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Full text of "Archiv für wissenschaftliche und praktische Tierheilkunde 44.1918 Supplementband"

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ARCHIV 

FÜR 


WISSENSCHAFTLICHE UND PRAKTISCHE 


TIERHEILKUNDE. 


HERAUSGEGEBEN “ ! : 

von 

Dr. E. ABDERHALDEN, Geb. Med.-Rat, ord. Professor an der Universität Halle a. S., 
Dr. ST. AN6EL0FF, Direktor des bakteriologischen Instituts in Sofia, Dr. M. CASPER, 
ord. Honorarprofessor an der Universität Breslau, Dr. A. EBER, ord. Honorarprofessor 
an der Universität Leipzig, Dr. W. ELLENBERGER, Geheimer Rat, ord. Professor 
an der Königl. Tierärztlichen Hochschule in Dresden, Dr. W. ERNST, Direktor der 
veterinärpolizeilichen Anstalt in Schleißheim. Dr. W. FREI, ord. Professor der veterinär¬ 
medizinischen Fakultät der Universität Zürich, Dr. A. 6UILLEBEAU, Professor in Bern, 
Dr. E. HESS, ord. Professor der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Bern, 
Dr. C. HOBSTETTER, Reg.-Rat und ord. Honorarprofessor an der Universität Jena, 
Dr. F. HUTYRA von SZEPESHELY, Hofrat, Rektor und ord. Professor an der Veterinär- 
Hochschule in Budapest, Dr. H. JAKOB, ord. Professor an der Königl. Tierärztlichen 
Hochschule in Utrecht (Holland), Dr. J. MAREK, ord. Professor an der Veterinär- 
Hochschule in Budapest, Dr. H. MIESSNER, ord. Professor an der Königl. Tierärztlichen 
Hochschule in Hannover, Df. A. OLT, Geh. Med.-Rat, ord. Professor der veterinär¬ 
medizinischen Fakultät der Universität Gießen, Dr. W. SCHÜTZ, Geh. Reg.-Rat, ord. 
Professor an der Königl. Tierärztlichen Hochschule in Berlin, Dr. E. ZSCHOKKE, 
ord. Professor der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Zürich. 

UNTER MITWIRKUNG VON H. MIESSNER UND C. HOBSTETTER 

REDIGIERT 

VOH 

J. W. SCHÜTZ. 


Vierundvierzigster Band. Supplement. 

Festschrift, Herrn Geheimen Rat Ellenberger gewidmet. 

Mit 1 Bildnis, 31 Tafeln, 108 Abbildungen nnd 1 KurrenUfel im Text 


BERLIN 1918. 

Verlag von August Hirschwald. 

NW., Unter den Linden 38. 





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Festschrift, 


Herrn 

Geheimen Rat Dr. phil., Dr. med. h. c., Dr. med. vet. h. c. 

Wilhelm Ellenberger, 


derzeitigem Rektor, o. Professor der Physiologie, Histologie und Embryo¬ 
logie und Direktor des Physiologischen Institutes der König!. Sächsischen 
Tierärztlichen Hochschule, Vizepräsidenten des Königl. Sächsischen Landes¬ 
gesundheitsamtes, Professor an der Königl. Sächsischen Akademie der 
bildenden Künste zu Dresden, Mitglied und Ehrenmitglied zahlreicher 

gelehrter Gesellschaften, 

zu seinem 


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70. Geburtstage am 28. März 1918 

♦ 

gewidmet von 

den Professoren und Dozenten der Kgl. Tierärztlichen Hochschule 

zu Dresden. 



34-189K 



Schriftleitung: Hermann Baum und Ernst Joest. 








Hochzuverehrender Herr Geheimer Rat! 

Sie blickeD heute auf 70 Jahre Ihres Lebens und auf eine mehr 
als 40 jährige wissenschaftliche Betätigung zurück. In diesem langen 
Zeitraum haben Sie als Lehrer, Forscher und Organisator für die 
Veterinärmedizin, für den tierärztlichen Stand und die Tierärztliche 
Hochschule in Dresden geradezu Beispielloses geleistet. Ihre Erfolge 
auf diesen Gebieten sind so groß und vielseitig, daß selbst wir, die 
wir das Glück haben, Ihr Wirken und Ihre schöpferische Tätigkeit 
aus nächster Nähe und im persönlichen Zusammenwirken mit Ihnen 
verfolgen und bewundern zu können, nicht imstande sind, ein auch 
nur annähernd lückenloses Gesamtbild Ihrer Tätigkeit und Ihrer großen 
Verdienste zu geben; es- ist dies insbesondere nicht möglich in dem 
engbegrenzten Rahmen eines Geleitwortes zu der Festschrift, die wir, 
um Ihnen, verehrter Meister, an Ihrem 70. Geburtstage unsere Be¬ 
wunderung, Dankbarkeit und Verehrung zum Ausdruck zu bringen, 
verfaßt haben. Nur in Umrißlinien können wir die unvergleichlich 
reichen Ergebnisse Ihrer bisherigen Lebenstätigkeit skizzieren. 

Unermeßliche Schätze neuer Tatsachen verdankt Ihnen die veterinär¬ 
medizinische Wissenschaft, vor allem die Anatomie und Physiologie. 
Mit einem nimmer rastenden Eifer, mit einer von uns täglich erneut 
bewunderten und bis zum heutigen Tage gleichgebliebenen Begeisterung 
für die Wissenschaft haben Sie Problem auf Problem in Angriff ge¬ 
nommen, und es ist kaum ein Zweig der morphologischen und physio¬ 
logischen Wissensgebiete, der nicht durch Sie befrachtet und gefördert 
worden wäre. 

Auf dem Gebiete der Anatomie begannen Sie Ihre wissenschaft- 
hohen Untersuchungen und sind ihm bis heute treu geblieben; auf die 
verschiedensten Teilgebiete der makroskopischen Anatomie der Haus- 



V! 


tiere haben sich Ihre erfolgreichen Untersuchungen erstreckt. Mit be¬ 
sonderer Vorliebe pflegten Sie die Erforschung des feineren Baues der 
tierischen Gewebe und Organe, und Sie haben, das läßt sich ohne 
Uebertreibung sagen, die Histologie der Haustiere in der umfassenden 
wissenschaftlichen Form, wie wir sie heute besitzen, erst aufgebaut. 

Nicht minder grundlegend war Ihre Arbeit auf dem Gebiete der 
Physiologie der Tiere, die für viele Zweige in Ihnen ihren Begründer 
erblicken darf. Hier begnügten Sie sich nicht allein in herkömmlicher 
Weise mit der Anwendung physikalischer und chemischer Methoden, 
sondern wußten in ursprünglicher und vorbildlicher Art biologische 
und morphologische Arbeitsweise zu verschmelzen und dadurch die 
Ausbeute an neuer Erkenntnis in hohem Maße zu steigern. Unter 
den vielen Fragestellungen physiologischer Art haben diejenigen aus 
dem Gebiete der Verdauungslehre Sie seit Ihrer Berufung nach Dresden 
in ganz besonderem Maße gefesselt. Die Riesenarbeit, die Sie auf 
diesem wichtigen Teilgebiet geleistet haben, sichert Ihnen für alle Zeit 
einen führenden Namen, der weit über das Gebiet der Tiermedizin hinaus¬ 
klingt. Ihre nimmermüde Forschungsarbeit machte an den üblichen 
Grenzen der Physiologie nicht halt, sondern erfaßte mit großem Erfolg 
auch Fragen aus den Grenzgebieten, namentlich der Pharmakologie. 

Sie begnügten sich nicht damit, in fortgesetzter Arbeit neue 
Tatsachen zu finden, Sie gingen weiter und fügten die gewonnenen 
Bausteine zu einem wissenschaftlichen Gebäude zusammen. Dies zu 
tun ist nur den Großen, den Baumeistern der Wissenschaft, Vorbe¬ 
halten, die mit umfassendem Blick und beherrschendem Geist eigene 
und fremde Entdeckungen zusammenzufassen wissen, um auf diese 
Weise jene grundlegenden Werke zu schaffen, deren jede Wissenschaft 
bedarf, um in ihren Erkenntnissen Gemeingut der beteiligten Fach¬ 
kreise und der studierenden Jugend zu werden. Zu diesen großen 
Baumeistern gehören Sie. Anatomie, Histologie und Physiologie ver¬ 
danken Ihnen klassische Hand- und Lehrbücher, die in jeder Hin¬ 
sicht mustergültig sind. Eine seltene Klarheit verbindet sich in Ihren 
Werken mit einer künstlerisch zu nennenden Form der Darstellung 
und einer von ästhetischem Empfinden getragenen bildlichen Veran¬ 
schaulichung der geschilderten Tatsachen. Ihre Werke, deren Wert¬ 
schätzung sich auch im äußeren Erfolge widerspiegelt, machen Sie 



VII 


zu einem der ersten wissenschaftlichen Schriftsteller und haben neben 
Ihren übrigen Arbeiten Ihren über den ganzen Erdball verbreiteten 
Ruf als erfolgreicher, streng wissenschaftlicher Forscher und Gelehrter 
begründet. 

Ihr Arbeitsdrang, Ihre Vielseitigkeit, die Verfolgung Ihrer idealen 
Ziele ließen Sie über die Grenzen der von Ihnen vertretenen Lehr- 
und Forschungsgebiete noch hinausgehen. Frühzeitig erkannten Sie die 
Notwendigkeit der Schaffung laufender Berichte über die Fortschritte auf 
dem Gesamtgebiet unserer Spezialwissenschaft. Sie riefen, auf kleinen 
Anfängen fußend, als besonderes Werk und wirksames Förderungs¬ 
mittel wissenschaftlicher Arbeit den „Jahresbericht über die Leistungen 
auf dem Gebiete der Veterinärmedizin“, von dem bis heute 35 Jahr¬ 
gänge vorliegen, ins Leben. Die Gesamtmedizin kann Ihnen für dieses 
mustergültig durchgeführte Unternehmen nicht dankbar genug sein. 

Der Weltkrieg war für Sie Veranlassung, den Bedürfnissen der 
Zeit folgend, freiwillig neue Forschungsaufgaben, insbesondere umfang¬ 
reiche Untersuchungen über Ernährungsfragen und Ersatzfuttermittel 
in Angriff zu nehmen, die zu praktischen Ergebnissen von größter 
Tragweite geführt und unsere Kriegsrüstung auf einem wichtigen Ge¬ 
biete wesentlich verstärkt haben. 

Neben allen diesen der Allgemeinheit gewidmeten und zu gute 
kommenden hervorragenden Leistungen erfordert das, was Sie unserer 
Hochschule waren und sind, eine besondere Würdigung. Die Ge¬ 
schichte der Dresdner tierärztlichen Lehranstalt ist seit mehr als einem 
Vierteljahrhundert untrennbar mit Ihrem Namen verknüpft. Alle die 
gewaltigen Fortschritte, die sie in dieser Zeit und namentlich in den 
letzten 20 Jahren gemacht hat, Fortschritte, durch die sie erst in 
Wirklichkeit zur Hochschule wurde, verdankt sie in der Hauptsache 
Ihnen, der Sie viele Jahre als Rektor an ihrer Spitze standen. Hier 
soll![nur auf die Schaffung einer neuen Hochschulsatzung, auf die Ein¬ 
führung der Habilitation von Privatdozenten, die Erlangung des 
Promotionsrechtes, die Begründung von Lehrstühlen für Gebiete all¬ 
gemeinwissenschaftlicher Art, wie Rechtskunde, Kunst- und Literatur¬ 
geschichte, hingewiesen werden. Ein hohes Ziel hatten Sie sich 
damit gesteckt, der Hochschule ihren beträchtlich gewachsenen Lehr- 
und Forschungsaufgaben entsprechende neue bauliche Einrichtungen 



VIII 


zu schaffen und zugleich ihre Eingliederung in die Landesuniversität 
Leipzig zu erreichen. Mit größter Beharrlichkeit, Tatkraft und Ge¬ 
schicklichkeit ist es Ihnen an der Spitze des Professorenkollegiums 
gelungen, alle sich unseren Wünschen entgegenstellenden Schwierig¬ 
keiten zu überwinden und das Doppelziel zu erreichen. Der Neubau 
der veterinärmedizinischen Institute und die Aufnahme der Hochschule 
in die Landesuniversität wurde von der Regierung und den Ständen 
1914 beschlossen. Der Neubau in Leipzig ist begonnen. Die hem¬ 
mende Einwirkung des Krieges hat die für dieses Jahr, in dem Sie 
das siebente Jahrzehnt Ihres Lebens vollenden, geplante Verlegung 
der Hochschule zwar verzögert; er wird jedoch die Erreichung Ihres 
großen Zieles, die veterinärmedizinischen Institute neuzeitlich ein¬ 
gerichtet als vollwertigen Bestandteil der Universitas litterarum zu 
sehen, nicht vereiteln können. 

Als akademischer Lehrer haben Sie Erfolge aufzuweisen, wie sie 
nur wenigen Professoren vergönnt sind. In Ihren Vorlesungen paaren 
sich tiefgründige Gediegenheit und Klarheit mit fesselnder und form¬ 
vollendet schöner Vortragsweise. Ihre Lehrtätigkeit hat Generationen 
von Studenten zu wissenschaftlich denkenden, tüchtigen Tierärzten 
herangebildet und hat Ihnen alle Ihre Schüler zu dankbaren Verehrern 
gemacht, die Ihnen mit um so größerer Liebe zugetan sind, als alle 
berechtigten Bestrebungen der akademischen Jugend in Ihnen von 
jeher einen warmherzigen Freund und Förderer gefunden haben. 

Ihren Kollegen an der Hochschule gegenüber haben Sie sich in 
der Zeit, in der Sie an ihrer Spitze standen, immer nur als primus 
inter pares gefühlt und darnach gehandelt. Es war Ihnen stets ein 
wirkliches Herzensbedürfnis, jedem in bester Weise behilflich zu sein, 
ihn zu fördern, dabei Ihre eigene Person immer in den Hintergrund 
stellend; Sie taten das alles in so vornehmer Gesinnung, mit so 
feinem Takt, so außergewöhnlich großer Liebenswürdigkeit, daß sich 
keiner von uns dem Zauber Ihrer Persönlichkeit entziehen konnte und 
kann. Sie verstanden in unvergleichlicher Weise, anregend auf uns 
alle zu wirken, alle in Ihrem Drange nach wissenschaftlicher Betäti¬ 
gung mit fortzureißen und auch auf diese Weise das Ansehen unserer 
Hochschule in der wissenschaftlichen Welt zu fördern. In gleicher Weise 
haben Sie stets warmen Herzens mit den Tierärzten gefühlt, sind 
stets für sie und ihre Förderung eingetreten; es sei nur an Ihre 



IX 


eifrigen, unbeirrt durch alle Rückschläge verfolgten Bestrebungen um 
die Anerkennung des in der Schweiz von einer Reihe von Tierärzten er¬ 
worbenen Dr. med. vet. in Sachsen, an Ihre Tätigkeit in der zu Kriegs¬ 
beginn ins Leben gerufenen, von Ihnen geleiteten Beratungs- und Fürsorge¬ 
stelle für im Felde stehende sächsische Tierärzte erinnert. Ueberaus groß 
ist die Zahl der Tierärzte, denen Sie geholfen haben, vor allem die Zahl 
der jüngeren unter ihnen, denen Sie dieErwerbung des Doktortitels ermög¬ 
licht haben. Sind doch bis heute allein über hundert Doktorarbeiten aus 
Ihrem Institut hervorgegangen. Auf die Verfasser dieser Dissertationen 
haben Sie in unerreichter Weise anregend, begeisternd und befruchtend 
gewirkt und haben sie zu Jüngern der Wissenschaft erzogen und sich 
zu dankbaren-Schülern verpflichtet. 

So bietet Ihre Tätigkeit als Lehrer, Forscher und Rektor unserer 
Hochschule eine ununterbrochene Kette von Erfolgen, die *Sie Ihrer 
begeisterten Schaffensfreude, Ihrer hervorragenden Tatkraft, Ihrem 
seltenen Scharfblick und Ihrer unvergleichlichen Vielseitigkeit ver¬ 
danken. Ein weithinleuchtendes Vorbild als Mensch und als Gelehrter, 
stehen Sie mitten unter uns. Wir. dürfen uns glücklich preisen, einen 
der Großen der morphologischen und biologischen Wissenschaft unseren 
Führer zu nennen. Möge es noch viele Jahre so bleiben! Möge es 
Ihnen vergönnt sein, die reichen Schätze wissenschaftlicher Erkenntnis, 
die wir Ihnen verdanken, immer weiter zu mehren als Zeichen 
deutschen Fleißes, deutscher Gründlichkeit und deutschen Scharfsinnes! 

Die Abhandlungen, die wir Ihnen huldigend heute in diesem Bande 
überreichen, erscheinen auf den ersten Blick nur locker verbunden, und 
doch geben sie in ihrer Gesamtheit ein Spiegelbild der Dresdner Tierärzt¬ 
lichen Hochschule, so wie sie sich unter Ihrem Einflüsse entwickelt hat. 
Veterinärmediziner, Humanmediziner, Naturwissenschaftler und Vertreter 
der Kunstwissenschaft reichen sich die Hand, alle beseelt von dem Gefühle 
tiefempfundener Dankbarkeit und innigster Verehrung für Sie, unseren 
väterlichen Freund und Führer. An der Schwelle des achten Jahrzehntes 
begrüßen wir Sie, verehrter Meister, der Sie in jugendlicher Frische, 
geistiger Kraft und frohem Schaffensdrang uns allen voran stehen. 

Die Professoren und Dozenten 
der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. 




Inhaltsverzeichnis. 

Seil« 

I. Ernst Joest und Alfred Znmpe, Histologische Studien über die 
Kieferaktinomykose des Rindes. (Hierzu Tafeln I—V und 4 Figuren 
im Text.).. 1 

II. J. Richter, Ueber Schußverletzungen bei Pferden im Kriege. (Mit 

17 Abbildungen im Text.). 74 

III. Karl Dieterich, Ein einfaches Verfahren zur Kennzeichnung und 

Unterscheidung farbloser Flüssigkeiten in der Laboratoriumspraxis. 

(Mit 25 Abbildungen im Text.).115 

IV. Trantmann, Der Einfluß der Thyreoidektomie auf das strukturelle 

Verhalten der Hypophyse bei Karnivoren. (Mit 5 Abbildungen 
im Text.).147 

V. Ewald Weber, Untersuchungen und Beobachtungen über die als Fest¬ 

liegen vor und nach der Geburt bezeichneten Krankheiten . . . 164 

VI. Benno Wandolleck, Ichtbyophthirius ellenbergi, ein neuer Parasit 

des Karpfens (Mit 2 Abbildungen im Text.). 181 

VII. Arthur Sehennert, Ueber den P- und Ca-Stoffwechsel des Pferdes 

bei alleiniger Haferfütterung ... 188 

VIII. Robert Müller, Weitere Inzuchtversuche mit vielhörnigen Ziegen. 

(Mit 9 Abbildungen im Text.). 198 

IX. G. Brandes, Die apophytale Natur der Geweihe. (Mit 10 Abbildungen 

im Text.).207 

X. G. Kelling, Ueber die physiologische Heterochylie nach Untersuchungen 

an einem Magenüsteihunde. x .222 

XI. A. Stroh eil, Die Abteilung für Vakzinetherapie (früher Opsonisches 
Laboratorium, Abt. d. Path. Inst.) 1907—1917. Ein Jubiläums¬ 
bericht . 235 

XII. Müller-Lenhartz, Die Entwickelung der Landwirtschaft unter dem 
Einflüsse der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert. Hundert 
Jahre deutsche Kriegsrüstung.268 

XIII. Johannes Schmidt, Die spezifische Therapie des Morbus maculosus 

des Pferdes.286 

XIV. A. Naumann, Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter, 

insbesondere die Bestimmung ihrer Früchte und Samen. (Hierzu 
Tafel VI und 20 Abbildungen im Text.).310 

XV. P. Bohrisch, Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre 

mutmaßlichen Ursachen.357 

















XII 


Inhalt. 


Seite 

XVI. Röder, Die operative Behandlung des Krippensetz^ns der Pferde nach 

dem Verfahren von Forssell. (Mit 2 Abbildungen im Text.) . . 382 

XVII. M. Langwitz, Der Tragrand des beschlagenen Hufes.405 

XVIII. Y. Pflngk, Beiträge zur Pupillenbewegung. (Hierzu Tafeln VII und 

VIII und 1 Abbildung im Text.).450 

XIX. W. Burow,- Studien über die Natur der Antikörper bei Malleus . . 464 

XX. Walzel, Neue Dichtung vom Tiere.473 

XXI. Hermann Knnz^Kranse, Ueber ein neues Volumenometer und ein ein¬ 

faches Verfahren zur Bestimmung des spezifischen Gewichtes starrer 
und tropfbar flüssiger Körper. (Mit 1 Abbildung im Text.) . . 483 

XXII. Richard Edelmann, Der Milzbrand unter den Rindern des Königreichs 
Sachsen in den Jahren 1859 bis 1916. Epidemiologische Be¬ 
trachtungen. (Mit 1 Kurventafel im Text.).. 489 

XXIII. Robert Brack, Anatomische Studien Dürers. (Hiei-zu Tafeln IX—XI.) 512 

XXIV. Hermann Baam, Das Lymphgefäßsystem des Hundes. (Hierzu Fig.l—12 

im Text und Fig. 13—37 auf Tafeln XII-XXXI.).521 







Aus dem Pathologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. 

Histologische Studien über die Kieferaktinomykose 

des Rindes. 

Von 

Ernst Joest und Alfred Zumpe. 

(Hierzu Tafein I—V ond 4 Figuren im Text.) 


Die vorliegende, Herrn Geheimen Rat Professor Dr. Ellenberger 
gewidmete Arbeit bildet den zweiten Teil unserer „Histologischen 
Stadien über die Aktinomykose des Rindes“. Der erste Teil dieser 
Stadien (über Zungen- und Lymphdrüsenaktinomykosc) wurde im 
Jahre 1913 ira 13. Bande der „Zeitschrift für Infektionskrankheiten, 
parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere“ veröffentlicht. 

Literatur. 

Im vorstehend genannten ersten Teil unserer Studien haben wir 
bereits eine kurze Zusammenstellung der Literatur über den histo¬ 
logischen Aufbau der aktinoraykotischen Herde gegeben. Es 
sind die dort angeführten Befunde der einzelnen Autoren an verschie¬ 
denen aktinomykotisch erkrankten Organen, zum Teil auch an Kiefern, 
erhoben wordfen, ohne daß in den betreffenden Arbeiten auf die Be¬ 
sonderheiten der Kieferaktinomykose hingewiesen wurde. Es bleibt 
somit aus der Literatur über die Histologie der Kieferaktinomykose 
noch dasjenige kurz nachzutragen, was sich auf die Knochenver¬ 
änderungen bezieht. 

Ueber die Kieferaktinomykose des Rindes liegen folgende Litcraturangabcn vor: 

Bollinger, der Entdecker des Aktinomyzespilzes, erwähnt die am Knochen¬ 
gewebe des Kiefers sich abspielenden Prozesso nur ganz im allgemeinen. Nach 
seiner Darstellung ist es die die Aktinomyzespilze enthaltende Geschwulstmassc, 
die, von den Zahnalveolen oder von der Spongiosa des Knochens ausgehend, letzteren 
Archiv f. wissenseb. u. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Sappl. | 



2 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


durch „periphere Hyperostose“ „aufbläht“, „durch zentrale Osteoporose“ „usuriert“ 
und nach Zerstörung aller Gewebe, die ihrem Wachstum entgegenstchcn, nach 
außen durchbricht. 

Auch Johne unterscheidet Vorgänge, die im Innern des Kiefers und solche, 
die außen an letzterem ablaufen. Die ersteren faßt er in folgendem Satze zu¬ 
sammen: „Eine interstitielle Granulalionswucherung zehrt, in peripherer Richtung 
vordringend, die kompakte Knochensubstanz auf, rarefiziert sie.“ Er fand „an der 
Grenze der vordringenden Geschwulstmassen .... die instruktivsten Bilder der 
von Volkmann so genannten lakunären Korrosion des Knochens“. Außen bildet 
„eine osteoplastische Periostitis“ eine „Knochenauflagerung mit ziemlich regel¬ 
mäßigen Ilaversschen Kanälchon“. Letzterer Vorgang führt nach Johne zur 
„Hyperostosis“. 

Ponfick bestätigt im wesentlichen die Befunde Bollingcrs und John es; 
denn er sah in mikroskopischen Schnitten von aktinomykotischen Rinderkiefern 
„mannigfach verzweigte Balkenzüge und -netze starrer Knochensubstanz, deren 
freie Flächen nicht selten die typischsten Arrosionslakunen aufweisen“ und „im 
Niveau des Perjosts, aber auch zerstreut da und dort inmitten der eigentlichen 
Kiefersubstanz, ähnlich gestaltete Balken, welche aus osteoider Substanz bestehen“. 

Auch nach Kitts Darstellung wird die Gestaltung des aktinomykotisch er¬ 
krankten Kiefers bedingt durch eine „rarefizicrende granulöse Ostitis“ von seiten 
des neugebildcten, vom Pilz erzeugten Granulationsgewebcs und durch eine „ossi¬ 
fizierende Periostitis“ von seiten des „hypcrämisch und entzündlich gereizten 
Periosts“. 

Im Sinne der vorgenannten Autoren fassen auch Bang und Schlegel die 
aktinomykotischen Veränderungen am Kiefer des Rindes auf, ohne sie näher zu 
beschreiben oder Neues über sie zu berichten. 

Fälle von Knochenaktinomykose des Menschen werden erwähnt durch Pon¬ 
fick (Hals- und Brustwirbel), Bostroeni (Wirbelknochen), Ziegler, Schlange 
(Kiefer), Wrede (Femur) und Loele (Rippen und Wirbelknochen). Nach den 
übereinstimmenden Befunden von Ponfick, Bostroern, Ziegler und Schlange 
verursacht das aktinomykotische Gewebe von der Oberfläche des Knochens aus eine 
Zerstörung der Tela ossca, so daß der Knochen „rauh, zerfressen, kariös“ aussieht. 
Gewöhnlich geht nebenher ebenfalls an der Oberfläche des Knochens eine mäßige 
Osteophytcnbildung, die zuweilen, wie Bostroern erwähnt, auch fehlt. Wrede 
spricht dagegen den von ihm untersuchten Fall als hämatogene aktinomykotische 
Osteomyelitis au, die die Mctaphysc des rechten Femurs durch „eine zusammen¬ 
hängende Gruppe bis erbsengroßer runder Herde“ völlig zerstört hatte. Nach 
Loci es Befunden kommt cs „im Gegensatz zu anderen osteomyelitischen Prozessen 
. . . . bei Aktinomykose nicht zu Nekrose, sondern zur Anlagerung von Knochcn- 
lamellcn an die vorhandenen Knochenbälkchen“. 

Die Kieferaktinomykose des Menschen scheint im Gegensatz zu der des Rindes 
verhältnismäßig selten zu sein; denn Schlange beobachtete unter 47 von ihm 
beschriebenen Fällen von Aktinomykose der Unterkiefergegend beim Menschen nur 
in einem Falle die Mitbeteiligung des Knochens. Auch Ziegler betont die Selten¬ 
heit der Knochenzerstörung bei Kieferaktinomykose des Menschen von einer Zahn- 
alveolc aus, wie sie bei der Kieferaktinomykose des Rindes vorkommt. 

Im wesentlichen stimmen somit die in der Literatur niedergelegten 
Angaben über die anatomischen \ eränderungen bei der Knochenaktino¬ 
mykose des Rindes und des Menschen überein. Sie beschränken sich 
auf die Kennzeichnung der hauptsächlichsten Vorgänge im aktino- 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


3 


mykotisch erkrankten Knochen, ohne jedoch auf Besonderheiten der 
aktinomykotischen Neubildung ira Knochengewebe, die engeren Be¬ 
ziehungen der Neubildung zur Tela ossea, die feineren Veränderungen 
der letzteren und die Ursachen der ausgesprochenen Bösartigkeit der 
Kieferaktinomykose des Rindes näher einzugehen. 

Die von uns angestellten Untersuchungen bezweckten, die früheren 
Angaben nachzuprüfen und sie nach den vorstehend angedeuteten 
Richtungen hin zu ergänzen. 

Die umfangreiche Literatur über die Knoclienpathologie im allgemeinen 
soll hier nicht angeführt werden. Sie wird in den einzelnen Kapiteln, soweit 
erforderlich, Berücksichtigung finden. 

Material und Methodik. 

Das zur vorliegenden Arbeit verwendete Material wurde zu ver¬ 
schiedenen Jahreszeiten auf dem Dresdener Schlachthof gesammelt. 

Bei Auswahl des Materials richteten wir, wie bei der Zungen- 
und Lymphdrüsenaktinomykose, unser Augenmerk darauf, daß nur 
Fälle von reiner Kieferaktinomykose (ohne Mischinfektion) zur Ver¬ 
arbeitung gelangten. 

Unsere Untersuchungen erstreckten sich auf 18 Fälle von Kiefer¬ 
aktinomykose, und zwar war die Erkrankung in allen Fällen auf die 
Backenzahngegend des Unterkiefers, 15 mal des linken und 3 mal des 
rechten, beschränkt. In einem Falle war zugleich die Schneidezahn¬ 
gegend mitergriffen. Eine Miterkrankung der dem aktinomykotischen 
Kiefer zugehörigen Lymphknoten sowie eine Verbreitung der Aktino- 
mykose auf andere Organe war in den untersuchten Fällen niemals 
vorhanden. 

Die Tiere, von denen unser Material stammte, waren ausnahmslos 
gut genährte Schlachtrinder im Alter von D/a bis 5 Jahren. Sie 
waren im übrigen, abgesehen von in einzelnen Fällen vorhandener 
geringgradiger Lungentuberkulose, gesund. 

Unser Bestreben, neben älteren auch möglichst junge Stadien 
aktinomykotischer Kiefererkrankung zu untersuchen, hatte nicht den 
gewünschten Erfolg. Insbesondere ist es uns leider nicht gelungen, 
frühe Anfangsstadien der Kieferaktinomykose aufzulinden. Der Krank¬ 
heitsprozeß war vielmehr in allen Fällen schon vorgeschritten und 
hatte in der Gegend der Molaren und Prämolaren zu der bekannten 
spindelförmigen Auftreibung des betreffenden Unterkieferastes geführt, 
deren größter Umfang in den einzelnen Fällen zwischen 21 und 36 cm 

1 * 



4 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE 


schwankte (gemessen nach Entfernung der äußeren Haut und der 
Muskulatur). Der Umfang des Unterkieferastes gesunder Rinder ent¬ 
sprechenden Alters und an der entsprechenden Stelle gemessen be¬ 
trägt 17 bis 20 cm. 

Aus den makroskopischen Feststellungen an den aktinomykotisch 
erkrankten Kiefern (vgl. den folgenden Abschnitt) ergab sich ohne 
weiteres die Aufgabe, das histologische Verhalten des spezifi¬ 
schen Weichgewebes zu untersuchen, sodann die Beziehungen 
desselben zum Knochengewebe und schließlich die Struktur 
des Knochengewebes in geringerer und größerer Entfernung vom 
spezifischen Weichgewebe zu prüfen. 

Zu diesem Zwecke wurden aus den frischen veränderten Unterkiefern Scheiben 
von etwa 2 cm Stärke herausgesägt und diese 24 Stunden lang in 4 proz. Formalin¬ 
lösung fixiert. Die verschiedene Konsistenz des aktinoinykotischen Weichgewebes 
und des Knochengowebes ließ es ratsam erscheinen, das erstere zum Zwecke des 
Studiums seiner histologischen Verhältnisse zunächst getrennt vom Knochcngewcbc 
weiter zu verarbeiten. Es wurden deshalb nach erfolgter Fixierung geeignete Teile 
des spezifischen Weichgewebes aus größeren Hohlräumen des Knochens ausgelöst, 
gewässert, in aufsteigenden Alkoholkonzentrationen nachgehärtet und in Paraffin 
eingebettet. Die hiervon gewonnenen Schnitte wurden allen jenen Färbemethoden 
unterzogen, die schon bei der Untersuchung der Zungen- und Lymphdrüsenaktino- 
mykose zum Studium des histologischen Verhaltens der spezifischen Neubildung 
sowie auch des Pilzes und seiner Bestandteile von uns angewendet und in unserer 
früheren Arbeit im Abschnitt „Material und Methodik“ näher beschrieben worden sind. 

Um das Knochengewebe schneidbar zu machen, mußten die fixierten Scheiben 
entkalkt werden. Das geschah in den ersten beiden Fällen durch 7,5 voluraproz. 
wässerige Salpetersäurelösung mit nachfolgender 24stündiger Behandlung in 5proz. 
Natriumsulfatlösung. Da sich hierbei trotz mehrtägigen Auswässerns des entkalkten 
Materials in fließendem Wasser die Färbbarkeit, insbesondere der Kerne, als sehr 
mangelhaft erwies, entkalkten wir das weitere Material in 5proz. Trichloressigsäure- 
lösung. Mit dieser Entkalkungsmethode erhielten wir sehr gute Resultate bei der 
Färbung. 

Aus den völlig entkalkten Scheiben schnitten wir, entsprechend den oben 
erwähnten Gesichtspunkten, jeweils eine Anzahl Gewobswürfel heraus, von denen 
ein Teil der Grenzzone zwischen spezifischem Weichgewebe und Knochengewebe 
entsprach, ein anderer Teil Knochengewebe mit Periost umfaßte. Nach 48 ständiger 
Wässerung in fließendem Wasser wurden in jedem Falle von einer Anzahl dieser 
Gewebswürfel möglichst dünne Gefrierscbnitte angefertigt. Einige von diesen Gefrier¬ 
schnitten wurden jeweils zur Darstellung von Neutralfett mit in 70proz. 
Alkohol heißgesättigter Scharlachrotlösung gefärbt, andere Schnitte wurden der von 
Best zur Darstellung des Glykogens angegebenen Färbemethode unterworfen, wie 
sie Schmorl in seinen „Pathologisch-histologischen Untersuchungsmethoden“ an¬ 
gibt und zur Unterscheidung der kalkhaltig gewesenen Knochenpartien 
von kalklosen in künstlich vollständig entkalktem Knochen brauchbar gefunden 
hat (Ergebnisse siehe im Kapitel über die Tela ossea). 

Weitere entkalkte und reichlich gewässerte Gewebswürfel brachten wir durch 
aufsteigende Alkoholkonzentrationen hindurch zur Einbettung in Zelloidin. Die 
hiervon gewonnenen Schnitte lieferten die besten Ueborsichtsbilder nach Färbung 
mit Hämatoxy lin-Eosi n. 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 5 

Nach der van Giesonschen Methode gefärbte Zelloidinschnitte ergaben 
zur Untersuchung sowohl der Grenzzone zwischen aktinoraykotischem Weichgewebe 
und Knochengewebe als auch des Periosts instruktive Präparate. 

Andere Zelloidinschnitte wurden nach der von Askanazy ausgearbeiteten 
Methode der elektiven Färbung der Osteoblasten und Osteoklasten mit 
Löfflerschem Methylenblau gefärbt, in Alkohol differenziert und in einem Gemisch 
von gleichen Teilen Anilinöl und Alkohol absolutus unter Zusatz einiger Tropfen 
alkoholischer Eosinlösung nachgefärbt. 

Zur Unterscheidung kalkhaltigen und kalklosen Knochengewebes 
gab das Verfahren nach Best keine genügend sicheren und eindeutigen Resultate. 
Wir wendeten daher noch eine Reihe anderer Methoden zu diesem Zwecke an. 

Zunächst brachten wir kleine Gewebsstückchen nach 24 stündiger Formalin- 
fixierung in Müllersche Lösung zum Zwecke der Entkalkung, genauer gesagt zum 
Zwecke der Herabsetzung des Kalkgehalts bis zur Schneidbarkeit. Es dauerte bei 
wöchentlich etwa zweimaligem Wechsel der Entkalkungsflüssigkeit im Brutschrank 
5—6 Monate, bis die Zerlegung der Stückchen in Schnitte möglich erschien. Die 
Gewebswürfel wurden sodann ausgewässert, unter Lichtabschluß in Alkohol nach¬ 
gehärtet und in Zelloidin eingebettet. Dies geschah wegen der erforderlichen langen 
Zeit insgesamt in nur vier Fällen. 

Sodann versuchten wir von geeigneten Stellen des Knochens nach Forraalin- 
fixierung, aber ohne Entkalkung, Gefrierschnitte anzufertigen. Dies gelang uns in 
sechs Fällen. 

Die Zelloidinschnitte von in Müllerscher Flüssigkeit schneidbar gemachtem 
Material und die Gefrierschnitte von uncntkalktem Knochen wurden jeweils den 
folgenden Färbemethoden unterzogen: 

Mit Hämatoxylin vorgefärbte, gut ausgewässerte Schnitte kamen auf etwa 
12 Stunden in verdünnte Ammoniakkarminlösung (6 Tropfen alter, gereifter Am- 
raoniakkarminlösung auf 100 ccm Wasser). Das kalklose Gewebe färbt sich hierbei 
rot, das kalkhaltige graublau. 

Andere Schnitte wurden auf etwa l / 2 Stunde in einer 5proz. Silbernitratlösung 
dem zerstreuten Tageslicht ausgesetzt, in destilliertem Wasser ausgewaschen, in 
lOproz. Lösung von unterschwefligsaurem Natrium in etwa 1 Minute vom über¬ 
schüssigen Silber befreit, gewässert und mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt. Kalk¬ 
haltiger Knochen erscheint hiernach tiefschwarz, kalkloser rot. — Weiterhin erfolgte 
die Behandlung von Schnitten nach dem von Fischler zur Darstellung von Fett¬ 
säuren angegebenen Verfahren mit dem Ergebnis, daß der kalkhaltige Knochen 
schwarz, kalkloser dagegen farblos erschien. 

Gitterfiguren versuchten wir sichtbar zu machen durch 10 Minuten lange 
Beizung der Schnitte in starker Alaunlösung und nachfolgender Behandlung in 
Lösung von Natrium bicarbonicum. 

Schließlich prüften wir auch zu wiederholten Malen die von Reckling- 
hausensche Methode der Thioninfärbung und Differenzierung in glyzeriniger 
Phosphormolybdänsäurelösung, erhielten hierbei jedoch so wechselvollo Ergebnisse, 
daß ihre Verwertung nicht möglich erschien. 

Einige makroskopische Feststellungen an den untersuchten aktino- 

mykotischen Unterkiefern. 

Außer der oben erwähnten spindelförmigen Auftreibung weist die Mehr¬ 
zahl der verarbeiteten Unterkiefer sowohl an der lateralen als auch an der medialen 
Fläche des im Bereich genannter Formveränderung gelegenen Zahnfleisches 
Erosionen vom Umfang einer Erbse bis zu dem eines Markstückes auf. Die Form 
dieser Epitheldefekte ist in der Regel rund, ihre Farbe im allgemeinen bräunlich 



6 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


bis auf zuweilen durchschimmernde punktförmige, körnige Einlagerungen von 
gelblicher Farbe, die Aktinomyzespilze darstellen. Bisweilen finden sieh an Stelle 
der Erosionen auch knöpf- oder pilzförmig über die Schleimhautoberfläche bis zu 
einer Höhe von mehreren Zentimetern hervorragende Wucherungen von gleicher 
Farbe wie jene. Dio erwähnten Epitheldefekte am Zahnfleisch und die Wuche¬ 
rungen sind an den einen geringeren Grad der Auftreibung zeigenden aktinomy- 
kotischen Kiefern in der Regel nicht vorhanden, sie fehlen jedoch selten in jenen 
Fällen, in denen die Knochenauftreibung einen größeren Umfang besitzt. 

Beim Durchsägen der aktinomykotisch aufgetriebenen Kieferäste ergibt sich 
das bekannte Bild, d. h. es ist von dem normalen Knochenquerschnitt nichts mehr 
wahrzunehmen. Der aufgetriebene Teil zeigt vielmehr eine makroskopisch kompakt 
aussehende, vielfach von Ilöhlen durchsetzte Knochenmasse. 

Die Aushöhlungen im Knochen, die den Umfang etwa eines Hanfkornes bis 
etwa eines Taubeneies haben und eine sehr unregelmäßige Gestalt aufweisen, sind 
von einem Gewebe erfüllt, das eine graugelbliche Farbe und weiche Konsistenz 
besitzt, ln ihm lassen sich undeutlich gelbliche sandkorngroße Körnchen, die 
Aktinomyzespilze, unterscheiden. Dieses Weichgewobe stellt die spezi¬ 
fische aktinomykotische Neubildung dar, deren histologisches Verhalten 
weiter unten näher dargestcllt ist. 

Wenn auf dem Durchschnitt durch einen aktinomykotisch aufgetriebenen Unter¬ 
kieferast die spezifische Neubildung in Form anscheinend durch Knochengcw r ebe 
vollständig voneinander getrennter Herde verschiedener Größe auftritt, so muß man 
sich doch darüber klar sein, daß alle diese Herde spezifischen Gewebes Zusammen¬ 
hängen, was man ohne weiteres am mazerierten Knochen an der Gestaltung und 
dem Zusammenhang der den aufgetriebenen Kieferast durchsetzenden Hohlräume, 
die mit der spezifischen Neubildung erfüllt zu denken sind, wahrnehmen kann. 

Es stellt somit die spezifische Neubildung im Kiefer und an der Knochen¬ 
oberfläche trotz ihrer scheinbar unregelmäßigen, diskontinuierlichen Verteilung im 
Knochen ein zusammenhängendes Ganzes dar, so daß wir also bei der Kicfer- 
aktinomykose nicht, wie bei der Zungenaktinomyko.se, einzelne durch das dem 
betreffenden Organ eigentümliche Gew r ebe (in der Zunge durch die Zungenmuskulatur) 
voneinander getrennte Herde haben, sondern nur einen einzigen umfangreichen , 
in einem unregelmäßigen, vielfach verschlungenen Ho hl raum System im 
Knochen verteilten Herd. 

Das Verhalten der Zähne blich bei den vorliegenden Untersuchungen unbe¬ 
rücksichtigt. 


Die spezifische Neubildnng. 

Die folgende histologische Darstellung bezieht sich auf die spezi¬ 
fische aktinomykotischc Neubildung (vgl. S. 6 oben) sowohl im 
Innern des erkrankten Kieferknochens (gleichviel, ob sie in prä- 
existierendem oder in ncugebildetem Knochen ihre Lage hat), als auch 
an dessen Oberfläche (also auch auf jene Teile der Neubildung, die 
nur zum Teil vom Knochen umschlossen sind). 

Der histologische Aufbau der durch den Aktinomyzespilz im und 
am Kieferknochen verursachten spezifischen Neubildung stimmt grund¬ 
sätzlich mit dem in unserer früheren Arbeit über die Zungenaktinomy- 
kose geschilderten Bau überein. Man vergleiche die dort gegebene 



Histologische Studien über dio Kieferaktinomykose des Rindes. 


7 


DarstelluDg und die zugehörigen Abbildungen. Gleichwie dort bildet 
auch hier den histologischen Elementarbestandteil des aktino- 
mykotischen Gewebes das aktinomykotische Einzelknötchen, das 
selten solitär, in der Regel vielmehr zu Knötchenkongloraeraten ver¬ 
einigt, auftritt. Einzelknötchen und Knötchenkonglomerate werden auch 
hier durch Bindegewebe, die „Uebergangszone“, umschlossen und von 
ihrer Umgebung abgegrenzt. Im einzelnen jedoch bieten alle diese 
Bestandteile der aktinomykotischen Neubildung im Knochen gegenüber 
der Zungenaktinomykose gewisse Besonderheiten, die irn Nachstehenden 
kurz geschildert werden sollen. 

a) Das aktinomykotische Einzelknötchen. 

Auch im Knochen tritt uns das aktinomykotische Einzelknötchen 
in jenen drei von uns schon früher, bei der Darstellung der Zungen¬ 
aktinomykose, beschriebenen Entwicklungsstadien entgegen, nämlich 
als Knötchen auf der Höhe seiner Ausbildung, als in Rückbildung be¬ 
griffenes und als rückgebildetes Knötchen 1 ). 

Am weitaus häufigsten treffen wir bei der Kieferaktinomykose 
aof der Höhe ihrer Entwicklong stehende Knötchen an, d. h. Knötchen, 
die in ihrem Zentrum eine oder mehrere vollständig ausgebildete Pilz¬ 
drusen und um diese herum drei deutlich unterscheidbare Zonen be¬ 
sitzen. 

Die Größe dieser Knötchen entspricht denen in der Zunge und 
bewegt sich zwischen sub- und supermiliaren Ausmaßen. Sie ist weder 
in den einzelnen Fällen, noch an den einzelnen Stellen gleich. 

Die Gestalt der Knötchen ist im allgemeinen rund, oft auch ovoid 
und zuweilen ganz unregelmäßig. Irgend welche Regelmäßigkeit der 
Gestalt in den einzelnen Fällen oder innerhalb eines Falles an den 
einzelnen Stellen ist nicht vorhanden. 

1) Die Unterscheidung der verschiedenen Entwicklungsstadien der aktinomy¬ 
kotischen Einzelknötchen ist in der gleichen Form, wio wir sie 1913 vorgeschlagcn 
haben, neuerdings auch von Schlegel angenommon worden. Schlegel bedient 
sich bei seiner Beschreibung der gleichen Benennungen, wie wir sio eingeführt haben. 
Wir unterschieden aktinomykotische „Knötchen auf der Höhe ihrer Entwicklung“ 
(„vollausgebildcte Knötchen“), „in Rückbildung begriffene“ und „rückgebildete 
Knötchen“. Schlegel nennt die Einzelknötchon „vollausgebildete“, „in 
Reduktion begriffene“ und „reduzierte Strahlenpilzknötchen“. Ander 
Schiege Ischen Arbeit ist ferner von Interesse, daß die Eutcraktinomykoso des 
Rindes eine so erhebliche Uebereinstimmung mit der Zungenaktinomykose desselben 
Tieres zeigt, daß Schlegel unsere Darstellung seiner Beschreibung in ziemlich weit¬ 
gehendem Maße zugrunde legon konnte. 




8 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


Die Pilzdruse zeigt in den meisten Fällen eine Vollkommenheit 
ihrer Ausbildung, wie sie in der Zunge nur selten beobachtet werden 
kann. Liegt die Schnittebene günstig, nämlich in ihrer Längsachse, 
so bildet die Druse in den Präparaten eine ziemlich regelmäßig ge¬ 
formte an einer Seite offene Rosette (Hufeisenform). Durch die meist 
nur schmale Oeffnung treten ziemlich lange und breite, zwischen den 
Zellen der zentralen Zone des Knötchens liegende Fäden in zunächst 
konvergierendem Verlauf in das Innere der Rosette ein, um dort in 
divergierender Richtung bald zu endigen. Ihre Endigungen in der Druse 
bilden einen fast parallel zur Drusenperipheric verlaufenden Halbkreis. 
Diese Gebilde stellen den Teil der Druse dar, den Bostroem als 
„Wurzellager“ bezeichnet. Die Fäden dieses „Wurzellagers“ zeichnen 
sich vor den sogleich zu beschreibenden übrigen fädigen Bestandteilen 
der Pilzdruse nicht nur durch ihre größere Stärke, sondern bei der 
van Gicsonfärbung auch durch einen anderen Farbenton aus. Bei dieser 
Färbung heben sie sich durch ihre braune Farbe deutlich von den 
übrigen graugelben Fadenteilen des Pilzes ab. Bei Hämatoxylin-Eosin- 
färbung und bei Gramfärbung ist dieser Farbenunterschied nicht zu 
beobachten. 

Von den im Innern der Druse gelegenen Endigungen dieses 
„Wurzellagers“ strahlen dicht verflochtene dünne Fäden oder Körnchen¬ 
reihen (letztere besonders bei Gram- und Giemsafärbung hervortretend) 
nach der Peripherie der Druse hin aus und bilden zunächst ungefähr 
in der Mitte ihres Verlaufes auf Grund besonders dichter Lagerung eine 
dunkler tingierte Zone, das „innere Keimlager“ Bostroems; sie lösen 
sich peripheriewärts bald wieder zu einem weniger dichten Geflecht auf, 
um an der Oberfläche der Druse durch wiederum dichtere Verflechtung 
im „äußeren Keimlager“ mit meist kolbig verdickten Zweigen zu endigen. 
Dem „äußeren Keimlager“ sitzen nach außen die im Verhältnis zur 
ganzen Pilzdruse nur kurzen Keulen auf. Sie bilden um viele Drusen 
einen nur durch das „Wurzellager“ an einer Stelle unterbrochenen 
Strahlenkranz; bei anderen Drusen lassen sie größere oder kleinere 
Lücken zwischen sich frei, an denen das Fadenwerk des Pilzes gegen¬ 
über den Zellen der zentralen Zone freiliegt oder auch zwischen die 
letzteren hineinragt, also über den Kculenkranz hinausgewachsen ist. 
Bei anders als in der Ebene der Längsachse der Pilzdruse liegender 
Schnittrichtung ist die Gestalt des Pilzes eine höchst unregelmäßige. 
„Wurzellager“ und „inneres Keimlager“ sind dann zumeist nicht er¬ 
kennbar. Man sieht nur einen mehr oder weniger großen Teil des 



Histologische Studien über die Kicferaktinomykose des Rindes. 9 

j 

Fadenwerkes und dessen „äußeres“ „Keimlager“ mit den peripheren 
Kolben. Immer aber ist das zentrale Faden werk im Vergleich zur 
peripheren Keulenschicht besonders reich entwickelt. 

Es bringen also unsere Befunde nicht grundlegend Neues über 
die Morphologie des Aktinomyzespilzes, sondern bestätigen im all¬ 
gemeinen die Ergebnisse der klassischen Untersuchungen Bostroems. 

Bei den verschiedenen Färbungen lassen sich an den einzelnen 
Bestandteilen der Pilzdruse noch manche Besonderheiten fest¬ 
stellen, die weniger morphologischer als chromatischer Art sind, 
und' zwar zeigen bei ein und derselben Färbung die gleichen Bestand¬ 
teile der Pilze verschiedener Knötchen gewisse Farbenunterschiede 
(Metachromasie). So findet man besonders bei Giemsafärbung das 
Myzel mancher Drusen intensiv dunkelblau gefärbt, während bei anderen 
die zentralen Partien desselben einen rötlichen Schimmer aufweisen 
und anscheinend eine geringere Affinität zum Farbstoff überhaupt be¬ 
kunden. Es sei dabei bemerkt, daß kleine, offenbar ganz junge Drusen 
das Myzel in der ersteren Färbung zeigen. Die Keulen sind bei Giemsa¬ 
färbung stets leuchtend rot dargestellt. Bei Triazidfärbung macht sich 
dagegen ein Farbenunterschied an den Keulen geltend, indem diese bei 
manchen Drusen mehr rot, bei anderen dagegen mehr gelb erscheinen, 
während bei wieder anderen Drusen Keulen in beiden Farbentönen 
nachweisbar sind. 

Eine Erklärung für diese färberischen Eigentümlichkeiten der 
einzelnen Bestandteile der Pilzdrusen läßt sich nicht ohne weiteres 
geben. Sie dürften auf das verschiedene Alter der Pilze oder auch 
auf Stoffwechselunterschiede zurückzuführen sein. Ob nicht auch 
Stammesunterschiede als Ursache der vorerwähnten Erscheinungen 
in Betracht kommen, ist eine Frage, die zunächst offen bleiben muß. 
Auf alle diese Besonderheiten der Pilzdruse näher einzugehen, würde 
in dieser in der Hauptsache der Histologie des gesamten aktinomy- 
kotischen Prozesses gewidmeten Arbeit zu weit führen. 

Die auf der Höhe ihrer Entwicklung stehenden Knötchen des 
aktinomykotischen Gewebes im Kieferknochen führen, wie gesagt, in 
ihrem Zentrum in der Regel eine besonders gut ausgebildete Pilz¬ 
druse, die im Vergleich zu den bei der Zungenaktinomykose in diesem 
Entwicklungsstadium vorkommenden Pilzdrusen eine nur wenig ent¬ 
wickelte Keulenschicht, aber ein umso reicheres Fadenwerk besitzt. 

Die Zellelemente der die Pilzdruse unmittelbar umgebenden 
zentralen Zone sind die gleichen, wie wir sie bei der Zungenak- 



10 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


tinoraykose (S. 30—33 unserer oben angeführten Arbeit) des näheren 
geschildert haben. Den Hauptanteil stellen auch hier gut erhaltene 
polymorphkernige neutrophile Leukozyten, unter die in geringer Zahl 
mononukleäre Leukozyten, etwas mehr Polyblasten *) und Fibroblasten 
gemischt sind. In der Nähe der Pilzdruse liegen, getrennt von dieser, 
zwischen den genannten Zellen ab und zu auch einzelne oder mehrere 
an ihren Stielen miteinander verschmolzene große, plumpe, mit Eosin 
sich rot, mit Triazid sich gelb färbende Keulen. Dieser Befund ist 
jedoch nicht allzu häufig. 

Die intermediäre Zone besteht aus zentralwärts jungem, nach 
außen zu -fibrillenreicher werdendem, kapilläre Gefäße führendem 
Granulationsgewebe, das in allen Einzelheiten den von uns bei der 
Zungenaktinomykose (S. 33—37) näher beschriebenen Bau zeigt. 

Die periphere Zone ist im Verhältnis zur zentralen und inter¬ 
mediären Zone fast immer am schmälsten. Man kann sie, wie bei 
der Zungenaktinomykose, nicht scharf von der intermediären Zone 
trennen. Sie stellt wie dort junges fibrilläres, lockeres, kapilläre 
Gefäßo führendes Bindegewebe dar, dessen Maschen zahlreiche Poly¬ 
blasten und vereinzelte polymorphkernige Leukozyten ausfüllen. 

In Rfickbildnng begriffene Knötchen. Außer den auf der Höhe 
ihrer Entwicklung stehenden Knötchen kommen, wie bei der Zungen¬ 
aktinomykose (S. 39), auch in der aktinomykotischen Neubildung des 
Kiefers Knötchen vor, die hinsichtlich ihrer Pilzdruse und ihres histo¬ 
logischen Baues die Merkmale der Rückbildung aufweisen. Sie sind 
zumeist etwas kleiner als die vorstehend beschriebenen Knötchen. 

Das zentrale Fadenwerk des Pilzes hat sich nur blaß, verwaschen 
gefärbt oder fehlt vollkommen, so daß die Druse fast nur aus einer 
amorphen, mit Eosin sich rot färbenden zentralen Masse und einer 
peripheren breiten Schicht großer massiger Keulen besteht. In manchen 
Schnitten ist diese zentrale amorphe Masse nicht sichtbar. Es erscheint 
dann die Pilzdruse als ein von einem Punkte ausstrahlender Kranz von 
Keulen. 

In der zentralen Zone der Knötchen sind die polymorphkernigen 
Leukozyten und Polyblasten reichlich durchsetzt mit Fibroblasten und 
zuweilen auch mit Riesenzellen. Die intermediäre Zone weist schon 

1) Wir gebrauchen in dieser Arbeit der Kürze halber diesen namentlich von 
Maximow verwendeten Ausdruck, ohne uns in allen Punkten die Maximowsehen 
Anschauungen über diese Zellen, die March and „große leukozytoideWandor- 
zellen* nennt, zu eigen zu machen. 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 11 

an ihrer inneren Grenze zahlreiche dünne, nach der Peripherie der 
Zone zu stärker werdende Fibrillen auf. Sie besitzt mithin den 
Charakter jungen Bindegewebes und bildet dadurch mit der peripheren 
Zone die nicht zu trennende „äußere Zone tt . 

Es ist auffallend, daß diese in Rückbildung begriffenen Knötchen 
in dem die Aushöhlungen des Knochens erfüllenden aktinomy- 
kotischen Gewebe im Verhältnis zu den auf der Höhe ihrer Entwicklung 
stehenden Knötchen außerordentlich selten Vorkommen. Sie sind 
indessen zahlreicher zu finden in den über die Knochenoberfläche 
hinausgewachsenen größeren Aktinomykomen der Subkutis und 
des Zahnfleisches, insbesondere bei älteren Fällen von Kieferaktinomy¬ 
kose. Dort treten sie nicht selten so gehäuft auf, daß größere Partien, 
vor allem Randpartien der Aktinomykome fast lediglich aus dieser 
Knötchenform bestehen. 

Die letzterwähnte Tatsache scheint eine Erklärung für die Befunde Loeles 
zu geben, die genannter Autor bei insgesamt nur zwei von ihm untersuchten Fällen 
von Rinderaktinomykose (1 Zunge, 1 Kiefer) erhob. Es gelang ihm in diesen beiden 
Fällen nicht, in den Drusen „auch nur einen einzigen Myzclfadcn in vielen Schnitten, 
in denen reichlich Drusen vorhanden waren, nachzuweisen. Zugleich zeigten die 
Kolben, welche wie Knöspchcn um ein meist gelblich gefärbtes Feld herum saßen, 
die primitivsten Formen, plumpe, fast rundliche, teils auch längere Stäbchen, die 
nur in ihrer Anordnung als Randglieder einer Druse sich als Aktinomyzeskolben 
dokumentierten.“ Loele bezeichnet diese Drusen als das Endglied in der Ent¬ 
wicklungsreihe des Aktinomyzespilzes nach dem Kolbentypus (als Gegensatz zum 
Myzeltypus) hin. Aus unseren oben beschriebenen Befunden ist im Gegensatz zu 
der Ansicht Loeles zu entnehmen, daß der sogenannte Mitteltypus (Aktinomyzes- 
drusen aus Myzel und Kolben bestehend) und Kolbentypus beim Rinde in ein- und 
denselben Fällen Vorkommen, ebenso in jungen Drusen der Myzeltypus, wie in einem 
späteren Kapitel beschrieben werden wird. Mit dieser Feststellung ist zugleich auch 
der Schlußfolgerung Loeles, daß Myzel-, Mittel- und Kolbentypus besondere, durch 
die verschiedenartige Wachstumsfreiheit gegenüber dem Widerstand verschieden¬ 
artiger Gewebe bedingte Gruppen des Aktinomyzespilzes seien, der Boden entzogen. 
Das Vorkommen aller dieser Formen in ein- und denselben Fällen läßt sich nicht 
anders erklären, als daß es sich lediglich um verschiedene Entwicklungs¬ 
stadien der Pilzdruse handelt. Dieser Ansicht hat aus denselben Gründen auch 
Dresel Ausdruck gegeben, der den Myzel-, Mittel- und Kolbentypus Loeles für 
Altersstufen hält. 

Rfickgebildete Knötchen. Auch die dritte Art der von uns bei 
der Zungenaktinomykose (a. a. 0. S. 43) beschriebenen und dort als 
rückgebildet bezeichneten Knötchen findet sich im aktinomykotischen 
Gewebe des Kiefers vor. Der im Zentrum dieser Knötchen gelegene 
Pilz stellt eine formlose, manchmal schollige, sich mit Eosin rot 
färbende Masse dar, an deren Peripherie nur noch vereinzelte m. o. w. 
deutliche Keulen erkennbar sind. Der Pilz ist umgeben von großen, 



12 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


vielkernigen, oft kappenartig ihm angeschmiegten Riesenzellen und 
zytoplasmareichen Fibroblasten, denen konzentrisch geschichtetes junges 
Bindegewebe nach außen hin folgt. 

Diese durch mehr oder weniger vollständige Rückbildung eines 
vorher vollausgebildet gewesenen Knötchens verbliebenen Reste sind 
innerhalb des Knochens nur selten zu finden, werden aber, gleich¬ 
wie die in Rückbildung begriffenen Knötchen, in gewissen Partien, ins¬ 
besondere am Rande größerer Aktinomykome der Subkutis und des 
Zahnfleisches häufiger angetroffen. 

b) Vermehrung des Pilzes und Ausbreitung der aktinomykotischen 

Neubildung. 

Die in der Literatur vertretenen Anschauungen über die Verbreitung 
des Aktinomyzespilzes im Gewebe wurden bereits im ersten Teil unserer 
oben angeführten Arbeit über die „Zungen- und Lymphdrüsenaktino- 
mykose“ erwähnt. Um Wiederholungen zu vermeiden, soll an dieser 
Stelle nicht noch einmal auf die Literaturangaben über diese Frage 
eingegangen werden. 

Unsere eigenen Feststellungen über die Vorgänge bei der Ver¬ 
mehrung des Pilzes und bei der Ausbreitung der aktinomykotischen 
Neubildung im Kiefer waren die folgenden: 

In nach Gram gefärbten Präparaten ist zu beobachten, daß von 
den vollausgebildeten Pilzdrusen aus, die in Knötchen auf der Höhe 
ihrer Entwicklung liegen, eine Ausstreuung von Pilzteilen statt¬ 
gefunden hat. Es scheint diese Ausstreuung von Pilzteilen nicht gleich¬ 
mäßig um die ganze Pilzdrusc herum zu erfolgen, sondern sich auf 
jene umschriebenen Stellen zu beschränken, an denen, wie oben gesagt, 
dem Pilz die Keulen fehlen. Diesen Stellen entsprechend finden sich in 
der Nähe des Pilzes, mit diesem anscheinend nicht mehr im Zusammen¬ 
hang stehend, mehr oder weniger dichte Haufen blaugefärbter, ziemlich 
kurzer Fadenbruchstücke und Körnchen zwischen dem Pilz und 
den etwas abgedrängten Zellen der zentralen Zone oder auch zwischen 
den Zellen der letzteren selbst (Taf. I, Fig. 1). Die Fadenbruchstücke 
ähneln unterbrochen gefärbten, geraden oder leicht gebogenen zarten 
Stäbchen oder kurzen Stäbchenreihen. Die Körnchen haben sehr ver¬ 
schiedenartige Form. Sie sind oft winzig klein, mit Oelimmersion 
eben noch erkennbar, oft auch etwas größer und dann selten von 
runder, meist von ovoider, auch von semmelförmiger Gestalt. Ueber 
die nächste Nachbarschaft der Peripherie der Pilzdruse hinaus sind 



Histologische Studiea über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


13 


jedoch zwischen den Zellen gelegene Pilzteile nicht mehr zu sehen. 
Wohl aber trifft man in geringer Entfernung vom Pilz innerhalb der 
zentralen Zone Zellen, die in ihrem Zytoplasma einzelne oder 
mehrere bei Grarafärbung schön blau hervortretende Pilz¬ 
teilchen von der oben beschriebenen Art einschließen (Taf. I, Fig. 1). 
Zuweilen erscheint ihr Zelleib vollgestopft mit diesen Pilzelemeuten. 
Welcher Art diese Zellen sind, ist schwer zu entscheiden. Einen Teil 
von ihnen kann man nach dem ziemlich großen, chromatinarmen, 
bläschenförmigen Kern als Fibroblasten ansprechen. Andere wieder 
besitzen einen etwas chromatinreicheren Kern, ähnlich wie ihn Poly- 
blasten führen. Es dürften sich mithin nach unseren Beobachtungen 
wohl verschiedene Zellarten der zentralen Zone an der Phagozytose 
der von der Pilzdruse losgelösten Pilzclemente beteiligen. 

Die mit Pilzteilen beladenen Zellen sind am zahlreichsten 
anzutrelfen in der Nähe der Pilzdruse und werden peripheriewärts 
seltener. Auch ist mit der Zunahme der Entfernung der Phagozyten 
von der Pilzdruse ira allgemeinen eine Abnahme der Färbbarkeit der 
phagozytierten Pilzelemente (vom dunkelblauen, scharf konturiert her¬ 
vortretenden zum verwaschenen, minder scharfen, blassen Farbenton) 
wahrnehmbar. Ebenso auffällig ist die mit dem zunehmenden Abstand 
von der Pilzdruse zu beobachtende Formveränderung der Phagozyten. 
In der Nähe der Druse sind die die Pilzteile enthaltenden Zellen zu¬ 
meist einkernig. Je weiter man peripheriewärts geht, um so häufiger 
begegnet man zwei- und mehrkernigen Phagozyten. Die Zahl der 
Kerne kann etwa zehn betragen. Derartige Zellen würden als Riesen¬ 
zellen zu bezeichnen sein. 

In manchen meist besonders großen raehrkernigen Phagozyten 
kann man nun aber keineswegs das oben erwähnte Abblassen der 
eingeschlossenen Pilzteile feststellen, im Gegenteil treten sie in dem 
reichlichen Protoplasma dieser Zellen besonders scharf und zahlreich 
hervor. Die Pilzfragmente sind hier länger, fadenförmig und zu kleinen 
Knäueln verflochten, oder sie bilden, von einem Punkte ausstrahlend, 
eine Sternfigur. Außer derartigen intrazellulär gelegenen kon- 
glomerierten Pilz teilen findet man auch sternförmig angeordnete 
Fadenfiguren extrazellulär in einer amorphen, farblosen oder 
mit Lithionkarmin blaßrot sich färbenden Masse (Taf. I, Fig. 1). 
Es ist anzunehmen, daß die Pilzteile auch hier ursprünglich in einem 
Phagozyten ihre Lage hatten, daß dieser aber zugrunde ging und eine 
amorphe Masse als (Jeberrest zurückließ. Diese extrazellulär gelegenen, 



14 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


sternförmig zusammengehäuften Pilzteile dürften als erste, junge Stadien 
von Aktinorayzespilzdruscn anzusehen sein. 

Von diesen ersten Anfängen einer neuen Pilzdruse bis zur 
Gestalt der vollausgebildeten Druse sind in der zentralen Zone vieler 
auf der Höhe ihrer Entwicklung stehender Knötchen verschiedene 
Uebergangsformen des Pilzes zu beobachten. Etwas größere als 
die soeben beschriebenen jüngsten Stadien des Pilzes lassen schon die 
bekannte Hufeisenfonn erkennen und bestehen aus dem durch dichte 
Verflechtung von Pilzfäden gebildeten „äußeren Keimmantel“, der mehr 
oder weniger vollständig einen zentralen Hohlraum umschließt. Zu¬ 
meist fehlen diesen jungen Pilzdrusen noch Keulen, während einige 
von ihnen schon einen peripheren Strahlenkranz von zarten dünnen 
Keulen besitzen, so daß sie sich nur noch durch ihre geringe Größe 
und ihre zarten Formen von der zentralen vollentwickelten Pilzdruse 
unterscheiden (Taf. II, Fig. 2, b , b). 

Es findet also nach dem soeben Geschilderten in der zentralen 
Zone vieler auf der Höhe ihrer Ausbildung stehender aktinomykotischer 
Knötchen im Kieferknochen eine Vermehrung des Aktinomyzcs- 
pilzes durch das Auswachsen von der Mutterdruse los¬ 
gelöster und phagozytierter Pilzelemente zu Tochterdrusen 
statt 1 ). 

1) Im Anschluß an die Feststellung dieser Tatsache seien hier noch einige 
weitere Bemerkungen über das multiple Auftreten der Filzdrusen in 
ein- und demselben Knötchen eingeschaltet. 

In manchen Fällen findet man, wie oben beschrieben, inmitten der aktino- 
mykotischen Knötchen eine solitäre gut ausgebildcte, größere Pilzdruse, die ent¬ 
weder Tochterdrusen nicht erkennen läßt oder solche aufweist, die jüDgcr als die 
Hauptdruso sind. In anderen Fällen dagegen sieht man in der zentralen Zone der 
aktinomykotischcn Knötchen multiple, meist kleinere Pilzrasen, die einen auffälligen 
Altersunterschied nicht erkennen lassen, so daß man kaum sagen kann, welche von 

diesen Pilzdrusen der Gruppe die primäre ist, von der aus die übrigen Drusen 

entstanden sind. Mit dem multiplen Auftreten der Pilze hängt es wohl auch zu¬ 
sammen, daß wir in manchen Knötchen einen größeren Pilzrasen finden, dessen 

Aufbau nicht einheitlich ist, sondern der aus mehreren Finzeldrusen zusammengesetzt 
zu sein scheint. Fs dürften diese anscheinend zusammengesetzten Pilzdrusen durch 
Verschmelzung ursprünglich multipler Drusen desselben Knötchens entstanden sein. 

Worauf diese Verschiedenheit im Auftreten des Pilzes sich gründet, läßt sich 
nicht ohne weiteres entscheiden. Es würde naheliegend sein, anzunehmen, daß es 
verschiedene Stämme des Aktinomyzespilzcs gibt, von denen die einen Neigung 
haben, sich bald nach der Entstehung einer Druse weiterzuverbreiten, während die 
anderen diese Neigung weniger besitzen und infolgedessen solitäre, größere, voll- 
ausgebildete Drusen zeigen. Ob eine solche Stammesverschiedenheit in der Tat be¬ 
steht und ob sie möglicherweise mit verschiedenen Virulenzverhältnissen zusammen¬ 
hängt, ließ sich auf Grund des von uns untersuchten Materials nicht entscheiden. 



Histologische Stadien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 15 

Die Vermehrung des Aktinoroyzespilzes erfolgt in der dargelegten 
Weise aber nicht allein in der zentralen Zone. Dieser Vorgang wurde 
im Vorstehenden lediglich deshalb an der Hand der in dieser Zone 
erhobenen Befunde beschrieben, weil er sich hier am lebhaftesten ab¬ 
spielt und weil daher der Zusammenhang der verschiedenen Bilder 
hier am leichtesten erkennbar ist. Das eine oder andere Stadium 
des Vermehrungsprozesses des Pilzes beobachtet man auch in der 
intermediären und peripheren Zone der Knötchen, jedoch 
erheblich seltener als in der zentralen Zone. In der intermediären 
Zone findet man sowohl mit Pilzfragmenten beladene mehrkernige 
Phagozyten als auch junge Pilzdrusen, während in der peripheren 
Zone nur letztere, nicht aber Phagozyten festgestellt werden konnten. 

In welcher der drei Zonen des Knötchens man auch die in der 
Entwicklung begriffenen jungen Tochterdrusen antrifft, stets machen 
sie in grundsätzlich gleicher Weise ihren Einfluß auf ihre Um¬ 
gebung geltend, der häufig zur Entstehung von Tochterknötchen 
innerhalb des vorhandenen Knötchens (Mutterknötchens) 
führt: Die zu Knäueln oder Sternfiguren kongloraerierten Pilzteile, 
die nicht mehr im Protoplasma einer Zelle eingeschlossen sind, sind 
umgeben von einer Gruppe polymorphkerniger Leukozyten, die nach 
außen hin von einem Kranz von Fibroblasten umschlossen werden. 
Der junge Pilz mitsamt den um ihn gruppierten Zellelementen er¬ 
weckt so den Eindruck von etwas Selbständigem mit eigener Reiz¬ 
sphäre und erscheint durch den Fibroblastenring von den übrigen 
Elementen der betreffenden Zone des Mutterknötchens, in der die 
Entwicklung erfolgt, wohl abgegrenzt. Wir haben hier das jüngste 
Stadium eines in der Entstehung begriffenen Tochterknötchens 
(Knötchenstadium) innerhalb einer der drei Zonen seines Mutter¬ 
knötchens vor uns (Taf. II, Fig. 2, oben b). 

Es sei im Hinblick auf die sich widersprechenden Angaben der 
Literatur über die ersten Anfänge eines aktinomykotischen 
Knötchens besonders betont, daß wir eine zeitliche Differenz im Auf¬ 
treten seiner hämatogenen und histogenen Zellen niemals beobachten 
konnten. In allen Fällen fanden wir beide Zellarten gleichzeitig vor. 
Es entspricht dies grundsätzlich den bei anderen Entzündungsprozessen 
zu beobachtenden Vorgängen, bei denen der Entzündungsreiz zu 
gleicher Zeit sowohl auf die Gefäße und die Blutelementc als auch 


Es sei hier nur bemerkt., daß im Bau der Knötchen, die dieses verschiedene Auf- 
treten der Pilzdrusen zeigten, grundsätzliche Unterschiede nicht nachweisbar waren. 



16 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


auf die Gewebszellen einwirkt. Die auffällige Gruppierung der zeitigen 
Elemente, nämlich die räumliche Trennung der hämatogenen von 
den histogenen Elementen im werdenden aktinoraykotischen Knöt¬ 
chen im Vergleich zu dem gemischten Auftreten bei anderen Ent¬ 
zündungsprozessen findet seine Erklärung in der bei der Aktinoraykose 
von einem bestimmten Zentrum, dem Pilz, ausstrahlenden, zentripetal 
abklingenden Reizwirkung des entzündungserregenden Agens. Sowie 
die Zellen in den Wirkungskreis des Pilzes gelangen, erfolgt entsprechend 
dem Intensitätsunterschied des Reizes eine Sonderung der Blut- und 
Gewebselemente derart, daß die weniger empfindlichen polymorph¬ 
kernigen Leukozyten, die jedoch chemotaktisch von den Stoffwechsel¬ 
produkten des Pilzes intensiv beeinflußbar sind, als eine Art von Schutz¬ 
wall sich in unmittelbarer Pilznähe sammeln, während die als Gewebs¬ 
elemente gewissermaßen höher organisierten und daher mehr empfind¬ 
lichen Fibroblasten sich entfernt, im Bereich einer geringeren Reiz¬ 
intensität halten. 

Mit zunehmender Größe der Tochterdrusen prägt sich 
die durch sie veranlaßte Tochterknötchenbildung immer deut¬ 
licher aus; d. h. es kommt in der Regel zu einer reichlicheren An¬ 
häufung von polymorphkernigen Leukozyten in der Nähe der jungen 
Pilzdruse, und ebenso wird der zugehörige Fibroblastenkranz dichter. 
Zuweilen sind zwischen den Fibroblasten schon dünne Fibrillen 
sichtbar, und bei noch weiter vorgeschrittenen Tochterknötchen er¬ 
zeugen die mehr peripher gelegenen Fibroblasten stärkere Fibrillen, 
so daß hier eine dritte, besondere, aus fibrillärem Bindegewebe be¬ 
stehende Zone entstanden ist. Kurz, es haben sich um die Tochter¬ 
drusen junge Tochterknötchen mit den bekannten drei deutlich 
unterscheidbaren Zonen gebildet, und zwar liegen diese Tochterknötchen 
innerhalb eines vollausgebildeten aktinomykotischen Knöt¬ 
chens (Mutterknötchens) und unterbrechen dessen Zonen oder 
stören sie in ihrer streng konzentrischen Anordnung derart, daß die 
Zonen des letzteren an der betreffenden Stelle nicht mehr deutlich 
abgegrenzt sind. 

Bei der Beschreibung der Entstehung neuer Pilzdrusen aus einer 
Mutterdruse und neuer aktinomykotischer Knötchen (Tochterknötchen) 
innerhalb eines Mutterknötchens sind bisher nur diejenigen histo¬ 
logischen Tatsachen berücksichtigt worden, aus denen sich ein 
stadienweises Fortschreiten der Entwicklung vom ausgestreuten und 
phagozytierten Pilzteil bis zum neuen Knötchen erkennen ließ. In 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykosc des Rindes. 


17 


Wirklichkeit liegen die Verhältnisse aber so, daß nicht jeder aus¬ 
gestreute Pilzteil zu einer Pilzdruse und daß nicht jedes 
Knötchenvorstadiura zu einem vollausgcbi’ldeten Tochter¬ 
knötchen wird. Schon aus der oben angeführten Tatsache, daß die 
mit Pilzteilen beladenen Zellen in der Nähe der zentralen Pilzdruse 
ziemlich zahlreich sind und peripheriewärts nur noch selten angetroffen 
werden, ferner aus der Erscheinung, daß mit zunehmendem Abstand 
von der Mutterdruse die Färbbarkeit der phagozytierten Pilzelemente, 
von wenigen Ausnahmen abgesehen, eine ziemlich rasche Abnahme er¬ 
fährt, geht hervtor, daß für zahlreiche Pilzteilchen die Phagozytose den 
reaktionslosen Untergang bedeutet, d. h. daß der Phagozyt über den 
aufgenommenen Pilzteil den Sieg davonträgt und letzterer dadurch 
unschädlich gemacht wird. Aber auch die Phagozyten, auf die die 
aufgenoramenen Pilzteile anscheinend zunächst ihren Einfluß dahin¬ 
gehend auszuüben vermocht haben, daß sie sich zu Riescnzellen um¬ 
bilden, führen in ihrem Zytoplasma nicht selten nur noch undeutlich 
erkennbare blaßblaue oder staubförmig zerfallene Fadenbruchstücke. 
Es sind also auch die Ricsenzellen, trotzdem sie vielleicht von den 
Stoffwechselprodukten des eingeschlossenen Pilzes beeinflußte Zell¬ 
elemente darstcllen, noch imstande, den Pilz wirklich zu unterdrücken. 
Ist es den ein- und raehrkernigen Phagozyten nicht gelungen, die 
Wachstumsenergie der aufgenommenen Pilzteilchen zu brechen, dann 
können letztere sich zu knäuel- und sternförmigen Pilzfadenkonglo¬ 
meraten heranbilden und, wie oben dargelegt, durch ihre Einwirkung 
auf das benachbarte Gewebe die Entstehung des Vorstadiums eines 
Knötchens, bestehend aus einer Anhäufung von polymorphkernigen 
Leukozyten und einem die letzteren umschließenden Ring von Fibro¬ 
blasten, verursachen. 

Aber auch von diesem Knötchenvorstadium aus scheint nun 
nicht in allen Fällen die Weiterentwicklung in oben be¬ 
schriebener Weise zum fertigen Knötchen zu erfolgen. Denn 
wir treffen unter den Vorstadien der Tochterknötchen eine durch¬ 
aus nicht geringe Anzahl, die folgenden, von der geschilderten 
üblichen Form abweichenden Aufbau zeigt: Das im Zentrum des 
Knötchenvorstadiums gelegene mehr oder weniger dichte Pilzfaden¬ 
konglomerat besitzt rings um seine Peripherie einen Strahlenkranz 
bald zierlicher, bald plumper, meist dicht beieinanderstehender Keulen. 
In die die unmittelbare Umgebung des Pilzes bildende Zone poly¬ 
morphkerniger Leukozyten haben sich zahlreiche junge Fibroblasten 

Archiv f. wissenseh. n. pr&kt Tierheilk. B<1. 44. Suppl. 


*7 



18 


EIINST JOEST und ALFRED ZÜMPE, 


und aucli einige mononukleäre Leukozyten und Polyblastcn cingedrängt. 
Einzelne der polymorphkernigen Leukozyten zeigen pyknotischen 
Zerfall. Rings um diese Zone, in der man gewöhnt ist, einen Kranz 
von Fibroblasten anzutreffen, liegen grosse, protoplasmareiche Riesen- 
zellon. Die Mehrzahl von letzteren hat dreieckige oder flaschenförmige 
Gestalt, weil ihr Zellleib einen sich zuspitzenden, nach dem Pilz 
gerichteten Ausläufer besitzt. Die Kerne liegen meist an der Basis 
des Dreiecks, also im peripheren, vom Pilz abgewendeten Teil des 
Protoplasmas der Ricscnzellc. 

Die Erklärung für den geschilderten Bau dieser Knötchenvor- 
stadien ist im Verhalten des in ihrer Mitte gelegenen Pilzes zu suchen. 
Die Kculenbildung muß nach den Angaben der Literatur und nach 
unseren eigenen Beobachtungen als ein regressiver Prozeß des 
Pilzes aufgefaßt werden. Sie ist immer verbunden mit einer Herab¬ 
setzung der Reizwirkung des Pilzes auf das umgebende Gewebe, und 
zwar in um so höherem Maße, je mehr die Masse der Keulen im 
Verhältnis zum Myzel überwiegt. Bei dem geringen Umfang des Pilz¬ 
rasens in den Vorstadien der Knötchen wird das Auftreten von Keulen 
daher ein Zeichen seiner verminderten Reizstärke sein. Es 
können nunmehr die Fibroblasten, die, wie oben gesagt, bei der für sie zu 
hohen Rcizkonzentration des intakten Pilzes sich in einiger Entfernung 
von ihm hielten, die Pilznähe ertragen, und daher findet man sic in 
großer Zahl zwischen den polymorphkernigen Leukozyten. Daß hier 
in der Nähe des Pilzes Riesenzellen neben den Fibroblasten auftreten, 
ist an sich nicht auffällig, wenn man sich vor Augen hält, daß die 
Riesenzellcn ja nur modifizierte Fibroblasten darstcllen. Es fragt 
sich nur, wie die Bildung dieser Riesenzellen zustande kommt. Diese 
Frage erörtern, hieße die Streitfrage der Riesenzcllbildung überhaupt 
aufrollen, bezüglich deren, wie aus der Literatur zu ersehen ist, noch 
fundamentale Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten vorhanden 
sind. Wir haben uns bemüht, die Entstehung dieser Riesenzellcn zu 
ergründen, es ist uns dies jedoch nicht gelungen. Es muß somit 
dahingestellt bleiben, auf welche Weise die Bildung dieser Elemente 
erfolgt. Das einzige, was wir glauben sagen zu können, ist, daß sie 
sich aus Fibroblasten entwickeln. Biologisch dürften sie als Fremd - 
körperriesenzellcn aufzufassen sein. 

Für die Bedeutung der oben geschilderten Vorgänge ist es 
unwesentlich, daß uns keine tatsächliche Beobachtung die Frage zu 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 19 

entscheiden erlaubte, ob der Anlaß zu regressiven Vorgängen am Pilz, 
d. h. zur Keulenbildung, von diesem selbst ausging oder in der Ein¬ 
wirkung des umgebenden Gewebes zu suchen war. Ist durch diese 
oder jene Ursache einmal der Pilz geschwächt, dann macht sich eine 
Reaktion des umgebenden Gewebes auf den verminderten Reiz des 
Pilzes im Sinne eines reparatorischen Vorganges bemerkbar. Denn das 
Vordringen der Fibroblasten gegen den Pilz und ihre Umwandlung in 
Riesenzellen kennzeichnet den Beginn der Rückbildung, der Aus¬ 
heilung des jungen Knötchenvorstadiums. Die Rückbildung des 
Knötchenvorstadiums ist umso deutlicher erkennbar, je weiter die 
Keulenbildung des Pilzes vorgeschritten ist; denn umso zahlreicher 
sind die Fibroblasten im Vergleich zu den polymorphkernigen Leuko¬ 
zyten in der Nähe des Pilzes und umso näher treten auch die 
Riesenzellen an den Pilz heran. Ist schließlich das Myzel des Pilzes 
nur noch als blaß gefärbte, körnige Masse inmitten der verhältnis¬ 
mäßig großen, dicht beieinanderliegenden Keulen zu erkennen, oder 
sind Myzel und Keulen überhaupt nicht mehr nachweisbar, so daß 
nunmehr der Pilz lediglich einen mit Eosin rot gefärbten, formlosen, 
kleinen Klumpen bildet, an dessen Peripherie sich vielleicht noch 
vereinzelte Einkerbungen als Zwischenräome ehemaliger Keulen unter¬ 
scheiden lassen, dann liegen Riesenzellen und Fibroblasten halbmond¬ 
förmig und kappenartig an ihn angeschmiegt. Es sind dies Bilder, 
die sich von den als rückgebildete Knötchen beschriebenen Formen 
nur durch ihren geringen Umfang unterscheiden nnd gemäß ihrer Ent¬ 
stehung als rückgebildete Knötchenvorstadien bezeichnet werden müssen. 

Alle die vorbeschriebenen mit der Vermehrung des Pilzes und der 
Knötchen zusammenhängenden Vorgänge spielen sich, wie erwähnt, 
innerhalb der drei Zonen eines auf der Höhe seiner Entwicklung 
stehenden Knötchens (Mutterknötchens) ab. Ein derartiges Mutter¬ 
knötchen, das in der einen oder der anderen seiner Zonen mehr oder 
weniger weit entwickelte oder rückgebildete Tochterknötchen besitzt, 
hat den Charakter des Einzelknötchens verloren. Es stellt in dieser 
Form ein in der Entstehung begriffenes Knötchenkonglome¬ 
rat dar (Taf. II, Fig. 2). Mit dem weiteren Wachstum der einzelnen 
Tochterknötchen erfolgt eine schärfere Herausarbeitung ihrer peripheren 
Zone und dadurch ihre deutliche Abgrenzung vom Mutterknötchen, das 
auf diese Weise allmählich mit der Gesamtheit seiner Tochterknötchen 
ein wirkliches Knötchenkonglomerat bildet. 


2 



20 


ERNST JOEST und ALKRED Zl'MPE, 


c) Bau der KnötcheDkonglomerate. 

In dem die Höhlungen des veränderten Kieferknochens ausfüllenden 
spezifischen Gewebe kommen Einzelknütchen als solitäre Gebilde nur 
selten vor. Fast immer treten sie in Form von Rnötchenkonglo- 
meraten auf. Die Größe dieser Konglomerate ist sehr verschieden. 
Vom Umfang einer Linse bis zu dem einer Walnuß sind alle Zwischen¬ 
stufen vertreten. Ihre Gestalt scheint sich der Form der vom spezi¬ 
fischen Gewebe ausgefüllten Höhlungen des Knochens anzupassen, je¬ 
doch hängt sie in Wirklichkeit davon ab, ob die Ausbreitung des 
spezifischen Gewebes allseitig gleichmäßig oder nach einer Richtung 
hin stärker erfolgt; denn hiernach richtet sich, wie im Voraus bemerkt 
sei, auch die Form der Höhlung im Knochen. Dementsprechend ist 
die Gestalt der Knötchenkonglomerate keine bestimmte, sondern eine 
sehr wechselnde. Immerhin herrscht innerhalb größerer Knochenaus¬ 
höhlungen die Kugel- oder Eiform vor, zuweilen mit zapfenförmigen 
Ausläufern an der Peripherie der Höhlungen. 

Die Konglomerate setzen sich zusammen aus allen vor¬ 
beschriebenen Knötchenstadien, und zwar derart, daß in ein- 
und demselben Konglomerat verschiedene Entwicklungsstufen der Knöt¬ 
chen, vom jüngsten, im Entstehen begriffenen KnötchenvorstadiunA 
angefangen, bis zum vollausgebildeten Einzelknötchen, sowie in Rück¬ 
bildung begriffene und rückgebildete Knötchen und Knötchenvorstadien 
nebeneinander Vorkommen. Den vorherrschenden Bestandteil 
der Konglomerate bilden Knötchen auf der Höhe ihrer Ent¬ 
wicklung, sowohl in ihrer einfachen Form als auch mit mehr oder 
weniger weit vorgeschrittenen oder rückgebildeten Tochterknötchen 
innerhalb ihrer drei Zonen. In etwas geringerer Zahl liegen da¬ 
zwischen Knötchen, die kleiner sind als die vorerwähnten, die in ihrer 
Mitte eine kleine Pilzdruse ohne oder mit nur kurzen, zierlichen Keulen 
führen und um diese herum die drei bekannten konzentrischen Zonen 
zwar nur in geringer Breite, aber doch deutlich voneinander 
unterscheidbar zeigen, also junge Knötchen, die samt ihrem Pilz noch 
nicht ihre volle Entfaltung erlangt haben. Mit wechselnder Häufigkeit, 
an manchen Stellen zahlreich, an anderen nur vereinzelt, trifft man 
bald mehr in den äußeren, bald mehr in den inneren Partien des 
Konglomerats rückgebildete Knötchenvorstadien an. Dagegen sind die 
nach Ueberschreitung der Höhe ihrer Entwicklung in Rückbildung be¬ 
griffenen und rückgebildetcn Knötchen immer nur selten zu finden. 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Kindes. 


21 


ln einzelnen Präparaten schien es, als ob die jüngsten Knötchen- 
vorstadien, wie sie innerhalb der drei Zonen vollausgebildeter Einzel¬ 
knötchen beschrieben wurden (bestehend aus einem Pilzfädenkonglome¬ 
rat innerhalb einer Anhäufung polymorphkerniger Leukozyten und 
nach außen hin umsäumt von einem Fibroblastenring), auch außerhalb 
fertiger Knötchen, also gewissermaßen als selbständige Gebilde Vor¬ 
kommen. Es gelang aber in einigen solchen Fällen, in denen mehrere 
aufeinanderfolgende Schnitte derselben Stelle zur Untersuchung ge¬ 
langten, nachzuweisen, daß diese scheinbar isolierten Knötchenvor- 
stadien doch innerhalb der peripheren Zone eines im nämlichen Schnitt 
nicht sichtbaren vollausgebildcten Knötchens (Mutterknötchens) lagen. 
In den übrigen wenigen Fällen, in denen es mangels einer Schnittfolge 
nicht mit Sicherheit entschieden werden konnte, ob die jungen, im Ent¬ 
stehen begriffenen Knötchen innerhalb oder außerhalb eines fertigen 
(Mutter-) Knötchens gelegen waren, durfte man aus dem Charakter des 
ihre unmittelbare Umgebung bildenden jungen Bindegewebes mit großer 
Wahrscheinlichkeit schließen, daß dieses Bindegewebe die periphere 
Zone eines auf der Höhe seiner Entwicklung stehenden Einzelknötchens 
(Mutterknötchens) darstellte. Es sind also Knötchenvorstadien, 
d. h. noch unfertige Knötchen, nur innerhalb fertiger Knöt¬ 
chen, d. h. ihrer Mutterknötchen, anzutreffen. Der Grund für 
diese Tatsache liegt darin, daß die Phagozyten, die die Pilzteile ver¬ 
breiten, nicht über die periphere Zone des Mutterknötchens hinaus¬ 
wandern. Daraus ergibt sich in Bezug auf das Fortschreiten des 
aktinoravkotischen Prozesses im Kiefer der Schluß,-daß neue aktino- 
mykotische Knötchen innerhalb vollausgebildeter Knötchen entstehen 
und sich erst in einem späteren Wachstumsstadium, wenn ihre drei 
Zonen ausgebildet sind, von ihrem Mutterknötchen abschnüren. 

Die Vereinigung einer Mehrzahl verschieden weit entwickelter 
(und rückgebildeter) Einzelknötchen zu einem Knötchenkonglomerat 
erfolgt auf die Weise, daß die sich berührenden Teile der peripheren 
Zone der Einzelknötchen miteinander verschmelzen. 

Streckenweise besitzt das aus dem Zusammenfluß benachbarter 
peripherer Zonen gebildete Bindegewebe etwas größere Breite und 
grenzt ein Konglomerat mehr oder weniger vollständig von anderen, 
benachbarten Konglomeraten ab. Man kann auf diese Weise gewisser¬ 
maßen Konglomerate erster Ordnung unterscheiden, die durch 
einfache Aneinanderlagerung verschiedener Einzelknötchen entstehen 
und außen von einer etwas breiteren Bindegewebszone umschlossen 



22 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


werden. Diese bilden ihrerseits mit anderen derartigen Konglome¬ 
raten wiederum Konglomerate zweiter Ordnung, die den grau¬ 
weißen aktinomykotischen Gewebsmassen innerhalb der Höhlen des 
erkrankten Kiefers entsprechen und zwischen Erbsen- und Tauben¬ 
eigröße schwanken. 

Das Verbindungsgewebe zwischen Kuötchenkonglomerateu and 
Knochengewebe (Uebergangszone). 

Die Knötchenkonglomerate des die Höhlen des erkrankten Kiefers 
ausfüllenden spezifischen Weichgewebcs werden umschlossen und mit 
dem Knochen verbunden durch ein Gewebe, das wie das entsprechende 
Gewebe bei der Zungenaktinomykose in seiner Gesamtheit als „Ueber¬ 
gangszone“ (Textfigur A) bezeichnet werden soll. 

Die Breite der Uebergangszone schwankt in jedem einzelnen 
Falle innerhalb weiter Grenzen. Selbst in ein- und demselben Präparat 
ist sie nur selten gleich, sondern oft an der einen Stelle gering 
in ihrer Ausbildung, an anderen Stellen mächtiger. Sie ist, wie im 
Voraus bemerkt sei und später näher erörtert werden wird, abhängig 
vom jeweiligen Alter des Krankheitsprozesses an der betreffenden 
Stelle, mit anderen Worten: Die Verschiedenheit in der Stärke der 
Uebergangszone hat ihren Grund im örtlichen Fortschreiten und im 
Stillstand des aktinomykotischen Prozesses. 

Mag nun die Uebergangszone schmal oder breit sein, immer lassen 
sich an ihr deutlich zwei Schichten unterscheiden, nämlich eine 
innere, den Konglomeraten zugekehrtc und mit ihnen eng verbundene 
bindegewebige Schicht und eine äussere, dem Knochen zugekehrte und 
ihm unmittelbar anliegende Schicht, die vorwiegend an den weiter 
unten zu schildernden Ab- und Anbauvorgängen des Knochens beteiligt 
ist. Da der histologische Bau der äußeren Schicht so eng mit den 
Knochenveränderungen verknüpft ist, daß er erst im Zusammenhang 
mit diesen behandelt werden kann, soll hier vorerst nur die innere 
Schicht beschrieben werden. 

Während die äußere Schicht der Uebergangszone überall nahezu 
gleichmäßige Stärke besitzt, bedingt ihre innere Schicht durch ihre 
wechselnde Stärke die oben erwähnten Schwankungen in der Breite 
der ganzen Uebergangszone. Die innere Schicht wird durch Binde¬ 
gewebe von verschiedener Dichte gebildet. An den schmälsten Stellen 
der Uebergangszone entspricht dieses Bindegewebe der peripheren Zone 
eines oder mehrerer Einzelknötchen (siehe oben S. 10). Es besteht 



Histologische Studien über die Kieferaktinoraykose des Rindes. 


23 


hier aus wenigen, zum Knötchen konzentrisch verlaufenden, locker 
verflochtenen, dünnen oder nur mäßig starken Bindegewebsfasern, in 
deren Maschen Anhäufungen zahlreicher Polyblasten und Plasmazellen 
sowie vereinzelte Leukozyten liegen, zwischen denen kapilläre Gefäße 
verlaufen. Mit zunehmender Breite der Uebergangszone werden die 
Bindegewebsfasern nach außen hin schrittweise stärker und dichter, 
ihr Verlauf wird regellos, und die zwischen ihnen eingeschlossenen 
Zellen hämatogener Abkunft nehmen an Zahl ab. Neben Kapillaren 
treten dann auch kleine arterielle und venöse Blutgefäße in gewöhnlich 
mäßiger Zahl auf. An den Stellen, an denen die Uebergangszone 
größere Breite erlangt, nimmt das Bindegewebe nach dem Knochen 
hin allmählich den Charakter straffen, zellarmen, derben fibrösen Ge¬ 
webes an. 

Festes Knochengewebe (Tela ossea). 

Die äußere Schicht der Uebergangszone ist, wie schon 
oben betont wurde, mit der Tela ossea eng verbunden. Sie stellt 
den Schauplatz für den Kampf des aktinomykotischen Gewebes mit 
dem Knochengewebe dar. Es muß daher die Schilderung dieser 
äußeren Schicht der Uebergangszone gleichzeitig Aufschluß geben über 
die Reaktionsvorgänge, die sich unter dem Einfluß des Aktinornykose- 
erregers an der Tela ossea abspielen. 

Der histologische Aufbau dieser äußeren Schicht der Uebergangs¬ 
zone, also der Grenzschicht zwischen spezifischem Weichgewebe und 
Knochen, scheint auf den ersten Blick, meist sogar in demselben 
Präparat, eine regellose Mannigfaltigkeit darzubieten. Der Vergleich 
unserer zahlreichen Präparate miteinander führte aber bald zu der 
Erkenntnis, daß die gleichen histologischen Bilder immer wiederkehren, 
und legte die Bedingungen klar, unter denen dies geschieht. Das 
nähere Studium der Bilder ergab die wesentliche Tatsache, daß 
die verschiedenen Vorgänge in der Grenzschicht abhängig 
sind von der Breite und Dichte der inneren (bindegewebigen) 
Schicht der Uebergangszone. Unter diesem Gesichtspunkte kann 
man alle die verschiedenen Befunde an der Grenzschicht in zwei Haupt¬ 
gruppen einteilen, die, wie im Voraus bemerkt sei und wie noch näher 
begründet werden wird, zwei verschiedenen Stadien des Krauk- 
heitsprozesses entsprechen. Es lassen sich diese Stadien zwar histo¬ 
logisch scharf voneinander trennen, räumlich gedacht, laufen sie jedoch 
nicht nur ira Bereich desselben Knötchenkonglomerats, sondern so¬ 
gar im Bereich desselben Einzelknötchens oft dicht nebeneinander ab. 



24 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


Das erste Stadium finden wir an den Stellen, an denen die 
aktinomykotisclien Knötchenkonglomcratc nur durch wenige Schichten 
lockeren jungen Bindegewebes vom Knochengewebe getrennt sind. Es 
ist gekennzeichnet durch ResorptionsVorgänge an der Tcla ossea 
(Textfigur A). 

Die histologische Voraussetzung des zweiten Stadiums ist eine 
etwas breitere bindegewebige Ucbergangszonc. Sie bedingt Apposi¬ 
tionsvorgänge an der Tela ossea. 

a) Resorptionsvorgänge. 

Stellen mit Resorptionsvorgängen sind in unseren Präparaten 
häufig. Ihre Zahl ist verschieden; sie läßt keinen bemerkenswerten 
Unterschied erkennen hinsichtlich der einzelnen untersuchten Fälle 
auch nicht im einzelnen Falle hinsichtlich der Gegend des erkrankten 
Kiefers, von der die Schnitte genommen sind. Selten erstrecken sich 
die Resorptionsvorgänge auf die ganze knöcherne Umfassung eines 
Knötchenkonglomerats oder Einzelknötchcns. Meist sind cs vielmehr 
in den histologischen Präparaten nur kürzere oder längere Strecken 
(also größere oder kleinere Flächen des an Knötchenkonglomerate oder 
Einzelknötchen anstoßenden festen Knochengewebes), in deren Bereich 
die für die Resorption erforderlichen Bedingungen gegeben sind, d. h. 
in deren Bereich die innere Schicht der Ucbergangszonc die erforder¬ 
liche geringe Breite besitzt. 

Alle die erwähnten Stellen zeigen das folgende, im wesentlichen 
einheitliche Verhalten: 

Zwischen dem jungen Bindegewebe der peripheren Zone eines 
oder mehrerer gegen den Knochen vorgeschobener Einzelknötchen und 
dem letzteren liegt eine Reihe vielkerniger Riesenzellen (Osteo¬ 
klasten). (Vgl. Textfigur A, c und ß, c, Cj.) Die Größe dieser Zellen 
ist sehr verschieden. Die kleinsten unter ihnen haben etwa den 
Umfang eines größeren Fibroblasten, doch sind sic nur selten so 
klein. Die Mehrzahl besitzt die 3—6 fache Größe eines Fibroblasten, 
und einzelne wiederum übertreffen auch dieses Durchschnittsmaß noch 
erheblich. Regellos finden sich kleine und große Zellen an ein und 
derselben Stelle nebeneinander vor. Ihre Gestalt ist fast immer ovoid, 
bald mehr länglich und flach, bald kurz und dick. Fast ausnahmslos 
verläuft ihr größter Durchmesser parallel zum Knochenrand. Die 
Begrenzung der dem Knochen zugekehrten Seite der Zellen ist in der 
Regel ein glatter Kreisbogen und weist nicht selten eine stärkere 




HisioJegiscI«? SVJitm üb'.ir *iie Rindes 


.Krümmung jjjfflj ai> dife weniger .regelmäßig, zuweilen etwas ImeM’fig 
verlaufende. vom Knoche« abgev.-fiicift^ Seite. Die Kern" di"Mer Zdleti: 
l'(.'SU/"o vnmeiM die Grüße eines minieren Kihiohla^tcrikernes oasi 


Art-- ai.dij'itfiv'.i'Mri'-ht l'it<7*-)l;nß|jilißf) io. o,> io Kmielu-n (!»> mit 

v C/flojr^iing^jf/pp utxl ,t\oin-liennviore.t'««n ’d«< <>U ostCoMa-a-T: /<• Im Mark 

in it*r >: ,i tf*>;v8j«»irptioii8gc‘bici : ö .\ppeviiief! •isi'o.üUrf gßi0 Ibuntt-xylif.- 
lui.siti :?!‘ukc iLi!.»'f*orivercicW■ cru 


Hei G.ärlwef YeieWiüsu’um: cr-seiieiiit die Kern 
■tWrii/ü-he «ft IGeifiliMokerie, Die- Kr. ne Kirhrt. sieh mit KemKuij 
i'!w dunkler -ab FibroMteleftke-rw, «Joch sind Ge \ erfmicnU- 
miißiir arm an Gli'numtin. das. zu kleinem durch dünne Fa/Jeheit mit- 






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H<vr. 3i>i—:(»(> Ki.tiu . «. ! }i.;mik(».n-i-:us.;-.j» i>f iliu l;r-( £ leiehnüßigo. VlT- 

u’ili'iug iihw iii- ii.u.ix.o Zrijc. f.> komm- ihvdkms <••••*r<a< !.<*•( Werde«* 
il/'li sm f-ti'li •.li-n l{;t(i.i oder ein*' Seire der Zeile y.iis.anVmeodräügen, 
v>ie ck&a ;c. !-. !>■•» Tuimrludntwen/eilet! du-'Kefiei Vst. Die Lage, der 
KeriTi) in dri' Zelte gutdrfaHder iediemf uu'defi'' I&nnicerhältni 

ro> Zei.V(dj) «bwthiiügtüi;: (k'W'diofek yirid die Kerne ad. iV ihrem; grüßten 




Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


27 


Durchmesser einander parallel geordnet, bisweilen liegen sie jedoch 
ganz regellos. Bei dem großen Kernreichtum dieser Zellen müßte 
man erwarten, Kernteilungsfiguren zu finden. Indessen blieb alles 
Suchen nach solchen erfolglos. Das Zytoplasma besitzt feinwabigen 
Bau. Es ist zumeist an der dem Knochen abgewendeten Seite am 
dichtesten und dunkelsten und hellt sich nach der dem Knochen zu¬ 
gewendeten Seite zu allmählich auf. Es schließt größere und kleinere 
Vakuolen ein, die auf der letztgenannten Seite besonders zahlreich 
sind. Eosin hält es bei der Färbung intensiver fest als andere Zellen. 
Das tritt besonders deutlich in die Erscheinung bei Präparaten, die 
mit Eosin überfärbt und dann reichlich in Wasser ausgewaschen 
wurden. Es heben sich dann die beschriebenen Riesenzellen infolge 
stärkerer Rotfärbung ihres Zytoplasma^ scharf gegen ihre Umgebung 
ab. Bei Methylenblaufärbung nach Askanazy nimmt das Zytoplasma 
einen tiefblauen Farbenton an, während dasjenige der umliegenden 
Gewebszellen nahezu entfärbt erscheint. Neutralfette können im Zyto¬ 
plasma nicht nachgewiesen werden. 

Von besonderer Bedeutung ist die Beziehung dieser Riesen¬ 
zellen zum Knochen. Der das aktinomykotische Gewebe be¬ 
grenzende Knochenrand ist nicht glatt, sondern verläuft zackig. Er 
bildet eine Reihe von grubigen Buchten (Lakunen), von denen jede 
durch eine Riesenzelle ausgefüllt wird (Textfigur B). Lakunc und 
Zelle, passen zueinander. Meist schmiegt sich der Leib der Riesen¬ 
zelle der Lakunenwand dicht an. Da, wo zwischen Zclleib und 
Knochen ein schmaler Zwischenraum nachweisbar ist, verlaufen die 
Konturen von Zelle und Knochen genau parallel. Dies zeigt, daß 
der erwähnte Zwischenraum ein Kunstprodukt sein muß (Schrumpfung 
der Zelle). Mit ihrer freien, dem Gewebe zugekehrten Seite kann die 
Riesenzeile den Rand ihres knöchernen Bettes etwas überragen. In 
seltenen Fällen kommt es vor, daß sich in einer Lakune Teile zweier 
Riesenzellen finden. Eine Erklärung für diese Erscheinung wird weiter 
unten gegeben. Die einzelnen Lakunen mit ihren Riesenzellen liegen 
dicht nebeneinander. Nur schmale zackige, bald zugespitzte, bald 
stumpfe Knochenvorsprünge trennen sie. 

Das histologische Verhalten des Knochengewcbes (Text¬ 
figur B) in der Nähe der mit Riesenzellen besetzten Lakunen 
ist folgendes: Die Knochenzellen und Knochenhöhlen (Knochen¬ 
körperchen) selbst in unmittelbarer Umgebung der Lakunen zeigen in 
bezug auf ihre Größe, Gestalt, Färbbarkeit und scharfe Begrenzung 



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sch lieblich die bei reifende Knoclienzcile gap» imu'rh.'iih . de-' Rufbus 
der die Li'tkuiii: {jusfüllejuh'il Riesen ZC‘11(> rJ.Vxtfigur 'P-T t( : ;Vm;li hi.-r 
.gilt m btv.ug mt die Abgrenzung zwischen beiden das .soeben Gesagte. 






Histologische Studien über die Kieferaktinomykoso des Rindes. 


29 


Der Kern der freiwerdenden und freigewordenen Knochenzelle verhält 
sich etwas verschieden, je nachdem er von einer Riesenzelle aufge¬ 
nommen ist oder nicht. Ist dies nicht der Fall, so zeigt der Kern 
keinen wesentlichen Unterschied im Vergleich zu den noch von der 
Tela ossea eingeschlossenen Zellen, während er, sobald die Knochen¬ 
zelle von einer Riesenzelle größtenteils oder ganz umschlossen ist, 
kleiner und dunkler erscheint, also gewissermaßen eine Schrumpfung 
erfahren hat, was auf sein Zugrundegehen in der Riesenzelle schließen 
läßt (Textfigur D, d). Der Vorgang der Aufnahme von freiwerdenden 
Knochenzellen seitens der Riesenzellen ist offenbar als Phagozytose 
zu deuten. 

Ebenso wie die Knochenkörperchen lassen auch die Knochen¬ 
kanälchen in der Nähe der Lakunen keine Veränderungen erkennen. 

Die Wand der Lakunen wird also von Knochengrundsilbstanz, 
stellenweise oft auch von der Wand eröffneter Knochenhöhlen gebildet. 
Die Knochengrundsubstanz zeigt an den Lakunen und somit gegen¬ 
über den Riesenzellen stets eine scharfe, glatte Grenze, und zwar als 
eine in den gefärbten Präparaten dünne, durch Hämatoxylin dunkel¬ 
blau darzustellende Konturlinie, die angesichts ihrer Aehnlichkeit mit 
den Kittlinien und Wandungen der Knochenhöhlen wohl wie diese als 
eine besondere, verdichtete Schicht der Grundsubstanz (Zona limitans) 
aufgefaßt werden muß. Andere histologische Strukturveränderungen 
der Knochengrundsubstanz als diese Verdichtung ihres äußersten Randes 
gegenüber den Riesenzellen sind nicht nachzuweisen. 

Es ist von uns noch die Frage untersucht worden, ob die mit 
Riesenzellen besetzten lakunären Vertiefungen zu den einzelnen histo¬ 
logischen Bestandteilen der Knochengrundsubstanz bestimmte Be¬ 
ziehungen zeigen. Es ließ sich feststellen, daß die Lakunenbildung ganz 
regellos, ohne Rücksicht auf den Aufbau der Knochengrundsubstanz 
wie überhaupt des ganzen Knochens erfolgt. Keineswegs entsprechen 
die lakunären Einbuchtungen des Knochenrandes den Zellterritorien 
Virchows; ebensowenig richten sie sich nach den Knochenfibrillen oder 
der Kittsubstanz, vielmehr durchschneiden sie beide ganz willkürlich. 

Von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der hier ge¬ 
schilderten Befunde ist die Frage, ob der Kalkgehalt der Knochen¬ 
grundsubstanz in der Umgebung der Lakunen verändert ist. 
Die zum Nachweis eventuell vorhandener kalkloser Substanz des 
Knochens angewandten, im Kapitel „Material und Methodik“ näher 
beschriebenen Untersuchungsverfahren lieferten folgende Ergebnisse: 



30 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


In durch Trichloressigsäurc vollständig entkalktem Knochen soll nach der 
von Best zur Darstellung des Glykogens ausgearbeiteten Färbemethode die Unter¬ 
scheidung vor der künstlichen Entkalkung kalkhaltig oder kalklos gewesener Knochen¬ 
substanz dadurch möglich sein, daß sich erstere rot färbt, während letztere farblos 
bleibt. Dieser Färbung wurden in 10 Fällen jeweils Gefrier- und Zelloidinschnitte 
unterzogen. Immer erschien die Knochengrundsubstanz der in Frage kommenden 
Stellen bis unmittelbar an die Grenzlinien der Lakunen rot gefärbt. 

Bei unvollständiger Entkalkung des Knochens in Müllerscher Flüssigkeit nimmt 
kalkhaltiges Gewebe durch Behandlung mit Ilämatoxylin und Ammoniakkarmin blaue, 
kalkloses rote Farbe an. In 4 Fällen, in denen diese Methode zur Anwendung kam, 
war das Knochengewebe in der Nähe der Lakunen graublau gefärbt, während rote 
Stellen hier fehlten. 

Andere ebenfalls nach Herabsetzung des Kalkgehaltes in Miillerschor Flüssig¬ 
keit gewonnene Schnitte der vorstehend genannten vier Fälle zeigen bei Behandlung 
mit Silbernitratlösung und nachfolgender Hämatoxvlin-Eosin-Färbung verschiedenes 
Verhalten. Einmal ist der Knochen bis an den Lakunenrand schwarz gefärbt, also 
kalkhaltig, ein andermal besitzt er einen m. o. w. breiten, rot tingierten Rand nicht 
nur an der dem aktinomykotischen Gewebe zugewendeten Seite, sondern auch an den 
drei anderen Seiten des Präparats, ln den letzteren Fällen ist zweifellos die durch 
ihre Rotfärbung als kalklos gekennzeichnete Zone ein Kunstprodukt infolge der zu 
weit getriebenen Entkalkung, so daß an den Knochenrändern des Blocks nicht 
lediglich eine Herabsetzung, sondern völlige Entziehung des Kalkgehalts stattgefunden 
hatte. Auch das Fischlersche Verfahren, durch das sich kalkhaitigor Knochen schwarz 
färbt (fettsaurcr Kalk), lieferte entsprechend der Silbernitratmethode bald bis an die 
Lakunen schwarz tingierten Knochen, bald mehrseitig vorhandene farblose Ränder. 

Völlig sichere Beurteilung des Kalkgehalts ist nur an Präparaten von un- 
entkalktem Knochen möglich. Es wurde daher versucht, geeignete kleine Stücke 
unentkalkten, nur 1 bis 2 Tage in Formalin fixierten Knochens auf dem Gefrier¬ 
mikrotom zu schneiden. In fünf Fällen gelang es, für vorliegende Zwecke brauchbare 
Schnitte zu erhalten. Ihre Behandlung mit Silbernitratlösung wie auch nach der 
Fischlerschen Methode ergab gleichmäßige Schwärzung der Knochengrundsubstanz 
bis zur Grenzlinie der Lakunen. 

Zur Erkennung einer teilweise erfolgten Kalkbcraubung des Knochens wird 
von manchen Autoren auch die Darstellung der von v. Recklinghausen zuerst 
beschriebenen Gitterfiguren mittels Gasinjektion hcrangezogen')• Auch wir haben 
die zu diesem Zwecke gebräuchlichen Methoden der Alaunbeize und Austrocknung 
an unentkalkten Schnitten versucht. Da aber die Schnitte von unserem Material 
im Vergleich zu dem bisher fast ausschließlich zur Darstellung von Gitterfiguren 
verwendeten weniger kalkhaltigen und daher leichter schneidbaren rachitischen und 
osteomalazischen Knochen verhältnismäßig recht groben mechanischen Insulten aus¬ 
gesetzt gewesen sind, war cs schwer, bei den auftretenden Gittern natürliche und 
künstliche gasgefüllte Hohlräume mit Sicherheit zu unterscheiden. Die schwarzen 
Gitter waren unmittelbar nach Herstellung der Präparate sehr zahlreich im Knochen 
des ganzen Schnittes, also nicht nur in der Nähe der Lakunen vorhanden, ver¬ 
schwanden aber nach kurzer Zeit (in der Regel schon nach etwa einer Stunde) 
vollkommen. Wahrscheinlich handelte es sich also hier nicht um echte Gitterfiguren, 
sondern um Kunstprodukte. Doch waren unsere diesbezüglichen Versuche infolge 
der entgegenstehenden technischen Schwierigkeiten zu unvollkommen, als daß sie 

1) Pommer allerdings erklärt die v. Reck 1 inghausensehen Gitterfiguren 
neuerdings als Produkt der „Säurewirkung gewisser Aufbcwahrungs- und Färbungs¬ 
mittel' 4 . 



Histologische Studien über die Kiefcraktinomykose des Rindes. 


31 


ein Urteil über Vorhandensein oder Fehlen von Gitterfiguren in der Nähe der 
Lakunen gestatten. 

In mehreren Fällen wurde auch die von v. Recklinghausen ausgearbeitete 
Thioninfärbemethode versucht, mit der die Produkte einer von v. Recklinghausen 
als „Trypsis“ bezeichneten, langsam verlaufenden Verflüssigung perizellulärer, peri¬ 
vaskulärer, lamellarer und interlamellärer Knochengrundsubstanz durch ihre Rot¬ 
färbung sichtbar zu machen sein sollen. Leider hat v. Recklinghausen bei 
seinem Verfahren weder Vorschriften über die Stärke der Lösungen, noch Angaben 
über die Dauer der einzelnen Prozeduren gemacht. Bei jeder Aenderung eines dieser 
Faktoren erhielten wir ein anderes Farbenresultat, das es uns unmöglich machte, 
das Vorkommen oder Fehlen der „Trypsis“ v. Recklinghausens zu entscheiden. 

Zusammenfassend ist also über die Untersuchung des Kalkgehalts 
der Knochengrundsubstanz zu sagen, daß mit keinem der ange¬ 
wandten Verfahren kalk loses Ge webe in der Nähe der Lakunen 
und Riesenzellen nachgewiesen werden konnte. Es zeigten 
vielmehr mehrere Färbemethoden (insbesondere die Silbernitrat- und 
Fischlersche Färbung an unentkalktem Knochen) in eindeutiger Weise 
das ungeschmälerte Vorhandensein der Kalksalze in den geschilderten 
Knochenpartien an. 

Das Wesentliche der bisherigen Schilderung ist kurz zusammen¬ 
gefaßt folgendes: Der Knochenrand besitzt an allen Stellen, an denen 
er nur durch wenige Schichten jungen Bindegewebes von den 
aktinomykotischen Knötchen getrennt ist, zahlreiche, dicht beieinander 
liegende, von der Knochenstruktur ganz unabhängige grubige Ver¬ 
tiefungen, Lakunen, die in der Regel durch je eine vielkernige Biesen¬ 
zelle vollkommen ausgefüllt werden. Im übrigen sind aber Veränderungen 
weder der histologischen Bestandteile noch des Kalkgehalts der Tela 
ossea nachweisbar. 

Bei Erörterung der Frage, wie die soeben geschilderten 
histologischen Bilder zu deuten sind, verdienen zwei Tatsachen 
besondere Beachtung. Erstens ist die regelmäßige Uebereinstimmung 
der Form der Lakune und der in ihr liegenden Riescnzelle bemerkens¬ 
wert. Man gewinnt den Eindruck, als ob die grubige Vertiefung im 
Knochen gewissermaßen durch die Riesenzelle ausgefressen worden sei. 
Zweitens schließt die von der Knochenstruktur gänzlich unabhängige 
Begrenzung der Lakunen sowie die Reaktionslosigkeit der benachbarten 
Knochen bestand teile aus, daß die Lakunen einem im Innern des Knochens 
sich abspielenden pathologischen Prozeß ihre Entstehung verdanken. 
Die Lakunen können also nur durch die spezifische Tätigkeit der 
Riesenzellen entstanden sein. Sie bedeuten ein Verschwinden, eine 



32 


ERNST JO KST und ALKRED ZÜMPE, 


Zerstörung von Knochensubstanz in einem der Größe der einzelnen 
Riesenzelle entsprechenden Umfang. Riesenzellen, die die Eigenschaft 
besitzen, eine derartige lakunäre Zerstörung des Knochens zu bewirken, 
nennt man Osteoklasten und das Verschwinden von Knochensubstanz 
durch ihre Tätigkeit lakunäre Resorption. Demnach ist der sich 
in nächster Nähe der aktinomykotischcn Knötchen an der Tela ossea 
abspielende, durch die geschilderten histologischen Befunde gekenn¬ 
zeichnete Vorgang als lakunäre Resorption durch Osteoklasten 
zu bezeichnen. 

Es entsteht die Frage, ob die im Vorstehenden geschilderte la¬ 
kunäre Resorption auf den hier zur Erörterung stehenden Krankheits¬ 
prozeß als solchen zurückzuführen ist. Lakunäre Resorption wird als 
physiologischer Vorgang in allen jenen Knochen beobachtet, die während 
der Wachstumsperiode oder nach vollendetem Wachstum infolge Aende- 
rung ihrer statischen oder mechanischen Verhältnisse eine Umbildung 
in ihrer Form oder inneren Einrichtung erfahren. Jedoch spielt sich 
diese physiologische Resorption in verhältnismäßig kleinem Maßstabe 
ab, während uns hier die Resorptionsvorgänge in einem Umfange ent¬ 
gegentreten, der das physiologische Maß weit überschreitet. Sic 
müssen also eine besondere Ursache haben. Diese Ursache kann nur 
in dem aktinomykotischen Krankheitsprozeß gesucht werden, der 
hier vorliegt. Die Richtigkeit dieser Annahme ergibt sich ohne 
weiteres, wenn man in den Präparaten die Lage Verhältnisse der Re¬ 
sorptionsgebiete zum aktinomykotischen Gewebe untersucht. Da zeigt 
es sich, daß die lakunäre Resorption umso lebhafter vor sich geht, 
je unmittelbarer das aktinomykotische Knötchen am Knochen liegt. 
Sie ist also da am lebhaftesten, wo die periphere Zone des Knötchens 
zugleich den bindegewebigen Teil der Uebergangszone bildet. Wenn 
die Uebergangszone nur um wenige Bindegewebsschichten breiter ist, 
sieht man zwischen den einzelnen tätigen Osteoklasten schon etwas 
größere Zwischenräume. Lakunen und Osteoklasten fehlen schließlich 
ganz an den Stellen, an denen die Uebergangszone ein mehr oder 
weniger breites fibröses Gewebe darstellt. Man kann somit feststellen, 
daß bestimmte örtliche Beziehungen der Resorptionsvorgänge zur 
aktinomykotischen Neubildung bestehen, und zwar werden diese Be¬ 
ziehungen bestimmt durch die Breite der Uebergangszone: Bei 
schmaler Uebergangszone finden wir lebhafte Resorption, 
bei breiter werdender Uebergangszone ein Nachlassen und 
schließlich bei einer gewissen Breite der Uebergangszone 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


33 


ein Aufhören der Resorption. Der Umstand, daß eine lebhafte 
Resorption nur bei schmaler Abschlußzone des aktinomykotischen 
Krankheitsherdes gegenüber dem Knochen in die Erscheinung tritt, 
laßt sich nur so erklären, daß Menge und Konzentration der 
Stoffwechselprodukte des Aktinomyzespilzes bestimmend für 
den Eintritt und den Grad der Resorptionsvorgänge sind: Bei schmaler 
Uebergangszonc werden die StofTwechselprodukte des Pilzes in größerer 
Menge aus dem spezifischen Krankheitsherd hinausgelangen und ihre 
Reizwirkung auf das benachbarte Knochengewebe entfalten können 
{Osteoklastenbildung!), während mit dem Breiterwerden der ab¬ 
schließenden Bindegewebszone der Durchtritt der StofTwechselprodukte 
erschwert wird, so daß letztere dann in nur geringer Menge und 
Konzentration auf das Knochengewebe einwirken können. 

Es ist hier noch die Frage der Herkunft der Osteoklasten 
zu erörtern. 

ln der Literatur werden folgende Ansichten vertreten: Ziegler (der übrigens 
die spezifische Eigenschaft der Riesenzellen als Knoehenbrecher* für nicht erwiesen 
erachtet) leitet sic von Granulationszellen, in einigen Fällen auch von Knochcn- 
zellen ab. Nach Köllicker gehen sie durch Umbildung aus Osteoblasten hervor, nach 
Schwalbo aus dem Endothel der inneren Knochenfläche. Pommer glaubt, daL> 
sie von Osteoblasten und auch von Endothclicn der Lyrnph- und Blutbahnen des 
Marks abstammen, ja nach seiner Ansicht kann das Protoplasma aller Zellen, die 
der Knochensubstanz nahe anliegen, osteoklastische Funktionen übernehmen. Nach 
Wegner entstehen sie durch „Proliferation der Gefäßwand' 4 . 

Nach unseren Befunden müssen die Osteoklasten vom Endost 
abstammen. Wir möchten dabei den Begriff des Endosts nicht 
beschränken auf die die Markräume auskleidenden (der Tela ossea an¬ 
liegenden) Zellen, sondern verstehen unter Endost alle Zellen der Mark¬ 
räume mit Ausschluß der blutbildenden Elemente und der Megakaryo- 
zyten. Die zellulären Vorgänge, die sich abspielen müssen, um aus 
Endostzcllen Osteoklasten hervorgehen zu lassen, sollen hier nicht weiter 
erörtert werden. Wir möchten nur hervorheben, daß zu einer Zeit, wo 
die Osteoklastenbildung unter der Einwirkung der Stoffwechselprodukte 
des Aktinomyzespilzes beginnt, das Mark des betreffenden Markraumes 
bereits Veränderungen im Sinne einer Umwandlung zu Granulations¬ 
gewebe erfahren hat. Bei diesen Veränderungen erfolgt eine gewisse 
Entdifferenzierung der Endostzellen, durch die sie das Aussehen von 
Fibroblasten annehraen. 

Wurde im Vorstehenden festgestellt, daß der aktinomykotischc 
Prozeß mit ausgesprochener Knochenresorption verläuft und 
daß die Resorption eine lakunäre ist, so bleibt doch noch zu unter- 

Archiv f. wissennch. n. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. 3 



34 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


suchen, ob an der mit der Aktinomykose verbundenen Knochenein¬ 
schmelzung nicht noch andere Formen der Resorption mitbeteiligt 
sind. In Betracht kommen außer der lakunären Resorption noch die 
Beseitigung der Knochensubstanz durch perforierende Kanäle (Kanaliku- 
lation) und diejenige durch vorhergehende Kalkbcraubung (Halistcrcsis). 

Vereinzelte Knochenkanäle, die je zwei Markräume der 
Spongiosa oder je zwei Haversische Räume der Kompakta verbinden, 
von einem Osteoblastenbelag ausgekleidet und mit gefäßhaltigem 
Bindegewebe ausgefüllt sind, Kanäle, die also alle Eigenschaften be¬ 
sitzen, die von echten Volkmannschen perforierenden Kanälen gefordert 
werden, kommen im Knochengewebe aktinomykotisch erkrankter 
Kiefer vor. Man findet sie nicht nur in der Nähe oben beschriebener 
Resorptionsgebiete, sondern auch in großer Entfernung davon. Ihre 
Verteilung im aktinomykotischen Kieferknochen läßt also irgendwelche 
Beziehungen zum eigentlichen Krankheitsprozeß nicht erkennen. 
Außerdem lehrt der Vergleich mit Schnitten von gesunden Unter¬ 
kiefern des Rindes, daß die perforierenden Kanäle bei der Kicfer- 
aktinomykose nicht über die auch im normalen Knochen häufig 
vorhandene Zahl hinaus vermehrt sind. Es kann mithin den 
perforierenden Kanälen eine Mitwirkung bei der Knochen¬ 
resorption im aktinomykotisch erkrankten Kiefer nicht 
zuerkannt werden. 

Die Knochenbeseitigung durch Ilalisterese ist an das Vor¬ 
handensein von Knochengewebe geknüpft, das vorher normalen Kalk¬ 
gehalt besitzt, im Verlauf der Erkrankung aber seine Kalksalze teilweise 
oder ganz verliert, ohne zunächst in bezug auf seine Form und Menge 
eine Einbuße zu erleiden. Wo immer wir in unseren zahlreichen 
Schnitten mit Hilfe der Seite 5 erwähnten Färbemethoden kalkloses 
oder unvollkommen kalkhaltiges Knochengewebe nachweisen konnten, 
handelte es sich lediglich um schmale Säume im Bereich lebhafter 
Knochenneubildung. Bei der näheren Beschreibung dieser Säume in 
dem die Appositionsvorgänge betreffenden Abschnitt wird begründet 
werden, daß es sich hier zweifellos um junges osteoides Gewebe, d. h. 
um während des Krankhcitsverlaufes neugebildetes und noch un¬ 
verkauftes oder noch nicht vollständig verkalktes Knochengewebe 
handelt. Alle unsere Bemühungen, Knochengewebe nachzuweisen, das 
durch Kalkbcraubung zum Zwecke der endgültigen Beseitigung vor¬ 
bereitet war, blieben erfolglos. Hierbei sei bemerkt, daß es ja noch 
nicht feststeht, ob überhaupt eine Knochenresorption durch Halisterese- 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


35 


vorkommt 1 ). Jedenfalls ist die Halisterese bei Erörterung der 
Möglichkeiten der Knochenresorption im aktinomykotischen Kiefer in¬ 
folge des Fehlens jedes positiven tatsächlichen Befundes auszu- 
schließen. 

Aus Vorstehendem ergibt sich somit, daß der lakunären Re¬ 
sorption allein die Raumbeschaffung für die Ausbreitung 
der aktinomykotischen Neubildung im Kiefer zufällt. 

An den vorbeschriebenen Resorptionsstellen besteht die Grenz¬ 
schicht zwischen aktinomykotischem Gewebe und Knochen, also die 
äußere Schicht der Uebergangszone, lediglich aus einer fast un¬ 
unterbrochenen Kette von in Knochenbuchten gelegenen tätigen Osteo¬ 
klasten, und sie stellt so gewissermaßen eine einfache Zellreihe dar. 
In nicht seltenen Fällen ist diese äußere Schicht jedoch dadurch ver¬ 
breitert, daß zwischen dem bindegewebigen Teil (d. h. der inneren 
Schicht) der Uebergangszone und der tätigen Osteoklastenreihe noch 
andere Zellformen liegen (Taf. I, Fig. 3). In der Hauptsache kommen 
hierbei Zellen in Betracht, die in ihren Größenverhältnissen und ihrer 
sonstigen Beschaffenheit den Fibroblasten entsprechen (Taf. I, Fig. 3), 
d. h. ihr Kern ist länglichrund oder fast spindelförmig und chromatin- 
arm, ihre Form ist verschieden, und ihr Zytoplasma steht oft mit 
zarten, kollagenen Fibrillen in Verbindung. Diese Verbreiterung der 
äußeren Schicht der Uebergangszone durch Fibroblasten läßt sich in 
einfacher Weise folgendermaßen erklären: 

Da die Knochenresorption bisweilen schneller fortschreitet als die 
aktinomykotische Neubildung sich vergrößert, so würde eine Lücke 
zwischen der Osteoklastenfront und dem bindegewebigen Teil der 
Uebergangszone entstehen. Eine solche Lücke kommt aber in diesen 
Fällen selbstverständlch nicht zur Ausbildung, vielmehr sorgt der 
Organismus durch Vermehrung von indifferenten Zellelementen für 
eine rechtzeitige Ausfüllung. Die indifferenten Zellelemente, die dabei 
zur Verwendung gelangen, sind junge Bindegewebszellen. 

Inmitten des vorbeschriebenen Fibroblastengewebes trifft man 

1) Seit Pommers grundlegenden Arbeiten über die pathologischen Vorgänge 
am Knochengewebe sieht die Mehrzahl der Knochenpathologen, vor allem Hanau, 
Looser, Schmorl, Axhausen, Ribbert, Chiari, die Annahme einer Hali¬ 
sterese nicht für bewiesen an. Die genannten Autoren fassen alles Osteoid einheit¬ 
lich als durch Apposition neugebildetes, unvcrkalkt gebliebenes Knochengewebe auf. 
Andere Autoren (v. Recklinghausen, Marchand, M. B. Schmidt) allerdings 
halten an der Anschauung, daß osteoides Gewebo bei osteomalazischen Prozessen 
vorwiegend durch Kalkberaubung des präexistierenden Knochengewebes entsteht, fest. 

3* 



36 


ERNST JOEST und ALFRED Zl'MPE, 


häufig noch eine andere Zellart au, die zuweilen einzeln, meist jedoch 
gehäuft in größeren oder kleineren Gruppen auftritt (Taf. I, Fig. 3, c). 
Diese Zellart ist etwa um das Drei- bis Sechsfache größer als die 
vorstehend erwähnten Fibroblasten, zeigt in der Regel kugelige oder 
ovoidc Gestalt und besitzt eine zumeist große Anzahl von im Zellcib 
nahezu gleichmäßig verteilten Kernen, die sich morphologisch in nichts 
von Fibroblastenkernen unterscheiden. Es handelt sich also um 
Riesenzellen, die große Aehnlichkeit mit den Osteoklasten auf¬ 
weisen. Jedoch unterscheiden sie sich von letzteren, abgesehen von 
ihrer Lage, durch ihre kugelige Gestalt, durch ihre helleren, chromatin- 
ärmcren, im Gegensatz zu den etwas höckerigen Osteoklastcnkernen 
glattkonturierten Kerne und durch ihr mit Eosin weniger intensiv sich 
färbendes, also weniger dichtes Zytoplasma. Bei der Askanazysehen 
Färbung erscheint das Zytoplasma dieser Zellen um so mehr entfärbt, 
je weiter die letzteren vom Knochen entfernt liegen. 

Das Vorkommen von Riesenzelleu (neben echten, unmittelbar am 
Knochen gelegenen Osteoklasten) etwas entfernt vom Knoclienrand 
innerhalb des Weichgewebes, teilweise zu Haufen angeordnet, beschreibt 
auch von Rustizky bei einem Fall von in Heilung begriffener trau¬ 
matischer Schädel Verletzung, ferner bei einem Schädelsarkom und bei 
einer Kallusresorption. Unterschiede im Aussehen dieser Riesenzellen 
gegenüber Osteoklasten erwähnt er jedoch nicht. 

Es entstellt die Frage, wie diese etwas entfernt vom Knochen 
liegenden Riescnzellen zu deuten sind. Wenn wir uns vergegen¬ 
wärtigen, daß bei der Knochenresorption mit dem peripheren Fort¬ 
schreiten eine Vergrößerung des Resorptionsgebietes eintritt und daß 
damit auch eine größere Zahl von Osteoklasten notwendig wird, so 
ist es ohne weiteres klar, daß fortgesetzt eine Neubildung von Osteo¬ 
klasten statthaben muß. Eine solche Neubildung von Osteoklasten 
wird aber nicht allein der Schaffung neuer Zellen dieser Art dienen, 
sondern man kann annehmen, daß sie auch den Ersatz funktions¬ 
untüchtig gewordener bewerkstelligt. Bezüglich dieses Untüchtigwerdens 
von Osteoklasten sei darauf hingewiesen, daß jede Zelle, nachdem sie 
eine Zeit lang tätig war, altert und dann durch eine neue Zelle der 
gleichen Art ersetzt wird. Ganz besonders wird ein solcher Ersatz 
notwendig werden bei Zellen, die sich, w r ie die Osteoklasten, während 
ihres Daseins intensiv funktionell betätigen (Knochenresorption) und 
deren Stoffwechsel infolgedessen ein hochgespannter sein muß. Für 
den Ersatz oder gewissermaßen für die Ablösung gealterter, mehr oder 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykosc des Rindes. 37 

weniger funktionsuntüchtig gewordener Osteoklasten durch neue Zellen 
dieser Art sprechen auch Bilder, die man in den Resorptionsgebieten 
bei der Aktinomykose zuweilen sieht, nämlich das Nebeneinander¬ 
liegen eines größeren und kleineren Osteoklasten in derselben Lakune, 
wobei der jüngere (kleinere) Osteoklast sich nach und nach zwischen 
den Knochen und seinen älteren Genossen schiebt, wodurch letzterer 
vom Knochen abgedrängt wird und bei dem unaufhaltsamen Fort¬ 
schreiten der Resorption 1 ) bald in eine gewisse Entfernung von 
diesem zu liegen kommt. 

Abgesehen von der im Vorstehenden erörterten Annahme des 
Alterns und Untüchtigwerdens muß es zu einer Trennung der Osteo¬ 
klasten vom Knochen an den Stellen kommen, an denen bei dem 
Resorptionsvorgang zwischen zwei Lakunen zufällig eine kulissenartig 
vorspringende Knochenspitze übrig geblieben ist, die nun, von zwei 
Seiten von Osteoklasten belagert, zur Resorption gebracht wird, während 
die allgemeine Resorptionslinie fortschreitet. Ist die Beseitigung des 
vorspringenden Knochengrates erreicht, so werden die dabei beteiligten 
Osteoklasten gewissermaßen überzählig, weil die Ausbuchtung in der 
Reihe der Osteoklasten, die bei dem vorhandenen Knochengrat noch 
bestand, nunmehr beseitigt ist und die Frontlinie der Osteoklasten 
entsprechend verkürzt ist. 

Mit der xVusschaltung gealteter oder überzählig gewordener Osteo¬ 
klasten und ihrer Isolierung vom Knochen werden sie, wie man vor¬ 
aussehen kann, die Form aller ruhenden Zellen, nämlich die Kugel¬ 
form annehmen. In der Tat zeigen die etwas entfernt vom Knochen 
gelegenen Riesenzellen diese Form. Da in der Nähe des Knochens 
Riesenzellen außer als Osteoklasten nicht Vorkommen, so darf man 
die hier zur Erörterung stehenden Riesenzellen unter Berücksichtigung 
ihrer Form und der Verteilung ihrer Kerne als ruhende, untätige 
Osteoklasten bezeichnen. Allerdings haben die Kerne der ruhenden 
Osteoklasten, wie gesagt, eine etwas andere Beschaffenheit wie die der 
tätigen. Das ist nicht überraschend; denn wir wissen aus der Physio¬ 
logie, daß der Kern funktionell tätiger Zellen eine gewissermaßen 
höhere Differenzierung aufweist als der Kern der gleichen Zellart im 

1) Dieses Fortschreiten der Resorption des Knochens zwingt selbstverständlich 
die dabei beteiligton Osteoklasten, mit der Verschiebung der Lakunen und der 
schrittweisen Beseitigung des anstoßenden Knochens überhaupt vorzurücken, wenn 
anders die Resorption nicht zum Stillstand kommen soll. Denn nach allem, was wir 
uns von der Funktion der Osteoklasten vorstellen, ist es klar, daß sie nur in un¬ 
mittelbarer Berührung mit dem Knochen knochenauflösend zu wirken vermögen. 



38 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


Ruhestadium. Ein weiterer Beweis für die Richtigkeit unserer Annahme, 
daß die vorerwähnten Riesenzellen untätige Osteoklasten sind, kann 
in dem färberischen Verhalten der letzteren bei der Askanazvschen 

W 

Methode erblickt werden. Ihr Zytoplasma färbt sich, wie oben betont 
wurde, im Gegensatz zu demjenigen der tiefblauen tätigen Osteoklasten 
um so verwaschener, je weiter sie vom Knochen entfernt liegen. 
Fassen wir mit Askanazy die Basophilie (Blaufärbung) des Zellplasmas 
bei Behandlung nach genannter Methode als die Eigenschaft auf, die 
eine Gewebszelle (Osteoklast, Osteoblast, Granulationszelle) nur im 
Stadium jugendlicher Aktivität besitzt, die sie später aber verliert, 
so ist die Abnahme der Basophilie des Zytoplasmas der beschriebenen 
Riesenzellen als Merkmal des Alters und der Untätigkeit anzusehen. 

Ueber das Schicksal der ruhenden Osteoklasten ließ sich 
Bestimmtes nicht ermitteln. Erscheinungen, die auf einen bevor¬ 
stehenden Untergang hindcuten, wie Pyknose, konnten an ihren Kernen 
nur sehr ausnahmsweise festgestellt werden. Es ist infolgedessen 
naheliegend, anzunehmen, daß die größte Mehrzahl dieser Zellen nicht 
zugrunde geht, sondern eine weitere Umwandlung in dem Sinne er¬ 
leidet, daß sic das Bildungsmaterial für andere Zellformen abgibt. 
Die augenscheinliche Uebereinstimmung der Kerne dieser lviesenzellcn 
mit denen der Fibroblasten in Bezug auf Form und Chromatingehalt 
legt den Gedanken nahe, daß sie in Fibroblasten aufgeteilt werden. 
In der Tat kann man sehr nahe räumliche Beziehungen der um¬ 
gebenden Fibroblasten zu den ruhenden Osteoklasten feststcllen, und 
es hat in manchen Präparaten den Anschein, als ob benachbarte 
Fibroblasten mit ihrem Zytoplasma in kontinuierlicher Verbindung 
mit dem Zellcib der ruhenden Ricsenzellen stünden. So naheliegend 
die Annahme einer Aufteilung der ruhenden Osteoklasten in Fibro¬ 
blasten auf Grund vieler unserer Präparate erscheint, so halten wir 
doch den vollen Beweis hierfür noch nicht für erbracht. 

b) Appositionsvorgänge. 

Bezüglich der Häufigkeit des Auftretens von Gebieten im aktino- 
mykotisch erkrankten Kieferknochen, die durch Appositionsvorgänge 
gekennzeichnet sind, und über ihr Vorkommen in den einzelnen 
Fällen gilt dasselbe wie für die Resorption. Die Appositionsgebicte 
sind in allen Fällen zahlreich und finden sich ebenso oft in den 
inneren, wie in den äußeren Bezirken des erkrankten Kiefers. Im 
Vergleich zu den Resorptionsgebieten sind sic im Ganzen genommen 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 'S \ 

mindestens ebenso häufig wie jene. Stellenweise herrscht bald mehr 
die Resorption, bald mehr die Apposition vor. Es ist dies entsprechend 
dem zufälligen örtlichen Fortschreiten oder örtlichen Stehenbleiben des 
aktinomykotischen Prozesses in den verschiedenen Teilen des erkrankten 
Kiefers der Fall. 

Bei der histologischen Beschreibung der Appositionsgebiete soll 
von jenen Stellen ausgegangen werden, an denen die einfachsten Ver¬ 
hältnisse vorliegen. Es sind dies die Gebiete, an denen die Appo¬ 
sitionsvorgänge soeben frisch eingesetzt haben. Sic grenzen zumeist 
unmittelbar an die Resorptionsgebieto und beginnen dort, wo sich die 
Bindegewcbsschicht der IJebcrgangszone um einige Fibrillenzüge ver¬ 
breitert hat. Hier bietet sich uns das folgende histologische Bild: 

Auf die äußersten, konzentrisch zum aktinomykotischen Einzel¬ 
knötchen oder Knötchenkonglomerat verlaufenden Bindegewebszüge der 
l'ebergangszonc folgt nach dem Knochen zu ziemlich unvermittelt 
eine schmale Schicht jungen, weitmaschigen Granulationsgewebes, das 
vornehmlich aus spindelförmigen Fibroblasten und nur wenigen 
Lymphozyten in der Nähe der kapillären Gefäße besteht. Zwischen 
diesem Granulationsgeweb.e und dem Knochenrand liegt eine 
Schicht von besonderen Zellen (Osteoblasten), die sich durch 
ihr Aussehen und ihr regelmäßiges Lageverhältnis zum Knochen 
deutlich von den Fibroblasten unterscheiden (Taf. III, Fig. 4 und 5, a ). 
Sie bilden auf dem Knochenrand einen einschichtigen, pallisaden- 
artigen oder zylinderepithelähnlichen Belag. Ihr Umfang entspricht 
dem größerer Fibroblasten. Ihre Gestalt ist meist zylindrisch, säulen¬ 
förmig oder länglich oval, kann aber durch später noch zu erwähnende 
Zytoplasmaausläufer sehr mannigfaltig sein. In der Regel stehen die 
Zellen mit ihrer Längsachse senkrecht auf dem Knochenrand. In 
der dem Knochen abgewendeten Hälfte liegt der Zellkern, der die 
Größe eines Fibroblastenkernes und meist kugelige oder ovoide Ge¬ 
stalt besitzt. Sein Kontur ist scharf, seine Oberfläche glatt. Er er¬ 
scheint chromatinarm, jedoch ein wenig dunkler als der Kern von 
Fibroblasten. Sein Chromatin ist in kleine Häufchen geordnet, die 
durch dünne Fäden miteinander in Verbindung stehen. Die Größe 
und Zahl der Chromatinpartikelchen übertrifft etwas die der Fibro¬ 
blasten und entspricht denen der Kerne tätiger Osteoklasten; nur 
ihre Verteilung ist in der Regel etwas anders als bei den Osteoklasten¬ 
kernen. Während dort die Mehrzahl der Chromatinhäufchen der Kern¬ 
membran anliegt, sind sie hier über den ganzen Kern verteilt. Hie 



40 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


und da zeigen die Kerne Mitosen. Das Protoplasma der Zellen ist 
sehr dicht und im allgemeinen feinmaschig. Es besitzt eine geringe 
Anzahl von größeren, meist an der Peripherie des Zclleibes gelegenen 
Vakuolen. Infolge der Lage des Kernes besteht die knochenseitige 
Hälfte der Zelle vorwiegend aus Zytoplasma. Bei Hämatoxylin-Eosin- 
Färbung nimmt das Zytoplasma blauvioletten, bei Askanazy-Färbung 
dunkelblauen Farbenton an und unterscheidet sich dadurch deutlich 
von dem blaßrosa gefärbten bzw. ungefärbten Zelleib der in der Nähe 
gelegenen Fibroblasten. Diese Zellen sind als Osteoblasten zu be¬ 
zeichnen. 

Der dem Knochen zugekchrtc Pol der Osteoblasten grenzt unmittel¬ 
bar an einen dem Knochen aufsitzenden und ihm offenbar zuzurechnenden, 
sich mit Eosin rot färbenden Saum (Taf. III, Fig. 4 und Fig. 5, 6). 
Bei stärkerer Vergrößerung erkennt man, daß ein Teil dieser Zellen 
den roten Saum mit ihrem Zytoplasma nur berührt, ohne seine Grenz¬ 
linie zu ändern, während ihn andere mehr oder weniger tief einbuchten, 
wobei aber die Grenze des bei Hämatoxvlin-Eosinfärbung bläulich- 
violetten Zellprotoplasmas gegenüber dem roten Farbenton des Saumes 
stets deutlich hervortritt. Ein dritter Teil der Osteoblasten schließlich 
steht mit dem roten Saum des Knochens in innigster Verbindung. 
In letzterem Falle sendet das Zytoplasma fibrillenähnliche Ausläufer 
in den Saum hinein, die zunächst bläulich-violetten Farbenton besitzen, 
sich aber allmählich so abtönen, daß sie schließlich dieselbe Farbe 
zeigen wie der Saum und ohne erkennbare Grenze in ihn übergehen. 

Der erwähnte rote Saum des Knochens hat nur geringe und nicht 
überall gleichmäßige Breite. Seine dem Knochen abgewendete Be¬ 
grenzungslinie verläuft entsprechend dem oben beschriebenen Ver¬ 
hältnis zu dem ihm aufsitzenden epithelähnlichen Zellbelag wellenförmig 
und ist an vielen Stellen dem Protoplasma der Zellen gegenüber 
überhaupt nicht scharf ausgeprägt. Auf der dem Knochen zugewendeten 
Seite stößt der rote Saum mit einer zackig verlaufenden, bei Häma- 
toxvlin-Eosinfärbung dunkelblau gefärbten Linie (Grenzmarke) 1 ) an 

1) Die Bezeichnung „ Gren zm ark e“ haben wir der großen Arboit von 
Recklinghausens über „Rachitis und Osteomalazie“ entlehnt. Wir gebrauchen 
sie jedoch nicht in dem weiten Sinne, wie es dieser Forscher tut, sondern verstehen 
unter „Grenzmarken“ jene sich scharf abhebenden, nicht zur Knochenstruktur ge¬ 
hörigen, gezackten Linien, die die Grenze einer früher an dieser Stelle stattgehabten 
lakunären Resorption der Tcla ossea bezeichnen. In diesem engeren Sinne ent¬ 
spricht die Bezeichnung „Grenzmarke“ demjenigen, was v. Ebner „Kittlinic“ und 
Köllicker „Grenzlinie“ nennt. 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykosc des Rindes. 41 

die bläulich tingierte Knochengrundsubstanz. Seine Struktur erscheint 
homogen. An den Stellen seiner größten Breite schließt der Saum Zellen 
ein, deren Kern und Zytoplasma in allen Einzelheiten mit den seinem 
äußeren Rande epithelartig aufsitzenden Osteoblasten übereinstimmt. 

Das färberische Verhalten dieses Saumes bei den oben erwähnten 
zur Prüfung des Kalkgehaltes des Knochengewebes angewandten Ver¬ 
fahren ist folgendes: 

Bei der Methode nach Best bleibt der Saum farblos. In unentkalkten 
Schnitten, die mit Hämatoxylin-Ammoniakkarmin oder mit Hämatoxylin-Gosin ge¬ 
färbt sind, erscheint er rot gegenüber dem bläulichen Knochengewebe. Auch bei 
Behandlung der Schnitte von unentkalktcm Material mit Silbernitratlösung und 
nachfolgender Färbung mit Hämatoxylin-Eosin hebt er sich durch seine rote Farbe 
deutlich von der tiefschwarzen Knochengrundsubstanz ab. Die Fischlersche Methode 
liefert einen farblosen Saum am schwarzgefärbten Knochen. 

Aus allen diesen Ergebnissen folgt mit Sicherheit der Schluß, 
daß der Saum kalklos ist. 

Einen kalkloscn Saum am Knochengewebe kann man sich auf 
zwei Arten entstanden denken: Entweder durch Entziehung der Kalk¬ 
salze aus fertigem Knochen (Halisterese) oder durch Neubildung von 
Knochengewebe, in dem noch keine Kalksalzo abgelagert sind. Die 
erstere Möglichkeit wird, weil sie noch niemals objektiv zweifelsfrei 
hat nachgewiesen werden können, wie schon oben erwähnt, von namhaften 
Knochenpathologen bestritten. In unserem Falle erübrigt es sich aber, 
auf diesen Streitpunkt einzugehen; denn die innige Verbindung des 
kalklosen Saumes mit dem ihm in allen Fällen in seiner ganzen Aus¬ 
dehnung aufsitzenden, alle Merkmale lebhaft tätiger Osteoblasten 
tragenden Zellbelag kennzeichnet ihn zweifellos als neugebildot, 
also als Osteoid im Sinne Virchows. 

Das Ergebnis der bisherigen Beschreibung kann also kurz dahin 
zusammengefaßt werden, daß an den Stellen des Knochenrandes, die 
durch eine etwas breitere Bindegewebsschicht als die Resorptions¬ 
gebiete vom aktinomykotischen Gewebe getrennt werden, eine Neu¬ 
bildung von osteoidem Gewebe durch Osteoblasten am vor¬ 
handenen Knochen stattfindet, bei der sich die Osteoblasten derart in 
die Arbeit teilen, daß die Mehrzahl unter Verwendung eines Teiles 
ihres Zytoplasmas die Grundsubstanz des Osteoids bildet, während 
ein kleiner Teil, ohne anscheinend an der Erzeugung dieser Substanz 
wesentlich beteiligt zu sein, sich von ihr einschließen läßt, um später 
zu Knochenzellen zu werden. 



42 


KUNST JOEST und ALFRED /UMl’E, 


Außer diesen ersten Anfängen der Appositionsvorgänge linden 
wir in anderen Appositionsgebieten die verschiedensten Stufen der 
fortgeschrittenen Knochenneubildung. Die histologischen Ver¬ 
hältnisse gestalten sich nach unseren Präparaten hierbei folgender¬ 
maßen: Als nächste auf die oben beschriebene Apposition osteoider 
Säume an dem Rand des vorhandenen Knochens folgende Stufe der 
Knochenncubildung sind jene Stellen zu betrachten, an denen die 
Uebergangszone noch größere Breite erlangt hat und etwa aus 
10—25 konzentrisch zum Knötchenkonglomerat verlaufenden, an 
hämatogenen Zellen verhältnismäßig armen und nach dem Knochen¬ 
rande zu ziemlich lockeren Fibrillcnsehichten besteht. Hier bilden 
die Osteoblasten an Stelle eines'nur einschichtigen Belags dichte 
Haufen. Ihre Gestalt ist polygonal und die Lage ihres Kernes ver¬ 
schieden, bald auf dieser, bald auf jener Seite des Zelleibcs. Im 
übrigen aber unterscheiden sie sich in Bezug auf das Aussehen ihres 
Kernes und die Struktur und Färbbarkeit ihres Zytoplasmas nicht von 
den oben geschilderten Osteoblasten. 

In einigen dieser Anhäufungen von Osteoblasten haben die Zellen 
begonnen sich zu schmalen Doppelreihen zu ordnen, die an dem auch 
hier nur einschichtigen Ostcoblastenbelag des Knochenrandes beginnen 
und in bald senkrechter, bald mehr schräger Richtung vom Knochen¬ 
rand fortstroben, dabei selten geradlinig, meist krumm oder wellig 
verlaufen. In den Doppelreihen sind die Zellen mit dem größten 
Durchmesser einander parallel und senkrecht zur Richtung der Reihen 
gestellt. Ihre Kerne nehmen wieder eine regelmäßige Rage in der 
Nähe der Außenseite des Zclleibes ein. Die beiden Osteoblasten¬ 
fronten derartiger Doppelreihen sind verbunden durch fibrillenähnliche 
Zytoplasmaausläufer, die sich mit Kosin rot färben und einander so 
innig berühren, daß ihre Grenze oft nicht mehr zu sehen ist. Es 
erscheint dann zwischen den beiden Osteoblastenreihen eine mit dem 
osteoiden Saum des Knochenrandes zusammenhängende zapfenartige, 
bei schwacher Vergrößerung homogen, bei stärkster jedoch fibrillär 
aussehende Grundsubstanz, an deren Rändern die Zellen den gleichen 
pallisadenartigen Besatz bilden wie am Rande des benachbarten 
Knochens und gleichwie dort zu einem Teil mit ihrem Zytoplasma 
die Grundsubstanz nur berühren, zum anderen Teil sie einbuchten 
oder mit ihr in inniger Verbindung stehen. Das ganze Gebilde stellt 
also einen zapfenartigen Vorsprung des osteoiden Saumes des Knochens 
mit entsprechender Ausbuchtung des Osteoblastenbelags, ein osteoides 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


43 


Bälkchen dar. Fig. 5, Taf. III, zeigt bei b einen noch unverkalkten Teil 
eines neugebildeten Bälkchens. 

Der gleiche Vorgang der Osteoblastenanhäufung, Ordnung in Zcll- 
doppelreihcn und Bildung osteoider Grundsubstanz kann sich an 
mehreren Stellen dieses gewissermaßen primären, mit dem Osteoid¬ 
saum am Rande des vorhandenen Knochens verbundenen Bälkchen 
wiederholen, so daß auf diese Weise Seitenäste oder sekundäre osteoide 
Bälkchen zustande kommen. Durch Verbindung dieser Sekundärbälkchen 
mit anderen benachbarten entsteht ein Netzwerk aus osteoidem 
Gewebe. Durch weiteren Anbau von Osteoid seitens der Osteoblasten 
werden die zierlichen Bälkchen allmählich verstärkt, und zwar in der 
Regel zuerst die dem vorhandenen Knochen zunächst gelegenen. 
Gleichzeitig erfolgt auch hier die Einschließung von Osteoblasten durch 
die sich ablagernde Grundsubstanz und die Umwandlung dieser Zellen 
zu Knochenzellen. Die letzteren sind hier in der Regel zahlreicher 
vorhanden als im alten Knochen und besitzen einen etwas größeren, 
chromatinärmeren Kern als dort. Die Knochenhöhlen sind groß, zu¬ 
meist rund, im Gegensatz zu der sternförmigen Gestalt derjenigen 
ira präexistierenden Knochen, oder sie besitzen wenige plumpe Aus¬ 
läufer. Zuweilen stehen mehrere benachbarte Knochenhöhlen mit¬ 
einander in Verbindung. Durch die nicht lamellär geordnete, scheinbar 
regellose Lage der Knochenkörperchen, deren Längendurchmesser so 
gerichtet sind, daß sie an das Bild verflochtener Bindegewebsfasern er¬ 
innern, wird dem jungen Knochengewebe gcflechtartiger Charakter 
verliehen. 

An dem neugebildeten kalklosen Knochengewebe geht alsbald 
eine weitere Veränderung vor sich. Eine der Grenzmarke un¬ 
mittelbar anliegende, zunächst nur schmale, über der Ansatzstelle der 
primären Bälkchen jedoch breitere Zone des Osteoids weicht bei 
Hämatoxylin-Eosinfärbung in unentkalkten Schnitten durch ihre blau¬ 
rote Farbe vom roten Saum ab und erscheint somit in einem ähnlichen 
Farbenton wie der kalkhaltige Knochen. Mit Silbernilrat behandelte 
Schnitte lassen diese Zone schwarz hervortreten (Taf. III, Fig. 5, c). 
Das bedeutet, daß der dem vorhandenen Knochen zunächst gelegene 
Teil des osteoiden Saumes Kalksalze au fgenommen hat und dadurch 
zu fertigem Knochengewebe geworden ist. Die Verkalkung be¬ 
ginnt regelmäßig auch im axialen Teile der osteoiden Bälkchen, sobald 
sie eine gewisse Breite erlangt haben. Hier lassen sich die einzelnen 
Stadien der Kalkablagerung in den der Silbernitratmethode unterworfenen 



44 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


Präparaten deutlich verfolgen. Die jüngsten ßälkchen, falls sie nicht 
überhaupt noch gänzlich rotgefärbt, also kalklos sind, zeigen in ihrer 
Mitte eine feinkörnige staubförmige Schwärzung. In etwas breiteren 
ßälkchen sind die schwarzen Körnchen größer und liegen dichter bei¬ 
einander. In noch breiteren ßälkchen ist die Grundsubstanz in der 
Mitte homogen geschwärzt und geht mit einer schmalen, körnig- 
schwarzen, also noch unvollständig verkalkten Zone in die schmalen 
roten, d. h. noch osteoiden Ränder über, an denen die Osteoblasten 
weiterbauen. Hieraus kann man schließen, daß die Ablagerung der 
Kalksalze im osteoiden Gewebe in Form von kleinen, amorphen 
Körnchen erfolgt, die allmählich durch Ablagerung neuer Körnchen 
größer und dichter werden, bis sie eine völlige Durchsetzung der 
Grundsubstanz herbeiführen (Taf. III, Fig. 5). 

Es erzeugen also die Osteoblasten in der beschriebenen Weise 
ein Netzwerk regelmäßig und normal verkalkender grobfaserig ge¬ 
bauter Knochenbälkchen. Der neugebildete Knochen ist stets durch die 
Grenzmarke (Taf. III, Fig. 4 und Taf. IV, Fig. 6 [letztere zeigt drei 
Grenzmarken]), die oben erwähnte, mit Hämatoxylin sich dunkelblau 
färbende, scharfe, zackig verlaufende Linie, vom vorhandenen Knochen 
abgesetzt. Die Grenzmarkc bezeichnet die letzte Resorptionslinie, an 
der die lakunäre Knocheneinschmelzung zum Stillstand kam. 

Die Unterscheidung zwischen neuapponiertem und vorher 
schon vorhanden gewesenem Knochengewebe (Taf. III, Fig. 4, a, 
b , Taf. IV, Fig. 6, a, 6, b x , b 2 , Taf. V, Fig. 7, 6 -j- c, d) wird außer 
durch die Grenzmarke in vielen Fällen ermöglicht durch den geflecht- 
artigen Bau und den Knochenkörperchenreichtum des neuen (Fig. 4, b, 
Fig. 6, b, b u b 2 und Fig. 7, d) gegenüber der zumeist lamellaren Struktur 
des alten Knochens (Fig. 4, a, Fig. 6, a und Fig. 7, b , c). Besitzt aber 
letzterer aus später zu erörternden Gründen ebenfalls geflechtartigen 
Charakter, so gestattet die an der Grenzmarke unvermittelt sich 
ändernde Richtung des Faser Verlaufes zu erkennen, wo die Apposition 
am vorhandenen Knochen begonnen hat. Wir sind also in der Lage, 
aus den drei vorstehend genannten Momenten den Umfang der Knochen¬ 
neubildung im Bereich des den Knochen durchsetzenden spezifischen 
Gewebes histologisch genau festzustellen. 

Die Durchsicht unserer Präparate von diesen Gesichtspunkten 
aus ergibt die Tatsache, daß die Menge des durch Apposition 
im Innern des Kiefers neuentstandenen Knochengewebes 
verhältnismäßig gering ist, so gering, daß sie makroskopisch 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 45 

lediglich als rauhe Fläche, als scharfer Grat, spitzer Zapfen oder 
besonders feinwabige, schaumige Wucherung auf der knöchernen Wand 
der von der spezifischen Neubildung ausgefüllten Höhlen erscheint. 
Eine nennenswerte Mitwirkung bei der Entstehung der gesamten 
Knochenmasse der spindelförmigen Auftreibung, die dem aktinomy- 
kotisch erkrankten Kieferknochen das bekannte Aussehen verleiht, 
kommt der im Innern des Kiefers sich abspielenden Apposition dem¬ 
nach nicht zu. 

Die Apposition ist als RegenerationsVorgang aufzufassen. 
Kegeneration erfolgt, wie die Biologie im allgemeinen zeigt, stets nur 
dort, wo ein Verlust von Gewebe (Zerstörung von Gewebe) unter 
der Einwirkung einer Schädlichkeit stattgefunden hat und wo diese 
Schädlichkeit aufgehört hat zu wirken; und zwar setzt die Regeneration 
unmittelbar nach dem Aufhören der Gewebszerstörung ein, ohne daß 
für einen Zustand der Untätigkeit Zeit gelassen wird. Mit anderen 
Worten: Es beginnt automatisch, d. h. ohne Zutun eines besonderen, 
von außen kommenden Reizes kraft des dem Gewebe und seinen 
Zellen innewohnenden biologischen Bestrebens, den normalen Zustand 
wiederherzustellen, der Wiederersatz des Zerstörten. Fassen wir Re¬ 
sorption und Apposition bei Aktinomykose, insbesondere die Appo¬ 
sition, vom Standpunkt dieses biologischen Gesetzes auf, so ist von 
vornherein zu sagen, daß da, wo Apposition auftritt, die Schädlichkeit, 
die die Knochenzerstörung veranlaßte, aufgehört hat zu wirken oder, 
besser gesagt, keine Gelegenheit mehr hat anzugreifen. Die Schädlich¬ 
keit ist aber, wie oben dargelegt, in der Hauptsache in den Stoflf- 
wechselprodukten des Aktinomyzcspilzes zu suchen. Finden wir nun, 
wie vorstehend erwähnt, an jenen Stellen, an denen Knochenzer¬ 
störung im Gange ist, eine schmale Uebergangszone, während an 
jenen Stellen, an denen AppositionsVorgänge vorherrschen, eine 
breite Uebergangszone fcstzustellen ist, so ist es naheliegend anzu¬ 
nehmen, daß die Breite der Uebergangszone das bestimmende 
Moment dafür ist, ob an der betreffenden Stelle Resorp- 
tions- oder Appositions Vorgänge in die Erscheinung treten. 
Denn eine schmale Uebergangszone finden wir meist dort, wo der Ak- 
tinomvzespilz seine Wachstumsenergie durch Neubildung neuer Tochter¬ 
knötchen bekundet, während eine breite Uebergangszone meist mit 
einem Stillstand der Tochterknötchenbildung zusammenfällt. Auch 
wird eine schmale Uebergangszone ein Hingelangen von Stoflfwechsel- 
produkten zum Knochen ermöglichen, eine breite, bindegewebige, an 



46 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE. 


Blut- und Lymphgefäßen arme Uebergangszone wird dagegen gewisser¬ 
maßen wie eine Kapsel den Durchtritt von Stoffwechselprodukten aus 
der spezifischen Neubildung entweder vollständig verhindern oder ihn 
jedenfalls so einschränken, daß Osteoklastenbildung und durch diese 
bewirkte Zerstörungsvorgänge nicht mehr angeregt werden können. 

Nach der im Vorstehenden erörterten Auffassung ist die ver¬ 
schiedene Intensität (absolute Menge und Konzentration) der 
Stoffwcchselprodukte des Aktinomyzespilzes das bestim¬ 
mende Moment in bezug auf die sich am Knochen abspielen¬ 
den Vorgänge. Zusammenfassend läßt sich darüber das Folgende 
sagen: 

Größere Mengen und höhere Konzentrationen der Stoffwechsel- 
produkte des Pilzes bewirken Osteoklastcnbildung und reizen die 
Osteoklasten zur Ausübung ihrer resorbierenden Tätigkeit. Gehen 
Menge und Konzentration der Stoffwechselprodukte zurück, so fehlt 
das Stimulans für die Bildung der Osteoklasten und deren Tätigkeit; 
d. h. die Resorption hört auf. Sobald dies geschieht, setzt automatisch 
die Knochenregeneration ein, d. h. es kommt zur Osteoblastenbildung 
und zu einer durch die Osteoblasten bedingten Apposition von Knochen¬ 
gewebe. Der Regenerationsvorgang wird wahrscheinlich gefördert 
durch geringe Mengen und niedere Konzentrationen der Stoffwechsel¬ 
produkte des Aktinomyzespilzes, die als schwacher Reiz die Bildung 
von Osteoblasten und deren Tätigkeit begünstigen. Das Auftreten 
von Appositions- (Regenerations-) Vorgängen im Knochen in der Nähe 
der spezifischen Neubildung bedeutet zugleich einen Stillstand des 
Wachstums der spezifischen Neubildung. 

Stillstand und Fortschreiten der spezifischen Neubildung machen 
sich aber nun nicht an allen Stellen der Peripherie derselben in gleicher 
Weise bemerkbar, vielmehr sehen wir, daß die spezifische Neubildung 
an manchen Stellen ihrer Peripherie Resorptions-, an anderen Stellen 
Appositionsvorgänge aufweist, und zwar ist dies auch an den einzelnen 
Knötchenkonglomeraten der spezifischen Neubildung festzustellen. Wenn 
also im Vorstehenden von einem Wachstumsstillstand der spezifischen 
Neubildung die Rede war, so bezeichnet dies nur eine Lokaler¬ 
scheinung für einzelne Stellen ihrer Peripherie. Mit anderen Worten: 
Die spezifische Neubildung zeigt in Bezug auf ihre Neigung 
zur Ausbreitung an verschiedenen Stellen ihrer Peripherie 
und zu verschiedenen Zeiten ein wechselndes Verhalten, es 
bleibt, wie man auch sagen kann, die Ausbreitungsrichtung nicht immer 
die gleiche. 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykosc des Kindes. 


47 


Der Stillstand des Wachstums der spezifischen Neubildung ist 
also stets örtlich begrenzt, er besteht aber auch nur zeitweilig. Denn 
abgesehen davon, daß es der Neubildung freisteht, nach anderen Rich¬ 
tungen weiterzuwachsen, ist auch ein Weiterwachstum an der Stelle, 
an der bereits eine breitere Uebergangszone einen vorläufigen Abschluß 
bewirkt hatte, möglich, indem sich in der entsprechenden Partie der 
Neubildung neue aktinomykotische Einzelknötchen entwickeln. Ist 
letzteres der Fall, so steigen hier Menge und Konzentration der Stoff¬ 
wechsel produkte des Aktinomyzespilzes, und dieser Umstand bringt 
es notwendiger Weise mit sich, daß trotz einer etwas breiteren Ueber¬ 
gangszone von neuem Resorptionsvorgänge in der Richtung, die dern 
Neuauftreten von Knötchen entspricht, einsetzen. Es scheint allerdings, 
als ob das Wiedereinsetzen der Bildung neuer Einzelknötchcn gleich¬ 
zeitig auch eine Verdünnung der das Knötehenkonglomcrat kapsel¬ 
artig umgebenden Uebergangszone zu bewirken imstande ist. Einzelne 
Präparate können als Beispiele für eine derartige Verdünnung der 
Uebergangszone aufgefaßt werden. Wie die Verdünnung erfolgt, ob 
durch Resorption oder Druckatrophie des Bindegewebes, ließ sich end¬ 
gültig nicht feststellen. 

Der in den erwähnten Fällen erneut einsetzenden Knochenre¬ 
sorption fallen selbstverständlich auch bereits durch Apposition neu¬ 
gebildete Knochenschichten zum Opfer. Nimmt man nun an, daß die 
erneute Resorption wiederum zum Stillstand kommt, bevor sie die 
von der früheren Resorption herrührende Grenzmarke erreicht hat, 
und daß nunmehr von neuem AppositionsVorgänge einsetzen, so muß 
an dieser Stelle eine doppelte Grenzmarke entstehen. Nicht nur 
doppelte, sondern sogar mehrfache Grenzmarken konnten wir in 
mehreren Fällen beobachten (Taf. IV, Fig. 6). 

Die Richtigkeit dieser Erklärung ließ sich unmittelbar in einem 
Falle fcststellen, in dem an der Wand eines von spezifischer Neubildung 
ausgefüllten Hohlrauraes des Kieferknochens eine typische zackige 
Grenzmarke nachweisbar war, auf die nach innen zu eine Lage neu- 
gebildeten Knochens folgte, an dessen osteophytenähnlich vorragenden 
Teilen von neuem lakunäre Resorption durch Osteoblasten stattfand. 
Wenn hier die zweite Grenzmarke auch noch fehlte, so waren jeden¬ 
falls doch die Vorbedingungen für ihre Entstehung durch erneute 
Resorption des apponierten Knochens gegeben. 

So geben die doppelten Grenzmarken auch nach längerer Zeit 
Kunde von dem früheren Wechsel zwischen Resorptions- und Appo¬ 
sitionsvorgängen. 



48 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE 


Da spezifische Neubildung samt Uebergangszone den von ihr be¬ 
setzten llohlraura im Knochen so vollständig ausfüllt, daß auf den 
ersten Blick kein Raum für eine Neubildung von Knochen zur Ver¬ 
fügung zu stehen scheint, so ist noch die Frage zu erörtern, wie 
der Raum für den neugebildeten Knochen gewonnen wird. 
Es geschieht dies dadurch, daß die Uebergangszone, die ja aus jungem 
fibrillärem Bindegewebe besteht, entsprechend der Knochenzubildung 
ein dichteres Gefüge annimmt und dabei eine Volumverminderung 
erfährt. Die Knochenneubildung nimmt solange ihren Fortgang, als 
die Uebergangszone in dem vorgedachten Sinne Raum herzugeben 
vermag, und hört auf, sobald dies nicht mehr möglich ist, d. h. so¬ 
bald der Gegendruck des Bindegewebes der Uebergangszone, also der 
spezifischen Neubildung, so groß wird, daß er die weitere knochen- 
bildende Tätigkeit der Osteoblasten verhindert. Dieser Gleichgewichts¬ 
zustand muß bei der verhältnismäßig geringen Schrumpfungsmöglich¬ 
keit der Uebergangszone sehr bald eintreten. Hieraus dürfte sich 
auch der geringe Umfang der Knochenneubildung innerhalb der vom 
spezifischen Gewebe ausgefüllten Ilohlräume im Knochen erklären. 
Es liefert die Apposition im allgemeinen nur eine dünne Knochen¬ 
tapete dieser Hohlräume. 

Als Beweis für die Richtigkeit der soeben gegebenen Erklärung 
der Beschränkung der Apposition kann man jene Befunde ansehen, 
bei denen die Wand eines von der spezifischen Neubildung eingenom¬ 
menen Knochenhohlraumes prismatische, gratförmige Vorsprünge neu¬ 
gebildeter Knochenmassc aufweist. Es läßt sich hier feststellen, daß 
diese örtlich gesteigerte Knochcnneubildung dem Zwischenraum zwischen 
zwei aneinanderstoßenden Knötchenkonglomeraten entspricht (Taf. III, 
Fig. 4, b). Diese Zwischenräume stellen gewissermaßen tote Winkel 
zwischen den beiden Uebergangszonen dar, in denen der Gegendruck 
der spezifischen Neubildung selbstverständlich nicht so stark zur 
Geltung kommen kann wie an anderen Stellen der Knötchenkonglo¬ 
merate. 


Periost. 

Am normalen Unterkiefer bildet das Periost ein dünnes Häutchen, das 
histologisch zwei Schichten erkennen läßt. Die äußere Schicht besteht aus mehreren 
Lagen von ziemlich straffen, zellarmen, neben Kapillaren arterielle und venöse 
Gefäße sowie Nerven einschließenden Bindegewebsfasern (Advcntitia) und die 
etwa nur halb so breite innere Schicht aus reichlicher kollagener, faseriger Grund¬ 
substanz mit zahlreichen langgestreckten, spindelförmigen Fibroblasten (Fibro- 
blastica oder Kam bi um schiebt). Nur die dem Knochen unmittelbar aufliegende. 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykosc des Kindes. 


49 


innerste Zcllreihc der Fibroblasten besitzt rundliche bis kubische Gestalt (Ostco- 
blastensaum). Der Knochen unter dem Periost ist stets kompakt und lamellar 
gebaut, ln der äußersten, mehr oder weniger breiten Knochenschicht sind die 
Lamellen parallel zur Fibroblastica gerichtet (äußere Grundlamcllen); weiter 
nach innen wechseln sie als Schaltlamellen mit um Havcrssche Kanäle zirkulär 
verlaufenden Spc/iallamellen ab. 

Im Bereich der aktinomykotischcn Erkrankung des Kiefers 
zeigen das Periost und das letzterem anliegende Knochengewebe 
erhebliche Veränderungen. 

Das Periost erscheint schon makroskopisch in der Regel in 
weitgehendem Maße schwartig verdickt. Histologisch sind Ad- 
ventitia und Fibroblastica auch hier deutlich unterscheidbar (Taf. V, 
Fig. 7, e), weichen jedoch in ihrem Umfang und in ihrer Zusammen¬ 
setzung mehr oder weniger erheblich vom Normalen ab. 

Bei der Adventitia ist die quantitative Veränderung zumeist 
bedeutend, die qualitative nur gering. Diese äußere Schicht besitzt 
eine Breite von mehreren Millimetern, selbst bis zu einigen Zenti¬ 
metern und ruft die oben erwähnte, mit bloßem Auge wahrnehmbare 
Dickenzunahme des Periosts hervor. Sie wird von zum Knochen¬ 
rand parallel und oft leicht gewellt verlaufenden Bindegewcbszügcn 
zusammengesetzt, die an manchen Stellen stratTen, zellarmen Charakter 
tragen, an anderen Stellen mit lockeren, fibroblastenreichen Schichten 
abwechseln oder ganz aus solchen bestehen. In größeren oder 
kleineren Lücken der straffen und lockeren Bindegewebsziigc liegen 
Anhäufungen von Lymphozyten und Polyblasten sowie arterielle 
und venöse Gefäße. Stellenweise treten auch mehr oder weniger 
atrophische Muskelbündel zwischen dem Bindegewebe auf. ln nicht 
sehr zahlreichen Fällen schließt die verbreiterte Adventitia auch 
aktinomykotische Knötchenkonglomerate ein, deren histologischer Bau 
von dem der beschriebenen aktinomykotischcn Neubildung im Knochen 
nicht abweicht. Hier spielt die Adventitia gewißermaßen die Rolle 
des bindegewebigen Teiles der Uebergangszonc. Zumeist steht dieses 
aktinomykotische Gewebe in Verbindung mit der spezilischen Neu¬ 
bildung im Knochen und stellt deren Durchbruch ins Periost dar. 
In einem Falle (33) bildete cs einen zusammenhängenden Strang, der 
von einem Aktinomykom am Eingang des 1. Prämolaren beginnend 
auf der medialen Seite des Kiefers bis zu einer am ventralen Kiefer¬ 
rand sitzenden pflaumengroßen aktinomykotischcn Neubildung herabzog. 

Von dem bisher geschilderten, durch erhebliche Verbreiterung 
ausgezeichneten Verhalten macht die Adventitita an einzelnen Stellen 

Archiv f. wissenseh. n. pralct. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. 4 



50 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


eine Ausnahme. Diese Stellen haben das Gemeinsame, daß die Ad- 
ventitia nach außen an eine dicke Schicht gut erhaltener Muskulatur 
grenzt. Sie ist hier nicht breiter, sondern eher schwächer als nor¬ 
mal und besteht lediglich aus wenigen Lagen dünner, komprimiert 
erscheinender Bindegewebslibrillcn. Auf die Frage, wie diese Ab¬ 
weichung zu erklären ist, wird später zurückzukommen sein. 

Die Veränderungen der Fibroblastica lassen in jedem einzelnen 
Falle verschiedene Grade erkennen. Den normalen Verhältnissen am 
ähnlichsten ist der histologische Bau der Kambiumschicht an den 
Stellen, die am weitesten vom aktinomykotischen Gewebe im Knochen 
entfernt liegen. Es sind dies zumeist die Uebergängc der spindel¬ 
förmigen Auftreibung in den normalen Kieferknochen an der lateralen 
und medialen, viel seltener an der ventralen Seite. Die Angabe dieser 
Abschnitte gilt aber nur ganz im allgemeinen, da auch hier das regel¬ 
lose Fortschrciten des aktinomykotischen Prozesses andere Verhältnisse, 
die später zu besprechen sein werden, schaffen kann. 

An den bezeichneten Stellen ist die Fibroblastica bis auf etwa 
das Doppelte und Dreifache ihrer normalen Breite verdickt. Sie 
besitzt eine Grundsubstauz aus dünnen, mit Eosin und Säurefuchsin 
(bei van Gieson-Färbung) sich rot färbenden Fasern, die in paralleler 
Richtung zum Knochenrand verlaufen und sich dabei netzförmig ver¬ 
flechten. Der Unterschied gegenüber der Grundsubstanz der Fibro¬ 
blastica im normalen Periost besteht hier im wesentlichen in der 
geringeren Breite und größeren Zahl der einzelnen Fasern, sowie in 
der Weitmaschigkcit ihrer Verflechtung. Außerdem treten noch bei 
van Gieson-Färbung leuchtend rot tingierte, wenig zahlreiche, gegen¬ 
über den beschriebenen Grundsubstanzfasern um das Mehrfache breitere, 
wellig verlaufende Fasern hervor, die aus der Adventitia entspringen, 
in schräger Richtung die Kambiuraschicht durchziehen und im Knochen¬ 
gewebe enden oder sich auch noch durch ein peripheres Knochen- 
bälkchen und einen dahinter liegenden Markraum verfolgen lassen. 
Aus ihrem charakteristischen Verlauf darf man mit Wahrscheinlich¬ 
keit folgern, daß es sich um perforierende (Sharpeysche) Fasern handelt. 

In dem Maschenwerk der Grundsubstanz der Fibroblastica liegen 
Zellen, die in ihrer Größe und in ihrem runden oder ovalen, chromatin- 
armen Kern jungen Fibroblasten ähnlich sind. Ihr mit Eosin sich 
blaßrot färbender Zelleib bildet in der Regel einen einzigen von der 
Umgebung des Kernes ausgehenden, zum Knochen parallel verlaufen¬ 
den, spitz endigenden Ausläufer. Es gleicht somit die Gestalt dieser 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


51 


Zellen einem spitzwinkligen Dreieck, an dessen Basis der Kern liegt. 
Ob das Protoplasma der Zellen mit der faserigen Grundsubstanz in 
Verbindung steht, ist nicht zu erkennen. 

Gegenüber den soeben beschriebenen Zellen zeichnet sich die der 
Knochenoberfläche zunächst gelegene Zellschicht der Fibroblastica durch 
einige besondere Merkmale aus. Der Kern dieser Zellen unterscheidet 
sich zwar nicht von dem der vorerwähnten, ihr Zytoplasma aber ist 
viel dichter und färbt sich daher mit Eosin intensiver rot. Der Zell¬ 
leib besitzt zylindrische oder polygonale Gestalt und sendet Ausläufer 
nach dem Knochenrand. Der Kern liegt auf der dem Knochen ab¬ 
gewendeten Seite. Auf diese Weise bilden diese Zellen einen epithel¬ 
ähnlichen Besatz auf der Knochenoberfläche. Es sind Osteoblasten, 
die vollkommen den bei den Appositionsvorgängen geschilderten Zellen 
gleicher Art entsprechen. Gleichwie dort stehen sie mit einem schmalen 
osteoiden Saum des Knochens in Verbindung, der sie vom eigentlichen 
Knochen trennt. 

Im Bereich der beschriebenen Periostveränderungen stellen die 
peripher gelegenen Knochenpartien parallel zum Periost ge¬ 
richtete lange und verhältnismäßig breite, verkalkte Knochenbälkchen 
dar. Sie bestehen aus mäßig zellreichem, fertigem, normal kalk¬ 
haltigem, nicht lamellärem, also geflechtartigem Knochengewebe und 
liegen in mehreren parallelen Reihen hintereinander, getrennt durch 
Markräume von etwa gleicher Breite wie die Bälkchen. Die letzte, 
innerste Bälkchenreihe geht schließlich in kompakten, lamellären (alten) 
Knochen über. Dadurch, daß benachbarte parallele Bälkchen durch 
Brücken aus dem gleichen Knochengewebe miteinander in Verbindung 
stehen, ergibt sich hier das Bild von regelmäßig gebautem spon¬ 
giösen Knochen. 

Die vorstehend beschriebenen Veränderungen an der Fibroblastica 
des Periosts stellen eine chronische, ossifizierende Periostitis 
mäßigen Grades dar, in deren Verlauf verhältnismäßig starker, 
regelmäßig gebauter spongiöser, geflechtartiger, allenthalben normal 
verkalkter Knochen an Stelle des normalerweise vom Periost er¬ 
zeugten kompakten, lamellären Knochens gebildet wird. 

Der weitaus größte Teil der Präparate, die vom Periost im 
Bereich der spindelförmigen Auftreibung zahlreicher Fälle an¬ 
gefertigt wurden, bietet jedoch weitergehende Veränderungen 
dar. Im Bereich der Knochenauftreibung liegt die aktinomykotische 
Neubildung im Gegensatz zu den oben beschriebenen Stellen dem 

4* 



52 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


Periost gewöhnlich so nahe, daß ein Teil von ihr im gleichen histo¬ 
logischen Präparat sichtbar ist. Auch hier ist zumeist die Fibro- 
blastica verdickt. Im Vergleich zu den oben beschriebenen Stellen 
ist ihre faserige Grundsubstanz noch weitmaschiger, die dazwischen 
gelegenen Zellen sind zahlreicher, größer und protoplasmareicher, so 
daß ein Unterschied wie dort zwischen der Hauptmasse der Kambium¬ 
zellen und der unmittelbar auf der Knochenoberfläche liegenden Osteo¬ 
blastenschicht hier nicht mehr besieht. Die Fibroblastica stellt hier 
also eine Anhäufung dicht gelagerter Osteoblasten innerhalb eines 
netzförmigen Retikulums dar. Die äußersten, der Advcntitia, an¬ 
liegenden Osteoblastenreihen sind in der Regel nahezu parallel zur 
Knochenoberfläche gerichtet. Etwa vou der Mitte der Dicke der 
Fibroblastica an nach innen, nach dem Knochen hin, ordnen sich 
zahlreiche Gruppen von Osteoblasten zu Doppelreihen um verdichtete 
und verbreiterte Züge der Grundsubstanz in ähnlicher Weise, wie dies 
bei den Appositionsvorgängen innerhalb der mit spezifischem Gewebe 
ausgefüllten Knochenhöhlungen beschrieben wurde. Es bilden sich, wie 
an den letztgenannten Stellen, kleine osteoide ßälkchen, die mit größeren 
kalkhaltigen Bälkchen in Verbindung stehen. Von einer scharfen 
Grenze zwischen Periost und Knochen kann hier nicht mehr gesprochen 
werden. An Stelle des normalen Knochenrandes finden wir die er¬ 
wähnten zahlreichen, zum kleinen Teil noch osteoiden, größtenteils 
jedoch schon normal verkalkten, schmalen Knochen bälkchen, die 
kleinere und größere Markräume einschließen oder frei in der Fibro¬ 
blastica enden. Nach dem Innern des Knochens zu werden die Bälk¬ 
chen breiter, die Markräume im allgemeinen kleiner. Das hier neu¬ 
gebildete Knochengewebe zeichnet sich gegenüber dem an den vor- 
beschricbenen Stellen neu entstandenen spongiösen Knochen noch durch 
folgende deutlich hervortretende Unterschiede aus: Anstatt parallel 
zum Periost sind die Bälkchen vorwiegend senkrecht zu ihm gerichtet. 
Sie sind zarter, zierlicher, regellos und weiter verzweigt als dort. Ihr 
Reichtum an Knochenkörperchen ist bei weitem größer. Alle er¬ 
wähnten Merkmale, die einem jungen, wuchernden Keiragewebe ähnliche 
Beschaffenheit der' Fibroblastica, die Zierlichkeit des daraus hervor¬ 
gegangenen Knochengewebes, sprechen für besonders lebhafte, rasch 
ablaufende Knochenneubildungsvorgänge am Periost. 

Wir finden also an der einen Stelle des erkrankten 
Kiefers eine nur mäßige, an anderen Stellen desselben hin¬ 
gegen eine mehr oder minder schwere chronische ossi- 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykosc des Rindes. 


53 


fixierende Periostitis, die echtes, geflechtartiges, spon¬ 
giöses Knochengewebe erzeugt. Durch sie wird die bekannte 
spindelförmige Auftreibung des aktinomykotischen Kiefers ver¬ 
ursacht (Taf. V, Fig. 7, d). 

Diese ossifizierende Periostitis spielt sich ab, ohne daß die 
aktinoraykotische Neubildung das Periost selbst ergriffen 
hat. Sie gehört also streng genommen nicht zu den durch die Aktino- 
raykose ausgelösten Knochenveränderungen, sondern stellt eine sekun¬ 
däre Veränderung am Knochen dar. 

Die Frage, wie diese niemals fehlende sekundäre ossi¬ 
fizierende Periostitis zustande kommt, läßt sich einwandfrei 
nicht ohne weiteres beantworten. Das Nächstliegende wäre, anzunehmen, 
daß es sich hier um eine Fernwirkung der Stoffwechselprodukte des 
Aktinomyzespilzes handelt. Unter diesem Gesichtspunkt würde die 
Periostitis auch noch zu den spezifischen Vorgängen am Knochen zu 
rechnen sein. Es läßt sich jedoch eine solche Fernwirkung der Stoff¬ 
wechselprodukte des Pilzes nicht beweisen, ja es fällt sogar schwer, 
sich vorzustellen, daß eine von den nächstgelegenen Aktinomyzes- 
pilzen mehrere Zentimeter entfernte und von ihnen durch straffes 
Bindegewebe und Knochengewebe getrennte periostale Knochenneu¬ 
bildung durch Stoffwechselprodukte des Pilzes verursacht sein sollte. 
Es ist daher naheliegend, die periostale Knochenneubildung als nicht¬ 
spezifischen Vorgang aufzufassen. Es sei hierbei an die Kallus¬ 
bildung bei Frakturen erinnert, wobei es ebenfalls bis zu einer ge¬ 
wissen Entfernung von der Bruchstelle zu einer periostalen Knochen- 
neubildung kommt, die in ähnlicher Weise wie bei der Aktinomykose 
zu einer spindelförmigen Auftreibung des gebrochenen Knochens führt. 
Es ist diese periostale Knochenneubildung, wie die Kallusbildung über¬ 
haupt, als das Ergebnis einer Reihe im einzelnen nicht erkennbarer 
Bedingungen (Zerrung des Periosts, Blutung usw.) anzusehen. 

Wenn man sich klarmacht, daß die Aktinomykose eines Unter¬ 
kieferastes mit einer so erheblichen Knochenzerstörung verbunden 
ist, daß diese ohne periostale Knochenneubildung bald zu einer fast 
vollständigen Kontinuitätstrennung des Knochens führen würde, so sind 
hier ähnliche Bedingungen gegeben wie bei einer Fraktur, d. h. es muß, 
um die Kontinuitätstrennung des aktinomykotisch erkrankten Kiefers 
zu verhüten, eine Art periostale Kallusbildung einsetzen, wozu es keiner 
spezifischen Reize bedarf, eine Art Kallusbildung, die auch durch 
geeignete nichtspezifische Vorgänge im Knochen ausgelöst werden kann. 



54 ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 

Bezüglich der Fragt", ob neben den periostalen Appositionsvor¬ 
gängen noch ResorptionsVorgänge im Bereich des Periosts ab¬ 
laufen, sei hier darauf hingewiesen, daß sich an einzelnen Stellen im 
Bereich der periostalen Knochenveränderung Grenzmarken nachweisen 
lassen, die auf eine stattgehabte Resorption unzweifelhaft hindeuten. 
Im Gange befindliche Resorptionsvorgänge anzutreffen ist uns in 
unseren Präparaten nicht gelungen. Wir haben uns bemüht, das 
Wesen dieser stattgehabten Resorption näher zu ergründen und haben 
eigens zu diesen Zwecken mehrere aktinomykotische Kiefer untersucht, 
die Anfangsstadien der Aktinomykose zeigten. Hierbei ließ sich 
feststellen, daß das spezifische Gewebe von den Rändern der Zahn¬ 
alveole und vom Zahnfleisch aus direkt auf die Oberfläche des Kiefer¬ 
knochens einwirken kann. Da, wo dies gefunden wurde, ließen sich 
auch die erwähnten Grenzmarken nachweisen. Es dürfte somit die 
zweifellos in diesen Fällen stattgefundene Knochenresorption den Re¬ 
sorptionsvorgängen an die Seite zu stellen sein, wie sie im Knochen- 
innern bei der Ausbreitung des spezifischen Gewebes in so um¬ 
fänglichem Maße beobachtet werden. Damit ist gesagt, daß es sich 
in diesen Fällen um primäre (spezifische) Veränderungen im Bereich 
der KnochcnoberlJäehe, also im Bereich des Periosts handelt, während 
die vorbeschriebenen als Apposition sich abspielenden Veränderungen 
mit großer Wahrscheinlichkeit als sekundär anzuschen sind. 

Aber auch bei fortgeschrittener Aktinomykose mit erheblicher 
Auftreibung des Kiefers haben wir in einzelnen Fällen Grenzmarken 
im periostal neugebildeten Knochen (dem die Auftreibung des Kiefers 
zuzuschreiben ist) nachweisen können, ohne daß hierfür eine statt¬ 
gehabte primäre Knochenresorption durch örtliche Einwirkung des 
spezifischen Prozesses auf den Knochen infolge Fehlens aktinomy- 
kotisehcr Herde in der Nachbarschaft in Frage kommen konnte. 
Wir halten diese Grenzmarken für den Ausdruck einer Resorption 
nichtspezifischer Art, die jenen Abbau Vorgängen des Knochens 
entspricht, wie wir sie überall da antreffen, wo Knochengewebe (im 
Hinblick auf die Funktion des betreffenden Knochens) im Ucberschuß 
vorhanden ist. Es sind diese Resorptionsvorgängc, die wir in Bezug 
auf die Knochenaktinomykose als sekundäre bezeichnen möchten, 
den Knochenauflösungsprozessen an die Seite zu stellen, wie sie sich 
bei der Rückbildung des Kallus verheilter Frakturen abspielen. 

Der Vergleich mit der Rückbildung des Kallus könnte dazu ver¬ 
leiten, anzunehmen, daß der Eintritt sekundärer periostaler Resorptions- 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 55 

Vorgänge die Heilung des aktinomykotischen Prozesses anzeigt. Dem 
ist aber nicht so. Es wird vielmehr trotz derartiger äußerer Rück¬ 
bildungsvorgänge an der spindelförmigen Knochenauftreibung des 
aktinomykotischen Kiefers der spezifische Prozeß in der Regel weiter 
fortschreiten. Nur wird dies an einer Stelle erfolgen, die von der¬ 
jenigen, an der wir die Zeichen der Rückbildung wahrnehmen, bis 
zu einem gewissen Grade entfernt ist. Es haben also die periostalen 
Rückbildungsvorgänge an der aktinomykotischen Kieferauftreibung 
nur rein örtliche Bedeutung und sie werden bestimmt durch die 
zufällige Richtung, in der sich der spezifische Prozeß im Knochen 
weiterverbreitet. 

Knochenmark. 

Bevor wir die Veränderungen des Knochenmarkes beschreiben, möchten wir 
in bezug auf dessen Fettgehalt eine Bemerkung vorausschicken. In den normal¬ 
histologischen Darstellungen der platten Knochen, also auch des Unterkiefers, wird 
das Mark der Spongiosa dieser Knochen als lymphoides Mark, d. h. als nur wenig 
fettreiches, vornehmlich Parenchymzellen führendes Mark angegeben. Bei vergleichs¬ 
weiser Untersuchung normaler Teile der Rinderkiefer, von denen unser aktinomy- 
kotisehes Untersuchungsmatcrial stammt, sowie von zwei überhaupt nicht erkrankten 
Unterkiefern fanden wir dagegen stets in den Markräumen ausgesprochenes Fettmark, 
das aus sehr zahlreichen, großen Fettzellen und nur wenigen zwischen diesen ge¬ 
legenen Parenchymzellen in Gestalt von Myelozyten und Erythroblasten (Normo- 
blasten) sich zusammensetzte. Es dürfte der verschiedene Fettgehalt des Kiefer¬ 
markes wohl wesentlich abhängig sein vom Ernährungszustand des betreffenden 
Tieres. In Bezug auf unser Material sei bemerkt, daß es sieh in allen Fällen um 
gutgenährte Schlachtrinder handelte. 

Der aktinomykotisch erkrankte Kiefer besitzt nach den 
in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen histologischen Be¬ 
funden zwei genetisch verschiedene Arten von Markräumen, 
nämlich die schon vor Beginn der Krankheit vorhandenen Mark räume 
des alten spongiösen Kieferknochens und die im Verlauf der 
Erkrankung durch die oben geschilderte ossifizierende Periostitis 
neuentstandenen Mark räume zwischen den Bälkchen des 
neugebildeten spongiösen, geflechtartigen Knochens. Das 
Markgewebe in beiden Arten von Markräumen weist im Vergleich zu 
dem Fettmark des normalen Kiefers mehr oder weniger weitgehende 
histologische Veränderungen auf. Es sind diese Mark Veränderungen 
ira alten Knochen und im neugebildeten Knochen zwar grundsätzlich 
die gleichen, sie zeigen aber im einzelnen gewisse Besonderheiten, 
weshalb die getrennte Beschreibung beider Arten erforderlich erscheint. 

Im alten spongiösen Kieferknochen treffen wir die ersten 
Anfänge der im Nachstehenden zu beschreibenden Umbildung des 



58 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMRE, 


Fettmarkes in Markräumen, die in einer gewissen, mehr oder 
weniger großen Entfernung von der aktinomvkotischen Neubildung 
liegen. Diese Markräume kennzeichnen sich dadurch, daß in der 
Umgebung ihres zentralen Blutgefäßes mehr oder weniger zahlreiche 
Fibroblasten auftreten. Je näher der betreffende Markraum der 
aktinomvkotischen Neubildung zu gelegen ist, umsomehr überwiegt das 
zentrale Fibroblastcngewcbe gegenüber dem peripheren Fettmark, bis 
schließlich, jedoch immer noch in einiger Entfernung vom aktinomy- 
kotischen Gewebe, alle Fettzellen verschwunden und ersetzt sind 
durch Fibroblastengewebe. Zugleich mit den Fibroblasten erscheinen 
zwischen letzteren etwas kleinere Zellen von meist kugeliger Form 
mit exzentrisch gelegenem chromatinreichen Kern. Sie entsprechen 
in Größe, Form und Aussehen den Polvblasten. Unter ihnen zeichnen 
sich einige Zellen dadurch besonders aus, daß größere Chromatin¬ 
partikelchen ihres Kernes der Kernmembran anliegen (Radkern), und 
daß sie einen hellen Hof um den Kern besitzen. Sie sind als 
Plasmazellen anzusprechen. Außerdem trifft man, allerdings nur in 
geringer Zahl, noch kleinere Zellen als die soeben beschriebenen 
mit chromatinreichem, gelapptem Kern, also polymorphkernige Leu¬ 
kozyten (ohne eosinophile Granulation). Es vereinigt somit das an 
die Stelle des Fettmarks getretene Gewebe alle Zellformcn des 
typischen G ran u 1 at i o n s gewe b es. 

Untersuchen wir die Herkunft der einzelnen Zcllarten dieses 
Granulationsgewebes, so lassen sich die Fibroblasten wohl haupt¬ 
sächlich von den Fettzellen ableiten. Bezüglich der Genese der 
Polvblasten, Plasmazellen und polymorphkernigen Leukozyten be¬ 
stehen zwei Möglichkeiten. Sic können aus der Blutbahn stammen 
oder unmittelbare Abkömmlinge der Myelozyten des Markes sein. 
Spezifische Färbemethoden, die möglicherweise die Unterscheidung des 
hämatogenen oder unmittelbar myelogenen Ursprungs dieser Zell¬ 
formen gestattet hätten, konnten von uns nicht angewandt werden, 
weshalb wir die Frage unentschieden lassen müssen. 

Mit abnehmender Entfernung der Markräume von der aktinomy- 
kotischen Neubildung wird das Granulationsgewebc in ihnen schritt¬ 
weise durch Bildung kollagener Fasern fibrillenreicher und allmählich 
zellärmer. Es geht mithin in fibrilläres Bindegewebe über, das 
zunächst den Charakter eines zellreichen lockeren, jungen Bindegewebes 
besitzt, später aber ein dichteres Gefüge erhält und kernärmer wird. 

Aus vorstehender Beschreibung ergibt sich deutlich, daß von 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


57 


der aktinoinykotischen Neubildung im Knochen aus ein Einfluß auf 
die allgemeine Struktur des Markgewebes in den Markräumen des 
alten spongiösen Knochens ausgeübt wird. Weiter unten wird noch 
darzulegcn sein, daß dieser Einfluß wahrscheinlich in Stoffwechsel¬ 
produkten des Aktinomyzespilzes zu suchen sein muß. Er bewirkt 
je nach Dauer und Intensität die Ausbildung von Fasermark von 
mehr oder weniger dichtem Gefüge. 

Das oben beschriebene Granulationsgewebe, wie man es in 
den noch etwas entfernt von der aktinoinykotischen Neubildung ge¬ 
legenen Markräumen der Spongiosa des alten Knochens trifft, erfüllt 
auch die durch periostale Knochenneubildung neuentstandenen 
Mark räume. Bei dieser periostalen Knochenneubildung entsteht 
Markgewebe in der Weise, daß durch neugebildete Knochenbälkchen 
zunächst ein Osteoblastenhaufen umschlossen und von der wuchernden 
Fibroblastica des Periosts abgeschnürt wird. Bei der Aktinomykosc 
behalten in diesem noch unfertigen Markgewebe die unmittelbar am 
Knochengewebe gelegenen Zellen das Aussehen und die Eigenschaften 
von Osteoblasten, während die übrigen Elemente sich zu Fibroblasten 
umbilden. Die sich alsbald unter die Fibroblasten mischenden Zell¬ 
formen mit chromatinreicherem Kern (Polyblasten, Plasmazellen und 
polymorphkernige Leukozyten) dürften hier der Blutbahn entstammen. 
Das Mark der mehr im Innern des neugcbildcten Knochens ge¬ 
legenen, also schon älteren Markräume besitzt reichlichere fibrilläre 
Substanz, stellt also fibrilläres Bindegewebe (Fasermark) dar (Taf. V, 
Fig. 7 im Bereich von d). Die äußerste, den Knochenbälkchen un¬ 
mittelbar anliegende Zellschicht des einzelnen Markraumes zeigt, 
gleichviel ob letzterer nahe oder entfernt vom Periost liegt, immer 
gleichmäßiges Verhalten dadurch, daß sie, wie erwähnt, ihren Osteo¬ 
blastencharakter behält und auch weiter ihre Funktion ausübt, was 
sich in dem Ansatz neuer Knocheuschichten an die Wand des Mark- 
raumes äußert. Es werden somit die neugebildeten Knochenbälkchen 
verstärkt. x\ußerdem erhalten letztere durch den Umstand, daß die 
Anlagerung des endostal gebildeten Knochens in Form konzentrischer 
■Schichten erfolgt, die Andeutung lamellaren Aufbaues. 

Alles das, was soeben über die Markveränderungen im periostal 
neugebildeten Knochen gesagt wurde, gilt ausnahmslos auch für die 
Markräume, die durch die Knochenneubildung im Innern (Taf. III, 
Fig. 4 im Bereich von b , und Fig. 5) der mit aktinomykotischem Ge¬ 
webe erfüllten Knochenaushöhlungen entstehen. 



58 


ERNST JOEST und ALFRED Zl'MPE, 


In bezug auf den Einfluß der aktinomykotischen Neu¬ 
bildung auf einzelne Teile der Markräume, gleichviel ob sie 
altem oder neugebildetem Knochen angehören, ist folgendes zu sagen: 

Sie sind den gleichen Bedingungen unterworfen wie die Grenz¬ 
schicht zwischen spezifischer Neubildung und Knochengewebe; in¬ 
folgedessen spielen sich in der peripheren (endostalen) Zellschicht 
des Markes auch alle jene Vorgänge ab, wie sie in der Grenzschicht 
beobachtet werden und wie sie oben geschildert worden sind. In 
den in unmittelbarer Nähe von Resorptionsgebieten liegenden Mark¬ 
räumen findet an deren dem spezifischen Gewebe zugekehrter Wand 
nicht selten ebenfalls lakunäre Resorption durch Osteoklasten statt, 
und zwar dann, wenn der Knocheneinschmelzungsprozeß in genannten 
Gebieten besonders lebhaft erfolgt und die zwischen dem betreffenden 
Markraum und der Resorptionslinic gelegene Knochenschicht nur geringe 
Breite besitzt. Der übrige, nicht mit Osteoklasten besetzte Teil der 
Wand eines derartigen Markraumes trägt einen dichten Besatz großer 
Osteoblasten mit osteoidem Saum, zeigt also Apposition (Textfigur A, d ). 
Letzteres ist in den Markräumen des geflechtartigen, neugebildeten 
Knochens nicht auffällig, da dort, wie erwähnt, allenthalben Apposition 
stattfindet, wohl aber in den Markräumen des alten Knochens. In 
letzteren werden mit zunehmendem Abstand von der aktinomykotischen 
Neubildung die Osteoblasten kleiner. Es findet also im alten Knochen 
mit wachsender Entfernung vom spezifischen Gewebe ein Abklingen 
der endostalen Apposition statt. 

Kurz zusaramengefaßt bestehen also die Mark Veränderungen im 
Bereich der aktinomykotischen Kiefererkrankung in der Bildung von 
Fasermark, dessen Gefüge im alten Knochen örtliche Beziehungen 
zur aktinomykotischen Neubildung aufweist derart, daß es umso 
dichter ist, je näher die betreffenden Markräume an letzterer liegen, 
während die Ausbildung des Markes im neugebildeten Knochen 
einer Beeinflussung durch die aktinomykotische Neubildung nicht 
unterliegt, vielmehr nur im allgemeinen, ohne Rücksicht auf die Ent¬ 
fernung von der spezifischen Neubildung, jene Unterschiede zeigt, die 
bestimmt werden vom Alter der angrenzenden Knochenbälkchen. Das 
Endost sowohl im alten wie im neuen Knochen beteiligt sich unter 
dem Einfluß der aktinomykotischen Neubildung an den Resorptions¬ 
und Appositions Vorgängen. 

Vom pathogenetischen Standpunkt aus betrachtet, erleidet das 
Mark des alten, präexistierenden Knochens die vorbeschriebenen 



Histologische Studien über die Kieferaktinomvkose des Rindes. 59 

Veränderungen als Ausdruck einer primären Beeinflussung durch 
die Stoffwechselprodukte des Aktinomyzespilzes. Diese Ver¬ 
änderungen setzen zugleich mit den Resorptionsvorgängen an der den 
betreffenden Markraum begrenzenden Tela ossea ein. Man kann in¬ 
folgedessen als auslösendes Moment der Markveränderungen etwa die 
gleichen Mengen und Konzentrationen der Stoffwechselprodukte des 
Aktinomyzespilzes annehmen, wie sie nach weiter oben gegebener 
Schilderung als Ursache für die lakunäre Resorption erforderlich sind. 
Macht mit dem Abnehmeu der Menge und Konzentration der Stoff¬ 
wechselprodukte die Resorption einer Apposition Platz, so bleibt 
dabei das Bild des veränderten Markes noch das gleiche, d. h. die 
einmal durch höhere Konzentrationen der Stoffwechselprodukte an¬ 
geregte chronische Entzündung des Markes setzt sich auch unter der 
Einwirkung geringerer Mengen und Konzentrationsgrade fort. 

Die vorbeschriebenen Veränderungen des Markes im periostal 
und endostal neugebildeten Knochen können kaum durch den 
Einfluß der Stoffwechselprodukte des Aktinomyzespilzes erklärt werden. 
Denn diese Stoffwechselprodukte können hier nur in so geringem 
Maße wirksam sein, daß von ihnen eine wesentliche Einwirkung auf 
das Mark nicht zu erwarten ist. Auch sind die Markveränderungen 
hier ohne Rücksicht auf die Entfernung von der spezifischen Neu¬ 
bildung so gleichmäßig, daß sie auch aus diesem Grunde nicht in 
erster Linie auf die Stoffwechselprodukte bezogen werden können. 
Für die vorliegenden Markveränderungen müssen infolgedessen hier 
noch andere Ursachen in Betracht kommen. Diese Ursachen dürften 
die gleichen sein, die auch die Knochenneubildung veranlassen, d. h. 
sie sind in der Hauptsache nichtspezifischer Art. Man kann 
somit von einer sekundären Beeinflussung des Markes des 
periostal und endostal neugebildeten Knochens sprechen. 

Durchbruche der spezifischen Neubildung durch die 
Knochenoberfläche und das Zahnfleisch. 

In den vorstehenden Abschnitten wurde festgestellt, daß das 
Wachstum der aktinomykotischen Neubildung im Innern des Kiefers 
eine Einschmelzung von Knochengewebe durch lakunäre Resorption, 
also eine fortschreitende Vergrößerung der Knochenaus¬ 
höhlungen in derselben Richtung bedingt, in der die Anlagerung 
neuer Einzelknötchen an ein aktinomykotisches Knötchenkonglomerat 
erfolgt. Dabei ist es natürlich gleichgültig, ob sich dem Vordringen 



60 


ERNST JOKST und ALFRED ZL’MI'E, 


des wachsendea aktinomykotisclica Weichgewebes alter, lamellarer 
Kieferknochen oder durch die beschriebene ossifizierende Periostitis im 
Laufe der aktinomykotischen Erkrankung neugebildeter spongiöser, 
geflechtartiger Knochen entgegenstellt. Ebenso wie jener fällt unter 
den erwähnten Umständen auch dieser der lakunären Einschmelzung 
anheim. Wenn nun das Fortschreiten des aktinomykotischen 
Prozesses in der Richtung auf das Periost erfolgt, so wird 
das die aktinomykotisehe Neubildung umschließende Knochen gewebe 
an jener Stelle vermindert. Das aktinomykotisehe Weichgewebe 
nähert sich dann immer mehr dem Periost und droht nach außen 
durchzubrechen. Ist die Verdünnung der das erstere vom Periost 
noch trennenden Knochenmasse so weit vorgeschritten, daß nur noch 
wenige Spongiosabälkchen übrig geblieben sind, dann kann man an 
dem im Bereich des drohenden Durchbruches gelegenen Teil 
des Periosts besonders lebhafte Knochenneu bildungsvor- 
gängc beobachten. Die letzteren bewirken eine geringe Verstärkung 
des Knochengewebes an jener Stelle und bilden eine kuppelartige 
Hervorwölbung des Knochens und des Periosts über die allgemeine 
Oberfläche der spindelförmigen Auftreibung. Diese örtlich begrenzte 
Steigerung der ossifizierenden Periostitis über ihr allgemeines Maß 
hinaus vermag bei schnellem Wachstum der spezifischen Neubildung 
den Durchbruch des aktinomykotischen Gewebes durch die Knochen¬ 
oberfläche nur etwas zu verzögern, in der Regel aber nicht zu verhindern. 

Hat die vorrückende Ostcoklastenfront auch diese peripheren 
Knochenbälkchen beseitigt, dann ist der Durchbruch eingetreten. 
Die Osteoblasten des Periosts können offenbar ohne Verbindung mit 
dem Knochengewebe nicht bestehen. Man kann sie an den die Durch¬ 
bruchstelle begrenzenden Knochenrändern eine kleine Strecke weit 
in die Durchbruchsoffnung hinein verfolgen, bis sie sich in Appositions¬ 
gebiete der Grenzschicht der aktinomykotischen Neubildung fortsetzen 
oder in Resorptionsgebieten derselben verlieren. Aber zwischen den 
genannten Knochenrändern, d. h. an der Durchbruchstelle selbst ver¬ 
schwunden sie zugleich mit dem letzten Knochenbälkchen. 

Die Durchbrüche der aktinomykotischen Neubildung durch die 
Knochenoberfläche beobachtet man am häufigsten am ventralen 
Rande des Kiefers, aber auch an dessen lateraler und medi¬ 
aler Seite. 

Ein Teil der lateralen und medialen Seite des spindelförmig 
aufgetriebenen Kiefers wird vom Zahnfleisch und von Schleimhaut 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


61 


bedeckt, auf die schließlich die aktinomvkotische Neubildung trifft, 
wenn sie die Knochenoberfläche an jenen Stellen durchbricht. In 
diesen Fällen wird dann auch zumeist die Schleimhaut durchbrochen. 
Es geschieht, dies in der gleichen Weise, wie es in unserer früheren 
Arbeit über die Zungen- und Lymphdrüsenaktinomykose vom Durch¬ 
bruch der gewöhnlichen Form der Zungcnaktinomykose beschrieben 
worden ist. Der Durchbruch des aktinomykotischen Gewebes 
durch die Schleimhaut erfolgt also auch bei der Kieferaktinomykose 
stadienweise, derart daß zunächst Propria mucosae und Epithel infolge 
ihrer Emporwölbung durch das spezifische Gewebe eine mäßige Druck¬ 
atrophie erleiden, daß sodann die Propria mucosae verdrängt und 
durch aktinomvkotisches Gewebe ersetzt wird, daß weiterhin auch 
das Epithel verloren geht und schließlich durch den so entstandenen 
Epitheldefekt (aktinomykotische Erosion) die spezifische Neubildung 
herauswächst und makroskopisch sichtbare, die Schleimhaut über¬ 
ragende, mehr oder weniger große pilz- oder knöpf förmige Wuche¬ 
rungen bildet. 

Hat das aktinomykotische Gewebe die Knochenoberfläche des 
Kiefers in ventraler Richtung durchbrochen, so gelangt es in die 
hier meist erheblich verdickte Adventitia des Periosts, wie dies schon 
in dem die periostalen Knochenveränderungen betreffenden Kapitel 
erwähnt wurde. Es kann durch weiteres Wachstum zu den be¬ 
kannten geschwulstartigen, oft sehr umfangreichen Aktinomykomen 
der Gnterhaut führen, die zu einer Hervorwölbung der äußeren Haut 
Veranlassung geben und schließlich die letztere in ähnlicher Weise 
wie die Schleimhaut durchbrechen. 

Pathogenetische Betrachtungen. 

Die Wirkung des Aktinomyzespilzes auf das Gewebe beruht in 
der Hauptsache auf toxischen Produkten, die mit seinem Stoffwechsel 
Zusammenhängen, also Stoffwechselprodukten 1 ). Neben dem Ein¬ 
fluß der letzteren spielt die Fremdkörperwirkung des Pilzes im all¬ 
gemeinen eine nur untergeordnete Rolle. Sie tritt merkbar nur dort 
hervor, wo der Aktinorayzespilz im Absterben begriffen oder ab¬ 
gestorben ist. 

Die Wirkung des Pilzes, d. h. seiner Stoffwcchsclprodukte, äußert 

1) Diese bat man sich als in die Gewebsflüssigkeit tibergehend und 
in ihr gelöst vorzustellen. Ob außer diesen löslichen Stoffweehsclprodukten noch 
Kndotoxine des Pilzes in Frage kommen, bleibt dahingestellt. 



62 


ERNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


sich in der Entstehung der spezifischen Neubildung und in 
Veränderungen an dem erkrankten Organ außerhalb der 
spezifischen Neubildung. 

Bei der Entstehung der spezifischen Neubildung handelt 
es sich um die Einwirkung des Pilzes teils auf Blutelemente, teils 
auf fixe Gewebszellen. Aus den Gefäßen werden polymorphkernige neu¬ 
trophile Leukozyten angelockt. Von fixen Gewebselementen sind es 
Bindegewebszellen und wahrscheinlich Kapillarendothelien, die zur 
Wucherung veranlaßt werden. Hierbei entstehen unreife Zellelemente, 
die wir ynter dem Namen Fibroblasten beschrieben haben. Außerdem 
enthält die spezifische Neubildung noch Elemente, deren Herkunft mit 
Bestimmtheit nicht festzustelien ist. Hierzu gehören Polyblasten und 
Plasmazellen. 

Die hämatogenen Elemente (die neutrophilen Leukozyten) sammeln 
sich in unmittelbarer Nähe des Pilzes an, während die histogenen 
eine gewisse, wenn auch geringe Entfernung vom Pilz innehalten. 
Diese Erscheinung scheint auf den ersten Blick nur dadurch bedingt zu 
sein, daß die neutrophilen Leukozyten als chemotaktisch am stärksten 
beeinflußbare Elemente sich möglichst nahe an den Pilz herandrängen 
und hierdurch die histogenen Elemente in einer gewissen Entfernung 
halten. Außerdem dürften aber hier Menge und Konzentration der 
Stoffwechselprodukte des Pilzes eine Rolle spielen, wobei wir die 
größte Menge und höchste Konzentration dieser Produkte selbstverständ¬ 
lich in unmittelbarer Nähe des Pilzes zu suchen haben, während sie 
mit wachsender Entfernung vom Pilz abnehmen. Die neutrophilen 
Leukozyten als wenig empfindliche Elemente vermögen eine große 
Menge und eine hohe Konzentration dieser Produkte auszuhalteu, 
die etwas empfindlicheren histogenen Elemente jedoch machen dort 
halt, wo für sie in bezug auf Menge und Konzentration die Stoff¬ 
wechselprodukte geringer sind und den Grad besitzen, der nicht nur 
ihre Entstehung bewirkt, sondern der auch ihr Fortbestehen ermöglicht. 
Dieser Umstand erklärt die Ausbildung der zentralen und intermediären 
Zone des aktinomykotischen Einzelknötchens. In der intermediären 
Zone lassen die Stoffwechsclprodukte die Zellen nicht zur Ruhe kommen, 
gestatten also eigentliche Gewebsbildung nur in beschränktem Maße. 
In etwas weiterer Entfernung vom Pilz ist die Stoffwechselwirkung so 
weit gesunken, daß sie nicht nur die Proliferation histogener Elemente 
der obengenannten Art anregt, sondern infolge Eintritts einer gewissen 
Ruhe Gewebsbildung in höherem Maße als in der intermediären Zone 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


63 


gestattet. Diese in der peripheren Zone in Form einer Bindcgewebs- 
entwicklung zum Ausdruck kommende Gewebsbildung spricht sich in 
gleicher Weise auch in der nach außen an die periphere Zone sich 
anschließenden Uebergangszone aus. 

Die Bindegewebsentwicklung in den beiden letztgenannten Zonen, 
namentlich auch in der Uebergangszone schafft einen gewissen Ab¬ 
schluß des Aktinomyzespilzes und der von größeren Mengen 
und höheren Konzentrationen seiner Stoffwechselprodukte beherrschten 
beiden inneren Zonen des aktinomykotischen Einzelknötchens gegen¬ 
über dem benachbarten Gewebe derart, daß über diesen Schutzwall 
hinaus nur noch geringe Mengen von Stoffwcchselprodukten zur Wir¬ 
kung gelangen können. 

In der Zunge, in der die Parenchymelemente (Muskelfasern) in¬ 
folge ihrer schweren Beeinflußbarkeit (sie besitzen eine verhältnis¬ 
mäßig hoch gelegene Reizschwelle) Veränderungen durch die Stoff¬ 
wechselprodukte des Pilzes kaum erleiden, in Organen also, in denen 
lediglich das als Stützgewebe dienende Bindegewebe der primären Ein¬ 
wirkung der Stoffwechselprodukte unterliegt, wirken sich die letzteren 
mit der Entstehung der spezifischen Neubildung, des aktinomykotischen 
Knötchens (mit seinen Zonen), aus. Infolgedessen finden wir in der 
Zunge außerhalb der gewissermaßen in sich abgeschlossenen aktinomy¬ 
kotischen Neubildung keine weiteren Veränderungen vor. 

Anders verhält sich jedoch der Knochen, bei dem die den Schutz¬ 
wall der Uebergangszone durchdringenden geringen Mengen von Stoff¬ 
wechselprodukten auf ein sehr leicht beeinflußbares Gewebe (Endost) 
treffen. Das Endost, das eine niedrig gelegene Reizschwelle besitzt, 
reagiert je nach der örtlichen Menge und Konzentration der Stoff¬ 
wechselprodukte verschieden. Ist es nur durch eine dünne Binde- 
gewebslage (innere Schicht der Uebergangszone) von der aktinomyko¬ 
tischen Neubildung getrennt, so vermögen etwas größere Mengen und 
Konzentrationen von Stoffwechselprodukten zu ihm zu gelangen. Es 
wird dementsprechend ziemlich stark gereizt, und diese Reizung führt 
zur Entstehung jener Riesenzellen, die wir als Osteoklasten bezeichnen 
und die sofort ihre spezifische, resorbierende Funktion der festen Knochen¬ 
grundsubstanz gegenüber ausüben. Mit anderen Worten: Bei etwas 
größerer Menge und höherer Konzentration der Stoffwechselprodukte 
kommt es in der Umgebung der aktinomykotischen Neubildung zur 
Knochenresorption, wodurch für die weitere Ausbreitung des aktinomy¬ 
kotischen Gewebes neuer Raum geschaffen wird. Da, wo sich die ab- 



64 


ERNST JOEST und ALFRED ZUM PK, 

schließende ßindegewebslage der aktinomykotischen Neubildung, d. h. 
die Innenschicht der Uebergangszone, stärker ausgebildet hat, läßt sie 
nur ganz geringfügige Mengen und Konzentrationen der Stoffwechsel¬ 
produkte auf das Endost cinwirken, die das dem Knochen an sich 
innewohnende Regenerationsbestreben fördern. Infolgedessen ant¬ 
wortet das Endost nicht mit Ausbildung von Osteoklasten, sondern 
durch Neubildung von Osteoblasten, die ihrer spezifischen biologischen 
Aufgabe entsprechend zur Knochenneubildung schreiten. 

Diese beiden Prozesse am benachbarten Knochen, Resorption und 
Neubildung (Apposition), sind zu gleicher Zeit an verschiedenen Punkten 
der Peripherie der Neubildung im Gange, und sie lösen einander ent¬ 
sprechend den örtlichen Schwankungen in der Menge und Konzen¬ 
tration der Stoffwechselprodukte häufig ab. Es sind diese entgegen¬ 
gesetzten Wirkungen der Stoffwechselprodukte nicht etwa als eine 
spezifische Wirkung des Aktinomyzespilzes anzusehen; denn wir wissen, 
daß Endost und Periost auf die verschiedenen Reize je nach deren 
Stärke und Qualität mit denselben Erscheinungen, Resorption oder 
Knochenneubildung (Apposition), antworten. Es unterscheiden sich 
infolgedessen auch Resorption und Apposition des Knochens bei der 
Aktinomykose nicht grundsätzlich von den gleichen unter physio¬ 
logischen und anderen pathologischen Bedingungen ablaufenden Vor¬ 
gängen. 

Das in der Nähe der aktinomykotischen Neubildung gelegene 
Knochenmark reagiert, soweit seine Elemente nicht dem Endost 
zuzurechnen sind, auf die über die Uebergangszone hinausgelangenden 
Stoffwcchselprodukte lediglich mit Neubildung von Bindegewebe, zeigt 
also ähnliche Veränderungen wie ein Stützgewebe. Reizungserscheinungen 
des Markes im Sinne einer veränderten Blutbildung, wie sie in etwas 
größerer Entfernung vielleicht vermutet werden könnten, ließen sich 
mit Sicherheit nicht feststellcn. 

Kennzeichnet sich die Beeinflussung der Markelemcnte bereits als 
eine Art Fernwirkung der Stoffwechselprodukte des Aktinomyzespilzes, 
so tritt uns eine anscheinend wirkliche Fernwirkung in viel größerem 
Maßstabe in den Veränderungen des Periosts entgegen, die sich in 
einer umfangreichen Knochenneubildung im Sinne einer ossifizierenden 
Periostitis ausspricht. Freilich läßt sich die durch eine ossifizierende 
Periostitis bedingte auffällige Auftreibung des Kiefers besser anders 
erklären als durch Fernwirkung der Stoffwcchselprodukte des Aktino¬ 
myzespilzes. Näheres hierüber wurde oben (S. 53) gesagt. 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 65 

In ihrem Gesamtverhalten weist die Kicferaktinomykose im 
Vergleich zu der früher von uns beschriebenen Zungcnak- 
tinomvkose eine Reihe von Besonderheiten auf, auf die hier 
noch näher einzugehen ist. 

Um diese Besonderheiten richtig zu verstehen, sei daran erinnert, 
daß zwischen Aktinomyzespilz und Gewebe Wechselbeziehungen be¬ 
stehen, die man sich in Form eines Kampfes zwischen dem parasitären 
Eindringling und den Gewebszellen vorstellen kann. Die Kampfmittel, 
die der Pilz zur Anwendung bringt, sind im wesentlichen in zwei 
Momenten erkennbar, nämlich erstens in der morphologischen Ent¬ 
faltung des Pilzes und zweitens in seiner biologischen Betätigung. 

Die morphologische Entfaltung des Pilzes erstrebt die Aus¬ 
bildung einer möglichst lebenskräftigen und widerstandsfähigen Pilz¬ 
kolonie. Der Typus einer solchen tritt uns in jenen Aktinomyzespilz- 
drusen entgegen, die wir als „vollausgcbildet“ bezeichnet haben, weil 
sic alle bisher als charakteristisch für die Kolonien des Aktinornyzes- 
pilzes im Gewebe ermittelten Merkmale in deutlicher Form zeigen. 

Die biologische Betätigung derartiger Pilzkolonien (die 
Wirkung von Stoffwechselprodukten) ruft örtliche Gewebsveränderungen 
hervor, die wir als „auf der Höhe ihrer Entwicklung stehende aktino- 
mykotischc Knötchen“ bezeichnet haben. Innerhalb dieser „auf der 
Höhe ihrer Entwicklung stehenden Knötchen“, inbesondere in der 
lockeren zentralen und an jugendlichen Zellen reichen intermediären 
Zone, findet der Pilz die günstigsten Bedingungen für seine Ver¬ 
mehrung, die zur Entstehung zahlreicher neuer Knötchen führt und 
so ein schnelles Wachstum der aktinomykotischen Neubildung bewirkt. 

Bevor die Pilzdruse zu jener vollen Entfaltung gelangt, wie wir 
sic soeben skizziert haben, ist sie in ihrem Kampfe gegenüber dem 
Gewebe nicht immer erfolgreich. Darauf ist cs zurückzuführen, daß 
junge Pilzdrusen nicht selten in ihrer Ausbildung gehemmt werden, 
was notwendiger Weise zur Folge hat, daß die durch sie hervorgerufenen 
Gewebsveränderungen die weitgehende histologische Differenzierung 
der vollausgcbildeten Knötchen nicht erkennen lassen. Hier erlangt 
gewissermaßen das Gewebe im Kampfe mit dem Pilz das Ucbergewicht. 
In ähnlicher, wenn auch etwas anderer Weise ist dies der Fall, wenn 
die Pilzdrusen beginnen zu altern, ohne durch Bildung neuer Pilz¬ 
kolonien in ihrer nächsten Umgebung den,Einfluß des Pilzes auf das 
Gewebe in vollem Maße aufrecht erhalten zu haben. In diesem Falle 
linden wir die Pilzkolonie mehr oder weniger ihrer charakteristischen 

Archiv f. wissensei», u. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Supp!. 5 



ERNST JOEST und ALFRED ZU.MPE, 


6(j 

Merkmale cutkleidet und in einem Zustand, den wir als Rückbildung 
der Kolonie bezeichnen können. Die Knötchen, die derartige Pilz¬ 
drusen einschließen, lassen deutlich erkennen, daß das Gewebe im Be¬ 
griff ist, im Kampf mit dem Pilz obzusiegen. Sie unterscheiden sich 
in verschiedener Hinsicht von den „Knötchen auf der Höhe ihrer 
Entwicklung“. 

Wenn wir von diesen Gesichtspunkten aus die Aktinomyko.se 
der Zunge und des Kiefers vergleichend betrachten, so 
gewinnen wir ohne weiteres den Eindruck, daß jener Kampf in der 
Zunge sich im allgemeinen mehr zugunsten des Gewebes, im Kiefer¬ 
knochen dagegen mehr zugunsten des Pilzes entscheidet. Denn in 
der Zunge finden wir in den aktinomvkotischen Knötchen und Knötchen- 
konglomeratcn eine ausgesprochene Neigung zum Abschluß, zur Ab¬ 
kapselung, womit einzelne begrenzte Krankheitsherde geschaffen werden, 
deren Pilze sich kontinuierlich nicht mehr weiter in der Nachbarschaft 
verbreiten können. Dagegen sehen wir bei der Kicferaktinomykose 
keine abgeschlossenen Herde, sondern eine kontinuierliche Weiteraus¬ 
breitung des Krankheitsprozesses auf Grund einer fortgesetzten Ver¬ 
mehrung des Pilzes durch örtliche Ausstreuung von Pilzteilen, die 
ihrerseits bestrebt sind, neue Knötchen entstehen zu lassen. Dem¬ 
entsprechend gibt es auch im Kiefer keine solitären Einzelknötchen 
und solitären Knötchenkonglomerate; vielmehr bildet die aktinomv- 
kotische Neubildung hier gewissermaßen einen einzigen großen aus 
zahllosen Knötchen bestehenden, zusammenhängenden Herd, der sieh 
in Form vieler Vorstöße in unregelmäßiger Form nach den ver¬ 
schiedensten Richtungen im Knochen ausbreitet und somit letzterem 
gegenüber eine Art schrankenlosen, infiltrativen Wachstums bekundet. 

Die unmittelbaren Ursachen für die schnelle, kontinuierliche Aus¬ 
breitung der spezifischen Neubildung im Kieferknochen sind in der 
vollen morphologischen Entfaltung der Mehrzahl der Aktinomyzcspilz- 
drusen und in der Beharrung der letzteren auf der Höhe ihrer Aus¬ 
bildung für längere Zeit gegeben. Die genannten Momente ermöglichen 
es dem Pilz, seine biologischen Eigenschaften in oben angedeutetem 
Sinne kraftvoll zu betätigen. 

Die Ursachen für die volle Entfaltung und Erhaltung der Pilz¬ 
drusen in diesem Zustande für möglichst lange Zeit und damit die 
mittelbaren Ursachen für das rasche, schrankenlose Wachstum der 
aktinomvkotischen Neubildung suchen wir in der Eigenart des be¬ 
troffenen Gewebes, des Knochengewebes. Man könnte im ersten Augen- 



Histologische Studien über die Kiefcraktinomykose des Rindes. 


67 


blick geneigt sein, anzunehmen, daß die Festigkeit der Tela ossea 
für das Umsichgreifen der Erkrankung im Kiefer ein Hindernis bilde. 
Das Gegenteil ist der Fall. Denn das Endost besitzt eine so niedrig 
gelegene Reizschwelle, daß es, wie oben dargelegt, nur eines geringen 
Anstoßes bedarf, um durch die Stoffwechselprodukte des Pilzes zur 
Resorption von Knochensubstanz angeregt zu werden, und seine Ein¬ 
richtungen zur Knochenresorption sind so hervorragend ausgebildet, daß 
sie selbst den höchsten Anforderungen an die Raumbeschaffung für einen 
sich schnell ausbreitenden pathologischen Prozess genügen. Während 
also in der Zunge die Muskelfasern von den Stoffwechselprodukten des 
Pilzes infolge ihrer hoch gelegenen Reizschwelle nicht unmittelbar be¬ 
einflußt, vielmehr nur mittelbar durch den Druck der durch den Pilz aus¬ 
gelösten Bindegewebsneubildung zur Atrophie gebracht werden, während 
die Bindegewebsneubildung gleichzeitig zur Schädigung des Pilzes, zur 
Abkapselung und zum Stillstand, oft auch zur Rückbildung des Krank¬ 
heitsherdes führt, erfolgt im Kiefer mit Hilfe des reizempfindlichen 
Endosts die Beseitigung des Knochengewebes zum Zweck der Raum¬ 
beschaffung für das Wachstum der spezifischen Neubildung leicht und 
rasch. Der Aktinomyzespilz wird hierbei nicht geschädigt, er kann 
sich vielmehr vermehren und so seinen Einfluß im Sinne der Aus¬ 
breitung des Prozesses zur Geltung bringen. Auch wird das Knochen¬ 
gewebe im allgemeinen nicht durch Abkapselung der aktinomykotischen 
Neubildung der Einwirkung des Pilzes entzogen. 

In der Zunge wird zwar die mangelnde örtliche Ausbreitungs¬ 
fähigkeit des Prozesses zum Teil wieder ausgeglichen durch eine 
ausgesprochene Neigung des Pilzes, sich auf dem Wege der Lymph- 
bahnen neue Ansiedelungen zu schaffen. Trotz dieser Art des Umsich¬ 
greifens der Erkrankung in dem betroffenen Organ gewinnt sie in der 
Regel doch bei weitem nicht jenen bösartigen Charakter, wie er in 
der schrankenlosen kontinuierlichen Ausbreitung des Prozesses im Kiefer 
sich kundgibt. 

Wenn wir die Kiefcraktinomykose mit ihrer schnellen Ausbreitung 
und gewaltigen Knochenzerstörung in Vergleich setzen wollen zu anderen 
pathologischen Prozessen, so kann man sic bösartigen Geschwülsten 
des Knochens an die Seite stellen. 

Ergebnisse. 

Die Kieferaktinomykosc des Rindes kennzeichnet sich makro¬ 
skopisch durch die bekannte spindelförmige Auftreibung des er- 



KUNST JOEST und ALFRED ZL’MI'K 


r>8 

krankten Knochens. Der aufgetriebene Knochen stellt eine dem Bau 
eines Badeschwammes nicht unähnliche, von zahlreichen, regellos an¬ 
geordneten Höhlen durchsetzte harte Masse dar. Die Höhlen hängen 
untereinander zusammen und enthalten als Weichgewebe die spezifische 
aktinomykotische Neubildung. Letztere bildet trotz ihrer Verteilung 
auf zahlreiche Höhlen des erkrankten Knochens in Wirklichkeit einen 
einheitlichen, zusammenhängenden, umfangreichen Herd. Indem die 
spezifische Neubildung stellenweise über die Oberfläche des erkrankten 
Knochens hinauswuchert, kann sie in der Subkutis des Kiefers umfang¬ 
reiche Aktinomykomc und nach Durchbruch der Schleimhaut des 
Zahnfleisches auf letzterem Erosionen und knöpf- oder pilzförmige 
Wucherungen erzeugen. 

Die spezifische Neubildung bei der Kiefcraktinomykose besitzt 
grundsätzlich den gleichen histologischen Bau wie die aktinomyko¬ 
tische Neubildung in anderen Organen (z. B. in der Zunge), d. h. 
sie setzt sich zusammen aus aktinomvkotischen Einzelknötchen, die 
durch teilweise Verschmelzung ihrer Außenschicht Knötchenkongloracrate 
bilden, sowie aus Bindegewebe (Uebergangszone), das die einzelnen 
Knötchenkonglomerate untereinander und mit dem sic umgebenden 
Knochengewebc verbindet. 

Das aktinomykotische Einzelknötchen tritt auch hier in 
drei Entwicklungsstadien auf, nämlich als „Knötchen auf der Höhe 
seiner Entwicklung“, als „in Rückbildung begriffenes“ und als „rück¬ 
gebildetes Knötchen“. Bestimmend für seine histologische Struktur 
ist jeweils die morphologische Ausbildung und die von dieser ab¬ 
hängige Reizwirkung der in seinem Zentrum gelegenen Pilzdruse. Die 
Reizwirkung des Pilzes auf das ihn umgebende Gewebe beruht im 
wesentlichen auf der Abgabe von toxischen Produkten (in der Gewebs¬ 
flüssigkeit sich lösenden Stoffwechselprodukten), die eine zur Knötchen¬ 
bildung führende Gewebsreaktion auslösen. 

Den vorherrschenden und wichtigsten Bestandteil der aktinoniyko- 
tischen Neubildung im Kiefer stellen die „Knötchen auf der Höhe 
ihrer Entwicklung“ dar. Diese Knötchen besitzen in ihrem Zentrum 
eine oder mehrere voll ausgebildetc Pilzdrusen, bestehend aus zentralem 
Fadenwerk und peripherer Keulcnschicht. Diese Pilzdrusen liefern, 
ihrer morphologischen Entfaltung entsprechend, sehr wirksame toxische 
Produkte, deren Menge und Konzentration unmittelbar an der Pilz¬ 
kolonie am höchsten ist und mit wachsender Entfernung von letzterer 
allmählich abnimmt. Da die Art der Gewebsreaktion von Menge und 



Histologische Studien über die Kieferaktinomykosc des Rindes. 


69 


Konzentration der toxischen Produkte abhängig ist, so muß sie sich 
in verschiedener Entfernung vom Pilz verschieden äußern. So kommt 
es zur Ausbildung eines Knötchens mit drei konzentrischen, deutlich 
unterscheidbaren Zonen. Die zentrale Zone des Knötchens besteht 
lediglich aus einer Anhäufung von Zellen, vornehmlich von polymorph¬ 
kernigen neutrophilen Leukozyten mit nur wenigen anderen hämatogenen 
und histogenen Elementen. Die intermediäre Zone wird von zentral- 
wärts jungem, nach außen hin fibrillenreicher werdendem, kapilläre 
Gefäße führendem Granulationsgewebe und die periphere Zone von 
jungem fibrillären, lockerem Bindegewebe gebildet. 

In vielen der voll ausgebildeten Knötchen findet eine Ver¬ 
mehrung des Aktinorayzespilzes statt. Diese vollzieht sich da¬ 
durch, daß von der oder den Mutterdrusen sich fädige Pilzelemente 
loslösen, die zum Teil, von Phagozyten aufgenommen und verschleppt, 
zu Tochterdrusen auswachsen. Die Entstehung der Tochterdrusen 
bildet den Ausgangspunkt des Wachstums der aktinomvkotischen Neu¬ 
bildung. Letzteres erfolgt in der Weise, daß sich zunächst durch den 
größeren oder geringeren Einfluß der toxischen Produkte der Tochter¬ 
drusen um letztere herum die Ausbildung junger Tochterknötchen 
(innerhalb des Mutterknötchens) vollzieht, und daß sich diese sodann 
zu selbständigen Knötchen neben dem ursprünglichen Mutterknötchen 
fortentwickeln. Das Wachstum der aktinomvkotischen Neubildung im 
Kiefer vollzieht sich also durch fortgesetzte Bildung neuer spezifischer 
Knötchen in Form eines kontinuierlichen Umsichgreifens. 

„In Rückbildung begriffene Knötchen“ sind bei der Kiefer- 
aktinomykose in viel geringerer Zahl vorhanden als die vollausgc- 
bildeten. Sie führen in ihrem Zentrum eine Pilzdruse, deren Faden¬ 
werk größtenteils zugrunde gegangen ist und deren Kculenschicht 
besonders stark ausgebildet hervortritt. Derartige Pilzdrusen ver¬ 
mögen toxische Produkte nur in geringer Menge und Konzentration 
zu liefern. Infolgedessen erzeugen sie Knötchen, in denen die histo¬ 
genen Bestandteile (Fibroblasten) auch in der Nähe des Pilzes das 
Febergewicht über die hämatogenen Elemente (Leukozyten) erlangen. 

„Rückgebildete Knötchen“ kommen in der aktinomykotischen 
Neubildung des Kiefers auf zweierlei Art zustande. Ein kleiner Teil 
von ihnen geht aus ehemals vollausgebildet gewesenen Knötchen 
hervor. Die Mehrzahl von ihnen gewinnt bei der vorerwähnten 
Tochterknötchenbildung innerhalb von Mutterknötchen diese Form, 
indem die ausgestreuten Pilzteile, ohne sich zu vollausgebildeten 



70 


ERNST JOEST und ALFRED ZUM RE, 


Pilzdrusen zu entfalten, bald der Rückbildung anheimfallen. Die 
„rückgebildeten Knötchen“ der letzteren Art sind also nie voll 
entwickelt gewesen. Sie sind infolgedessen von geringerer Größe 
als die „rückgebildeten Knötchen“ der ersteren Art. Abgesehen 
hiervon ist der Bau beider in der Hauptsache der gleiche. Der in 
dem Zentrum aller „rückgebildeten Knötchen“ gelegene Pilz stellt 
eine formlose Masse dar, die von Fibroblasten, Fremdkörperriesen¬ 
zellen und konzentrisch geschichtetem Bindegewebe umgeben ist. 

Die Uebergangszone, dasVerbindungsgcwebe zwischen Knötchen¬ 
konglomeraten und fester Knochensubstanz, besteht aus einer inneren, 
der spezifischen Neubildung zugewendeten bindegewebigen und aus 
einer äußeren, an der Tela ossea gelegenen endostalen Schicht. Die 
bindegewebige Schicht besitzt verschiedene Dicke, die dort, wo der 
aktinomykotische Prozeß im örtlichen Fortschreiten begriffen ist, 
gering und dort, wo ein gewisser Stillstand des Prozesses eingetreten 
ist, mächtiger ist. Die bindegewebige Schicht bildet somit für die 
endostale Schicht einen mehr oder minder dichten Schutzwall gegen¬ 
über den toxischen Produkten des Pilzes in der spezifischen Neubildung. 

In der endostalen Schicht der Uebergangszone laufen 
im allgemeinen je nach der Dicke der bindegewebigen Schicht zwei 
verschiedene Prozesse ab. 

Bei geringer Dicke der bindegewebigen Schicht erfolgt 
auf Grund der Reizwirkung der toxischen Produkte des Pilzes in 
der endostalen Schicht lakunäre Resorption der Tela ossea durch 
Osteoklasten. Die lakunäre Resorption schafft den nötigen Raum 
für die Ausbreitung der aktinomykotischen Neubildung im Kiefer. 
Andere Formen der Knochenauflösung (perforierende Kanäle und 
Halisterese) kommen hier nicht in Frage. 

Größere Dicke der bindegewebigen Schicht bedingt im 
Endost Knochenneubildung (Apposition) durch Osteoblasten. 
Die AppositionsVorgänge sind als Ausdruck des dem Knochen an sich 
innewohnenden Regenerationsbestrebens aufzufassen. Wahrscheinlich 
erfahren sie indessen durch geringe Mengen der die bindegewebige 
Schicht durchdringenden toxischen Produkte des Pilzes eine Förderung. 
Das Ergebnis der endostalen Knochenneubildung ist ein Netzwerk 
regelmäßig und normal verkalkender, grobfaserig gebauter, vom vor¬ 
handenen Knochengewebe durch eine zackige Grenzmarke geschiedener 
Knochenbälkchen. Die endostale Apposition kommt infolge des 
steigenden Gegendruckes der aktinomykotischen Neubildung (durch 



Histologische Stadien über die Kieferaktinomykose des Rindes. 


71 


Vermittlung der bindegewebigen Schicht) auf die Osteoblasten als¬ 
bald zum Stillstand. Infolge dieser Beschränkung ist die Menge des 
endostal neugebildeten Knochengewebes nur gering. Eine nennens¬ 
werte Anteilnahme an der Entstehung der gesamten Knochenmasse 
der spindelförmigen Auftreibung des Kiefers kommt ihm nicht zu. 

Resorption und Apposition tragen keine für die Aktinomykose 
spezifischen Merkmale an sich, sondern laufen in der gleichen Weise 
ab wie die entsprechenden durch verschiedene physiologische und patho¬ 
logische Reize am Periost und Endost hervorgerufenen Vorgänge. 

Die spindelförmige Auftreibung des aktinomykotischen Kiefers 
wird verursacht durch eine mehr oder minder schwere chronische 
ossifizierende Periostitis, die echtes, geflechtartiges, spongiöses 
Knochengewebe erzeugt. Wenn diese ossifizierende Periostitis auf den 
ersten Blick auch durch eine Fernwirkung der Stoffwechselprodukte 
des Aktinomyzespilzes ausgelöst zu sein scheint, so ist es doch 
wahrscheinlicher, daß sie einen nicht spezifischen Vorgang, ähnlich 
der Kallusbildung bei heilenden Knochenfrakturen, darstellt. 

Neben der lebhaften Knochenneubildung kann sich am Periost 
auch örtliche konzentrische lakunäre Resorption abspielen. 
Die letztere wird zumeist hervorgerufen durch Uebergreifen der 
aktinomykotischen Neubildung auf die Knochenoberfläche. In einzelnen 
Fällen vorgeschrittener Kieferaktinomykose ist konzentrische Resorption 
dagegen (beim Fehlen einer primären Einwirkung des Pilzes auf das 
Periost) als örtlicher Anpassungsvorgang, ähnlich dem Abbau des Kallus 
geheilter Frakturen, aufzufassen. 

Das Knochenmark im Bereich der aktinomykotischen Kiefer¬ 
erkrankung ist, abgesehen vom Endost, Fasermark. Aenderungen an 
spezifischen Markzellen, die auf eine Reizwirkung des Pilzes zu be¬ 
ziehen wären, sind nicht festzustellen. 

Der Gesamtprozeß der Kieferaktinomykose unterscheidet 
sich von dem der Zungenaktinomykose vornehmlich durch ein 
kontinuierliches, schnell fortschreitendes, schrankenloses Wachstum der 
aktinomykotischen Neubildung im Kiefer gegenüber der Ausbildung mehr 
oder weniger zahlreicher einzelner, verstreuter, in sich abgeschlossener 
Erkrankungsherde in der Zunge. Dieser Unterschied zwischen Kiefer- 
und Zungenaktinomykose ist auf die verschiedenartige Wechselwirkung 
zwischen dem Pilz und dem von ihm befallenen Gewebe zurückzuführen. 

Die aktinomykotische Neubildung des Kiefers zeichnet 
sich, wie vorstehend betont, durch das Vorherrschen besonders lebens- 



72 


KUNST JOEST und ALFRED ZUMPE, 


kräftiger, zur Vermehrung neigender Pilzkolonien aus. Diese morpho¬ 
logische Entfaltung und biologische Betätigung der Pilzkolonien im 
Kiefer wird ermöglicht durch die hervorragenden Einrichtungen des 
Knochengewebes zur Resorption der festen Knochensubstanz, d. h. 
zur schnellen Raumbeschaffung für die Ausbreitung der aktinomvkoti- 
schen Neubildung. Es bietet also das Knochengewebe Bedingungen 
für den aktinomykotischen Prozeß, die dessen schnelles Fortschreiten 
wesentlich begünstigen und den Einfluß des Pilzes auf das Gewebe 
wirksam unterstützen. 

Demgegenüber ist im Zungengewebe die örtliche Ausbreitungs¬ 
möglichkeit des aktinomykotischen Prozesses infolge der Widerstands¬ 
fähigkeit des benachbarten Gewebes (Muskelfasern) gegen die Reiz¬ 
wirkung des Pilzes nur gering. Hier reagiert in der Hauptsache 
das Stützgewebe (intermuskuläre Bindegewebe) auf den Einfluß des 
Pilzes mit Bindegewebsncubildung. Dieser Umstand führt in der 
Regel zur Abkapselung, zum Stillstand und unter Umständen zur 
Rückbildung des Krankheitsherdes. Unter diesen Bedingungen bedarf 
der aktinomvkotischc Prozeß der Zunge zu seiner Ausbreitung einer 
besonderen Unterstützung, die ihm durch die Lvmphbahnen gewährt wird. 

Literatur. 

1) Askanazy, M., lieber das basophile Protoplasma der Osteoblasten, Osteo¬ 
klasten und anderer Gewebszellen. Zentralbl. f. allgem. Path. u. path. Anat. 
1902. Bd. 13. Nr. 10. S. 369. — 2) Axhauscn, Das Wesen des osteomala¬ 
zischen Knochenprozesses. Med. Klinik. 1909. S. 922. — 3) Derselbe, lieber 
die bei der Luft- und Gasfüllung des Knochengewebcs auftretenden Phänomene und 
ihre Deutung, insbesondere über die sogenannten Gitterliguren. Virchows Arch. 1908. 
Bd. 194. S. 371. — 4) Bang, B., Die Strahlenpilzerkrankung (Aktinomykosis). 
Deutsche Zeitschr. f. Tiermed. 1884. Bd. 10. S. 249. — 5) Bollingcr, lieber 
eine neue Pilzkrankheit beim Rinde. Ebenda. 1877. Bd. 3. S. 334. — 6) Bo¬ 
st ro cm, Untersuchungen über die Aktinomykose des Menschen. Zieglers Beiträge 
z. path. Anat. u. z. allgem. Path. 1891. Bd. 9. S. 1. — 7) Chiari, Verhandl. 
d. Deutsch, path. Gcscllsch. 1909. 13. Tagung. Diskussion. S. 60. — 8) Dresel, 
G., Zur Kenntnis der Aktinomykose. Zieglers Beitr. z. path. Anat. u. z. allgem. 
Path. 1915. Bd. 60. S. 185. — 9) Fischlcr, Histologischer Nachweis von Seife 
und Fettsäure. Ebenda. Festschr. f. Arnold. — 10) Hanau, A., Bericht über das 
Ergebnis der anatomischen Untersuchung der Knochen nebst orientierenden Be¬ 
merkungen über den jetzigen Stand der anatomischen Forschung über Osteomalazie. 
Korrespondenzbl. f. Schweizer Aerzte, 1892. 22. J&hrg. S. 497. — 11) Jocst, 

K., und Zumpe, A., Histologische Studien über die Aktinomykose des Rindes. 
Zeitschr. f. Infektionskrankh., parasit. Krankh. u. Hyg. d. Haustiere. 1913. Bd. 13. 
S. 8. — 12) Johne, Die Aktinomykose oder Strahlenpilzcrkrankung, eine neue 
Infektionskrankheit. Deutsche Zeitschr. f. Tiermed. 1882. Bd. 8. S. 141. — 
13) Kitt, Die Aetiologic und pathologische Anatomie der Aktinomykose. Monatsh. 
f. prakt. Ticrheilkd. 1891. S. 466. — 14) Köllicker, A., Handb. d. Gewebelehre 



Histologische Studien über die Kicferaktinomykosc dos Kindes. 


73 


d. Menschen. 6. Aufl. 1889. — 15) Derselbe, Die normale Resorption des 
Knochengewebes und ihre Bedeutung für die Entstehung der typischen Knochcn- 
furmen. Leipzig 1873. — 16) Loelc, W., Beitrag zur Morphologie der Aktino- 
myzesdruse. Zeitschr. f. Hyg. 1908. Bd. 60. S. 227. — 17) Looscr, Verhandl. 
d. Deutsch, path. Gesellseh. 1909. 13. Tagung. Diskussion. S. 54 u. 64. — 
18) Marchand, F., Ebenda. S. 60. — 19) Pommer, G., Ueber die lakunäre 
Resorption in erkrankten Knochen. Sonderabdr. a. d. Sitzungsberichten d. K. Akad- 
d. Wissensch. in Wien. 1881. Bd. 83. — 20) Derselbe, Ueber die Osteoklasten¬ 
theorie. Virchows Archiv. 1883. Bd. 92. S. 296. — 21) Derselbe, Unter¬ 
suchungen über Osteomalazie und Rachitis. Leipzig 1885. — 22) Derselbe, 
t T cber einige ältere und neuere Knorpel- und Knoehenfragen. Sonderabdr. a. d. 
Berichten d. naturwiss.-med. Vereins in Innsbruck. 1917. Bd. 36. — 23) Pon- 
fick, E., Die Aktinomykosc des Menschen. Berlin 1882. — 24) von Reckling¬ 
hausen, F.. Ueber fibröse und deformierende Ostitis. Festschr. f. Virchow. Berlin 
1891. — 25) Derselbe, Untersuchungen über RachiHs und Osteomalazie. Jena 
1910. — 26) Ribbert, H., Verhandl. d. Deutsch, path. (iesellsch. 1909. 13. Tagung. 
Diskussion. S. 63. — 27) von Rustizky, F., Untersuchungen über Knochen¬ 
resorption und Riesenzcllen. Virchows Archiv. 1874. Bd. 59. S. 202. — 
28) Schlange, 11., Zur Prognose der Aktinomykosc. Arch. f. klin. Chir. 1892. 
Bd. 44. S. 863. — 29) Schlegel, M., Aktinomykosc. Handb. d. pathog. Mikro¬ 
organismen von Kolle u. Wassermann. 1912. 2. Aufl. Bd. 5. S. 301. — 30) Der¬ 
selbe, Die Euteraktinomykose (Actinomycosis uberis) beim Rind. Berl. tierärztl. 
Wochenschr. 1917. S. 133. — 31) Schmidt, M. B., Allgemeine Pathologie und 
pathologische Anatomie der Knochen. Ergehn, d. allgcm. Path. u. path. Anat. d. 
Menschen u. d. Tiere von Lubarsch u. Ostertag. 1897. 4. Jahrg. S. 531. — 
32) Derselbe, Referat über Rachitis und Osteomalazie. Verhandl. d. Deutsch, 
path. Gesellsch. 1909. 13. Tagung. — 33) Sehmorl, (i., Die path.-liistolog. 

Untersuchungsmethoden. 6. Aufl. Leipzig 1912. — 34) Derselbe, Die patho¬ 
logische Anatomie der rachitischen Knochenerkrankung mit besonderer Berücksich¬ 
tigung ihrer Histologie und Pathogenese. Ergehn, d. inn. Med. u. Kinderheilkd. 
1909. Bd. 4. S. 403. — 35) Derselbe. Verhandl. d. Deutsch, path. (iesellsch. 
1909. 13. Tagung. Diskussion. S. 58. — 36) Schwalbe, Ueber das postembryo¬ 
nale Knochenwachstum. Sitzungsber. d. Jcnaisehen Ciesellsch. f. Med. u. Natur¬ 
wissenseh. 1877. — 37) Virchow, R., Die Zellularpathologie. 4. Aufl. Berlin 

1871. — 38) Wegner, G., Myeloplaxen und Knochenresorption. Virchows Archiv. 

1872. Bd. 56. S. 523. — 39) Wrcde, L., Ueber hämatogene Osteomyelitis durch 
Aktinomykose. Arch. f. klin. Chir. 1906. Bd. 80. S. 553. — 40) Ziegler, E., 
Ueber Proliferation, Metaplasie und Resorption des Knochengewebes. Virchows 
Archiv. 1878. Bd. 73. S. 355. — 41) Dcrsel bc, Allgemeine Pathologie. 11. Aufl. 
Jena 1905. S. 695. 


Bemerkung zu den Tafeln 1 —V. In der den Tafeln aufgedruckten Erklärung 
der Abbildungen ist versehentlich die Färbung nicht erwähnt worden. Es sei 
deshalb hier nachgetragen, daß das Präparat für Fig. 1 nach Gram -f- Lithionkarmin, 
die Präparate für alle übrigen Figuren mit Hämatoxylin + Eosin gefärbt sind. 
Für Fig. 4 ist auch noch die Vergrößerung nachzutragen. Das Bild wurde mit 
Zeiß' Obj. A, Ok. 2 gezeichnet. 



II. 


Ueber Schußverletzungen bei Pferden im Kriege. 

Von 

Prot Dr. J. Richter in Dresden, 

zurzeit ObereUbsveterinär. 

(Mit 17 Abbildungen im Text.) 

Der Weltkrieg hat auf den verschiedensten Gebieten Umwälzungen 
gebracht und Ziele gewiesen. Er hat auch die Tierärzte, insbesondere 
die in militärischen Diensten stehenden Veterinäre, vor neue, große 
Aufgaben gestellt und in reichstem Maße die Möglichkeit geboten, 
im Felde und in der Heimat Erfahrungen zu sammeln, die der tier¬ 
ärztlichen Wissenschaft Früchte tragen müssen. Dazu ist notwendig, 
daß die gemachten Erfahrungen und Beobachtungen von möglichst 
vielen Seiten niedergelegt werden, um so das Material zu späterer 
kritischer Bearbeitung zu liefern. 

Eins der interessantesten und wichtigsten Gebiete tierärztlicher 
Betätigung im Kriege ist dasjenige der Chirurgie. Während die 
meisten im Kriege vorkommenden chirurgischen Erkrankungen der 
Pferde (und Maultiere) wie Sattel- und Geschirrdrücke, Lahmheiten, 
Hufkrankheiten usw. den im Frieden auftretenden Krankheitsformen 
im allgemeinen entsprechen und nur hinsichtlich Zahl und Schwere 
der Erkrankung sowie Schwierigkeit der Behandlung gewisse, teils 
freilich einschneidende Abweichungen mit sich bringen, ist die Kriegs- 
ohirurgic im engeren Sinne, die sich mit den durch Hieb-, Stich- 
und Schußwaffen hervorgerufenen Verletzungen befaßt, naturgemäß 
mit dem Kriege auf das engste verknüpft. Zwar lassen sich auch 
im Frieden Beobachtungen über die Wirkung von Geschossen auf 
Tierkörper anstellen, wie dies mehrfach geschehen ist, insbesondere von 
EUcnberger und Baum (1), Habart (2), Bemann (3), Gabeau(4), 
Pitchford (5) usw. Diese Untersuchungen haben zum Teil infolge 
ihrer wissenschaftlich tiefgründigen Prüfung und Beurteilung der Be- 



lieber Schußverletzungen bei Pferden im Kriege. 


75 


funde außerordentlich wertvolle Aufschlüsse gebracht und sind grund¬ 
legend für die bisherige kriegschirurgische Literatur geworden, was 
ganz besonders von der Arbeit von Ellcnberger und Baum (1) gilt 
[s. Bartke (6), Bayer (7), Möller-Frick (8)]. Die Versuche mußten 
aber begreiflicherweise in gewissen engen Grenzen gehalten werden; 
sie mußten sich auf Prüfung der Wirkung von Infanteriegeschossen 
beschränken, erstreckten sich in der Hauptsache auf totes Material 
und verboten so von vornherein längere Beobachtung oder gar Be¬ 
handlung. Und die Zahl der im Frieden bei Tieren durch Militär¬ 
geschosse bedingten unglücklichen Zufallstreffer ist derart gering, daß 
auf solchen an sich interessanten Beobachtungen [s. z. B. den Fall 
von Weinhold (9) einer zufälligen Verwundung zweier Zugochsen 
durch Militärgewehrschuß] keine Lehre von der Kriegschirurgie auf¬ 
gebaut zu werden vermöchte. Hierzu kann nur der Krieg selbst die 
Grundlagen schaffen. Und deshalb besitzen alle auf dem Gebiete der 
Kriegschirurgie im engeren Sinne eben während des Krieges ge¬ 
machten Beobachtungen einen besonderen Wert und verdienen be¬ 
sonders, festgelegt zu werden. 

Die neuere, vor 1914 liegende Zeit hat einige wichtige kriegs¬ 
chirurgische Veröffentlichungen ausländischer Autoren gebracht, und zwar 
von Jewsejenko (10—12), Waletto (13) und Maleval (14). Jewse- 
jenko (10—12) beobachtete im russisch-türkischen Kriege (187?—78) 
211 Fälle von Schußverletzung bei Pferden. (Seine Veröffentlichungen 
sind in russischer Sprache abgefaßt und deshalb nur einem be¬ 
schränkten Leserkreise im Original zugänglich; sie finden sich aber 
in den Jahresberichten über die Leistungen auf dem Gebiete der 
Veterinärmedizin von Ellenberger und Schütz referiert, worauf 
die folgenden kurzen Angaben fußen). Jewsejenko gibt seine Er^ 
fahrungen mit den verschiedenen Geschossen bekannt, von denen die 
Kugeln der Martini-Peabody-, Reraington- und Winchestergewehre 
im allgemeinen geringere Verwundungen gaben als die beim An¬ 
schlägen ihre Form ändernden Snidergewehrkugeln und die Granat¬ 
splitter. Jewsejenko (10) sah 62 Pferde mit penetrierenden Brust- 
Schußwunden. Alle Patienten, die weite Märsche zurücklegen mußten, 
gingen an Hämothorax bezw. Empyem ein; dagegen betrug bei der 
nötigen Ruhe und Behandlung die Mortalität nur 20 v. H., wobei die 
Therapie im Abschneiden etwa prolabierter Lungenteile und Auf- 
legen von in 5proz. Karbolsäurelösung getauchten Scharpiebäuschchen 
oder einfacher Anwendung von Klebepflaster bestand. — Von den 



76 


J. RICHTEN, 


31 Bauchwunden heilten alle nicht penetrierenden oder nur mit 
Bruchbildung komplizierten, während die Mehrzahl der Darm-, Magen-, 
Leber-, Milz-, Nieren-Schüsse einen tödlichen Ausgang nahm. Immer¬ 
hin konnten von 8 Darmverletzungen 3 durch Darmnaht geheilt 
werden, ebenso eine Kugelwunde im Magen, während 2 durch Granat¬ 
splitter erzeugte Magenverletzungen tödlich endeten. Von 4 Leber- 
wunden und 3 Milzverletzungen heilte je 1 Pferd. — Bei 41 Pferden 
(,= 19 v. H.) sah Jewsejenko (12) Schußverletzungen am Knochen, 
über deren Zahl und Ausgänge im einzelnen berichtet wird. 

Aus dem russisch-japanischen Kriege stammen die Beobachtungen 
von VValctto (13), die sich in der Hauptsache auf die Wirkung 
der verschiedenen Geschosse beziehen. Von den Kugelverletzungen 
waren die des Arisakagewehres dank der großen Durchschlagskraft, 
dem kleinen Kaliber von 6,5 mm und dem Umstande, daß die aus 
Melchior bestehende Hülle sich nicht von der Kugel löst, leichter 
und besser heilend als die vom Muratagewehr stammenden, dessen 
Kugeln ein Kaliber von 8 mm und eine sich leicht in der Wunde 
ablösende Messinghülle besitzen. Walctto bespricht ferner die Ver¬ 
wundungen durch Schrapnellkugeln und -sprengstücke, durch Schimose- 
und Lyditbomben, durch Geschosse großkalibriger Geschütze und 
Handgranaten. Leider fehlen (wenigstens im Referat aus dem Russischen) 
Angaben über Zahl und Art der Fälle, Behandlung und Ausgang. 

Eine eingehende und wertvolle Arbeit über die Verwundungen 
der Pferde im Kriege in Marokko (1907/08) hat Maleval (14) ver¬ 
öffentlicht. Die 15 beobachteten Verwundungen durch blanke Waffen 
unterschieden sich hinsichtlich Beschaffenheit und Behandlung nur 
wenig von gewöhnlichen Wunden. Den modernen Flinten verschiedener 
Kaliber (von 6,5 bis 11,44 mm) der Marokkaner entsprachen die 
Verwundungen durch Gewehrkugeln, deren M. im ganzen 88 mit 46 
(= 52,3 v. H.) Heilungen anführt. Sehr interessanten Ausführungen 
allgemeiner Art über Statistisches, Ein- und Ausschuß, Art der 
Verletzung in den verschiedenen Geweben, Verhalten der Kugel im 
Körper, Symptome, Behandlung usw. folgen eingehende klinische 
Beobachtungen, die nach topographischen Gesichtspunkten geordnet 
und durch Einzelfälle belegt sind. Ein kurzer Absatz über Ver¬ 
wundungen durch Artilleriegeschosse beschließt die Arbeit. 

Aus dem jetzigen Weltkriege stammen bereits einige größere 
Arbeiten, die sich teilweise oder ausschließlich mit den Schußver¬ 
letzungen bei Pferden befassen, und eine Reihe kürzerer Artikel und 



Ueber Schußvcrlctzungen bei Pferden im Kriege. 


77 


kasuistischer Mitteilungen. Eberlein (15) bespricht in seinen „Be¬ 
obachtungen im Felde“ neben anderem die Verletzungen durch In¬ 
fanterie- und Dum-Dumgeschosse, durch Granatschüssc, durch Flieger¬ 
bomben und Fliegerpfeile, wobei er auf die einzelnen Geschosse, 
ihre Wirkung und auf einige Einzelbeobachtungen eingeht. Die Be¬ 
handlung der Schußverletzungen geschah wie die der frischen Wunden; 
ausgezeichnete Erfolge wurden mit der Mastisol- und mit der Jod¬ 
tinkturbehandlung erzielt. Ganz besonders warnt Eberlein vor dem 
unnötigen Sondieren, Palpieren und Waschen der Schußwunden. — 
Den nämlichen Standpunkt nimmt Schulz (16) ein, der frische Wunden 
mit Mastisol be- und umpinselt und tunlichst mit einem Verband 
schützt, jedenfalls Berührung frischer Wunden mit Finger und Sonde 
vermeidet. Bei Eiterung wird der eventuell vorhandene Fremdkörper 
entfernt und meist Sublimat (1:1000) angewendet. Schulz gibt ein 
interessantes, teils durch Abbildungeh belegtes Material von 38 ihm 
der Ueberliefcrung wert erscheinenden Einzelfällen bekannt, von denen 
3 Fälle Gewehrkugeln, 2 Schrapnellbodenstücke, 5 Schrapnellkugeln, 
23 Granatsplitter und 5 Fliegerbomben als Ursache der Verletzung 
hatten. Von den 38 ausgewählten Patienten sind geheilt 29, getötet 
3, verendet 5, in’s Lazarett überwiesen 1. 

Bei zwei Schwadronen und in einer Pferdesammelstclle hatte Breit- 
hor(l7) Gelegenheit, 55 Schußverletzungen zu sehen, was ihm Anlaß 
bot, seine Beobachtungen über Sitz der Verwundung, deren Beschaffen¬ 
heit je nach Geschoßart, Ausgänge und Behandlung in gedrängter 
Kürze bekannt zu geben. Von den 55 Schußverletzungen wurden 
33 geheilt (— 60 v. H.); 6 Pferde wurden durch die Verwundung sofort 
getötet, 7 mußten wegen Unheilbarkeit erschossen werden, 9 starben an 
der durch die Schußwunden bedingten Erkrankung. 16 Schußverletzungen 
rührten vonlnfanteriegeschossen, 39 von Artilleriegeschossen und Flieger¬ 
bomben her. Die Behandlung der Wunden bestand in Scheren, Reinigen 
der Haut, Desinfektion der Wundöffnung, Abreiben mit Jodtinktur, Be¬ 
decken mit Watte und tunlichem Anlegen eines Verbandes. Sondieren 
des Wuudkanals unterblieb; antiseptische Injektionen in denselben 
brachten schlechte Erfolge. Starke Eiterung erweckt den Verdacht, 
daß ein Fremdkörper mit in den Schußkanal eingedrungen ist: hier 
ist breites Spalten und Ausrieseln mit Desinfizienticn angezeigt. 

Hesse (18) sah zahlreiche Verletzungen, die von französischen 
13,5 cm-Granaten von außerordentlicher Splitterwirkung herrührten. 
Er berichtet, daß von 71 Pferden 37 starben bzw. getötet werden 



78 


J. RICHTER, 


mußten, und läßt Einzelheiten folgen. Die Splitter waren hirsekorn- 
bis erbsengroß, einige aus Wunden entfernte bis zu 3 cm lang. Die 
meisten Pferde trugen mehrere Verletzungen davon, manche waren 
geradezu besät. Vielfach heilten die Hautwunden ohne Eiteruug; meist 
gelang die Entfernung der Splitter, deren Auf finden in tieferen Muskel¬ 
schichten usw. die nach einigen Tagen einsetzende Eiterung erleichterte. 
Kresolseifenlösung, Umschläge mit Burow’scher Mischung, Jodtinktur, 
Eisenchloridtinktur wurden hauptsächlich angewendet. — Weitere Mit¬ 
teilungen über Schußverletzungen bei Pferden im jetzigen Kriege haben 
Krüger (19), Bambauer (20), Müllauer (21), Bley (22), Richter (23). 
Lingenbcrg (24) u. a. gemacht. 

Alle diese Veröffentlichungen kriegschirurgischer Art sind sehr zu 
begrüßen, und es ist, wie schon erwähnt, notwendig, daß ein reiches, 
mannigfaltiges Material zusammengetragen wird. Ich habe deshalb 
alle Fälle von Schußverletzungen bei Pferden, die ich während dieses 
Krieges bisher zu beobachten und zu behandeln hatte, und die als 
Schußverletzungen durch Vorbericht ausdrücklich bezeichnet worden 
waren, oder die ich durch Untersuchung bzw. Behandlung mit Sicher¬ 
heit als solche erkannte, aufgezeichnet und je nach Wichtigkeit breiter 
oder knapp gefaßt im folgenden niedergelegt. Hierbei habe ich ab¬ 
sichtlich vermieden, etwa eine Auswahl von Fällen zu treffen, sondern 
übergebe mein gesamtes Material der Oeffentliehkeit, damit sich dem 
Leser ein tunlichst lebenswahres, ungekürztes Bild der tatsächlichen 
Verhältnisse bieten soll. Das Material habe ich in der Zeit vom 
15. Oktober 1914 bis 20. Februar 1915 in der Heimat in der chirur¬ 
gischen Krankenabteilung des Ersatz-Pferde-Depots XII und vom 
25. Februar 1915 bis 10. Dezember 1916 im Pferdelazarett Lüttich ge¬ 
sammelt. Von meinen 57 Fällen von Schußverletzung stammen 13 
aus dem Ersatz-Pferde-Depot, 44 aus dem Pferdelazarett, wohin das 
Patientenmaterial von einer Pfcrdesammelstelle bzw. einem Etappen- 
Pferdclazarctt, teils auch von durchmarschierenden Truppen eingeliefert 
wurde. Ich war bemüht, nach Möglichkeit die verschiedenen Schu߬ 
verletzungen als seltenes Material photographisch fcstzuhaltcn und 
füge die Aufnahmen von 16 Fällen meiner Arbeit ein; leider bietet 
nur ein Teil der Schußwunden wegen äußerer Kleinheit und dergl. ein 
geeignetes photographisches Objekt dar. — Ich lasse nunmehr meine 
kasuistischen Beiträge zu den Schuß Verletzungen bei Pferden 
im Kriege folgen, um mich im Anschluß daran über Sitz, Art der 
Verwundung, Behandlung und Ausgänge im Zusammenhang zu äußern. 




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80 


J. RICHTER, 


rechten L’nterohrgegcnd (s. Abb. 1), hält den Kopf dauernd gesenkt und 
vermag nicht aus der Krippe bzw. Raufe, sondern nur vom Boden zu fressen. 
Er zeigt 5 cm unter und etwas hinter dem rechten Ohrgrund eine etwa 2 ein lange, 
senkrechte, an den Rändern verdickte, eingezogene Fistelöffnung, von der eine Straße 
reichlichen, eingedickten Eiters sich ergießt (Artilleriegeschoßwirkung). Die Sonde 
gelangt — knirschend — nach oben-innen etwa bis zur Mittellinie. Am nieder- 
gelegtcn Pferd wird die Fistel gespalten und mit dem Löffel ausgekratzt, wobei 
Trümmer des rechten Hinterhaupts- und Felsenbeins (mehrere erbsengroße Sequester 
und Knochengries) entfernt werden; Drainage nach der linken Seite. Am 22. 9. 
ist der Kanal links fast geschlossen, rechts noch etwa 2 cm tief bei beiderseits 
geringer Eiterung; Patient ist munter, hält den Kopf höher und frißt aus der Krippe. 
29. 9.: An der inzwischen verheilten linken Wunde hat sich eine reichlich wal¬ 
nußgroße fluktuierende Stelle gebildet, Spaltung; der Kanal geht noch bis zum 
Os occipitale: Tinct. Jodi. 4. 10.: Die inzwischen auch rechts verheilte Fistel¬ 
öffnung ist wieder neu entstanden; der ganze glattwandige Kanal wird nochmals 
durchgekratzt und drainiert. Bis Mitte Dezember war Heilung nicht erzielt; Patient 
konnte nicht länger beobachtet werden. 

Fall 4. Rappwallaeh, 15—16 .lahre, am 11. 12. 1910 wegen Schußwunde 
an der rechten Backe eingeliefert, zeigt eine wulstige, etwa 10 cm lange, hori¬ 
zontale Wunde, die — teils auf den Kiefer reichend — den N. facialis und den 
M. masseter betrifft und mit einer auf Nase, Lippe und Backe sich erstreckenden, 
deutlichen Facialislähmung verbunden ist. Abtragen schwieligen Gewebes und Aus¬ 
kratzen der Wunde; Jodtinktur. Patient konnte nicht weiter beobachtet werden. 

Fall 5 und 0. Zw T ci Pferde wurden wegen Schußwunde an der rechten 
Kopfseiteam 4. 12. 1914 bzw. 2. 1. 1915 eingeliefert. Die durch Artillericgeschoß 
bedingten Wunden betrafen Haut und Muskulatur, wurden gespalten und ausgekratzt 
und heilten bis zum 26. 2. 1915 (innerhalb 84 bzw. 55 Tagen). 

Schußverletzungen am Hals. 

Fall 7. Fuehswallaeh, 8 Jahre, war laut Anamnese im Oktober 1914 durch 
Fliegerbombe an der rechten Halsscite verwundet worden. Die Wunde 
heilte; im April 1915 bildeten sich in der Gegend der früheren Verwundung zwei 
Abszesse, die die Ueberführung in ein Pferdelazarett veranlaßten. Von dort wurde 
Patient im derzeitigen Zustand der Truppe zurückgegeben, die das Pferd Mitte 
November ein lieferte. Patient zeigt rechterseits im oberen Halsdrittel dicht über 
der Drosselrinne eine glattrandige, wenig eiternde Fistelöffnung, von der ein 
schwieliger, gebogener Gang etwa 10 cm weit nach unten-innen in Richtung aul 
die Luftröhre führt; ferner findet sich in der Mitte der rechten Halsseite über der 
Wirbelsäule inmitten fester, vorgewölbter Grundlage eine knapp markstückgroße, 
fluktuierende Stelle. Operation am nicdergclegten Tier (26.11): Spalten und 
Auskratzen des oberen Fistelganges, Spalten des Abszesses sowie eines auf den 
Halswirbel führenden Kanales: der Wirbel erscheint teilweise morsch und wird mit 
dem scharfen Löffel gleich dem Kanal abgekratzt, wobei die Art. vertcbralis er¬ 
öffnet wird: Tamponade. Der Wirbel deckte sich ein und diese Wunde heilte aus. 
Die obeie Fistelwunde blieb in früherer Form bestehen, weshalb am 4. 1. 1916 eine 
Nachoperation vorgenommen wurde, wobei der gewundene Kanal von der Fistel¬ 
öffnung aus auf etwa 15 cm zwischen Luftröhre und Wirbelsäule hindurch bis zu 
seinem anscheinenden Ende auf der linken Seite der Trachea verfolgt, ausgekratzt 
und mit Jodtinkturgaze leicht ausgcfiillfc wurde. Hiernach hatte Patient etwa 
4 Wochen erhebliche Schmerzen (gestreckte Kopfhaltung, Schlingbeschwerden mit 




lieber ,.§ci]-u'ljv'cftt?kziiDge.b fmi Pferden ini Rrjgge. 


^n^fclk^eiuiiero' Rib-kgaug in iler Enräl'ivutig)* dir nur fimgsöfn wichen. 1% wenig 
Khdidbiieb bostehen/ Fm dieselbe dem jungen, fii’&ffigwi ;Pfcfdß Um dor 
Arbeit und Futifrr&iifnshme Hiebt Imuferliel» war. wurde dasselbe - & war u n ge U n K 
v <: ?m Beginn ^»mmers :tLs seliW-rn.vs bn Lazarett vortende \ 

FäII 8. Fuebssfure, oln }& da)b<\ oingf&ivOt. am SO. 11 wf.^ji 

w Vi U de an d>M rfrclif e y 0 Hisseitu. .L>ieie siei!!- aeh -0 - ente imuM 
*0«. | WtbniruMudigH’Üe. jp^fiobe flaut und Muskel wunde dar MirmlmuJend dureti 
; Ättilfc.» i ege* ttbuit bedingt), dk i kahl- .ünkV dem Schürf ah’UöilU*. und her mV* -nkdt 
4 williger« die EutlassinH: tjbs geheilten. Jti^r*. >iir 

Tra !.■!"• erthtij.dirbln, 

iull 1 Der f?)ei*»*in*\l»rige. bumne WfdbuA winde -, iM SO. 1 ). Ul 1 a we^reii 
‘•ihtM Sr hui-w IU)^, a U! H;) I * eingesOdll. In dm Mate de-: lfakv>s ist dm Kamin 

döutlmb ;j*M5g^enkt: etwa. b >-iu unb:rh;db girier t»r.v!*ei« Tk'irieir/.uDg benrnka su-i, 

links MMiih if« der TlcVujiisarlm su>th% miflty'fcte Wuude ibinsebc-inchd durrh Ar- 
niicneg-r-scbo!.. deditfgjtK «e^Ms en»A Lanyluduv $ mn inavnA Wunde, au^ »Ior.sj.di 
rmmdkh Vj\v »•r 1 :.d;rf./• m. AOL. a\ Fähcni zrim. In,-hie f'iesk Jrs ri-ebltfö- 

. 

A-ü. : ,m [ 


.Vk>meKbi* flürcli den Kam^v (tldrcli Atiillcriegeschöii): 

>rcf>i\ 1 * ?*«>.rfi jj TjejhidHc. Öd. 44. Su-pid. 

■ 


■sv-'"$> .•• 1 • 






i jmww 


eieren An^mdjdes ;so\vio tafiptMr'i*Mi. aiuUtV.lirn »Oa.n aller vier He»ne. 
•i^deht^tdrungen uj (jnslall von Srhwrtufcrm SüVie von drohendem Niederst*;./.•<> 
Kmm HäJiC'rt und Srhrc^kltan^Uit Haide Wunden \uudeu <jns palten iS. J2. 1 |!h - 
und d.v. i.n de»' znvL sohenlie^t n-l^n WUxidjiü.liift hftßö'i}Htdj/< schlaffe hieweiv cm- 
‘Mraiujii'.r Zwar machte die W.UntteHanJ: i^rl'^ejinUC-, ätipfi hesvcrlon - **.> 
S< lu rrklii!fti^k'‘d und l’tünis, die schworen t dond;ee>vhdd^Nemn£en iüjii'fcejR j*m.v, fr 

10 1 IdfO fftaßh d Wochen! Ao'traJjß viei .in 


-«•hndlors-jier» N;Ö»r/.u stände /uriVkö'-h/mie.h }u<i:maen ..or s,- b i £|n u, fj ä er)«d^r. 

Fall !<0 llnunor Wahrnd». Hin 20 1 1 19U wegen einer fielen Sei -uv - 

^uude a ci Kamin euupdioVri-, ijZVjfi nfw.t. KaTuil.ircH *ur dam Wal ernst am chmrr» 
Kät?imrai^r. eine ungefähr baruHalleV^ro^e, iricliterfdrai^c. xtark- eüenbife am-.' 

»einen»! dm eh Arü.UerinireseKni) hmmyeniietic Wunde, die -siel. liöri/onUl; ie> 
m die «»oi^nd der JUbwiroeUnuh- ersrr.vki. Muskulatur und Nn nha.no. 8?ud |g 
: hmjter£r Äbstjchmlbg rd'gHffyrn M)&%£$** nfcfcmttsehnn (V»>w^iek;; 

W»ii* < j h* rh 4 l fi <11 n n £. W*'£«*n fmtsehrmimuinr Käeke«>l^ndrN;.kr<*sr und drohundar B ild - 
vergift oo*; \v;md<> Fafient *-1n. 2? 1 ; VM:> fmirl* 08 Tatort 

Full 1K UAffpr&U»/dt, ÖKÄ lat J&hrö. omgosudit am 12. M. l:Ud v.yrti 
dd:i) ;j mi ndrn ü n. HhJs u hd .linier* i i.a vte ii.t er*oi f.«. ; s. ,\ ! 0 d:. ln der 
'Mitte di*S iJafees nach dern Kam wo zu. der hier : 

-ehr liehe FiiiseuUruiA /une etwataienzrohe Wunde 1 mit strahhy »i'-uv* 


Abir ?>: (Fall II). 




^ranatäpdntterverwiindung -ari IJai^ mir. Ein^ukung dos Juulmös 






l-eljer bcrj .’-im Kriege. 


*uü»:ü»-n 'Küi?de»-*v die ilt eine parallel zur Wirbeidtoie nudende \ffiliri 
•>tivi reichiH'li : 4K v M^l<,^i2en Eder tmtleert, na»’}» boidFn HoUwr erstreckt: sich die 
li-^ile eivtA }\' 30 i$ri vod, besitz i. aiäb S»iwj bnung von ungiba.hr tt' um. 

Fa: ent hält liVipf und Hals andauernd gesenkt ,'SjmHufig in Kfebttwig der WuM- 
■*;Wi> r Viaete vorn ,uaä hinten, Ausl; rat/.«nt der gktb-b. Wände, tut EYw.* 

1 1 Y Hand Weu ober £h>r rechten Knieseheihc: fifi/let' sieh in der verdickten K n i üt> 
»Hiteine ihihneradorähtdiebe/ bicisTifLsUrlte, wenig eiternde unffnuDg.. voö ilor 
;:>r» bis diryd. an dir Kniescheibe führt. Hier wird muge. 3 dmiUen (13. 11.) 

yfi#tui ; fans^iüinr, - birnenTdrmiger, rnif ^tinkeodöm Eiinr ^fifliier Abszei' .?*,ür. Rad- 
: yä%f*mg ^ebrueht r Hr'dimige nach Erweiterung der ‘oberen feielütelidg. ^acb dem 
‘•yeJwen- d,> : langhaarigen Patienten wird in «im M iite der link «An -SaUal !n.g^ 
BÖ5t %ir den ?>nnnV»rfSätzen ein gering mit Eiter verklebter Fistcd kaaal bemerkt, 
:ßjjß iivdu’Kfn 'wird (13. t*\-) 4 worauf $in : zwischen zwei Dornfortsät/.cm fostgekeiüer 
mit einige! Kraftentfaltunc ndUehi der Kornzange »v»Hörnt viid. 
rdfienk M»mnt » H. 1.. IsJlfiJf w&r\ diese Wunde in det Sat-tuliago K*w>e 'die .der 
Kne’Uinr gehvitf,.. die Wuncie am Halst verkleinert und am 31. J. gleichfalls ge* 
: Mi^nt feit Kopf limi Hals wieder yollkoumtob normal und konnte 
am ^ bd Tngetn geheilt zur Truppe abgelk-m 

Fair 12. Kappstute. am lo. 10. 1014 wegen ei nee narb VTubeiieh* 

< i r&D ktsjtfilie r wirkdng /uriiekzutjihrenden Schäl W unde am Ha eingestellt. 


Durch ÜraitatspHlter verursachte, verheilte Schul wunde im lü»pll»H»s*ndrtiiisfc<d 





84 


J. RICHTER, 


zeigt linkerseits etwa handbreit über dem Schultcrgelenk beginnend, eine ungefähr 
22 cm lange, 12 cm breite muldenförmige, glatte Wundfläche. Der beträchtliche 
Defekt betrifft ausser der Haut den Kopfhalsarmmuskel derart, daß von diesem in 
seiner unteren Partie nur noch eine dünne Lage stehen geblieben ist. Die Wunde 
eitert stark, granuliert gut und heilt unter derbstrahliger, dreizipfliger Narben¬ 
bildung (s. Abb. 4), ohne Lahmheit zu hinterlassen. Patient wird am 6. 4. 1914 
(nach 173 Tagen) geheilt entlassen. 


Schußverletzungen an Widerrist, Brust und Rücken. 

Fall 18. Braune Stute, etwa 18 Jahre, wird am 24. 10. 1915 wegen 
Schußverletzung durch den Widerr st (anscheinend durch 4rtilleriegeschoß 
bedingt) eingeliefert. Operation und Behandlung konnten nicht verhindern, daß der 
mit Verjauchung einhergehende Prozeß am Widerrist zu Sepsis und Tod des alten, 
entkräfteten Tieres am 2. 11. führte (9 Tage im Lazarett). 

Fall 14. Braune Stute, 8—9 Jahre, eingestellt am 7. 2. 19IG wegen Schu߬ 
wunde an der rechten Vorbrust, liier findet sich eine kleine, rundliche, 
eiternde Fistclöffnung, von der aus ein glattwandiger Kanal nach hinten, scheinbar 
bis in die (legend des Ellbogengelenks, führt. Bei Hochheben des Schenkels um 
etwa 35° nach vorn gelangt die Sonde bis in die Gegend des Ellbogenhöckers, an 
dessen medialer Seite eine Gegenöffnung gemacht wird; Drainage (15. 2.). Stärkere 
Eiterung führte zu wiederholten eingehenden Untersuchungen und zur schließüchcn 
Feststellung eines metallenen Gegenstandes nahe dem Ellbogenhöcker; Entfernung 
des Gr an atsp 1 i t ters mit der Kornzange. Der Kanal heilte langsam aus. Patient 
wurde geheilt, jedoch in mäßigem Nährzustand befindlich am 20. 10. (nach 
256 Tagen) zur Dienstleistung in die Heimat entlassen. 

Fall 15. Schweißfuchsstute, 7 Jahre, am 26. 10. 1916 wegen Schuß Ver¬ 
letzung an der rechten Vorbrust cingeliefert. Patient war laut Vorbericht 
vor 5 Wochen rcchtcrseits am Uebergang des Halses in die Vorbrust verwundet 
worden. Vor 8 Tagen wurde aus der Wunde ohne größere Blutung eine Schrapnell- 
kugel entfernt. Am Vormittag des Einlicfcrungstages trat ohne nachweisbare 
Veranlassung eine starke Blutung auf, die durch Tamponade schwer gestillt wurde 
und zur Einlieferung des Patienten mittels Transportwagens am Abend führte. 
Patient zeigt an der Vorbrust am Uebergang zum Hals etwa 10 cm von der Mittel¬ 
linie nach rechts eine etwa 6 cm lange, schnittförmige, vernähte Wunde sowie eine 
anscheinend in Heilung begriffene, verklebte, etwa 2 cm lange Wunde etwa 2 Hand 
breit über dem rechten Schultergelenk. Die zwischen liegende tamponierte Partie 
fühlt sich fest an; die Blutung steht. Patient ist schwach, aber aufmerksam; 
38,8° C. — Am 27. 10: Patient ist früh schwach, hat bei normaler Atmung nicht 
fühlbaren Puls, weißgelbe Schleimhäute, mangelnden Appetit, 37,4°. Etwa eine 
Stunde nach dieser Befundaufnahmc macht die Stallwache auf eine plötzlich auf¬ 
getretene Blutung aufmerksam. Aus der oberen, scheinbar verklebt gewesenen 
Wunde spritzt schwarzrotes Blut im Bogen heraus. Patient wird sogleich nieder¬ 
gelegt; Hefte und Tamponmassen werden entfernt. Es gelingt nicht, das blutende 
Gefäß festzustellen, vielmehr muß der Blutung wegen die Wundhöhlc sofort von 
neuem austamponiert und verschlossen werden. Nach der Entfesselung steht 
Patient zwar auf, kann sich aber nicht auf den Beinen halten, stürzt nieder und 
wird bei völlig anämischen Schleimhäuten notgeschlachtet. — Auszug aus dem 
Zerlegungsbefund: Die 10 cm lange Wunde führt in eine unter Haut- und 
Kopfhalsarmmuskel befindliche, etwa handbreite Höhle von rötlichbrauner Aus¬ 
kleidung und 1 — 2 cm starker, weißgelbor, schwieliger Kapsel. Die Wundhöhle 



Heber bei Pferden ihi Kriege: 


HS 


e^etfeebt sicii bis .m übt swiiteo Wunde und laßt nach 
EröfTiumg und Kijlferriüiig dor BJuikoägtda an einer 
narbig etwaA '&ittAftimeoge&>genen r . schloffen?» OrvinM- 
Utioa*geweb« sufweisenden; nach der -HaLswirbeisauie 
nt gelegennv SreRc an der Vena jugulari» einen 
etwa jgg.n>ÖiD;i>. Ä . länglichen, üBr^ei^äßig 'ftw.- 

rändo Dirfvfe t etr j 

am 12. ffc ; .l9I5 wegen SchoßvoTJch^oDg hinter det 
reo^cR'.^tillitfer : ltnber Mjtte- der rochtsa 
A n'k offfidet sich c)t»ö senkrechte* MwhX 
8 cm ö*4t t$£ft- 

derp, vptr de? sich >etengemdfjr> gmt^aadiger 
horizontal; nach Imim und innen auf die Rrustwand 
Fuhrt- (aMiütfheineoi durch Artilicneg^«. hf*!.v bedingt;. üjr- 
gfefthr aber dem linde deA-U»uö:.?A;wird am hifuenm 
Rande »im AHkooaciiornpj.e . vertikal W zur fünften 
Sippe; aun der z.wei grufefe 

entfernt werden; AiMmzor*;- .hwlüniiimt. 
HeHudg' 1 üo<i AbgaiR* zur Trappe aio 31, 1. 1t;id 
{.a&ch 141 tägigem Aufenthalt irn Larrelt). 

WII U, Brauner lYaikud-, mngeMeUi am 30. H. 
tfllff Wfigfcfl r ch U^W \i ude >n der Unken ßrusi - 
' w'-aadL. ze:.igf in der iirtra der *^bntöa Rippe eine un¬ 
gefähr 10 etn t&ngiu «pregateft&ig«; ^ö'ahlige Narbe. mi,t 
f&RtraleoTv d»e iiiFislpl^Qg (&&- 
~<hrmC#d; durch AMiilcrkgeselroß Mwigt), Am 1 I:’. 
wird niedarpeiegtoft Pferde yoü dor Pislciüflriung das 
¥arlve^ewebe aitf v 8. cm bis auf <ift$ Rippe. guspaltfen; 
aus die>er werden mVfc dem hoffe!/-zwei Sc»picstcr eiU- 
!.:rnf; düfto größerer ./laopieugiiedUn’g, der npdWre halb 
k; Jjjrfcß ‘isk •-Ättfiraiecn; Jodtinktur Die Wumio’licHtc 
f-a «Sichst aUs./lT; 2. HMtv, brach jedoch 1$ Tage später 
auf; weshalb am W. 2. noehnial* Spaltung und 
Ausltaizön M:i auf diemußte; llcilung 
und & bgftfcg. *ur Tru pj> e am $. '.-S, (nach Iu7 Tagen). 

Falt IH. Brauner Wallach, 7 Jahre; eingestellt a-)n 
1‘1'f ?%.' l)tU> -wegen Sehußv'&rletzung der re elf len 
Btusivafiii undAfippenfmeJ I zeigt etwa iji der 
Mitte der H. Rippe rechter seit s eine im VerbriJeu btv 
^rriffeDöf-elwa lange Wuode^ an deren übereni 

Pnde ei» kleiner hübnerafterähnlicher, an deren gntoreöi 
Ende cm *2 cm langer, spaltfdrvnigtu’ EmgiAng zu Fistel - 
gangem sieh behiuM, die auf die Rippe: fHiren, Am 
Iß. 5. wifii am aarkotwertpn Tier d|e Rippt'- freigeleg! 

der nohe dem hinteren Rippcnrnnde- vun einer etwn 
MeUtifstarken, riniden Oeffnung durchhplirtc, ange* 
-pliDertc Teil in GestaU eines 6 e.ru iangon i i U vm 
htoirci: Stdckrs aus der Außen-, Vorder- wpi ; HinkvMfe 
der KompakU ausgOmeißeli, worauf &un dem Innern 
der Rippe vier SpougtosaaofiUßsbex cp^füi urcnie?\. 


Abb. 5 (Fall 18); 


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umi;£\varvif) 4 % cw langte ß&is& ka;l^r' : ijimo aus 
d$ro |>(OMhU’ii*:!i Teil (ic-r Kit-pc «jh; lö Ooi ' nir.V (iüvdi' Hcrvomdicn Ukwh 

dem Sn hei aus iipr b'ebbuta), Mrno'r v.in -(\ vm J unges. platt«*,. arr-seheineod der \iot\>- 
pakt&- i«i)U»tsoftnendie s iS flick darf ^ ^ übtest* T^ii • ^ 

hl i'-v iäüßCr Sjw»rjgii.sj;‘;r-ji).-::.V;r jg| \hh. ftff Im.b!'b dH' t*: üc'nuUj/. jp| 

n^rh dje *f» cm riaolf idik-r».. 23 HAW‘b id?Po, WfUuHpd. -Jas 

Mi H Hs ».mH. desv.*,;, -jMNlii(h* nur iu/cl» .l*i j :dHi(V <H:jp h&jfragt jYarV 


Ai>tn# 10 


*> t.jV > *Fc 






Äh>ft}i.ciUo 4 \iVri‘T» vl/r; 11 ,;pipp& 


r . s -piiiur.j4_ rfisi Irfbenmno* *M I; !{•>>»» »m-i der Wyiidy *iui 

<U’‘ n/d d.Hn.okNH^.r ■;. ?wn t\nJ.-pafUj(>!^ske{tt; Id der 

F<>*C».r firnWliK-fi \Hh Joii<»i\.nu^n' rrfa/.C-. — £4. 3.'? 4lfrHV>*v?rti«t db*r KtpJ^ »V 
• vrrFiuf!Ib N _boiu'i NM-dfci*ic£ca de« i^j-i.b.'iMt• w d ü/<• iiaf?b?<• ci«en: iii der MiHr 

:ib. Kr.MaribrKvsh.'iio £ k‘ii «M'ifaoiDbiiVilüu:/ 'iiif -u Hb. AiufijlH'VVf^LuivCa ln- 

4b,-;? — 2d. d.. Vi-üi bib-rb.T), wißmo Küiid der 1 rrl*üriultssiclit; hut Hob v*n 
Üwdcj S- jiK -trr id^ostnlior^ uuicr $$pt mHi v wie a», div ganzen W ixn<ic. <au‘ 
xdiHttblidi <i/*r l alten vrä&ct dW H()»p r *cs: ni rfc 4 $ r.in 11 1 u !»•>t >du /enem; IA»H>e !,•.•{!,£ 




• bo?' ^chiMtverlciyiin^n Im>i Mferdon icn Kri&'v. 


-irr Bt liu/vjjuxu: -auf Jodof^rmälh^r - M. Im *otrer£ir ^ip.pfrnCt:i!‘ »st' *lib 'Wun:t- 
jH|NpS &H\ ■'urit^n wird aus iü rm T»cfe ein mwa :? imi, Sr K ,f^n‘-.;t 

>U-.r\, mir stharf^tu Lüfte I imrvor^iVusi h -■ S) C . „W «Im Stell** limi S>um - 

hvfiüöai Vioh lomcoyrak, »»Hermlr Xrelir-, vier die £o/?de njulmn 

|■ fi j(»f? ■ A>J$i*#cMuug «liesm -IrMo. — 17. 7. in»; \Vuu»li»oLkm imbort >irt 

'<A>t ,uutv> mit i7:>ru?:ib;m tu::mil:«f!m:sL;p*r!>c «'ofitHf ; i\it lAtöruny ist im NCi:fms?U>; 
i ur iciih^am: ; StraKü5)!|[duoi{ yerittg* um 1 rerunIaht mhc rmHt Bildung eitles 

^^fttrrieknejei.i, locker oU/cmirn Schorfe jPiitienk Mev Hflilremi .fe gaozon 

Kr^iiii!iok. ? vn UiuiV'S sich untfo trübten AH^t'mciubeimMrrs erfüll je, ist am 6,-8* £G- 
| e ; l «. ‘s. VI«!, «v- uu<l *in! an» 15. 8. (nife i&J-femer La/art-UlVctiaqtUun^ tm 
TYh p pe entlASsan." 

FaU^lSv RÄp|.*&uue; 7 - s «ferej mnges>U41t am 3Ö. j l. 1B15 ;;«egbn Si-IkjI’»- 

i ■ ; e-ioin}/ in Mer r*£hton IJnterrippen^r^nnd., • -zwischen IM tirUJ 

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‘-«j.aA r roMenni; ^Iwrvh Arüikfeige\svh< i.:. ■ /wisrhri? 10. wA 1 {..Kiffe;- »iurcli <in\vck^’ 
kuarcl’ vörumdite-i. gefeiter UaatAeii schul.; »m rm-hfe \ mo;m. 

Uv »m r^kerpqg /u deren Atnieivm Imiiej hin* ^ mimripmie, o!;V{|£ 

m/dfe S¥*iUiU‘-. y»« 5 cm LAngiy deren vordere i^rUW/.mg auf yiciKhe lÄrigf--;; 
Körens •serü'HfchV .i*fc jamsrheuierui duvCh AriillertegeNehoi; kcditiyt). Nnrh .äj^q 




88 


J. RICHTER, 


führt ein kurzer Fistelgang zwischen dio beiden Rippen, während dicht unterhalb 
der Wunde sich ein kleinapfelgroßer Abszeß befindet. Auskratzen von Wunde, 
Fistelgang und Abszeß nach Spaltung (4. 12.;, worauf schon am 28. 12. Heilung 
festgestellt werden konnte. — Patient leidet außerdem an einer Lahmheit vorn 
rechts infolge Verdickung der Außenseite der Gegend des rechten Ellbogengelenks 
bzw. des lateralen Bandhöckers des Radius. Außer dieser Verdickung werden zwei 
kleine rundliche Narben im oberen Drittel der Außenseite des rechten Vor¬ 
arm es gefunden (s. Abb. 7), die durch einen schwachen, schwieligen Strang mit¬ 
einander verbunden sind, in dessen Mitte etwa ein haselnußgroßer, verschiebbarer, 
druckempfindlicher Knoten sitzt. Es handelt sich offenbar um einen ausgeheilten 
Schußkanal (durch Gewehrkugel) mit Bildung eines kleinen Tumors. Am 
15. 1. 1916 wurde dieser Tumor, der als Neurofibrom angeprochen wurde, aurgc- 
schält. Die Lahmheit war hiernach gebessert, aber nicht beseitigt, weshalb 
Patient am 26. 2. (nach 89 Tagen) zur Dienstleistung in die Heimat entlassen 
wurde. 

Fall 20. Brauner Wallach, 13 Jahre, eingestellt am 2. 10. 1916 wegen 
Schußverletzung auf dem Rücken. Patient zeigt drei Wundkanäle: 1. links 
über der 15. Rippe 7 cm von der Mittellinie, nur Weichteile betreffend, 2. links 
über der 18. Rippe, diese erreichend, 8 cm von der Mittellinie, 3. rechts über der 
15. Rippe, die teils angesplittcrt und zermürbt ist, in seesternähnlicher, strahliger 
Narbe 10 cm von der Mittellinie entfernt (Artillcriegeschoßwirkung). Alle drei 
Gänge entleeren gelben, flüssigen Eiter und sind bequem für einen schwächeren 
Finger passierbar. — Am 5. 10. werden die drei Gänge senkrecht nach außen- 
unten gespalten; Auskratzen, Jodtinktur, Wundbehandlung. — Am 3. 11. wirdein 
inzwischen gebildeter Verbindungsgang zwischen den beiden Wunden links ge¬ 
spalten; rechts wird die Rippe nochmals ausgekratzt. — Am 9. 12. sind links 
beide Wunden ausgeheilt, während rechts ein dicht vor dem noch bestehenden 
Fistelgang gelegener, kleineigroßer Abszeß gespalten wird. Patient konnte nicht 
weiter beobachtet werden. 


SchußverletzuDgen in der Flankengegend. 

Kall 21. Rappstute, 9 Jahre, eingestellt am 25. 6. 1915, zeigt eine eiternde 
Schußverletzung in der linken oberen Flankengegend, wo sich ein 
schwieliger, für den Zeigefinger passierbarer Kanal unmittelbar am Ende der 
Querfortsätzc der Lendenwirbel etwa in der Mitte zwischen letzter Rippe und late¬ 
ralem Darmbeinwinkel befindet, der nach innen, vorn und unten und, nach Spaltung 
(2. 7. im Notstand) in horizontaler Richtung nach vorn, in einen reichlicher mit 
Eiter gefüllten, flachfaustgroßen, im Muse, psoas major liegenden sublumbalen 
Abszeß führt (anscheinend durch Arfcillcriegeschoß bedingt). Es erfolgte langsame 
Ausheilung. Patient litt gleichzeitig an linksseitiger Gonitis; scharfe Einreibung 
und Haarseile fruchteten nicht, weshalb am 26. II. (nach 154 Tagen) die Abgabe 
in die Heimat erfolgte. 

Fall 22. Brauner Wallach, 7 — 8 Jahre, mit dem vorigen zugleich am 
25. 6. 1915 eingestellt, weist wie dieser genau an derselben Stelle der linken 
oberen Flankengegend ebenfalls einen schwieligen Fistelgang nach einem unter 
den Querfortsätzen der Lendenwirbel im Muse, psoas major sitzenden, flachfaust¬ 
großen Abszeß im Anschluß an eine Schußverletzung (nach Vorbericht) auf (s. Abb. 8). 
Spaltung des Fistelganges horizontal nach vorn, Auskratzen, Jodtinktur. Heilung 
und Abgabe an die Truppe am 23. 11. (nach 151 Tagen). 




\ ; 


'l tWUeb^r ScbuUfvcfrlfiUuiigen bei Pfevdeu irit Kriege 

! f .X i £-/%' - ';V '<VV■' - v;-‘;S A •/>?..’* ■';> 

AbU 8 Fall 32 ). 




SeUUvevUUond in der linken oberen PI(iv>kö<)gogerMi (mit A W/elUbMuug 
im Muse, p^oas roiijör) 


FsFi &>. Ftichswullaeh, 7 Jahre, im -l. 10. idlb vtr^n Sekii-Jü- 

vi-fUi/ung in der Linken Flanke, Der vu;Miandrlh; Patient >migt ifjeld 
Urtier dem ßr.tJe der |^«rinrUAfo* der UmdrowirUj mne 10 hii lanym. im» i/mOnU, 
*rLou*:-.:i..^cne Xurb«. Aon deren Limmmn» l'-mie efh.' < .S:i>>rks.t*|j\vn*liger Pislelg^g l- r * »m» 
'bUrferDrai T»ö/:h innen und Von; grhL ES bainlo!» sich ulUmbar um die lU;Sidtier. 
ypitift votrtebÄt)deItetö subJ um Laien AU^sses ,’s. FaJI 21 und 22h An» A jo wurde 
Hl «mU rjaoh vorr? g<!*p?Otön und di«;.k$rdi>*u-Ugns (ifcwe.bö. üdllörot; Jüdoukn*., 
Lmc WviJidivedung png bom-am vey sieb; mmimbin war dm* FisUlgae^ Mild- 
f n-/^rn!mr aut *dw«. S-dem vmkmvr Pali erd. kmmU rocht. weiter boobaeWn werden. 

Ffr)f SM, Fudotute. aru 12 l!M4 -wegen einer iri aaa UjiiHervu nde: j n 
.Ur I; n I; e ?, oe c^fj PI a n L e ageg-Ojld eingesielU, die -elimalh?tndüK>d keine 
0- ..ir.ntrUrju'U zeigt., wird um 21.12. in Heilung be^nfien piii IKmud in der 
(.AmrAid tS'doift ab^egebtn 


Schußverletzungea an Kruppe, Schwanz und Aftergegend. 

Fall 25. Fuchs*U<t.O: ? p* Jahr% ebnmstt-Mt am. 30 11 1013 wegen Granat- 
spiirtervotiet^'div^cn aer Jjdirt-n Seitr tun der Aufnahme de.s Patienten 
iind Ldgemte li Yarleuungmi feste uiHcika (s. ALL. V)- K Id der Mit.ie des Hinter 
kieirtrandrs mne ov%l? v l cm Urige, bi* auf den Knochen reichende PisIchVInung:, 





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X KICHT$t 


rtUM »1(*J nach Vuiiii. ••'s. Vi..> . ru m -j o ut spi 1 1 1 <*r 

uni /tetn .^harf^ f.hflf! « M.fV-ir’if *\u\, Du- \VüiKl> *iu Am 30. 12. ^IkiU. Am* 
W; i. 10. ttunir ri*:i ■ r , An, $ßii& tk?* r)irn>A\\i:crt jYsh'.t f-.M .i r : u.:J[ - J- (i»l! I.M i J^TO ’! il tfr- 
ICilM-' «•;}»: Ausb.vih.i«2.. +. Au lla> 

fifjÜI T kh»<n\ (r.r- ::l»lH*»jpii(lji>, . »nOv; r<‘fi«,h ^I flUl hh* \ erk-l/Hflgen. 

& Uii ; l>t »4<’t An e*%t’ 4 «/iß NnrHe 1 ety Ifißgc, 

vi-r fuu h Aüblirui/.en» • fwiitokitjr usw. *m M {? )!)iA vn-iu-iit 


rraii>is[.»»iiTor*. erkannten *ki linken Seite, <lur*ktiter iSnin-n^-ktU köe'r dei 

linken ffuüc 


«Hi*. 'W-fcn>£ : . •»ikronter Kittfctvim uuün en '^äWjferfen.' S.kupu^farid% 

md vtek MM* ein XÄK' 

i 1 :* 1 0 \ ikhuu£. 4. f»; hrr u»,i.*Vii r hinke ehrt ti'cf kh/irn RV}i[‘* / 1( n< 
r 1 . '• :« J'.krk JM'-Ow**«- *•!••■'••'• M. !:m;,; :* V'»i »Jer Huken Kn:h[ic S rr M v.u‘ 

• 1h:u Uiin.Mh'-k-i n^v.n <•»**» hnJeUH Mtf Mruunoken«.' mw!i hmti-u 

•vy-.oVj:*tr^^*' • t^T^vtklaffcn#* yiottö ,Vi>(V 

Aer hm'j-I. .vom : t'^.tuvvjAß, }>nnr«^inwi^ *'}n Omeniai].o« Kift&t l* «m» in die 
$ft$e £*Jt$ - A)^ptX^fpi tivwfabt* ,A«m ttf 1» V*UÖ i$l tltT Kanal iiVägelieHt, die 
Wunde >vvtr iiöidi 


i;kt v r e‘HmHk:; • Außer diesen- ’wti def .Tinten Körper 

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Uel^efSc|»c ; i. ä* iriifoH bei Herrtt-iV im Knr^e 


Falt :&G, Braune StuU\. \h 4>>1ut\ öMgBbYlb 'uul 3. i>. IST® hmten 

’ utfUu;< den»- r /;<• Iftirn H itil liiiefe^r ?:inr kleine. rutuir.. sUüi 

f :u’*r?nl«T W^tid« ,iu^ v..n *kr niu »jsnuim *,.tö >rm Panier N’bütfkana» (unwadu'v‘lHir v 2 
tj-v h einer <t<i< ()••»? Hinkenüber der UVHippe m}jiohrr«, ehva a »um '»an ,i:*r 

\\rihz.uv!u"tu- »*jAVä:.v fcrhtiiWn. nnrr^»<-.jfoaaie.'H, rlKuMU Slfirk rM,-r rnn:n 


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- t;.ipdit ■* s AMi.. U». — 7. G. : Spaltung. dqr K«u- : . UU-:i A .- 
Vnrn i»zVf, !nütf;r>, ,\u.ssdat/en .Sidivi( 5 n£.*;n \y.w*ii'M, Omdi/.i* iion 
mit' rijkt«^n itaXe^p^^H^-.•^:;/iS »1 v?bpv <]fe nahen.ilö.m 

^HiUiacfeer lüoHeiüiiH.Piiang Imt mei» iiv i - '.** -.<* A^v.V-hmir.j li u u 1 - 

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92 


J. RICHTER, 


seiner Unterlage abgehoben. Die nekrotischen Teile werden im gesunden Gewebe 
mit dem Messer entfernt, darauf die Ränder mit dem Glüheisen gebrannt. Am 
12. 7. wird ein Rezidiv der Hautnekrose operiert; Abreiben der Wunde und der 
Ränder mit Subliraatspiritus (1:500). Hierauf trat Heiluirg ein. Patient wurde 
am 23. 11. (nach 174 Tagen) zur Truppe entlassen. 

Fall 27. Brauner Wallach, am 5. 12. 1914 wegen Schußverletzung durch 
die linke Hüfte eingestellt, zeigt vor dem linken Hüfthöcker eine rundliche, 
etwa bleistiftstarke, eiternde Oeffnung, etwa 12 cm dahinter eine zweite, nur wenig 
größere. Der beide Oeffnungen verbindende Kanal verläuft etwa 5 cm vom Hüft¬ 
höcker entfernt fast parallel zur Medianebenc. Nach Spaltung wird aus dem am¬ 
pullenähnlich erweiterten, bis auf don Hüfthöcker reichenden Scbußkanal der un¬ 
regelmäßig zerrissene, teils aufgerollte Mantel eines Infanteriegeschosses 
entfernt. Patient wird am 25. 1. 1915 (nach 49 Tagen) geheilt entlassen. 

Fall 28. Brauner Wallach, am 5. 12. 1914 wegen einer Schußwunde an 
der linken Hüfte cingeliefert, weist am linken Hüfthöcker außen eine rundliche, 
reichlich bleistiftstarke, eiternde Wunde mit aufgeworfenen Rändern auf (an¬ 
scheinend Gewehrschuß), nach deren Spaltung sich der laterale Darmbeinwinkel 
zertrümmert und eine bis an’s Kreuzbein sich erstreckende, etwa handbreite Wund¬ 
höhle zeigt, die Gewebstrümmer und Knochengries enthält. Ein Geschoß wurde 
nicht gefunden. Patient wurde am 6. 2. 1915 (nach 63 Tagen) geheilt entlassen. 

Fall 29. Schimmclwallach, 10 Jahre, eingestellt am 25. 2. 1915, zeigt auf 
der linken Kruppe, etwa 10 cm von der Mittellinie, wenig vor der Verbindungs¬ 
linie zwischen medialem und lateralem Darmbeinwinkel, eine für den Zeigefinger 
gangbare, mit rahmartigem Eiter gefüllte, eingezogene Wunde, die in einen un¬ 
gefähr 15 cm senkrecht nach unten führenden Kanal übergeht. Nach anfänglichem 
Ausspülen Spaltung (im Notstand) am 9. 3. Da Eiterung weiter anhält, erfolgt 
am 23. 3. ergiebige Spaltung des Ganges nach vorn und hinten und in die Tiefe, 
wobei eine kleinkindskopfgroße Abszeßhöhle eröffnet wird, in deren rahmartigem 
Eiter sich ein französisches Infanteriegeschoß findet. Wundbehandlung. 
Heilung (s. Abb. 11). Abgabe am 18. 6. (nach 113 Tagen) zur Dienstleistung in 
die Heimat. 

Fall 30. Rappwallach, 6 Jahre, am 12. 11. 1915 wegen Schußverletzung 
auf der linken Kruppe eingestellt (s. Abb. 12). Auf der linken Kruppe findet 
sich etwa handbreit neben der Schwanzwurzel eine etwa 8 cm lange, schräg nach 
außen laufende, strahlig eingezogene Einschußöffnung, aus der sich gutartig aus¬ 
sehender Eiter entleert. Von hier geht ein 36 cm langer Kanal nach unten vorn, 
an dessen Ende die Sonde auf einen metallenen Gegenstand stößt, der sich, nach 
Spaltung (18. 11.) mit der Kornzange entfernt, als Granatsplitter zu erkennen 
gibt. Auskratzen, Jodtinktur, dann gewöhnliche Wundbehandlung, die bis zum 
5. 1. 1916 zu einer Verkürzung des Kanales bis auf etwa 12 cm geführt hat. 
Wegen zunehmender Eiterung erfolgt erneutes Auskratzen (22. 3.). Ende April 
wird an der Außenseite des linken Unterschenkels ungefähr am Uebergange zum 
unteren Drittel ein subfaszialer Abszeß gespalten; nach genügender Spaltung nach 
oben gelingt bei entsprechender Haltung des Schenkels etwas nach vorn und außen 
die Durchspülung der Wunde vom Einschuß aus; Drainage. Ausheilung des dick¬ 
schwieligen Kanales erfolgte nicht, so daß Patient schließlich am 15. 8. (nach 
277 Tagen) un geh eilt zur Dienstleistung in die Heimat entlassen werden mußte. 

Fall 31. Braune Stute, 8 Jahre, eingestellt am 14. 4. 1915. Auf der rechten 
Kruppe befindet sich etwa handbreit neben dem Hüfthöcker ein stärker eiternder, 



Uwtet'htill auf .tief Kruppe mit AbszeiMIdung iui Must’.. '•.'i«uumtspKtter»'«r<do auf t)cr IjfnVoti Krujtpe. 

«/lulmum ittötHllS 



w$m 


;SctniWvr:rfefxiänge6 f ei; Pferdps Jm 







94 


J. RICHTER, 


glattwandiger Kanals der nach*innen unten etwa 25 cm tief geht. Am 16.4. er¬ 
folgt (im Notstand) Spaltung des Kanalcs, wonach von der vorderen Partie der 
durchschlagenen Darmbeinschaufel mehrere Knochensplitter mit der Kornzange ent¬ 
fernt werden; Auskratzen von Kanal und Knochen, Jodtinktur, Wundbehandlung. 
Die Wunde heilte langsam, war Endo Dezember ziemlich geschlossen, eiterte dann 
wieder stärker, weshalb am 18. 1. 1916 erneut kräftig nach hinten gespalten und 
hierbei aus etwa 15 cm Tiefe eine Schrapnellkugel entfernt wurde, die in einer 
glattwandigen, etwa walnußgroßen Wundhöhle lag: Jodtinktur. Die nunmehr er¬ 
wartete Heilung trat nicht ein; die Fistel blieb bestehen, weshalb am 20.3. noch¬ 
mals Spalten und Auskratzen erfolgte. In den nächsten Wochen machte sich 
Schwellung des rechten Oberschenkels und Lahmheit bemerkbar, so daß Patient 
schließlich am 13.4. (nach 365 Tagen) wegen Unheilbarkeit zur Schlachtung 
abgegeben werden mußte. 

Fall 32. Brauner Wallach, 12 —15 Jahre, am 29.4. 1916 wegen Räudever¬ 
dachtes und Dermatitis in den Vorderfesselbeugen eingestellt, läßt nach voran¬ 
gegangenem Scheren am 4. 7. auf der rechten Kruppe in der Mitte zwischen 
lateralem und medialem Darmbeinwinkel etwas eingetrockneten Eiter erkennen, der 
aus einem etwa 3 cm langen, federkielstarken, glattwandigen, flach unter der Haut 
liegenden Kanal stammt. Die trotz der Behandlung stärker werdende Eiterung 
führt am 14. 7. zur Spaltung, wonach festgestellt wird, daß der anscheinend kurze 
Kanal umbiegt und senkrecht nach unten geht. Nach weiterer Spaltung stößt der 
Finger auf einen beweglichen runden Gegenstand, der, aus etwa 12 cm Tiefe ent 
fernt, sich als Schrapnellkugel zu erkennen gibt. Am 23.8. ist der Kanal 
nur noch 5 cm lang, am 8. 9. (nach einer Behandlung von 66 Tagen) ausgcheilt. 
Patient litt außerdem an rechtsseitiger Sprunggelenkcntziindung, die trotz der 
Behandlung (scharfe Einreibung usw.) zu einer Deformierung des Gelenks führte, 
so daß am 28. 10. die Abgabe zur Schlachtung erfolgen mußte. 

Fall 33. Brauner Wallach, 10 Jahre, eingestellt am 2. 10. 1916 wegen 
Schußwunde auf der linken Kruppe, zeigt linkerseits in der Mitte zwischen 
medialem Darmbcinwinkel und Sitzbeinhöcker, 8 cm von der Mittellinie entfernt, 
eine von Eiterkrusten verklebte, knapp markstückgroße FistelöfTnung, von der ein 
etwa bleistiftstarker Kanal schräg nach vorn, unten und innen ungefähr 15 cm 
weit, das Kreuzbein durchbohrend, führt (anscheinend Gewehrschuß). Am 4. 10. 
Spaltung, Auskratzen, Jodtinktur, Wundbehandlung. — 2S. 10: Die Eiterung hat 
zugenommen; iiblcr Geruch, vom Knochen ausgehend, macht sich bemerkbar. Bei 
sehr vorsichtigem Auskratzen des Ganges tritt plötzlich eine sehr starke Blutung 
auf; Tamponade. — 30. 10.: Patient zeigt bei gutem Allgemeinbefinden 8 A., 
50 P., 39,2°: Reinigung der Wunde, Erneuerung der Tamponade. — 31. 10: 8 A., 
52 P., 39,5°: Patient ist matter geworden, frißt schlechter; beim Auswechseln der 
Tamponade tritt die erhebliche Blutung von neuem auf. — 1. 11.: Patient ist sehr 
abgeschlagen, 40,2°. Auf eine Morgengabe von 25 g Antifebrin geht die Tempe¬ 
ratur bis mittags 1 Uhr auf 38,8° zurück (12 A., 64 P.); bei großer Mattigkeit ist 
Unruhe eingetreten; Notsch 1 ach tung (nach 30 Tagen). — Auszug aus dom Zer¬ 
legungsbefund: Der Schußkanal durchbohrt das Kreuzbein im Rückenmarks¬ 
kanal schräg von links hinten oben nach rechts vorn unten unterhalb des Rücken¬ 
markes — ohne dieses zu verletzen — und endet rechterscits etwa 6 cm von der 
Mittellinie entfernt an der dorsolateralen Begrenzung des Beckenraumes im blutig- 
sulzig infiltrierten Gewebe. Nach Entfernung der Blutkoagula zeigt sich die rechte 
Artcria caudalis auf etwa Linsengröße verletzt. Ein Geschoß konnte nicht ge¬ 
funden werden. 



lieber Schußvcrlctzungen bei Pferden im Kriege. 


95 


Fall 34. Fuchswal lach, 15—18 Jahre, eingestellt am 4. 9. 1916 wegen 
Sc-hußverletzung auf der rechten Kruppe. Dicht am Kreuzbein findet sich 
ein bleistiftstarker, eingezogener, etwa 8 cm langer Fistelgang, der auf das Kreuz¬ 
bein reicht und nicht ausgeheilt ist, obwohl von seinem Grunde in einem anderen 
Lazarett ein Granatsplitter entfernt worden ist. Unter Anwendung desinfizierender 
Mittel, Myrrhentinktur usw. im Wechsel trat ohne erneuten operativen Eingriff 
Heilung ein, so daß Patient am 5. 10. (nach 31 Tagen) zur Truppe entlassen 
werden konnte. 

Fall 35. Braune Stute, etwa 6 Jahre, wird wegen Schusses durch die 
Schwanzwurzel am 6. 11. 1914 eingeliefert. Im ersten Wirbel des gelähmten 
Schweifes findet sich ein quer verlaufender, stark- eiternder Kanal mit knapp blei- 
stiftstarken, wenig wulstigen, rundlichen Oeffnungcn (Querschuß durch Infanterie¬ 
geschoß). Spaltung, Auskratzen, Desinfizientien, Milchsäure usw. brachten keine 
Heilung; der Schwanz war andauernd mit Eiter, Kot und Urin beschmutzt, wes¬ 
halb Patient am 13. 12. (nach 37 Tagen) getötet werden mußte. 

Fall 36. Fuchswallach, 10 Jahre (edles Halbblut) zeigt rechts etwas 
unterhalb des Afters eine kleine, runde, regelmäßige, knapp bleistiftstarke 
Schuß Verletzung, aus der sich wenig dünnflüssiger Eiter entleert (anscheinend 
Gewehrschuß). Die Sonde gelangt etwa 20 cm fast horizontal nach vorn, unten 
und seitlich auf den Knochen; vom Rektum aus ist an der seitlichen Beckenwand 
der Fistelkanal als dünner Strang zu fühlen, der sich in der Gegend des Foramen 
obtiiratorium über einer schwachen Knochenerhebung des seitlichen Beckenbodens 
verliert. Eingestellt am 14. 4. 1915 erfolgt (im Notstand) Spaltung des Fistel¬ 
ganges und Auskratzen. Die Wunde heilte, die Fistel blieb; 17.8. erneute Spal¬ 
tung und Abkratzen der verdickten Beckenbodenpartie; Jodtinktur, Milchsäure, 
Wundbehandlung. Der Erfolg blieb aus. Da bei und nach dem Bewegen, besonders 
unter dem Reiter, stets eine stärkere Entleerung von Eiter aus der Fistel festzu- 
stellen war, mußte ein tiefer und versteckt liegender Eiterherd vermutet werden. 
Am 29. 12. wird am niedergelegten Pferde nochmals ergiebig, auch in die Tiefe 
gespalten; hiernach gelangt die Sonde in einen engen, schwieligen Kanal, der durch 
das Foramen obturatorium im schwachen Bogen unter das Becken führt. Wegen 
starker Blutung muß nach Tamponade die Operation abgebrochen werden, die am 
11. 1. 1916 fortgeführt wird. An dem auf dem Rücken liegenden Patienten wird 
vom Spalt aus am Penis vorbei ein Weg nach dem Verstopfungsloch gebahnt, so 
die Verbindung mit der oberen Operationswundc und dem Fistelkanal, der nochmals 
ausgekratzt wird, geschaffen und ein Drainrohr gelegt. Glatte Wundheilung; die 
Fistel blieb an der ursprünglichen Stelle bestehen. Am 2. 6. (nach 434 Tagen) 
Abgabe des ungeheilten Patienten zur Arbeitsleistung in die Heimat. 

Schußverletzungen am Vorderschenkel. 

Fall 37. Brauner Wallach, 8—9 Jahre, eingestellt am 12. 11. 1915 wegen 
Schußwunde an der linken Schu 1 terbasis (s. Abb. 13). Aus der etwa taler¬ 
großen Wundöffnung entleert sich viel übelriechender, dünnflüssiger Eiter; die 
Wundränder sind aufgeworfen. Am 19. 11. erfolgt Spaltung, Entfernung zweier 
Knochensplitter, die hinter dem durchschlagenen Schulterblatt sitzen und deren 
größerer 6 cm lang und 2 cm breit ist; Auskratzen, Jodtinktur. Am 26. 11. wird 
ein dritter, knapp pflaumenkerngroßer Sequester mit der Kornzange entfernt. 
Wegen dauernder Absonderung übelriechenden, dünnflüssigen Eiters wird die Wunde 
nach vorn gespalten (9. 12.), worauf man mit der langen Sonde schräg nach rechts 






bSftfgö unter den iveiueu Sr'liuiU‘rb!üMku:«r(»cI e.eUtJgt. . .f)ivljt. ijimt c desbtm l<uckon 
wiakci vfihi ^enkn-ttUt wfige^h^UcD,. jjffr der KuriaAnge ein (iira-naU'pbi'ÄW'. 

vüd l ] ; :i cirf Fiärigg Idaf.ür der regnen .Sc:*jju^ hcrv.n «/Mm!| werden käme desgjAiehi-n 

am vierter, Dradmge. Am 3. 1 

Wunde 11 * 1 » Jen RijeIicr»wmkoi <ks ro*’ht«*ii Sdejltmbial^s brrum uaeb binten umi 
unUvri wogen TasehenbiiJüJig Innier r^* ht.*>n Schulter erweitert. \m f‘g 1 
<iieKiterUug, gfcftfugfcr, l.oeb (p %r ^ifcifch Scapula deokt ^ieb ein, die Tuvfe 


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1 k*iMinl- ; p!;Uer\f'v!r*:v.m^ an ’l'T !i»ikvn S'huhetpysB i f.'H psrhuU durrti ai*- ScafnAic» 

• 'k '•S'.'■ ., . Ufl'i Stccksrbb^k : ' : ‘ 


• kbbriH. der Wumtkareu jurfl» die- Ib^Vfortml^e ist gial.fwaqdig. Am* 

:\i. \! n-Maites i?V’iiudaM V , n vjewcbi:. tf u> der .cwjikn Wunde eütfernt w^rdtm, 

•da- am j* tvriib ns, u, ?i.v 7 ^Hmi‘i'rbiaHkfinrpek «$ bliebeT* • ibiit, dt«*’ batu.irhbeh m 
den tkinhstrr» TmimV ;b 'seiliPF uberen, Ji!im'm''/i 1 ‘arüc /um Fmlie^en kQVtjtyii* Am 
21. o 1 ;U nt«r ehme (dun! des nw.li hü* Ndmi:e»dd;t{t>jmrptds bomdfen. wes• 

Ititlh Batienk. der aubenkmi die ervuui An/nie bim vor? Mortui in 

'•miviM Beb“ hb-„ auf \av:nsehlcimha<n erkernem liilU. aU anMmbtslvs erkrmniv| 
:m >-ui;}arb inn^- (naeh 1 ;|r. f.hdgor Bebanvlju?vg| abgegeben Wird. 

tfilH $H. Braun*: Sinte, mva 1*2 .iah re. •ungesUdlr an* i‘2. IL t$}|l wegen 
Seinu*^ u ndv an der f.vehm-n S <•.!• u M e 1 lia < j * 1 und Bäijde* ike 


die l-itemne genüge?, 4a'$ j\ö< 

1, ,n ,!(•! | 


Äi.b: 13 v 








Jfebor Schuldbet fbefAJca \Vn .Kri% r e-. 


tintit und ficirefTendi:, aosehememJ durch Art!I leriegeschV>£ Imtffotte 

SehuLWuodr Itsm ! (c ühm* grölicrco operativen {'Angriff, jedoch trat in de* KUge 
tone phi^gtf Baisse Sel 1 w 0 ll 11 .bg' der g^amien rechten Srholterpartie *$iji bit pitfqt 
i 1. 12. xur Spa» tung.. dreier ;Ybsaessc und /*var. »n Basis und Mitte,, sowie*'vor-dßik 
SchuU?rb>ai:t tiihrte. Am 2& 12. <4d Ta^'i nach.. »Mt verende te 

■:>. f) * , ' V • * • I \ y . 

f#1J 3 V v uChswaHaclh Jö- ~1§ dahrc T eingestellt am 20. U. 191h wegen 
SehuS^'in de »i» dei rechten Schilder, zeigt- etwa 15 cm über HÄm rechten 
Schul ,miic Mvra. /womiärksttickgrofo, kraiorühn liehe Öffnung;, von dei die 

Sptvte . 31 ». »I »:> schulicrblnM gelangt, tanschciacini durch Schrapnell hftdj'jö'gth 
Späimrt#; fyifanüiti% zweier kleinere! SoduesOrr dicht \m der Grate, Yuskratzftn, 

m«ihte dor. fauhc Soapuhvl frCekA Bduhfruid au^gei^S^U 
wtir^eu Putdndkoaole .ntrh.r wejier beobachtet yh'iß.m-; 

d;|dinh)edtMle, 


ffri l Ith ..Kim:' 'U-jjihfagcr' Sclömmedtulc, mngcstcHt an» d. b. i-H\ mg* 
ft ji’a pn *;.;- M \ v v 1 c 1 1 urigen in. etwa gleichet Höhe rmddeeseiis au der Svhu i : tv r' 
r-vm .'in' rei'Crg.iDc d»s nhevt-n zum milUmen Gntlcd Iß cm liintm’ der Sporn suw*.:* 
am !>.*fW*£r*h& dem Km-kens zni AeiOichen fhimmvand der dt. b? u Id it.ipfue 


Kelirap-nd!^eti'^ttünigon aq d.rr Schulter tbuctmiduity untl »Umr ektf und ir» -Uipj>is 


5 -i.o. US BelreffuTi lei&tcre Verwundungen mir die VtcmhUde, *v* geht an der 
'OWa.v dm Sehu.&k?iTiai durch den Uinimoj ,1t.in.I de-; Sctmlic?hlnvies ins uni; i 
d;c>//., Am 7 h wird die Se.hu Itcrhlatlwunde grspnHeu. mmgcl nd/r emi nur 
Ar/Un t Ai>K.?n>.*n n. funkt, IWieilk »M. £' 0 \H v 












98 


J. RICHTER, 


Milchsäure behandelt, während die beiden benachbarten, teils Taschen bildenden 
Wunden über den Rippen durch Querspaltung mit einander vereinigt werden. 
Heilung und Abgabe am 15. 10. (nach 135 Tagen) zur Truppe. 

Fall 41. Brauner Wallach, 6 Jahre, eingestellt am 28.fi. 1916 wegen einer 
Fistel an Schulterblatt und Brustwand rcchterscits im Anschluß an 
Sc hu fiverl ct/.ung. Der mäßig genährte Raticnt zeigt dicht hinter der rechten 
Schulterblattgräte am Uebergang zum oberen Drittel eine etwa zweimarksliiekgroße, 
hühnerafterähnlich aufgeworfene Fistelöffnung auf der Höhe einer flachen, etwa 
handtellergroßen, harten Erhebung, sowie eine zweite, etwa gleichgroße Fistel- 
Öffnung etwas unterhalb der Mitte der 6. Rippe. Von hier gelangt die Sonde unter 
das Schulterblatt bis in die Hegend der oberen Fistelöffnung; aus beiden Fistel- 
öffnungen entleert sich übelriechender, dünnflüssiger Eiter. 5. 7. Auskratzen beider 
Fistelöffnungen, deren obere das Schulterblatt durchdringt; Milchsäure, später 
Ungt. Hydr. rubri. 22. 7.: Der Knochen deckt sich gut ein, während die untere 
Fistelöffnung keine Neigung zur Heilung zeigt; Patient geht im Nährzustand 
zurück und schont dauernd das rechte Vorderbein. 25. 7.: Appetit und Allgemein¬ 
befinden sind mangelhaft, 39° C; Abgabe zur Schlachtung (nach 27 Tagen). 
Hei der Fleischbeschau wurde unter dem Schulterblatt nach Absetzen desselben 
ein Granatsplitter von 2 1 / 2 cm Länge und 1 cm Breite gefunden. 

Fall 42. Braune Stute, 7 Jahre, eingestellt am 2. 11. 1916 wegen Schu߬ 
wunde am linken Oberarm. Am proximalen Ende des Oberarms, handbreit 
unter dem Schultergclenk, finden sich 2 etwa pfenniggroße, hühnerafterähnlich 
aufgeworfene Wundöffnungen, die 8 cm von einander entfernt sind und reichlich 
dünnflüssigen Eiter entleeren (anscheinend Granatsplitterverletzung). 8. 11.: Spaltung 
der Brücke und Entfernung eines reichlich hasclnußgroßen, unregelmäßig rund¬ 
lichen Sequesters vom Humerus; Auskratzen, Jodtinktur. Mitte Dezember erfolgte 
normale Heilung unter trockncm Schorf. Patient konnte nicht bis zur Abgabe 
beobachtet werden. 

Fall 43. Fuchsstute, 7 Jahre, eingestellt am 23. 2. 1916 wegen einer Fistel 
oberhalb des rechten Ellbogengelenks, zeigt etwa handbreit über und vor 
dem rechten Ellbogenhöcker eine wenige Zentimeter lange, etwas wulstige Fistel- 
Öffnung, die bis in die Ankonäen reicht. Spaltung, Auskratzen, Tamponade 
(29. 2.). Nach 3 Wochen wurdo ein Abszeß rechterscits an der Uoterbrust ge¬ 
öffnet und am 4. 4. ein Granatsplitter aus der Abszeßhöhle entfernt. Hierauf 
erfolgte Heilung und Abgabe an die Truppe am 2. 6. (nach 100 Tagen). 

Fall 44. Fuchsstute, eingestellt am 20.11.1914 wegen Granatsplitter- 
Verletzungen, zeigt linkerseits an Ellbogen und Knicfaltc je eine unregel¬ 
mäßig umrandete, taschenförmige Wunde; Spaltung, Auskratzen, Jodtinktur. Patient 
wurde am 13. 1. 1915 (nach 54 Tagen) geheilt abgegeben. 

Fall 45. Brauner Wallach, 15—18 Jahre, eingestellt am 30. 11. 1915 wegen 
Schuß Verletzung am linken Vor arm. An der Vorderfläche des oberen Vor¬ 
armteiles findet sich eine ovale, 1 cm große, glatte Narbe, die mit der Unterlage 
durch einen in die Tiefe gehenden, derben Strang verwachsen ist (anscheinend 
Gewehrschuß). Patient geht erheblich lahm; nach zerteilenden Mitteln wird er¬ 
folglos eine scharfe Einreibung angewendet. Abgabe am 5. 4. 1916 (nach 127 Tagen) 
in die Heimat. 

Fall 46. Rappwallach, 14 Jahre, eingestellt am 24. 10. 1915 mit Granat¬ 
splitterwunde am rechten Vorarm, mußte bereits am 3. 11. (nach 10 Tagen) 




Lebor, Schu^€rlj?tzuD)>en bei im Kriege, 


da> Ivftdiusr zur Sc ji f 11 i »in g abgegeben 




'.:;.4?VJ*^13 Jahre, am 24. 10. 1U15. wegen ,Selyiiü 
w *i u v’l.^n «t Ti rerhtent Verarm und r ee I» ier Brustw feint eingeMrdil. > Abb \ r > 


A b!>. lö 'iY*\\i $$$ 


rzm-r .-'*-T| 








Srti<‘Üv.‘}r!eiÄungeii an der medialen Seite den Vorarms mit 
iuhjt^sjdilöT P^fi^ijone tjiiW über der it. jUppe (ijiirch A tü Ußriegc^Mß); 


Irn üateretv J>ntU}1 dv-r redUen Bni.stwünd findet sieji in .üeMregerut .der U. Hippe 
vMr nw* 10 em lange, ^nerverlaufeurle/ unregelmHÜn' ei KgeMß&Üy r*u! die Hippe 
rbfe&ciide ftuntic*, rii* #0 ted^ekt int- -ÄmkwtM^ (28. l4l 

h eOie die -Wuoffy unter gewM;nbohe; ßcbandfuug in&orhal!« eine* Monate ;ias. ~~ Die 
*tÄ-t-'iHjD. vöjb dar Seluiitec Kroneherab dirtW,öl&Q 

und *sM’ aut der jnödiaJen Seitü in der Mitte Wrarm^ eine kküm\ rundliche 
und rstehJjeh handbreit darüber eine etwas grbfrere, unrc£ehnft$tge Schul* vor- 
Atzung auf (ütTenbar vuir dnin^tspbtierr. }«errültreo\j;.;_ Drainage. Ae. 3. 12. Spat* 
tujüg Ä hühneri?igru£»ör», nubbü*/mio/i AbsÄCssra \»>o«- in der Vurarimnitle, des- 
^u-I.ao &rn i 1. 12 eim* früheren. unter hohem I.Vm’fe behenden Abszesses am 
l eberg^ü^ de* Verarm* zur Voi brüst. öv> bistret vorhandene- £V"ho Senmerzhafbg- 
• und L ahm beit besserten sieh* jedoch «imüte um 20. 12 ein \**wner Abszeß- 
m der VnranunnUv und aru 2b, 12. ein Vier!or Aiitdaftrjal^r A bssedi am oberen 





100 


J. RICHTER, 


Ende des Vorarms außen geöffnet werden. Hierauf erfolgte Heilung und Abgabe 
des Patienten am 5.2. 1916 (nach 104 Tagen) zur Dienstleistung in die Heimat. 

Schußverletzungen am Hinterschenkel. 

Fall 48. Braune Stute, 12—15 Jahre, wird am 6.6. 1916 wegen Granat- 
splitterverletzung am rechten Sitzbeinhöcker (und Phlegmone hinten 
links sowie am rechten Vorarm) eingestellt. Der in sehr schlechtem Nähr- und 
Kräftezustand befindliche Patient zeigt eine unregelmäßige, ovale, schwielige 
Wunde dicht unter dem infolge Taschenbildung freiliegenden rechten Sitzbein- 
höcker; tiefe Spaltung, Auskratzen, Jodtinktur. Infolge weiterer Abnahme des 
Kräftezustandes muß Patient am 15. 6. (nach 9 Tagen) zur Schlachtung ab¬ 
gegeben werden. 

Fall 49. Braune Stute, eingestellt am 15. 10. 1914 wegen Schuß Ver¬ 
letzung, weist (anscheinend durch Artilleriegcschoß bedingt) 1. an der linken 
Hinterbacke etwa handbreit unterhalb des Sitzbeinhöckers eine reichlich taler¬ 
große, unregelmäßig umrandete, eiternde Wunde, die ungefähr 10 cm in den Muse, 
semitendinosus führt, 2. Verklebung der Schweifhaarc durch Blut und Eiter nach 
dem Ende der Schweifrübe und Zertrümmerung der letzten Schwanz* 
wirbel auf. weshalb sich die Amputation des Schweifes notwendig erweist. Die 
Wunde am Oberschenkel führte zu Taschenbildung; Drainage. Patient wurde nach 
75 Tagen (29. 12.) geheilt entlassen. 

Fall 50. Braune Stute, 10 Jahre, eingestellt am 22. 5. 1916 wegen Sc hu Li¬ 
ve rletzung an der rechten Hinterbacke; eine haarlose, lange Eiterstraße 
deutet auf längeres Bestehen. An der rechten Hinterbacke befindet sich etwa 
15 cm unterhalb des Sitzbeinhöckers ein horizontal nach vorn gehender, für den 
Zeigefinger bequem gangbarer, etwa 10 cm langer Kanal, nach dessen Spaltung 
nach oben und im Innern sich zeigt, daß derselbe sich nach oben wendet und mit 
der Bleisonde 24 cm weit zu verfolgen ist. Auskratzen, Jodtinktur, Wundbehand¬ 
lung. Nachdem die Eiterung zunächst nachgelassen hat und der Kanal scheinbar 
sich schließen will, ist die Eiterung wieder stärker geworden, weshalb am 1. 9. 
erneute, kräftige Spaltung am niedergclegten Pferde erfolgt. (Nach dem Aufstehen 
zeigt Patient eine deutliche linksseitige Radialislährnung, die — nach der Er¬ 
fahrung unbehandelt gelassen — am 20. 9. wieder völlig verschwunden ist). Die 
Wunde hat sich bis auf die unter dem früheren Bilde vorhandene Fistel ge¬ 
schlossen; am 19. 10. erfolgt am niedergelegten Pferde nochmals eine ergiebige 
Spaltung nach oben und unten, wobei eine früher nicht bemerkte Gangbildung 
nach unten auf etwa 10 cm festgestellt wird; vom blinden Ende dieses schwieligen 
Ganges wird ein etwa 3 cm langer Granatsplitter mit der Kornzange ent¬ 
fernt. - 24. 11.: Die Eiterung ist bei dauerndem Rückgang im Nähr- und Kräfte¬ 
zustand des Patienten aus dem nichtheilenden, oberen Kanal stärker geworden; 
die Sonde gelangt leelits neben der lncisura ischiadica minor vorbei bis unter die 
Kruppenmuskulatur. Beim Anlegen der Gegenöffnung auf der Kruppe wird eine 
mit dem Gange in Verbindung stehende, vermutete größere Kaverne in der Becken¬ 
höhle eröffnet; Drainage, Behandlung mit Desinfizicntien, Kampfer usw. In den 
folgenden Tagen zeigte Patient bei vermehrten, schwachen Pulsen und erhöhter 
Temperatur (39,3 — 39,9°) mißfarbenen, übelriechenden Ausfluß aus der Kaverne 
und verendete am 4. 12. (nach 196 Tagen) unter dem Bilde der Sepsis. Bei 
der Sektion wnirden als Folge der Kavcrnenbildung in der Beckenhöhle frischere, 
schwartige Verwachsung von Mastdarm, Beckenllexur, Grund des Blinddarms, 
Gebärmutter und Harnblase, jauchige Bauchfellentzündung, eine mit zahlreichen, 



L eber Schußverletzungen bei Pferden im Kriege. 


101 


bis erbsengroßen, gelbweißen, weichkäsigen Herden durchsetzte, doppeltfaustgroßc, 
schwartige Auflagerung an der Bauchhöhlenfläche des Zwerchfells nahe dem 
Sternum sowie die Erscheinungen der Septikopyämie (Degeneration von Herz, 
Leber, Nieren) gefunden. 

Pall 51. Rotschimmelwallach, 10—12 Jahre, am 30. 11. 1915 wegen Schu߬ 
wunde durch den linken Oberschenkel eingestellt. Auf der Außenseite 
findet sich über dem linken Knie eine schmalhandtellcrgroßc Wunde (anscheinend 
durch Granatsplitter bedingt), an der Innenseite entsprechend, nur wenig tiefer, 
eine eiternde Fistelöffnung, von der die Sonde bis in die Gegend über dem linken 
Kniegelenk in Richtung auf den oberen Teil der äußeren Wunde gelangt; Drainage. 
Abgabe des lahmen, kriegsunbrauchbaren Pferdes am 31. 1. 1916 (nach 62 Tagen) 
ungeheilt in die Heimat. 

Pall 52. Brauner Wallach, 13 Jahre, am 4.9. 1916 wegen Fistel an der 
linken Hinterbacke ciogestellt. An der Außenseite des linken Hinterschenkels 
findet sich in der Gegend des Hüftgelenks in strahlenförmig unregelmäßiger Narbe 
ein eiternder Fistelgang, der vorn am verletzten Trochanter tertius des Femur 
vorbei in schwieligem Gewebe des Muse, vastus lateralis 12 cm nach unten führt. 
Am 7. 9. Spaltung, Auskratzen, worauf sich der Trochanter gut eindeckt: der 
Fistelgang sowie geringe Eiterung bleiben aber bestehen, weshalb am 2. 11. eine 
Spaltung des Ganges bis zur Tiefe erfolgt, woselbst ein knapp linsengroßer 
Granatsplitter gefunden wird; Auskratzeu, Jodtinktur. Wegen der in der Folge 
langsamen Ausheilung der Wunde wird deren Grund am 30. 11. mit dem Gliih- 
eisen gebrannt; hierauf setzt bessere Granulation ein. Patient konnte nicht weiter 
beobachtet werden. 

Pall 53. Rappstute, 7 Jahre, am 18. 9. 1916 wegen einer Fistel wunde 
an der Außenseite des linken Oberschenkels eingestellt. Hier findet sich 
eine 15 cm lange, schräg verlaufende, unregelmäßig wulstige Wunde, von deren 
Mitte ein Fistelgang zunächst 3 cm horizontal in die Tiefe gegen den Femur ver¬ 
läuft und dann im Muse, biccps feraoris im rechten Winkel senkrecht nach unten 
etwa 12 cm tief umbiegt, von starkem, dcrbsehwieligem Gewebe umschlossen. Am 
21.9. findet am niedergelegten Pferde Spaltung und Entfernung eines kleinen, 
spitzen, scharfkantigen Granatsplitters statt; Ausschälen, Jodtinktur, Wund¬ 
behandlung. — 10. 10: Die Wunde heilt gut von der Tiefe aus, bleibt aber ihrer 
ursprünglichen Beschaffenheit entsprechend w r ulstig. Patient geht am 4. 11. (nach 
47 Tagen) geheilt zur Truppe. 

Pall 54. Fuchsstute, 9 Jahre, eingestellt am 2. 11. 1916 wegen einer Fistel 
an der Außenseite des linken Unterschenkels. Von dieser führt ein 25 cm 
langer Kanal nach oben bis in die Gegend einer knapp markstückgroßen, unregel¬ 
mäßigen Narbe, die sich dicht hinter dem Trochanter tertius des Femur 
befindet. — 8. 11.: Spaltung des Fistelganges auf etwa 10 cm, Blutung, Tampo¬ 
nade. — 25. 11: Erneute Spaltung nach oben, wonach festgestellt wird, daß der 
Kanal in Richtung von der Narbe etwa horizontal nach innen verläuft. An der 
Innenseite des rechten Unterschenkels, der keinerlei Wunde oder Narbe aufweist, 
wird ein kleinapfelgroßer Abszeß gespalten, aus dessen Höhle am 30. 11. ein 
Granatsplitter entfernt wird. — 7. 12.: Kanal, Wunde und Abzeßhöhle granu¬ 
lieren gut aus. Patient konnte nicht weiter beobachtet werden. 

Fall 55. Brauner Wallach, etwa 16 Jahre, wird in sehr schlechtem Nähr¬ 
zustande wegen Granatsplitterverletzungen am 7.2.1915 eingeliefert: er 
zeigt mehrere bis handtellergroße Wunden, und zwar an der Innenseite des 




s •:« !»'W.u/w in d«.-i Hftjjfc# 

Sp r 1 1 hü iiß l eil ir£fc£>>?f d. 


Sr\ix)kvvr\£\£atxg am rechten 
Spriju^gcIcTik. 


m# [mW.rpin)n^t*le»il: tsV ^ta»is seuiiHt qö« an seiner Hcugd/ä»*!-<v 

hüßnd¥t ^u f h wenig nach *u|im eine etwa halimiarkstiipkgra^e. rundliche, eiternde 
Wuodt?“ und in 0«ii gleicher i&ijV x}$t ]nmuhntX\ ruelir u/ich dem pnnjmfil^T 
T vil des Spninciieu:h.[?;U‘tr ;-n.. rw. vhcnseh’he Meine Wunde. - '.Duridi den vc» • 
iiHiiccweM’schul? ist d«-r-distale l'eiT4er Ti4ia t na^ehpiiumd ohne erhebliche 
hrtrdfeii. W'nro*' bhnv, fadast ri öher in der Rubi* gui ß>- 

haödiong y Va/fiimle mit t.'\ya^r^t^ft5»ü|jicrifciydJ 
;p5:VahraM* > A^gal»fe <ies tuehi 
trijfpp^Ti4C 6 •;';•»jti : (W. T^n} in die U *uu'frt 


->*• *h 

V 

; 


1 





Ucber Schußverletzungen bei Pferden im Kriege. 


103 


Fall 57. Der 8jährige Rappwallach wurde am 30. 11. 1915 wegen Schutt - 
Verletzung am rechten Sprunggelenk eingeliefert. Auf der Innenseite des 
verdickten Sprungbeinhöckers findet sich eine mit Schorf bedeckte, runde, etwa 
zweipfenniggroße Wunde (anscheinend Gewehrschuß). Das Gelenk ist verdickt und 
schmerzhaft; Patient geht lahm und schont in der Ruhe (s. Abb. 17). Die Ver¬ 
narbung ging unter Jodtinkturbehandlung rasch von statten, die Lahmheit blieb. 
Abgabe am 21. 12. (nach 21 Tagen) in die Heimat. 

Das von mir gesammelte, vorstehend beschriebene Material von 
57 Schußverletzungen möchte ich im folgenden von einheitlichen Ge» 
sichtspunkten einer Betrachtung unterziehen und dabei mir bemerkens¬ 
wert erscheinende Einzelheiten hervorheben. 

Der Sitz der hauptsächlichen Schußverletzung war in 
den 57 Fällen folgendermaßen auf die einzelnen Körpergegenden ver¬ 
teilt (in Klammern sind die 17 Fälle gleichzeitiger, nebensächlicher 
Verwundung beigefügt): 


Kopf . 

6 mal, 

Fall 1-6 (1 mal, Fall 

25) 

Hals. 

. 6 

- » 


7—12 (1 

m 1 y* 

25) 

Widerrist. 

. 1 

T , 

V 

13 



Vorbrust . 

. 2 


r> 

14, 15 



Brustwand .... 

. 4 

, 


16-19 (3 

- « r 

25, 40, 47) 

Rücken . 

. 1 

r » 

r 

20 (2 

r i w 

11, 26) 

Flankengegend . . 

4 

„ . 

- 

21-24 (1 

« ? V 

25) 

Kniefalte . 




(2 

r , n 

11, 44) 

Schlauch . 




0 

r i 

55) 

Kruppe . 

. 10 


** 

25-34 



Schwanz . 

. 1 

T , 


35 (1 

- » 

49) 

Aftergegend .... 

. 1 

r ’ 

.. 

36 



Schulter . 

. 5 

- , 


37-41 (1 

r y - 

25) 

Schul teroberarmgege n d 

. 2 


r 

42, 43 



Ellbogengegend . . 

. 1 

- » 


44 



Vorarm . 

. 3 

„ , 


45—47 (2 

- » 

19, 55) 

Sitzbeingegend . . . 

. 1 


r 

48 



Oberschenkel . . . 

. 6 



49-54 (l 

„ , „ 

55) 

Unterschenkel . . . 

. 1 



55 



Sprunggelenkgegend . 

. 2 

r , 

- 

56, 57. 




Am häufigsten waren hiernach die Kruppe (10 mal), Oberschenkel, 
Kopf und Hals (je 6 mal), Schulter (5 mal), Brustwand und Flanken¬ 
gegend (4 mal) von der Verletzung, die Grund zur Einlieferung war. 
betroffen. 

Hinsichtlich der allgemeinen Beschaffenheit der Schu߬ 
verletzungen sei zunächst daran erinnert, daß das in Frage stehende 
Material in der Hauptsache von der Front durch eine Pferdesammelstelle 
bzw. ein Etappenpferdelazarett gegangen war, ehe ich es beobachten 
konnte, daß es sich also meist aus älteren, chronischen Fällen 










104 


J. HICHTKli, 


zusammeusetzte, die größtenteils schon kürzere oder längere Zeit von 
anderer Seite behandelt worden waren. Infolgedessen fanden sich 
zunächst einmal Verwundungen, die rasch zur Entscheidung drängen 
und in der Regel bereits an der Front ihre Erledigung finden, wie 
Gehirn-, Brust- und Bauchschüsse, nicht darunter und Schußwunden, 
bei denen Gelenke, größere Blutgefäße sowie Röhrenknochen verletzt 
waren, nur vereinzelt; es handelte sich vielmehr um Schußver- 
ketzungen, welche die Weichteile (Haut, Muskulatur usw.) 
sowie das Knochensystem betrafen. Diese Schußverletzungen 
trugen in ihrer überwiegenden Zahl nun auch den Charakter älterer 
Fälle zur Schau, d. h. die Erscheinungen akuter Art fehlten fast 
durchgängig, meist war nicht Heilung per primam intentionem ein¬ 
getreten, sondern die Verletzungen waren infiziert und stellten eiternde 
Wunden, teils mit Taschen-, Höhlen- oder Abszeßbildung, oder Eiter¬ 
fisteln dar; letztere bildeten die Mehrzahl und wurden zum Teil erst 
durch die Behandlung als Schußverletzungen erkannt. 

Geschosse bzw. Geschoßteile wurden in 16 Fällen gefunden 
und zwar Granatsplitter 12 mal, Schrapnellkugcln 2 mal, Infanterie¬ 
geschosse 2 mal (davon 1 mal ein mehrfach zerrissener Mantel). Aus 
dem Vorbericht über 10 weitere Fälle war zu entnehmen, daß die 
vorhandenen Verletzungen 7 mal durch Granatsplitter, 2 mal durch 
Schrapnellkugeln und 1 mal durch eine Fliegerbombe hervorgerufen 
waren. Die übrigen 31 Fälle, die als Schußverletzungen schlechthin 
ohne nähere Angaben eingeliefert worden waren, konnten aus der Art 
der Verwundung 9 mal auf die Wirkung von Infanteriegeschossen. 
22 mal auf diejenige von Granatsplittern, Bombensplittern bzw. 
Schrapnellkugeln zurückgeführt werden. Hiernach überwogen die 
durch Artilleriegeschossc bewirkten Verletzungen diejenigen 
der Infanteriegeschos.se beträchtlich, eine Beobachtung, wie sie 
/.. B. auch Brcilhor (17) in diesem Kriege bei Pferden gemacht hat. 

Im allgemeinen konnte die Erfahrung bestätigt werden, daß 
Infanteriegeschosse eine kleine, rundliche oder ovale Einschu߬ 
öffnung zu setzen pflegen, der bei reiner Weichteil Verletzung eine 
ebenso große oder wenig größere, bei Knochenverletzung dagegen eine 
in der Regel größere, unregelmäßige Ausschußöffnung entspricht. — 
Granatsplitter gaben infolge ihrer verschiedenen Größe und ihrer 
zackigen, scharfkantigen, teils rnesserähnliehen Beschaffenheit Ver¬ 
letzungen sehr verschiedener Art und Größe. Vereinzelt sah ich 
Schälwunden, verschieden in Ausdehnung und Umrandung. Meist fand 



lieber Schußverletzungcn bei Pferden im Kriege. 


105 


ich unregelmäßig umrandete, längliche, teils strahlig eingezogene Ein¬ 
schußöffnungen, die mehrfach noch deutlich auf die unregelmäßig zer¬ 
rissenen Ränder der ursprünglichen Verwundung hinwiesen. Daß aber 
Granatsplitter auch glattrandige, regelmäßige Rinnenschüsse verursachen 
können, lehrt als Beispiel Kall 25 (s. Abb. 9), wo sich neben der 
linken Hüfte eine 30 cm lange, 5—6 cm breite, gerade, glatte, klaffende 
Wunde zeigte. 

Bildete ein Teil der Schußverletzungen mehr oberflächliche Wunden 
von verschiedener Form und Größe, so konnte bei der Mehrzahl ein 
Schußkanal festgestellt werden. Vereinzelt handelte es sich dabei 
um Querschüsse (Fall 9 durch den Kamm, Fall 35 durch die Schwanz¬ 
wurzel) und um Längsschüsse, wie in Fall 26 und 27 durch die 
rechte bzw. linke Hüfte. Fall 19 führte als sogenannter Haarseil- 
schuß unter der Haut des rechten Vorarms hinweg (s. Abb. 7) und 
stellte zugleich einen Prellschuß dar, bei dem es zu einer mit Lahmheit 
verbundenen Periostitis ossificans des lateralen Bandhöckers des Radius 
gekommen war. Die Mehrzahl der beobachteten Fälle zeigte blinde 
Schußkanäle, die teilweise noch die Geschoßteile beherbergten, also 
Steckschüsse darstellten. Die Schußkanäle waren naturgemäß sehr 
verschieden lang. Die kürzesten Schußkanäle waren Querschüsse 
durch den Kamm (Fall 9) und den ersten Schweifwirbel (Fall 35). 
Die beiden längsten Kanäle fanden sich bei Fall 26 (s. Abb. 10), in 
dem eine Infantcriekugel .hinter und neben dem rechten Hüfthöcker 
eingedrungen und 35 cm weiter vorn über der 16. Rippe ausgetreten 
war, sowie bei Fall 30 (s. Abb. 12), bei welchem von der linken 
Kruppe aus ein Granatsplitter etwa senkrecht nach unten (und 
vorn) eingedrungen war und aus einer Tiefe von 36 cm herausgeholt 
wurde. 

War der Schußkanal in der überwiegenden Zahl der Fälle 
röhrenförmig, oft schon glattwandig, schwielig, listeigangartig, so 
konnten doch auch Fälle gesehen werden, in denen eine ampullen- 
förmige Erweiterung infolge Zertrümmerung des Gewebes durch los¬ 
gesprengte Knochensplitter (s. Fall 28) oder durch einen zerrissenen 
Geschoßmantel hervorgerufen worden war (Fall 27). 

Während die Richtung des Schußkanales überwiegend einen 
geraden Verlauf zeigte, wies der Kanal in einigen Fällen innerhalb 
der Weichteile eine Knickung auf bzw. bildete ein Knie. Eine der¬ 
artige Abweichung von der Geraden kann eine scheinbare oder tat¬ 
sächliche sein. Die erste Form, die scheinbare Knickung dos 



106 


J. RICHTER, 


Schußkanals, wird dadurch vorgetäuscht, daß man bei der Unter¬ 
suchung eine andere gegenseitige Lagerung der Muskeln usw. zu ein¬ 
ander vor sich sieht, als sie im Augenblick des Eindringens des Ge¬ 
schosses bestand. Hierfür bietet Fall 14 ein Beispiel. Von der rechten 
Vorbrust ging am senkrecht belasteten Schenkel auf der medialen 
Seite ein fistelartiger Schußkanal im spitzen Winkel gerade nach 
hinten oben, scheinbar nur bis in die Gegend des Ellbogengelenks; 
wurde der Karpus nach vorn um etwa 35° gehoben, die Extremität 
also in Beugehaltung gebracht, dann ließ sich der Kanal in gerader 
Richtung ohne Schwierigkeiten mit der Sonde bis in die Gegend des 
Ellbogenhöckers verfolgen. Der veranlassende Granatsplittter hatte die 
Verletzung offenbar bei Beugehaltung des rechten Vorderschenkels 
herbeigeführt, weshalb eben nur in dieser die eigentliche Richtung und 
Länge des Schußkanals festgestellt werden konnte. — Bei der zweiten 
Form erleidet das Geschoß im Körper eine tatsächliche Ablenkung 
in seiner Bahn, wozu in der Regel das Auftreffen auf festere Gewebe 
wie Aponeurosen, Sehnen oder Knochen Anlaß gibt, worauf u. a. 
Maleval (14) und Lingenberg (24) beimPferd, Tillmanns (25) 
beim Menschen hinweisen. Derartige Beobachtungen konnte ich 3 mal 
machen. In zwei Fällen (Nr. 32, rechte Kruppe, und Nr. 50. rechte 
Hinterbacke) dürfte für die Entstehung des fast rechtwinkligen Knies 
im Geschoßgang der Schrapnellkugel bzw. des Granatsplitters die 
ablenkende Wirkung der Fascia glutaea b^w. der Zwischensehne im 
Muse, semitendinosus in Anspruch zn nehmen sein. In einem dritten 
Falle (Nr. 53) ging an der Außenseite des linken Oberschenkels ein 
Fistelgang von der Mitte einer wulstigen Wunde zunächst 3 cm hori¬ 
zontal in die Tiefe, um dann lateral vom Femur senkrecht nach unten 
umzubiegen und 12 cm tief weiter zu gehen; am blinden Ende saß 
ein bohnengroßer Granatsplitter im schwielig entarteten Gewebe des 
Muse, biceps femoris. Der Gang des kleinen Granatsplitters war 
hier offenbar durch den Widerstand des richtunggebenden Femur ab¬ 
gelenkt worden. 

Die Regel ist selbstverständlich, daß das Geschoß nicht wie im 
vorstehenden Falle dem Knochen, ohne ihn zu verletzen, ausweicht, 
sondern am Knochen selbst Verletzungen hervorruft. Unter dem 
mir zur Verfügung stehenden Material waren in 27 Fällen (= 47 v. H.) 
Knochen von der Schußverletzung in Mitleidenschaft ge¬ 
zogen, und zwar: 



Ueber Schußverletzungen bei Pferden im Kriege. 


107 


Kopfknochen.3 mal (Kall 1 — 3) 

Halswirbel.1 „ ( „ 7) 

Dornfortsätze der Rückenwirbel . . . 2 „ ( „ 11, 13) 

Schwanzwirbel. 2 „ ( „ 35, 36) 

Schulterblatt.4 „ ( „ 37, 39—41) 

Humerus. l r ( r 43) 

Radius.1 . ( . 46) 

Rippen. 5_(„ 16—18, 20, 48) 

Becken.4 . ( „ 28, 31, 32, 37) 

Kreuzbein.1 _ ( . 33) 

Femur.1 „ ( „ 52) 

Tibia.1 . ( . 56) 

Sprungbein.1 _ ( _ 57). 


In 18 = 66,6 v. H. dieser 27 Fälle war eine verschieden- 
gradige Splitterung bzw. Zertrümmerung einzelner Knochen 
festzustellen, wovon das Schulterblatt 4 mal, Kopfknochen, Rippen 
und Darmbein je 3 mal, die Schwanzwirbel 2 mal, Kreuzbein, Humerus 
und Radius je 1 mal betroffen waren. In 12 von diesen Fällen wurden 
(abgesehen von Knochengries) Knochensplitter, deren Zahl im Einzel¬ 
falle zwischen 1 und 6 schwankte, von verschiedener Größe entfernt. 
In einem Fall (Nr. 49) mußte wegen Zertrümmerung der letzten Wirbel 
der Schweif amputiert werden, im Falle 46 kam es 9 Tage nach 
der Einstellung zum vollständigen Bruch des angcsplitterten Radius. 
Lochschüsse gelangten 5 mal zur Beobachtung; 3 davon hatten 
ihren Sitz im Schulterblatt (Fall 37, 40, 41), je einer in dem Kreuz¬ 
bein (Fall 33) bzw. dem ersten Sch wanzwirbel (Fall 35). Die 
letzteren beiden Fälle waren auf Infanteriegeschosse zurückzuführen: 
rundliche, etwa bleistiftstarke Schußkanäle innerhalb des Knochens 
kennzeichneten sie. Die Schulterblattlochschüsse waren größer und 
unregelmäßig und waren 2 mal durch Granatsplitter, 1 mal durch 
Schrapnellwirkung verursacht. 

Besondere Erwähnung verdient eine offenbar durch Infanterie¬ 
kugel bedingte Schuß Verletzung der 11. Rippe mit nachfolgender 
Rippenfistel (Fall 18), bei welcher es im Anschluß an eine Splitterung 
der Kompakta zur Infektion der Spongiosa und Bildung von 5 weichen 
und porösen Spongiosasequestern gekommen war, deren größter eine 
Länge von 19 cm besaß (s. Abb. 5). Nach Entfernung dieser zen¬ 
tralen Sequester konnte festgestellt werden, daß die Rippe eine 
39 cm lange Sequesterhöhle in sich barg. Der Patient genas und 
wurde wieder truppendienstfähig (s. Abb. 6). 

Eine Verletzung größerer Blutgefäße infolge von Schu߬ 
verletzung ist mir 1 mal begegnet. Im Fall 15 handelte es sich 














108 


.1. RICHTER, 


um eine etwa 5 Wochen zurückliegende Verwundung an der rechten 
Vorbrust durch eine Schrapnellkugel; letztere wurde 4 Wochen später 
ohne größere Blutung aus der Wunde entfernt. Nach 8 Tagen trat 
ohne nachweisbare Ursache eine starke Blutung auf, welcher der 
Patient schließlich erlag (Notschlachtung). Die von schlaffem Granu¬ 
lationsgewebe überdeckte Vena jugularis ließ einen etwa halb¬ 
pfenniggroßen, länglichen, unregelmäßig umrandeten Defekt erkennen. 

Das Nervensystem war in 4 Fällen ergriffen, davon 3 mal 
durch direkte Schußwirkung, 1 mal durch indirekte Einwirkung. Ein 
Pferd (Fall 4) zeigte an der rechten Backe eine bis auf den Unter¬ 
kiefer reichende Weichteilwunde; der Nervus facialis war in Mit¬ 
leidenschaft gezogen, was in einer rechtsseitigen, auf Lippe, Nase, 
Backe beschränkten Facialislähmung zum Ausdruck kam, deren 
Ausgang nicht beobachtet werden konnte. — Ein Pferd (Fall 35) litt 
infolge Querschusses durch den 1. Schweifwirbel an Lähmung des 
Schwanzes; derselbe hing bewegungslos und schlaff herunter; neben 
der motorischen bestand sensible Lähmung. Da eine Ausheilung des 
stark eiternden Schußkanales nicht zu erzielen und der Schweif von 
Eiter, Kot und Urin dauernd beschmutzt war, mußte die Stute getötet 
werden. In dem dritten Fall (Nr. 19) lag dem klinischen Bilde 
nach ein Neurofibrom im Bereich des Hautastes des rechten 
Nervus radialis vor. Im proximalen Teile der Außenseite des 
rechten Vorarms befand sich in der Gegend des lateralen Band¬ 
höckers des Radius ein vernarbter, offenbar von einem Infanterie¬ 
geschoß herrührender Kanal (s. Fig. 7). In dessen schwieligem Strang 
war ein hasclnußgroßer, verschiebbarer, druckempfindlicher, derber 
Knoten zu fühlen; dieser kleine Tumor wurde ausgeschält und zeigte 
bei gelblichweißer Farbe festen, bindegewebigen Charakter. Nach 
Ausheilung der Operationswunde war die Lahmheit gebessert, offen¬ 
bar also durch den Tumor mit bedingt gewesen. Die als weitere 
Ursache der Lahmheit in Betracht kommende Verdickung des lateralen 
Bandhöckers des Radius beruhte vermutlich auf einer infolge des 
Prellschusses zustande gekommenen Periostitis; wegen der nur ge¬ 
besserten, aber nicht beseitigten Lahmheit wurde Patient zum Dienst 
in der Heimat entlassen. In dem vierten Falle (Nr. 9, s. Abb. 2) 
handelte es sich um eine zerebellare Ataxie und eine Lähmung 
des rechten Nervus oeulomotorius. Das 7 jährige Pferd zeigte 
reehterseits leichte Plosis sowie tappenden, ataktischen Gang aller 
vier Beine, Gleichgewichtsstörungen beim Gehen in Gestalt von 



lieber Schußvorleteungen bei Pferden im Kriege. 


109 


Schwanken (namentlich im Hinterteil) sowie drohendem Niederstürzen; 
außerdem bestand Schreckhaftigkeit. Es war anzunehmen, daß es 
sich um einen Fall von Schock infolge Erschütterung von Gehirn 
und Rückenmark durch den die Mitte des Kammes betreffenden Hals¬ 
querschuß handelte. Da Patient immer mehr im Nährzustand zurück¬ 
ging, mußte Tötung angeordnet werden. — 

Ueber das Verhalten der Geschosse im Körper konnte ich 
folgende Beobachtungen machen. Fälle, in denen ein Einheilen des 
Geschosses anzunehmen war, habe ich nur zwei gesehen, nämlich je 
1 mal am linken Vorarm (Fall 45) und am rechten Sprungbein¬ 
höcker (Fall 57). Beide Patienten zeigten eine kleine, ovale, ab¬ 
geheilte, bezw. runde, unter dem Schorf heilende, vermutlich von 
Infanterieschuß herrührende Verletzung; sie gingen und blieben stärker 
lahm. — In der Mehrzahl der von mir beobachteten Fälle hatten 
die stcckengebliebcncn Geschoßteile Anlaß zur Entstehung von Fisteln 
gegeben, deren Eiterung sie unterhielten. Dabei übten die Geschosse 
zum Teil einen erheblichen Reiz auf das umliegende Gewebe aus: 
die Fistelgänge waren verschiedentlich, besonders am Sitze des Fremd¬ 
körpers, sehr dickwandig. Wie groß unter Umständen diese Reizung 
sein kann, zeigt Fall 53, in dem ein nur bohnengroßer, scharfzackiger 
Granatsplitter auf dem Grunde eines Fistelganges im Muse, biceps 
femoris des linken Hinterschenkels in derb sch wieligem Gewebe 
von Kindskopfgröße eingebeitet lag. Auf der anderen Seite sah 
ich mehrere Fälle von erheblicher Einschmelzung von Gewebe, 
insbesondere von Muskelgewebe, unter dem Einfluß der Schuß- 
verletzuug bzw. des Geschosses; es sind dies die Fälle 11, 21, 22 
und 29. In Fall 11 führte eine an der rechten Halsseite befindliche, 
etwa talergroßc, strahlig eingezogene Schußwunde in eine parallel 
zur Halswirbelsäule laufende, 40 cm lange Abszeßhöhle, die durch 
teilweise Einschmelzung des Muse, splenius und semispinalis capitis 
entstanden war und zur deutlichen Einsenkung des Kammes geführt 
hatte (s. Abb. 3). — Die Fälle 21 und 22 zeichnen sich durch auf¬ 
fallende Uebereinstimmung aus. Beide Male befand sich eine rundliche 
Einschußöffnung unmittelbar am Ende der Querfortsätze der Lenden¬ 
wirbel etwa in der Mitte zwischen letzter Rippe und Hüfthöcker linker¬ 
seits (s. Abb. 8), von wo ein Fistelgang in eine ungefähr flachfaustgroße 
Abszeßhöhle im Muse, psoas major führte. — In Fall 29 wurde ein 
Abszeß von ungefähr Kindskopfgröße im linken Muse, glutaeus medius 
festgestellt (s. Abb. 11). Der Einschuß befand sich etwa 10 cm von 



110 


.1. RICHTER, 


der Medianebene wenig vor der Verbindungslinie zwischen medialem 
und lateralem Darmbeinwinkel; er war rundlich, eingezogen, für den 
Zeigefinger gangbar. Durch ergiebige Spaltung des derben, etwa 15 cm 
langen Schußkanales wurde zugleich die erwähnte Abszeßhöhle er¬ 
öffnet, in deren rahmartigem Eiter ein französisches Infanteriegeschoß 
gefunden wurde. In den drei vorher genannten Fällen waren die 
Geschoßteile offenbar vor der Einlieferung operativ entfernt oder 
spontan mit dem Eiter ausgestoßen worden. Alle vier Patienten 
genasen. 

Infolge solcher Gewebseinschmelzung kommt cs bekanntlich zu¬ 
weilen zur Wanderung in Gestalt von Senkung des Geschosses 
und Abszedierung. Derartige Fälle konnte ich zwei beobachten. In 
Fall 43 fand sich etwa handbreit über und vor dem rechten Ellbogen¬ 
höcker eine bis in die Ankonäen reichende Fistel; drei Wochen nach 
der Einstellung wurde an der Unterbrust ein Abszeß geöffnet, aus 
dem einige Tage später ein etwa 3 1 / 2 cm langer, D /2 cm breiter 
Granatsplitter entfernt wurde. — Fall 54 zeigte hinter der Gegend 
des Trochanter tertius des linken Femur eine unregelmäßige, strahlige 
Narbe; Woche nach Einlieferung hatte sich an der Innenseite 
des rechten Unterschenkels, wo keinerlei Wunde oder Narbe zu 
entdecken war, eine fluktuierende Anschwellung gebildet, aus der sich 
nach Spaltung reichlich Eiter und nach weiteren 5 Tagen ein Granat¬ 
splitter (etwa 3 cm lang, 2 cm breit und V/ 2 cm dick) entleerte. 
Der Granatsplitter hatte demnach die Muskulatur des linken Hinter¬ 
schenkels durchschlagen, seinen Weg unterhalb des Beckens zwischen 
diesem und der äußeren Haut nach der Innenseite des rechten 
Schenkels genommen und sich dann hier gesenkt. — Diesen beiden 
Fällen von Senkung eines Geschoßteiles vermag ich einen Fall an 
die Seite zu stellen, bei welchem die Wanderung entgegen dem 
Gesetz der Schwere erfolgte (Fall 31). Der fraglichen Stute war 
rechterseits die starke Kruppenmuskulatur sowie die kraniale Partie 
der Darmbeinschaufel fast senkrecht durchschlagen worden. Aus dem 
etwa 25 cm tiefen Schußkanal wurden mehrere, unterhalb der Darm¬ 
beinschaufel liegende Knochensplitter entfernt; ein Geschoßteil konnte 
jedoch trotz genauer Prüfung nicht festgestellt werden. Die Wunde 
heilte sehr langsam: nach s / 4 Jahr wurde aus demselben Kanal und 
zwar aus nur etwa 15 cm Tiefe oberhalb der Darmbeinschaufel 
eine Schrapnellkugel entfernt. Diese war durch Schließen der Wunde 
von unten her zweifellos gehoben worden, welchem Prozeß ihre glatte, 



Leber Schußvcrletzungen bei Pferden im Kriege. 


111 


runde Gestalt wohl besonderen Vorschub geleistet haben dürfte. — 
Wanderungen eingeheilter Geschoßteile, wie solche z. ß. von Bayer (7), 
Möller (8) und neuerdings von Müllauer (21) beschrieben worden 
sind, habe ich nicht beobachtet. 

An sonstigen Besonderheiten der Schußverletzungen wären noch 
Infektionen in Betracht zu ziehen. Starrkrampf konnte ich bei 
meinem in der Hauptsache aus älteren Fällen bestehenden Material 
nicht erwarten. An sich scheint Tetanus bei Pferden als Folge¬ 
krankheit von Schußverletzungen nur selten aufzutreten; während 
Schulz (16) 2 Fälle beobachtet hat, berichten Bambauer(20) und 
Lingenberg (24) übereinstimmend, daß sie unter Hunderten von 
Schußwunden nicht einen Fall gesehen haben. Auch Gasbrand, 
den z. B. Lorscheid (26), Lingenberg (24) und Böhler (27) beim 
Pferde als Folge von Schußverletzung beschreiben, habe ich nicht 
zu beobachten Gelegenheit gehabt. Dagegen zeigten die meisten mir 
überwiesenen Patienten Infektion der Schußwunden durch Eiter¬ 
erreger, wie schon erwähnt worden ist. Hierbei handelte es sich 
in der Hauptsache um Eiterfisteln. Wiederholt bildeten sich Abszesse, 
zum Teil nach Abheilung der ursprünglichen Verletzung, wie in Fall 
25 und 39. Diese Abszesse boten, abgesehen von den oben be¬ 
schriebenen Muskelabszessen, Besonderheiten nicht dar. Eine schwerere 
Komplikation hatte Fall 47 in Gestalt einer Phlegmone des rechten 
Vorarraes zu überstehen, bei der es nach und nach zur Bildung von 
4 außerordentlich schmerzhaften, unter hohem Druck stehenden, sub- 
faszialen Abszessen kam. — 2 Fälle (Nr. 13 und 50) gingen an den 
Folgen derartiger Infektion der Schußverletzung an Sepsis bzw. 
Septikopvämie ein. — In einem Falle (Nr. 26) trat im späteren 
Verlauf in der Umgebung der auf der Kruppe in der Gegend des 
rechten Hüfthöckers befindlichen Einschußöffnung des eiternden Schu߬ 
kanales Hautnekrose, offenbar als Folge einer Infektion mit Nekrose¬ 
bazillen, auf. Das Korium war grauweiß, von der Unterlage abge¬ 
hoben und gefühllos; der Prozeß trug progressiven Charakter, wurde 
aber durch Abtragen im völlig gesunden Gewebe und Einreiben von 
Sublimatspiritus (1: 500) zum Stillstand gebracht. 

Die Behandlung der ^chußwunden gestaltete sich natur¬ 
gemäß ihrer Beschaffenheit entsprechend verschieden. Für frische 
Schußverletzungen gilt ja der allgemein anerkannte, von Eberlein (15), 
Schulz (16), Breithor (17), Bambauer(20) u. a. auch in diesem 
Kriege beim Pferde erprobte Satz, daß Waschen, Palpieren oder gar 



112 


J. RICHTER, 


Sondieren zu unterlassen, vielmehr die Wunde mit Jodtinktur, Mastisol 
oder dergleichen zu bedecken und möglichst durch einen Verband zu 
schützen ist; auf diese Weise werden bei entsprechender Hube des 
Patienten die besten Erfolge erzielt. Zur Anwendung dieser abwartenden 
Methode hatte ich nur in einigen Fällen (Fall 8 und 57, s. Abb. 17) 
Gelegenheit: es wurde hier die äußere Hautwunde lediglich mit Jod¬ 
tinktur beschickt. In der überwiegenden Zahl der Fälle waren, wie 
bereits betont wurde, die Schußverletzungen infiziert und trugen den 
Charakter der Fistel zur Schau. Hier galt cs, der Verletzung unter 
Zuhilfenahme der Sonde auf den Grund zu gehen; denn solche 
eiternde, fistelartige Wunden legen im Kriege stets den Ver¬ 
dacht nahe, daß es sich um Schußverletzungen handelt, die 
Fremdkörper in Gestalt von Gcschoßteilen und Knochen¬ 
splittern in der Tiefe bergen können. Ergiebige und tiefe Spal¬ 
tungen wurden vorgenommen, worauf eventuell vorhandene Fremd¬ 
körper mit der Pinzette oder Kornzange entfernt wurden. Die hierfür 
früher empfohlene Kugelzange habe ich nie angewandt und halte 
dieselbe für mindestens entbehrlich; ßambauer(20) warnt vor ihrem 
Gebrauch. Ein Elektromagnet, wie ihn Rudert (28) in einem Falle 
zur Entfernung eines Granatsplitters mit Vorteil verwenden konnte, 
stand mir nicht zur Verfügung. — Durch Auskratzen des gespaltenen 
Fistelganges, des verletzten Knochens, der Abszeßhöhle, Beseitigung 
von Taschen und Buchten, Abtragen schwieligen Gewebes wurde die 
Schaffung frischer Wundflächen angestrebt. Bei der an¬ 
schließenden, üblichen Wundbehandlung spielten neben nicht zu ent¬ 
behrenden Desinlizicntien wie Lysol, Sublimat und Wasserstoffsuperoxyd 
namentlich Jodtinktur und Jodoformäther eine hauptsächliche Rolle. Bei 
freiliegenden Knochenpartien wurde wiederholt eine günstige Ein¬ 
deckung nach dem Aufträgen von Ungt. Ilydr. rubr. gesehen. Ein¬ 
fache eiternde Wundflächen wurden des öfteren nur trocken gereinigt, 
mit Wasserstoffsuperoxyd abgericbcn und mit einem Streupulver (reine 
Borsäure, Tierblutkohle usw.) beschickt. 

Die Dauer der Behandlung bzw. des Lazarcttaufenthaltes der 
von mir beobachteten Fälle von Schußverletzungen war eine sehr ver¬ 
schieden lange: sie schwankte zwischen einigen Wochen und über 
einem Jahr und betrug im Mittel 98 Tage oder 14 Wochen. Die 
Behandlungsdauer der 31 geheilten Fälle von Schußver¬ 
letzung belief sich im Durchschnitt auf 94 Tage oder rund 



Ueber Schußverletzungen bei Pferden im Kriege. 


113 


ein Vierteljahr, diejenige der ungeheilt entlassenen, getöteten und 
verendeten Fälle auf 104 Tage. 

Der Ausgang konnte bei 49 von 57 Patienten beobachtet werden, 
während er in 8 Fällen dem Berichterstatter unbekannt geblieben ist. 
Von den 49 zur Beurteilung des Erfolges heranzuziehenden 
Fällen wurden 31 = 63,2 v. H. geheilt; von diesen 31 Pferden 
waren truppendienstfähig 21, heiraatdienstfähig 9, während ein Patient 
nachträglich wegen deformierender Sprunggelenkentzündung zur Schlach¬ 
tung bestimmt werden mußte. 4 Fälle = 8,2 v. H. blieben zwar 
ungeheilt — sie trotzten monatelanger Behandlung (Fall 7, 30, 36 
und 51) — waren aber garnison- bzw. heimatdienstfähig, 
10 Pferde = 20,4 v. H. wurden wegen Unheilbarkeit ge¬ 
schlachtet, und 4 Pferde = 8,2 v. H. starben, davon 2 an den 
Folgen der Schußverletzung (Septikopyämie, Fall 13 und 50), die 
beiden anderen (Fall 38 und 55) an Pleuritis bzw. Pneumonie. 


Literatnr. 

1) Ellonberger und Baum, Ein Beitrag zur Wirkung des 8 mm-Geschosses. 
Arch. f. wiss. u. prakt. Tierheilk. 1893. Bd. 19. S. 277. — 2) Habart, Die 
Geschoßwirkung der 8 mm-IIandfcucrwaffen. Zeitschr. f. Veterinärk. 1893. Bd. 5. 
S. 224. — 3) Lcmann, Rapport sur les expeiienccs de penetration de la balle 1886. 
Rec. de med. vet. 1896. p. 480. — 4) Gabe au, Rapport sur les experienccs 
de penetration de la balle 1896, faites sur le catlavre d’un rhcval. lbid. 1895. 
p. 209. — 5) Pitchford, Observations on the „mark VI U 303 bullet. The vetcr. 
journ. 1906. p. 124. — 6) Bartke, Kriegschirurgic. Handbuch der tierärztlichen 
Chirurgie und Geburtshilfe von Bayer und Fröhner. Wien und Leipzig 1908. Bd. 4. 
Teil 1. S. 305. — 7) Bayer, Lehrbuch der Veterinärchirurgie. 3. Aufl. Wien 1904. 
S. 459. — 8) Möller und Fr ick, Möllers Lehrbuch der allgemeinen Chirurgie 
und Operationslehre für Tierärzte. 2. Aufl. Stuttgart 1899. S. 200. — 9) Wein¬ 
hold, Ueber die Wirkung des Militärgewehrs. Zeitschr. f. Veterinärk. 1896. 
Bd. 8. S. 14. — 10) Jewscjcnko, Ueber Schußwunden der Brust. Arch. f. 

Yeterinärmed. in Petersburg. Ref. im Jahresber. von Kllenberger und Schütz. 
1. Jahrg., f. d. J. 1881. S. 69. — 11) Derselbe, Schußwunden der Bauch- und 
Beckenhöhle beim Pferde. Arch. f. Veterinärmcd. in Petersburg. Ref. Ebendas. 

4. Jahrg., f. d. J. 1884. S. 95. — 12) Derselbe, Schußverletzungen am Knochen. 
Petersburger Arch. f. Veterinärwissensch. Ref. Ebendas. 5. Jahrg., f. d. J. 1885. 

5. 104. — 13) Waletto, Ueber Schußverletzungen bei Pferden im russisch-japani¬ 
schen Kriege. Zeitschr. f. Veterinärmed. (russisch). Wat schau 1908. Ref. Eben¬ 
daselbst. 28. Jahrg., f. d. J. 1908. S. 146. — 14) Maleval, Les blessurcs de 
guerre. Rev. gen. de möd. vöt. 1909. T. 14. p. 233. — 15) Eberlein, Beob¬ 
achtungen im Felde. Monatsh. f. prakt. Tierheilk. 1915. Bd. 26. S. 109. — 
16) Schulz, Zur Kenntnis der Schußverletzungen des Pferdes im Felde. Ebendas. 
1916. Bd. 27. S. 273. — 17) Breithor, Schußwunden. Zeitschr. f. Veterinärk. 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. g 



114 J. RICHTER, Ueber Schußverlctzungen bei Pferden im Kriege. 

1915. Bd. 27. S. 236. — 18) Hesse, Ueber Schußwunden. Ebendas. 1916. 
Bd. 28. S. 417. — 19) Krüger, Verletzungen durch Luftschiffe und Flugzeuge 
im Kriege. Ebendas. 1914. Bd. 26. S. 500. — 20) Bambauer, Feldzugsbeob¬ 
achtungen. Deutsche tierärztl. Wochenschr. 1915. S. 65 u. 73. — 21) Müllauer, 
Schußverletzungen. Zeitschr. f. Veterinärk. 1915. Bd. 27. S. 301. — 22) Bley, 
Schußverlctzungen im Felde. Ebendas. 1916. Bd. 28. S. 10. — 23) Richter, 
Schußverletzungen. Ebendas. 1916. Bd. 28. S. 76 u. 306. — 24) Lingenberg, 
Beitrag zur Behandlung der Schußwunden. Ebendas. 1917. Bd. 29. S. 44. — 
25) Tillmanns, Lehrbuch der allgemeinen Chirurgie. 10. Aufl. Leipzig 1907. 
S. 735. — 26) Lorscheid, Malignes Oedem und Gasbrand. Deutsche tierärztl. 
Wochenschr. 1916. S. 199. — 27) Böhler, Gasbrand beim Pferde, verursacht 
durch rauschbrandähnliche Bazillen. Ebendas. 1917. S. 181. — 28) Rudert, 
Entfernung eines Granatsplitters mittels Elektromagneten. Zeitschr. f. Veterinärk. 
1915. Bd. 27. S. 331. 



III. 


Ein einfaches Verfahren zur Kennzeichnung und Unter¬ 
scheidung farbloser Flüssigkeiten in der Laboratoriums¬ 
praxis. 

Von 

Prof. Dr. Karl Dieterich, 

Priratdozent a. d. Königl. TierHrztl. Hochschule zu Dresden, Direktor der Chera. Fabrik Helfenberg A. G. 

in Helfenberg b. Dresden. 

(Mit 25 Abbildungen im Text.) 


Es gibt eine größere Anzahl von farblosen bzw. wenig gefärbten 
Flüssigkeiten, die oft und dauernd im Laboratorium Verwendung finden 
und die deshalb leicht einer Verwechselung unterliegen können, wenn 
Reste in Bechergläsern oder in den Standgefäßen verbleiben; auch 
kommt es vor, daß die Schilder an den Flaschen unleserlich werden 
oder abfallen, so daß der Chemiker, ebenso wie der Human- und 
Veterinärarzt öfters gezwungen ist, die Identität irgend einer un¬ 
gefärbten Flüssigkeit feststellen zu müssen. Das kann, besonders, 
soweit es sich um Flüssigkeiten von spezifischem Geruch handelt, 
auf dem Wege der Geruchsprüfung oder auf dem Wege des Ver¬ 
gleichs, wie auch durch die Bestimmung des spezifischen Gewichts 
mit einiger Sicherheit geschehen. Eine einwandfreie Feststellung 
ist aber natürlich auf dem oft umständlichen Wege der qualitativen 
chemischen Analyse möglich. Ich erinnere, um einige Beispiele heraus¬ 
zugreifen, an die Unterscheidung von aliphatischen und aromatischen 
Kohlenwasserstoffen, wie Benzin und Benzol. Beide sind farblos und 
haben einen ähnlichen Geruch. Die chemische Unterscheidung dieser 
Kohlenwasserstoffe vermittels der Nitrierprobe ist umständlich und 
bei Mischungen beider Flüssigkeiten nur unter Heranziehung der 
fraktionierten Destillation oder anderer Prüfungsmethoden mit Sicher¬ 
heit durchzuführen. Noch schwieriger gestaltet sich die Sache, wenn 
der farblose Spiritus und das Benzin und Benzol oder der Aether und 
das Azeton oder der Amyl- und Methyl-Alkohol oder Essigäther und 

8* 



116 


KARL DIETERICH, 


das Chloroform, Toluol und Xylol, verschiedene Sorten Terpentinöle, 
die Aethylalkohole verschiedener Stärke, oder der Tetrachlorkohlenstoff 
und Schwefelkohlenstoff und noch andere Flüssigkeiten von einander 
unterschieden bzw. gekennzeichnet werden sollen. Es ist in den 
meisten Fällen notwendig und erwünscht, möglichst schnell und auf 
einfachem Wege zu wissen, was die betreffende farblose Flüssigkeit 
vorstellt. Hat man durch das spezifische Gewicht, den Geruch und 
die Farblosigkeit, wie die Flüchtigkeit, schon bestimmte Vermutungen 
und Anhaltspunkte, so wird das hier zu beschreibende Verfahren im 
Verein mit den genannten Vorproben schneller zum Ziele führen, als 
die umständliche qualitative Analyse. Es handelt sich bei meinem 
einfachen Verfahren für die Laboratoriumspraxis um die weitere Aus¬ 
gestaltung der von mir 1915 eingeführten „Dracorubinprobe“ und 
der von mir 1916 ausgearbeiteten „Dracorubin-Kapillarprobe“, 
wie sie beide als wichtige Proben in der Analyse der leichten Motor- 
betriebsstoffe allgemein Einführung und Anwendung gefunden haben 1 ). 

Die Dracorubinprobe und die Dracorubin-Kapillarprobe sind nicht 
nur in bester Weise zur Unterscheidung von Benzin und Benzol, zum 
Nachweis von Benzol im Benzin und zur Prüfung auf Motorspiritus 
geeignet, sondern sie lassen sich auch in bequemer Weise zur Unter¬ 
scheidung zahlreicher anderer farbloser oder wenig gefärbter und 
spezifisch leichter und schwerer Flüssigkeiten heranziehen. Diejenigen 
Flüssigkeiten, welche diesbezüglich hier in Frage kommen und bisher 
in den Kreis der Untersuchungen einbezogen worden sind, sind folgende: 

Aceton 0,797, Acther 0,7*20 und 0,725, Aetherweingeist 0,807, 
Alkohol (100 pCt.) 0,799, Alkohol (96 pCt.) 0,810, Amylalkohol 0,815, 
Benzin 0,720, Benzol 0,885, Brennspiritus 0,835, Choroform 1,487, 
Essigäther 0,904, Formaldehydlösung 1,080, Methylalkohol 0,796, 
Petroleum 0,800, Schwefelkohlenstoff 1,271, Terpentinöl (amerika¬ 
nisches) 0,863, Terpentinöl (deutsches) 0,867, Terpentinöl (französisches) 
0,870, Tetrachlorkohlenstoff 1,602, Toluol 0,869, versüßter Salpeter¬ 
geist 0,845, verdünnter Weingeist 0,894, Xylol 0,865. 


1) Vgl. hierzu: K. Dieterich. Die Analyse und Wertbestimmung der Motoren- 
Benzine und Benzole und des Motor-Spiritus des Handels. Berlin 1915, Verlag d. 
Mitteleurop. Motorenwagen-Vereins. Bel. 18.; u. K. Dieterich, Die Unterscheidung 
und Prüfung der leichten Motorbetriebsstoffe und ihrer Kriegsersatzmittel, Ebenda. 
Bd. 19. Beide Broschüren sind auch in der Automobil-Rundschau der Zeitschr. 
d. Mitteleurop. Motorwagenvereins im Jahrg. 1915 — 191G erschienen. Weiterhin 
vgl. Dr. Frank und M arck wald, Gummizeitung, 30. Jahrg., Nr. 24, u. Farbenzeitung, 
21. Jahrgang, Nr. 26: Die Dracorubinprobe in der Farben- und Gummiindustrie. 



Verfahren zur Kennzeichnung u. Unterscheidung farbloser Flüssigkeiten. 117 


Unter Bezugnahme auf die in der Fußnote der vorigen Seite ge¬ 
nannten Veröffentlichungen möchte ich ganz kurz das Wichtigste 
über beide Proben zusammenfassen: 

Das sumatranische Palmendrachenblut 1 ) enthält ein rotes Harz, 
welches sich nach meinen Untersuchungen chemisch als eine Mischung 
von zwei Estern erwies, und zwar aus: 

Benzoesäuredracoresinotannolester 

C 6 H 6 C00C 8 H 9 0 

und zum geringen Teil aus 

Benzoylessigsäuredracoresinotannolestcr 

C 6 H 6 C0-CH 2 C00C 8 H 9 0, 

letzterer vielleicht in der Form einer Oxy-Zimtsäure als 

Phenyl-pf-Monooxyacrvlsäuredracoresinotannolester 
C 6 H 6 -C—OH—CH C00C 8 H 9 0. 

Dieses rote Reinharz wurde dadurch noch weiter gereinigt, daß 
es mit heißem Petroläther, Petroleum, Extrakt-Benzin und endlich mit 
Leichtbenzin so lange ausgekocht wurde, bis der Rückstand kalt an 
benzolfreies Benzin keine Spur von rotem Farbstoff mehr abgab. Das 
so erhaltene, in Benzin unlösliche Harzpulver habe ich „Dracorubin“ 
genannt und dieses Harz ist dadurch ausgezeichnet, daß es schon 
auf Spuren von Benzol und Spiritus mit prachtvoll blutroter Farbe 
reagiert. Dieses Harzpulver habe ich dann in die moderne Form des 
Heagenzpapiers durch Auflösen von Dracorubin in Benzol bzw. Alkohol 
und Tränken von Filtrierpapier übergeführt. Dieses Dracorubinpapier 
ist ein dunkelrotes, teilweise lackartig aussehendes Papier, das voll¬ 
kommen haltbar ist und von der Chemischen Fabrik Helfenberg, A.-G. 
vorm.Eugen Dieterich in Helfenberg/Sachsen in Büchelchen zu 80Streifen 
von 7 cm Länge und 1 cm Breite bzw. in Bogen 50 X 50 cm in den 
Handel gebracht wird. 

Ob und inwieweit auch noch andere Flüssigkeiten auf diesem 
Wege von einander unterschieden und ihre Identität festgestellt werden 
können, sollen weitere Untersuchungen zeigen, über die ich eventuell 
später zu berichten beabsichtige. 

Um dem Untersucher das Studium der diesbezüglichen, ausge¬ 
dehnten Literatur zu erleichtern, sei in folgendem kurz die Dracorubin- 


1) K. Dieterich, Ueber sumatranisches Palmendrachenblut. Archiv d. Phar- 
macie. 1896; und K. Dieterich, Analyse der Harze, S. 128; und K. Dieterich, 
Abteilung der Harze in Bd. 7 des Biochemischen Handlexikons von Abderhalden. 



118 


KARL DIETERICH, 


probe einerseits und die Dracorubin-Kapillarprobe anderseits in ihrer 
praktischen Anwendung genau beschrieben: 

1. Dracorubinprobe. 

„Man verwendet das Dracorubinpapier 1 ) in Büchelchen und nimmt entweder 
ungefärbte Glaszylinder mit Glasstöpsel, wie sie in den Abbildungen wiedergegeben 
sind von ungefähr 40 ccm Fassungsvermögen, einer Höhe von 10 cm und einem 
Durchmesser von 3 cm, oder aber einfache Weithalsgläser von gleicher Große, die 
mit einem gewöhnlichen Kork verschlossen werden können, aber in jedem Falle 
aus farblosem Glas sein müssen. In diese Gläser füllt man bis fast an den Rand 
die zu untersuchende Flüssigkeit, fügt 4 Streifen des dunkelroten Reagenzpapiers 
hinzu dergestalt, daß die Streifen vollständig bedeckt sind und etwas Flüssigkeit 
übersteht. Man verschließt und läßt möglichst 24 Stunden, mindestens über Nacht 
stehen. Man beobachtet die Art der Färbung der Flüssigkeit in der ersten Viertel¬ 
stunde, schüttelt dann gut um, nimmt nach zeitweiligem Umschütteln nach Ab¬ 
lauf von 24 Stunden die Reagenzpapiere heraus, trocknet sie an der Luft und 
stellt die Farbe der Flüssigkeit fest. Das Umschütteln ist notwendig, um die 
gleichmäßige Färbung der Flüssigkeit bzw. eine gleichmäßige Einwirkung der 
Flüssigkeit auf den Harzfarbstoff zu erzielen.“ 

2. Dracorubin-Kapillarprobe. 

* Gleichzeitig mit der Dracorubinprobe wird auch die Dracorubin-Kapillar¬ 
probe angesetzt, zu welcher man sich aber nur eines Streifens desselben Reagenz- 
papiercs bedient. Man verwendet auch die gleichen Flaschen, nur füllt man die¬ 
selben etwas über die Hälfte mit der Flüssigkeit; durch das Reagenzpapier steckt 
man ganz oben am abgerissenen Ende eine Stecknadel und hängt das Papier so 
in die Flüssigkeit ein, daß, wde auf den Abbildungen ersichtlich, der untere Teil 
des Papiers genau 1 cm in die Flüssigkeit eintaucht, frei nach allen Seiten hängt 
und die quer über den Flaschenhals liegende Stecknadel als Träger dient. Die 
Flasche bleibt hierbei offen! Will man sich nicht der Stecknadel als Träger des 
Papiers bedienen, so kann man die Flasche nur l / 4 , also ungefähr 1— l l / 2 cm mit 
Flüssigkeit füllen und das Reagenzpapier vorsichtig in die Flüssigkeit aufrecht 
hineinstellen, ohne daß das Papier anhängt, w T obei auch hier das Papier nur 
höchstens 1 */ 2 cm in die Flüssigkeit cintauehen darf. Genauer ist die Methode 
durch Einhängen unter Verwendung einer Stecknadel. 

Man läßt das Papier in offener Flasche ruhig hängen und beobachtet inner¬ 
halb der ersten Viertelstunde die Einwirkung der Flüssigkeit auf den eingetauchten 
Teil des Papicres bis zur Tauchgrenze und die Färbung der Flüssigkeit durch 
das Farbstoffpapier. Man läßt 2 Stunden ruhig stehen und nimmt dann vorsichtig, 
ohne zu schütteln, das an der Nadel hängende Papier heraus und trocknet es an 
der Luft. Die Flasche wird jetzt verschlossen und umgcschüttelt und die Färbung 
der Flüssigkeit festgestellt. Sowohl die Färbung bzw. Farblosigkeit der Flüssigkeit 
nach 1 4 Stunde und 2 Stunden, wie das Aussehen des wiedergetrockneten 
Reagenzpapiers, insbesondere die Bildung von Zonen und die Veränderung des 
eingetauehten Teiles sind maßgebend.** 


1) Es ist technisch nicht möglich, die Dracorubinpapiere absolut gleichmäßig 
gefärbt hcr/ustcllen; die Streifen zeigen also kleine Unterschiede im Rot. Man 
wähle deshalb möglichst solche Papiere, die nicht zu hell und nicht zu dunkel 
sind, sondern einen mittleren Farbton aufweisen. 



Verfahren zur Kennzeichnung u. Unterscheidung farbloser Flüssigkeiten. 119 

Zur Ausführung der Dracorubin- und der Dracorubin-Kapillar¬ 
probe und damit zur Feststellung und Unterscheidung der einzelnen 
obengenannten Flüssigkeiten sind also nur 2 Gläser und fünf Streifen 
Dracorubin-Reagenspapier erforderlich. Die Ausführung der Proben 
geht selbsttätig vor sich, es ist also nur am Anfang und am Ende 
der Einwirkungsdauer eine kurze Beobachtung und Feststellung not¬ 
wendig. Die Feststellung des Endresultates ist eine einfache, bequeme 
und schnelle und ersetzt die umständliche chemische Analyse. Wer 
öfters mit derartigen Untersuchungen zu tun hat, kann leicht von 
seinen im Laboratorium vorhandenen farblosen Flüssigkeiten die ent¬ 
sprechenden Dracorubinproben anstellen, die Papiere aufkleben und 
sich somit ein sehr gutes Grundmaterial schaffen, was ihm dann als 
Vergleichsobjekt wertvolle Dienste leisten wird. 

Auf den beigegebenen Abbildungen, die ich unter besonderen 
Vorsichtsmaßregeln selbst aufgenommen habe, ist die natürliche Farbe 
selbstverständlich nicht sichtbar, wohl aber die einzelnen Nuancen, 
auch die Zonen, die besonderen Zeichnungen der Papiere und schließlich 
die Art und Weise, wie sich der Farbstoff in den Flüssigkeiten ab¬ 
setzt oder ob überhaupt eine Einwirkung stattfindet. Die photo¬ 
graphischen Wiedergaben sind also trotz der Farblosigkeit wohl im¬ 
stande, den Ausfall der beiden Proben bei den einzelnen Flüssig¬ 
keiten wiederzugeben. Es sind jedesmal bei den Dracorubinproben 
2 verschiedene Papiere photographiert worden, um einen gewissen 
Spielraum im Ausfall der Reaktion zu berücksichtigen. In einer be¬ 
sonderen Tabelle sind dann sämtliche Dracorubinpapiere, wie sie bei 
der Dracorubinprobe und der Dracorubin-Kapillarprobe erhalten werden, 
in Gegenüberstellung vereinigt, um einen Gesamtüberblick zu er¬ 
möglichen. Diese Gegenüberstellung ist um so interessanter, als 
manche Flüssigkeiten einen ähnlichen Ausfall in der Dracorubinprobe 
geben, sich aber durch die Dracorubin-Kapillarprobe charakteristisch 
wieder von einander unterscheiden und umgekehrt. Während bei der 
Dracorubin probe die Flüssigkeiten, von denen Farbstoff gelöst wird, 
durch die längere Einwirkungsdauer intensiver gefärbt erscheinen und 
die Farbstoff-Papiere eine stärkere Entfärbung aufweisen, ist dies bei 
der Dracorubin-Kapillarprobe durch die kürzere Einwirkungszeit nicht 
in so hohem Maße der Fall, dafür bilden sich aber bei diesen letzteren 
Proben eine Anzahl von Zonen und Unterscheidungsmerkmalen, die so 
charakteristisch sind, daß sie allein zum Teil schon genügen, um Flüssig¬ 
keiten, wie Benzin, Benzol und Spiritus sofort unterscheiden zu können. 



120 


KARL DIETERICH, 


Die bekannte Kunstanstalt von Schupp & Nierth in Dresden-A., 
Schumannstraße, hat in bereitwilligster und künstlerischer Weise auch 
eine bunte Reproduktion der bei der Dracorubinprobe und Dracorubin- 
Kapillarprobc erhaltenen Farbstoffpapiere angefertigt und somit zum 
erstenmal farbige Kapillar-Reproduktionen für wissenschaftliche Zwecke 
geschaffen; auch die in dem grundlegenden Werk über die Kapillar- 
Analyse von Goppelsroeder wiedergegebenen Bilder sind nur farb¬ 
lose, wenn auch wohlgelungene photographische Aufnahmen. Ich 
möchte an dieser Stelle Herrn Th. A. Schupp und seinen Mitarbeitern 
noch besonderen Dank für die aufgewendete Mühe sagen 1 ). 

Am Schluß der einzelnen Beschreibungen ist noch ein „analyti¬ 
scher Schlüssel“ beigefügt, der in einfacher und bequemer Weise 
gestattet, nach Anstellung der obengenannten Proben die Identität 
einer Flüssigkeit festzustellen, bzw. die einzelnen Flüssigkeiten von 
einander zu unterscheiden. Der Schlüssel ist darauf aufgebaut, daß 
durch einen Teil der Flüssigkeiten keinerlei Einwirkung auf die 
Papiere cingetreten ist, während bei der anderen Gruppe gefärbte 
Flüssigkeiten entstehen. Diese letzteren werden wieder dadurch unter¬ 
schieden, daß entweder nur eine einfache Färbung oder Entfärbung 
eintritt, aber keine besonderen Zonen sichtbar werden, während eine 
weitere Gruppe wieder besondere Zonen und Kennzeichen aufweist, 
ohne die eigentlichen z. B. für die Alkohole charakteristischen Lackzonen. 

Die letzte Abteilung bilden dann diejenigen Flüssigkeiten, welche 
bei der Dracorubin-Kapillarprobe rot oder schwarz glänzende Lack¬ 
zonen mit oder ohne andere Zonen und Kennzeichen ergeben. 

Ich lasse nunmehr die einzelnen Beschreibungen der untersuchten 
Flüssigkeiten nebst der Abbildung der erhaltenen Flüssigkeiten und 
Dracorubinpapiere folgen. 

1. Aceton (Essigalkohol), spez. Gew. 0,797. 

Dracorubinprobe: 

Flüssigkeit: Gelöster roter Farbstoff anfangs zu Boden sinkend, schließlich 
nach 24 Stunden gleichmäßige kirschrote Farbe. 

Reagenzpapier: Anfangs ziemlich schnell roter Farbstoff gelöst, nach 
24 Stunden getrocknetes Papier hellrosa. 

Dracorubin- Kapillarprobe: 

Flüssigkeit: Ziemlich schnell gelöster roter Farbstoff anfangs in Bandform, 
bald zerflatternd zu Boden sinkend, schließlich gleichmäßig kirschrote Farbe. 

1) Da die große Tafel hier nicht beigeheftet werden kann, so stelle ich Inter¬ 
essenten eine solche auf Anforderung hin kostenlos zur Verfügung; die farblose 
Reproduktionstafel ist am Ende dieser Abhandlung ($. 142—143) abgedruckt. 




Verfahren xur ftennatdcboirftg u. ünicrsche.fd^f farbloser FlüsMykoi^u. 12 J 


Eft'ag^uzp'apiöi^ .Wird durch Aufiteeh des FörTi^t^fc? heller. Ks bildet 
sich *;mh 6h*u ^/leicbrnäln^c lnoiU\ dmikoii'Ui.n/CMkr b.-n-k/jine, dk in Tropfer* 
vnede? nnc^ mwen duon, W-h § SUiruicr. v£ Tob wo» TVnpi-r u;n cr;in«Jor!, 

übet lif* Mitte tf ü b k<SU u te k ? bf^ilV-,,jirltinröiiti.fe Iraii^rme*• nj^p• Fa den 
noch fcefhnsa . gefärbten ciögtdftWhten üutoien Teil ybergüiV^wiii: . 0rit(xr/ialb der 
backinm senkrecht nach unten v'-riaufvnde •stalftfrtHen;-H«*diHic f TVeH>»i)gähnlieh 

^aseiJ0^t)i '. : . V . '• 


ü*i 


CjiariVluorisrHi-l» für den Kssigalkolinl isl i)4wß der Lank/ono., 
der WutvoiP« l'arijuiii; und dem aiilVtn^liciiPü NifilerxkilvW duy rutun 
FarbsiebW* Eig^n^drlinften, wir sie alie Aiuidndo /ei^-h. die n^'b \t*i- 
bandone Hdlr^sa Färbung d«\s gemrek roden Pape w<*s.. die bei anderen 
Alkoholßii. ntamsi einer fast •volikomrn.H.en l^iförbuug Ha Kt maeliF 


i Atther, spex, (tew.. 0,720, 

Draeor *j binprubo: 

Fȟssvekeii; Farbstofi'vn?fl lAurs-uu he!iijrFaibst uh 

jviftkc %n±r$t in Biwkn. •btnn tritt Ausgleich ein Sar.u .24 SUimkn gclbrdte jfWhe 
Beeteenist nach 34 sMadon ^ir^Untn. iubUtv^dtot; ühifif ir£eiud 
%ektae- Flickte-,. Tupfe Iß tu! er Fkekbin 




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UV nnteraehoidupg. farb'lQ«w Eiüs^gkWttn lj >3 


±Y*i } *eri Das Papier zeigt nach 2 Stunden getrocknet oben eim> 
i'^r/uod ?.^ar s<'<V{r;tg verUufewle 4*tnk*-1 r*.. cc 'dünzerdn Zone, dir über hellrot 
\h '*<ncn helirnsia gcfhrht.cn ied, dir j£$tffrben dunklen .Streifen uud emilmh «inten 
ip den ejtige.tauohtci) ■ fast farblos gfcvnrd nnen hellen Teil üheracht/ 

Cbaraklrnslisf/h tiii den spritushaUigen ..Vorher isi, daß eme 
grokVr* Knllarbtu^; staU findet und ath.it andere Zonen entstehen ah 
bej reinem Aelhetd Beide Sorten Actlier unierseiieuleü sinh dorcli 
beide Frühen xotlknmrafcn* ebenso wie anrli aeetonfmlthm Aerhei, 
der jetzt im Handel artziüreflon ist, auf diese Weise festestel!i 
werden kann, 


4 . AetherAVdngeiah apez. GeW* 1>M~\ 

Drac«>rubinpr(-bh: 

T I ü ssigk^i» : h*r geloste rote FüitVUTf sink? ?,u hohn und lagert 

wh am Böd?u ab, »vnl*reM.j um Hu-oigkm 1 , anfangs bubid; blmib: s^hlmTlieb 
Farbstöfbü4gleäTinflg uthT tdütretö Färbung; 

Be.ag.OR.»{rapieT: J&tTi s 2i Stunden gerrhelmet, "(Vjsi und vollkommen 

entfärbt. f)ic» cmfeende Eütj4.rbuj)g; sieht man Papier schon kurzo Zbi t nach 
dipt Probe* * -* "* T/, -Vh Tr : ! ; ' ' ' - • ‘ V 


Du i-oMi ti\n-Ka|*j llaf'prohe; 

ffjh E.? bildet sich fort breite, dunkelroics Farbband,- schneit 
zu Bbcith sinkend uml aro Baden ugwid Pr>t bpiifcjr tnl i P/iibaodgay.rhvrb 
ein und cs h leiht moe rote fdiissigkiu;. 

.Bejgenzr.aoier: Sehr schnell 0f4 jdh h imcUmidra Ted dir Aü!id-%«n.c 
des f^rbstolTtS beobachtet. Papier zeigt sehimUlmi'» dp dm Ai lim <h.ci;»:, dnn:»‘ d 
rote, g;>i uzende .'La»; kau ne Imnn f«4gt über viiam umogviombiemi .Tau vm dunk-l - 
ro*. t rat und TuvRunMlmt.. der turnet?t *.msö.ini^asgeiöMei ?•?. d:*r -lui.m inj-mtr 
untere Teil des Papier-,, cFr vollkommen cfHftU'bi tu nmi•'beinahe dm Hälfe- AS 
Papiers eimmunit. 


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W^ffß 

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KAlif, DIETERICH 


Da <Ut A'lkohakdutU .»irr Aetlierwein^eist sehr hodi, ist, i>i 
der iAüifeU <l*:r ^rnfeftE:;^; 4«!*% RcApsW.-. äliHÜdh. me heim 
iibsoliReri wnl il<? pro«;- dlkotmü/ Der Äetiief^eniaii »nid.&>* .y{>£*ifHsehe 
■A'.ityiirhi. (iriU-rs-?li.'i(.le,n den Af/iw»-ut-*-*'.v von ilco «sn.fr» «•« Sorten 
nnier NduisH.ovdj hA-I A WoliriebeM 


Wein/-- -i me m 

’ • >VA* v»V V. • V. •/* / * ;• fVf kr)'■ *> l / tüS.vi < 


r >. Alkohol, Ä^olut^r; it*\v. R.79Ö. 

DrftA r or ob i^pn>I)'ü: ';V, . \ 

Fl ö ssi i;kt; hm f.*Hd • ict» o { *u leiten 

Oion^'v Teil ^nfanc' 4 *i r ‘i-» r *’t, ' Aufiftsonsr Oes Farbstoffes, 


sinkend 

schließlich iJuühelMiitr»'-^ K:Wbi$g 

lt ‘ •Yrfcftfc 

F>r?r. •v U/3r>-K.j] ? f];iArprgb^: 

F1 ii sm£ k<-U: )> u*U" •d/on i..- ;! ;Ou Ein, fiunk<>ir*.'it-OH s breites, nicht ?vi 
liaUrr-niT 1 -» Ha '•!., ••'mKä (d.;,>--• $jeli in dUnMnder Selneht. Fs tritt 
vehr !i , J)i. , s!) 0 i i >v|i'lunl»eli»do K:irbuwu 

Realen.* imvpyirr • Xw \ Teil *0ph< pwto div emtretendt* Fn? : 

birbuiu: und U* • : ■-.• * >■: ■ ■■ *. Tp.-ki MjUe tfe PajTcr*. .sehliöfilich $0 

i-gaa* «inikt«, ; Od^o ‘ 0fh0r UcbtTg^ogstcil nliti 

der - gn.;Uk* Ted dev oo : M?wit nfflßt |ps||ji| v»$J$weiß und erRtärio. 





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zur KerinViwhuung u.F-Iji$$jgkeiten. 125 


6. Alktdud. £f$ prtii, tqwi. Mvüfi MIO. 

D \h >'.■ i'u bi n j/iülM-• 

Ssi werden rik»;s«* ! bon Hrnbar.litüi.^-ri igöjl^VJii \v?«.•.■Uri .Vn <V nur sinkt der 
FarbMoH. iHiOlgt (Ich 'höheren WVspr^eiiaitvs nicht Mi srhuell y.u Hoden \vje heim 
M -' Juten Aisohid. 

Dnu<Om b ui * K a,n !; ä r j. 11 >u • 

' f*2g£ • FkbrtöVr ^ür;* -WI&l‘6i mir M iK'itafc dei 

ew ' vcnD-tifi/näh .rofcl/ramio x oi liamitu luni *1«-» hack- 

v-'/iu; un ht ^ -hen aA beim ahs-ojuijfii AJUuhub 


Die Marke }.U'S Alkohols 11n» -dem Aerciiti^jM^ 

und S'AV.it n;it:h i|c*r überall nbli'/ht-ü M 1*11 .<»th‘ 


l : I u -5>ig kM t; ,Kv. viril vjim: , i;iu>-o-df vv!“>t, -!*:r uM a.iu:h *U>m» steift, 
dann 'Ml- Sbifetf unkt. UM» ^ifL»kieLUicti ei.cv^ •_ :■:'*••■ -m*.;'. .; Faib» t >\\ 

MH» .ns YiuMte Fia« mi tuschen. 

Ru^'inupier: Ist vollständig nu • . i •’ H Ute Häufet 

« *. * r»(iter> -ic»e»:n nod) Reste des <lu*A e; o.-o. ft juoiMM&Si Sos’vrip /itiyh euj 
.Ho jäilil iSrkcuuhar. das l-aptef dmH j •-•le j-.:>•■•>.:•;vMsM. 

jtjf ra r or u bi u - ibi {>111 i r pi .6 ) 

Ff E^-'heglnht-ar»fbrt; ei n breitei, ; n,<^^; 

Farbband langsam in Huden au sinkex»V sieh aK-Hted KudariMine . 

■Y'apici nicht oder hur weui^ wahroelutrh»«*;* Mdilieü; • f v.'-M*;.,. ••;b 






KART. DlETKRTCH. 


n>;».mk1«-ris!ns('h für de» Arm laikoit».>i ist 'das''breite. aud* auf 
Ipffl Öysl^it wktnniba're, •si:i;iw#,^ü;ljöd6ti' st.nk : i v nds?..'nicht 2 eHlattd:nfJ'e 

Pariüä.'üi'L \\ i*• !'.m der L>r<»• • *i uU m i-J<|.i:irj»l*.»,.* eTibidu. >\ ‘ 

!.;e isjioh itil? Auft-rr!-;;-!! des ?•;»IAtolle•• M <]>:r 

Im( i(»nfite nmJ - der T/*u »ir*c Hü.s.ü^küir»;».. 


% lie«jE$n ÜH'irtollndi, s(i«. 0 . 51 * 0 , 

lif «»/JHjtMSrt f'r >••• • MU ?i pt i l ; U {''■rV; 

'Hi. $0$$ n k‘ : t ivtiföU 

}ttu\ ' ieiu Drae tfr ui• Jn’farl*toff. *ji üf^enoaiuven \vird y mfoi 

]*• i; iiDgcfärbt .ii : nd die. Papiere uaverlipflert’ bleiben. 












Vifftaiirftn ,«ur KonnteichöUng.- uu ftybhnw K[ii^igkeit4n 


Betrells Nachweis yon bcnzoihaltiger.» Ben •/inen und von Benzol 
m Benzin verweis».; ich auf die crogaogs dieser Arbeit erwähnen 
beiden Broschureu über die Jvtchtou Abuorbetrfebsi?kdFe. Wie sieh 
Benzin tmd Pctroleurü äls verwandte Produkte voneinander unter- 
scheiden, ist aus der Basch rcibimg und Abbildung N>. 15 .ersichtlich. 


M. Benzol, »jie-Äv. 1%.. 

.; ‘ . : . Oratu r^M pj>r **t>#*v" 1 ■'■ ’ 1 ' ysN- 

Kiü.ssitrkeil.:-: Es wirft suluvt. mlcr.Farh.Sletf grlbsf DersHh* :,i»l;t mir /um 
T>:sL r.n . ikftetv iiud vcrtiiiii sich mm : u.»\ Aik»»I^>1 kinnch s.enmMl 

^LeichiriÄÜiy:,- bis &kch-..ä4 Stapften eine btütrüte Flüssigkeit eni.u.ctit 

.R.OÄjieazpap ir-r: nasMtftim ist nach 2i. Sitmften holiziognhöl umi ekl Ute 
iüf itesfcö!'"Charakteristischen fernen, «tun(den Punkte. ftio h>-i 4fta ein/mioen Jnbjjtm 
)c Daeb den itiitergti Umstanden mehr odur weniger stark [xervc^rUeteih 4*> flab die. 
'Papiere gesprenkelt erscheinen. 

Dr aepru bi n-T(apill arprobe; 

Fh'i>sigkPU: Es bildet f.icli sofort, ein breite*, rotes Farbband, <ks /u Boden 
sinkt, aber schon <u;f\ halbem Wege zorfiatierC ur».J du* Komsigkrii, vom Boden au:- 
«.u-berod >inu,;Mi|ieb bübS Sdftit\Kjkft\ entsteht eint: blutrote •'FJk.siLdieit. 

Ue<k.e«>n 2 -papi$r.: ' Dasselbe. zeigt in der Mitte, eitie brfitr* uiiuUo Zone, .die 
i;> eir m hadere ausstratiil . 'mit einer dann t'olgofjfteu sviunaltm. 'dunkel»'/'auneu strich - 
t<>uc t/nter'liaU^ Jesei" kommt der eingetauchte Teig kr wie bei der Dracorubin 
probe ft:e ziegelrote Färteüg cot feioen sdmaati? Punkten zeigt. 


Cba?:akteri>ti.scj) für das Benzol ist die ziemlich schneii vin 
irorendd gleiohmiiiiige Färbung der Flusväkeii, weiferhui »ho l.\m 
punktierte Sprcnfcefung des nunmehr zTsaeirbt &emwte*Mi 
papieres nmi die beiden auf der Abbildung wohl /u l^keum-mdeir 
Zonen, die für Benzol besonders mgtmatlig sjmb 








Mm niKTEIMCH 


10 . Br»»i!tu»pirifii*, (Kftfö. 

D r a r u b *?£' ■ ' ; 

PI Es tritt .sofort £&tffitg rin üitil Jrr diuHrlhluf.rete l^vrbMxu? 

Mn!: i zu BmHii, m% t!io L'aüze PhHsiüiceir rhinkelhhifrot 2u ?‘ärb<-n,. mit 

riy»mv iris-;Uräün'e:. 

e«\ /pap i »*r; An i'ioirissrJlw. &t. tii# KfHbirUuiHi -rhnelt .-iichibar. 'D^'s 
Papier bst iyaäh 24 Sturitlöü vuilk^nrrneii Ür gow^rOcn.' 

Ij v ft t? 0 r ti b i n - K a p i i t a r [»r t> b ^ 

PIfrssigke l tr blItl^f sieh sofort mti djatvk b 14 «ries Rami, das > sditwei* 
zu Bodtm stök^) si«Mi abset/t oivl -Jo-iup’ Vmujv*bijri& .bestelleu bUubn 

SchliclUieh int; 6äi^W?r** Ibubuf.*; ein. 

U> ■•<.e*.Mi/papJor: J5jj> eiimeHntje PoUiMbun^ TSl; am P«ipu-r U burl! su-bit}^. 
Sriibebbrii zej^r, »las f’.ipivr uju'olalir in ‘Hr^inH • I»«- i.«•:*?'» M 

r.>H<‘r f svrvr^/ buekwtn\ Vlre über cifuzit HÜHw-n jj ,u- ■ 

‘‘uekt m <ieu nt* n. ydlkomfmni tintOubleji. 'Vvübzn Tmj überven?. 


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I. i);'!-,i.k(crw;j..,-h lii,' <i*• f) 1'n-iinspiriMis r : i p$Ä der nnp-fMir ,m< 
Un Muie lieV P.-ipinivs irehildeic». ,\Ikuhr.l-La-'k/.one J>t dii-eh den 
W'i»<si^»?h'»U bedruile br-ämili-’ln'« Top* Tius AbNeiven des I'.tfl-Meiir;- 
eiiJ de v*»l 1 k.«initi-ue IMtUiU’burif dt". lie;.g»>u/.p.»|ii'.-T*.'s T -'Oe'-if d;ii.- 
eeii.e direkt mit dt-r Fiiiv^vkr-d hi neruU^lt«^' war. im ebenfJU 
Ipl^jili^niimeiKi mit jwity!allioimi.öiii wir sir in Nr. ■> und 8 im-- 

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.e mol' tirei eis; eieei,,. i, *: 1 m‘ e *vsvttyii duplveirote 

I'iri’ijnc dfir r’i ü.ele le ojfl 




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Verfahren zur KecozpMmung üv t^tefsclveidung farbloser Flüssigkeiten. 129 


R-ftÄgftbipäpteir .* bifrtTgc des hohen spezifischen Gewichtes der Flüssigkeit; 
•'sinkt aüdi • das' Farbstoffpapitri rad*t nach unten, sondern schwimmt. Nach 
2t§tuolen ist h&llrbstk ’ ‘ X;; . ; 


B r a c if r ü h ’i a • K. a y U1 u r p r ä; fe 


Flüssigkeit..:. ■gfr.,ttitt-.'Sf>fort' ubsiiög des Farbstoffa? ein,, wobei .sieh' nux- 
die Fhi^igkeit i.hoü blutrot - imd erst ganz zuletzt eine glidch müßigere blut¬ 
rot* Färbung 

Teil wird ziemlich sehnet! entfM>t» Ea 
ist köi-öü .20tfCi kü ; nicht einget&ucht« Teril hleibt, unveräiuiert und 

gehl direkt u* den chigetauehfeu Teil über, der eine licllrosa Farbe ./.lügt. 


Cha^ktmsiiseh für Cblorommi Ist.das wmmiea dos Reagan*- 
papieres und das Eroporstete«) des. Farbataffe^ ({rsr.lifn'oüi^oti, du 
durch' das hohe spezifische Gewieln erklärt werdenj- weuerjmr das 
vollkommene Fohlen einer Zone und eines Eidergänse* bei der Draoo* 
t.ufein-R&piHftrprobf\ hei welcher der vollkommen emfürbre, ein ge- 
.tauchte TeU.dire.kl in den ursprünglichen unvenüidorte/v .oberen Teil 
ries Kaagtäigp^ ubergeht. 


i't, Ewsigätber, *|iez. Ctew. fcwfc 

D ra c u r u b i n p r o b e r 

Flüssigkeit: Fs tritt schnell UUUng ejn. Der sf.iKinu-kirsch*ule Farbstoff 
Sinkt iv Bottens anfangs am Boden bleibend, sriiliel’iioh in eüfia gleichmäßige, 
kirswinotc Farbe uVergehenu 

'¥.**£* .nzf?Äpier. Zeigt ,zifc?nikJ[i schnell eine Kuthirbung und Ist schließlich 
hadf-Si Stutidt’iß-ri^ .. . ( ‘ • ■ " . ~ V 1 - 

Archiv f. *i4<>eif«ob. n. pfjrit. TierV&ilk. ßd U Supj’J 9 ’ 






KARL DIETERICH 


!; J " * D re teo.fi) b tu * K &}> i 11 a r p r o b e! 

• Liüs>iek-nt: Es bildet ‘'ich ein kirschrotes- Band mit dunklen Streiten, da?, 
zu. BimJou' i,inkt und sich m Schlieren, *k* auf fiel« Bild ersieht lieh« vcrU-üf. 
Sdilteßlr.-h erhält man eine abiH-.h mäßig hcdJkirsöli'röt gefärbte Llii^igkelt. 

U ftfiffen / fiapior: /.eigt »*ne«M.hr & der Mitte eine breite rMükhr Zone v 
dann üunkeimsa .gefärbte ;4aJaklvteia.rtig senkrecht nach unten verlaufende Aus¬ 
läufer mit dunklen Rändern, mnd^nn in den unteren, ein getauchten Teil des 
Papiöres übmugidjttu. der noch roso geirtete ist 


■ 

mm 


Char.iktoriÄtisoh für den fesisriitibfr i:M «e-bon der kirsohroteü 
Farb’ir.ir «tid ihr .-\ri s wu; >icl> öas L’aft'f-foifbiiöQ £e>(reif* - zeigt, vor 
aib’ii DiMgei» dir ai'iiiMontoüüich merkwürdige üvhialiuiig der Ration, 
biiSOHtJor-v der gvraotlbrfr:« .Yotdaufer in Huk rechter Ktehtnttg-. 


l ' FomälVldiytHtouns tlnrnudinj, 35 |ir«z., 8pz. (iew; 1 

Drac.-mIjinj:r »he: 

Krst nw'i 24 Stunde» ist («jas Bo.sa-(t«ll>-l-'ärbung zu be- 
tnerk/ui. Flüssigkeit ist l.riil».'. 

Kpag{)o4papi6r: Stürtvimittt t)l)on und ist.schlttlilick samtartig matt und 
ziegelrot. • v ... » . ;. 


nur ist der .eliigetaueMe •INSCYrfr? ^-V 






Untcräehaidaug farbloser Flüssigkeiten. 131 


Verfahren zur Kennzeichnung u 


Charukien-ijsch für das Formalm ist das Ähwimmen des Papiers, 
die geringe ..Emvvifkmi^ die Trübung der Flüssigkeit und die eigen¬ 
artige Färbung dies Reagenzpapiers’,' die bei keiner anderen FiüHslgkeii. 
doa feiabfen 


.samtariigen Ton zeigt, der sich Wesentlich ron dem 
rinveniivdert#, l^kartig Auf dem 

Riid • ei^feibt; der emgetauehle Teil 

dunkler, >y>a; darauf /urnek^ufMltreii ist, daß das ursprüngiiehe Papier, 
wdleimif triebt ?ipgtdaneht war, den Laekglanz z*igt t während der 
samUrthre Glan/, fei der phoiegniphrsehen Aufaühmo durch eiaö 
dtüikJrrM Fiirbmig /um Ausdruck kommt. 


U SJeüij iiUkokol (Hulzgeiatb spez, flew. OJtUb 

• Dracor ubiü[»robö< 

Fipsigkeit: Orr sofort gelüste rotbraun»! Farb-stolT >Jnkr zu Buhen und 
lagert Moh' *lyn ab. >< hih tritt An^ki. U ?un n; : »i os entsteht eine’ <1 ll'nTcel- 

mtor^qil;^ Fifesjgfe^b *• v - r d b ; ;A- ;’•*:■• ' ;. 

Kesgt’ji.: pupiöjf: Das Papier ist nach 24 Bt«uu!en hoiIrosui* fast veitb 


Draeorübiu-HapMUrprohe- 

11 ü ssig k ölt C Es bildet steh sofort un urctfeV rotcs üami, das'noen. bevor 
e*s |te' B?y»jen an-Janst. l&gnri anfangs am Coden., Schließ- 

: Unb ^xTbtelit citfo brauribeUro}^ Flus»i^kri>. 

fl^aevn^papior- Ks hat sich Jiebr.• weil oben in fiem oberen Drifte! des 
’FAßifih? twx Sebniäie, diinkrighinzoiule gebildet. von der dunkle Streifen 

Seökr? bt na »Ui urOen führen, die- eine dunkeipunkuort«; Mik'hstrafta- begrenzen, 
um sdiließoch ia Jen ganz weißen unteren Teil des Papiorä überzugoben-. . 






132 


karl rvimmni. 



•ty*l »VKJ 




-t* /ffi rffiSt &V*vf Vf.r^-w^, 

>’> hI y -^-« - k • -- Tv.'* ■••.»V.A*T < .‘ f A* aVffi l 



senkreclu »tucL mmi-mi Nwlum>>\ >»<«• «>in»re» pimkitero. n 

Teil■.i.’rtisrrhüeßt.. der sich am besten mb wer .Milchetraüf des • Stern-- 
bimrmds vergleichen lül-Vr. Auch die Art. •.u«.- das zumeist' gestreifte 
Farbband bei der Drae<>vubin-K ü pi{Iarpro 1 *e riefididi rasch xer flattert, 
ist eigenartig.: keiner der anderen Alkohole oder .aikoholüluiftchen 
Flüssigkeiten zeigt. ein uhriiieb<* Verhalten Ihr Flüssigkeit, und Bertgen;*- 
papKtr speziell hei der Dra'Wrubin^Lajjjllafprohe, wie suiidt im Bild, 
gut zu erkennen ist. 

l.j, (Vlriilt-tiro, spei. Oe«. O.SOO, 

Dracoruben- u. Df acorüliHt-K Apil Iftf probe: 

So wollt die l'racondiiupiTilie, wie -Ca DuiXiiiliHi-Kapitiaqiiobe verhält ?id> 
bei ß|y*öl«öi^ la.'t vaiu {rynuu m wie heim Retuia, nur zeigt sich bei Uer Braoorubin- 
[irobe beim PetnUeufn nuob 'J 1 Stunden pim.- '.i.Iiwacligetbliehe Ilasafärbu.og Bol 
derTlraeorubin-Kajiillflrprobe liingogmi >«t. wie Ilern! Bonztu, keinerlei Veränderung 
zu bemerken. (Vgl. Aübiblnng iauf '.hu nächsten Seite.) 

Charakteristisch. .für Petroleum ist die gering«. Färbung, der 
Fiüssigkeit bei der TVaeorebiuprobe. 

lf., SHmHelkolilmtoff. spexi Utov 1,271. 

Di aeorubinpr"bo; 

Fius^igfee.ii: F-s tritt sofort Losung Otj umi der prachtvoll feuerrote Farb- 
stoiJ schwiraint obete Sehlj’Hitie.U tritt eine glaiühuülSige j'c-umnu', Färbung ein. 






Re a g cti z pa pi er: '• Dasselbe schwimnu anfangs ob.eru r»kr »her M-hliebhcb. 
?u % loden. Nach Stunden .hl dasselbe j^fbraun und nmU mit wenigdunklen 
ufctegclmäÄigen Punk tun. 


Dra ru.ru b i u- Kapi I Ur p roh c 

Flüssigkeit; Es wird aJImähUeb .Farfoloff gelüst, der :tnFkng]ieh •/her» 
schwimmt ucd H:h lieblich die Flüssig lieft hdlcHbrut färbt 

Reagenzpapier; 'DassHhc/icigt »dne breite, dunkelbraune. Zone, dann einen 
braunen feii mit duukkft FiecfcCm und einen *bng< Ku'/hlen Teil, der hellbraun 
und gao* gering punktiert *sb 


e ipa%0 

















KAHL DIF/TßliltfH 


Charakteristisch für den SchwefeiknhIsnstalf. ist di? p ; rachte<4l<* 
feuerrote Farbe, das mfiingKche Aufsudge.n von Farbstoff um) Papier 
bei der Dracoruldnprobe und die eigenartigen Zonen nud Abstufungen 
auf dem Papier bei der Dm co r u tu n - Käpi!lnrpn> ho. 


17 Terpentin«!, &fflf>.rtkanbdi v spei. (tew. (»,863. 

.üris^^ y 

Flüssigkeit* lä» tritt aatertgy -.gfcricn# Färbung e'm. Schließlich ist di© 
Flüssigkeit Tj»cb 24 fttugdeä • röütchgclbi^auo. 

IteagöD^p^picr: läi nich 24 Stunden die UviViMth raun mir dunktfinolött- 
brauaen urtrngclmalbgci. Fl*-rkcr^ sfr <täb das T ^iu^r %ie gemasert ausaiqhk- 

Dracorub« p h 

Flüssigkeit; Ks tritt anfangs last gm keine -Furbnog ein, 'Schließlich ist 
dio FÜisäigken sdivrael» g»*i blieb, \<i o die 0 n 2 in«»UTü«vsigkjaiF 

Üo.agerjÄp.Äpior*. IjasseilXfr zeigt g lf fj§5$ Zoa«i. ’ Der cmgotAucMc Teil 
\?.i rotbr;«»;n icct .«burt-km Flfjr.fc ea 


IfjjgÄ'viki 


’+mr 


Charaktemtirtb für das amerikanische Terpentinöl ist die 
Maserung und l.oihinjet (braune Farbe des Papiers bei der Dfueorobiu- 
jirobe nmi >i m• iuiigsaiu . oiriirutefide . rOibeligcIbbraune Färbung. Auch 
die eigentiimbelu* rtdehnung des eiogdauehlen Teiles: des .Reagenz- 
pftpierv und dar- Fehlen einer Zone auf dein.selben lud der Ftraconibin- 
KapilJa?|»robtt :irt bemerkenswert. PF 

' • . 
ie. Terpentinöl, dentsrli (Kienöl), spex. Cew. 0 , 867 . 

Drfteoruljuipri-n» ; 

F i üds'g), <o i- II.; trili ian»»siUii mne gelbliche lüirl-uTig m. die srhfu-Ülich 
Safb irt Siiuidt'D dunten..•;! !"!-"• iv. 

' ' . 


.*/.* v.v t t < .v.v i •,, 










Verfahr* n zur K^üQzeichntmg. u. Patorsr.feeidusg ferbh'’*or CT&ssigkeitfft. 135 


Dracorabin • Kapi j j.arpTobe'. 

Fi lUvst^k-cit.. Es tritt fast gür Ueino Färbung ei;, Naab . $ Stunden ist 
•}$&t lii^igkeil gclh 

pu\r: Dasselbe /ei 
hellbraun mH thmkivibrauiieu Flecken 


ifi&v ’ffc&i m 


OharaVcrist-iseh für dieses deutsche Terpentinöl, welchem ja 
* firtt kein echtes Terpentinöl* sondern nur Kienzl ist, hi xwn 

rmor*ohiod vom echten amerikanischen Terpentinöl die fast vtd.i- 
knin;ncno Kotiurhung des Fafiiers hoi der Di’acoruhmprohe mui die 
oharakierrstiseije Zoiehmmg des Papiers Lud dev Dracoriihiri-Kapiilar« 
probe. 


lö. Tßfpentinid, fr&usdbdsdt *ptz. tffjfr $$7Ö-; 

Ll'raronj hinprohtJ; ■ 

Flüssigkeit: Es tritt, Sfdu langsam .Färbung oiu, bis dir. Flüssigkeit uae-ij 
^4 Stunden ^cbiieBlkh if» rütliehlu-aim Uberist, Di»? Flij^iyked. ist 
»riauelilnai träfet * * ; /* * : • t 

K »’agen fcjpapierj Ist nach 24 Stunden vüdeUbratuirol mit dunklen Fh j ek:-r. ; 
so daß das Tapfer zumeist: wie gemasert aussieht 


Df ae-u tu bin * K api Marprobö; 

Fili>^t^k»jitsFärbung, nach 2 Stund»» ^cNrarho t/olb 
färbung 

HeagcnÄpapTeri^c^igt keinn Der tdngetaucbie Teil bat. heiihraun 

rote Färbung mit feinen dunklen Sjuöokeia. 





KaRI. DIETERICH 


wä&JwAwä (& 

#«Ä 






C ; v.rV;.-: i . 1 


Charakteristisch für das; französische Terpentinöl, welche* sich 
cojo Kienöl ohne weiteres unterscheidet, ist. v,usn Unterschied 'vom 

die hellere Färbung des Reagenspapieres 
bei der ßraForttbiupröbK und eb.ctisn die hellere Färbung und Weniger 
ausgeprägte Zmchimt)« des eingetaoehten Teiles bei der Dracorubin- 
Kapillarprobe. 


20. Tetraehlerkohienstoff (ßenzinofom), spe*. (tew. l,t»02. 

Dr.-icorubinprobe: 

y ibssigkei t; Die Färbung kommt hfchr langsam. Uer Farbstoff sehwmnii 
anfangs /oben.' ^cbljelüiob ist die Flüssigkeit trübe and braun gefärbt, Ka tritt 
ain Afifang-'^Qar^usÄCbublüij^ .ein, die *i-*h in kleinen Häufchen auf dem Beft.g6R.A- 
jräpiur ; u6»eUt, spater truUoom wieder• h*t oder in der Flüssigkeit oben säwrmnt. 

Äpftp.iüf;~zuerst obbo und auf demselben werden 
an längs khnaf- llaripartikeirbed uosg^cbitMlen, die sich schließlich teilweise wieder 
losen. Nas,h 24 Stunden ist das Fapior ziegelrot. 


D r n c ö va b in* Sv ä p i 11 a r p r o b e 

Flüssigkeit: Fs tritt ^h.r i&egfiam Färbung ein, 

Flüssigkeit schwach geibtidi^a; 

Keagen.s;pr>pier: Auf <Jvm Papier. ; findet sich in der unteren Hälft* nb- 
$ctitiettcnil Dach oben eine gjäfrv^mk,, teil*, schmale Zone, dann folgt in der Hieb 
hing unt-feu ein he) Unter Teil und eine weitere schmale, rote Zone, um 

^{dießlieb in ikw e»iogeiaweki6ß Teil ii Imrcugehttt) der. zih^elmte Färbt?■#%&;,. I%k 
Abbildung 20 auf der nächsten Seite > 

s 1 1 * '• P '*> i iK . ' r / * v r V , ( ^ -j • ' v ,f . 1 . '/ I ’'f \' * 1 1 ' / x!^ j'* ? 

Charakteristisch für den Tel rachlorkobien stuIf ist Ras Ausscheide*! 
(lep HafgpärtikelßjfFn utrd diiöTMlbuhg bei der prä«öt»biuprObe, a.«ch 
das Schwimmen des Etiagenspapiem und -des .Farbstoffes, Sehr eigen- 


Naclr 2 Stunden i$( rlfc 





Yeffahren 7,ur KenD^ölfhoanjf tf. IJntofsebeidnog farbloser Flüssigkeiten. 137 




' 

ia r '«, 7 • * *v V .v - - . • • ' • ’t.. 


artig sind auch die auf dem l^agejispapter .enistehcotfeo- Z< : nmi bei 

der Dra^orubm-KäpÜlarpTolK-. 

21. TuIhoI, spe«. 6«wy O.HÄ» 

Draeonibiiiprobe; 

Flüssigkeit. E? tritt rasch Fäfbtmg ein t.urj die •'btuWfiUs' Farbe heg' tiis- 
5 »ogs am Boden. Schließlich ist die Flüssigkeit rot mit einet)» St -ich ins. ftca-iiH«. 

Reagea<pa.ijieh tinsscjbc tseigt nach 24 Stunden wd-brauno Färbe tntüvfe 
e(s»pltcD feinen, dunklen Funkten. 

» '.y; • 

Draeory biri-K ap IJJ arprobe-! 

FJüssigfcoit., ßio breites. daoKolrotes Farbband sinkt zu Boden. bü!<) $0 
Ratternd und-dann hm Boden lagernd'.. jjjcliJicßlich tritt öino hellrote Farbe ein. 






KAHL BIEIERtCjI. 


?2. VertffijBfM' SalpewgeiKf, &pez. 'flew, 0,&|5. 
I>rui-ori]|)inprobe: 

. ( ; Es wv<1 rAh^h Farbstoff t^c.iosf T «kr ^ö.lbrot zu Bodc.ii Sinfc-E 

MM jj$it d*c Fig^i-iu^t 'iuuiirirof., m'i.t e.ineni Si ich itib »hübe. • 

i Bassel he wird schon nach kurzer Einwirkung und 

nach 24 Sthndßfu zeigt dasselbe einen aU8psprüch^ li^Ü|^)b&ö Icui. 

D t 4 /i co r U h; r> * K f|> i I i a rpr oh o 

Viii^i.gkovt: .Ea Inld^t^.v^' fc x« Boden ^verändert 

©ariil. 2 ist ij$k Eltofdgkeih geUtf>t*.Mfc: 

feit^dßÄpaPiere S .£toiViJ$tt üngeßUlr in dee \fiue cmdc 

LfViW\ £ö*yi\' 1 vitriaüftirule, Oiinkfdsrh v-u ;s\ «j^vn^ondn 1 die* sich Unks und 

Te^hrAVö^; ; :?Ju.rf AWi^^uog.ü^J Form 

Hft% \it l;ibrdunc»d!.-e• •//.,. nr h ' die in. «k?i San; Avi'.;vn wi ;.- -r.::3V T»:fi : d-' 


Ciifiruklcrisiisvli f»ir Jo*u \crsül5t<:*u■ ,Sal|HU vvr^isl ist. ifer sofort 
hoi IwndoYt Proben, AW^l •• : ^;V ; ^r ’.früXstgkeii. : $ne ' dem fieägeü^ 
papicr, anfi rodende gelb-* Ton. 








Verfairexi zur Kennzeichnung u. TTntersrlRMtlung farriios-jr Flüssigkeiten-.- 139 


\2$. Verdünnter Wdßgetet, spefc- Ö^vr. tyfflp 

Draeoru binprobe*. 

F ? \is f ^ .k e ji -> t ßa wird D&ob und nach Par hstof£ gelöst, der au erst nach vd>e;j 

a^bJleÖlicJi die Flüssigkeit giei^hrnäfeig mt mit 

^ ixvb to Vnst > Ä?i e 

K*-ig.-Gr*?. j/kpior.: ; Dasselbe ist nach 24 Stunden charakteristisch viojfittrdt 
ohne besondere Zeichnung. 


Flüssigkeit: Es bildet sich langsam eia' fptes Band. das bald zerflattort. 
Der Farbstoff lagert am Baden, bis eme gifdnbmfüiig braunrote Flüssigkeit mh 
standen ist, . • */ . ;* ,'V^* \r\* \ 

Reagenzpapier- Dasselbe zeigt oben als Abschlußei&4 geringe. schwarze 
Xa.eksönc, dann kamnit ein violetter Teil mit schwarzem IjatziacjkatedemdJag, der 
iwjxier 'feiner wird, um fibri eine dunkle, rotvioJettc, schmäh Zone ui den eitigo- 
'rauhten, hell violetten,. unteren Teil riherzugeheri, dev keinerlei Punktierung 
ist; 


^duntkiorisli^oh für den verdünnten Weingeist ist der bei beiden 
Probe»* besonders bei dem Reagenzpapier uutt ret-ende, auf den 
g^tt| ä’\ ; T9*i v mul die eht^rukt^rifttLscbt' Harz- 


24, \ylol t *pez. ttew« 0 /SM 5 . 

Dracorubtiiprobu; 

Fib^igkoit: Es wird rasch Farbstoff gelost,. der . anfauebcli uni Boden 
lagert; SchlieQtfch ist die Iriüvdgkeit braunrot und jftjuK'litsrö ?> >rm Spur trübe. 

th^^ön^papicr: pa?Bdbe hr nach 24 Stunden -Kflltetegehvt nut nur g;t tii 
woiiig V^rotnzeU’ aüftretoiid<m dunkleren Punkten. 




KARL DIETfemCH 


D o ru bin-KapU Ur p robe» 

Ls bilaet sk*jp e£p,•'-'Hellrotes Bänd„ das xiemlicb schnell 
.^erflatterf. mb adilieölich rosa -färbt 

^ &as oben etÄo ilimkelforaune Zone, Vfina» 

folgt fd» roter Teil mit enr*** braunen AhsrhlüLtemie und dann körnet 


der einget^urjite TvmI. der heiU^^dfi vv;t und keinerlei Punktierung wigt 




i hataktoristisch für Xylol ist znm r^nic'schied von ße?r/of mul 
Toluol. iiäU; dir: bei .der Iira''onil.iin- Kapiilurfirobc besonders. heim 
avifirt-iemh? feine Punktierung vollkommen wegfiUlt. 

: lim den anälvstisohen Schlüssel, der am Scdiluß beigeftigi wird, 
rubüg ?if»zuwendon t sei noch darauf hinge.ivic-sen, daß für die ße- 
tiriediing der beide« Draeerubinproben und ihre .Ntdzau\vcftdu?ig für 
die l : ‘i!erse)iie<le neben dem ursprünglichen donkedroieri Aussehen der 
Dravurrdn-npapicre und -einer: festen Griffigkeit vor allein die Farbe, 
b/v.. Farblosigkeit, der ■Flüssigkeit und der- Reagenzpapier* am An¬ 
fang und am Ende der Einwirkungsdauer mallgebend ist, weiterhin 
dir Art smd Weise, wie sieh die Flüssigkeit färbt - langsam' oder 
suhnell — und. ob. trieft der gelöste Farbstoff srhnell oder hingsarp, 
gleichmäßig oder nngleielmiäJjig verteilt, zu Boden sinkt oder nach 
oben geht usvv Auch;-ist neben der Farblosigkeit fc/w. der fß.(v«si'-*t. 
der Jiotung m beobachte«, ob eine gelbe- Färbung. moc brnüßc 
Färbung, »-in Flieh ms ViohMfi; us'v. 'unfiriri, ödpir die eine Probe 
g;u keine, die Aindero wiederum emr- Fär bting zeigt, ond welch»? fsrii- 
iihtgrseiriedb gwfegbt'Q beiden angesi«Üt*m Proben bei FliiSjiigkgit üiid 
Reagenzpapier bestehen, Bei den fn-ob ungesrizroü Proben ist 


Verfahren zur Kennzeichnung u. Unterscheidung farbloser Flüssigkeiten. 141 

wichtig, ob die Entfärbung bei den eingelegten Papieren sogleich 
sichtbar wird, und bei den getrockneten Reagenzpapieren die In¬ 
tensität der Entfärbung oder die Nichtentfärbung oder die Zeichnung 
(Punkte, Tüpfel, Flecken usw.) oder die Art, Menge und Höhe der 
Zonen (die wieder vom spezifischen Gewicht und der Verdunstungs¬ 
geschwindigkeit abhängt) sowie die Art der Uebergänge untereinander 
festzustellen. Auch die Griffigkeit des anfangs steifen Reagenzpapiers 
nach der Einwirkung durch die zu untersuchende Flüssigkeit ist nicht 
bedeutungslos. Alle diese Momente sind deshalb in der Beschreibung 
der Proben besonders hervorgehoben und zum Teil auch in den 
photographischen Aufnahmen zu erkennen. 

Man kann hiernach verschiedene Kategorien unterscheiden, in die 
sich die 24 ungefärbten Flüssigkeiten einreihen und gruppenweise 
hiernach ordnen lassen. So ist die glänzende Lackzone und das 
schwere Absetzen der Farbstofflösungen am Boden für die Alkokole 
und alkoholhaltigen Flüssigkeiten charakteristisch. Das gänzlich in¬ 
differente Verhalten gegen Dracorubinpapier ist für die reinen Benzine, 
Petroläther und Petroleum, die gesprenkelten Papiere mit teilweiser 
Entfärbung und die gleichmäßige Rot-Färbung der Flüssigkeit für die 
Benzole, das Hochsteigen des Farbstoffes und des Reagenzpapiers in 
der Flüssigkeit für Chloroform, Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlen¬ 
stoff, das vollkommene Fehlen einer Zone für Chloroform, die violette 
Färbung für stark wasserhaltige Alkohole, die intensive Gelbfärbung 
der Flüssigkeit und Papiere für Salpetergeist, die fleckige Maserung 
für echte Terpentinöle, die Höhe und die Dicke der Lackzone für 
die Stärke der Alkohole usw. maßgebend. 

Auf diesen prägnanten Unterschieden beruht der am Schluß bei¬ 
gefugte analytische Schlüssel; es müssen selbstverständlich stets beide 
Proben nebeneinander ausgeführt werden, da manche Flüssigkeiten bei den 
Proben, soweit es ihre Färbung betrifft, übereinstimmen, in bezug auf die 
Zeichnung der Reagenzpapiere aber wieder große Unterschiede aufweisen. 

Die eingangs erwähnte farblose photographische Reproduktion 
und Gegenüberstellung der Reagenzpapiere, wie sie mit den ver¬ 
schiedenen Flüssigkeiten bei der Dracorubin- und der Dracorubin- 
Kapillarprobe erhalten werden, ist in folgender Abbildung wiedergegeben. 

Die bunten Reproduktionen in der beinahe natürlichen Größe der 
Reagenzpapiere, wie sie von der Kunstanstalt Schupp & Nierth in 
Dresden hergestellt worden sind, können vom Autor (Helfenberg bei 
Dresden) kostenlos bezogen werden. 






Verfahren zur Kennzeichnung u. Unterscheidung farbloser Flüssigkeiten. 143 




ff Zf Jr&co£ 

fteAJta/un&nof, *£utAuA/ ZJL 3Stf^ir<Z^U^W 
*5 ff em/ilnof, fimn*,. ZJ X*ä*m&~ yßmjeiat 

^ äo&mtfi/X+ÄAn<&o&a4A/*7~£^ ZV 








7 <2&e6n/ S oAßMet /OOK g <£devt**e 

Z. o7ö$£ets 0,^20 ^ <3&6eA&£ 06 % i& c&i+o7*7iaf\eri/u4 

3<Ueete*, 0.7ZS*fi..&. ;aÄ,yJ^U/ */ < &A/mj6rm/ 

* atMurvttnpcca/ f' (AenMv « %+t^u Ol, _ 





Verfahren zur Kennzeichnung u. Unterscheidung farbloser Flüssigkeiten. 143 




f3 // cXh&oo€ 

ff Q/6te£&y/aA(#4*6 ff'<S*/un6)n*f, zfetcfuAs ZJL 

ff äefofetAm/ fp <Se4ft,en&nc^\ fimuu* 13 TSufom/ör- y&npetot 






144 


KARL DIETERICH, 


Analytischer Schlüssel für die Unterscheidung farbloser Flüssig¬ 
keiten durch die Dracorubin- und Dracorubin-Kapillarprobe. 

I. Groppe: Bei der Dracorobinprobe und Dracorabin-K&pillarprobe gar keine 

oder nor ganz geringe Färbung der Flüssigkeit. 

a) Beide Proben negativ .... Reines Benzin und reiner Petroläther. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,690—0,720. 

b) Geringe Rosafärbung der Flüssigkeit, Hellerfärbung des Reagenz¬ 
papiers .Benzolhaltige Benzine. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,700—0,750. 

c) Gelbliche Färbung, Reagenzpapier fettig, schwer trocknend 

und matt bei der Dracorubinprobe, wie Beschreibung und Ab¬ 
bildung 15.Petroleum. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,800. 

d) Rosa-gelbliche Färbung, Flüssigkeit trübe, Reagenzpapier samt¬ 

artig matt, dunkelziegelrot bei der Dracorubinprobe, wie Be¬ 
schreibung und Abbildung 13.Formaldehydlösung. 

Spez. Gew. bei 15° C 1,080. 

II. Gruppe: Bei der Dracorobinprobe und Dracorobin-Kapillarprobe hellrote bis 

dankelblutrote Farbe der Flüssigkeit. 

A. Bei der Dracorubin-Kapillarprobe keine besonderen Zonen, nur 
mehr oder weniger Entfärbung mit oder ohne besondere Kenn¬ 
zeichen (Punkte, Flecken usw.) 

a) Dunkclroto Farbe, Papier und Farbstoff oben schwimmend bei 

der Dracorubinprobe, eingetauchter Teil vollkommen entfärbt 
und weiß, keine Zone bei der Dracorubin-Kapillarprobe, wie 
Beschreibung und Abbildung 11.Chloroform. 

Spez. Gew. bei 15° C 1,487. 

b) Braunrötliche Farbe, Papier violettbraunrot, dunkel gefleckt 

bei der Dracorubinprobe, ein getauchter Teil braunrot, fein ge¬ 
sprenkelt, keine Zone bei der Dracorubin-Kapillarprobe, wie 
Beschreibung und Abbildung 19 .... Französisches Terpentinöl. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,870. 

c) Rötlichgelbbraune Farbe, Papier hell violettbraun mit dunkel¬ 

violettbraunen Flecken bei der Dracorubinprobe, eingetauchter 
Teil braunrot mit dunklen Flecken, keine Zone bei der 
Dracorubin - Kapillarprobe, wie Beschreibung und Abbil¬ 
dung 17.Amerikanisches Terpentinöl. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,863. 

d) Dunkelbraunrote Farbe, Papier fast weiß bei der Dracorubin¬ 
probe, eingetauchter Teil hellbraun mit dunkelbraunen Tupfen, 
keine Zone bei der Dracorubin-Kapillarprobe, nie Beschreibung 

und Abbildung 18.Deutsches Terpentinöl (Kienöl). 

Spez. Gew. bei 15° C 0,867. 

B. Bei der Dracorubin-Kapillarprobe besondere Zonen und Kenn¬ 
zeichen, aber keine eigentlichen Lackzonen. 

a) Hellrote Farbe mit gelbem Ton, Papier hellziegelrot bei der 
Dracorubinprobe, Zonen und eingetauchter Teil bei der Draco¬ 
rubin-Kapillarprobe, wie Beschreibung und Abbildung 2 . Reiner Aether. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,720. 










Verfahren zur Kennzeichnung u. Unterscheidung farbloser Flüssigkeiten. 145 


b) Rote Farbe ohne gelben Ton, Papier dunkelrosa bei der 

Dracorubinprobe, Zonen und eingetauchter Teil bei der 
Dracorubin - Kapillarprobe, wie Beschreibung und Abbil¬ 
dung 3.Spiritus- oder acetonhaltiger Aether. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,725. 

c) Intensiv kirschrote Farbe, Farbstoff anfangs zu Boden sinkend, 
ein Teil als Schlieren verteilt, Papier hellrosa bei der Draco¬ 
rubinprobe, Zonen und eingetauchter Teil bei der Dracorubin- 
Kapillarprobe, wie Beschreibung und Abbildung 12 . . . Essigäther. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,904. 

d) Dunkelblutrote Farbe, Farbstoff schnell gleichmäßig verteilt, 

Papier ziegelrot mit feinen, dunklen Punkten bei der Draco¬ 
rubinprobe, Zonen und eingetauchter Teil bei der Dracorubin- 
Kapillarprobe, wie Beschreibung und Abbildung 9 . . . . Benzol. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,885. 

e) Feuerrote Farbe mit Stich ins Braune, Farbstoff anfangs zu 

Boden sinkend, Papier rotbraun mit feinen, dunklen Punkten 
bei der Dracorubinprobe, Zonen und eingetauchter Teil bei 
der Dracorubin-Kapillarprobe, wie Beschreibung und Ab¬ 
bildung 21.Toluol. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,869. 

f) Dunkelblutrote Farbe mit Stich ins Braune, Flüssigkeit manch¬ 

mal trübe, Farbstoff anfangs zu Boden sinkend, Papier hell¬ 
ziegelrot, ohne oder mit nur vereinzelten Punkten bei der 
Dracorubinprobe, Zonen und eingetauchter Teil bei der Draco¬ 
rubin-Kapillarprobe, wie Beschreibung ünd Abbildung 24 . . . Xylol. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,868. 

g) Feuerrote Farbe, Farbstoff sowie anfangs auch das Papier oben 

schwimmend, Papier hellbraunrot mit vereinzelten, dunklen 
Punkten bei der Dracorubinprobe, Zonen und eingetauchter 
Teil bei der Dracorubin-Kapillarprobe, wie Beschreibung und 
Abbildung 16.Schwefelkohlenstoff. 

Spez. Gew. bei 15°C 1,271. 

C. Bei der Dracorubin-Kapillarprobe rot- oder schwarzglänzende 
Lackzonen mit oder ohne andere Zonen und Kennzeichen. 

a) Dunkelblutrote Farbe, Farbstoff schwer zu Boden sinkend, 

Papier ganz entfärbt und weiß bei der Dracorubinprobe, Lack¬ 
zone in der oberen Hälfte des Papieres (je stärker der Alkohol, 
um so höher findet sich die Lackzone), eingetauchter Teil und 
andere Zonen bei der Dracorubin-Kapillarprobe, wie Beschrei¬ 
bungen und Abbildungen 5, 6 u. 10 . Alkohol lOOproz., Alkohol 96proz., 

Brennspiritus 90 proz. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,799 -0,810—0,835. 

b) Dunkel blutrote Farbe, Farbstoff schwer zu Boden sinkend, 

Papier bei der Dracorubinprobe fast ganz entfärbt, Lackzone 
weit oben, eingetauchter Teil und andere Zonen bei der 
Dracorubin - Kapillarprobe, wie Beschreibung und Abbil¬ 
dung 4.Aetherweingeist. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,807. 

c) Kirschrote Farbe, Farbstoff anfangs zu Boden sinkend, Papier 
noch hellrosa bei der Dracorubinprobe, Lackzone, eingetauchter 

Archiv f. wisseDsoh. a. prakt Tierbeilk. Bd. 44. SappL JQ 







146 


KARL DIETERICH, Verfahren zur Kennzeichnung usw. 


Teil und andere Zonen bei der Dracorubin-Kapillarprobe, wie 
Beschreibung, und Abbildung 1.Aceton (Essigalkohol). 

Spez. Gew. bei 15° C 0,797. 

d) Dunkelrote Farbe, Farbstoff schwer zu Boden sinkend, Papier 

am Rand noch schwach rot gefärbt, sonst völlig entfärbt und 
weiß bei der Dracorubinprobe, Lackzone weit unten, einge¬ 
tauchter Teil und andere Zonen bei der Dracorubin-Kapillar¬ 
probe, wie Beschreibung und Abbildung 7.Amylalkohol. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,815. 

e) Dunkelbraunrote Farbe, Farbstoff schwer zu Boden sinkend, 

Papier hellrosa bei der Dracorubinprobe, Lackzone sehr weit 
oben, eingetauchter Teil und andere Zonen bei der Dracorubin- 
Kapillarprobe, wie Beschreibung und Abbildung 14 . . Methylalkohol. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,796. 

f) Gelbrote Farbe, Farbstoff schwer zu Boden sinkend, Papier 

hellgelb, mit charakteristischem gelbem Ton bei der Draco- 
rubinprobo, Lackzone ziemlich weit oben, eingetauchter Teil 
und andere Zonen bei der Dracorubin-Kapillarprobe, wie Be¬ 
schreibung und Abbildung 22.Versüßter Salpctergeist. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,845. 

g) Violettrote Farbe, Farbstoff erst oben schwimmend, dann zu 

Boden sinkend, Papier zeigt ausgesprochen violetten Ton 
bei der Dracorubinprobe, geringe Lackzone, aber charakte¬ 
ristischer Lackniederschlag (vorn Wasser herrührend), einge¬ 
tauchter Teil und andere Zonen bei der Dracorubin-Kapillar¬ 
probe, wie Beschreibung und Abbildung 23 . . Verdünnter Weingeist. 

Spez. Gew. bei 15° C 0,894. 

h) Braunrote Farbe, Flüssigkeit färbt sich langsam, zeigt anfangs 

Harzausscheidung, die sich zum Teil wieder löst und wird 
schließlich trübe, Farbstoff und Papier schwimmt oben bei 
der Dracorubinprobe, eingetauchter Teil bei der Dracorubin- 
Kapillarprobe und Zonen, w r ic Beschreibung und Abbil¬ 
dung 20. Tetrachlorkohlenstoff (Benzinoform). 

Spez. Gew. bei 15° C 1,602. 

Aus den vorliegenden Untersuchungen geht zweifellos hervor, daß wir 
in derDracorubin-und Dracorubin-Kapillarprobe ein recht einfaches Mittel 
besitzen, um ungefärbte oder schwach gefärbte Flüssigkeiten ohne eine 
umständliche chemische Analyse voneinander unterscheiden zu können. 

Die diesbezüglichen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen 
und sollen noch auf weitere ungefärbte bzw. wenig gefärbte Flüssig¬ 
keiten ausgedehnt werden. Ich möchte mir das diesbezügliche Arbeits¬ 
gebiet also ausdrücklich hierdurch Vorbehalten. 

Zum Schluß ist es mir noch ein Bedürfnis, meinem altbewährten 
und langjährigen Mitarbeiter, Herrn Laboratoriurasvorstand H. Mix, 
für die Mithilfe bei diesen ausgedehnten Untersuchungen und den teil¬ 
weise recht zeitraubenden photographischen Aufnahme^ meinen besten 
Dank zum Ausdruck zu bringen. 






IV. 

Der Einfluß der Thyreoidektomie auf das strukturelle 
Verhalten der Hypophyse bei Karnivoren. 

Von 

Privatdozent Dr. med. vet. Trautmann. 

(Mit & Abbildungen im Text.) 

Bei Literaturstudien, die sich mit den Veränderungen derHypophyse 
nach Exstirpation oder bei Schädigung (Struma fibrosa, Kretinismus, 
Myxödem, kongenitale Myxidiotie usw.) der Thyreoidea beschäftigten, 
stieß ich auf auffällige Widersprüche in den Ergebnissen, die die ver¬ 
schiedenen Autoren bei der Untersuchung verschiedener Tiere er¬ 
hielten. Die Autoren, die sich mit Exstirpation der Schilddrüse mit 
nachfolgender makroskopischer und histologischer Untersuchung des 
Himanhanges bei Säugetieren befaßten, hatten als Untersuchungsobjekte 
im wesentlichsten Kaninchen, Katze und Hund gewählt. Dabei ergab 
sich, daß die Autoren; die am Kaninchen arbeiteten, in der Regel 
auffallende makroskopische und mikroskopische Veränderungen an 
der Hypophyse thyreopriver Tiere feststellten, während die Unter¬ 
sucher von Katzen- und Hundehypophysen fast durchweg negative 
Resultate in dieser Beziehung erhielten. Schon der Urheber der 
Bearbeitung der Frage des Verhältnisses zwischen Thyreoidea und 
Hypophyse, Rogowitsch, behauptet, daß die Hypophysen der an 
Thyreoidektomie gestorbenen Hunde ganz anders ausgeschen hätten 
als die von Kaninchen, ohne daß aber von ihm auf die Verschieden¬ 
heiten derselben näher eingegangen worden wäre. Spätere Autoren, wie 
Tizzoni und Centanni, Schwarz, Vassale, Traina, Rosenblatt, 
Katzenstein, Hagenbach, Cimoroni, Edmunds u. a., fanden nach 
Entfernung der Thyreoidea bei Katzen und Hunden normale Hypophysen 
oder Veränderungen nur so unbedeutender Art, daß sie sic nicht 
für erwähnenswert erachteten. Ich halte es für unnötig, hier auf die 

10 * 



148 


TRAUTMANN, 


Ergebnisse und Aeußerungen der einzelnen Autoren näher einzugehen, 
da ich mich in meiner Arbeit „Hypophyse und Thyreoidektomie“ 
(Frankfurter Zeitschr. f. Pathologie, 1916, Bd. 18, Hft. 2, S. 173—304) 
ganz ausführlich mit der fraglichen Literatur beschäftigt habe. 

In der angeführten Abhandlung habe ich die Ergebnisse nieder¬ 
gelegt, die ich an Hypophysen thvreoidektomierter Ziegen erlangt 
hatte. Die Ziege wählte ich in dieser Arbeit zum Untersuchungs¬ 
objekt deshalb, weil ich einmal eine Ausdehnung fraglicher Unter¬ 
suchungen auf anderes Tiermaterial im Hinblick auf die in der 
Literatur bestehenden Verhältnisse für zweckmäßig und notwendig 
hielt, sodann aber besonders deswegen, weil man bei Ziegen in der 
Lage war, sie nach der Thyreoidektomie genügend lange am Leben 
zu erhalten und zu beobachten. Infolgedessen konnten Hypophysen 
thyreoidektomierter Ziegen unter den verschiedensten Voraussetzungen 
und Verhältnissen untersucht werden. 

Beim Fleischfresser ist es ja bekanntlich im Gegensatz zur 
Ziege oder zum Kaninchen wegen der eigenartigen Lage der Epithel¬ 
körperchen schwer möglich, letztere bei der Thyreoidektomie zu schonen. 
Infolgedessen gehen die Tiere schon in wenigen Wochen an Tetanie 
zugrunde und eine Beobachtung der an der Hypophyse auftretenden 
Veränderungen, die nach Cimoroni (Arch. ital. de biol., 1917, Vol. 48, 
p. 387) u. A., wenn sie vorhanden sind, sich nur aus der Ent¬ 
fernung der Thyreoidea herleiten sollen, ist nicht lange genug zu ver¬ 
folgen. 

Da ich jedoch strukturell an Ziegenhypophysen in einer Zeit 
nach der Thyreoidektomie, in welcher auch bei Hund und Katze 
keine auffälligen klinischen Veränderungen nach der Schilddrüscn- 
exstirpation festzustellen waren, bereits mehr oder weniger starke Ver¬ 
änderungen wahrnehmen konnte, so war es für mich von Interesse 
auch an Karnivoren und zwar an Hund und Katze den Einfluß der 
Thyreoidektomie auf das strukturelle Verhalten der Hypophyse zu 
studieren. Die oben erwähnten widerspruchsvollen, beim Fleischfresser 
meist negative Ergebnisse bringenden Literaturberichte regten mich 
noch besonders dazu an, dem Grunde des verschiedenen Einflusses 
der Schilddrüsenexstirpation auf die Hypophyse bei Herbivoren und 
Karnivoren nachzugehen. 

Es mag hier bemerkt sein, daß ich des Interesses und Vergleiches 
halber auch in beschränktem Umfange Kaninchenhypophysen nach 
der Schilddrüsenexstirpation untersucht habe, wobei ich Befunde früherer 



Einfluß d. Thyreoidektomie auf d. strukturelle Verhalten d. Hypophyse. 149 

Autoren bestätigt und weitgehende Uebereinstimmung mit meinen bei 
der Untersuchung der Ziegenhypophyse erlangten Ergebnissen fand. 

Obwohl ich mich bei meinen Untersuchungen der Hypophysen 
thyreoidektomierter Hunde und Katzen nicht wie bei der Ziege auf 
ein sehr umfangreiches Material stützen kann — es wurden 5 Hunde- 
und 6 Katzenhypophysen untersucht! — so war aber das Resultat 
ein so eindeutiges und zum Teil so übereinstimmendes, daß ich es 
der Veröffentlichung für wert halte. Zudem erscheinen mir vor¬ 
liegende Ausführungen beachtliche Ergänzungen zu meinen früheren 
Arbeiten zu bringen. 

Es liegt nicht im Rahmen dieser Arbeit und würde auch zu 
weit führen, wollte ich hier den zum Verständnis der nach der 
Thyreoidektomie auftretenden Veränderungen notwendigen normalen 
Bau der Hypophysen von Hund und Katze auseinandersetzen. Auch 
von den an der Hypophyse thyreopriver Ziegen herrschenden Verhält¬ 
nissen kann hier nur in dem Grade die Rede sein, als zum Ver¬ 
ständnis unbedingt notwendig ist. Ich verweise deshalb auf meine 
früheren ausführlichen Arbeiten 1 ), deren Kenntnis beim Studium der 
vorliegenden Ausführungen vorausgesetzt werden muß. 

Makroskopisches. 

Lage- und Formveränderungen treten wie bei der Ziege und 
beim Kaninchen auch an der Hypophyse von Hund und Katze nach 
der Schilddrüsenexstirpation nicht ein. 

Auch hier habe ich wieder mein besonderes Augenmerk auf die 
von einer Reihe von Autoren behauptete, mit der Zeit fortschreitende 
Vergrößerung und Gewichtszunahme des Hirnanhanges nach der 
Thyreoidektomie gerichtet. Meine Beobachtungen an der Ziege werden 
unterstützt durch die an Hund und Katze gemachten Erfahrungen; 
auch bei ihnen war es mir nicht möglich, regelmäßig eine Zunahme 
des Volumens oder des Gewichtes des Hirnanhanges nach der Thyreoi¬ 
dektomie nachzuweisen. Nur in einem Falle war bei einer Katze eine 
ganz geringgradige Erhöhung des Gewichtes (0,0098) gegenüber dem 
Kontrollier (0,0096) festzustellen. Im übrigen hielten sich die Größen- 

1) Trautraann, A., Hypophyse und Thyreoidektomie. Frankf. Zeitschr. f. 
Pathol. 1916. Bd. 18. H. 2. — Derselbe, Anatomie und Histiologie der Hypo¬ 
physis cerebri einiger Säuger. Arch. f. mikrosk. Anat. 1909. Bd. 74. — Der¬ 
selbe, Die makroskopischen Verhältnisse der Hypophyse einiger Säuger. Arch. 
f. wiss. u. prakt. Tierheilk. 1909. Bd. 35. 



150 


TRAUTMANN, 


und Gewichtsverhältnisse der Hypophyse in den nämlichen~Grenzen, 
wie ich sie normalerweise aufgefunden habe. Ich befinde mich damit 
auch im Einverständnis mit den meisten Autoren, die am Fleisch¬ 
fresser experimentierten. Was ich in meiner früheren Arbeit bezüglich 
der Ziege über Gewichts- und Volumenzunahme des Hirnanhanges 
nach der Schilddrüsenexstirpation gesagt habe, gilt im allgemeinen 
auch hier. 

Im übrigen ist makroskopisch die außerordentlich weiche Be¬ 
schaffenheit und das geringe Volumen des stark von zäher, milchiger 
Flüssigkeit durchtränkten Hirntciles der Hypophyse besonders beim 
Hunde auffallend. Andere Erscheinungen sind nicht zu_beobachten, 
zumal die geringen Ausdehnungsverhältnisse der einzelnen Teile der 
Hypophyse von Hund und Katze meiner genauen Beobachtung’mit un- 
bewaffnetem Auge Schwierigkeiten entgegenstellen. 

Mikroskopisches. 

Im Dr&senlappen der Hypophyse des Hundes und der Katze ent¬ 
stehen, wie es die genaue Durchsicht meiner Präparate ergibt, nach 
der Thyreoidektomie .zweifellos Veränderungen in der strukturellen 
Beschaffenheit, sofern die Tiere eine genügende Zeit nach der Ope¬ 
ration am Leben bleiben. Sie entsprechen aber insofern nicht den 
bei der Ziege gefundenen Alterationen, als sie nicht so ausgeprägt 
wie dort in die Erscheinung treten. Während bei der Ziege schon 
wenige Tage nach der Schilddrüsenexstirpation selbst bei schwachen 
Vergrößerungen im mikroskopischen Bilde das Abweichende von dem 
normalen Verhalten in der Struktur des Drüsenlappens erkennbar ist, 
bedarf es in der Regel bei Hund und Katze eingehendster Durchsicht 
der Präparate, um auf Verschiedenheiten gegenüber dem normalen 
Bau zu stoßen. 

Bei Hund und Katze finden sich Zellen, die nach der Thyreoi¬ 
dektomie durch ein eigenartiges, von dem Normalen abweichendes 
Verhalten ausgezeichnet sind. Sie treten schon wenige Tage (ich be¬ 
obachtete sie bei der Katze bereits nach 6 Tagen!) nach der Schild¬ 
drüsenexstirpation auf und sind durch sehr deutliche Abgrenzung 
ihres Zellcibes charakterisiert. Im Zelleib lassen sich ganz feine und 
locker verteilte Granula, die sich anfangs nicht, einige Zeit später 
aber mit sauren Farbstoffen schwach färben, erkennen. Die Granula 
liegen dichter und reagieren intensiver auf saure Farbstoffe, sobald 
längere Zeit nach der Thyreoidektomie vergangen ist. Ganz be- 



Einfluß d. Thyreoidektomie auf d. strukturelle Verhalten d. Hypophyse. 151 

sonders sind aber diese Zellen durch ihre Größe ausgezeichnet. Sie 
übertreffen mitunter die azido- und basophilen Zellen des Drüsen¬ 
lappens um das 2—4 fache. Die Gestalt dieser Zellen ist ira all¬ 
gemeinen kugelig. Der chromatinarme, relativ große (größer als in 
allen anderen Zellen!), kugelige Kern hat eine verschiedene Lage im 
Zelleib. Solche Zellen, wie die eben beschriebenen, sind bei den 
untersuchten Hunden und Katzen meist nur vereinzelt zu finden. Sie 
sind stets bei jüngeren Katzen zahlreicher als bei älteren. Nur bei 
zwei Hunden, die drei und sieben Wochen nach der Schilddrüscn- 
exstirpation starben, konnte trotz genauester Durchmusterung der 
Serienschnitte keine derartige Zelle festgestellt werden, während wieder 
bei einer Katze, die vier Wochen nach der Schilddrüsenexstirpation 
starb, diese Zellen in relativ großer Zahl anzutreffen waren. Ueber- 
haupt sind die Zellen bei der Katze deutlicher und auch zahlreicher 
als beim Hunde. Die Lage der beschriebenen Zellen beschränkt 
sich auf die nasoventralen Gebiete des Drüsenlappens. Nur in einem 
Falle waren einzelne solcher Gebilde mehr zentral im Drüsenlappen 
gelagert. 

Wie ich bereits bei der Ziege auseinandergesetzt habe, handelt 
es sich auch bei Hund und Katze bei den fraglichen Zellen um Haupt¬ 
zellen, die nach der Thyreoidektomie eine Veränderung in dem oben 
beschriebenen Sinne erleiden. Spätere Stadien mit anders aussehenden 
Hauptzellen, wie sie sich bei der Ziege längere Zeit nach der Thyreoidek¬ 
tomie vorfinden, sind bei Hund und Katze in der Regel nicht zu be¬ 
obachten. Nur in einem Falle habe ich bei der Katze auch den 
homogenen, kolloidartigen Zustand des Zelleibes und auch ganz 
schwach den Beginn des Stadiums der Vakuolenbildung im Zelleib 
gesehen. Von den in gleichen Zeiträumen nach der Thyreoidektomie 
getöteten Tieren w sind bei der Ziege veränderte Hauptzellen stets in 
weitaus größerer Anzahl vorhanden als bei Hund und Katze. 

In den Hypophysen thyreoidektomierter Hunde und Katzen sind 
im Gegensatz zu denen von Ziegen stets normale Hauptzellen, die 
bekanntlich durch ihre schlechte Begrenzung, Nichtfärbbackeit und 
Undifferenziertheit gekennzeichnet sind, in größerer Zahl vorhanden. 
Sie liegen in der Hauptsache in dem sogenannten „dreieckigen Raume“ 
Rogowitschs in der Nachbarschaft veränderter Hauptzellen. Ihr 
Verhalten entspricht im wesentlichen dem in normalen Hypophysen. 
Einzelne Hauptzellen sind jedoch nicht so wenig differenziert wie in 
normalen Hypophysen, sondern lassen ein spärliches, ganz schwach 



152 


TRAUTMANN, 


baso-azidophiles Protoplasma, das recht undeutlich begrenzt ist, in 
der Nähe des keine Besonderheiten aufweisenden Kernes erkennen. 
Sie scheinen Stadien zu vertreten, die noch wenig an dem nach der 
Thyreoidektomie einsetzenden Prozeß teilgenommen haben; sie stellen 
also gewissermaßen das Anfangsstadiura der Veränderung an den 
Hauptzellen dar. 

Die azidophilen Zellen sind in allen untersuchten Hypophysen 
sehr zahlreich. Ob sie in zahlreicherer Menge als in normalen Hypo¬ 
physen vorhanden sind, also ob, wie bei der Ziege, nach der Thyreoi¬ 
dektomie eine Vermehrung stattgefunden hat, läßt sich nur schwer 
entscheiden. Ihre Lage im Drüsenlappen und in den Zellsträngen 
entspricht der normaler Hypophysen. Ihre Größe und Gestalt ist, wie 
cs in normalen Präparaten auch zu Gesicht tritt, eine durchaus ver¬ 
schiedene. Am Protoplasma und Kern sind keine besonderen Eigen¬ 
tümlichkeiten festzustellen. 

Die am wenigsten zahlreiche Zellart in den untersuchten Hunde- 
und Katzenhypophysen ist die der basophilen Zellen. Sie sind 
immer aufzufinden und zeigen keine von dem normalen Verhalten ab¬ 
weichende Beschaffenheit. In einem Falle bei der Katze erschienen 
sie ziemlich zahlreich und besonders in der Nähe der veränderten 
Hauptzellen gelagert. 

Bindegewebsgerüst und Zellstränge zeigen nichts Besonderes. 
Die im bindegewebigen Interstitium eingelagerten Blutgefäße sind 
speziell in den ventralen Partien des Drüsenlappens oft stark er¬ 
weitert und mit ßlutbcstandteilen dicht erfüllt. Ihre Durchschnitte 
zeigen im mikroskopischen Bilde recht variable Formen. Häufig ent¬ 
hält das Lumen kolloidartigen Inhalt von azidophiler Beschaffenheit. 
Kolloidartige Substanzen liegen besonders bei der Katze recht 
häufig im Interstitium zwischen den Bindegewebsbündeln in lymph¬ 
gefäßähnlichen Spalten. 

Zystenartige Bildungen im Drüsenlappen der Hypophyse, 
wie sie bei thyreopriven Ziegen in einer gewissen Zeit nach der Ope¬ 
ration immer und regelmäßig zu beobachten sind, habe ich in keinem 
Falle bei Hund und Katze antreffen können. Ebenso sind Zell¬ 
stränge, die im Innern Ansammlungen kolloidartiger Substanzen ent¬ 
halten, im Gegensatz zu den Befunden an der Ziegenhypophyse 
sehr selten. 

Während an der Hypophysenhohle thyreoidektomierter Ziegen 
augenfällige Veränderungen festgestellt werden können, sind solche bei 



Einfluß d. Thyreoidektomie auf d. strukturelle Verhalten d. Hypophyse. 153 

der Katze nur geringfügiger Natur, und beim Hunde 1 ) kann über¬ 
haupt kaum Auormales gefunden werden. Bei Katzen sind Verände¬ 
rungen nur sichtbar bei Individuen, die mindestens 4—5 Wochen nach 
der Schilddrüsenexstirpation gelebt haben. Erweiterungen, Ausbuch¬ 
tungen und Deformitäten der Hypophysenhöhle, wie sie bei Ziegen 
längere Zeit nach der Thyreoidektomie zu beobachten sind, bestehen 
meist nicht. Nur in den kranialen und kaudalen Abschnitten der 
Höhle sind unbedeutende Erweiterungen (Fig. 1, b) mitunter feststellbar. 

In dem drüsenlappenseitigen Epithel der Hypophysenhöhle, 
das bei Hund und Katze einschichtig ist und sich in der Regel aus 
backsteinförmigen Epithelzellen zusammensetzt und in dem mit 
Flimmerhaaren 2 ) besetzte Zellen und Becherzellen nicht erkennbar 
sind, ist die Zahl der in das Epithel wandernden azidophilen Zellen 
ziemlich erheblich, ein Befund, wie er sich auch bei der Ziege in den 
ersten Zeiten nach der Thyreoidektomie darbietet. Das zwischen¬ 
lappenseitige Epithel zeigt keine Besonderheiten. 

Das Lumen der Hypophysenhöhle ist in der Regel nur mit ge¬ 
ringen Ansammlungen einer homogenen, kolloidartigen, azidophilen 
Substanz, die in den kranialen und kaudalen Abschnitten liegt, ange¬ 
füllt. Zell- und Blutbestandteile sind nicht anzutreffen. 

Im Zwischenlappen begegnet man sowohl beim Hund wie bei 
der Katze, und zwar schon sehr bald nach der Exstirpation der 
Schilddrüse augenfälligen Veränderungen, die mit der Dauer des thyreo- 
priven Zustandes des betreffenden Tieres erheblich zunehmen und im 
mikroskopischen Bilde ganz besonders stark auffallen. Vornehmlich 
sind es zystenartige Bildungen, die den Zwischenlappen viel mehr, 
als es normalerweise der Fall ist, in seiner ganzen Ausdehnung durch¬ 
setzen (Figg. Id, 2 d, 3b). Bei Ziegen, die in einer Zeit nach der 
Thyreoidektomie getötet wurden, nach der Fleischfresser in der Regel 
an Tetanie zugrunde gehen, habe ich niemals eine solch große Anzahl 
zystenartiger Bildungen im Zwischenlappen wahrnehmen können. Das 

1) Daß die Hypophysenhöhle beim Hunde unter normalen Verhältnissen mit¬ 
unter nur wenig ausgebildet ist, ist bei der Beurteilung dieses Hypophysen¬ 
abschnittes besonders zu berücksichtigen. 

2 ) Wenn ich auch mit Flimmerhaaren besetzte Zellen im Epithel der Hypo¬ 
physenhöhle niemals deutlich wahrnehmen konnte, so möchte ich trotzdem deren 
Vorhandensein annehmen. Die Flimmerhaare scheinen sehr wenig resistent zu sein 
und durch die Anwendung von Fixations- und Konservierungsflüssigkeiten zerstört 
zu werden. Resten von Flimmerhaaren begegnet man nicht selten auf dem lumen¬ 
seitigen Abschnitte von Zellen. 



154 


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156 


TRAUTMANN, 


Bildungen ist der Zwischenlappen von besonderer Dicke. Eine Kom¬ 
munikation der Zysten mit der Hypophysenhöhlc ist nicht festzu* 
stellen. Auch erstrecken sie sich in keinem Falle, wie bei Ziegen¬ 
hypophysen, in das Gewebe des Hirnteils hinein. Der Zwischen¬ 
lappen ist im Gegenteil gegen den Hirnteil immer scharf abgegrenzt. 
Dagegen zieht sich das Gewebe des Zwischenlappens speziell bei der 
Katze an dem Sitze zahlreicher Zysten oft tief in den Hirnteil 
hinein, ohne daß sich dabei die beiden Gewebsarten miteinander ver¬ 
mischen. Es werden sogar Stellen angetroffen, an denen das mit 
zystenartigen Bildungen stark durchsetzte Gewebe des Zwischenlappens 
im mikroskopischen Bilde die Breite des Hirnteiles ganz durchzieht, 
um sich mit dem der gegenüberliegenden Seite zu verbinden (Fig. 2, d‘). 
In normalen Hypophysen sind niemals derartige Wucherungen der 
Zwischenlappensubstanz in das Hirnteilgewebe aufgefunden worden. 
Die Gestalt der zystenartigen Gebilde ist ganz verschieden und mannig¬ 
faltig. Die kugelige Gestalt herrscht namentlich in der ersten Zeit 
nach der Thyreoidektomie vor. Später nehmen die Zysten zum großen 
Teile aber eiförmige, schlauchartige Formen an, die zahlreiche und 
erhebliche Ausbuchtungen aufweisen können. Besonders in den kau¬ 
dalen Gegenden, wo sie auch öfter zu Gruppen zusammenliegen, sind 
sie recht ungestaltet. Sie können den Zwischenlappen so zahlreich 
durchsetzen, daß nur wenig von dem übrigen Zwischenlappengewebe 
zwischen den Zysten bleibt. Stellenweise begegnet man auch Kom¬ 
munikationen zwischen einzelnen Zysten. Die Größe der Zysten 
wechselt stark. Zysten, die fast die ganze Dicke des Zwischen¬ 
lappens einnehraen, sind nicht selten. In dem Lumen der Zysten 
liegt immer eine schwach mit basophilen Farben sich tingierende homo¬ 
gene, mitunter knochenharte Substanz, die, ähnlich wie bei der Schild¬ 
drüse, infolge der Einwirkung der Fixations- und Konservierungs¬ 
mittel im mikroskopischen Bilde Schrumpfungserscheinungen zeigt. Das 
Lumen ist fast stets prall mit diesem Inhalte angefüllt. Dort, wo es 
leer vorgefunden wird, ist die kolloidartige Substanz infolge der Be¬ 
handlungsmethoden ausgefallen. Die meisten der infolge der Thyreoi¬ 
dektomie durch Zerfall von Zellen bzw. gewisser Zellbezirke ent¬ 
stehenden Zysten sind von einem besonderen, spezifischen Epithel nicht 
ausgekleidet. In solchen Fällen werden sie von den Zellen der Nach¬ 
barschaft, die ganz verschiedene Gestalt aufweisen und in denen die 
Kerne keine bestimmte Lagerung zeigen, umgeben. Stellenweise legen 
sich um das Lumen aber auch regelmäßig angeordnete Zellen von 



Einfluß d. Thyreoidektomie auf d. strukturelle Verhalten d. Hypophyse. 157 

mehr oder weniger kubischer bis zylindrischer Gestalt. Durch eine 
bindegewebige Wand sind die zystenartigen Gebilde gegen die Um¬ 
gebung nicht abgesetzt. Die Zysten im Zwischenlappen verdanken 
ihre Entstehung Sekretstauungen und dem Zerfall funktionsmüder 
Zellen. Daß die Zysten wieder ihrerseits durch eine oft beträchtliche 
Größe auf die benachbarten Gewebsteile eine schädliche Wirkung 
durch Druck auszuüben vermögen, ist klar. 

Die den übrigen Teil des Zwischenlappens ausfüllenden Zellen 
zeichnen sich gegenüber dem normalen Verhalten vereinzelt durch 
ihre Größe aus. Im übrigen ist an ihnen bei der Katze die un¬ 
deutliche Abgrenzung bemerkenswert. Beim Hunde jedoch fallen an 
zahlreichen Zellen das Fehlen einer charakteristischen Struktur, die 
nur geringen Zeichen einer Tätigkeit und ferner das reichliche Vor¬ 
handensein von Bindegewebe auf. 

Am Umschlagsteile der Hypophyse sind bei Hunden und Katzen 
nach der Thyreoidektomie keine Besonderheiten festzustellen. Ich 
möchte aber darauf hinweisen, daß besonders bei der Katze die 
schon bei der Ziege gefundenen durch den Umschlagsteil ziehenden 
Verbindungswege zwischen der Hypophysenhöhle und den Zellschläuchen 
des Gewebes der Trichterbekleidung deutlich ausgebildet sind (Fig 4, h). 
Bei meinen früheren Untersuchungen normaler Hypophysen ist mir, 
wie bei Ziegen so auch bei Hund und Katze, das Vorhandensein von 
Verbindungswegen zwischen der Hypophysenhöhle und den Zell¬ 
schläuchen der Trichterbekleidung mehr oder weniger entgangen. Aller¬ 
dings schrieb ich in jener Arbeit bezüglich der Hypophysenhöhle des 
Hundes und der Katze: „An beiden Enden der Höhle tritt eine 
deutliche, mitunter außergewöhnlich zahlreiche Verästelung zutage 
und zwar ist letztere am größten an der ventral von der Insertion 
des Trichters gelegenen Stelle. Die durchweg englumigen Ver¬ 
zweigungen (Ausläufer) erstrecken sich bis in die lateralsten Teile 
des Drüsenteiles und bis auf den Stiel. Ich habe in Sagittalschnitten 
Stellen beobachten können, wo ein Ausläufer des einen Endes der 
Höhle in gewundenem Verlaufe zum anderen Ende zog, um daselbst 
wieder in die Höhle einzumünden. Die Verhältnisse der Hypophysen¬ 
höhle gleichen im großen und ganzen denen des Hundes.“ Ich 
möchte an dieser Stelle der Wichtigkeit dieser Verhältnisse wegen 
noch einmal kurz auf diesen Gegenstand hinweisen. Nach meinen 
neuerlichen Befunden ist es ganz zweifellos, daß die Hypophysenhöhle 
mit den Zellschläuchen der Trichter bekleid ung durch besondere Gänge 




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TRAUTMANN 


Figur 4. Saj'it. t a! so hüi t t- durch di <■ H y |M tjf h \ so Mi .ihr d o r M*. di a.n <;* 4 $ ja <■ » 
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der Trichterbeklmduj^ ^Au^ühruvf^-du nyp.-j'iivs.-uhüiiie), i Driiseulappcn, 






Einfluß d. Thyreoidektomie auf d. strukturelle Verhalten d. Hypophyse. 159 

in Verbindung steht. Diese Verbindungswege sind als Abführstraßen 
aufzufassen und haben ohne Zweifel den Zweck, das in die Hypophysen¬ 
höhle ergossene Sekret in die Zellschläuche der Triebterbekleidung 
zu befördern. Die Verbindungswege ziehen durch den Umschlagsteil. 
Sie bilden aber nicht, wie man annehmen könnte, genau die Grenze 
zwischen Drüsen- und Zwischenlappen. Die Gänge verlaufen bei der 
Katze schwach, beim Hunde aber stärker geschlängelt. Ihr Lumen 
ist beim Austritt aus der sich im mikroskopischen Bilde trichterförmig 
verjüngenden Hypophysenhöhle sehr eng und mit einem niedrigen, 
einschichtigen Zylinderepithel ausgekleidet, das ein ähnliches Aussehen 
wie die Schaltstücke des Ausführungsapparates der Speicheldrüsen 
besitzt. Wieviel solcher Abführstraßen durchschnittlich aus dem kra¬ 
nialen Ende der Hypophysenhöhle hervorgehen, konnte nicht mit Sicher¬ 
heit festgestellt werden. In den Serienschnitten einer Katzenhypophyse 
wurden elf solcher Gänge, die untereinander auch in Verbindung treten 
können, gezählt. Jeder Ausführungsgang kann in ein oder mehrere 
stark gewunden verlaufende Zellschläuche der Trichterbekleidung 
münden. Ob diese Gänge bei Hund und Katze nach der Thyreoidek¬ 
tomie infolge vermehrter Sekretabfuhr sich erweitern und infolgedessen 
deutlicher als in normalen Hypophysen sind, vermag ich nicht mit 
Sicherheit zu sagen, obwohl es allerdings den Anschein hat. Bei der 
Ziege ist es ganz bestimmt nach länger bestehender Athyrie der Fall, 
was deutlich an den zystischen Ausbuchtungen der Gänge erkennbar ist. 

Die durch stark lymph- und blutgefäßhaltiges Bindegewebe ge¬ 
trennten, stark geschlängelt verlaufenden Zellschläuche der Trichter- 
bekleidnng (Fig. 4, f), an denen bei der Katze auch alveoläre 
Ausbuchtungen sitzen, haben meist ein relativ großes Lumen und 
sind bei den untersuchten thyreoidektomierten Hunden und Katzen 
sehr stark angefüllt mit azidophiler, kolloidartiger Substanz, die in 
erheblicherer Menge als unter normalen Verhältnissen vorhanden ist. 
Der Zellbelag ist in den Zellschläuchen im Gegensatz zur Ziege ein¬ 
schichtig und besteht aus mehr oder weniger hohen, sich mit sauren 
Farben schwach färbenden Zylinderzellen, die im basisseitigen Drittel 
einen relativ großen kugeligen Kern enthalten und deren Cytoplasma 
deutliche Zeichen sekretorischer Funktionen erkennen läßt. Schon 
früher habe ich darauf hingewiesen, daß von allen in der Hypophyse 
sich findenden Geweben gerade dieses mantelartig den Trichter um¬ 
hüllende, bisher viel zu wenig beachtete Gewebe im mikroskopischen 
Bilde am allerersten mit dem Schilddrüsengewebe verglichen werden 
kann, dem es höchstwahrscheinlich auch funktionell ziemlich nahesteht. 



160 


TRAUTMANN, 


Die am Hirnteil der Hypophyse thyreoidektomierter Ziegen 
auftretenden Veränderungen sind bei der Katze nicht erkennbar. 
Weder am stark blutgefäßhaltigen bindegewebigen Gerüst noch 
an den gliösen und nervösen Elementen sind erhebliche Ab¬ 
weichungen von der bekannten Struktur festzustellen. Beim Hunde 
liegen die Verhältnisse anders als bei der Katze. Vor allem fällt 
der Bindegcwebareichtum in den Hypophysen thyreoidektomierter 
Hunde, die längere Zeit nach der Thyreoidektomie gelebt haben, auf. 
Besonders sind die zahlreichen weiten Blutgefäße von Bindegewebe 
stark umscheidet. Weiter zeigt das zwischen dem Bindegewebe liegende 
Gliagewebe des Hirnteiles beim Hunde ein anderes mikroskopisches 
Bild, als es normalerweise vorgefunden wird. An der Neuroglia 
beobachtet man an zahlreichen Stellen degenerative Prozesse, die sich 
in einem körnigen Zerfall des aus protoplasmatischen und kernführen¬ 
den Substanzen bestehenden und Gliafasern enthaltenden Gewebes 
äußern. Bei einem Hunde, der 7 Wochen nach der Thyreoidektomie 
an Tetanie starb, waren diese Veränderungen an der Glia ziemlich 
erheblich. Auffälligerweise hatte die Thyreoidektomie auf die übrigen 
Abschnitte der Hypophyse dieses Tieres kaum einen merklichen 
Einfluß ausgeübt. 

Die dem Zwischenlappen entstammenden kolloidartigen, 
hyalinen, kugeligen Körper sind beim Hunde wie bei der Katze 
in reicher Menge vorhanden und zwar viel reichlicher als in normalen 
Hypophysen. Beim Hunde sind sie besonders zahlreich und liegen, 
oft haufenweise zusarameu (Fig. 5, c). Die schon makroskopisch be¬ 
merkte starke Durchtränkung des Hirnteiles mit zäher, milchiger 
Flüssigkeit scheint auf das Vorhandensein dieses reichlich im Hirn¬ 
teil liegenden Zwischenlappensekrets zurückzuführen zu sein. Be¬ 
züglich der Größe und Tingierbarkeit dieser Kolloidkugeln ist nichts, 
was sich von dem normalen Verhalten unterscheidet, zu bemerken. 

Von Herring wird das Vorhandensein der zahlreichen Kolloidkugeln mit 
einer nach der Thyreoidektomie einsetzenden erhöhten Produktion der Zwischen¬ 
lappenzellen zu erklären versucht. Das entspricht aber besonders beim Ilundo 
ganz und gar nicht dem strukturellen Verhalten des Zwischenlappens, dessen Zellen 
nach der Thyreoidektomie s hr geringe Zeichen von sekretorischer Tätigkeit zeigen 
Vielmehr scheint mir, daß die phagozytären und lokomotorischen Eigenschaften der 
Glia der Hypophyse durch die Thyreoidektomie wesentlich beeinträchtigt werden, 
so daß das in den Hirn teil ergossene Zwischenlappensekret nicht genügend ver. 
arbeitet werden kann und in größerer Menge im Gewebe des Hirnteiles liegen 
bleibt und eine ziemlich harte Konsistenz zu erreichen vermag. 

Zystenartige Bildungen und Pigmentansammlungen sind 
in keinem Falle in dem Gewebe des Hiruteiles der Hypophyse thyreoi- 




Einftui U Thyreoidcktomio auf d. strukturelle Verhalten d Hypophyse,. j r? \ 
jtüride und Katzen wahrzuncbra.cn. 

hör sein, daß da.« Z\vi§c1ienla'{»peörggweV>e•'Apezie I1 i*e> der Katze flach 
der Sehikidrii.senexstirpatuiii sieh h|it% in das de«; Hirüteiles ver¬ 
schieden tief eiflsenkt und dessen Diyke mitunter iganz durchziehen 
kann (Fis % d'j: 




Sagitt&IschniU durch diu Hypophyse (nahe der Mcdiaireboufe) eines 
li Tage nach dor Thyrnoi du ktrurui 6 getuteten Hundes.. 

<i Trichter, h IlirntoH, c IvtdhHdlsiifftJtn in Hauten zusammen hi-gcnd, d Hypophysen- 
holde, e Zvriäriieulappcn, f Drii.senläpptm 


Sehlußhetrachtuni:. 

Aus vorstehende» Porleetungen ergibt sieh, daß itti (it'gm.satz 
zu den Befunden ■ der . mt r «sum Autoren nach meinen Beobacht imsen 
zweifellos jo jeäenii : ;;Fitlie Vwldy.^ei' Herttiv^ön- l.Kaft'incheii/;'^j¥^. • #», 
auch bei Karnivoren (Hund, Katze, die Thyreoidektomie sifiikBirejle 
VeräoderüDgea iäi \rtri\ebd der Hypophyse hervorruft. Es kori'uuo 

Arthit ? V<aaen8öh a. prsdkl, iM. 44. Soppl. 




162 


TRAUTMANN, 


sowohl die Bestandteile des Drüsenlappens wie die des Zwischen¬ 
lappens und Hirnteiles sich an der Reaktion auf die Schilddrüsen¬ 
exstirpation beteiligen. Die Intensität der strukturellen Veränderungen 
ist jedoch in den einzelnen Teilen der Hypophyse bei Hund und 
Katze ganz verschieden. Die Thyreoidektomie wirkt auch bei Katzen 
oder Hunden und zwar bei den einzelnen Individuen innerhalb einer 
Tierart auf die Hypophyse durchaus ungleichmäßig ein. Fast bei 
jedem Tiere nimmt im Gegensatz zu Herbivoren das Auftreten der 
Veränderungen in den einzelnen Abschnitten der Hypophyse zeitlich 
einen anderen Verlauf. 

Soweit sich aus meinen Untersuchungen folgern läßt, treten bei 
Hunden nach der Thyreoidektomie im großen und ganzen die ersten sicht¬ 
baren Veränderungen im Hirnteil auf, dann ergreifen sie den Zwischen¬ 
lappen und schließlich den Drüsenteil. Bei der Katze reagieren Zwischen- 
und Drüsenlappen durch Strukturveränderung fast gleichzeitig auf die 
Thyreoidektomie, aber der Zwischenlappen viel intensiver als der 
Drüsenteil. Bei Herbivoren (z. B. Ziege) ist stets der Drüsenlappen 
relativ stark verändert, ehe der nach der Thyreoidektomie einsetzende 
Prozeß auf andere Abschnitte der Hypophyse übergreift. Gewisse 
Bestandteile des Hirnanhanges, wie z. B. die Hypophysenhöhle, Trichter¬ 
bekleidung, die längere Zeit nach der Schilddrüsenexstirpation bei der 
Ziege immer wesentlich von der normalen Struktur abweichen, ent¬ 
sprechen bei Hund und Katze meist vollständig dem normalen Ver¬ 
halten. Daß Rasseeigentümlichkeiten den verschiedenartigen Eintritt 
der Veränderungen in den einzelnen Abschnitten des Hirnanhanges 
bedingen, ist schwer anzunehmen. Es ist ferner verständlich, daß die 
Veränderungen in der Hypophyse der Karnivoren zum Teil nur 
einen gewissen Grad im Verhältnis zu Herbivoren erreichen können, 
da der durch die Mitentfernung der Epithelkörperchen bald eintretende, 
tödlich verlaufende tetanische Zustand bei Hund und Katze einer 
weiteren Entwicklung derselben Einhalt gebietet. 

Da die Art der Alterationen und die für letztere möglichen 
Deutungen (s. Hypophyse u. Thyreoidektomie, Frankf. Zeitschr. f. Pathol. 
ßd. 18. 1916) bei den untersuchten Karnivoren im großen und ganzen 
die gleichen sind wie bei Herbivoren, bei denen vermöge der anato¬ 
mischen Verhältnisse ohne weiteres die Herstellung einer reinen 
Thyreoidektomie möglich ist, so ist sicher, daß die Veränderungen in 
der strukturellen Beschaffenheit des Hirnanhanges auch bei Hunden 
und Katzen infolge der Entfernung der Schilddrüse und nicht etwa 



Einfluß d. Thyreoidektomie auf d. strukturelle Verhalten d. Hypophyse. 163 


infolge der Exstirpation der bei der Thyreoidektomie nur schwer zu 
schonenden Epithelkörperchen entstehen. Allerdings gewinnt man den 
Eindruck, daß auch das Fehlen der Epithelkörperchen nicht ohne 
Einfluß auf die Hypophyse bleibt, obwohl dies von einigen Autoren 
verneint wird. Insbesondere hat es den Anschein, daß der parathyreo- 
prive Zustand eine gewisse Wirkung dahin ausübt, daß gewisse Ab¬ 
schnitte der Hypophyse, nämlich der Hirnteil und der Zwischenlappen, 
viel früher und namentlich viel intensiver Abweichungen von dem 
normalen Bau erkennen lassen, als das bei Herbivoren in gleichen 
Zeiträumen nach der Operation der Fall ist, während der Drüsenlappen, 
dessen Reaktion auf die Thyreoidektomie gewöhnlich bei Herbivoren 
zuerst einsetzt und hier sehr deutlich ausgeprägt ist, nur verhältnis¬ 
mäßig geringgradige anormale Erscheinungen bei stets notwendiger, 
peinlichster und genauester mikroskopischer Durchsicht der Präparate 
zeigen kann. Beim Hunde kann es sogar Vorkommen, daß am Drüsen¬ 
lappen nach der relativ kurzen Lebensdauer, die diese Tiere nach 
der mit Entfernung der Epithelkörperchen verbundenen Thyreoidektomie 
haben, überhaupt nichts Anormales sich auffinden läßt. Daraus erklärt 
es sich auch, daß die Autoren, sobald sie an Hund oder Katze 
arbeiteten, keine oder kaum nennenswerte strukturelle Veränderungen 
am Drüsenlappen der Hypophyse beobachten konnten, weil einmal 
die Tiere schon früher an Tetanie starben, ehe sichtbare Alterationen 
am Drüsenteil zu erkennen waren, und weil ferner in der Regel von 
den Untersuchern, wie das auffälligerweise häufig auch bei Unter¬ 
suchungen normaler Hypophysen geschehen ist, nur dem Drüsenlappen 
der Hypophyse besonderes, eingehenderes Interesse zugewandt wurde 
und die anderen, innerhalb der Gesamtfunktion zweifellos sehr wichtigen 
Abschnitte der Hypophyse, in denen in jedem Falle bei Hund und Katze 
intensive, in die Augen springendere Veränderungen schon sehr bald 
nach der Thyreoidektomie gesehen werden können, gar keiner oder 
nur nebensächlicher Beachtung unterzogen wurden. 


11* 



V. 

Aus der Auswärtigen Klinik der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. 

Untersuchungen und Beobachtungen über die als Fest¬ 
liegen vor und nach der Geburt bezeichneten Krank¬ 
heiten. 

Von 

Ewald Weber. 

In den Monaten Januar bis Mai 1916, besonders im April und 
Mai, traten als Folge des ausnahmsweise trockenen Sommers 1915, 
der wie die von 1893, 1903, 1904 und 1911 scheinbar tadellose 
Futtermittel mit ungenügendem Gehalt an aufnahmefähigen Asche¬ 
bestandteilen hervorbrachte, im Tätigkeitsbereiche der auswärtigen 
Klinik die Fälle des Festliegens vor der Geburt bei Kühen und Ziegen 
in den Vordergrund. Dabei konnten mancherlei Beobachtungen gemacht 
werden, über die im folgenden berichtet werden soll. 

1. Das Auftreten der Krankheit. 

Etwa 4 Wochen vor der Geburt vermochten sich im Stalle ge¬ 
haltene hochtragende Ziegen jeden Alters und 5jährige und ältere 
Kühe nicht mehr zu erheben, nachdem meist einige Zeit vorher schon 
eine gewisse Kreuzschwäche bemerkbar gewesen war. Die Tiere er¬ 
schienen im übrigen als völlig gesund, bemühten sich aber vergebens, 
ohne Unterstützung in die Höhe zu kommen und waren nur imstande, 
sich bald auf diese, bald auf jene Seite zu legen. Manche Tiere be¬ 
wegten sich auch in mehr oder weniger hundesitziger Stellung ganz 
beträchtliche Strecken im Stalle vorwärts. In der Regel lautete 
der Vorbericht, die Kuh kann nicht aufstehen, ist sonst aber nicht 
krank. Betroffen wurde in unseren Kuhbeständen der Regel nach nur 
1 Tier, nur in einem Stalle erkrankten 2 Kühe; in den größeren Ziegen¬ 
beständen erkrankten dagegen nicht selten mehrere Mütter. 

Der Ernährungszustand der erkrankten Ziegen war beim Beginn 
des Leidens ausnahmslos gut bis sehr gut, in keinem Falle aber 



Festliegen vor und nach der Geburt. 


165 


schlecht, von den Kühen waren die Hälfte gut, die Hälfte dürftig er¬ 
nährt, nur eine befand sich in sehr gutem Ernährungszustände. Eine 
abnorme Ueberladung des Uterus mit Früchten oder Flüssigkeit war 
in keinem Falle vorhanden. Die kranken Kühe verteilten sich auf 
mittlere und kleine Bestände mit ausschließlicher Stallhaltung, als 
Kalben waren sie jedoch mitunter auf der Weide oder wenigstens in 
der Koppel gewesen. Ziegen erkrankten nur bei Häuslern, die die 
Tiere znm Stallaufenthalt oft schon in früher Jugend verurteilen, aber 
gut füttern und pflegen. 

Mit dem Einsetzen der Grünfütterung Anfang Juni war das ge¬ 
häufte Auftreten der Krankheit bei hochtragenden Tieren verschwunden, 
es kamen aber dann Einzelfälle bei nicht tragenden Kühen und Ziegen 
zur Beobachtung, die der soeben beschriebenen Krankheit vollkommen 
gleich waren. Betroffen wurden besonders gute Milchtiere und solche, 
die vor etwa 2 Monaten wegen Zurückbleiben der Nachgeburt mit 
Allgemeinleiden erfolgreich behandelt worden waren. 

2. Die Natnr der Krankheit. 

Die Krankheit betrachte ich als beginnende Knochenweiche. So¬ 
weit ich Zerlegungen erkrankter Tiere vorgenommen habe, konnten 
der Regel nach nur vermehrter Blutgehalt der Knochen, Umwandlung 
des Markes in eine weichschmierige, schmutzig gelbliche, fettige Masse 
und undeutliche Rippenauftreibungen festgestellt werden. Schneidbar 
waren die Knochen zumeist noch nicht, doch ließ sich die Wirbel¬ 
säule stets auffallend leicht spalten; hierbei war der Klang der Knochen 
matt. Zu beachten ist, daß mir in der Hauptsache nur beginnende 
Erweichungen Vorgelegen haben, da im Interesse der Fleichverwertung 
bei ungünstiger Prognose mit der Anordnung der Schlachtung nicht 
gezögert wurde. Nur bei 3 Ziegen und 1 Kuh, die längere Zeit 
schon krank waren, konnte ausgebildete Osteomalacie festgestellt 
werden (schneidbare Kopfknochen, vielfache Gelenkanschwellungen, 
deutliche Rippenauftreibungen). Entgegentreten muß ich besonders 
der Ansicht, daß es sich um eine reine Unterernährung infolge des 
Futtermangels handelte. Das ist bestimmt nicht der Fall. Die von 
mir behandelten Ziegen haben niemals gehungert, übereinstimmend 
haben mir die Besitzer versichert, daß sie wie jedes Jahr gefüttert 
haben, daß Futtermangel bei ihnen nicht besteht, und daß das Heu 
und das andere Futter „sehr gut aussieht und wie alle Jahre be¬ 
schaffen ist“. Und doch erkrankten die Ziegen in genau derselben 



166 


EWALD WEBER, 


Weise wie die Kühe, die ja nun freilich anders als in früheren Jahren 
gefüttert worden waren. 

Gegen das Vorliegen einer reinen Unterernährung sprechen auch 
neben der Tatsache des nur vereinzelten Auftretens der Krankheit im 
Frühjahr 1917 (auch bei Schweinen), das keinesfalls besser gefütterte 
Tiere als das vorhergehende sah, die Mitteilungen, die ich über die 
Behandlung des Leidens geben werde. 

3. Die Behandlung des Leidens. 

Mit der Behandlung der Krankheit habe ich sehr gute Erfolge 
erzielt, wenn das Tier möglichst vom Beginn der Erkrankung ab 
täglich etwa dreimal mit Hilfe des Johneschen Seiles oder durch die 
anderen bekannten Aufhebeverfahren auf die Beine gestellt wurde. 
Sind die Gehilfen geschickt, kräftig und willig, so versagt Johnes 
Seil nicht; andernfalls empfehle ich, die bekannten kleinen Hilfsmittel 
(Elektrizität, bissiger Hund, Kraftwagenhupe, Wasser in die Ohren) 
anzuwenden, damit sich die Kuh etwas hilft und das Aufheben leichter 
vonstatten geht. Ist die Kuh mehrere Male hochgehoben worden, 
so kennt sie die Leute bald und gibt sich selbst auch Mühe zum 
Aufstehen. In der ersten Zeit steht die Kranke meist nicht lange, 
doch bessert sich das recht bald. Während des Stehens lasse ich 
dann beide Hinterschenkel, besonders die Muskeln, etwa Stunde 
lang kräftig massieren und diese Massage möglichst oft wiederholen, 
damit die Muskeln ihre Arbeitsfähigkeit behalten und nicht auch den 
Tragdienst wie die erkrankten Knochen einstellen. Ich lasse dann 
weiter möglichst bald eine Boxe beziehen und Gehversuche machen. 
Bei Ziegen stellen sich dabei meist keine Schwierigkeiten in den Weg, 
umso größer sind sie aber bei Kühen. Den „Hemmnissen“ muß mit 
allem Nachdruck entgegengetreten werden. Merkwürdigerweise wollen 
manche Landwirte die Kuh zeitlebens im Stalle belassen, sie soll die 
Außenwelt niemals sehen! Das Marschieren wirkt aber recht gut 
[s. auch Ellenberger (25)]. 

Dieckerhoff (17), Heß (39), Honecker (42), Zehl (89), Dörr¬ 
wächter (19), Albrecht (28), J. Schmidt (70), Adelmann (2), 
Heidrich (36) und Boerner (11) behandeln die Krankheit ebenfalls 
mit Erfolg durch öftere Aufhebeversuche bzw. im Hängeapparat. Dagegen 
bezeichnet Moussu (54) das von Violct empfohlene Aufheben der Kuh 
sonderbarerweise als in der Praxis nicht ausführbar. Gegenüber dem 
Hängeapparat haben die Tierbesitzer liier eine unverständliche Abscheu, 



Festliegen vor und nach der Geburt. 


167 


viel lieber heben sie das Tier täglich dreimal hoch. Ich habe des¬ 
halb nur bei einer Kuh und einer Ziege das Hängen mit recht gutem 
Erfolge angewandt. Ich betone, daß man hierbei neben den bekannten 
Regeln in jedem Falle noch besondere anwenden muß, die sich eben aus 
dem gerade vorliegenden ergeben. Man muß hier sehr probieren. Erst 
behaupten die Besitzer stets, daß das Tier „herausgefallen“ sei und 
so fort. Man muß sich wundern, wie wenig geschickt in dieser 
Richtung viele Tierbesitzer sind. Der Stellmacher oder Schmied des 
Dorfes leistet dagegen meist gute Dienste. 

Wo der Hängeapparat anwendbar ist, soll er sicher in Tätigkeit 
treten. Er erleichtert die Behandlung doch ungemein. Bei der Ziege 
habe ich den Apparat stundenweise benutzen lassen, sie ging sehr 
gern in denselben hinein und ist nicht selten 3 Stunden lang drin 
geblieben. Die Kuh war dauernd aufgehängt, sie hat sich also 
4 Monate lang nicht gelegt. Sie ruhte in der Weise aus, daß sie nur 
den Brustkorb im Hängeapparate fest stützte, das Hinterteil aber nach 
hinten hinausfallen ließ, und die Hinterbeine bis zum Sprungbeinhöcker 
den Boden berührten. Die Lage sah sehr gefährlich aus, war aber 
ganz unbedenklich; so ruminierte die Kuh und ging auf Anruf in die 
normale Stellung über. Sie mußte dauernd hängen, weil infolge des 
früheren Aufhebens und Niederlegens an der nahen Wand letztere wahr¬ 
scheinlich oft gestreift worden war und infolgedessen am Hüftgelenk 
Druckbrand eintrat. Der abgestorbene Teil von der Größe eines 
Kinderkopfes ließ sich später nach Durchtrennung von einigen Sehnen 
leicht herausdrehen; die Außenfläche des Hüftgelenkes lag hiernach 
frei zu Tage. Die große Wunde heilte recht gut innerhalb von 

2 Monaten. Leider blühte bei der von Anfang an hustenden Kuh 

3 Monate nach Beginn der Behandlung die vorhandene Lungentuber¬ 
kulose lebensgefährlich auf, sodaß die Schlachtung erfolgte. 

Sehr genau sind nun weiter die ganz selten gepflegten Klauen 
nachzusehen, die regelmäßig einer Beschneidung bedürfen. Besonders 
bei Ziegen ist die Klauenpflege oft unter aller Kritik. 

Innerlich gebe ich je 50 g kohlensauren und phosphorsauren Kalk, 
auch Kochsalz auf 10 Zentner Lebendgewicht. [Nevermann (56)). 
Auch rate ich die Verabreichung kleiner Mengen von Fischmehl an. 
Im Notfälle wäre Buchenholzasche [120 g täglich, Dieckerhoff (17)J 
zu versuchen, wie auch die Anwendung von Jankes Emulsion (53a) 
und des neuerdings im Vordergrund stehenden Calcium chloratum 
(Kalz, Emanogen) in Frage kommen würde. Ibeles ^44) Vorschlag, 



168 


EWALD WEBER, 


bei Lecksucht Rohmelasse zu verabreichen, wäre ebenfalls bei unserem 
Leiden in Betracht zu ziehen. 

Großer Wert wurde dann weiter gelegt auf sehr gute Hautpflege, 
vor allem auf täglich wiederholtes Putzen [bereits von Dieckerhoff 
(17) empfohlen] und auf ein weiches, dichtes Lager zur Vermeidung 
von Druckbrand. Das weiche, hohe Sandlager [Rempt (64), de Bruin 
(15), Albrecht (28)] stand nirgends zur Verfügung, wohl aber wurden 
die Kranken vielfach mit Vorteil im Grasgarten gelagert [de Bruin (16)]. 
Anzufügen ist noch, daß eine genaue wiederholte Untersuchung und 
gegebenenfalls Behandlung des Herzens unerläßlich ist, um der sich nicht 
selten einstellenden Herzschwäche mit ihren Folgen rechtzeitig zu begegnen. 

4. Der Krankheitsverlanf. 

Die beschriebene Behandlung hat nur dann Aussicht auf vollen 
Erfolg, wenn sie möglichst zeitig und mit Ernst durchgeführt wird. 
Liegt das Tier schon 8 Tage, dann ist die Prognose natürlich zweifel¬ 
haft, aber nicht aussichtslos, wenn das Tier sonst gesund ist. Kühe, 
die länger als 8 Tage liegen, und bei den ersten Versuchen nicht 
hoch zu bringen sind, lasse ich schlachten, wie auch alle Kühe, die 
frühzeitig in Behandlung kommen, bei denen aber 3 Aufhebeversuche 
gänzlich erfolglos sind oder bei denen nach dem Emporrichten nach 
3 Tagen trotzdem gar keine Besserung zu verzeichnen ist, am besten 
als Fleisch verwertet werden. Der Erfolg tritt hierbei der Regel nach 
nicht mehr ein, weil die Hinterschenkelmuskeln schon stellenweise nekro¬ 
tisch und stark ödematös durchtränkt sind, oder weil sonst noch eine 
andere Erkrankung, die dem Tier die Kräfte verzehrt, vorhanden ist. 
Bei solchen Fällen fand ich dann noch abgeheilte multiple traumatische 
Gastriten oder akute bzw. hochgradige Tuberkulose, die die Hinfällig¬ 
keit und Schwäche der Tiere erklärten und die Anordnung der Schlachtung 
als berechtigt erscheinen ließen. 

Bei den geheilten Tieren verlief die Krankheit unter der beschrie¬ 
benen Behandlung in folgender Weise: 

Das Aufheben gestaltete sich allmählich leichter, die Tiere blieben 
von Tag zu Tag auch immer länger stehen, die Beine wurden lang¬ 
sam kräftiger, bis sich die Kranken, oft ganz unvermittelt, von selbst 
erheben konnten. Der Nährzustand ging dabei oft gewaltig zurück, 
auch oftmals dann noch, als die Tiere bereits freiwillig aufzustehen 
vermochten. Die Haut wurde allmählich auffallend hart. Das Ende 
der Gewichtsabnahme zeigte das Auftreten eines stark schuppenden, 



Festliegen vor und nach der Geburt. 


169 


mit Haarausfall verbundenen Ekzems der allgemeinen Decke an, das 
langsam ohne besondere Behandlung bei guter Hautpflege unter all¬ 
mählicher Körpergewichtszunahme abheilte. 

Zu erwähnen ist an dieser Stelle eine Beobachtung von Zieger (90), 
der nach dem trocknen Sommer 1903 einen Fall von Festliegen nach 
der Geburt bei einer Kuh beobachtete, die vollständig nackt geworden war. 

Dieser Krankheitsverlauf dauerte je nach seiner Ausprägung 
14 Tage bis 4 Monate. Trotzdem lohnte sich die Behandlung, denn 
die Preise für hochtragende Zuchtkühe standen auf etwa 1500 bis 
1800 M. für das Stück. Das verlorene Körpergewicht wurde all¬ 
mählich wieder vollkommen angesetzt, auch die Milchleistung richtete 
sich in jedem Falle befriedigend wieder ein. 

Die für Osteomalacie charakteristischen Knochenauftreibungen an 
den Rippen [s. Klimmer und Schmidt (47)] kamen bei einigen länger 
behandelten Kühen und Ziegen in geringem Maße zur Ausbildung, 
verschwanden aber allmählich mit der fortschreitenden Besserung des 
Allgemeinzustandes wieder. Nur bei einer Ziege kam ein Beckenbruch 
auf der Höhe der Krankheit zur Beobachtung, der in normaler Weise 
unter Kallusbildung heilte. 

Eine Ziege erschien auf der Höhe der Krankheit völlig gelähmt 
und zeigte während einiger Tage bei jeder Berührung ganz ungewöhnliche 
Schmerzen [s. Fröhner (29)]. Bei dem lebenden Tiere bildete sich 
mit der Zeit typische Osteomalacie des Kopfes (Aufgedunsensein, 
Biegsamkeit) aus. Der Besitzer hatte das Tier nicht nach unseren 
Anweisungen behandelt, insbesondere war es nicht aufgehoben worden. 
Eine Heilung ist auch nicht erfolgt. 

Von recht großem Interesse für meine Beobachtungen an Ziegen 
waren die Feststellungen von de Bruin (15), der das Festliegen vor 
der Geburt bei diesen Tieren ganz in meinem Sinne als ein Symptom 
der Osteomalacie bezeichnet. Leider ist de Bruin kein Anhänger 
des Aufhebens der kranken Tiere, daher erkärt es sich auch, daß er 
nur wenig von einer Behandlung erhofft und erklärt, daß die Tiere 
meistens durch Erschöpfung zugrunde gehen. 

Diese soeben beschriebene gehäuft auftretende Krankheit war die 
Veranlassung zu einer Durchsicht der Literatur über das Festliegen; 
dabei stellte sich heraus, daß eine zusammenfassende Arbeit noch 
nicht vorhanden ist und daß vor allem die Meinungen der Autoren 
teilweise recht erheblich von einander abweichen. Es soll deshalb an 



170 


EWALD WEBER, 


der Hand der von mir' bisher in der Praxis gesammelten Erfahrungen 
über die sämtlichen Sonderformen des Festliegens die vorhandene 
Literatur kritisch gewürdigt werden. 

Ueber die Behandlung sind in unserer Literatur die Meinungen ziemlich ge¬ 
teilt. Honecker (42) hatte recht gute Erfolge mit dem Aufheben der Kühe mit 
Hilfe seines durch Windenhölzer getriebenen Aufhebeapparates unter Benutzung 
von Massage, Coffeininjektionen (bis 15 g pro die), spirituösen Einreibungen und 
Elektrizität. Die letzten beiden Mittel wandte vor Honecker schon Hengst (37) 
im Jahre 1887 in einem Falle mit Erfolg an, während Dörrwächter (18 u. 19) 
nach IIo neck er sich in einigen Fällen dieser Mittel erfolgreich bediente. Auch 
Hergist (38) wandte Elektrizität mit Erfolg an. Subkutan regen an Fürthmaier 
(6 Fälle) (30), Wachsmann (1 Fall) (83) und Dieckerhoff (17) mit Veratrin, 
Neuwelt (55) mit Eserin, Dieckerhoff (17) und Fambach (26) (in Verbindung 
mit Salol) mit Pilocarpin, Wieland (85) mit Strychnin (2 Fälle beim Schwein, 
einer mit, einer ohne Erfolg) [s. auch Ellenberger (24) und Wehrbein (84)]. 

Ueber das von mir als erprobt befundene Aufheben habe ich mich 
vorn bereits verbreitet, auch über die Massage. Die Anwendung 
spirituöser Einreibungen halte ich für nebensächlich, ebenso mit Phi- 
lippi (60) und Boerner (11) die subkutane Injektion der meisten 
soeben genannten Mittel; ich habe sic wiederholt ohne jeden tatsäch¬ 
lichen Erfolg verwandt; vor Trugschlüssen bzw. Scheinerfolgen sei 
man gerade hier recht auf der Hut. Die Bemerkung von Honecker (42), 
Johne (45) und Woltmann (87), daß festliegende Kühe, die auf kein 
Heilmittel reagieren, oft ganz plötzlich aufspringen, wird durch die 
praktische Erfahrung gestützt. Die Anwendung der Elektrizität als 
Heilmittel halte ich für zwecklos-, als Hilfs- und Anregemittel beim 
Aufheben der Tiere dagegen mit Al brecht (4) für ganz ausgezeichnet. 

Einen besonderen Falt erwähnt Zimmermann (91): Nach Injektion von 0,1g 
Veratrin trat innerhalb Vz Stunde hochgradige Tympanitis und der Tod ein. 

Luftinsufflationen ins Euter und seine Massage empfehlen: Stazi (74), 1 Fall, 
Reinbold (62), 2 Fälle, Rabus (61), mehrere Fälle, Böhme (10), 3 Fälle, Wildt 
(86), 1 Fall, Albrecht (3), 1 Fall, Tavoni (78), 4 Fälle, Vicari (82), 1 Fall 
vor der Geburt, Oettle (57) mehrere Fälle, während Georges (31) in einem Falle 
keinen Erfolg verzeichnen konnte. 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die ersten acht Autoren und 
Tapken (76) leichte Formen des Kalbefiebers vor sich hatten. Al¬ 
brecht (3), Böhme (10), Rabus (61), Zehl (89) und Oettle (57) 
sagen mit Recht, daß es Fälle von Gebärparese gibt, bei denen die 
Blutleere des Gehirns nicht so stark in den Vordergrund tritt, die 
also lediglich unter dem Bilde des Festliegens verlaufen, ein Krank¬ 
heitszustand, den Heß (39) als erster beschreibt und als kompli¬ 
kationsfreies Festliegen nach der Geburt bezeichnet. Kann man des¬ 
halb leichtes Kalbefieber als Ursache des Festliegens nicht ganz sicher 



Festliegen vor und nach der Geburt. 


171 


ausschließen, so wende man unbedingt das Luftfilter an, die Wirkung 
wird zur endgiltigen Diagnose führen. Man fordere besonders nicht 
das an manchen Stellen beschriebene typische Krankheitsbild, das mit 
der Gehirnblutleere steht und fällt. Es gibt recht viele atypische 
Kalbefieberfälle, die unter Unruheerscheinungeu als Festliegen verlaufen 
und durch Luftinfiltration sehr bald zu heilen sind. Glücklicherweise 
gehen eine ganze Reihe von ihnen auch ohne entsprechende Behandlung 
nach Tagen in Heilung über [s. auch Tapken (77) und Berg (8)]. 
Die Angabe von Dieckerhoff (17), wonach kalbefieberkranke Kühe 
zum Unterschied von solchen mit Festliegen nach der Geburt den 
Kopf nicht aufzurichten vermögen, ist nicht in allen Fällen richtig. 

Georges (31) hatte nur in manchen Fällen plötzlichen oder allmählichen 
Erfolg mit kräftigen erregenden Einreibungen (Terpentinöl, Salmiakgeist, Kampfer¬ 
spiritus) und innerlichen Gaben von Strychnintinktur. Vielfach hat er die Tiere 
aber schlachten lassen, weil die Heilmittel versagten. 

Was Georges vor sich hatte, geht aus seinem Artikel nicht mit 
Sicherheit hervor, anscheinend hat er aber alle Formen des Festliegens 
und besonders wohl auch (Jahr 1904) Osteomalacie gesehen. Zu 
Georges’ Angabe bezüglich des manchmal plötzlichen Erfolges nach 
erregenden Einreibungen sei die Bemerkung Johnes (45) wiederholt, 
derHoneckers (42) Mitteilung, daß Tiere, die auf Massage, spirituöse 
Einreibungen, Coffein und Elektrizität nicht reagierten, oft ganz plötz¬ 
lich aufsprangen, als eine alte Erfahrung bezeichnet. Manchmal hat 
man sich tatsächlich bei Aufhebeversuchen mit dem halben Dorfe 
stundenlang abgemüht und läßt die Leute einmal außerhalb des Stalles 
verschnaufen, beim Wiedereintritt begrüßt einen aber die stehende Kuh. 

May all (52) benutzt als letztes Mittel beim Festliegen nach der Geburt 
Cantharidensalbe auf Lende und Sprunggelenke und Ammonium carbonicum und 
Nux vomica innerlich, Leipold (47a) sah gute Erfolge von der Einreibung von 
Senföl und Senfspiritus auf den Rücken, während Stazi (74) nach einer Scharfsalbe 
auf die Lende einen Rückfall beobachtete. 

Bei 2 in verschiedenen Ställen festliegenden, mit hochgradigem 
Durchfall behafteten, nicht tragenden Jungrindern und bei einem Reit¬ 
pferde, das in schwierigem Gelände mit hohem Gewicht plötzlich 
kreuzlahm wurde und zum Festliegen kam, konnte Mayalls Therapie 
von mir mit bestem Erfolge verwendet werden. Allerdings genossen 
die 3 Tiere beste Pflege, die Jungrinder wurden täglich mehrere Male 
hochgehoben, das Pferd befand sich im Hängezeug. 

Tempel (79) behandelte im Jahre 1904 vom Februar bis Juni eine Reihe 
von Fällen, meist hochtragende Kühe; er ist der Ansicht, daß der Krankheit eine 
Gelenkerkrankung vom Sprunggelenk abwärts, besonders aber eine äußere Ent¬ 
zündung des Sprunggelenkes, zugrunde liegt. Dementsprechend wendet er Frießnitz 



172 


EWALD WEBER, 


Umschläge mit Burow Mischung an, scheint aber in den meisten Fällen (für ihn ganz 
nebenbei) die Tiere auch hochheben bzw. die Aufstehversuche unterstützen zu lassen. 
Die Fälle ähneln den meinen aufs Haar und sind eine Folge des trocknen Som¬ 
mers 1908 [s. Edelmann (23)]. Als besondere Ursachen beschuldigt Tempel 
Kalkarmut des Bodens und Stallhaltung. Der Verfasser hat sicher beginnende 
Knochenweiche vor sich gehabt, ebenso wie Haubold (35) als Folge des trocknen 
Sommers 1893. Habicht (34) behandelte 6 Fälle nach und einen vor der Geburt; 
er stimmt im allgemeinen Tempel bei, setzt aber an Stelle der umständlichen 
Prießnitz Umschläge Einreibungen von 10 proz. Thigenolsalbe, über die er eine Binde 
recht dicht legt. Belli (7) sah 4 Fälle vor der Geburt, konnte aber eine Erkrankung 
der Gliedmaßen, insbesondere des Sprunggelenks, nicht feststellen. Grundmann (32) 
hatte beim sogenannten Festliegen vor der Geburt beim Rinde wiederholt sehr gute 
Erfolge mit Tempels Heilverfahren. 

Albrecht (4) wendet im Frühjahr 1912 beim Festliegen des Pferdes 
(2 Fälle, einer vor, einer nach der Geburt) Aufheben, Massage des M. quadriceps, 
spirituöse Einreibungen, Grünfutter, Kalk, Kochsalz, Eisen und Bewegung an. Als 
Ursachen beschuldigt er im 2. Falle eine Zerrung des Lendenkreuzbeingelenkes bzw. 
des Rückenmarks, im 1. Falle dagegen Halisteresis. 

Für mich sind Albrechts Angaben recht wertvoll und belehrend 
gewesen, weil er ausdrücklich betont, daß sein Fall vor der Geburt 
an diejenigen bei tragenden Kühen, bei denen später Knochenbrüchig¬ 
keit eintritt, erinnert. In der Tat gleichen meine Fälle dem von 
Albrecht vollkommen, auch in der Behandlung. Hinzu kommt, daß 
Albrechts Fälle nach dem trocknen Jahr 1911 in die Erscheinung 
traten. 

Dorn (20) leitet mit Hilfe von Glycerin künstlichen Abortus ein, sobald die 
Tiere noch mehr als 14 Tage bis zum Kalben haben, weil er im Gegensatz zu Diecker- 
hoff (17) der Ansicht ist, daß sich das Leiden nach erfolgter Geburt schnell bessert. 

Dieser Meinung vermag ich nicht beizustimmen; ich habe mehrere 
Kühe gesehen, die in 4—6 Wochen kalben sollten und die unter 
meiner Therapie noch vor der Geburt sich wieder selbständig erhoben 
und später normal abgekalbt haben. Auch kenne ich Kühe, die bei 
der Erkrankung noch 4 Wochen bis zur Geburt hatten und die erst 
etwa 14 Tage post partum ohne Hilfe wieder aufgestanden sind. Das 
hat auch Tapken (77) gesehen. Wenn auch, wie Dorn (20) angibt, 
die Glycerin-Einspritzung gut vertragen wird, so ist es doch unter 
allen Umständen für die Kuh und ihren Besitzer besser, wenn sie 
normal austrägt und lebensfähige Kälber zur Welt bringt. Für mich 
besteht die Angabe Dieckerhoffs (17) zu Recht, daß nur in Aus¬ 
nahmefällen infolge der Geburt die Krankheit gebessert und das Tier 
geheilt wird. Sehr beizustimmen ist ferner Albrecht (28), wenn er 
gute Hautpflege und Muskelmassage anrät, den künstlichen Abortus 
aber nur einleiten will in den Fällen, die durch zu große Früchte, 
Zwillinge, Eihautwassersucht verursacht sind, wenn die Erhaltung der 
Tiere bis zum Eintritt der natürlichen Gebart nicht zu erwarten ist. 



Festliegen vor und nach der Geburt. 


173 


Im folgenden soll nun eine Uebersicht darüber geboten werden, welche große 
Anzahl von Krankheitszuständen unter dem Bilde des Festliegens verlaufen können. 
Als Ursachen hierzu geben folgende Autoren folgendes an: 

Entzündungen, Quetschungen, Zerrungen bzw. Störungen in den Nerven 
der Nachhand: Flusser (27), Harms [zit. nach J. Schmidt (70)], Strebei (75), 
St. Cyr (76), Röder (68), Heß (39), Fröhner (29). Dem widerspricht Franck 
[zit. nach J. Schmidt (70)] mit der Begründung, daß die Nerven zu geschützt 
liegen. Röder (67) hat nun aber in 3 Fällen durch die Zerlegung eine Quetschung 
und Entzündung des N. ischiadicus festgestellt und ausdrücklich betont, daß dieser 
Nerv während einer Schwergeburt durchaus nicht so geschützt liegt, daß seine 
Quetschung unmöglich wäre. 

Gefäßerkrankungen der Nachhaud: Richter (65): Ein auf der Teilungsstelle 
der Aorta descendens reitender Thrombus. Seltenreich (72): Arteriitis petrifi- 
cans der hinteren Aorta und ihrer nach den Hintergliedmaßen abzweigenden Aeste 
bei einem Jungbullen. Hartenstein [zit. nach Tapken (76)]: Blutgerinnsel in 
den Oberschenkelvenen. 

Anämie bzw. Hydrämie: Bo ein er (11). 

Erkrankungen des Rückenmarkes: St. Cyr [zit. nach Tapken (76)], St. 
Cyr und Violet (69), Trasbot (76), Mollereau (76) (als Folge von Mastitis), 
Albrecht (28), Vermast (81), Dieckerhoff (17), Ebinger (22) (Lipom im 
Rückenmarkskanal). 

Schwäche, Dehnungen, Entzündungen, Infiltrationen, Blutungen und Zer¬ 
reißungen der Muskeln der Nachband: Dieckerhoff (17), Heidrich (36), Breß 
(14), Heß (39), Vermast (81), de Bruin (16), J. Schmidt (70). 

Seröse Durchtränkung der breiten Beckenbänder: J. Schmidt (70), 
Levens (49). 

Dehnung und Zerreißung des Bandapparates des Kreuz-Darmbeingelenkes 
(Luxation): Guillebeau und Heß (33), Stockfleth [zit. nach J. Schmidt (70)], 
J. Schmidt (70), Albrecht (28), Strebei (75). 

Ruptur des unteren Kreuz-Darmbeinbaades: Dieckerhoff (17), Levens (49). 

Luxationen des Hüftgelenkes: Levens (49). 

Zerrnng des Lendenkreuzbeingelenkes: Albrecht (28). 

Luxationen und Contusionen: de Bruin (16), Tapken (77). 

Entzündungen, Quetschungen bzw. Ausdehnungen (Hochträchtigkeit) oder 
Verletzungen des Uterus geben als Ursache an: Heß (39), Frank [zit. nach 
Zehl (89)], Strebei (75), Schurink [zit. nach Heß (39)], St. Cyr [zit. nach 
Tapken (76)], Tapken (76), Albrecht (28), Fröhner (29). 

Torsio uteri: Train (80). 

Retentio secundinarum : St. Cyr [zit. nach Tapken (76)], Hol terbach (41). 

Becken-, Lendenwirbel- bzw. Kreuzbeinbrüche oder Trennung der Becken¬ 
symphyse: Ebersberger (21), Guillebeau und Heß (33), St. Cyr [zit. nach 
Tapken (76)], de Bruin (16), Tapken (77). 

Schwergeburt mit traumatischen Läsionen: Tapken (76). 

Gelenkerkrankungen: Strebei (75), St. Cyr (76), Albrecht (28), Hutyra 
und Marek (43). 

Gelenkerkrankungen vom Sprunggelenk abwärts: Tempel (79), Ha¬ 
bicht (34). 

Rheumatismus: Heß (39), J. Schmidt (70), Dieckerhoff (17), Fara- 
bach (26). 

Traumatische Magenentzündungen: Ohler (58), Dorn (20), Ade (1), 
Heß (39), Dieckerhoff (17). 

Leberentartnng: Dieckerhoff (17). 

Labmagensarkom: Dieckerhoff (17). 



174 


EWALD WEBER 


Eitrig-jauchige Peritonitis: Heß (39), St. Cyr [zit. nach Tapken (76)]. 

Ueberfütterungen: Tempel (79). 

UebermäBige Fütterung von Kartoffeln, Melasse, RübenBchnitzeln, Palm- 
knchen: Dieckerhoff (17). 

Hochgradige Magen Versandung : Wucher (88). 

Mangelhafte Ernährung und Haltung: Haubold (35), Ohler (58), Tap¬ 
ken (77), St. Cyr [zit. nach Tapken (76)], Franck [zit. nach Tapken (76)], 
de Bruin (16), J. Schmidt (70), Dieckerhoff (17). 

Ermüdende Fuß-und Eisenbahntransporte: Di eckerhoff (17), Tapken (77). 

Kalte Zugluft: Dieckerhoff (17). 

Knochen weiche: Tapken (77), St. Cyr [zit. nach Tapken (76)], Franck 
[zit. nach Tapken (76)], St. Cyr und Violet (69), Richter (66), Al brecht (4), 
de Bruin (15 u. 16), Klimmer und Schmidt (47). 

Allgemeine Körpersehwäche, Kachexie, Erschöpfung: Tapken (77), 
Strebei (75), de Bruin (16), J. Schmidt (70), Dieckerhoff (17), Hutyra 
und Marek (43). 

Tuberkulose des Gehirns, der Lendenwirbel, der Rückenwirbel; alte 
Lungentuberkulose mit akuter Miliartuberkulose: Guillebeau und Heß (33), 
Dieckerhoff (17). 

Mastitis phlegmonosa mit oder ohne Polyartbritis, Mastitis gangraenosa, 
Mastitis septica: Heß (39). 

Pachymeningitis baeteritica: Guillebeau und Heß (33). 

Akute Puerperalseptikämie: Heß (39). 

Emphysem im Parametrium: Ott (59). 

Chronischer Darmkatarrh: Born (12). 

Ich möchte noch hinzufügen: Hochgradige Durchfälle bei Jungrindern, 
traumatische Verletzungen der Nachhand bei Reitpferden, diffuse Lymphadenie 
des Labmagens und Herzens. 

Wenn man diese lange Reihe überblickt, so ist der Schluß be¬ 
rechtigt, daß hier Wandel geschaffen werden muß. Wir müssen fordern, 
daß die nackte Diagnose „Festliegen“ oder „Festliegen vor oder nach 
der Geburt“ tunlichst eingeschränkt, wenn nicht ganz vermieden wird. 

Läßt sich die Diagnose Festliegen gsanz vermeiden? — 
Das Festlicgen vor der Geburt ist, soweit es gehäuft in einer Gegend 
oder einem Stalle auftritt, ausnahmslos auf beginnende Osteomalacie 
zurückzuführen; die Ursache ist Kalkarmut der Futtermittel. Den 
Beweis für diese Ansicht liefern insbesondere die erkrankten Ziegen, 
die bei genügender Dauer der Erkrankung und mangelhafter Behandlung 
mit der Zeit typisch an Knochenweiche erkranken (im Leben: Kau¬ 
beschwerden, aufgedunsene weiche Kopfknochen, getötet: schneidbare 
Kopfknochen). Daß man beim Rinde die ausgeprägte Osteomalacie 
seltener zu sehen bekommt, braucht wirklich nicht zu verwundern; das 
Rind ist so wertvoll, daß es der Regel nach viel zeitiger geschlachtet 
wird, als die Knochenweiche sich pathologisch-anatomisch typisch aus¬ 
bilden kann. Außerdem liegt sich das schwere Rind gegebenenfalles 
schnell durch und muß schon deshalb schleunigst beseitigt werden. 



Festliegen vor und nach der Geburt. 


175 


Mit Tapken (76 u. 77) möchte ich ferner behaupten, daß sich Osteo- 
noalacie manchmal beim liegenden Tiere schwer oder gar nicht feststellen 
läßt. Auch Klimmer und Schmidt (47) betonen mit Recht, daß an¬ 
erkanntermaßen beginnende Osteomalacie ziemlich schwer zu erkennen ist. 

Diese Tatsachen erscheinen wichtig für die Beurteilung von nicht 
wenigen Literaturangaben. Außerdem enthalten sie den Fingerzeig, 
in solchen Fällen die Rippen, Gelenke und Kopfknochen zu beachten. 
Mir sind 2 besonders lehrreiche hierher gehörige Fälle bekannt ge¬ 
worden: Im ersten lautete die Diagnose Epilepsie bei der Ziege; die 
genaue klinische Untersuchung ergab jedoch typische Knochenweiche, 
die auch durch die Zerlegung einwandfrei festgestellt wurde; im 
zweiten sollten sogar eiserne Bügel, die die Standplätze trennten, die 
Ursache zu den zahlreichen „abgeheilten Rippenbrüchen“ sein. Die 
Bügel wurden tatsächlich entfernt, die Rippenauftreibungen dafür immer 
häufiger. Dieser besonders interessante Fall trat im Frühjahr 1917 
auf und beweist die Richtigkeit der von mir vertretenen Ansichten: 

In einem größeren Rinderbestande zeigten sich gegen Weihnachten 1916 bei 
fast allen Rindern geschwollene Gelenke (Carpus) und Rippenauftreibungen; als 
Ursache beschuldigte man die obigen Bügel. Dann wurde Mitte Januar 1917 eine 
Kuh hochtragend, die 8 Tage vor dem Ende der Trächtigkeit zum Festliegen kam; 
sie kalbte ab, mußte aber dann wegen Unheilbarkeit geschlachtet werden. Hoch¬ 
gehoben wurde sie nicht. In dieser Weise folgten dann bis März noch 9 hoch¬ 
tragende Kühe, die das gleiche Schicksal ereilte. Eine hochtragende Kuh mit typischer 
Knochenweiche lag zwar vor der Geburt nicht fest, konnte aber nach dem Kalben 
schlecht aufstehen; sie wurde wegen schlechter Milchleistung und Zurückgehen im 
Nährzustande geschlachtet. Nur 2 hochtragende Kühe des Bestandes kamen nicht 
zum Festliegen; sie hatten auch verdickte Carpalgelenke (die Rippen erschienen 
gesund), lieferten aber eine befriedigende Milchmenge. 

Bei allen erkrankten Rindern ist das vom von mir erwähnte Exanthem aufge¬ 
treten, 1 Kuh hatte auch im Leben deutlich verdickte Kieferknochen. In dem Bestände 
bot sich dann auch Gelegenheit, den Anfang der Krankheit zu beobachten; die 
Tiere konnten schlecht stehen, sie entlasteten die Vorderbeine ständig abwechselnd 
und stellten die Hinterbeine stark kuhhessig weit unter sich. 2 neugekaufte Kühe 
zeigten diese Erstlingserscheinungen nach 5 Monaten, um alsdann allmählich typisch 
zu erkranken. 

Wir haben also hier genau dasselbe Bild im Frühjahr 1917, 
ganz vereinzelt in der Gegend in einem Gute, das 1905 bereits wegen 
Knochenweiche den Rinderbestand einmal hatte abschaffen müssen; 
daher erklärt es sich auch, daß hier die Krankheit viel deutlicher, 
ausgeprägter und heftiger auftrat. Die Ursache lag eben in der Haupt¬ 
sache in der Bodenbeschaffenheit verborgen [bunter Sandstein, siehe 
Haubner (68)]. 

Nicht unerwähnt möchte hier bleiben die Ansicht von Lienaux (50), der die 
Ataxie bei Fohlen mit Recht als ein Symptom der Rachitis ansieht. 



176 


EWALD WEBER, 


Die vereinzelten Fälle von Festliegen vor der Geburt sind, 
soweit sie ohne wesentliche Störung des Allgemeinbefindens einher¬ 
gehen, ebenfalls als beginnende Knochenweiche aufzufassen. Wenn 
man den Ursachen nachgeht, warum gerade dieses eine Tier betroffen 
wird, so lassen sich meist aus früherer Zeit unterstützende Momente, 
die Prädispositionen geschaffen haben, in genügender Anzahl finden. 
Ich möchte erwähnen: Tuberkulose, Retentio secundinarum mit All¬ 
gemeinleiden, hohe Milchleistung, chronische traumatische Gastriten usw. 

Ist das Festliegen bei hochtragenden Tieren mit erheblicher 
Störung des Allgemeinbefindens begleitet, so stelle man die Diagnose 
auf spitze Fremdkörper; sie wird selten falsch sein. 

Das Festliegen nach leichten Geburten ist Kalbefieber; wichtig 
ist bei Erhebung der Anamnese die Feststellung, daß vor der Geburt 
eine Schwäche der Nachhand nicht bestanden hat. War sie vorhanden, so 
ist Osteomalacie zugegen. Die klassische Luftfiltertherapie entscheidet 
in Zweifelsfällen. 

Beim Festliegen nach schweren Geburten hat man es mit den 
verschiedenen traumatischen Läsionen der Nachhand zu tun, die vorn als 
Ursachen des Festliegens von den einzelnen Autoren angegeben worden 
sind. Vielfach wird man sich auf allgemeine Diagnosen beschränken 
müssen, weil genauere Feststellungen an den liegenden Tieren un¬ 
möglich sind. Die Diagnose traumatische Verletzungen der Nachhand 
dürfte aber stets besser sein als die Diagnose Festliegen nach der Geburt. 

Beim Festliegen nach der Geburt mit erheblicher Störung des 
Allgemeinbefindens ist unter Ausschluß des Kalbefiebers wiederum an 
spitze Fremdkörper zu denken. 

Das Festliegen nicht tragender Tiere, die vor längerer Zeit 
geboren haben, oder niedertragender Tiere kann ebenfalls als Osteo- 
raalacie anzusprechen sein. Begünstigend wirken auch hier über¬ 
standene Retentio secundinarum mit Allgemeinleiden, Tuberkulose, 
hohe Milchleistung u. a. Weiter kommen hier in Frage die Umfangs¬ 
vermehrungen des Hinterleibes, Ascites usw., die der Diagnosestellung 
keine Schwierigkeiten bieten. Den Durchfall als Ursache habe ich 
vorn bereits erwähnt. 

Das Hereinziehen der interessanten Lehre von den Vitaminen 
durch Reinhardt (63) und den Schweizer Menschenarzt Bayar d (6), 
bleibt vorläufig eben nur interessant. 

Es läßt sich sonach die Diagnose Festliegen sicher sehr ein¬ 
schränken, bei einigem guten Willen aber am besten ganz vermeiden. 



Festliegen vor und nach der Geburt. 


177 


Zum mindesten muß man fordern, daß zur Diagnose Festliegen die 
pathologisch-anatomische Diagnose in Klammern zugestellt wird. Stellt 
man aber umgekehrt zur pathalogisch-anatomischen Diagnose den 
Zusatz in Form von Festliegen vor (nach) der Geburt in Klammern, 
so dürfte der Sache zur Zeit am meisten gedient sein; denn viele 
werden sich vom Festliegen nicht sogleich trennen können. 

Auch G. Moussu (54), der in verschiedenen anderen hier in 
Frage kommenden Punkten eine besondere abweichende Stellung ein- 
niramt, fordert, daß man beim Festliegen sich nicht auf diese Dia¬ 
gnose beschränken, sondern die nähere Ursache ausfindig machen soll. 
Es gibt somit bei Moussu eigentlich keine Diagnose Festliegen. 

Wenn de Br ui n (16) sich auf den Standpunkt stellt, daß er nur 
eine Infiltration der Muskulatur des Kreuzes und Beckens unter Mit¬ 
wirkung anderer Ursachen, beispielsweise mangelhafter Ernährung, als 
Veranlassung zur Diagnose Festliegen vor der Geburt gelten lassen 
will, so muß man dem entschieden widersprechen. Es liegt kein 
Grund vor, diesen Veränderungen in der Nachhand eine Sonderstellung 
einzuräumen. Sie sind ebenso zu behandeln, wie de Bruin Osteo- 
malacie, Beinbrüche, Luxationen, Contusionen, schlechte Ernährung 
und Haltung usw., verbunden mit Festliegen, mit Recht behandelt, 
d. h. alle diese Zustände sind in die betreffenden Sonderabschnitte zu 
verweisen. Dann kennt auch de Bruin kein Festliegen mehr. 

J. Schmidt (70) will als Ursachen des Festliegens vor der 
Geburt (ohne anderweitige erkennbare Krankheitssymptome) gelten 
lassen große Schwäche des trächtigen Tieres infolge ungenügender Er¬ 
nährung oder infolge übermäßiger Umfangs- und Gewichtsvermehrung 
der Nachhand, seröse Durchtränkung der Kreuz- und Beckenmuskeln 
oder der breiten Beckenbänder, Lockerung des Kreuz-Darmbeingelenkes 
durch seröse Infiltration und Muskelrheumatismus. Alle anderweit er¬ 
kennbaren Leiden aber (Ascites, Hydrometra, Pyometra, Osteomalacie, 
Frakturen, Contusionen, Luxationen usw.) sollen in die betreffenden 
Sonderkapitel verwiesen werden. 

Ich möchte behaupten, daß es auch bei J. Schmidt eigentlich 
kein Festliegen vor der Geburt gibt, Muskelrheumatismus und die 
übrigen näher bezeichneten Ursachen sind als solche zu behandeln, 
alle anderen von ihm erwähnten Ursachen aber sind unter Osteomalacie 
zu gruppieren. Auch das Festliegen nach der Geburt gibt es bei 
J. Schmidt eigentlich nicht, alle Ursachen sind eben als solche 
unterzu bringen. 

Archiv f. wissenseh. n. prakt. Tierheiik. Bd. 44. Suppl. 


12 



178 


EWALD WEBER, 


Schlußsätze. 

Die nackte Diagnose Festliegen vor und nach der Geburt ist 
als nichtssagend tunlichst zu vermeiden. Zu ersetzen ist sie durch 
die Angabe des Leidens, das die Veranlassung zum Unvermögen 
aufzustehen darstellt. 

Hinter dem Festliegen vor der Geburt ohne besonderes Allgemein¬ 
leiden verbirgt sich in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle 
beginnende Osteomalacie. 

Bei der Behandlung der beginnenden Osteomalacie hochtragender 
Tiere ist neben der Kalk- und Phosphorsäurezufuhr der Hauptwert 
zu legen auf das Aufheben bzw. Aufhängen der Kranken und auf 
Massage der Hinterhand. Das Herz ist zu beachten. 

Die Prognose ist bei nicht komplizierten von Anfang an be¬ 
handelten Fällen günstig. 


Literatur. 

1) Ade, Festliegen bei Kühen. Münch, tierärztl. Wochenschr. 1912. S. 542. 

— 2) Adelmann, Das sogenannte Festliegen der Kühe. Mitteil. d. Ver. Bad. 
Tierärzte. 1914. Nr. 1. S. 1. — 3) Albrecht, Ein Fall von Festliegen nach 
der Geburt beim Rinde und Heilung durch LuftinOltration in das Euter. Wochen¬ 
schrift f. Tierheilk. 1906. S. 741. — 4) Derselbe, Festliegen beim Pferde nach 
der Geburt. Münch, tierärztl. Wochenschr. 1912. S. 713 u. Geburtshilfe beim 
Pferde. S. 640. Bd. VII. TI. 2 von Bayer - Fröhner, Handb. d. tierärztl. 
Chir. u. Geburtsh. 1913. — 5) Araaducci, Zwei Fälle von Festliegen vor der 
Geburt beim Rind mit tödlichem Ausgang. Giorn. soc. vet. Ital. 1903. p. 341. 
Zitiert nach Ellenberger-Schütz, Jahresber. üb. Vet.-Med. 1903. S. 158. — 
6) Bayard, 0., Ueber das Wesen der Gebärparese. Schweiz. Arch. f. Tierheilk. 
1916. S. 157. — 7) Belli, Festliegen vor der Geburt. 11 nuovo Ercolani. 1907. 
p. 500. Zit. nach Ellenberger-Schütz, Jahresber, üb. Vet.-Med. 1907. S. 179. 

— 8) Berg, Fälle von nicht typisch verlaufendem Kalbefieber. Maanedsskr. for 
Dyrlaeger. 1896. S. 321. Zit. nach Ellenberger-Schütz, Jahresber. üb. Vet.- 
Med. 1896. S. 125. — 9) Bidlot, Parapl^gie apres le part. Belg. bull. 1885. 
II. p. 283. Zit. nach Ellenberger-Schütz, Jahresber. üb. Vet.-Med. 1885. 
S. 98. — 10) Böhme, Beitrag zur Behandlung des Festliegens durch Luft¬ 
infiltration ins Euter. Wochenschr. f. Tierheilk. 1906. S. 901. — 11) Boerner, 
Kriegskrankheiten. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1915. S. 315. — 12) Born, Vete- 
rinarius. 1897. Nr. 18. Zit. nach Albrecht (28) und Ellenberger-Schütz, 
Jahresber. iib. Vet.-Med. 1897. S. 128. — 13) Bournay, J., Obstetrique vötö- 
rinaire. 1900. p. 227 et 453. (Mit Literatur.) — 14) Breß, Festliegen. Münch, 
tierärztl. Wochenschr. 1912. S. 184. — 15) de Bruin, Geburtshilfe bei den 
kleineren Haustieren. S. 68. Bd. VII. T. 2 von Bayer-Fröhner, Handb. d. 
tierärztl. Chir. u. Geburtsh. — 16) Derselbe, Die Geburtshilfe beim Rind. (3). 
1910. S. 99. — 17) Dieckcrhoff, Die Krankheiten des Rindes. (2). 1903. S. 340, 
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Festliegen vor und nach der Geburt. 179 

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12 * 



180 


EWALD WEBER, Das Festliegen vor und nach der Geburt. 


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(2). 1888. p. 225, 1029 et 1035. — 70) Schmidt, J., in Harms’ Lehrbuch d. 

tierärztl. Geburtshilfe. (4). 1912. II. S. 93, 520 u. 623. — 71) Schurink, Be- 
leediging van den Uterus, als vorzook van het vastliggen na de baring. Holl. Zeit¬ 
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1885. S. 97. — 72) Seltenreich, Arteriitis petrificans. Mitteil. d. Ver. Bad. 
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Zit. nach de Bruin (16). (2). S. 114.— 74) Stazi, L’insufflazione roammaria nella 
paraplegia da parto. Mod. Zooiatro. Parte prof. p. 1215. Zit. nach E1 len berge r- 
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das Festliegen der Kühe nach der Geburt. Monatsh. f. Tierheilk. 1895. S. 97. — 
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de Bruin (16). — 82) Vicari, Festliegen vor der Geburt. Münch, tierärztl. Wochen¬ 
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Geburt durch Veratrininjektionen. Ungarns Veterinärbericht. 1888. S. 269. Zit. 
nach Elienberger-Schütz, Jahresber. üb. Vet.-Med. 1889. S. 126. — 84) Wehr¬ 
bein, Ueber eine enzootische Polyneuritis junger Schweine. Monatsh. f. Tierheilk. 
1916. S. 541. — 85) Wieland, Das Festliegen nach der Geburt beim Schwein. 
Berl. tierärztl. Wochenschr. 1906. S. 835. — 86) Wildt, Festliegen einer Kuh 
post partum und erfolgreiche Behandlung mit Luftinfusion ins Euter. Münch, 
tierärztl. Wochenschr. 1912. S. 891. — 87) Woltmann, Zu dem Artikel von 
Dr. 0. Bayard: Ueber das Wesen der Gebärparese. Schweiz. Arch. f. Tierheilk. 
1916. S. 492. — 88) Wucher, Zur Aetiologie des Festliegens. Wochenschr. f. 
Tierheilk. 1908. S. 27. — 89) Zehl, A., Das Festliegen der Kühe nach der 
Geburt. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1908. S. 117. — 90) Zieger, G. A., Die 
Diagnose der Trächtigkeit des Rindes. Diss. Bern 1908. S. 55. — 91) Zimmer¬ 
mann, Veratrin bei Festliegen des Rindes. Münch, tierärztl. Wochenschr. 1911. 
S. 418. 



VI. 


Ichthyophthirius ellenbergi 

ein neuer Parasit des Karpfens. 

Von 


Benno Wandolleck. 

(Mit 2 Abbildungen im Text.) 


In Band 17 (1914) der Neudammer Fischereizeitung hatte ich 
auf Seite 242 eine vorläufige Mitteilung gemacht, die sich auf einen 
Schleienparasiten bezog. Der Schmarotzer war dem Ichthyophthirius 
raultifiliis ungeheuer ähnlich, unterschied sich jedoch von ihm in 
mehreren Hinsichten, besonders aber durch eine gänzlich andere Ent¬ 
wicklung und auch durch eine andere Lebensweise. Nach den Unter¬ 
suchungen von D. Fouquet, niedergelegt in Arch. Zool. expör., Vol. 5, 
1876, Seite 159, die auch bis jetzt vollgültig und nur unbedeutend 
ergänzt worden sind, ist der Ichthyophthirius raultifiliis ein holo- 
triches Infusor, das sich auszeichnet durch einen kreisrunden Körper, 
eine runde Mundöffnung und einen meist hufeisenförmigen sehr großen 
Kern. Spätere Beschreiber fanden, daß die Wimpern reihenweis in 
Meridianen stehen. Er macht seine Entwicklung am Boden der Ge¬ 
wässer durch. Die jungen Tiere schwärmen im Wasser umher und, 
wenn sie auf einen Fisch treffen, bleiben sie an seiner schleimigen 
Oberfläche haften. Durch eine unaufhörliche drehende Bewegung 
bohren sie sich nun in die Oberhaut des Wirtes ein, wo sie eine Zyste 
bilden, sich von den Säften, wohl auch von Teilen der Oberhaut nähren 
und dabei heranwachsen. Hat der Schmarotzer seine endgültige Größe 
erreicht, so platzt die Zyste, er fällt heraus und auf den Boden des 
Gewässers, scheidet dort sofort eine feine Hülle aus und beginnt 
seine Fortpflanzung, indem er in eine große Zahl von Teilstücken 
zerfällt, die nach beendigter Teilung sich sehr lebhaft in der Zyste 
bewegen, bis eins die Zyste durchbohrt und ins Freie gelangt. Durch 



182 


BENNO WANDOLLECK, 


dieses so entstandene Loch verlassen nun binnen kurzem alle Tochter¬ 
tiere die Zyste, um nun jedes für sich den Entwicklungsgang von 
neuem zu beginnen. Dadurch, daß zahllose Einzeltiere denselben 
Fisch treffen, kann es Vorkommen, daß mehrere Stücke in ein und 
dieselbe Hautzyste gelangen und dort nebeneinander liegen, so daß 
man oft Zysten trifft, in denen mehrere Einzeltiere von ganz ver¬ 
schiedener Größe eingebettet liegen. 

Dies sehr natürliche Vorkommnis soll nach der Ansicht der 
Autoren dazu geführt haben, daß mehrmals dem Ichthyophthirius 
auch eine Entwicklung auf dem Wirtstier zugeschrieben wurde. Diese 
Darstellung besonders auch die des Entwicklungsganges ist scheinbar 
sehr einleuchtend, sieht man sie aber genauer an, so ist darin eine 
unklare Stelle und zwar, was den Inhalt der Hautzyste betrifft. Der 
Schmarotzer muß sich nach dieser Darstellung binnen Kurzem in die 
Haut einbohren, die ihn infolge Wucherung umschließt und bis er 
seine fortpflanzungsfähige Größe erlangt hat, nicht entläßt; man kann 
ihn nur durch Herauspräparieren mit Nadeln frei bekommen. Danach 
dürften sich frei auf der Haut nur kleine Tiere finden, ausgewachsene, 
oder fast ausgewachsene aber stets von einer vom Wirt gebildeten 
Zyste umschlossen sein. Zysten, in denen mehr als ein Stück sich 
befinden, enthalten nur Mitbewohner, die, dicht nebeneinander liegend, 
von derselben Zyste umschlossen wurden. Es wird dann naturgemäß 
das zuerst reife Tier die Hautpustel als erstes verlassen; wie es das 
bewerkstelligt, ist nicht genauer beschrieben, die andern werden aber 
bis zum Heranwachsen noch in der Pustel verbleiben. Stets wird 
besonders betont, daß nur die Oberhaut von den Schmarotzern bewohnt 
wird, sie aber nie in die Kutis eindringen. Nach dieser Darstellung 
darf die Haut eines befallenen Fisches nur enthalten 1. kleine, eben 
dahin aus dem Wasser gelangte Parasiten, die infolge ihrer drehenden 
Bewegung im Begriff stehen, sich in die Epidermis einzubohren und 
die noch die Fähigkeit der Ortsveränderung haben und 2. von Pusteln 
umschlossene größere bis größte Stücke, die in ihrer Hautzyste bleiben 
müssen, bis sie diese zur Vornahme der Fortpflanzung sprengen und 
die in ihrer Pustel nur die Möglichkeit der Drehbewegung haben. 
Dabei ist noch zu betonen, daß, wenn sich der Entwicklungsgang so 
vollzieht, die eingebohrten Tiere eine recht beschränkte Ernährungs¬ 
möglichkeit haben; sie werden nur von den Stoffen ernährt, die der 
Fisch in die Hautpustel hinein gelangen läßt, in die Pustel, die er 



Ichthyopbthirius ellenbergi. 


183 


doch schon gewissermaßen zur Abwehr gegen den Schmarotzer.aus¬ 
scheidet, oder die unter dem Reiz des sich ständig kreisend bewegenden 
Schmarotzers hinein entleert werden. 

Ganz im allgemeinen und nicht gestützt auf irgendwelche Beob¬ 
achtungen hat für mich diese Darstellung immer etwas wie Unmögliches 
an sich gehabt. Trotzdem muß man sie als auf sicherer Grundlage 
beruhend annehmen und bei der Diagnostizierung von Hautkrankheiten 
sich nach ihr richten. 

Trifft man nun auf der Haut eines Fisches ausgewachsene und 
dabei noch frei bewegliche Infusorien, die dem bekannten Ichthyo¬ 
phthirius körperlich gleichen, dabei aber auch freie in typischer 
Teilung begriffene Stücke, so muß man glauben, es entweder, wenn 
die Aehnlichkeit der reifen Stücke noch so groß ist, mit einer andern 
Art zu tun zu haben, oder annehmen, daß vielleicht je nach Oertlich- 
keit oder Umständen eine andere Art der Entwicklung Platz greifen 
kann, ohne daß sie deswegen als abnorm zu bezeichnen sei. 

Ich nahm damals das Erstere an, wenn ich auch trotz der stets 
sehr bestimmt ausgesprochenen Ansicht aller Autoren zweierlei Ent¬ 
wicklungsgänge für möglich hielt. Diese Erwägung war auch deswegen 
nicht so ganz von der Hand zu weisen, da die allgemein gültige 
Darstellung dunkle Stellen hat, wo Zweifel Platz greifen können. 
Auch wäre zu bemerken, daß, wie bekannt, die Haut der Fische 
auf Angriffe irgendwelcher Art stets in erster Linie durch reichliche 
Schleimabsonderung antwortet. Dieser Schleim umschließt natürlich 
die Schmarotzer und wölbt sich darüber, so daß, wenn noch reichlich 
abgestoßene Zellen im Schleim verteilt sind, leicht der Eindruck einer 
vom Fisch ausgeschiedenen Hautpustel hervorgerufen werden kann. 
Was nun noch das Zusammenliegen verschiedener Generationen von 
Schmarotzern in einer Pustel betrifft — solche Pusteln könnten natür¬ 
lich leicht die Annahme von Fortpflanzungsvorgängen auf dem Fisch 
hervorrufen — so scheint mir dieses Vorkommen der Kritik auch nicht 
sehr Stand zu halten. Bei der Wahl einer Einbohrungsstelle sind die 
jungen Ichthyophthirii ja noch vollkommen frei und ich möchte 
glauben, daß doch da jeder lieber für sich eine besondere Nähr¬ 
stelle suchen und sich nicht dem Wettbewerb eines größeren Kame¬ 
raden aussetzen würde, der ihm doch sicher die Nahrung schmälert 
und sein Zurückbleiben verursachen muß. Die Sache wäre wahr¬ 
scheinlicher, wenn berichtet würde, daß sich die jungen Ichthyo- 



184 


BENNO WANDOLLECK, 


phthirii, wenn sie auf die Haut des Fisches auftreffen, gleich 
Geschossen an dem Punkte ihres Auftreffens auch einbohren müßten. 
Eine solche Annahme wäre aber doch wohl von der Hand zu weisen. 

Mein Material war damals nicht sehr reichlich, die befallenen 
Fische gingen zu schnell im Aquarium ein und, wenn mir auch reich¬ 
lich Schleim mit zahlreichen Parasiten zur Verfügung stand, so war 
ich doch genötigt, dies Material zu fixieren und hatte nicht die 
Möglichkeit weitere Beobachtungen am lebenden Tier zu machen. 
Es ist auch zu bemerken, daß die Beobachtung eines Entwicklungs¬ 
ganges in einer frei im Wasser liegenden Zyste viel einfacher und 
bequemer ist, als die einer Entwicklung, die sich auf einem großen 
Tier, wie es ein Fisch ist, vollzieht, das zum Zweck der Beobachtung 
seinem Element entnommen werden muß. Ich ließ es daher auch 
damals bei der vorläufigen Mitteilung bewenden, hoffend, daß bald 
wieder lebendes Material zur Untersuchung kommen würde. Diese 
Hoffnung hat mich aber getäuscht, und im Lauf der Zeit und bei 
wiederholtem Studium meiner Präparate habe ich meine Ansichten 
zu Gunsten der zweiten Auffassung geändert. Wenn ich auch bei 
meinen Tieren das reihenweise Stehen der Geißeln nicht beobachten 
kann, so ist im übrigen die Aehnlichkeit mit dem typischen Ichthyo- 
phthirius multifiliis so groß, daß ich annehmen möchte, der 
Ichthyophthirius multifiliis kann unter besonderen Umständen 
seine Entwicklung auch auf dem Fisch durchmachen, er bohrt sich 
in diesem Falle nicht in die Haut seines Opfers ein, sondern führt 
auf ihr ein freies Leben ohne Pusteln wie z. B. Chilodon oder 
Cyclochaeta und nährt sich von dem reichlich abgesonderten Schleim 
und den infolge der abnormen Schleimabsonderung zerfallenden und 
abgestoßenen Oberhautzellen. Daher in diesem Falle in der Haut des 
Fisches auch keine runden Löcher zu sehen sind, sondern größere 
Fehlstellen. 

Es war nötig, diese Sache des Längeren auszuspinnen, da die 
darin angestellten Erwägungen auch für das Folgende Wichtigkeit 
haben. Vor kurzer Zeit wurde mir diesjährige Karpfenbrut zur Unter¬ 
suchung eingesendet, von der der Besitzer annahm, daß sie an Sapro- 
legnien in Masse zugrunde gingen. Es zeigte sich aber sofort, daß 
Saprolegnien gar nicht in Frage kamen, sondern daß ein Hautparasit 
der Schuldige war. Freudig glaubte ich zuerst das lange sehnlichst 
erwartete Material an Ichthyophthirius multifiliis bekommen zu 



Ichthyophthirius ellenbergi. 185 

haben, aber ich sah bald, daß hier ein Fall vorlag, der von den andern 
sehr verschieden war. 

Die Haut der Fischchen zeigte sich wie mit feiner Grütze übersät, 
indem überall weiße Pünktchen in ihr eingebettet lagen, dazwischen sah 
man überall runde Löcher, die auch ineinandergeflossen waren, so daß 
größere Hautfehler sich zeigten, auch war die Bindehaut der Flossen 
eingerissen, kurz man sah das typische Bild eines von Ichthyo¬ 
phthirius multifiliis befallenen Fisches, wie es die Verfasser stets 
beschrieben haben. Der Parasit war aber ein ganz anderer. Ab¬ 
gesehen davon, daß er bedeutend kleiner war, als jener, war das 
Auffallendste die sehr zahlreichen verschiedenartigen Entwicklungs¬ 
stufen, in denen er in seinen Hautpusteln zur Beobachtung kam. 
Zwei-, Vier-, Achtteilungen usw. bis zur typischen Morula lagen überall 
zerstreut und dazwischen reichlich kleinste Einzeltiere, die eben die 
Mutterpustel verlassen hatten und nun an einer andern Stelle ihr 
Einzelleben begannen. Ich gebe hier die Photographie eines befallenen 
Fischchens in 3facher direkter Vergrößerung und die des Schwanzes 
desselben Fisches in ungefähr 6facher Größe. Während Abb. 1 gut 
den allgemeinen Eindruck der Verwüstungen wiedergibt, die die 
Schmarotzer auf dem Fisch hervorgerufen haben, wird man vielleicht 
mit einiger Mühe auf Abb. 2 auch die Zwei- und Vierteilungen wahr¬ 
nehmen können. Daß bei diesen Entwicklungsstufen jene bei Ichthyo¬ 
phthirius vorgebrachte Erklärung des Eindringens mehrerer Parasiten 
in eine Pustel angewendet werden könnte, ist ganz ausgeschlossen, jeder¬ 
mann wird sofort diese Gebilde als echte Teilungsstufen ansprechen. 

Leider waren die Fischchen und damit auch die Parasiten in 
sehr schwachem Formalin abgetötet worden und auf diesen Vorgang 
schiebe ich auch gewisse Plasmastrukturen und die geringe Färbbarkeit 
der Schmarotzer. 

Obgleich dem Ichthyophthirius multifiliis im Aeußeren ähn¬ 
lich, sind die Parasiten im ausgewachsenen Zustande doch kaum halb 
so groß. Einen Muud habe ich bei ihnen nicht feststellen können, 
ebenso wenig bei den toten Tieren natürlich ihre Bewegungsart Der 
wichtigste Unterschied zeigt sich aber in der Form und Größe des 
Kernes. Während er bei Ichthyophthirius multifiliis groß und 
hufeisenförmig gestaltet ist, muß man ihn hier als verhältnismäßig 
klein bezeichnen. Seine Form ist rund. Das Protoplasma ist von 
schaumigem Aufbau und gegen den zentral liegenden Kern hin ver- 




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BENNO ^xmotMCK 




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Ichthyophthirius ellenbergi. 


187 


dichteter, welcher Bau vielleicht auf die Art der Fixierung zu schieben 
ist. Die Parasiten liegen eingebohrt in der Haut, die sich anschwellend 
erhebt, der obere Verschluß scheint mir aber nur aus Schleim zu 
bestehen, denn ein geringes Anstoßen mit der Präpariernadel befreit 
die Parasiten sofort. Man findet sie überall auch auf der Hornhaut 
des Auges, was aber das Wichtigste ist und sie von Ichthyophthirius 
multifiliis unterscheidet, auch in der Kutis und zwar nicht selten. 
Das Tier macht seine Entwicklung auf dem Fisch durch und zwar 
durch Teilung, die. jungen Tiere verlassen die mütterliche Pustel, um 
sich an anderer Stelle einzubohren, vielleicht haben sie auch die 
Fähigkeit den Fisch zu verlassen, um auf einen anderen überzugehen. * 
Liegen die Parasiten auf den Flossen, so entstehen dort natürlich 
Fehlstellen und Zerreißungen. 

Ich muß betonen, daß die Fische auch noch von Dactylogyrus 
befallen waren, ich glaube aber, und den Eindruck wird wohl jeder 
beim Betrachten der Photos haben, daß die Hautparasiten wohl voll¬ 
kommen genügen werden, um das befallene Opfer auch ohne Beihilfe 
sicher zu töten. Jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, daß wir es 
hier mit einem noch nicht beschriebenen Parasiten zu tun haben, noch 
nicht beobachteten, möchte ich nicht sagen; denn ich bin überzeugt, 
daß er wohl, wenn er zur Beobachtung kam, mit Ichthyophthirius 
multifiliis verwechselt wurde. 

Ich schließe den Parasiten an die Gattung Ichthyophthirius 
an und bezeichne die Art zu Ehren des Herrn Jubilars, dem diese 
Festschrift gewidmet ist, mit dem Artnamen ellenbergi. 



VII. 

Ueber den P- und Ca-Stoffwechsel des Pferdes 
bei alleiniger Haferfütterung. 

Von 

Arthur Scheunert. 

Die Folgen einer alleinigen Haferfütterung an Pferde sind experi¬ 
mentell bisher nicht eingehend erforscht worden, doch sprechen ältere 
und neuere Erfahrungen dafür, daß eine solche Fütterung nur kurze 
Zeit ohne Schädigung durchgeführt werden kann. Nach kurzer Zeit 
verweigern in solcher Weise gefüttertere Pferde die Aufnahme des 
Hafers, erkranken in mehr oder minder schwerer Form an Verdauungs¬ 
störungen und gehen sogar zugrunde. Ohne Zweifel liegt es für die 
Fütterungspraxis durchaus fern, Hafer als alleiniges Futter zu ver¬ 
wenden, doch ist es unter besonderen Verhältnissen z. B. in Gegenden 
mit knappen Rauhfuttervorräten, bei Transportschwierigkeiten u. a. 
wohl möglich, daß zeitweise auf eine Rauhfutterbeigabe ganz oder 
zum Teil verzichtet werden muß, so daß man zu einer reinen Hafer¬ 
fütterung gelangt oder sich ihr nähert. In solchen Fällen werden die 
eingangs erwähnten Futterverweigerungen und Erkrankungen eintreten 
können. Die Ursachen hierfür liegen nicht ohne weiteres und offen¬ 
sichtlich zutage, zumal da der Hafer alle zur Deckung des Nahrungs¬ 
bedarfes nötigen Nährstoffe enthält und seit jeher als der wichtigste 
und bekömmlichste Teil der gebräuchlichen Futterration sich eines 
wohlbegründeten Rufes erfreut. 

Im allgemeinen wird man wohl geneigt sein, anzunehmen, daß 
bei alleiniger Ilaferfüttcrung das Nahrungsvolumen zu gering ist und 
auch die im Hafer enthaltenen unverdaulichen Bestandteile nicht 
genügen, um das fehlende Rauhfutter in seiner physiologischen Wirkung 
auf die Mechanik der Verdauung zu ersetzen. Sicherlich spielt die 
ungenügende Füllung des Verdauungstraktus eine große Rolle. Vor 
allem die distalen Darmabschnitte erhalten wegen der hochgradigen 



lieber den P-und Ca-Stoffwechsel des Pferdes bei alleiniger Haferfütterung. 189 

Verdaulichkeit des Haters nur wenig Inhalt und entbehren deshalb 
des mechanischen Anreizes der zur normalen Arbeit ein physiologisches 
Bedürfnis ist. Die Folgen hiervon sind Störungen in den mechanischen 
Darmfunktionen, die wieder Koliken und Entzündungen, in fortge¬ 
schritteneren Fällen Schrumpfungen und Darmverschlingungen mit töd¬ 
lichem Ausgang bedingen. 

Hiermit sind aber die schädlichen Folgen alleiniger Haferfütterung 
nicht erschöpft. Neben dieser mechanischen Schädigung infolge 
ungenügenden Gehaltes an unverdaulichen Bestandteilen tritt noch eine 
chemische Schädigung auf, die in einer Störung des Mineral¬ 
stoffwechsels zum Ausdruck kommt. Die bei der Verbrennung des 
Hafers entstehende Asche weist nämlich einen beträchtlichen Ueber- 
schuß an Säureäquivalenten auf, so daß bei Haferfütterung eine Zufuhr 
von Basen durch andere Futtermittel notwendig ist, wenn nicht eine 
Ueberschwemmung des Körpers durch Säuren stattfinden soll. Ferner 
ist die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß infolge des 
geringen Gehaltes des Hafers an gewissen basischen Mineralbestand¬ 
teilen auch der Bedarf des Körpers an diesen nicht gedeckt wird. 
Doch ist mangels genauerer Kenntnis des tatsächlichen Bedarfes an 
diesen Stoffen eine Entscheidung hierüber zur Zeit nicht möglich. 

Die Frage der Säureüberschwemmung haben A. Morgen und 
C. Beger 1 ) vor kurzem an Kaninchen mit Hilfe zahlreicher Versuche 
behandelt. Sie konnten dabei zeigen, daß Kaninchen bei alleiniger 
Haferfütterung eingehen, daß es aber durch Beigabe von Natrium¬ 
bikarbonat gelingt, die Tiere am Leben zu erhalten. Sie kommen dabei 
zu dem Ergebnis, daß als Ursache der beobachteten schädlichen 
Wirkung in erster Linie eine Säurevergiftung anzusehen ist, die darauf 
zurückzuführen ist, daß die im Hafer vorhandenen basischen Mineral¬ 
stoffe nicht genügen, um die bei der Verbrennung der Haferproteine 
gebildeten Säuren vor allem Phosphor- und Schwefelsäure zu neutra¬ 
lisieren. 

Ich bin nun in der Lage, die Folgen der alleinigen Haferfütterung 
an einem Pferde mit Hilfe eines Mineralstoffwechselversuches darzu¬ 
tun, bei dem die Einnahmen und Ausgaben eines Versuchspferdes an 
Phosphorsäure und Kalk während einer mehrtägigen Versuchsperiode 
quantitativ ermittelt wurden. 

1) Ueber den schädlichen, auf eine Säurevergiftung zurückzuführenden Einfluß 
einer ausschließlichen Haferfütterung. Zeitschr. f. physiolog. Chemie. 1915. Bd 94. 
S. 324. 



190 


ARTHUR SCHEUNERT, 


Zur Vorgeschichte des fraglichen Versuchs sei Folgendes erwähnt. 
Der Versuch ist bereits im Jahre 1911 ausgeführt worden und gehört 
zu einer großen Anzahl von Versuchen über den Mineralstoffwechsel 
des Pferdes, die ich mit meinem im Felde leider allzu früh verstorbenen 
treuen langjährigen Mitarbeiter Oberveterinär Dr. Schattke ausgeführt 
habe. Diese Versuche bilden einen Teil einer umfangreichen noch 
unvollendeten Bearbeitung des Osteomalazieproblems, die ich im Jahre 
1909 in Angriff genommen hatte. Sie mußten ebenso wie zahlreiche 
andere das gleiche Problem behandelnde Versuchsreihen mit Ausbruch 
des Krieges- unterbrochen werden und sind deshalb noch nicht zum 
Abschluß gekommen. Die Gedankengänge, die zur Anstellung des 
zu schildernden Versuches führten, liegen außerhalb des Rahmens 
dieser Mitteilung, es sei nur erwähnt, daß wir zu der Arbeitshypothese 
gelangten, daß es möglich sein müsse, durch kalkarme aber phosphor¬ 
säurereiche Nahrung einem ausgewachsenen gesunden Pferde Kalk 
zu entziehen. 

Da bei alleiniger Haferfütterung die verlangten Verhältnisse der 
P- und Ca-Zufuhr bestehen und uns das Verhalten des Pferdes bei 
alleiniger Haferfütterung auch aus fütterungstechnischen Gründen inter¬ 
essierte, wurde ein Fütterungsversuch unter gleichzeitiger Bestimmung 
der Einfuhr und Ausfuhr von Phosphorsäure und Kalk eingeleitet. 

Anordnung des Versuches: 

Anfangs Mai 1911 wurde ein Pferd erworben und zur Gewöhnung 
an die Institutsverhältnisse, sowie zur Feststellung seiner Geeignetheit 
zu dem geplanten Versuche bei einer Ration 11 U. Hafer, 600 g Häcksel 
und 2250 g Heu in der Institutsstallung gehalten. Bewegt wurde es 
täglich 1—2 Stunden. Nachdem sich das Tier nach etwa 3 wöchiger 
Haltung als gesund und geeignet erwiesen hatte, begann am 6. Juni 
der eigentliche Versuch, der sich wie folgt gestaltete. 

Vorperiode: 6. Juni bis 14. Juni. Ration: 11 u. Hafer, Bewegung 
täglich 1—2 Stunden an der Longe oder unter dem Reiter. 

Hauptperiode: 15. Juni bis 24. Juni. Ration: 11 4t Hafer, 
Bewegung wie bisher. Das Tier trug während der ganzen Zeit Harn- 
und Kotbeutel. 

Während die Vorperiode ohne jeden Zwischenfall verlief, zeigte 
das Pferd in der Hauptperiode zweifellose Folgeerscheinungen der 
Haferfütterung. Zunächst traten schon am 15. Juni vorübergehend 



Ueber den P-und Ca-Stoffwechsel des Pferdes bei alleiniger Haferfütterung. 191 

und geringgradig Kolikerscheinungen auf, doch blieb bis zum 22. Juni 
die Nahrungsaufnahme befriedigend. Es wurde dabei sehr viel Speichel 
abgesondert, die Getränkaufnahme schwankte sehr. Am 22. traten 
wiederum vorübergehende leichte Kolikerscheinungen auf und der Appetit 
ließ von diesem Tag an nach. Der Harn war stark sauer geworden, 
bei der Bewegung zeigte sich das Tier unlustig und ermüdete sofort. 
Nachdem es einige Minuten iu Bewegung gehalten worden war, zeigte 
es außerdem auffällige Lahmheit. Am 24. verweigerte das Tier den 
Hafer der Morgenmahlzeit, so daß wir genötigt waren 200 g Häcksel, 
und zur Anregung des Appetits 20 g Kochsalz zuzugeben. Außerdem 
gaben wir, um das vorhandene Basendefizit auszugleichen, 20 g Natrium- 
azetat und beabsichtigten in einer weiteren Periode den Einfluß dieser 
Beigabe festzustellen. Dies mißlang aber, da das Pferd am 25. und 
26. die Nahrung völlig verweigerte und immer matter und hinfälliger 
wurde. Der Versuch wurde deshalb abgebrochen, durch sofortige 
reichlichen Zufütterung von Rauhfutter gelang es, das Tier wieder¬ 
herzustellen. 

Zur Untersuchung der Ausscheidungen wurden die innerhalb 24 Stunden 
entleerten Harn- und Kotmengen gesammelt. Der Harn wurde in große Flaschen 
gefüllt, mit Chloroform haltbar gemacht, gemessen und zur Analyse zurückgestellt. 
Die innerhalb 24 Stunden entleerte Kotraenge wurde nach sorgfältigem Zerkleinern 
und Durchmischen gewogen und von ihr ein Teil zur Analyse auf dem Wasserbade 
eingetrocknet, lufttrocken gemacht und in verschlossenen Gefäßen aufbewahrt. 

Die Bestimmung von Kalk und Phosphorsäure erfolgte in der Tagesmenge, 
also nicht in den Mischkoten und Mischharnen der ganzen Perioden. 
Die analytischen Bestimmungen erfolgten nach den üblichen Methoden. Da das 
Material oft große Schwierigkeiten bietet, sind die Bestimmungen nicht leicht aus¬ 
zuführen, sondern erfordern viel Erfahrung und Geduld. Die einzelnen Methoden 
seien im Folgenden kurz skizziert. 

l. Kalkbestimmung. 

a) Kot. Die abgewogene Kotmenge wurde in großen Kicselsäureschalen ver¬ 
ascht und die Asche mit Hilfe konzentrierter Salpetersäure weiß gebrannt. Alsdann 
wurde mehrmals mit konzentrierter Salzsäure abgeraucht und hierauf mit verdünnter 
Salzsäure aufgenommen. Die Lösung wurde mit Ammoniak überneutralisiert, mit 
Essigsäure schwach angesäuert, Natriumazetat und Eisenchloridlösung in üblicher 
Weise zur Entfernung der Phosphate zugegeben, aufgekocht und abfiltriert. Der 
Eisenniederschlag wurde nochmals umgefällt und das Filtrat hiervon mit dem Haupt¬ 
filtrat vereinigt. Aus den vereinigten Filtraten wurde das Calcium bei ammoniakali- 
scher Reaktion mit Ammoniumoxalat in üblicher Weire gefällt und als CaO zur 
Wägung gebracht. 

b) Harn. Die abgemessene Quantität Harn wurde mit Ammoniak und 
Ammoniumoxalat gefällt, abfiltriert, ausgewaschen und das Filter mit Rückstand 
verascht. Die Asche wurde mit verdünnter Salzsäure aufgenommen und damit 
weiter wie oben angegeben verfahren. 



192 


ARTHUR SCHEUNERT, 


2. Phosphorsäurebestimmung, 

Kot oder Harn wurden nach Neumann verascht, wobei entsprechend den 
von Aron gegebenen Vorschriften verfahren wurde. Dann wurde mit Wasser ver¬ 
dünnt, aufgekocht und aus der warmen salpetersäurehaltigen Lösung die Phosphor¬ 
säure mit molybdänsaurem Ammoniak gefällt. Der Niederschlag wurde quantitativ 
gesammelt, in n/ 2 -Natronlauge aufgelöst, ti tri metrisch die verbrauchte Menge er¬ 
mittelt und auf P 2 0 6 umgerechnet. 


Ergebnisse des Versuches. 

Die Ergebnisse des Versuches sind in den beigegebenen Tabellen 
zusammengestellt, von denen Tabelle 1 die Einnahmen des Versuchs¬ 
tieres an Nahrung und die Ausgaben an Kot und Harn während der 
Versuchsdauer enthält. Tabelle 2 und 3 enthalten die Phosphorsäure- 
und Kalkbilanzen. 


Tabelle 1. 


Tag 

Ei 

n n a h m e n 

Ausgaben 

Ration 

Wasser 

ccm 

Kot 

g 

Harn 

g 

15. 6. 

5500 g 

Hafer 

5 500 

3710 

5300 

16. 6. 

5500 g 

r* 

10 500 

3330 

6400 

17. 6. 

5500 g 

» 

7 500 

3620 

4900 

18. 6. 

5500 g 

r> 

11 500 

3360 

7900 

19. 6. 

5500 g 

r> 

9000 

4260 

5500 

20. 6. 

5500 g 

r. » 

10 000 

3060 

4300 

21. 6. 

5500 g 

n 

2 500 

3530 

2620 

22. 6. 

5500 g 

n 

11500 

3710 

2700 

23. 6. 

5500 g 

n 

9 500 

3500 

3970 

24. 6. 

5500 g 

n 

19 000 

4610 

5600 


| +200 g Häcksel 

1 




Betrachten wir zunächst den Phosphorsäurewechsel (vgl. 
Tabelle 2 auf der nächsten Seite). 

Die täglich in der Nahrung verabreichte Menge hat eine durch¬ 
aus normale Höhe uud die Tabelle zeigt, daß sich das Versuchspferd 
damit auch im Gleichgewicht befunden hat. Die nach Beendigung 
des Versuches von der verabreichten Menge noch nicht wieder aus¬ 
geschiedenen 10,5 g sind ein so geringer Prozentsatz der Gesamt¬ 
menge, daß es nicht gerechtfertigt erscheint, andere und weitergehende 
Schlußfolgerungen auf sie zu gründen. 

Will man dieses aber dennoch tun, so zeigt diese Retention an, 
daß es dem Tier in den letzten Versuchstagen nicht mehr gelungen 
ist, die gesamte Phosphorsäure zu entfernen und zwar ist diese 
Schwierigkeit etwa erst vom 20. April an eingetreten. Bis zum 19. 



Ueber den P- und Ca-StoSwechsel des Pferdes bei alleiniger Haferfütterung. 193 

Tabelle 2. P 2 0 6 -Bilan«. 


Tag 

Einnahme an 
P 2 0 5 in 

Ausgabe an P t 0 6 
in 

Ration 

Kot 

Harn 

Summe 


g 

g 

g 

g 

15. 6. 

43,95 

80,28 

17,52 

47,80 

16. 6. 

43,95 

28,10 

11,75 

39,85 

17. 6. 

43,95 

30,79 

12,32 

43,11 

18. 6. 

43,95 

26,11 

13.26 

39,37 

19. 6. 

43,95 

87,65 

11,54 

49,19 

20. 6. 

43.95 

24,62 

11,93 

36,55 

21. 6. 

43,95 

29,93 

12,14 


22. 6. 

43,95 

28,89 

13,54 

42,43 

23. 6. 

43,95 

27,56 

12,91 


24. 6. 

44.93 

34,45 

14.73 

49,18 


440,48 

— 

— 

430,02 


■» >» T *«“ < ÄTmI 

Im Körper verblieben 10,46 g 


sind Aasgabe and Einnahme fast gleich, von da ab bleiben die Aus¬ 
scheidungen etwas zurück, um endlich am 24. nochmals anzusteigen. 
Dies könnte durch die vermehrte Kotentleerung an diesem Tage und 
wohl auch durch die gleichfalls an diesem Tage erfolgte Verabreichung 
von Natriumazetat erklärt werden, wodurch dem Tiere wieder Base 
zur Neutralisation der Phosphorsäure geboten wurde. Im übrigen 
könnte auch der in den letzten Tagen des Versuches beobachtete 
Schwächezustand des Tieres und der schließlich zur Verweigerung 
des Hafers führende Appetitsmangel mit als Zeichen dafür aufgefaßt 
werden, daß sich der Organismus der Ueberschwemmung“ mit Säure 
nicht mehr erwehren konnte. 

Wie schon angedeutet, will ich auf diese Erörterungen und Schlu߬ 
folgerungen einen besonderen Wert nicht legen, da die Phosphorsäure¬ 
retention von 10,5 g mir nicht als genügend sichere Grundlage er¬ 
scheint. Es genügt, aus dem Versuch zu schließen, daß das Tier die 
Phosphorsäure hat ausscheiden können. Die Tabelle beweist aber und 
hierauf lege ich Wert, daß das nur durch eine eingreifende Umstellung 
des P-Stoffwechsels möglich gewesen ist. Während nämlich ein normal 
mit Hafer und Heu also genügend Basen haltiger Nahrung gefüttertes 
Pferd fast die gesamte Phosphorsäure in Form neutraler Phosphate 
durch den Darm ausscheidet, findet in unserem Falle 1 / i —7s der 
Phosphatausscheidung durch die Nieren statt. Zur Erläuterung sei 
aus einem anderen meiner Versuche angeführt, daß ein mit 10 tt. Hafer, 

▲r«hiY f. wisaenaeh. o. prakt. Tierheilk. Bd. 44. 8 uppl. j 3 














194 


ARTHUR SCHEUNERT, 


600 g Häcksel und 2250 g Heu gefüttertes Pferd täglich 0,1—0,5 g 
Phosphorsäure durch den Harn und etwa 40 g durch den Darm aus¬ 
schied. Im vorliegenden Falle bei reiner Haferfütterung schied das 
Tier dagegen 12—17 g durch den Harn und nur etwa 30 g durch 
den Darm aus. 

Da die Menge des mit" der Nahrung zugeführten Phosphors 'durch¬ 
aus nicht zu hoch gewesen ist, sondern völlig dem entspricht, was 
ein normal gefüttertes Pferd zu erhalten pflegt, kann die Ursache 
für die Veränderung der Ausscheidung mur durch einen Mangel 
an Basen und insbesondere Kalk erklärt werden. Infolge dieses 
Mangels war es nicht mehr möglich, die Phosphorsäure in die zur 
Ausscheidung durch die Darmwand nötige Bindung überzuführen. 
Der Basenmangel mußte infolgedessen eine vermehrte Bildung saurer 
Phosphate im Gefolge haben, deren vermehrte Anwesenheit im Körper 
die normale Reaktion und Konzentration von Blut und Gewebssäften 
gefährdete. Die Ausscheidungsorte dieser sauren Phosphate sind die 
Nieren. Das Auftreten saurer Harnreaktion geht mit der vermehrten 
Anwesenheit saurer Phosphate Hand in Hand. 


Tabelle 3. CaO-Bilanz. 



Einnahme an CaO in 

Ausgabe an CaO in 

Tag 

Ration 

Wasser 

Summe 

Kot 

Ham 

Summe 


g 

g 

g 

g 

g 

g 

15. 6. 

5,184 

0,19 

5,374 

9,99 

3,93 

13,92 

16. 6. 

5,184 

0,36 

5,544 

12,62 

3,60 

16,22 

17. 6. 

5,184 

0,26 

5,444 

11,69 

3,65 

15,34 

18. 6. 

5,184 

0,39 

5,574 

9,99 

2,06 

12,05 

19. 6. 

5,184 

0,81 

5,494 

19,24 

2,25 

21,49 

20 . 6. 

5,184 

0,34 

5,524 

7,77 

2,99 

10,76 

21 . 6. 

5,184 

0,10 

5,284 

9,93 

2,34 

12,27 

22 . 6. 

5,184 

0,35 

5,534 

9,84 

2,23 

12,07 

23. 6. 

5,184 

0,32 

5,504 

8,99 

2,74 

11,78 

24. 6. 

7,06 

0,65 

7,710 

13,84 

1,21 

15,05 


— 


56,986 

— 

— 

140,90 


In 10 Tagen 


aufgenommen 56,99 g 
abgegeben 140,90 g 


Vom Körper zugesetzt 88,91 g 


Das Vorhandensein eines Basenmangels und insbesondere eines 
Kalkmangels bei alleiniger Haferfütterung wird durch die Tabelle 3, 
die den Ca-Wechsel darlegt, in deutlichster Weise dargetan. Wir 
sehen aus ihr, daß das Pferd eine stark negative Kalkbilanz hatte, 



Ueber den P- und Ca-Stoffwechsel des Pferdes bei alleiniger Haferfütterung. 195 

also während der Versuchstage eine beträchtliche Menge Kalk aus 
seinen Beständen zugesetzt hat. 

Auch bezüglich der Ausscheidung der Kalziumsalze weichen die 
Verhältnisse bei unserem Versuche von der Norm ab. Unter normalen 
Fütterungsverhältnissen tritt etwa 1 / 3 des ausgeschiedenen Kalks, öfter 
noch etwas mehr im Harn zutage, im vorliegenden Versuch hingegen 
durchgängig weniger. Vor allem aber ist die im Laufe des Versuchs 
eintretende Abnahme der Kalkausscheidung im Harn auffällig. Ich 
erblicke darin einen Ausdruck der immer größeren Schwierigkeit, die 
für das Tier in der Beschaffung der benötigten Kalkmenge bestand. 

Betrachten wir den Versuch in seiner Gesamtheit, so ergibt sich, 
daß infolge der einseitigen Ernährung mit einem P- reichen, aber an 
basischen Mineralbestandteilen insbesondere Ca armen Futtermittel 
eine tiefgehende Störung des Mineralstoffwechsels hervorgerufen 
worden ist. Die Untersuchung des P-Stoffwechsels zeigte, daß es dem 
Organismus ungemein schwierig gewesen ist, die gebildeten Phosphor¬ 
säuremengen zu binden und auszuscheiden. Da ihm dazu die nötigen 
mineralischen Basen nicht in der Nahrung zur Verfügung standen, 
trat eine wesentliche Verschiebung in der Art der Phosphatausscheidung 
gegenüber der Norm ein. Die Untersuchung des Ca-Stoffwechsels 
zeigt aber weiter, daß auch die Kalkdepots des Organismus und zwar 
in recht erheblichem Maße angegriffen worden sind, so daß ein Kalk¬ 
defizit von 83,9 g in 10 Tagen festgestellt werden konnte. 

Danach hat also die alleinige Hafernahrung zu einer 
schweren Schädigung des Organismus geführt, die beim vor¬ 
liegenden Versuch infolge seiner Anordnung zwar nur im Verhalten 
der P- und Ca-Wechsels zum Ausdruck kommt, sicher aber den 
Mineralstoffwechsel in seiner Gesamtheit betrifft. 

Diese durch die chemische Untersuchung aufgedeckte Schädigung 
der alleinigen Haferfütterung fand auch durch das Verhalten des 
Versuchstieres während und besonders gegen Ende des Versuchs 
ihre Bestätigung. Das Tier war zweifellos erkrankt, Kräfte¬ 
verfall, Appetitlosigkeit, Aussehen und die Neigung zu Lahm¬ 
heit deuteten darauf hin. Zweifellos sind diese offensichtlichen 
Krankheitserscheinungen, insbesondere soweit sie von Darmerkran¬ 
kungen, in unserem Falle also den mehrfach beobachteten leichten 
Koliken herrühren, auch auf die fehlende Masse, auf den Mangel an 
Rauhfutter und die dadurch bewirkten Verdauungsstörungen zurückzu¬ 
führen. 


13* 



196 


ARTHUR SCHEUNERT, 


Mir scheinen diese Ergebnisse von erheblicher Bedeutung für 
die Fütterung der Pferde und die Erkenntnis von Zusammenhängen 
zu sein, die zwischen ihr und gewissen Erkrankungen bestehen 
können. 

Betrachten wir als übliche Nahrung der Pferde Hafer und Rauh¬ 
futter, so ruft nach den obigen Ausführungen der Wegfall des Rauh¬ 
futters Schädigungen des Tieres in zweierlei Richtung hervor: 

1. Darmerkrankungen durch Mangel an Füll- und mechanischem 
Reizmaterial für die Darmtätigkeit. 

2. Säurevergiftung und Basenverarmung durch die chemische 
Zusammensetzung des Hafers. 

Durch Beifütterung genügenden Rauhfutters wird die Möglichkeit 
der unter 1 genannten Schädigungen mit Sicherheit ausgeschaltet, nicht 
aber mit ebensolcher Sicherheit das Auftreten der unter 2 genannten. 
Damit auch dies geschieht, ist es notwendig, daß das Rauhfutter auch' 
einen Ueberschuß an basischen Mineralbestandteilen enthält. Heu 
erfüllt, sofern es normal zusammengesetzt ist, alle diese Anforderungen. 
Sobald aber das Heu, wie es in gewissen Jahren und Gegenden vor¬ 
kommt, arm an Kalksalzen und anderen Alkalisalzen ist, oder wenn 
es nur in sehr geringen Mengen zur Verfügung steht oder endlich bei 
Rauhfuttermangel anderweit ersetzt werden muß, ist es nicht ohne 
weiteres sicher, daß die im Beifutter enthaltenen Basen genügen, den 
bei der Verbrennung des Hafers im Stoffwechsel entstehenden Säure¬ 
überschuß zu neutralisieren. Dann wird also ein mehr oder minder 
erheblicher Säureüberschuß bestehen bleiben und die im vorstehend 
geschilderten Versuch experimentell erzeugte Mineralstoffwechselstörung 
auftreten. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, daß hierbei eine Kalk¬ 
verarmung festgestellt wurde und weiter auf eine Verarmung auch an 
anderen Basen geschlossen werden kann. Es besteht also die Möglich¬ 
keit, daß im Gefolge einer solchen ungünstig zusammengesetzten Futter¬ 
ration die kompliziertesten Krankheitsbilder auftreten können. Sie 
würden ihre Ursache sowohl in einer Schädigung des Organismus 
durch Verschiebung der Blut und Gewebsreaktion und Konzentration 
der Körpersäfte als in einer Verarmung an wichtigen Mineralbestand- 
teilen finden. Wenn der dem Organismus erwachsende Säureüber¬ 
schuß nur sehr gering ist, würden diese Schädigungen ganz langsam 
und allmählich auftreten und sich lange Zeit der Feststellung ent¬ 
ziehen. 



Ueber den P-und Ca-Stoffwechsel des Pferdes bei alleiniger Haferfütterung. 197 

Durch Verabreichung von geeigneten Alkalisalzen bei einer so 
unzweckmäßig zusammengesetzten Nahrung, vor allem aber durch die 
Verabreichung eines guten, zweckmäßig zusammengesetzten Rauhfutters 
könnten solche Schädigungen vermieden oder, sofern sie nicht schon 
zu weit fortgeschritten sind, gebessert werden. Die außerordentliche 
Bedeutung der Rauhfutterfrage und der Wert eines guten Heues für 
die Gesundheit unserer Pferde geht hieraus ebenso deutlich hervor, 
wie die Bedeutung des Hafers und die Rolle, die er bei der Ernährung 
spielt, von einer bisher wenig beachteten Seite erscheint. 



VIII. 


Weitere Inzuchtversuche mit vielhörnigen Ziegen. 

Von 

Prof. Dr. Robert Müller. 

(Hit 9 Abbildungen im Text) 


Id der Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungs¬ 
lehre, 1912, ßd. VII, H. 3, habe icli über einen Inzuchtversuch mit 
vierhörnigen Ziegen berichtet, welcher von der theoretischen Annahme 
ausging, daß durch Verwandtschaftszucht eine Vermehrung der Horn¬ 
anlagen stattfinden muß. Zu diesem Versuch hatte mich insbesondere 
die Ueberlegung gedrängt, daß ein experimenteller Beweis für die 
Häufung von Anlagen durch Inzucht nicht vorliegt und die Viel- 
hömigkeit ganz besonders geeignet erscheint, die Wirkung ver¬ 
wandtschaftlicher Paarung äußerlich sichtbar hervortreten zu lassen. 
Meine Vermutung, daß meine vierhörnigen Versuchsziegen bei Inzucht 
Nachkommen bringen müssen, die mehr als vier Hornanlagen auf¬ 
weisen, ist denn auch bestätigt worden. Ein ßoek mit ursprünglich 
vier Hornanlagen, die späterhin zu zwei sehr starken Hörnern ver¬ 
schmolzen, zeugte mit seiner zweihörnigen Schwester ein ßocklamm 
mit sechs Hornhöckern, von denen zwei kurz nach der Geburt mit¬ 
einander verschmolzen, und ein Mutterlamm mit ursprünglich fünf 
Hornanlagen. Die Abstammung dieser beiden mehr als vierhörnigen 
Ziegen möchte ich, um das Verständnis für die spätere Besprechung 
der Verwandtschaftsverhältnisse zu erleichtern, in einfacher und über¬ 
sichtlicher Weise hier wie folgt darstellen (Abb. 1). 

Gegen die Beweiskraft dieser beiden Fälle dafür, daß die 
Vermehrung der Hornanlagen durch Inzucht zustande kam, mochte 
man Zweifel erheben, doch läßt sich nicht leugnen, daß sie bedeutungs¬ 
voll genug waren, weitere Versuche lohnend erscheinen zu lassen. 
In dieser Ueberzeugung hatte auch Lang meine Versuche in seinem 



Weitere Inzuchtversuche mit vielhörnigen Ziegen. 


199 


großangelegten Werke „Die experimentelle Vererbungslehre in der Zoo¬ 
logie seit 1900, 1. Hälfte, Jena 1914“ einer ausführlichen Besprechung 
gewürdigt. 

Die weiteren Versuche, die sich über die Jahre 1913—1917 
erstrecken, haben nun folgende Beobachtungen zutage gefördert. 

Zunächst war mein Bestreben, die Vererbungsfähigkeit des mit 
sechs ursprünglichen Hornanlagen ausgestatteten Bockes kennen zu 
lernen. Ich paarte ihn 1. mit seiner Mutter, 2. mit seiner Tante, 
3. mit seiner Schwester und 4. mit seiner Tochter aus dieser 


Abb. J. 



Verbindung. Die Paarung mit der Mutter ergab nur zweihörnige 
Nachkommen: zwei männliche und ein weibliches Tier. Die beiden 
männlichen Tiere zeigten starke Hornhöcker mit breiter Grundfläche, 
das weibliche kleine mit runder Basis. Die Paarung mit der Tante 
brachte gleichfalls drei Lämmer, und zwar wieder zwei männliche und ein 
weibliches. Die beiden männlichen waren mit je vier Hornanlagen aus¬ 
gestattet, das weibliche besaß nur zwei. Bei dem einen männlichen 
Lamm waren die rechtsseitigen Hornanlagen verschmolzen, so daß das 
Tier nur drei Hörner bekam. Die Paarung mit der fünfhörnigen Ziege 
ergab zwei weibliche Lämmer, von denen eines vierhörnig war, mit 





200 


ROBERT HOLLER, 


der aus dieser Paarung hervorgegangenen zweihörnigen Tochter ein 
männliches Lamm mit zwei Hörnern. Trotz engster Inzucht traten 
also bei den Nachkommen des durch sechs Hornanlagen ausgezeichneten 
Bockes niemals mehr als vier Hornhöcker auf. Es kam mir daher 
der Gedanke, daß die verminderte Fortpflanzungsenergie des Bockes, 
der aus einer Geschwisterehe hervorgegangen, an dieser Nichtvererbung 
schuld sei. Diesem Gedanken nachgehend war ich nun bemüht, 
meiner Zucht neues Blut zuzuführen, um deren Befruchtungs- and 
Vererbungsfähigkeit zu stärken. Durch einen glücklichen Zufall ge¬ 
lang es mir, im Jahre 1914 einen vierhömigen Angorabastardbock 
zu erwerben, den mir eine alte Dame, auf meine Versuche aufmerk¬ 
sam gemacht, anbot. Mit diesem Angorabastardbock, der schwarz von 
Farbe und klein von Gestalt war, und mit einem Sohn von ihm nahm 
ich verschiedene Paarungen vor, die zu folgenden Ergebnissen führten: 

Den Angorabastardbock paarte ich mit der dunkelrehfarbigen 
zweihörnigen Mutter und mit der schwarzbunten vierhörnigen Tante 
des sechshörnigen Bockes, also mit zwei Schwestern. Die Paarung 
Angorabastardbock X zweihömige Ziege ergab 3 Lämmer: ein zwei- 
hörniges Bocklamm, ein zweihömiges Mutterlamm und ein vierhömiges 
Bocklamm. Aus der Paarung Angorabastard bock X vierhörnige Ziege 
gingen gleichfalls drei Nachkommen hervor: ein^Bocklamm und zwei 
Mutterlämmer, alle drei vierhömig. Unter Berücksichtigung des Ver¬ 
wandtschaftsverhältnisses lassen sich die Paarungsergebnisse des An¬ 
gorabastardbocks wie folgt übersichtlich darstellen (Abb. 2): 

Für die Beurteilung der weiteren Zuchterfolge ist von besonderem 
Interesse, daß die vierhörnige schwarzbunte Ziege, die von dem An¬ 
gorabastardbock befruchtet wurde, die Schwester desjenigen Bockes 
ist, der mit seiner anderen dunkelrehfarbigen Schwester das Bock- 
* lamm mit den sechs Hornanlagen hervorgebracht hatte. 

Um sonach die Inzuchtwirkung möglichst zu verstärken, wählte 
ich den Bock aus der Ehe Angorabastardbock X vierhörpige schwarz¬ 
bunte Ziege und paarte ihn mit der einen seiner beiden Schwestern; 
die andere war eingegangen. Aus dieser Verbindung entsprang nun 
ein Bocklamm, das schon wenige Tage nach der Geburt acht Horn¬ 
anlagen aufzuweisen hatte. Dieses Lamm ist reinweiß, während 
sein Vater schwarz mit weißem Bauch, seine Mutter schwarz mit 
weißen Abzeichen ist. Die Verteilung und Anordnung der acht Horn¬ 
anlagen läßt sich aus Abb. 3a und b erkennen. 

Kurze Zeit nach dem Hervortreten der Hornzapfen konnte man 
auf der linken Seite des Schädels fünf Hornanlagen unterscheiden: 



Weitere Inzuchtversuche mit vielhömigen Ziegen. 


201 


die äußerste einzeln, die vier anderen nebeneinander, je zwei mit¬ 
einander verwachsen. Rechts waren drei Hornanlagen zu erkennen: 



Abb. 3 a. 



links rechts 

Hörner schraffiert. Knochengrenze schwarz. 


Abb. 3 b. 



03 



Grundriß der Hornanlagen. 

Verteilung und Anordnung der Hornanlagen 
des achthörnigen Bockes. 


die beiden inneren verschmolzen, die äußere einzeln stehend. Ober¬ 
flächlich gesehen ragt auf dem Kopfe eine aus fünf Hörnern sich auf¬ 
bauende Krone empor (Abb. 4, J >, 6, 7). 










•V» * 








204 


ROBERT MÜLLER, 


Sehr interessant sind die Verwandtschaftsbeziohnngen des durch 
acht Hornanlagen ausgezeichneten Bockes. Sie sprechen ohne Zweifel 
zugunsten meiner Annahme, daß, die Vermehrung der Hornanlagen 
durch Inzucht begünstigt wird. Um diese Verwandtschaftsverhältnisse 
leichter überblicken zu können, lasse ich nachstehend eine Ab- 
stammungstafel des in Bede stehenden Bockes folgen (Abb. 8). 

Abb. 8. 



\i 


. braunb.iriw.Ahz. 

am 6 Homh. 2 ruery. 
m tnunära.Mngwß 

y 

( 


_ 


• ** Angora* « 
'Bastard, schwarz. 


mm 4.sdiwaizb. 


^ H schwarz 


^ 4, weiß. 

■ mw. Bauch. 


^ mw.Abz. 


W m. sthw.Abz. 


I i 

w 




Abstammung des Bockes mit 8 Hornhöckern. 

(Die Zahlen bedeuten die Hornanlagen.) 

Auch die weiteren Paarungen mit dem Sohn Angorabastardbock X 
vierhörnige schwarzbunte Ziege verdienen Beachtung. So gab dieser 
mit seiner Mutter zwei vierhörnige Bocklämmer. Mit der zweihörnigen 
dunkelrehfarbigen Ziege, der Mutter des mit sechs Hornanlagen aus¬ 
gestatteten Bockes, drei gleichfalls vierhörnige Lämmer, zwei weib¬ 
liche und ein männliches. 

Auch in diesen Fällen dürfte die auf die Blutauffrischung fol¬ 
gende Inzucht begünstigend auf die Vermehrung der Hornanlagen ein- 





Weitere Inzuchtrersuche mit vieihömigen Ziegen. 


205 


gewirkt haben, da alle Nachkommen vierhörnig sind. Des weiteren 
habe ich, um die Vererbungskraft des achthörnigen Bockes zu prüfen, 

Abb. 9. 


I 



Toi geboren. 


0 m. 2 Homanlager\grduweiß.| ■ m.ö Homanlagen. weiß 


0 m A Homanlagen, weiß. 0 m5 Homanlagen, weiß. 

verschiedene Paarungen in seiner Verwandtschaft vorgenommen. Von 
drei Paarungen liegen die Ergebnisse vor, die in Abb. 9 zusammen¬ 
gestellt sind. 




206 ROBERT MÖLLER, Weitere Inzuchtversuche mit vielhörnigen Ziegen. 

Es ergab sonach die Paarung des achthörnigen Bockes mit seiner 
Mutter ein Lamm mit sieben Hornanlagen, die Paarung des acht¬ 
hörnigen Bockes mit der zweihörnigen grauweißen Ziege, einer Tochter 
des fünf hornigen Bockes, dessen Abstammung ich auf S. 199 ersicht¬ 
lich gemacht habe, ein Lamm mit fünf Homanlagen. Weitere 
Paarungen, auch mit hornlosen Ziegen, sind geplant. 

Durch diese Versuche ist in mir die Ueberzeugung gefestigt 
worden, daß die Inzucht, wenn sie auf Blutauffrischung folgt, 
schlummernde Anlagen weckt und deren Entwicklungskraft 
steigert. Die Praxis der Tierzüchtung sollte sich dies mehr, als 
bisher geschehen, zunutze machen, namentlich zur Steigerung der 
Leistungsfähigkeit in Reinzuchten. Deshalb habe ich von Blut¬ 
auffrischung und nicht von Kreuzung gesprochen, bei welcher man 
stets an morphologisch und physiologisch verschiedene Tiere denkt. 



IX. 


Die apophytale Natur der Geweihe. 

Von 

Prof. Dr. G. Brandes. 

(Mit 10 Abbildungen im Text) 


Im Jahre 1913 hat der Vertreter der Zoologie an der Forst¬ 
akademie Hann.-Münden, Ludwig Rhumbler 1 ), von neuem die Frage 
nach der Entstehung der Geweihe angeschnitten und kommt dabei 
auf Grund von Untersuchungen anormaler Rehgeweihe zu einer An¬ 
sicht, die völlig neu ist und die bisher allgemein angenommene, durch 
die eingehenden Darlegungen Landois’ 2 ), v. Dombrowskis 8 ) und 
Nitsches 4 ) erhärtete Lehre von der apophytalen Natur des Geweihs 
über den Haufen wirft. 

Nach Rhumblers Befunden sind die Geweihstangen samt dem 
Rosenstock kein einheitlicher Auswuchs der Stirnbeine, sondern 
sie bestehen aus zwei miteinander innig verschmolzenen Knochen¬ 
massen verschiedener Herkunft, nämlich aus einem von der Cutis 
stammenden Knochenkern, der erst nachträglich mit den Stirnbeinen 
verwächst, und einem diesen Kern dicjit umschließenden Knochen¬ 
mantel, der von den Scheitelbeinen emporwächst und die dichtere, 
geperlte Außenschicht bildet. Da diesem apophytalen Knochenmantel 
ein lebhafteres Wachstumstempo eigen sein soll, neigt er zu Vor¬ 
wulstungen und führt so zur Bildung der Geweihsprossen. 

1) L. Rhumbler, Fehlt den Cerviden das Os comu? Mit 15 Fig. Zool. 
Anz. Bd. XLH. S. 81 ff. 

2) L. Landois, Ueber die Ossifikation der Geweihe. Zbl. f. d. med. Wissensch. 
1865. Nr. 16. S. 241 ff. 

8) L. Rütimeyer, Die Geweihbildung der europäischen Hirscharten. Mit 
40 Tafeln. Wien 1884. 

4) H. Nitsche, Studien über Hirsche (Gattung Cerrus im weitesten Sinne). 
H. 1. Untersuchungen über mehrstangige Geweihe und die Morphologie der Huf¬ 
tierhörner im Allgemeinen. Mit 11 Lichtdrucktafeln, 1 Buntdrucktafel und 12 Ab¬ 
bildungen im Text. Leipzig 1898. 



208 


G. BRANDES, 


Nach Rhumbler ist also der innere Knochenkern des Geweihs 
das Homologon des Os cornu der Cavicornier, als weitere Homologa 
sind nebeneinander zn stellen die Hornscheide der Cavicornier und 
der Bast der Hirschgeweihe, als völlig neues Moment tritt bei den 
Cerviden aber nun der apophytale Knochenmantel des Geweihs hinzu, 
dessen Auftreten das Schwinden des Bastes bedingt haben soll. 

Hinsichtlich der Homologisierung von Geweih und Gehörn scheint 
mir dadurch nichts gewonnen, sondern im Gegenteil eine rückschritt¬ 
liche Bewegung eingeleitet worden zu sein, denn nach der bisherigen 
Auffassung waren alle Teile des in der Entwicklung stehenden 
Geweihes beim Gehörn wiederzufinden, nach Rhumblers Deutung 
würde in dom apophytalen Knochenmantel ein neues Element hinzu¬ 
treten, für das am Gehörn das Homologon fehlt. 

Man wird mir vielleicht einwenden, dass die vereckte Geweih¬ 
stange nicht als Homologon des Os cornu gelten könne, weil dieses 
letztere eine andere Art der Entstehung habe, da es sich als Cutis¬ 
verknöcherung anlege und erst nachträglich mit dem Stirnbein ver¬ 
wachse. Dem ist entgegenzuhalten, daß diese Auffassung des Os 
cornu als Hautknochen durch Fambach 1 ) widerlegt wurde. Er hat 
den Nachweis erbracht, daß auch das Os coimu vom Periost der 
Stirnbeine gebildet wird, der einzige Unterschied gegenüber dem Ge¬ 
weihwachstum ist der, daß nicht, wie beim Geweih, nur die dem 
Schädel zugewandten inneren Zellschichten des Periosts das Os cornu 
aufbauen, sondern daß auch — und zwar vorwiegend — die äußeren 
Zelllagen an diesem Aufbau beteiligt sind. Ueberhaupt sollten aber 
bei vergleichend anatomischen Fragen mehr die Lagebeziehungen der 
Gewebe zu einander als ihre Herkunft aus diesen oder jenen Ge¬ 
weben oder Keimblättern maßgeblich sein, sonst dürften wir schließlich 
unter gewissen Umständen nicht einmal dieselben Organe ein und der¬ 
selben Tierart als homolog anerkennen, da wir von gewissen Tier¬ 
gruppen wissen, daß sich die Organe bei zwei Individuen derselben 
Tierart histogenetisch verschieden verhalten, je nachdem die Entstehung 
der betreffenden Organe in einer Larve, die sich aus dem Ei oder 
als ungeschlechtliche Knospe entwickelt, oder in einem erwachsenen 
Tiere durch Regeneration vor sich geht. Die fertigen Organe sind 
von einander nicht zu unterscheiden, ihre Herkunft ist aber eine 
durchaus verschiedene — wer wollte solche Organe als nicht homo- 


1) 0. Fambach, Untersuchungen und Beobachtungen über das Os cornu. 
Hit 2 Taf. u. 1 Abh. im Text Zeitschr. f. Naturvissensch. 1901. Bd. LXXIV. S. 1 ff. 




Qie Natur Oär Grtfeibe. 2öil 

log bezeichnen?, aucu der strengste Morphogeueliker wird vor einer 
säldiea UetMrcspaDptmK 's*it$s Bogens .zurückschrcekcß, 

Weiche Tatsachen haben nuu .llhum.t»icr *» sf'iriet ülierras'.lion- 
den itüffess;ifjg piangeo kssdi? Er stutzt sieh in'-seiner Äbhäüd- 


’liiä 


SfLädeldaeh eines alten Hvht/w’.k,i, dessen Stttn^en durch gcwaltsamu/i Altenteil 
Vx:-riorut! ccc'uijior: sind-. Nur Gr. 

X gefegte Stelle 4er rechte?». Stange, f iaifutiäte Struktur »tes. Stirnbeins, 

\J yptn SttrabeiO tesi^döshEf' liintefci' Tdi des'JftßSeiis»C&s. 

toüg auf- 2 Falle, der urMe hmrilTt ein Schädeldach eines ätterai Kc4t~ 

*'■■■■■ 'Jy 

boeks, der nach der Ansicht Bhnml.lers k»ir• vafher das Geweih 
abgeworfen hat i'Abh. l-k./frcr Eosenssoek dieses Schädels läßt hier 
deutlich zwei Teile erkennen, erneu inneren zapfen förmigen Koru, der 

4Lf«liit f. u. ’i'mriiHJik. UU. *4. Su^-t. 14 














H BRAND.!'. 


!mka aus dem umgebenden, den) Stirnbein fest aulgewaehMmen Mantel 
hcrauszuRfbrniMi >M, wahrend er rechts noch'fest dann suzt.. IvJitimbler 
meint nun, daß' diese Zweiteilung in Kern und Mantel »ioJi aüeiRauf: 
die fee weihstangeft fnrigesot/.t habe,, läßt es aber unentschieden,pob' 
diese Trennung . von Anfang an bestunden hat oder ob-sie .erst jjp 
späterem Ahoi , durch irgendwelche anormale• -fturüekbildun»; <: -n>er 
(vorher 'normal darohgeführteri) Vdfrse'hri«I : ^a^^%Tbtngeführt. worden ist* 

: Abb'2. 


Abnormes Keligeavili,. Vo?t; ; • Ans R |s u »>;• i .<;r . 4 S &%.) 

■I. ,L>rcÜ im ^u'ta(ap!)phy^u^aä^|\d#:ii#iit^i 

dem FrcinJalap<>[.livseu>i.:i»itai -umi .Rm. üvü aus ibtn h»MM^Vä^ona.'3i./R»r.ArSjj0lk 

ViasiidS*. tfj&i&'lhrAr Ds ^tfviiy,. . ' ; ' 


Der /.weile fall' helnfH ein unvorä-Reite* *h nicht ganz, 

jungen Rehbocks, das 'dpuiiHi ••avci' verein,.denartiirc- Küochenhestatnl-- 
i eile anfwiM.sl ( Ahb l J). i.b‘i rnomiai ausM-hemle tißior»; T>iÜ der Kokon 
Stange gehr. • 'in . ein: Sptaefinihrt; ••liher« das aus Wenk kompaktem 
Knocheh besieiif ur. / -r-)iK diildud sriarRr i.-.R 'vahrred die rechte.' 
Stande, wenigstens v-o; aulien ge ; stdtffl. bis .otemhiirkompakler.Knochen 
!>i. All ifer.’Sj'iijw: ;:*!*.••«"• rüt“ .Dimdii.öehertmg hat • und o. einer Vew 
uofüBg -.'cbm' Spiri'c •.'■•men dinne'lieh Ähoiicher Art,- wie- wi.r dm 'um Ende 
der link«? Stange gefunden habe», erketaeu läßt, fihumtiler meint- 




Die apophytale Natur der Geweihe. 


211 


der apophytale Knocbenmantel habe in diesem Falle anormaler Weise 
eine Wachstumshemraung erfahren, so daß der epiphytale Knochen¬ 
kern links in seinem obern Teil gar nicht ummantelt und rechts 
nicht vollständig umschlossen worden sei. 

Mir schienen beim Studium der Abhandlung und insbesondere bei 
gründlicher Betrachtung der beigegebenen Abbildungen beide Fälle 
sehr wohl mit der bisherigen Ansicht von der apophytalen Natur der 
Geweihe vereinbar zu sein, da im ersten Falle ein pathologischer 
v Prozeß nnd im zweiten Falle eine sogenannte Doppelkopfbildung die 
Diskontinuität der Geweihstangen vortäuschen konnte. Daher erbat 
ich mir von den Besitzern die Stücke zur Nachuntersuchung und bin 
den Herren Forstrat Eulefeld, Forstassessor Kottmeier und Ober¬ 
förster Schulze-Berge für ihr freundliches Entgegenkommen zu 
großem Dank verpflichtet. 

Das Schädeldach mit den auffallend gebauten Rosenstöcken kam 
ohne den herausnehmbaren „Einsatzzapfen“ in meine Hand, dieser 
war inzwischen verloren gegangen, aber auch so ist das interessante 
Stück vollauf geeignet, den Sachverhalt aufzuklären. 

Zuerst muß ich darauf hinweisen, daß Rhumbler am Vorder¬ 
rande des rechten „Rosenstocks“ eine geglättete Stelle (Fig. 1 x) über¬ 
sehen hat, die darauf hinweist, daß der Bock mit dem Stumpfe der 
rechten Seite an Baumstämmen u. a. gefegt hat, wie er es vorher 
mit dem Geweih zu tun gewohnt war. Diese Partie muß also frei¬ 
gelegen haben und kann nicht überwallt gewesen sein, wie es beim 
Rosenstock der Fall gewesen sein würde. Auch ist zu beachten, daß 
die Rosenstöcke nie zum Scheuern benutzt, sondern sehr sorgsam ge¬ 
schont werden. An dem rechten Stumpfe befindet sich danach 
zweifellos noch ein kleines Stück von der Geweihstangenbasis. 

Zweitens leKrt aber ein Blick auf die Endfläche des rechten 
Stumpfes (Abb. 1), daß es sich um eine typische Bruchfläche handelt 
und nicht um Resorptionsräume, die durch vorzeitigen Abwurf frei¬ 
gelegt wurden. Sowohl das Geweih als auch das Os cornu zeigen 
stets derart scharfzackige Bruchflächen. Die Gratspitzen sind in unserem 
Falle schon etwas gerundet, weil der Bruch der Stangen bereits vor 
Monaten erfolgt sein dürfte. Der Bock wurde am 21. Oktober erlegt, 
der Bruch der Stangen ist aber wahrscheinlich gelegentlich der Brunst¬ 
kämpfe im Frühsommer erfolgt. Rechts brach die Stange unmittelbar 
unter der Rose ab, oberhalb der Stelle, an der normalerweise die 
Abschnürung der Stange vor sich gegangen sein würde, links ging 

14* 





U. BR ANBES 


der Bruch beträchtlich tiefer, und li«iß von dem Stangentoii eicht s 
zu rück. Beiderseits ragte nun auf den Stirnbeinen ein unregelmäßig 
begrenzter, ^Uroßhßnfef Knochen hervor und teihveiöe ans der 'ß.*$üf>; 
ins i'Veie, das Bestreben des Organismus mußte fcftälb ^diihiu. hebere 
diesen zersplitterten K.nwheti ai) zu stoßen. Zu diesem Zwecke setzte 
die Tätigkeit' der Usteekla.steu tun, die nun nicht an der üblichen 


Der rechte Rusen stock den rn Abb l ahgebiltictcn jSehaiieWaches» der hänge nach 
äufehschnittco. Um üj'vergrößert. 


Steile, sondern etwas tiefer und nicht in einer geraden •Q'iierfebc.tie, 
sondern den miregelmäßigen HiVhen und Tiefen der Brmdifläohen ent¬ 
sprechend mit der Zerstörung des Knocheu* vergingen Bei dem 
linken Stumpf müßten sic ■ wegen der Ked.fliegewk-ü T'iniclisteHe und 
der fibfeincreiTcriden Sbhrundon bis auf die Sehädolwaöil Vordringen, 
wobei '.ihrer Kesorptionstätigkeit auch die hintere Wand des „apo- 





Die apophytale Natur der Geweihe. 


213 


phytalen Mantels“ teilweise zum Opfer fiel (Abb. Io). Daß diese Ab¬ 
schnürung des „Einsatzzapfens“ durch Resorption erfolgte, beweist 
das Vorhandensein der Howshipschen Lakunen auf der entsprechen¬ 
den Stirnbeinstelle (Abb. 1 +), wogegen das völlige Fehlen dieser Lakunen 
auf den Bruchflächen gegen die Ansicht spricht, daß es sich in den 
Vertiefungen dieser Flächen um Teile des später einheitlichen Re¬ 
sorptionssinus handeln könne, den Vertiefungen entsprachen di« vor¬ 
springenden Zacken der abgebrochenen Geweihstange. 

An dem rechten Stumpfe war die Abschnürung der zur Nekrose 
verurteilten Bruchfläche beim Tode des Bockes noch nicht so weit 
vorgeschritten, es ließ sich feststellen, daß sich medianwärts nur eine 
oberflächliche Knochenfurche befand, während sie lateralwärts tief 
einschnitt. Ein entsprechend gelegter Sägeschnitt bestätigte diese 
Feststellung, wie die Abb. 3 deutlich zeigt. Es sind außer der einen 
auf der Abbildung sichtbaren Brücke nur noch ganz schwache Knochen¬ 
brücken vorhanden und die angrenzenden Wandungen zeigen deutlich 
eine lakunäre Struktur. Von Wichtigkeit für unsere Auffassung ist 
der Verlauf des Resorptionssinus, der sich durchaus nach der Ge¬ 
staltung der Bruchfläche richtet: wo diese Täler aufweist, dringt auch 
er tiefer in die Knochenmasse des Rosenstocks ein. Natürlich erreicht 
der Resorptionsraum nicht die Schädeldecke wie auf der linken Seite, 
der Bruch ging hier ja nicht so tief, der Knochen brauchte also auch 
nicht so tief entfernt zu werden. 

Daß die Resorption sich bei derartigen Brüchen durchaus nach 
der Tiefe der beim Bruche aufgetretenen Bruchspalten richtet, zeigt 
uns auch der Sägeschnitt durch einen anderen Kosenstock mit abge¬ 
brochener Geweihstange. Es handelt sich um das von Rhumbler 
ebenfalls zum Vergleich herangezogene und in seiner Abb. 8 abge¬ 
bildete Schädeldach, dessen linke Stange vorhanden ist, während die 
rechte unmittelbar am unteren Rosenrande abgebrochen ist. Der 
Vorderrand der unmittelbar unterhalb der Rose gelegenen Bruchstelle 
zeigt auch hier deutlich eine Glättung, die nur durch nachträgliches 
Fegen des aus der Decke hervorragenden Stumpfes entstanden sein 
kann (Abb. 4). Die Bruchfläche zeigt ganz ähnliche Knochenkämme 
und Täler wie bei dem soeben besprochenen Stücke. Dagegen ist von 
einer in den Knochen einschneidenden Sutur nichts zu bemerken, 
ebenso wenig ergibt eine Längsdurchschneidung des Stumpfes einen 
Hohlraum, wohl aber läßt sich in einer geringen Entfernung von der 
Bruchfläche die vorbereitende Tätigkeit zur Bildung eines Resorptions- 






214 <v BRANDES, 

simrx erkennen, wie die■•Abbildung der SchnittRarhe, die ich in Abb. 5 


etwas vergrößert wiedergebe,, beweist.- Wir sehen deutlich emo etwas 
dunklere Zone, die dbfeh die Erweiterung der Havers-selien Kanäle 
bedingt wird Sie Mögt au denjenigenSteilen, wo die Kuoeheo- 
humdleti ii>'l ans dem Rcwemtoek b'-tao^ebroehvji sind, emspreehehd 
in die Tiefe. Wenn der Bock ttiebt selmn am 12. August erlegt.wäre, 
sondern auch erst Ende 'Oktober wie im vorigen Fall, so würde vor- 


;■<.!< (• ••int-*. p^jöjfc rcvii't* Stative «|<*r Hont: 

y.t-f i,|. NaC • ii\ 


..ii’-viri.ihci, »i *_• r bmv.K weit er uo-gew-hnue« 

nmii .--mm." dem; d-T Hiü i; dm Sfde»}’;,- ebenfalls eehmi 
den BrtdfS*l>Umi>RMi ini FrtdtKbbHit^r oi'fdjfiT f,hui Jrufen falls ' 
auch hfcr ;die. ■ TirtJ.ehllrbMfe vwdifeh geeange«,- * 


wäre 


i :<i- 










DVe äpophyi&ie Nai-Ür ösf freweibe'. . 215 

Anordnung m tatsächlich »lernt, ■ daß es beim Atj blick ynn außen 
oaheliegtf die porösere. Weniger kompakte KGoalvwiifiass© »Ls den 
Kern der Sumgeu und ilje geporite, fuirte^ sehr korupakfr als Mantel 
fiiiZMsehen , dem es ausnahmsweise - nidu gelungen te, /hm Kern völlig 
zu uinrnmlrseii,: .Mir aber drängte sudv sehon V.«)Ä.ipiigligen.v^ : 
fradneii- der Abbildung in iihutnhtet* Abhandlung (Abb. 2 ) der Ge- 




1*C! v<te!:tU> Ho&eibsU:»ek <U>s in Abb.. i abgeb 1 kl ulen scb;Uklda<‘hf% der. I.ango nach 
durobadiwtton. V.m et\?a 1 •* ver^iv>’k'r(. 


auh <JaB es sim hifi^iciidich dor *>borsicii JSjnUfr der r<;dUcn 
Stange nur um ein mehr aiigewnrmmes'Eiteliogsgoweili. immjeln könne. 
Sötefef barer wtMsjd verwahrt sich Eitetöbter bei der Uesprethung des 
ersten Kalles ausdrücklich davor, daß in dem *.Kitisa! .isar.ßm^ ein 
nicht abgp.worföqe« Geweih vorfiepmdfcönrtfv 'hi$r, Wö $e. ß^hlffeo- 
heit der Spitze im hohen Maße an Spieße, tvfc man -sie bm Kumme- 










2}6 : ft BRANDES, 

. ;? ••" 'x>- - d, ; .■ •;■: 

rero häufig findet, erinnert. <M <l**f (rwtenkt anscheinend nicht 
geknmkign, Afewohl iibeödr%t $ic median wärts gerichteten 

fto-ä’svsiöeke hoioi Geweih eines nhoreii dhxTen. als den ihn die vor- 
^jfriögfrtdeit illdsieh fchriuzeiciftienj .stutzig nrndma inaßtea-* 

’’Ö*r Beweis, 'ab" es sich - irr-diesen» FäUe »in* den aus der Urn- 

mantcdühg hervertagehden Inner«kern- der Ge.weihHUnge bändelt- oder 

■ ■ 

. - • v; ' t-v.,v..•:• . -•••..■■,•.;•;■/. r'V-vv/.-'.vt, ;. • 

Abt>, 6. 


P%s i^i Ald>. 2 abgrinirfete fre'v&hi yVm der Kücks«itc.. Briete Stangen der häng* 
a<vi?|b''angosiigt, Jas voo Ufer m'lit.pn Stange abgesagte Stuck /.wischen den beiden 

Stangen. Nat <ir. 

ob ein durch ein umwachsendes. Geweih euiporgctmbones Erstiings- 
ßt'vveih vorliegt, kann Uncht goidhrt werdeo durch eine LäDgsspaltung 
der .'Hange«. Ich haix* durch einen vS.ggesebniu an vier Rückseite der 
•Stangen vorsichtig ein .Stuck entfernt und so mcuie Ansicht roll-. 
Händig; bestätig!. gefunden; Wie AM. 6 rcigt, erstreckt sich der 
|'on>s>;n*' Knochen der linken Sfarigcri--.|)iue nicht. in die Tiefe des 


kVy u A> 



Die apophytale Natur der Geweihe. 


217 


normal aassehenden Stangenteiles hinein, wie die Rhumblersche 
Auffassung fordern müßte, sondern sitzt diesem kompakteren Geweih¬ 
teile auf, ,sein Aussehen unterscheidet sich von dem glänzend weißen, 
außerordentlich dichten Knochen des normalen Geweihs durch dunklere 
Färbung, die durch die viel weiteren Haversschen Kanäle verursacht 
wird. Die Verbindung der beiden Knochenteile untereinander ist 
ziemlich fest, aber doch nicht fest genug, um an Lamellen, die der 
mikroskopischen Untersuchung dienen sollten, oder auch an dem dünnen 
abgesägten Längsstücke bestehen zu bleiben. Diese leichte Trennbar¬ 
keit sowie das sehr abweichende makroskopische und mikroskopische 
Aussehen der beiden Partien beweist zur Genüge, daß sie nicht so 
gleichartig sind, wie sie sein müßten, wenn Rhumblers Ansicht zu¬ 
treffend wäre. 

Die linke Stange hat einen etwas anderen Bau, weist aber im 
Grunde genommen doch dieselben Verhältnisse auf. Die kompakte 
Knochenmasse reicht bis zur Spitze, diese ist aber nicht geschlossen, 
sondern man kann von oben etwas ins Innere hineinsehen, hier er¬ 
kennt man eine kleine Knochenspitze, die ein ähnliches poröses Aus¬ 
sehen hat wie die Spitze der anderen Seite. Auf dem Längsschnitt 
läßt sich dieser poröse Knochen nur eine kurze Strecke weit abwärts 
verfolgen, ich habe diesen Teil auf der Abbildung durch Schraffierung 
schärfer hervorgehoben. Sehr auffallend ist an dem röhrenartigen 
Spitzenteil die eirunde Durchbohrung der Wandung. Vielleicht ist 
der Spitzenteil des nicht abgeworfenen Spießes die'Ursache der Loch¬ 
bildung gewesen, beim späteren Fegen würde der umwachsene poröse 
und dünne Knochen leicht verloren gegangen sein können, das Ende 
des noch vorhandenen Stückchens Erstlingsgeweih sieht jedenfalls aus, 
als ob es abgebrochen wäre. 

Für gewöhnlich scheinen sich ja bei solchen Doppelkopfbildungen 
die Wucherungen des Periosts an der Basis der nicht abgeworfenen 
Geweihstangen nach außen wulstförmig zu entwickeln und meistens 
tritt dann wohl auch noch später die Trennung der alten Stangen 
durch die resorbierende Tätigkeit der Osteoklasten ein, es kommt 
nur nicht zum völligen Abwurf, weil die Stangen durch die wallartig 
entwickelten Neubildungen festgehalten werden. Es läßt sich aber 
auch sehr wohl vorstellen, daß bei einer von außen in die Stangen 
einschneidenden Demarkationssutur und beim Ausbleiben bzw. Nach¬ 
hinken des inneren Resorptionssinus das Periost Raum und Zeit zur 
Ablagerung neuen Knochengewebes gewinnt und daß dieses dann die 



218 


G. BRANDES, 


alte Stange allmählich von ihrem Fundament abhebt, aber gleichzeitig 
wieder eine feste Verbindung zwischen Stange und Rosenstock herstellt. 

Daß es derartige proliferierende Demarkationssuturen gibt, beweist 
uns ein in meinem Besitz befindliches Erstlingsgeweih, das ich in 
Abb. 7 u. 8 abbilde. Eine tief einschneidende Ringfurche umzieht 
den Rosenstock, im Innern ist aber noch keine Spur von einem Re¬ 
sorptionssinus vorhanden, nur eine Verbreiterung der Haversschen 
Kanäle ist bereits eingetreten, die in ähnlicher Weise, wie wir es bei 
dem in Abb. 5 abgebildeten Falle gesehen haben, eine dunklere 
Trennungszone sichtbar werden lassen (s. Abb. 8). 

Wenn in eine solche Furche das Periost sich einfaltet oder 
seine in großer Menge gebildeten Zellderivate hineinschickt, so werden 
diese mit dem oberen und unteren Rande der Furche fest verwachsen, 
und durch immer weitere Einschiebungen dieser Art werden die 
Knöpfchen von ihrem Rosenstock schließlich ganz getrennt werden. 

Zum Schluß seien mir noch einige Erwägungen allgemeiner Natur 
gestattet. Wir haben bereits auf den wesentlichen Unterschied in der 
Bildung der Geweihe und Gehörne hingewiesen; er besteht lediglich 
darin, daß die Entwicklung des Knochens einmal oberhalb des Peri¬ 
osts (epiperiostal), das anderemal unterhalb des Periosts (hypoperi¬ 
ostal) vor sich geht. Dieser gering erscheinende Unterschied bedingt 
aber ein sehr abweichendes Verhalten der beiden Gebilde. Beim Ab¬ 
wurf der Geweihstangen und ebenso beim Bruch einer Stange in der 
Höhe des Rosenstocks wird stets das Periost verletzt, beim Bruche 
des Knochenzapfens eines Cavicorniers dagegen wird das Periost gar 
nicht betroffen, hier findet daher auch keine Abstoßung der Bruch¬ 
partie durch Resorption statt, das epidermoidale Horn schiebt sich 
vielmehr über den mesodermalen Knochen hinweg und entzieht ihn 
so den schädigenden Einflüssen der Außenwelt. Auch schon beim 
Fegen der Geweihe wird natürlich das Periost zerstört und dadurch 
der Abwurf der Stangen notwendig. Der einzige Fall von regel¬ 
mäßigem Wechsel des Gehörns, den uns der nordamerikanische Gabel¬ 
bock bietet, kann demnach nichts zu tun haben mit dem Geweih- 
wechscl der Hirsche, jener Vorgang beschränkt sich lediglich auf die 
Epidermoidalbildungen und ist wohl nur — wie auch der noch ein¬ 
fachere zeitweilige Abwurf des Horns beim Nashorn — auf ein be¬ 
sonders lebhaftes Wachstum der betreffenden Epidermisschichten zu¬ 
rückzuführen. 




Die apophvtaJe Natur »J^rjRe'weüve. 


Kr^tiinv^ftweih. rinn* fteiiW kos. .Ya& irr. 

&5handelt' *iMt 'uni .'.einen Kurvihitfreiv; b.-i d>:m die Avj>Iu der Dpmnrkat ums 

.»uffaitoitri stark öpUvK-ki-.it ist. Wahrend der lU&Hi jdue«*c. mu5 Hdl. 


Däfc'ip «Vfeb.? ab^eldkUa« von hinten. Der knien S|lieJV4ufrck>di.nitü»o. 

uni die H^urptiofis^one au zeigen, die mit der 'Sutur harmoniert, aber zur Aus- 
idldung r.ines Huhlrftumos tjöek mehr geführt !mt. 





220 

0. BRANOES, 


Wenn wir n: 

u’h Vorläufern der Geweihbildung &i 

tsschami, so 

können wir kemesfallS bei den CäTicörmefei »nknüp 

fen, sondern 

müssen auf . l.iir 

istchtlti’li der Stimbewaffnung — wen 

iger spextalt- 

vierte* Formen turi 

fef^diferK'RiWd' iiife können, lediglich 

die GTra/lid.en 

m Betracht kommt 

•in.'. Bei ihnen t.si euic vermutlich. 

Wie bei dpn 

Uanooniieffi. «pip 

erif>sta 1 t-Verknocherung vorhanden. 

*-s f'-hit aber 

/•die ;Spigiing '/m |i 
sehr schwadt. etiiw 

tterkrioalen Verbörpurtg gänzlich oder 
r iekeU, Für .die Giraffen s<It.* r fet' di 

ist doch tfer 
tv. Frage nach 


inkliesondere vöö Rüiimeper 1 ; bejahend beantwortet worden, abex- infir ; r 

Al.b. 9. 



'StliÄdcV äuuifc *iteä miumlicben'Pfcjipi. »Stark verkleinert. (N$cli Pr&ipfe,nt;.) 

Man- headitü $it iler Hf/itke ilftfi Horn* tßfe ge/e^tc Stfä£e, 

*niferett, so mMnonUieir von K \ h'ch c % ) t fei diäse Ansicht ebenso ent- 
aobiefön bivkkmprt 4iwtydi^:'py#j||! ; 'vd^ö.,feofetfeß angeffeht wofdife 
hi/wisehen wnrtlc «nn «l.i*.*r emc neue iHnmdt: Gir;<ffidenarf. das Okapi- 
der die Stirn/apffeg 

<•mi-.it mm d(-f .BnUvmUpnp zu ‘ irter jr;veih<sriig.;-n Wa|jffe 

getan /ii iiat-fn v-ht inen. IV A'erk.'dkuüg der- Krtoob.eu VlteT sowie 
ihr*; Vcrwachsn»?; güf den .S|h-ü i.ebfe;o hat b»*.tt*d«-4itii^ Fortschritte 
irotHroPi- { Ai.lt. feeferut• tni>SV«.iJ(ir a!uo nudi dürft.* hiä Gewiebt 

faU.eu. daß bei. aiieö iVkeo die Spifebi d,p*> Stirn^apfeV Mit geglätteter 

!: L lfn!;jiin\vc-av lkifr.%: ru Oiiturlich«.» ‘M.-.thf.’biö dir Hirsche. Ii. 

Aivli»n.Riiiic''u it. Schweiz. .lüviik'ut'jl t.«es.; tS 8 ü. 

2 j l *-. s. flu. 




Die apopbytale Natur der Geweihe. 


221 


Kappe aus dem bedeckenden Felle herausschaut. Bislang sind ja die 
Beobachtungen hierüber noch sehr lückenhaft, wenn sie sich aber be¬ 
stätigen, so dürften sie für unsere Frage sehr gewichtiges Material 
liefern. Wenn die Stirnzapfen beim Okapi wirklich eine epiperiostale 
Bildung sind, so würde eine direkte Weiterentwicklung zum Cer- 
videngeweih dem bereits oben Gesagten zufolge nicht möglich sein, 
aber sehr wohl ließe sich denken, daß bei naheverwandten Tieren der 
gleichen Entwicklungsstufe infolge sprungweiser Variation die Stirn¬ 
zapfen sich hypoperiostal anlegten, womit dann für sie die Weiter¬ 
entwicklung zum Geweih gegeben war. Daß die Tendenz zur Ver¬ 
ästelung der Stirnzapfen den Giraffiden nicht fremd ist, lehrt uns der 


Abb. 10. 



Schädel eines Siwatherium. Stark verkleinert. 


sonderbare Kopfschmuck des ausgestorbenen Siwatherium (Abb. 10), 
von dem wir zwar nicht wissen, wie er sich zum Integument verhielt, 
von dem wir aber immerhin vermuten können, daß auch er, analog 
den Verhältnissen bei den übrigen Giraffiden, wenigstens zum großen 
Teil vom Integument bedeckt war. 

Auf der anderen Seite läßt sich vorstellen, daß bei einer aus¬ 
giebigen Verkalkung solcher Knochenzapfen, die im Interesse der Aus¬ 
bildung einer besonders kräftigen Waffe liegt, die zuführenden Gefäße 
immer weniger zu tun bekommen und schließlich überflüssig sind und 
veröden müssen, dann wird aber bei Benutzung der Waffe das ein¬ 
trocknende Integument bald zerstört werden und verschwinden. Das 
Tier wird dann entweder zugrunde gehen, oder, wenn es infolge der 
Anordnung des Periosts dazu imstande ist, den nekrotisch werdenden 
Knochen abstoßen und eine neue Waffe ausbilden. 


X. 


Ueber die physiologische Heterochylle nach Unter¬ 
suchungen an einem Magenfistelhunde. 

V<5n 

Prof. Dr. med. G. Kelling, Dresden. 

Diejenigen Aerzte, die häufig Magenuntersuchungen an Menschen 
ausführen, bestätigen, daß sie mitunter sehr auffällige Differenzen 
im Mageninhalte erhalten in Bezug auf den Aziditätsgrad der Salzsäure, 
obgleich die Untersuchungen unter sonst gleichen Bedingungen ausge¬ 
führt worden sind. Es ist eine für die Magenpathologie noch unge¬ 
löste Frage, welches die Ursachen für solche, anscheinend unmotivierte 
Schwankungen des Gehaltes an Salzsäure bei normalen Menschen sind. 
Die Klarstellung dieser Frage hat großes Interesse, da wir patho¬ 
logische Schwankungen erst dann richtig zu beurteilen imstande sind, 
wenn wir mit den physiologischen Bescheid wissen. 

Ich führe vorerst kurz an, was bis jetst darüber festgestellt ist. 
Die Untersuchungen auf Salzsäure beim Menschen werden meist mit 
Hilfe des Ewaldschen Probefrühstücks, welches aus einem Weißbrot 
und einer Tasse Tee besteht, ausgeführt. Man bestellt die Patienten 
früh nüchtern, und wenn man genaue Untersuchungen machen will, 
so führt man zuerst vor dem Eingeben des Probefrühstücks den 
Magenschlauch ein und saugt — am besten im Liegen des Patienten — 
den Inhalt ab. Denn es ist ohne weiteres klar, daß die Menge und 
der Säuregehalt des etwa vorhandenen Rückstandes auch die Verhält¬ 
nisse nach Eingeben des Probefrühstücks beeinflussen muß. Handelt 
es sich um einen Patienten mit Pylorusstenose, so wird man den 
Magen nicht nur absaugen, sondern eventuell auch Speisenreste durch 
Ausspülung und Absaugung entfernen müssen. Untersuchen wir 
jetzt einen normalen Menschen, bestellen denselben früh nüchtern an 
mehreren Tagen und überzeugen uns, daß der Magen beim Ab- 



Physiologische Heterochylie nach Untersuchungen an einem Magenfistelhunde. 223 


saugen leer ist. Wir geben ihm dann das Probefrühstück und unter» 
suchen den Mageninhalt nach einer Stunde, so können wir trotzdem 
Schwankungen bekommen in Bezug auf den Gehalt an freier und 
gebundener Salzsäure im Mageninhalt, deren Ursachen zur Zeit nicht 
genügend ersichtlich sind. Man hat die Differenzen häufig mit psy¬ 
chischen Alterationen erklärt. So sagen z. B. Hemmeter, Ewald, 
Rosenheim und andere Autoren, daß Heterochylie namentlich bei 
Nervösen vorkomme. Ich habe mich davon nicht überzeugen können, 
und ich glaube, daß hier häufig ein Fehlschluß vorliegen mag. Magen¬ 
kranke sind in der Mehrzahl der Fälle nervös, auch solche mit orga¬ 
nischen Magenleiden. Gerade bei letzteren sind aber die Aziditäts¬ 
werte schwankend. Da man also gewohnt ist, daß die Symptome 
bei Nervösen schwanken, so hat man auch die schwankenden Er¬ 
scheinungen des Salzsäuregehaltes unter die Rubrik der Nervosität 
eingereiht. Wie wenig übrigens psychische Reizungen beim Menschen 
ausmachen, zeigen die Untersuchungen von Gradnauer (Dtsch. Arch. 
f. klin. Med., Bd. 101,. S. 311). Er hatte seine Untersuchungen so 
angestellt, daß er die betreffenden Patienten nach demselben Probe¬ 
frühstück einmal ohne und ein zweitesmal mit vorheriger Ankündigung 
der Prozedur der Einführung des Magenschlauches untersuchte unter 
sonst gleichen Bedingungen. Es wurde nun notiert, ob die Patienten 
vor der Untersuchung Angst gehabt hatten oder nicht. Die Werte 
schwanken zwar etwas, aber nicht erheblich. Die Ursache der physio¬ 
logischen Heterochylie in psychischen Momenten zu suchen, ist haupt¬ 
sächlich zurückzuführen auf die Untersuchungen von Pawlow an 
Magenfistelhunden. Pawlow gibt bekanntlich an, daß die psychischen 
Momente (Freude, Aerger, Schreck, Appetit und Widerwillen beim 
Genuß von Speisen) einen großen Einfluß auf die Salzsäuresekretion 
ausüben, so daß genossene Speisen unter Umständen lange im Magen 
eines Hundes liegen bleiben können, ohne die Sekretion wesentlich 
anzuregen. Nach Pawlow ist nämlich die psychische Anregung der 
hauptsächlichste Faktor für den sekretorischen Prozeß des Magens. Ich 
habe mich nicht dazu entschließen können, die Psyche für die Hetero¬ 
chylie des Menschen als Hauptursache zu betrachten. Dagegen spricht 
schon der Grund, daß man diese Differenzen beobachten kann unter 
sonst ganz gleichen psychischen Umständen und bei Personen, denen 
das Einführen eines Magenschlauches nicht das geringste ausmacht, 
weil sie z. B. das mit Leichtigkeit an sich selbst freiwillig vornehmen. 
Uebrigens sind Menschen durchaus nicht psychisch so reflektorisch 



224 


G. HELLING, 


wie Hunde. Auch was man sonst kennt als Ursache von Schwankungen 
des HCl-Gehaltes, kann diese merkwürdigen Schwankungen nicht er¬ 
klären. Dahin gehört z. B. die Aenderung der normalen Salzsäure¬ 
verhältnisse während der Menstruation, welche Elsner (Boas’ Arch., 
Bd. 5, S. 467) untersucht hat. Er ermittelte aber, daß eine Herab¬ 
setzung der HCl nur dann in wesentlicher Menge eintritt, wenn wirklich 
große Blutungen erfolgen. Auch Schwankungen durch Erschöpfung des 
Magens können die Sache nicht erklären. Solche Untersuchungen er¬ 
folgen meist nüchtern, und im nüchternen Zustande ist im allgemeinen die 
Schleimhaut des Magenfundus mit Chlor angereichert. (Lopöz Suärez. 
Biochem. Ztschr., Bd. 46, S. 494). Anders kann sich allerdings die 
Sache unmittelbar nach der Verdauung großer Fleischmahlzeiten ver¬ 
halten, welche vorher an die HCl-Sekretion außergewöhnliche Ansprüche 
gestellt haben. A priori könnte man glauben, daß die Magensekretion 
Schwankungen zeigte wie die Harnsekretion, daß also der allgemeine 
Stoffwechsel von Einfluß wäre. Es ist klar, daß der Salzgehalt 
der Nahrung an den einzelnen Tagen sehr wechselt. Man könnte 
vielleicht annehmen, daß, je konzentrierter der Mineralgehalt in Blut 
und- Lymphe ist, sich um so schwieriger die Salzsäure abspaltet, und 
daß umgekehrt bei Verstärkung der Dissoziation das Chlor in den 
Drüsen aus dem Kochsalz um so leichter abgespalten wird. Die 
Konzentration des Mineralgehaltes kann auch geändert werden durch 
Einnehmen von Wasser in den Körper, oder durch verschiedene Abgabe 
des Wassers, z. B. durch die Lungen bei kaltem, trockenem Wetter 
gegenüber feuchtem, warmen. Es wäre immerhin möglich, daß die 
Sekretion des Magensaftes Schwankungen unterliegt, etwa wie die 
Sekretion des Harns, welcher an einzelnen Tagen große Abweichungen 
seiner Menge und seines Mineralgehaltes zeigt. 

Es ist aber nun nicht möglich, beim Menschen Mageninhalts¬ 
untersuchungen so zahlreich durchzuführen, wie es sein muß, um sich 
über die hier in Frage kommenden Faktoren zu orientieren. Offenbar 
gehört dazu eine Versuchsreihe vieler Tage unter bestimmt variierten 
Bedingungen. Es gehört dazu eine gleichmäßige Kost, die innegehalten 
werden muß unter Wechsel bestimmter Stoffe, die man besonders 
prüfen will; es gehört eine gründliche Entleerung des Magens vor und 
nach der Probemahlzeit dazu — kurz, es ist kaum möglich, am 
Menschen auf diese Weise derartige Untersuchungen genügend zahlreich 
durchführen zu können. 



Physiologische Heterochylie nach Untersuchungen an einem Magenfistelhunde. 225 


Ich beschloß deshalb diese Untersuchungen an einem Magenfistel¬ 
hunde vornehmen zu lassen. Sie wurden ausgeführt an einem mittel¬ 
großen, weiblichen, braunen, fünf Jahre alten Boxer. Diesem Hunde 
wurde eine Fistel angelegt mit Hilfe einer Kanüle im Fundus des 
Magens. Mit den Untersuchungen wurde erst begonnen ein Vierteljahr 
nach Einsetzung der Kanüle. Der Hund zeigte ein normales Verhalten. 
Es wurde mit Hilfe der Röntgenuntersuchung sowohl durch Füllung 
mit Citobaryumaufschwemmung als auch durch Luftaufblähung geprüft, 
daß der Magen eine normale Lageeinnahm und nicht etwa Verzerrungen 
seiner Form vorhanden waren. Auch bei der Operation war darauf 
geachtet worden, daß durch die Befestigung des Magens an den Bauch¬ 
decken die natürliche Lage desselben nicht beeinflußt wurde. Diese 
Punkte sind natürlich sehr wichtig, da durch ungünstige Befestigung 
Störungen in der Motilität des Magens hervorgerufen werden können, 
welche ihrerseits die Sekretionsverhältnisse beeinflussen müssen. Wir 
würden dann Untersuchungen über die pathologische Heterochylie an¬ 
gestellt haben und nicht über die physiologische. Um psychische 
Faktoren, wie/den Appetit, nach Möglichkeit auszuschalten, wurde der 
Hund nur einmal des Tages gefüttert und zwar abends. Die Unter¬ 
suchungen wurden früh vorgenommen. Fräulein Charlotte Klemm 
hatte die große Freundlichkeit, die Untersuchungen monatelang durch¬ 
zuführen. Der Hund hatte sich an die Dame vollkommen gewöhnt, 
so daß er sich die Untersuchungen ganz freiwillig gefallen ließ. Der 
Hund wurde niemals von der Untersucherin gefüttert, sondern abends 
von einer anderen Person, was insofern eine Wichtigkeit war, als wir 
dadurch die psychischen Einflüsse nach Möglichkeit ausschaltetgn. 
Auch durften keine Speisen in der Nähe des Hundekäfigs und des 
Untersuchungszimmers oder in demselben aufbewahrt werden, wegen 
der Ausschaltung des Geruchs, welcher bekanntlich von Einfluß für 
die Erregung des Appetits und der HCl-Sekretion ist. 

Es fragte sich nun, was wir als Proberaahlzeit in den Magen 
zum Zwecke der Prüfung einführen sollten. Wir haben zuerst einige 
Versuche gemacht mit Pferdefleisch. Dieses Material war aber aus 
verschiedenen Gründen nicht zweckmäßig. Es ist zu kompliziert zu¬ 
sammengesetzt und macht eine chemische Analyse auf Chlor notwendig, 
die uns viel Zeit gekostet hätte. Außerdem war solches Fleisch in 
den Kriegszeiten nicht regelmäßig zu beschaffen. Ich entschloß mich 
daher ein rein flüssiges Mittel vorzuziehen. Dieses hat den Vorzug, 

Archiv f. wissenseh. n. prakt. Tierhoilk. B<1. 44. Suppl. J5 



226 


G. HELLING, 


daß man den Magen nicht auszuspülen braucht. Man stellt den Hund 
auf, so djtö die Kanüle den tiefsten Punkt einnimmt, läßt den Magen¬ 
inhalt ablaufen und sieht nach, ob durch Wechsel in der Lage des 
Hundes noch etwas Flüssigkeit nachgelaufen kommt. Ein gutes Reiz¬ 
mittel für die Salzsäuresekretion ist bekanntlich eine Lösung von 
Alkohol in Wasser. Ich habe dies einigemale angewendet des Interesses 
wegen. • Man erreicht mit ihr, daß man eine Reaktion auf freie Salz¬ 
säure bekommt. Bekanntlich zeigt der Hundemagen bei der gewöhn¬ 
lichen Verdauung keine Reaktion auf freie Salzsäure, sondern nur auf 
gebundene. Für die Dauer liegt aber die Gefahr vor mit der Alkohol¬ 
lösung eine Gastritis zu verursachen. Ich habe mich entschlossen 
ein Zwiebeldekokt zu verwenden, und zwar eine Abkochung von 125 g 
geschnittener Zwiebeln auf 11 Wasser. Diese Zusammensetzung hat sich 
gut bewährt. Sie ist ganz neutral, regt die Salzsäuresekretion an und 
schadet dem Magen nicht, so daß man mit ihr monatelang die Unter¬ 
suchungen mit dem gleichen Resultat fortsetzen kann. Es ist besser, 
eine flüssige Mahlzeit für die Untersuchung zu verwenden als eine 
feste oder breiige. Erstere verteilt sich sofort auf einen großen Teil 
des Magens, und erfolgt auch ihre Entleerung leichter. Die zurück¬ 
gebliebene Menge ist bequem zu erhalten und etwaige Beimischungen 
leicht zu erkennen. Sind außerdem noch besondere Reste im Magen, 
die vielleicht die Sekretion beeinflussen, so wird die Flüssigkeit auch 
aus diesen die entsprechenden Stoffe extrahieren, welche sich dann 
durch ihre Folgen bemerkbar machen müssen. Nimmt man aber 
eine dickbreiige oder gar feste Mahlzeit, so würde dies erschwert 
werden, besonders bei einer festen Mahlzeit, weil solche Mahlzeiten 
nach den Untersuchungen von Ellenberger, Scheunert und anderen 
geschichtet im Magen liegen bleiben und erst allmählich der Verdauung 
anheim fallen. 

Unser Hund bekam eine ganz gleichmäßige Abendmahlzeit, welche 
in den ersten Monaten folgendermaßen zusammengesetzt war: 25 g 
Strohmehl, 150 g Kartoffelflocken, 25 g Hafermehl, 100 g Fleisch, 
15 g Salz und Wasser bis zu einer Gesamtmenge von 850 g. Die 
Mahlzeit wurde abends um 6 Uhr gegeben, di« Untersuchung erfolgte 
am anderen Morgen VjlO—10 Uhr, so daß eine Zwischenzeit von 
etwa 15 Stunden blieb. Vor der Untersuchung,wurde jedesmal die 
Kanüle geöffnet und der Inhalt abfließen gelassen. Es kam nichts 
oder einige wenige Tropfen eines Sekretes heraus, welches Lackmus 
rötete. Es wurde genau darauf geachtet, daß in der Kanüle keine 



Physiologische Heterochylie nach Untersuchungen an einem Magenfistelhunde. 227 


Reste stecken geblieben waren. Dann wurde der Einguß des auf 
Körpertemperatur erwärmten Zwiebelwassers vorgenommen und nach 
einer bestimmten Zeit der ganze Inhalt im Stehen des Hundes ablaufen 
gelassen; die Menge wurde bestimmt, die freie HCl wurde mitDimethyl- 
Amido-Azobenzol titriert und die Gesamtazidität mit Phenolphthalein. 

Ich gebe nun eine Anzahl der erhaltenen Werte. Bei Einguß 
von 500 g des beschriebenen Zwiebelwassers erhielten wir Rückstand 
nach 45 Minuten: 



Rest 

ccm 

D.R. 

Ph.R. 

Zeit 


24. 2. 1917 

10 

37 

46 

45 Min. 

Futter mit Salz. 

3. 3. 

10 

22 

33 

do. 

do. 

1 10. 3. 

100 

17 

26 

do. 

do. 

\ Sofort wiederholt 

100 

28 

38 

do. 

do. 

( 14. 3. 

180 

27 

37 

do. 

do. 

( Sofort wiederholt 

105 

40 

46 

do. 

do. 

1 Nochmals wiederholt 

100 

33 

43 

do. 

do. 

4. 6. 

16V» 

11 

24 

do. 

Futtter ohne Salz. 

5. 6. 

1 

0 

12 

do. 

do. 

6. 6. 

50 

22 

36 

do. 

do. 

7. 6. 

5 

0 

28 

do. 

do. 

8. 6. 

12 

13 

35 

do. 

do. 

9. 6. 

8 

7,5 

32,5 

do. 

do. 

11. 6. 

31/4 

15 

51 

do. 

Futter mit 15 g Salz. 

12. 6. 

60 

16 

29 

do. 

do. 

13. 6. 

IV2 

0 

47 

do. 

do. 

14. 6. 

40 

9 

19 

do. 

do. 

15. 6. 

6 

0 

15 

do. 

do. 

16. 6. 

iv* 

20 

47 

do. 

do. 


Bis jetzt stellten wir fest, daß sehr starke Differenzen bestehen; 
einmal in Bezug auf die Menge des Restes, den man nach drei¬ 
viertel Stunden herausbekam, und ferner in bezug auf den Säuregehalt. 
Meist war die Regel, daß, je geringer die Menge, umso größer der 
Säuregehalt war. Es kamen aber von dieser Regel Ausnahmen vor, 
so daß z. B. auch geringe Mengen mit niederen Säuregraden auftraten 
und auch umgekehrt größere Mengen mit hohem Säuregehalt. Ob 
Kochsalz zur Nahrung gegeben wurde oder nicht, machte im allgemeinen 
wenig aus. Die Werte waren bei Salzzufuhr etwas höher, aber die 
wesentlichen Schwankungen hingen nicht davon ab. Es wurde gleich¬ 
zeitig an den verschiedenen Tagen die Menge des Urins bestimmt 
und die Azidität desselben mit Lackmus titriert. Wir erhielten trotz 
ziemlich gleicher Urinmengen und gleicher Säuregrade des Urins be- 

15 * 






228 


G. KELLfNG, 


trächtliche Schwankungen in bezug auf die Menge und Acidität des 
Mageninhaltes. Ob sich bei spezieller Harnanalyse nicht doch Unter¬ 
schiede finden, konnte nicht geprüft werden. 

Wir ließen nun die Salzkost bestehen und füllten nach Be¬ 
endigung des Versuches vormittags l 1 /» 1 Wasser ein. Natürlich stieg 
damit die Menge des abgesonderten Urins erheblich, aber das Resultat 
in Bezug auf den Magen änderte sich wenig. Ich bringe hier zwei 
Versuche vom 19. und 20.6. Die 1V 2 1 Wasser waren am 18. und 
19. 6. eingefüllt worden; also etwa 23 Stunden vor Beginn des 
Versuches. 



Von 600 ccm 
herausbekommen 

DR. 

Ph.R. 

Zeit 

19. 6. 

6 ccm 

8 V« 

27 

45 Min. 

20 . 6. 

3 „ 

131/2 

30 

do. 


Zum Vergleich folgende Zahlen, wo kein Wasser am Tage vorher 
eingespritzt wurde: 



Von 500 ccm 
herausbekommen 

D.R. 

Ph.R. 

Zeit 

9. 6. 

8 ccm 

8 

32 

45 Min. 

13. 6. 

l'/ 2 . 

0 

47 

do. 

15. 6. 

6 „ 

0 

15 

do. 


Wir machten nun eine Reihe von Versuchen, bei denen wir das 
Futter von Abends 6—7 Uhr bei dem Hunde stehen ließen und genau 
die Menge der getrunkenen Flüssigkeit bestimmten. Ich brauche sie 
nicht alle im einzelnen hier anzuführen; die Resultate waren, daß die 
Schwankungen im Mageninhalte nicht abhingen von der Menge des 
genossenen Wassers, ferner unabhängig davon waren, ob die Kost mit 
oder ohne Salz war, wenn sich diese ^Versuche nicht länger als auf 
8 Tage erstreckten, sowie unabhängig von Menge und Säuregehalt des 
Urins und unabhängig von psychischen Einflüssen. 

Ich habe dann Versuche machen lassen, indem ich dem Futter 
noch 5 g Kal. acetic. zusetzte. Es geschah das deswegen, weil Kalium 
das Natrium aus dem Körper heraustreibt, Natrium eh lorat aber die 
Quelle der Salzsäure ist. Eine solche Versuchsreihe ergab z. B. 
folgende Resultate: 



Physiologische Heterochylie nach Untersuchungen an einem Magenfistelhunde. 229 


a) Die gewöhnliche Kost mit 15 g Kochsalz. 



Rest 

ccm 

D.R. 

Ph.R. 

Zeit 

6 . 7. 

5 

10 

26 

45 Min. 

7. 7. 

20 

13 

33 

do. 

9. 7. 

60 

14 

23 

do. 

b) Dieselbe Kost mit 

Kochsalz and 5 g Kalium aceticum. 

10. 7. 

8V* 

5 

32 

45 Min. 

11. 7. 

4 

4 

47 

do. 

12. 7. 

7Vz 

6 

50 

do. 


c) Dieselbe Kost nur mit Salz. 


13. 7. 

12 

11 

48 

45 Min. 

14. 7. 

250 

0 

&V* 

30 Min. 

17. 7. 

90 

5 

18 

do. 


Einfluß des Kaliums auf die starke Schwankung besteht nicht. 

Ich ließ nun während zweier Monate die Temperatur und den 
Feuchtigkeitsgehalt der Luft und die Niederschlagsmengen, sowie 
den Barometerstand notieren. Die Resultate ergaben, daß diese 
Faktoren gar keinen Einfluß hatten. Wir hatten bis jetzt erfahren, 
daß die erheblichen Schwankungen in bezug auf die Sekre¬ 
tion und Motilität des Magens ganz unabhängig sind von 
allgemeinen Zuständen, unabhängig von der Menge des ein¬ 
genommenen Wassers, vom Salz, vom Kalizusatz und von 
der Ausscheidung durch die Nieren, von der Erwärmung des 
Körpers, von der Verdunstung durch die Lungen usw. und 
unabhängig von psychischen Faktoren. Sie sind auch un¬ 
abhängig von der Bewegung des Hundes. Wir haben den Hund 
tageweise in den Käfig gesteckt, was schon notwendig war, um den 
Harn untersuchen zu können; anderen Tags haben wir den Hund sich 
wieder bewegen lasseu: Ruhe und Bewegung waren einflußlos auf 
die Heterochylie. Einflußlos war auch der Stuhlgang, der übrigens 
ganz normal und regelmäßig erfolgte. 

Mir kam es jetzt darauf an, die Schwankungen möglichst zu 
verstärken, und deswegen wurden die Untersuchungen des Zwiebel¬ 
wassers nach 30 Minuten ausgeföhrt. (Vgl. die Tabelle am Kopfe der 
nächsten Seite.) 

Bei allen in der Arbeit angegebenen Resultaten war 
niemals Galle im Mageninhalt: ein Rückfluß von Darminhalt war 
also an den Werten und ihren Differenzen nicht beteiligt. 



230 


Ci. HELLING, 


. 

Rest 

ccm 

D.R. 

Ph.R. 

Zeit 


14. 7. 

250 

0 

5‘/* 

30 Min. 

Gewöhnl. Kost mit 
Kochsalz. 

17. 7. 

90 

5 

18 

do. 

do. 

18. 7. 

12 

10 

26 

. do. 

do. 

19. 7. 

170 

2 l /i 

10 

do. 

do. mit Kal. acetic.- 
zusatz. 

20. 7. 

220 

1 

10 

do. 

do. 

21. 7. 

50 

11 

46 

do. 

do. 

24. 7. 

50 

12 

39 

do. 

nur mit Kochsalz. 

25. 7. 

40 

15 

45 

do. 

do. 

1. Versuch: 26. 7. 

130 

3 

9 

do. 

do. mit Kal. acetic.- 
zusatz. 

2. Versuch: sofort wiederholt 

90 

19 

29 

do. 

do. 

27. 7. 

60 

3 

13 

do. 

do. 

1. Versuch: 28. 7. 

50 

14 

17 

do. 

do. 

2. Versuch: sofort wiederholt 

70 

16 

28 

do. 

' do. 

1. Versuch: 30. 7. 

7 

10 

40 

do. 

do. 

2. Versuch: sofort wiederholt 

70 

20 

32 

do. 

do. 

1. Versuch: 31. 7. 

200 

3 

11 

do. 

— 

2. Versuch: sofort wiederholt 

120 

10 

19 

do. 

— 


Als wir die Zeit des Aufenthaltes des Zwiebelwassers im Magen 
kürzer wählten, trat eine Erscheinung deutlich zutage, welche den 
Aufschluß über den Wechsel bringen sollte. Es zeigte sich nämlich, 
daß der ausfließende Mageninhalt wechselnde Zusammensetzung zeigte. 
Das Wasser war an einigen Tagen trüber als an anderen, und auch 
die Speisereste, die im Magen gefunden wurden, waren trotz 15ständigen 
Aufenthaltes verschieden. Einmal waren mehr Eleischreste, auch 
mitunter mehr Fett'rcste, oft auch nur rein vegetabilische Reste vor¬ 
handen. Dies hing offenbar damit zusammen, daß die Fleisch- und 
Fettstücke, welche der Hund fraß und hinunter geschlungen hatte, 
verschieden groß waren. Die großen wurden natürlich schwerer ver¬ 
daut als die kleinen und gaben infolgedessen mehr Rückstände. Es 
wurde nun von jetzt an notiert, ob das Fleisch fett oder mager war. 
(Vgl. die Tabelle am Kopfe der nächsten Seite.) 

Im allgemeinen stellt sich die Sache jetzt so dar: Es ist im 
Magen früh nüchtern wenig Rückstand. Bei magerem Fleisch bleibt 
etwas mehr wässeriger Inhalt vom Einguß darin als bei fettem; es beein¬ 
flussen die Rückstände deutlich die Motilität des Magens und auch die 
Aziditätsgrade. Um nun die Resultate genau zu bekommen, und auch 
den maßgebenden Einfluß von den Fleisch- und Fettresten zu be¬ 
kommen, wurden die Versuche nun folgendermaßen angestellt. Das 
Futter war durchschnittlich zusammengesetzt aus 50 g Hafer, 50 g Mais 






Physiologische Heterochylie nach Untersuchungen an einem Magenfistelhunde. 231 



Rest 

ccm 

D.R. 

Ph.R. 

Zeit 

Kost abends vorher 

1. Versuch: 1. 8. 

80 

15 

35 

30 Min. 

Hühnerfleisch, mager, 

2. Versuch: sofort wiederholt 

110 

14 

28 

do. 

mit Bouillon. 

1 . Versuch: 2. 8. 

70 

10 

28 

do. 

Rindfleisch, etw. fett. 

2. Versuch: sofort wiederholt 

90 

9 

22 

do. 


1 . Versuch: 3. 8. 

70 

13 

43 

do. 

Hühnerfleisch, mager. 

2. Versuch: sofort wiederholt 

120 ») 

11 

22 

do. 


1 . Versuch: 4. 8. 

502) 

11 

27 

do. 

Fettes Rindfleisch in 

2 . Versuch: sofort wiederholt 

120 

8 

19 

do. 

groben Stücken. 

1 . Versuch: 6. 8. 

150 

4 

13 

do. 

Pferdefleisch, mager. 

2. Versuch: sofort wiederholt 

160 

13 

20 

do. 


1 . Versuch: 7. 8. 

120 

6 

10 

do. 

Grobes Pferdefleisch, 

2 . Versuch: sofort wiederholt 

160") 

10 

15 

do. 

mager. 

1 . Versuch: 8. 8. 

40 

20 

34 

do.. 

Fqngehacktes Rind¬ 

2. Versuch: sofort wiederholt 

50*) 

14 

32 

do. 

fleisch m. Knorpel. 

1 . Versuch: 10. 8, 

13 

14 

32 

do. 

Fettes Rindfleisch. 

2. Versuch: sofort wiederholt 

20 ») 

10 

23 

do. 


1 . Versuch: 11.8. 

230»; 

1 

7 

do. 

Feingehacktes fettes 

2. Versuch: sofort wiederholt 

220 

5 

10 

do. 

Rindfleisch. 


(beide gemahlen), 50 g Kleie, 25 g Strohraehl, 100 g Fleischbrühe, 
Fleisch wie unten angegeben, 500 g Wasser, 1 Eßlöffel Salz. An einem 
Tage wurde kein Fleisch und keine Fleischbrühe gegeben, am anderen 
Tage wurde die doppelte Portion mageres Fleisch verabreicht. Dann 
wurde tageweise eine fettreiche Kost gegeben unter Hinzufügung einer 
großen Menge Fett oder Oel (Sesamöl). (Vgl. die nächsten Tabellen.) 

Die Resultate sind nun so: Von der Fleischkost bleiben 
Reste im Magen. Diese Reste liegen offenbar in den Falten 
des zusamraengezogenen Magens. Von diesen Resten können 
durch den Einguß Stoffe herausgeschwemmt werden, die 
zweierlei vermögen: 1. die Motilität des Magens zu be¬ 
schleunigen, und 2. den Aziditätsgrad zu erhöhen, und 
zwar binden diese Stoffe HCl, weil der Gehalt an gebundener 
HCl steigt, weniger aber der an freier HCl. 

Wir versuchten dann durch Ausspülung des Magens früh nüchtern 
den Einfluß der Fleischreste zu beseitigen; das gelang aber nicht in 
der gewünschten Weise. Es blieben immer noch einige grobe Fleisch¬ 
stücke zurück, welche in den Magenfalten am Boden liegen bleiben, 


1) Rückstand von Fleisch. 

2) Rückstand von Fett. 

3) Fast kein Rückstand. 

4) Rückstand von Knorpel. 

5) Kein Rückstand. 










232 


G. KELLING, 




D.R. 

Ph.R. 

Zeit 


1 . Versuch: 13. 8. 

230 

7 

14 

30 Min. 

Futter ohne Fleisch 

2. Versuch: sofort wiederholt 

170 

16 

25 

do. 

und Fett. 

1. Versuch: 14. 8. 

30 

7 

54 

do. 

200 g mageres Rind- 

2. Versuch: sofort wiederholt 

60») 

9 

45 

do. 

fleisch und Brühe. 

1 .'Versuch: 15. 8. 

270 

0 

10 

do. 

Futter ohne Fleisch 

2 . Versuch: sofort wiederholt 

190*) 

9 

20 

do. 

u. Brühe (nur 50 g 
gefressen). 

1. Versuch: 16. 8. 

50 

6 

56 

do. 

200 g mag. Pferde¬ 

2. Versuch: sofort wiederholt 

60») 

10 

42 

do. 

fleisch (alles gefr.). 

1 . Versuch: 17. 8. 

170 

6 

13 

do. 

Ohne Fleisch u. Brühe 

2. Versuch: sofort wiederholt 

140 

15 

23 

do. 

(nur 50 g gefressen). 

1 . Versuch: 18. 8. 

60«) 

8 

60 

do. 

200 g mageres Rind¬ 
fleisch und Brühe. 


so daß zwar die Wasserschichten über dem Fleisch gewechselt werden, 
gleichzeitig aber auch die betreffenden Stoffe aus dem Fleisch extra¬ 
hiert werden. Die auf diese Weise erhaltenen Werte nähern sich zwar 
den normalen, indem die Restmenge größer ist und die Azidität geringer, 
sie erreichen sie aber nicht. 

Wir machten nun Versuche mit Fett. 

20. 8. Abends Futter ohne Fleisch und Brühe und ohne Fett. Der Hund 
fraß von 710 g nur 110 g. Von 500 ccm nach 30 Minuten 140 ccm wieder heraus¬ 
gekommen. Dimethylreaktion 7, Phenolphthaleinreaktion 15. — Sofort 2. Versuch. 
Nach 30 Minuten 160 ccm herausgekommen. D.R. 15, Ph.R. 20. 

21. 8. Abends Futter mit 150 g Fett und Brühe und 20 g Oel. Der Hund 
fraß von 1060 g 750 g. Von 500 ccm nach 30 Minuten 70 ccm herausgekommen. 
Inhalt mit Futterrückständen. D.R. 10, Ph.R. 23. — Sofort 2. Versuch. Nach 
30 Minuten 50 ccm herausbekommen. Weniger Rückstände. D.R 7, Ph.R. 17. 

22. 8. Abends gewöhnliches Futter ohne Fleisch und ohne Brühe, und ohne 
Fett. Der Hund fraß von 710 g nur 50 g. Nach 30 Minuten von 500 ccm 130 ccm 
herausgekommen. D.R. 6, Ph.R. 14. — Versuch sofort wiederholt. Nach 30 Minuten 
von 500 ccm 130 ccm herausgekommen. D.R. 12, Ph.R. 19. 

24. 8. Abends das gewöhnliche Futter ohne Fett, ohne Fleisch und ohne 
Brühe. Gefressen 200 g. Von 500 ccm nach 30 Minuten 190 ccm herausgekommen. 
D.R. 3, Ph.R. 9. — Versuch wiederholt. Nach 30 Minuten 110 ccm herausgekommen. 
D.R. 13, Ph.R. 22. 

25. 8. Abends Futter mit 60 g Fett und 20 g Sesamöl. 670 g gefressen. Von 

500 ccm nach 30 Minuten 35 ccm herausgekommen. Inhalt trübe mit Rückständen. 
D.R. 7, Ph.R. 31. — Versuch sofort wiederholt. Nach 30 Minuten 30 ccm wieder 
herausgekommen. D.R. 9, Ph.R. 23. / 


1) lm Sediment Fleischreste mit reichlichen Muskelfasern. 

2) Im abgeflossenen Wasser kein Inhalt. 

3) Inhalt trübe mit Muskelresten. 

4) Inhalt mit vielen Rückständen von Muskelresten. 








Physiologische Heterochylie nach Untersuchungen an einem Magentistelhunde. 233 

27. 8. Abends Futter ohne Fett und Oel und ohne Fleisch und Fleischbrühe. 
Hund frißt nichts. Von 500 ccm nach 30 Minuten 190 ccm herausgekommen. Wenig 
Rückstände. D.R. 4, Ph.R. 10. - Sofort 2. Versuch. Von 500 ccm nach 30 Minuten 
230 ccm herausgekommen. D R. 8, Ph.R. 14. 

28. 8. Futter mit 65 g Fett und 20 g Oel. 200 g gefressen. Von 500 ccm 
nach 30 Minuten 40 ccm herausgekommen. Rückstand oben Fettschicht, unten 
Pflanzenreste. D.R. 12, Ph.R. 23. — Sofort 2. Versuch. Von 500 ccm nach 30 Mi¬ 
nuten 150 ccm herausgekommen. D R. 5, Ph R. 19. 

29 8. Futter ohne Fleisch, Brühe, Fett und Oel. Gefressen 190 g. Von 
500 ccm nach 30 Minuten 260 ccm herausgekommen. Wenig Futterrückständc. 
D.R. 4, Ph.R. 11. — Sofort 2. Versuch Von 500 ccm nach 30 Minuten 140 ccm 
herausgekommen. D.R. 11, Ph.R. 18 

30. 8. Futter mit 40 g Fett und 30 g Oel. Gefressen 490 g. Von 500 ccm 
nach 30 Minuten 60 ccm herausgekommen. Im Inhalt meistens Pflanzenreste und 
Spuren von Oel. D.R. 9, Ph.Rr24 — Sofort 2. Versuch. Von 500 ccm nach 30 Mi¬ 
nuten 60 ccm herausgekommen. D.R. 9, Ph.R. 20. 

Die Wirkung des Fettes ist folgende: Die Menge des Inhaltes 
ist geringer, dabei ist der Aziditätsgrad im Verhältnis zu 
der geringen Menge niedrig. Fettspeisen beschleunigen dem¬ 
nach die Magenentleerung und setzen die HCl-Sekretion 
herab. Durch vorherige Ausspülung des Magens läßt sich die Wirkung 
der Fettreste vermindern. 

Wir haben dann noch einige Versuche gemacht mit Kleie, um 
zu sehen, ob das Eiweiß der Kleie einen beträchtlichen Einfluß ausübt. 
Wir konnten uns aber davon nicht überzeugen. Es liegt das wohl 
daran, daß Pflanzenzellen, wenn sie grob gemahlen' sind — und um 
solche handelte es sich bei unseren Versuchen — vom Magensaft 
kaum angegriffen werden. 

Welche chemischen Stoffe wirklich die Veränderungen bedingen 
in bezug auf Motilität und Sekretion, konnte wegen des Krieges nur 
in ganz beschränktem Umfange geprüft werden. Ganz grobe unver¬ 
dauliche Stoffe, wie z. ß. Leder, wirken überhaupt nicht. Von den 
Abbauprodukten des Eiweißes wurden Peptone und Glykocoll dem 
Zwiebelwasser zugesetzt. Beide erhöhen die Sekretion der Salzsäure, 
beeinflussen aber nicht die Motilität. Lecithin (aus Eidotter) be¬ 
schleunigte in ganz bestimmter Konzentration von 1 : 2000 die Motilität. 
Fett (Sesamöl) und Fettsäure (Oelsäure) vermindern die Salzsäure¬ 
sekretion, machen aber keine Motilitätsbcschleunigung. 

Ob nicht auch die größeren Fleisch- und Fettmahlzeiten durch 
Aenderung des ganzen Stoffwechsels wirken, indem sie diejenigen Nerven, 
welche die Motilität beschleunigen, beeinflussen, und in welchem Grade 
dieser Faktor dabei beteiligt sein kann, konnte wegen Mangels an den 
in Frage kommenden Stoffen nicht geprüft werden. 



234 G. HELLING, Physiologische Heterochylie nach Untersuchungen usw. 


Die Resultate unserer Versuche sind folgende: Physiologische 
Heterochylie wird ausgelöst in der Hauptsache von Bestand¬ 
teilen der letzten Nahrung, namentlich von gröberen Fleisch- 
und Fettstücken. Aus diesen werden Stoffe extrahiert, 
welche die Menge und den Aziditätsgrad des Mageninhaltes 
wesentlich beeinflussen. Für pathologische Verhältnisse kommen 
hauptsächlich solche Fälle in Betracht, bei denen entweder der Pylorus 
verengt ist und infolgedessen Stagnation besteht, oder wo Teile der 
Magenwand hart sind, wie z. B. bei kallösem Ulkus und Karzinom. 
In solchen Fällen .vermag selbst eine ausgiebige Peristaltik und Kon¬ 
traktion des Magens nicht eine genügende Entleerung herbeizuführen. 
Auch durch Ausspülung des Magens sind diese Stoffe nicht 
so zu beseitigen, daß ihr Einfluß ganz ausgeschaltet werden 
kann. Es bleibt nichts anderes übrig, wenn man gleichmäßige 
Resultate haben will, als eine breiige Abendmahlzeit zu 
wählen, welche grobe Speiseteile ausschließt, am besten 
aber überhaupt keine erheblichen Mengen Fleisch oder Fett 
enthält. 

Fräulein Charlotte Klemm hat die Untersuchungen mit großer 
Gewissenhaftigkeit ausgeführt und sich dadurch Anspruch auf Dank 
und Anerkennung erworben. 

Die Untersuchungen sind ausgeführt worden im Physiologischen 
Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. Aus Anlaß des 
Jubiläums des Direktors dieses Institutes, Herrn Geheimen Rat Prof. 
Dr. Ellenberger, ist es mir besonders ein Bedürfnis, ihm für seine 
gütige Erlaubnis und Unterstützung, infolge deren ich 27 2 Dezennien 
in seinem Institute arbeiten durfte, meinen aufrichtigen und tief¬ 
gefühlten Dank auszusprechen. 



XI. 


Die Abteilung für Vakzinetherapie 

(früher Opsonisches Laboratorium, Abt. d. Path. Inst.) 

1907—1917. 

Ein Jubiläumsbericht. 

Von 

Prof. Dr. med. A. Strubell. 

Im Frühjahr 1907 machte mich der Direktor des Pathologischen 
Instituts der Tierärztlichen Hochschule, in dem ich gerade über Im¬ 
munität arbeitete, Herr Prof. Joest, auf das Werk des englischen 
Immunitätsforschers Sir Almroth Wright in London aufmerksam 
und riet mir, mich doch mit der Angelegenheit der Opsonine und 
der auf ihr gegründeten Vakzinetherapie Wrights zu beschäftigen, 
über welche er soeben ein kurzes Sammelrefcrat geschrieben hatte. 
Dem freundlichen Rate folgte ich gern und es wurde eine Studien¬ 
reise nach London beschlossen, die ich dann mit der nachträglich 
eingeholten Bewilligung, unter teilweiser Unterstützung und im Auf¬ 
träge der Kgl. sächsischen Staatsregierung, speziell des uns Vorgesetzten 
hohen Ministeriums des Innern, ausführte. 

Auf meinen durch den Direktor des Pathologischen Instituts und 
den Herrn Rektor Geh. Rat Prof. Dr. Ellenberger befürworteten 
Bericht genehmigte dann das hohe Ministerium des Innern die Er¬ 
richtung des Opsonischen Laboratoriums unter meiner Leitung 
als Abteilung des Pathologischen Instituts. Als solche war es in 
einem kleinen Baum des zweiten Geschosses im Pathologischen Institut 
untergebracht, den ich mit den durch die Kgl. Staatsregierung in 
liberaler Weise bereitgestellten und durch den Landtag bewilligten, 
durchaus genügenden Mitteln genau nach dem Muster des Opsonischen 
Departments von St. Mary’s Hospital in London (der Arbeitsstätte 
Prof. Wrights) zu einem wahren Schmuckkasten von einem Labora¬ 
torium adaptierte. 



236 


A. STRUBELL, 


Das Laboratorium wurde mit großer Beschleunigung noch so 
schnell fertiggestellt, daß es mit Beginn der Tagung der Deutschen 
Naturforscher und Aerzte im September 1907 in Dresden vollkommen 
eingerichtet und den Besuchern des Kongresses vorgeführt werden 
konnte. 

Mein knapp achtwöchiger Aufenthalt in London, wohl eine 
der stürmischsten Arbeitsperioden meines Lebens, war insofern recht 
erfolgreich gewesen, als es mir möglich war, in dieser kurz bemessenen 
Frist die äußerst diffizile Technik der Opsoninuntersuchungen mir an¬ 
zueignen, die Resultate der Wrightschen Vakzinetherapie an einer 
großen Anzahl schwerer und schwerster Patienten und bei den wich¬ 
tigsten, dieser Therapie zugänglichen Krankheiten zu verfolgen, wie 
auch die bei denselben auftretenden Blutveränderungen recht genau 
zu studieren. 

Der Kern der ganzen Lehre ist bekanntermaßen folgender: Wright 
war oder ist gewissermaßen der Erbe Metschnikoffs, der den Leuko¬ 
zyten eine hervorragende Rolle bei def Bekämpfung der Infektions¬ 
krankheiten zuwies. Wright wollte nicht den Phagozyten allein, 
sondern auch dem Blutserum eine wichtige Rolle bei der Entstehung 
dei' Immunität einräumen in dem Sinne, daß in denselben gewisse 
Stoffe, eben die Opsonine, kreisen, welche die Phagozyten erst zum 
Auffressen der eingedrungenen feindlichen Bakterien anreizcu. „Opsono“, 
griechisch 'o'jmvtM heißt „ich bereite zum Mahle vor“. Diese chemisch 
natürlich nicht nachgewiesenen, durch Erwärmen aber zerstörbaren 
Kräfte des Blutserums werden nun in ihrer Menge und Stärke in 
erster Linie beeinflußt durch die bei den Kranken eingedrungenen 
Krankheitserreger, andererseits auch durch Therapiae causa eingespritzte 
tote Bakterienleibcr. „Was dich geschlagen hat, das soll dich heilen!“ 

Es wurde also bei den Patienten eine aktive Immunisierungs¬ 
therapie mit abgetöteten und aufgeschwemmten Bakterienleibern ein¬ 
geleitet und vermittels des Wrightschen Verfahrens die Menge der 
Opsonine in dem Blutserum der Kranken an der Hand der Zahl der 
von einer bestimmten Menge von Leukozyten aufgefressenen Bakterien, 
verglichen mit denselben Verhältnissen beim Blutserum des Normalen, 
ermittelt. Das klingt sehr einfach, wenn man es in einer langen 
Satzperiode formuliert, und läßt keine Schlüsse auf die in Wahrheit 
ungeheueren technischen Schwierigkeiten der ganzen Methode zu. Ich 
habe damals gleich nach meinem einleitenden Vortrag auf der 79. Ver¬ 
sammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte hier in Dresden, 15. 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 


237 


bis 21. September 1907, Sektion für innere Medizin (Münchener med. 
Wochenschr., 1907, Nr. 44) mich daran gemacht, die außerordent¬ 
lichen Schwierigkeiten der Methodik ausführlich niederzulegen in einer 
Publikation über „Opsonische Technik“. Diese Publikation erschien 
leider erst 1908 in Nr. 19 der Deutschen med. Wochenschr. Ich 
brauche auf die Lektüre der beiden genannten Arbeiten, des Vortrags 
auf der Naturforscherversammlung und der ‘Abhandlung über Opso¬ 
nische Technik, nur hinzu weisen, um an ihrer Hand den Vorwurf als 
vollkommen haltlos darzutun, den man mir später gelegentlich in der 
Literatur gemacht hat, ich sei ein fanatischer Anhänger Wrights 
und hätte die klinischen Erfolge der Vakzinetherapie in einem allzu 
rosigen Lichte gesehen. Daß eine solche Auffassung aus den Worten 
meiner Publikationen nicht entnommen werden kann, bezeugt der 
folgende Passus aus dem Vortrag auf dem Naturforscherkongreß, den 
ich hier wörtlich anführe: 

„M. H., so schön und überwältigend die Erfolge der Vakzinetherapie bei den 
geschilderten Staphylokokkenerkraukungen sind, so langwierig und so wechselnd 
sind die Erfolge bei den lokalen Tuberkulosen. Wir müssen uns stets vor Augen 
halten, daß die Vakzinetherapie Wrights die einzige ist, die wissenschaftlich 
dosierbar, bei diesen desolaten Krankheitsbildern Hoffnung auf Heilung verspricht, 
um unsere Ungeduld zu zügeln, wenn wir Fälle, die lange opsonisch behandelt 
worden sind, aus Gründen, die meist in den sozialen Verhältnissen der Patienten 
liegen, nicht so vorwärts bringen, wie wir wünschen und hoffen. Aber indem ich 
diese Worte mit einer gewissen Resignation ausspreche, muß ich doch sagen, 
daß ich im Opsonischen Department von St. Mary’s Hospital unter dem überreichen 
Material dem scheußlichsten Haut-, Knochen- und Gelenktuberkulosen eine große 
Anzahl von Fällen gesehen habe, die, nachdem sie viele Jahre, ja Jahrzehnte lang 
mit allen möglichen anderen Methoden vergeblich behandelt worden waren, durch 
die Opsonintherapie geheilt worden sind. 

M. H., freilich ist eben die Geduld unendlich groß, die auf jeden einzelnen 
Fall verwendet wurde.“ 

Es ist wohl nicht möglich, aus diesen Worten einen übertriebenen 
Optimismus herauszulesen, der mir von manchen Autoren unterschoben 
worden ist. Ich habe auch jederzeit die ganz außerordentlichen 
Schwierigkeiten der opsonischen Technik in gebührender Weise betont 
und kann in Uebereinstimmung mit einem anderen opsonischen Forscher, 
den ich gerade in den letzten Wochen sprach, nur sagen, daß die / 
opsonischen Untersuchungen die schwerste und aufreibendste Arbeit 
darstellen, die ich je in meinem Leben habe leisten müssen. 

Nach der Errichtung des jungen Opsonischen Laboratoriums ver¬ 
fehlten denn auch die Schwierigkeiten nicht, sich einzustellen. Man 
muß bedenken, daß Prof. Wright ein Riesendepartment in St. Mary’s 


238 


A. STRUBELL, 


Hospital auf Cambridge Place in London zur Verfügung hatte, wo 
in mehreren Stockwerken in kolossalen Laboratoriumsräumen 20 Assi¬ 
stenten und tausende von Patienten sich drängten. Wright gab für 
das Laboratorium mehrere tausend Pfund Sterling jährlich aus. Und 
nun sollte ich in dem kleinen Laboratorium, das ich ja nur nachts 
nach erledigter ärztlich-praktischer Tätigkeit, also bereits ermüdet, 
betrat, ohne Krankenhaus oder größeres ambulantes Material, ganz 
allein wissenschaftliche Resultate herausdestillieren. 

Es stellte sich bald heraus, daß ohne geeigneten und verständnis¬ 
vollen Assistenten diese Aufgabe die Kräfte überstieg. Der erste 
Assistent, den wir einstellten, lief mir nach 8 Tagen davon. Er er¬ 
klärte dem Direktor des Pathologischen Instituts, er sei Neurastheniker 
und könne diese Arbeit nicht machen, und hatte so große Eile fort¬ 
zukommen, daß er sich nicht einmal von mir persönlich verabschiedete. 
Nach diesem ersten Echec trat dann der zu meinem größten Be¬ 
dauern leider inzwischen verstorbene Dr. Wilhelm Felber als Assistent 
ins Opsonische Laboratorium ein. Mit ihm habe ich gemeinsam die 
ganze Nachprüfung der Wrightschen Lehre vorgenommen. Ich kann 
der Tätigkeit dieses ausgezeichneten und hingebungsvollen Mitarbeiters 
nur mit der größten Anerkennung, Dankbarkeit und Wehmut gedenken. 
Er verließ das Laboratorium, um in Norddeutschland eine neue und 
anregende Stellung zu übernehmen; dort verstarb er nachts plötzlich' 
an einem Herzschlag. 

Es wurde nun die ganze Wrightsche Lehre serologisch, experi¬ 
mentell und klinisch durch- und nachgeprüft, und zwar in erster Linie 
die Frage der so überaus diffizilen Technik, deren Fehlerquellen von 
seiten gegnerischer 'Autoren selbst bei ganz richtiger Befolgung der 
Wrightschen Vorschriften als übergroß bezeichnet worden waren. 

Des weiteren war es mir vollkommen klar geworden, daß die 
Propagierung der Wrightschen Lehre insofern eines Anstoßes bedürfe, 
als gewisse Bakterienprodukte, Vakzinen, wenn sie von vielen Aerzten 
aügewendet werden sollten, als fertiges Präparat im Handel käuflich 
vorhanden sein mußten. Aus diesem Grunde habe ich mit einer 
chemischen Fabrik zunächst eine Staphylokokkenvakzine lanciert, über 
deren Erfolge ich in einer großen Anzahl von Publikationen berichtet 
habe. Auf diese Weise war es mir auch möglich, Nachprüfungen 
der von mir hergestellten Staphylokokkenvakzine zu erzielen, was 
wieder zu einer ganzen Reihe wertvoller Publikationen führte, die auf 
andere Weise schwer zu erreichen gewesen wäre. Die Nachprüfung 
schritt im Jahre 1908 rüstig vorwärts. 



Die Abteilung für Yakzinetherapie 1907—1917. 


239 


Im Jahre 1909 gelangte im Opsonischen Laboratorium eine 
größere Reihe von Untersuchungen zum Abschluß. Strubell ver¬ 
öffentlichte in der Deutschen raed. Wochenschr., 1909, Nr. 6, einen 
Aufsatz über die Wrightsche Vakzinetherapie. Er legte in dieser 
Arbeit seine klinischen Erfahrungen am Menschen bei den lokalen 
Staphylokokkeninfektionen (Furunkulosis, Acne vulgaris, Sycosis cocco- 
genes) nieder. Das Wesentliche an dieser Publikation ist, daß Strubell 
für die Behandlung dieser Affektionen mit Staphylokokkenvakzine 
(aktiveImmunisierung) ohne die Kontrolle des opsonischen Index 
eingetreten ist. Eine genügende Anzahl sorgfältig beobachteter Fälle 
geben Zeugnis ab für die Möglichkeit eines solchen Vorgehens, durch 
welches, unabhängig von Wrights Publikationen im Practitioner 
Mai 1908, die Einführung der Wrightschen Vakzinetherapie in die 
allgemeine ärztliche Praxis angebahnt worden ist. Die Staphylokokken¬ 
vakzine erhielt den Namen „Opsonogen“ nach Wright-Strubell, die 
Darstellung derselben im Großen übernahm die Chemische Fabrik Güstrow. 

In Nr. 32 der Berliner klin. Wochenschr., 1909, veröffentlichten 
Strubell und Felber eine größere Arbeit über die Fehlerquellen 
bei der Bestimmung des opsonischen Index. Die langausge¬ 
dehnten Laboratoriumsuntersuchungen wurden noch eingehender in 
einer längeren Publikation im Zentralblatt für Bakteriologie usw. 
Bd. 52, Heft 3, 1909, behandelt 

Nach den schweren Angriffen, welche die Wrightsche Technik zur Bestimmung 
des opsonischen Index von seiten angesehener deutscher Autoren, z. B. Saathoff, 
Rolly, Baecher und Laub usw. erfahren hatte, erschien es wirklich nötig, den 
Grad der Exaktheit dieser Technik nochmals objektiv nachzuprüfen, weil durch 
diese Angriffe der Wert der ganzen Opsoninlehre Wrights als völlig illusorisch, 
das Bestehen eines Opsonischen Laboratoriums somit in höchst fragwürdigem Lichte 
erscheinen mußte. Es ist merkwürdig und instruktiv, daß Strubell und Felber 
bei ihren Versuchen zu nahezu identischen Resultaten gelangt sind, wie Alexander 
Fleming, ein Assistent Wrights. Während Fleming in seiner Arbeit im Prac¬ 
titioner, Mai 1908, S. 607, berichten konnte, daß er bei über 635 Bestimmungen 
an 44 Personen den tuberkulo-opsonischen Index normaler gesunder Menschen in 
97 v. H. der Fälle zwischen 0,90 und 1,10 schwanken sah (also in viel engeren 
Grenzen als Wright, der als Grenze der Norm 0,80 bis 1,20 aufgestellt hat), fanden 
Strubell und Felber bei 50 gesunden Menschen den tuberkulo-opsonischen Index 
in rund 95 v. H. der Fälle zwischen 0,90 und 1,10; das ist eine sehr weitgehende 
Uebereinstimraung völlig unabhängig von einander arbeitender Forscher. Auch die 
Differenzen der bei Untersuchung zweier Ausstrichpräparate desselben opsonischen 
Gemisches ermittelten phagozytischen Zahlen betrugen nach S trubel 1 s und Fel bers 
Ermittelungen in beinahe 92 v. H. der Fälle unter 10 v.Il. Die tuberkulo-opsonischen 
Indices normaler Individuen differierten bei opsonischen Parallelbestimmungen in 
etwa 94 v. H. der Fälle unter 10 v. H., während als eine der wichtigsten Fehler¬ 
quellen bei der Bestimmung des opsonischen Index das Auftreten der Isoagglu¬ 
tination der gewaschenen Blutkörperchen zu betrachten ist, welches gelegentlich 
bei einzelnen Individuen vorkommt. 



240 


A. STRUBELL, 


Weitere Forschungen im Opsonischen Laboratorium waren der Einwirkung 
der Pyozyanase auf das Diphtherietoxin gewidmet. Die Resultate wurden 
durch Strub eil im Zentralblatt für Bakteriologie usw., Bd. 51, 1909, Heft 4, 
veröffentlicht. Emmerich und Löw (Zeitschr. für Hygiene und Infektionskrank, 
heiten 1899, S. 33 und 50 — 53) hatten eine Einwirkung der Pyozyanase auf das 
Diphtherietoxin in vitro festgestellt in dem Sinne, daß die Pyozyanase das Diphtherie¬ 
toxin bindet, beziehentlich unwirksam macht, und auch die Diphtheriebazillen ab¬ 
tötet. Emmerich hat auf Grund dieser Versuche, welche auch Escherich be¬ 
stätigen konnte, die Behandlung der Diphtherie mit Pyozyanase aufgebaut, wobei 
er sich besonders darauf stützte, daß die Pyozyanase vor dem Behring’schen 
Diphtherieheilserum die Vernichtung und Auflösung der pyogenen Streptokokken 
und Staphylokokken bei den sog. Diphtheriemischinfektionen besorge. Bei der 
Wichtigkeit der ganzen Frage und der geringen Zahl der Versuche von Emmerich 
und Löw erschien eine Nachuntersuchung von Wert zu sein. Strubeil stellte 
eine Anzahl von Injektionsversuchen an Meerschweinchen, Kaninchen, sowie an ein¬ 
zelnen Igeln an. 

Nach diesen Versuchen ist die Einwirkung der Pyozyanase auf das Diphtherie¬ 
toxin in vitro im Sinne einer Verminderung der Giftigkeit des Diphtherietoxins für 
erwiesen zu erachten. Welcher Art diese Verminderung der Giftigkeit (Giftbindung? 
Giftzerstörung?) ist, bleibt noch dahingestellt. Eine Verminderung der Giftigkeit 
bei gleichzeitiger Injektion von Pyozyanase und Diphtherietoxin ao verschiedenen 
Stellen des Versuchstieres beziehentlich eine Giftbindung oder Zerstörung im Tier¬ 
körper scheint nicht stattzufinden, wie dies auch Saar in seiner Publikation in 
der Deutschen med. Wochenschr., 1908, Nr. 36, konstatiert hat. 

Weitere Untersuchungen des Laboratoriums beschäftigten sich 
mit der Immunität des Igels gegen echte Toxine, seine Wider¬ 
standsfähigkeit gegen banale Gifte. Die Münchener med. 
Wochenschr., 1909, Nr. 49, und das Zentralbl. f. Bakteriol. usw., 
1909, Bd. 53, H. 3, brachten diesbezügliche Publikationen Strubells. 
Es handelt sich hier um Versuche, welche er- schon früher angestellt 
hatte, deren Resultate aber aus äußeren Gründen nicht früher publi¬ 
ziert werden konnten. 

Durch Horvath, Lewin, Ilarnack und Physalix und Bertrand wurde die 
alte Legende von der Widerstandsfähigkeit des Igels gegen allerlei Gifte, besonders 
gegen das der Schlangen und der spanischen Fliegen, der wissenschaftlichen Dis¬ 
kussion unterworfen. Lewin und Physalix und Bertrand waren in der Lage, 
diese Legende im wesentlichen zu bestätigen, in dem Sinne wenigstens, daß die 
Widerstandskraft des Igels, besonders gegen den Biß der Ottern und deren Gift, 
eine so hohe ist, daß dieses Tier praktisch als immun gegen den Schlangenbiß be¬ 
trachtet werden kann. Wenn zur Tötung eines Igels von 445 g binnen 12 Stunden 
nach Physalix und Bertrand 20 mg des getrockneten Giftes bei subkutaner In¬ 
jektion nötig sind, eine Dosis, die fast niemals zu ein und demselben Zeitpunkt 
in beiden Giftdrüsen der Kreuzotter zusammen sich vorfindet, wobei noch zu be¬ 
merken ist, daß die Kreuzotter niemals ihr ganzes Gift auf einmal ausspritzt, so 
ist es praktisch klar, daß der Biß der Otter fast niemals einen Igel töten kann. 
Das ergeben ja auch die Versuche Lewins, der narkotisierte Igel von Kreuzottern 
beißen ließ und von vier Igeln nur einen verlor. In Freiheit läßt sich ein alter 
Igel eigentlich niemals, ein junger höchstens einmal von einer Kreuzotter beißen, 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 


241 


dann faßt er sie und frißt sie, trotz ihrer wütenden Gegenwehr, die sich vergeblich 
gegen sein stachliches Kleid wendet, bei lebendigem Leibe auf (Lewin). Es fragt 
sich nun: Ist diese hohe Immunität des Igels gegen das Schlangengift einem 
Mangel an passenden Rezeptoren oder einem hohen antitoxischen Gehalt des Blutes 
der Igel zuzuschreiben? Lewin verneinte dies auf Grund von Versuchen, die nach 
Phy salix und Bertrand nicht einwandfrei sind. Den letzteren beiden Autoren 
gelang es nach vorheriger, durch einviertelstündiges Erwärmen auf 58° C. bewirkter 
Inaktivierung des Igelblutes, den beträchtlichen Toxingehalt desselben zu eliminieren 
und in dem also inaktivierten Igelblute einen hohen natürlichen Gehalt an Anti¬ 
toxinen dem Schlangengift gegenüber im Blute bezw. Serum dieser Tiere nachzu¬ 
weisen. Nach Camus und Gley (siehe Oppenheimer) sind die roten Blut¬ 
körperchen des Igels refraktär gegen die Hämolysine des Aalbluts. 

Die große Widerstandsfähigkeit der Igel gegen die Kanthariden und die Zyan¬ 
verbindungen, welche Horvath, Lewin und Harnack beobachtet und erörtert 
haben, harrt, wie es scheint, noch einer plausiblen Erklärung. Sie steht ja in 
offenbarem Widerspruch zu der geringen Resistenz dieser Versuchstiere, z. B. gegen 
Strychnin. Die tierische Provenienz der Kanthariden, auf die Harnack besonderen 
Wert legt, kann nicht gut ins Feld geführt werden bei einem Stoff, der durch sein 
Auskristallisieren in chemischer Reinheit deutlich den Charakter eines banalen 
Giftes erhält. 

Es erschien nun nicht uninteressant, die Immunität des Igels gegenüber den 
echten Bakterientoxinen, Diphtherie- und Tetanustoxin, zu untersuchen und diese 
zu vergleichen mit seiner Widerstandsfähigkeit gegen banale Gifte. Es ergab sich 
dabei, daß der Igel gegenüber hohen Dosen Diphtherietoxin eine beträchtliche 
Immunität besitzt, die wir als etwa 70 mal so stark wie die des Meerschweinchens 
bezeichnen können. 

Das Ergebnis der Versuche läßt sich in folgende Sätze zusammenfassen: 

Völlig analog zu den Beobachtungen von Lewin einerseits und Phy salix 
und Bertrand andererseits, die den hohen Grad der Immunität des Igels gegen 
die Toxine des Schlangengiftes nachwiesen, wurde in der vorliegenden Experimental¬ 
reihe die Immunität des Igels gegen die echten Toxine der Diphtherie und des 
Tetanus als in hohem Maße bestehend dargetan. Diese Immunität ist, wie bei den 
meisten Beispielen von sogenannter natürlicher Immunität nur eine relative; denn 
es gelingt, wenigstens bei Diphtheriegift, durch bedeutende Steigerung der Toxin¬ 
dosen, den Tod der Versuchsigel herbeizuführen. Immerhin nähert sich die Im¬ 
munität des Igels gegen Tetanustoxin sehr dem refraktären Verhalten. Wenn nach 
Brieger und Cohn die tödliche Dosis Tetanustoxin für den Menschen 0,00023 ccm 
beträgt, während der eine Igel durch 1,9 ccm nicht getötet wurde, so vertrug dieser 
Igel eine Dosis, welche etwa 8000 Menschen zu töten imstande ist. Ob diese 
Immunität einem teilweisen Mangel an passenden Rezeptoren in den lebenswichtigen 
Organen oder einem natürlichen, durch Anpassung beziehentlich Vererbung er¬ 
worbener Eigenschaften akquirierten hohen Grad an Antitoxingehalt des Blutes 
zuzuschreiben ist, müssen künftige Untersuchungen lehren. Es wäre immerhin 
recht bemerkenswert, wenn dieses interessante Tier, ähnlich wie wir das für die 
opsonische Immunität annehmen, die für jedes opsonable Bakterium ein besonderes 
Opsonin voraussetzt, für jedes der drei am Igel ausprobierten echten Toxine: 
Schlangentoxin, Diphtherie- und Tetanustoxin, so reichliche Mengen spezißscher 
Antitoxine besäße. Die Erklärung, daß es wenigstens teilweise an passenden Re¬ 
zeptoren, wenigstens in den lebenswichtigen Organen, fehle, scheint dieser Annahme 
gegenüber einfacher. 

▲reblr f. wissen soh. u. prakt Tierheilk. Bd. 44. SnppL 


16 



242 


A. STRUBELL, 


Beim erwachsenen Igel ist die Widerstandsfähigkeit gegen interpleural in¬ 
jizierte Zyanverbindungen ebenso groß, vielleicht noch größer als bei neugeborenen 
Hunden und Meerschweinchen, die ihrerseits beträchtlich größer ist als die der 
erwachsenen Hunde, Meerschweinchen und Katzen (etwa 60 mal so groß). Bei 
ersteren erfolgt der Tod binnen etwa so vielen Minuten nach der Vergiftung, als 
sein Eintritt bei den letzteren in Sekunden erfolgt. 

Gegen andere banale Gifte ist der Igel offenbar widerstandsfähiger als jedes 
andere Tier. 

Ausgedehnte Untersuchungen im Laboratorium beschäftigen sich 
auch bereits im Jahre 1909 mit dem Tuberkulo-opsonischeü 
Index beim Menschen und beim Rinde, die sich in das Jahr 1910 
hinein erstrecken. Gleichzeitig wurden Versuchsreihen über den 
Einfluß des Diphtherietoxins auf die Nebennieren begonnen. 
Diesen Versuchen lagen Fragestellungen zugrunde, die nur indirekt 
mit dem Thema in Zusammenhang standen. Die schon von Roux 
und Yersin sowie von Behring konstatierten, auch durch die^Ar- 
beiten von Charrin und Langlois Armand, Leconte, Labsin, 
Klitin, Pettit, Roger, Tscherwenzow, Vybauw und Bogomolez 
besser bekannten Nebennierenveränderungen drängten sich dabei als 
wichtige Nebenbefunde auf und wurden daher gesondert verarbeitet. 

Aus den Protokollen erhellt zunächst die verschiedene Empfindlichkeit der Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen einerseits, der Igel andererseits gegen das Diphtherie¬ 
toxin. Die vier Igel starben nach 4 l / 2 —11 Tagen, nachdem sie 4,0 —9,0 ccm l^faches 
reines Diphthcrictoxin erhalten hatten, die Meerschweinchen und Kaninchen nach 
12—30 Stundon. Es besteht somit ein sehr beträchtlicher Unterschied in der Dauer 
des Verlaufes, bedingt durch den natürlichen hohen Grad von Immunität des Igels. 

Trotz der geringen Widerstandskraft der Kaninchen und Meerschweinchen 
gegen das Diphtherietoxin blieben von den mit Diphtherietoxin und Pyozyanase 
behandelten 9 Meerschweinchen und 4 Kaninchen 4 Meerschweinchen und 2 Ka¬ 
ninchen, wo die Pyozyanase mit dem Diphtherietoxin in vitro gemischt geraume 
Zeit im Brutschrank gestanden hatte, weit über die gewöhnliche Zeit am Leben 
(statt 12—30 Stunden: 4—10 Tage). Da, wo das Diphtherietoxin auf die Pyo- 
zyanase in vitro nur kurz oder bei gleichzeitiger Injektion in verschiedene Ex¬ 
tremitäten des Versuchstieres in vitro gar nicht, sondern nur ira Tierkörper ein¬ 
zuwirken Gelegenheit hatte (2 Kaninchen und 5 Meerschweinchen), starben die 
Versuchstiere ebenfalls nach der üblichen kurzen Zeit (nach 12—30 Stunden). 
Die mit dem Serum von 7—7^2 Stunden vorher mit Diphtherictoxin vergifteten 
Igeln gespritzten Meerschweinchen starben nach 30—65 Stunden resp. 4 und 
4 l / 2 Tagen. 

Nun fragt es sich: Sind entsprechend der verschiedenen Lebens¬ 
dauer Unterschiede in der Schwere und der Art der Nebennieren¬ 
affektion zu erkennen? 

Die Antwort darauf lautet: Nein! Vielmehr waren die größten Unter¬ 
schiede zu erkennen je nach der Tierspezies. 

Während die Kaninchen trotz reichlicher, nach kurzer Zeit zum Tode führen¬ 
der Diphtherietoxindosen ira wesentlichen keine Blutungen, nur einmal geringe und 
zweimal unter 9 Fällen stärkere Hyperämie aufwiesen, einmal Oedem der Rinde, 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907 — 1917. 243 

während die 4 Igel zweimal mäßige und einmal kolossale Hyperämie, einmal aus¬ 
gedehnte Nekrosen zeigten, aber keine manifesten Blutungen, waren bei den 
21 Meerschweinchen 16 mal Blutungen zu verzeichnen, zweimal starke Hyperämie, 
zweimal ein annähernd normaler Befund; viermal waren ausgedehnte resp. kolossale 
Nekrosen zu sehen, und diese Veränderungen sind anscheinend unabhängig von 
der Lebensdauer der Meerschweinchen. 

Wir konnten somit die Angabe bestätigen, daß die Nebennieren 
des Meerschweinchens einen Prädilektionsort für einen Angriff des Di¬ 
phtherietoxins auf den Organismus vorstellen. Beim Kaninchen führt 
dieses Toxin gerade so schnell zum Tode, ohne daß an den Neben¬ 
nieren in ähnlicher Weise charakteristische Erscheinungen auftreten. 
Beim Igel findet sich gleichfalls starke Hyperämie und Neigung zu Blu¬ 
tungen. Die durch die Pyozyanase bewirkte teilweise Entgiftung oder 
Zerstörung des Diphtherietoxins verlängert zwar bei genügend langer 
Einwirkung auf dieses Gift das Leben der Versuchstiere (Kaninchen 
und Meerschweinchen) beträchtlich, ohne jedoch in deutlich erkennbarer 
Weise Einfluß auf die charakteristischen Veränderungen der Neben¬ 
niere zu erlangen. Weder macht die Injektion von reiner Pyozyanase 
in die Ohrvene des Kaninchens oder bei den Meerschweinchen die 
subkutane, an sich irgendwie beträchtliche Kongestionen dieses Organs, 
noch verhindert sie solche bei länger protrahierter Lebensdauer des 
Versuchtieres (des Meerschweinchens; beim Kaninchen sind ja ohnehin 
wenig pathologische Erscheinungen der Nebennieren erkennbar). 

Diese Versuche wurden in einer ganz ausführlichen Arbeit mit 
reicher Literatur und großen Abbildungen in der Zeitschr. f. Hyg. u. 
Infektionskrankh., 1910, Bd. 65, publiziert. — — — 

Auch die Untersuchungen über den tuberkulo-opsonischen 
Index wurden durch Strubell und Felber fortgesetzt. Die um¬ 
fassende Publikation hierüber erschien im Zentralbl. f. Bakteriol. usw., 
I. Abt., Originale, 1910, Bd. 54, H. 1: „Ueber den tuberkulo-opso¬ 
nischen Index beim Menschen und beim Rind.“ 

Bereits in einer 1909 erschienenen Arbeit „Ueber die Fehler¬ 
quellen bei der Bestimmung des opsonischen Index“ wurden Unter¬ 
suchungen über den tuberkulo-opsonischen Index normaler Menschern 
publiziert (Strubell und Felber). 

Die Resultate dieser Untersuchungen stimmten mit einer Arbeit Alexander 
Flemings in St. Mary’s Hospital in London (The Practitioner, May 1908) so gut 
überein, daß man nun wohl von einer Unbrauchbarkeit und weitgehenden Unzu¬ 
verlässigkeit des opsonischen Index in technischer Beziehung nicht gut mehr reden 
kann. Wenn die Untersuchor in London und die Untersucher in Dresden bei an¬ 
nähernd derselben Anzahl (44 Gesunde bei Fleming, 50 bei Strubell und 

16* 



244 


A. STRUBELL, 


Felber) den tuberkulo-opsonischen Index der Sera dieser normalen Individuen 
in 97,5 v. H. (Fleming) resp. 95 v. H. (Strubell und Felber) zwischen 0,90 und 
1,10 schwanken sahen, so ist damit ein hoher Grad von Sicherheit der Technik 
garantiert. Auch sprechen diese Resultate in so deutlicher Weise für die große 
Stabilität des tuberkulo-opsonischen Index normaler Individuen, daß sie eine neue 
wichtige Stütze der Wrightschen Lehre darstellen. Auch Strubells und Felbers 
übrige Zahlen und Tabellen, die Fehlerquellen bei der Bestimmung des opsonischen 
Index betreffend, zeigen eine solche Einheitlichkeit und eine so weitgehende Ueber- 
einstimmung der Resultate, daß man wohl die Thesen derer ad acta wird legen 
dürfen, welche behaupten wollten, die W right sehe Technik sei unbrauchbar und 
völlig unzuverlässig. 

Nun fragt sich aber, ob der opsonische Index, wenn man eine weitgehende 
Zuverlässigkeit der technischen Bestimmung zugeben muß, im Sinne Wrights als 
ein für die Diagnostik, Prognosenstellung und Therapie tuberkulöser Erkrankungen 
entscheidendes Kriterium anzusehen sei. 

Für die Beurteilung dieser Frage waren wir in der Lage, einerseits etwa 
,50 Fälle von tuberkulösen Menschen heranzuziehen; dieselben entstammten teils 
Strubells Privatpraxis, zum Teil haben Herr Oberarzt Dr. Wert her-Dresden und 
Herr Dr. Nagelschmidt, Direktor der Finsenklinik in Berlin, eine Anzahl Sera 
zur Verfügung gestellt, wozu noch eine Reihe von Krankengeschichten kommt, die 
wir dem ganz besonderen Entgegenkommen von Prof. Sir Almroth Wright-London 
verdanken, Krankengeschichten von Fällen, welche Strubel 1 seinerzeit selbst per¬ 
sönlich in London mit beobachtet hat. 

Nachdem es auf Grund dieser Beobachtungen möglich war, uns ein Urteil 
über den tuberkulo-opsonischen [ndex des Menschen zu bilden, haben wir nicht 
verfehlt, unsere Untersuchungen auch auf den tuberkulo-opsonischen Index des 
Rindes auszudehnen. Wir haben zunächst einmal an 80 Schlachtrindern den 
Index gegen Menschen- und Rindertuberkulose festgestellt, wobei der pathologisch¬ 
anatomische Befund des betreffenden Tieres genau kontrolliert wurde. Des weiteren 
verdankten wir der besonderen Freundlichkeit von Herrn Prof. Eber, dem Vor¬ 
stand des Veterinärinstituts der Universität Leipzig, ein sehr wertvolles Material 
von Blutseren künstlich experimenti causa mit Tuberkelbazillen verschiedener Pro¬ 
venienz geimpfter Rinder. 

Wir machten insgesamt 895 Bestimmungen an 50 Patienten, die mit den 
verschiedenartigsten tuberkulösen Affektionen behaftet waren, und es war sehr 
interessant, zu sehen, wie das durchschnittliche Verhältnis der opsonischen Indices 
sich sofort änderte, sobald wir es mit tuberkulösen Patienten zu tun hatten. 
Während Tabelle 5 der früheren Arbeit (Ueber die Fehlerquellen bei der Be¬ 
stimmung des opsonischen Index) 94,48 v. H., also rund 95 v. H. der tuberkulo- 
opsonischen Indices normaler Menschen zwischen 0,90 und 1,10 schwanken läßt, 
sind in der neuen Tabelle unter den 50 tuberkulösen Fällen nur 38,32 v. H. 
zwischen 0,90 und 1,10, während 33,57 v. H. der Indices unter 0,90 und 28,82 v. H. 
über 1,10 zu stehen kommen. Bei den normalen Fällen waren unter 0,90 nur 
3,15 v. H., über 1,10 nur 2,36 v. H. der Indices. Dieses Resultat, das sich vor 
der endgültigen Feststellung der Tabellen nicht gut ahnen ließ, schien uns ein 
schlagendes zu sein. Und schlagend ist es allerdings, wenn wir bedenken, daß 
auch die Resultate Alexander Flemings sich vollständig in denselben Grenzen be¬ 
wegten (97,8 v. H. zwischen 0,90 und 1,10; 0,8 v. H. unter 0,90 und 1,7 v. H. über 
1,10 bei gesunden Menschen). Und nun waren die 97 v. H. bzw. 95 v. H. von 
Fleming bzw. von Strubell und Felber normaler tuberkulo-opsonischer Indices 
zwischen 0,90 und 1,10, reduziert auf 38 v. H. bei tuberkulösen Menschen. Die 
Tatsache, daß nur 38 v. H. der Indices innerhalb der als normal zu bezeichnenden 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 


245 


Grenzen sich befindet, deutet darauf hin, wie tief die opsonische Widerstandsfähig¬ 
keit gegen den Tuberkelbazillus bei den tuberkulösen Erkrankungen verändert sein 
muß und wie sehr dieselbe bald über, bald unter das Ziel der Norm ausschlägt. Ueber 
die Größe der Schwankungen des tuberkulo-opsonischen Index tuberkulös erkrankter 
Menschen haben wir eine weitere Tabelle zusaramengestellt (Tab. II a). Auf der 
anderen Seite beweist die Tatsache, daß immerhin 38 v. H. dieser Indices noch 
innerhalb der normalen Grenzen liegen, die eventuelle Unmöglichkeit, aus einer 
einzigen Indexbestimmung eine opsonische Diagnose zu machen. Es ist auch oft 
genug vorgekommen, daß bei zweifelhaften Fällen, welche in der Privatpraxis 
(Strubel 1) eine Sicherung der Diagnose auf opsonischem Wege wünschenswert er¬ 
scheinen ließen, eine einmalige Indexbestimmung völlig im Stich ließ, denn welche 
klinischen Schlüsse soll man aus einem einmal erhobenen Index von 0,89 ziehen? 
Ja, es kann passieren, daß auch mehrere Indices etwas unterhalb der Norm liegen, 
z. B. zwischen 0,80 und 0,90, ohne daß man aus der bloßen Bestimmung des Index 
bestimmte Anhaltspunkte bekäme. In der Mehrzahl der Fälle freilich wird auch, 
ohne daß wir Schwankungen des Index künstlich durch Injektionen von Tuberkulin 
herbeiführen, eine deutliche Labilität der opsonischen Kurve auf die vorhandene 
tuberkulöse Infektion hinweisen. Es kommt dabei nicht so sehr'darauf ah, ob der 
Index über der Norm oder unter der Norm ist, denn schon die zahlreichen Auto¬ 
inokulationen bei der Tuberkulose können ganz beträchtliche Steigerungen des 
Index hervorrufen. Es kommt vielmehr darauf an, daß der Index sich 
entweder dauernd oder vorübergehend häufig außerhalb der normalen 
Grenzen befindet. Diese Schwankungen können ganz beträchtlich sein, wie 
z. B. in einem Lupusfall zwischen 0,37 und 2,1. 

Aus alledem gebt hervor, daß die opsonische Beurteilung eines Falles von 
Tuberkulose nicht so einfach ist, wie manche der scharfen Kritiker Wrights vor¬ 
ausgesetzt haben. Die Mühewaltung kann in der Tat unter Umständen eine recht 
beträchtliche sein. Denn erst nach einer über eine gewisse Zeit sich erstreckenden 
Beobachtung gelangen wir zu einem klaren Urteil über die Schwankungen der 
opsonischen Immunität des Individuums. Dieser Weg der Diagnosenstellung ist 
also kein bequemer, kann aber unter gewissen Umständen ein geradezu entscheidender 
sein, und wir stehen vollständig in diesem Punkte auf einem Boden mit Much, 
der auf Grund einer über Tausende von opsonischen Fällen sich erstreckenden 
Erfahrung die hohe diagnostische Bedeutung des opsonischen Index rückhaltlos 
anerkannte. 

Was die prognostische Bedeutung des Index bei der Tuberkulose, welche 
von Wright betont, von Much und anderen geleugnet wurde, betrifft, so haben sich 
manche Autoren, wie es scheint, dieso Tatsache auf Grund der von Wright schon 
gegebenen opsonischen Schemata (positive und negative Phase in ihrer verschiedenen 
Aufeinanderfolge) wohl etwas zu einfach vorgestellt. Selbstverständlich sieht man 
nicht in allen Fällen einen so schönen Phasenwechsel, wie er bei manchen von 
Wrights Paradefällen deutlich zu erkennen war. Vielmehr kann die richtige 
Deutung einer tuberkulo opsonischen Kurve unter Umständen mit ganz erheblichen 
Schwierigkeiten verbunden sein, insofern als eventuell im Verlaufe einer erfolgreichen 
Behandlung und bei Ruhigstellung etwa der erkrankten Extremitäten oder Bett¬ 
lagerung des Patienten der Index von erhöhten Zahlen allmählich auf die Norm 
oder auf Werte, die etwas unterhalb der Norm gelegen sind, zurückgehen kann, 
während unter anderen Umständen eine Steigerung des opsonischen Index, z. B. bei 
einer lokalen Gelenkaffektion, nach reichlicher und im klinischen Sinne unzweck¬ 
mäßiger Bewegung, welche starke Autoinokulation zur Folge hat, mit einer deutlichen 
Verschlechterung des Befindens konkomitieren kann. Auf die therapeutische 
Bedeutung des Index wollen wir hier nicht weiter eingehen. 



246 


A. STRÜBELL, 


Durch diese Untersuchungen ist auf alle .Fälle dargetan, daß die Bestimmung 
des opsonischen Index auch bei Rindern als ein ganz ausgezeichnetes diagnostisches 
Kriterium zu gelten hat, wenn man nur nicht die Forderung stellt, daß man aus 
einer oder wenigen Indexbestimmungen stets die ganze Diagnose, Prognose usw. 
ablesen können müsse. 1 

Unsere Resultate faßten wir in folgender Weise zusammen: 

1. Nachdem durch unsere mit den Untersuchungen Alexander Flemings 
übereinstimmenden Resultate an 50 gesunden Menschen festgestellt ist, daß der 
tuberkulo-opsonische Index in rund 95 v. H. (bei Fleming 97 v. H.) der Fälle 
zwischen 0,90 und 1,10 schwankt, sind auf Grund dieses Materials, sorgfältige 
Beobachtungen der Technik vorausgesetzt, die Zahlen 0,90 und 1,10 als die Grenz¬ 
werte normaler Indices anzusehen. 

2. Auf Grund von 895 Bestimmungen tuberkulo-opsonischer Indices an 50 
tuberkulösen Patienten kamen wir zu dem Resultat, daß nur rund 38 v. H. der 
Indices tuberkulös Erkrankter sich innerhalb der Grenzen der Norm (0,90 und 1,10} 
bewegten und rund 33 v. H. subnormale, rund 28 v. H. übernormale Werte aufwiesen, 
wobei zu bemerken ist v daß das Auftreten der übernormalen Werte zum Teil auch 
auf die Behandlung mit Tuberkulin zurückzuführen ist. 

3. Die Schwankungen der Indices tuberkulös erkrankter Menschen können 

sehr beträchtliche sein; die größte bei einem Fall von uns beobachtete lag zwischen 
0,37 und 2,1. * 

4. Die Untersuchungen der tuberkulo-opsonischen Indices gesunder Schlacht¬ 
rinder ergaben, daß der opsonische Index gesunder Bullen, Ochsen und Kühe gegen 
MTb. in 87,7 v. H., gegen RTb. in 71,1 v. H. der Fälle zwischen 0,90 und 1,10, 
also innerhalb der normalen Grenzen schwankte, während übernormale Zahlen bei 
diesen gesunden Schlachtrindern gegen RTb. in 21 v. H. der Fälle vorhanden waren. 

5. Tuberkulöse bzw. tuberkulös gewesene Sch lach trindor (Bullen, Ochsen und 
Kühe) zeigten Indices innerhalb der Norm in 83,3 v. H. gegen MTb., in 57,8 y v. H. 
gegen RTb., außerdem waren übernormale Indices gegen RTb. in 34,3 v. H. der Fälle 
vorhanden. 

6 . Die aktiven Sera künstlich mit Tuberkelbazillen ursprünglich humaner 
Provenienz infizierter Rinder zeigten normale Indices gegen MTb. in 50,7 v. H., 
gegen RTb. in 45,2 v. H., während 45,8 v. II. der Indices gegen MTb. und 52 v. II. 
der Indices gegen RTb. subnormale waren. 

7. Die inaktivierten Sera derselben Rinder zeigten in 38,3 v. H. Indices gegen 
MTb. über 0,30, gegen RTb. in 6,80 v. H. über 0,30. Es ist in diesem differenten 
Verhalten offenbar ein Fingerzeig zu erkennen über die in Zukunft anzustellende 
Differenzierung des Typus humanus und bovinus* 

8 . Aus unseren Tabellen (XII—XV11) erhellt die prozentuale Verkleinerung 
des Index durch das Inaktivieren und der prozentuale Gehalt an Immunopsoninen. 
Der letztere betrug gegen MTb. in 45,2 v. H. der Fälle unter 30 v. H. Immunopsonine, 
in 54,7 v. H. der Fälle über 30 v. H. Immunopsonine, während gegen RTb. in 65,Ö v. II. 
der Fälle unter 30 v. II. Immunopsonine, in 34,0 v. H. der Fälle über 30 v. H. Immu¬ 
nopsonine vorhanden waren. 

9. Die Provenienz der für das opsonische Gemisch verwendeten Leukozyten 
(Menschenleukozyten, Rinderleukozyten) ist nach unseren Erfahrungen, die sich mit 
denen Wrights decken, für die Höhe der phagozytären Zahl unwesentlich. 

In einem Nachtrag berichteten wir, daß aus unserer ausführlichen 
Arbeit über den „tuberkulo-opsonischen Index beim Menschen 
und beim Kind“ vielleicht noch nicht mit der von uns gewünschten 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 


247 


Deutlichkeit hervorgeht, daß das Impfmaterial der von Professor 
Eber tuberkulös infizierten Rinder aus zwei Kategorien bestand: 

a) aus Tuberkelbazillen menschlicher Provenienz, die unmittelbar, d. h. ohne 
vorherige Tierpassage, den Versuchsrindern einverleibt wurden Die betreffenden 
Versuchsrinder erholten sich sämtlich von der vorübergehend n Erkrankung und 
wurden später behufs Ermittelung des lokalen Befundes geschlachtet; 

b) aus Tuberkelbazillen ebenfalls menschlicher Provenienz, die vorher durch 
Tierpassage rindervirulent gemacht worden waren. Die mit diesem Material infi¬ 
zierten Versuchsrinder starben sämtlich an der Impftuberkulose. 

Weitere Forschungen unseres Laboratoriums beschäftigten sich 
mit der Staphylokokken-Immunität, deren Resultate von mir 
publiziert wurden. Die Arbeiten beschäftigten sich mit der Phago¬ 
zytose in vitro und mit der Giftigkeit der Staphylokokkenvakzine. 
Die Resultate fasse ich dahin zusammen: 

1. Nach meinen freilich nur auf eine Zeit der Inkubation von einer halben 
Stunde sich beziehenden Untersuchungen bewirkt die induzierte Phagozytose in 
vitro gegen hochvirulen’e Staphylokokken keine nachweisbare Abtötung der Keime. 

2. Die Giftigkeit der standardisierten Staphylokkenvakzine „Opsonogen“ an 
Meerschweinchen, Hunden und selbst an dem klassischen Versuchstier, dem 
Kaninchen, erprobt, erwies sich bei den genannten* Tieren, selbst bei Verwendung 
außerordentlich hoher Dosen, als ganz gering. 

3. Der opsonische Index gegen Staphylokokken schwankte bei Gesunden in 
81 v. H. der Indices innerhalb 0,90 und 1,10, während er bei an Stapbylokokken- 
infektionen erkrankten Patienten nur in 41,1 v. H. der Fälle innerhalb der Norm sich 
bewegte. Auch in dem vor mir neuerdings beobachteten, unglücklich verlaufenen 
schweren Fall von Staphylokokkensepsis erwies sich die Bestimmung des opsonischen 
Index als ein gutes Kriterium für den jeweiligen Stand der Immunität des Patienten 
und verhielt sich umgekehrt proportional zur Höhe der Fieberkurve. 

4. Die von mir vor Jahresfrist in völliger Uebereinstimmung mit, jedoch un¬ 
abhängig von Professor Wright empfohlene Vakzinebehandlung der lokalen 
Staphylokokkenerkrankungen ohne die Indexbestimmung hat sich auch weiterhin 
bewährt. In der. Mehrzahl der Fälle wird ein Erfolg leicht erzielt und erspart 
dem Patienten schmerzhaften Verlauf und chirurgische Behandlung. Eine Minderzahl 
von Fällen setzt der Behandlung eventuell große Schwierigkeiten entgegen. Es 
wurden in den vorstehenden Ausführungen zwei Fälle zitiert als Paradigma dafür, 
wie den bestehenden Schwierigkeiten zum Trotz dennoch ein Heilerfolg erzielt 
werden kann. 

5. Die Herstellung individueller Vakzinen ist ein Auskunftsmittel für die 
prozentual geringe Anzahl von Fällen, in denen die Heilwirkung der Standard¬ 
vakzine zögernd eintritt oder gar ausbleibt. Doch ist eine solche individuelle 
Vakzinotherapie wohl nur in Universitätskliniken oder boi sehr wohlhabenden 
Privatpatienten möglich. Für die ärztliche Praxis kommt im allgemeinen wohl 
nur die in überwiegender Mehrzahl der Fälle zum Ziele führende Behandlung mit 
fabrikatorisch im Großen dargestellten Vakzinen in Betracht 

Ira Jahre 1911 wurden die bereits 1910 begonnenen Untersuchungen 
über die pharraako-dynaraische Beeinflussung des opsonischen 
Index fortgesetzt, und zwar mit Hilfe von drei Assistenten, den 



248 


A. STRUBELL, 


Herren Dr. Jenke, Heinzrnann und Michligk. Im Sommer des 
Jahres 1911 wurde in Dresden die Internationale Hygiene-Ausstellung 
Dresden 1911 eröfihet, in der das Opsonische Laboratorium nach 
mannigfachen Kämpfen an hervorragender Stelle in der Abteilung für 
Infektionskrankheiten — Gruppe für Immunität und Schutzimpfung 

— aufgestellt war. 

Strubeil, der Leiter des Laboratoriums, hatte es durchgesetzt, auf 3 m Tisch 
und 3 m Wandfront ein getreues Abbild der seit 1907 errichteten, unter Leitung 
von Professor Strubell stehenden staatlichen Opsonischen Laboratoriums'(Abteilung 
des Pathol. Institutes) der Königlich Sächsischen Tierärztlichen Hochschule Dresden 
zu geben. Auf den mit weißen Fliesen belegten Tisch mit versenkter Porzellan¬ 
wanne, an der Gas- und Wasseranschlüsse markiert waren, fanden sich alle für die 
opsonische Arbeit dienlichen Instrumente, besonders das Gasgebläse zur Ausführung 
der verschiedenen Glasarbeiten, der Pipetten, Blutkapseln und Blutröhrchen, die 
Wasserzentrifuge und der Opsonizer von Maw £ Sons (Henry Crouch), London, das 
Bain Marie von Pierre Lequeux, Paris. Farbstofflösungen und Glasarbeiten ver¬ 
vollständigten das Bild. An der Wand hingen naturgetreue Photographien, welche 
alle Details der opsonischen Technik Wiedergaben, so die Blutentnahme, das Auf¬ 
saugen des Blutes in die Glaskapsel nach Wright, das Zuschmelzen der Kapsel, 
Bereiten der Emulsion, Aufsaugen der Bestandteile des opsonischen Gemisches, 
Opsonieren im Opsonizer, das Ausstreichen auf dem Objekträger, während in Kästen 
unter Glas auch die Formen des richtigen und falschen Ausstriches, ferner ge¬ 
färbte Ausstriche auf dem Objekträger figurieren, desgleichen die Bereitung der 
Pipetten und der Kapseln — Ausführliche Tabellen von Strubell und Felber 
zeigten die Lagerung des opsonischen Index bei 50 gesunden Menschen, in 95 v. H. 
der Fälle innerhalb der von Wright als normal bezeichneten Grenze von 0,90 
bis 1,10, während der tuberkulo-opsonische Index bei 50 tuberkulösen Menschen 
nur in rund 38 v. H der Fälle innerhalb der Norm sich verhielt. Das Schwanken 
oberhalb und unterhalb der Norm bei der Mehrzahl der Indices ist für Tuberkulose 
beweisend, nicht das Verhalten eines einzelnen Index, welches täuschen kann. 

— Zwei große Tabellen gaben die Resultate der Behandlung mit Staphylokokken¬ 
vakzine an 400 Fällen von lokalen Staphylokokkenerkrankungen der Haut: Furun¬ 
kulose, Acne vulgaris, Sycosis coccogenes, wobei die außerordentlich große Anzahl 
von Heilungen und Besserungen auffiel. Auf dem Tisch war die Vakzine eben¬ 
falls in einem Stehglas und in kleinen Ampullen ausgefüllt ausgestellt. — Eine 
weitere Tafel zeigte die komplexe Natur der Opsonine, welche aus einem thermo- 
bilen und thermostabilen Bestandteil zusammengesetzt sind Erhitzen von mensch¬ 
lichem und tierischem Blutserum auf 60° vernichtet den thermolabilen Bestandteil; 
durch Zusatz von nichterhitztem Blutserum wird aber das vorher inaktivierte Blut¬ 
serum wieder reaktiviert. — Eine Tafel zeigte die sehr geringe spontane Phago¬ 
zytose bei Anwesenheit von Kochsalzlösung, die viel stärker induzierte Phago¬ 
zytose bei Anwesenheit von aktivem Blutserum. 

Im Laboratorium wurde ferner über die Vakzinetherapie bei 
den bakteriellen Affektionen der Hamwege gearbeitet; desgleichen 
hat Strubell seine Untersuchungen über die Vakzinebehandlung der 
lokalen Staphylomykosen der Haut beim Menschen fortgesetzt und in 
zwei Arbeiten: „Ueber Vakzinetherapie“, Deutsche med. Wochenschr., 
1911, Nr. 21, und „Ueber opsonische Immunität“ in einem Vortrag 
auf dem 28. Kongreß) für Innere Medizin, Wiesbaden 1911 (Ver- 



249 


Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 

i 

handlungen dieses Kongreßes, veröffentlicht. Die wesentlichen Resultate 
dieser beiden Arbeiten finden sich in den hier wiedergegebenen Tabellen 
aus der Hygiene-Ausstellung: 


Lokale Staphylomykosen: 



Fälle 

Geheilt 

Gebessert 

Ungebessert 

Wright. 

23 

15 

6 

2 

Bailoch. 

11 

9 

2 

— 

Weinstein. 

11 

9 

2 

— 

Strubell. 

66 

41 

25 

3 

Wolfsohn. 

16 

10 

1 

— 

Wechselmann u. Michaelis 

19 

(SKoglinge) 

19 

— 

— 

Erh. Schmidt. 

12 

10 

1 

1 

Verress. 

12 

5 

3 

4 

Saalfeld. 

36 

21 

9 


Seilei . 

39 

17 

19 

meist gebessert 

— 

Bab. 

70 

— 

70 

— 

Wentges. 

44 

18 

14 


Verschiedene. 

42 

22 

11 

9 


401 

196 

163 

35 


Tabelle über Einzelerkrankangen 1 ). 

Erklärung: H = Heilung, B = Besserung, U = Ungebessert. 



Fälle 

Furun¬ 

kulose 


Sykosis 

Abszesse 

Ekzeme u. 
andereFälle 



H B U 


H B U 

H B U 

H B U 

Wright . . . 

28 

7 1 1 


2 2 1 

— 

1- 

Bai loch . . . 

11 

4- 


— 1 — 

-- 

- - - 

Weinstein . . 

11 

4- 


-- - 

— - '- 

- — - 

Strubell . . . 

66 

31 6 — 

6 15 - 

— 2 — 

2 — 1 

2 3 2 

Wolfsohn . . 
Wechsel mann 

16 

3- 

— i — 

— — — 

- - - 

-2 

u. Michaelis 

19 

19- 

— — — 

— — — 

-- 

— — — 

E. Schmidt . 

12 

5- 

— — — 

— — — 

5- 

— — — 

Verress . 

12 

2 1 — 

11 — 

-1 

-- 

-1 

Saalfeld . . 

36 

2—3 

18 9 3 


- - - 

-1 

Seilei .... 

39 

11 2 1 

1 7 — 

ISfl 

- - - 

— — — 

Bab . . 

70 

25 | 

geheilt od. ® 
gebessert * 

35 

meist geb. ! 

nicht geh. 

EH 



Wentges . . 

44 

11 5 1 

- 1 3 

ISB 

1 4 — 

4 3 2 

Verschiedene 

42 

10 7 1 

9 4 2 

-1 

-1 

4—4 


401 

109 22 7 

+ 25 geh. 
oder geb. 

TöiT 

49 44 8 

+ 36 geh. 
oder geb. 

128 

10 29 5 

'~39~ 

8 4 2 

12 

11 6 12 


1) Verhandlungen des Deutschen Kongresses für innere Medizin, Wiesbaden 1911. 
Strubell: Ueber opsonische Immunität. 

















































250 


A. STRUBELL, 


Des weiteren erschien im Sommer 1911 aus dem Opsonischen 
Laboratorium die erste Inauguraldissertation,nämlich vonDr.A.Frenzei, 
Veterinär im 7. Kgl. sächsischen Feldartillerie-Regiraent Nr. 77 in 
Leipzig. Diese, was Form und Inhalt anlangt, weit den Rahmen der 
gewöhnlichen Doktordissertationen überschreitende Arbeit enthält in 
knapper Form ein großes experimentelles und klinisches Material, das 
in den 4 Jahren des Bestehens des Opsonischen Laboratoriums durch 
•A. Strubeil und seine Mitarbeiter DDr. weiland Wilhelm Felber, 
Walther Jenke, Heinzmann, Michligk und Frenzei aufgehäuft 
worden ist. Außer den Untersuchungen über den tuberkulo-opsonischen 
Index von Menschen und Rindern sind hier Untersuchungen nieder¬ 
gelegt über den opsonischen Index gegen den Erreger der Pferdedruse, 
über die komplexe Natur der Opsonine, die Phagozytose in vitro und 
ausführliche Experimente über die Giftigkeit der Staphylokokkenvakzine 
und die Schwankungen des staphylo-opsonischen Index; ferner ge¬ 
naue Tabellen über die opsonische Wirkung frischer Staphylokokken¬ 
allgemeininfektionen. Des weiteren enthält die Dissertation die ganze 
neue Literatur über die klinische Wirkung der Staphylokokkenvakzine 
beim Menschen, wie sie in Deutschland und Oesterreich-Ungarn, be¬ 
sonders auf Anregung von Strubell, ins Leben gerufen worden ist. 
Das Resümee der Frenze Ischen Doktorarbeit lautet: 

1) Die von Wright angegebene Technik zur Bestimmung des opsonischen 
Index ist nach den mit den Resultaten Alexander Flemings vollständig überein¬ 
stimmenden Untersuchungen von Strubell und Felber, an denen Verfasser sich 
aktiv beteiligt hat, eine völlig einwandfreie. Die Fehlerquellen überschreiten bei 
richtiger Handhabung in der überwältigenden Mehrheit nicht 10 v. H. Der opso¬ 
nische Index des Normalen schwankt zwischen 0,90 und 1,10, und zwar sowohl 
nach Strubell und Felbers Versuchen und denen Flemings am tuberkulo- 
opsonischen Index, wie auch nach seinen eigenen am Index gegen Staphylokokken. 
Die Indices infizierter Individuen, und zwar sowohl tuberkulöser Menschen und 
Rinder als auch staphylokokkenkranker Menschen sind nur in rund 40 bis höchstens 
50 v. H. innerhalb der Norm, sonst subnormal oder übernormal. 

2 ) Nach seinen Untersuchungen verhalten sich die Blutsera gesunder Pferde 
und anderer Haustiere auch gegen den Druse-Streptokokkus (Streptococcus equi) 
in der gleichen Weise wie in der für den Tuberkelbazillus und den Staphylokokkus 
geschilderten (Schwankungen im wesentlichen nur zwischen 0,90 und 1,10). 

3) Seine opsonischen Untersuchungen mit Diphtheriebazillen und Diphtherie¬ 
antitoxin ergaben in Ucbcreinstimmung mit Gr über und Sauerbeck die kom¬ 
plexe Natur der Opsonine, die Reaktivierbarkeit inaktivierten Serums durch aktives. 

4) Es wird an der Hand der Protokolle die Unschädlichkeit selbst sehr hoher 
Dosen von Staphylokokkenvakzine, besonders auch des Opsonogens am Tierkörper 
(Meerschweinchen, Kaninchen, Hunden) dargetan. 

5) Die von Strubell, unabhängig, aber in Uebereinstimraung mit Wright, 
inaugurierte Behandlung der lokalen Staphylomykosen ohne Bestimmung des 
opsonischen Index hat sich, wie aus einer bereits ziemlich umfangreichen Literatur 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 


251 


und zahlreichen Erfahrungen Strübe 11s und einer Reihe anderer Autoren hervor¬ 
geht, z. B. Wolfsohn, Wechselmann und Michaelis, Erhardt Schmidt, 
^Verreß, Saalfeld, Seilei, Wentges vollkommen bewährt. Wir dürfen getrost 
diesen neuen Zweig der Therapie dem eisernen Bestände der Arzneimittellehre ein¬ 
verleiben, und Verfasser schließt diese Arbeit mit den Worten Wrights: „Der 
Arzt (und der Tierarzt — wie Verfasser hinzufügt —) der Zukunft wird Imrauni- 
sator sein!“ — 

Die erste Arbeit über pharmako-dynamische Probleme publizierte 
Strubell in der ßerl. klin. Wochenschr., 1911, Nr. 30 unter dem 
Titel: „Die Wirkungen des Jods auf den menschlichen und 
tierischen Organismus.“ 

Wir kennen alle die Erscheinungen des Jodismus, die bekannten Symptome 
des Kopfschmerzes, Schnupfens und der Akne, wir wissen ferner, daß die Akne 
vulgaris eine Staphylokokkeninfektion ist. Strubell sowohl wie Saalfeld 
haben unabhängig von einander den außerordentlich günstigen Einfluß von In¬ 
jektionen von Staphylokokkenvakzine auf die Jodakne festgestellt. Diese drei Tat¬ 
sachen brachten Strubell auf den Gedanken, ob die Jodakne nicht mit einer Ver¬ 
änderung der Immunitätsvorgänge gegen Staphylokokken zusammenhängt. Ver¬ 
suche, welche Strubell mit seinem Assistenten Walther Jenke durch Selbst¬ 
versuche am Körper des Herrn Jenke anstellte, ergaben, daß Dosen von 3—5 g 
Jod- und Bromnatrium eine starke negative Phase gegen Staphylokokken herbei¬ 
führten, welche etwa 8 Stunden anhielt, nach dieser Zeit näherte sich der Index 
allmählich der Norm. Es war durch diese Versuche bewiesen, daß durch das Ein¬ 
geben eines Jod- oder Bromsalzes eine primäre Veränderung der opsonischen Im¬ 
munität gegen Staphylokokken hervorgerufen wurde, indem die Senkung des opso¬ 
nischen Index bereits nach der ersten Viertelstunde eintrat, in deren Gefolge die 
Infektion mit diesen Eitererregern erst am nächsten Tage erfolgte. Also nicht die 
Eiterinfektion tritt zuerst in der Haut auf und dann die Veränderungen der Blut¬ 
beschaffenheit, sondern umgekehrt, und es zeigt sich dieses Verhalten durchaus 
analog dem bei der Infektion mit Pneumokokken der Pneumonie, bei der Mac¬ 
donald bereits 12 Stunden vor der Krise den Eintritt derselben an der Hand des 
opsonischen Index gegen Pneumokokken Vorhersagen konnte. Erst auf Grund der 
Veränderungen der Widerstandskraft des Organismus gegen das Bakterium, in 
diesem Falle gegen den Staphylokokkus bzw. Pneumokokkus bei Macdonald, tritt 
die klinische Veränderung in die Erscheinung. 

Es unterliegt wohl keiner Diskussion, daß hier das Jod eine tiefer gehende 
Wirkung erzielt hat, als man bisher annahm, und es fragt sich, ob nicht eine 
solche Alteration der Blutbeschaffenheit auch weitergehende Folgen haben kann 
für den Fall, daß Gaben von Jodsalzen länger, d. h. wochenlang oder monatelang 
verabreicht werden. Die hier auftretende Jodakne führt sicher auch zur Resorption 
von Staphylotoxinen aus den entzündlichen, mit Eiter gefüllten Knoten der Haut 
in das Blut. Verfasser will mit dieser Meinungsäußerung nichts ausdrücken, was 
etwa der durch tausendfache Erfahrungen der Klinik und den Ergebnissen der 
Wrightschen Schule erhärteten Charakterisierung der Akne als einer rein lokalen 
Staphylokokkeninfektion der Haut widerspräche. Verfasser weiß sehr wohl, daß 
bei Akne vulgaris ein Tiefstand des opsonischen Index gegen Staphylokokken die 
Regel ist, und zwar gerade deshalb, weil von diesen Eiterpustelchen der Haut her 
verhältnismäßig sparsam Autoinokulationen in den Kreislauf hinein gelangen. Aber 
gänzlich auszuschließen sind dieselben bei dem wechselnden Krankheitsbilde doch 
nicht, und er kann sich sehr gut vorstellen, daß aus größeren, im gespannten 



252 


A. STRUBELL, 


Korium sitzenden, mehr furunkelähnlichen Akneknoten doch kleinere oder größere 
Mengen bakterieller Giftstoffe in den Körper gelangen. Außerdem ist es völlig 
klar, daß, wenn durch dauernde Gaben von Jod, auch wenn dieselben klein sind, 
der opsonische Index niedrig erhalten wird, Autoinokulationen in den Kreislauf 
gelangen können, ohne daß sie imstande wären, den künstlich niedrig gehaltenen 
Index zu steigern. Wenn nun auf solche Weise die physiologische Reaktion auf 
die Staphylotoxine infolge des Jodgebrauchs ausfällt, dann ist anzunehraen, daß 
diese Giftstoffe ungestörter ihre Wirkung auf empfindlichere Organe ausüben können. 
Daß zu diesen Organen, die hier in Frage kommen, gerade diejenigen besonders 
zu rechnen sein werden, auf die das Jod gewissermaßen eine elektive Wirkung aus¬ 
übt, ist ein Schluß, der nicht gezwungen erscheint. In Frage kommt wohl in erster 
Linie die Schilddrüse, von deren Veränderungen nach Jodgebrauch wir ausgegangen 
sind; aber auch die Nebennieren, deren chromaffine, physiologisch am meisten 
wirksame Substanz, wie F. Venulet und C. Dmitrowsky (Arch. f. exper. Path., 
Bd. 63, H. 5 u. 6, S. 460) an einer freilich kurzen Versuchsreihe nachgewiesen 
haben, durch reichliche Gaben von Jod vermindert oder gar zum Schwinden ge¬ 
bracht wird. Daß aber diese Organe, besonders die Schilddrüse, aber auch Neben¬ 
nieren, Pankreas usw., nicht außer Zusammenhang mit der Abwehr des Organismus 
gegen Bakterien, sagen wir kurz, mit der Immunität sind, dafür sprechen mannig¬ 
fache ältere klinische Erfahrungen und neuere Beobachtungen, von denen er einige 
hier anführen möchte. So sei an die Schwäche der Diabetiker den Staphylokokken¬ 
infektionen -und der Tuberkulose gegenüber erinnert. Wenn auch bei weitem nicht 
alle Fälle von Diabetes auf einer Degeneration des Pankreas beruhen, so sind es 
immerhin etwa l /3 der Fälle, die hier in Frage kommen. 

Nach v. Noorden erkranken Vio — l U aller Diabetiker an Furunkulose, nach 
Naunyn ist dieser Prozentsatz geringer. 

Dacosta und Bcardsley (Americ. journ. of the med. Sciences, Sept. 1908) 
fanden, daß das Blutserum von 74 Diabetikern eine Herabsetzung des opsonischen 
Index um l / 2 ~ 2 ' 3 gegenüber der Norm aufweist, und zwar in gleicher Art auf 
Streptokokken, Staphylokokken und Tuberkelbazillen. Diabetiker mit Furunkeln 
verhielten sich hierbei auch nicht anders als solche ohne Komplikation. 

Die Herabsetzung des Index schien meist von der Schwere des Diabetes bzw. 
der Höhe der Glykosurie abzuhängen. 

Handmann stellte fest, daß der Gehalt des Blutes an Traubenzucker weder 
in vitro einen besseren Nährboden für Staphylokokken abgibt noch in vivo die 
bakterizide oder die opsonische Kraft des Serums schädigt. Die verminderte Re¬ 
sistenz vieler Diabetiker muß nach ihm demnach auf Schädigung der inneren Se¬ 
kretion des Pankreas beruhen. 

Diese Untersuchungen wurden in unserem Laboratorium durch 
Versuche mit Eingaben der jodhaltigen Schilddrüsensubstanz er¬ 
gänzt. Wir sahen ebenfalls exquisite Veränderungen des opsonischen 
Index gegen Staphylokokken und gegen Tuberkulose. Es unterliegt 
gar keinem Zweifel, daß die Strubel Ischen pharmako-dynamischen 
Untersuchungen völlig neue Ausblicke eröffnen, einmal für die Be¬ 
urteilung des opsonischen Index, der, wie man bisher meinte, lediglich 
durch Injektionen spezifischer Bakterienkulturen oder natürliche In¬ 
fektion beeinflußt wurde, zweitens aber über die Einwirkung von Arznei¬ 
mitteln, speziell des Jods, auf den Organismus. Hier hat sich die 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 


253 


opsonische Methode in der Hand Strubells als eine solche von nicht 
unbedeutendem heuristischem Werte erwiesen. Die Versuche 
wurden mit großem Aufwande an Kosten und Arbeitskräften auch im 
Jahre 1912 eifrig fortgesetzt und die opsonische Methode erfolgreich 
weiter ausgebaut. — — — 

Im Jahre 1913 wurde auf Verordnung des hohen Kgl. Ministeriums 
des Innern das Opsonische Laboratorium vom Verbände des Patho¬ 
logischen Instituts losgelöst und als selbständige, nur dem Senat der 
Hochschule unterstehende Abteilung mit dem Namen „Abteilung für 
Vakzinetherapie“ aus räumlichen Gründen nach Pragerstr. 52 verlegt. 

Zu Anfang des Jahres 1913 bereits erschien die große Mono¬ 
graphie über „Die Klinik der Opsonine“ von Alexander Strubeil, 
in der der Verfasser seine langjährigen Erfahrungen über die Wright- 
sche Opsoninlehrc und die darauf aufgebaute Vakzinetherapie nieder¬ 
gelegt hat. Es erübrigt sich, auf den Inhalt dieser mit außerordent¬ 
lich großem statistischem Material und guten, die Technik illustrieren¬ 
den Abbildungen ausgestatteten Monographie einzugehen. Es sei nur 
das Vorwort zitiert, welches den durch langjährige Erfahrungen ge¬ 
läuterten Standpunkt des Verfassers wiedergibt. Verfasser schreibt dort: 

»Bei der Abfassung des vorliegenden Buches ist nicht der Fleiß des Sammlers 
zahlreicher und umfassender Literaturangaben, sondern die redliche Mühe des Ar¬ 
beiters tätig gewesen, der selbst auf Grund der eigenen Forschungen den Tatsachen 
näher zu kommen sich bestrebt hat. Die Literatur über Opsonine ist in den letzten 
5 Jahren derart angeschwollen, daß ich davor zurückgeschreckt bin, eine literarische 
Monographie darüber zu schreiben. Was ich hier mittcilen wollte, ist Selbst¬ 
gesehenes, mit meinen Schülern gemeinsam Beobachtetes, und ich habe die Lite¬ 
ratur nur insoweit herangezogen, als sie mir zur Stütze und Ergänzung eigener 
Erfahrungen wertvoll oder besonderer Widerlegung bedürftig erschien. Der sub¬ 
jektive Charakter, den das Buch somit trägt, verleiht ihm den Wert eines positiven 
Zeugnisses in der Sache und für die Sache. Negative Zeugnisse, die früher, weil 
sie von beachtenswerter Seite kamen, mehr als sie es verdienten, Beachtung fanden, 
haben heute, soweit sie technische Details betreffen, jede Bedeutung verloren. 
Denn was verschlägt es, sobald es einmal feststeht, daß die opsonische Technik bei 
richtiger Handhabung auch zu exakten Resultaten führt, wenn dieser oder jener 
schätzenswerte Autor nicht damit zu Fache gekommen ist. Die Tatsache, daß ich 
mit 8 Schülern, von denen 6 ausgezeichnete Opsoniker geworden sind, in fünf¬ 
jähriger Arbeit technisch einwandfreie Resultate habe erzielen können, spricht 
mehr für die Sache als die Angabe von so und so vielen Autoren, die an der¬ 
selben Aufgabe gescheitert sind, dagegen spricht. Was in London, Hamburg und 
Dresden gelungen ist, das kann, das müßte auch anderswo gelingen, genügende 
Laboratoriumseinrichtungen, Hilfskräfte und Geldmittel vorausgesetzt. 

Wenn somit nach der Arbeit Alexander Flemings und meiner Publikation 
mit Felber jeder Zweifel an der Technik wirkungslos bleiben muß, so sprechen 
außerordentlich zahlreich angehäufte klinische Beobachtungen für die diagnostische 
Bedeutung des opsonischen Index bei bestimmten Infektionskrankheiten. Aus 



254 


A. STRUBELL, 


triftigen Gründen habe ich mich hier bei der Mitteilung meiner eigenen Erfahrungen 
auf die Verhältnisse bei den lokalen Tuberkulosen und bei den lokalen Staphylo- 
mykosen der Haut beschränkt. Der Leser bekommt auf diese Weise einen Einblick 
in nur zwei, freilich auch wohl die beiden wichtigsten Arbeitsgebiete der Wright- 
schen Lehre, und wird wohl auch in der Lage sein, aus den in diesem Buche 
niedergelegten Daten sich in genügender Weise darüber zu orientieren, daß die so 
mühevolle opsonische Blutbestimmung nicht nur diagnostischen, sondern auch 
prognostischen Wert hat. 

Aber noch eines wird der Aufmerksame aus diesen Blättern erkennen, daß 
nämlich die Opsoninlehre, das Werk eines überaus praktischen Gelehrten, im 
Wesentlichen praktischen Zwecken dienen sollte und soll. Es kam Wriglft, soweit 
ich ihn und sein Werk kenne und verstehe, nicht so sehr darauf an, den prächtig 
gegliederten Zierbau einer modernen Immunitätstheorie in die Welt zu stellen, als 
einen Maßstab zu haben für die Dosierung bei seiner Vakzinetherapie. Und da ist 
zu sagen: Erst ist die Vakzinetherapie dagewesen, erst hat Wriglit Patienten mit 
lokalen Staphylomykosen der Haut mit Staphylokokkenvakzine behandelt, und dann 
hat er seine auf die verschiedene Freßfähigkeit der weißen Blutkörperchen gerichteten 
Versuche angestellt. Sobald er nach tausendfachen und abertausendfachen müh¬ 
seligen Bestimmungen des Index in seinem Laboratorium genügende Erfahrungen 
zu haben glaubte, um bei gewissen Erkrankungen richtig dosieren zu können, warf 
er, ohne im mindesten von seiner Lehre oder den mit ihr gewonnenen Resultaten 
enttäuscht zu sein, die Bestimmung des Index aus rein praktischen Gründen über 
Bord. Ein gleiches Verfahren habe ich eingcschlagen, in gleicher Weise haben 
amerikanische und später auch deutsche Autoren gehandelt. 

So präsentiert sich heute die Vakzinetherapie in einem neuen Gewände, wie 
ein moderner Soldat im Vergleich zu dem mit schwerer Rüstung beschwerten Ritter. 
Aber diese Umwandlung im Sinne einer besseren Beweglichkeit unter Gewinnung 
größerer Mengen von Mitstreitern hat nicht den Wert der ursprünglichen Theorie 
erschüttert. Sie bildet wie vorher den geistigen Inhalt unserer auf die Vakzine¬ 
therapie bezüglichen Vorstellungen, und was bisher als kategorischer Imperativ 
die Hand weniger emsiger Laboratoriumsmänner leitete, wohnte als luftiger Gedanke 
im Hirn von tausenden von Aerzten. Wenn die Opsonintheorie nur die Bedeutung 
einer heuristisch wertvollen Idee hätte, welche die Gesamtheit der Aerzte über die 
Tragweite aktiver Immunisierung aufgeklärt und eine vernünftige Methodik thera¬ 
peutischer Inokulationen ungebahnt hätte, ja würden von heute ab nirgends mehr 
in der Welt Blutbestimmungen zur Feststellung des Index ausgeführt, die Wright- 
sche Lehre müßte in der Geschichte der Medizin und der der Immunität als eine 
bedeutsame Etappe unserer Erkenntnis bestehen bleiben. 

Dies ist die Formulierung eines Standpunktes, den selbst die Gegner akzeptieren 
müssen, eines Standpunktes, den ich selbst als überzeugter Anhänger der Lehre 
zwar teile, aber weit über ihn hinausgehe. Ich glaube indessen selbst durch meine 
Arbeit genug geleistet zu haben für die Vakzinetherapie, um sagen zu können: 
«Das auf die praktische Durchführung therapeutischer Inokulationen 
gerich tete Werk bleib t bestehen, auch dann, wenn seine theoretischen 
Grundlagen noch weitere Anfechtungen erleiden sollten, besonders 
nachdem wir selbst aus rein praktischen Gründen uns des schweren 
Rüstzeuges teilweise entledigt haben, das die Theorie uns geliefert 
hat.“ 

Des weiteren erschien die ausführliche Arbeit von Strubeil und 
Michligk, früherem Assistenten der Abteilung, über „Pharmako- 
dynamische Einflüsse auf den opsonischen Index“ (Zentralbl. 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907 — 1917. 


255 


f. Bakt., I. Abt. Originale. 1913. Bd. 68, Heft 5). Diese Arbeit ent¬ 
hält die Resultate der mit Hilfe von fünf Assistenten im Laufe von 
2Vs Jahren fortgesetzten Untersuchungen auf diesem von Strubeil 
beschrittenen Wege. Die Arbeit ist ebenfalls viel zu ausführlich, um 
auf dieselbe hier des näheren einzugehen. Es sei nur darauf hinge¬ 
wiesen, daß die Tabellen von 179 Versuchen am Menschen und am . 
Tier aufgeführt sind und 122 opsonische Kurven, mit deren ausge¬ 
zeichneter Reproduktion sich der Verlag von Gustav Fischer in Jena 
ganz besonders verdient gemacht hat. Die Einzelheiten der umfang¬ 
reichen Arbeit müssen wie gesagt im Original nachgelesen werden. 

Ferner wurde der Assistent der Abteilung für Vakzinetherapie, 
Dr. Böhme, studienhalber an die Abteilung für experimentelle Therapie 
des Eppendorfer Krankenhauses in Hamburg (Oberarzt Professor Dr. 
Hans Much) und an das Königliche Serum-Veterinärinstitut (Professor 
Dr. Jensen) in Kopenhagen delegiert, und zwar handelte es sich in 
Hamburg um Versuchsanordnungen, die zwischen Strubeil nnd Much 
verabredet waren. Strubel 1 hatte auf Grund seiner langjährigen 
Beschäftigung mit der Staphylokokkenimmunität den Gedanken gehabt, 
es müsse doch gelingen, auch die Staphylokokken ebenso wie den 
Tuberkelbazillus und die Streptothrix leproides (Deicke und Much) 
in ihre chemischen Bestandteile zu zerlegen. Auch müsse es möglich 
sein, diese chemischen Bestandteile als biologisch-reaktive, d. h. 
als Partialantigene zu erweisen. Durch chemische Vorversuche 
und biologische Versuche in Hamburg an der eben genannten Abteilung 
und durch weitere in Dresden fortgesetzte chemische Untersuchungen 
und biologische Versuche hat sich die Richtigkeit der urprünglichen 
Annahme Strubells erwiesen, und es konnten in der Tat die Partial¬ 
antigene der Staphylokokken nicht nur qualitativ nachgewiesen, 
sondern auch quantitativ dargestellt werden. Diese Untersuchun¬ 
gen haben auf dem Gebiete der Staphylokokkenimmunität einen völlig 
neuen Weg eröffnet. 

Wir haben aus den Studien am Königlichen Serum-Veterinär¬ 
institut in Kopenhagen sehr großen Nutzen gezogen für die Differen¬ 
tialdiagnostik mancher .Bakteriengruppen. Außerdem haben wir, und 
zwar auf eigenen Füßen stehend, im Anschluß daran interessante 
Versuche anstellen können über neue Züchtungsverfahren für Bakterien, 
über welche später ausführlich berichtet wird. 

Auf dem 31. Kongreß für Innere Medizin im April 1914 berichtete 
A. Strubeil über die mit dem Assistenten der Abteilung für Vakzine- 



256 


A. STRUBELL, 


therapie ausgeführten Untersuchungen, welche in Hamburg-Eppendorf 
im Laboratorium von Professor Dr. Hans Much begonnen und in 
Dresden fortgesetzt worden sind. Ueber den gleichen Gegenstand, die 
Feststellung und Darstellung von Partialantigenen der Staphylokokken, 
haben dann A. Strubell und W. Böhme in den „Beiträgen zur Klinik 
der Infektionskrankheiten und zur Immunitätsforschung“, Würzburg 
1914, Verlag A. Kabitzsch, berichtet. 

Im Gegensatz zu den nach außen hin sezernierten Giften, den 
echten Toxinen, sprach man bei den anderen Bakterien von den so¬ 
genannten Endotoxinen, die, an die Leiber der Krankheitserreger ge¬ 
bunden, in denselben enthalten seien. Aber man unterschied doch 
vielleicht nicht immer ganz klar zwischen der eigentlichen Virulenz, 
als welche sich die eigentliche Infektionstüchtigkeit des betreffenden 
Bakterienstammes darstellte, und der Giftwirkung, welche erst durch 
die Auflösung der Leiber der einzelnen Bakterien, also nach dem Ab¬ 
sterben derselben, zustande kommen konnte. 

Alle nun auf dieser Basis aufgebauten Immunitätstheorien und 
Versuche kann man wohl nicht mit Unrecht nur als biologisch be¬ 
zeichnen, indem man jedenfalls der ganzen Frage nicht direkt mit 
rein chemischen Begriffen zu Leibe gegangen ist. Daher sind eben 
auch die Abhandlungen über Immunitätsforschung mit allerlei Namen 
und Begriffen erfüllt, welche, biologisch wohl fundiert, chemisch nicht 
identifiziert worden sind. (Begriffe wie Antigene und Antikörper, 
Agglutinine, Präzipitine, Hämolysine, Opsonine usw.) Wohl hatte man 
sich chemischer Methoden bedient, besonders beim Studium der Färb¬ 
barkeit der Bakterien, und hat Begriffe konstruiert wie säurefest und 
nichtsäurefest, gramfärbendo und nichtgramfärbende Bakterien, aber 
wissenschaftlich chemisch ist man dem ganzen Problem nicht zu Leibe 
gerückt. Und da ist es nun ein sehr großer Verdienst Deyckes, 
der als der erste hier neue Bahnen gewiesen hat und durch eine 
chemische Zerlegung der Streptothrix leproides und später des Tubcrkel- 
bazillus den Anfang gemacht hat zu einer neuen chemischen Aera in 
der Betrachtung dieser Frage. Es war ein besonderes Glück, daß 
Deycke sich mit Much zu gemeinsamer Arbeit verbinden konnte, 
der auf anderem Wege zu denselben Problemen gelangt war, und cs 
ist so durch die sich in wertvoller Weise ergänzende Arbeit der beiden 
Forscher ein neues chemisch-biologisches Forschungsgebiet eröffnet 
worden, das wir durch eine Pforte betreten, auf deren Eingang der 
Name Partialantigene geschrieben steht. — 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 257 

Es war ans in der Tat gelungen, den Staphylokokkus vollkommen 
in seine chemischen Bestandteile zu zerlegen, und zu zeigen daß die¬ 
selben ganz ähnlicher Natur sind, wie sie Deycke beim Tuberkel- 
baziU,us gefunden und Much in ihren biologischen Reaktionen verfolgt 
hat. Hier ist natürlich sehr wohl zu betonen, daß es nicht genügt, 
das betreffende Bakterium chemisch zu zerlegen, sonst heißt es wie 
bei Goethe im Faust: 

„Dann hat er die Teile in der Hand, 

Fehlt leider nur das geistige Band. 

E»zetpt<nv naturae nennt’s die Chemie, 

Spottet ihrer selber und weiß nicht wie.“ 

Es genügt nicht, daß man aus einer Bakterienkultur Eiweißkörper 
und Lipoide darstellt, sondern dieselben müssen, wie schon Much 
sehr richtig gesagt hat, auch reaktiv sein, d. h. es müssen an ihnen 
noch biologische Antigeneigenschaften zu erweisen sein. 

Wir haben aus den Staphylokokken Eiweißkörper, Fettsäurelipoide 
und Neutralfette isoliert und durch die betreffenden entsprechenden 
chemischen Proben identifiziert. Auch konnten wir noch zeigen, daß 
unter den gesamten Lipoiden sich auch Cholesterin befand. 

Was nun die biologische Wirksamkeit der von uns dargestellten 
Staphylokokkenpartialantigene, des Staphyloalbumins, Staphylo- 
fettsäurelipoids und Staphylonastins anlangt, so ließen sich 
folgende Tatsachen feststellen. 

Die Antigene wurden bei Kaninchen intravenös und bei Meer¬ 
schweinchen intraperitoneal injiziert und auch bei Menschen behufs 
Untersuchung der Sera auf Partialantikörper eingespritzt. Es genügten 
bereits einige Tage zur Auslösung reaktiver biologischer Prozesse im 
Serum der Versuchstiere resp. Versuchspersonen. Der Nachweis der 
Antikörper wurde beim Kaninchen durch Komplementbindung und 
Intrakutanreaktion, beim Meerschweinchen nur durch Intrakutanreaktion 
geführt. Zur Komplementablenkung wurden dieselben Antigenkon¬ 
zentrationen benutzt wie zur Injektion. Als Titer wurde die Hälfte 
der Antigenmenge genommen, bei der gerade noch komplette Hämolyse 
zu verzeichnen war. Zu jeder Reaktion wurde 1 ccm einer Alexin¬ 
verdünnung von 1 :10 und 2 ccm „Septem“ (2,5 v. H. Hammelblut¬ 
körperchen mit der entsprechenden Titremenge Ambozeptor) verwendet. 
Der Titer der Lipoide war naturgemäß der höchste und bewegte sich 
um 0,7, der der Staphylokokkenmulsion um 0,2 und der der Staphylo¬ 
kokkenalbumine um 0,15. Die Intrakutanreaktionen wurden in der 

Archiv f. wissen sch. u. prakt Tierheilk. Bd. 44. Sappl. 17 



258 


A. STRUBELL, 


Weise vorgenommen, daß 0,1 ccm der Antigene in die von den Haaren 
befreite, desinfizierte Rückenhaut der Versuchstiere in Abständen von 
ungefähr einer Fingerbreite injiziert wurde. Als Kontrolle wurde noch 
jedesmal eine Injektion mit physiologischer Kochsalzlösung ausgeführt. 
Als positiv wurden die Reaktionen bezeichnet, wo sich neben starker 
Rötung von Dauer Knotenbildung oder gar Nekrose zeigte. Bei der 
äußerst zarten und dünnen Kaninchenhaut war es recht schwierig, 
intrakutan Reaktionsquaddeln zu erzielen, doch kann man auch hier 
mit sehr dünnen Kanülen sicher intrakutan injizieren. 

Wie sich aus unseren Protokollen ergibt, zeigten die Staphylo¬ 
kokkenalbumine ziemlich stark toxische Wirkungen, was natürlich 
kein Wunder nehmen kann, wenn man bedenkt, daß diese in den 
Staphylokokken enthaltenen Eiweißgifte aufgeschlossen, in einer wohl 
zugängigen Form dem Organismus einverleibt, sehr rasch dem Abbau 
verfallen, jedenfalls viel rascher als die intakten und den Körper¬ 
flüssigkeiten daher weniger zugänglichen Staphylokokken. Die Mehr¬ 
zahl der mit dem Lipoidantigen injizierten Tiere bildeten nicht nur 
einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Lipoidantikörper, sondern 
es findet sich hier zu gleicher Zeit auch ein meistens die Stärke der 
Lipoidantikörper übersteigender Eiweißantikörper. In gleicher Weise 
bilden aber auch die neuen Eiweißantigene einen Lipoidantikörper. 

Es fragt sich nun, ob vielleicht durch unvollkommene chemische 
Trennung noch Lipoid am Eiweiß oder Eiweiß am Lipoid zurück¬ 
geblieben sei. Es war jedoch unmöglich, mit den empfindlichsten Eiwei߬ 
reaktionen, z. B. der Biuret- oder der Nynhydrinreaktion, in unseren 
Lipoidlösungen Eiweiß nachzuweisen. Umgekehrt haben wir unsere 
Eiweißrückstände auf Lipoid geprüft. Schon beim Vorversuche zur 
Feststellung der selbsthemmenden Menge des Titers zeigten sich aber 
Aetherextraktionen unserer Staphyloalbumine völlig indifferent. 

Zur Feststellung der Reaktion von Eiweißkörpern und Lipohie 
übers Kreuz wurden aber noch weitere Versuche, außer mit Staphylo¬ 
kokken auch mit Koli-, Tuberkulose- und Streptothrix-Lipoiden an¬ 
gestellt, mit dem Resultat, daß auch die langjährig erprobten Lipoide, 
das Tuberkelbazilluslipoid und das Streptothrixlipoid, nicht allein den 
betreffenden Lipoidantikörper, sondern auch einen in beträchtlicher 
Quantität vorhandenen Eiweißkörper erzeugen, der sogar zeitlich früher 
auftritt als der Lipoidantikörper, was sich besonders auch bei der 
lntrakutanreaktion zeigte. 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 


259 


Was das Verhalten der mit Bakterienemulsion immunisierten 
Tiere anlangt, so ist zu bemerken, daß durch die allmähliche Auf¬ 
schließung des Bakteriums im Organismus zwar sämtliche Antikörper 
gebildet werden, daß die Lipoidantikörper aber nicht in gleicher 
Quantität erscheinen, wie nach Injektion des Lipoidantigens selbst. 

Bei der Untersuchung von 50 menschlichen Blutseren auf Staphy¬ 
lokokkenantikörper fanden sich nun in 6 Fällen keine Antikörper, 
während der Eiweißantikörper in allen anderen nachweisbar war. Bei 
30 Seren, die den Eiweißantikörper besaßen, fehlte der Lipoidantikörper, 
bei den übrigen stand er dem Eiweißantikörper meistens bedeutend 
nach,“ und dieses waren meistens solche Fälle, bei denen sich das 
Vorhandensein einer früheren spezifischen Staphylokokkeninfektion aus 
der Anamnese ergab oder eine solche gar noch vorhanden war. 

Aus alledem dürfen wir den Schluß ziehen, daß die Verhältnisse 
bei der Immunität gegen Staphylokokken ganz ähnlich liegen wie Sei 
der Tuberkulose, d. h. daß die Immunität gegen Staphylokokken keine 
einfache ist, sondern nach ihren verschiedenen chemischen Kompo¬ 
nenten betrachtet werden muß. Der menschliche Organismus ist teil¬ 
weise imstande, die ihm eventuell fehlenden chemischen Partial¬ 
antikörper durch die kreuzweise Reaktion zu ergänzen, aber nur durch 
die experimentell oder ärztlich ausgeführte Injektion des einschlägigen 
Partialantigens selbst kann die künstliche Immunität wirksam erzeugt 
werden. 

Die Komplementbindung gegen Staphylokokkenantigen wurde 
auch mit dem Blutserum vom Nabelblut zweier Kinder angestellt. 
Die Mutter des einen Neugeborenen hatte vor zwei Jahren Puerperal¬ 
fieber gehabt und war neuerdings heftig an Angina erkrankt. Die 
andere Wöchnerin war sehr gesund und auch niemals krank gewesen. 
Im ersten Falle fiel die Komplementbindung gegen alle drei Antigene 
positiv aus; das Funikulusblut dos zweiten Neugeborenen enthielt ab¬ 
solut keine Antikörper. 

Nachdem wir die Frage der chemischen Auflösung der Staphylo¬ 
kokkenimmunität prinzipiell chemisch und biologisch gelöst hatten, 
sind wir nun daran gegangen, die gefundenen Körper auch quantitativ 
darzustellen, und ich werde nicht verfehlen, darüber Avie über die 
ganze Technik der Darstellung in einer ausführlichen Arbeit zu referieren. 

Die klinische Bedeutung unserer Befunde braucht hier wohl 
nicht besonders hervorgehoben zu werden. Es ist von vornherein 

17* 



260 


A. STRUBELL, 


ja vollkommen klar, daß die Entdeckung der Partialantigene 
der Staphylokokken auf die spezifische Therapie der 
Staphylomykosen nicht ohne Einfluß bleiben und ihr eine 
neue, durch die chemische Auflösung der Staphylokokken-' 
iramunität in ihre einzelnen Komponenten bedingte Richtung 
geben wird. 

Des weiteren ist zu berichten, daß Verfasser und in seinem 
Aufträge auch der damalige Assistent Dr. Bo eh me mehrere Studien¬ 
reisen im Interesse der Tuberkuloseforschung nach Genua unter der 
liberalen Förderung und im Aufträge des hohen Ministeriums des Innern 
unternommen haben. Strubell hatte Beziehungen zu dem italienischen 
Tuberkuloseforscher Prof. Edoardo Maragliano in Genua angeknüpft 
und in seinem Institut Untersuchungen zur Erforschung der Tuberkulose 
ausgeführt, welche den Assistenten rund 7 Monate in Genua fesselten. 

Bei der gegebenen günstigen Sachlage war es möglich, sehr große 
und wichtige Forschungsreihen über Tuberkulose zu vollenden oder 
zum Teil so weit fertig zu stellen, daß ihre Beendigung in Dresden 
trotz des Krieges, dank einer Reihe äußerst günstiger Umstände, sich 
hat ins Werk setzen lassen. Diese Untersuchungen sind noch nicht 
abgeschlossen und können wegen des Krieges jetzt noch nicht ver¬ 
öffentlicht werden. 

Außerdem hat Herr Dr. Bertoloni, Oberarzt am Istituto di 
maternitä (Frauenklinik) in Perugia, um eine Arbeit über die bei dem 
Wochenbettfieber anwendbaren Immunitätstheorien und Immunisations- 
methoden vom klinischen und experimentellen Gesichtspunkte auszu- 
zuführen, von Oktober 1913 bis April 1914 in der Abteilung für- 
Vakzinetherapie gearbeitet. Durch Vermittlung Strubells erklärte 
sich Herr Dr. W. Albert, Oberarzt an der Abteilung für Frauen¬ 
krankheiten am städtischen Krankenhause Friedrichstadt, bereit, dem 
Herrn Bertoloni das Material seiner klinischen Abteilung zur Ver¬ 
fügung zu stellen; die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in fol¬ 
gender Abhandlung enthalten: 

„Dal Regio Istituto de vaccinoterapia (Dirett. Dottore Professore 
Alessandro Strubell) e dalla Sezione ostetrico-ginecologica dell’ 
Ospedale Friedrichstadt di Dresda (Dirett. Dottore Walter Albert. 
Dottore Giovanni Bertoloni, 

Aiuto onorario alla Scuola Ostetrica dell’ Universitä di Perugia 
(Dirett. Prof. E. Alfieri), Le reazione immunitarie nell’ in- 
fezione puerperale in rapporto alla terapia usata. Teorie 
dell’ immunitä e reazione.“ 



Die Abteilung für Vaksinether&pie 1907—1917. 


261 


Die Arbeit enthält zahlreiche Untersuchungen über das Puerperal¬ 
fieber, welche in erster Linie eine Rechtfertigung der Opsoninlehre 
darstellen, indem nach den vorhandenen Kurven nicht nur die dia¬ 
gnostische, sondern auch gerade die prognostische Bedeutung der 
Opsoninreaktion beim Puerperalfieber sich erweisen läßt, indem ganz 
analog zu den Untersuchungen von Macdonald, der ein definitives 
Sinken der opsonischen Kurve gegen Pneumokokkus der Krise bei der 
Pneumonie vorauseilen sah, die opsonisehe Kurve beim Puerperal¬ 
fieber gegen Staphylokokken (natürlich nur bei durch Staphylokokken 
veranlaßten Fällen) dem Tode der Wöchnerinnen vorangeht. 

Des weiteren ergibt sich aus den Versuchen Bertolonis die 
Wirksamkeit der Staphylokokkenvakzine beim Staphylokokkenpuerperal¬ 
fieber, die mangelnde Wirksamkeit des Kollargols (klinischer Teil) und 
der Wert der Sublimateinspritzungen (experimenteller Teil). Ferner 
konnte der Einfluß nachgewiesen werden, welchen einige neue und 
interessante Salizylpräparate, die die Firma Gehe & Co. der Abteilung 
für Vakzinetherapie zur Prüfung übergeben hatte, auf die Immunität 
und den opsonischen Index ausüben. 

Weiterhin wurden die Immunitätswirkungen des in der Angierschen 
Emulsion enthaltenen English Petrol Oil genannten Oleum vaselini. 
Die Wirkungen des letzteren sind nach diesen Untersuchungen ver¬ 
hältnismäßig Techt gering einzuschätzen. 

Die Ergebnisse der Bertolonischen Arbeit sollen, wenn irgend 
angängig, nach dem Kriege in deutscher Sprache veröffentlicht werden. 

Kurz nach dem Ausbruche des Weltkrieges wurde mir ein Ver- 
suchsstall zur Verfügung gestellt, in dem von September 1914 bis 
Juli 1917 gearbeitet worden ist. Neuerdings konnte ich diesen Ver¬ 
suchsstall in mein eigenes Villengrundstück in Hosterwitz verlegen, 
wo die Untersuchungen ihren Fortgang nehmen. Es waren die ganze 
Zeit 3—4 Stück Rindvieh und mehrere Ziegen zu meiner Verfügung. 
Auf solche Weise konnten die bereits in Genua begonnenen Unter¬ 
suchungen über die Tuberkuloseimraunität des Rindes fortgesetzt 
werden, und zwar zunächst an der Hand von Impfungen mit den von 
der Firma Kalle & Co. in Bi brich a. Rh. fabrizierten Vakzinen 
und Partialantigenen der Professoren Deycke und Much in Lübeck 
und Hamburg, später aber mit den eigenen, in meinem Laboratorium 
hergestellten Vakzinen. Ohne mich hier in Einzelheiten verlieren zu 
wollen, für deren Bekanntgabe aus besonderen Gründen ein geeigneterer 
Zeitpunkt abgewartet werden muß, darf ich so viel sagen, daß es 
gelungen ist, neue Züchtungsmethoden für Tuberkelbazillen auszu- 



262 


A. STRUBELL, 


arbeiten, vermittels deren es möglich ist, neue Formen der Tuberkel¬ 
bazillen hervorzubringen, welche sich durch Gestalt und Größe von 
den auf gewöhnlichen Nährböden wachsenden unterscheiden, und zwar 
darf ich auf Grund der vorliegenden Tatsachen diese Bazillen als 
Masttuberkelbazillen bezeichnen, welche durch besonders reiches Wachs¬ 
tum, Körperfülle und Länge sich auszeichnen und ein besonders hohes 
Maß von Partialantigenen, zum Teil auch von Toxizität offenbarten. 
Alles nähere muß natürlich den besonderen Publikationen Vorbehalten 
bleiben. 

Des weiteren ist es mir gelungen, diese Masttuberkelbazillen in 
besonderer Weise aufzuschließen, so daß es möglich ist, in einer 
einzigen Vakzine in aufgeschlossener Form alle Partialantigene des 
Tuberkelbazillus in besonders reichem Ausmaße vereinigt zu sehen, 
insbesondere auch die Fettpartialantigene. Dies gewährt für das Re¬ 
sultat der Impfungen besondere Vorteile, welche ich gemeinsam mit 
der Prinzessin Theodora zu Schoenaich-Carolath (meiner jetzigen Frau) 
serologisch auf das genaueste zu studieren in der Lage war. Es 
wurden auf solche Weise eine Reihe von Impfstoffen humaner und 
boviner Provenienz in großen Quantitäten erzeugt, welche ich, ohne 
damit etwas über ihre Qualität präjudizieren zu wollen, vorbehaltlich 
näherer Namensbenennungen als Vakzine A, B, C und Vakzine A x und 
B x bezeichnet habe, wobei ich ausdrücklich betone, daß z. B. die 
Vakzine A nichts mit dem Tuberkuloalbumin von Deycke und Much 
zu tun hat. 

Es ist uns gelungen, in mühevollen Untersuchungen sehr inter¬ 
essante und bisher nicht bekannte Wechselbeziehungen zwischen den 
einzelnen Partialantigenen der Tuberkulose festzustellen, ganz ähnlich 
wie mir das vorher mit Herrn Dr. Böhme bei den Partialantigenen 
der Staphylokokken gelungen war. Das sind Erscheinungen, welche 
bei aller rückhaltlosen Anerkennung der Partialantigentheorie von 
Deycke und Much, auf deren Boden ich mich vollkommen stelle, 
doch für die biologische Uni tat der Tuberkulose sprechen. Es ist 
selbstverständlich, daß ich solche feine wissenschaftliche Einzelheiten, 
die für die Beurteilung der ganzen Tuberkulosefrage grundlegend sind, 
nicht im Rahmen dieses Berichtes ausführlich behandle. 

Es wurde also an unseren Versuchsrindern serologisch auf dem 
Wege der Bordet-Gengouschen Komplementbindung die immuni¬ 
sierende Wirksamkeit sowohl der Deycke-Muchschen wie unserer 
eigenen Vakzinen festgestellt, wobei ich nicht verfehlen möchte, zu 



Die Abteilung für V&kzinetberapie 1907—1917. 


263 


bemerken, daß wir uns bezüglich der Technik der Koraplementbindung 
an die äußerst minutiösen Vorschriften halten, welche im Istituto 
Maragliano gangbar sind. Wir haben diese an sich schon sehr ver¬ 
feinerten technischen Vorschriften noch weiterhin an Feinheit über¬ 
trumpft und sind so in der Tat zu wissenschaftlichen Resultaten ge¬ 
kommen, welche zu weitausschauenden Hoffnungen berechtigen und 
einen umfassenden Ueberblick über die humorale Immunität gegen 
Tuberkulose gestatten. Daß wir die zelluläre Beurteilung nicht außer 
Acht gelassen haben, ist selbstverständlich und wird in den betreffen¬ 
den Publikationen genau erörtert werden. 

Während somit, gemäß dem mir und dem Laboratorium erteilten 
Aufträge des hohen und Vorgesetzten Ministerium des Innern, seit 
4 Jahren dem Studium der Rindertuberkulose die angestrengteste 
Aufmerksamkeit gewidmet wird, sind natürlich gleichzeitig die Be¬ 
mühungen auf Erforschung und Bekämpfung der menschlichen Tu¬ 
berkulose nicht weniger intensiv gewesen. Nachdem ich bereits 
seit dem Jahre 1912, wo das Studium der Partialantigene am Eppen- 
dorfer Krankenhause begonnen wurde, welches zur Aufschließung und 
Entdeckung der Partialantigene der Staphylokokken führte, mich mit 
der Wirkung der Deycke-Muchschen Tuberkulose-Partialanti- 
gene zu beschäftigen anfing, habe ich nunmehr in fünfjähriger Arbeit 
mir ein klinisches Urteil über die Wirkung der von der Firma Kalle 
& Co., Bibrich a. Rh. hergestellten Präparate bilden können. Dieses 
Urteil ist, wie ich hinzufügen darf, ein durchaus günstiges. Die 
klinischen Resultate und Krankengeschichten der mit diesen Antigenen 
behandelten Patienten und die Resultate der Probeimpfungen harren 
der Publikation. Darüber hinaus habe ich, nachdem mein Urteil über 
die Deycke-Muchschen Präparate ungefähr abgeschlossen ist, an der 
Hand derselben die Ueberempfindlichkeitsreaktion mit meinen eigenen 
Präparaten A, B und C am Menschen durchgeführt, dieselbe genau 
studiert und durch Luraiere-Photographien die wichtigsten Ergebnisse 
festgehalten. Das letztere war nicht ganz leicht und ziemlich kost¬ 
spielig, da die Lumiereplatten im Kriege schwer erhältlich sind. 

Es erübrigte sich nun noch, die Wirksamkeit unserer neuen 
Vakzinen im größeren Maßstabe am Tier und am Menschen zu er¬ 
proben. Das hohe Ministerium des Innern hat in liberalster Unter¬ 
stützung meiner Bestrebungen neuerlich eine Summe für die Aus¬ 
prüfung der Wirksamkeit dieser Vakzinen bewilligt und die Nach¬ 
prüfung der II. Abteilung des Landesgesundheitsamts übertragen. Die 



264 


A. STRUBELL, 


Impfungen nehmen seit nahezu 3 Jahren ihren Lanf und sind nach 
den Berichten des einen Untersuchers, welcher bereits über 80 Rinder 
geimpft hat, bisher günstig verlaufen. Die Durchprüfung der Wirk¬ 
samkeit am Menschen erfolgt zur Zeit durch mich. Auch ist es mir 
gelungen, die Leiter eines großen auswärtigen, sehr angesehenen Lungen¬ 
sanatoriums zur Anstellung der gleichen Versuche zu bewegen. Na¬ 
türlich ist die Durchführung eines so großzügigen Programms in der 
Kriegszeit nicht ohne Widerstände vonstatten gegangen. Mein durch 
das Ministerium des Innern reklamierter Assistent ging leider, trotz 
erfolgreicher Reklamation, ins Feld und ich war genötigt, im Januar 
1915 einen Teil der auf solche Weise abhanden gekommenen tech¬ 
nischen Fertigkeiten* mitten im Kriege und bei der bereits gärenden 
Stimmung in Oberitalien mir selbst aus Genua in einer neuerlichen 
Studienreise zu holen, was dank dem außerordentlichen Entgegen¬ 
kommen und der freundschaftlichen Gesinnung des Senators Maragliano 
auch rechtzeitig gelang. 

In die Lücke, die durch den Weggang des Assistenten gerissen 
war, sprang die Prinzessin Theodora zu Schoenaich-Carolath ein, 
welche, ohne durch einen regulären Studiengang vorbereitet zu sein, 
mir schon vorher als Laborantin wertvolle Dienste geleistet hatte. 
Mit ihr habe ich seitdem, wie bereits erwähnt, gemeinsam die wich¬ 
tigsten serologischen Arbeiten ausgeführt. Die Dankbarkeit, welche 
ich der Prinzessin gegenüber empfand, führte zur Ehe; meine jetzige 
Frau leistet mir auch jetzt noch in der Kriegszeit eine bei dem Mangel 
an verfügbaren männlichen Hilfskräften völlig unentbehrliche Unter¬ 
stützung, für die ich auch an dieser Stelle nicht verfehle, ihr meine 
tiefgefühlte Anerkennung auszusprechen. — 

Zum Schluß soll nicht unerwähnt bleiben, daß über den Tuber¬ 
kuloseforschungen die Forschung über die Staphylokokkenimmunität 
nicht vergessen worden ist. Es sind von mir mehrere, nach eigenen 
Methoden aufgeschlossene Staphylokokkenvakzinen hergestellt worden, 
welche ich in der neusten Zeit auch klinisch am Menschen durchprüfe. 
Die Resultate sind ausgezeichnete und übersteigen die Wirksamkeit 
der von mir früher hergestellten Vakzine um ein Bedeutendes. — — 

Damit ist der eigentliche Bericht über die A bteilung für Vakzine¬ 
therapie (früher Opsonisches Laboratorium, Abteilg. des Path. Inst.) 
und ihre Leistungen in den letzten 10 Jahren erledigt. Gestattet sei 
noch eine Schlußbemerkung, die dem Leser den roten Faden in die 
Hand gibt durch all das Gewirr von wissenschaftlichen Einzelheiten 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907—1917. 265 

und Publikationen. Das Laboratorium wurde gegründet 1907 mit 
dem Spezialnaroen, der es als Stätte der opsonischen Forschung 
charakterisierte, ln dieser Bezeichnung lag ein Ziel und zugleich 
eine Beschränkung. Die Durchprüfung der opsonischen Lehre ist in 
den ersten fünf Jahren des Bestehens dieser Stätte wissenschaftlicher 
Forschung mit minutiöser Gründlichkeit ausgeführt worden. Die 
nächsten fünf Jahre wurden die Untersuchungen meist auf einer 
anderen Basis, auf der Basis der Partialantigene-Theorie von 
Deycke und Much, wie auch auf Grund der neuen Studien im 
Istituto Maragliano in Genua durchgeführt. Die opsonische Be¬ 
trachtungsweise, deren Richtigkeit, technische Durchführbarkeit und 
vakzinotherapeutischen klinischen Erfolge ich gemeinsam mit einer 
ganzen Reihe von Schülern — ich nenne die Namen Dr. Wilhelm 
Felber, Dr. Martin, Dr. Walther Jenke, Heinzmann, Frenze], 
Michligk, Bertoloni — und in einer großen Anzahl von Publi¬ 
kationen, zuletzt in meinem Buche „Ueber die Klinik der Opsonine“ 
niedergelegt habe, bietet gegenüber anderen heuristischen Methoden, 
die Immunität zu beurteilen, trotz der Schwierigkeit der Technik, 
bedeutende Vorteile, auch wird sie stets durch die auf ihr basierte 
in größerem Maßstabe durchgeführte aktive Immunisierung bei einer 
großen Reihe von Infektionskrankheiten als eine bedeutsame Etappe 
auf dem Wege der Erkenntnis Achtung und Anerkennung für sich in 
Anspruch nehmen können. Man bedenke nur, daß man die Schwan¬ 
kungen der Immunität an der Hand des opsonischen Index täglich 
mehrmals beobachten kann, was sehr wichtig ist und was durch die 
Untersuchungen Bertolonis in meinem Laboratorium über das Puer¬ 
peralfieber als äußerst wertvoll bestätigt werden konnte. Es ist in 
der Tat möglich, durch die opsonische Bestimmung, durch das plötz¬ 
liche kritische Sinken des opsonischen Index bei akuten Infektionen wie 
Pneumonie (Mac Donald) und bei Puerperalfieber (Bertoloni) 
den Tod eines Menschen vorherzusagen. 

Dem gegenüber stellen die Methoden der Antikörperbestimmung 
ira Blutserum durch die Bordet-Gengousche Komplementbindung 
ein wertvolles und äußerst exaktes Mittel zur Auswertung nicht nur 
der Qualität (der verschiedenen Partialantigene), sondern auch der 
Quantität dar, ein Mittel, das freilich nicht wie die opsonische Unter¬ 
suchung täglich oder auch nur wöchentlich mehrmals ausgeführt werden 
kann und darf, aus dem einfachen Grunde, weil es nicht möglich ist, 
weder dem Menschen noch dem Tiere die hierfür nötigen Blutmengen 



266 


A. STRUBELL, 


ohne Schaden und Gefahr zu extrahieren. Die Beurteilung der zellularen 
Immunität durch die Intrakutanreaktion, wie sie durch Deycke und 
Much neuerdings in größerem Maßstabe durchgeführt und auch von 
mir seit einer Reihe von Jahren, besonders beim Menschen, angewendet 
worden ist, ist ein äußerst wertvolles Kriterium, das freilich noch viel 
seltener als die Koraplementbindung befragt werden kann, da die 
Einbringung der dazu nötigen Antigenmengen in den Kreislauf des 
Menschen erstens den vorhergehenden Immunitätszustand natürlich 
beeinflußt, und bei häufigerer Wiederholung stark verändern würde. 

War die aktive Immunisierung durch Wright vermittelst Bakterien¬ 
emulsion ein bedeutsamer Fortschritt auf dem Gebiete der Iramuno- 
therapie, so ist ein weiterer, sehr wesentlicher Fortschritt in der An¬ 
wendung der aufgeschlossenen Vakzinen von Deycke und Much 
und in der chemisch exakten Zergliederung der Bakterien in ihre 
Partialantigene gegeben. (Streptothrix leproides durch Deycke, 
Tuberkelbazillus durch Deycke und Much, Staphylokokkus durch 
Strub eil und Böhme). Diese Zergliederung der Bakterien in ihre 
chemischen biologisch reaktiven Bestandteile gibt natürlich neue 
Gesichtspunkte für die Beurteilung der Immunität und ihre Entstehung, 
welche sich von den anderen bislang angewendeten Kriterien dadurch 
unterscheiden, daß wir es eben zum ersten Male mit chemisch reinen 
Produkten zu tun haben, während alle bisher verwandten Reaktionen 
nur biologisch fundiert waren (Toxin-Antitoxin-Bindung, Reaktion 
der Bakteriolyse, Agglutininreaktion, Opsoninreaktion). Die Ent¬ 
deckung der Partialantigene, besonders des Tuberkelbazilius, 
bedeutete also auf dem Gebiete der Tuberkulose einen 
Kulminationspunkt, den die Forschung erreichte und der bis 
auf weiteres ebensowenig überboten werden kann, wie 
die Ermittelung der Partialantigene des Staphylokokkus in 
meinem Laboratorium. Während aber die Ziele der Tuberkulose¬ 
forschung durch die Endeckungen Deycke und Muchs und durch 
die Erreichung des genannten Kulminationspunktes in gewissem Sinne 
vom theoretischen Standpunkte aus begrenzt erscheinen müssen, sind 
sie dies vom praktischen Standpunkte nicht. Vielmehr eröffnen sich 
jetzt erst ganz weite und doch wiederum ganz naheliegende Perspek¬ 
tiven, welche die Erreichung des letzten und endgültigen Zieles, 
die definitive Bekämpfung der Menschentuberkulose als 
Volkskrankheit und der Rinder tuberkulöse als national¬ 
ökonomisch so überaus wichtige Seuche in allernächste, 



Die Abteilung für Vakzinetherapie 1907— 1917. 267 

greifbarste Nähe rücken. Ueber diese Fragen werde ich, sobald 
es mir irgend möglich ist, ganz ausführlich berichten. 

Während also die Erforschung der Staphylokokkenimmunität, 
die ich vor einem Jahrzehnt ganz besonders auf meine Fahnen ge¬ 
schrieben habe, durch die Forschungen des Laboratoriums bis zu 
einem gewissen Grade, erledigt sind und es sich nur noch darum 
handelt, die praktischen Konsequenzen der prinzipiellen Behandlung 
lokaler Staphylomykosen auf immunisatorischem Wege mit den von 
uns entdeckten Partialantigenen zu ziehen, was ja tatsächlich mit 
gutem Erfolge bereits geschieht, steuert die Abteilung für Vakzine¬ 
therapie nach Beendigung ihrer ersten zehnjährigen Arbeitsperiode 
mit vollen Segeln auf das große und in hoffentlich nicht zu ferner 
Zeit auch zu erreichende Ziel der Erlangung eines wirksamen 
und möglichst dauernden Tuberkuloseschutzes beim Menschen 
und beim Rinde zu. Qnod felix fanstnmqne sit!!! 

Ich möchte diesen Bericht nicht schließen, ohne meinen Schülern 
und Mitarbeitern meinen Dank für ihre Hingebung und ihre ver¬ 
ständnisvolle Unterstützung ebenso auszusprechen wie dem Herrn Rektor 
und dem hohen Senate für das mir bewiesene Wohlwollen, und zuletzt 
und nicht zum mindesten dem hohen uns Vorgesetzten Königlichen 
Ministerium des Innern, insbesondere dem Veterinärreferenten, Herrn 
Geheimrat Edelmann, für das mir geschenkte Vertrauen und für 
die gewährte hochherzige und liberale Unterstützung. 



XII. 


Die Entwickelung der Landwirtschaft unter dem Ein¬ 
flüsse der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert 

Hundert Jahre deutsche Kriegarfistung. 

Von 

Privatdozent Hofrat Dr. Müller-Lenhartz. 


Einleitung. 

Es wird vielen unbekannt sein und mancher mag es sich nicht 
recht klar gemacht haben, daß die außerordentlich großen Erfolge 
Deutschlands auf dem Gebiete der Landwirtschaft, die im letzten 
Grunde allein es ermöglichen, daß wir in diesem gewaltigen Völker¬ 
ringen standhalten, in stiller, aber ernstlicher, wissenschaftlicher und 
praktischer Tätigkeit durch 100 Jahre hin sich vorbereitet haben. 
Ein kurzer Ueberblick über die Entwicklung der Landwirtschaft muß 
dies beweisen. 

Wie große Fortschritte für die Landwirtschaft können wir auf 
dem Gebiete des Acker- und Pflanzenbaues, der Viehhaltung, 
Fütterung, der Veterinärmedizin, der technischen Neben¬ 
betriebe, des Unterrichts- und Versuchswesens verfolgen! 

Acker- und Pflanzenbau. Viehhaltung. 

Jahrhunderte lang hatte die Ackerwirtschaft auf dem Stand¬ 
punkte beharrt, der durch die Erfahrung gewonnen war. Bis zum 
Anfang des 19. Jahrhunderts sind Fortschritte kaum zu verzeichnen. 
Dann aber beginnt unter dem Einflüsse des Aufblühens allen geistigen 
Lebens in dieser Zeit auch für den Ackerbau die Entwickelung, die 
uns heute wie eine durch 100 Jahre fortgesetzte Rüstung auf unsere 
gegenwärtigen Maßnahmen anmutet. 

Daß die Ackerwirtschaft, sofern sie ihre Aufgabe im modernen 
Staatsleben erfüllen sollte, einer grundsätzlichen Aenderung bedürfe, 



Entwickelung d. Landwirtschaft unter d. Einflüsse d. Naturwissenschaften usw. 269 

war allgemein anerkannt, und eine große Anzahl einsichtsvoller Männer 
beschäftigte sich mit dieser Aufgabe nach den verschiedensten Richtungen 
hin. Unter allen Namen aber, die hier zu nennen wären, tritt einer 
ganz besonders hervor, der mit der Begründung eines rationellen 
Ackerbaubetriebes für alle Zeiten aufs engste verknüpft ist, das ist 
Albrecht Thaer. 

Thaer wies auf die Notwendigkeit hin, zu ermitteln, was dem 
Boden durch die Pflanze entzogen und was ihm durch Düngung oder 
auf sonstige Weise wieder zugeführt werden müsse, denn er ging von 
dem in der folgenden Zeit allgemein als richtig erkannten Grundsätze 
aus, daß der Zweck des landwirtschaftlichen Gewerbes, d. h. die Er¬ 
zielung eines möglichst hohen und dauernden Ertrages nur dann er¬ 
reicht werden könne, wenn dem Boden auf irgend eine Weise das¬ 
jenige zurückgegeben werde, was ihm durch die Ernte entzogen sei, 
und daß daher nur ein solches Betriebssystem als rationell gelten 
könne, bei dem ein solcher Ersatz gesichert sei. 

An eine Lösung dieser Frage auf naturwissenschaftlicher Grund¬ 
lage war allerdings vorläufig nicht zu denken, denn die Wissenschaft 
selbst befand sich noch in den ersten Anfängen. Die Fruchtbarkeit 
des Bodens hielt man für unerschöpflich, sofern letzterer nur richtig 
bearbeitet und die Fruchtfolge entsprechend gewählt würde. Es war 
ja bekannt, daß nach dem Anbau bestimmter. Gewächse, besonders 
der Leguminosen, die Fruchtbarkeit des Bodens zunahm, aber man 
glaubte diese Erscheinung darauf zurückführen zu müssen, daß die 
Wurzelrückstände den Boden mit Humus anreicherten, welch letzterer 
als die alleinige Quelle für die Pflanzennährstoffe angesehen wurde. 

Die Lösung der Frage mußte also auf anderem Wege versucht 
werden, der den damaligen Anschauungen entsprach. 

Die Viehzucht lag gänzlich darnieder, denn man betrachtete das 
Nutzvieh, wie sich Kühn in der Einleitung zu seinem Werke: „Die 
zweckmäßige Ernährung des Rindviehs“ ausdrückt, zu jener Zeit als 
ein notwendiges Uebel, als bloße Düngermaschinen, und dementsprechend 
war auch dessen Ernährung eine gänzlich ungenügende, sowohl hin¬ 
sichtlich der Menge, als auch der Beschaffenheit des Futters. An 
bestimmte Fütterungsregeln war nicht zu denken, sondern die Tiere 
erhielten das, was gerade zur Verfügung stand; dementsprechend 
war auch der Dünger nach Maß und Zusammensetzung durchaus 
mangelhaft, und als weitere Folge hiervon wurde auch die Ertrags¬ 
fähigkeit der Felder auf ein geringstes Maß herabgesetzt. 



270 


MÜLLER-LENHARTZ, 


Das Bestreben richtete sich daher auf eine erhöhte und ver¬ 
besserte Düngerproduktion und damit auf eine Hebung der Viehzucht, 
die aber ihrerseits einen vermehrten Anbau von Futterpflanzen zur 
Voraussetzung hatte. Als bestes Mittel zur Erreichung dieses Zieles 
betrachtete man die Beseitigung der Brache, welche bis dahin */s des 
gesamten Ackerlandes eingenommen hatte; aber zunächst standen 
diesem Bestreben, die Brache aufzuheben und an deren Stelle einen 
Futterbau zu setzen, noch Hindernisse in den gesetzlichen Bestimmungen 
entgegen. Wohl hatte die Gesetzgebung bereits seit dem Anfänge 
des 19. Jahrhunderts daran gearbeitet, durch eine Beseitigung der 
gesetzlichen Beschränkungen die Möglichkeit zu entsprechender Ver¬ 
besserung des Landwirtschaftsbetriebes zu schaffen, aber es galt noch, 
die letzten Hindernisse zu beseitigen und erst, als die Schranken ge¬ 
fallen, die Einzelnen wirklich Herren ihres Eigentums geworden waren, 
konnte daran gedacht werden, den befreiten Grund und Boden einer 
rationellen Bewirtschaftung zu unterwerfen. 

Mit der Beseitigung der Brache war ein bedeutender Schritt 
vorwärts getan, denn nicht nur wurden dadurch bedeutende Acker¬ 
flächen der Bebauung zugänglich, sondern die Art ihrer Ausnutzung 
übte auch den vorteilhaftesten Einfluß auf alle Zweige des landwirt¬ 
schaftlichen Betriebes aus. Der Zweck der Brache hatte ja darin 
bestanden, das Feld während ihrer Dauer gründlich zu reiuigen und 
zu bearbeiten, denn die Getreidearten, welche wenig Schatten geben, 
lassen den Boden infolgedessen in hartem, ausgetrocknetem Zustande 
zurück, und wegen des nur wenig in die Tiefe gehenden Wurzelsystems 
werden nur die obersten Bodenschichten ausgenutzt und gelockert, 
während die tiefer liegenden Schichten kaum in Anspruch genommen 
werden. An die Stelle der Brache trat nun vorwiegend der Anbau 
von Klee, Kartoffeln und Rüben oder von Hülsenfrüchten, die, als 
Brachfrüchtc bezeichnet, sämtlich zu den sogenannten Blattpflanzen 
zählen. Sie halten den Boden feuchter und lockerer und bewirken 
daher dasselbe, was mit der Brache bezweckt wurde und liefern dazu 
einen Ertrag an Futtermitteln, durch den weitere große Vorteile be¬ 
dingt waren. Der Viehbestand konnte nun erheblich vergrößert 
werden und in demselben Maße die Düngererzeugung, und zwar 
letztere nicht nur hinsichtlich der Menge, sondern, da inzwischen die 
Fütterung ebenfalls eine zweckentsprechendere geworden war, auch in 
Bezug auf die Beschaffenheit des Düngers. Infolge der besseren und 
reichlicheren Düngung hoben sich gleichfalls auch die Ernteerträge, 



Entwickelung d. Landwirtschaft unter d. Einflüsse d. Naturwissenschaften usw. 271 

wozu auch die gründlichere Bearbeitung des Bodens, wie ihn die Be¬ 
handlung der Hackfrüchte mit sich brachte, wesentlich beitrug. 

Die Hackfrüchte bedürfen zur Entwicklung ihrer in die Tiefe 
reichenden Wurzeln eines nicht nur an der Oberfläche, sondern auch 
in der Tiefe gelockerten Bodens, und .beim Anbau dieser Früchte 
werden mehr und mehr auch die tieferen Bodenschichten aufgeschlossen, 
die sonst unbenutzt lagen; aber auch sonst brachte die verbesserte 
Dreifelderwirtschaft, wie Thaer sie nennt, noch erhebliche Vor¬ 
teile mit sich. Die Art der Nährstoffe ist zwar für alle Pflanzen die¬ 
selbe, aber die Menge der aufgenommenen Nährstoffe ist für die ver¬ 
schiedenen Pflanzenarten eine sehr verschiedene. Während die Halm¬ 
früchte viel Phosphorsäure, dagegen weniger Kali und Kalk verlangen, 
werden die letzteren beiden Basen gerade von den Hackfrüchten und 
vom Klee in größeren Mengen beansprucht. Durch den nun üblichen 
Fruchtwechsel wurden daher die Nährstoffe des Bodens gleichmäßiger 
ausgenutzt, was gleichfalls wieder fördernd auf die Ertragsfähigkeit 
der Felder einwirkte. Bodenarten, die bis dahin nur ganz unbedeu¬ 
tende Erträge geliefert hatten, konnten nunmehr zu hoher Leistungs¬ 
fähigkeit gebracht werden. Die intensive Wirtschaft war damit an 
die Stelle der extensiven getreten. Hand in Hand mit der jetzt er¬ 
möglichten besseren und reichlicheren Düngung ging auch eine bessere 
Bodenbearbeitung, wie solche schon durch den Rübenbau bedingt war, 
und infolgedessen wurde auch den Ackergeräten größere Aufmerk¬ 
samkeit geschenkt; sie wurden mehr und mehr vervollkommnet und 
den Anforderungen besser angepaßt. Die Düngung geschah nicht 
mehr nach alter Gewohnheit, sondern nach Grundsätzen, die durch 
Versuche und Beobachtungen festgestellt waren, an denen gleichfalls 
Thaer in erster Linie beteiligt war. 

Wenn auch noch nicht in so ausgesprochenem Maße, so setzen doch 
auch in der Viehhaltung um den Anfang des 19. Jahrhunderts die 
bedeutenden Fortschritte ein, die uns heute ihre Früchte genießen lassen. 

Sie finden ihren Ausgangspunkt in dem Bestreben, für die Menge 
und Art des Futters feste und allgemein anwendbare Grundsätze zu 
finden. Zahlreiche Versuche wurden angestellt, und mau fand bald 
heraus, daß die Menge des Futters sich nach dem Körpergewicht 
sowohl wie nach den von den Tieren beanspruchten Leistungen zu 
richten habe. 

So begann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Land¬ 
wirtschaft eine Umwälzung der bestehenden Ansichten und Verhält- 



272 


MÜLLER-LENHARTZ, 


nisse, die, allein gestützt auf Beobachtung und Erfahrung, den Boden 
bereiten sollte für die Entwicklung einer Landwirtschaftswissenschaft, 
wie sie uns heute entgegentritt. 

Die von Thaer und seinen Zeitgenossen entwickelten Grundsätze 
zeugen von einer, großen Schärfe ihrer Beobachtungsgabe, denn von 
den Gesetzen der Pflanzenernährung, von der Ernährungsphysiologie 
der Tiere und von den Lehren der Chemie hatten sie keine nennens¬ 
werte Kenntnis, da für die erstere kaum die Grundbegriffe bekannt 
waren und die Chemie, die im ersten Aufblühen begriffen war, 
sich bis dahin wesentlich anderen Aufgaben zugewandt hatte. Die 
praktischen Vorschläge von Thaer und anderen maßgebenden Per¬ 
sönlichkeiten jener Zeit standen daher auch häufig zu den späteren 
wissenschaftlichen Forschungsergebnissen im Widerspruch, während 
sie für andere richtig erkannte Tatsachen, wie z. B. die günstige 
Wirkung von Holzasche, Kalk usw. auf das Pflanzenwachstum, keine 
Erklärung zu finden wußten. Die wissenschaftliche Begründung für 
die durch Erfahrung gewonnenen Grundsätze aber folgte schneller als 
man gedacht, denn inzwischen war die chemische Wissenschaft zu einer 
für die damalige Zeit hohen Blüte gediehen', an deren weiterem Aus¬ 
bau namhafte Gelehrte tätig waren. Es bedurfte nur des ersten 
Schrittes, um die Forschungsergebnisse dieser jungen Wissenschaft 
auf die der Landwirtschaft gestellten Aufgaben in Anwendung zu 
bringen, und das Verdienst, diesen ersten Schritt unternommen zu 
haben, gebührt Liebig. 

Am 26. April 1840 schrieb er an Berzelius: 

. Ich lege Dir ein Bekenntnis ab, dieses ist der Ausdruck eines unüber¬ 
windlichen Ekels und Widerwillens gegen das Treiben in der Chemie in dfer gegen¬ 
wärtigen Zeit. . . . Ich habe mich ernsthaft gefragt, zu was all diese Erörterungen 
dienen können, weder für Medizin noch für Physiologie oder Industrie gehen nütz¬ 
liche Anwendungen daraus hervor, . . . Seit 4 Monaten habe ich mich einer ganz 
anderen Seite der Wissenschaft hingegeben, ich habe die organische Chemie in 
Beziehung auf ihre Gesetze studiert, die sich auf dem gegenwärtigen Standpunkte 
für Agrikultur und Physiologie daraus ergeben. Ich bin zu sehr merkwürdigen 
Resultaten gekommen, durch die Analysen des Strohes, Heues und der Früchte 
gelangte ich zu dem Resultate, daß gleiche Flächen Wiese, Wald oder Kulturland 
einerlei Quantitäten Kohlenstoff produzieren, ein Acker Getreide so viel wie ein 
Acker Runkelrüben. . . . Die Wiese, der Wald erhalten keinen Dünger, jedes Jahr 
nehmen wir im Holz und Heu ein gewisses Quantum Kohlenstoff hinweg, ohne 
jemals etwas hinzuzufügen, jedes Jahr vermehrt sich die Kohlequantität des Bodens 
in dem sogenannten Humus, es is* klar, dieser Kohlenstoff stammt aus der Atmo¬ 
sphäre. Durch sehr einfache Betrachtungen bin ich nun dahin gelangt, für alle 
Gewächse den Beweis zu führen, daß aller Kohlenstoff, den sie enthalten, aus der 
Kohlensäure der Luft stammt, manche bedürfen im Anfang ihrer Entwicklung eine 
Atmosphäre von Kohlensäure im Boden, und diese allein ist es, welche der Humus 



Entwickelung d. Landwirtschaft unter d. Einflüsse d. Naturwissenschaften usw. 273 

liefert. Nie trägt der Humus in der Form, die er besitzt, zur Ernährung etwas 
bei, er trägt nur bei, insofern er eine Quelle von Kohlensäure darstellt. . . . Der 
Ursprung des Kohlenstoffs ist die Atmosphäre, die Quelle ihres Stickstoffs hat mich 
lange beschäftigt. Nachdem ich aber in dem Frühlingssaft des Ahorn, dem Tränen¬ 
wasser der Reben, dem Saft der Birken und in allen Pflanzensäften, die ich unter¬ 
suchte, Ammoniak fand, konnte ich mich über seinen Ursprung nicht täuschen, 
das Regenwasser mußte Ammoniak enthalten, ich habe alles Regenwasser den 
ganzen Frühling über, alles Schneewasser im Winter auf Ammoniak untersucht, 
alle enthielten bestimmbare Quantitäten davon. Durch das Regenwasser wird dem 
Boden aller durch die Verwesung zahlloser Animalien gebildete Ammoniak zuge¬ 
führt, in der Form von kohlensaurem Ammoniak wird es von den Pflanzen aufge¬ 
nommen. . . . Ich habe ferner die Gegenwart der Alkalien und alkalischen Erden 
in den Pflanzen einer Betrachtung unterworfen . . . fehlen die Basen, so wird die 
Pflanze fehlen, die ohne sie nicht leben kann. Zahllose Erfahrungen sprechen 
dafür. Ein Oekonom in der Nähe von Göttingen bepflanzte alle seine Felder mit 
Wermuth aus Spekulation, er wollte die Pflanze auf Pottasche benutzen, aber 
diese Felder waren nachher unfähig, Getreide zu erzeugen, was kieselsaures Kali 
nicht entbehren kann; alles Kali war dem Boden durch den Wermuth ausgesaugt 
worden, ... Ich kam nun durch diese Betrachtungen auf die wahre Wirkungs¬ 
weise des Düngers, et wirkt durch seinen Ammoniakgehalt, durch seinen Gehalt 
an kieselsaurem Kali, phosphorsaurem Kalk, phosphorsaurer Bittererde, der eigent¬ 
liche Wert, die Wirkung, die er hat, steht in geradem Verhältnis zu der Quantität 
von diesen Materien, die darin enthalten sind. Es entwickelten sich hieraus eine 
Menge von nützlichen Betrachtungen für Pflanzenphysiologie und Ackerbau, die 
du in der kleinen Schrift weitläufiger lesen wirst, sie heißt: „Die organische Chemie 
in ihren Beziehungen zur Physiologie und Agrikultur.“ 

Diese kurze Darlegung kennzeichnet die Sachlage und die da¬ 
maligen Ansichten über die Pflanzenernährung und die entgegen¬ 
gesetzten Ansichten Liebigs in dieser Frage und zeigt zugleich, 
welche Fortschritte dem Genannten wirklich zuzuschreiben sind. 

Wie schon gesagt, wurde allgemein der sogenannte Humus oder 
Moder, wie er vielfach genannt wurde, als die ausschließliche Quelle 
für die Pflanzennahrung betrachtet, während die feuerfesten Bestand¬ 
teile, d. h. der eigentliche Erdboden, keine andere Bedeutung haben 
sollte als die, der Pflanze einen festen Halt zu geben und sie 
zu stüzen. Schon kurz vor dem Auftreten Liebigs hatte diese 
Humustheorie indessen Zweifel erfahren, f zuerst durch die auffällig 
günstigen Erfolge, die durch die Anwendung des auf Veranlassung 
von Alexander v. Humboldt eingeführten Guanos erzielt wurden. 
Diese führten zunächst zu der Ansicht, daß die Fruchtbarkeit des 
Bodens durch den im Humus enthaltenen Stickstoff bedingt sei, und 
nach der hierauf begründeten Lehre, der sogenannten Stickstofftheorie, 
sollte die Hauptsorge für den Landwirt darin bestehen, für eine hin¬ 
reichende Zufuhr von Stickstoff zu sorgen. Wie die spätere Forschung 
erwiesen hat, war dieser Lehre mindestens dieselbe Bedeutung zuzu- 

Arehiy f. wissentoh. a. pr&kt. Tierheilk. Bd. 44. Sappl. jg 



274 


MÜLLER-LENHARTZ, 


schreiben, wie der einseitigen Liebigschen Mineraltheorie, denn je 
weiter die Wissenschaft fortschritt, um so mehr wurde die vorwiegende - 
Bedeutung der Stickstoffdüngung erkannt, und die Stickstofffrage ist 
bis auf den heutigen Tag für die deutsche Landwirtschaft die Tages¬ 
frage geblieben. Die Stickstofftheorie in der Form, wie sie damals 
von ihren Gründern aufgestellt wurde, konnte aber zu keiner all¬ 
gemeinen Anerkennung gelangen, weil sie zu einseitig war und 
besonders die günstigen Erfolge, die bereits durch Pottasche und 
andere Mineralien beobachtet waren, gänzlich außer Ach4 ließ. Selbst 
Thaer betrachtete noch die düngende Wirkung der in Betracht kom¬ 
menden mineralischen Stoffe lediglich als eine Reizwirkung und ver¬ 
gleicht sie mit dem Gewürz der nährenden Substanz. 

Die wahre Bedeutung der mineralischen Pflanzennährstoffe wurde 
indessen gleichfalls noch vor Liebig von Sprengel erkannt und be¬ 
gründet, und seine Lehre war um so bedeutungsvoller, als sie nicht 
einseitig dem Humus oder den Mineralien den Wert als Pflanzen¬ 
nährstoffe beilegte, sondern beiden die gleiche Bedeutung zuschrieb. 
Nach Sprengel sollten neben detfT Humus auch Mineralstoffe als 
Nährstoffe in Betracht kommen, und als solche zählt er alle die¬ 
jenigen Salze auf, die auch heute noch als für die Pflanzen un¬ 
entbehrlich angesehen werden. In seiner „Bodenkunde“ spricht er 
den Satz aus, daß, wenn ein Boden genügende Mengen Humus enthält 
und auch in physikalischer Hinsicht allen Anforderungen entspricht, 
er dennoch unfruchtbar sein kann, sofern ihm ein einziger Stoff 
fehlt, der zu den Pflanzennährstoffen gehört. Die Lehre Sprengels 
entspricht also bereits völlig unseren heutigen Anschauungen, und es 
muß befremdlich erscheinen, daß er seiner Ansicht von der Unent¬ 
behrlichkeit der Mineralien keine Geltung verschaffen konnte, während 
3 Jahre später die sehr viel einseitigere Mineraltheorie Liebigs die 
volle Anerkennung insofern fand, als letzterer für alle Zeiten als der 
Begründer der deutschen Landwirtschaftswissenschaft gefeiert ist. Nach 
Liebigs Ansicht sollen lediglich die mineralischen Stoffe, insbesondere 
Kali, Kalk und Phosphorsäure bzw. deren Salze als Pffgnzennährstoffe 
des Bodens in Frage kommen, während dem Stickstoff, der angeblich 
in Form des flüchtigen kohlensauren Ammoniaks ausschließlich durch 
das Regenwasser dem Boden zugeführt werden soll, eine ganz neben¬ 
sächliche Rolle zuerteilt wird. Auch sonst weisen die Lehren Liebigs 
mancherlei Mängel auf, die vor der weiteren wissenschaftlichen Forschung 
nicht bestehen konnten, und es ist begreiflich, daß sie zunächst 



Entwickelung d. Landwirtschaft unter d. Einflüsse d. Naturwissenschaften usw. 275 

starken Widerspruch erfuhren, nicht nur seitens der berufenen Ver¬ 
treter der Landwirtschaftswissenschaft, sondern auch der Fachchemiker. 
Bezeichnend ist die Antwort, die Berzelius auf den an ihn ge¬ 
richteten Brief Liebigs erteilte, deren Schärfe kaum übertroffen 
werden konnte. Berzelius schrieb: 

„So will ich Dir doch im Voraus sagen, daß ich mit Deiner Meinung nicht 
übereinstimme, daß Kohlensäure, Ammoniak und Wasser die eigentlichen und aus- 
schießlichen Nahrungsstoffe der Pflanzen sind und daß der Dünger im Erdboden 
keine andere Rolle hat, als diese hervorzubringen. Wäre das in der Tat der Fall, 
so könnte man die Pflanzen mit diesen, schon gebildet, bis zum völligen Reifen 
der Samen ernähren. Dieser Versuch ist aber meines Wissens nie ausgeführt 
worden und bis dahin ist es voreilig, diesen Satz aufzustellen. Wenn nun aber 
dieser Satz durch Versuche nicht bewiesen werden könnte, so würde viel von 
Deinem Lehrgebäude wegfallen. Deine Berechnungen geben, oft sehr bedenkens¬ 
werte und ganz auffallende Resultate, wenn man aber die Basen, wovon sie aus¬ 
gehen, näher betrachtet, so sind viele "davon von der Art, daß wir davon noch 
keine zuverlässige Kenntnis haben können, dadurch wird das schöne Resultat in 
ein Luftbild verwandelt. Diese Art, die Wissenschaft zu behandeln, gibt eine hin- 
führende, unterhaltende Lesung, sie scheint mir aber zu der Fourcroy sehen Me¬ 
thode zurückgehen zu wollen, der die Wissenschaft aus farbenspielenden Seifen¬ 
blasen aufbaute, welche von der genauen Prüfung wcggoblasen wurden, und wovon 
nicht einmal der Seifentropfen, woraus sie bestanden, zurückgeblieben ist. . . .“ 

Berzelius, der älteste und hervorragendste Chemiker jener 
Zeit, genoß ein zu hohes wissenschaftliches Ansehen, als daß eine 
solche abfällige Kritik hätte ungehört verhallen können, und das 
umso weniger, als tatsächlich noch keine durch praktische Versuchs¬ 
ergebnisse gestützten Beweise für die Ansichten und Schlußfolgerungen 
Liebigs Vorlagen. Indessen Liebig hatte nicht nur die Gabe, die 
Beobachtungen der Praxis, die ihm bedeutungsvoll erschienen, aufzu¬ 
nehmen und wissenschaftlich zu begründen, es lag auch in seiner Natur, 
mit zäher Beharrlichkeit an einer vorgefaßten Meinung festzuhalten 
und sie, häufig in wenig sachgemäßer Form, zu verteidigen, selbst 
wenn sie durch praktische Beweise widerlegt war. Aber gerade diese 
Eigentümlichkeit Liebigs und seine Angriffe gegen die Ansichten 
seiner Gegner gaben die Anregung zu umfangreichen Versuchen und 
Forschungen auf dem Gebiete der Agrikulturchemie, die wesentlich 
dazu beigetragen haben, die noch in Dunkel gehüllten Fragen aufzu¬ 
klären. 

Nach Liebigs Ansicht sollte, wie gesagt, nur die Düngung mit 
mineralischen Stoffen eine Berechtigung haben, eine besondere Zufuhr 
von Stickstoff aber durchaus überflüssig sein, während von seinen 
Gegnern, den Stickstöfflern, zu denen hauptsächlich Frdr. Gottlob 
Schulze in Jena, Jul. Ad. Stöckhardt in Tharand, Emil Wolff in 

18 * 



276 


MÜLLER-LENHARTZ, 


Hohenheim und Gustav Walz in Hohenheim gehörten, die große 
Bedeutung der Stickstoffdüngung richtig erkannt war, ohne den Wert 
der gleichzeitigen Düngung mit mineralischen Nährstoffen deshalb in 
Frage zu stellen. Daß solche ausgedehnte Forschungen auf wissen¬ 
schaftlicher Grundlage möglich wurden, war auf die Errichtung land¬ 
wirtschaftlicher Akademien und Versuchsanstalten zurückzuführen, die 
zu derselben Zeit, d. h. um die Mitte des 19. Jahrhunderts, ins Leben 
traten, und an denen nicht nur Vertreter der Landwirtschaftwissen¬ 
schaft, sondern auch solche der Naturwissenschaften wirkten. Die 
Lehre von der Pflanzenernährung entwickelte sich durch das Zusammen¬ 
wirken aller Kräfte zusehends und übte auf die Praxis der Düngung 
und aller damit in Zusammenhang stehenden Fragen einen bedeutenden 
Einfluß aus. Nachdem sich die Erkenntnis Bahn gebrochen hatte, daß 
die Pflanzen ihre Nährstoffe, abgesehen von dem Kohlenstoff, der ihnen 
in Form von Kohlensäure von der Atmosphäre geboten ist, in an¬ 
organischer Form dem Boden entnehmen, daß außer dem Stickstoff, 
der, dem Dünger entstammend, als Ammoniak bzw. Salpetersäure 
aufgenommen wird, für die Pflanze tatsächlich noch bestimmte Mineral¬ 
stoffe erforderlich sind, und daß alle diese Nährstoffe in demselben 
Maße dem Boden zu ersetzen sind, in dem sie ihm durch die 
Ernten entzogen wurden, war man tatsächlich auf dem von Berzelius, 
allerdings spöttisch erwähnten Standpunkte angelangt, daß man „die 
Pflanzen mit den fertig vorgebildeten Nährstoffen bis zum Reifen der 
Samen ernähren könnte.“ 

War der Landwirt bis dahin genötigt gewesen, den zur Erhaltung 
der Bodenkraft erforderlichen Dünger in der eigenen Wirtschaft zu ge¬ 
winnen, so war es ihm jetzt ermöglicht, einen großen Teil des Düngers 
durch den Ankauf künstlicher Düngemittel zu ersetzen, denn den Be¬ 
dürfnissen entsprechend hatten sich neue Industriezweige gebildet, die 
einzelne Düngerstoffe in konzentrierter Form herstcllten und in den 
Verkehr brachten. Die Knochenindustrie hatte sich zu einem blühenden 
Erwerbszweige ausgebildet, und Knochenmehl war ein begehrter Artikel, 
wie überhaupt die Phosphate als Düngemittel eine hervorragende Be¬ 
deutung gewannen. Ebenso entwickelte sich die Kaliindustrie, denn auch 
der Verbrauch dieser Base nahm von Jahr zu Jahr zu, ebenso wie die 
Stickstoffverbindungen, deren Bedeutung als Düngemittel mehr und mehr 
in den Vordergrund trat. Die Guanoquellen waren bald erschöpft, und 
das Knochenmehl, das neben Phosphorsäure ja ebenfalls Stickstoff 
enthält, konnte den Bedarf nicht decken, ebensowenig der von weither 



Entwickelung d. Landwirtschaft unter d.‘ Einflüsse d. Naturwissenschaften usw. 277 


eingeführte Chilesalpeter. Eine weitere Stickstoffquelle erschloß sich 
der Landwirtschaft in dem bei der Herstellung des Leuchtgases als 
Nebenprodukt gewonnenen Ammoniak; aber stärker als das Angebot 
wuchs die Nachfrage, wie von Jahr zu Jahr die vorwiegende Bedeutung 
des Stickstoffs als Düngemittel mehr erkannt und gewürdigt wurde. 
Die umfangreiche Einführung künstlicher Düngemittel, soweit diejenigen 
mineralischen Ursprungs in Betracht kamen, ist allerdings auf Liebig 
zurückzuführen, der darauf hinwies, daß bei dem nun üblichen ver¬ 
besserten landwirtschaftlichen Betriebe durch die sogenannte rationelle 
Landwirtschaft, durch das tiefere Pflügen un'd den beständigen Frucht¬ 
wechsel der Vorrat des Bodens an mineralischen Nährstoffen, besonders 
an Phosphorsäure, Kali und Kalk immer mehr abn^hmen und der 
Ackerboden schließlich unfruchtbar werden müsse. Es ist das Haupt¬ 
verdienst Liebigs, hierauf hingewiesen und gleichzeitig die Wege 
gezeigt zu haben, wie dieser Gefahr abgeholfen werden könne; denn 
bei Fortsetzung des damals als rationell betrachteten Ackerbaubetriebes 
würde die deutsche Landwirtschaft schwerlich imstande gewesen sein, 
ohne die Zufuhr künstlicher Düngemittel die Ernteerträge auf der 
damals erreichten Höhe zu halten. Die weitere wissenschaftliche 
Forschung zeigt aber, daß, entgegen der Ansicht Liebigs, der Stick¬ 
stoffdüngung die gleiche oder noch größere Bedeutung zukomme, wie 
der Mineraldüngung, und daß die Ergiebigkeit des Bodens nur unter 
gleichzeitiger Berücksichtigung beider Faktoren auf der Höhe zu er¬ 
halten sei. Das Ergebnis der langjährigen Kämpfe um die Streitfrage, 
ob Stickstoff- oder Mineraldüngung, war eine gründliche wissenschaft¬ 
liche Durchforschung dieses Gebietes, und ein Ausgleich der Gegen¬ 
sätze, der die Lehre über Pflanzenernährung und Düngung auf 
seine jetzige Höhe führte. Auch die Bedeutung und der Wert des 
Humus wurde alsbald richtig erkannt, obwohl durch die erwähnten 
Streitigkeiten das Hauptinteresse der chemischen Seite der Frage 
zugewandt, die Erforschung der physikalischen Verhältnisse aber stark 
in den Hintergrund getreten war. Nichtsdestoweniger wurden über 
den Einfluß der Wärme, der Feuchtigkeit und Lockerheit des Bodens 
auf das Pflanzenwachstum Beobachtungen angestellt, und man gelangte 
zu der Ueberzeugung, daß auch diese physikalischen Faktoren, die 
zum großen Teile durch den Humus beeinflußt werden, von ebenso 
großer Bedeutung für die Fruchtbarkeit des Bodens sind, wie die 
Zufuhr der materiellen Nährstoffe. Hatte man früher die Fruchtbarkeit 
des Bodens ausschließlich dem Humus zugeschrieben, so wurde dem 



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MÜLLER-LENHARTZ, 


letzteren durch Liebig jede Bedeutung abgesprochen. Die Erkennung 
des wahren Wertes des Humus war ebenfalls das Ergebnis der Arbeiten 
und Forschungen, die zur Klärung der schwebenden Streitfragen 
angestellt wurden. Man kam zu der Erkenntnis, daß der Humus 
nicht nur durch seine Zersetzungsprodukte, Ammoniak und Kohlen¬ 
säure zur Fruchtbarkeit des Bodens beitrage, sondern daß er auch 
auf seine physikalische Beschaffenheit günstig einwirke durch Er¬ 
zeugung von Wärme, Lockerung und Aufschließung. Gleichzeitig 
ergab sich hiermit auch die Bedeutung des Stalldüngers, der 
das Ausgangsmaterial für die Bildung des Humus ist und daher 
nicht durch künstliche Düngemittel ersetzt zu werden vermag. 
Damit war aber auch durch wissenschaftliche Gründe der Beweis 
erbracht, daß beide Zweige des Landwirtschaftsbetriebes, der Acker¬ 
bau und die Viehzucht unzertrennlich miteinander verbunden sein 
müssen. 


Fütterung. 

Auch die Erforschung der auf die Viehzucht bezüglichen Fragen, 
der Fütterung nsw. waren bisher stark in den Hintergrund getreten, 
was zum großen Teil der noch mangelnden Kenntnis der Gesetze der 
tierischen Ernährung zuzuschreiben war. Man unterschied zwar nach 
dem Vorgänge von Wackherlin (1846) schon zwischen Erhaltungs¬ 
und Produktionsfutter und suchte, wie für die Menge, so auch für 
die Zusammensetzung des Futters bestimmte Grundlagen zu gewinnen. 
Es wurde auch festgestellt, in welchem Verhältnis der Nährwert der 
nunmehr angebauten Futtermittel, wie Klee, Rüben und ähnliche 
Gewächse, zu dem als Normalfutter betrachteten Wiesenheu steht, 
und man gelangte auf diese Weise zu dem sogenannten Heuwert. 
Die Heuwerttheorie wurde aber hinfällig durch die in der zweiten 
Hälfte des 19. Jahrhunderts gemachten Fortschritte auf dem Gebiete 
der Chemie und der Tierphysiologie. Nachdem die Gesetze der 
tierischen Ernährung erforscht waren, konnte daran gedacht werden, 
Versuche über Verdaulichkeit und Nährwert des Futters, sowie den 
Nährstoffbedarf der landwirtschaftlichen Nutztiere in Angriff zu nehmen. 
Man unterwarf die Futtermittel einer genauen chemischen Analyse 
hinsichtlich ihres Gehaltes an Protein, Fett, stickstofffreien Extrakt¬ 
stoffen und Rohfaser und suchte die Verdaulichkeit und Ausnutzung 
dieser einzelnen Nährstoffe in verschiedenen Futtermitteln an ver¬ 
schiedenen Tierarten festzustellen. Hierdurch wurden Anhaltspunkte 



Entwickelung d. Landwirtschaft unter d. Einflüsse d. Naturwissenschaften usw. 279 

gewonnen für Art und Menge des den Tieren zu verabreichenden 
Futters, aber mit fortschreitender Erkenntnis auf chemischem und 
physiologischem Gebiete traten auch hier noch mehrfache Aenderungen 
ein. Die Einsicht, daß das, was als Rohprotein bezeichnet wurde, 
nur zum Teil wirkliches Protein ist, zum Teil aber aus Stickstoff¬ 
verbindungen nicht eiweißartiger Natur in wechselnden Mengen besteht, 
machte es nötig, die Rechnung mit Rohnährstoffen aufzugeben und 
das Futter nach seinem Gehalte an verdaulichen .Nährstoffen, zu be¬ 
werten. Lange Zeit hat man sich so auf die Berücksichtigung des 
Stoffumsatzes in der landwirtschaftlichen Fütterungslehre beschränkt, 
bis man in neuester Zeit die Notwendigkeit erkannte, zur Erklärung 
der Vorgänge im Tierkörper zugleich auch den Energieumsatz in Be¬ 
rücksichtigung zu ziehen. So wurde auch die Fütterungslehre zu dem 
größtmöglichen Maße der Vollkommenheit gebracht, wie vorher bereits 
die Düngerlehre. Auch in der Tierzuchtlehre sind die höchsten Er¬ 
folge zu verzeichnen, und in der Entwicklung" der Viehzucht treten 
die Fortschritte, die die deutsche Landwirtschaftslehre gemacht hat, 
am meisten zutage. Heute ist die Viehhaltung nicht mehr ein not¬ 
wendiges Uebel, sondern sie ist ausschlaggebend für die Rentabilität 
des landwirtschaftlichen Betriebes. 

V eterinärmedizin. 

Erhebliches hat auch die Veterinärmedizin dazu beigetragen, 
daß wir heute durchhalten können. 

Durch die Erforschung der auf die Viehzucht bezüglichen Fragen, 
durch die Fortschritte auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung hat 
die Veterinärmedizin einen bedeutenden Anteil an der Hebung der 
Viehzucht gewonnen. 

Die verheerenden Viehseuchen, besonders die Rinderpest, waren 
der Anlaß, daß in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in den 
meisten Kulturstaaten Anstalten zum Studium der Tierkrankheiten 
entstanden, und damit setzt die Veterinärwissenschaft ein. 

Der deutschen Rinderpest-Gesetzgebung ist es zu verdanken, 
daß die in den 60er und 70er Jahren noch häufig eingeschleppte 
Rinderpest in kurzer Zeit unterdrückt und seit den 80er Jahren völlig 
von Deutschland ferngehaltcn wurde. 

Das Reichsviehseuchengesetz vom 23. Juni 1880 hat den Kampf 
gegen die Tierseuchen wirksam fortgesetzt und hat anderen Staaten als 
Vorbild gedient. Die Tierscuchenforschungen, fußend auf den grund- 



280 


MÜLLER-LENHARTZ, 


legenden Untersuchungen von Pasteur und später von Koch, haben 
die staatliche Tierseuchenbekämpfung außerordentlich gefördert und 
bereiteten den nachfolgenden Forschern, unter deren Zahl sich viele 
deutsche Tierärzte und Aerzte befinden, den Weg. 

Technische Nebenbetriebe. 

So wie man durch die Erforschung der Gesetze der Pflanzen¬ 
ernährung zu der Anwendung künstlicher Düngemittel jeglicher Art 
gelangt war, so zog auch die Erkenntnis der Gesetze der tierischen 
Ernährung die Verwendung einer großen Anzahl von Erzeugnissen und 
Abfällen der verschiedensten Industriezweige nach sich, auf deren Ent¬ 
wicklung dadurch mittelbar ebenfalls wieder vielfach eingewirkt wurde. 

Bei diesen Betrachtungen dürfen auch diejenigen Gewerbe nicht 
unerwähnt bleiben, die mit der Entwicklung der Landwirtschaft 
in mehr oder weniger nahem Zusammenhänge stehen, deren Roh¬ 
materialien landwirtschaftliche Erzeugnisse bilden, und deren Abfälle 
und Nebenprodukte wiederum im landwirtschaftlichen Betriebe als 
Viehfutter oder auch als Düngemittel Verwendung finden. 

Die Herstellung von Zucker aus Zuckerrüben ist eine deutsche 
Erfindung, die jedoch nach einem mißlungenen Versuch im Jahre 1798 
zunächst keine weitere Beachtung fand. Erst im Jahre 1830 wurde 
die Fabrikation wieder aufgenommen und ist auf die Umgestaltung 
der deutschen Landwirtschaft von großem Einfluß gewesen. Die Tief¬ 
kultur des Bodens, wie überhaupt seine Bearbeitung, hat durch den 
Rübenanbau eine erhebliche Förderung erfahren. Eine zunehmende 
Anwendung künstlicher Düngemittel und'der Gewinn an Futtermitteln 
in den Rückständen der Zuckerfabrikation wirkten gleichzeitig auf die 
Viehzucht fördernd ein, aber der schönste Erfolg wissenschaftlicher 
Forschung zeigt sich in der Zucht und Veredlung der Rüben. Hatte 
man anfangs zur Herstellung von 1 Zentner Zucker 18 Zentner Rüben 
verbraucht, so war die letztere Menge bis 1900 bereits auf 6,7 Zentner 
gesunken, was zwar zum Teil mit auf die technische Vervollkommnung 
des Fabrikationsbetriebes, vorwiegend aber auf den höheren Zucker¬ 
gehalt der Rüben zurückzuführen ist. 

Die Spiritusbrennerei nahm mit der Ausdehnung des Kar¬ 
toffelanbaus einen großen Aufschwung, wenngleich die Anzahl der 
Brennereien abnahm. Die Vervollkommnung der technischen Betriebe 
brachte es mit sich, daß sich der Umfang der einzelnen Brennereien 
vervielfachte, ihre Anzahl dafür aber abnahm. Die Menge der 



Entwickelung d. Landwirtschaft unter d. Einflüsse d. Naturwissenschaften usw. 281 

verarbeiteten Kartoffeln betrug im Jahre 1880 nahezu 2 Millionen 
Tonnen, im Jahre 1900 über 2 8 / 4 Millionen Tonnen. In __ demselben 
Maße ist auch die Menge der als Nebenprodukt gewonnenen Schlempe 
gestiegen, die als wertvolles Futtermittel gleichfalls auf die Vieh¬ 
zucht einen großen Einfluß ausübte und durch die damit verbundene 
Vermehrung der Düngergewinnung umgekehrt eine günstige Rück¬ 
wirkung auf den Ackerbau selbst äußerte. Die Erfahrungen, die hier¬ 
durch gesammelt wurden, waren von nicht zu unterschätzender Be¬ 
deutung, und weit mehr als die Erzeugung des Spiritus selbst waren 
es die angeführten mittelbaren Vorteile, die zu der stetigen Zu¬ 
nahme der Branntweinbrennerei Veranlassung gaben. Hand in Hand 
mit der Entwicklung des Brennereibetriebes ging die biologische 
Forschung über das Wesen der Gärungserreger. Man kannte zwar 
den Schlamm, der sich in der gärenden Flüssigkeit bildete, aber 
erst Theodor Schramm und gleichzeitig Cagniard de la Tour ge¬ 
lang im Jahre 1837 der strenge Beweis dafür, daß die Hefe ein 
Organismus sei und daß ihre Gegenwart die notwendige Vorbedingung 
für die Gärung bilde. Auf die bekannte Gegnerschaft Liebigs, der 
auch diesen Forschungsergebnissen entgegentrat und ihnen seine 
sogenannte mechanische Gärungstheorie entgegenstellte, an welcher er 
trotz aller gegenteiligen Beweise mit zäher Beharrlichkeit festhielt, 
sei nur kurz hingewiesen. 

Trotz Liebig schritt aber die Forschung auch auf diesem Ge¬ 
biete schnell vorwärts, und das Wesen aller ZersetzungsVorgänge, die 
man zuerst noch allgemein als Gärung bezeichnete, wurde immer 
klarer erkannt. Diese Arbeiten äußerten wieder in günstigster Weise 
ihren Einfluß auf die Leitung des Brennereibetriebes wie auch der 
übrigen Gärungsgewerbe, in denen heute bereits vorwiegend mit Rein¬ 
kulturen gearbeitet wird. 

Von wesentlich geringerer Bedeutung war die Stärkefabrika¬ 
tion. Zwar hat sie gleichfalls auf den vermehrten Kartoffelanbau eine 
günstige Wirkung ausgeübt, aber die als Abfallprodukt gewonnene 
Pülpe hat als Futtermittel keine besondere Bedeutung, und der wert¬ 
vollste Bestandteil, das Eiweiß, geht bei der bis jetzt üblichen Art 
der Stärkefabrikation gänzlich verloren. 

Von der Bierbrauerei gilt dasselbe, was bereits von der 
Brennerei gesagt war. Der stetigen Zunahme des Brauereibetriebes 
entsprach der wachsende Bedarf an Gerste und Hopfen, für die 
die Landwirtschaft aufzukommen hat, und die Biertreber bilden infolge 



•282 


müeler-lenhartz, 


ihres hohen Eiweißgehalts eins der geschätztesten Kraftfuttermittel; 
gerade jetzt tritt ihre Bedeutung für die Viehhaltung recht in die 
Erscheinung. 

Den bedeutendsten Einfluß hat die moderne wissenschaftliche 
Forschung auf die Entwicklung des Molkereiwesens ausgeübt. 
Chemie, Physiologie, Bakteriologie und Maschinenkunde haben mit¬ 
gewirkt, um die Molkereiwissenschaft auf ihre jetzige Höhe zu er¬ 
heben; sie macht einen besonderen Wissenszweig der allgemeinen 
Landwirtschaftslehre aus. Bis weit über die Mitte des vorigen Jahr¬ 
hunderts hinaus eine einfache Handhabung, um die in der Wirtschaft 
nach althergebrachter Weise gewonnene Milch, soweit sie nicht- 
sofort als solche verbraucht wurde, in einfachster Weise im Hand¬ 
betrieb auf Butter und ßauernkäse zu verarbeiten, ist die Molkerei¬ 
wissenschaft mit allem, was die Gewinnung der Milch, ihre Behand¬ 
lung und Verarbeitung betrifft, zu einem so wissensreichen Lehr¬ 
gebäude herangewachsen, daß es unmöglich erscheint, alle Fortschritte 
einzeln hervorzuheben. Bis zum Jahre 1837 hatte *man überhaupt 
noch keine nähere Kenntnis von der Zusammensetzung der Milch und 
von den Ursachen der Veränderung, der sie beim Stehen unterworfen 
war. Mitscherlich und Liebig hatten wohl das beim freiwilligen 
Gerinnen der Milch entstehende Produkt als eine besondere organische 
Säure erkannt, aber erst Pasteur erkannte 1857 die Tätigkeit kleinster 
Lebewesen als das Bedingende für die Milchsäuregärung. Bei dem 
dann folgenden Aufschwung der Bakterienforschung wurde die Milch 
vorwiegend zum Gegenstand der Untersuchung gemacht, die Ursache 
auch der sonstigen Milchfehler erkannt und die Möglichkeit zu 
ihrer Verhütung gegeben. Gleichzeitig wurde im Laufe der Jahre 
die chemische Zusammensetzung der Milch, besonders hinsichtlich der 
Eiweißkörper erforscht, und es folgten die Untersuchungen über den 
Einfluß des Futters auf die Milchergiebigkeit und die Zusammensetzung 
der Milch. Die Bedingungen für die Säuerung des Rahms, die Butter¬ 
fehler wurden erforscht und über die krankheiterregenden Bakterien 
in der Milch Licht verbreitet, woraus sich die Grundsätze für 
ihre hygienische Behandlung ergaben. Hand in Hand damit ging 
die Vervollkommnung der Molkereimaschinen und Geräte, die sich 
mit dem Uebergang des Molkereibetriebes zum Großbetrieb er¬ 
forderlich machten. So stellen die Molkereien heute mit allen Er¬ 
rungenschaften der Wissenschaft und der Technik ausgestattete Be¬ 
triebe dar, und die Milchwirtschaft, von der Auswahl der Tiere, ihrer 



Entwickelung d. Landwirtschaft unter d. Einflüsse d. Naturwissenschaften usw. 283 


Fütterung und Pflege bis zur einwandfreien Gewinnung der Milch er¬ 
fordert die Kenntnis aller wissenschaftlichen Fortschritte der Neuzeit. 

Es ist kaum möglich, Wirkung und Gegenwirkung und das In¬ 
einandergreifen der verschiedenen Aufgaben übersichtlich darzustellen. 
Jede Erkenntnis erzeugte weitere Fragen, und es traten die glück¬ 
lichsten Umstände zusammen, die es ermöglichten, die Lösung dafür 
zu finden. Die glänzende Entwicklung der Maschinenindustrie, und 
als jüngste Fachwissenschaft die Bakteriologie, trugen ebenfalls dazu 
bei, die Landwirtschaftswissenschaft auf die Höhe zu bringen, die 
sie gegenwärtig einnimmt. Die Pflanzenkrankheiten wurden erforscht, 
und über das geheimnisvolle Schaffen der kleinsten Lebewesen, der 
Bakterien, im Dünger und im Boden, und über ihre Tätigkeit bei der 
Humusbildung, der Wärmeerzeugung und der schließiichen Umwand¬ 
lung des Ammoniaks in salpetersaure Salze wurde helles Licht ver¬ 
breitet. Als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts infolge der er¬ 
weiterten Kenntnis über die Ursachen der Fruchtbarkeit und Ergiebig¬ 
keit des Ackerlandes auch die Zweckmäßigkeit einer sorgfältigeren 
Bodenbearbeitung erkannt war, stand die deutsche Maschinenindustrie 
noch auf verhältnismäßig niedriger Entwicklungsstufe, und man war 
genötigt, die ersten vollkommeneren, den erweiterten Bedürfnissen 
entsprechenden Geräte englischen Vorbildern zu entnehmen. Der 
Dampfpflug, Schollenbrecher, die Getreidedrillmaschine wurden aus 
England in den deutschen Landwirtschaftsbetrieb eingeführt. Es wurde 
dann aber auch auf diesem Gebiete rastlos gearbeitet und, unabhängig 
vom Auslande, zu Erfolgen geschritten, die kennzeichnend sind für 
deutschen Geist und deutsche Tatkraft. Die glänzende Entwicklung 
unserer Maschinenindustrie im allgemeinen erstreckte sich auch auf 
die erweiterten Bedürfnisse der Landwirtschaft; in welchem Maße, 
davon zeugt der gegenwärtige Stand der besonderen landwirtschaftlichen 
Maschinenlehre, deren Erfolge auch der Entwicklung der landwirt¬ 
schaftlichen Nebengewerbe zugute kamen. Von derselben Bedeutung 
wie die Einführung vollkommener landwirtschaftlicher Geräte und 
Maschinen war die Erschließung großer Ländereien für den Ackerbau 
durch Entwässerung und sonstige Bearbeitung. 

Unterrichts- und Versuchswesen. 

Alle Erfolge und Fortschritte auf dem gesamten Gebiete der 
Landwirtschaft sind das Ergebnis der rastlosen Forscherarbeit von 
Vertretern der Wissenschaft und der Praxis, die besonders dadurch 



284 


MÜLLER-LENHARTZ, 


in so umfangreichem Maße ermöglicht war, daß schon frühzeitig das 
Bedürfnis der Errichtung landwirtschaftlicher Lehranstalten 
erkannt und durch ihr Wirken die Landwirtschaftslehre als eine 
selbständige Wissenschaft begründet wurde. Zu den der höheren 
Landwirtschaftslehre dienenden Unterrichtsanstalten, die teilweise den 
Universitäten angegliedert und mit mehr oder weniger reich aus¬ 
gestatteten wissenschaftlichen Forschungsapparaten versehen sind, 
gesellten sich die landwirtschaftlichen Versuchsstationen, deren erste 
im Jahre 1851 in Möckern errichtet wurde und deren Anzahl bis zur 
Jahrhundertwende auf 70 angewachsen war. Im einzelnen die großen 
Verdienste zu schildern, die sich die an den genannten Instituten 
im Laufe der Zeit tätigen wissenschaftlichen Kräfte um die Förderung 
der Landwirtschaftswissenschaft erworben haben, würde kaum möglich 
sein. Nachdem die einseitige Richtung, wie sie der Einfluß der Chemie 
seit Liebigs Zeit hervorgerufen hatte, aufgegeben worden war, hat 
sich die Landwirtschaftslehre zu einer selbständigen Fachwissenschaft 
herausgebildet, in deren Mittelpunkt die für die Ernährung der Tiere 
und der Pflanzen gleich wichtige Stickstofffrage steht, wie ja auch 
der Stickstoffumsatz im landwirtschaftlichen Betrieb als Maßstab für 
dessen Intensität angesehen wird. Je mehr die Bedeutung des Stick¬ 
stoffs im Haushalt der Natur erkannt wurde, um so eifriger wurde 
auf diesem Gebiete geforscht, und das Ergebnis der dadurch gewonnenen 
Erkenntnis war die Frage, ob die bekannten Stickstoffquellen für alle 
Zeiten ausreichend sein würden, um den vermehrten Anforderungen 
des landwirtschaftlichen Betriebes zu genügen. Schon früher wurde 
die Beobachtung erwähnt, wonach die Fruchtbarkeit des Bodens nach 
dem Anbau bestimmter Pflanzenarten, besonders der Leguminosen, 
erhöht erschien. Die Erklärung hierfür war der neueren Zeit Vor¬ 
behalten durch die Entdeckung der Knöllchenbakterien, die an den 
Wurzeln der fraglichen Gewächse oder in Gemeinschaft mit ihnen 
leben, den freien Stickstoff der Luft aufnehmen und in eine zur Er¬ 
nährung der Pflanzen geeignete Verbindungsform überführen. Diese 
Aufklärung war von hoher Bedeutung, aber die Menge des auf solche 
Weise zu gewinnenden Stickstoffs ist abhängig von der Größe der 
mit den betreffenden Pflanzen bestellten Bodenflächen, und diese findet 
ihre Begrenzung durch die der Landwirtschaft gestellten Aufgaben. 

Um den stets erhöhten Ansprüchen des Ackerlandes an geeigneten 
Stickstoffverbindungen zu genügen, ist die Tätigkeit der Knöllchen¬ 
bakterien ebensowenig hinreichend, wie diejenigen Stickstoffquellen, 



Entwickelung d. Landwirtschaft unter d. Einflüsse d. Naturwissenschaften usw. 285 


die in Gestalt künstlicher stickstoffhaltiger Düngemittel schon früher 
erwähnt wurden, und deren endliche Erschöpfung zudem wohl nur 
eine Frage der Zeit sein dürfte. Als Ideal der wissenschaftlichen 
Forschung mußte der Stickstoff der Atmosphäre angesehen werden, 
aus dessen unermeßlichem und daher unerschöpflichem Vorräte ja 
auch die Knöllchenbakterien schöpfen, und die Nutzbarmachung dieser 
Quelle bildete eine Aufgabe, auf deren Lösung kaum so bald zu 
hoffen war. Doch die Ereignisse drängen sich; je tiefer der Menschen¬ 
geist in die Geheimnisse der Natur eindringt, pm so schneller schreitet 
er vorwärts. Was gestern erforscht war, ist heute schon veraltet 
und durch neuere Erkenntnisse überholt. Was um die Jahrhundert¬ 
wende kaum noch jemand zu denken wagte, ist längst zur Wahrheit 
geworden. Die Ueberführung des freien Stickstoffs der Atmosphäre 
in eine zur Pflanzenernährung geeignete gebundene Form mit Hilfe 
der Elektrizität ist bereits jetzt in weitestem Maße durchgeführt, 
so daß die Befürchtung eines Mangels an stickstoffhaltigen Dünge¬ 
mitteln für alle Zeiten beseitigt ist. Die Aufgabe der Landwirtschafts- 
wissenschaft wird es sein, die durch klimatische Verhältnisse be¬ 
dingte höchste Leistungsfähigkeit des Bodens, über die hinaus eine 
weitere Stickstoffzufuhr nutzlos wäre, zu finden und den gesamten 
Landwirtschaftsbetrieb damit in Einklang zu bringen. 

Die Unabhängigkeit vom Auslande in Nahrungs- und Düngemitteln 
ist das hohe Ziel, das Deutschland erstreben muß. Deutscher 
Geist und deutsche Kraft haben es zuwege gebracht, daß wir bis 
heute durch fast 4 schwere Kriegsjahre hindurch den verbrecherischen 
Aushungerungsplan unserer Feinde zuschanden gemacht haben. Dieser 
Erfolg, dieses Gefühl der Kraft wird Deutschland und seiner Land¬ 
wirtschaft bis in die spätesten Zeiten leuchtend vorangehen in dem 
großen Streben um die Schaffung einer Unabhängigkeit vom Auslande. 



XIII. 


Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des 

Pferdes. 

Von 

Obermed.-Rat Prof. Dr. med. vet. et phil. Johannes Schmidt, 

Direktor der Medizinischen Klinik, z. Zt. Oberstabsveterinär am Iraraob. Pferdelazarett Nr. 61. 


Die Therapie des Morbus maculosus des Pferdes ist sehr viel¬ 
seitig. Die Zahl der früher und jetzt noch empfohlenen Medikamente 
ist auffallend groß. Diese Tatsache genügt schon zu der Annahme, 
daß die Erfolge bisher nicht befriedigend gewesen sind. Um eine 
Grundlage für die Bewertung der therapeutischen Methoden zu er¬ 
langen, habe ich mich schon früher damit beschäftigt, die einzelnen 
Behandlungsarten zu studieren und ihnen in der Literatur bis zu den 
Anfängen einer eigentlichen Tierheilkunde nachzugehen. Als Resultat 
dieser Forschungen fertigte Lang (41) in meinem Institut eine Arbeit 
an und legte ihr die gesamte ihm zugängliche Literatur bis zu Beginn 
des Jahres 1910 zu Grunde. 

Seit diesem Zeitpunkte haben weitere zahlreiche therapeutische 
Versuche stattgefunden. Mit wenig Ausnahmen beschränken sie sich 
aber auf jene bis zum Jahre 1910 angewandten Methoden und be¬ 
wirkten, wie ich noch im speziellen erwähnen werde, keine wesent¬ 
liche Aenderung der von Lang angegebenen Mortalitätsziffern. 

Betrachtet man nun die in den letzten Jahrzehnten zur Heilung 
empfohlenen Mittel, so erscheinen sie derartig verschieden, daß man 
zunächst eine planmäßige Therapie vermißt. Bei genauerer Durchsicht 
lassen sie sich aber nach gewissen Grundsätzen ordnen. Die einzelnen 
therapeutischen Maßnahmen gegen den Morbus maculosus geben nun 
folgende Ziele zu erkennen: 

1. Vernichtung der im Verdauungsschlauch vermuteten 
Krankheitsursachen. 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


287 


2. Neutralisierung der im Blute oder im Körper ver¬ 
muteten Gifte und Ausscheidung derselben durch 
erhöhte Organtätigkeit. 

3. Verminderung der Blutmenge und damit Aenderung 
des Blutdruckes. 

4. Aenderung der Beschaffenheit der Blutgefäßwände. 

5. Abtötung der im Blute und in den Organen möglicher¬ 
weise vorhandenen pathogenen Keime durch Ein¬ 
verleibung von Desinfektionsmitteln. 

6. Biologische Desinfektion des Blutes und Erhöhung 
der Widerstandskraft des Organismus gegen die im 
Blute kreisenden Mikroorganismen und deren Pro¬ 
dukte = Seruratherapie. 

7. Umgestaltung der pathologischen Beschaffenheit des 
Blutes zur Norm. 

Neben diesen Spezialmethoden können noch verschiedentlich 
Maßnahmen getroffen werden, die rein symptomatische Zwecke ver¬ 
folgen und daher als nebensächlich außer Betracht bleiben sollen. 
Ich rechne hierzu die Anwendung herzstärkender, erregender, kräfti¬ 
gender, adstringierender Mittel und die desinfizierenden ; bzw. auch 
kühlenden oder zerteilenden äußerlichen Umschläge, Einreibungen und 
Waschungen. 

Im folgenden sollen nun die einzelnen Methoden besprochen 
werden, wobei auch die älteren Maßnahmen aus Gründen der Voll¬ 
ständigkeit Berücksichtigung erfahren werden. 

Zu 1: 

Die Lehre von der Desinfektion gab bereits zu einer Zeit, als 
eine eigentliche Bakteriologie noch nicht bekannt war, und später 
noch vielmehr den Anlaß zur Anwendung von Mitteln, die entweder 
den Darm von seinem schädlichen Inhalt befreien oder die im Ver¬ 
dauungsschlauch angeblich vorhandenen Krankheitsstoffe vernichten 
sollten. Dem ersteren Zwecke dienten die verschiedenen Abführ¬ 
kuren, zu letzterer Behandlungsart kamen Desinfektionsmittel in An¬ 
wendung. So empfahl im Jahre 1846 Hertwig (30) gegen Blut¬ 
fleckenkrankheit die Einverleibung von Salzsäure und auch von 
Cuprum sulfuricum. Später gelangten zur Anwendung Schwefel¬ 
säure, Kal omel, Argentumnitricum, Salizylsäure, [von Röll(61) 
1885 ungünstig beurteilt], Kreosot, Kreolin, Ichthyol [Lustig (48)], 



288 


JOHANNES SCHMIDT 


Lysol, Naphthalin, Pix liquida [von Hauptmann (26) 1903 ein¬ 
geführt], Kreolin vasogen [Dresdener Klinik(80)], Menthol, Kampfer, 
Naphthalein [Hutyra (7)], Septoform [Wohlmuth (74)], Chinin 
[Wilhelm(70)], Karbolsäure, Borsäure, Natrium subsulfurosum, 
Terpentinöl [Howe (32)]. 

Die Erfolge, die mit dieser Therapie erzielt wurden, sind durch¬ 
aus unbefriedigend. Die Desinfektion des Verdauungsschlauches 
ist nicht geeignet, die durchschnittliche Mortalitätsziffec 
von 60 v. H. und darüber wesentlich einzuschränken. 

Zu 2: 

Entsprechend der Theorie, daß beim Morbus mac. Gifte im Blut¬ 
oder Lymphstrom kreisen, die zur schweren Erkrankung Anlaß geben 
und wegen langen Verweilens im Tiejkörper immer erneute bedrohliche 
Symptome hervorrufen, wurde von verschiedenen Seiten angeregt, diese 
Gifte in passender Weise unschädlich zu machen und sie zur baldigen 
Ausscheidung zu bringen. Nebenbei könnten vielleicht auch die Er¬ 
zeuger der Gifte raitgetroffen und vernichtet werden. Dem genannten 
Zwecke wurde die Jodtherapie dienstbar gemacht. Dieckerhoff (12) 
war der Erste, der die Blutfleckenkrankheit mit Jod zu bekämpfen 
versuchte. Er verwendete Jod. pur. 1,0, Kal. jodat. 5,0, Aq. dest. 50,0 
und injizierte von dieser Lösung 3—6 ccm täglich mehrmals intra¬ 
tracheal in der Absicht, die Jodlösung durch die Lungenpassage ins 
Blut zu überführen. Die Erfolge waren nach seiner Mitteilung sehr gute. 

Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, daß die so vielfach verbreitete An¬ 
nahme, Dieckerhoff sei der Schöpfer der intratrachealen Applikationsmethode, 
irrtümlich ist. Bereits im Jahre 1883 machte Levi (45) auf diese Einverleibungs¬ 
methode aufmerksam, mit der er den Rotz zu heilen versuchte. 

Storch (68) steigerte die Gaben bis auf 30 ccm und heilte 
von 11 Fällen 8. Auch andere Autoren wie z. B. Schaumkell (63), 
Goubeaux (35) usw. lobten die Jodtherapie. 

Nach den damaligen Publikationen hätte man annehmen können, 
im Jod das Allheilmittel für Morbus mac. gefunden zu haben. Leider 
erwies sich diese Annahme als falsch. Die ersehnten Erfolge blieben 
zum großen Teil aus; verschiedene Kliniker [z. B. Siedamgrotzky (79)] 
behaupteten sogar, daß durch die lntratrachealinjektionen das Entstehen 
von Lungengangrän möglicherweise begünstigt würde, und Cadöac (7) 
erklärte die genannte Therapie für höchst nachteilig. Nach der von 
Lang (41) gegebenen Uebersicht beträgt die Mortalität bei der er- 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


289 


wähnten Jodbehandlung rund 30 v. H., nach den klinischen Erfahrungen 
jedoch mindestens 40 v. H. 

Um die Erfolge zu steigern verabreichte man auch per os 
Lugolsche Lösung, Jodvasoliment, Jodipin und Jodvasogen, 
letztere beiden mitunter subkutan. Die Publikationen hierüber sind 
ziemlich gering an Zahl, so daß man annehmen muß, daß die Ver¬ 
suche nicht recht zufricdenstellten. Berechnet man die in der 
Literatur niedergelegten Zahlen, so kommt man auf eine 
Mortalität von etwa 28 v. H.; berücksichtigt man aber, daß 
negative Kurerfolge seltener ihren Weg zur Veröffentlichung 
finden als positive, so kann man ohne Uebertreibung die 
Ziffer auf etwa 35—40 v. H. schätzen. 

Zu 3: 

Mit Rücksicht darauf, daß die wesentlichsten Symptome der hier 
in Rede stehenden Krankheit sich im Auftreten von Blutungen und 
blutig-serösen Durchtränkungen der Gewebe äußern, griff man den 
Gedanken auf, durch Vornahme von Aderlässen die als zu reichlich 
beurteilte Blutmenge zu vermindern und den Blutdruck herabzusetzen. 

Der erste, der gegen Morbus tnac. den Aderlaß empfahl, war 
der Franzose Bouley (6). Ihm schloß sich später der Deutsche 
Hering (29) an und 1874 lobt in Oesterreich Contamine (11) die 
prompte Wirkung der Blutentziehung. 1911 endlich beschreibt der 
Russe Iwanow (33), daß er in vier Fällen Heilung durch Aderlaß 
erzielte. 

Auch die Einverleibung von harntreibenden Mitteln gehört 
in dieses Kapitel; denn neben der Möglichkeit, daß die Diurese die 
Ausscheidung von etwaigen Giften fördert, ist die gesteigerte Filtration 
in den Nieren sehr wohl geeignet, den Druck und die Menge des 
Blutes zu vermindern. 

Den gehegten Hoffnungen entsprachen die Resultate nicht. Ueber 
eine wesentliche günstige Beeinflussung der Krankheit kann nicht be¬ 
richtet werden. Soweit sich überhaupt aus der Literatur 
Schlüsse ziehen lassen, betragen bei der blutentziehenden 
und blutdruckmindernden Methode die Mortalitätsziffern 
immer noch gegen 60 v. H. 

Zu 4: 

Die histologische Untersuchung der bei Morbus maculosus in 
Mitleidenschaft gezogenen Organe und Gewebe läßt erkennen, daß 

Arehir f. wiasensoh. u. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Snppl. 19 



290 


i 


JOHANNES SCHMIDT, 


die arteriellen und venösen Gefäße sehr stark gefüllt und erweitert 
sind, sowie daß an vielen Stellen in ihrer Umgebung große Mengen 
von Erythrozyten sich vorfinden. Manches Mal liegen die Gefäße 
geradezu in Blutlachen eingebettet. Das ist nicht nur beim Pferde 
und Rinde der Fall, sondern auch beim Schweine, wie meine Unter¬ 
suchungen (65) beweisen. Der Austritt der roten Blutkörperchen 
erfolgt hierbei nicht per rhexin, sondern ^er diapedesin. Daß es sich 
übrigens mit wenigen Ausnahmen nicht um Blutgefäßzerreißungen 
handeln kann, lehrt die klinische Beobachtung; denn die umfang¬ 
reichsten serös-blutigen Schwellungen der Subkutis und bedeutende 
Blutungen in der Nasenschleimhaut verschwinden zuweilen binnen 
wenigen Stunden, was nicht der Fall sein könnte, wenn die Gefä߬ 
wände tatsächlich zerrissen wären. Die von mir hier ausgesprochene 
Ansicht wird auch durch die Untersuchungen Schurters bestätigt. 
Nimmt man nun an, daß der Blutaustritt per diapedesin ermöglicht 
wird, so würde das Wesen des Morbus maculosus folgerichtig in einer 
durch gewisse Schädlichkeiten — .sicherlich sind es Bakterientoxine 
— bedingten hochgradigen Durchlässigkeit der Gefäßwände infolge 
Läsion der Endothelien bestehen. Gelingt es, durch geeignete Mittel 
die Alteration zu beseitigen, so würde das Zustandekommen der 
wichtigsten klinischen Symptome verhindert werden, und der baldigen 
Heilung des Patienten stände nichts mehr entgegen, sofern die eigene 
Giftproduktion (Autointoxikation) sistierte oder wenigstens nachließe. 
Diesen oder einen ganz ähnlichen Gedankengang haben verschiedene 
Kliniker betätigt, indem sie ihre Therapie besonders gegen die patho¬ 
logische Erweiterung der Gefäßwände richteten. 

Bereits 1888 schilderte Hutyra (75) die Resultate seiner Ver¬ 
suche, die er mit dem bekannten gefäßverengernden Mittel Extractum 
Hydrastis fluidum anstellte. Er applizierte 5—10,0 subkutan. 
Von 4 Patienten genasen zwei. 1903 veröffentlichte Hutyra (76) 
noch zwei weitere Versuche. Beide Fälle endigten mit Genesung; 
der eine allerdings erst nach Zuhilfenahme von Kollargolinjektionen. 

Lemke (43) behandelte drei Pferde mit dem Hydrastisextrakt 
und erzielte hierbei zwei Heilungen. 

1897 spricht Weir (73) „von einer Alteration der kleinen Blut¬ 
gefäße und zwar nutritiver oder nervöser Art, wobei die Wandung 
derselben dem arteriellen Drucke nicht mehr widerstehen können 
und daher reißen.“ Seine Behandlung bestand in der Einverleibung 
von Ferrum sulfuric. oder Tinct. ferri sesquichlorati.' 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes.- 


291 


Merkwürdigerweise fehlen weitere Publikationen, so daß man zu 
verwertbaren statistischen Zahlen nicht gelangen kann. Aehnlich 
verhält es sich mit der Literatur über Ergotin, das zwar auch 
gefäßkontrahierend wirkt, aber nach Fröhner (23) leider ein inkon¬ 
stantes Gemenge von Mutterkornbestandteilen darstellt, die in der 
Hauptsache die wirkungslose Ergotinsäure enthalten. Cadöac (7) 
empfiehlt 1897 das genannte Medikament gegen Morbus maculosus, 
während Hutyra (76) 1903 bei seinen Versuchen keine besonderen 
Vorteile sah. Einen unerwarteten Ausgang schildert Blain (4), der 
nach der dritten Ergotininjektion bei einer Stute plötzlichen Tod durch 
Herzruptur konstatieren mußte. 

1906 arbeitete Wohlmut (74) mit einem neueren Mittel, dem 
Adrenalin. Er verabreichte 15—25 Tropfen in 1 / t Liter Wasser und 
behauptete, hiermit gute Erfolge erzielt zu haben. Dieselbe Therapie 
lobte Payrou (58). 

1911 beschreibt Schlampp (64) eine Modifikation der Anwendung 
des Adrenalins. Er bringt 2—4 ccm Solutio Adrenalini hydrochlorici 
Takamine mit sterilem Wasser auf 10 ccm und injiziert diese Lösung 
subkutan. Jeden zweiten Tag wird die Einspritzung wiederholt. 
4—5 derartige Injektionen sollen genügen. Irgendwelche Störungen 
treten an den Einstichstellen nicht auf. Das Fieber fällt, die Oedeme 
vermindern sich, Nekrosen bleiben aus. Schlampp verspricht sich 
von dieser Therapie sehr viel. 

Lichtenstern (46) behandelte zwei Pferde mit Adrenalin, und 
zwar verwendete er hierzu eine Lösung von 1:1000. Die jedesmalige 
Dosis betrug 10 ccm. Die Injektion geschah intramuskulär und 
wurde gut vertragen. Der erste Fall genas sehr bald nach 3 Ein¬ 
spritzungen, der zweite benötigte deren vier und wurde erst nach 
einem Monat wieder gesund. 

Bichlmaier (3) verfuhr nach der Schlampp sehen Methode bei 
der Behandlung eines Falles. Dreimalige Injektion bewirkte Besserung. 
Dann trat Verschlimmerung ein, an der die nochmalige Injektion nichts 
änderte. Exitus letalis. 

In der medizinischen Klinik behandelte ich 2 Pferde nach 
der Vorschrift von Schlampp und erzielte damit keine Heilung. 

, Die Frage, ob überhaupt mit der Adrenalintherapie etwas zu 
erreichen sein wird, muß verneint werden. Zunächst ist zu berück¬ 
sichtigen, daß die Wandungen der Blutgefäße beim Morbus maculosus 
sehr stark alteriert sind, so daß sie trotz Anwendung kontrahierender 

19* 



292 


JOHANNES SCHMIDT, 


Mittel nicht ohne weiteres zur Norm zurückgebildet werden können. 
Weiterhin ist zu erwähnen, daß das Adrenalin bei subkutaner Injektion 
nur rein örtlich wirkt, mithin werden bei dieser Applikationsart lediglich 
die Gefäße der Umgebung der Einstichstelle kontrahiert. Die stomachale 
Einverleibung ist ebenfalls ohne wesentliche Wirkung. Ein Nutzen 
könnte höchstens von der intravenösen Injektion erwartet werden. 
Derselbe ist aber unbedeutend, weil gefäßkontrahierende Medikamente 
nur eine vorübergehende, minutenlange Erregung der Vasokonstriktoren 
bedingen, während sich die benötigte Dauerwirkung mit ihnen nicht 
erzielen läßt. Die auf so kurze Zeit kontrahierten Gefäße erschlaffen 
nach Abklingen der Wirkung desto stärker. Schließlich ist zu bedenken, 
daß Adrenalin den Blutdruck steigert. Dies ist aber ein Nachteil; 
denn Blutdrucksteigerung bedingt bei Alteration der Gefäßwände eine 
Zunahme des Austrittes von Blutbestandteilen. 

Auf Grund aller dieser Tatsachen kann ich der Adrenalin¬ 
therapie keine Empfehlung angedeihen lassen. Im gleichen 
Sinne spricht sich auch Thum (70) aus, und die Darlegungen von 
Straub (69) lassen ebenfalls keine günstige Wirkung des Adrenalins 
erwarten. 

Zu 5: 

In den meisten tödlich verlaufenen Fällen des Petechialfiebers 
beherbergen bekanntlich verschiedene innere Organe wie Lunge, Leber, 
Darm usw. Priraärherde mit eitrigen oder nekrotischen Prozessen, als 
deren Erreger Bakterien mannigfacher Art festgestellt worden sind. 
Die Stoffwechselprodukte der letzteren gelangen zur Resorption und 
sollen, wie wohl von den meisten Klinikern angenommen wird, als 
Gifte auf den Inhalt und die Wandungeo der Blutgefäße einwirken 
und damit die schwere Erkrankung an Petechialfieber bedingen. Nach¬ 
dem die Lehre von der inneren Desinfektion Eigentum der Gesamt¬ 
heilkunde geworden war, lag natürlich der Gedanke sehr nahe, durch 
Verwendung solcher chemischer Mittel, die im Innern des Organismus 
eine desinfizierende Kraft entfalten können, die in Rede stehende 
Krankheit erfolgreich zu bekämpfen. Zu diesem Zwecke schien es 
am besten, die betreffenden Mittel in die Blutbahn zu bringen. Da 
mit diesem Eingriff mitunter auch gewisse bedeutungsvolle Folgen 
verknüpft sein können, so versuchte man zunächst durch subkutane 
Einspritzungen oder durch Inhalationen das gewählte Medikament auf 
indirektem Wege in die Blutbahn überzuführen. 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


293 


Von den zuletzt erwähnten Methoden hat man keinen besonderen 
Nutzen gesehen. Die zu Inhalationen verwendeten Mittel, wie z. ß. 
Kreolin, Lysol, usw. bewirkten keine durchgreifende Besserung; 
ebenso erzielten subkutane Injektionen [z. B. von Protargol 
entgegen der Mitteilung von Kingston (36)] keine sichere Heilung. 
Aus diesem Grunde hat sich nur die direkte Blutdesinfektion vermittels 
endovenöser Injektion von Bedeutung für die Therapie des Morbus 
mac. herausgestellt, 

Im Jahre 1898 wies Dieckerhoff (14) nach, daß sich durch 
Argentum colloidale Cröde oder wie es abgekürzt genannt wird: 
Kollargol die Heilung des Morbus mac. herbeiführen läßt. Er 
injizierte eine Lösung dieses Mittels (0,5 zu 5,0 ccm Aq. dest.) in die 
Vena jugularis und wiederholte die Injektion nach Bedarf mehrmals 
täglich. Auf Grund seiner Wahrnehmungen empfahl D. das Kollargol 
zur weitestgehenden Verwendung. Auch andere Autoren wie Mollereau, 
Meißner, Barthel, Lemhöfer, Thornander, Ließ, Laabs, Nip- 
pert, Hartenstein, Steffen, Gerdell, P6e u. a. m. äußerten sich 
in der Literatur über ähnliche befriedigende Resultate. Auch Gegen¬ 
stimmen wurden laut, so z. B. von Thomassen, Dutschanek, Perl, 
Wohlmut, Sommermeyer' Brohl, Fettick usw. 

Nach Lang (41) beträgt bei der Kollargoltherapie die Mortalitäts¬ 
ziffer rund 30 v. H. Das Resultat dieser Berechnung ändern auch 
die nach dem Erscheinen der Langschen Arbeit veröffentlichten Mit¬ 
teilungen nicht, und die von mir in der.Dresdener Klinik mit 
dem Kollargol gemachten Erfahrungen sprechen sogar für 
eine höhere Mortalität. Ebenso verhalten'sich die Heilungsresultate 
im Immobilen Pferdelazarett Nr. 61. Seit dem Bestehen 
desselben (Frühjahr 1915) sind bis jetzt 12 Fälle mit Kollargol 
behandelt worden. 4 wurden geheilt, 8 kamen zur Schlach¬ 
tung wegen Unheilbarkeit. 

Neben dem genannten Silberpräparat wird auch ein anderes 
Medikament ähnlicher Abstammung zuweilen angewendet, es ist dies 
das Ichthargan. Lange (42) empfiehlt die täglich mehrmals zu 
wiederholende intravenöse Injektion von je 1,0 zu 50 ccm Aq. dest. 
als blutwarme Lösung. lieber gute Erfolge berichteten sodann Wulf, 
Meyer, Gresscl, Kaden, Kühn, Jost, Bass usw., während die 
Dresdener Klinik, Pilwat, Stammer, Qualitz u. a. m. sich von 
besonders guter Wirkung nicht überzeugen konnten. 



294 


JOHANNES SCHMIDT, 


Ueber die Anwendung des Actol, eines dritten Silberpräparates, 
liegen ganz wenig Mitteilungen vor, in denen Franz (16) und Beck (2) 
von guter Wirkung sprechen. 

Die .Mortalitätsziffer der gesamten Silbertherapie be¬ 
trägt nach den Notizen in der Fachpresse rund 29 v. H., unter 
Zurechnung der nicht veröffentlichten Mißerfolge jedoch 
sicherlich erheblich mehr. 

Auch mit einem anderen Desinfektionsmittel, nämlich dem Subli¬ 
mat, sind verschiedentlich Versuche angestellt worden. Sie haben 
aber zu keinem greifbaren Resultate in der Praxis geführt. Zur endo- 
venösen Injektion gelangten Lösungen Von 1: 1000, 1: 500 und sogar 
1 : 100 . 

Schließlich ist noch zu bemerken, daß in der Neuzeit das Tal- 
lianin — ein ozonisiertes Terpin — mehrfach zur Anwendung 
gelangt ist. Intravenös injiziert soll es angeblich das vierfache 
Volumen Ozon abgeben und dabei absolut reizlos sein. Selbst große 
Dosen sollen das Allgemeinbefinden nicht stören. Für die Behandlung 
genügen zur einmaligen Injektion 10—20,0. Zahlreiche eingehende 
Mitteilungen über die Heilkraft des Tallianins existieren leider nicht. 
In den wenigen von mir mit diesem Präparat behandelten 
Petechialfieberfällen konnte ich eine mich befriedigende 
Wirkung nicht feststellen. 

Weiterhin liegen auch einige Veröffentlichungen über die Behand¬ 
lung mit Atoxyl, jenem gegen die Trypanosomosen prompt wirken¬ 
den Mittel, vor. Nogotkow (55) will günstige Beeinflussung gesehen 
haben. Andere Autoren konnten eine spezifische Einwirkung auf die 
in Rede stehende Krankheit nicht konstatieren. 

Schließlich war noch zu erwägen, ob nicht Neosalvarsan ge¬ 
eignet wäre, Verwendung zu finden. Bei vier Patienten des 
Immobilen Pferdelazaretts, von denen zwei Morbus mac. 
im Anschluß an Pneumonie zeigten, wurde in der üblichen 
Menge das genannte Präparat infundiert. Alle vier Fälle 
endigten letal. Dieses Resultat steht im Gegensatz zur Mitteilung 
von Eisenmann (17) und Knapp (38) [5 geheilte Fälle]. 

Zu 6: 

Im Jahre 1894 fand Lucet (16) in den Oedemen eines an Pe¬ 
techialfieber eingegangenen Pferdes den Streptococcus pyogenes albus. 
1895 veröffentlichte Lignieres (11) eine größere Studie über die 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


295 


Aetiologie genannter Krankheit. Neben verschiedenen Mikroben fand 
letzterer ständig einen Streptococcus pyogenes vom Typus humanus 
und ferner den Drusestreptococcus Schütz. Hieran knüpfte er Ver¬ 
suche mit der Serumtherapie und stellte fest, daß das Serum eines 
gegen Erysipel und Puerperalfieber immunisierten Tieres den Morbus 
mac. günstig beeinflußt. Das aber trotzdem des öfteren eintretende 
Versagen der Serumtherapie vermeinte Lignieres nur durch einen 
polyvalenten Impfstoff zu umgehen, den er unter Hinzunahme des 
Bacillus bipolaris septicus herstellte. Nach seiner Meinung sollte 
nämlich der letztere für die Aetiologie des Morbus mac. von Bedeutung 
sein. Sehr bald übernahm das Pasteursche Institut in Paris die Fa¬ 
brikation des bezeichneten Impfstoffes und 1903 empfahl Nocard 
(37) öffentlich das serumtherapeutische Verfahren zur Heilung der 
„Anasarka“, wie bekanntlich die Franzosen das Petechialfieber nennen. 
Mouilleron und Rossignol (37) sowie Payrou (37) waren es ins¬ 
besondere, die mit der Anwendung des „Antistreptokokkenserums“ 
sehr gute Erfolge erzielt haben wollten (nur 15,5—19 v. H. Sterb¬ 
lichkeit). 

Auch außerhalb Frankreichs beschäftigte man sich mit der Her¬ 
stellung und dem Vertrieb des Serums (z. B. nach Marraorek) und 
verabsäumte nicht, selbst die „Drusesera“ (Jess-Piorkowski, 
Höchst, Gans) zur Behandlung des Petechialfiebers heranzuziehen. 
Ueber die Verwendung derartiger Sera zur Heilung des Petechialfiebers 
berichteten u. a. Otto (57), der 14 Patienten mit Serum nach Jess- 
Piorkowski behandelte und sie heilte, Kowarzik (39), durch dessen 
Impfung mit Druseserum von 5 Pferden 4 genasen, und Mayer (40), 
der das Druseserum „Esurdin“ wegen seiner guten Wirkung empfiehlt. 
Während die französischen Tierärzte das Antistreptokokkenserura in 
größerem Maßstabe anwendeten und nach ihren Berichten damit sehr 
gute Erfolge erzielten, lauteten die Mitteilungen anderer Kliniker 
durchaus nicht ermunternd. Jensen notierte 50 v. H. Mortalität, 
Hutyra und Marek machten ähnliche Wahrnehmungen. Ich selbst 
konnte bei meinen Versuchen nicht die geringste günstige 
Beeinflussung konstatieren und sah nach den subkutanen 
Applikationen des Marmorekschen Serums fast in jedem 
Falle Abszeßbildung an der Injektionsstelle. 

Andere Autoren waren wiederum mit dem Antistreptokokken¬ 
serura sehr zufrieden. Dorsprung-Zelitzo (15) erklärte seine An¬ 
wendung für wichtig. Ebenso war Joy (34) von der Wirkung sehr 


I 


296 JOHANNES SCHMIDT, 

befriedigt. Verlinde (72) will das polyvalente Antistreptokokken¬ 
serum des Pasteurschen Instituts „geradezu als Spezifikum gegen 
Morbus raaculosus“ bezeichnet wissen. Auch Titow (71), Heitz(28), 
'Anninsky (1) empfehlen die genannten Sera. 

Mehrere Jahre hindurch wurde in Deutschland die Serumtherapie 
gegen Morbus maculosus so gut wie nicht mehr angewandt. Dagegen 
beschäftigte sich der dänische Forscher Jensen auch weiterhin mit 
der wissenschaftlichen und praktischen Verwertung eines geeigneten 
Serums. Bis zum Jahre 1910 hatte er mit dem in seinem Laboratorium 
hergestellten polyvalenten Petechialfieberserum 45 Patienten 
behandelt, von denen 33 geheilt wurden. 1911 äußerte er (37) sich 
über seine Ansichten wie folgt: „Durch Anwendung des Serums 
— namentlich des Streptococcus pyogenes-Serums und des speziellen 
Petechialfieberserums -- gelingt es bisweilen, die Krankheit ganz zu 
kupieren. Oft tritt eine auffällige Besserung ein; die Anschwellungen 
nehmen ab, die Blutungen an den Schleimhäuten verschwinden und 
keine neuen entstehen, die Temperatur fällt gegen das normale, und 
das Allgemeinbefinden des Tieres wird merkbar besser; aber diese 
Besserung ist oft nur eine vorläufige. Nach Verlauf von ein paar 
Tagen tritt wieder eine Verschlimmerung mit neuen Anschwellungen, 
neuen Blutungen und Teraperatursteigerung ein; eine neue Serum- 
behandlung kann den Zustand wieder besser machen, aber wiederholte 
Rezidive sind nicht selten. Das Resultat der Behandlung ähnelt dem¬ 
jenigen nicht wenig, das nach der Jodbehandlung erzielt wird, und 
vieles deutet darauf hin, daß die Wirkung des Serums im wesentlichen 
antitoxisch und nicht antibakteriell ist. Auf Komplikationen, wie 
Fremdkörperpneumonien, hat die Serumbehandlung selbstverständlich 
keine Wirkung.“ Weiterhin äußert sich Jensen noch dahin, daß in 
der Regel die subkutane Applikation zur Anwendung gelangt, daß 
aber die intravenöse Injektion vorzuziehen ist. 

In der Berliner Klinik hat nun Fröhner (20) seit Herbst 1912 
das Jenscnsche Serum in Gebrauch genommen. In der ersten Publi¬ 
kation (20) berichtet er über seine Wahrnehmungen bei 12 Patienten, 
von denen 9 genasen und 3 verendeten. Der genannte Impfstoff war 
von der Tierärztlichen Hochschule in Kopenhagen bezogen (Preis 
35 Mk. pro Liter). Fröhners Urteil lautete damals dahin, daß das 
„Jensensche Serum ganz unzweifelhaft eine spezifische, oft geradezu 
überraschende Heilwirkung gegenüber dem Petechialfieber des Pferdes 
besitzt.“ Von den 3 gestorbenen Pferden hätten angeblich vielleicht 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


297 


2 gerettet werden können, wenn sie das Serum frühzeitig (nicht erst 
nach 4 bzw. 6 Tagen) erhalten hätten. Der dritte Fall war überhaupt 
unheilbar (retropharyngealer Abszeß und Blinddarmnekrose). 

1914 berichtete Fröhner (21) über weitere therapeutische Ver¬ 
suche mit dem Serum. Er behandelte 8 Pferde, die sämtlich zur 
Heilung gelangten; ein Erfolg, der das bisherige günstige Urteil nur 
bestätigen konnte. 

Im gleichen Jahre beschreibt Sauvan (62), daß er mit Heil¬ 
serum nach Jensen einen Fall behandelt und dabei völlige Heilung 
erzielt hat. 

Im Jahre 1916 kamen nochmals 4 Fälle zur Mitteilung, die 
Fröhner (22) mit Jensenschem Serum behandelt hatte. Letzteres 
entstammte aber nicht dem Institut zu Kopenhagen, sondern war von 
Dr. Schreiber in Landsberg a. W. genau nach den Vorschriften des 
Prof. Jensen hergestellt worden. Die erwähnten 4 Patienten wurden 
ebenfalls geheilt. 

Des weiteren behandelte Reinhardt (59) 13 an Morbus macu¬ 
losus leidende Pferde mit demselben Landsberger Serum. 9 wurden 
geheilt, 4 mußten wegen Unheilbarkeit notgeschlachtet werden, und 
zwar litten die letzteren an gangräneszierender Pneumonie. R. hebt 
hervor, daß „an den toten Tieren keine dem Petechialfieber eigen¬ 
tümlichen Veränderungen nachweisbar waren, daß also der Tod der 
4 Pferde nicht mit dem vorausgegangenen Morbus maculosus in Zu¬ 
sammenhang zu bringen ist.“ Dieser Ansicht vermag ich allerdings 
auf Grund der beigefügten Krankengeschichten nicht beizustimraen, 
sondern ich halte die 4 Fälle für solche, in denen das Serum wegen 
Vorhandenseins wichtiger Lungen Veränderungen nicht genügend Erfolg 
hatte. 

Ostermann (56) behandelte einen sehr schweren Fall, der sogar 
die Tracheotomie nötig gemacht hatte, mit dem genannten Serum. 
Im ganzen waren 400 ccm nötig. Es wurde bald völlige Heilung 
erzielt. 

Weiterhin schilderte 1917 J. Richter (60) seine Wahrnehmungen 
an 3 mit Landsberger Serum behandelten Patienten. Der erste erhielt 
im ganzen 1000 ccm, wurde vom Petechialfieber zwar geheilt, siechte 
aber infolge von Lungenaffektionen hin und mußte mehrere Wochen 
später geschlachtet werden. Beim zweiten Patienten wurde nach 
1000 ccm dauernde Heilung erzielt. Der dritte Patient zeigte wechseln¬ 
des Verhalten nach insgesamt 1350 ccm Serum. 48 Stunden nach der 



298 


JOHANNES SCHMIDT, 


letzten Injektion „sind zwar die Schwellungen völlig verschwanden 
und die Petechien nicht wiedergekomraen. Patient ist jedoch umge¬ 
fallen, ist nicht mehr auf die Beine zu bringen und zeigt Kollaps¬ 
erscheinungen, die zur Tötung führen.“ Die pathologisch-anatomische 
Diagnose lautete auf nekrotisierende Lungenentzündung, chronische 
Brustfellentzündung, Degeneration des Herzens, starke Wässerigkeit 
des Fleisches. R. will auch diesen dritten Fall als Heilerfolg der 
Serumtherapie gerechnet wissen, weil die Schwellungen und Petechien 
nach der Injektion verschwanden. Er übergeht aber hierbei die nicht 
allzu seltene Wahrnehmung, daß schwere Petechialfieberpatienten kurz 
vor der tödlichen Verschlimmerung ein auffallendes Verschwinden der 
, typischen Symptome zeigen können und sodann unter Schwäche¬ 
zuständen sterben. Dieses merkwürdige Verhalten der Symptome ist 
als eine Art prämortaler Scheinbesserung — wie ich es nennen 
möchte — aufzufassen. Ich habe hierauf schon früher hingewiesen 
(s. auch Fall 4 meiner eigenen Beobachtungen mit der Anwendung 
des Serums), und in den Veterinär-Sanitätsberichten der preußischen 
Armee wird mehrfach die gleiche Wahrnehmung erwähnt. Ich kann 
demnach den Richterschen dritten Fall nicht als Erfolg der Serum¬ 
therapie ansprechen. 

Eigene Beobachtungen. Ara Immobilen Pferdelazarett 61 
kamen folgende Fälle zur Behandlung mit Landsberger 
Serum nach Jensen: 

1. Pferd Nr. 9163. Zugang am 30. Mai 1916. Mittelschwerer Fall im An¬ 
schluß an Druse. Injektionen am 30. Mai, 5., 7., 8, 9., 10., 16., 17., 20. Juni. 
Gesamtverbrauch 1300 ccm Serum. Nach sehr schwerer Rekonvaleszenz am 17. August 
geheilt entlassen. 

2. Pferd Nr. E1700. Zugang am 14. Juli 1916. Schwerer Fall im Anschluß 
an Druse. Injektionen am 17. und 18. Juli. • Gesamtdosis 300 ccm; 'die Gaben 
konnten wegen Herzschwäche nicht größer gewählt werden. Am 19. Juli wegen 
unheilbarer Verschlimmerung getötet. Fleischbeschaubefund: Parenchymatöse De¬ 
generation des Herzens, umfangreiche Blutungen in der Körpermuskulatur. 

3. Pferd Nr. E2761. Zugang am 10. August 1916. Mittelschwerer Fall ohne 
vorhergegangenc Erkrankung. Injektionen am 11., 12., 13., 14. August, die erheb¬ 
liche Besserung erzielten. Am 17. August schwerer Rückfall. Darauf sofortige 
Injektion. Am 18. Besserung, die bis 20. anhält, worauf wiederum ein Rückfall 
cintrat. Injektionen am 20. und 22. August. Am 28. August geheilt. Gesamtdosis 
1400 ccm. 

4. Pferd Nr. E 1714. Zugang am 2. September 1916. Mittelschwerer Fall 
ohne vorhergegangeno Erkrankung. Sofortige Injektion. Tags darauf Besserung; 
Wiederholung der Einspritzung. Am 4. Sept. blutiger Nasenausfluß, Zunahme der 
Schwellungen, Seruminjektion. Am 7. Sept. geringe Besserung; Injektion. Am 
8. Sept. Schwellungon uud Petechien völlig verschwunden (prämortale Scbeinbesse- 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


299 


rung), gegen Mittag hochgradige Schwäche, Niederfallen, Tötung wegen Unheilbar¬ 
keit. Schlachtbefund: Vereinzelte eitrig-nekrotisierende Herde in der Lunge, 
parenchymatöse Degeneration des Herzens. Gesamtdosis 1200 ccm. 

5. Pferd Nr. E4007. Zugang am 30. November 1916. Schwerer Fall ohne 
vorhergegangene Erkrankung. Am 1. Dez. Injektion. Ara 2. Dez. keine Besserung; 
nochmalige Injektion. Gegen die Herzschwäche Koffein. Am 3. Dez. verendet. 
Gesamtdosis 400 ccm. Befund: Parenchymatöse Degeneration des Herzens, multiple 
Muskelblutungen. 

Das Resultat vorstehender kurz geschilderter Kranken¬ 
geschichten besteht also in 2 Heilungen, 2 Schlachtungen» 
1 tödlichem Ausgang. Für sich allein kann es zu weiterer An¬ 
wendung des Serums nicht anregen. Das eigenartige klinische Ver¬ 
halten des Morbus maculosus, das eine sichere Prognose niemals zu¬ 
läßt, zwingt jedoch dazu, auch die Resultate der anderweitigen, bereits 
angeführten klinischen Beobachtungen mit zur Beurteilung heran¬ 
zuziehen. Tun wir das und nehmen die von Jensen bis zum Jahre 
1910 mit der Anwendung seines polyvalenten Serums gemachten 
Wahrnehmungen hinzu, so erhalten wir insgesamt 92 mit Serum be¬ 
handelte Patienten, von denen 69 = 75 v. H. geheilt wurden. Lassen 
wir dagegen die Zahlen von Jensen außer Betracht in der Erwägung, 
daß sein Präparat vielleicht nach dem Jahre 1910 noch eine Ver¬ 
besserung erfahren hat, so beträgt die Heilungsziffer 76 v. H. Die 
Mortalität bei Anwendung des spezifischen Petechialfieber¬ 
serums beziffert sich demnach auf 24—25 v. H. 

Zu 7: 

Bei Patienten, die an Morbus mac. leiden, ist der Blutbefund 
kein normaler. Wir finden kurz vor dem Erscheinen der Schwellungen 
dünnflüssigere Konsistenz, auf der Höhe der Erkrankung verzögerte, 
oder fehlende Gerinnbarkeit und typische Hämolyse. Für letztere 
spricht insbesondere der hämatogene Ikterus der Konjunktiven und 
Schleimhäute. Auch der mikroskopische Blutbefund ist abnorm. Nach 
Mielke (53) sind die Erythrozyten über die Norm relativ vermehrt, 
sobald Schwellungen bestehen, dagegen vermindert mit der Rück¬ 
bildung der letzteren. Das Verhalten der Zahlen der verschiedenen 
Leukozyten ist bei den einzelnen Krankheitsfällen und -Stadien nicht 
normal. Ein bestimmter Typus ist jedoch nicht zu konstatieren. Aus 
dem Gesagten ergibt sich für die Behandlung als anderweitige Indikation 
die Umwandlung der pathologischen Blutbeschaffenheit zur Norm. 

Diesem Zwecke sind verschiedene Präparate dienstbar gemacht 
worden. Es fehlte nicht an Versuchen, die man mit der Einverleibung 



300 


JOHANNES SCHMIDT, 


physiol. Kochsalzlösung vornahm. Desgleichen prüften verschiedene 
Praktiker die Brauchbarkeit des Serum artificiale (Aubing). Beide 
Salzlösungen befriedigten nicht. Sie können auch meines Erachtens 
nicht vorteilhaft wirken, da sie eine Vermehrung der Menge und der 
Druckverhältnisse des Blutes herbeiführen und gleichzeitig die Kon¬ 
sistenz noch dünnflüssiger gestalten. Sie begünstigen also den Aus¬ 
tritt von Blutbestandteilen aus den erweiterten Gefäßen in die Um¬ 
gebung und können an dieser unangenehmen Wirkung durch ihren 
sonstigen für den Stoffwechsel des Organismus möglicherweise vor¬ 
teilhaften Einfluß nichts ändern. 

Auch über die Verwendung von Fibrolysin gibt es einige 
literarische Angaben. Seine Injektionen führten, wie nicht anders zu 
erwarten war, weder eine wesentliche Abkürzung der Krankheitsdauer 
noch eine auffallende Heilung herbei. 

Das Bestreben, durch geeignete Maßnahmen dem ge¬ 
fährlichsten Symptom des Morbus mac., das sind die blutig¬ 
serösen Ergüsse, entgegenzuwirken, brachte mich auf den 
Gedanken, die Gelatine in ihrem Verhalten gegenüber dem 
erkrankten Organismus zn prüfen. In der Medizin ist sie schon 
lange als ein die Blutgerinnung beschleunigendes, Blutungen stillendes 
Mittel bekannt. Nachdem sie bereits in früheren Jahrhunderten rein 
empirisch zum Anlegen von Wundverbänden in manchen Gegenden 
(z. ß. sächs. Lausitz) verwendet worden war, machte 1896 Carnot (27) 
in Paris auf ihre guten Eigenschaften aufmerksam. Bei aseptischen 
Wunden wandte er Gelatine rein oder in Verbindung mit Calc. chlorat. 
an. Bei septischen Wunden machte er Zusätze von Formaldehyd, 
Sublimat oder Karbolsäure. Vor subkutaner Anwendung warnte er 
wegen ihrer Gefährlichkeit und empfahl statt dessen Chlorkalzium. 

Nach Carnot rieten A. Fraenkel (18), Gossner (24), Cohn (10), 
Michaelis (52), Hilpert (31), Mehring (50), Lenö (44), Hed- 
daeus (27) zur Verwendung der Gelatine bei den verschiedensten 
Krankheiten (Aneurysmen, Nieren-, Blasen-, Darmblutungen, Morbus 
maculosus Werlhofii u. a. m.). 

Daß tatsächlich durch Gelatineinjektionen die physikalische Blut¬ 
beschaffenheit eine Aenderung erleidet, bewies Chaput (8). Er stellte 
an einem Kranken fest, daß das Blut, das sonst normalerweise in 
7 Minuten koagulierte, nach Injektion von Gelatine in 3 Minuten zur 
Gerinnung kam. Kaposi (35), und ebenso Moll (54) erbrachten den¬ 
selben Nachweis durch Tierversuche (Kaninchen und Hund). 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


301 


Die von Carnot und nach ihm von anderen Aerzten erwähnte 
Gefährlichkeit beruht übrigens, wie ich schon hier anführen will, in 
dem eventuellen Keimgehalt (z. B. Tetanussporen) der Gelatine. 

In der Tierheilkunde lagen bisher nur die Angaben von Fröhner, 
Regenbogen, Müller und Uebele in ihren Lehrbüchern über Arznei¬ 
mittellehre vor, die die Gelatine bei Reizzuständen im Darm und bei 
Blutungen empfahlen. Ich begann daher im Jahre 1912 mit den ent¬ 
sprechenden Vorarbeiten und beauftragte sodann den in meinem Institute 
tätigen damaligen Cand. med. vet. Christian Meyer, Versuche über 
die Behandlung des Morbus mac. des Pferdes mit Gelatine anzustellen. 
Während dieser Zeit kam uns eine Publikation zu Gesicht, in der 
Blasi (5) seine Erfahrungen, die er mit der Gelatinetherapie zu 
sammeln Gelegenheit gehabt hatte, veröffentlichte. Er behandelte mit 
subkutanen Injektionen bei Tieren Epistaxis traumatica, Morbus mac. 
(in 4 Fällen), Nephritis, ulzeröse und hämorrhagische Gastroenteritis, 
Metrorrhagie mit gutem Erfolg. 

Wir verwandten für die stomachale Applikation die gewöhnliche 
weiße Gelatine, zur Injektion dagegen einmal das Präparat aus dem 
Sächsischen Serumwerk Dresden. Mit Rücksicht auf die hierdurch 
bedingten ziemlich hohen Kosten fertigten wir selbst dann die Ge¬ 
latinelösung im Institut der Medizinischen Klinik an. Zuerst wählten 
wir das für die Herstellung der bekannten Gelatinenährböden übliche 
Verfahren. Später vereinfachten wir das Verfahren, das sich wie 
folgt gestaltete: 

In einem größeren, sauberen und mit einem Wattepfropf verschlossenen Glas¬ 
kolben werden 1000 ccm Leitungswasser gekocht und sodann bis auf 50° C abkühlen 
gelassen. Sodann Zusatz von 10,0 Natrium chloratum und 10,0 Pepton Witte. Das 
letztere wird zuvor mit etwas kaltem Wasser im Mörser zu einem dünnflüssigen 
Brei verrieben. 

Nunmehr Zugabe von 100,0 weißer offizineller Gelatine und allmähliches Lösen 
derselben unter ständigem Rühren. Weiterhin werden noch die Eiweiße von zwei 
Hühnereiern mit etwas Wasser innigst vermischt zugesetzt. Sodann kräftiges Um¬ 
schütteln der Gesamtflüssigkeit. 

Einstellen des Kolbens in einen Dampfkochtopf. In demselben verbleibt der 
Kolben 30 Minuten lang, vom Ausströmen der neuen Dämpfe an gerechnet. 

Nach mäßiger Abkühlung der nunmehr klaren, mit verschiedenen Flocken 
und membranähnlichen Gerinnseln untermischten Flüssigkeit werden 100 ccm 
2proz. Karbolwassers zugesetzt und durch Umschwenken gleichmäßig verteilt. An 
der natürlich saueren Reaktion wird nichts geändert. 

Filtrieren durch gewöhnliche, mit Wasser angefeuchtete Filter in sterilisierte, 
mit Wattepfropf verschlossene Glaskolben. 

Am nächsten Tage wird die Gelatine im Wasserbad (Temperatur 60° C) 
20 Minuten lang erhitzt, dann Abdrehen der Flamme und langsames Abkühlenlassen. 



302 


JOHANNES SCHMIDT, 


Eine weitere Sterilisation erfolgt nicht, da wir die Erfahrung machten, daß 
das öftere Erhitzen die Gerinnungsfähigkeit stark beeinträchtigte. 

Die Injektionen wurden mit einer großen Pravazschen Spritze und 
weiter Kanüle vorgenommen, nachdem zuvor die Gelatine durch Ein¬ 
stellen in heißes Wasser verflüssigt worden war. Als Dosen wählten 
wir 200 bis 600 ccm. 

Für die Verabreichung der Gelatine per os schnitten wir die ge¬ 
wöhnliche Speisegelatine in kleine häckselgroße Schnitzel und mischten 
sie unter das Futter, das trocken gereicht wurde. Bei der Verab¬ 
reichung im Kleienschlappfutter stellten sich Schwierigkeiten ein. Den 
Pferden mochte bei ihrer bekannten Abneigung gegen tierische (Kadaver-) 
Abfälle der Gelatinegeruch unangenehm sein. Nach Zusatz von größeren 
Mengen Zucker wurde das Futter schließlich doch, wenn auch nur 
zögernd genommen. In einem anderen Falle feuchteten wir die ge¬ 
wöhnlichen Gelatineblätter mit Wasser an und rollten sie zur Pille, 
die dann eingegeben wurde. Als Dosen nahmen wir 10 bis 30 g, 
einmal 100 g. 

Die von uns mit steriler Gelatine behandelten 7 Fälle waren mit 
Ausnahme von 2 jedesmal besonders schwere Erkrankungen. In 
5 Fällen trat eine wesentliche Besserung bzw. völlige Heilung nach 
einer Injektion auf, und zwar frühestens nach 24 Stunden, spätestens 
innerhalb 3 Tagen. Im 6. Fall war eine zweite Injektion, im 7. Falle 
eine dritte nötig. Sämtliche Patienten wurden geheilt. Unsere Ver¬ 
suche wurden in zwei Artikeln (51 und 66) veröffentlicht. Ihre Er¬ 
gebnisse ließen sich wie folgt zusammenfassen: 

Die subkutane Injektion steriler Gelatine vermag den Morbus 
maculosus des Pferdes zu heilen. Als einmalige Dosis genügt im Mittel 
eine Menge von 400 ccm. Die chemische Reaktion der Gelatinelösung 
hat auf den guten Erfolg keinen Einfluß. Am vorteilhaftesten für die 
Injektion ist die natürlich sauer reagierende Lösung, da bei ihrer Ver¬ 
wendung die Nebenerscheinungen ausbleiben und die Absorption sehr 
schnell vor sich geht. ' 

Nach der Injektion zeigen sich an den Einstichstellen mehr oder 
minder große harmlose Schwellungen, die in der Regel spätestens 
nach 36 Stunden verschwinden. Ferner macht sich ein Temperatur¬ 
anstieg von im Mittel 0,8° beraerklich, dem nach 20 Stunden ein Ab¬ 
fall auf die normale Temperatur folgt. Ein sichtbarer Erfolg stellt 
sich spätestens innerhalb dreimal 24 Stunden nach der Injektion der 
Gelatine ein. 



Die spezifische Therapie des Morbus raaculosus des Pferdes. 


303 


Durch per os verabreichte Gelatine wird in leichten Fällen eine 
Heilung erzielt. Weniger als 20,0 pro die sollen nicht gegeben werden. 
Die Kombination von Gelatineeinspritzung mit der Verabreichung der 
Gelatine per os leistet in schweren Fällen gute Dienste. Bei Patienten 
mit Herzschwäche ist neben der Gelatinetherapio die Applikation von 
herzstärkenden Mitteln, insbesondere von Kampferöl sehr zu empfehlen. 

Meine Absicht, weitere Versuche in der soeben besprochenen 
Weise anzuschließen, wurde durch den ausbrechenden Weltkrieg, der 
dem Institut sofort den Chef und den ersten Assistenten, sowie 
einige Zeit später den zweiten Assistenten und den Diener nahm, 
zunichtegemacht. Nach meiner Rückkehr aus dem Felde konnte 
ich am Immob. Pferdelazarett Nr. 61 an den begonnenen Ver¬ 
suchen Weiterarbeiten. Mit Rücksicht auf die schwierige 
Beschaffung von Fleisch und Eiern stellte ich nunmehr die 
Gelatine in nachstehender Weise her: 

1 Liter Wasserleitungswasser wird abgekocht. Nach Abkühlung 
auf 50° C werden darin £00,0 gewöhnlicher weißer Gelatine gelöst. 
Zusetzen von 200 ccm 2 proz. Karbolwassers; gleichmäßige Verteilung 
desselben durch Umschwenken. Die Reaktion bleibt unbeeinflußt. 
Sodann Erwärmen im Wasserbad auf 55° C. Filtrieren in sterilisierte 
Glaskolben; Wattepfropfenverschluß. Innerhalb 24—48 Stunden noch¬ 
maliges Erhitzen im Wasserbad auf 55° C und während 15 Minuten 
bei dieser Temperatur erhalten. Sodann langsame Abkühlung. 
Nunmehr ist die Gelatine steril und fertig zum Gebrauch. Sie erhält 
sich jahrelang und verliert nur durch allmähliches Verdunsten ihres 
Wassergehaltes an Volumen und Gewicht. 

Fortsetzung eigener Versuche. Zur Behandlung mit sub¬ 
kutanen Injektionen gelangten folgende Fälle, die hier nur 
stark gekürzt wiedergegeben werden sollen: 

1. Pferd Nr. 4553. Zugang am 15. August 1916. Mittelschwerer Pall ohne 
vorhergegangene Erkrankung. 

16. vorm. 39,8°. 200 ccm Gelatine injiziert. 

16. abends 40,2°. 

17. vorm. 38,5°. Allgemeinbefinden besser. Blutungen blassen ab. 

Vom 18. bis 21. August Alkohol als Herzstärkungsmittel. 

Am 30. August geheilt entlassen. 

2. Pferd Nr. 8977. Zugang am 19. März 1917. Schwerer Pall im Anschluß 
an Druse. Zunächst keine Behandlung. 

22. 39,4°. Starke Verschlimmerung, Nilpferdkopf, zahlreiche Blutungen in 
Konjunktiven und Nasenschleimhäuten. 



304 


JOHANNES SCHMIDT, 


23 vorm. 38,8°. Befinden unverändert schlecht. Injektion von 100 ccm 
Gelatine. 

23. abends 39,3° 

24. vorm. 38,1°. Auffallende Besserung, Schleimhäute blässer. 

25. Besserung hält an. 

3. April 39,0°. Verschlimmerung; zahlreiche Blutungen. 

4. vorm. 41,2°. Injektion von 100 ccm Gelatine. 

Abends 41,6° 

5. 39,2°. Sensorium freier; Schleimhäute blasser. 

Nach längerer Rekonvaleszenz am 8. Mai geheilt entlassen 

3. Pferd Nr. E9128. Zugang am 21. März 1917. Im Verlauf von Druse 
kommt es zu starken Anschwellungen an den Hinterfüßen, Bauch, Unterbrust, 
Petechien in Konjunktiven und Nasenschleimhaut. 

21.—26. Kollargolinjektionen (5 mal je 1:100). 

27. 39,8°. Starke Verschlimmerung, Schleimhäute tiefdunkelrot, erhebliche 
Herzschwäche, blutiger Nasenausfluß Lähmung des Sphincter ani. Injektion von 
100 ccm Gelatine. 

Nachm. Tötung des Pferdes wegen bevorstehenden Verendens. Schlacht¬ 
befund: parenchymatöse Degeneration des Herzens, der Leber und Nieren, Lungen¬ 
ödem, blutig-seröse Infiltrationen in Dick- und Dünndarm, sowie in der Subkutis 
an verschiedenen Körperstellen. 

4. Pferd Nr. 4750. Zugang den 1. Juni 1917. Mittelgradiger Fall im 
Anschluß an Druse, gekennzeichnet durch rezidivierende Urtikaria, mehr oder 
weniger umfangreiche Schwellungen an den Füßen und wechselnde Blutungen in 
den Konjunktiven und Nasenschleimhäuten. Zunächst nicht behandelt behufs Be¬ 
obachtung. 

11. vorm. 37,7°. 100 ccm Gelatine injiziert. 

11. nachm. 39,3°. 

12. vorm 37,6. Unter der Injektionsstelle ein ziemlich großes Oedem; Urti¬ 
karia und Schwellungen in der Subkutis gebessert. 

13. Oedem an der Injektionsstelle verschwunden; Urtikaria stärker. 

15. vorm. 38,8. 120 cem Gelatine injiziert, 

nachm. 40,2°. 

16. vorm. 38,0°. Besserung. 

18. Besserung hält an. 

20. Aloepille. 

28. Patient geheilt entlassen. 

5. Pferd Nr. P1833 Zugang am 11. Oktober 1917. Schwerer Fall, wahr¬ 
scheinlich als Folge einer fortschreitenden Eiterung in der Umgebung der Schweif¬ 
amputationswunde. Sehr mäßiger Ernährungszustand. Schwellungen an den 
4 Beinen, Vor und Unterbrust, Blutungen in Konjunktiva und Nasenschleimhaut. 

12 nicht behandelt. 

13. vorm. 37,8°. 200 ccm Gelatine injiziert. 

13. abends 38,2 <>. 

14 Allgemeinbefinden befriedigend; keine Reaktion an der Injektionsstelle. 
Blutungen geringer. Behandlung der Schweifwunde. 

15.—17. Allmähliche Verschlimmerung. 

18. vorm. 39,1°. 150 ccm Gelatine injiziert 

18. abends 39,8°. 

19. vorm. 38,1°. Natr. sulfuric. gegen Verstopfung. 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


305 


20. Iojektionsstelle normal. Allgemeinbefinden gut. 

23. Zunehmende Mattigkeit. Camphoröl. 

24. Patient aus Fürsorge ins Hängezeug. 

25. Blutungen in Konjunktiven und Nasenschleimhäuten verschwunden. 

26. Leichte Kolik. 

27. Okt. bis 8. Nov. zunehmende Besserung. Patient kann als vom Petechial¬ 
fieber geheilt bezeichnet werden, bleibt aber noch erholungsbedürftig. 

Außer diesen 5 mit Gelatine subkutan behandelten Fällen prüfte 
ich noch die therapeutische Wirkung der stomachalen Appli¬ 
kation. Diesem Zweck wurden 6 Patienten dienstbar gemacht, die 
nebenbei auch mit Kollargol, Herzmitteln usw. behandelt wurden. 
Die Verabreichung der Gelatine geschah mit dem Tränkwasser in 
Gaben von 30 ccm täglich. 

1. Pferjl Nr. 4185. Zugang am 12. Juli 1915. Mittelgradiger Fall ohne 
vorhergegangene Krankheit. Neben Gelatine auf die Dauer von 10 Tagen 1 Injek¬ 
tion von Digaien. Am 28. Juli geheilt entlassen. 

2 . Pferd Nr. 4324. Zugang am 12. August 1915. Leichter Fall ohne vorher¬ 
gegangene Erkrankung. Am 13. Injektion von Kollargol; bis zum 22. Gelatine 
per os. Am 26. August Patient geheilt entlassen. 

3 . Pferd Nr. 5013. Zugang am 21. August 1915. Mittelgradiger Fall im 
Anschluß an Pneumonie. Behandlung mit Digaien, Kreosot, Inhalationen, Prießnitz- 
schen Umschlägen. Verschlimmerung. Vom 7. September Gelatine ins Tränk¬ 
wasser. Am 10. droht Exitus letalis, daher Notschlachtung. Fleischbeschaubefund: 
multiple eitrig-nekrotisierende Pneumonie. 

4. Pferd Nr. 6930. Zugang am 19. November 1915. Mittelgradiger Fall im 
Anschluß an Pneumonie. Am 20., 22. und 24. je eine Injektion von Kollargol. 
Vom 20. bis 1. Dez. Gelatine. Am 22. Dez. geheilt entlassen. 

5. Pferd Nr. 7278. Zugang am 23. Nov. 1915. Schwerer Fall im Anschluß 
an Druse. Am 24., 25. und 30. Injektion von Koffein. Vom 24. Nov. bis 7. Dez. 
Gelatine. Am 8. Dez. Symptome des Morbus maculosus plötzlich verschwunden. 
Am 9. Dez. Symptome einer Pneumonie mit Bildung von Kavernen. Trotz Be¬ 
handlung mit Inhalationen, Prießnitzschen Umschlägen, Kreosot, Alkohol nimmt 
die Erkrankung zu. Am 31. Dez. Tötung wegen Unheilbarkeit. Schlachtbefund: 
Pneumonie mit Kavernen. - 

0 . Pferd 7009. Zugang am 3. Dez. 1915. Mittelgradiger Fall im Anschluß 
an Druse. Am 3., 5. und 12. Kollargol. Vom 5. bis 12. Dez. Gelatine. Am 13. 
im Verenden getötet. Fleischbeschaubefund: Multiple Abszesse in der Lunge. 

Das Resultat aller meiner Versuche mit der Gelatine¬ 
therapie besteht in folgendem: 

Zur Behandlung gelangten 18 Fälle, von denen 1 als leicht, 8 als 
raittelgradig, 9 als schwer zu bezeichnen waren. 

12 Pferde wurden mit subkutaner Injektion behandelt. Von 
diesen mußte 1 (Pferd Nr. E 9128), das aber in direkt, moribundem 

Archiv f. wissenxch. a. prckt. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. 20 



306 


JOHANNES SCHMIDT, 


Zustand zur Behandlung gekommen war, getötet werden. Die Morta¬ 
lität beträgt demnach, wenn der letzte Fall trotzdem be¬ 
weisend für ungenügende Wirkung der Gelatine angesehen 
wird, rund 8 v. H. 

Mit Gelatine in stomachaler Anwendung wurden 6 Pferde be¬ 
handelt. Hiervon genasen 3, die anderen 3 mußten trotz anderweitiger 
eingreifender Behandlung getötet werden. Sie litten an unheilbaren 
schweren Lungen Veränderungen. Von einer besonders günstigen Beein¬ 
flussung durch die Gelatine-Verabreichung kann in diesen Fällen keine 
Rede sein. Die subkutane Injektion ist der mündlichen Appli¬ 
kation vorzuziehen, da bei ihrer Anwendung das Medikament schnell 
und unverändert in die Blutbahn befördert wird, während die per os 
in den Verdauungsschlauch gelangte Gelatine als Nahrungsmitel ab¬ 
gebaut wird. Bei hämorrhagischen Affektionen des Magen-Darmes ist 
sie aber jedenfalls geeignet, gute örtliche Wirkung zu entfalten, und 
sollte darum in schweren Fällen zur Unterstützung der anderweitigen 
Behandlung mit herangezogen werden. 

Als Ergänzung zu der soeben geschilderten Gelatinetherapie sei 
hier noch auf eine Modifikation hingewiesen, die ihren Ursprung eben¬ 
falls der humanmedizinisehen Forschung entnimmt und darauf beruht, 
daß durch interne Kalkmedikation eine „Abdichtung der Gefä߬ 
wände und eine Bluteindickung durch erhöhte Koagulabilität des Blutes“ 
(Thum 70) herbeigeführt wird. Diese Art von Behandlung würde 
also eine Kombination der unter 4 und 7 erläuterten Therapie darstellen. 

Die Monatsberichte der Chemischen Fabrik Aubing (77) er¬ 
wähnen übrigens bereits 1912 unter Bezugnahme auf Chiari und 
Januschke (9) die durch Kalziumsalze gehemmte Bildung von Exsu¬ 
daten und Transsudaten, und die Firma Merck-Darmstadt bringt 
seit einigen Jahren ein Präparat: „Kalzine“ in den Handel, das aus 
steriler Gelatine und 5 v. H. Chlorkalzium besteht. Seine subkutane 
oder intramuskuläre Injektion (täglich 40 ccm) soll bei schweren 
Blutungen, Hämophilie, Pleuritis, ßhachitis usw. Heilung herbeiführen. 
Kraemer (40) versuchte daher das genannte Medikament auch zur 
Bekämpfung des Morbus raaculosus. Er behandelte damit 5 Pferde, 
die hochgradig erkrankt waren, und heilte sie sämtlich. Die bei einigen 
Patienten vorhandene erhebliche Herzschwäche wurde durch Koffein 
oder Ozonal behoben. 

Durch die Kraemersche Mitteilung angeregt hat Löffler (47) 
ebenfalls zwei Fälle von Morbus maculosus mit Kalzine (Merck) 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


307 


durch intramuskuläre Injektionen behandelt. Der erste Patient starb 
aber trotzdem an innerer Verblutung und der zweite Patient zeigte 
neben stark verzögerter Heilung umfangreiche Abszedierungen der 
Injektionsstellen an der Gesäßmuskulatur. Da derartige üble Folgen' 
bei der einfachen, wirklich sterilen Gelatine nicht Vorkommen, so liegt 
die Schuld — wenn Injektionsfehler auszuschließen sind — entweder 
am Keimgehalt der Gelatine oder am Chlorkalzium-Zusatz. Jedenfalls 
können weitere Versuche nur unter Beachtung größter Vorsicht an¬ 
empfohlen werden. 

Betrachten wir am Schlüsse vorliegender Arbeit die mit 
den verschiedenen spezifischen Behandlungsmethoden des 
Morbus maculosus gesammelten klinischen Erfahrungen, so 
finden wir, daß die Gelatinetherapie die besten Erfolge 
aufzuweisen hat, während die Serumtherapie erst an zweiter 
Stelle steht. Die erstere Methode bezweckt die Korrektur 
der abnormen Blutbeschaffenheit, die letztere Methode führt 
den Kampf gegen die pathogenen Mikroorganismen und deren 
Toxine. Beide Verfahren kombiniert anzuwenden ist viel¬ 
leicht das aussichtsreichste Mittel zur Heilung des Morbus 
maculosus. Die bisher festgestellte Mortalitätsziffer beträgt 
bei der Gelatinetherapie nur 8 v. H., bei der Serumtherapie 
25 v. H.; die anderen noch gebräuchlichen Behandlungsarten 
werden also bei weitem übertroffen. Es würde aber falsch 
sein, schon jetzt die erhaltenen Resultate bei beiden Methoden 
als endgültig beweiskräftig zu beurteilen. Gerade die in 
Rede stehende Krankheit zeichnet sich durch Vielfältigkeit 
ihres Verlaufes und durch atypisches Verhalten aus. Die 
Uebersicht der früher geübten Behandlungsmaßnah men lehrt 
immer wieder eindringlich, wie zunächst befriedigende Er¬ 
gebnisse veröffentlicht werden konnten und wie dann im 
Laufe der Zeit die daran geknüpften Hoffnungen wider Er¬ 
warten zunichte gemacht wurden. Erst wenn die Praxis in 
hunderten von Fällen uns Aufschluß gegeben haben wird, 
werden wir in der Lage sein, ein richtiges Urteil über den 
We-t der hier besprochenen therapeutischen Maßnahmen 
zu fällen. 


20* 



308 


JOHANNES SCHMIDT, 


Literaturverzeichnis. 

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des Petechialfiebers mit dänischem Serum. Ebenda. 1914. Bd. 26. H. 1 u. 2. — 
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techialfieber beim Pferd. Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1916. Nr. 24. — 23) Der¬ 
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der Behandlung des Petechialfiebers. Amer. vet. Rev. Vol. 36. — 37) Klimmer 
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Schütz, Jahresber. üb. d. Leistungen a. d. Geb. d. Vet.-Med., 1915, S. 50.) — 40) 
Kraemer, Kalzine bei MorbuS maculosus. Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1916. 
Nr. 4. — 41) Lang, Viktor, Die Geschichte und der heutige Stand der Therapie 
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— 47) Löffler, Ueber 2 mit Kalzine behandelte Fälle von Morbus maculosus. 



Die spezifische Therapie des Morbus maculosus des Pferdes. 


309 


Zeitschr. f. Veterinärkunde. 1916. Bd. 28. — 48) Lustig, Deutsche Zeitschr. f. 
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1909. — 51) Meyer, Christian, Behandlung des Morbus maculosus des Pferdes 
mit Gelatine. Inaug.-Diss. Dresden-Leipzig 1914. — 52) Michaelis, Med. Klinik. 
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in Betracht kommenden Krankheiten des Pferdes. Monatshefte f. prakt. Tierheil¬ 
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fiebers bei einem Pferde durch Petechialfieberserum nach Jensen. Deutsche Tier¬ 
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ärztl. Wochenschr. 1916. Nr. 37. — 60) Richter, Johannes, Behandlung dreier 
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Ebenda. 1917. Nr. 19. - 61) Röll, Lehrb. f. ^Path. u. Ther. 1885. — 62) 
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Kopenhagen. Zeitschr. f. Veterinärkunde. 1914. H. 8 u. 9. — 63) Schaumkell, 
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Morbus maculosus des Pferdes. Münch. Tierärztl. Wochenschr. 1911. Nr. 15. — 
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Haustiere; Untersuchungen eines Krankheitsfalles beim Schwein Zeitschr. f. In- 
fektionskrankh. d. Haustiere. 1911. Bd. 9. S. 161. — 66) Derselbe und Meyer, 
Christian, Die Gelatinetherapie des Petechialfiebers des Pferdes. Deutsche Tier¬ 
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Morbus maculosus. Schweizer Arch. f. Tierheilkunde. Bd. 52. H. 1 u. 2. — 68) 
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— 73) Weir, The veterinarian. 1897. — 74) Wohlmut, Tierärztl. Zentralbl. 
1906. — 75) Bericht der k. k. Veterinär-Lehranstalt Budapest. 1888. — 76) 
Ebenda. 1903. — 77) Monatsberichte der chemischen Fabrik Aubing. 1912. Nr. 2. 
„Der hemmende Einfluß von Kalziumsalzen auf die Bildung von Exsudaten und 
Transsudaten. — 78) Sächsischer Veterinärbericht 1887. — 79) Ebenda. 1889. — 
80) Ebenda. 1904. 



XIV.- 


4 


Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter, 

insbesondere die Bestimmung ihrer Frfiehte und Samen. 

Von 

Prof. Dr. A. Naumann. 

(Hierzu Tafel VI und 20 Abbildungen im Text) 


Bei den von der botanischen Abteilung, gemeinsam mit dem 
physiologischen Institut der Dresdener Tierärztlichen Hochschule vor¬ 
genommenen Futtermitteluntersuchungen ergab sich oft die Notwendig¬ 
keit, in den als schädlich eingesandten Futtermitteln befindliche 
Samen und Saraenbruchstücke einwandfrei zu bestimmen. Dies ver¬ 
anlagte mich, alsbald eine Samen- bzw. Fruchtsammlung anzulegen 
und besonders die einheimischen Feldunkräuter in ihren mannigfaltigen 
Beziehungen zum tierischen Futter zu studieren. 

Die folgenden Ausführungen sollen diese Beziehungen erhellen; 
doch ist mir bei dem Mangel an verfügbarem Raum eine eingehende 
Darstellung derselben unmöglich. So kann, ich das sehr interessante 
erste und das letzte Kapitel nur skizzenhaft umrissen bieten, damit 
ich den „Unkrautsamen“, deren Erkennung für den Tierarzt 
von besonderer Bedeutung, ja zur Notwendigkeit werden 
kann, eine besonders eingehende Durcharbeitung bieten durfte* 

Ich habe dabei versucht, durch eine reiche Anzahl von mir selbst 
entworfener Abbildungen im Text und auf Tafel VI die Formenmannig¬ 
faltigkeit der Unkrautfrüchte und -samen dem Leser näher zu bringen, 
in der Hoffnung, das Interesse der Herren Tierärzte für dieses ebenso 
anmutende als vernachlässigte Gebiet zu erregen. 

Der Begriff des „Feldunkrautes“ ist schwer festzulegen, zumal 
in einzelnen Gebieten Mitteleuropas auf den Feldern Pflanzen als Un¬ 
kräuter auftreten können, die anderwärts von keinem Landwirt als 
solche betrachtet werden. Ich fand z. B. in der Umgebung des nord¬ 
böhmischen Städtchens Hirschberg mit seinem Sandboden und aus¬ 
gedehntem Teichgebiet das Schilfrohr (Phragmites communis) auf vielen 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 311 

Feldern als lästiges und durch seine Befallungspilze bedenkliches Un¬ 
kraut, während bei unserer geregelten Feldwirtschaft in Sachsen diese 
Pflanze wohl nur bei frisch abgelassenem, zur Sömmerung angesäten 
Teichboden vorübergehend in die Erscheinung tritt. 

Desgleichen können ausgesprochene Wegrandpflanzen und 
Schuttgewächse sich vorübergehend auf Brachfeldern einnisten, 
ohne „Feldunkräuter“ im eigentlichen Sinne zu sein. Durch meine 
langjährigen Sammelerfahrungen belehrt, habe ich als Feldunkräuter 
für Deutschland mehr als 200 Pflanzen ausgewählt. Dieselben sind 
teils Frühjahrskräuter der Winterungen, teils Pflanzen der bereits er¬ 
wachsenen Saat, teils Stoppel- und Brachepflanzen. 

Da ich es mir aus Raumersparnis versagen muß, die entworfene, 
mit biologischen und Standortsanmetkungen versehene Uebersicht der 
gewählten Pflanzen hier zu veröffentlichen, sei zusammenfassend er¬ 
wähnt, daß sich darunter etwa 179 einjährige Gewächse, ferner 
20 nur unterirdische ausdauernde Gewächse, darunter 7 mit 
Zwiebeln, 1 mit Knolle, 7 mit Ausläufern befinden. Von Pflanzen, 
die auch oberirdisch ausdauern, sind 17 aufgenommen, darunter 
2 mit Rosetten, 2 Rasenbildner und 1 mit verholzter Achse. 

Der Einfluß der Unkräuter auf das Futter soll in drei Kapiteln 
abgehandelt werden. 

I. Die Feldunkrautpflanzen als Futtergewächse. 

II. Die Feldunkrautsamen als Bestandteile der Futtermittel. 

III. Die Befallungspilze der Feldunkräuter. 

I. Die Feldunkrautpflanzen als Futtergewfichse . 1 a- **) 

Von jeher bedingte die zielbewußte Sparsamkeit der Landwirte 
eine völlige Ausnutzung sowohl des Bodens, als auch der Ernteabfall¬ 
produkte. 

Kein Wunder, daß er bestrebt war, auch die Feldunkräuter zu 
nutzen, indem er die ausgestochenen oder ausgejäteten Pflanzen zur 
Verfütterung brachte oder Stoppeln und Brachen beweiden ließ. Dabei 
können die Unkrautpflanzen in frischem Zustande als Grünfutter 
oder auch getrocknet als Rauhfutter verabreicht werden. Es ergab 
sich nun, daß einzelne Unkräuter besonders wertvolle Futterpflanzen 
darstellten, während andere Gesundheitsstörungen des Viehes oder un¬ 
günstige Beeinflussungen des Milchgeschraacks im Gefolge hatten, somit 

*) Die arabischen Ziffern beziehen sich auf das am Schlüsse angegebene Ver¬ 
zeichnis eingesehener Schriften. 



312 


A. NAUMANN, 


als schädlich zu bezeichnen waren. Ich will in folgendem die Un¬ 
kräuter nach diesen Gruppen sichten und entsprechende Anmerkungen 
einflechten. 


1. Gute bis vortreffliche Futterunkräuter. 

a) Kleine, also an Masse geringe Unkräuter mit früher Blütezeit. 

Sie können in den futterarmen Monaten bereits als Grünfutter dienen. 
Hierher: Quecke, Hornkraut, Spurre, Vogelmeirich (Pferden, 
Wiederkäuern und Schweinen gleich nahrhaft 1 »), Kressling (Steno- 
phragma Thaliana, oft 30 cm hoch), alle größeren einjährigen Ehren¬ 
preisarten: Veronica praecox, triphyllos, verna, arvensis, agrestis, 
hederifolia, Tournefortii (mit über 40 cm langen, auf den Boden liegen¬ 
den Trieben). Diese Kleinkräuter des Frühlings werden meist der 
Saat nicht schädlich, schützen vielmehr den Boden vor Austrocknung. 
Rapunzel (Valerianella olitoria), früh ergiebig, befördert die Milch¬ 
sekretion. 

b) Im Frühjahr auszustechende Wurzelunkräuter. 

Ackerdistel als beliebtes Milchfutter. Die jungen Ackerdisteln 
sind vorzügliches Futter für Pferde und Schweine 2 ). 

Saudistel (Sonchus arvensis). In einzelnen dicht bevölkerten 
Gegenden werden diese Pflanzen unentgeltlich gestochen, um gutes und 
bekömmliches Schweinefutter zu erlangen 8 ); auch beliebtes Milchfutter. 

Quecke. Die aus dem Boden entfernten Rhizome enthalten viel 
Zucker, werden deshalb von allem Vieh gern gefressen. In manchen 
Gegenden Deutschlands werden sie als Viehfutter gesammelt und ent¬ 
sprechend gereinigt. Ich habe 1917 im Frühjahr ganze Wagenladungen 
ausgestochener Queckenwurzeln ungenützt vertrocknen sehen, obgleich 
in dieser Kriegszeit die Landwirte wiederholt auf den Futterwert der¬ 
selben hingewiesen wurden. Dachte man doch, in dem Bestreben, 
alles mögliche nutzbar zu machen, sogar daran, die Queckenwurzeln 
zur Zuckergewinnung heranzuziehen. Gute Schafweide! Die Schafe 
reißen sogar die Rhizome heraus (Unkrautvertilgung). Gedörrte 
Quecken wurzeln als Brotzusatz. Medizinisch: Radix graminis 1 »). 

c) Einzelne späte, aber „jung“ zn fütternde Unkränter. 

Hierzu gehören: alle Melden und Gänsefußgewächse als gut 
bekömmliches Schaffutter, späterhin abführend (vielleicht infolge der 
Samen); Brennessel, die jung gebrüht ein treffliches Futter gewährt, 
Beifutter für Kühe, danach besonders wohlschmeckende Milch 1 *); Zaun¬ 
milche (Lampsana communis); Sicheldolde (Falcaria); Krümmling 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


313 


(Chondrilla juncea), dessen Milchsaft später zur Blütezeit scharf nar¬ 
kotisch wie bei den Lactucaarten wird. 

d) Spätere Unkräuter, die bis in den Herbst hinein vegetieren. 

Hühnerhirse; Spbrgel (frisch, getrocknet, auch ira Samen, 
Milchfutter, Pferde fressen ihn ungern 1 *); Venuskaram (Scandix pecten 
Veneris); Ackerkrummhals (Lycopsis arvensis); Gundermann; 
Spitzwegerich (beliebte Weidepflanze, soll das Aufblähen der Tiere 
hindern 1 *); Ackerscharte (Sherardia), sowohl für Frühjahr als Herbst; 
Ackermeister (Asperula arvensis); Klettenlabkraut (gebrüht als 
gutes Milchfutter); Sommerfeste (Crepis virens), auch getrocknet; 
glattes Ferkelkraut (Hypochoeris). 

e) Als gute Schafweide geltende Unkräuter. 

Grauer Fennich (Setaria), stengelurafassende Taubnessel, 
Acker-Hermel (Anthemis arvensis), Schafgarbe (durch bittere 
Extraktivstoffe in geringer Menge diätetisch günstig 1 *). 

2. Verdächtige oder schädliche Futterunkräuter. 

Bei der Schädlichkeit ist zu unterscheiden zwischen mechanischer 
Schädigung und toxischer Schädigung. 

a) Mechanisch schädigende Fntternnkränter. 

Ackerhahnenfuß infolge der bestachelten Früchte. 

Kornblume (Centaurea cyanus), durch steife Haarkelche. Darm¬ 
katarrh bei Pferden. 1914 erhielten wir eine Kleie mit 20 Stück 
auf 1 g. 

Schilfrohr infolge der durch Kieselsäureeinlagerung scharfen 
Blätter. 

Windhalm (Apera spica venti) infolge der Spelzcnhaare und 
Grannen 4 ). 

Wurmsalat (Helminthia echioides), aus Südosteuropa einge¬ 
schleppt. Die Stachelhaare der Blätter haben Entzündung der Schlund¬ 
röhre erregt. 

b) Fntternnkränter mit toxischer Wirknng. 

In dieser Beziehung stehen sich die Erfahrungen oft schroff 
gegenüber, so daß sich auf dem Gebiete der Fütterungsversuche zur 
Auflösung der Widersprüche dankenswerte Aufgaben bieten. In dieser 
Beziehung seien einzelne Unkrautgattungen besonders hervorgehoben: 



314 


A. NAUMANN, 


a ) Einzelne Arten. 

Ackerwinde rühmen einzelne als gern genommenes Viehfutter, 
während Danger 6 ) den Wurzelstock derselben als giftig und Durchfall 
erregend bezeichnet. 

Feldschierling (Aethusa cynapium) soll von Schafen und Kühen 
ohne Gefahr beweidet werden, ist aber nicht unverdächtig! 1 *). 

Mohn (Papaver Rhoeas). Bei massenhaftem Vorkommen im Klee 
kann das Vieh durch den Genuß von Blättern und Stengeln infolge 
des Gehalts an narkotischen Stoffen geschädigt werden; besonders 
durch den opiumhaltigen Milchsaft unreifer Samenkapseln 1 *). 

Sandkraut(Arenaria serpyllifolia) wird von Langethal als „gutes 
Futter“ bezeichnet, doch erhielten wir im Jahre 1912 ein schädliches 
Grünfutter mit etwa 25 v. H. Arenariaanteil. Jedenfalls gibt auch 
Müller 8 ) an, daß es „starkes Speicheln“ hervorrufen soll, vielleicht 
infolge von Befallungspilzen (vgl. Befallungspilze). 

ß) Gattungen und Familien. 

Knötericharten (Polygonum). 

Infolge scharfer Inhaltsstoffe (Polygoninsäure?) ist die Verbitte¬ 
rung der Knötericharten bedenklich. Bekannt ist die durch den nahen 
Verwandten: Buchweizen bei Verfütterung von Spreu, Stoppeln oder 
Körnern entstehende, als Buchweizenkrankheit bezeichnete Vergiftung 
bei Ziegen, Schweinen, Schafen, Pferden und Rindern. Einzelne 
Autoren verlegen die Noxe in die Fruchtschale. M. E. hat diese An¬ 
schauung eine gewisse Berechtigung, vgl. später „Kleien“. Jedenfalls 
wirken auf Schafe alle PoLygonumarten giftig, während der Winden¬ 
knöterich gut für Rinder ist und der Flohknöterich nach Thaer als Grün- 
futter vom Rindvieh gern gefressen wird und ein leidliches Milchfutter 
bietet. Kleiner Ampfer (Rumex acetosella) erregte bei reichlicher Gabe 
Diarrhoe bei Schafen 1 *). 


Wolf smilchge wachse. 

Von den Wolfsmilchgewächsen (Euphorbien und Mercurialis 
annua) ist bekannt, daß sie von allen Tieren gemieden werden 8 ). 

Kreuzblütler. 

Schotendotter (Erysinum cheiranthoides) soll in großer Menge 
beim Beweiden Gesundheitsstörungen auslöseu 1 *). 

Ackersenf (Sinapis arvensis) soll vor der Schotenbildung ver¬ 
füttert werden, da sonst purgierend und Speicheln erregend 1 *). 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


315 


Feldkresse (Lepidium campestre) soll das Vieh durch scharfen Ge¬ 
schmack abstoßen. Die Giftigkeit des Hederichs ist nngerechtfertigt. 

Schmetterlingsblütler. 

Zottelwicke (Vicia villosa) soll bei Schafen Lupinose erzeugen, 
während Vicia cracca äußerst nahrhaft und unschädlich ist 1 *). 

Nachtschattengewächse. 

Schwarzer Nachtschatten (Solanum nigrum) und Bilsenkraut 
sollen Krämpfe erregen 1 *). 

Außer Zweifel steht auch die Giftigkeit des Duwock (Equisetum 
palustre 7 )), während die Schädlichkeit von E. arvense anzuzweifeln ist. 
Uns ging ein schädliches Kleeheu mit 15 v. H. Schachtelhalm im 
Jahre 1906 zu. 

e) Unkräuter mit ungünstiger Wirkung auf Milchsekretion. 

Ackerlauch (Allium vineale) wird zwar gefressen, gibt aber der 
Milch, ja sogar der daraus bereiteten Butter einen Knoblauch-Geruch 
bzw. widerlichen Geschmack. 

Kleiner Ampfer (Rumex acetosella) verringert den Milchertrag 
bei Kühen und läßt Milch leicht gerinnen. 

Ackertäschelkraut (Thlaspi arvense) beeinträchtigt den Wohl¬ 
geschmack der Milch. 

Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) soll der Milch einen unange¬ 
nehmen Geschmack verleihen 1 *). 

II. Die Früchte und Samen der Feldunkräuter 
als Bestandteile der Futtermittel. 

Die Samen einzelner Feldunkräuter werden selten absichtlich 
oder bewußt verfüttert. Höchstens die'Wickenarten werden in gc- 
schrotenem Zustand zur Viehfütterung verwendet. In Dänemark 
werden Nesselsamen den Pferden als Beifutter gegeben. Sie sollen 
dadurch weiches, seidenglänzendes Haar bekommen. Gekocht gelten 
sie auch als gutes Legefutter für Hühner 1 *). 

Zumeist finden sich die Früchte und Samen der Feldunkräuter 
in den Abfällen der Müllerei: Kleien und Futtermehlen, ferner in Ge- 
treideschroten sowie in den Abfällen der Oelgewinnung, den sog. Pre߬ 
kuchen oder Saatkuchen. 

Unter den Eingängen schädlicher Futtermittel aus den Jahren 
1905—16 wurden von uns folgende noch verdächtige Unkrautsamen 



316 


A. NAUMANN, 


festgestellt. Ich gebe die Unkrautsamen unter der botanischen Be¬ 
zeichnung alphabetisch angeordnet wieder. Die aufgeführten Jahreszahlen 
bedeuten die Jahrgänge unserer Hochschulberichte als Literaturnachweis. 

Agrostemma Githago, Kornrade, in 2 / a der gesamten Ein¬ 
sendungen vgl. Berichte der Kgl. Tierärztlichen Hochschule unter „Bo¬ 
tanik“. Zumal in den Kriegsjahren häuften sich Futtermittel mit 
starkem Kornradegehalt. Diese Futtermittel waren als rumänische 
Kleie oder Auslandskleie bezeichnet und enthielten bis zu 5 v. H. Rade¬ 
anteile. Ein rumänisches Wickengemenge enthielt etwa 40 v. H. Rade¬ 
samen, vielleicht infolge schlechter Reinigung oder Zusatz von Ge- 
treideausputz. Es ist geradezu erstaunlich, daß noch nicht einmal 
Klarheit über die Schädlichkeit und die Schädlichkeitsgrenze dieser 
Radesamen geschaffen worden ist. Nach Kliramers Zusammenfassung 9 ) 
ist die Empfänglichkeit der Tiere schwankend. Nach Hagemann 
und Brandei 10 ) soll die Grenze der schädlichen Wirkung für große 
Tiere bei einem Vorkommen von etwa 5—12 v. H. in Mehl und Kleie 
liegen. Nach Müller 8 ) tritt mit der Zeit eine Angewöhnung an das 
Gift ein. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die durch die Tages¬ 
zeitungen gehenden Mitteilungen über Vergiftung von Schweinen mit 
rumänischem Futter ihre Stütze in dem hohen Radegehalt solcher 
rumänischer Kleien finden. Uebrigens soll durch Kornradefütterung die 
Milchsekretion gefördert, die Qualität der Butter aber herabgesetzt werden. 

Bromus secalinus. Beim Putzen und Sortieren des Getreides 
in Samenhandlungen und Kunstmühlen werden oft große Mengen ge¬ 
wonnen und den Futtermitteln zugesetzt. Ob sie das Mehl ungesund 
machen, ist fraglich, Ursache sind wahrscheinlich Brandsporen und 
Kornradesamen la ). 

Caucalis daucoides, in rumänischer Gerste, 1911. 

Chenopodium in Leinmehlen, Schweineschrot und Weizenkleie, 
1913, 1914, 1906, 1912. 

Cirsiura arvense in Hafer, 1910, Blätter in Roggenstroh und 
-spreu, 1905, 1907. 

Cruciferensamen. Hierüber einige Worte! 

Gerade bei dieser an allylhaltigen scharfen Oelen reichen Familie 
ist eine möglichst eingehende Feststellung der Saraenart notwendig, 
damit ein Rückschluß auf die wirklich schädigende Art nach 
entsprechend langer Erfahrung möglich ist. Erst dann können klä¬ 
rende und beweisende Fütterungsversuche einsetzen. Ausgepreßte 
Senf- und Hederichkuchen konnten zu 4 kg auf 1000 kg Lebendgewicht 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


317 


ohne Nachteil verfüttert worden, während Camelina sativa-Kuchen für 
Milchvieh unzuträglich waren. Sinapis arvensis in Gerstenkleie 1906 
und russischer Gerste 1900. 

In welcher Artenzahl Cruciferen-Unkräuter in Rapskuchen auf- 
treten können, berichtet uns Bille Gran 11 ). Erstellte fest: Barbaraea, 
Camelina, Capsella, Sinapis-Arten, Raphanus, Erysimum cheiranthoides 
und orientale, Lepidium carapestre, Thlaspi arvense. 

Galium tricorne in Gerstenkleie, 1906. 

Legwninosensainen, insbesondere Platterbsen und Wicklinsen, die 
oft „geschrotet“ gefüttert werden. 

Es scheint, daß in der Gruppe der Vicieen (Wickenarten:' Platt¬ 
erbse, Wicklinse, Wicke, Erbse) ein bisher unerforschtes Samengift 
enthalten ist, wahrscheinlich ein flüchtiges Alkaloid, welches eigen¬ 
tümliche Krankheitserscheinungen, als ^Lathyrismus“ bezeichnet, aus¬ 
löst. Es ist deshalb besonders angebracht, die Arten dieser Sippe 
gut auseinanderzuhalten, falls sie in Futtermitteln auftreten. 

Wir erhielten Vicieen-Samen in Hafer 1905, Schweineschrot 1906, 
Roggenkleien 1907, Futtermehl (Lein!) 1909, böhmischer Kleie 1910 
und russischer Gerste 1911, außerdem in dem früher erwähnten ru¬ 
mänischen Wickengemenge. Von Interesse ist das im Bericht 1915 
erwähnte Auftreten eines Hautausschlags bei Verwendung eines Misch¬ 
futters mit reichlichem Gehalt an Zottelwicke. Außerdem sollen große 
Gaben dieser Samen Kolik erregen 1 *). Lathyrus aphaca fand sich in 
einem Kraftfuttermittel aus Erbsen und Haferschrot 1910. 

Lolium temulentum (Taumellolch, Tollkorn) 1911, 1912 und 
1915. In den Früchten dieses Grases findet sich ein brandpilzähnliches 
Myzel, das die Giftigkeit zu bedingen scheint, immerhin wird von ein¬ 
zelnen Zweifel in die Giftigkeit gesetzt, allerdings sollen myzellose Körner 
ungiftig sein. Blätter und Stengel werden vom Vieh ohneNachteil verzehrt. 
" Polygonumarten. Vor allem in gerstehaltigem Futter: Gerstenkleie, 
Gerstenschrot, Gerstenmehl (von 21 Eingängen in 13). Vgl. Ber. 1910. 

Rhinanthus in Kleie 1910. 

Spergula arvensis in Leinmehl und Rapskuchen 1912. 

Diese ausführliche Aufzählung habe ich vorausgeschickt, um die 
Wichtigkeit der Erkennung beigemengter Unkrautsamen darzutun; ins¬ 
besondere die genaue Artunterscheidung wichtiger Schädigungsgruppen: 
Cruciferen, Euphorbiaceen, Silenaceen, Chenopodiaceen, Papilionaceen, 
Polygonaceen. Meist finden sich in den Futtermitteln zur Bestimmung 
einzelne vollständige Samen vor. So erhielt man durch Sieben mittels 



318 


A. NAUMANN, 


Knops Siebsatz (l 1 / 2 , 1 und l / 2 mm Lochweite) aus einer Kleie folgende 
ganze Samen: Lepidium,Capselia,Viola, Urtica,Crepis, Erysimum,Cheno- 
podiura, Papaver und Euphorbia. Allein in Sesarakuchen ließen sich 
außer fremdländischen 17 einheimische Unkrautsamen nachweisen. 

Das Hauptgewicht meiner Arbeit habe ich nun auf den 
Nach weis der Feldunkrautfrüchte und -samen gelegt, indem 
ich nach Merkmalen, welche sich bei Lupenvergrößerung 
unschwer erkennen bzw\ ermessen lassen, für den Praktiker 
Bestiramungsschlüssel zusammengestellt habe, die auch dem 
Landwirt und den Samenkontrollstationen einigermaßen 
nützen mögen. 

Daneben war es auch geboten, die beim Mahlprozeß erzeugten 
Unkrautsamensplitter einer genaueren Erkennung und Bestimmung 
zuzuführen. Wenn auch bei vielen Samenstücken, zumal den gröberen, 
die Struktur der Samenschale die Möglichkeit gewährt, meine Be¬ 
stimmungsschlüssel nebst Abbildungen mit Erfolg zu benutzen, so ist 
bei feinerer Mahlung die mikroskopische Bestimmung nach dem ana¬ 
tomischen Bau der Schalengewebe und die chemische Prüfung auf 
extrahierbare Farbstoffe unerläßlich. Da mein Assistent, Herr Jo¬ 
hannes Har traann, diese Seite der Futterraitteluntersuchung in lang¬ 
jähriger Tätigkeit behandelt und durch eine entsprechende Arbeit 12 ) 
erfreulich vertieft hat, gebe ich ihm am Schlüsse dieses Kapitels gern 
selbst das Wort und benutze schon hier die Gelegenheit, ihm für 
seine Mühewaltung bei Zusammenstellung und feinerer Ausgestaltung 
meiner Tafelfiguren meinen herzlichen Dank auszusprechen. 

a) Die Bestimmung der Früchte und Samen unserer Feldunkräuter. 

Dieselbe läßt sich ermöglichen einesteils durch naturgetreue ver¬ 
größerte Abbildungen, anderenteils durch entsprechende Bestlm- 
mungsschlüssel. In bezug auf geeignete Abbildungen können wir 
zurückgreifen auf einige Veröffentlichungen, welche auch in den folgenden 
Ausführungen unterentsprechenden Abkürzungen aufgeführt werden sollen. 

Abkürzungen: 13 )RK — Robert Koerner, Die Unkrautsamen und andere Bei¬ 
mengungen des Mahl- und Schälgetreides. Leipzig, Verlag von H. A. Ludwig 
Degner. Bemerkung: Die in natürlicher Größe und 4facher Lupen Vergrößerung 
nach Photographie dargestellten Figuren sind zum größten Teil recht brauch¬ 
bar, wenn sie auch naturgemäß gewisse Feinheiten in der Struktur, die bei 
Handzeichnungen darstellbar sind, vermissen lassen. 
h) W = Wittmack, L., Gras- und Kleesamen. Berlin, Wiegandt und Hempel. 
1873. Die Abbildungen sind sehr sorgfältig ausgeführt. Leider ist infolge 
der verschiedensten Größenverhältnisse auf ein und derselben Tafel- der 
Vergleich der abgobildeten Samen unliebsam erschwert. 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


319 


1S ) Bu = Burchard, 0., Die Unkrautsamen der Klee- und Grasarten mit besonderer 
Berücksichtigung ihrer Herkunft. Berlin, Paul Parey. 1900. Die Lichtdruck¬ 
tafeln geben die Samen in 6—7 facher Linearvergrößerung nach Photographien 
mittels eines Zeisschen Objektiv aj Okular 1 wieder. Infolge der verschiedenen 
Dfcke der Objekte und störender Reflexe lassen einzelne Samen zwar zu 
wünschen übrig, doch ist diese Gesamtdarstellung äußerst dankenswert. 

,s ; Ha = H%rz, C. 0., Landwirtschaftliche Samenkunde. 2 Bände. Berlin, Paul 
Parey. 1885. Ein außerordentlich fleißiges Werk. Die Abbildungen der Samen 
sind meist nur Umrißzeichnungen und stehen den Abbildungen des nächsten 
Werkes wesentlich nach, doch ist zu beachten, daß der Verfasser den Haupt¬ 
wert auf den anatomischen Bau legt und hierin ist das Werk ganz besonders 
hoch einzuschätzen. In den nachfolgenden Angaben drücken die arabischen 
Ziffern Seitenzahl und Abbildungen, die römischen die Teilfiguren aus. 
i7;No = Nobbe, F., Handbuch der Samenkunde. Berlin, Wiegandt, Hempel und 
Parey. 1876. Hierin sind die Abbildungen der Samen einwandfrei und bei 
künstlerischer Darstellung wissenschaftlich durchaus richtig. Es fst bedauer¬ 
lich, daß dieses vortreffliche Werk keine weitere Auflage erhalten hat. 

Daneben habe ich mich bestrebt, für bisher unabgebildete Arten 
eigene Abbildungen zu liefern. Dieselben bleiben hinter der künst¬ 
lerischen Darstellung in Nobbes und Wittrnacks Schriften zwar 
zurück, sind aber in Umriß und charakteristischen Strukturfeinheiten 
möglichst naturgetreu wiedergegeben. 

Bei meinen eigenen Abbildungen hätte ich gern eine durchgehende 
einheitliche Vergrößerung angewandt, doch mußte ich zugunsten einer ge¬ 
fälligen und auch gedrängten Anordnung, besonders auf der beigegebenen 
Tafel, diesen Gedanken aufgeben. Ich habe aber, um ein rasches Er¬ 
fassen der Frucht- und Samengröße zu ermöglichen, in allen Figuren 
durch den Abstand der wagerechten Punktlinien, jeweilig die 
Länge eines Millimeters veranschaulicht. Auch auf den Tafeln 
ist an geeigneten Stellen Millimeterteilung zum Vergleich eingeschaltet. 

Ein fortlaufender Bestimmungsschlüssel über die Früchte und 
Samen der in Betracht kommenden ungefähr 200 Feldunkräuter würde 
zu unübersichtlich und für den Gebrauch abstoßend wirken. Ich habe 
deshalb, möglichst unter Wahrung systematischer Zusammengehörigkeit? 
das Samenmaterial unter bestimmte Gruppen zusamraengefaßt. 
Jeder Gruppe ist ein Abbildungsverzeichnis mit den vorher erwähnten 
Abkürzungen beigegeben. Es folgt eine kurze Erläuterung der syste¬ 
matischen Charaktere unter Beifügung von Textabbildungen, und hier¬ 
an schließt sich ein Bestimmungschlüssel, der unter Zuhilfe¬ 
nahme von Größenmaßen, Form, Farbe, Struktur dem prak¬ 
tischen Tierarzt die Bestimmung einschlägigen Materials 
ermöglichen, mindestens erleichtern wird. 



320 


A. NAUMANN, 


Gruppenübersicht 
A. Seht« Früchte 

d. h. samenähnliche, aber aus dem Fruchtknoten entweder direkt 
oder nach Teilung desselben in Spalt- oder Teilfrüchte hervorgegangene 

Vermehrungskörper. « 

1. Oval oder schraallanzettlich, meist von Spelzen umschlossen 
und vielfach mit grannenartigen Fortsätzen versehen (s. Text¬ 
abbildungen Fig. I und Tafel VI). 

I. Grasfrüchte, Schalfriichte, Caryopsen. 

2. Oval-platt oder stäbchenförmig, oft längs gerippt, vielfach 
mit Haarkrone (Federkrone) als Verbreitungsorgan versehen 
(s. Textabbildung Fig. II und Tafel VI). 

II. Korbbliitlerfrncht, Compositenfrneht, Schließhrncht, 
Achaeniam. 

3. Dreikantig oder rundlich nußartig, in seltenen Fällen von 
3 trockenhäutigen Klappen oder von einem harten 5 zahnigen 
Kelch umschlossen (s. Textabbildung III und Tafel VI). 

III. Echte NuBfrüchte der Nesseln, Knöterichgewächse, 
sowie von Knaul, Erdrauch und Finkensame. 

4. Linsenförmig platte oder winzig ovale, stark glänzende Samen, 
die häufig noch von der grauen Fruchthülle bedeckt, ja oft 
von der 5 teiligen Blüteuhülle umschlossen sind (s. Text¬ 
abbildungen IV und Tafel VI). 

IV. NnBartige Früchte der Gänsefuß- nnd Amarantarten. 

5. Früchte von länglicher, plattherzförmiger recht eigenartiger 
Gestalt; nur nach Abbildung bestimmbar (s. Textabbildung V). 

V. Früchte der Rapunzel- oder Ackersalatarten. 

6. Kugelige, oft bestachelte und gewarzte Teilfrüchte einer 
Doppelfrucht, bei der Ackerscharte länglich und mit 3 bis 
5 kleinen Kelchzähnchen (s. Textabbildung VI). 

VI. Teilfrüchte der Labkrantgewüchse. 

7. Langovale oder kreisförmige läugsgerippte, hie und da be¬ 
stachelte Früchte mit flacher Fugenseite (s. Textabbildung VII 
und Tafel VI), oft beim Drücken aromatisch riechend. 

VII. Doppelspaltfrucht der Doldengewächse. 

8. Entweder oben spitze, etwas gekielte, höckerige Teilnüßchen 
mit unten breitem Nabel oder ovale, nach unten zu einem 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


321 


meist.3 eckigen Nabel verschmälerte Teilnüßchen, die vielfach 
helle oder dunklere Flecken zeigen (s. Textabbildung VIII 
und Tafel VI). 

VIII. Teilnäßchen der Ranhblättler and Lippenblütler. 

9. Keilförmige, Teilfrüchtchen mit gebogener oder spiralig ge¬ 
wundener Granne, auch der aus der einseitig geöffneten 
Teilfrucht entlassene Same keilförmig (Geraniaceen). Nieren¬ 
förmige keilig zugeschrägte Teilfrüchtchen ohne Grannenanhang 
(Malvaceen) (s. Textabbildung IX und Tafel VI). 

IX. Teilfrüehte der Storchschnabel- nnd Malvengewächse. 

B. Samen oder geschlossen bleibende elnsamige Balgkapseln. 

10. Formen außerordentlich wechselnd (s. Textabbildung X und 
Tafel VI. 

X. Früchte bzw. Samen der Hahnenfnfigewächse. 

C. Bebte Samen, nur ans der Samenanlage hervorgegangen, in eine sieh öffnende 

Kapsel oder wie bei den Selannmarten in eine Beere eingesehlessen. 

11. Ovale bohnenförmige Samen, teils glatt, teils gewarzt, teils 
grubig, am Nabel mit deutlicher wachsartiger bis 
fleischiger Mundwarze: Nabelwulst (Caruncula). Undeut¬ 
lich ist die eingetrocknete Caruncula bei dem silbergrauen 
am Nabel zugespitzten Bingelkrautsamen, bei frischen Samen 
ist sie kammförmig (s. Textabbildung XI und Tafel VI). 

XI. Nabelwnlst tragende Samen der Wolfsmilchgewächse. 

12. Infolge des gekrümmten, das Sameneiweiß umschließenden 
Keimlings (Embryo) meist von nierenförmiger Gestalt, dabei 
oft mit Warzen oder Stacheln in konzentrischen Reihen. Bei 
den Mohngewächsen in Form kleiner Bohnen mit Grubenreihen 
(s. Textabbildung XII und Tafel VI). 

XII. Nierenförmige Samen der Nelken-, Nieren- nnd Mohn- 
gewächse. 

13. Das den fleischigen Keimblättern anliegende oder denselben auf¬ 
liegende Würzelchen schon äußerlich an dem meist kugeligen, 
aber auch ovalen oder kreisförmigen flachen Samen wahr¬ 
nehmbar (s. Textabbildung XIII und Tafel VI), 

XIII. Samen der Kreuzblütler. 

14. Bohnen-, linsen- oder kugelförmig, hie und da etwas platt¬ 
gedrückt oder kantig mit deutlicher, heller gefärbter 

/ 

Archiv f. wissenseh. o. pr&kt. Tierheilk. Bd. 44. Sappl. 21 



322 


A. NAUMANN, 


Ansatzstelle: Nabel bzw. Samennaht. Bei den Kleearten 
hebt sich das Wurzelende auch äußerlich als zahnartiger 
Vorsprung ab. Samenschale glatt und glänzend oder fein¬ 
runzelig-matt (s. Textabbildung XIV und Tafel VI). 

XIV. Samen der Hülsenfrüchtler. 

Anmerkung: Die Samen anderer Pflanzenfarailien lassen sich nur schwer 
oder gezwungen in besondere Formengruppen einbeziehen, so daß ich den Rest von 
etwa 40 ungruppierten Samen in einen allgemeinen Bestimmungsschlüssel eingefügt 
habe, zumal die Samen ein- und derselben Familie, beispielsweise der Braunwurz¬ 
gewächse, unter sich weitgehende Verschiedenheiten zeigen (s. Textabbildung XV und 
Tafel VI). 

XV. Samen anderer Familien, insbesondere der Winden-, 
Braunwurz-, Wegerich- nnd Glockenblumengewächse. 

I. Qrasfrfichte, Schalfrüchle, Caryopsen*) 

(vgl. Fig. I, Tafel VI, Fig. 1 u. 2). 

Abbildungen: 

Hühnerhirse, Kammhirse, Panicum crns galli L. RK 48; W1; Ha 1258,1661—III 

— Fig. I 1, 2. 

Borstenhirse, grauer Fennich Setaria glaucaR.etSch. Hal258,166 XIV—XVI; No396, 

177 (entspelzte Frucht). 

18 ) Ackerfuchsschwanz Alopecurus agrestis L. W5; Ha 1269,1691—1 II;No847, 

142. 

**) Windhalm Apera Spica venti P. B. Bu IV, 50; W 10; Ha 1262, 167 

XIV—XVII; No 448, 252. 

Weiß-Straußgras Agrostis alba L. = stolonifera Koch W8; Ha 1262,1671—IV; No405, 
(Fioringras). 201. 

M ) Windhafer, Flughafer, Wildhafer Avona RK 2 (Granne fehlt!); Ha 1317, 
fatua L. 192 I—III. — Tafel VI 1. 

RohrArundoPhragmitesL. = Phragmites communis W 12; Ha 1338, 197 V—IX. 

Trin. 

Sommerrispengras Poa annna L. W22;Ha 1287,1741—!H;No28, 

4 — Fig. I 3. 

Roggentrespe Bromus secalinus L. RK 5: W38: Ha 1224, 152 VII; 

No 411, 225. 

Flattertrespe Bromus japonicus Thnb. = patulus Ha 1226, 153 XIV—XVII — 

M. et K. 4 Fig. I 4. 

Ackertrespe Bromus arvensis L. W 40; Ha 1224, 152 XI. 

(Taube Trespe „ sterilis L. W42,a; Ha 1230,155 1-V.)l Nor selten 

(Dachtrespe „ tectorum L. Ha 1230, 155 VI-X.) /»«Weckern 

Quecke, Kriechweizen Triticum (Agropyrum P. B.) RK 52; W 44; Ha 1168, 137 VI; 

repens L. No 414, 233. 

Taumellolch Lolium temulentum L. RK 19; BuV, 6; W48 a; Ha 1345, 

199 I—IV, IX; No 457, 286. 

— Taf. VI 2. 

Ackerlolch, Leinlolch Lolium remotum Schrnk. W 48 b; Ha 1345, V—VIII; 

^_ No 395, 173. 

*) Sowohl im Abbildungsverzeichnis als auch im Bestimmungsschlüssel be¬ 
deutet Fettdruck :Textabbildung, Sperrdruck: Abbildung auf beigefügter Tafel VI. 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


323 


Die Grasfrüchte zeichnen sich dadurch aus, daß eine durch Ver¬ 
wachsung von Samenhaut und Fruchthülle entstandene geschlossen 
bleibende Frucht von zwei Spelzen (paleae), einer meist dünnen 
Vorspelze und einer kräftigen Deckspelze, umgeben ist. Letztere 
deckt die meist gewölbte Seite und trägt öfters eine Granne, d. h. 
einen schmalen haarartigen Fortsatz, der als Verlängerung der Spelzen¬ 
spitze (Fig. I, 4) oder als selbständiges Gebilde unterhalb der Spitze, 
am Spelzenrücken oder Spelzengrunde auftreten kann. Oft ist die 
Gyanne gekniet bzw. gewunden (beides vgl. Tafel VI1). Bei einblütigen 
Aehrchen kann diese Schalfrucht noch von 2—3 weiteren Spelzen, 
den Aehrenspelzen, Hüllspelzen oder Klappen (glumae) eingeschlossen 
werden*). 



Schalfrüchte der Gräser. 

1 und 2 von Panicum, 2 zeigt den Blick auf die 
unterste kleine dritte Hüllspelze, 3 Poa annua, 
4 Broraus patulus mit Granne. 


Abb. Ia. 




Zergliedertes Aehrchen. 
st das Stielchen der nächst 
höheren Blüte, welches an der 
unteren Blüte sitzen bleibt. 


Bei den meisten Gräsern mit mehrblütigen Aehrchen bleibt das 
Stielchen der oberen Blüte an der nächst unteren erhalten (Fig. Ia). 
Die Gestalt dieses Stielchens ist bei Bestimmung der Grassamen 
von Bedeutung. Außerdem wird auch die Form der Abfallnarbe des 
Stielchens (ob gerade oder schräg abgestutzt) zur Bestimmung heran¬ 
gezogen. Die Gestalt der Granne wäre ebenfalls dazu geeignet, setzt 
aber eine übungsreiche mikroskopische Technik voraus. Am einfachsten 
bleibt die Bestimmung der Grasfrüchte nach Größe (Länge) und nach 
der Form (oval, schmallänglich bis lanzettlich). Die Farbe ist wenig 
ausschlaggebend, da sie sich oft mit dem Alter ändert, verbleicht. 

•) Diese Klappen umhüllen die Frucht bei allen Hirsearten (Paniceen), bei 
den Bartgräsern (Andropogoneen), bei Honiggras, Lieschgras, Fuchsschwanz, von 
gebauten Gräsern bei Spelt, Zweikorn und Emmer (Triticum Spelta, dicoccum und 
monococcum). 


21* 



324 


A. NAUMANN, 


Auffallend ist die dunkle Färbung der Avena fatua-Früchte und das 
Porzellanweiß des Nichtunkrautes Coix Lacriraa. 

Beatimmungsschlüsael: 

Hierbei versteht sich Fruchtlänge ohne Einschluß der Granne; 
letztere ist gemessen von der Ursprungsstelle bis zur Spitze. 

A. Früchte meist unter 3 mm lang (nie über 4 raml). 

I. oval (vgl.Fig.1,1), 2/1,2, beide große Hüllspelzen grau, Setaria glauca 
an d. flachen Seite matt, die bespelzte Frucht um- 

mit 2 Hüllspelzen schließend. 

(eine kleinere am 3/1,5, oft die äußere begrannte Pani cum cros galli. 
Grunde d. großen). oder stachelspitzige Hüllspelze * 
fehlend, daher glänzende Deck¬ 
spelze sichtbar. 

II. schmal länglich * | 2,5—3, Deckspelze gekielt. Poa annna. 

bis lanzettlich un \ ! 2 (zuweilen schwach be- Agrostis stolonifera. 

(vgl. Fig. I, 3, 4 grannl I grannt), zartspelzig. 

und Tafel VI). langbe-f 2, Granne bis 10 mm, derb- Apera spica venti. 
grannt l spelzig. 

B. Früchte über 4 mm lang. 

I. auffalld. behaart. 7, von weißen Haaren eingehüllt, Arundo Phragmites. 

Deckspelze mit grannenartiger ge¬ 
drehter Spitze. 

12—15, dunkle Spelzen mit gelb- Avena fatua. 
liehen steifen Haaren, Granne 
rückenständig, gekniet u. gedreht. 

II. unauffällig behaart. 

1. 6, grünlich, von den Klappen um- Alopecurus agrestis. 
geben, Granne grundständig. 

2. 15, bräunlich, Granne an der Bromns japonieug. 
Spelzenspitze, 10—15 mm. 

{ 6, Granne länger Bromus secalinus. 

8, „ kürzer w arvensis. 

4 grannenlos oder Triticum repens. 
kurzbegrannt, 

mit kurzem f 6, Granne 6—12 Lolium temulentum. 

Stielchen \ 5, grannenlos „ remotum. 

II. Korbblfitlerfrfichte, Compositenfrfichte (Achaenium) 

(vgl. Fig. n und Tafel VI, Fig. 3 u. 19). 

Abbildungen: 

Kanadisches Berufskraut Erigeron canadense L. Bu III, 7; No 83, 92. 

Deutsches Filzkrant Fil&go germanica L. W 69 1 ~ 2 ) — Fig. n 2. 

Acker- „ „ arvensis L. Fig. II 1. 

Traubenkraut Ambrosia abrotanifolia L. Bu V, 5; No 396, 178. 

Knopfkraut, Franzosenkraut Galinsoga parviflora Cav. No 38, 28. 

Hundskamille Anthemis Cotula L. Tafel VI 19. 

Acker-Kamille „ arvensis L. W 71; No 449, 261. 

Schafgarbe Achilleä Millefolium L. BuV, 16; W70; Ha844, 49II. 

Echte Kamille Matricaria Chamomilla L. Ha 845, 50 I—VI. 

Falsche Kamille, „ inodora L. Bu V, 1; No 448,255. 

Saatwucherbiume Chrysanthemum segetum L. Bu III, 19; W 72; No 447, 

250. 


Früchte flach 


Früchte gewölbt 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


325 


Vogel-Greiskraut Senecio vulgaris L. 
Frühlings- „ „ vernalis W et K. 

Acker-Ringelblume Calendula arvensis L. 

Ackerdistel Girsium arvense Scop. 


Bu III, 16; W 73 a. 

W 73 b; No 82, 90. 

Fig. II 4. 

RK 7; Bu Ul, 17; No 350, 
166. 


Kornblume Centaurea cyanus L. 
SommerflockenblumeCentaureasolstitialisL. 
Zaunmilche Lampsana communis L. 

Lammkraut Arnoseris minima Link. 

Glattes Ferkelkraut Hypochoeris glabra L. 

Herbst-Löwenzahn Leontodon antnmnalis L. 

Sau- oder Kohldistel Sonchus oleraceus Hill. 

Rauhe Gänsedistel „ asper All. 

Acker-Saudistel „ arvensis L. 

Knorpel-Lattich Chondrilla juncea Hill. 

Sommerfeste Crepis virens L. 


RK 6; W 74; No 37, 24. 
Bu III, 21 — Tafel VI 3. 
Bu III, 22; No 448, 256. 
Bu III, 20. 

Fig. II 5. 

Fig. II 7. 

No 449, 259. 

Bu III, 39; No 448, 257. 
No 448, 258. 

Fig. H 6. 

Bu III, 25; No 449, 265 
Fig. II 3. 


Die Früchte der Korbblütler sind meist kurz- oder langprisma¬ 
tisch, oft nach oben keilförmig verbreitert, bei geringer Breite wirken 
sie stäbchenförmig. Einzelne sind mehr oder weniger platt gedrückt 
(Achillea). Nicht selten sind sie asymmetrisch gekrümmt (Fig. II, 3, 


Abb. II. - 



Korbblütlerfrüchte (Achaenien). 

1 Filago arvensis, 2 Filago germanica, 3 Crepis virens, 4 Calendula arvensis, 
5 Hypochoeris glabra, 6 Chondrilla juncea, 7 Leontodon autumnalis. 


6, 7). Vielfach sind die Früchte kantig oder vielriefig bis längs¬ 
gerippt (Fig. II 3, 5, 6). Zwischen den Rippen finden sich auch Quer¬ 
falten (Fig. II 7). Oft dient zur Verbreitung durch den Wind eine 
Haarkrone (Haarkelch, Pappus) am oberen Ende. Die kleinsten, also 
leichtesten Früchte sind meist pappuslos. Die Haare des Pappus 
können einfach (Fig. II 3) oder gefiedert (Fig. II 7) sein. Oft wird 
der Haarkelch durch einen stielartigen Ansatz dem Winde zugäng¬ 
licher gemacht. Auch dünne Hautränder wie bei Achillea dienen als 



326 


A. NAUMANN, 


Verbreitungsmittel. Zur Verbreitung durch Anhaften (Klettenfrüchte) 
dienen einesteils hakige Fortsätze (Fig. II 4), anderenteils wahrschein¬ 
lich Schleimhaare wie bei Senecio vernalis. 


BestimmungsschlüsseL 

Die Maße beziehen sich nur auf den eigentlichen Fruchtkörper, 
nicht auf den Haarkelch (Pappus), der vielfach abgestoßen oder ab¬ 
gelöst ist. 

A. Kleine Früchte, etwa 1,2 mm und darunter. 

(ockerbraun, plump, Rücken hell, 0,8 Chrysanthemum sege tum. 
.] (Früchte der Strahlblüten). 
g en PP ^ horngelb, schräg gestutzt, Rippen elfen- 
f beinweiß, 0,8. 

ungerippt, hellbraun, [ 0,6/0,3, mit zerstreuten 
der Pappus ist ab-< Schwellhaaren. 

gefallen [ 0,6/0,2, also schlanker, haarlos. 

41,1, mit bei Benetzung sich sträubenden Sch well- 
] haaren, Pappushaare einfach, aber mit kurzen 
^ < Fiederansätzen. 

^ Jo,5/0,17, etwas kantig, graubraun, Baare am Grunde Gnaphalium uliginosum. 

S f 


a 
cu 
cu 
sC _ 

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Xi 

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fl 

CU 

CU 

ctf 

cm 


Matricaria chamomilla. 

Filago germanica. 


„ arvensis. 

Erigeron canadense. 


mit Fiederansätzen. 


B. Mittelgroße Früchte 1,2—3 mm. 


deutlich ( 2, plump, ockerbraun mit helleren Rippen, 
viel- < 1,6/0,7, mit hellgrauen Rippen, dazwischen 
rippige | querfaltig. 

3kantig, schwärzlich, Kanten weißgesäumt; 

Rücken gewölbt und mit 2 braunen Augen- 
[ flecken, 2 

2kantig mit häutigem Flügelrand, silber- 


| undeut-1 
lieh 
gerippt^ 
bi9 

kantig 


grau, 2,0,5. 


a 

»- 

X 

O 

42 


■§ 

© 

Sä, 

CO 


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CU 

CU 

« 

CM 


4—ökantig, schmutzigweiß, glatt, oben ein 
Spitzchen, 1,5/0,7. 

Kantig braun mit ilöckerreihen, 1,4/0,6. 
nicht gerppt und kantig, eiförmig, braungiänzend,oft mit 
4—5 Kelchzähnen, die abgerieben sein können,2,5—2. 
mit Spreublattschirm von 2,5 dm, schwarz, 1,5. 

3,07, hellrötlichbraun mit weißem 

1 Vorstoß. 

2,9/0,5, hei Irötlichbraun, oben mit 
scharfen Zähnchen. 

2,5/0,4, hellbraun, glatte Rippen, 
zwischen ihnen weiße Borsten¬ 
haare. 

2,2/0,3, graubraun, schlanker, 
schwächer gerippt, dicht mit 
rnuueu \ Schleimhaaren besetzt. 

Haaren J Fruchtflach, (elliptisch braun, feinhöckerig, 
jederseitsmit< 2,5. 

3 Nerven Ibreitelliptisch, glatt, 2,5. 

{ 3/1,3, graublau mit großem Grüb¬ 
chen, Pappus rostfarben. 

2,6/1,3, elfenbeinweiß mit kleinem 
Grübchen, Pappus weiß. 
Pappus mit Fiederhaaren, 2,9/1,2, mattbräunlichgelb 
mit Spitzchen (Federkrone oft fehlend). 


Chrysanthemum segetum. 
Arnoseris minima. 

Matricaria inodora. 


Achillea Millefolium. 

Anthemis arvensis. 

Anthemis cotula. 
Ambrosia artemisifolia. 

Galinsogaea parviflora. 

Crepi8 viren8. 

„ tectorum. 

Senecio vulgaris. 

Senecio vernalis. 

Sonchus oleraceus. 

„ asper. 

Centaurea cyanus. 

Centaurea solstitia- 
lis. 

Cirsium arvense. 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


327 


C. Große Früchte über 3 mm. 


m 

© 3 
fl ft 

°ft 


r 5/4—7/ 
I mit 5 
| 3,7/0,8, 

' Irn'i m 


3 

ft 

ft 

c6 

ft 


Pappus 
|mit ein 
fachen 
Haaren 


7/6, strohgelb, ringförmig zusammengebogen 
2 Reihen Haftzähnen. # 

strohfarbig, 3 kantig, örippig, schwach ge¬ 
krümmt. 

schwach gerippt, rehbraun, ge¬ 
krümmt, 4. 

4 kantig, dunkelbraun, fein quer- 
riefig. 

glatt, graublau mit rostbraunem 
Pappus. 

rotbraun, Rippen scharf gezähnt, 6 
strohgelb, am oberen breiteren 
Ende mit Häkchen; Schnabel 
mit Pappus sich ablösend. 
Fiederhaaren, Frucht rotbraun, quer- 


Frucht 

unge- 

fschnäbelt I 


Frucht ( 

, * e ‘ { 

schnäbeltj 

mit 


(Pappus 

gestreift, 4—5/0,5. 


Calendula arvensis. 

Lampsana communis. 

Tussilago farfara. 

Sonchus arvensis. 

Centaurea cyanus. 

Hypochoeris glabra. 
Chondrilla juncea. 

Leontodon antomnalis. 


HI. Echte NnBfrfichte der Nessel- und Knöterichgewächse 
(Urticaceae and Polygonaceae), 

sowie des Knäuel (Scleranthus), Erdrauch (Fumaria) und Finkensamen 

(Neslea panicdlata) 

(vgl. Fig. IU und Tafel VI, Fig. 4—7). 


Abbildungen 

Kleine Brennessel Urtica nrens L. 

Kleiner Ampfer Rumex acetosella L. 

Krauser Ampfer, „ crispns L. 

Windenknöterich Polygonum Convol- 
vulus L. 

Vogelknöterich « aviculareL. 

Ampfer-Knöterich „ lapathi- 
folium L. 

Flohknöterich „ PersicariaL. 

Jähriger Knaul Scleranthus annuus L. 

Dauer-Knaul Scleranthus perennis L. 

Finkensamen Neslea panicnlata Desv. 
Erdranch Fumaria offlcinalis L. 


Ha 979, 87 I II — Fig. IH 1 a u. b. 
W91; No348, 152 — Fig. III 2au.b. 
W 89; — Fig. III 3a, b, c. 

RK 47; W. 95; No 349, 153 — 
Tafel VI 5. 

W 94; No 349, 156 — Tafel VI 4. 
Bu IV, 33 ; W 92; No 349, 155 — 
Tafel VI 7. 

W 93 — Tafel VI «. 

Bu V, 2; No 351, 168. 

No 351, 168. 

Fig. HI 4. 

Bu I, 7; No 448, 251 — Fig. IH 5. 


Die Nessel- und Knöterichgewächse entwickeln ebenfalls keine 
freien Samen, sondern aus dem Fruchtknoten hervorgegangene hart- 
schalige Schließfrüchtchen (echte Nüßchen im Gegensatz zu den 
Teilnüßchen der Rauhblätter und Labiaten). Sie zeigen oft noch die 
Griffel oder Griffelansätze. Dabei sind die Früchte von Urtica 
(Fig. III, 1) 2 kantig, flach (selten 3kantig), die Früchte der hier 
in Betracht kommenden Knöterichgewächse (Polygonaceen) zeigen 
meist den 3 kantigen Typus (Fig. III, 3c). Die Früchte der Ampfer¬ 
arten (Rumex) sind meist von der doppelten Blütenhülle umgeben. 
Die äußere besteht aus 3 kleinen, nach oben geschlagenen Blättchen, 
die innere aus 3 geaderten großen, nach unten gerichteten. 



328 


A. NAUMANN, 


den sog. Klappen. Diese Klappen sind bei den meisten Ampfer¬ 
arten mit halbkugeligen, kissenförmigen, rötlichbraunen Schwielen 
versehen. 


Abb. III. 



Nußfrüchte. 

1 Urtica urens, a flache Seite, b schmale Seite. 2 Rumex acetosella, a Nuß ohne 
Klappen, b Nuß von den Klappen bedeckt. 3 Rumex crispus, a mit Klappen um¬ 
hüllt, 8 Schwiele, b dreikantige Nuß mit zurückgeschlagenen Griffeln, c Querschnitt 
durch dieselbe. 4 Neslea paniculata, nußartigos grubig-netziges Schötchen. 5 Fu- 
uiaria offlcinalis, gewarztes nußartiges Schötchen. 


Die Nußfrüchte des zu den Mierengewächsen gestellten Knaul 
sind von dem erhärtenden Kelchrohr eingeschlossen, welches noch, 
5 Kelchzipfel als Flug- bzw. Haftorgan trägt. Als echte Nüßchen 
sind auch die geschlossen bleibenden Schötchen von Neslea (einer 
Crucifere) und Fumaria (einer Papaveracee) zu betrachten. 


Bestimmungsschlüsael: 

a) Nüsse flach, oval 1,2/0,7. 

[ Klappen ohne Schwielen, Nuß glänzend 
rotbraun, 1,2/0,7. 

1 Klappe mit auffallender Schwiele, 
Nuß mit 3 zurückgebogenen Griffeln, 
2/1,5. 

I alle 3 Klappen mit Schwielen. 

/ n r /i r i i • t_ 


b) Nüsse 3kantig, 
von 3 Klappen 
umgeben. 
Gattung Rumex 


c) Nuß ohneKlap- 
pen, 2- und 3- 
kantig,dieKan- 
ten oft gerun¬ 
det. Gattung 
Polygonum. 


Urtica ureus. 
Rumex acetosella. 

„ crispus. 


Nuß 

flach, 

2 - 

kantig 

Nuß 

3- 

kantig 


P. 


,, conglomeratus. 

lapathifolium. 


2,5/1,5, kastanienbraun glän¬ 
zend, fein runzelig. 

2,75/2, kastanienbraun mit ab¬ 
gesetztem Spitzchen. 

2,75/2, kastanienbraun mit ab¬ 
gesetztem Spitzchen. 

3,4/2,5,dunkelbraun bisschwarz P. Convolvulus. 

3/1/5, dunkelbraun verschmä¬ 
lert, etwas dachig, P. aviculare. 


Polygonum 

caria. 


Persi- 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


329 


d) Nüsse vom 5- (hellgelb mit 5 spitzen abstehenden Scleranthus annuus. 
zähnigenKelche i Kelchzipfeln. 

eingehüllt,etwa \ schmutziggelb mit 5 stumpfen zu- Scleranthus perennis. 

4 mm lang. r sammengeneigten Kelchzipfeln. 

e) Nüsse kugelig, bis kuge- f olivbraun, gewarzt Fnmaria officinalis. 

lig herzförmig 2/2,3 \ strohgelb, grubig genetzt. Neslea paniculata. 

IV. Nußartige Früchte der Gftnsefußgewfichse (Chenopodiaceae), 

angeschlossen: Same des rauhen Amarant (Amarantus retröflexus) 

(vgl. Fig. IV und Tafel VI, Fig. 20, 21). 

Abbildungen: 

Melde Atriplex patula L. Bu IV, 31; No 33, 12. 

Vielsamiger Gänsefuß Chenopodium poly- Bu IV, 31; No 33, 12 — 
spermum L. Tafel VI, 21. 

Weisser „ „ albnm L. Bu IV, 30; W 87; No 90, 98 

— Fig. IV. 

Rauher Amarant, Amarantus retröflexus L. TafelVI 20. 

Abb. IV. 


Nußartige Frucht eines Gänsefuß. 

1 Chenopodium album, a mit übergeschlagener Blütenhülle, b von der Fruchthülle 

befreiter Same. 

Die einsamigen Früchte dieser Unkräuter enthalten einen meist 
dunklen, oft glänzenden, linsenförmigen Samen, dessen Durchmesser 
1 mm wenig überschreitet. Derselbe ist stets von einer dünnen grauen 
Fruchthaut ganz überzogen oder trägt, wenn abgerieben, deren Reste, 
so daß der Glanz der schneckenförmigen Samen nur teilweise wahr¬ 
nehmbar ist. Außerdem sind viele Früchte noch von der bleibenden 
Blütenhülle umschlossen (Fig. IV, la). Bei den Melden (Atriplex) 
liegt die Frucht zwischen 2 spießförmigen, bleibenden Vorblättern. 

Bestimmungsschlüssel: 

Same flach schneckenförmig, oft von gelbgrauer Frucht- Atriplex patula. 
hülle oder rautenförmigen dunklen Vorblättern um- 
geben, bis 3. 

Same glänzend braunschwarz, oft von grauen Resten Chenopodium albnm. 
der Fruchthülle bedeckt, 1,3. 

Same braunschwarz, etwas glänzend, sonstwie vorher. 1. „ poly spermum. 

Same raattschwarz, etwas kugelig gewölbt, 1. „ Botrys. 

Same fast immer frei, spiegelnd, hochglänzend dunkel- Amarantus retröflexus. 
braun, 1,2. 





330 


A. NAUMANN, 


V. Früchte der Rapunzel* oder Ackersalat*Arten (Valerlanella) 

(vgl. Fig. V). 

Abbildungen: 

Feld-Rapunzel, Valerlanella olitoria Moench No 446, 243 — Fig. V 2. 

Gekieltes ,, „ earinata Loisl. Fig. V 1. 

Gezähntes,, „ den tat» Poll = MorisoniiDC. BuIII, 2a u.b; No 446, 242. 

Geöhrtes „ ,, AnricnlaDC = rimosa Bast. Fig. V 3. 


Abb. V. 



Früchte der Rapunzelarten (Valerianella). 

1 Valerianella earinata, a Seiten-, b Außen-, c Innenansicht. 2 Valerianella olitoria. 

3 Valerianella Auricula, a Außenansicht, b Querschnitt, «a Same. 

Diese Früchte sind von sonderbarer, schwer za verstehender and 
sehr wechselnder Form, die bedingt wird durch einzelne samenlose, 
oft aufgeblasene Fächer. 

Bestimmungsschlüssel kann hier infolge der Abbildungen fort¬ 
bleiben. 


VI. Teilfrüchte (DoppelnuB) der Labkrautgewlchse (Rublaceae) 

(vgl. Fig. VI und Tafel VI, Fig. 8). 


Abbildungen: 

2I ) Klettenlabkraut Galium Aparine L. 

Dreihörniges Labkraut Galium tricorne Wilh. 
Zucker Labkraut „ saccharatum All. 
Ackerscharte Sherardia arvensis L. 


Ha 1027, 97 IV—VII; No38, 
33 — Fig. VI *-«). 

RK 17; W68. 

Tafel VI 8. 

Bull, 37; No 447, 241. 


Abb. VI. 



Teilfrucht eines Labkrautes (Galium). 

Galium Aparine, a Klettenfrucht, b dieselbo im Durchschnitt, 
c vergrößertes Hafthaar (nach Harz). 



Unsere FeldunJcräuter fix ihrer Btr.iöhung zum Futter. 


Mi 


£Der Same ist mittler FruebthuUe verwachsen. bpv.jen anfangs 
zti&^mrö jgeh bei der Keife in i sarten* 

affige Teil fruchte, die entweder giatw besUchelt oder gewam sind, 
Bn. Sberardia sind die Teüfruehte . etwa** länglich and rmt dem 
4 —fi-’/iihai^er!. Hafikelch gokrb 

ÖtÄÜinTnungsacbiüssel: 

A. TöUfnichto kugelig (bwund da Doch zu wöwq)* an/der Armtzstölle mit 
mehr oder weniger cingöbogcncm (irubohen. 

Durchmesser 2,2 y ovaitugol/g, rotbraun mit holleren Ajrfgerula arvonsis. 
Strichen, ßlzrig,' 

ovudkngelig. sehsrarzbraun, go\?arzt, Warzen Ualitmi Ajuirioe. 
mit Hakenliaur 3,3,2.8. 

Durchmesser ovalkugeüg,dimkejbrauuoi-weilkva$f riehen, r tncorne ! / * 

3 und mehr dieht wur/ig 3,1, 

reinkugelig, hellgraubrotm mit gefältelten sacehat aibhiv 

Warzen H,4. 

H Teil fruchte längHchrund mit bleibenden Kidehzahnon. 
schwMU .gokrüijanit*' /adfc *&*'. mit weißen änljogendön • 

Haaren 3,^V4 


Shorardia aryeoei^ 


Vfk D'ippelspftHlröchle der Doldengewächse |UmbeUH^rae) 

[u>f 1% VII und Tafel YL Fig l)}, 

Abbildungen: 

VenttAkhiam, KeaadLt pecieo Yeneriä 
BreithlSttrlge Targeliie, Twrgonia falifoUo Hdffw. 

Uaftdolde, CaucBii.s d?:m;-iide* L. 
aHdicddofde, Falcäm vulgAri* Ben»L 

Hasenohr,' L. 

ilqqdapetersi iiey .'6fei’ffe A oUiuVa &yit-:<ip rum V 


Mannstreu, Bryirgiuro campest re L. 


41>k VJI. 


t% VH 

m.yivti' 

kä! 

. W 60, 

- Fig.VilS, 

3, i>, 

IMJ.4G; ßaU.SOi Ha 1048 
106 t—IV; Nu Bö. IS 
- Pjp v n 4. Tal Vt 9, 

«i> u; w . ;•••; 



Dojipelspaltfrtiijhte tief |TiVl'denge>(i äch«p. 

1 ^'-»nOis jiCctOD Veneris, <1 Fruelitteil, h FfUolit mir Grimm», mit. 0rr.ßft», 2 Tura-*; 
latiloljäxKJetlenfnictn), 3 ßupleurura rotuQilifolwm, o Jtüeu'una&ijii'.bK b Fügeosfeitt 1 , 
c Q,uenefenitt. 4 Aßtbusa Cjrwpium, Querschnittmit ttinf Rippen u. seebg Oolitrjemen, 



332 


A. NAUMANN, 


Die Fracht trennt sich bei der Reife von unten nach oben in 
2 einsamige Spaltfrüchte. Diese Trennungslläche wird als Fugenfläche, 
der nach außen liegende gewölbte Teil als Rücken bezeichnet. Der 
Rücken führt gewöhnlich 5 Längsrippen (Fig. VII, 4). Die ver¬ 
tieften Riefen heißen Tälchen. In denselben verlaufen vielfach Oel- 
gänge sog. Oelstriemcn. Manche Spaltfrüchte führen zwischen den 
4 Hauptrippen 4 gleichläufige Nebenrippen. Diese können sogar stärker 
als jene entwickelt sein und tragen oft Stacheln. Die Umbelliferen- 
Früchte sind meist größer als 3 mm. 


BettimmungMcblOasel: 


Frucht mit 5 deutlichen grannenartigen Kelchzähnen, weiß 
beschuppt, 4,5. 

Frucht mit einer30 langen Granne undhellen Rippen, 10/1,7. 

Nebenrippen mit je 2—3 Stachelreihen. 

„ länger bestachelt als die 
Hauptrippen. 

Nebenrippen und 3 Hauptrippen gleich 
bestachelt 5. 

Spaltfrucht walzig, rotbraun, 
3/1,5. 

* entwickelt 1 s P altfrucht stabförmig, leder- 
entwickelt t braun> 3)5/0)8 

Rippen deutlich, scharfgekielt, Oelstriemen 
rot durchscheinend. 


Frucht 

bestachelt 


Frucht ohne 
Grannen und 
Stacheln 


Rippen 

schwach 


Eryngiura campestre. 

Seandix pecten Veneris. 
Orlaya grandiflora. 
Caucalis daucoides. 

Turgenia latifolia. 

Bupleurum rotundi- 
rolimn. 

Falcaria vulgaris. 
Aethusa oynapium. 


VIII. Teilfrfichte der NfiBchentrlger (Nuculiferac): 

Rauhblättler (Boraginaceae) und Lippenblütler (Labiatae) 

(vgl. Fig. VIII und Tafel VI, Fig. 10, 11, 22, 23). 

Abbildungen: 

1. Rauhblättler (Boraginaceae). 

Ackerkrummhals Lycopsis arvensis M. B. Taf. VI 10. 

Napfkraut Nonnea pulla DC. Fig. VIII 1. 

Natternkopf Echium vulgare L. Bu III, 41; No 447, 246 

* —Taf. VI 11. 

Sand-Vcrgißmeinnicht Myosotis strieta Link = M. arenaria Bu III, $9- 
Schrad. 

Buntes Vergißmeinnicht Myositis versicolor Smith 

Mittleres „ „ intermedia Link Taf. VI 22. 

Ackersteinsame, Bauernschmincke Lithospcrmum arvenseL. RK 22; Bu III, 42; W 80; 

No 448, 254. 

Wachsblume Cerinthe minor L. Fig. VIII 2 a, b. 


II. Lippenblütler (Labiatae). 
Gundermann Glechoma hederacea L. 

Ackerhohlzahn Galeopais Ladanum L. 

Gelber Hohlzahn „ ochroleuca Link 


Taf. VI 23. 

W 85 1, 2 — Fig. VIII 3. 
Fig. VIII 5. 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


333 


Stechender Hohlzahn Galeopsis Tetrahit L. 

Umfassende Taubnessel Lamium amplexicaule L. 
Purpurne „ „ purpureum L. 

Sumpf-Ziest Staehys palustris L. 

Acker-Ziest n arrensis L. 

Jähriges Ziest „ annua L. 

Ackerminze Mentha arrensis L. 


Bu V, 8; W85,3,4; No 447, 
249 — Fig. VIII 4. 

No 448, 253. 

No 449, 262. 

Fig. VIII 6. 

Bu IV, 16. 

'Fig. VIII 7. 


Abb. VIII. 




Teilfrüchte der Nüßchenträger. 

1 Nonnea pulla (graubraun). 2a Cerinthe minor, 2b Seitenansicht (grau, braun 
marmoriert). 3 Galeopsis Ladanum (graubraun, weißgefleckt). 4 G. Tetrahit (rot¬ 
braun, weißgefleckt). 5 G. ochroleuca (hellbraun, dunkel gefleckt). 6 Staehys 

palustris. 7 Mentha arvensis. 

Die Früchte beider Familien entstehen aus einem ursprünglich 

2 fächerigen, 2 sämigen, später 4fächerigen Fruchtknoten und bilden 
bei der Reife 4 harte Nüßchen mit deutlicher Trennungsstelle (falschem 
Nabel!). 

Die Nüßchen der Rauhblättler haben eine verhältnismäßig 
breite, seitenständige (Fig. VIH, 1 u. Tafel VI, 14) oder grundständige 
(Tafel VI, 15) Ansatzstelle, sind nach oben kegelförmig und meist 
deutlich gekielt. Der Grund ist also stets breiter als der 
Spitzenteil. 

Die Nüßchen der Lippenblütler haben einen kleinen Nabel 
und besitzen ihre größte Breite im oberen Teil. Die Früchte 
sind vielfach hell oder dunkel gefleckt und die Fruchtwände sind oft 
quellungsfähig. 




334 


A. NAUMANN, 


Nüß- 
cben 
über 
2 mm 
ang 


Bestimmungsschlüssel: 

A. Früchte nach dem Nabel zu am breitesten 
Nabel f rehbraun, an Nabel gefurcht, 3/2 
seitenständigl graubraun, 3,5/3 


Nabel 

grundständig 

Früchte 

höckerig 


füllhornartig, 3 kantig, niedrig ge- 
warzt, graubraun, 3/2 
füjlhornartig, hell oder dunkelgrau, 
gegen die Spitze längsgefurcht. 
Iglattgrau, braun marmoriert, 


Nüßchen t spiegelnd dunkelbraun, 1,5/1. 
2,5/1,8 unter < 1,2/0,8, unten breiter. 

2 mm lang ' 1,2/0,7. 


(Boraginaceen). 
Anchusa arvensis. 
Nonnea pulla. 

Echium vulgare. 

Lithospermum arvense. 

Cerinthe minor. 

Myosotisintermedia. 
„ versicolor. 

„ arenaria. 


B. Früchte nach dem Nabel zu verschmälert (Labiaten). 

Nüßchen über / 3,2/3 breit, rotBraun mit weißen Filzflecken G.Tetrahitundpubescens 
2 mm lang, nach ) 3/1,5, schlanker, hellbraun, zerstreut, 6. oehrolenm. 
innen etwas drei- \ schwarz gefleckt. 

kantig,Galeopsis * 2,5/1,5, matt filzig, graubraun, weiß gefleckt. 6. Ladannm. 

rotbraun matt mit weißemNabelspitzchen,2/1 Glechomahederacea. 
hellgraubraun, mit weißen Punkten, 2/0,9 Lamium amplexicaule. 
rehbraun, etwas glänzend, einfarbig oder 
gering gefleckt mit häutigem, hellerem 
Nabelansatz, 2/1. 

nur / braunschwarz, feinrunzelig, 1,7/1,5 breit. 
i iranHrr J hellbraun, undeutlich heller gefleckt, ge- 

StaThvs I wölbter ’ 

* ' entfernt schwarz gewarzt, gewölbt, 1,6/1,2. 

Nüßchen nur 1 mm: hell rehbraun, mit weißem Spitzchen, 
im Wasser quellend. 


mit 

Neigung 
zur Drei- 
/kantigkeit 


purpureum. 


Stachys annua. 

„ palustris. 

„ arvensis. 
Mentha arvensis. 


IX. Teilfrfichte der Storchschnabel- and Malvengewftchse 
(Oeraniaceae und Malvaceae) 

(vgl. Fig. IX und Tafel VI, Fig. 24). 

Abbildungen: 

Schlitzblättriger Storchschnabel, Geranium disseetnmL. Bu I, 35 — Fig. IX la u. b. 
Niedriger „ w pusillura L. No 447, 245. 

Reiherschnabel, Erodinm eicntarinm THdrit. No486,323 — Fig.IX 2au.b. 

Rosspappel, Malva silvvstris L. RK 24. 

Käsepappel, Malva neglecta Wallr. Bu I, 31; No 35, 20 — Tafel 

VI 24. 

Die Storchschnabelgewächse besitzen 5 an einer Mittelsäule 
hängende Teilfrüchtchen. Diese lösen sich von derselben entweder 
mit einer bogenförmig aufwärts rollender (Fig. IX, la) oder mit spi¬ 
ralig gedrehter Granne (Fig. IX, 2 b) ab. 

Bei den Storchschnabelarten werden die Samen aus der Teil¬ 
frucht entlassen, meist fortgeschleudert, und besitsen einen 3 kantigen 
Querschnitt. Bei dem Reiherschnabel öffnet sich die Teilfrucht nicht. 

Die Malven ge wächse besitzen 10 und mehr Teilfrüchtchen, 
tortenstückartig um eine fleischige Mittelachse (kurze Mittelsäule) ge- 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


335 


lagert. Die Teilfrüchtchen haben nierenförmige Gestalt und sind nach 
innen keilförmig zugeschrägt (Tafel VI, 24). 


Abb. IX. 



Teilfrüchte der Storchschnabelgewächse. 

1 Geranium dissectum, a Teilfrüchtchen geöffnet, b genetzter Same. 2 Erodium 
cicutarium, a Fruchtteil mit Beginn der gewundenen Granne, b Frucht mit Granne. 

Natürl. Größe. 


Teilfrüchte mit 
Grannen 
Samen keil* 
förmig 

(Geraniaceae) 

Teilfrüchte ohne 
Grannen, Samen 
nierenförmig 
(Malvaceae) 


Bestimmungsschlüssel: 


Granne nur bogen- f 
förmig gewunden \ 

Granne mit spiraligen I 
Windungen j 

Teilfrucht auf dem ' 
Rücken runzelig, 
1,5/1,6. 

Teilfrucht auf dem 
Rücken glatt, 2/2. . 


Samen glatt, 1mm 
„ genetzt 
Haare und Teil¬ 
früchte rostfarben 
Haare und Teil¬ 
früchte weißgrau 

Samen sehr ähn¬ 
lich, 

nierenf. graublau 


Geranium pusillum. 

„ dissectum. 
Erodium eicatariam. 

„ moschatum. 

Malva neglecta. 

„ silvestris. 


X. Früchte bxw. Samen der HahnenfuftgewAchse (Ranuncnlaceae) 

(vgl. Fig. X und Tafel VI, 25, 26). 

Abbildungen: 

Schwarzkümmel, Nigella arvensis L. Bu 1,2; Ha 1071, 118 I u.II — Fig.X 2. 

Feldrittersporn, Delphinium Consolida L. RK 14; Bul, 3; No464, 293 — Fig.X 3. 
Kriechhahnenfaß, Ranunculus repens L. Bu I, 1; No 341, 158 — Fig.X 1. 
Ackerhahnenfuß, „ arvensis L. RK 31; No 39, 36. 

Feuer-Adonis, Adonis flammeus Jacq. Tafel VI 25. 

So mm er -Adonis, Adonis aestivalis L. RK 29 — Tafel VI 26. 

Die Hahnenfußgewächse besitzen als Früchte kürzere oder 
längere Balgkapseln, von denen die einsamigen des Hahnenfußes und 
des Adonis geschlossen bleiben. Die mehrsamigen entlassen ihre von 




336 


A. NAUMANN, 


einander recht verschiedenen Samen, so daß wir von 
reichen Familie ira Futter teils Früchte, teils Samen 
haben. 

Abb. X 



dieser arten- 
zu erwarten 


Früchte (Balgkapseln) und Samen der Hahnenfußgewächse. 

1 Ranucuius repens: geschlossen bleibende Balgkapsel. 2 Nigella arvensis, a be- 
perlter Same, b Formenumriß ohne Struktur. 3 Delphinium Consolida, a Same 

tetraedrisch, 6 Same oval. 


BestimmungsschlQssel: 


Schlie߬ 
früchtchen, 
balgkapsel- 
ähnlich 

Aechte 

Samen 


2,4, glatt, mit Schnabel, feinpunktiert. 

5, mit kegelförmigen Stacheln. 

} 4/4 3 

4,8/5 plumper. 
Samen dicht mit rauchgrauen Schuppen be¬ 
setzt, tetraedrisch, 2/1,5. 

Samen 3 kantig, schwarz beperlt, 1,7/1. 


R&nunciiliis repens. 

„ arvensis. 
Adonis aestivalis. 
„ flammeus. 

Delphinium consolida. 

Nigella arvensis. 


XI. Nabelwulsttragende Samen der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) 

(vgl. Tafel VI, 27-30). 

Abbildungen: 

Jähriges Ringelkraut, Mercurialis annoa L. Fig. XI. 

Sonnen-Wolfsmilch Euphorbia helioscopia L. Bu IV, 35; W 96; Ha 829, 

46, XIV u. XV; No 66, 63 


— Tafel VI 27. 

Garten- „ „ Peplus L. Ha 829, 46, XVII u. XVIII; 

No 66, 65 — Tafel VI 30. 

Kleine . _ exigua L. Ha 829,46; XX u. XXI; No 

64, 66 — Tafel VI 29. 

Zypressen- „ „ Cyparissias L. Ha 829, 46, VIII u. IX; No 

66, 62 — Tafel VI 28. 


Die bohnenförmigen Samen zeigen einen fleischigen, eingetrocknet 
wachsartigen Nabelwulst (caruncula)*) und stecken in Teilfrüchtchen, 


*) Diese Samen, sowie diejenigen von Lamium, Viola und Melampyrum arvense 
sind myrmekochor. 





Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


337 


welche in 2 elastischen Klappen, die Samen fortschleudernd, auf¬ 
springen. Diese Fruchtklappen sind den Samen öfter beigemischt. 


Abb. XL 



Samen der Wolfsmilchgewächse: 
MercuriaJis annua. 


Bestimmungsschlüssel: 


A. Samen nicht viel über 1 mm (unter 1,5 mm). 

Grau, grob gewarzt, 1,3/0,9 Euphorbia exigua. 

Weidlich grau mit 4 Reihen großer Gruben, an der flachen 
Seite 2 Langgruben, 1,4/1. „ Peplus. 


B. Samen über 1,5 mm, etwa 2. 
Mit deutlicheraf graubraun, scharfkantig, genetzt, 2,2/1,5. 
Nabelwulst ' braun, bläulich bereift, 1,9/1,3 

SSSSt »*«. wi* 


, helioscopia. 
„ cyparissias. 

Mercurialis annua. 


XII. Nlerenförmige Samen der Nelken-, Mieren- nnd MohngewÄchse 
(Silenaceae, Alsinaceae, Papaveraceae) 

(vgl. Fig. XII u. Tafel VI, 31-34, 38.) 


Abbildungen: 


Kornrade, Agrostemma Githago L. RK 1; W65; Ha 1077,119 IV; No 

68, 77. 

Gabel-Leinkraut, Silene dichotomaEhrh. Bul, 25 — Tafel VI 32. 
Franzosen-Leinkraut, Silene gallicaL. Tafel VI 31. 

Nacht-Lichtnelke, Melandryum nocti- „ VI 33. 

florum L. 

Gipskraut, Gypsophila muralis L. „ VI 34. 

Kuhkraut, Vaccaria segetalis Greke. RK 50 — Fig. XII 1. 

Rasiges Hornkraut, Corastium triviale Link. Bu I, 30; No 68, 78. 
Knäul-Hornkraut, „ glomeratumThuill. Fig. XII 2a-c. 

Sandkraut Arenaria serpyllifolia L. Bu I, 28 — Fig. XII 4. 

Ackerspark, Spergula arvensis L. Ha 1086, 122 III. 

Friihlingsspark, „ pentandra L.(—Morisonii Bu I, 27; Ha 1086, 122 IX; No 484, 
Bor.). 318. 


Spurre, Holsteum umbellatum L. 
Hühnerdarm, Stellaria media Vill. 
Hornmohn, Glaoeium cornicnlatum Curt. 

Sandmohn, Papaver Argemone L. 

Klatschmohn, Papaver Rhoeas L. 


No 68, 81 — Fig. XII 3. 

No 68, 79. 

Bu I, 5, abgebildet ist luteum Scop 
— Fig. XII 5. 

W 60 — Fig. XII 6. 

Ha 992, 91 VIII; No 66, 69 — 
Tafel VI 38. 


Saatmohn, Papaver dubium L. 


Ha 992, 91 X; No 34, 15. 


Archiv f. wis.ensch. o. prckt. Tierheilk. Bd. 44. Sappl. 


22 




Aicrr'rilor mige SjattB:e,t' d«tr K•*< kt*r>-. Mm-* r u• •.>&<! M«i»ng6'ir&?hs>j. , 

1 Vftt’« 9 ria suijetalis (als Ausoabm«? nnihi ni*T*.-nii-rn:!<:. sr.n.l»-ni kugelig;.. Cor-, 
astiuiri gl'umtm'um, a Same, h kajü-igt 1 K..rm (di>p{)«Mt;i Yergrüfinrutig-h Ä-die zerytfefete 
AVarumg.- . $ Huh*teum umln-Hatm». -4 A^üina AerpviliMia. .5 b'hauuura. 

. ß.} r n.poyi:v' ArgCm_oAe. . . . 

Die Samen dieser 3 Familien lassra sieh %n einer ' Gruppt* . roh.. 
N'.vmii'orm zur.aromeöfasscD, zu weieW» die.'' früher hehandeiten 
mit ihren stshueckeiiförniigcii .Samen enge Ver\vandisoha,fi 

haben. 

Die Nieren form enjspiidhidero"öl^riiYiri mtpri, »ia-«« Nährgewebe' 
iTM.Bebi.i'efi«:.udcri;K^imll'ikß.' .Die SäineaBbhaie ist meist mit konzen* 
tr»»chen llbekmrc-ihen geziert, zwischen tieüen oft' eine ornamentale 
Feldevuog eintritt (vgl; Tafel VI, dl—34 e 

Bei den Nelkengewaelisen macht der Same des Knhfcrautes 
'big. XU. i| eine Ausnahme durch seine ausgesprochene Kogel form, 

Kr ähnelt einem Uapssarobö, d'xdi besitzt. er eine fein«' gletcbiieitjjge 
Hückerim# und schneeweißes Sameninnere fEndöspertn/. 

Unter den Mierengewadhsen n t die Niereufonn bei Oirnimni durch 
seitlich abpiüttenden Druck etwas jdssfön fFig.:Xil r ‘2 b«, und.Hobtideuro 
ersfb.not kugclsokiörabiilioh kantig'. Der fast kreisruidh* Same von 
Sperg'da pefilandra ist praehUg weiß gcfiügeli. Ihe Nmiooform der 
Mohngewächsv «Uig. \il. b) rsr etwas schlanker, weniger gedrungen 

Beatfmxmingascb Hisset: 

A. Same sehr klein, Me listen* 05 nmi. 

.Schwär?.* glänzend-, nautilusartig, Ö,3/Q f 4 (iyp.SvvpbTla wufali?Cv\M / ’ 

Helli*6tbräin, zerstreut mit glänzenden Wätzoiien bedeckt, (>ra^tiaw*ArtibmC 
etwa* kantig, 0.5. 

Schwarz, trocken matt, feucht glänzend mit reizender Arenaria serjiytlifolift* 

Fetdstiang, 0 X 5/Ö,4 










Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


339 


B. Same klein, 0,5—1 mm. 

Same durch hervortretendes Würzelchen kantig, gold¬ 
braun, flach gewarzt, 0,9/0,7. 

Same deutlich {etwa 1 mit rechteckigen Gruben 

/Wl bis dunkelbraun 
’ G„b» {bläulich bis stablgrau 
Same nierenförmig mit Höckerreihen, rost- bis graubraun, 1 

C. Same mittelgroß, über 1 mm. 

Same kugelig, schwarz, gleichmäßig höckerig, 2/2. 

I mit scharfen Grubenreihen, 1,5/1. 

mit Höcker- f8 rau ’ K länzend schwarz 
reihen Punktiert, 1,4/1. 

' mäusegrau, 1,5/1,2. 

mit nierenförmiger Nabelgrube und 
Rippenreihen. 

[3—4, schief zusammengedrückt mit konzen¬ 
trischen Spitzenreihen. 


Holosteum nmbellatnm. 

Papaver Argemone. 

„ Rhoeas. 
n dubium. 

Stellaria media. 


Vaccaria segetalis. 
Glaneinm -Arten. 
Silene dichotoma. 

Melandryum nocti- 
florum. 

Silene gallica. 
Agrostemma Githago. 


XIII. Samen der KrenzblOtler (CrucHerae) 

(vgl. Fig. xm und Tafel VI, 35-37). 


Abbildungen: 

Feldkresse Lepidium campestre R. Br. 
Ackertäschel Thlaspi arvense L. 

Ackersenf Sinapis arvensis L. 

Hederich Raphanus Raphanistrum L. 

Windsbock Rapistrura perenne All. 
Runzel-Windsbock Rapistrum rugosum Berg. 
Hirtentäschel Capsella bursa pastoris Med. 
Saat-Dotter Camelina sativa Crantz 

Lein-Dotter „ dentata Pers. 

Frühlings-Hungerblume Draba verna L. 

Kressling Stenophragma Thalianum Celak. 
Lack-Schöterich Erysimum cheiranthoides L. 
Germsei Berteroa ineana DC. 


RK 23 — Taf. VI 37. 

Bu I, 16; W 62; No 67, 75. 
RK 37; W61. 

RK 32; W 64; No 36, 22. 
RK 33 — Taf. VI 35. 

Taf. VI 36. 

Bu I, 19; W 63. 

RK 11; Ha924, 71 IV; No 95, 
104. 

Bu I, 17; No 450, 274. 

RK 49 — Fig. XIII 4. 

Fig. XIII 3. 

Fig. XIII 2. 

Fig. XIII 1. 


Die Samen der Kreuzblütler enthalten nur den Keimling, der aus 
dem umgebogenen Würzelchen und den beiden fleischigen, ölhaltigen 
hie und da gefaltete Keimblättern besteht. Je nach der Lage des 
Würzelchens kann man 3 Gruppen unterscheiden: 

I. Seitenwurzelige: Das gebogene Würzelchen liegt dem Rande 
der Keimblätter an. 

II. Rückenwurzelige: Das gebogene Würzelchen liegt auf dem 
Rücken eines der Keimblätter. 

III. Längsfaltige: Das Würzelchen liegt innerhalb der gefalteten 
Keimblätter. 


22* 



340 


A. NAUMANN, 


Abb. XDI. 



Samen der Kreuzblütler (Cruciferen). 

1 Berteroa incana, Samen mit schmalem Flugrand. i? Erysimuro eheiranthoides, zwe 
Samen. .9 Stenophragma Thaliana. ^ Draba verna. 5 Schote von Rapistrum perenne. 


Da sich sowohl Würzelchen, als Keimblätter in ihren Konturen 
durch die Samenschale hindurch etwas abzeichnen, haben wir bei I 
meist flache, bei II meist ovale bis walzliche, bei III runde Samen. 
Bei Neslea wird der Same nicht frei, sondern verbleibt in dem nu߬ 
artigen Schötchen, ganz wie beim Erdrauch, (vgl. Echte Nußfrüchte!) 


Bestimmungsschlüssel: 

A. Samen höchstens 1 mm. 

0,3/0,2, gcibbräunlich. Stenophragma Thaliana*). 

0,4/0,3, gelbbräunlich, etwas rauh mit Nabelspitze, Draba verna*). 
plumper. 

1, rotbraun, flach langoval. Capselia buisa pastoris. 


B. Samen über 1 mm. 
Neben d.Wür- f 2,5/3, kugelig,dunkelbraun, zartgenetzt. 

Zeichen mit l 1,8,1,8, fast glatt, braun. 
Doppelfurchen 11,9/1,3, also schlanker; hell rotbraun, 
mit Flugrand, flach, goldbraun, 1,6/1,1 
I kugelig, glatt, schwarz, 1,5. 

[ zusammengedrückt, konzentr. gefurcht, braun¬ 
schwarz glänzend, 2. 

5* J langoval, gelbbraun, 1,4. 
t** \ walziich oval, gelbbraun, glatt, 1,8/2,2. 
g I etwas größer bis 2,8. 

f oval, zugespitzt, graubraun mit dunkleren 
Seiten 2/1,2. 


fl 


T3 

d 




Raphanus Raphanistrum. 
Rapistrum perenne. 

„ rugosum. 

Berteroa incana. 

Sinapis arvensis. 

Thlaspi arvense. 

Erysinum cheranthoides. 

Camelina sativa. 

„ dentata. y 
Lepidium campestre*. 


*) Lepidium campestre besitzt Samen, aus deren rauher Schale beim Be¬ 
feuchten ein gallertiger Schleim gleich Perlen hervorquillt und schließlich in langen 
zarten Schleimstrahlen den Samen umgibt (Tafel VI 37). Aehnlich seheint es nach 
der Anmerkung Burchard’s (l. c. S. 18) mit Erysimum orientale R. Br. zu sein. 
Auch Harz gibt S. 916 an, daß manche Samen der Cruciferen bei der Reife in 
ihrer Samenschale reichlichen Pflanzenschleim erzeugen. Ebenso verhalten sich 
auch die winzigen Samen von Draba verna und Stenophragma Thaliana (Ver¬ 
breitungsmittel?). 



Unsere »MuGkriutfr in \hrtr Bd&idmng «um Futter. 341 

XIV, Samen der SchmeHeflingsbffifler {Papütöiurctee} 

(vgl. F»g. XIV und Tale; VS, 1*-^ Iß). 

Abbildungen v ^ x v 

A^kftrkfce« Wasettklee Trifoliom h. Nb 8$V Wh - Fig; XiY $j 

Ilo^fr^ötlee Medir^o iupolina L*. t 

(Nf?. Die mit fr.*?mdeu Samyn 

:'inguati/iÖ.|m 4 H'. - RR 41 

t’nga-nscne r ,, panDüiika Jaerj.. RK 40. 

Vogelvnek» , crac^a L. Thl V] l& 

ZoUrlfdeK* ?iHe«a Rofb, RK4$ - Fi& j<lV f 

R»ur^ |®&ii}ifiy.e Yjei* hirsut* 1.. Nt. 05, 5l>. 

Vic>rs;i»nige • ViVeVlinsd -Vitia tctröüperma L, , N'o :2R. 8-. 

H auhr V l«Mpri. so UI.by r US * ph.a^a L BK 34 ü. 30 — Tat. VJ 14. 

BUttinse Platterbse Lathyrua Nrssiilia L T*kf. VI 10. 

Erdmande.l Rtttbyrus tub^rdsüs R ,-. RK 20 — Taf. Vi t3 


•Vbh x>v 



1 Kugeliger «Same yntj Vitia ydlm»a. 2 Same von .Vs»ii«>agö tupuhna mit «ah«*-' 
artigem Y0r$prODg t .■» !r=5? -.Näfcrej und # ^ Strö^Möium, 3 Oviier 

Same Von Trifolium arveost? 

Die Hulsoflfrüchte besttzen wfe »ijie KV<&:<btitt 1er, einen rutöjaJ^: 
Embryo, Da* eigentliche XährgßWßbe ■ ist ?«if ’ •kjtmpmrtHdtft 
beschrankt. sh daß die Sumtenfappen {fiotyiödphcn) >41 NährstßtT- 
hßhäUcm geworden sind. Infolgedessen sind ?}?<’ Sjimeniijgfpp fleischig . 
bis hornig, dick lialb'feogefig oder ellipso-disch und gjgföiv dem Samen 
eine kugelförmige, linsenförmige oder bohnenfonnige (JestaU.. Dje 
kugeligen Manien, sind hie und da etwas plauged rückt und werden 
auch 'unregelmäßig ' kantig oder beuiig,, Die Sa men sind hau dg bei. 
dersedben Art verschiede?} gefärbt:; gelb, hellbraun, dunkelbraun new,, 
auch die dunkle Scheckung kann hie i,ukI da fe-.io*;. Stebr da* 
Würzelehen • von den Kotyledonen ab, zeig? o> - $$$$ nue» i&hnv 
artigen Verspreng ar.o Nabet fbig. XJV, lAegt 4d* 'A‘iirv;ek:h«ö 
den Keim blättern dicht an, so i*..f. tu Sani»- rein' bV».l, wu bei Trifolium 
an'ense tPig. XIV, 3;. Hein? Hßpfeukiee (XIV, >2) b>»ibi. der Same 
meist in der duuklcp, ^cshaeckcnartig ' .gekrÄttiBi^ •* r|k*ri>df!ä«öjg^ ? 



342 


A. NAÜMANN, 


mit starkem Adernetz versehenen Hülse (Tafel VI, 13), die dadurch 
für die Erkennung der Art charakteristisch wird. Der Nabel hebt 
sich bei den Papilionaceensamen meist durch besondere Färbung und 
Deutlichkeit von der Samenschale (Testa) ab. Außerdem findet sich 
in einiger Entfernung vom Nabel ein ra. o. w. deutlicher Höcker oder 
Wulst, das Strophiolum (XIV, 3 s). Die Länge des Nabels, welche 
allerdings bei derselben Art etwas schwankend ist, kann zur Be¬ 
stimmung der Samen herangezogen werden. Man gibt sie am besten 
in Bruchteilen des Samenumfanges an. 


Same oval, 
bohnen- 
förmig 


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< 0,9, 


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BestimmungtschlQMel: 

1,5, mit zahnartigem Vorsprung am Nabel, 
hell- oder dunkelbraun, 
rein oval, grünlichgeib. 

5, etwas glatt, duokelgrau bis braun, Nabel? 

' reinkugelig, graugrün oder 
braun. 

reinkugelig, dunkeloliv, oft 
gescheckt, Nabel Vs des 
Umfangs. 

schwarz, matt mit blauem 
Hauch. 

i li j ^etwas unrund, hell- oder 
platt oder f dunkelbraun ; y 

gedrückt I etwas flachgedrückt, grün- 
^ ^ lichbraun, dunkelscheckig. 

2,8/2,4, olivgrün, deutlich gescheckt, 
Nabel Vs des Umfangs, 
olivgrün, undeutlich gescheckt, Nabel 
7e des Umfangs, 
gewarzt, olivgrün, dunkelgefleckt, kleinnabelig, 2,3. 




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wenig 

gedrückt 


> ( 2 , 8/2 

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Medicago lupulina. 

Trifolium arvenoc. 

Vicia pannonica. 

„ angustifolia. 

„ cracca. 

„ villosa. 

Lathyrus tuberosus. 

„ aphaca. 
Vicia hirsuta. 

* tetrasperraa. 
Lathyrus Nissolia. 


XV. Samen verschiedener Pflanzenfamilien. 

(vgl. Fig. XV u. Tafel VI, 17, 18, 39, 40, 41, 42.) 

Abbildungen: 

Liliaceae: 

Feuerlilie, Lilium bulbiferum L. Fig. XV 1. 

Muskatträubchen,Muscari botryoides Lam. et DG. 

Oxalidacoae: 

Aufrechter Sauerklee, Oxalis stricta Jacq. Bu I, 36; No 450, 272. 

Violacoae: 

Feldstiefmütterchen, Viola tricolor. No 17 b. 


Primulaceae: 

Ackergauchheil, Anagallis arvensis L. BuIV, 26; No33, 14 — Tafel VI 41. 


Convolvulaceae: 


Ackerwinde, Convolvulus arvensis L. 

Kleeseide, Cuscuta Epithymum Mur. 
Flachsseide. „ Epilinum Wh. 
Außerdem C. lupulifoimis Krock. 


RK 8; Bu V, 7; W 75; Ha 153,36; 
No 449, 260. 

Bu III, 37; W 76; Ha 159, 37 VII. 
W 78; No 187, 13 u. 477, 311. 

W 79; Ha 759, 37 X; No 477, 312- 




Unsere Feldxmkriiater in ihrer Beziehung zum Fatterv 


iSame» vef^i'hiedenÄter ¥ amilieh,. •in^b’e‘ 3 ;ot(d( 5 re der • U '1 ödk-^ä-bl'ä.w.edW 

Wegerich.- und Braun<r ur*sewh<*h5e, 

? »ui»um kiiMferuro. ^ >*1r.Umpyrun» aa^c. S Cxmpuiioj* rapnaöuhiiün^ f Mpe 


oalana Spmmhrm $ d*imoo s montan*. *1 Soiamar» 'nizrutn. 7' Voronici heden 
ffÄifi # V^'Uü.a au^n-. , ( > Vorort fr» Toun»e«orti». ./'/ Vorotmot triphvlius. 
U Vmr;niea' siupy>jifv*ita U, U rrot \>uro?chrtiUsforw üaruntnv'. Linarfa 

vul^au^ /Ä Lirtans spona. i4 Linaria jmensis. D5 Ltaaria «nnor. 


Solanaceae 


Bilsenkjr»ai, llyo*<yamti> njger L.; Bu lb t id ^ 

S^rophulafiaceac: 

Tänuo 1/Leinkr;.\u, Linanä Eiatinc Jtfül. No 44iN 36T; 

lichte* $ <0 fcjmriu MBt. Bu Ifj i: - f-jgjCf läl : v 

Kleine ii $ mmr h. -■ Fig XV 16 

, v -timnsi# L>. Kig. X.V 14 . 

•^)Fratte.ull*idt«, *. vulgaris L Nu dB, .70 — ti£> XV 1.2. 

\r T ker-JLüfr e h m a uk A n l;irr hr a d m o ro ti Upit) ^ t » %ift3VU 42 

Ehreupm*, Vexdnjca *erfy\\HMfo L, %. X V H 
Dveiieiiigtr Efcr«jij>r«itt, V triphyllo* L T(& XV 10 
Großer Ebreüjin*ix, ... Timrni*f^e*JV1lwrfr FxgYXV' 9 

A#*r i» r V Bo IV. 1 Nu d54. 370 - F,y XV* 

Ephea FJxrrnpms ,, htderifolia 1.. j$i& VV 7 

Arker*SVadf5elHetzet!, HeJ^mpyrm» arvmek HK 2F u .51 W B $J| \Y 7 
Za : hnrro*D Udo an tos v-ri>;i Dum. \l\vrj Vi &Sf. 

AokorliJappoTtop:. Aioo LuruiyptiUS müjf.r Bel»):. \V t'2 • ffii '*“0. . >'V \>/o*/72v 

j var. );»tm *iFu .7 Ä I L Kl\ . 54 ; Nh *) 7 . 72 -- •• ‘Du'rj! Vf * 7 

Haufkreo^ Dn>ba,nVbc f»*u»osa L Ih 1 ‘m, bC. ViD. 

Klvekrebi, * ml not lj W M3. 

'«) Tafel IV. 10, 


TateVVl.iO. 


343 






344 


A. NAUMANN, 


Plantaginaceae: 

Spitzwegerich, Plantago lanceolata L. W86; Ha 985, 89 I—III; No 361, 

171 — Tafel VI 18. 

Sand Wegerich, „ arenaria W u.K. 

Breitwegerich, „ major L. Ha 983,88 III. 

Campanulaceae: 

Acker-Glockenblume, CampannlarapnneuIeidesL. Fig. XV 3. 

Frauenspiegel, Specularia Specolnm DC. fll. Bu III, 36 — Fig. XV 4. 
Bcrg-Jasione, Jasione montana L. No 349, 162 — Fig. XV 5. 


Betümmungaachiaaael: 

A. Same klein, höchstens 1,2 mm lang, alle ungeflügelt. 

! 2 spitzig mit Querrunzeln, 1,2/0,7. Oxalis stricta. 

.uri 8 u.».d SSrlÜES“ 

3kantig, oft noch zu Päckchen vereinigt, spitz Anagallis arvensis. 
gewarzt, dunkel, matt, 1/1. 

1 kantig (Kugelsektor), etwas i feingrubig, 0,9. Cruscuta Epithyraum. 

beulig, bräunlich, \ grobgrubig, 1,2/0,9 „ Epilinum. 

. unregelmäßig kantig, braun, feinwarzig, 0,8'1,2. Plantago major. 
r nußartig, mit <Fiügelleisten, scharf 
| Flügel leisten, < B stumpfer, braun- 

0,8 ' schwarz 

schildförmig f0,8, honiggelb 

gehöhlt 11, goldgelb, querrunzlig, 
d) keulenförmig, 0,3, feingenetzt, vor der Spitze nieren¬ 
förmig eingedrückt. 

nicht nierenförmig. 

e) schildkrötenförmig, schokoladenbraun; oben gekielter 
Schild, Unterseite fußartig zerklüftet, 1,2/0,'7. 


b) kantig 


c) oval 


Linaria minor. 

„ Elatine. 

Veronica serpyllifolia. 
,, arvensis. 


Orobanche ramosa. 

„ minor. 
Antirrh inuni 
Orontium. 


B. Same mittelgroß (mehr als 1,2 bis zu 
Flügel deulich geadert, 


geflügelt oder 
mit schmal 
häutigem 
Rand 


mit breitem 
Flügelrand, 
flach 


bronzefarben, 2,2. 

Flügel fein gewarzt, hell- 
graubraun, 1,3/1,3. 
Flügel undeutlich geadert, 
bronzefarben, 1,8/1,5. 
häutig berandet, oval, hellbraun spiegelnd, 
1,5/0,9. 

a) schildlausartig, hohl-f £ r °5gö*arzt { 2/1 

oval bis hqhlkugelig | auerrunzeliff 1.8/1,-4 

^ querrunzelig \ halbklJgelig> 2 /2 

b) bimenförmig mit Nabelwulst, hellbraun glänzend, 

1 , 2 / 1 , 5 . 

c) eckzahnartig, 1,8/0,8, elfenbeinweiß mit Längs¬ 
rippen, Zwischenfelder fein quergestreift. 

x nierenförmig/ feinnotzig, 1,7/1,3, hellockergelb, 
platt \ grobwarzig, 1,4/1, silbergrau. 

^ fe) kugelig, schwarz, feinrunzelig mit breitem Ansatz, 1,5. 
[f) weizenkornartig, mattschwarz, goldhaarig,am unteren 
Ende weiß gefältelt, 2,7/1. 


3 mm). 

Linaria spuria. 

„ arveasis. 

,, vulgaris. 

Campanula rapunculoides 

Veronica triphyllos. 

Tonrnefortii. 
agrestis. 

,, hederifolia. 

Viola tricolor. 

Odontites verna. 

Solanum nigrum. 

Hyoscyamus niger. 
Muscari botryoides. 

Melampyrnm arvense. 


j» 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


345 


C. Same groß, über 3 mm lang, 
geflügelt j breitgeflügelt, 10/8. 
flach ( schmalgeflügelt, graubraun matt, 4/3,5. 


ungeflügelt 


oval mit Fugenspalte, 3/1,2, braunrot bis 
dunkelbraun, gleichfarbig, 
mit hellerem flachen Rücken. 
Kugelsektorartig vom Typus der Rauhblättler, 
4, schwärzlich warzig. 


Lilinm bulbiferam *). 

Alectorolophus hir- 
sutus. 

Plantagolanceolata. 

Plantago arenaria. 
Convolvulus arvensis. 


b) Der Nachweis geschrotener und vermahlener Unkrautsamen 

in Futtermitteln. 

Bearbeitet von Johannes Hartmann. 

Die Erkennung mehr oder weniger fein zerteilter Unkrantsamen 
ist ein Gebiet der Futtermitteluntersuchung, welches größere Beachtung 
und weiteren Ausbau verdient. Zwar ist die Reinigung zu menschlicher 
Nahrung dienender Cerealien in den Kulturländern derart vervollkommnet 
worden, daß Unkrautsamen nur noch selten durch den direkten Mahl¬ 
prozeß in Kleien und Mehle gelangen. Aber der gerade hierdurch ent¬ 
stehende „Ausputz“, der neben Getreidebruchkörnern vorwiegend aus 
Unkrautsamen besteht, verlockt dazu, ihn einer Verwertung als tierisches 
Futter zuzuführen. Dies aber geschieht häufig dadurch, daß er, geschroten 
oder vermahlen, Kleien und anderen Futtermitteln wieder zugesetzt wird. 

Die Erkennung dunkelgefärbter größerer Unkrautsamen bietet selbst 
in Bruchstücken mit der Lupe oder dem binokularen Mikroskop in 
hellgefärbtem Futtermaterial unter Benutzung der voran gegangenen 
Tabellen keine Schwierigkeiten. So sind besonders die papillen¬ 
tragenden Bruchstücke der Kornradesaraen leicht zu erkennen, ebenso 
Bruchstücke' von Knöterichsamen, insbesondere die des Acker¬ 
knöterichs (Polygonum convolvulus), welche durch ihre teilweise Be¬ 
grenzung durch gerade Linien auffallen, da die Samen vornehmlich 
an ihren Kanten zerspringen. Oft ist es möglich durch sorgfältiges 
Auszählen einer bestimmten Menge des Futtermittels (10 g) den 
Prozentsatz des Gehaltes zu ermitteln. So läßt sich vor allem 
schätzen, wieviel Splitter der anwesenden Größe die Umhüllung eines 
Radesamens ergeben. 90 Radesamen aber wiegen etwa 1 g. Manche 
Samenschalenbruchstücke fallen durch ihre glänzende Oberfläche in 
die Augen (Amaranthus retroflexus, Polygonum persicaria und Lapathi- 
folium), andere durch ihre gescheckte Färbung (Wickenarten). 

*) L. bulbiferum tritt im sächsischen Erzgebirge bei Lauenstein und Bären - 
stein als Feldunkraut auf. 



346 


A. NAUMANN, 


Das mikroskopische Präparat ohne besondere Vorbehandlung liefert 
nur selten Nachweise von Unkrautsamen. In der Regel sind die Bruch¬ 
stücke zu undurchsichtig, um ohne Aufhellung charakteristische Zell¬ 
strukturen erkennen zu lassen. Der Inhalt des Mehlkörpers der Samen 
bildet hingegen zuweilen einen ergänzenden Nachweis. So ist Wickenver¬ 
unkrautung durch die ovalen längsspaltigen Stärkekörner in Futtermitteln 
nachzuweisen, die nicht an sich Leguminosen enthalten. Besondere Be¬ 
deutung ist den sehr kleinen Stärkekörnern der Kornrade beigemessen 
worden, die in Ballen von unregelmäßig langgestreckter Form Zusammen¬ 
halten. Es sei jedoch bei deren Nachweis besondere Sorgfalt angeraten. 
Oft lösen sich die Massen in die Einzelkörner auf und dann ist es nur bei 
besonders hohem Radegehalt möglich durch deren große Zahl Rade zu 
erkennen. Auch auf Verwechselung mit isolierten Proteinkörnchen der 
Kleberzellen sei hingewiesen. In Zweifelsfällen ist es notwendig, die 
Stärkenatur der Körnchen durch die Bläuung mit Jod nachzuweisen. 

Die Mühsamkeit, mit der feine Verunreinigungen in Kleien und 
Mehlen erkennbar sind, ließ chemische Hilfsmittel zu ihrem Nachweis 
wünschenswert erscheinen. A. E. Vogl 24 ) glaubte in salzsäurehaltigem 
Alkohol (5 v. H. Salzsäure in 70 v. H. Alkohol) ein Mittel gefunden zu 
haben, um nicht nur Mutterkorn (durch Rotfärbung), sondern auch Wicken-, 
Kornrade- und Taumellolchverunkrautung in Kleien und Mehlen nachzu¬ 
weisen. Ich habe durch eingehendere Untersuchungen festgestellt 12 ), daß 
diese Probe unzuverlässig ist, daß Kulturpflanzensamen, insbesondere 
Roggen, oft starke Färbungen ergeben, die der Unkrautsaraen aber oft 
versagt, trotz deren Anwesenheit. Zum Nachweis der Samen des Acker¬ 
klappertopfes (Rhinanthus maior hirsutus) sowie des Ackerwachtelweizens 
(Melampyrum arvense) ist dieVoglsche Probe ein geeignetes Mittel. 
Bei genügend langem Kochen von 2 g des Futtermittels mit 10—15 ccm 
obiger Flüssigkeit im Reagenzrohr tritt, falls 1 v. H. obiger Samen an¬ 
wesend sind, eine starke Grün- und Blaugrünfärbung auf, die durch eine 
Spaltung des glukosidischen Giftstoffes Rhinanthin, den diese Samen 
führen, hervorgerufen wird. Auch die Samen von Odontites verna, die 
allerdings kaum in Futtermittel übergehen dürften, besitzen diesen Giftstoff. 

Ueber andere Färbungen durch Unkrautsamen wolle man die 
Arbeit selbst einsehen. Es sei hier nur bemerkt, daß viele Unkraut¬ 
samen (Cruciferen, Mohn, Knöterich und Chenopodiumarten) gelbe oder 
öligbraune Färbungen bedingen können. 

Zum Nachweis von Taumellolch, wie auch für Mutterkorn habe 
ich im Anschluß an Hiltner 26 ) und Barnstein 11 ) eine Abänderung 




Unsere FeldunVr&uter in ihrer Beziehung zutn Futfev 


der Vogl sehen Probe gorge« Klagen dergestalt, daß man 1 £ des 
F>i11erf 11 iUe 1 s mii -• coro des ■salzs«i>rehaltigfft Alkohols kurze Zeit 
erwärmt und den geschürte!!**.! Inhalt des tfetgsmzglMbs auf einen 
Aveißen PerzellantoilOr atisgießr, ZrVüffitllUBT biv v iiynti diR 

'.rtuszuk'seit .und. nötigeiihtiis durch Anfertigung; yori QuersdinUieji unter 
dera Mikrositdp zu besdifninert. iföh; kaW dafite - öt Urbjfi^biifbid* eine 
Bestimttiungstai.eUe gegeben, ans der hier hervnrgeljöbr'B sei; daß 
Tiuin'ielidltvhteileheo Sieh tüfofjjfe. eines- irote# • ^ • .dfen Qtuer- 

zfcllen rßefet rot färben, Auf da» . öiikros^is^#ttd.|fach'Wdid des 
PijxmvceL, weiches die Giftigkeit dieser Samen zu bedingen scheint, 
darf mehr verzichtet worden. Bruchstücke von ltrmmisa.it en sind Ihm 
obiger Behandlung, lebhaft braun: gefärbt, 'infolge- bitteb Parb-itolTe* in 
der Testa. Sie sind im ^uersohni» ''dttf-öhe bek&bib&f'k dkte Eiiernreste 


Samen schälen stUck vor* Vieia hirsuta, ‘200 x vergr. 
f*#wa<Str aubjäheilti) hellbraun,). Palisaiknzelle/i, darunter Sanö'rhrs'.clltiji 


kenntlich. Teilkhen mit anthocyatiartigen liihaltsfarbslofion werden 
durch, diese vorgese h I ag ene BeliäudluDg besonders leicht auf lind bür. 
da sich •'dieselben durch den saureu ■Anteil des Gemische* lebhaft rot 
färben. So fallen Wickeoarten, in denen mk-he Parkst olfc tu den 
(Palisaden zollen bfi ungleich verteilt sind, durch, ihr geschocktes -Aus¬ 
sehen auf. Die .Pappuskeichhaare der Kornblume färben sieh lebhaft, 
rot usw. Legminosensainenst;hal,ei!.<|.»}ater verraten sieh urucr dem 
Mikroskop auch dann, wenn sie. nur gleichmäßig hräuniii.di gefärbt: 
siod. durch die grußzeiiige Schicht der Sandührzoiien (die diiim mei-A 
den braunen Inh»}! fuhren : über oder unter (je na.<-h Lage des- Prä- 
paratest der in xior A>>i oHii kie'm/ctligim Schicht. der Pftbisadoh zellen 
(Abb. XVIr, C"wci.fe.r<,'nSp'i«i.of dagegen haben b> der Firiebonauibieiit 
nur ojrse Schicht, gleichgroßer etwas vmllurniger’Zellen i Abh, XVil). 



SÄSMANN, 


mm acvn. 




.. 


Samccsf.I>al>«'-siU'cb von Hedfiticte,.. &Xt * vorgr. 
factowae)) aufgehefil, 1tel)t)r*unb •• 

Di* Splitter -kr Erabryoneö tnäncber l'tikrautsamen. sind schon 
fÜ Utiiicjiandeltori Futtermittel, soweit es steh »in weißlich gehirbtr 
Melde öder Kleien handelt, oft durch ihre wachs- bis orangegelhe 
Karbe kenntlich. so. sind beispielsweise Cotylerlnnerihruchstßc-kc ?ot>. 
■Winken ivic.lk -zu erkennen. Man kann tlses*;- Gelbfärbungen 'kteigvrn. 
indem man .lg des FiitWrmUteiK mit verdiuvnferoder Natron- 
lau.ee sehiiticlt und wiederum .auf •einemweißen Teller ausgielit. Es 
gelang auf diese Weise Embryostde.ke von Kornrade in Kleien >,rnk 
Hilfe von ■Querschnitten)' - oaehzmveisfrn Du in der Kornrade dm 
Embryo der Site des Giftstoffes ist, 'hat dessen .'Nachweis besondere 
MwUmUißg. d ' • •' , • E. , 

Kleine .önnkle, heziehBiddich scjiw^cze Saoienschäletisplittör ent- 
ucti"ii hei den hishUrige m .Methoden' der Kusislellungv denn wenn 
»och aus der SÄtzsaarcn Aufeeiiwcmimmg leichter herausgulcsen sind, 
so sind ilipe Fltelitmbfldor'.doch üntdr dem Mikroskop zu dunkel, ym 
durch die Struktur ihre Zugehörigkeit bestimmen zu können, «ml . 
'.•iierscltniilc sind infolge der Kle-nhcil unmöglich 

Hier iiinli ein durchgreifendes AofheilungsTerfahren stattfinden, 
welches ;z.utn Nachweis von • •liiidaussamenscbalenspliHeni' in Kleien 
empfohlen wird. Dieses hißt sich überhaupt rum Nachweis von 
mancherlei Veruiireiniguusm io Futtermitteln nnwtndeu 5 g ries Futtör- 
ituinis werden in ö v. II. Kalilauge gekocht, deren Quantität nian jfc 
m.et,- dem .Stärkegehalt des Futtermittels bemeteeu wird. Eier Rbeh- 
heebmmhu.it wird dann mit Wasser gescfilemmf, alle verquollene Stärkt* 
und die speziiisch loiuhien Teilchen werden forte:» waschen. Oer Ruck- 
-täini wird mit 0 proz Salpetersäure aulgckoehf. |Fig. X VMl— XX. o 
iheseo starken \iiihtdiongsrcri’itlH<-:i widerstrebt iwr ein Teil 
der ..duri'kicn DiuVraolSAtMtmarrefl^). ■ Wie.- fö'^Tiüs ; ''teütitijh^t''’iiue?i. die 

Cs.. 

*j ot-.iij a.iigybetit «■'■rUei.v 1? ÜeiptoiuHmi i-unsohtra, Polygonum isaoVe eies 
t'i» paVei IÜi.ijUks . 


-V. 

a.r**v> • vv. 







Unsere Feldunkräater in ihrer Beziehung tuin Futter. 


SamfiDsohalenäpIitter von Äxnarantus reti 
(.stark aufgeholU, rotbraun), '200 x vergr. 


Cnkraufc-Ertphorbiaeeen. Sit- i<ei*roiv unter dem Mikroskop ganz ähnliche 
Bilder wie Rizinus. nämlich bogig vcriäüfcude, 'jetzt rotbraun gefärbte, 
PaüsadenzeJlea (big. XIX). Nur durch .Sorgfalt tge . Vergleiche 'and 
Messungen ist. es vielleicht, möglich auch die Artzngehurigkeijt der 
Splitter zu bestimmte. Ebenso • widerstandsfähig • gegen Aufhellung" 


Säntft^gnLal eüöku'ijtl*t ü « k;B ?oo Eupiiorbia hejioseopiae, 
(stark au/gBhfalif, tvtbiaonj C'beu *;iuc isolierte Patisadenzeiie, 200 * \ 


sind dim Hamen von Cfieoopudiumarteh sowie von Amarant»* retro- 
flcxus (Fig, XVill). Sic haben jedoch nur sehr kurze Palisade-tizVlIeti, 
so daß die 'Splitter fliiehenhaft..211 .liegen kommet? /tosen om gleich¬ 
mäßiges oagds Zelimascfiennetk, welobes zu .großen pulvgonaieu Feldern 
/usümöieugfe-faßi ist- Auch braune oder dunkle von Crnei.fi? een 

sind ziemlich resident gegen diese'.Aufhellung tutd zrigeö iini ov .Jen. 
Mikroskop. ihre, .charakteristisch*: Struktur etwas .weithmüger..vfeltem 
Kornradespiitbr sind jetzt stark aufgehelli und Singen omo cigeutüm* 
lidu-Struktur, jndeih. db Papillmtbmdvel durch Verquellung shjjti zurUck- 
»roten und die zackig vor- .um! zurückspringotideti 7 a Ui.egrt n/tmgcu 
sichtbar «'erden. Sehr eigenartig in f auch die Struktur von >Sf/*r£ü|a« 
Samen, diereü keuiige bewame Haare noch erhalten sind ?Fig XX). 




350 


K tfAPMÄN'N, 

-F- r'~; ' v 

v:' ,; Abfc>. 'IX; ' 



; . " , S^mfrnßojiöi^ yan 'Spc'-r t ^ü *ä 'a-.r 

Äufgobeilt; Itcübjräiui« diu kculigfcu Uäaar? waSÄ6icteÜ)^?'ÖÖ .X, vergr. 






III. Die BefaUungspllze der Feldunkräuter* 


Um Kapitel - der. Befallungspjize am .KultorfiSanz,«»--*Wiesen* 
pflanzen 27 ! and Ftddunkräufern ist %. ff. 

lantl, und -1, affr sprjidit iwch in seiMf MvkMdgie dahin: 

■Aus, -daß i’ü t d i ö Tierheil künde au ( b j ßte* no.cH so 

gut wie alles zu tun .sei, Es linde»! siehi;maelilieli die wuter- 
.•Spree.bend&teo: Mitteilungen über »1 h.- Giftigkeit von Brar«cisjiores> .nowoIi. 1. 
als auch über die Äftiuliiclikeil rnst- und nkdi}lauhefalk > iH > <i Futters.’ 
Kl immer sagt in. seiner V etorinäth ygiejft.e über den „Fingbrand“: 
Eine hygienische •■Bedeutung kommt Jj^tikgo »urbo mit großer Wahr¬ 
scheinlichkeit zu. Er stütxt Mrli dabei *uf die Fiiinwuogs- 

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Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


351 


Antitoxine im Tierkörper, und es wäre nicht zu verwundern, wenn 
diese Gegengifte der Wirtspflanzen dem tierischen Organismus schaden 
brächten. 

Wenn trotzdem Fütterungsversuche mit Befallungspilzen oder 
pilzbefallenen Pflanzen entgegen stehende Ergebnisse gezeitigt haben, 
so gibt es für diese scheinbaren Widersprüche allerlei Erklärungs¬ 
möglichkeiten. , Der Pilz könnte seine höchste Giftwirkung nur in 
einem bestimmten Entwicklungszustand (etwa vor oder kurz nach der 
Keimung) äußern, die befallene Pflanze könnte zur Blüte- oder 
Fruchtzeit die Gegengifte verlieren. Andererseits aber können Tiere 
aus Gegenden, denen bestimmte Befallungspilze eigen sind, sich von 
Jugend auf an die toxische Wirkung gewöhnt haben, immun geworden 
sein*). Es wäre auch.denkbar, daß die Giftwirkung auf Tiere in be¬ 
stimmten Zuständen (Trächtigkeit, Brunstzeit) oder bei gleichzeitiger 
Aufnahme anderen Futters versagte oder aber sich verstärkte. All 
diese Erwägungen mögen dartun, wie wohldurchdacht und planvoll 
Fütterungsversuche angestellt werden müssen, um brauchbare Resultate 
zu erlangen. 

Ganz unbestritten ist wohl nur die Giftigkeit des Mutterkornpilzes 
Claviceps purpurea, welcher sich außer im Roggen an folgenden 
Unkrautgräsern vorfindet: Bromus secalinus, Lolium temulentum, 
Hordeum murinum, Triticum repens. In diesem Falle werden die 
Unkräuter infolge des beherbergten giftigen Pilzes zu Tierschädigern 
und, infolge der Ansteckungsgefahr, für die Kulturpflanzen zu be¬ 
denklichen Krankheitsüberträgern. 

. Einzelne Unkräuter tragen eine bestimmte Rostsporenform 
auf ihren Blättern, den sog. Becherrost.(Aecidium). In winzigen 
Näpfchen (sog. Bechern) schnüren sich, von unten her sich erneuernd, 
kettenweise unzählige Frühjahrs- (in einzelnen Fällen auch Herbst-) 
Sporen ab, welche, auf Pflanzen anderer Art gebracht, dort die 
rotbraunen Sommer- und später die dunklen Wintersporen erzeugen, 
so daß ein eigenartiger Wirtswechsel eintritt, der gewisse Unkräuter 
zu Krankheitsüberträgern für hochwertige Kulturpflanzen macht. 
Wollte ich die Befallungspilze aller Feldunkräuter in dieser Arbeit 

*) Bei den Radesamen ist eine Gewöhnung der Tiere wahrscheinlich, und 
ebenso weiß man vom giftigen Schachtelhalm (Duwock), daß Tiere, aus duwock- 
freien Gegenden eingeführt, weit stärker vom Duwock zu leiden haben, als die in 
duwockhaltigen Wirtschaften aufgezogenen. 



352 


A. NAUMANN, 


angeben, so würden trotz kürzester Ausführung mehrere Druckbogen 
nötig werden. Nur von wenigen der ca 200 ausgewählten Feld¬ 
unkräuter sind mir Befallungspilze nicht bekannt geworden. 
Es sind folgende 41 Arten: Silene dichotoma und gallica, Gypsophila 
muralis, Vaccaria segetalis, Scleranthus annuus und perennis, Adonis 
flammeus, Glaucium corniculatum, Thlaspi perfoliatum, Rapistrum 
perenne und rugosum, Neslea paniculata, Draba verna, Ornithopus 
perpusillus, Lathyrus aphaca, Oxalis stricta, Mercurialis annua, Scandix 
pecten Veneris, Turgenia latifolia, Caucalis daucoides, Bupleurum 
rotundifolium, Anagallis arvensis, Cuscuta Epilinum und Epithymum, 
Galeopsis Ladanum und ochroleuca, Stachvs arvensis und annua, 
Linaria Elatine und spuria, Antirrhinum Orontium, Veronica opaca, 
Asperula arvensis, Galium tricorne, saccharatum und anglicum, Valeria- 
nella carinata, Ambrosia artemisifolia, Galinsogaea parviflora, Chry¬ 
santhemum segetum, Centaurea solstitialis. Die größere Mehrzahl der¬ 
selben sind „Einwanderer“. Dies wirft ein lehrreiches biologisches 
Streiflicht auf die Anpassung der Pilzparasiten an die Wirtspflanze. 

Andere, bei uns seit Jahrtausenden bodenständig, zeigen 
besonders reichlichen Befall und zwar ein und dieselbe Pflanzenart 
Infektionen aus den verschiedensten Pilzgruppen, von denen Brand, Rost, 
falscher und echter Mehltau die Hauptmenge liefern, während Kern-, 
Scheiben- und unvollständige bekannte Pilze zurücktreten. Unsere 
Quecke wird allein von 10 verschiedenen Pilzarten befallen und ähnlich 
reich ist die Zahl der Schmarotzer an Knöterich-, Wolfsmilch- und Kom¬ 
positenarten. Von Interesse sind für diese Ausführungen 1. diejenigen 
Befallungspilze, welche im Stande sind Krankheiten auf wert¬ 
volle gebaute Futter- oder Nutzpflanzen zu übertragen, 
wo sie zur Quelle von Tierschädigungen werden können, und 2. 
solche Befallungspilze, welche Unkräuter als Zwischenwirte 
benutzen und durch diese ins Futter gelangen. 

1. Unkraatpilze, welche anf Knltnrgewächse übergehen. 29 bi> 34 ) 

Dabei möchte besonders beachtet werden, daß die Unkräuter 
mit gleichem Befallungspilz sich auch unter einander an¬ 
stecken. 

Meist befällt ein Pilz nur nahe verwandte Arten, etwa die 
Pflanzen derselben Familie, doch gibt es auch solche, deren Virulenz 
den verschiedensten Familien verderblich wird. Wir sprechen als¬ 
dann von Pleophagie. 



Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


353 



Pilzart 

von Unkraut, übertragb 

ar auf Kulturpflanze. 


Brand¬ 

pilze 

Ustilago Avenae. 

Avena fatua. 

Hafer. 



Uromyces striatus Schroet. 

Medicago lupulina. 

Klee und Luzerne, 

nur an 
. Papi- 
liona- 

/ 

„ Ervi Wallr. 

Vicia hirsuta. 

Esparsette. 

© I 

tS3 V 

* Fabae Pers. 

f Vicia hirsuta. 

1 Vicia cracca und villosa. 

1 Saubohne, Erbse und 
l Linse. 

1 

Od / 

„ Viciae craccae Const. 

Vicia cracca. 

Linse. 

ceen. 

c n \ 
© 1 
PS 1 

Puccinia Rubigo vera Wint. 

fBromus secalinus u. arvensis. 1 
\Triticum repens. / 

Roggen, Gerste, 
Weizen. 

nur 

f 

Puccinia agropyrina Eriks. 

Brorous arvensis, Triticum 

Roggen. 

► Grami- 

l 


repens. 


neen 


Puccioia coronifcra Kleb. 

Avena fatua. 

Hafer. J 



Pythium de Baryanum 

Berteroa incana, Stenophrag- 

\ 



Hesse. 

ma Thaliana, Sinapis ar- 

Klee, Mais, Rüben, 1 

pleo- 



vensis, Thlaspi arvense, Cap- 
sella bursa pastoris. 

Hirse, Kartoffel, j 

phag. 


Cystopus candidus Lev. 

Capsella bursa pastoris, Lepi- 





dium carapestre, Raphanus 

j 

1 Ö 

P 

© 

N 

’S. 

I 

1 

i 

Raphanistrum, Camelina 
sativa, Brassica nigra, Na- 
sturtiura silvestre, Sinapis 
arvense, Stenophragma 

Rettich, Meerrettich, f 
Raps, Rübsen, ) 

Krautarten. 1 

' 

' *1 

o 

-1 

> e 

© 

_ 

s 


Thaliana, Berteroa incana, 


3 

! p 



Erysimura cheiranthoides. 



© 

Cystopus Tragopogonis 

Matricaria inodora, Achillea 

\ 


ja 

o 

Pers. 

Millefolium, Cirsium arvense, 

' Schwarzwurzel (feld-l 

1 Com- 

■3 


Filagoarvensis, Gnaphalium 

i mäßig). 1 

positen 

tu 


uliginosum. 

| 



PeronosporaSchleideniUng. 

Allium vineale. 

Zwiebel. 



„ effusa Grev. 

Chenopodium-Arten. 

Spinat. 



„ Viciae Berg. 

Alle Wickenarten. [arvense. 

Erbsen. 



* TriloliorumdeTy. 

■ Medicago lupulina, Trifolium 

| Klee, Luzerne. 



Peronospora aborescens 

j Papaver-Arten (wild). 

; Schlafmohn. 



Berk. 




Peronospora parasitica Pers. 

! Viele Cruciferen-Unkräuter. 

Rettich und Raps. 



SphaerothecaCastagnei Lev. 

Erigeron canadense,Lampsana 





communis, Crepis tectorum, 
Geranium dissectum, Odon- 

Hopfen, Kürbis 
(Gurken). 

pleo- 



tites verna, Alchemilla ar¬ 

> phag. 

© 

• 

vensis, Plantago lanceoiata. 
Bromus secalinus, Apera spica 



SJ 

1 

Erysiphe graminis DC. 

; 1 

1 Grami- 
f neen 


venti, Triticum repens, Poa 
annua. 

Weizen. j 

3 < 
© 

© 

„ Martii Lev. 

Vicia cracca, Medicago lupu¬ 
lina, Urtica, Capsella bursa 
pastoris, Galium-Arten. 

Klee, Bohne, Erbse, 1 
Lupine, Luzerne, j 

1 pleo- 
1 Phag. 

© 

- Cichoriacearum 

Artemisia vulgaris, Senecio 



W 

DC. 

vulgaris, Cirsium arvense, 
Centaurea cyanus, Sonchus- 

Schwarzwurzel, Kür¬ 

pleo- 



Arten, Lithospermum ar¬ 
vense, Mentha arvensis, 

bis (Gurke). 

" phag. 



Rumex acetosella. 




▲rebiv f. wisseiiSwh. u. prakt. Tierheilk. BdL 44. Sappl. 






354 


A. NAUMANN, 


Pilzart 


von Unkraut, übertragbar auf Kulturpflanze. 


4 > 

J3 

S §• 

-§*< 

“2 

© 


Erysiphe Polygoni DC. = 
communis Gröv. 


Delphiüium consolida, Ranun- 
culus repens, Papaver 
Rhoeas, Galium Aparine, 
Valerianeila dentata, Con- 
volvulus arvensis, Polygo- 
num aviculare. 


Kürbis, Gurke. 


pleo- 

phag. 




Claviceps purpurea Fries, 
Mutterkorn. 

Pleospora Napi Fuck, 
Schwärzepilz*). 
Polydesmus exitiosus Mont. 

Diachora Onobrychidis DC. 


Bromus secalinus, Lolium te- 
mulentum, Hordeum muri- ' 
um, Triticum repens. j 

Sonehus oleraceus. J 

Hederich (Raphanus raphani- | 
strum) I 

Lathyrus tuberosus. j 


Roggen. 


Raps und Rübsen. 

Mohrrüben. 

Eparsette. 


PseudopezizaTrifolii Bernh. 
Sclerotinia Sclerotiorum 
Lib. 

Sclerotinia Trifoliorum 
Eriks., Kleekrebs. 


Mcdicigo lupulina. 
Polygonum, Cbenopodium al- 
bum, Galopsis Tetrahit. 

Medicago lupulina. 


Klee und Luzerne. 
Möhren, Kartoffeln, 
Buschbohnen, 
Rüben, Hanf. 
Klee. 


pleo- 

phag. 


Napicladium arundinaceum 
Cord. 

Septoria gramin um Desm. 

Scolecotrichum graminis 
Fuck. 

Fusarium heterosporium j 
Nees. | 


1 Triticum repens, Phragmites 
| communis. 
Feldunkraut-Gräser. 

i 

1 auf Feldunkraut-Gräsern? 
Feldunkraut-Gräser. 


Roggen. 

i Weizen, Hafer, vielleicht 
1 auch Spelz. 

I Hafer. 

Roggen und Mais. 


II. Unkräuter als Zwischenwirte des Rostes auf Kulturgewächsen oder 

anderen Unkräutern. 

Die hier aufgeführten Zwischenwirte entwickeln Aecidiensporen, welche die Krankheit sowohl 
auf Kulturpflanzen, als auch auf andere Unkräuter übertragen können. Das Ausrotten des 
Zwischenwirtes führt zum Erlöschen der Rostkrankheiten. 


Rostpilz 

' Unkraut als Zwischenwirt 
(Aecidienträger) 

für Kultur¬ 
pflanzen ] 

i 

für andere Unkräuter 

i 

Urorayces dactylidis Otth. 

Ranunculus repens. 

_ j 

Poa annua. 

Uromyces striatus 
Schroet. 

Euphorbia Cyparissias. 

Klee, Luzerne.; 

Medicago lupulina, Tri¬ 
folium arvense. 

Uromyces Pisi de By. 

Euphorbia Cyparissias et 
Esula. ! 

Erbse. 

Vicia cracca, Lathyrus Nis- 
solia und tuberosus. 

Puccinia dispersa Eriks. 

Lycopsis arvensis, Echiura, 

Weizen, 

Roggen, 

Bromus secalinus u. 

et Herrn. = straminis 

Nonnea, Lithospermuin, 

arvensis,Triticum repens. 

Fuck. 

Cerinthe. j 

Hafer. | 



*) Einer von den in Kleien, besonders in Haferfuttermitteln häufigen Schwärzepilzen aus 
den Gattungen: Sporidesmium, Cladosporium, Pleospora. Vgl. Ber. d. Kgl. Tierärztlichen Hoch¬ 
schule zu Dresden 1914—1916. 







Unsere Feldunkräuter in ihrer Beziehung zum Futter. 


355 


Rostpilz 

Unkraut als Zwischenwirt 
(Aecidienträger) 

für Kultur- | 
pflanzen j 

für andere Unkräuter 

Puccinia Magnusiana 

Ranunculus repens. 

_ 

Phragmites communis. 

Koern. 




Puccinia Poarum Niels. 

Tussilagp farfara. 

1 — 

Poa annua. 

Puccinia Polygoni Alb. 
et Schw. 

Geranium pusillum. 

— 

Polygonum Convolvulus u. 
Persicaria. 

Puccinia Phragmitis 

Rumei crispus. 


Phragmites communis. 

Schum. 



Anhangsweise noch 3 wichtige Rostarten, bei denen 

Holzgewächse 1 

die Aecidiumträger 

Puccinia graminis Pers. 

Berberitze (Berberis vul- 

1 Hafer, Weizen, 

Avena fatua, Triticum 

garis). 

Roggen,Gerste 

repens. 

Puccinia coronifera Kleb. 

Rhamnus cathartica, Kreuz¬ 
dorn. 

Hafer. 

Avena fatua. 

Puccinia coronata Corda 

Rhamnus Frangula (Faul- 
1 bäum, Pulverholz). 

Hafer. 

Triticum repens. 


Diese Arbeit mag beweisen, daß auch für die Veterinärmedizin 
auf dem Gebiete der angewandten Botanik noch ein reiches, wenig 
bebautes Arbeitsfeld vorhanden ist. Gerade in dieser Beziehung halte 
ich einen Ausbau der Botanik an tierärztlichen Hochschulen, ver¬ 
bunden mit praktischen Uebungen, für dringend geboten. Dazu aber 
gehört eine ungeteilte, mit dem Wesensinhalt tierärztlicher Wissen¬ 
schaft vertraute Lehrkraft, welcher Zeit bleibt zur Forschung, un¬ 
gehindert durch nebenamtliche Verpflichtungen, mitten hineingestellt 
in die von einer Tierärztlichen Hochschule zu lösenden Probleme, 
mit der Möglichkeit, ihre Disziplin nutzbringend einzufügen in das 
große arbeitende Ganze. 

Verzeichnis eingesehener Schriften. 

la) Pott, E., Die landwirtschaftlichen Futtermittel. Berlin 1889, Parey.— 

lb) Langetal, C. E., Beschreibung der Gewächse Deutschlands. Jena 1858. — 

lc) Ratzeburg, J. T. C., Die Standortsgewächse und Unkräuter Deutschlands und 
der Schweiz. — ld) Wehsarg (Hohenneundorf-Berlin), Das Unkraut ira Ackerboden. 
— le) Rot, G., Die Unkräuter Deutschlands.— 2) Bornemann, Die wichtigsten 
landwirtschaftlichen Unkräuter. Thaer-Bibliothek. Berlin, Parey. — 3) Thaer, A., 
Die landwirtschaftlichen Unkräuter. Berlin 1893, Parey. — 4) Naumann, A., 
Die Granne des Windhalms (Apera spica venti P. B.) als Ursache einer Zungen¬ 
wucherung. Bericht über die Kgl. Tierärztliche Hochschule zu Dresden 1915 und 
1916. — 5) Danger, Unkräuter und pflanzliche Schmarotzer. Hannover 1887. — 

6) Naumann, A., Fütterungsversuche mit milchenden Kräutern, insbesondere Kom¬ 
positen. Bericht über die Kgl. Tierärztliche Hochschule zu Dresden 1905. — 

7) A. Weber-Bremen, Der Duwock. Arb. d. D. L. G. 1902. — 8) Müller, G., 
Landwirtschaftliche Giftlehre. Berlin 1897, Parey.— 9) Klimmer, M., Veterinär¬ 
hygiene. Berlin 1914, Parey, 2. Aufl. — 10) Landwirtschaftliche Jahrbücher, 1903. 

23 • 






356 


A. NAUMANN, Unsere Feldunkräuter usw. 


— 11) Die Futtermittel des Handels. Berlin 1906, Parey.— 12) Hartmann, 
Joh., Ueber die Zuverlässigkeit der Yogelschen Probe bei der Untersuchung schäd¬ 
licher Mehle und Kleien nebst Bemerkungen über die farbstoffführenden Schichten 
in Samen und Früchten landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und Unkräuter. Zeitschr. 
f. Tiermed., 1913. — 13) Körner, Rob., Die Unkrautsamen und andere Bei¬ 
mengungen des Mehl- und Schälgetreides. Leipzig. — 14) Wittmack, L., Gras 
und Kleesamen. Berlin 1873.— 15)Burchard, 0., Die Unkrautsamen der Klee- 
und Grassaaten. Berlin 1900. — 16) Harz, 0. B., Landwirtschaftliche Samon- 
kunde. Berlin 1885. — 17) Nobbe, F., Handbuch der Samenkunde. 1876. — 
18) Fruwirth, C., Der Ackerfuchsschwanz. Arb. d. D. L. G. — 19) Pieper, IL, 
Der Windhalm. Arb. d. D. L. G. — 20) Jade, A., Der Flughafer. Arb. d. D. L. G. 

21) Wiedersheim, W., Das Klettenlabkraut (Kleber). Arb. d. D. L. G-, 1912. — 

22) Kraus, A., Das gemeine Leinkraut. Abb. d. D. L. G. — 23) König, J., 
Die Untersuchung landwirtschaftlich und gewerblich wichtiger Stoffe. — 24) Vogl, 
A. E., Die gegenwärtig am häufigsten vorkommenden Verfälschungen und Ver¬ 
unreinigungen des Mehles. Wien 1880. — 25) Hiltner, Die landwirtschaftliche 
Versuchsstation. Bd. 45. — 26) Naumann, A., Die Pilze gärtnerischer Kultur¬ 
gewächse und ihre Bekämpfung. Dresden 1907, C. Heinrich. — 27) Derselbe, 
Die Grasfluren der Erde und die mitteleuropäischen Wiesentypen. — 28) Fühlings 
Landwirtschaftliche Zeitung, 1904. — 29) Sorauer, P., Handbuch der Pflanzen¬ 
krankheiten. 1907. 3. Aufl. Bd. 2. — 30) Frank, A. B., Die Krankheiten der 
Pflanzen. Breslau 1896. — 31) Tubeuf, K., Pflanzenkrankheiten. Berlin 1895, 
Springer. — 32) Cohn, F., Kryptogamenflora von* Schlesien. Bd. 3. Breslau, 
Kerns Verlag. — 33) Migula, W., Rost- und Brandpilze. Stuttgart, Franckhsche 
Verlagshandlung. — 34) Kleb ahn, H., Die wirtswechselnden Rostpilze. 1904. 


Erklärung der Abbildungen anf Tafel VI. 


Der obere Teil der Tafel enthält die größeren Samen, der untere Teil die 
kleineren, nur 25 und 26 mußten zu geeigneter Gruppierung zu den kleineren gestellt 
werden. Die Vergrößerungen ergeben sich aus den in die Tafel verstreuten Ma߬ 
stäben. Bei diesen bedeutet jeder Strichzwischenraum 1 mm. 


1 Avena fatua. 

2 Lolium temulentum. 

3 Centaurea solstitialis. 

4 Polygonum aviculare v mitentspr. 

5 w Convolvulus I Qucr- 

6 „ Persicaria J schnitts- 

7 „ lapathifoliunr Umrissen. 

8 Galium saccharatum. 

9 Aethusa Cynapium. 

10 Lyopsis arvensis. 

11 Lithospermum arvense. 

12 Vicia cracca. 

13 Hülse von Medicago lupulina. 

14 Lathyrus Aphaca. 

15 „ tuberosus. 

16 „ Nissolia. 

17 Rhinanthus hirsutus. 

18 Plantago lanceolata. 

19 Anthemis Cotula. 

20 Amaranthus retroflexus. 

21 Chenopodiura polyspermum, links 

mit bleibender Blütenhülle. 

22 Myosotis intermedia. 


23 Glechoma hederacea. 

24 Malva vulgaris mit keilförmigem 

Querschnittsumriß. 

25 Adonis flarameus. 

26 „ aestivalis. 

27 Euphorbia helioscopia. 

28 „ cyparissias. 

29 „ exigua. 

30 „ Peplus. 

31 Silene gallica. 

32 „ dichotoma mit Felderung. 

33 Melandryum noctiflorum. 

34 Gypsophila muralis nebst Teilver¬ 

größerung. 

35 Rapistrum perenne. 

36 „ rugosum. 

37 Lepidium campestre (rechts mit 

Schleimstrahlen). 

38 Papaver Rhoeas. 

39 Odontites verna. 

40 Hyoscyamus niger. 

41 Anagallis arvensis. 

42 Antirrhinum Orontium. 



XV. 

Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre 
mutmaßlichen Ursachen. 

Von 

P. Bohrisch. 


Bei der Untersuchung von Fetten und Wachsarten spielt die Ver¬ 
seifung eine große Rolle. Ursprünglich verstand man unter Verseifung 
nur den chemischen Prozeß, welcher beim Kochen der Fette mit 
starken Basen stattfindet, wobei sich Glyzerin und fettsaure Alkalien, 
die Seifen, bilden. Gegenwärtig nennt man aber jede Reaktion, bei 
der sich die Fette, auch ohne Mitwirkung von Basen, unter Aufnahme 
von Wasser in Glyzerin und Fettsäuren zerlegen, Hydrolyse oder Ver¬ 
seifung. 

Schon durch bloßes Erhitzen der Fette mit Wasser in geschlossenen 
Gefäßen auf eine 200° C übersteigende Temperatur tritt Verseifung 
ein, wobei z. B. das Tristearin nach der Gleichung 

C 3 H B (0.Ci 8 H3 6 0)g -j- 3 H 2 0 = 3 C 18 H 86 02 -j- C 3 H 6 (OH) 8 
in Stearinsäure und Glyzerin zerfällt. 

Werden Basen zur Verseifung angewendet, erfolgt diese unter 
Bildung fettsaurer Salze, welche die unter dem Namen „Seife“ be¬ 
kannten Verbindungen darstellen: 

C 8 H 6 (0.C 18 H 3B 0) 8 -f- 3 KOH = 3 C 18 H 8B K02 -f- C 8 H B (0H) 8 . 

In derselben Weise wie durch Erhitzen mit Wasser über 200° C 
spalten sich die Fette, wenn sie mit 4—10 v. H. ihres Gewichtes 
konzentrierter Schwefelsäure erhitzt werden, und das entstehende 
Produkt mit Wasser gekocht wird. Hierbei wirkt die Schwefelsäure 
in erster Linie als Katalysator. Bei der Verseifung der Fette mit 
konzentrierter Schwefelsäure tritt natürlich eine gewisse Zersetzung 
der entstandenen Produkte ein, indem sowohl das Glyzerin zum großen 
Teil zerstört, als auch ein Teil der flüssigen Fettsäuren in feste Oxy- 
fettsäuren verwandelt wird. 



358 


P. BOHRISCH, 


Weiter kann man auch die Fette mit schwefliger Säure oder 
Bisulfiten verseifen, indem man sie mit einer 272 —3 proz. Lösung 
von schwefliger Säure oder einem Bisulfit im Autoklaven bei 170—200° 
und bis zu 18 Atmosphären steigendem Ueberdruck behandelt. Auch 
mit Hilfe aromatischer Sulfosäuren, welche ebenfalls katalytisch wirken, 
lassen sich die Fette spalten. 

Schließlich ist die Hydrolyse der Fette auch durch Fermente 
möglich. So besitzt z. B. der Ricinussamen ein ausgezeichnetes 
Spaltungsvermögen für Fette und Oele. Auch die Samen einiger 
anderer Pflanzen, wie des Schöllkrautes und der Linariagattungen 
sind imstande, Fette zu spalten. Jedoch ist hierbei immer die Gegen¬ 
wart einer gewissen Menge Säure erforderlich. 

In der Analyse der Fette wird nur die Verseifung mittels Basen 
angewendet, und zwar sind hierzu allein Kali- oder Natronhydrat 
brauchbar, da bei der Verwendung von Bleioxyd, Kalk oder Baryt die 
Verseifung sehr häufig keine vollständige ist, indem immer ein Teil 
des Neutralfettes unangegriffen bleibt. 

In wässeriger Lösung verseifen Aetzkali und Aetznatron bei 
weitem nicht so rasch als in alkoholischer Lösung; infolgedessen wird 
eine solche meist für analytische Zwecke verwendet. Eine erprobte 
Vorschrift zur Verseifung der Fette ist die folgende: 

10 Gewichtsteile Fett werden mit 30—40 Volumteilen 95 proz. Alkohol, in 
welchem vorher 4—6 Gewichtsteile gepulvertes Aetzkali durch Kochen am Rück- 
flußkühler gelöst worden waren, in einem mit Rückflußrobr versehenen Kolben 
7*—1 Stunde zum schwachen Sieden erhitzt. 

Werden Wachse dem Verseifungsprozeß unterworfen, so spalten 
sich die in ihnen enthaltenen Ester in Fettsäuren und einwertige 
Alkohole. Das im Bienenwachs vorhandene Myricin zerfällt z. B. in 
palmitinsaures Kali und Myricylalkohol: 

C 1B H 31 COOC 80 H 61 + KHO = C 15 H 81 . COOK + C 80 H 61 . OH. 

Wird nun die alkoholische Lösung nach Beendigung der Verseifung 
verdünnt, so scheiden sich die höheren Fettalkohole aus. Sie können 
von der in Lösung befindlichen Seife durch Ausschütteln mit Aether 
oder auch so getrennt werden, daß die ganze Lösung zur Trockne 
verdampft und dann mit Petroläther extrahiert wird. Man nennt 
diese in Wasser und Alkalien unlöslichen Produkte der Verseifung der 
Wachsarten „unverseifbar“. Allen und Thomson fanden so z. B. 
in Walrat 40,46 v. H., in Bienenwachs 52,38 v. H. und in Carnauba- 
wachs 54,87 v. H. unverseifbarer Substanz. 



Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre mutmaßlichen Ursachen. 359 

Die Wachse enthalten jedoch im Gegensatz zu den Fetten nicht 

nur große Mengen „Unverseifbares“, sondern sie sind auch teilweise 

außerordentlich schwer verseifbar. So sind nach Benedikt-Ulzer 

* 

chinesisches Wachs, Wollfett, Walrat usw. sehr schwierig zu verseifen, 
wenn die alkoholische Lauge stark wasserhaltig ist. Wollfett z. B. 
muß, wie A. Kossel und K. Obermüller angeben (Chem. Ztg., 1891. 
15, 185), 20 Stunden mit überschüssiger, alkoholischer Kalilauge ge¬ 
kocht werden, bis vollständige Verseifung eintritt. 

Die Unterschiede bezüglich der Verseifung der Fette einerseits 
und der Wachsarten anderseits lassen sich nun am besten bei der 
Bestimmung der sogenannten Verseifungszahl erkennen. 

Die Verseifungszahl oder Köttstorfersche Zahl gilt als Maß für 
die Sättigungskapazität der gesamten Fettsäuren. Sie gibt an, wieviel 
Milligramme Kalihydrat zur vollständigen Verseifung von 1 g eines 
Fettes oder Wachses erforderlich sind, d. h. die zur Verseifung eines 
Fettes oder Wachses notwendige Kalihydratmenge in Zehntelprozenten. 
Bei den Fetten wird die Verseifungszahl in folgender Weise ausgeführt: 

Man wägt 1—2 g des zu untersuchenden Stoffes in einem Kölbchen aus 
Jenaerglas von 150 ccm Inhalt ab, setzt 25 ccm weingeistige l / 2 Normal Kalilauge 
hinzu und verschließt das Kölbchen mit einem durchbohrten Korke, durch dessen 
Oeffnung ein 75 cm langes Kühlrohr aus Kaliglas führt. Man erhitzt die Mischung 
auf dem Wasserbade 15 Minuten lang zum schwachen Sieden. Um die Verseifung 
zu vervollständigen, mischt man den Kolbeninhalt durch öfteres Umschwenken, 
jedoch unter Vermeidung des Verspritzens an den Kork und an das Kühlrohr. 
Man titriert die vom Wasserbad genommene, noch heiße Seifenlösung nach Zusatz 
von 1 ccm Phenolphthaleinlösung sofort mit 1 / 2 Normal-Salzsäure zurück (1 ccm 
V*-Normal-Salzsäure = 0,028055 g Kaliumhydroxyd, Phenolphthalein als Indikator). 
Bei jeder Versuchsreihe sind mehrere blinde Versuche in gleicher Weise, aber ohne 
Anwendung des betreffenden Stoffes auszuführen, um den Wirkungswert der wein¬ 
geistigen KalUauge gegenüber der 1 /' 2 Normal-Salzsäure festzustellen. 

Außer nach der Köttstorfersehen Methode oder dem heißen 
Verseifungsverfahren kann man die Fette auch auf kaltem Wege ver¬ 
seifen. Henriques hat hierfür das folgende Verfahren ausgearbeitet: 

3—4 g Fett werden in einem Kolben in der Kälte in 25 ccm Petroläther 
gelöst, mit 25 ccm alkoholischem Normalalkali versetzt und nach dem Umschwenken 
12 Stunden bei Zimmertemperatur verschlossen stehen gelassen. Dann wird der 
Ueberscbuß des Alkalis wie bei dem ersten Verfahren zurücktitriert. 

Nach beiden Verfahren lassen sich die Fette ohne jede Schwierig¬ 
keit verseifen. Man erhält bei genauer Einhaltung der Vorschriften 
stets gleichbleibende Verseifungszahlen. 

Erheblich schwieriger als bei den Fetten gestaltet sich die Be¬ 
stimmung der Verseifungszahl bei den Wachsarten, da diese sich, wie 



360 


P. BOHRISCH, 


schon oben erwähnt, teilweise sehr schwer verseifen lassen. Sind die 
Fette im wesentlichen neutrale Ester des Glyzerins, enthalten die 
Wachsarten als wesentliche Bestandteile die aus Fettsäuren und meist 
einwertigen, hochmolekularen Alkoholen gebildeten Ester. Außerdem 
sind in einigen Wachsen, wie in dem Bienenwachs, dem Carnaubawachs 
und dem Wollfett noch freie Fettsäuren und auch freie Wachsalkohole 
vorhanden. 

Die Gegenwart von freien Fettsäuren nun war die Veranlassung, 
bei der Untersuchung des Bienenwachses sich nicht nur auf die Ver¬ 
seifungszahl zu beschränken, sondern auch noch eine Säurezahl ein¬ 
zuführen. v. Hü bl gebührt das Verdienst, zuerst die Resultate 
der Verseifung in der Weise ausgedrückt zu haben, daß er die An¬ 
zahl Milligramme Aetzkali, welche zur Sättigung der freien Wachs¬ 
säuren für 1 g Wachs nötig sind, als Säurezahl, die zur Verseifung 
der Ester für 1 g Wachs nötigen Milligramme Aetzkali als Ester¬ 
zahl, die Summe von Säure- und Esterzahl als Verseifungszahl, 
und das Verhältnis zwischen Säurezahl und Esterzahl als Verhältnis¬ 
zahl bezeichnete. Erst durch die Einführung der Säurezahl wurde 
es möglich, auch komplizierten Wachsfälschungen auf die Spur zu 
kommen, da Gemische von Stearinsäure, Japantalg, Paraffin usw. 
ähnliche Verseifungszahlen wie Bienenwachs geben, die Verseifungs¬ 
zahl also nicht allein ausreichend ist, derartige Verfälschungsmittel 
nachzuweisen. 

Die von v. Hüb 1 angegebene Methode zur Bestimmung der v. Hüblschen 
Säurezahl und Esterzahl, die sog. v. Hüb Ische Probe, besteht nun darin, daß 
3—4 g Wachs mit 20 ccm 95 proz. Alkohol bis zum Schmelzen erwärmt werden 
und mit wässeriger l / 2 Normal-Kalilauge und Phenolphthalein die Säurezahl fest¬ 
gestellt wird. Dann setzt, man 25 ccm alkoholische Kalilauge hinzu, erwärmt 
45 Min. auf dem Wasserbade und titriert mit l f 2 Normal-Salzsäure zurück. Man 
erhält so die Esterzahl und indirekt die Verseifungs- und Verhältniszahl. 

Als Konstanten der v. Hüblschen Zahlen für gelbes Wachs geben 
sowohl Allen, als auch v. Hü bl selbst eine Säurezahl von 20, eine 
Esterzahl von 75, eine Verseifungszahl von 95 und eine Verhältnis¬ 
zahl- von 3,75 an. Daß diese Zahlen nach oben und nach unten 
etwas abweichen können, versteht sich von selbst. Nach G. Büchner 
(Chem.-Ztg., 1900, Nr. 21), der eine außerordentlich große Anzahl von 
Wachsproben untersucht hat, darf gelbes Wachs bei negativem Ausfall 
der qualitativen Reaktionen nieht beanstandet werden, wenn es die 
Grenzzahlen 17,5—21, 70—78, 87,5— 99 und 3,4—4 ergibt. Diese 
Grenzzahlen sind aber häufig nicht erreicht worden, und besonders die 



Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre mutmaßlichen Ursachen. 361 


Ester-, bzw. die Verseifungszahl ist sehr oft erheblich niedriger gefunden 
worden, trotzdem die qualitativen Reaktionen und die übrigen Kenn¬ 
zeichen auf reines Wachs hinwiesen. Es mußte also Wachssorten geben, 
die sich besonders schwer verseifen ließen. Ragnar Berg und andere 
haben darauf aufmerksam gemacht, daß vor allem außerdeutsche bzw. 
außereuropäische Wachssorten häufig außerordentlich schwer zu verseifen 
sind. Aber auch deutsche Wachse sind nicht immer gleichmäßig gut 
verseifbar, so daß die Art der Verseifung bei dem Bienenwachs eine 
ganz andere Rolle spielt als bei den Fetten, welche in kurzer Zeit 
ohne Schwierigkeit gespalten werden können. Es fragte sich nun, ob 
die von Hü bische Methode der Verseifung verbesserungsbedürftig sei. 
Zu einer vollständigen Verseifung des Wachses ist vor allem die Ver¬ 
wendung von alkoholischer Kalilauge notwendig. Diese Tatsache hatte 
schon v. Hübl veranlaßt, das Verfahren von Becker, welcher wohl 
als erster die Verseifungszahl im Bienenwachs bestimmte, umzuäudern 
und an Stelle von wässeriger Kalilauge alkoholische Lauge zu benutzen. 
Wenngleich nun also v. Hübl zur Verseifung alkoholische Kalilauge 
verwendete, kam doch in die zu verseifende Flüssigkeit dadurch un¬ 
nötiger Weise Wasser hinein, daß er die Säurezahl mit wässeriger 
Kaliauge bestimmte. Um aber eine völlige Verseifung beim Wachse 
zu erzieldh, ist es, wie G. Büchner, K. Dieterich, R. Berg und 
andere Autoren erkannten, unbedingt nötig, mit möglichst hochgradigem 
Alkohol» zu arbeiten. Das deutsche Arzneibuch IV, welches die 
v. Hü bische Methode mit gewissen Abänderungen zur Untersuchung 
von Wachs aufgenommen hat, hat nun zwar auch zur Bestimmung 
der Säurezahl alkoholische Kalilauge vorgeschrieben, läßt aber nur 
90 proz. Alkohol verwenden. Weiter gibt es an, daß auf 5 g Wachs 
20 ccm 1 / 2 Normal-Kalilauge hinzugesetzt werden sollen. Das Verhältnis 
der Menge des Wachses zur Menge der zur Verseifung dienenden 
Kalilauge ist jedoch von erheblicher Bedeutung. K. Dieterich und 
Werder haben darauf hingewiesen, daß die Kalilauge in starkem 
Ueberschuß vorhanden sein muß, wenn sie ein völliges Verseifen des 
Wachses gewährleisten soll. Nach ihnen ist es notwendig, auf 3 g 
Wachs mindestens 25 ccm Y2 Normal-Kalilauge zu nehmen. Von 
Wichtigkeit für die Wachsverseifung ist schließlich der Grad der Er¬ 
hitzung und die Dauer derselben. Anstatt auf dem Wasserbad die 
Verseifung vorzunehmen, ist vielfach vorgeschlagen worden, den Ver¬ 
seifungskolben im Wasserbade oder über freier Flamme mit unter¬ 
gelegtem Drahtnetz zu erhitzen. Ueber die Verseifungsdauer herrschten 



362 


P. BOHRISCH, 


ebenfalls verschiedene Ansichten. Das deutsche Arzneibuch IV läßt 
1 / 2 Stunde verseifen. Dies genügt aber nach K. Dieterich und Werder 
nicht, welche eine 1 ständige Verseifungsdauer verlangen. Die höchste 
Anforderung an die Zeitdauer der Verseifung stellt R. Berg, der in 
der Regel 4 Stunden für ausreichend hält, bei ost- und südasiatischen 
Wachssorten aber 8 Stunden verseifen läßt. Unter Berücksichtigung 
aller dieser Verhältnisse stellte ich in Gemeinschaft mit R. Richter 
für die Verseifung von Wachs folgende 3 Leitsätze auf: 

1 . Arbeiten mit hochprozentig-alkoholischen Flüssigkeiten; 

2 . Anwendung von genügend alkoholischer 1 / 2 Normal-Kalilauge 
gegenüber der Menge des zu verseifenden Wachses; 

3. Genügende Wärmezufuhr unter Berücksichtigung der Dauer 
der Verseifung. 

Das von R. Berg ausgearbeitete Verfahren (Pharm. Zentralh. 47 
[1906], 230) trug diesen Forderungen am meisten Rechnung. Es 
wurde deshalb für eine einwandfreie Bestimmung der Verseifungszahl 
in Wachsen vorgeschlagen und lautet folgendermaßen: ' 

„4 g Wachs werden mit 80 ccm 96 proz. Alkohol versetzt und einige Minuten 
auf dem Drahtnetze über einer kleinen (10—15 mm hohen) Gasflamme gekocht. 
Hierzu bedient man sich eines Erlenmeyerschen Kolbens aus Jenenser Geräteglas 
von 300 ccm Inhalt, dessen Oeffnung vermittels eines Korkstopfens verschlossen 
ist. Durch den Stopfen wird ein 1V 2 m langes, unten schräg abgeschnitten es Glas¬ 
rohr als Kühler gesteckt. Kolben und Rohr werden in einem Winkel .von 60° 
festgehalten, damit das Kondensat ungehindert zurückfließen kann. Die Kolben 
werden, bevor sie zum ersten Male benutzt werden, etwa 2 Stunden mit 100 ccm 
50° Be starker wässeriger Kalilauge und dann mehrere Male mit Wasser ausgekocht 
(unterläßt man das, so werden die Resultate der Bestimmung der Verseifungszahl 
anfangs immer etwas zu hoch ausfallen). Die Flüssigkeit wird so im Sieden ge¬ 
halten, daß der verdunstende Alkohol in den untersten */ a des Glasrohres konden¬ 
siert wird. Nach einigem Kochen titriert man nach Zusatz von 5 — 6 Tropfen 
lOproz. alkoholischer Phenolphthaleinlösung mit V 2 normaler alkoholischer Kalilauge. 
Die Titration muß so schnell durchgeführt werden, daß die Flüssigkeit nicht er¬ 
kalten oder sich trüben kann. Ein nochmaliges Erwärmen und Weitertitrieren ist 
unstatthaft (hierdurch fallen die Säurezahlen immer zu hoch aus, vielleicht, weil 
sich der Palmitinsäuremyricylester etwas verseift). Dabei muß die Titration sehr 
genau ausgeführt werden, da ja schon 0,1 ccm = 0,7 Säurezahl entspricht. Die 
verbrauchte Anzahl ccm mit 7 multipliziert, ergibt die Säurezahl der Probe. 
Jetzt läßt man 30 ccm der l / 2 Normal* Lauge zufließen, wartet einige Minuten, 
bis die Lauge von den Wänden der Bürette hcrabgelaufen ist, stellt dann genau 
auf 30 ccm ein und erhitzt wie vorher zum Sieden. Die Probe soll jetzt wenig¬ 
stens 4 Stunden, bei ost- und südasiatischem Wachse am besten 8 Stunden kochen 
und wird dann bis zur Entfärbung mit V 2 normaler wässeriger Salzsäure titriert; 
darauf erhitzt man nochmals etwa 5 Minuten zum Kochen, wobei die Rotfärbung 
gewöhnlich wiederkehrt, und titriert jetzt endgültig bis zur Entfärbung. Es ist 
wohl wahr, daß man oft in kürzerer Zeit die Verseifung beendigen kann; dann 
und wann kommen aber auch Proben vor, die sich ziemlich schwer verseifen lassen. 



Die S<^%etV«r$eiffeÄtkeifc-des*Biepeirvr^^ aird 4bfe mutmaßlichen Ursachen, 363 

30 weniger epet .;.ergibt die Estomhlv 

Estereaiii durch S^je&td. geteilt • die .'Vftr)i$^hi»en'bjj Säurezafil uvß ß^torzahl. dip 
der IVtjhe ' 

Bei der Ausführung des Berg sehe» Verfahrens sind :,ß Punkte 
besonders beachtenswert, Erstens ist es notwendig, nach dem Zürimkh 
titrieren der itbersohiissigru Kalilauge nochmals h Miniileti äu*ähitzeh 
und durch vöw f/ s Normal -Salzsäure digf. ent¬ 

standene Rötung bis 'zur definitiven- Entfärbung zu titnerem Das 
nochmalige Kochen •' raäßhh ‘sieb erforderlich, um das von dee. Wau. 
dringen des Glaskolbens .-absorbierte Alkali wieder in Ebsung ?,u 
bringen, Diu Esterzahl wird bierhoiniedriger und z\vaf beim feinen, 
unverfölsdite« Wachs um Ö§| bis. i ,0 und. bei mit; Paraffin oder 
■'Geresio. veriiUsehterri je nach db«r örad . Wß; 

bis 2.0 (siehe'Pharm, Zemrath . 4f [10015] 2S2). Zweitens ist die 
Dauer der Verseifung und .die Art ; <lhr War raäthföht Von . groiSer 
"Wichtigkeit f»ir eine einwandfreie Bestimmung der Ester- hstw. Ver- 
scifuogszahl, wie -aus Tabelle I hervorgeht, Jäiernach läßt sich eine 


Ta bette I."- 

i KltifliUl der Wärmequelte in bezog luiC Art and Untier.. 


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■. p ; 

exakte Wachs.vcrseifi 

j ufj nur durch mehrstündiges. Erhitzen erzielen, 

und. zwar fei cs uiei 

fe angängig, 

die V eraei f 

uttg auf 1 dem Wassefbadß 

vorzuriehmen, da hi 

erbet auch 

«ach achtet und tgiyn Erhitzenb keine 


vollständige ■ Verseifung eirtgetn-terr ist. ; Diese erlangt man ohir dann, 
wenn man das Wachs entweder 3—4 -Stumlon im siedenden Wassor- 
bäde cerseift, oder Ä--B etruiHif;u auf dem Asbcstdrahliiefzc nach 
ß. Berg Außer Acht darf ferner.- nicht- gelassen- werden., »laß die 
alkoholische wenig Wasser enthalt und 

zweitens «in genügender fJebörscbuß: vorhanden iSiij ; 




364 


? RüRRlSCH, 


Daß nach de» schlechte« Erfahrungen, ■welche bei der Vor»/ 
seifung y(»ö Wat’.h.s teirt.cis der v, HftbUehen Methode gemacht 
worden waren, die bei den Feiten 'sn vorzügliche? itesuitate: er¬ 
gebend? itai te: Verse:fang nach H e n ri q u es cbenfa% uageniigende 
Zahle« geben tvüfde, stand. z« erwärm». Dean, wenn schon bei 
heißer ' .''Veirstf.{fö.ö'g. Sohwierigketten hezügUeh der Völlige» Spaltung 
des Wachses eimreto«, mußte bei kalter Verseifung diese ' noch 
weniger quantitativ verldui'en. 

Henriques giut Itir Wachs folgende Vorschrift- an; 



V'lietiolptitfinieih #J& hulikutof bi* /in bleiW-rideo- JtHhibg-.ttUttß«^.' eMMi; fif-WUb;«*; 
nie S&um.Mhl. Hierauf vre 01en’25 ecm. l /\ aiimuuiisi'lm .FDdüdugü kugeaftföfc, Maut. 
his zfit vuDijtätidi^Mi Lösung- einunAugftohiuä. erwärmt, und aiwti '2i Stuoden 
lang W-ilt stiilu-n grLisserL Nach «iirsrr Zeit titrier»’ mau mit S?iuir, zuni.*k und 
cHuiü *40i<*it die .Efuemlij'; Durch Addition venr Situr^ und Ksouimo »-rlmic man 
iV*h VoryeiluiVj.uu.iliL Das Vorballriis von Sauro und- Ei^m&hi- 
bäUnlszAbli 




Zur Prüfung; vier itraiunhl>ar!cßit ,ftes Henriques*ch^ V.fcrfahrim^ 
wurden mm in Proben rcinog gelbes Wach* sowohl naeli vier Methode 
v. Hub! in der Be rgsolimv Modilikanon als auch nach dkm* Vorfahren 
von Honnques •uDUiräimht. In Tabelle.11 finden sieh die Bos-dum 

f abö! U i li 

Ver^i^^m](» i riC^r^uebun^n ffkjk die 'kalt* und Iieifl* Verseffniig^Bi^tbH/M 4 
. b*i reinen gelben Warbsen. aA ,; ;V 


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uher^ii^iiiich 1 If. Sie hemfetgi eh Voll; hrtd. ganz die 

gekegen. Vermutungen Dm kalte Verseifung gibt, hiernach 



Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre mutmaßlichen Ursachen. 365 


nahmslos zu niedrige Werte; Ester- und Verseifungszahl sind im 
Durchschnitt um 2 Einheiten zu niedrig. Es geht aus der Tabelle 
weiter hervor, daß selbst die deutschen Bienenwachse sich verschieden 
leicht oder schwer verseifen lassen, denn Wachs Nr. 7 z. B. gibt bei 
beiden Verseifungsarten völlig gleiche Verseifungszahlen, während 
Wachs Nr. 5 hingegen eine Differenz von 4,93 aufweist. 

Es erschien nun ganz interessant, festzustellen, wie sich andere 
Wachsarten in Bezug auf die kalte und heiße Verseifung verhalten 
würden. Als Beispiel wurde Walrat gewählt, der nach Benedikt- 
Ulzer ziemlich schwer verseifbar sein soll. Zur Untersuchung ge¬ 
langten 8 Sorten Walrat, die durch Großdrogenhäuser verschiedener 
Gegenden Deutschlands bezogen worden waren. Die Verseifung der 
Proben wurde nun ebenfalls nach der Methode v. Hü bl und dem 
Henriquesschen Verfahren ausgeführt. Aus Tabelle III sind die 


Tabelle III. 

Vergleichende Untersuchungen Aber die kalte und heiße Verseifnngsmethode 

bei Walrat (Verseifungszahleü). 


Nr. 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

Heiße Methode D. A. B. V 

126,02 

127,94 

119,68 

130,15 

129,45 

124,39 

125,38 

125,33 

Heiße Methode Berg 

128,84 

128,31 

121,60 

130,54 

129,45 

128,11 

128,31 

125,33 

Kalte Methode Henriques 

127,02 

127,26 

120,04 

129,24 

128,19 

128,17 

i 127,24 

124,40 


Untersuchungsergebnisse zu ersehen. Es zeigt sich hiernach eine 
weit bessere Uebereinstimmung zwischen kalter und heißer Verseifung, 
als dies bei Bienenwachs der Fall ist. Die kalte Verseifung gibt 
zwar auch hier niedrigere Werte, doch beträgt der Unterschied 
nicht 2 Einheiten, sondern nur 1,1 Einheiten im Durchschnitt; die 
größte Differenz beträgt 1,8 gegen 4,9 bei Bienenwachs. Der nach 
den Literaturangaben schwer zu verseifende Walrat scheint also leichter 
verseifbar zu sein als Bienenwachs, und letzteres muß infolgedessen 
ebenfalls als schwer verseifbar bezeichnet werden, wenn man die 
Literaturangaben über die Verseifbarkeit des Walrats für richtig 
ansieht. 

-Das Deutsche Arzneibuch V hat nun leider die Vorschläge, welche 
ich bezüglich des Artikels Cera flava gemacht habe (Pharm. Zeit. 
1906, Nr. 52), nur zum Teil berücksichtigt und gerade die von mir 
betonte schwere Verseifbarkeit des Wachses nicht genügend in Rechnung 
gezogen. Wenn es auch den angegebenen Forderungen insofern 





366 


P. BOHRISCH, 


Rechnung trägt, als es erstens nur 3 g Wachs in Arbeit nehmen 
läßt, 20 ccm 1 / 2 normal alkoholische Kalilauge, also einen beträcht¬ 
lichen Ueberschuß gegenüber dem Deutschen Arzneibuch IV, zur Ver¬ 
seifung nimmt und dann 1 Stunde auf dem Wasserbade erhitzen läßt, 
so hat es doch die Forderung, möglichst hochprozentige alkoholische 
Flüssigkeiten zur Säure- und Esterzahlbestimmung zu verwenden, nicht 
berücksichtigt. Mir war es von vornherein klar, daß auch die ab¬ 
geänderte Vorschrift des Deutschen Arzneibuches V keine einwand¬ 
freien Resultate geben würde, da das 1 stündige Erhitzen auf dem 
Wasserbade keinesfalls zu einer vollständigen Verseifung ausreichend 
ist. Trotzdem habe ich in Gemeinschaft mit F. Kürschner noch 
besondere Untersuchungen über diesen Punkt angestellt (Pharm. Zeit. 
1911, Nr. 12). Zur Prüfung gelangten 3 reine, unverfälschte Wachse, 
und zwar erfolgte die Untersuchung nach Angabe des Deutschen 
Arzneibuches IV, des Deutschen Arzneibuches V und der von Berg 
vorgeschlagenen Alkoholraethode, bei welcher 6—8 Stunden über 
freier Flamme mit untergelegtem Asbestdrahtnetz verseift wird. 


Tabelle IV. 
Gelbes Wachs Nr. I. 



Säurezahl 

Esterzahl 

Verseifungszahl 

D. A. B. IV 

a) 17,90 ' 

37.29 

55,19 


b) 16,16 1 

39,51 

55,67 

D. Ä. B. V 

a) 17,18 

59,37 

76,55 


b) 18,92 

61,23 

80,15 


c) 19,08 

70,50 

89,52 


d) 17,53 

68,18 

85,71 

Alkoholmethode 

a) 19,50 

75,65 

95,15 

8stünd. Erhitzen 

b) 19,55 

1 75,90 

| 95,45 


Gelbes Wachs Nr. 11. 


D. A. B. IV 

1 17,30 

40,33 

57.63 

D. A. B. V 

17,89 

61,22 

79,11 

Alkoholmethode 

| 20,65 

73,43 1 

94,08 


Gelbes Wachs Nr. III. 


D. A. B. IV 
D. A. B. V 
Alkoholmethode 


mangels genügender Substanz nicht ausgeführt. 

19,11 55,73 I 74,84 

19,85 73,40 I 93,25 


Aus der Tabelle IV geht ohne weiteres hervor, daß sowohl die 
nach Vorschrift des Deutschen Arzneibuches IV als auch die nach 
der Vorschrift des Deutschen Arzneibuches V untersuchten Wachse 





Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre mutmaßlichen Ursachen. 367 

zu niedrige Esterzahlen geben, während die nach der Alkoholmethode 
(achtstündiges Erhitzen der Verseifungsflüssigkeit auf dem Asbest, 
drahtnetze über freier Flamme) geprüften Wachse normale Esterzahlen 
liefern. Am größten sind natürlich die Differenzen zwischen den 
nach dem Deutschen Arzneibuch IV und dem letztgenannten Verfahren 
gefundenen Werten. Die Differenz beträgt bis 38,50! Aber auch die 
nach dem Deutschen Arzneibuch V erhaltenen Esterzahlen sind gegen¬ 
über den nach dem Alkoholverfahren gefundenen Zahlen zum Teil 
außerordentlich niedrig. Die Differenz beträgt hier bis zu 17,65. 
Allerdings finden sich auch Werte, welche den richtigen Zahlen bis 
5,00 nahe kommen. So zeigt das gelbe Wachs Nr. I bei vier nach 
dem Deutschen Arzneibuch V ausgeführten Bestimmungen Esterzahlen 
von 59,37, 61,23, 70,50 und 68,18. Die Abweichungen lassen sich 
wahrscheinlich folgendermaßen erklären: 

Die Eaterzahlen 59,37 und 61,23 wurden erhalten durch einstündiges Er¬ 
hitzen auf einem Wasserbad, das mit Porzollanringen versehen war. Das Wasserbad 
wurde im lebhaften Sieden erhalten und der Erlenmeyerkolben mit der Verseifungs¬ 
flüssigkeit, ohne umzuschütteln, erhitzt. Der Kolben paßte nicht genau in den 
entsprechenden Porzellanring hinein, sondern war etwas zu groß. Bei den Analysen, 
welche die Esterzahlen 70,50 und 68,18 gaben, wurde ein Wasserbad mit Kupfer¬ 
ringen benutzt. Der Erlenmeyerkolben paßte genau in den betreffenden Ring 
hinein, außerdem wurde die Verseifungsflüssigkeit alle 5 Minuten umgeschüttelt. 
Die höchsten Esterzahlen erhält man also nach dem Deutschen Arzneibuch V, 
wenn man für möglichst hohe Temperatur sorgt. Das öftere Uraschütteln der 
Verseifungsflüssigkeit ist vielleicht auch von Bedeutung zur Erlangung hoher Ester¬ 
zahlen. Auf keinen Fall aber ist man imstande, nach der Methode des Deutschen 
Arzneibuches V riehtige Esterzahlen zu erhalten Das Wachs Nr. 1 z. B., welches 
von der chemischen Fabrik Helfenberg als Cera flava Ph. G. IV bezogen worden 
ist, müßte unbedingt als Verfälscht beanstandet werden, wenn man die nach dem 
Deutschen Arzneibuch V erhaltenen Zahlen als maßgebend betrachten wollte. Als 
Wärmequelle genügt eben nicht das Erhitzen auf dem Wasserbade, auch wenn 
man noch so sehr bestrebt ist, durch intensives Kochen und genaues Hineinpassen 
des Verseifungskolbens in die Wasserbadringo die Hitze möglichst zu steigern. 
Ferner ist auch das einstündige Erhitzen nicht ausreichend, um richtige Werte zu 
erhalten. Diese Tatsache ist von Berg sowie von mir bereits zur Genüge betont 
worden. 

Es ist dud nicht zu leugnen, daß ein auf 3, 4 und mehr Stunden 
ausgedehntes Kochen von Wachs mit einem verhältnismäßig großen 
Ueberschuß von 1 / 2 Normal alkoholischer Kalilauge verschiedene Nach¬ 
teile im Gefolge hat. Erstens ist schon eine mehrstündige Verseifung 
an und für sich keine Annehmlichkeit, besonders wenn sie sich, wie 
bei Carnaubawachs, oft bis auf 12, 24 und mehr Stunden erstreckt. 
Zweitens muß der als Lösungsmittel verwendete Alkohol unter diesen 
Manipulationen leiden, da ja alkoholisches Kalium in der Hitze als 



368 


P. BOHRISCH, 


starkes Oxydationsmittel wirkt. Berg versuchte deshalb in seiner 
Arbeit „die Verseifung von Carnaubawachs“ (Chem. Ztg., 1909, Nr. 100) 
das mehrstündige Erhitzen durch eine besondere Abänderung der von 
Hü bischen Probe zu vermeiden und fand schließlich im Xylol das 
geeignete Mittel hierzu. Xylol hat 3 wesentliche Vorzüge vor dem 
bisher angewendeten Alkohol. Erstens siedet es beträchtlich höher 
wie Alkohol, wodurch eine schnellere und glattere Verseifung möglich 
ist, zweitens löst es das Wachs bedeutend leichter, so daß man viel 
weniger davon zu nehmen braucht als Alkohol und schließlich wird 
es auch bei starkem Erhitzen von dem alkoholischen Aetzkali nicht 
oxydiert. 

Die Arbeitsweise von Berg zur Verseifung von Carnaubawachs 
war die folgende: 

„4 g Wachs werden in 20 ccm Xylol gelöst und nach Zusatz von Phenol¬ 
phthalein mit V 2 normaler alkoholischer Kalilauge neutralisiert, wenn man die Säure¬ 
zahl bestimmen will, sonst direkt mit 50 ccm 1 / 2 normaler alkoholischer Kalilauge 
und einigen Tonsplittern (zur Verhütung von Siedeverzug) versetzt und zwei Stunden 
in lebhaft siedendem Wasserbade am Rückflußkühler erhitzt. Dann werden 100 ccm 
Alkohol hinzugefügt; man läßt bis zur völligen Lösung der etwa an den Kolben¬ 
wänden ausgeschiedenen Seifen kochen und titriert schnell mit V 2 normaler Salzsäure 
zurück. Sollte hierbei Trübung auftreten, so gibt man noch 50 bis 100 ccm Alkohol 
hinzu, erwärmt bis zum völligen Klarwerden der Lösung und titriert dann auf Farb¬ 
losigkeit. Auch hier, wie beim Bienenwachs, muß maü dann noch 5 bis 10 Minuten 
lebhaft kochen lassen, damit das von den Wandungen des Glaskolbens absorbierte 
Alkali wieder in Lösung geht, worauf man die endgültige Schlußtitration vornimmt.“ 

Die vortrefflichen Analysen-Resultate, welche Berg mit seiner 
neuen Methode bei der Verseifung von Carnaubawachs erhalten hat, 
veranlaßte mich, in Gemeinschaft mit F. Kürschner (Pharm. Zentral¬ 
halle 1910, Nr. 25 und 26) Versuche über die Brauchbarkeit des 
Verfahrens anzustellen. Zu den Untersuchungen wurden drei ver¬ 
schiedene Proben von Carnaubawachs benutzt. Die erste (I.) hatte 
die Chemische Fabrik Helfenberg in freundlichster Weise zur Ver¬ 
fügung gestellt, die zweite (II.) und dritte (III.) Probe stammten von 
einer hiesigen Großdrogenfirma. Die Handelsbezeichnung lautete Cera 
Carnauba flava und Cera Carnauba albificata. Probe I wurde besonders 
eingehend untersucht und zwar nach der alten Bergschen Alkohol- '• 
methode. 

4 g Wachs wurden mit 80 g 96 proz. Alkohol auf dem Asbestdrahtnetz am 
Rückflußkühler gekocht und, nachdem die Säurezabl bestimmt worden war, mit 
30 ccm V 2 normaler alkoholischer Kalilauge erhitzt. 

Zuerst wurde eine Stunde verseift, dann 4, 8, 12, 24 und schließlich 
36 Stunden. Erst nach dieser Zeit fand keine Erhöhung der Ver- 



Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre ijmini&Slichen Ursachen; 369 

seifungS 2 ahl mehr statt. Dasselbe Waehs wurde no« nach dem neneo 
Xylol verfahre« ■ uflters.usht, wobei sich • daß sehe« nach 2 stün* 

digern Erhitzen die gleiche VcrsdCungszafü erreicht. w «riete wie bei 
der Alkohoimethode nach 24 Stuade«. Bei Frohe II, ab«*** 

falls «ach de« beide« Verfahre« untersucht wnrde, Wörde genaö, Wie 
bei Frohe T, sbbön nach 2 stüntiigein Erhitze« t^tt(^ii^^;'^irioln)gihQ(]d 

der Endpunkt der Verseifung erreicht. 

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Tabelle V. 

(. arnaah«wachs I. 


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f« der Tabei)fj V sind die Dntersnchn«gsre,sultate./ iiher.^it lititcli 
zusaimuengestt-i!!.. Probe. (I! schied für Verglehdisversoohe «ih‘. du 
sie nach 2 Mündigem Erhitzen mittel* der .Xy.lßlmcthv'dc 
Werte zeigte: 

SaurczahJ 0.49: Esterzuhl 1,2«; Yersesfimsrszabl 1,78;Verhaltnis- 
zahl 2,«3. 

Es lag also überhaupt kein Caraaubawaoiis vor. sonclcni füu rm! 
höchstens 3 II. var« au ha wachs-versetztes ßcMeicbfes PoreEn. 

Atiüer der kürzere« /eh datier bat das X viel Vorfahren aber «och 
verschiedene andere .Vorzüge vor der Alköholmetlindei 

Erstens löst sich CarfliMib.awHclie. seie ltu-M. in X/h.j, atich >n an•'.»rltleinerthiw 
Zustande, während es sich m Aikuln.l nur schwer au! hist *tc : .i 'unbedingt t»in ge¬ 
pulvert. werden muß, Trenn man aiuMi nur aon^tieriid tlehÖi|{e diesultoto erhalten 
will. Besonders für die Itestiminung iie.r Säu'rnzaM ist >:las /V-rklCiticro Cts Wuchses 
jjföjj Bcdeufune. Niehlsilesti.iweiuger fallt auch daun atijß Oie '••e.i->i'o naii dom 
; Alkobolverfalireu fast immer zu niedrig aus, da dm' vedstandtes fe-vice d‘- car- 

Arflnv fv o. prajtlu Tlprhei]^. Kd. 44. 9Ap|d: jji 






370 


P. BOHEISCH, 


naubawachses in 96 proz. Alkohol sich nicht erreichen läßt und der Farbenumschlag 
infolge der trüben Flüssigkeit beim Titrieren ein sehr undeutlicher ist. Nach dem 
Xylolverfahren hingegen erhält man eine vollständig klare Lösung, und der End¬ 
punkt der Titration läßt sich unschwer erkennen. Während ferner bei Ausführung 
der Alkoholmethode auch die Esterzahl infolge Trübwerdens der Flüssigkeit nach 
dem Austitrieren mit l / 2 Normal-Salzsäure nicht besonders gut zu bestimmen war, 
trat bei dem Xylolverfahren nach dem Zusetzen von 96 proz. Alkohol und Zurück¬ 
titrieren mit Salzsäure keine Trübung auf. 

Zu dem Xylolverfahren selbst ist noch folgendes zu bemerken: 

Berg schreibt vor, die Verseifung mit 50 ccm l / 2 Normal-alkoholischer Kali¬ 
lauge vorzunehmen. Wenngleich nun ein Ueberschuß an Kaliumhydroxyd die 
Verseifungsdauer vielleicht etwas abzukürzen imstande ist, macht sich andererseits 
ein nicht unwesentlicher Nachteil unangenehm bemerkbar. Zum Zurücktitrieren der 
überschüssigen Kalilauge ist eine recht erhebliche Menge von wässeriger 1 / 2 Normal- 
Salzsäure erforderlich. Dadurch wird aber die Verseifungsflüssigkeit stark getrübt 
und man braucht infolgedessen viel Alkohol, um ein Klarwerden der Lösung zu 
erzielen. Dies aber vergrößert das Volumen der Flüssigkeit so sehr, daß sich ein 
ziemlich großer Glaskolben nötig macht. Außerdem findet hierbei, besonders nach 
dem Zurücktitrieren mit wässeriger V 2 Normal-Salzsäure, infolge Trennung der 
Flüssigkeit in zwei Schichten öfters Siedeverzug statt, weshalb Berg empfiehlt, 
einige Tonsplitter zuzusetzen. Die angedeuteten Uebelstände lassen sich nun da¬ 
durch vermeiden, daß man nur 30 ccm l / 2 Normal-Kalilauge anwendet. Diese genügen 
vollkommen, um in der von Berg angegebenen Zeit eine vollständige Verseifung 
herbeizuführen. Beim Zurücktitrieren gelangt verhältnismäßig wenig Wasser in die 
Lösung, und 50 ccm 96 proz. Alkohols sind vollständig ausreichend, ein Trübwerden 
zu verhindern. Allerdings ist cs unerläßlich, die Verseifungsflüssigkeit möglichst 
schnell zu titrieren, weil andernfalls eine Abkühlung derselben ein tritt und ein 
Trübwerden der Lösung nicht ausbleibt. Ferner ist es zu empfehlen, vor dem 
Titrieren mit l j 2 Normal-Salzsäure nochmals 5—10 Tropfen Phenolphthaleinlösung 
hinzuzusetzen, weil durch das hohe Erhitzen der sonst so deutliche Farbenton an 
Intensität eingebüßt hat. Zur Bestimmung der Säurezahl wurde das Garnaubawachs 
in 20 ccm Xylol, welches mit der gleichen Menge absoluten Alkohols vermischt 
worden war, gelöst, wodurch erreicht wurde, daß die Flüssigkeit nicht so schnell 
zu einem Brei erstarrte. Bei dieser Arbeitsweise erübrigte sich schließlich der Zu¬ 
satz von Tonsplittern; die Flüssigkeit zeigte stets ein völlig gleichmäßiges Sieden 
und ein Siedeverzug konnte nicht bemerkt werden. 

Eignet sich das Xylol verfahren, wie aus dem Vorhergehenden 
ersichtlich, außerordentlich gut zur schnellen Verseifung des sonst so 
schwer verseifbaren Carnaubawachses, so ließ sich voraussehen, daß 
es auch für die Analyse des Bienenwachses vorteilhaft verwertet werden 
könnte. 

Zunächst wurde ein gelbes Wachs nach der alten Alkoholmethode 
analysiert, indem 1 Stunde, dann 2, 3, 8 und schließlich 10 Stunden 
lang verseift wurde. Dasselbe Wachs wurde dann nach dem Xylol¬ 
verfahren behandeLt und zwar betrug hier die Verseifungsdauer 1 / 2 Stunde,. 
1 Stunde und 2 Stunden. 




is und ihre mutmaßlichen Ursachen 


Tabelle VI. 

Bienenwachs 


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Die Tabelle VI zeigt, daß, während sich nach der Alkohblraethode 
eine 8 stiindige Vv,rseirungsdauer nötig wacht, um in allen Fällen eine 
vollständige Verseifung zu erzielen, näc'h dfetn Xylolverfahren schon 
nach 1 Stunde eine einwandfreie Verseifungszahl erhalten wurde. 

Nach diesen Yorversucheu wurden 9 reine gelbe Bienenwachse 
nach beiden "Verfahren analysiert, indem ; bei der Älkoltölmetbode 
8 Stunden lang, bei der Xylolmethode über not 1 Stunde verseift wurde,:. 

Tabelle VII. 

Vergleichende fjntersticbnngen über da» Alkohol verfuhren (8 ständiges Erhitzen) 
and das Xylolverfabren (I ständiges Erhitzen) bei normalen Bienenwachsen. 


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In Tabelle VJ1 .sind die ^utmmdntngsrcsuJtuto verzeichnet . . lü* 
geht daraus hervor, daß io älluti Fällen rd.iorein-stirnhioodc Wirb- er¬ 
hallen wurden. Die größte Dilfrrimz bei »len Y«.rsmfu*«g>zäbk**i übet', 
sohreitot 0,3 v. II. nicht, gewiß eine äußerst gvrmgrt-Ahtvclehung. wonu 
man bedenkt, wir v« I sehn» •an '(rupfen >/ 2 NormaBSalzsinirr hm der 
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372 


P. BOHRISCH, 


Bezüglich der Ausführung der Methode selbst gilt ungefähr das¬ 
selbe, was bei der Verseifung des Carnaubawachses bemerkt worden ist. 

Unter Berücksichtigung der verschiedenen, von mir unter Mit¬ 
wirkung von F. Kürschner vorgenomraenen Abänderungen würde die 
ßergsche Xylolmethode bei Bienenwachs zweckmäßig folgendermaßen 
auszuführen sein: 

4 g Wachs werden mit 20 ccm Xylol und 20 ccm Alkohol absolutus am Rück¬ 
flußkühler, der auch durch ein 1,5 m langes Glasrohr ersetzt werden kann, auf dem 
Asbestdrahtnetz über einer kleinen Gasflamme erhitzt und 5 bis 10 Minuten lang 
im Sieden erhalten. Hierauf titriert man die heiße Flüssigkeit sofort mit l / 2 Normal- 
alkoholischer Kalilauge, deren Titer man zuvor gegen V 2 Normal-Salzsäure eingestellt 
hat. Es ist vorteilhaft, die Titration möglichst schnell auszuführen, um ein etwaiges 
Erstarren der Flüssigkeit zu vermeiden. Man setzt deshalb zweckmäßig fast die 
ganze Menge der erfahrungsgemäß zu verbrauchenden Kalilauge auf einmal zu und 
titriert dann zu Ende. Als Indikator dient eine 5 proz. alkoholische Phenol¬ 
phthaleinlösung. Nachdem so die Säurezahl bestimmt worden ist, läßt man 30 ccm 
V 2 Normal-alkoholische Kalilauge zufließen und erhält eine Stunde im lebhaften 
Sieden. Nun fügt man 50 bis 75 ccm 96 proz. Alkohol hinzu, erhitzt ungefähr 
5 Minuten und titriert mit 1 / 2 Normal-wässeriger Salzsäure zurück, wobei man auch 
hier Sorge trägt, die Titration so schnell als möglich auszuführen. Hierauf läßt 
man die Flüssigkeit nochmals 5 Minuten kochen, damit das von den Wandungen 
des Glaskolbens absorbierte Alkali wieder in Lösung geht. Die rote Färbung kehrt 
hierbei gewöhnlich wieder. Schließlich wird endgültig bis zur Entfärbung titriert. 

Wie aus den vorstehenden Ausführungen deutlich ersichtlich ist, 
bietet das Xylol verfahren derartige Vorzüge vor allen anderen Methoden, 
die für die Verseifung des Bienenwachses vorgeschlagen worden sind, 
daß es verdient, in Zukunft als die maßgebende Methode zur Be¬ 
stimmung der v. Hü bischen Zahlen beim Wachs einzig und allein in 
Anwendung zu kommen. Die Methode ist ferner als so elegant zu 
bezeichnen, und so einfach und schnell auszuführen, daß sich künftighin 
mancher, der sich infolge der Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses 
nicht an die Bestimmung der Verseifungszahl gewagt hat, bereit finden 
lassen wird, die so sehr der Verfälschung unterworfene Droge mittels 
des Xylolverfahrens zu prüfen 1 ). 

Eine vorschriftsmäßige, d. h. farblose alkoholische Kalilauge ist 
für die Bestimmung der v. Hü bischen Zahlen von großer Wichtigkeit, 
und speziell bei dem Xylolverfahrcn ist nur eine ganz tadellose Lauge 
verwendbar. Bisher ist namentlich auf die Reinheit des zur Her¬ 
stellung nötigen Alkohols Gewicht gelegt worden, doch hat sich bei 

1) Die Xylol-Methode wird jetzt übrigens von allen größeren Speziallaboratorien 
benutzt. So schreibt Prof. Holde an Berg, daß im Laboratorium der Königl. 
Materialprüfungsanstalt Lichterfcldc Verseifungen nur noch nach dieser Mothode 
ausgeführt werden. 



Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre mutmaßlichen Ursachen. 37 3 

meinen Untersuchungen herausgestellt, daß es ebenso nötig ist, nur 
möglichst reines Aetzkali zu verwenden. Der käufliche 96 proz. 
Alkohol des Handels und vor Allem der Alkohol absolutus des D. A. B. 
werden jetzt so rein dargestellt, daß sie nur noch ganz selten fusel- 
bzw. aldehydhaltig sind, während die Bereitung eines chemisch reinen 
Aetzkali auch heutzutage noch mit Schwierigkeiten verknüpft ist, und 
dasselbe auch infolgedessen hoch im Preis steht. Das sogenannte 
Kali causticum alkohole depuratum des Handels enthält außer größeren 
Mengen von Karbonat noch verschiedene andere Verunreinigungen, 
welche anscheinend die Färbung des Alkohols veranlassen und an den 
schwankenden Werten der Verseifungszahlen infolge einer gewissen 
Zersetzung des Aetzkalis Schuld tragen. Während es demnach genügt, 
den 96 proz. Alkohol des Handels bzw. den Alkohol absolutus des 
D. A. B. zu benutzen, ist es unbedingt notwendig, nur ganz reines 
Aetzkali, am besten Kalium causticum purissimum pro analysi, zu 
verwenden. 

Die Herstellung der alkoholischen 1 / 2 Normal-Kalilauge geschieht 
zweckmäßig in folgender Weise: 

35 g Kalium causticum purissimum pro analysi werden in der gleichen Menge 
Was er gelöst und in so viel absoluten Alkohol eingegossen, daß ein Liter Volumen 
entsteht. Man läßt über Nacht stehen, wobei sich die Karbonate abscheiden. Durch 
Filtrieren erhält man dann eine alkoholische l / 2 Normal-Kalilauge, welche sich sehr 
lange farblos hält. Zur Prüfung auf ihre Verwendbarkeit genügt es dann, etwa 
30 ccm derselben mit gleichen Teilen absoluten Alkohols eine halbe Stunde am 
Rückflußkühler zu erhitzen. Ist nach dieser Zeit die Flüssigkeit farblos geblieben, 
bzw. hat sie sich nur schwach gelblich (höchstens weingelb) gefärbt, kann sie un¬ 
bedenklich in Gebrauch genommen werden. 

Von verschiedenen Seiten, unter anderem auch von dem bekannten 
Wachsforscher G. Büchner, ist nun immer wieder die Schwerverseifbar¬ 
keit des Bienenwachses bestritten worden. G. Büchner stellte direkt 
die Behauptung auf, daß es überhaupt keine schwer verseifbaren 
Wachse gibt, sondern daß sich die Verseifungsdauer einzig und allein 
nach dem Wassergehalte des Alkohols und der Kalilauge richtet. 
R. Berg und ich hingegen verfochten die Ansicht, daß das Bienen¬ 
wachs schon im Allgemeinen nicht leicht zu verseifen ist und daß sich 
im Besonderen einzelne ausländische Wachssorten nur sehr schwer 
verseifen lassen. Will man in allen Fällen eine einwandfreie Ver¬ 
seifungszahl erlangen, muß nach unseren Erfahrungen mindestens 
6—8 Stunden über freier Flamme bei untergelegtem Asbestdrahtnetz 
oder 3 Stunden im kochenden Wasserbad erhitzt werden, wenn Alkohol 



374 


P. BOHRISCH 


.zur Verwendung gelangt, und mindestens 1 Stunde, wenn Xylol be¬ 
nutzt wird. Um nun Büchner endgültig von seiner irrtümlichen 
Meinung abzubringen, stellte sich Berg die Aufgabe, die Anwesenheit 
von schwerverseifbaren Bestandteilen im Bienenwachse durch Isolierung 
derselben zu beweisen. 

Von den 2 Substanzklassen, die hauptsächlich für Wachs in 
Frage kommen, den Laktonen und Cholesterinen, gelten die Ester 
der letzteren bekanntermaßen als außerordentlich schwer verseifbar. 
Berg versuchte daher hauptsächlich den Nachweis der Cholesterinester 
zu führen. Durch ein sehr langwieriges Verfahren gelang es ihm, 
ein bernsteingelbes Oel zu erhalten, das eine prachtvolle Cholesterin¬ 
reaktion gab und nach dem vollständigen Reinigen 0,32 v. H. einer 
gelben, kristallinischen Masse — die freien Cholesterinalkohole — 
lieferte. 

Zur Isolierung der reinen Cholesterinester verfuhr nun Berg 
(Chem.-Ztg. 1908, Nr. 66) folgendermaßen: 

100 g gelbes Wachs wurden mit 500 ccm 80 proz. Weingeist am Rückflu߬ 
kühler ausgekocht, schnell auf 30° bis 40° abgekühlt und mit 80 proz. Weingeist 
auf das ursprüngliche Gewicht ergänzt. Nach 24 ständigem Stehen wurden die 
Wachssäuren abfiltriert und von dem Filtrat 375 ccm = 75 g Wachs zu den Versuchen 
benutzt. Beim Verdunsten des Filtrats hintcrblieb eine wachsartige, ziemlich 
weiche Masse, die, mit kaltem Petroläther behandelt, in einen geringeren unlöslichen 
(0,332 g) und einen beträchtlicheren löslichen Teil (1,303 g) zerlegt wurde. Während 
das in Petroläther Unlösliche keine Cholesterinreaktion gab, zeigte der in Petrol¬ 
äther lösliche Anteil schon jetzt eine deutliche Reaktion auf Cholesterin. Zur 
weiteren Reinigung wurde die Petrolätherlösung mit Natronlauge geschüttelt und 
dann Aceton zugesetzt, bis auch nach längerem Stehen keine Trübung mehr ent¬ 
stand. Von dem Niederschlag, welcher später zur Gewinnung der alkohollöslichen 
freien Säuren Verwendung fand, wurde abfiltriert und die Acetonlösung bei niedriger 
Temperatur (— 2° bis -f- 5°) verdunstet. Der wässerige Rückstand wurde mit 
Acthcr ausgeschüttelt, und dieser verdunstet. Es hinterblieben 0,48 g eines 
bernsteingelben Oeles von eigentümlichem Geruch, welches beim Abkühlen zu einer 
schmalzartigen Masse erstarrte. Diese gab eine prachtvolle Cholesterinreaktion 
mit grasgrüner Fluoreszenz des Essigsäureanhydrids. Zur möglichst vollständigen 
Reinigung wurde die Masse noch mit Alkohol und V 2 Normal-Kalilauge (alkoholischer) 
gekocht, zur Trockne verdunstet und mit Aether extrahiert. Das Aetherextrakt 
wurde verdunstet, mit kaltem 80 proz. Alkohol ausgewaschen und dann mit heißem 
Essigsäureanhydrid behandelt, wobei geringe Mengen (0,031 g) eines farblosen Oeles 
zurückblieben, das nach dem Erkalten zu einer weißen, bröckelnden Masse erstante 
und höchstwahrscheinlich aus Kohlenwasserstoffen bestand. Das in Essigsäure¬ 
anhydrid Lösliche erstarrte beim Erkalten zu einer Kristallmasse, die zwei Kristall¬ 
formen zeigte, Nadeln und Blättchen bzw. Prismen. Sie wurde vom Essigsäure¬ 
anhydrid befreit und durch Behandeln mit Petroläther, sowie Soda und Natrium¬ 
sulfat gereinigt. Schon Spuren dieser gereinigten Masse gaben die Cholesterin¬ 
reaktion in tadelloser Weise. 



Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre mutmaßlichen Ursachen. 375 

Berg folgert nun aus seiner Arbeit, daß sowohl gebleichtes als 
auch ungebleichtes Wachs mindestens 0,6 v. H. Cholesterinester enthält, 
die schwer verseifbar sind und eine hohe Verseifungszahl besitzen. 
Zur genauen Bestimmung der Verseifungs- bzw. Gsterzahl muß das 
Wachs also unbedingt längere Zeit mit der Lauge gekocht werden. 
Die schwere Verseifbarkeit verschiedener Wachssorten kann vielleicht 
auch teilweise auf die Anwesenheit von Laktonen zurückzufiihren sein. 

Die schöne Arbeit von Berg regte mich nun an, auch meiner¬ 
seits Versuche zur Isolierung der Cholesterinester im Wachs anzu¬ 
stellen. Da ich aber eine größere Anzahl von Wachsen, besonders aus¬ 
ländische, schwer verseifbare, auf ihren Gehalt an Cholesterinestern 
zu prüfen beabsichtigte, stellte ich mir zunächst die Aufgabe, das 
ziemlich unständliche Bergsche Verfahren zu vereinfachen. 

Bei meinen Versuchen wurden nach der Vorschrift von Berg 
zunächst 200 g Wachs mit 1000 ccm 80 proz. Alkohol am Rückflu߬ 
kühler auf dem siedenden Wasserbade 5 Stunden lang unter häufigem 
Umschütteln erhitzt, schnell auf 30° bis 40° abgekühlt und 24 Stunden 
stehen gelassen. Die abgeschiedenen Wachssäuren wurden abfiltriert 
und samt Filter in demselben Kolben nochmals 5 Stunden mit lOOOccm 
80 proz. Alkohol ausgekocht. Der erste Auszug hinterließ nach dem 
Abdampfen 5,60 g, der zweite Auszug 2,30 g Rückstand von Farbe 
und Konsistenz des Adeps lanae anhydricus. Beim abermaligen Aus¬ 
kochen der mit heißem Alkohol ausgewaschenen Wachssäuren mit 
500 ccm 80 proz. Alkohol wurden 0,55 g Extraktionsrückstand er¬ 
halten. Da dieser nur eine ganz schwache Cholesterinreaktion gab, 
wurde er praktisch als cholesterinfrei angesehen und nur die ersten 
zwei Rückstände weiter verarbeitet. Sie wurden gemischt und mit 
2 g dieser Mischung folgender Versuch angestellt: 

Die braungelbe Masse wurde in 50 ccm Aether gelöst, und die 
Lösung längere Zeit in Eis stehen gelassen. Hierbei schied sich ein 
nicht unbeträchtlicher, flockiger Niederschlag ab, welcher abfiltriert 
und mit kaltem Aether ausgewaschen wurde. Das Filtrat wurde 
auf 75 ccm gebracht und mit 125 ccm einer Mischung aus gleichen 
Volumina absolutem Alkohol und Wasser nach und nach unter Um¬ 
schütteln versetzt. Es entstand erst eine Trübung, dann eine Trennung 
in zwei klare Schichten. Die untere wässerige Schicht sah gelb aus 
und betrug 115 ccm. Sie hinterließ beim Abdampfen 0,20 g eines 
bräunlichgelben Rückstandes, während die bräunlichgelbe, ätherische 



376 


P. BOHRISCH, 


Schicht 1,80 g Rückstand von braungelber Farbe ergab. Letzterer 
wurde nochmals in 60 ccm Aether gelöst, 100 ccm 50 proz. Alkohol 
unter Umschütteln hinzugesetzt, und nach Trennung der Schichten 
sowohl die wässerige, als auch die ätherische Flüssigkeit eingedampft. 
Diese ergab 1,44 g Rückstand, jene 0,36 g. Die Konsistenz und das 
Aussehen beider Rückstände waren gleich. Da sie auch bei ungefähr 
gleicher Temperatur schmolzen, erschien eine Trennung des Alkohol¬ 
rückstandes auf die oben angeführte Weise aussichtslos. 

Nunmehr wurden 5 g des Alkoholrückstandes nach der Arbeits¬ 
weise von Berg mit Petroläther behandelt. Da es mir nicht möglich 
war, infolge Beschlagnahmung aller leichtsiedenden Benzine, Petroläther 
vom Siedepunkt 40° bis 50° C zu erhalten, mußte ich mich mit einem 
solchen vom Siedepunkt 70° bis 80° C begnügen. Aus diesem Grunde 
erhielt ich wahrscheinlich auch ein anderes Verhältnis von Petroläther- 
Löslichem zu Petroläther-Unlöslichem. Während Berg von 1,635 g 
Substanz 0,332 g in Petroläther Unlösliches erhielt, betrug in meinem 
Falle das Unlösliche von 5 g Substanz 0,51 g. Dieses sah zuerst 
graugelb aus und bestand aus Flocken, wurde aber auf dem Filter 
dunkler und dichter, so daß es zuletzt von braunschwarzer Farbe war 
und sich zu einer Kugel kneten ließ. Bei Berg bildete das.im Petrol¬ 
äther Unlösliche eine braune, halbflüssige Masse, welche ebenso wie 
mein Unlösliches keine Cholesterinreaktion gab. Der im Petroläther 
lösliche Anteil des Alkoholrückstandes war von Talgkonsistenz, also 
etwas härter geworden. Auch die Farbe erschien etwas heller. Der 
im Petroläther lösliche Teil des Alkoholrückstandes wurde nun nicht, 
wie es Berg ausführte, nach dem Lösen in Aether mit Natronlauge 
geschüttelt und dann mit Aceton versetzt, sondern direkt mit alkoho¬ 
lischer 1 / 2 Normal-Kalilauge verseift. Ich ging hierbei von der Erwägung 
aus, daß die schwer verseifbaren Cholesterinester bei dem gewöhnlichen 
Verseifungsverfahren höchstwahrscheinlich unverseift bleiben würden, 
während die anderen im Alkoholrückstand befindlichen Stoffe ganz 
oder zum größten Teil verseift werden würden. Durch Ausschütteln 
mit Aether könnten dann die Cholesterinester gewonnen werden. 

Znnächst versuchte ich mit kalter Verseifung zum Ziele zu kommen, 
da ich annahm, daß die neben den Cholesterinestern im Alkoholrück¬ 
stand vorhandenen Körper sich sehr leicht verseifen ließen, und anderer¬ 
seits nicht wissen konnte, ob nicht doch vielleicht beim heißen Ver¬ 
seifen ein Teil der Cholesterinester durch die Kalilauge angegriffen 
werden w'ürde. Zu diesem Zwecke wurde 1 g Rückstand mit 25 ccm 



Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre mutmaßlichen Ursachen. 377 

alkoholischer 1 / 2 Normal-Kalilauge versetzt, durch Schütteln in Lösung 
gebracht und 24 Stunden bei Zimmertemperatur im verschlossenen 
Kölbchen stehen gelassen. Die Lösung färbte sich hierbei bräunlich¬ 
gelb und gelatinierte. Sie wurde mit 500 ccm Wasser vermischt 
und mit 100 ccm Aether im Scheidetrichtcr ausgeschüttelt. Da nach 
12 Stunden noch keine Trennung der Schichten eingetreten war, wurden 
nochmals 100 ccm Aether hinzugesetzt. Trotzdem blieb die Emulsion 
bestehen. Nach Zusatz von Kochsalz trat zwar eine Trennung in 
zwei Schichten ein, jedoch zeigte sich die Aetherschicht stark emulsions¬ 
artig getrübt. Sie war auch durch mehrmaliges Schütteln mit Wasser, 
sowie durch Behandeln mit Kochsalzlösung nicht klar zu bekommen. 
Die Schwierigkeiten, welche Berg beim Ausschütteln des in Aether 
gelösten Alkoholrückstandes unliebsam empfunden hatte, machten sich 
also auch bei mir bemerkbar. Es war völlig unmöglich, der Emulsions¬ 
bildung Herr zu werden. Infolgedessen schlug ich einen anderen Weg ein: 

1 g Rückstand wurde wie oben mit 25 ccm alkoholischer 1 / 2 Normal- 
Kalilauge kalt verseift, und das Gemisch hierauf in einer Porzellan¬ 
schale bei Zimmertemperatur verdunsten gelassen. Der Verdunstungs- 
rückstand wurde im Kalkexsikkator getrocknet, dann gepulvert und 
in einem Glasstöpselzylinder mit 50 ccm Aether unter häufigem Um- 
schütteln längere Zeit digeriert. Nun wurde durch ein Faltenfilter 
filtriert, und 20 ccm des gelben Filtrats in einem gewogenen Becher¬ 
glas bei Zimmertemperatur zum Verdunsten gebracht. Der Rückstand 
betrug 0,070 g, sah hellgelb aus und war von schmalzartiger Konsistenz. 
Da er, auf Wachs bezogen, sich zu 0,621 v. H. desselben berechnete 
(Berg sagt, daß Wachs mindestens 0,6 v. H. Cholesterinester besitzt) 
und auch die von Berg erwähnten, für Cholesterinester charakteri¬ 
stischen Eigenschaften zeigte, so ist es höchstwahrscheinlich, daß dieser 
Rückstand die gewünschten Ester in ziemlich reinem Zustand darstellt. 

Um auch das Verhaltendes petrolätherlöslichen Teiles des Alkohol¬ 
rückstandes bei heißer Verseifung kennen zu lernen, wurde etwa 1 g 
(genau 1,104 g) desselben mit 40 ccm 96 proz. Alkohol und 15 ccm 
alkoholischer 1 / 2 Normal-Kalilauge l / 2 Stunde am Rückflußkühler auf 
dem Wasserbade erhitzt, mit 1 / 2 Normal-Salzsäure genau neutralisiert 
und das Gemisch in einer Porzellanschale bei Zimmertemperatur ver¬ 
dunsten gelassen. Durch das Neutralisieren der Verseifungsflüssigkeit 
wurde vermieden, daß beim Eindunsten derselben infolge Konzentrierens 
der überschüssigen Kalilauge eine weitere Verseifung stattfinden konnte, 
was immerhin nicht unmöglich erschien. Nach längerem Trocknen 



378 


P. BOHRISCH, 


im Exsikkator wurde der Rückstand mit etwa 50 g Seesand verrieben, 
nochmals getrocknet und dann im Soxhletapparat mit Aether extrahiert. 
Die rein gelbe Lösung wurde in einem gewogenen Becherglas bei 
Zimmertemperatur verdunstet. Es resultierten 0,221 g Rückstand, 
welcher dasselbe Aussehen und dieselbe Konsistenz besaß, wie das 
bei der kalten Verseifung erhaltene Produkt. Auf 100 g Wachs be¬ 
rechnet, würde er 0,710 g betragen, also etwas mehr, als der oben 
gewonnene Rückstand. Die Differenz erscheint aber belanglos, wenn 
man berücksichtigt, daß erstens ein mit Sand gemischtes Seifenpulver 
sich vollständiger mit Aether ausschütteln läßt als ein unvermischtes 
Seifenpulver, welches hygroskopisch ist und infolgedessen leicht zu¬ 
sammenballt, und zweitens die Erschöpfung des Pulvers im Soxhlet¬ 
apparat quantitativer vonstatten geht als beim bloßen Digerieren und 
Ausschütteln. Im Allgemeinen kann man also sagen, daß die heiße 
Verseifung und die kalte Verseifung ungefähr dieselben Resultate geben. 

Nachdem es nun gelungen war, das Bergsche Verfahren zur 
Isolierung der Cholesterinester im Bienenwachs so zu vereinfachen, 
daß es keine Schwierigkeiten mehr bot, auch eine größere Anzahl 
von Wachsen auf ihren Gehalt an Cholesterinestern zu untersuchen, 
hatte ich die Absicht, vor allem die als besonders schwer verseifbar 
geltenden marokkanischen, ostafrikanischen und ostindischen Wachse 
in dieser Hinsicht zu prüfen. Die genannten Wachssorten mußten, 
wenn die Bergsche Annahme richtig war, daß die Sch werversei fbar- 
keit des Wachses höchstwahrscheinlich auf dem Gehalt an Chole¬ 
sterinestern beruht, ganz besonders reich an dieser Art von Ver¬ 
bindungen sein. Leider war es mir nun aber unmöglich, eine größere 
Anzahl der gewünschten außereuropäischen Wachse zu erhalten, da 
wegen des Krieges die Vorräte gänzlich aufgebraucht waren und neue 
Posten infolge der Abschneidung des deutschen Handels vom über¬ 
seeischen Verkehr nicht nach Deutschland hereinkoraraen konnten. 
Einzig und allein der Liebenswürdigkeit der bekannten Wachsfabrik 
Franz Emil Berta in Fulda habe ich es zu verdanken, daß mir 
wenigstens je ein Muster ostafrikanisches und ostindisches Wachs für 
meine Untersuchungen zur Verfügung stand. Ich möchte nicht ver¬ 
fehlen, der Firma Berta für die kostenlose Ueberlassung der beiden 
Proben auch an dieser Stelle meinen besten Dank auszusprechen. 

Das ostafrikanische Wachs stellte eine dunkelgelbe Masse dar, 
welche dem Aussehen und der Konsistenz nach dem gelben deutschen 
Bienenwachs ähnelte und einen angenehmen honigartigen Geruch besaß. 



Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre mutmaßlichen Ursachen. 379 


Die chemische Untersuchung ergab folgende v. Hü bische Zahlen: 



Säurezahl 

Esterzahl 

Verseifungszahl 

Verhältniszahl 

a) Alkoholmethode 

18,69 

76,53 

95,22 

4,09 

b) Xylolmethode 

18,94 

76,60 

95,54 

4,04 

Nach Benedikt-Ulzer hat ostafrikanisches Wachs 

: 

im Maximum 

21,56 

80,85 

102,41 

4,16 

7,75 

im Minimum 

19,39 

76,48 

100,10 


Das untersuchte ostafrikanische Wachs weicht also bezüglich der 
v. Hüblschen Zahlen nur ganz wenig von den im Benedikt-Ulzer 
befindlichen Zahlen ab, kann demnach als rein angesprochen werden. 

50 g des Wachses wurden nun 2 mal mit je 250 ccm 80 proz. 
Alkohol im siedenden Wasserbade 5 Stunden lang am Rückflußkühler 
gekocht, unter stetigem Umschütteln auf 30°—40° abgekühlt und 
24 Stunden stehen gelassen. Die abgeschiedenen Wachssäuren wurden 
abfiltriert und die Filtrate in einer Porzellanschale verdampft. 

Der Rückstand des ersten Auszuges hatte das Aussehen von 
wasserfreiem Wollfett, war fast ohne Geruch und von lanolinartiger 
Konsistenz, während der Rückstand des zweiten Auszuges viel heller 
gefärbt erschien als der des ersten Auszuges und auch eine weichere 
Konsistenz aufwies. Beide Rückstände, von denen der erste 0,60 g 
und der zweite 0,40 g wog, wurden vereinigt und in einem Glas¬ 
stöpselzylinder mit 30 ccm Petroläther vom Siedepunkt 70°—80° ge¬ 
schüttelt. Nachdem Lösung eingetreten war, wurde der Zylinder 
1 Stunde in Eiswasser gestellt. Nach dieser Zeit hatte sich ein 
gelblich-grauer, voluminöser, flockiger Niederschlag gebildet, während 
die darüber stehende Flüssigkeit tiefgelb gefärbt erschien. Der Nieder¬ 
schlag wurde abfiltriert, noch 2 mal mit je 25 ccm Petroläther von 
5° C ausgewaschen, dann feucht vom Filter genommen und auf einem 
Uhrglas getrocknet. Er stellte getrocknet eine harte, graugelbe Masse 
im Gewicht von 0,20 g dar. 

Der petrolätherlösliche Teil des Alkoholrückstandes wurde bei 
etwa 40° in einer gewogenen Porzellanschale abgedunstet. Es hinter¬ 
blieben 0,80 g einer orangegelben Masse von Schweinefettkonsistenz. 
Diese wurde mit 30 ccm 96 proz. Alkohol und 11 ccm alkoholischer 
1 / 2 Normal-Kalilauge eine halbe Stunde auf dem siedenden Wasserbade 
am Rückflußrohr erhitzt, hierauf mit 1 / 2 Normal-Salzsäure genau neu¬ 
tralisiert und in einer Schale bei Zimmertemperatur verdunsten ge- 








380 


P. BOHRISCH, 


lassen. Der Rückstand wurde nach dem scharfen Trocknen im Kalk¬ 
exsikkator mit 10 g Seesand verrieben, längere Zeit auf 50° C er¬ 
wärmt, dann mit weiteren 50 g Seesand vermischt und nach dem 
nochmaligen Trocknen im Kalkexsikkator 8 Stunden im Soxhletapparat 
mit Aether extrahiert. Die Extraktionsflüssigkeit war von gelblicher 
Farbe, trübte sich nach kurzer Zeit und schied massenhaft kleine 
Flocken ab, die sich schließlich an den Wandungen des Kölbchens 
als schwach gelbe, fast durchsichtige Masse absetzte. Die Menge der 
Ausscheidung betrug 0,025 g, der in Aether lösliche Teil 0,306 g. 
Bei Zimmertemperatur war der letztere fest, milchig getrübt und fast 
farblos, bei 50° C stellte er ein gelbes Oel dar von schwachem, 
kaum aromatischem Geruch. Da schon eine Spur davon eine pracht¬ 
volle reine Cholesterinreaktion gab, mußte er aus den ziemlich reinen 
Cholesterinestern bestehen, welche also zu 0,612 v. H. in dem ost¬ 
afrikanischen Wachs vorhanden sind. 

Das ostindische Wachs war im Gegensatz zu dem ostafrika¬ 
nischen Wachs von hellgelber, fast schmutzigweißer Farbe und ohne 
jeden Geruch. Weiter zeigte es eine harte, aber doch plastische, ge¬ 
schmeidige Konsistenz. 

Die chemische Untersuchung ergab folgende v. Hü bl sehe Zahlen: 



Säurezahl 

Esterzahl 

Verseifungszahl 

Verhältniszabl 

a) Alkoholmethode 

5,83 

94,27 

100,10 

16,18 

b) Xylolmethode 

5,87 

94,13 

100,00 

16,05 

Nach Bened 

ikt-Ulzer 

hat ostindisches Wachs: 

- 

im Maximum 

8,96 

99,45 

! 106,10 

14,95 

im Minimum 

6,30 

86,24 

93,59 

10,00 

Mittel 

7,0-7,5 

89—94 ! 

i 96-101,5 

12,5-13,5 


Also auch das untersuchte ostindische Wachs lehnt sich bezüg¬ 
lich der von v. Hüblschen Zahlen eng an die im Benedikt-Ulzer 
verzeichneten Konstanten an und kann als rein angesprochen werden. 

Zur Darstellung der Cholesterinester wurden 50 g des Wachses 
genau in derselben Weise behandelt wie das ostafrikanische Wachs. 
Der erste alkoholische Auszug hinterließ beim Eindampfen 0,40 g 
eines hellbraungelben Rückstandes, der die Konsistenz von Schweine¬ 
fett hatte. Der Geruch war nicht wachsartig, sondern erinnerte an 
Kondurangorinde. Der zweite alkoholische Auszug ergab 0,25 g Rück¬ 
stand von schmutzig bräunlichgelber Farbe und von Talgkonsistenz. 






Die Schwerverseifbarkeit des Bienenwachses und ihre mutmaßlichen Ursachen. 381 

Beim Behandeln der vereinigten Rückstände mit Petroläther zeigte 
sich nur eine ganz geringe flockige Ausscheidung. Diese stellte, ab¬ 
filtriert und getrocknet, eine bräunliche klebrige Masse dar im Ge¬ 
wichte von 0,03 g, während das Petrolätherlösliche 0,62 g betrug^ 
bräunlichgelb aussah und schmalzartig weich erschien. Es wurde mit 
22,5 ccm 96 proz. Alkohol und 8,5 ccm y 2 Normal-alkoholischer Kali¬ 
lauge verseift und nach dem Neutralisieren mit 1 / 2 Normal-Salzsäure 
in einer Porzellanschale bei Zimmertemperatur verdunsten gelassen. 
Der Rückstand wurde in derselben Weise wie bei dem ostafrikanischen 
Wachs mit Sand verrührt, getrocknet und im Soxhletapparat mit 
Aether extrahiert. Der Aether blieb hierbei im Gegensatz zu dem 
ostafrikanischen Wachs klar und hinterließ, verdunstet, 0,112 g Rück¬ 
stand. Dieser war bei Zimmertemperatur fest und schmutzig gelb 
und besaß einen rauskatnußähnlichen Geruch. Bei 50° C stellte der 
Rückstand ein gelbes Oel dar, von dem schon eine ganz geringe 
Menge eine starke Cholesterinreaktion gab. Das ostindische Wachs 
enthält demnach 0,224 v. H. Cholesterinester. 

Aus den angeführten Untersuchungsergebnissen geht also hervor, 
daß die als besonders schwer verseifbar geltenden ostafrikanischen 
und ostindischen Wachse nicht mehr Cholesterinester enthalten wie 
das deutsche gelbe Bienenwachs, ja, daß das ostindische Wachs sogar 
bedeutend weniger von diesen Verbindungen besitzt. Wenn sich nun 
auch aus diesen zwei Analysen nicht mit Bestimmtheit behaupten läßt, 
daß alle ostafrikanischen bzw. ostindischen Wachse dieselbe Menge 
Cholesterinester enthalten wie die untersuchten, so ist doch anderer¬ 
seits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für diese Annahme nicht von 
der Hand zu weisen. Man würde infolgedessen vielleicht sagen 
können, daß die im Bienenwachs vorhandenen Cholesterinester zwar 
einen gewissen Anteil an seiner Schwerverseifbarkeit haben, daß aber 
auch noch andere Verbindungen an dieser Schwerverseifbarkeit be¬ 
teiligt sind. So muß z. B. das als besonders schwer verseifbar gel¬ 
tende ostindische Bienenwachs außer den Cholesterinestern noch andere 
schwer verseifbare Stoffe enthalten. Ob dies nun, wie Berg in seiner 
Arbeit andeutet, Laktone sind oder andere Verbindungen, läßt sich 
ohne weitere eingehende Versuche nicht feststeilen. Jedenfalls ge¬ 
hören zu diesen aber größere Mengen ausländischer Wachssorten, 
welche erst nach dem Kriege beschafft werden können. Infolgedessen 
behalte ich mir vor, später noch eingehende Untersuchungen über 
dieses Thema anzustellen. 



XVI. 


Die operative Behandlung des Krippensetzens der 
Pferde nach dem Verfahren von Forssell. 

Von 


Röder. 

(Mit 2 Abbildungen im Text.) 


Die ersten Versuche, das Koppen der Pferde durch einen operativen 
Eingriff zu beseitigen, liegen ungefähr 60—70 Jahre zurück. Gerlach 
(1) berichtet in der 1. Auflage seiner gerichtlichen Tierheilkunde, die 
1862 erschien, daß er sich früher eine Reihe von Jahren hindurch 
mit der Heilung des Krippensetzens auf operativem Wege beschäftigt 
habe und daß es ihm gelungen sei, die angehenden Krippensetzer 
mittels Durchschneidung der Mm. omo-hyoidei in der Kehlkopfgegend 
zu heilen. Auf Grund seiner Beobachtungen hielt er gerade diese 
Muskeln für die beim Koppakt am meisten benützten. — Aus der 
vorliegenden Literatur ist nicht ersichtlich, ob das Gerlaehsche 
Verfahren von anderen Autoren nachgeprüft worden ist. 

Die nächste Mitteilung über die operative Behandlung des Koppens 
brachte Hertwig (2) im Jahre 1870. Er schrieb die Hauptwirkung 
beim Koppakt den Mm. sterno-mandibulares zu und durchschnitt die 
Sehnen dieser Muskeln, wodurch er bei starken Köppern recht gute 
Wirkung erzielt haben will. Bei der Nachprüfung dieser Operations¬ 
methode durch Goubaux, Hering und Bassi ergab sich jedoch, 
daß der Erfolg nur vorübergehend war. 

Im Jahre 1886 empfahl dann Hell (3) die Durchschneidung 
der Muskelbäuch^ der Mm. sterno-mandibulares. Er will damit 
günstigere Erfolge gehabt haben als mit der Durchschneidung der 
Sehnen dieser Muskeln. Er nahm an, daß an diesem günstigeren 
Erfolge die gleichzeitige Durchschneidung des Nervus accessorius 
Willisii beteiligt sei. 

Das Operationsverfahren von Hell und das von Hertwig wurde 
von Schwcndimann (4) nachgeprüft. Er operierte 2 Pferde nach 
Hell und 2 Pferde nach Hertwig. Alle 4 Pferde koppten jedoch 



Operative Behandlung d. Krippensetzens d. Pferde nach d.Verfahren vonForssell. 383 

nach kurzer Zeit wieder mit erstaunlicher Fertigkeit. Sch wen di. 
mann ist daher der Meinung, daß der Arm-Wirbel-Warzenmuskel (M. 
brachiocephalicus) stellvertretend für die durchschnittenen Muskeln 
wirkt, so daß das Koppen vermöge der Kontraktion dieses Muskels 
immer noch ausgeführt werden kann. Wie weiter unten ersichtlich 
ist, konnten auch Dosse, Knüppel und Kühn/e mit diesen beiden 
Verfahren keinen Erfolg erzielen. Auch Vogt (5) hatte mit dem 
Hell sehen Verfahren bei 2 Pferden keinen Erfolg. 

Jedenfalls angeregt durch die Veröffentlichung Hells hat sich 
später Dieckerhoff (6) mit der Frage der Beseitigung des Krippen¬ 
setzens auf operativem Wege eingehend beschäftigt. Seine diesbezüg¬ 
lichen Veröffentlichungen erschienen 1897. In seiner im gleichen 
Jahre erschienenen Monographie über das Koppen der Pferde (7) er¬ 
wähnt er nur die Operationsmethoden von Hertwig, Hell und Ger- 
lach, wobei er bemerkt, daß Gerl ach seine Operationsversuche in 
seiner (Gerlachs) Jugend vorgenommen habe, so daß der Schluß 
gerechtfertigt erscheint, daß die Gerl ach sehen Versuche vielleicht 
sogar gegen 80 Jahre zurückliegen. 

Dieckerhoff versuchte zuerst durch die Neurektomie des Nervus 
accessorius Willisii den Koppakt unmöglich zu machen. Der Erfolg 
war jedoch unbefriedigend. In der Absicht, das zum Koppakt er¬ 
forderliche stärkere Herabziehen des Kehlkopfes und die Erweiterung 
der Rachenhöhle unmöglich zu machen, durchschnitt er nunmehr die 
Mm. sterno-hyoidei und sterno-thyreoidei. Das betreffende Pferd koppte 
aber bereits 10 Tage später wieder, wenn es auch nicht mehr Luft 
abschlucken konnte. 

In einer wenige Monate später erschienenen Mitteilung Diecker- 
hoffs (8) wird berichtet, daß er bei anderen Versuchspferden nicht 
die einfache Durchschneidung der erwähnten Muskeln vornahm, sondern 
ein Stück der Muskeln herausschnitt, also eine partielle Muskel¬ 
resektion vornahra. Aber auch hierdurch wurde den Pferden das 
Koppen nicht unmöglich gemacht. Nur bei dem einen Pferde, das 
allerdings nur 2 l j. 2 Monate unter Beobachtung stand, hatte sich die 
Untugend verloren. 

Das Dieckerhoffsche Operationsverfahren wurde nun von zahl¬ 
reichen Tierärzten nachgeprüft und wie aus den nachfolgenden Literatur¬ 
auszügen ersichtlich ist, war der Erfolg meistens unbefriedigend. 

Steinmeyer (9) erzielte bei einem Pferde vollen Erfolg, während 
Goldbeck (10) bei einem Pferde insofern nur einen halben Erfolg 
erzielte, als es bereits zwei Tage nach der Operation mit deutlich 



384 


RÖDER, 


kokendem Tone wieder koppte, aber nicht mehr Luft abzuschlucken 
vermochte. 

Im statistischen Veterinär-Sanitätsbericht über die preußische 
Armee für das Jahr 1897 (11) finden sich die im folgenden nur kurz 
und übersichtlich wiedergegebenen Mitteilungen über die Erfolge, die 
von 10 Militärtierärzten mit der Kopperoperation nach Pieckerhoff 
erzielt worden sind: 

1. Krankowski. Das Pferd hat 10 Tage nach der Operation die alte 
Virtuosität im Koppen wieder erlangt. 

2. Krüger. Das operierte Pferd kokt wieder, wenn auch nicht mehr so laut, 
kann aber keine Luft mehr abschlucken, hat keine Kolikanfälle mehr und bessert 
sich im Haarkleid. 

3. Massig. Das Pferd koppt wieder, der Ton ist aber schwächer, Kolikanfälle 
treten nicht mehr auf, Ernährung und Haarkleid bessern sich. 

4. Rademann. Das Pferd koppt nach 10 Tagen wieder, aber es schluckt 
keine Luft mehr ab. 

5. Zwirner. Das Pferd koppt nicht mehr, ob der Erfolg dauernd ist, bleibt 
abzuwarten. 

6. Krill. Das Pferd koppt nach 7 Tagen wieder mit demselben kokenden Ton. 

7. Sch midke. Das Pferd ist nach 6 Wochen wieder leidenschaftlicher Köpper 
und bekommt wieder Kolikanfälle. 

8. Michaelis. 3 Wochen nach der Operation koppt das Pferd wieder. Den * 
Kopperton kann es nicht mehr hervorbringen, aber es schluckt wieder Luft. 

9. Knüppel operierte 3 Pferde. 2 nach Hell und 1 nach Dieckerhoff. 
Ein Erfolg ist nur bei dem einen nach Hell operierten Pferde bemerkbar. 

10. Kühmc. Das nach Dieckerhoff operierte Pferd erlangte bald die alte 
Fertigkeit im Koppen wieder, weshalb noch die Durchschneidung der Mra. sterno- 
mandibularcs vorgenommen wurde. Das Krippensetzen hat sehr nachgelassen, der Ton 
ist sehr wenig mehr hörbar und Luft wird nur noch in geringem Maße abgeschluckt. 

Die vorstehende Uebcrsicht ergibt also, daß von 10 operierten 
Pferden nur bei einem voller Erfolg erzielt worden ist, jedoch wird 
von dem Beobachter (Zwirner) in Frage gestellt, ob dieser Erfolg 
dauernd ist. Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß von 
einem wirklichen Erfolge nur dann die Rede sein kann, wenn das 
Pferd infolge des operativen Eingriffes keinen Kopperton mehr hervor¬ 
zubringen und keine Luft mehr zu schlucken vermag, so zeigt sich, 
daß 6 Mißerfolge (1, 6, 7, 8, 9, 10) zu verzeichnen sind. 

Auch in den beiden folgenden Jahren 1898 und 1899 wurde 
noch eine Anzahl von Pferden nach dem Dieckerhoffschen Verfahren 
operiert. Aus der Zusammenstellung in der Zeitschrift für Veterinär¬ 
kunde 1898 (12) über die operative Behandlung des Koppens bei 
preußischen Militärpferden geht hervor, daß von den von Klinke ope¬ 
rierten 7 Pferden 2 geheilt wurden, während 5 wieder koppten; 
Hanke operierte 2, Lehnhardt 3, Kupfer 2 Pferde ohne Erfolg. 



Operative Behandlung d. Krippensetzens d. Pferde nach d.Verfahren vonForssell. 385 


Auch Füchsei und Ripke erzielten bei je einem Pferde keinen 
Erfolg. Es trat also bei 16 Operationen nur 2 mal voller Erfolg ein. 

1899 wird von Porath (13) berichtet, daß er 6 Pferde mit 
befriedigendem Erfolg operiert hat, d. h. die Pferde koppten zwar 
wieder, aber sie schluckten keine Luft mehr ab. Zwirner (14) sah 
bei 7 operierten Pferden nur einmal vollen Erfolg, 6 Pferde koppten 
wieder, wenn auch weniger stark. Möglicherweise ist das mit Erfolg 
operierte Pferd identisch mit jenem, über welches Zwirner im 
statistischen Veterinär-Sanitätsbericht für 1897 berichtet hat. Auch 
Dosse (14) sah bei 2 von ihm operierten Pferden keinen Erfolg, 
auch dann ni'cht, als er diese Pferde noch nach Hertwig operierte. 
Ein drittes Pferd operierte er nur nach Hertwig, aber auch bei 
diesem trat keine Heilung ein. — Christiani (15) hatte bei einem 
Pferde nur vorübergehenden Erfolg. Es wird somit im Jahre 1899 
über 16 Operationen mit nur einem Erfolg berichtet. 

Faßt man die mit der Dieckerhoffschen Operationsraethode in 
den Jahren 1897—99 erzielten Ergebnisse zusammen, so sind bei 
insgesamt 42 operierten Pferden 4 volle Erfolge erzielt worden. Da¬ 
bei wird jedoch angenommen, daß das von Zwirner zuletzt als ge¬ 
heilt bezeichnete Pferd nicht identisch ist mit jenem, von welchem 
im statistischen Veterinär-Sanitätsbericht 1897 die Rede ist. 

Das Gesamtergebnis ven kaum 10 v. H. Heilung kann gewiß nicht 
als befriedigend bezeichnet werden. 

So ist es auch erklärlich, daß man die von Dieckerhoff emp¬ 
fohlene Operationsmethode wieder verließ, denn es finden sich in der 
deutschen tierärztlichen Literatur keine weiteren Mitteilungen über 
diese Operation vor, außer in den Lehrbüchern über Operationslehre, 
in denen ja nur die Operationstechnik beschrieben wird. 

In der ausländischen Literatur berichten nur noch Falck (16) 
1901 und Vennerholm (17) 1906 in der Svensk Veterinaer Tidskrift 
über ebenfalls beobachtete Mißerfolge. Vennerholm konnte bei einem 
nach Dieckerhoff operierten Pferde schließlich noch dadurch Heilung 
herbeiführen, daß er noch die Neurektomie des Nervus accessorius 
Willisii ausführte. 

Dass Dieckerhoff die von ihm empfohlene Resektion der 
Mm. sterno-thyreoidei und stemo-hyoidei nicht als sicheres Heilmittel 
des Koppens ansah, geht aus seiner diesbezüglichen Auslassung in 
seinem Handbuch der gerichtlichen Tierheilkunde (18) hervor. Er 
sagt dort: „Nach d* r korrekt ausgeführten Resektion beider Muskel- 

Archiv f. wissensch. u. pr* t. Tierheilk. Bd. 44. Sappl. 25 



386 


RÖDER, 


paare vermag das Pferd den Kehlkopf nicht mehr herabzuziehen; es 
verliert deshalb die Neigung zum Koppen, und zwar mitunter voll¬ 
ständig, meist aber nur in dem Grade, daß es die Untugend seltener 
und nur bei bequemer Lage der Krippe ausübt. Ob etwa im Ver¬ 
laufe einer längeren Zeit von einzelnen operierten Pferden durch 
Steigerung der Funktion beider Schulterzungenbeinmuskeln die zum 
Einpumpen der Luft erforderliche starke Erweiterung der Rachenhöhle 
zu ermöglichen ist, läßt sich mit Sicherheit einstweilen noch nicht 
sagen. Nach meinen bisherigen Beobachtungen bin ich aber der An¬ 
sicht., daß die Schulterzungenbeinmuskeln diese Erweiterung der Rachen¬ 
höhle nicht bewirken können/“ 

Ein bestimmtes Urteil über den Wert der von Dieckerhoff 
empfohlenen Operationsmethode ist bisher von maßgebender tierärzt¬ 
licher Seite nicht abgegeben worden. Vennerholrn (19) drückt sich 
bei der Besprechung der verschiedenen gegen das Koppen vorge¬ 
nommenen operativen Eingriffe vorsichtig aus und meint, daß die von 
Dieckerhoff empfohlene Methode „diejenige ist, die das größte Ver¬ 
trauen zu besitzen und auf die Dauer am wirksamsten zu sein scheint“. 

Frick (20) beginnt das Kapitel übe^ die Operation gegen das 
Koppen mit folgendem Satze: „Die Versuche, der obigen Untugend 
mit dem Messer beizukommen, sind von Dieckerhoff wieder auf¬ 
genommen und mit bisher wechselndem Erfolg, so daß ein End urteil 
nicht gestattet ist, ausgeführt worden.“ 

Auch Siedamgrotzky (21) spricht sich dahin aus, daß alle 
gegen das Koppen in Vorschlag gebrachten Operationen nur unsicheren 
Erfolg haben. 

Nachdem mehrere Jahre hindurch über die Kopperoperation nichts 
mehr verlautete, berichtete 1911 Stenersen (22), daß er die beiden 
Dieckerhoffschen Methoden kombinierte. Er nahm die Neurektomie 
des Nervus accessorius Willisii und gleichzeitig die Durchschneidung 
der Mm. sterno-hyoidei und sterno-thyreoidei vor. Das Ergebnis 
war, daß von 6 so operierten Pferden 2 das weitere Koppen unter¬ 
ließen. ' 

Eine wesentliche Erweiterung und, wie ich zeigen werde, auch 
wesentliche Verbesserung der Erfolge danken wir den Vorschlägen 
Forssells. Forssell (23) wies 1913 darauf hin, daß die Ergeb¬ 
nisse der bisherigen Kopperoperationen aus dem Grunde unbefriedigend 
seien, weil neben den Mm. sterno-thyreoidei und sterno-hyoidei und 
stcrno-mandibularcs auch die Mm. omohyoidei beim Ivoppakt mit- 



Operative Behandlung d. Krippensetzens d. PJerde nach d. Verfahren von Forssell. 387 

wirken. Der M. omohyoideus kann sogar nach Forsells Be¬ 
obachtungen eine fast ausreichende Kompensation für die oben er¬ 
wähnten, durch die Operation ausgeschalteten Muskeln übernehmen. 
Deshalb schritt Forssell auch noch zur teilweisen Resektion der Mm. 
omohyoidei. Er erweiterte also die Dieckerhoffsche Methode wesent¬ 
lich und erzielte auch wesentlich bessere Erfolge. 

Dieckerhoff (8) hielt es für schwer ausführbar, die Mm. omo¬ 
hyoidei im oberen Halstcile zu entfernen, weil sie nach seiner An¬ 
sicht hier mit der Vena jugularis und in der Nähe des Kehlkopfes 
mit der Vena maxillaris externa so eng verbunden sind, daß eine 
Unterbindung erforderlich ist, was sich in der tierärztlichen Praxis 
seiner Meinung nach schwer ausführen läßt. Forssell zeigte jedoch, 
daß die Schwierigkeit nicht so groß ist und ich kann aus eigener 
Erfahrung bestätigen, daß in den zahlreichen von mir operierten Fällen 
keine der Venen verletzt worden ist. 

Forssell (24) berichtet dann 1914 noch einmal ausführlich über 
seine Operationsmethode, wobei er die Ausführung wie folgt schildert: 

„Für diese Operation ist absolut nötig, das Pferd zu werfen. Dieses geschieht 
am einfachsten mit dem Berliner Wurfzeug, wonach eine Blattlonge vom Fessel¬ 
gelenk des einen Hinterbeines unter den Leib und über die Lende des Pferdes 
zum Fesselgelenk des anderen Hinterbeines angelegt wird und die Füße an den 
Bauch gezogen werden. Das Pferd wird danach mit gestrecktem Genick in Rücken¬ 
lage gebracht. Die Haare werden zwischen den Unterkieferästen bis an das Zungen¬ 
bein und am Halse ungefähr 25 cm nach unten und seitwärts über die Drossel- 
aderrinne abrasiert. Am besten gibt man allgemeine Narkose. 

Die Muskeln, die nun außer Funktion gebracht werden sollen oder wovon ein 
Teil weggenommen werden soll, sind die beiden sterno-mandibulares und sterno- 
thyreoidous, stcrno-hyoideus und omohyoideus an beiden Seiten. Vom omohyoideus 
interessiert uns hier eigentlich nur der oberste Teil. Der Muskel entspringt mit 
einer dünnen Sehne von der Fascia subscapularis und geht aufwärts, vom sterno- 
cleido-mastoidcus (brachiocephalicus) bedeckt, in der Mitte des Halses beginnt er 
breiter zu werden und zieht sich schräg an die Mittellinie hinweg, so daß er im 
oberen Drittel die ventrale Seite der Trachea bedeckt und sich mit dem von der 
anderen Seite kommenden Muskel und außerdem mit dem sterno-hyoideus verbindet. 
Diese vier Muskeln bilden also hier oben einen einzigen, zusammenhängenden 
Muskelbauch. Darunter liegt der oberste Teil vom sterno-thyreoideus. 

Bei der Operation wird nun der obere Teil dieser Muskeln bis an ihren An¬ 
satz am Zungenbein bzw. Larynx weggenommen. Den Hautschnitt macht man also 
vom Zungenbein ungefähr 25 cm nach unten bis gerade hinter der Teilungsstelle 
der Drosselvene. Hier ist die Subcutis oft bedeutend verdickt, besonders wenn 
das Pferd Koppriemen getragen hat. Dagegen gibt es hier keine Hautrnuskeln 
mehr, als nur an dem untersten Teile des Schnittes, wo man einige quer gehende 
Hautmuskelfasern durchschneiden muß. Man kommt nun gerade an den Muskel, 
der wegoperiert werden soll. Zuerst präpariert man die Haut einige Zentimeter 
an beiden Seiten ab. Dann spaltet man den Muskel in der Mittellinie bis zur 
Trachea in der Länge der ganzen Hautwunde. Dann beginnt man auf der einen 

25* 



388 


RÖDER, 


Seite den Muskel von der Haut loszuiösen und fängt ungefähr bei der Mitte der 
Wunde an. Man muß fast die ganze Zeit das Messer gebrauchen, denn Haut und 
Muskel sind hier so fest vereinigt, daß man kaum stumpf arbeiten kann. Hier 
liegt der omohyoideus dicht bei dem großen Ast der Drosselvene (Vena maxillaris 
externa). Man kommt auch bald an die Vene und muß sie frei von dem Muskel 
abpräparieren. Die Vene ist hier mit einer Fascie bedeckt und zusammengewachsen, 
welche wenigstens bei kaltblütigen Pferden so dick ist, daß man Gefahr läuft, die 
Vene zu schädigen. Bei edlen Pferden ist die Fascie zuweilen ganz dünn, aber 
mit einiger Vorsicht ist es doch leicht, die Vene zu vermeiden. Nachdem der 
Muskel auf dem mittleren und hinteren Teile des Operationsfeldes auf der Außen¬ 
seite an der Vene vorbei abpräpariert ist, ist es ratsam, ihn auch von der Trachea 
loszumachen. Das ist leicht, denn die Verbindung da ist sehr lose. Bei dem 
unteren Rande des Muskols (Rückenlage) ist es am besten, stumpf zu operieren, 
und man kommt hier ziemlich leicht durch das Bindegewebe, so daß man mit 
2 Fingern um den Muskel fassen kann. Man macht diesen nun soweit nach hinten 
los, wie die Wunde es erlaubt, und schneidet ihn dann hier ab. Dies geht am 
besten dadurch, daß man den Muskel oben auf den Finger hält und ihn mit einigen 
Schnitten von außen nach innen abschneidet. Dann faßt man das freie Ende des 
Muskels und zieht ihn fest vorwärts in der Richtung auf das Maul des Pferdes. 
Dieser löst sich da an den meisten Stellen von der Unterlage und man braucht 
nur ein wenig mit dem Messer nachzuhelfen. Dann schneidet man den Muskel so 
dicht wie möglich bei seinem Ansatz am Zungenbein ab. Jetzt sieht man gewöhn¬ 
lich im Grunde der Wunde den dünnen schmalen oberen Teil des sterno-thyreoideus, 
von dem man wenigstens 10 cm wegnimmt. Zuweilen folgt dieser Muskel mit der 
anderen Muskelmasse. Das Verfahren ist dasselbe mit der anderen Hälfte des 
omohyoideus und sterno-hyoideus. f 

Es sind ganz große Muskelmassen, die man auf diese Weise entfernt und 
die Operation wird ziemlich blutig. Es ist anzuraten, Arterienklemmen zur Hand 
zu halten, um sie auf die spritzenden Gefäße zu setzen. Die größten Arterien 
findet man in dem peripheren Teil, wenn man den großen Muskel durchschneidet. 
Ungefähr in der Höhe des hinteren Kieferrandes geht eine ziemlich große Vene von 
dem Muskel in die Vena jugularis. Sie pflegt ganz kräftig zu bluten, so daß man 
sie fassen muß. Ehe man die Wunde zunäht, ist es ratsam, die großen Arterien 
und die oben erwähnte Vene mit Katgut zu unterbinden. Die kleinen Gefäße dreht 
man nur ein paar Touren lang. 

Für die Wundnaht gebraucht man am besten drei tieffassende Stütznähte 
von Kupferdraht. Dann näht man die Wundränder auf gewöhnliche Weise, man 
muß aber dicht beim Rande gehen, denn die Haut schlägt sonst leicht um. Nach¬ 
dem die Wunde zugenäht worden ist, Jegt man Drainage sowohl in den vorderen 
als in den hinteren Winkel und vorteilhaft auch einen Drain an dem Punkt, der 
am höchsten kommt, wenn das Pferd steht. Oft entsteht eine Tasche unter der 
Haut im unteren Winkel der Wunde, weil der Muskel sich zusammengezogen hat. 
Dies scheint aber nicht die Heilung der Wunde zu verhindern. 

Dann macht man den Nervenschnitt der beiden Nn. accessorii Willisii. 
Dieses ist vielleicht das schwierigste fiir denjenigen, der die Operation zum ersten 
Male macht. Ich habe ein paar mal den Nerven 5—6 cm weiter nach unten in 
dem Muskel gefunden, als er gewöhnlich geht. Wenn man ihn also nicht findet, 
wo er eigentlich liegen soll, kann man ruhig den Schnitt 5 cm nach unten fort¬ 
setzen und an der inneren Seite des Muskels suchen. Diese Wunden heilen immer 
zur selben Zeit wie die große. Bei edlen Pferden kann man sehr oft die Nerven 
«durch die Haut palpieren und sich also sehr leicht über ihre Lage orientieren. 
Würde man aber zufälligerweise den Nerven nicht finden, so ist es leicht, die 



Operative Behandlung d. Krippensetzens d.Pferde nach d.Verfahren vonForssell. 389 

Operationsmethode zu verändern, um den Muskel außer Funktion zu setzen und 
statt dessen ein Stück des Muskels oder der Sehne desselben wegzunehmen. 

Die Heilung nimmt ungefähr 14 Tage in Anspruch. Nach dieser Zeit kann 
man sehr gut das Pferd zur Arbeit gebrauchen, wenn auch die Wunde nicht ganz 
überhäutet ist. Recht oft besteht ein sehr bedeutender Serumabfluß während der 
ersten 8 Tage. Man braucht sich jedoch darüber nicht zu beunruhigen, denn wenn 
die Wundhöhle sich mit Granulationen füllt, hört auch der Abfluß auf. Das Pferd 
soll im Anfang umgekehrt im Stande stehen. Wenn man es wieder umwendet, 
muß man den Krippenrand oder die Halfterkette oder andere Gegenstände, worein 
das Pferd gewöhnlich gebissen hat, gründlich mit Holzteer bestreichen. Der 
Wunsch zu beißen bleibt nämlich immer zurück, wenn aber das Pferd zum ersten 
Male beim Versuch, in die Krippe zu beißen, den Teergeschmack im Maule fühlt 
und außerdem keine Luft einschnappen kann, hört cs auch bald auf zu beißen. 

Man könnte ja glauben, daß es in einiger Beziehung einen unvorteilhaften 
Einfluß auf das Pferd haben würde, daß vier Muskelpaare auf einmal außer Funktion 
gesetzt werden. Das ist aber gar nicht der Fall. Das Pferd trinkt und frißt 
ebenso gut wie vorher. Es hat auch keinen Einfluß auf seine Brauchbarkeit und 
die Dressurmöglichkeiten. Das Exterieur wird nur sehr wenig gestört.“ 

Es kann wohl nicht in Abrede gestellt werden, daß das soeben 
ausführlich beschriebene Operationsverfahren dadurch etwas umständlich 
wird, daß der umfangreichen Muskelexstirpation noch die beiderseitige 
Neurektomie des Nerv, access. Willisii folgen muß. Forssell kam 
auch sehr bald von dieser Neurektomie ab, denn es stellte sich her¬ 
aus, daß der M. sterno-mandibularis nicht allein vom N. access. Willisii 
versorgt wird, daß also die Neurektomie nicht mit Sicherheit eine 
Funktionsbehinderung dieses Muskels herbeizuführen imstande ist. 
Forssell (25) veröffentlichte aufGrund seiner weiteren Erfahrungen 1914 
zu seinen vorhergegangenen Mitteilungen einen Nachtrag, aus welchem 
Folgendes hervorzuheben ist: 

„Es hat sich nämlich gezeigt, daß teils der Nerv, access. Willisii nicht allein 
den M. sterno-mandibularis innerviert, wie man ganz allgemein früher annahm, und 
daß also die Durchschneidung dieses Nerven nicht genügt, um den Muskel außer 
Tätigkeit zu setzen; teils, daß der an das Zungenbein sich inserierende M. sterno- 
hyoideus, nachdem das kraniale Ende entfernt ist, doch hin und wieder während 
der Heilung verwächst mit dem Kehlkopf und das Koppen wieder ermöglicht. Um 
die weitere Tätigkeit des M. sterno-mandibularis zu verhüten, ist die Operation so 
auszuführen, daß statt der einfachen Durchschneidung des Nerv, access. Willisii 
der Hautschnitt nach unten zu verlängert wird, der sterno-mandibularis mittels 
einer dazu geeigneten Wundsonde' oder Hakenzange gehoben wird und ein 10 cm 
langes Stück entfernt wird, weil dadurch gleichzeitig ein Teil des Nerven mitfolgt. 
Am besten ist, gleichzeitig die den Muskel umgebende Bindegewebshülle zu ent¬ 
fernen. Anstatt diesen Eingriff durch einen besonderen Hautschnitt auszuführen, 
wie bei der Neurektomie, kann man die Muskelexstirpation aus der in der medianon 
Halslinie gelegenen Wunde vornehmen, es bildet sich aber mitunter eine so peinliche 
Versenkung, daß man Gegenöffnungen durch Hautschnitt an der Seite und unter¬ 
halb der Wunde machen muß. Diese Methode ist doch am bequemsten. 

Das Zusammenwachsen des stemo-hyoideus mit dem Kehlkopf kann nur da¬ 
durch verhindert werden, daß ein genügend langes Stück Muskel entfernt wird. 



390 


RÖDER, 


Daß der Muskel seine Insertionsstelle verlegen konnte, ist dadurch ermittelt, daß 
ein paar Versuche gemacht wurden, die Wunde in der Mittellinie zu verkürzen und 
nur den obersten Teil der Muskeln zu entfernen. Dieses führte aber dazu, daß die 
Pferde das Koppen sich wieder angewöhnten. Es war jedoch leicht, durch eine 
neue Operation am stehenden Pferde ein genügendes Stück Muskel zu entfernen 
und seitdem sind die Patienten gut geheilt. Die Operation führt man so aus, daß 
entweder der Hautschnitt in der Medianebene so lang gemacht wird, daß er unter¬ 
halb des Kehlkopfes mindestens 35 cm beträgt, und die Muskeln werden bis zu 
dem untersten Winkel exstirpiert, oder man kann den Hautschnitt etwas verkürzen 
und nachdem die Muskeln entfernt sind, macht man einen 10 cm langen Haut¬ 
schnitt Nr. 2 ein oder zwei cm unterhalb der oberen Wunde und faßt durch jene 
die Stümpfe der Mm, sterno-thyreoidei und sterno-hyoidei und exstirpiert ein der 
Wunde entsprechendes Stück. Bei alten Krippensetzern findet man häufig, nach¬ 
dem die Muskeln entfernt sind, daß die Trachea von einer Lage Bindegewebe be¬ 
deckt wird. Es ist angebracht, auch dieses zu entfernen, weil sonst die Zusammen- 
wachsung der Muskeln hierdurch begünstigt werden kann. Die Heilung wird hier¬ 
durch nicht erwähnenswert verzögert.“ 

Sonach besteht das Forssellschc Verfahren in der Resektion 
der Mm. sterno-hyoidei, sterno-thyreoidei, sterno-mandibulares und 
omohyoidei im Bereiche des oberen Halsdrittels. 

Als mich Herr Kollege Forssell im Sommer 1915 besuchte, 
bat ich ihn, mir seine Operationsmethode zu zeigen, wozu er sofort 
bereit war. Ich stellte ihm einen leidenschaftlichen Köpper mit aus¬ 
gesprochenem Koppergebiß zur Verfügung und assistierte bei der 
Operation. Es wurde in der Mittellinie des Halses ein etwa 35 cm 
langer, oberhalb des Kehlkopfes beginnender Hautschnitt angelegt und 
dann die Haut nach beiden Seiten soweit abpräpariert, daß man be¬ 
quem den sterno-mandibularis von der Seite her fassen konnte. Im 
übrigen wurde die Resektion der Muskeln in der vorher beschriebenen 
Weise ausgeführt. Die Heilung der verhältnismäßig großen Wunde 
ging gut und schnell von statten und was die Hauptsache war, das 
Pferd koppte seitdem niemals mehr. Dieser schöne Erfolg veranlaßte 
mich, die Operation so oft als möglich auszuführen, um ein möglichst 
einwandfreies Urteil über den Wert dieser Methode zu erlangen. Es 
stand mir hierfür auch genügendes Material im immobilen Pferde¬ 
lazarett 61 und im Ersatz-Pferde-Depot XII A. K. zur Verfügung. Die 
Herren Kommandeure dieser Formationen brachten meinen Versuchen 
volles Verständnis und Wohlwollen entgegen, wofür ich hiermit meinen 
besten Dank ausspreche. 

Es wurden fast ausnahmslos nur solche Pferde operiert, die 
leidenschaftlich koppten und mehr oder weniger alle jene Folge¬ 
erscheinungen zeigten, die das Krippensetzen mit sich bringt und es 
sei schon hier erwähnt, daß ein großer Teil der operierten Pferde, die 



Operative Behandlung d. Krippensetzens d. Pferde nach d. Verfahren von Porsseil. 391 


wegen der schlechten Futterverwertung und der periodisch auftretenden 
Kolik für den Kriegsdienst nicht mehr brauchbar waren, wieder kriegs¬ 
verwendungsfähig geworden ist. 

Die ersten 25 operierten Fälle ließ ich von einem meiner ehe¬ 
maligen Schüler, Herrn Veterinär Dr. M. Becker, unter meiner Leitung 
wissenschaftlich bearbeiten. Seine Arbeit (26) erschien 1916. Ich 
werde im Folgenden den kasuistischen Teil dieser Arbeit mit verwerten, 
um ein umfassendes Bild des Erfolges der Operation geben zu können. 
Seit dem Abschluß der Beckerschen Arbeit habe ich noch 13 Pferde 
operiert, so daß ich über 38 Fälle berichten kann. 

An dem Forssellschen Operationsverfahren habe ich nichts Wesent¬ 
liches geändert. Ich reseziere aber vom sterno-mandibularis, mit 
dessen Resektion ich die Operation beginne, je nach der Größe des 
Pferdes ein 15—20 cm langes Stück und schneide den Muskelbauch 
kaudalwärts nicht quer, sondern schräg von unten außen kopfwärts 
nach innen durch. Hierdurch wird die Hervorwölbung der beiden 
Muskelstiimpfe im unteren Operationsgebiete weniger sichtbar. Mit 
der Resektion des sterno-mandibularis beginne ich deshalb, um nachher 
eine bessere Uebersicht bei der Resektion des omo-hvoideus zu 
haben. 

In der ersten Zeit nach der Operation zeigt der Hals bei Quer¬ 
durchschneidung des Muskels da, wo sich die Muskelstümpfe befinden, 
eine unschöne Kontur, wie dies das umstehende Bild beweist. Es 
zeigt dieses Bild auch deutlich die unter der Haut liegenden Luft¬ 
röhrenringe. Diese unschöne Erscheinung tritt aber nur bei einem 
geringen Teil der operierten Pferde in dem Maße auf, wie es auf 
diesem Bilde sichtbar ist. Ich habe aber dieses aus der vorerwähnten 
Beckerschen Arbeit entnommene Bild deshalb gewählt, weil es auch 
eine genaue Uebersicht über die Größe bzw. Länge der zu exstirpierenden 
Muskelteile gibt. Sobald das Operationsgebiet wieder völlig behaart 
iSt, sind übrigens die Luftröhrenringe kaum noch zu sehen. 

Besondere Sorgfalt muß auf die Resektion des omo-hyoideus 
verwendet werden. Es ist durchaus erforderlich, daß dieser Muskel, 
soweit er sich im Operationsgebiet befindet, gründlich entfernt wird. 
Er muß bis zur Seite der Trachea verfolgt und hier restlos durch¬ 
geschnitten werden. Geschieht dies nicht, so ist ein Mißerfolg sehr 
wahrscheinlich. Die Mm. sterno-thyreoidei und sterno-hyoidei müssen 
ira Kehlgange möglichst nahe an ihrer Ursprungsstelle abgeschnitten 
werden. 




»ÖDER. 


$as Ztmähe« des lang'.'ii hewitic. ich mit einfachen 

.Knopfeähteo, die etwa i e»v vpri'.iSfoabatetk: feötfenit.: ^egt-^rdeö. 

der Miühel- 
entstahdfedeo 


Baversehen .^«raffejaoahi:. Da die, Haut infolge de; 
großen Masktdiiciektes tiu.hr die geringste Spaummg nach erfolgter 
Naht zeigt, erübrigt siel; 'das.-Anlegen von J^tspatinufigsruiliten. 

Manchmal springen an. dein kaudalen WiHide’inkd die Muskel- 
Sthißpfo weit zurück, so daß es zur Tascbenbiidung kommt. Wenn 


jM\ V Ü-jErrssHl ;b-f Meinung ist. daß dies ■•um" die Heilung keinen 
•iimduß hat, sv verlängere ich in diesem FalJe doch, um dem Wimd- 
sekici üfibedingi sicheren Abfluß zu. t vnrs-.hatTerr, den Hautsehniti : -«in 
wenig. £s trat tu keinem halle- Sekret Stauung >ih\, ' 

X)it<- Blutung- Ot* • wftrai/f auch ■Fiorsstl'i auffrii?rkk*tn macht. ijfi 
laetfä$u(wh tüfd. djtr !>«%: dejr (JpwFaUoii wird durch den ^mtre'rWt, 
den die Blufstiibmg v»-rmv..vht. y» weilen V;-hl«'f>!»t*r«J* ’ Da das Dfoid 
wahrend der Uperati-n it> Rückenlagv ••teil ffolindet, ist cs Zweck¬ 
en lüg zwei Mahlzeiten, vor dm Operation • tasten zu lassen, damit 
das Darmkoovolai: tu*> etwaiger langer Diitmf der Operation nicht 








Operative Behandlung d. Krippensetzens d.Pferde nach d.Verfahren vonForsseil. 393 

einen unerwünschten Druck gegen das Zwerchfell und die Lungen 
ausübt. Einmal trat, jedenfalls begünstigt durch die lang andauernde 
Rückenlage, Glottisödem ein, und einmal (Fall 11) starb das Pferd 
unmittelbar nach der Operation, als es noch auf dem Operationstisch 
lag, infolge von Glottisödem. Ich bin bei dieser Operation nicht zu¬ 
gegen gewesen, kann also nicht sagen, ob tatsächlich Glottisödem 
vorlag. Es ist nicht ausgeschlossen, daß eine Rekurrenslähmung den 
Erstickungstod herbeigeführt hat. Die Lähmung des N. recurrens 
als Folge des operativen Eingriffes ist möglich. Es verläuft dieser 
Nerv zwar ira Operationsgebiete neben der Trachea und der Art. 
carotis communis in ziemlich geschützter Lage, aber es ist trotzdem 
eine zufällige Verletzung oder Dehnung desselben nicht ausgeschlossen. 
Nicht unmöglich ist es, daß in manchen Fällen nachträglich durch 
Narbenzug der eine oder andere Nerv gelähmt wird und daß als üble 
Folge Kehlkopfpfeifen eintritt. Bei einem der zuletzt operierten Fälle 
(siehe Kasuistik Fall 38) trat am Schlüsse der Operation plötzlich 
Rekurrenslähmung ein und es mußte sofort die Tracheotomie vorge¬ 
nommen werden. Jedenfalls beweisen diese Vorkommnisse, daß man 
unter Umständen auf unliebsame Zwischenfälle gefaßt sein muß. 
Ganz abgesehen davon, daß bei Unachtsamkeit ein größeres Blutgefäß 
angeschnitten werden kann. 

Die Wundheilung war meist in 14 Tagen bis drei Wochen beendet. 
Gewöhnlich wurden die Pferde noch mehrere Wochen in der Klinik 
behalten, um genaue Beobachtungen vornehmen zu können. In der 
Regel wurden dann die Pferde dem immobilen Pferdelazarett 61 oder 
dem Ersatz-Pferdedepot XII. A.-K. übergeben, wo sie noch längere Zeit 
weiter beobachtet worden sind, denn es lag mir daran, das Ergebnis 
des operativen Eingriffes möglichst genau festzustellen. 

Nach der Operation wird das Pferd verkehrt in seinen Stand 
gestellt oder in eine Boxe ohne Krippe gebracht, damit es die Wunde 
nicht an der Krippe reiben kann. 

Die Nachbehandlung wird nach den allgemeinen Regeln der 
Chirurgie durchgeführt. Ausspülungen der Wundhöhle sind meist 
nicht erforderlich, weil sich das Wundsekret, soweit es nicht von 
selbst aus der unteren Wundöffnung abfließt, leicht durch vorsichtiges 
Streichen von oben nach unten ausdrücken läßt. 

Besondere diätetische Maßnahmen sind bei der Nachbehandlung 
nicht erforderlich. 



394 


RÖDER, 


Im folgenden gebe ich einen Ueberblick über die von mir 
bzw. meinen Assistenten seit 1915 operierten Fälle unter besonderer 
Berücksichtigung des durch längere Beobachtung fcstgesteliten Ope¬ 
rationserfolges. 

Fall 1. Brauner Wallach, 7 Jahre alt, ostpreußisches Reitpferd. Leidenschaft¬ 
licher Krippensetzer. Schneidezähne des Oberkiefers nur noch als Stummel vor¬ 
handen, die mit dem Zahnfleisch vergleichen. 

Operation am 6. August 1915 durch Forssell. Die Wundheilung beanspruchte 
19 Tage. Das völlig kriegsdienstfähig gewordene Pferd blieb über ein Jahr im 
Ersatz-Pferdedepot und wurde als Reitpferd benutzt. Es koppte niemals wieder. 

Fall 2. Brauner Wallach, 10 Jahre alt, 4 mittolsehweres Pferd. Sehr eifriger 
Krippensetzer mit stark ausgeprägtem Koppergebiß. 

Operation am 21. Oktober 1915. Starke Haut- und Muskelblutungen er¬ 
schwerten die Operation. Von den Muskeln wurden etwa 12 cm lange Stücke 
entfernt. Dies war ein Fehler. Die Stücke müssen je nach der Größe des Pferdes 
länger sein. Heilung der Wunde in 16 Tagen. Etwa 8 Tage nach der Operation 
versucht das Pferd zu koppen, was ihm aber nicht gelingt. Nach 3 Monaten wird 
schwaches Koppen ohne Kopperton bemerkt. Einen Monat später koppt das Pferd 
schon besser, aber der Ton ist nur selten und schwach hörbar. Das Pferd wird zu 
Krümperfuhren benutzt und bleibt noch monatelang unter Beobachtung. Das Koppen 
bleibt auch weiterhin mäßigend Luft wird offenbar nicht mehr abgeschluckt. 

Der nur halbe Erfolg ist jedenfalls darauf zurückzuführen, daß zu kurze 
Muskelstückc exstirpiert wurden und daß infolge der starken Blutung bei der 
Operation der M. omo-hyoideus nicht völlig durchschnitten worden ist, denn man 
konnte deutlich beobachten, daß während des Koppaktes ein unsichtbarer und un¬ 
fühlbarer Muskelzug die Luftröhre nach rückwärts und'oben zog und sie zu einem 
flachen, nach unten oßenen Bogen krümmte. 

Fall 3. Brauner Wallach mit Stern und Schnippe, h. 1. gefesselt, 12 bis 
15 Jahre alt, ostprcußischer Schlag. Leidenschaftlicher Köpper mit ausgeprägtem 
Koppergebiß. 

Operation am 23. Oktober 1915. Heilung der Wunde in 18 Tagen. Das 
Pferd bleibt vier Monate nach der Operation unter Beobachtung und zeigt keine 
Neigung mehr zu koppen. Es wird zur Truppe abgegeben. Es war also voller 
Erfolg cingetretcn. 

Fall 4. Fuchswallach, 8 Jahre, leichtes Reitpferd. Leidenschaftlicher Köpper 
mit nur wenig entwickeltem Koppergebiß. 

Operation am 28. Oktober 1915. Heilung der Wunde in 20 Tagen. Nach 
fünf Monate langer Beobachtung, während welcher das Pferd niemals mehr koppte, 
wurde es als kriegsbrauchbar an die Truppe abgegeben. — Voller Erfolg. 

Fall 5. Dunkelbraune, belgische Stute, 12 Jahre alt. Eifriger Krippensetzer 
mit mäßig entwickeltem Koppergebiß. 

Operation am 29. Oktober 1915. Heilung der Wunde in 15 Tagen. Beob¬ 
achtungsdauer VaJahr. Das Pferd koppt nicht mehr und wird zur Truppe ab¬ 
gegeben. — Voller Erfolg. 

Fall 6. Brauner Wallach mittelschweren Schlages, 12 —15 Jahre alt. Kreuz¬ 
lahmer Kriegsinvalid. Leidenschaftlicher Köpper rhit abgeschliffenen oberen 
Schneidezähnen und auffallender Hypertrophie der Mm. sterno-mandibulares. 

Operation am 3. November 1915, in meiner Abwesenheit. Versuchsweise 
wurde in diesem Falle zunächst nur die Resektion der hypertrophischen Mm. sterno- 



Operative Behandlung d. Krippensetzens d.Pferde nach d.Verfahren vonForssell. 395 

mandibulares vorgenommen. Das Pferd koppte aber unmittelbar nach der Operation 
unvermindert weiter, weshalb am 5. November die übrigen Muskelpaare reseziert 
wurden. Leider trat in den nächsten Tagen Sepsis ein, an der Patient am 

10. November zu Grunde ging. 

Fall 7. Brauner Wallach, 10 Jahre alt. Reitpferd. Aus dem Felde mit 
Hufknorpelfistel eingeliefert, operiert und geheilt. Leidenschaftlicher Krippensetzer 
mit mäßig entwickeltem Koppergebiß. 

Operation am 4. November 1915. Heilung der Wunde in 14 Tagen. Mitte 
Januar 1916 beginnt das Pferd mit Koppversuchen und erlernte in kurzer Zeit das 
Koppen mit lautem kokendem Tone vollständig wieder. — Mißerfolg. 

Fall 8. Brauner Wallach, 12—15 Jahre alter Kriegsinvalid, rechts blind. 
Koppt mit Vorliebe auf der Kette mit lautem Kökerton und leidet öfters an Windkolik. 

Operation am 5. November 1915. Heilung der Wunde in 18 Tagen. Am 

11. Februar 1916 werden die ersten Koppversuche bemerkt, ln seiner nächsten 
Nähe stand ein leidenschaftlicher Köpper, dessen Beispiel jedenfalls anregend ge¬ 
wirkt hat. Das Koppen wurde aber nur selten ausgeführt und es war kein Ton 
mehr hörbar, auch trat keine Windkolik mehr auf. — Halber Erfolg. 

Fall 9. Goldfuchswallach, 4 x / 2 Jahr alt, ungarisches Reitpferd. Eifriger 
Köpper mit beginnendem Koppergebiß. 

Operation am 8. November 1915. Heilung der Wunde in 20 Tagen. Das Pferd 
hat nach der Operation niemals wieder gekoppt. Am 17. Januar 1916 mußte es 
wegen dringenden Rotzverdachtes getötet werden. Bei der Sektion erwiesen sich 
die Sterno-mandibularis-Stümpfe bereits stark atrophisch und waren innig mit der 
Haut und mit dem peritrachealen Gewebe verwachsen. Von den Sehnen dieser 
Muskeln war nichts mehr zu sehen. Kehlkopf, Luftröhre und Haut fest miteinander 
verwachsen. — Während der Beobachtungsdauer von 10 Wochen hat das Pferd nicht 
wieder gekoppt. Man kann also von einem vollen Erfolg sprechen. 

Fall 10. Brauner Wallach mit Blässe, h. 1. gestiefelt, h. r. hochgefesselt, 
12—15 Jahre alt, Reitpferd.. Koppt ohne aufzusetzen in der Luft. 

Operation am 9. November 1915. Als das Pferd nach der Operation in seinen 
Stand gebracht wird, fällt es unter Atembeschwerden, wie bei Glottisödem, um, er¬ 
holt sich aber bald wieder. Heilung der Wunde in 14 Tagen. Anfang März 1916 
geht das Pferd zur Truppe ab, ohne je wieder gekoppt zu haben. — Voller Erfolg. 

Fall 11. Muskatschimmel-Wallach, 8 Jahre alt. Starker Krippensetzer mit 
ausgebildetem Koppergebiß. 

Operation am 10. November 1915. Das Pferd ist nur schwer in Narkose zu 
bringen, ist außerordentlich unruhig und sucht beständig die Fesselung zu zersprengen. 
Als soeben die Operation beendet worden war, fing das Pferd an zu röcheln und 
starb sehr schnell. Tod durch Herzlähmung. — Es kann dieser Fall für die Be¬ 
urteilung des Wertes der Operation nicht in Betracht kommen. 

Fall 12. Falbwallach, 15 Jahre alt. Koppt mit großer Leidenschaft und 
hat stark ausgeprägtes Koppergebiß. 

Operation am 15. November 1915. Schlechter Heiltrieb. Erst Mitte Januar 
1916 war vollständige Heilung der Wunde eingetreten. Das Pferd blieb bis in den 
Sommer 1916 unter Beobachtung. Es koppte niemals wieder und machte auch 
keine Koppversuche, als ein leidenschaftlicher Köpper einen Monat lang neben ihn 
gestellt wurde. — Voller Erfolg. 

Fall 18. Dunkelbraune Stute mit Blume, h. 1. bekrönt, 15—18 Jahre alt. 
Kriegspferd, Tragtier. Eifriger Krippensetzer mit mäßig entwickeltem Koppergebiß. 



396 


RÖDER, 


Operation am 15. November 1915. Heilung der Wunde in 3 Wochen. Am 
15. Februar wird Koppen bemerkt, es wird aber kein Kopperton mehr hervorgebracht 
Bemerkenswert ist, daß das Pferd seit Anfang Februar neben einen sehr eifrigen 
Krippensetzer gestellt worden war, um festzustellen, ob es durch das schlechte 
Beispiel zum Koppen angeregt werden wird. Im April 1916 hat dann das Pferd 
seinen Standort mehrfach gewechselt und kam an verschieden hohe, zum Teil auch 
mit Eisenblech beschlagene Krippen. Seitdem wurde das Koppen bei ihm nicht 

mehr bemerkt. Trotzdem soll dieser Fall nicht als solcher mit vollem, sondern 

nur mit halbem Erfolg bezeichnet werden, weil sich eben doch das Koppen wieder, 
wenn auch nur vorübergehend eingestellt hatte. Das Pferd kam dann außer Be¬ 
obachtung und es ist möglich, daß es wieder die Untugend aufgenommen hat. 

Fall 14. Schwarzbrauner Wallach, h. r. gefesselt, 15 Jahre alt. Leiden¬ 

schaftlicher Krippensetzer mit Koppergebiß. 

Operation am 24. November 1915. Sie wurde in meiner Abwesenheit ausge¬ 
führt. Heilung der Wunde in 3 Wochen. 

Der M. omo-hyoideus war seitlich nicht ausgiebig genug entfernt worden, denn 
es waren in der Folge noch deutlich Stränge dieses Muskels an den nalsseiten zu 
fühlen. Anfang März koppte das Pferd wieder und erlangte auch wieder eine große 
Fertigkeit darin. Die Luftröhre nahe am Kehlkopf und dieser selbst waren mit 
einer starken Narbe bedeckt und diese stand mit den Resten des Omo-hyoideus 
in Verbindung. — Dieser Fall zeigt deutlich, worauf ich schon weiter oben hinge¬ 
wiesen habe, daß es unbedingt notwendig ist, den M. orao-hyoidcus seitlich der 
Trachea gründlich zu zerschneiden und in seinem oberen Teile völlig zu exstirpieren, 
denn er spielt beim Koppakt zweifellos eine große Rolle. 

Der Mißerfolg dürfte in diesem Falle wohl mehr auf die unzureichend aus¬ 
geführte Operation zurückzuführen sein. 

Fall 15. Brauner Wallach mit Schnippe und Flöckchen, vier weiße Fessel, 
14 Jahre alt, ungarisches Reitpferd. Eifriger Krippensetzer mit Koppergebiß. 

Operation am 25. November 1915. Während der Operation, bei welcher ich 
nicht zugegen war, stellten sich zunehmende Atembeschwerden ein, die am Ende 
der Operation so bedrohlich wurden, daß schnell der Luftröhrenschnitt ausgeführt 
werden mußte. Subkutan 0,02 Atropin, sulf. Das Pferd erholte sich dann bald 
wieder und nahm auch, als es wieder in die Boxe gebracht worden war, sein Futter 
auf. Es taumelte aber noch öfters hin und her. Nach einigen Stunden wurde die 
Kanüle entfernt und sogleich traten auch die Atembeschwerden wieder auf. Nach 
sofortigem Wiedereinsetzen der Kanüle hörten die Atembeschwerden wieder auf. 
Es handelte sich entweder um Glottisödem oder um Rekurrenslähmung. Am 
27. November konnte die Kanüle entfernt werden und es nahm die Wundheilung 
einen normalen Verlauf. Das Pferd koppte zunächst nicht mehr. Im Februar 1916 
wurde es aber neben einen eingefleischten Köpper gestellt und nun begann es das 
Koppen zunächst nur probierend, aber bald hatte es seine alte Virtuosität darin 
wieder erlaogt, wenn auch der vor der Operation deutlich wahrnehmbar gewesen© 
Kopperton jetzt nur noch selten und schwach hörbar war. — Auch in diesem, wie 
in dem vorhergehenden Falle, ist der M. omo-hyoideus, wie der Operateur selbst 
zugibt, nicht genügend seitlich zerschnitten worden. Es haben sich die Reste des 
Muskels seitlich mit der Trachea verbunden und so konnte der Muskel bei den 
späteren Bemühungen des Pferdes, das Koppen wieder aufzunehmen, allmählich, 
wenn auch in beschränktem Maße, seine Funktion wieder übernehmen. Der ziemlich© 
Mißerfolg dürfte auch hier auf die unzureichend ausgeführte Operation zurückzu¬ 
führen sein. 



Operative Behandlung d. Krippensetzens d. Herde nach d. Verfahren vonForssell. 397 

Fall 16. Dänische Fuchsstute, 8 Jahre alt. Koppt fast fortwährend und die 
Hypertrophie der betreffenden Muskeln war ganz auffällig. 

Operation am 6. Dezember 1915 von mir ausgeführt. Die Heilung der Wunde 
vollzog sich glatt binnen 3 Wochen. Das Pferd blieb bis Mitte März 1916 unter 
Beobachtung, es koppte nicht mehr und wurde an die Truppe abgegeben. — Voller 
Erfolg. 

Fall 17. Rappstute, Huzulenpferd, Tragtier. Eifriger Krippensetzer. 

Operation am 13. Dezember 1915 von mir selbst ausgeführt. Die Heilung der 
Wunde war in 3 Wochen beendet. Das Pferd blieb bis Ende März 1916 unter 
Beobachtung und koppte nicht mehr. — Voller Erfolg. 

Fall 18. Brauner Wallach, 7 Jahre alt. Koppt stark, aber offenbar noch 
nicht lange, da sein Schneidezahngebiß keinerlei Veränderungen zeigt. 

Operation am 14. Dezember 1915, wird in meiner Abwesenheit ausgeführt. 
Heilverlauf normal. Am 19. Februar 1916 wird Krippensetzen mit deutlichem 
Kopperton bemerkt. Im März koppte das Pferd genau so, wie vor der Operation, 
ja der Kökerton war sogar rülpsend geworden. Zeitweilig pumpte sich sogar das 
Pferd voll Luft. Es war also ein vollkommener Mißerfblg zu verzeichnen. — Auch 
in diesem Falle war auf die totale Durchschneidung des M. omo-hyoideus nicht 
genügend Rücksicht genommen worden. 

Fall 19. Braune Vollblutstute mit Stern, h. beiderseits gefesselt, 7 Jahre 
alt. Feldzugspferd. Leidenschaftlicher Krippensetzer mit Koppergebiß. 

Operation am 14. Dezember in meiner Abwesenheit. Heilungsverlauf normal. 
Bereits am 8. Tage nach der Operation wird Wiederkoppen beobachtet. Bald 
lernte das Pferd das Koppen mit deutlichem Kopperton wie vor der Operation. 
Der Kehlkopf und die ersten Luftröhrenringe waren nach einiger Zeit mit neu¬ 
hypertroph ierten Muskel strängen bedeckt. Es hat also eine mangelhafte Ausräumung 
des Kehlganges neben mangelhafter Entfernung des M. omo-hyoideus stattgefunden, 
worauf der vollkommene Mißerfolg b$i beiden an demselben Tage operierten Pferden 
zurückzuführen ist. 

Fall 20. Braune Stute mit Stern, 15 Jahre alt. Krippensetzer mit ausge¬ 
prägter Hypertrophie der Mm. sterno-mandibulares. 

Operation am 27. Dezember 1915. Heilung der Wunde in 14 Tagen. Das 
Pferd koppt in der Folge nicht mehr und wird Ende März 1916 an die Truppe 
abgegeben. 

Fall 21. Dunkelbraune Stute, 12 Jahre alt, Tragtier. Mittelgradiger Krippen¬ 
setzer. 

Operation am 24. Dezember 1915. Heilung der Wunde in 3 Wochen. Das 
Pferd stand bis Mitte Mai 1916 unter Beobachtung und koppte nicht mehr. 

Fall 22. Stichelfuchswallach, 12—15 Jahre alt, ungarisches Reitpferd. Aus¬ 
gesprochener Krippensetzer mit beginnendem Koppergebiß. 

Operation am 24. Dezember 1915. Heilung der Wunde in 3 Wochen. Das 
Pferd koppte nicht wieder. Im April 1916 wurde es neben einen leidenschaftlichen 
Rrippensetzer gestellt und versuchte nun bald wieder zu koppen. Es stellte die 
Versuche bald wieder ein und blieb noch einige Monate unter Beobachtung. Es 
koppte nicht mehr und wurde an die Truppe abgegeben. 

Fall 23. Braune Stute mit schattiertem Stern, 15. Jahre alt. Freikopper. 

Operation am 29. Dezember 1915. Das Pferd zeigte schon vor der Operation 
geringen Appetit und bisweilen leicht erhöhte Temperatur. Während des Heilungs- 



398 


RÖDER, 


Verlaufes stellte sich pustulöse Stomatitis ein, deren Behandlung sofort begonnen 
wurde. Durch den Ausfluß aus’ dem Maule trat eine Infektion der Operationswunde 
ein, die zunächst eiterte und dann ein stinkendes mißfarbiges Sekret absonderte. 
In den nächsten Tagen hohes Fieber, profuser Durchfall und am 13. Januar 1916 
starb das Pferd an Sepsis. 

Fall 24. Dunkelbrauner Wallach, 7 Jahre alt. Tragtier. Eifriger Krippen¬ 
setzer. 

Operation am 31. Dezember 1915. Heilung der Wunde in 3 Wochen. Das 
Pferd blieb bis zum 7. März 1916 unter Beobachtung und koppte nicht wieder. 
Es wurde dann in die Landwirtschaft abgegeben. 

Fall 25. Fuchswallach mit durchgehender Blässe, 7 Jahre alt, Reitpferd. 

Operation am 3. Januar 1916. Die in Frage kommenden Muskeln wurden von 
mir ausgiebig entfernt. Die Heilung war in 14 Tagen beendet, aber schon jetzt 
begann Patient wieder eifrig aufzusetzen, und bald hatte er die alte Fertigkeit 
wieder erlangt. Das sehr gutmütige Pterd ließ sich in Ausführung seiner Untugend 
auch dann nicht stören, wenn man dabei die ganze Operationsgegend und deren 
Umgebung abtastete. 

Anscheinend übernahmen in diesem Falle die weiter seitlich am Halse gelegenen 
Muskeln, vor allem der M. brachiocephalicus, die Stellvertretung der operativ außer 
Tätigkeit gesetzten Muskeln. 

Trotz völlig korrekt ausgeführter Operation ist in diesem Falle ein Mißerfolg 
zu verzeichnen. 

Fall 26. Fuchswallach mit Stern, h. r. gefesselt, 10 Jahre alt. Leiden¬ 
schaftlicher Krippensetzer mit Ko'ppergebiß. 

Operation am 20. Januar 1916. Heilung der Wunde in 18 Tagen. Das Pferd 

blieb bis Ende Juni 1916 unter Beobachtung und koppte nicht wieder. 

• 

Fall 27. Schimmelwallach 13—15 Jahre alt. Feldzugspferd. Koppt sehr 
emsig und hat Koppergebiß. 

Operation am 9. Februar 1916. Heilungsdauer der Wunde 20 Tage. Das 
Pferd versuchte in den nächsten Tagen nach der Operation wieder zu koppen. 
Dies gelang ihm jedoch nicht. Koppversuche wurden nur noch einigemale bemerkt. 
Es blieb bis zum 21. März in der Klinik behufs Beobachtung. Es koppte aber nicht 
mehr. Es wurde dann an das Ersatz-Pferde-Depot abgegeben und blieb auch dort 
noch ziemlich 2 Monate unter Beobachtung. Koppen wurde nicht mehr bemerkt. 

Fall 28. Fuchswallach, v. 1. gefesselt, 8 Jahre alt. Sehr eifriger Krippen* 
setzer mit mäßig entwickeltem Koppergebiß. 

Operation am 19. Mai 1916. Heilungsdauer der Wunde 17 Tage. Es bleibt 
bis Ende August unter Beobachtung und es versuchte nie wieder seine frühere 
Untugend aufzunehmen. 

Fall 29. Brauner Wallach mit Blässe, h. 1. gefesselt, v. r. gekrönt, 10 Jahre 
alt. Mittelschweres Reitpferd. Eifriger Krippensetzer mit ausgeprägtem Koppergebiß. 

Operation am 15. Juni 1916. Heilung der Wunde in 15 Tagen. Am Tage 
nach der Operation macht Patient Koppversuche, die aber sehr ungeschickt aus¬ 
geführt werden. In den nächsten Tagen werden ähnliche Versuche noch einigeraale 
bemerkt. Das Pferd blieb in der Klinik bis zum 3. August und im Ersatz-Pferde- 
Depot bis Ende September in Beobachtung. Es setzte nicht mehr auf. 

Fall 30. Fuchswallach mit Blässe, h. beiderseits gefesselt, 8 Jahre alt. Setzt 
leidenschaftlich auf und hat deutliches Koppergebiß. 



Operative Behandlung d. Krippensetzens d. Pferde nach d.Verfahren vonForssell. 399 

Operation am 17. Juli 1916. Heilung der Wunde in 15 Tagen. Die bei dem 
schweren kaltblütigen Pferde entfernte Muskelmasse wog 1 kg! Die Mm. sterno- 
mandibulares waren sehr hypertrophiert. Das Pferd, welches nach seiner Entlassung 
aus der Klinik als' Krümperpferd verwendet wurde, blieb 6 Monate unter Beob¬ 
achtung. Es koppte nicht mehr. 

Fall 31. Brauner Wallach ohne Abzeichen, 11—12 Jahre alt. Mittelschweres 
Zugpferd. Setzt sehr emsig auf, hat aber noch kein Koppergebiß. 

Operation am 19. Juli 1916. Die Wunde ist in 3 Wochen vollkommen ver¬ 
heilt. Am 3. und 4. Tage nach der Operation machte das Pferd schwache Kopp- 
versuche. Anfang November 1916 kommt das Pferd zur Truppe ohne je wieder ge- 
koppt zu haben. 

Fall 32. Fuchswallach mit Blässe, v. r. und h. beiderseits gefesselt, 
13—15 Jahre alt. Setzt sehr stark auf und vergeudet viel Futter dabei, hat 
zuweilen Windkolik und befindet sich im mäßigen Ernährungszustand. 

Operation am 17. August 1916. Die entfernten Muskelmassen wiegen 760 g. 
Wundheilung in 20 Tagen beendet. Das Pferd wird bis Januar 1917 beobachtet 
und koppt nicht mehr. Es wird an die Truppe abgegeben. 

Fall 33. Rappwallach mit Blume und Schnippe, h. 1. geballt, 9 Jahre alt. 
Reitpferd. Leidenschaftlicher Krippensetzer, Koppergebiß mäßig entwickelt. 

Operation am 18. Oktober 1916. Heilung der Wunde in 3 Wochen. Am 
Tage nach der Operation werden vergebliche Koppversuche angestellt,, ebenso ab 
und zu in den nächsten Tagen. Dann hören die Versuche auf und Mitte Januar 1917 
wird das Perd einem Ersatz-Truppenteil überwiesen. Es hat in der dreimonatigen 
Beobachtungszeit nicht gekoppt. 

Fall 34. Brauner Wallach mit Blässe, h. beiderseits gekrönt, 11 Jahre alt, 
mittelschweres Zugpferd. Koppt sehr eifrig und hat ausgeprägtes Koppergebiß. 

Operation am 18. Juni 1917. Wundheilung in 26 Tagen; es hatte sich das 
Pferd durch Reiben einige Agraffen abgerissen, wodurch die Heilung der Schnitt¬ 
wunde etwas verzögert worden war. Das temperamentvolle Pferd versuchte in den 
ersten 14 Tagen nach der Operation wiederholt zu koppen. Die Versuche wurden 
aber immer seltener. Es blieb bis zum 17. August in der Klinik zur Beobachtung 
und wurde dann an das Ersatz-Pferde-Depot abgegeben. Dort wurde es noch 
2 Monate lang beobachtet, aber es koppte nicht mehr. 

Fall 35. Schwarzbrauner Wallach mit Blume und Schnippe, v. 1. gekrönt, 
h. 1. geballt, 7 Jahre alt. Reitpferd. Leidenschaftlicher Köpper mit charakteristi¬ 
schem Koppergebiß. 

Operation am 30. Juli 1917. Heilung der Wunde in 19 Tagen. Am 13. Tage 
nach der Operation beginnt das Pferd wieder zu koppen. Es geschieht dies aber 
nicht regelmäßig, auch wird kein Kopperton hervorgebracht, der vor der Operation 
stets sehr deutlich zu hören war. Allmählich wurde das Koppen wieder stärker 
betrieben, aber nie war ein Kopperton zu hören. Immerhin koppte das Pferd 
während der viermonatigen Beobachtungszeit bei weitem nicht mehr so eifrig wie 
vor der Operation. Es ist also in dem vorliegenden Falle nur ein halber Erfolg 
cingetreten. 

Fall 36. Brauner Wallach mit Stern, h. 1. gefesselt, h. r. gekrönt, 13 .lahre 
alt. Eifriger Krippensetzer mit mäßig entwickeltem Koppergebiß. 

Operation am 17. September 1917. Heilung der Wunde in 3 Wochen. Das 
Pferd hat bis jetzt (am 1. Dezember 1917) nicht wieder gekoppt. 



400 


RÖDER, 


Pall 37. Fucbswallach mit Heilstem und Schnippe, v. 1. gekrönt, h. r. ge¬ 
fesselt, 10 Jahre alt. Reitpferd. Eifriger Krippensetzer mit gut entwickeltem 
Koppergebiß. 

Operation am 18. September 1917. Heilung der Wunde in 18 Tagen. Das 
Pferd hat bis jetzt nicht wieder gekoppt. 

Fall 38. Fuchsstute mit Stern, 13 Jahre alt, mittelstarkes Zugpferd. Eifriger 
Krippensetzer mit mäßig entwickeltem Koppergebiß. 

Operation am 9. November 1917. Während der Ausführung der Wundnaht 
stellten sich zunehmende Erstickungserscheinungen ein. Auf Grund der bei Fall 10 
und 15 gemachten Erfahrungen wurde sofort die Tracheotomie vorgenommen, wo¬ 
rauf sich der Zustand sogleich wesentlich besserte. Als am nächsten Vormittag 
die Kanüle entfernt wurde, stellten sich sogleich wieder Atembeschwerden ein, 
weshalb sofort die Kanüle wieder eingesetzt wurde. Am 3. Tage nach der Operation 
konnte dann die Kanüle entfernt werden. Die Heilung der Operationswunde ist 
durch die Tracheotomie verzögert worden, denn sie ist jetzt bei Abschluß dieser 
Abhandlung, am 1. Dezember, noch nicht ganz zustande gekommen und wird vor¬ 
aussichtlich noch etwa 5 Tage erfordern. Das Pferd hat seit der Operation nicht 
wieder gekoppt. 

Ueberblicken wir das vorstehende kasuistische Material, so scheiden 
für die Beurteilung des Wertes der Operation die Fälle 6, 11 und 23 
ohne Weiteres aus. Auch Fall 38 will ich nicht mit heranziehen, 
weil das Pferd jetzt bei Abschluß dieser Abhandlung erst vor 3 Wochen 
operiert worden ist, obwohl es seit dieser Zeit nie wieder gekoppt hat 
und nach meiner Ueberzeugung auch nicht wieder koppen wird. Es 
kommen also von dem von mir gesammelten Materiale zur Beurteilung 
des Erfolges der Forssellschen Operationsmethode 34 Fälle in Betracht. 
Davon wurde in 24 Fällen ein voller Erfolg, in 4 Fällen eine Minderung 
des Koppens und in 6 Fällen ein Mißerfolg erzielt. Sonach hatte 
der operative Eingriff bei 70 v. H. der Fälle vollen Erfolg 
gebracht. Ein derartiges Ergebnis hatte bei Weitem keine 
der früher zur Beseitigung des Krippensetzens empfohlenen 
Operationsmethoden, wie ich eingangs nachgewiesen habe. 

Wenn ich, nachdem ich persönlich nun genügend Erfahrungen 
mit der Forsellschen Methode gesammelt habe, eine neue und ebenso 
große Versuchsserie zusamraenbringen müßte, würde sich gewiß das 
Ergebnis noch günstiger gestalten. 

Ich habe mjch bei der Beurteilung der vorstehenden 34 Fälle auf 
einen noch strengeren Standpunkt gestellt, als ich dies bei der Be¬ 
urteilung der Erfolge mit der Dieckerhoffschen Methode — (10 v. H. 
Heilung) — getan habe. Dort habe ich alle die Fälle als volle Er¬ 
folge angesehen, bei denen die operierten Pferde keinen Kopperton 
mehr hören ließen und keine Luft mehr abschluckten. Bei der 
Forssellschen Methode bzw. bei den in meiner Klinik operierten 



Operative Behandlung d. Krippensetzens d. Pferde nach d.Verfahren von Forssell. 401 

Fällen habe ich nur als vollen Erfolg angesehen, wenn das Pferd 
überhaupt nicht mehr koppt, also auch nicht mehr in die Krippe beißt. 

Unterzieht man die als Mißerfolge gebuchten Fälle 7, 14, 15, 18, 
19 und 25 einer näheren Untersuchung, so ergibt sich für Fall 14, 15', 
18 und 19, daß die Entfernung des M. omo-hyoideus innerhalb der 
Operationszone nicht genügend vorgenommen worden war. Es konnte 
bei den später deutlich auftretenden Koppakten die Mitwirkung des 
nicht ganz durchgeschnittenen Muskels mehrmals festgestellt werden. 

Diese Fälle beweisen aber auch, daß dem M. omo-hyoideus beim 
Koppakt eine wesentliche Bedeutung zukommt, worauf ja auch Ger- 
lach schon ausdrücklich hingewiesen hat. Zur Sicherung des Erfolges 
darf aber auch die Ausräumung des Kehlganges, d. h. die gründliche 
Abtragung der Mm. sterno-hyoidei und sterno-thyreoidei nicht verab¬ 
säumt werden. Es können sonst vom Messer verschont gebliebene 
Muskelreste mit der Haut oder dem Kehlkopf bzw. der Luftröhre 
verwachsen und mit der Zeit durch immer wieder angestellte - Kopp- 
versuche soweit sich kräftigen, daß sie schließlich zum Gelingen des 
Koppens mit beitragen. 

Bei den Fällen 7 und 25 ist die Operation von mir unbedingt 
einwandfrei vorgenommen worden und doch trat das Krippensetzen 
wieder auf und zwar bei Fall 7 nach etwa 2 Monaten und bei Fall 25 
sogar schon nach 14 Tagen. Zur Erklärung dieser Mißerfolge kann 
ich nur annehmen, daß in erster Linie der M. brachiocephalicus stell¬ 
vertretend wirkt. Ich befinde mich damit in Uebereinstimmung mit 
Schwendimann (4). 

Der Forssellschen Krippensetzei>Operation känn der Vorwurf 
gemacht werden, daß durch sie der Hals des Pferdes verunstaltet 
wird. Dieser Vorwurf ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Schon 
die weiter vorn gegebene Abbildung 1, die übrigens den ohne Erfolg 
operierten Fall 15 betrifft, zeigt, daß das Aussehen des Halses unschön 
wird. Dies tritt aber nur in verhältnismäßig wenig Fällen derartig 
deutlich in die Erscheinung wie es das Bild zeigt.- Wenn die rasiert 
gewesene Halsfläche wieder die volle Behaarung zeigt, sind die Konturen 
der Luftröhrenringe überhaupt nicht mehr zu sehen. Auch die Muskel¬ 
stümpfe atrophieren mit der Zeit und springen dann viel weniger 
deutlich hervor. In vielen Fällen sieht man mehrere Monate nach 
der Operation erst bei genauem Hinsehen, daß die Halskontur nicht 
normal ist. Ein solches Beispiel bietet das umstehende Bild, welches 
den mit vollem Erfolg operierten Fall 22 betrifft. 

ArshiT f. wissenseh. o. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Sappl. 


26 




RODER 


Mao sollte meinen, daß' die Außerdicm t ,Melliing- voo vier Muskel* 
paaren Stdfongetiin dor lkw‘rg»rig dci& Kopien, lind Hal^ zur Folge 
haben mußte, .die vor allem dem aufmerksamen Reiferauffalten müßten. 
PptS *si jedoch nicht' der Fall Haiiz vnmigliehe u'nd auf das Pferd 
sehr aufmerksame Heiter bestätigten .raifi daß sie- ßei den opentft^öi 
Reitpferden irr der Kopf- und ThilsRihrung nichts Abhöriiies, sparten. 

Ob cieh die Forstel Ische riiicroUoiismetliöde Fmtrnng m die tier¬ 
ärztliche Praxis versehaiTon wird, muß dnliii.iges.teil' bleiben, Sie. ist 
ja nicht schwer auszufuhren. aber sie erfordert eine ruhige Hand und 
anatomische Kenntnis des Öperaumßgehk'tes. Sic ist ferner «ine 


blutige Operation und es- muß auf dieBluts'?.illung besonder* Rücksicht 
genommen werden. Man kommt aber meist mit der eirnrn hen Torsion 
der blutenden Oefaße ans ■ 

Om 7/nr Ausführung der Oj.na.tion -.zweckmäßige H.r-ckenlagii des 
PtVfOes kann den Nachteil »iahen, daß sie die Kumt.du.mg vorr Glottis*:' 
ödem begünstigt. Auch die KähnVuug dea Nervös reciirrerKS;. >ier- 
anlaßt tiureh irnbill'g“ Verba zü«| oder Dehnung desselben in»' Vei- 
Iaido. der Operation. kann b.mensgetahrlicbe Aimungssbiruttgra hei j§§| 
fühmi. Man muß also im Vorkulc" der Operation seine 'Aufmerksam¬ 
keit auch dor iVtoiüug des Paiieuteu suwcndeu, uui iui Notfälle rocht- 







Operative Behandlung d. Krippensetzens d. Pferde nach d.Verfahren vonPorssell. 403 

zeitig die Tracheotomie vornehmen zu können. Es ist nach meinen 
Erfahrungen ratsam, für alle Fälle einen Tracheotubus bereit zu halten. 

Eine künftig noch durch entsprechende Untersuchungen zu lösende 
Frage ist, ob etwa nach völlig beendeter Wundheilung in manchen 
Fällen infolge Umschnürung des Nervus recurrens durch Narbengewebe 
oder durch narbige Verwachsung desselben mit der Trachea eine 
Lähmung des Nerven bzw. der von ihm versorgten Kehlkopfmuskeln 
und somit Kehlkopfpfeifen eintritt. Die Möglichkeit des Eintritts 
dieser unangenehmen Folgeerscheinung kann jedenfalls nicht bestritten 
werden. Ich wurde auf diese Frage dadurch aufmerksam, daß mir 
berichtet wurde, es sei ein von mir mit Erfolg operierter Krippensetzer 
nachträglich Kehlkopfpfeifer geworden. Ich möchte jedoch der Mög¬ 
lichkeit des Eintritts des Kehlkopfpfeifens keine besondere und gegen 
die Operationsmethode sprechende Bedeutung beilegen, weil es sich 
ja immer nur um eine Ausnahme von der Regel handeln kann. 

Zum Schluß will ich noch erwähnen, daß ich mich auch mit der 
Frage beschäftigte, ob etwa anstatt der umfangreichen Muskelresektionen 
mit einer kombinierten Neurektomie Erfolg erzielt werden könnte. 
Die Neurektomie des Nervus accessorius Willisii hat sich als unzu¬ 
länglich erwiesen. Man kann nun daran denken, die Lähmung der 
mehrfach erwähnten, beim Koppakt tätigen Muskelpaare neben der 
Neurektomie des Nervus accessorius auch noch durch die Neurektomie 
einzelner Aeste der entsprechenden Halsnervenpaare herbeizuführen. 
In Betracht käme in erster Linie der untere Ast vom ersten Halsnerv. 
Es beteiligen sich jedoch auch die zentralen Aeste der meisten übrigen 
Halsnerven an der Innervation der ventral von der Luftröhre gelegenen 
Muskeln, so daß das Aufsuchen all der in Betracht kommenden Nerven 
auf außerordentliche Schwierigkeiten stoßen, die Operation noch 
schwieriger und überdies ein voller Erfolg immer noch zweifelhaft 
bleiben würde. 

Nachtrag. Das im kasuistischen Teile unter 38 erwähnte, am 
9. November 1917 operierte Pferd hat bis jetzt — Mitte Februar 
1918 — das Krippensetzen nicht wieder versucht. Es ist also ein 
voller Erfolg zu verzeichnen. Der Prozentsatz der vollen Heilungen 
wird damit noch günstiger. Auch ein Anfang Januar d. J. von mir 
operierter leidenschaftlicher Krippensetzer hat bis jetzt seine Untugend 
noch nicht wieder aufgenommen. 


26 



404 RÖDER, Operative Behandlung des Krippensetzens der Pferde. 


Literatur. 

Gerlach, Handb. d. gerichtl. Tierheilkunde. 1. Aufl. S. 354. Berlin 1862. 

— 2)Hertwig, Einiges über das Koppen oder Krippensetzen der Pferde. Magazin 
f. d. gesamte Tierheilkunde von Gurlt und Hertwig. 1870. Bd. 36. S. 14. — 3) 
Hell, Auszug aus den Rapporten über die Krankheiten bei den Dienstpferden der 
preußischen Armee. 1886. II. Quartal (im Buchhandel nicht erschienen). — 4) 
Schwendimann, Die operative Behandlung des Koppens. Schweizer Archiv f. 
Tierheilkunde u. Viehzucht. 39. Jahrg. 1895. S. 215. — 5) Vogt, Zur Frage des 
Koppens beim Pferde. Wochenscbr. f. Tierheilkunde u. Viehzucht. 1898. S. 26. — 
6) Di eckerhoff, Versuche zur operativen Behandlung des Koppens bei Pferden. 
Berl. Tierärztl. Wochenscbr. 1897. S. 373—376. — 7) Derselbe, Das Koppen des 
Pferdes. Berlin 1897. — 8) Derselbe, Versuche zur operativen Behandlung des 
Koppens bei Pferden. Ebenda. S. 641. — 9) Steinmeyer, Zur Beseitigung des 
Koppens. Ebenda. S. 460. — 10) Goldbeck, Ueber zwei Köpper. Ebenda. S. 643. 

— 11) Statistischer Veterinär-Sanitätsbericht über die preußische Armee für das 
Jahr 1897. S. 131. — 12) Operative Behandlung des Koppens bei den preußischen 
Militärpferden. Zeitschr. f. Veterinärkunde. 10. Jahrg. 1898. S. 536—538. — 13) 
Porath, Operative Behandlung des Koppens nach Dieckerhoff. Ebenda. 11. Jahrg. 
1899. S. 268. — 14) Operative Behandlung des Koppens nach Dieckerhoff. Ebenda. 
S. 269. — 15) Christiani, Operative Behandlung des Koppens beim Pferde. 
Ebenda. S. 528. — 16) Falck, Aus meiner Praxis. Svensk Veterinaer Tidskrift. 

1901. Bd. 6. S. 426. — 17) Vennerholm, Koppen. Ibid. 1906. S. 285. — 18) 
Dieckerhoff, Gerichtliche Tierheilkunde. 3. Aufl. Berlin 1902. S. 476. — 19) 
Vennerholm, Spezielle Operationslehre des Pferdes. Stuttgart 1907, S. 249. — 
20) Frick, Tierärztliche Operationslehre. 2. Aufl. Berlin 1912. S. 203. — 21) 
Siedamgrotzky, Haubners landwirtschaftliche Tierheilkunde. 13. Aufl. Berlin 

1902. S. 59. — 22) Stenersen, Die Operation des Koppens beim Pferde. Norsk 
Veterinaer-Tidskrift. 1911. Bd. 33. S. 558. — 23) Forssell, Vervollkommnete 
Operation des Koppens. Svensk Veterinaer-Tidskrift. Bd. 18. S. 355. — 24) Der¬ 
selbe, Komplettierung der Kopperoperation durch Wegnahme des obersten Teiles 
des Musculus omohyoideus. Berl. Tierärztl. Wochenscbr. 1914. S. 57- 59. — 25) 
Derselbe, Nachtrag der Mitteilungen hinsichtlich der Ergänzung der Krippensetzer¬ 
operationen. Svensk Veterinaer-Tidskrift. 1914. H. 6. — 26) Becker, Das Koppen 
der Pferde und seine operative Behandlung nach Forssell. Inaug.-Diss. Dresden- 
Leipzig 1916. 



XVII. 


Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 

Von 

M. Lugwitz. 

Auf dem Gebiete der Hufkunde steht gegenwärtig, im Kriegs¬ 
jahre 1917, die Einrichtung des Tragrandes am Hufe und am 
Hufeisen im Mittelpunkte des Interesses. Eine scheinbar recht ein¬ 
fache Sache, und doch erfordert sie peinliche Sorgfalt in der Behandlung 
des Hufes beim Beschläge, soll das Eisen seinen Zweck als Hufschutz 
erfüllen, ohne das Pferd zu beleidigen, ohne es in seiner Leistungs¬ 
fähigkeit zu beeinträchtigen. 

Man versteht unter Tragrand denjenigen Teil des Hufes einer¬ 
seits und die Fläche des Hufeisens andererseits, mit* denen sich beide, 
Huf und Eisen, berühren, mit dem sich, der Huf auf das Eisen stützt. 
Dem fein organisierten und mit recht empfindlichen Teilen ausgestatteten 
Hufe, auf dem der schwere Körper des Pferdes ruht, den das Körper¬ 
gewicht unter erheblichem Drucke an das Hufeisen heranpreßt, und 
an welchem besonders beim Laufen des Tieres in höheren Gangarten 
die Stöße des harten Erdbodens an erster Stelle und am meisten zum 
Ausdruck kommen, kann es durchaus nicht gleichgültig sein, wie die 
Flächen beschaffen sind, mit denen Huf und Eisen Zusammenstößen. 

Die Einrichtung des Tragrandes am Hufe ist weit davon entfernt, 
alle Maßnahmen in sich zu begreifen, mit denen die Zubereitung der 
Hufe zum Beschläge sich befaßt; sie stellt vielmehr nur einen Teil dieser 
Beschlagshandlung dar. Welche Bedeutung ihm aber für das Pferd 
zukommt, das ist u. a. aus folgender Aeußerung Vaeths 1 ) zu erkennen: 

„Die Bearbeitung des Tragraodes bat bekanntlich so zu geschehen, daß ein 
gleichmäßiges Fußen, ein planer Auftritt erfolgt, eine Aufgabe, die zu den wichtigsten 
und schwierigsten der Hufschmiede gehört, weil sie ein sicheres Verständnis der 
Anatomie und Physiologie des Hufes voraussetzt und ein außerordentlich geübtes 
Auge verlangt“. 

1) Vaeth, Neuzeitliche Grundsätze für den Hufbesohlag. Der Hufschmied. 
1913. Nr. 5. S. 66. 



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Das sind Bedingungen, die von denjenigen, denen die Ausübung 
des Beschlages obliegt, vielfach nicht erfüllt werden und recht oft in¬ 
folge Unzulänglichkeit des Urteilsvermögens nicht erfüllt werden können, 
Bedingungen, die uns die Schwierigkeit der ganzen Hufbehandlung u. a. 
mit vor Augen führen und uns auf die Notwendigkeit hinweisen, daß 
der Veterinär auf diesem Gebiete beratend zu Hilfe kommt, so oft 
die Gelegenheit dazu sich bietet. 

Bei der Einrichtung des Tragrandes am gesunden Hufe — patho¬ 
logische Verhältnisse sollen unberücksichtigt bleiben — kommt es 
auf verschiedene Gesichtspunkte an. Die Tragrandebene muß dem 
natürlichen Lageverhältnis der Zehenknochen zu einander entsprechen, 
sie muß sich dem aufzuschlagenden Hufeisen in der Weise anpassen, 
daß dieses das Stehen und die Vorwärtsbewegung des Pferdes nicht 
erschwert, der Tragrand muß in seiner Breiten- und Längenausdehnung 
alle zum Tragen und Stützen der Körperlast geeigneten Punkte zu ge¬ 
winnen suchen, und er muß in seinen einzelnen Teilen eine Beschaffen¬ 
heit aufweisen, welche das anhaltende Stützen des Hufes auf das Eisen 
ohne Beeinträchtigung seiner anatomischen, physiologischen und physi¬ 
kalischen Eigenschaften ermöglicht. 

Eine Sache, die so vielerlei Anforderungen Rechnung zu tragen 
hat, kann sehr” leicht Meinungsabweichungen in der Beurteilung hervor- 
rufen, und wenn im Laufe der Zeiten die Ansichten der Autoren hin¬ 
sichtlich der Beschaffenheit des Tragrandes am Hufe verschieden 
gewesen sind, so braucht dies nicht Wunder zu nehmen, auch die 
Tatsache nicht, daß selbst gegenwärtig vollständige Uebereinstimmung 
in diesem Punkte nicht besteht. Sie wird auch künftig schwer zu 
erzielen sein, weil sich in das Interesse für den Hufbeschlag verschiedene 
Berufsarten teilen und der den Beschlag Ausübende bei seiner Arbeit 
durchaus nicht immer nach seiner eigenen Ansicht verfahren kann. 

Wie oben erwähnt, ist dieser Gegenstand auch während des 
Weltkrieges, der Tausende von Pferden zu den verschiedensten Zwecken 
in Anspruch genommen hat, wieder in den Vordergrund der Huf¬ 
beschlagkunde gerückt. Da kann es der Mühe für wert erachtet 
werden, einen Rückblick in vergangene Zeiten zu werfen und zu prüfen, 
welchen Standpunkt man in der Einrichtung des Tragrandes in den 
verschiedenen Jahrzehnten und in den einzelnen Ländern eingenommen 
hat. Vielleicht hilft er mit entscheiden, welche Form und Richtung 
man dem Tragrande zu geben hat. 



Der Tragrand des besohlagenen Hufes. 


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Bei der Ausführung des Hufbeschlags erfordert die Herstellnng 
des Tragrandes eine sachgemäße Bearbeitung des Hufes und des 
Hufeisens. Am Hufe kommt er bei dessen Zubereitung zum Beschläge 
zu stände. Infolgedessen kann ich es nicht umgehen, diese Beschlags¬ 
handlung, soweit sie sich mit der Bodenfläche des Hufes befaßt, wo 
der Tragrand sich befindet, mit zu berühren. Und auch bei Besprechung 
des Tragrandes am Hufeisen kann es nicht vermieden werden, auf 
andere Eigenschaften des eisernen Hufschutzes, soweit dies eben er¬ 
forderlich ist, Rücksicht zu nehmen. 

Wie der Tragrand an den ältesten Hufeisen und damit an den 
Hufen gewesen ist, entzieht sich unserer Kenntnis, wissen wir doch 
heute noch nicht, zu welcher Zeit und wo die ersten Hufeisen in 
Anwendung gekommen sind, Hufeisen, die mit Nägeln an die Hufe 
der Pferde befestigt wurden. Es fehlt an schriftlichen Aufzeichnungen, 
und soweit sie vorhanden sind, lassen sie keine bestimmten Schlüsse 
über unseren Gegenstand zu. In vielen Gegenden sind Hufeisen aus¬ 
gegraben worden, die der Verwitterungsprozeß in einen Zustand ver¬ 
setzt hat, der ihnen ein hohes Alter aufzudrängen scheint. Deswegen 
besteht auch ganz allgemein die Neigung, derartige verrostete und 
verwitterte Hufeisen in eine recht frühe Zeitperiode zurückzudatieren. 
Der Uebertreibung ist aber hier Tür und Tor geöffnet. Und gerade 
in Sachen des Tragrandes führt uns die Geschichte gar nicht weit 
zurück, denn erst die Zeit nach dem Mittelalter übergibt uns die 
ersten kümmerlichen Nachrichten darüber. 

In Deutschland und den angrenzenden Ländern werden die kleinen, 
leichten Hufeisen mit dem gewellten Außenrande, die sog. Kelteneisen, weil 
ihre ganze Beschaffenheit auf eine mangelhafte Technik schließen läßt, zum Teil 
auch in Anbetracht der Umstände, unter denen sie aufgefunden worden sind, als 
die ältesten Eisen, die den Pferdehufen aufgenagclt worden sind, angesehen. Infolge 
ihrer geringen Breitenausdehnung ist anzunehmen, daß sie mit der ganzen Huffläche 
den Hufen aufgelegen haben, so daß mithin der Tragrand an der letzteren 
der Breite des Eisens entsprochen haben dürfte. Die Sammlung der 
Lehrschmiede der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden besitzt eine größere Anzahl 
solcher leichter, schwacher, im großen Ganzen gerade gerichteter Hufeisen, an denen 
der äußere und innere Rand über die gleiche Stärke verfügen. Es befinden sich 
aber auch Exemplare darunter, wo der innere Rand schwächer ist als der äußere, 
und bei denen die Tragfläche mit ihrem inneren Teile eine leichte Neigung nach 
einwärts zeigt, besonders an den Schenkelenden. Die Absicht, das Hufeisen auf 
diese Weise in einem gewissen Abstande von der Hornsohle zu halten, ist unschwer 
zu erkennen. AuchJoly und Tasset 1 ) sagen, daß man die Neigung derTrag- 

1) Joly und Tasset, Etüde sur les premiers fers ä clous rivös. Revue 
göndrale de med. vet. 1911. p. 129. 



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fläche schon hei gewissen Hufeisen mit gewelltem Rande findet, daß sie allge¬ 
meiner mit dem Gebrauche breiter Eisen wird, und daß sie vor Sohlendruck schützt. 
An den breiten Hufeisen, die man als Eisen des Mittelalters bezeichnen kann, die 
aber auch der frühen Neuzeit entstammen, findet man tatsächlich recht häufig eine 
vom äußeren nach dem inneren Rande, also über das ganze breite Eisen sich hin¬ 
weg erstreckende auffallende Neigung der oberen Fläche vor, die besonders auch 
an den Schenkelenden sich zeigt. Die letzteren sind bald gerade, bald nach aus¬ 
wärts, häufig aber auch nach abwärts gebogen. 

Besser als die eben genannten antiken Hufeisen lassen uns meiner Ansicht 
nach die orientalische^ Platteneisen, die man z. B. heute noch in der Türkei, 
in Griechenland und Aegypten verwendet, erkennen, wie man in diesen und anderen 
Ländern des Orients den Hufbeschlag zu Zeiten der ersten Anfänge ausgeführt hat, 
denn zu allen Zeiten werden diese Hufeisen, die auch Binz 1 ) gelegentlich einer 
kurzen Charakterisierung der Eisen verschiedener Länder als die ältesten unter 
allen bezeichnet, so geschildert, wie sie heute noch den Pferden anliegen. Sie 
haben sich von Anfang an ihre Eigenart, die sie so verschieden von dem bei uns 
gebräuchlichen Beschläge macht, erhalten, woran aller Wahrscheinlichkeit nach 
religiöse Rücksichten mit die Schuld tragen. Teilweise, nicht immer, mögen diese 
schwachen rundlichen Eisenplatten mit ihrem Loche in der mittleren Gegend und 
ihren aufgebogenen, teils aneinander gelegten, teils verschweißten hinteren Enden 
eine breite Auflage an der Hufbodenfläche gehabt haben, so daß der Tragrand 
des Hufes ein breiter, sich über Hornwand und Sohle, ja auch über 
die Eckstreben ausdehnender gewesen ist. Aber nicht etwa, um dem Eisen 
eine so breite Auflage zu verschaffen, hat man es plattenartig gestaltet, der Zweck 
wird im Gegenteil der gewesen sein, an den Huf einen ausgiebigen Schutz gegen 
den Erdboden, gegen die Wege, auf denen die Pferde benutzt wurden, und die 
nicht immer die besten gewesen sein mögen, heranzubringen, ohne dabei einen 
besondern Wert der Art seiner Auflage beizumessen, v. Tennecker 2 ) meint (1821), 
daß die ersten Hufeisen gewiß nur aus dem Grunde erzeugt worden sind, um den 
Huf gegen äußere Eindrücke zu schützen. Indem er auf den Perser und Türken und 
deren runde tellerförmige Hufeisenbleche hinweist, sagt er: „Er hat also noch den< 
Beschlag, wie ihn die Aegypter, Griechen und Römer hatten (eiserne Sandalen, die 
mit Bändern an dem Fuße fest gemacht wurden. D. Ref.), und wie er in dem 
ersten ungebildeten Zustande bei allen Nationen gewesen seyn mag, wo nur die 
Erfahrung den Menschen lehrte, daß man diesem hornigten Schuh, sobald wir dem 
Pferde noch unsere Last im Reiten und im Zuge auflegen, noch einen künstlichen 
Schutz durch Bedeckung der Sohle geben müsse.“ — Diese Beschlagsart, so 
primitiv und grob wie sie erscheint, verfügt über den großen Vorzug, daß sie die 
Hufe an der Bodenfläche kräftig läßt, so daß die Angabe Kanavatsoglous 3 ) zu 
verstehen ist, daß in Athen Steingallen, Ilornspalten, Verengerung und andere Huf¬ 
krankheiten unbekannt sind. 

Der wissenschaftliche Hufbeschlag, der dem anatomischen Baue des 
Hufes u. a. m. Rechnung trägt, hat seinen Ausgang von Italien und Frankreich ge¬ 
nommen. In Italien beschreibt Ruini 4 ) 1613 u. a. die verschiedenen Hufleiden, 
wobei er mit wenig Worten auch den Hufbeschlag berührt. Bei einer Krankheit, 

1) Binz, G., Hinterlassener Unterricht über die Hufbeschläge der Pferde. 
Wien 1807. S. 5. 

2) v. Tennecker, Praktisches Lehrbuch des Hufbeschlags. Altenburg 1821. 

3) Thary, Maröchalerie 1896. p. 217. 

4) Ruini, C., Anatomia et Medicina equorum nova. Aus dem Italienischen. 
Frankfurt a, M. 1613. S. 298. 




Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


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die der Pododermatitis entspricht, soll dieser zu beiden Seiten etwas weiter als 
der Huf, aber so lang wie dieser und das Hufeisen gut ausgehöhlt sein, damit 
die Sohle nicht gedrückt wird. Es kann daraus wohl geschlossen werden, daß die 
Hufeisen, welche die Fersenwände nicht berühren durften, allgemein nur auf 
dem Wandtragrande aufgelegen haben. 

Sein Landsmann Fiaschi 1 ) hat 1614 als erster Hufeisen abgebildet. Die 
schematischen Zeichnungen ermöglichen aber keinen Rückschluß auf die Einrichtung 
des Tragrandes am Hufe. Im Texte führt er nur an, daß das Hufeisen vielfach 
hohlgerichtet wird, so daß es nach unten vorgewölbt ist, um das Hufinnere nicht 
zu beschädigen. Man kann hieraus folgern, daß der Huf über einen schmalen 
Tragrand verfügt hat. Bezüglich der Hufzubereitung gibt Fiaschi an, daß 
bei Vorderhufen die Fersen „geöffnet“ und die Sohlen ausgeschnitten werden sollen, 
aber nicht bis aufs „Leben“. 

Solleysel 2 ) in Frankreich, der, um Steingallen und Zwanghufen vorzu¬ 
beugen, das Herunterschneiden der Fersen „bis aufs Fleisch“ uüd ihr „Oeffnen“ 
(Trennung von Hornwand und Strahl) empfiehlt, bezeichnet 1677 die französischen 
Hufeisen als „zu breit und zu tölpisch“. Jedenfalls haben diese nur auf der 
Horn wand und nicht auch auf der Hornsohle aufliegen sollen, denn er beklagt 
an ihnen außer dem Einsetzen von Erde „in den Fuß“, daß sie geneigt waren, 
auf der Sohle aufzuliegen. Es werden dann weiter Erweiterungseisen für Zwang¬ 
hufe beschrieben, die in der vorderen Hälfte flach, gleich und eben waren wie die 
gewöhnlichen Eisen, „damit des Pferdes Huf nicht weh geschehe“. Hieraus sowie 
aus der weiteren Tatsache, daß die gesunden Hufe ausgewirkt werden sollten, ist 
zu schließen, daß der Tragrand am Hufe ebenfalls schmal gewesen ist. Diese 
Annahme läßt auch die Bemerkung zu, daß in den großen Städten und in steinigen 
Gegenden sehr breite Hufeisen verwendet werden, um das Eintreten von Nägeln 
und den Druck der Steine zu verhüten, daß sich aber Sand zwischen Eisen und 
Sohle eiosetze, der nicht entfernt werden könne. Neben dem Auswirken der 
Sohle wurde auch die Ansicht vertreten, der Solleysel nicht beipflichtet, die 
Hornsohle stark zu lassen, damit auf diese Weise Nageltritte u. a. m. abgehalten 
werden. Aber auch in diesen Fällen soliton die Eisen auf dem Home zwar 
fest aufliegen, jedoch die Sohle nicht berühren. 

Auch in der Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Eisen in Frankreich 
l$ng und schwer. Sie hatten starke Schenkelenden und oft auch dicke 
Stollen, so daß sie den Hornstrahl vom Erdboden fernhielten. Die Hufe wurden, 
wie Lafosse 3 ) 1754 angibt, dermaßen, ja bis aufs Blut ausgeschnitten, daß die 
Hornsohle zu schwach war, die inneren Teile des Hufes zu schützen. Besonders 
wurde die hintere Sohlengegend mit Vorliebe ausgehöhlt, so daß die eingedrungene 
Erde Druck und Lahmgehen erzeugte. Das Sohlenhorn trocknete aus und die 
Hufe verengerten sich. Da nun auch Kies und Steine sich zwischen das Eisen und 
den Huf einsetzten, so ist daraus zu folgern, daß das erstere nur schmal 
aufgelegen hat. Lafosse empfiehlt, nur die zu lang gewachsene Hornwand der 
Pferde zu kürzen, die Sohle aber kräftig und den Strahl unbeschnitten zu lassen. 
Und damit möglichst viele Teile des Hufes, besonders Strahl und Trachtenenden, 

1) Fiaschi, Cesare, Trattato deir imbrigliare, atteggiare et ferrare caualli. 
Venedig 1614. 

2) Solleysel, Le parfait maröchal. 1664 u. 1677. 

3) Lafosse p6re, La nouvelle maniöre pratique de feirer les chevaux 
de seile et de carosse. 1756. — Derselbe, Observations et döcouvertes 
faites sur des chevaux avec une nouvelle pratique sur la ferrure. Paris 
1754. p. 81. 



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mit auf den Erdboden stützen, läßt er die Pferde mit einem Eisen mit verjüngten 
Schenkeln beschlagen, das die Trachtenenden nicht bedeckt, also mit einem längeren 
Halbmondeisen, dem „fer ä croissant“. Dieses gerade Eisen ohne Zehenrichtung überließ 
allerdings dem Hufe auch nur einen schmalen Tragrand, denn es sollte auf der 
Sohle nicht aufliegen. Um noch mehr Boden fläche des Hufes am Stützen und 
Tragen des Körpers teilnehmen zu lassen, benutzte Lafosse noch zwei andere Huf¬ 
eisen, das „fer ä demi-cercle ordinaire“ und das „fer a demi-cercle enclavd“, von 
denen das letztere in das Horn des Tragrandes eingelassen wurde. Das bis an 
die Schenkelenden mit Nagellöchern ausgestattete fer ä croissant hat den besseren 
französischen Hufbeschlag lange Zeit beherrscht und wird in etwas abgeänderter 
Art u. a. heutigen Tages noch benutzt. 

Osmer 1 ) führte dieses französische Hufeisen 1766 in England ein. Er 
übernahm die Lehren von Lafosse und ließ demgemäß bei der Hufbeschneidung 
Sohle, Strahl und Eckstreben schonen, weil sie zum Schutze der inneren Teile 
geschaffen worden seien. Vom Hornstrahl sollten nur die losen Teile eptfernt 
werden. Sein Falzeisen — der tiefe Falz war überhaupt das Kennzeichen des 
englischen Beschlages — lag nur auf der Wand, vielleicht noch auf einem 
schmalen Sohlenrande auf, denn die Huffläche war, damit sie nicht auf die 
Sohle drückt, abgedacht. Um Steingallen zu vermeiden, überragte es seitlich die 
Trachtenwände. 

Von den ganz allgemein in England gebräuchlichen Hufeisen wich dasjenige 
Osmers erheblich ab, denn jene werden als sehr lang und breit, zum Teil auch 
als an den Schenkolenden verstärkt geschildert. Free man 2 ) berichtet 1797, daß 
diese Methode, durch welche die Fersen auf den gepflasterten Straßen der Städte 
und den Steinwegen vor Beschädigung geschützt werden sollten, verwerflich sei. 
Deshalb führte er ein schmales Eisen mit schmalem Tragrand ein, das keine ver¬ 
dickten Schenkelenden hatte, denn dieses verhindere die Ausdehnungsfähigkeit der 
Fersen. „Kojn Hufeisen darf auf einem anderen Teile des Hufes aufliegen als auf 
der Hufwand, denn die Beschirmung dieser allein ist es, was man von dem Be¬ 
schläge erwartet. Einwärts muß also das Eisen abgeschrägt werden, damit es von 
dem Fuße entfernt bleibe oder hohl liege.“ Man soll mit den Hufräumer zwischen 
Sohle und Eisen gelangen können. „Berührt ein Eisen, das nicht gehörig abge¬ 
schrägt ist, die Sohle der Fersen“, so sind diese Beschädigungen aus¬ 
gesetzt. Die Sohle bildet hiernach den Tragrand nicht mit, auch 
die Eckstreben nicht, denn bei dem von ihm abgebildeten Hufe reicht das 
mit der halben Breite die Trachtenwand seitlich überragende Falzeisen nicht 
bis zu den Eckwänden. 

Daß der Beschlag in England nicht hervorragend gewesen, geht auch aus 
Angaben J. Clarks 3 ) aus dem Jahre 1777 hervor. Er wendet sich gegen 
die hohlgerichteten Hufeisen seines Landes mit ihren dicken breiten Schenkelenden 
oder Stollen, Es sei „doch ganz gewiß der ursprünglichen Absicht des Beschlags 
zuwider, daß man erst den Huf verderbe, indem man ihn ausschneidet u. dgl. und 
nachgehends auf den Huf ein breites starkes Eisen legt, um das, was übrig ge¬ 
lassen wird, zu bedecken oder vielmehr zu ersetzen.“ Er klagt, daß der Strahl, 
die Sohle und die Sohlenwinkel dermaßen stark ausgeschnitten würden, daß sehr 
oft Blutungen entstehen und diese beschnittene Hornsohle durch ein abgedachtes, 

1) Osmer, A treatise on the diseases and lameness ofhorses etc. London 1766. 

2) Freeman, Strickland, Esqu. Abhandlung über den Bau und Mechanismus 
des Pferdefußes usw. Leipzig 1797. 

3) Clark, J., Anmerkungen von dem Hufbeschlage der Pferde und von den 
Krankheiten der Pferde. 1777. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


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übermäßig Janges, breites und schweres Hufeisen geschützt werden müsse, das den 
Strahl vom Boden entferne. Clark empfiehlt ein schmäleres Eisen, das außen gleich 
stark ist, aber ebenfalls nur auf der Wand au fliegt und zu diesem Zwecke 
eine bis zu den Schenkelenden reichende Abdachung hat. Dieses Eisen wird nach 
Osmers Vorschlag etwas länger gehalten als der Huf ist, an dem von Sohle und 
Strahl vorher nur die losen Teile entfernt wurden. 

Auch in Spanien sind zur Zeit Lafosse’ l ) die Hufeisen, wie dieser anführt, 
sehr lang gewesen. Ihre Schenkelenden waren vom Hufe abgebogen, so daß Huf¬ 
verengerung viel zu beobachten war. 

Ganz abweichend von Lafosse paßte Bourgelat 2 ) 1771 das Eisen dem Hufe 
an. Er bog es mit seinem vorderen und hinteren Teile auf und gestaltete es auf 
diese Weise kahnartig. Sein ganz richtiger Grundsatz, daß man vor allem beim 
Hufbeschlage das Eisen für den Huf schmieden muß und nicht umgekehrt den Huf 
nach dem Eisen beschneiden darf, konnte infolgedessen von ihm selbst nicht be¬ 
folgt werden, denn wonn auch das barfußlaufende Pferd sich die Vorderhufe in der 
Regel in ihrer vorderen Gegend vermehrt abläuft, so erfordert die genaue Anpassung 
des kahnartigen Eisens an den Huf eine entsprechende, dem Eisen nachgebildete 
Zubereitung. Da dieses glatte Bourgelat-Eisen, wie Originalstückein der Dresdener 
Sammlung beweisen, eine Huffläche hat, die, vielleicht infolge der kahnartigen Biegung, 
schräg nach einwärts neigt, so kann der Huf nur schmal mit der Hornwand 
darauf geruht haben. Der innere Eisenrand stand an der Bodenfläche nach unten 
vor; die Pferde müssen daher einen wenig guten Stand und Gang auf diesen eigen¬ 
artigen Hufeisen gehabt haben. 

Bei dem großen Ansehen, das Bourgelat bei seinen Landsleuten genoß, blieb 
es nicht aus, daß seine Ratschläge viel befolgt wurden; im großen ganzen beschlug 
man aber die Pferde nach der alten Gewohnheit weiter. 

Einen Einblick in die Bcschlagsverhältnisse Deutschlands in der zweiten 
Hälfte des 18. Jahrhunderts läßt uns Reitzenstein 3 ), und nach ihm vor allem 
Weber 4 ) nehmen. Der erstere sagt 1764: „Auf dem Horn (Wand d. Ref.) muß 
das Eisen überall gleich aufliegen, aber gar nicht auf der Sohle; denn da 
die Sohle aus einem zartem Horn bestehet, so würde das Pferd davon hinken, 
wenn es darauf aufläge“. Die Eisen waren durchgehends Stempeleisen im Gegensatz 
zu den englischen Eisen, die einen Falz hatten. Vor dem starken Aushöhlen der 
Hufsohle an der hinteren Partie wird gewarnt, da Hufzwang die Folge ist. — Und 
Weber schreibt 1774: „Darum sind die schönsten Pferde in Städten auch so 
vielen Fehlern an Füßen, und so oft dem Zwanghuf unterworfen, weil man zu viel 
daran wegraspelt, abschneidet und vcrkiinstelt. . . . Ebendeshalb hat man auch in 
der Armee so viele zwanghufige Pferde“. Sehr begünstigt mag die Zwanghufbildung 
durch die Huffläche des Eisens worden sein, die vom äußeren bis zum inneren Rande 
eine schiefe nach einwärts abfallende Ebene war. Und das Abrichten der Schenkel¬ 
enden, das Weber sehr beklagt, wird das seinige dazu beigetragen haben. Man 
richte sich beim Beschläge nach dem unbeschlagenen Hufe, rät dieser Autor. 
Hier stützt das Pferd mit Wand, Sohle und Strahl auf den Boden. „Sohle, Winkel 
und Strahl werden bei einem gesunden natürlichen Huf gar nicht ausgeschnitten 
und ausgewürkt“. Denn eine unausgeschnittene Sohle ist der natürlichste Panzer, 

1) Lafosse, Observations usw. 1754. p. 100. 

2) Bourgelat, Essai thöorique et pratique sur la ferrure. Paris 1771. 

3) Reitzenstein, W. E. von, Der vollkommene Pferdekenner usw. Uffen- 
heim 1764. S. 166. 

4) Weber, Chr. Fr., Abhandlung von dem Bau und Nutzen der Pferde und 
der besten Art des Beschlags. Dresden 1774. 



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M. LUNGWITZ, 


welcher allen Eindruck der harten Körper auf die lebendigen Teile durch seine Be¬ 
deckung ab- und zurückhält. Bezüglich des Verhältnisses der Tragrandebene zur 
Gliedmaßenrichtung sollte einmal der Strahl beim gesunden Hufe einen beacht¬ 
lichen Fingerzeig darbieten — Trachten und Strahl sollen in einer Ebene 
liegen —, dann sollte man sich weiterhin nach dem unbeschlagonen Hufe richten. 
„Das Hufeisen muß in seiner Dicke egal geschmiedet, und inwendig, nicht wie ge¬ 
wöhnlich, dünner als auswendig seyn, noch vielweniger gefinnet werden, damit 
es egal auf dem Fuße aufliege; doch kann von dem Horn der Sohle so viel weg¬ 
genommen werden, daß das Hufeisen, soweit als cs die Sohle bedeckt, nicht ganz 
aufzuliegen komme. Es muß auch nicht zu lang seyn, damit es nicht über den 
Huf hinaus gebe, sondern am Ende der Fersen sich endige“. Also breiter Trag¬ 
rand und breite Eisenauflage oder schmaler Tragrand am Hufe —beides 
war hiernach von Weber zugelassen. Als Hufeisen waren Stolleneisen und Griff¬ 
eisen in Gebrauch, die am Zehenteil breiter als an den Schenkeln waren. 

Der schmale Tragrand ist jedenfalls am deutschen Hufeisen allgemein be¬ 
vorzugt worden, denn Kersting 1 ) erzählt uns 1777, daß in den Schmieden die 
ganze Hornsohle wie auch der Hornstrahl äußerst geschwächt werden. „Besonders 
wird in den Ecken meistenteils die Hornsohle zum Bluten dünngeschnitten“. 
„Derjenige Schnitt, welchen der Schmied beim Auswirken insgemein zuerst thut, ist 
der, daß er die Schneide des Wirkmessers hinten beim Anfänge der Tracht an die 
Wand ansetzt, und von da bis nach dem Ballen hin ein Stück Horn von der Wand 
hinwegschneidet. Dieser Schnitt geschieht bloß um deswillen an beiden Seiten, 
damit der Schmied hernach desto leichter die Ecken tief ausschneiden könne, und 
ihm dieses feste llorn die Arbeit nicht zu sauer mache. Sodann wird die Sohle 
äußerst dünn geschnitten, bis das Blut hindurchdringt. Hierbei wird sogar der 
Strahl nicht geschont, sondern ihm nur eine geringe Bedeckung vön Horn gelassen“. 
Als Gründe für diese starke Schwächung der Hornkapsel an der Bodenfläche führt 
Kersting das leichtere tiefe und weite Ausschneiden der Sohlenwinkel an, 
denn das beuge den Steingallen und dem Hufzwange vor; ferner wollte man Sohle 
und Strahl vor der Berührung, vor Druck des Erdbodens schützen und Vollhufig- 
keit und Strahlfäulo abhalten. Die Hufe der Pferde waren mithin zu jener Zeit 
einer barbarischen Hufbehandlung ausgesetzt, die gerade solche Hufkrankheiten 
zur Entstehung gebracht haben wird, denen sie Vorbeugen sollte. Das war Kersting 
wohl bewußt, deshalb wendet er sich gegen diese Art der Hufzubereitung und 
empfiehlt mit Nachdruck nur „das bereits erstorbene Horn“ von der Hornsohle zu 
entfernen und aus den Sohlenwinkeln nichts herauszuschneiden „damit die innere 
Eckwand da bleibe, und diese sowie die äußere Wand, bis zum Eisen hinreiche, 
damit beide Wände zusammen eine breite Oberfläche der Wand ausmachen, 
welche dem Zerdrücken des Eisens hinlänglichen Widerstand leisten kann“. Das 
Hufeisen sollte also nach ihm mit den Schenkelenden auf Tr achten wand und 
hinterem Teile der Eckstreben, höchstwahrscheinlich auch auf dem 
Horne der Sohlenwinkel aufliegen. So konnte er auch ganz richtig bezüglich 
der Steingallen behaupten: „und daher pflege ich bei geringen Steingallon nichts 
weiter zu tun, als nur nach meiner angepriesenen Art den Fuß beim Beschlagen 
nicht viel auszuwirken; hiervon pflegen sie nach und nach von selbst zu ver¬ 
schwinden“. Damit das Hufeisen eine breite Auflage in der Trachten¬ 
gegend erzielt, ließ er es nach den Schenkelenden zu erheblich breiter werden 
und hier in der Richtung der seitlichen Strahlflächen verhauen. In der vorderen 
größeren Partie des Hufes lag sein Eisen bestimmt nicht der ganzen Breite nach 

1) Kersting, Johann Adam, Unterricht, Pferde zu beschlagen und die an 
den Füßen der Pferde vorfailende Gebrechen zu heilen. Göttingen 1777. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


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auf, denn es war am äußeren Rande um ein Dritteil dicker als am inneren und 
hatte eine „etwas von der Hornsohle entfernte Vertiefung“. Das Hufeisen sollte 
außen eben und innen so wenig hohlgerichtet sein, daß „es am inneren Rande 
einer kleinen Schreibfederdicke von der Hornsohle abstehe und dieselbe nicht 
drücken könne“. Geht der Tragrand weit über den Rand der Hornsohle hinaus, 
so kann das Eisen die letztere „schmerzhaft drücken“. Es ist hiernach möglich, 
daß das Hufeisen außer auf der Hornwand auch auf einem schmalen Sohlenrande 
aufliegen durfte. Kersting hat jedenfalls, ebenso wie Weber, mit seinen An¬ 
weisungen sehr gute Fingerzeige für die Beschlagsausführung erteilt. Leider war 
er für das Stollen- und Griffeisen eingenommen; er ist daher von der Pflege eines 
bis auf den heutigen Tag sich im deutschen Hutbeschlage forterhaltenen Uebelstandes 
nicht frei zu sprechen. Wird doch, wenn der Franzose vom deutschen Huf¬ 
beschlage spricht, zur Veranschaulichung desselben gewöhnlich das Griffeisen ab¬ 
gebildet. — Aus Süddeutschland hören wir um das Jahr 1780 von Bouwing- 
hausen 1 ), daß eine Besserung des Beschlages in ganz Schwaben höchstnotwendig 
ist, denn die schädlichen Hufeisen und Nägel, das Auswirken, Raspeln und Auf¬ 
brennen der Eisen hätten die schlimmsten Folgen nach sieb. Beim Zubereiten der 
Hufe sollen Wände, Trachten und Strahl gleich hoch werden und die Hornsohle 
stark bleiben. Am Hufeisen muß die Huffläche etwas nach einwärts neigen, damit 
der innere um Messerrückenstärke schwächere Rand auf der Sohle nicht zu stark 
aufliege. Sein Falz-Eisen stand nirgends am Hufe vor, wohl aber war es ein wenig 
länger als dieser und vor den Schenkelenden am breitesten. Es lag, wie an anderen 
Stellen seines Buches zu ersehen ist, auch nur auf der Wand auf. 

Ueber den Beschlag in England erfahren wir von Coleman 2 ) 1798, daß 
beim Beschlagen der Pferde Eckstreben und der Hornstrahl immer wieder stark 
beschnitten und breite, oben ausgehöhlte Hufeisen mit .verdickten Schenkelenden 
verwendet wurden, die beim Einschlagen der Aushöhlung nach unten sich vor¬ 
wölbten. Steingallen und Zwanghufe waren die Folge. Er riet deshalb zu einem 
Eisen mit verjüngten Schenkeln, damit der kräftig gelassene Strahl mit stützt. 
Wohl aber wurde die Hornsohle ausgehöhlt, damit das Hufeisen sie nicht berührt. 
Der Tragrand am Hufe war mithin eben und schmal. Nur bei flacher 
Sohle sollte Abdachung angebracht werden. Da Colemans Falzeisen einen 
kräftigen Zehenteil hatte, stand der beschlagene Huf vorn hoch und hinten tief, denn 
das Eisen war am Zehenteile 3 bis 4mal dicker als an den Enden. Die Abdachung 
fehlte an der Huffläche; dafür hatte sie eine Neigung nach einwärts. Um den Strahl 
zum Stützen mit heranzuziehen, schuf er auch ein geschlossenes Eisen. — Diese 
Methode der Sohlenschwächung fand die Billigung der englischen Armeeveterinäre. 

Erst kurz vorher, 1793, hatte Sainbel 3 ) darauf aufmerksam gemacht, der 
Hornsohle ihre natürliche Stärke zu belassen und nur das wirklich tote, sich selbst 
ablösende Horn abzutragen. Auch der Strahl und die Eckstreben sollten kräftig 
sein, damit jener die Körperlast mittragen könne und diese so hoch seien, wie die 
Trachten. Abstand des Eisens von der Sohle wollte jedoch auch dieser Autor am 
beschlagenen Hufe zur Vermeidung von Sohlenquetschungen durch Kies und Steine 
vorfinden. Deshalb war auch nach seinen Vorschriften der schmale Tragrand 
am Hufe nur auf die Hornwand beschränkt. Bemerkenswert ist, daß Sainbel 

1) Bouwinghausen, F. M. T. von Wallmerode, Anweisung, die Pferde 
besser und nützlicher als bisher zu beschlagen usw. Stuttgart 1780. 

2) Bojanus, L., Edw. Coleman’s Grundsätze des Hufbeschlags. Darm¬ 
stadt und Gießen 1805. 

3) Sainbel, Ch. V. de, Lectures on the elements of farriery. London 
1793. p. 97. 



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M. LUNGWITZ, 


dem Beschläge eine Beurteilung der Gliedmaßenstellung des Pferdes daraufhin 
vorausschickt, ob diese gerade, nach auswärts oder nach einwärts gestellt sind, 
ob das Fessel zum Hufe paßt, ob es zu lang oder zu kurz ist, ob die Zehen 
nach einwärts oder auswärts geneigt sind. 

Moorcroft 1 ) kannte 1802 bereits den Hufmechanismus. Mit Rücksicht auf 
ihn sollte das Eisen dem Hufe nicht nur Schutz gegen Abnutzung gewähren, sondern 
auch die Huffunktionen ermöglichen und die Hornsohle ja nicht drücken. Bei 
ebener Huffläche wird das durch die Beschneidung und Schwächung der Sohle er¬ 
reicht, bei nach einwärts genoigter Tragfläche bleibt diese intakt. Das Eisen wirkt 
aber seiner Ansicht nach im letzteren Falle einklemmend auf den Huf; daher 
entschied er sich für ein solches von Osmor und Clark, das halb eben, halb bis 
an die Schenkelenden abgedacht ist. Die Sohle wurde nur von den losen Teilen 
befreit, so daß ein Hufräumer zwischen sie und das Eisen gelangen konnte. Der 
Tragrand am Hufe war schmal; er reichte bis zur weichen „lebenden“ Hornsohle. 

Seine Methode fand in dem General Bloomfield 2 ) einen warmen Be¬ 
fürworter. Das stollenlose Hufeisen ist deshalb auch als das Bloomfieldsche 
Eisen bekannt. Wie Co lern an, so forderte auch dieser Autor eine starke Be¬ 
schneidung der Hornsohle, damit sie nach oben gewölbt zu Tage tritt, denn auf 
diese Weise sollte den Hufen mit Steingallen die beste Hilfe zu teil werden. — 
Steingallen scheinen an der Tagesordnung gewesen zu sein. Sie waren vielleicht 
mit die Veranlassung zur Einführung der Abdachung am Eisen. 

Besonders eingehend mit den Hufbewegungen hat sich Bracy Clark 3 ), 
(1810) beschäftigt. Da nach ihm diese Bewegungen das Laufen des Pferdes 
wesentlich begünstigen, so dürfen sie durch den Beschlag nicht gestört werden. 
Deshalb ließ er das Hufeisen am Zehenteile mit einem und auch mit zwei Schar¬ 
nieren versehen; die Eisenschenkel konnten so der Erweiterung und Verengerung 
des Hufes folgen. Dem Zehenteile des mit Falz und Abdachung ausgestatteten 
Eisens ließ er später eine Stahlplatte aufnieten. So entstand sein „steel tablet expan- 
sion shoe“. Die Eckstreben erklärkc er als eine innere Wand, die den Strahl und 
die konkave Sohle schützt, festigt und die Stöße beim Auftritt abschwächt. Im 
% Verein mit der Hornsohle besorgen sie hauptsächlich den Ilufraechanismus, während 
der Strahl die Tätigkeit der Trachtenwände begrenzt. Wand und Sohlen ran d 
sollten wagerecht geschnitten, die Sohle nur gereinigt und der Strahl gelassen 
werden, wie er ist. Da dieser bei auf hartem Boden barfuß laufenden Pferden 
den Boden nicht mit berührt, so sollte das Hufeisen dic-kc Schenkel haben. Die 
Eckstreben aber wurden verdünnt. — An den beigegebenen Eisenabbildungen ist 
der Tragrand sehr schmal, die Abdachung aber breit, und an den Schenkel¬ 
enden neigt die Tragfläche nach einwärts. 

Von dieser Zeit an wird in England dem Hufmechanisraus bald weniger, 
bald mehr Bedeutung im Hufbeschlag beigemessen. Und mit Rücksicht auf ihn 
wurde den Hufeisen Abdachung' an der Huffläche gegeben. Es waren aber außer¬ 
dem auch noch solche in Gebrauch, bei denen der innere Teil der oberen Fläche 

1) Moorcroft, Ueber die verschiedenen bisher üblichen Methoden, Pferde zu 
beschlagen und dahin gchörigenBeobachtungen. Aus dem Englischen. Hannover 1802. 

2) Powis, P., Der. neueste englische Hufschmied oder Prüfungen und Er¬ 
fahrungen über die Zweckmäßigkeit der neuesten in England erfundenen und da¬ 
selbst üblichen Hufeisen, nach Maßgabe der verschiedenen Beschaffenheit der 
Pferdehufe, sowohl für kranke als gesunde Pferde etc. Pesth. 1817. 

3) Clark, Bracy, Stereoplea or the artificial defence of the horses hoof 
considered. London 1817. — Derselbe, Description of a new horse-shoe which 
expands to the hoof. London 1820. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


415 


zwar schräg, aber nicht scharf von dem schmalen Tragrande abgegrenzt war. 
Meist stollenlos, hatten sie einen ringsum laufenden Falz. Sehr oft waren sie an 
der Bodenfläche konvex und an den Schenkelenden gewöhnlich dicker als vorn. 
Die Hufe wurden tüchtig beschnitten und ihre Eckwände durchgeschlagen („Oeffnen 
der Trachten“). Wenn daher Sewell seinem Freunde Goodwin 1 ) gegenüber be¬ 
hauptet hat, daß er in England mehr lahme Pferde gesehen, als auf dem Kontinente, 
so braucht das nicht Wunder zu nehmen. 

Auch Goodwin lehrte 1820, daß die Hornsohle Unelastisch wird, wenn sie 
zu stark ist. Sie muß beschnitten werden, um elastisch zu sein. Die Trachten¬ 
wände ließ er bis zur Strahlhöhe verkürzen. Trotz sehr günstiger Be¬ 
urteilung der französischen Hufeisen machte er seine eigenen oben konvex, unten 
der ganzen Breite nach mit Ausnahme der Schenkelenden konkav. So sollten 
Zwanghufe vermieden werden. Diese mit Zehenrichtung versehenen Eisen scheinen 
nur schmal auf dem Tragrande der Wand aufgelegen zu haben. 

Während einerseits die Schmiede aus Gewohnheit die Hufe stark „aus¬ 
wirkten“, so wünschten dies anderseits die Tierärzte mit Rücksicht auf die Huf¬ 
mechanik. Zum Beispiel schrieb Turner 2 ) 1822 die starke Beschneidung von Sohle 
und Strahl vor und ließ die innere Seitenwand des Hufes frei von Nägeln, um die 
Elastizität der letzteren nicht zu stören. Sein Hufeisen mit Abdachung an der Huf¬ 
fläche, ähnlich dem von Moorcroft, lag gleichfalls nur auf der Wand auf, so 
daß am Hufe ein schmaler Tragrand vorhanden war. Es hatte 5 Nagellöcher, 
von denen am inneren Schenkel nur zwei, und zwar ganz nahe am Zehenteile an¬ 
gebracht waren. Auf diese Weise sollte vor allem die Beweglichkeit der inneren Huf¬ 
wandnichtgehindertwerden. Diese eigenartige Lochverteilung ist späterhin von anderen 
englischen Sachverständigen übernommen worden. — Der englische Veterinärchirurg 
Powis 3 ) lehrt 1827 folgendes: „Beim Zuschneiden der Hufe hat man vorzüglich zuerst 
mit dem Rinnmesser zwischen der ganzen Länge der Eckstreben und der Hornwand 
einen Teil der Hornsohle auszuschneiden, denn diese darf keineswegs vom Hufeisen 
Druck erleiden, sonst entstehen Steingallen“. Das hat dem Grade nach so zu geschehen, 
„daß, wenn das Hufeisen aufgeschiagen ist, ein breiter Hufräumer in diese Vertiefung 
eingebracht werden könne, so daß sich nicht leicht zwischen Eckstreben und der 
Hornwand ein fremdartiger Körper einklemraen könne, sondern wiedor herausfallen 
müsse, oder doch leicht mit dem Hufräuraer wieder herausgeschafft werden könne.“ 
Welcher Art das Eisen sei, war für ihn Nebensache. Hiernach ist bestimmt an- 
zunebmen, daß sowohl sein Erleichterungseisen (levarian oder easy shoe) 
wie sein an der Bodenfläche abgedachtes Jagdeisen nur auf dem Trag¬ 
rande der Wand und nicht auf der Sohle aufgelegen hat. — Seine Ab¬ 
handlung über den Beschlag ist mit „zwei Zugaben“ von seinem Fachkollegen 
Lawrence versehen worden, die recht gute Beschlagsanweisungen enthalten. 
Der Fuß der Pferde, sagt er, hat „dreierlei Tragstützen: die W'and, die Eckstreben 
und den Strahl. Das gewöhnliche (englische) Hufeisen ist hohlgerichtet, d. h. ab¬ 
gedacht und hat dicke Schenkelenden, daher dient es nur der Wand als Stütze; 
es verhindert „die elastische Ausdehnung des Hufes und zwingt die Trachten und 
Fersen gegeneinander“, verunstaltet und verdirbt den Huf und macht das Pferd 
lahm. Würde dieser Uebelstand schneller eintreten als er sich tatsächlich einstellt, 
so würde man als seine Ursache das Hufeisen zeitig genug erkennen und die 
Fehlerhaftigkeit desselben einsehen. Daher sei das Hufeisen gleichstark und seine 
Huffläche sei zur Hälfte eben, die andere Hälfte sei schräg nach ein- oder abwärts 

1) Goodwin, J., A new System of shoeing horses. London 1820. 

2) Turner, J., Treatise of the foot of the horse. 1822. 

3) Powis, L c. 



416 


M. LUNGWITZ, 


gearbeitet. Man lege es dem gesunden Hufe auf, nachdem von dessen Hornsohle 
die zum Abblättern geneigten, abgestorbenen Hornmassen entfernt und am Strahle 
die Unebenheiten ausgeglichen und die „Fasern“ beseitigt, die Eckstreben aber 
„nicht im mindesten beschnitzelt“ worden sind. „Wenn die Eisen bloß zur Hälfte 
ihrer Breite flach, eben gearbeitet sind, so werden sie auch nur mit diesem ebenen 
Teile ihrer oberen Bahn die Wand und die Sohle unmittelbar berühren, was 
sehr nützlich ist. Denn obschon von Vielen behauptet wird, daß die Sohle des 
Hufes ohne Nachteil keinen Druck erleiden könne, so lehrt doch die tägliche Er¬ 
fahrung hinreichend das Gegenteil. Denn die ganze Schwere des Tieres darf nicht 
von der Wand des Hufes allein getragen werden, weil sonst die Sohle sich all¬ 
mählich tiefer senkt und anfangs flach und voll, zuletzt aber sogar apfelförmig nach 
außen gewölbt sich bilden würde, was ganz der Natur entgegen wäre.“ Wand 
und Sohlenrand sollen demnach die Tragfläche bilden. 

Wie diese guten Ratschläge aufgenommen worden sind, das lassen Fußnoten 
des Uebersetzers des Buches erkennen: „Herr Lawrence zeigt sich hier so wider¬ 
spenstig, wie ein handwerksmäßiger Hufschmied, er widerspricht nicht nur der 
gesunden Vernunft, sondern auch der Erfahrung eines Coleman, Bloomfield 
und anderer mehr. Er hat offenbar Unrecht.“ Und weiter: „Herr L. hat hierbei 
eine sehr schlechte Ansicht, und muß keine Erfahrung haben, daß die Sohle gar 
nicht zur Tragung der Last des Tieres bestimmt ist.“ 

Die Meinung, daß sich nur die Hornwand zum Tragen eignet, hat sich auch 
in Frankreich forterhalten. Das beweisen die folgenden Angaben. Garsault 1 ), 
der als Hauptregel 1805 diejenige aufstellte, daß man das Hufeisen so leicht als 
nur möglich wählen muß, ließ dieses gleichmäßig und gerade dem Hufe 
auflegen, warnte aber davor, es die Sohle berühren zu lasssen. Er ging aber 
doch einen Schritt weiter, indem er diese schmale Auflage wenigstens für Hufe mit 
schwacher Sohle verlangte, in Ausnahmefällen aber sie auf die Sohle auszudehnen 
erlaubte, nur müsse diese dann stark gelassen werden. Zwischen dem inneren 
Eisenschenkelende und dem Hufe sollte immer so viel Raum freibleiben, daß man 
eine Messerklinge dazwischen legen kann. Es ist hiernach begreiflich, wenn in 
Frankreich im allgemeinen nur die Wand, nicht zugleich auch die Sohle zum 
Stützen benützt wurde, wie Gohier 2 3 ) 1816 berichtet, der den äußeren Eisen¬ 
schenkel etwas weiter passen läßt, als der Huf weit ist, mehr bei Zugpferden als 
bei Reitpferden. Das ist jedenfalls auch bei dor Beschlagsmethode von Sanfourche 8 ) 
(1818) der Fall gewesen, nach der das gleichstarke und gleichbreite Sterapeleisen, 
das eine lange, IV 2 daumenbreit vor den Schenkelenden aufhörende Zehenrichtung 
besaß, gleichmäßig auf dem ganzen unteren Rande des Hornschuhes 
auf lag, an dem die Zehenwand und der angrenzende Teil der äußeren Seitenwand 
gekürzt, die Trachten, sowie Strahl und Sohle aber geschont worden waren. 

Der Hufbeschlag Oesterreich - Ungarns war von dem in Deutschland 
üblichen nicht wesentlich verschieden. Langcnbacher 4 ), der uns als Professor 
am k. k. Militär-Tierarznei - Institute in Wien 1811 erzählt; daß das gewöhnliche 
deutsche Hufeisen für leichtere Pferde ein Falzeisen mit Stollen und das für schwer¬ 
ziehende Pferde ein Griffeisen war, bezeichnet die Huffläche dieser Eisen in Oester¬ 
reich-Ungarn als glatt und eben und hält eine Abdachung zur Vermeidung von 
Sohlendruck für überflüssig, sobald man die Hufe nur so beschneidet, daß die Horn- 

1) Garsault, Le nouveau parfait mar&shal etc. Paris 1805. p. 386. 

2) Gohier, J. B., Tableau synoptique des fers le plus souvent employös pour 
la ferrure des monodactyles ou solipedes et didactyles ou biscules. 1816. 

3) Sanfourche,Moyens deconserverTapiombduchevalparlaferrure. Parisl818. 

4) Langenbacher, J., Unterricht über den Beschlag usw. Wien 1811. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


417 


wand über die Sohle etwas vorsteht. Jedenfalls hat sein Hufeisen nur auf 
der Wand aufgelegen. „Wenn die Bewegung frei sein soll, so muß auf jeden 
starken Tritt des Pferdes das elastische Gewölbe der Sohle sich etwas nach unten 
senken.“ Eckstreben und Strahl sollen nach ihm bei der Zubereitung des Hufes 
zum Beschläge geschont werden. 

In Deutschland wurden zu Anfang des 19. Jahrhunderts eine größere 
Anzahl von Lehrbüchern über Hufbeschlag verfaßt, von denen das von Binz 1 ) 1807 
für eine schonende Beschneidung des Hufes beim Beschläge eintritt. „Die Horn¬ 
sohle soll sehr wenig oder gar nicht ausgowirkt werden.“ Der Strahl muß mit 
tragen. Eine ebene obere Fläche am Hufeisen, die meistens in Deutschland üblich 
ist, hält er für die zweckmäßigste. Sie trägt am besten, wenn sie gleichmäßig 
dem Hufe anliegt. Dabei sei das Eisen gleich dick und nicht wie bei den Franzosen 
vom dicker als an den Enden und wie bei den alten englischen Eisen hinten und 
innen stärker als vorn und außen. 

Unter flen Hauptregeln, die Prof. Rumpelt 2 3 ) in Dresden 1803 für das 
Niederschneiden der Hufe angibt, befindet sich die folgende: „Das Hora an der 
Zehe, Wänden, Trachten und Sohle gleich niederschneiden, in eine ebene Fläche 
zu verwandeln, damit das Eisen alsdann gleichviel tragen kann.“ Eckwände, Sohle 
und Strahl sollen so viel als möglich geschont werden. Und als Fehler, der „bei 
fast allen gemeinen Stadt* und Landschmieden noch Mode ist“, nennt er das „Aus¬ 
schneiden, Auswirken, das in den ältesten Zeiten Mode war“. Das von ihm empfohlene 
mit etwas Zehenrichtung versehene Stempeleisen, ein Stolleneisen, das damals all¬ 
gemein gebraucht wurde, lag der ganzen Breite nach, also auf Wand und 
Sohle, auf. 

Das war nun freilich bei dem landesüblichen Beschläge nicht der Fall, wie aus 
den folgenden Angaben Greves 8 ) aus dem Jahre 1814 hervorgeht. „Unsere deutschen 
Hufeisen zeichnen sich besonders durch Stollen aus, vorn an der Zehe sind sie am 
breitesten, ihre Arme nehmen aber nach und nach an Breite ab. . . . Der inwendige 
Rand des Eisens ist um ein Drittel dünner, als der auswendige. Auf der Oberfläche 
ist es von außen nach innen abhängig, abgedacht.“ „Die Ursache, warum man 
das Eisen an der Oberfläche abdacht, ist, weil die Sohle über der weißen Linie 
den Druck des Eisens nicht vertragen kann, mithin dieses auch nicht auf¬ 
liegen darf.“ — Von den Franzosen sagt er, daß sie für Vorderhufe glatte, vorn 
und hinten aufgebogene Eisen verwenden. Jedenfalls ratet Greve zu einer schonenden 
Hufbehandlung. Die Eckstreben soll man „in ihren vollen Kräften lassen“. Die 
Hufeisen müssen so gehalten werden, wie der Huf lang ist; an den Trachten können 
sie etwas überstehen, sie dürfen aber hier nicht abgerichtet werden, wie es ge¬ 
wöhnlich geschieht. — Die gleiche Länge und Weite schreibt den Hufeisen auch 
Feuring 4 * * ) 1821 vor. Sie sollen mit ihrem Tragrande den unteren Wandrand 
„bis zur Mitte der weißen Linie“ berühren, von da ab aber abgedacht sein, damit 
die Sohle nicht gedrückt wird. Für Reitpferde ließ er dem Eisen Zehenrichtung 

1) Binz, G., Hinterlassener Unterricht über die Hufbeschläge der Pferde. 
Wien 1807. 

2) Rumpelt, G. L., Unterricht für die Fahnenschmiede vom vernünftigen 
und zweckmäßigen Beschlagen der Pferde, sowohl bei gesunden, als fehlerhaften 
und kranken Füßen. Leipzig 1813. 

3) Greve, C. A., Anleitung zum zweckmäßigen Beschläge und Behandlung 
der gesunden und kranken Hufe der landwirtschaftlichen Tiere aus dem Pferde¬ 
geschlecht usw. Osnabrück 1814. 

4) Feuring, J. L., Kurzer Unterricht für Beschlagschmiede über den Huf¬ 

beschlag der Pferde. Lippstadt 1821. 

Archiv f. wUaensoh. u. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. 


27 



418 


M. LUNGWITZ, 


geben, so hoch wie dieses stark ist. Dabei sollte es aber nicht so, wie die 
französischen’ Hufeisen, vorn und hinten sich heben. Von der Hornsohle sollen 
nur die losen Teile entfernt werden, ja nicht mehr. 

Nach v. Ten neck er 1 ) (1821) muß am gesunden und wohlgebauten Hufe 
die Hornsohle „nach dem Hornstrahle hin etwas vertieft seyn a und die Wand etwas 
über die Hornsohle vorstehen. Er unterläßt es, Aufklärung darüber zu geben, 
wie die Hufeisen beschaffen sein sollen. Nach obigen läßt sich jedoch annehmen, 
daß er nur die Hornwand als zum Stützen auf das Eisen geeignet erachtet hat. 

In gleicher Weise wünscht Dieterichs 2 ), Lehrer an der Tierarzneischule zu 
Berlin, 1823, daß das außen wie innen gleich starke und mit einer wagerechten 
Tragfläch e versehene Hufeisen, nur auf der Horn wand aufliegt, und daß zu diesem 
Zwecke die Hornsohle einige Linien gegen diese zurücksteht. Die Abdachung 
empfahl er nur für Flach- und Vollhufe. Die Hornsohle dient nach ihm nicht 
zum Tragen der Körperlast, denn ein auf ihr auf liegendes Hufeisen erzeugt Sohlen¬ 
druck. Auch der Hornstrahl hat nicht die Bestimmung, „einen Teil der Schwere 
des Körpers zu tragen, denn die über ihm liegenden weichen Teile würden leicht 
und noch leichter denselben Eindrücken ausgesetzt seyn, als jene über der Horn¬ 
sohle“. Daß der Hornstrahl die Erde beim Auftreten des Pferdes auf den Boden 
nicht berühren darf, beweisen, sagt er, gut gebildete, nie beschlagen gewesene Hufe. 
Bei diesen steht der Strahl, wenn man den Huf auf eine gerade Fläche setzt, 
immer von dieser Fläche mehr oder weniger ab. Die Eckstreben dürfen nicht stark 
beschnitten werden, sie dienen der Elastizität des Hufes. 

Bezüglich der Beschaffenheit des Tragrandes am Hufe stimmen die nach¬ 
genannten Autoren mit den ebenangeführten überein. Nur die Hornwand 
bildet den Tragrand, denn das Eisen soll nur auf der Hornwand aufliegen; 
so Brunn, Kertitschka, v. Ho erd t, Nüsken, V ix, Wüstefeld, Hering, Merk, 
Zerrenner, Gross, Strauss, Falko, Fuchs, Flernming und Petersjun. 

Nach Brunn 3 ) (1825) muß die Hornsohle, die wie der Strahl beim Beschlagen 
des Hufes nur von dem mürben, losgetrennten Horn zu befreien ist, etwas gegen 
die Wand zurückstehen, an der der Tragrand wagerecht und gerade ist mit 
Ausnahme des Zehenteils, der sich um die halbe Eisenstärke hebt. Der Zwischen¬ 
raum von Eisen und Huf sei nicht zu groß. Die Eckstreben, hinten so hoch wie 
die Wand, verlieren sich gegen den Strahl zu in der Hornsohle. An den Trachten 
steht das Hufeisen etwas über den Huf vor. Seine Sehcnkelenden dürfen nicht 
vom Hufe abgerichtet sein. — Bezüglich der Hufzubereitung, der Eisenlänge und 
-Weite erteilt Kertitschka 4 ) (1827) dieselben Anweisungen. Er vergleicht die 
Hornsohle mit einer an der unteren Seite ausgehöhlten Scheibe, die nicht mit 
auf das Hufeisen stützen darf. Das letztere hat Zehenrichtung, ist oben 
ganz glatt und eben und trägt Stollen oder Griff und Stollen. — v. Hoerdt 5 ) 
sagt 1829 von der Hornsohle, „daß ihre Fläche um eine Linie niedriger werde, 
als die der Wände, weil sonst, wenn sie mit diesen gleichhoch gelassen würde, 

1) v. Tennecker, S., Praktisches Lehrbuch der Hufbeschlagkunst und der 
Erkenntnis und Heilung der Hufkrankheiten. Altenburg 1821. 

2) Dieterichs, J. T. C., Die Hufbeschlagskunst oder Anleitung, sowohl die 
gesunden als auch die fehlerhaften Hufe der Pferde zweckmäßig zu behandeln und 
zu beschlagen. Berlin 1823. 

3) Brunn, A. Fr., Praktische Hufbeschlagskunst. Neu-Strelitz 1825. 

4) Kertitschka, Ign., Anleitung über das Beschlagen der Pferdehufe. 
Graz 1827. 

5) v. Hoerdt, Unterricht über die' Pfcrde-Hufbeschlagkunst und die Be¬ 
handlung der kranken und fehlerhaften Hufe. Stuttgart u. Tübingen 1829. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


419 


das Hufeisen auf sie zu liegen käme, welches nicht seyn darf, da es dem Pferde 
beim Gehen vermöge des Drucks auf die Sohle Schmerz verursachen könnte“. 
Immerhin warnt er vor einem zu starken Auswirken der Hufe. — Nach Nüsken 1 ) 
(1882) soll das Hufeisen von der Sohle, an der weißen Linie beginnend, um Messer¬ 
rückenstärke entfernt sein, und wenn die innere Trachten wand schwach ist, 
so soll es auch auf dieser nicht aufliegen. Die Eckstreben halten hinten 
den Huf auseinander und dürfen daher nicht weggeschnitten werden. Von der 
im gesunden Zustande hohlen Sohle ist nur das sich abschuppende, abgestorbene 
Horn zu entfernen. — Vix beschreibt 1834 das englische Vordereisen als ein 
glattes, stollenloses Falzeisen mit innerem geraden Falzrand und Abdachung, das 
Hintereisen als ein solches ohne Abdachung. Naclj diesem Muster und nicht nach 
Art der französischen Eisen, die der ganzen Breite nach schräg gearbeitet sind, 
will er das deutsche Hufeisen für Vorderhufe mit einer breiten und tiefen, weit 
nach den Schenkelenden reichenden Abdachung versehen haben, das auf Eck- 
streben und Sohle, die fälschlicherweise entweder zu wenig oder zu stark, bis 
aufs Blut beschnitten werde, nachdem man vorher ihr Horn mit einem glühenden 
Eisen oder mit glühender Asche erweiche, nicht aufliegt. 

Wüstefeld 2 ) schreibt 1834 vor, daß die Sohle nur in ihrer vorderen Gegend 
von den toten Hornmassen zu befreien ist, in der hinteren sollen Wand und Sohle 
in einer Ebene liegen. Als Tragrand kann nur der untere Rand der 
Wand in Frage kommen, da Sohle und Strahl anhaltenden Druck nicht ver¬ 
tragen. Aus diesem Grunde ist das Hufeisen von den Nagellöchern ab mit Ab¬ 
dachung zu versehen. — Nach Hering 3 ) (1837) hat das gewöhnlich gebräuchliche 
Eisen, „flach und einfach vertieft“, eine etwas gewölbte Bodenfläche, so daß sein 
innerer Rand zuerst auf den Erdboden kommt. Es wird immer mehr durch das 
Falzeisen verdrängt, an dem an der Huffläche sich Tragrand und Abdachung scharf 
gegen einander abtrennen. Der Tragrand ist so breit wie die Horn¬ 
wand mit Einschluß der weißen Linie stark ist. Die Abdachung endet 
kurz vor den Schenkclenden, so daß hier außer den Trachten die Eckstreben mit 
ihrem hintersten Teil auf das gleich starke Eisen sich stützen können. Sohle und 
Sohlenwinkel werden vom Eisen nicht berührt. Die Sohle, die sich beim Auftritt 
etwas senkt, „kann keinen anhaltenden Druck aushalten und wird schon von zu¬ 
fälligem Druck gequetscht.“ Der Strahl soll bei der Hufbelastung den Boden be¬ 
rühren. Hering ist der Ansicht, daß mehr Nachteile durch vernachlässigtes als 
durch allzustarkes Ausschneiden des Hufes entstehen. — Merk 4 ) schlägt 1840 vor, 
breite Eisen bei Pferden mit dünner schwacher Sohle anzuwenden, damit der Huf 
gegen Prellungen und Erschütterungen auf hartem, steinigem Boden geschützt ist. 
Das breite Hufeisen war ihm Schutz für die Sohle; die letztere bildete bestimmt 
don Tragrand nicht mit. — Nach Ansicht des Dozentenkollegiums 5 ; der ehe¬ 
maligen Tierarzneischule zu Karlsruhe (1841) ist die untere Fläche der Hornsohle 
ausgehöhlt. Daher kann die Huffläche des Stolleneisens eben sein; ist dieses nicht 
der Fall, so muß der äußere Eisenrand stärker sein als der innere, ohne daß die 

1) Nüsken, Beschlags-Katechismus. Münster und Hannover 1832. — Vix, 
Praktische Beschlaglehre. Gießen 1834. 

2) Wüstefeld, H. A., Ueber den Beschlag und die Behandlung gesunder und 
kranker Füße der Pferde. Göttingen 1834. S. 37. 

3) Hering, E., Das Pferd. Stuttgart 1837. S. 326. 

4) Merk, Th., Anleitung zum praktischen Hufbeschlag der Pferde usw. 
München 1840. S. 73. 

5) Anleitung zum zweckmäßigen Beschlagen sowohl fehlerfreier als fehler¬ 
hafter Hufe. Entworfen von den Lehrern an der Tierarzneischule in Karlsruhe. 1841. 

27 • 



420 


M. LUNGWITZ, 


obere Eisenfläche hohlgerichtet ist. Hiernach bildete den Tragrand am Hufe 
nur die Hornwand. Das Zurichten des Hufes beginnt mit dem Auswirken der 
Sohle; dabei soll das tote Horn entfernt werden, an den Sohlenästen etwas mehr. 
Die Zehenwand muß noch einmal so hoch sein als die Trachtenwände. Der Strahl 
soll möglichst mit stützen — Zerrenner 1 ) lehrt 1841, daß die Hornsohle eines 
guten gesunden Hufes gegen die Hornwand etwas vertieft ist. „Die Flächen des 
Hufeisens müssen „glatt und eben geschmiedet“ sein; ebenso der Tragrand des 
Hufes (Wand und weiße Linie), und die Trachten werden etwas mehr beschnitten, 
damit das Eisen nicht die Ballen drückt. — Groß 2 ) schildert das Hufeisen 1842 
als ein Stempeleisen, das an den Schenkelenden außen und innen gleichdick, im 
Bereiche der Nagellöcher aber ^m inneren Rande „um den vierten Teil (und später, 
1861, um den vierten oder dritten Teil) schwächer“ ist als am äußeren Rande, 
damit es nur auf dem geebneten Tragrande der Hornwand, nie aber 
auf der Hornsohle und dem Strahl aufliegen“ kann. Der Sohle sollte bei 
der Zubereitung der Hufe ihre volle Stärke belassen werden, so daß nur das teil¬ 
weise Getrennte abzuschneiden ist. Es ist besser, wenn die letztere stärker 
ist als schwächer. Dem „Knollhufe“ ließ er ein Platteneisen mit Strahlausschnitt 
aufschlagen, das auf der Huf bodenfläche nicht auflag. — Strauß 3 ), Professor 
des Hufbeschlags am Wiener Tierärztlichen Institut, bezeichnet 1844 als die un¬ 
mittelbarste Wirkung jeden Hufbeschlags „die Bedeckung des Tragrandes 
der Hornwand und eines schmalen anstoßenden Streifens der Horn¬ 
sohle mit einem flachen rcifförmig gebogenen Eisenstabe“, wodurch u. a. 
der Sohlenrand vor Quetschungen durch Bodenhervorragungen geschützt wird. 
Dieses Eisen soll zwar au allen Stellen des Tragrandes, vor allem auch auf 
den Eckwänden, als jenen Stellen eben und fest aufliegen, die ohne Nach¬ 
teil den stärksten Druck auszuhalten geeignet sind, aber auf der Hornsohle 
sollte es nicht aufliegen, um keinen Schmerz zu erzeugen und um nicht das 
Senken der Hornsohle zu verhindern. Nach dem inneren Rande zu muß daher 
das Eisen hohl gearbeitet sein. Das Vordereisen wird mit Zehenrichtung aus¬ 
gestattet.— Auch Falke 4 ) verlangt 1848, daß das Hufeisen „von Sohle und 
Strahl genügend weit abstehen“ soll, was erreicht wird, indem der untere 
Wandrand „1—2 Linien über die feste Verbindung der Sohle“ vorsteht. — Ebenso 
darf nach Harzer 5 6 ) (1848) das an beiden Flächen eben gehaltene Hufeisen nicht 
auf der ungeschwächten Sohle aufliegen, denn diese soll eine Linie tiefer sein 
als die Wand. Letztere wird an den Trachten mehr beschnitten, damit das Eisen 
hier nicht aufliegt. — Desgleichen sollen nach Fuchs 0 ) (1853) die Vordereisen 
nur auf Wand und weißer Linie aufliegen und von da ab abgedacht sein, damit 
sie die Sohle nicht berühren. Sie werden in der Trachtengegend etwas weiter ge¬ 
paßt als der Huf weit ist. Der Wert der Stolleneisen wird durch den auch von 
andern Autoren gebrachten Hinweis beleuchtet, daß die französische Armee unter 
Napoleon auf ihrem Rückzuge aus Rußland viel Pferde verlor, weil die Hufeisen 
keine Stollen hatten. Die Vordereisen erhalten Zehenrichtung nach dem Maße der 
Abnutzung des alten Eisens. Eckstreben und Strahl bleiben so hoch wie die 

1) Zerrenner, J. T., Der wohlunterrichtete Kur- und Hufschmied. 
Weimar 1841. 

2) Groß, J. G., Theorie und Praxis der Hufbeschlagskunst. Stuttgart 1842. 

3) Strauß, Handbuch des Huf- und Klauenbeschlags. Wien 1844. 

4) Falke, F. A., Die Lehre vom Hufbeschlag. Weimar 1848. 

5) Harzer, Fr., Der geschickte Grob- und Hufschmied. Weimar 1848. 

6) Fuchs, Chr. J., Neuer Katechismus der deutschen Hufbeschlagkunst. 
Erlangen 1853. 




Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


421 


Fersenwände. — Flemming 1 ) und Peters jun. 2 ) treten für eine vorsichtige 
Beschneidung des Hufes beim Beschlag ein, denn sie lassen nur das bröcklige 
und gelöste Horn von der Sohle entfernen. Zur Vermeidung von Sohlendruck 
gaben sie ihren Hufeisen Abdachung, und zwar sollte diese nach Flemming(1853) 
in der Mitte der Huffläche beginnen, und nach Peters (1856) sollte die Hornsohle 
„von der weißen Linie an nur seichte Aushöhlung haben“. Auch hier hat nur 
die Hornwand den Tragrand gebildet. 

In Frankreich scheint sich bis zu jener Zeit die englische, scharf sich vom 
Tragrande abgrenzende Abdachung am Hufeisen keinen nennenswerten Eingang 
verschafft zu haben, denn ein umfangreiches Werk über den Hufbeschlag von 
Jauze 3 ), das sich eingehend mit dem Hufbescblag befaßt (1827/1834), erwähnt 
jene Eigenschaft nicht. Indem er zu einer sehr schonenden Hufzubereitung ratet, 
empfiehlt er das kahnförmige Eisen von Bourgelat. Jedenfalls hat auch dieser 
in allzu strenger Anlehnung an die Hufsohlenform des barfuß laufenden Pferdes 
entstandene Hufschutz nur auf dem Wandtragrand aufgelegen. Jauze 
führt an: „Man berücksichtige, daß das Hufeisen seine Stütze hauptsächlich unter 
dem unteren Rande der Hornwand haben müsse.“ Und: „Man gebe diesem (dem 
Hufeisen. D. Ref.) so wenig Hohlrichtung als taöglich, so daß nur eine Messer¬ 
klinge zwischen das Hufeisen und die Sohle gebracht und diese dazwischen liegen 
bleiben könnte, ohne diese letztere zu berühren.“ Auch die von ihm für Flach- 
und Vollhufe empfohlenen breiten Eisen haben auf der Hornsohle nicht aufgelegen. 
Er führt weiter an, daß „die äußere Fläche der Sohle eines gutgeformten Fußes 
ausgehöhlt ist.“ Die Natur habe dabei den Zweck verfolgt, ihr zum Tragen der 
Körpermasse mehr Kraft und Fähigkeit zu geben, da sie dem Fuße das sei, was 
ein Gewölbe dem Gebäude ist. Man muß sich „daher sehr hüten, das Hufeisen 
auf der Sohle aufliegen zu lassen.“ Jauze hat auch ein plattenartiges Hufeisen 
empfohlen, das die ganze Hufbodenfläche mit Ausnahme des Strahles bedeckte. 
Aber auch dieses Eisen, das Müller 3 ) in Berlin „Fluß- oder Küsteneisen“ nennt, 
und das für Pferde bestimmt war, die ihre Arbeit im Wasser verrichten, hat nur 
auf dem Tragrande der Wand aufgelegen, denn seine Stärke verminderte 
sich von den Nagellöchern ab allmählich von jeder Seite auf den inneren Rand zu. 

Für Bouley 4 ) ist 1851 bei der Zubereitung der Hufe zum Beschläge der 
Grundsatz maßgebend, ihnen diejenige Form zu geben, die sie beim Barfußlaufen 
angenommen haben würden. Da sie sich nun vorn mehr als hinten und außen 
mehr als innen abreiben, so muß der Zehenteil mehr als die Trachtenpartie und 
die äußere Seite mehr als die innere beschnitten werden. Beim barfußlaufenden 
Pferde sind auch die Eckstreben lang und stark. Nachdem aber der Huf be¬ 
schlagen ist, werden alle Teile an der Hufbodenfläche der Abreibung entzogen, 
sie wachsen lang und werden unelastischer, so daß der Huf in seiner hinteren 
Partie weniger gut die Funktion erfüllen kann, die er zu erfüllen hat. Deshalb 
scheint die Beschneidung der Eckstreben aller zwei Beschlagsperioden ratsam; oft 
genügt es, sie im Grunde der seitlichen Strahlfurchen zu verdünnen, wenn dies 
überhaupt notwendig ist. Im allgemeinen lasse man diese Gewölbepfeiler stark. 
Sie unnötigerweise schwächen, heißt Druck auf die Weichteile erzeugen. Wie nach 
Renault so sollte auch nach Bouleys Vorschrift die Huffläche am Eisen leicht 
ausgehöblt sein, damit die Sohle sich senken kann, ohne dabei das Hufeisen zu 
berühren. Der Tragrand am Hufe war mithin schmal. 

1) Flemming, G. J. G. Fr., Hufbeschlags-Katechismus. Laage 1853. 

2) Peters jun., Fr., Katechismus der Hufbeschlagskunst. Schwerin 1856. 

3) Jauze, Die vollständige Hufbeschlagskunst. 1827. Aus dem Französischen. 
Berlin 1834. 

4) Bouley, Nouveau dictionnaire veterinaire pratique. 1851. 



422 


M. LUNGWITZ, 


In England wurden die Pferde zu jener Zeit vielfach nach den Lehren 
Field9 beschlagen. Sein Hufeisen war ein glattes Falzeisen, das sich nach den 
Schenkelenden zu etwas verschmälerte. Es hatte natürlich Abdachung, und zwar 
reichte diese ungefähr bis zu den Sohlenwinkeln des Hufes. Der Tragrand am 
Hufe war schmal. Das Eisen überragte an Länge und Weite etwas den Huf. 
Sohle und Strahl wurden beim Beschläge nur vom toten Horn befreit. Zehen 
richtung fehlte am Eisen. Seine Einrichtung der Huffläche wurde von der eng¬ 
lischen Armee übernommen. — Ein Schüler von Field warMiles 1 )- Dieser Autor 
legte seine Ansichten über die Beschlagsausführung 1845 in einem Buche nieder, 
das, da die Methode Aufsehen erregte, eine weite Verbreitung erlangte. Mil es 
verlangte ebenfalls Anpassung des Beschlags an die Natur. Die Hornsohle, sagt 
er, muß beim Laufen des Pferdes auf unebenen Wegen dick gelassen werden; bei 
ebenen, glatten Straßen aber ist sie „vollkommen auszuwirken, damit die inneren 
Hufteile allen Vorteil genießen können, welchen eine elastische und sich senkende 
Sohle mit sich führt, ein Umstand, welcher für die Ausführung ihrer verschiedenen 
Funktionen äußerst notwendig ist.“ Bei steilen Hufen wächst nach Mil es das 
Horn schnell, und die zu dicke Sohle verhindert das Senken des Hufbeins bei der 
Belastung; daher muß sie vermehrt ausgewirkt werden, damit sie nachgiebig wird. 
Bei flachen Hufen dagegen hat das zu unterbleiben, weil die Sohle schon zu dünn 
ist. Beim normalen Hufe wiederum muß sie gut ausgeschnitten werden, „bis die 
Sohle dem Drucke des Daumens in einem äußerst geringen Maße nachgibt.“ Auch 
die Sohlenwinkel sollen gut ausgeschnitten werden, „namentlich an der inneren 
Seite, da dies der Sitz der Steingalle ist und jede Vermehrung des Horns an dieser 
Stelle wird die Gefahr der Fleischsohle zwischen den hintersten Enden des Huf¬ 
beines und der Ilornsohlo zu quetschen, vermehren.“ Die Eckstreben sind bis zu 
einer beinahe gleichen Höhe mit der Sohle zu verkürzen, aber von der Seite her 
nicht zu schwächen.“ „Lasse den Strahl gänzlich unangetastet und erlaube nie¬ 
mals, daß das Messer ihn berühre.“ Nur lose Teile an ihm, die selten Vorkommen, 
soll man entfernen. Der so zubereitete Huf wird durch das gleich starke und 
gleich breite glatte Falzeisen geschützt, das einen schmalen Tragrand und 
eine breite tiefe, bis an die Schenkelenden reichende Abdachung besitzt, und das 
nur auf dem Tragrand der Wand Auf 1 age hat. Das mit etwas Zehenricbtung 
versehene und an der Trachtengegend genau nach dem Fuße eng und kurz ge¬ 
richtete Hufeisen erhielt an der inneren Seiten- und Trachtenwand nach dem 
Muster von Turner keine Nägel, weil das der dehnbarste Teil des Hufes 
sei. Und nach 2—3 Wochen sollte der Beschlag bereits wieder erneuert 
werden. Das Wesentlichste der Methode von Mil es liegt demnach in dem Dünn¬ 
schneiden der Hornsohle und der Erzeugung eines weiten Abstandes von Sohle und 
Eisen. Sein Lehrbuch erlebte in kurzer Zeit mehrere Auflagen. Und da es von 
einem preußischen Kavallerieoffizier ins Deutsche übersetzt wurde, fand diese 
Beschlagsmethode auch in unserm Vaterlande, besonders in Offizierskreisen, Ein¬ 
gang. Sic wird hier teils auch heute noch als die einzig richtige geschätzt. 
Wenn daher dem Veterinär bei der Truppe die Ansicht von dem Dünnschneiden 
der Hornsohle entgegentritt, dann mag sie ihn dahin belehren, daß die Vorschriften 
von Mil es auch in der Gegenwart noch Beachtung finden. 

In ganz hervorragendem Maße für die Einführung der englischen Beschlags- 
regeln in Deutschland ist Graf von Einsiedel in der Mitte des 19. Jahrhunderts 
bemüht gewesen. Sein großes Interesse für den Hufbeschlag hatte ihn verschiedene 

1) Miles, W., Esqu., The horses foot and how to keep it sound. London 1845. 
— Derselbe, Praktische Belehrungen über den Hufbeschlag (Ein kurzgefaßter 
Auszug aus dem Englischen.) Frankfurt a. M. 1855. ^ 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


423 


Male nach England geführt, wo dieser von ihm eingehend studiert wurde. Un¬ 
bedingt gebührt ihm das große Verdienst, die deutschen Tierärzte, Pferdebesitzer 
und Schmiede auf die Vorteile des glatten stollenlosen Beschlags hingewiesen und 
zur Minderung des bei uns allgemein gehandhabten Stollen- und Griffbeschlags 
wesentlich beigetragen zu haben. Bei seiner Vorliebe für das Hufeisen Englands 
konnte es nicht ausbleiben, daß er auch das Mangelhafte, ja Fehlerhafte des eng¬ 
lischen Systems nach Deutschland übertrug. „Grundfalsch ist die Lehre* sagt er, 
„daß beim beschlagenen Hufe die Sohle ebensogut und ebensoviel tragen müsse, 
wie beim unbeschlagenen und daß deshalb der Tragrand des Eisens doppelt 
so breit wie der Tragrand der Horn wand sein, und insoweit auch der Sohle fest 
aufliegen müsse“. Nach ihm kann die Hornsohle einen permanenten Druck des 
Hufeisens nicht vertragen; ihrer Beschaffenheit nach deckt und schützt sie mehr, 
als sie trägt. Zwischen Eisendruck und Bodendruck ist ein Unterschied zu machen. 
Die Sohle verfügt nicht über die gleiche Tragfähigkeit wie die Wand, sie ist nur für 
einen wechselnden nachgebenden Druck geschaffen; wenn manches Eisen scheinbar 
ohne Schaden auf der Sohle aufliegt, so ist damit noch nicht bewiesen, „daß das Auf¬ 
legen des Eisens auf die Sohle ein richtiger Lehrsatz ist“ 1 ). Wir finden daher auch an 
seinen Hufeisen eine breite und tiefe Abdachung vor, die nicht ganz so weit nach 
hinten reicht, wie bei Miles, aber doch beinahe bis an die Schenkelenden geht, 
wie bei Field. Dadurch erreicht er eine, besonders an den Eisenenden breite 
wagerechte Tragfläche. Die Eisen wurden so gepaßt, daß sie an den Trachten¬ 
wänden seitlich ein wenig am Huf vorstanden. Dem Vordereisen, gleichsam eine 
Kombination desjenigen von Field und Miles, gab er, wie Miles, Zehenrichtung. 
Der Strahl sollte mit der Trachtenwand vergleichen. — Auch der Beschlag Hartmanns 
an der Lehrschmiede der Tierarzneischule zu Dresden war 1861 ein solcher nach 
englischem Muster. An seinen Vordereisen grenzte sich der schmale Tragrand, 
der nur auf dem Wandrande auf lag, scharf vor der tiefen Abdachungsfläche 
ab. Wir werden später näher auf Hart man ns Beschlagsverfahren zurückkommen. 

Es fehlte aber auch nicht an Stimmen, die gegen die englische Methode laut 
wurden. So nahm bereits Hoffmeister 2 3 ) an der Tierarzneischule in Berlin 1853 
gegen Miles Stellung und kritisierte die vielerlei Mängel, die dessen Systeme an¬ 
haften. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir, daß auch dieser Lehrer des Hufbe¬ 
schlags die Hufeisen nicht auf der Hornsohle aufliegbn läßt. Er bringt an ihnen 
je nach Bedarf, d. h. nach der Beschaffenheit der Sohle, Abdachung an, oder er 
läßt sie auch fehlen. Der Tragrand am Hufe war nach seiner Angabe 
schmal und beschränkte sich nur auf die Hornwand. Das Vordereisen 
erhielt Zehenrichtung von der Höhe der Eisenstärke. — Auf Seite Hoffmeisters 
stellte sich 1867 Schreiber, Professor des Hufbeschlags an ddr Zentral-Tierarznei- 
schule in München. Er bezeichnete die Neuerung Miles' „als eine in allen wesent¬ 
lichen Punkten verfehlte“. 

Ueber eine schmale Auflage verfügte dann fernerhin das von Varenkamp 8 ) 
1862 empfohlene, bis an die Schenkelenden abgedachte und vollständig gerade 
gerichtete Hufeisen, denn es sollte die Hornsohle nicht berühren. Auch dieser 
Autor riet, vor allem die Sohlenwinkel bei den Vorderhufen auszuhöhlen, um Eisen¬ 
druck zu vermeiden. 


1) Walther, Gurt Heinrich Ernst Graf Einsiedel. Bautzen 1869. S. 196ff. 

2) Hoffmeister, Kritische Beleuchtung des Milesschen Hufbeschlags und 
Vergleichung desselben mit dem deutschen. Mag. f. d. ges. Tierheilk. 1853. 19. Jahrg. 
S. 106. 

3) Varenkamp, F., Der Huf des Pferdes. Crefeld 1862. 



424 


M. LUNGWITZ, 


Dagegen wendet sich von Bilgen 1 ) in demselben Jahre gegen das Aushöhlen 
des Hufes, das er ebenso wie die Beschneidung des Strahles, das starke Aufbrennen 
der Eisen und den Gebrauch von Stollen an denselben als eine in Europa allgemein 
verbreitete Unsitte beklagte. Hufkrankheiten beugt man nach Ansicht dieses General¬ 
majors am besten mit einem glatten Falzeisen mit verjüngten Schenkeln vor, das 
außen und innen gleich stark ist und die hintersten Trachtenwinkel sowie den 
Hornstrahl auf den Erdboden stützen läßt, das ferner keine Zehenrichtung hat und 
„ganz gleich und überall fest“ aufliegt. Jedenfalls haben Wand und Sohle 
für dasselbe den Tragrand gebildet. 

So wünschte es auch Erdt 2 ), welcher totes und lebendiges Horn am Hufe 
unterschied. Zunächst allerdings (1865) verlangte er, daß der Tragrand nur so 
breit sein soll, wie die Hornwand stark ist. „Der Hand des Hufes bis zur 
weißen Linie, von einer Tracht bis zur anderen, ist zum Tragen der Last da.“ 
Die Eckstreben haben nach ihm den Zweck, die Trachtenwände auseinander zu 
halten. Die Hornsohle muß so konkav sein, „daß sie beim ruhigen Stehen des 
Pferdes den Boden nicht berührt, um den immerwährenden Gegendruck auf die 
Fleischsohle zu verhindern“; sie soll aber anderseits auch wieder elastisch sein und 
dem Drucke von innen nachgeben, „damit beim Niedersetzen des Fußes die Fleisch¬ 
sohle nicht gegen die Hornsohle gequetscht werde.“ — Erdt scheint der Erste ge¬ 
wesen zu sein, der in der Fesselrichtung eine anatomische Grundlage für die 
Beurteilung der Hufwinkelung bzw. die Richtung des Tragrandes erblickt hat. 
1863 macht er in einer Abhandlung, in der er nachzuweisen sucht, daß nicht der 
vom Grafen Einsiedel so warm empfohlene englische Beschlag, sondern der 
deutsche Hufbeschlag (Stollenbeschlag), den Vorzug verdient, darauf aufmerksam, 
daß „die Richtung des Fessels von hinten nach vorn maßgebend für die Richtung 
der Hornfasern an der Zehe des Hufes ist.“ Im Jahre 1864 ergänzt er diesen 
Hinweis. „Die Linie der Zehenwand des Vorderhufes, von der Krone zum Boden 
gedacht, muß zu diesem einen gleichen Winkel bilden, wie die Linie, die man sich 
mit der Schulter gleichmäßig bis zum Boden verlaufend denkt. Die gleiche Linie 
des Hinterhufes muß dagegen mit der entsprechenden Linie des Backenbeins einen 
gleichen Winkel zum Boden bilden. In der Regel entsprechen dann auch jene 
Linien der normalen Richtung der Fossel.“ 1865 wiederholt er dies. 

Im Jahre 1868 gibt Erdt sein Lehrbuch über Hufbeschlag heraus, zu dessen 
Abfassung ihn angeblich der Umstand veranlaßt hat, daß der Hufbeschlag' in der 
Hauptsache empirisch und nicht unter Beachtung der wissenschaftlichen Grundlehren 
ausgeführt wird, daß man dabei die Natur nicht beachtet oder sie nicht versteht, 
„daß man nur den Sohlenrand der Hornwand als den Tragrand des Hufes 
ansieht und ihm allein das Tragen der ganzen Körperlast dos Pferdes 
im Hufbeschlage aufbürdet und es für eine Gefahr ansieht, wenn das Eisen 
mit seiner inneren Breitenhälfte die Iiufsohle berührt, daher man in den großen 
Fehler verfällt, diesen Teil des Hufeisens kesselförraig hohl zu richten u. dgl. m.“ 
Es müsse der Hufbeschlag „auf gan/, neue Bahnen“ übergeleitet werden. „Die 
Sohle geht vom Tragerande der Wand in gleicher Ebene eine Strecke nach dem 
Strahle zu in einer Breite, die in der Regel noch die Breite jenes Tragorandes 

1) Bilgen, Fr. S. von, Gedanken über den Huf und dessen Beschläge. 
Wien 1862. 

2) Erdt, Die Wissenschaft und der Standpunkt des Hufbeschlags ihr gegen¬ 
über als Kunst Magazin f. die ges. Tierheilkunde 1865. S. 266. — Derselbe, Der 
Pferdehuf und sein Beschlag. Landwirtsch. Centralblatt f. Deutschland 1863. S. 241. 
— Derselbe, Ebendas. 1864. S. 354. — Derselbe, Die rationelle Hufbesch lags¬ 
lehre nach den Grundsätzen der Wissenschaft und Kunst usw. Breslau 1868. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


425 


übertrifft. Die dadurch gebildete gemeinschaftliche Fläche nennen wir 
die Tragefläche des Hufes. Von dieser an bis zu dem Strahl hat sie eine bald 
mehr, bald weniger ansteigende Aushöhlung.“ — Zehenrichtung soll dem Hufe 
nicht gegeben werden. „Je schärfer der Rand der Zehe ist, umso sicherer ist 
diese als Stützpunkt gegen den Boden, je weniger rutscht sie zurück und je gleich- 
mäßiger und sicherer wird der Schritt.“ Wohl aber wiederholt er hier (S. 95) 
die Anpassung der Tragrandebene an die Schulter- und Fesselrichtung, indem er 
sagt, die Zehenwand muß zur Bodenfläche in einem Winkel gerichtet sein, „wie die 
Schulter und der Fessel des Pferdes zur Bodenfläche stehen“. Maßgebend ist aber 
in erster Linie die Richtung von Schulter- und Oberschenkelbein, und nur wenn 
damit die Fesselbeinrichtung übereinstimmt, ist es gleichgültig, ob man diese oder 
jene zur Beurteilung der Hufsteliung heranzieht (S. 163). Da beim barfußlaufenden 
Pferde die Hornwand, die weiße Linie, der periphere Sohlenrand mindestens so 
breit wie die Hornwand stark ist, die hintere Hälfte der Eckstreben und der hintere 
Teil des Hornstrahles auf den Boden stützen, so müsse auf allen diesen Teilen, 
mit Ausnahme des Strahles, das Eisen aufliegen. Das tut sowohl das deutsche ~ 
wie das englische Eisen nicht, denn beide sind kesselartig und breit abgedacht. 
Erdt ist erstaunt, daß man dem Hufeisen „diese monströse Form“ gegeben hat. 
„Da der leere Raum, den das hohlgerichtete Eisen unter der Sohle bildet, sich sehr 
bald mit Schmutz und allerlei kleinen harten Körnchen, Sternchen und dgl. füllt, 
für welche dieser Raum ein wohlgeeignetes Magazin ist, so muß durch diese Dinge 
umso mehr ein Druck auf die Sohle stattfinden, je mehr man sie des schützenden 
Hornes beraubt hat.“ Der äußere Sohlenrand ist zum Tragen bestimmt, 
deshalb soll das Hufeisen der ganzen Breite nach aufliegen, auch auf 
dem Horn der Sohlenäste; und um die schwachen Trachtenwände zu entlasten, 
macht er sein Hufeisen an den Schenkelenden am breitesten und gibt jedem Ende 
eine Verlängerung in der Richtung der Eckstreben, damit diese mit ihren hinteren 
Teilen auf diesen sog. Eckstrebenträgern aufstützen. Erdt paßte dieses sein 
„Komplemepteisen“ so weit, wie der Huf lang und weit ist. — In der Zubereitung 
des Hufes zum Beschläge legt Erdt auf eine schonende Behandlung desselben 
großen Wert. Der Strahl soll allerdings nur bis zum Tragrand der Trachtenwände 
herabreichen. 

Von der Ansicht ausgehend, daß neben der Hornwand vor allem auch die 
Hornsohle zum Stützen der Körperlast bestimmt ist, schuf Charlier 1 ) 2 ) in Frank¬ 
reich 1865 ein schmales Eisen und bettete es in den Tragrand der Wand ein. 
Indem so das Eisen, die Hornsohle und der Hornstrahl den Boden berührten, ent¬ 
stand eine Tragfläche, wie sie ähnlich dem unbeschlagenen Pferde 
zur Verfügung steht. Dieser eigenartige sogenannte periplantäre Beschlag hat sich 
jedoch, wenn er auch vereinzelt hier und da noch in etwas abgeänderter Form an¬ 
gewendet wird, keinen nennenswerten bzw bleibenden Eingang verschafft, da er 
verschiedene Nachteile für das Pferd im Gefolge hat. 

Bei dem Hufeisen von Goodenough 2 ) in Amerika (1869), das neben dem 
englischen Beschläge in der amerikanischen Armee ausprobiert wurde und an der 
konkaven Bodenfläche drei Erhöhungen besaß, teilte sich die Huffläche in eine Trag¬ 
rand- und Abdachungsfläche. Es lag daher nur auf dem Wandtragrande auf. 

Für die österreichisch-ungarische Armee 3 ) wurden im Jahre 1869 Be- 


1) Charlier M., Lettre sur un nouveau procödö de ferrure des chevaux. 
Paris 1866. 

2) Bericht über das Veterinärwesen im Kgr. Sachsen f. d. J. 1871. S. 148. 

3) Normen für den Hufbeschlag in der k. k. Armee. Wien 1869. 



426 


M. LUNGWITZ, 


Stimmungen erlassen, nach denen beim Beschläge der Pferde von Sohle, Eckstreben 
und Strahl nur das lose Horn zu entfernen ist. Der Tragrand ist voll¬ 
kommen eben zu machen. Er soll um eine Linie die Hornsohio überragen. Mit¬ 
hin war er schmal. Die innere Hälfte der oberen Fläche des Falzeisens bei 
Vordereisen war von den Nagellöchern an leicht abgedacht. 

Hat sich einerseits das obengenannte Komplement-Eisen Erdts schon wegen 
seiner auch vom Erfinder zugegebenen schweren Herstellbarkeit keinen Eingang in 
Deutschland verschafft, so ist andererseits auch der Vorschlag dieses Autors, das 
Hufeisen breit dem Hufe aufzulegen, nicht befolgt worden. Dahingegen erwarb sich 
die Beschlagsmethode des Grafen von Einsiedel viele Freunde. Es trug dazu der 
Umstand bei, daß dieser Graf eine Lehrschmiede in Milkel bei Bautzen 
unterhielt, in der den Schülern seine englische Beschlagsmethode theoretisch und 
praktisch gelehrt wurde. Unter den Anhängern des Systems ist vor allem der 
Amtstierarzt Walther 1 ) in Bautzen zu nennen. Er bezeichnete sich 1865 selbst 
als den „wärmsten Verteidiger“ der englischen Hufbeschlagsmethode, die er trotz 
ihrer Mängel für die beste hielt. Er trat für einen schmalen Tragrand am 
Hufe ein, an dem nur das „Abgestorbene und Rissige“ an Sohle und Strahl ent¬ 
fernt werden darf im Gegensatz zu dem übermäßigen Auswirken der Hufe, wie 
es vielfach erfolge. — Als Schüler des Grafen von Einsiedel schrieb 1870 
Dominik 2 ), der als Vorstand der Militär-Lehrschmiede in Berlin später einen 
maßgebenden Einfluß auf den deutschen Armeebeschlag gewann, eine tiefe Ab¬ 
dachung am Hufeisen vor, denn sie sollte mit dem Hand- und Vorschlaghammer 
vor dem Falzen eingcschlagen werden. Sie reichte von den Nagellöchern bis zum 
inneren Eisenrande und endete 3 / 4 Zoll vor den Schenkelenden. Sein Hufeisen 
lag mithin nur auf der Wand auf. Der zwischen Wand und Eckstrebe ein¬ 
geschlossene Sohlen teil sollte beim Beschläge „besonders sorgfältig von todten Horn¬ 
massen gereinigt werden“. Eine besondere Tragfläche bestimmte er für Hufe mit 
schräger Wand: Sie sollte hier nach einwärts neigen. U. a. stellte dieser 
Autor die Forderung auf: „Der Tragrand muß stets so gerichtet sein, daß durch 
denselben die Hornwand rechtwinkclig unterstützt wird“. Also nicht immer wage¬ 
recht soll er sein, wie bei Miles, noch schräg, wie bei den alten deutschen Eisen, 
führt er aus. Das war nicht nur eine schwere, sondern für die meisten Hufschmiede 
überhaupt nicht erfüllbare Vorschrift, die übrigens bereits im Jahre 1856 von 
Mußgnug 3 ) dem Hufbeschlage erteilt worden war. Dieser Autor beklagte es 
sehr, daß man der Bildung des Tragrandes, dem hauptsächlichsten Gegenstände 
beim Beschneiden der Hufe, zu wenig Aufmerksamkeit zuwende, auch in den Huf- 
beschlagslehrblichern. Meist ruhe der Huf nur mit seiner äußeren Kante auf dem 
Eisen. Beinv barfußlaufenden Pferde sei aber gerade diese mehr abgenutzt als 
die innere, am meisten am Zehenteile. Daher müsse der Tragrand zweierlei 
Richtungen erhalten, 1. eine gerade, sich von den Fersenwänden ab bis zum Anfänge 
der Seitenwände erstreckende und dann nach vorn aufsteigende, und 2. eine seitliche 
Richtung, die an der Zehenwand und an den Seitenwänden von außen nach innen 
bis zur weißen Linie abfällt, an den Trachtenwänden aber wagerecht ist. „Die Ebene 
oder Fläche des Tragrandes muß an allen Punkten mit der äußeren Seite 
jeder Wandabteilung einen rechten Winkel bilden.“ Ebenso muß das 
Hufeisen mit seiner Huffläche die Wand rechtwinklig unterstützen. Dann bleibe 

1) Walther, E. Th., Der Hufschmied. Bautzen 1868. 

2) Dominik, Fr., Theoretisch-praktische Anleitung zur Ausübung des ratio¬ 
nellen Hufbeschlags. Berlin 1870. 

3) Mußgnug, Chr., Der praktische Hufbeschlag nach einer neuen und 
äußerst vorteilhaften Methode. Augsburg 1S56. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


427 


dom Hufe die natürliche Elastizität, die natürliche Verbindung zwischen Wand 
und Sohle, die natürliche Stärke und Festigkeit der Wand erhalten, und das Be¬ 
schlagen sei dauerhafter, die Bewegung des Pferdes werde gefördert, die meisten 
Huf- und Knochenleiden bleiben aus und kranke Hufe würden geheilt oder gebessert. 

Gegen diese rechtwinklige Unterstützung, mit der Gutenäcker 1 ) (1885) 
keine guten Erfahrungen gemacht hat, wendet sich Fambach 2 ) 1888. Er führt aus, 
daß die Beobachtung Mußgnugs, betr. den Huf des barfußlaufenden Pferdes, zwar 
richtig sei, daß aber daraus keinesfalls gefolgert werden könne, sie als Richtschnur 
für die Einrichtung der Eisenoberfläche anzusehen. Die Abreibung des Tragrandes 
am barfußlaufenden Pferde sei keineswegs von der Natur vorgesehen, damit die Horn¬ 
wand durch das Eisen senkrecht unterstützt werde. Nach Dominik müsse „das 
Hufeisen in Form und Beschaffenheit dem zusammenhängend gedachten Tragrandteil 
des Hufes, welcher durch natürliche Abreibung verloren gegangen ist, entsprechen“. 
Demgegenüber sagt Fambach: „Das Eisen als Unterlage für den Huf ist nicht 
als ein Ersatz für das Horn anzusehen, welches sich beim Barfußlaufen des Pferdes 
abgenutzt haben würde, sondern als eine notwendig gewordene schützende Unter¬ 
lage, deren Endziel darin gipfelt, die physiologischen Bewegungen des Hufes so 
wenig als möglich zu stören.“ „Nicht die Unterstützung der Wandabschnitte ist 
im Hufbeschlag die Hauptsache, sondern das Herstellen einer Unterlage, welche 
den wahren physiologischen Verhältnissen des Hufes möglichst wenig Abbruch zu 
tun imstande ist.“ Fambach befürwortet einen wagerechten Tragrand, für Hufe 
der weiten Form aber einen solchen, der in der vorderen Gegend ein wenig nach 
einwärts neigt. 

Immer wieder tauchen, wie in Deutschland, so auch in England Klagen über 
das barbarische Beschneiden der Hufe an der Bodenfläche, das sog. Oefinen der 
Trachten, und über die Benutzung zu schwerer Eisen auf. So von Fleming 3 ) 1872. 
Auch er weist darauf hin, daß durch das Dünnschneiden der Sohle das Horn aus¬ 
trocknet und hart wird, die Hornsohle eine widernatürlich konkave Form erhält 
und Hufverengerung entsteht. Die schwache, nachgiebige Sohle werde dann fälsch¬ 
licherweise mit einem breiten Eisen geschützt, das nur mit einem schmalen 
Rande aufliege. Nach ihm sollen Sohle, Eckstreben und Strahl so geschont 
werden, daß sie die Berührung mit dem harten, unebenen, steinigen Erdboden aus- 
halten, der Strahl soll auf dem Boden aufstützen. Er empfiehlt ein'leichtes Huf¬ 
eisen; ein schwaches und breites sei besser als ein starkes und schmales. Das 
Eisen soll auf der von der Raspel nicht verunstalteten Wand und auf der 
ungeschwächten Sohle aufliegen. Dann könne man die Hufnägel tiefer ein- 
schlagen, brauche sie aber nicht so hoch zu treiben; auch komme man mit weniger 
und mit schwächeren Nägeln aus, denn die feste Lage des Eisens am Hufe hänge 
nicht von der Anzahl der Hufnägel, sondern von der Auflage des Eisens auf 
Wand und Sohle ab. Um seine Ansichten in die Praxis umzusetzen, riet er zu 
einem Sterapeleisen mit konkaver Bodenfläche und horizontaler Huffläche, einem 
„plane.foot surfaced shoe“, das, aufgeschlagen, Sternchen und Erde nicht zwischen 
Huf und Eisen eindringen lasse und der Länge nach bei leichten Pferden dem 
Huftragrande entsprach, für schwere Pferde aber etwas länger gehalten wurde. 
Mit Ueberlegung war sein besonders für Reit- und leichte Zugpferde bestimmtes 
Eisen, ein Jagdeisen, eingerichtet. U. a. konnte man das an der Bodenfläche 
erkennen, die vorn, wo der Beschlag widerstandsfähig sein muß, weniger konkav 

1) Gutenäcker, Bericht über die Tätigkeit der Lehrschmiede in München. 
Der Hufschmied. 1885. Nr. 10. S. 155. 

2) Fambach, Die Oberfläche der Hufeisen. Der Hufschmied. 1888. Nr. 5. S. 69. 

3) Fleming, Practical horse-shoeing. London 1872. 



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M. LUNGWITZ, 


war, und die nach den Schenkelenden zu mehr Aushöhlung zeigte, bis diese plötzlich 
in einem scharfen Absatz endete. Dem gleichstarken Eisen fehlte die Zehen¬ 
richtung; Fleming war kein Freund von ihr. — Aehnlich war das Hufeisen nach 
Thacker 1 ) beschaffen. Breit an dem aufgerichteten Zehenteile und schmal an 
den abgerundeten Schenkelenden war es ebenfalls konkav an der Boden- und eben 
an der Huffläche, die der ganzen Breite nach a.uf Wand und Sohle 
auflag. Es wurde genau soweit und lang wie der Huf ist, gehalten und stimmte 
fast ganz überein mit dem Hufeisen nach Fi tzwygram 2 3 ). Dieser Offizier, der 1863 
als Haupterfordernis eines guten Beschlages die Gesunderhaltung der Hornwand 
bezeichnet, läßt ebenfalls Sohle, Eckstreben und Strahl unbeschnitten und dem 
Huf ein Eisen aufschlagen, das Zehenrichtung hat, glatt ist und eine ebene Huf- 
und eine konkave Bodenflächc besitzt. Da die Aushöhlung an der letzteren am 
Zehenteile schmal ist, bleibt dieser kräftig. Das wenig breite Eisen, das 5 Nagel¬ 
löcher, wie dasjenige Turners, und keinen Falz hat, liegt mit der ganzen 
Huffläche auf. Allerdings kommt hierbei von der Hornsohle nur der alleräußerste 
Rand in Betracht. 

Douglas 8 ) wendet sich 1873 gegen das starke Beschneiden der Hufe in den 
Schmieden und das OefTnen der Trachten. Er läßt den Huf so zu bereiten, daß 
die Hornsohle konkav ist und der Tragrand aus Wand, weißer Linie und 
allenfalls noch aus dem äußersten Soh 1 enrändchen besteht. Sein 
gleichstarkes, glattes Falzeisen war gerade gerichtet und hatte keine Zehenrichtung. 

Auch in Frankreich ist man mit der Beschlagsausführung nicht zufrieden. 
Goyau 4 ), der 1869 über die Pariser Bcschlagschmiede berichtete, daß sie die 
Zugpferde mit schweren Eisen und die Reit- \ nd Kutschpferde mit solchen mit 
hohen Schenkeln beschlagen, die Hufe der Pferde verkleinern, ihre Sohle verdünnen 
und hohl auswirken, den Strahl, die Eckstreben und die Trachtenwände er¬ 
niedrigen und durch starkes Berunden und Verminderung ihres Umfangs Hufstummel 
erzeugen, die an der Bodenfläche napfartig hohl gemacht geworden sind, sagt von 
ihnen 1882, daß sie zwar die Hufe jetzt weniger, aber immer noch zu viel beschneiden. 
Dies erkläre es, daß in den Städten trotz sauberen Aussehens des Beschlages die 
Pferde oft lahmgchen, und daß sie auf dem Lande, wo man weniger an den Hufen herum¬ 
arbeite, aber unsauber beschlage, weniger lahmen. Auch beim Militär würden 
die Hufe, besonders am Zehenteile, stark verkürzt und beraspelt und kurz, klein 
und rund gemacht. Damit die geschwächte Hornsohle durch die Hufeisen nicht 
gedrückt wird, gebe man diesem eine starke Neigung nach einwärts an der 
oberen Fläche. Nach Goyau sollen die Hornwand und der angrenzende Sohlen¬ 
rand verkürzt sowie die mittlere und die seitlichen Furchen des Strahles leicht ge¬ 
öffnet, die Strahlspitze nach der Sohlenmittc versetzt und die Hornsohle stark ge¬ 
lassen werden. Bei Vorderhufen gibt man dem Tragrande eine 4mm, 
bei Hinterhufen eine 2 mm hohe Zehenrichtung. In demselben Grade 
richtet man die Hufeisen auf, und zwar beginnt die Aufrichtung beim Vordereisen 
an den letzten Nagellöchern. Mit der halben Breite etwa liegt dieses 
Eisen in der vorderen Hufgegend auf Wand und angrenzendem 
Sohlenrande auf; die nach einwärts geneigte Huffläche steht hier 4mm weit 
mit dem inneren Hufrandc von der Sohle ab. An den Hufseiten verschwindet 
diese Einwärtsneigung der oberen Fläche des Eisens, so daß dieses in der 
hinteren Hufhälftc mit der ganzen Breite wagerecht ist und Wand 

1) Fleming, 1. c. 

2) Fitzwygram, Notes on shoeing horses. London 1863. 

3) Douglas W., Horse-shoeing as it is and as it should be. London 1873. 

4) Gogau, L., Traitö pratique de raarechalerie. Paris 1882. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


429 


und Sohle berührt. Der rationelle Beschlag, sagt er, erlaubt die Auflage 
des Hufeisens auf der Sohle, und dies hat eine Vergrößerung der Stützfläche, eine 
bessere Druckverteilung und eine Minderung der Tragflächenneigung zur Folge. 

Wie zaghaft man in Deutschland an die Verbreiterung des Tragrandes 
am Hufe heranging, läßt sich der Beschlagkunde von Rueff 1 ) entnehmen. Dieser 
Professor der Tierheilkunde an der Tierarzneischule in Stuttgart lehrt 1876 folgendes: 
„Wenn auch der Theorie nach der Tragrand der Wand für sich allein die Körper¬ 
last zu tragen bestimmt erscheint und sogar es kann, wie man sieht, wenn man 
einem Pferde die Sohle ausreißt, worauf das Tier auf dem unteren Rande der 
Hornwand allein gehen kann, so muß man doch in Wirklichkeit auch den äußeren 
tiefsten Rand der Sohle beim Tragen mit in Anspruch nehmen, denn in der Natur 
geschieht es stets. Wollte man den Tragrand der Wand ganz allein für jenen 
Dienst beanspruchen, so wäre ein allmähliches Lostrennen der Wand von dem Umkreis 
der Sohle die natürliche Folge“. Daher lasse man das Hufeisen nur auf dem 
„Tretrande der Wapd und Sohle“ aufliegen, auf letzterer jedoch nicht mehr „als 
2—5 mm ihres äußeren Umkreises“. Die Sohlenfläche des Eisens erhält im Bereiche 
der Nagellöcher Abdachung, beginnend 2—3 mm von den Nagellöchern entfernt. 
„Es kann aber auch das ganze Eisen auf der Sohienfläche schräg nach innen ver¬ 
laufen, in der Art, daß die Tragfläche des Eisens stets unter einem rechten Winkel 
zu der Richtung der Wand steht“. 

Zürn 2 3 ) fordert 1879 vom Hufeisen, daß es vollatändig gerade und dermaßen 
abgedacht ist, daß als Tragrand am Hufe nur die Hornwand mit Einschluß 
der weißen Linie in Betracht kommt. — Ebenso will Adam 8 ) (1880) das Huf¬ 
eisen dermaßen abgedacht haben, daß es am innem Rande um l / 4 schwächer ist 
als am äußeren. Es liegt nur auf Wand und weißer Linie auf. — Dieselbe 
Anweisung erteilt 1880 Schwab 4 ). Er schreibt für das Vordereisen Zehenrichtung 
vor und ratet zu einem Starklassen der Hornsohle beim Beschläge. Die Eck¬ 
streben soll man so hoch lassen wie die Fersenwände, und vom Strahle soll „nur 
die verdorbene Oberfläche in dünnen Schnitten“ weggenommen werden. 

Im Jahre 1879 berichtet Dominik, daß sich das Mil es sehe Eisen gut 
bewährt hat, doch schade zuweilen seine durchgehende Abdachung, nämlich wenn 
sich das Eisen verschiebt und die Tracht in die Abdachung gerät. Das Graf 
Einsiedelsche Hufeisen war in der Berliner Militärschmiede für enge Hufe ge¬ 
bräuchlich. Für die Bodenfläche der Hufe empfahl Domiaik eine sehr schonende 
Behandlung, damit sie „derjenigen möglichst gleich ist, die das Pferd sich barfuß 
angelaufen haben würde“. Dabei sollten selbst alte, dicke Hornmassen an der 
Hornsohle verbleiben; „sie spalten von selbst ein, und die in die Spaltungen vor¬ 
dringende Feuchtigkeit hält sich in ihnen längere Zeit und löst die alten Schollen 
stückweis ab“. Die Eckstreben aber sind, wenn sie über die Bodenfläche vorstehen, 
so weit niederzuschneiden, „daß das Hufeisen sie nicht berührt“. Der Hornstrahl 
muß mit dem Eisen möglichst abschneiden. Im Jahre 1891 hat Dominik 5 ) seine 
Forderung von der rechtwinkligen Unterstützung der Hornwand dahin eingeschränkt, 
daß er sagt, das Hufeisen müsse die letztere „möglichst senkrecht“ stützen. „Da, wo 
die Hornwand schräg nach außen gegen den Boden verläuft, muß der Tragrand des 
Eisens schräg nach innen abfallen; da, wo dieselbe senkrecht zum Erdboden steht, 
muß der Tragrand wagerecht sein, und bei schräg nach innen gegen den Boden 

1) Rueff, Dr. A., Die Beschlagkunde. Berlin 1876. S. 27 u. 80. 

2) Zürn, F. A., Die Lehre vom Hufbeschlag. Weimar 1879. 

3) Adam, P., Kurze Belehrung über Hufpflege und Hufbeschlag. München 1880. 

4) Schreiber, K., Schwabs Katechismus der Hufbeschlagkunst. Stuttgart 1880. 

5) Dominik, Lehrbuch über Hufbeschlag. 6. Aufl. Berlin 1891. 



430 


M. LUNGWITZ, 


geneigter Hornwand muß der Tragrand schräg nach außen abfallen; daher müssen 
die Schenkelenden des Hufeisens wegen der nach vorn und unten gehenden Richtung 
der Trachtenwände in der Längsrichtung schräg nach hinten abfallen“. Bei der 
Beschneidung des Hufes sollen die * toten Hornmassen“ von Sohle und Strahl ab¬ 
getragen, die Sohlenschenkel dabei aber „ganz besonders sorgfältig“ davon befreit 
werden. Hornwand und weiße Linie sollen an den Trachtenwänden den Tragrand 
bilden, nach vorn zu aber soll sich der äußere Hand des Sohlenkörpers 
daran beteiligen. Das Hufeisen darf nicht auf den Trachtenwänden 
auf liegen, vielmehr soll hier zwischen beiden ein freier Raum, „Schwebe“, sein, 
so daß „eine Messerklinge Platz findet“. 

Der Lehre von der Verbreiterung des Tragrandes wird in Deutschland immer 
mehr zugestimmt, so z. B. von Walther 1883. Als großer Freund der Abdachung 
bedauert dieser Autor, daß viele Hufeisen von außen nach innen schräg, messer¬ 
artig, geschmiedet sind, wodurch die Abdachung ersetzt werden soll. Dadurch 
werde der Hufmechanismus unmöglich Besser sei es, daß das Eisen bis zur weißen 
Linie wagerecht und von da an abgedacht sei. Walther 1 ) gibt dann aber auch 
zu, daß sich von der Hornsohle ein schmaler, 2—3 mm breiterRand mit 
auf die Sohle stützen kann, wie es von Rueff gefordert worden ist. 

Mit größerer Bestimmtheit unterstreicht A. Lungwitz 2 ) die Vorschrift von 
dem Breiterhalten des Tragrandes 1884. Dieser soll sich aus Wand, weißer 
Linie und 2—3 mm breitem Sohlenrande zusammensetzen, ja, bei großen 
Hufen ist er sogar noch breiter zu machen. Die Vordereisen erhalten Abdachung, 
Eisen für Hufe mit stark ausgehöhlter Hornsohle (Hinterhufe, enge Vorderhufe) be¬ 
dürfen keiner Abdachungsfläche. Der Tragrand soll derartig wagerecht sein, daß, 
wie aus den Abbildungen seines Lehrbuches hervorgeht, die Zehenknochen in einer 
Richtung aufeinander stehen, die Knochenachse der Zehe also gestreckt ist. Er 
gebraucht dafür die Bezeichnung Fußachse und verlangt, daß diese bei der 
Zubereitung der Hufe zum Beschläge als Richtschnur zu dienen hat. 
In Anpassung an diese Fußachse wird die Tragfläche des Hufes — die Gliedmaßen 
von vorn gesehen — gerade oder schief sein müssen, je nachdem die Fußknochen 
gerade oder schief stehen. Auch von der Brechung der Fußachse wird gesprochen. 

Mit der Einführung der Fußachse in die Hufbeschlaglehre durch A. Lungtfitz 
wurde der Zubereitung der Hufe und der Richtung der Tragrand fläche an 
denselben die einzig richtige und daher heute noch maßgebende wissenschaftliche 
Grundlage gegeben. — Uebrigens kann als feststehend erachtet werden, daß dieser 
Autor schon vor 1884 den äußeren Rand der Iiornsohle mit zum Tragrande am 
Hufe herangenommen hat, denn in seinem Berichte über die Lehrschmiede zu 
Dresden 1883 teilt er mit, daß das Schmieden der Hufeisen zwar nach der Graf 
von Einsiedelsclien Methode erfolgt, die Tragfläche aber etwas breiter gearbeitet 
wird. — Auch Spohr 3 ) wünscht, daß der horizontale Tragrand „mit genauester 
Berücksichtigung der Fesselstellung dos Hufes hergestellt“ wird. An seiner Bildung 
sollen sich die Wand und höchstens ein 5 mm breiter Sohlenrand beteiligen. Dem¬ 
entsprechend muß auch am Hufeisen die Tragfläche horizontal sein; sie soll etwa 
3 mm über die weiße Linie hinausragen. 

Die Annahme, daß der Huf die Berührung von Eisen und Hornsohle nicht 
verträgt, hat sich daneben selbst bei Hufbeschlagkennern noch weiter forterhalten. 

1) Walther, Das sog. Abrichten der Hufeisen. Der Hufschmied 1883. Nr. 2. 
S. 23. — Heber schräg geschmiedete Hufeisen. Ebenda 1883. Nr. 3. S. 39. — 
Welche Fehler werden beim Auswirken begangen? Ebenda 1883. Nr. 8. S. 119. 

2) Lungwitz, Der Lehrmeister im Hufbeschlag. Dresden 1884. 

3) Spohr, Die Bein- und Hufleiden der Pferde. Berlin 1884. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


431 


So führt z. B. Ableitner 1 ) 1883 an, daß das Hufeisen nicht auf der Hornsohle auf¬ 
liegen darf. Er wendet sich gegen die „unverzeihliche Verstümmelung“ der Hufe 
und empfiehlt an Stelle des Stoßmessers das in den englischen Schmieden ge¬ 
bräuchliche, nicht stoßende, sondern schneidende und ziehende Rinnmesser als ein 
den Huf schonendes Instrument. — Auch Gutenäcker 2 ), der 1884 einen Kate¬ 
chismus zur „weiteren Verbreitung der rationellen Grundprinzipien des englischen 
Beschlages in Bayern“ verfaßte, ließ an der Bildung des Tragrandes nur die 
Wand und die weiße Linie teilnehmen. — Pillwax 3 ) in Wien, der gleich¬ 
wie Erdt und Dominik totes und lebendiges Horn an der Hornsohle unter¬ 
scheidet, lehrt 1884 ebenfalls, daß das Hufeisen „selbst bei dem stärksten Her¬ 
abtreten der Sohle nirgends mit derselben in quetschende Berührung“ kommen 
darf. Als deutsches Hufeisen neuerer Form bildet er dasjenige von Miles in 
seinem Lehrbuch ab. — Und Roth 4 5 ) verlangt 1888 Doch einen schmalen, nur bis 
an die weiße Linie (Nagellöcher) heranreichenden Tragrand an seinem 
Stempeleisen. — Mit Nachdruck weist Fambacb 6 ) 1887 auf die große Bedeutung 
der Knochenachse bei der Beurteilung der zu beschlagenden Hufe hin. Diese, vor 
allem ihr Tragrand, sollen mit Rücksicht auf die Knochenachse zubereitet werden. 
In eingehender Weise bespricht der Autor die verschiedenen Brechungsverhältnisse 
der letzteren 

Ueber die Tragfläche des Hufes in anderen Ländern zur damaligen Zeit 
geben uns die nachfolgenden Mitteilungen Aufschluß. 

Nach Graf von Einsiedel 6 ) haben 1883 die besseren Eisen in England 
über eine wagerechte Tragfläche verfügt. Den Hornstrahl, von dem beim Beschlag 
nur die losen Teile entfernt wurden, ließ man nicht mit stützen. 

In einem Briefe 7 ) aus Moskau entwirft 1885 ein deutscher Beschlagschmied 
über den Hufbeschlag in Rußland ein trübes Bild. „Einen wagerechten Tragrand 
findet man fast an keinem Eisen, auch keine Zehenrichtung.“ Abdachung wird 
für gewöhnlich nicht angebracht und die Tragfläche an den Eisenenden ist schräg. 
— Der Beschlag Dänemarks wiederum wird von A. Lungwitz 8 ) 1884 gelobt. 
An den dänischen Fabrikhufeisen befinde sich neben der Tragrand fläche eine mäßig 
ausgeprägte Abdachung — Auf der Hufbeschlagskonkurrenz in Wien 1884 ver¬ 
mißte derselbe Autor 9 ) mehrfach einen guten Tragrand an den Hufeisen; dieser 
stellte oft eine schiefe Ebene dar und wies auch teilweise eine kahnförmige Rich¬ 
tung auf, so daß die Eisen, aufgeschlagen, schlecht am HuTe lagen. — Von Bul¬ 
garien erzählt Kalning 10 ) 1884, daß bei der Armee die Hufeisen nach russischem 

1) Ableitner, J K., Populär, kurz und praktisch verfaßtes Handbuch über 
die Hufbeschlagkunde der Pferde. Leipzig usw. 1883. 

2) Gutenäcker, Fr., Die Lehre vom Hufbeschlag. Stuttgart 1884. 

3) Pillwax, Lehrbuch des Huf- und Klauenbeschlags. 4. Aufl. Wien 1884. 

4) Roth, Fr., Anleitung zur Pferdepflege und Pferdezucht. Regensburg 1888. 

5) Fambach, Die Knochenachse des Pferdefußes und ihre Brechungen als 
allein richtige Grundlage zur Beurteilung der Hufe zum Beschlagen Der Huf¬ 
schmied 1887. Nr. 1. S. 1. 

6) Graf von Einsiedel, Es geht vieles in der Welt, was falsch ist. Der 
Hufschmied 1883. Nr. 9. S. 127. 

7) Brief aus Moskau. Ebendas. 1885. Nr. 4. S. 52. 

8) A. Lungwitz, Fabrikhufeisen. Ebendas. 1884. Nr. 10. S. 157. 

9) Derselbe, Von der Hufbeschlagkonkurrenz in Wien 1884. Ebendas 1884. 
Nr. 11. S. 167. 

10) Kalning, Der Hufbeschlag in Bulgarien und beim russischen Militär. 
Ebendas. 1884. Nr. 2. S. 17. 



432 


M. LUNGWITZ, 


Typus beschaffen und am inneren Rande schwächer als am äußeren sind. Kal- 
ning in Kasan (Rußland) selbst läßt an seinen Eisen einen horizontalen Tragrand 
und daneben Abdachung anbringen. Später hat sich bei der bulgarischen Armee, 
wie v. Choichowsky l ) 1887 berichtet, das Einsiedelsche System Eingang ver¬ 
schafft. Es läßt dies auf die Innehaltung eines schmalen Tragrandes schließen. 

Watrin 2 3 ) (Frankreich) fordert 1887 vom Hufeisen eine Abschrägung des der 
Hornsohle gegenüberliegenden Teiles, damit diese mit dem Eisen nicht in Be¬ 
rührung komme. Diese Abschrägung soll aber auf das notwendige Maß beschränkt 
bleiben. Bezüglich der Tragrandebene wünscht er Anpassung derselben an die 
Knochensäule der Gliedmaße. Wenn der Vorderfuß wagerecht und in der Längs¬ 
achse des Körpers gehalten wird, so daß Fessel und Huf frei herabhängen und 
der Vorarm lotrecht gerichtet ist, oder sobald der Hinterfuß hochgehoben wird und 
Fessel und Huf ebenfalls frei herabhängen, so soll die Tragrandebene senkrecht 
zur Mittellinie des Mittelfußes, die durch die Mitte der Beugesehnen verläuft, ge¬ 
richtet sein. Dabei muß die Hufbodenfläche parallel zur unteren Hufbeinfläche 
verlaufen. 

Verluste an Pferden bei der Allgemeinen großen Omnibusgesellschaft in 
Paris, erzeugt durch das Ausgleiten der Tiere auf den glatten Fahrstraßen, 
veranlaßte die beiden Veterinäre dieser Gesellschaft, Lavalard 8 ) und Poret 
1885, auf das Hufeisen von Lafosse zurückzugreifen, um den Strahl als Schutz¬ 
mittel gegen das Ausgleiten heranzuziehen. Sie änderten dieses Eisen in der Weise 
ab, daß sie die Eisenschenkel länger, schmäler und schwächer machten. Beim Be¬ 
schlag wird nur die Hornwand des Hufes verkürzt, Sohle und Strahl bleiben vom 
Messer verschont, und die Eisen werden so weit gepaßt wie der Huf ist. Die Er¬ 
folge waren danach so gute, daß bei allen Pferden, Tausenden an Zahl, das Hufeisen 
mit verjüngten Schenkeln, aus gestähltem Eisen hergestellt, eingeführt wurden. 
Es ist bis auf den heutigen Tag in Gebrauch geblieben. Nicht nur das Ausgleiten 
wurde gemindert, sondern auch die Abnutzung der Eisen wurde gebessert und Huf¬ 
erkrankung verringert. Da die Huffläche an diesen Stempeleisen deutlich nach 
einwärts neigt, berührt sie nicht ihrer ganze Breite nach den Huf, sondern nur 
die Hornwand und allenfalls den angrenzenden Sohlenrand. 

Pader 4 ) wünscht 1888 für die französische Armee an Stelle der ver¬ 
hältnismäßig starken und gleich breiten Eisen schwächere, die am Zehenteil breit 
sind, nach dem Ende zu aber merkbar schmal werden, und bei denen die Zehen¬ 
richtung sich dem Grade nach genau nach der Abnutzung des unbeschlagenen 
Hufes richtet. Ferner soll der Beschlag die Fläche, auf welcher im unbeschlagenen 
Zustande die Körperlast ruht, nicht ändern, also mit der ganzen natürlichen Ab- 
nutzungsflächc des barfußlaufenden Hufes in Berührung kommen. Das wage/echte 
Eisen liegt deshalb auf Wand und äußerem Sohlenrand mit seiner ganzen 
Breite auf. Zu diesem Zweck wird der Sohle beim Beschlagen ihre volle Stärke 
belassen. Die Trachten aber verkürzt man dermaßen, daß der gesunde Strahl 
möglichst mitstützt. Ein leichtes Beschneiden der Hufbodenfläche wird im Inter¬ 
esse des guten Aussehens für angebracht gehalten. Die breite Eisenauflage hat 
bei diesem „Normalbeschlag“ nicht den geringsten Unfall für das Pferd, für die 
physiologischen Bewegungsvorgänge des Hufes, für sein Stützen auf den Boden 
und das Vorwärtskommen des Tieres zur Folge gehabt. An der Hand eines 

1) v. Cbelchowsky, Der Einsiedelsche Beschlag in der bulgarischen 
Armee. Der Hufschmied. 1887. Nr. 1. S. 8. 

2) Watrin, Le pied du cheval et sa ferrure. Saint-Etienne 1887. 

3) Lavalard, Le cheval. T. 1.— Thary, A., Maröchalcrio. Paris 1896. p.167. 

4) Pader, De la ferrure normale. Rec. de mcd. 1888. No. 18. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


433 


Rechenexempels weist er nach, daß bei breiteren Eisen sich der Druck besser ver¬ 
teilt und sie daher widerstandsfähiger sind. Die Zehenrichtung wird stark zum 
Ausdruck gebracht. 

Der Amerikaner Rieh 1 ) (1890) schont bei fder Hufzubereitung die Eckstreben 
und den Strahl. „No frog, no foot; no foot, no horse.“ Der Tragrand am Hufe 
entspricht der Wandstärke. 

Lagriffoul 2 3 ) fordert 1892 Hufeisen, die der Sohle ganz oder zum Teil das 
Stützen ermöglichen, also breiten Tragrand, damit die Senkbewegungen der Horn¬ 
sohle gemindert und die Seitwärtsbewegungen gefördert werden. Beim barfu߬ 
laufenden Pferde, wo Wand, Sohle, Eckstreben und Strahl eine feste Stütze auf 
dem Boden nehmen und sich den Senkbewegungen des Strahlkissens widersetzen 
und so den Vertikaldruck in einen Horizontaldruck verwandeln, seien die Sohlen- 
bewegungen gering; sie dürften daher auch am beschlagenen Hufe nicht vor¬ 
herrschen. 

In Norwegen sah A. Lungwitz 8 ) 1897 meist Griffeisen mit Falz, deren 
Huffläche eben oder mäßig abgedacht war. 

In der Schweiz 4 5 ) waren 1900 meist glatte Stempeleisen mit mäßiger Ab 
dachung für Vorderhufe in Gebrauch. Der Tragrand am Hufe war dem 
nach nicht breit. 

1896 erfahren wir von Thary 6 * ), daß in Frankreich den Hufeisen sowohl die 
französische wie die englische Richtung gegeben wird, und zwar die letztere den 
Armee-Eisen, nachdem man sie vorher nach französischer Art angebracht hat. Von 
der französischen Richtung sagt er, daß sie durch eine wagerechte Tragfläche 
für dieWand, eine Abschrägung derHuffläche in der vorderen Eisen¬ 
gegend unterhalb derSohle und durch das Fehlen der Z ehenricb t ung 
charakterisiert ist. So werde das Stützen der barfußlaufenden Pferde nachgeahmt. 
Die englische Richtung an den Armee-Eisen betreffe die vorderen drei Viertel der 
Eisenlänge. Nach Thary soll das Hufeisen an den Trachtenwänden nicht weiter 
sein als der Huf weit ist und höchstens ein wenig länger. Sein Hinweis, daß es 
verwerflich ist, das vom aufgebrannten Hufeisen versengte Sohlenhorn zu entfernen, 
und daß man die Natur nachahmen müsse, indem man das Eisen auf der 
ganzen für die Abnutzung bestimmten Huffläche aufliegen läßt, kann 
als Beleg dafür hingenommen werden, daß er die Eisenauflage auf Wand und 
Sohlenrand verteilt haben will. Sohle, Eckstreben und Strahl sollen intakt 
bleiben. Von der Hornsohle bewirke die Natur von selbst die Abstoßung der 
oberflächlichen losen Teile. Jedenfalls warnt er vor dem Aushöhlen der Sohle. 
Zu hohe Eckstreben, was selten vorkomme, sind zu verkürzen. Mit Chenier und 
Delpdrier hält er die Zehenrichtung, die Pader zur Begünstigung der Bewegungen 
stark zum Ausdruck brachte, eher für schädlich als für nützlich. 

Peuch und Lesbre 0 ) (1896) können der Ansicht Bouleys, daß sich der un¬ 
beschlagene Huf vorn und außen ablaufe und daher beim Beschläge der Huf innen 
und hinten hochgelassen werden müsse, nicht zustimmen und meinen, daß Bouley 

1) Rieh, G. E., Artistic horse-shoeing. New-York 1890. 

2) Lagriffoul, M., De l’ölasticite des sabots, preuves experimentales, au 
repos. Rec. de med.-vöt. 1892. p. 697. 

3) Lungwitz, A., Der in Norwegen gebräuchliche Hufbeschlag. Der Huf¬ 
schmied. 1897. Nr. 1. S. 3. 

4) Derselbe, Mitteilungen über einige in der Schweiz gemachte Beobachtungen 
in Betreff des Hufbeschlags. Ebendas. 1900. Nr. 2. S. 20. 

5) Thary, A., Maröchalerie. 1896. 

6) Peuch und Lesbre, Pröcis du pied du cheval et de sa ferrure. 1896. 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. BJ. 44. Suppl. 23 



434 


M. LUNGWITZ, 

das schrittgehende Pferd im Auge gehabt habe. Im Trabe reibe sich besonders die 
hintere Hufpartie ab und der Wechsel zwischen Schritt und Trab schaffe Ausgleich 
und erzeuge einen wagerechten Tragrand. Bei der Hufzubereitung sollen nach ihnen 
Strahl und Eckstreben zur Verhütung der Zwanghufbildung kräftig bleiben. Wenn 
der Truppenbeschlag mit seiner starken Beschneidung der Hufe fordere, die Strahl- 
furchen hinten leicht zu öffnen und die Strahlspitze mit der Hauklinge wegzuschlagen, 
so vereinige sich das nicht mit der Militärvorschrift, daß der Schmied die natürliche 
Abnutzung des Hufes bei seiner Arbeit nachahraen soll. Der Strahl sichert das 
Stützen des Hufes $uf dem Erdboden und erhält ihm die normale Form. Er so¬ 
wohl wie die Sohle und die Eckstreben müssen kräftig bleiben, so daß sich die Zu¬ 
bereitung des Hufes zum Beschläge hauptsächlich auf die Wandverkürzung zu be¬ 
schränken hat. Beide Autoren stimmen mit Goyau bezüglich der Tragrandein- 
rich'ung überein, sodaß sie die Berührung von Hufeisen und Hornsohle 
vermeiden. Sie betonen aber, daß man diese Berührung bei einem gut geformten 
und gut zubereiteten (d. h. kräftig gelassenen) Hufe nicht zu fürchten brauche. 

Nach Delperier 1 ) (1898) soll der Beschlag vor allem den physiologischen 
Verhältnissen des Hufes Rechnung tragen. Das gewöhnliche Hufeisen verkleinert 
durch die Abdachung die wirkliche Stützfläche und zwar bis auf VlO der physio¬ 
logischen Ausdehnung. Ob der Huf voll oder hohl ist, das Stützen der barfu߬ 
laufenden Pferde geschieht auf natürlichem Boden mit allen Teilen der Hufsohle. 
Je mehr Punkte mitstützen, umso geringer ist die Abnutzung des Hufes. Das 
muß der Beschlag beachten. Die Abschrägung der Huf fläche des Eisens verlegt 
das Stützen des Hufes nur auf den peripheren Teil des Eisens, und Sohle und 
Strahl werden um so schneller atrophieren, je mehr sie periodisch beschnitten 
werden. An der Krone erfolgt die Hornbildung langsamer. Strenggenommen 
müßte, sagt Delperier, vom Standpunkte des Stiitzens das Hufeisen eine Form 
bekommen, die der Form der Hornmasse entspricht, welche npan von Wand, Sohle 
und Eckstreben herunterschneidet. Und diese Eisenplatte müßte von demselben Um¬ 
fange, derselben Stärke, derselben Richtung sein und dieselbe Berührung mit Huf und 
Erdboden haben, wie die weggeschnittene Hornplatte, also nach oben gewölbt und 
unten ausgehöhlt, wenn die abgetragene Hornplatto diese Form hat, und wenn sie 
an einem Punkte stärker ist als an einem anderen, so sollte auch die Eisenplatte 
so beschaffen sein, damit durch den Beschlag eine Aenderung in dem Verhältnis 
von Huf und Erdboden, wie es vor der Zubereitung bestand, nicht eintritt. 

Das sind sehr weitgehende, kaum zu erfüllende Forderungen. Dazu kommt, 
daß Delperier weiterhin, sich mit dem Vorhergesagten in Widerspruch setzend, 
verlangt, den Huf an der Bodenfläche parallel der Hufbeinsohlenfläche 
zuzubereiten oder ihm ein Eisen zu geben, dessen untere Fläche parallel zur 
genannten Knochenfläche gerichtet ist. „C’est lä le principe fondamental de 
marechalerie.“ — Nach den obigen Darlegungen wird sein Platteneisen ver¬ 
ständlich, das er bei Steingallen empfiehlt, sein „fer sousplantaire“, das nur den 
Strahl freiläßt und zu diesem Zwecke einen nach hinten offenen dreieckigen Aus¬ 
schnitt besitzt. Die Eisenplatte liegt mit allen Punkten ihrer oberen 
Fläche auf dem Hufe auf. Der Strahl stützt hierbei auf den Erdboden. (Da¬ 
neben wird von ihm auch das geschlossene Eisen bei Steingalltfh empfohlen.) 

Für gesunde Hufe wünschte Delperier in Anpassung an die Hufabnutzung 
des barfußlaufenden Pferdes ein breites glattes Hufeisen mit wagerechter Huffläche, 
welches der ganzen Breite nach, also auf Wand und Sohle auflag. 
Und zwar ist das Eisen oben 2 1 / 2 mal, unten l l/ 2 mal so breit, wie die Wand stark 
ist. Es überragte an den Trachten des Hornwachstums wegen leicht den Hufrand. 


1) Delpörier, Etüde superieure du sabot du chcval. Paris 1898. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


435 


Eine breite Auflage des Eisens ist auch vonHusson 1 ) in Sedan im Jahre 
1899 in Vorschlag gebracht worden. Dessen an der Bodenfläche abgedachtes Hufeisen 
verfügt insofern über eine ganz eigenartige Huffläche, als diese ringsum schräg 
nach außen abfällt. Mit ihr liegt es, wie gesagt, der ganzen Breite nach auf 
Wand und Sohle auf; und damit auch die Eckstreben mit zum Tragen benutzt 
werden können, hat das Eisen, wie dasjenige von Erdt, an jedem Ende einen 
flügelartigen Fortsatz in der Richtung dieser Wandabschnitte. Das Hufeisen läßt 
das Bestreben erkennen, den Beschlag der Richtung der Hornsohlenwölbung anzu¬ 
passen. Diesen Grundsatz empfahl auch Thary 2 3 ) 1901 zur Befolgung. 

In Nordamerika, dessen Hufbeschlag mit seinen leichten, abgedachten 
Eisen, die schmalen Tragrand und keine Zehenrichtung haben, Enge 1894 als 
wenig gut charakterisiert, bezeichnet Rüssel 8 ) 1895 die konkave Hornsohle, von 
der das bröcklige Horn entfernt worden ist, als gestaltsrichtig 'für den gesunden 
Huf. Beim Beschlagen ist vor allem der untere Wandrand mit dem anstoßenden 
Sohlenrande derjenige Bezirk, der für das Hufeisen vorgerichtet werden muß. Das 
„Oeffnen der Trachten“, das starke Beschneiden des Hornstrahles und das Dünn¬ 
schneiden der Sohle ist verwerflich. Um letztere vor Druck zu schützen, muß das 
Hufeisen abgedacht oder schräg nach einwärts abfallend gearbeitet sein. Der 
Tragrand am Hufe war hiernach schmal. 

In Oesterreich-Ungarn ließ Franz Schmidt-Prag 4 ) 1898 den Tragrand 
am Hufe sich aus Wand und einem 2 mm breiten Sohlenrand zusammensetzen. 

Der Hufbeschlag Italiens ähnelt insofern sehr demjenigen Frankreichs, als 
fast durchgehends Stempeleisen verwendet werden und Griffeisen nicht zu sehen 
sind. Auch die Huffläche derselben hat französische Richtung, denn A. Lung- 
witz 5 ) berichtet darüber 1902, daß sie im Bereiche der Nagellöcher sanft nach 
einwärts abfalle, an den Schcnkclenden aber horizontal sei. 

Degive 6 ), Direktor der Vetorinärschule in Brüssel, verlangt 1901 am Hufe 
einen horizontalen Tragrand, der sich zusammensetzt aus Wand, 
äußerem Sohlenrande und hinterem Eckstrebenteile. Der Sohle, den 
Eckstreben und dem Strahl soll man die größtmöglichste Stärke lassen. Der der 
Hornsohle gegenüberliegende abgeschrägte Teil des Hufeisens hat nach ihm keinen 
anderen Zweck, als das Eisen breiter zu machen, ohne sein Gewicht zu vermehren. 
Welche Richtung die Tragrandebene bei dieser Brüsseler Beschlagraethode 
zur Knochenachse des Fußes hatte, ist aus der Anweisung zu erkennen, daß 
bei dem gut geformten Hufe die Trachten wenigstens halb so hoch als die Zehen¬ 
wand sein sollen. — In Belgien werden ganz allgemein die Hufeisen, von denen 
Stoye 7 ) 1906 angibt, daß sie an den Schenkelenden eine stark nach innen ge¬ 
neigte Tragfläche haben, sehr knapp und kurz gehalten. 

Lamöris 8 ) schildert 1906 die in der Militär-Hufbeschlagschule in Saumur 

1) Husson, Perfectionnements dans la ferrure et le ferrago des chevaux. 
Sedan 1899. 

2) Thary, La maröchalerie frantjaise. 1901. No. 385 und 386. 

3) Rüssel, On scientific horseshoeing. Cincinnati 1895. 

4) Schmidt, Fr., Unterricht über den Huf- und Klauenbeschlag. Prag 1898. 

5) Lungwitz, A., Gesehenes über Straßenzustände, Beschirrung und Huf¬ 
beschlag in Italien. Der Hufschmied. 1902. Nr. 5. S. 74. 

6) Degive, Alph., Manuel de marechalerie. Brüssel 1901. 

7) Stoye, Ueber den Hufbeschlag im Rheinlande, Belgien und Frankreich. 
Der Hufschmied. 1906. Nr. 7. S. 144. 

8) Lamäris, De Militaire Hoefsmidschool te Saumur. De Hoefschmid. 1906. 
Nr. 6 u. 7. 


28 



436 


M. LUNGWITZ, 


(Frankreich’) aufgeschlagenen Hufeisen als glatte Eisen, an denen die Huffläche der¬ 
art schräg nach einwärts .abfällt, daß die Eisenstärke innen Vs geringer ist als 
außen, und die für Vorderhufe eino 4 mm und für Hinterhufe eine 2—3 mm hohe 
Zehenrichtung haben. 

Im Jahre 1906 wurden für die Truppenpferde in der Schweiz Hufeisen ein¬ 
geführt, die einheitlich für Sommer und Winter, für Reit- und Zugpferde und für 
rechte und linke Hufe sind. Es handelt sich um Falzeisen (Konkaveisen) mit 
ebener Huffläche. „Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, daß das Fehlen jeglicher 
Abdachung durchaus keinen Nachteil bedeutet,“ selbst für leicht flache Hufe nicht, 
„vorausgesetzt, daß der Schmied nicht durch nutzloses, ja sogar schädliches Aus¬ 
schneiden die Sohle schwächt,“ sagt der an der Spitze .des Militärveterinärwesens 
dieses Landes stehende Oberpferdearzt PotterlLt 1 )- Jedenfalls sollen diese Eisen 
auch auf den hinteren Eckstrebentoilen aufliegen, denn sie sind an ihren Schenkel¬ 
enden nach einwärts leicht ausgozogen. Neuerdings sind die größeren Armee-Eisen 
mit einer leichten englischen Abdachung an der oberen Fläche versehen worden, 
wie Schwyter 2 ) 1915 berichtet. Die Vordereisen haben Zehenrichtung. 

Während 20 Jahren hat sich Mouilleron 3 ) als Tierarzt bei der Compagnie 
generale des voitures in Paris an dem reichhaltigen Pferdematcriale dieser Gesell¬ 
schaft, das im Jahre 1900 angeblich 17500 Stück betrug — wie er uns 1906 mit¬ 
teilt —, davon überzeugt, daß der Beschlag, wenn bei ihm Sohle, Eckstreben und 
Strahl kräftig gelassen werden, die Hufe unversehrt und gesund erhält. Das war 
ihm umsomehr aufgefallen, als einer seiner Kollegen bei jedem Beschläge die Eck¬ 
streben niederschneiden ließ und als Folge davon die Pferde an Zwanghufen und 
Steingallen litten. Es hat ihn dies zu einem begeisterten Anhänger des Eisens 
nach Lavalard-Poret gemacht. 

Maillc 4 ) an der Veterinärschule zu Alfort änderte das Poretsche Eisen 1910 
in der Weise ab, daß er es breiter machte und den Unterschied in seiner Stärke 
vorn und hinten verringerte. Er spricht sich aber nicht für seine allgemeine An¬ 
wendung aus, da bei verschiedenen Hufen die Trachten zu sehr verkürzt werden 
müssen, wonn der Strahl auf den Boden auftreffen soll. Auch noch in anderer 
Weise schuf er eine Aenderung am Eisen. Während nämlich im Bereiche der 
Nagellöcher die Iluffläche schwach nach einwärts neigt, zeigt sie dahinter eine 
schwache Neigung nach auswärts. Diese Aenderungen hat die obenerwähnte 
* Droschkengesellschaft angenommen und auch die allgemeine Omnibusgesellschaft 
in Paris scheint die größere Breite und die geringere Einwärtsneigung in der 
vorderen Gegend für ihr Eisen eingeführt zu haben. 

Tasset 5 6 ) weist 1912 darauf hin, daß die Anfertigung dieser sog. Pantoffel¬ 
eisen mit dünnen Schenkeln eine große Sorgfalt erfordert, wenn durch sie Stein¬ 
gallen vermieden werden sollen. Er zieht ihnen daher das gleich starke Hufeisen 
mit wagerechter Tragfläche an den Schenkelenden vor, wodurch die Trachten 
besser unterstützt würden. Vom französischen Armeebeschlage berichtet dieser 
Autor in Uebereinstimmung mit Thary”), daß die französische Richtung an den 

1) Potterat, Die neuen Armee-Hufeisen in der Schweiz. Der Hufschmied. 
1906. Nr. 10. S. 201. 

2) Schwyter, II., Der schweizerische Militär-Hufschmied. Bern 1915. 

3) Mouilleron, E., Remarques sur la ferrure. Rec. de med. vet. 1906. 
p. 824. 

4) Mai Ile, Rec. de med. vet. 1901. No. 3. p. 93 und La ferrure ä eponges 
minccs. Draguignan 1910. 

5) Tasset, Traite pratique de marechalerie. Paris 1912. 

6) Thary, A., Manuel de la ferrure de cheval. Paris 1903. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


437 


Vordereisen vorzufinden, daß daneben aber auch die englische (Abdachung) und die 
kombinierte Richtung zugelassen ist, ganz wie dies dem Hufe Zusage. Auch im 
französischen Zivilbeschlag verfahre man bezüglich der Beschaffenheit der Huffläche 
am Eisen und dessen Auflage auf dem Hufe verschieden. Die meisten Sachver¬ 
ständigen schreiben die Tragflächenneigung nach einwärts vor, um die Berührung 
des Eisens mit der Hornsohle des Hufes zu vermeiden. Indessen werde auch das 
Umgekehrte, eine gewölbte Tragfläche verlangt, damit eine innige Berührung von 
Eisen und Hornsohle zustande komme. Dazwischen gebe es ein Mittelding. Jeden¬ 
falls genüge bei konkaver Hufsohle die wagerechte Tragfläche, wie sie die englischen 
Armee-Eisen aufweisen, und wie sie Lafosse in Frankreich und Fleming in England 
empfohlen und nach diesen unter anderen Merche, Chenier, Dclperier, Lava- 
lard, Poret, Pader und Thary für viele Fälle als gut anerkannt haben. Viel¬ 
fach werde die französische Richtung, die ganz allgemein die Berührung des Eisens 
mit der Sohle vermindere und die Wand zu sehr beanspruche, übertrieben, so daß 
das Hufeisen nur mit dem inneren Rande auf dem Boden stütze, oder sie reiche 
zu weit nach den Schenkelenden zu, wodurch Hufverengerung entstehe. Da die 
englische Richtung (Abdachung) weniger Schwierigkeiten in der Anfertigung ver¬ 
ursache, sei sie neuerdings bei vielen Schmieden Frankreichs beliebt. Sie kommt 
besonders bei Luiuspferden zur Anwendung, von denen sie, wie Montagnac 1 ) 
1902 behauptet, die meisten Pferde ruiniere. 

Nach Levita 2 ) (1907) hat die Abdachung an der Huffläche dann keinen 
Zweck, wenn man die Hornsohle stark läßt. Er empfiehlt für die englische Armee 
an Stelle der sich schnell abnutzenden Konkaveisen Stempcleisen ohne Abdachung. 

Im Jahre 1908 bekennt sich Curot 3 ) in Paris bezüglich der Einrichtung der 
Tragrandebene am Hufe, besonders ihres Richtungsverhältnisses zur Stellung 
der Gliedmaße, als Anhänger Watrins. Der normale Huf ist nach ihm an der 
Tracht ungefähr halb so hoch, wie an der Zehenpartie. — Er wünscht, daß bei 
der Beschneidung des Hufes Sohle, Eckstreben und Strahl geschont werden. 

Nach Marschner 4 ) werden die Hufe in Rußland stellenweise auch 1904 
noch sehr beschnitten und die Hornsohlen geschwächt. Den daselbst beliebten 
Griff- und Stolleneisen steht demnach wohl nur der schmale Tragrand zur 
Verfügung. 

Richard 5 ) in Frankreich schlägt 1909 die Benutzung eines am Zehenteile 
sehr breiten und an den Schenkeln sich verschmälernden Hufeisens als Beschlag 
Vor. An ihm war zwar der innere Rand schwächer als der äußere, durch Auf¬ 
brennen sollte aber Auflage auf die Hornsohle, also eine br6ite Auflageflächc 
erreicht werden. 4 

Bei der serbischen Armee 6 ) waren 1912 Hufeisen vorgeschrieben, die an 
der Bodenfläche abgedacht und an der Huffläche eben waren. Sie glichen den 
Österreichisch-ungarischen Militär-Eiseo. Es ist anzunehmen, daß der Tragrand am 
Hufe, wie für die letzteren, aus Wand und angrenzendem Sohlenrande be- 


1) Montagnac, Guide pratique do la ferrure de cheval. Bordeaux-Paris 1902. 

2) De Hoefsmied. 1907. No. 3. 

3) Curot, Ed., La ferrure du course, du galop et du trotteur. Paris 1908. 

4) Marschner, K., Einiges über den Hufbeschlag in Rußland. Der Huf¬ 
schmied. 1909. Nr. 10. S. 123. 

5) Richard, J., Ferrure ä planche rationelle. La marcchalerie frap<;aise. 
1909. No. 647. 

6) Lungwitz, M., Ueber serbische Militärhufeisen. Der Hufschmied. 1912. 
Nr. 10. S. 156. 



438 


M. LUNGWITZ, 


standen hat. Wenigstens ist das Bestreben, ihn gleich wie denjenigen an den Huf¬ 
eisen des großen Nachbarstaates einzurichten, deutlich zu erkennen. — Dahingegen 
mag es mit der Tragrandbeschaffenheit an den Eisen Rußlands immer noch sehr 
schlecht bestellt sein, denn M. Lungwitz 1 ) hat 1916 von Kriegsbeutepferden aus 
Rußland Hufeisen abnehmen lassen, die eine holperige, sehr oft bis zu den 
Schenkelenden nach einwärts neigende Tragfläche hatten, und an denen die 
Nachteile des Fehlens der Zeheni ich tung sich in der starken Abnutzung 
der Eisenzehen äußerten, als deren Folge wiederum die Zehenkappe ganz oder 
stückweise abgebrochen war und der schwache Zehenteil sich oft nach aufwärts 
gebogen hatte. 

Bei der Beschlagsmethode Dominiks (Berlin) war hervorgehoben worden, 
daß diese außer der rechtwinkligen Unterstützung der Ilornwand noch einen freien 
Raum zwischen Trachtenwand und Hufeisen, die sog. „Schwebe“, vorschreibt. Diese 
„Schwebe“ wird 1905, nachdem sic 1897 Hubert von Schütz 2 ) als für das Pferd 
schädlich bezeichnet hatte, auch von Möller 3 ), einer Autorität auf dem Gebiete 
der Hufkrankheiten, das Wort geredet. Bei der Belastung der Gliedmaße, meint 
er, senken sich die Hufbeinäste und mit ihnen die Sohlenschenkel, die Ballen und 
die Trachten des Hufes, und infolgedessen erfahren die letzteren beim Auftreten 
eine Mehrbelastung. Diese erzeuge dort, wo die Trachtenwände schwach sind und 
der Hufmechanismus nicht gehörig funktioniert, nachteilige Folgen. Vom theo¬ 
retischen Standpunkte sei daher die regelmäßige Anbringung einer „Schwebe“ 
durchaus gerechtfertigt. Danach hat also der Tragrand an den Trachten 
eine Neigung nach aufwärts zu erhalten. 

Hiergegen wendet sich A. Lungwitz 4 ) 1905, der zunächst auch ein An¬ 
hänger der Schwebe gewesen, sie auf Grund seiner praktischen Erfahrungen aber 
bei gesunden Hufen und vor allem bei Verwendung offener Hufeisen nicht mehr 
gebraucht, weil er sie für nachteilig hält. Er warnt vor der regelmäßigen An¬ 
bringung der „Schwebe“ an den Vorderhufen und tritt warm für das gleich¬ 
mäßige Auflegen des Hufeisens auf den ganzen Tragrand ein. Nur bei 
empfindlichen Trachten hält er die „Schwebe“ für geboten, aber auch nicht in 
Verbindung mit offenen Eisen allein, sondern unter Verwendung solcher mit Huf¬ 
einlagen oder besser in Verbindung mit geschlossenen Eisen. Gerade Hufe mit 
schwachen Trachten hat er sich unter offenen Hufeisen bei an den Fersenwänden 
schräg nach aufwärts gerichtetem Tragrande (Schwebe) verschlimmern sehen. 

Wie sich die Ansichten über die Einrichtung des Tragrandes, besonders über 
seine Breite, im deutschen Hufbeschlage innerhalb der letzten 50—60 Jahre ge¬ 
ändert haben, das läßt sich aus den Arbeiten einer Hufbeschlagslehranstalt er¬ 
sehen, die über den Wechsel ihrer Arbeitsmethoden der Nachwelt genaue Auf¬ 
zeichnungen hinterlassen hat. Es ist dies u. a. auch bezüglich der Lchrschmiede 
der Tierärztlichen Hochschule in Dresden der Fall. Wenn ich mich im nach¬ 
stehenden an das von ihr verfaßte und wiederholt in neuer Bearbeitung erchienene 
Lehrbuch „Der Fuß des Pferdes“ halte, so tue ich dies nicht zuletzt aus dem 
Grunde, weil an dieser Lehranstalt im Laufe der Zeit eine recht ansehnliche Zahl 

1) Lungwitz, M , Russische Hufeisen Der Hufschmiod. 1916. Nr. 1. S. 100. 

2) von Schütz, Hubert, Bericht und Randbemerkungen über die am 31. De¬ 
zember 1896 abgehaltene Hufbeschlagsprüfung an der Lehrscbmiede zu Marien¬ 
burg in Westpr. Der Hufschmied. 1897. Nr. 3. S. 37. 

3) Möller, Zur Frage der sog. „Schwebe“ am Hufeisen. Der Beschlag¬ 
schmied. 1905. Nr. 9. S. 35. 

4) Lungwitz, A., Zur Frage der sog. „Schwebe“ am Hufeisen. Der Huf¬ 
schmied. 1905. Nr. 7. S, 143. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


439 


von Jüngern der schwarzen Kunst ausgebildet worden sihd, die ihre Arbeit ver¬ 
streut im ganzen Deutschen Reiche verrichten. 

Hartmann 1 ) sagt im „Fuß des Pferdes“ 1861: Der Tragrand der Wand ist 
am meisten der Abnutzung unterworfen, deshalb ist das Hufeisen als ein künstlicher 
Tragrand zu betrachten. „Es muß deswegen diesem auch möglichst ähnlich ge¬ 
halten werden.“ An seinem Eisen verläuft der Falz nach englischer Art von einem 
Schenkelende ohne Unterbrechung zum anderen, also über das ganze Eisen hinweg. 
Es hat^an der Huffläche Abdachung, die an den Nagellöchern beginnt und am be¬ 
schlagenen Hufe ungefähr bis an die Sohlenwinkel reicht. Der wagerechte Trag¬ 
rand am Hufe ist mithin so breit, wie die Hornwand stark ist. Die Ab¬ 
dachungsfläche soll sich deutlich von der Tragrandfläche abgrenzen — eine Forderung, 
die sich in Dresden am Hufeisen mit Abdachung bis auf den heutigen Tag fort¬ 
erhalten hat. Der Länge nach soll das Hufeisen „den Tragrand von einem Ende 
bis zum anderen vollkommen decken“ und mit Rücksicht auf das Homwachstum 
„2—3 Linien“, bei Hufen mit niedrigen Trachten etwas mehr, länger sein, als der 
Huftragrand lang ist. Der Erweiterung des Hufes in seiner hinteren Partie wurde 
durch Weiterhalten des Hufeisens Rechnung getragen, denn es überragte „an jedem 
Ende V 8 Zoll den Tragrand der Trachtenwände“. „Mit der Sohle darf das 
Eisen in keine Berührung kommen“. 

Der Nachfolger Hartmanns, Beschlaglehrer Neuschild, hat im Jahre 1870 
die Ausführungen seines Vorgängers durch Zusätze ergänzt. Sie lassen erkennen, 
daß an der Lehrschmiede zu Dresden der Unterricht in bezug auf Theorie und 
Praxis des Hufbeschlags auch damals noch „nach den englischen Prinzipien“ erteilt 
worden ist. Mit gewissen für örtliche Verhältnisse nötigen Abänderungen habe sich 
der englische Beschlag überall, so besonders auch in Hannover, in Preußen, Ein¬ 
gang verschafft. Neuschild hält Hartmanns Forderung, daß „der Strahl um 
die Eisenstärke den Tragrand der Trachtenwände überragen muß“, nicht für gut, 
sie führe in vielen Fällen zu einem übermäßigen Niederschneiden dieser Wand¬ 
abschnitte. Man schone die Tracht und verkürze die Zehe. Neuschild ließ das 
stollenlose Hufeisen, das die Grundeigcnschaftrn des Eisens nach Miles und nach 
Field besaß, gleich breit anfertigen und forderte, daß der ebene Tragrand 
in seiner vorderen Hälfte genau dem Tragrande des Hufes entspricht, vom letzten 
Nagelloche ab aber wegen der Bewegung der Trachtenwände allmählich breiter 
wird; s / 4 Zoll vor dem Schenkelende soll er die ganze Eisenbreite einnehmen. Der 
Tragrand war mithin in der vorderen Eisenhälfte schmal, an den Eisenschenkelenden 
aber auf längerer Strecke breiter als bei Hartman ns Eisen. Er sollte an den 
Trachteneckeü den Kronrand senkrecht unterstützen. Ausnahmen betrafen nur 
den inneren Eisenarm bei sich streichenden Pferden. Im übrigen sollte das Huf¬ 
eisen „in seiner ganzen Ausdehnung, vorzüglich aber in Zehen- und Seitenteilen, 
mit dem Tragrande der Wand in inniger Berührung sein“. 

Im Jahre 1882 forderte A. Lungwitz, der Nachfolger Neuschilds, für die 
Breite des Tragrandes die Dicke der Wand mit Einschluß der weißen Linie und 
außerdem den äußersten Sohlenrand, „bei weiten Hufen in einer Breite von 2 bis 
3 mm, bei engen Hufen etwas weniger“. Hiernach hat die Horn so hie an der 
Bildung des wagerechten Tragrandes mit teilzunehmen, wenn auch zu¬ 
nächst nur in Form eines schmalen Randes. Da nun aber weiterhin die Abdachungs- 
fläcbe am Hufeisen von der weißen Linie an dem äußeren Sohlenrande des Hufes 
gegenüber liegen soll, so wird der oben erwähnte äußere Sohlenrand zum Tragen 
' nicht mit herangezogen. Nur bei engen Hufen und überhaupt solchen mit stark 

1) Leisering und Hart mann, Der Fuß des Pferdes in Rücksicht auf Bau, 
Verrichtungen, Hufbeschlag und Hufkrankheiten. 1861 — 1913. (7.—12. Aufl.) 



440 


M. LUNGWITZ, 


ausgehöhlter Hornsohle kommt dieser durch das schmale Sohlenrändchen breiter ge¬ 
wordene Tragrand zur vollen Ausnutzung, denn „Hufeisen für Hufe mit stark aus¬ 
gehöhlten Sohlen bedürfen einer förmlichen Abdachung nicht, es genügt, wenn der 
innere Rand kräftig gebrochen wird. Es geschieht dies als Regel bei Hintereisen“. 
Lungwitz verlangt weiterhin, daß die Eckstreben geschont werden. „Sie ein wenig 
niedriger zu halten als den Trachtentragcrand, gebietet die Vorsicht“. Das Huf¬ 
eisen durfte demnach auf den Eckstreben nicht aufliegen. Wohl aber sollte es 
mit dem inneren Ende den Huf 2 mm, mit dem äußeren 3 mm überragen. — 
Später (1886) gewinnt die Auflage des Hufeisens insofern, als die Tragrandfläche 
des letzteren „unbedingt wagerecht und so breitgehalten werden muß, daß sie 
den Tragrand der Wand einschließlich der weißen Linie und ein schmales Rändchen 
vom äußeren Umfange der Ilornsohle deckt“. Eisen für schwere Pferde erhalten 
einen etwas breiteren Tragrand. Ganz allgemein hat demnach jetzt die Wand und 
die Sohle auf dem Hufeisen zu ruhen. Auch den Eckstreben räumt man das Recht 
ein, mit auf das Hufeisen zu stützen, denn „man läßt sie so hoch als den Trag¬ 
rand oder nur um ein wenig niedriger, dahingegen ist der Sohlenast um 2 mm 
tiefer zu schneiden“. Die Abdachung am Hufeisen soll zwischen Eisen und Sohle 
nur einen Abstand von 3 mm hcrbeifiihren. Auch bezüglich der Eisenweite ist ein 
Fortschritt zu verzeichnen; das Eisen soll bei regelmäßigen Hufen das Trachten¬ 
ende seitlich innen um 1 mm, an der äußeren Hufseite um 2 mm überragen. Der 
Länge nach soll bei stumpfgewinkelten Hufen das Eisen 5 mm, bei anderen ent¬ 
sprechend mehr über den Huftragrand vorstehen. Bei schweren Lastpferden bat 
das Eisen die Krone senkrecht zu unterstützen, also weiter zu sein, als bei leichten, 
trabgehenden Pferden. A. Lungwitz scheint die Abdachungsflächc nicht für un¬ 
bedingt notwendig erachtet zu haben: „Die Abdachung der Vordereisen an der 
Hufflächc wird fast allgemein als notwendig anerkannt, doch gibt es (in diesem 
Fache kompetente) Tierärzte und erfahrene Ilufbeschläger, welche jder Abdachung 
nicht das Wort reden und trotzdem gute Erfolge zu verzeichnen haben; letztere 
sind darauf zurückzuführen, dass die Hornsohle im wahren Sinne des Wortes nicht 
beschnitten wird. Immerhin ist os unbedingt nötig, darauf zu sehen, daß der 
innere obere Rand des Eisens gebrochen ist. In der Tat werden gegenwärtig in 
manchen Gegenden sehr viel Hufeisen verbraucht, deren Huffläche vollkommen 
eben, dafür aber die Bodenfläche abgedacht oder auf andere Weise vertieft ist 
(Fabrikeisen, Eisen aus Fa^onstab, Einsiedel sehe Wintereisen usw.). Es beweist 
dies genügend, daß bei sonst vernünftiger und verständiger Ausführung des Huf- 
bcschlages kein Schaden angerichtet wird.“ In besonderer Weise warnt A. Lung¬ 
witz 1893 vor der tiefen Abdachung am Hufeisen. „Stark abgedachte Eisen sind 
für gesunde Hufe eher schädlich als nützlich.“ Und 1898 gibt er dieser Warnung 
vor der tiefen Abdachung durch Sperrdruck erhöhten Wert. Die bisher wagerechte 
Tragfläche erhält jetzt eine Abänderung insofern, als „im Bereiche der Nagel¬ 
löcher“ eine ganz geringe Einwärtsneigung der Tragefläche als „nicht nur nicht 
nachteilig, sondern sogar für vorteilhaft“ bezeichnet wird. Länge und Weite des 
Eisens müssen der Hufform und der Gebrauchsweise der Pferde angepaßt werden. 
Wenn diese in höheren Gangarten gehen, so müssen die Eisen „nach jeder Richtung 
hin verhältnismäßig knapp, d. h. nicht zu lang und zu weit sein“, sie sollen „mehr 
oder weniger eine Fortsetzung der Hornwand des Hufes darstellen“. 

Die Tragfläche nimmt später an Breite noch mehr zu, wie sich 
aus einem Hinweise im Jahre 1898 ergibt: „Es konserviert die Hornwand, wenn ein 
möglichst breiter Tragrand am Eisen und Hufe zur Anwendung gebracht wird. Die 
Breite der Tragfläche am Eisen ergibt sich jederzeit aus den tragfähigen Teilen 
de9 Hufumfanges, d. i. die Wand, die weiße Linie und derjenige Teil des äußeren 
Sohlcnrandes, der den unteren Rand des Hufbeins überragt. In Verfolg dessen 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


441 


wird der Tragrand des Eisens für weite Hufe und für schräg stehende Wände 
breiter sein müssen, als für enge Hufe und steil stehende Wände.“ Als äußerer 
tragfähiger Sohlenrand wird weiterhin ein strohhalmbreites Rändchen der Sohle 
angesehen. Man nahm kurzerhand an, daß die Hornsohle um Strohhalm breite über 
den Sohlenrand des Hufbeins vorsteht. Diese Forderung bezüglich der Tragrand¬ 
breite hat sich forterhalten bis auf den heutigen Tag, und es muß zugestanden 
werden, daß man mit ihr gut ausgekommen ist. — Bezüglich der Hufzubereitung 
wird, wie früher bereits, auf schonendste Behandlung des Hufes gesehen und 
noch 1913 gemahnt, die Sohle nur von dem „lose aufsitzenden toten Horne“ zu 
befreien, den Strahl gar nicht zu beschneiden, nur am faulen Strahle die losen 
Teile zu entfernen, damit er möglichst den Tragrand der Trachtenwand um die 
Dicke eines stellenlosen Eisens überragt, und die Eckstreben hinten so hoch wie 
den Tragrand, nach vom zu allmählich niedriger zu halten. 

Das Hufeisen liegt somit auf dem ganzen Tragrande der Wand 
ringsherum luftdicht auf, daneben auch auf dem äußeren strohhalm- 
breiten Sohlenrande und auf dem hintersten Teile der Eckstreben. 
Und in diesem Punkte stimmen wohl gegenwärtig fast alle in den Hufbeschlags¬ 
lehranstalten Deutschlands, Oesterreich-Ungarns, der Schweiz, Dänemarks u. a. m. 
befolgten Beschlagsmethoden überein 1 ). Leider wird aber nun durchaus nicht all¬ 
gemein im Lande nach diesem Grundsatz verfahren, denn immer und immer wieder 
stößt man, wenigstens in Deutschland, auf die Erscheinung, daß der Tragrand schmal 
gemacht ist und das Eisen nur auf der Hornwand, nicht auch auf der Homsohle 
aufliegt. Ja man verkleinert hier und da die Tragfläche sogar dadurch, daß man 
die Trachtenwände leicht schweben, also sich nicht auf das Hufeisen stützen läßt, 
wie bereits vorn ausgeführt worden ist. 

Seit Jahren werden an der Lehrschmiede zu Dresden vielfach auch Hufeisen 
aufgeschlagen, denen die Abdachung an der Huffläche fehlt, die sie dafür aber an 
der Bodenfläche haben. Oft liegen diese Konkaveisen der ganzen Breite nach auf 
dem Hufe auf. Man hat es geduldet, seitdem man Nachteile davon bei stark ge¬ 
lassener Hornsohle und richtigem Passen des Eisens nicht bemerkt hat. Die 
Forderung allerdings, daß das Eisen mit seiner ganzen Breite aufliegen soll, ist 
an der genannten Lehranstalt nicht aufgestellt worden. 

Wohl aber ist dies in neuester Zeit (1917) geschehen durch Stark und 
Guther 2 ). In Anlehnung an den Huf des barfußlaufenden Pferdos schreiben sie 
vor, Sohle, Eckstreben und Strahl gar nicht zu beschneiden, so daß die Sohle 
und Eckstreben mit dem Tragrande der Hornwand in eine Ebene zu liegen kommen. 
Auf die wagerechte Hufbodenfläche legen sie ein gleichbreites Stempeleisen auf, 
das in der ganzen Längenausdehnung am äußeren und inneren Rande gleich stark 
ist. Dieses mit Zehenrichtung für Vorderhufe versehene Stempeleisen berührt 
der ganzen Breite nach den Huf, so daß der sich aus Wand und Horn¬ 
sohle zusaramensetzende Tragrand so breit *wie das Hufeisen ist 
und vor allem die Sohle zur Uebernahme der Körperlast mit herangezogen wird. 
Dieser breite Tragrand hat nicht nur nicht geschadet, sondern er ist dem 
Hufe sehr gut bekommen 3 ): Die Hufe sind weit und kräftig geblieben; sie sind, 
wenn sie es vordem nicht waren, weit und kräftig geworden, und Hufkrank- 

1) Die Hufbeschlaglehrbücher von Eberlein, Berlin 1913, Gutenäcker- 
Moser, München 1914, Kösters-Schlake, Berlin 1914, Großbauer, Wien 
1915, Grunth, Kopenhagen 1914, Schwendimann, Bern 1914 u. a. 

2) Stark, Neue Bahnen im Hufbeschlage. München 1917. 

3) Becker, Der naturgemäße Tragrand am Hufeisen. Zeitschr. f. Veterinär¬ 
kunde. 1917. Nr. 5. 



442 


M. LUNGWITZ, 


beiten, wie Steingallen, Hornspalten, Zwangbufe u. a. m. sind ausgeblieben. Selbst 
Flach-, Voll- und Rehehufe sind durch plattenartige Eisen, die bis zum Strahl 
heran mit Sohle und Eckstreben in Berührung waren, durch Kräftigerwerden der 
Hornsohle in Hufe besserer Form übergeführt worden. Dabei sollen die Hufeisen 
genau dem Tragrande entsprechend, also eng und kurz, gehalten werden. 

Eigene 1 )^ mit derartig breit auf liegenden Hufeisen ausgeführte Beschläge 
haben die Richtigkeit dieser Erfahrungen bestätigt. Das in bestimmten Grenzen 
gehaltene Weiter- und Längerpassen der Hufeisen sowie das Abtragen loser Hom- 
massen in der Umgebung der Strahlspitze, wodurch die Hornsohle ihre Wölbung 
behält, wird aber — entgegen Stark und Guther — beibehalten. 

Schlnßbetrachtnng. 

Es kann als eine ganz auffällige Erscheinung im Hufbeschlage 
bezeichnet werden, daß zu allen Zeiten Klagen über das zu starke 
Beschneiden der Hufe beim Beschläge laut geworden sind. Und ob¬ 
gleich von den meisten theoretischen und praktischen Lehrern der 
Hufbeschlagkunde, den älteren wie den jüngeren, auf die vielerlei 
Nachteile hingewiesen worden ist, welche die übermäßige Bearbeitung 
der Hufe in den ßeschlagschmieden zum Schaden für die Pferde zur 
Folge hat, und unausgesetzt und eindringlich vor der übermäßigen 
Abtragung des Hornes gewarnt worden ist, so hat sich doch bis auf 
den heutigen Tag die Kenntnis von dem großen Wert einer schonen¬ 
den Hufbehandlung in der erforderlichen Weise noch nicht allenthalben 
Bahn gebrochen. Zwar liegt die Zeit weit hinter uns, zu der man 
glaubte, dem Pferde eine Wohltat zu erweisen, wenn man das Huf¬ 
messer bis auf die jüngsten Hornmassen, ja bis"aufs Blut in den Huf 
eindringen läßt, und wo selbst von Tierärzten dieser barbarischen 
Methode das Wort geredet wurde, die Tatsache aber, daß die Natur 
den hornigen Huf dem Pferde zum Schutze gegeben hat, und daß 
dieser natürliche Schutz die größte Rücksichtnahme beim Beschläge 
verlangt, muß denjenigen noch mehr zum Bewußtsein kommen, denen 
berufsmäßig die Ausführung des Beschlages obliegt. 

Mit der übermäßigen Beschneidung der Hufe an ihrer Bodenfläche 
geht fast immer eine Schwächung des Tragrandes Hand in Hand. 
Gewollt oder ungewollt wird beim Aushöhlen der Hornsohle, bei dem 
sogenannten Auswirken der Hufe, wie man es früher nannte, der 
Tragrand schmal, denn die Sohlenhöhlung erstreckt sich gewöhnlich, 
sobald die Beschneidung vollendet ist, bis zur weißen Linie heran. 
Die Schuld an diesem schmalen Tragrand, bei dem nur die Hornwand 


1) Lungwitz, M., Die Auflage des Hufeisens am Hufe. Der Hufschmied. 
1917. Nr. 11. S. 143. 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


443 


auf das Hufeisen stützt, trifft durchaus nicht allein die den Beschlag 
praktisch Ausübenden. Die meisten älteren Autoren, deren Beschlags¬ 
anweisungen uns in vorstehendem bekannt geworden sind, schreiben 
diesen schmalen Tragrand vor. Die Befürchtung, daß das Hufeisen 
die Hufsohle drücken könnte, in Verbindung mit einer zu peinlichen 
Rücksichtnahme auf den Hufmechanismus, auf die Senkung der Horn¬ 
sohle beim Auftritt des Pferdes, war die Veranlassung, warum die Be¬ 
rührung von Hufeisen und Sohle ängstlich vermieden werden sollte. Der 
gefürchteten Sohlenquetschung suchte man aber nicht nur durch das 
Hohlschneiden des Sohlenrandes vorzubeugen, sondern auch durch eine 
entsprechende Einrichtung der oberen Fläche des Hufeisens. Genügte 
dem einen die wagerechte Huffläche in Verbindung mit der hohlen 
Sohle, so gab der andere überdies der oberen Eisenfläche eine Neigung 
nach einwärts, und ein dritter trennte die Huffläche des Eisens in zwei 
Flächen, eine äußere wagerechte für den Tragrand des Hufes und eine 
innere abgedachte, die der Hornsohle gegenüber zu liegen kommt. In 
allen drei Fällen überließ man dem Hufe einen schmalen Tragrand. 

Hufeisen der letztgenannten Art (mit scharf umschriebener Ab¬ 
dachung) sind wohl zuerst in England hergestellt worden. Aus diesem 
Grunde und weil diese Abdachung heute noch das englische Eisen 
auszeichnet spricht man von einer englischen Richtung am Huf¬ 
eisen. Diese Richtung ist von Deutschland und anderen Ländern 
übernommen worden, in denen man Hufeisen mit Falz an der Boden¬ 
fläche verwendet. Seit längerer Zeit kennt man die Nachteile, die^ 
eine tiefe und breite Abdachung besitzt. Deshalb gibt man gegen¬ 
wärtig dem Eisen eine der Tiefe nach wenig zum Ausdruck gebrachte 
und dafür schmälere Abdachung. Auf diese Weise hat die Tragrand¬ 
fläche am Eisen und am Hufe eine Verbreiterung erfahren, so daß 
sich von letzterem außer der Horn wand auch dej* äußere Sohlenrand 
auf das Hufeisen stützen kann. Die Gesunderhaltung des Hufes 
macht uns die Erfüllung der Bedingung zur Pflicht, daß Wand und 
Sohle, die letztere mindestens in Form eines strohhalm¬ 
breiten Randes, den Tragrand am Hufe bilden. Wir sind 
gegenwärtig im Begriff, noch mehr von der Hornsohle zum Tragen 
der Körperlast heranzuziehen, nachdem zahlreiche Versuche und auf 
verschiedenen Seiten im Laufe der Zeit gemachte Erfahrungen ergeben 
haben, daß auf einer starken Sohle das Hufeisen der ganzen Breite 
nach aufliegen kann (Stark, Guther). Diese Vorschrift im Huf- 
heschlage ist vereinzelt schon früher aufgestellt worden (Rumpelt, 



444 


M. LUNGW1TZ, 


Erdt, Fleming, Thacker, Delpörier, Thary). Aber die Vor¬ 
liebe für abgedaehte Hufeisen und für hohl geschnittene Hufe hat 
ihre anhaltende und allgemeine Befolgung unmöglich gemacht. Wenn 
man bisher von der Hornsohle einen strohhalmbreiten Rand mit zur 
Tragfläche genommen, so ist man, wie vorn angegeben worden ist, 
von der Annahme ausgegangen, daß in dieser Breite die Huflederhaut 
das Hufbein seitlich überragt und letzteres sich dann mit seinem Sohlen¬ 
rande nicht über der Auflagefläche des Hufeisens befindet, sondern 
über der Abdachung desselben und demgemäß die unter ihm gelegene 
Huflederhaut vor Druck geschützt bleibt. In Wirklichkeit ist aber 
die Lotrechte des Hufbeinrandes an den verschiedenen Stellen des 
Hufes sehr verschieden weit von dem peripheren Hufrande, der äußeren 
Tragrandgrenze entfernt. Auch bei den einzelnen Hufen und Pferden 
verhält sich dies verschieden, je nachdem die Hornwand zum Erd¬ 
boden gerichtet, der Huf groß und je nachdem die Hornsohle stark 
ist. Eine normale Sohlendicke angenommen, beträgt jene Entfernung 
des auf die Tragrandebene des Hufes projizierten Hufbeinrandes bei 
mittelgroßen und größeren Hufen an der Zehen wand nicht selten mehr - 
als 30 mm, an den Seitenwänden 20, 25 und mehr Millimeter, während 
sie sich an den Trachtenwänden auf 5 und noch weniger Millimeter 
vermindern kann. Demgemäß würde man in der vorderen Hufgegend 
weit mehr als ein Strohhalm dick ist die Hornsohle mit tragen lassen 
können, während man in der hinteren Hufpartie die Sohle weniger 
als strohhalmbrcit mit in den Tragrand hineinbeziehen dürfte, wenn 
man sich mit der Auflage des Hufeisens außerhalb der Hufbeingegend 
halten will. Sobald aber die Hornsohle beim Zubereiten der Hufe 
stark gelassen wird, dann liegt, meine ich, kein Grund vor, mit der 
Tragfläche des Hufes ängstlich dem Hufbeinrande aus dem Wege zu 
gehen. Die Wölbung der Hornsohle nach oben bringt es mit sich, 
daß diese, wenn man sie in ihrem Randbezirke eben schneidet, an 
Stärke zentralwärts zunimmt. Mit der Verbreiterung des Tragrandes 
nach einwärts gewinnt der letztere immer stärkere Partien der Horn¬ 
sohle. Zudem verdient die Frage eine nähere Prüfung: Ist Druck 
der Sohlenlederhaut durch das Hufeisen eher zu fürchten, wenn der 
Hufbeinrand über dem Tragrande liegt, oder ist er mehr zu erwarten, 
wenn er nicht über den Tragrand, aber dicht neben die Grenze 
von Tragrand und Abdachung zu liegen kommt, die in der Regel 
eine scharfe Kante darstellt und gar nicht selten — bei mangel¬ 
haftem Schmieden des Hufeisens — höher liegt als die äußere Trag- 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


445 


randkante gelegen ist? Die Antwort dürfte wohl zugunsten des 
breiten Tragrandes ausfallen. Auf Grund dieser Erwägungen komme 
ich zu der Ansicht: Besser eine starke Hornsohle und ein 
breiter Tragrand, eine breite Auflage des Eisens auf der 
Hornsohle als eine glatt zugeschnittene und dabei recht oft 
geschwächte Sohle und eine weniger breite Eisenauflage 
mit schmalem Sohlcnrande in der Tragrandebene. 

Macht man den Tragrand am Hufe und am Eisen breit, so ver¬ 
liert die Abdachung an Wert. Sie kann bei gesunden Hufen voll¬ 
ständig wegbleiben, denn selbst wenn aus irgend einem Grunde etwas 
Abstand von Hufeisen und Hornsohle notwendig werden sollte, so ist 
es ein leichtes, ihn durch entsprechende Beschneidung der Sohle zu 
erzeugen, ohne daß man diese schwächt. 

Da die breite Eisenauflage eine schonende Behandlung der Hufe 
beim Beschlag zur Bedingung macht ^und ein Kräftiglassen von Horn¬ 
sohle und Eckstreben zur Voraussetzung hat, so würde allein dieser 
Vorteil einen großen Gewinn für die Pferde bedeuten und der Pro¬ 
phylaxis der Hufkrankheiten von Nutzen sein. Der breite Tragrand 
am Hufe und am Hufeisen, vor allem in der hinteren, der Erkrankung 
am meisten ausgesetzten Gegend des Hufes, ein Tragrand, der sich 
über Trachtenwand, Sohlenwinkel und hinteren Eckstrebenteil hinweg 
erstreckt, sichert dem Hufe aber nicht nur eine kräftige Horndecke 
an der Bodenfläche, welche der Neigung des Beschlages, den Huf 
dem Engerwerden zu überliefern, entgegenarbeitet, sie gewährleistet 
überdies eine festere Lage, des eisernen Hufschutzes, der sich mit 
weniger Nägeln befestigen läßt, und sie entlastet die Hornwand in 
ihrer starken Beanspruchung beim Tragen des Körpergewichts, so daß 
sie sich in guter Verfassung erhält. Weit bleibende Hufe wiederum 
erkranken weniger leicht als durch den Beschlag atrophisch gewordene. 
Die geringere Beanspruchung ihres Blättchenapparates bei breitem 
Tragrande beugt Entzündungen des Hufkoriums vor. 

Der breite Tragrand darf aber den Verzicht auf die An¬ 
passung des Beschlages an das Wachstum, an die Elastizität, 
an die Winkelung und die Belastung des Hufes sowie die 
Rücksichtnahme auf die Stellung der Gliedmaßen, den Bau 
des ganzen Körpers und den Gebrauch des Pferdes nicht 
zur Folge haben. 

Bewährt sich der Tragrand am Hufe von der eben erwähnten 
Breite, so würde sich durch die Geschichte des Hufbeschlages in 




446 


M. LÜNGWITZ, 


N 

den Ländern mit abendländischer Kultur die Erscheinung verfolgen 
lassen, daß man anfangs — Ausnahmen abgerechnet — auf einen 
schmalen Tragrand Wert gelegt hat, und daß dieser mit dem Vorwärts¬ 
schreiten derZeit breiter geworden ist, bis er in der Gegenwart eine 
Ausdehnung erlangt hat, die der ganzen Hufeisenbreite gleichkommt. 

Neben der Breite des Tragrandes ist die Richtung von Bedeutung, 
die man ihm quer über das Eisen hinweg, von dem einen Eisenrande 
nach dem anderen, und am Hufe sohlenwärts verleiht. In dieser Hin¬ 
sicht sind recht verschiedene Ansichten aufgetaucht. Wir konnten 
sehen, wie man auf dieser Seite einen über die ganze Eisenrundung 
sich erstreckenden wagerechten (Field, Fleming u. a.), auf der 
anderen Seite eineifsich nach einwärts neigenden und schließlich 
auch eiuen nach außen abfallenden Tragrand (Husson, Thary) 
verlangt. Hier begrenzt man die Neigung der Tragfläche auf einen 
bestimmten Bezirk und macht sie im übrigen horizontal (viele Autoren), 
dort läßt man sie in der vorderen Eisengegend schräg nach innen, in 
der hinteren schräg nach außen abfallen (MaiIle), und wieder an anderer 
Stelle soll der Tragrand des Hufeisens die Hornwand des Hufes 
rechtwinklig bzw. möglichst rechtwinklig (Mußgnug, Dominik) 
unterstützen. In Gebrauch gewesen und noch gegenwärtig in Gebrauch 
sind drei Richtungen, einmal die oben näher berührte englische 
Richtung (wagerechter Tragrand und Abdachung), ferner die in der 
Regel vorn nach einwärts abfallende Tragrandfläche und drittens die 
sich aus beiden Arten zusammensetzende Richtung. 

Die Neigung der Huffläche nach einwärts vom äußeren bis zum 
inneren Eisenrande ist in Frankreich wohl zu jeder Zeit die vor¬ 
herrschende gewesen. Sie ist deshalb auch als die französische 
Richtung des Hufeisens bekannt und vor allem in den romanischen 
Ländern, in denen man die falzlosen, die Stempeleisen verwendet, 
beliebt. Früher wurde diese Flächenneigung vielfach in übertriebenem 
Maße ausgeprägt. Dadurch wurden die Eisen an der Bodenfläche 
gewölbt und verschlechterten Stand und Gang der Pferde. Den 
Hufen wurde diese schräge Tragfläche besonders auch insofern schäd¬ 
lich, als man sie bis zu den Schenkelenden durchführte. Sie wirkt 
einklemmend auf die hintere Hufgegend und erzeugt Steingallen, 
Zwanghufe und andere Hufleiden. Damit soll nicht gesagt sein, daß 
dieser Nachteil nur eine Folge der französischen Eisenrichtung ist; 
die den Huf einklemmende Flächenrichtung wird auch an mangel¬ 
haften Hufeisen mit englischer Richtung beobachtet. Gegenwärtig 


Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


447 


wird die französische Richtung am Beschläge in Frankreich und zum 
Teil auch in Deutschland in mäßigem Grade gefordert, und sie hat 
sich in Verbindung mit einem wagerechten Tragrande an den Schenkel¬ 
enden als praktisch erwiesen. Da die Hufeisen warm aufgepaßt werden, 
teilt sich diese Tragrandrichtung den Hufen mit, so daß sie in der¬ 
selben Weise auch an diesen, wenn sie beschlagen sind, vorzufinden ist. 

Die englische und französische Richtung des Tragrandes können 
an einem Hufe und an einem Eisen vereinigt sein. U. a. hat man 
dies auch an deutschen Hufeisen in den letzten Jahren beobachten 
können. Außerhalb der schmalen Abdachungsfläche zieht sich in 
diesem Falle die breitere Tragrandfläche am Eisen entlang. Die 
letztere ist an den Schenkelenden wagerecht, im Bereiche der Nagel¬ 
löcher neigt sie mäßig nach einwärts. Das hat sich im Interesse der 
Unterstützung der Hornwand und der Vermeidung von Sohlendruck 
besonders bei Hufen mit schräger Wand bewährt. 

Da die Ausführung des Hufbeschlages an Schwierigkeiten gewinnt, 
je mehr Anforderungen an sie gestellt werden, und da die Güte einer 
Sache recht oft um so mehr verliert, je schwieriger diese letztere 
herzustellen ist, so sollte man im Hufbeschlage die Vorschriften nicht 
allzu weitgehend gestalten, wenn der Zweck auf einfache Weise zu 
erreichen ist. Eine wagerechte Tragfläche am Hufeisen, wie sie 
der gesunde Huf in der hinteren Gegend unbedingt verlangt, ist für 
die ganze obere Eisenfläche, mit Ausnahme der Zehenrichtung am 
Vordereisen, leichter herzustellen, als eine solche, die in der vorderen 
Hälfte schräg nach einwärts neigt — und sie genügt. Da ihr der 
im Bereiche der Lochung mäßig nach einwärts abfallende Tragrand 
aber schon deswegen vorzuziehen ist, weil er einer verstärkten 
Auflage des Eisens auf der Hornsohle vorbeugt, so empfiehlt es sich, 
auf diesen Vorzug als einer zwar nicht unbedingt notwendigen, aber 
doch immerhin wünschenswerten Eigenschaft aufmerksam zu machen. 
Das gilt auch für die breite Eisenauflage, wo vor allem gefordert 
werden muß, daß das Eisen auf der Sohle dem Grade nach nicht 
mehr aufliegt als auf der Wand. 

Die vom inneren Eisenrande beginnende und nach dem Strahle zu ansteigende 
Aushöhlung der Hornsohle, soweit sie durch das Abtragen loser Hornteile entsteht 
und eine Schwächung von Sohle und Eckstreben nicht zur Folge hat, würde der 
Elastizität des Hufes günstig sein. Der Strahl ist nach wie vor kräftig zu lassen. 

Besondere Berücksichtigung bei der Regelung des Tragrandes 
am Hufe verdient schließlich die Richtung der Tragrand ebene 



448 


M. LUNGWITZ, 


zur Gliedmaßensäule, und zwar kommt in Betracht die Aus¬ 
dehnung dieser Ebene in der Längsrichtung und diejenige in der 
Querrichtung des Hufes. 

Bezüglich der Längsausdehnung der Tragrandebene sind 
wir recht verschiedenen Auffassungen der Autoren begegnet. Bald 
soll sich der Tragrand in gerader Richtung von der Hufspitze bis zu 
den Eckwänden erstrecken, bald soll er sich hinten heben (Schwebe), 
bald soll er sich vorn aufrunden (Zehenrichtung); ja selbst in der vorderen 
und in der hinteren Hufgegend hat man ihn nach aufwärts ansteigen 
lassen (Bourgelat), so daß der untere Hufrand und das Hufeisen 
eine kahnartige Biegung erhalten. Dazu kommt, daß man die sogen. 
Zehenrichtung der Höhe und der Länge nach in verschiedenem Grad 
zum Ausdruck gebracht haben will. Noch mehr, dieser Autor hält 
bei geradem Tragrand verlaufe die verstärkte Kürzung der Zehenpartie 
(vielfach), jener die vermehrte Beschneidung der Trachtengegend (Pader) 
für richtig. Und diese Trachtenkürzung wurde hier wiederum derart 
eingerichtet, daß Strahl und Fersenwand in eine Höhe zu liegen kamen 
(Weber, Goodwin u. a.), dort sollte anderseits der Strahl die Fersen¬ 
wände um Eisenstärke überragen (Dominik, Hartmann). Nach 
diesen Autoren sollen die Hufe in der Ballengegend halb so hoch 
wie in der Zehenwandgegend sein (Degive, Curot), nach jenen 
weist man der ersteren den dritten Teil der letzteren zu (Hartmann). 
Selbst in die Richtung der Hufbeinsohlenfläche hat man die Tragrand¬ 
richtung verbringen wollen (Watrin, Delperier). 

Und was die Ausdehnung der Tragrandebene in transversaler 
Richtung anbelangt, so herrscht zwar diejenige Autorenansicht vor, 
nach der bei normal gestelltem Fuße die äußere und die innere Huf¬ 
seite bei der Zubereitung der Hufe zum Beschläge gleichstark be¬ 
schnitten werden sollen; es war aber auch die Meinung vertreten, 
nach der in Anpassung an die Abnutzung des barfußlaufenden Hufes 
die innere Seite höher gelassen werden muß (Bouley). 

Behufs Erlangung der richtigen Tragrandlage wird auf dieser Seite 
die Prüfung der Fußstcllung beim Stützen der Gliedmaße angeraten 
(A. Lungwitz, Fambach), auf jener Seite die Ueberprüfung des 
hängenden Hufes am hochgehaltenen Fuße empfohlen (Watrin) und 
an dritter Stelle der Hauptwert auf ein gleiches, „planes“ Fußen 
des Pferdes im Gange gelegt. Ueber alle diese Ungewißheiten hat, 
abgesehen von der Zehenrichtung, die, in mäßigem Grade ausgeprägt, 
an den Yordereisen vorteilhaft ist, die Erkenntnis hinweggeholfen, 



Der Tragrand des beschlagenen Hufes. 


449 


daß uns — mit Ausnahme der bärenfüßigen Stellung — vor allem 
anderen die Richtung der Zehenknochen, die Richtung von Fessel-, 
Krön- und Hufbein, die Knochenachse oder Zehenachse den Finger¬ 
zeig für die Richtung der Tragrandebene gibt. Es soll diese Achse 
beim gleichmäßigen Stützen des Pferdes auf allen 4 Gliedmaßen ge¬ 
streckt, weder nach vorwärts noch nach rückwärts, weder nach 
außen noch nach innen gebrochen sein. Fessel und Huf haben 
die gleiche Richtung aufzuweisen. Wo dies nicht der Fall ist, 
muß die Hufbeschneidung (bzw. der Beschlag) -korrigierend zu Hilfe 
kommen. Jedoch gilt dies nur für den gesunden Fuß; beim 
kranken ist die Korrektur abnormer Stellungsverhältnisse nach 
dieser Regel vielfach nicht möglich. Darin liegt eine weitere große 
Schwierigkeit für den gewerbsmäßig den Hufbeschlag Ausübenden: 
Es kann von ihm nicht in jedem Falle verlangt werden, zu ent¬ 
scheiden, ob der Fuß des Pferdes im vorliegenden Falle gesund 
oder krank ist. Deshalb wird die sachgemäße Einrichtung 
der Tragrandebene am Hufe des Pferdes auch immer eine 
Sache bleiben, über die man nicht leicht hinweggehen darf, 
die im Gegenteil besondere Sorgfalt verdient, denn ihr Wert 
für die Prophylaxis und Therapie der Lahmheiten ist nicht 
zu unterschätzen. 


Archiv f. wissensch. u. prakt Tierheilk. Bd. 44. Sappl 


29 



XVIII. 


Beiträge zur Pupillenbewegung. 

Von 

Privatdozent Prof. Dr. v. Pflugk. 

(Hierzu Tafeln YII und VIII und 1 Abbildung im Text) 


Helmholtz schreibt in seiner für die gesamte Lehre von der 
akkommodativen Augenbewegung grundlegenden Arbeit: Ueber die 
Akkommodation des Auges (v. Graefes Archiv f. Ophthalmologie, 1855, 
Bd. I, Abt. II) an der Spitze seines Abschnitts von den: Veränderungen 
der Iris bei der Akkommodation: 

„Daß die Pupille sich beim Nahesehen verengt, beim Fernsehen erweitert, 
ist bekannt. 

Daß der Pupillarrand der Iris sich beim Nahesehen etwas nach vorn verschiebt, 
ist ebenfalls von mehreren Seiten festgestellt, aber wir müssen noch suchen, die 
Größe der Verschiebung wenigstens annähernd zu bestimmen. 

Endlich werde ich noch Versuche beschreiben, durch die man sich an jedem 
lebenden Äuge überzeugen kann, daß der peripherische Teil der Iris beim Nahe¬ 
sehen sich nach hinten bewegt.“ 

Damit sind die Helmholtz sehen Mitteilungen über Bewegungen 
der Iris im wesentlichen erschöpft, es folgt die Darstellung der 
mechanischen Grundlagen. Auch in Helmholtz’ Physiologischer Optik 
(1. u. 2. Auflage) ist keine Angabe enthalten, welche von der gegebenen 
Darstellung der Pupillenbewegung während der Akkommodation ab¬ 
weicht, erst in Gullstrands Zusätzen zur 3. Auflage der Physio¬ 
logischen Optik (1909—11) findet sich unter Hinweis auf die Unter¬ 
suchungen von Knapp 1 ) (1860) und Adamük-Woinow 2 ) (1870) daß 
„der akkommodative Vorgang der Eintrittspupille nicht konzentrisch 
geschieht und daß mit größter Wahrscheinlichkeit die anatomische 
Pupille dasselbe Verfahren zeigen dürfte 8 )“. 

Es ist auffallend, daß nach den außerordentlich exakten wissen¬ 
schaftlichen Grundlagen, welche Knapp und Adamük-Woinow für 


1) Archiv f. Ophthalmologie. 6. II. 

2) Archiv f. Ophthalmologie. 17. I. 
8) Bd. 1. S. 8SS. 



Beiträge zur Pupillenbewegung. 451 

die Richtigkeit ihrer Beobachtungen gegeben haben, es so lange dauerte, 
bis in dem klassischsten Werke, welches nicht nur der deutsche Augen¬ 
arzt, sondern überhaupt der Augenarzt besitzt, die Anerkennung für 
Knapps und Adamük-Woinows Beobachtungen und Berechnungen 
erfolgte. Adamük-Woinow, welche als erste Knapps Resultate der 
Verschiebung der Pupillenöffnung nasenwärts während der Akkommo¬ 
dation bestätigt hatten, erklären die Verschiebung der Pupille während 
der Akkommodation durch Veränderungen der Linsenform, indem der 
vordere Linsen pol, welchem die Iris während der Akkommodation 
innig anliegt, mit steigender Einstellung für die Nähe sich nasenwärts 
verschiebt und die Iris mitschleppt. Eine Verlagerung der Pupille im 
akkommodierenden Auge beobachtete Großmann 1 ) (1Ö04) und er 
hält diesen Befund für so auffallend, daß er ihn an 1000 Iriden 
jiach prüfte. und in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle bestätigt 
fand; meist bewegte sich während der Verengerung die akkommo- 
dierende Pupille bemerkenswert einwärts und aufwärts, weniger häufig 
einwärts und abwärts oder einfach einwärts. 

1907 hat Hummelsheim 2 ) auf Grund einer Reihe von Messungen 
an 130 Pupillen festgestellt, daß die belichtete Pupille sich konzentrisch 
verengt und erweitert: 

„Alle 130 Augen lieferten den gleichen Befund. Schien dies einmal anders 
zu sein, so war daran mangelhaftes Fixieren schuld und es ließ sich stets berichtigen, 
was bei Manchen freilich einige Mühe kostete. Ein halbes Dutzend Untersuchter 
etwa war nicht zur nötigen Ruhe zu bringen, sie sind nicht mit aufgezählt.“ 

Hummelsheims Untersuchungen, welche nach einem von C. Heß 
angegebenen Verfahren festgestellt sind, schließt sich Heß 3 ) in seiner 
Darstellung des Akkommodationsvorganges an. Hess unterscheidet 
nicht die Lichtverengerung der Pupille von ihrer Verengerung bei der 
Akkommodationsverschiebung: 

„Die Verengerung und Erweiterung der Pupille erfolgt nach sehr sorgfältigen 
Untersuchungen Hummelsheims (1906) angenähert konzentrisch. . . . „Trotz 
konzentrischer Verengerung der anatomischen Pupille muß die optische Eintritts¬ 
pupille in bezug auf die Visierlinie eine Dezentration zeigen infolge der schiefen 
Inzidenz der Visierlinie und der Asymmetrie der Hornhaut (Gullstrand).“ 

Schon aus dieser Literaturbetrachtung geht hervor, daß die Frage 
nach der Verschiebung der anatomischen Pupille während ihrer Ver¬ 
engerung und Erweiterung nicht durch eine einzige, wenn auch 

1) The ophthalmic Review. January 1904. Vol. XXIII. 

2) Pupillenstudien. Archiv f. Augenheilkunde, Bd. 57. S. 33. 

3) Graefe-Saemisch, Handbuch der gesamten Augenheilkunde. 3. Auflage 
Kapitel XD. 1910. 


29* 



452 


v. PFLUGK, 


sorgfältige Reihe von Versuchen entschieden werden kann, denn 
Adamük-Woinow untersuchten die akkommodativ sich verengende, 
Hummelsheim die auf Lichteinfall sich verkleinernde Pupille. Knapps 
Untersuchungen über die Berechnung der Verschiebung der Pupille 
nach der Nase während der Akkommodation sind auf Grund ophthalmo- 
metrischer Messungen unter Helmholtz’ Leitung in Heidelberg aus¬ 
geführt worden: 

„Es ergab sich bei diesen Messungen, daß bei der Akkommodation neben dem 
bekannten Vorwärtsrücken der Pupillenfläche auch ihr Mittelpunkt, welcher immer 
nach innen von der Hornhautaxe gefunden wurde, noch etwas weiter nach der 
Naseoseite zu rückte (im Original gesperrt). Anmerkung: Daraus geht hervor, 
daß die Pupille sich nicht von allen Seiten gleichmäßig verengert, oder, daß bei der 
Erweiterung derselben die Exkursion der äußeren Radialfasern der Iris größer ist, 
als die der inneren *).“ 

Die Richtigkeit der Knapp scheu Beobachtungen und Berechnungen, 
die Helmholtz’ persönliche Autorität stützt, dürfte auch durch eine 
Betrachtung der anatomischen und biologischen Verhältnisse der Iris¬ 
bewegung in ihrem Werte gefestigt werden. Denn während die Ver¬ 
engerung der Pupille nach Lichteinfall als streng selbständige auf, 
das Augeninnere beschränkte Zusammenziehung des Schließmuskels 
der Pupille fest stehend anerkannt ist, — läßt sich doch, wie wir 
weiter unten sehen werden, fast ausnahmlos in der Tierreihe Licht¬ 
reaktion der Pupille auch im enukleierten Auge noch beobachten, — 
so besteht zwischen Bewegung des Irisgewebes während akkommo¬ 
dativer Verengerung der Pupille und der durch die Tätigkeit der 
äußeren Augenmuskeln erzeugten Konvergenz ein außerordentlich 
enger, fast untrennbarer Zusammenhang. Zweifellos erscheint da¬ 
durch eine selbständige Wertung jeder einzelnen der beiden be¬ 
schriebenen Arten der Pupillenbewegung gerechtfertigt und hin¬ 
reichend anatomisch begründet. Die Möglichkeit einer exzentrischen 
Pupillenbewegung ist im anatomischen Bau der Iris sicher in einem 
hohen Grad vorbereitet. 

Die exzentrische Lage der Pupille ist von altersher bekannt, 
spricht doch schon So emmerin g in seinen Abbildungen des mensch¬ 
lichen Auges (Frankfurt 1801) von der „breiten äußeren und der 
schmälsten inneren Seite der Blendung“. In seiner 5. Tafel (Text 
dazu Seite 75) bildet er eine deutlich exzentrisch gelegene Pupille ab, 
er meint aber, er habe dies im Interesse der Deutlichkeit seiner 
Zeichnungen absichtlich auffallender gemacht; am anderen Ort der- 


1) Archiv f. Ophthalmologie. 6. II. S. 16. 



Beiträge zur Pupillenbeiregung. 


453 


selben Arbeit schreibt er aber dazu: „Ich habe ihn (den Unterschied 
in der Breite der Nasen- und Schläfenseite der Iris), aber noch sehr 
viel auffallender in lebenden Augen angetroffen“. Die Abweichungen 
der Pupillenlage gibt Baslini 1 ) (1905) an auf im Mittel'0,2 mm nach 
innen und 0,05 mm nach oben. Nach H. Weber weicht sie um den 
6. Teil ihres Durchmessers nach der Nasenseite und nach innen ab. 

Bei der Durchsicht von 100 normalen Soldatenaugen fand ich 
die Pupillen deutlich exzentrisch gelegen in etwa 98 v. H. 

Salz mann 2 ) sagt über die Asymmetrie des Augapfels: 

„Pupille und Linse sind leicht nach abwärts verschoben; an der Pupille 
ist dies schon am lebenden Auge zu sehen, die Verschiebung erkennt man daran, 
daß der zirkumlentale Raum auf der Nasenseite schmaler ist, als auf der Schläfen¬ 
seite. Die Form des Ciliarmuskels nähert sich auf der Nasenseite »ehr dem 
hypermetropischen Typus, auf der temporalen dem myopischen und dementsprechend 
sind auch leichte Verschiedenheiten in der Gestaltung des Iriswinkels und in der 
Lage des Schlemmschen Kanales relativ zur Iriswurzel vorhanden. Am auffallendsten 
aber ist die Verschiedenheit in der Länge des Ciliarkörpers (frontal etwa 5 mm, 
temporal 6 mm). Infolgedessen reicht die Netzhaut an der nasalen Seite weiter 
nach vorn, als an der temporalen. 

Schon vom anatomischen Standpunkt aus ist daher die Asymmetrie 
im Auge für die Lage der Pupille zur Linsenachse und ihre Ver¬ 
schiebung während der Akkommodation bei der engen Verknüpfung 
der Konvergenz mit der Pupillenbewegung sicher von sehr beachtlicher 
Bedeutung, denn zwei unsymmetrisch gebaute Organe müssen un¬ 
symmetrisch arbeiten, um ein symmetrisches Arbeitsresultat zu erhalten. 

Ebenso beachtenswert wie im Bau des menschlichen Auges ist 
die Abweichung des symmetrischen Baues im tierischen Auge und 
ganz besonders gilt dies für Iris und Pupille. Es mögen dafür nur 
einige Beispiele angeführt werden. 

„So liegt bei manchen Raubvögeln, die sich im allgemeinen durch rasches 
Akkommodieren und auffallend gutes Sehvermögen auszeichnen, die Pupille nasal 
verschoben, die Iris ist temporal breiter als nasal. Bei den Rochen ist die 
Pupille mitunter nach oben verschoben. Solche Lageänderungen, bzw. die auf 
diese Art hervorgebrachte verschieden starke Einschränkung des Gesichtsfeldes 
nach verschiedenen Richtungen, sind oft von biologischer Bedeutung. 

. Bei den Raubvögeln könnte es sich vielleicht um Begünstigung des binoku¬ 
laren Sehens handeln, bei den Rochen, die Grundformen sind, handelt es sich 
offenbar um eine Erweiterung des Gesichtsfeldes nach oben auf Kosten des 
unteren Teiles des Gesichtsfeldes, in dem doch nichts zu sehen ist. 

Geringe Exzentrizität in der Lage koihmt häufig vor. So ist z. B. beim Pferd 
und Zebra die Iris unten breiter wie oben, die Pupille also etwas nach oben ver- 


1) Nach Druault, Döveloppement de l’organe de la vision, anatomie du 
giobe de l’oeil. 

2 ) Anatomie und Histologie des menschlichen Augapfels im Normalzustand. 1912. 



454 


v. PFLUGE, 


schoben. Der Unterschied der Irisbreite beträgt 1 bis 1,5 mm. Auch bei Peri- 
ophthalmus kolreuteri ist die Iris unten etwa um^ 1 /? breiter, wie oben (Pütter 1 )- 

Die Asymmetrie im Bau der Iris wird aber sowohl in ihrem 
Verhältnis zum Einzelauge wie zum binokularen Sehen noch erheblich 
erweitert, sobald die Bewegung der Pupillen während der Lebens¬ 
funktionen betrachtet wird. Als auffallendes Beispiel mögen hier 
nur die schlitzförmigen Pupillen z. B. der Katze erwähnt werden, 
die im Tode kreisrunde Form annehmen. Pütter sagt darüber: 


Nimmt die Beliohtung ab, so erweitern sich ganz allgemein die Pupillen und 
mehr und mehr schwinden alle Formunterschiede, bis bei maximal erweiterter 
Pupille die meisten Wirbeltiere eine kreisrunde Pupille haben. Die Abweichungen 
von dieser Form sind, wo sie Vorkommen, doch meist gering, z. B. bei der Unke 
(Bombinator). Für viele Augen ist es beobachtet, daß sich Unregelmäßigkeiten 
der Form mit zunehmender Erweiterung ausgleichen, bei anderen können wir es 
mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, z. B. bei den Zahnwalen. 

Die Pupille von Rana esculenta stellt im Tageslicht ein liegendes Oval dar 
mit einer kleinen Ausstülpung oralwärts, aber schon bei kurzem Dunkelaufenthalt, 
ja bereits in der Dämmerung wird sie kreisrund. 


Wesentlich seltener in der Tierreihe, als die Veränderungen der 
Pupillenform beim U ebergang der Tageslichtpupillen in die Dunkel¬ 
pupille sind Verschiebungen der mehr oder weniger zentral gelegenen 
Tageslichtpupillen während akkommodativer Einstellung bzw. akkommo¬ 
dativer Reizung der Augen. Angaben in der Literatur sind darüber 
außerordentlich spärlich. 

Von Verschiebungen der Pupille bei elektrischer Reizung enukleierter 
Fischaugen berichtet Beer 2 ) und zwar spricht er bei Julis Pavo, 
Crenilabrus, Scorpaena, Blennius, Smaris von einerWanderung der Pupille 
in temporaler Richtung. Beim enukleierten und halbierten Taubenauge 
beschreibt Heß 8 ) die Verschiebung der Pupille nach unten, so daß 
die Irisfläche oben und hinten oben nicht unbeträchtlich breiter ist, 
als unten und vorn unten. „Bei Reizung des eben enukleierten und 
des äquatorial halbierten Auges bewegen sich sämtliche Ciliarfortsätze 
in der Richtung nach der Augenachse hin, in der Regel ist dies an 
der oberen Seite deutlicher als an der unteren. Bei längere Zeit 
gereizten Augen wird das Vorrücken der Ciliarfortsätze ungleichmäßig. 
Vom Pferd und Schaf berichtet H. Richter 4 ), daß bei Verengung 


1) Pütter, Organologie des Auges. Graefe-Saemisch Handbuch. TL Band. 
1. Abteilung. 1908. 

2) Die Akkommodation des Fischauges. Pflügers Archiv. Bd. 68. 

3) Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie und Morphologie des 
Akkommodationsvorganges. Archiv für Augenheilkunde. 62. Bd. Heft 4. 1909. 

4 ) Beitrag zur Anatomie der Iris des Pferdes. Archiv für vergleichende 
Ophthalmologie. II. Jahrgang. 1911. 



Beiträge zur Pupillenbewegung. 


455 


des Sehlochs eine geringe Verschiebung nach der Nasenseite zu statt¬ 
findet. lieber die Pupillenöffnung der Ringelnatter schreibt Lesser 1 ), 
daß sie im ruhenden Auge nahezu konzentrisch im Hornhautring liegt, 
daß bei Reizung eine Verschiebung der Pupillenöffnung nach der 
Nasenseite zu stattfindet. Besondere Beachtung muß hier noch die 
interessante Beobachtung Arnolds 2 3 ) (1841) finden, daß die Iris in 
Augenschnitten des Aalauges sich bei Sonnenbelichtung sowohl nach 
Entfernung des Gehirns auch am exstirpierten Auge selbst in aus¬ 
geschnittenen Irisstücken, deren Pupillenteil noch erhalten ist, sich 
verengte. 1847 erweiterte Brown-S4quard die Arnoldsche Be¬ 
obachtung für die Augen von Rana temporaria, Steinach fügte die 
gleichen Erfahrungen für die Augen vom Hai (Hundshai), Rhombus, 
einigen Selachiern hinzu. Hertel 8 ) konnte 1906 durch eine Reihe 
von Untersuchungen nachweisen, daß durch ultraviolettes (bzw. ein¬ 
farbiges Licht) auch bei Warmblütern Pupillenverengerung noch nach 
Durchschneidung der Sehnerven stattfindet. 

Im wesentlichen sind am Lebenden die Beobachtungsresultate 
des Akkommodationsvorgangs und der Pupillenbewegung mit fast den 
gleichen Untersuchungshilfsmitteln in dem langen Zeitraum seit 1851 
gefunden worden. Helmholtz selbst gibt die Priorität Cramers zu, 
welcher einer Anregung Don der s folgend mit Hilfe seines Ophthalmo¬ 
skop genannten Apparates (später von Don der s als Phakoidoskop 
bezeichnet) die Größe und Verschiebung der Purkinje-Sansonschen 
Bildchen während des Akkommodationsvorganges am lebenden und 
enukleierten Auge maß. Gegenüber Helmholtz’ Ophthalmometer 
— das nach dem Grundprinzip des astronomischen Heliometers gebaut 
ist — geriet Cramers einfaches Ophthalmoskop schnell in Ver¬ 
gessenheit, jedenfalls sind nach Helmholtz’ Angaben und mit seinem 
Apparat ungezählte Messungen an lebenden und toten Augen ausge¬ 
führt worden. Ob die anderen zum Messen der brechenden Fläche 
des Auges angegebenen Instrumente — Coccius’ Ophthalmometer — 
Landoldts 4 ) Ophthalmometer—Tschernings 5 ) Ophthalmophakometer 

1) Die Akkommodation der Ringelnatter. Inaug.-Dissert. Dresden-Leipzig 1914. 

2) Fr. Arnold, Physiologie. II. Bd. 1841. 

3) Experimentelles über die Verengung der Pupille auf Lichtreize. Bericht 
der 33. Versammlung der Ophthalmolog. Gesellschaft Heidelberg 1906. 

4) Nach Landoldt, Die Untersuchungsmethoden. Graefe-Saemisch Hand¬ 
buch. IV. Bd. 

5) Tscherning, Optique physiologique. Paris 1898. 



456 


v. PFLUGE, 


— zu vergleichend-anatomischen Untersuchungen verwendet worden 
sind, entzieht sich meiner Kenntnis, eingehende Schilderungen davon 
habe ich jedenfalls in der Literatur nicht gefunden. Zu den ophthalmo- 
raetrischen Messungen traten bald Untersuchungen des Refraktionszu¬ 
standes mit dem Augenspiegel, verallgemeinert wurden aber vergleichende 
Refraktionsbestimmungen erst seit Cuignets (1872) Schattenprobe. 

Allgemein ist schließlich die Verwendung mehr oder weniger stark 
vergrößernder Lupen zu ophthalmometrischen Beobachtungen und 
Messungen. 

Außer diesen Hilfsmitteln, welche im wesentlichen alle auf den¬ 
selben Grundlagen stehen: Die Verwendung zweier Spiegelbilder und 
die Messung ihres Abstandes zur Berechnung der Radien der zu 
untersuchenden Oberflächen — ist von jeher am enukleierten Auge 
die faradische bzw. galvanische Reizung in die Reihe der Unter¬ 
suchungsmethoden eingeschaltet worden. Daneben haben am Ciliar¬ 
muskel (bzw. der Irismuskulatur) krarnpferregende oder lähmende 
Medikamente für die Erforschung des Akkommodationsvorganges am 
lebenden und toten Tier ausgiebige Verwendung gefunden, so Atropin, 
Strophantin, Nikotin, Pilokarpin, Eserin usw. Weit größer als die 
Zahl der Instrumente zur Messung der Akkomraodationsvorgänge am 
Auge ist die Reihe derjenigen Hilfsmittel, mit welchen man die Maße 
der Pupillengröße des ruhenden und lebenden Auges zu bestimmen 
versucht. In der fleißigen Arbeit von Fuchs 1 ) „Die Messung der 
Pupillengröße und Zeitbestimmung der Lichtreaktion der Pupille bei 
einzelnen Psychosen und Nervenkrankheiten“ findet sich eine fast 
vollständige Aufzählung aller derjenigen Methoden, welche zur Pupillo- 
metrie gebraucht worden sind. 

Zu den ersten Untersuchungen wurden sowohl für die Erforschung 
des Akkommodationsvorganges, wie für die Pupillometrie ausschließlich 
subjektive, wenn auch aufs genaueste ausgeführte, Messungen und 
Berechnungen vorgenommen. Wenn auch zweifellos diese Unter¬ 
suchungswege in der Hand geübter Untersucher von höchstem Werte 
waren — stammt doch fast unsere gesamte Kenntnis der Akkommo¬ 
dationsvorgänge von einigen wenigen Forschern — so sind doch mit 
Recht in letzter Zeit von Allen für die Erforschung der Pupillen¬ 
bewegung graphische Methoden an die Stelle von Beobachtungen ge¬ 
treten. 


I) Jahrbücher der Psychiatrie und Neurologie. 24. Bd. 1903. 



Beiträge zur Pupillenbewegung. 


457 


CI. du Bois-Reymond 1 ) 1888 hat so als erster photographische 
Aufnahmen zur Messung der Pupillengröße verwendet (besonders 
Aufnahmen mit Hilfe der Magnesiumphotographie). Die photographische 
Aufschreibemethode wurde bald allseitig aufgenommen und anfangs 
mit Reihenaufnahmen (du Bois-Reymond, Greeff), später mit sehr 
vollendeten kinematographischen ßildserien [Weiler 2 )]. Die Nachteile 
der Blitzlichtaufnahme, die in der Beeinflussung der Pupillenweite 
durch Licht und andere Reize während der photographischen Auf¬ 
nahmen liegen, lernte man bald vermeiden, Schäfer gelangen photo¬ 
graphische Pupillenaufnahmen sogar bei stark herabgesetzter Beleuchtung. 

Ich habe mich bei meinen Studien zur Erforschung des Akkoro- 
raodationsvorganges mit Vorliebe derjenigen Methoden bedient, welche 
es gestatten, auf photographischem Wege die gewonnenen Resultate 
festzuhalten. Durch das von mir Jahre lang verwendete „Verfahren 
der Fixierung frisch enukleierter und faradisch gereizter Bulbi mit 
Hilfe des C0 2 -Gefriermikrotoms ist es mir gelungen, Beiträge zur Ent¬ 
wicklung unserer Kenntnisse des ruhenden und akkommodierten Auges 
zu schaffen, in besonderem Streben während der letzten Jahre habe 
ich mich bemüht, nicht nur das formveränderte Auge im photo¬ 
graphischen Bilde für das Studium festzuhalten, sondern möglichst 
die durch Reizung sich bewegende Iris dem dauernden Studium 
durch Festhalten der einzelnen Bewegungsphasen auch nach Ablauf 
der Reizerscheinung auf der lichtempfindlichen Platte zu behalten. 

Der von mir angegebene und von dem Ingenieur der hiesigen 
technischen Hochschule, Herrn Oskar Leuner, in bester Weise aus¬ 
geführte Apparat, den ich „Wölbungsmesser“ nennen möchte, verfolgt 
die Absicht, eine Zentrierung des enukleierten Auges für das Experi¬ 
ment nach Möglichkeit zu schaffen. Das Auge ruht auf einer Reiz¬ 
elektrode. Es ist bekannt, daß bei den Untersuchungen der Augen 
mit auffallendem Licht nicht die anatomische Pupille in ihrer wahren 
Größe, sondern (um 1 / 8 Heß) in erheblicher Vergrößerung sich zeigt. Die 
günstigsten Belichtungsverhältnisse bietet in Rücksicht auf die Form der 
Hornhaut mit ihrem oft starken regelmäßigen bzw. durch Wasser¬ 
verlust des enukleierten Auges rasch sich bildenden unregelmäßigen 
Hornhautastigmatismus, die der Pupille vorliegende Hornhautzone; es 
ist deshalb tunlichst zu erstreben, für die Untersuchung die Augen- 

1) Ueber das Photographieren der Augen bei Magnesiumblitz. Zentralblatt 
für praktische Augenheilkunde. 12. Jahrgang. 1888. 

2) Untersuchung der Pupille und der Irisbewegung beim Menschen. Berlin 1910. 



458 


v. PFLUGE, 


achse in die Verlängerung der Achse des aufnehmenden Apparates zu 
bringen. Durch doppelte Einstellung wird das bei dem von mir an¬ 
gegebenen Apparat erreicht. Der Wölbungsmesser besitzt als Kern 
einen Mikroskoptubus, der mit schwachem Objektiv (Zeiß a 0 und 
Okular Huygens 2) versehen ist. Der freie Objektabstand beträgt 
32 mm, die Vergrößerung etwa 6 mal, unter Berücksichtigung des Balg¬ 
auszuges der photographischen Kammer ist die Vergrößerung etwa 
8 mal. Der Objektivabstand ist also genügend groß, um das allseitig 
zugängliche Untersuchungsobjekt beobachten zu können, seine Lage 
zu korrigieren, Kochsalz in den Zwischenpausen aufzuträufeln usw. 

Dieser optische Grundteil des Apparates ist auf einem Fuß be¬ 
festigt, welcher alle erforderlichen Bewegungen gestattet, Höherstellung, 
Tiefstellung, Seitwärtswendung. Ueber diesem optischen Teil befindet 
sich in lichtdichtem Anschluß eine Zeiß-Vertikalkamera. Zur Reizung 
wird das Auge auf die Reizelektrode gelagert, welche mit einem 
Dubois-Reymondschen Schlittenapparat verbunden ist, derselbe ist 
so montiert, daß durch Druck auf einen Taster der Stromkreis ge¬ 
schlossen wird. Im wesentlichem wurde mit künstlichem Licht ge¬ 
arbeitet (300 Kerzen Halbwattlampe, Belichtungsdauer der Augen 
bis 60 Sek.). — Bei günstigen Lichtverhältnissen ist der Apparat 
jedoch ohne weiteres auch für Tageslichtaufnahmen geeignet mit Aus¬ 
nahme zweier elektrischer Metallfadenlämpchen an einem Kreisbogen, 
welche eines Stromes von 10 Volt bedürfen. 

Der Abstand dieser beiden Lämpchen wird durch in der Richtung 
der Mikroskopachse verstellbaren Zahn und Trieb geregelt, so daß die 
Lämpchen sich stets gleichweit von der Achse des Mikroskoptubus 
befinden. In den Mittelpunkt des Kreisbogens wird das Untersuchungs¬ 
objekt gelegt, welches dann in dem freien Objektabstand von 32 mm, 
dem a 0 Objektiv, sich befindet. 

Zur Berechnung der Radien der spiegelnden Fläche des Auges 
wird eine eingeschnittene Gradeinteilung an dem die Lämpchen tragen¬ 
den Halbkreisbogen angebracht. Die Reizelektrode wird in einem in 
jeder Richtung verstellbaren Fuß gehalten, das Objekt wird so orien¬ 
tiert, daß es, auf den beiden Platinelektroden ruhend, nicht gedrückt 
werden kann und der geschlossene Stromkreis hinter dem Bulbus¬ 
äquator eintritt. Die rechteckige Mattscheibe der photographischen 
Kammer trägt in der Diagonale ein ihren Schnittpunkt bezeichnendes 
eingraviertes Fadenkreuz. Unter dem schwarzen Tuch, noch besser 
mit Hilfe einer Zeißschen Einstellstellupe wird das frisch enukleierte 



Beiträge zur Pupillenbewegung. 


459 


Auge so unter die Objektivöffnung gebracht, daß das der Mattscheibe 
eingerissene Fadenkreuz in der Mitte der Pupille, bei ovaler Pupille 
in der Mitte des größeren Pupillendurchmessers sich befindet. Werden 
jetzt die beiden Lämpchen durch Druck auf den Schalter zum Leuchten 
gebracht, so müssen sich ihre Spiegelbilder auf der Hornhaut gleich¬ 
weit vom nasalen und temporalen Pupillenrand befinden. In unzähligen 
Fällen habe ich mich davon überzeugt, daß die Hornhäute der kleinen 
Augen der Reptilien und Amphibien, welche ich untersucht habe, ge¬ 
nügend sphärisch gewölbt sind, um die Einstellung für die vorzunehmen¬ 
den Versuche mit befriedigender Sicherheit zu garantieren. Die gleich¬ 
mäßige Wölbung der Hornhaut läßt sich durch einfaches Drehen der 



Einstellung einer Froschiris auf der Mattscheibe. 

Stellschrauben, welche die Entfernung der beiden Lämpchen von der 
Mikroskopachse reguliert, nachprüfen, wie sich auch irgendwelche, bei 
der Präparation entstandene Verletzung der Hornhautoberfläche oder ihr 
Eintrocknen (bei längerer Dauer der Versuche) sofort durch Verzerrung 
der Bildchen bemerkbar macht. Bei geeigneten Untersuchungsobjekten 
(Ringelnatter, Würfelnatter, Auge von Rana esculenta) war es mir 
aber nicht nur möglich, die Spiegelbildchen der Hornhautoberfläche 
photographisch festzuhalten, es ist mir auch gelungen, die vorderen 
Linsenbildchen mit hinreichender Deutlichkeit, besonders im Negativ, 
nachzuweisen. Aufnahmen der Linsenbildchen müssen aber unter 
allen Umständen wiederholt werden, um auch bei dem feinen Korn 
der verwendeten Platten (Hauff ultra rapid bzw. Hauff orthochromatisch 
lichthoffrei) verhängnisvolle Verwechslungen mit Plattenfehlern aus- 


460 


v. PFLUGK, 


zuschalten. Mit diesem Apparat ist es mir während der letzten Jahre 
gelungen, eine große Anzahl von Tieraugen (Fischen, Amphibien, 
Reptilien und Tauben) zu photographieren und an ihnen die durch 
die Reizung mit dem faradischen Strom hervorgerufenen intraokularen 
Veränderungen photographisch festzustellen. In gemeinsamer Arbeit 
mit Dr. med. vet. Lesser haben wir an den Augen von Ringelnatter 
und Würfelnatter festgestellt, 1. die unzweideutige Verkleinerung der 
Pupille bei faradischer Reizung des Auges und ihre Verschiebung 
nach der Nasenseite; 2. die Annäherung der vorderen Linsenbildchen 
aneinander während der Akkommodation d. i. die Wölbungszunahme 
der Linsenvorderfläche während der durch faradischen Strom hervor¬ 
gerufenen Akkoramodationssteigerung. Ara Auge von Eidechsen (La- 
certa agilis) ist mir nach Reizung der Nachweis der Verengerung der 
Pupille und ihrer Verschiebung nach der Nasenseite zu ebenfalls ge¬ 
lungen 1 ). An den untersuchten Augen von Tinea vulgaris war es nicht 
möglich, Pupillenverschiebungen mittels des faradischen Stromes her¬ 
vorzurufen. Zu meinem großen Bedauern war während des letzten 
Jahres die Tiermaterialbeschaffung infolge des Leutemangels völlig 
unübersteiglich, ich beabsichtige aber, nach Eintritt ruhiger Verhält¬ 
nisse, welche die Durchführung wissenschaftlicher Versuche wieder 
ermöglicht, die Versuche an geeigneten Objekten wieder aufeunehmen. 

Die Pupille des Frosches (Rana esculenta) — lebensfrische Tiere standen mir 
in genügender Anzahl zur Verfügung — weicht in ihrer Reaktion auf Licht und 
faradische Reize so erheblich von den bekannten Beobachtungen ab, daß ich sie 
eingehendem Studium mit meinem Apparat unterzogen habe, ich konnte durchaus 
die in der Literatur beschriebenen Beobachtungen der Froschregenbogenhaut be¬ 
stätigen. 

Wird ein kräftiges Exemplar mehrere Stunden im Dunkeln gehalten, so nimmt 
die Pupille die bekannte kreisrunde Form an, die Iris ist bis auf einen schmalen 
goldgelben Streifen am Hornhautrande zusammengezogen 2 3 ), Belichtung schon durch 
Tageslicht — wesentlich schneller bei Verwendung einer elektrischen Bogenlampe — 
läßt die Pupille innerhalb weniger Minuten wesentlich verkleinern. Die Verkleine¬ 
rung der Pupille ist jedoch nicht streng konzentrisch, wie ich mich durch eine 
Reihe von Messungen überzeugt habe — sondern es tritt dabei eine geringe Ver¬ 
schiebung der Pupille stirnwärts ein. Am enukleierten Auge wie am Auge, welches 
im Kopf des getöteten Tieres verblieben ist, wird nach Verlauf mehrerer Stunden 
(bei Belichtung wesentlich vollständiger, als wenn das Auge im Dunkeln gehalten 
wird) die Pupille minimal, sie verzieht sich zu einem schmalen Spalt mit kleiner 
Ausziehung oralwärts. Bei faradischer Reizung des Auges mit lichtverengter Pu¬ 
pille tritt Erweiterung ein, und zwar zieht sich in der gleichen Reizzeit die orale 
Irishälfte stärker zusammen wie die frontale 8 ). 


1) Siehe Tafel VIII. 

2) Siehe Tafel VIII: Dunkelfrosch. 

3) Siebe Tafel VIII, a, b, c, d. 



Beiträge zur Pupillenbewegung. 


461 


Durch erneute Belichtung kann man die Pupillenbewegungen (Verkeinerung 
durch Belichtung — Vergrößerung durch faradischen Reiz) beliebig oft wiederholen, 
noch nach mehr als einer Woche ist mir der Versuch einwandfrei gelungen, wenn 
nur das Auge genügende Feuchtigkeit erhalten hat, um es vor Vertrocknung zu 
schützen. 

Die physiologische Tatsache, daß während des Akkommodations¬ 
vorganges nicht nur eine Verengerung der Pupille eintritt, sondern 
daß während der Verengerung auch eine Wanderung derselben nach 
einer bestimmten Seite — meist nasenwärts — festgestellt werden 
kann, findet sich also in der Tierreihe nicht vereinzelt. Die von 
Knapp und Adamiik-Woinow zuerst in der Literatur berechnete 
Beobachtung, daß auch beim Menschen die akkommodativ sich ver¬ 
engende Pupille während der Einstellung des Auges für die Nähe 
eine Verschiebung nasenwärts vollzieht, kann auch mit anderen Er¬ 
fahrungen belegt werden. 

Mit der Zeißlupe läßt sich leicht feststellen, besonders wenn 
man durch Beschattung des Auges nach gehöriger Dunkeladaptation aus¬ 
giebigste Lichtkontraktion hervorruft, daß die Randteile der Iris wesent¬ 
lich weniger an der Gesamtwirkung der Pupillenbewegung beteiligt 
sind, als das innere Pupillendrittel, welches die Hauptarbeit bei der 
Pupillenverengerung leistet. Bei älteren Leuten mit wenig ausgiebiger 
Pupillenbewegung beschränkt sich diese hauptsächlich auf einen noch 
kleineren Teil der Regenbogenhaut, der bei weitem größere Teil des 
Regenbogenhautgewebes macht dann nur eine minimale Zusammen¬ 
ziehungsbewegung, auch dann, wenn die Pupille exzentrisch liegt, bewegt 
sich nur das innerste Irisdrittel. 

Während nun die Tagespupille, wie oben schon ausgeführt 
wurde, in der großen Mehrzahl der Augen exzentrisch liegt, konnte 
ich in einer Reihe von Fällen feststellen, daß im atropinisierten 
Auge — öfter erst nach mehrtägigen Atropineinträufelungen — 
die zusammengezogene Regenbogenhaut fast kreisrund erscheint. 
Messungen dieser Iriden mit einem Zeißschen Okularmikrometer und 
der Zeißlupe ergaben, daß diese anfangs von mir schätzungsweise 
angenommene Beobachtung sich in der größten Mehrzahl der Fälle 
als richtig erwies 1 ). 

1) Das mir zu diesem Zweck von der Firma Zeiß nach meiner Angabe ge¬ 
lieferte Okularmikrometer — im Huygens Meßokular montiert — trägt einen 15 mm 
langen Maßstab in Vio mm geteilt. Es isf durch diese Länge des Maßstabes möglich, 
Ablesungen der Irisbreiten vorzunehmen, ohne die Lupe zu verschieben, wodurch 
Veränderungen der Pupillenweiten hervorgerufen werden können. 



462 


v. PPLUGK, 


Ist die Pupille nicht vollständig erweitert z. B. nach kleinen 
Eumydrin- oder Homatropindosen, die wir zu diagnostischen Zwecken 
bevorzugen, und bei welchen absichtlich maximale Vergrößerung der 
Pupille vermieden wird, so ist die exzentrische Pupillenlage häufig 
gleich überzeugend wie die Lage der Tagespupille. Aber nicht nur 
bei vollster Atropinwirkung, oft auch schon bei größerer Mittelweite 
der Pupille verliert sich augenscheinlich ihre exzentrische Lage, ein 
Vorgang, den ich mehrfach zu beobachten Gelegenheit hatte; öfters 
war die Tagespupille stark exzentrisch, die Atropinpupille wesentlich 
weniger exzentrisch gelegen. 

Durch die von mir an einer Reihe von Augen festgestellte Tat¬ 
sache, daß die Tagespupille exzentrisch liegt, die Atropinpupille aber 
kreisrund und fast annähernd konzentrisch zum Hornhautrand er¬ 
scheint, wird die Knappsche Beobachtung des Jahres 1860 von 
neuem bestätigt, daß bei Verengerung der Pupille die Exkursion der 
äußeren Radialfasern der Iris größer ist, als die der inneren, daß 
die Pupille sich also nicht von allen Seiten gleichmäßig verengt. 
Aus dem anatomischen Bau der Iris folgt aber ebenso, daß die 
Regenbogenhaut sich nicht konzentrisch verengen kann, denn bei der 
größeren Breite des Schläfenteils der Iris gegenüber dem Nasenteil 
würde gleichmäßige Zusammenziehung aller Regenbogenhautteile nie¬ 
mals eine runde exzentrische Pupillenlage resultieren, die, wie aus 
der Literatur übereinstimmend hervorgeht, und wie ich durch 
Messungen ausdrücklich bestätigen konnte, die Regel ist. 

Zusammenfassung. 

1. Die Verschiebung der Pupille während des Akkoramodations- 
vorganges aus zentraler Lage in exzentrische, wie aus einer 
wenig exzentrischen in eine stark exzentrische Lage ist bei den 
niederen Tieren nicht selten. 

2. Bei einer erheblichen Anzahl von Tiergattungen ist die Tages¬ 
pupille von der zentralen Kreisforra abweichend, bei maximaler 
Pupillenerweiterung (im Dunkeln) haben jedoch die meisten 
Wirbeltiere eine kreisrunde Pupille. 

3. Die menschliche Pupille ist in der Regel nicht zentral gelegen. 

4. Mit der akkommodativen Verengerung der Pupille ist beim 
Menschen eine Verschiebung — meist nasenwärts — verbunden 
(Knapp, Adamük-Woinow [Gullstrand]). 



Beiträge zur Pupillenbewegung. 


463 


5. Die Lichtverengerung der menschlichen Pupille geschieht an¬ 
genähert konzentrisch (Hummelsheim, Heß). 

6. Eine stark exzentrisch gelegene Tageslichtpupille kann bei 
maximaler Mydriasis in einen fast konzentrischen, kreis¬ 
runden, der Hornhaut gleichmäßig anliegenden Gewebsring 
übergehen. 

7. Da am Lebenden durch Messungen und durch photographische 
Abbildungen sich feststellen läßt, daß die exzentrisch gelegene 
Tageslichtpupille bei Mydriasis in einen fast konzentrisch zum 
Hornhautrand gelegenen Ring übergehen kann und da in der 
Regel die nasale Irishälfte der Tageslichtpupille wesentlich 
schmäler ist, als die temporale, so geschieht die Zusammen¬ 
anziehung dieser Pupille aus der Mydriasis zur Miosis un¬ 
gleichmäßig, es gewinnt durch Vergleichung der Irisbreiten 
des durch Einträufelung nicht beeinflußten belichteten und 
des atropinisierten Auges beim Menschen die von Knapp 
und Adamük-Woinow beobachtete Tatsache der Verschie¬ 
bung der Pupille nach einer Seite hin während des Akkommo¬ 
dationsvorganges eine neue Stütze. 



XIX. 


Studien über die Natur der Antikörper bei Malleus. 1 ) 

Von 

Privatdozent Dr. W. Burow, 

Stabsveterinär d. L. I. 


Bekanntlich stehen in unserer Armee und in Deutschland über¬ 
haupt unter den Methoden zur Erkennung der Rotzkrankheit die 
biologischen Untersuchungsverfahren an erster Stelle und das mit 
Recht; denn es kann darüber kein Zweifel obwalten, daß bei der 
Bekämpfung dieser Seuche nur durch die gewissermaßen aus dem 
Boden gestampfte Organisation der militärischen Blutuntersuchungs¬ 
stellen so befriedigende Resultate erzielt worden sind und daß dadurch 
die Gefahr, welche dem Pferdebestande unserer Armee und der Zivil¬ 
bevölkerung drohte, in erträglichen Grenzen gehalten worden ist. 

Bei den Massenuntersuchungen bestand nun aber nicht- nur die 
Möglichkeit, die spezifischen Methoden an sich zu verbessern und zu 
vervollkommnen, auch nach anderer Richtung hin konnte Klarheit über 
verschiedene rein wissenschaftlich interessante Fragen geschaffen werden. 

Während meiner Kriegskomraandierung zur Militär-Veterinär- 
Akademie in Berlin war mir in der sog. Blutuntersuchungsstelle an Hand 
des Untersuchungsmaterials, d. h. an eingesandten Blutproben, die z. T. 
von Pferden stammten, welche an klinisch erkennbarem Rotz erkrankt 


1) Der Verfasser hat die vorliegende Arbeit nicht mehr vollenden können. 
Er erkrankte schwer und ist nach längerem Leiden am 23. Oktober 1917 verschieden. 
Die Arbeit, die uns aus dem Nachlaß zur Verfügung gestellt wurde, bildet ledig¬ 
lich ein Bruchstück. Trotzdem haben wir geglaubt, ihr einen Platz in diesem 
Bande einräumen zu sollen, weil sie der Verstorbene nach Abschluß seiner Unter¬ 
suchungen für die Ellenberger-Festschrift zu verwenden gedachte, und weil sie auch 
in ihrer fragmentarischen Form Versuche bringt, die erkennen lassen, was wissen¬ 
schaftlich erstrebt wurde. Sie kann zudem vielleicht andere Forscher ermuntern, 
auf dem von Burow beschrittenen Wege weiterzugehen. Baum, Joest. 



Studien über die Natur der Antikörper bei Malleus. 


465 


waren, überaus reichlich Gelegenheit gegeben, chemische nnd biologische 
Versuche zu unternehmen und Studien über die Natur der Antikörper 
beim Rotz und über den beim Komplementversuch in Betracht kommen¬ 
den sog. „hemmenden Stoff“ anzustellen. 

Zur Unterstützung wurde mir der Unteroffizier der Reserve Clauß 
beigegeben, dem ich für seine tüchtige Mitarbeit zu Dank verpflichtet bin. 

Ueber das Wesen der Antikörper ist nur wenig bekannt. Eine 
Eigenschaft, die allen Antikörpern eigen ist, gab Veranlassung, diese 
große Gruppe von Stoffen unter einem Namen zusammenzufassen; sie 
sind nämlich alle streng spezifisch, d. h. sie wirken nur auf das 
Antigen, durch welches sie verursacht wurden. In dieser Spezifizität 
ihrer Reaktion liegt gleichzeitig ihr wichtigstes Unterscheidungsmerk¬ 
mal. Je nach der Herkunft des Antigens teilen wir die Antikörper 
ein in solche bakteriellen, tierischen und pflanzlichen Ursprungs. Das 
Unterscheidungsmerkmal jedoch, das uns hier am meisten interessiert, 
ist bedingt durch die Art der Reaktion der Antikörper mit dem 
Antigen. Wir trennen die Antikörper z. B. in Antitoxine, ihnen kommt 
die Fähigkeit zu, Toxine zu neutralisieren, ihre Giftwirkung aufzuheben, 
und Lysine. Unter letzteren verstehen wir jene Gruppe von Anti¬ 
körpern, welche dadurch wirkt, daß sie die ihnen als Antigen dienenden 
Zellen auflösen. Weiter kennen wir Präzipitine, Agglutinine, Opsonine, 
Tropine, die alle ihre Benennung von ihrer Wirkungsart haben. 

Eine Reindarstellung der Antikörper ist bisher nicht möglich ge¬ 
wesen. Unsere Kenntnisse über ihre chemische Struktur sind daher 
sehr gering. Wir wissen nicht, ob sie Eiweißstoffe sind, jedenfalls 
stellen sie große Moleküle von kolloidaler Beschaffenheit dar. Beim 
Passieren durch gewöhnliches Filtrierpapier büßen sie schon etwas 
von ihrer Wirksamkeit ein und von ganz engen Bakterienfiltern werden 
sie zum großen Teil zurückgehalten; durch tierische Membranen gehen 
sie nicht hindurch. 

Das Verhalten der Antikörper chemischen und physikalischen 
Einflüssen gegenüber ist verschieden. Sie zeigen hauptsächlich die 
Eigenschaften des Serums oder eines Eiweißkörpers desselben, an 
welchen sie gebunden sind! Verdünnte Säuren und Alkalien schädigen 
die Antikörper bei niedriger Temperatur nicht (bis 37°), während 
saure Reaktion bei höheren Temperaturen (drei Tage bei 37°) einen 
ungünstigen Einfluß auf die meisten Antikörper hervorruft. Durch 
starke Säuren und fixe Alkalien werden sie zerstört. Wie letztere, wirken 

Archiv f. wissenseh. u. prakt Tierheilk. Bd. 44. Sappl. 30 



466 


W. BUROW, 


auch Harnstoff und Amide. Schwefelharnstoff verhält sich ähnlich. 
Formaldehyd macht die Eiweißkörper inkoagulabel und hebt die Wirkung 
der Antikörper auf. Alkohol fällt zahlreiche Immunkörper und 
schwächt sie allmählich bis zur völligen Wirkungslosigkeit ab. Gegen 
Aether und Chloroform scheinen die Antikörper ziemlich resistent 
zu sein. 

Siedehitze zerstört die Antikörper sofort; bei 60° bis 70° tritt eine 
mehr oder minder große Schädigung ein. Im getrockneten Zustande 
dagegen vertragen die Seren bedeutend höhere Hitzegrade. Gegen 
tiefere Temperaturen sind sie unempfindlich. 

Der Sauerstoff der Luft, Wasserstoff, Kohlensäure sowie direktes 
Licht wirken zerstörend auf die Immunkörper. Nach Müller ist 
gelbes und rotes Licht unschädlich, dagegen blaues und grünes sehr 
schädlich. Die ultravioletten Strahlen machen antitoxische Seren 
unwirksam. Verschiedene Forscher fanden, daß die Galle bei Be¬ 
lichtung durch photodynamische Wirkung Antitoxin zerstören kann. 

Trotz zahlreicher Versuche, die hypothetischen Antikörper zu 
isolieren, ist deren Trennung von den Eiweißkörpern des Serums noch 
nicht geglückt. Da alle Mittel, welche die Eiweißkörper denaturieren, 
auch die Immunkörper vernichten, mußte man naturgemäß zu solchen 
Methoden seine Zuflucht nehmen, welche eine Trennung der Eiwei߬ 
körper des Serums ermöglichen. Es ging somit die Isolierung der 
Antikörper parallel mit der Differenzierung der Eiweißkörper im 
Serum. 

Der Eiweißgehalt des Serums beträgt 6 bis 11 v. H. Wir kennen 
jetzt drei Eiweißstoffe im Säugetierserum: Das Serumalbumin, das 
Serumglobulin und ein Nukleoproteid, das für die Antikörpergewinnung 
nicht in Frage kommt. 

Meine eigenen Versuche bezweckten in erster Linie, über die 
Natur des „hemmenden Stoffes“ bei der Koraplementablenkung, den wir 
näher nicht kennen, Aufschluß zu erhalten. Zu diesem Zweck mußte 
nach Möglichkeit eine Trennung der Bestandteile des Blutserums vor¬ 
genommen werden. Diese Trennung konnte nur darin bestehen, daß 
vor allen Dingen die vorhandenen Eiweißstoffe einzeln ge¬ 
fällt wurden. Ohne mich auf theoretische Erörterungen einzulassen, 
führe ich im Nachstehenden aus der großen Anzahl der Versuche nur 
die positiv verlaufenen an, die selbstverständlich durch zahlreiche 
Nachprüfungen auf ihre Richtigkeit hin kontrolliert worden sind. 



Studien über die Natur der Antikörper bei Malleua. 


467 


Versuch I. 

Resultat bei der Dialyse. 

10 ccm aktives Rotzserum werden nach Zusatz der doppelten Menge 
physiologischer Kochsalzlösung (=20 ccm) 17 Stunden der Dialyse 
unterworfen. Von dem Serum und der außerhalb des Dialysier- 
schlauches befindlichen Kochsalzlösung wurden verschiedene Kom- 
plernentversuche angesetzt. 

I. 0,1 ccm Serum II. 0,2 ccm Serum III. 0,4 ccm Serum 

0,9 „ physiologische 0,8 „ physiologische 0,6 „ physiologische 

Kochsalzlösung Kochsalzlösung Kochsalzlösung 

Desgleichen von der außerhalb des Dialysierschlauches befindlichen Kochsalz¬ 
lösung. 

IV. 0,1 ccm V. 0,2 ccm VI. 0,4 ccm 

0,9 „ physiologische 0,8 „ physiologische 0,6 „ physiologische 

Kochsalzlösung Kochsalzlösung Kochsalzlösung 

Nach der Inaktivierung bei 58° wurden obige Versuchsreihen mit 1 ccm 
Extrakt + 1 ccm Komplement binden gelassen und sodann 2 ccm System zugesetzt. 

Ergebnis: Bei I—III vollständige Hemmung, 

„ IV—VI * Lösung. 

Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß der „hemmende 
Stoff 44 tierische Membranen nicht zu dürchdringen vermag 
und somit von kolloidartigem Charakter sein muß. 

* 

Versuch II. 

6 ccm aktives Rotzserum und die gleiche Menge aktives Normai- 
serura werden mit 20 ccm Aqua destillata verdünnt und vorsichtig 
mit 6 ccm Vioo Normal-Essigsäure gefällt. Nach längerem Stehen 
wird zentrifugiert. Die fest am Boden anhaftenden Globuline werden 
schnell mit H 2 0 abgespült und dann in 20 cc'm physiologischer Koch¬ 
salzlösung + 1 Tropfen 7io Normal-NaOH unter Zuführung von etwas 
Wärme gelöst. 

Komplementversuch. 

Rotzserum: Normalserum: 

1 ccm obiger Lösung = 0,3 ccm R.S. 1 ccm obiger Lösung = 0,3 ccm N.S. 
inaktivert inaktiviert 

1 „ Extrakt 1 „ Extrakt 

1 „ Komplement 1 „ Komplement 

2 „ System. 2 „ System. 

Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß der „hemmende 
Stoff“ nicht zu den mit Essigsäure fällbaren Globulinen 
gehört (Fibrinoglobuline). 




80 * 



468 


W. BUROW, 


Die Salzlösungen werden zu wiederholten Malen mit Aether aus¬ 
geschüttelt, der Aetherauszug bei ganz gelinder Temperatur verdunsten 
gelassen und der in ganz geringer Menge resultierende Aetherrückstand 
in 1 Tropfen 1 : 10 Alkali -f 5 ccm physiologischer Kochsalz¬ 
lösung gelöst. 


Komplementversuch. 


Rotzserum: 

1 ccm obiger Lösung = 06 ccm R.S, 
inaktiviert 
1 „ Extrakt 

1 „ Komplement 

2 „ System 

Lösung. 


Normalserum: 

1 ccm obiger Lösung - 0,6 ccm N.S. 

inaktiviert 
1 „ Extrakt 

1 „ Komplement 

2 „ System 

Lösung. 


Die mit Aether ausgeschüttelte Serumverdünnung wird mit 
Vio Normal-NaOH-Lösüng ganz schwach alkalisch gemacht, der 
zurückgehaltene Aether durch Durchblasen bei geringer Wärme zum 
Verdunsten gebracht und durch Hinzu fügen der berechneten Menge 
25 proz. Kochsalzlösung auf einen Gehalt von 0,85 v. H. Kochsalz 
gebracht. 


Komplement versuch. 

Rotzserum: Normalserum: 

1,2 ccm obiger Lösung = 0,3 ccm R.S. 1,2 ccm obiger Lösung = 0,3 ccm N.S. 


inaktiviert 


inaktiviert 

1,0 „ Extrakt 

1,0 „ 

Extrakt 

1,0 „ Komplement 

1,0 „ 

Komplement 

2,0 „ System 

2,0 . 

System 


Vollständige Hemmung. Vollständige Lösung. 

Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß der „hemmende 
Stoff“ in Aether unlöslich ist. 


Versuch HI. 

5 ccm aktives Rotzserum und die gleiche Menge aktives Normal¬ 
serum werden mit 20 ccm Aqua destillata verdünnt und mit 4,7 g 
wasserfreien Natriumsulfats die Globuline ausgefällt. Nach Stehen¬ 
lassen wird zentrifugiert und die fest am Boden haftenden Globuline 
in 10 ccm Aqua destillata gelöst und solange dialysiert, bis alles 
Natriumsulfat entfernt ist. 

Sowohl im Rotz- als auch im Normalserum hat sich ein flockiger 
Niederschlag abgesetzt, der, abzentrifugiert, in 10 ccm 0,85 proz. 
Kochsalzlösung -f- 1 Tropfen 1 / 10 Normal-NaOH-Lösung opaleszierend 
gelöst wird. 



Studien über die Natur der Antikörper bei Malleus. 


469 


Rotzserum: 


Komplementversuch. 

Normalserum: 


1,0 ccm obiger Lösung = 0,5 ccm R.S. 

inaktiviert 
1,0 „ Extrakt 
1,0 „ Komplement 
2,0 „ System 

Schwache Hemmung. 


1,0 ccm obiger Lösung = 0,5 ccm 
inaktiviert 
1,0 „ Extrakt 
1,0 „ Komplement 
2,0 „ System 

Lösung. 


N.S. 


Die globulinhaltige Lösung wird durch Zufügen der berechneten 
Menge 25 proz. Kochsalzlösung auf 0,85 v. H. Kochsalz gebracht und 
davon 


Komplement versuch. ) 

Rotzserum: • Normalserum: 

1,0 ccm obiger Lösung = 0,25 ccm R.S. 1,0 ccm obiger Lösung = 0,25 ccm N.S. 

inaktiviert inaktiviert 

1,0 * Extrakt 1,0 „ Extrakt 

1,0 w Komplement 1,0 „ Komplement 

2,0 „ System 2,0 „ System 

Vollständige Hemmung Lösung. 

Die von den Globulinen durch Fällung mit 4,7 g wasserfreien 
Natriumsulfats befreite Lösung wird der Dialyse unterworfen, bis alles 
Sulfat entfernt ist, und auf einen Gehalt von 0,85 v. H. Kochsalz 
gebracht. 


Komplementversuch. 

Rotzserum: Normal serum: 

1,2 ccm obiger Lösung = 0,2 ccm R.S. 1,2 ccm obiger Lösung = 0,2 ccm N.S. 



inaktiviert 

inaktiviert 

1,0 , 

Extrakt 

1,2 „ Extrakt 

1.0 * 

Komplement 

1,0 „ Komplement 

2,0 „ 

System 

2,0 * System 


Vollständige Lösung. Vollständige Lösung. 

Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß der „hemmende 
Stoff“ nicht zu den Albuminen, sondern zu den mit Natrium¬ 
sulfat ausfällbaren Globulinen, und zwar den wasserlös¬ 
lichen gehört. 


Versuch IV. 

6 ccm Rotzserum und die gleiche Menge Normalserura werden 
mit 20 ccm Aqua destillata verdünnt und die Eugiobuline durch 
Hinzufügen von 38 proz. Ammonsulfat gefällt und zentrifugiert. 

Die abzentrifugierten Eugiobuline werden in 10 ccm Aqua destil¬ 
lata gelöst und mehrere Tage dialysiert, bis kein Ammonsulfat mehr 
nachweisbar ist. Es haben sich viele ausgefallene Flocken zu Boden 



470 


W. BUROW, 


gesetzt. Die abzentrifugierte klare Flüssigkeit wird wiederum auf 
einen Kochsalzgehalt von 0,85 v. H. gebracht und im Komplement¬ 
versuch geprüft. 

Komplementversuch. 

Rotzserum: Normalserum: 

1,0 ccm obiger Lösung = 0,3 ccm R.S. 1,0 ccm obiger Lösung = 0,3 ccm N.S. 



inaktiviert 

inaktiviert 

1.0 . 

Extrakt 

1,0 „ Extrakt 

1,0 . 

Komplement 

1,0 „ Komplement 

2,0 . 

System 

2,0 „ System 


Hemmung. Lösung. 

Der abzentrifugierte Niederschlag wurde in 10 ccm physiologischer 
Kochsalzlösung gelöst und folgender Komplementversuch angestellt. 


Komplementversuch. 


Rotzserum: 

1,0 ccm obiger Lösung = 0,6 ccm R.S. 

inaktiviert 
1,0 „ Extrakt 

1,0 „ Komplement 
2,0 „ System 

Lösung. 


Normalserum: 

1,0 ccm obiger Lösung = 0,6 ccm N.S. 

inaktiviert 
1,0 „ Extrakt 
1,0 „ Komplement 
2,0 „ System 

Lösung. 


Der hemmende Stoff ist also nicht darin vorhanden. 
In der von den Euglobulinen befreiten Flüssigkeit wird nunmehr der 
Gehalt an Aramonsulfat auf 46 v. H. gesteigert, wodurch die Pseudo¬ 
globuline gefällt werden. Dieselben werden in 10 ccm Aqua destillata 
gelöst, bis zur Erschöpfung dialysiert und die Lösung sodann durch 
Hinzufügen der berechneten Menge von 25 proz, Kochsalzlösung auf 
0,85 v. H. NaCl gebracht. 


Komplet 

Rotzserum: 

1,0 ccm obiger Lösung = 0,35 ccm R.! 

inaktiviert 
1,0 „ Extrakt 
1,0 „ Komplement 
2,0 „ System 

Lösung. 

Aus diesen Versuchen e 
Stoff“ nicht zu den Pseu 
wasserlöslichen Euglobuline 


en tversuch. 

Normalserurn: 

1,0 ccm obiger Lösung = 0,35 ccm N.S. 

inaktiviert 
1,0 „ Extrakt 
1,0 „ Komplement 
2,0 „ System 

Lösung. 

'gibt sich, daß der „hemmende 
ioglobulinen, sondern zu den 
a gehört oder daran haftet. 


Versuch V. 

5 ccm aktives Rotzserum und das gleiche Quantum aktives Normal¬ 
serum werden mit 5 ccm Wasser verdünnt und mit 15 ccm 98 proz. 



Studien über die Natur der Antikörper bei Halleus. 


471 


Alkohol die Eiweißstoffe gefällt. Nach längerem Stehenlassen (12 bis 

24 Stunden) wird zentrifugiert und der Niederschlag nach Entfernung 
der anhaftenden Spuren des Alkohols durch schnelles Abspülen mit 
Wasser, gelindes Erwärmen und Durchblasen in 10 ccm Aqua destillata 
unter Zuhilfenahme ganz schwachen Erwärmens zu lösen versucht. 
Nach dem Zentrifugieren resultiert ein großer Niederschlag von nicht 
gelösten Eiweißstoffen und eine darüber stehende Lösung. Die opales¬ 
zierende Lösung wird durch Hinzufügung der berechneten Menge 

25 proz. Kochsalzlösung auf 0,85 v. H. NaCl gebracht. 


Komplem 

Rotzserum: 

0,5 ccm obiger Lösung = 0,25 ccm R.S 
0*5 „ physiologische NaCl-Lösung 
inaktiviert 
1,0 „ Extrakt 
1,0 * Komplement 
2,0 „ System 

vollständige Lösung. 


entversuch. 

Normalserum: 

0,5 ccm obiger Lösung = 0,25 ccm N.S. 
0,5 * physiologische NaCl-Lösung 
inaktiviert 
1,0 „ Extrakt 
1,0 w Komplement 
2,0 * System 

Lösung. 


Hieraus ergibt sich, daß der mit Alkohol gefällte 
„hemmende Stoff“ in Wasser löslich ist. 

5 ccm obiger Lösung werden sodann 20 Minuten lang auf 70° C 
erhitzt und wiederum im Komplementversuch geprüft: 

Rotzserum: Normalserum: 

0,5 ccm obiger auf 70° erhitzter Lösung 0,5 ccm obiger auf 70° erhitzter Lösung 
= 0,25 ccm R.S. = 0,25 ccm N.S. 

0,5 „ physiologische Kochsalzlösung 0,5 „ physiologische Kochsalzlösung 
inaktiviert inaktiviert 

1,0 „ Extrakt 1,0 „ Extrakt 

1,0 „ Komplement 1,0 „ Komplement 

2,0 „ System 2,0 w System 

Lösung. Lösung. - 


Hieraus ergibt sich* daß der „hemmende Stoff“ durch 
20 Minuten langes Erhitzen bei 70° C zerstört wird. 

Von der alkoholischen Flüssigkeit werden 2,5 ccm vorsichtig 
eingedampft und der Abdampfrückstand mit 1 ccm physiologischer 
Kochsalzlösung aufgenommen. 


Komplementversuch. 


Rotzserum: 

1,0 ccm obiger Lösung = 0,5 ccm R.S. 

inaktiviert 
1,0 * Extrakt 
1,0 „ Komplement 
2,0 „ System 

Lösung. 


Norraalserum: 

1,0 ccm obiger Lösung = 0,5 ccm N.S, 
inaktiviert 
1,0 „ Extrakt 
1,0 „ Komplement 
2,0 „ System 

Lösung. 



472 W. BUROW, Studien über die Natur der Antikörper bei Malleus. 


Hieraus ergibt sich, daß der „hemmende Stoff“ durch 
einen bestimmten Alkoholzusatz vollständig fällbar ist. 

Versuch VL 

Je 5 ccm aktives Rotz- und Normalserum werden mit 5 ccm 
Aqua destillata verdünnt und mit 15 ccm 98 proz. Alkohol gefällt. 
Nach längerem Stehen (12 bis 24 Stunden) wird der zentrifugierte 
Niederschlag, nachdem derselbe vorsichtig mit wenig Wasser ab¬ 
gespült und mittels Durchblasen der anhaftende Alkohol entfernt ist, 
in 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung unter gelindem Erwärmen 
zu lösen versucht. Nach dem Zentrifugieren resultiert eine schwach 
opaleszierende Flüssigkeit. 

Komplementv ersuch. 

Rotzserum: Normalserum: 

0,5 ccm obiger Lösung = 0,25 ccm R.S. 0,5 ccm obiger Lösung = 0,25 ccm N.S. 


0,5 

„ physiologische Kochsalzlösung 
inaktiviert 

0,5 „ 

physiologische Kochsalzlösung 
inaktiviert 

1,0 

„ Extrakt 

1,0 , 

Extrakt 

1,0 

„ Komplement 

1,0 * 

Komplement 

2,0 

„ System 

vollständige Hemmung. 

2,0 „ 

System 

Lösung. 


Aus diesem Versuch ergibt sich, daß der mit Alkohol 
vollständige ausgefällte „hemmende Stoff“ in 0,85 proz. 
Kochsalzlösung löslich ist. 

Die beste und vollständigste Lösung konnte erzielt werden, wenn 
der Kochsalzlösung Spuren eines Alkalis zugesetzt wurden, und zwar 
2 Tropfen Vioo Normal-Natronlauge. 



XX. 


Neue Dichtung vom Tiere. 

Von 

Geh. Hofrat Prof. Dr. Walzel. 


In der Dichtung vom Tiere läßt sich seit einiger Zeit eine nicht 
unbeträchtliche Verschiebung beobachten. Uralte Gewohnheit der Fabel 
ist, vom Tiere zu reden und den Menschen zu meinen. Glaubte doch 
Lessing, den Rfrauch der Fabel, Tiere reden und handeln zu lassen, 
schlechthin auf die „allgemeine Bestandheit“ der Tiercharaktere zurück¬ 
führen zu dürfen. Der Wolf und das Lamm drücken den Gegensatz, 
den die Fabel versinnlichen will, besser und schärfer, vor allem 
gemeinverständlicher aus als die Menschen Nero und Britannicus. So 
folgerte Lessing. Ihm war das Tier in der Fabel ausschließlich nur 
Maske für Menschliches, und zwar eine Maske, die eindeutiger ist als 
das, was sie verhüllt. In neuerer Zeit wird das Tier um seiner selbst 
willen dichterisch erfaßt. Es soll nicht länger nur als bequemes Mittel 
dienen, in abgekürzter Form den Menschen zu versinnlichen. Es will 
sein eigenes Recht finden. Es möchte seine eigenen Leiden und Freuden 
zum Ausdruck gelangen lassen. 

Bei Gelegenheit von Rostands „Chantecler“ suchte ich einiges 
über diese Wandlung in einem Aufsatze zu sagen, der in meiner 
Sammlung „Vom Geistesleben des 18. und 19. Jahrhunderts“ (Leipzig 
1911, S. 528ff.) abgedruckt ist. Rostands Vogeldrama steht dem 
alten Brauche sehr nahe. Ich bezeichnete Rostand deshalb alseinen 
„Lafontaine redivivus“ und brachte ihn zu Josef Viktor Widmann 
in Gegensatz; Widmanns „Maikäferkomödie“ und besonders seine 
Dichtung „Der Heilige und die Tiere“ kommen den neueren Wünschen 
der Tierdichtung weit besser nach. 

Der Unterschied einer Dichtweise, die in Tieren nur verkappte 
Menschen vorführt, und einer Dichtweise, die im Tier vor allem das 
Tier darstellen, die dem Tier in die Seele blicken will, ist freilich 
nicht leicht zu verwirklichen. Seelenvorgänge des Tieres können wir 



474 


WALZEL, 


nur aus unserer Kenntnis der menschlichen Seele erschließen. Wenn 
irgendwo, so ist in diesem Fall der Mensch das Maß der Dinge. 
Nicht nur Dichter, die von inneren Erlebnissen der Tiere berichten, 
schreiben den Tieren menschliches Wollen, Fühlen und Denken zu; 
auch die Naturwissenschaft kann die Schwierigkeit nicht überwinden, 
auch sie mutet mehr oder minder vorsichtig dem Tiere zu, was der 
Mensch nur an sich selbst beobachten kann. Vollends Wilhelm 
Bölsches Entwicklungsgeschichte der Liebe „Das Liebesieben in der 
Natur“ wetteifert mit dichterischer Freiheit bei der seelischen Wertung 
der Liebesvorgänge im Tier. Der Eintagsfliege sagt Bölsche nach: 
ein Augenblick der Seligkeit und der Lenz ist hin. Er berichtet von 
dem Blitz höchster Gefühlsauflösung, der so Heringsmännchen wie 
Heringsweibchen durchfährt. Ist da nicht auch der verkappte Mensch 
zu spüren? 

Mit einiger Sicherheit lassen sich nur die gegensätzlichen Rich¬ 
tungen unterscheiden, die von Tierdichtern eingeschlagen werden. Der 
eine kommt vom Menschen und sucht nach Zügen des Tieres, die 
zutreffend bezeichnen, was an Menschen zu beobachten ist; der andere 
geht vom Tier aus und will es aus seiner Kenntnis des Menschen 
verstehen. Auch Bölsche geht den zweiten Weg, auch er denkt nicht 
von weitem an die Absichten alter Fabeldichtung. 

Rostands „Chantecler“ steht nicht schlechtweg auf dem Stand¬ 
punkt alter Fabeln. Er greift mitunter hinüber in das Gebiet einer 
Dichtung, der das Tier und dessen Seele Selbstzweck ist. Jüngste 
Dichter gehen indes nicht nur viel weiter als Rostand, auch weiter 
als Widmann. Als besonders bezeichnendes Merkmal unserer Neuesten 
kann das eifrige Streben gelten, sich ins Tier einzufühlen und seine 
Seelenvorgänge ihm abzulauschen. Ein paar bemerkenswerte Belege 
seien vorgebracht. Ich verzichte dabei auf Dichtungen, die nicht 
vom Blickpunkt des Tieres gesehen und gefaßt sind. Sicherlich ist 
Marie von Ebner-Eschenbachs Hundegeschichte „Krambambuli“ ein 
Meisterstück der Einfühlung in die Seele des Tiers. Aber so wenig 
wie ihre kleine Erzählung „Die Spitzin“ oder wie ihres Landsmanns 
Ferdinand von Saar Novelle „Tambi“ sei „Krambambuli“ hier ein¬ 
bezogen. Auch Per Hallströms „Löwe“ (die Erzählung findet sich, 
übertragen von Marie Franzos, in dem Bande „Ein geheimes Idyll 
und andere Novellen“ von 1904 des Inselverlags) muß ausscheiden. 
Sonst wären ja alle Jagderzählungen zu berücksichtigen, ja alle Ge¬ 
schichten von Hunden bis zu den Dackelwitzen der „Fliegenden Blätter“. 



Neue Dichtung vom Tiere. 


475 


Wie leicht die Grenze sich ziehen läßt, lehrt des frühgefallenen 
Heidedichters Hermann Löns Sammelband „Mümmelmann“ (1909). 
Was Löns von dem alten Rammler Haanrich Mümmelmann berichtet, 
ist Tierdichtung im engeren Sinn des Wortes. „Der Mörder“ ist bloße 
Jagdgeschichte, „Das Eichhörnchen“^gar nur ein Stück Naturbeob¬ 
achtung. Mümmelmann gehört überdies durchaus in das Gebiet der 
Tierdichtung, die nicht fabelmäßig von verkappten Menschen erzählt. 
Mümmelmann ist nicht eigentlich ein wackerer und tatkräftiger Mensch, 
der im Widerstand gegen rohe Gewalt sich und seine Genossen wohl 
zu wahren versteht. Er ist vor allem Hase, nicht nur weil er „hoppelt“ 
oder mit dem Hinterlauf „klopft“ oder „einen Kegel macht“ oder 
„die Löffel spitzt“. Vielmehr ist der ganze Vygang vom Standpunkt 
des Hasen genommen. So mag dem gehetzten Tiere zumute sein, so 
empfände und erlebte ein Mensch, wenn er sich völlig an die Stelle 
eines Hasen versetzen könnte. Die genaue Kenntnis vom Leben und 
Treiben des Hasen, die der erfahrene Weidmann Löns besaß, leiht 
der Erzählung den Anschein voller Echtheit. 

Bei weitem weniger auf solche Echtheit ist der „Hasenroman“ 
des französischen Lyrikers Francis Jammes angelegt. Jakob Hegner 
stiftete den „Weißen Blättern“ (Jahrg. 3, Heft 7, S. 17flf.) eine Ueber- 
tragung der sinn- und phantasicvollen, stark lyrisch gehaltenen Er¬ 
zählung. Die Einkleidung ist fast ganz nur Symbol. Hoffnungen auf 
das Paradies, Erfüllungen dieser Hoffnungen sind der Inhalt. Dem 
Tier wird das alles zugeschrieben, aber gedacht ist tatsächlich an 
menschliches Fühlen. Das wird nicht durchaus mit alter Technik der 
Fabel vorgetragen. Der Hase, der Sperber, die Tauben, das Schaf und 
das Lamm, die drei ärmlichen Hunde mit Stachelhalsbändern, der alte 
Wolf, die im Gefolge des heiligen Franziskus einherziehen und endlich 
in ihren Himmel gelangen, sollen nicht einzig und allein Menschen 
von verschiedener seelischer und sittlicher Veranlagung bedeuten. 
Allein die Unterschiede, die zwischen diesen Tieren walten, weisen 
schon hin auf die „allgemeine Bestandheit“ ihrer Charaktere. Wenn 
Jammes das feindselige Zusammentreffen, das in der Fabel so gegen¬ 
sätzlichen Tieren selbstverständlich ist, ausschaltet und in Franziskus 
den liebevollen Versöhner aller Widersprüche der Tierwelt zeichnet, 
so verwertet er nur, was schon im „Chantecler“ anklingt, der gleich¬ 
falls dieses Erlösers der Tierwelt gedenkt. Völlig nur Umsetzung 
von menschlichen Hoffnungen ins Tierleben ist das Paradies, das sich 
in Jammes’ Dichtung offenbart: ein Himmel, in dem jeder seine 



476 


WALZEL, 


Lust findet, wo er sie sucht, eine Wiederaufnahme des irdischen Lebens 
in gesteigerter Form. Im Bild des Tierlebens wird das ausgemalt, 
weil es anschaulicher ist. Ganz fabelmäßig kann rascher und ein¬ 
deutiger gesagt werden, wo der Hund oder dieJFaube oder der Wolf 
seine Lust sucht und findet, als wenn von Menschen verschiedener 
Veranlagung gesprochen würde. Die schöpferische Kraft des Dichters 
aber bewährt sich in der Abzeichnung der himmlischen Welt, die den 
Träumen der Tiere zur Verwirklichung verhilft. Da entschwindet 
unserem Gefühl die Verwandtschaft mit menschlichem Gehaben. Da 
erweckt Jammes den Eindruck, als sehe er alles nur vom Gesichts - 
winkel seiner Tiertypen. 

Den vollsten Gegensatz zu Jammes’ Abwandlung des alten 
Schemas der Fabel stellt des Schweden Aage Madelung Erzählung 
„Der Sterlett“ dar. Deutsch erschien die Novelle in der „Neuen 
Rundschau“ (1910, S. 212fF.). Sie enthält die Lebensgeschichte eines 
Sterletts, von diesem selbst erzählt. Da ist alles darauf angelegt, 
das ganz Eigentümliche im Erleben eines Sterletts herauszuarbeiten, 
da soll an keiner Stelle hinter der Maske des Fisches ein Menschen¬ 
antlitz sich zeigen. Ausgiebige Kenntnis der Lebensgewohnheiten des 
Sterletts arbeitet mit und weist der Erfindungsgabe des Dichters den 
Weg. Der Sterlett berichtet, wie er aus dem Winterschlaf erwacht, 
wie er sich den Schlamm aus den Augen reibt und den, der das 
Maul zusammenklebt, verschluckt, dann frisches Wasser durch seine 
Spritzlöcher spritzt und seine Glieder streckt. Wie er sich mit seinen 
Gefährten zu Schwärmen ordnet und, während er gegen den Strom 
aufwärts schwimmt, mit vorgestrecktem Maul ununterbrochen frißt, 
was ihm ins Maul gerät. Wie der Schlamm, der am Grunde liegt 
und gärt, ihn manchmal ganz betrunken macht. Wie er ununter¬ 
brochen laicht, bis er so müde wird wie vor dem Winterschlaf. Von 
den großen Fischen ist die Rede, die ganz auf der Oberfläche schwimmen 
und das Wasser hinter sich mit rollenden Flossen schaufeln, daß es 
noch lange im Strom wirbelt und kocht. Der Sterlett erfährt auch, 
daß solche Fische zuweilen Petroleum in den Fluß spritzen. Man 
bekomme einen schlechten Geschmack im Mund und werde herb im 
Fleisch, so daß man nicht mehr recht schwimmfroh sei. Und so 
geht es weiter. Einmal steigt der Sterlett ganz durch das Wasser 
hinauf, so hoch, daß er die Augen draußen hat in dem seltsam Dünnen 
und Weichen, das über dem Wasserkörper ist, und er das Glänzende sieht, 
von dem silberblaues Licht kommt. Das Schönste jedoch von allem, 



Neue Dichtung vom Tiere. 


477 


was glänzt, ist ihm das scharfe, blanke Ding, das ab und zu ins 
Wasser herunterhängt. Den Erzähler wie seine Genossen lockt es, 
sich diesem Ding zu nähern, darum herumzuspringen, dicht daran 
vorbeizustreifen, bloß um ganz leicht daran zu rühren. Fast jede 
Nacht kommt es vor, daß einer mitten im Spielen und Springen 
plötzlich stillsteht im Wasser. Das kleine Spielzeug sitzt dann ganz 
fest in seinem Bauch. Seltsam ist, wie er so still und unbeweglich 
und glückselig dasteht. Eines Nachts, als der Erzähler gerade nach 
Herzenslust mit dem blanken Ding spielte, verspürte er plötzlich einen 
harten Ruck und einen süßen und bitteren Schmerz mitten durch. 
Alles war so wunderbar in ihm. Es war wie mitten in der Laichzeit. 
Kleine leckere Dinge fließen vorüber, ohne daß er bei ihrem Anblick 
das Geringste empfindet. Ihm ist, als würde er so groß, wie wenn 
er selbst der Strom wäre mit all seinem mächtigen Wasser. Nach 
und nach wird es immer heller. Plötzlich muß er aufhören zu atmen. 
Etwas umfaßt ihn, daß es ihm weh tut. Und sofort ist er in einem 
kleinen dunkeln Wasser zusammen mit andern, die so müde und 
nachdenksam stehen wie er selbst. Nach einiger Zeit kommt er in 
neues, großes, weißes Wasser, das so trocken ist, daß er fast zerplatzt. 
Aber er vergißt das gleich; denn er fühlt, daß er in viele Teile zer¬ 
teilt wird. Es ist ihm, als würde er zu vielen, vielen kleinen lebendigen 
Fischen, die doch alle er wären. Alle diese kleinen Fische kommen 
in ein kleines Loch und stehen wie beim Winterschlaf im Kreis herum. 
Langsam wird das Wasser kälter. Zuletzt schmerzt es wie Eis. Er 
selbst wird matt und schwer und schläfrig . . . Hier brechen die 
Mitteilungen des Sterletts ab. Ein Wort Madelungs verrät, daß 
gleichzeitig der Fisch vom Feuer genommen wird, damit er nicht 
verkoche. 

Der ganze Bericht gibt sich als traumhaftes Gesicht. Madelung 
führt ihn ein mit der Wendung: „Während wir saßen und auf den 
Kessel starrten, wo der zerteilte Sterlett sich noch in dem kochenden 
Wasser krümmte und wand, ward so viel erzählt von seiner Lebens¬ 
weise, daß mir war, als sei ich selbst zusammen mit ihm drunten im 
Strom gewesen ... Ja wohl! Jetzt erinnere ich mich! . . .“ Noch 
in solcher Einkleidung bleibt Madelungs.Fischmärchen ein kühnes 
Wagnis. Es versucht restlose Einfühlung in das Dasein und das 
Gefühl eines Fisches von ganz besonderer Art. Im Gegensatz zu 
Bölsches Brauch, die Verwandtschaft menschlichen und tierischen 
Gefühls zu betonen, legt Madelung das volle Gewicht auf den Gegen- 



478 


WALZEL, 


satz des inneren Erlebens von Fisch und Mensch. Er getraut sich, 
dieses Erleben noch über die Grenzen hinaus zu verfolgen, innerhalb 
deren menschliches Erleben uns bekannt ist. Er meldet noch von 
Zuständen, die nach dem Augenblick eintreten, der für den Menschen 
Tod und damit völliges Erlöschen des Bewußtseins bedeutet. Er stützt 
sich natürlich hier wie sonst auf physiologische Eigenheiten, die dem 
Fisch im Gegensatz zum Menschen angehören. Die Wissenschaft hat 
dem Dichter den Weg gebahnt. r Allein ich bezweifle, daß sie ihm 
durchaus zustimmen, daß sie zugeben kann, ein Fisch, mag sein 
Nervensystem immerhin anders beschaffen sein als das des Menschen, 
könne nach seiner Zerstückelung noch all das empfinden. Allein ich 
bin auf diesem Feld nur Laie und überlasse daher gern andern die 
Entscheidung. Dagegen erkennt auch der Laie, welche Hemmungen 
sich überhaupt auf Schritt und Tritt in einer Darstellung aufdrängen, 
die gleich der Novelle Madelungs das besondere, ganz unserem 
Fühlen widersprechende innere Erleben eines Fisches kennzeichnet und 
dennoch nicht der Vorstellungswelt des Menschen entraten kann. 
Wirklich vermag Dichtung dem Ziel, das sich ihr hier auftut, nur sich 
zu nähern, sie kann es nie ganz erreichen. Ein Kompromiß entsteht 
und ist unumgänglich, ganz wie, ja noch weit mehr als auf dem Ge¬ 
biet geschichtlicher Dichtung, die den Gegensatz des Lebensgefühls 
von einst und jetzt herausarbeitet, den Menschen einer fernen Ver¬ 
gangenheit nichts zumuten will, was ihrer Entwicklungsstufe nicht 
entspricht, und gleichwohl das Vorstellungsleben längstvergangener 
Zeiten nur aus unserer eigenen Vorstellungswelt kenntlich machen 
kann. Die Gefahren, die von F. Th. Vischers witziger Pfahlbau¬ 
geschichte in seinem Roman „Auch Einer“ gekennzeichnet werden, 
gelten doppelt und dreifach für Tiergeschichten von der Art des 
„Sterletts“. 

Unbedingt aber bedeuten Jammes’ „Hasenroman“ und Madelungs 
Fischmärchen die zwei beträchtlichsten Gegensätze, die innerhalb der 
Tierdichtung von heute bestehen. Dort eine nur wenig beschränkte 
Wiederaufnahme alter Fabeltechnik, hier Versinnlichung des Tiers um 
seiner selbst willen, gestützt auf unsere Kenntnis der biologischen 
Eigenheiten des Tiers. Madelung bietet eine höchste Steigerung 
des Versuchs, den vor ihm Widmann wagte, den auch Löns’ „Mümmel¬ 
mann“ darstellt. 

Aehnliche Wege, nur minder unbedingt als Madelung und nicht 
so bis ans letzte Ende, gehen Herbert Eulenberg in seinem „zeit- 



Neue Dichtung vom Tiere. 


479 


genössischen Roman“ mit der Ueberschrift „Katinka die Fliege“ 
(Leipzig 1911) und Waldemar Bonseis in seinem „Roman für Kinder“ 
mit dem Titel „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ (Berlin und 
Leipzig 1912 und öfter). Die Einkleidung der beiden Romane ist 
ganz verschieden. Eulenbergs Erzählung bedient sich des ab¬ 
schweifungsreichen, besinnlichen, mit sittlichen Erwägungen nicht 
kargenden Stils des Humoristen Lawrence Sterne und seiner zahl¬ 
reichen deutschen Nachfolger. Bonseis gibt etwas wie einen Versuch 
in der Art des sog. Tierepos; mag das wirklich nur für Kinder 
bestimmt sein oder nicht, etwas süßlich und zugleich sentimental 
wirkt die rührende Geschichte von den Verdiensten um ihr Volk, die 
zuletzt von der wanderlustigen kleinen Biene Maja errungen werden. 
. Eulenbergs humoristischer Ton (Humor im strengen Sinn genommen!) 
erlaubt freieres Schweifen und vor allem immer wieder den Vergleich 
der Fliege mit dem Menschen, einen Vergleich, der durchweg zu 
^ungunsten des Menschen ausfällt. Bonseis läßt den Menschen fast 
ganz aus dem Spiel, bringt dafür die Biene mit einer langen Reihe 
vbn Insekten zusammen. Da wie dort ergibt sich leicht die Möglichkeit, 
von physiologischen Eigenheiten der Tiere zu reden und von den 
Folgen, die sich aus diesen Eigenheiten für das seelische Erleben 
der Tiere ergeben. Vielfach verwertet Eulenberg etwa die fünf 
Augen der Fliege und die facettenhafte Gestaltung dieser Augen. 
Bonseis kann die Sonderheiten der Tiere um so leichter berück¬ 
sichtigen, weil er sie als Beobachtungen der wanderlustigen und ent¬ 
deckungsfreudigen Biene Maja bringt. Doch tuscht er all das nur 
leicht hin. Vollends scheut er nicht, die Abenteuer Majas, ihre 
Gespräche mit andern Insekten, die Gefahren, die sie läuft und die 
Freuden, die sie erlebt, unbedenklich nach verwandtem menschlichen 
Erleben zu gestalten. Wie eine Biene etwa in das Netz einer Spinne 
gerät und wieder befreit wird, das läßt sich, sieht man von ein paar 
bezeichnenden Zügen, vor allem von der Beschaffenheit eines Spinnen¬ 
netzes ab, wesentlich landläufigen Märchen von grausamen Zauberern 
oder blutgierigen Riesen nacherzählen. Bo ns eis verschmäht das 
auch nicht. 

Doch die Absicht, dem Tierleben in der Dichtung neue Seiten 
abzugewinnen, besteht bei Eulenberg wie bei Bonseis. Mag der 
Weg von den beiden deutschen Dichtern bis zu Madelung noch sehr 
weit sein, sie bewegen sich gleichwohl in seiner Richtung. Und da 
heute die unverkennbare Neigung waltet, dem Tier dichterisch neue 



480 


WALZEL, 


Züge abzulauschen und es aus der Erstarrung der Fabelwelt zu er¬ 
lösen, dürfte künftig auch deutsche Dichtung sich der Technik 
Madelungs immer mehr nähern. Franz Dofleins neuartige Dar¬ 
stellung des Tierlebens „Das Tier als Glied des Naturganzen“ (Leipzig 
und Berlin 1914) wird solchen Versuchen eine feste Stütze leihen, 
gerade weil es echt wissenschaftlich sich strenger bescheidet als 
Bölsches halbdichterisches Buch. 

Solcher Hilfen bedarf ein Seelenerfasser wie der Prager Lyriker 
Rainer Maria Rilke allerdings nicht. Rilke erobert sich in wenigen 
schlanken Versen den Zustand eines Tiers, das im zoologischen Garten 
"gefangen lebt, genau so sicher, wie er einem Menschen oder einem 
unbelebten Gegenstand, etwa dem Portal oder der Fensterrose einer 
Kathedrale oder einem Kapital, das Wesentliche ihres Daseins und 
ihrer Wirkung auf den Menschen abgewinnt. Die drei vierzeiligen 
Strophen „Der Panther im Jardin des Plantes, Paris“ (in den „Neuen 
Gedichten“, Leipzig 1907, S. 37) kennzeichnen den Blick des Ge¬ 
fangenen, der vom Vorübergehen der Stäbe so müde geworden ist, 
als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. 
Der weiche Gang seiner geschmeidig starken Schritte, der sich im 
allerkleinsten Kreise dreht, wirkt auf den beschauenden Dichter wie 
ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille 
steht. Den Zustand und mit ihm das Lebensgefühl von Tieren packen 
mit gleicher, tief sich einbohrender und knapp zusammendrängender 
Kraft, nicht immer mit gleicher Macht der Versinnlichung, Versreihen 
aus „Der neuen Gedichte anderem Teil“ (Leipzig 1908): „Schwarze 
Katze“ (S. 53), „Papageienpark“ (S. 64), „Die Flamingos“ (S. 104), 
„Der Hund“ (S. 119), „Der Käferstein“ (S. 120). All das wahrt 
strengste Sachlichkeit. Mit keinem Laut verrät sich der innere Anteil 
des Dichters; gleichwohl vermag nur tiefes Mitgefühl den Zustand 
eines Lebewesens, das sich mit uns nicht durch Worte verständigen 
kann, gleich eindringlich zu erfassen und nachzuerleben. 

Mit ähnlichen Mitteln dringt Theodor Däubler ein in die Erlebnis¬ 
möglichkeiten eines Kakadus oder eines alten und müden Droschken¬ 
gauls („Der sternhelle Weg“, Dresden-Hellerau 1915, S. 42, 45). In 
der engen und scharf umgrenzten Form des Sonetts gewinnen diese 
Versuche, das Sonderleben des Tiers zu ergründen, eine innere Ge¬ 
schlossenheit, die überzeugt, mag immerhin ebenso wie bei Rilke 
nicht wissenschaftliche Biologie des Tiers, sondern nur scharfe Beob¬ 
achtung zugrundeliegen und eine Deutung, die nur aus der Kenntnis 



Neue Dichtung vom Tiere. 


481 


der menschlichen Seelenvorgänge sich herleitet. Das Mitgefühl des 
Dichters spricht sich vernehmlicher aus, wenn nicht der Blickpunkt 
des Tiers besteht, sondern der Mensch von seinen Erlebnissen an 
Tieren berichtet: in Däublers „Katzen“ oder in seinem „Schwan“ 
(S. 41, 59). 

Einen Schritt weiter geht ein dritter der neuesten Lyriker: 
Franz Werfel. Dieser Dichter des Mitleids und der verstehenden, 
menschenversöhnenden Liebe verkündet grundsätzlich Liebe zum Tier 
und Mitleid mit ihm. Sein Erlöser Jesus ringt nach Liebe auch noch 
zu tierischem Aase („Einander“, Leipzig 1915, S. 91 ff.). Nur wenn 
Werfel die Schlange zu deuten hat, stempelt er sie zur Verkörperung 
der Lieblosigkeit, ist sie ihm volle Unfähigkeit zur Liebe und zum 
Mitgefühl (ebenda S. 80 f.). „Ich kann nicht weinen, liebe keinen“ 
schließt sie ihr Selbstbekenntnis. In dem „Gesang von Toten“ und 
in dem dramatischen Gedicht „Das Opfer“ („Wir sind“, Leipzig 1913, 
S. 5 ff., 95 ff.) läßt Werfel einen toten Kanarienvogel und einen 
„weißen und gepflegten“ Hund sich aussprechen. Beidemal ist ein 
Dichter des Mitgefühls am Werk, der in dem gezähmten Tier etwas 
Demütiges, Anspruchsloses und Unterdrücktes ahnt und unbekümmert 
um unser Wissen vom Tierleben reinmenschlichen Ausdruck des 
Gefühls dem demütigen, anspruchslosen und unterdrückten Tier in 
den Mund legt. Ganz wie der Kanarienvogel beichtet den kargen 
Inhalt seines Lebens in dem „Gesang von Toten“ auch das Dienst¬ 
mädchen, ja ein lebloses Ding: eine Schultasche. 

Eine Fülle von Dichtungen voll anschmiegsamen Mitgefühls mit 
dem Tiere wäre noch aus dem Umkreis jüngster Poesie zu verzeichnen. 
Freilich verzichten sie meist auf den Blickpunkt des Tieres. Ich er¬ 
innere an Albert Ehrensteins Groteske „Der Selbstmord eines Katers“ 
(München 1912) und an die vielen Gedichte, die von neuesten Lyrikern 
dem Tier gestiftet werden. Gedachte in einem umfänglicheren Gedicht 
zu Beginn des Krieges Karl Hans Strobl mitfühlend des schweren 
und herben Loses, das im Krieg dem Pferde zufällt (das Gedicht 
ist u. a. abgedruckt in Julius Babs Auslese „Der Deutsche Krieg im 
Deutschen Gedicht“ 1, S. 40 ff.), so buchte in wenigen inhaltsreichen 
Versen Berthold Viertel („Die Spur“, Leipzig 1913, S. 27) die wesent¬ 
lichen Züge im Gehaben des Bauernpferds, nicht so scheinbar teilnahm- 
los sachlich wie Rilke, sondern wie einen Aufruf, das treue Tier zu 
achten und zu schützen. 

Arebir f. wissenseb. «. prakt. Tferheilk. Bd 44. Snppl. 


31 



482 


WALZEL, Neue Dichtung vom Tiere. 


Noch in Franz Kafkas phantastische Novelle „Die Verwandlung“ 
(Leipzig 1916) spielt das Mitgefühl mit dem Tiere hinein. Das ent¬ 
setzliche Schicksal, das einem Menschen mitten im Schoß seiner 
Familie ersteht, wenn er unversehens in ein Tier, und zwar in einen 
Käfer verwandelt wird, deutet symbolisch, wie die ganze Erzählung 
gehalten ist, auf die Mißachtung hin, die der Mensch für das Tier in 
sich trägt. Wie hier mittelbar ein Dichter für besseres Verständnis 
und für bessere Behandlung des Tieres eintritt, so verraten des fein¬ 
sinnigen Robert Michel „Geschichten von Insekten“ (Berlin 1911), 
wieviel Grausamkeit der Mensch schier ahnungslos an Tieren ausübt, 
zeigen zugleich, wie stark in das Leben des Menschen ein Tier ein- 
greifen kann. Auch da wird, ausgesprochen und unausgesprochen, 
Mitgefühl für das Tier gefordert. 

Diese ganze neue Dichtung vom Mitleid mit dem Tier, ein wesent¬ 
licher Teil der umfangreichen neuen Dichtung, die im Widerspruch 
zu den Schrecken des Weltkrieges Weltversöhnung kündet, scheint 
weit abzugehen von der neueren Tierdichtung, die im Gegensatz zur 
alten Fabel den starken Unterschied menschlichen und tierischen 
Erlebens hervorhebt. Sie scheint nur. Denn tatsächlich keimen Ver¬ 
suche, wie die Madelungs oder Eulenbergs oder Bonseis’, und 
die Poesie des Mitgefühls mit dem Tiere, wie sie von Werfel und 
seinen Genossen vertreten wird, aus einer einzigen Wurzel: da wie 
dort will das Tier um seiner selbst willen und nicht nur als Spiegel 
menschlichen Tuns gewürdigt werden. Die Zusammenhänge zwischen 
Fortschritten der Weltanschauung und neueren Absichten der Tier¬ 
dichtung, Zusammenhänge, die ich in dem Aufsatz über Rostands 
„Chantecler“ aufdecken konnte, bewähren sich auch hier. Schopen¬ 
hauer hätte sich keine besseren Vertreter seines Verhältnisses zur 
Tierwelt wünschen können, als diese neuen Dichter des Mitleids. 
Schopenhauer aber ist — das konnte ich dort dartun — zugleich 
die nächste Voraussetzung von Dichtungen, die wie die beiden Gaben 
Widmanns von alter Fabeltechnick zu neuen Gestaltungen weiter¬ 
schreiten. 

Aus der großen Zahl neuartiger Tierdichtungen sind hier nur 
einige besonders bezeichnende ohne jeden Anspruch auf Vollständig¬ 
keit angeführt. Uebergangsforraen wie die feinfühligen Skizzen Svend 
Fleurons oder die lehrhaften naturgeschichtlichen Märchen Karl 
Ewalds blieben mit Willen ausgeschlossen. 



XXI. 

Aus dem chemischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. 

Ueber ein neues Volumenometer und ein einfaches 
Verfahren zur Bestimmung des spezifischen Gewichtes 
starrer und tropfbar flüssiger Körper. 

Von 

Hermann Kunz-Krause. 

(Mit 1 Abbildung im Text) 

Die Ermittelung des spezifischen Gewichtes starrer Körper nach 
dem bekannten Verfahren der Doppelwägung in Luft und Wasser oder 
einer anderen geeigneten Flüssigkeit bietet keinerlei Schwierigkeiten, 
solange es sich um starre Massen im unzerkleinerten Zustande und 
von dichter Beschaffenheit, nicht aber um poröse Körper handelt, die 
von mit Luft oder anderen Gasen erfüllten Hohlräuraen durchsetzt 
sind. Bei Substanzen letzterer Art ist eine fehlerfreie Bestimmung 
des spezifischen Gewichtes im unzerkleinerten Zustande auch dadurch 
nicht zu erreichen, daß man die Luft aus dem betreffenden Körper 
durch Auskochen oder Evakuieren unter der zur Bestimmung ver¬ 
wendeten Flüssigkeit zu entfernen und durch letztere zu ersetzen 
sucht, da aus naheliegenden Gründen nach keinem dieser Verfahren 
eine restlose Entfernung der Gase und damit eine vollständige Durch¬ 
dringung eines derartigen porösen Körpers durch die betreffende 
Flüssigkeit zu erzielen ist. Die nach diesem Verfahren gewonnenen 
Werte weichen noch erheblich ab von denjenigen, die mit dem feinst 
gepulverten Material erhalten werden. Von ganz besonderer Be¬ 
deutung sind diese Verhältnisse unter anderem für die Bestimmung 
des spezifischen Gewichtes der Mineralien, da in diesem eines ihrer 
wichtigsten physikalischen Unterscheidungsmerkmale gegeben ist. Der¬ 
artige Substanzen liefern lediglich bei Verwendung des aufs feinste 
pulverisierten Materials einwandfreie Werte: ein Verfahren, nach dem 
erstmalig Hessel 1 ) das spezifische Gewicht des Bimsteins festgestellt 

1) Leonhards Zeitschr. f. Mineralogie. 1825. II. S. 844. 

31* 



484 


HERMANN KUNZ-KRAUSE, 


hat und dessen allgemeine Bedeutung für die wichtige und richtige 
Ermittelung des spezifischen Gewichtes der Mineralien einige Jahre 
später von ßeudant 1 ) dargetan wurde. Aber nicht nur in der 
Mineralogie, sondern auch auf wohl allen anderen Gebieten der 
Naturwissenschaften, so u. a. in der Botanik zur Volumbestimmung 
der Samen und Früchte und nicht zuletzt in der Technik hat von 
jeher das Bedürfnis nach einem einfachen und dabei genauen Ver¬ 
fahren zur Dichtebestimmung starrer Körper im unzerkleinerten, wie 
pulverisierten Zustande bestanden. 

Die Dichte starrer und flüssiger, in Wasser unlöslicher, bzw. mit 
diesem nicht mischbarer und vom Wasser nicht veränderter Substanzen 
läßt sich mit Hilfe eines Pyknometers aus dem Gewichte der Wasser¬ 
menge berechnen, die durch eine gewogene Menge des betreffenden 
Körpers in einem Pyknometer von bekanntem Wasserinhalt ersetzt 
wird. Zur Erläuterung des Verfahrens und der Berechnungsart möge 
das folgende Beispiel hier eine Stelle finden: 


I. Pyknometer + Wasser. 31,2365 

„ — Tara.11,0810 


Gewicht des Wassers. 20,1555 

II. Pyknometer und Wasser 2,0 g Substanz . . 32,4753 

„ — Tara.11,0810 


Gewicht des Wassers -|- 2,0 g Substanz . . . 21,3943 

ab 2,0 g Substanz.2,0 


Gewicht des Wassers. 19,3943 

Gewicht des Wassers 1 20,1555 

„ U. 19,3943 


Sonach Mindergewicht bei II 


0,7612 


d. h. durch die in das Pyknometer eingebrachten 2,0 g der betreffenden 
Substanz ist sein Fassungsvermögen für Wasser nur um 0,7612 g 
vermindert worden oder — 1,0 g H 2 0 = 1 ccm H 2 0 gesetzt — die 
2,0 g der fraglichen Substanz haben eine Räumerfüllung von nur 
0,7612 ccm. Zu derselben Differenz kommt man durch folgende 


Rechnung: 

Pyknometer + Wasser. 31,2365 

„ + „ + 2,0 Substanz .... 2,0 

sollte wiegen. 88,2865 

wiegt aber nur. 82.4758 

Differenz.0,7612 

Hieraus ergibt sich aber nach der Gleichung 
0,7612:2 = l:z 

für x die Dichte der untersuchten Substanz zu 2,627. 


1) Annales de chim. et de phys. 38. p. 389; Annalen der Phys. und Chem. 
1828. 14 . S. 474. 

















hHU 

; *AllfcV-JzOi %■ 




Neues Voluraenometer u. einfaches Vorfahren *. Bflstimmung d. apes. Gesriohtes. 48& 

Da nach 'diesem Verfahren die ßesiimiaaag des spe?i^schea 
Gewichtes düfdh. die W^ungen aber nur bei Berßck- 

siohtigung der vierte» Dezimale, d. h. der Zehnlej-Miüigraninie, die 
erforderliche Genauigkeit, des Endergebnisses gewährleisten. so er¬ 
möglicht diese M&£hödiR alhieeraioits nur die V'erwe^lfciig wo Wi$iisser 
— da atiderc Flössigkcitei.» idmierhin zeitraubende Umrechnungen ct- 
fördertiand anderenteils-.nur die Benutzung kleinere» Pyknometer- 
bis etwa 100,1t o Gesamtgewkdit. Außerdemeignet steh dieses Ver¬ 
fahren ybei '.Verwendung der gewöhnliche»,- eughaisige» PyklJortuMbr 
lediglich für pulvefforiöige oder leicht puJvensierbare ;Sübs«aö|^t| 

Alle diese Umstände waren es, die mich bereits im Jahre 1895 
gelegentlich der Untersuchung .von UortlandKementen lind weiterhin 


■einer größeren Aoxähj versohiedemo %ndsteiapr«ben, wie sie zur 
Ausbesserung- des Turmes .der,-Kirche St. Francois. id Lausanne Ver- 
myodung finden snliUm. zur A »sarheitung des folgenden einfachen 
Verfahrens und damit zur Konstruktion des nachstehend beschriebenen, 
nicht minder dinfaeheti VolMmfmotftettefi geführt habest- Dieses Ver¬ 
fahren ist somit bedeutt'nd äiter urui in seiner apparativen Ausführung 
einfacher und unbediogf genauer als das vor kurzem vor:. YV o 1 f.ensnn 
beschnebene Volumeter; das allerdings in erster Linie nur als De- 
fsieüsirationsmslrumt-n; gedacht ist; das gle-che dürfte hinsichtlich des 

VoJameimmeters von ^gfiiifeAttti gelten. V . V,. \ ,A - " ; 

• ' • . • -• . . 

Die BestimmuÄgen effolgen mit Hilfe desj -yöifsfohetm wieder- 
gegebenen Volumemtmetm und eine! in V J0 ecm geleilten Bürette 






486 


HERMANN KUNZ-KRAUSE, 


von genau gleichem Fassungsvermögen, sowie unter Verwendung 
von bestem Petroleum, das durch Schütteln mit wasserfreiem Natrium¬ 
sulfat völlig entwässert wurde und durch Aufbewahren über solchem 
auch stets wasserfrei und verwendungsbereit erhalten werden kann. 
Sofern es die Natur des zu prüfenden Körpers erfordert, kann das 
Petroleum durch eine andere geeignete Flüssigkeit ersetzt werden. 
Das nach meinen Angaben hergestellte Volumenometer besteht aus 
einem zylindrischen Glasgefäß mit einem abnehmbaren, in flüssigkeits¬ 
dichtem Feinschliff eingesetzten, Hohldeckel mit Einlaufrohrstutzen 
und faßt bis zu der an dem Deckelstutzen angebrachten Marke genau 

das darauf vermerkte Volumen Wasser bei — C. Da bei Mineralien 

die Dichte auf die = 1 gesetzte größte Dichte des Wassers bei -|- 4° 
bezogen zu werden pflegt, so trägt das Volumenometer damit auch 
diesen besonderen Voraussetzungen Rechnung. Zur Ausführung der 
Bestimmung läßt man bei pulverförmigen Substanzen zunächst 
aus der bis zum Nullpunkt gefüllten Bürette so viel Petroleum usw. 
in das Volumenometer auslaufen, daß sein Boden davon etwa 1 cm 
hoch bedeckt wird, um das Ansetzen des Pulvers an der Gefäßwandung 
zu verhindern. Hierauf bringt man je nach der geringeren oder 
größeren Dichte und dem dadurch bedingten größeren oder geringeren 
Volumen der zu prüfenden Substanz 2,0—10,0 g in feinstgepulvertem 
Zustande, oder — bei homogenen Körpern — ein unzerkleinertes 
Stück, bis auf die vierte Dezimale genau gewogen — bei 
pulverförmigen Substanzen nach dem bekannten Verfahren der Rück¬ 
wägung aus einem Wägeröhrchen — in das Volumenoraeter und 
läßt, nach Aufsetzen des Deckels; dessen Schlifffläche mit einer Spur 
Waser angefeuchtet wird und der zur Verhinderung etwaiger Lüftung 
durch den Auftrieb der eingelassenen Flüssigkeit noch durch die zu dem 
Volumenometer gehörige Klemme gesichert wird, unter vorsichtigem 
Schwenken zur Entfernung aller dem Körper adhärierenden Luftblasen, 
aus der Bürette von neuem Petroleum bis zur Marke einlaufen. 
Aus dem von dem Körper eingenommenen Volumen, das dem 
an 50 bzw. 100 oder 200 ccm fehlenden, in der Bürette ver¬ 
bliebenen Flüssigkeitsanteile entspricht und der verwendeten 
Gewichtsmenge der Substanz ergibt sich das spezifische Gewicht nach 
der Gleichung 

v : p = 1 : x 

— wobei v = dem durch den in der Bürette verbliebenen Flüssigkeits- 



Neues Volumenometer u. einfaches Verfahren z. Bestimmung d. spez. Gewichtes. 487 


rest (von 50 bzw. 100 oder 200 ccm) zam Ausdrack kommenden 
Volumen des Körpers, p = dem angewandten Gewichte der Substanz 
ist — und folglich aus dieser Formel die Dichte (das spezifische 
Gewicht) 

x = B-*i = P. 

V V 

Die folgenden Bestimmungen wurden von meinem Sohne Hermann als 
Primaner selbständig ausgeführt, der vorher weder mit der analytischen 
Wage, noch maßanalytisch gearbeitet hatte. Die trotzdem recht be¬ 
friedigenden Ergebnisse dürften ohne weiteres die Brauchbarkeit und 
Zuverlässigkeit dieses Verfahrens selbst in der Hand des Ungeübten 
erkennen lassen. Die Bestimmungen erfolgten sämtlich mit Petroleum. 

I. Aluminiumgries. 

Gewicht des Al (p). 20,1406 g 

/ Volumen „ „ (?). 7,8 ccm 

Spez. Gew. des Al . 2,582 

Nach Erdraann, Lehrbuch der anorganischen Chemie, 5. Aufl: 1910. S. 588, 
ist das spezifische Gewicht des Aluminiums in ziemlich hohem Grade von dem 
Drucke abhängig, dem man das Metall ausgesetzt hat. Es beträgt: 

gegossen bei 22° ... . 2,64 

gehämmert.2,68 

als Draht.2,70 

II. Eisenpulver. 

a) b) 

Gewicht des Fe (p) . . 10,0431 g 80,1660 g 

Volumen „ „ (v) 1,2 ccm 11,2 ccm 

Spez. Gew. des Fe ~ 8,369 7,2 

Die Bestimmung (a) zeigt den Einfluß zu klein bemessener Gewichtsraengen 
bei Körpern mit sehr hohem spezifischen Gewicht auf die Richtigkeit des 
Ergebnisses. 

Spezifisches Gewicht im Mittel aus a) und b): 7,78. 

Erdmann, a. a. 0., S. 617 gibt als spezifisches Gewicht des Eisens den 
Mittelwert 7,86 an. 

III. Kupferpulver. 

Gewicht des Cu (p).10,0211 g 

Volumen * * (v). 1,1 ccm 

Spez. Gew. des Cu ^ . 9,11 

Nach Erd mann (a. a. 0., S. 701) beträgt das spezifische Gewicht des Kupfers 
8,8—8,9. Wie bei Eisen machte sich auch hier der Einfluß zu klein bemessener 
Gewichtsmengen auf die Richtigkeit des Ergebnisses geltend. 


IV. Quecksilber. 

Gewicht des Hg (p).178,16 g 

Volumen „ „ (v). 13,00 ccm 

Spez. Gew. des Hg ^. 13,70 











488 


HERMANN KUNZ-KRAUSE, Neues Volumenometer usw. 


Erdmann, a. a. 0., S. 576 gibt das spezifische Gewicht des Quecksilbers bei 
0° zu 13,595 an. 


V. Wasser, H|0. 

Gewicht des H 2 0 (p). 46,9088 g 

Volumen „ „ (v). 47,300 ccm 


Spez. Gew. des H 2 0 ^ .... 0,999 

Die Bestimmung wurde bei 18° C Lufttemperatur ausgefübrt. 


VI. Geglühtes Aluminiumoxyd, Al,O e . 

Gewicht des Al t O ( (p) . . 10,2275 g 19,8875 g 

Volumen „ „ (v) . . 2,8 ccm 5,5 ccm 

Spez. Gew. des A1*0 8 3,652 3,616 

VII. Fluorit, Flußspat, CaF 2 >). 

Gewicht des CaF 2 (p). 128,418 g 

Volumen „ „ (v). 40,00 ccm 

Spez. Gew. des CaF 2 ^ . . . . 3,210 


Nach Kenngott 1 2 3 ) beträgt das spezifische Gewioht des Fluorcalciums 3,183. 

- Das Verfahren eignet sich sowohl zu Uebungen im physikalisch¬ 
chemischen Laboratoriums-Unterricht, wie zur Anwendung bei wissen¬ 
schaftlichen Untersuchungen in mineralogischen und geologischen Insti- 
' tuten, analytischen und technischen Laboratorien, Samenkontrollstationen, 
zur Untersuchung von Drogen und Nahrungsmitteln, wie auch in den 
verschiedensten technischen Betrieben, so in Zementfabriken, Gipsmühlen, 
Farbenfabriken, in der Erzverarbeitung und zur Prüfung von Mehl an 
Stelle des nur Annäherungswerte liefernden Verfahrens von Dietzsch*), 
nach dem ein 50 g fassendes Fläschchen mit dem bei 100° getrockneten 
Mehle unter Rütteln und Aufpochen, aber nicht durch Zusammendrücken 
angefüllt und das verdoppelte Gewicht des Inhalts als das spezifische 
Gewicht des Mehles angenommen wird. 

Das Volumenometer wird in den drei Größen zu 50, 100 und 
200 ccm, und auf Wunsch auch von größerem Inhalt von der Firma 
Franz Hugershoff-Leipzig hergestellt. 

1) Diese Bestimmung wurde durch Herrn stud. med.vet. Zschiesche ausgeführt. 

2) Abegg, Handb. d. anorgan. Chemie. II. 2. S. 92. 

3) Die wichtigsten Nahrungsmittel und Getränke, Zürich 1879; siehe auch 
Real-Enzyklopädie der gesamten Pharmazie. 2. Aufl. Bd. 8 (Mehl) S. 586. 





XXII. 

Der Milzbrand unter den Rindern 
des Königreichs Sachsen in den Jahren 1859 bis 1916. 
Epidemiologische Betrachtungen. 

Von 

Richard Edelmann. 

(Mit l Enrventafel im Text) 


Der Milzbrand ist unter den Rindern des Königreichs Sachsen 
seit Einführung geordneter veterinärpolizeilicher Verhältnisse niemals 
besonders verheerend aufgetreten. Dennoch hat er das Interesse der 
sächsischen Veterinärpolizei Verwaltung zu allen Zeiten namentlich des¬ 
halb in Anspruch genommen, weil über die Ursachen seines Auftretens 
in den einzelnen Bezirken des Landes bis in die neueste Zeit hinein 
keine völlig befriedigenden Aufschlüsse gegeben werden konnten. Ab¬ 
gesehen von der vorbakteriellen Zeit, sind auch in den Jahren nach der 
Entdeckung der Milzbrandbazillen und seit der Erkenntnis ihrer ätio¬ 
logischen und diagnostischen Bedeutung die Ansichten über die örtlichen 
Ursachen des Auftretens des Milzbrandes sehr verschieden gewesen. 
Erstmalig hat Siedamgrotzky 1 ) im Jahre 1884 Betrachtungen über 
das zahlenmäßige Vorkommen des Milzbrandes unter den Rindern im 
Königreich Sachsen und über die Eigentümlichkeiten seiner geographischen 
Verbreitung in den Jahren 1859 bis 1884 angestellt und dabei versucht, 
über die Aetiologie dieser Seuche in epidemiologischer Beziehung Auf¬ 
klärungen zu geben. Auf die Ansicht Siedamgrotzkys, die er, 
soweit aus seinen Bemerkungen zum Auftreten des Milzbrandes in 
späteren sächsischen Veterinärberichten geschlossen werden kann, nicht 
nennenswert geändert hat, soll weiter unten zurückgekommen werden. 


1) Bericht über das Veterinärwesen im Königreich Sachsen. 29. Jahrgang. 
S. 171—178. 



490 


RICHARD EDELMANN, 


1. Vorkommen und Ausbreitung des Milzbrandes in Sachsen. 

Was zunächst das zahlenmäßige Vorkommen des Milzbrandes 
bei den Rindern im Königreich Sachsen seit dem Jahre 1859 anlangt, 
so geben hierüber die Uebersichten I und II Auskunft. Aus ihnen 
geht hervor, daß die Milzbrandfälle, selbst wenn man berücksichtigt, daß 
in früheren Jahren wahrscheinlich zahlreiche Milzbranderkrankungen 
nicht angezeigt worden sind, bis zum Jahre 1890 im allgemeinen 
beständig zugenommen haben. In diesem Jahre ist mit einem Ver¬ 
lustverhältnis von 8,44 auf 10000 Stück Rindvieh in Sachsen der Höhe¬ 
punkt erreicht worden. Die niedrigste Verlustziffer weist das Jahr 
1867 mit 0,03°/ooo auf. Rückläufige Bewegungen im Verlustverhältnis 
entfallen in dem aufsteigenden Aste der Kurve auf die Jahre 1861 
bis 1867, 1870, 1872, 1875 und 1876, 1878 bis 1881, 1883, 1885 
und 1888. Vom Jahre 1891 ab hat die Verhältniszahl der Milzbrand¬ 
fälle beständig abgenommen und zwar am auffallendsten in den 
Jahren 1892 bis 1896, 1*899 und 1900, sowie, von einem kleinen 
Ansteigen in den Jahren 1901 und 1902, 1904, 1906 und 1907, so¬ 
wie 1911 abgesehen, vom Jahre 1912 ab ununterbrochen bis zum 
Jahre 1916. Hier ist ziemlich das Verlustverhältnis des Jahres 1874 
wieder erreicht worden. 

Die mitgeteilten Zahlen können naturgemäß keinen Anspruch auf 
vollkommene Zuverlässigkeit machen. In dieser Beziehung kommen 
vor allem drei verschiedene Umstände in Betracht. Der eine liegt 
darin, daß, wie schon erwähnt, in früheren Jahren zweifellos zahlreiche 
Milzbrandfälle nicht angezeigt worden sind. Dazu kommt, daß die 
Berichterstattung der Bezirkstierärzte über die beobachteten Tierseuchen 
vor Einführung der neueren Seuchenstatistik im Jahre 1886 wahrscheinlich 
nicht völlig lückenlos gewesen ist (Siedamgrotzky a. a. 0.). Zum 
anderen ist zu berücksichtigen, daß durch Gesetz 1 ) vom 17. März 
1886 die staatliche Entschädigung für Verluste durch Milzbrand bei 
Rindern nach dem Vorgänge von Baden (Gesetz vom 6. März 1880) 
und von Württemberg (Gesetz vom 7. Juni 1885) auch im Königreich 
Sachsen eingeführt worden ist, wodurch die Anzeigepflicht bei milz¬ 
brandverdächtigen Erkrankungsfällen der Rinder ohne Zweifel eine 
Förderung erfahren hat. Dasselbe dürfte durch die Einführung der 
allgemein verbindlichen Schlachvieh- und Fleischbeschau 2 ) in Sachsen 

1) Edelmann, Viehseuchen-Gesetzgebung des Deutschen Reiches und des 
Königreichs Sachsen. Dresden 1912, Verlag von C. Heinrich. 

2) Edelmann, Fleischbeschau-Gesetzgebung. Leipzig 1903, Roßbergsche 
V erlagsbuchhandlung. 



Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 491 


Uebersicht I. 


Milzbrand der Rinder im Königreich Saehsen in den Jahren 1859—1916. 


Jahr 

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1869 

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1884 

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1885 

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1886 

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1887 

26 

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1888 

25 

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1889 

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1890 

27 

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1891 

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1892 

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1898 

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1894 

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1896 

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1897 

28 

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1898 

29 

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1899 

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1900 

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1903 

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15 















492 


RICHARD EDELMANN, 


Uebersicht I. 


(Schluß.) 


Jahr 

Zahl 

Vete¬ 

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Zahl 

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1907 

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1908 

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1909 

28 

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1910 

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1911 

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1912 

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1913 

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1914 

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1916 

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1,02 

10 


am 1. Juni 1900 (Gesetz vom 1. Juni 1898) geschehen sein. Und drittens 
ist namentlich in diagnostischer Beziehung hervorzuheben, daß man 
im Jahre 1887 erstmalig mit den sächsischen Bezirkstierärzten mikro¬ 
skopische und bakteriologische Lehrgänge an der damaligen Tierarznei-’ 
schule in Dresden abgehalten hat, bei denen auf den mikroskopischen 
Nachweis der Milzbrandbazillen ganz besonderer Wert gelegt worden 
ist. Solche Lehrgänge sind, allerdings weniger mit Rücksicht auf die 
Milzbranddiagnostik, in den Jahren 1906 und 1907 wiederholt worden. 

Diese dem vorliegenden Zahlenmaterial anhaftenden Mängel sind 
aber bei dessen kritischer Betrachtung vor allem deshalb von keiner 
ausschlaggebenden Bedeutung, weil sie annehmbar ziemlich gleichmäßig 
die einzelnen Veterinärbezirke Sachsens betreffen und daher zwar die 
absoluten Zahlen etwas, nicht aber die Verhältniszahlen nennenswert 
beeinflussen können. Aus demselben Grunde vermögen auch die er¬ 
wähnten wahrscheinlichen Mängel in der Berichterstattung über das 
Vorkommen des Milzbrandes in Sachsen ebensowenig das Bild über 
dessen Auftreten in den einzelnen Verwaltungsbezirken des Landes 
erheblich zu verändern. 

In bezug auf die Ausbreitung des Milzbrandes unter den 
Rindern in Sachsen, die aus der Uebersicht III vom Jahre 1885 ab 
hervorgeht, ist zunächst zu bemerken, daß die Veterinärberichte der 
Jahre 1859—1884 die Beteiligung der einzelnen Aratshauptmann- 
schaften an der Zahl der berichteten Milzbrandfälle teils überhaupt 
nicht, teils nicht so zuverlässig erkennen lassen, daß mit bestimmten 











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494 


RICHARD EDELMANN, 


Zahlen gerechnet werden könnte. Auch haben in den Jahren 1859 
bis 1884 mehrfache Veränderungen in der Abgrenzung der staatlichen 
Verwaltungsbezirke des Landes stattgefunden, die naturgemäß auch 
die Milzbrandstatistik der einzelnen Landesteile dieser Zeit mehr oder 
weniger beeinflussen. Später ist nur noch eine derartige Veränderung 
durch Abtrennung der Amtshauptmannschaft Stollberg von der Amts¬ 
hauptmannschaft Chemnitz im Jahre 1911 erfolgt. Daß der selb¬ 
ständige Veterinärbezirk Dresden-Stadt nicht für sich aufgeführt ist, 
sondern die dort vorgekommenen Milzbrandfälle dem amtshauptmann¬ 
schaftlichen Bezirk Dresden-Altstadt zugerechnet worden sind, ist an 
sich und mit Rücksicht auf das seltene Vorkommen des Milzbrands 
im Stadtbezirk Dresden für den vorliegenden Zweck völlig belanglos. 

Wie Uebersicht HI erkennen läßt, tritt der Milzbrand unter den 
Rindern in Sachsen auch unter Berücksichtigung der sehr erheblichen 
Jahresschwankungen dieser Seuche keineswegs gleichmäßig verbreitet 
auf. Die Häufigkeit des Milzbrands in den einzelnen Landesteilen 
ist außerordentlich verschieden, und selbst unmittelbar benachbarte 
Veterinärbezirke zeigen in dieser Beziehung auffallende Abweichungen 
voneinander. Der Grund hierfür soll weiter unten erörtert werden. 
Hier sei vor allem hervorgehoben, daß nach den absoluten Zahlen 
wie auch im Verhältnis zur Summe der Milzbrandfälle in Sachsen 
überhaupt (Uebersicht IV) die Amtshauptmannschaften Zwickau, Frei¬ 
berg, Grimma, Chemnitz, Dippoldiswalde, Plauen, Glauchau, Pirna, 
Rochlitz und Zittau die stärkste Verseuchung aufweisen, während in 
den Amtshauptmannschaften Leipzig, Dresden-Altstadt, Karaenz, Auer¬ 
bach, Borna, Dresden-Neustadt, Oelsnitz, Schwarzenberg und Marienberg 
der Milzbrand wenig häufig vorgekommen ist. 

Etwas anders gestaltet sich das Bild, wenn man das Vorkommen 
des Milzbrands in den einzelnen Amtshauptmannschaften im Verhältnis 
zu der Zahl der dort vorhandenen Rinder in den Jahren stellt, wo 
allgemeine Viehzählungen stattgefunden haben. Hierüber gibt Ueber¬ 
sicht V Auskunft, in der die absolute Zahl der Milzbrandfälle in den 
Jahren 1892, 1897, 1904, 1907 und 1911 und ihr Verhältnis auf je 
10000 der in den verschiedenen Amtshauptmannschaften jeweils ge¬ 
zählten Rinder eingetragen ist. Hiernach gehören in den genannten 
5 Jahren die Amtshauptmannschaften Annaberg, Flöha, Glauchau, 
Lübau, Dippoldiswalde, Zittau und Dresden-Neustadt zu den stark 
verseuchten Bezirken, obwohl von ihnen nur Zittau und Dippoldiswalde 
nach Uebersicht III hierunter fallen, während als schwach verseuchte 



Amtshauptmannschaft (einschl. der bezirksfreien Städte) 


Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 495 


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Anmerkurg: Stadt Dresden ist in der Amtshauptmannschaft Dresden-A. mitenthalten. 


























496 


RICHARD EDELMANN, 


Uebersicht IV. 

Die Veterinärbezirke nacb der Gesamtzahl der Milzbrandfälle in den Jahren 

1859 bis 1916 geordnet. 


Veterinärbezirk 

Gesamt¬ 
zahl der 
Milxbrand- 
fftlle 

Verhältnis zur 
Somme der Milz* 
brandfälle 
in Sachsen 
Oberhaupt 

Veterinärbezirk 

Gesamt¬ 
zahl der 
Milzbrand- 
fälle 

Verhältnis zor 
Somme der Milz¬ 
brand fälle 
in Sachsen 
Oberhaupt 

Zwickau 

928 

7,96 

Bautzen 

381 

3,27 

Freiberg 

799 

6,85 

Großenhain 

357 

3,06 

Grimma 

669 

5,74 

Oschatz 

336 

2,97 

Chemnitz •) 

624 

5,35 

Löbau 

307 

2,66 

Dippoldiswalde 

619 

5,31 

Marienberg 

284 

2,44 

Plauen 

578 

4,96 

Schwarzenberg 

282 

2,42 

Glauchau 

525 

4,50 

Oelsnitz 

267 

2,29 

Pirna 

523 

4,48 

Dresden-N. 

266 

?,28 

Rochlitz 

521 

4,47 

Borna 

263 

2,23 

Zittau 

506 

4,34 

Auerbach 

222 

1,91 

Annaberg 

496 

4,25 

Kamenz 

211 

1,89 

Döbeln 

479 

4,11 

Dresden-A. 

191 

1,64 

Flöha 

446 

3,82 

Leipzig 

185 

1,56 

Meißen 

387 

3,32 





*) Anmerkung: Stollberg ist in Chemnitz inbegriffen. 


Bezirke Kamenz, Bautzen, Oschatz und Auerbach zu gelten haben, 
von denen nur Kamenz und Auerbach schon oben schwach verseucht 
genannt worden sind. Hierbei ist natürlich mit zu berücksichtigen, 
daß das Auftreten des Milzbrands in den Jahren mit allgemeinen 
Viehzählungen in den verschiedenen Amtshauptmannschaften zufällig 


U eb.e r- 

Verhältnis des Milzbrandes in den einzelnen Amtshauplmannsehaften znm 


Jahr 

Amtshauptmannschaft 

Zittau 

Löbau 

Bautzen 

Kamenz 

Dresden- 

A. 

Dresden- 

N. 

eC 

a 

u 

£ 

Dippoldis¬ 

walde 

Freiberg 

Meißen 

Großen¬ 

hain 

Leipzig 

Borna 

i 

, 009 / überhaupt 

3 

7 

4 

2 

10 

3 

23 

11 

23 

16 

16 

7 

_ 


1892 \ %oo 

1,41 

2,98 

1,18 

0,86 

7,81 

2,11 

6,82 

4,08 

6,97 

4,19 

4,99 

3,98 

— 


1QQ ~f überhaupt 

13 

18 

7 

5 

7 

10 

9 

19 

28 

14 

4 

4 

5 


loU «io/ 

1 / 000 

5,88 

7,28 

2,03 

2,07 

5,72 

7,13 

2,60 

7,04 

6,86 

3,55 

1,91 

2,28 

1,68 


inoi/ überhaupt 

19 

16 

14 

13 

2 

7 

44 

27 I 

32 

22 

10 

10 

9 


1304t 0/ 

\ 1 000 

8,60 

6,42 

4,04 

5,45 

1,60 

5,23 12,83 

9,60 

9,34 

5.37 

3,04 

6,26 

3,05 


iqn -/ überhaupt 

24 

20 

16 

11 

5 

1 15 

i 31 

37 

23 

15 

15 

8 

14 


l 0/000 

9.93 7,13 

4,21 

4,23 

I 3,64 10,33 

j 8,28 

j 12,17 

6,30 

3,47 

4,11 

4,88 

4,47 


ton / überhaupt 

34 

15 

21 

8 

8 

11 

I 25 

39 

37 

11 

13 

3 

12 


191 H »/„Co 

15,06 

5,82 

6,03 

3,27 

6,87 

8,23 

| 7,20 

14,00 

11,27 

2,73 

3,81 

2,30 

4,22 



Anmerkung: Stadt Dresden ist in der Amtsh&uptmannsch&ft Dresden-A. mitenthalten. 








Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 497 

vielleicht vorn durchschnittlichen Vorkommen nach oben oder unten 
abgewichen sein kann, so daß auch die Berechnungen der Uebersicht V 
das tatsächliche Verhältnis ebenfalls noch nicht durchaus richtig wieder¬ 
zugeben brauchen. Dennoch dürften sie ihm ziemlich nahe kommen 
und durch zutreffendere Berechnungen kaum noch zu ergänzen sein. 

t 

2. Aetiologie des Milzbrandes in Sachsen. 

Wie aus den Betrachtungen über das Vorkommen und die Aus¬ 
breitung des Milzbrandes unter den Rindern des Königreichs Sachsen 
hervorgeht, tritt die Seuche sporadisch über das ganze Königreich ver¬ 
breitet auf. Kein Veterinärbezirk ist eigentlich milzbrandfrei, und wenn 
einmal in der einen oder anderen Amtshauptmannschaft vorübergehend 
ein Jahr lang kein Milzbrandfall vorgekoramen ist, so ist das eine 
Ausnahme, die erfahrungsgemäß nur die Regel bestätigt. Während 
im Deutschen Reiche 1 ) in den Jahren 1900 bis 1913 von den unteren 
Verwaltungsbezirken (Kreis, Bezirk, Oberamt u. dgl.) durchschnittlich 
jährlich 67,4 v. H. (55,0 bis 72,7 v. H.) mit Milzbrand verseucht ge¬ 
wesen sind, war dies während desselben Zeitraums im Königreich 
Sachsen durchschnittlich bei 92,9 v. H. (90,0 bis 100,0 v. H.) der 
amtshauptmannschaftlichen Bezirke der Fall. Anderseits hat sich im 


1) Jahresbericht über die Verbreitung der Tierseuchen im Deutschen Reiche. 
Bearbeitet im Kaiserl. Gesundheitsamt. Berlin, ^Julius Springer. 

sicht V. 

dortigen Rindviehbestand für die Jahre 1892, 1897, 1994, 1907 and 1911. 


(einschl. der bezirksfreien Städte) 



Grimma 

Oschatz 

Rochlitz 

Döbeln 

Chemnitz 

Flöha 

Marien¬ 

berg 

Annaberg 

Glauchau 

Stollberg 

Schwar¬ 

zenberg 

Zwickau 

Plauen 

Auerbach 

. 

Oelsnitz 


22 

3 

16 

33 

47 

26 

11 

37 

19 


10 

32 

36 

11 

3 


6,26 

1,23 

5,01 

9,68 

17.50 

13,33 

6,02 

20,28 

9,21 

— 

7.54 

9,85 

15,01 

9,33 

2,03 


23 

4 

13 

14 

18 

18 

9 

28 

23 

— 

10 

25 

31 

1 

4 


6,81 

1,60 

3,97 

3,97 

6,46 

9,04 

4,82 

14,85 

10,82 

— 

7,42 

7,36 

12,71 

0,83 

2,60 


30 

2 

8 

20 

18 

8 

7 

24 

14 

— 

6 

11 

16 

2 

9 


8,52 

0,79 

2,33 

5,45 

6,42 

3,87 

3,91 

13,52 

6,41 

— 

4,58 

3,17 

6,75 

1,70 

5,85 


22 

12 

26 

31 

19 

15 

13 

24 

27 

_ 

8 

26 

11 

2 

12 


5,85 

4,50 

7,13 

8,00 

6,49 

6,94 

6,88 

12,97 

11,69 

i 

5,89 

7,02 

7,01 

1,63 

7,41 


27 

9 

24 

18 

5 

24 

8 1 

22 

9 

4 

11 

27 

15 

17 

4 


7,85 

3,68 

6,98 

i 

5,07 

3,10 

12,02 

4,74 : 

12,90 

4,27 

4,16 

1 

9,02 

7,94 

1 

6,42 

i 

15,39 

3,34 


Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. 















498 


RICHARD EDELMANN, 


ganzen Königreich kein Landesteil als eigentliche Milzbrandgegend er¬ 
wiesen, in der ein andauerndes enzootisches Auftreten der Seuche 
stattfindet. Deshalb können eigenartige örtliche Ursachen für das 
Auftreten des Milzbrandes nicht wohl in Frage kommen, sondern es 
müssen hinsichtlich der Aetiologie der Seuche Verhältnisse obwalten, 
die seit Jahren schon ziemlich gleichmäßig überall in Sachsen das 
Vorkommen des Milzbrandes beeinflussen. Diese Ansicht hat schon 
Siedamgrotzky im Jahre 1884 ausgesprochen, aber weder damals, 
noch später vermochte er ein besonderes ätiologisches Moment für 
die Milzbrandepidemiologie in Sachsen überzeugend in den Vordergrund 
zu stellen. Von den Bezirkstierärzten Sachsens ist bis in die neueste 
Zeit die Ansicht vertreten worden, daß gewisse Beziehungen zwischen 
dem Auftreten des Milzbrandes und dem Wassergehalt des Erdbodens und 
damit den Niederschlagsmengen in den verschiedenen Landesteilen 
bestehen, die im folgenden zunächst besprochen werden sollen. Außer 
dieser Ansicht sind im Laufe der Jahre auch noch andere ätiologische 
Gesichtspunkte für das Auftreten des Milzbrandes von teils örtlicher, 
teils allgemeinerer Bedeutung aufgestellt worden, die ebenfalls kritische 
Beachtung verdienen. Versucht man alle diese Ansichten zusammen¬ 
zufassen, so ergeben sich etwa folgende ätiologische Gruppen: 

a) Meteorologische und tellurische Einflüsse. 

b) Verarbeitung überseeischer Häute und Felle. 

c) Verwendung virulenter Düngemittel. 

d) Unzulängliche Beseitigung der Milzbrandkadaver. 

e) Notschlachtung milzbrandkranker Tiere. 

f) Holzige Beschaffenheit des Rauhfutters in trockenen Jahren. 

g) Verfütterung ausländischer Futtermittel. 

h) Sonstige Einflüsse. 

Bei einer kritischen Würdigung dieser einzelnen Gruppen steht 
vor allem auch in zeitlicher Hinsicht, wie schon erwähnt, die erste 
im Vordergrund. 

a) Auf die meteorologischen und tellurischen Einflüsse 
in ihrer Bedeutung für das Auftreten des Milzbrandes hat meines 
Wissens zuerst Friedrich 1 ) hingewiesen. Er versucht für die Milz¬ 
brandgegenden Überbayerns zu beweisen, daß bestimmte Beziehungen 
bestehen zwischen dem Auftreten des Milzbrandes und dem Wasser¬ 
gehalt des Bodens, den Niederschlagsmengen sowie der herrschenden 


1) Deutsche Zeitschr. f. Tiermedizin usw. Bd. XL S. 160. 



Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 499 


Wärme. In Bezug auf die Bodenfeuchtigkeit und die Niederschlags¬ 
mengen konnte Friedrich nachweisen, daß, sobald die Niederschlags¬ 
menge von ihrem erreichten Höhepunkt absinkt, die Zahl der Milz¬ 
branderkrankungen zunimmt und zwar um so mehr, je schneller die 
Niederschlagskurve abfällt. Hinsichtlich der Außenwärme hat Friedrich 
nachgewiesen, daß zur Ausbreitung des Milzbrandes eine bestimmte 
Temperatur notwendig ist. Sinken der Bodenfeuchtigkeit und ein 
hoher Thermometerstand bedingen nach Friedrich in Milzbrand¬ 
gegenden ein Aufflackern der Seuche. 

Den Friedrichschen Beobachtungen ist Sied amgrotzky (a. a. 0.) 
für Sachsen nachgegangen mit dem Ergebnis, daß die erwähnte Ab¬ 
hängigkeit der Zahl der Milzbrandfälle von der Bodenfeuchtigkeit und 
den Niederschlagsmengen nur für die Jahre 1868 bis 1874 zutrifft, 
aber in den übrigen Jahren eine derartige Beziehung nicht besteht, 
oder gerade das entgegengesetzte Verhältnis hervortritt, wie namentlich 
in den Jahren mit hohen Milzbrandzahlen (1884, 1882 und 1879). 
Noch weniger läßt sich eine bestimmte Beziehung der, Jahrestemperatur 
zu der Zahl der Milzbrandfälle feststellen. Diesen Schlußfolgerungen 
Siedamgrotzkys kann ich mich hinsichtlich der Beziehungen zwischen 
dem Auftreten des Milzbrandes, der Niederschlagsmengen und der Jahres¬ 
temperatur in Sachsen auch für die Jahre 1884 bis 1916 auf Grund 
der Durchsicht der entsprechenden Zusammenstellungen der Königl. 
Sächsischen Landeswetterwarte nur anschließen. Hieran vermögen 
auch vereinzelte Bemerkungen der Bezirkstierärzte in ihren Veterinär¬ 
berichten über die Abhängigkeit der Häufigkeit der Milzbrandfälle 
von den Niederschlagsmengen und der Soraraerwärme nichts zu ändern. 
Solche Beziehungen können örtlich und zeitlich begrenzt wohl einmal 
vorhanden sein, für das ganze Königreich kann jedoch mit ihnen als 
ausschlaggebendes ätiologisches Moment beim Auftreten des Milz¬ 
brandes nicht gerechnet werden. 

Hierbei darf man indessen die Bedeutung größerer Niederschläge 
für das Vorkommen des Milzbrandes insofern nicht verkennen, als sie 
zu einem starken Anschwellen der Wasserläufe und zu Ueberschwem- 
mungen von Wiesen, Feldern und Wäldern Veranlassung geben. In¬ 
folge der dabei eintretenden Bewegungen des Erdreichs durch Ab¬ 
spülung, die stellenweise einen beträchtlichen Umfang annehmen 
können, werden die etwa im Erdboden befindlichen Milzbrandsporen 
frei und mit dem Wasserstrom fortbewegt, aus dem sie samt den auf¬ 
geschwemmten Erdteilchen dort absinken, wo das fließende Wasser 

32* 



500 


RICHARD EDELMANN, 


zur Ruhe kommt. Geschieht dies an Stellen, an denen sich Pflanzen 
befinden, die zur Ernährung der Rinder dienen, so gelangen die ange¬ 
schlemmten Milzbrandsporen mit dem Futter' in die Tiere hinein und 
können hier, wenn sie virulent und zahlreich genug sind [Opperm ann *)], 
zur Entstehung des Milzbrands Veranlassung geben. Dasselbe kann 
sich naturgemäß vollziehen, wenn die so fortgeführten Milzbrandsporen 
durch Ueberschwemmung pder durch Undichtigkeit der Brunnenfassungen 
in Brunnen gelangen, aus denen Tiere getränkt werden, oder wenn 
das Tränken unmittelbar aus mit Milzbrandsporen verunreinigten 
Wasserläufen, Teichen, Tümpeln, Wasserlachen erfolgt. Bei alledem 
handelt es sich aber nicht eigentlich um unmittelbar örtliche Bezie¬ 
hungen zwischen der Menge der Niederschläge an sich und den im Erd¬ 
boden vorhandenen Milzbranderregern, sondern ausschließlich um die 
Fortbewegung der letzteren durch ungewöhnlich große Niederschläge 
nach Stellen hin, die nicht selten beträchtlich weit von den eigentlichen 
Niederschlagsgegenden entfernt liegen. Und insofern spielen auch 
tellurische Einflüsse in die vorliegende Frage mit hinein. Denn bei 
den erwähnten Abschwemmungen von Erdreich ist dessen Beschaffenheit 
naturgemäß von Bedeutung. Festere, zusammenhängende Bodenarten 
(Ton, Lette, Lehm) werden der Abspülung mehr widerstehen als 
weniger feste (Löß, sandiger Lehm u. a.), und Humusboden wird selbst 
durch schwache Wasserströmungen leicht in Bewegung gesetzt. Bei 
alledem kommt es auch auf die Stärke der abspülbaren Bodenschichten 
an, insbesondere dort, wo sich felsiger Untergrund befindet und die 
Wasserläufe ein größeres Gefälle besitzen. Weiter hierauf einzugehen 
verbieten Umfang und Zweck dieser Betrachtungen. Dem erwähnten 
Abhängigkeitsverhältnis zwischen Niederschlagsmenge und Milzbrand¬ 
häufigkeit kommt natürlich in eigentlichen Milzbranddistrikten, wie sie 
Friedrich für Bayern im Auge gehabt hat, eine ganz andere Bedeutung 
zu als für Gegenden, wo der Milzbrand erfahrungsgemäß nur sporadisch 
auftritt. Und deshalb mögen auch Friedrichs ätiologische Schlu߬ 
folgerungen aus seinen meteorologischen Betrachtungen durchaus zu¬ 
treffend sein. Sic lassen sich aber auf die Aetiologie des Milzbrands 
unter den Rindern im Königreich Sachsen, wo der Milzbrand, wie 
erwähnt, nur sporadisch auftritt, nicht ohne weiteres übertragen. 
Und daher wird man, zugleich auf Grund der kritischen Würdigung der 
in dieser Beziehung für Sachsen in Betracht kommenden Verhältnisse, 


1) Arch. f. wissensch. u. prakt. Tierheilkunde. 1905. Bd. 32. S. 41. 



Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 501 

berechtigt sein, meteorologische und tellurische Einflüsse als wesent¬ 
liches ätiologisches Moment beim Auftreten dieser Seuche in Sachsen 
auszuschalten. 

b) Die Verarbeitung der sog. WiljJhäute oder Kypse, d. h. 
überseeischer Häute und Felle, in Gerbereien hat bekanntlich 
nicht nur in Sachsen, sondern auch in anderen Gegenden Deutschlands 
(z. B. Hohenzollern, Thüringen) bei der Einschleppung und Verbreitung 
des Milzbrands eine große Rolle gespielt. Unter diesen Häuten befinden 
sich erfahrungsgemäß zahlreiche, die von milzbrandigen Tieren her¬ 
rührend, mehr oder weniger stark mit virulenten Milzbrandsporen 
durchsetzt sind. Diese werden insbesondere bei den Vorbereitungen 
(Einquellen, Wässern der Häute) zur eigentlichen' Gerbung und auch 
bei dieser selbst frei und gelangen in die Gerbereiabwässer, die sie 
mit fortspülen. So werden die Vorfluter für die Gerbereiabwässer 
mit Milzbranderregern verunreinigt, die bei dem Tränken von Tieren 
aus solchen Wasserläufen unmittelbar die Tiere anstecken können. 
Häufiger ist indessen die unmittelbare Ansteckung in der S. 500 be¬ 
schriebenen Weise. 

Im Königreich Sachsen sind es namentlich Teile der Amtshaupt- 
mannschaften Zittau, Freiberg, Schwarzenberg und Zwickau, die 
unter dieser Ansteckungsquelle des Milzbrands gelitten haben. 
Vielleicht ist dies auch in dem unteren Gebiet der Mulde in den 
Amtshauptmannschaften Döbeln und Grimma der Fall gewesen, ln 
den Berichten der in den gen. Amtshauptmannschaften und in den 
Bezirken Rochlitz, Meißen und Grimma tätigen Bezirkstierärzte wird 
mehrfach auf die Beziehungen zwischen dem Vorkommen des Milz¬ 
brands und der Verarbeitung von Wildhäuten und Abfällen überseeischen 
Rohleders in dortigen industriellen Betrieben hingewiesen, auch mit 
erwähnt, wie Verseuchungen verschiedener Ortschaften dadurch ge¬ 
bessert wurden, daß Aenderungen in den Bearbeitungsverfahren oder 
Klärung der Betriebswässer eingeführt worden sind. So interessant 
manche der hier in Betracht kommenden Einzelheiten auch in wissen¬ 
schaftlicher und praktischer Beziehung sind, so wenig kann doch hier 
weiter auf sie eingegangen werden. Zudem ist diese Frage auch 
bereits in den Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt von Gärtner 
und Dam mann 1 ) für das Schmeiegebiet und von v. Buchka und 
Renk 2 ) für das Orlagebiet eingehend behandelt worden. Nur darauf 


1) Arbeiten a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt. 1907. Bd. 25. S. 416. 

2 ) Ebenda. 1910. Bd. 28. S. 261. 



4 

502 RICHARD EDELMANN, 

mag hier schon mit hingewiesen werden, daß, wie mit Ausbruch des 
Krieges die Zufuhr der erwähnten Wildhäute und Felle nach Deutschland 
aufgehört oder wesentlich nachgelassen hat, so auch die Gefahr der 
Einschleppung von Milzbrandkeimen hierdurch entsprechend geringer 
geworden ist. Darin liegt naturgemäß wahrscheinlich auch ein Grund 
mit für das auffallende Absinken der Milzbrandziffer vom Jahre 1915 
ab, das im übrigen unter g S. 508 weiter begründet werden soll.' 

c) Die Verwendung virulenter Düngemittel wird mehrfach 
als Ursache des Milzbrandes beschuldigt. Insbesondere kommt hier 
das ausländische rohe Knochenmehl in Frage, durch dessen Verstreuung 
auf Feldern und Wiesen unter gewissen Umständen Futterpflanzen 
zu Trägern der in dem Mehl vorhandenen Milzbrandsporen werden 
können. Indessen ist bei dieser Uebertragungsmöglichkeit auch die 
unter a S. 498 erwähnte nicht zu vergessen und weiter noch daran 
zu denken, daß wohl nicht immer die Frage ausreichend zuverlässig 
geprüft worden ist, ob in den Gehöften, wo man ausländisches Knochen¬ 
mehl als Düngemittel verwendet hat, solches Mehl nicht auch sonst 
absichtlich oder unabsichtlich unter das Futter der Rinder gebracht 
worden ist (s. auch unter g). In den letzten 20 Jahren wird übrigens 
in den Berichten der Bezirkstierärzte kein Düngemittel als solches 
mehr als eigentliche Ursache des Milzbrands beschuldigt, obwohl auf 
die Bedeutung des indischen Knochenmehls als Ursache des Milz¬ 
brandes durch Verordnung 1 ) vom 2. April 1912 besonders hingewiesen 
worden war. Wo noch ab und zu die Düngung mit Milzbrandaus¬ 
brüchen in Verbindung gebracht worden ist, handelt es sich in der 
Regel um Jauche aus Milzbrandgehöften, deren Sporengehalt weitere 
Ausbrüche der Seuche veranlaßt hat. Hierauf wird unter e (S. 504) 
und h (S. 509) zurückzukommen sein. 

d) Daß eine unzulängliche Beseitigung der Milzbrand- 
kadaver zu neuen Ausbrüchen von Milzbrand auf Jahre hinaus 
Veranlassung geben kann, ist eine längst bekannte Tatsache, die in 
der Literatur über die Milzbrandätiologie ausreichend berücksichtigt 
worden ist. Deshalb soll hier nur insoweit auf dieses ätiologische 
Moment eingegangen werden, als es für die sächsischen Verhältnisse 
von besonderem Interesse ist. Schon in den 80er Jahren haben ein¬ 
zelne ßezirkstierärzte auf die Unzulänglichkeit des Verscharrens der 
Milzbrandkadaver und später auf die unzureichenden Einrichtungen 

I) Edolraann, Vorschriften für das Veterinärwesen im Königreich Sachsen. 
Bd. 7. S. 23. 



Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 503 

der Abdeckereien zur unschädlichen und zuverlässigen Beseitigung der 
Milzbrandkeime in den dort* verarbeiteten Kadavern hingewiesen. In 
ersterer Beziehung hat zwar schon die Viehseuchengesetzgebung vom 
Jahre 1880 etwas Besserung gebracht, aber die vorhandenen Unzu¬ 
träglichkeiten, ungeachtet der Einrichtung besonderer Verscharrungs¬ 
plätze für Tierkadaver in sämtlichen Gemeinden einiger Aratshaupt- 
mannschaften (z. B. in Kamenz schon 1886), ebensowenig ganz beseitigt 
wie das neue Viehseuchengesetz vom 26. Juni 1909 mit seinen Aus¬ 
führungsvorschriften vom 7. Dezember 1911. Hinsichtlich des Ab¬ 
deckereiwesens waren jedoch in Sachsen schon unter der Herrschaft 
des alten Viehseuchengesetzes nicht unwesentliche Fortschritte in ver¬ 
schiedenen Bezirken zu verzeichnen, die an der Tilgung des Milz¬ 
brandes zweifellos mitgeholfen und dazu beigetragen haben, daß sich 
die Verseuchung beständig in verhältnismäßig engen Grenzen gehalten 
hat. So wurde verschiedentlich die Beförderung von Milzbrandkadavern 
nach Abdeckereien von besonderen Voraussetzungen und derGenehmigung 
des Bezirkstierarztes abhängig gemacht, auch für eine ganze Anzahl 
von Abdeckereien vorgeschrieben, solche Kadaver nur in hierzu be¬ 
sonders eingerichteten Wagen zu befördern, die bei ordnungsmäßiger 
Beschaffenheit und Benutzung eine Verstreuung der Milzbranderreger 
auszuschließen geeignet waren. 

Anfang der 90er Jahre schon sind verschiedene Abdeckereien 
mit Hochdruckdämpfern ausgestattet worden, in die Großviehkadaver 
unzerteilt behufs Zerkochung durch gespannten Wasserdampf hinein¬ 
gebracht werden konnten, so daß die Zerlegung der Milzbrandkadaver 
und damit ein beachtlicher Anlaß zur Verstreuung von Milzbrand- 
keiraen wegfielen. Im Anschluß an diesen Fortschritt im Abdeckerei- 
betricb führten sich allmählich die modernen Tierkörperverwertungs¬ 
einrichtungen verschiedener Systeme in den Abdeckereien Sachsens 
ein, von denen sich beim Inkrafttreten des neuen Viehseuchengesetzes 
und des Reichsgesetzes, betr. die Beseitigung von Tierkadavern, vom 
17. Juni 1911 nur noch einige wenige der alten primitiven Ver¬ 
arbeitungsverfahren bedienten. Gegenwärtig sind sämtliche 26 Ab¬ 
deckereien und Tierkörperbeseitigungsanlagen in Sachsen mit neuzeit¬ 
lichen Dampf-, Koch- und Sterilisierungsapparaten ausgestattet. Daß 
dabei auch die baulichen Einrichtungen dieser Abdeckereien bessere 
und ihre Betriebe wirtschaftlicher und vor allem in hygienischer Be¬ 
ziehung zuverlässiger geworden sind, versteht sich von selbst. Hier¬ 
aus folgt naturgemäß auch eine sicherere Beseitigung von Milzbrand- 



504 


RICHARD EDELMANN, 


erregern in den Abdeckereien, zumal für die meisten mit Einrichtung 
des modernen Betriebes auch der Zwang der Abholung aller Großvieh- 
und vor allem aller Milzbrandkadaver verbunden war, so daß die Ein¬ 
flüsse der erwähnten neueren Abdeckereigesetzgebung nur noch für 
einige wenige Abdeckereien in Betracht kamen. Jedenfalls sind schon 
seit 10—15 Jahren-in den Bezirken Sachsens, wo der Milzbrand ver¬ 
hältnismäßig häufiger aufgetreten ist (S. 494), keine Milzbrandkadaver, 
soweit sie als solche erkannt worden sind, mehr vergraben, sondern 
in Abdeckereien unschädlich beseitigt worden, und dennoch ist 
ein wesentlicher Rückgang der Verseuchung durch Milzbrand auch 
in diesen Bezirken nicht zu verzeichnen gewesen. 

e) Ueber die Beziehungen der Notschlachtungen milzbrand¬ 
kranker Tiere zum endemischen Auftreten des Milzbrandes bestehen 
längst keine Zweifel, mehr, und auch in Sachsen hat man ihnen von 
jeher Aufmerksamkeit geschenkt. Fast in allen Jahresberichten über 
das sächsische Veterinärwesen sind Ausbrüche von Milzbrand erwähnt, 
die unmittelbar oder mittelbar auf Notschlachtungen railzbrandiger 
Rinder in den Seuchengehöften zurückzuführen waren. Insoweit hier¬ 
bei nicht Besudelung des Futters durch Blut, Kot oder dgl. der not¬ 
geschlachteten Tiere stattgefunden hatte, war es namentlich das blut¬ 
haltige Spülwasser der Schlachtstelle, das mit der Jauche auf Aecker 
oder Wiesen gebracht, zur Verunreinigung des dort gewonnenen Futters 
mit Milzbrandkeimen geführt hatte. Die Aufmerksamkeit, die man 
in Sachsen den Notschlachtungen milzbrandiger Rinder zugewendet 
hat, war seit Errichtung der staatlichen Schlachtviehversicherung durch 
das Gesetz 1 ) vom 2. Juni 1898 um so nötiger, als sich herausstellte, 
daß die Zahl der Notschlachtungen bei Rindern beständig zunahra, 
weil die Rindviehbesitzer in dem Bestreben, der Entschädigung für 
das Fleisch ihrer kranken Rinder durch deren natürlichen Tod nicht 
verlustig zu gehen, diese oft erst noch kurz vor ihrem Verenden ab¬ 
schlachteten. Daß sich darunter auch zahlreiche milzbrandige Rinder 
befinden mußten, ist aus dem schnellen, gefahrdrohenden Verlauf des 
Milzbrandes erklärlich. Infolgedessen nahm denn auch die Verhältnis- 
ziflfer der notgeschlachteten milzbrandigen Rinder zu oder blieb doch 
dauernd recht hoch, wie aus folgenden Zahlen hervorgeht. Das Ver¬ 
hältnis der notgeschlachteten Rinder zu den Milzbrandfällen bei dieser 
Tiergattung überhaupt betrug: 

1) Edelmann, Schlachtviehversicherungsgesetzgebung. Roßbergsche Verlags¬ 
buchhandlung, Leipzig 1907. 



Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 505 


1890 = 29 v. H. 

1891 = 20 „ 
189? = 25 % 

1893 = 25 , 

1894 = 21 . 

1895 = 30 . 

1896 = 32 „ 

1897 = 35 . 

1898 = 31 „ 


1899 = 25 v. H 

1900 = 30 „ 

1901 = 37 „ 

1902 = 39 „ 

1903 = 42 „ 

1904 - 41 . 

1905 = 50 . 

1906 = 47 . 

1907 = 47 „ 


1908 = 49 v. H. 

1909 = 52,5 „ 

1910 = 40 „ 

1911 = 40,8 „ 

1912 = 39,6 „ 

1913 = 45 „ 

1914 = 42 „ 

1915=42 , 

1916 = 37 , 


Diesem Uebelst&nd, der zudem auch Leben und Gesundheit von 
Menschen, die sich bei den Notschlachtungen mit Milzbranderregern 
ansteckten, gefährdete, versuchte man zunächst dadurch beizukommen, 
daß durch Verordnung 1 ) vom 27. November 1907 Entschädigung auch 
für solche Rinder zugesichert wurde, die auf Anraten eines Tierarztes 
wegen Milzbrandverdachts anstatt geschlachtet zu werden, ohne Blut¬ 
entziehung getötet worden waren, aber sich bei der amtlichen Unter¬ 
suchung als nicht mit Milzbrand behaftet erwiesen hatten. Indessen 
erwies sich diese Maßnahme als wirkungslos, im Jahre 1908 sind nur 
7 und bis Mitte 1909 nur 16 milzbrandverdächtige Rinder auf tier¬ 
ärztliches Anraten getötet worden, von denen sich 3 bzw. 5 als milz¬ 
brandig erwiesen. Deshalb wurde durch Verordnung 2 ) vom 5. August 
1909 die Befugnis zur Tötung milzbrandverdächtiger Rinder unter 
Zubilligung der Entschädigung auch bei Nichtbestätigung des Verdachts 
dahin erweitert, daß es ausnahmsweise auch genügen soll, wenn der 
zuständige nichttierärztliche Fleischbeschauer gemeinschaftlich mit 
einem zur Abschätzung von Tierseuchenschäden gewählten Tierbesitzer 
oder mit einem Mitgliede des Ortsschätzungsausschusses der staatlichen 
Schlachtviehversicherung dem Besitzer die Tötung des milzbrandver¬ 
dächtigen Tieres empfiehlt. Gleichzeitig wurde in der genannten Ver¬ 
ordnung bestimmt, daß für geschlachtete, d. h. mit Blutentziehung 
getötete milzbrandige Rinder künftig keine Entschädigung mehr zu 
gewähren sei. Die Verordnung, die am 1. Oktober 1909 in Kraft 
trat, fand auf seiten der Rindviehbesitzer nicht die gebührende Be¬ 
achtung, so daß, als Entschädigungen für milzbrandige notgeschlachtete 
Rinder verweigert wurden, einige Beunruhigung in landwirtschaftlichen 
Kreisen sich bemerkbar machte. Mit Rücksicht hierauf und in An¬ 
erkennung des Umstandes, daß die Verordnung vom 5. August 1909 
den Besitzern in ihrer vollen Tragweite augenscheinlich nicht genügend 

1) Edelmann, Vorschriften für das Veterinärwesen im Königreich Sachsen. 
Bd. 2. S. 148. 

2) Derselbe, ebenda. Bd. 4. S. 107. 



506 


RICHARD EDELMANN, 


bekannt geworden war, verstand sich das Ministerium des Innern zu 
einer milden Handhabung der Verordnung und gewährte die Ent¬ 
schädigung auch für notgeschlachtete milzbrandige Rinder, sobald be¬ 
achtliche Billigkeitsgründe hierfür Vorlagen [Verordnungen 1 ) vom 18.De- 
zember 1909 und vom 31. Dezember 1909 2 3 * )]. Außerdem wurde ver¬ 
schiedentlich auch dann Entschädigung für nicht milzbrandige, verendete 
Rinder gewährt, wenn die Besitzer nachweislich sich bemüht hatten, 
der Verordnung vom 5. August 1909 nachzugehen, aber hierbei durch 
den Tod der Rinder vor Eintreffen aller herbeigerufenen Sachverstän¬ 
digen und Zeugen überrascht worden waren. Im ganzen ist im Jahre 

1909 in 24 Fällen auf Grund der Verordnungen vom 27. November 
1907 und 5. August 1909 eine Entschädigung gewährt worden. 

Unter den Wirkungen der genannten Verordnungen ist denn auch, 
wie S. 505 ersichtlich ist, die Verhältnisziffer der notgeschlachteten 
milzbrandigen Rinder von 52,5 v. H. im Jahre 1909 bis zum Jahre 
1912 auf 40 v. H., 40,8 und 39,6 v. H. gesunken. Ob dieses Ab¬ 
sinken der Notschlachtziffern auch von Einfluß auf die Häufigkeit des 
Milzbrandes unter den Rindern in Sachsen überhaupt gewesen ist, 
erscheint nicht ohne weiteres erwiesen. Wie aus der Uebersicht I 
(S. 491) hervorgeht, ist allerdings die Zahl der Milzbrandfälle in 
Sachsen vom Jahre 1909 ab überhaupt und verhältnismäßig beständig 
gesunken, abgesehen vom Jahre 1911, wo ein Ansteigen gegenüber 

1910 um 1,28 v. H. zu erkennnen ist. Da indessen die Maßnahmen, 
die vielleicht das Heruntergehen der Notschlachtziffern mit veranlaßt 
haben, schon am 1. Mai 1912 ihre Hauptwirkung verloren hatten und 
von 1914 ab, wie im Abschnitt g (S. 508) gezeigt werden soll, wahr¬ 
scheinlich andere einflußreichere Verhältnisse in die vorliegende Frage 
mit hineinspielen, so kann die Verminderung der Notschlachtungen 
beim Vorkommen des Milzbrandes unter den Rindern Sachsens zwar 
als ein mithelfendes, nicht aber als ein ausschlaggebendes Moment 
angesehen werden. Mit Inkrafttreten des neuen Viehseuchengesetzes 
am 1. Mai 1912 wurden die mehrerwähnten Verordnungen mit allen 
zum alten Viehseuchengesetz erlassenen Vorschriften durch die Aus¬ 
führungsverordnung 8 ) vom 7. April 1912 außer Kraft gesetzt. Dennoch 


1) Edelmann, Vorschriften für das Veterinärwesen im Königreich Sachsen. 
Bd. 4. S. 167. 

2) Derselbe, ebenda. Bd. 4. S. 170. 

3) Edelmann, Viehseuchengesetzgebung des Deutschen Reiches und des 

Königreichs Sachsen. S. 211. 



Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 507 

hat man auch in der neueren Viehseuchengesetzgebung die Bedeutung 
der Notschlachtungen in Milzbrand verdachtsfällen nicht aus dem Auge 
verloren und durch Verordnung 1 ) vom 17. September 1914 eine Be¬ 
lehrung über das Verfahren bei Notschlachtungen, insbesondere in 
Milzbrandverdachtsfällen, ergehen lassen. 

f) In der holzigen Beschaffenheit des Rauhfutters in be¬ 
sonders trockenen Jahren ist von verschiedenen Bezirkstierärzten 
eine Gelegenheitsursache für ein häufigeres Vorkommen des Milzbrandes 
bei den Rindern gesucht worden. Sie gehen davon aus, daß durch 
dornige, stachliche Futterbestandteile mechanische Verletzungen der 
Schleimhäute des Verdauungskanals hervorgerufen werden, die Eingangs¬ 
pforten für die Milzbrandkeime bilden. Theoretisch ist diese Möglich¬ 
keit auch nicht gänzlich von der Hand zu weisen, wenngleich mit daran 
zu denken ist, daß durch das ergiebige Aufweichen und Aufquellen 
des Rauhfutters unter dem Einfluß des Speichels und des als Getränk 
oder mit stark wäßrigen Futtermitteln aufgenoramenen Wassers in den 
Vormägen des Rindes und weiter durch das Wiederkauen selbst ver¬ 
hältnismäßig stark verholztes Rauhfutter seine stachlichen Eigenschaften 
größtenteils verlieren wird, so daß nur die eigentlich dornigen Teile 
als mechanisch verletzende übrig bleiben dürften. Letztere werden 
aber immer nnr Ausnahraebestandteile des Futters bilden und auch 
als solche nur für die vorliegende Frage zu bewerten sein. Dabei 
wird man weiter zu berücksichtigen haben, daß, wie schon S. 500 er¬ 
wähnt wurde, verhältnismäßig zahlreiche Milzbrandkeime zu einer ge¬ 
fährlichen Infektion vom Darme aus notwendig sind, und daß ein 
Zusammenfallen dieser Voraussetzung mit der Aufnahme von mechanisch 
verletzendem Futter gewiß nur ein ganz außergewöhnliches Vorkommnis 
bedeuten dürfte. Mit Rücksicht hierauf wird man der besprochenen 
holzigen Beschaffenheit des Rauhfutters in besonders trockenen Jahren 
alles in allem genommen keinen nennenswerten Einfluß auf das häufigere 
Auftreten des Milzbrandes bei den Rindern zuerkennen können. Selbst 
als Gelegenheitsursache ist diese Futtereigentümlichkeit nicht so zu 
bewerten wie das S. 508 erwähnte Vorkommen von spitzen Gräten im 
Fischmehlfutter und von scharfen Knochensplittern in mit rohem 
Knochenmehl vermischten Futtermehlen. Deshalb nicht, weil diese 
letztgenannten Futtermittel mit größerer Wahrscheinlichkeit zugleich 


1) Edelmann, Vorschriften für das Veterinärwesen im Königreich Sachsen. 



508 


RICHARD EDELMANN, 


Träger von virulenten Milzbrandkeimen sein können, als vegetabilische 
Futterstoffe, selbst wenn sie stark verholzte oder dornige Bestandteile 
in sich schließen. 

g) Die Verfütterung ausländischer Futtermittel ist schon 
seit vielen Jahren als eine Gelegenheitsursache des Milzbrands von 
Tierärzten und Landwirten beschuldigt worden. Insbesondere hatte 
man russische und rumänische Kleie wiederholt in Verdacht, Milzbrand 
bei Rindern veranlaßt zu haben. Mehrere Ausbrüche dieser Seuche 
in der Amtshauptmannschaft Annaberg im Jahre 1906 konnten un¬ 
mittelbar auf Verfütterung russischer Kleie zurückgeführt werden, ob¬ 
gleich es damals nicht gelungen ist, Milzbrandsporen in der Kleie 
nachzuweisen. Ob auch noch andere ausländische Futtermittel hier¬ 
bei mit in Betracht kommen, ist' zwar schwer nachzuweisen, aber 
doch sehr wahrscheinlich, zumal wenn man die S. 502 unter c er¬ 
örterte Frage des Einflusses ausländischer Düngemittel auf das Vor¬ 
kommen von Milzbrand hierbei mit berücksichtigt. Vor allem wird 
wiederum an das ostindische Knochenmehl und Knochenschrot gedacht 
werden müssen, dessen Bedeutung als Ueberträger von Milzbranderregern 
durch das häufigere Vorkommen des Milzbrandes bei Schweinen 1 ) seit 
dem Jahre 1912 ersichtlich geworden ist. Außer anderen hat namentlich 
Glage 2 ) darauf hingewiesen, daß nicht das Fischmehl, das zunächst 
als Gelegenheitsursache des Schweinemilzbrandcs beschuldigt wurde, 
für die Verbreitung dieser Seuche in Frage komme, sondern vornehm¬ 
lich das ostindische Knochenmehl und Knochenschrot, das bekanntlich 
eine Quelle für den Milzbrand ist und dem Fischmehl und wahrscheinlich 
auch anderen mehl- und kleieähnlichen Futtermitteln beigepiischt 
wird. Gleicher Ansicht ist Greve 3 ), der außer dem Knochen- und 
Fischmehl auch der russischen Gerste eine nicht geringe Bedeutung 
bei der Entstehung des Milzbrandes bei Rindern und Schweinen beimißt. 

Und damit kommt man zum Kernpunkt der ganzen vorliegenden 
Frage, die dahin zu beantworten ist. daß vornehmlich von den aus 
dem Auslande eingeführten Futtermitteln das Vorkommen des Milz¬ 
brandes im Königreich Sachsen abhängt. Wie auf vielen anderen Ge- 

1) Verordnung vom 20. Februar 1913. Edelmann, Vorschr. f. d. Veterinär¬ 
wesen im Königreich Sachsen. Bd. 8. S. 67 und 71. 

2) Glage, Schweinemilzbrand —Fischmehl — Knochenmehl. Berliner Tier- 
ärztl. Woohenschr. 1914. S. 285. — Derselbe, Die Abhängigkeit des Schweinemilz¬ 
brandes von Handelsgepflogenheiten. Ebenda 1915. S. 18. 

3) Greve, Beobachtungen über das Auftreten des Milzbrandes im Großherzog¬ 
tum Oldenburg und dessen Ursachen. Berliner Tierärztl. Wochenschr. 1915. S. 133. 



Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 509 

bieten, so ist auch in dieser veterinärhygienischen und seuchen¬ 
polizeilichen Angelegenheit der jetzige Weltkrieg zum Lehrmeister ge¬ 
worden und hat uns die eigentliche Grundursache des Auftretens des 
Milzbrandes unzweifelhaft erkennen lassen. Bis zum Kriegsausbruch' 
sind Futtermittel in gewaltiger Menge aus dem Auslande nach 
Deutschland und damit auch nach Sachsen eingeführt worden. Auf 
den Umfang dieser Einfuhr kann hier aus Mangel an Raum nicht 
eingegangen werden, zumal auch die auf das Königreich Sachsen* ent¬ 
fallende Menge dieser ausländischen Futtermittel ebensowenig bekannt 
ist wie die Art und die Menge der Futtermittel, die ausschließlich 
als verdächtig gelten können, Milzbranderregcy zu enthalten. Mit 
Kriegsausbruch hat die Zufuhr ausländischer Futtermittel nach 
Deutschland erheblich nachgelassen und schließlich bald vollständig 
aufgehört. Infolgedessen ging entsprechend dem Umfang und dem 
Verbrauch der noch vorrätigen ausländischen Futtermittel in den 
einzelnen Wirtschaften des Landes das Auftreten des Milzbrandes zu¬ 
rück. Die Verhältnisziffer, die nach Uebersicht I (S. 491) im ersten 
Kriegsjahr 1914 noch 3,65 betrug, sank 1915 auf 1,49 und 1916 auf 
1,02. Die Hauptursache der Seuche hat aufgehört zu wirken und 
nur die übrigen Gelegenheitsursachen des Vorkommens des Milzbrandes 
lassen ihn noch in kaum nennenswertem Umfange fortbestehen. 

h) Von sonstigen Einflüssen, die für ein häufigeres Vorkommen 
des Milzbrandes bei den Rindern in Sachsen verantwortlich gemacht 
worden sind, seien hier noch die mangelhafte Desinfektion bei Milz¬ 
brandausbrüchen, die Verfütterung infizierten Futters und die Ver¬ 
schleppung der Milzbranderreger durch Ungeziefer zu erwähnen. 

Die ursächliche Bedeutung einer mangelhaft ausgeführten 
Desinfektion bei Milzbrandausbrüchen für weitere Seuchenfälle hängt 
eng zusammen mit der oben'unter e (S. 504) behandelten Frage des 
Einflusses der Notschlachtungen milzbrandkranker Tiere auf die Ver¬ 
breitung des Milzbrandes. Die Desinfektionsfrage wurde aber dort 
nicht berührt, weil sie bei den Beziehungen der Notschlachtungen 
zum Auftreten des Milzbrandes gegenüber der an jener Stelle erörterten 
unmittelbaren Beeinflussung der vorliegenden Frage von nebensächlicher 
Bedeutung ist. Denn die oben erwähnte Bedeutung dieser Notschlach¬ 
tungen hängt um so weniger von einer gründlichen oder mangelhaften 
Ausführung der Desinfektion ab, als letztere die bei den Notschlach¬ 
tungen verstreuten Milzbrandkeime in der Regel nur zum kleinsten 
Teile zu fassen vermag, und auch Notschlachtungen milzbrandkranker 



510 


RICHARD EDELMANN, 


Tiere besonders früher häufig vorgekommen sein mögen, bei denen 
infolge Unterlassung der Anzeige des Seuchenfalles auch keine Des¬ 
infektion angeordnet und ausgeführt worden ist. Im übrigen soll nicht 
bestritten werden, daß bei Milzbrandfällen sowohl verendeter wie not¬ 
geschlachteter Tiere manchmal unzureichend desinfiziert worden sein 
mag, und daß infolgedessen der eine oder andere spätere Milzbrandfall 
in dem betroffenen Gehöft oder in derselben Gemeinde vielleicht hier¬ 
auf zurückzuführen gewesen ist. Dennoch kann dieser Umstand für 
das fast über das ganze Königreich Sachsen durch Jahre hindurch 
sich erstreckende häufige Vorkommen des Milzbrandes bei den Rindern 
auch schon deshalb nicht verantwortlich gemacht werden, weil die 
Ausführung der Desinfektion infolge der scharfen Ueberwachung durch 
die Bezirkstierärzte von Jahr zu Jahr zweifellos immer besser ge¬ 
worden ist, die Zahl der Milzbrandfälle aber, wie gezeigt, keineswegs 
entsprechend abgenommen hat. 

Die Verfütterung von mit Milzbrandkeimen besudelten 
Futtergewächsen wird als Ursache von Milzbrandausbrüchen früher 
und auch jetzt noch in den Berichten der Bezirkstierärzte regelmäßig 
mit erwähnt. Wie derartige Futterverunreinigungen Zustandekommen, 
wurde oben unter a, b, c und g auseinandergesetzt und verschiedent¬ 
lich mit erwähnt, daß dieser Ursache des Milzbrandes 1 ) nur eine ört¬ 
liche Bedeutung beigelegt werden könne. Deshalb erübrigt es sich 
auch für den vorliegenden Zweck, weiter auf dieses ätiologische Moment 
einzugehen. Für die Häufigkeit des Vorkommens des Milzbrandes 
unter den Rindern im ganzen Königreich Sachsen ist es jedenfalls 
nur von sehr nebensächlicher Bedeutung. 

Insoweit Ungeziefer für ein häufigeres Vorkommen des Milzbrandes 
bei den Rindern in Sachsen verantwortlich gemacht worden ist, kommen 
besonders die Ratten in Frage. In mehreren Ortschaften vermochten 
die Bezirkstierärzte Häufungen des Milzbrandes unter den Rindern 
verschiedener Gehöfte nicht anders zu erklären, als daß durch die dort 
ziemlich zahlreich auftretenden Ratten die Milzbranderreger verschleppt 
sein müßten. Für die Aufnahme der Milzbrandkeime durch die Ratten 
hatte zumeist eine Notschlachtung oder ein unvorschriftsmäßiges Ver¬ 
graben eines Milzbrandkadavers Veranlassung gegeben. Dabei waren 
Ansteckungen der Ratten untereinander natürlich nicht von der Hand 

1) Vergl. Müllschitzkv, Zur Aetiologic des Fütterungsmilzbrandes. Zcitschr. 
f. Infektionskrankl)., parasitäre Krankheiten u. Hygiene d. Haustiere. 1912. 11. Bd. 
S. 208. 



Milzbrand unter den Rindern d. Königreichs Sachsen in d. Jahren 1859 bis 1916. 511 


zu weisen und ebensowenig die Besudelung namentlich des Rauhfutters 
mit Abgängen milzbrandkranker Ratten, die wiederholt verendet ira 
Stroh und Heu der verseuchten Gehöfte gefunden wurden. Das Auf¬ 
hören des Milzbrandes in den verseuchten Ortsteilen nach einer energisch 
betriebenen Rattenvertilgung hat die Beteiligung dieses auch sonst 
wirtschaftlich und hygienisch bedenklichen Nagetiers an den örtlichen 
Verseuchungen durchaus wahrscheinlich gemacht. Gleichwohl wird 
man den Ratten einen allgemeinen Einfluß auf ein gehäuftes Auftreten 
des Milzbrandes in Sachsen um so weniger zusprechen können, als 
dieses Ungeziefer im großen Ganzen durchschnittlich nicht übermäßig 
zahlreich in den sächsischen Ortschaften und Fluren vorzukommen pflegt. 

Versucht man das Ergebnis der vorliegenden epidemiologischen 
Betrachtungen kurz zusammenzufassen, so kann als bewiesen gelten, 
daß das Vorkommen des Milzbrandes unter den Rindern im 
Königreich Sachsen vorzugsweise abhängt von dem Umfang 
und der Beschaffenheit der vom Auslande eingeführten 
Futtermittel, die Träger von Milzbrandsporen sein können 
und entsprechend ihrem im Laufe der Jahre immer mehr 
gestiegenen Verbrauch den Milzbrand in'Sachsen allgemein 
und beständig unterhalten haben. Nächstdem kommt auch der 
Verarbeitung überseeischer Wildhäute und der Verwendung ausländischer 
Düngemittel eine, wenn auch mehr örtliche ätiologische Bedeutung 
bei dem Auftreten des Milzbrandes in Sachsen zu. Wenn es deshalb 
gelingen sollte, die durch den Krieg aufgezwungene Unabhängigkeit 
vom Auslande namentlich in bezug auf die Inanspruchnahme aus¬ 
ländischer Futtermittel für die landwirtschaftliche Tierhaltung weiter 
durchzuführen oder doch nur wenig zu ändern, so steht auch zu erwarten, 
daß die Milzbrandgefahr in Sachsen ähnlich gering bleibt wie in den 
gegenwärtigen Kriegsjahren. Allerdings wird es ohne Umgestaltung 
unserer Fütterungslehre in bezug auf die zur Mast erforderlichen ge¬ 
ringsten Mengen von Kraftfuttermitteln kaum gelingen, die nach dem 
Kriege voraussichtlich wieder unbeschränkte Einfuhr derartiger Futter¬ 
mittel so zu beschränken und der Milzbrandgefahr entsprechend zu 
regeln, daß auf diesem Wege ein dauerndes Niedrighalten der Ver¬ 
seuchung unserer Rindviehbestände durch Milzbrand zu erwarten ist. 



XXIII. 

Anatomische Studien Dfirers. 


Von 

Robert Bruck. 

(Hieran Tefeln II—XI.) 


Die Tierwelt nimmt in der Geschichte der Kunst eine bedeutsame 
Stellung ein. Man kann wohl mit Berechtigung die Behauptung auf¬ 
stellen, daß lange Jahrhunderte hindurch und bei vielen Völkern, wie 
heute noch bei den Menschen niederer Kulturstufe, das Tier nicht nur 
neben dem Menschen, sondern mehr als der Mensch selbst Gegenstand 
bildlicher Darstellung war und ,ist. An den Tierdarstellungen kann 
man die Entwicklung der Geschichte der Kunst aller Zeiten und 
Völker erkennen. Aus einem Ueberblick ersieht man, daß zwei große 
Unterscheidungen in der Auffassung des Tieres gemacht werden können. 
Die eine Art der Tierbildung geht auf die Darstellung der naturwahren 
Erscheinung des Tieres mit allen Einzelheiten aus, die andere will 
unter Weglassung von Aeußerlichkeiten nur mehr den Typus der be¬ 
treffenden Tierart wiedergeben. Für beide Richtungen können große 
Meister genannt werden. Man darf deshalb auch nicht sagen, daß 
die eine Auffassung höher zu schätzen sei, als die andere. Aber mit 
Recht kann ausgesprochen werden, daß der Künstler als der bedeutendste 
geachtet werden muß, dessen Werk, von größtem künstlerischen Idea¬ 
lismus durchdrungen, auf genauer Kenntnis und eindringlichstem 
Studium der Natur beruht. 

„Dann wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus 
kann Meißen, der hat sie,“ sagt der Großmeister unserer deutschen 
Kunst, Albrecht Dürer. 

Eine genaue Kenntnis der Natur kann sich der Tierbildner aber 
nur durch ein Studium der Anatomie der Tiere und am lebenden 
Tiere selbst erwerben. In früheren Jahrhunderten war das nicht oder 



Anatomische Studien Dürers. 


513 


Dur in ganz beschränktem Maße erreichbar. Während es im Alter- 
tume durch/ die den Tieropfern bei den meisten Völkern zugrunde 
liegenden Gesetzen nicht unmöglich war, sich tieranatomische Kennt¬ 
nisse anzueignen (Postolka, A., Geschichte der Periode der empi¬ 
rischen Tierheilkunde, Wien 1885), wurde Tieranatomie im Mittelalter 
nur wenig getrieben. Praktisch wurde die Tierheilkunde in dieser 
Zeit zumeist von Unwissenden, Schmieden, Hirten, dem Abdecker oder 
Scharfrichter ausgeübt. Eichbaum (Grundriß der Geschichte der Tier¬ 
heilkunde von Dr. Friedrich Eichbaum, Berlin 1885, S. 48) hebt 
hervor, daß die Tieranatomie noch bis zur Gründung von tierärztlichen 
Lehranstalten — umgekehrt wie im Altertum — gegen das Vorurteil 
und den Abscheu gegen die Berührung tierischer Kadaver zu kämpfen 
hatte und daß jeder, der sich damit beschäftigte, für unehrlich galt. 
Bei der Gründung der Tierarzneischule in Hannover 1778 wurde von 
allen Kanzeln bekannt gemacht, daß niemand sich unterstehen dürfe, 
den die Tierheilkunde Studierenden wegen ihrer Beschäftigung mit 
tierischen Kadavern den Vorwurf der Ehrlosigkeit zu machen, und bei 
der Eröffnung der Tierarzneischule zu Dresden im Jahre 1774 war 
bei der ersten Zergliederung eines Pferdes ein königlicher Prinz, der 
Herzog von Kurland, zugegen, der zuerst Hand anlegte und damit die 
Versammlung im wahrsten Sinne des Wortes „beehrte“ d. h. ehrlich 
machen mußte (Eichbaum a. a. 0., S. 49). 

Andererseits wissen wir aber auch, daß in der Renaissancezeit 
sich geniale Künstler Italiens, wie z. B. Leonardo da Vinci und 
Michelangelo, mit anatomischen Studien eifrigst befaßt und den 
hohen Wert derselben ausdrücklich betont haben. Bei dem Ansehen, 
der Achtung und Wertschätzung, welche die großen Künstler der 
Renaissancezeit in Italien genossen, kann es nicht überraschen, wenn 
ein derartiges Studium ihnen nicht als Sünde oder Schande angerechnet 
wurde. Auch war die Bevölkerung der italienischen Städte, wenigstens 
in ihren oberen Schichten, vom Humanismus durchdrungen und 
hatte ein großes und allgemeines Interesse für alle Fragen und An¬ 
gelegenheiten der Kunst. Ganz anders lagen die Verhältnisse in der¬ 
selben Zeit in Deutschland. Die engen kleinlichen Zustände in den 
deutschen Städten stehen in großem Gegensatz zu denen Italiens. 
Nur die Kirche und die Fürsten kümmerten sich mehr oder weniger 
um die Kunst und die Künstler, sie waren auch fast die ausschließlichen 
Besteller von Kunstwerken, während in der Bürgerschaft der Bildhauer 
oder Maler, selbst wenn er der bedeutendste Künstler war, keine 

Archiv f. wUsensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Sappl. 03 



514 


ROBERT BRUCK, 


andere Stellung einnahm, kein anderes Ansehen genoß, als der ge¬ 
wöhnliche Handwerker, der Schneider oder Schuster. Deshalb muß 
es unsere volle Bewunderung erregen, wenn wir bei einem deutschen 
Künstler am Beginne des 16. Jahrhunderts von emsig betriebenen 
anatomischen Studien vernehmen. Es war das bei unserem Gro߬ 
meister Alb recht Dürer der Fall, dessen hohes künstlerisches Ziel 
ein immerwährendes Aufnehmen der Natur in allen ihren einzelnen 
Gebilden und dann eine freie aus innerstem künstlerischen Empfinden 
heraus bewirkte Wiedergabe war. 

In meiner Veröffentlichung „Das Skizzenbuch von Albrecht 
Dürer, in der Königl. öffentl. Bibliothek zu Dresden“ (Straßbarg 
i. Eis. 1905) hatte ich seiner Zeit auf eine Anzahl Zeichnungen auf¬ 
merksam gemacht, die hervorragende Studien der Anatomie de? 
Menschen und Pferdes von Dürer zeigen. Bei einigen Erläuterungen 
mußte ich mich auf Vermutungen beschränken, obwohl ich von der 
damals ausgesprochenen Annahme innerlich fest überzeugt war. Meine 
Hypothese hat inzwischen von autoritativer Seite ihre Bestätigung 
gefunden und da es sich bei Dürers Zeichnungen wohl um die 
früheste deutsche Künstleranatomie handelt, sei es mir gestattet, hier 
nochmals auf die anatomischen Zeichnungen im Dürerschen Skizzenbuch 
zurüekzukomraen. Dabei tritt uns die höchst beachtliche Tatsache 
entgegen, daß, wie Dürer ein wichtiger Bahnbrecher, Entdecker und 
Reformator der Kunst und des Wissens bei uns in Deutschland war, 
er auch der erste deutsche Künstler gewesen ist, der auf rein wissen¬ 
schaftlicher Grundlage anatomische Studien getrieben hat. 

Auf Tafel IX der Veröffentlichung habe ich ein 1517 datiertes 
Blatt mit der Zeichnung des Skelettes einer Hand wiedergegeben. 
Ich hatte dabei auf die Fehler in der Anzahl der Handwurzel- und 
Mittelhandknochen aufmerksam gemacht, denn die kleinen Stücke 
zwischen den Fingergliedern kommen als knorpelartige Gebilde nur 
beim Kinde vor und verwachsen beim älteren Menschen. Immerhin 
könnte man die für Dürers bekannte Genauigkeit seiner Beobachtungs¬ 
gabe auffallenden Fehler mit der Schwierigkeit des Betriebes ana¬ 
tomischer Studien der damaligen Zeit entschuldigen. Auf dem gleichen 
Blatte (Tafel IX) sind an zweiter Stelle mit durchaus anatomischer 
Richtigkeit die Hauptmuskeln und Muskelgruppen des menschlichen 
Armes wiedergegeben, daneben die Zeichnung des Skelettes des Armes 
und eines Beines, beide mit der Einzeichnung der Hauptnervenstränge. 
Die naturwahre Wiedergabe der Lage und Verästelung der Nerven 



Anatomische Studien Dürers. 


515 


kann nur von jemandem so gezeichnet worden sein, der die blo߬ 
gelegten, präparierten Nerven gekannt hat. Den Nachweis einer 
gründlichen anatomischen Kenntnis erbringen auch die Zeichnungen 
auf dem folgenden Blatt (Tafel X). Hier ist ein linker ausgestreckter 
Arm mit seinen Muskeln gezeichnet, daneben das Skelett der linken 
Hälfte eines Brustkorbes mit ausgestrecktem Arm. Den Brustkorb 
selbst hat Dürer nur andeutend dargestellt, während ihm der Verlauf 
und die Verästelung der hier ein gezeichneten Nerven die Hauptsache 
waren. Klar.sieht man den nervus medianus mit seinen am Unter¬ 
arm sich verzweigenden Aesten, die sich zum Teil mit denen des 
nervus radialis vereinen und deutlich kann man den charakteristischen 
Verlauf des nervus ulnaris verfolgen. Daß es dem Meister hierbei 
in der Hauptsache auf das Studium und die Wiedergabe der Nerven 
ankam, macht auch die kleine Zeichnung rechts am Rande des 
Blattes erkenntlich, bei der man die eben erwähnten Hauptnerven 
aus den Halswirbeln hervorkommen sieht. Mit größter Genauigkeit 
und mit einzigartiger Sicherheit in anatomischer wie in zeichnerischer 
Hinsicht sind wie die Nerven auch die Muskellagen auf diesen 
Blättern dargestellt. Aber auch auf diesem Blatte befindet sich eine 
merkwürdige Knochenbildung am Oberam des / Skelettarmes, einen 
Humerus zeigend, der dem eines Hundes ähnlicher ist, als dem eines 
Menschen. Ich habe darauf hingewiesen, daß dem Meister, da sonst 
alle Einzelheiten bei dieser Zeichnung durchaus richtig sind, hier nur 
eine auffällige Deformation Vorgelegen haben konnte. 

War es' in jener Zeit möglich, daß Dürer so eingehende ana¬ 
tomische Studien machen konnte und wie und wo hat er dazu 
Gelegenheit gefunden? Das Blatt (Tafel IX) ist 1517 datiert, eine 
Zeit, in der Dürer wohl hauptsächlich mit wissenschaftlichen Studien 
beschäftigt war, da wir kein Werk seiner Kunst besitzen, das mit 
Bestimmtheit als im Jahre 1517 entstanden zu bezeichnen ist. Daß 
es trotz der oben erwähnten deutschen Kulturzustände doch schon 
möglich war, wenn auch in sehr beschränkter Weise, anatomische 
Studien zu betreiben, es sogar die Zeit war, in der langsam Schritt 
um Schritt gleichsam Licht in das geheimnisvolle Dunkel gebracht 
wurde, eine Zeit, in der auch bei uns in Deutschland die Wissenschaft 
der Anatomie von neuem zu blühen begann, beweisen die gelehrten 
Namen wie Wilhelm Koch aus Basel, Winther von Andernach, 
Theodor Zwinger aus Basel, Anutius Foesius in Metz und 
Magnus Hundt in Leipzig. Ich habe früher nur schwer an eine 

33* 



516 


ROBERT BRUCK, 


direkte Kopie einer bildlichen Vorlage bei diesen Zeichnungen Dürers 
glauben können und nannte den Bolognesen Mundinus (Raimondo 
dei Liuzzi ca 1275—1326), von dem wir wissen, daß er mehrere 
menschliche Leichen zergliederte und dessen Lehrbuch bis in das 
16. Jahrhundert an vielen medizinischen Schulen benutzt wurde. Er 
war der erste auf dem neuen Wege, in der anatomischen Wissenschaft 
die unmittelbare Beobachtung wieder in ihre Rechte treten zu lassen. 
Aber selbst wenn sein Lehrbuch mit Abbildungen versehen gewesen 
wäre, hätten sie Dürer unmöglich zu solchen Zeichnungen als direkte 
Vorlagen dienen können. War man durch diesen Gedankengang 
einmal nach Bologna geleitet, so kam man, wie von selbst, zu weiteren 
Vermutungen. In Bologna und Padua wirkten, als Dürer in Italien 
sich aufhielt, bedeutende Anatomen, Gabriel de Zerbis und 
Alexander Benedetti in Padua, Alexander Achillinus in Bologna. 
Wollte sich ein Künstler genauere Kenntnis über den Bau des Körpers 
und seiner Glieder verschaffen, so mußte er die Belehrung eines 
Anatomen von Fach zu erlangen streben. Es darf deshalb nicht als 
ganz unwahrscheinlich bezeichnet werden, wenn auch vorläufig jeder 
Beweis dafür fehlt, daß Dürer, als er im Oktober des Jahres 1506 
nach Bologna geritten war, dort Alexander Achillinus um ana¬ 
tomischer Studien wegen aufsuchte. 

Zur Aufhellung dieser Frage dürften die Pferdezeichnungen aus dem 
Skizzenbuch beitragen, die ich auf Taf. 128 (Taf. XI) meiner Veröffent¬ 
lichung wiedergegeben habe und die wahrscheinlich als Illustrations- 
studien zu Dürers Proportion des Pferdes gedacht waren. Es sind auf 
diesem Blatte fünf Zeichnungen vorhanden. 1. Die hintere Partie eines 
Pferdes, bei dem der Schwanz abgeschnitten gedacht ist, um den Bau des 
Körpers deutlicher sichtbar zu machen. Darunter links 2. das rechte 
Vorderbein mit einem Teil des Hals- und Brustansatzes, rechts davon 
3. die Vorderansicht des Pferdekörpers mit dem oberen Teile der 
Vorderbeine in Verkürzung gesehen. Hier ist der Kopf wohl aus dem¬ 
selben Grunde nicht gezeichnet, um die Bildung des Körpers besser 
überblicken zu können. Darunter befinden sich dann noch zwei 
Zeichnungen, 4. die eines im rasenden Galopp dahinjagenden Pferdes 
mit fliegender Mähne und Schweif, von der Seite gesehen und 5. eben¬ 
falls in Seitenansicht der Kopf mit dem Hals eines Pferdes, das uns 
in seiner Bildung an die Antike erinnert, mit gesträubter Mähne, 
offenem Maule, so daß man die Zähne sieht und aufgeblähten Nüstern. 



Anatomische Studien Dürers. 


517 


Diese beiden letzten Zeichnungen Nr. 4 und Nr. 5 bildet Ephrussi 
(Charles Ephrussi, Albert Dürer et ses dessins, Paris 1882) in 
seinem Buche Seite 132 ab und stellt diesen auf der entsprechenden 
Gegenseite 133 zwei Pferdezeichnungen Leonardo da Vincis aus der 
ehemaligen Sammlung Emile Galichon gegenüber. Jeder Zweifel 
darüber, daß hier eine Nacharbeit Dürers nach einer Zeichnung Leo¬ 
nardos vorliegt, muß bei dem Vergleiche der Blätter verstummen. 
Nur hat Dürer bei dem galoppierenden Pferde den nackten geißel¬ 
schwingenden Reiter mit fliegendem Haupthaare weggelassen. Beim 
Vergleiche der beiden wichtigen Zeichnungen bleibt Ephrussi in vor¬ 
nehmer Art beiden Großen gerecht, wenn er sagt (S. 130 und 131): 
„La finesse, la verve et l’ölögance spirituelle de la plume chez Dürer 

rapellent de tres pres les qualitös correspondantes de Leonard. 

II ne s’agit plus ici d’emprunt ou de copie, mais d’une vöritable assi- 
milation, ä un moment du moins, du style de Leonard par le gönie 
de Dürer.“ 

Besitzen wir hier demnach den bestimmten Beweis, daß Dürer 
Zeichnungen Leonardos gekannt und kopiert hat, so ist ein weiterer 
Nachweis auch für einige oben erwähnte Dürersche Zeichnungen auf 
Taf. 107 (Taf. IX) und 108 (Taf. X) meiner Veröffentlichung von be¬ 
sonderer Bedeutung. Diesen Nachweis hat Karl Sudhoff in seinem 
Aufsatze „Dürers anatomische Zeichnungen in Dresden und Leonardo 
da Vinci“ erbracht. (Archiv für Geschichte der Medizin. Herausgegeben 
von Karl Sudhoff, Leipzig 1908, Band I, Heft 3 u. 4, Seite 317 u. 
folgende.) Sudhoff glaubt, daß es im Jahre 1517, der Jahreszahl, die auf 
der Taf. IX mit den anatomischen Arm- und Beinpräparaten steht, nicht 
möglich sei, in Deutschland einen Arzt namhaft zu machen, der solche 
Präparate herzustellen wußte, auch sei eine solche Quelle gar nicht nötig. 
Sudhoff führt nun den Nachweis, daß Dürer Leonardos Zeichnungen 
gekannt hat. Er sagt: „Denn alles, was Dürer zur inneren Anatomie 
des Menschen auf Taf. 107 (Taf. IX) und 108 (Taf. X) gezeichnet hat, 
finden wir meist sogar ebenso gruppiert auf der Vorder- und Rückseite 
des zweiten Blattes wieder, das in den „Etudes Anatomiqües (Recueil B)“ 
1901 von E. Rouveyre in Paris veröffentlicht wurde.“ Die Veröffent¬ 
lichung der entsprechenden Zeichnung Leonardos mit der Darstellung 
der Armnerven bei Sudhoff liefert allerdings den schlagenden Beweis 
dafür, daß wir in ihr die direkte Vorlage zur Dürerschen Kopie be¬ 
sitzen. Auch hier findet sich die merkwürdige Deformation des Humerus 




518 


ROBERT BRUCK, 


und Sudhoff weist auch die mir seiner Zeit aufgefallene Deformation 
des Handskeletts auf Taf. 107 (Taf. IX) ebenfalls bei Leonardo nach, 
der auf seiner Zeichnung den Vermerk „mano difformata“ hinzu¬ 
gefügt hat. 

Ist so für einige Zeichnungen Dürers, die für die Geschichte 
der Anatomie des Menschen und des Pferdes von höchstem Werte 
sind, eine Vorlage des großen Leonardo da Vinci nachgewiesen, so 
bleibt noch die Frage offen, wo und wann hat Dürer Leonardos 
Zeichnungen kennen gelernt. Schon Ephrussi hatte sich die Frage 
gestellt, die er ebenfalls nur rein hypothetisch beantworten konnte. 
Gegen Ende des Jahres 1506 verläßt Dürer Venedig zu einem Aus¬ 
fluge nach Bologna. Ebenfalls im Sommer des Jahres 1506 erhält 
Leonardo von der Signoria in Florenz die Ermächtigung, Florenz zu ver¬ 
lassen, um sich nach Mailand zu begeben. Nun falle, sagt Ephrussi, 
die Reise Dürers nach Bologna mit der Leonardos zusammen. 
Am Ende des Briefes 10 (Lange und Fuhse, Dürers schriftlicher 
Nachlaß, S. 41) an Pirkheimer in dem Dürer jenem mitteilt, daß 
er in ungefähr 10 Tagen nach Bologna reiten wolle, „um Kunst willen 
in heimlicher Perspectiva, die mich einer lehren will“ fehlt allerdings 
die genaue Datierung. Wir können jedoch aus seinen Worten „Geben 
zu fenedich ich weiß nit an was Tag des Monats, aber ungefähr 
14 Tage nach Michaelis im 1506 Johr“ schließen, daß es Mitte Oktober 
gewesen ist. Andrerseits war es im Oktober 1506 als Soderini die 
Abwesenheit Leonardos von Florenz zur Reise nach Mailand angibt. 
Da wir nun wissen, daß Papst Julius II zu dieser Zeit in Bologna 
Hof hielt, so ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, daß Leonardo 
davon angezogen, seinen Weg nach Mailand über Bologna nahm. 
Eine persönliche Begegnung dieser beiden Gewaltigen der Kunst in 
Bologna ist allerdings nicht wahrscheinlich, weil Dürer sicher dieses 
Ereignis in einem seiner Briefe oder in einer seiner Schriften nicht 
unerwähnt gelassen hätte. Mir erscheint die Annahme glaubwürdiger, 
daß Dürer Zeichnungen und Skizzen Leonardos vielleicht in Bologna, 
wahrscheinlicher bei einem Meister in Venedig kennen gelernt hat. 
An Luca Pacioli in Venedig könnten wir denken, über dessen Ver¬ 
hältnis zu Dürer Justi (konstruierte Figuren und Köpfe unter den 
Werken Albrecht Dürers von Ludwig Justi Leipzig. 1902. S. 63) 
sagt: „Auf den Verkehr mit ihm führt man dann auch die bekannten 
Zeichnungen in Florenz und Mailand zurück, Studien über Pferde¬ 
proportionen mit Zahlenangaben von fremder Hand“, 



Anatomische Studien Dürers. 


519 


So dürfte sich aus diesen Ausführungen ergeben, daß Dürer 
sich bei berühmten Anatomen Italiens Belehrung und Wissen über die 
Anatomie des Menschen und des Pferdes erholt hat und daß es 
Zeichnungen Leonardos waren, die ihn zu selbständigen anatomischen 
Studien anregten und damit die früheste deutsche Künstleranatomie 
entstehen ließen. 

Ohne genaue Kenntnis der Anatomie wird es auch dem größten 
Künstler nicht möglich sein, naturwahre Körperbildungen besonders 
der Tiere darzustellen. Bei der Wiedergabe des Menschen auch in 
der Bewegung kann der Künstler in den meisten Fällen nach dem 
lebenden Modell arbeiten, beim Tiere aber treten ihm größte Schwierig¬ 
keiten entgegen, weshalb anatomische Studien die Beobachtungen am 
lebenden Körper ergänzen oder ersetzen müssen. Man hat in der Neu¬ 
zeit vielfach die Momentphotographie zu Hilfe genommen, um die 
Bewegungen der Tiere im Bilde festzuhalten und für die künstlerischen 
Arbeiten zu verwerten. Die Aufnahmen der Momentphotographie können 
aber nur dem Künstler von Wert sein, der die bei den Momentauf¬ 
nahmen in die Erscheinung tretenden, oft höchst eigenartigen Be¬ 
wegungsmotive, auf Grund seiner anatomischen Kenntnisse, wie das 
Zusammenziehen einzelner Muskeln z. B., richtig erkennt und nur da¬ 
durch für sein Kunstwerk verwendbar gestalten kann. Es ist auf¬ 
fallend, wie oft man Kunstwerke sieht, die durch den Mangel 
anatomischer Wahrheit den ästhetischen Genuß stark beeinträchtigen. 
Man braucht sich nur die Reiterdenkmäler auf den Straßen und Plätzen 
unserer Städte daraufhin anzusehen. 

Ohne Zweifel erleichtern gründliche anatomische Studien dem 
Künstler das schnelle Erfassen und Verstehen der Veränderungen in 
den Bewegungsformen der Tiere und das Anfertigen genau durch¬ 
geführter anatomischer Zeichnungen wird ihm in seinem künstlerischen 
Schaffen höchst schätzbare Grundlagen gewähren, die sich zu verschaffen 
ihm die Tierärztlichen Hochschulen Gelegenheit geben. In hervor¬ 
ragender Weise hat hierfür in Dresden Geh. Rat Prof. Dr. Ellenberger 
seit langen Jahren gewirkt. In seinen Vorlesungen und Demonstrationen 
hat er der jungen Künstlerschaft aus seinem reichen Wissen weitest¬ 
gehende Anregungen gegeben und seine in Gemeinschaft mit Geh. 
Medizinalrat Prof. Dr. Baum unter künstlerischer Mitwirkung des 
Malers Prof. Hermann Dittrich veröffentlichten Werke über die 
Anatomie der liere für Künstler werden in den Kreisen der Künstler¬ 
schaft hoch geschätzt und ausgiebig genutzt. 



520 


ROBERT BRUCK, Anatomische Studien Dürers. 


In der Konst der Neuzeit sind Strömungen vorhanden, die ein 
Studium der Anatomie für die Künstler als überflüssig bezeichnen, 
da sie sich absichtlich von der Wiedergabe der Natur und des Natur¬ 
wahren abwenden. Die vergangenen Kunstepochen der Jahrhunderte 
haben aber gelehrt, daß stets, wenn die Kunst eines Volkes oder einer 
Zeit von der Wiedergabe der Wahrheit in der Welt der Erscheinungen 
abkam, die Kunst in Verfall geriet, bis man wieder aus dem un¬ 
erschöpflichen Born der Natur sich künstlerische Gesundung schöpfte 
und damit die Kunst wieder zur Blüte heranreifen ließ. 



XXIV. 


Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 

Von 

Hermann Baum. 

(Hierxu Fig. 1-12 im Text und Fig. 13-37 auf Tafeln XII-XX1I.) 


I. Allgemeines. 

Die Bearbeitung des Lymphgefäßsystems des Hundes er¬ 
folgte nach denselben Gesichtspunkten wie die des Rindes (s. Baum, 
„Das Lymphgefäßsystem des Rindes“, Berlin 1912), aber vollständig 
selbständig und unabhängig von ihr. Wie beim Rinde sind auch beim 
Hunde die im injizierten Zustande makroskopisch verfolg-? 
baren Lymphgefäße aller Organapparate mit Ausnahme eines 
kleinen Teiles der Knöchel) und Gelenke, der des mittleren und 
inneren Ohres und der Augenmuskeln und des Augenbulbus unter¬ 
sucht und nachgewiesen und sämtliche Lymphknoten mit samt ihrem 
Wurzelgebiete und dem Verhalten ihrer Vasa efferentia genau unter¬ 
sucht worden. Ueber die dabei angewandte Technik gilt das im 
Lymphgefäßsystem des Rindes auf S. 3 Gesagte. 

Die vorliegende Literatur ist natürlich berücksichtigt worden, hat aber leider 
wenig Ausbeute ergeben, weil es sich meist nur um allgemeine Angaben handelt. 
Das gilt vor allem von den Angaben in den veterinäranatomischen Werken (Ana¬ 
tomie des Hundes von Ellenberger-Baum [18], Anatomie der Haustiere von 
Ellenberger-Baum [17], Anatomie der Haustiere von Martin [23], Anatomie von 
Chauveau-Arloing [15] undGurlt, Anatomische Abbildungen der Haussäugetiere 
1829); am verhältnismäßig ausführlichsten sind diese Angaben naturgemäß noch in 
der Anatomie des Hundes. Die Angaben dieser Werke sind in der nachfolgenden 
Schilderung in der Regel nicht besonders angegeben, weil sie, wie schon erwähnt, 
zu allgemeiner Natur und von meinen ausführlichen Untersuchungen weit überholt 
sind. Daneben finden sich in der Literatur mehrere Sonderabhandlungen sowohl 
über Lymphknoten als auch über Lymphgefäße des Hundes, die am Schluß des 
Werkes in einem Literaturverzeichnis aufgeführt sind; zu ihnen gehört eine Reihe 
von mir selbst veröffentlichter Artikel (3—13). Diese Arbeiten sind natürlich inhalt¬ 
lich in jeder Beziehung berücksichtigt. Unter ihnen ragt besonders vor die von 
Merzdorf über die Lymphknoten des Hundes (24); sie wurde als Vorbereitung zu 
meinem umfassenden Werke in meinem Institut unter meiner Leitung und nach 



522 


HERMANN BAUM, 


meinen Angaben ausgeführt; deshalb ist an den einzelnen Stellen, an denen die 
Ergebnisse der Merzdorfschen Arbeit berücksichtigt und verarbeitet worden sind, 
nicht jedesmal wieder auf die Arbeit verwiesen worden. 

Die Zahl der Lymphknoten ist beim Hunde eine verhältnis¬ 
mäßig kleine und zwar sowohl, was die Zahl der Lymphknotengrqppen, 
als auch was die Zahl der Lymphknoten der einzelnen Gruppe an¬ 
betrifft, so daß der Hund diejenige Haustierart ist, die absolut am 
wenigsten Lymphknoten und Lymphknotengruppen aufweist. 

Die Größe der Lymphknoten schwankt von 1 mm bis 7 X / S cm 
(und nur bei Jejunallymphknoten großer Hunde ausnahmsweise bis20cm), 
doch bleibt die Zahl der Lymphknoten von über 2 cm Länge selbst 
bei großen Hunden eine sehr geringe. Verhältnismäßig gedacht 
müssen die Lymphknoten des Hundes, insbesondere gegenüber den 
Lymphknoten von Mensch, Pferd und Schwein, als groß bezeichnet 
werden. 

Die Form der Lymphknoten schwankt innerhalb weiter Grenzen. 
Die Mehrzahl der Lymphknoten ist mehr oder weniger rundlich oder 
oval, selbst langgestreckt oder bohnenförmig und dabei etwas abge¬ 
plattet; es kommen aber auch unregelmäßige Formen vor; so findet 
man bisweilen hantelförmige, lappige, s-förmig oder hufeisenförmig 
gebogene (s. Lgl. bifurcationis media S. 550), sehr langgestreckte und 
dabei äußerst abgeplattete, geradezu bandförmige Lymphknoten 
(s. Lgl. portarum S. 562). 

Auch kommt ein schon makroskopisch als Einziehung erscheinender Hilus 
durchaus nicht allen Lymphknoten zu. Er findet sich bei höchstens 50 — 60 v. H. 
aller Lymphknoten; in weiteren ungefähr 20 v. H. ist er nur durch eine nach innen 
vorspringende Verstärkung der Kapsel angedeutet. Bei langgestreckten Lymph¬ 
knoten stellt er meist eino Längsrinne an einer Fläche des Knotens dar. 

Die Zahl der Vasa efferentia der Lymphknoten des Hundes 
schwankt nach meinen Beobachtungen zwischen 1—10, beträgt meist 
jedoch 1—3; das soll freilich durchaus nicht immer heißen, daß nur 
1—3 Vasa efferentia aus dem betreffenden Knoten hervortreten. Es 
können ihrer auch mehr, selbst viele sein, denn man kann unter Um¬ 
ständen bei einem Knoten bis zu 50 solch feiner austretender Ge¬ 
fäße zählen; diese vereinigen sich aber dann rasch zu 2—3—10 
größeren Stämmchen, meist so rasch, daß man sie bei ihrem Aus¬ 
tritt aus dem Knoten kaum erkennen und zählen kann; entsteht ans 
ihnen eine größere Zahl (6 — 10) größerer Stämmchen, dann vereinigen 
sich aber diese auf dem weiteren Verlaufe auch wieder zu 3—5 
Stämmchen; im übrigen läßt sich die Zahl der Gefäße in der Regel 




$Sjä bywpbgefäßsyst&m das flundas 


zählen, Avtjjl die Ghfaße stets durch Teilung 
.und Wicdcrvcmnigi.ing ihrer A>>t>r Netze bilden- Die Zahl der 
Vasa afferent i-t läßt .sieh schwer fMisiell®, weil sich das 'gesamte 
WurifeJgiefet^ D)'niphkriiötp ; # ; :a« einem: Präparat kaum injizieren 

latsten durfte; sie ist aber sicher großer (Us die Zahl der 'Vasa effe¬ 
rent b. 

Pur das alfgr meine Verhalten der Lyruphgciäße haben 
meine l'ntmtichwvgou am Hunde die Ergebnisse heim Rinde bestätigt 
iß.'Sr. 7 des Lymphgefäßsystems des Kmdcsh vor alWm gilt das auch 

Vig. t. 


t)»rSteilung sin es h 'lirokt. 

in die beadenzistnrna iß) cinm (iiuist, »wlidcm .es eben Ast i.r) '/um Uyiftpb’ 
knoten e abgegeben hat, desse« Vas fciTcrcä ?(f V titfekl zrn yi data eäudsüs lg} 

■ ■'" • geht, (h) Nierenveiie vRc'. •'••••' -• , . ' 

von der Behauptung, daß entgegen den bisherigen Asisoh&uun'geti sehr 
wohl Lymphgefäße direkt in das-'Veitonsysicm, {) h, zunächst 
in den Ductus Ohora-ctcu* ei «münden kM-n»o. } oh nt* einen 
Lymphknoten passiei't z« haben; ich konnte nach weisen, daß 
die Zahl solcher Lymphgefäße noch erheblich großer ;-t, als ich nardi 
den Beobachtungen beim Rinde ah nahm; ich habe vor allem in 'einer 
größeren Anzahl von Fällen nach weisen können, daß einzelne Lympiv 
gefäße von außerhalb der Brust- -Und Bauchhöhle, also in größerer 
Entfernung von dem Ductus thoracieus gelegenen Organen M B. dem 





524 


HERMANN BAUM, 


M. trapezius, longissimus dorsi, M. sternohyoideus, M. obliquus capitis 
caudalis, M. obliquus abdoro. ext., der Schilddrüse, den Hoden direkt 
in den Ductus thoracicus ernmündeten und daß insbesondere von einigen 
Organen, nämlich den Nieren und Nebennieren, Schilddrüsen und Hoden 
(also vorwiegend Organen mit innerer Sekretion) auffallend oft, sogar in 
einem Viertel bis zur Hälfte, ja bis zu zwei Drittel aller Fälle Lymph¬ 
gefäße direkt bis zum Ductus thoracicus und damit direkt zum Venen¬ 
system führen (Näheres s. Baum [8] und Fig. 1). Nur in einem 
Punkte fand ich im allgemeinen Verhalten der Lymphgefäße 
zwischen Rind und Hund einen ganz wesentlichen Unter¬ 
schied; er bezieht sich auf die Netzbildung größerer Lymph¬ 
gefäße; während eine solche Netzbildung beim Rinde nur 
selten beobachtet wird, tritt sie beim Hunde ganz allgemein 
hervor, wie schon ein Blick auf die Abbildungen und ein Vergleich 
dieser Abbildungen beim Hunde mit denen beim Rinde (z. B. ein Ver¬ 
gleich der Hautlymphgefäße bei Hund und Rind) ergibt. Die reiche 
Netzbildung der Lymphgefäße des Hundes bedingt es auch, daß sich 
die Zahl der Lymphgefäße, sowohl der die Blutgefäße begleitenden als 
der unregelmäßig, d. h. nicht in Begleitung von Blutgefäßen verlaufenden 
schwer angeben läßt. Die Zahl der letzteren scheint beim Hunde 
erheblich kleiner zu sein als beim Rinde. Alle Abbildungen zum 
Lymphgefäßsystem des Hundes sind von Herrn Maler Georg Münch 
in Dresden gezeichnet worden. Herr Münch h£t die schwierige Auf¬ 
gabe mit großer Hingabe und Geduld und großem künstlerischen Ver¬ 
ständnis durchgefiihrt; ich bin ihm dafür zu Dank verpflichtet. 

Blntlymphknoten. Ob ausgesprochene Blutlymphknoten beim 
Hunde Vorkommen oder nicht, konnte ich nicht mit Sicherheit ent¬ 
scheiden, aber selbst wenn sie Vorkommen sollten, dürfte das nur 
außerordentlich selten sein. Bei meinen umfangreichen Untersuchungen 
über das Lymphgefäßsystem des Hundes, die sich auf Hunderte von 
Hunden oder wenigstens Teile von ihnen erstreckten, sind mir nur 
3 mal durch ihre dunkle Farbe zweifelhafte Knoten aufgefallen, die 
2 mal am Halsteil der Luftröhre und 1 mal am Arcus aortae lagen. 
2 von ihnen wurden mikroskopisch untersucht, aber mit negativem 
Ergebnis, denn in dem einen Falle handelte es sich um einen Lymph¬ 
knoten mit zahlreichen Pigmentzellen (infolge Blutung im Wurzel¬ 
gebiet), im anderen Falle um einen stark anthrakotischen Lymph¬ 
knoten. Der 3. Fall betraf einen Knoten, den man ebenfalls nach 
seinem äußeren Aussehen (scharlachrote bzw. dunkelrote Farbe) für 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


525 


einen Blutlymphknoten halten mußte; er wurde zwecks Sicherung der 
Diagnose injiziert und es füllten sich keine Vasa efferentia, was mit¬ 
hin für ßlutlyrophknoten sprechen würde; mikroskopisch konnte der 
Knoten natürlich nicht mehr untersucht werden. 

1L Lymphknoten. 

Die allgemeinen Verhältnisse der Lymphknoten sind auf Seite 522 
schon beschrieben worden. 

A. Lymphknoten des Kopfes. 

Die Lymphknoten des Kopfes zerfallen in folgende Gruppen: 

1. Lgl. parotidea. 

Die Lgl. parotidea (Fig. 13 i) stellt jederseits einen größeren Knoten 
dar. Sie ist 1,0—2,5 cm lang, 0,5—1,5 cm breit und 0,4—1 cm dick 
und liegt dicht kaudal vom Kiefergelenk so, daß sie zum Teil von 
der Parotis bedeckt ist, zum Teil diese aber auch in nasaler Richtung 
überragt; mit diesem letzteren Teile liegt sie direkt am kaudalen 
Rande des Unterkiefers und des M. masseter und ist hier nur von 
etwas Fett, dem Hautmuskel und der Haut bedeckt. 

Der Knoten befindet sich im übrigen in dem Winkel zwischen dem N. buccalis 
dorsalis und dem Ramus zygomaticus des N. facialis. Dor erstere begleitet den 
ventralen, der letztere den kaudalen Rand des Knotens. Am oralen Rande des 
Knotens treten der N. temporalis superficialis mit Zweigen der entsprechenden Arterie 
und Vene hervor, die zunächst medial vom Knoten sich beßnden. Ausnahmsweise 
kann sich zum Hauptknoten noch ein zweiter kleiner Knoten gesellen, der am 
dorsalen oder ventralen Ende (Fig. 14 s') oder am kaudalen Rande des Haupt¬ 
knotens liegt. Ein solcher Knoten wurde in 36 Fällen 4 mal beobachtet und zwar 
einmal beiderseits, dreimal nur auf einer Seite. ' 

Ein weiter kaudal unter der Parotis gelegener kleiner, bisweilen doppelter 
Lymphknoten (Fig. 14 s") darf nicht, wie es Merzdorf (24) getan hat, als Lgl. 
parotidea angesehen werden, sondern stellt nach seinem Zuflußgebiet eine Lgl. 
retropharyngea lateralis dar; s. diese S. 530. 

Das absolute Gewicht der Lgl. parotidea beider Seiten schwankte 
zwischen 0,02 und 3,00 g, das relative Gewicht zwischen 0,0002 
und 0,0098 v. H. 

Zuflußgebiet: In die Lgl. parotidea münden Lymphgefäße der 
Haut der hinteren (kaudalen) Hälfte des Nasenrückens, der Stirn, 
der Augenlider, der vorderen Hälfte der Scheitelgegend, der Gegend 
des Jochbogens und des M. masseter, der Haut des Ohres, ferner 
L. des Kiefergelenkes, verschiedener Kopfknochen (Os nasale, frontale, 
parietale, zygomaticum, temporale und Unterkiefer) und verschiedener 



526 


HERMANN BAUM, 


Kopfmuskeln (M. zygomaticus, temporalis und masseter, Gesichtshaut¬ 
muskel), L. der äußeren Nase, des äußeren Ohres (Muskeln und Muschel), 
der Glandula parotis und der Augenlider, Tränenkarunkel und Tränen¬ 
drüse. 

Vasa efferentia: Die Lgl. parotidea verlassen 2—-3 Vasa efferentia, 
die zwischen der Parotis und dem M. digastricus hindurch oder unter 
letzterem hinweg über beide Flächen des großen Zungenbeinastes zur 
Lgl. retropharyngea mcdialis und, falls eine Lgl. retropharyngea 
lateralis da ist, auch zu dieser verlaufen. 

2. Lgl. mandibulares. 

Die Lgl. mandibulares (Fig. 13 2 , n 15 v, v l , v 2 , v 3 ) wurden bei 
36 Hunden untersucht. Sie bilden jederseits einen Haufen von 2 bis 
5 Knoten. Bei den Einzelknoten schwankte die Länge von 1—5,5 cm, 
die Breite von 8 / 4 —3 cm und die Dicke von l / z —1 cm. Die einzelnen 
Knoten liegen kaudolateral vom Proc. angularis des Unterkiefers 
unter der Haut und dem Gesichtshautmuskel und der oberflächlichen 
Kopffaszie. Durch die V. maxillaris cxt. werden sie in eine dorsale 
und ventrale Gruppe (Lgl. mandibulares dorsales und ventrales) 
geschieden. Die dorsale Gruppe (Fig. 13») besteht aus 1 bis 
2 Knoten; sind 2 Knoten vorhanden, dann liegen sie zwischen dem 
Rande des M. masseter und des Unterkieferastes einerseits und der 
Glandula submaxillaris anderseits, erstrecken sich jedoch mehr oder 
weniger auf den kaudoventralen Teil des M. masseter und den oro- 
ventralen Randabschnitt der Glandula submaxillaris. Die ventrale 
Gruppe (Fig. 13 »'.»") besteht aus l—2, in seltenen Fällen jedoch 
auch aus 3, selbst 4 Knoten, die auf dem M. digastricus und mit ihrem 
ventromedialen Randabschnitte auch noch auf dem M. mylohyoideus 
liegen; mit ihrem kaudalen und ventromedialen Rande stößt die 
Gruppe an die V. lingualis; sie ist infolgedessen eingeschoben in das 
Dreieck, das die V. maxillaris cxt. und die V. lingualis vor ihrem 
Zusammenflüsse bilden. 

In 1 Falle lag linkerseits der kaudale der beiden Lgl. mandibulares ventrales 
am kaudoventralen Rande der V. lingualis, also außerhalb des erwähnten Venen¬ 
dreiecks, auf der lateralen Fläche des Gabelastes des Zungenbeins bzw. des 
M. keratopharyngous. 

Ganz inkonstant ist die Zahl und die Art der Gruppierung 
der Knoten und zwar sowohl bei den verschiedenen Individuen, als 
auch bei ein und demselben Hund zwischen der rechten und linken 
Seite. Für die Zahl der Knoten ergaben die Untersuchungen für 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


527 


die rechte Seite, daß in 19 Fällen 2, in 11 Fällen 3, in 4 Fällen 4 
und in 2 Fällen sogar 5 Einzelknoten vorhanden waren; linkerseits 
wurden in 17 Fällen 2, in 12 Fällen 3, in 5 Fällen 4 und in 2 Fällen 
5 Knoten gefunden. In der überwiegenden Zahl der Fälle sind mithin 
sowohl rechts als links zwei Knoten vorhanden. 

Die gleiche Zahl von Einzelknoten bei demselben Individuum auf der rechten 
und linken Seite fand ich nur in 20 Fällen. Die dorsale Gruppe bestand rechts 
in 33 Fällen aus 1 und in 3 Fällen aus 2 Knoten, links in 31 Fällen aus 1 und 
in 5 Fällen aus 2 Knoten. Die ventrale Gruppe setzte sich rechts in 22 Fällen aus 
1, in 9 Fällen aus 2, in 4 Fällen aus 3 und in einem Falle aus 4 Knoten zusammen; 
linkerseits waren in 20 Fällen 1, in 11 Fällen 2 und in 5 Fällen 3 Knoten vor¬ 
handen. Es sind folglich rechts wie links im allgemeinen 1—2 Knoten, in der 
Mehrzahl der Fälle nur einer, dorsal von der V. maxillaris externa 
und 1—3 Knoten, in der Mehrzahl der Fälle jedoch ebenfalls nur 
einer, ventral von der Vene gelegen vorhanden. Die Gleichartigkeit 
in der Gruppierung der Knoten auf der rechten und linken Seite konnte in 
16 Fällen festgestellt werden. Es bestand nämlich in 12 Fällen rechts wie links 
die dorsale und ventrale Gruppe aus je einem Knoten, während in 3 Fällen die 
dorsale aus einem und die ventrale aus zwei Einzelknoten und in einem Falle die 
dorsale und ventrale Gruppe aus je 2 Knoten sich zusammensetzten. Den Angaben 
von Schweitzer (26), daß konstant 3 Einzeldrüsen in stets gleicher Gruppierung 
vorhanden sind, kann ich mithin nicht zustimmen. 

Das absolute Gewicht der Lgl. mandibulares beider Seiten 
schwankte zwischen 0,21 und 21,08 g, das relative Gewicht zwischen 
0,0082 v. H. und 0,044 v. H. 

Zuflußgebiet. Die Lgl. mandibulares nehmen auf: Lymphgefäße 
der Haut der äußeren Nase, der Lippen, des Nasenrückens und der 
Seitengegend der Nase, der Backe, des Kehlganges, der Masseter-, 
Stirn-, Jochbogen-, Augenlid- und Parotisgegend und der kranialen 
Hälfte (Drittel) der Vorderhalsgegend, ferner L. von der Ober- und 
Unterlippe, der Zungenspitze, dem Zahnfleisch, der Backe, dem barten 
und weichen Gaumen, der Schleimhaut des freien Mundhöhlenbodens 
und der Glandula sublingualis, L. der äußeren Nase und der Nasen¬ 
höhle, der Augenlider, Tränenkarunkel, Tränendrüse und Glandula 
zygomatica, L. des Kiefergelenkes und verschiedener Kopfknochen, 
(Os incisivum, nasale, maxillare, frontale, zygomaticum, palatinnm und 
Unterkiefer), L. von verschiedenen Kopfmuskeln (M.levator nasolabialis, 
caninus, levator labii sup. proprius, zygomaticus, depressor labii inf., 
masseter, temporalis und digastricus und Backenmuskeln, M. mylo¬ 
hyoideus), L. des Gesichts- und Halshautmuskels. 

Vasa efferentia: Die Vasa efferentia der Lgl. mandibulares 
(Fig. 16 m, m 1 , m 1 , m 8 ) münden in die Lgl. retropharyngea medialis 
(Fig. 16 a) und, falls eine Lgl. retropharyngea lateralis vorhanden ist, 



528 


HERMANN BAUM, 


z. T. auch in diese; in der Regel geht aber ein Teil von ihnen 
(Fig. 16 n) zura Lymphknoten der anderen Seite. Die ventralen 
Lgl. mandibulares stehen durch Vasa efferentia miteinander in Ver¬ 
bindung und auch mit den dorsalen Lgl. mandibulares, wenn auch in der 
Regel die beide Gruppen verbindenden^Vasa efferentia nur von der dor¬ 
salen zur ventralen Gruppe sich füllten (Fig. 13 a, a*. a", 15 v, v l , v*, v», 
16 m, m>, m 2 , m 9 ). Aus jedem einzelnen Knoten der Gruppe entspringen 
eine größere Anzahl (meist 8—10) Vasa efferentia, die auf der 
Schlundkopfmuskulatur zur Lgl. retropharyngca raedialis verlaufen, 
indem sie dabei Anastomosen und Netze bilden und sich schließlich 
zu 3—5 Stäramchen vereinigen, die in den genannten Lymphknoten 
eintreten (Fig. 16 m, m', m 2 , m 9 ). Ein kleinerer Teil der Vasa efferentia 
wendet sich über beide Flächen des M. sternohyoideus nach der 
anderen Seite. und zieht über die Schlundkopfmuskulatur zur Lgl. 
retropharyngea medialis der anderen Seite. 

In einem Falle füllte sich von der Lgl. mandibularis dorsalis aus ein Vas 
efferens, das oberflächlich zur Lgl. retropharyngea lateralis (Fig. 15 v, n) verlief. 

Nach Schweitzer (26) stehen die Lgl. mandibulares beider Kieferseiten mit¬ 
einander durch starke Stämmchen (Vasa efferentia) in Verbindung; ich konnte das 
in keinem der zahlreich untersuchten Fälle bestätigen. 

3. Lgl. retropharyngeae. 

Die Lgl. retropharyngeae zerfallen in eine Lgl. retropharyngea 
medialis und eine Lgl. retropharyngea lateralis, von denen die letztere 
aber nur unregelmäßig auftritt. 

a) Die Lgl. retropharyngea medialis (Fig. 16 a) bildet in der 
Regel jederseits einen langgestreckten, platten Knoten, der D/j—8 cm 
lang, 1 I 2 —2 cm breit und 1 / 2 —1 cm dick sein kann, mit lateraler und 
medialer Fläche, 2 stumpfen Rändern und 2 stumpfen Enden. Er 
liegt, in fettreiches Bindegewebe eingehüllt, dorsal an der Seiten¬ 
wand des Pharynx (12) unmittelbar halswärts vom M. digastricus (14), 
ventromedial vom freien Rande des Atlasflügels. Sein kaudales Ende 
reicht in der Regel bis zum kaudalen Rande des M. cricopharyngeus. 
Lateral wird er in seiner oralen Hälfte noch von der Gland. submaxillaris, 
in seiner kaudalen Hälfte vom M. sterno- und cleidomastoideus und dem 
in den M. sternomastoideus eintretenden Ramus ventralis des N. acces- 
sorius bedeckt. Medial stößt er an den M. longus capitis (13), die 
Pharynxmuskulatur (M. crico- und thyreopharyngeus) (12) und die auf 
ihr verlaufenden Gefäße und Nerven: A. carotis communis und den 
Ursprungsteil der A. occipitalis und carotis int., den N. vagus mit dem 



Das Lymphgef&Bsystem des Hundes. 


529 


Ramus pharyngeus und N. laryngeus cranialis, den N. hypoglossus und 
den N. sympathicus einschließlich N. depressor. 

In 10 von 47 Fällen waren entweder beiderseits oder nur auf 
einer Seite 2 Knoten (Fig. 8 u. 16 a, a') vorhanden und zwar in 2 Fällen 
auf beiden Seiten, in 2 Fällen nur auf der linken Seite und in 6 Fällen 
nur auf der rechten Seite. Beide Knoten liegen übereinander, der 
dorsale (a') ist aber stets erheblich kleiner als der ventrale, selbst bei 
großen Hunden kaum über 1 cm lang und liegt am mittleren Teil von 
dessen dorsomedialem Rande so, daß er den Hauptknoten kaudal 
keinesfalls überragt. 

Rückt er dabei nahe an das kaudale Ende des Hauptknotens heran, so kann 
er mit einer Lgl. cervicalfs cranialis verwechselt werden; daß er trotzdem nicht 
eine solche ist, beweist sein Zuflußgebiet (s. unten). In vereinzelten Fällen reicht 
der Hauptknoten nicht ganz bis an den M. digastricus heran. Umgekehrt erstreckt 
sich der Knoten bei außergewöhnlicher Größe bis zum kopfseitigen Ende der Schild¬ 
drüse (n). In einem Falle reichte er noch auf den dorsomedialen Rand der Schild¬ 
drüse (Fig. 10 a); er bedeckte also in diesen Fällen mit seinem kaudalen Ende noch 
den Anfang der Luftröhre. 

Das absolute Gewicht des Knotens beider Seiten schwankte 
zwischen 0,32 und 21,84g, das relative Gewicht zwischen 
0,0135 v. H. und 0,0691 v. H. 

Zuflußgebiot. Die Lgl. retropharyngea medialis nimmt auf: 
Lymphgefäße der Haut der Ohrmuschel, L. vom M. ornotransversarius, 
brachiocephalicus, sternomastoideus, rhomboideus, splenius, longissimus 
capitis, semispinalis capitis, longus colli, longus capitis, rectus capitis 
ventralis, den Mm. recti capitis dorsales und Mm. obliqui capitis, dem 
M. sternohyoideus und -thyreoideus, ferner L. verschiedener Kopfknochen 
(Os parietale, occipitale, temporale, sphenoidale, palatinum und Unter¬ 
kiefer) und des ersten und zweiten Halswirbels, L. von verschiedenen 
Kopfmuskeln (M. masseter und M. digastricus, M. pterygoideus, allen 
Zangen- und Zungenbeinmuskeln), L. der Zunge, L. vom Zahnfleisch, 
der Schleimhaut des freien Mundhöhlenbodens, dem harten und weichen 
Gaumen, der Mandel, der Gland. parotis, submaxillaris und sublingualis, 
L. des Schlundkopfes und der Speiseröhre, L. der Nasenhöhle, des 
Kehlkopfes, der Schilddrüse, der Luftröhre (Anfangsteil) und des 
Ohres (Muskeln und Muschel), L. des Kiefergelenkes und des Nerven¬ 
systems, weiterhin Vasa efferentia der Lgl. mandibulares, Lgl. paro- 
tidea und retropharyngea lateralis. 

Ist die Lgl. retropharyngea medialis doppelt (Fig. 8 u. 16 a, a'), dann münden 
die oben als Vasa afferentia des Knotens beschriebenen Lymphgefäße in beide 

Arehit f. wissensch. u. prakt Tierlieilk. Bd. 44. Sappl. 



530 


HERMANN BAUM, 


Lymphknoten ein bzw. können in beide einmünden. Wenn sieb bei einer Injektion 
nur 1—2 Lymphgefäße gefüllt haben, so münden sie natürlich in der Regel nur in einen 
der beiden Knoten ein. Es münden dann z. B. die von Halsmuskeln stammenden 
Lymphgefäße (s. oben) alle oder z. T. in den kleineren Knoten ein. Das beweist 
auch, daß der Knoten ein Lgl. retropharyngea ist und selbst im Zweifelsfalle nicht 
als Lgl. cervioalis cranialis angesehen werden darf. 

Vasa efferentia. Aus dem Knoten tritt eine größere Anzahl 
feinerer ausführender Lymphgefäße hervor, die aber sofort zu 3—5 
stärkeren Vasa efferentia zusammenfließen. Diese vereinigen sich zum 
Ductus trachealis sinister bzw. dexter (s. Fig. 2, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 
12 u. 16 a). Ist eine Lgl. cervicalis cranialis vorhanden, dann münden 
in der Regel 1—2 der Vasa efferentia in diese ein (Fig. 6 und 9 a, b). 
Finden sich 2 übereinandergelegene Knoten, dann verhalten sich die 
Vasa efferentia des Hauptknotens wie beschrieben; aus dem kleinen 
dorsalen Knoten entspringt in der Regel ein Vas efferens, das sich alsbald 
mit den Vasa efferentia des großen Knotens vereinigt, bzw. mit ihnen 
zum Ductus trachealis zusammenfließt (Fig. 16 a'). 

b) Die Lgl. retropharyngea. lateralis (Fig. 14 s" u. 15 u) ist 
ein nur ungefähr in einem Drittel aller Fälle (s. unten) nachweisbarer, 
kleiner, ausnahmsweise doppelter Knoten, der ventromedial von der 
Atlaskante am dorsalen Rande der Glandula submaxillaris auf der 
Endsehne des M. sternomastoideus oder auf dem Ursprungsteil des 
M. digastricus nahe dem knorpeligen Gehörgang im Fett liegt und von 
der Gland. parotis vollständig oder nur zum Teil verdeckt wird. Im 
letzteren Falle überragt er den kaudalen Rand der Parotis ein wenig 
(Fig. 14 s" u. 15 u). 

In 39 genauer untersuchten Fällen fehlte eine Lgl. retropharyngea 
lateralis bei 27 Hunden gänzlich, bei 12 Hunden war sie nachweisbar 
und zwar 8 mal jederseits 1 Knoten, 2 mal rechts 1 und links 2, 
1 mal links 1 und rechts 2 und 1 mal rechts 2 und links sogar 
ß Knoten; die Knoten waren meist —% cm groß- 

Zuflußgebiet. In die Lgl. retropharyngea lateralis münden 
Lymphgefäße von den auf dem 1. und 2. Halswirbel gelegenen 
Muskeln (M. cleidocervicalis, M. sternomastoideus, M. splenius, Mm. 
obliqui capitis, M. seraispinalis capitis, Mm. recti capitis dorsales, 
M. longissimus capitis, Halshautmuskel), ferner L. von den hinteren 
(kaudalen) Ohrmuskeln und der Ohrmuschel, Vasa efferentia der 
Lgl. parotidea und-der Lgl. mandibulares; hingegen wurde nie beob¬ 
achtet, daß Lymphgefäße der Haut in den Knoten einmündeten. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


531 


Aus dem vorstehend angegebenen Zuflußgebiet geht hervor, daß der Knoten 
offenbar dem beim Rinde als Lgl. retropharyngea lateralis bezeichneten Knoten 
entspricht und nicht als eine Lgl. parotidea aufgefaßt werden kann, wie es Merz- 
dorf (24) getan hat. 

Vasa efferentia. Aus jeder Lgl. retropharyngea lateralis ent¬ 
springen 1—2 Vasa efferentia, die in die Lgl. retropharyngea medialis 
einmünden und sich auch von dieser aus rückläufig füllen können. 

B. Die Lymphknoten des Halses. 

Die Lymphknoten des Halses zerfallen in oberflächliche und 
tiefe. 

1. Die Lgl. ceryicales superficiales. 

Die Lgl. cervicales superficiales (Fig. 13 s, 3-) bilden jederseits 
eine Gruppe, die in der Mehrzahl der Fälle (16 von 27 untersuchten 
Hunden) jederseits aus zwei Einzelknoten, in selteneren Fällen aus 
1 oder 3—4 Knoten besteht (s. unten). Die Knoten liegen, durch 
lockeres und in der Regel äußerst fettreiches Bindegewebe mitein¬ 
ander und mit der Umgebung verbunden, übereinander jederseits dicht 
vor (kranial von) dem M. supraspinatus an der Seitenfläche des Halses, 
ziemlich oberflächlich, nämlich nur bedeckt von der äußeren Haut, 
der Fascia superficialis colli einschließlich M. cutaneus colli (c) und 
der oberflächlichen, vom M. trapezius (d), M. brachiocephalicus (g) und 
M. omotransversarius (o) gebildeten Halsmuskulatur. 

Medial stoßen sie (Fig. 16 d, d', d") an den M. serratus ventralis (8), den M. 
scalenus(9) und M. longus capitis (i3) und meist auch noch an die Luftröhre und 
linkerseits an die Speiseröhre (s. unten). Mit ihrem kaudalen Rande oder auch 
ihrer medialen Fläche grenzen sie an Truncus omocervicalis mit Vene und die 
A- (V.) cervicalis superficialis, von denen dünne Zweige auch übei die Knoten 
hinweggehen; sie sind von den erwähnten Gefäßen durch ein Fettpolster getrennt. 
Der dorsale Knoten (Fig. 133) liegt in der Regel direkt unter dor Haut und 
der Halsfaszie in dem Dreieck, das vom M. trapezius cervicalis (d), M. brachio¬ 
cephalicus (g) und M. omotransversarius (e) gebildet wird; nur sein ventrales Ende 
ist noch vom M. omotransversarius bedeckt, während sich das dorsale Ende meist 
noch etwas unter den M. trapezius (d) erstreckt. Der ventrale Knoten (3') reicht 
noch unter den M. brachiocephalicus (g) und ist im übrigen vom M. omotransversarius 
bedeckt. Sehr oft erstreckt er sich so weit ventral (Fig. 16 d'), daß er in ganzer 
Ausdehnung oder wenigstens mit seinem ventralen Teile medial an die Luftröhre 
und links auch an die Speiseröhre (7) mit den seitlich an ihnen verlaufenden Ge¬ 
fäßen und Nerven (A. carotis comm., V. jugularis interna, N. vagus und sympathicus 
einschließlich N. depressor und recurrens) stößt. 

Ausnahmen in bezug auf die Zahl der Knoten: In einem 
der 27 untersuchten Fälle fand ich jederseits nur einen Knoten 
(Fig. 2 d) und in einem Falle jederseits 3 Knoten (Fig. 16 d, d 1 , d 2 ). 

34* 



532 


HERMANN BAUM, 


Verhältnismäßig häufig waren Unterschiede in bezug auf die Zahl der 
Einzelknoten zwischen linker und rechter Seite. 

Es wurden nämlich in 2 Fällen rechts zwei und links ein Knoten, in einem 
Falle rechts einer und links zwei, in einem Falle rechts drei und links zwei, in 
3 Fällen rechts zwei und links drei und. in 2 Fällen rechts vier (Fig. 8 d, d>, d 2 , d* 
und links drei Knoten gefunden. 

Wenn drei Knoten vorhanden sind, liegen sie entweder alle drei 
übereinander (wie in Fig. 16 d, d 1 , d*), oder man kann zwei dorsale 
und einen ventralen Knoten unterscheiden (Fig. 9 d, d 1 , d 2 ). In dem 
Falle, in dem rechts vier Knoten gefunden wurden, ließen sich ein 
dorsaler, ein ventraler und zwei mittlere, hintereinander gelegene 
Knoten unterscheiden (Fig. 8 d, d», d 2 , d 8 ). 

Ihre Größe der Knoten ist bisweilen ganz erheblich. So fand 
ich bei großen Hunden Knoten, die bis 7,4 cm lang, 3,4 cm breit 
und 2,1 cm dick waren. Auch ihre Form ist verschieden, wie dies 
Fig. 2—4, 8—11 u. 16 d, d>, d* zeigen; die meisten Knoten sind oval 
und etwas platt gedrückt. 

Das absolute Gewicht der Lgl. cervicales superficiales beider 
Seiten schwankte zwischen 0,32 und 83,92 g, das relative Gewicht 
zwischen 0,0044 und 0,1583 v. H. 

Zuflußgebiet. Die Lgl. cervicales superficiales nehmen Lymph¬ 
gefäße auf: von der Haut des kaudalen Teiles der Scheitelgegend, 
der Ohrmuschel, der Parotis- und Nackengegend, der kaudalen Hälfte 
der Vorderhalsgegend, der Vorderzehen, des Metacarpus, Carpus und 
Unterarmes, des größten Teiles der lateralen Seite der Schulterober¬ 
armgegend und der medialen Seite der Oberarmgegend, der Vorder¬ 
brust und des kranialen Teiles der Unterbrust, nicht selten auch der 
Haut der Massetergegend, ferner L. der Fascia antebrachii, L. von 
den meisten an der Schulter gelegenen Muskeln (M. deltoideus, supra- 
und infraspinatus, teres minor, subscapularis), ferner von den Mm. 
interossei manus und den An- und Abziehern und Beugern der 1. und 
5. Zehe und den Sehnen des M. ext. carpi radialis, ext. digitalis com¬ 
munis et lateralis, ext. carpi ulnaris, abductor pollicis longus und 
flcxor digitalis sublimis et profundus, ferner L. von den meisten 
Stamragliedmaßenmuskeln (dem M. trapezius, omotransversarius, 
brachiocephalicus, sternomastoideus, rhomboideus, serratus ventralis 
und den Mm. pectorales), dem M. splenius, sternohyoideus und 
-thyreoideus und dem Halshautmuskel, weiterhin L. von allen 
Knochen der Schultergliedmaße, dem Karpalgelenk und den Vorder¬ 
zehengelenken und L. der Ohrmuschel. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


533 


Wenn 2—3 Knoten vorhanden sind, münden die Lymphgefäße, die von der 
Mitte des Oberarms aus zehenwärts (aus der Haut, Muskeln, Sehnen, Faszien, Ge¬ 
lenken und Knochen) entspringen, einschließlich der betreffenden Lymphgefäße der 
Muskeln der Schulter in der Regel nur in den ventralen Knoten ein, die vom 
Nacken in den dorsalen (oder die beiden dorsalen), die von der Ventralseite des 
Halses und der Haut der Schulter- und Oberarmgegend in beide Knoten. 

Vasa efferentia der Lgl. cervicales superficiales. Ist 
nur ein Knoten vorhanden (z. B. in Fig. 2), dann entspringen aus 
ihm 6—8 Vasa efferentia (g), die sich bald zu 1—3 Stämrachen ver¬ 
einigen; diese steigen über den M. serratus ventralis und M. scalenus 
supracostalis herab und münden linkerseits in das Ende des Ductus 
trachealis sinister (Fig. 3 g) oder in das (nicht selten gegabelte) Ende 
des Ductus thoracicus (Fig. 5 g) oder in beide (Fig. 2 u. 6 g) oder 
auch neben dem Ductus thoracicus direkt in das Venensystem (V. 
jugularis comm.) (Fig. 7 g), während sie rechterseits in den Ductus 
trachealis dexter einmünden (Fig. 8 g) oder sich mit ihm zu einem 
kurzen Truncus lymphaticus dexter (Fig. 10 u. 11 h) vereinigen oder 
ausnahmsweise auch in das Venensystem direkt einmünden. Es be¬ 
stehen in der Art der Einmündung der Vasa efferentia der Lgl. cervi¬ 
cales superficiales so außerordentlich viele Verschiedenheiten, daß es 
kaum möglich sein dürfte, sie zu schildern; es ist deshalb versucht 
worden, einige der hauptsächlichsten Abweichungen in den Fig. 2—12 
u. 16 bei d, d', d", g zur Darstellung zu bringen. Sind mehrere Knoten 
vorhanden, dann treten die 2—4 Vasa efferentia des dorsalen Knotens 
entweder in den ventralen Knoten (Fig. 9 d 2 ), oder sie vereinigen sich 
zu 1— 2 Stämmchen, die ihrerseits wieder die Vasa efferentia des 
ventralen Knotens aufnehmen bzw. sich mit ihnen zu 1—3 Stämmchen 
vereinigen, die das oben geschilderte weitere Verhalten zeigen (Fig. 8 
u. 4d, d',g). Es kommt aber auch vor, daß die Vasa efferentia des 
dorsalen Knotens zum Teil in den ventralen Knoten einmünden und zum 
anderen Teil mit dessen Vasa efferentia sich vereinigen (Fig. 6d,d'), oder 
daß sie 1—2 Stämmchen bilden, die getrennt bis zum Ductus trachealis 
bzw. Ductus thoracicus und der V. jugularis comm. herablaufen 
(Fig. 10 d, d'). Auch diese Variationen sind im einzelnen kaum zu schil¬ 
dern; deshalb ist ein Teil von ihnen in den Fig. 2—11 u. 16 g zur 
Darstellung gebracht. 

2. Lgl. cervicales profnndae. 

Die Lgl. cervicales profundae (Fig. 2, 6, 8, 9, 11, 12 u. 16 
b, b', c, c',) haben ihre Lage am Halsteile der Luftröhre. Sie sind 



534 


HERMANN BAUM, 


beim Hunde (im Gegensatz zu Mensch, Rind, Pferd) nur in spärlicher 
Anzahl vorhanden und fehlen in manchen Fällen (3 mal bei 61 unter¬ 
suchten Hunden) (Fig. 4 u. 10) ganz, andererseits können sie auf den 
ganzen Halsteil der Luftröhre verteilt sein. Immerhin kann man sie 
in die 3 Untergruppen: Lgl. cervicalis cranialis (Fig. 2, 6, 8, 9 u. 
16 b, b'), Lgl. cervicalis media (Fig. 8, 12 u. 16 c') und Lgl. cervicalis 
caudalis (Fig. 6, 8 u. 16 c) scheiden, wenn diese 3 Untergruppen auch 
durchaus nicht in allen Fällen vorhanden und, falls sie da sind, durch¬ 
aus nicht scharf gegeneinander abgegrenzt sind. Nicht selten sind 
einzelne der Lgl. cervicales profundae sehr klein, kaum stecknadel¬ 
kopfgroß, so daß sie bei makroskopischer Untersuchung ohne Injektion 
von Vasa afferentia aus leicht übersehen werden können. Im übrigen 
konnten, was die Größe der Knoten anbetrifft, alle Uebergangs- 
formen bis zu 10 mm großen Knoten beobachtet werden. Die Form 
der Knoten ist die gewöhnliche. 

a) Die Lgl. cervicalis cranialis (Fig. 2, 6, 8, 9 u. 16 b, b') ist 
ein Lymphknoten, der in der Nähe der Schilddrüse liegt (Fig. 16 b), 
nur bei ungefähr Vs aller Hunde gefunden wird und zwar fast aus¬ 
nahmslos in der Einzahl. Ich bezeichne dabei als Lgl. cervicalis cranialis 
jeden Lymphknoten, der in der Nähe der Schilddrüse vom kaudalen 
Ende der Lgl. retropharyngea medialis bis zum kaudalen Ende der 
Schilddrüse vorkommt, und zwar liegt der Knoten entweder am dorso- 
medialen Rande der Schilddrüse an der Luftröhre und der A. carotis 
comm. (Fig. 2 b) oder kraniodorsal von ihr (Fig. 16 b), zwischen ihr 
und der Lgl. retropharyngea medialis, wobei er sich noch mehr oder 
weniger auf den Pharynx erstreckt: er kann sogar bis an den letzteren 
Lymphknoten heranreichen oder sich selbst zu einem kleinen Teil 
noch auf ihn erstrecken; es kann in solchen Fällen zweifelhaft werden, 
ob man einen solchen Knoten noch zur Lgl. retropharyngea medialis 
rechnen oder als Lgl. cervicalis cranialis bezeichnen soll; ich würde 
einen solchen Knoten aber trotzdem immer als Lgl. cervicalis cranialis 
ansehen, weil ich in vielen Fällen beobachtet habe, daß von denjenigen 
Lymphgefäßen, die beim Fehlen eines solchen Knotens in die Lgl. 
retropharyngea medialis einmünden, beim Vorkommen eines solchen 
Knotens doch keine in ihn eintreten. Eine bis zum kaudalen Ende 
der Schilddrüse sich erstreckende Lgl. cervicalis cranialis (Fig. 11b) ist 
unter Umständen gegen die cventl. vorkommende Lgl. cervicalis media 
nicht scharf abgegrenzt. 



Das Lym^igefäßsystem des Hundes. 


535 


Was das Vorkommen der Lgl. cervicalis cranialis anbetrifft, so 
fehlt sie in der größeren Mehrzahl der Fälle gänzlich (Fig. 4 u. 10), 
denn dies war in 64 untersuchten Fällen 45 mal der Fall, und nur 
in 19 Fällen konnte sie nachgewiesen werden 

und zwar in 12 von diesen Fällen jederseits 1 Knoten (Fig. 2 u. 16 b), in 1 Falle 
nur auf der linken Seite und in 3 Fällen nur auf der rechten Seite 1 Knoten, in 
einem Fall links 1 und rechts 2 Knoten (Fig. 9 b, b') und in 2 Fällen beiderseits 
2 Knoten (Fig. 6, 8 u. 11 b, b'). 

Mit der Lgl. cervicalis cranialis können u. U. akzessorische Schilddrüsen oder 
selbst das äußere (laterale) Epithelkörperchen verwechselt, d. h. sie können für 
eine Lgl. cervicalis cranialis gehalten werden. Ira Zweifelsfalle wird die mikros¬ 
kopische Untersuchung vor Irrtümern bewahren, aber sie ist nicht einmal notwendig; 
sowohl dem äußeren Epithelkörperchen als den akzessorischen Schilddrüsen fehlen 
natürlich Vasa efferentia, so daß man im Zweifelsfall durch Injektion in das be¬ 
treffende Gebilde sich ohne weiteres überzeugen kann, ob es Vasa efferentia hat 
oder nicht. 

Zuflußgebiet. Die Lgl. cervicalis cranialis nimmt auf: 
Lymphgefäße vom Kehlkopf, der Schilddrüse, Luft- und Speiseröhre, 
Vasa efferentia der Lgl. retropharyngea medialis. 

Vasa efferentia. Aus der Lgl. cervicalis cranialis treten 1—2 
Vasa efferentia hervor, die sich mit dem Ductus trachealis sinister 
bzw. dexter vereinigen (s. S. 572 u. Fig. 2 u. 16 b). Ist die Lgl. 
cervicalis cranialis doppelt, dann verhalten sich die Vasa efferentia des 
kaudalen der beiden Knoten so, wie vorstehend beschrieben (Fig. 6, 8, 
9 u. 11), Während die des kranialen der beiden Knoten entweder 
in den kaudalen Knoten münden (Fig. 6 b) oder sich mit dem Ductus 
trachealis vereinigen (Fig. 8 b) oder beides tun (Fig. 9 b). 

b) Eine Lgl. cervicalis media (Fig. 8, 12, 16 c', 23 3 ), also ein 
kaudal von der Schilddrüse am mittleren Teil des Halsabschnittes 
der Luftröhre gelegener Lymphknoten konnte nur in 4 von 50 Fällen 
nachgewiesen werden 

und zwar nur einmal auf 'beiden Seiten, in I Falle an der linken, in 1 Falle an 
der rechten und 1 Falle an der ventralen Seite der Luftröhre, ln 2 Fällen handelte 
es sich um einen kleinen, höchstens 2—3 mm großen Knoten, in den beiden anderen 
Fällen war er 3 - 5 mm groß. Die kleinen Knoten können, wenn sie nicht von 
Vasa afferentia aus injiziert sind, leicht übersehen werden (s. S. 534). 

Zuflußgebiet. In die Lgl. cervicalis media mündoten Lymph¬ 
gefäße der Schilddrüse, der Luft- und Speiseröhre. 

Vasa efferentia. Aus der Lgl. cervicalis media entwickelt 
sich i. d. R. 1 Vas efferens, das an der Luftröhre herabläuft und 
entweder in die Lgl. cervicalis caudalis (Fig. 8 u. 16 c\ c, 23 3, <) 



536 


HERMANN BAUM, 


oder in das Ende des Ductus thoracicus bzw. des Truncus lymphaticus 
dexter oder den Ductus trachealis (Fig. 12 c') oder in eine Lgl. 
mediastinalis cranialis einmündet. 

c) Lgl. cervicalis caudalis (Fig. 6, 8 u. 16 c, 23 *). Eine Lgl. 
cervicalis caudalis fehlt auch in der Mehrzahl der Fälle, denn in 39 
von 56 untersuchten Fällen konnte sie gar nicht nachgewiesen werden; 
in 17 Fällen war sie vorhanden und lag am Ende des Hedsteiles der 
Luftröhre dicht halswärts von der ersten Rippe, von ihr bis zu 4 cm 
kranial entfernt, bedeckt von den Vorderhalsmuskeln (M. sternohyoideus, 
M. sternothyreoideus, M. brachiocephalicus). In 11 von den erwähnten 
17 Fällen fand sich nur ein Knoten an der ventralen Seite der Luft¬ 
röhre, der Knoten war also unpaar; in 2 Fällen wurde jederseits 
an der Luftröhre 1 Knoten gefunden, in 1 Falle 1 Knoten an der 
linken und 1 an der ventralen Seite, in 2 Fällen 3 und in einem 
Falle sogar 4 mehr oder weniger hintereinander gelegene Lymphknoten 
an der ventralen Seite der Luftröhre. 

Von den 4 Knoten des letzten Falles, die allo nur l 1 /*—2 1 /* mm groß waren, 
hätte man den kranialen auch als Lgl. cervicalis media auffassen können, da die 
Abgrenzung zwischen beiden Gruppen durchaus nicht scharf ist. In einem anderen 
Falle war der gefundene Knoten auch nur stecknadelkopfgroß, so daß er leicht 
hätte übersehen werden können (cf. S. 534). 

Zuflußgebiet. Ist eine Lgl. cervicalis caudalis vorhanden, 
dann mündet offenbar ein Teil der Lymphgefäße, die beim Fehlen des 
Knotens durch den Brusthöhleneingang zu den Lgl. mediastinales gehen, 
in ihn ein (z. B. vom M. transversus costarum, splenius, sternohyoideus 
et -thyreoideus, scalenus, longus colli et capitis, serratus ventralis usw.). 
Es ist in der Regel aber nur ein Teil dieser Lymphgefäße, ein anderer 
Teil umgeht den Knoten, wie es anderseits auch vorkommt, daß alle 
diese Lymphgefäße den Knoten, obgleich er vorhanden ist, umgehen. 
Direkt nachgewiesen wurde das Einmünden von Lymphgefäßen in 
eine Lgl. cervicalis caudalis vom M. splenius, sternohyoideus und 
-thyreoideus, longus colli und longus capitis, den letzten 5—6 Hals¬ 
wirbeln, der Schilddrüse, Luft- und Speiseröhre, von Vasa efferentia 
der Lgl. cervicalis media. 

Vasa efferentia: Jede Lgl. cervicalis caudalis hat 1—2 Vasa 
efferentia. Sind mehrere Knoten da, dann geht das Vas efferens des 
am weitesten kranial gelegenen Knotens in der Regel zum nächst¬ 
folgenden Knoten, und erst das von dem am weitesten kaudal ge¬ 
legenen Knoten (bzw. wenn nur ein Knoten da ist, das Vas efferens 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


537 


von diesem) mündet in das Ende des Ductus tboracicus (Fig. 6 c) 
bzw. rechterseits in den Truncus lymphaticus dexter (Fig. 8 c) oder in 
das Ende des Ductus trachealis oder in eine Gl. mediastinalis cra- 
nialis (Fig. 16 c, l, 23 4,6); in letzterem Fall bildet es oft ausge¬ 
dehnte Netze. 


C. Lymphknoten der Schultergliedmaße. 

An der Schultergliedmaße findet man in der Regel nur einen 
Lymphknoten, die Lgl. axillaris. Ausnahmsweise findet sich noch 
ein zweiter Lymphknoten, der beckenwärts von der Lgl. axillaris 
meist im 3. Interkostairaura an der seitlichen Thoraxwand liegt und 
nach seinem Zufiußgebiet zweifellos nur ein Schaltknoten zur Lgl. 
axillaris ist (S. 539); ich nenne ihn deshalb Lgl. axillaris accessoria. 

1. Lgl. axillaris. 

Die Lgl. axillaris (Fig. 16 e u. 36 d) ist fast ausnahmslos nur 
in der Einzahl vorhanden, denn in 33 untersuchten Fällen fand ich 
29 mal nur 1 Knoten, und nur in 4 Fällen waren es 2 Knoten und zwar 
1 mal beiderseits, 1 mal nur linkerseits und 2 mal nur rechterseits. 

Die Länge des Hauptknotens schwankte zwischen 0,3 und 5 cm, 
seine Breite zwischen 0,2 und 5 cm und seine Dicke zwischen 0,2 
und 1,7 cm. Er besitzt meist eine fast runde Form und ist m^hr 
oder weniger stark abgeplattet. Die Lgl. axillaris liegt inmitten 
reichlichen Fettgewebes an der medialen Seite der Schulter in der 
Höhe des Schultergelenkes, jedoch je nach der Größe des Hundes 
2—5 cm kaudal von letzterem in dem Dreieck, das die A. und V. 
subscapularis und die A. und V. brachialis miteinander bilden. Mit 
ihrer lateralen Fläche stößt sie an den M. teres major (Fig. 36»), mit 
ihrer medialen in der Höhe des 1. Interkostalraums oder der 2. Rippe 
an den M. pectoralis prof., vor allem aber an den M. transversus 
costarum nahe dem M. scalenus supracostalis (Fig. 16 e). Der Knoten 
ist mithin eingeschlossen zwischen dem M. teres major einerseits und 
dem M. transversus costarum und M. pectoralis prof. anderseits, 
lieber seine mediale Fläche oder entlang seines ventralen Randes 
zieht ein oft zweigeteilter N. pectoralis caudalis und entlang seines 
dorsalen Randes die A. und V. thoracicodorsalis. 

Das absolute Gewicht des Knotens beider Seiten schwankte 
zwischen 0,09 und 36,82 g, das relative Gewicht zwischen 0,0012 
und 0,0695 v. H. 



538 


HERMANN BAUM 


Zuflußgebiet. In die Lgl. axillaris münden Lymphgefäße der 
Haut der dorsalen, seitlichen und ventralen Thorax- und Bauchwand, 
soweit diese zwischen der Schulteroberarmmuskulatur und einer durch 
die letzte Rippe gelegten Querebene sich befindet, und von der Haut 
an der lateralen Seite der Schulter und des Oberarmes und des Ole- 
cranon, L. der Fascia antebrachii, L. von allen Muskeln der Schulter¬ 
gliedmaße und deren Sehnen, ferner vom M. trapezius, brachiocepha- 
licus, latissimus dorsi, pectoralis profundus und dem Bauchhautmuskel, 
L. von allen Knochen der Schultergliedmaße mit Ausnahme der Zehen¬ 
glieder, L. vom Schulter-, Ellbogen- und Karpalgelenk, L. des Euters. 
Vasa efferentia der Lgl. axillaris accessoria. 

Vasa efferentia: Aus dem Knoten treten mehrere (4—5) Vasa 
efferentia hervor, die sich fast stets bald zu einem größeren Stäramchen 
vereinigen (Fig. 16 e). Dieses verläuft, indem es dabei sehr oft große 
Inseln bildet, über den M. transversus costarum kranioventral zur 
1. Rippe und kreuzt an dieser die mediale Seite der Vena axillaris an 
deren Ursprung, dann die laterale Seite vom Anfangsteil der V. jugularis 
comm., wobei es sehr oft in 2—3 Endzweige gegabelt ist. Das Gefäß 
bzw. seine Endzweige münden dann ein linkerseits in das Ende des 
Ductus thoracicus oder einen seiner Endäste oder direkt in die V. 
jugularis ext. oder selbst in das Ende des Ductus trachealis sinister, 
rechterseits in das Ende des Ductus trachealis dexter bzw. den 
Truncus lymphaticus dexter oder einen ihrer Endäste oder auch direkt 
in das Ende der V. jugularis externa. Auf diese Weise entstehen an 
der Einmündung außerordentlich viel Variationen, von denen ein Teil 
für die linke Seite in der Fig. 3, 5 u. 16 e, für die rechte Seite in Fig. 9 
u. 10 e dargestellt ist. 

Wenn 2 Knoten vorhanden sind (Fig. 7 e, e 1 und IC e), münden die 2—3 
Vasa efferentia des kaudalen Knotens zum Teil in den kranialen Knoten, zum Teil 
gesellen sie sich zu dessen Vasa efferentia. 

2. Lgl. axillaris accessoria. 

Die Lgl. axillaris accessoria (Fig. 13«, 16 e') ist ein relativ 
kleiner Knoten, der zudem nur ausnahmsweise gefunden wird, denn bei 
43 untersuchten Fällen fand er sich nur 10 mal und zwar 6 mal 
beiderseits, 3 mal nur rechterseits und 1 mal linkerseits; er fand sich 
auch stets nur in der Einzahl. Er liegt 4 — 8 cm dorsal vom 
Ellbogenhöcker dicht dorsal vom M. pectoralis profundus und dicht 
ventral vom M. latissimus dorsi, geradezu in dem Winkel zwischen 
beiden am kaudalen Rande der Schulteroberarmmuskulatur auf der 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


539 


3.—4. Rippe meist im 3. Interkostalraum. Er ist nur von der Haut 
und dem Bauchhautmuskel (m) bedeckt, nur ausnahmsweise rückt er 
an die mediale Seite des M. latissimus dorsi. 

Zuflußgebiet: Die Lgl. axillaris accessoria nimmt Lymphgefäße 
der Haut an der seitlichen und ventralen Thoraxwand und am hinteren 
(kaudalen) Teile der lateralen und medialen Seite der Schulteroberarra- 
gegend und des Olecranon, ferner L. vom Bauchhautmuskel, vom 
M. pectoralis prof. und dem Euter auf. 

Wenn der Knoten fehlt, ziehen diese Lymphgefäße direkt zur Lgl. axillaris, 
ein Beweis dafür, daß die Lgl. axillaris accessoria ein Scbaltknoten der Lgl. axillaris 
ist. Ich konnte mich deshalb auch nicht Merzdorf (24) anschließen, der den 
Lymphknoten Lgl. cubitalis nennt. Der Lage nach könnte der Knoten eher der 
der Lgl. infraspinata des Rindes verglichen werden, wenn dieser auch ein ganz 
anderes Zuflußgebiet als der Knoten beim Hunde hat. 

Vasa efferentia: Die den Knoten verlassenden Vasa efferentia 
vereinigen sich zu 2—3 Stämmen (Fig. 16 e, e',), die, unter sich 
Anastomosen bildend, zur Lgl. axillaris ziehen. 

D. Die Lymphknoten der Beekengliedmaße 

(ohne Becken, aber einschließlich ventraler Becken- und z. T. 

ventraler Bauchwand). 

Zu den Lymphknoten der Beckengliedmaße sind zu rechnen; 
1. die l.gl. poplitea, 2. die inkonstant auftretende Lgl. femoralis medi- 
alis, 3. die Lgl. inguinales superficiales. 

Die Lgl. inguinalis prof. ist offenbar in die Bauchhöhle gerückt und soll 
deshalb bei den Lymphknoten der Bauchhöhlenwand beschrieben werden (S. 560). 

1. Lgl. poplitea. 

Die Lgl. poplitea (Fig. 13 s) stellt fast ausnahmlos nur einen 
einzigen Knoten dar; 

nur 1 mal bei 37 untersuchten Hunden war er auf der rechten Seite doppelt. 

Die Lgl. poplitea erreicht bei großen Hunden eine Länge von 
5,0 cm, eine Breite von 3,4 cm und eine Dicke von 1,4 cm. 
Ebenso konstant wie die Zahl ist auch die Lage des Knotens. Er 
liegt in der Kniekehle zwischen dem M. biceps femoris und M. semiten- 
dinosus (Fig. 13 p u. q) an der kaudalen Fläche des M. gastroenemius 
(Fig. 16) meist in einem reichlichen Fettpolster; da er den M. biceps 
und semitendinosus in der Regel etwas nach hinten überragt (wie 
es Fig. 13 zeigt), so stößt er mitsamt dem Fettpolster zwischen den 
beiden Muskeln direkt an die Haut. Das absolute Gewicht des 



540 


HERMANN BAUM, 


Knotens beider Seiten schwankte zwischen 0,04 und 19,07 g, das 
relative Gewicht zwischen 0,0007 v. H. und 0,036 v. H. 

Zuflußgebiet: Die Lgl. poplitea nimmt Lymphgefäße auf: von 
der Haut der kaudalen Hälfte der lateralen Seite des Knies und des 
Unterschenkels, der lateralen, Beuge- und Streckseite des Tarsus, der 
Haut des Metatarsus und der Hinterzehen, ferner L. der Fascia cruris, 
der Tibia und Fibula, der Tarsal- und Metatarsalknochen und der 
Zehenglieder, L. des Tarsalgelenkes und der Hinterzehengelenke und 

L. von folgenden Muskeln: M. biceps, semitendinosus, seroimero- 
hranosus, quadriceps, extensor digitalis pedis brevis und den Mm. 
interossei, ferner von den Sehnen des M. tibialis anterior, extensor 
digit. pedis longus et lateralis, peronaeus longus, gastrocnemius, flexor 
digitalis pedis sublimis et profundus. 

Vasa efferentia. Aus der Lgl. poplitea treten 8—10 Vasa 
efferentia (Fig. 34 a') hervor, die in Begleitung der V. saphena parva 
an der medialen Seite des M. biceps auf dem M. gastrocnemius nach 
der Kniekehle verlaufen, dabei Netze bilden und sich schließlich zu 
2—4 Stämmchen vereinigen, die dicht über der Ursprungsstelle des 

M. gastrocnemius in dem Winkel zwischen M. semimembranosus, 
M. adductor und Oberschenkelbein nach der medialen Seite hindurch¬ 
treten, in den Schenkelkanal gelangen und in ihm zur Lgl. iliaca 
medialis ziehen. 

Ist eine Lgl. femoralis medialis oder ein Lgl. inguinalis prof. vorhanden, dann 
mündet in der Regel eines der Vasa efferentia erst in diese ein. In einem Falle 
füllte sich von der linken Lgl. poplitea aus außer den beschriebenen Vasa efferentia 
noch ein Vas efferens, das direkt unter der äußeren Haut an der Grenze zwischen 
M. biceps und M. semitendinosus in die Höhe stieg, in die Beckenhöhle eintrat 
und in die linke Lgl. sacralis medialis einmündete; von dieser aus füllten sich Vasa 
efferentia zu den Lgl. bypogastricae und von diesen aus Vasa efferentia zu beiden 
Lgl. iliacae mediales, so daß von der linken Lgl. poplitea aus alle diese Lymph¬ 
knoten sich füllten. 


2. Lgl. femoralis medialis. 

Als Lgl. femoralis medialis (Fig. 13 t, 37 e) sei ein Lymphknoten 
bezeichnet, der noch nirgends erwähnt ist, der aber auch nur ausnahms¬ 
weise vorkomrat, denn er fand sich in 40 untersuchten Fällen nur 
5 mal und zwar 1 mal beiderseits, 1 mal linkerseits und 3 mal rechter- 
seits. Es ist ein kleiner, selbst bei großen Hunden kaum über 1 cm 
langer, bei kleinen Hunden in der Regel nur 2—3 mm großer Lymph¬ 
knoten, der an der medialen Seite des Oberschenkels am distalen 
Ende des Schenkelkanales an der medialen Seite des distalen Endes 



Das LymphgefÄßsystem des Hundes. 


541 


des M. pectineus oder des M. adductor zwischen M. sartorius und 
gracilis unter der Faszie am kaudalen Rande der Schenkelgefäße im 
Fett hegt. 

Zuflußgebiet. Die Lgl. femoralis medialis kann Lymphgefäße 
aufnehmen: von der Haut an der medialen Seite des Knies, des Unter¬ 
schenkels und des Fußes, der Fascia cruris, dem Knie- und Tarsalgelenk, 
der Kniescheibe, der Tibia, den Tarsal- und Metatarsalknochen, der 
Achilles-, oberflächlichen und tiefen Beugesehne, den Mm. interossei 
pedis und dem M. ext. digitalis pedis brevis, ferner Vasa efferentia 
der Lgl. poplitea. Es kommt jedoch nicht selten vor, daß von den 
erwähnten Teilen keine Lymphgefäße in die Lgl. femoralis medialis 
einmünden, obgleich eine solche vorhanden ist. 

Vasa efferentia: Aus dem Knoten entspringen 1—2 Vasa 
efferentia, die in den untersuchten Fällen im Schenkelkanal in die Höhe 
stiegen und in die Lgl. iliaca medialis einmündeten (Fig. 37 e', 27 n). 

Eine Lgl. inguinalis prof. war in den untersuchten Fällen nicht vorhanden. 


3. Lgl. inguinales superficiales, 
a) Die Lgl. inguinales superficiales der männlichen Hnnde 

(Fig. 31 u. 32 <) bilden jederseits eine Gruppe von 1—3, meist 

2 Knoten, die am dorsolateralen Rande des Penis zwischen diesem 
und der ventralen Bauch wand 1 / 2 —1 cm kranial vom Samenstrang in 
dem äußerst fettreichen, subkutanen Bindegewebe liegen; sie stoßen 
lateral an den kranialen Randabschnitt der medialen Fläche des M. 
gracilis und dorsal an die Aponeurose des M. obliquus abdom. ext. 
Nicht selten ist die Zahl der Lymphknoten zwischen linker und rechter 
Seite verschieden. 

Die Größe der Knoten ist sehr verschieden. Von 5 mm Länge 
bis 6,8 cm Länge, 2,5 cm Breite und 1,5 cm Dicke fanden sich alle 
Schwankungen. 

Zu der in kranioventraler Richtung das die Lymphknoten umhüllende Fett 
durchziehenden A. und V. pudenda externa verhalten sich die Lgl. inguinales super¬ 
ficiales jederseits wie folgt: Ist nur 1 Knoten vorhanden, so liegt dieser medial 
von den genannten Gefäßen zwischen ihnen und der ventralen Bauchwand und über¬ 
ragt sie kranial und kaudal. In den Fällen, in denen 2 Knoten da sind, liegt in 
der Regel der eine am kranialen, der andere am kaudalen Rande der Gefäße, so 
daß diese in kraniomedialer Richtung zwischen beiden Knoten hindurchgehen, oder 
es liegt der eine Knoten medial von der Vene, der andere kaudal von ihr. Sind 

3 Knoten vorhanden, so liegen der eine kranial, die beiden anderen hintereinander 
kaudal von der A. und V. pudenda ext.; es kann auch der eine von den beiden 
letzteren Knoten an die mediale Seite des Samenstranges rücken. Manchmal ist 



542 


HERMANN BAUM, 


der kraniale Knoten etwas in die Tiefe gerückt, während der kaudale umgekehrt 
eine oberflächlichere Lage einnimmt. 

Das absolute Gewicht der Knoten beider Seiten schwankte 
zwischen 0,02 g und 23,23 g, das relative Gewicht zwischen 
0,0003 v. H. und 0,0719 v. H. 

Zuflußgebiet (s. S. 543). 

Vasa efferentia (Fig. 31 ?)•' Die Knoten einer Seite stehen in 
der Regel durch Vasa efferentia miteinander in Verbindung. Im übrigen 
vereinigen sich die Vasa efferentia jedes einzelnen Knotens zu 1—2 Ge¬ 
fäßen, die in kaudodorsaler Richtung über die mediale Fläche des 
Samenstranges verlaufen, mit der A. und V. pudenda ext. in die Bauch¬ 
höhle treten, in dieser die A. und V. iliaca ext. begleiten und in 
die Lgl. iliaca medialis einmünden (Fig. 31 i, 27 n). 

Ist eine Lgl. inguinalis prof. (Fig. 278) da, dann gehen die Vasa efferentia 
alle oder zum Teil erst in diesen Knoten (Fig. 27 ir). 

b) Lgl. inguinales superficiales der weiblichen Hunde. {Lgl. 
supramammaricae , Euterlymphknoten) (Fig. 30 1 ) Von 7 unter¬ 
suchten Hündinnen besaßen 4 jederseits nur einen Euterlymphknoten, 
2 jederseits zwei und 1 rechts zwei und links einen Knoten. Die 
Knoten sind bei großen Hunden bis zu 1—2 cm lang, bis 1 cm breit 
und bis 0,5 cm dick. Sie liegen jederseits, je nach der Größe des 
Hundes, 2—4 cm kranial vom Pecten ossis pubis und 1—1 1 / i cm 
seitlich von der Linea alba dorsal vom Euter, sind mithin eingeschoben 
zwischen die ventrale Bauchwand einerseits und das Eutergewebe und 
die Haut der ventralen Bauchwand andererseits und zwar nahe der 
Stelle, wo die Haut der ventralen Bauchwand sich in die der medialen 
Fläche des Oberschenkels umschlägt. 

Die in kranialer Richtung verlaufende A. u. V. pudenda externa urasäumen 
in der Regel den lateralen Rand des Knotens. Sind hingegen auf einer oder auf 
beiden Seiten zwei gesonderte Lymphknoten vorhanden, so liegen sie entweder 
hintereinander oder der eine lateral und der andere medial von den genannten 
Gefäßen; der laterale von ihnen erreicht dann in der Regel den lateralen Rand 
des Euters, überragt ihn meist sogar etwas. 

Das absolute Gew'icht der Knoten beider Seiten schwankte 
zwischen 0,15 g und 1,16 g, das relative Gewicht zwischen 
0,0012 v. H. und 0,0178 v. H. 

Zuflußgebiet s. S. 543. 

Vasa efferentia. Die Vasa efferentia verhalten sich im wesent¬ 
lichen wie beim männlichen Tiere; sie vereinigen sich aus jedem 
Knoten zu 1—2 Gefäßen, die mit der A. und V. pudenda externa in 



Das Lympbgefäßsystem des Hundes. 


543 


die Bauchhöhle treten (Fig. 27 u) und in ihr in Begleitung der A. und 
V. iliaca externa zum Lgl. iliaca medialis (Fig. 27 <*). ziehen. 

Ist eine Lgl. inguinalis profunda (Fig. 27 8) vorhanden, dann münden 
die Vasa efferentia alle oder zum Teil in diese ein (Fig. 27 n*). 

Zuflußgebiet der Lgl. inguinales superficiales. In die 
Lgl. inguinales superficiales münden Lymphgefäße der Haut der 
ventralen Hälfte des Teiles der Bauchwand, der kaudal von einer 
durch die letzte Rippe gelegten Querebene sich befindet, einschließlich der 
Lymphgefäße der Haut des Praeputium, Scrotum und derHaut des Euters, 
der Haut des kaudalen Teiles des Beckens und des Schwanzes, der 
lateralen und medialen Seito des Oberschenkels, der medialen Seite 
und der kranialen Hälfte der lateralen Seite des Knies, der medialen 
Seite und der kranialen Hälfte der lateralen Seite des Unterschenkels 
(einschließlich vorderem Rande desselben), der medialen, Beuge- und 
Streckseite des Tarsus und des Metatarsus und der Zehen, L. des 
'Baüchhautmuskels, L. der Vulva, Clitoris und des Euters, des Scrotum, 
Praeputium, Penis einschließlich Eichel und L. der männlichen Harn¬ 
röhre. 

E. Lymphknoten des Thorax und der Brusthöhlenorgane. 

Die Lymphknoten der Brusthöhlen wand, Lgl. thoracis, 
zerfallen in Lgl. thoracis dorsales s. intercostales, die an der dorsalen 
Thoraxwand in der Nähe der Rippenköpfchengeleuke, und die Lgl. thoracis 
ventrales s. stemales, die an der ventralen Thoraxwand auf dem Ster¬ 
num in der Nähe der A.u. V.mamraaria interna liegen. Beide Gruppen 
sind beim Hunde, im Gegensatz zum Rinde [s. Baum (6) 
S. 26 u. 27] nur spärlich nachweisbar, denn Lgl. intercostales 
fehlen bei den meisten Hunden gänzlich und fanden sich, 
wenn sie vorkamen, auf einer Seite immer nur in der Ein¬ 
zahl, und die Lgl. stcrnales werden in der Regel nur durch 
jederseits einen Knoten gebildet, so daß man beide Gruppen 
am richtigsten im Singular bezeichnet. Auch die Lymphknoten 
der Brusthöhlenorgane sind viel spärlicher als beim Rinde nach¬ 
weisbar. Man findet beim Hunde nur Lgl. mediastinales und Lgl. 
bronchiales und die ersteren zudem nur in Form einer einzigen Gruppe, 
der der Lgl. mediastinales craniales. 

1. Lgl. intercostalis (Fig. 17 g u. 18 9 ). 

Nur in 14 von 54 Fällen konnte sie nachgewiesen werden und 
zwar 5 mal auf der linken und 7 mal auf der rechten Seite und 2 mal 



544 


HERMANN BAUM, 


auf beiden Seiten. In allen diesen Fällen aber handelte es 
sich auf einer Seite nimmer nur um einen einzigen Knoten. 
Er lag im 5. oder 6. Interkostalraum nahe dem Rippenköpfchengelenk 
oder am 6. Rippenköpfchengelenk unter der Pleura im Fett an der 
betr. A. und V. intercostalis, rechterseits dicht dorsal von der V. azygos 
(Fig. 18 h). Seine Größe schwankte von 2—7 mm. 

Zuflußgebiet. Wenn eine Lgl. intercostalis zugegen ist, mündet in 
der Regel ein Teil derjenigen Lymphgefäße, die durch die letzten 6—8 
Interkostalräume in die Brusthöhle treten und an den Brustwirbeln 
und am M. longus colli halswärts zu den Lglc-mediaslinales craniales 
verlaufen und die vom M. subscapularis, longissimus dorsi, ileocostalis, 
trapezius und rhomboideus thoracalis, latissimus dorsi, serratus ventralis, 
obliquus abdom. externus und internus, transversus abdominis, serratus 
dorsalis inspiratorius, spinalis et semispinalis dorsi et cervicis, den 
Mm. intercostales, den Rippen und der Scapula stammen, außerdem L. 
von der Pleura, der Aorta, den Brustwirbeln und dem Nervensystem. 

Vasa efferentia. Aus jeder Lgl. intercostalis entspringen 1—3 
Vasa efferentia, die am M. longus colli kranioventral verlaufen, dabei 
in der Regel große Inseln bilden und in eine Lgl. mediastinalis 
cranialis einmünden (s. Fig. 17 u. 18). 

2. Lgl. sternalis (Fig. 17 c, 18« u. 19 *). 

Die Lgl. thoracis ventrales werden, wie schon erwähnt, in den 
meisten Fällen jederseits nur durch einen einzigen Lymphknoten, die 
Lgl. sternalis gebildet; der Knoten kann auch unpaar und dann entweder 
median oder nur auf einer Seite auftreten; ganz ausnahmsweise fehlt 
der Knoten gänzlich oder wird auf einer Seite doppelt gefunden. 

Id 35 untersuchten Fällen fand sich 21 mal jederseits 1 Knoten, in 4 Fällen 
1 solcher nur rechterseits, in 3 Fällen ein solcher nur linkerseits, in 3 Fällen ein 
unpaarer Knoten median, in 2 Fällen waren 2 hintereinander gelegene Knoten auf 
der linken, in 1 Falle 2 solcher Knoten auf der rechten Seite nachweisbar und in 
1 Falle endlich konnte überhaupt kein Lgl. sternalis aufgefunden werden. 

Kommt, wie es die Regel ist, jederseits ein Knoten vor, dann 
liegt er dicht kranial vom M. transversus thoracis und dicht medial 
vom 2. Rippenknorpel oder medial vom 2. Zwischenknorpelraum fast 
stets in Fett eingepackt an der A. und V. mammaria interna und 
zwar am kranioventralen Rande derselben auf dem Sternum bzw. 
zwischen Arterie und Sternum; weil er in Fett eingepackt ist, füllt 
er mit diesem den Raum zwischen beiden aus. Findet sich im ganzen 
nur 1 Knoten, dann liegt er entweder auf einer Seite in der vor- 



V 


D&s Lymphgefäßsystem des Hundes. 


545 


beschriebenen Weise, oder er liegt mehr oder weniger median ventro- 
medial von der beiderseitigen A. (und V.) mammaria interna in der 
Querebene des 2. Rippenknorpels oder des 2. Zwischenknorpelraumes. 
Sind auf einer Seite 2 hintereinander liegende Knoten vorhanden, dann 
zeigen sie beide die beschriebene Lage, es kann der kaudale aber auch 
zwischen A. und V. mammaria interna liegen. 

Die Größe der Knoten schwankt zwischen 3 und 20 mm Länge. 
Das absolute Gewicht aller Knoten, also der Knoten beider Seiten, 
schwankte zwischen 0,02 und 1,82 g, das relative Gewicht zwischen 
0,0050 v. H. und 0,0009 v. H. Die Form der Knoten ist im all¬ 
gemeinen eine längsovale, etwas abgeplattete, nur die median ge¬ 
legenen unpaaren Knoten sind öfter ausgesprochen 2 lappig oder hantel¬ 
förmig; es können auch die beiderseitigen Knoten so dicht aneinander 
liegen, daß sie einen Knoten vortäuschen. 

Zuflußgebiet. Die Lgl. sternalis nimmt Lymphgefäße auf: von 
den Mm. pectorales und dem M. serratus ventralis, den Mm. intercostales, 
dem M. transversus costarum et thoracis, allen Bauchmuskeln, ferner 
L. der Rippen und des Brustbeins, L. des Zwerchfells und Mediastinum, 
der Pleura und des Peritonaeum, der Thymus und des Euters. 

In dem einen Falle, in dem gar keine Lgl. sternalis nachweisbar war, mündeten 
die Lymphgefäße, die sonst Vasa allerentia des Knotens sind, soweit sie noch in¬ 
jiziert werden konnten, in eine Lgl mediastinalis cranialis. 

Vasa efferentia. Aus jeder Lgl. sternalis treten 1—3 Lymph¬ 
gefäße hervor, die Netze bildend in der Nähe der A. und V. mammaria 
interna, meist etwas kranioventrai von ihnen, zu einer Lgl. mediastinalis 
cranialis (fast stets der Lgl. mediastinalis cranialis prima) verlaufen. 
Finden sich auf einer Seite 2 hintereinander gelegene Lymphknoten, dann 
münden in der Regel die Vasa efferentia des kaudalen zum Teil in den 
kranialen Knoten, zum Teil gesellen sie sich zu dessen Vasa efferentia. 

3. Lgl. mediastinales. 

Lgl. mediastinales, also im Mediastinum gelegene Lymphknoten, 
treten beim Hunde nur spärlich und in viel geringerer Zahl und viel 
weniger Gruppen als z. B. beim Rinde auf. Während wir beim Rinde 
Lgl. mediastinales craniales, mediae, caudales, dorsales und ventrales 
unterscheiden können (s. Baum [6] S. 29), finden wir beim Hunde 
im wesentlichen nur Lgl. mediastinales craniales, d. h. Lymphknoten, 
die zwischen der 1. Rippe und dem Herzen im präkardialen Me¬ 
diastinum bis zum Brusthöhleneingang liegen. Zu ihnen gesellt sich 

Archiv f. wnaeosoh. u. pr&kt. TWheilk. Bd. *4. Suppl. 35 



546 


HERMANN BAUM, 


bisweilen ein Knoten, der nach seiner Lage streng genommen als 
Lgl. mediastinalis media bezeichnet werden müßte, weil er im Me¬ 
diastinum cardiale liegt. So findet sich bisweilen ein solcher 
Knoten an der linken Seite des Herzbeutels ungefähr da, wo 
der Arcus aortae aus dem Perikard hervortritt, also nahe dem 
kranialen Rand des Herzbeutels (Fig. 17 a 2 ), oder es liegt ein 
Knoten auf der rechten oder dorsalen Seite der Luftröhre direkt, 
kranial von der V. azygos (Fig. 18 3*), ja selbst zum Teil oder ganz 
noch zwischen Luftröhre und V. azygos. Da solche streng genommen 
als Lgl. mediastinales mediae aufzufassende Knoten aber nur selten 
Vorkommen und, wenn sie Vorkommen, meist von den Lgl. mediasti¬ 
nales craniales nicht scharf zu trennen sind, auch dasselbe Zuflu߬ 
gebiet wie diese haben, so sollen die beiden Untergruppen: Lgl. me¬ 
diastinales craniales und mediae in der nachfolgenden Schilderung 
nicht geschieden, sondern es soll nur von Lgl. mediastinales gesprochen 
werden, die mithin fast ausschließlich Lgl. mediastinales craniales 
sind. Von ihnen fällt durch seine Konstanz in der Lage und im 
Vorkommen besonders ein Knoten auf, der im 1. Interkostalraum dicht 
kranial von derV. costocervicalis liegt und weiter unten ausführlicher 
beschrieben werden wird; er sei zur leichteren Schilderung seines 
Zuflußgebiets Lgl. mediastinalis (cranialis) prima genannt. 

Lgl. mediastinales caudales sind in den zahlreichen untersuchten Fällen 
nicht beobachtet worden; es können aber leicht Lgl. bifurcationis (Fig. 14 b, b\ 
15 i, 2) für solche gehalten werden und sind offenbar irrtümlich auch dafür gehalten 
worden (von Ellenberger-Baum [18], Chauveau-Arloing [15], Bücher [14]). 

Die Lgl. mediastinales stellen eine Gruppe von Knoten dar, die, 
in Fett eingebettet, scheinbar ohne bestimmte Anordnung zwischen 
den Blättern des Mediastinum im Bereiche der präkardialen Mittel¬ 
fellspalte liegen. Bei jungen Tieren sind sie zum Teil in die Thymus 
eingelagert. Da sich die Lymphknoten auf der linken und rechten 
Seite infolge der verschiedenen topographisch-anatomischen Verhält¬ 
nisse verschieden verhalten, so sei die Lage der Knoten auf der linken 
und rechten Seite gesondert betrachtet, wenn vielfach auch eine scharfe 
Scheidung beider Gruppen naturgemäß nicht möglich ist. 

a) Linke Seite (Fig. 17 a, a 1 , a 2 ): Zahl, Größe und Lage der 
Knoten sind großen Schwankungen unterworfen. Man findet 1—6 Einzel¬ 
knoten, die bei großen Hunden eine Länge bis zu 3 cm, eine Breite 
von 0,8 cm und eine Dicke von 0,5 cm erreichen können. Sie liegen, 
meist in ein schwaches Fettpolster eingelagert, der linken Fläche der 



Das Lymphgefäßsyitem des Hundes. 


547 


in der präkardialen Mittelfellspalte verlaufenden großen Gefäße (be¬ 
sonders V. cava cranialis, A. brachiocephalica, A. subclavia sinistra und 
V. costocervicalis [Fig. 17 9, io, n, u]) an und erstrecken sich vom Brust¬ 
höhleneingang bis zum kranialen Rande des Arcus aortae, ausnahms¬ 
weise auch noch auf diesen und den Herzbeutel (s. oben und Fig. 17 a J ). 
Ist eine größere Anzahl von Lymphknoten (3—6) vorhanden, so liegt 
stets einer von ihnen (Fig. 17 a) im 1. Interkostairaura dicht kranial 
von der V. costocervicalis (zwischen dieser und der A. mamraaria 
interna) an der linken Seite der A. brachiocephalica und der V. cava 
cranialis ( Lgl . mediastinalis cranialis prima ); seltener ist der Knoten 
doppelt; dann liegt der 2. Knoten im Brusthöhleneingang an der 
A. carotis communis sinistra oder der V. subclavia sinistra; aus¬ 
nahmsweise erstreckt sich die Lgl. mediastinalis prima noch über die 
linke (laterale) Seite der V. costocervicalis kaudal. Sie entspricht 
offenbar der Lgl. costocervicalis des Rindes (s. Baum [6] 
S. 19). Die übrigen Knoten liegen kaudal von der V. costocervicalis 
zwischen ihr und dem Arcus aortae an der linken Seite der A. 
brachiocephalica oder der V. cava cranialis oder beider (Fig. 17 a 1 ). 
Es kann sich auch einer der Knoten zwischen A. brachiocephalica 
und A. subclavia sinistra oder zwischen A. brachiocephalica und V. 
cava cranialis in die Tiefe senken; der letztere Knoten gelangt dann 
meist zwischen den beiden Gefäßen an den ventralen Rand der Trachea 
und kann natürlich auch von der rechten Seite aus freigelegt werden 
(s. unten und-Fig. 18 s‘). Ist linkerseits nur 1 Knoten vorhanden, so 
ist dieser stets die Lgl. mediastinalis prima. 

Von der rechten Seite aus gesehen, gestalten sich die Lage¬ 
verhältnisse der Lgl. mediastinales (Fig. 18 3 . s 1 . 3 2 , 3 ») infolge der ver¬ 
schiedenen topographisch-anatomischen Verhältnisse wesentlich anders 
als auf der linken Seite. Zahl und Größe der Knoten sind wie 
links inkonstant, stimmen aber mit den Befunden auf der linken Seite 
in der Hauptsache überein. Es sind ebenfalls 1—6 Knoten vorhanden, 
meist 2—3, die von 3 mm bis zu 3 cm, ja selbst bis zu 4 cm lang, 
bis zu 0,8 breit und bis zu 0,7 mm dick sein können. Sie sind ganz 
allgemein zwischen dem Brusthöhleneingang und der V. azygos in ein 
je nach dem Ernährungszustand des Hundes mehr oder weniger stark 
entwickeltes Fettpolster eingelagert anzutreffen und liegen der rechten 
Fläche der in der präkardialen Mittelfellspalte gelegenen Organe an 
bzw. schieben sich teilweise zwischen sie ein. In Betracht kommen 
hierfür im wesentlichen die Luftröhre (r), die A. und V. subclavia 

35* 



548 


HERMANN BAUM, 


dextra (l), die V. cava cranialis (g) und V. azygos (h) und die V. costo- 
cervicalis (n). Auch hier liegen die Knoten zunächst scheinbar ohne 
bestimmte Anordnung verstreut in der präkardialen Mittelfellspalte. 
Doch läßt sich auch rechts bei sorgfältiger Betrachtung der einzelnen 
Fälle eine gewisse Regelmäßigkeit in der Gruppierung der Knoten 
feststellen. Fast ausnahmslos findet man am kranioventralen Rande 
der V. costocervicalis dextra (n) in dem Winkel zwischen dieser 
und der V. cava cranialis, beide Gefäße in der Regel zu einem kleinen 
Teile noch bedeckend, auf der A. subclavia dextra und dem Ganglion 
cervicale caudale eine Lgl. mediastinalis prima dextra (3), selten (2 mal) 
fehlte der Knoten, ausnahmsweise (2 mal) war er doppelt; in einem 
von diesen Fällen lag der 2. Knoten am kranialen Rande der A. sub¬ 
clavia dextra dicht kranial von der Abzweigung der A. vertebralis 
und A. costocervicalis; in 4 Fällen schob sich die Lgl. mediastinalis 
prima über die Medialseite der Y T . azygos so weit kaudal, daß sie diese 
kranial und kaudal überragte. Findet sich rechterseits überhaupt 
nur 1 Lgl. mediastinalis, dann ist es die Lgl. mediastinalis prima. 
Weiterhin können Lymphknoten in variabler Zahl an dem Teile der 
Luftröhre, der sich zwischen V. azygos und V. costocervicalis (j 1 . s») 
befindet, liegen, und zwar haben sie mehr am Uebergang der rechten 
in die dorsale Fläche der Trachea, selten mitten an der rechten Fläche 
oder an ihrem Uebergange zur ventralen Fläche der Luftröhre ihre Lage. 
Ausnahmsweise findet sich ein Knoten ventral von der V. subclavia 
dextra zwischen der V. axillaris dextra und der V. mammaria interna 
dextra (s*). Wie S. 547 schon erwähnt, ist durch Aufheben der V. cava 
cranialis außerdem der zwischen A. brachiocephalicä und V. cava 
cranialis am ventralen Rand der Luftröhre gelegene Knoten (a‘) frei¬ 
zulegen. 

Das absolute Gewicht der gesamten Lgl. mediastinales (also 
der beiden Seiten) schwankte zwischen 0,08 und 5,03 g, das relative 
Gewicht zwischen 0,0012 v. H. und 0,168 v. H. 

Zuflußgebiet: In die Lgl. mediastinales münden Lymphgefäße 
von folgenden Muskeln: M. subscapularis, trapezius, latissimus dorsi, 
rhomboideus und serratus ventralis, den Mm. intercostales, dem M. 
transversus costarum, serratus dorsalis inspiratorius, splenius, ileo- 
costalis, longissimus dorsi, longissimus cervicis, longissiraus capitis, M. 
spinalis et semispinalis dorsi et cervicis, semispinalis capitis, longus 
colli, scalenus, stemohyoideus und -thyreoideus, M. obliquus abdom. 
ext. und int. und M. transversus abdom., ferner L. der Scapula, der 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


549 


letzten 6 Halswirbel, der Brustwirbel und Rippen, L. der Luft- und 
Speiseröhre, der Schilddrüse, der Thymus, des Mediastinum und der 
Pleura costalis, des Herzens, der Aorta und des Nervensystems, 
weiterhin Vasa efferentia der Lgl. intercostalis, sternalis, cervicalis 
media und caudalis, der Lgl. bifurcationis et pulmonales. Die erwähnten 
Muskel- und Knochenlymphgefäße münden fast ausnahmslos in die 
Lgl. mediastinalis prima. 

Vasa efferentia: Sind mehrere Lgl. mediastinales vorhanden, 
dann schicken die weiter kaudal gelegenen Knoten je 1—3 Vasa 
efferentia zu den weiter kranial gelegenen Knoten (?. B. in Fig. 18 
Knoten 3 2 zu den beiden mit 3 l bezeichneten Knoten, Knoten 3® zu 
den mit 3 1 und 3 bezeichneten Knoten oder der in Fig. 17 mit a 1 
bezeichnete Knoten zu dem Knoten a). Die aus den kranialen Knoten, 
insbesondere die aus der Lgl. mediastinalis prima entspringenden Vasa 
efferentia münden linkerseits in das Ende des Ductus thoracicus, bis¬ 
weilen auch in das des Ductus trachealis sinister, rechterseits in das 
Ende des Ductus trachealis dexter bzw. in den Truncus lymphaticus 
dexter. 

Es kommt dabei nicht selten vor, daß einzelne Vass efferentia die Median¬ 
ebene kreuzen und in die anderseitigen Knoten oder auch in den anderseitigen 
Ductus trachealis oder von einem rechten Lymphknoten aus in das Ende des Ductus 
thoracicus einmünden (z. B. das in Fig. 17 mit h und in Fig. 18 mit 10 bezeichnete 
Lymphgefäß). Oft bilden die Vasa efferentia reiche Netze, in die anscheinend nicht 
selten kleinste, mit unbewaffnetem Auge kaum noch wahrnehmbare Lymphknoten 
eingelagert sind. 

4. Lgl. bronchiales. 

Die Lgl. bronchiales umfassen alle an der Bifurkation der Luft¬ 
röhre und an den Stammbronchien gelegenen Lymphknoten; sie zer¬ 
fallen in 1. die Lgl. bifurcationis (Fig. 20 u. 22 ■,a. s) und zwar eine 
Lgl. bifurcationis sinistra (i), dextra (a) und media (3), die an der 
linken, rechten und kaudalen Seite der Bifurkation liegen, und 2. die 
Lgl. pulmonales (Fig. 20 u. 22*,*'), die an den Stammbronchien vor 
deren Eintritt in die Lungen liegen können und zwar fast stets an 
deren dorsaler Seite. Als Lgl. pulmonales bezeichne ich sie, obgleich 
sie nicht in den Lungen liegen, weil sie offenbar den an den Stamra- 
bronchien, freilich in den Lungen gelegenen Knoten des Rindes [s. Baum 
(6) S. 36] entsprechen und weil sie zudem nur Lymphgefäße aus den 
Lungen erhalten. 

Ich möchte auch nicht die an der Bifurkation der Luftröhre und an den 
Bronchien gelegenen Lymphknoten in so weitgehender Weise in Unterabteilungen 



550 


HERMANN BAUM, 


trennen, wie es beim Menschen geschieht, bei dem man eine Lgl. bifurcationis (im 
Bifurkationswinkei), Lgl . tracheobronchiales (in den Winkeln zwischen Trachea und 
Stammbronchien), Lgl. bronchopulmonales (in den Verzweigungswinkeln der Bronchien) 
und Lgl. pulmonales (im Lungengewebe) unterscheidet. Eine solch weitgehende 
Untergruppierung ist vergleichend anatomisch nicht durchführbar und wird selbst 
bei einer Tierart oft im Zweifel lassen, zu welcher Untergruppe ein Lymphknoten 
gerechnet werden soll. Die Lgl. pulmonales des Hundes würden den Lgl. broncho¬ 
pulmonales des Menschen entsprechen. 

Meine Angaben beziehen sich immer nur auf die makro¬ 
skopisch erkennbaren Lymphknoten, nicht auf das Vor¬ 
kommen nur mikroskopisch feststellbarer Lymphknötchen 
bzw. kleinster .Lymphknoten. 

a) Die Lgl. bifurcationis (Fig. 17 b, b\ 181 , 2 , 20 u. 22 1 , 2 , 3 ) 
traten bei 34 genauer untersuchten Fällen ganz regelmäßig nach Zahl 
und Lage auf, denn es fanden sich stets 3 Knoten, und von diesen 
lag regelmäßig je einer als Lgl. bifurcationis dextra und sinistra rechts 
und links an der Bifurkation, also lateral an der Grenze der Trachea 
zu den Stammbronchien und der dritte als Lgl. bifurcationis vnedia 
im Bifurkationswinkel. Die Größe dieser Knoten schwankte von 
6 mm bis 3,2 cm, wobei die Lgl. bifurcationis media immer die größte 
war. Sie fallen außerdem dadurch auf, daß sie (durch Ablagerung 
von Staubpartikelchen u. dergl.) meist schwärzlich gefärbt sind. 

Die Lgl. bifurcationis dextra (Fig. 18, 20 u. 22 2 ) liegt in dem 
Winkel zwischen Trachea und rechtem Stammbronchus dicht kranial von 
dem für den rechten Spitzenlappen der Lunge bestimmten Bronchus 
(wie es Fig. 20 zeigt) und schmiegt sich oft mit seiner kaudalen Fläche 
dem letzteren Bronchus (Fig. 18 s') an. Sie stößt kraniodorsal an die 
V. azygos (Fig. 18 h), ventral an den Ast der, Lungenarterie und 
Lungenvene für den rechten Spitzenlappen und lateral an den letzteren. 

Die Lgl bifurcationis sinistra (Fig. 17 b, 20 u. 22 1 ) liegt, der 
vorigen entsprechend, im Winkel zwischen Trachea und linkem Stamm¬ 
bronchus; sie stößt kraniodorsal an die Aorta thoracica (Fig. 17 s), 
bzw. schiebt sich mit ihrem kranialen Teil noch zwischen das Ende 
der Luftröhre und die Aorta ein, ventral stößt sie an den linken Ast 
der A. pulmonalis; ihre linke Seite, die vom linken Spitzenlappen 
bedeckt ist, kreuzt der N. vagus sinister. 

Die I.gl. bifurcationis media (Fig. 17 b', 18 1 , 20 u. 22 s) liegt im 
Bifurkationswinkel und erstreckt sich in einem kranial schwach 
konvexen Bogen von einem Stammbronchus zum anderen, so daß sie 
fast Hufeisenform zeigt mit einem Mittelstück und zwei Schenkeln 
(s. Fig. 20 3 ). Sie reicht außerdem noch ein wenig auf die dorsale 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


551 


Seite der beiden Stammbronchien; dorsal stößt sie an die Speiseröhre, 
kaudal und ventral an Lungenvenen; an beiden Seiten wird sie von 
den Nn. vagi gekreuzt. 

Das absolute Gewicht der sämtlichenLgl. bifurcationis schwankte 
von 0,25 g bis 6,78 g, das relative Gewicht von 0,0011 v. H. bis 
0,0256 v. H. 

Zuflußgebiet: Die Lgl. bifurcationis nehmen auf: Lymphgefäße 
aus dem Brustteil der Speiseröhre, vom Ende der Luftröhre, den 
Bronchien und Lungen, dem Mediastinum und Zwerchfell, dem Herzen 
und der Aorta, ferner Vasa efferentia der Lgl. pulmonales. 

Vasa efferentia: Aus jeder Lgl. bifurcationis entspringen 2 bis 
4 Vasa efferentia, die teils in eine andere Lgl. bifurcationis, teils in 
einen oder mehrere Knoten der Lgl. mediastinales münden. Die Vasa 
efferentia der Lgl. bifurcationis dextra gehen z. T. über die dorsale 
und ventrale Fläche des rechten Hauptbronchus zur Lgl. bifurcationis 
media, zum Teil zu einer rechten Lgl. mediastinalis (Fig. 18 u. 20 a). 
Die Vasa efferentia der Lgl. bifurcationis media (Fig. 17 b', 18 i u. 
20 a) münden zum Teil in die Lgl. bifurcationis sinistra, wobei sie teils 
dorsal, teils ventral über den linken Hauptbronchus hinwegziehen, 
teils gehen sie direkt zu einer Lgl. mediastinalis und zwar zu den 
Knoten beider Seiten. In einem Falle ging das Gefäß über den linken 
Bifurkations-Lymphknoten hinweg, ohne in ihn einzumünden. Von 
den Vasa efferentia der Lgl. bifurcationis sinistra (Fig. 17 b u. 20 i) 
gehen 1—2 über die linke Seite oder auch über beide Seiten des 
Arcus aortae zu einer linken Lgl. mediastinalis, in der Regel zu 
dem an der linken Seite der Vena cava cranialis gelegenen Knoten 
(Fig. 17 a 1 ) oder dem an der A. brachiocephalica gelegenen Knoten, 
manchmal gehen sie auch in 2 solcher Knoten. 

Zur Lgl. bifurcationis media und dextra füllten sich von der Lgl. bifurcationis 
sinistra aus in 3 Fällen keine Lymphgefäße oder höchstens bis zur 1. Klappe, 
ebensowenig von der Lgl. bifurcationis media zur Lgl. bifurcationis dextra. 

b) Die Lgl. pulmonales (Fig. 20 u. 22 4/4') sind in der Regel 
kleine, 4—10 mm große, ausnahmsweise aber auch erheblich größere, 
bis 20 mm lange Knoten, die auf dem extrapulmonalen Teil des linken 
und rechten Stammbronchus und zwar in der Regel auf deren dorsaler 
Seite liegen, aber durchaus nicht regelmäßig Vorkommen, im Gegenteil 
in der größeren Mehrzahl der Fälle fehlen, denn in 41 untersuchten 
Fällen konnten sie nur 14 mal und zwar 10 mal ein Knoten am rechten 
und 4 mal ein solcher am linken Stammbronchus nachgewiesen werden. 



552 


HERMANN BAUM, 


In einem der letzteren Fälle erschien der Knoten geradezu als ein 
vom linken Schenkel der Lgl. bifurcationis media abgespaltener Teil. 

Auch die Lgl. pulmonales erscheinen durch Ablagerung yon Staubpartikelchen 
usw. in der Regel schwärzlich gefärbt. 

Zuflußgebiet: In die Lgl. pulmonales münden'Lymphgefäße 
der Bronchien und Lungen. 

Vasa efferentia: Aus jeder Lgl. pulmonalis entspringen 1—2 
Vasa efferentia, die in eine Lgl. bifurcationis oder in eine Lgl. media- 
stinalis ihrer Seite oder in eine Lgl. bifurcationis und eine Lgl. media- 
stinalis einmünden, wie es Fig. 20 4, zeigt. 

F. Die Lymphknoten der Bauch- und Beckenwand und der 
Bauch- und Beckenhöhle. 

Die Lymphknoten der Bauch- und Beckenhöhle zerfallen in die 
an der Bauch- und Beckenwand gelegenen parietalen oder Wand¬ 
lymphknoten und die an den Eingeweiden gelegenen viszeralen 
oder Organlymphknoten. 

I. Die parietalen oder Wandknoten. 

Die parietalen Lymphknoten liegen fast sämtlich in der 
Umgebung der Aorta abdominalis und der V. cava caudalis, sowie 
ihrer Endäste. Soweit sie kranial von der A. circumflexa ilium prof. 
an der Aorta und V. cava cranialis liegen, sind sie den Lgl. lumbales 
aorticae zuzurechnen, während alle kaudal von der genannten Arterie 
im Bereich der Endteilung der Aorta und V. cava caudalis auftretenden 
Knoten bisher gern unter dem allgemeinen Namen Lgl. iliacae zu¬ 
sammengefaßt worden sind [Ellenberger-Baum (18), Chauveau- 
Arloing (15)]. Ich werde diese Knoten jedoch, weil sie ein ver¬ 
schiedenes Zuflußgebiet haben, in 2 Gruppen teilen, nämlich die Lgl. 
iliacae (mediales), die jederseits in Form eines Knotens zwischen 
der Ursprungsstelle der A. circumflexa ilium prof. und der A. iliaca 
externa liegen, und die Lgl. hypogastricae, die sich im Teilungswinkel 
der Aorta zwischen beiden Aa. hypogastricae befinden. 

Die Lgl. iliacae entsprechen den Lgl . iliacae mediales des Rindes; den Lgl . 
iliacae laterales des Rindes entsprechende Lymphknoten finden sich beim Hunde 
nicht. Die den Lgl. hypogastricae entsprechenden Lymphknoten des Rindes habe 
ich bei diesem als Lgl. sacrales hypogastricae bezeichnet (s. Baum [6] S. 51). 
Den beim Rinde zwischen den Querlortsätzen der Lendenwirbel gelegenen Lgl. 
lumbales propriae entsprechende Lymphknoten habe ich beim Hunde nicht gefunden. 

Zu diesen Lymphknoten gesellen sich als parietale Knoten die 
Lgl. sacrales und die Lgl. inguinalis profunda; die Lgl. sacrales 



Das Lymphgef&ßsystem des Hundes. 


553 


liegen als Fortsetzung der Lgl. hypogastricae an der dorsolateralen 
Wand der Beckenhöhle und werden wieder in die Lgl. sacralis me- 
dialis (an der A. sacralis media gelegen) und die Lgl. sacralis late¬ 
ralis (an der lateralen Beckenwand, lateral von der A. und V. hypo- 
gastrica gelegen) geschieden. Die Lgl. inguinalis prof. ist der ein¬ 
zige Wandknoten, der an der seitlichen Bauchwand liegt. 

1. Lgl. lumbales aorticae. 

Die Lgl. lumbales aorticae (Fig. 24 j, «, 26 h u. 27 i, v, a, s, s-) 
sind diejenigen Lymphknoten, die im Bereiche der Lendenwirbelsäule 
an der Aorta und V. cava caudalis liegen und von den Zwerchfell¬ 
pfeilern bis zu den Aa. circumllexae ilium profundae reichen; in der 
Nähe der letzteren sind sie bisweilen nicht scharf gegen die Lgl. 
iliacae mediales abgesetzt (s. S. 555). Manchmal scheinen sie, ab¬ 
gesehen von den Lgl. lumbales aorticae craniales (s. unten), ganz zu 
fehlen, während in anderen Fällen bis zu 17 einzelne Knoten nach¬ 
gewiesen werden konnten. Die Knoten sind meist klein, vielfach 
außerordentlich klein, so daß ihre Größe auf 1—2 mm herabsinkt; 
dazu kommt, daß diese kleinen Knoten oft nicht scharf gegen das um¬ 
gebende Binde- und Fettgewebe abgesetzt und fast stets in Fett ein¬ 
gehüllt sind; sie lassen sich infolgedessen oft nur schwer nachweisen 
und können auch übersehen werden, wenn sie nicht dadurch, daß ihre 
Vasa afferentia injiziert worden sind, deutlicher gemacht worden sind. 
Deshalb ist auch die oben gemachte Angabe, daß die Lgl. lumbales 
aorticae in einzelnen Fällen scheinbar ganz fehlen können, mit Vor¬ 
sicht aufzufassen; es ist aus dem gleichen Grunde davon abgesehen 
worden, die Gewichtsverhältnisse der Lgl. lumbales aorticae 
festzustellen. 

In ihrer Lagerung läßt sich eine bestimmte Anordnung oder 
Regelmäßigkeit nicht erkennen. Sie sind vielmehr regellos in ein 
mehr oder weniger starkes Fettpolster eingelagert und teils dorsal, 
teils ventral von der Aorta und V. cava caudalis, teils seitlich von 
diesen, teils zwischen ihnen anzutreffen. 

Es ist infolgedessen auch eine weitergehonde Teilung in Untergruppen, z. B. 
in Lgl. retroaorticae, praeaorticae und päraaorticae, bzw. in Lgl. retrovenosae, 
praevenosae und paravenosae, wie beim Menschen, nicht möglich. 

Am konstantesten nach Auftreten, Zahl und Lage ist die jeder- 
seits am weitesten kranial gelegene Lgl. lumbalis aortica; da diese 
zudem bis zu einem gewissen Grade ein besonderes, von dem der 



554 


HERMANN BAUM, 


übrigen Lgl. lumbales aorticae verschiedenes Zuflußgebiet hat, so sei 
sie besonders als Lgl. lumbalis aortica cranialis bezeichnet und etwas 
eingehender beschrieben. Die Lgl. lumbalis aortica cranialis sinistra 
(Fig. 27 t u. 28 s) stellt einen bisweilen doppelten Lymphknoten dar, 
der bei großen Hunden meist 1—2 cm lang ist und am linken Zwerch¬ 
fellspfeiler und den linken Lendenmuskeln an der linken Seite der 
Aorta in der Höhe der Abgangsstelle der A. mesenterica cranialis 
oder ein wenig kaudal davon liegt. 

Er stößt dabei an die A. und V. lumboabdominalis; meist geht die Vene 
(Fig. 28 1) über die ventrale Seite des Knotens, während die Arterie auch noch 
über die ventrale Seite des Knotens verläuft oder (häufiger) dicht vor dem Knoten 
vorbeigeht. 

Die Lgl. lumbalis aortica cranialis dextra (Fig. 27 i- u. 28 3') 
liegt in der Regel ein wenig weiter kaudal an dem rechten Zwerch¬ 
fellspfeiler und den rechten Lendenmuskeln und ist meist ventral 
von der rechten Nicrenvene bedeckt (wie in Fig. 28), sie kann aber auch 
etwas weiter medial unter die V. cava caudalis rücken (wie in Fig. 27). 

Man wird natürlich geneigt sein, diesen Lymphknoten als eine Lgl. renalis 
anzusprechen; da er aber dasselbe Zuflußgebiet besitzt wie die Lgl. lumbalis 
aortica cranialis sinistra (s. unten), so ist er dieser zu vergleichen, wenn er 
auch u. a. die Lymphgefäße der rechten Niere mit aufnimmt. Das gilt aber ebenso 
für die Lgl. lumbalis aortica cranialis sinistra, die auch einen Teil der Lymph¬ 
gefäße der linken Niere aufnimmt. Auf der linken Seite kommt freilich außer ihr 
in der Regel noch ein Knoten vor, der an den zum Nierenhilus ziehenden Blut¬ 
gefäßen liegt und den man wohl auch geneigt sein wird, als eine Lgl. renalis an¬ 
zusprechen. Da seine Lago aber nicht konstant ist, er ausnahmsweise auch ganz 
fehlen kann, er durchaus nicht alle Lymphgefäße der linken Niere aufnimmt und 
von den kaudal an ihn sich anreihenden Lgl. lumbales aorticae durchaus nicht 
scharf abgegienzt ist, so ziehe ich vor, ihn nicht als besondere Untergruppe (Lg., 
renalis) von den Lgl. lumbales aorticae zu scheiden und spreche infolgedessen 
auch nicht von selbständigen Lgl. renales. 

Zuflußgebiet: Die Lgl. lumbales aorticae nehmen Lymph¬ 
gefäße auf: von den Lendenwirbeln, den Lendenmuskeln, dem M. lon- 
gissimus dorsi einschließlich M. ileocostalis lumborum, ferner L. 
der Niere und des Harnleiters, vom Ovarium und Uterus, dem Hoden, 
Nebenhoden und Ductus deferens, der Tunica vaginalis communis, 
dem M. cremaster, der Aorta und dem Nervensystem, Vasa efferentia 
der Lgl. colicae sinistrae und der Lgl. iliacae mediales. 

Speziell die Lgl. lumbalU aortica cranialis nimmt Lymphgefäße 
auf (cf. Fig. 27 u. 28): von den letzten Brustwirbeln und letzten Rippen, 
den Lendenmuskeln, dem M. latissimus dorsi, den Mm. intercostales, 
dem M. longissimus dprsi und ileocostalis, dem M. obliquus abdora. 
ext. und int. und transversus abdom., ferner L. der Fascia lumbo- 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


555 


dorsalis, des Mediastinum, der Pleura costalis, L. des Zwerchfells, des 
Peritonaeum, der Leber, Niere, Nebenniere, Aorta und des Nervensystems. 

Vasa efferentia der Lgl. lumbales aorticae (Fig. 27). Die 
einzelne Lgl. lumbalis aortica verlassen 1—3 Vasa efferentia, die 
teils in weiter kranial gelegene Lgl. lumbales aorticae, teils direkt 
in die-Lendenzisterne einmünden, teils mit denen anderer Lgl. lum¬ 
bales aorticae und mit solchen der Lgl. iliacae mediales den Becken¬ 
lymphstamm (S. 576) bilden; die Vasa efferentia der Lgl. lumbalis 
aortica cranialis münden direkt in die Lendenzisterne (Fig. 24 n). 

2. Lgl. iliaca medialis. 

Die Lgl. iliaca medialis (Fig. 24 i, r, 26 i, 27 4,4», 32 i) 
bildet in der Regel jederseits einen langgestreckten, ein wenig ab¬ 
geplatteten Lymphknoten, der bei großen Hunden eine Länge von 
6 cm, eine Breite von 2,2 cm und eine Dicke von 1,5 cm erreichen 
kann und der linkerseits (Fig. 24 r u. 27 <*) seitlich an der Aorta, 

rechterseits (Fig. 24 7 u. 27 4 ) an der V. cava caudalis liegt und von 
der A. circumflexa ilium prof. (Fig. 27 i) bis zur A. iliaca ext. reicht. 

Abweichungen von dem die Zahl betreffenden Verhalten 
konnten in 13 von 33 untersuchten Fällen festgestellt werden. 

Es fanden sich nämlich in 2 Fällen links ein und rechts zwei Knoten, in 
8 Fällen rechts ein jind links zwei Knoten, in 2 Fällen rechts ein und links drei 
Knoten und in 1 Falle rechts wie links je zwei Knoten vor. Da die Zahl der 
Fälle, in denen jederseits mehr als ein Knoten vorkommt, relativ groß ist, könnte 
man mit einer gewissen Berechtigung auch von Lgl. iliacae mediales im Plural 
sprechen. Ich tue es jedoch nicht, weil die Fälle, in denen sich jederseits nur 
ein Knoten findet, der Zahl nach immerhin noch deutlich überwiegen und weil die 
von einer Gliedmaße stammenden Lymphgefäße immer nur in den Knoten ihrer 
Seite einmünden, ein Einmünden dieser Lymphgefäße in den andersoitigen Lymph¬ 
knoten und damit ein Ueberkreuzen der Medianebene nicht beobachtet wurde. 

Der Lymphknoten liegt im allgemeinen ventral an dem Körper 
des 5. und 6 . Lendenwirbels und ventromedial von den Lendenrauskeln 
in dem Winkel, den die Aorta mit dem kranialen Rande der A. iliaca 
externa jeder Seite bildet. Der rechte Knoten (Fig. 24 ^ und 27 4 ) 
liegt seitlich an der Aorta abdominalis an der ventralen Seite der 
V. cava caudalis bzw. V. iliaca communis dextra. Er beginnt in der 
Regel dicht kaudal von der A. circumflexa ilium profunda (Fig. 27 i) 
und reicht bis zur A. iliaca externa dextra (Fig. 27 k), an deren kranialem 
Rande er bisweilen lateral umbiegt, um die genannte Arterie noch 
eine kurze Strecke zu begleiten. 

Ausnahmsweise liegt der Knoten teilweise auch ganz rechts von der V. cava 
caudalis auf der ventromedialen Seite der platten Sehne des M. psoas minor. 



556 


HERMANN BAUM, 


Ziemlich oft überragt er die A. circumflexa ilium profuoda mit seinem kranialen 
Viertel oder Drittel, so daß er von der genannten Arterie an seiner dorsalen Seite 
gekreuzt wird (wie es Figur 27 zeigt). Ebenso kann er sich so weit kaudal er¬ 
strecken, daß er sich zwischen die A. iliaca externa und V. iliaca communis der 
rechten Seite einschiebt und mithin an seiner ventralen Seite von der A. iliaca 
externa gekreuzt wird. 

Der linke Knoten (Fig. 24 v u. 27 <*. «*) liegt ira allgemeinen 
im Winkel zwischen der Aorta abdominalis nnd dem kranialen Rand 
der A. iliaca externa sinistra, wobei er nicht selten an letzterem sich 
etwas entlang erstreckt. Er stößt dorsal an die Sehne' des M. psoas 
minor und an den M. iliopsoas und reicht ebenfalls im allgemeinen 
von der A. circumflexa ilium profunda bis zur A. iliaca externa sinistra. 
Nicht selten überragt jedoch auch der linke Knoten mit seinem kranialen 
Viertel oder Drittel die A. circumflexa ilium profunda (wie in Fig. 24) 
oder erstreckt sich in kaudaler Richtung über die dorsale Seite der 
A. iliaca externa bis zur A. hypogastrica bzw. bis zur V. iliaca communis 
oder sogar noch auf deren dorsale Seite. In den Fällen, in denen 2 
oder 3 Knoten auf einer Seite getroffen werden, liegen sie im all¬ 
gemeinen an derselben Stelle und zwar hintereinander, nur ausnahms¬ 
weise nebeneinander. 

Oft liegt in diesen Fällen ein Knoten dicht kranial und der andere kaudal von 
der A. circumflexa ilium prof. (wie in Fig. 24), oder der eine Knoten reicht von der 
A. circumflexa ilium prof. bis zur A. iliaca ext., der andere reiht sich kaudal an 
ihn an. Liegt ein Knoten dicht kranial von der A. circumflexa ilium prof., dann 
ist er u. U. nicht scharf von den Lgl. lumbales aorticae getrennt, man kann sogar 
zweifelhaft sein, ob man ihn nicht zu letzteren rechnen sollte. Für diese An¬ 
nahme spricht sogar der Befund, daß beim Vorkommen eines solchen Knotens 
die im Schenkelkanal aufsteigenden Lymphgefäße zunächst nicht in ihn, sondern 
zunächst erst in den kaudalen der beiden Knoten einmünden und erst von diesem als 
Vasa efferentia in den kranialen Knoten gehen; gegen die erwähnte Annahme spricht, 
daß es öfter vorkommt, daß nur 1 Knoten da ist, der aber die A. circumflexa ilium 
prof. kranial überragt und zwar so, daß dieser kraniale Teil nur durch eine 
Parenchymbrücke mit dem übrigen Knoten verbunden ist, so daß man den Eindruck 
gewinnt, die Parenchymbrücke kann fehlen, dann liegt der kraniale Teil des 
Knotens als selbständiger Knoten direkt vor der A. circumflexa ilium prof. In einem 
Falle mit 3 Knoten lag der eine dorsal von der A. circumflexa ilium prof., der 
andere ventral von der A. circumflexa ilium prof., der dritte kaudal davon am 
kraniolateralen Rande der A. iliaca ext. 

Ueber das absolute und spezifische Gewicht der Lgl. iliaca 
raedialis s. S. 558. 

Zuflußgebiet (Fig. 24, 26, 27, 29, 31 u. 32). Die Lgl. iliaca 
raedialis nimmt auf: Lymphgefäße der Haut der dorsalen Hälfte des 
Teiles der Bauchwand, der kaudal von einer durch die letzte Rippe 
gelegten Querebene sich befindet, von der Haut der Beckengegend und 
des Schwanzansatzes, der kranialen Hälfte der lateralen Seite des 



Das Lymphgef&fisyttom des Hundes. 


557 


Oberschenkels und des Knies, L. der Fascia lurabodorsalis, Fascia lata 
und Fascia cruris, L. von allen am Becken, Oberschenkel, Unter¬ 
schenkel und Fuß gelegenen Muskeln einschl. Lendenmuskeln mit Aus¬ 
nahme des M. obturator internus, außerdem L. von den Sehnen des 
M. tibialis anterior, M. ext. digitalis lateralis, M. peronaeus longus, 
M. gastrocnemius, M. flexor digitalis sublirais et profundus, L. von 
allen Bauchmuskeln und vom Bauchhautmuskel, L. vom Hüft-, Knie- 
und Tarsalgelenk, L. des Beckens, des Oberschenkelbeins, der Knie¬ 
scheibe, der Tibia und Fibula, der Tarsal- und Metatarsalknochen, 
L. des Colon, Rectum und Afters, L. des Uterus, der Vagina, des 
Vestibulum vaginae und der Vulva, L. des Hodens, Nebenbodens, 
Ductus deferens, Tunica vaginalis communis, M. cremaster, der Pro¬ 
stata und der männlichen und der weiblichen Harnröhre, L. der Harn¬ 
blase und des Harnleiters, L. der Aorta, des Peritonaeum und des 
Nervensystems, Vasa efferentia der Lgl. poplitea, Lgl. femoralis medialis, 
Lgl. inguinalis profunda, Lgl. inguinales superficiales, Lgl. colicae 
sinistrae, Lgl. sacrales und Lgl. hypogastricae. 

Vasa efferentia der Lgl. iliaca medialis (Fig. 24 u. 27). 
Die Vasa efferentia der Lgl. iliaca medialis vereinigen sich zu mehreren 
Stämmchen, die teils in eine Lgl. lumbalis aortica einmünden, teils 
mit Vasa efferentia der Lgl. lumbales aorticae zum Beckenlymphstamm 
sich vereinigen. Die beiderseitigen Lgl. iliacae mediales stehen durch 
Vasa efferentia miteinander in Verbindung, ebenso wie auch die Knoten 
einer Seite, falls mehrere da sind. 

3. Lgl. hypogastricae. 

Als Lgl. hypogastricae werden alle diejenigen Lymphknoten be¬ 
zeichnet, die ventral am Körper des letzten, manchmal zumjeil auch noch 
an dem des vorletzten Lendenwirbels, bzw. ventral an dem am letzten 
Lendenwirbel entspringenden M. sacrococcygeus ventralis in dem Winkel 
liegen, den die linke und rechte A. hypogastrica an ihrem Ursprünge 
miteinander bilden (Fig. 24 s, 27 s u. 29 «). Zahl und Lage dieser 
Knoten schwanken innerhalb ziemlich weiter Grenzen. Bei 22 Hunden 
bildeten die Lgl. hypogastricae 2 längliche, etwas plattgedrückte Knoten, 
von denen je einer rechts und links von der A. sacralis media, also 
zwischen ihr und der entsprechenden A. hypogastrica lag (Fig. 24»); 
in der Regel erreichte der Knoten den Scheitel des genannten Winkels 
nicht. In 6 Fällen war im ganzen nur 1 Knoten anzutreffen und zwar 
bei 3 Hunden auf der rechten und bei 1 Hunde auf der linken Seite; 



558 


HERMANN B^UM, 

in den beiden übrigen Fällen lag er mehr oder weniger median auf 
der A. sacralis media. In 1 weiteren Falle waren rechts ein und 
links 2 (Fig. 27 >), in 2 Fällen rechts ein und links 3 hintereinander¬ 
liegende Knoten und in 2 Fällen jederseits 2 hintereinandergelegene 
Knoten vorhanden. 

In zwei Fällen, in denen links zwei bzw. drei Knoten hinterein&nderlagen, 
erstreckte sich der kraniale sogar so weit kranial, daß er noch die dorsale Seite 
der A. hypogastrica sinistra berührte und bis zum kaudomedialen Rande der V. 
iliaca communis sinistra reichte. In einem Falle erreichte der linke kraniale Knoten 
mit seinem kranialen Ende sogar die A. iliaca ext. sinistra. Er schob sich hierbei 
zwischen der A. hypogastrica sinistra und der V. iliaca communis sinistra ein. Um¬ 
gekehrt lag manchmal der Knoten auch sehr weit kaudal. Er stieß dann nur an 
die ventrale Fläche des letzten Lendenwirbels. Das letztere galt stets bei zwei 
hintereinanderliegenden Knoten für den kaudalen. 

Aus der vorstehenden Zusammenstellung ergibt sich, daß man die Knoten 
auch im Singular als Lgl. hypogastrica bezeichnen könnte, ähnlich wie bei der 
Lgl. sacralis medialis. 

Ueber das absolute und relative Gewicht der Lgl. hypo- 
gastricae (s. unten). 

Zuflußgebiet (Fig. 24, 26, 27, 29, 31, 32). Die Lgl. hypo- 
gastricae nehmen Lymphgefäße auf: vom M. psoas minor und quadratus 
lumborum, den Mm. glutaei, dem M. biceps femoris, semitendinosus 
und semimembranosus, M. quadratus femoris, M. obturator ext. und 
int. und von den Schwanzmuskeln, ferner L. vom Becken und Ober¬ 
schenkelbein, den Lenden-, Kreuz- und Schwanzwirbeln, L. des Colon, 
Rectum und des Afters, des Uterus, der Vagina, des Vestibnlum 
vaginae, der Vulva und Clitoris, L. des Hodens, Nebenhodens, Ductus 
deferens, der Prostata, des Penis, L. der Harnblase und des Harn¬ 
leiters und der männlichen und weiblichen Harnröhre und des Nerven¬ 
systems, Vasa efferentia der Lgl. inguinalis profunda und der Lgl. 
sacrales. 

Vasa efferentia: Die Vasa efferentia einer jeden Lgl. hypo¬ 
gastrica vereinigen sich zu 2—3 Netze bildenden Stämrachen, die teils 
über die ventrale, teils über die dorsale Seite der A. und V. iliaca 
ext. zu den Lgl. iliacae mediales gehen, wie es Fig. 23 u. 27 zeigen. 
Das absolute und relative Gewicht wurde von den Lgl. iliacae 
mediales und den Lgl. hypogastricae beider Seiten festgestellt. 
Das absolute Gewicht schwankte von 0,21 g bis 20,94 g, das 
relative Gewicht von 0,0021 v. H. bis 0,0427 v. H. 

4. Lgl. sacrales. 

Die Lgl. sacrales (Fig. 24 9, io, 27 6,7, 29 t u. 32 . r >) sind Lymph¬ 
knoten, die an der Innenseite des Daches und der dorsolateralen 



Das Lymphgefäßsyitem dos Hundes. 


559 


Wand der Beckenhöhle liegen und sich in kaudaler Richtung an die 
Lgl. hypogastricae aureihen, manchmal kaum scharf von diesen zu 
scheiden sind. Sie kommen aber nur in ungefähr der Hälfte aller 
Fälle vor und sind überdies leicht zu übersehen, weil sie im allge¬ 
meinen nur kleine Lymphknoten darstellen, die stets in Fett ein¬ 
gelagert sind. Man kann sie in die am Dach der Becken höhle ge¬ 
legene Lgl. sacralis medialis und die an der dorsolateralen Wand 
der ßeckenhöhle gelegene Lgl. sacralis lateralis scheiden. 

a) Die Lgl. sacralis medialis (Fig. 24 9 u. 27 6) liegt jederseits 
kaudal vom Körper des letzten Lendenwirbels an der ventralen Fläche 
des Kreuzbeinkörpers oder des M. sacrococcygeus ventralis dicht lateral 
von der A. sacralis media (wie in Fig. 27), die sie indessen bisweilen 
auch bedeckt; bisweilen liegt sie so nahe dem Promontorium, daß sie 
nicht scharf von den Lgl. hypogastricae geschieden ist. Bei 30 ge¬ 
nauer untersuchten Hunden fand sich die Lgl. sacralis medialis in 
17 Fällen und zwar 6 mal auf beiden Seiten, 4 mal nur auf der 
linken und 2 mal nur auf der rechten Seite; in 5 Fällen war für beide 
Seiten gedacht auch nur ein Knoten vorhanden, er lag aber median 
direkt an der ventralen Seite der A. sacralis media (wie in Fig. 23). 
In 2 Fällen war der Knoten auf einer Seite doppelt. Die Größe 
des Knotens schwankte von 3—15 mm. 

Ueber das absolute und relative Gewicht s. 560. 

Zuflußgebiet: Das Zuflußgebiet läßt sich bei dem inkonstanten 
Vorkommen des Knotens genau nur schwer feststellen. Nachgewiesen 
wurde, daß in den Knoten Lymphgefäße von den Schwanzmuskeln, dem 
Kreuzbein, den Schwanzwirbeln und dem Becken (Sitzbein) einmündeten. 

Von den Muskeln des Beckens und Oberschenkels mündeten keine Lymph¬ 
gefäße in den Knoten ein, obgleich von mehreren Muskeln (z. B. dem M. biceps 
und M. semitendinosus) Lymphgefäße in Begleitung des N. ischiadicus in die Nähe 
des Knotens gelangten, sie zogen aber an ihm vorbei. 

Vasa efferentia: Aus jedem Knoten entstehen 1—3 Vasa efferentia, 
die in der Regel teils zu den Lgl. hypogastricae, teils zu der Lgl. 
iliaca medialis, ausnahmsweise aber auch zur Lgl. sacralis lateralis 
ziehen, wie es Fig. 26 u. 34 zeigen. 

b) Die Lgl. sacralis lateralis (Fig. 24 io u. 27 i) liegt jederseits 
an der medialen Seite des M. piriformis im Fett zwischen dem 
M. sacroccygeus ventralis und dem M. coccygeus. In der Regel schiebt 
sich der Knoten zum Teil zwischen beide Muskeln ein und wird von 
der A. u. V. hypogastrica umsäumt. Bei 30 genauer untersuchten 
Hunden wurde der Knoten nur 8 mal gefunden und zwar 6 mal auf 



560 


HERMANN BAUM, 


beiden Seiten, je 1 mal nur auf der linken und rechten Seite. In 
2 Fällen fanden sich auf der linken Seite 2 hintereinander gelegene 
Knoten. Die Größe des Knotens schwankte von 3—14 mm. 

Geber das relative und absolute Gewicht s. unten. 

Zuflußgebiet. Auch für die Lgl. sacralis lateralis läßt sich 
wegen der Inkonstantheit ihres Auftreten das Zuflußgebiet lückenlos 
nur sehr schwer feststellen. Direkt nachgewiesen wurde, daß in die 
Lgl. sacralis lateralis Lymphgefäße vom Kreuzbein, den Schwanzwirbeln, 
dem Becken und Oberschenkelbein, von den Hebern des Schwanzes 
und den Mm. gemelli, vom Uterus, der Vagina, dem Vestibulum vaginae, 
der Vulva und Clitoris, der Prostala, dem Penis und der männlichen 
und weiblichen Harnröhre einraündeten. 

Von den Muskeln des Beckens und Oberschenkels schickten nur die Mm. gemelli 
Lymphgefäße in den Knoten, obgleich von anderen Muskeln (z. B. dem M. glutaeus 
m^dius) mit dem N. ischiadicus Lymphgefäße in die Nähe des Knotens gelangten; 
sie umzogen ihn'aber. 

Vasa efferentia: Die Vasa efferentia des Knotens münden teils 
in die Lgl. hypogastricae, teils in die Lgl. iliaca medialis, teils oft 
aber auch in die Lgl. sacralis medialis oder lateralis der anderen 
Seite. Sie bilden dabei auch ein reiches Netzwerk, das kaudal von 
den Lgl. hypogastricae an der ventralen Seite des letzten Lenden¬ 
wirbels liegt (Fig. 24 u. 27). 

Das absolute und relative Gewicht wurde nur von sämt¬ 
lichen Lgl. sacrales beider Seiten festgestellt. Das absolute 
Gewicht schwankte von 0,01 g bis 3,13 g, das relative Gewicht 
von 0,0004 v. H. — 0,0057 v. H. 

5. Lgl. inguinal» profnnda. 

Die Lgl. inguinalis profunda (Fig. 27 s) ist ein kleiner Lymph¬ 
knoten, der nur inskontant anzutreflen ist, sich sogar nur in der 
Minderzahl (ungefähr Ys) der Fälle findet, denn bei 50 untersuchten 
Hunden konnte er nur bei 18 nachgewiesen werden und zwar bei 
5 Hunden beiderseits, bei 1 Hund nur linkerseits und bei 12 Hunden 
nur rechterseits, während er 32 Hunden gänzlich fehlte. Es ist ein 
kleiner, 2—11 mm großer Knoten, der an der ventralen Fläche der 
Sehne des M. psoas minor und zwar an der Stelle, wo diese an die 
Crista ileopectinea sich anheftet, liegt, dicht kaudal von der V. iliaca 
ext. (Fig. 27 k), bzw. in dem Winkel, den diese und die V. hypocastrica 
(r) vor ihrem Zusammenflüsse zur V. iliaca communis bilden, ohne 
jedoch den Scheitel des Winkels zu erreichen, und dicht dorsal von 
der Abzweigung der A. profunda femoris. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


561 


Die Deutung dieses Knotens ist zweifelhaft. Merzdorf (24) hat ihn 
al9 Lgl. hypogastrica lateralis aufgefaßt, fügt aber hinzu: „Ob man auch daran 
denken könnte, ihn als Lgl. inguinalis prof. aufzufassen, mag dahingestellt bleiben. 
Ellenberger-Baum (18) und Chauveau-Arloing (15) rechnen ihn offenbar 
zu den Lgl. iliacae mediales. Ich habe ihn als Lgl . inguinalis prof. bezeichnet 
und gedeutet, weil er nach seinem Zuflußgebiet zweifelsohne dem Lymphknoten 
beim Rinde entspricht, den ich dort als Lgl. inguinalis prof. bezeichnet habe 
[s. Baum (6) S. 41]. Da beim Fehlen des Knotens seine Vasa afferentia direkt 
zur Lgl. iliaca medialis gehen, so ist die Lgl. inguinalis prof. beim Hunde und auch 
beim Rinde offenbar nur ein Schaltknoten dieser Gruppe, bzw. ein von dieser 
Gruppe abgespaltener Knoten. Trotzdem empfiehlt es sich, ihn besonders zu be¬ 
nennen, weil er sicher den bei manchen Tierarten, (z. B. Pferd) vorkommenden, im 
Schenkelkanal gelegenen ausgesprochenen Lgl. inguinales profundae entspricht. 

Zuflußgebiet: Die Lgl. inguinalis prof. nimmt einen Teil der 
im Schenkelkanal aufsteigenden Lymphgefäße auf, die beim Fehlen 
des Knotens direkt zur Lgl. iliaca medialis gehen. Direkt nachgewiesen 
wurde das von Lymphgefäßen 'folgender Teile: der M. glutaei, des 
M. tensor fasciae latae, M. biceps, M. semitendinosus, M. semimem- 
branosus, M. gracilis, M. pectineus, M. adductor, M. sartorius, M. 
quadratus femoris, M. obturator ext., M. quadriceps, M. tibialis anterior 
und Sehne, M. ext. digitalis longus et lateralis, Mm. peronaei, M. 
gastrocnemius und Sehne, M. flexor digitalis sublimis et profundus 
mit Sehnen, M. popliteus, Mm. interossei pedis und M. extensor 
digitalis pedis brevis und des M. obliguus abdom int., L. der Fascia 
lata und cruris, des Hüft-, Knie- und Tarsalgelenks und des Ober¬ 
schenkelbeins, der Kniescheibe, der Tibia, Fibula, der Tarsal- und 
Metatarsalknochen und des PeritonaeunA, Vasa efferentia der Lgl. 
poplitea und der Lgl. inguinales superficiales. Oefter mündeten aber aus 
den erwähnten Teilen keine Lymphgefäße in die Lgl. inguinalis profunda, 
obgleich eine solche vorhanden war. 

Vasa efferentia: Den Knoten verlassen mehrere Vasa efferentia, 
die sich aber sofort zu 1—2 Stämmchen vereinigen, die über die 
V. iliaca ext. und die A. iliaca ext. (beide Flächen) zur Lgl. iliaca 
medialis, manchmal auch zu den Lgl. hypogastricae ziehen, wie es 
Fig. 27 8 u. 37 f zeigen. 

II. Die viszeralen oder Organlymphknoten der Bauch- and 

Beckenhöhle. 

Die viszeralen Lymphknoten fallen dadurch auf, daß sie 1. 
spärlich im Verhältnis zu denen anderer Tierarten vorhanden sind 
und daß sie 2. weniger als bei vielen anderen Tierarten (z. B. 
Mensch, Rind) Gruppen, vor allem weniger selbständige Gruppen 

Archiv f. wisseusch. n. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. 30 



562 


HERMANN BAUM, 


für Magen, Leber und Pankreas bilden. Es lassen sich höchstens 
folgende Lymphknotengruppen für die ßauchhöhleneingeweide fest¬ 
stellen: 1 . Lgl. portarum, die am Stamm der Pfortader liegen und 
als Wurzelgebiet im wesentlichen Leber, Magen, Pankreas und Duo¬ 
denum haben; 2. Lgl. lienales an der Milzvene; 3. ausnahmsweise eine 
Lgl. gastrica am Magen; 4. bisweilen eine Lgl. omentalis im Netze; 
5. fast konstant eine Lgl. duodenalis am Duodenum; 6. Lgl. jejunales 
für Jejunum und Dcum und 7. Lgl. colicae für den ganzen Dickdarm. 

Die viszeralen Lymphknoten sind im allgemeinen ziemlich schwer 
aufzufinden, weil sie sich infolge ihrer meist hellgrauen, seltener grau¬ 
braunen Farbe häufig kaum von dem Gekrösfett abheben, von dem 
sie auch im übrigen oft nicht scharf abgesetzt sind; besonders gilt 
das für die Fälle, in denen die Knoten so stark abgeplattet sind, daß 
sie geradezu bandförmig erscheinen (s. Lgl. portarum). Erleichtert 
wird die Untersuchung dadurch, daß man das gesamte Gekröse ab¬ 
tastet und vor allem dadurch, daß man durch Injizieren von Lymph¬ 
gefäßen auf die Knoten stößt. 

Im ganzen fanden sich bei den 24 untersuchten Hunden beim 
einzelnen Hunde 10—22 Banchhöhleneingeweidelyraphknoten. Die 
meisten von ihnen liegen in variabler Größe einzeln oder in Gruppen 
zwischen den Platten des Darmgekröses und des großen Netzes und 
an typischen Stellen der Pfortader und ihrer Aeste. Ihre Größe ist 
erheblichen Schwankungen unterworfen. Abgesehen von den im 
Jejunalgckröse liegenden Kdoten, die bis zu 20 cm lang, 2 cm breit 
und 1 cm dick sein können, erreichen sie bei großen Hunden eine 
Länge von 6 cm, eine Breite von 1,5 cm und eine Dicke von 1 cm, 
andererseits kann ihre Größe bis auf wenige Millimeter herabsinken. 
Von ihrer Form ist nur hervorzuheben, daß nicht selten unregelmäßige 
Formen und vor allem eine so starke Abplattung der Knoten Vor¬ 
kommen, daß diese direkt bandförmig erscheinen; diese letztere 
Form wurde besonders bei den Lgl. portarum beobachtet (s. S. 563). 

1. Lgl. portarum. 

Die Lgl. portarum liegen am Stamm der Pfortader und können 
wieder in eine links am Pfortaderstamm gelegene Lgl. portarum sinistra 
(Fig 26 c u. 28 i) und eine rechts am Pfortaderstamm gelegene Gruppe 
von Knoten, Lgl. portarum dextrae (Fig. 25 3, 26 b u. 28 2 ) geschieden 
werden. Das Wurzelgebiet beider ist im wesentlichen in der Leber, 
dem Magen, dem Pankreas und dem Duodenum zu suchen. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


563 


a) Die Lgl. portarum sinistra (Fig. 26 c u. 28 i) ist ein mäßig 
langgestreckter, meist wenig abgeplatteter Lymphknoten, der links und 
ein wenig dorsal am Stamm der Pfortader (u) und dorsal auf dem 
Anfangsteil des Duodenum (a) und dem Scheitel der Pankreasschleife 
(3, :i‘) liegt. Er reicht im allgemeinen in kaudaler Richtung bis zur 
V. gastrolienalis. 

In 5 von 25 Fällen überragte er die genannte Vene mit seinem kaudalen Viertel, 
in 4 Fällen bog er an der V. gastrolienalis um und zog sich an ihrem kranialen Rande 
hin bis zur Vereinigung der V. gastrica mit der V. lienalis; in 4 Fällen gesellte sich 
zu ihm ein zweiter kleinerer Lymphknoten, der in 2 Fällen am kaudalen Rande 
der V. gastrolienalis lag; in einem weiteren Falle waren 3 Knoten vorhanden. 

Die Lgl. portarum sinistra ist der öfter, so auch in der Anatomie des Hundes 
von Ellenberger-Baum, als Pankreas Aseüi geschilderte Lymphknoten. 

Die Größe der Knoten schwankte von 1—6 cm; manchmal sind 
sie so abgeplattet, daß sie bandförmig erscheinen. 

Zuflußgebiet: In den Knoten münden: Lymphgefäße von der 
Speiseröhre, dem Magen, der Leber und Gallenblase, dem Pankreas, 
Zwerchfell, Mediastinum und Peritonaeura, Vasa efferentia der Lgl. 
gastrica und der Lgl. portarum dextrae. 

Vasa efferentia: Die Vasa efferentia des Knotens vereinigen 
sich zu 2—3 Gefäßen, die sich zu den Vasa efferentia der Lgl. Re¬ 
nales (S. 564) gesellen und mit ihnen den Truncus intestinaRs oder 
das ihn vertretende Netzwerk bilden helfen. Von ihnen können sich 
rücklaufend Vasa efferentia der Lgl. Renales füllen. Sind mehrere 
Knoten vorhanden, so stehen sie miteinander in Verbindung, wie die 
Lgl. portarum sinistra durch Vasa efferentia auch mit den Lgl. por¬ 
tarum dextrae in Verbindung steht (Fig. 24 i). 

b) Die Lgl. portarum dextrae (Fig. 25 3, 26 b u. 28 3) stellen eine 
Gruppe von 1—5 Lymphknoten von verschiedener Größe dar, die rechts 
am Stamm der V. portarum bzw. an der V. mesenterica Regen. Ihre 
Zahl ist großen Schwankungen unterworfen. 

Id 3 von 24 Fällen war nur ein langgestreckter, platter Knoten vorhanden, 
der von der V. gastroduodenalis in kaudaler Richtung bis zur V. ileocaecocolica 
und bis zur Lgl. colica dextra reichte. In 9 Fällen waren 2 solcher hinterein¬ 
ander gelegener Knoten anzutreffen. In den übrigen Fällen waren 3—5 Knoten 
an der beschriebenen Stelle nachweisbar, die fast stets hintereinander lagen; nur in 
einem Falle lagen nur 2 von ihnen hintereinander, während sich der 3. Knoten 
über die dorsale Seite der Pfortader hinweg bis zu der Lgl. portarum sinistra er¬ 
streckte. 

Nicht selten sind die Knoten so platt, daß sie bandförmig er¬ 
scheinen. Ihre Größe schwankte von 1—5 cm. 


36* 



564 


HERMANN BAUM, 


Zuflußgebiet: Die Knoten nehmen auf: Lymphgefäße vom 
Magen, Duodenum, Pankre'as, der Leber und Gallenblase, Vasa effe- 
rentia der Lgl. duodenalis, omentalis und portarum sinistra. 

Vasa efferentia: Die Vasa efferentia der Lgl. portarum dextra 
bzw. der Lgl. portarum dextrae vereinigen sich zu 4—8 Gefäßen, die 
über beide Flächen der Pfortader nach der A. mesenterica cranialis 
verlaufen und den Truncus intestinalis bzw. das diesen vertretende 
Netzwerk bilden helfen. Sind mehrere Knoten da, stehen sie überdies 
miteinander in Verbindung, wie auch die Lgl. portarum dextrae durch 
Vasa efferentia mit der Lgl. portarum sinistra in Verbindung stehen 
(Fig. 24 s). 

2. Die Lgl. lienales (Fig. 26 d, d' u. 28 *. s-). 

Die Lgl. lienales sind eine Gruppe von Lymphknoten, die in 
der dorsalen Wand des Netzbeutels in sehr inkonstanter Zahl (1—.5 
Stück) und Größe auftreten und sich um die A. und V. lienalis und 
ihre beiden Endäste gruppieren. Sie liegen am kranialen oder kau¬ 
dalen Rande der V. lienalis, nachdem diese den Stamm beider Magen¬ 
venen abgegeben hat (Fig. 26 d), oder im Teilungswinkel (d') oder an 
den Endästen der Vene, mit Vorliebe aber am kranialen Rand der Vene 
oder im Teilungswinkel. Ausnahmsweise erstreckt sich einer der Knoten 
nach rechts noch über die V. gastrica, so daß er direkt an die Lgl. 
portarum sinistra anstößt. Ihre Größe schwankt von 5 mm bis 4 cm. 

Zuflußgebiet: In die Lgl. lienales münden Lymphgefäße der 
Speiseröhre, des Magens und Pankreas, der Milz und Leber, des 
Zwerchfelles, Mediastinum und Netzes und die Vasa efferentia der Lgl. 
gastrica. 

Vasa efferentia: Sind mehrere Lgl. lienales (Fig. 24 3,3'u. 
26 d, d') vorhanden, dann stehen sie durch Vasa efferentia miteinander 
in Verbindung; es können sich aber auch einzelne Vasa efferentia 
direkt mit den 2—3 Vasa efferentia des am weitesten links am Stamm 
der V. lienalis gelegenen Knotens vereinigen, wie es Fig. 23 zeigt, 
und mit ihnen zum Truncus intestinalis oder das ihn vertretende 
Netzwerk (S. 576) gehen, bzw. diese bilden helfen. Sie vereinigen sich 
dabei mit Vasa efferentia der Lgl. portarum sinistra, und diese können 
sich rücklaufend füllen. 

3. Die Lgl. gastrica (Fig. 26 o). 

Die Lgl. gastrica ist ein kleiner, ausnahmsweise doppelter Lymph¬ 
knoten, der an der kleinen Kurvatur des Magens nahe dem Pylorus 
liegt, aber nicht konstant vorkommt. 



Das Lyrapbgefäßsystem des Hundes. 


565 


In 14 untersuchten Fällen fand er sich 10 mal. Seine Größe schwankte von 
5—25 mm. 

Zuflußgebiet: Die Lgl. gastrica nimmt auf: Lymphgefäße der 
Speiseröhre, des Magens, der Leber, des Zwerchfelles, Mediastinum 
und Peritonaeum. 

Vasa efferentia: Die 1—2 Vasa effercntia des Knotens münden 
in die Lgl. portarum sinistra (Fig. 26 c) und manchmal auch in eine 
am Stamm der V. lienalis gelegene Lgl. lienalis. Sind 2 Knoten 
da, dann stehen sie durch Vasa efferentia miteinander in Verbindung, 
im übrigen aber verhalten sich die Vasa efferentia beider Knoten 
wie beschrieben. 

4. Die Lgl. omentalis (Fig. 25 i). 

Die Lgl. omentalis ist ein 4—10 mm großer, bisweilen doppelt, 
selbst 3 fach vorhandener Lymphknoten, der nur in ungefähr der 
Hälfte aller Fälle angetroffen wird. Er ist ungefähr 2—5 cm vom 
Duodenum entfernt in die dorsale Wand des Netzbeutels eingelagert. 
Bei 12 untersuchten Hunden wurde er 6 mal gefunden und zwar 
3 mal 1 Knoten, 2 mal 2 Knoten, 1 mal sogar 3 Knoten. 

Zuflußgebiet: Die Lgl. omentalis nimmt Lymphgefäße des 
Netzes (nicht auch des Duodenum) auf. 

Vasa efferentia (Fig. 25). Die Vasa efferentia des Knotens 
vereinigen sich in der Regel zu einem Stäramchen, das über 
das Pankreas hinweg zu einer Lgl. portarum dextra oder zur 
Lgl. colica dextra geht und sich auf dem Wege in der Regel mit 
einem Vas efferens der Lgl. duodenalis vereinigt, so daß von letzterem 
aus rückläufig sich das Vas efferens zur Lgl. omentalis füllen kann; 
es kann aber auch ein Vas efferens der Lgl. omentalis direkt zur 
Lgl. duodenalis gehen. 

5. Die Lgl. dnodenalis (Fig. 25 a u. 26 &). 

Die Lgl. duodenalis ist ein kleinerer Lymphknoten, der an der 
Flexura prima duodeni zwischen Darmwand und rechtem Schenkel 
der Pankreasschleife oder dicht ventral vom Pankreas an der medialen 
Seite des Duodenum, aber nicht zwischen den Läppchen der Bauch¬ 
speicheldrüse angetroffen wird. In 24 untersuchten Fällen fehlte der 
Knoten 2 mal. 

Zuflußgebiet: In die Lgl. duodenalis münden Lymphgefäße des 
Magens, Duodenum, Pankreas und Netzes, Vasa efferentia der Lgl. 
omentalis. 



/ 

566 


HERMANN BAUM, 


Vasa efferentia (Fig. 25 a. 26): Den Knoten verlassen 4—6 
Vasa efferentia, die sich bald zu 1—2 stärkeren Gefäßen vereinigen, 
die über die ventrale Seite des Pankreas zu den Lgl. portarum dextrae 
gehen; eines von ihnen vereinigte sich öfter mit dem Vas efferens 
der Lgl. omentalis, so daß sich das letztere rücklaufend füllte. 

6. Lgl. jejnnales (Fig. 25 «, ß*. e>). 

Die Lgl. jejunales sind die Lymphknoten des Jejunum und 
Ileum. Sie lassen hinsichtlich ihrer Zahl und Lage ein ziemlich regel¬ 
mäßiges Verhalten erkennen. In der Regel bilden sie eine Gruppe 
von 2 langgestreckten, plattgedrückten und an beiden Enden mehr 
oder weniger spitz zulaufenden Knoten, die zwischen den Blättern 
des langen Jejunalgekröses in der Umgebung des Truncus jejunalis 
arteriosus und venosus (n) liegen. Beide reichen im allgemeinen von 
der kranialen Gekröswurzel bis zu der Stelle, an der sich der Stamm 
der Aa. jejunales und der der Vv. jejunales in ihre Endäste auflösen. 
Der eine von ihnen (ß) liegt im allgemeinen dorsal und ein wenig 
rechts an den genannten Gefäßstämmen und sei rechter Jejunal¬ 
knoten, Lgl. jejunalis dextra, genannt, während der zweite («*,«*) 
sich links von ersterem und ventral an diesen Gefäßen hinzieht und 
deshalb linker Jejunalknoten, Lgl. jejunalis sinistra, genannt sei 
(vgl. auch Fig. 24 4, *>, 4*4»). 

•Der rechte Jejunalknoten (Fig. 25 ß) liegt im allgemeinen zwischen 
dem Stamm der Vv. jejunales und dem Ileum und ist deutlicher zu 
überschauen bei der Dorsalansicht der Gekrösplatte; er reicht in der 
Regel bis zu der Lgl. colica dextra () und ist sehr oft doppelt, sogar 
in der Dreizahl vorhanden. Ist er doppelt, dann ist der kaudale von 
beiden Knoten der Hauptknoten, d. h. der weitaus größere; an ihn 
reiht sich kranial der andere Knoten an, der erheblich kleiner ist, 
aber meist noch zwischen dem Truncus jejunalis venosus und Ileum 
oder direkt auf dem Venenstamm liegt. Kommt dazu noch ein 
3. Knoten, so ist dieser auch klein und liegt vor den vorerwähnten 
auf dem Venenstamm oder sogar an dessen dem Ileum abgekehrten 
Rande; manchmal liegen die kleineren Knoten aber auch zwischen 
Hauptknoten und Ileum. 

In 25 untersuchten Fällen waren 20 mal ein Knoten, 4 mal zwei Knoten und 
1 mal drei Knoten nachweisbar. 

Der linke Jejunalknoten (ß 1 ) ist deutlicher bei der Ventral¬ 
ansicht der Gekrösplatte zu erkennen; er erstreckt sich bisweilen über 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


567 


die ventrale Seite der Lgl. colica media (7); zu ihm können sich auch 
noch 1—2 kleinere Knoten gesellen, die entweder kranial vom Haupt¬ 
knoten liegen (6 J ) oder kaudal von ihm. In einem Falle gesellten 
sich sogar zum linken Hauptknoten 2 kleinere kraniale und 2 kleinere 
kaudale Knoten, so daß im ganzen 5 Knoten anf der linken Seite an¬ 
zutreffen waren. In 25 untersuchten Fällen waren 21 mal 1 Knoten, 
2 mal 2, 1 mal 3 und 1 mal 5 Knoten vorhanden. 

Die Größe der Jejunalknoten schwankt von 1 / 2 —20 cm Länge, 
4 mm bis 2 cm Breite und 3 mm bis 1 cm Dicke. 

Zuflußgebiet der Lgl. jejunales: Die Jejunallymphknoten 
nehmen Lymphgefäße des Jejunum, Ileum und Pankreas auf. 

Vasa efferentia der Lgl. jejunales: Aus jeder der größeren 
Lgl. jejunales entspringen eine sehr große Anzahl Vasa efferentia 
(Fig. 24 4,4*. 4* 43, u. 25 #, 6*. «*), die sich mit benachbarten, ferner mit 
Vasa efferentia der Lgl. colica- dextra, der Lgl. colica media, der 
Lgl. portarum und Lgl. lienales zu einem ausgedehnten Lymphgefä߬ 
netz vereinigen, aus dem mehrere Lymphgefäßstämrachen entstehen, 
die zum Truncus intestinalis oder den Trunci intestinales sich ver¬ 
einigen (s. S. 576). 

Die Folge der netzartigen Anordnung der genannten Vasa efferentia ist auch, 
daß sich bei Injektion der Vasa efferentia eines der Knoten die Vasa efferentia 
der anderen Knoten füllen. Von dem rechten jejunalknoten gehen in der Regel 
Vasa efferentia auch direkt zur Lgl. colica dextra, vom linken solche zur Lgl. colica 
media, wie auch die Jejunalknoten unter sich in Verbindung stehen. 

1 7. Die Lgl. colicae. (Fig. 26 e, f, f, g, g). 

Die Lgl. colicae sind die Dickdarmlymphknoten. Da im 
Mesenterium ileocaecale, im Mesocaecum und im Mesorectum über¬ 
haupt keine Lymphknoten gefunden werden, so schrumpfen sämtliche 
Dickdarmlymphknoten auf die Grimmdarmlymphknoten, Lgl. colicae, 
zusammen. Die Lgl. colicae sind einzeln oder in Gruppen zwischen 
den Blättern des kurzen Mesocolon bzw. Mesorectum anzutreffen. 
Man findet 3—8 solcher Lymphknoten von 3 mm bis 2,5 cm Länge. 
Sie zerfallen in die Lgl. colica dextra, die Lgl. colica media und 
die Lgl colicae sinistrae. 

a) Die Lgl. colica dextra (Fig. 26 e u. 25 s) ist ein bisweilen 
doppelter Lymphknoten, der dicht hinter dem Ursprungsteil des Colon 
ascendens (Fig. 26 7 ) zwischen den Blättern des Mesocolon auf der 
Teilungsstelle der V. ileocaecocolica bzw. links von der Grenze 
zwischen Caecum (6), Colon ascendens (7) und Ileum ( 5 ) am Anfang 
der Aeste der V. ileocaecocolica liegt. 



568 


HERMANN BAUM, 


In 25 untersuchten Fällen war der Knoten in 19 Fällen einfach, in 5 Fällen 
doppelt und in 1 Falle sogar dreifach vorhanden. 

Zuflußgebiet s. S. 569. 

Die Vasa efferentia (Fig. 26 e) münden in den Truncus inte¬ 
stinalis, sie bilden aber mit den Vasa efferentia der Lgl. jejunales ein 
ausgedehntes Netzwerk (s. S. 576), aus dem erst die zum Truncus 
intestinalis zusammenfließenden Lymphgefäße entstehen. 

b) Die Lgl. colica media (Fig. 25 ^ u. 26 f, f) ist im Gekröse 
des Colon transversum (Fig. 26 8) etwa dort anzutreffen, wo die 
V. colica sinistra mit der V. colica media (n) sich vereinigt, oder etwas 
pfortaderwärts von dieser Stelle; ist nur 1 Knoten da, dann liegt er 
in der Regel am kaudalen Rande der Vene oder auf ihr, sind 2 Knoten 
da, dann liegen sie an beiden Rändern der Vene (wie in Fig. 26); meist 
liegt der Knoten relativ weit vom Colon transversum entfernt im Ge¬ 
kröse nahe den Jejunallymphknoten (bei großen Hunden und ange¬ 
spanntem Gekröse 5—7 cm vom Colon transversum entfernt) und ist 
bisweilen sogar an der ventralen Seite von den Jejunallymphknoten 
(Fig. 25 «*) verdeckt. 

Ist die Lgl. colica media doppelt oder selbst 3 fach vorhanden und ebenso 
die Lgl. colica dextra, dann können beide Gruppen fast aneinander grenzen. Die 
Lgl. colica media fehlte jedoch in 6 von 25 untersuchten Fällen und war in 5 Fällen 
doppelt und in je 1 Falle dreifach und vierfach vorhanden. 

Zuflußgebiet s. S. 569. 

Vasa efferentia der Lgl. colica media (Fig. 26f,f). Sind 
mehrere Knoten da, dann stehen die einzelnen Knoten der Gruppe 
in der Regel durch Vasa efferentia miteinander in Verbindung; außer¬ 
dem entspringen aus jedem Knoten mehrere (2—4) Vasa efferentia, 
die sich zunächst mit benachbarten vereinigen; die so entstandenen 
Stämmchen münden in den Truncus intestinalis (Fig. 26) und damit 
direkt in die Lendenzisterne. 

c) Die Lgl. colicae sinistrae (Fig. 26 g, g) bilden eine Gruppe von 
2 —5 Lymphknoten, die im Mesocolon nahe dem Mesorectum dort, 
wo die A. mesenterica caudalis bezw. ihre Endäste an den Darm 
herantreten, liegt; sie befinden sich teils dorsal von der brustwärts 
verlaufenden A. haemorrhoidalis cranialis, teils im Winkel zwischen 
den beiden Gefäßen bezw. an der V. colica sinistra nahe dem Darm 
(bei großen Hunden und gespanntem Gekröse 2—3 cm von ihm 
entfernt). 

Zuflußgebiet s. S. 569. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


569 


t 

Vasa efferentia der Lgl. colicae sinistrae (Fig. 26 g, g). Die 
einzelnen Knoten der Gruppe stehen in der Regel miteinander in Ver¬ 
bindung; nur einmal gelang es mir nicht, solche Verbindungen zu 
injizieren. Aus jedem Knoten entspringen außerdem 1—3 Vasa efferentia, 
die in die Lgl. iliaca medialis (i), die Lgl. lumbales aorticae (h), die 
Lgl. colica media (f) und auch direkt in den Truncus intestinalis (n) 
münden können. Die zur Lgl. colica media ziehenden 1—2 Gefäße 
verlaufen unregelmäßig im Gekröse oder gesellen sich zu den ent¬ 
sprechenden Lymphgefäßen vom Colon descendens. 

Zuflußgebiet der Lgl. colicae: Die Lgl. colicae nehmen 
Lymphgefäße vom Ileum, Caecum und Colon und die Lgl. colica media 
Vasa efferentia der Lgl. colicae sinistrae auf. 

Das absolute Gewicht der unter 1—7 beschriebenen 
Lymphknoten schwankte zwischen 0,78 und 27,94 g, das relative 
zwischen 0,0159 v. H. und 1,433 v. H. 

8. Lgl. renales. Es liegt zwar fast ausnahmslos jederseits an den zum Nieren* 
hilus ziehenden Blutgefäßen ein (besonders auf der linken Seite bisweilen doppelter) 
Lymphknoten (Fig. 27 r, 2 ), den ich aber doch aus den auf S. 554 angegebenen 
Gründen nicht als Lgl. renalis abtrennen, sondern schlechtweg den Lgl. lumbales 
aorticae zurechnen möchte. 


III. Lymphgefäße. 

Die allgemeinen Verhältnisse der Lymphgefäße sind bereits auf 
S. 523 beschrieben. Im nachfolgenden sollen des weiteren die Lymph¬ 
gefäße der einzelnen Organe und Organapparate geschildert werden. 

Die Lymphgefäße der einzelnen Organe vereinigen sich zu mehreren 
Hauptsamraelstämmen, deren größter und bedeutendster der Ductus 
thoracicus, der Milch brustgang, ist; auf ihn folgen die großen 
Lymphgefäßstämme, welche die Lymphgefäße von Kopf und Hals, 
den Bauch- und Beckenhöhlenorganen und den Beckengliedmaßen 
sammeln; das sind der Ductus trachealis dexter et sinister, der 
Tnmcus lymphaticus dexter, der Truncus intestinalis und der Truncus 
lumbalis. Diese sollen zunächst im nachfolgenden geschildert werden. 

1. Der Dnctos thoracicus, Milchbrnstgang. 

Der Ductus thoracicus beginnt mit einer Erweiterung, der Lenden- 
zisterne, Cistema chyli, die ira Hiatus aorticus liegt (Fig. 24 u, 27 9 ); 
ihr vorderes (kraniales) Ende verengert sich zum eigentlichen Ductus 
thoracicus, der zunächst rechts von der Medianebene und zwar am 
rechten — dorsalen Rande der Aorta thoracica (Fig. 18 11 ) bis zum 



570 


HERMANN BAUM 


5. oder 6. Brustwirbel verläuft, hier allmählich auf die linke Seite 
hinübertritt und sich in der präkardialen Mittelfellspalte bis zum Brust¬ 
höhleneingang hinzieht (Fig. 17 ta), um hier in das Venensystem ein¬ 
zumünden (Fig. 2—7 i, i', i", i'", 17 n). 

a) Lendenzisterne (Cistema chyli, Pars abdominalis des Ductus 
thoracicus). Die Lendenzisterne (Fig. 24 w u. 27 9 ) liegt im all¬ 
gemeinen rechts und dorsal an der Aorta und reicht meist vom 
4. bis zum 1. Lendenwirbel, seltener vom 3., selbst 2. Lendenwirbel 
bis zum 1. Lendenwirbel oder letzten Brustwirbel oder vom 4. Lenden¬ 
wirbel nur bis zum 2. Lendenwirbel; manchmal erstreckt sie sich 
mehr auf die dorsale, manchmal mehr auf die rechte und selbst 
ventrale Seite der Aorta. Sie besitzt die Form eines langgezogenen 
Sackes, der in seinem mittleren Teile am weitesten ist und nach dem 
kaudalen und kranialen Ende sich verjüngt; sie kann aber auch unregel¬ 
mäßige Formen aufweisen. In das kaudale Ende mündet der meist 
doppelte oder sogar netzartige Beckenlymphstamm (Fig. 24 u u. 27 10 ), 
aus dem kranialen Ende geht unter allmählicher Verengerung der 
Zisterne ohne scharfe Grenze der Ductus thoracicus (Fig. 18 u, hervor. 
Ist nur ein Beckenlymphstamm vorhanden, der zudem recht weit ist, 
dann, geht er fast ohne Grenze in die Lendenzisterne über. Auch 
die Form der Lendenzisterne ist vielen Schwankungen unterworfen, 
besonders infolge des ganz verschiedenen Verhaltens des in den mittleren 
Teil der Lendenzisterne einmündenden Truncus intestinalis (s. S. 576). 
Ist dieser, wie es öfter vorkommt, ausgesprochen netzförmig, dann 
macht es garnicht selten den Eindruck, als ob die Lendenzisterne 
Inseln begrenzt, dnrch welche die entsprechenden Lumbalarterien hin¬ 
durchtreten [Huber (21)]. Für die Lage der Lendenzisterne sei 
noch hinzugefügt, daß sie rechts und dorsal an der Aorta zwischen den 
beiderseitigen Zwerchfellspfeilern und Lendenmuskeln an der ventralen 
Seite der betreffenden Wirbel, dorsal von der A. und V. renalis und 
in ihrem kaudalen Teile noch links von der V. cava caudalis, also 
zwischen dieser und der Aorta liegt. 

b) Der Ductus thoracicus geht am 1. Lendenwirbel ohne scharfe 
Grenze aus der Lendenzisterne hervor (s. oben); er verläuft zunächst 
(Fig. 18 u) an dem rechten — dorsalen Rande der Aorta thoracica 
und am ventralen Rande der V. azygos halswärts bis zum 6. Brust¬ 
wirbel und tritt allmählich zwischen V. azygos und Aorta und des 
weiteren zwischen Aorta und 5. Brustwirbel hinüber nach der linken 
Seite, um im präkardialen Mediastinum nach dem Brusthöhleneingang 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


571 


zu verlaufen (Fig. 17 15). Der an der Aorta gelegene Anfangsteil des 
Ductus thoracicus (Fig. 18 11 ) ist aber nur in seltenen Fällen ein ein¬ 
faches Gefäß, in den meisten Fällen wird seine Form dadurch kom¬ 
plizierter, daß er grobe Netze bildet, wodurch es zur Bildung von 
Inseln kommt, durch die häufig lnterkostalarterien treten. Nicht 
selten ist der Ductus thoracicus in seinem Anfangsteile doppelt; der 
2 . Gang liegt dann am linken — dorsalen Rande der Aorta thoracica; 
er kann getrennt aus der Lendenzisterne entspringen oder aber vom 
Hauptgang kurz nach dessen Ursprung abzweigen, um sich mit ihm 
bei dessen Uebergang von der rechten nach der linken Seite (selten 
weiter halswärts) wieder zu vereinigen. Sind zwei Gänge da, dann 
stehen sie aber stets durch zahlreiche Queräste miteinander in Ver¬ 
bindung, wodurch es ebenfalls zu einer Inselbildung kommt, die sogar 
so hochgradig ‘werden kann, daß das ganze System des Ductus thora¬ 
cicus geradezu ein grobes Lymphgefäßnetz bildet. In einem Falle 
entsprang der Ductus thoracicus sogar mit 3 Stämmen aus der Lenden¬ 
zisterne. Das ira präkardialen Mediastinum gelegene Endstück des 
Ductus thoracicus (Fig. 17 is) liegt zwischen M. longus colli (») 
und A. subclavia sinistra (u) an der linken Seite der Speiseröhre und 
kreuzt nahe dem Brusthöhleneingang und in ihm die A. und V. costo- 
cervicalis (u) und die A. vertebralis (falls sie selbständig und nicht 
aus dem Truncus costocervicalis entspringt) an deren medialer Seite 
und dicht halswärts vom Brusthöhleneingang die A. carotis communis 
sinistra an deren lateraler Seite und den Truncus omocervicalis an 
dessen medialer Seite und mündet dicht (bei großen Hunden 1—^3 cm) 
kranial von der 1. Rippe in das Venensystem (s. unten). Der Endteil 
des Ductus bleibt in ungefähr der Hälfte aller Fälle einfach, in der 
anderen Hälfte der Fälle kommt es durch Teilung des Ductus und 
Wiedervereinigung seiner Teiläste zur Bildung grober Netze, die 
Inseln begrenzen, aber nicht so zahlreich und ausgedehnt, wie im 
Anfangsteil. Erst das direkte Endstück zeigt wieder äußerst viele 
Variationen, so viele, daß sie sich genau gar nicht beschreiben lassen. 
Eine Anzahl von ihnen ist in Fig. 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 17 abgebildet. 
Aus ihnen geht hervor, daß nur in seltenen Fällen der Ductus thora¬ 
cicus einfach und ungeteilt bleibt (Fig. 4 und 7); er mündet dann in 
die V. jugularis communis sinistra bzw. an der Grenze der V. cava 
cranialis zu dem genannten Stamm und zwar an der dorsalen oder 
lateralen, vereinzelt sogar an der ventralen oder medialen Seite, oder er 
mündet im Teilungswinkel der V. jugularis communis in beide Vv. jugu- 



572 


HERMANN BAUM, 


lares sinistrae an der dorsalen Seite (der häufigste Befund); er bildet 
direkt vor seiner Einmündung in der Regel eine ampullenförmige 
Erweiterung (wie in Fig. 7 i gezeichnet), die sich aber stets wieder 
verengert, so daß die Mündung immer sehr eng ist (bei großen 
Hunden etwa 1 mm groß). In den meisten Fällen ist das Ende in 
2 , selbst 3 oder 4 Aeste geteilt (Fig. 2, 3, 5, 6 und 17), die getrennt 
in das Venensystem einmünden und zwar einer von den Aesten, wie 
vorstehend für den ungeteilt bleibenden Ductus thoracicus beschrieben, 
während der andere Endast oder die anderen Endäste getrennt da¬ 
neben in das Venensystem eintreten, entweder in die Teilungstelle 
der V. cava cranialis in die V. axillaris und die kurze V. jugularis 
communis sinistra oder in letztere oder im Winkel zwischen ihr und 
der V. axillaris, wie die Fig. 2, 3, 5 und 6 bei i, i', i", i'" zeigen; in 
einem Falle mündete der eine Endast sogar in den Stamm der V. jugularis 
cömra. dextra. Nicht selten steheu die einzelnen Endäste durch Quer¬ 
äste miteinander in Verbindung, so daß es zur Insclbildung kommt 
(Fig. 6). Auch die Endäste können direkt vor der Einmündung 
ampullenartig erweitert sein. 

In das Ende des Ductus thoracicus oder seine Endäste münden Vasa effe- 
rentia der Lgl. axillaris (Fig. 2, 3, 4 und 5 e), der Lgl. mediastinales craniales 
(Fig. 17 a), in der Regel auch solche der Lgl. cervicalis caudalis (Fig. 6 c) und 
media, der Lgl. cervicales superficiales (2, 4 und 6 g) und ferner der Ductus tracho- 
alis sinister (Fig. 2, 3, 4, 5 und 6 f). In den meisten Fällen ließ sich an der 
Mündung eine kleine Klappe nachweisen, oder cs mündete der Gang in die Tasche 
einer größeren Venenklappe. Der Verschluß der Mündung dürfte immer ein voll¬ 
kommener sein [Huber (21)]. 

Weite des Ductus thoracicus. Bei einfachem Stamme bleibt die Weite 
desselben vom Anfang bis zum Ende fast dieselbe und beträgt bei großen Hunden 
etwa 3—4 mm. Boi Bildung von groben Netzen mit Inseln wird sie natürlich 
kleiner. Klappen im Ductus thoracicus: Dor Ductus ist reichlich mit Klappen 
versehen, die bei großen Hunden im Abstand von 1 — 3 cm sich finden^ erst vom 
11.—12. Brustwirbel ab beckenwärts fehlen sie. Selbst beim toten Tiere schließen 
sie in der Regel vollständig. 

2. Der Ductns trachealis sinister et dexter. 

Der Ductus trachealis sinister (Fig. 16 und 2—7 f) et dexter 
(Fig. 8—12 f) sind 2 starke, im gefüllten Zustand bei großen Hunden 
2 x / 2 —4 mm dicke Lyraphgefäßstämmc, die jederseits am Halsteile der 
Luftröhre liegen. Sie entstehen jederseits aus der Vereinigung der 
Vasa efferentia der Lgl. retropharyngea medialis (Fig. 2, 4, 6, 8—12, 
16 a, a'); diese Vereinigung erfolgt meist in der Nähe des genannten 
Lymphknotens am Anfangsteile der Luftröhre, seltener weiter kaudal 
(Fig. 10), selbst bis zur Grenze zum kaudalen Drittel des Halses hin 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


573 


(Fig. 9). Der Ductus verläuft linkerseits an der linken Seite der Luft- 
und Speiseröhre (Fig. 16 6 und 7), rechterseits an der rechten Seite der 
Luftröhre, zuerst mit der A. carotis communis und der V. jugularis 
interna am dorsomedialen Rande der Schilddrüse (Fig. 16 i) oder etwas 
getrennt von den Gefäßen auf der Schilddrüse, des weiteren mit der 


Fig. 2-7. 



Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. 

Schemata des Ductus trachealis sinister. 
a Lgl. retropharyngea medialis, b, b‘ Lgl. cervicalis cranialis, c Lgl. cervicalis caudalis, 
d, d' Lgl. cervicales superficiales, e, e' Lgl. axillaris, f Ductus trachealis sinister, 
g Vasa efferentia bzw. Vas efferens der Lgl. cervicales superficiales, i, i', %“, i"‘ 
Ductus thoracicus mit seinen Endästen, k Lymphgefäß der Schilddrüse (1), das 
direkt in den Ductus trachealis sinister ( f) einmündet. 1 Schilddrüse, 2 V. axillaris, 
3 V. jugularis ext., 4 V. jugularis int., 5 erste Rippe. 


genannten Arterie und Vene oder in ihrer Nähe bis nahe zum Brust¬ 
höhleneingang herab. Er nimmt jederseits - die Vasa efferentia der 
Lgl. cervicalis cranialis (Fig. 2, 6, 8, 9, 11 u. 16 b, b'), manchmal 
auch ein Vas efferens einer Lgl. cervicalis media (Fig. 12 c') und 



Fig. 8-12. 


SchematadesDuctustrachealis dexter und Truncus- ly mp haticus dexter. 
a, a ' Lgl. retropharyngea modialis, b, b* Lgl. cervicalis cranialis, c Lgl. cervicalis 
caudalis, & Lgl. cervicalis media, d, d l , d 2 , d 3 Lgl. cervicales superficiales, e Lgl. 
axillaris, f 9 f Ductus trachealis dexter, g Vas effcrens bzw. Vasa efferentia der 
Lgl. cervicales superficiales, h f h' Ende des Ductus trachealis dexter, bzw. Truncus 
iymphaticus dexter, i Vas efferens einer Lgl. raediastinalis cranialis, k, h‘, Je " Schild- 
driisenlymphgefäße. 1 Schilddrüse, 2 V. axillaris, 5V. jugularis ext., 4 V. jugularis 

int., 5 erste Rippe. 






Das Lympbgefäßsystem des Hundes. 


575 


caudalis (Fig. 8 c) und Lymphgefäße der Schilddrüse (s. S. 628 und 
Fig. 2 i) auf und bildet nicht selten dadurch, daß er einen schwächeren 
Ast abgibt, der sich später wieder mit ihm vereinigt, eine Insel 
(Fig. 16 i u. 4), selbst mehrere solcher. Sein Endstück verhält sich 
zwischen linker und rechter Seite verschieden. Das Endstück des 
Ductus trachealis sinister nimmt meist 1—2 Vasa efferentia 
der Lgl. cervicales superficiales (s. S. 533 und Fig. 2, 3, 4, 6 und 
16 d, d'), ferner bisweilen ein Vas efferens der Lgl. axillaris sinistra 
(Fig. 16 e u. S. 538) auf und mündet etwas (bei großen Hunden 1—3 cm) 
kranial von der linken 1. Rippe in das Ende des Ductus thoracicus 
oder auch mit einem Teilaste direkt in das Venensystem ein, wobei 
aber viele Variationen zu beobachten sind. 

Von den zahlreichen Abweichungen seien nur die folgenden, öfter be* 
obachteten hervorgehoben: 1. Der Ductus trachealis sin. mündet in das Ende des 
Ductus thoracicus (Fig. 16). 2. Das Ende des Ductus trachealis gabelt sich und 
mündet mit einem Ast in das Ende des Ductus thoracicus, mit dem anderen in die 
V. jugularis comm. (Fig. 4); es kann das Ende des Ductus trachealis sogar 
dreigeteilt sein (Fig^7). 3. Der Ductus trachealis sin. mündet in einen Zweig des 
Endstückes des Ductus thoracicus ein (Fig. 2, 3, 5 u. 6). 

Das Endstück des Ductus trachealis dexter (Fig. 8—11 f) 
vereinigt sich nahe dem Brusthöhleneingang, bei großen Hunden 
2—3 cm kranial von der 1. rechten Rippe (Fig. 8—12 *), mit dem 
Vas efferens bzw. den Vasa efferentia der Lgl. cervicales superficiales 
dextrae (Fig. 8—11 g). Durch die Vereinigung beider entsteht ein kurzer, 
selbst bei großen Hunden in der Regel nur l 1 /, cm langer Lyraph- 
stamm, der ungefähr doppelt so stark als der Ductus trachealis dexter 
vor der Vereinigung, nämlich 4—6 mm dick erscheint und herkömm¬ 
lich Truncus lymphaticus dexter genannt wird, obgleich dazu ein be¬ 
sonderer Grund gar nicht vorliegt. Der Truncus lymphaticys dexter 
(Fig. 8—11 h) liegt an der rechten Seite der Luftröhre und der 
V. subclavi^dextra dicht vor der rechten 1. Rippe und mündet in die 
V. subclavia dextra dicht kranial von deren Abzweigung aus der 
V. cava cranialis oder in dem Winkel zwischen V. jugularis int. und 
ext. Manchmal kommt es durch Teilung und Wiedervereinigung zur 
Bildung einer oder mehrerer Inseln, oder der Ductus teilt sich und 
mündet gegabelt in das Venensystem ein; die Hauptabwcichungen er¬ 
geben sich aus Fig. 8—11 b, h'. In den Truncus lymphaticus dexter 
oder einen seiner Endäste mündet in der Regel ein Vas efferens der 
Lgl. axillaris dextra (s. S. 538 und Fig. 9 u. 10 e) ein. 



576 


HERMANN BAUM, 


3. Der Truncus intestinalis (Eingeweidelymphstamm). 

Der Truncus intestinalis (Fig. 24 13 , is) ist ein starker Lymphgefäß- 
staram, der in der Gegend der A. mesenterica cranialis aus dem Zu¬ 
sammenfluß der Vasa efferentia der Lgl. colica media und dextra, 
Lgl. lienales (3,3-), Lgl. portarum sinistra ( 2 ), Lgl. portarum dextrae ( 1 ), 
Lgl. jejunales (4, 4 * u.4 a ), der kranialen Lgl. lumbales aorticae (s) 

einschl. Lgl. lumbalis aortica cranialis (6) entsteht und an der rechten 
Seite der A. mesenterica cranialis (p) bzw. ein wenig kranial und 
rechts von ihr aufsteigt und in die Lendenzisterne ( 12 ) und zwar un¬ 
gefähr deren Mitte einmündet. Der Zusammenfluß der erwähnten 
Vasa efferentia zum Truncus intestinalis ist infolge der ausgedehnten 
Netzbildung der genannten Vasa efferentia (s. diese) kein scharfer; es 
kommt auch vor, daß der Truncus doppelt, selbst 3 fach ist oder, 
daß außer ihm einzelne Lymphgefäße des erwähnten Netzwerkes ge¬ 
sondert in die Lendenzisterne einmünden (wie in Fig. 24), oder daß 
es überhaupt nicht zur Bildung eines deutlichen Truncus intestinalis 
oder mehrerer solcher kommt, daß vielmehr aus dem erwähnten aus¬ 
gedehnten Netzwerk der Vasa efferentia der Lgl. jejunales, colica 
media et dextra, lienales usw., dem Rete intestinale, mehrere ver¬ 
schieden starke Stämme bzw. Stämrachen sich entwickeln, die ge¬ 
trennt in die Lendenzisterne einmünden und zwar an verschiedenen 
Stellen derselben; sie können auch erst die linke oder rechte Seite 
der Aorta kreuzen und in die dorsale Wand der Lendenzisterne sich 
einsenken. Das erwähnte Netzwerk reicht dabei sehr oft bis ganz 
nahe an die Lendenzisterne, selbst bis an diese heran, sodaß die in 
letztere einmündenden Endstämmchen nur ganz kurz sind oder die 
Aorta geradezu von einem Lymphgefäßnetz umsponnen ist. 

Da die Vasa efferentia der erwähnten Lymphknoten netzartig sich verbinden, 
so kommt es vor, daß bei Füllung der Vasa efferentia eines der genannten Knoten 
sich rücklaufend Vasa efferentia der anderen Knoten füllen; dies wird in erhöhtem 
Maße eintreten, wenn der Abfluß der Lymphe aus irgend einem Grunde erschwert 
ist, also Stauung in diesem Teil des Lymphgcfüßsystcmes auftritt; man kann dann 
von einem der erwähnten Knoten (z. B. von einer Lgl. jejunalis) aus alle anderen 
Knoten (die Lgl. colica dextra und media, Lgl. portarum, Lgl. lienales und die 
anderen Lgl. jejunales) füllen. 

4. Der Truncus lumbalis (Beckenlymphstamm). 

Der Beckenlyraphstaram (Fig. 24 n u. 27 10 ) zeigt außerordent¬ 
lich viele Variationen. In der Regel sind 2 Beckenlymphstämrae vorhan¬ 
den, von denen der eine stärkere am linken-dorsalen oder am dorsalen 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


577 


und der andere schwächere am rechten-ventralen Rande der Aorta 
(Fig. x 24 i) liegt (wie in Fig. 24). Jeder der beiden Gänge entsteht 
aus den Vasa efferentia der Lgl. iliaca medialis (Fig. 24 t» u. 27 *, t 1 ). 
Beide Stämme stehen aber durch zahlreiche quer und schräg verlaufende 
Verbindungsäste miteinander in Verbindung, die über die beiden Flächen 
der Aorta, besonders deren ventrale Fläche verlaufen, so daß hier 
geradezu ein grobes Lymphgefäßnetz entsteht (Fig. 24), das zahl¬ 
reiche Inseln begrenzt. In der Regel münden einzelne aus diesem 
sich ablösende Zweige auch direkt in die Lendenzisterne. Nicht 
selten umfließt einer der Lymphstämme eine große Insel. 

Bisweilen fehlt der linke-dorsale Stamm, und es ist dann nur der rechte¬ 
ventrale vorhanden, der dann um so stärker ist, wie es Fig. 27 zeigt; aber auch 
in diesen Fällen findet man neben dem Beckenlymphstamm noch ein mehr oder 
weniger verzweigtes Lymphgcläßoetzwerk, das die Aorta umspinnt, wie in Fig. 27. 
Es kommt auch vor, daß dieser Beckenlymphstamm geradezu ohne Grenze 
in die Lendenzisterne übergeht (s. oben). Bisweilen sind 3 vielfach miteinander 
verbundene Stämme, ein rechter-ventraler und rechter-dorsaler und ein linker-dorsaler 
bzw. direkt dorsaler vorhanden: der letztere ist stärker als die beiden anderen. 

A. Die Lymphgefäße der Haut. 

Ueber das Verhalten der Lymphgefäße der Haut des Hundes habe 
ich in einem besonderen Artikel im Anatomischen Anzeiger, Bd. 50, 
1917, berichtet; im nachfolgenden sollen deshalb nur die wichtigeren 
Ergebnisse geschildert werden, während betr. aller Einzelheiten 
auf den erwähnten Artikel verwiesen sei. 

Für das allgemeine Verhalten der Lymphgefäße der Haut 
haben die Untersuchungen ergeben, daß 1. von einer Einstichstelle 
aus mehrere (2—4) Lymphgefäße sich füllen können, 2. daß auch 
beim Hunde Hautlymphgefäße die Medianebene überschreiten und in 
Lymphknoten der anderseitigen Körperhälfte einmünden können. 
gilt dies in erster Linie für Lymphgefäße aus den median gelegenen 
Partien der Haut. 3. auch beim Hunde kann man nach der Zugehörig¬ 
keit zu gewissen Lymphknoten die Haut in abgegrenzte Bezirke teilen. 
Von den Grenzgebieten zwischen den einzelnen Bezirken aus füllen 
sich sehr oft Lymphgefäße nach beiden Seiten hin (cf. z. B. in Fig. 13 
die Lymphgefäße der Haut der seitlichen und ventralen Thoraxwand). 
Die Hautlymphgefäße des Hundes bilden in viel ausgedehn¬ 
terem Maße, als dies beim Rinde der Fall ist, auf ihrem 
Verlaufe zu den Lymphknoten grobe Netze, wie es auch auf 
der Abbildung 13 zum Ausdruck gebracht ist. 

Ueber das Verhalten der Hautlymphgefäße zu den Haut¬ 
blutgefäßen läßt sich wenig sagen. Sicher ist, daß der in den 

Arohiv f. wissenseh. u. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. o*7 



578 


HERMANN BAUM, 


Lehrbüchern meist aufgestellte Satz, daß die Hautlymphgefäße mit 
Vorliebe die größeren Hautvenen begleiten, auch für den Hund nicht 
gilt, wie schon ein Blick auf Fig. 13 lehrt. Daß ein Teil dieser Lymph¬ 
gefäße mit den großen Hautvenen verläuft, ist selbstverständlich. 

1. Die Lymphgefäße der flaut des Kopfes (Fig. 13) münden 

zum größeren Teil in die Lgl. mandibulares (a, 2 "), zum kleineren 

Teil in die Lgl. parotidea (i) und in die Lgl. cervicales superficiales 
(a), und zwar münden die Lymphgefäße von der Haut der Lippen 
und der äußeren Nase, der Backengegend und der vorderen 
Hälfte der seitlichen Nasengegend und des Nasenrückens 
in die Lgl. mandibulares, vom hinteren Teil des Nasenrückens 
und der Seitengegend der Nase, den Augenlidern, der Stirn¬ 
gegend und Gegend des Jochbogens vorwiegend in die Lgl. 
parotidea, zum kleineren Teil in die Lgl. mandibulares, vom Kehl- 
gange in die Lgl. mandibulares, wobei sie oft die Medianebene über¬ 
schreiten; von der Scheitelgegend münden sie vom vorderen Teil in 
die Lgl. parotidea, vom größeren hinteren Teil in die Lgl. cervicales 
superficiales, von der Masseter- und Parotisgegend in die Lgl. 
mandibulares und in die Lgl. cervicales superficiales, von der Ohr¬ 
muschel zum größeren Teil in die Lgl. cervicales superficiales, zum 
kleineren Teil in die Lgl. retropharyngea medialis und die Lgl. paro¬ 
tidea (näheres s. Lymphgefäße der Ohrmuschel S. 645). 

2. Von den Lymphgefäßen der Haut des Halses (Fig. 13) 
ziehen die der Haut der Nackengegend zu den Lgl. cervicales 
superficiales (s), die von der Haut der Vorderhalsgegend zu den 
Lgl. mandibulares ( 2 . 2 -, 2 “) (von der kranialen Hälfte) und den Lgl. 
L cervicales superficiales 3-) (von der kaudalen Hälfte). 

3. Die Lymphgefäße der Haut der Schnltergliedmaße (Fig. 13) 
suchen zum größeren Teil die Lgl. cervicales superficiales (s. *•), zum 
kleineren Teil die Lgl. axillaris und event. die Lgl. axillaris acces- 
soria (♦) auf. Vom Fuß und Unterarm aus vereinigen sie sich zu 
3—6 stärkeren Stämmchen, die teils in Begleitung der V. cephalica 
accessoria (r) an der vorderen Seite des Unterarmes, teils mit der 
V. cephalica antebrachii (1) an der medialen Seite des Unterarmes iq die 
Höhe steigen bis zur Beugeseite und der medialen Seite des Ellbogengelenks 
und von hier aus teils in Begleitung des oberflächlichen Verbindungsastes 
der V. cephalica zur V. jugularis ext. weitergehen, teils auf dem ober¬ 
flächlichen Brustmuskel, auf der Pars clavicularis des M. brachio- 
cephalicus (g) und über den M. deltoideus (h) in die Höhe steigen, um 


Das Lymphgefäßaystem des Hundes. 


579 


samt und sonders in die Lgl. cervicales superficiales einzumünden 
und zwar wohl ausnahmslos in den ventralen Knoten der Gruppe (s'). 
Von der lateralen Seite des Ellbogengelenks einschl.Ole- 
cranon und von der lateralen Seite der Schulteroberarmgegend* ver¬ 
laufen die Lymphgefäße so, wie es Fig. 13 zeigt, zu den Lgl. cervi¬ 
cales superficiales. 

Nur von der dem hinteren (kaudalen) Rande der Schulteroberarmmuskulatur 
und des Ellbogengelenkes benachbarten Partie der Haut schlagen sich die Lymph¬ 
gefäße (t3' u. s 1 ) um den hinteren. Rand der Schulteroberarmmuskulatur auf die 
mediale Seite um und ziehen mit den Lymphgefäßen der seitlichen Thoraxwand 
zur Lgl. axillaris und, falls eine Lgl. axillaris accessoria vorhanden ist, zum Teil 
erst zu dieser. 

Von der Haut an der medialen Seite des Oberarms einschl. 
Ellbogengelenks gehen die Lymphgefäße zum größten Teil auch 
zu den Lgl. cervicales superficiales. Nur von einem kleinen Teil der 
Haut, der an der medialen Seite des Olecranon und an der medialen 
Seite des Oberarms nahe dessen kaudalem Rande liegt, wenden sich 
die Lymphgefäße (wenigstens zum Teil) direkt in die Höhe und 
münden in die Lgl. axillaris und, wenn eine Lgl. axillaris acces¬ 
soria (4) zugegen ist, zum Teil erst in diese, inde.m sie sich zu ent¬ 
sprechenden. Lymphgefäßen der seitlichen Thoraxwand gesellen. 

4. Die Lymphgefäße der dorsalen, seitlichen nnd ventralen 
Thoraxwand, soweit diese beckenwärts von der Schulteroberarra- 
muskulatur liegt (Fig. 13), münden in die Lgl. axillaris ( 13 ), zum 
kleineren Teil (von dem dem Rückenwinkel benachbarten Teile der 

^Haut) so, wie es Fig. 1 zeigt, auch in die Lgl. cervicales superficiales 
(3,3'). Ist eine Lgl. axillaris accessoria (4) vorhanden, mündet ein 
Teil der ersterwähnten Lymphgefäße zunächst in sie ein. 

5. Die Lymphgefäße der Hant der Unter- nnd Vorderbrust. 
Die Lymphgefäße der Haut der Unterbrust (Fig. 13), soweit sie 
beckenwärts vom Ellbogenhöcker liegt, ziehen mit den Lymphgefäßen 
der seitlichen Thoraxwand (s. oben) zur Lgl. axillaris (13); ist eine 
Lgl. axillaris accessoria (4) zugegen, passiert ein Teil der Lymph¬ 
gefäße erst diese. Die Lymphgefäße der Haut des übrigen Teils der 
Unterbrust und die der Haut der Vorderbrust münden in die Lgl. 
cervicales superficiales. Beim weiblichen Tiere können Lymph¬ 
gefäße speziell der Haut der kranialen 2 oder 3 Zitzen auch in die 
Brusthöhle treten und zur Lgl. sternalis ziehen (s. Euter S. 638). 

6. Die Lymphgefäße der Haut der dorsalen, seitlichen und 
ventralen Banchwand (Fig. 13). a) Die Lymphgefäße des vor 

37* 



580 


HERMANN BAUM, 


einer durch die letzte Rippe gelegten Querebene gelegenen 
Teiles der Bauchwand ziehen zur Lgl. axillaris, indem sie sich 
zu den Lymphgefäßen der seitlichen Thorax wand gesellen (s. S. 579). 
b) Die Lymphgefäße von dem hinter (kaudal von) der ge¬ 
nannten Querebene gelegenen Teil der Bauchwand münden 
teils (von der Haut an der ventralen Bauchwand und der ventralen 
Hälfte der seitlichen Bauchwand) in die Lgl. inguinales superficiales 
(15), teils (von der dorsalen Bauchwand und der dorsalen Hälfte der 
seitlichen Bauchwand) in die Lgl. iliaca medialis (u). 

7. Die Lymphgefäße der Haut der Beckengliedmaße und 
des Schwanzes (Fig. 13) münden in die Lgl. iliaca medialis, die Lgl. 
inguinales superficiales, die Lgl. femoralis medialis und die Lgl. 
poplitea. 

a) Von der Haut des Beckens suchen sie die Lgl. iliaca me¬ 
dialis (von den kranialen 2 /s — a U der Beckengegend) und die Lgl. 
inguinales superficiales (von dem kaudalen 1 / 4 — x / 8 der Gegend) auf. 
Die letzteren Lymphgefäße (s) ziehen zum Tuber ischiadicum und 
gehen mit solchen von der Haut des Schwanzes um den Sitzbeinhöcker 
herum an die mediale Schenkelfläche und an ihr zu den Lgl. ingui¬ 
nales superficiales. 

b) Von der Haut des Schwanzes gehen sie vom Schwanz- 
ansatze zur Lgl. iliaca medialis, vom übrigen Schwänze zu den Lgl. 
inguinales superficiales, indem sie um den medialen Teil des Tuber 
ischiadicum ventral umbiegen (s 5 ). 

c) Die Lymphgefäße der Haut des Oberschenkels (Fig. 13) 
wenden sich von der kranialen Hälfte der lateralen Seite (» T ) 
um den kranialen Rand der Oberschenkelmuskulatur herum zu den 
Lgl. inguinales superficiales. Von der kaudalen Hälfte der lateralen 
Seite des Oberschenkels ziehen sie (s 6 ) ebenfalls nach den Lgl. in¬ 
guinales superficiales und zwar so, daß sie zum größeren Teile um 
den kaudalen Rand des Oberschenkels nach der medialen Seite sich 
Umschlägen, zum kleineren Teile zu den Lymphgefäßen der kranialen 
Hälfte sich gesellen. Nicht selten vereinigt sich eines der Lymphgefäße 
der Haut an der lateralen Oberschenkelseite aber auch mit den Lymph¬ 
gefäßen der Haut des Beckens, die in die Lgl. iliaca medialis (u) 
eintreten. Von der medialen Seite münden sie (n) in die Lgl. 
inguinales superficiales und, falls eine Lgl. femoralis medialis (t) zu¬ 
gegen ist, zum Teil auch in diese. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


581 


d) Lymphgefäße der Haut der Kniegegend, laterale Seite. 
Die Lymphgefäße der Haut an der vorderen (kranialen) Hälfte der 
lateralen Seite des Knies (untere s») wenden sich um den vorderen 
(kranialen) Rand des Oberschenkels herum zu den Lgl. inguinales 
superficiales, die von der hinteren (kaudalen) Hälfte direkten Weges 
zur Lgl. poplitea (s). Von der medialen Seite ziehen sie so, wie 
es Fig. 13 zeigt, zu den Lgl. inguinales superficiales. Ist eine Lgl. 
femoralis medialis (t) zugegen, sucht ein Teil der Lymphgefäße 
diese auf. 

e) Lymphgefäße der Haut des Unterschenkels. Von der 
medialen Seite münden die Lymphgefäße (Fig. 13 n) in die Lgl. 
inguinales superficiales. 

In einem Falle, in dem eine Lgl. femoralis medialis (t) vorhanden war, trat 
ein Teil der Lymphgefäße in diese ein, in einem anderen Falle nicht. 

Von der lateralen Seite ziehen sie teils zur Lgl. poplitea (von 
der kaudalen Hälfte bzw. den kaudalen 2 / 3 einschließlich kaudalem 
Rande) (■■»), teils zu den Lgl. inguinales superficiales (von der kranialen 
Hälfte bzw. dem kranialen Drittel einschließlich kranialem Rande) 
(fl", s 8 ), indem sie sich um den kranialen Rand des Unterschenkels auf 
dessen mediale Seite Umschlägen. 

f) Die Lymphgefäße der Haut des Tarsus. Von der 
lateralen Seite steigen sie zur Lgl. poplitea (i), von der medialen 
Seite so, wie es Fig. 13 zeigt, zu den Lgl. inguinales superficiales 
und von der Beugeseite und der Streckseite des Tarsus zu beiden 
Lymphknotengruppen auf. 

Ist eine Lgl. femoralis medialis (t) zugegen, mündet in der Regel ein Teil 
der sonst die Lgl. inguinales superficiales aufsuchenden Lymphgefäße in sie ein. 

g) Die Lymphgefäße der Haut des Metatarsus und der 
Zehen. Von der dorsalen und medialen Seite ziehen die Lymph¬ 
gefäße zunächst zur Beugeseite des Tarsus; von hier aus geht der 
größere Teil dieser Lymphgefäße über die laterale Seite des Unter¬ 
schenkels zur Lgl. poplitea (s), 1—2 dieser Lymphgefäße (bei iv) 
wenden sich aber auch nach der medialen Seite des Unterschenkels 
und gesellen sich hier zu den Lymphgefäßen, die zu den Lgl. in¬ 
guinales superficiales aufsteigen. 

Ist eine Lgl. femoralis medialis (t) vorhanden, mündet in der Regel ein Teil 
der Lymphgefäße erst in diese. 

Von der lateralen Seite aus steigen sie teils über den kaudo- 
lateralen Rand des Tarsus am Unterschenkel in die Höhe zur Lgl. 



582 


HERMANN BAUM, 


poplitea (b), teils wenden sie sich nach der Beugeseite des Tarsus 
(s») und gesellen sich zu den oben erwähnten Lymphgefäßen, so daß 
auch von der lateralen Seite des Metatarsus aus sich in der Regel 
1—2 Lymphgefäße zu den Lgl. inguinales superficiales füllen. — Von 
der hinteren (plantaren) Seite gesellen sie sich teils zu denen 
der lateralen, teils zu denen der medialen Seite. 

B. Lymphgefäße der Faszien. 

Allgemeines Verhalten. Das allgemeine Verhalten der Faszien¬ 
lymphgefäße ist beim Hunde anscheinend genau so, wie beim Rinde. 
Auch beim Hunde verlaufen die aus den Lymphgefäßnetzen entstehenden 
feinen Lymphgefäße zum weitaus größeren Teile erst auf der Faszie 
und durchbohren sie erst nach längerem Verlaufe, um an ihrer Innen¬ 
fläche weiterzuziehen. Vereinzelt liegen die aus den Netzen ent¬ 
stehenden Lymphgefäße jedoch auch schon von der Injektionsstelle aus 
unter der Faszie d. h. an ihrer Innenfläche; ich habe solche Lymphgefäße 
einwandsfrei an der Unterarmfaszie nachweisen können. Festgestellt 
wurden die Lymphgefäße der Fascia antebrachii, lumbo- 
dorsalis, lata und cruris. 

1 . Die Lymphgefäße der Unterarmfaszie ziehen größten Teiles 
zur Lgl. axillaris und nur zum kleinen Teile auch zu den Lgl. cer- 
vicales superficiales, und zwar stammen die letzteren Lymphgefäße 
von dem Teil der Faszie, der in der Nähe des Ellbogengelenkes die 
dorsolaterale Seite des Unterarmes überzieht; sie wenden sich nach 
der V. cephalica und steigen mit ihr zur ventralen der Lgl. cervicales 
superficiales auf. Alle anderen Lymphgefäße der Faszie suchen die 
Lgl. axillaris auf. 

Soweit die Faszie die Muskeln an der hinteren Seite des Unter¬ 
armskelettes überzieht (Fascia antebrachii volaris), verhalten sich 
ihre Lymphgefäße, wie folgt: 

a) Die aus den Lymphgefäßnetzen der Faszie entstehenden feinen 
Lymphgefäße wenden sich vom medialen Teil der Fascia ante¬ 
brachii volaris teils nach der A. radialis (vom mittleren Teil dieses 
Faszienabschnittes), teils nach der A. ulnaris (vom distalen Teil dieses 
Faszienabschnittes) und begleiten des weiteren die A. mediana bis 
zum Ellbogengelenk; nahe dem letzteren gesellen sich zu ihnen die 
Lymphgefäße, die vom proximalen Teil dieses Faszienabschnittes 
stammen und entweder zwischen dem M. pronator teres und dem M. flexor 
carpi radialis oder direkt durch letzteren hindurchtreten zur A. mediana. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


583 


Von demselben Faszienteil wendet sich in der Regel 1 Lymphgefäß 
aber auch über die kaudomediale Seite des Ellbogengelenkes nach 
dem Oberarm und zu den Oberarmblutgefäßen. 

b) Die aus dem lateralen Teil der Fascia antebrachii vo- 
laris sich entwickelnden Lymphgefäße treten vom proximalen und 
mittleren Teil dieses Faszienabsclmittes teils durch das Spatium inter- 
osseum antebrachii, teils treten sie zwischen dem M. flexor carpi 
ulnaris und dem Caput humerale des M. flexor digitalis prof. einerseits 
und dem Caput ulnare des M. flexor digital, prof. andererseits in die 
Tiefe und verlaufen über die mediale Seite des Radius und der Ulna 
nach vorn zur A. mediana und gesellen sich hier zu den ersteren 
Lymphgefäßen. Vom distalen Teil dieses Faszienabschnittes treten sie 
zwischen der Sehne des M. extensor carpi ulnaris und flexor carpi 
ulnaris in die Tiefe und steigen von hier aus entweder im Spatium inter- 
osseum in die Höhe, oder sie gesellen sich über die kaudomediale Seite 
des Radius hinweg zu den Lymphgefäßen vom distalen Teil des medialen 
Abschnittes der Fascia antebrachii volaris (s. S. 582). Es treffen sich 
mithin fast alle Lymphgefäße der Fascia antebrachii nahe dem Ellbogen¬ 
gelenk in der Nähe der A. mediana und begleiten dann in Form von 
2 —3 Stämmen sie und des weiteren die Oberarmblutgefäße, nehmen 
dabei das von der kaudomedialen Seite des Ellbogengelenkes kommende 
Lymphgefäß (s. oben) auf und treten in die Lgl. axillaris ein. 

2 . Die Lymphgefäße der Fascia Imnbodorsalis münden zum 
weitaus größeren Teile in die Lgl. lumbalis aortica craniälis, zum 
kleineren Teile in die Lgl. iliaca mediälis. 

Sie bilden an der Faszie ausgedehnte Netze. Die aus ihnen 
entstehenden Lymphgefäße verlaufen zuerst auf der Faszie und 
durchbohren sie dann, um an ihre Unterfläche zu gelangen. Von 
den kranialen 8 / 4 der Faszie wenden sie sich dann, indem sie konver¬ 
gierend zueinander verlaufen, um den lateralen Rand des M. longissimus 
dorsi, die vordersten sogar durch den letzten und vorletzten Interkostal¬ 
raum hindurch an die ventrale Seite der Lendenmuskeln und verlaufen 
an dieser meist in Begleitung der A. und V. lumboabdominalis und 
ihrer Aeste zu der Lgl. lumbalis aortica cranialis. In die Lgl. iliaca 
mediälis münden die Lymphgefäße vom kaudalen Viertel der Faszie; 
sie vereinigen sich zu 1—2 Stämmchen, die dicht vor dem lateralen 
Darmbeinwinkel um den lateralen Rand des M. longissimus dorsi 
herum auf die ventrale Seite der Lendenmuskeln und von da zu 
dem genannten Lymphknoten gelangen. 



584 


HERMANN BAUM, 


In die Lgl. hypogastricae einmündende Lymphgefäße wurden nicht beobachtet. 

3. Die Lymphgefäße der Fascia lata wenden sich samt and 
sonders nach dem Schenkelkanal und suchen von hier aus die Lgl. 
iliaca medialis und, falls eine Lgl. inguinalis prof. vorhanden ist, 
auch diese auf. Bis zum Schenkelkanal schlagen sie 2 verschiedene 
Wege ein. An der Faszie bilden sie die im allgemeinen be¬ 
schriebenen Netze. Die aus diesen entstehenden Lymphgefäße ver¬ 
laufen von der kaudalen Hälfte der Faszie im allgemeinen in Form 
von 2—3 Lymphgefäßstämmchen auf der Faszie nach hinten, durch¬ 
bohren sie und den vorderen (kranialen) Randabschnitt des M. biceps 
und treten mit Lymphgefäßen des letzteren dicht oberhalb des M. 
gastrocnemius zwischen M. adductor und semimembranosus über die 
hintore (kaudale) Seite des Oberschenkelbeines zum Schenkelkanal. Die 
aus den Lymphgefäßnetzen der kranialen Hälfte der Fascia lata 
entstehenden Lymphgefäße, 3—5 an der Zahl, verlaufen konvergierend 
ungefähr nach der Mitte der vorderen (kranialen) Oberschenkelkontur hin, 
indem sie sich dabei zu höchstens 2 Stämmchen vereinigen. Diese durch¬ 
bohren den kranialen Bauch des M. sartorius und treten unter dem 
kaudalen Bauch desselben (d. h. über seine laterale Seite) hinweg 
zum Schenkelkanal, wo sie sich mit den anderen Lymphgefäßen treffen 
und mit ihnen zu der Lgl. iliaca medialis ziehen. 

Ist eine Lgl. inguinalis profunda zugegen, dann mündet ein Teil dieser Lymph¬ 
gefäße in der Regel auch in sie ein. 

4. Die Lymphgefäße der Fascia crnris münden zum kleineren 
Teile in die Lgl. poplitea, zum weitaus größeren Teile in die I*gl. iliaca 
medialis und beim Vorkommen einer Lgl. inguinalis profunda und 
femoralis medialis zum Teil auch in diese. Die die Lgl. iliaca medialis 
aufsuchenden Lymphgefäße schlagen aber sehr verschiedene Wege ein. 

a) Von der Fascia cruris an der medialen Seite des Unter¬ 
schenkels gesellen sich alle Lymphgefäße mehr oder weniger zur 
V. saphena magna und steigen mit ihr zum Schenkelkanal und von 
hier zur Lgl. iliaca medialis auf. 

b) Laterale Seite des Unterschenkels 

er) proximale (obere) Hälfte. Von diesem Teile der Faszie 
verlaufen die Lymphgefäße schräg kaudodorsal (nach hinten-oben), 
durchbohren die Endaponeurose oder den kranialen Randabschnitt 
des M. biceps und treten zwischen dem M. gastrocnemius lateralis und 
der Kniegelenkskapsel in die Kniekehle und von hier zum Schenkel¬ 
kanal, wo sie sich zu den unter a beschriebenen gesellen. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


585 


ß) distale (untere) Hälfte. Die von diesem Teil der Faszie 
entspringenden Lymphgefäße gesellen sich teils zur V. saphena parva 
und steigen mit ihr zur Lgl. poplitea in die Höh.e, teils treten sie 
unter die Faszie und des weiteren zwischen dem M. ext. digitalis 
longus und den Mm. peronaei in die Tiefe, gesellen sich zur A. und V. 
tibialis anterior und begleiten sie bis zur Kniekehle, wo sie sich mit 
den unter a beschriebenen treffen, um mit ihnen zur Lgl. iliaca 
medialis aufzusteigen. 

Von der Faszie am vorderen (kranialen) Rande des Unter¬ 
schenkels gesellen sich die Lymphgefäße teils zu denen der lateralen, 
teils zu denen der medialen Seite. 

Ist eine Lgl. inguinalis prof. vorhanden, dann mündet in der Regel ein Teil 
der vorstehend beschriebenen, im Schenkelkanal auf steigenden Lymphgefäße in sie 
ein, ferner tritt beim Vorkommen einer Lgl. femoralis medialis ein Teil der die 
V. saphena magna begleitenden Lymphgefäße in diesen Lymphknoten ein. Aus¬ 
nahmsweise zeigt ein Teil der im Schenkelkanal auf steigenden Lymphgefäße ein 
etwas abweichendes Verhalten insofern, als sie vom Schenkelkanal aus zwischen 
M. pectineus und adductor in die Tiefe an die A. profunda femoris treten, diese 
begleiten und sich in der Bauchhöhle wieder zu den übrigen Lymphgefäßen des 
Schenkelkanals gesellen. 

C. Die Lymphgefäße der Skelettmuskeln und ihrer Sehnen 
einsehlleßlieh Sehnenscheiden. 

Das Verhalten der Lymphgefäße der Muskeln, ihrer 
Sehnen und Sehnenscheiden habe ich ausführlich im Berichte 
über die Tierärztliche Hochschule für das Jahr 1917 ge¬ 
schildert, so daß ich mich im nachfolgenden auf die Mit¬ 
teilung der wichtigeren Ergebnisse meiner Untersuchungen 
beschränken und betreffs aller Einzelheiten, vor allem auch 
betreffs des allgemeinen Verhaltens dieser Lymphgefäße (Technik, 
Verhalten zu den Blutgefäßen, Zahl der zu den einzelnen Muskeln 
gehörigen Lymphknotengruppen usw.) auf die erwähnte Abhandlung 
verweisen kann. Nur der eine Punkt sei hervorgehoben, daß auch 
die Muskellymphgefäße beim Hunde auf ihrem Verlaufe in viel reicherem 
Maße Netze bilden, als dies beim Rinde der Fall ist. 

1 . Die Lymphgefäße der Muskeln des Kopfes mit Ausnahme 
der Muskeln des Auges, des Ohres, der in den Lippen gelegenen 
Muskeln, der Muskeln der Zunge und des Zungenbeines, die an anderer 
Stelle beschrieben werden, münden zum weitaus größten Teile in die 
Lgl. mandibulares, zum kleineren Teile in die Lgl. parotidea und 



586 


HERMANN BAUM, 


retropharyngea medialis. Von den einzelnen Kopfrouskeln senden 
ihre Lymphgefäße: der M. levator nasolabialis, caninus, levator 
labii sup. proprius, depressorlabii inf. und die Backenmaskein 
zu den Lgl. mandibulares, der M. pterygoideus zur Lgl. retropharyngea 
medialis, der M. temporalis und zygomaticus zu den Lgl. mandi¬ 
bulares und der Lgl. parotidea, der M. digastricus zu den Lgl. mandi¬ 
bulares und der Lgl. retropharyngea medialis und der M. masseter zu 
den Lgl. mandibulares, der Lgl. retropharyngea medialis und parotidea. 

2 . Lymphgefäße der am Halse and Thorax gelegenen Muskeln. 
Die am Halse und Thorax gelegenen Muskeln (Mm. intercostales, M. 
transversus costarum, M. serratus dorsalis inspiratoriüs, M. splenius, 
M. iliocostalis, M. longissimus dorsi et cervicis et capitis, M. spinalis 
et semispinalis dorsi et cervicis, Mm. recti capitis dorsales, Mm. obliqui 
capitis, M. sternohyoideus et -thyreoideus, M. scaJenus, M. longus colli 
et capitis, M. rectus capitis ventralis, M. transversus thoracis) schicken 
ihre Lymphgefäße zu einer großen Anzahl (8—9) verschiedenen 
Lymphknotengruppen, nämlich zu den Lgl. mediastinales craniales 
(und zwar fast ausschließlich zur Lgl. mediastinalis cranialis prima), 
zur Lgl. intercostalis, Lgl. sternalis, den Lgl. lumbales aorticae ein¬ 
schließlich Lgl. lumbalis aortica cranialis, den Lgl. cervicales super¬ 
ficiales etprofundae und den Lgl. retropharyngeae. Der M. serratus 
dorsalis inspiratoriüs, M. longissimus cervicis, M. spinalis 
et semispinalis dorsi et cervicis und M. scalenus schicken ihre 
Lymphgefäße zu den Lgl. mediastinales craniales und beim Vorkommen 
einer Lgl. intercostalis zum Teil auch zu dieser, der M. transversus 
thoracis nur zur Lgl. sternalis, die Mm. recti capiti dorsales, 
die Mm. obliqui capitis und der M. rectus capitis ventralis zu 
den Lgl. retropharyngeae, der M. transversus costarum zur Lgl. 
sternalis und einer Lgl. mediastinalis cranialis, die Mm. intercostales 
zur Lgl. sternalis, den Lgl. mediastinales craniales, der Lgl. inter¬ 
costalis und der Lgl. lumbalis aortica cranialis, der M. ileocostalis 
und longissimus dorsi zu den Lgl. lumbales aorticae einschließlich 
Lgl. lumbalis aortica cranialis und den Lgl. mediastinales craniales, 
der M. longissimus capitis zu den Lgl. retropharyngeae und den 
Lgl. mediastinales craniales, der M. longus capitis und derM. longus 
colli zur Lgl. retropharyngea medialis, den Lgl. mediastinales craniales 
und der Lgl. cervicalis caudalis, der M. splenius und der M. sterno¬ 
hyoideus und M. sternothyreoideus zu diesen Knoten und außer¬ 
dem zu den Lgl. cervicales superficiales. 




Das Lymphgeftßsystem des Hundes. 


587 


3. Von den Stammgliedmaßenmnskeln (M. trapezius, M. omotrans- 
versarius, M. brachiocephalicus, M. sternomastoideus, M. latissiraus dorsi, 
Mm. pectorales, M. rhomboideus und M. serratus ventralis) ziehen 
die Lymphgefäße zu 8 verschiedenen Lymphknotengrnppen 
and zwar zu den Lgl. cervicales superficiales, der Lgl. axillaris und 
axillaris accessoria, den Lgl. retropharyngeae, Lgl. mediastinales 
craniales (und zwar fast ausschließlich zur Lgl. mediastinalis cranialis 
prima) bzw. zur Lgl. intercostalis, Lgl. lumbalis aortica cranialis 
und Lgl. stemalis. Von den einzelnen Muskeln senden ihre 
Lymphgefäße der M. omotransversarius und M. sternomastoi¬ 
deus zu den Lgl. retropharyngeae und den Lgl. cervicales super¬ 
ficiales, der M. trapezius zu den Lgl. cervicales superficiales, der 
Lgl. axillaris und den Lgl. mediastinales craniales, der M. brachio¬ 
cephalicus zu den Lgl. cervicales superficiales, der Lgl. axillaris und 
den Lgl. retropharyngeae, der M. latissimus dorsi zur Lgl. axillaris, 
den Lgl. mediastinales craniales, der Lgl. intercostalis und Lgl. 
lumbalis aortica cranialis, der M. pectoralis superficialis zu den 
Lgl. cervicales superficiales und der Lgl. axillaris, der M. pectoralis 
profundus hingegen zu den Lgl. cervicales superficiales, der Lgl. 
axillaris und axillaris accessoria und zur Lgl. stemalis, der M. rhomboi¬ 
deus zu den Lgl. cervicales superficiales, der Lgl. retropharyngea 
medialis, den Lgl. mediastinales craniales und der Lgl. intercostalis 
und der M. serratus ventralis zu den Lgl. mediastinales craniales, 
der Lgl. intercostalis, Lgl. stemalis und den Lgl. cervicales super¬ 
ficiales. 

4. Die Lymphgefäße der Muskeln der Schnltergliedmaße 
münden zum weitaus größeren Teil in die Lgl. axillaris, zum kleineren 
Teile in die Lgl. cervicales superficiales und vereinzelt in die Lgl. 
mediastinales craniales und die Lgl. intercostalis. 

Die an Schulter und Oberarm gelegenen Muskeln (M. deltoi- 
deus, M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor, V M. subscapu- 
laris, M. teres major, M. coracobrachialis, M. biceps brachii, M. brachi- 
alis, M. triceps mit seinen 3 Köpfen, M. anconaeus und M. tensor fasciae 
antebrachii) senden alle Lymphgefäße zur Lgl. axillaris, ein Teil von 
ihnen (nämlich der M. deltoideus, supraspinatus, infraspinatus, 
teres minor und subscapularis) gleichzeitig einen Teil ihrer Lymph¬ 
gefäße zu den Lgl. cervicales superficiales und ein einziger (der M. sub¬ 
scapularis) außer zu beiden Lymphknotengruppen noch zu den Lgl. 
mediastinales craniales oder der Lgl. intercostalis. Die am Unter- 



588 


HERMANN BAUM, 


arm gelegenen Muskeln (M. brachioradialis, M. ext. carpi ulnaris, 
M. Supinator, AI. abductor pollicis longus, M. pronator quadratus, 
M. pronator teres, M. flex. carpi radialis, M. flex. carpi ulnaris, M. Hex. 
digitalis sublimis und M. flex. digitalis profundus) entsenden ihre Lymph¬ 
gefäße ausnahmslos zur Lgl. axillaris , aber nur die Muskeln als solche, 
die Sehnen und Sehnenscheiden dieser Muskeln schicken 
ihre Lymphgefäße nur zum kleineren Teil zur Lgl. axillaris, 
zum größeren Teile zu den Lgl. cervicales superficiales und zwar 
die Sehnen des M. flex^ carpi ulnaris und flex. carpi radialis 
nur zur Lgl. axillaris, die Sehnen des M. ext. carpi radialis, 
ext. digitalis communis, ext. digitalis lateralis, ext. carpi 
ulnaris, M. abductor pollicis longus, flex. digitalis sublimis 
und flex. digitalis profundus zur Lgl. axillaris und zu den Lgl. 
cervicales superficiales; von den Lymphgefäßen der beiden letzt¬ 
erwähnten Beugeschnen suchen die vom Unterarm- und Karpal- 
teil der Sehnen stammenden die Lgl. axillaris auf, während die 
vom Mittelfuß- und Zehenteil der Sehnen in die Lgl. cervicales super¬ 
ficiales münden, ein Befund, den ich auch bereits beim Rinde fest¬ 
stellen konnte. Die am Metacarpus gelegenen Mm. interossei und 
ebenso die An- und Abzieher und Beuger der 1. und 5. Zehe 
entsenden ihre Lymphgefäße auffallenderweise nicht allein zu den 
Lgl. cervicales superficiales, sondern gleichzeitig auch zur Lgl. axillaris. 

5. Die Lymphgefäße der Muskeln der Beckengliedmaße ein¬ 
schließlich Lendenmuskeln und ihrer Sehnen suchen zum weitaus 
größten Teile die Lgl. iliaca medialis, die Lgl. hypogastricae und die 
Lgl. poplitea und nur zum kleinen Teil die Lgl. lumbales aorticae (ein¬ 
schließlich Lgl. lumbalis aortica cranialis) auf. 

Falls eine Lgl. sacralis lateralis zugegen ist, mündet ein kleiner Teil der 
Muskellympbgefäße auch in diesen Knoten ein. Ebenso kann beim Vorkommen 
einer Lgl. inguinalisprofunda ein Teil derjenigen Muskellympbgefäße, die im Schenkel¬ 
kanal aufsteigen, in diesen Knoten eintreten. Fehlt er, was häufig der Fall ist, 
dann ziehen diese Lymphgefäße alle direkt zur Lgl. iliaca medialis; aber auch wenn 
er vorhanden ist, brauchen von den erwähnten Lymphgefäßen keine in ihn einzu¬ 
treten. In derselben Weise sind die die V. saphena magna begleitenden Lymph¬ 
gefäße der Achilles-, der oberflächlichen und tiefen.Beugesehne und der Mm. inter¬ 
ossei pedis in ihrem Verhalten zur Lgl. femoralis medialis zu beurteilen, d. h., ist 
ein solcher Lymphknoten vorhanden, dann mündet meist ein Teil der erwähnten 
Lymphgefäße in ihn ein. 

Von den einzelnen Muskeln entsenden ihre Lymphgefäße 
die Lendenmuskeln (M. psoas minor, M. ileopsoas und M. qua¬ 
dratus lumborum) zu den Lgl. lumbales aorticae und der Lgl. iliaca 
medialis, der M. psoas minor und M. quadratus lumborum außer- 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


589 


dem zu den Lgl. hypogastricae. Von den übrigen am Becken und 
Oberschenkel gelegenen Muskeln schicken der M. tensor fasciae 
latae, M. gracilis, M. pectineus, M. adductor, M. sartorius 
und die Mm. ge me Ui ihre Lymphgefäße zur Lgl. iliaca medialis und 
beim Vorkommen einer Lgl. inguinalis profunda in der Regel zum Teil 
auch zu dieser, der M. obturator internus zu den Lgl. hypogastricae, 
die Mm. glutaei und der M. obturator externus zur Lgl. iliaca 
medialis und ev. Lgl. inguinalis profunda und zu den Lgl. hypogastricae, 
der M. quadriceps zur Lgl. iliaca medialis und ev. zur Lgl. inguinalis 
profunda und zur Lgl. poplitea, der M. biceps femoris, M. semiten- 
dinosus und M. semimembranosus zur Lgl. iliaca medialis und 
beim Vorkommen einer Lgl. inguinalis profunda meist zum Teil auch zu 
dieser, zu den Lgl. hypogastricae und zur Lgl. poplitea. 

Es wurde außerdem beobachtet, daß von den Mm. gemelli Lymphgefäße zur 
Lgl. sacralis lateralis ziehen. 

Von den am Unterschenkel gelegenen Muskeln schicken 
der M. tibialis anterior, M. ext. digitalis longus, M. ext. 
digitalis lateralis, M. peronaeus longus, M. gastrocnemius, 
M. flex. digitalis sublimis und profundus und der M. popli- 
teus ihre Lymphgefäße zur Lgl. iliaca medialis und beim Vor¬ 
kommen einer Lgl. inguinalis profunda in der Regel zum Teil auch 
zu dieser. Von den Sehnen und Sehnenscheiden dieser Muskeln 
entsenden die des M. ext. digitalis longus ihre Lymphgefäße zur 
Lgl. poplitea, die des M. ext. digitalis lateralis, peronaeus 
longus und M. tibialis anterior zur Lgl. poplitea und iliaca medialis 
und ev. zur Lgl. inguinalis profunda, die des M. gastrocnemius, 
M. flex. digitalis sublimis und profundus zur Lgl. poplitea und 
Lgl. iliaca medialis und ev. zur Lgl. inguinalis profunda und Lgl. femo¬ 
ralis medialis. Von den arp Fuße gelegenen Muskeln gehen die 
Lymphgefäße vom M. ext. digitalis pedis brevis und den Mm. inter- 
ossei zur Lgl. iliaca medialis und Lgl. poplitea und ev. zur Lgl. 
inguinalis profunda und Lgl. femoralis medialis. 

6. Die Lymphgefäße der Schwanzmaskein. Die Heber des 
Schwanzes schicken ihre Lymphgefäße teils zur Lgl. sacralis lateralis, 
teils zur Lgl. sacralis medialis und beim Fehlen dieser direkt zu den 
Lgl. hypogastricae. Von den Niederziehern des Schwanzes geben 
die Lymphgefäße direkt zu den Lgl. hypogastricae und der Lgl. 
sacralis medialis. Ausnahmsweise geht ein Lymphgefäß auch unter 
Umgehung dieser Knoten direkt zur Lgl. iliaca medialis. 



590 


HERMANN BAUM, 


7. Lymphgefäße der Baachmuskeln. Die Bauchmuskeln senden 
ihre Lymphgefäße zur Lgl. iliaca medialis, Lgl. lumbalis aortica crani- 
alis , Lgl. intereostalis, den Lgl. mediastinales craniales und zwar aus¬ 
schließlich der Lgl. mediastinalis cranialis prima und der Lgl. sternalis 
und zwar der M. obliquus abdom. ext., M. obliquus abdom. int. 
und M. transversus abdom. jeder zu den sämtlichen genannten 
Lymphknotengruppen und der M. rectus abdom. zur Lgl. iliaca 
medialis und zur Lgl. sternalis, der M. obliquus abdom. int. außer¬ 
dem in einem Falle, in dem eine Lgl. inguinalis profunda zugegen war, 
in diese; da der Knoten sehr selten vorkommt, hat der Befund keine 
nennenswerte Bedeutung. 

8. Lymphgefäße der Haatmnskeln. Vom Hals-Gesichts¬ 
hautmuskel ziehen die Lymphgefäße zu den Lgl. cervicales super¬ 
ficiales, den Lgl. mandibulares, der Lgl. parotidea und Lgl. retro- 
pharyngea lateralis. Die Lymphgefäße des Bauchhautmuskels 
münden teils in»die Lgl. axillaris und beim Vorkommen einer Lgl. 
axillaris accessoria auch in diese, ferner zum Teil in die Ijgl. iliaca 
medialis und zum Teil in die Lgl. inguinales superficiales. 

D. Die Lymphgefäße der Knochen. 

Es wurden die Lymphgefäße von allen Knochen des Rumpfes, - 
der Schulter- und Beckengliedraaße und von fast allen Knochen des 
Kopfes injiziert und zwar von jedem einzelnen Knochen aus durch¬ 
schnittlich 2—3 mal, öfter in der Regel nur dann, wenn bei den 
einzelnen Injektionen verschiedene Ergebnisse erzielt wurden. Die 
Technik war dieselbe, die ich in meinem Werke: Das Lymphgefä߬ 
system des Rindes (6) beschrieben habe. 

Im nachfolgenden sollen nicht, die Befunde im einzelnen, 
sondern nur kurz die Ergebnisse geschildert werden, weil 
sich eine eingehende Beschreibung dieser Lymphgefäße im 
Anatomischen Anzeiger 1918, Bd. 50 findet, so daß betr. 
aller Einzelheiten auf dort verwiesen wird. 

1 . Die Lymphgefäße der Kopfknochen einschl. Unterkiefer 
münden in die Lgl. mandibulares, die Lgl. parotidea und Lgl. retro- 
pharyngea medialis , und zwar schickeu von den einzelnen Kopf¬ 
knochen, soweit sie untersucht worden sind, ihre Lymphgefäße: Das 
Os incisivum und maxillare zu den Lgl. mandibulares, das Os 
occipitale und sphenoidale zur Lgl. retropharyngea medialis, das Os 
nasale, Os frontale und Os zygomaticum zur Lgl. parotidea und 



Das Lymphgef&ßsystem des Hundes. 


591 


retropharyngea raedialis and die Mandibula zur Lgl. parotidea und 
retropharyngea medialis und den Lgl. mandibulares. 

2 . Die Knochen des Rumpfes (Wirbel, Rippen und Brust¬ 

bein) schicken ihre Lymphgefäße vorwiegend zu an der Wirbelsäule 
gelegenen Lymphknoten (Lgl. retropharyngea medialis, Lgl. cervi- 
calis caudalis, Lgl. intercostalis, Lgl. lumbales aorticae, Lgl. hypo- 
gastricae , Lgl. sacrales) und außerdem zu den Lgl. mediastinales 
craniales und zwar fast ausschließlich zur Lgl. mediastinalis cranüUis 
prima und zur Lgl. sterncdis. Von den einzelnen Knochen und 
Knochengruppen entsenden ihre Lymphgefäße die Halswirbel 
zur Lgl. retropharyngea medialis, der Lgl. cervicalis caudalis und • 
den Lgl. mediastinales craniales, die Brustwirbel zu den Lgl. 
mediastinales craniales, der Lgl. lurabalis aortica cranialis und, falls 
eine Lgl. intercostalis da ist, auch zu dieser, die Lendenwirbel zu 
den Lgl. lumbales aorticae (exkl. Lgl. lumbalis aortica cranialis) und 
zu den Lgl. hypogastricae, das Kreuzbein zu den Lgl. hypogastricae 
und der Lgl. sacralis lateralis et medialis, die Schwanzwirbel zur 
Lgl. sacralis lateralis und den Lgl. hypogastricae, die Rippen zu 
den Lgl. mediastinales craniales, der Lgl. sternalis und, falls eine 
Lgl. intercostalis da ist, auch zu dieser, das Brustbein zur Lgl. 
sternalis. ^ 

3. Die Lymphgefäße der Knochen der Schnltergliedmaße 
suchen fast alle die Lgl. axillaris und die Lgl. cervicales superficiales < 
(und zwar wohl stets den ventralen Knoten dieser Gruppe) auf; nur 
ein verschwindend kleiner Teil mündet in die Lgl. mediastinales 
craniales (es war in den untersuchten Fällen immer die Lgl. mediasti¬ 
nalis cranialis prima). Von den einzelnen Knochen schicken die 
Zehenglieder ihre Lymphgefäße- nur zu den Lgl. cervicales super¬ 
ficiales, die Metakarpal- und Karpalknochen, Radius, Ulna 
und Humerus zur Lgl. axillaris und zu den Lgl. cervicales super¬ 
ficiales und die Scapula zur Lgl. axillaris, den Lgl. cervicales super¬ 
ficiales und der Lgl. mediastinalis cranialis prima. 

4. Die Lymphgefäße der Knochen der Beckengliedmaße 
münden zum weitaus größten Teil in die Lgl. iliaca medialis und die 
Lgl. poplitea, zum kleineren Teil in die Lgl. hypogastricae und in 
die Lgl. sacralis lateralis , Lgl. inguinalis profunda und Lgl. femo¬ 
ralis medialis; da die 3 zuletzt genannten Lymphknoten aber nur 
selten Vorkommen, ist dem Befunde keine so große Bedeutung bei¬ 
zumessen. Von den einzelnen Knochen schicken ihre Lymph- 



592 


HERMANN BAUM, 


gefäße: Das Becken zur Lgl. iliaca medialis, den Lgl. hypogastricae 
und der Lgl. sacralis lateralis, das Oberschenkelbein zur Lgl. 
iliaca medialis, den Lgl. hypogastricae und der Lgl. inguinalis 
profunda, die Kniescheibe zur Lgl. iliaca medialis, Lgl. femo¬ 
ralis medialis und Lgl. inguinalis profunda, die Fibula zur Lgl. 
iliaca medialis, poplitea und inguinalis profunda, die Tibia, die 
Tarsal- und Metatarsalknochen zur Lgl. iliaca medialis, 
poplitea, femoralis medialis und inguinalis profunda, die Zehen¬ 
glieder zur Lgl. poplitea. 

E. Die Lymphgefäße der Gelenke. 

Von den Lymphgefäßen der Gelenke des Hundes soll im 
Nachfolgenden nur gai/z kurz angegeben werden, zu welchen 
Lymphknoten die einzelnen Gelenke ihre Lymphgefäße 
schicken; die Wege, die sie dabei einschlagen, die Abweichungen, 
die Vorkommen usw., werden nicht geschildert werden, weil ich 
dies schon in einem besonderen Artikel im Anatomischen Anzeiger, 
Bd. 49, 1916, S. 512, getan habe. Es sei deshalb betreffs 
aller Einzelheiten auf diesen Artikel verwiesen. Nur das 
eine sei hervorgehoben, daß aus dem einzelnen Gelenk 2 bis 
5 Lymphgefäße entspringen, die sich auf ihrem weiteren Wege 
zu 2—3 auffallend viel grobe Netze bildenden Stämmchen ver¬ 
einigen. Injiziert wurden die Lymphgefäße des Kiefergelenks und 
der Gelenke der Schulter- und Beckenglied maße. 

1 . Die Lymphgefäße des Kiefergelenks münden zum Teil in 
die Lgl. parotidea, zum Teil in die /.gl. mandibulares. Die erstere 
Gruppe bildet 1—2 feine Gefäße, die an der kaudalen Seite des 
Gelenkes hervortreten und direkt zu dem genannten Lymphknoten 
hinziehen. In die Lgl. mandibulares mündet in der Regel ein Gefäß, 
das an der medialen Seite des Gelenkes hervortritt, zwischen der 
Beule des Oberkieferbeins und dem Processus coronoideus des Unter¬ 
kiefers an den oralen Rand des M. masseter tritt und von hier zu 
den Lgl. mandibulares und zwar zum dorsalen Knoten der Gruppe 
sich wendet. 

Id einem Falle füllte sich außerdem aus dem Gelenke ein Lymphgefäß, das 
direkt zur Lgl. retropharyngea medialis zog. 

2 . Die Lymphgefäße der Gelenke der Schultergliedmaße 
ziehen teils zu der Lgl. axillaris, teils zu den Lgl. cervicales super¬ 
ficiales , und zwar suchen die des Schultergelenkes (Fig. 36 c, c, c') 



Das Lymphgefäßsyatem des Hundes. 


593 


und des Ellbogengelenks (Fig. 36 a) die Lgl. axillaris (d), die der 
Zehengelenke (Fig. 33 t a. 35 3,4,6,6) die Lgl. cervicales superficiales 
(Fig. 33 3') und die des Karpalgelenkes (Fig. 35 um* u. 36b,b\b") 
beide Lymphkotengruppen auf. 

Die zu den Lgl. cervicales superficiales ziehenden Lymphgefäße mündeten 
immer in den ventralen Knoten der Gruppe ein. 

3. Von den Lymphgefäßen der Gelenke der Beckengliedmaße 
des Hundes münden die des Hüftgelenkes (Fig. 37 a, a') und Knie¬ 
gelenkes (Fig. 34 l. a u. 37 b, c) in die Lgl. iliaca medialis (Fig. 37 g), 
die der Zehengelenke (Fig. 34 6 —») in die Lgl. poplitea (Fig. 34 a) 
und die des Tarsalgelenkes (Fig. 34 s, 4 u. 37 d, d') in beide Lymph¬ 
knotengruppen (Fig. 34 a u. 37 g) ein. 

Ist eine Lgl . inguinalis profunda (Fig. 37 f) vorhanden, so tritt in sie in 
der Regel ein Teil derjenigen Lymphgefäße vom Hüft-, Knie- und Tarsalgelenk ein, 
die beim Fehlen des Knotens direkt in die Lgl. iliaca medialis münden. Ebenso 
tritt beim Vorkommen einer Lgl . femoralis medialis (Fig. 37 e) in der Regel ein 
Teil der Lymphgefäße des Knie- und Tarsalgelenkes in diese ein; sie können jedoch 
trotz Vorkommens des Knotens alle um ihn herumgehen. 

F. Lymphgefäße des Zwerchfelles, der Pleura und 
des Peritonaeum. 

Die Lymphgefäße des Zwerchfelles, der Pleura und des 
Mediastinum sollen vor denen der Verdauungs- und Respirations¬ 
organe beschrieben werden, weil sie verschiedentlich mit diesen in 
Verbindung stehen. 

1. Die Lymphgefäße des Zwerchfelles. 

Die Lymphgefäße des Zwerchfelles (Fig. 17, 18 und 27) suchen 
die Lgl. bifurcationis media, Lgl. sternalis , Lgl. lumbales aorticae 
craniales, Lgl. portarum sinistra, Lgl. lienales und die Lgl. gastrica 
auf und zeigen folgendes Verhalten: 

a) Die Lymphgefäße der Pars costalis und sternalis 
münden zum größeren Teile in die Lgl. sternalis, zum kleineren Teile 
in am Magen gelegene Lymphknoten (Lgl. portarum sinistra, Lgl. 
lienales, Lgl. gastrica) und in die Lgl. bifurcationis media und die 
Lgl. lumbales aorticae craniales. Bei Einstich in die Muskelschicht 
der Pars costalis und sternalis des Zwerchfelles (Fig. 17 t u. 18 w) 
füllen sich Lymphgefäße, die zunächst unter der Pleura dieser Teile 
des Zwerchfelles sehr grobmaschige Netze bilden, so, wie es in 
Fig. 14 und 15 dargestellt ist. Die aus diesen Netzen entstehenden 

Archiv f. wiesen sch. o. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Sappl. qq 



594 


HERMANN BAUM, 


Lymphgefäße verlaufen 1) jederseits subpleural nach der Ansatzstelle 
der Pars costalis an den Rippen und vereinigen sich dabei zu 1—2 
Lymphgefäßstämmchen, die subpleural am Ansatz der Pars costalis 
nach dem Sternum herablaufen, dann unter den M. transversus thoracis 
treten und nun an der Innenfläche des Sternum, bedeckt vom M. trans¬ 
versus thoracis, in Begleitung der A. und V. mammaria interna jederseits 
halswärts bis zur Lgl. sternalis (Fig. 17 c u. 18 «) ziehen. 

Dadurch, daß die 1—2 Lymphgefäßstämmchen sich oft teilen und mit ihren 
Teilästen wieder vereinigen, entstehen Netze mit sehr groben Maschen, und es macht 
an vielen Stellen infolgedessen den Eindruck, als ob 3—4 Lymphgofäße neben¬ 
einander lägen. 

Die subpleuralen Netze füllen sich auch dann, wenn man in das Peritonaeum 
des Zwerchfells oder den subperitonäalen Teil der Muskulatur einsticht. 

Interessant ist weiterhin, daß bei Injektion nur einer Hälfte des Zwerchfells 
doch die Lymphgefäße in beide Lgl. sternales einmünden können. So verliefen 
in einem Falle die Lymphgefäße von der linken Pars costalis des Zwerchfells 
mit der linken A. und V. mammaria bis zum 4. Zwischenknorpelraum, von hier aus 
ging aber nur ein .Teil von ihnen zur linken Lg. sternalis, während der ander» 
Teil über die Medianebene hinweg in die rechte Lgl. sternalis einmündete. . 

Aus dem erwähnten subpleuralen Netzwerk entstehen 2) in der 
Nähe der Zwerchfellspfeiler weiterhin jederseits mehrere subpleural 
verlaufende Lymphgefäße, von denen 1—2 im Mediastinum postcardiale 
in der Regel nahe dem Truncus oesophageus ventralis der Nn. vagi 
herzwärts verlaufen und in die Lgl. bifurcationis media einmünden, 
wie es Fig. 17 und 18 zeigen, während 2—3 andere dieser Lymph¬ 
gefäße (Fig. 17 e, f und 18 ?) in die Bauchhöhle treten und zwar ent¬ 
weder mit dem Oesophagus oder direkt durch den Zwerchfellsmuskel 
nahe der Zwerchfellssehne und dann zu Lymphknoten gehen, die in 
der Bauchhöhle am Magen liegen und zwar zur Lgl. portarum sinistra 
(Fig. 28 1 ), zu den Lgl. lienales (Fig. 28 s) und zur Lgl. gastrica; sie 
zeigen dabei dasselbe Verhalten wie die entsprechenden Lymphgefäße 
vom Ende der Speiseröhre (s. S. 612); einzelne dieser Lymphgefäße 
können aber auch am Zwerchfell subperitouäal in die Höhe steigen 
(Fig. 27 13) und in die Lgl. lumbalis aortica cranialis einmünden. 

Der Vollständigkeit halber sei hervorgebobcn, daß zu den Lgl. portainm 
dextrae keine Lymphgefäße zogen, selbst nicht von der rechten Pars costalis des 
Zwerchfells aus. 

Natürlich brauchen sich diese Lymphgefäße und Netze nicht bei 
jeder Injektion alle zu füllen. 

3) Ein letzter Teil der Lymphgefäße der Pars costalis des Zwerch¬ 
fells endlich mündet in die Lgl. lumbalis aortica cranialis. Diese Lymph¬ 
gefäße stammen vom dorsalen Teil der Pars costalis; sie liegen aber» 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


595 


im Gegensätze zu den vorerwähnten Lymphgefäßen, nur zum Teil 
subpleural (Fig. 17 d'u. 18 »), zum anderen Teil subperitonäal 
(Fig. 27 i?, n); beide Gruppen wenden sich nach dem Aortenschlitz hin; 
die subpleuralen Lymphgefäße treten entweder durch den Aortenschlitz 
in die Bauchhöhle, oder sie durchbohren dicht am Aortenschlitz auch 
noch die Muskulatur und gesellen sich zu den subperitonäalen 
Lymphgefäßen. So entstehen schließlich aus der Vereinigung aller 
jederseits 2—3 Stämmchen, die in die Lgl. lumbalis aortica cranialis 
einmünden. 

b) Die Lymphgefäße der Pars lumbalis des Zwerchfelles 
(Fig. 17 7», 18 w* u. 27 a 2 ) gesellen sich zum größeren Teil zur Gruppe 3 
(Fig. 17 d, 18 s u. 27 u), zum kleineren zur Gruppe 2 der Lymphgefäße 
der Pars costalis und münden mit ihnen in die Lgl. bifurcationis media, 
die Lgl. lumbalis aortica cranialis , die Lgl. lienales und die Lgl. 
gastrica. Die zu letzteren drei Lymphknotengruppen ziehenden Lymph¬ 
gefäße können zum Teil aber auch subperitonäal hervortreten. 

c) Die Lymphgefäße der Zwerchfellssehne (Fig. 17 v und 
18 w 2 ) bilden, wieder subpleural, ungemein reiche und feine Netze; die 
aus diesen sich entwickelnden Lymphgefäße vereinigen sich mit den 
Lymphgefäßen des muskulösen Teiles (Pars costalis und lumbalis) 
des Zwerchfelles und münden mithin auch in dieselben Lymphknoten 
wie diese. 

Bei Einstich in die das Zwerchfell überziehende Pleura füllen sich dieselben 
subpleuralen Netze und die aus ihnen sich entwickelnden Lymphgefäße, wie vor- 
stehend unter a, b und c beschrieben. Bei Einstich in das das Zwerchfell über¬ 
ziehende Peritonaeum füllen sich am Zwerchfellsmuskel zwar subperitonäal Netze, 
die aber nicht so deutlich bervortreten wie die subpleuralen Netze, welch 1 letztere 
überdies von den subperitonäalen Netzen aus sich gleichzeitig mitfüllen. Zwischen 
den subperitonäalen und subpleuralen Netzen sind offenbar, wie beim Rinde be¬ 
schrieben, noch intermuskuläre Netze vorhanden, wenn sie sich auch beim 
Hunde bei der Kleinheit der Verhältnisse makroskopisch mit Sicherheit nicht 
erkennen lassen. An der Zwerchfellssehne konnten makroskopisch subperitonäale 
Netze selbst bei Einstich in das Peritonaeum nicht mit Sicherheit nachgewiesen 
werden im Gegensatz zum Rinde (s. Baum [6] S. 115). Aus dem vorstehend beschrie¬ 
benen Befund geht hervor, daß, wie auch schon für das Rind hervorgehoben, der 
Lymphstrom im wesentlichen von der Bauchhöhlen- zur Brusthöhlen- 
seite des Zwerchfells erfolgen muß. 

Mit den Zwerchfellslymphgefäßen stehen in Verbindung Lymph¬ 
gefäße des Peritonaeum (s. S. 600). 

Die Lymphgefäße des Zwerchfelles sind fast ausnahmslos durch Einstich¬ 
injektion gefüllt worden, weil diese Methode sehr leicht und bequem ist; sie lassen 
sich jedoch auch durch Einbringen der gefärbten Injektionsflüssigkeit in die Pleura¬ 
oder Peritonäalhöhle oder in beide Höhlen und Ausführung künstlicher Atmung 



596 


HERMANN BAUM, 


injizieren. Die Atmungsbewegungen wurden meist mehrere Stunden lang ausgeführt; 
trotzdem war die Füllung der Lymphgefäße nicht annähernd eine so vollständige, 
als bei der Einstiebinjektion. 

2. Lymphgefäße der Pleara costalis. 

Die Lymphgefäße der Pleura wurden fast ausnahmslos durch Einstich¬ 
injektion gefüllt, weil diese Methode leicht und bequem zum Ziele führt; sie können 
aber auch durch Einbringen gefärbter Flüssigkeit in die Pleurasäcke und Aus* 
führung künstlicher Atmung injiziert werden so, wie es im Lymphgefäßsystem des 
Rindes auf S. 117 geschildert ist. 

Die Lymphgefäße der Pleura costalis münden (cf. Fig. 19) jeder- 
seits in die Lgl. sternalis (a), die Lgl. mediastinales craniales (und 
zwar war es in den untersuchten Fällen ausnahmslos die Lgl. mediasti- 
nalis cranialis prima) ( 1 . 1 , n), die Lgl. intercostalis und die Lgl. lum- 
balis aortica cranialis; sie zeigen in ihrem Verhalten viel Aehnlichkeit 
mit den Lymphgefäßen der Interkostalmuskeln und gestalten sich im 
einzelnen, wie folgt: 

Von der Pleura an der 1. Rippe und dem 1. Zwischen¬ 
rippenraum entstehen 2—4 Lymphgefäße, die in die Lgl. media- 
stinalis cranialis prima einmünden, wie es Fig. 19 zeigt. Vom mittleren 
Teil des Interkostalraumes zieht in der Regel ein Lymphgefäß direkt 
zum genannten Knoten; von den übrigen Lymphgefäßen biegen 1 bis 
2 in der Regel stark ventral und 1—2 stark dorsal aus. Von den 
ersteren Lymphgefäßen kann 1 aber auch in die Lgl. sternalis ein- 
treten. Von der Pleura entsprechend der 2.—10. Rippe und 
dem 2. — 9. Interkostalraume wenden sich die Lymphgefäße der 
ventralen Hälfte dieser Gegend (d, d) ventral, treten unter den M. trans- 
versus thoracis, gelangen damit an die A. und V. mammaria interna 
und ziehen mit ihr zur Lgl. sternalis (a), während die Lymphgefäße 
von der dorsalen Hälfte dieser Gegend (a,a') sich dorsal wenden bis 
zur Aorta hin, hier kranial umbiegen (b) und an der Aorta und am 
M. longus colli zur Lgl. mediastinalis cranialis prima (t, r) verlaufen, 
wobei sie sich in der Regel zu 2—3 Stämmchen vereinigen. Ist eine 
Lgl. intercostalis da, mündet in der Regel ein Teil dieser Lymph¬ 
gefäße auch in sie ein (Fig. 19 n). Von der Gegend der 11. bis 
13. Rippe und des 10. und 12. Interkostalraumes wenden sich 
die Pleuralymphgefäße auch dorsal bis zur Nähe der Aorta, biegen 
dann aber kaudal (c) um und münden in die Lgl. lumbalis aortica 
cranialis. Nur von einem kleinen, an der Insertion des Zwerchfelles 
gelegenen Teile des 10., 11. und 12. Interkostalraumes gehen die 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


597 


Lymphgefäße (d') ventral und treten in das Zwerchfell ( 5 ) ein, am 
sich mit Zwerchfellslyraphgefäßen za vereinigen, oder sie vereinigen 
sich direkt zu 1—2 Stämmchen, die am Zwerchfellsansatz kranio- 
ventral verlaufen, unter den M. transversus thoracis treten und auch 
in die Lgl. sternalis einmünden. 

Die Lymphgefäße, die sich aus dem den M. transversus thoracis und 
das Sternum überziehenden Teil der Pleura entwickeln, durchbohren den 
M. transversus thoracis und gesellen sich damit zu den oben erwähnten Lymph¬ 
gefäßen, die in die Lgl. sternalis einmünden. Diese Lymphgefäße sind bei der 
Dünnheit der Pleura und der Gefahr, daß man durch diese hindurch in den 
M. transversus thoracis einsticht, schwer zu injizieren. 

An der Einstichstelle injizieren sich in der Regel feinmaschige 
Netze und zwar, wie Fig. 19 erkennen läßt, insbesondere an den den 
Zwischenrippenräumen entsprechenden Teilen der Pleura, an den den 
Rippen anliegenden Teilen in geringerem Maße, doch fehlen die 
Lymphgefäßnetze auch .in diesen Teilen der Pleura nicht; 
ich erwähne diesen Befund besonders deshalb, weil Dybkowsky (16) 
gerade für die Pleuralymphgefäße des Hundes angibt, daß er Lymph¬ 
gefäßnetze nur ln den lnterkostalräumen füllen konnte; ich konnte 
diesen Befund beim Hunde ebensowenig bestätigen wie beim Rinde 
(s. Baum [6] S. 117), und zwar sowohl bei Füllen der Lymphgefäße 
durch Einstichinjektion, als auch durch künstliche Atmung. Die aus 
den Lymphgefäßnetzen entstehenden Lymphgefäße laufen subpleural 
weiter. In jedem Interkostalraum und zugehöriger Rippe entstehen 
meist 2—4 Lymphgefäße, von denen sich in der beschriebenen 
Weise 1—3 ventral und ebensoviel dorsal wenden. Ein Teil von 
ihnen tritt dabei an die Interkostalgefaße, ein anderer Teil verläuft 
aber auch unregelmäßig, d. h. nicht in Begleitung von Blutgefäßen; 
welcher Teil überwiegt, ist schwer zu sagen. Bisweilen tritt eines 
der Lymphgefäße von einem Interkostal raum in den benachbarten ein. 

Daß Pleuralymphgefäße und selbst solche von der Pleura der ersten Inter¬ 
kostalräume durch die Interkostalmuskulatur nach außen träten und zur Lgl . axillaris 
zögen, wie bei Mensch und Rind, konnte in keinem Falle festgestellt werden, 
obgleich 4—5 Fälle genau daraufhin untersucht wurden. 

3. Lymphgefäße des Mediastinum. 

Die Lymphgefäße des Mediastinum (Fig. 17 4 , 5 ,«, 6>, 6») münden 
in die Lgl. mediastinales craniales, die Lgl. sternalis, die Lgl. bi- 
fu/rcationis media , die Lgl. hmbalis aortica cranialis, Lgl. gastrica, 
Lgl. limales und Lgl. portarum sinistra. An der Einstichstelle füllen 
sich ausgedehnte feine Netze. 



598 


HERMANN BAUM, 


Sie lassen sich in gleicher Weise wie die der Pleura costalis und diaphragmatica 
sowohl durch Einstichinjektion, als auch dadurch, daß man die Injektionsflüssigkeit 
in das Cavum pleurae einbringt und die Atmungsbewegung nachahmt, füllen. 

a) Die Lymphgefäße des präkardialen Mediastinum (Fig. 17 *) 
münden in die Lgl. mediastinales craniales (a, a») und die Lgl. ster- 
nalis (c) so, wie es Fig. 17 zeigt. Die ersteren Lymphgefäße be¬ 
gleiten mit Vorliebe die stärkste der Aa. (Vv.) mediastinales craniales. 

b) Die Lymphgefäße vom kardialen Teil des Mediastinum 
(Fig. 17 s) sind nicht scharf von denen des Herzbeutels zu trennen. 

n ) Von der ventralen Hälfte des Herzbeutels und des 
kardialen Mediastinum wenden sie sich teils in ventraler Richtung 
nach dem Sternum hin, biegen dann nach dem Brusthöhleneingang 
zu um, begleiten die A- und V. mammaria interna und münden in 
die Lgl. sternalis (c); ein Teil von ihnen geht aber auch, indem er 
mit Vorliebe die stärkste der Aa. (Vv.) mediastinales craniales be¬ 
gleitet und sich dabei zu den entsprechenden Lymphgefäßen des prä¬ 
kardialen Mediastinum gesellt, mit ihnen zu den Lgl. mediastinales 
craniales (a 1 , a 1 ). Ein zweiter Teil der Lymphgefäße aber wendet sich 
dorsal und gesellt sich zum N. phrenicus oder in dessen Nähe, wendet 
sich mit ihm halswärts und mündet ebenfalls in die Lgl. mediastinales 
craniales (a'). Von vielen Einstichstellen aus füllen sich Lymphgefäße 
nach beiden Richtungen hin. fl) Von der dorsalen Hälfte des 
Herzbeutels und des kardialen Mediastinum gesellen sich die 
Lymphgefäße zum größten Teil zu den letzterwähnten Lymphgefäßen, 
teils aber auch zu den Lymphgefäßen des postkardialen Mediastinum, 
die durch das Zwerchfell hindurch zur Lgl. lumbalis aortica cranialis 
oder zur Lgl. gastrica, den Lgl. lienales oder der Lgl. portarum 
sinistra sich wenden (s. unten). Nur von der kaudodorsalen Partie 
der linken Herzbeutelwand entwickeln sich meist 2—3 Lymphgefäße, 
die teils im Mediastinum direkt in die Höhe steigen und in die 
Lgl. bifurcationis media (b') einmünden. 

c) Die Lymphgefäße vom postkardialen Teil des Mediastinum 

(Fig. 17 «, «*, « 2 ) suchen die Lgl. sternalis, die Lgl. bifurcationis media 
und die Lgl. lumbalis aortica cranialis auf. Die Lymphgefäße von 
dem dorsalen Teil des postkardialen’Mediastinum, demjenigen, 
der kaudal vom Arcus aortae zwischen Aorta thoracica und Oeso¬ 
phagus sich ausspannt (*>), verlaufen teils nach vorn zur Lgl. bi¬ 
furcationis media (b 1 ), zum Teil nach hinten; die letzteren gesellen sich 
zum Teil zu den Lymphgefäßen der Pars lumbalis des Zwerchfells 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


599 


(s. S. 595) und treten mit ihnen durch den Aortenschlitz in die Bauch¬ 
höhle zur Lgl. lumbalis aortica cranialis (d),- zum anderen Teil (f) ge¬ 
sellen sie sie sich zu den Lymphgefäßen der Speiseröhre und treten 
mit diesen durch den Hiatus oesophageus in die Bauchhöhle (Fig. 28 i r) 
und münden in die Lgl. gastrica, Lgl. lienales oder die Lgl. portarura 
sinistra (Fig. 28 i, »); die Lymphgefäße von dem direkt ventral vom 
Oesophagus zwischen diesem und dem N. phrenicus sinister ge¬ 
legenen Teil des Mediastinum (6*) münden zum größeren Teil in die 
Lgl. bifurcationis mcdia (b'). Sie wenden sich im allgemeinen nach 
dem Truncus oesophageus ventralis der Nn. vagi hin und ziehen in 
seiner Begleitung zu dem genannten Lymphknoten, wobei sie sich zu 
2 —3 Stäramchen vereinigen; ein kleiner Teil von diesen Lymphgefäßen 
gesellt sich aber auch zu den nachfolgend beschriebenen, das Zwerch¬ 
fell (tarchbohrenden Lymphgefäßen (e). Von dem ventralen (ventral 
vom N. phrenicus sinister gelegenen) Teile des postkardiaien 
Mediastinum vereinigen sich die Lymphgefäße zu 3—4 Stämmchen, 
von denen 1—2 in der Nähe des N. phrenicus ins Zwerchfell ein- 
treten, dieses an oder nahe dem Centrum tendineum durchbohren (e) 
und unter dem Pcritonaeum nach dem Oesophagusschlitz und von hier 
zur Lgl. lumbalis aortica cranialis oder zur Lgl. gastrica, der Lgl. por- 
tarum sinistra oder den Lgl. lienales verlaufen; es kann eines dieser 
Lymphgefäße aber auch zu den zur Lgl. bifurcationis media (b') 
ziehenden Lymphgefäßen sich gesellen. Die anderen 1—2 Stämmchen 
wenden sich ventral oder direkt an das Zwerchfell, treten mit ent¬ 
sprechenden des Zwerchfells unter den M. transversus thoracis und 
münden in die Lgl. sternalis (c). 

Die Lymphgefäße der Hohlveneofalte verhalten sich genau 
so wie die des ventralen Teiles des postkardialen Mediastinum. 

4. Lymphgefäße des Peritonaenm. 

Di^ Lymphgefäße des Peritonaeum suchen die Lgl. lumbales 
aorticae craniales, Lgl. iliacae mediales, Lgl. inguinales profundae, 
Lgl. sternales, der Lgl. portarum sinistra und Lgl. gastrica auf. 

Von der kaudalen Hälfte des Peritonaeum ziehen sie jeder- 
seits zur Lgl. iliaea medialis, indem sie allmählich zu 2—3 Stämm¬ 
chen sich vereinigen, die sich nach der A. und V. circumflexa ilium 
profunda wenden und diese bis zu dem genannten Lymphknoten be¬ 
gleiten. Nur vom Peritonaeum an der kaudalen Hälfte der ventralen 
Bauchwand ziehen sie mehr oder weniger mit der A. und V. epi- 



600 


HERMANN BAUM, 


gastrica caudalis nach dem inneren Schenkelring hm, treten hier an 
die A. und V. iliaca ext. und ziehen mit diesen auch zur Lgl. iliaca 
medialis. Ist ein Lgl. inguinalis profunda zugegen, tritt ein Teil dieser 
Lymphgefäße erst in diese ein. Von der kranialen Hälfte des 
Peritonaeum wenden sich die Lymphgefäße im allgemeinen in dor¬ 
saler Richtung nach der A. und V. lumboabdominalis und wenden sich in 
deren Begleitung zur Lgl. lumbalis aortica cranialis. Nur von dem 
an der ventralen ßauchwand und am ventralen Teil der seitlichen 
Bauchwand gelegenen Teil der kranialen Hälfte ziehen sie zur Lgl. 
sternalis; diese Lymphgefäße treten am Ansatz des Zwerchfelles am 
Schaufelknorpel in die Brusthöhle und begleiten die A. und V. 
mammaria interna bis zu dem genannten Lymphknoten. Vom Peri¬ 
tonaeum des an das Zwerchfell angrenzenden Teiles der seit¬ 
lichen und ventralen Bauchwand tritt ein Teil der beschriebenen 
Lymphgefäße an das Zwerchfell und gesellt sich zu dessen Lymph¬ 
gefäßen und kann mit diesen nicht nur zur Lgl. lumbalis aortica 
cranialis und Lgl. sternalis, sondern auch zur Lgl. bifurcationis me- 
dia, Lgl. gastrica, Lgl. portarum sinistra und selbst den Lgl. lienales 
ziehen. 

Peritonäallymphgefäße, die an das Zwerchfell treten und an diesem sub- 
peritonäal zur Lgl. lumbalis aortica cranialis verlaufen, solche die zur Lgl. sternalis 
ziehen, sowie solche, die durch das Zwerchfell hindurchtreten, subpleural an diesem 
sichtbar werden und subpleural zur Lgl. lumbalis aortica cranialis und der Lgl. 
sternalis verlaufen, sowie zu den Lymphgefäßen des Zwerchfells sich gesellen, die 
zur Lgl. portarum sinistra und zur Lgl. gastrica gehen, sind direkt beobachtet 
worden. Lymphgefäße, die mit Zwerchfellslyrapbgefäßen zu den Lgl. lienales und 
zur Lgl. bifurcationis raedia gehen, konnten zwar nicht direkt nachgewiesen werden, 
es kann aber wohl keinem Zweifel unterliegen, daß solche Lymphgefäße da sind; 
es wird nur vom Zufall abhanden, ob sie sich füllen, und allzu oft kann man die 
Injektion nicht ausführen, da dies zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. 

5. Die Lymphgefäße des Netzes. 

Die Lymphgefäße vom rechten Teil (Hälfte) des Netzes (Fig. 25 f, 
und 26 ü) gehen, meist in Begleitung der Blutgefäße (Venen), zur 
Lgl. omentalis (Fig. 25 i) und der Lgl. duodenalis (Fig. 25 > u. 
26 a) und beim Fehlen der Lgl. omentalis alle zur Lgl. duo¬ 
denalis; die des linken Teiles (Hälfte) münden in die Lgl. lie¬ 
nales (Fig. 25 < u. 26 d, d'), und zwar verhalten sich die Lymphgefäße 
von beiden Wänden des Netzbeutels gleich, nur daß die Lymphgefäße 
der rechten Hälfte der ventralen Wand (Fig. 26) nur zur Lgl. duo- 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


601 


denalis, nicht auch zur Lgl. omentalis gehen. Die größeren Lymph- 
gefäßstämmchen verlaufen wohl alle in den Fettstreifen des Netzes. 

In einem Falle ging ein Lymphgefäß der dorsalen Wand des Netzbeutels 
über das Pankreas hinweg direkt zur Lgl. portarum sinistra (Fig. 26 c). 

6. Lymphgefäße der Verdauungsorgane. 

Die Lymphgefäße der Verdauungsorgane wurden von allen ein¬ 
zelnen Teilen derselben festgestellt. 

1. Lymphgefäße der Ober- und Unterlippe des Hundes. 

Die Lymphgefäße der Oberlippe ziehen (s. Fig. 13) alle 
nach den Lgl. mandibulares hin und zwar zu beiden Gruppen derselben. 
Der größte Teil von ihnen liegt zwischen Haut und Hautmuskel, ein 
kleinerer Teil durchbohrt jedoch auch den Hautmuskel und gelangt 
an dessen Unterseite; ein weiterer Teil der Lymphgefäße beschreibt 
auf dem M. masseter große, kaudodorsal konvexe Bogen, während 
wieder andere Lymphgefäße im Kehlgang verlaufen. Interessanter 
Weise überschreitet ein Teil der Lymphgefäße im Kehlgange die 
Medianebene, so daß Lymphgefäße von der linken Hälfte der Ober¬ 
lippe in die rechten Lgl. mandibulares einmündet und umgekehrt. 

Die Lymphgefäße der Unterlippe münden auch in die Lgl. 
mandibulares; sie gesellen sich im wesentlichen zu denen der Haut 
des Kehlganges (s. Fig. 13) und überschreiten zum Teil mit diesen 
die Medianebene, so daß sie in die anderseitigen Knoten münden. 

Den geschilderten Verlauf nehmen die Lymphgefäße von allen Teilen der Lippen 
(Haut, Muskulatur, Schleimhaut). Die Lymphgefäße von der Schleimhaut der 
Oberlippe treten in der Regel zwischen dem Ende des M. zygomaticus und dem 
M. levator nasolabialis, die der Schleimhaut der Unterlippe am ventralen Rand des 
Backenmuskels in der Nähe des Lippenwinkels hervor und gesellen sich zu den 
übrigen. 

Die Lymphgefäße beider Lippen wurden 11 mal injiziert; in keinem Falle 
gingen Lymphgefäße zur Lgl. parotidea, auch von der Oberlippe nicht. Ich er¬ 
wähne diesen negativen Befund, weil beim Rinde die Lymphgefäße beider Lippen 
zu den Lgl. mandibulares und der Lgl. parotidea, sogar zur Lgl. retropharyngea 
lateralis ziehen. Nicht selten findet, wie schon erwähnt, ein Ueberkreuzen der 
Medianebene durch Lymphgefäße der Lippen statt; ich konnte es bei 
kleineren Hunden noch nachweisen bei Injektionen, die 1 cm seitlich von der 
Medianebene in eine der Lippen erfolgten. 

2. Lymphgefäße der Zunge. 

Die Lymphgefäße der Zunge münden zum kleineren Teile in 
die Lgl. mandibulares und zum weitaus größeren Teile in die Lgl. 



602 


HERMANN BAUM, 


retropharyngea medialis; zu beiden Lymphknotengruppen gehen die 
Lymphgefäße der Zungenspitze, während die des Zungenkörpers und 
des Zungengrundes nur die Lgl. retropharyngea medialis aufsuchen. 

a) Die Lymphgefäße der Zungenspitze (Fig. 14«, «'.6“) ziehen 
teils zu den Lgl. mandibulares (t, t'), teils zur Lgl. retropharyngea 
medialis (u) und zerfallen in oberflächliche und tiefe. Die ober¬ 
flächlichen treten unter der Schleimhaut an der ventralen Seite der 
Zungenspitze hervor und verlaufen zum Teil («) an der Außenseite 
des M. mylohyoideus zu den Lgl. mandibulares, zum anderen Teile 
(e-, 6") aber schlagen sie sich um den vorderen oder den ventralen 
Rand des M. genioglossus um auf dessen mediale Seite und gesellen 
sich zu den tiefen Lymphgefäßen. Die tiefen Lymphgefäße treten 
zwischen den Zungenmuskeln hervor und verlaufen insbesondere in 
der Tiefe an der lateralen und medialen Seite des AI. genioglossus; 
sie treten dann teils am ventralen Rande des M. styloglossus, teils 
durch den M. hyoglossus hervor und wenden sich über die Pharynx- 
muskulatur zur Lgl. retropharyngea medialis. 

i 

In der Zungenspitze findet*daboi wohl stets ein Ueberkreuzen d er Median¬ 
ebene durch die Lymphgefäße statt, so daß bei Einstich in die linke Zungenhälfto 
die Lymphgefäße auch zu den rechtsseitigen Knoten gehen und umgekehrt. 

b) Die Lymphgefäße des Zungenkörpers (Fig. 14 ?•. ?, v. *) 
münden in die Lgl. retropharyngea medialis. Sie kommen zum kleineren 
Teile als oberflächliche Lymphgefäße (?) unter der Schleimhaut der 
Zungenseitenfläche und zum weitaus größeren Teile als tiefe (r .») 
unter dem M. styloglossus, teils auch durch den AI. hyoglossus (s) zum 
Vorschein und ziehen mit den entsprechenden Lymphgefäßen der Zungen¬ 
spitze über die Pharynxmuskulatur zum genannten Lymphknoten. 

c) Die Lymphgefäße des Zungengrundes münden alle in die 
Lgl. retropharyngea medialis. Zum Teil treten sie durch den M. 
hyoglossus (Fig. 14 5. ;>), zum Teil an seinem kaudodorsalen Rande 
(Fig. 14«') hervor und gelangen weiter in Form von 2—3 Gefäßen 
über die Pharynxmuskulatur zum genannten Lymphknoten. Ein 
weiterer Teil der Lymphgefäße des Zungengrundes verläuft aber auch 
vom Zungengrunde aus zunächst unter der Schleimhaut der Schlund¬ 
kopfhöhle weiter und durchbohrt die Pharynxmuskulatur; besonders 
treten diese Lymphgefäße durch den AI. keratopharyngeus (Fig. 14 «") 
oder zwischen ihm und Al. thyreopharyngeus (Fig. 14 «) hervor und 
gehen dann auch direkt zur Lgl. retropharyngea; meist handelt es 
sich dabei auch um 2—3 Lymphgefäße. 



Das Lyrapbgefäßsystem des Hundes. 


603 


d) Die Lymphgefäße der Zungen- und Zungenbeinmuskeln 
(M. mylohyoideus, M. geniohyoideus, M. genioglossus, M. stylo- 
glossus, M. hyoglossus, M. jugulohyoideus, M. stylohyoideus 
und M. hyothyreoideus) münden in die Lgl. retropharyngea medialis, 
nur vom M. mylohyoideus ein Teil gleichzeitig in die Lgl. mandi¬ 
bulares (cf. Fig. 14 u. 15). 

Der M. mylohyoideus (Fig. 14 u. 15 a) sendet seine Lymph¬ 
gefäße teils zu den Lgl. mandibulares, teils zur Lgl. retropharyngea 
medialis. 

Es sind sehr feine Lymphgefäße, die an der Außenseite des Muskels hervor¬ 
treten und nun teils (meist 2 Gefäße) direkt zu einer Lgl. mandibularis ventralis, 
teils (meist 1 Gefäß) auf dem M. hyothyreoideus und der Pharynxmuskulatur zur 
Lgl. retropharyngea medialis ziehen. 

Die Lymphgefäße des M. geniohyoideus (Fig. 14 b) münden in 
die Lgl . retrophangngea medialis (n). 

Sie treten am dorsalen Rande des Muskels oder in seiner Nähe hervor und 
verlaufen teils über die laterale, teils über die mediale Seite des M. hyoglossus 
und des weiteren über die Pharynxmuskulatur zur Lgl. retropharyngea medialis. 

Der M. genioglossus (Fig. 14 c) schickt seine Lymphgefäße zur 
Lgl. retropharyngea medialis (u). 

Sie kommen wesentlich im vorderen und mittleren Drittel des Muskels an 
dessen lateraler Seite hervor und verlaufen zwischen ihm und M. hyoglossus 
aboral, wobei sie sich zu 1—3, große Netze bildenden Lymphgefäßen vereinigen, 
die über die Schlundkopfmuskulatur zum genannten Lymphknoten ziehen. 

Den M. styloglossus (Fig. 14 e) verlassen 3—4 Lymphgefäße, die 
in die Lgl. retropharyngea medialis (u) münden. 

Sie treten teils an der medialen Seite, teils am ventralen Rande, vereinzelt 
auch an der lateralen Seite des Muskels nahe dessen ventralem Rande hervor und 
ziehen von der hinteren (aboralen) Hälfte des Muskels über die Pharynxmuskulatur 
direkt zum genannten Lymphknoten; die aus der oralen (vorderen) Hälfte des 
Muskels hervortretenden Lymphgefäße kreuzen mit Vorliebe die mediale Seite des 
M. hyoglossus, wobei sie nicht selten große, oral gekehrte Schlingen bilden. 

Die Lymphgefäße des M. jugulohyoideus und stylohyoideus 
ziehen in Form von 1—2 Gefäßen direkten Weges auf der Pharynx¬ 
muskulatur zur Lgl. retropharyngea medialis. 

Die Lymphgefäße des M. hyoglossus (Fig. 14d) treten an 
beiden Flächen des Muskels hervor und vereinigen sich von jeder 
Fläche in der Regel zu 1 Stämmchen, das über die Pharynxmusku¬ 
latur zur Lgl. retropharyngea medialis (u) geht. 

Den M. hyothyreoideus (Fig. 14 p) verlassen an seinen beiden 
Flächen 3—4 feine Lymphgefäße, die direkt dorsal zur Lgl. retro¬ 
pharyngea medialis (u) ziehen. 



604 


HERMANN BAUM, 


3. Die Lymphgefäße der Schleimhaut des freien MundhShlenbodeils 

münden teils in die Lgl. mandibulares, teils in die Lgl. retropharyngea 
medialis. Die ersteren Lymphgefäße (1—2 feine Stämmchen) durch¬ 
bohren den M. mylohyoideus, gelangen an seine Anßenseite und von 
hier direkt zu den Lgl. mandibulares. Die zur Lgl. retropharyngea 
medialis ziehenden Gefäße (auch 1—2 Stämmchen) gesellen sich zu 
denen der Zungenspitze, treten zwischen M. geniohyoideus und genio- 
glossus hindurch an die mediale Seite des M. mylohyoideus und ver¬ 
laufen an dieser nach der Lgl. retropharyngea medialis hin. 

4. Die Lymphgefäße des Zahnfleisches. 

Die Lymphgefäße des Zahnfleisches sind bereits von Schweitzer 
(26) genau untersucht worden. Ich habe sie trotzdem mehrere Male 
injiziert und konnte die Schweitzerschen Angaben fast durchweg 
bestätigen. Die Ergebnisse waren folgende: 

Die Lymphgefäße des Zahnfleisches ziehen zum weitaus größeren 
Teile zu den Lgl. mandibulares, zum kleineren Teile zur Lgl. retro¬ 
pharyngea medialis und zwar zu den ersteren Lymphknoten vom 
Zahnfleisch an der bukkalen und labialen, sowie lingualen Seite der 
oberen und unteren (Schneide- und Back-) Zähne, zur Lgl. retropha¬ 
ryngea medialis von dem Zahnfleisch an der lingualen Seite der 
(Schneide- und Back-) Zähne, wobei sich die Lymphgefäße vom 
Zahnfleisch an der lingualen Seite der oberen Schneide- und 
Backzähne zu den Lymphgefäßen des harten Gaumens ge¬ 
sellen (s. diese S. 606). 

1. Die Lymphgefäße des Zahnfleisches an der labialen 
Seite der Zwischenkieferschneidezähne und an der bukkalen 
Seite des maxillaren Hakenzahnes und der maxillaren Back¬ 
zähne bilden in und unter der Schleimhaut ein äußerst dichtes, fein¬ 
maschiges Lymphgefäßnetz, aus dem sich eine große Anzahl feiner 
Lymphgefäße entwickelt; diese vereinigen sich zu mehreren (5—7) 
Stämmchen, die zunächst eine Strecke weit unter der Lippen- und 
Backenschleimhaut verlaufen, dann an verschiedenen Stellen die 
Backenmuskulatur durchbrechen (Fig. 13 6) und mit den Lymphgefäßen 
der Oberlippe und der Backenschleimhaut zum oralen Rande des 
M. masseter und des weiteren fast alle über die laterale Fläche des¬ 
selben zu den Lgl. mandibulares (j, v, »") und zwar fast ausnahmslos 
nur zur dorsalen Gruppe derselben ziehen. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


605 


Ausnahmsweise münden 1—2 dieser Gefäße in eine Lgl. mandibularis ventralis. 
Immerhin dürfte der Fall nicht so selten sein, wie man nach der Schweitzerschen 
Beschreibung annehmen muß; in 6 Fällen beobachtete ich den Befund 2 mal. Bei 
Einstich in das Zahnfleisch der oberen Schneidezähne in der Medianebene füllen 
sich Lymphgefäße nach den Lgl. mandibulares beider Seiten hin. Es füllen sich 
aber auch noch Lymphgefäße nach beiden Seiten hin bei Einstich an der Grenze 
des Ji zum J 2 nur einer Seite. 

2. Die Lymphgefäße des Zahnfleisches an der labialen 
Seite der mandibularen Schneidezähne und an der bukkalen 
Seite des mandibularen Hakenzahnes und der mandibularen 
Backzähne bilden in und unter der Schleimhaut gleiche Netze, wie 
oben erwähnt; die aus ihnen entstehenden Lymphgefäße bilden schlie߬ 
lich 5—7 Stämmchen, die teils durch den ventralen Teil des M. buccalis 
hindurch-, teils an dessen ventralem Rande hervortreten (Fig. 13 t) 
und mehr oder weniger nach der Incisura vasorum verlaufen, wobei 
ein Teil von ihnen nicht selten eine mehr oder weniger lange Strecke 
nach dem Kehlgange sich wendet; von der Incisura vasorum aus 
münden sie in die Lgl. mandibulares ventrales (*', a") ein, nur aus¬ 
nahmsweise geht eines dieser Lymphgefäße in die Lgl. mandibularis 
dorsalis. 

Sind 2 hintereinander gelegene Lgl. mandibulares ventrales vorhanden, dann 
münden die Lymphgefäße von der Schneidezahngegend vorwiegend in den aboralen, 
die von der Backenzahngegend in den oralen der beiden Knoten ein. 

3. Die Lymphgefäße des Zahnfleisches an der lingualen 
Seite der mandibularen Backzähne, des mandibularen Haken¬ 
zahnes und der mandibularen Schneidezähne ziehen auf drei ver¬ 
schiedenen Wegen zu den Lgl. mandibulares ventrales und der Lgl. 
retropharyngea medialis. 

1. Ein Teil tritt am Backzahnrande des Unterkiefers zwischen 
je 2 Zähnen zur lateralen Seite hindurch, gesellt sich zu den Lymph¬ 
gefäßen vom Zahnfleisch an der lateralen Seite der Backzähne (Fig. 13 t) 
und verläuft mit ihnen zu den Lgl. mandibulares ventrales (a-, 9-). 

Ausnahmsweise mündet eines dieser Lymphgefäße auch in die Lgl. mandibu¬ 
laris dorsalis. Es wurde dies beobachtet vom Zahnfleisch der Molaren aus. 

2. Ein weiterer Teil der Lymphgefäße durchbohrt den M. mylo¬ 
hyoideus, gelangt an dessen Außenseite und verläuft in kaudaler 
Richtung zu den Lgl. mandibulares ventrales und über die Pharynx¬ 
muskulatur zur Lgl. retropharyngea. 

3. Ein dritter Teil der Lymphgefäße verläuft an der medialen 
Seite des M. mylohyoideus kaudal, um vom hinteren (kaudalen) Rande 
des genannten Muskels aus teils über die Pharynxmuskulatur zur Lgl. 



606 


HERMANN BAUM, 


retropharyngea zu ziehen, teils über die mediale Seite des M. di- 
gastricus herab zu den Lgl. mandibulares ventrales zu gehen. 

4. Die Lymphgefäße des Zahnfleisches an der lingualen 
Seite der oberen Schneide-, Haken- und Backzähne gesellen 
sich zu denen der Schleimhaut des harten Gaumens und ziehen mit 
ihnen zu den Lgl. mandibulares und der Lgl. retropharyngea medialis 
(s. Lymphgefäße des harten Gaumens S. 607). 

Bisweilen, überkreuzt ein Lymphgefäß vom Zahnfleisch der Schneide- und 
Hakenzähne die Medianebene und tritt in die entsprechenden Lymphknoten der 
anderen Seite ein. Die Angabe von Schweitzer, daß stets 3 mandibulare 
Lymphknoten, ein dorsaler und zwei ventrale, vorhanden seien und daß die regio¬ 
näre Zugehörigkeit der einzelnen Lymphknoten eine scharf abgegrenzte sei insofern, 
als vom Oberkieferzahnfleisch (mit Ausnahme eines Falles) sämtliche Lymphgefäße 
zum dorsalen Knoten, vom Unterkieferzahnfleisch zu den beiden ventralen Knoten 
ziehen, konnte ich nicht bestätigen, schon deshalb nicht, weil die Zahl der Knoten 
dieser Gruppe von 2—5 schwankt (S. 526), und selbst dann, wenn 3 Knoten in 
der geschilderten Lage Vorkommen, erleidet die Angabe von Schweitzer viel Aus¬ 
nahmen (s. S. 527). 


6. Die Lymphgefäße der Backe. 

Die Lymphgefäße der Backe, und zwar aller Schichten derselben 
(Haut, Muskulatur, Schleimhaut, ventrale Backendrüsen), münden in 
die Lgl. mandibulares (s. Fig. 13). 

Die L. der Schleimhaut der Backe durchbohren an verschiedenen Stellen 
die Backenmuskulatur und gesellen sich zu den Lymphgefäßen der Haut der Backe. 

Die dorsalen Backendrüsen sind beim Hunde bekanntlich in 
die Orbita gerückt und werden als Gland. zygomatica bezeichnet 
(Fig. 14 i). Ihre Lymphgefäße ziehen zu den Lgl. mandibulares. 
Sie treten zum kleineren Teil an der lateralen, zum größeren an der 
medialen Seite der Drüse hervor (14 1 ") und gesellen sich zu den 
Lymphgefäßen des harten und weichen Gaumens, die um die Beule 
des Oberkieferbeins bzw. um den letzten Backzahn herum an die 
mediale Seite des M. raasseter treten (r) und des weiteren zu den 
Lgl. mandibulares verlaufen. 

Die Lymphgefäße der Gland. zygomatica wurden bei 4 Hunden, bei 2 von 
ihnen beiderseits, untersucht; in keinem dieser Fälle waren Lymphgefäße 
zur Lgl. retropharyngea medialis zu verfolgen. 

6. Die Lymphgefäße des harten Gaumens einschließlich des Zahn¬ 
fleisches an der lingualen Seite der maullaren (Schneide-, Haken- 

und Back-) Zähne. 

Die Lymphgefäße des harten Gaumens suchen zum weitaus 
größten Teile die Lgl. mandibulares und nur zum kleineren Teile und 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


607 


zwar von dem an das Gaumensegel angrenzenden Teile des harten 
Gaumens die Lgl. retropharyngea medialis auf. 

Die Lymphgefäße vom vorderen und mittleren Drittel 
des harten Gaumens (von den oberen Schneidezähnen bis zum 
4. Backenzahn) gesellen sich, indem sie durch die normalen Zahn¬ 
lücken nach außen hindurchtreten, zu den Lymphgefäßen vom Zahn¬ 
fleisch an der labialen Seite der oberen Schneidezähne und der 
bukkalen Seite der maxillaren Haken- und Backzähne (s. S. 604) und 
ziehen mit ihnen zu den Lgl. mandibulares. 

Sie bilden in und unter der Schleimhaut des harten Gaumens ausgedehnte 
Netze; die Folge davon ist u. a., daß Ueberkreuzungen der Medianebene 
sehr oft Vorkommen, so daß wohl fast stets bei Einstich in eine Hälfte des harten 
Gaumens Lymphgefäße auch zu den anderseitigen Lymphknoten hinziehen. Die 
einzelnen Lymphgefäße können ziemlich große Strecken unter der Schleimhaut ver¬ 
laufen, so daß sie an allen Stellen (bis zum M. masseter hin) durch die Backen¬ 
muskulatur hindurchtreten können (Fig. 13 6 u. 7). In den genauer untersuchten 
Fällen mündeten sie vom vorderen Drittel in die dorsale und ventrale Gruppe der 
Lgl. mandibulares (2, 3"), vom mittleren Drittel hingegen nur in die Lgl. mandi- 

bularis dorsalis (»). 

Vom hinteren (kaudalen) Drittel des harten Gaumens ziehen 
die Lymphgefäße z. T. auch noch zu den Lgl. mandibulares, vom 
übrigen Teil zu der Lgl. retropharyngea medialis. Die ersteren Lymph¬ 
gefäße (Fig. 14 1 ') gebfifl um den letzten Backzahn herum lateral, ge¬ 
sellen sich hier zu den entsprechenden Zahnfleischlymphgefäßen (S. 604), 
treten mit ihnen unter dem M. masseter hervor und ziehen zur Lgl. 
mandibularis dorsalis herab. Die in die Lgl. retropharyngea medialis 
einmündenden Lymphgefäße (Fig. 14 i) stammen vom hintersten, d. h. 
dem an das Gaumensegel angrenzenden Teil des harten Gaumens; 
sie verlaufen über beide Flächen des M. pterygoideus und gesellen 
sich zu den entsprechenden des Gaumensegels und der Mandel (siehe 
Lymphgefäße der Mandel S. 608). 

7. Lymphgefäße des Gaumensegels und der Mandel. 

Die Lymphgefäße des Gaumensegels ziehen teils zu den 
Lgl. mandibulares , teils zur Lgl. retropharyngea medialis. Zu beiden 
Lymphknotengruppen gehen sie vom vorderen (oralen) Teil des 
Gaumensegels einschließlich Arcus glossopalatinus und ein¬ 
schließlich der den Sinus tonsillaris umgebenden Schleim¬ 
hautfalte, während sie vom hinteren (aboralen) Teil des Gaumen¬ 
segels ausschließlich die Lgl. retropharyngea medialis aufsuchen. 
Die in die Lgl. mandibularis (dorsalis) mündenden Lymphgefäße 



608 


HERMANN BAUM, 


(Fig. 14 i'. r) verlaufen unter der Schleimhaut bis zur Gegend des 
letzten Backzahnes hin, gesellen sich zu den entsprechenden Lymph¬ 
gefäßen vom hinteren Teil des harten Gaumens (s. S. 607), treten mit 
ihnen unter dem M. masseter hervor und ziehen zur Lgl. mandibularis 
(dorsalis) herab. Ein kleiner Teil dieser Lymphgefäße verläuft an 
der medialen Seite des Unterkiefers zwischen Schleimhaut und M. mylo¬ 
hyoideus ventral und etwas kaudal, durchbohrt dann den M. mylo¬ 
hyoideus und zieht zur Lgl. mandibularis (ventralis). Die in die Lgl. 
retropharyngea medialis mündenden Lymphgefäße (Fig. 14 i, a) verlaufen 
mit den entsprechenden vom hinteren Teil des harten Gaumens und 
mit den entsprechenden Lymphgefäßen der Mandel zum genannten 
Lymphknoten (Näheres s. unten: Lymphgefäße der Mandel). 

Die Lymphgefäße der Mandel münden in die Lgl. retropharyngea 
medialis. Sie verlassen in Form von 3—5 Lymphgefäßen die Mandel, 
treten hinter dem Arcus palatoglossus hervor (Fig. 14«,s) } kreuzen 
medial vom M. digastricus den M. styloglossus und zwar so, daß sie 
über die laterale oder auch über die mediale Fläche des Muskels 
ziehen oder ihn auch durchbohren, um dann über die Pharynxmusku¬ 
latur zu dem genannten Lymphknoten weiterzuziehen. Ein Teil von 
ihnen verläuft auch unter der Schleimhaut der seitlichen Pharynxwand 
weiter, durchbohrt’ dann die Pharynxmuskulatur und zwar (Fig. 14) 
entweder den M. hyoglossus oder den M. keratopharyngeus, oder sie 
treten zwischen M. hyothyreoideus (p), M. keratopharyngeus (m) und 
M. thyreopharyngeus (n) hervor ( 4 ) und ziehen über die Pharynx¬ 
muskulatur ebenfalls zur Lgl. retropharyngea medialis (u). 

Die Lymphgefäße der den Sinus tonsillaris umgebenden Schleim¬ 
hautfalte ziehen ebenfalls zur Lgl. retropharyngea medialis; nur von der dem 
Sinus abgekehrten Platte der Falte kann dieses oder jenes Lymphgefäß mit den ent¬ 
sprechenden des Gaumensegels auch zu den Lgl. mandibulares gehen (Fig. 14 s 1 ). 

8 . Die Lymphgefäße der großen Speicheldrüsen (Glandula sub- 
lingualis, submaxillaris und parotis). 

a) Die Lymphgefäße der Glandula sublingualis (Fig. 15 r, r') 
münden in die Lgl. mandibulares und die Lgl. retropharyngea medialis 
und zwar von der Gland. sublingualis parvicanalaris in beide Lyraph- 
knotengruppen, von der Gland. sublingualis grandicanalaris hingegen 
nur in die Lgl. retropharyngea medialis. 

Aus der Gland. sublingualis parvicanalaris (r') treten mehrere 
Lymphgefäße hervor, die sich zu 2—3 Stämmchen vereinigen. 1—2 von 
diesen ( 1 ) verlaufen, indem sie sich zu den Lymphgefäßen des Zahn- 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


609 


\ 


fleisches an der lingualen Seite der mandibularen Backzähne (Gruppe 2) 
gesellen, zwischen der Schleimhaut an der medialen Seite des Kiefers 
und dem M. mylohyoideus eine verschieden große Strecke nach vorn, 
biegen dann ventral um, durchbohren den M. mylohyoideus und 
münden in die Lgl. mandibularis ventralis. Sie stammen im wesent¬ 
lichen vom vorderen Teil der Gland. sGblingualis parvicanalaris. 
Weitere 1—2 Lymphgefäße hingegen ziehen zur Lgl. retropharyngea 
raedialis. Sie stammen im wesentlichen aus dem hinteren Teil der 
Gland. sublingualis parvicanalaris, wie es Fig. 15 zeigt, und verlaufen 
von der Drüse aus unter dem M. digastricus hinweg zum ge¬ 
nannten Lymphknoten. Die aus der Gland. sublingualis grandicana- 
laris (r) hervortretenden Lymphgefäße vereinigen sich auch zu 
mehreren (meist 2) Stämmchen, die sich um den nasodorsalen Rand 
des M. digastricus' auf dessen mediale Seite Umschlagen, sich dabei 
zu der 2. Gruppe der Lymphgefäße der Gland. sublingualis parvi¬ 
canalaris gesellen und mit ihnen zur Lgl. retropharyngea medialis (t) 
ziehen. 

b) Die Glandula submaxillaris (Fig. 15 q) sendete ihre Lymph¬ 
gefäße in 4 untersuchten Fällen zur Lgl. retropharyngea medialis (t). 
Die Lymphgefäß.e treten in der Zahl 3—5 im wesentlichen an der 
medialen Fläche, z. T. aber auch am kaudalen Rande der Drüse her¬ 
vor und ziehen über beide Flächen des M. digastricus zur Lgl. retro¬ 
pharyngea medialis. 

c) Die Lymphgefäße der Parotis (Fig. 15p) münden teils in 
die Lgl. pärotidea (s), teils in die Lgl. retropharyngea medialis (t). 
Die zur Lgl. parotidea ziehenden Lymphgefäße stammen im wesent¬ 
lichen von der oralen Hälfte der Drüse und treten an ihrer Unterfläche 
hervor, während die in die Lgl. retropharyngea medialis mündenden 
Lymphgefäße im wesentlichen von der kaudalen Hälfte der Parotis 
stammen und, nachdem sie die Drüse an deren Unterfläche verlassen 
haben, in Form von 4—5 Gefäßen teils über die laterale, teils über die 
mediale Seite des M. digastricus zum genannten Lymphknoten gehen. 

Zu den Lgl. mandibulares ziehende Lymphgefäße konnten in 6 genauer unter¬ 
suchten Fällen nicht festgestellt werden. Es wurde auf diesen Befund um so 
genauer geachtet, als beim Rinde die Parotis stets Lymphgefäße auch zu den Lgl. 
mandibulares schickt. 

9. Die Lymphgefäße des Schlundkopfes. 

Die Lymphgefäße des Schlundkopfes (Fig. 14) münden in 
die Lgl. retropharyngea medialis (u). Die Lymphgefäße der 

Archiv f. wissensch. n. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. ug 


I 



610 


HERMANN BAUM, 


Schleimhaut bilden in und unter dieser reichliche Netze. Die 
aus diesen Netzen sich entwickelnden Lymphgefäße verlaufen eine 
Strecke weit zwischen Schleimhaut und Muskulatur und dann auf 
der letzteren direkten Weges zu dem genannten Lymphknoten, 
indem sie sich auf ihrem Wege zu 2—4 Stämmchen vereinigen. 
Durch die Pharynxmuskulatur treten die Lymphgefäße mit Vorliebe 
in dem Winkel zwischen M. keratopharyngeus, thyreopharyngeus und 
hyothyreoideus (<, 4-, 4") und zwischen M. stylopharyngeus und kerato¬ 
pharyngeus. 

Die Lymphgefäße der Pharynxmuskeln gesellen sich zu 
denen der Schleimhaut und münden mit ihnen in die Lgl. retro- 
pharyngea medialis (s. diese Muskeln auch beim Kehlkopf). 

10. Die Lymphgefäße der Speiseröhre (Oesophagus). 

Die Lymphgefäße der Speiseröhre lassen sich sowohl von der 
Muskelschicht als auch von der Schleimhaut der Speiseröhre aus in¬ 
jizieren; beide ziehen aber, von einem Abschnitt der Speiseröhre aus 
gedacht, im allgemeinen zu denselben Lymphknoten. Sie bilden dabei 
in der Submucosa Netze, allerdings sehr grobe, und zwar werden diese 
Netze in erster Linie von den Lymphgefäßen der Schleimhaut gebildet, 
aber auch die Lymphgefäße der Muskelschicht beteiligen sich zum 
Teil an ihrer Bildung; bisweilen gelingt es, noch ein feines, an¬ 
scheinend in der Mucosa gelegenes Netzwerk zu injizieren, das durch 
das Epithel hindurchschimmert. Die aus den submukösen Netzen 
entstehenden feinen Lymphgefäße verlaufen sehr oft erst relativ große 
Strecken zwischen der Schleimhaut und Muskulatur, ehe sie letztere 
durchbohren und sich zu den Lymphgefäßen der Muskulatur gesellen. 
Andere Lymphgefäße der Schleimhaut durchbohren die Muskelschicht 
direkt und bilden mit den Lymphgefäßen der Muskulatur grobe Netze 
in der Adventitia, zum Teil wohl auch noch in der Muskulatur. Die 
aus den Lymphgefäßnetzen entstehenden Lymphgefäße münden in 
die Lgl. retropharyngea medialis, die Lgl. cervicales profundae, 
Lgl.mediastinales (craniales), Lgl. bifurcationis, Lgl.portarum sinistra, 
Lgl. limales und Lgl. gastrica. Im einzelnen verhalten sie sich 
wie folgt. 

a) Lymphgefäße des Halsteiles der Speiseröhre (Fig. 23 b, b). 
Die Lymphgefäße des Halsteiles der Speiseröhre münden in die 
Lgl. retropharyngea medialis (i), die Lgl. cervicales profundae (s. s, 4) 
und die Lgl. mediastinales (craniales) (6,6-); das genauere Verhalten ist 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


611 


wie folgt: Von dem Anfangsteil der Speiseröhre (ungefähr dem 
kopfseitigen l / A des Halsteiles der Speiseröhre) ziehen die Lymph¬ 
gefäße in der 1—3 Zahl in der Regel zur Lgl. retropharyngea medialis 
(i) und, falls eine Lgl. cervicalis cranialis ( 2 ) vorhanden ist, auch zu 
dieser und zwar zu den Knoten beider Seiten; öfter geht eines der 
Lymphgefäße aber auch zur Lgl. cervicalis media (3) oder caudalis (4) 
, bzw. beim Fehlen dieser zu einer Lgl. mediastinalis cranialis. 

Der Weg, den die Lymphgefäße zur Lgl. retropharyngea medialis 
einschlagen, ist ein verschiedener, indem diese Lymphgefäße entweder 
direkt auf der Pharynxmuskulatur zum genannten Lymphknoten ziehen ( 5 ) 
oder erst unter der Schleimhaut oral verlaufen und dann die Pharynx¬ 
muskulatur (meist in dem Winkel zwischen M. hyothyreoideus und 
M. keratopharyngeus) durchbohren (v); sie können dabei auf eine 
Strecke weit selbst an der medialen Seite des Schildtajorpels entlang 
ziehen. 

In einem Falle mündeten diese Lymphgefäße alle in eine zwischen Schild¬ 
drüse und Pharynxmuskulatur gelegene Lgl. cervicalis cranialis, keines in die 
Lgl. retropharyngea medialis; in anderen Fällen in beide Lymphknoten. 

In 2 von 7 untersuchten Fällen mündete 1 Lymphgefäß vom Anfangsteil der 
Speiseröhre in eine Lgl. cervicalis media, bzw. caudalis, in einem weiteren von 
diesen Fällen in eine Lgl. mediastinalis cranialis. 

Vom mittleren Abschnitt (Drittel) des Halsteiles der 
Speiseröhre (Fig. 23) gehen die Lymphgefäße im wesentlichen zur 
Lgl . cervicalis caudalis ( 4 ) [und media ( 3 )], zum Teil aber auch mit denen 
des kaudalen Abschnittes zu den Lgl . mediastinales craniales (6, &) 
(s. nächste Seite); fehlen die ersteren Lymphknoten, dann gehen die 
Lymphgefäße alle zu den Lgl. mediastinales (6,6'). 

In 8 genauer untersuchten Fällen waren 3 mal eine unpaare Lgl. cervicalis 
caudalis vorhanden. Zu ihr zogen (und zwar über die linke oder rechte Seite der 
Luftröhre) 1—2 Lymphgefäße, die aus dem mittleren Drittel des Halsteiles der 
Speiseröhre stammten und aus dem Zusammenfluß von 3—4 Einzellympbgefäßen 
entstanden waren. Im 4. Falle waren 8 Lgl. cervicales caudales vorhanden und 
alle 3 erhielten Lymphgefäße vom mittleren Drittel der Speiseröhre. In 2 Fällen 
fand sich eine linke Lgl. cervicalis media sinistra, die ebenfalls Lymphgefäße vom 
mittleren Drittel des Halsteilcs der Speiseröhre aufnahm; in einem dieser Fälle 
fand sich auch eine Lgl. cervicalis media dextra; auch sie erhielt Lymphgefäße von 
der Speiseröhre, die natürlich die Medianebene überkreuzten. Außer diesen Lymph¬ 
gefäßen trat in 3 der beschriebenen Fälle ein weiteres aus der Speiseröhre hervor, 
das sich zu den Lymphgefäßen vom kaudalen Abschnitt des Halsteilcs der Speise¬ 
röhre gesellte und mit ihnen zu den Lgl. mediastinales craniales ging (<*>)• In den 
2 übrigen Fällen fehlten die Lgl. cervicalis caudalis und media, und die Lymphgefäße 
mündeten alle in eine Lgl. mediastinalis und zwar in den untersuchten Fällen 
immer in eine Lgl. mediastinalis sinistra, entweder Lgl. mediastinalis cranialis sinistra 
prima oder den an der linken Seite der V. cava cranialis gelegenen Knoten. 

39 * 



612 


HERMANN BAUM, 


Vom kaudalen Abschnitte (Drittel) des Ilalsteilcs der 
Speiseröhre ziehen die Lymphgefäße (Fig. 23) zu den Lgl. media- 
stinales craniales («. ß 1 ). Es treten aus diesem Teil der Speiseröhre 
eine größere Anzahl feinster Lymphgefäße aus, die sich meist zu 
1—2 stärkeren Stämrachen vereinigen, die eventuell noch Lymphgefäße 
vom mittleren Abschnitt des Halsteiles der Speiseröhre aufnehmen 
(s. vorige Seite) und dann an der Speiseröhre (und zwar an ihren beiden 
Rändern und ihren beiden Flächen) durch den Brusthöhleneingang in 
die Brusthöhle treten und hier in eine Lgl. raediastinalis einraünden. 
In den untersuchten Fällen war es immer eine Lgl. raediastinalis 
sinistra, entweder die Lgl. mediastinalis cranialis prima («) oder der 
an der linken Seite der V. cava cranialis gelegene Knoten (6*). 

In einem Falle waren 2 solcher Lymphgefäße vorhanden; das eine von ihnen 
schlug sich in der Höhe des zweiten Interkostalraumes um den rechten Rand 
der Luftröhro um und trat über den ventralen Rand der Luftröhre zu dem ge¬ 
nannten Lymphknoten; das andere Lymphgefäß verlief erst eine relativ große 
Strecke (nämlich bis zum Brusthöhleneingang) zwischen Schleimhaut und Muskel¬ 
haut, durchbohrte die letztere und verlief von der linken Seite der Speiseröhre 
bis zu einer Lgl. mediastinalis cranialis sinistra. 

b) Die Lymphgefäße des Brusthöblenteiles der Speiseröhre 

münden in die Lgl. mediastinales, die Lgl. bifurcationis, die Lgl. por- 
tarum sinistra , die Lgl. lienales und die Lgl. gastrica. 

Von der kranialen Hälfte des Brusthöhlenteiles gehen sie 
vorwiegend zu den Lgl. mediastinales und zwar in der überwiegenden 
Mehrzahl zu Lgl. mediastinales sinistrae, vereinzelt aber auch über 
die rechte Seite der Luftröhre zu Lgl. mediastinales dextrae. Ein 
Teil der Lymphgefäße gesellt sich aber auch zu denjenigen 
Lymphgefäßen der kaudalen Hälfte des Brusthöhlenteiles 
der Speiseröhre, die mit dem Oesophagus in die Bauchhöhle 
treten und in die Lgl. portarum sinistra oder eine Lgl. lienalis 
oder die Lgl. gastrica einmünden (s. nächste Seite), und zwar 
beobachtete ich dieses Verhalten besonders bei Lymphgefäßen der 
Schleimhaut, vereinzelt aber auch bei solchen der Muskelhaut und von 
allen Stellen des Brusthöhlenteiles der Speiseröhre bis zum Brust¬ 
höhleneingang hin, also auch vom kranialen Drittel des Brust¬ 
höhlenteiles der Speiseröhre aus. Diese Lymphgefäße verlaufen dann 
in der Regel eine längere, oft sogar eine relativ sehr lange Strecke 
zwischen Schleimhaut und Muskelhaut zwerchfellwärts, wobei sie im 
, injizierten Zustand unter Umständen durch die Muskulatur hindurch- 
schimraern, und durchbohren die Muskelhaut meist erst ganz nahe 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


613 


dem Zwerchfell, um sich zu den entsprechenden Lymphgefäßen der 
kaudalen Hälfte des Brusthöhlenteiles der Speiseröhre zu gesellen 
(s. unten). Von der kaudalen Hälfte des ßrusthöhlenteiles 
der Speiseröhre (Fig. 18 t) ziehen die Lymphgefäße zum Teil zu 
den Lgl. bifurcationis und zwar zur linken und mittleren ( 1 ) von 
ihnen, zum größeren Teil aber treten sie, indem sich zu ihnen ent¬ 
sprechende Lymphgefäße der kranialen Hälfte des Brusthöhlenteiles 
der Speiseröhre gesellen (s. oben S. 612), mit dem Oesophagus in Form 
von 4—7 viele Netze bildenden Lymphgefäßstämmchen durch das 
Zwerchfell in die Bauchhöhle und verlaufen von der Kardia aus 
zwischen Serosa und Muskularis des Magens teils nach dessen kleiner 
Kurvatur und wenden sich von hier in der dorsalen Wand des Netzes 
und mehr oder weniger in Begleitung der V. gastrica sinistra nach 
der V. lienalis (Fig. 28 *) und münden in die Lgl. portarum sinistra ( 1 ) 
ein. Ist an der kleinen Kurvatur des Magens eine Lgl. gastrica zu¬ 
gegen, so tritt ein Teil dieser Lymphgefäße erst in diese ein. Ein 
anderer Teil der Lymphgefäße wendet sich von der Kardia um deren 
linke Seite nach dem Milzmagenband bzw. dem Netz (Fig. 28 r) und 
verläuft in ihm nach der V. lienalis und den Lgl. lienales (»). 

Die einzelnen Gebiete sind aber nicht scharf gegeneinander abgegrenzt. Wie 
vom kranialen Abschnitt des Brustböhlenteiles Lymphgefäße zur Lgl. portarum 
sinistra gehen, so kann es auch Vorkommen, daß von der kaudalen Hälfte des Brust¬ 
höhlenteiles einmal ein Lymphgefäß zu einer Lgl. mediastinalis cranialis zieht oder 
ein Lymphgefäß von der kranialen Hälfte des Brusthöhlenteiles in eine Lgl. bi¬ 
furcationis einrnündet. 

Nicht selten treten Lymphgefäße von einem Teil der Speiseröhre um den 
dorsalen oder ventralen Rand derselben auf die andere Seite, z. B. die in Fig. 18 
mit 5 bezeichneten Lymphgefäße, die in die Lgl. bifurcationis sinistra münden. 

11. Die Lymphgefäße des Magens. 

Die Lymphgefäße des Magens (Fig. 26 1 ) des Hundes münden 
schließlich alle in die Lgl. portarum und zwar die weitaus meisten 
von ihnen in die Lgl. portarum sinistra (c), ein kleiner Teil in die 
Lgl. portarum dextrae (b); die ersteren passieren dabei zum Teil die 
Lgl. lienales (d, d') und die Lgl. gastrica ( 0 ), die letzteren dio 
Lgl. duodenalis (a). Das genauere Verhalten gestaltet sich wie folgt: 

a) Von dem größeren linken Teil des Magens (Magen ohne 
eigentlichen Pylorus) suchen die Lymphgefäße die Lgl. lienales, 
Lgl. portarum sinistra und die Lgl. duodenalis auf und schlagen 
dabei, wie Fig. 26 zeigt, folgende Wege ein: 1. Von dem dem linken 
Teile der großen Kurvatur benachbarten Teile der beiden Seitenwände des 



614 


HERMANN BAUM, 


Magens und von diesem Teile der großen Kurvatur selbst wenden sich 
die Lymphgefäße nach der Milzvene hin, indem sie von den einzelnen 
Stellen aus mehr oder weniger den Zweigen derselben folgen. Eine 
Strecke weit verlaufen sie dabei natürlich im Milzmagenbande bzw. 
dem großen Netze. Im weiteren Verlaufe münden sie in die an 
der Milzvene gelegenen Lgl. lienales (d, d'), aber in der Regel nicht 
alle; ein Teil von ihnen umgeht auch diese Knoten und gesellt sich 
zu deren Vasa efferentia, um mit ihnen in Begleitung der V. gastro- 
lienalis zur Lgl. portarura sinistra (c) zu ziehen. 2. Von dem ven¬ 
tralen Teile der großen Kurvatur und dem diesen benachbarten Ab¬ 
schnitte deiv Seitenflächen hingegen vereinigen sich die Lymphgefäße zu 
2—3 Stämrachen, die nach der großen Kurvatur und von da im Netz 
mit der V. gastroepiploica nach rechts ziehen und mit den entsprechenden 
vom Pylorus (s. unten) in die Lgl. duodenalis (a) einrnünden. 3. Von 
dem der kleinen Kurvatur benachbarten Teile beider Seitenwände des 
Magens und der kleinen Kurvatur selbst wenden sich die Lymphgefäße 
mehr oder weniger in Begleitung der Zweige des kranialen und 
kaudalen Astes der V. gastrica sinistra nach der kleinen Kurvatur 
und von hier in Begleitung der V. gastrica sinistra nach der V. gastro- 
lienalis, gesellen sich hier zu den die V. lienalis begleitenden Lymph¬ 
gefäßen (s. oben) und suchen mit ihnen die Lgl. portarum sinistra (c) 
auf. Ist eine Lgl. gastrica (o) vorhanden, dann tritt ein Teil dieser 
Lymphgefäße, und zwar von beiden Magenwänden, erst in diesen 
Knoten ein, dessen Vasa efferentia sich dann zu den auderen Lymph¬ 
gefäßen gesellen. Aber selbst wenn eine Lgl. gastrica vorhanden ist, 
treten nicht alle Lymphgefäße in sie ein, sondern ein Teil umgeht sie. 

b) Von dem Pylorusteil des Magens gesellen sich die Lymph¬ 
gefäße 1. von den Seitenwänden und dem dorsalen Rande des Pylorus 
zu den Lymphgefäßen, die von der kleinen Kurvatur aus die V. gastrica 
sinistra begleiten, und zieht mit ihnen zur Lgl. portarum sinistra (c). 
Ist eine Lgl. gastrica (o) vorhanden, so mündet ein Teil von ihnen 
in der Regel auch erst wieder in diese ein. 2. Von dem dem ven¬ 
tralen Rande des Pylorus benachbarten Teile der Seitenwände und 
dem ventralen Rande selbst hingegen wenden sich die Lymphgefäße 
nach der V. gastroepiploica dextra und ziehen mit ihr am Pylorus 
und dem Anfangsteile des Duodenum nach rechts herüber bis zur 
Lgl. duodenalis (a), können unter Umgehung dieser aber auch eine 
Lgl. portarum dextra aufsuehen. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


615 


Von den Grenzgebieten zwischen a und b und a 1 und a 2 und 
b 1 und b 2 füllen sich in der Regel Lymphgefäße nach beiden Rich¬ 
tungen hin. 

In der Magenwand bilden die Lymphgefäße ausgedehnte, reiche 
submuköse und subseröse Netze die beide miteinander inVerbindung 
stehen. Die subserösen Netze erstrecken sich aber oft auch noch in 
die Muskulatur, d. h. sie sind, von außen betrachtet, von Zügen der 
letzteren bedeckt (wie auch durch mikroskopische Untersuchungen 
festgestellt wurde). Die aus den subserösen Netzen sich entwickelnden 
Lymphgefäße laufen in der Regel noch eine kurze Strecke weiter, 
treten dann aber bald in die Serosa ein und verlaufen in ihr auf 
große Strecken weiter, wobei sie wieder sehr grobmaschige Netze 
bilden, so daß 3 Netze, ein seröses, ein subseröses und ein submuköses 
Übereinanderliegen, die alle 3 miteinander in Verbindung stehen, wenn 
auch die serösen und subserösen Netze sich oft nicht deutlich von 
einander trennen lassen. Die serösen und subserösen Lymphgefäße 
können aber auch streckenweise wieder in die Muskulatur eintreten 
oder wenigstens von Zügen der letzteren bedeckt sein. Die Endlymph¬ 
gefäße entwickeln sich aus dem serösen Netzwerk. Die aus den 
submukösen Netzen sich entwickelnden Lymphgefäße verlaufen nicht 
selten eine größere Strecke in der Submukosa weiter, ehe sie die 
Muskulatur durchbohren. 

Die Lymphgefäße der Schleimhaut bilden die submukösen 
Netze, aus denen sich dann die subserösen und serösen Netze füllen, 
die Lymphgefäße der Muskulatur münden teils in die submukösen, 
teils in die subserösen Netze, die Lymphgefäße der Serosa münden 
zum kleineren Teile in das subseröse Netzwerk, zum größeren Teile 
bilden sie direkt seröse Netze. 

12. Die Lymphgefäße des Darmes. 

Für das allgemeine Verhalten der Darmlymphgefäße ließ sich 
folgendes feststellen: 

Alle 3 Schichten der Darmwand besitzen Lymphgefäße. Die der 
Schleimhaut bilden muköse, bzw. subkumöse Netze; die aus diesen 
entspringenden Lymphgefäße verlaufen meist eine längere oder kürzere 
Strecke zwischen Schleimhaut und Muskelhaut und durchbohren dann 
die letztere und gesellen sich dabei zu den Lymphgefäßen derselben. 
Die Lymphgefäße der Muskulatur und Serosa bilden subseröse Netze, 



616 


HERMANN BAUM, 


die zum Teil aber auch (wie mikroskopisch Dachgewiesen wurde) in 
der Muskulatur liegen; die aus diesen Netzen sich entwickelnden 
Lymphgefäße verlaufen zwischen Serosa und Muskularis nach dem 
Gekrösrand (S. 618) und treten von hier in das Gekröse. 

a) Die Lymphgefäße des Dünndarms münden zum kleineren 
Teil in die Lgl. duodenalis, die Lgl. portarum dextrae und die Lgl. 
colica dextra, zum größeren Teile in die Lgl. jejunales. 

a) Lymphgefäße des Duodenum (Fig. 26 2 ). Vom Anfangs¬ 
teil des Duodenum suchen die Lymphgefäße die Lgl. duodenalis (a) auf. 
Von dem mittleren Teile des Duodenum ziehen sie direkten Weges zu 
den Lgl. portarum dextrae (b) und von dem bis zur Flexura tertia 
reichenden Endteile zur Lgl. jejunalis dextra (Fig. 25 9 , 26 l) und 
zwar, wenn mehrere Knoten von der Gruppe da sind, in den 
kranialen oder die beiden kranialen von ihnen; sie liegen zwischen 
den beiden Platten des Gekröses und begleiten meist die entsprechenden 
Venen, zum kleineren Teil verlaufen sie aber auch unregelmäßig 
zwischen diesen. Die zu den Lgl. portarum dextrae ziehenden Lymph¬ 
gefäße gehen meist über die ventrale Seite des Pankreas, nur ver¬ 
einzelt über seine dorsale Fläche (wie es Fig. 26 zeigt), zum Teil 
treten sie aber auch in das Pankreas ein; ein Teil von ihnen, und 
zwar besonders solche, die in das Pankreas eintreten, vereinigt sich 
mit Lymphgefäßen von diesem; durch diese Verbindung der Lymph¬ 
gefäße beider Organe kann man umgekehrt auch vom Pankreas aus 
Lymphgefäße des Duodenum füllen (s. Pankreas S. 622). 

ß) Die Lymphgefäße des Jejunum (Fig. 25 b, b') münden in 
die Lgl. jejunales (6, s>, e 2 ), und zwar von dem auf das Duodenum 
folgenden Teil des Jejunum in die Lgl. jejunalis dextra, von dem 
weitaus größeren mittleren Teile (b, b) in die Lgl. jejunalis sinistra 
(«\ ß 2 ) und vom Endteil des Jejunum (b', b') wieder in die Lgl. jejunalis 
dextra (e). 

y) Die Lymphgefäße des Ileum (Fig. 25 c u. 26 •■) ziehen zum 
größeren Teile zur Lgl. jejunalis dextra (Fig. 25 e), zum kleineren 
Teile münden sie in die Lgl. colica dextra (Fig. 25» u. 26 e); die 
ersteren wenden sich vom Ileum aus direkt nach dem Dünndarra- 
gekröse und in ihm zu dem genannten Lymphknoten (wie es Fig. 25 
zeigt); die ersteren Lymphgefäße treten zum Teil in das Mesocaecum 
(Gekröse zwischen Ileum und Caecum) ein und gesellen sich zu den 
Lymphgefäßen des Caecum (s. diese) und münden mit ihnen in die 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


617 


Lgl. colica dextra; ein anderer Teil vereinigt sich za 1—2 Stämmchen, 
die am entgegengesetzten Rande des llenm zu den Lymphknoten 
ziehen (wie es Fig. 26 zeigt). 

Die Lymphgefäße des Jejunum und Ileum liegen auf ihrem 
Verlaufe vom Darme bis zu den entsprechenden Lymphknoten zwischen 
den Platten des Gekröses. In ihrer überwiegenden Mehrzahl begleiten 
sie die Jejunalvenen, vereinzelt liegen sie aber auch zwischen zwei 
Jejunalvenen. Von der Einstichstelle aus bilden sie in der Regel zu¬ 
nächst ausgedehnte, feine subseröse Netze, aus denen sich feine 
Lymphgefäßstämmchcn entwickeln; diese verlaufen zum größten Teile 
dann subserös über beide Flächen des Darmes zu dessen Gekrösrand, 
vereinigen sich hier und in dem angrenzenden Gekrösteil, indem sie 
große Anastomosen und Netze mit zahlreichen Inseln bilden, mit be¬ 
nachbarten, und suchen dann zum weitaus größten Teile die Gekrös- 
vcnen auf; nur zum kleineren Teil verlaufen sie zwischen diesen 
weiter (Fig. 25). Ein kleinerer Teil der Lymphgefäße wendet sich 
von der Injektionsstelle aus nicht direkt nach dem Gekrösrand, 
sondern um den dem Gekrösrand gegenüber liegenden Rand nach der 
anderen Fläche der Darmschlinge und an dieser nach dem Gekrös¬ 
rand. Nicht selten füllen sich von einer Injektionsstelle aus Lymph¬ 
gefäße nach beiden Flächen hin. 

b) Die Lymphgefäße des Dickdarmes münden zum weitaus 
größten Teile in die Lgl. colicae und nur vom Ende des Colon descen- 
dens, dem l’ebergang des Colon in das Rectum und diesem selbst 
in die Lgl. iliacae mediales und die Lgl. hypogastricae. 

«) Die Lymphgefäße des Caecum (Fig. 26 «) ziehen zu der 
Lgl. colica dextra (e), da besondere Lgl. caecales nicht aufgefunden 
werden. Die aus den subserösen Netzen entstehenden feinen Lymph¬ 
gefäße wenden sich über beide Flächen des Caecum nach dem Meäo- 
caecum (dem Gekröse zwischen Ileum und Caecum hin), verlaufen in 
diesem, indem sie sich zu entsprechenden Lymphgefäßen des Ileum 
gesellen (s. S. 616), nach der Einpflanzung des Ileum in das Colon hin, 
kreuzen diese Stelle bzw. das Ende des Ileum an dessen beiden Flächen 
und wenden sich nunmehr im Gekröse direkt nach der Lgl. colica dextra. 

(t) Die Lymphgefäße des Colon (7,»... 9 ) suchen alle 3 Gruppen 
der Lgl. colicae (e, f, g), die Lgl. iliacae mediales ( 1 ) und die Lgl. 
hypogastricae (k) auf. Vom Colon ascendens (7) ziehen die 
Lymphgefäße im Mesocolon direkt zur Lgl. colica dextra (e), die 
Lymphgefäße des Colon transversum (s) wenden sich im Gekröse 



618 


HERMANN BAUM, 


nach der Lgl. colica raedia (f) und münden in diese, falls ein solcher 
Knotpn vorhanden ist; fehlt er, dann ziehen die Lymphgefäße des' 
Colon transversum direkt zur Lgl. colica dextra (e), aber auch, wenn 
eine Lgl. colica media vorhanden ist, münden in der Regel nicht alle 
Lymphgefäße des Colon transversum in sie ein, sondern ein Teil um¬ 
geht sie und mündet direkt in die Lgl. colica dextra. Die Lymph¬ 
gefäße des Colon descendens (») suchen die Lgl. colica media (f, f), 
die Lgl. colicae sinistrae (g, g), die Lgl. iliacae mediales (i) und die 
Lgl. hypogastricae' (k) auf. In die Lgl. colica media (f, f) münden 
die Lymphgefäße von der auf das Colon transversum folgenden An¬ 
fangshälfte des Colon descendens, in die Lgl. colicae sinistrae (g, g) 
hingegen die Lymphgefäße von der Endhälfte des Colon descendens. 
Fehlt eine Lgl. colica media, dann ziehen die Lymphgefäße, die bei 
ihrem Vorkommen in sie einraünden, weiter zur Lgl. colica dextra (e). 
In die Lgl. hypogastricae (k) und die Lgl. iliacae mediales (i) münden 
die Lymphgefäße vom Endteil des Colon descendens und dem 
Uebergang desselben in das Rectum. Es füllen sich dabei 
Lymphgefäße nach den Knoten beider Seiten hin. Diese Lymph¬ 
gefäße verlaufen am Rectum zunächst kaudal bis zu derjenigen Stelle, 
an der das Peritonaeum auf die Beckenwandung Übertritt, und ver¬ 
laufen außen an diesem Teil des Peritonaeum und des weiteren sub- 
peritonäal an der seitlichen Beckenwand nach den genannten Lymph¬ 
knoten. Nicht selten füllen sich von einer Einstichstelle an den 
Grenzgebieten aus Lymphgefäße nach zwei Lyraphknotengruppen hin. 

Von den subserösen Netzen am Darm aus, die mit Vorliebe große, 
langgestreckte Maschen bilden (vgl. Fig. 26 ), verlaufen die einzelnen 
Lymphgefäße zum größten Teil direkt nach dem Gekrösrand des 
Colon hin. Ein Teil der Lymphgefäße schlägt sich aber auch von 
einer Fläche um den freien (d. h. den dem Gekrösrand gegenüber 
liegenden) Rand des Colon auf die andere Fläche um und verlaufen 
an dieser nach dem Gekrösrand (wie es auch in Fig. 26 dargestellt 
ist). An ihm und im angrenzenden Gekrösteil bilden die meisten von 
ihnen sehr große Inseln, aus denen wieder einzelne Lymphgefäße 
hervorgehen. An der Endhälfte des Colon descendens wenden sich 
diese direkt nach den Lgl. colicae sinistrae, meist in Begleitung der 
entsprechenden Venenäste; die vom Anfangsteil des Colon descendens 
hingegen (bzw. die von ihnen gebildeten Inseln) begleiten zum weitaus 
größten Teile die V. colica sinistra, ein kleiner Teil strebt aber N auch 
quer durch das Gekröse dem genannten Lymphknoten zu. 


Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


619 


y) Die Lymphgefäße des Rectum (Fig. 26 10 ) suchen die 
Lgl. hypogastricae (k) und die Lgl. iliacae mediales (i) auf. Sie ver¬ 
einigen sich zu 4—5 Stämmchen und ziehen zu den Knoten beider 
Seiten, ein Teil von ihnen über die dorsale Seite des Rectum 
(Fig. 26 p, p). 

c) Die Lymphgefäße des Afters (Fig. 26 m) gesellen sich zu denen 
des Rectum (s. oben) und ziehen mit ihnen zu den Lgl. hypogastricae (k) 
und den Lgl. iliacae mediales (i) und zwar zu den Knoten beider 
Seiten. 


13. Die Lymphgefäße der Leber and der Gallenblase. 

Die Lymphgefäße der Leber können auch in oberflächliche 
(subseröse) und tiefe (parenchymatöse) geschieden werden. 

Die oberflächlichen Lymphgefäße füllen sich insbesondere 
bei Einstichinjektionen in die Serosa und die ganz oberflächlichen 
Parenchymschichten. Sie bilden feine seröse bzw. subseröse Netze, 
wie dies in Fig. 28 an mehreren Stellen dargestellt ist. Die aus 
diesen Netzen entstehenden Lymphgefäße verlaufen zum größten 
Teil nur eine kurze Strecke subserös bzw. in der Serosa 
weiter (<.♦.<)> dann treten sie in die Tiefe und gesellen sich zu 
den tiefen Lymphgefäßen. Sehr oft treten sie (besonders an der 
parietalen oder zwerchfellseitigen Fläche der Leber) sogar sofort in 
die Tiefe. Ein kleinerer Teil der subserösen Lymphgefäße läßt sich 
jedoch auch auf größere Strecken, ja sogar bis zur Leberpforte oder 
bis zu derjenigen Stelle hin verfolgen, an der das Lymphgefäß die 
Leber verläßt, z. B. bis zum Ligamentum coronarium oder den Liga¬ 
menta lateralia (s. \ s, 9'). Seltener füllen sich oberflächliche Lymph¬ 
gefäße bei Injektion in das Leberparenchym, also Lymphgefäße, die 
aus der Tiefe hervortreten an die Oberfläche. Die tiefen Lymph¬ 
gefäße füllen sich natürlich in erster Linie bei Injektionen in das 
Leberparenchym, aber auch dann, wenn, wie es oben beschrieben 
worden ist, oberflächliche Lymphgefäße in die Tiefe treten. 

Die Lymphgefäße der Leber und zwar sowohl die oberflächlichen 
als die tiefen, münden in die Lgl. portarum sinistra, die Lgl. por- 
tarum dextrae, die Lgl. gastrica und die Lgl. lienales, die oberfläch¬ 
lichen außerdem in die Lgl. lumbalis aortica cranialis. 

a) Die oberflächlichen (subserösen) Lymphgefäße der 
parietalen oder zwerchfellseitigen Leberfläche treten teils in die 
Tiefe und gesellen sich zu den tiefen Lymphgefäßen der Leber, teils 



620 


HERMANN BAUM, 


treten sie in die Ligamenta lateralia und das Ligamentum coronarium 
der Leber und von da an das Zwerchfell, teils lassen sie sich sub¬ 
serös bis zu den Lgl. portarum verfolgen. Zu der ersteren Gruppe 
gehören subseröse Lymphgefäße von der' ganzen parietalen Fläche, 
vor allem aber von deren ventraler Hälfte; die subserösen Lymph¬ 
gefäße der zweiten Gruppe stammen wesentlich von der dorsalen 
Hälfte der parietalen Fläche und vor allem von den dem dorsalen 
Teil der Seitenränder der Leber benachbarten Abschnitten derselben; 
sie treten in der beschriebenen Weise an das Zwerchfell heran, 
treten dann aber, wie in 8 daraufhin genau untersuchten Fällen 
festgestellt wurde, nicht in die Brusthöhle, sondern laufen am 
Zwerchfell unter dessen Peritonaeura teils nach der Lgl. lumbalis 
aortica cranialis i dextra et sinistra) (9,9', 3,3'), zum Teil wenden sie 
sich nach der Hohlvene und dem Ende der Speiseröhre hin und ge¬ 
sellen sich hier zu den aus der Tiefe hervortretenden Lymphgefäßen 
(s. unten), die mit entsprechenden Lymphgefäßen der Speiseröhre (n) 
zur Lgl. lienalis, gastrica und portarum sinistra ziehen 1 ,»). 

Diese Lymphgefäße wenden sich von der Cardia aus zwischen Serosa und 
Muscularis des Magens teils nach dessen kleiner Kurvatur und von hier in der 
dorsalen Wand des Netzes und mehr oder weniger in Begleitung der V. gastrica 
sinistra nach der V. lienalis und münden in die Lgl. portarum sinistra ( 1 ) ein. 
Ist an der kleinen Kurvatur des Magens eine Lgl. gastrica zugegen, so tritt ein 
Teil dieser Lymphgefäße erst in sie ein. Ein anderer Teil der Lymphgefäße wendet 
sich von der Cardia um deren linke Seite nach dem Milzmagenband und verläuft 
in diesem nach der V. lienalis und den Lgl. lieuales (#). 

Es können aber au:h von den letzt erwähnten Lymphgefäßen 
einzelne um den dorsalen Leberrand um biegen auf die viszerale oder 
Eingeweidefläche der Leber und sich hier zu den in der Porta hepatis 
hervortretenden tiefen Lymphgefäßen gesellen und mit ihnen zu den 
Lgl. portarum ziehen. Diese 3. Gruppe der subserösen Lymph¬ 
gefäße der parietalen Leberfläche findet man besonders an den Teilen 
der parietalen Fläche der einzelnen Leberlappen, die von benach¬ 
barten Lappen bedeckt werden. 

Die oberflächlichen Lymphgefäße der viszeralen Fläche treten 
zum größten Teile in die Tiefe (4, 4, 4) und gesellen sich zu den tiefen 
Leberlymphgefäßen, z. T. ziehen sie subserös bis zu den Lgl. por¬ 
tarum hin ( 5 , >, i,3), z. T. treten sie, besonders von den dem dorsalen 
Teile der Seitenränder benachbarten Abschnitten der seitlichen Leber¬ 
lappen in die Ligamenta lateralia der Leber ein und gesellen sich zu 
den entspr. Lymphgefäßen von der parietalen Fläche, die zur Lgl. 
lumbalis aortica cranialis ziehen (s. S. 619 und 10 , io-, s, s-), teils 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


621 


gesellen sie sich aber auch vom dorsalen Teil der viszeralen Fläche 
zu den Lymphgefäßen, die an die Hohlvene und das Ende der Speise¬ 
röhre treten (s. S. 620). 

b) Die tiefen Lymphgefäße der Leber verlassen die Leber 
an zwei Stellen: 1) in der Porta hepatis und 2) an der parietalen Fläche 
der Leber da, wo die Lebervenen in die Hohlvene einmünden, 
ad 1) die in der Leberpforte hervortretenden tiefen Lymph¬ 
gefäße (6, e) kommen aus allen einzelnen Lappen in Begleitung des 
betr. Pfortaderzweiges zum Vorschein und zwar aus jedem Lappen 
mehrere (4—12) Lymphgefäße. In der Leberpforte kommt es zu 
teilweiser Vereinigung dieser Lymphgefäße, zu denen sich auch noch 
Lymphgefäße von der viszeralen Fläche der Leber gesellen (s. S. 620). 
Trotz der Vereinigung benachbarter Lymphgefäße kann man in der 
Leberpforte beim Austritt aus der Leber mindestens 50—70 Lymph¬ 
gefäße zählen, die dann in Begleitung der Pfortader (e) zu den Lgl. 
portarum dextrae ( 2 ) und der Lgl. portarum sinistra ( 1 ) und zwar 
zu allen Knoten beider Gruppen ziehen, wie es die Figur zeigt. Auf 
dem Wege zu den genannten Knoten wird die Zahl der Lymphgefäße 
durch Vereinigung benachbarter natürlich kleiner, ad 2) die an der 
parietalen (zwerchfellseitigen) Leberfläche hervortretenden 
tiefen Lymphgefäße kommen im wesentlichen in der Nähe der 
Lebervenen bzw. der Einmündung dieser in die Hohlvene zum Vor¬ 
schein und verhalten sich des weiteren wie oben geschildert; sie 
stammen im wesentlichen von dem dorsalen, der Hohlvene benach¬ 
barten Teile der Leber. 

Die Lymphgefäße der Gallenblase (Fig. 28 b) bilden in der 
Wand derselben ausgedehnte Netze; aus diesen entwickelten sich 
2—4 Lymphgefäße, die den Ductus choledochus begleiten und in die 
I.gl. portarum dextrae und die Lgl. portarum sinistra ( 1 ». 2 ) einmünden. 

Beim Menschen hat Franke (19) von der Gallenblase aus ein Netz von 
Lymphgefäße an der Rückseite des Pankreaskopfes gefüllt; einen gleichen oder 
ähnlichen Befund habe ich beim Hunde nicht beobachtet Auch Lymphgefäße der 
Leber lassen sich von der Gallenblase aus nicht füllen, wenn auch umgekehrt 
Lymphgefäße der an die Gallenblase angrenzenden Teile der Leberteile auf die 
Gallenblase übertreten und mit Gallenblasenlymphgefäßen sich vereinigen können. 

14. Die Lymphgefäße des Pankreas. 

Die Lymphgefäße des Pankreas (Fig. 26 3 , 3 ') suchen die Lgl. 
jejunales, Lgl. portarum dextrae, Lgl. portarum sinistra, Lgl. duo- 
denalis und Lgl. lienales auf. 



.62*4 HBIM-AKK BAUM, * r V ' 

Vom riuttHea Kndsiüok des Pankreas r'•»• vereinigen sich die 
z«i I —2 $rä*muohc?ri (r), die tra Oiokr&se '4ii »i«ö.Lg| : 
jeiiui{Uc^ verlaufen. Vrtrn übrigen '-Teil vier rechfeo Hälfte. vWs Pankreas 
’. *tti£ siöShm <U-e Mmphgeftiße in Form Mehrerer Stämmobe# >;0 Uon 
•.'; -I;g|v; pi^runv münden >um Teil aber ^uek m die : - 

am Pankreas ' gelegene LgL duodenaii*{a ; eio. Die Lwäphgefäfie' 
der linken Hälfte dos Pankreas (•«•; suchen Lg!- fbnabs i d » und 
$ö LaL purranim « i ) mt f 

Dir L.vm phtcei ulte» iirn m oben. che durch gehends sehr fehl s.imi,-; 

dieteii an •badeA flächen -des' Hälfte ' 

ms^Wnen*! aber, in der Midjntiihl. m der ■■vtmt-raien- Fliieiux m der 
Unken HuSfte des V$ühv^ ^srhouiBüd iö der .lifehr^ahl der'dar- 
Fl^he Pankrt-a«*:S * /. \‘i \ .* 

' " i tHt LyjQQMg&ff&z dtf^.FaßlreH^ ^t?>hi>Tv ui Verbindung mxt 

•. -hytn p'hgefÄfe-.a- djea I *mä ¥>, daß' Ly»2ph^äße ä$$ 

Duodenum mit sojcdea dru Pankröa» sich vereinigt*** oder mit ihnen &Dastoaiö3?er«nt 
dadurch• fcaMi man umreit cW: K-m Patikrea*• aus.'Üymjihg$üUie des ■ Duodenum' \n\i- 
^iöröö. so äitiBr'.^ e&eii^aii* • -ailih|v : Weg benutr^n können.: . In- 

jekonnCuv der arwdhfifCii Are stritt tnu oh gelungen.- Wogegen »st *s mir ‘mehr ge¬ 
lungen, .^Iä« Pankreas ein trete n , 

*Vinuv>: ». • ifopii^ofäiie tkS*. PäüKrnä* : j.u lüHeo. um ^r ? j»W^t>n>masse dring# höchsten* 
vom LyuiphgcteU '.\<''\ buude/iu«n y m-> lat*! eine iuuve Mrrekr in das Lymphgefäß 
Ohs Pankreas ein* vfkutbar bis ^nr uvvvbslCn Klappe Meine ttntcr*ueliurjgsnTgcbnLs>* 

'.itnntHVh m dt-<t»n'tin iun BarteJs $). vibehdtif, der .^rokL • . e ; : ; : v;V 

■ C :Hi,|febr : dl« jyo)plm.;V..erbiia4>inph zwischen Pankreas und Duocboum ;.suv.•LjvhV 
• -;• -lljLiridon, dann aber -Mvh. tm^msekzü und Allen tmsu« studiert hat.; 

V/;: Lf arboU sucht dou Aiirh v»üv ih*h b«cib>M'lüften ßtdumi, daß sieb wdtil xrn Pankr^a^ : V; ^. ; : 
iyjijph^rfäßeü hm Lympb^^^ v .üd*i 4V)Cfr nicht iimgck^rt vom Dumienum- 

Jymp^kfphtr i^iAWyWx >*%s k ^ilbn ? ^tklänön daß 

dm- N;ul:rrct^yMif/iu. > ! '••: .uuummhfr ilUjipCD I^ht-ü,. die ein Jiicrkwilrtsiiiß^cc »iet ' 
tfpäßtix?fa vcddnderti. Das ist otlcmhar der FäII Mnn 
f ^n? Vorauf Bar t e b fhrht hintpci^i, daü die 

nbhl haheu odbf hbcb$t^p.f Rbppea 
boML'^'u <\i^. -vun, iji\vi»r.i, v #o-i.. - -c. .(Sdl dies tn.tsib'i.hch- der i ah >st, geht 

<>b|id vOr/ifdpem düfrrh 'V-Mo^ öjö«>- 

' /<•#)• .• /. : Ljraipüg^tnß- 

bc? VMhaTii^mf^ ; tm Xtu^ bis ^ü. 

ti<jvk#-' ck^'bn. mvftf itb^r jen Pankreas^viuph- ;i%C.ui^vS 

gefäß; ; HMt\(htnid fear/fcVon Pafitrea^fy^mpfi^efaßen tpa -. 
j;uo«h*nuiriiyouphc’• ; • 1 • =».-• C v^r^n, daß 1 oder 2 Üombnmo* 

iympfit^M'aCv Hi.t P^oiM«* *. • «cp-«-:.- o«..u >,viu-- iöldmn 

::ÄiNiV• M*4e^ti4 : ^ : ‘X)öäiä:;rte; ^oorknibps kdnntiin* - ; 

üintlunpmv ::P^.btef , f'ygen^r darauf hin qhtöbuch.fe- J- 

’IJk IHe rvuijfh^läße ü#i ! Milz. 

Von [,»ii!.).:i.t'’-!ai^ i, dt-i Mij/ i'Fig. i‘(j k<>n<iuon niir st)lchv v <*.':> 

M > !/!•:>i [isöl i« rj.-is M,s \ t : p;t rcii<:lry m ha{ 'k'eim ,: Lymphgofößv;; 

dui Vi*r)i;u:uth'.*' ü^.vi hi*?i- .b'«?im -Bimlc fo Baum jij. 




Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


623 


Besonders möchte ich auch an dieser Stelle darauf hinweisen, daß man nur 
zu leicht die bei Injektion ins Milzparenchym sich füllenden feinsten Venen für 
Lymphgefäße hält oder halten kann, ich habe deshalb ausnahmslos daran fest- 
gehalten, ein Gefäß erst dann für ein Lymphgefäß zu erklären, wenn ich es bis 
zum zugehörigen Lymphknoten habe verfolgen können. 

Die Milzkapsel besitzt Lymphgefäße, die sich aber sehr schwer 
injizieren lassen, offenbar weil die Kapsel sehr dünn ist. Leichter 
lassen sie sich dabei wieder an der viszeralen als an der parietalen 
Fläche der Milz füllen; an der letzteren gelingt es äußerst schwer. 
Ich habe auch trotz genauester Untersuchung und Beobachtung über 
die ev. Netzbildung dieser Lymphgefäße nichts Sicheres beobachten 
können. Es muß ja a priori angenommen werden, daß diese Lymph¬ 
gefäße Netze bilden, aber wirklich nachweisen habe ich Netze makro¬ 
skopisch nicht können. Die Lymphgefäße ziehen nach dem Hilus der 
Milz bezw. nach der Ansatzstelle des Gekröses an der Milz hin und 
zwar an der viszeralen Fläche der Milz direkten Weges von der Ein¬ 
stichstelle aus, und vom Milzhilus in Begleitung der Milzvenen zu 
den Lgl. lienales (d, d') und zwar, wenn mehrere Knoten da sind, zu 
allen diesen. Ein Umgehen der Knoten durch die Lymphgefäße wurde 
nicht beobachtet. 

H. Lymphgefäße der Respirationsorgane. 

Die Lymphgefäße wurden von allen Teilen der Atmungsorgane 
einschließlich Schild- und Thymusdrüse injiziert. Die Lymphgefäße 
der Schlundkopfhöhle sind bei den Verdauungsorganen (S. 609) be¬ 
schrieben worden. 


1. Lymphgefäße der Nase. 

a) Die Lymphgefäße der äußeren Nase (Fig. 13 n) gehen zum 
weitaus größten Teile zu den Lgl. mandibulares ( 2 , a-) und zum kleinen 
Teile zur Lgl. parotidea ( 1 ). Sie vereinigen sich zu 3—6 stärkeren 
Stämmchen, die zum größten Teile unter der in der seitlichen Nasen¬ 
gegend gelegenen Muskulatur hinweg, zum kleinen Teile auf ihr und 
unter dem M. zygomaticus hinweg zum oralen Masseterrande und von 
hier sämtlich (1 Fall) oder zum größten Teile (2 Fälle) zu den Lgl. 
mandibulares ziehen. In der Regel wenden sich 1—2 der Gefäße 
aber auch quer über den M. masseter zur Lgl. parotidea. 

b) Die Lymphgefäße der Nasenhöhle (Nasenscherdewand 
und Nasenmuscheln) bilden in der Schleimhaut bezw. submukös 
schöne, reichentwickelte Netze. Die aus diesen entstehenden Lymph¬ 
gefäße ziehen von der vorderen (apikalen) Hälfte zu den Lgl. 



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HERMANN BAUM, 


mandibulares und zwar in der Weise, daß sie sich zu mehreren 
Stämmchen vereinigen, die durch die Apertura nasalis ossea die Nasen¬ 
höhle verlassen, bezw. um den Proc. nasalis des Os incisivum sich 
nach außen Umschlägen und sich dann zu den Lymphgefäßen der 
äußeren Nase gesellen. 

Zur Lgl. parotidea zog in 6 genauer untersuchten Fällen keines der Lymph- 
gefäße (im Gegensatz zum Rinde). 

Die Lymphgefäße der hinteren Hälfte der Nasenhöhle hingegen 
münden in die Lgl. retropharyngea medialis; sie verlassen in Form 
von 2—3 Stämmchen die jederseitige Nasenhöhle durch die be¬ 
treffende Choane und ziehen an der Schädelbasis, nur bedeckt von 
der Schlundkopfschleimhaut, kaudal zum genannten Lymphknoten. 

Vom mittleren Teile der Nasenhöhle aus füllen sich in der Regel Lymph¬ 
gefäße nach beiden Seiten hin. 

2. Lymphgefäße des Kehlkopfes. 

Die Lymphgefäße des Kehlkopfes münden in. die Lgl. retro¬ 
pharyngea medialis und die Lgl. cerincalis cranialis. Sie vereinigen 
sich von der Schleimhaut, den Knorpeln des Kehlkopfes und 
den inneren Kehlkopfsmuskeln zu mehreren feinen Gefäßen, die 
auf verschiedenen Wegen den Kehlkopf verlassen. Gruppe a. Ein 
Teil von ihnen (2—3 Gefäße) tritt durch die Pharynxmuskulatur hin¬ 
durch und zwar meist zwischen dem M. keratopharyngeus und 
M. thyreopharyngeus oder in dem Winkel zwischen diesen beiden und 
dem M. hyothyreoideus (Fig.. 16 k) und verläuft dann auf der Pharynx¬ 
muskulatur zu den genannten Lymphknoten. Gruppe b. Andere 
(1—2) Lymphgefäße treten zwischen Schildknorpel und Ringknorpel 
am ventralen Rande des M. cricothyreoideus bezw. zwischen diesem 
und dem M. hyothyreoideus oder durch letzteren hervor (Fig. 14 9 und 
Fig. 16 k') und wenden sich über beide Flächen des M. sterno- 
thyreoideus und des weiteren auf der Pharynxrauskulatur nach der Lgl. 
retropharyngea medialis hin. Gruppe c. Ein letzter Teil der Lymph¬ 
gefäße (auch 1—2 Stück) endlich kommt am kaudalen Rande des 
Ringknorpels nahe dessen Platte zum Vorschein und zieht auch zu 
dem genannten Lymphknoten hin (Fig. 16 k"). Ist eine Lgl. cervicalis 
cranialis vorhanden, dann münden 1—2 Gefäße der Gruppe in diesen 
Lymphknoten ein (Fig. 16 k'"). 

Die Lymphgefäße der Schleimhaut bilden in und unter dieser sehr feine 
Netze; die aus ihnen entstehenden Lymphgefäße verlaufen zunächst eine verschieden 
weite Strecke unter der Schleimhaut. An der Epi glottis bilden die Lymph- 



Das Lympbgefäßsystem des Hundes. 


625 


gefäße unter der Schleimhaut beider Flächen des Kehldeckels reichliche Netze. 
Aus dem Netze an einer jeden Fläche entwickeln sich 1—2 Lymphgefäße, die sich 
in der Plica aryepiglottica zu 1 — 2 Stämmchen vereinigen, die zwischen M. kerato- 
pharyngeus und M. thyreopharyngeus, bezw. in der Lücke zwischen diesen Muskeln 
und dem M. hyothyreoideus nach außen hindurch treten (s. S. 624, Gruppe a). 

Die Lymphgefäße des Schildknorpels gesellen sich zur Gruppe a und b, 
die des Ringknorpels zur Gruppe c, die des Aryknorpels zur Gruppe a. 

Die Lymphgefäße des Stimmbandes und der Plica vocalis wenden 
sich zu der Gruppe a von Lymphgefäßen. 

Von den äußeren Kehlkopfsmuskeln (M. hyothyreoideus [Fig. 23g] und 
M. cricothyreoideus) und den am Kehlkopf gelegenen Pharynxkonstriktoren 
(M. keratopharyngeus, thyreopharyngeus und cricopbaryngeus) (Fig. 23 f und h) 
treten die Lymphgefäße an der Oberfläche dieser Muskeln hervor und ziehen 
direkten Weges auf den Pharynxkonstriktoren zur Lgl. retropharyngea me- 
dialis (Fig. 23 i). 


3. Lymphgefäße der Luftröhre. 

Die Lymphgefäße der Luftröhre (Fig. 23 a, a) ziehen zur 
Lgl. retropharyngea medialis ( 1 ), den Lgl. cervicales profundae (». s, 4), 
den Lgl. mediastinales craniales («, 6*) und den Lgl. bronchiales und 
zwar von den einzelnen Abschnitten der Luftröhre, wie folgt: 

a) Halsteil der Luftröhre: Vom kranialen Drittel bzw. 
Viertel ziehen die Lymphgefäße (cf. Fig. 23) zur Lgl. retro¬ 
pharyngea medialis ( 1 ). Die aus den Lymphgefäßnetzen der Schleim¬ 
haut und aus den Knorpeln sich entwickelnden feinen Lymphgefäße 
treten fast alle an der dorsalen Seite, zum kleineren Teil an der 
seitlichen Fläche der Luftröhre hervor und ziehen in Form von 2 bis 
4 feinen Gefäßen auf ihr zur Lgl. retropharyngea medialis. 

Ist eine Lgl. cervicalis cranialis (s) zugegen, dann mündet ein Teil der 
Lymphgefäße vom Anfangsteil der Luftröhre in der Regel auch in diese ein 
(s. Fig. 23); ich habe jedoch auch Fälle beobachtet, in denen trotz Vorhandenseins 
einer Lgl. cervicalis cranialis keine Lymphgefäße der Luftröhre in sie eintraten. 

Vom mittleren und kaudalen Drittel des Halsteiles der 
Trachea aus entwickeln sich feine Lymphgefäße, die auch im wesent¬ 
lichen an der dorsalen und der linken und rechten Seitenfläche der 
Luftröhre hervortreten und sich schließlich zu 1—2 Stämmchen ver¬ 
einigen ; diese laufen an der Luftröhre (bzw. links auch an der Speise¬ 
röhre) herab und münden, wenn eine Lgl. cervicalis caudalis (<) vor¬ 
handen ist, alle oder zum Teil in diese ein; ein kleiner Teil zieht in 
der Regel weiter und mündet in eine Lgl. mediastinalis cranialis 
(s. 6')j auf der linken Seite meist in die im 1. Interkostalraum (6) und 
die an der linken Seite der V. cava cranialis gelegene ( 6< ), auf der 
rechten Seite meist zu der zwischen V. costocervicalis und V. cava 

Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk. B4. 44. Suppl. 


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HERMANN BAUM, 


cranialis gelegenen Lgl. raediastinalis cranialis prima (Fig. 18 s). Fehlt 
die Lgl. cervicalis caudalis, dann ziehen sämtliche Lymphgefäße direkt 
zu den Lgl. mediastinales craniales. Findet sich (wie es ausnahms¬ 
weise der Fall ist) eine Lgl. cervicalis media (Fig. 23 *), so tritt ein 
Teil der Lymphgefäße des Halsteiles der Luftröhre auch in diese ein. 

Von dom Grenzgebiet zwischen kranialem und mittlerem Drittel des Halsteiles 
der Luftröhre aus können sich Lymphgefäße nach beiden Richtungen hin füllen; 
es kommt jedoch auch vor, daß sich von der Grenze zwischen kranialem und 2. Drittel 
und selbst vom kranialen Viertel des Halsteiles der Luftröhre Lymphgefäße nur 
zu den Lgl. mediastinales craniales bzw. der Lgl. cervicalis caudalis füllen. Nicht 
selten treten bei Injektion auf einer Seite Lymphgefäße auch auf der anderen Seite 
der Luftröhre hervor; es bleibe dahingestellt, ob man in solchen Fällen von einem 
Ueberkreuzen der Medianebene sprechen kann, da es bei der Injektion nie ganz 
ohne Extravasat abgeht, das bis an die Medianebene heranreichen kann. 

b) Brusthöhlenteil der Luftröhre (Fig. 18 r). Vom kranialen 
Abschnitt des Brusthöhlenteiles ziehen die Lymphgefäße zu den Lgl* 
mediastinales craniales (3, 3 ', a a ), und zwar können sie in jeden 
Knoten der Gruppe eintreten. Vom kaudalen Abschnitt bzw. vom 
Endabschnitt der Trachea und von den Starambronchien, soweit diese 
außerhalb der Lungen liegen*, suchen die Lymphgefäße die Lgl. bi/ur- 
cationis ( 1 . a) und zwar alle Knoten der Gruppe auf. Ausnahmsweise 
kann ein Lymphgefäß der Stammbronchien auch in eine Lgl. pulmo- 
nalis eintreten. Die Lymphgefäße können an «allen Stellen der Luft¬ 
röhre zwischen je 2 Trachealringen hervortreten. 

Am Brusthöhlen teil wurde ein Ueberkreuzen der Medianebene durch Lymph¬ 
gefäße öfter beobachtet, so, daß z. B. an der linken Seite der Luftröhre hervor¬ 
tretende Lymphgefäße in rechts gelegene Lgl. mediastinales craniales einmündeten. 

Die Lymphgefäße der Schleimhaut der Luftröhre bilden sehr feine,, 
reichliche Netze. Mit den aus diesen sich entwickelnden Lymphgefäßen vereinigen 
sich die der Knorpel, noch ehe sie durch die Zwischenknorpelräume nach außen 
treten und zwar so, daß die Lymphgefäße der Schleimhaut und die der Knorpel¬ 
ringe gar nicht scharf voneinander zu trennen sind, höchstens dann, wenn jede 
Gruppe für sich injiziert wird. An der Außenseite der Luftröhre bilden die Lymph¬ 
gefäße nur die üblichen großen Netze. 


4. Lymphgefäße der Lange. 

Die Lymphgefäße der Lunge (Fig. 20) münden samt und 
sonders in die Lgl. bronchiales (Lgl. bifurcationis und Lgl. pulmo¬ 
nales). Sie lassen sich beim Hunde auffallend schwer injizieren, jeden¬ 
falls viel schwerer als die des Rindes (Kalbes). Es lassen sich beim 
Injizieren auch kaum die Lymphgefäße der Pleura von denen der 
oberflächlichen Parenchyraschicht trennen, weil bei der Dünnheit 
der Pleura nicht n>it Sicherheit zu entscheiden ist, ob die Kanüle 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


627 


während der Injektion wirklich nur in der Pleura stak, oder ob sie 
nicht doch in die oberflächliche Lungenschicht eingedrungen war. 
Immerhin gelingt es, ausgesprochene seröse bzw. subseröse Netze, 
die freilich relativ grobmaschig sind, zu injizieren. Verhältnismäßig 
selten sind ferner aus den subserösen Netzen entstehende Lymphgefäße 
snbserös weiter zu verfolgen. In einzelnen Fällen gelang es, ein aus 
einem solchen Netze entstehendes Lymphgefäß subserös weiter zu 
verfolgen bis zu dem oder den Lymphknoten hin, in welche die tiefen 
Lymphgefäße des betr. Lappens eintreten (s. unten). 

Solche Lymphgefäße sind z. B. die in Fig. 20 mit 6. 6' bezeicboeten Lymph¬ 
gefäße. 

In anderen Fällen ließen sich solche subseröse Lymphgefäße nur 
eine Strecke weit verfolgen und traten dann in die Tiefe (wie es 
Fig. 20 an .mehreren Stellen [z. B. bei i, i. t] zeigt); es kann dabei 
-Vorkommen, daß ein subseröses Lymphgefäß von einer Fläche der 
Lunge um den Rand der Lunge herum auf eine andere Fläche tritt, 
besonders von der kostalen auf die diaphragmatische Fläche, wie das 
mit 6 bezeichnete Lymphgefäß in Fig. 20. In wieder anderen Fällen, 
in denen sich auch subseröse Netze gefüllt hatten, ließen sich aus 
ihnen entstehende, subserös weiter verlaufende Lymphgefäße nicht er¬ 
kennen; es ist zu vermuten, daß die aus den Netzen entstandenen 
Lymphgefäße sogleich in die Tiefe getreten sind und sich zu den tiefen 
Lymphgefäßen gesellt haben. Andererseits wurde öfter (aber nicht an¬ 
nähernd so oft wie beim Rinde) beobachtet, daß sich bei Injektion in 
der Tiefe auch ein subseröses Lymphgefäß injizierte, das meist aber 
nach einem einige Zentimeter langen Verlaufe wieder in die Tiefe trat. 

Schon aus den erwähnten Befunden geht hervor, daß oberflächliche 
(subseröse) und tiefe Lymphgefäße gar nicht scharf zu trennen sind. 

Die tiefen Lymphgefäße vereinigen sich in jedem einzelnen 
Lappen zu 2—4 Stämmchen, die in Begleitung des Bronchus für diesen 
Lappen und der an diesem gelegenen Blutgefäße (Ast der A. pulmo- 
nalis und einer V. pulmonalis) den Lungenlappen verlassen. 

Die meisten dieser Lymphgefäße liegen an der dorsalen Wand des betr. 
Bronchus und an dessen Rändern, vereinzelt aber auch an dessen ventraler Seite. 

Die tiefen Lymphgefäße des linken Spitzenlappens und linken 
Herzlappens vereinigen sich, nachdem sie aus jedem der beiden 
Lappen in Form von 2—3 Stämmchen herausgetreten sind, zu 2 bis 
4 Stämmchen, die in die Lgl. bifurcationis sinistra münden. Die 
tiefen Lymphgefäße des linken Zwerchfellappens ziehen zum 

40* 



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HERMANN BAUM, 


größten Teile zur Lgl. bifurcationis media pnd beim Vorkommen 
einer Lgl. pulmonalis sinistra auch zu dieser. Eines der Lymphgefäße 
wendet sich jedoch meist weiter und zwar über den ventralen Rand 
des linken Stammbronchus bzw. des Luftröhrenendes zur Lgl. bifur¬ 
cationis sinistra. Die tiefen Lymphgefäße des rechten Zwerch¬ 
fellappens münden in die Lgl. bifurcationis media und dextra und 
die Lgl. pulmonalis dextra, falls eine solche vorkommt. Die tiefen 
Lymphgefäße des rechten Herzlappens gehen entweder unter 
dem rechten Stammbronchus hinweg und treten in die Lgl. bifurca¬ 
tionis media oder unter dem Bronchus für den rechten Spitzenlappen 
hinweg zur Lgl. bifurcationis dextra; in den letzteren Lymphknoten 
münden auch die tiefen Lymphgefäße des rechten Spitzen¬ 
lappens, während die des Anhangslappens zur Lgl. bifurcationis 
media ziehen. 

Die Lymphgefäße der Bronchien gesellen sich zu den tiefen Lungen¬ 
lymphgefäßen. 

5. Lymphgefäße der Thymns. 

Die Lymphgefäße der Thymus, die sich jederseits zu 4 bis 
6 Stämmchen vereinigen, münden in die Lgl. mediastinales (craniales) 
und in die Lgl. stemalis , und zwar können sie iD alle Knoten der 
ersteren Gruppe eintreten. 

Ob dann, wenn bei ganz jungen Tieren die Thymus zu einem kleinen Teile 
sich durch den Brusthöbleneingang noch auf den Hals erstreckt, von^ diesem 
letzteren Teile Lymphgefäße zur Lgl. cervicalis caudalis gehen, konnte nicht fest¬ 
gestellt werden. 

6. Lymphgefäße der Schilddrüse. 

Die Schilddrüse (Fig. 2, 6, 8 u. 16 i) schickt ihre Lymph¬ 
gefäße zur Lgl. retropharyngea medialis, Lgl. cervicalis cranialis, 
media et caudalis und den Lgl. mediastinales craniales, verhältnis¬ 
mäßig sehr oft aber auch direkt zum Ductus trachealis oder der 
V. jugularis interna. 

Die Lymphgefäße der Schilddrüse wurden bei 17 Hunden und zwar in der 
Regel beiderseits injiziert. 

Die zur Lgl. retropharyngea medialis (Fig. 2, 6, 8 u. 16 a, a') 
und zur Lgl. cervicalis cranialis (Fig. 2, 6, 8 u. 16 b, b') ziehenden 
Lymphgefäße treten im wesentlichen nahe dem oralen Ende der 
Schilddrüse, die zur Lgl. cervicalis caudalis (et media) (Fig. 8 u. 16 c, c') 
und den Lgl. mediastinales craniales gehenden im wesentlichen aus 
der kaudalen Hälfte der Schilddrüse hervor und zwar an beiden 
Flächen des Organes. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


629 


Von dieser Regel kommen aber nicht selten Ausnahmen vor; in Fig. 8 
mündet z. B. in eine Lgl. cervicalis cranialis ein Lymphgefäß, das aus dem 
kaudalen Teil der Schilddrüse stammt (k'). Es können ausnahmsweise auch alle 
am kaudalen Ende der Schilddrüse hervortretenden Lymphgefäße zur Lgl. retro- 
pharyngea medialis und zur Lgl. cervicalis cranialis ziehen (Fig. 6). Ist die 
Lgl. retropharyngea medialis doppelt, dann münden Lymphgefäße der Schilddrüse 
in der Regel in beide Knoten ein (Fig. 8 u. 16 a, a'). 

Während der Injektion füllen sich reiche gröbere Netze in der 
Kapsel, die aber bald zusammenfließen. Die in die Lgl. retropharyngea 
medialis und Lgl. cervicalis cranialis einmündenden Lymphgefäße ver¬ 
einigen sich meist zu 3—4 Stämrachen, die beim Vorkommen einer 
Lgl. cervicalis cranialis alle oder zum Teil in diesen Knoten und im 
letzteren Falle zum Teil direkt in die Lgl. retropharyngea medialis 
einmünden; fehlt die Lgl. cervicalis cranialis, gehen alle Lymphgefäße 
natürlich direkt zur Lgl. retropharyngea medialis. In einem Falle 
war zwar auch eine Lgl. cervicalis cranialis da, es mündete von 
den kranialen Lymphgefäßen der Schilddrüse aber keines in sie (Fig. 2) 
ein. Ebenso vereinigen sich die an der Luft- und Speiseröhre zur 
Lgl. cervicalis caudalis und zu den Lgl. mediastinales craniales 
gehenden Lymphgefäße zu 1—3 Stäramchen. Ist eine Lgl. cervicalis 
caudalis (oder raedia) (Fig. 8 u. 16 c') da, dann münden diese 
Lymphgefäße alle oder zum Teil in sie, zum anderen Teil (Fig. 16 l) 
direkt in eine Lgl. mediastinalis cranialis ein; fehlt die Lgl. cervicalis 
caudalis, gehen natürlich alle Lymphgefäße dieser Gruppe direkt zu 
den Lgl. mediastinales craniales, und zwar linkerseits mit Vorliebe zu 
einer Lgl. mediastinalis cranialis, die an der linken Seite der V. cava 
cranialis liegt. 

Nicht selten finden mediane Kreuzungen von Schilddrüsenlymph¬ 
gefäßen statt und zwar auch in solchen Fällen, in denen ein Isthmus nicht vor¬ 
handen ist. Ist ein Isthmus zwischen beiden Schilddrüsen zugegen, dann tritt die 
injizierte Flüssigkeit an sich von einer Schilddrüse durch den Isthmus in die 
anderseitige Schilddrüse, und es füllen sich Lymphgefäße auf beiden Seiten, ob¬ 
gleich nur auf einer Seite injiziert worden ist. Interessant für eine ausgesprochene 
mediane Kreuzung von Schilddrüsenlymphgefäßen war einer der oben erwähnten 
Fälle, in dem sich von der linken Schilddrüse aus Lymphgefäße der zweiten Gruppe, 
d. h. solche, die in kaudaler Richtung zur Lgl. cervicalis caudalis und den Lgl. 
mediastinales craniales ziehen, überhaupt nicht injizierten; bei genauerer Unter¬ 
suchung stellte sich jedoch heraus, daß ein Teil der Schilddrüsenlymphgefäße direkt 
über die ventrale Seite der Luftröhre nach rechts hinüber trat und nunmehr an 
der rechten Seite der Luftröhre herablief und in eine an der ventralen Seite der 
Luftröhre gelegene Lgl. cervicalis caudalis einmündete. 

Auch bei den Schilddrüseglymphgefäßen tritt die Neigung zur Netz¬ 
bildung in ausgesprochener Weise hervor. 

Aus der vorstehenden Schilderung ergibt sich, daß man zwar im allgemeinen 
von kranialen und kaudalen Abflußbahnen der Lymphgefäße der Schilddrüse sprechen 



630 


HERMANN BAUM, 


kann, daß beide aber nicht scharf zu trennen sind. Noch weniger kann man jede 
der Gruppen wieder in laterale und mediale Abflußbahnen scheiden. 

Auffallend oft münden Lymphgefäße der Schilddrüse direkt, 
also ohne einen Lymphknoten passiert zu haben, in den Ductus 
trachealis oder in das Venensystem ein (Fig. 2 k). Ich konnte den Befund 
bei ungefähr Vs — V 2 aller untersuchten Hunde (im ganzen 17 Stück) nachweisen. In 
allen Fällen' waren es die kaudalen Lymphgefäße der Schilddrüse, die sich zu 
einem Stämmchen vereinigten, das nahe dem Brusthöhleneingang entweder in den 
Ductus trachealis (dexter bzw. sinister) oder in die V. jugularis interna einmündete, 
obgleich in einigen dieser Fälle eine Lgl. cervicalis caudalis oder media da war. 
Näheres s. Baum (8). Auffallend ist ferner, daß bei Injektionen in die Schild¬ 
drüse oft blaue Injektionsflüssigkeit in der V. jugularis int. erscheint, ähnlich 
wie bei Injektion von Knochenlymphgefäßen der Uebertritt von Injektionsflüssigkeit 
in Venen beobachtet wird. 

I. Lymphgefäße der Harnorgane. 

Die Lymphgefäße der Harnorgane (Nieren, Nebennieren, Harn¬ 
leiter, Harnblase und weibliche Harnröhre) münden in die Lgl. lum¬ 
bales aorticae, Lgl. iliacae mediales und die Lgl. hypogastricae. 

a) Die Lymphgefäße der Nieren (Fig. 27 f, f‘) zerfallen in die 
der Nierenkapsel und die des Nierenparenchyms. 

«) Die Lymphgefäße der Nierenkapsel bilden in dieser aus¬ 
gedehnte Netze. Die aus ihnen entstehenden Lymphgefäße münden 
in die Lgl. lumbales aorticae einschließlich Lgl. lumbalis aortica crani- 
alis, und zwar können sie in alle Knoten der Gruppe eintreten, selbst 
in die am weitesten kaudal gelegenen Knoten derselben. In die 
Lgl. lumbalis aortica cranialis (i, r) und in die an der A. und V. rena- 
lis gelegenen Lgl. lumbales aorticae (s) münden im allgemeinen die 
Lymphgefäße vom vorderen (kranialen) Teil der Nierenkapsel, in die 
an der A. und V. renalis und kaudal davon gelegenen Lgl. lumbales 
aorticae ( s ) die vom hinteren (kaudalen) Teil der Kapsel. Sie 
treten an allen Stellen der Kapsel hervor, verlaufen dann zunächst 
zwischen der fibrösen Nierenkapsel und der Capsula adiposa bzw. der 
Serosa (dem Peritonaeum) bis zum medialen, kranialen oder kaudalen 
Rande der Niere und von hier subperitonaeal weiter bis zu den ge¬ 
nannten Lymphknoten. Einzelne Lymphgefäße bilden nicht selten 
große, in kaudaler Richtung ausholende Bögen. 

Eine Verbindung der Kapsel- mit den Parenchymlymphgefäßen konnte inso¬ 
fern festgestellt werden, als bei Einstich in das Parenchym, besonders dessen ober¬ 
flächliche Schicht, sich fast ausnahmslos Kapsellymphgefäße füllten. Ob umgekehrt 
Kapsellymphgefäße in das Parenchym eintreten und sich zu dessen Lymphgefäßen 
gesellen oder mit diesen sich vereinigen, läßt sich schwer feststellen. In mehreren 
Fällen konnte ich einwandfrei nachweisen, daß die injizierten Kapsellymphgefäße 
nicht auf die Niere übertraten, sondern direkten Weges zu den genannten Knoten 
zogen; in anderen Fällen füllten sich außer diesen Lymphgefäßen freilich auch noch 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


631 


Parenchymlymphgefäße; nur bleibt es in solchen Fällen stets zweifelhaft, ob diese 
Füllung von der Kapsel bzw. Kapsellymphgefäßen aus erfolgte, denn bei der Dünn¬ 
heit der Capsula fibrosa wird es nur in seltenen Fällen gelingen, beim Einstich in 
die Kapsel nur Kapsellymphgefäße zu füllen; man wird in der Regel die Kapsel 
durchstechen und dann bereits Lymphgefäße der Nierenoberfläche füllen, wodurch 
dann ein Uebertritt von Kapsellymphgefäßen auf die Niere vorgetäuscht werden kann. 
Auch habe ich in allen Fällen Lymphgefäße in der Capsula fibrosa nachweisen 
können. Ich konnte mithin die Angabe vonKumita (22), daß die Capsula fibrosa 
der Niere manchmal Lymphgefäße habe, in anderen Fällen aber ohne Lymphgefäße 
sei und daß diese Kapsellymphgefäße in das Parenchym eindringen, nicht bestätigen. 
Ich werde auf diese Verhältnisse in einer ausführlichen Arbeit zurückkommen. 
Die Lymphgefäße des Nierenfettes (Capsula adiposa) gesellen sich zu denen 
der Capsula fibrosa. 

ß) Die Lymphgefäße des Nierenparenchyms verlassen das 
Organ durch dessen Hilus in Form von 5—8 stärkeren und schwächeren 
Lymphgefäßen, die mit den Nierenblutgefäßen zu den in deren Nähe 
gelegenen Lgl. lumbales aorticae ziehen. Von diesen Lymphknoten 
aus füllen sich aber in der Regel ohne weiteres Lymphgefäße zu den 
weiter kaudal gelegenen Lgl. lumbales aorticae bis zur Lgl. iliaca 
medialis-und auch umgekehrt in kranialer Richtung bis zur Lgl. lura- 
balis aortica cranialis hin. In letzteren Lymphknoten können 
Parenchymlyraphgefäße auch direkt eintreten. Da außerdem bei 
Injektion der Parenchymlymphgefäße sich fast ausnahmslos die Kapsel¬ 
lymphgefäße füllen (s. oben) und diese zur Lgl. lumbalis aortica crani¬ 
alis und zu weiter kaudal gelegenen Lgl. lumbales aorticae verlaufen, 
so füllen sich diese Lymphknoten bei Injektion der Parenchymgefäße 
auch auf diesem Wege. 

Zur Lgl. iliaca medialis direkt konnten Lymphgefäße der Niere und der Nieren¬ 
kapsel nicht verfolgt werden, hingegen wurde verhältnismäßig außer¬ 
ordentlich oft (bei 12 untersuchten Hunden 6 mal, also bei der Hälfte aller 
Fälle) beobachtet, daß Lymphgefäße der Niere und der Nierenkapsel 
direkt in die Lendenzisterne einmündeten [Näheres s. Baum (8)]. Nicht 
selten stehen die Lymphgefäße der Nierenkapsel in Verbindung mit Hodenlymph¬ 
gefäßen (s. diese S. 633). 

b) Die Lymphgefäße des Harnleiters münden vom kranialen 
Teile desselben in die Lgl. lumbales aorticae, vom mittleren in die 
Lgl. iliaca medialis und vom kaudalen Teile in die Lgl. hypogastricae; 
die letzteren Lymphgefäße vereinigen sich zu 1—2 Stämmchen, die 
den Harnleiter bis nahe zur Harnblase begleiten, dann im Seitenband 
der Harnblase abbiegen und in die Lgl. hypogastricae eintrat. 

c) Die Lymphgefäße der Harnblase (Fig. 32 i) ziehen zum 
größeren Teile zu den Lgl. iliacae mediales ( i), zum kleineren Teile 
zu den Lgl. hypogastricae (*). Sie bilden subserös sehr grobe Netze; 



632 


HERMANN BAUM, 


die aas diesen entstehenden Lymphgefäße nehmen in der dorsalen Wand 
der Harnblase einen mehr oder weniger längsgerichteten Verlauf an. 
Die Lymphgefäße vom Scheitel and dem Körper.der Harnblase 
treten im wesentlichen in Form mehrerer Lymphgefäße in das Seiten¬ 
band der Harnblase (m), woselbst sie sich unter Bildung von groben 
Netzen zu 1—2 Stämmchen vereinigen, die des weiteren die A. und 
V. iliaca externa begleiten oder in ihrer Nähe verlaufen und so zur 
Lgl. iliaca raedialis (i) gelangen. Ein Teil dieser Lymphgefäße gesellt 
sich aber auch zur 2. Gruppe der Lymphgefäße, die vom kaudalen 
Teil der Harnblase und dem Harnblasenhalse stammen; sie 
vereinigen, sich teils mit den vorerwähnten Lymphgefäßen, teils mit 
denen der Prostata beim männlichen (s. S. 634) bezw. der Harn¬ 
röhre beim weiblichen Tiere (s. unten) und suchen mit ihnen die Lgl. 
hypogastricae (a) auf. 

Ausnahmsweise wurde ein Ueberkreuzen der Medianebene durch Lymph¬ 
gefäße der Harnblase beobachtet. Es handelte sich stets um Lymphgefäße, die von 
dem zwischen Seitenband der Harnblase und dem Lig. pubovesicale und vesicoum- 
bilicale gelegenen Teil der Harnblase stammten und um den ventralen Rand der 
Harnblase nach der anderen Seite und damit auch zu den anderseitigen Lymph¬ 
knoten (8) gelangten. 

d) Die Lymphgefäße der weiblichen Harnröhre (Fig. 29i) 
gesellen sich zu denen der Vagina und des Uteruskörpers und ziehen 
mit ihnen zu den Lgl. hypogastricae («), manchmal.auch direkt zu 
den Lgl. iliacae mediales (i) oder auch zur Lgl. sacralis lateralis ( t ). 

Ueber die Lymphgefäße der männlichen Harnröhre s. S. 636. 

e) Die Lymphgefäße der Nebennieren (Fig. 28 d, d'). Die aus 
jeder Nebenniere austretenden Lymphgefäße vereinigen sich zu 
2—3 Stämmchen, die beiderseits in die Lgl. lumbalis aortica 
cranialis (a, 3-) einmünden. 

K. Lymphgefäße der männlichen Geschlechtsorgane. 

Die Lymphgefäße der männlichen Geschlechtsorgane 
münden in die Lgl. inguinales superficiales , die Lgl. iliaca medialis, 
Lgl. lumbales aorticae , Lgl. hypogastricae und die Lgl. sacralis 
lateralis. 

1. Die Lymphgefäße des Scrotum (Fig. 31 v') suchen sämt¬ 
lich die Lgl. inguinales superficiales (*) auf, sie bilden durch Anasto- 
mosenbildung grobe Netze. Ein Teil von ihnen kreuzt beide Flächen 
des Samenstranges. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


633 


2. Die Lymphgefäße des Hodens und Nebenhodens ziehen im 
Saraenstrang in die Bauchhöhle und in dieser zur Lgl. iliaca medialis, 
den Lgl. lumbales aorticae und ausnahmsweise auch zu den Lgl. 
hypogastricae. 

Die Lymphgefäße des Hodens (Fig. 31 w) bilden in dessen 
Tunica albuginea (Kapsel)' äußerst zahlreiche und äußerst feine Netze, 
welche die ganze Tunica albuginea vollständig durchsetzen und sich 
auch in die die Nebenhodentasche auskleidende Tunica albuginea und 
die des Nebenhodens (Fig. 31 x) fortsetzen, so daß die letzteren 
Netze von den Netzen in der Tunica albuginea des Hodens aus sich 
füllen. Aus diesen Netzen entstehen am Nebenhoden, und zwar be¬ 
sonders am dorsalen Rande und am Kopfe desselben, zahlreiche 
feinere und stärkere Lymphgefäße, die des weiteren zum größten Teile 
die Blutgefäße des Samenstranges begleiten, wobei sie besonders in 
der dem Hoden zugekehrten Hälfte des Samenstranges reiche, grobe 
Netze bilden (s. Fig. 31). Ein kleinerer Teil der Lymphgefäße des 
Hodens und Nebenhodens verläuft aber auch im Mesorchium oder 
begleitet den Ductus deferens (y'). Am inneren Leistenring liegen 
alle diese Lymphgefäße natürlich dicht aneinander und zwar in der 
Zahl 3—4. Vom inneren Leistenring aus wenden sie sich zum Teil 
in der Plica vasculosa in kraniodorsaler Richtung nach der Lgl. iliaca 
medialis (i) und den Lgl. lumbales aorticae (?,*') hin. In der Regel 
münden sie in kaudale Lgl. lumbales aorticae (a), nicht selten aber 
auch in mehr kranial gelegene (r), selbst in solche, die an der 
A. und V. renalis liegen. Meist, münden die Lymphgefäße in beide 
Lymphknotengruppen, seltener nur in die Lgl. lumbales aorticae. Ein 
anderer Teil der Lymphgefäße (1—2 Stück) begleitet vom inneren 
Leistenring aus den Ductus deferens bis zum Harnblasenhalse, biegt 
dann um und mündet ebenfalls in die Lgl. iliaca medialis (i), öfter aber 
mit einem Gefäße auch noch in die Lgl. hypogastricae (s), so, wie 
es Fig. 31 zeigt. 

Von den in die Lgl. lumbales aorticae einmündenden Lymphgefäßen aus 
füllen sich nicht selten Lymphgefäße bis zur Nierenkapsel, wo sie 
mit Lymphgefäßen dieser in Verbindung stehen (Fig. 31 8). Es 
wurde außerdem verhältnismäßig sehr oft, nämlich bei ungefähr 2 /a aller unter¬ 
suchten Hunde, beobachtet, daß Lymphgefäße eines Hodens direkt, also 
ohne einen Lymphknoten passiert zu haben, in die Lendenzisterne einmün¬ 
deten; in der Regel handelte es sich um 1 solches Lymphgefäß, während die 
anderen Lymphgefäße des betr. Hodens in die erwähnten Lymphknoten eintraten, 
oder die Lymphgefäße des Hodens vereinigten sich in der Bauchhöhle zu einem 
Stämmchen, das Seitenäste an die erwähnten Lymphknoten abgab, sich selbst 
aber bis zur Lendenzisterne verfolgen ließ [Näheres s. Baum (8)]. 



634 


HERMANN BAUM, 


Ich habe weiterhin einmal beobachtet, daß eines der Lymphgefäße des Hodens 
die Tunica vaginalis communis durchbohrte und nahe dem äußeren Leistenring 
nach dem Schenkelkanal sich wandte und zu dessen Lymphgefäßen sich gesellte. 

3. Die Lymphgefäße des Dnctus deferens vereinigen sich mit 
denen des Hodens und Nebenhodens. 

4. Die Lymphgefäße des M. cremaster und der Tunica vagi¬ 
nalis communis begleiten in Form von 1—2 Gefässen den M. cre¬ 
master und gesellen sich am inneren Leistenring zu den in der Plica 
vasculosa zur Lgl. iliaca medialis und den Lgl. lumbales aorticae ver¬ 
laufenden Lymphgefäßen des Hodens (s. S. 633). 

5. Die Lymphgefäße der Prostata (Fig. 32k) münden in die 
Lgl. iliaca medialis, die Lgl. hypogastricae und die Lgl. sacralis la¬ 
teralis. Sie bilden an der Oberfläche der Prostata ein grobes Netz¬ 
werk, aus dem jederseits 3—5 Lymphgefäße sich entwickeln; diese 
verlaufen im Seitenband der Harnblase, bzw. unter dem an die seit¬ 
liche Beckenwand tretenden Peritonaeum, indem sie durch Teilung und 
gegenseitige Vereinigung noch grobe Netzt* bilden, zur Lgl. iliaca me¬ 
dialis (i) und den Lgl. hypogastricae (j); ist eine Lgl. sacralis late¬ 
ralis (:>) vorhanden, so tritt eines der letzteren Lymphgefäße meist 
auch in diesen Knoten ein. 

Nicht selten füllen sich von der Prostata aus die am Beckenstück der Harn¬ 
röhre gelegenen Lymphgefäße, die dann aber zu denselben Lymphknoten, wie oben 
erwähnt, hinziehen; auch am Harnblasenhalse gelegene Lymphgefäße können sich von 
der Prostata aus füllen; ausführlich beschreibt die Lymphgefäße der Prostata des 
Hundes Walker (S. 28); man wird nur schwer klug, um welche Lymphknoten 
es sich bei der Beschreibung Walkers handelt; nach seinen Abbildungen ziehen 
Lymphgefäße der Prostata auch zu der Lgl. inguinalis prof. und zu Lymphknoten, 
die am Rectum liegen; beides habe ich nicht beobachtet. 

6. Die Lymphgefäße des Praeputinm (Fig. 31 u. 32 v) müuden in 
die Lgl. inguinales superficiales (31 * u. 32 4 . 6 , 6-). Die Lymphgefäße 
des Integumentblattes (Fig. 32 «, «-') bilden in der Subcutis grobe Netze, 
die des parietalen Blattes (Fig. 31) in diesem und submukös außer¬ 
ordentlich reiche und außerordentlich feine Netze; beide Netze sind 
natürlich nicht scharf voneinander zu trennen. Die aus diesen Netzen 
entstehenden Lymphgefäße verlaufen zwischen beiden Blättern bis zum 
Grund dps Präputialsackes. Von hier aus gesellen sie sich zum Teil 
(Fig. 32 6) zu den Lymphgefäßen des Penis, die diesem, besonders 
seinem Dorsum, dicht angelagert sind und nach den Lgl. inguinales 
superficiales (Fig. 32 <) verlaufen. Ein anderer Teil der Präputiallymph- 
gefäße (Fig. 31 ?*- e u. 32 «') aber wendet sich vom Grund des Präputial¬ 
sackes aus mehr in dem Fett zwischen Penis und ventraler Bauch- 


Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


635 


wand kaudal zu den genannten Lymphknoten (Fig. 31 u. 32 4 ) und 
biegt dabei nicht selten ziemlich weit seitlich vom Penis aus bzw. 
bildet große seitliche Schleifen, wie es Fig. 31 zeigt. Ueber die 
Lymphgefäße des viszeralen oder Penisblattes s. Lymphgefäße 
des Penis. 

7. Die Lymphgefäße des Penis (einschl. M. ischio- und 
bulbocavernosus) und der Eichel (einschl. Penisblatt des 
Praeputium) münden zum weitaus größten Teil in die Lgl. inguinales 
superficiales , zum kleineren Teil in die Lgl. sacralis lateralis und 
die Lgl. hypogastricae ; sie verhalten sich im einzelnen, wie folgt: 
Die Lymphgefäße der Eichel einschl. des Penisblattes des 
Praeputium (Fig. 32 t) bilden in dem letzteren, d. h. in dem Ueberzug 
der Eichel außerordentlich feine Netze. Die aus diesen sich ent¬ 
wickelnden Lymphgefäße verlaufen in dem Penisblatt bzw. unter ihm 
nach dem Grund des Präputialsackes. der dicht kaudal vom Schwell¬ 
knoten liegt. Hier treten die Lymphgefäße unter dem Penisblatt 
hervor und laufen des weiteren dicht am Penis, vorzugsweise an dessen 
Dorsum, zum Teil aber auch an seinen Seitenflächen kaudal und 
münden in die Lgl. inguinales superficiales (4) ein, aber so, daß die 
meisten dieser Lymphgefäße über diese Lymphknoten hinaus kaudal 
verlaufen, oft bis nahe zum Arcus ischiadicus hin, und daß sie dann 
erst wieder in kranialer Richtung umbiegen zu den genannten Lymph¬ 
knoten hin; sie bilden also große, kaudal ausgezogene Schleifen, wie 
es Fig. 32 zeigt. 

Die Lymphgefäße des Penis (Fig. 32 s) gesellen sich zu den 
vorerwähnten Lymphgefäßen und münden mit ihnen in die Lgl. ingui¬ 
nales superficiales; nur die Lymphgefäße des Crus penis einschl. 
des M. ischiocavernosus (Fig. 32 r) und die des M. bulbocaver¬ 
nosus (Fig. 32 q) schlagen zwei Wege ein. Ein Teil von ihnen ge¬ 
sellt sich zu den Lymphgefäßen des Penis, wie es Fig. 32 zeigt, und 
zieht mit ihnen zu clen Lgl. inguinales superficiales (4); ein anderer 
Teil (1—2 Gefäße) tritt in die Beckenhöhle und zieht an der seit¬ 
lichen Beckenhöhlenwand subperitonaeal zu den Lgl. hypogastricae (. 1 ). 
Ist eine Lgl. sacralis lateralis (5) vorhanden, tritt eines dieser Lymph¬ 
gefäße in der Regel erst in diesen Knoten ein. 

Direkt zu den Lgl. iliacae mediales ziehende Lymphgefäße konnten in 4 ge¬ 
nauer untersuchten Fällen nicht beobachtet werden. 

Die Lymphgefäße des Penis bilden in der Tunica albuginea der¬ 
selben ausgedehnte Netze. 



636 


HERMANN BAUM, 


8. Die Lymphgefäße der männlichen Harnröhre (Fig. 32) 
münden in die Lgl. inguinales superficiales, die Lgl. hypogastricae, 
die Lgl. iliacae mediales und sacrales laterales. Vom Anfangsteil 
des ßeckenstückes der Harnröhre\l) gesellen sie sich zu denen 
der Prostata und ziehen mit ihnen zu den Lgl. iliacae mediales (i) 
und den Lgl. hypogastricae (s); ist eine Lgl. sacralis lateralis (&) 
zugegen, so mündet in der Regel 1 dieser Lymphgefäße auch in 
diesen Knoten ein. Vom Endteil des Beckenstückes der Harn¬ 
röhre gesellen sich die Lymphgefäße zu denen des Crus penis, des 
M. ischio- und bulbocavernosus (q u. r) (S. 635) und wenden sich mit 
ihnen teils am Penis zu den Lgl. inguinales superficiales (♦), teils in 
der Beckenhöhle subperitonaeal zu den Lgl. hypogastricae (3); ist 
eine Lgl. sacralis lateralis ( 5 ) zugegen, tritt 1 dieser Lymphgefäße 
meist (aber nicht immer) auch in sie ein. 

Die Lymphgefäße vom Penisteil der Harnröhre (t) gesellen 
sich zu denen des Penis und ziehen mit ihnen zu den Lgl. inguinales 
superficiales (4). 

Ueber die Lymphgefäße der weiblichen Harnröhre s. S.632. 

L. Lymphgefäße der weiblichen Geschlechtsorgane. 

Die Lymphgefäße der weiblichen Geschlechtsorgane 
(Ovarium, Uterus, Vagina, Vestibulun vaginae, Vulva und Clitoris) 
münden in die Lgl. lumbales aorticae, Lgl. iliacae mediales, Lgl. 
hypogastricae . Lgl. sacrales laterales und Lgl. inguinales superficiales. 

1. Die Lymphgefäße des Ovarinm (Fig. 29 b) suchen die 
Lgl. lumbales aorticae (2- s) auf. Sie bilden in dem das Ovarium ein- 
hüllendenFette und im Lig. Suspensorium ovarii (k) und zwar anscheinend 
besonders in dessen ventromedialem Blatte ausgedehnte, grobmaschige 
Netze, aus denen sich in der Regel 3— 4 Lymphgefäße entwickeln, 
die zu den Lgl. lumbales aorticae und zwar besonders zu den an der 
A. u. V. renalis gelegenen Knoten derselben hinziehen. 

Zu den Lgl. iliacae mediales zogen in 4 genauer untersuchten Fällen keine 
Lymphgefäße. 

2. Die Lymphgefäße des Uterus (Fig. 29 c, d) münden in die 
Lgl. lumbales aorticae (o), die Lgl. iliacae mediales ( 1 ), die Lgl. 
hypogastricae (4) und die Lgl. sacrales laterales (?)• Von der 
kranialen Hälfte des Uterushornes gehen sie zu (1—2) Lgl. 
lumbales aorticae, mit Vorliebe zu den an der A. und V. renalis 
gelegenen Knoten ( 2 , 3 ) und zur Lgl. iliaca medialis (i)- Von der 



Das Lympbgefäßsystem des Hundes. 


637 


kaudalen Hälfte des Uterushornes ziehen sie zur Lgl. iliaca 
medialis ( 1 ) und zu den Lgl. hypogastricae ( 4 ), vom Uteruskörper 
zu den Lgl. hypogastricae und, falls eine Lgl. sacralis lateralis (7) 
zugegen ist, zum Teil auch zu dieser. 

Die Lymphgefäße des Uterus bilden unter dessen Serosa und 
neben dem Uterus im Lig. latum uteri reiche, grobmaschige Netze. 
Die aus diesen sich entwickelnden Lymphgefäße verlaufen in der 
Regel zunächst eine Strecke weit im Lig. latum uteri nahe dem Uterus 
und Uterushorn und diesen m. 0 . w. parallel. Erst dann biegen sie 
stärker vom Uterus und Uterushorn ab und ziehen im Lig. latum uteri 
zu den genannten Lymphknoten. 

Ueber das Verhältnis der Lymphgefäße der einzelnen Schichten der Uterus¬ 
wand (Schleimhaut, Muskelhaut) habe ich makroskopisch etwas Bestimmtes nicht 
feststellen können [s. Baum (6), S. 155]. Ausnahmsweise biegt eines der Lymphgefäße 
von einer Fläche des Uterus und Uterushornes um den der Insertion des Lig. latum 
gegenüber liegenden Rand um an die andere Fläche des Uterus bzw. Uterus¬ 
hornes (8). 

3. Die Lymphgefäße der Vagina (Fig. 29 e) gesellen sich teils 
zu denen vom Körper des Uterus und gehen mit ihnen zu den Lgl. 
hypogastricae (4) und, falls eine Lgl. sacralis lateralis (7) zugegen 
ist, zum Teil auch zu dieser; ein anderer Teil gesellt sich zu den 
Lymphgefäßen des Vestibulum vaginae, die zu den genannten Lymph¬ 
knoten hinziehen. 

4. Die Lymphgefäße des Vestibnlum vaginae (Fig. 29 f) 
suchen mit denen der Vagina teils die Lgl. hypogastricae (*) und 
eventuell die Lgl. sacrales laterales (7), teils aber auch die Lgl. in¬ 
guinales superficiales (5) auf, so wie es Fig. 29 zeigt. 

Bisweilen umgeht ein Lymphgefäß der Vagina oder des Vestibulum vaginae 
die Lgl. hypopgastricae und mündet direkt in die Lgl. üiaca medialis ( 1 ), oder es 
mündet ein solches Lymphgefäß in die Lgl. sacralis lateralis ( 7 ). 

5. Die Lymphgefäße der Vnlva einschließlich Clitoris 
(Fig. 29 g) wenden sich teils in Form von 2—4 Gefäßen, die wieder 
grobe Netze bilden, subkutan über die mediale Seite des Ober¬ 
schenkels nahe der Beckensymphyse nach vorn zu den Lgl. inguinales 
superficiales ( 5 ), teils treten sie in Form von 1—2 Gefäßen in die 
Beckenhöhle und verlaufen hier subperitonaeal zu den Lgl. hypo¬ 
gastricae (4). 

Ist eine Lgl. sacralis lateralis (7) zugegen, mündet eines dieser Gefäße meist 
auch in diesen Knoten ein, es kann eines der Lymphgefäße auch direkt bis zur 
Lgl. üiaca medialis ( 1 ) ziehen. 



638 


HERMANN BAUM, 


Anhang: Die Lymphgefäße des Enters. 

Die Lymphgefäße des Euters (Fig. 30) suchen die Lgl. 
inguinales superficiales, die Lgl. axillares und 'die Lgl. stemalis auf, 
und zwar gehen sie von der kaudalen Hälfte des Euters ein¬ 
schließlich den 3 kaudalen (der 5) Zitzen zu den Lgl. inguinales 
superficiales (i, i*); von der kranialen Hälfte des Euters hingegen 
und den 3 kranialen (der 5) Zitzen münden sie in die Lgl. axillaris und, 
falls eine Lgl. axillaris accessoria (a) zugegen ist, zum Teil auch in 
diese und im übrigen in die Lgl. sternalis; vom mittleren, der 3. Zitze 
entsprechenden Teil des Euters wenden sie sich nach den sämtlichen 
Lyraphknotengruppen hin. 

Die Lymphgefäße der-Zitzen und der Haut des Euters 
bilden subkutan grobmaschige Netze (Fig. 30), aus denen sich erst 
die zu den genannten Lymphknoten ziehenden Lymphgefäße ent¬ 
wickeln. Diese verlaufen zum größeren Teil subkutan nach dem 
lateralen Rande des Euters und so, wie es Fig. 30 zeigt, in seiner 
Nähe teils kranial zu den Lgl. axillares (a), teils kaudal zu den 
Lgl. inguinales superficiales (i,»'). Ein Teil von ihnen (c, c) tritt aber 
aueh in das Euterparenchym und durch dieses hindurch und verläuft 
zwischen Euter und ventraler Bauch- und Brustwand zu den genannten 
Lymphknoten, wobei sie sich zumeist auch allmählich nach dem lateralen 
Rand des Euters hinwenden und sich zum Teil mit den vor¬ 
erwähnten Lymphgefäßen vermischen. Ein Teil der letzteren Lymph¬ 
gefäße sucht aber auch die Lgl. sternalis auf, indem er sich zu den 
entsprechenden Lymphgefäßen des Parenchyms gesellt (s. unten). Es 
waren aber immer nur Lymphgefäße, die von den kranialen 2 oder 
3 Zitzen, bzw. ihrer Haut stammten, nicht auch Lymphgefässe von 
der Haut zwischen diesen Zitzen. 

Alle diese Lymphgefäße, wie auch schon die die Netze bildenden 
Lymphgefäße fallen durch ihre bedeutende Stärke (Dicke) auf. 

Die Lymphgefäße des Euterparenchyms treten teils an den 
verschiedensten Stellen der Oberfläche desselben subkutan hervor (a, a) 
und gesellen sich zu den Hautlymphgefäßen bzw. den Netzen; zum 
anderen Teil vereinigen sie sich mit den Hautlymphgefäßen, die das Euter¬ 
parenchym durchsetzen und des weiteren zwischen Euter und ventraler 
Bauch- und Brustwand zu den genannten Lymphknoten (Lgl. inguinales 
superficiales und Lgl. axillares) hinziehen (b, b), wobei sie sich zumeist 
auch nach dem lateralen Rand des Euters hinwenden (s. oben). Ein 
Teil von den letzteren, d. h. von den das Euterparenchym nach der 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


639 


Tiefe durchsetzenden Lymphgefäßen, sucht aber auch die Lgl. ster- 
nalis auf und zwar in der Weise, daß vom* mittleren, ungefähr der 
3. Zitze entsprechenden Teil des Euters in der Regel 1—2 Lymph¬ 
gefäße sich füllen (Fig. 30 e), die in Begleitung der A. und V. epi- 
gastrica cranialis zwischen Schaufelknorpel und letztem wahren Rippen¬ 
knorpel in die Tiefe treten, unter dem Zwerchfellsansatz hindurch in 
die Brusthöhle gelangen und hier sich bis zur Lgl. sternalis ver¬ 
folgen lassen, und daß weiterhin' vom kranialen, der 1. und 2. Zitze 
entsprechenden Teil des Euters mehrere Lymphgefäße sich füllen 
(Fig. 30 e', e"), die durch den tiefen Brustmuskel und des weiteren 
durch die Zwischenknorpelräume (und zwar meist durch den 4., 5. 
und 6. Zwischenknorpelraum je ein Lymphgefäß) in die Brusthöhle 
treten, zu den vorerwähnten Lymphgefäßen sich gesellen und mit 
ihnen zur Lgl. sternalis ziehen. 

Es sei besonders betont, daß ich solche Lymphgefäße nicht nur 
vom Euterparenchym, sondern auch von der 1., 2. und 3. Zitze aus 
injiziert habe, wenn die Injektion auch durchaus nicht jedesmal gelingt. 

Ein Uebertreten von Lymphgefäßen des Euterparenchyms über die 
Medianebene hinweg nach der anderen Seite wurde nicht beobachtet, obgleich öfter 
daraufhin injiziert und untersucht wurde, während Lymphgefäße der Haut des 
Euters von neben der Medianlinie gelegenen Teilen derselben natürlich übertreten 
können. 

M. Lymphgefäße des Herzbeutels, des Herzens und der Aorta. 

1 . Die Lymphgefäße des Herzbeutels sind nicht von denen 
des kardialen Teiles des Mediastinum zu trennen. Die Beschreibung 
der letzteren gilt deshalb auch für sie (s. S. 597). 

2. Die Lymphgefäße des Herzens münden größeren Teiles in 
die Lgl. bifurcationis und zwar alle 3 Knoten der Gruppe, kleineren 
Teiles in die Lgl. mediastinales (craniales). 

a) Die Lymphgefäße der Seitenwand der linken Kammer 
(Fig. 18 a und 21 b) suchen die Lgl. bifurcationis sinistra 
(Fig. 21 1) und media (Fig. 18 i u. 21 k) und die Lgl. mediastinales 
(craniales) (Fig. 18 * u. 21 ro) auf. Sie wenden sich von den einzelnen 
Einstichstellen aus teils nach dem Sulcus longitudinalis sinister, teils 
nach dem Sulcus longitudinalis dexter, teils steigen sie direkt zum 
Sulcus coronarius in die Höhe. Zum Sulcus longitudinalis sinister 
(Fig. 21 o) ziehen sie im wesentlichen vom linken Teil der linken 
Kammerwand (Fig. 21), zum Sulcus coronarius (Fig. 21 n, n') steigen sie 
in die Höhe vom kaudalen Teil der linken Kammerwand (Fig. 21), 



640 


HERMANN BAUM, 


nach dem Sulcus longitudinalis dexter (Fig. 18 e) wenden sie sich im 
wesentlichen vom rechten Teil der linken Kammerwand (Fig. 18); 
diese einzelnen Gebiete sind aber durchaus nicht scharf gegeneinander 
abgegrenzt; von vielen Stellen aus füllen sich Lymphgefäße nach 

2 Seiten (z. B. nach dem Sulcus longitudinalis sin. und dem Sulcus 
coronarius oder nach diesem und dem Sulcus longitudinalis dexter) hin, 
von manchen Stellen in der Nähe der Herzspitze sogar nach allen 

3 Wegen hin; es treten auch Lymphgefäße vom rechten Teil der Herz¬ 
spitze nach der linken Seite und umgekehrt vom linken Teil der Herz¬ 
spitze nach der rechten Seite hinüber, wie dies auch in Fig. 21 zum 
Ausdruck gebracht ist. 

Die zum Sulcus longitudinalis dexter verlaufenden Lymphgefäße 
vereinigen sich in diesem zu 2—3 Stämmchen, die teils über die 
linke Vorkammer in die Höhe steigen zur Lgl. bifurcationis media 
(Fig. 18 i), teils sich zu denen im Sulcus coronarius gesellen und mit 
ihnen nach links umbiegen (s. unten u. Fig. 18). Ausnahmsweise 
biegen alle Lymphgefäße des Sulcus longitudinalis dexter in den 
Sulcus coronarius um. Auch die in den Sulcus coronarius gelangenden 
Lymphgefäße vereinigen sich zu 1—3 Stämmchen, die im linken Teil 
des Sulcus coronarius (Fig. 21 n'), mehr oder weniger verdeckt vom 
linken Herzohr, nach der A. pulmonalis verlaufen und sich hier zu 
den ira Sulcus longitudinalis sinister (Fig. 21 o) aufsteigenden 
2 —3 Stämmchen gesellen bzw. sich mit ihnen vereinigen. Die dadurch 
entstehenden Stämmchen treten zwischen linkem Herzohr und A. pul¬ 
monalis in die Tiefe und wenden sich über die rechte Seite der 
A. pulmonalis entweder nach der Lgl. bifurcationis sinistra (Fig. 21 1) 
oder nach einer Lgl. mediastinalis (cranialis) (Fig. 21m) oder nach 
beiden Lymphknotengruppen hin. Von den Lgl. mediastinales craniales 
ist es in der Regel der Knoten, der an der V. cava cranialis liegt. 

b) Die Lymphgefäße der Seitenwand der rechten Kammer 
(Fig. 18 b und 21 a) verhalten sich ganz ähnlich wie die Lymph¬ 
gefäße der linken Kararaerwand, münden wie diese in die Lgl. 
bifurcationis sinistra und media und in die Lgl. mediastinales 
(craniales). Vom linken Teil der rechten Kammerwand wenden 
sie sich im allgemeinen nach dem Sulcus longitudinalis sinister 
(Fig. 21 o), vom kranialen Teil der rechten Kammerwand steigen sie 
direkt in die Höhe zum Sulcus coronarius (Fig. 18 d' und 21 n), vom 
rechten Teil der rechten Kammerwand ziehen sie nach dem Sulcus 
ongitudinalis dexter (Fig. 18 c), gesellen sich hier zu den entsprechenden 



Das Lymphgefäßsystem des Rundes. 


641 


Lymphgefäßen vom rechten Teil der linken Kammerwand und steigen 
mit ihnen Uber die linke Vorkammer in die Höhe zur Lgl. bifurcationis 
media (Fig. 18 1 ), können sich aber auch im Sulcus coronarius kaudal 
wenden und sich zu den Lymphgefäßen der linken Kammerwand 
gesellen. Die in den Sulcus coronarius gelangenden Lymphgefäße 
verlaufen im linken Teil des Sulcus nach dem kaudalen Rand der 
A. pulmonalis (s. Fig. 21), vereinigen sich hier mit den im Sulcus longi- 
tudinalis sinister (Fig. 21 o) aufsteigenden Lymphgefäßen (s. S. 640) 
und gleichzeitig mit den von der linken Kammerwand kommenden 
Lymphgefäßen (s. S. 640), die des weiteren zwischen A. pulmonalis 
und linkem Herzohr in die Tiefe treten, so, wie es S. 640 geschildert 
wurde, und in die Lgl. bifurcationis sinistra (Fig. 211) und in die 
Lgl. raediastinales (craniales) (Fig. 21 m) einmünden. 

Von dieser Regel sind folgende Abweichungen beobachtet 
worden: 

1. Die sich im Sulcus coronarius treffenden Lymphgefäße vereinigen sich 
nicht mit den im Sulcus longitudinalis sinister aufsteigenden Lymphgefäßen, sondern 
bilden ein Stämmchen. das über die linke Seite der A. pulmonalis und Aorta 
zu einer Lgl. mediastinalis (cranialis) zieht (ein solches Lymphgefäß ist auch in 
Fig. 18 gezeichnet). 

2. Die vom rechten Teil der rechten Kammerwand zur Lgl. bifurcationis media 
ziehenden Lymphgefäße münden nicht in diesen Knoten, sondern gesellen sich zu 
den im Sulcus coronarius verlaufenden Lymphgefäßen, wie es bei den Lymphge¬ 
fäßen der linken Kammerwand beschrieben ist. In diesem Falle vereinigen sich 
alle Lymphgefäße der beiden Kammerwände schließlich zu 2—8 Stämmchen, die 
zwischen A. pulmonalis und linkem IJerzohr in die Tiefe treten. 

Ueber die Abgrenzung der einzelnen Bezirke gilt das bei der linken Kammer¬ 
wand Gesagte. 

c) Die Lymphgefäße der linken Vorkammer (Fig. 21 d) und 
zwar vom Herzohr und dem diesem benachbarten Teile der Vorkammer 
wenden sich teils über beide Flächen der Vorkammer nach dem Sulcus 
coronarius und gesellen sich hier zu den im Sulcus coronarius ver¬ 
laufenden Lymphgefäßen der linken Karamerwand und münden mit 
ihnen in die Lgl. bifurcationis sinistra (l) und meist auch noch in 
eine Lgl. mediastinalis (cranialis) (m); ein anderer Teil der Lymph¬ 
gefäße dieses Teiles der linken Vorkammer wendet sich über die 
dorsale Fläche der linken Vorkammer zu denselben Lymphknoten hin 
(s. Fig. 21). Die Lymphgefäße vom hinteren und vom rechten (an die 
rechte Vorkammer angrenzenden) Teil der linken Vorkammer münden in 
die Lgl. bifurcationis media (k); größtenteils ziehen sie direkt über 
die linke Vorkammer in die Höhe zum genannten Lymphknoten (wie 
es Fig. 21 zeigt), teils vereinigen sie sich mit denjenigen Lyraph- 

Archiv f. wissensch. a. prakt. Tierheilk. Bd. 44. Suppl. 41 



642 


HERMANN BAUM, 


gefaßen der linken Kammerwand, die vom Sulcus longitudinalis dexter 
aus über die linke Vorkammer in d^e Höhe steigen zur Lgl. bifur- 
cationis media (Fig. 18). Nehmen diese Lymphgefäße nicht diesen 
Weg, sondern gesellen sich, wie es S. 641 geschildert wurde, zu den 
Lymphgefäßen, die sich im Sulcus coronarius nach der linken Seite 
wenden, dann schlagen denselben Weg natürlich auch die entsprechen¬ 
den Lymphgefäße der linken Vorkammer ein. 

d) Die Lymphgefäße der rechten Vorkammer (Fig. 18 c) 
münden teils in die Lgl. bifurcationis media (i) und dextra (s), teils 
in eine Lgl. mediastinalis cranialis (3). Von dem an die linke Vor¬ 
kammer angrenzenden Teil der rechten Vorkammer gesellen sie sich 
zu den Lymphgefäßen vom rechten Teil der linken Vorkammer und 
steigen mit ihnen zur Lgl. bifurcationis media in die Höhe (i); aus¬ 
nahmsweise können diese Lymphgefäße aber auch im Sulcus coronarius 
kaudal verlaufen und sich mit den Lymphgefäßen der linken Kammer¬ 
wand vereinigen (s. S. 640). Von dem übrigen Teil der rechten Wand 
der rechten Vorkammer steigen die Lymphgefäße teils in die Höhe 
zur Lgl. bifurcationis dextra ( 2 ), teils vereinigen sie sich zu einem 
Gefäß, das an der V. cava cranialis halswärts zu einer Lgl. mediasti¬ 
nalis (cranialis) ( 3 ) verläuft, teils wenden sie sich nach dem Sulcus 
coronarius (d'), in dem sie sich zu den entsprechenden Lymphgefäßen 
der rechten Kammerwand gesellen (s. S. 640). Von der linken Wand 
der rechten Vorkammer wenden sie sich zur Lgl. bifurcationis media 
und manchmal auch zur Lgl. bifurcationis dextra, vom linken Herz¬ 
ohr (Fig. 21 c) und dem diesem benachbarten Teile der rechten Vor¬ 
kammer über beide Flächen derselben nach dem Sulcus coronarius, 
in dem sie sich mit den entsprechenden der rechten Kammer ver¬ 
einigen und mit ihnen zur Lgl. bifurcationis sinistra (Fig. 21 l) und 
ev. einer Lgl. mediastinalis (cranialis) ziehen (s. S. 640 und Fig. 21 m). 

e) Die Lymphgefäße der Kamraerscheidewand kommen in 
beiden Längenfurchen zum Vorschein und gesellen sich hier zu den 
Lymphgefäßen der Kammerwand. 

f) Lymphgefäße der Papillarmuskeln. Von den 2 Papillarmuskeln 
der linkeifKammer gehen die Lymphgefäße des der linken Längsfurche benach¬ 
barten Papillarmuskels von der Basis desselben aus durch den linken Teil der 
Kammerwand hindurch und gesellen sich zu den in der linken Längsfurche 
(Fig. 21 o) aufsteigenden Lymphgefäßen, während die von dem der rechten Längs¬ 
furche benachbarten Papillarmuskel in gleicher Weise zu den Lymphgefäßen in der 
rechten Längsfurche (Fig. 18 e) sich gesellen. Von den 2—3 Papillarmuskeln 
der rechten Kammer treten die Lymphgefäße des hinteren-rechten Papillar¬ 
muskels nahe der rochten Längsfurche durch den ventralen Teil der Seitenvrand 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


643 


der rechten Kammer, gelangen in die rechte Längsfurche (Fig. 18 e) und gesellen 
sich zu den anderen Lymphgefäßen derselben. Die Lymphgefäße des linken-vor¬ 
deren bzw. der 2 linken - vorderen Papillarmuskeln durchbohren nahe der linken 
Längsfurche den ventralen Teil der Seitenwand der rechten Kammer' und gesellen 
sich zu den Lymphgefäßen, die in der linken Längsfurche (Fig. 21 o) in die Höhe 
steigen. An den Papillarmuskeln treten die Lymphgefäßstämmchen an deren Basis 
hervor und gelangen von hier aus zur Seitenwand mindestens zu einem Teile ent¬ 
lang der Quermuskeln. 

Die Lymphgefäße eines jeden Papillarmuskels vereinigen sich zu 2—4Stämmchen. 

Unter dem Endokard der Papillarmuskeln füllt sich ein ungemein reiches, 
feines Netzwerk. 

g) Die Lymphgefäße des Endokardium und des Epi- 
kardium verhalten sich genau so wie beim Rinde (S. 148 u. 149 
des Lymphgefäßsystems des Rindes [6]), d. h. die Endokardlymph¬ 
gefäße bilden unter dem Endokard reichliche Netze, die an dicken 
Endokardstellen, z. B. an der Spitze der Papillarmuskeln, selbst 
mehrschichtig werden können. Die aus ihnen sich entwickelnden 
Lymphgefäße treten in den Herzmuskel ein, durchsetzen denselben 
allmählich in schräger Richtung und gesellen sich dabei zu den 
Lymphgefäßen des Myokards. 

Die Lymphgefäße des Epikards sind von den subepikardial 
verlaufenden Lymphgefäßen des Myokards nicht zu trennen. 

3. Lymphgefäße der Aorta lassen sich beim Hunde zweifels¬ 
frei injizieren. Es wurden injiziert Lymphgefäße vom Arcus aortae 
und dem angrenzenden Teile der Aorta thoracica (Fig. 17 3); es waren 
sehr feine Lymphgefäße, die zu einer Lgl. mediastinalis cranialis 
(dem an der linken Seite der V. cava cranialis nahe dem Arcus aortae 
gelegenen Knoten) (»') zogen. 

Vom mittleren Teil (Fig. 17 3') der Aorta thoracica ziehen die 
Lymphgefäße teils zu den Lgl. mediastinalis craniales (a 1 ), teils zur 
Lgl. bifurcationis media (b 1 ). Ist eine Lgl. intercostalis vorhanden, 
mündet ein Teil der ersteren auch in diesen Knoten ein. 

Vom kaudalen Teil der Aorta thoracica (Fig. 17 s») münden 
die Lymphgefäße, die sich zu 1—2—3 Stämmchen vereinigen, in die 
beiden Lgl. lumbales aorticae craniales, von der Aorta abdominalis 
in die Lgl. lumbales aorticae und die Lgl. iliacae mediales. 

N. Lymphgefäße des Auges. 

Von Lymphgefäßen des Auges gelang es zu injizieren die Lymph¬ 
gefäße der Augenlider, Tränenkarunkel, Tränendrüse, ferner 
der Gland. zygomatica; die letzteren Lymphgefäße sind jedoch, da 

41* 



644 


HERMANN BAUM, 


die Gland. zygomatica nur als die in die Orbita gerückte dorsale 
Backendrüse aufzufassen ist, bei den Lymphgefäßen der Verdauungs¬ 
organe (S. 606) beschrieben. Von den erwähnten Teilen des Auges 
ziehen die Lymphgefäße zur Lgl. parotidea und den Lgl. mandi¬ 
bulares. 

1 . Die Lymphgefäße der Augenlider (Fig. 13 u undv) und zwar 
aller Schichten dieser (einschl. Conjunctiva und der Tränenkarunkel) 
ziehen teils zur Lgl. parotidea (i), teils zu den Lgl. mandibulares (a, a-)- 

Sie wurden vom oberen, vom unteren und vom 3. Augenlid und 
von der Tränenkarunkel aus injiziert und zogen von jedem dieser 
Augenlider und auch von der Tränenkarunkel zu beiden Lymph¬ 
knotengruppen hin; sie gesellen sich dabei zu den entsprechenden 
Hautlym phgef äßen. 

2. Die Lymphgefäße der Tränendrüse suchen auch die 
Lgl. parotidea und die Lgl. mandibulares auf; die ersteren Lymph¬ 
gefäße gesellen sich zu den entsprechenden Lymphgefäßen des oberen 
Augenlides, die letzteren treten in der Nähe der Tränenkarunkel 
hervor und gesellen sich zu den Lymphgefäßen dieser und des unteren 
Augenlides, die am vorderen Masseterrande herabziehen zu den Lgl. 
mandibulares. 

3. Lymphgefäße der Angenmastaln und des Augenbolbas 
zu injizieren ist trotz wiederholter Versuche nicht gelungen. 

0. Lymphgefäße des Ohres. 

Von den Lymphgefäßen des Ohres wurden nur die des äußeren 
Ohres untersucht. Sie münden in die Lgl. parotidea , die Lgl. retro- 
pharyngea und die Lgl. cervicales superficiales. 

1 . Die Lymphgefäße der Ohrmnskeln ziehen teils zur Lgl. 
parotidea, teils zu den Lgl. retropharyngeae. 

Vom M. scutularis und den Einwärtsziehern der Muschel 
gehen die Lymphgefäße, indem sie sich zu 2—3 Stämmchen ver¬ 
einigen, zur Lgl. parotidea. Aus den Auswärtsziehern der Ohr¬ 
muschel entstehen auch in der Regel 2 Lymphgefäße, die in die 
Lgl. retropharyngea medialis und, falls eine Lgl. retropharyngea 
lateralis zugegen ist, zum Teil auch in diese einmünden. 

Der M. depressor auris schickt seine Lymphgefäße, die sich 
in der Regel zu 2 Stämmchen vereinigen, zur Lgl. retropharyngea 
lateralis und medialis. 

Die Lymphgefäße des M. stylohyoideus s. S. 603. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


645 


2 . Die Lymphgefäße der Ohrmuschel (Fig. 13 und 14) ziehen 
zum größeren Teile zu den Lgl. cervicales superficiales (Fig. 13 3), zum 
kleineren Teile zu der Lgl. retropharyngea lateralis (Fig. 14 s") und 
medialis (Fig. 13 12 ) and der Lgl. parotidea (Fig. 13 1 ), und zwar ge¬ 
sellen sich die Lymphgefäße vom Muschelknorpel, von der Haut an 
der Innenseite und von der Haut an der Außenseite des Muschel¬ 
knorpels zu einander, so daß sie gemeinschaftlich beschrieben werden 
können. Die Lymphgefäße der Haut an der Innenseite des Muschel¬ 
knorpels bilden subkutan grobe Netze; die aus diesen sich ent¬ 
wickelnden Lymphgefäße treten durch den Muschelknorpel hindurch, 
nehmen dabei die Lymphgefäße des letzteren auf und gesellen sich 
zu den Lymphgefäßen der Haut an der Außenseite der Ohrmuschel. 
Die letzteren bilden grobe, über den gesamten Muschelrücken verteilte, 
subkutan gelegene Netze, die mit denen der Haut der Scheitelgegend 
zusammenfließen, und aus denen sich eine größere Anzahl Lymph¬ 
gefäße entwickeln. Die meisten von diesen gesellen sich zu den 
Lymphgefäßen der Haut der Nackengegend (s. S. 578) und ziehen mit 
ihnen zu den Lgl. cervicales superficiales (Fig. 13 3). Ein kleinerer, 
wesentlich von der dem lateralen Ohrmuschelrande benachbarten Partie 
der Ohrmuschel verläuft an der kaudalen Seite des knorpeligen Ge¬ 
hörganges oder dicht beckenwärts von ihm in Form von 3—5 Lymph¬ 
gefäßen herab zur Lgl. retropharyngea lateralis und medialis (Fig. 13 12 
und 14 s“ und u), ein dritter, wesentlich von der dem medialen Ohr¬ 
muschelrande benachbarten Partie der Ohrmuschel stammender Teil 
endlich steigt direkt vor der Ohrmuschel in Form von 2—3 Lymph¬ 
gefäßen zur Lgl. parotidea (Fig. 13 x) herab, dabei teils die Oberfläche, 
teils die Unterfläche der Einwärtszieher der Ohrmuschel kreuzend. 

P. Lymphgefäße des Nervensystems. 

Die Lymphgefäße und Lymphbahnen des Nervensystems (Hohl¬ 
raumsystem des Gehirn- und Rückenmarks und ihrer Hüllen, Lyraph- 
bahnen der zerebrospinalen Nerven) verhalten sich beim Hunde genau 
so, wie ich es für das Rind in meiner Abhandlung über die Lymph¬ 
gefäße des Nervensystems des Rindes [5] geschildert habe. Ich 
habe meine diesbezüglichen Ergebnisse beim Rinde kurz dahin zu¬ 
sammengefaßt : 

„daß bei vorsichtiger Injektion des Subarachnoidealrauines 1 . sich nicht auch 
der Subdural raum füllt; 2. daß die injizierte Flüssigkeit vom Subarachnoidealraum 
in das Venensystem Übertritt; 3. daß sich vom Subarachnoidealraum aus Lymph¬ 
gefäße der Nasenhöhle füllen; 4. daß sich die injizierte Flüssigkeit vom Sub- 



G46 


HERMANN BAUM, 


aracbnoidealraura aus in die (subarachnoidealen) Lympbspalten der zerebrospinalen 
Nerven fortsetzt und zwar aller zerebrospinalen Nerven, womit natürlich nicht 
gesagt sein soll, daß in jedem einzelnen Falle die (subarachnoidealen) Lymphspalten 
aller Zerebrospinalnerven sich füllen; das wird von kleinen Zufälligkeiten abhängig 
sein. Ich habe aber wiederholt Injektionen der Nerven, und zwar sowohl der zere¬ 
bralen als der spinalen, bis in ihre Endverzweigungen verfolgen können, z. B. beim 
N. hypoglossus bis in die Zunge, beim N. infraorbitalis bis in die Oberlippe, bei 
den Hals- und Interkostalnerven bis zu deren Hautzweigen oder bei den Interkostal¬ 
nerven entlang der ganzen Rippen bis zum Sternum herab, beim N. ischiadicus 
bis zur Kniegegend. Interessant war, daß selbst in den Verbindungs¬ 
zweigen der spinalen Nerven zum N. sympathicus die Lymphspalten 
derselben sich füllten und in ihnen die Farbflüssigkeit bis in die 
Ganglia sympathica vordrang und auch diese injizierte. Weiterhin 
konnte ich aber auch vom Subarachnoidealraum aus, worauf bis jetzt meines 
Wissens noch von keiner Seite aufmerksam gemacht worden ist, einwandsfreie 
Lymphgefäße füllen, die in Begleitung der zerebrospinalen Nerven die Schädelhöhle 
und den Wirbelkanal verlassen und in entsprechende Lymphknoten (Lgl. retro- 
pharyngeae, pteryoidea, mandibularis, cervicales profundae, cervicales superficiales, 
axillares primae costae, intercostales, mediastinales craniales und dorsales, lumbales 
aorticae und hypogastricae) einmünden. Die Lymphgefäße, die sich injizieren, 
füllen sich aber nicht vom subarachnoidealen Raum aus direkt, sondern von den 
Lymphspalten der zerebrospinalen Nerven aus und zwar kurz nach deren Austritt 
aus dem Gehirn und Rückenmark bzw. nach dem Austritt des betreffenden Nerven 
aus dem For. intervertebrale.“ 

Diese Befunde habe ich beim Hunde im allgemeinen 
vollkommen bestätigen können mit den selbstverständlichen Ab¬ 
weichungen, die sich aus dem abweichenden Verhalten der Lymph¬ 
knoten ergeben. Von der Schädelhöhle aus mündeten beim Hunde 
die Lymphgefäße nur in die Lgl. retropharyngea medialis, vom Hals¬ 
wirbelkanal aus in die Lgl. mediastinales, vom Subarachnoideal¬ 
raum der Brustwirbelsäule aus in die Lgl. mediastinales, Lgl. 
intercostalis und Lgl. lumbales aorticae craniales , vom Lenden¬ 
wirbel- und Kreuzbeinkanal aus in die Lgl. lumbales aorticae , 
Lgl. iliacae mediales und hypogastricae. 

Bei Injektion in den Subduralraum konnte ich in Ueberein- 
stimmung mit den Befunden beim Rinde feststellen, daß der Subdural¬ 
raum vom Ventrikelsystem, von dem Subarachnoidealraum und den 
inneren Saft bahnen des Gehirns getrennt ist und erst peripher zu- 
sammenhängt, weil vom Subduralraum die Injektionsflüssigkeit in 
gleicher Weise in das Venensystem Übertritt wie vom Subarachnoideal¬ 
raum aus (d. Nähere darüber s. in meinem erwähnten Artikel); ich konnte 
weiterhin auch beim Hunde in gleicherweise wie beim Rinde feststellen, 
daß auch bei Injektion in den Subduralraum die Injek¬ 
tionsflüssigkeit in die (subduralen) Lymphspalten aller 



Das Lyraphgefäßsystera des Hundes. 


647 


zerebrospinalen Nerven eindringt bzw. eindringen kann 
und daß sich von diesen Lymphspalten aus Lymphgefäße 
füllen, die das gleiche Verhalten zeigen wie die von den 
Nerven nach Injektion in den Subarachnoidealraum ent¬ 
springenden Lymphgefäße, die vorstehend ausführlich ge¬ 
schildert worden sind. Diese letztere Tatsache erklärt sich 
daraus, daß in den Nerven die subduralen und subarachnoidealen 
Lymphspalten nicht getrennt sind, sondern miteinander kommuni¬ 
zieren, bezw. ein Lymphspaltensystem bilden. Es hat mithin das 
Lymphspaltensystem eines Nerven abführende Lymphgefäße. 

Die Technik, die ich beim Hunde zur Injektion der Lymphräume und 
Lymphgefäße des Nervensystems anwandte, war dieselbe, wie die in meinem zitierten 
Artikel ausführlich für das Rind angegebene. Es sei nur hervorgehoben, daß es 
bei den kleinen Verhältnissen des Hundes kaum möglich ist, die Kanüle an einer 
Stelle des Subduralraumes des Rückenmarks einzuführen und festzubinden, ohne 
daß man dabei die Arachnoidea zerstört; infolgedessen wird wohl stets die Injektions¬ 
flüssigkeit nicht allein in den Subduralraum, sondern auch in den Subarachnoideal¬ 
raum eindringen. Will man jeden der beiden Räume für sich injizieren, so kann 
man nur so verfahren, daß man bei einer mit dem Kopfe nach unten aufgehängten 
vorderen oder einer mit dem Schwänze nach unten aufgehängten hinteren Hälfte 
eines Hundes die Kanüle einfach in den Subduralraum vorsichtig einführt, nun 
aber nicht abbindet, sondern die Kanüle leicht an die Umgebung befestigt, einen 
Glastrichter aufsetzt und in diesen die Flüssigkeit gibt. Die Injektion dauert dann, 
weil der angewandte Druck ein äußerst kleiner ist, natürlich viel länger. Es 
machte weiterhin den Eindruck, als ob beim Hunde die Injektionsflüssigkeit sowohl 
vom Subdural- als auch vom Subarachnoidealraume aus viel leichter und in relativ 
größeren Mengen in das Venensystem überträte, als das beim Rinde der Fall ist; 
es füllen sich bei solchen Injektionen leicht große Teile des Venensystems bis zu 
dessen feinsten Verzweigungen. 


Literaturverzeichnis. 

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Mensohen von Bardeleben. Jena 1909. III. Bd. 4. Abt. — 2) Derselbe, Ueber die 
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und ebenda 1906. S. 250. — 3) Baum, Die Lymphgefäße der Muskeln und Sehnen¬ 
scheiden der Schultergliedmaße des Rindes. Anat. Hefte. Heft 134. (44 Bd.) — 
4) Derselbe, Die Lymphgefäße der Milz des Rindes. Ztschr. f. Infektionskrank¬ 
heiten, parasit. Krankh. u. Hyg. d. Haustiere. 1911. 10. Bd. 6. Heft. — 5) Der¬ 
selbe, Die Lymphgefäße des Nervensystems des Rindes. Ztschr. f. Infektions¬ 
krankheiten, parasit. Krankh. u. Hyg. d. Haustiere. 1912. 12. Bd. 5. Heft. — 
6) Derselbe, Das Lymphgefäßsystem des Rindes. Berlin 1912. — 7) Derselbe, 
Die Lymphgefäße der Leber des Hundes. Ztschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1916. 
26. Jahrg. Heft 15. — 8) Derselbe, Können Lymphgefäße direkt in das Venen¬ 
system einmünden? Anat. Anzeiger. 1916. 49. Bd. — 9) Derselbe, Die Lymph¬ 
gefäße der Gelenke der Schulter- und Beckengliedmaße des Hundes. Anat. Anz. 
1916. 49. Bd. — 10) Derselbe, Die Lymphgefäße der Haut des Hundes. Anat. 



648 


HERMANN BAUM, 


Anzeiger. 1917. 50. Bd. —- 11) Derselbe, Die Lymphgefäße der Skelottmuskel 
des Hundes, ihrer Sehnen und Sehnenscheiden. Bericht über d. Königl. Tierarzt! 
Hochschule in Dresden f. d. ^Jahr 1917. — 12) Derselbe, Die im injizierten Zu 
stände makroskopisch erkennbaren Lymphgefäße der Skelettknochen des Hundes 
Anat. Anzeiger. 1918. Bd. 50. — 13) Derselbe, Lassen sich aus dem anato 
mischen Verhalten des Lymphgefäßsystems einer Tierart Schlüsse auf dasjenige 
anderer Tierarten ziehen? Unterschiede im Lymphgefäßsystem zwischen Rind und 
Hund. Anat. Anzeiger. 1918. 51. Bd. — 14) Bücher, Topographische Anatomie 
der Brusthöhlenorgane des Hundes mit besonderer Berücksichtigung der tierärtzl. 
Praxis. Diss. Dresden 1909. — 15) Chauveau-Arloing, Traitö d’ Anatomie 
Comparee des Animaux Domestiques. 5. Aufl. von Lesbre. Paris 1903. — 16) 
Dybkowsky, Leber Aufsaugung und Absonderung der Pleurawand. Berichte d. 
Sachs. Gesellschaft d. Wissensch. 1866. — 17) Ellenberger und Baum, Hand¬ 
buch der Vergleich. Anat. d. Haustiere. Berlin 1915. 14. Aufl. — 18) Dieselben, 
Anatomie des Hundes. Berlin 1891. — 19) Franke, Ueber die Beziehung der 
Gallenblasenlympbgefäße zum Pankreas. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. 1911. 
III. Bd. — 20) Gurlt, Anatomische Abbildungen der Haussäugetiere. 1829. — 
21) Huber^ Der Ductus thoracicus vom Pferd, Rind, Hund und Schwein. Disser¬ 
tation. Dresden 1909. — 22) Kumita, Lymphgefäße der Nieren- und Neben¬ 
nierenkapsel. Arch. f. Anat. und Entwicklungsgeschichte. Anat. Abt. 1909. — 

23) Martin, Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Stuttgart 1912—1915. — 

24) Merzdorf, Untersuchungen über das makroskopisch-anatomische Verhalten 
der Lymphknoten des Hundes und über den Einfluß des Lebensalters auf das 
relative Gewicht der Lymphknoten. Dissertation. Leipzig 1911. — 25) Sappey, 
Traite d* anatoraie descriptive. — 26) Schweitzer, Lymphgefäße des Zahnfleisches 
und der Zähne. Arch. für mikroskop. Anat. und Entwicklungsgeschichte. 1909. 

Bd. 74. — 27) Stahr, Bemerkungen über die Verbindungen der Lymphgefäße der 
Prostata mit denen der Blase. 1899. Anat. Anzeiger. Bd. 16. — 28) Walker, 
Ueber die Lymphgefäße der Prostata beim Hunde. Arch. f. Anat. u. Entwicklungs¬ 
geschichte. 1899. Anat. Abt. 


Register. 


Beckenlymphstamm 576. 
Blutlymphknoten 524. 

Ductus thoracicus 569. 

— trachealis 572. 
Eingeweidelymphstamm 576. 
Lendenzisterne 570. 

Lymphdrüsen siehe Lymphknoten und 
Lymphoglandulae. 

Lymphgefäße, Allgemeines 521. 

— des Afters 619. 

— der Aorta 643. 

— der Augenlider 643. 

— des Auges 643. 

— der Backe 606. 

— der Backendrüsen 606. 

— der Bauch- und Becken¬ 

höhle 561. 

— der Bauch- und Becken¬ 

wand 552. 


Lymphgefäße des Caecum 617. 

— der Clitoris 637. 

— des Colon 617. 

' — des Darmes 615. 

— des Dickdarmes 617. 

— des Ductus deferens 634. 

— des Dünndarmes 616. 

— des Duodenum 616. 

— des Euters 638. 

— der Faszien 582,derUnter- 
armfaszie 582, Fascia 
lurabodorsalis 583, Fascia 
lata 584, Fascia cruris 
584. 

— der Gallenblase 621. 

— des Gaumens 606. 

— des Gaumensegels C 

— des Gehirns und de. 

himhäute 645. 



Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


649 


iuskel: 
?d Zu- 

mir 


ii m 


[litv 


I:'I. 

I - 


Lymphgefäße der Gelenke 592, des Kie¬ 

fergelenkes 592, der Ge¬ 
lenke der Schulterglied¬ 
maße 592, der Gelenke 
der Beckengliedmaße 593. 

— der Geschlechtsorgane, 

männliche 632, weibliche 
636. 

— der Glandula parotis 609, 

sublingualis 608, sub- 
maxillaris 609. 

— der Harnblase 631. 

— des Harnleiters 681. 

— der Harnorgane 630. 

— der Harnröhre 632, 636. 

— der Haut 577, des Kopfes 

578, des Halses 578, der 
Schultergliedmaße 578, ; 
der Thoraxwand 579, der 
Brust 579, der Bauch¬ 
wand 579, der Becken¬ 
gliedmaße 580, des 
Schwanzes 580. 

— des Herzens und Herz¬ 

beutels 639. 

— des Hodens 633. 

— des Jejunum 616. 

— des Ileura 616. 

— des Kehlkopfes 624. 

— der Knochen 590, des 

Kopfes 590, des Rumpfes 
591, der Schulterglied¬ 
maße 591, der Becken¬ 
gliedmaße 591. 

— der Leber 619. ! 

— der Lippen 601. I 

— der Luftröhre 625. I 

— der Lungen 626. j 

— des Magens 613. 

— der Mandel 608. 

— des Mediastinum 597. 

— der Milz 622. 

— der Muskeln 585, der 

^ Muskeln des Kopfes 585, 

der Hals- und Thorax- , 
muskeln 586, der Stamm¬ 
gliedmaßenmuskeln 587, 
der Muskeln der Schulter¬ 
gliedmaße 587 und der 

Beckengliedmaße 588, der 
Lendenrauskeln 588, des 
Schwanzes 589, der Haut¬ 
muskeln 590, der Bauch¬ 
muskeln 590. 

— der Nase 623. 

der Nasenhöhle 623. 

’ *- des Nebenhodens 633. 

— der Nebenniere 632. 


Lymphgefäße des Nervensystems 646. 

— des Netzes 600. 

—- der Nieren 630. 

— des Oesophagus 610. 

— des Ohres 644. 

— der Ohrmuschel 645. 

— des Ovariura 636. 

— des Pankreas 621. 

— des Penis 635. 

— des Peritonaeum 599. 

— der Pleura 596. 

— des Präputium 634. 

— der Prostata 634. 

— des Rectum 619. 

— der Respirationsorgane 

623. 

— des Rückenmarkes 645. 

— der Schilddrüse 628. 

— des Schlundkopfes 609. 

— des Skrotum 632. 

— der Speicheldrüsen 608. 

— der Speiseröhre 610. 

— der Thymus 628. 

— der Tränendrüse 644. 

— des Uterus 636. 

— der Vagina 637. 

— derVerdauungsorgane601. 

— des Vestibulum vaginae 

637. 

— der Vulva 637. 

— des Zahnfleisches 604. 

— der Zunge 601. 

— des Zwerchfelles 593. 

Lymphknoten, Allgemeines 522. 

— der Bauch- und Becken¬ 

höhle 561. 

— der Bauch- und Becken¬ 

wand 562. 

— der Brusthöhlenorgane 

543. 

— der Beckengliedmaße 539. 

— des Halses 531. 

— des Kopfes 525. 

— derSchultergliedmaße537. 

— des Thorax 543. 

Lymphoglandula, Lymphoglandulae. 

— axillaris 537. 

— axillaris accessoria 538. 

— bifurcationis 550. 

— bronchiales 549. 

— cervicales profundae 
533. 

— cervicales superficiales 
531. 

— colicae 567. 

— duodenalis 565. 

— femoralis medialis 540. 

— gastrica 564. 



650 


HERMANN BAUM, Das Lymphgefäßsystem des Hundes. 


Lyraphoglandula, Lymphoglandulae. 

— hypogastricae 557. 

— jejunales 566. 

— iliaca medialis 555. 

— inguinalis prof. 560. 

— inguinales superficiales 
541. 

— intercostalis 543. 

— lienales 564. 

— lumbales aorticae 553. 

— mandibulares 526. 

— raediastinales 545. 

— parotidea 525. 


I Lymphoglandula, Lymphoglandulae. 

— poplitea 539. 

— portarum 562. 

— pulmonales 551. 

— oraentalis 565. 

— retropharyngea late¬ 

ralis 530, medialis 528. 

— sacrales 558. 

— sternalis 544. 
Milchbrustgang 569. 

Truncus intestinalis 576. 

— lumbalis 576. 

— lymphaticus dexter 575. 


Druck vou L. Schumacher in Berlin N.4. 




Archiv /. wisstnsckmftl, u. prakt. Tierheilkde. 44. Bd , 


Ausstreuung von Pilzteilcnin der zentralen Zone eines aitinomykot. Knötchens. 

Zeiß’ homog. Immcrs '/n- Ok 2. 


a) Pilzdruse, b) ausgestreute PilzteHe. 


KnochenresorptiöTi Tätige und ruhend^ Östebktaäten^ 
a) Knochen, b) tätige, C) ruhende Oieokiasten. Zeiß Ob], DP. Ok 2 


Lichtdruck NetncrPttenni#, Sjh 


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Archiv f ivissensckaftl. u prakt. Tierheilkds. 44. Bd. 


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Endostaie Knocheriappositicm juil^e K 

nochenhä 

ikchen, verkalkter Knochen durch : 

eescltwärri. a) Osteoklasten, t» Qsteqi 

d. c) v<? 

rkälkter K«<«dien ZeiB Obi T). ( 









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Archiv / Wissenschaft^ u. praki. Tierheükde. 44. Bd. Taf. IV 





Schubweise Knocheriappositian niicl? jewcls y^.VifSgegangenier Resorpiinrt. 
Mehrfache Ofeni-Märkeri.. aj aller krutk»«:», ö|: t> (> h 2) neugebiidstcr KWeh.cn 
; verscJjtcdeti^n Aiters c) Kfinfcfreowsrfe Zciß 0$>i A.Ök 1. 









Archiv f. vfissenschaftl a prakt Tierheilkde 44. Bä 


Taf, V 



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3 ) äkHiKvmjKk-fftischc? Kfi«Jt.cher?i jh> Spün^m3 des Knßcl.iQ>3v:. ^^örnpiikta d$% alten 
Knochens, dj pvriöstai iv^pehvergriSsseriin^. 

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Eidechse Ruhe 


Eidechse gereizt 


c. Dunkelfrosch gereizt 


B« Pupiifeiibew.egung 
während der Regung 









Archiv f wissenschuftl. u. prakt Tierheilkunde. 44. Bd. Suppt. 


Taf. IX. 



Bruck, Anatomische Studien Dürers, 


Lichtdruck tieinert-Htanlg Berlin S.42 





Archiv f. wissenschaftl u. prakt. Tierheilkunde. 44. Bd. Suppl. Taf X. 



Bruck, Anatomische Studien Dürers. 


■Lichtdruck Meinert-Pitnnig, Btrlin S 42. 




Archiv f. Wissenschaft’tl. u. prakt. Tierheilkunde. 44. Bd. Suppl. Taf. XL 



Bruck, Anatomische Studien Dürers. 


Lichtdruck rteirert-Hertnig Berlin S. 47, 






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StMii'tjr: i.titviK’iniüZulirhv /Ly mph 
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U.lf*n Seile >ii;r liiftUilihuiavr.ii Zahm*, 
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*6ffaen lvymp(igiditüö// •• ' Lyrhpli- 
gefälh? voa dtT Han f der Uttii+brustr. 
V *-o - L\ mplmrdriUr, dir .sich nach 
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):!;'•(.n ; s otifl !.»’* Uli»1 Y\ V- : 
»iud ’>h '/< nmi Yh S| »jod :>■ <lm- 
sri Len LyMiph.vcirii^^ (o LvmerL’L 
<h*> die •Atrdi.iVnid)Om* dherMrhroiter, 
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fUj&Jts aiiLiUdnmv /'i Ly0|tbgfi/^te f 
iBc in di*K Lg!~ 

/e'LyHiphgrrahv, 
die von ii(^r yölar^n op/eh der üor- 
saUn S*ile hnoliindimdon, ifi J<‘ 
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i’\• i*jfjirs sUpavjVmUvs /.leben. 

n H'.ieU**[»on>krlo,//M. 

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Archiv f. icissenschaftl. u. prakt. 3 


Taf. XV. 
Figur 16. 



Lgl. retropharyngea medialis and Lgl. 
cervicales des Höndes. 

Lgl. retropharyngea medialis, b Lgl. ccrvicalis 
c, & Lgl. cervicales caudales, d, d ' d " Lgl. 
superficiales, e Lgl. axillares, e‘ Lgl. axillaris 
, f Ductus trachealis sinister, g Vas efferens 
cervicales superficiales, i Ductus thoracicus 
n Endästen, k, k\ k", k“' Lymphgefäße vom 
l Lymphgefäß, das in eine Lgl. mediastinalis 
mündet, m, m\ m 2 , m 3 Lgl. mandibulares, n 
rcntia der Lgl. mandibulares, die zur Lgl. 
r ngea medialis der andern Seite gehen, 
hilddrüse, 2 V. axillaris, 3 V. jugularis ext., 
laris int., 5 Erste Rippe, 6 Luftröhre, 7 Oeso- 
M. serratus vcntralis, 9 M. scalenus, 10 M. 
'reoideus, 11 M. sternohyoideus, 12 Pharynx- 
lur, 13 M. longus capitis, 14 M. digastricus. 


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l ^tMminlrroöol.us, % Linker unc* v RerhtfV kranialer 
Tir?3n'L , Tm^. . : 

1 !4 r j . HifurcatKvniH sinisira, :J Lg!. 1-irur- 
■C&tiurus dexlra, H LgL bifureatiojus fuediH, i Lgi. 
puirnunalbs. 


Figur 22. 



a. n lUbdri) der Lulfr-din.*., b; b FTalstaii der Syehwo.Ure, r Venen (V axillaris. 

. jdguiam e<t. und iui.j, <1 M. stbmvthvro*>iiinos f <[. M. stenvü^vuideus', / M. thyreo- 
und. eru^i.liaryng^u.s, // H. byotbyrooidcu;,, h \\. hrntfoij*Jjary.ngcus. 

‘i-Vßgl, retiopharyngba nmiiaiL, >? Lgi. i-orvivttiis ••ratnalis. eervje&ija 

foedu, d }-oL rer*- 1 v*:ii»s eaudai-, .*< i.vTuphgtf^p \*>> 1 » \ Mia.ngsf.oii dm S>Hü*oh 
o; W UH'iba^liiwilos '’runiaios 7, 7 Ersftt Kiji|*e* aus. der;. cm S*m‘k ftmu.s* 
gesehnittcD ;iöfe 





Figur 24. Lymphgefäße und Lymphknoten der Bauchhöhle des Hundes; das 

Tier liegt auf dem Rücken, die Bauchhöhle ist geöflnet, die Bauch¬ 
höhlenorgane sind größtenteils zur Seite gelegt, bzw. herausgezogen. 
a Leber, b Milz, c Pankreas, A Jejunum, e Ileum, f Caecum, g Colon, 
h Rechte Niere, i Aorta, k Hohlvene, l Rechte Nebenniere, m Lendenrauskulatur, 
n V. portarum, o A. cocliaca, p A. mesenterica cranialis, q Gekröse mit Blutgefäßen, 
r Niederzieher und h Seitwärtszieher des Schwanzes, t A. und V. circumflexa 
ilium prof. 

1 Lgl. portarum dextra, -2 Lgl. portarum sinistra, 3, S l Lgl. lienales, 4, 4 1 , 
4 1 , 4 3 Lgl. jejunales, o Lgl. lumbales aorticae, 6 Lgl. lumbalis aortica cranialis 
dextra, 7, 7 l Lgl. iliacae mediales, 8 Lgl. hypogastricac, 9 Lgl. sacralis medialis, 
10 Lgl. sacralis lateralis, 11 Beckenlymphstamm, 13 Lendenzisterne, IS , IS, 13 
Eingeweidelymphstamm. 



SMi 








;ur 25. Lymphgefäße des Dünndarms und des Netzes eines auf dem Kücken 
liegenden Hundes. 

a Duodenum, 6, b ' Jejunum, c Ileum, d Caecum, c, t* Colon, f y f Netz (dor- 
e Wand); durch dasselbe schimmert der Magen hindurch, (j Pankreas, h Milz 
ölUenteils vorn Netz verdeckt), i Darmgekröse. I Durchschnittene Bauchwand. 

1 Lgl. omentalis, 3 Lgl. duodenalis, 3 Lgl. portarum dextra, 4 Lgl. lienalis, 
Lgl. colica dextra, 6‘, 6’ 2 Lgl. jejunales, 7 Lgl. colica media, H Truncus 

estinalis, U Lymphgefäß des Duodenum, das zur Lgl. jejunalis dextra ( 6 ) geht, 
A. mesenterica cranialis, 11 Truncus jejunalis. 




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.4rie*Äfc /. n. probt. Tn'yUcilhlf. ) i M Soppl, 


!(*I. XXII l 
Figur 26, 


Fferitv M< Lymphgefäße and Lymphknoten 
vom Magen,Milz, Pankreas, Duo 
deAnin mul IHeMarm dos lluttdesv 

Das Tier liegt aut dam Kucken, der 
OwuKiarm »st bis aut' den 
A.-Jangdej! des Dmxleumm 
und das; Flick das 11 cum 
hfc- weggemiiVHnen..; 

</ Lid. duodmialk, b LgT: 
pmdanitn deura, £ Lgi. fiffl* 
o j Urdtn mmini, i{' Lg!. 

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xicnUnjl wurden. :i.sf r.if\ Tm 1 

’^>-ÄF deiFaukrt^ lierauagesei*nii- 

^ ten v | ' Ud. mdic» dcx-ira, 

f, f Lgi. öolicae mediae. //, */ 
LgJ.coluue «inistrau, />, Lgf. 
jy.,-,; - ••' iu.iOl.mks aortkac, i Lg}. 

iOaeac medmles (damit äk> 
h und l 
wurden. ist ein Tod 
# (iun hm*fiiLSi>csi:hnittcu }; | 
fcjgiy bypogastrica, f Lydaph- 
geia.u des Öübdtnum'und /' 

’ /nd>i^>ö v&sPankreas,. diu w clvu LgL 
i-P mhm rjtjd riealmib. ;d>.:e*ehmtUm 
■?Mjd )W tvmphgetilßa dos Ttfcps uruj kektum^; 

> * ) ■; A. vfaij, diu? direkt zur Lenden/asterne 
; ! . iNLdiua. p, p Lv'mfiJjgedido de* 

- Ile H$m. die dorsale Seik des Ikk- 
•■ -m \.y\ Avp»-g^tricaö und i!iai^.M* 
rmujfetpn keltert. ‘ • . ’ .. • ' 

•'••• ■ m» d Duudcnum (ahgeadiudkmV ’> 

• • .s t / Milz, »wif Md/leovh zur Seite 
’ HiUut) lüKgCMdjüilUu)), d; Caecunu 
•:.•• * j «dun, jp I*:r-T.v t\ V : CMliml 

* • * V. euium nu din, || V. 

i) l i' V.. poüärkm. 7-5. /vmikHk 
' : v.t!nj-K;trs. hke'u. M 

i.i* ruf - 5 W redö»-'' V, 





■ircbtr I. >*f.vSY 7 ./ f v. //.«>/'/. Tis-rbrrlf^-. 4,*.. Bit ' 

ft 


27 .,.der:>:ifcrwi; 
tfo tf*r Ꭾd)ttortft und 
dm'u EwUnU*h gekgpms 
tvymphXti^M dt?s Hörnte«: 
das Tier ImcJ a<ii' *.letn »i* n kc n. 
die vvrdrtfle Bajidiwartd und 
die Bauehii<.diIcnoriiÄiic nm* 
auf die-Nieren) yi.nd imtterßt; 
Die Nieren ^iad öleht io gau?, 
nehti^vr tage gmdv'hufcd;. 
sondern liier erbte 
ist licvkt*nsvrii t.s 7 .ui utIlm 1 ' 
Jrä ngi,4a nd tgöwteeL^f mp)*- 
geföiin idugexcieduet w^nlen 
konnUin, 

n , u\n-7\*uehMt bLm- 
«jenmus 1>uId • i*\ r $ &l iie 1 jü 

. Haudh#&ü4y-4 Niedmiehet 

des 

Seh^anÄr-s'., j\ f Su:\ v\ % <; V. 
cayö- ^uv^H^VÄ iAwta äfcijo- 
miuttli*, if A. und V. eimtni 
ftifiifl dünn profund a «tr-.x Lra, 
/:.\. um] V. diae?) ew do\r.f?i Y 
? f A. und.- V. bypv^aslrinü 

i vinxtra. 

jfe / linke und /‘ rndlik 

Lg!. iumhaliv nur Lira eraiiin- 
!i~. (dm istv.mebvM. 

H ... :t;i( i; dm V. eava caudaji*,. 

7 in der Naht* der A. und 
V, renal»s geteemn LgL lüin- 

|8| bales a\ ; • ,r : EgL 

lumbale;; aonirae (die mit .7 

dnr-'h diu 
V. cnya Auu lali^ v ( m dcif^p 
7 i l f IIfenß tnodialns, 

d Lg). fiypuga.yru.*?k, fr Lgi 
H^.eral(- mrnlhilnsL/ tid. >.*- 
eraifa daißmJfeg 
gumaiis pr-ufu-H'b» | ti'hdc*!! 
L' vwteriio,. //> RerkeuiY mph 

j8|. sUunm* Ji Va<*a efierentik 

(k> Lei Siiguinaloi 
||m iiviates und dm- BgL kntofajß 

fueddii^ (y [f.n ihnen tritt ein 
Teil [ / T; du die Lgl. inguinal m 
prof uißla \J *\dmy /gf^ympb- 

m'l;d:. v Uiij md. dum \ svin- 

p.Htbieus U/id iS. spiau; !- ;■ ; 
mäjor vuu dm Tdmd m die 
Haaeidu iu, \ t i:> i,;. mph- 
iU’dil'U -ifv Zwei eliiid.is 








.h'dfiii' f. n'ifixvHSvliiifti. 


Pi£f»r 2$; f«v'uiptiSt‘t’aB^ h % r l,fbi»r -iIhk llumles (H*v ‘£w -Iwi* nom kii«ki*n: 

•i*;i•» ;• H'iit. ♦!»(> |“ •.*i• ^v % I)ri**1 1 c ö<!;' LeK'r). 

/ |m jr; 0] ; i::ü |>,-1 tTlKlHil licXTt'U, •.*»*, A". Llil hiUlhfilOH 

**nifna!»\s, d, v. / (Am!>i>üvjrü.!0, illv in dm T^a* ir*>.tea s d, A sulwviWe 

i-ymiihirrfiii’i’ dir 'oi’<prOs lu- p Ö£jft Ud i^rurum v^-iolpim f ly n tü-lv 

Alfer: f, r tim mit dnm • kmic •!» r 

v»n\Ruijcxi., '%■ S" Lyd IhtmIc.:*, 0.. W $UL^ßftg^ffl|ß d». von giä j[.«apoii,;-i, 
Flaohe ü\sv l^Uvr ^Auommu. ItK JO- [.ymph^f-ihi'r v-m o-r iisycraUm 

L«'.l.t<rfii»o)i.^ d:< /.n «lo»? Uri. .•>•«* • •ivii.UU: v - ; >\ j$|S /.Mmn. 

m r/ l.n^'fv ^ OaHonoia-o. n linU *§|| ?-' f0$ß Nmu* Ü, ifc NVImn.ii'-PMi. 
r V. j>V.irr;triinu [ V. i^lrm i.Mm üs. </ AmU; ft / \. itimUV*wf».iijin&lK. r . 

k-\.^wi\n omAiJo, f V, h'Ui!w;dvl*m-,jiv)iis ; m V mß&lik n altM-selmilk-.ru* S'p«*i -,m nt»! v 














it'cbiv f, (wmwMftJ, v. jVtxkf, fki bvH'kttt 1 / iid, knpi>l 


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linke Hauch- itü<\ Bocktwvand und der Dann sind weegtowfnmmi r der IVnpj ikt etwas 
vcm d»*r veidra-lm Huii*'d»\va.nd a Ureigen. 

/ I,l;! ib:u a mobiu ; !s. '.:' Lgl. !innhaL> ;it.rtd«:n\ .: Lg!, h.\ pi»g?HUi)JR y / Lg), inguinale^ m^er- 
u.dates. v Li*i s;>rr^lU Ltf-rraib. d. #■ LymvL^i'LtMi* rjfes Inteirumeni ida-i Lv^ des Praepuhdin^ 
f |>i't[.»•.nji'i.’d/ir 4 1<*r )I^» ; r«rd!ifr. H Ly uijdigdatf <i^ n ; ifold‘iv. das d«r arnimm Seite. <imbn* d 
<1 DaTrnKein (ddigrvfigD, /> ventrale Idaudiwanri ilinks von der Linea alba (idivh-oho'iifnnh 
< r ventrale tß/adu>»j\\ atid Minks’ VW der Med Wienern/ >l[i r<-hs<*hmit?riL <1 i 1 ><mfcrim11$ ku 1 at \\x :r . 
r Uirta. / liidjK.t fie y .linke- A. ifiami evteenu.. h dioltOvJY In ppgasn im. I llarnldäM*. i: \'yms)a\w. 
I H?t< nml,nv SnjenkuKi dm Uainbia.se u Harnleiter. n M .'■ oovr;, emH ‘abpiS. dmif ‘er» \ r - 

l-udu* Vn1 1 > M* a?i«iu<»Un\ !( M, > : M. in‘-ljiuc;iv^}f»OMis;, ■ iVlüv. / 'Uiriu!. 

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Figur 35. Lymphgefäße des Karpalgelenkes und der Vorderzehengelenke des 
Hundes. 

1 , 1 Lymphgefäße des Karpalgelenkes, die zu den Lgl. cervicales superficiales 
ziehen, V V Lymphgefäße des Karpalgelenkes, die in die Tiefe, d. h. in die Unter¬ 
armspalte treten, 2 Lymphgefäß, das in Begleitung der V. cephalica zu einer Lgl. 
eervicalis superficialis aufsteigt und das im weiteren Verlauf in Fig. 33 gezeichnet 
ist, 3 Lymphgefäße eines Mctakarpophalangealgelenkes, 4 Lymphgefäße eines zweiten 
Zehengelenkes, 5 Lymphgefäße eines dritten Zehengelenkes, 6 Lymphgefäß von dem 
Gelenk zwischen Mc. 1 und dem darauf folgenden Zehenglied. 


Figur 36. Lymphgefäße der Gelenke der Sehultergliedmaße des Hundes, mediale 
Seite. 

a Lymphgefäße vom Ellbogengelenk, 6, b\ b“ Lymphgefäße vom Karpalgelenk 
(&" tritt unter dem M. pronator quadratus hervor), c, c' Lymphgefäße des Schulter- 
gclenks (das mit c' bezeichnete kommt von der lateralen Seite des Schultergelenks), 
d Lgl. axillaris. 

1 M. subscapularis, 2 M. teres major, 3 M. coracobrachialis, 4 M. biceps, 
5 M. extensor carpi radialis, 0 M. pronator quadratus, 7, 7 ' M. flexor carpi radialis, 
(ein Stück aus ihm herausgeschnitten), 8 M. flexor digitalis sublimis. 


Figur 37. Lymphgefäße des Hilft-, Knie- und Tarsalgelenkes des Hundes. 

a, a! Lymphgefäße vom Hüftgelenk, b Lymphgefäße des Kniegelenkes, die an 
dessen medialer Seite hervortreten, c Lymphgefäße von der lateralen und hinteren 
Seite des Kniegelenkes und Vasa efferentia der Lgl. poplitea, d, d! Lymphgefäße 
des Tarsalgelenkes, die an dessen medialer Seite hervortreten, e Lgl femoralis 
medialis, e! deren Vas elTerens, f Lgl. inguinalis profunda, f‘ deren Vasa efferentia, 
g Lgl. iliaca medialis. 



Archiv f. uisseuschaftl. u. prakt. TicrheillnJe, 44. Bll. Suppt. 


Taf. XXXI. 
Figur 33, 36 u. 37,