Flüssig¬ 
keit, die mit festen Teilchen vermischt ist. Zwischen den Blättern des großen 
Netzes, im Netzboutel und im vorderen Teile der Bauchhöhle liegen breiige, haupt¬ 
sächlich aus zerkleinerten Maiskörnern und Häcksel bestehende Massen. Das Bauch- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


505 


feil ist grau, stellenweise mit roten Flecken durchsetzt, trübe und an der Ober¬ 
fläche etwas rauh. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Der vordere Abschnitt des 
Leerdarmes und der Zwölffingerdarm enthalten viel Flüssigkeit und breiige Massen. 
Etwa 7 m hinter dem Pförtner des Magens ist der Leerdarm durch einen 15 cm 
langen trockenen Kotpfropf vollständig verlegt. Unmittelbar hinter diesem Pfropfe 
ist der Leerdarm narbig verengt. An der der Gekrösanheftung gegenüberliegenden 
Seite befindet sich an dieser Stelle in der Schleimhaut des Darmes eine stecknadel- 
kopfgroße Oeffnung, von der ein ringförmig in der Darmwand liegender, teilweise 
vernarbter Gang abgeht. Das in der Nachbarschaft dieses Ganges gelegene Ge- 
webejst strangförmig verdickt, grauweiß und derb. Der Umfang des Darmes be¬ 
tragt an der verengten Stelle 8 cm. Vor der Verengung ist der Leerdarm sehr 
weit; er besitzt hier einen durchschnittlichen Umfang von 16 cm. Die Leerdarm¬ 
wand ist im erweiterten Teile dünn; ihre Schleimhaut stark gerötet und etwas 
dick. Im hinteren Teile des Leerdarmes und im Hüftdarme finden sich etwas grau¬ 
braune Flüssigkeit und wenig feste Bestandteile. Die Schleimhaut dieser Darmab¬ 
schnitte ist gelblich-grau, in Falten gelegt und sammetartig glänzend. Der Blind- 
und Grimmdarm enthalten Gas und breiige, gegen den Mastdarm etwas fester 
werdende Massen in mäßiger Menge. Der Mastdarm ist fast leer. Auf der Schleim¬ 
haut des Blind- und Grimmdarmes finden sich Larven und geschlechtsreife Würmer 
des Strongylus bidentatus in großer Anzahl. Die Schleimhaut des Blind- Grimm- 
und Mastdarmes ist graugrün und schwach durchscheinend. Der Magen ist fast 
leer und zusammengezogen. Kardia geschlossen. An der großen Krümmung des 
Magens findet sich in der Serosa und Muskelhaut ein 33 cm langer Riß, durch den 
die Schleimhaut vorgewölbt und in einer Länge von 17 cm zerrissen ist. Zu beiden 
Seiten des großen Risses ist die Serosa und Muskelhaut noch mehrfach quer ein¬ 
gerissen. Die Rißränder sind zackig, gewulstet und blutig durchtränkt. Auf den 
Rändern des Risses liegen kleine schwarzbraune Blutgerinnsel. Die Schleimhaut 
des Fundusdrüsenteiles ist in Falten gelegt, etwas dick, gerötet und mit einem 
grauen, durchscheinenden, zähen Belage versehen, der sich nicht abspülen läßt. 
An dor Schleimhaut der Schlundhälfte keine Abweichung. Die Milz mißt 45 cm 
in der Länge, 17 cm in der größten Breite und 2,5* cm in der Dicke. Oberfläche 
der Milz glatt und grau; Konsistenz schlaff. Das Balkcngewebe ist auf dem Durch¬ 
schnitte sichtbar. Pulpa braunrot und etwas weich. Die Leber wiegt l l j 2 kg, sieht 
an ihrer Oberfläche glatt und bräunlich-grau aus. Konsistenz der Leber etwas 
brüchig. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebe nahe der Oberfläche 
grau, in den tieferen Schichten graubraun und trübe. Läppchenzeichnung undeut¬ 
lich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Oberfläche 
der Nieren glatt und mattglänzend. Beide Nieren besitzen die gewöhnliche Form 
und Größe. Auf dem Durchschnitte ist das Gewebe der Rindenschicht graubraun 
und etwas trübe, ln der Rinde liegen zahlreiche breite, grauweiße, radiär ver¬ 
laufende Streifen, die den Markstrahlen entsprechen. Marksubstanz graurot und 
gestreift. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an 
der Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind hellrot, 
klein, elastisch und knistern beim Hinüberstreichen. Der Herzbeutel enthält etwa 
2 Eßlöffel voll einer gelbroten fast klaren Flüssigkeit. Oberfläche der Herzbeutel¬ 
blätter glatt und glänzend. Die rechte Herzhälfte ist schlaff, die linke zusammen- 



506 


PILWAT, 


gezogen. Umfang des Herzens an der Herzbasis 61 cm. Rechte Kammer 15 cm; 
linke 19 cm hoch. Seitenwand des rechten Ventrikels 2,1 cm, die des linken 3,3 cm 
dick. In den rechten Herzhöhlen flüssiges und geronnenes Blut in mittlerer Menge, 
linke Herzhöhlen fast leer. AtrioventrikularöfTnungen normal weit. Herzklappen 
und Innenhaut des Herzens zart. Unter der Herzinnenhaut liegen besonders in der 
linken Kammer bis markstückgroße Blutungen. Der Herzmuskel ist auf dem Durch¬ 
schnitte graubraun, mit vielen grauen trüben Flecken und Streifen durchsetzt, seine 
Konsistenz brüchig. An den Halsorganen keine Veränderungen. 

Die Hüft- Blind- Grimmdarmarterie ist 3,8 cm lang, zylindrisch erweitert und 
in ihren Wänden ungleichmäßig verdickt. Die Innenhaut ist grau, trübe, stellen¬ 
weise rissig und an der Oberfläche rauh. Thrombenbildung fehlt. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Narbige Verengerung, Ver¬ 
stopfung, Erweiterung und Entzündung des Leerdarmes. Zerreißung des Magens. 
Verdauung und beginnende Entzündung des Bauchfells. Trübe Schwellung der 
Körpermuskeln, des Herzens und der Leber. Blutungen unter der Innenhaut des 
Herzens. Geringgradige Schwellung der Milz. Katarrhalische Nierenentzündung. 
Erweiterung der Hüft- Blind- Grimmdarmarterie. 

25. Rappstute mit Stern, ca. 12 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 25. I. 1906. 

Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut in der Umgebung der 
Gelenke, über dem Euter und hinter dem Bauchfelle liegt wenig gelbrotes schlei¬ 
miges Fettgewebe. Die Körpermuskeln sind totenstarr, sehen außen und auf dem 
Durchschnitt dunkelbraunrot und etwas feucht aus. Gefäße der Unterhaut leer. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬ 
weicht aus derselben viel Gas. Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich 
außerdem etwa 20 Liter einer graubraunen trüben stark sauer riechenden Flüssig¬ 
keit, die mit festen Teilchen, welche aus zerkleinertem Stroh und Heu bestehen, 
vermischt ist. Zwischen den Blättern des großen Netzes, im Netzbeutel und 
namentlich im vorderen Teile der Bauchhöhle liegen viel breiige Massen. Das 
Bauchfell ist grau, trübe, an seiner Oberfläche etwas raub, wie eine dünne mit 
feinem Sande bestreute Milchglasplatte. Der Blinddarm und die rechten Lagen des 
Grimmdarms liegen auf der rechten Seite der Bauchhöhle. Die Beckenkrümmung und 
die linken Lagen des Grimmdarmes liegen vorn hinter dem Zwerchfelle. Die prall 
gefüllten und stark ausgedehnten Leerdarmschlingen nehmen den größten Teil der 
Bauchhöhle ein; sie liegen links, hinten und rechts. Der Leerdarm enthält große 
Mengen einer gelblich-grauen Flüssigkeit, die mit festen Bestandteilen vermischt 
ist. Gegen den Hüftdarm hin wird der Inhalt mehr breiig und bildet vor der Hüft - 
Blinddarmöffnung einen länglichen festweichen Pfropf. Die Hüft-Blinddarm- 
öffnung ist narbig zusammengezogen und besitzt einen Umfang von 7 l / 2 cm. Der 
Hüftdarm ist weit, seine Wände sind 5—6 mm dick. Die Ringmuskelschicht des 
Hüftdaimes ist 3, die Längsfaserschicht und Serosa 1, die Schleimhaut bis 2 mm 
dick. Vor der Hüftblinddarmöffnung findet sich in der Schleimhaut des Hüftdarms 
ein 2 cm breiter dunkelroter mit schwarzroten Flecken durchsetzter Ring. Stellen¬ 
weise sind hier die oberflächlichen Schichten der Schleimhaut in Form einer 
grauen Haut abgestorben und erscheinen fetzig. Die Schleimhaut des Leerdarms 
ist streckenweise dunkelrot und dick, sonst grau, etwas trübe und an der Ober- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


507 


fläche sammetartig. Im Blind- und Grimmdarm dünnbreiiger, gegen den Mast¬ 
darm hin mehr fest und trocken werdender Inhalt in mittlerer Menge. Der Mast¬ 
darm enthält wenig breiigen Kot. An den Wänden des Blind-, Grimm- und Mast¬ 
darmes bestehen keine Abweichungen; die Schleimhaut dieser Darmteile sieht 
blaßgraugrün, zart und durchscheinend aus; sie ist an der Oberfläche glatt 
und glänzend. Der Magen ist fast leer und zusammengezogen. Kardia ge¬ 
schlossen. An der großen Krümmung des Magens findet sich in seiner Wand 
ein 27 cm langer Riss der Serosa und Muskelhaut. Die durch diesen Riß vor- 
gewölbto Schleimhaut ist in einer Länge von 15 cm zerrissen. Die Rißränder sind 
gezackt, dick, mit Blutgerinnseln bedeckt und blutig durchtränkt. Die mit Drüsen 
ausgestattete Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist etwas dick, trübe, fleckweise 
gerötet und in derGegend der Fundusdrüsen schwach gekörnt. Gegen den Pförtner 
hin ist die Oberfläche der Schleimhaut mehr glatt. Zwischen den Schen¬ 
keln der hufeisenförmigen Muskelschleife sitzen auf dem gefranzten Rande 
der Magenschleimhaut mehrere linsen- bis erbsengroße grauweiße Warzen. Das 
Gewicht der Leber beträgt i l / 2 kg. Die Leberränder sind scharf. Auf der Zwerch¬ 
fellfläche der Leber zeigt die Leberkapsel mehrerere plattenartige Verdickungen 
und zottenförmige Anhänge. Die Leber sieht außen und auf dem Durchschnitte 
blaßbraun aus, fühlt sich derb an und ist fast blutleer. Zeichnung der Leber¬ 
läppchen deutlich erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind bis grieskorngroß, 
blaßbraun und von einem schmalem grauen Saume umgeben. Die Milz mißt 38 cm 
in der Länge, 15 cm in der größten Breite und 2 1 / 2 cm in der größten Dicke. 
Oberfläche der Milz glatt, Farbe außen grau. Konsistenz weich, schlaff. Auf dem 
Durchschnitte sieht die Milz gelblich-braun aus; ihre Schnittfläche ist glatt und 
läßt das Balkengewebe deutlich erkennen. Pulpa breiig. Die Nierenkapseln lassen 
sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren besitzen ihre gewöhnliche 
Form und Größe. Auf der graubraunen Oberfläche der linken Niere liegen 5 bis 
pfennigstückgroße gelblich-graue Flecke. Auf dem Durchschnitt zeigt sich, daß 
jeder Fleck die Basis eines mit der Spitze gegen die Papille gerichteten Kegels 
bildet, in dem das Nierengewebe etwas trocken gelblich-grau und trübe ist. In 
der etwas trüben Rindenschicht beider Nieren liegen, wie der Durchschnitt zeigt, 
zahlreiche breite, grauweiße, radiär verlaufende Streifen. Die Marksubstanz ist 
graurot und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot. 

Die Brustfcllsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, seine 
Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, 
sind klein und enthalten in allen Teilen Luft. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll 
einer gelblichen klaren Flüssigkeit. An den Blättern des Herzbeutels keine Ab¬ 
weichung. Der Umfang des Herzens beträgt an der Kranzfurche 61 cm. Rechte 
Herzkammer 16 cm, linke 19 cm hoch. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem 
und geronnenen dunkelroten Blute stark gefüllt. In den linken Herzhöhlen finden 
sich kleinere speckhäutige Gerinnsel. Seitenwand des linken Ventrikels 3,1 cm, 
die des rechten 1,7 cm dick. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen 
Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen und Innenhaut des 
Herzens zart. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durchschnitte graubraun, 
etwas trocken und trübe; Konsistenz brüchig. Die Halsorgane sind frei von Ab¬ 
weichungen. 



508 


PILWAT, 


Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und fast gleichmäßig 
zylindrisch erweitert. Die Wände der Arterie sind bis 3 mm dick, an der Innen¬ 
fläche rauh und mit einem großen länglichen grauroten bröckligen Gerinnsel be¬ 
deckt, das die Lichtung des Gefäßes verengt und bis in die Lichtung der hinteren 
Aorta hineinragt. Am Grunde des Gerinnsels finden sich zahlreiche Wurmlarven 
des Strongylus bidentatus. Alle übrigen Darmarterien sind wegsam und frei von 
Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Narbige Verengerung der Hüft- 
BlinddarmöfTnung. Verstopfung, Erweiterung, Hypertrophie und Druckbrand am 
Hüftdarme. Entzündung der Leerdarmschleimhaut. Zerreißung des Magens. Ver¬ 
dauung des Bauchfells. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Embolische Nekrose 
in der linken Niere und katarrhalische Nierenentzündung. Erweiterung und wand¬ 
ständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

26. Rappwallach, ca. 6 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 28. 3. 1906. 

Der Kadaver befindet sich im mittleren Nährzustande. In der Unterhaut, in 
der Umgebung des Schlauches, der Gelenke und hinter dem Bauchfelle liegt etwas 
graues Fettgewebe, das auf dem Durchschnitt einen lappigen Bau erkennen 
läßt. Die Körpermuskeln sind rotbraun und totenstarr, auf dem Durchschnitt 
etwas trübe. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle viel Gas 
und etwa 12 Liter einer dunkelgraubraunen trüben Flüssigkeit, die mit breiigen, 
sauer riechenden Massen vermischt ist. Der Netzbeutei ist zerrissen. Im vorderen 
Teile der Bauchhöhle befinden sich viel gelblich-graue bis grünlich-braune, trockene 
stark sauer riechende Massen, die aus zerkleinerten Maiskörnern, Heu und Stroh 
bestehen. Das Bauchfell ist grau, trübe, fleckweise gerötet und an seiner Ober¬ 
fläche etwas rauh. Die Lage des Darmes zeigt keine Abweichung. Der Leerdarm 
enthält viel graue trübe mehlsuppenartige Flüssigkeit. Die Schleimhaut des Leer- 
und Hüftdarmes ist grau und trübe; die Zotten dieser Schleimhaut bilden eine 
schleimige, grauweiße, leicht abstreifbare Masse. Im Blinddarm viel Gas und dick¬ 
breiiger bräunlich-grüner Inhalt. Blinddarmschleimhaut dunkelgrau und trübe. 
Der Grimmdarminhalt ist mehr trocken und bildet in der magenähnlichen Erwei¬ 
terung dieses Darmes einen großen, aus ganz festen, trockenen Massen bestehenden 
Kotpfropf. Die Schleimhaut des Grimmdarmes ist grünlich-graubraun und trübe, 
in der magenähnlichen Erweiterung fleckig gerötet. Der Mastdarm ist mit geballtem 
Kote mäßig gefüllt. Der Magen ist fast leer und zusammengezogen. Kardia ge¬ 
schlossen. An der großen Krümmung des Magens findet sich in der Magenwand 
ein 40 cm langer Riß der Serosa und Muskelhaut. Die Schleimhaut ist in einer 
Länge von 28 cm zerrissen. Die Rißränder sind blutig durchtränkt, etwas gc- 
wulstet und mit Blutgerinnseln bedeckt. Schleimhaut der Pförtnerhälfte graubraun 
bis rotbraun, etwas dick und mit einem glasigen zähen grauweißen Belage ver¬ 
sehen, der sich schwer abspülen läßt. An der Schleimhaut der Schlundhälfte keine 
Abweichung. Der Zwölffingerdarm ist mit graugrünen dünnbreiigen Massen mäßig 
gefüllt; seine Schleimhaut ist dunkelgraugrün und trübe. Die Milz mißt 44 cm in 
der Länge, 28 cm in der größten Breite und 3 cm in der größten Dicke. Oberfläche 
der Milz grau. Konsistenz schlaff. Auf dem Durchschnitte erscheint das unter der 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


509 


Kapsel liegende Gewebe in der Randzone grau. In den tieferen Teilen der Milz ist 
das Balkengewebe auf dom Durchschnitte erkennbar. Pulpa braunrot und sehr 
weich. Die Leber wiegt & l / 2 kg. Leberränder scharf. Oberfläche der Leber glatt 
und hellgrau. Auf dem Durchschnitte ist die oberflächliche Schicht des Leber¬ 
gewebes grau, trübe und breiig, die tieferen Teile sind rotbraun und lassen die 
Läppchenzeichnung noch erkennen. Die Nierenkapseln sind leicht abziehbar. Die 
oberflächlichen Schichten beider Nieren sind bräunlich-grau, trübe und von breiiger 
Beschaffenheit. Die Marksubstanz ist graurot und gestreift, an der Grenze der 
Rinde dunkelrot. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den 
Brustfellsäcken, sind klein und enthalten in allen Teilen Luft. Im Herzbeutel zwei 
Eßlöffel voll einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berühren¬ 
den Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Umfang des Herzens an der Herz¬ 
basis 63 cm. Rechte Kammer 17 cm, linke 19 cm hoch. Die rechten Herzhöhlen 
sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute stark gefüllt. In den linken 
Herzhöhlen kleinere speckhäutige Gerinnsel und etwas flüssiges Blut. Seitenwand 
des rechten Ventrikels 1,7 cm, die des linken 3,3 cm dick. Die zwischen den Vor- 
und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind für eine länglich zusammengelegte 
Hand passierbar. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmusku¬ 
latur erscheint auf dem Durchschnitte graurot, trocken und trübe. Konsistenz 
brüchig. Unter der Innenhaut, namentlich der linken Herzkammern, finden sich 
mehrere flächenförmige Blutungen. Die Halsorgane sind frei von Abweichungen. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5 cm läng, zylindrisch erweitert und 
an der vorderen Wand sackförmig ausgebuchtet. Die Wand der Arterie ist un¬ 
gleichmäßig verdickt, ihre Jnnenhaut stellenweise fetzig. Die sackförmige Aus¬ 
buchtung der Arterie ist mit einem grauroten brüohigen Gerinnsel ausgefüllt, das 
der Wand fest anhaftet. An den übrigen Gefäßen des Darmes keine Abweichungen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung und Entzündung 
der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes. Zerreißung des Magens. Katarrh 
der Magenschleimhaut. Mazeration der Darmschleimhaut. Verdauung des Bauch¬ 
fells, der oberflächlichen Schichten der Milz, Leber und Nieren. Trübe Schwellung 
des Herzmuskels und Blutungen unter der Innenbaut des Herzens. Erweiterung, 
sackförmige Ausbuchtung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm- 
darmarterie. 

27. Fuchswallach, ca. 8 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 30. 3. 1906. 

Der Kadaver ist gut genährt. In der Unterhaut, in der UmgebungdesSchlauches, 
der Gelenke und hinter dem Bauchfelle liegt dickes gelblich-graues Fettgewebe, das 
auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau erkennen läßt. Die Körpermuskoln sind 
totenstarr, graurot, stellenweise gelblich-grau, trocken und trübe. Gefäße der Unter¬ 
haut mäßig gefüllt. 

Der Bauch ist etwas ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle Gas und 
15Liter einer graubraunen, trüben, schwach sauer riechenden Flüssigkeit. Zwischen 
den Blättern des großen Netzes, im Netzbeutel und im vorderen Teile der Bauch¬ 
höhle finden sich feste Teilchen, die aus zerkleinerten Haferkörnern und Heu be- 



510 


PILWAT, 


stehen. Das Bauchfell ist grau und etwas trübe, seine Oberfläche fast glatt und 
mattglänzend. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Der Leerdarm sieht außen grau 
aus, ist mäßig zusammengezogen und enthält wenig gelblich-graue trübe Flüssig¬ 
keit die gegen den Hüftdarm bin etwas an Menge zunimmt. Die Schleimhaut des 
Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarmes ist weißlich-grau, zart, durchscheinend und 
an der Oberfläche sammetartig. Im Blind-, Grimm- und Mastdarme ziemlich viel 
grünlich-brauner flüssiger Inhalt, der mit wenig festen Bestandteilen vermischt ist. 
Die Schleimhaut des Blind-, Grimm- und Mastdarmes ist bläulich-graugrün, etwas 
glasig und durchscheinend, ihre Oberfläche glatt und glänzend. Der Magen ist 
leer und zusammengezogen; an der großen Krümmung desselben findet sich in der 
Wand des Magens ein 42 cm langer Riß, der durch alle Häute der Magenwand 
geht. Die Rißränder sind glatt, blaß und scharf. An einzelnen Stellen liegen auf 
den Rändern des Risses kleine braunrote Blutgerinnsel, die mit den Gerinnseln 
der durchrissenen größeren Venen im Zusammenhänge stehen. Eine blutige Durch¬ 
tränkung der Rißränder ist nicht naohzuweisen. Die Schleimhaut der Pförtner¬ 
hälfte ist dick, grau, trübe, in der Gegend der Fundusdrüsen grob gekörnt, gegen 
den Pförtner hin mehr glatt. Die Milz mißt 50 cm in der Länge, 20 cm in der 
größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz glatt und 
blaugrau. Konsistenz schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe 
in der Milz schwer sichtbar. Pulpa dunkelrot, reichlich und zerfließlicb. Das Ge¬ 
wicht der Leber beträgt IO 1 /* kg. Oberfläche der Leber glatt. Leberränder stark 
abgerundet. Konsistenz der Leber brüchig. Lebergewebe auf dem Durchschnitte 
fast blutleer, gelblich-graubraun und trübe. Die Läppchenzeichnung ist etwas 
verwischt und undeutlich. Die einzelnen Läppchen sind bis linsengroß, in der 
Mitte bräunlich-gelb, am Rande in breiter Zone graugelb. Schnittfläche der Leber 
fettig. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren 
sind an der Oberfläche glatt, mattglänzend und rötlich-grau. Konsistenz der Nieren 
brüchig. Reohte Niere 19 cm lang, 19,5 om breit und 5,8 cm dick. Linke Niere 
21 cm lang, 17 om breit und 6,7 cm dick. Die Rindenschicht ist auf dem Durch¬ 
schnitte bis 3 cm breit, trübe, grau, mit dünkelroten Flecken und Streifen durch¬ 
setzt. Marksubstanz stark gerötet und gestreift. 

Die Brustfellsäcke enthalten 6 Liter einer gelblich-grauen leicht getrübten 
Flüssigkeit. Die Blätter des Brustfells beider Pleurasäcke sind in den unteren Ab¬ 
schnitten diffus und durch gefüllte fein verzweigte Gefäßnetze gerötet, trübe, an 
der Oberfläche etwas rauh und mit einem dünnen, graugelben, zusammenhängen¬ 
den Belage versehen, der sich abheben läßt. Die Lungen liegen frei in den Brust¬ 
fellsäcken. Die unteren mittleren Teile beider Lungen sehen dunkelrot aus, sind 
groß, schwer und fühlen sich derb an. Das Gewebe der übrigen Lungenabschnitte 
ist mehr hellrot, weich, elastisch und knistert schwach beim Hinüberstreichen. 
Die verdichteten Lungenteile sehen auf dem Durchschnitt dunkelgraurot aus; 
ihre Schnittfläche erscheint trocken und stellenweise etwas gekörnt. Auf der 
Schnittfläche liegen zahlreiche hirsekorn- bis pfennigstückgroße, schwarzrote, 
etwas über die Oberfläche hervorragende Herde. Außerdem finden sich in der 
Schnittfläohe mehrere bis markstückgroße, gelbliche, trockene Herde, die ziemlich 
scharf von der Nachbarschaft abgegrenzt sind. Im Herzbeutel 500 ccm einer grau¬ 
roten, trüben, wässerigen Flüssigkeit. Die Herzbeutelblätter sind diffus gerötet und 
durch gefüllte, fein verästelte Gefäßnetze gerötet, an der Oberfläche etwas rauh. 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


511 


Der Umfang des Herzens beträgt 65 cm. Rechte Kammer 17,5 cm, linke 20 cm 
hoch. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten 
Blute ziemlich stark gefüllt. Die linken Herzhöhlen enthalten große, dunkelrote 
und speckhäutige Gerinnsel. Seitenwand des rechten Ventrikels 2 cm, die des 
linken 3,4 cm dick. Atrioventrikularöffnungen normal weit. Herzklappen und Innen¬ 
haut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graurot, 
fleckweise gelblich-grau, trooken und trübe. Konsistenz sehr brüchig. Die ober¬ 
flächlichen Gelaßnetzc sind in der Schleimhaut des Kehlkopfes und der Luftröhre 
stark gefüllt. Sonst bestehen an den Halsorganen keine Abweichungen. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3 cm lang und in geringem Grade 
zylinderförmig erweitert. Die Wände der Arterie sind etwas dick. An der 
Innenhaut des Gefäßes lassen sich mehrere Narben nachweisen. Thrombenbildung 
fehlt. Die übrigen Darmgefäße sind wegsam und frei von Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Beiderseitige, akute, blutig¬ 
fibrinöse, mortifizierende Lungenentzündung. Beiderseitige, akute, serös-fibrinöse 
Brustfellentzündung. Seröse Entzündung des Herzbeutels. Schwere, trübe 
Schwellung und Fettmetamorphose des Herzmuskels. Trübe Schwellung der 
Körpermuskeln. Starke Fettinfiltration und trübe Schwellung der Leber. Blutige, 
parenchymatöse Nierenentzündung. Akute, allgemeine Milzschwellung. Postmortale 
Magenzerreißung und akute Entzündung der Drüsenschleimhaut des Magens. Darm¬ 
katarrh. Erweiterung und Narbenbildung in der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

Ueber die Ursachen und das Zustandekommen der Magenzerreißung 
beim Pferde sind in der Literatur bis zur Gegenwart die wider¬ 
sprechendsten Angaben gemacht worden. Weit verbreitet ist ins¬ 
besondere die Annahme, daß der Magen nach einfacher Ueberfüllung, 
also infolge eines akuten Zustandes, der nur an ihm selbst abläuft, 
zerreißt. Das würde eine echte primäre Magenzerreißung sein. In 
den statistischen Veterinär-Sanitätsberichten der preußischen Armee 
werden in jedem Jahre eine große Zahl von primären Magen¬ 
zerreißungen als Obduktionsbefunde kolikkranker Pferde aufgeführt. 
Leider sind aber die Obduktionsbefunde dieser Fälle nicht mitgeteilt 
worden, so daß sich ein sicheres Urteil darüber nicht gewinnen läßt, 
ob letzteres zutrifft oder nicht. 

Im Pathologischen Institute hat sich unter den 63 Fällen von 
Magenzerreißung nur ein Fall ermitteln lassen, in dem der Magen 
primär, selbständig, zerrissen war (Befund No. 22). Bei diesem Pferde 
war aus irgend einem Grunde wiederholt eine Sonde in den Magen 
eingeführt worden, durch welche die Durchstoßung der Magenwand 
wahrscheinlich herbeigeführt worden war. Denn die Form, Größe, 
Richtung und Lage der Verletzung an der Wand der kleinen Kurvatur 
des Magens sowie das Fehlen pathologischer Veränderungen an den 
Wänden des Magens und am Darm lassen das Zustandekommen dieser 



512 


PILWAT, 


Magenzerreißung durch eine ungeeignete Handhabung der Sonde als 
sicher erscheinen. Eine primäre Magenzerreißung nach Ueberfüllung 
des Magens ist nicht beobachtet worden. Alle übrigen Zerreißungen 
der Magenwand hatten ihre Ursache in Verstopfungen oder Ver¬ 
legungen des Darmrohrs, waren daher als sekundär anzusehen. An 
den Wänden des Magens ließen sich in allen diesen Fällen keine 
organischen Veränderungen nachweisen. Ob nun der Verschluß des 
Darms durch eine Verstopfung, Abschnürung oder Verschlingung des¬ 
selben zustande kommt, ist für die Entstehung der Magenzerreißung 
ohne Bedeutung. Die Gefahr ihres Eintritts ist aber am größten, 
wenn der Darmverschluß in der Nähe des Magens, im vorderen Ab¬ 
schnitte des Darmrohrs, z. B. im Zwölffingerdärme, auftritt und nimmt 
in der Richtung nach dem Mastdarme zu, ab. So wurde im Patho¬ 
logischen Institut bei 428 an der Kolik gestorbenen Pferden zwölfmal 
eine Verstopfung des Zwölffingerdarms ermittelt, die in zehn Fällen 
eine Magenzerreißung verursacht hatte. Der Leerdarm war in 
104 Fällen teils durch Verstopfung, teils durch Abschnürung, teils 
durch Verschlingung verlegt; sein Verschluß hatte bei 15 Pferden 
eine Magenzerreißung hervorgerufen. Die Verlegung des Hüftdarms 
konnte 47mal, die Zerreißung des Magens infolge dieser Verlegung 
12mal konstatiert werden. Der Verschluß des Grimmdarms wurde 
in 147 Fällen gefunden, und hatte in 25 Fällen die Zerreißung des 
Magens bewirkt. Der Blinddarm war 40-, der Mastdarm neunmal 
Sitz einer Verstopfung oder eines anderen Hindernisses. Durch die 
Verlegung dieser Darmteile war jedoch niemals eine Magenzerreißung 
entstanden. Diese Beobachtungen beweisen, daß der Magen der Regel 
nach sekundär nach dem Verschlüsse des Darmrohrs zerreißt. Je voll¬ 
ständiger der Darmverschluß ist, und je mehr er in der Nähe des 
Magens seine Lage hat, desto leichter kann die Magenzerreißung ein- 
treten. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich auch, daß man sich 
bei einer Obduktion nicht mit der Feststellung einer Magenzerreißung 
zu begnügen hat, sondern verpflichtet ist, die Ursache derselben zu 
ermitteln. Denn nicht die Magenzerreißung, sondern diejenige Krank¬ 
heit des Darms ist Ursache der Kolik gewesen, die die Zerreißung 
des Magens bewirkt hat. 

Wie läßt sich nun die Zerreißung des Magens nach dem Eintritt • 
des Darmverschlusses erklären? Es ist eine längst bekannte Tatsache, 
daß die Kardia des Pferdemagens, also diejenige Stelle, an welcher 
die Speiseröhre eintritt, durch die Wirkung einer zweckentsprechenden 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


513 


Muskulatur stets fest verschlossen ist und nur periodisch zum Eintritt 
des verschluckten Bissens in den Magen geöffnet wird. Eine Oeffnung 
der Kardia zum Austritt des Mageninhalts in die Speiseröhre dürfte 
unter normalen Verhältnissen nur bei sehr wenigen Pferden möglich 
sein. Die eigentümlichen anatomischen Verhältnisse an der Muskulatur 
des Pferdemagens sind in der jüngsten Zeit von Weisflog (Archiv 
f. wissensch. u. prakt. Tierheilkd. 1902. Bd. 27) genau dargelegt 
worden, und es soll daher hier auf diese Arbeit nur verwiesen werden. 
Unter pathologischen Verhältnissen, insbesondere nach Zerreißung der 
Magenwand, ist das Erbrechen bei Pferden häufiger beobachtet worden, 
und man hat die Eröffnung der Kardia und das Eintreten des Er¬ 
brechens infolge einer Magenzerreißung durch Lähmung der Schlie߬ 
muskulatur am Endstücke der Speiseröhre zu erklären versucht. Ob 
aber diese Erklärung zutreffend ist, erscheint zweifelhaft, da bei den 
Sektionen die Kardia stets fest verschlossen gefunden worden ist. Die 
Kardia bildet auf der einen Seite ein unüberwindliches Hindernis für den 
Rücktritt des Mageninhaltes einschließlich der im Magen sich bildenden 
Gase. Der Pförtner öffnet sich dagegen periodisch, um den Magen¬ 
inhalt in den Zwölffingerdarm eintreten zu lassen. Mithin wird der 
Inhalt des Magens selbst bei starker Ueberfüllung stets in den Darm 
abfließen können, solange das Darmrohr wegsam ist. Berücksichtigt 
man ferner, daß die Magenwände sehr dick und widerstandsfähig sind, 
und daß zu ihrer Zerreißung eine beträchtliche Kraft erforderlich ist, 
so erscheint es schon aus diesem Grunde ziemlich unwahrscheinlich, 
daß durch die einfache Ueberfüllung des Magens eine Zerreißung 
desselben herbeigeführt werden kann. Ist der Darm jedoch an 
irgendeiner Stelle unwegsam geworden, so kann der Inhalt des 
Magens und der vor dem Hindernisse liegende Darminhalt weder 
vorwärts noch rückwärts bewegt werden. An dem Inhalte treten 
stets Umsetzungen ein, bei denen große Mengen von Gas gebildet 
werden, die den Magen auftreiben. Dadurch werden die Magenwände 
stark ausgedehnt und gleichzeitig dünner. Dazu kommt, daß die 
stark ausgedehnte Muskulatur gelähmt, also weniger widerstandsfähig 
ist. Ob die Magenwände infolge der starken Dehnung oder durch 
Einwirkung giftiger Gärungsprodukte auch noch eine Verschlechterung 
in ihrer Einrichtung erfahren, ist nicht sicher ausgemacht. Je näher 
das Hindernis dem Magen aber liegt, um so stärker wird die Auf¬ 
treibung desselben und die Ausdehnung der Magen wände sein, weil 
ein kurzer Darmabschnitt nur wenig Gas zur Entlastung des Magens 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 30. Suppl.-Baud. 


oo 



514 


PILWAT, 

aufnehmen kann. In der Tat beweisen auch die im Pathologischen 
Institute beobachteten Fälle, daß der Magen bei einer Verlegung des 
Zwölffingerdarms fast regelmäßig zerrissen war; es muß also hier die 
Dehnung'der Magenwände am stärksten sein. Ist das Hindernis weit 
vom Magen entfernt, z. ß. im Grimmdarm, so wird der zwischen 
Magen und Hindernis liegende Darmabschnitt gleichfalls stark ausge¬ 
dehnt und entlastet dadurch den Magen. Wenn aber die Magenwände 
durch die im Magen sich entwickelnden Gase auf das stärkste aus¬ 
gedehnt und dadurch verdünnt sind, so genügt wahrscheinlich schon 
ein Stoß gegen die Magengegend, um eine Berstung der Magenwände 
herbeizuführen. Solche Stöße fügt sich ein kolikkrankes Pferd schon 
dadurch zu, daß es sich heftig zu Boden wirft. Trifft diese Erklärung 
der Magenruptur zu, so muß die Magenwand an der dünnsten, am 
wenigsten widerstandsfähigen Stelle zerreißen. Und auch hier zeigen 
die Beobachtungen, daß die Magenwände regelmäßig an der großen 
Kurvatur des Magens zerrissen sind. Denn diese Stelle ist die am 
wenigsten widerstandsfähige, weil die Serosa hier den Magen verläßt, 
um das große Netz zu bilden. An der großen Krümmung besteht 
die Magenwand nur aus zwei Häuten, aus Muskelhaut und Schleim¬ 
haut. An der Abgangsstelle, also zwischen den beiden Blättern des 
großen Netzes beginnt die Zerreißung in der Muskelhaut und umfaßt 
bald die nachbarliche Serosa. Zuletzt zerreißt auch die Schleimhaut. 
Letztere bildet am Magen einen Sack, der größer ist als derjenige, 
der durch die übrigen Häute gebildet ist; die Schleimhaut ist auch 
widerstandsfähiger, weil in ihr viel elastisches Gewebe enthalten ist. 
Der in der Schleimhaut liegende Riß ist stets kleiner als der in der 
Serosa und Muskclhaut. Durch den klaffenden Riß der Serosa und 
Muskelhaut wölbt sich die Schleimhaut nach außen. In der am 
stärksten vorgewölbten Stelle der Schleimhaut bildet sich dann ein 
kleiner Riß, der oft nur 4—7 cm lang ist, während der Riß in der 
Serosa und Muskelhaut 20—30 cm lang sein kann. Da die Magen¬ 
zerreißung innerhalb des Lebens auftritt, so muß sie stets mit einer 
Blutung verbunden sein. Die Blutung kann bei der Zerreißung 
größerer arterieller Gefäße so bedeutend sein, daß eine Verblutung 
eintritt. Dieser Fall wurde bei den Sektionen im Pathologischen In¬ 
stitute nur einmal sicher ermittelt. Das austretende Blut durchtränkt 
zunächst das in der Nähe der Rißränder liegende Gewebe der Magen¬ 
wände, dadurch bekommen die Ränder des Risses eine etwas wulstige 
Form. Sodann fließt das Blut in den Innenraum des Magens und in 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


515 


den freien Raum der Bauchhöhle. Das mit dem säuern Mageninhalte 
in Berührung kommende Blut ändert, durch die Einwirkung der Säure 
rasch seine Farbe, es wird schwarzbraun und nimmt die Farbe des 
Kaffeesatzes an. Durch den Riß der Magenwand tritt Mageninhalt 
aus dem Magen heraus, und da die Zerreißung der Magenwände regel¬ 
mäßig an der Abgangsstelle der Blätter des großen Netzes und 
zwischen denselben beginnt, so dringt der Mageninhalt in den Spalt 
zwischen diesen Blättern ein. Die Netzblätter sind jedoch nur zarte 
spinnenge websartige Häute, die große Lücken zeigen. Daher wird 
besonders der gasförmige und flüssige Mageninhalt sehr rasch in die 
Bauchhöhle entleert, während die festen Teile des Mageninhalts zwischen 

Fig. 2. 



a = Gewöhnlicher Sitz des Magenrisses. 

Der Verlauf des Bauchfells ist gestrichelt eingezeichnet. 


den Blättern des großen Netzes verbleiben. Ein großer Teil des 
Inhalts gelangt durch die Löcher des Netzes in die Bursa omentalis 
und in den vorderen Raum der Bauchhöhle. Oft zerreißen später 
auch die Blätter des großen Netzes, so daß selbst große Massen des 
Mageninhalts in die Bauchhöhle gelangen. 

Die obenstehende schematische Zeichnung erläutert den regel¬ 
mäßigen Sitz des Risses in der Magenwand. 

Das im Magensafte enthaltene Ferment kommt mit dem Bauch¬ 
felle in Berührung und übt an ihm eine verdauende Wirkung aus. 
Das Bauchfell wird trübe, an der Oberfläche etwas rauh und gleicht 
im Aussehen einer dünnen Milchglasplatte, die mit einer feinen Sand¬ 
schicht bedeckt ist. Zuweilen sehen wir, daß der verdauende Vorgang 

33* 










516 


PILWAT, 

nicht nur das Bauchfell ergriffen hat, sondern weiter in die Tiefe ge¬ 
drungen ist, z. B. bis in die oberflächlichen Schichten der Leber, der 
Milz und der Nieren. Diese Teile sehen dann grau bis grauweiß und 
trübe aus und besitzen eine weiche, breiige Beschaffenheit. Denn das 
Pepsin wirkt auch ohne Salzsäure bei Körperwärme, und die ver¬ 
dauende Wirkung desselben dauert lange Zeit nach dem Tode des 
Tieres noch an, wenn Umstände vorliegen, die die rasche Abkühlung 
des Kadavers verhindern. Der Regel nach ist eine ausgedehnte Ver¬ 
dauung des Bauchfells, die nach der Zerreißung des Magens sehr rasch 
eintritt und niemals fehlt, die am meisten auffallende Erscheinung bei 
der oberflächlichen Betrachtung der Organe der Bauchhöhle. Mit dem 
Mageninhalte kommen aber auch die an ihm habenden Bakterien in 
die Bauchhöhle. Der Mageninhalt reizt das Bauchfell rein mechanisch; 
die Bakterien reizen ferner durch ihre Stoffwechselprodukte und ver¬ 
ursachen eine Bauchfellentzündung. Letztere ist meist eine geringe, 
weil die Tiere zu früh sterben, und die Zeit zum Zustandekommen 
einer stärkeren Entzündung fehlt. Die Entzündung trifft man deshalb 
stets nur im Anfangsstadium an; sie zeigt sich durch fleckige, ver¬ 
ästelte oder mehr diffuse Rötung des Bauchfells, die durch die ent¬ 
zündliche Hyperämie und durch vereinzelte Hämorrhagien bedingt ist. 
Die Ursache des schnellen Todes der Tiere ist darin zu suchen, daß 
nach der Zerreißung des Magens und nach dem Eintritte des Inhalts 
in die Bauchhöhle Bakterien und giftige Stoffwechselprodukte desselben 
in größeren Mengen schnell resorbiert werden; denn der Bauchfellsack 
ist ein großer Lymphraum, der für die Resorption sehr günstige Ver¬ 
hältnisse bietet. Die Tiere gehen demnach an einer schnell ver¬ 
laufenden Septikämic zugrunde, die als „Sepsis peritonealis“ bezeichnet 
werden kann. 

Sehr häufig wurde bei den Obduktionen der an Kolik einge¬ 
gangenen Pferde eine erst nach dem Tode entstandene Zerreißung des 
Magens ermittelt; dagegen ist bei Pferden, die an anderen Krank¬ 
heiten zugrunde gegangen waren, die postmortale Magenruptur selten; 
denn sie wurde nur einmal, und zwar bei einem Pferde, das an 
Lungen-Brustfellentzündung gelitten hatte, vorgefunden (Befund Nr. 28). 

Die nach dem Tode auftretende Magenzerreißung brauchte hier 
keine Berücksichtigung zu finden, wenn nicht ein erhebliches prak¬ 
tisches Interesse für die Besprechung dieses Vorganges vorläge. Bei 
der Schwierigkeit, die für die Unterscheidung pathologischer und ka- 
daveröser Prozesse oftmals vorliegt, dürfte es nicht selten Vorkommen, 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


517 


daß die vitale und postmortale Magenzerreißung miteinander ver¬ 
wechselt werden. 

In der größten Mehrzahl der Fälle besteht bei der tödlich 
werdenden Kolik ein Hindernis im Darmrohre, das die Weiterbewegung 
des Magen- und Darminhaltes stört. An diesem Inhalte treten Um¬ 
setzungen ein, bei denen viel Gas gebildet wird. Die Gärung der 
Inhaltsmassen nimmt gewöhnlich nach dem Tode infolge der Wirkung 
einzelner gasbildender Mikroorganismen noch beträchtlich zu und die 
Gasbildung vollzieht sich oft so stürmisch, daß die Magenwände stark 
ausgedehnt und schließlich zersprengt werden. In anderen Fällen 
läßt sich nachwcisen, daß die Kadaver auf dem Transporte nach der 
Sektionsstätte heftigen Stößen ausgesetzt waren, z. B. bei dem Herauf¬ 
ziehen auf den Wagen. Sind nun die Magenwände durch die im 
Magen gebildeten Gase stark gedehnt, so kann ein kräftiger Stoß 
sehr leicht die Zerreißung derselben bewirken. Dazu kommt, daß die 
toten Magenwände bei der säuern Gärung des Mageninhaltes häufig 
durch Gastromalazie erweicht und dadurch weniger widerstandsfähig 
sind. In dem Falle, auf den sich der Obduktionsbefund Nr. 28 be¬ 
zieht, war weder eine Ausdehnung des Magens durch Gas noch Gastro- 
raalazic nachzuweisen. Hier müssen die Stöße, denen der Kadaver 
auf dem Transporte ausgesetzt war, allein genügt haben, um die Zer¬ 
reißung des Magens zu bewirken. 

Auch bei der postmortalen Magenzerreißung wurde ebensowenig 
wie bei der vitalen eine krankhafte Veränderung an den Wänden des 
Magens nachgewiesen, die einen hinreichenden Grund für das Zu¬ 
standekommen der Zerreißung hätte abgeben können. Regelmäßig 
war die Magenwand an der großen Krümmung des Magens zerrissen, 
und zwar war der Riß der Serosa und Muskelhaut erheblich länger 
als der in der Schleimhaut. Da die Zerreißung aber an der toten 
Magenwand eintritt, so fehlt jede Blutung. Die Rißränder sind blaß 
und scharf. Manchmal kann bei der Zerreißung von großen, in der 
Magen wand gelegenen Venen der flüssige Anteil des Blutes aus den 
Gefäßstümpfen austreten und eine Blutung Vortäuschen; niemals tritt 
jedoch eine blutige Durchtränkung der dem Risse benachbarten Magen¬ 
wand ein. Durch den Riß können Teile des Mageninhalts in den 
Netzbeutcl und in den freien Raum der Bauchhöhle gelangen. Die 
mit Magensaft vermischten Inhaltsmassen bewirken der Regel nach 
auch bei ihrem erst nach dem Tode erfolgenden Austreten aus dem 
Magen eine oberflächliche Verdauung derjenigen Organe, mit denen sie 



518 


PILWAT, 


in Berührung kommen. Dagegen fehlt bei der nach dem Tode ent¬ 
standenen Magenzerreißung jede Spur einer Bauchfellentzündung, und 
zeigen die Rißränder keine blutige Infiltration, sondern sind blaß. 

2. Zerreißung des Darms. 

Die Zerreißung des Darms wurde bei 45 kolikkranken Pferden, 
d. s. an 10,51 pCt. aller in den Kliniken der Tierärztlichen Hoch¬ 
schule an Kolik gestorbenen Pferde durch die Sektion ermittelt. Auf 
die einzelnen Darmabschnittc verteilen sich die Zerreißungen, wie folgt: 
Zwölffingerdarm zerrissen bei 0 Pferden 
Leerdarm „ „ 1 „ 

Hüftdarra „ 0 „ 

Blinddarm r „27 „ 

Grimradarm „ r II „ 

Mastdarm r „ 6 

Die folgenden Obduktionsberichte dienen zur Erläuterung der 
einzelnen Gruppen. 

28 . Schimmelstute, 11—12 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 7. November 1903. 

Der Kadaver zeigt einen guten Nährzustand. In der Unterhaut und unter 
dem Bauchfell liegt eine größere Menge gelblichweißen, traubigen Fettgewebes. 
Die Körpermuskeln sind graurot, trübe und befinden sich in der Totenstarre. Die 
Gefäße der Unterhaut sind leer. 

Die Bauchdecken sind stark gespannt. Die Bauchhöhle enthält 10—12 Liter 
einer graubraunen, trüben, schäumenden Flüssigkeit, die mit gelbgrauen, weichen, 
nicht zusammenhängenden Gerinnseln vermischt ist. Das Bauchfell ist trübe, 
diffus und durch gefüllte, fein verästelte Gefnßnetze gerötet, an der Oberfläche 
rauh. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Der Leerdarm enthält eine erhebliche 
Menge flüssiger und breiiger Massen. Im Anfangsteile des hinteren Abschnittes 
des Leerdarmes ist nachzuweisen, daß von der Ansatzstcllc des Gekröses aus¬ 
gehend die beiden Gekrüsblätter im Umkreise eines Suppentellers von einander 
getrennt sind. Zwischen den Gekrösblättern liegt Darminhalt. Die Wand des 
Leerdarms ist hier zwischen den Gekrösblättern in einer Länge von 5 cm zerrissen. 
Die Rißränder sind zackig, dick, blutig durchtränkt und mit Blutgerinnseln be¬ 
deckt. Die Darm wand ist vor der Rißstelle und ungefähr bis 2 cm hinter dersel¬ 
ben erheblich verdickt. Die Dicke der Muskelhaut beträgt 2,5 m. Besonders tritt 
die Ringfascrschicht der Muskelhaut in Form dicker Bündel deutlich hervor. An 
der Schleimhaut des Leerdarms sind keine Besonderheiten nachzuweisen. Die 
Länge des Leerdarms beträgt 12 m. Der Inhalt des Blind- und Grimmdarms ist 
dickbreiig, die Schleimhaut dieser Darmabteilungen grünlichgrau gefärbt. Im 
Mastdarm etwas geformter Inhalt. Mastdarmschleimhaut weißlichgrau. Der Magen 
ist stark gefüllt. Die Drüsenschleimhaut des Magens besitzt eine grünlichgraue 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


519 


Farbe und ein trübes, glasiges Aussehen. Die Leber ist außen schwarzgrün und 
dunkelbraun gestreift. Konsistenz der Leber sehr brüchig. Auf dem Durchschnitte 
erscheint das Lebergewebe lehmfarben und trübe. Aus den durchschnittenen Ge¬ 
fäßen tritt rotbraune, mit Gasblasen vermischte Flüssigkeit hervor. Die Milz mißt 
52 cm in der Länge, 20 cm in der größten Breite und 2 l / 2 cm in der Dicke. Farbe 
der Milz außen graublau. Konsistenz schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das 
Balkengewebe der Milz schwer zu erkennen. Die Milzpulpa ist rotbraun, reichlich 
und sehr weich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren ablösen. 
Linke Niere 20 cm lang, 15 cm breit, 6,5 cm dick. Rechte Niere 17 cm lang, 
18 cm breit und 5,5 cm diok. Die Rindenschicht ist auf dem Durchschnitte grau¬ 
braunrot und trübe. Die Markstrahlen sind breit, grauweiß und treten als radiär 
verlaufende Streifen deutlich hervor. Marksubstanz graurot und gestreift. 

Die Brustfellsäcke enthalten keinen fremden Inhalt. Das Brustfell ist zart 
und durchscheinend, seine Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brust¬ 
fellsäcken, sind etwas größer als im Retraktionszustande und enthalten Luft. Die 
oberen Teile beider Lungen sind dunkelrot gefärbt und auf dem Durchschnitte 
feucht, die unteren Teile mehr hellrot und trocken auf der Schnittfläche. Der 
Herzbeutel enthält 100 ccm einer weinroten, etwas trüben Flüssigkeit. Die Ober¬ 
fläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Die Herz¬ 
kammern enthalten nur wenig flüssiges Blut. Die Innenhaut des Herzens ist ver¬ 
waschen rot gefärbt. Klappen zart. Das Herzfleisch erscheint auf dem Durch¬ 
schnitte graubraunrot, trübe und feucht. Konsistenz brüchig. An den Halsorganen 
liegen keine Veränderungen vor. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,7 cm lang, zylindrisch erweitert und 
an der Abgangsstelle der Dünndarmarterien sackförmig ausgebuchtet. Die Wand 
des Gefäßes ist verdickt. Die Oberfläche der Gefäßinnenhaut ist rauh und mit 
mehreren warzenartigen grauroten Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand fest an- 
haften. Unter diesen Auflagerungen ist die Innenhaut fetzig und fehlt stellen¬ 
weise. An den übrigen Gefäßen des Darmes zeigen sich keine Veränderungen. 
Diese Gefäße sind wegsam und frei von Pfropfen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Partielle Hypertrophie der 
Leerdarmwand und Zerreißung derselben in der Gegend der Gekrösanheftung. 
Angeborene Verkürzung des Leerdarms. Akute allgemeine Bauchfellentzündung. 
Fäulnis der Leber. Akute Schwellung der Milz. Trübe Schwellung der Körper¬ 
muskeln und des Herzens. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft- 
Blind-Grimmdarmarterie. 

29 . Schimmelwallach, 7 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 13. Oktober 1904. 

Der Kadaver befindet sich in gutem Nährzustande. Totenstarre ist vorhanden. 

Der Bauch ist aufgetrieben. In der Bauchhöhle etwa 15 Liter einer trüben 
bräunlichen Flüssigkeit, der Inhaltsmassen des Darmes beigemischt sind. Die 
Oberfläche des Bauchfells ist namentlich auf den beiden linken Lagen des Grimm¬ 
darms mit gelblichweißen, netzartigen Belägen versehen, die sich abheben lassen. 
Der Leerdarm hat außen eine graurote Farbe und ist mit grauem schleimigen In¬ 
halte mäßig angefüllt; seine Schleimhaut ist blaß. Der Blinddarm ist außen blau¬ 
rot gefärbt, die kleinen venösen Gefäßnetze enthalten viel Blut. Der reichliche 



520 


PILWAT, 


Inhalt des Blinddarms besteht aus trockenen festen Massen. Ain Grunde des 
Blinddarms zeigt sich ein 7 cm langes und 2 cm breites Loch mit zerrissenen 
Rändern, die rot gefärbt sind. Die Schleimhaut des Blinddarms ist fleckweise ge¬ 
rötet und etwas dick. Die Muskelhaut dieses Darmes ist 1—2 mm dick. Der 
Grimmdarm ist etwas zusammengezogen und hat an seiner äußeren Oberfläche 
eine graurote Farbe; die venösen Gefäßnetze enthalten viel Blut. Der Grimmdarm 
enthält bräunliche, breiige Massen in mäßiger Menge. Grimmdarmschleimhaut 
bräunlich-graugrün. Der Mastdarrn ist außen dunkelgrau und enthält einige 
Kotballen; die Schleimhaut desselben ist blaß. Der Magen ist durch Gas etwas 
ausgedehnt; er enthält dünnbreiige, hellgraue Massen. Die Schleimhaut des 
Fundusdrüsenteils ist leicht gekörnt und von röthlichgrauer Farbe. In der Gegend 
des Pförtners wird die Schleimhaut mehr glatt und bräunlich. Die Milz ist außen 
glatt und graurot. Gefäße der Milzkapsel injiziert. Die Milz mißt 48 cm in der 
Länge, 23 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Konsistenz 
der Milz schlaff. Auf dem Durchschnitte erscheint die Pulpa rotbraun. Das 
Balkengerüst ist erkennbar. Die Leber wiegt 6 kg, ist außen glatt, rötlichbraun 
und mit vielen grieskorngroßen, schwarzroten Blutungen besetzt. Auf dem Durch¬ 
schnitte sind die Grenzen der Läppchen ziemlich schwer erkennbar. Das Leber¬ 
gewebe ist etwas trübe und graubraun. Konsistenz etwas brüchig. Die Nieren¬ 
kapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Oberfläche beider Nieren 
glatt und rotbraun. Die Konsistenz ist derb. Auf dem Durchschnitte ist die 
Rindenschicht schwach graubraun und etwas trübe. Marksubstanz rötlichgrau 
und gestreift. 

In den Brustfellsäcken findet sich kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart 
und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei 
in den Brustfellsäcken, sind zusammengefallen, rot, elastisch und knistern beim 
Drucke mit den Fingerspitzen. Im Herzbeutel etwa ein Eßlöffel voll einer klaren, 
bernsteingelben Flüssigkeit. Die Oberfläche der Herzbeutelblätter besitzt einen 
spiegelnden Glanz. Der Umfang des Herzens an der Kranzfurche beträgt 58 cm, 
die Höhe des linken Ventrikels 18 cm und die Höhe des rechten 16 cm. Das Herz 
wiegt mit Blut 4250 g, ohne Blut 4050 g. Die rechte Herzkammer und Vorkammer 
enthalten schwarzrotes, schlecht geronnenes Blut in mäßiger Menge. Die linke 
Kammer ist fast leer, die linke Vorkammer mit speckhäutigen Blutgerinnseln von 
geringem Umfange angefüllt. Die Klappen und die Innenhaut des Herzens sind 
zart. Der Herzmuskel erscheint auf dem Durchschnitte trübe, trocken, graurot, 
fleckweise grau; seine Konsistenz ist brüchig. Die Schleimhaut der Luftröhre und 
des Kehlkopfes ist blaß. Am Kehldeckel einige schwach gefüllte Venennetze. Die 
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,3 cm lang und zylindrisch erweitert; die Wand 
derselben ist l j 2 cm dick. Die Innenhaut ist sehr uneben, mit zottigen grauweißen 
Anhängseln versehen, mit denen bröcklige, graurote, geronnene Massen verklebt 
sind. Am Grunde dieser Gerinnselmassen finden sich mehrere Wurmlarven. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung, Erweiterung und 
Zerreißung des Blinddarmes. Allgemeine akute, serös-fibrinöse Entzündung des 
Bauchfelles. Schwere trübe Schwellung des Herzmuskels. Leichte Trübung der 
Leber und Nieren. Geringgradige Milzschwellung. Erweiterung und wandständige 
Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


521 


3(h Fliegenscbimmelstute, 15—18 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 30. 11. 1904. 

Der Kadaver befindet sich in schlechtem Nährzustande. In der Unterhaut, 
über dem Euter und hinter dem Bauchfelle liegt etwas grünlich-gelbes Fettgewebe 
von schleimiger Beschaffenheit. Die Körpermuskeln zeigen Totenstarre und sehen 
braunrot aus. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬ 
weichen aus derselben Gase in größerer Menge. Im freien Raume der Bauchhöhle 
finden sich außerdem 15 Liter einor trüben grauroten Flüssigkeit, in der graue 
Gerinnsel verteilt sind. Das Bauchfell ist in großer Ausdehnung trübe, diffus und 
durch gefüllte, fein verzweigte Gefäßnetze gerötet. Die Oberfläche des Bauchfelles 
ist rauh, mit Teilchen aus dem Darminhalte und mit grauen, teils zusammen¬ 
hängenden, teils weichen schleimigen Belägen versehen, die sich abheben lassen. 
Der Blinddarm ist sehr lang und weit, sieht außen graurot aus und nimmt den 
größten Raum in der Bauchhöhle ein. Die linken Grimmdarmlagen liegen auf der 
linken Seite der Bauchhöhle. Der Leerdarm liegt in der linken Unterrippen- und 
Flankengegend. Leer- und Grimmdarm sind fast vollkommen vom Blinddärme be¬ 
deckt. Der Leerdarm ist mäßig zusammengezogen und enthält reichliche Mengen 
einer gelblichen, schleimigen Flüssigkeit, die gegen den Hüftdarm hin mit festen 
Teilchen vermischt ist. Schleimhaut des Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarmes bla߬ 
grau und schwach durchscheinend, Oberfläche samtartig. Der Blinddarm ist 
mit festen, aus zerkleinerten Haferkörnern, Häcksel und Heu bestehenden Massen, 
die ein Gewicht von 50 kg besitzen, angefüllt. Im Grunde des Blinddarmes ist 
soin Inhalt ganz trocken. Die Schleimhaut des Blinddarmes ist grau, lederartig 
und 1—2 mm dick. Fleckweise erscheint diese Schleimhaut gerötet. Die Ring¬ 
faserschicht der Muskelhaut des Blinddarmes ist am Grunde dieses Darmes bis 
3 mm, die Längsfasorschicht bis 1 mm dick, auf dem Durchschnitte grauweiß und 
derb. In der Wand des Blinddarmgrundes findet sich ein 6 cm langer Riß, dessen 
Ränder blutig durchtränkt sind. Das zwischen Blinddarmgrund, rechter Niere und 
Bauchwand gelegene Gewebe ist dick, grünlich-grau und trübe. Die Maschen 
dieses Gewebes enthalten Gasblasen, eine schmutzig graubraune, trübe Flüssigkeit 
und Teilchen des Blinddarminhaltes. Im Grimmdarme wenig breiiger Inhalt. 
Mastdarm fast leer. Die Schleimhaut des Grimradarmes ist bräunlich-grau und 
durchscheinend. Der Magen enthält etwa 8 Liter dünnbreiige bis flüssige saure 
Massen. Die Schleimhaut der Schlundhälfte erscheint rötlich-weiß, ihre Oberfläche 
glatt. In der rechten Magenhälfte ist die Schleimhaut dick und zeigt das Aus¬ 
sehen einer etwas trüben Gallerte, Oberfläche derselben glatt und stark glänzend. 
In der Gegend der Fundusdrüsen sieht die Schleimhaut braunrot, gegen den 
Pförtner hin mehr grau aus. Das Gewicht der Leber beträgt 3y 2 kg. Leberränder 
scharf. Auf der Zwerchfellfläche der Leber sitzen zahlreiche grauweiße Zotten. 
Die Lebersubstanz fühlt sich derb an und erscheint auf dem Durchschnitte rot¬ 
braun bis dunkelbraun. Zeichnung der Leberläppchen erkennbar. Die Milz be¬ 
sitzt eine schlaffe Beschaffenheit; ihre Oberfläche ist glatt und graublau; sie mißt 
47 cm in der Länge, 24 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. 
Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe schwer erkennbar. Pulpa rotbraun, 
etwas reichlich und sehr weich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den 



522 


PILWAT, 


Nieren abtrennen. Oberfläche der Nieren dunkelbraun, glatt und mattglänzend. 
Konsistenz der Nieren derb. Beide Nieren besitzen die gewöhnliche Form und 
Größe. Die Rindenschicht erscheint auf dem Durchschnitte braunrot, Marksubstanz 
graurot und gestreift. 

Die Brustfellsäcke enthalten keinen fremden Inhalt. Das Brustfell ist durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den 
ßrustfellsäcken, sind zusammengefallen, klein, und enthalten Luft. Im Herzbeutel 
100 ccm einer gelblichen, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden 
Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens an der Kranz- 
furohe beträgt 56 cm. Rechte Kammer 14 cm, linke 17 cm hoch. Die Kranz¬ 
arterien des Herzens sind lang, weit, und verlaufen geschlängelt. Die rechten 
Herzhöhlen sind stark gefüllt, die linken fast leer. Die Herzinnenhaut ist stellen¬ 
weise plattenartig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Die Herzklappen der 
linken Herzhälfte sind in ihren Randteilen etwas verdickt. Atrio-Ventrikular- 
öffnungen von gewöhnlicher Weite. Unter der Innenhaut der linken Kammer liegen 
mehrere flächenformige Blutungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte 
graurot, trocken und trübe, ihre Konsistenz brüchig. Die an der linken Seite des 
Kehlkopfes gelegenen Muskeln sind stark abgeplattet, bandartig dünn und grau. 
Sonst bestehen an den Halsorganen keine Abweichungen. Die Hüft-Blind-Grimm- 
darmarterie ist 3 cm lang und in geringem Grade zylindrisch erweitert, ihre Wand 
ist etwas verdickt, an der Innenfläche rauh und mit mehreren reiskom- bis linsen¬ 
großen, grauroten, trockenen Gerinnseln bedeckt, die der Gefäßwand fest anhaften. 
Unter diesen Auflagerungen ist die Innenhaut teilweise fetzig. Die übrigen Gefäße 
des Darmes erweisen sich bei der Untersuchung als frei von Veränderungen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung, Erweiterung, 
Hypertrophie und Zerreißung des Blinddarms. Phlegmonöse Entzündung in dem 
zwischen Blinddarmgrund, rechter Niere und Bauchwand gelegenen Gew r ebe. 
Allgemeine akute serös-fibrinöse und eitrige Bauchfellentzündung. Braune Er¬ 
weichung der Magenschleimhaut. Braune Atrophie der Leber. Leichte Milz¬ 
schwellung. Trübe Schwellung des Herzmuskels. Chronische Entzündung der 
Herzklappen und der Innenhaut des Herzens. Schwund der linksseitigen Kehl¬ 
kopfmuskeln. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm¬ 
darmarterie. 

31. Apfelschimmelwallach, ca. 7 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 25. 11. 1905. 

Der Kadaver befindet sich in ziemlich gutem Nährzustande. In der Unter¬ 
haut, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle, hat das Fett¬ 
polster lappigen Bau und gelblich-weiße Farbe. Die Körpermuskeln sind kräftig 
entwickelt, totenstarr, auf dem Durchschnitte mäßig feucht, etwas trübe und 
dunkelrot. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬ 
weichen aus derselben Gase. Im freien Raume der Bauchhöhle etwa 6 Liter einer 
trüben, braunroten Flüssigkeit, der Inhaltsmassen des Darmes beigemischt sind. 
Das Bauchfell ist in großer Ausdehnung diffus und durch gefüllte, fein ver¬ 
ästelte Gefässnetze gerötet, trübe, und an der Oberfläche rauh. Der Darm ist 
regelmäßig gelagert. Leer- und lliiftdarm enthalten wenig schmutzig-graubraune, 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


523 


wässerig-schleimige Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser Darmteile ist blaß. Der 
Blinddarm ist mäßig durch Gas ausgedehnt und hat breiigen, braunen Inhalt in 
mittlerer Menge; seine Schleimhaut erscheint dunkelgrau. Der Grimmdarm ist in 
seiner ganzen Ausdehnung mit dickbreiigen braunen Massen angefüllt, die be¬ 
sonders in der rechten oberen Lage und in der magenähnlichen Erweiterung eine 
mehr trockene und bröcklige Beschaffenheit annehmen. Die Grimmdarmschleim¬ 
haut ist fleckweise gerötet, sonst schiefrig-graublau. Am Uebergange der rechten 
oberen Lage zur magenähnlichen Erweiterung findet sich in der dorsalen Wand des 
Darmes ein 9 cm langer Längsriß, dessen Ränder dick, blutig-durchtränkt und mit 
Blutgerinnseln bedeckt sind. Der Mastdarm enthält wenig geformten Inhalt; seine 
Schleimhaut ist blaß. Im Magen wenig dünnbreiiger Inhalt. Die drüsentragende 
Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist etwas dick, trübe und glasig. Die Ober¬ 
fläche dieser Schleimhaut ist glatt und glänzend. An der Schleimhaut der linken 
Magenhälfte keine Abweichung. Die Milz mißt 48 cm in der Länge, 25 cm in der 
größten Breite und 3,5 cm in der größten Dicke. Die Oberfläche der Milz zeigt 
einigo schwarzbraune Buckel, in denen die Pulpa auf dem Durchschnitte dünn¬ 
flüssig, schwarzrot und sehr reichlich ist. Das Balkengewebe ist hier nicht sicht¬ 
bar. In den übrigen Teilen der Milz ist die Pulpa braunrot, das Balkengewebe 
noch sichtbar. Die Leber wiegt 7 kg. ist außen glatt und glänzend, von rotbrauer 
Farbe. Leberränder scharf. Konsistenz ziemlich derb. Auf der Schnittfläche er¬ 
scheint das Lebergewebe etwas trübe und graubraun. Die Grenzen der Leber¬ 
läppchen sind noch erkennbar. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den 
Nieren abtrennen. Die Oberfläche der Nieren ist glatt und glänzend. Konsistenz 
der Nieren derb. Außen und auf der Durchschnittsfläche zeigt die Rindenschicht 
eine dunkelgraubraune Faibe; sie wird durchzogen von radiär verlaufenden breiten 
grauweißen Streifen, die den Markstrahlen entsprechen. Bei seitlichem Drucke 
entleert sich aus den Sammelröhren eine schleimige Flüssigkeit von gelblich¬ 
weißer Farbe. Die zwischen den Streifen in der Rinde liegende Nierensubstanz 
ist etwas trübe. Marksubstanz graurot, an der Grenze der Rinde dunkelrot. 

In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liogen frei in den 
Biustfellsäcken, sind zusammengefallen und enthalten Luft. Im Herzbeutel ein 
Eßlöffel voll einer gelbrötlichen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden 
Herzbeutelblätter zeigt spiegelnden Glanz, ln den rechten Herzhöhlen findet sich 
flüssiges und geronnenes schwarzrotes Blut in ziemlich großer Menge. Das linke 
Herz enthält nur wenig Blutgerinnsel. Unter der Innenhaut der linken Kammer 
liegen, namentlich im Bereiche der Papillarmuskeln, bis talergroße Blutungen. 
Der Herzmuskel ist auf dem Durchschnitte graurot, trocken und trübe, seine Kon¬ 
sistenz brüchig. An den Halsorganen keine Abweichungen. DieHüft-Blind-Grimm- 
darmarterie ist 4,3 cm lang und ungleichmäßig erweitert. Die Wand des Ge¬ 
fäßes ist bis 3 mm dick. An der Innenfläche derselben haftet ein bohnenförmiges 
3 cm langes Gerinnsel, das graurot, ziemlich trocken und bröcklig ist. ln den 
tiefen Schichten des Gerinnsels liegen zahlreiche Wurmlarven des Strongylus 
bidentatus. Nach Entfernung des Gerinnsels erscheint die Gefäßinnenhaut fetzig, 
ihre Oberfläche ist rauh. An den übrigen Gefäßen des Darmes nichts Ab¬ 
weichendes. 



524 


PILWAT, 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung und Zerreißung 
der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes. Akute allgemeine Bauchfell¬ 
entzündung. Leichte Milzschwellung. Leichte Trübungder Leber. Kartarrhalische 
Nierenentzündung. Schwere trübe Schwellung des Herzmuskels und Blutungen 
unter der Innenhaut des Herzens. Erweiterung und wandständige Thrombose der 
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

32. Brauner Wallach, Stern, 12—15 Jahre alt. Gestorben und obduziert 
am 25. 3. 1906. 

Der Kadaver ist schlecht genährt. Das spärlicho Fettgewebe in der Unterhaut 
und hinter dem Bauchfelle zeigt eine schleimige Beschaffenheit und schmutzig¬ 
graugelbe Farbe. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitte braun¬ 
rot und etwas feucht. 

In der Bauchhöhle finden sich etwa 10 Liter einer trüben, graubraunen 
Flüssigkeit, welcher lockere, gelblich-weiße, flockige Gerinnsel und Inhaltsmassen 
des Darmes beigemischt sind. Das Bauchfell ist trübe diffus und durch gefüllte 
Gefäßnetze gerötet, an seiner Oberfläche etwas rauh. An der Lage des Darmes 
keine Abweichung. Der Leer- und Hüftdarra enthalten eine schleimige, grauweiße, 
mehlsuppenartigo Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser Darmteile ist blaß und be¬ 
sitzt einen samtartigen Glanz. Blind- und Grimmdarm sind mäßig durch Gase 
ausgedehnt und mit breiigen Massen in mittlerer Menge angefüllt. Die magen- 
ähnliche Erweiterung des Grimmdarmes ist stark ausgedehnt und mit festen, 
trockenen Massen prall gefüllt. In der magenähnlichen Erweiterung des Grimm¬ 
darmes ist die Schleimhaut fleckweise gerötet, in den übrigen Abschnitten des 
Grimmdarmes und im Blinddarm dunkelgrau. Der Mastdarm enthält viel geformten 
Inhalt, seine Schleimhaut ist stellenweise schwach gerötet. 35 cm vor dem After 
findet sich in der dorsalen Mastdarmwand ein 15 cm langer Längsriß, dessen 
Ränder gezackt, dick, blutig durchtränkt und mit Blutgerinnseln bedeckt sind. Das 
um den Mastdarm gelegene lockere Gewebe, und das zwischen den Gckrösblättern 
liegende Fettgewebe ist dick, graurot und enthält in seinen Maschen Gasblasen, 
eine trübe, eiterähnliche Flüssigkeit und Teilchen des Mastdarminhalts. Im Magen 
linden sich 7 Liter einer bräunlichen, sauerriechenden Flüssigkeit, die mit breiigen 
Massen vermischt ist. Die Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist etwas dick, 
trübe graurot und gallertartig; ihre Oberlläche ist glatt und stark glänzend. An 
der Schleimhaut der linken Magenhälfte nichts Abweichendes. Die Milz mißt 45 cm 
in der Länge, 16 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Außen 
sieht die Milz graublau aus und zeigt einige buckelartige Erhebungen von schwarz¬ 
blauer Farbe, in denen die Milzpulpa auf dem Durchschnitte sehr reichlich, flüssig 
und schwarzrot ist. Das Balkengerüst ist hier nicht erkennbar. In den übrigen 
Teilen erscheint die Milzpulpa dickbreiig und braunrot, das Trabekulargewebe ist 
noch erkennbar. Die Leber wiegt 4y 2 kg, besitzt scharfe Ränder und eine derbe 
Beschaffenheit. Auf der Schnittfläche ist die Läppchenzeichnung erkennbar. Die 
einzelnen Läppchen sind grieskorngroß und rotbraun. Die Nierenkapseln lassen 
sich leicht von den Nieren ablösen. Die Oberfläche der Niere ist glatt und matt- 
glänzend. Außen sehen die Nieren braunrot aus, ihre Konsistenz ist etwas brüchig. 
Auf der Durchschnittsfläche liegen in der etwas trüben Uindenschicht zahlreiche 
breite, grauweiße, radiär verlaufende Streifen. Die Markschicht ist gestreift und 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 525 

graurot, an der Grenze der Rinde dunkelrot. Bei seitliohem Drucke entleert sich 
aus den großen Sammelröhren eine schleimige, rahmartige, gelblich-weiße Masse. 

In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den 
Brustfellsäcken, sind klein, elastisch und knistern schwach beim Hinüberstreichen. 
Auf dem Durchschnitte ist das Lungengewebe hellrot und wenig feucht, die 
Schnittfläche glatt. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll einer rötlich-gelben, fast klaren 
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und 
glänzend. Die rechten Herzhöhlen enthalten viel schwarzrotes, geronnenes Blut 
und speckhäutige Gerinnsel. Im linken Herzen wenig flüssiges und geronnenes 
Blut. Atrio-Ventrikularöffnungen normal weit. Die Herzklappen und die Innenhaut 
des Herzens sind zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte trocken, 
trübe, graurot, Konsistenz brüchig. Die Halsorgane erweisen sich als frei von Ab¬ 
weichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,9 cm lang und fast gleich¬ 
mäßig zylindrisch erweitert. Die Wand der Arterie ist verdickt und trägt auf ihrer 
inneren Oberfläche mehrere bis erbsengroßo etwas längliche Gerinnselmassen, die 
graurot, etwas trocken und brüchig sind. Unter diesen der Gefäßwand ziemlich 
fest anhaftenden Gerinnseln ist die Innenhaut zerrissen und fehlt stellenweise. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung der magen¬ 
ähnlichen Erweiterung des Grimmdarmes. Zerreißung der dorsalen Mastdarmwand. 
Phlegmonöse Entzündung im lockeren Gewebe des Beckens und im Gekröse des 
Mastdarmes. Allgemeine akute, fibrinös-eitrige Bauchfellentzündung. Multiple 
Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Braune Atrophie und gering¬ 
gradige Trübung der Leber. Saure Erweichung der Magenschleimhaut. Schwere, 
trübe Schwellung des Herzmuskels, Erweiterung und wandständige Thrombose der 
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

Die Zerreißung des Darras wird in der Mehrzahl der Fälle durch 
ähnliche Ursachen hervorgerufen, wie die Zerreißung des Magens. 
Im Darmlumen entsteht ein Hindernis für die Fortbewegung des Darra¬ 
inhaltes; der Regel nach ist ein Darmabschnitt durch einen Kotpfropf 
verlegt. Vor dem Hindernisse bildet sich rasch oder allmählich, je 
nach der Art der Entstehung und der Größe desselben eine Ansamm¬ 
lung des Darminhaltes; dadurch wird der vor dem Hindernisse liegende 
Darmteil ausgedehnt. Ist die äußerste Grenze der Ausdehnung er¬ 
reicht, so genügt wahrscheinlich ein kräftiger Stoß, den sich ein kolik¬ 
krankes Pferd schon durch heftiges Niederwerfen zufügen kann, um 
die Darmwand zu zerreißen. Organische Veränderungen in den von 
der Zerreißung betroffenen Teilen der Leer- und Grimmdarmwände 
fehlten stets, und es muß deshalb die nachgewiesene Verstopfung 
allein in ursächlichen Zusammenhang mit der Darmzerreißung ge¬ 
bracht werden. 

Der Blinddarm war in 7 Fällen prall mit Kotmassen angefüllt 
und stark aufgetricben. Die Blinddarmwände waren infolge der Aus- 



526 


PILWAT, 


dehnung dünn und an einer Stelle zerrissen. Sonstige pathologische 
Veränderungen ließen sich an den Blinddarmwänden nicht nachweisen. 
In allen diesen Fällen waren die Ansammlungen des Darminhaltcs 
und die Zerreißung des Darms durch ein rasch entstandenes Hindernis 
verursacht worden. Es hatten sich also akute Zustände am Blind¬ 
darm entwickelt. 

In einer größeren Anzahl von Fällen (20) aber, in denen eine 
Zerreißung der Blinddarmwand Vorgelegen hatte, zeigte sich der 
Blinddarm zwar gleichfalls erweitert und mit festen trockenen Kot- 
raassen angefüllt, seine Wände waren jedoch gleichzeitig um das 
doppelte bis dreifache verdickt. Die Verdickung konnte besonders 
am Blinddarmgrunde nachgewiesen werden und war durch Hyper¬ 
trophie der Muskelhaut und durch chronische Entzündung der Schleim¬ 
haut zustande gekommen. Mithin hatte für die Fortbewegung des 
Blinddarminhaltes ein Hindernis bestanden, das sich allmählich ent¬ 
wickelt und ausgebildet hatte. Der Blinddarm war durch die An¬ 
sammlung seines Inhaltes zwar stark erweitert worden, hatte aber 
den letzteren mit Hilfe seiner Muskelhaut, die infolge der erhöhten 
Arbeitsleistung hypertrophisch geworden war, noch fortbewegen können. 
Auch war durch den Reiz, den der angesammelte und sich um- 
setzende Inhalt auf die Schleimhaut andauernd ausgeübt hatte, eine 
chronische Entzündung und Verdickung durch neugebildetes Binde¬ 
gewebe entstanden. (Vergl. Verstopfung des Blinddarms, Seite 483 
und folgende.) Als aber das Hindernis ein so großes geworden war, 
daß auch die hypertrophische Muskelhaut des Blinddarms nicht mehr 
imstande war, dasselbe zu überwinden, hatte sich schließlich so viel 
Inhalt im Blinddarm angesammelt, daß er zerrissen war. Auch hier 
war wahrscheinlich die Zerreißung durch Stöße und Aufschlagen des 
Bauches beim heftigen Niederwerfen der Pferde und durch das große 
Gewicht der festen Inhaltsmassen, des verstopften Blinddarms, die 
nicht selten bis 50 kg schwer waren, begünstigt. Die durch Hyper¬ 
trophie der Muskelhaut und chronische Entzündung der Schleimhaut 
entstehenden Verdickungen der Blinddarmwände sind chronische Zu¬ 
stände und bilden einen wichtigen Bestandteil derjenigen Darmver¬ 
änderungen, welche der sogenannten chronischen Kolik zugerechnet 
werden. 

Wie die Wände des Magens, so zerreißen auch diejenigen des 
Darms an denjenigen Stellen, die am wenigsten widerstandsfähig sind. 
Die Ruptur des Blinddarms hatte in allen beobachteten Fällen am 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


527 


Grunde desselben ihren Sitz. Da der Grund des Blinddarms mit der 
rechten Niere und mit der dorsalen Bauchwand durch lockeres Ge¬ 
webe verwachsen ist. so fehlt an ihm gleichfalls ein seröser Ueber- 
zug; er besteht demnach nur aus zwei Häuten und ist deshalb weniger 
widerstandsfähig als die übrigen Teile des Blinddarms. (Vergl. Ab¬ 
bildung Nr. 1.) Der Leer- und Grimmdarm reißen gewöhnlich an der 
Anheftungsstelle des Gekröses, weil die Serosa den Darm an dieser 
Stelle verläßt, um die Blätter des Gekröses zu bilden. Die Darm¬ 
wand besteht demnach an dieser Stelle nur aus Schleimhaut und 
Muskelhaut. (Vergl. untenstehende Zeichnung.) Der Riß vergrößert 
sich dann; es zerreißen, wie an der Wand des Magens, zunächst Se¬ 
rosa und Muskelhaut und wölbt sich die Schleimhaut durch den Riß 
der beiden anderen Häute vor, bis auch sie zerreißt. Der Schleim¬ 


ig. 3. 



a = Gewöhnlicher Sitz des Darmrisses. Serosa gestrichelt. 

hautriß ist stets kleiner als der Riß ir. der Serosa und Muskelhaut. 
Die Zerreißung der lebenden Darmwand ist selbstredend von einer 
Blutung begleitet, die sich hauptsächlich als eine blutige Infiltration 
der dem Risse benachbarten Teile kennzeichnet. Durch die Rißöff¬ 
nung tritt der Darrainhalt und gelangt nach der Zerreißung des Blind¬ 
darmgrundes in das zwischen Blinddarmgrund, rechter Niere und 
Bauchwand gelegene lockere Bindegewebe, nach Zerreißung des Leer- 
und Grimmdarms gewöhnlich in das zwischen den Gekrösblättern 
liegende Fettgewebe. Die am Danninhalt haftenden Mikroorganismen 
rufen in dem genannten Gewebe einen akuten phlegmonösen Prozeß 
hervor, der sich in dem Gewebe fortsetzen und auf das Bauchfell 
übertreten kann. Es entsteht schließlich eine allgemeine eitrigjauchige 
Bauchfellentzündung. 

Regel ist, daß nach einer Darmzerreißung nur wenig Darminhalt 
in den «freien Raum der Bauchhöhle gelangt. Nur wenn der Riß in 



528 PILWAT, 

der Darrawand ausnahmsweise sehr groß ist, kann viel Darminhalt in 
den freien Raum der Bauchhöhle eintreten. Zum Unterschiede vom 
Mageninhalt fehlt dem Darminhalt der saure Geruch; auch ist 
letzterer mehr im hinteren Teile der Bauchhöhle zu finden. 

Die Zerreißungen des Mastdarms waren in den 6 beobachteten 
Fällen durch Einführen der Hand oder eines anderen Gegenstandes in 
den Mastdarm hervorgebracht worden. Die Wand des Mastdarms 
war stets in ihrem dorsalen Teile, nahe der Gekrösanheftung und 
etwa 30 bis 60 cm vor dem After zerrissen. Im Gegensätze zu den 
übrigen Darmabschnitten war im Mastdarme der Schleimhautriß länger 
als der Riß in der Serosa und Muskelhaut und führte in schräger 
Richtung von der Schleimhaut zu der Außenfläche des Darms. Dadurch 
war im Gewebe unter der Schleimhaut, das besonders im Endteile 
des Mastdarms reichlich entwickelt ist, eine Tasche oder ein breiter 
Kanal gebildet worden. Die Rißränder zeigten sich gleichfalls blutig 
durchtränkt und dick. Da das Beckenstück des Mastdarms von 
lockerem Fettgewebe umgeben ist, so führt der Riß der Regel nach 
in dieses Gewebe hinein. Der Mastdarminhalt gelangt der Rißöffnung 
folgend zunächst in das Gewebe unter die Schleimhaut und dann in 
das Fettgewebe des Beckens. Die am Inhalte haftenden Bakterien 
erzeugen in den genannten Geweben einen akuten eitrig-jauchigen 
Prozeß, der sich auf das Bauchfell fortsetzen und eine tödliche allge¬ 
meine Bauchfellentzündung hervorrufen kann. 

IV. Lageveränderung des Darms. 

Lageveränderungen des Darms werden bei Pferden, die an Kolik 
gestorben sind, häufig gefunden. So ließen sich unter den im Patho¬ 
logischen Institute obduzierten 428 kolikkranken Pferden 156 = 
36,45 pCt. von Lageveränderungen des Darmes nachweisen. 

1. Darmverschlingung, Volvulus. 

Als Darmverschlingung oder Volvulus bezeichnet man die Drehung 
von frei beweglichen Darmteilen um ihr Gekröse oder um ihre Achse. 
Durch diese Drehung entstehen am Darme zuweilen kunstvolle, schwer 
lösbare Knoten, für welche die Bezeichnung „Darmverschlingung“ ein 
ganz zutreffender Ausdruck ist. An den einzelnen Darmabschnitten 
trat die Darmverschlingung, wie folgt, auf: 

Am Zwölffingerdärme.0 mal 

_ Leer- und Hüftdarme .... 59 _ 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


529 


am Blinddärme.2 mal 

„ Grimmdarme.65 „ 

„ Mastdarrae.0 „ 

Die folgenden Obduktionsbefunde dienen zur Erläuterung der 
verschiedenen Fälle. 

33. Brauner Wallach, zirka 9 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 14. 10. 1905. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in 
der Umgebung der Gelenke und hinter dem Bauchfelle liegt etwas grauweißes lap¬ 
piges Fettgewebe. Die Gefäße der Unterhaut sind leer. Die Körpermuskeln sind 
totenstarr, auf dem Durchschnitte blaßbraun, rot und schwach durchscheinend. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle ungefähr 
20 Liter einer blutigen braunroten Flüssigkeit. Der Blinddarm und die rechten 
Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten Seite der Bauchhöhle. Die Becken¬ 
krümmung und die linken Grimmdarm lagen liegen vom, dicht hinter dem Zwerch¬ 
felle. Der stark ausgedehnte und prall gefüllte Leerdarro nimmt den größten Raum 
in der Bauchhöhle ein; er liegt links und in der Mitte. Mehrere Leerdarraschlingen 
sehen außen dunkelrot aus und besitzen auf ihrer Oberfläche einen spiegelnden 
Glanz. Bei der Herausnahme des Leerdarmes zeigt sich, daß der hintere Abschnitt 
desselben und der Hüftdarm in einer Länge von 8 m mehrmals um ihre Gekröse 
gedreht sind. Die Darmwände des gedrehten Abschnittes sind dick, dunkelrot und 
mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Das zu diesem Darmteile gehörende 
Gekröse ist gleichfalls blutig durchtränkt und dick. Die venösen Gefäße dieses Ge- 
krösteiles sind prall gefüllt. Der abgedrehte Darmteil enthält 6 Liter einer braun¬ 
roten mit wenig festen Bestandteilen vermischten Flüssigkeit. Die Schleimhaut 
dieses Darmabschnittes bildet große wulstartige Falten und ist in den oberfläch¬ 
lichen Schichten größtenteils abgestorben, grau, trübe und teilweise fetzig. Im 
Zwölffingerdarm und im vorderen Leerdarmteile viel flüssiger graugrüner Inhalt und 
Gase. Gegen die vordere Drehungsstelle hin wird der Inhalt mehr breiig und füllt 
den Darm in Form eines länglichen weichen Pfropfes vollkommen aus. Die Schleim¬ 
haut dieses Leerdarmteiles ist fleckweise gerötet, sonst grau und trübe. Im Blind¬ 
därme Gase und dünnbreiigo Massen in mäßiger Menge. In den unteren Lagen des 
Grimmdarmes wird der Inhalt dickbreiiger, in den oberen Lagen mehr trocken. Die 
magenähnliche Erweiterung des Grimmdarmes ist durch einen großen kegelförmigen 
festen Kotpfropf prall gefüllt. Mastdarm fast leer. Die Schleimhaut des Griram- 
darmes ist stellenweise schwach gerötet, sonst bräunlich-grau und etwas trübe. 
Der Magen ist groß und stark ausgedehnt, seine Wände sind dünn. Im Magen viel 
Gas und breiige saure Massen. Die mit Drüsen bosetzte Schleimhaut der rechten 
Magenhälfte ist gerötet und trägt auf ihrer Oberfläche einen grauen zähen schlei¬ 
migen Belag, der sich schwer abspülen läßt. An der Schleimhaut der linken Magen¬ 
hälfte nichts Abweichendes. Das Gewicht der Leber beträgt 5 kg. Leberränder 
scharf. Konsistenz der Leber derb. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte 
blutleer und graubraun. Zeichnung der Leberläppchen bequem erkennbar. Die 
einzelnen Läppchen sind etwa hirsekorngroß, in der Mitte blaßbraun, am Rande 
grau. Die Milz mißt 46 cm in der Länge, 25,5 cm in der größten Breite und 3,5 cm 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierbeilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 34 





530 


PILWAT, 


in der größten Dicke. Konsistenz der Milz festwoich, teigig. Auf der sonst grau¬ 
blauen Oberfläche der Milz liegen mehrere halbwalnußgroße buckelartige Hervor¬ 
wölbungen von dunkelblauer Farbe; auf dem Durchschnitte ist in letzteren das 
Balkengewebe der Milz nicht erkennbar. Pulpa hier schwarzrot, reichlich und zer- 
fließlich. In den übrigen Abschnitten der Milz ist das Balkengewebe noch ziem¬ 
lich gutsiohtbar; Pulpa braunrot und mehr fest. Die Nierenkapseln lassen sich 
leicht von den Nieren abtrennen. Beide Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form 
und Größe, sehen außen graubraun und mattglänzend aus. Konsistenz ziemlich 
derb. Auf dem Durchschnitte zeigen sich in der graubraunen Rindenschicht zahl¬ 
reiche breite, graue, radiär verlaufende Streifen. Beim Streichen mit dem Messer¬ 
rücken von der Rinde gegen die Papille hin entleert sich aus den großen Sammel¬ 
röhren eine trübe, gelblich graue, eiterähnliche Masse. Die Marksubstanz ist grau¬ 
rot und gestreift, an der Grenze der Rinde stärker gerötet. 

In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Das rechte Herz ist mit flüssigem 
und geronnenen dunkelroton Blute mäßig gefüllt. In den linken Herzhöhlen ganz 
kleine Blutgerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeff- 
nungen besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens 
zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte graubraunrot, etwas trübe und 
trocken; ihre Konsistenz ist brüchig. An den Halsorganen sind außer starker Blut¬ 
leere keine Abweichungen nachzuweisen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 
3,7 cm lang, zylindrisch erweitert und an einer Stelle geringgradig sackförmig aus¬ 
gebuchtet. Die Wände der Arterie sind etwas verdickt. Auf der Innenfläche der 
Ausbuchtung liegt ein längliches graurotes Gerinnsel, das der Gefäßwand fest an¬ 
haftet. Unter dieser Auflagerung ist die Gefäßinnenhaut rauh und fetzig. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung der magenähn¬ 
lichen Erweiterung des Grimmdarmes. Drehung des hinteren Leerdarmabschnittes 
und des Hüftdarmes um das Gekröse. Blutige Durchtränkung der Darmwände des 
gedrehten Darmteiles und des zugehörigen Gekröses. Diphtherie der Schleimhaut 
im abgedrehten Teile. Starke Ausdehnung dos Magens und schleimiger Katarrh 
desselben. Akute multiple Milzschwellung. Katarrh der Nieren. Leichte Trübung 
des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind- 
Grimmdarmarterie. 

34. Brauner Wallach, 15—IS Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 22. 8. 1904. 

Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut und unter dem Bauch¬ 
felle Spuren eines grünlich-gelbbraunen schleimigen Fettgewebes. Totenstarre noch 
nicht eingetreten. Die Muskeln fühlen sich warm an, sehen dunkelbraunrot aus, 
sind schwach durchscheinend und auf dem Durchschnitte feucht. Gefäße der Unter¬ 
haut leer. 

Der Bauch ist mäßig ausgedehnt. In der Bauchhöhle finden sich 8—10 Liter 
einer rötlichen wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart und durchscheinend, 
an der Oberfläche glatt und stark glänzend. Die Spitze des Blinddarmes liegt in 
der rechten Leistengegend. Die übrigen Darmteiie haben ihre gewöhnliche Lage. 
Der Leerdarm ist in seinem Anfangsteile zusammengezogen; der hintere Abschnitt 
desselben enthält eine große Menge grünlich-braunen dünnbreiigen Inhalts. Außen 
sieht der Leerdarm bläulich-grau aus; seine Schleimhaut zeigt gegen den Hüftdarm 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 531 

hin und in letzterem Darmteile eine zunehmende Rötung. Der Blinddarm erscheint 
außen graublau, ist sehr groß und besitzt an der Oberfläche einen spiegelnden 
Glanz. Die Wände des Körpers und der Spitze des Blinddarmes sind sehr dick und 
mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Am Grunde des Blinddarmes ist die 
Darmwand dünn. Der Blinddarmgrund enthält feste trockene Massen in erheblicher 
Menge, der übrige Teil des Blinddarmes mehr dickbreiigen Inhalt, der in der Nähe 
der Wand mit braunroter Flüssigkeit vermischt ist. Die Schleimhaut des Biind- 
darmkörpers und der Spitze des Blinddarmes bildet große rötlich-gelbe Wülste. Im 
Grimmdarme breiiger Inhalt in mäßiger Menge; Mastdarm fast leer. Die Schleim¬ 
haut des Grimmdarracs ist grünlich-graubraun, die des Mastdarmes weißlich-grau 
und durchscheinend. Der Magen ist zusammengezogen und enthält etwas breiigen 
Inhalt. Die Pförtneröffnung ist sehr enge, ihr Umfang beträgt 6 cm. Die Wand 
der rechten Magenhälfte ist in der Muskelhaut stark verdickt; letztere besitzt gegen 
den Pylorus hin eine Dicke bis zu 2 cm. Die Schleimhaut der rechten Magenhälfte 
ist gleichfalls dick und lederartig derb; ihre Oberfläche ist besonders in der Gegend 
der Fundusdrüsen mit zahlreichen, dicht aneinanderstehenden, brustwarzenartigon 
Auswüchsen bedeckt. Stellenweise findet sich auf der Oberfläche dieser Schleim¬ 
haut ein grauer zäher schleimiger Belag, der sich schwer abspülen läßt. Gegen 
den Pförtner hin bildet die Schleimhaut große Längsfalten, die auf ihrer Höhe ge¬ 
rötet sind. Das Gewicht der Leber beträgt 4 1 /* kg. Der rechte Leborlappen ist 
vollständig geschwunden und stellt einen grauen hautartigen Anhang dar. Die 
Zwerchfellfläche der Leber ist mit zahlreichen weißlich-grauen Zotten besetzt. Kon¬ 
sistenz der Leber sehr derb. Lebergewebe auf dem Durchschnitte blutleer und 
braun; in demselben liegen unregelmäßig verlaufende weißliche Züge. Grenzen der 
Leberläppchen schwer erkennbar. Die Milz mißt 42 cm in der Länge, 19 cm in 
der größten Breite und 2,8 cm in der größten Dicke. Farbe der Milz außen grau, 
Konsistenz festweich, teigig. Das Balkengewebe ist auf dem Durchschnitte bequem 
erkennbar. Pulpa rotbraun und etwas vermehrt. Die Nierenkapseln sind stellen¬ 
weise mit den Nieren verwachsen und lassen sich schwer abziehen. Rechte Niere 
13 cm lang, 13,3 cm breit und 3,8 cm dick. Linke Niere 15 cm lang. 12,2 cm 
breit und 4 cm dick. Konsistenz der Nieren derb. Auf dem Durchschnitte liegen 
in der Rindenschicht zahlreiche weißliche unregelmäßig verlaufende Streifen. Die 
Gefäßknäuel sind stellenweise als rote Pünktchen erkennbar. Marksubstanz blaßrot. 

In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart. Die Lungen 
liegen frei in den Brustfellsäcken, sind klein, blaßrot und enthalten Luft. Im 
Herzbeutel 100 ccm einer rötlich-golben klaren Flüssigkeit. Oberfläche der Herz¬ 
beutelblätter glatt und glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herz¬ 
basis 52 cm. Rechte Herzkammer 12 cm, linke 15,3 cm hoch. Das rechte Herz 
enthält etwas flüssiges und geronnenes Blut. In den linken Herzhöhlen kleine 
speckhäutige Gerinnsel. Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen 
Oeffnungcn läßt sich eine länglich zusammengelegte Hand hindurchführen. Die 
Herzklappen und die Innonhaut des Herzens sind etwas dick, grauweiß und un¬ 
durchsichtig. Herzmuskulatur auf dem Durchschnitte dunkelbraunrot und etwas 
trübe. Konsistenz etwas brüchig. An den Halsorganen lassen sich keine Ab¬ 
weichungen feststellen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylin¬ 
drisch erweitert; ihre Wand ist dick. Auf der Innenfläche des Gefäßes sitzt eine 
ringförmige graurote Gerinnselmasse, welche der Gefäßwand fest anhaftet. Unter 

34* 



532 


PILWAT, 


dieser Auflagerung ist die Innenbaut fetzig. Die übrigen Gefäße des Darmes er¬ 
weisen sich bei der Untersuchung als frei von Veränderungen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Verstopfung, Erweiterung und 
Knickung des Blinddarmes. Blutige Durchtränkung der Blinddarmwände. Akuto 
katarrhalische Entzündung an der Schleimhaut des Leer- und Hüftdarmes. Ver¬ 
engerung des Pylorus, hypertrophische Verdickung der Muskelhaut des Magens und 
chronische Entzündung der Magenschleimhaut. Chronische Entzündung der Leber 
und der Nieren. Geringgradige Schwellung der Milz. Geringgradige Trübung des 
Herzmuskels. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des Herzens. 
Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

35. Dunkelfuchswallach, 12—15 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 20. 3. 1906. 

Der Kadaver zeigt einen schlechten Nährzustand. In der Unterbaut, in der 
Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt wenig geibrotes schleimiges 
Fettgewebe. Die Körpermuskeln sind totenstarr und braunrot, auf dem Durchschnite 
etwas feucht. Gefäße der Unterbaut leer. 

Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle 15 Liter einer 
gelbroten fast klaren wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt. Die rechten Grimmdarmlagen und der Blind¬ 
darm liegen auf der rechten, die linken Lagen des Grimmdarmes auf der linken 
Seite der Bauchhöhle übereinander, wie gewöhnlich. Der Leerdarm liegt mehr 
rechts und in der Mitte. Die linken Grimmdarmlagen sind lang, weit, sehen 
außen blaurot aus und besitzen an ihrer Oberfläche einen spiegelnden Glanz Bei 
der Herausnahme des Grimmdarmes zeigt sich, daß die ganze freie Dünndarm¬ 
schleife korkenzieherartig von links nach rechts, im Sinne des Uhrzeigers, um dia 
Längsachse gedreht ist. Die Drehung beträgt 360° und reicht bis zu den rechten 
Lagen des Grimmdarmes; letztere sind unmittelbar hinter ihren fixen Punkten 
strangförmig zusammengedreht und zeigen hier spiralig verlaufende Falten. An 
der Drehungsstelle sind die Darmwändo weißlich grau und blutleer. In der abge¬ 
drehten Dünndarmschleife sind die Darmwände dick und mit einer blutigen Flüssig¬ 
keit durchtränkt. Die Schleimhaut bildet hier große dunkelrote schlotternde 
Wülste. Der Inhalt dieses Darmteils besteht aus Gasen und flüssigen mit breiigen 
Bestandteilen vermischten braunroten Massen. Die magenähnliche Erweiterung des 
Grimmdarmes ist mit festen trockenen, einen länglichen Pfropf bildenden Massen 
stark angefüllt, ihre Schleimhaut stellenweise gerötet. Im Blinddarm viel Gas und 
dünnbreiiger Inhalt. Blinddarmschleimhaut schwach gerötet. Der Mastdarm ist 
leer, seine Schleimhaut bräunlich-grau und durchscheinend. Im Leerdarme Gase 
und viel gelblich-graugrüner flüssiger Inhalt, der gegen den Hüftdarm an Menge 
zunimmt und mit breiigen Teilen vermischt ist. Schleimhaut des Leer- und Hüft¬ 
darmes strecken weise gerötet, sonst grau und trübe. Der Magen ist durch 
Gase stark ausgedehnt; seine Wände sind dünn. Im Magen außerdem 15 Liter 
dünnbreiige saure Massen. Die Schleimhaut der Pförtnerbälfte ist etwas dick, trübe 
und gallertartig, in der Gegend der Fundusdrüsen graubraun, gegen den Pförtner 
hin mehr grau. Oberfläche dieser Schleimhaut glatt und glänzend. Die Milz mißt 
41 cm in der Länge, 19 cm in der größten Breite und 2 ein in der mittleren Dicke. 
Oberfläche der Milz glatt und bläulich-grau; Konsistenz festweich. Auf dem 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


533 


Durchschnitt ist das Balkengewebe bequem erkennbar. Pulpa gelblich-braun; 
Schnittfläche glatt und trocken. Das Gewicht der Leber beträgt A l / 2 kg. Leber¬ 
ränder scharf. An der Zwerchfellfläche ist die Leberkapsel stellenweise platten¬ 
förmig verdickt, grauweiß, undurchsichtig und mit zahlreichen weißlichen Zotten 
besetzt. Konsistenz der Leber derb. Lebergewebe auf dem Durchschnitte mäßig 
blutreich und rotbraun. Grenzen der Leberläppchen deutlich erkennbar. Die ein¬ 
zelnen Läppchen sind etwa grieskorngroß und rotbraun, am Rande von einem 
schmalen grauen Saume umgeben. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den 
Nieren abzieben. Die Nieren sind klein und besitzen sonst ihre gewöhnliche Form. 
Außen sehen die Nieren rotbraun, glatt und mattglänzend aus. Konsistenz derb, 
liindenschicht auf dem Durchschnitt blaßbraun und schwach durchscheinend. Die 
«Gefaßknäuel sind als feine rote Pünktchen sichtbar. Marksubstanz grauweiß 
und gestreift, an der Grenze der Rinde gerötet. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an 
der Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, 
sind klein, elastisch und lufthaltig. Im Herzbeutel ein Esslöffel einer gelblichen 
klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt 
und glänzend. Das rechte Herz ist mit flüssigem und schlecht geronnenen dunkel¬ 
roten Blute mäßig gefüllt. Die linken Herzhöhlen sind fast leer und zusammen¬ 
gezogen. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen 
die gewöhnliche Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Herzmusku¬ 
latur auf dem Durchschnitt schwach graubraun, etwas trocken und trübe. Kon¬ 
sistenz etwas brüchig. An den Halsorganen lassen sich außer starker Blässe keine 
Veränderungen nachweisen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5 cm lang 
und mäßig erweitert. Die Wand des Gefäßes ist bis 3mm dick, ihre Innenfläche 
uneben und mit mehreren kleinen grauroten Auflagerungen versehen, die etwas 
brüchig sind und der Gefäßwand fest anhaften. Die übrigen Gefäße des Darmes 
erweisen sich als frei von Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung der magenähn¬ 
lichen Erweiterung des Grimmdarmes. Drehung der ganzen freien Grimmdarm¬ 
schleife im Sinne des Uhrzeigers um die Längsachse im Winkel von 360°. 
Blutige Durchtränkung der Darmwände des abgedrehten Darmteils. Leichte Ent¬ 
zündung der Schleimhaut des Leer-, Hüft- und Blinddarms. Ausdehnung des 
Magens und saure Erweichung der Magenschleimhaut. Braune Atrophie der 
Leber. Leichte Trübung des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Throm¬ 
bose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

36. BraunerWallacb, ca. 9Jabre alt. Gestorben und obduziert am 28,3.1906. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in 
der Umgebung des Schlauches, der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas 
gelblich-graues Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau er¬ 
kennen läßt. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitte etwas 
graubraunrot und trübe. Gefäße der Unterhaut leer. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle finden 
sich 8—10 Liter einer rötlichen, wässerigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart 
und durchsichtig, seine Oberfläche glatt. Blind- und Grimmdarm sind lang und 
weit. Der Blinddarm und die rechten Lagen des Grimmdarms liegen auf der 



534 


PILWAT, 


rechten, die linken Grimmdarmlagen auf der linken Seite der Bauchhöhle. Die 
linke obere Grimmdarmlage liegt unter der linken unteren Lage des Grimmdarmes. 
An den vorderen Querlagen des Grimmdarmes zeigen sich spiralig verlaufende 
Falten; diese Grimmdarmlagen sind etwas eingeschnürt. Bei der Herausnahme des 
Grimmdarmes zeigt sich, dass die linken Lagen desselben im Sinne des Uhrzeigers 
von links nach rechts gedreht sind. Die Drehung beträgt 180°. Die Wände des 
gedrehten Darmteils sind dick und mit einer rötlich-gelben Flüssigkeit durchtränkt. 
Die Schleimhaut dieses Darmabschnittes bildet große, wulstartige Falten. Im ab¬ 
gedrehten Darmteile viel Gas und rötliche mit breiigen Massen vermischte Flüssig¬ 
keit. Die Beckenkrümmung und der vor derselben gelegene Teil der linken untern 
Lage des Grimmdarms sind mit festen, einen zusammenhängenden Kotpfropf 
bildenden Massen angefüllt, die in ihren Randteilen durch eine braunrote Flüssig¬ 
keit etwas erweicht sind. Die magenähnliche Erweiterung des Grimmdarmes und 
der Mastdarm sind fast leer. Im Blinddarm breiiger Inhalt und Gas. Die rechte 
untere Lage des Grimmdarmes enthält viel breiige Massen, die sich vor der 
Drehungsstelle angeschoppt haben. Schleimhaut dieser Darmabschnitte leicht 
tleckig gerötet. Leer- und Hüftdarm enthalten größere Mengen einer grünlich-grauen, 
trüben Flüssigkeit, die gegen den Blinddarm hin mit breiigen Bestandteilen ver¬ 
mischt ist. Die Schleimhaut des Leer- und Hüftdarms ist streckenweise stark ge¬ 
rötet, dick und mit Blutungen durchsetzt. Im Magen viel Gas und 15 Liter dünn¬ 
breiige bis flüssige, saure Massen. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist dick, 
trübe, gallertartig, wie zerflossen, in der Gegend der Fundusdrüsen braunrot, 
gegen den Pförtner hin mehr graubraun. Oberfläche dieser Schleimhaut glatt und 
stark glänzend. Die Schleimhaut der linken Magenhälfte ist rötlich grauweiß, ihre 
Oberfläche glatt. Die Milz mißt 42 cm in der Länge, 18 cm in der größten Breito 
und 3 cm in der mittleren Dicke. Oberfläche der Milz graublau und hügelig; Kon¬ 
sistenz etwas schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den Er¬ 
hebungen der Milz nicht sichtbar. Pulpa hier schwarzrot, reichlich und zerfließlich. 
ln den übrigen Abschnitten der Milz sind die Trabekeln noch erkennbar. Pulpa 
rotbraun und weich. Das Gewicht der Leber beträgt ö 1 ^ kg. Der rechte Leber- 
lappen ist abgeplattet und brettartig dünn, seine Kapsel ist an der Zwerchfell¬ 
fläche mit zahlreichen weißlich-grauen Zotten besetzt. Der linke Leberlappen ist 
groß, an seiner vorderen Fläche halbkugelähnlich gewölbt und besitzt abgerundete 
Ränder. Konsistenz des rechten Leberlappens derb, die des linken weniger derb. 
Auf dem Durchschnitte ist das Lebergewebe wenig blutreich und läßt die 
Läppchenzeichnung deutlich erkennen. Die einzelnen Läppchen des rechten 
Leberlappens sind etwa grieskorngroß und rotbraun, die des linken bis linsengroß 
und fast grau. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. 
Die Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form und Größe, sehen außen glatt, matt¬ 
glänzend und graubraun aus. Konsistenz derb. In der graubraunen Rindenschicht 
liegen auf dem Durchschnitte zahlreiche grauweiße, radiär verlaufende Streifen. 
Marksubstanz graurot und gestreift, an der Grenze der Rinde dunkelrot. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist blaßgrau, zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei in den 
Brustfellsäcken, sind klein, gut retrahiert und enthalten Luft. Im Herzbeutel ein 
Eßlöffel voll einer gelblichen, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich be¬ 
rührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Die rechte Vor- und Herz- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


535 


kammer enthalten etwas flüssiges und geronnenes, dunkelrotes Blut. In den linken 
Herzhöhlen ganz kleine, speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herz¬ 
kammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen und 
Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durchschnitte 
graubraun, etwäs trocken und trübe. Konsistenz brüchig. Die Halsorgane zeigen 
eine auffallende Blässe. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,3 cm lang, zylindrisch erweitert und 
an mehreren Stellen leicht sackförmig ausgebuchtet. Die Wand des Gefäßes ist 
ungleichmäßig verdickt, an der Innenfläche rauh und mit mehreren, bis bohnen¬ 
großen, rötlich-grauen, brüchigen Gerinnseln bedeckt, welche der Gefäßwand fest 
anhaften. Unter diesen Auflagerungen ist die Innenhaut fetzig. Die übrigen Gefäße 
des Darmes sind, wie die Untersuchung ergibt, frei von Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Verstopfung der Becken¬ 
krümmung und der linken unteren Lagen des Grimmdarmes. . Drehung der linken 
Grimmdarmlagen um die Längsachse von links nach rechts im Sinne des Uhrzeigers 
um 180°. Blutige Durchtränkung der Darmwände im abgedrehten Teile. Entzün¬ 
dung der Leer- und Hüftdarmschleimhaut. Saure Erweichung der Magenschleim¬ 
haut. Akute multiple Milzschwellung. Schwund des rechten und kompensatorische 
Vergrößerung des linken Leberlappens. Katarrh der Nieren. Trübe Schwellung 
des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind- 
Grimmdarmarterie. 

Eine Darmverschlingung kann nur an solchen Darmteilen auf- 
treten, die sich in der Bauchhöhle frei bewegen können. Der Zwölf¬ 
fingerdarm ist in seinem Anfangsteile mit dem Magen, der Leber und 
der Bauchspeicheldrüse und in seinem hinteren Teile mit dem Mast¬ 
darm verwachsen. Das Mittelstück des Zwölffingerdarms ist an einem 
kurzen Gekröse befestigt und außerdem zwischen der vorderen und 
hinteren Gekröswurzel gelegen. Der Grund des Blinddarms ist mit 
dem Rücken und der rechten Niere, der Anfangsteil der rechten 
unteren Grimmdarmlage ist mit dem Blinddärme, und die magen¬ 
ähnliche Erweiterung des Grimmdarms ist mit der Bauchwand und 
der Bauchspeicheldrüse fest verwachsen. An diesen Darmteilen kann 
keine Veränderung der Lage, also auch keine Darmverschlingung 
zustande kommen, sie sind als feste Punkte des Darmes anzusehen. 
Der Leer- und Hüftdarm sind an einem gemeinschaftlichen Gekröse 
aufgehängt, dessen Länge von vorn nach hinten zunimmt. Mithin 
besitzen die hinteren Leerdarmschlingen und der Hüftdarm eine 
größere Beweglichkeit als die vorderen, und deshalb treten auch die 
Darmverschlingungen am Hüftdarme und am hinteren Teile des 
Leerdarms viel häufiger auf als am vorderen Teile desselben. Die 
Spitze und der Körper des Blinddarms zeigen dagegen eine geringere 
Beweglichkeit, weil letzterer mit dem Hüftdarme und mit der rechten 



536 


PILNVAT, 


unteren Grimradarmlage durch je ein Band verbunden ist. Der 
Griramdarm bildet eine große Darmschleife, deren Schenkel durch 
ein kurzes Gekröse miteinander verbunden sind, und deren Anfang 
mit der dorsalen Wand der Bauchhöhle verwachsen ist. Das Ende 
des einen Schenkels wird von der rechten unteren Lage des Griram- 
darms gebildet, die aus dem Blinddärme hervorgeht und durch den 
Grund desselben mit der dorsalen Wand der Bauchhöhle verbunden 
ist, und das andere Ende des Schenkels der Griramdarmschleife ist 
die magenähnliche Erweiterung, die dicht unter der Wirbelsäule un¬ 
mittelbar am Rücken befestigt ist. Die Grimmdarmschleife ist länger 
als die Bauchhöhle und muß sich daher krümmen, um Platz in der¬ 
selben zu finden. Dadurch entstehen auf der rechten und linken 
Seite der Bauchhöhle je eine obere und untere Grimmdarmlage und 
vorn, wo die Krümmung der Schleifenschenkel liegt, ein oberes und 
unteres Querkolon. Die Verbindung der Schleifenschenkel bildet die 
ßeckenkrümmung, die in der linken Leistengegend ihre Lage hat. 
Hieraus ergibt sich, daß die Grimradarmschleife sehr beweglich ist. 
Ganz besonders beweglich sind die linken Grimmdarmlagen, die sich 
um ihre Längs- und Querachse drehen können. Sehr leicht beweg¬ 
lich ist auch der Mastdarm, der an einem langen Gekröse befestigt 
ist und beim Pferde etwa 3 ra lang ist. Nur der hintere in der 
ßeckenhöhle gelegene Teil des Mastdarms, das Beckenstück desselben 
ist durch Fettgewebe mit der Beckenwand verbunden und daher un¬ 
beweglich. Aber die Beweglichkeit eines Darmabschnittes ist nicht 
der einzige Grund für das Zustandekommen einer Verlagerung. Denn 
sonst würde durch einfaches Wälzen der Pferde, wie es namentlich 
bei jüngeren Pferden auf der Weide beobachtet werden kann, oft eine 
Darmverschlingung zustande kommen. Die Erfahrung lehrt jedoch, 
daß solche Pferde fast niemals an Kolik oder Darmverschlingung er¬ 
kranken, während sich bei anderen Pferden, die im Stalle gehalten 
werden und sich nicht gewälzt haben, oft eine tödliche Darm¬ 
verlagerung ausbildet. Es müssen daher noch andere Ursachen hinzu¬ 
kommen, die das Zustandekommen einer Darmverschlingung herbei¬ 
führen. Eine solche liegt, soweit ich es beurteilen kann, in den un¬ 
regelmäßigen Darmbewegungen kolikkranker Pferde. Während ein 
Darmabschnitt gelähmt ist oder sich nur schwach bewegt, bewegt 
sich der nachbarliche noch kräftig und schlingt oder dreht sich um 
den in Ruhe befindlichen, gelähmten Teil. Eine Lähmung von Darm¬ 
teilen wird aber wahrscheinlich häufig durch Verstopfung mit festen 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 537 

Massen oder durch Ansammlung von Gasen herbeigeführt. So konnte 
bei den Obduktionen der 126 mit Darmverschlingung behafteten 
Pferde in 102 Fällen eine Verstopfung des Darmes nachgewiesen werden, 
die teils vor der Hüft-Blinddarraöffnung, teils im Blinddärme, teils im 
Grimmdarroe ihren Sitz hatte. Am häufigsten, 85 mal. war die magen¬ 
ähnliche Erweiterung von der Verstopfung befallen. Berücksichtigt man 
ferner, daß die magenähnliche Erweiterung des Grimmdarros dorsal und 
mehr rechts gelegen ist, und daß sie bei ihrer Verstopfung ein erhebliches 
Gewicht erlangt, so ergibt sich, daß die magenähnliche Erweiterung 
rein mechanisch durch ihre Schwere einen Zug auf die rechte und 
linke obere Grimmdarmlage ausübt, der gewöhnlich zu einer Drehung 
der linken Grimmdarmlagen oder des ganzen beweglichen Teiles der 
Grimmdarmschleife um ihre Längsachse von links nach rechts führt. 

Der Volvulus des Leerdarms hatte in der größten Mehrzahl der 
Fälle seinen Sitz im hinteren Teile des letzteren und umfaßte nicht 
selten gleichzeitig den ganzen Hüftdarm. Zahlreiche an dem langen 
Gekröse hängende Darmschlingen hatten sich um ihre Querachse oft 
zu einem festen Strange zusammengedreht. Der von der Drehung 
betroffene Darmteil hatte eine Länge von 5—10 m. In einem Falle 
wurde beobachtet, daß die Leerdarmschlingen sich zu einem kunst¬ 
gerechten Knoten miteinander verschlungen und in zwei anderen 
Fällen, daß sie sich um die linken Grimmdarmlagen gewickelt und 
letztere abgeschnürt hatten. Die abgeschnürten Grimmdarmlagen 
hatten sich hinter der Abschnürungsstelle mehrmals um ihre Längs- 
achso gedreht. 

Der Volvulus des Blinddarms stellte sich in den beiden be¬ 
obachteten Fällen in Form einer Knickung dar. Die beweglichen 
Abschnitte des Blinddarms, der Körper und die Spitze hatten sich 
um ihre Querachse gedreht, so daß die Blinddarmspitze bis in die 
Schamgegend oder in die rechte Leistengegend reichte. 

Ara Grimmdarme sind zwei Arten der Drehung möglich. Der 
freie Teil der Grimmdarraschleife kann sich um die Längs- oder um 
die Querachse drehen. Beide Arten der Drehung wurden beobachtet. 
Die Drehung um die Längsachse war jedoch bei weitem die häufigste; 
sie wurde in 60 Fällen ermittelt, während die Drehung um die Quer¬ 
achse nur 6 mal festgestellt werden konnte. Unter diesen 5 Fällen 
waren 2 Fälle, in denen beide Drehungen nachgewiesen werden 
konnten. Häufig drehen sich nur die linken Grimmdarmlagen um 
ihre Längsachse und reicht die Drehung bis zu den vorderen Quer- 



538 


PILWAT, 


lagen. In einer großen Anzahl von Fällen hatte sich aber die ganze 
Grimmdarmschleife bis zu den festen Enden der Schenkel korken¬ 
zieherartig um die Längsachse gedreht. In der Regel findet die 
Drehung um die Längsachse in der Richtung von links nach rechts, 
im Sinne des Uhrzeigers statt. Diese Drehung wurde in 58, die im 
entgegengesetzten Sinne nur in 4 Fällen beobachtet. Die Drehungs¬ 
richtung wird hauptsächlich durch die anatomische Lage der linken 
Grimmdarmlagen bedingt. Beide Lagen liegen der linken Bauchwand 
dicht an, und die linke obere Grimmdarmlage kann daher nur schwer 
nach links, sehr leicht aber nach rechts, d. h. gegen die Mitte der 
Bauchhöhle sich lagern. Dazu kommt, daß die stark gefüllte magen¬ 
ähnliche Erweiterung, die mehr rechts liegt, einen Zug auf die linke 
obere Grimmdarmlage ausübt und ihr dadurch die Drehungsrichtung 
von links nach rechts zuweist. Die Größe der Drehung um die 
Längsachse entweder der ganzen freien Grimmdarmschleife oder nur 
der linken Grimmdarmlagen kann nun verschieden sein. 

So wurde 


6 mal eine Drehung um 90 °, 
8 „ „ „ 180°, 
4 „ „ „ „ 270 0, 


40 

2 


V 

n v 

n n 

n n 


r) 

Tf 

n 


360 0 und 

mehr als 360 0 beobachtet. 


In 2 Fällen hatte sich nur die linke obere Grimmdarmlage nach 
Zerreißung des Grimmdarmgekröses um ihre Längsachse gedreht. Die 
Drehung war von links nach rechts erfolgt. 

Für den Anfänger ist es schwer, die Richtung und den Grad der 
Drehung sicher zu bestimmen. Ob eine Rechts- oder Linksdrehung 
der Grimmdarmlagen vorliegt, läßt sich einmal an dem Verlaufe der 
spiralig gedrehten Falten an der Drehungsstelle erkennen. Ferner 
kann die Drehung der Grimmdarmlagen durch den Obduzenton be¬ 
seitigt werden, indem er die freie Grimmdarmschleife im entgegen¬ 
gesetzten Sinne dreht und dabei die Drehungsrichtung feststellt. Für 
die Ermittelung des Grades der Drehung empfiehlt es sich, daß der 
Obduzent an der rechten Seite des Kadavers die Bestimmung der 
Lage der Darrateile vornimmt. Hat eine Drehung um die Längsachse 
der linken Griramdarmlagen um 90 0 von links nach rechts stattge¬ 
funden, so liegen die linken Grimmdarmlagen nebeneinander, und zwar 
ist die obere Lage dem Obduzenten zugekehrt. Bei einer Drehung um 
180° liegt die obere Lage unter der unteren, bei einer solchen von 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


539 


270 0 liegen beide Lagen wieder nebeneinander, und zwar ist die 
untere nunmehr dem Obduzenten zugekehrt. Hat eine Drehung um 
360 0 stattgefunden, so liegen die Grimmdarralagen scheinbar ganz 
normal übereinander. Die Drehung der freien Teile der Grimmdarm¬ 
schleife um die Querachse ist nicht häufig, sie konnte nur 5 mal wahr¬ 
genommen werden. Bei dieser Drehung wird die Beckenflexur 
nach vorn verlagert und findet sich meist dicht hinter dem Zwerchfelle. 

Jede Drehung des Darms, die sich während des Lebens vollzieht, 
hat eine Ansammlung des Darminhaltes vor der Drehungsstelle und 
eine Störung der Blutzirkulation im gedrehten Darmabschnitte zur 
Folge. Denn an der Drehungsstelle wird die Lichtung des Darms 
verlegt. Dadurch entsteht für die Fortbewegung des Darminhaltes 
ein Hindernis, vor welchem der Inhalt sich ansammclt. Unmittelbar 
vor der Drehungsstelle bildet sich gewöhnlich ein fester Pfropf aus. 
Der festliegendelnhalt setzt sich um; die Umsetzungsprodukte wirken 
reizend auf die Darmschleimhaut ein und können eine Entzündung 
an der letzteren hervorrufen. An der Drehungsstelle wird durch das 
Zusammendrehen des Darms und Gekröses ein Druck auf das Ge¬ 
webe ausgeübt, der an demselben Blutleere erzeugt. Die Venen 
können schon durch einen geringen Druck vollständig verlegt werden, 
weil sie sehr dünnwandig sind und in ihren Wänden nur wenige 
elastische Fasern aufweisen. Die Wände der Arterien dagegen sind 
viel dicker und reich an elastischem Gewebe. Daher werden die 
Arterien durch einen Druck, der die Venen schon vollständig ver¬ 
schließt, nur unerheblich verengt. Durch die Arterien kann der 
ßlutzufluß in den abgedrehten Darmteil fast ungehindert erfolgen, 
während der Abfluß des Blutes durch die Venen sehr erschwert oder 
gänzlich aufgehoben ist. In dem abgedrehten Darmgebiete bildet 
sich demnach rasch eine hochgradige venöse Stauung aus. Das Blut 
häuft sich zunächst in den Venen und in dem Wurzelgebiete derselben, 
in den Kapillaren, an und erweitert diese Gefäße. Nach kurzer Zeit 
dringt durch die Gefäßwände Blutflüssigkeit nach außen. Mit diesem 
Flüssigkeitsstrome gelangen auch massenhaft rote Blutkörperchen in 
das nachbarliche Gewebe, die wahrscheinlich durch den infolge der 
Stauung erhöhten Blutdruck durch die Gefäßwände hindurchgepreßt 
werden. Blutflüssigkeit und rote Blutkörperchen füllen sehr bald die 
Saftlücken des Gewebes vollständig an, wodurch letzteres anschwillt. 
Ueber den Grad der Anschwellung entscheiden Größe und Zahl der 
Saftlücken. In der Schleimhaut und im Gewebe unter der Schleimhaut 



540 


PILWAT, 


sind die Saftlücken sehr groß und zahlreich und können daher viel 
Flüssigkeit und rote Blutkörperchen aufnehmen, während in der 
Muskelkaut und Serosa nur sehr wenige und kleine Saftlücken ent¬ 
halten sind. Infolgedessen ist die Schwellung der Schleimhaut und des 
unter ihr gelegenen Gewebes sehr bedeutend, während diejenige der 
Serosa und Muskelhaut nur gering ist. Mukosa und Submukosa 
erreichen nicht selten eine Dicke von 2—3 cm und da sie auch an 
Länge und Breite infolge der Schwellung erheblich zunehmen, so 
legen sie sich in Falten. Letztere sind oft so groß, daß sie mit 
Wülsten verglichen werden können, die weich und dunkelrot gefärbt 
sind. Mithin ist die starke Anschwellung der Schleimhaut in einem 
abgedrehten Darmabschnittc lediglich auf die venöse Stauung des 
Blutes zurückzuführen. Sobald nun die Saftlücken der Darmwand 
gefüllt sind, ergießt sich die Flüssigkeit über die Oberfläche der 
Darmwand und sammelt sich teils im Darmluraen und teils im freien 
Raume der Bauchhöhle an. So konnten aus dem freien Raume der 
Bauchhöhle nicht selten bis 15 Liter und aus dem abgedrehten Darm¬ 
abschnittc bis 8 Liter Flüssigkeit entleert werden. Die Oberfläche 
des abgedrehten Darmteils zeigt nach Eröffnung der Bauchhöhle stets 
einen spiegelnden Glanz, weil sie mit Flüssigkeit bedeckt ist. Dieser 
starke Glanz verliert sich jedoch, sobald der Darmteil bei eröffneter 
Bauchhöhle einige Zeit der Einwirkung der äußeren Luft ausgesetzt 
war. Die Darmteile erscheinen außen graublau oder blaurot. Die 
Gekrösvenen des abgedrehten Darmteils sind oft so stark erweitert, 
daß sie die Dicke eines Fingers erreichen. 

Der Inhalt in dem verlagerten Teile des Darmes setzt sich um 
und reizt durch seine Umsetzungsprodukte die Schleimhaut. In 
letzterer sind aber die Zirkulationsverhältnisse durch die venöse 
Stauung bereits sehr verschlechtert, und deshalb erzeugen die auf die 
Oberfläche der Schleimhaut einwirkenden Reize leicht Nekrose 
(Diphtherie). Häufig sterben die oberflächlichen Schichten der Schleim¬ 
haut in großer Ausbreitung ab und bilden eine graue zusammen¬ 
hängende Haut, die sich stellenweise in Form von Fetzen ablöst. 
Die abgestorbenen Teile nehmen eine graue oder gelblichgraue Farbe an. 

Es ist bekannt, daß Pferde, die an einer Darmverschlingung 
leiden, meist sehr rasch zu Grunde gehen. Der schnelle Tod ist auf 
die Verblutung in den Darm zurückzu führen, die eine allgemeine 
kollaterale Anämie im Gefolge hat, und da sämtliche Darmvenen mit 
Ausnahme derjenigen, die dem hinteren Abschnitte des Mastdarms 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 541 

zugehören, Wurzeln der Pfortader sind, So gehen solche Pferde eigentlich 
infolge einer Verblutung in die Pfortaderwurzeln ein. Nach dem Ab¬ 
ziehen der Haut fällt an den Kadavern solcher Pferde die allgemeine 
Blässe der Unterhaut auf. Erfolgt die Blutentziehung durch die 
Stauung iin Darme nur langsam, so kann die Darmentzündung, die 
sich infolge der Ansammlung des Darminhalts vor der Drehungsstelle 
und besonders im abgedrehten Darrateile ausbildet, gleichzeitig als 
Todesursache angesehen werden. 

2. Invagination des Darms. 

Bei der Invagination rückt ein Darmstück in ein benachbartes 
herab, so daß das letztere eine Scheide um das erstere bildet. Bei 
der Invagination begegnet man drei in einander geschobenen Darm¬ 
rohren. Das äußere Rohr bildet das Intussuszipiens oder die Vagina; 
die beiden inneren sind das Intussuszcptum. 

Diese Form der Darm Verlagerung wurde nur in zwei Fällen am 
Leerdarme beobachtet. Als Ursache der Invagination wurde in einem 
Falle ein faustgroßes gestieltes Myom gefunden, das im Anfangsteile 
des invaginierten Darmstückes unter der Submukosa saß. In dem 
andern Falle, zeigte sich keine organische Abweichung an der Leer¬ 
darmwand und ließ sich die Ursache der Invagination nicht sicher er¬ 
mitteln. 

Vor dem invaginierten Darrateil entsteht in ähnlicher Weise wie 
bei der Darmverschlingung eine Ansammlung des Inhalts und am 
Intussuszeptum eine starke venöse Stauung; denn das Intussuszipiens 
übt auf das letztere besonders auf den Anfang desselben, einen Druck 
aus, der zum Verschlüsse der Venen hinreicht, die Arterien aber noch 
wegsam läßt. In den beiden zur Beobachtung gelangten Fällen war 
das Intussuszipiens sehr lang und infolgedessen eine kollaterale Anämie 
zustande gekommen. Vor der invaginierten Stelle hatte sich durch 
die Umsetzungsprodukte des angesammelten Darminhalts eine Darm¬ 
entzündung ausgcbildet. Aus den nachfolgenden Obduktionsbefunden 
lassen sich die weiteren Veränderungen ersehen. 

37. Fuchsstute, ca. 8 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 2. 4. 1903. 

Der Kadaver zeigt einen guten Nährzustand. Die Körpermuskeln befinden 
sich in der Totenstarre und sehen braunrot aus. 

Die Bauchdecken sind leicht gespannt. In der Bauchhöhle ungefähr 8 Liter 
einer gelbrot gefärbten, leicht getrübten Flüssigkeit. An der Lage des Darmes ist 
zunächst keine Abweichung nachzuweisen. Biind-undGrimmdarm sind zusammen- 



542 PILWAT, 

gezogen. Der Leerdarm ist stark geTüllt und ausgedehnt. Das Bauchfell ist zart 
und durchscheinend, an seiner Oberfläche glatt und glänzend. Beim Heraus¬ 
schneiden des Leerdarmes trifft man im mittleren Abschnitte desselben auf einen 
korkenzieherartig aufgerollten Darmabschnitt. Bei der Aufrollung dieses Darm¬ 
teiles ist nachzuweisen, daß ein 3 m langer Abschnitt des Leerdarmes mit seinem 
Gekröse in den folgenden Dannabschnitt eingeschoben ist. Der eingeschobene 
Darmteil ist sohwarzrot gefärbt, seine Wände sind sehr dick und mit einer blutigen 
Flüssigkeit durchtränkt. Die Schleimhaut dieses Darmteiles bildet dunkelrote 
wulstartige Falten. Der Inhalt des eingescheideten Därmteiles besteht aus einer 
rotbraunen, mehrere Liter messenden Flüssigkeit. Der übergeschobene Teil des 
Darmes weist nur eine diffuse Rötung der Schleimhaut auf; derselbe geht dann 
in den fast leeren hinteren Abschnitt des Leerdarmes über. Am Anfänge des ein¬ 
geschobenen Teiles des Darmes ragt eine fast faustgroße Geschwulst in das 
Lumen desselben hinein. Die Geschwulst ist von der Schleimhaut überzogen und 
nimmt mit einem ziemlich dünnen Stiele ihren Ursprung aus der Muskelhaut des 
Darmes. Die Geschwulst ist weich, elastisch, auf dem Durchschnitte grau gefärbt 
und zeigt auf der Bruchfläche einen faserigen Bau. Die später vorgenommene 
mikroskopische Untersuchung der Geschwulst ergibt, daß letztere aus glatten 
Muskelzellen und wenig Bindegewebe besteht. Die vor der Einschiebung ge¬ 
legenen Absohnitte des Leerdarmes enthalten große Mengen graugrün gefärbter 
trüber Flüssigkeit. Die Schleimhaut zeigt stellenweise fleckige. Rötungen. Im 
Blind- und Grimmdarm mäßige Mengen grau gefärbter dünnbreiiger Massen. Die 
Schleimhaut des Blind- und Grimmdarms ist dunkelgrau. Der Magen enthält viel 
Gas und flüssigen Inhalt. An der Schleimhaut der Schlundhälfte keine Ab¬ 
weichungen. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist fleckenweiso gerötet und trägt 
auf der Oberfläche einen zähen schleimigen Belag, der sich schwer abspülen läßt. 
Das Gewicht der Leber beträgt 6 x / 2 kg- Die Leber sieht außen braunrot aus und 
besitzt eine derbe Konsistenz. Auf dem Durchschnitte sind die Grenzen der Leber¬ 
läppchen deutlich erkennbar. Die Läppchen sind graubraun gefärbt und hirsekorn¬ 
groß. Die Milz mißt 52 cm in der Länge, 23 cm in der größten Breite und 3 cm 
in der Dicke Die Milzoberfläche ist glatt und graublau. Konsistenz der Milz 
weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe noch sichtbar. Pulpa rot¬ 
braun und weich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. 
Die Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form und Größe; ihre Oberfläche ist glatt 
und braunrot. Konsistenz derb. Auf dem Durchschnitte liegen in der Rinden¬ 
schicht zahlreiche graue radiär verlaufende Streifen, die den verbreiterten Mark¬ 
strahlen entsprechen. Marksubstanz graurötlich und gestreift. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, seine 
Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken und sind etwas 
größer als im Retraktionszustande. Das Lungengewebe ist etwas gerötet und 
knistert schwach beim Hinüberstreichen mit den Fingerspitzen. DieDurchschnitts- 
lläche ist glatt, feucht und bedeckt sich nach kurzer Zeit mit einem dichten fein¬ 
blasigen Schaume. Im Herzbeutel 30 ccm einer bsrnsteingelben klaren Flüssigkeit. 
Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Die 
rechte Vor- und Herzkammer sind mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute 
mäßig gefüllt. In den linken Herzhöhlen sehr kleine dunkelrote und speckhäutige 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 543 

Gerinusel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind 
normal weit. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Unter der Innenhaut 
der linken Herzkammer liegen streifige und fleckige Blutungen. Die Herzmusku¬ 
latur erscheint auf dem Durchschnitte graubraunrot, etwas trocken und trübe. An 
den Halsorganen keine Veränderungen. DieHüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5cm 
lang und spindelförmig erweitert. Die Wand der Arterie ist ungleichmäßig ver¬ 
dickt, an der Innenfläche rauh und mit flachen gerinnselartigen grauroten Auf¬ 
lagerungen versehen, die der Wand fest anhaften. Alle übrigen Darmgefäße sind 
frei von Veränderungen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Invagination des Leerdarms 
infolge eines großen submukösen Myoms im Anfangsteile des invaginierten Darm¬ 
abschnittes. Blutige Durchtränkung des invaginierten Darmteils. Magendarm¬ 
katarrh. Leichte Schwellung der Milz. Katarrh der Nieren. Trübe Schwellung 
des Herzmuskels. Lungenödem. Erweiterung und wandständige Thrombose der 
Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

38. Schimmelwallach, ca. 15 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 28. 10. 1904. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterbaut, in 
der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas Fettgewebe von 
lappigem Bau. Die kräftig entwickelten Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem 
Durchschnitte braunrot und etwas feucht. Gefäße der Unterhaut leer. 

Der Bauch ist mäßig aufgetrieben. Im freien Raum der Bauchhöhle 10 Liter 
oiner braunroten, wässerigen, leicht getrübten Flüssigkeit. Das Bauchfell ist 
zart, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die prall gefüllten und stark ausge¬ 
dehnten Leerdarmschlingen liegen in der linken Unterrippen-, Flanken- und 
Leistengegend und ragen in die rechte Hälfte der Bauchhöhle hinein. Blind- und 
Grimmdarm sind klein, zusammengezogen, liegen auf der rechten Seite der Bauch¬ 
höhle und werden teilweise von den Leerdarmschlingen bedeckt. Bei der Heraus¬ 
nahme des Leerdarms zeigt sich, daß der hintere Abschnitt desselben samt seinem 
Gekröse in einer Länge von 4 m in den Hüft- und Blinddarm hineingeschoben ist. 
Die Wände und das Gekröse des eingeschoideten Darmstückes sind dick und mit 
einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Die Wände des eingescheideten Teiles 
sind gleichfalls blutig imbibiert, besonders sieht die Schleimhaut dieses Teiles 
gleichmäßig dunkelrot aus. Die Schleimhaut des invaginierten Darmstückes bildet 
große wulstartige Falten und ist besonders auf der Höhe des letzteren abgestorben. 
Die abgestorbenen Teile der Schleimhaut erscheinen gelblichgrau und sind fetzig. Im 
invaginierenden Leer-, Hüft- und besonders im Blinddarm finden sich große Mengen 
einer braunroten, blutigen Flüssigkeit, die mit wenig breiigen Bestandteilen ver¬ 
mischt ist. Vor der Einscheidung enthalten Leer- und Zwölffingerdarm viel grau¬ 
grüne, trübe, mit festen Teilchen gemischte Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser 
Darmabschnitte ist streckenweise gerötet. Im Grimmdarm etwas breiiger Inhalt, 
der gegen den Mastdarm hin mehr fest wird. Der Mastdarm ist fast'leer. Die 
Schleimhaut des Grimmdarms erscheint dunkclgrau, die des Mastdarms weißlich¬ 
grau und weist stellenweise ganz schwache Rötungen auf. Der Magen ist groß 
und stark ausgedehnt; seine Wände sind dünn; er enthält viel Gas und dünn¬ 
breiige saure Massen in reichlicher Menge. An der Schleimhaut der Schlundhälfte 



544 


P1LWAT, 


nichts Abweichendes. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte ist etwas dick, trübe 
und gallertartig. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese Schleimhaut braun T 
gegen den Pförtner hin mehr grau aus. Das Gewicht der Leber beträgt 5Y 2 kg. 
An der Zwerchfellfläche ist die Leberkapsel mit mehreren weißlichen Zotten be¬ 
setzt. Die Leberränder sind scharf. Konsistenz der Leber derb. Das Lebergewebo 
ist auf dem Durchschnitte wenig blutreich und graubraun. Die Grenzen der etwa 
hirsekorngroßen Leberläppchen sind gut erkennbar. In der Mitte sind die Läpp¬ 
chen braun, am Rande grau gefärbt. Die Milz mißt 41 cm in der Länge, 24 cm 
in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Milz sieht graublau 
aus, ist an der Oberfläche glatt und besitzt eine schlaffe Konsistenz. Das Balken¬ 
gewebe ist auf dem Durchschnitte noch sichtbar. Pulpa braunrot, reichlich und 
breiig. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide 
Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form und Größe, sehen rotbraun aus und 
fühlen sich etwas derb an. Auf dem Durchschnitte sind die Knäuel in der 
Rinde als feine rote Pünktchen erkennbar. Die Markstrahlen sind breit und treten 
in der Rinde als grauweiße, radiär verlaufende Züge deutlich hervor. Beim 
Streichen mit dem Messerrücken von der Rinde her gegen die Papille hin entleert 
sich aus den großen Sammelröhren eine graugelbe, trübe, schleimige Masse. Die 
Marksubstanz ist blaßrot und streifig. 

In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist blaßgrau und 
durchscheinend, seine Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brustfell¬ 
säcken, sind gut retrahiert, klein, elastisch und knistern überall beim Hinüber- 
streichen mit den Fingerspitzen. Im Herzbeutel 25 ccm einer gelbroten, klaren 
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und 
glänzend. Der Umfang des Herzens beträgt an der Herzbasis 62 cm. Rechte 
Kammer 16 cm, linke 19 cm hoch. Das nicht eröffnete Herz wiegt mit Blut kg. 
Ohne Blut beträgt das Gewicht des Herzens 4 l / A kg. In den rechten Herzhöhlen 
finden sich mäßig große dunkelrote Gerinnsel und etwas flüssiges Blut. Das linke 
Herz ist fast leer und zusammengezogen. Die zwischen den Vor- und Herzkammern 
gelegenen OefTnungen sind normal weit. An den Herzklappen und an der Innen¬ 
haut des Herzens keine Abweichungen. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durch¬ 
schnitte leicht graubraunrot, etwas trocken und trübe. Konsistenz des Herz¬ 
muskels brüchig. Die Halsorgane zeigen außer starker Blässe keine Veränderungen. 
Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylindrisch erweitert. Die 
Wände des Gefäßes sind dick. Die Innenhaut der Arterie trägt auf ihrer Ober¬ 
fläche ein längliches, etwa kleinfingerdickes Gerinnsel, das graurot, etwas brüchig 
und mit der Gefäßwand innig zusammenhängend ist. Unter dieser Auflagerung 
ist die Innenhaut fetzig. An den übrigen Gefäßen des Darmes bestehen keine Ab¬ 
weichungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Invagination des Leerdarmes. 
Blutige Durchtränkung der Wände des invaginierten Darmabschnitts und Diph¬ 
therie seiner Schleimhaut. Leichte Entzündung der Schleimhaut des vor der In¬ 
vagination gelegenen Leerdarmteils. Saure Erweichung der Magenschleimhaut. 
Geringgradige Schwellung der Milz. Katarrhalische Nierenentzündung. Trübe 
Schwellung des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Thrombose der 
ilüft-Blind-Grimmarterie. 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


545 


3. Einklemmung und Abschnürung des Darms. 

Eine Einklemmung des verlagerten Darms bezeichnet man auch 
als „eingeklemmten Bruch“; sie kommt dadurch zustande, daß ein 
Darmteil durch eine enge, mit der Bauchhöhle in Verbindung stehende 
natürliche oder pathologisch entstandene Oeffnung hindurchtritt und 
von den Rändern dieser Oeffnung fest umschnürt wird. Die Bauch¬ 
höhle besitzt in ihrem hinteren Teile zwei fingerförmige Fortsätze, die 
Scheidenfortsätze. Letztere sind als Ausstülpungen des parietalen 
Blattes des Bauchfells anzusehen. Mit dem parietalen Bauchfelle 
haben sich auch die übrigen Wandbestandteile der Bauchdecken aus¬ 
gestülpt, so daß in den Wänden dieser beiden Fortsätze alle Schichten 
der sonstigen Bauchwand nachgewiesen werden können. Die Scheiden¬ 
fortsätze sind bei allen Pferden vorhanden, verkümmern aber bei 
weiblichen Tieren, während sie bei männlichen Tieren zwei große 
Säcke bilden, die zur Aufnahme dor Hoden und Samenstränge dienen. 
Die Scheidenfortsätze stehen mit der Bauchhöhle durch je eine enge 
Oeffnung in Verbindung, die bei Pferden zeitlebens offen ist. Diese 
Oeffnung, innerer Bauchring genannt, stellt einen kleinen Schlitz dar, 
durch den sich nur schwer der Zeigefinger der Hand hindurchführen 
läßt. Bei Wallachen dürfte der Schlitz eine Länge von 2—3 cm be¬ 
sitzen; bei älteren Hengsten ist er zuweilen erheblich größer, so daß 
man zwei Finger in denselben schieben kann. Eine andere natürliche 
Oeffnung findet sich im vorderen Teile der Bauchhöhle. Zwischen 
der magenähnlichen Erweiterung des Grimmdarms und der Bauch¬ 
speicheldrüse auf der einen, und der Leber auf der anderen Seite 
liegt eino enge Oeffnung, das Winslowsche Loch, das den Eingang in 
einen dorsoventral verlaufenden Kanal bildet, der in den Netzbeutel 
führt. Im Zwerchfelle endlich entstehen durch partielle Zerreißung 
Löcher, die die Bauchhöhle mit den Brustfellsäcken verbinden. 

Durch den inneren Bauchring kann eine Darmschlinge unmittel¬ 
bar in den Processus vaginalis eintreten. Bleibt die Darmschlinge 
in demjenigen Teile des Scheidenfortsatzes, der im Leistenkanal liegt, 
so bezeichnet man diese Darm Verlagerung als Leistenbruch, Hernia 
inguinalis, tritt die Darmschlinge tiefer herab, so entsteht ein Hoden¬ 
sackbruch, Hernia scrotalis. Der Durchtritt des Darms durch das 
Winslowsche Loch kann aber nicht von oben her erfolgen, weil hier 
die angrenzenden Organe, Leber und magenähnliche Erweiterung, an 
der dorsalen Bauchwand angewachsen sind und den Zugang zum 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. or 



546 


PILWAT, 

Winslowschen Loch verwehren. Frei bewegliche Darraschlingen 
müssen vielmehr, um durch das Winslowsche Loch hindurchtreten zu 
können, von unten und hinten her den Netzbeutel in der Richtung auf 
das Winslowsche Loch vorschieben. Bei dem Durchtritte von Darm¬ 
schlingen durch das Loch sind letztere deshalb stets vom Netzbeutel 
bedeckt. Nun ist das große Netz beim Pferde wenig widerstands¬ 
fähig und zerreißt leicht, und deshalb bilden die Reste desselben 
einen halskrausenähnlichen Behang um die Einschnürungsstelle des 
Darms. Eine Darmverlagerung durch das Winslowsche Loch wird als 
Hernia foraminis Winslowii bezeichnet. Endlich können Darmteile 
durch Löcher des Zwerchfells aus der Bauchhöhle in einen Pleurasack 
gelangen. Diese üarmverlagerung heißt Zwerchfellsbruch, Hernia 
diaphragraatica. Die durch die genannten Oeffnungen verlagerten 
Darmschlingen werden der Regel nach von den Rändern der Oeffnung 
fest umschnürt und dadurch eingeklemmt. Solche eingeklemmten 
Brüche wurden unter den 428 ausgeführten Sektionen 13mal = 3,04 pCt. 
beobachtet: 

1. Leistenbruch, stets Leerdarm betroffen, 5 Fälle; 

2. Bruch durch das Winslowsche Loch, Leerdarra 4mal, Hüft- 
darm lmal betroffen, 5 Fälle; 

3. Zwerchfellbruch, Leerdarm 2mal, Mastdarm, lmal betroffen, 
3 Fälle. 

Bemerkenswert ist, daß der eingeklemmte Leistenbruch nur bei 
Hengsten gefunden worden ist, die stets einen sehr weiten inneren 
Bauchring besaßen. 

Die Abschnürung von Darmteilen vollzieht sich in der Weise, 
daß strangartige Gebilde, die meist unter pathologischen Verhältnissen 
entstanden sind, sich um Darmschlingen legen und dieselben fest um¬ 
schnüren. Bei älteren Pferden finden sich sehr häutig Stränge in der 
Bauchhöhle, die durch Zerreißung des großen Netzes entstanden sind. 
Nicht selten kommen ferner beim Pferde Lipome vor, die sich aus 
dem zwischen den Gekrösblättern des Mastdarms liegenden Fettgewebe 
entwickeln und ihren Sitz meist dicht am Gekrösansatze haben. 
Diese Lipome üben durch ihr eigenes Gewicht einen Zug auf die Ur¬ 
sprungsstelle aus, die sich allmählich zu einem langen Stiele verlängert, 
an dem das Lipom hängt. In einem Falle hatte sich im linken Eier¬ 
stocke eine kindskopfsgroße Zyste gebildet und war das Aufhänge¬ 
band des Eierstocks zu einem langen Strange ausgezogen. In der Becken 
höhle bei Stuten finden sich endlich zwei freie natürliche Bänder, die breiten 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


547 


Mutterbänder, durch welche Darniteile abgeschnürt werden können. 
Abschnürungen des Darms durch die beschriebenen Stränge und 
Bänder wurden bei 15 Pferden (3,50 pCt.) ermittelt. Der Leerdarm 
war durch einen Netzstrang 8mal, der Hüftdarm 4mal abgeschnürt 
worden. In einem Falle hatte sich um eine Leerdarmschlinge ein 
gestieltes Lipom geschlungen. Der Mastdarm war bei einem Pferde 
durch den zystisch entarteten linken Eierstock und bei einem zweiten 
Pferde durch das linke breite Mutterband abgeschnürt worden. 

Bei Einklemmungen eines Darmteils üben die Ränder der Bruch¬ 
pforte und bei Abschnürungen von Darmteilen der Strang oder das 
Band, die sich um dieselben gelegt haben, einen Druck aus, durch 
den die Fortbewegung der Inhaltsmassen unterbrochen wird. Der Inhalt 
sammelt sich vor der gedrückten Stelle an und dadurch wird der be¬ 
treffende Darmteil ausgedehnt. Die Darmschleimhaut wird durch den 
Inhalt und die Umsetzungsprodukte desselben gereizt, und infolge des 
Reizes entsteht eine Entzündung. Der hinter der Einklemmung oder 
Abschnürung gelegene Darmteil kann dagegen seinen Inhalt entleeren 
und wird, da kein neuer Inhalt in ihn eintreten kann, ganz leer; seine 
Muskelhaut zieht sich deshalb zusammen. In dem eingeklemmten 
oder abgeschnürten Teile, z. ß. bei einer Hemia incarcerata inguinalis 
oder bei einer Abschnürung einer Darmschlinge durch einen Strang, 
kann der Inhalt nicht weiter bewegt werden. Die Ränder der Bruch¬ 
pforte oder die den Darm umschlingenden Stränge drücken auf die 
Blutgefäße der Darmwand und erzeugen an der Schnürstelle einen 
anämischen Ring, eine Strangulationsmarke. Der Blutstrom in den 
Venen und Kapillaren ist vollständig unterbrochen, weil diese Gefäße 
dünne Wände besitzen, die schon durch mäßigen Druck zusammen¬ 
gedrückt werden können. Dagegen bleiben die Arterien infolge ihrer 
dicken und elastischen Wände zum Teil offen. Durch die Arterien 
wird dem abgeschnürten Darmteile noch Blut zugeführt, das infolge 
des Verschlusses der Venen nicht wieder abfließen kann. Deshalb 
bildet sich sehr rasch im eingeklemmten oder abgeschnürten Darm¬ 
teile eine hochgradige Stauung aus, die bereits beim Volvulus des 
Darms beschrieben worden ist. Das Stauungsexsudat fließt über die 
Darmschleimhaut in den eingeklemmten oder abgeschnürten Darmteil 
und über die Serosa desselben entweder in den Bauchsack, Processus 
vaginalis, Pleurasack oder direkt in den freien Raum der Bauchhöhle. 
Da die Bruchsäcke mit der Bauchhöhle kommunizieren, so kann das 
Exsudat auch aus ihnen in die Bauchhöhle abfließen. 

35 • 



548 


PILWAT, 


Die eingeklemmten oder abgeschnürten Darmteile haben in der 
Regel nur eine geringe Länge; eine Verblutung in das Darmlumen 
und in den freien Raum der Bauchhöhle, wie sie beim Volvulus des 
Darms beobachtet wird, pflegt deshalb nicht einzutreten. Der ein¬ 
geklemmte oder abgeschnürte Darmteil stirbt auch bald ab. Auf die 
in der Stauung befindliche und dadurch weniger widerstandsfähige 
Schleimhaut wirken die Produkte der Umsetzung des Darminhalts ein 
und die am Darminhalte haftenden Mikroorganismen, die sonst un¬ 
schädlich sind, dringen in die ihres natürlichen Schutzes beraubte 
Schleimhaut ein und bewirken ihre Ertötung. Vor dem abgeschnürten 
Darmteile sammelt sich der Inhalt an; der Teil erweitert sich, und 
die Schleimhaut desselben wird gereizt. Die Einklemmung oder Ab¬ 
schnürung des Darms führt beim Pferde meist rasch zum Tode. Der 
tödliche Ausgang wird durch das rasche Zusammenwirken der ange¬ 
führten Prozesse erzeugt. In einzelnen Fällen kann die Gasentwickelung 
in dem vor der Abschnürung gelegenen Darmteile und im Magen so 
hochgradig werden, daß eine Zerreißung des Magens eintritt oder daß 
infolge der Bewegungstörungen des Zwerchfells Erstickung erfolgt. 

Ziemlich häufig findet man bei der Obduktion von Pferden, die 
an Kolik oder an anderen Krankheiten gestorben sind, Lageveränderungen 
des Darms, die erst während des Todeskarapfes zustande gekommen 
sind. Diese Lageveränderungen entstehen dadurch, daß sich der 
Darm während des Todeskampfes unregelmäßig zusammenzieht. Der 
Darm ist an einer oder mehreren Stellen verengt, und da der Kon¬ 
traktion die Todesstarre folgt, so wird der Kontraktionszustand des 
Darms stabil gemacht. Diese Verengerungen des Darms können mit 
wirklichen Darmstenosen leicht verwechselt werden, unterscheiden sich 
jedoch von ihnen dadurch, daß sie gewöhnlich multipel sind und durch 
mäßige Ausdehnung der Darmwände leicht beseitigt werden können. 
Ferner können Lage Veränderungen des Darms nach dem Tode durch 
den Transport des Kadavers und starke Gasentwickelung in einzelnen 
Darmteilen sich ausbilden. Nicht selten zerreißt bei starken An¬ 
sammlungen von Gas im Magen und Darm das Zwerchfell und werden 
Darmschlingen durch den Riß in einen Pleurasack hineingedrückt. 
Endlich kann eine Darm Verlagerung, z. B. eine Invagination des Darms, 
während der Obduktion durch unvorsichtige Herausnahme des Darms 
entstehen. Alle Darm Verlagerungen, die sich während des Todes 
oder nach demselben ausgebildet haben, unterscheiden sich von den 
bei Lebzeiten entstandenen dadurch, daß weder eine Ansammlung des 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


549 


Darminhalts noch eine Zirkulationsstörung am verlagerten Darmteil 
nachzuweisen ist, weil nach dem Tode sowohl die Fortbewegung des 
Darminhalts als auch die Zirkulation des Blutes aufhört. 

39. Rapphengst, ca. 8 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 31. 10. 1904. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in 
der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas graues Fettge¬ 
webe von lappigem Bau. Die gut entwickelten Muskeln sind totenstarr, auf dem 
Durchschnitte rot und etwas feucht. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Die rechte Seite des Hodensaokes hat die 
Größe einer doppelten Mannsfaust und fühlt sich weich an. Nach Eröffnung der 
Scheidenfortsätze zeigt sich im rechten Fortsatze eine 30—40 cm lange, neben 
dem Samenstrange liegende Darmschlinge, die schwarzrot gefärbt ist; die Wände 
derselben sind dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Die Darm¬ 
schlinge gehört dem hinteren Abschnitte des Leerdarmes an und ist durch die 
Ränder des inneren Baucbringes fest umschnürt. An der Einschnürungsstelle 
findet sich an der verlagerten Darmschlinge ein weißlicher blutleerer Strangu¬ 
lationsring. Der rechte Scheidenfortsatz enthält etwa 1 Liter einer dunkelroten 
wässerigen Flüssigkeit. Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich etwa 10 Liter 
der beschriebenen Flüssigkeit vor. Der Leerdarm ist lang und weit; er nimmt 
den größten Raum in der Bauchhöhle ein. Blind- und Grimmdarm liegen rechts 
und sind zum Teil von Leerdarmschlingen bedeckt. Das Bauchfell ist zart und 
besitzt an seiner Oberfläche einen spiegelnden Glanz. Einzelne Leerdarmschlingen 
zeigen an ihrer Außenfläche gefüllte und fein verästelte Venennetze. Der Zwölf¬ 
finger- und Leerdarm sind mit einer bräunlich-grauen Flüssigkeit prall gefüllt. 
Die Schleimhaut des Leerdarmes sieht streckenweise dunkelrot aus und trägt in 
großer Ausbreitung auf ihrer Oberfläche einen grauen, schmierigen, abstreifbaren 
Belag, der aus den erweichten Darmzotten besteht. Der im rechten inneren Bauch¬ 
ringe liegende Teil des Leerdarmes läßt zwei weißlich-graue, blutleere Schnür- 
furchen erkennen. Die abgeschnürte Leerdarmschlinge enthält viel dunkelgrau¬ 
braune, trübe Flüssigkeit, ihre Schleimhaut ist großenteils abgestorben, grau und 
fetzig. Der rechte innere Leistenring ist 5 cm, der linke 3 cm lang. Der Hüftdarm 
ist leer und zusamraengezogen. Im Blind- und Grimmdarme wenig dickbreiiger, 
im Mastdarme etwas geformter Inhalt. Die Schleimhaut des Blind- und Grimm¬ 
darmes sieht graubraun, die des Mastdarmes weißlich-grau aus. Der Magen ent¬ 
hält viel Gas und 15 Liter flüssige und breiige saure Massen. An der Schleim¬ 
haut der Schlundhälfte nichts Abweichendes. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte 
ist dick, trübe und gallertartig. In der Gegend der Fundusdrüsen sieht diese 
Schleimhaut dunkelbraun, gegen den Pförtner hin mehr grau aus. Das Gewicht 
der Leber beträgt 4 l / 2 kg. Die Leberkapsel ist an der vorderen Fläche der. Leber 
mit zahlreichen weißlich-grauen Zotten besetzt. Die Leberränder sind scharf Das 
Lebergewebe erscheint auf dem Durchschnitte etwas trocken, gelblich-graubraun, 
lehmfarben und trübe. Die Grenzen der Leberläppchen sind nicht deutlich er¬ 
kennbar. Konsistenz der Leber etwas mürbe. Die Milz mißt 57 cm in der'Länge, 
28 cm in der größten Breite und 4,5 cm in der größten Dicke. Konsistenz der 



550 


PILWAT, 


Milz schlaff. Auf der Oberfläche der Milz zeigen sich mehrere halbhandtellergroße 
beetartige Erhebungen, die dunkelblau gefärbt sind. Auf dem Durchschnitte ist 
das Balkengewebe in den hügelartigen Erhebungen der Milz nicht sichtbar. Pulpa 
dunkelrot, reichlich und zerfließlich. In den übrigen Abschnitten der Milz sind 
die Trabekeln nicht sichtbar; Pulpa hier braunrot. Die Nierenkapseln lassen sich 
leicht von den Nieren abtrennen. An der Größe und Gestalt beider Nieren nichts 
Abweichendes. Konsistenz der Nieren etwas brüchig. Auf dem Durchschnitte er¬ 
scheint die Rindenschicht trübe, trocken und fleckweise graubraun gefärbt. Die 
Gefaßknäuel sind in der Rinde nur stellenweise als rote Punkte erkennbar. Die 
Marksubstanz ist streifig und gerötet. 

ln den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist zart und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den 
Brustfellsäcken, befinden sich im Retraktionsznstande und sehen hellrot aus. Das 
Lungengewebe fühlt sich weich, elastisch an und knistert beim Hinüberstreichen 
mit den Fingerspitzen. Im Herzbeutel 30 ccm einer gelbroten klaren Flüssigkeit. 
Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. In 
den rechten Herzhöhlen mäßig große dunkelrote Gerinnsel und flüssiges Blut. Die 
linken Herzhöhlen enthalten kleine dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Die 
zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhn¬ 
liche Weite. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur 
sieht auf dem Durchschnitte graurot, fleckweise grau, trocken und trübe aus. Kon¬ 
sistenz brüchig. An den Halsorganen liegen keine pathologischen Veränderungen 
vor. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang und zylindrisch erweitert. 
Die Wand des Gefäßes ist verdickt. Auf der Innenhaut desselben sitzen mehrere 
erbsen- bis linsengroße rötlich-graue, bröckelige Gerinnsel, unter denen die Innen¬ 
haut zahlreiche Risse und Defekte zeigt. Die übrigen Gefäße des Darmes sind 
wegsam und frei von Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Eingeklemmter Leistenbruch 
des Leerdarmes. Blutige Durchtränknng der Wände des abgeschnürten Darm¬ 
stückes und schwere diphtherische Entzündung seiner Schleimhaut. Entzündung 
und postmortale Erweichung der Schleimhaut des Zwölffinger- und Leerdarmes. 
Saure Magenerweichung. Akute multiple Milzschwellung. Trübe Schwellung der 
Leber, der Nieren und des Herzmuskels. Erweiterung und wandständige Throm¬ 
bose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

40. Dunkelbrauner Wallach, ca. 10 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 17. 10. 1905. 

Der Kadaver ist gut genährt, ln der Unterbaut, in der Umgebung der Ge¬ 
lenke und unter dem Bauchfelle liegt dickes, gelblich-weißes Fettgewebe, das auf 
dem Durchschnitte einen lappig-traubigen Bau zeigt. Gefäße der Unterhaut fast 
leer. Die Körpermuskeln sind kräftig entwickelt, totenstarr, auf dem Durchschnitte 
schwach graubraunrot und mäßig feucht. 

Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle etwa 15 Liter 
einer blutigen rot gefärbten Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart, an seiner Ober¬ 
fläche glatt. Der Blinddarm liegt in der Mitte, die rechten Grimmdarmlagen auf 
der rechten, die linken Lagen des Grimmdarmes auf der linken Seite der Bauch¬ 
höhle. Der Leerdarm ist sehr lang und weit; er nimmt den größten Teil der Bauch- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


551 


höhle ein. Die Leerdarmschlingen sehen außen graurot aus; nur eine, in der rechten 
Unterrippengegend gelegene Schlinge dieses Darmes sieht dunkelrot aus und be¬ 
sitzt an der Oberfläche einen starken Glanz. Bei der Herausnahme dos Leerdarmes 
zeigt sich, daß diese Schlinge durch das Winslowsche Loch hindurchgetreten und 
von den Rändern desselben fest umschnürt ist. Diese Schlinge gehört dem hinteren 
Leerdarmabschnitte an und besitzt eine Länge von 1 m. Die Abschnürungsstellen 
markieren sich als weißliche, anämische Ringe. Die Wand des abgeschnürten 
Darmstückes ist dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt, seine Schleim¬ 
haut ist in den oberflächlichen Schichten abgestorben und bildet eine zusammen¬ 
hängende graue, trübe Haut, die stellenweise fetzig ist. Vor der vorderen Abschnü¬ 
rungsstelle sind Leer- und Zwölffingerdarm sehr weit und mit einer graubraunen 
trüben Flüssigkeit stark angofüllt. Die Schleimhaut dieser Abschnitte ist strecken¬ 
weise dunkelrot gefärbt und in den oberflächlichen Schichten in Form von grauen 
zum Teil fetzigen Häuten abgestorben. Der Blinddarm enthält etwas graubraunen 
dünnbreiigen Inhalt in mäßiger Menge. In der magenähnlichen Erweiterung des 
Grimmdarmes ist der Inhalt massiger, mehr fest und trocken. Die Schleimhaut ist 
hier schwach gerötet; sonst sieht die Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes 
dunkelgrau aus. Der Mastdarm ist fast leer, seine Schleimhaut weißlich-grau. Der 
Magen ist groß, er ist durch Gas stark ausgedehnt und enthält außerdem etwa 12 
Liter dünnbreiige dunkelgraubraune Massen. Die Schleimhaut der Pförtnerbälfte 
ist stark diffus gerötet, in der Gegend der Fundusdrüsen gekörnt, gegen den 
Pförtner hin mit einem grauen zähen schwer abspülbaren Belage versehen. Das 
Gewicht der Leber beträgt 7 kg. Die Leberränder sind abgerundet. Oberfläche der 
Leber glatt. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte wenig blutreich, grau¬ 
braun und trübe. Schnittfläche etwas fettig. Die Grenzen der Leberläppchen sind 
noch erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind bis reiskorngroß und grau gefärbt. 
Konsistenz der Leber etwas brüchig. Die Milz mißt 56 cm in der Länge, 26 cm in 
der größten Breite und 3,5 cm in der größten Dicke. Die Oberfläche der Milz ist 
hügelig. Die Erhabenheiten erscheinen dunkelblau, die übrigen Abschnitte mehr 
graublau. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist die Pulpa in den 
Hügeln dunkelrot, reichlich und fast flüssig; das Balkengew'ebe wird hier von der 
Pulpa verdeckt. In den anderen Teilen der Milz erscheint die Pulpa rotbraun, ist 
weniger reichlich und läßt das Balkengewebe noch frei. Die Nierenkapseln sind 
leicht von den Nieren abzutrennen. Die Nieren sehen außen graubraun, glatt und 
mattglänzend aus. Form und Größe der Nieren ohne Abweichung. Auf dem Durch¬ 
schnitte liegen in der graubraunen etwas trüben Rindenschicht zahlreiche breite 
graue radiär verlaufende Streifen. Beim Streichen mit dem Messerrücken von der 
Rinde gegen die Papilla hin entleert sich aus den großen Sammelröhren eine gelb¬ 
lich-weiße eiterähnliche Masse. Die Marksubstanz ist gestreift, an der Papilla 
blaßgrau, nach der Rinde hin stärker gerötet. 

Die Brustfellsäcko sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, seine 
Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, sind 
gut retrahiert, hellrot und lufthaltig. Im Herzbeutel ein Teelöffel voll einer gelb¬ 
lichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter 
ist glatt. Das rechte Herz ist mit flüssigem und geronnenen dunkelroten Blute 
mäßig gefüllt. In den linken Herzhöhlen ganz kleine dunkelrote und speckhäutige 
Gerinnsel. Die Innenhaut, hauptsächlich der linken Herzhälfte, ist größtenteils 



552 


PJL WAT, 

plattenartig verdickt, grauweiß und undurchsichtig. Unter der Innenhaut des 
linken Ventrikels liegen große strich- und fleckenförmige Blutungen. Die Herz¬ 
klappen der linken Herzhälfte sind in ihren Randteilen etwas verdickt und derb. 
Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind für eine läng¬ 
lich zusammengelegte Faust passierbar. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durch¬ 
schnitte graubraunrot, etwas trocken und trübe. Konsistenz brüchig. Die Hals¬ 
organe erweisen sich bei der Untersuchung als frei von Veränderungen. Die Hüft- 
Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5 cm lang und spindelförmig erweitert. Die Gefä߬ 
wand ist ungleichmäßig verdickt, an der Innenfläche rauh und mit mehreren ad- 
härenten Auflagerungen versehen, die rötlich-grau und bröcklig sind. Alle übrigen 
Darmgefäße sind wegsam und frei von Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Eingeklemmter Bruch des Leer¬ 
darms im Winslo vvschen Loch. Blutige Durchtränkung der Darmwände des einge¬ 
klemmten Teiles und Diphtherie ihrer Schleimhaut. Starke Ausdehnung und blutig¬ 
diphtherische Entzündung des Leerdarmes vor der Einklemmungsstelle. Blutige 
Entzündung der Drüsenschleimhaut des Magens. Fäkalstase in der magenähnlichen 
Erweiterung des Grimmdarmes. Trübung und Fettinfiltration der Leber. Akute 
multiple Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Trübe Schwellung des 
Herzmuskels. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des Herzens. 
Blutungen unter der Herzinnenhaut. Erweiterung und wandständige Thrombose 
der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

4L Brauner Wallach, ca. G Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 4. 9. 1904. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut und 
unter dem Bauchfelle liegt etwas Fettgewebe von lappigem Bau. Die Körpermuskeln 
sind totenstarr, auf dem Durchschnitte braunrot und mäßig feucht. 

Der Bauch ist aufgetricben. Im freien Raume der Bauchhöhle mehrere Liter 
einer roten blutigen Flüssigkeit. Das Bauchfell ist zart, seine Oberfläche glatt. 
Blind- und Grimmdarra sind lang und weit. Der Blinddarm und die rechten Lagen 
des Grimmdarmes liegen auf der rechten, die linken Grimmdarmlagen auf der 
linken Seite der Bauchhöhle. Der Leerdarm, dessen Schlingen vereinzelt durch 
Gas aufgetrieben erscheinen, liegt mehr auf der linken Seite der Bauchhöhle. Der 
vordere Teil des Mastdarmes ist durch ein schlitzförmiges, 4 cm langes Loch, 
welches sich im sehnigen Teile der linken Zwerchfellhälfte findet, in den linken 
Brustfellsaok hineingetreten und von den Rändern dieser Oeffnung fest umschnürt. 
Die Ränder des Zwerchfellloches sind weißlich-grau, glatt und im geringen Grade 
wulstartig verdickt. Ein Teil des Mastdarmgekröses ist mit dem Rande der Zwerch¬ 
fellöffnung fest verwachsen. Die von den Rändern derZwerchfellöffnungumschnürten 
Teile des Mastdarmes zeigen eine deutliche weißlich-graue Strangulationsmarke. 
Das im linken Brustfellsacke liegende Stück des Mastdarmes besitzt eine Länge 
von 0,75 ra und sieht dunkelrot bis schwarzrot aus; die Wände desselben sind dick 
und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. Die Schleimhaut dieses Teiles 
bildet große dunkelrote Wülste, auf dereu Höhe die oberflächlichen Schleimhaut¬ 
schichten abgestorben, graugrün und fetzig sind. Der hintere Teil des Mastdarmes 
ist leer. Im Blind- und Grimmdarme reichliche Gasansammlung und breiiger bis 
fe$tw T eicher Inhalt in großer Menge. Die Schleimhaut dieser Darmabschnitte läßt 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


553 


stellenweise eine schwache Rötung erkennen und ist sonst graugrün gefärbt. Leer- 
und Hüftdarm enthalten etwas Gas und viel graugrüne Flüssigkeit, die gegen den 
Blinddarm hin mit breiigen Bestandteilen vermischt ist. Die Schleimhaut des Zwölf¬ 
finger-, Leer- und Hüftdarmes ist grau und trübe. Der Magen enthält neben Gas 
5 Liter dickbreiige saure Massen. Die Schleimhaut der Pförtner hälfte ist etwas 
dick, trübe und gallertartig, in der Gegend der Fundusdrüsen graubraun, gegen 
den Pförtner hin mehr grau gefärbt. An der Schleimhaut der Schlundhälfte zeigen 
sich keine Abweichungen. Das Gewicht der Leber beträgt 6 kg. Die Oberfläche 
der Leber ist glatt und rötlich-graubraun. Leberränder soharf. Konsistenz der 
Leber derb. Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte wenig blutreich und grau¬ 
braun. Die Grenzen der Leberläppchen sind ziemlich gut erkennbar. Die einzelnen 
Läppchen sind hirsekorngroß, in der Mitte braun, am Rande grau. Die Milz mißt 
48 cm in der Länge, 24 cm in der größten Breite und 3 cm in der größten Dicke. 
Oberfläche der Milz glatt und graublau. Konsistenz schlaff. Das Balkengewebe 
ist auf dem Durchschnitte noch erkennbar. Pulpa braunrot, etwas reichlioh und 
zerfließlich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Beide 
Nieren sehen außen braunrot, an der Oberfläche glatt und mattglänzend aus. An 
der Größe und Gestalt der Nieren nichts Abweichendes. Konsistenz derb. Auf 
dem Durchschnitte erscheint die Rindenschicht rötlich-graubraun und etwas trübe. 
Die Gefäßknäue) sind in der Rinde erkennbar. Marksubstanz blaßrot und ge¬ 
streift. 

Die Brustfellsäoke enthalten 7 Liter einer dunkelroten blutigen Flüssigkeit. 
Das Brustfell ist zart, seine Oberfläche glatt. Die Lungen liegen frei in den Brust¬ 
fellsäcken, sind klein, retrahiert und lufthaltig. Im Herzbeutel zwei Eßlöffel voll 
einer gelbroten wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herz¬ 
beutelblätter ist glatt und glänzend. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem 
und geronnenen dunkelroten Blute ziemlich stark gefüllt. In den linken Herz¬ 
höhlen kleine dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und 
Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Herzklappen 
und Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte 
graurot, trocken und trübe, ihre Konsistenz ist brüchig. Die Halsorgane sind frei 
von Veränderungen. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,6cm lang und spindelförmig erweitert; 
ihre Wand ist dick. Die Oberfläche der Gefäßinnenhaut ist rauh und mit mehreren 
warzenartigen grauroten Auflagerungen versehen, die bröcklig sind und der Ge¬ 
fäßwand fest anhaften. Die übrigen Gefäße des Darmes sind wegsam und ohne 
Veränderungen. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Alte Zerreißung im Zwerchfelle. 
Verwachsung des Mastdarmgekröses mit dem Zwerchfelle. Verlagerung des vorderen 
Teiles des Mastdarmes durch das Loch des Zwerchfelles in den linken Brustfellsack 
und Abschnürung des verlagerten Mastdarmstückes. Blutige Durchtränkung der 
Wand des abgeschnürten Darmstückes und Diphtherie seiner Schleimhaut. Starke 
Ausdehnung und Entzündung des Blind- und Grimmdarmes. Saure Erweichung 
der Magenschleimhaut. Geringgradige Schwellung der Milz. Leichte Trübung der 
Nieren. Starke trübe Schwellung der Herzmuskulatur. Erweiterung und wand¬ 
ständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 



554 


PI L WAT 


42. Braune Stute mit Stern, ca. 15 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 6. 11. 1905. 

Der Kadaver ist gut genährt, in der Unterhaut und unter dem Bauchfelle 
liegt viel gelblich-weißes Fettgowebe, dessen Durchschnittsfläche einen lappigen 
Bau zeigt. Die Körpermuskeln sind gut entwickelt und totenstarr; sie erscheinen 
auf dem Durchschnitte schwach graubraun und etwas trübe. Gefäße der Unter¬ 
haut leer. 

Der Bauch ist ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle etwa 10 Liter 
einer grauroten, etwas trüben, mit kleinen Gerinnseln vermischten Flüssigkeit. Die 
Blätter des Bauchfells sind in großer Ausdehnung teils diffus, teils fleckig, teils 
durch gefüllte Gefäßnetze gerötet. Die Oberfläche des Bauchfells ist rauh und an 
einzelnen Stellen mit einem dünnen grauen netzartigen Belage versehen, der sich 
abheben läßt. Der Leerdarm ist lang, weit und nimmt den größten Teil der Bauch¬ 
höhle ein. Blind- und Grimmdarm sind regelmäßig gelagert und großenteils von 
Leerdarmschlingen bedeckt. Bei dem Heraussöhneiden des Leer- und Hüftdarmes 
zeigt sich, daß eine Darmschlinge, die dem hinteren Teile des Leerdarmes und 
dem vorderen Hüftdarmteile zugehört, von einem federkieldicken grauen Netz¬ 
strange fest umschnürt ist. Die Umschnürungsstelle kennzeichnet sich als ein 
blutleerer grauer Ring. Der abgeschnürte Darmteil hat eine Länge von 70 cm, 
sieht schwarzrot aus und zeigt an seiner Außenfläche einen halbhandtellergroßen 
gelbbraunen, ziemlich scharf begrenzten Fleck. Das Gewebe der Darmwand ist 
hier abgestorben, trocken und etwas mürbe. Die übrigen Wandabschnitte der ab¬ 
geschnürten Darmschlinge sind schwarzrot, dick und mit einer blutigen Flüssig¬ 
keit durchtränkt. Die Schleimhaut ist hier bis in die tiefsten Schichten hinein ab¬ 
gestorben, graugelb und fetzig, ln dev abgeschnürten Darmschlinge findet sich 
viel braunrote trübe Flüssigkeit. Der vordere Abschnitt des Leerdarmes und der 
Zwölffingerdarm sind mit Gas und graugrünen flüssigen Massen stark gefüllt. Die 
Leerdarmschleimhaut ist hier streckenweise gerötet, mit Blutungen durchsetzt und 
trägt auf ihrer Oberfläche einen grauen zähen schleimigen Belag, der sich schwer 
abspülen läßt. Im Blinddärme dünnbreiiger, im Grimmdarme dickbreiiger, gegen 
den Mastdarm hin mehr trocken werdender Inhalt in mäßiger Menge. Der Mast¬ 
darm enthält einige Kotballen. Die Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes 
ist dunkelgrau, die des Mastdarmes weißlich-grau. Der Magen enthält 12—15 Liter 
flüssige und breiige graugrüne Massen. Die Schleimhaut der Schlundhälfte ist 
weißlich-grau, die der Pförtnerhälfte fleckweise gerötet. In derGegend der Fundus¬ 
drüsen erscheint diese Schleimhaut flach gekörnt, gegen den Pförtner hin wird 
ihre Oberfläche mehr glatt. Das Gewicht der Leber beträgt 6,5 kg. Die Ober¬ 
fläche der Leber ist glatt und rötlich-graubraun. Konsistenz der Leber etwas 
brüchig. Das Lebergewebe ist auf dem Dnrchschnitte wenig blutreich, graubraun 
und etwas trübe. Die Grenzen der Leberläppchen sind bequem sichtbar. Die ein¬ 
zelnen Läppchen haben die Größe eines Hirsekorns, sind in der Mitte braun, am 
Rande grau gefärbt. Die Milz mißt 46 cm in der Länge, 21 cm in der größten 
Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Milzkapsel ist fleckig und durch ge¬ 
füllte Gefäßnetze gerötet. Oberfläche der Milz höckerig. Konsistenz weich. Auf 
dem Durchschnitt ist das Balkengewebe in den Erhebungen der Milz schwer sicht¬ 
bar; die Pulpa ist hier dunkelrot bis schwarzrot, reichlich und zerfließlich. In 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


555 


den übrigen Abschnitten der Milz ist das Balkengewebe noch ziemlich deutlich 
erkennbar. Pulpa braunrot. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren 
abtrennen. Rechte Niere 18 cm lang, 19 cm breit und 5,8 cm dick. Linke Niere 
21 cm lang, 17 cm breit und 6 cm dick. Die Nieren sehen graubraunrot aus und 
brechen leicht. Auf dem Durchschnitt ist dieRindenschicht graurot, etwas trocken 
und trübe. DieGefaßknäuel sind als große dunkelrote Punkto leicht wahrnehmbar. 
Die Marksubstanz ist gestreift und stärker gerötet. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an 
der Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den ßrustfellsäcken, 
sind zusammengefallen und sehen rot aus. Das Lungengewebe fühlt sich weich, 
elastisch an und knistert beim Hinüberstreichen mit den Fingerspitzen. Im Herz¬ 
beutel ein Eßlöffel voll einer rötlichen, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich 
berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz ist schlaff 
und enthält dunkelrotes flüssiges und geronnenes Blut in mäßiger Menge. Die 
linken Herzhöhlen sind zusammengezogen und enthalten nur kleine speckhäutige 
Gerinnsel. Die zwischen den Vor- und Herzkammern gelegenen Oeffnungen sind 
so weit, daß sich eine länglich zusammengelegte Hand bequem durch dieselben 
hindurchführen läßt. Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind zart. 
Die Herzmuskulatur sieht auf dem Durchschnitt graurot aus ist trocken und trübe, 
ihre Konsistenz ist mürbe. An den Halsorganen bestehen keine Abweichungen. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,3 cm lang und stark erweitert; ihre 
Wände sind starr, 2—4 mm dick und knirschen beim Durchschneiden. Die Innen¬ 
fläche des Gefäßes ist rauh und mit mehreren grauroten bröckligen Auflagerungen 
versehen, die der Gefäßwand fest anhaften. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Abschnürung einer Leerdarm¬ 
schlinge durch einen Netzstrang. Blutige Durchtränkung und Nekrose der Darm- 
w r and im abgeschnürten Teile. Katarrh des Leerdarmes und des Magens. Akute 
allgemeine serös-fibrinöse Bauchfellentzündung. Akute multiple Milzschw r ellung. 
Trübe Schwellung der Nieren, der Leber und des Herzmuskels. Leichte Trübung 
der Körpermuskeln. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind- 
Grimmdarmarterie. 

43. Dunkelfuchswallach, 12—15 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 26. 1. 1905. 

Der Kadaver befindet sich im mittleren Nährzustande, ln der Unterhaut und 
unter dem Bauchfell liegt etwas gelbweißes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitt 
einen lappigen Bau zeigt. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf dem Durch¬ 
schnitt braunrot und mäßig feucht. An der rechten seitlichen Brustwand zeigt 
sich ein doppelhandtellergroßer dunkelroter Fleck. Hier sind das Unterhautgewebe 
und die darunter gelegenen Muskeln dick und blutig durchtränkt. Beim Ein¬ 
schneiden auf dieser Stelle w r ird ersichtlich, daß die 8., 9. und 10. Rippe etwa in 
der Mitte quer gebrochen sind. 

Der Bauch ist stark ausgedehnt. Im freien Raume der Bauchhöhle lassen 
sich etwa 15 Liter einer dunkelroten, trüben Ftüssigkeit nachweisen, die mit Blut¬ 
gerinnseln vermischt ist. Das Bauchfell ist zart und durchscheinend, seine Ober¬ 
fläche glatt und glänzend. Blind- und Grimmdarm liegen auf der rechten Seite 
der Bauchhöhle. Der Leerdarm liegt mehr links, nimmt den größten Teil der 



556 


PILWAT, 


Bauchhöhle ein und bedeckt große Abschnitte des Blind- und Grimmdarmes. Die 
Mehrzahl der sichtbaren Leerdarmschlingen ist prall gefüllt und dunkelrot gefärbt; 
ihre Oberfläche besitzt einen spiegelnden Glanz. Bei dem Herausschneiden des 
Leerdarms zeigt sich, daß das Gekröse desselben ungefähr in der Mitte des Darmes 
in größerer Ausdehnung zerrissen und blutig durchtränkt ist. Eine etwa kinder¬ 
faustgroße, langgestielte Fettgeschwulst des Mastdarragekiöses hat sich um mehrere, 
von ihrem Gekröse abgerissene Leerdarmschlingen geschlungen und dieselben fest 
umschnürt. Die freien Leerdarmschlingen und die hinter denselben gelegenen noch 
am unverletzten Gekröse hängenden haben sich mehrfach um ihre Querachse ge¬ 
dreht und ineinander verschlungen, so daß die Abtrennung dieses Darmteils sehr 
schwierig ist. Der Inhalt des Leerdarmes besteht in seinem vorderen Teile aus 
einer graubraunen etwas schleimigen, im hinteren abgeschnürten und verschlun¬ 
genen Abschnitte aus einer großen Menge braunroter, trüber Flüssigkeit. Die Ab- 
schnürungsstcllen sind durch zwei graue, blutleere Ringfurchen in der Darmwand 
gekennzeichnet. Zwischen diesen Schnürfurchen ist die Darmwand dick, schwarz¬ 
rot, blutig durchtränkt. Die Schleimhaut dioses Teils ist graugelb, bis in die 
tieferen Schichten hinein abgestorben und fetzig. Die vor und hinter diesem ab¬ 
geschnürten Darmstücke liegenden verschlungenen und gedrehten Leerdarm¬ 
abschnitte besitzen gleichfalls dicke, blutig durchtränkte Wände, jedoch ist die 
Verdickung weniger erheblich als im abgeschnürten Teile. Die Schleimhaut ist 
hier dunkelrot und bildet große, wulstartige Falten. Die Schleimhaut des Zwölf¬ 
fingerdarms ist grau, die des vorderen Leerdarmabteils streckenweise gerötet. Im 
Blinddärme dünnbreiige, im Grimmdarme dickbreiige Massen in mittlerer Menge. 
Die Schleimhaut dieser Darmteile sieht dunkelgraugrün aus. Der Mastdarm enthält 
wenige Kotballen, seine Schleimhaut sieht weißlich-grau aus. Der Magen enthält 
15 kg dickbreiige, saure Massen, seine Schleimhaut sieht in der Pförtnerhälfte 
etwas trübe und gallertartig aus; sie ist im Bereiche der Fundusdrüsen graubraun, 
gegen den Pförtner hin mehr grau gefärbt. Das Gewicht der Leber beträgt l l j 2 kg. 
Die Leberränder sind etwas abgerundet. Das Lebergewebe ist auf dem Durch- 
schnitto sehr blutarm und graubraun. Die Grenzen der Leberläppchen sind deutlich 
erkennbar. Die Läppchen sind in der Mitte braun, am Rande in schmaler Zone 
grau gefärbt. Konsistenz der Leber derb. Die Milz mißt 47 cm in der Länge, 
21 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Oberfläche der 
Milz ist glatt und graublau. Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte 
ist das Balkengewebe noch erkennbar. Pulpa braunrot, etwas reichlich und sehr 
weich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die Nieren 
sehen außen glatt, mattglänzend und rötlich-braun aus; sie besitzen ihre gewöhn¬ 
liche Form und Größe. Konsistenz derb. Auf dem Durchschnitte erscheint die 
Rindenschicht graubraun und etwas trübe. Die Gefäßknäuel sind als rote Punkte 
in der Rinde sichtbar. Marksubstanz rötlich-grau und streifig, an der Grenze der 
Rinde dunkelrot. 

Die Brustfellsäcke enthalten keinen fremden Inhalt. Das die rechte Rippen¬ 
wand überziehende Brustfell ist in der Gegend der 8.—10. Rippe dunkelrot und 
mit Blutungen durchsetzt. Sonst ist das Brustfell zart. Die Lungen liegen frei in 
den Brustfellsäcken, sind groß und sehen hellrot aus. Das Gewebe der Lungen ist 
weich, knistert beim Hinüberstreichen und fühlt sich puffig an. Fingereindrücke 
bleiben an der Oberfläche der Lungen bestehen. Im Herzbeutel 15 ccm einer gelb- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


557 


roten, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläohe der sich berührenden Herzbeutelblätter 
ist glatt und glänzend. Das Herz ist schlaff und enthält mäßig große, dunkelrote 
und speckhäutige Gerinnsel, sowie etwas flüssiges Blut. Die linken Herzhöhlen 
sind fast leer und zusammengezogen. Atrio-Ventrikularöffnungen normal weit. 
Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Die Herzmuskulatur erscheint auf 
dem Durchschnitte graubraunrot und etwas trübe; ihre Konsistenz ist brüchig. 
Die Halsorgane zeigen außer auffallender Blässe keine Abweichungen. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 3,5 cm lang und zylindrisch erweitert. 
Die Wand des Gefäßes ist dick, an der Innenfläche rauh und mit mehreren linsen- 
bis erbsengroßen, rötlich-grauen, bröckligen Gerinnseln versehen, die der Wand 
fest anhaften. Unter diesen Auflagerungen ist die Innenhaut fetzig. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Abschnürung mehrerer Leer¬ 
darmschlingen durch eine gestielte Fettgeschwulst des Mastdarragekröses. Drehung 
und Verschlingung zahlreicher Leerdarmschlingen. Blutige Durchtränkung des 
abgeschnürten und verschlungenen Leerdarmteils. Diphtherie der Leerdarmschleim¬ 
haut im abgeschnürten Teile. Saure Erweichung der Magenschleimhaut. Gering¬ 
gradige Schwellung der Milz. Leichte Trübung der Leber und der Niere. Schwere 
trübe Schwellung des Herzmuskels. Emphysem der Lungen. Erweiterung und 
wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. Bruch der rechten 8., 
9. und 10. Rippe. 

44. Rotschimmelstute, 15—18 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 7. 12. 1905. 

Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterhaut, in der Umgebung der 
Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas gelbrotes, schleimiges Fettgewebe. 
Die Körpermuskeln sind totenstarr und sehen dunkelbraunrot aus; auf dem Durch¬ 
schnitte sind sie etwas feucht. 

Der Bauch ist aufgetrieben. Im freien Raume der Bauchhöhle mehrere Liter 
einer grauroten trüben Flüssigkeit. Die Blätter des Bauchfelles sind diffus und 
durch gefällte Gefäßnetze gerötet, an der Oberfläche etwas rauh und stellenweise 
mit graugelben netzartigen Belägen versehen, die sich abheben lassen. Der Blind¬ 
darm und die rechten Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten, die linken 
Grimmdarmlagen, der Leer- und Mastdarm auf der linken Seite der Bauchhöhle. 
Der Leerdarm sieht außen grau aus, ist in seinem vorderen Abschnitte mäßig zu¬ 
sammengezogen und enthält gelbbraune trübe schleimige Flüssigkeit, die gegen 
den Hüftdarm hin erheblich an Menge zunimmt und mit festen Teilchen vermischt 
ist. Die Schleimhaut des hinteren Leerdarmabschnittes und des Hüftdarmes ist 
stark diffus gerötet und mit Blutungen durchsetzt. Die Blutungen liegen besonders 
auf der Höhe der Zotten und Schleimhautfalten. Blind- und Grimmdarm sind 
durch Gas stark ausgedehnt. Der Blinddarm enthält außerdem viel breiigen, der 
Grimmdarm mehr festweichen Inhalt. Die magenähnliche Erweiterung des Grimm¬ 
darmes ist mit festem trockenen Inhalte stark angefüllt. In der Gegend des Ge- 
krösansatzes findet sich in der Schleimhaut und Muskelhaut der magenähnlichen 
Erweiterung ein 15 cm langer Riß, dessen Ränder dick, blutig durchtränkt und 
mit Blutgerinnseln bedeckt sind. Das Gewebe der Unterschleimhaut und das des 
Grimmdarmgekröses ist in weiterer Umgebung von der Rißstelle dick, schmutzig¬ 
graurot und trübe. Die Maschen dieses Gewebes enthalten Teilchen aus dem Darm- 



558 


P1LWAT, 

inhalte, eine graubraune trübe Flüssigkeit und Gasblasen. Die Schleimhaut des 
Grimmdarmes ist besonders in der magenähnlichen Erweiterung diffus gerötet. 
Blinddarmsohleimhaut bräunlich-graugrün gefärbt. Der Hastdarm ist lang und 
weit, sieht außen graurot bis dunkelrot aus und enthält festen trockenen Inhalt in 
großer Menge. 30 cm vor der Afteröffnung hat sich das linke breite Mutterband 
um den Mastdarm gelegt und ihn an dieser Stelle fest eingeschnürt. Die Wand des 
Mastdarmes zeigt hier einen 2—3cm breiten blutleeren Ring. Vor der Abschnürungs¬ 
stelle findet sich im Mastdarme das stumpfkegelförmige Ende eines festen trockenen 
Kotpfropfes, der sich durch den ganzen Mastdarm bis in die magenähnliche Erwei¬ 
terung des Grimmdarmes hinein fortsetzt. Die Schleimhaut des Mastdarmes ist im 
Bereiche der Anschoppung diffus gerötet und mit Blutungen durchsetzt. Der Magen 
enthält 10 Liter dünnbreiige saure Massen und Gase. Die Schleimhaut der Pförtner¬ 
hälfte ist besonders in der Gegend der Fundusdrüsen graurot, trübe und gekörnt. 
Gegen den Pförtner hin wird die Schleimhautoberfläche mehr glatt. Das Gewicht 
der Leber beträgt A l j 2 kg. Die Leberränder sind scharf. Außen sieht die Leber 
braunrot aus und besitzt eine derbe Beschaffenheit. Das Lebergewebe ist auf dem 
Durchschnitte mäßig blutreich und rotbraun. Die Grenzen der Leberläppchen sind 
erkennbar. Die einzelnen Läppchen sind etwa grieskorngroß und rotbraun gefärbt. 
Die Milz mißt 57 cm in der Länge, 28 cm in der größten Breite und 4 cm in der 
Dicke. Oberfläche der Milz glatt und blaugrau. Die Milzränder sind abgerundet. 
Konsistenz der Milz weich. Auf dem Durchschnitte ist das Balkengew’ebe in der 
Milz nicht sichtbar. Pulpa dunkelrot, reichlich und zerfließlich. Die Nierenkapseln 
lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die Nieren sind etwas größer wie 
gewöhnlich, sehen außen graubraun, glatt und mattglänzend aus. Konsistenz etwas 
brüchig. Auf dem Durchschnitte liegen in der graubraunen trüben Rindenschicht 
zahlreiche grauweiße radiär verlaufende Streifen. Marksubstanz gestreift und stellen¬ 
weise gerötet. Beim Streichen mit dem Messerrücken von der Rinde gegen die 
Papilla hin entleert sich aus den großen Sammelröhren eine grauweiße rahmartige 
Masse. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist zart und durchscheinend, an 
der Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den Brustfellsäcken, 
sind zusammengefallen, hellrot und lufthaltig. Im Herzbeutel zwei Eßlöffel voll 
einer gelblichen klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herz¬ 
beutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz ist schlaff, enthält wenig 
flüssiges und geronnenes dunkelrotes Blut. Die linken Herzhöhlen sind zusammen¬ 
gezogen und enthalten ganz kleine speckhäutige Gerinnsel. Die zwischen den Vor- 
und Herzkammern gelegenen Oeffnungen besitzen die gewöhnliche Weite. Die Herz¬ 
klappen und die Herzinnenhaut, hauptsächlich der linken Herzhälfte, sind dick, 
grauweiß und undurchsichtig. Am stärksten ist die Verdickung der Herzklappen 
in den marginalen Teilen derselben. Die Herzmuskulatur erscheint auf dem Durch¬ 
schnitte graubraun, trocken und trübe. Konsistenz brüchig. Die Halsorgane sind 
frei von pathologischen Veränderungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist lang 
und zylindrisch erweitert; an der Abgangsstelle der Blinddarmarterien zeigt sie 
eine haselnußgroße sackförmige Ausbuchtung. Die Wand der Arterie ist ungleich¬ 
mäßig verdickt. Die Gefäßinnenhaut trägt auf ihrer Oberfläche, besonders an der 
ausgebuchteten Stelle der Arterie, große graue trockene Gerinnselraassen, die der 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 559 

Gefäßwand fest anhaften. Die übrigen Gefäße des Darmes sind wegsam und frei 
von Pfropfen. 

Pathologisch - anatomische Diagnose: Abschnürung des Mastdarmes 
durch das linke breite Mutterbard. Verstopfung und blutige Entzündung des Mast¬ 
darmes. Starke Ansammlung fester Inhaltsmassen in der magenähnlichen Erwei¬ 
terung des Grimmdarmes und Zerreißung derselben. Phlegmonöse Entzündung im 
Gewebe der Unterschleimhaut und in dem des Grimmdarmgekröses. Allgemeine 
akute Bauchfellentzündung. Entzündung der Leerdarmschleimhaut. Allgemeine 
akute Milzschwellung. Katarrhalische Nierenentzündung. Trübe Schwellung der 
Herzmuskulatur. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut des 
Herzens. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarm- 
arterie. 

V. Embolische Prozesse am Darme. 

Die am Darme des Pferdes auftretenden embolischen Prozesse 
haben ihre Ursache in der vorderen Gekrösarterie. Die Arteria mesen- 
terica cranialis entspringt dicht hinter der Bauchschlagader aus der 
hinteren Aorta und bildet einen ganz kurzen, etwa 1 cm langen 
Stamm, der sich fast unmittelbar nach seinem Ursprünge teilt. Zu¬ 
nächst gehen aus diesem Gefäße 19—21 Arterienäste für den Dünn¬ 
darm und eine kurze Arterie hervor, die sich in die Arteria colica 
media und die Arteria colica dorsalis teilt. Der nach der Abgabe 
dieser Arterien fortlaufende Stamm der Arteria mesenterica cranialis 
heißt Arterica ilio-coeco-colica und besitzt etwa die Länge von 2 bis 
3 cm. Dieser fortlaufende Stamm, die Arteria ilio-coeco-colica, löst 
sich in 4 Gefäße auf, von denen das größte als Arteria colica ven- 
tralis an die unteren Grimmdarmlagen, zwei fast gleichgroße Gefäße 
als laterale und mediale Arteriae coecales an den Blinddarm und der 
kleinste Ast als Arteria iliaca an den Hüftdarm treten. Die Aeste 
der Dünndarraarterien anastomosieren unter einander und mit der 
Hüftdarmarterie. Die obere und untere Grimmdarmarterie anastomo¬ 
sieren durch einen in der Beckenflexur des Grimmdarms gelegenen 
großen Gefäßbogen. Ob die Zweige der beiden ßlinddarmarterien 
Anastoraosen eingehen, scheint nicht mit Sicherheit festzustehen. 
Martin gibt zwar an, daß beide Blinddarmarterien sich vielfach mit¬ 
einander verbinden, andere Anatomen aber sind der Meinung, daß die 
Anwesenheit dieser Verbindungen nicht mit Sicherheit dargetan sei. 
Von den Verzweigungen der vorderen Gekrösarterie erkrankt am 
häufigsten der kurze Stamm der Arteria ilio-coeco-colica. In den 
Wänden dieser Arterie wohnt die Larve des Strongylus bidentatus. 
Auf welchem Wege die Larve in die Arterienwand hineinkomrat, ist 



560 


PILWAT, 


nicht mit Sicherheit bekannt. Die Art der Gefäßerkrankung spricht 
jedoch dafür, daß sie mit dem ßlutstrome durch die Vasa vasorum 
in die Media der Arterie gebracht wird und hier ihren Entwicklungs¬ 
gang fortsetzt. Die ausgewachsene Larve verläßt dann die Arterie 
und gelangt mit Hilfe des Blutstromes durch die Zweige der Arteria 
ilio-coeco-colica in den Grimm- und Blinddarm und wandelt sich hier 
in das geschlechtsreife Tier um. Die geschlechtsreifen Tiere begatten 
sich, und das Weibchen legt Eier, die mit dem Kote nach außen ge¬ 
langen. Die aus den Eiern ausgekrochenen Larven müssen vom 
Pferde wiederum aufgenommen werden, um in die Wände der Arteria 
ilio-coeco-colica eindringen zu können. Die Larven reizen die Media 
und erzeugen eine chronische Entzündung derselben, die durch Neu¬ 
bildung von Bindegewebe ausgezeichnet ist. Unter der Neubildung 
dieses Gewebes gehen die in der Media liegenden muskulösen Teile 
zu Grunde und dadurch verliert die Gefäßwand ihre Widerstands¬ 
fähigkeit, so daß sie sich ausdehnt. Von dieser Ausdehnung kann 
das ganze Gefäß oder können nur einzelne Teile desselben befallen 
sein. Die Intima kann, da sie wenig elastisch ist, dieser Ausdehnung 
nicht folgen und reißt. Gewöhnlich treten die Risse an mehreren 
Stellen auf und liegen in der Längsrichtung des Gefäßes. Von den 
Rissen der Intima geht die Entwickelung des Thrombus aus, und nicht 
selten lassen sich im Thrombus Wurmlarven nachweisen. 

Sind die Wurmlarven aus der Arteria ilio-coeco-colica ausge- 
gewandert, so tritt am Thrombus häufig Organisation ein. Auch heilen 
die Risse der Intima unter Zurücklassung von feinen linienförmigen 
Narben. Wandern später neue Wurmlarven in die Gefäßwand ein, 
so entsteht eine neue Entzündung in der Media und damit eine Ver¬ 
größerung des Aneurysmas. Das Aneurysma und die Thrombose der 
vorderen Gekrösarterie sind, wie bereits Bollinger angegeben hat, 
sehr häufig; 94 pCt. aller Pferde sind mit dieser Gefäßerkrankung 
behaftet. 

Im Pathologischen Institut wurde das Aneurysma der vorderen 
Gekrösarterie fast bei allen sezierten Pferden gefunden, so daß die 
angegebene Zahl über die Häufigkeit des Vorkommens noch zu niedrig 
erscheint. Bollinger behauptet ferner, daß 50 pCt. aller tödlich 
endenden Kolikfälle bei Pferden auf Embolie der Darmarterien zurück¬ 
zuführen seien. Würde diese Behauptung zutreffen, so wäre das 
Wurraaneurysma und die Thrombose der vorderen Gekrösarterie als 
die Todesursache der Hälfte der an der Kolik verendeten Pferde an- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


561 


Zusehen. Bollinger hat jedoch den Beweis für die Richtigkeit dieser 
Behauptung nicht erbracht, dagegen mit Sicherheit dargetan, daß es 
eine thrombotisch-embolische Kolik bei Pferden gibt. 

Die Embolien der Darmarterien kommen dadurch zustande, daß 
Teile des Thrombus vom Blutstrom abgerissen und in die Arterien 
transportiert werden, und da in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle 
die Arteria ilio-coeco-colica Sitz des Aneurysmas und der Thrombose 
ist, so sind auch die Embolien in der unteren Grimmdarm- und in 
den beiden ßlinddarmarterien am häufigsten anzutreffen. Der vierte 
Zweig der Arteria ilio-coeco-colica, die Hüftdarraarterie, ist sehr eng 
und daher für die Aufnahme von Emboli wenig geeignet. Manchmal 
erstreckt sich das Aneurysma und die Thrombose der vorderen Gekrös- 
arterie bis in die hintere Aorta hinein, ln diesen Fällen können auch 
in den Dünndarmarterien und in der oberen Grimmdarmarterie Em¬ 
bolien zustande kommen. Im Pathologischen Institut wurden in der 
oben angegebenen Zeit unter den 428 Pferden, die an der Kolik ge¬ 
storben waren, 21 Fälle (4,91 pCt.) von Embolie des Darms fcstgestellt. 
Rechnet man vier andere Fälle hinzu, in denen Stenose des Leerdarms 
durch parasitäre Knoten in der Wand desselben zustande gekommen 
waren, so ergibt sich, daß nur 25 Pferde = 5,84 pCt. an den Folgen 
des Parasitismus der Strongyluslarven in der vorderen Gekrösarterie 
zugrunde gegangen waren. 

Man kann deshalb sagen, daß die Embolien der Darmarterien 
bei Pferden verhältnismäßig selten sind, daß sie jedenfalls zu der 
Häufigkeit des Aneurysmas und der Thrombose der vorderen Gekrös¬ 
arterie in keinem Verhältnis stehen. Gelangt ein kleines Stückchen des 
Thrombus in eine Darmarterie hinein, so ruft es keine Störungen her¬ 
vor, weil die Darmarterien genügend untereinander in Verbindung 
stehen. Ist dagegen der Embolus sehr lang, oder werden in eine 
Arterie mehrere Stückchen des Thrombus hineingeschleudert, die 
etagenartig übereinander sitzen, so treten schwere Zirkulationsstörungen 
am Darme auf. Der gleiche Erfolg kann beobachtet werden, wenn 
gleichzeitig die Kollateralgefäße, z. B. die obere und untere Grimm- 
darra- oder die laterale und mediale Blinddarmarterie durch je einen 
Embolus verlegt werden. 

In diesen Fällen stellt sich an den betreffenden Darm teilen eine 
mit ausgedehnter Blutung verbundene Gewebsnekrose ein. Zuweilen 
sind Uebergänge zwischen anämischen Infarkten (reine Gewebsnekrosen) 
und hämorrhagischen Infarkten (mit Blutungen verbundene Gewebs- 

Archiv f. wissenseb. u. prakt. Tierheilk. Bd.36. Suppl.-Band. 36 



562 


PILWAT, 


nekrosen) nachzuweisen. Das Zustandekommen von Blutungen bei 
den in Rede stehenden Embolien des Darms erklärt sich durch die 
Beschaffenheit der Kapillargefäße, die besonders dünn und durch¬ 
gängig sind, so daß ein Austritt von roten Blutkörperchen aus ihnen 
leicht erfolgen kann. Das ist auch der Grund, daß meist schon eine 
kurze Zeit bestehende Embolie ausreicht, um eine nicht mehr aus¬ 
gleichbare Schädigung in den Darmwänden hervorzurufen. Dazu 
kommt die leichte Zersetzbarkeit des Darminhaltes, die offenbar die 
Durchlässigkeit der Kapillaren erhöht. Denn wenn die angegebene 
Embolie besteht, so ist der Darm gelähmt und werden die Inhalts¬ 
massen nicht weiter fortbewegt. Damit beginnt aber die Zersetzung 
derselben. 

Ist die ganze Darrawand nekrotisch geworden, so können Zer¬ 
reißung des Darms und Austritt von Darminhalt in die Bauchhöhle 
erfolgen, ln solchen Fällen tritt durch die Sepsis peritonealis sehr 
rasch der Tod ein. Die Ruptur tritt fast immer an der Grenze 
zwischen dem abgestorbenen und dem noch lebenden Teile der Darm¬ 
wand ein. 

Die embolischen Prozesse können auch heilen. Ist nur ein Teil 
der Darmwand, z. B. die Darmschleimhaut, nekrotisch geworden, so 
kann durch Abstoßung und Narbenbildung Heilung eintreten. Die 
verstopfte Arterie obliteriert gleichzeitig. Narben und partiell ob- 
litcrierte Arterien am Darme werden zuweilen gefunden, die nur auf 
abgelaufene embolische Prozesse bezogen werden können. 

Im Nachstehenden folgen einige Obduktionsbefunde, die zur Er¬ 
läuterung der embolischen Prozesse am Darme dienen mögen. 

45. Fuchswallach, 8—9 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 30. 10. 1903. 

Der Kadaver befindet sich in ziemlich gutem Nährzustande. In der Unterhaut 
und unter dem Bauchfelle liegt viel graugelb gefärbtes traubiges Fettgewebe. An 
den seitlichen und unteren Teilen der Brust und dos Bauches ist die Unterhaut 
mit einer gelblichen leicht getrübten Flüssigkeit durchtränkt und besitzt ein gallert¬ 
ähnliches Aussehen. Die Körpormuskeln sind totenstarr, auf dem Durchschnitte 
gelblich-braunrot und trübe; ihre Konsistenz ist brüchig. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben. Die Bauchhöhle enthält außerGas 15Liter 
einer grauroten, trüben, mit Gasblasen und gelben, weichen Flocken vermischten 
Flüssigkeit. Auf derOberfläche desDarmes liegen graugelbe schmierige Gerinnsel- 
massen. Der seröse Ueberzug der Bauch wand und des Darmes ist diffus und durch 
gefüllte, fein verästelte Gefäßnetze gerötet. Die Oberfläche des Bauchfells ist rauh. 
Der Darm ist regelmäßig gelagert. Im hinteren Abschnitte des Leerdarmes findet 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


563 


sich eine 80 cm lange, sehr «reite Leerdarmschlinge. Dieselbe zeigt außen scharf- 
umschriebene schwarzrote und graugelbe Stellen, welche den Darm teilweise ring¬ 
förmig umgeben. Die schwarzroten Herde besitzen an ihrer Oberfläche einen 
feuchten Glanz; die graugelben sind trübe und trocken. Im Bereiche der letz¬ 
teren ist die Darmwand abgestorben und brüchig. An den rot gefärbten Stellen 
ist die Darmwand dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. In der 
beschriebenen Darmschlinge findet sich viel braunrote Flüssigkeit. Die übrigen 
Abschnitte des Leerdarmes enthalten etwas graue, trübe Flüssigkeit. Die Leer¬ 
darmschleimhaut ist grau und trübe, streckenweise diffus gerötet und mit Blutungen 
durchsetzt. Im Blind- und Grimmdarm breiiger bis festweicher Inhalt in mäßiger 
Menge. Die Schleimhaut des Blind- und Grimmdarmes ist dunkelgrau. Im Mast¬ 
darm wenig geformter Inhalt. Mastdarmschleimhaut weißlich - grau. Der Magen 
ist fast leer; seine Drüsenschleimhaut erscheint in der Gegend der Fundusdrüsen 
graurot, trübe, dick und an der Oberfläche grob gekörnt. Gegen den Pförtner hin 
wird diese Schleimhaut mehr grau, ihre Oberfläche glatter. Das Gewicht der Leber 
beträgt 7,5 kg. Leberränder abgerundet. Oberfläche der Leber glatt. Farbe der 
Leber außen rötlich-graubraun. Konsistenz der Leber brüchig. Auf dem Durch¬ 
schnitte sind die Grenzen der Leberläppchen noch erkennbar. Die einzelnen 
Läppchen sind bis reiskorngroß, in der Mitte rot, am Rande in breiter Zone grau. 
Das Lebergewebe ist auf dem Durchschnitte etwas fettig. Die Milz mißt 56 cm in 
der Länge, 23 cm in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Milz¬ 
ränder abgerundet. Oberfläche der Milz glatt und graurot. In der Milzkapsel 
liegen zahlreiche strichförmig injizierte Gefäßnetze. Konsistenz der Milz weich. 
Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in der Milz schwer erkennbar. Pulpa 
dunkelrot, reichlich und zerfließlich. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von 
den Nieren abtrennen. An der Oberfläche der rechten Niere liegt ein Herd, an der 
Oberfläche der linken Niere liegen drei zehnpfennig- bis markstückgroße, zum Teil 
ineinanderfließende, aber gegen die Nachbarschaft scharf abgegrenzte Herde, die 
graugelb gefärbt, trübe und von einem 2 mm breiten dunkclroten Saum umgeben 
sind. Auf dem Durchschnitte zeigen diese Herde eine keilförmige Gestalt, graue 
Farbe und homogene Beschaffenheit; sie reichen mit der Spitze bis in die Mark¬ 
schicht hinein. Die Rindenschicht ist sonst graurot, trübe und trocken; ihre Kon¬ 
sistenz brüchig. Marksubstanz gerötet und gestreift. 

Die Brustfellsäcke enthalten 5 Liter einer gelbroten, trüben Flüssigkeit. Das 
Brustfell, besonders des rechten Pleurasackes, ist in seinen unteren Teilen diffus 
und ramiform gerötet, an der Oberfläche rauh. Die Lungen liegen frei in den 
Brustfellsäcken. Die rechte Lunge ist größer und schwerer als die linke und sieht 
dunkelrot aus. Der mittlere untere Teil der rechten Lunge fühlt sich derb an 
und ist luftleer. Auf dem Durchschnitte erscheint das Gewebe der rechten Lunge 
dunkelrot und feucht, ihre Schnittfläche glatt. Die linke Lunge ist klein, mehr 
blaßrot und in allen Teilen lufthaltig. Der Herzbeutel enthält 60ccm einer gelben, 
klaren Flüssigkeit. Die Oberfläohe der sich berührenden llerzbeutelblätter ist glatt 
und glänzend. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenem, dunkel¬ 
rotem Blute prall gefüllt. In der linken Vor- und Herzkammer finden sich kleine 
dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. Die Herzklappen und die Innenhaut des 
Herzens sind zart. Die Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte trocken, trübe 



564 


PILWAT, 


und graurot mit einem Stich ins Gelbe. Konsistenz des Herzmuskels brüchig. Die 
Halsorgane sind frei von Veränderungen. 

Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 om lang und stark zylindrisch er¬ 
weitert. Die Wand des Gefäßes ist diok. Die Gefäßinnenhaut trägt auf ihrer 
Oberfläche große graue Gerinnselmassen, die sehr bröcklig sind und sich bis in 
die Aorta hinein fortsetzen. Vier Leerdarmarterien, die zu dem veränderten Leer¬ 
darmabschnitte führen, sind durch lange graue Pfropfe verlegt. Die übrigen Ge¬ 
fäße des Darmes sind wegsam. 

Pathologisoh-anatomische Diagnose: Embolische Nekrose des Leer¬ 
darmes. Akute allgemeine Bauchfellentzündung. Trübe Schwellung der Körper¬ 
muskeln, des Herzens uud der Nieren. Embolische Nekrose der Nieren. Akute 
Schwellung der Milz. Akute Entzündung der Drüsenschleimhaut des Mageps. 
Akute blutige Entzündung der rechten Lunge und des Brustfells. Erweiterung 
und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

46. Schimmelwallach, ca. 12 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 15. 2. 1906. 

Der Kadaver ist schlecht genährt. In der Unterbaut, in der Umgebung der 
Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas rötlich-gelbes, schleimiges Fett¬ 
gewebe, dessen Schnittfläche glatt ist. Die Körpermuskeln sind totenstarr, auf 
dem Durchschnitte tief braunrot und feucht. Gefäße der Unterhaut fast leer. 

Der Bauch ist etwas ausgedehnt. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬ 
weichen aus derselben übelriechende Gase. Im freien Raum der Bauchhöhle finden 
sich außerdem 20 Liter einer schmutzig-gelbraunen, trüben Flüssigkeit, die mit 
graugelben, weichen Gerinnseln und mit Dickdarminhalt vermischt ist. Die Blätter 
des Bauchfells sind in ihrer gesamten Ausdehnung diffus und durch gefüllte, fein 
verzweigte Gefäßnetze gerötet, trübe und an der Oberfläche rauh. Stellenweise 
liegen an der Oberfläche des Darmes graugelbe, schmierige, nicht zusammen¬ 
hängende Gerinnselmassen, die sich leicht abheben lassen. Der Körper und die 
Spitze des Blinddarms sind an einer Stelle mit der unteren Bauchwand verklebt. 
Der Blinddarm und die rechten Lagen des Grimmdarmes liegen auf der rechten, 
die linken Lagen des Grimmdarmes auf der linken Seite der Bauchhöhle. Der 
Leerdarm liegt in der linken Unterrippen-, Flanken- und Lendengegend, seine 
Schlingen sind zum Teil miteinander, zum Theil mit den linken Lagen des Grimm¬ 
darms und mit den Bauchwänden verklebt. Der Leerdarm enthält etwas grau¬ 
braune, mit wenig festen Bestandteilen vermischte Flüssigkeit. Die Schleimhaut 
des Leer- und Hüftdarms ist streckenweise stark gerötet und mit schwarzroten 
Flecken durchsetzt, sonst grau, dick und trübe. Der Blinddarm ist zusammen¬ 
gezogen und sieht außen schmutzig-graubraun aus; er enthält wenig breiigen In¬ 
halt. In der Gegend der Spitze und des Körpers des Blinddarms ist die Blind¬ 
darmwand dick, stellenweise dunkelrot und auf dem Durchschnitte feucht, stellen¬ 
weise graugelb und trocken. Die Schleimhant dieser Blinddarmteile bildet große 
Wülste, die auf ihrer Höhe, grau und fetzig sind. In der Nähe der Blinddarmspitze 
findet sich in der Darmwand ein 20 cm langer und 12 cm breiter, gegen die 
Nachbarschaft scharf abgegrenzter Fleck. Am Rande dieser Stelle liegt in der 
Darmwand ein 15 cm langer Riß, durch den Darminhalt hindurchtritt. 40 cm von 
der Blinddarmspitze entfernt findet sich in der mittleren und 45 cm von der Blind- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 565 

darmspitze entfernt in der seitlichen Blinddarmarterie je ein 2—3 cm langer gelb¬ 
lichgrauer, trockener, bröckliger Pfropf, der sich leicht aus dem Gefäße heraus- 
heben läßt. Die den Pfropfen anliegende Gefaßinnenhaut erscheint an ihrer Ober¬ 
fläche glatt. In Verbindung mit den Pfropfen und gleichsam als ihre Fortsetzung 
erscheint in beiden Blinddarmarterien ein dunkelrotes, feuchtes Blutgerinnsel, das 
bis zur Spitze des Blinddarms reicht. Im Grimmdarm wenig dickbreiiger, im Mast¬ 
darm etwas geformter Inhalt. Die Schleimhaut des Grimmdarms ist bräunlichgrau, 
die des Mastdarms weißlichgrau. Der Magen enthält etwa 2 Liter einer grau¬ 
braunen, trüben, mit wenig festen Bestandteilen vermischten Flüssigkeit. Die 
Schleimhaut der Fundusdrüsengegend ist graurot, trübe und an der Oberfläche 
grob gekörnt. Gegen den Pförtner hin wird die Schleimhaut grau, ihre Oberfläche 
mehr glatt. Das Gewicht der Leber beträgt 4 kg. Die Leberränder sind scharf. 
Farbe der Leber außen bläulichgrün. Konsistenz derb. Das Lebergewebe ist auf 
dem Durchschnitte mäßig blutreich, dunkelbraun und etwas trübe. Zeichnung der 
Leberläppchen erkennhar. Die einzelnen Läppchen sind etwa grieskorngroß und 
rotbraun. Zwischen den Läppchen liegt stellenweise ein weißlichgraues, derbes 
Gewebe. Die Milz mißt 48 cm in der Länge, 26 cm in der größten Breite und 
4 cm in der mittleren Dicke. Die Oberfläche der Milz ist mit großen graublauen 
Hügeln besetzt. Konsistenz der Milz schlaff. Auf dem Durchschnitte ist das Balken¬ 
gewebe in den Erhebungen der Milz nicht sichtbar. Die Pulpa ist hier schwarz¬ 
rot, reichlich und zerfließlich. In den übrigen Abschnitten der Milz ist das Balken¬ 
gewebe noch erkennbar. Pulpa rotbraun und weich. Die Nierenkapseln lassen 
sich leicht von den Nieren abtrennen. Die Nieren besitzen ihre gewöhnliche Form 
und Größe. An der Oberfläche der Nieren finden sich mehrere zehnpfennigstück- 
bis markstückgroße, gelblichgraue, scharf abgegrenzte Flecke. Auf dem Durch¬ 
schnitte der Nieren bildet jeder Fleck die Grundfläche eines gelbgrauen Kegels, 
dessen Spitze gegen die Papille gerichtet ist. Das Gewebe dieser gelbgrauen 
Herde ist trocken, trübe und brüchig. Die Rindenschicht ist sonst graurot und 
von zahlreichen radiär verlaufenden grauen Streifen durchzogen. Marksubstanz 
dunkelgraurot und gestreift. 

Die Brustfellsäcke sind leer. Das Brustfell ist grau und sohwach durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei in den 
Brustfellsäcken, sind zusammengefallen und sehen blaßrot aus. Das Lungen¬ 
gewebe ist weich, elastisch und knistert schwach beim Durchschneiden. Im Herz¬ 
beutel ein Eßlöffel voll einer gelbroten, klaren Flüssigkeit. Die Oberfläche der 
sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Das rechte Herz ent¬ 
hält etwas geronnenes und flüssiges dunkelrotes Blut. Die linken Herzhöhlen sind 
leer und zusammengezogen. Herzklappen und Innenhaut des Herzens zart. Die 
Herzmuskulatur sieht auf dem Durchschnitte graubraun aus, ist etwas trocken und 
trübe. Konsistenz brüchig. DieHalsorgane erweisen sich aisfrei von Abweichungen. 
Der Stamm der vorderen Gekrösarterie, die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie und der 
gemeinschaftliche Stamm der oberen Grimmdarm- und vorderen Mastdarmarterie 
sind lang, weit und stark ausgebuchtet. Die Wände dieser Gefäße sind ungleich¬ 
mäßig verdickt und an der Innenfläche rauh. Auf der Oberfläche der Gefäßinnen- 
haut liegen große, rötlichgraue, trockene Gerinnselmassen, die den Gefäßwänden 
fest anhaften. 



566 


PILWAT, 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Embolischo Nekrose des Blind¬ 
darms. Zerreißung der Blinddarmwand. Allgemeine akute, eitrig-jauchige Bauch¬ 
fellentzündung. Entzündung des Leer- und Hüftdarms. Akute Entzündung des 
Drüsenschleimhaut des Magens. Akute multiple Milzschwellung. Multiple embo- 
lische Nekrose der Nieren und katarrhalische Nierenentzündung. Trübe Schwellung 
des Herzmuskels. Erweiterung und wandständigo Thrombose im Gebiete der vor¬ 
deren Gekrösarterie. 

47. Schwarzbraune Stute, etwa 12 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 8. September 1905. 

Der Kadaver ist schlecht genährt, ln der Unterbaut, in der Umgebung der 
Gelenke und unter dem Bauchfell liegt wenig gelbrotes, schleimiges Fettgewebe. 
Die Körpermuskeln sind schlecht entwickelt und totenstarr, auf dem Durchschnitte 
dunkelbraurot, trübe und etwas feucht. Gefäße der Unterbaut fast leer. 

Der Bauch ist mäßig ausgedehnt. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle ent¬ 
weichen aus derselben Gase. In der Bauchhöhle außerdem etwa 10 Liter einer 
grauen trüben Flüssigkeit die mit grauen Gerinnseln und Darminhalt vermischt ist. 
Das wandständige und das den Darm überziehende Blatt des Bauchfells ist in 
großer Ausbreitung diffus und durch gefüllte fein verästelte Gefäßnetze gerötet und 
trübe. Die Oberfläche des Bauchfells ist rauh und stellenweise mit grauen, weichen, 
nicht zusammenhängenden Gerinnseln bedeckt, die sich abheben lassen. Der Darm 
ist regelmäßig gelagert. Der Leerdarm ist mäßig zusammengezogen und enthält 
etwas bräunlich-graugelbe schleimige Flüssigkeit, die gegen den Hüftdarm hin an 
Menge zunimmt und mit festen Bestandteilen vermischt ist. Die Schleimhaut des 
Leer- und Hüftdarms ist streckenweise diffus gerötet, sonst grau und trübe. Der 
Blinddarm enthält Gase und viel breiige Massen. Die unteren Lagen des Grimm¬ 
darmes und die Beckenkrümmung desselben sind mit mehr dickbreiigen bis fest¬ 
weichen Massen gefüllt. In den oberen Grimmdarmlagen etwas trockener, im Mast¬ 
darme geformter Inhalt. Die Beckenkrümmung des Grimmdarmes sieht außen 
schwarzrot aus. Auf der Höho der Krümmung zeigt sich eine handtellergroße scharf 
begrenzte gelbgraue Stelle, deren Gewebe trocken und brüchig ist. Die Darmwand 
ist am Rande dieser Stelle zerrissen. Der Riß ist 12cm lang und 3cm breit. DieWand 
der Beckenkrümmung und der angrenzenden Teile der linken Grimmdarmlagen ist 
dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. In der Schleimhaut dieses 
Darmabschnittes finden sich mehrere gelbgraue trockene Herde, an denen die 
Schleimhaut fetzig erscheint. Sonst ist die Schleimhaut des Blind- und Grimm¬ 
darmes graubraun und trübe. In der oberen und unteren Grimmdarmarterie findet 
sich 15—20 cm vor der Beckenkrümmung des Grimmdarmes je ein 3—4 cm langer 
weißlich-grauer walzenförmiger Pfropf, der ans einer trockenen, brüchigen Masse 
besteht und den Gefäßwänden lose anliegt. Die Gefäßinnenhaut ist in der Gegend 
der Pfropfe unversehrt, ihre Oberfläche glatt. Der die obere und untere Grimm¬ 
darmarterie verbindende Gefäßbogen ist mit einem dunkelroten zusammenhängenden 
feuchten Gerinnsel ausgefüllt, welches sich mit den beschriebenen Pfropfen ver¬ 
bindet. Der Magen enthält etwa 10 Liter breiige saure Massen. Die Schleimhaut 
der Pförtnerhälfte ist gerötet und größtenteils mit einem weißlich-grauen, zähen, 
schwer abspülbaren Belage versehen. Die Milz mißt 47 cm in der Länge, 22 cm 
in der größten Breite und 3 cm in der mittleren Dicke. Die Milzkapsel zeigt stellen- 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


567 


weise injizierte Gefäßnetze. Die Oberfläche der Milz ist höckerig. Konsistenz der 
Milz schlaff. Die Erhabenheiten haben eine bläuiiohe Farbe und lassen auf dem 
Durchschnitte das Balkengewebe nicht erkennen. Pulpa hier dunkelrot, reichlich 
und zerfließlich. In den übrigen Teilen der Milz ist das Balkengewebe noch sicht¬ 
bar, Pulpa braunrot. Das Gewicht der Leber beträgt i l / 2 kg. Der rechte Leber¬ 
lappen ist vollkommen geschwunden und stellt einen grauen hautartigen Anhang 
dafr. Die Ränder der übrigen Leberlappen sind abgerundet. Konsistenz des Leber¬ 
gewebes brüchig. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebe bräunlich¬ 
graugelb, lehmfarben, trübe und trocken. Die Grenzen der Leberläppchen sind 
schwer erkennbar. Die Nierenkapscln lassen sich leicht abtrennen. Die Nieren 
sind etwas größer wie gewöhnlich und besitzen sonst ihre regelmäßige Form. Kon¬ 
sistenz etwas brüchig. Die Oberfläche der Nieren ist glatt, mattglänzend und grau¬ 
rot. Die Rindenschicht erscheint auf dem Durchschuitte grau und trübe. Die Ge- 
faßknäuel sind stellenweise als große rote Punkte sichtbar. Marksubstanz gestreift 
und dunkelrot. 

Die Brustfellsäcke enthalten etwa 2 Liter einer grauroten wässerigen Flüssig¬ 
keit. Das Rippen- und Lungenfell des linken Brustfellsackes ist in den oberen 
Teilen durch gelbgraue zusammenhängende Massen verklebt. In der Umgebung der 
Verklebungsstelle sind die Brustfellblätter stark diffus und durch gefüllte Gefä߬ 
netze gerötet. Die linke 7. Rippe ist in der Nähe der Wirbelsäure quer gebrochen. 
Das freie Ende dieser Rippe ist in den linken Brustfellsack eingedrungen und hat 
in dem Gewebe der linken Lunge einen 5 cm langen Riß erzeugt. Das Gewebe der 
linken Lunge sieht im oberen in der Umgebung der Verletzung gelegenen Teile 
dunkelrot aus, ist schwer und fühlt sich derb an. Die Durchschnittsfläche dieses 
Lungenteiles ist dunkelrot bis schwarzrot und glatt, ln den übrigen Abschnitten 
ist das Gew r ebe beider Lungen weich, elastisch und knistert beim Hinüberstreiohen 
mit den Fingerspitzen. Im Herzbeutel etwa 100 ccm einer gelblichen wässerigen 
Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und 
glänzend. Das in den Herzfurchen gelegene Fettgewebe sieht gelbrot aus und be¬ 
sitzt eine schleimiggallertige Beschaffenheit. In den rechten Herzhöhlen etwas 
flüssiges und geronnenes dunkelrotes Blut. Die linken Herzhöhlen sind fast leer. 
AtrioventrikularöfTnungen von gewöhnlicher Weite. Die Herzklappen sind haupt¬ 
sächlich in ihren Randteilen, die Innenhaut besonders in der linken Herzhälfte 
dick, grauweiß und undurchsichtig. Die Herzmuskulatur erscheint auf den^Durch- 
schnitte graurot, trocken und trübe. Konsistenz brüchig. An den Halsorganen 
finden sich keine Abweichungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 4 cm lang, 
zylindrisch erweitert und im oberen Abschnitte stark ausgebuchtet. Die Gefä߬ 
wände sind dick. In der Ausbuchtung findet sich eine halbhaselnuß- bis walnu߬ 
große graurote trockene brüchige Gerinnselmasse, die der Innenhaut des Gefäßes 
fest anhaftet. Unter dieser Auflagerung ist die Innenhaut stellemveise rauh und 
fetzig. 

Pathologisch-anatomische Diagnose: Embolische Nekrose und Zer¬ 
reißung des Grimmdarmes. Allgemeineakute eitrigjauchige Bauchfellentzündung. Ent- 
zündungderLeerdarmschleimhaut. Katarrh desMagens. TrübeSchwellung der Leber, 
der Nieren und des Herzens. Chronische Entzündung der Herzklappen und Innenhaut 
des Herzens. Akute multiple Milzschwellung. Bruch der linken 7. Kippe. Akute 



568 PILWAT, 

linksseitige, serös- fibrinöse Brustfellentzündung. Akute, partielle, blutige, links¬ 
seitige Lungenentzündung. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft- 
Blind-Grimmdarmarterie. 

48. Braune Stute, 8—9 Jahre alt. 

Gestorben und obduziert am 8. 10. 1905. 

Der Kadaver befindet sich in mittlerem Nährzustande. In der Unterhaut, in 
der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt etwas gelbliches Fett¬ 
gewebe von lappigem Bau. Die Körpermuskeln sind gut entwickelt und zeigen 
Totenstarre. Auf dem Durchschnitte erscheinen die Muskeln graurot, trocken und 
trübe. Die Gefäße der Unterhaut sind gefüllt. 

Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich 8 Liter einer gelbgrauen, sehr 
trüben Flüssigkeit, die beim Stehen im Glase einen grauen Bodensatz liefert. Das 
Bauchfell ist in großer Ausbreitung diffus und durch gefüllte Gefaßnetze gerötet, 
trübe und an der Oberfläche glanzlos. Der Darm ist regelmäßig gelagert. Der 
Leerdarm ist zusammengezogen und enthält wenig gelbliche, mehlsuppenartige 
Flüssigkeit. Die Schleimhaut des Zwölffinger-, Leer- und Hüftdarmes ist strecken¬ 
weise schwach gerötet, sonst grau und schwach durchscheinend. Der Körper und 
die Spitze des Blinddarmes sehen außen blaurot aus und zeigen an der Oberfläche 
mehrere bis doppelhandtellergroße gelbliche, scharf begrenzte Fleoke. Im Bereiche 
dieser Stellen ist die Darmwand mübe und brüchig. In den dunkelrot gefärbten 
Abschnitten ist die Darmwand dick und mit einer blutigen Flüssigkeit durchtränkt. 
Die Schleimhaut des Blinddarmes bildet große rote, wulstartige Falten. Stellen¬ 
weise, entsprechend den an der Außenseite des Darmes sichtbaren gelblichen 
Flecken ist die Schleimhaut. gelbgrau, trübe und fetzig. Der Inhalt des Blind¬ 
darmes besteht aus einer graubraunen trüben Flüssigkeit, die mit wenig breiigen 
Bestandteilen vermischt ist. Beide Blinddarmarterien sind durch je einen 20 und 

25 cm langen grauen, trockenen, der Gefäßwand lose anliegenden Pfropf verlegt. 
In der Gegend der Blinddarmspitze sind die beschriebenen Pfropfe etwas mit den 
Arterienwänden verklebt. Die Gefäßinnenhaut ist hier an der Oberfläche etwas 
rauh. Der Grimmdarm ist mit dünnbreiigen Massen mäßig gefüllt. Die Schleim¬ 
haut des Grimmdarmes ist dunkelgrau und durchscheinend. In der linken unteren 
Lage des Grimmdarmes, nahe der Beckenkrümmung, ist die Schleimhaut in der 
Größe eines Handtellers gelbgrau, trübe und fetzig. In Höhe dieser Stelle ist die 
untere Grimmdarmarterie durch einen 30 cm langen gelblich-grauen, trockenen, 
brüchigen Pfropf verlegt, welcher der Gefäßwand etwas anhaftet. Die Oberfläche 
der Gefäßinnenhaut ist hier etwas rauh, lra Mastdarme wenig breiiger Inhalt. Die 
Mastdarmschleimhaut ist graugrün. Der Magen enthält 6 Liter dünnbreiige bis 
flüssige graubraune Massen. An der Schleimhaut der Schlundhälfte nichts Ab¬ 
weichendes. Die Schleimhaut der Pförtnerhälfte trägt auf ihrer Oberfläche be¬ 
sonders gegen den Pförtner hin einen durchscheinenden, grauen, zähen, schwer 
abspülbaren Belag und ist stark diffus gerötet. Die Milz mißt 52 cm in der Länge, 

26 cm in der größten Breite und 3,5 cm in der größten Dicke. Die Oberfläche der 
Milz ist graublau und hügelig, Konsistenz schlaff. Die über die Oberfläche hervor¬ 
tretenden Erhebungen lassen auf dem Durchschnitte das Balkengewebe nicht er¬ 
kennen. Die Pulpa ist hier schwarzrot, reichlich und zerfließlich. In den übrigen 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


569 


Abschnitten der Milz ist die Pulpa braunrot. Das Gewicht der Leber beträgt 9 kg. 
Die Leberränder sind abgerundet. Die Oberfläche der Leber ist glatt und graurot. 
Konsistenz der Leber brüchig. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lebergewebe 
wenig blutreich, graurot und trübe. Die Leberläppchen sind bis reiskorngross, in 
der Mitte rot, am Rande in breiter Zone grau. Die Schnittfläche der Leber ist 
etwas fettig. Die Nierenkapseln lassen sich leicht von den Nieren abtrennen. Die 
Nieren sind etwas größer wie gewöhnlich und brechen leicht. Auf der glatten und 
graubraunen Oberfläche der Nieren liegen zahlreiche pfennigstück- bis dreimark¬ 
stückgroße, schwarzrote und gelbgraue, scharf begrenzte Flecke, die, wie der 
Nierendurchschnitt zeigt, die Grundfläche eines schwarzroten oder grauen Kegels 
bilden, dessen Spitze gegen die Papille hin gerichtet ist. Das Gewebe dieser 
Herde ist trocken und sehr brüchig. Die Rindenschicht erscheint auf dem 
Durchschnitte graurot, etwas trocken und trübe. Die Gefäßknäuel sind in der 
Rinde stellenweise als große rote Punkte sichtbar. Marksubstanz dunkelrot und 
gestreift. 

In den Brustfellsäcken kein fremder Inhalt. Das Brustfell ist grau und durch¬ 
scheinend, seine Oberfläche glatt und mattglänzend. Die Lungen liegen frei in 
den Brustfellsäcken, sind zusammengefallen, klein, hellrot und knistern beim Hin¬ 
überstreichen. Im Herzbeutel ein Eßlöffel voll einer gelbroten klaren Flüssigkeit. 
Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist glatt und glänzend. Die 
rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenem Blute ziemlich stark ge¬ 
füllt. In den linken Herzhöhlen kleine dunkelrote und speckhäutige Gerinnsel. 
Die Herzklappen und die Innenhaut des Herzens sind zart. Herzmuskulatur auf 
dem Durchschnitte graurot, trocken und trübe. Konsistenz brüchig. An den Hals¬ 
organen zeigen sich keine Veränderungen. Die Hüft-Blind-Grimmdarmarterie ist 
4,9 cm lang, zylindrisch erweitert und an mehreren Stellen etwas ausgebuchtet. 
Die Wand des Gefäßes ist dick, ihre Innenfläche rauh. In der Lichtung der Arterie 
liegt ein daumendickes, längliches, graues Gerinnsel, das eine brüchige Beschaffen¬ 
heit zeigt und mit der stumpfen Spitze in die hintere Aorta hineinreicht. Stellen¬ 
weise haftet die Gerinnselmasse der Gefäßwand fest an. Unter dieser Auflagerung 
ist die Gefaßinnenhaut fetzig und zerfallen. 

Pathologisch- anatomische Diagnose: Embolische Nekrose des Blind- 
und Grimmdarmes. Allgemeine akute eitrige Bauchfellentzündung. Katarrh des 
Magens. Trübe Schwellung der Körpermuskeln, des Herzens uud der Nieren. 
Embolische Nekrose der Nieren. Multiple Milzschwellung. Fettinfiltration und 
trübe Schwellung der Leber. Starke Erweiterung und wandständige Thrombose 
der Hüft-Blind-Grimmdarmarterie. 

Zum Schlüsse möchte ich noch die Aufmerksamkeit auf einen 
Fall lenken, der sich als Nachkrankheit der Kolik darstellte und 
tödlich endete. Im Anschlüsse an den zwecks Entleerung der Darm¬ 
gase ausgeführten Darmstich hatte sich eine allgemeine akute eitrig¬ 
jauchige Bauchfellentzündung ausgebildet, die den Tod des Pferdes 
herbeiführte. Unter den 428 Fällen von tödlich verlaufender Kolik 
starb demnach nur ein Pferd an den direkten Folgen des Darmstichs, 


A 



570 


PILWAT, 

obwohl diese Operation, wie mir bekannt ist, nicht selten ausgeführt 
wird. Der anatomische Befund folgt im Nachstehenden: 

49. Dunkelbraune Stute, ca. 6 Jahre alt. Gestorben und obduziert am 
15. Juni 1905. 

Das Kadaver befindet sich in gutem Nährzustande. In der Unterhaut, über 
dem Euter, in der Umgebung der Gelenke und unter dem Bauchfelle liegt viel 
gelblich-weißes Fettgewebe, das auf dem Durchschnitte einen lappigen Bau er¬ 
kennen läßt. Die Körpermuskeln sind gut entwickelt und zeigen Totenstarre. 
Auf dem Durohschnitte erscheinen die Muskeln graurot, stellenweise grau, trocken 
und trübe. Ihre Konsistenz ist etwas brüchig. Die Gefäße der Unterhaut ent¬ 
halten wenig Blut. Etwa 5—6 cm vor dem rechten äußeren Darmbeinwinkel 
findet sich in der rechten Flankengegend ein Stichkanal, der sich durch die ganze 
Bauchwand bis in den freien Raum der Bauchhöhle hinein verfolgen läßt. Der 
Kanal ist stellenweise so weit, daß er den kleinen Finger der Hand aufzunehmen 
imstande ist. Die Wände des Kanals sind fetzig und mit einer graubraunen, trüben, 
dicklichen Masse bedeckt. 

Im freien Raume der Bauchhöhle finden sich 10 Liter einer trüben, übel¬ 
riechenden, graubraunen Flüssigkeit, die mit weichen Gerinnselmassen vermischt 
ist und beim Stehen im Glase einen hohen grauen Bodensatz liefert. An der Lage 
der Baucheingeweide keine Abweichung. Das die Bauchwand und den Darm 
überziehende Bauchfell ist trübe, in großer Ausdehnung gerötet, an der Oberfläche 
rauh und mit dünnen, zum Teil zusammenhängenden, zum Teil weichen, 
schmierigen, grauen Belägen versehen, die sich abheben lassen. An der lateralen 
Fläche des Blinddarmkörpers ist der Bauchfellüberzug dunkelrot und trägt auf 
seiner Oberfläche einen doppelhandtellergroßen, grauen, an der Oberfläche weichen, 
schmierigen Belag, in dessen Mitte ein etwa markstückgroßer, fetziger Herd liegt, 
der eine unregelmäßige l j 2 cm breite Oeffnung zeigt. Durch letztere läßt sich 
eine Sonde bis an die Blinddarmschleimhaut führen. Der Zwölffinger-, Leer- und 
Hüftdarm enthalten viel gelblich-graue, trübe Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieser 
Darmteile zeigt an ihrer Oberfläche einen sammetartigen Glanz, ist etwas dick, 
dunkelgrau bis graurot und mit linsengroßen Blutungen durchsetzt. Im Blind- 
und Grimmdarme findet sich viel flüssiger, mit breiigen Bestandteilen vermischter 
Inhalt. Die Schleimhaut beider Darmteile ist ziemlich gleichmäßig dunkelgrau, 
fleckweise graurot, etwas dick und von trübem Aussehen. Der Mastdarm enthält 
wenig geformten Kot; seine Schleimhaut ist grau, gegen den After hin mehr 
dunkelgraurot. Im Magen 18 Liter einer gelblichen, trüben Flüssigkeit und wenig 
feste Bestandteile. Die Schleimhaut der Schlundhälfte ist grauweiß und ohne 
Abweichungen. Die drüsentragende Schleimhaut der rechten Magenhälfte ist dick, 
trübe, von grauroter bis brauner Farbe. In der Gegend der Fundusdrüsen er¬ 
scheint diese Schleimhaut an der Oberfläche gekörnt, während sie zum Pförtner 
hin mehr glatt ist. Die Milz mißt 59 cm in der Länge, 27 cm in der größten 
Breite und 4,5 cm in der größten Dicke. Das Gewicht der Milz beträgt 1650 g. 
An der Oberfläche erscheint die Milz im allgemeinen graurot und hügelig. Gefäße 
der Milzkapsel injiziert. Die über die Milzoberfläche hervortretenden buckelartigen 
Erhabenheiten sind halbwalnuß- bis halbhühnereigroß und sehen dunkelblau aus. 



Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


571 


Auf dem Durchschnitte ist das Balkengewebe in den Erhebungen nicht sichtbar. 
Pulpa hier schwarzrot, reichlich und zerfließlich. Im übrigen hat dje Milzpulpa 
eine braunrote Farbe, ist dickbreiig und läßt das Balkengewebe bequem erkennen. 
Die Leber wiegt 14 500 g, ist an ihrer Oberfläche glatt und besitzt stark ab¬ 
gerundete Ränder. Farbe der Leber hellgraubraun, Konsistenz brüchig. Ueber 
die fettig glänzende Durchschnittsflächo fließt wenig Blut. Die Leberläppchen 
grenzen sich scharf voneinander ab, sind bis linsengroß und fast grau, ln der 
Mitte zeigen sie einen kleinen bräunlichroten Punkt. Die Nierenkapseln lassen sich 
leicht von den Nieren abtrennen. Oberfläche der Nieren glatt und mattglänzend. 
Rechte Niere 19,5 cm lang, 20 cm breit, 6 cm dick, linke Niere 21 cm lang, 16 cm 
breit, 6,5 cm dick. Das Gewebe der Rindenschicht ist etwas brüchig. Auf dem 
Durchschnitte ist die Rindenschicht bis 2 cm breit, trübe, gleichmäßig grau bis 
graurot und läßt vereinzelte Gefäßknäuel als kleine rote Punkte erkennen. Mark¬ 
substanz gestreift und dunkelrot. 

Die Brustfellsäcke enthalten keinen fremden Inhalt. Das Brustfell ist zart 
und durchscheinend, seine Oberfläche glatt und glänzend. Die Lungen liegen frei 
in den Brustfellsäcken, haben sich von den Brustwänden zurückgezogen und sind 
klein. Das Lungengewebe ist rot bis dnnkelrot, elastisch und knistert beim Hin¬ 
überstreichen. Auf dem Durchschnitte erscheint das Lungengewebe trocken, seine 
Schnittfläche glatt. Der Herzbeutel enthält einen Eßlöffel voll einer gelblichen, 
wässerigen Flüssigkeit. Die Oberfläche der sich berührenden Herzbeutelblätter ist 
glatt und glänzend. Das Herz wiegt mit Blut 7000 g, ohne Blut 6250 g. Rechte 
Kammer 16,5 cm, linke Kammer 19 cm hoch. Umfang des Herzens an der Kranz¬ 
furche 63 cm. Die rechten Herzhöhlen sind mit flüssigem und geronnenen Blute 
gefüllt. Seitenwand des rechten Ventrikels 2,5 cm dick. Die linken Herzhöhlen 
sind fast leer und zusammengezogen Seitenwand des linken Ventrikels 4 cm dick. 
Durch die zwischen den Vor- und Herzkammern liegenden Oeffnungen läßt sich 
eine länglich zusammengelegte Hand bequem hindurchführen. Die Herzklappen 
und die Innenhaut des Herzens sind zart und schwach durchscheinend. Die 
Herzmuskulatur ist auf dem Durchschnitte trübe, trocken und graurot, ihre Kon¬ 
sistenz ist brüchig. Die Schleimhaut der Luftröhre ist blaß. In der Kehlkopf¬ 
schleimhaut finden sich vereinzelte gefüllte Venennetze. Am Zungengrunde, an 
der hinteren Fläche des Kehldeckels und an den Kehldeckelgießkannenbändern er¬ 
scheint die Schleimhaut bläulich-rot. Die Muskeln des Kehlkopfes lassen keine 
Abweichungen erkennen. Die Hüfi-Blind-Grimmdarmarterie ist 4,2 cm lang und 
zylindrisch erweitert; ihre Wände sind bis 3 mm dick, an der Innenfläche rauh 
und zeigen viele Längsrisse. Auf der Innenhaut liegen zwei längliche, bohnen¬ 
große, graurote, etwas brüchige Gerinnselmassen, die auf ihrer Grundlage fest¬ 
haften. Am Grunde der Gerinnsel finden sich 17 drehrunde Wurmlarven. Alle 
von der vorderen Gekrösarterie zum Darme gehenden Gefäße sind sonst frei von 
Veränderungen. 

Pathologisch- anatomische Diagnose. 

Allgemeine akute eitrig-jauchige Bauchfellentzündung nach Ausführung des 
Darmstichs. Trübe Schwellung der Körpermuskeln, des Herzfleisches und der 
Nieren. Akute multiple Milzschwellung. Fettinfiltration der Leber. Akute Ent- 



572 


PILWAT, Die pathologische Anatomie der Kolik des Pferdes. 


zündang der Drüsenschleimhaut des Magens. Leichte Entzündung der Darm¬ 
schleimhaut. Erweiterung und wandständige Thrombose der Hüft-Blind-Grimm- 
darmarterie. 

Am Schlüsse dieser Arbeit verfehle ich nicht, meinem hoch¬ 
verehrten Lehrer Herrn Geheimen Regierungsrat Prof. Dr. Schütz 
den ehrerbietigsten Dank auszusprechen für alle Belehrungen und 
wissenschaftlichen Anregungen, die ich im Pathologischen Institut er¬ 
halten habe. 




XXIII. 


Aus dem pathologisch-anatomischen Institut der Königl. Thierärztlichen 

Hochschule in Budapest. 

Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche. 

Von 

Prof. Dr. med. Stefan von Ratz. 


I. 

Parasitische Protozoen kennt die Wissenschaft schon lange. 
Cavaloni hat im Dannkanal der Krebse schon im Jahre 1787 Pro¬ 
tozoen gefunden, die dann von Dufour (1823) Gregarinen genannt 
wurden. Psorospermien, welche Bütschli (1881) als Myxosporidien 
bezeichnet hat, sind von Gluge und auch von Joh. Müller schon 
im Jahre 1838 beschrieben worden. Die in der Leber der Kaninchen 
vorkommenden eirunden Psorospermien, d. h. Coccidien nach 
Leuckart (1879), hat zuerst Hake (1839) beschrieben. Aus dem 
menschlichen Körper stammende Protozoen erwähnen zuerst R. Wagner 
(1836) und Donne (1837). 

Nach diesen Entdeckungen hat es aber noch eine geraume Zeit 
gedauert, bis die Forscher die Naturgeschichte der Protozoen gründ¬ 
licher zu studieren anfingen, denn systematische Untersuchungen wurden 
erst nach den Forschungen Pasteurs über die Pebrine der Seiden¬ 
raupe ausgeführt. Als dann Laveran (1880) den Erreger der 
Malaria im Blute der Kranken gefunden hatte, wendete sich die Auf¬ 
merksamkeit der Aerzte und Naturforscher auf diese winzigen 
Tierchen und man suchte die Erreger aller jener Krankheiten unter 
den Protozoen, für deren Aetiologie die bakteriologischen Unter¬ 
suchungen keine genügende Erklärung gaben. 

L. Pfeiffer hat auch viele Verdienste darin, daß systematische 
Forschungen in Gang gebracht wurden. Während seiner Unter¬ 
suchungen über die Ursachen der Pockenkrankheit hat er mit viel 



574 


v. RATZ 


Fleiß und Ausdauer nach den parasitischen Protozoen geforscht. 
Einesteils verdanken wir ihm wichtige Beobachtungen, anderesteils 
aber wirkte sein Beispiel überall aneifernd. 

Eines der bedeutendsten Resultate der neueren Untersuchungen 
war unzweifelhaft die Erkenntnis, daß sich die früher allgemein 
anerkannte Auffassung über die ungeschlechtliche Fortpflanzung der 
einzelligen Protozoen gegenüber den vielzelligen Metazoen als ein 
Irrtum erwiesen hat, denn die gründlicheren Untersuchungen haben 
gezeigt, daß auch bei den auf der niedrigsten Stufe der tierischen 
Organisation stehenden Rhizopoden eine Art der geschlechtlichen Ver¬ 
mehrung vorkommt, nur daß diese Lebenserscheinung in manchen 
Klassen selten und nur schwer erkennbar ist. 

Die exakten Untersuchungen haben dann ergeben, daß die 
sexuelle Dimorphie auch unter den parasitischen Urtieren vorkommt 
und infolgedessen können sich diese auf zweierlei, wesentlich ver¬ 
schiedene Arten vermehren. Die eine Fortpflanzung ist eine unge¬ 
schlechtliche oder multiplikative (Schizogonie, endogene Sporulation), 
welche mittels einfacher Zellteilung verläuft; die zweite ist die pro- 
pagative Fortpflanzungsart (Sporogonie, exogene Sporulation), welche 
nach der Vereinigung von zweierlei Geschlechtzellen, d. h. mittels 
Befruchtung geschieht. Diese zweifache Fortpflanzung kann auch 
miteinander kombiniert Vorkommen, in welchem Falle sic dann in 
kürzeren oder Längeren Zwischenräumen, in Form eines Generations¬ 
wechsels verläuft und mit dem Wirtswechsel der Parasiten zusammeu- 
fallen kann. 

Diese zweifache Entwickelung der Gregarinen, Arnöbosporidien, 
Coccidien, Hämosporidien, Mvxosporidien ist schon bekannt, und in 
der neuesten Zeit hat man die Vermehrungsart auch bei einigen 
Flagellaten beobachtet. 

Eine neue Richtung haben der Forschung die wichtigen Ent¬ 
deckungen von Smith und Kilborne, später von Manson, Roß, 
Grassi u. a. angewiesen, nämlich, daß die im Blute der Menschen 
und Tiere schmarotzenden Protozoen durch Vermittelung der Ekto- 
parasiten, hauptsächlich Fliegen und Zecken einverleibt werden, 
folglich einen Teil ihres Lebens in diesen verleben und durch deren 
Stiche in den Organismus eingeimpft werden. 

Unstreitbar ist es also, daß die Forschungen der letzten zwei 
Dezennien zur Kenntnis der parasitischen Protozoen wichtige Beiträge 
geliefert haben. Das Wenigste bezieht sich davon aber auf die 



Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche. 


575 


Sarkosporidien, von denen wir auch heutzutage, selbst über die am 
meisten bekannten, nicht viel mehr wissen, als ihre ersten Beschreiber 
gewußt haben. In der neuesten Zeit sind auch die Sarkosporidien 
von mehreren Forschern untersucht worden, trotzdem ist die Art und 
Weise ihrer Einwanderung in die Muskeln, sowie ihrer Fortpflanzung un¬ 
bekannt, und abgesehen von denjenigen zwei Arten, die in den Muskeln 
der Schafe (Sarcocystis tenelia) und Schweine (S. Miescheriana) 
parasitieren, sind auch bezüglich ihrer Struktur unsere Kenntnisse 
sehr lückenhaft. 

Die Sarkosporidien, welche früher Miesch ersehe oder Psorospermien- 
schläuche und Raineysche Körperchen genannt wurden, hat Miescher (1) im 
Jahre 1843 in den quergestreiften Muskeln der Mäuse entdeckt, die infolge der 
Einwanderung dieser Parasiten blaß und gestrichelt aussahen. Die mikroskopische 
Untersuchung zeigte dann, daß dio Muskeln längliche, weiße Schläuche enthielten, 
die aus einer strukturlosen Membran bestehen und sehr zahlreiche nierenförmige 
Körperchen enthalten. Am zahlreichsten waren diese Schläuche in den Muskeln 
des Rumpfes, Halses, Kopfes, der Augen und der Glieder, sowie in dem Zwerch¬ 
fell. Miescher hat die Hülle dieser Schläuche für Sarkolemma gedeutet, den 
Ursprung der darin enthaltenen Körperchen konnte er jedoch nicht entscheiden. 
An zwei Möglichkeiten hat er gedacht, indem er die Schläuche als pathologische 
Veränderungen der Muskelfasern ansah oder für Parasiten hielt, die sich in den 
Muskelfasern ansiedeln und die Fibrillen zerstören. 

Drei Jahre später (1846) fand v. Heßling (2) in den Muskeln eines Rehes, 
dann in den Purkin eschen Fäden der Herzmuskulatur eines Rindes, sowie in 
dem Herz des Kalbes und Schafes ähnliche Gebilde und erkannte, daß sie identisoh 
sind mit den Mieschersehen Schläuchen. Ihren Ursprung suchte er auch in den 
Veränderungen der Muskelfasern. Roloff war ebenfalls dieser Meinung und sah 
die in den Schläuchen vorkommenden Körperchen für Lymphzellen an, wogegen 
Kühne sie für mit den durch Kölliker aus den Muskeln der Frösche beschrie¬ 
benen Muskelknospen identische Gebilde angesehen hat. 

Die neueren eingehenderen Untersuchungen und die gründlichere Erforschung 
der niederen Tiere hat dann gezeigt, daß die in zweiter Linie erwähnte Meinung 
Mieschers die zutreffende war und die Auffassung wurde allgemein, daß diese 
Schläuche parasitische Organismen sind. Umsomehr teilten sich aber die An¬ 
sichten darüber, ob sie den tierischen oder pflanzlichen Parasiten anzureihen 
wären. 

Rainey (3) hat im Jahre 1857 die Entwicklung der Schweinefinne studiert 
und fand in den Muskeln der untersuchten Schweine zahlreiche Miesch ersehe 
Schläuche, die er für Entwicklungsformen der Finne hielt. Aus seinen Beschrei¬ 
bungen ist zu ersehen, daß er den Stäbchenbesatz der Hülle, welcher an die 
Wimperbekleidung mancher Protozoen erinnert, schon erkannt hat. Schmidt 
hat sie dann nach dieser eigentümlichen Struktur für mit Wimpern oder Cilien 
bekleidete Tierchen angesehen und Rivolta erachtete sie für die Hülle oder 
Kapsel einer Ciliate, in der die Vermehrung von statten geht. 

Eine ganz andere Meinung äußerte v. Siebold (4), der diese Schläuche zu 



576 


v. RATZ, 


den Pflanzen einreihte und als schimmelpilzähnliche Entophyten beschrieb, da er 
an den Schläuchen oder den darin eingeschlossenen Körperchen keine Bewegung 
beobachten konnte. Auch Kühn (1865) hat sie für Pflanzen gehalten und als 
einen den Chytridien angehörigen Pilz, Synchitrium Miescherianum benannt. 
Pagenstecher (1866) hat sie ebenfalls für Pilze gehalten, sowie auch Zürn 
(1874). 

Lieberkühn (1864) und Ripping (1865) waren die ersten, die die syste¬ 
matische Stellung dieser Parasiten zuerst erkannten und die Miesch ersehen 
Schläuche den Gregarinen angereiht haben; Virchow (1865) (5) glaubte ebenfalls 
eine nahe Verwandtschaft zwischen den Psorospermienschläuchen und Gregarinen 
zu erkennen. 

Leuckart (1879) (6) äußerte sich über die Verwandtschaft der Sarko- 
sporidien mit den Sporozoen sehr vorsichtig, Eimer erkannte aber schon ihre 
Aehnlichkeit mit den eiförmigen und kugelförmigen Psorospermien und erklärte 
sie für mit jenen verwandte Lebewesen, und mit ihm hielten sie auch Davaine, 
Cobbold und Perroncito für Protozoen. Bütschli (7) selbst hat es für wahr¬ 
scheinlich gehalten, daß sie mit den Sporentieren verwandt sind, aber nur Bal- 
biani (8) hat es nachgewiesen, daß die Miescherschen Schläuche wirklich 
Sporozoen sind und als solche den Gregarinen und Coccidien sehr nahe stehen 
und benannte sie nach ihrem Sitz im Muskelgewebe Sarkosporidien, unter welchem 
Namen sie heute als eine selbständige Ordnung der Sporentiere bekannt sind und 
nach der Einteilung Dofleins der Unterklasse der Neosporidien angehören. 

Gegenüber dieser allgemein anerkannten Ansicht versuchte neuerlich Lind- 
ner (11) nachzuweisen, daß die Sarkosporidien stiellose Vorticellen und Kolpidien 
sind, die mittels unreinen Stehwassers aufgenommen werden. Die Jugendformen 
geraten dann auf dem Wege der Blutgefäße zu den Muskeln, wo sie sich ein¬ 
kapseln. Auf beweisende Untersuchungen oder Tierversuche beruft sich Lindner 
nicht und folglich blieb er jene Beweise schuldig, welche die Richtigkeit seiner 
Behauptung begründen könnten. Außerdem vergaß er dabei, daß die weißen 
Mäuse, die in Käfigen und gesperrten Lokalen gehalten werden, sehr schwer dazu 
kommen, Wasser aufnehmen zu können, welches Ciliaten enthält, und trotzdem 
tritt bekanntlich manchmal die Sarkosporidiose unter den weißen Mäusen auch 
endemisch auf. 

II. lieber das Vorkommen der Sarkosporidien. 

Die Sarkosporidien parasiticren in den quergestreiften Mus¬ 
keln der Menschen und Wirbeltiere, die größeren Schläuche 
kommen aber augenscheinlich im intcrrauskulären Bindegewebe vor. 
Ausnahmsweise siedeln sie sich auch an anderen Stellen des Or¬ 
ganismus an; so haben R. ßlanchard und O’Kinealy in der Sub¬ 
mukosa des Darmes, Kartulis auch in der Leber (?) Sarkosporidien 
gefunden. 

Die in den Muskeln vorkommenden Schläuche sind nach 
L. Pfeiffer (10) und R. Blanchard (11) intrazellulär und inter- 



Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche. 


577 


zellulär. In den Muskeln liegen sie immer parallel mit dem Verlauf 
der Muskelfasern und erweitern die Fasern derart, daß diese manch¬ 
mal vier- bis sechsmal dicker erscheinen als die gesunden Fasern. 

Nach einer eingehenden Untersuchung der augenscheinlich in dem 
intermuskulären Bindegewebe liegenden großen Schläuche, habe ich 
mich auch überzeugt, daß sie sich eigentlich in den Muskelfasern 
entwickelt haben und nur später haben sie sich teilweise oder ganz 
befreit. Bertram (12) war der erste, der auf diese Tatsache zuerst 
hingewiesen hat. Seit der Zeit habe auch ich diese viel bestrittene 
Frage gründlich untersucht und in den Muskelquerschnitten unzählige- 
mal gesehen, daß die jungen Entwickelungsformen immer in den 
Muskelfasern liegen, von einer um so dickeren Schicht umgeben, je 
kleiner der Parasit selbst ist; mit dem Wachstum des Schlauches 
vermindert sich aber die Muskelsubstanz. Sehr instruktiv sind in dieser 
Beziehung jene Mikrotomschnitte, in denen man es gut erkennen 
kann, daß der Schlauch an einer Seite schon bis zum Sarkolemma 
geraten ist und von der Muskelsubstanz nur teilweise umgeben ist 
und die größte Peripherie des Schlauches schon befreit ist. Zugleich 
habe ich in den Präparaten oft auch solche Zysten gesehen, die von 
einer Muskelsubstanz garnicht mehr umrandet waren. Die Erklärung 
dieser Erscheinungen finden wir darin, daß die Sarkosporidien während 
ihres Wachstums die Muskelsubstanz zusammenpressen, wodurch die¬ 
selbe nach und nach atrophiert und nur das erweiterte Sarkolemma 
zurückbleibt. Es hat also den Anschein, als wenn sich der Parasit 
im Bindegewebe entwickelt hätte. 

Nachdem aber die Sarkosporidien sich immer in den Muskel¬ 
fasern entwickeln, so können wir die frühere Einteilung, wonach die 
im Bindegewebe vorkommenden Arten zu den Balbianiden x ) und die 
in den Muskelfasern liegenden zu den Miescheriden gehören, nicht 
aufrecht erhalten, denn dann müßten wir die jüngeren Entwickelungs¬ 
formen in die eine, die älteren dagegen in die andere Familie ein¬ 
teilen, trotzdem sie einer Art angehören. Folglich unterscheiden wir 


1) Die Benennung Balbiania R. Blanch. könnte man für jene Gattung der 
Sarkosporidien beibehalten, die von der Submukosa des Darmes beschrieben 
wurden, wenn es sich beweisen läßt, daß sie sich nicht in der Muskelschicht ent¬ 
wickeln, sondern sich von Anfang an in der Submukosa ansiedeln. Eine solche Art 
wäre die von R. Blanchard von einem Känguruh (Maoropus penicillatus) 
beschriebene Balbiania mucosa. 

Archiv f. wissenseh. u. pr&kt. Tierbeilk. Bil. 36. Suppl.-Band. 


37 



578 


V. RATZ, 

dieser Zeit in der Ordnung der Sarkosporidien nur eine Familie und 
in dieser nur eine Gattung, die Sarcocystis. 

Am häufigsten und am zahlreichsten finden wir diese Parasiten 
in den quergestreiften Muskeln in die Nähe des Vorderdarmes, d. h. 
in den Muskeln der Zunge, des Schlundkopfes, des Kehlkopfes, des 
Halses; sehr häufig findet man sie auch im Schlund und Zwerchfell, 
folglich in denjenigen Teilen des Organismus, in denen die durch 
den Darmkanal einwandernden Trichinelien Vorkommen. Aus diesen 
Beobachtungen könnte man daran denken, daß die Sarkosporidien 
auch im Wege der Verdauungsorgane aufgenommen werden und 
M. Koch, sowie nach ihm Th. Smith und Negri haben gezeigt, 
daß man die Mäuse und nach Negri auch die Meerschweinchen 
wirklich infizieren kann, wenn sie mit Muskelstückchen, welche 
Sarkosporidienschläuche enthalten, gefüttert werden. Die Pflanzen¬ 
fresser können sich aber in dieser Weise nicht infizieren, es ist jedoch 
nicht ausgeschlossen, daß sie die Sporozoiten vielleicht in einer ein¬ 
gekapselten oder ruhenden Form durch den Mund aufnehmen, denn 
sonst wäre es nicht zu erklären, daß sie sich gerade in den er¬ 
wähnten Muskeln ansiedeln. 

Nach Bergmann (13) kommt Sarcocystis Miescheriana 
(Kühn) im Schweine am häufigsten in den in der Nähe des Ver¬ 
dauungskanals liegenden Muskeln vor: in den Bauchmuskeln, im 
Zwerchfell, M. triangularis sterni, M. complexus major, 
M. anconaci, M. longus colli, wogegen sie in anderen Muskeln 
seltener und in minderer Zahl auffindbar sind. In den Kehlkopf¬ 
muskeln der ungarischen Schweine habe ich die Scliläuche beinahe 
stets gefunden. 

Im Schafe findet man die Sarcocystis tenella (RailIiet) in 
der Zunge, in den Kehlkopf- und Augenmuskeln, im Zwerchfell und 
in der muskulösen Bauchdecke, sowie in der Muskelschichte des 
Schlundes häufig; in manchen Fällen sind aber beinahe alle Muskeln 
mit Sarkosporidien-Schläuchen voll. In Ungarn hat Iv. Hutva auch 
allgemeine Sarkosporidiose beim Schafe gesehen. 

Die Muskeln des Rehes sind ebenfalls öfters mit Sarcocystis 
gracilis Ratz (14) infiziert, denn in 4 Rehen, deren Muskeln ich 
Gelegenheit hatte, zu untersuchen, fand ich immer Schläuche und 
zwar in der Zunge, im Schlundkopf, Kehlkopf und im Schlund. 

In der Zunge, in den Rachen- und Halsmuskeln, sowie im 



Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche. 


579 


Schlund des Büffels ist Sarcocystis hirsuta Moule *) sehr 
häufig. Wir linden kaum einen Büffel, dessen Schlund nicht wenigstens 
einige Schläuche enthalten möchte. Genug häufig sind aber auch 
jene Fälle, wo die Muskeln des Rumpfes und der Glieder mit 
Sarkosporidien derart vollgepfropft sind, daß das Fleisch ganz ge¬ 
scheckt erscheint. In Siebenbürgen sind diese Sporentiere in den 
Büffeln sehr häufig, wie dies zuerst von Szentkirdlvi (15) schon 
lange erkannt wurde. In der Gegend von Köhalom habe ich mich 
auch davon überzeugen können und die Statistik des ßudapester 
Schlachthauses beweist ihre Häufigkeit ebenfalls genügend. 

In den Rindern findet man dieselbe Art bei uns viel weniger 
und ich habe sie hauptsächlich in der Zunge, im Schlunde, und in 
<len Muskeln des Halses gefunden. 

Pferde, besonders ältere Tiere, sind in Ungarn sehr oft mit 
Sarcocystis Bertrami Dofl. behaftet. Am leichtesten entdeckt 
man sie in größerer Zahl im Schlund, infolge ihrer Kleinheit sind sie 
aber oft schwer zu erkennen. 

In Fleischfressern habe ich bis jetzt Sarkosporidien nicht 
gefunden, obgleich sie nach Kraus in den Augenmuskeln der Hunde 
und Katzen nicht selten sein sollen. 

Bei Hühnern habe ich Sarcocystis Horväthi Ratz (14) 
zweimal gefunden. Aehnliche Beobachtungen haben schon Kühn, 
Rivolta und Stiles veröffentlicht. In Enten hat L. v. ßetegh 
zuerst in Rumänien, später auch in Ungarn (Brassö) Muskelsporozoen 
gefunden. Aus Amerika beschrieb sie Stiles aus Anas boschas 
und A. clypeta. 

Außer den erwähnten Tieren fand v. Niederhäusern in der 
Ziege, R. Blanchard im Känguruh (Macropus penicillatus), 
Rievel und Behrens im Lama (Auchenia), Huet in der kalifor¬ 
nischen Otaria californica, Ratzel und Körte in Affen und zwar 

1) Sarcocystis Blanchardi Dofl. 1901 ist gewiß dieselbe Art, welche im 
Jahre 1897 von Railliet (Ball, de la Soc. centr. de med. vct. p. 377) als Bal- 
biania fusiformis beschrieben wurde, folglich wäre sie S. fusiformis zu 
nennen. Indem aber nach Doflein die in den Büffeln vorkommende Spezies 
wahrscheinlich identisch ist mit jener aus dem Rinde, welche von Moul6 als 
S. hirsuta bezeichnet wurde (Des Sarcosporidies et de leur frequence, princi- 
palement chez les animaux de boucheries. Vitry-le-Fran<;ois. 1887. p. 14. Plan- 
chos III et IV), so soll nach der Priorität die aus den BüfTeln und Rindern be¬ 
kannte Art Sarcocystis hirsuta Moule 1887 heißen. 


37 



580 


v. RATZ, 

der erstere in Inuus, der zweite in Macacus rhesus, Rivolta bei 
Vögeln, Lühe in Lacerta muralis, Will in Gekko (Platydac- 
tylus mauritanicus) etc. Sarkosporidien. 

Der Mensch ist auch nicht verschont, denn es sind in der 
Literatur einige gründliche Beobachtungen darüber aufgezeichnet, daß 
diese Parasiten auch bei Menschen schmarotzen, wenn auch selten 
(Baraban et St. Remy, Kartulis, Hoche und O’Kinealy). 

III. Ueber die Form der Schläuche und Struktur des Ektoplasmas. 

Die Sarkosporidien sind längliche, schlauchförmige Protozoen, 
die sich bezüglich ihrer Form und Größe bis zu einem gewissen 
Grade auch an die Raumverhältnisse anpassen, jedoch zumeist länger 
sind als breit. Die Schläuche sind röhren-, spindel- oder eiförmig, 
können aber auch rundlich sein. Die kleineren haben nur eine 
mikroskopische Größe oder man erkennt sie bloß als kleine weiße 
Linien, welche parallel mit den Muskelfasern verlaufen. Falls sie 
sich dicht aneinander häufen, verleihen sie den Muskeln ein ge¬ 
stricheltes Aeußeres. Die größeren sind in der Mitte zumeist dicker, 
wogegen sie sich gegen die zwei Pole verjüngen oder abrunden. 
In der Subserosa des Schafes findet man aber auch kreisförmige, 
abgeplattete Zysten. 

Die kleinsten Entwickelungsformen, die nur 12 ft lang und 7 fi 
breit waren, fand ich in der Zunge eines Rindes; es kommen aber 
auch haferkom-, bohnen- und ausnahmsweise sogar haselnußgroße 
Zysten vor. 

Frisch sind die Schläuche milchweiß, etwas gelblich oder grau, 
folglich sind in den braunroten Muskeln die größeren Schläuche auch 
durch ihre abweichende Farbe augenfällig. Wenn man eine größere 
Zyste quer durchschneidet, so sind zwei Teile zu unterscheiden, und 
zwar die Hülle des Schlauches, das Ektoplasma, und der Inhalt, das 
Kntoplasma. 

Die Dicke und Struktur des Ektoplasmas ist abweichend nach 
dem Alter, d. h. nach der Entwickelung der Sarkosporidien. An den 
allerjüngsten Formen ist ein differenziertes Ektoplasma garnicht zu 
erkennen. Ferret (16) hat bei seinen Untersuchungen bezüglich der 
Sarcocystis tenella der Schafe gesehen, daß die kleinsten Formen 
als morulaähnliche Zellgruppen in den Muskelfasern liegen und von 
einer differenzierten Membran noch nicht umgeben sind. In Quer¬ 
schnitten aus der Zunge des Rindes ist es mir auch gelungen diese 



Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche. 


581 


Entwickelungsform der Sarcocystis hirsuta aufzufinden, die in der 
querdurchschnittenen Muskelfaser in einer kleinen Höhle lag, rund¬ 
liche Form zeigte und aus großen Zellen bestand, die mit Hämatoxylin- 
Eosin blau gefärbt sind und einen dunkler tingierten rundlichen oder 
länglichen Kern enthalten. An den 38.5—40 /< langen Zysten ist 
das Ektoplasma auch noch dünn und homogen. Dagegen ist diese 
Membran an den größeren Schläuchen schon dicker, ca. 4 ft dick 
und aus zwei Schichten bestehend, wovon die äußere breiter erscheint 
und eine stäbchenartige Zeichnung erkennen läßt, die innere aber 
homogen ist und mit dem Zystengerüst in Verbindung steht. 

Die in Muskelfasern liegenden Schläuche lassen diese stäbchen¬ 
artige Zeichnung nur schwer erkennen, in frischen Zupfpräparaten 
aber, in denen man die zerzupften Muskelfasern mit Eosin-Glyzerin 
aufgehellt untersuchen kann, habe ich konstastiert, daß die äußere 
Schicht der aus den Rindern und Büffeln, Pferden, Schafen, Rehen, 
Schweinen und Hühnern stammenden Sarkosporidien-Schläuche eine 
Stäbchenzeichnung aufweist, deren Linien mit der Querstreifung der 
Muskeln nicht zusammenfallen und viel feiner sind. An den befreiten 
Zysten ist diese stäbchenartige Schichte viel augenfälliger, denn an 
dem Ektoplasma sieht man feine, kurze, fadenförmige Anhängsel, die 
sich wie die Cilien in Form kurzer Fäden zueinander reihen, aber 
nicht überall gleich lang und manchmal auch etwas gebogen sind. 
Diese Fortsätze sind an dem aus dem Pferd, Rind und Huhn 
stammenden Sarkosporidien ungefähr gleich groß, oder wenigstens 
nicht dermaßen ungleich, wie an den Schläuchen der Sarcocystis 
Miescheriana, was schon Manz erkannt hat. Die Fortsätze sind 
gegen die zwei Pole der Zyste länger, wie man dies bei S. hirsuta 
der Rinder und noch ausgesprochener bei S. Miescheriana sehen 
kann, an welch letzteren die Stäbchen der Zystenpole beinahe zwei- 
bis dreimal so lang sind wie an den Seitenteilen des Schlauches. 
Wenn man die Richtung dieser Seitenfortsätze verfolgt, so bemerkt 
man auch an der Oberfläche der Zysten ähnliche kurze Stäbchen, die 
sich dicht rangieren und in quer oder bogenförmig verlaufende, manch¬ 
mal sich schlängelnde, aber zueinander immer parallele Linien geordnet 
sind. Die Oberfläche der Schläuche hat infolgedessen ein derartiges 
Aussehen, wie wenn es mit winzigen Stäbchen gespickt wäre; an 
vielen Stellen sieht man aber statt der Stäbchen nur kleine Körnchen, 
weil man von oben gesehen nur den optischen Durchschnitt bemerkt. 
Diese stäbchenartige Schichte hat in den Muskeln eine gleichmäßige 



582 


v. RATZ, 


Grenze, außerhalb der Muskelfaser zerfällt sie aber, wie dies schon 
Leuckart festgestellt hat, und folglich sehen die Zysten wie mit zilien¬ 
artigen Fortsätzen bekleidet aus. 

lieber die Entstehung dieser Stäbchen und über ihr Verhältnis 
zu den quergestreiften Muskelfasern finden wir in der Literatur zahl¬ 
reiche von einander sehr abweichende Ansichten. 

Rainey sah in diesen Fortsätzen mit der Hülle zusammenhängende Cilien r 
welche Lokomotionsorgane wären, wogegen sie Virchow von den quergestreiften 
Muskelfasern ableitet: nach dieser Ansicht entsteht die äußere Schicht der Hülle 
aus Teilchen der primitiven Muskelfasern. Dagegen erklärte Leuckart diese eigen¬ 
tümliche Struktur in der Weise, daß die äußere Lage von zahlreichen Poren¬ 
kanälchen durchbohrt ist, die manchmal aufspringen, wodurch die Oberfläche der 
Zyste einen Wimperbesatz bekommt. 

Bertram beobachtete in den mit Hämatoxylin gefärbten Präparaten ebenfalls 
dieses Auseinanderfallen der äußeren Schicht in Stäbchen. Nach seinen Beob¬ 
achtungen färben sich diese wimperartigen Fäden aber anders wie die die Schläuche 
umhüllenden und oft auch noch ihre Querstreifung gut zeigenden Muskelfasern. 
Wenn er dann die Zysten aus den Muskelfasern lospräparierte, so blieben die 
Stäbchen mit der Hülle in Verbindung. Nach diesen Beobachtungen hielt er es 
nicht für wahrscheinlich, daß die Fortsätze aus den Muskeln entstehen. 

Nach Ferret wäre die radiäre Streifung so zu erklären, daß die Hülle aus 
zweierlei Substanz besteht: aus sehr dünnen, stark lichtbrechenden Teilchen und 
aus solchen, die sich mit Hämalaun gut färben. Die Streifung der Hülle stammt 
also von gut färbbaren Stäbchen her, die mit einer hyalinen Substanz zusammen¬ 
gehalten werden. Vom Ursprung dieser Stäbchen gibt er aber keine weitere Auf¬ 
klärung. 

Laveran und Mesnil (17) fanden die Hülle, welche mit queren, schrägen 
oder länglich liegenden Wimpern, die zur Hülle gehören, bekleidet ist, sehr zart. 

Nach Doflein kennen wir bei Cnidosporidien ganz ähnliche Strukturen und 
können auf Grund der dort gemachten Befunde die beiden Schichten für Diffe¬ 
renzierungen des Ektoplasmas halten. 

Aus meinen eigenen Untersuchungen erachte ich diese parallelen 
Stäbchen als zum Ektoplasma gehörige Bildungen. An Querschnitten 
ist es klar zu sehen, daß sich diese stäbchenartige Schicht von der 
Muskelsubstanz ganz abweichend färbt, und daß sie mit der inneren 
hyalinen Schicht des Ektoplasmas innig verbunden ist. Eine regel¬ 
mäßige Anordnung sehen wir an diesen längeren oder kürzeren, oft 
etwas gebogenen Stäbchen auch dann, wenn wir die Schläuche von 
den Muskelfasern herauspräparieren und mikroskopisch untersuchen. 

Alle diese Beobachtungen weisen darauf hin, daß die Stäbchen 
differenzierte Teile des Ektoplasmas sind, mittels welchen sich die 
Sarkosporidien in die Muskelsubstanz anklammern und vielleicht auch 



Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche. 


583 


die zur Ernährung nötigen Säfte aus dem Muskelplasina durch Osmose 
aufnehmen können. 

Daß die Auffassung derjenigen Forscher, die diesen Stäbchen¬ 
besatz von den Muskeln ableiten wollten, nicht stichhaltig ist, habe 
ich auch an den Sarkosporidienschläuchen des Rehes (Sarcocystis 
gracilis) konstatieren können. In einem Präparat habe ich im 
Längsschnitt einer Muskelfaser eine 0,20 mm lange und 0,055 mm 
breite Zyste gefunden, die in der Mitte etwas aufgetrieben, an den 
Polen abgerundet und von der Muskelfaser losgetrennt war, folglich 
in einer kleinen Höhle lag, aber durch kurze abgerissene Teilchen 
der Muskelsubstanz bedeckt war, die den Fleischprismen der Muskel¬ 
fibrillen ähnlich waren. Diese kleinen Partikelchen der Muskelfaser 
erschienen an beiden Seiten ungefähr gleich groß und lagen parallel 
nebeneinander, an den zwei Polen waren sie aber ungleich groß, in¬ 
folgedessen erschien ihre äussere Grenze hier unregelmäßig, und wo 
sie etwas länger waren, gezackt; sie lagen aber immer parallel mit 
der Queraxe des Schlauches und mit der Querstreifung der Muskel¬ 
faser. Die Zyste lag in einer kleinen Höhle und an einem Ende 
dieser Lücke war die Muskelsubstanz in längliche Stückchen zer¬ 
fallen, die ein ähnliches Aussehen hatten, wie die der Hülle an¬ 
liegenden Muskelteilchen. 

Dieser Befund ist aus zwei Gesichtspunkten interessant, denn er 
beweist einmal, daß die Sarkosporidienschläuche in der Muskelsub¬ 
stanz so stark angeklammert sein können, daß, falls sie während der 
histologischen Behandlung in Folge der chemischen Einwirkungen 
oder aus einer anderen Ursache etwas zusammenschrumpfen, die 
Teilchen, mit denen sie in unmittelbarer Berührung waren, aus der 
Muskelfaser herausreißen, und zweitens werden die Differenzen, welche 
zwischen den angeklebten ausgerissenen Muskelpartikelchen bestehen, 
sichtbar gemacht. Diese an der Hülle anliegenden Muskelteilchen 
sind aber mit der stäbchenartigen Schicht des Ektoplasraas nicht 
identisch, indem sie viel dicker erschienen als die Stäbchen, sich 
unregelmäßiger rangierten und mit der Muskelsubstanz ganz gleich¬ 
mäßig färbten, wogegen die unterhalb dieser Teilchen liegenden 
feineren Stäbchen mit der Hülle gleichmäßig tingiert waren. 

Mit der Atrophie der Muskelfaser verschwindet auch der Stäb¬ 
chenbesatz der Zyste, und die Hülle wird infolgedessen dünner. Bei 
Safraninfärbung der Mikrotomschnitte habe ich aber manchmal auch 
in diesem Stadium eine blasse, radiärgestreifte Schicht der Hülle ge- 



584 


v. HATZ, 


sehen, die den stäbchenförmigen Fortsätzen entspricht. Nachdem 
aber die Schläuche mit Sporen gefüllt werden und die Zystenwand 
sich erweitert, erleiden diese Stäbchen eine stärkere Druckwirkung 
und verschwinden stufenweise. 

IV. Die Struktur des Endoplasmas und der Sporen. 

Aus der hyalinartigen inneren Schicht der Zystenwand ent¬ 
springen Stränge, die sich dann vereinigen und den Hohlrau ra der 
Zyste in kleinere Kammern teilen. Dieses Gerüst färbt sich ebenso 
blaß und gleichartig, wie die innere Schicht der Zystenwand. Die 
Stränge des Ektoplasmas sind an der Peripherie, wo sie entspringen, 
dicker, wogegen sich ihre zentralen Teile so verjüngen, daß sie an 
manchen Stellen zwischen den kugelförmigen Gruppen der Sporen 
kaum zu erkennen sind. In der Mitte der größten Zysten erschienen 
sie aber wieder dichter, indem die Kammern hier leer sind, zu¬ 
sammenfallen, wodurch die dazwischen liegenden ursprünglich ge¬ 
spannten Stränge nicht mehr gespannt bleiben und folglich kürzer 
und dichter erscheinen. 

Unter den mit Sporen gefüllten Kammern habe ich ausnahms¬ 
weise auch solche Protoplasmastränge gesehen, die eine kleinere oder 
größere spindelförmige Anschwellung zeigten und hier eine ovale oder 
rundliche, großkernige Zelle einschlossen. 

An der inneren Grenze der Zystenwand liegen rundliche oder 
längliche, blaßgefärbte Zellen in 2— 3 Reihen, die einen Kern oder 
mehrere dunkel gefärbte, große Kerne enthalten, umgeben von dem 
feingranulierten Plasma. Diese Zellen bilden eine blasse Zone und 
entsprechen den aus den Cnidosporidien bekannten Pansporoblasten. 
In den jüngsten Zysten findet man nur diese grossen Zellen, entwickelte 
Sporen aber noch nicht. Die zweite Zone der größeren Schläuche 
zeigt schon die genannten kleinen Kammern, mit zahlreichen rund¬ 
lichen oder an einem Pole etwas ausgespitzten, an dem anderen ab¬ 
gerundeten Zellen (Sporoblasten) und darunter blasse, kleine Kügel¬ 
chen, zerstreut auch kleine bohnen-, nieren- und sichelförmige Sporen. 
Die dritte Zone enthält schon größere Kammern, ganz mit Sporen ge¬ 
füllt, die mehr oder weniger gebogen, an einem Ende abgerundet, an 
dem anderen dagegen verjüngt sind. Im Zentrum sind die 
Kammern leer. 

Die Sporen sind von einer sehr dünnen Membran umgeben, und 
in dem Zellplasma finden wir einen großen Kern, der nahe zu dem 



Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche. 


585 


abgerundeten Pole liegt und im Inneren eine zentrale oder zwei ex¬ 
zentrische Karyosomen aufweist. Vor dem Kern liegt ein viel 
kleineres, stark lichtbrechendes, rundliches Körperchen. In der Mitte 
der Sporen und manchmal auch hinter dem Kern sind glänzende 
Körnchen und in dem verjüngten Ende ist eine spiralartige Zeichnung 
zu sehen. 

Mit einer sehr dünnen wässerigen Dahlialösung oder mit Neutral¬ 
rot können die Sporen auch vital gefärbt werden, indem das Proto¬ 
plasma die Farbe annimmt, und auch die Körnchen werden teilweise 
gefärbt, dagegen bleiben der Kern und das vor ihm liegende Körper¬ 
chen ungefärbt, jedoch ihre Konturen werden in dem gefärbten Proto¬ 
plasma besser wahrnehmbar, und auch die spiralartige Streifung des 
verjüngten Pols der Sporen ist schärfer. Noch besser kann man sich 
über die Struktur in den nach Giemsa gefärbten Deckglaspräparaten 
orientieren, da sich dann die Chromatinsubstanz der Kerne rot färbt 
und unregelmäßig zerstreut oder in Fäden gereiht in der achroma¬ 
tischen Substanz zu sehen ist. Das stark licht brechende Körperchen 
bleibt regelmäßig ungefärbt oder tingiert sich blaßrötlich, enthält 
aber ein dunkleres Körnchen. 

Das Plasma der Spore vor und hinter dem Kern erscheint licht¬ 
blau oder etwas dunkler und enthält dunkelblaue Körnchen, die nach 
Laveran und Mesnil Nuklein sein sollen. Um das lichtbrechende 
Körperchen sieht man hier und da rotgefärbte Granula. Der verjüngte 
Pol der Spore färbt sich blaßrötlich und ist in manchen gegen den 
mittleren blaugefärbten Teil scharf begrenzt. 

Die Sporen der Sarcocystis Miescheriana enthalten hinter 
dem Kern, im abgerundeten Pol eine kleinere oder größere Vakuole, 
die immer ganz ungefärbt bleibt und einen gefärbten Teil nicht 
enthält. 

Die spirale Zeichnung erstreckt sich zirka auf ein Drittel der 
Sporen, die Streifung ist aber nicht in allen Sporen gleich, indem 
die Linien bald parallel mit der Queraxe, bald in schräger Richtung 
oder etwas gebogen verlaufen und oft nur zwischen den zwei Rändern 
der Spore zum Vorschein kommen, sich aber nicht bis zur Membran 
erstrecken. 

Diese eigentümliche Struktur an dem verjüngten Pol wurde schon von L. 
Pfeiffer bemerkt, von van Eeoke (18) auch abgebildet; später haben Laveran 
und Mesnil die früheren Beobachtungen bestätigt und erachteten zugleich die 
auch schon von anderen Forschern ausgesprochene Meinung als bewiesen, daß 



586 


v. RATZ, 


diese Zeichnung von einer Polkapsel kommt, obwohl sie das Hervorschnellen eines 
Polfadens nicht gesehen haben. Pagenstecher, Dammann, L. Pfeiffer, 
van Eecke und Schneidemühl (19) haben auch Polfäden gesehen, wie man sie 
aus den Cnidosporidien kennt. Die Beobachtungen von van Ecke können aber 
kaum richtig sein, denn er zeichneto einen solchen Faden auch an dem abge¬ 
rundeten Pol der Spore und an anderen sogar zwei Fäden. Wasielewski (20) 
hat an einem Pol auch einen Faden stufenweise ausspringen gesehen, der sich 
bald lostrennte und verschwand; dieser Faden war aber nach soiner Meinung mit 
den Polfäden der Cnidosporidien nicht gleichwertig. M. Koch (21) hat an den 
Sporen einen Faden nicht beobachtet, aber nach der schraubenförmigen lebhaften 
Bewegung, die er an den Sporen der Sarcocystis muris gesehen bat, hält er 
das Vorhandensein eines Fadens nicht für ausgeschlossen. Th. Smith (22) hat 
diese Bewegung bei 37° C. auch an den Sarkosporidiensporen der Mäuse in phy¬ 
siologischer Kochsalzlösung gesehen. L. Pfeiffer aber behauptete schon lange, 
daß in den Zysten der Sarcocystis Miescheriana zweierlei Sporen Vorkommen, 
d. h. bewegliche und unbewegliche. Jan in (23) konnte nur eine Art Rotation 
wahrnehmen, die er mit der Strömung der Flüssigkeit oder mit der Molekular¬ 
bewegung in Zusammenhang brachte. 

Ich habe den Inhalt ganz frischer Zysten ohne Zugabe eines 
fremden Stoffes im Thermostasen bei 36—37° 0. vielmal untersucht 
und bei dieser Gelegenheit sehr schwache pendulierende Bewegungen 
und Orts Veränderungen der Sporen beobachtet, dabei zeigten sie auch 
kleine Formveränderungen, wie dies schon Leuckart erwähnt; in¬ 
dessen alle diese Erscheinungen waren so unbestimmt, daß ich die¬ 
selben nicht für selbstständige Bewegungen ansehen kann. 

Mit einem ähnlichen Verfahren, wobei ich dafür gesorgt habe, daß 
die Sporen vor Bakterien und gegen Austrocknung geschützt sein 
sollen, habe ich die Sporen bei 36—37° C. mehrere Tage lang im 
Thermostaten unter dem Mikroskop beobachtet, um zu sehen, ob sie 
Zeichen der Teilung oder andere Umwandlungen und Veränderungen 
zeigen. Piana (24) behauptet nämlich, daß es ihm gelungen wäre 
die Sporen der Sarcocystis hirsuta künstlich zu züchten und zu 
beobachten, daß sie in kleine Kügelchen zerfallen, die dann stufen¬ 
weise wachsen, in 25—60 Tagen amöbenartige Organismen werden, 
sich einkapseln und in einem encystierten Zustand lebensfähig bleiben. 
Aehnliche Beobachtungen sollen auch van Eecke und L. Pfeiffer 
gemacht haben. Meine oft wiederholten Versuche blieben in dieser 
Beziehung resultatlos, ebenso wie die Untersuchungen von Bertram. 

Diesen Versuchen verdanke ich es aber, daß ich mich von einem 
den Polfäden ähnlichen Fortsatz der Sporen überzeugen konnte. 

An den Sporen der Sarcocystis hirsuta aus dem Schlunde 



Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche. 


587 


eines Büffels habe ich nach 92 Standen einen geißelförmigen Faden 
gesehen, der an dem verjüngten Pol erschien. Der Basalteil dieses 
Fadens war etwas dicker und manche Fäden hatten beinahe die 
gleiche Länge als die Spore. 24 Stunden lang habe ich diese Geißeln 
gesehen, hernach sind sie verschwunden. Vielleicht waren die von 
Wasielewski beobachteten Fäden auch dieser Art. Diese Geißeln 
scheinen sich nur unter gewissen Umständen und nach besonderen 
Einflüssen zu zeigen, die in meinem Falle die längere Einwirkung der 
gleichmäßigen Wärme gewesen sein könnte. 

Mit diesen Geißeln kann die eigentümliche spirale Zeichnung der 
Sporen Zusammenhängen, denn sie erscheinen an demselben Pol. 
Damit kann auch eine andere bis jetzt unbemerkte Erscheinung in 
Beziehung sein, die ich in den nach Giemsa gefärbten Deckglasprä¬ 
paraten aus Sarcocystis hirsuta eines Rindes beobachtet habe. Der 
verjüngte Pol vieler Sporen blieb beinahe ganz ungefärbt, nur die 
Ränder waren hier rot und eine kegelförmige mit der Basis nach 
innen gerichtete oder in manchem bimförmige, kapselähnliche Höhle 
war zu sehen. In anderen Sporen, in denen beide Pole gefärbt 
waren, zeigte sich statt der kleinen Höhle ein bimförmiges, stärker 
gefärbtes Körperchen, gefüllt mit rotgefärbtem Plasma, welches in den 
oben erwähnten fehlte. 

Wenn ich nun alle diese Beobachtungen miteinander vergleiche, 
so glaube ich neue Beweise gefunden zu haben, die alle dafür sprechen, 
daß die Sporen an einem Pol wirklich eine Kapsel und 
darin, so scheint es zu sein, einen Faden enthalten. 

M. Koch hat mittels der Romanowskischen Färbung die Ein- 
kernigkeit der Sarkosporidiensporen nachgewiesen. Dies spricht nach 
Doflein (25) gegen das Vorhandensein der Polkapseln und gegen die 
systematische Zugehörigkeit der Sarkosporidien zu den Myxosporidien. 
Folglich hat bis jetzt keiner von den zitierten Forschern in den Sporen 
ein zweites Zellorgan nachgewiesen, welches man als einen zweiten 
Kem oder für ein damit vergleichbares Organ hätte ansprechen können. 
Eben deswegen glaube ich meinem Befund, daß ich vor dem Kern ein 
Körperchen bemerkt habe, welches stark lichtbrechend ist und ein sich 
stärker färbendes Körnchen enthält, eine gewisse Bedeutung zusprechen 
zu können. Dieses Gebilde, umsäumt von einer helleren Plasmaschicht, 
erinnert an jene Zellorgane, die wir unter den Namen Blepharoblast, 
Centrosoma oder Nukleocentrosoma kennen, die in den Protozoen von 
dem ausgezeichneten Protistologen Schaudinn nachgewiesen wurden, 



588 v. RATZ, 

obzwar Bütschli, Hertwig und Lauterborn an einen Nebenkern 
schon gedacht haben. 

Es wäre noch verfrüht weitgehende Folgerungen aus diesen Be¬ 
obachtungen zu ziehen, sie können aber als Fingerzeige dienen, daß 
wir die nächsten Verwandten der Sarkosporidien doch in den Cnido- 
sporidien und zwar in den Noseraatiden suchen sollen. Nach dem 
geißelartigen Fortsatz der Sporen und dem blepharoblastähnlichen 
Zellorgan könnte man auch an die Flagellaten denken, diese Verwandt¬ 
schaft ist aber nicht wahrscheinlich. 

Unter den regelmäßig sichelförmigen Sporen der Sarcocystis 
Miescheriana gibt es auch bohnen- und nierenförmige, die etwas 
länger und bedeutend dicker sind und einen verhältnismäßig sehr 
großen ovalen oder länglichen Kern enthalten, in welchen die Chroma¬ 
tinsubstanz verdünnt und in Fäden gereiht ist, wie man dies in ge¬ 
wissen Stadien der Kern- und Zellteilung wahrnehmen kann. Jeden¬ 
falls sind diese Strukturveränderungen der Zellteilung ähnliche Er¬ 
scheinungen, die seit meinen (1908) Untersuchungen von Negri (26) 
bei Sarcocystis muris viel eingehender beschrieben wurden. 


Literatur. 

1) Mieseber, F., Ueber eigentümliche Schläuche in den Muskeln einer Haus¬ 
maus. Berichte über die Verhandl. d. naturforsch. Gesellscb. in Basel. Bd. V. 
1843. S. 198. 

2) Heßling, Th. v., Histologische Mitteilungen. Zeitschr. f. wissensch. Zool. 
Bd. V. 1854. S. 189. 

3) Siebold, C. Th. v., Zusatz (zu Heßlings histolog. Mitteilungen). Ebendas. 
S. 199. 

4) Rainey, G., On the structure and development of Cysticercus cellulosae, as 
found in the muscles of pig. Philosopbical Transactions. 147. 1858. p. 111. 

5) Virchow, R., Zur Trichinenlehre. Virchows Arch. Bd. XXXU. 1865. S. 322. 

6) Leuckart, R., Die Parasiten des Menschen. 2. Aufl. Bd. I. 1879. S. 251. 

7) Bütschli, 0., Klassen und Ordnungen des Tierreiches. I. Protozoa. Leipzig 
1882. Sarcosporidia. S. 604. 

8) Balbiani, G., Les Sporozoaires. Journ. de micrographie. T. VII. 1882. 
Le$ons sur les Sporozoaires. Paris 1883. 

9) Lindner, G., Biologische Studien über parasitische Protozoen. Arch. f. wiss. 
u. prakt. Tierheilk. Bd. XXXIII. 1907. S. 432. 

10) Pfeiffer, L., Die Protozoen als Krankheitserreger usw. Jena 1891. 

11) Blanchard, R., Note sur les Sarcosporidies etc. Bull, de la Soc. Zool. de 
France. T. X. 1885. p. 244. 



Ueber die Struktur der Sarkosporidienschläuche. 


589 


12) Bertram, A., Beiträge zur Kenntnis der Sarkosporidien usw. Zool. Jabrb. 
Abt. f. Morphologie. Bd. V. 1892. S. 581. 

13) Bergmann, A. M., Einige statistische Mitteilungen über Sarkosporidien. 
Zeitscbr. f. Tiermedizin. Bd. VI. 1902. S. 462. 

14) Ratz, St. v., A izomban älösködö v4gl6nyek 4s & magyar faunäban elöfor- 
dnld fajaik. .(Die Sarkosporidien and ihre in Ungarn vorkommenden Arten.) 
Tafel I—III. Ällattani közlemänyek. 1909. Nr. 1—2. 

15) Szentkirälyi, A., A Miescher-f41e tömlök. Kolozsvär 1881. 

16) Ferret, P., L’Evolution de la cnticule du Sarcooystis tenella. Compt. rend. 
de la Soc. de Biologie. T. 55. Nr. 26. p. 1054. 1903. 

17) Laveran, A., et F. Mesnil, Sur la morphologie des Sarcosporidies. Ibidem. 
T. 51. p. 245. 1899. 

18) Ecke, J. van, Jaarsverslag Labor, patbol. Anat. en Bacter. te Weltevreden. 
(1892.) Batavia 1893. (Zitiert nach Braun und Doflein.) 

19) Schneideraühl, G., Ueber Sarkosporidien. Tiermedizin. Vorträge. Bd. III. 
H. 11. Leipzig 1897. 

20) Wasielewski, Dasselbe. Verhandl. des V. Internat. Zoologenkongr. zu Bern 
1901. S. 683. 

21) Koch, M., Dasselbe. Ebendas. S. 674. 

22) Smith, Th., The production of sarcosporidiosis in the mouse by feeding in- 
fected muscular tissue. Journ. of experim. med. Vol. 6. No. 1. p. 1. 
Tab. 1—4. 

23) Janin, F., Recherches sur la Sarcosporidies du mouton. Arch. de Parasitol. 
T. XI. No. 2. p. 233. 1907. 

24) Piana, G. P., Fasi evolutive dei sarcosporidi. La Clinica veterinaria. p. 145. 
1901. 

25) Doflein, F., Lehrbuch der Protozoenkunde. 2. Aull. Jena 1909. S. 805. 

26) Negri, A., Beobachtungen über Sarkosporidien. I. u. II. Zentralbl. f. Bakt. 
etc. Orig. Bd. 47. 1908. S. 56 u. 612. 



XXIV. 

Aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berlin. 

Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit 

der Anaphylaxie. 

Von 

Dr. Knrt Schern, 

wissenschaftlichem Hilfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheitsamt. 


Die Präzipitation wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts von 
Uhlenhuth zur Unterscheidung verschiedenartiger Fleisch- und Blut¬ 
arten praktisch verwendet. Die von Uhlenhuth bekannt gegebenen 
Tatsachen hat Schütz als erster in der Veterinärmedizin durch 
seine Schüler Mießner und Herbst für die Erkennung von Pferde¬ 
fleisch nachprüfen lassen. Auf Grund dieser und vieler anderer 
nachfolgender Untersuchungen hat die Präzipitation in der praktischen 
Veterinärmedizin, besonders zum Nachweis von Pferdefleisch eine 
ausgedehnte Verwendung gefunden. In allerletzter Zeit ist der Eiwei߬ 
differenzierung nach Uhlenhuth für den Tier-Arzt ein neues Feld 
dadurch erschlossen worden, daß man sie nach dem Vorgänge von 
Mießner zur Erkennung bestimmter Futtermittel Verfälschungen ver¬ 
wendet hat. 

Neben der Präzipitation ist die Koraplemcntbindung zur 
Unterscheidung verschiedener Eiweißsorten empfohlen worden. Diese 
aber hat sich nicht in so ausgedehnter Weise wie die Präzipitation 
einbürgern können, weil sie für praktische Zwecke nicht mit derselben 
Sicherheit arbeitet, wie die Präzipitation und technisch schwieriger 
als diese zu handhaben ist. 

Nach den Ergebnissen der neuesten im Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amt ausgeführten Untersuchungen von Uhlenhuth und Händel ist 
anzunehmen, daß auch die Anaphylaxie bei der biologischen Eiwei߬ 
differenzierung zum Nachweis bestimmter Eiweißkörper praktische 
Verwendung finden kann. Mit dieser Frage soll sich auch die vor¬ 
liegende Arbeit beschäftigen. 



Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 591 

Die theoretischen Anschauungen über die Anaphylaxie, die noch 
nicht geklärt sind, zu erörtern, ist hier nicht unsere Aufgabe. Es 
möge genügen, wenn gesagt wird, daß die Anaphylaxie eine 
biologische Eiweißreaktion im lebenden Organismus darstellt. 

Man unterscheidet eine aktive und passive Anaphylaxie. 

Die aktive Anaphylaxie besteht darin, daß nach einer reaktions¬ 
los vertragenen Injektion einer Eiweißsubstanz der Tierkörper so 
empfindlich, bzw. sensibilisiert gegen die injizierte Substanz 
wird, daß er bei einer später erfolgenden Injektion — der Reinjektion 
oder Prüfungsinjektion — einer gleichartigen Substanz charakte¬ 
ristisch und typisch reagiert. 

Die passive Anaphylaxie läßt sich dadurch nachweisen, daß man 
einem aktiv sensibilisierten Tier, z. B. einem Meerschwein Serum 

entzieht und einem anderen, normalen Meerschwein injiziert. Spritzt 

man diesem Tier 24 bis 48 Stunden nach dieser Injektion die als 

Sensibilisinogen benutzte Eiweißart ein, so reagiert es mit Ueber- 

empfindlichkeitssymptomcn, wie Otto zuerst nachgewiesen hat. 

Die Versuchstechnik bei der Anaphylaxie gestaltet sich so, daß man 
einem Meerschwein eine Eiweißärt — am besten subkutan — injiziert. Einige Zeit 
später — 2 bis 3 Wochen darnach — erfolgt die Reinjektion oder die Prüfungs¬ 
injektion der als Antigen benutzten Eiweißart — am zweckmäßigsten intrakardial 
—, durch welche das betreffende Tier auf das Vorhandensein der Ueberempfind- 
lichkeit geprüft wird. Die Erscheinungen der aktiven nnd passiven Anaphylaxie 
sind zwar gleichartig, aber äußerst mannigfaltig. Sensibilisierte Meerschweine 
zeigen nach der Prüfungsinjektion Unruhe, sie stellen die Ohren und sträuben das 
Nackenhaar. Die Tiere führen ziemlich schnelle Kaubewegungen aus und putzen 
sich das Maul. Bald stellen sich Zuckungen über den ganzen Körper ein, diese 
steigern sich zu allgemeinen Krämpfen. Es werden Kot und Urin abgesetzt. Die 
Atmung ist beschleunigt und angestrengt. Die Herztätigkeit ist schwach und die 
Temperatur herabgesetzt. Die Meerschweine gehen unter diesen Erscheinungen 
häufig zu Grunde. 

Die Bedeutung der Anaphylaxie beruht darin, daß sie eine 
Eiweißreaktion ist. Allerdings muß man sich, worauf Uhlenhuth 
und Händel ausdrücklich hinweisen, hinsichtlich eines Urteils über 
ihre Verwendung in der Praxis eine gewisse Reserve auferlegen. 
Die Verhältnisse sind in dieser Beziehung noch lange nicht so geklärt, 
wie bei der Präzipitation. Deshalb wird diese letzte Methode 
in der Praxis, wo es gilt, Eiweiß zu differenzieren, nach wie vor an 
erster Stelle stehen. Es läßt sich zur Zeit noch nicht mit völliger 
Sicherheit sagen, ob die Anaphylaxie in demselben Grade spezifisch 



592 


SCHERN, 


ist, wie die Präzipitation, wenn auch zweifellos feststeht, daß der 
Ueberempfindlichkeit eine quantitative Spezifität zukoramt. Da 
kleinste Eiweißspuren zur Auslösung des anaphylaktischen Symptomen- 
komplexes genügen und sich auch mit denaturierten Eiweißkörpern 
Anaphylaxie erzeugen läßt, so können diese Eigenschaften der Ueber¬ 
empfindlichkeit bestimmend für ihre Verwendung bei gewissen Fällen 
in der Praxis sein. Von diesem Gedanken ausgehend haben Uhlenhuth 
und Händel die anaphylaktische Reaktion auf ihre Verwendbarkeit 
für die forensische Praxis zur Differenzierung von Blut- und Fleisch¬ 
sorten herangezogen. Sleeswigk, H. Pfeiffer und Thomsen 
haben bald darauf die Anaphylaxie ebenfalls in forensischer Beziehung 
zur Unterscheidung der verschiedenen Blutarten empfohlen. Uhlen¬ 
huth und Händel haben ferner versucht, die Reaktion für die Be¬ 
stimmung der Provenienz von Mumien, gekochten Fleischsorten, 
rohen Oelen, Fetten, Nährpräparaten und Futtermitteln, 
von Se- und Exkreten, sowie zur Differenzierung verschiedener 
Organeiweißarten desselben Organismus zu verwenden. Den 
beiden Autoren ist es gelungen, mittels der Anaphylaxiereaktion selbst 
bei ägyptischen Mumien [der XXI. (950 v. Chr.) und XXVI. (600 v. 
Chr.) Dynastie] noch Spuren von menschlichem Eiweiß nachzuweisen, 
was mit anderen biologischen Methoden dieser Art, wie Präzipitation 
und Komplementbindung nicht möglich ist. Dieselben Autoren haben 
u. a. mit gekochtem Pferdefleisch, gekochter Leber- und Blutwurst, 
gekochtem Fischfleisch eine positive Anaphylaxiereaktion in solchen 
Fällen erzielen können, in denen die Präzipitation ein negatives 
Resultat ergeben hat. Sehr interessant ist die Tatsache, daß Meer¬ 
schweine, die mit rohem Leinöl vorbehandelt worden sind, anaphy¬ 
laktisch auf die Injektion von Extrakten aus rohem Leinsamen 
reagiert haben. 

Analog ist ein Versuch mit Kokosbutter ausgefallen. Besonders 
bemerkenswert ist ferner, daß Meerschweine nach der Vorbehandlung 
mit menschlichem, normalem Urin, in dem sich mit den sonst üblichen 
Methoden Eiweiß nicht hat nachweisen lassen, gegen menschliches 
Eiweiß und zwar nur gegen solches anaphylaktisch werden. Es ge¬ 
lingt daher in fraglichen Fällen mittels der Ueberempfindlichkeits- 
reaktion den Urin der einzelnen Tiere zu unterscheiden, was mit den 
bisherigen Methoden nicht möglich war. 

Von Uhlenhuth und Andrejew, sowie von Kraus, Doerr, 
Sohma ist gezeigt worden, daß sich das Linseneiweiß von dem 



Experimentolle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 593 

des Serums eines Organismus auch bei der Prüfung mit der 
Anaphylaxie unterscheiden läßt. Das entspricht den von Uhlenhuth 
bereits früher mit der Präzipitation festgestellten Tatsachen. Das 
Linseneiweiß nimmt demnach eine Sonderstellung ein und entbehrt 
der Artspezifität, weil es sich bei allen untersuchten Tieren als ein 
biologisch gleichwertiger Eiweißkörper erwiesen hat. Es gelingt also, 
Meerschweine, die mit Linsen von Meerschweinen vorbehandelt sind, 
gegen den gleichartigen Eiweißkörper, nicht aber gegen das von der 
gleichen Tierart stammende Serumeiweiß anaphylaktisch zu machen. 
Es ist sogar nach den Angaben von Uhlenhuth und seinen Schülern 
möglich, bei Meerschweinen, die mit dem Linseneiweiß ihres einen 
Auges sensibilisiert worden sind, Anaphylaxie gegen das Linseneiweiß 
des anderen Auges auszulösen. 

Auch zur Differenzierung von Bakterien ist die Ueberempfind- 
lichkeit von Rosenau und Anderson, sowie von Kraus und Doerr 
und Wolff-Eisner u. a. verwendet worden. Aus diesen Unter¬ 
suchungen, die u. a. an Typhus- und Dysenteriebazillen, Cholera-, Nasik- 
oder El-Tor-Vibrionen ausgeführt worden sind, hat sich nach Kraus 
und Doerr „die bis ins Detail gehende Uebereinstimmung mit den 
Eigenschaften der anaphylaktischen Reaktionskörper gegen artfremdes 
Eiweiß“ ergeben. Diese Angabe ist neuerdings durch Experimente 
von Holobut bestätigt worden. 

Verschiedene Autoren haben auch die Anaphylaxie zur Diagnose 
von Infektionskrankheiten verwendet. Man hat die im Blute eines 
infizierten Organismus hypothetisch angenommenen und darin kreisen¬ 
den eiweißhaltigen Stoffwechselprodukte der Infektionserreger nach- 
weisen wollen. Praktisch wird bekanntlich eine Form der Ueber- 
empfindlichkeit schon seit längerer Zeit zu diagnostischen Zwecken 
bei der Tuberkulose und beim Rotz verwendet (Tuberkulin- und 
Malleinreaktion). Von Jamanouchi ist die passive Anaphylaxie zur 
Diagnose der Tuberkulose und von H. Pfeiffer zur Erkennung von 
Tumoren empfohlen worden. 

Auf Veranlassung des Herrn Geheimrat Uhlenhuth habe ich 
im Kaiserlichen Gesundheitsamte über die praktische Verwertbarkeit 
der Anaphylaxie einige Untersuchungen angcstellt, über die im 
Folgenden berichtet werden soll. 


38 


Archiv f. Wissens*'!], u. prakt. Tierheilk. ßd. Snppl.-ßand. 



594 


SCHERN, 


I. Untersuchungen über Anaphylaxie zum Nachweis von Ver¬ 
fälschungen der Futtermittel. 

Fultermittelverfälschungen nachzuweisen, bietet gewisse Schwierig¬ 
keiten. Die einschlägigen Untersuchungsmethoden sind auch nicht 
immer absolut zuverlässig und bedürfen deshalb in mancher Be¬ 
ziehung einer Ergänzung. Aus diesem Grunde habe ich im Hinblick 
auf die oben erwähnten Befunde von Uhlenhuth und Händel ver¬ 
sucht, die Anaphylaxie zur Erkennung von bestimmten Verfälschungen 
der Futtermittel zu verwenden. Die Anaphylaxie wird in solchen 
Fällen gute Dienste leisten, wo es gilt, in einem Futtermittel sehr 
kleine Mengen bezw. Spuren gewisser Eiweißsubstanzen nach zu weisen; 
denn größere Mengen solcher Eiweißstoffe kann man, wie zuerst 
Mießner gezeigt hat, sehr gut mit der Präzipitation auffinden. 

Für die nachstehenden Versuche kam es zunächst darauf an, 
im Prinzip die Frage zu beantworten, ob überhaupt die 
Anaphylaxie für die gedachten Zwecke geeignet ist. Es sind des¬ 
halb Rizinus, Kornrade, Ackersenf und Mutterkorn in einer 
so geringen Menge, wie es unter praktischen Verhältnissen wohl 
meist nicht vorkommt, mit Futtermitteln — Roggenkleie, Erdnu߬ 
mehl und Sesamkuchenmehl — vermischt worden. 

ß 

Von diesen verfälschten Futtermitteln werden je 5 g in 100 com 0,85 proz. 
NaCl-Lösung aufgeschwemmt und dieseAufschwemmungen 24Stunden im Schüttel¬ 
apparat bei Zimmertemperatur geschüttelt. Hiernach werden die Aufschwemmungen 
durch Papierfilter so oft filtriert, bis mit unbewaffnetem Auge erkennbare Bestand¬ 
teile in den Extrakten nicht mehr vorhanden und letztere ziemlich klar sind, ln 
gleicher Weise werden von den unverfälschten Futtermitteln, von der Roggenkleie, 
dem Erdnuß- und Sesamkuchenmehl Extrakte hergestellt. Mit den so gewonnenen 
Extrakten werden Meerschweine subkutan vorbehandelt. Zu der später erfolgenden 
Prüfungsinjektion werden in ähnlicher Woisc Extrakte aus den eigentlichen Futter¬ 
mitteln selbst als auch aus den zur Verfälschung benutzten Samen in y 2 , 10 und 
20proz. Konzentration hergestellt und hiermit die Versuchstiere intrakardial 
gespritzt. Bei den Versuchen über Rizinusverfälschungen ist auch die passive 
Anaphylaxie zur Anwendung gekommen. 

Außerdem sind noch einige Nebenversuche ausgeführt worden. 
Diese haben darüber Aufschluß geben sollen, ob Meerschweine aktiv 
und passiv gegen Rizin überempfindlich werden und ob die Diagnose 
der Rizinusvergiftung mit Hilfe der Anaphylaxie gestellt werden kann. 

Die näheren Einzelheiten linden sich im Nachstehenden. 



Experimenteller Beitrag zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 505 


a) Versuche mit Ackersenf. 

Tabelle a. 


Versuchs¬ 
tier Nr. 

Datum der 
Vorbehandlung 

Menge des sub¬ 
kutan injizierten 
V 2 proz. Acker- 
senf-Erdnuß- 
mehlextraktes 

Datum der Prü¬ 
fungsinjektion 

Menge des zur 
Prüfungs¬ 
injektion ver¬ 
wendeten Acker¬ 
senfextraktes 

Menge des zur 
Prüfungs- 
kontroilinjektion 
verwendeten 
Extraktes von 
Mutterkorn 

Ausgang des 

Versuches 


1909 


1909 




i. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

14. 10. 

iy 2 ccm (*/ 2 proz. 

— 

Ist munter. 


10. 9. 

2 ccm sk. 


Ackersenfextr.) 




13. 9. 

2 ccm sk. 





2. 

9.9. 

2 ccm sk. 

14. 10. 

1V 2 ccm (V 2 proz. 


Ist sofort schwer 


10. 9. 

2 ccm sk. 


Ackersenf lösg.) 


anaphylakt., setzt 







Urin ab. Erholt sich. 


13. 9. 

2 ccm sk. 

15. 10. 

— 

3 / 4 ccm (20 proz. 

Ist munter. 






Mutterkornex- | 







traktes) 


3. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

15.10. 

, 

l 1 2 ccm (10 proz. 

— 

Sofort schwor ana¬ 


10. 9. 

2 ccm sk. 


Ackersenf lösg.) 

1 

phylaktisch, dabei f. 


13. 9. 

2 ccm sk. 





4. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

18. 10. 

1 ccm (20 proz. 

— 

Sofort schwer ana¬ 


10. 9. 

2 ccm sk. 


Ackcrscnflösg.) 


phylaktisch, dabei +. 


13. 9. 

2 ccm sk. 





5. 

— 

— 

15. 10. , 

l ! /2 ccm (10 proz. 

— 

Ist munter. 

(Kontrolle) 

1 



Ackcrscnt lösg.) 



6. 

— 

— 

18. 10. 

1 ccm (20 proz. 

— 1 

Ist munter. 

(Kontrolle) 




Ackersenf lösg.) 




Anmerkung: Die übrigen Kontrollen sind in Tabelle d verzeichnet. 


Hieraus ergibt sich, daß die Versuchstiere durch die 
Vorbehandlung mit dem Extrakt des verfälschten Futter¬ 
mittels — Ackcrscnf-Erdnußmehl — bei der Prüfungs¬ 
injektion gegen Ackersenf anaphylaktisch geworden sind. 


b) Versuche mit Mutterkorn. 

Aus den in der nachstehenden Tabelle verzeichneten Tatsachen 
ist ersichtlich, daß die Versuchstiere nach der Vorbehandlung mit 
dem Extrakt des verfälschten Futtermittels — Mutterkorn - Roggen¬ 
kleie — bei der Priifungsinjektion gegen Mutterkorn nicht in typischer 
Weise anaphylaktisch geworden sind. Nur ein Tier hat ganz leichte 
Symptome der Anaphylaxie gezeigt. 


38* 






596 SCHERN, 


Tabelle b. 


Versuchs¬ 
tier Nr. 

Datum der 
Vorbehandlung 

Menge des sub¬ 
kutan injizierten 
1 / 2 proz. Mutter¬ 
kornroggenkleie¬ 
extraktes 

Datum der Prü¬ 
fungsinjektion 

Menge des zur 
Prüfungs¬ 
injektion ver¬ 
wendeten Mutter¬ 
kornextraktes 

Menge des zur 1 
Prüfungs- ! 
kontrollinjektion, 
verwendeten 
Kornrade¬ 
extraktes i 

Ausgang des 

Versuches 


1909 


1909 



1 l 

1. 

9.9. 

2 ccm sk. 

18.10. 

9 /io ccm (20proz. 

— 

Kaut nach der In* 


10. 9. 

2 ccm sk. 


Mutterkornextr.) 


jektion. Ist munter 


13. 9. 

2 ccm sk. 




Ob anaphylaktisch': 

2. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

18. 10. 

V 2 ccm (20proz. 

i 

Putzt sich sehr wen:> 


10.9. 

2 ccm sk. 


Mutterkornextr.) 


nach der Injektion 


13. 9. 

2 ccm sk. 




Ist munter. Ob ana¬ 






i 

phylaktisch? 

3. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

18. 10. 

— 

, V 2 ccm (15proz. 

Ist munter. 


10. 9. 

2 ccm sk. 



Kornradcextr.) 



13. 9. 

2 ccm sk. 





4. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

18. 10. 

3 / 4 ccm (20proz. 

1 

Putzt sich, fängt an zu 


10. 9. 

2 ccm sk. 


Mutterkornextr.) 


husten nach d. Injek¬ 


13. 9. 

2 ccm sk. 




tion. Ist ganz 1 e i e h: 







anaphylaktisch, aber 







nicht sehr typisch. 

5. 

— 

' — 

18. 10. 

9 / 10 ccm (20proz. 

— 

Ist munter nach der 

(Kontrolle) 


1 


Mutterkornextr.) 


Injektion. 

6. 

— 

— 

18. 10. 

— 

1 ccm (15proz. 

Ist bald nach der Ln- 

(Kontrolle) 





, Kornradeextr.) 

. jektion f. 

7. 

— 

| 

18. 10. 

— 

l j 2 (wm (15proz. 

• Ist munter nach der 

(Kontrolle) 


1 



' Kornradeextr.) 

Injektion. 


Anmerkung: Die übrigen Kontrollen sind in Tabelle d verzeichnet. 


c) Versuche mit Kornrade. 

Aus den nachstehenden Versuchen mit Kornrade einen endgültigen 
Schluß zu ziehen, ist ebenso schwierig, wie aus den Versuchen mit 
Mutterkorn. Eindeutig sind die Resultate nicht. Die sehr ge¬ 
ringen anaphylaktischen Symptome, die ein mit verfälschtem Futter¬ 
mittel — Kornrade-Roggenkleie — vorbehandcltcs Tier bei der 
Prüfungsinjektion gezeigt hat, weisen darauf hin, daß es bei wei¬ 
teren Versuchen wohl möglich sei n wird, Uebcrempfindlich- 
keit gegen Kornrade auszulösen. 

d) Kontrollversuche mit reiner Roggenkleie und reinem Erdnu߬ 
mehl. 

Aus den in der Tabelle d verzcichneten Versuchen ist 
der Schluß gestattet, 1) daß sich Anaphylaxie gegen Roggen- 






Experimentelle Beiträge zur praktischen Vorwertbarkeit der Anaphylaxie. 597 


Tabelle c. 


Versuchs¬ 

tier 

Nummer 

Datum der Vor¬ 
behandlung 

Menge des 
subkutan inji¬ 
ziert. 1 / 2 proz. 
Kornrade¬ 
roggenkleie¬ 
extraktes 

! 2 § 

‘ta 

Ut ff) 

TJ Q 

ä ’35 

1 % 
" 5,2 

Q 

Menge des zur 
Prüfungsinjektion 

verwendeten 

Kornradeextraktes 

Ausgang 

des 

Versuches 


1909 


1909 



1. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

14.10. 

1 72 ccm (7 2 proz. 

Ist munter nach der 


10. 9. 

2 ccm sk. 


Kornradeextraktes). 

Injektion. Nicht 


13. 9. 

2 ccm sk. 



anaphylaktisch. 

2. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

18.10. 

V* ccm (löproz.Korn- 

Stirbt bald nach 


10. 9. 

2 ccm sk. 


1 radeextraktes). 

der Injektion. Ob 


13. 9. 

2 ccm sk. 


i 

anaphylaktisch? 

3. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

18.10. 

'/2 ccm(15proz.Korn- 

10 Minuten nach der 


10. 9. 

2 ccm sk. 


radeextraktes). 

Injektion fangt es an, 


13. 9. 

2 ccm sk. 



sich zu putzen u. zu 






husten. Erholt sich. 




i 


Ganz leicht anaphyl. 

4. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

| 18. 10. 

1 3 / 4 ccm(15proz.Korn- 

Ist munter nach der 


10. 9. 

2 ccm sk. 


i radeextraktes). 

Injektion. Nicht 


13. 9. 

2 ccm sk. 

i 18. 10. 


anaphylaktisch. 

G. 

— 

— 


a / 4 ccm (15 proz. Korn¬ 

Ist munter nach der 

Kontrolle 



i 

i 

radeextraktes). 

Injektion. 


Anmerkung: Die übrigen Kontrollen sind in Tabelle d verzeichnet. 


kleie und Erdnußmehl erzeugen läßt, 2) daß diese Ueber- 
empfindlichkeit eine spezifische ist und 3) daß die Anaphy- 
laxiesymptorac der einzelnen in Tabelle a, b und c aufge¬ 
führten Tiere ebenfalls spezifisch gewesen sind. 

e) Versuche mit Rizin und Rizinussamen. 

Die mit Rizin angestellten Versuche sind Vorversuche für die 
weiter unten mitgeteilten Experimente über Rizinussaraen. 

Es werden Meerschweine mit untertödlichen Dosen von in 0,85proz. NaCl- 
Lösung aufgeschwemmtem Rizin (Rizin Merck) subkutan vorbehandelt und nach 
Verlauf mehrerer Wochen mit y 2 proz. Rizinussamenkern-, Sesamkuchenmehl- und 
Rizinussamenschalenextrakten, die in derselben Weise wie die anderen bereits oben 
erwähnten Extrakte hergestellt worden sind, intrakardial zur Prüfung auf Anaphy¬ 
laxie nachgespritzt. 

Aus diesem Versuch geht hervor, daß mit Rizin vor¬ 
behandelte Meerschweine gegen Rizinussamenkernextrakt 
überempfindlich geworden sind. Die Ueberempfindlichkeit 
ist eine spezifische und wahrscheinlich keine Gift-, sondern 
eine an das Eiweiß des Rizinussamenkerns gebundene Ueber¬ 
empfindlichkeit. 







598 SCHERN, 

Tabelle d. 


Versuchs¬ 

tier 

Nummer 

Datum der 
Vorbehand 
lung 

Menge des 
subkutan inji¬ 
ziert. Roggen- 
kleiecxtraktes 

Menge des 
subkutan inji¬ 
zierten x / 2 proz. 
Erdnußmehl¬ 
extraktes 

Datum der 
Prüfungsinjektion 
mit Angabe der 
| injizierten Sub- 

1 stanz 

! 

Ausgang 

des 

i 

Versuches 


1909 





1. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

— 

14. 10. 1909 lccmi Ist munter nach 


10. 9. 

2 ccm sk. 


15 proz. Korn- 

der Injektion. 


13. 9. 

2 ccm sk. 


radeextraktes. 


2. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

— 

14. 10. 1909 1 ccm 

Ist munter nach 


10. 9. 

2 ccm sk. 


20 proz, Aekcr- 

der Injektion. 


13. 9. 

2 ccm sk. 


senfextraktes. 


3. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

— 

14.10.1909 1 ccm 

Ist bald nach der 


10. 9. 

2 ccm sk. 


V 2 proz.Roggen- 

Injckt. typisch 


13. 9. 

2 ccm sk. 


kleicextraktes. 

überempfindlich. 

4. 

9. 9. 

2 ccm sk. 

— 

18.10.1909 1 ccm 

Ist sofort sehr 


10. 9. 

2 ccm sk. 


lOproz.Roggen- 

schwer anaphy¬ 


13. 9. 

2 ccm sk. 


klcieextraktcs. 

laktisch. 

5. 

9. 9. 

_ 1 

2 ccm sk. . 

18 10.1909 1 ccm 

Ist sofort nach d. 


10. 9. 

1 

2 ccm sk. 

15 proz. Erdnuß- 

Injektion schwer 


13. 9. 


2 ccm sk. 

mehlextraktes. 

anaphylaktisch. 


9. 9. 

— 

2 ccm sk. 

18.10.1909 1 ccm 

Ist sofort nach d. 


10. 9. 


2 ccm sk. 

15 proz. Erdnu߬ 

Injektion schwer 


13. 9. 

1 

2 ccm sk. 

mehlextraktes. 

anaphylaktsich 






dabei +. 

7. 

9. 9. 


2 ccm sk. 1 

18.10.19091 ccm 

Ist munter nach 


10. 9. 


2 ccm sk. j 

20 proz. Acker¬ 

der Injektion. 


13. 9. | 


2 ccm sk. 1 

senfextraktes. 


s. 

9. 9. 

— 

2 ccm sk. 

18.10.1909. 1 ccm 

Ist munter nach 


10. 9. 


2 ccm sk. 

20 proz. Acker- 

der Injektion. 


13. 9. 


2 com sk. 

senfextraktes. 


9. 

1 

— 

18.10.19091 ccm 

Ist munter nach 

K entrolle 




10 proz. Roggen- 

der Injektion. 

zu Nr. 4. 




kleiecxtraktes. 


10. 

— 

— 

— 

18.10.1909 1 ccm 

Ist munter nach 

Kontrolle 




15proz. Erdnu߬ 

der Injektion. 

zu Nr.6u.7. 




mehlextraktes. 



Anmerkung: Die fehlenden Kontrollen sind in Tabelle b und c ver¬ 
zeichnet. 


Am 29. 5. 09 ist außerdem ein Meerschwein mit l / 2 Millionstel Gramm Rizin 
subkutan vorbehandelt worden. Mit dem Serum dieses Tieres ist ein passiver 
Ueberempfindlichkeitsversuch angestellt. Das Versuchstier wird am 8. 7. 09 durch 
Halsschnitt getötet, sein Blut aufgefangen und klar zentrifugiert. 3 ccm des so 
erhaltenen Serums werden einem anderen Meerschwein subkutan injiziert. Am 
9. 7. 09, also einen Tag nach dieser Injektion, wird dem Tier 1 ccm eines proz. 
Rizinussamenkernextraktes intrakardial injiziert. Es bleibt gesund und, was be¬ 
sonders auffällig ist, trotz der Rizinussamenkernextraktinjektion am Leben. Dieses 
Versuchstier wird am 17. 8. 09 durch Halssclinitt entblutet und sein durch Zentri¬ 
fugieren gewonnenes Serum wird in einer Monge von je 3 ccm je einem anderen 






Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 599 


Tabelle e. 


Versuchs¬ 
tier Nr. 

Datum der 
Vor¬ 
behandlung 

Menge des 

subkutan in¬ 
jizierten Rizin 

Datum der 

Prüfungs¬ 

injektion 

Menge und Art der 
bei der Prüfungs¬ 
injektion ver¬ 
wendeten Substanz 

Ausgang des Versuches 

i 

1909 
29. 5. | 

1 Vz Millionstel 

8. 7. 09 

1 ccm (V 2 proz. Rizi- 

Bald nach der Injektion 

2 

29. 5. 

Gramm 

do. 

8. 7. 09 

nussamenkern- 

extrakt) 

1 ccm O /2 proz. Rizi- 

leicht überempfindlich, 
i Stellt die Ohren, putzt 
sich nach zirka 10 Mi¬ 
nuten. Ist am 9. 7. 09 + 
infolge Rizinus. 

Ist bald nach der In- 

3 

29. 5. 

i do. 

9. 7. 09 

nussamenkern- 

extrakt) 

1 ccm O/j proz. Rizi- 

jektion schwer über¬ 
empfindlich. Setzt Urin 
ab. Krämpfe. Dabei +. 
Das Tier ist völlig 

4 

I 

1 

29. 5. ■ 

1 

do. 

* 

9. 7. 09 

1 Stunde nach der 
ersten Injektion 

9. 7. 09 

nussamenschalen- 

extrakt) 

1 ccm (V 2 proz. Rizi- 
nussamenkern- 
extrakt) 

1 ccm O /2 proz.Scsam- 

munter. Bleibt leben. 

Das Tier ist bald nach 
dieser zweiten Injektion 
schwer überempfindlich, 
dabei +. 

Das Tier ist nach dieser 

5 


1 

9. 7. 09 

1 Stunde nach der 
ersten Injektion 

■ 

i 

8. 7. 09 

kuchenmehlextrakt) 

1 ccm O /2 proz. Rizi- 
nussamenkernlösg.’) 

1 ccm (V 2 proz. Rizi- 

Injektion völlig munter. 
Bleibt leben. 

Das Tier putzt sich nach 
der Injektion. Zuckun¬ 
gen. Ist überempfind¬ 
lich. Erholt sich später. 
Ist am 10. 7. 09 f in¬ 
folge Rizinus. 

1 Ist munter. Am 9. 7. 09 

(Kontrolle) 

6 



9. 7. 09 

nussamenkcrnlüsg.) 

1 ccm O /2 proz. Rizi¬ 

f infolge Rizinus. 

Das Tier ist munter. 

(Kontrolle) 

7 



9. 7. 09 

1 Stunde nach der 
i ersten Injektion 

! 

| 9. 7. 09 

nussamenschalen¬ 

extrakt) 

1 ccm (V 2 proz. Rizi¬ 
nussamenkern¬ 
extrakt) 

1 ccm O /2 proz. Scsam- 

Das Tier ist munter. 
Zeigt keine Symptome. 
Am 10. 7. 09 f infolge 
Rizinus. 

Das Tier ist munter. 

(Kontrolle) 

- 


9. 7. 09 

1 Stunde nach der 
ersten Injektion 

kuchcnmehlextrakt) 

1 ccm (Viproz. Rizi¬ 
nussamenkern lösg.) 

Das Tier ist munter. 
Zeigt keine Symptome. 
Am 10. 7. 09 f infolge 
Rizinus. 


Meerschwein subkutan am 17.8.09 injiziert. Am 18.8.09 wird dem einen der beiden 
Tiere 1 ccm eines YgP™ 2 - Rizinussamenkernextraktes intrakardial injiziert. Das 
Meerschwein ist sehr leicht überempfindlich, putzt sich nach der Injektion und 
sträubt die Haare, hustet und schüttelt sich. Es ist am 19.8.09 infolge von Rizinus- 






600 


SCHEKN, 


Vergiftung gestorben. Das andere Meersohwein zeigt nach der am 19. 8. erfolgten, 
in gleicher Weise vorgenommenen Prüfungsinjektion keine Symptome. Es ist am 
20. 8. tot infolge der Wirkung des Rizinus. 

Aus den in dieser Richtung angestellten passiven Ueber- 
empfindlichkeitsvorsuchen kann man endgültige Schlüsse 
nicht ziehen. 

Des Weiteren sind Anaphylaxieversuche mit Sesamkuchenmehl, 
dem künstlich je 5 pCt. von gekochten und von rohen Rizinus¬ 
samenkernen im zerriebenen Zustand beigemischt waren, angestellt 
worden. Von diesem so verfälschten Futter werden in der bekannten 
Weise 1 / 2 prozentige Extrakte hergestellt. Damit werden Meerschweine 
aktiv sensibilisiert zwecks späterer Prüfung auf Anaphylaxie. 


f) Versuche mit rohen Rizinussamenkernen. 

Tabelle f. 


Versuchs¬ 
tier Nr. 


bfi 

§ 

<D 

- a 

B «3 

•*2 <u 

ca o 

Q T- 
o 
> 


* N C — 

's £ 

p _ 

x> w c 5 £ 
«■ = St j 
© .£ % B * 

C .Z, M (fl 

© c; © 


a 

*.2 


*C 


Menge und Art 
^ ^ der bei der 

<D O 

^ a* 1 Prüfungsinjektion 

§ ä 
3 s 


«j £ 
Q 


verwendeten 

Substanz 


Ausgang des 
Versuches 


Bemerkungen 


3. 


D. 

(Kontrolle) 

G. 

(Kontrolle) 


7. 

(Kontrolle) 


8 . 

(Kontrolle) 


1909 

21 . 8 . 


I 


1 ccm sk. 


1 ccm sk. 


1 ccm sk. 


1 ccm sk. 


21 . 8 . 

21 . 8 . 

21 . 8 . 

21 . 8 . 1 — 

I 

• 21 . 8 ., 

I 


1909 
18. 9. 


1 ccm (Va proz. 
Rizinussamen- 
kernextraktes) 


18. 9. 


18.9. 


18 9. 
18. 9. 


18. 9. 


P^ccm (^^proz. 
Rizinussamen- 
kernextraktes) 

1 ccm (V 2 proz. 
Rizinussamen¬ 
kernextraktes) 

do. 

2 ccm (V 2 proz. 
Sesamkuchen- 
mehlextraktes) 

2 ccm (V 2 proz. 

Sesamkuchen¬ 
mehl ex traktes) 


18. 9. ! 1V 2 ccm (VL>proz. 
Rizinussamen¬ 
kernextraktes) 


18. 9. 


l l / 2 ccm (V^proz. 
Rizinussamen¬ 
kernextraktes. 


Sofort schwer ana- 
phylakt., erholt 
sich allmählich, 
f am 22. S. 09 in¬ 
folge Rizinus. 

Sofort schwer ana¬ 
phylaktisch. Da¬ 
bei +. 

do. 


do. 

Bleibt völlig ge¬ 
sund u. munter. 


do. 


Bleibt gesund und 
munter. Am 19.9. 
09 f infolge Ri¬ 
zinus. 

Bleibt gesund und 
munter. Am 19.9. 
09 f infolge Ri¬ 
zinus. 


Sind Toibehandelt mit 
4 ccm eines 5pro?, 
reinen unverfälscht. 
Sesamkuchenmehl¬ 
extraktes. 

do. 







Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 601 


Aus diesen Versuchen geht hervor, daß Meerschweine 
nach Sensibilisierung mit einem in sehr geringem Grade 
durch Rizinussamen verfälschten Sesamkuchenmehl — eine 
so geringe Verfälschung kommt in der Praxis kaum vor — 
gegen das Eiweiß des Rizinussamens überempfindlich werden» 


g) Versuche mit gekochten Rizinussamen. 

Es werden Rizinussamenkerne ohne Schalen im Mörser zerrieben und dar¬ 
nach 2 Stunden lang in 0,85 proz. Kochsalzlösung gekocht. Hiernach wird die 
Masse durch ein einfaches Papierfilter filtriert. Der Rückstand wird vom Filter 
abgenommen und auf Kanzleipapier in sehr dünner Schicht ausgebreitet. Dieses 
Papier bleibt während 24 Stunden auf einem auf 37° eingestellten Brutschrank 
liegen. Hiernach wird von den trockenen Rizinussamenkernbestandteilen 1 g mit 
19 g rohem Sesamkuchenmehl durch Reiben im Mörser und durch Schütteln ver¬ 
mischt. Es sind demnach dem Sesamkuchenmehl 5pCt. zerriebene, gekochte 
Rizinussamenkerne beigemischt gewesen. Von diesem Gemisch wird in der be¬ 
kannten Weise ein lproz. Extrakt hergestellt. (Bei den Versuchen mit rohem 
Rizinus ist nur mit 1 / 2 proz. Extrakt gearbeitet worden.) Mit dem Extrakt werden 
Meerschweine sensibilisiert und später durch intrakardiale Injektion von aus rohen 
Rizinussamenkernen hergestellten Extrakten auf Anaphylaxie geprüft. 


Tabelle g. 


Versuchs¬ 
tier Nr. 

bo 

u S 

O 3 

B 5 
-2-g 

Sf 

> 

Menge des sub¬ 
kutan injizierten 
V 2 P r oz- Rizinus¬ 
samenkern (ge¬ 
kocht) -Sesam- 
kuchenmehl- 
extraktes 

Datum der 

Prüfungs¬ 

injektion 

Menge des zur 
Prüfungsinjektion 
verwendeten Rizinus- 
samenkern(roh)- 
extraktes 

Ausgang des Versuches 


1909 





i 

22. 9. 

2 ccm sk. 

18. 10. 09 

1 ccm (10 proz. rohen 

Legt sich auf die Seite 





Rizinussamenkern¬ 

und stirbt ohne ana¬ 





extrakt) 

phylaktische Symptome. 

2 

22. 9. 

1 ccm sk. 

18. 10. 09 

V 2 ccm (10 proz. rohen 

Legt sich bald auf die 


24. 9. 

1 ccm sk. 


Rizinussamenkern-. 

Seite, zuckt. 





extrakt) 

Ob anaphylaktisch? 

3 

22. 9. 

1 ccm sk. 

18. iO. 09 

3 / 4 ccm (lOproz. rohen 

Ist munter, drängt nach 


24. 9. 

1 ccm sk. 


Rizinussamenkern¬ 

links. 





extrakt) 

Nicht anaphylaktisch. 

4 

22. 9. 

1 ccm sk. 

18. 10. 09 

3 / 4 ccm (lOproz.rohen 

Ist munter, legt sich 


24. 9. 

1 ccm sk. 


Rizinussamenkern¬ 

später auf die Seite. 





extrakt) 

Nicht anaphylaktisch. 

5 

— 

— 

18. 10. 09 

1 ccm (lOproz. rohen 

Ist anfangs munter. Sitzt 

(Kontrolle) 




Rizinussamenkern¬ 

nach einiger Zeit krank 



1 

i 

1 

extrakt) 

da. 






602 SCH FIRN, 

Nach dom Ausfall dieser Versuche ein einwandfreies 
Urteil darüber abzugeben, ob die gekochten Rizinussamen 
die Versuchstiere sensibilisiert haben, ist nicht möglich. 

h) Versuche über die Verwendung der Anaphylaxie zur Diagnose 

einer Rizinus Vergiftung. 

Von großem Interesse ist es, festzustellen, ob sich eine Rizinus¬ 
vergiftung ante und post mortem durch den Anaphylaxieversuch 
diagnostizieren läßt, weil diese Diagnose erheblichen Schwierigkeiten 
unterliegt. 


Tabelle h. 


Versuchs¬ 
tier Nr. 

^ bf 

<D C 

c 

CO o 

p £ 

Menge und Art 
der zur Vor- 
, behändlung ver¬ 
wendeten Sub¬ 
stanz 

Datum der 

Prüfungs¬ 

injektion 

Menge des bei der 
Prüfungsinjektion 
verwendeten Rizinus¬ 
samenkernextraktes 

Ausgang des Versuche* 


1909 





i 

15. 9. 

IG. 9. 

1 ccm (Magcn-In- 
haltextrakt) sub¬ 
kutan 

do. 

i 

14. 10.09 

Vj 2 ccm 1 /o proz. Ri* i Das Tier bleibt munter 
zinussamenkern- und wird nicht aua 

extraktes. phylaktisch. 

Intrakardial ! + am 15. 10. 09 infolge 

l Rizinus. 

2 

15. 9. 

IG. 9. 

do. 

do. 

15. 10.09 

1 ccm 5 proz. Rizinus¬ 
samenkernextraktes 
intrakardial 

Das Tier bleibt munter 
und wird nicht ana¬ 
phylaktisch. 

f am 16. 10. 09 infolge 
Rizinus. 

3 

15. 9. 
IG. 9. 

do. 

do. 

18. 10. 09 

do. 

Ob anaphylaktisch? 

+ am 19. 10. 09 infolge 
Rizinus. 

4 

13. 9. 

!l 3 / 4 ccm Serum 
; vom Kaninchen, 
Rizinus gefüttert j 

15.10.09 1 

i 

! 

do. 

Das Tier bleibt munter 
und wird nicht ana¬ 
phylaktisch. f am 17.10. 
1909 infolge Rizinus 

5 

13. 9. 

do. 

j 

18,10.09 

i 

do. 

Das Tier bleibt munter 
und wird nicht ana¬ 
phylaktisch. f am 19.10. 
1909 infolge Rizinus. 

G 

13. 9. 

1 ccm do. 

i 

15. 9. 09 

i 

1 com V 2 proz. Rizi- 
nussamenkernextr. 
Intrakardial 

Das Tier bleibt munter 
und wird nicht ana¬ 
phylaktisch. fam 16.9. 
1909 infolge Rizinus. 

7 

13. 9. 

do. i 

i 

15. 9. 09 

IV 2 ccm do. 

do. 

8 

13. 9. 

1 

do. 

15. 9. 09 | 

1 

1 ccm 5 proz. Rizinus -1 
samenkernextrak tcs. 
Intrakardial 

do. 

■ 

9 

(Kontrolle) 

- 1 

i 

15. 9. 09 i 

do. 

do. 




Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 603 


Am 10. 9. 09 wird ein 2,360 kg schweres Kaninchen mit 1,5 g entschälten, 
im Mörser zerriebenen, darnach in Oblaten gehüllten Rizinussamen gefüttert. Am 
11.9.09 ist das Tier schwer krank und nimmt kein Futter auf. Gegen Abend des¬ 
selben Tages wird das Tier in der Agone entblutet, das Blut aufgefangen. Das 
Serum hiervon hat sich bis zum 13. 9. klar abgesetzt. Bei der am 13. 9. 09 statt¬ 
findenden Obduktion — das Kadaver des Tieres lag vom 11.9. bis 13.9.09 auf Eis 
und zwar deshalb, weil unter praktischen Verhältnissen ein Tierarzt nicht sofort 
die Obduktion vornehmen kann — wird dem Magen 50 g seines aus grünen Massen 
bestehenden Inhalts und ebenso dem Darm 20 ccm seines flüssigen, bräunlichen 
Inhalts entnommen. Die 50 g Mageninhalt und die 20 com Darminhalt werden 
mit 200 ccm physiologischer Kochsalzlösung vermischt und dieses Gemisch wird 
ungefähr 40 Stunden dem Schüttelapparat bei Zimmertemperatur überlassen. Hier¬ 
nach wird eine bestimmte Menge davon zentrifugiert. Da eine injektionsfähige 
Masse nach dem Zentrifugieren nicht erhältlich ist, so werden einige Kubikzenti¬ 
meter wiederholt durch ein Kieselgurfilter filtriert. Es resultiert eine klare, leicht 
gelbe Flüssigkeit, welche die Eiweißprobe schwach gibt (leichtvioletter Ring). 

Sowohl mit diesem Extrakt aus Mageninhalt als auch mit dem 
Serum des Kaninchens sind Meerschweine sensibilisiert und später 
auf Anaphylaxie gegen Rizinus geprüft worden. (Siehe Tabelle h.) 

Aus diesen Versuchen ergibt sieb, daß sich die Dia¬ 
gnose einer Rizinusvergiftung mit Hilfe der Anaphylaxie in 
der angegebenen Form nicht stellen läßt. 


II. Untersuchungen über Anaphylaxie hei einigen 
Infektionskrankheiten. 

Im Anschluß an die obigen Versuche ist festgestellt worden, in 
welchem Umfange sich die Anaphylaxie zur Diagnose von zwei der 
gefährlichsten Mensch- und Tierseuchen, von Tuberkulose und Malleus 
verwenden läßt. 

Hinsichtlich der Tuberkulose stehen uns heute bekanntlich sehr 
gute diagnistische Hilfsmittel, mit denen eine ziemlich sichere Er¬ 
kennung der Krankheit erfolgt, zur Verfügung. Es sei hier nur an 
das Tuberkulin erinnert. Vom Mallein das Gleiche für den Rotz zu 
sagen ist nicht angängig, zumal die Malleinprobe von Schütz, dem 
bedeutendsten Kenner der Rotzkrankheit, so, wie sie augenblicklich 
angewandt wird, für die Diagnose des Rotzes für wertlos gehalten 
wird. 

Es besteht die Aufgabe, zu prüfen, ob sich mit Hilfe der weiter 
unten näher ausgeführten Anaphylaxieprobe bei kleinen Versuchstieren 
die Diagnose des Rotzes und der Tuberkulose stellen läßt. 



604 SCHERN, 

Es werden 3 männliche Meerschweine mit Kotz infiziert. Neun Tage nach 
der Infektion weisen alle 3 Tiere die Anzeichen der Rotzkrankheit in Form von 
ungefähr pflaumengroßen geschwollenen Hoden auf. Außerdem sind die Tiere 
abgemagert. II Tage nach der Infektion wird an den Tieren der Anaphylaxie¬ 
versuch ausgeführt. 

Das eine Tier erhält 0,05 ccm flüssiges Mallein [Mallein Foth 1 )] in 0,95 ccm 
0,85proz. NaCl-Lösung intrakardial injiziert, nachdem vorher an verschiedenen 
anderen gesunden Meerschweinen festgestellt war, daß 0,1 ccm flüssiges Mallein 
von den Tieren gut vertragen wird. 

Dem zweiten mit Rotz infizierten Meerschwein werden 0,1 ccra flüssiges 
Mallein zusammen mit 0,9 ccm physiologischer Kochsalzlösung injiziert. 

Das dritte rotzige Meerschwein erhält 0,008 g trookenes Mallein aufgelöst in 
1 ccm physiologischer Kochsalzlösung ins Herz injiziert. Für dieses Tier war 
durch entsprechende Kontrollversuche die Malleindosis, welche nicht tötet, er¬ 
mittelt. 

Die drei mit Rotz behafteten Tiere erwiesen sich bei der 
Prüfungsinjektion nicht überempfindlich. Allerdings hat das eine mit 
trockenem Mallein behandelte Meerschwein einzelne Symptome gezeigt, 
die für einen ganz leichten Anfall von Anaphylaxie hätten gedeutet 
werden können. Aber mit Sicherheit hat sich eine Ueberempfindlich- 
keit nicht beobachten lassen. 

Praktisch bedeutungsvoll ist es, wenn sich passive Anaphylaxie 
bei Meerschweinen gegen Rotz erzeugen läßt. 

Es werden deshalb Versuche an Kaninchen und Meerschweinen so ausge¬ 
führt, daß diesen Tieren Serum von rotzkranken Pferden intraperitoneal und nach 
Verlauf von 24 bzw. 48 Stunden Mallein bzw. Rotzbazillenextrakt intravenös oder 
intrakardial injiziert wird. 

Bei der Prüfungsinjektion ist durch entsprechende Kontrollversuche 
vorher festgestellt worden, wieviel von den Rotzbazillensubstanzen 
den Tieren eingespritzt werden kann, ohne daß sie zu Grunde gehen. 

Die Einzelheiten der Versuche veranschaulicht die folgende 
Tabelle. 

Hiernach sind bei einzelnen Tieren zwar Symptome beobachtet 
worden, die nicht mit Sicherheit von der Anaphylaxie haben getrennt 
werden können. Trotzdem kann man sagen, daß sich weder die 


1) Herr Departementstierarzt, Veterinärrat Dr. Foth hat mir das Mallein für 
diese Versuche in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt. Auch an dieser 
Stelle möchte ich ihm meinen ergebensten Dank dafür sagen. 



Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 605 


Nummer 

Tierart 

Rotziges 

Pferde¬ 

serum 

Normales 

Pferde¬ 

serum 

Mallein 

flüssig 

Foth 

trocken 

Rotz¬ 

bazillen¬ 

extrakt 

Ausgang des 

Versuches 

i. 

Kaninchen 

5ccm(kar- 

bolisiert) 

ip. 

— 

Nach 24 Std. 

0,1 ccm + 
0,9 ccm NaCl 
intravenös. 

— 

— 

Lebt. 

2. 

do. 

3 ccm. do. 

— 

do. 

— 

— 

do. 

3. 

do. 

Kontrolle 


5 ccm (kar- 
bolisiert) 
ip. 

do. 



do. 

4. 

Meer¬ 

schwein¬ 

chen 

5ccm(kar- 

bolisiert) 

ip. 


Nach 24 Std. 
0,05 ccm + 
0,5NaCl-Lösg. 
intrakardial. 

— 

—■ 

Ist gelähmt, Zuckun¬ 
gen. Ob überempfind¬ 
lich? Tod V 2 Stunde 
nach der Injektion. 

5. 

do. 

3 ccm do. 


do. 



Erscheint benommen 
nach der Injektion, 
erholt sich bald. 

6. 

do. 

Kontrolle 


5ccm(kar- 

bolisiert) 

ip. 

do. 



Ist munter. Lebt. 

7. 

Meer¬ 

schwein¬ 

chen 

5 ccm 
(nicht kar- 
bolis.) ip. 



Nach 24 Std. 
0,08g +1 ccm 
NaCl-Lösung 
intrakardial. 


Anfänglich munter, 
dann Lähmung der 
Nachhand, fällt auf 
die Seite u. verendet. 
Ob überempfindl.? 

8. 

do. 

do. 

i 

i , 



| do. 


Symptome wie bei 
Nr. 7. Ob über¬ 
empfindlich ? 

9. 

do. 

1 do. 

— 

— 

do. 

— 

Ist munter. Lebt. 

10. 

do. 

do. 

— 

— 

do. 

— 

do. 

11. 

do. 

do. 

— 


do. 

i 

do. 

12. 

do. 

do. 

i 


do. 


Zeigt die Symptome 
wie Nr. 7. Ob über¬ 
empfindlich? 

13. 

do. 

Kontrolle 

1 

5 ccm 
(nicht kar- 
bolis.) ip. 


do. 

i 

i 

: Ist munter. Lebt. 

1 

14. 

do. 

— 

do. 

— 

do. 

— 

1 do. 

15. 

do. 


do. 

— 

do. 

, — 

do. 

16. 

do. 

Kontrolle 
unvor- i 
behandelt.j 

j 


_ 

i 

do. 


Zunächst munter, 
dann krank,Schüttel¬ 
frost, gesträubte 
Haare, aber nicht ge¬ 
lähmt und nicht 
überempfindlich. 

17. 

Meer¬ 

schwein¬ 

chen 

1,9 ccm 
(karboli- | 
siert) ip. 

l 


— 

Nach 24 St. 

1 ccm 
intrakard. 

Ist munter. Tod einen 
Tag nach der In¬ 
jektion. 

18. 

do. 

4,5 ccm do. 

— 

— 

— 

do. 

do. 

19. 

do. 

Kontrolle 

i 

1 

4,5 ccm 
(karboli- 
siert) ip. | 

1 

1 


do. 

i 

do. 












SCUKHN, 


| • 

T-vsrbvi'r f';; Tj> 


M;HMn i <f '•,. 


. :.%,Viyv ;a> - -A'MMxm: . 
".fc&iptt *:'• %C ? '-•- 

•/yijralr^ >j*i : : 


■Wmx 1 - \ ; 

• , -••;-• ö{t*h ; ■ 

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•{£♦; ■ttfttuter. liefe 
f i :&} ?*'!ö* . /.,. : l : . 

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k. ' 

Ti:’;;-:.:': 

.Vj* s ’ , * i r. 

Vy i ^ V, \ ;v 
\ w \ ‘\v "Xlvi \y& 

r;. ’. ; v/. V S #is< * t N '. f •• . 

nj \ e - k; •' f ?■ 


- 

; 

'• 1*7 1 . Wr'^'yV^i'vi ml 

*', 5 i •’.':?Vv’ ! ';*/•> 'fl • e. C.-* o.r ,;,'i 

; aktiv; r 

y . jiöoh d ie ' , passi v e '..’A 

napby la 

xie zur Di aiinn.se des 

ftnUe 

H' ii): d e x l * raxi %, eigtiOn 

sut&M. ■ 



i)ic Versuche (üm'.t aktive Aft«}»ht faxte ? * iii>erküIi<iion,) hei 
Tuberkulose worden an Meerschweinen au^eiiihtf. dk mit dem 
BaeiUu* iube.retdosi* i j'yptis Iminauus»'. infiziert uijd Affon.siohHi^ir-'ktkn'k 
sind. liHi Tieren wird ilcichzeiiig mit Anräpm;h«ii(i.^ , fcontmlien 
0.7-j <:<■>,t Tiiberküliik; Welches aus• ITvlnwkcMa/ilkn des T\juis 
htttniUttlS i.*-!'Asie!i* Di. gemischt mit <>..% -tm ibiysibloehm her Rödi- 
lÄzIösunät mirukardntl injiziert. Die lv*.*iitrolftier^v DiviDen 
tuumor, -uacb Verbitif von 20—HO Minuten faiuveu einigevon i Juten 
an »I zittern..- andere strauben die Haare. Simitiie.he kranke 
Kuntrolhierf erholen ,-n-h Uml sind munter. Von de« iuberkukDen 
Mecraeliiveinen sind einige juteb der Injekut*« in der Nachband gelähmt, 

•sie verkochen davon zu laufen, führen Maiiege!"Weuungefi aus, Fallen 
aut die .Seife und -verenden •tnir-r Znektui^en. Dir. anderen fuber- 
: kuM?m VveirKri' die ebenso behandelt werde«, bleihon uiuuter. 

Typiri.'.li >i!• eret«{»IhV.clIieh .j&t kein* der Tiere Geworden. 

The Versio he «her jjäSisfffc \nafdtv.la\je- feoi Tuhorkiilose leiben 
dasselbe Resultat ze/.eitigt; 

Von tuberbuKAen Hmdwii wird lUüt Milrionmmtt uml du^ 
Serum Kaninchen intrapiinUniV-al- injiziert Ks werden deshalb : }nr 
dikiit■ %i*siHdie Kaninchen^ ;;v^rV^iidel; \veil JamanoiidhT bei, einer. ' 
•»ihlieri Versiichsanordnimi! dar tuberkulöse Serum hat erkennen 
kühnen.- 24 Stunden nach der ersten-Injektion wird dijji T'tofHUgfis- 


■ 


l i Ks .in. vielli' 

ich i ri 

cid innülfl'i: 

«»!•!, hier xu erwälmon, d^lj .*v raii flifie 

voi, Antiiocdim-Kr.i/I. 

iizitle 

v:n«flö.snng«r. 

: gcgtiicJii, ist, üm Heersci’iVMUn sjegrti föuv 

tu man animieren., Vi 

e.Uee-l 

tt fiiiu Sieh 

auch tfuJcIi Ö'ih<vid}*Uig yffrt Hot'zbazdfmi 

mit Anii/ortfliu oiit bi 

u ktirH- 

hdyrauclibarr 

5S Maltrin b-oVstcUvu). 




Experimentelle Beiträge zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 607 


tiercn Tuberkulin, welches aus Rindertuberkelbazillen hergestellt ist, 
intravenös injiziert. Einige Daten aus den Versuchsprotokollen sind 
in der folgenden Tabelle wiedergegeben. 


Nr. 

Versuchstier 

Tuberkulöses 
Rinderserum | 

Normales 

Rinderserum 

Tuberkulin 

Ausgang des Versuches 

1 . 

Kaninchen 

5 ccm ip. (nicht 
! karbolisiert) 

i 

i 

1 ccm gemischt mit 
2 ccm 0,85 proz. 
NaCl-Lösung ip. 

Taumelt nach d. 2. Injektion, 
erholt sich. Tod 1 Tag nach 
der Injektion. 

2. 

do. 

do. 

— 

do. 

do. 

3. 

do. 

do. 

— 

do. 

i 

Zittert nach der 2. Injektion. 
Erholt sich. Bleibt leben. 

4. 

do. 

do. 

— 

do. 

do. 

5 . 

do. 

(Kontrolle) 

— 

5 ccm ip. (nicht 
j karbolisiert) 

do. 

Ist munter. Bleibt leben. 

6. 

do. 

1 ~ 

, do. 

do. 

Ist munter, stirbt 1 Tag nach 
der 2. Injektion. 

7. 

Nicht vorbc- 
handelt 

! ~ 

: ~~ 

i i 

do. 

Ist munter. Bleibt leben. 

i 


Die Resultate der Versuche weisen darauf hin, daß sich 
weder die aktive noch die passive Anaphylaxie für die 
praktische Diagnose der Tuberkulose verwenden läßt. 

III. Untersuchungen über Anaphylaxie zum Nachweis von Serum- 
eiweiß im Sekret der Milchdrüse des Rindes. 

Der Nachweis von Serumeiweiß ira Sekret der Milchdrüse bietet 
ein großes praktisches Interesse. Denn unter pathologischen Ver¬ 
hältnissen am Euter wird Flüssigkeit aus den Gefäßen in das Sekret 
der Milchdtüsenzellen übertreten. 

Diesen Znstand frühzeitig zu erkennen, ist aus verschiedenen 
Gründen ein Bedürfnis. Naturgemäß kommen praktisch nur die sehr 
geringgradigen Beimischungen von entzündlichem Exsudat zum 
Eutersekret in Betracht. Denn wir haben in anderen diagnostischen 
Proben (Labhemmprobe, Komplementnachweis) so fein arbeitende 
Methoden für die Erkennung von Euterentzündungen, daß hier nur 
eine Probe ergänzend eingreifen kann, die allerkleinste Mengen von 
Serumeiweiß, bezw. entzündlichem Exsudat nachweist. Vom theo¬ 
retischen Standpunkt müßte die Anaphylaxie hierfür geeignet sein. 

Meerschweinen werden 1 bzw. 2 ccm hochwertiges präzipitierendes Anti¬ 
rinderserum (Titer 1 : 20000) vom Kaninchen intraperitoneal injiziert. 24 bzw. 
48 Stunden nach dieser Injektion werden die Tiere mit Rinderserum oder Milch, 
bzw. maslilischem Sekret, welches schon bei der makroskopischen Besichtigung 






608 


SCHERN. 


als solches infolge seiner graugelben Farbe zu erkennen ist, intrakardial nachge¬ 
spritzt. Die Tabelle gibt den Versuch wieder. 


Nr. 

Tierart 

Antirinderserum 
vom Kaninchen 
(Titer 1:20000) 

Normales 

Kaninchenserum 

Inaktiviertes 

normales 

Rinderserum 

Normale 

, Kuhmilch 

1 

Mastitisches 

Sekret von 

der Kuh 

1 

1 

i 

| Ausgang des Versuch 

1. 

Meer¬ 

schwein 

1 ccm ip. 

i 

24Std.nachd. 

1. Injektion 
0,3 ccm intra¬ 
kardial 

t 

— 

Bleibt munter. Nit 
überempfindlich. 

2. 

do. 

2 ccm ip. 

i 



48 Std. naehd. 
1. Injektion 

1 ccm intra¬ 
kardial 

10 Min. nach d. Prüfung 
| injektion kratzt u. pu, 
sich d. Tier. Kaute? 
gungen; darnach rnunU 
Leicht anaphylak 

3. 

do. 

1 ccm ip. 

1 — 

1 

1 

48Std. naehd. 

1. Injektion 
0,3 ccm intra¬ 
kardial 

i 

1 


Bald nach der Injek::: 
schwer überem¬ 
pfindlich. Krämpiv 
Bleibt am Leben. 

4. 

do. 

do. 

i _ 

1 


! 

48 Std. naehd. 
1. Injektion 

2 ccm intra¬ 
kardial 

Sofort nach d. Prüfur.j 
injektion sehr schwä 
überempfindlich. 
Kauen, Kratzen, 1 

Krämpfe. Erholt siel s 
bleibt am Leben. 

5. 

do. 

do. i 




48 Std. naehd. 
1. Injektion 

1 ccm intra¬ 
kardial 

Sofort nach d. Prüfung 
injektion schwer ütd 
empfindlich. Krampi 
Bleibt am Leben. 

6 . 

do. 

do. 

j 

1 

| 


i 48 Std. nach d. 1. Injektion 
0,25 ccm mastitischcs Se¬ 
kret 4- 0,75 ccm normale 
Milch intrakardial 

Nach der Prüfungsinjci 
tion: Kanbewe^nnsrt 
sonst keine Sympton 
der Anaphylaxie. 

7. 

do. 

; 2 ccm ip. 

i 

i 

1 


48Std. naehd. 

1 1. Injektion 

1 ccm intra¬ 
kardial 

| ___ 1 

Anfangs gar keine Syrj 
ptorae nach d. Prüfung 
injektion, 1 / 2 Std. späri 
putzt u. kratzt sich dl 
Tier. 

8 . 

do. 

Kontrolle 

— 

2 ccm ip. 

— 

do. 

- 

Ist munter. Bleibt ^ 
Leben. 

9. 

Meer¬ 

schwein 

Kontrolle 


1 ccm ip. | 

48Std. naehd. 

1. Injektion 
0,3 ccm intra¬ 
kardial 



do. 

10. 

Meer¬ 

schwein 

Unvor- 

behandelt 





1 ! / 2 ccm intra¬ 
kardial 

Anfänglich nach d. In je; 
völlig munter, 20 M; 
später gelähmt, erh- 
sich, bleibt am Lebei 

11. 

do. 


i 


I 1 / 2 ccm intra¬ 
kardial j 

• 

Ist munter. Bleibt 3 
Leben. 









Experimentelle Beitrege zur praktischen Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 609 

Der Ausfall dieses Versuches ist ganz unzweideutig. Es 
reagieren die passiv sensibilisierten Meerschweine bei der Prüfungs¬ 
injektion mit krankhaft veränderter Milch in annähernd gleich 
schwerer Weise, wie die mit dem spezifischen Serum nachgespritzten 
Tiere, während die mit normaler, roher Milch geprüften Meerschweine 
entweder • gar keine oder nur sehr geringgradige Symptome von 
Ueberempfindlichkeit aufweisen. Infolgedessen ist in diesem Falle 
ein Unterschied zwischen normal er Milch und mastitischem 
Sekret mit Hilfe der Anaphylaxie nachzuweisen. 

Es fragt sich, ob sich die Reaktion für die Praxis verwenden 
läßt. Hierbei muß in Betracht gezogen werden, daß das mastitische 
Sekret, welches bei der Prüfungsinjektion typische Anaphylaxie aus¬ 
gelöst hat, ohne weiteres bei einfacher Besichtigung als solches zu 
erkennen gewesen ist. Das Tier (Nr. 6), welches bei der Prüfungs.- 
injektion mastitisches Sekret mit normaler Milch gemischt ein¬ 
gespritzt erhalten hat, ist nicht deutlich anaphylaktisch gewesen. 
Dieser Versuch ist so angestellt gewesen, daß er den Verhältnissen 
in der Praxis entsprach. 


Schlußfolgerungen. 

Aus den Versuchen lassen sich folgende Schlüsse ziehen: 

1. Weder die aktive noch die passive Anaphylaxie hat sich 
als ein sicheres diagnostisches Hilfsmittel für Tuberkulose 
und Rotz in Versuchen an kleinen Tieren bewährt. 

2. Im Eutersekret der Kuh läßt sich unter bestimmten Ver¬ 
hältnissen — Mastitis — Serumeiweiß des milchliefernden 
Tieres mit Hilfe der Anaphylaxie nachweisen. 

3. In Futtermitteln, denen in sehr geringer Menge giftige Samen 
beigemischt sind, lassen sich die Eiweißkörper dieser durch 
die Anaphylaxie nachweisen. Somit besteht die Möglichkeit, 
in bestimmten Fällen von Futtermittelverfälschung die zur 
Fälschung benutzte Eiweißart besonders dann zu erkennen, 
wenn andere Methoden des Nachweises von Verfälschungen 
der Futtermittel versagen. 

4. Roggenkleie und Erdnußmehl können mit Hilfe der Anaphy¬ 
laxie erkannt werden, da sich typische Anaphylaxie dagegen 
erzeugen läßt. 

Abgeschlossen: Ende Oktober 1909. 


Archiv f. wissenseh. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 


30 



610 SCHERN, Experiment. Beiträge zur prakt. Verwertbarkeit der Anaphylaxie. 

Literatur. 

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Jamanouchi, Wiener klin. Wochenschr. 1908. 



XXV. 

Aus dem pathologischen Institute der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin. 

Die Tilgung der Rotzkrankheit mit Hille der diagno¬ 
stischen Blutuntersuchung. 

Von 

Dr. Schubert, 

wissenschaftlichem Hilfsarbeiter. 


Die diagnostische Blutuntersuchung oder Serodiagnose hat in 
neuerer Zeit bei der Untersuchung und Bekämpfung von Infektions¬ 
krankheiten des Menschen und der Tiere viele Forscher beschäftigt 
und sich in der Bakteriologie einen wichtigen Platz errungen. 

Die Methoden, welche man zur Prüfung des Blutes, dieses an 
wichtigen Aufschlüssen über den Zustand eines Individuums so er¬ 
giebigen Bestandteiles des Organismus, angewandt hat, sind zahlreich 
und haben sich für die Zwecke, denen sie dienen sollten, je nach der 
Eigenart der betreffenden Infektionskrankheit, in sehr verschiedenem 
Maße bewährt. 

Es würde zu weit führen, die Leistungen hier zu erörtern, welche 
alle diese Methoden bisher gezeitigt haben. Die Anwendung zweier 
von ihnen jedoch, der Agglutination und der Korapleraentab- 
lenkung, hat in den letzten Jahren auf tierärztlichem Gebiete Er¬ 
gebnisse geliefert, die nicht allein einen wissenschaftlichen Gewinn 
darstellen, sondern auch eine praktische Bedeutung erlangt 
haben, nämlich für die Bekämpfung der Rotzkrankheit 
der Pferde. 

A. Alleinige Anwendung der Agglntination. 

Um die Art, in welcher die in Rede stehenden beiden Methoden 
zurzeit bei der Tilgung der Rotzkrankheit in Betracht kommen, 
beschreiben und begründen zu können, muß ich auf die Zeit zurück¬ 
gehen, in welcher die Agglutinationsmethode allein als Hilfsmittel zu 
dem genannten Zwecke diente. 


39 



612 


SCHUBERT, 


Unter der Leitung des Herrn Geheirarates Schütz hatte ich als 
wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am pathologischen Institute der tier¬ 
ärztlichen Hochschule zu Berlin seit Juni 1907 die amtlichen Prüfungen 
des Blutes rotzverdächtiger bezw. der Ansteckung durch Rotz ver¬ 
dächtiger Pferde und Pferdebestände des westlichen Teiles der 
Monarchie mittels der Agglutination auszuführen. 

Die Methodik, wie ich sie zu jener Zeit anwenden lernte, läßt 
sich im wesentlichen folgendermaßen zusammenfassen. 

Zu fallenden Mengen einer Serum-Grundverdünnung von 1 :40 
(1 Teil Serum, 39 Teile Karbolkochsalzlösung), nämlich 0,26; 0,2; 
0,16; 0,13; 0,10 ccm etc. werden je 2,0 ccm der „Testflüssigkeit“, einer 
Aufschwemmung durch Wärme abgetöteter Rotzbazillen in Karbol¬ 
kochsalzlösung von konventioneller Dichtigkeit, hinzugefügt, so daß in 
den einzelnen Röhrchen Seruraverdünnungcn von 1:300, 1:400, 
1: 500 etc. bis 1 :8000 enthalten sind. 

Das Agglutinationsphänomen der Rotzbazillen bietet die Besonder¬ 
heit, daß die Bildung makroskopisch sichtbarer Bazillenklümpchen in 
der Regel nur langsam vor sich geht, so daß sie erst nach 12 bis 
36 Stunden deutlich wahrnehmbar ist. Dann liegen die agglutinierten 
Bazillen in Form eines „Schleiers“, dessen Rand nicht selten umge¬ 
schlagen ist, auf dem Grunde des Reagenzröhrchens. In denjenigen 
Röhrchen, in welchen keine Agglutination eingetreten ist, liegen die 
nicht agglutinierten Bazillen in Form eines kreisrunden, flachen, hirse- 
bis hanfkorngroßen grauweißen Haufens an der tiefsten Stelle des 
Röhrchenbodens. 

Das Ablesen des Ergebnisses wird dadurch vereinfacht, daß man 
als Agglutinationswert diejenige Verdünnung ansieht, bis zu 
welcher nur Schleier-, aber jedenfalls keine Haufenbildung einge¬ 
treten ist. 

Nachdem dio Agglutinationsmethode in den Jahren 1902 bis 1904 
von Schütz und Mießner 1 ) an mehr als 2000 Pferden beim Rotz¬ 
tilgungsverfahren praktisch erprobt worden war, hatten die genannten 
Autoren für die Beurteilung der Agglutinationswerte bestimmte Sätze 
aufgestellt. Danach waren alle Pferde als rotzverdächtig anzusehen, 
deren Blut bei der ersten Prüfung einen Agglutinationswert von 500 
bis 800 hatte; solche Pferde sollten, falls sich gleichzeitig rotzver- 


1) Schütz und Mießner, Zur Serodiagnose der Rotzkrankheit. Arch. f. 
wissensch. u. prakt. Tierheilkd. Bd. 31. 1905. 



Die Tilgung d. Rotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 613 


dächtige Erscheinungen bei ihnen zeigten, getötet, falls sie aber 
klinisch nicht verdächtig waren, abgesondert und erst dann getötet 
werden, wenn sich bei der zweiten Prüfung ein veränderter Agglu¬ 
tinationswert ergeben hatte. Ferner sollten alle diejenigen Pferde 
getötet werden, deren Blut den Agglutinationswert 1000 zeigte. 
Endlich waren nach jenen Sätzen Pferde, deren Blut den Aggluti¬ 
nationswert 400 und darunter aufwies, falls sie keine rotzverdächtigen 
Erscheinungen zeigten, als rotzfrei anzusehen. 

Es waren indessen bei der weiteren praktischen Anwendung 
der Agglutinationsmethode Fälle zu verzeichnen gewesen, die mit 
diesen Sätzen nicht im Einklang standen. Insbesondere hatte sich 
ergeben, daß Werte von 500 bis 800 für sich allein einen 
Rotzverdacht nicht begründen können und daß Schwankungen 
im Agglutinationswerte auch bei rotzfreien Pferden Vor¬ 
kommen. Ferner war eine immerhin beachtenswerte Anzahl 
von Pferden mit dem Agglutinationswerte 1000 rotzfrei 
befunden worden. Endlich hatte man die Erfahrung gemacht, daß 
ein niedriger Agglutinationswert — 400 und darunter — 
keineswegs sicher das Freisein von Rotz anzeigt, auch wenn 
die betreffenden Pferde keine klinischen Erscheinungen des Rotzes 
erkennen lassen. 

Obgleich diese Erfahrungen bei der weiteren Anwendung der 
Agglutinationsmethode auf das sorgfältigste berücksichtigt wurden, 
mußte doch zugegeben werden, daß man sich vor Wiederholungen 
solcher Fälle nicht sicher schützen könne. Denn sie beruhten auf 
einer Schwäche der Methode, die zunächst eine unausfüllbare Lücke 
darstellte. Das Wesen dieser Schwäche bestand darin, daß man 
genötigt war, auf Grund von Zahlenwerten, die je nach Lage des 
Falles eine ganz verschiedene Bedeutung haben konnten, die Diagnose 
zu stellen. Kann doch beispielsweise, wie wir heute sicher wissen, 
ein Pferd, dessen Serum den Agglutinationswert 800 hat, sowohl 
rotzfrei wie mit altem oder auch ganz frischem Rotze behaftet sein. 

Der störendste und bei der praktischen Tilgung am unange¬ 
nehmsten empfundene Mangel der Agglutinationsmethode lag aber 
darin, daß zur Ermittelung von Pferden, die mit verborgenem chro¬ 
nischen Rotze behaftet waren, mehrere Prüfungen, und zwar in 
Zeitabständen von 3—5 Wochen, erforderlich waren. Denn da solche 
Pferde nur durch Feststellung allmählichen Sinkens des Agglutina¬ 
tionswertes ermittelt werden konnten, so nahm die diagnostische Blut- 



614 SCHUBERT, 

Untersuchung bis zu ihrem endgültigen Abschlüsse in jedem Bestände, 
der vermutlich chronisch rotzkranke Pferde enthielt, eine Zeit von 
1 / i bis zu y 2 Jahre in Anspruch. 

Dies war der Hauptgrund, weshalb ich von Herrn Geheimrat 
Schütz wiederholt darauf hingewiesen wurde, daß es vor allem not¬ 
wendig sei, ein Verfahren ausfindig zu machen, durch welches 
auch die mit verborgenem chronischen Rotze behafteten 
Pferde rasch ermittelt werden könnten. 

B. Einführung der Komplementablenkang. 

Theoretisch betrachtet, erschien mir für diesen Zweck am ge¬ 
eignetsten die Methode der Kompleraentablenkung, welche damals 
— im Jahre 1907 — in weiteren Kreisen anfing, von sich reden zu 
machen, und auf welche man namentlich hinsichtlich der Ermittelung 
syphilitischer Infektionen große Hoffnungen setzte. Denn insofern 
man es in der Komplementablenkung, der damals herrschenden An¬ 
schauung gemäß, mit einer Immunitätsreaktion zu tun hatte, d. h. mit 
einer Reaktion, die auf den Nachweis von „Antikörpern“ des Krank¬ 
heitserregers hinauslief, mußte auch das Blutserum von chronisch 
rotzkranken Pferden diesen Nachweis gestatten, selbst wenn der 
Agglutinationswert schon wieder einen unverdächtigen Tiefstand, z. B. 
600, erreicht hatte. 

Bei den ersten Versuchen, die ich im Aufträge des Herrn Ge¬ 
heimrates Schütz mit einer größeren Reihe von Serumproben chronisch 
rotzkranker Pferde anstellte, ergab sich aber, daß zwar manche 
dieser Sera eine vollständige oder doch starke Ablenkung hervorriefen, 
viele nur aber eine ganz schwache oder keine, so daß die Methode 
zunächst für eine diagnostische Verwertung nicht brauchbar erschien. 

Bei weiteren Untersuchungen konnte ich indessen nachweisen. 
daß nur die unzweckmäßige Verwendung des Komplementes jene 
Versuche so aussichtslos erscheinen ließ. Dem Beispiele Wasser¬ 
manns 1 ) folgend, der bei der Untersuchung von Blutserum syphilis¬ 
verdächtiger Personen immer eine gleich große Menge des Komple¬ 
mentes, nämlich 0,1 ccm, anwandte, hatte ich zunächst übersehen, 
daß dieses Verfahren für die Feststellung der Komplementablenkung 
am Serum rotziger Pferde nicht geeignet ist. Für viele der geprüften 


1) Wassermann, Neißer u. Bruck, Eine serodiagnostische Reaktion bei 
Syphilis. Deutsche med. Wochenschr. 1907. Nr. 19. 



Die Tilgung d. Kotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 615 

Sera erwies sich jene Komplementmenge (0,1 ccm) als zu groß, so 
daß der nicht abgelenkte freie Ueberschuß doch noch vollständige 
oder fast vollständige Lösung in Fällen herbeiführte, in denen man 
ein Ausbleiben oder doch eine starke Hemmung der Lösung er¬ 
warten mußte. 

Sobald ich bei der Prüfung der Rotzsera durchweg eine möglichst 
kleine, d. h. diejenige Komplementmenge anwandte, welche in dem 
zu den Untersuchungen benutzten hämolytischen System gerade noch 
vollständige Lösung der roten Blutkörperchen bedingte, zeigten sämt¬ 
liche von chronisch rotzkranken Pferden stammenden Serumproben 
eine so starke Ablenkung, daß man dieselbe als deutlich positives, 
für die Diagnose brauchbares Ergebnis ansehen konnte. 

Es ergab sich aber bei der Anwendung dieser Modifikation auch 
ein anderer wichtiger Umstand, der über das Erwartete noch hinaus¬ 
ging. Die Reaktion trat nämlich nicht nur bei der Prüfung des 
Serums chronisch rotzkranker Pferde, sondern auch bei der Prüfung 
des Serums von Pferden ein, die frisch durch Rotz infiziert waren, 
sobald 5 — 8 Tage seit der Infektion verflossen waren. 

Auf die Untersuchungstechnik, welche mit allen Einzelheiten und 
theoretisch begründet, bereits veröffentlicht 1 ) 2 ) und deren Brauchbar¬ 
keit in einer kürzlich erschienenen Arbeit von Mießner und Trapp 3 ) 
bestätigt worden ist, kann hier nicht näher eingegangen werden. 

Jedenfalls eröffnete sich nunmehr die Aussicht, bei der Unter¬ 
suchung eines verdächtigen Pferdebestandes sämtliche rotzkranken 
Pferde mit einem Male ermitteln zu können. 

Alle Schwierigkeiten, mit denen man bei der Anwendung der 
Agglutination zu kämpfen hatte, schienen überwunden, der Begriff 
„nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung rotzverdächtig“ beseitigt 
zu sein. Hatte man doch die Diagnose nicht mehr auf Zahlenwerte 
von wechselnder Bedeutung zu stützen, sondern konnte einfach — so 
schien es zunächst — jedes Pferd, dessen Serum Komplementablenkung 
hervorrief, als rotzkrank, jedes Pferd, an.dessen Serum keine Ab- 


1) Schütz und Schubert, Die Ermittlung der Rotzkrankheit mit Hilfe 
der Komplementablenkungsmethode. Arch. f. wissensch. u. prakt. Tierheilkunde. 
Bd. 35. 1909. 

2) Schubert, Ueber die Bedingungen zur exakten Anwendung der Kom¬ 
plementablenkungsmethode. Arch. f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 35. 1909. 

3) Mießner und Trapp, Die Komplementbindung beim Kotz und ihre Be¬ 
ziehung zur Syphilisreaktion. Zentralbl. f. Bakt. 1909. Bd. 52. H. 1. 



616 


SCHUBERT, 


lenkung festzustcllen war, w r enn es vor der Blutentnahme mindestens 
8 Tage lang eine Möglichkeit zur Ansteckung durch Rotz nicht mehr 
gehabt hatte, als rotzfrei erklären ufld dabei sicher sein, daß auch die 
rotzkranken Pferde, deren Blut einen niedrigen Agglutinationswert 
hatte, sämtlich durch eine Untersuchung ermittelt wurden. 

€. Beibehaltung der Agglutination neben der Komplementablenknng. 

Es zeigte sich indessen bald, daß die Verhältnisse doch nicht 
ganz so einfach liegen und daß sowohl bei der Untersuchung einzelner 
Serumproben als auch besonders beim praktischen Tilgungsverfahren 
in ganzen Pferdebeständen Komplikationen zu berücksichtigen sind, 
die eine sichere Diagnose bei alleiniger Anwendung der Komplement¬ 
ablenkung in manchen Fällen unmöglich machen würden. Für solche 
Fälle bilden die Ergebnisse der Agglutinationsprüfung eine 
unentbehrliche und sehr wertvolle Ergänzung. 

Von vornherein und bevor noch die neue Mitwirkung der dia¬ 
gnostischen Blutuntersuchung beim Tilgungsverfahren im pathologischen 
Institute völlig ausgestaltet werden konnte, ist daher ein besonderer 
Wert darauf gelegt w'orden, die Untersuchung verdächtiger Blutproben 
immer mittels beider Methoden, der Komplementablenkung und der 
Agglutination, auszuführen. Denn jede dieser Methoden bietet für 
sich allein Vorteile, die die andere nicht gewährt, und die gleichzeitige 
Anwendung beider Methoden verleiht der Diagnose der Rotzkrankheit 
der Pferde eine bisher unerreichte Sicherheit. 

Deshalb wurde auch, nachdem sich das neue diagnostische Ver¬ 
fahren so bewährt hatte, daß es auf Anordnung des Herrn Ministers 
auch bei der Tierhygienischen Abteilung des Kaiser Wilhelms-Institutes 
für Landwirtschaft zu Bromberg (Vorstand: Prof. Dr. Mießner) ein¬ 
geführt werden konnte, diesem Institute die Beibehaltung der Agglu¬ 
tination neben der Komplementablenkung auf das wärmste empfohlen. 

Mießner und Trap'p haben in der zitierten Arbeit auf den 
Nutzen dieser Kombination schon hingewiesen. Es ist aber noch 
nicht erschöpfeud dargelegt worden, welche Gesichtspunkte für diese 
neue Art der Diagnose maßgebend waren, wie sich die systematische 
Untersuchung mittels der beiden Methoden gestaltet, und in welcher 
Weise die Ergebnisse derselben bei der Tilgung der Rotzkrankheit zweck¬ 
entsprechend zu berücksichtigen sind. 



Die Tilgung d. Kotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 617 


I. Diagnose im einzelnen Falle. 

Wenn ich zunächst von den Forderungen eines praktischen Til¬ 
gungsverfahrens in ganzen Beständen absehe und nur die Diagnose 
im einzelnen Falle ins Auge fasse, so schicke ich voraus, daß die 
folgenden Ausführungen das Ergebnis der in der Zeit von Oktober 
1907 bis Oktober 1909 angestellten Untersuchung des Blutes von 
3286 Pferden sind, unter denen 124 rotzkranke waren. 

Es kann Vorkommen, daß trotz ermittelter Ablenkungsfähigkeit 
einer Blutprobe Zweifel bestehen bleiben, ob das Pferd, von dem sie 
stammt, rotzkrank ist. Wie sich nämlich bei der Untersuchung des 
Blutes der genannten Anzahl von Pferden gezeigt hat, gibt es außer 
der Erkrankung an Rotz noch andere Umstände, welche dem Blut¬ 
serum der Pferde die Eigenschaft verleihen, das Komplement von den 
roten Blutkörperchen des hämolytischen Systems ab- und zum Rotz¬ 
bazillenextrakt hinzulenken. 

In erster Linie ist hier zu nennen die Einspritzung von 
Mallein. Da dasselbe ein Produkt der Rotzbazillen darstellt, so ist 
leicht zu verstehen, daß es, in den Säftestrom des Organismus gebracht, 
ähnliche Reaktionen bei der Untersuchung des Blutes bedingt, wie 
die Infektion mit Rotzbazillen. Weil aber das dem Körper ein¬ 
verleibte Mallein bald wieder ausgeschieden wird, so ergeben die 
wiederholten Blutuntersuchungen, daß die Intensität der Reaktionen 
auch verhältnismäßig rasch wieder abnimmt. 

Nach Mießners 1 ) Feststellungen steigt der Agglutinationswert 
bei Pferden, denen Mallein subkutan eingespritzt worden ist, nach 
einer Inkubationszeit von 4 bis 8 Tagen rasch an, erreicht am 9. bis 
11. Tage seinen Höhepunkt und sinkt im Verlaufe von 4 bis 6 
Wochen schon ‘wieder auf die vor der Einspritzung des Malleins 
eingenommene Höhe. 

In ähnlicher Weise nimmt auch die Ablenkungsfähigkeit des 
des Blutes bei Pferden ab, denen Mallein cingespritzt wurde, eine 
Beobachtung, die von Mießner und Trapp neuerdings auch 
experimentell hestätigt worden ist. Die Abnahme erfolgt schon 
innerhalb einiger Wochen, im Gegensätze zu rotzkranken Pferden, 
deren Blutserum eine sehr langsame Abnahme der Ablenkungs- 

1) Mießner, Versuche über den Einfluß des Mallei'ns auf den Agglutina- 
tionswcrt des Blutes gesunder und rotzkranker Pferde. Arch. f. wissensch. u. prakt. 
Tierheilkd. 1908. Bd. 34. 



618 


SCHUBERT. 


fähigkeit eigen ist. Im allgemeinen kann man daher sagen, daß das 
Serum chronisch rotzkranker Pferde in der Regel eine starke Ab¬ 
lenkung zeigt. 

Nur bei sehr altem Rotz, und zwar bisher nur in 2 Fällen, ist 
beobachtet worden, daß das Serum nicht ablenkte, während der 
Agglutinationswert 300 bezw. 400 betrug; daraus darf man zwar 
schließen, daß auch bei rotzkranken Pferden die Ablenkungsfähigkeit 
bis zum völligen Verschwinden abnehmen kann, jedoch mit der Ein¬ 
schränkung, daß dies nur ausnahmsweise geschieht und einer sehr 
langen Zeit, vielleicht mehrerer Jahre, bedarf. Es möge auch nicht 
unerwähnt bleiben, daß es sich in beiden Fällen vorwiegend um alten 
Hautrotz handelte, der vor der Blutuntersuchung klinisch festgestellt 
worden war. 

Mithin würde es möglich sein, durch zwei bis drgi Blutunter¬ 
suchungen innerhalb einiger Wochen festzustellen, ob Botzkrankheit 
oder lediglich Malleineinspritzung vorliegt. Liegt beides vor, so kann 
dadurch die Feststellung der Rotzkrankheit nicht vereitelt werden, 
da, wie von vornherein anzunehmen war und auch Mießner und 
Trapp experimentell nachgewiesen haben, die spezifische Reaktions¬ 
fähigkeit des Blutes rotzkranker Pferde durch die noch hinzukommende 
Malleineinspritzung nicht vermindert, sondern vorübergehend ge¬ 
steigert wird. 

Um nun aber eine Abnahme der Ablenkungsfähigkeit an einer 
Blutprobe feststellen zu können, bedarf man vor allem eines Grad¬ 
messers für die Stärke der Ablenkung, und zwar eines solchen, der 
sich durch absolute Maße (Kubikzentimeter) ausdrücken läßt. 

Auch für diesen Zweck erwies sich die Verwendung der kleinsten. 
Komplementmenge als unentbehrlich. Denn diese, in der Regel 
0,03 ccm frischen Meerschweinchenserums, ist, wenh man dasselbe 
hämolytische System, welches zu ihrer Ermittelung gedient hat, auch 
zum Ablenkungsversuche verwendet, eine nahezu konstante Größe, 
auf welche die Serummenge, die zur Feststellung ihrer Ablenkungs¬ 
fähigkeit verwendet wird, bezogen werden kann; mit andern Worten: 
diejenige Serummenge — z. B. 0,1 ccm — welche jene Kornpleraent- 
menge gerade eben noch vollständig vom hämolytischen System 
ablenkt, bezeichnet den Grad der Ablenkungsfähigkeit des 
geprüften Serums oder seinen Ablenkungswert. Man würde also 
sagen, der Ablenkungswert dieses Serums betrage 0,1, wobei nicht 
zu vergessen ist, daß der Ablenkungswert zum Grade der Ablenkung 



Die Tilgung d. Rotzkrankhoit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 619 

im umgekehrten Verhältnisse steht, d. h. daß die Ablenkungsfähigkeit 
eines Serums natürlich um so höher ist, je kleiner der Ablenkungs¬ 
wert befunden wird. 

Es sind aber auch Fälle zu verzeichnen gewesen, in denen das 
Blutserum eine geringgradige Ablenkung bewirkte und eine Ein¬ 
spritzung von Mallein ausgeschlossen war. Bei der Obduktion solcher 
Pferde sind zwar keine Veränderungen gefunden worden, welche es 
hätten gerechtfertigt erscheinen lassen, sie ohne weiteres als „rotz¬ 
krank“ zu bezeichnen, wohl aber sind Ueberbleibsel einer einstmaligen 
rotzigen Infektion in Form von charakteristischen Narben auf der 
Schleimhaut der Nase, der Luftröhre oder der Luftröhrenäste und 
alten Knötchen mit eingedicktem, fast trockenem Inhalte in den 
Lymphdrüsen nachgewiesen worden, die den Verdacht eines in der 
Heilung begriffenen Rotzes begründeten. 

Endlich muß zugegeben werden, daß in seltenen Fällen (ca. ein 
Prozent) geringgradige Ablenkung vorkoramt, ohne daß eine 
Malleinbehandlung oder eine Rotzinfektion anzunehmen 
sind 1 ). 

Gleichviel nun, wodurch die geringgradige Ablenkung bedingt 
ist, — mittels der Komplementablenkungsmethode allein ist man nicht 
imstande nach einmaliger Blutentnahme ein sicheres Urteil 
darüber zu gewinnen, ob das Pferd, an dessen Blut eine solche ge¬ 
ringgradige Ablenkung ermittelt wurde (vollständige oder unvollständige 
Ablenkung bei 0,2) rotzkrank ist oder nicht. Hierin liegt eine 
Schwäche der Komplementablenkungsmethode, und diese Schwäche 
ist ein Grund für die Beibehaltung der Agglutination neben der 
Komplementablenkung gewesen. 

Denn wenn das Serum eines Pferdes eine vollständige oder un¬ 
vollständige Ablenkung bei 0,2 zeigt, so kann das Pferd sowohl 
rotzfrei wie rotzkrank sein. In der Regel allerdings hat das Serum 
rotzkranker Pferde einen kleineren Ablenkungswert (0,1 — 0,01); 
doch kann eine ganz frische und in selteneren Fällen auch eine alte 
Rotzinfektion gelegentlich sehr wohl jenen Ablenkungswert, „0,2“ 
oder „0,2 unvollständig“, haben. 

Die frische Infektion wird durch die gleichzeitig angewandte 

1) Anm.: Es ist ein Verdienst von Mießner und Trapp, nacbgewiesen zu 
haben, daß das Serum von Pferden, die an anderen Krankbeiten leiden (Druse, 
Influenza, Phlegmone, Kolik, Petecbialfleber, Gehirnentzündung, Beschälseuche, 
Dourine), eine Ablenkung des Komplements zum Rotzbazillenextrakt nicht bedingt. 



620 


SCHUBERT, 


Agglutinationsprüfung meistens sofort sicher festgestellt, weil der 
Agglutinationswert des Blutes gewöhnlich schon auffällig gestiegen ist, 
wenn die Ablenkungsfähigkeit noch gering ist. Wird also außer der 
geringgradigen Ablenkung ein hoher Agglutinationswert (1000 oder 
höher) ermittelt, so kann man annehmen, daß eine frische Rotzinfektion 
vorliegt. Es ist zwar nicht in Abrede zu stellen, daß gelegentlich 
einmal ein rotzfreies Pferd an seinem Blute einen hohen Gehalt an 
Normalagglutinin, also z. B. den Agglutinationswert 1000, hat und 
zugleich zufällig eine geringe Ablenkungsfähigkeit zeigt. Eine Fehl¬ 
diagnose läßt sich in solchem Falle aber leicht vermeiden, wenn man 
die Blutentnahme und Untersuchung nach wenigen Tagen wiederholt. 
Denn das Blut eines rotzfreien Pferdes würde bei dieser zweiten 
Untersuchung dieselben Reaktionswerte, das eines frisch durch 
Rotz infizierten Pferdes aber einen höheren Agglutinationswert und 
eine stärkere Ablenkung zeigen als bei der ersten Untersuchung. 

Chronisch rotzkranke Pferde können freilich auch den Agglu¬ 
tinationswert 1000 an ihrem Blute aufweisen, doch ist in diesen 
Fällen die Ablenkungsfähigkeit stets stark gewesen (Ablenkungswert 
0,1 oder darunter). Ist aber das Pferd schon so lange mit der 
Rotzkrankheit behaftet, daß der Agglutinationswert bis unter 1000, 
z. B. auf 400, gesunken ist, so zeigt das Blut bisweilen auch schon 
eine Abnahme in der Ablenkungsfähigkeit (Ablenkungswert über 0,1). 
Einem solchen Falle gegenüber, namentlich wenn das Pferd keine 
klinischen Erscheinungen des Rotzes zeigt, ist man in derselben Lage 
wie zur Zeit der alleinigen Anwendung der Agglutination, d. h. man 
kann die Frage, ob das Pferd chronisch rotzkrank oder rotzfrei ist, 
bei Lebzeiten desselben nur dadurch entscheiden, daß man sein Blut 
in größeren Zeitabständen wiederholt prüft; wird dabei eine 
deutliche Abnahme beider Reaktionen oder auch nur des Agglutinations¬ 
wertes nachgewiesen, so ist auf das Vorhandensein des chronischen 
Rotzes zu schließen. 

Aus dem bisher Angeführten ergibt sich, daß man nach ein¬ 
maliger Blutuntersuchung nur solche Pferde als rotzfrei ansehen darf, 
deren Serum außer einem niedrigen Agglutinationswert (1000 und 
darunter) in der Menge von 0,2 ccm keine Ablenkung (auch keine 
unvollständige) bedingt, während jeder bei dieser Serummenge be¬ 
obachtete Grad von Ablenkung, so gering er auch sein mag, eine 
Rotzinfektion zur Ursache haben kann und nach der vorliegenden Er¬ 
fahrung in der Mehrzahl der Fälle auch hat. 



Dio Tilgung d. Rotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersnchung. 621 

Ferner ergibt sich aus den obigen Ausführungen, daß man in 
jedem Falle von Ablenkung, und zwar bei geringgradiger Ablenkung 
(Ablenkungswert über 0,1, bis einschließlich des geringsten Grades 
von Ablenkung bei 0,2,) durch wiedeholte, bei starker Ablenkung 
(Ablenkungswert 0,1 oder darunter) durch einmalige Untersuchung 
eines Pferdes die Diagnose mit sehr großer Sicherheit stellen kann. 
Der große Vorteil der Komplementablenkungsmethode liegt besonders 
darin, daß ein Ablenkungswert von 0,1 und darunter, falls 
eine Malleineinspritzung ausgeschlossen ist, sicher die Rotzinfektion 
anzeigt, da ein so hoher Grad von spezifischer Ablenkungsfähigkeit 
am Blute rotzfreier Pferde nach den vorliegenden Erfahrungen nicht 
vorkommt. 

Mießner und Trapp führen in ihrer schon genannten Ver¬ 
öffentlichung Ergebnisse der Komplementablenkungsmethode an, die 
hiermit nicht in Uebereinstimmung stehen und mir einer eingehenden 
Besprechung wert zu sein scheinen. Ich behalte mir vor, an 
einer anderen Stelle ausführlich darauf einzugehen. 

Wenn ich alles, was über die Diagnose im einzelnen Falle 
mittels der Agglutination und Koraplementablenkung ausgeführt ist, 
noch einmal zusammen fasse, so sind vier Möglichkeiten zu unterscheiden. 

1. Das geprüfte Sernm hat den Ablenkungswert 0,1 oder 
darunter; dann ist das Pferd, von dem das Serum stammt, gleichviel, 
welche Höhe der Agglutinationswert hat, als rotzkrank anzusehen. 

2. Das Serum hat einen Ablenkungswert über 0,1 (also 0,2 oder 
„0,2 unvollständig“) und zugleich den Agglutinationswert 1000 oder 
darüber; dann ist das Pferd als frisch durch Rotz infiziert zu er¬ 
achten. In Zweifelsfällen (Agglutinationswert 1000) entscheidet eine 
nach etwa 8 Tagen wiederholte Blutentnahme und Untersuchung. 

3. Das Serum hat einen Ablenkungswert wie sub 2, aber einen 
Agglutinationswert unter 1000; dann ist das Pferd rotzverdächtig, 
eine Entscheidung, ob Rotz vorliegt oder nicht, kann erst durch 
Wiederholung der Blutuntersuchung herbeigeführt werden. 

Ergibt die zweite, etwa 8 Tage nach der ersten ausgeführte 
Untersuchung einen wesentlich höheren Agglutinationswert (1000 oder 
höher) und eine stärkere Ablenkung (0,1), so ist das Pferd als frisch 
durch Rotz infiziert anzusehen. Tritt keine Zunahme der Ablenkung 
und keine Erhöhung des Agglutinationswertes ein, sondern ist viel¬ 
mehr nach etwa 5 Wochen oder nach längerer Zeit eine Abnahme in 
der Stärke der Reaktionen (bezw. nur ein Sinken des Agglutinations- 



622 


SCHUBERT, 


wertes) nachzuweisen, so ist das Pferd als chronisch rotzkrank zu 
erachten. Bleiben endlich selbst bei lange fortgesetzten Wieder¬ 
holungen der Blutuntersuchungen sowohl der Agglutinationswert wie 
der Ablenkungswert unverändert, so ist das Pferd mit großer Wahr¬ 
scheinlichkeit als rotzfrei zu bezeichnen. 

4. Das Serum zeigt bei 0,2 keine Ablenkung; dann ist das 
Pferd, wenn es vor mindestens 8 Tagen der Ansteckung zum letzten 
Male ausgesetzt war, als rotzfrei zu erachten. 

II. Mitwirkung der beiden Methoden bei der Tilgung der Rotz¬ 
krankheit. 

Ein ideales Tilgungsverfahren wäre dasjenige, bei welchem 

1. alle rotzkranken Pferde eines Bestandes 

2. durch einmalige Untersuchung und 

3. ohne Opfer an rotzfreien Pferden 
ermittelt würden. 

Die erste Bedingung — Sicherheit des Verfahrens — läßt sich 
bei gleichzeitiger Anwendung der Agglutination und Komplement¬ 
ablenkung durchaus erfüllen. Als Beweis dafür darf wohl die Tat¬ 
sache gelten, daß bisher noch niemals nach Abschluß der Blutunter¬ 
suchung in einem Bestände ein rotzkrankes Pferd ermittelt worden 
ist, daß also der Rotz in jedem der bisher untersuchten Bestände 
mit Hilfe der beiden Methoden wirklich getilgt worden ist. 

Auch die dritte Bedingung — Vermeidung der Tötung rotzfreier 
Pferde — würde erfüllt werden, wenn nur diejenigen Pferde getötet 
würden, die nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung als rotzkrank 
anzusehen sind. Denn unter Beachtung der obigen vier Sätze ist 
man in der Lage, in jedem Falle durch die einmalige oder wieder¬ 
holte Blutuntersuchung ein sicheres Urteil darüber zu gewinnen, ob 
ein Pferd rotzkrank oder rotzfrei ist. Die Erfüllung dieser Forderung 
kommt jedoch erst in zweiter Linie in Betracht. Auch würde die bis 
zur völligen Entscheidung, ob ein auf Grund der ersten Blutunter¬ 
suchung rotzverdächtig erscheinendes Pferd wirklich rotzkrank ist, 
erforderliche Stallsperre wirtschaftliche Störungen verursachen und 
keine ganz sichere Gewähr gegen weitere Ansteckungen bieten. 

Viel wichtiger ist bei einer so gefährlichen Seuche wie der Rotz¬ 
krankheit die zweite Bedingung — möglichste Schnelligkeit des Ver¬ 
fahrens. Auch dieser Forderung kann genügt werden, aber nur dann, 
wenn man auf die Erfüllung der weniger wichtigen dritten Bedingung 



Die Tilgung d. RotzkraDkheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 623 

verzichtet. Dieser Verzicht ist notwendig, weil die sichere Ent¬ 
scheidung, ob Rotz vorliegt oder nicht, in manchen Fällen, wie bei 
geringgradiger Ablenkung und niedrigem Agglutinationswerte, um¬ 
ständlich und zeitraubend sein würde. 

Aus den angeführten wirtschaftlichen und veterinärpolizeilichen 
Gründen und weil unter den Pferden, deren Blut in der Menge von 
0,2 Ablenkung hervorruft, nur vereinzelt rotzfreie Vorkommen, ist 
es am zweckmäßigsten, alle Pferde unverzüglich zu töten, die nach 
dem Ergebnisse der einmaligen Blutuntersuchung als rotzkrank oder 
als rotzverdächtig zu bezeichnen sind; das sind diejenigen, an deren 
Blut überhaupt Ablenkung bei 0,2 festgestellt wird, gleichviel in 
welchem Grade dieselbe auftritt, und welche Höhe der Agglutinations¬ 
wert hat. 

Aber auch bei diesem Verfahren würde man in ganzen Pferde¬ 
beständen mit einer Blutuntersuchung meistens nicht auskommen. 
Die Umstände, welche ein so einfaches Verfahren leider verbieten, sind: 

1. die „Inkubationszeit“ von 8 Tagen, welche verstreichen muß, 
bis das Blut eines frisch durch Rotz infizierten Pferdes Ab¬ 
lenkung oder Erhöhung des Agglutinationswertes zeigt; ich 
nenne sie kurz: „Reaktions-Inkubation“, und 

2. die Möglichkeit des Auftretens neuer Ansteckungen in Rotz¬ 
beständen. 

Nur dann würde es gelingen, durch einmalige Blutuntersuchung 
alle rotzkranken Pferde in einem Bestände zu ermitteln, wenn man 
die Untersuchung immer erst beginnen könnte, nachdem alle vermut¬ 
lich infizierten Pferde über das Inkubationsstadium (im Sinne der 
Reaktionsfähigkeit des Blutes) hinaus wären, und wenn man dem 
Umsichgreifen der Seuche in dem Augenblicke, in welchem man an 
die Untersuchung des Bestandes herangeht, Halt gebieten könnte. 

Die Untersuchung erst zu beginnen, nachdem alle infizierten 
Pferde die Reaktions-Inkubation überschritten haben, verbietet sich 
aus veterinärpolizeilichen Gründen: denn es liegt im Interesse der be¬ 
schleunigten Unterdrückung der Seuche, alle rotzkranken Pferde, 
soweit sie überhaupt schon nachweisbar sind, möglichst bald zu 
ermitteln. 

Was die zweite Bedingung betrifft, so können alle im Gesetze 
und den Ausführungsbestimraungen vorgesehenen Maßnahmen nicht 
verhindern, daß weitere Ansteckungen durch Vermittelung nicht offen¬ 
sichtlich rotzkranker Pferde Vorkommen. 



624 


SCHUBERT, 


Was also das Tilgungsverfahren in Beständen, trotz der aus¬ 
gezeichneten Leistungen der kombinierten Untersuchungsmethode im 
einzelnen Falle und selbst bei sofortiger Tötung aller nach dem Er¬ 
gebnisse der ersten Blutuntersuchung als rotzkrank oder rotzver¬ 
dächtig zu bezeichnenden Pferde, etwas umständlich macht, sind 
lediglich die Fälle von frischer Infektion. Denn beim Beginn 
der Untersuchung weiß man meistens nicht, ob sich nicht noch frisch 
infizierte, aber nicht offensichtlich erkrankte Pferde des betreffenden 
Bestandes in jenem Stadium der „Reaktions-Inkubation“ befinden, die 
also durch die erste Blutuntersuchung noch nicht ermittelt werden 
können, und ob nicht nach der ersten Blutentnahme neue Ansteckungen 
in dem Bestände eingetreten sind. Da es die Hauptaufgabe der dia¬ 
gnostischen Blutuntersuchung sein muß, dafür zu sorgen, daß kein 
rotzkrankes Pferd in dem Bestände verbleibt, und daß der Rest¬ 
bestand erst dann als unverdächtig erklärt wird, wenn jedes einzelne 
Pferd als sicher rotzfrei anzusehen ist, so muß die Blutuntersuchung 
so oft wiederholt werden, bis bei jedem Pferde die Reaktions-Inku¬ 
bation so erheblich überschritten ist, daß das Blut ira Falle einer er¬ 
folgten Ansteckung reagieren müßte, und bis neue Infektionen in dem 
Bestände ausgeschlossen sind. 

Für die Frage, in welchen Zeitabständen die einzelnen Unter¬ 
suchungen aufeinander folgen sollen, ist die Frist der Reaktions- 
Inkubation maßgebend, welche nach den bisherigen im pathologischen 
Institute der tierärztlichen Hochschule zu Berlin und in der tier¬ 
hygienischen Abteilung der Kaiser Wilhelms-Akademie zu Bromberg 
angestellten Experimenten höchstens 8 Tage beträgt. Um jedoch 
volle Sicherheit zu erreichen und in allen frischen Fällen eine Re¬ 
aktion zu bekommen, die jeden Zweifel ausschließt, tut man gut, 
noch um mehrere Tage über die Grenze des Stadiums der Reaktions- 
Inkubation hinauszugehen und die neue Blutentnahme erst 14 Tage 
nach der ersten vorzunehmen. Dadurch wird jede frische Infektion 
sicher und ohne unnötigen Zeitverlust ermittelt. 

Am einfachsten gestaltet sich die Untersuchung eines Pferde¬ 
bestandes, wenn sämtliche Pferde sicher das Stadium der Reaktions- 
Inkubation überschritten haben und bei der ersten Untersuchung an 
allen Blutproben keine Ablenkung (bei 0,2) ermittelt wird. Dann ist 
der ganze Bestand nach einmaliger Untersuchung als unverdächtig an¬ 
zusehen und eine nochmalige Blutentnahme überflüssig. Dies ist aber 



Die Tilgung d. Rotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 625 

der einzige Fall, in welchem nach einmaliger Blutentnahme die 
Untersuchung als abgeschlossen erklärt werden kann. 

Es bleiben noch zwei andere Möglichkeiten übrig, nämlich 1., 
daß das Stadium der Reaktions-Inkubation zur Zeit der ersten Blut¬ 
entnahme nicht oder nicht sicher überschritten ist, und 2., daß nach 
der ersten Blutentnahme rotzkranke Pferde ermittelt werden. 

Im ersten Falle muß, auch wenn durch die erste Blutunter¬ 
suchung kein rotzkrankes oder rotz verdächtiges Pferd ermittelt worden 
ist, eine zweite Entnahme und Untersuchung des Blutes 14 Tage 
nach der ersten stattfinden. Dies ist nötig, damit solche rotz¬ 
kranken Pferde, die sich zur Zeit der ersten Blutentnahme im Stadium 
der Reaktions-Inkubation befinden, ermittelt werden. Erst wenn auch 
durch die zweite Blutuntersuchung kein rotzkrankes Pferd nachge¬ 
wiesen wird, ist der Bestand unverdächtig und eine weitere Blutent¬ 
nahme nicht mehr nötig. 

Noch weniger einfach muß sich das Verfahren gestalten, wenn 
nach der ersten Blutentnahme, sei es durch die Untersuchung des 
entnommenen Blutes oder auf andere Weise, ein rotzkrankes Pferd 
in dem Bestände ermittelt wird. Dann muß jedenfalls wenigstens 
noch eine Blutentnahme stattfinden, weil das ermittelte rotzkranke 
Pferd kurz vor seiner Beseitigung andere Pferde des Bestandes 
angesteckt haben kann. Würde aber die zweite Blutentnahme erst 
14 Tage nach der Beseitigung des rotzkranken Pferdes, bis zu 
welcher, vom Tage der ersten Blutentnahme an gerechnet, 8—10 Tage 
zu vergehen pflegen, stattfinden, so würde ein Pferd, das zur Zeit 
der ersten Blutentnahme schon infiziert, aber noch in der Reaktions- 
Inkubation war, über 3 Wochen lang eine Infektionsquelle in dem 
Bestände bilden. Deshalb empfiehlt es sich, jedesmal, wenn durch 
die erste Blutuntersuchung oder auch nach der ersten Blutentnahme 
(z. B. durch die klinische Untersuchung) ein rotzkrankes Pferd 
ermittelt wird, noch eine Blutentnahme zwischen der ersten und 
derjenigen, welche 14 Tage nach Beseitigung des rotzkranken Pferdes 
stattfindet, einzuschieben, am zweckmäßigsten am Tage der Tötung 
des rotzkranken Pferdes. Durch die zweite Blutuntersuchung werden 
dann die zur Zeit der ersten Blutentnahme bereits infizierten, durch 
die dritte Blutuntersuchung aber, welche stets 14 Tage nach Be¬ 
seitigung der durch die erste oder zweite Blutuntersuchung ver¬ 
mittelten rotzkranken Pferde stattfindet, die nach der ersten Blut- 

Archiv f. wissensch. n. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 



(>‘26 


SCHUBERT, 


entnähme infizierten Pferde sicher ermittelt. Dadurch würde ver¬ 
mieden, daß rotzkranke Pferde länger, als unvermeidlich, in dem Be¬ 
stände verblieben und gesunde Pfeide noch infizierten. 

Endlich ist noch die Rolle zu erwähnen, welche die Agglu¬ 
tinationsmethode zur Zeit bei dem Tilgungsverfahren hat. Ihre 
Anwendung ist deshalb von Wichtigkeit, weil mitunter am Blute 
frisch infizierter Pferde eine Steigerung des Agglutinationswertes 
früher nachweisbar ist als eine Ablenkung, und weil die Höhe des 
Agglutinationswertes einen Schluß auf das Alter der rotzigen Er¬ 
krankung zuläßt, was unter Umständen einen Fingerzeig für die 
Ermittelung des Ansteckungsherdes geben kann. 

In der Methodik der Agglutination der Rotzbazillen hat Müller 1 ) 
im hygienischen Institute der Universität Straßburg eine Verbesserung 
einzuführen gesucht; er stellte unter Verwendung des Serums rotziger 
Meerschweinchen und einiger rotzfreier Pferde fest, daß sich der 
Eintritt des Agglutinationsphänoraens — was Gaethgens 2 3 ) 8 ) schon 
bezüglich der Typhusbazillen, Paratyphusbazillen und Meningokokken 
mitgeteilt hatte —, durch Zentrifugieren der Röhrchen derart be¬ 
schleunigen läßt, daß man den Agglutinationswert schon nach sehr 
kurzer Zeit ablesen kann. Im pathologischen Institute der Berliner 
tierärztlichen Hochschule ist durch Pfeiler 4 ) das Serum zahlreicher 
rotzkranker und rotzfreier Pferde untersucht worden; Pfeiler stellte 
fest, daß man in der Regel 1V 2 Stunden nach 10 Minuten langem 
Zentrifugieren den Agglutinationswert des Serums rotzkranker und 
rotzfreier Pferde, auf Rotzbazillen bezogen, mit Sicherheit bestimmen 
kann, eine dem Untersucher für die Rotzdiagnose sehr zu statten¬ 
kommende Neuerung. Durch Mießner 5 * ) ist diese Feststellung im 
Wesentlichen bestätigt worden. 

1) Müller, M., Beitrag zur Agglutinationsteohnik bei Kotz. Berl. tierärztl. 
Wochenschr. 1908. Nr. 34. 

2) Gaethgens, Beitrag zur Agglutinationstechnik. Arbeiten a. d. Kaiserl. 
Reichsgesundheitsamt. 

3) Derselbe, Ueber Beschleunigung der Agglutination durch Zentrifugieren 
mit besonderer Berücksichtigung der Meningokokkenagglutination. Arch. f. Hygiene. 
1908. Bd. 66. 

4) Pfeiler, Ueber die Serodiagnose der Rotzkrankheit und Beschleunigung 
der Agglutination der Rotzbazillen durch Zentrifugieren. Aroh. f. wissensch. u. 
prakt. Tierheilkd. 1908. Bd. 34. 

5) Mießner, Die Schnellagglutination und ihre Verwendung bei der Sero¬ 

diagnose des Rotzes. Zentralbl. f. Bakt. Bd. 48. H. 2. 



Die Tilgung d. Kotzkrankheit mit Hilfe d. diagnostischen Blutuntersuchung. 627 

Die Mitwirkung der diagnostischeu Blutuntersuchung mittels der 
beiden in Rede stehenden Untersuchungsmethoden — Koraplement- 
ablenkung und Agglutination — läßt sich unter Berücksichtigung des 
bisher Ausgeführten nach den vorliegenden Erfahrungen in folgende 
Schlußsätze zusamraenfassen. Dabei möchte ich nochmals hervor¬ 
heben, daß die Bestimmtheit, mit der, namentlich in den Sätzen 1 und 5, 
die positive bezw. negative Diagnose von den quantitativen Ver¬ 
hältnissen der Ablenkung abhängig gemacht wird, nur unter der Vor¬ 
aussetzung möglich ist, daß ein bestimmtes hämolytisches 
System und die kleinste völlig lösende Komplementmenge bei der 
Untersuchung des verdächtigen Serums verwendet werden. 

Schlußsätze. 

1. Pferde, deren Serum in der Menge von 0,1 ccm eine voll¬ 
ständige Ablenkung des Komplements hervorruft, sind ohne 
Rücksicht auf die Höhe des Agglutinationswertes als rotz- 
krank anzusehen und zu töten. 

2. Pferde, deren Serum in der Menge von 0,1 ccm nur eine 
unvollständige oder erst in der Menge von 0,2 ccm eine 
vollständige oder unvollständige Ablenkung des Komplements 
hervorruft, sind zu töten ohne Rücksicht auf die Höhe des 
Agglutinationswertes. 

3. Pferde, deren Serum in der Menge von 0,2 ccm keine Ab¬ 
lenkung des Komplements hervorruft, sind zu töten, wenn 
der Agglutinationswert mehr als 1000 beträgt. 

4. In jedem Pferdebestande, in dem durch die Blutuntersuchung 
rotzkranke Pferde ermittelt worden sind, ist eine neue Blut¬ 
entnahme am Tage der Tötung der rotzkranken Pferde und 
eine weitere Blutentnahme 14 Tage nach der Tötung des 
zuletzt ermittelten rotzkranken Pferdes und nach Ausführung 
der Desinfektion vorzunehmen. Sollten durch die letztere 
Blutuntersuchung noch rotzkranke Pferde ermittelt werden, 
so ist genau so zu verfahren, wie nach der ersten ßlut- 
untersuchung. 

5. Pferde, deren Serum in der Menge von 0,2 ccm keine Ab¬ 
lenkung des Komplementes hervorruft und einen Agglu¬ 
tinationswert von 1000 oder weniger hat, sind als unverdächtig 
anzusehen, wenn die Blutentnahme mindestens 14 Tage nach 
Aufhebung der Ansteckungsgefahr stattgefunden hat. Hat 

40* 



628 


SCHUBERT, Die Tilgung der Rotzkrankheit usw. 

die Blutentnahme weniger als 14 Tage nach Aufhebung der 
Ansteckungsgefahr stattgefunden, oder ist der Zeitpunkt des 
Aufhörens der Ansteckungsgefahr nicht sicher zu ermitteln, 
so ist eine zweite Blutentnahme 14 Tage nach der ersten 
vorzunehmen. Liefert die zweite Blutuntersuchung dieselben 
Ergebnisse wie die erste, so sind die Pferde als unverdächtig 
anzusehen. 

Die Blutuntersuchung eines Pferdebestandes ist als ab¬ 
geschlossen zu erachten, sobald sämtliche Pferde als unver¬ 
dächtig (siehe Ziffer 3) anzusehen sind. 



XXVI. 

Aus dem pathologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin. 

Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes. 

Von 

Dr. Seibel, 

Repetitor am Institut. 


„Die Niere ist ein heimtückisches Organ, welches eine einmal 
erlittene Beschädigung noch viele Jahre lang nachtragen und durch 
häßliches Siechtum rächen kann“, sagt Müller in seinem Referat 
über den Morbus Brightii auf der 9. Tagung der Pathologischen Ge¬ 
sellschaft. Ein heimtückisches Organ ist die Niere auch für den 
pathologischen Anatomen. Die pathologische Anatomie der 
Nephritis im allgemeinen und der chronischen Nephritis im 
besonderen gehört bekanntlich zu den strittigsten Kapiteln der 
pathologischen Anatomie überhaupt. Es liegt dies nicht allein an 
dem komplizierten Bau des Organs, dessen in ihrer inneren Ein¬ 
richtung so verschiedene Wegstrecken (Glomeruli, Kapseln, gewundene 
und gerade Harnkanälchen, Gefäßbindegewebe) so sehr verschieden 
auf Reize reagieren, sondern, wie Aschoff betont, vor allem daran, 
daß sich der Ausheilungsprozeß oft über Jahre hinzieht und der bei 
der Sektion gefundene Narbenzustand ein Urteil über die Ursache und 
den Verlauf der Krankheit selten erlaubt. Auf den Verhandlungen 
der Pathologischen Gesellschaft zu Meran (9. Tagung), wo der gegen¬ 
wärtige Stand der Jjehre vom Morbus Brightii eingehend erörtert 
wurde, wurde vor allem hervorgehoben, daß man danach streben 
müsse, die sekundären Vorgänge in den Nieren von den primären zu 
unterscheiden. Und in der Schwierigkeit der klaren Differenzierung 
des anatomischen Bildes liegt die Schwierigkeit der Nephritisfrage 
überhaupt. Es kommt hinzu, daß das klinische Symptoraenbild uns 
auch keine eindeutigen Fingerzeige liefern kann, d. h. auf Grund des 



630 


SEIBEL, 


klinischen Bildes können wir kein Urteil über den anatomischen 
Charakter der Erkrankung gewinnen und umgekehrt. Man hat, sagt 
Ponfick, lange Zeit darauf verwendet, indem man den Hauptwert 
darauf legte, parenchymatöse und interstitielle Entzündungen der Niere 
gegenüberzustellen. Abgesehen davon, daß die Bezeichnung paren¬ 
chymatöse Entzündung gerade bei der Niere für viele verpönt ist, 
lassen es die neueren Untersuchungen doch wahrscheinlich erscheinen, 
daß es sich bei allen Nephritiden um mehr oder weniger diffuse Er¬ 
krankungen der Niere handelt; so werden zum Beispiel bei Er¬ 
krankungen der Glomeruli die Harnkanälchen, die Blutgefäße und das 
interstitielle Gewebe mehr oder weniger beteiligt sein. Aber anderer¬ 
seits läßt es sich wiederum nicht abstreiten, daß es in der Niere 
Prozesse gibt, die sich fast ausschließlich am Gefäßbindegewebe, also 
interstitiell abspielen, und andere, die vorwiegend das sezernierende 
Gewebe betreffen. Und je länger man sich mit diesen Fragen be¬ 
schäftigt, um so mehr muß man Orth beipflichten, der nach dem 
Grundsätze a priori fit denominatio die Unterscheidung zwischen 
parenchymatösen und interstitiellen Erkrankungen der Nieren zuläßt, 
immer natürlich beachtend, daß es sich in der Mehrzahl der Fälle 
um diffuse Nephritiden handelt. Für „parenchymatöse“ Nephritis ist 
übrigens die exaktere Bezeichnung glomeruläre und tubuläre 
Form der Nephritis vorzuziehen. 

Diese einleitenden Bemerkungen vorausgeschickt, will ich dazu 
übergehen, verschiedene Formen entzündlicher Nierener¬ 
krankung des Hundes zu schildern, denen ich im Laufe des letzten 
Jahres bei den Sektionen begegnet bin. Ich mache keinen Anspruch 
auf Vollständigkeit meiner Ausführungen. Aber wenn man sich die 
veterinär-pathologische Literatur besieht, so weiß man oft nicht, was 
man mit Bezeichnungen wie Nephritis mixta, Nephritis fibrove- 
siculosa, Ren cicdtricosus, Ren retractus etc. anfangen soll. 
Man soll deshalb jeden Versuch gelten lassen, der, gestützt auf Er¬ 
fahrungen am Sektionstische und eingehende mikroskopische Unter¬ 
suchungen, Aufklärung in dieser Frage zu bringen bemüht ist. 

Parenchymatösen Degenerationen der Nieren begegnen wir 
täglich am Sektionstisch; auffallend selten sind bei unseren Haus¬ 
tieren chronische Nierenerkrankungen auf entzündlicher Basis. Ich 
habe bei ungefähr 500 sezierten Pferden in mehr als 100 Fällen 
parenchymatöse Degenerationen der Nieren und keinen einzigen Fall 
von sog. Schrumpfniere gesehen. Die Nieren unserer Haustiere scheinen 



Beitrage zur Kenntnis der Nepbritis des Hundes. (>31 

demnach auffallend gut imstande zu sein, Schädigungen, wie sie die 
parenchymatösen Degenerationen mit sich bringen, auszugleichen. Eine 
Ausnahme von dieser Regel macht jedoch der Hund, bei welchem 
wir akut- wie chronisch-entzündliche Veränderungen der Nieren öfters 
zu Gesicht bekommen. Ich zähle in den Obduktionsberichten des 
pathologischen Institutes unter 804 in den letzten Jahren zur Sektion 
gelangten Hunden 34 = 4,23 pCt., die mit akut-entzündlichen und 
22 = 2,75 pCt., die mit chronisch-entzündlichen Veränderungen der 
Nieren behaftet waren. Die Gründe für das häufigere Auftreten der 
Nierenentzündungen beim Hunde sind nicht leicht zu eruieren. Eine 
kleine Anzahl der Fälle mag wohl traumatischen Ursprungs sein. 
(Ueberfahrenwerden, Fußtritte.) So ist es ja Orth gelungen, experi¬ 
mentell durch manuelle Quetschung Schrumpfnieren zu erzeugen. 
Dies werden aber vereinzelte Fälle bleiben. Die Tatsache, daß diese 
oft in engster Gemeinschaft mit uns lebenden Tiere ähnlichen deletären 
Einflüssen ausgesetzt sind, wie der Mensch, fördert unsere Kenntnisse 
kaum. Wenn wir aber für die Aetiologie der akuten wie chronischen 
Nephritiden toxische und bakterielle Einflüsse vor allem beschuldigen, 
so will es doch scheinen, als ob die Mehrzahl der Nierenent¬ 
zündungen des Hundes im Verlaufe der Staupe entsteht, 
jener überaus häufigen und gefürchteten Jugenderkrankung des Hundes. 
Fast alle Fälle von akuter Nephritis habe ich bei Hunden gesehen, 
die der Staupe erlegen waren. Da die Staupe eine ausgesprochene 
Jugenderkrankung ist, finden wir vorgeschrittene chronische Nephri¬ 
tiden, also Schrumpfnieren bei jungen, kaum 2 Jahre alten Tieren; 
ich habe sogar deutliche Schrumpfung auf entzündlicher Basis bei 
einem eben a / t Jahre alten Box gesehen. Gewisse Formen der akuten 
wie chronischen Nephritis des Hundes stehen somit der „Scharlach¬ 
niere“ des Menschen sehr nahe. 

Ich übergehe hier die nicht entzündlichen, sog. akuten parenchy¬ 
matösen Degenerationen der Niere (trübe Schwellung, fettige Degene¬ 
ration), ebenso die gut beschriebene Nephritis purulenta. Diese 
ist beim Hunde nicht häufig, im letzten Jahre habe ich sie überhaupt 
nicht zu sehen bekommen. Dagegen habe ich sie oft bei Mäusen 
nach Impfung mit Drusestreptokokken entstehen sehen und konnte alle 
Phasen ihres Verlaufes verfolgen. Aschoff bezeichnet ein dieser Er¬ 
krankung meist vorangehendes Stadium, in welchem die Nieren von 
seröser Flüssigkeit durchtränkt, also auffallend turgeszent sind, als 
Nephritis serosa. In Fällen, wie dem angeführten, wo der Erkrankung 



632 


SE1BEL, 


eine Streptokokkeninvasion zu Grunde liegt, darf man wohl eine der 
Emigration vorausgehende entzündlich-seröse Exsudation als Nephritis 
serosa ansprechen; mit diesem entzündlichen Oedem dürfen andere 
Zustände seröser Durchtränkung auf nicht entzündlicher Basis, wie sie 
beim Hunde häufig Vorkommen, nicht verwechselt werden. Ich er¬ 
innere an gewisse Formen seröser Durchtränkung auf zirkulatorischer 
und degenerativer Basis (Amyloidniere). 

Bei mehreren Hunden, die an Staupe uragestanden waren, habe 
ich folgende Veränderungen an den Nieren gesehen: 

Die Nieren, in der Kegel beide, sind auffallend groß und sehr blaß an ihrer 
Oberfläche. Hin und wieder ist dieselbe marmoriert, weiß und rot gesprenkelt, ein 
Zeichen, daß es zu Blutungen in der Nähe der Oberfläche gekommen ist; im 
übrigen sind die Nieren außen glatt und glänzend. Ihre Konsistenz ist vermin¬ 
dert. Die Durchschnittsfläche zeigt spiegelnden Glanz und ist in ihrer ganzen 
Ausdehnung gleichmäßig grauweiß oder graurötlich und eigentümlich turgeszent; 
besonders die Markpyramiden quellen geradezu hervor. Die scharfe Grenze 
zwischen Medullaris und Kortikalis ist meist verwischt. Die Malpighisohen Kör¬ 
perchen sind in einigen Fällen ungemein deutlich, in anderen überhaupt nicht 
sichtbar. 

Das mikroskopische Bild wechselt; in allen Fällen ist die Erkrankung jedoch 
eine diffuse, über die ganze Niere ausgebreitete. Die Intensität der Erkrankung 
kann allerdings verschieden sein. Es sind nicht alleGlomeruli und Harnkanälchen 
gleich schwer ergriffen. Im Anfangsstadium sind die Schlingen des Glomerulus 
stark gefüllt und die Kerne vermehrt; es sind dies die Fälle, bei welchen die 
Malpighischen Körperchen schon makroskopisch als dunkelrote Punkte deutlich 
sichtbar sind. In den geschwollenen Epithelien der gewundenen Harnkanälchen 
treten trübe Körnchen und Fetttröpfcben auf. Bald sieht man im Kapselraum der 
Nierenkörperchen eine homogene, oft auch feinkörnige Masse; gleichzeitig wird 
der vergrößerte Glomerulus kernärmer, seine Schlingen, oft sind es alle, oft nur 
ein Teil derselben, nehmen ein eigenartiges, glasiges Aussehen an. Diese Ver¬ 
änderung beruht nach einigen Autoren auf hyaliner Degeneration der Wand der 
Glomerulusschlingen, nach anderen auf Füllung der letzteren mit homogenen 
Harnzylindern, einer Exsudatmasse. Ich neige der letzteren Anschauung zu, denn 
diese homogene Masse nimmt bei van Gieson-Färbung nicht den leuchtend 
roten Ton des Hyalins, sondern eine mehr strohgelbe Farbe an. Nun behauptet 
Herxheimer allerdings, daß das Hyalin des Glomerulus bei genannter Methode 
sich immer strohgelb färbe im Gegensatz zur hyalin entarteten Glomeruluskapsel, 
die das bekannte leuchtende Rot annähme. Ich konnte beim Hunde diesen Unter¬ 
schied nicht finden und lasse die Frage offen. In diesen Stadien sieht man auch 
die Membrana popria der Kapseln, die normal sehr fein ist, als breiten aufge- 
quollonen Gürtel den Glomerulus umgeben. Je mehr Exsudat sich im Kapselraum 
ansammelt, um so kleiner wird der Gefäßknäuel; im Exsudat siebt man jetzt 
desquamierte, verfettete Epithelien liegen. Inzwischen haben sich auch an den 
Epithelien der gewundenen und geraden Harnkanälchen schwere Degenerationen 
abgespielt. Ein großer Teil der Epithelien ist fettig degeneriert. Die zum Teil ab- 



Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes. 


633 


gestoßenen, verfetteten Epithelien liegen entweder frei im Lumen der Harnkanäl¬ 
chen oder sie liegen auf den sioh jetzt in großen Mengen in den Harnkanälchen 
ansammelnden Harnzylindern. Diese Zylinder sind so zahlreich, daß man oft kein 
Kanälchen frei davon trifft; besonders in den Schleifenschenkeln und in den 
Sammelröhren der Pyramiden bilden sie lange, zusammenhängende Ausgüsse 
derselben. In den aufgequollenen Interstitien sieht man nur vereinzelte kleineFett- 
tröpfchen. Während die Blutgefäße im Anfangsstadium der Entzündung prall ge¬ 
füllt sind, ist die Niere späterhin wohl stark durchfeuchtet, aber auffallend 
anämisch, besonders in der Rinde. 

Die entzündlichen Veränderungen spielen sich, wie wir ge¬ 
sehen haben, fast ausschließlich am sog. Parenchym der Nieren ab. 
und zwar habe ich in den untersuchten Fällen immer Gefäßknäuel 
und Harnkanälchen gleichzeitig erkrankt vorgefunden. Man hat diese 
Erkrankung seither bekanntlich als Nephritis parenchymatosa be¬ 
zeichnet. Gegen diese Bezeichnung haben sich in den letzten Jahren 
viele Stimmen erhoben. Für den Gloraerulus oder besser, für das 
Malpighische Körperchen liegen ja die Verhältnisse einfach. Der 
Glomerulus besteht bekanntlich aus Gefäßschlingen und einer zwischen 
diesen Schlingen wie auch an den Oberflächenteilen der Knäuel ge¬ 
legenen strukturlosen, kernreichen Masse, dem sog. Knäuelsynzytium. 
Hier können sich ausgezeichnet entzündlich-exsudative Prozesse ab¬ 
spielen, und da der Glomerulus von einer eng umschließenden Kapsel 
umgeben ist, können sich die entzündlichen Exsudate bequem an¬ 
sammeln und nachgewiesen werden. Daß man hier von einer Glo¬ 
merulonephritis oder Glomerulitis sprechen kann, ist klar. Wie 
steht es aber in dieser Beziehung mit den Veränderungen an den 
Epithelien der Harnkanälchen, besonders der gewundenen? Ribbert 
bestreitet überhaupt, daß an ihnen entzündliche Prozesse auf treten 
können. Die typischen Begleiterscheinungen der Entzündung (Hyper¬ 
ämie, Exsudation, Emigration, Zellproliferation) lassen sich nach ihm 
hier nicht nachweisen, folglich kann von Entzündung nicht gesprochen 
werden. Die an den Epithelien ablaufenden Prozesse müssen nach 
Ribbert als rein degenerative betrachtet und demgemäß bezeichnet 
werden: trübe Schwellung, körnige und fettige Degeneration sind 
hierfür gebräuchliche Bezeichnungen. Dagegen vertritt Asch off 
die Ansicht, daß sich auch an dem Epithel der Harnkanälchen ent¬ 
zündliche Prozesse abspielen können und bezeichnet Erkrankungen 
der beschriebenen Art als tubuläre Form der Nephritis, Nephritis 
tubularis. Ich halte es für geraten, zur Unterscheidung von den 
häufigen einfachen akuten parenchymatösen Degenerationen der Nieren- 



f>34 


SEIBEL, 


epithelien mit Aschoff auch diese beim Hunde vorkommende Form 
als glomeruläre bezw. tubuläre Form der Nephritis und zwar als akute 
zu bezeichnen: Glomerulitis und Nephritis tubularis acuta. 

Um diese Schwierigkeiten der Bezeichnung zu umgehen, schlug 
Müller vor, „für Krankheitsprozesse der Nieren, die entweder nur 
degenerativer Natur sind oder bei denen der entzündliche Charakter 
nicht außer allem Zweifel steht, statt des Wortes Nephritis — Nieren¬ 
entzündung — das Wort Nephrose — Nierenerkrankung — zu 
wählend Sein Vorschlag hat aber wenig Anklang gefunden, besonders 
deshalb, weil „Nephrose“ schon für andere allgemein bekannte Er¬ 
krankungen der Nieren vergeben und eingewurzelt ist. (Hvdro-, 
Pyonephrose.) Jedenfalls zeigt diese Erörterung, wie ungemein 
schwer die Deutung der sich an den Epithelien der Nieren abspielenden 
Erkrankungen ist. 

Von dieser akuten Form zur chronischen hinüberleitend, habe 
ich ein Schulbeispiel bei einem dreijährigen, an Septikämie zu Grunde 
gegangenen Bernhardiner gesehen. 

Beide Nieren sind etwas verkleinert, außen blaß und makroskopisch glatt. 
Die Konsistenz ist die gewöhnliche. Die Durchschnittfläche ist mäßig feucht; die 
Kinde ist leicht gekörnt, dabei etwas glasig. Die Markschicht ist ohne Besonder¬ 
heiten, diffus gerötet. 

Mikroskopisch prachtvolle Bilder liefert die van Giesonsche Methode 
oder eine etwas modifizierte Färbung mit Eosin-Metbylenblau. Um sie zu ver¬ 
stehen, vergegenwärtigen wir uns rasch noch einmal den Zustand, in welchem wir 
die vorher beschriebene Niere verließen: es war, kurz gesagt, ein Chaos von 
hyalinen Glomeruli, entarteten und abgestoßenen Kapsel- und Kanälchenepithelien, 
Exsudat, Zelltrümmern und Harnzylindern. Nun sind zwei Ausgänge dieser Er¬ 
krankung denkbar; den ersten wollen wir den Ausgang in Heilung nennen. Eine 
vollständige Restitutio ad integrum wird kaum eintreten; dazu sind die Verände¬ 
rungen am Sekretions- und Filtrationsapparat zu schwere. Es kann aber das Ex¬ 
sudat zum größten Teil resorbiert oder weggeschwemmt werden, die Epithelien 
regenerieren sich ausgezeichnet, wenn auch ein etwas minderwertiger Zellbelag 
entsteht, wie dies Heineke jüngst nachgewiesen hat. Das ist der eine Ausgang. 
Der zweite ist bei unserer Niere zu sehen. In dem Trümmerfeld, welches der akute 
Anfall hinterlassen hat, setzt der subakute ein. Auch hier werden stellenweise 
Gruppen von Glomeruli und Harnkanälchen restituiert. An vielen Stellen aber sieht 
man über die ganze Niere verbreitet kleinzellige Infiltration als Anfang einer 
Bindegewebswucherung auftreten. In dem kleinzellig infiltrierten Gewebe kann 
man noch deutlich atrophische, mit Zylindern angefüllte Harnkanälchen und durch 
Exsudatmassen zusammengepreßte Knäuel unterscheiden. Der Kapselhohlraum der 
Malpighischen Körperchen ist gut erhalten, man sieht Zelltrümmer und durch¬ 
scheinende Schollen darin liegen. Der Glomerulus ist bedeutend kleiner geworden, 
seine Schlingen lassen sich nicht unterscheiden, nur ein kleiner Teil seiner Kerne 



Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes. 


635 


tingiert sich schwach. Bei van Gieson-Färbung nimmt er einen gelben Farben¬ 
ton an. In den Harnkanälchen sind die Zylinder seltener geworden, doch nehmen 
viele derselben, besonders in den unteren Abschnitten der Sammelröhren einen 
auffallend dunkelblauen Farbenton bei Hämatoxylinfärbung an. (Kalk- oder ver¬ 
kalkte Zylinder?) Bemerken will ich noch, daß diese subakute Nierenentzündung 
beim Hunde mit ausgedehnten wassersüchtigen Erscheinungen einherging; es be¬ 
stand bei dem Tiere hochgradige Zellgewebs- sowie Bauchwassersucht. Wahr¬ 
scheinlich führt diese subakute glomeruläre und tubuläreForm zu einer der Schrumpf¬ 
nieren, denen wir beim Hunde begegnen. 

Ehe ich zur Beschreibung der beim Hunde Vorgefundenen 
Schrumpfnierenformen übergehe, will ich kurz einen Ueberblick über 
den Stand der Frage der chronischen Nephritis überhaupt geben. Man 
hat seit langem, weniger auf Grund des anatomischen Bildes als auf 
Grund des klinischen Verlaufs der Nierenerkrankung zwei Formen der 
chronischen Nephritis unterschieden. Die eine, die sich aus der sog. 
parenchymatösen Nephritis (akute und subakute glomeruläre und 
tubuläre Nephritis) entwickeln sollte, die chronisch parenchyma¬ 
töse Nierenentzündung, auch sekundäre Schrumpfniere, geht 
klinisch mit wassersüchtigen Zuständen einher und zeichnet sich 
außerdem durch große Eiweißmengen und Formelemente im Harn 
aus; auch führt sie in der Regel frühzeitig zum Tode. Im Gegen¬ 
satz hierzu soll sich die sog. genuine Schrumpfniere, die 
chronisch interstitielle Nephritis von vornherein schleichend 
entwickeln und nicht zu Hydrops führen. Man nimmt an, daß es 
sich bei letzterer um die Folge einer langwierigen Giftwirkung handelt. 
Nun haben sich schon lange Stimmen geltend gemacht, die an der 
ätiologischen wie anatomischen Verschiedenheit beider Formen 
zweifeln. Es läßt sich nicht verkennen, daß beide Formen, besonders 
hochgradige Stadien derselben anatomisch gleiche Bilder bieten, daß 
aber die einzelnen Entwickelungsstadien, vom klinischen Symptomen- 
komplex, von dem wir beim Hunde meist wenig erfahren, abgesehen, 
auffallende Verschiedenheiten erkennen lassen. 

Ich will diese Frage nicht eingehender berühren und nur ver¬ 
suchen, verschiedene Formen entzündlicher Nierenschrumpfung zu 
schildern, die ich beim Hunde gesehen habe. Zur Beschreibung wähle 
ich natürlich diejenigen Nieren, die Uebergangsbilder erkennen lassen, 
also mittelhochgradige Formen von Nierenschrumpfung. Hochgradige 
Schrumpfnieren zeigen immer ähnliche Bilder. 

Man findet hin and wieder Nieren, die auffallend klein sind. Die Entfernung 
der verdickten fibrösen Kapsel ist meist mit Substanzverlusten der Nierenoberfläche 



636 SEIBEL, 

verbunden. Diese ist mehr oder weniger höckerig, abwechselnd grauweiß und 
braunrot gefärbt und zwar entsprechen die braunroten Partien Hervorragungen 
der Rinde, während die tiefer liegenden grauweißen Herde Einziehungen derselben 
darstellen. Die Nieren sind sehr derb, auch schneiden sie sich schwer. Die 
Durchschnittfläche ist trocken und glanzlos. Die Rindenschicht ist sehr schmal, 
stellenweise kaum 1—2 mm breit; auch hier wechseln weiße, atrophische Herde 
mit grau- bis braunroten Bezirken ab, die die Struktur der Nierenschichten mehr 
oder weniger gut erkennen lassen. Die Größe der eingestreuten Indurationsherde 
wechselt; sie sind Stecknadel-, linsen-, pfennigstückgroß, erscheinen stich-, punkt- 
oder keilförmig und sind auch auf der Durchschnittfläche leicht eingezogen, 
während die verschieden gestalteten Inseln von weichom Nierengewebe pro¬ 
minieren. 

Das mikroskopische Bild ist ebenso wechselnd wie das makroskopische. 
Wir beginnen mit den weißen eingestreuten Indurationsherden. Hier ist die Wuche¬ 
rung des bindegewebigen Stroma charakteristisch; sie bietet alle Abstufungen von 
kleinzelliger Infiltration mit weiten Gefäßen bis zum kernarmen Narbengewebe mit 
spärlichen, dickwandigen Gefäßen. Wo die kleinzellige Infiltration vorherrscht, sind 
Glomeruli und Harnkanälchen gut zu erkennen; im kernarmen, faserigen Bindegewebe 
aber sind selbst Spuren derselben nicht mehr zu finden. Schwere Veränderungen 
zeigen auch die an die atrophischen Bezirke angrenzenden Teile der Rinde. Hier 
hat die Bindegewebswucherung solche Fortschritte gemacht, daß sie an den 
Glomeruluskapseln nicht allein weit nach außen vorgreift, sondern auch nach 
innen, besonders vom Stiele des Glomerulus her gegen den Glomerulus vordrängt. 
Ein Teil der zwischen den Wucherungsherden gelegenen makroskopisch scheinbar 
intakten Abschnitte der Rinde zeigt mikroskopisch ebenfalls verschiedene Grade 
der Degeneration und des Schwundes. Kaum verändert sind die Glomeruli; in 
den Epithelien der gewundenen und geraden Harnkanälchen sieht man oft trübe 
Körnchen und kleinste Fetttröpfchen. Hin und wieder liegen abgestoßene 
Epithelien im Lumen der Kanälchen. Zylinder sind selten; dagegen fallen ge¬ 
wundene wie gerade Harnkanälchen in den verschiedensten Teilen durch ihre 
außerordentlich wechselnde Weite und ihren gewundenen Verlauf auf. 

Dazwischen große Abschnitte intakten Nierenparenchyms. Die Erkrankung 
tritt demnach ausgesprochen fleckweise und wie man aus den Uebergangsbildern 
zwischen kleinzelliger Infiltration, kernreichem Bindegewebe und Narbengewebe 
schließen muß, schubweise auf, stetig kleinere oder größere Abschnitte zur Ver¬ 
ödung bringend. Das hervorstechendste Merkmal dieser Erkrankung ist eine fleck¬ 
weise Wucherung des interstitiellen Gewebes. Es ist eine chronisch interstitielle 
Nierenentzündung mit disseminiertem Sitz. 

Eine zweite Schrumpfnierenform gleicht makroskopisch der eben 
beschriebenen sehr. Meist sind beide Nieren verkleinert, die eine 
mehr, die andere weniger. Die verdickten, undurchsichtigen Nieren¬ 
kapseln haften innig an der Oberfläche. Diese ist graurötlich, oft 
ganz glatt, hin und wieder fein gekörnt. Ich habe solche Nieren 
gesehen, die so klein und an der Oberfläche so glatt waren, daß 
man unwillkürlich an eine Hypoplasie denken mußte. Erst die 



Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes. 


637 


mikroskopische Untersuchung ergab, daß es sich um ausgesprochene 
Schrurapfnieren handelte. Auf der Durchschnittsfläche ist die Rinden¬ 
schicht auffallend schmal und blaß. Bei genauer Betrachtung sieht 
man in ihr überall weiße Herde eingestreut, die keine Struktur er¬ 
kennen lassen und in Form und Größe wechseln. Sie sind rundlich, 
strich- oder sternförmig, oft eben sichtbar, selten mehr als reiskorn- 
groß und liegen dicht beisammen. 

Die Markschicht ist meistens ebenfalls sehr blaß, zeigt aber auch 
öfters eine dunkelrote, mit den Sammelröhren verlaufende Strichelung, 
die in der Nähe der Grenzschicht am ausgesprochensten ist und sich 
gegen die Papilla hin allmählich verliert. 

Mikroskopisch sieht man ähnliche wecbselreiche Bilder wie bei der eben 
besprochenen Form. Es fehlen jedoch die Uebergangsbilder zwischen kleinzelliger 
Infiltration, kernreichem Bindegewebe und Narbengewebe; der Prozeß steht überall 
auf gleicher Höhe, kurz gesagt, wir finden ein vorgeschrittenes Stadium der sub¬ 
akuten Glomerulitis und Nephritis tubularis. Dort sahen wir in dem Trümmerfeld, 
das der akute Anfall hinterlassen hatte, kleinzellige Infiltration als Beginn einer 
chronischen Entzündung auftreten; hier hat die Bindegewebswucherung bedeutende 
Fortschritte gemacht. Die Glomeruluskapseln zeigen meist eine konzentrisch ge¬ 
schichtete Verdiokung, welche aus kernhaltigen Bindegewebsfasern besteht. Auch 
die gewundenen und geraden Harnkanälchen sind von breiten Bindegewebsstreifen 
begleitet. Die Epithelien der Kapseln befinden sich in lebhafter Proliferation. Im 
Kapselhohlraum liegt scholliges Exsudat neben desquamierten Epithelien. Gleich¬ 
zeitig sieht man von vielen Stellen der Kapsel aus Bindegewebe in den kernarmen 
hyalinen Glomerulus hinein wuchern. Die Epithelien der Harnkanälchen sind 
stellenweise gut erhalten; an vielen Stellen aber färben sich die Kerne derselben 
sehr schlecht, oder es liegt an Stelle des normalen, regelmäßigen Epithels ein un¬ 
regelmäßiger Epithelbesatz. Zylinder sieht man in den Sammelröbren noch häufig. 
Im allgemeinen nimmt die Bindegewebswucherung nie die Mächtigkeit an, wie es 
bei der zuerst beschriebenen Form von Nierensohrumpfung der Fall ist; das ein¬ 
fache Kollabieren der atrophischen Glomeruli und Harnkanälchen herrscht vor. — 
Auch diese Nephritisform geht fast immer mit wassersüchtigen Zuständen einher. 

Wir können demnach beim Hunde zwei Formen der chronischen 
Nephritis auseinanderhalten. Bei der ersten Form ist die Wucherung 
des bindegewebigen Stromas vor allem in die Augen fallend. Man 
sieht kein Exsudat im Kapselraum, keine oder nur vereinzelte Zylinder 
in den Harnkanälchen; man kann aber besonders deutlich, eben weil 
die Erkrankung schubweise auftritt, verfolgen, wie zuerst kleinzellige 
Infiltration besteht, wie sich junges, kernreiches Bindegewebe bildet, 
wie der Glomerulus, offenbar an seinem Stiele durch wucherndes 
Bindegewebe abgeschnürt, allmählich schrumpft, wie er von Bindege¬ 
webe durchwuchert wird und dieser Wucherung schließlich zum Opfer 



638 SEIBEL, 

fällt. Hochgradige Degenerationen an den Schlingen des Glomerulus 
und an den Harnkanälchen sind aber im Anfang nicht zu sehen; es 
können geringe Grade derselben vorhanden sein, die parenchymatösen 
Degenerationen und exsudativen Vorgänge erreichen aber niemals die 
Ausdehnung, wie es bei der zweiten Form die Regel ist. Bei dieser 
steht die Degeneration und entzündliche Exsudation im Vordergrund; 
hier wird der in seiner inneren Einrichtung schwer geschädigte Glo¬ 
merulus durch die sich anhäufenden Exsudatmassen an die Wand 
gedrängt, er wird kleiner; die hochgradig degenerierten Harnkanälchen 
fallen zusammen und erst in diesem Trümmerfeld tritt Bindegewebs¬ 
wucherung auf. Das Endresultat ist dann freilich dasselbe, eine 
Narbe, Schrumpfniere. Aber in ihrer Entstehung sind diese Schrumpf¬ 
nieren verschieden. Auf der einen Seite Wucherung des bindege¬ 
webigen Stromas mit Druckertötung des Parenchyms infolge 
Schrumpfung des neugebildeten Bindegewebes, auf der anderen schwere 
Degeneration mit Tod der Zellen und nachfolgende Bindegewebs¬ 
wucherung. Ob die Wucherung des bindegewebigen Stromas bei der 
ersten Form primär entsteht oder ob ihr vielleicht mikroskopisch 
nicht sichtbare molekulare Veränderungen des Parenchyms vorauf¬ 
gehen, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall sind, und das will ich 
nochmals betonen, entzündliche Veränderungen und Degenerationen 
am Sekretions- und Filtrationsapparat ganz zurücktretend hinter der 
Bindegewebswucherung. Bei der zweiten Form ist das gerade um¬ 
gekehrt. 

Während die erste Form entschieden fleckweise und schubweise 
auftritt, so daß also zwischen gut erhaltenem Parenchym zahlreiche 
Indurationsherde verschiedenen Alters liegen, erscheint die zweite als 
Folgestadium einer Entzündung, die ganz diffus verlaufen sein muß. 
Und da die Retraktion des sekundär gebildeten Bindegewebes oft eine 
so gleichmäßige ist, daß die Oberfläche der Nieren fast glatt erscheint, 
kann sie nicht schubweise entstanden sein, wie dies für die erste 
Form zugegeben werden muß. Nun sind ja der akuten glomerulären 
und tubulären Nephritis nicht alle Glomeruli zum Opfer gefallen. 
Ein großer Teil ist restituiert worden. Man findet aber nie so große 
zusammenhängende Bezirke intakten Nierengewebes wie bei der ersten 
Form. Nach dem Grundsätze denominatio fit a potiori nannten wir 
diese eine chronisch interstitielle Nephritis mit disseminiertem 
Sitz; die zweite Form können wir entsprechend als eine chronische 
glomeruläre und tubuläre Nephritis (mit diffusem Sitz) bezeichnen. 



Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes. 


639 


Die Frage, auf welche Weise die Verödung und binde¬ 
gewebige Durchwucherung der Glomeruli und Harn¬ 
kanälchen zustande kommt, ist nach dem Gesagten dann so zu 
beantworten: 

Bei der ersten Form umschließt wucherndes Bindegewebe den 
Stiel der Glomerulusschlingen und bringt die Gefäße zur Verödung. 
Ob das wuchernde Bindegewebe von der Kapsel geliefert wird, ob es, 
wie Ribbert annimmt, von der Adventitia der Hilusgefäße stammt, 
oder ob beide Komponenten an seiner Bildung beteiligt sind (Böhm), 
ist schwer zu sagen. Beim Hunde sieht man das Bindegewebe bei 
der interstitiellen Nephritis vorwiegend vom Stiele der Glomerulus¬ 
schlingen Vordringen und zwischen den Schlingen durchwuchern. Daß 
es auch von anderen Stellen der Kapsel aus, besonders von dem dem 
Glomerulusstiel gegenüberliegenden Pol derselben in den Glome- 
rulus hineinwuchert, ist hin und wieder zu sehen, jedoch nicht die 
Regel. 

Bei der diffusen chronischen Nephritis kommt die Verödung des 
Glomerulus einerseits durch (hyaline?) Entartung seiner Schlingen, 
andererseits durch den Druck des im Kapselraum angesammelten 
Exsudates zustande. Man sieht oft, wie das angesammelte mächtige 
Exsudat den Glomerulus gleichsam wie einen Gummi ball eingedrückt 
hat. Die Bindegewebsdurchwucherung geht hier viel häufiger von 
allen Teilen der Kapsel aus, wie man denn auch das Kapselepithel 
in lebhafter Proliferation sieht. 

Ponfick führt die Verödung der Glomeruli und Harnkanälchen 
auf Verlegung der abführenden Kanälchen durch Harnzylinder zurück. 
Der Vorgang ist nach ihm folgender: „Die Niere ist Sitz einer akuten 
Entzündung gewesen, die mit Exsudation einer hyalinen, zu Pfropfen 
sich ballenden Masse verbunden war. Dem verstärkten Harnstrome 
gelingt es, die meisten der die Harnkanälchen sperrenden Hemmnisse 
wegzuschwemmen. Nur vereinzelte Zylinder bleiben stecken. Die¬ 
jenigen Malpighischen Körperchen nun, die zu diesen dauernd ver¬ 
stopften Tubuli gehören, und nur sie, verfallen auf dem Wege funk¬ 
tioneller Untätigkeit der Verödung: „für alle Zukunft ein Denkmal 
sekundären Schwundes“. Für die zweite Form der Schrumpfniere 
muß man das Zustandekommen der Verödung auf dem von Ponfick 
beschriebenen Wege zugeben, zumal die Ansammlung von Zylindern 
eine ganz gewaltige sein kann und auch verkalkte Zylinder gefunden 
werden. Ich möchte jedoch auch den Druck des in der Kapsel.an- 



640 


SEiBEL, 


gesammelten Exsudates für das Zustandekommen der Verödung her¬ 
vorheben. Bei der chronischen interstitiellen Nephritis halte ich die 
Verödung auf diesem Wege für selten. Hier ist es das wuchernde 
Bindegewebe, das durch Abschnürung von Glomerulusstiel oder 
Tubuli funktionelle Untätigkeit mit anschließender Inaktivitätsatrophie 
bedingt. Die bindegewebige Durchwucherung von Knäueln und 
Kanälchen aber ist hier wie dort ein sekundärer Vorgang, dem das 
atrophische Parenchym schließlich ganz zum Opfer fällt. 

Ebenso wie die Frage des Zustandekommens der Verödung der 
Glomeruli und Harnkanälchen ist auch die Entstehung der Nieren¬ 
zysten bei Schrurapfnieren noch strittig. Dünger teilt die Nieren¬ 
zysten im engeren Sinne in drei Gruppen: 

1. Harnzysten: diese finden sich in sonst normalen Nieren in 
der Regel dicht unter der Oberfläche als Stecknadel- bis apfelgroße 
Blasen. Sie sind als einfache Retentionszysten zu betrachten, her¬ 
vorgerufen durch Verschluß von Harnkanälchen. 

2. Zysten im Gefolge chronischer Entzündung: Sie sind 
in der Regel in größerer Anzahl vorhanden, werden aber nur selten 
mehr als erbsengroß. Sie treten sowohl in der Rinden- wie in der 
Marksubstanz auf und besitzen gewöhnlich einen hyalinen, kolloiden, 
manchmal auch flüssigen Inhalt. Sie gehen aus diktierten Harn¬ 
kanälchen oder Glomeruli hervor und sind ebenfalls als Retentions¬ 
zysten aufzufassen, bedingt durch Sekretstauung infolge bindegewebiger 
Schrumpfung in der Umgebung der Kanälchen. 

3. Die angeborenen Zystennieren, die auf einer Entwicke¬ 
lungsstörung der Nieren beruhen. 

Für uns kommt die zweite Gruppe in Betracht. Ribbert be¬ 
zweifelt das Zustandekommen von Harnzysten durch Schrumpfung 
überhaupt und hält auch die in den Schrumpfnieren so häufig vor¬ 
kommenden Zysten für angeboren. Ponfick legt das Hauptgewicht 
bei ihrer Entstehung auf die Verlegung von Harnkanälchen durch 
Zylinder und Sekretstauung vor der veilegten Stelle. Ich will auf 
diese schwer zu entscheidenden Fragen nicht näher eingehen, sondern 
nur das häufige Vorkommen von Zysten bei chronischer Nephritis 
erwähnen. Gegen die Ribbertsche’Ansicht spricht meines Erachtens, 
daß man Nierenzysten beim Hunde im Verlaufe der chronischen 
Nephritis so ungemein häufig und bei normalen Nieren selten findet. 
So habe ich Nierenzysten bei Schrumpfnieren in 4 von 10 Fällen und 
bei normalen Nieren bei weit über 100 daraufhin untersuchten Hunden 



Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Bandes. 


641 


nur 2 oder 3 mal gesehen. Auch der geschlängelte Verlauf der 
Harnkanälchen und vor allem die häufigen Dilatationen derselben bei 
chronischer Nephritis sprechen für die unter 2 genannte Art der Ent¬ 
stehung. 

Ich habe bei meinen Untersuchungen stets darauf geachtet, zu 
ermitteln, ob die beim Menschen so häufige arteriosklero¬ 
tische Schrumpfni.ere auch beim Hunde vorkommt. Nun sind 
ja in der Humanmedizin die Ansichten in dieser Frage noch geteilt. 
Die Gefäße in den Schrurapfniercn verhalten sich meist so: Ein Teil 
der Kapillaren geht innerhalb der atrophischen Bezirke vollständig 
unter. Die Arterien fallen schon mikroskopisch durch ihre starren 
Wände auf und zeigen mikroskopisch eine auffallende Verdickung der 
Gefäßwand. Dadurch wird das Lumen der Gefäße stark eingeengt; 
es kann sogar vollständig verstrichen erscheinen. Diese Gefäßver¬ 
änderungen sind am ausgeprägtesten bei der chronischen interstitiellen 
Nephritis, der sog. genuinen Schrumpfniere, weniger deutlich sind sie 
bei der sog. parenchymatösen Nephritis (2. Form); sie fehlen voll¬ 
ständig bei den akuten Nephritiden. Wegen dieser der Arterioskle¬ 
rose ähnlichen Veränderungen sind manche Autoren (Jores, Prym) 
geneigt, die genuine Schrumpfniere als selbständige Form nicht gelten 
zu lassen, sondern sie als arteriosklerotische aufzufassen. Besonders 
Jores hat ausgedehnte Untersuchungen über das Vorkommen der 
Arteriosklerose kleinster Arterien angestellt. Die Arteriosklerose der 
Nierenarterien ist nach ihm ‘keine einfache Folgeerscheinung der 
Nephritis, sondern in frühzeitiger Verknüpfung mit derselben ein den 
Ablauf der Nierenerkrankung wesentlich beeinflussendes Moment“, also 
die Ursache der Schrumpfung. Die meisten Autoren halten 
jedoch genuine und arteriosklerotische Schrumpfniere scharf aus¬ 
einander. 

Bei Tieren sind bekanntlich Erkrankungen, die man als Arterio¬ 
sklerose ansprechen kann, selten. Ich habe bei den von mir unter¬ 
suchten Nieren eine gefunden, an deren Arterien Veränderungen be¬ 
standen, die ich als arteriosklerotische auffassen möchte. Da die 
Sektion des Hundes (es handelte sich um ein wegen Altersschwäche 
vergiftetes Tier) nicht von mir selbst vorgenommen wurde, bin ich 
leider nicht imstande, anzugeben, ob auch an anderen Arterien ähn¬ 
liche Erkrankungen Vorlagen. An den Arterien der linken Niere 
bestanden sie zweifellos. Makroskopisch fiel an dieser Niere eine 
kleinfingerbreite, ringförmige Einziehung auf, die sich vom Hilus zum 

Archiv f. wissensch u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl-Band. 



642 


SEIBEL, 


gegenüberliegenden Pol der Rinde erstreckte, so daß die Niere 
seramelförmig aussah. Mikroskopisch will ich nur Gewicht auf die 
Unterscheidung dieser Form von Nierenschrumpfung von der genuinen 
Schrumpfniere legen. Während bei letzterer die Bindegewebszubildung 
charakteristisch ist und überall, nicht nur in der Umgebung der 
kleinen Arterien auftritt, ist bei dieser Niere die bindegewebige 
Wucherung nur in der Umgebung einer größeren Arterie und ihres 
Ausbreitungsgebietes und auch hier nur in geringer Ausdehnung zu 
verfolgen. In größerer Ausdehnung aber sind um das Gefäß Glome- 
ruli und Harnkanälchen atrophisch geworden und einfach geschrumpft, 
ohne daß es zu einer stärkeren bindegewebigen Durchwucherung ge¬ 
kommen wäre. Am auffälligsten ist jedoch der Unterschied in der 
Art der Verdickung der Arterien bei dieser Niere im Gegensatz zur 
genuinen Schrumpfniere. Bei letzterer habe ich immer nur rein 
muskuläre Hypertrophie der Arterien gesehen. Bei dieser Niere ist 
jedoch die Wucherung der Intima ganz außerordentlich, besonders 
der elastischen Schicht derselben. Mit Rücksicht darauf, daß die 
Veränderungen an den Gefäßen sehr stark und die Veränderungen 
am interstitiellen Gewebe sehr gering und nur auf das Ausbreitungs¬ 
gebiet eines Gefäßes beschränkt waren, kann man diese Schrumpf¬ 
niere wohl als arteriosklerotische bezeichnen. 

Eine häufige Begleiterscheinung der chronischen Nephritis ist die 
Herzhypertrophie. Ich habe sie etwa in der Hälfte aller Fälle 
von Schrumpfniere gesehen, oft so' ausgesprochen, daß man von 
Bukardie sprechen konnte. Am stärksten hypertrophiert war in allen 
Fällen der linke Ventrikel. In einem Falle von hochgradiger Schrumpf¬ 
niere habe ich ausgesprochene exzentrische Hypertrophie, in allen 
anderen vorwiegend konzentrische Hypertrophie feststellen können. 
Die Papillarmuskeln, besonders der linken Kammer sind dann auf¬ 
fallend groß, walzenrund, auch die Trabekel sind sehr dick, abge¬ 
rundet und lassen tiefe Buchten zwischen sich. 

Ueber das Zustandekommen der Herzhypertrophie bei chronischer 
Nephritis gehen die Ansichten auseinander. Nur noch geschichtliches 
Interesse haben die Theorien, die in der Herzhypertrophie den primären 
und in der Nierenerkrankung den sekundären Vorgang sehen; heute 
ist man allgemein der Ansicht, daß die Erkrankung der Niere das 
Primäre und die Hypertrophie des Herzens die Folgeerscheinung der 
Nierenerkrankung ist. Ueber die inneren Ursachen der Entstehung 



Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Hundes. 643 

der Herzhypertrophie herrseht aber wie gesagt noch keine Ein¬ 
stimmigkeit. 

Traube sucht die Entstehung derselben rein mechanisch zu erklären. Er 
nimmt an, daß infolge ausgiebiger Verödung des Gefäßsystems in den schrumpfen¬ 
den Nieren der Bruck im Aortensystem steigt und das Herz infolge vermehrter 
Inanspruchnahme hypertrophisch wird. Ein weiterer Faktor soll die Verhinde¬ 
rung der Wasserausscheidung aus dem Blut und damit die vermehrte Blutmenge 
sein. Gegen diese Theorie ist vor allem geltend gemacht worden, daß man beide 
Nierenarterien unterbinden kann, ohne daß Drucksteigerung im Aortensystem ein- 
tritt. Weiterhin geht gerade diejenige Nephritisform, bei der wir am häufigsten 
Herzhypertrophie finden, die sog. genuine Schrumpfniere nicht mit Anurie, sondern 
mit Polyurie einher; folglich kann von einer Zurückhaltung des Harnwassers keine 
Hede sein. 

Die Senatorsche Theorie nimmt an, daß infolge der Insuffizienz der Nieren 
Harnbestandteile in die Blutbahn gelangen. Diese sollen entweder direkt reizend 
auf den Herzmuskel oder kontrahierend auf die peripheren Arteriengebilde wirken, 
infolgedessen es zu einer Steigerung des Blutdrucks und Herzhypertrophie kommt. 
Gegen diese Theorie macht Rosenbach geltend, daß in vielen Fällen von 
Schrumpfniere Herzhypertrophie besteht, ohne daß es zu einer Vermehrung der 
Harnbestandteile im Blute gekommen wäre. 

Ewald nimmt an, daß os infolge der gestörten Nierenfunktion zu einem er¬ 
höhten Reibungswiderstand des Blutes kommt und die Arbeit des Herzens gesteigert 
wird. Auch dies ist zum mindesten nicht erwiesen. 

Paßler und Heineke glauben zum ersten Male einwandfrei nachgewiesen 
zu haben, daß die Blutdrucksteigerung und Herzhypertrophie bei Nierenläsion die 
Folge eines einfachen Mangels einer genügenden Menge sezernierenden Parenchyms 
sein könne. Sie entfernten bei Hunden operativ die eine Niere vollständig und 
einen Teil der zweiten. Die überlebenden Tiere zeigten deutliche Blutdrucksteige¬ 
rung mit konsekutiver Herzhypertrophie. Da die operierten Tiere auch klinisch 
ähnliche Symptome zeigten, wie man sie bei chronischer Nephritis beobachtet, 
nehmen Päßler und Heineke als sehr wahrscheinlich an, daß auch die Herz¬ 
hypertrophie bei chronischer Nephritis die Folge dos Mangels von sezernierendem 
Parenchym ist und daß es einer Retention von Harnbestandteilen im Blut zum 
Zustandekommen der Hypertrophie kaum bedarf. 

Während die Bedeutung der Retention von Ilarnbestandteilen ins 
Blut und die hierdurch reflektorisch bewirkte Kontraktion der kleinsten 
Körperarterien für das Zustandekommen der Herzhypertrophie in den 
letzten Jahren allgemein angenommen worden war, nähern sich die 
Schlußfolgerungen von Päßler und Heineke wieder der alten Traube- 
schen Theorie. Auch Volhard betonte auf Grund klinischer Er¬ 
fahrungen die vorwiegende Beteiligung der Glomeruli für das Zustande¬ 
kommen der Herzhypertrophie. Es läßt sich das Zustandekommen der 
Herzhypertrophie auf dem zuletzt beschriebenen Wege am zwanglosesten 

41 * 



644 


SEIBEL, 


erklären. Wir haben gesehen, daß bei der chronischen Nephritis große 
Gefäßstrecken veröden, sowohl vasa aSerentia wie Glomeruli, Kapillaren 
und vasa efferentia. Das Blut gelangt wohl in die Nieren hinein, 
findet aber bei seinem Durchtritt einen großen Widerstand. Nun kann 
nach den Versuchen Köppes eine Mehrleistung des wasserabführenden 
Apparates der Nieren nur auf zweierlei Art erreicht werden, entweder 
durch Erhöhung des Filtrationsdruckes oder Vergrößerung der Fil¬ 
trationsfläche. Bei der chronischen Nephritis ist eine große Anzahl 
der Glomeruli erkrankt; es kann eine Vergrößerung der Filtrations¬ 
fläche nicht eintreten; folglich muß, um die Wasserabscheidung zu 
bewirken, der Filtrationsdruck steigen. Und in der Tat zeigen auch 
die exakten Versuche von Päßler und Heincke, daß nach Exstir¬ 
pation, also nach Verkleinerung der Filtrationsfläche, der Druck im 
Aortensystem erheblich anstieg. Die Blutdruckerhöhung betrug nie 
weniger wie 15 mm, im einzelnen Falle bis 29 mm. Der Grad der 
Erhöhung ging dem Grad der Niereninsuffizienz parallel. Nach dem 
Tode wurde bei allen Tieren Herzhypertrophie festgestellt. Die Herz¬ 
hypertrophie bei Nephritis würde demnach eine rein kompensato¬ 
rische sein. 

Mit Herrn Dr. Hintze gemeinschaftlich habe ich mich mit einer 
weiteren Folgeerscheinung der chronischen Nephritis beschäftigt, die 
in der Menschenheilkunde seit langem bekannt ist und diagnostisch 
verwertet wird, die man aber in der veterinärmedizinischen Literatur 
kaum erwähnt findet. Ich denke an die sog. Retinitis albumi¬ 
nurica. Beim Menschen haben Schwachsichtigkeiten und Erblindung 
im Verlauf von Nierenentzündungen längst die Aufmerksamkeit der 
Aerzte erregt. 

Nach Schmidt-Rimpler, dem ich im wesentlichen folge, teilte schon 
John Bright 1836 mehrere Fälle mit und Landouzy schrieb bereits 1849 über 
den Zusammenhang zwischen Amaurose und Nephritis. Türok und Virchow 
konstatierten später die anatomischen Veränderungen in der Netzhaut, Heymann 
und Liebreich gaben eine Beschreibung des ophthalmoskopischen Bildes. Be¬ 
troffen ist meist die Netzhaut und die Papille. Die Erkrankungen dieser Teile 
können beim Menschen bei den verschiedensten Formen von Nephritis Vorkommen; 
am häufigsten sind sie in Verbindung mit Schrumpfnieren konstatiert worden. 
Retinitis albuminurica hat man die Erkrankung genannt, weil die mit ihr im Zu¬ 
sammenhang stehende Nierenerkrankung meist mit Albuminurie einhergeht. 

Wir haben die Erkrankung bei zehn genau daraufhin untersuchten 
Fällen von Nephritis nur einmal ausgesprochen gesehen und zwar bei 
vorgeschrittener Nierenschrumpfung. Die Veränderungen waren hier 



Beiträge zur Kenntnis der Nephritis des Pfundes. 


645 


auffallend. Die Papille des linken Auges ist geschwollen, turges- 
zenter und zeigt einen rötlichen Schimmer. Dabei ist das Gewebe 
nicht glänzend, sondern von stumpf-sammetartigem Glanz. Die an¬ 
grenzende Netzhautpartie ist ebenfalls trüber und undurchsichtig. Auf 
der Höhe der Papille sieht man zwei dunkelrote, kreisrunde, über 
stecknadelkopfgroße Petechien und in der Umgebung der Papille viele 
strich- oder punktförmige weiße Flecken (chronische Retinitis) neben 
kleineren Blutungen. 

Ein ähnlicher Befund wurde am rechten Auge erhoben. 

Ob die Erkrankung der Netzhaut in der Tierheilkunde von dia¬ 
gnostischer Bedeutung sein könnte, erscheint mit Rücksicht auf das 
Fehlen der subjektiven Mitteilungsgabe der Tiere fraglich; immerhin 
wäre ihre Bestätigung durch unsere Kliniker zum mindesten lehrreich. 


Literatur. 

]) Aschoff, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. 1909. 

2) Dünger, Zur Lehre von den Zystennieren. Zieglers Beiträge. Bd. 35. 

3) Heineke, Die Veränderungen der menschlichen Niere nach Sublimatvergiftung. 
Ebendas. Bd. 45. 

4) Herxheimer, Ueber die sog. hyaline Degeneration der Glomeruli der Niere. 
Ebendas. Bd. 45. 

5) Jores, Pathologie und pathologische Anatomie der Harnorgane. Ergebnisse 
von Lubarsoh-Ostertag. VI. u. XI. 11 - Jahrg. 

6) Derselbe, Hypertrophie und Arteriosklerose in den Nierenarterien. Virchows 
Archiv. Bd. 181. 3. 1905. 

7) Kaufmann, Lehrbuch der spez. pathol. Anatomie. 4. Aufl. 

8) Müller, Morbus Brightii. Verhandl. d. Pathol. Ges. 9. Tagung. Meran. 

9) Orth, Diskussion über Morbus Brightii. Ebendas. 

10) Päßler u. Heineke, Versuche zur Pathologie des Morbus Brightii. Ebendas. 

11) Ponfick, Ueber Morbus Brightii. Ebendas. 

12) Ribbert, Pathologische Anatomie. 3. Aufl. 1908. 

13) Schmidt-Rimpler, Die Erkrankungen des Auges. 1905. 

14) Senator, Ueber die Herzhypertrophie bei Nierenkrankheiten. Deutsche med. 
Wochenschr. 1903. Nr. 1. 

15) Thorei, Pathologie der Kreislaufsorgane. Ergebnisse von Lubarsch-Ostertag. 
9. Jahrg. I. Abt. u. 11. Jahrg. II. Abt. 

16) Volhard, Diskussion über Morbus Brightii. Verhandl. der pathol. Gesellsch. 
9. Tagung. 



XXVII. 

Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik zu Berlin. 
(Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bier.) 

Lymphosarkomatose und Tuberkulose beim Hunde. 

Ein experimenteller Beitrag 
von 

Prof. Dr. Anton Sticker, 

Oberassistent der Klinik. 


Hochverehrter Herr Geheimrat! Die vorliegenden Untersuchungen 
bilden ein Glied in der Kette der vor 10 Jahren begonnenen und 
seitdem ununterbrochen fortgesetzten erfolgreichen Uebertragungsver- 
suche bösartiger Geschwülste beim Hunde; sie verdanken, wie alle 
meine wissenschaftlichen Bestrebungen auf dem Gebiete der Veterinär¬ 
medizin vor allem Ihnen, meinem hochverehrten Lehrer, befruchtende 
Anregung, die ich als Ihr Assistent im Jahre 1886 und als Ihr Mit¬ 
arbeiter im Jahre 1900 unmittelbar zu empfangen das große Glück 
hatte. Nehmen Sie bitte, als ein schwaches Zeichen meiner nie ver¬ 
löschenden Dankbarkeit, diese Arbeit am heutigen Tage entgegen! 


Die Lymphosarkomatose des Hundes ist im Verlaufe der 
letzten 20 Jahre vielfach Gegenstand des Studiums gewesen, so daß 
sich eine Weltliteratur über dieselbe gebildet hat, bezüglich deren 
Einzelheiten ich auf eine von mir 1906 verfaßte Abhandlung 1 ) ver¬ 
weise. 

Das Interesse, welches dieser Krankheit entgegengebracht wurde, 
verdankt sie nicht so sehr ihrer praktischen Bedeutung, obw r ohl auch 
diese wegen des bisweilen beobachteten endemischen Charakters nicht 
gering zu nennen ist, als vielmehr ihrer Besonderheit als günstiges 


1) Arch. f. klin. Chir. Bd. 78. H. 4. 



Lymphosarkomatose und Tuberkulose beim Hunde. 647 

Objekt für die wissenschaftliche Erforschung der Natur der bösartigen 
Geschwülste. 

Ich will an dieser Stelle bezüglich aller Einzelheiten auf meine 
Publikationen 1 ) verweisen und nur das eine hervorheben, daß der 
Charakter der Lymphosarkomatose des Hundes als einer echten Ge¬ 
schwulstkrankheit, welche ein vollwertiges Analogon zu den malignen 
Geschwülsten des Menschen bildet, über allem Zweifel erhaben steht 2 ), 
und es als ein schwerer Irrtum bezeichnet werden muß, wenn man 
sie früher — so namentlich auf englischer Seite 3 ) — mit den infek¬ 
tiösen Granulomen, also mit der Tuberkulose, der Aktinomykose und 
den leukämischen Tumoren zusammenbrachte. 

Die Lymphosarkomatose des Hundes prägt sich wie die gleich¬ 
namige Krankheit des Menschen durch das Auftreten multipler Tumoren 
aus, welche sich aus Rundzellen aufbauen, die in steter karyokine- 
tischer Teilung begriffen sind und nur mit den großen Rundzellen der 

1) Transplantables Lymphosarkam des Hundes. Ein Beitrag zur Lehre der 
Krebsubertragbarkeit. Zeitschr. f. Krebsforschung. 1904. Bd. 1. — Erfolgreiche 
Uebertragungen bösartiger Geschwülste bei Tieren. Med. Klinik. 1905. Nr. 24. — 
Transplantables Rundzellensarkom des Hundes. Berl. tierärztl. Woohenschr. 1905. 
Nr. 20. — Infektiöse und krebsige Geschwülste an den äußeren Geschlechts¬ 
organen des Hundes. Arch. f. klin. Chir. 1906. Bd.78. — Transplantables Rund¬ 
zellensarkom des Hundes. (Zweite Mitteilung.) Zeitschr. f. Krebsforschung. 1906. 
Bd. IV. — Spontane und postoperative Implantationstumoren. Münchener med. 
Wochenschr. 1906. Nr. 39. — Uebertragung von Tumoren bei Hunden durch den 
Geschlechtsakt. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1906. Nr. 50. — Das Wesen und 
die Entstehung der Krebkrankheit auf Grund der Ergebnisse der modernen Krebs¬ 
forschung. Zeitschr. f. Veterinärkunde. 1907. H. 10. — Ueber Pathogenese und 
über den spezifischen Abbau der Krebsgeschwülste. Deutsche med. Wochenschr. 
1907. Nr. 38. — Die Immunität und die spontane Heilung der Krebskrankheit 
nach den Ergebnissen der modernen experimentellen Forschung. Zeitschr. f. Krebs¬ 
forschung. 1908. Bd. 7. 

2) Die seiner Zeit von Weigert und Arnold gestellte Diagnose wurde 
durch eine Reihe namhafter Pathologen: Albrecht, Bollinger, Dürck, 
von Hansemann, Kitt,’ Lüpke, Orth, Ribbert, Schmaus, Schmorl 
bestätigt. In neuerer Zeit haben die amerikanischen Forscher Ewing u. Beebe, 
R. Gaylord, Crile, der französische Gelehrte Borrel eigene umfangreiche 
Versuche mit dem Lymphosarkom des Hundes angestellt und sich bezüglich der 
Diagnose auf den Standpunkt der deutschen Pathologen gestellt. 

3) Smith and Wahsbourn, Infective venereal tumours in dogs. Transact. 
of the path. soc. of London. 1897. Vol. 48. — Withe, Contagious growths in 
dogs. Brit. med. Journ. July 1902. — Bashford, Murray and Cramer, An 
infective granuloma of the dog. Scient. reports of the Imp. canc. Research. 
1905. No. 2. 



648 STICKER, 

Keimzentren der Lymphfollikel der Lyraphdrüsen verglichen werden 
können. 

Die Lyraphosarkomatose nimmt ihren allerersten Ursprung aller 
Beobachtung nach im lymphatischen Apparat, so insbesondere in den 
reichlich auf der Schleimhautoberfläche des Penis und im Scheiden¬ 
vorhof befindlichen Lymphfollikeln; bei ihrer weiteren Ausbreitung ver¬ 
meidet sie jedoch die vorgeschriebenen Lymphbahnen, bricht in die 
Nachbarschaft aus und verbreitet sich später nur auf dem Blutwege. 
Ich habe zahlreiche Fälle von metastatischem Lungensarkom, meta¬ 
statischem Lebersarkom, metastatischem Lymphdrüsensarkom, Fälle 
von allgemeiner über fast alle Körperorgane sich erstreckender Sar- 
komatose beschrieben, in denen durch das histologische Studium 
kleinster submiliarer Knötchen nachgewiesen werden konnte, daß die 
Metastasen ihre Entstehung von wenigen, auf dem Wege der Blut¬ 
bahn eingeschwemmten Sarkorazellen nehmen, ohne daß irgend eine 
Beteiligung des umliegenden Gewebes zu beobachten wäre. 

Um nun differential-diagnostisch wichtiges Material für die von 
mir hinreichend studierten echten blastomatösen Prozesse beim Hunde 
zu gewinnen, habe ich das experimentelle Studium der Tuberkulose 
des Hundes in Angriff genommen. Ich begann im Verein mit 
meinem Mitarbeiter Ernst Löwenstein durch Injektionen von 
Tuberkelbazillen — wir wählten dazu Kulturen Von Bazillen, welche 
direkt vom Menschen genommen, und Kulturen von Perlsuchtbazillen — 
in die Bauchhöhle des Hundes eine miliare Tuberkulose des Bauch¬ 
fells zu erzeugen. Das Studium der morphologisch ähnlichen Bilder, 
der Tuberculosis und Lymphosarcomatosis peritonei sollte wertvolle 
Anhaltspunkte liefern. War es doch bekannt, daß gerade die durch 
Tuberkelbazillen hervorgerufenen hyperplastischen Prozesse oft das 
Bild einer echten Blastomatose vortäuschten — so hatte Virchow 
bei seiner ersten Bekanntschaft mit der Perlsucht des Rindes diese 
auf Grund seiner histologischen Untersuchung für eine Sarkomatose 
erklärt, während die Tierärzte auf Grund klinischer Erfahrungen die 
Perlsucht als die Tuberkulose der serösen Häute des Rindes längst 
erkannt hatten. 

Wir haben uns im Verlaufe unserer Versuche nicht auf die 
Tuberkelbazillen allein beschränkt, sondern auch eine Reihe anderer 
säurefester Bakterien, so Pseudoperlsuchtbazillen, Timotheebazillen 
und Smegmabazillen zur Injektion benutzt. 



Lymphosarkomatose and Tuberkulose beim Ilunde. 649 

Außer den intraperitonealen wurden auch subkutane und kutane 
Impfungen vorgenommen. 

Die intraperitonealen Impfungen mit Tuberkelbazillen gaben 
nachfolgendes Resultat. r 

Während für die meisten Haustiere der Perlsuchtbazillus sich 
pathogener erweist als der Tuberkelbazillus vom Typus humanus, 
findet beim Hunde das Umgekehrte statt. Bei den mit Perlsucht¬ 
bazillen geimpften Hunden fand sich nur eine beschränkte tuberkulöse 
Entzündung des großen Netzes, bei den mit Tuberkelbazillen mensch¬ 
licher Herkunft geimpften eine allgemeine Miliartuberkulose, welche 
sich auf großes Netz, Mesenterium, Leber, Milz und Nieren, ja bis 
auf die- sternalen Lymphdrüsen ausdehnte. 

Es erscheint auffällig, daß dieser Unterschied in den Befunden 1 ) 
anderen Experimentatoren entgangen sein soll. Es erklärt sich zum 
Teil daraus, daß die intraperitoneale Impfung gajiz außer Acht ge¬ 
lassen wurde, so z. B. von Titze und Weidanz ira Kaiserlichen Ge¬ 
sundheitsamt 2 3 ), welche zahlreiche subkutane und intravenöse Injek¬ 
tionen, zahlreiche Inhalations- und Fütterungsversuche bei Hunden 
sowohl mit Perlsuchtbazillen, als auch mit Bazillen des Typus 
humanus ausführten. 

Robert Koch*) selber beschreibt 3 Infektionsversuche, welche 
mit Reinkulturen von menschlicher Miliartuberkulose intraperitoneal 
bei Hunden vorgenommen wurden. Alle 3 Hunde zeigten nach 

1) Unser experimentelles Ergebnis entspricht auch der klinischen Beob¬ 
achtung: 

Die spontane Erkrankung der Hunde steht zumeist mit der Tuberkulose des 
Menschen in ursächlichem Zusammenhang; am häufigsten pflegen sich Stuben¬ 
hunde durch Einatmung bazillenhaltiger Luft, seltener durch Auf lecken von tuber¬ 
kulösem Spututn zu infizieren. Die von Petit tuberkulös befundenen Hunde 
stammten zum größten Teil aus von Arbeitern stark besuchten, unreinen Sohank- 
lokalen und Kaffehäusern. 

Die Spontanerkrankung der Hunde ist an vielen Orten ein seltene Beob¬ 
achtung. 

Froh ner fand unter 62500 Berlinor Hunden 27, d. i. 0,04 pCt. mit Tuber¬ 
kulose behaftet. 

Johne u. Eber in Dresden unter 400 Hunden 11, d. i. 2,7 pCt. Dagegen 
sah Jensen.in. Kopenhagen im Laufe von 2 Jahren 28 Hunde, Petit und Basset 
in Alfort während eines Jahres 32 Hunde mit Tuberkulose. 

2) Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt. Berlin 1908. Heft9. 

3) Mitteil. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt.. 1884. Bd. 2. 



650 


STICKER, 


5 Wochen bei der Obduktion das Bild einer ausgebreiteten Miliar¬ 
tuberkulose. Dieser Befund deckt sich mit dem unserer analogen Fälle. 

Die englische Tuberkulosekommission 1 ) berichtet, daß ein mit 
einer Kultur, welche von einer primären Mesenterialtuberkulose des 
Menschen stammte, intraperitoneal geimpfter Hund nach 48 Tagen 
an den Folgen einer Tuberculosis universalis starb; allerdings soll ein 
zweiter Hund nur geringgradige Tuberkulose gezeigt haben. 

Ein dritter Hund, welcher 1 mg einer Bazillenkultur boviner 
Herkunft intraperitoneal erhielt, zeigte nach 5 Wochen nur wenige 
fibröse Tuberkel in den Lungen, kleine verdächtige Herde in Leber 
und Nieren. 

Versuch Nr. L Schwarzer Spitz, männlich, boscbiger Schwanz. 

16. 12. 1909 mit Perlsucht (Bongert) 2 Oesen einer 2 Monate alten 
Glyzerinagarkultur (Aufschwemmung in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung) 
intraperitoneal. 

4. 1. 1910 (19. Tag) gestorben an infektiöser Pneumonie. 

Obduktionsbefund: Im großen Netz ein kastanienkroßer Knoten, welcher 
deutlich abgerundet und eine rötlich-weiße, markige festweiche Schnittfläche auf¬ 
weist. Im übrigen erweist sich das Peritoneum glatt und glänzend. 

Mikroskopischer Befund: Die Struktur des Netzes noch deutlich; die 
Gesohwulstmasse besteht zum größten Teil aus flbroblastiscbem Gewebe, in welchem 
die spindligen Zellen vorherrschen und schmale sich durchflecbtende Züge bilden. 
Die Zellen durchgängig protoplasmareich, die Kerne groß, die Chromatinsubstanz 
fein verteilt. Einzelne Partien nekrotisch; die Kerne pyknotisch; Lymphzellen 
und Leukocyten wenig oder gar nicht vorhanden. 

Versuch Nr. 2. Hellgrauer Spitz, männliob, mit buschigem Schwanz. 

16. 12. 1909 mit Perlsucht (Wien) 2 Oesen einer 1 Monat alten Glyzerin¬ 
agarkultur (Aufschwemmung in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung) intra¬ 
peritoneal. 

8. 1. 1910 (23. Tag) durch Geniokstioh getötet. 

Obduktionsbefund: Das große Netz an seinem freien Rande zu einem 
Drittel aufgerollt und in eine derbe mehrere Zentimeter lange, weißlioheGeschwulst¬ 
masse verwandelt. 

Mikroskopischer Befund: Keine wahrnehmbare Nekrose; Geschwulst¬ 
masse besteht aus dichtgedrängten großen protoplasmareichen, zum Teil rund¬ 
lichen, zum Teil spindelförmigen Zellen mit großem, rundem, cbromatinarmemKern 
(oft 2 vorhanden). 

Versuch Nr.3. Männlicher, weißerFoxterrier mit regelmäßiger Maske. 

16. 12. 1909 mit Tb. (Typus humanus, Blasentuberkulose) 2 Oesen einer 
2 Monate alten Glyzerinagarkultur (Aufschwemmung in' 5 ccm physiologischer 
Kochsalzlösung) intraperitoneal geimpft. 


1) Second Report of tho R. Comm. of human and animal tuberculosis. 
London 1907. 



Lymphosarkomatose und Tuberkulose beim Hunde. 


651 


8. 1. (23. Tag) durch Genickstich getötet. 

Obduktionsbefund: Das ganze Bauchfell (viszerales und parietales Blatt) 
besät mit miliaren und submiliaren Knötchen, welche an einzelnen Stellen an¬ 
gehäuft erscheinen und perlsuohtartige Gewächse bilden. Das Netz erscheint auf¬ 
gerollt und in eine wurstförmige weißliche, derbe Geschwulstmasse verwandelt. 
Die Leber von dichtgedrängten miliaren Knötchen durchsetzt. Auch im Mittelfell 
finden sieb, wenn auch spärlicher, kleine Tuberkel. Die vordere mediastinale und 
sternale Lymphdrüse, beide bohnengroß, auf der Schnittfläche markig geschwollen. 
In beiden Nieren vereinzelte miliare Knötchen. 

Mikroskopischer Befund: a) Netzknoten: durchgängig bestehend aus 
großen protoplasmareichen Zellen und großem rundlichen chromatinarmen Kern in 
sehr feinfaserigem Netzwerk, sodaß Zellausläufer, die sich gegenseitig verbinden, 
vorgetäuscht werden. Ueberall nekrotische Partien. 

b) In den Lympbdrüsenknoten ausgebreitete Nekrose, in den dazwischen 
liegenden Partien herrschen die großen (epitheloiden!) Zellen vor, welche zum 
Teil polygonal, zum Teil rundlich erscheinen, und großo Kerne, oft deren zwei, 
besitzen. Die kleinen Lymphzellen (Lymphozyten) in einzelnen Zögen an die 
Peripherie gedrängt. 

Was die subkutanen Impfungen betrifft, so machte sich auch 
hier der Unterschied zwischen Typus bovinus und Typus humanus 
deutlich. In allen Fällen trat eine vom 7. Tage ab zunehmende 
entzündliche Infiltration der Unterhaut auf, welche bald auf die Kutis 
überging und zu Geschwürsfisteln führte. Während aber bei Bovinus 
eine glatte Heilung der Geschwüre schon vor dem 80. Tage erfolgte, 
und die am 137. Tage vorgenommene Tötung und Obduktion keinen 
besonderen Befund ergab, wurden bei Humanus noch am 120. Tage 
sezernierende Geschwüre gefunden und bei der am 137. Tage vorge¬ 
nommenen Tötung und Obduktion fand sich unter der scheinbar ge¬ 
heilten Geschwürsstelle der Haut eine pflaumengroße Abszeßhöhle, 
eine hieran anschließende Erkrankung der regionären Lymphdrüse 
(Lgl. pubis), der retroperitonealen Lymphdrüsen, des Milch brustganges, 
der Lungen und der Nieren, kurzum das Bild einer ausgebreiteten 
disseminierten Tuberkulose. 

Bei den gleichzeitig kutan vorgenommenen Impfungen war nur 
bei bovinus eine deutliche Reaktion bemerkbar und zwar am 18., 
29. und 42. Tage durch das Auftreten von kleinen Bläschen bezw. 
Papeln. 

Versuch Nr. 21. Schwarzgelbe Haushündin mit zwei gelbenAugen- 
flecken. 

12. 11. 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung mit einer aus zwei 
Oesen einer 2 Monate alten Glyzerinagarkultur von Tb. (Typus bovinus, Ber¬ 
liner Schlachthof Bongert) 5 com in physiologischer Kochsalzlösung bereiteten 
Aufschwemmung. 



652 


STICKER, 


19. 11. (7. Tag). Rechts breite weiße Strichbildung; links kaffebohnen- 
großer Knoten. 

24. 11. (12. Tag). Links baselnaß- und pflaamengroßer derber Knoten, Haat 
verschieblioh. 

27. 11. (15. Tag). Vorderer Knoten exstirpiert und überimpft auf Hund 
Nr. 30. 

30. 11. (18. Tag). Rechts kleine Bläschen; links: Operationswunde eitert; 
zweiter Knoten derbe. 

4. 12. (22. Tag). Rechts Zahl der Bläschen zugenommen; links Operations¬ 
wunde geschlossen; 2 kleine Kastanien. 

8. 12. (26. Tag). Bläschen fast verschwunden. 

11. 12. (29. Tag). Aus der Wundnaht seröse Flüssigkeit, im Ausstrich keine 
Tb. Erneute Exstirpation des Granulationsgewebes und Ueberimpfung auf Hund 
Nr. 52. 

Der mittlere Knoten zeigt eine markstückgroße granulierende Wunde mit 
scharfem glatten Rande und klarer seröser Flüssigkeit bedeckt; hintere Knoten 
haselnußgroß. 

Rechts: Impfstriche sämtlioh wieder deutlich; stellenweise papelartig her- 
vörtretend. 

16. 12. (34. Tag). Klaffende Wunde; Ulkus klein und trocken. 

24. 12. (42. Tag). Wunde bis auf eine kleine Stelle verheilt; mittlerer 
Knoten schwach verheilendes Geschwür; hinterer Knoten bildet in der Mamma 
feste Geschwulst; an der Innenfläche des Schenkels schmerzhafte, flache Ge¬ 
schwulst. 

Rechts: Erneute kleine Knötchenbildung. 

6. 1. 1910 (55. Tag). Links: schwartig verheilte Narbe; mittlere Geschwulst 
verschwunden, derbes kleines Knötchen in der Nachbarschaft; Mamma hühnerei¬ 
groß, fluktuierend; an der Schenkelfläche starke Infiltration und glattwandiges 
Geschwür. 

Rechts: stecknadelkopfgroße isoliertederbe Knötchen. 

13. 1.(62. Tag). Vorne Null. Mammageschwulst dattelgroß, innen glatte 
Geschwürsfläche mit feuchter Absonderung; an der Schenkelfläche geringe Schwel¬ 
lung mit flachem Geschwür. 

Rechts: minimale Knötchen. 

31. 1. (80. Tag). Mammageschwulst bohnengroß. 

16. 2. (96. Tag). Mammaknoten saubohnengroß. Alle 3 Narben glatt 
und weich. 

23. 2. (103. Tag). Knoten fast Null. 

8. 3. (116. Tag). Null. 

29. 3. (137. Tag). Tötung des ganz gesunden Hundes. Die Obduktion er¬ 
gab keinen besonderen Befund. 

Versuch Nr. 29. Kurzhaarigor Spitzbastard mit gelben Beinen. 

12. 11. 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung mit einer aus zwei 
Oesen einer zwei Monate alten Glyzerinagarkultur von Tuberkelbazillen (Typus 
humanus, Blasentuberkulose) in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung bereiteten 
Aufschwemmung. 



Lymphosarkoraatoso und Tuberkulose beim Hunde. 


653 


19. 11. (7. Tag). Rechts Null; links kleine flache Knötchenbildung an zwei 
Stellen der Bauchwand. 

24. 11. (12. Tag). Rechts weiße Strichbildung; links haselnußgroßcr Knoten, 
bohnengroße Lymphoglandula pubis. 

30. 11. (18. Tag). Links kastaniengroße Geschwulst, in der sie überziehenden 
Haut zwei Bläschen. 

4. 12. (22. Tag). Links zweidaumenstarkes Infiltrat, Bläschen geplatzt; 
Drüse hart. 

8. 12. (26. Tag). Infiltrat fast verschwunden, kleines Ulkus; Drüse hart. 

11. 12. (29. Tag). Kleines Geschwür nebst kleinem Knötchen. An hinterer 
Kontur des Oberschenkels scharf ausgestanztes, im Grunde feuchtes Gesohwür. 

16. 12. (34. Tag). Geringe Schwellung, Fistel stark nässend; hinteres Ge* 
schwör tiefer. 

24. 12. (42. Tag). Kleiner derber Knoten; hinteres Geschwür in Heilung. 

6. 1. 1910. (55. Tag). Dattelkerngroße derbe Geschwulst, Fisteln nässend; 
Drüse pflaumengroß, hart, rundlich. 

13. 1. (62. Tag). Dattelkerngroße Schwellung mit kleiner Geschwulstöffnung; 
Drüse mäßig gesohwollen; Geschwür am Hintersohenkel fast abgebeilt. 

31. 1. (80. Tag). Keine Schwellung, aber noch nässend. 

16. 2. (96. Tag). Nässende Fistel. 

23. 2. (103. Tag). Nässende Fistel; Lymphoglandula pubis pflaumengroß. 

8. 3. (116. Tag). Stat. idem. 

22. 3. (130. Tag). Keine Fistel. Pflaumengroße Geschwulst. 

29. 3. (137. Tag). Tötung des ansoheinend gesunden Hundes. 

Sektionsbefund: An der Impfstelle Haut und Unterhaut fest verwachsen. 
Vor derLymphoglandulapubis, welche von Bohnengröße, eine pflaumengroße Höhle, 
deren Wand mit grauweißen Granulationen bedeckt und deren Inhalt serös-eitrig 
erscheint. Die Lunge in ihrem ganzen Bereich von zahlreichen grauen, durch¬ 
scheinenden Knötohen durchsetzt. Die Lymphdrüsen geschwollen, zum Teil mit 
schwärzlichem Zentrum und grauweißer Peripherie. In beiden Nieren zahlreiche 
gries- bis hirsekorngroße grauweiße Herde, welche nicht nur über die Oberfläche 
leicht prominieren, sondern auch in der Markschicht sich vorfinden und zum Teil 
linsengroße deutliche käsige Herde bilden. Die Lymphdrüse an der Teilungsstelle 
der Bauchaorta über bohnengroß. Markzone braunrot, Peripherie grauweiß. 

Passageimpfungen, welche mit Bovinus vorgenommen wurden, 
zeigten, daß 15 Tage altes Granulationsgewebe, subkutan verimpft, 
eine, wenn auch spät einsetzende, heftige lokale Entzündung hervor¬ 
rief, die gegen den 117. Tag abgeklungen war, aber nach Tötung des 
Hundes am 122. Tag sich ins Innere fortgesetzt zeigte, indem sich 
eine ausgebreitete miliare Tuberkulose des Bauchfelles, der Lungen, 
der Milz und der Nieren vorfand. Es ähnelte dieses Bild bezüglich 
seiner Ausbreitung dem nach intraperitonealer Verimpfung von 
Tuberkeln des Typus humanus entstandenen; der Zeitunterschied war 



654 


STICKER, 


jedoch ein bedeutender, indem hier 122 Tage, dort nur 23 Tage seit 
der Impfung verflossen waren. 

Ueberimpfung des 29 Tage alten, schon einmal exstirpierten 
Granulationsgewebes war ohne Erfolg. 

Impfungen mit Pseudoperlsuchtbazillen erzeugten schnelle 
intensive Entzündungen der Unterhaut, die aber schon gegen den 
30. Tag abklangen. 

Timothce zeitigte unwesentliche, Smegmabazillen keine Reak¬ 
tionen. 

Versuch Nr. 30 . 27. 11 . Ueberimpfung eines 15 Tage alten Geschwulst¬ 
gewebes von Versuchshund Nr. 21 in die Unterbaut. 

30. 11 . (3. Tag). Kleine Wunde, kleines Knötchen. 

4. 12. (7. Tag). Status idem. 

8 . 12. (11. Tag). Null. 

16. 12. (19. Tag). In der Mitte der beiden vorletzten Mammae entzündete 
kleine Stelle. In der linken Kniefalte haselnußgroßer Knoten. 

24. 12. (27. Tag). Null. 

6 . 1. (40. Tag). Doppelbühnereigroße Geschwulst, welche den Bereich der 
beiden hinteren Mammae einnimmt, an mehreren Stellen die Haut durchlöchert, 
glattrandige OefTnungen, aus welchen größere Mengen seröser Flüssigkeit fließen. 

31. 1. (65. Tag). Etwas kleiner, aber noch stark sezerniorend. 

16. 2. (81. Tag). Status idem. 

23. 2. ( 88 . Tag). Kleiner, noch sezerniercnd. 

8 . 3. (101. Tag). Nässend. 

24. 3. (117. Tag). Null. 

29. 3. (122. Tag). Tötung des anscheinend gesunden Hundes. 

Sektionsbefund: Das große Netz dicht besät mit zahlreichen Knötchen. 
In der Milz etwa ein Dutzend hanfkorngroßer Bläschen, welche mit trüher Lymphe 
gefüllt waren. In beiden Nieren und in der Leber vereinzelte grauweiße Herde von 
unregelmäßiger Gestalt. Die retroperitonealen Lymphdrüscn bilden ein walnu߬ 
großes, mit der Nachbarschaft duroh entzündliches Gewebe verwachsenes Paket. 
In beiden Lungen zahlreiche glasige Knötchen. 

Versuch Nr. 52 . 11. 12. Ueberimpfung des 29 Tage alten, schon einmal 
am 15. Tage exstirpierten Granulationsgewebes von Versuchshund Nr. 21 mittelst 
Trokart an zwei Stellen subkutan. 

16. 12. (5. Tag). Null. 

6 . 1. (26. Tag). Derbes kleines Knötchen beiderseits. 

31. 1. (51. Tag). Null. 

16. 2. (67. Tag). Null. 

Versuch Nr. 50 . 20. 11. 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung 
mit einer aus zwei Oesen einer zwei Monate alten Glyzerinagarkultur von Pscudo- 
perlsuchtbazillen (Pseudoperlsucht Möller) in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung 
bereiteten Aufschwemmung. 



Lymphosarkoroatose und Tuberkulose beim Hunde. 


655 


30. 11. (10. Tag). Rechts Impfstriche undeutlich; links zweifingerbreites 
Infiltrat am Penis entlang. 

4. 12. (14. Tag). Links Zerteilung in drei Knoten; am hintersten walnu߬ 
große Bläschenbildung in der Haut. 

8 . 12. (18. Tag). Bläschen eingetrocknet. Die drei Knoten fest. 

16.12. (24. Tag). Vorderer Knoten ulzeriert, mittlerer kleiner, hinterer ent¬ 
leert seröse Flüssigkeit. 

24. 12. (32. Tag). Fast Null. 

6 . 1. (45. Tag). Null. 

31. 1 . (70. Tag). Links am Penis flacher Strang. 

16. 2. ( 86 . Tag). Null. 

Versuch Nr. 32 . 20. 11. 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung 
mit einer aus zwei Oesen einer zwei Monate alten Glyzerinagarkultur von Timothee- 
bazillus in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung bereiteten Aufschwemmung. 

30. 11. (10. Tag). Links kleine Knötchenbildung. 

4. 12. (14. Tag). Kleine Bohne. 

8 . 12. (18. Tag). Kleine Bohne. 

24. 12. (34. Tag). Null. 

31. 1. (80. Tag). Getötet. 

Sektionsbefund: 0 . B. 

Versuch Nr. 40. 20. 11 . 1909. Rechts kutane, links subkutane Impfung 
mit einer aus zwei Oesen einer zwei Monate alten Glyzerinagarkultur von Smegma- 
bazillus in 5 ccm physiologischer Kochsalzlösung bereiteten Aufschwemmung. 

30. 11. (10. Tag). Rechts deutliche Strichbildung; links Null. 

4. 12. (14. Tag). Null. 

8 . 12. (18. Tag). Null. 

24. 12. (34. Tag), f an Darmverschlingung. 

Die histologische Untersuchung der beiden Arten von Bauchfell¬ 
tuberkulose beim Hunde, ebenso wie die der tuberkulösen Neoforma¬ 
tionen in der Unterhaut zeigte nirgends das Vorhandensein von 
typischen Tuberkeln, sondern nur Wucherungszonen der sogenannten 
epitheloiden Zellen. Ich halte die letzteren, auch auf Grund meiner 
vergleichenden Studien der Tuberkulose des Menschen, für gewucherte 
fixe Bindegewebszellen und schließe mich in diesem Punkte den 
Anschauungen Baumgartens, welche derselbe vor 25 Jahren in 
seiner klassischen Arbeit, „Experimentelle und pathologisch-ana¬ 
tomische Untersuchungen über Tuberkulose“ 1 ), überzeugend ausge¬ 
sprochen, vollständig an. Die Lymphozyten spielen bei der Tuber¬ 
kulose , des Hundes nur eine untergeordnete Bedeutung. Entweder 
sind sie ganz aus dem Bereiche der Neoplasie verschwunden, oder sie 
bilden, wie z. B. in den Lymphdrüsen, nur noch eine Art Stauwerk, 
um mich dieses trefflichen Ausdruckes ven Benda Zu bedienen. 

1) Zeitschr. f. klin. Med. Bd. IX. 1885. 



656 


STICKER, Lymphsarkomatose und Tuberkulose beim Hunde. 


Wenn demnach also die Verhältnisse liegen, daß die tuberkulöse 
Neoformation beim Hunde eine nur bis zu einem gewissen Grade 
fortschreitende Wucherung fixer Bindegewebszellen, eine retikuläre 
Hyperplasie, darstellt, die Lymphozyten dabei vollständig in den 
Hintergrund treten und eine Gefäßneubildung gänzlich ausbleibt; die 
Lymphosarkomatose des Hundes dagegen eine endlos fortgesetzte, 
aus sich heraus sich vollziehende Wucherung von Rundzellen dar¬ 
stellt, welche ein reichliches Gefäßnetz mit sich führen und eine 
fibroblastische Wucherung ganz in den Hintergrund drängen, so ist 
nicht einzusehen, daß jemand noch an der Ansicht festhalten könnte, 
daß die infektiösen Granulome, speziell das Tuberkulom, mit dem 
Lymphosarkom irgend etwas Identisches haben, wo die absolute 
Gegensätzlichkeit der Prozesse nicht einmal einen Vergleich zuläßt 1 ). 

Als Endergebnisse unserer Infektionsversuche mit tuber¬ 
kulösem Virus bei Hunden stelle ich den Satz auf, daß die 
Tuberkelbazillen menschlicher Herkunft sich weit patho¬ 
gener beim Hunde erweisen als die Perlsuchtbazillen, daß 
dieser Unterschied am deutlichsten bei intraperitonealer 
Injektion hervortritt, daß jedoch eine Virulenzsteigernng 
der Bazillen boviner Herkunft sich schon nach einmaliger 
Passage erreichen läßt. 

1) Basbford schrieb 1905: The processes which occur in artificial trans- 
missions (sc. des Lymphosarkoms) are identical with those by which tumour 
masses are formed as a result of inoculation which the tubercle or glanders ba- 
cilles. Dieser Meinung schlossen sich ohne weiteres Hertwig und Poel, Gierke 
ii. a. an. 



XXVIII. 


Aus dem bakteriologischen Laboratorium der Kgl. Militär-Veterinär-Akademie 

zu Berlin. 

Ultramikroskopie. 

Von 

Oberstabsveterinär C. Troester. 

(Mit 2 Textfiguren.) 

Es gibt einige Krankeiten, welche durch Flüssigkeiten übertragen 
werden können, die durch Filtration von allen sichtbaren körperlichen 
Elementen befreit wurden, und die dennoch lebendige Keime enthalten 
müssen, denn sie wirken nicht quantitativ nach Art der chemischen 
Gifte, sondern genau so wie Aufschwemmungen lebender Infektions¬ 
erreger. Wenn die hier vorhandenen Erreger unsichtbar waren, so 
konnte dies einmal an ihrer Kleinheit, zweitens aber auch daran 
liegen, daß sie optisch nicht genügend gegen das umgebende Medium 
differenziert waren. Ein relativ großes Gebilde, welches denselben 
Lichtbrechungsexponenten wie die umgebende Flüssigkeit besitzt, wird 
unsichtbar bleiben müssen und kann wohl auch bei genügender Nach¬ 
giebigkeit ein Filter passieren, dessen Poren viel geringere Dimen¬ 
sionen als das Gebilde selbst besitzen. Es sprechen indes andere 
Gründe dafür, daß die Unsichtbarkeit mancher Krankheitserreger doch 
auf ihre zu geringe Größe zurückzuführen ist, denn wenn nur ihre 
optischen Eigenschaften sie der Wahrnehmung entzögen, so wäre nicht 
einzusehen, warum sie nicht Farbstoffe annehraen und dadurch sichtbar 
werden könnten. 

Diese unsichtbaren Erreger werden als ultramikroskopisch 
bezeichnet, und man fragt nun, welche wohl die geringste Größe ist, 
die mit unseren Mikroskopen noch gesehen werden kann. Die Ant¬ 
wort, welche man auf diese Frage erhält, geht meistens dahin, daß 
nach den Gesetzen der Optik die Grenze für die auf lösende Kraft 

der Mikroskope gegeben sei durch den Ausdruck ~ , wo A die Wellen- 

Z di 


Archiv f. wissen8ch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Suppl.-Band. 


42 



658 


TROESTER, 


länge des angewandten Lichtes, a die numerische Apertur des Mikro¬ 
skopobjektivs bedeutet. Nehmen wir für / einen mittleren Wert von 
0,5 /M und setzen die numerische Apertur (Produkt aus dem Sinus 
des halben Oeffnungswinkels und dem kleinsten Brechungsexponenten 
der zwischen Objektiv und Präparat befindlichen Medien) gleich 1,25, 
so ist die Grenze für die auflösendc Kraft bei 0,4 [t erreicht. Diese 
Größe kann noch bis auf etwa 0,25 fi dadurch herabgedrückt werden, 
daß man X verkleinert, also Licht von geringerer Wellenlänge benutzt. 
In der Tat hat man durch raikrophotographische Aufnahmen mit ultra¬ 
violetten Strahlen die Grenze der Auflösbarkeit nicht unbeträchtlich 
hinausschieben können, allerdings unter Anwendung eines ziemlich 
komplizierten Verfahrens. 

Was das zweite Mittel zur Vermehrung der auflösenden Kraft 
des Mikroskops anlangt, nämlich die Vergrößerung der numerischen 
Apertur, so sind wir auch hier schon an der Grenze des Erreichbaren 
angekommen, das heißt also mit anderen Worten: alles, was kleiner 
ist als 0,25 (i, entzieht sieh unserer Wahrnehmung, ist also ultra¬ 
mikroskopisch. 

Dieser Schluß ist jedoch falsch und beruht auf einem unter 
Mikroskopikern weit verbreiteten Irrtum, indem nämlich angenommen 
wird, daß die Grenze des Auflösungsvermögens auch die Grenze der 
Sichtbarkeit darstelle. Der oben angegebene Grenzwert bezieht sich 
indes nur auf die Wahrnehmung von Strukturen, Streifungen, Kör¬ 
nungen u. dgl. Wenn es sich um die bloße Sichtbarmachung iso¬ 
lierter Körperchen handelt, so haben diese Gesetze keine Geltung, 
man muß vielmehr sagen, daß in diesem besonderen Falle die Größe 
der körperlichen Elemente nur eine untergeordnete Rolle spielt, daß 
diese eigentlich immer wahrgenomraen werden, wenn sie nur genügend 
gegen ihre Umgebung kontrastieren. 

Wir kennen alle ein eklatantes Beispiel hierfür, indem wir mühe¬ 
los mit bloßem Auge die Fixsterne am dunkeln Himmel erblicken, 
wärend sie uns am Tage unsichtbar bleiben, und dabei ist ihr Durch¬ 
messer so klein, daß sie erst bei vieltausendfacher Vergrößerung sicht¬ 
bar würden, wenn sie als dunkele Körper auf hellem Grunde stünden. 

Bei der gewöhnlichen Anwendung des Mikroskops ist eine der¬ 
artige Erweiterung der Grenze seiner Leistungsfähigkeit nicht zu er¬ 
reichen, immerhin sieht man in gut gefärbten Präparaten Dinge, deren 
Durchmesser noch unter 0,04 /i beträgt, wobei man allerdings nicht 
vergessen darf, daß in solchen Fällen die Objekte oftmals durch Be- 



Ultramikroskopie. 


659 


laden mit Farbstoffen eine Vergrößerung ihrer Dimensionen erfahren 
haben mögen. Bei der Beobachtung im hängenden Tropfen, wo man 
mit engen Blenden arbeiten muß, wird aber diese Grenze bei weitem 
nicht erreicht, da hier die Bedingungen wesentlich ungünstiger als 
beim gefärbten Präparat sind. Und doch können wir die Unter¬ 
suchung der lebenden Kleinwesen nicht entbehren, einmal um Wachs¬ 
tums- und Teilungsvorgänge zu verfolgen, und ferner als Kontrolle, 
um das auszuschalten, was durch Fixierung und Färbung am natür¬ 
lichen Aussehen geändert wird. 

Nun sind in neuester Zeit einige Apparate aufgetaucht, welche 
uns in den Stand setzen, kleinste Teilchen unter ähnlichen Be¬ 
dingungen zu sehen wie die Fixsterne oder, noch besser, wie die 
Sonnenstäubchen in einem dunkelen Raum. Wir alle haben schon die 
Beobachtung gemacht, daß die Luft eines Zimmers etwa vollkommen 
klar und staubfrei erscheint; fällt dann ein Strahl intensiven Lichtes 
in den Raum, so wird sein Weg sofort sichtbar, und wir erkennen 
mit bloßem Auge eine Menge von Stäubchen, die wir sonst nur bei 
vielfacher Vergrößerung wahrnehmen würden. Die Stäubchen werden 
von dem starken Licht getroffen und zerstreuen es nach allen Seiten, 
so daß ein Teil davon in unser Auge gelangt, während der Hinter¬ 
grund verhältnismäßig dunkel bleibt. 

Eine Vorrichtung, die ähnliches bewirkt, hat man auch am Mikro¬ 
skop angebracht und damit Vorteile erreicht, die dem ohne weiteres 
klar sein werden, der meinen Ausführungen bis dahin gefolgt ist. 

Bei der gewöhnlichen mikroskopischen Beobachtung arbeitet 
man mit einer gewissen Lichtstärke, die man nicht überschreiten 
darf, um nicht die Leistungsfähigkeit des Auges durch Blendung 
zu schädigen; auch könnte eine Verstärkung der Beleuchtung nichts 
nützen, da sie ja die Kontraste nicht erhöhen würde und Objekt und 
umgebendes Medium gleichmäßig beträfe. Ganz anders aber liegt die 
Sache, wenn man dafür Sorge trägt, daß von der Lichtquelle kein 
direktes Licht ins Auge gelangt, sondern nur solches, welches vom 
Objekt zurückgeworfen oder abgebeugt wurde. Dann treten ähnliche 
Bedingungen auf wie beim Beobachten der Sonnenstäubchen, und man 
sieht nun mit demselben Mikroskop Dinge, die unter gewöhnlichen 
Umständen vollkommen unsichtbar geblieben wären. 

Es ist hier nicht der Ort auf eine genauere Beschreibung der 
3Iittel einzugehen, durch deren Anwendung die oben geschilderte 
Wirkung erreicht wird; es möge der Hinweis genügen, daß man be- 

42 * 






TKOBSTEK 


srindere KöndenS'Vrpw in• Verbindung mit Blenden henoUt, di« io der 
optischer» Aehae angebrai.lu sind, s... daß «ie um. der -MtrU» des «im- 
ÖHouei'iüine • bewirkenden Luftkegel' ein Stiiek heranssdineiden, nnd 
daß m Ü'vncü dunklen Innenraum djes Mikruskopöh[jektiy iauekfe 
.Solehe Eiririe läufigen sind unier dem der- l)unkelieiiik.(>n 

densatoren i.Fig- i.i bekannt geworden und haben die Iteaehtung der 


ö u» Le 1 fei 4 k (uw ■ ru-or • 


Mikroskopikirg, egCunden. Man würde aber, inen, wenn man dies*- 
Etopolnujug dir ^ d#-kditen Jahre Ansehen wollte: 

IMesd An der Brlouehfufig «fid Ikoibaclttnng ist sfebön, vor tm-hr als, 
TO Jdbti'ii v oa il-eot ilfigtäiidef- Jk ß, Readrt iMtgö^eben und in der 
des wind: Idtttfoeii- 

talen Optikern verbessere wy.rden; k' 




Ultramikroskopie. 


661 


Mit solchen Einrichtungen, welche die Objekte hell leuchtend auf 
dunkelem Grunde darstellen, werden Bedingungen geschaffen, unter 
denen die Grenzen der Wahrnehmung einzelner körperlicher Elemente 
weit hinaus geschoben werden, und die Sichtbarkeit weniger von der 
Größe der Elemente abhängt, als von der Güte der Beleuchtung, d. h. 
von dem Kontrast mit dem Gesichtsfelde und von der Vollkommen¬ 
heit der Korrektion des Objektivsystems, und auch von der Empfind¬ 
lichkeit der Netzhaut für schwache Lichteffekte. Wenn allerdings die 
Größe der Objekte unter eine gewisse Grenze sinkt, so werden Größe 
und Gestalt der gesehenen Bilder nicht mehr in vollkommener Ueber- 
einstimmung mit den Dimensionen des Objekts sein, und es läßt sich 
beweisen, daß bei Anwendung weißen Lichtes und eines Objektivs von 
der numerischen Apertur 1,25 alle überhaupt sichtbar kleinsten 
Körperchen als runde Scheibchen mit einem scheinbaren Durchmesser 
von nicht weniger als 0,4 fn gesehen werden. Man wird demnach 
mit Dunkelfeldeinrichtungen wohl die Anwesenheit sonst unsicht¬ 
barer Körperchen feststellen können, aber wenig oder nichts über 
ihre wahre Größe und Gestalt erfahren. Trotzdem hat aber diese 
Beleuchtungsart unleugbare Vorteile und sie ist, neben den gewöhn¬ 
lichen Beobachtungsmethoden gebraucht, ein wertvolles Hilfsmittel der 
Forschung geworden. 

Es ist schon erwähnt worden, daß dieses Verfahren sich nament¬ 
lich zur Beobachtung lebender Bakterien eignet und diese, die früher 
ebenso anstrengend als undankbar war, leicht und fruchtbringend ge¬ 
macht hat. Man sieht z. B. am lebenden, ungefärbten Präparat die 
Geißeln bei einer ganzen Reihe von Bakterien. Die Vorgänge der 
Teilung und Sporenbildung lassen sich ausgezeichnet verfolgen, da 
jede Dichtigkeitsänderung im Leibe der Bakterien sofort sichtbar wird. 
Das Auffinden von Blutparasiten erfährt eine wesentliche Erleichterung, 
man erreicht tatsächlich in wenigen Minuten das, wozu man sonst 
Stunden gebrauchte. Die Frage nach dem Vorhandensein einer Kapsel 
bei den lebenden Milzbrandbazillen des Blutes läßt sich durch einen 
Blick auf das Präparat entscheiden: sie haben nämlich keine, denn 
die geringste Spur einer Kapsel müßte bei dieser Beleuchtung als 
doppelter Kontur sichtbar werden. Nach Zusatz geeigneter Reagentien 
sieht man aber die Membran aufquellen und die Kapsel entstehen. 

Die Apparate, mit welchen diese Wirkungen erreicht werden, 
sind an jedem Mikroskop anzubringen und für einen verhältnismäßig 
bescheidenen Preis zu haben. Sollen sie ihre volle Wirksamkeit ent- 



662 


TOESTER, 

falten, so müssen sie allerdings in Verbindung mit den stärksten 
Lichtquellen benutzt werden, und da in unserem Klima mit der Sonne 
nicht zu rechnen ist, so wird man eine kleine Bogenlampe (Fig. 2) 
kaum entbehren können, es genügen jedoch für viele Zwecke auch 
schwächere Lichtquellen, z. B. Gasglühlicht. 

Zur Beobachtung braucht man gute Objektivsysteme, am besten 
sind Apochromate oder sog. Seraiapochroraate geeignet. Ein starkes 
Trockensystem reicht aus, besser ist ein Oelimmersionssystem. Die 
Oeffnung eines solchen muß zwar durch eine im System anzubringende 
Blende verkleinert werden, trotzdem bleibt sie noch etwas größer als 
die der Trockensysteme, und überdies hat man den Vorteil von der 
Deckglasdicke unabhängig zu sein, die bei der Anwendung von 
Trockensystemen sehr genau innegehalten oder bei Abweichungen 
durch Korrektion des Systems oder Aenderung der Tubuslänge aus¬ 
geglichen werden muß. Die Verwendung der Oelimmersion hat aber 
noch einen anderen Vorteil, der aus den nachstehenden Ausführungen 
sich ohne weiteres ergeben wird. Da nämlich bei dieser Beleuchtungs¬ 
art weitaus mehr Objekte wahrgenommen werden, so ist es durchaus 
erforderlich, sehr dünne und materialarme Präparate zu verfertigen. 
Ferner ist äußerste Sauberkeit der Objektträger und Deckgläser er¬ 
forderlich, eine Sauberkeit, wie man sie sonst nur bei Geißelfärbungen 
anzuwenden pflegt. Trotzdem läßt es sich nicht vermeiden, daß 
während der Beobachtung Staub auf das Deckglas fällt, der nun in 
viel höherem Grade störend wirkt als bei der Beobachtung im durch¬ 
fallenden Licht. Diesem Uebelstande kann man durch Verwendung 
von Oelimmersion wirksam begegnen und die Beobachtungen unge¬ 
stört tagelang fortsetzen, vorausgesetzt daß man die Präparate durch 
Paraffinumrandung vor dem Austrocknen geschützt hat. 

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß es durch Verbindung von 
Dunkelfeldkondensor mit einem mikrophotographischen Apparat sogar 
gelingt, Momentbilder von lebenden, sich bewegenden Bakterien zu 
erhalten. 

Es wurde oben gesagt, daß diese Kondensoren eine Verbesserung 
älterer Vorrichtungen darstellen. Anders liegt die Sache bei dem 
Ultramikroskop, wie es von Siedentopf und Zsigmondy ange¬ 
geben worden ist. Dieses ist ein durchaus neuer und wesentlich 
anders zusammengesetzter Apparat, der sich aber weniger für die 
Untersuchung bakteriologischer Präparate als vielmehr für die Sicht¬ 
barmachung kleinster Teilchen in Lösungen eignet. Die genannten 



Ultramikroskopie. 


663 


Autoren geben an, daß ihr Apparat Teilchen erkennen läßt, wenn sie 
eine Größe von vier Millionstelmillimetern (0,004 /*) haben, und daß 
sie getrennt gesehen werden, wenn ihr Abstand mehr als vier Zehn- 
tausendstelmillimeter (0,4 ju) beträgt. 

Ganz soweit kommt man mit den Dunkelfeldkondensoren nicht, 
nichtsdestoweniger haben wir in ihnen ein brauchbares Mittel zum 
tieferen Eindringen in die Welt der kleinsten Lebewesen. 

Zum Vergleich der hier in Betracht kommenden Größen diene 
folgende Zusammenstellung: 

tausendstel Millimeter 


Tuberkelbazillen, Länge.1,5—4 

„ Breite.0,4 

Staphylococcus pyog. alb.0,5—0,7 

Mittlere Länge der Lichtwellen.0,5 

Grenze des Auflösungsvermögens des Mikroskops 0,25 

Grenze der Sichtbarkeit im Ultramikroskop . . 0,004 

Wasserstoflmolekül.0,001 

Negatives Elektron nach J. J. Thomson. . . 0,000001 








XXIX. 

Aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berlin. 


(Jeher den Einfluß von Alkoholgaben bei der Behandlung 
der Hühnerspirochätose mit Atoxyl. 

Von 

Prof. Uhlenhuth und Dr. Msnteufel 

Geheimen Regiernngsrat und Direktor früherem Hilfsarbeiter 

im Kaiserlichen Gesundheitsamt. 


Die Wirkung des Alkohols bei Infektionskrankheiten hat man 
experimentell dadurch zu erforschen gesucht, daß einerseits das 
Verhalten der Resistenz alkoholisierter Tiere gegenüber künstlichen 
Infektionen (mit Cholera, Typhus, Milzbrand etc.), andererseits die 
Antikörperproduktion im Vergleich zu den von Kontrollieren fest¬ 
gestellt wurde. Trotz der ziemlich umfangreichen Literatur über 
diesen Gegenstand, — es seien von neueren Arbeiten die von 
Gruber 1901, Goldberg 1901, P. Th. Müller 1903, Fried¬ 
berger 1904, C. Frankel 1905, Trommsdorff 1906 erwähnt — 
ist eine endgiltige Entscheidung über die Bedeutung der Alkohol¬ 
medikation eigentlich weder in dem einen noch in dem anderen der 
erwähnten Punkte • zur Zeit möglich. Die meisten Autoren fanden 
die Resistenz der Versuchstiere unter Alkoholeinfluß herabgesetzt, 
während z. B. C. Fränkel das aus seinen Versuchen nicht schließen 
konnte. In Bezug auf die Antikörperproduktion hat sich Friedberger, 
Fränkel und Tromrasdorff die Alkoholmedikation in kleinen 
Dosen bezw. bei einmaliger Darreichung als günstig erwiesen, während 
die chronische Verfütterung von Alkohol nach Friedberger und 
Trommsdorff eine Hemmung der Antikörperbildung im Gefolge 
haben soll. In den Versuchen von C. Fränkel haben sich dagegen 
die einmalig und die öfter mit Alkohol behandelten Tiere in Bezug 
auf die Intensität der Antikörperbildung ganz gleichmäßig verhalten. 

Es möchte bei dieser Sachlage die Mitteilung der folgenden im 
Kaiserl. Gesundheitsamt ausgeführten Versuche nicht ohne Interesse 



Einfluß von Alkoholgaben bei der Behandlung der Höhnerspirochätose usw. 665 


sein, zuraal darin nicht nur über die beiden soeben erwähnten Fragen, 
sondern auch über die Wirkung des Alkokols bei gleichzeitiger 
chemotherapeutischer Behandlung Aufschluß gegeben wird. Der 
Umstand, daß die Spirochätenseptikäraie als Blutinfektion mikro¬ 
skopisch sehr leicht inbezug auf einen modifizierten Verlauf zu kon¬ 
trollieren ist, ließ die Versuche damit als besonders geeignet er¬ 
scheinen. 

Besonders maßgebend war aber auch der Umstand, daß wir nach 
den Untersuchungen von Uhlenhuth, Groß und Bickel in dem Atoxyl 
ein Mittel besitzen, welches auf die Hühnerspirochäte eine spezifisch ab¬ 
tötende Wirkung ausübt und das daher die Krankheit präventiv und 
therapeutisch in ausgezeichneter Weise beeinflußt. 

Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß auf Grund 
dieser Tatsache das Atoxyl auch bei der Behandlung der Syphilis 
bei Affen und Kaninchen von Uhlenhuth und seinen Mitarbeitern, 
Hoffmann, Roscher und Weidanz in Anwendung gezogen wurde. 
Die Versuche fielen so ermutigend aus, daß dieses Mittel auf Veran¬ 
lassung von Uhlenhuth in der Lesserschen Klinik für Haut- und 
Geschlechtskrankheiten bei der Syphilis des Menschen versucht und auch 
hier als wertvolles neues Medikament zur Bekämpfung der Syphilis 
(besonders maligner auf Quecksilber schlecht reagierenden Formen) 
erkannt wurde. 

Die wichtigsten Beobachtungen an Affen und Menschen sind in der 
Deutschen med. Wochenschr. 1907, No. 22 von Uhlenhuth und Hoff¬ 
mann veröffentlicht. Die Befunde wurden bestätigt durch Salmon, 
Hallopeau, Metschnikoff, A. Neisser, Lesser u. a. und er¬ 
weitert durch Uhlenhuth und Weidanz, die eine ausgesprochene 
und dem Sublimat bei weitem überlegene präventive Wirkung des 
Atoxyls bei der Syphilis nachweisen konnten. Wegen seiner unange¬ 
nehmen Nebenwirkungen auf den Optikus ist jedoch bei Anwendung 
des Atoxyls die größte Vorsicht geboten. 

Diese etwas ausführlichen Bemerkungen über die Wirkung des 
Atoxyls auf die Syphilis glaubten wir deshalb machen zu müssen, 
weil unsere im Folgenden mitzuteilenden Versuche auch vielleicht die 
Frage nach dem Einfluß des Alkohols auf die SyphilisbehandluDg be¬ 
rühren könnten. — 

Der Alkohol wurde den Hühnern teils in größeren Dosen, die 
mittelst Pipette verabreicht wurden, teils in kleinen Dosen, die frei¬ 
willig genommen wurden, gegeben und dabei auch der Einfluß seltener 



UHLENHUTH und MANTEUFEL, 


<566 

und häufiger Alkoholgaben in Rücksicht gezogen. Die berauschende 
Wirkung des Alkohols war anfangs in der Regel sehr bald zu be¬ 
merken. Nach 2—3 Tagen nahmen die Hühner freiwillig das Futter, 
aber nur ungern und kamen infolgedessen auch in der Ernährung 
etwas zurück. 

Die erste Tabelle gibt einige Versuche wieder, die mit großen 
Alkoholdosen angestellt wurden. Den Hühnern wurden gleichzeitig 
mit der Infektion (1 ccm Hühnerspirochätenblut intramuskulär) mittels 
Pipette 15 ccm 40 prozentigen Alkohols in den geöffneten Schnabel 
eingeträufelt. Am folgenden Tage, d. h. zu einer Zeit, in der den 
Kontrollhühnern noch keinerlei Krankheitserscheinungen anzusehen 
waren, zeigten die Versuchshühner durchweg schwere Er¬ 
scheinungen von Körperschwäche, die bei 2 der 4 Versuchs¬ 
hühner zum Tode führte. Der Infektionsverlauf selbst wurde durch 
die Alkoholgaben anscheinend nicht beschleunigt, dagegen war die 
Wirkung des Atoxyls bei den geschwächten Hühnern deut¬ 
lich schlechter als bei den Kontrollhühnern. 


Tabelle l. 





]. 

2 

i 3. 

i 

4. 

5. 

6. Tag 

Huhn 

590 



0 

. 

1 ++ 

H—1—b 

0 

0 







0,05 Atoxyl 



V 

591 

Jj 


0 

+ t- 

+++ 

0 

0 



/ 3 




0,05 Atoxyl 



w 

592 


15ccra40proz. 

0 

4—b 

+ ++ 

++ 

0 



\ JS 
) O 

Alkohol 

sehr krank 

gebessert 

0,05 Atoxyl 




593 

/ ° 

do. 

0 

1 + 






l £ 


krank 



1 


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594 

O 

do. 

| 0 

++ 

H—1—b 

+ 4- 

1 t 



p 


krank 

, krank 

0,05 Atoxyl 


I 

n 

595 

/ 

do. 

0 

1 ++ 

| t 






i 

krank 

1 krank 

i 

i 


1 


Wesentlich anders gestaltet sich der Verlauf, wenn man den 
Hühnern kleinere Alkoholdosen verabreicht, wie es in Tabelle U dar¬ 
gestellt ist. Die Versuchstiere bekamen hier während der ganzen 
Versuchszeit das Futter am Morgen (Gerste, Schrot) in 40 prozentigem 
Alkohol aufgeweicht und nahmen dabei in den ersten fünf Tagen 
mehr, später weniger Alkohol zu sich. Auch hierbei ließ sich im 
Ablauf der Infektion mikroskopisch keine wesentliche Aenderung fest¬ 
stellen. In auffälligem Gegensatz zu den mit großen Dosen Alkohol 
behandelten Hühnern machte sich aber in keiner Weise eine 





Einfloß von Alkoholgaben bei der Behandlung der Hühncrspirochätose usw. 667 

Stärkere Schädigung der Versuchshühner im Vergleich zu 
nicht mit Alkohol gefütterten infizierten Kontrollhühnern 
geltend: Die Alkoholtiere befanden sich bis zum 4. Versuchstage bei 
mindestens ebenso gutem Wohlbefinden wie die Kontrolliere. 

Was den Einfluß des Alkohols auf die Atoxyltherapie anlangt, 
so ergibt sich aus unseren Versuchen (vergl. diese und die nächste 
Tabelle) ganz eindeutig, daß die kleinen freiwillig von den 
Hühnern genommenen Alkoholdosen die therapeutische 
Wirkung des Atoxyls nicht beeinträchtigen, denn bei den mit 
Alkohol gefütterten Hühnern verschwanden die Spirochäten auf die 
einmalige Gabe von 0,05 Atoxyl ebenso schnell aus dem Blut wie 
bei den Kontrolltieren. Ebenso deutlich geht aber aus den Versuchen 
hervor, daß das Atoxyl von den infizierten Alkoholtieren schlechter 
vertragen wird, als von den anderen infizierten Hühnern. Trotz 
prompter Wirkung des Atoxyls gingen von den Versuchshühnern eine 
große Anzahl ein. 

Tabelle II. 




1. 

2. 

3. 

4. 

1 5. 

6. Tag 

Huhn 595 

1 ^ 

Alkohol 

gefüttert 

gesuöd 

++ 

H—1—h 

0,05 Atoxyl 

t o: 


„ 596 

1 P 

1 ^ 

1 P 

do. 

19 

++ 

H—1—h 

0,05 Atoxvl 

0 

i i 

0 

, 597 

\ :rt 

\ pC 

do. 

r> 

+ 

+++ 

0,05 Atoxyl 

+ 0 

1 1 

1 

, 593 

/ £ 

1 CU 

1 CO 

do. 

19 

+ 

+++ 

0,05 Atoxyl 

0 

0 

. 599 

1 o 

Kontrolle 

19 

++ 

krank 

H—1—b 

0,05 Atoxyl 

0 

0 

* 600 

) 

do. 

19 

++ 

+++ 

0,05 Atoxyl 

+ 1 

i 

0 


Die folgende Tabelle III gibt einen Versuch wieder, der gleichzeitig 
mit Hühnern angestellt wurde, die längere Zeit hindurch, bevor sie 
infiziert wurden, mit Alkohol gefüttert wurden und mit solchen, die 
nur, wie in Tabelle I und II, während der Infektionsdauer unter Al¬ 
koholwirkung standen. 

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den längere Zeit 
mit Alkohol behandelten Hühnern und den anderen ist, wie 
man sieht, nicht vorhanden. Bis zur Einspritzung des Atoxyls ver¬ 
hielten sich beide Serien so wie die Kontrollhühner. Der Infektions¬ 
verlauf war unter der Alkoholeinwirkung weder beschleunigt, noch 
Waren die Versuchshühner schwerer krank. Dagegen vertrugen die 









668 


UHLENHUTH und MANTEUFEL, 


Alkoholh tihn er das Atoxyl viel schlechter als die Kontrolltiere. Die 
Wirkung des Atoxyls auf die Spirochäten ist aber auch bei den 
lange mit Alkohol behandelten Hühnern nicht schlechter als bei den 
Kontrolltieren. 


Tabelle III. 



1. 

2. 

3. | 

4. 

5. i 

6. Tag 

Huhn 582 


Kontrolle 

0 

+ + 

■4- 4- J - 
0,05 Atoxyl 

0 

0 

* 583 

j 

Kontrolle 

0 

+ 

+++ 

0,05 Atoiyl 

o 

0 

, 584 

r> 585 

* 586 

1 ~ 

1 

1 ß 

1 © 

\ :rt 
\ je 

1 t- 

1 ’S, 

1 Während der 
f Infektions- 
> dauer mit 
l Alkohol 
] gefüttert 

0 

0 

0 

++ 

++ 

H—b 

+++ 

0,05 Atoxyl 

+++ 

0,05 Atoxyl 

+++ 

0,05 Atoxyl 

+ 

krank 

t o 

+ o 

0 

„ 587 

1 w 

\ Seit 3 Woch. 

0 

++ 

+++ 

+ 

+ 


1 °- 

f vor der 



0,05 Atoxyl 



„ 588 

1 ^ 

f Infektion 

0 

i + 


0 

t 


1 

/ unter 



0,05 Atoxyl 



„ 589 

. 

1 Alkobol- 

0 

j 4- 

4“ + “f- 

0 

t 



i Wirkung 


i 

0,05 Atoxyl 




Daß die Alkoholfütterung allein jedenfalls keinen wesentlichen 
Einfluß auf den Krankheitsverlauf ausübt und die Widerstandsfähig¬ 
keit der Tiere gegen die Infektion nicht nachweisbar schädigend be¬ 
einträchtigt, ging schließlich noch aus einem Versuche ohne Atoxyltherapie 
hervor, bei welchem der Infektionsverlauf sonach chemotherapeutisch 
überhaupt nicht gestört worden war. 

Wie bei dem in Tabelle III wiedergegebenen Versuche waren die 
Hühner zum Teil bereits einige Zeit vor der Infektion, zum Teil erst 
nach derselben der Alkoholeinwirkung ausgesetzt worden. 

Der Alkohol war dabei den Hühnern in der Weise beigebracht 
worden, daß sie nur in Alkohol (30 pCt.) getränktes Futter bekamen. 
Außerdem war jedem der Versuchshühner mit Ausnahme der Kon¬ 
trollen am Tage der Infektion je 15 ccm (20pCt.) Alkohols mittels 
Pipette eingeflößt worden. 

Nach dem aus der Tabelle ersichtlichen Ergebnis dieses Ver¬ 
suches kann jedenfalls der Alkoholfütterung kein die Resistenz 
der Hühner gegen die Infektion herabsetzender oder sonst 
die Infektion begünstigender Einfluß zugeschrieben werden. 
In den ersten Tagen nach der Infektion machten die Alkoholhühner 





Einfluß von Alkoholgaben bei der Behandlung der Hfihnerspirochätose usw. 669 

eher noch einen kräftigeren Eindruck als die Kontrolliere und haben 
diese auch selbst noch einige Tage überlebt. 


Tabelle IV. 



1 

2 

3 

D 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

Huhn 19 = / 

1 

_P 1 

| Seit 14 Tagen vor der 
> Infektion m. Alkohol 

0 

0 

++ 

++ 

++ 

++ 

++ 

t 


> 20 s 1 

J gefüttert 

0 

+ 

++ 

++ 

++ 

++ 

0 

0 

t 

- 21 1 < 

\ Nach d. Infektion mit 

0 

+ 

++ 

+++ 

++ 

++ 

0 

+ 


» 22 -l) 

/ Alkohol gefüttert 

0 

+ 

+ + 

++ 

+ 1- 

t 




, 23 « / 

J Kontrolle 

0 

++ 

+++ 

+ 





, 24 S ( 

0 

+ + 

++ 

++ 

++ 

t 





Der Alkohol an und für sich setzt also die Resistenz der 
Hühner gegen die Spirochäteninfektion nicht wesentlich 
herab und beeinträchtigt auch das Atoxyl in seiner Wirk¬ 
samkeit auf Spirochäten nicht sichtbar. Die gemeinsame 
Einwirkung von Alkohol und Atoxyl macht aber die Atoxyl- 
therapie zu einem sehr häufig letal verlaufenden Eingriff. 










XXX. 

Aus der Veterinär-bakteriologischen Station in Sofia. 

(Jeher ein im Rhodopigebirge (Bulgarien) vorkommendes 
Blutharnen des Rindes (Haematuria vesicalis bovis rodo- 

pensis). 

Von 

Dr. St. Angeloff’), 

Leiter der Station. 

Ina Kreise Ruptschos des Rhodopigebirges (Südbulgarien) herrscht 
seit unbekannter Zeit unter den Rindern eine Krankheit, welche sich 
hauptsächlich durch Auftreten von Blut im Harne kennzeichnet, stets 
einen chronischen Verlauf hat und in dieser Gegend großen Schaden 
verursacht. 

Ich habe im Sommer 1909 zusammen mit den Herren Bat sch - 
waroff, Departementstierarzt von Philippopel und Dr. Mlekoff, 
Kreistierarzt von Stanimaka Gelegenheit gehabt, diese Krankheit an 
Ort und Stelle zu studieren, und möchte ich hiermit eine vorläufige 
Mitteilung über meinen Befund geben. 

An dieser Krankheit leiden hauptsächlich Rinder der einheimischen 
grauen Gebirgsrasse, aber auch die importierten bleiben nicht ver¬ 
schont. Unter den anderen Haustieren ist die Krankheit nicht be¬ 
obachtet. Es erkranken ausschließlich Tiere im Alter von über 
einem Jahr und wesentlich ältere Rinder. Die Kranken werden von 
der dortigen Bevölkerung Pikliwi genannt. Die Ortschaften, in 
denen diese Krankheit fast zu jeder Zeit, jedoch meist im Sommer, 
zur Beobachtung gelangt, liegen 745—2183 m über dem Meere. In 
manchen Dörfern sind 80—90 pCt., in anderen 10—50 pCt. der 
Rinder mit diesem Leiden behaftet. Da die kranken Tiere im Laufe 

1) Infolge verzögerten Eintreffens der Auslandspost konnte die Arbeit nicht 
mehr dom Autornamen entsprechend alphabetisch einrangiert werden. 



(Jeber ein im Rbodopigebirge vorkommendes Blutharnen des Rindes. 671 

der Zeit abmagern und anämisch werden, eignen sie sich weder zur 
Milchproduktion, noch zur Arbeit, auch ihr Fleisch ist minderwertig, 
so daß die Krankheit den Landwirten und Tierzüchtem großen 
Schaden verursacht. Die Zahl der in ein und demselben Stall 
erkrankten Rinder ist ganz verschieden. Es kommt vor, daß alle 
Rinder mit dem Leiden behaftet sind, ein andermal bloß ein oder 
mehrere, während die übrigen ganz gesund bleiben. Nach der Be¬ 
obachtung der Tierzüchter sollen die Tiere hauptsächlich dann 
erkranken, wenn sie auf steilen, von Wäldern umgebenen Weiden, 
sogenannten Kartalen, grasen. 

Die erste Krankheitserscheinung ist das öftere Absetzen 
von hell- bis dunkelbraunrotem Harn. Der Harn liefert einen 
steten starken Bodensatz, dem rote und weiße Blutkörperchen und 
Blasenepithelien beigemischt sind. Später wird der Harn immer 
dunkler und enthält Blutgerinnsel. Dieses Ausscheiden von Blut mit 
dem Harn bleibt entweder, sich immer stärker ausprägend, bestehen, 
oder verschwindet für verschiedene lange Zeit, einige Wochen, Monate, 
sogar Jahre, um wieder aufzutreten. Die Krankheit nimmt gewöhn¬ 
lich einen chronischen Verlauf und die Tiere schleppen sich mit dem 
Leiden viele Jahre hin. In den Fällen, wo das Blutharnen bestehen 
bleibt, wird der Harn immer reicher an Blut und Blutgerinnsel. Oft 
werden ganz große Blutgerinnsel, besonders von Kühen, mit dem 
Harn abgesetzt. Nicht selten verlegen die Gerinnsel die Harnröhre, 
wobei die Tiere nach Harn drängen, ohne aber etwas ausscheiden zu 
können. Die Harnzurückhaltung ist bei männlichen Tieren häufiger, 
als bei weiblichen und verursacht oft Ruptur der Harnblase. 

Das Allgemeinbefinden ist für gewöhnlich nicht gestört, 
ebenso ist die Körpertemperatur normal. Im weiteren Verlaufe ändert 
sich aber der Zustand. Es besteht Mattigkeit und Ermüdung beim 
Gehen, nach längeren Bewegungen fangen die Tiere an zu schwanken 
und bleiben mit gespreizten Beinen stehen oder stürzen zusammen. 
Die Schleimhäute sind sehr blaß und, wenn die Tiere viel Blut ver¬ 
loren haben, ganz weiß. Die Frequenz der Herztätigkeit ist erhöht, 
der Puls schwach und beschleunigt, die Atemzüge sind auch ver¬ 
mehrt. Andere Erscheinungen sind Glanzlosigkeit des Haarkleides 
und verminderte Freßlust; oft ist aber die Freßlust nicht gestört. In 
den Fällen mit Harnzurückhaltung stellen sich mit der Zeit An¬ 
schwellungen in verschiedenen Körpergegenden ein. 

Sorgfältige Untersuchungen habe ich am Blute der mit dem 



672 ANGELOFF, 

Leiden behafteten Tiere gemacht. Das Blnt der schwer leidenden 
Rinder erschien hell, als ob es stark mit Wasser verdünnt wäre. Die 
Zahl der roten Blutkörperchen war sehr zurückgegangen. Ich habe 
viele Ausstrichpräparate mit Methylalkohol oder durch trockene Hitze 
fixiert, mit Ehrlichscher Triazidlösung oder nach Giemsa gefärbt und 
dabei verschiedene Bilder, je nach der Intensität des Leidens der 
Tiere, beobachtet. Im Anfang der Erkrankung zeigten die Ausstrich¬ 
präparate die Blutbestandteile des normalen Blutes. In schweren 
Fällen dagegen sah ich außer den normalen Erythrozyten (Normozysten), 
wenn auch seltener, noch kernhaltige, rote Blutkörperchen; häufiger 
jedoch habe ich rote Blutkörperchen mit basophilen Granulationen, 
größere und kleinere Blutkörperchen als die gewöhnlichen kernlosen 
und endlich Blutplättchen in größerer Menge wie normal beobachtet. 
Die kernhaltigen Blutkörperchen waren von der Größe der normalen 
Erythrozyten und hatten eine glatte Oberfläche. Das Protoplasma nahm 
bei Färbung mit der Triazidlösung einen gelblichroten Ton an. Ihr 
Kern war klein und die chromatische Substanz desselben nahm die 
Farbe stark an. Diese roten Blutkörperchen zähle ich zu den poly¬ 
chromatischen Normoblasten. Von diesen entstehen durch Verlust 
des Kernes wahrscheinlich die roten Blutkörperchen mit den baso¬ 
philen Granulationen, welche viel häufiger wie Normoblasten zu sehen 
waren. Diese hatten die Größe der normalen Erythrozyten und 
zeigten in ihrem Protoplasma Granulationen von der Größe kleinster 
Tröpfchen. Bei Giemsafärbung nahmen sie blauen Ton an, während 
das Protoplasma rosarot erschien. In den Ausstrichpräparaten waren, 
wenn auch selten, größere und kleinere Blutkörperchen (Poikilozyten) 
zu beobachten. Das Auftreten von Normoblasten und der granulierten 
Erythrozyten erklärt sich mit der Regeneration der durch den starken 
Blutverlust verloren gegangenen Blutkörperchen. 

Mikroorganismen waren weder in den Blutzellen noch 
im Blutplasma zu sehen. 

Die wichtigsten anatomischen Veränderungen fanden sich 
in der Harnblase. Bei den in späteren Stadien der Krankheit ge¬ 
töteten oder gestorbenen Tieren findet man sämtliche Organe infolge 
des Blutverlustes blaß und blutarm. Das Herz und die Blutgefäße 
enthalten zum Teil Blutgerinnsel, zum Teil blasses, wässeriges Blut. 
Die Hauptveränderungen in der Harnblase bestehen in dem Anfangs¬ 
stadium der Krankheit im Auftreten von roten Punkten und Flecken 



Uebcr ein im Rhodopigebirgo vorkommendes Blutharnen des Rindes. 673 

auf der Schleimhaut, welche durch die erweiterten Blutgefäße und 
den Austritt von Blut aus denselben bedingt werden. Die Schleim¬ 
haut besonders des Blasengrundes erscheint infolgedessen dunkelrot 
bis braunrot gefleckt. In späteren Stadien der Krankheit findet man 
die Blase oft infolge Verstopfung der Harnröhre mit blutigem Harn 
und geronnenem Blute- prall gefüllt. Die Oberfläche der Blase ist 
weißlich-grau, glatt und feucht. Die Schnittfläche läßt die Wand¬ 
schichten deutlich erkennen. Die Wanddicke beträgt 3—4 cm. Die 
Innenfläche ist am oberen Teil des Blasenkörpers weißlich-grau, am 
Grunde rötlich-grau und läßt gefüllte Blutgefäße erkennen; an vielen 
Stellen ist 1 die Schleimhaut dunkelrot gefärbt. Die Innenfläche zeigt 
auch ein netzartiges Balkenwerk, welches durch die unter der 
Schleimhaut gelegene hypertrophische Muskulatur bedingt ist (trabe*- 
kuläre Hypertrophie). 

Auf der Schleimhaut des ßlasengrundes waren am häufigsten Ge¬ 
schwülste von verschiedener Form und Größe zu sehen. Manche von 
diesen hatten papillären, blumenkohlähnlichen, andere polypösen Bau, 
und ihre Größe schwankte von der einer Erbse bis zu der eines 
Menschenkopfes. Die polypösen Wucherungen sind immer kleiner, sitzen 
selten breit auf der Schleimhaut, so daß sie bei Wasseraufguß flottieren; 
ihre Oberfläche ist glatt, die Konsistenz weich, die Farbe gelb-rötlich. 

Viel häufiger aber waren die blumenkohlähnlichen Geschwülste 
vorhanden. Sie besitzen einen Stiel, einen Grundstock und kleine 
Zweige, ihre Konsistenz ist härter als die der polypösen und die 
Farbe graurötlich. Ich habe diese Geschwülste histologisch unter¬ 
sucht. Es zeigte sich, daß sie fibroepitheliale Neubildungen sind. 
Sie bestehen aus papillär angeordnetem Bindegewebe, welches mit 
neugebildeten Epithelien überkleidet ist. Das Bindegewebe geht von 
der Tunica propria der Schleimhaut aus und bildet das Stroma der 
Papillen, welches ganz dünnwandige, geschlängelte Blutgefäße enthält. 
Diese bindegewebigen Papillen sind mit verschieden dicken Lagen 
zylindrischer Epithelzellen bekleidet. Das Epithel füllt aber nicht 
die Zwischenräume zwischen den Papillen völlig aus, daher ist die 
Neubildung papillär, zottig. Wo der Epithelüberzug dünn ist, waren 
die dünnwandigen Blutgefäße geplatzt und das Blut auf die Ober¬ 
fläche getreten. An vielen Stellen der Epithelialbekleidung waren 
Kernteilungsfiguren zu sehen, was bezeugte, daß lebhafte Neubildung 
der Epithelien vor sich gegangen war. 

Archiv f. wisaensch. n. prakt. Tierheilk. Bd. 36. Sappl.-Band. 


43 - 



674 


ASGELOFF, 


Die polypösen Neubildungen batten ähnlichen Bau. zeigten jedoch 
keine Papillen. Das bindegewebige Stroma war infiltriert und ent¬ 
hielt Rundzellen. 

An den Schnitten der rötlich-braungefärbten Schleimhaut beob¬ 
achtete man, daß die Schicht zwischen den Muskelbündeln und dem 
Epithel reich au neugebildeten Blutgefäßen war, aus denen Blut in 
das Gewebe und auf die Oberfläche der Schleimhaut ausgetreten war. 
An diesen Stellen war die Epithelialbekleidung abgestoßen. 

In den Fällen, wo sich in der Harnblase große Geschwülste ge¬ 
bildet hatten und durch die Blutgerinnsel Verstopfung der Urethra ein¬ 
getreten war, waren auch auf der Schleimhaut der Harnröhre, be¬ 
sonders bei den männlichen Tieren blaurötlich gefärbte Stellen 
bemerkbar. In einem solchen Fall fand ich auch Veränderungen an 
den Nieren. Es war besonders die linke Niere stark vergrößert. 
Die Kapsel ließ sich schwer abziehen. Die Oberfläche war uneben 
und grauweiß gefleckt, die Konsistenz derb. Die Schnittfläche er¬ 
schien ebenso gefleckt. Den Flecken auf der Oberfläche entsprachen 
weißgraue Streifen ira Parenchym der Niere. Das Nierenbecken war 
mit schleimig-eiterigem Harn gefüllt. Ebensolchen Harn enthielt auch 
die Harnblase. Die Harnleiter waren verdickt. Die histologische 
Untersuchung der veränderten Niere ergab Emigration von Leuko- 
und Lymphozyten, Infiltration zwischen den Harnkanälchen und Neu¬ 
bildung von Bindegewebe. In den Nierenbecken anderer Tiere fand 
ich hin und wieder Nierensteine. 

Außer diesen Veränderungen beobachtete ich in einem Falle 
kleine teleangiektatischc Herde in der Leber. 

Durch die wiederholten Blutungen in der Harnblase, durch die 
Harnverhaltung und Zufuhr von Bakterien von außen her entsteht oft 
Blasenkatarrh, an welchen sich aszendierende eiterige Pyelitis und 
Nephritis anschließt. 

Aus dem eiterigen Harne isolierte ich B. coli commune 
und verschiedene Diplokokken. 

Nach der Ursache der Krankheit forschend habe ich Tiere im 
Anfang der Erkrankung töten lassen und von dem sterilerweise ge¬ 
sammelten Harne Ausstrichpräparate gemacht, sowie Kulturen auf 
Agar, Gelatine und Serum angelegt. Mit diesem Harne wurden je 
zwei Meerschweinchen und Kaninchen intraperitoneal geimpft, ebenso 
wurden je zwei Meerschweinchen, Kaninchen und graue Mäuse 'subku¬ 
tan resp. intraperitoneal mit defibriniertem Blute gespritzt. Weder 



Ueber ein im Rhodopigebirge vorkommendes Blutharnen des Rindes. 675 


in den Präparaten noch in den Kulturen ließen sich irgendwelche 
Mikroorganismen nachweisen, auch blieben alle geimpften Tiere am 
Leben und zeigten keine Krankheitserscheinungen. Diese Versuche 
und der Umstand, daß Tiere bei jahrelanger Kohabitation 
sich gegenseitig nicht anstecken, sprechen gegen die infek¬ 
tiöse Natur dieser Krankheit. 

Zum Schluß möchte ich mich dahin zusammenfassen, daß diese 
Krankheit wahrscheinlich mit dem in gewissen Gegenden 
Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Italiens vor¬ 
kommenden Stallrot der Rinder identisch ist, und da sie aus¬ 
schließlich in Gebirgsgegenden mit steilen Wegen und Weiden vor¬ 
kommt, zur Ursache Blutstauungen im Gebiet der hinteren Hohlvene 
haben wird. Diese Meinung wird auch von Hink und Liönaux 
(zitiert nach Hutyra-Marek) für das in Deutschland beziehungsweise 
in Belgien vorkommende Blutharnen der Rinder vertreten, nach welchen 
sich die Ausbildung der Krankheit dadurch erklärt, daß die Harnblase 
durch den mit voluminösem Futter stärker gefüllten Pansen beim 
Weiden und Gehen auf steilen Weideplätzen und Wegen zeitweise 
komprimiert und somit der Abfluß des venösen Blutes aus der Wand 
der Blase behindert wird. Die so verursachte Zirkulationsstörung 
ruft an einzelnen Stellen der Harnblase Gefäßerweiterungen hervor, 
welche zuweilen platzen und Blutungen verursachen. Durch den 
Druck, welchen die erweiterten Blutgefäße auf das Nachbarbinde¬ 
gewebe ausüben, werden die Bindegewebszellen gereizt und zum 
Wuchern veranlaßt. Diese Erklärung für die Entstehung der Ge¬ 
schwülste stimmt auch mit der Beobachtung der Tierzüchter überein, 
nach welcher die Tiere besonders dann erkranken, wenn sie auf 
steilen Weideplätzen (Kartalen) weiden. 

Daß gewisse scharfe Giftpflanzen, wie Nieswurz (Veratrum 
album) und andere, welche in diesen Gegenden außerordentlich zahlreich 
verbreitet sind, eine Rolle bei der Entstehung dieser Krankheit spielen 
können, will ich nicht in Abrede stellen. Diesbezügliche Untersuchungen 
werden nächstens fortgesetzt. 












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